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VORLESUNGEN ÜBER DIE ALGEBRA DER LOGIK (EXAKTE LOGIK)
ERSTER BAND. MIT VIEL FIGUREN IM TEXTE.
Der Mensch ist nicht geboren, das Problem der Welt zu lösen, wohl aber, zu suchen, wo das Problem angeht, und sich sodann in den Grenzen des Begreiflichen zu halten. (Goethe, Eckermann's Gespräche; Okt. 1825. )
Ich sag 'es dir: ein Kerl, der spekulirt, Ist wie ein Tier, auf dürrer Haide Von einem bösen Geist im Kreis herumgeführt, Und rings ist frische grüne Weide. (Derselbe (Mephisto). )
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LEIPZIG,DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER. 1890.
[I]
VORLESUNGEN ÜBER DIE ALGEBRA DER LOGIK (EXAKTE LOGIK)
ERSTER BAND. MIT VIEL FIGUREN IM TEXTE.
Der Mensch ist nicht geboren, das Problem der Welt zu lösen, wohl aber, zu suchen, wo das Problem angeht, und sich sodann in den Grenzen des Begreiflichen zu halten. (Goethe, Eckermann's Gespräche; Okt. 1825. )
Ich sag 'es dir: ein Kerl, der spekulirt, Ist wie ein Tier, auf dürrer Haide Von einem bösen Geist im Kreis herumgeführt, Und rings ist frische grüne Weide. (Derselbe (Mephisto). )
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LEIPZIG,DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER. 1890.
[II][III]

Anzeige und Vorwort.

Aus dem Titel wird der Leser ersehen, dass es sich nur um die sogenannte deduktive oder formale Logik handelt. Die rechnerische Behandlung der deduktiven Logik, durch welche diese Disziplin sich loslöst von den Fesseln, worein die Wortsprache durch die Macht der Gewohnheit den Menschengeist geschlagen, möchte wol die Bezeichnung als exakte Logik vorzugsweise verdienen. Sie allein auch vermag den Gesetzen des folgerichtigen Denkens den schärfsten, konzisesten und übersichtlichsten Ausdruck zu geben und befindet sich zufolge dieses Vorzugs in der Lage, zahlreiche und bedeutungsvolle Lücken wo nicht Fehler der älteren Darstellungen zu offenbaren.

Seit dem Erscheinen von des Verfassers Operationskreis des Logikkalkuls hat diese Behandlung noch höchst bedeutende Fort - schritte gemacht: vor allem durch die Arbeiten des Amerikaners Charles S. Peirce und seiner Schule. Namentlich gebührt Herrn Peirce das Verdienst, die Brücke von den älteren blos verbalen Be - handlungen jener Disziplin zu der neuen rechnerisch zuwerke gehenden geschlagen zu haben, eine Brücke, welche im Lager der Berufsphilo - sophen mit Recht vermisst worden und deren Fehlen es wol zuzu - schreiben ist, dass die neue Richtung daselbst zum Teil nur mit Befremden aufgenommen wurde. Durch jene Arbeiten, in welche noch Verfasser nicht unwesentlich eingreift, ist die Theorie nun so weit entwickelt und vollendet, dass für einen ersten und Hauptteil des ganzen Lehrgebäudes bereits eine endgültige Darstellung und Anord - nung als erreichbar erscheint.

Mit dem Bestreben, solche, soweit es in seinen Kräften steht, zu verwirklichen, verbindet Verf. zugleich die Absicht, von der schon sehr ansehnlichen Literatur, welche besonders in englischer Sprache einschlägig existirt, das Wertvollste in einheitlicher Darstellung zu einem Handbuch zu vereinigen.

Soweit die Anzeige. Inwieweit es mir gelungen, obiges Ideal zu verwirklichen, werden Diejenigen zu beurteilen in der Lage sein,a*IVVorwort.die das Buch studiren und die bisherige thunlichst vollständig von mir zusammengestellte Literatur mit in Vergleichung ziehen. Unge - achtet meines Strebens, das Werk so vollkommen wie nur möglich zu gestalten, kann das verhehle ich mir keineswegs dasselbe in mancher Hinsicht doch nur ein Kind seiner Zeit geworden sein. Gleichwol darf ich vielleicht die Hoffnung hegen, dass auch Vieles, was aus demselben hervorleuchtet, für alle Zeiten maassgebend bleiben wird.

Was sonst noch über die Eigenart des Buches zu sagen ist, findet sich in C der Einleitung dargelegt, und begnüge ich mich hier, nur einiges Wenige noch zu bemerken.

Durch den Anblick der Formeln des Buches ist es nahe gelegt im voraus zu statuiren: dass mathematische Vorkenntnisse oder irgend welche spezifische Fachkenntnisse in demselben nicht vorausgesetzt werden. Vielmehr passen auch hier die einer Dedekind'schen Schrift jüngst vorausgeschickten Worte: Diese Schrift kann Jeder verstehen, welcher das besitzt, was man den gesunden Menschenverstand nennt . Aber auch dieses Wort wird gleichwol zutreffen (eines andern Autors): Die Schöngeister freilich, nicht gewöhnt an so strenge Anforderungen des Denkens, werden frühzeitig kehrt machen.

Eine Ausnahme zu oben Gesagtem bildet nur der Anhang 7, der sich ausschliesslich an Mathematiker wendet, und vielleicht in einem geringen Grade noch der Anhang 5, indem er wenigstens den Begriff der mathematischen Funktion voraussetzt. Überhaupt aber dürfte eine Bekanntschaft mit den Elementen der Buchstabenrechnung, so weit sie etwa in Tertia eines Gymnasiums gelehrt zu werden pflegt, bei dem Leser als immerhin wünschenswert zu bezeichnen sein.

Vermittelnd wendet sich das Buch an zwei nur allzu verschieden disponirte Leserkreise: an die Mathematiker und an die Philosophen.

Wenn ich mit Ausführlichkeit auch solche Geistesoperationen be - spreche, deren Analoga in ihrer Anwendung auf das Reich der Zahlen dem Mathematiker längst geläufig sind, so glaube ich mich für diese Ausführlichkeit entschuldigt halten zu dürfen nicht nur durch die wünschenswerte Rücksichtnahme auf den nicht mathematisch gebildeten Leser, sondern auch darum, weil es im didaktischen Interesse liegt, im Interesse auch einer Erziehung zum guten Lehrer, die Aufmerksam - keit zu zwingen, dass sie bei solchen Punkten verweile, bei denen der Anfänger zu straucheln oder Schwierigkeiten zu finden pflegt. Über - haupt liegt hier auch nicht der Fall vor, dass wie in der Mathe -VVorwort.matik eine in den Grundzügen schon fertige Kunstsprache vor - handen ist, durch jahrhundertelangen Usus von jedem Doppelsinn gereinigt und zufolge dessen eine knappe Ausdrucksweise ermöglichend, sondern unsre junge Disziplin muss sich die ihr erforderliche Kunst - sprache zum grossen Teil erst schaffen, und eventuell auch, soweit vereinzelte Anläufe dazu vorliegen, zunächst erst aus einer schon fast babylonischen Sprachverwirrung herauszukommen suchen.

Philosophen mögen andrerseits etwaige im Kontext erfolgende Seitenblicke auf Fragen von spezifisch mathematischem Interesse ge - neigtest mit in den Kauf nehmen.

Was auf Zahlen Bezug hat, fällt der Arithmetik anheim, die man ja als einen Zweig der deduktiven Logik (im weiteren Sinne) betrachten mag. Ich habe mich hier bemüht, das numerische Element der Logik nach Möglichkeit zurücktreten zu lassen und von ihm gesondert die Logik im engeren Sinne darzustellen. Die noch wenig zahlreichen An - wendungen, welche von den Begründern und Bearbeitern der logischen Algebra gemacht worden sind auf numerische Probleme insbesondre als Studien über numerisch bestimmte Syllogismen und in Aufgaben der Wahrscheinlichkeitsrechnung habe ich deshalb nicht in das System aufgenommen. Die Berücksichtigung der letzteren würde mich überdies genötigt haben, auf die Kontroversen einzugehen, welche über die Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung noch schweben. Solches, wie ich hoffe, nur auf eine andre Gelegenheit zurückstellend, begnügte ich mich zunächst, mit Anhang 7 wenigstens darzuthun, wie die neue Disziplin auch für Probleme der in Zahlen rechnenden Analysis verwertbar.

Seines Umfanges halber musste ohnehin das einheitlich veranlagte Werk in zwei Bände zerlegt werden.

Die allgemein-philosophisch gehaltene Einleitung , mit ihren drei Teilen etwa drei von unsern Vorlesungen entsprechend, ist fast schon ein eigenes Buch geworden; und möchte ich an eine etwaige Kritik das Ersuchen stellen, dieselbe von dem Hauptinhalte des Werks, welcher mit der ersten Vorlesung beginnt, getrennt halten zu wollen. Besonders viel verdanke ich in Bezug auf sie dem Studium der Schriften von Sigwart, Mill und Jevons, aus der Lektüre von deren oft citir - ten Werken mir zuweilen auch eine Reminiscenz wol wörtlich in die Feder geflossen sein mag, ohne als solche in jedem Falle gekenn - zeichnet zu werden. Dem Lehrer habe ich unter μ) in A der Ein - leitung ein Mittel an die Hand gegeben um nötigenfalls diese ganzVIVorwort.zu überspringen und sogleich mit § 1 in medias res einzutreten: wer solches vorzieht, kann das jeweils Unumgängliche aus unsern Vor - betrachtungen nach Bedarf in die Theorie einschalten.

Für das Vierteljahrhundert, welches seit dem Erscheinen von Boole's Laws of thought nunmehr verflossen, gibt das Buch (noch mannigfach vermehrt) auch eine wol nahezu vollständige Sammlung aller Aufgaben, welche zu denkrechnerischer Lösung seither gestellt worden.

Grossen Dank verdient jedenfalls der Verleger dafür, dass er es unternommen, eine so umfangreiche Schrift, welche so hohe und neue typographische Anforderungen stellte und sich in Deutschland ihren Leserkreis doch erst wird erobern müssen, zu drucken und in der vor - liegenden Weise auszustatten.

Der Umstand, dass die deutsche Übersetzung von Liard's Schrift über die Logiciens anglais contemporains , welche einer Kritik sich enthaltend nur über deren Arbeiten referirt, bereits die zweite Auflage erlebte, lässt mich indess hoffen, dass für die neue Richtung doch schon in weiten Leserkreisen ein Interesse vorhanden, und dass eine systematische und kritische Überarbeitung und Weiterführung dieser Forschungen um so willkommener sein werde.

Ich schliesse mit dem etwas verwegenen Wunsche, dass meine englischen und amerikanischen Mitarbeiter ihre Arbeiten in der meinigen geläutert wiederfinden und aus derselben nicht weniger Anregung und Förderung schöpfen mögen als ich aus den ihrigen geschöpft habe.

Karlsruhe in Baden, im März 1890.

[VII]

Inhalt des ersten Bandes.

  • Seite
  • Anzeige und VorwortIII
  • Einleitung.
  • A. Vorbetrachtungen über Charakter und Begrenzung der zu lösenden Auf - gabe mit Bemerkungen über Induktion, Deduktion, Widerspruch und folgerichtiges Denken. Denkendes Subjekt, seine Vorstellungen und die Dinge. (Chiffre α ι1) 1
  • B. Vorbetrachtungen über Zeichen und Namen. ϰ1 ο2) 38
  • C. Über Begriffe. Einteilung, Definition und Kategorieen, Pasigraphie. Logik des Inhaltes oder des Umfangs? Über Urteile, Schlüsse und deren Folge - richtigkeit. Warum Algebra der Logik. π2 ξ3) 80
  • Erste Vorlesung.
  • § 1. Subsumtion126
  • § 2. Vorläufige Betrachtungen über Darstellbarkeit der Urteile als Subsum - tionsurteile141
  • § 3. Euler's Diagramme. Identischer Kalkul mit Gebieten einer Mannig - faltigkeit155
  • Zweite Vorlesung.
  • § 4. Erste Grundlagen: Prinzip I und II, Definition von Gleichheit, 0 und 1, nebst Folgesätzen168
  • Dritte Vorlesung.
  • § 5. Die identische Multiplikation und Addition. Peirce's analytische Definition von Produkt und Summe191
  • § 6. Kritische Untersuchungen über die gegebene Definition201
  • § 7. Deutung von 0, 1, a b, a + b als Gebiete nebst zugehörigen Postulaten. Konsistente Mannigfaltigkeit211
  • Vierte Vorlesung.
  • § 8. Interpretation für Klassen217
  • § 9. Fortsetzung. Konsequenzen der Adjungirung einer Nullklasse. Reine Mannigfaltigkeit237
  • VIII
  • Fünfte Vorlesung.
  • Seite
  • § 10. Die nicht von Negation handelnden Sätze. Reine Gesetze, von Mul - tiplikation und Addition je für sich254
  • § 11. Gemischte Gesetze, den Zusammenhang zwischen beiden Operationen zeigend270
  • Sechste Vorlesung.
  • § 12. Nichtbeweisbarkeit der zweiten Subsumtion des Distributionsgesetzes und Unentbehrlichkeit eines weiteren Prinzipes. Prinzip zur Ver - tretung des unbeweisbaren Satzes282
  • Siebente Vorlesung.
  • § 13. Negation (mit Postulat) und darauf zu gründende Sätze. Ihre Ein - führung für Gebiete299
  • § 14. Der Dualismus315
  • § 15. Kritische Untersuchungen zum nächsten Paragraphen: Inwiefern nega - tive Urteile als negativ prädizirende anzusehen und disjunktiv prädi - zirende Urteile von den disjunktiven zu unterscheiden sind319
  • Achte Vorlesung.
  • § 16. Deutung der Negation für Klassen. Satz des Widerspruchs, des aus - geschlossenen Mittels und der doppelten Verneinung im Klassen - kalkul. Dichotomie. Gewöhnliche Mannigfaltigkeit342
  • § 17. Fernere Sätze für Gebiete und Klassen. Kontraposition, etc. 352
  • Neunte Vorlesung.
  • § 18. Verschiedenartige Anwendungen: Rechtfertigungen, Studien und Übungsaufgaben365
  • Zehnte Vorlesung.
  • § 19. Funktionen und deren Entwickelung396
  • Elfte Vorlesung.
  • § 20. Spezielle und allgemeine, synthetische und analytische Propositionen: Relationen und Formeln434
  • § 21. Das Auflösungsproblem bei simultanen Gleichungen und Subsumtionen. Das Eliminationsproblem bei solchen446
  • § 22. Fortsetzung, auch für mehrere Unbekannte466
  • Zwölfte Vorlesung.
  • § 23. Die inversen Operationen des Kalkuls: identische Subtraktion und Division als Exception und Abstraktion. Die Negation als gemein - samer Spezialfall beider478
  • § 24. Symmetrisch allgemeine Lösungen496
  • IX
  • Dreizehnte Vorlesung.
  • Seite
  • § 25. Anwendungsbeispiele und Aufgaben521
  • Vierzehnte Vorlesung.
  • § 26. Besprechung noch andrer Methoden zur Lösung der bisherigem Kalkul zugänglichen Probleme.
  • Das primitivste oder Ausmusterungsverfahren von Jevons. Lotze's Kritik, und Venn's graphische Modifikation des Verfahrens559
  • § 27. Methoden von McColl und Peirce573
  • Anhänge.
  • Anhang 1. Beiläufige Studie über Multiplikation und Addition. (Zu 6.) 595
  • Anhang 2. Exkurs über Klammern. (Zu § 10.) 599
  • Anhang 3. Ausdehnung von Begriff und Sätzen über Produkt und Summe von zweien auf beliebig viele Terme. (Zu § 10.) 609
  • Anhang 4. Logischer Kalkul mit Gruppen hiernächst von Funktional - gleichungen, mit Algorithmen und Kalkuln. (Zu § 12.) 617
  • Anhang 5. Substrat zum vorigen Anhang und Material zu dessen Belegen633
  • Anhang 6. Zur Gruppentheorie des identischen Kalkuls. Geometrisch - logisch-kombinatorische Probleme von Jevons und Clifford. (Zu § 12, 19 und 24.) 647
  • Literaturverzeichniss nebst Bemerkungen700
  • Namenverzeichniss zum ersten Bande. 716

Der Vorverweisungen halber sei hier sogleich mit angeführt der Inhalt des zweiten Bandes.

  • Fünfzehnte Vorlesung.
  • § 28. Übergang zum Aussagenkalkul. Taxirung von Aussagen nach ihrer Gültig - keitsdauer und Klasse der Anwendungsgelegenheiten.
  • § 29. Übersichtlichste Darstellung der bisherigen Sätze in der Zeichensprache des Aussagenkalkuls.
  • Das Summenzeichen Σ und das Produktzeichen Π.
  • § 30. Fortsetzung über Σ, Π. Aufhören des Dualismus.
  • Sechzehnte Vorlesung.
  • § 31. Die Grundsätze der Logik im Aussagenkalkul gedeutet. Inkonsistenz.
  • § 32. Vom Gewicht der Aussagen. Direkte Verifikation der Sätze des Aussagen - kalkuls durch diesen.
  • Siebzehnte Vorlesung.
  • § 33. Herkömmliche Einteilung der kategorischen Urteile nach Qualität und Quantität. Modifizirte Deutung der universalen in der exakten Logik und Unzulänglichkeit des früheren Kalkuls zur Darstellung der partikularen Urteile.
  • § 34. Die fünf möglichen Elementarbeziehungen Gergonne's und die vierzehn Grundbeziehungen in anschaulich geometrischer Einführung.
  • X
  • § 35. Analytische Definition dieser Beziehungen und Zurückführung derselben auf einander.
  • Achtzehnte Vorlesung.
  • § 36. Reduktion sämtlicher Beziehungen auf den Typus der Gleichung und ihrer Negation (der Ungleichung).
  • § 37. Entwickelung der Produkte und Summen von Grundbeziehungen.
  • § 38. Erweiterung des Beziehungskreises durch Zuzug auch der negirten Gebiete.
  • § 39. Die denkbaren Umfangsbeziehungen überhaupt und ihre Darstellung durch vier primitive (De Morgan's). Die möglichen Aussagen über n Klassen, und Peano's Anzahl derselben.
  • Neunzehnte Vorlesung.
  • § 40. Umschau über die gelösten und noch zu lösende Probleme. Mitchell's allgemeine Form der gegebene Urteile zusammenfassenden Gesamtaussage.
  • § 41. Das Eliminationsproblem gelöst für ein paar typische Spezialfälle, dann allgemein (aus dem Rohen). Bemerkung das Auflösungsproblem betreffend.
  • Zwanzigste Vorlesung.
  • § 42. Die Syllogismen der Alten. Traditionelle Übersicht derselben.
  • § 43. Miss Ladd's rechnerische Behandlung der fünfzehn giltigen Modi. Beispiele.
  • § 44. Die inkorrekten Syllogismen der Alten und ihre Richtigstellung in der exakten Logik. Über Subalternation und Konversion. Zusammengesetzte Schlüsse.
  • Einundzwanzigste Vorlesung.
  • § 45. Besonderheiten des Aussagenkalkuls im Kontrast mit dem Gebietekalkul. Dilemma, Modus ponens und tollens, disjunktiver Schluss. Formeln ge - mischter Natur.
  • § 46. Diverse Anwendungen, Studien und Aufgaben, darunter: Wesen des in - direkten Beweises, Hauber's Satz, Mitchell's Nebelbilderproblem, etc.
  • Zweiundzwanzigste Vorlesung.
  • § 47. Definitionen des Individuums, Punktes, und ihre Zurückführung auf ein - ander. Auf Individuen bezügliche Sätze. Duales Gegenstück zum Indi - viduum.
  • Dreiundzwanzigste Vorlesung.
  • § 48. Erweiterte Syllogistik.
  • § 49. Studien über die Klausel und noch ungelöste Probleme des Kalkuls.
  • Vierundzwanzigste Vorlesung.
  • § 50. Über Logik der Beziehungen überhaupt. Anläufe und Theorieen von De Morgan und Peirce.
  • Fünfundzwanzigste Vorlesung.
  • § 51. Besondere Beziehungen. Beziehung der eindeutigen Zuordnung und Ab - bildung mit Dedekind's Theorie der Ketten zur streng logischen Be - gründung des Anzahl-Begriffes der Arithmetik und des Schlusses der voll - ständigen Induktion.
  • Sechsundzwanzigste Vorlesung.
  • § 52. Das Inversionsproblem der Funktions - und Knüpfungslehre.
  • § 53. Macfarlane's rechnerische Behandlung der Probleme menschlicher Ver - wandtschaft. XIInhalt des zweiten Bandes. Berichtigungen.
  • Siebenundzwanzigste Vorlesung.
  • § 54. Über die Modalität der Urteile. Rückblick und Schlussbetrachtung.
  • Anhänge.
  • Anhang 7. McColl's Anwendung des Aussagenkalkuls zur Ermittelung der neuen Grenzen mehrfacher Integrale bei Abänderung der Integrationsfolge.
  • Literaturverzeichniss nebst Bemerkungen.
  • Namenverzeichniss zum zweiten Bande.
  • Alphabetisches Sachregister.

Berichtigungen.

Zum Titelblatt. Das Citat nach Goethe ist mit Liebmann leicht ab - geändert. In Eckermann's Reminiscenz steht: die Probleme der Welt, sowie in der Grenze

  • Seite 1, Zeile 11 von oben statt zur Wahrheit lies: zu Wahrheit.
  • 28, 17 v. unten streiche das Wort: von.
  • 30, 14 v. u. st. 60000 l. je 15500.
  • 31, 12 v. u. st. v. Helmholtz l. v. Helmholtz.
  • 33, 20 v. u. st. Whewhell l. Whewell.
  • 34, 12 v. o. st. vivera l. vivra.
  • 35. Die hier aufgeworfne Frage dürfte sich nach einer mir gütigst zur Ver - fügung gestellten Bemerkung von Lüroth dahin erledigen, dass die Vorstellung von der Vorstellung eines Dinges als etwas von dieser letzteren selbst verschiedenes gar nicht existirt, in unsrer Bezeichnung, dass vvp identisch mit, blosse Reproduktion von vp. Wir können doch nur eine Vorstellung von einem Ding haben, das wir nicht » an sich « erkennen können und das irgendwie durch unsre Sinnesorgane in die Seele eintritt. Dies gilt alles von einer Vorstellung nicht Das Erinnerungsbild einer Vorstellung dürfte in der That nur bestehen in einer Wiederholung von ebendieser.
  • 48, Zeile 17 v. u. st. zur Antwort l. zur gleichen Antwort.
  • 54, 4 v. o. st. Siune l. Sinne, Z. 17 v. o. st. früheren l. früherem.
  • 105, 21 v. u. st. De Morgan l. De Morgan.
  • 106, 10 v. o. st. letztere l. letzteren.
  • 108, 12 v. u. st. Weismann l. Weismann.
  • 110, 17 v. o. st. Sciaparelli l. Schiaparelli.
  • 123, 16 v. o. st. jedem l. jeden.
  • 156, 17 v. u. st. bestimmte l. bestimmte, resp. bedingte.
  • 160, 22 v. o. oder u. bei α) füge hinzu: Systeme.
  • 163, 12 v. u. st. Stass l. Stas.
  • 172, 7 v. u. streiche das Wort: den.
  • 198, 14 v. o. st. eklatantes l. prägnantes.
  • 209, 14 v. o. st. x a b setze a b x .
  • 213, 14 v. u. st. § 31 lies § 16.
  • 219. Zu β ') wären als Ausnahme anzuführen gewesen diejenigen Adjektive,XIIBerichtigungen.welche wie vermeintlich, scheinbar, unecht, angeblich, fraglich, proble - matisch in Abrede oder in Frage stellen die Berechtigung des Namens, welcher dem sie regirenden Substantive beigelegt ist.
  • Seite 234, Zeile 9 v. u. st. Apposition l. (scheinbare) Apposition.
  • 241, 2 v. u. (Fussnote) st. ψ) l. χ).
  • 280, 2 v. o. st. Agehörige l. Angehörige.
  • 283, 4 v. u. (Fussnote) st. Dieselbe l. Der Name Assoziationsgesetz. 1 v. u. st. Assoziations - l. Distributionsgesetz.
  • 292, 10 v. u. schliesse die Klammer hinter: überhaupt.
  • 295, 13 v. o. st. Partialprodukt l. Einzelprodukt.
  • 296, 21 v. u. st. gültiger l. gültige Formel.
  • 297, 15 v. u. st. eine hier l. eine verbal hier.
  • 299, 6 v. o. hinter: nächsten, schalte ein: an meinen Operationskreis2 sowie.
  • 308, 13 v. u. st. 27×) l. III×.
  • 309, 7 v. u. st. a b l. a1 b1.
  • 316, 2 v. o. setze ein Komma hinter: notwendig.
  • 344, 8 v. o. st. Nichtkombattant l. Nichtkombattant . 11 v. u. streiche das Wort: mit.
  • 345, 21 v. o. st. ψ) l. χ).
  • 354, 21 v. o. hinter Sätze einzuschalten: unter Andern.
  • 367, 17 v. o. st. deutscher l. der deutschen.
  • 370, 8 v. u. st. schown l. shown.
  • 371, 16 v. u. st. 12×) l. 12).
  • 386, 7 v. o. st. 0 setze: a b c + a b1 c1 + a1 b c1 + a1 b1 c.
  • 409, 9 v. o. st. f (x1 1, 0) l. f (x1, 1, 0).
  • 453, 20 v. u. st. R 'l. R'.
  • 474, 3 und 17 v. u. st. R (x y z) l. R (x, y, z).
  • 505, 3 v. o. hinter: unsymmetrisch, anzufügen: bezüglich dieser Symbole, symmetrisch nur bezüglich x und y1.
  • 546, 16 v. o. statt des ersten Terms a setze: a y1.
  • 591, 6 v. u. st. dort selbst l. dortselbst.
  • 620, 13 v. u. st. c / b l. a / b.
  • 673, 2 v. o. st. Typus 1 l. Typus 1.
  • 709, 4 v. u. wäre einzuschalten:
  • Nagy, Albino. 1) Fondamenti del calcolo logico, Memoria del , Napoli, Pel - lerano. 1890, 35 Seiten; Vol. 28 von Battaglini's Giornale di Matematiche .
[1]

Einleitung.

A. Vorbetrachtungen über Charakter und Begrenzung der zu lösenden Aufgabe mit Bemerkungen über Induktion, Deduktion, Widerspruch und folgerichtiges Denken. Denkendes Subjekt, seine Vorstellungen und die Dinge.

α) Die Logik, im weiteren Sinne des Wortes, beschäftigt sich mit all' den Regeln, durch deren Befolgung die Erkenntniss der Wahrheit gefördert wird. Sie hat es demnach mit den Methoden der Forschung überhaupt zu thun. Sie sucht die Frage zu beantworten: wie gewinnen wir Erkenntnisse, auf welchem Wege gelangen wir zur Wahrheit? Mithin, da Erfassen der Wahrheit ein Akt des Denkens ist, dürfen wir als Gegenstand der Logik überhaupt bezeichnen: das Denken, so - fern es das Erkennen zum Endzweck hat.

Es steht dieses erkennende Denken im Gegensatz, vor allem, zum Dichten, zum phantasirenden Denken.

Desgleichen blosse Erzählung und Beschreibung, wenn schon sie nicht ohne Denkthätigkeit zustande kommen und unter sonst gleichen Umständen von einem logisch geschulten Kopfe vielleicht besser in Angriff genommen werden, bilden als solche noch ebenfalls nicht ein Thema der eigentlichen Logik. Ein gleiches wäre von der gesetzgebenden Thätigkeit zu sagen. Endlich auch diejenigen Denkvorgänge, welche bei Äusserung unsrer un - mittelbaren Empfindungs - und Willenszustände mitspielen, also bei Aus - rufen, Wunschäusserungen, Fragen, Bitten und Befehlen, zu denen die Sprache die Interjektionen und Fragepartikeln, sowie die Optativ - und Imperativform der Verba hergibt, gehören nicht in den Bereich der logischen Disziplin.

Mit Übersetzung aus einer Sprache in eine andere werden wir uns nur soweit zu beschäftigen haben, als es sich dabei um Übertragung von Aussagen aus unsrer nationalen Wortsprache in eine eigens zu begründende Kunstsprache des logischen Denkens, in die Formelsprache oder um - gekehrt handelt.

Schröder, Algebra der Logik. 12Einleitung.

β) Die Wissenschaften pflegen ausser dem Dasein erkennender Subjekte wesentlich vorauszusetzen, dass es auch etwas Erkennbares gebe, eine Wahrheit , und zwar in Bezug auf jede Frage nur eine Wahrheit, die von allen mit der unsrigen gleichartigen Intelligenzen, von allen im Besitz normaler Geisteskräfte befindlichen Menschen, not - wendig als dieselbe erkannt werden muss, wofern jene sich nur die Mühe geben, sich in gleicher Weise in die für die Erkenntniss der - selben günstigen Verhältnisse zu versetzen.

Die Vorfrage aber, ob und inwiefern Erkenntniss der Wahrheit überhaupt möglich ist, pflegt einer besonderen Disziplin zugewiesen und in dieser abgehandelt zu werden, die man als Erkenntnisstheorie bezeichnet.

Man hat dieselbe bald als eine Vorstufe der Logik hingestellt, bald auch hat man versucht, die ihr obliegenden Erörterungen in die Darstellung der Logik selbst einzuflechten.

Davon, dass das Ergebniss dieser Voruntersuchung bejahend aus - falle und dies ist nicht unbestritten würde hienach die Logik mit ihrer ganzen Existenzberechtigung abhängig erscheinen, wofern wir auch für sie die obengenannte Voraussetzung der Wissenschaften (im allgemeinen) in Anspruch nehmen wollten.

Indessen könnte die gedachte Untersuchung doch jedenfalls nur mittelst Beweisführungen oder Widerlegungen, Schlüssen, Argumenta - tionen nach den Regeln eben der Logik geführt werden, deren Existenz - berechtigung erst aus ihrem Ergebniss zu entnehmen wäre, und so sähen wir uns von vornherein in einen fatalen Zirkel gebannt, wofern wir wirklich jene Voraussetzung schon für die Logik in Anspruch nehmen müssten.

Gezeigt zu haben, wie über die angedeutete Schwierigkeit hinweg - zukommen ist, durch Lieferung des Nachweises, dass die Logik als eine formale Disziplin sich in der That davon auch unabhängig be - gründen lässt, erscheint vorzugsweise als Herrn Sigwart's Verdienst, und werden wir auf diesen Punkt noch näher einzugehen haben.

γ) Mit ihrem einen dem gewöhnlich und wol mit Recht als zweiten aufgeführten Teile, in Gestalt der nach Whately's und John Stuart Mill's Vorgange so genannten induktiven Logik , geht unsre Disziplin speziell auch auf die Grundsätze ein, nach welchen Beobach - tungen und Versuche, Experimente anzustellen, nach welchen diese sowie Erfahrungen und Wahrnehmungen überhaupt zur Erweiterung der Erkenntniss zu verwerten sind. Die Logik untersucht hier näher3Einleitung.diese wenn nicht einzige*)Dass Wahrnehmung die Urquelle aller Erkenntniss sei, wird nachdem die Verfechter angeborner Erkenntnisse aus dem Felde geschlagen sind nur noch von Denjenigen bestritten, die eine göttliche Offenbarung annehmen. Als Wahrnehmung ist hier allerdings nicht blos die sog. äussere Wahr - nehmung zu berücksichtigen, welche sich auf den Sinneseindruck stützt, sondern auch die innere . Z. B. dass ich fröhlich oder traurig bin, spaziren gehen will, und dergleichen, nehme ich nicht durch die Sinne wahr, sondern werde dessen unmittelbar inne. Wir empfinden auch die Spannkraft unsres Willens und die Anstrengung des Nachdenkens (Lange). Vergleiche hierzu noch γ3) erste Fussnote. so doch jedenfalls ursprüngliche und hauptsächliche Quelle des Erkennens, als welche die Wahrnehmung, Perzeption, hinzustellen ist.

Sie setzt auseinander, wie aus einzelnen, nötigenfalls sehr zahlreich gemachten Wahrnehmungen**)Dieselben, wenn bis zur Bildung einer Vorstellung von dem wahr - genommenen Gegenstande entwickelt, heissen Apperzeptionen . von unter sich ähnlicher Art durch einen kühnen Prozess der Verallgemeinerung den Induktionsschluss , die Induktion allgemeine Sätze (Regeln oder Gesetze) ableitbar sind, welche auch die nicht mehr wahrgenommenen Fälle derselben Art in den Bereich unsrer Erkenntniss ziehen, uns Aufklärung über dieselben geben. Doch weist sie nach, dass dieser Aufschluss, diese Informa - tion, nicht unfehlbare Sicherheit, dass sie nicht absolute Gewissheit gewähren kann, wohl aber eine mehr oder minder hohe Wahrscheinlich - keit, Probabilität beansprucht, deren Grad sich beurteilen oder taxiren, sich abschätzen lässt. ***)Immerhin mit Einschränkungen vergl. Herrn Johannes von Kries1 gediegene Arbeit über Die Principien der Wahrscheinlichkeitsrechnung siehe Literaturverzeichniss.

Indem die induktive Logik auch auf diese Schätzung ausgeht, nach welcher sich der den Induktionsergebnissen zu schenkende Glaube be - misst, untersucht sie, wie einzelne Induktionen durch andere gestützt und gekräftigt, eventuell auch abgeschwächt oder gar durch neue Wahr - nehmungen völlig entkräftet, umgestossen werden, und sucht zu ergründen, wie innerhalb der Schranken des menschlichen Könnens Induktionen anzustellen sind, damit sie möglichst glaubwürdige Ergebnisse liefern.

Auf diese, die induktive Logik, so hochwichtig und interessant sie auch ist, beabsichtige ich hier ganz und gar nicht einzugehen. †)Es sei darüber auf die Werke von Mill2, Sigwart2, Apelt1 u. A. ver - wiesen. Vergl. das Literaturverzeichniss am Schlusse, auf welches die im Text als Exponenten angesetzten Chiffren sich jeweils beziehen.

δ) Wir wollen uns auf ein viel engeres Gebiet beschränken, um1*4Einleitung.dasselbe um so gründlicher in Angriff zu nehmen und in gewissen Richtungen wenigstens um so vollständiger abzuhandeln, nämlich auf den ersten Teil der heute so genannten Logik, die Logik im engeren Sinne, Logik*)Den Namen führt die Disziplin bekanntlich zurück auf das griechische λόγος = das Wort, die Sprache, der Sinn, die Vernunft etc. Dass Wort und Vernunft solchergestalt homonym bezeichnet wurden, war nicht ganz ohne innere Berechtigung in Anbetracht, dass die auf dem Wort beruhende Sprache und die menschliche Vernunft einander wirklich nicht entbehren zu können scheinen und in ihren successiven Entwickelungsstufen sich gegenseitig bedingen dürften. Die enge Beziehung unsrer Vernunft zur Sprache, von der schon Wilhelm v. Humboldt sagte, dass wir sie uns nicht enge genug vorstellen können, hat Lazarus Geiger zu einem interessanten Versuche veranlasst, die Ent - stehung der ersteren ganz aus der letzteren zu erklären ein Versuch, der nach Heymann Steinthal's und Julius Keller's Kritik im wesentlichen als fehl - geschlagen zu betrachten vergl. noch Benno Erdmann's Rezension in den Göttingischen gelehrten Anzeigen v. 1885 von Keller's Schrift1, welcher letztern wir obige Angabe über W. v. Humboldt entlehnten. Nach allem möchte, den menschlichen Verstand als ein durch die Wort - sprache erst entwickeltes Erziehungsprodukt zu erklären, noch eben so viel Wahr - heit und Übertreibung enthalten, als wie umgekehrt die Sprache das Werk eines konsequent denkenden Verstandes zu nennen. Dass Letzteres in der That nicht durchaus der Fall ist, werden wir häufig Gelegenheit haben hier wahrzunehmen, wo uns auch eine Kritik dieses immerhin bewunderungswürdigen Instruments des Gedankenausdrucks mit obliegen wird. im Sinne der Alten.

Diese, die deduktive oder auch formale **) formale in einem engern als dem S. 2 erwähnten Sinne. Logik beschäftigt sich mit den Gesetzen des folgerichtigen Denkens.

Worin die Folgerichtigkeit des Denkens bestehe, ist durchaus nicht leicht zu sagen. Ich will die Frage erst einer vorläufigen Be - sprechung unterziehen, um dann nochmals auf dieselbe zurückzukommen.

Zur Orientirung sei zunächst bemerkt, dass folgerichtig mehr wie konsequent besagt. Man kann auch konsequent verkehrt ver - fahren, konsequent unlogisch zuwerke gehen. Wenn ich ein Fremd - wort, einen international rezipirten wissenschaftlichen Kunstausdruck für folgerichtiges Denken gebrauchen sollte, so wüsste ich dasselbe nicht anders, wie als logisches Denken zu bezeichnen.

ε) Ältere Autoren, wie Drobisch1 und Ueberweg1 in ihren so verdienstlichen Werken haben geglaubt, das Kennzeichen der Folge - richtigkeit des Denkens allein in der Übereinstimmung dieses Denkens mit sich selbst erblicken zu sollen.

Dass das Denken, wenn es folgerichtig genannt werden soll, zu5Einleitung.Widersprüchen mit sich selbst nicht führen dürfe, ist unstreitig (auch) eine von diesem zu erfüllende Anforderung.

Wer auf sie das Kennzeichen der Folgerichtigkeit des Denkens zu gründen versucht, ist verpflichtet, zunächst auseinanderzusetzen, was ein Widerspruch ist.

Mannigfach sind die Arten oder möglichen Formen des Wider - spruchs; es gibt deren versteckte oder mittelbare, und es gibt auch offene, unmittelbare Widersprüche.

Die ersteren vollständig aufzuzählen dürfte als ein hoffnungsloses Beginnen, Unterfangen erscheinen. Zur Charakterisirung der letztern dagegen lassen an deren sprachliche Ausdrucksformen anlehnend sich wol unschwer äusserliche Kennzeichen aufstellen.

Der Widerspruch kann schon in einer einzigen Aussage enthalten sein, die alsdann eine sich selbst widersprechende genannt werden mag.

Wer z. B. die Versicherung abgibt: Ich kann nicht sprechen oder wer dem ihn Besuchenden entgegenruft: Ich bin abwesend, bin nicht zu - hause, todt und dergleichen, setzt sich dadurch in Widerspruch zu einer schon durch die blosse Existenz eben dieser seiner Aussage verbürgten (und damit einen gegenteiligen Ausspruch herausfordernden) Thatsache.

Wird einem Dinge, wovon gesprochen werden kann, einem Objekte des Denkens, im Prädikat der Aussage ein Merkmal abgesprochen, welches im Subjekt dieser Aussage demselben zugesprochen erscheint (oder um - gekehrt), so kann man darin einen Widerspruch der Aussage mit sich selbst erblicken (sogenannte contradictio in adjecto , d. h. im Prädikate) so z. B. wenn wir sagten: Ein kugelförmiger Körper ist nicht kugel - förmig . Es waltet dabei allerdings mit die Unterstellung, dass es kugel - förmige Körper gebe, oder dass solche wenigstens denkbar seien. (Ver - gleiche auch Hegel's vielberufenes: Sein ist Nicht sein , und Anderes.)

Ähnlich verhält es sich mit Konditionalsätzen oder hypothetischen Urteilen, sobald der Folgesatz in Abrede stellt, was der Bedingungssatz vorauszusetzen forderte, z. B. Wenn dies stattfindet, so findet es nicht statt. Hier sind die einander widersprechenden Satzteile und Teilsätze von einander abhängig gesetzt.

Als Wesen des Widerspruchs wird am besten erklärt die Beziehung zwischen zwei selbständig hingestellten Sätzen oder Aussagen, von denen die eine in Abrede stellt, leugnet, was die andre behauptet.

Gewöhnlich stellt man zwei Urteile: A ist B und A ist nicht B als allgemeine Form derartiger Aussagen hin, unter der Voraussetzung, dass unter A etwas und zwar in beiden Aussagen genau das nämliche verstanden werde, desgleichen unter B. Zum Beispiel, nachdem irgend eine Behauptung gefallen, werden die beiden Aussagen:

Diese Behauptung ist wahr , und Diese Behauptung ist nicht wahr einen reinen Widerspruch bilden.

Der sogenannte Satz des Widerspruchs , der für die Logik eine fundamentale Bedeutung besitzt, fordert anzuerkennen, dass einunddieselbe6Einleitung.Behauptung, im nämlichen Sinne verstanden, nicht zugleich wahr und nicht wahr sein könne.

So drücken ferner die Paare von Sätzen: Der Mars ist bewohnt; Der Mars ist nicht bewohnt, Alle Menschen sind vollkommen; Alle Menschen sind nicht vollkommen, je einen Widerspruch aus wenn auch vielleicht nicht in der oben als Ideal des reinen Widerspruchs hingestellten Weise und letzteres würden sie auch noch thun, wenn man statt der Worte nicht bewohnt , nicht vollkommen bezüglich unbewohnt , unvollkommen in ihnen setzte (wo dann für den letzten Satz auch Kein Mensch ist voll - kommen sich sagen lassen würde.)

Dagegen die beiden Sätze: Einige Menschen sind klug; Einige Menschen sind nicht klug drücken keinen Widerspruch aus, schon darum, weil hier das Subjekt der - selben dargestellt wird durch den mehrsinnigen, äquivoken Namen Einige Menschen , unter dem im ersten Satze ganze andere Menschen verstanden werden, wie im zweiten.

Auf die erwähnte Form lassen auch die vorhergehenden Beispiele sich zurückführen, indem man dieselben zusammenhält mit den als selbstverständ - lich anzuerkennenden Sätzen: Wenn dies stattfindet, so findet es statt resp. Ein kugelförmiger Körper ist kugelförmig .

Ob aber jene zwei Urteile über A und B wirklich und in allen Fällen das Wesen des Widerspruchs in dem darüber erklärten Sinne dar - stellen, dies zu entscheiden muss eingehenderen Untersuchungen vorbehalten bleiben. (Vergl. § 15.)

Wollen wir vorsichtig verfahren, ganz sicher gehen, so müssen wir als das Vorbild, die typische Form des unmittelbaren Widerspruchs die Gegenüberstellung zweier Sätze nehmen, welche (wie in der That die vor - hin kursiv gedruckten) zum Subjekt einunddieselbe Behauptung haben, zum Prädikat aber bezüglich wahr und nichtwahr oder gültig und un - gültig . Direkten Widerspruch erblicken wir zwischen irgend einer (als gültig hingestellten, mit der Versicherung ihrer Gültigkeit abgegebenen) Aussage (zwischen einer Behauptung ) und einer zweiten Aussage, welche die Ungültigkeit der ersten behauptet.

Bei versteckten Widersprüchen kann man verlangen, dass sie auf unmittelbare zurückgeführt werden, und zwar wie? Nun natürlich wiederum durch folgerichtiges Denken. So kämen wir denn zunächst zu dem Zirkel, für folgerichtig dasjenige Denken zu erklären, welches aus sich selbst und durch sich selbst nicht zu direkten Widersprüchen führt. Dasselbe dürfte also widersprechende Prämissen (als Über - zeugungen) nie zulassen und von (als Überzeugung) zugelassenen Prä - missen zu Widersprüchen nie führen. Nun kann man ja aber, ehe man diejenigen Folgerungen oder Denkhandlungen vollzieht, welche den unmittelbaren Widerspruch liefern würden, allemal ganz willkür - lich abspringen, und so erscheint die Erklärung als vollkommen nichts - sagend, solange ihr nicht die Voraussetzung mit zugrunde gelegt wird,7Einleitung.dass das Denken nach bestimmten Normen, Vorschriften, Schemata oder Gesetzen überhaupt stattfinde oder stattzufinden habe.

Sollen diese Gesetze solche des folgerichtigen Denkens sein, so wird das Denken, wenn es gemäss denselben stattfindet, aus sich selbst nicht zu Widersprüchen führen dürfen.

Immerhin, auch wenn man niemals von gegebenen Gesetzen ab - weicht, bleibt aber die Möglichkeit, durch Enthaltung von gewissen Schlussfolgerungen dem Widerspruch ständig auszuweichen, sich z. B. in einem Zirkel immerfort zu bewegen, welcher solchen Widerspruch nicht berührt. So wenigstens, sobald der Gedankenverlauf durch jene Gesetze nicht vollkommen bestimmt erscheinen sollte wie wir uns denn in der That bewusst sind (auch bei folgerichtigem Denken) uns doch den verschiedensten Dingen in freier Entschliessung noch zu - wenden, beliebigen Stoffs uns bemächtigen, kurz: in sehr verschiedenen Richtungen noch weiterdenken zu können.

Es würde demnach die Widerspruchslosigkeit des folgerichtigen Denkens als Kennzeichen desselben sich höchstens aufrecht erhalten lassen, wenn sie gefordert wird für den ganzen Bereich der nach den Gesetzen dieses Denkens noch möglichen Denkhandlungen oder Schluss - folgerungen.

Ob dies nun eine hinlängliche Bestimmung für die Folgerichtigkeit des Denkens ergäbe, scheint eine schwierige Frage zu sein. Für be - stimmt begrenzte Gedankensphären, wenigstens, glaube ich dieselbe ver - neinen zu müssen und dünkt mich, dass gerade die im gegenwärtigen Buch entwickelte Theorie dieses folgerichtigen Denkens Material dafür liefert, um (hiefür) die Unzulänglichkeit jener Begriffsbestimmung be - sonders schlagend darzuthun.

Hier nämlich wird dieses Denken, auf seinen knappsten Ausdruck reduzirt, sich als ein Kalkul darstellen. Nun lassen aber zahllose in sich vollkommen konsequente Kalkuln sich aufstellen, die gleichwol nichts weniger als die Gesetze des logischen Denkens ausdrücken, und die, weil sie derselben Zeichen sich bedienen, doch auch als Gesetze eines gewissen Denkens gedeutet werden könnten. Der logische Kalkul ist in der That nur einer von unzähligen in sich widerspruchsfreien Kalkuln die aber in ihren Grundgesetzen oft äusserst weit von einander abweichen.

Wofern nur die unbeschränkte Deutungsfähigkeit solcher Kalkuln, ihre Anwendbarkeit auf alle erdenklichen Objekte des Denkens, sich auch von vornherein absehen liesse, würde ich keinen Anstand nehmen, schon überhaupt die Konsistenz, oder Verträglichkeit mit sich selbst,8Einleitung.für allein noch nicht ausreichend zu erklären, um die Gesetze des logischen Denkens zu bestimmen. Solange aber Obiges noch ununter - sucht geblieben, brauchen wir zu der Frage auch nicht definitiv Stellung zu nehmen.

Der vorstehend genommene Anlauf dürfte indess schon genügen, um erkennen zu lassen, dass der Versuch, von dieser Seite die Auf - gabe in Angriff zu nehmen, in grosse Schwierigkeiten von vornherein verwickeln muss.

Nicht überflüssig scheint es, erinnernd hervorzuheben, dass vorstehende Betrachtung sich beschränkte auf das Gebiet rein deduktiver Denkhandlungen, wobei also eine Berufung auf neue Erfahrungen von vornherein ausge - schlossen war.

Wenn dagegen auch diejenigen Widersprüche mit in Berücksichtigung gezogen werden sollten, welche eintreten können zwischen unsern Denk - handlungen und dem Zeugniss der Sinne, den Thatsachen der Wahrnehmung (genauer den durch letztere unweigerlich provozirten Denkhandlungen oder Urteilen), so dürfte die Frage sich anders stellen.

War auch dieselbe für das erwähnte engere Gebiet vielleicht verneinend zu entscheiden, so bleibt es unbenommen, sie für das weitere Gebiet alles Denkens überhaupt noch in gewissem Sinne zu bejahen, nämlich als das Kriterium der Wahrheit für die Gesamtheit unsrer Überzeugungen doch hinzustellen die durchgängige und widerspruchslose Übereinstimmung alles auf diese gegründeten Denkens mit sich selbst, sofern dieselbe auch bei allem ferneren Zuwachs an Erfahrung sich fort und fort bewährt und von dem Bewusstsein folgerichtigen Schliessens schon gestützt und getragen ist. Jedenfalls wird hierbei (wenn solcher Zustand erreicht) das Denken sich immer schon beruhigen und faktisch jeder Zweifel schwinden.

ζ) Es wird demnach zu billigen sein, dass von neueren Schrift - stellern der vorstehend charakterisirte Standpunkt auch nicht mehr eingenommen wird. Vielmehr findet sich von den meisten, die die Frage berühren, der Umstand anerkannt, um welchen sich augenschein - lich durchaus nicht herumkommen lässt, dass dem Begriff des folge - richtigen Denkens eine Annahme, ein Dogma zugrunde liegt, welches sozusagen den Glauben des Logikers bildet.

Wir haben unter β) eine solche Annahme bereits als eine Voraus - setzung der Wissenschaften (im allgemeinen) angedeutet, müssen je - doch für die formale Logik die Annahme anders und enger fassen.

In einer durchaus haltbaren Weise scheint mir solches vonseiten Sigwart's geschehen, aus dessen lesenswertem Werke1 ich hier be - sonders die Lektüre der Einleitung und namentlich der Paragraphen 1 und 3 der letzteren empfehle.

Die darin gegebenen Ausführungen des genannten Autors vermöchte ich einerseits nicht besser darzustellen und möchte dieselben auch nicht9Einleitung.mit andern Worten wiedergeben und andrerseits sind dieselben doch zu umfangreich als dass es ratsam erscheinen könnte, sie hier wörtlich auf - zunehmen.

Wenn ich daher mich damit begnüge verknüpft mit anderweitigen Betrachtungen , hier nur den Grundgedanken Sigwart's zur Darstellung zu bringen, so darf nicht verhehlt werden, dass derselbe, solchergestalt herausgerissen aus dem festen Gefüge seiner Ausführungen, vielleicht an überzeugender Kraft verliert.

Folgerichtig oder logisch mögen wir (mit Sigwart) das Denken nennen, wenn es für den prüfenden Verstand mit dem Bewusstsein der Selbstverständlichkeit oder Evidenz verknüpft ist, wenn eine Denk - notwendigkeit uns zwingt, dasselbe mit der Überzeugung absoluter Ge - wissheit zu vollziehen. *)Die Leichtigkeit, mit welcher diese Erklärung auch scheint missbraucht werden zu können, benimmt derselben nichts von ihrer Richtigkeit.

Es bedarf diese Erklärung indess mehrfacher Erläuterungen und Ergänzungen.

Zunächst: der rein persönliche Charakter, das subjektive Moment, welches der Folgerichtigkeit des Denkens nach obiger Erklärung an - zuhaften scheint, wird aufgehoben, das folgerichtige Denken wird dieser Besonderheit entkleidet durch den Glauben, dass es eine für alle Intelli - genzen verbindliche weil eben objektiv begründete Denknotwendig - keit gebe.

Widersprüche kann dieses Denken darum nicht enthalten, auch nicht zu solchen mit sich selber führen, weil es eben dem Verstande unmöglich fällt, solche mit Bewusstsein zu vereinigen, weil jene Denk - notwendigkeit uns namentlich zwingt, von zwei einander direkt (kontra - diktorisch) widersprechenden Urteilen das eine anzunehmen, das andre zu verwerfen.

Die Induktionsschlüsse können, wie schon angedeutet, die Über - zeugung absoluter Gewissheit, ganz unfehlbarer Wahrheit, nicht ge - währen**)Denn was auch tausendmal schon gleichmässig eingetroffen, braucht darum doch nicht das 1001te Mal wieder einzutreffen. und gehören demnach samt allem empirischen Erkennen, nicht in den Bereich des folgerichtigen Denkens.

Für letzteres bleiben als das Substrat, welches somit das Thema der deduktiven Logik zu bilden hat, nur übrig:

Erstens die sogenannten analytischen Wahrheiten , Truismen , sich darstellend als identische Urteile wofür als ein Beispiel hier nur etwa der Satz angeführt sei: Alle schwarzen Krähen sind schwarz. Es sind das Urteile, welche unabhängig von allen Erfahrungsthatsachen10Einleitung.die Überzeugung von ihrer Wahrheit in sich selbst tragen, zu deren Anerkennung wir gezwungen sind kraft des Sinnes, den wir den Worten beilegen.

Mit Lotze1 (p. 573) zu reden, wäre schon die Thatsache der Selbst - verständlichkeit bei solchen Urteilen, bei den apriorischen Wahrheiten merkwürdig.

Soweit dieselben auf die Zahl Bezug haben, werden hier diese Urteile grösstenteils den arithmetischen Spezialwissenschaften überlassen.

Im übrigen werden diese, zwar eine unentbehrliche Grundlage alles Denkens bildenden, aber ebendeswegen als überflüssiger Ausdruck des Selbst - verständlichen gewöhnlich mit Übermut übergangenen Urteile in diesem Buche eine besonders eingehende Beachtung finden. Unsre Betrachtungen würden uns sogar in den Stand setzen, diese Urteile innerhalb irgend welcher Grenzen, die durch eine nicht zu überschreitende Komplikation ihres Aus - drucks gegeben werden mögen, gewünschtenfalls mit Leichtigkeit auch voll - ständig aufzuzählen.

Zweitens bleibt das denknotwendige Fortschreiten von schon vor - handenen Überzeugungen*)Diese können auch provisorisch angenommene, können blosse Annahmen (Hypothesen) sein., sei es wirklichen, sei es blos vermeintlichen Erkenntnissen, zu neuen Überzeugungen (wirklichen resp. fraglichen Erkenntnissen), das ist eben die eigentliche Deduktion. Und deren Gesetze zu erforschen, wird unsre Hauptaufgabe bilden.

Nach dem Gesagten dürfen, wenn jenes Fortschreiten ein rein deduktives sein soll, in dessen Verlauf keine neuen Wahrnehmungen an den Dingen selbst, um deren Erkenntniss es sich handelt, hinzu - gezogen, es darf nicht an Erfahrungsthatsachen dabei appellirt werden, die nicht unter den schon vorhandenen , den zum Ausgangspunkt der Deduktion genommenen Erkenntnissen oder Überzeugungen bereits ein - registrirt wären. Diese heissen die Prämissen und die aus ihnen abgeleiteten Überzeugungen oder Erkenntnisse heissen die Konklu - sionen der Deduktion; der Übergang von den erstern zu den letztern wird (deduktives) Schliessen, Folgern genannt.

Gleichwol verzichtet die Deduktion nicht ganz auf das mächtige Hülfsmittel der Wahrnehmung. Zugelassen nämlich sind Beobach - tungen an den Namen oder Zeichen der Dinge. Gerade in ihren höch - sten Formen, wenn die Deduktion die verwickeltsten ihrer Aufgaben rechnerisch bewältigt, zeigt sich solches Beobachten der Zeichen als ein wesentliches und charakteristisches Merkmal derselben. Ein Blinder wird bei gleicher Begabung, eben wegen seines mangelhaften Beob - achtungsvermögens in der angedeuteten Richtung, dergleichen deduk -11Einleitung.tive Aufgaben nicht so leicht zu lösen im Stande sein, wie ein Sehender. Und auf der Gründlichkeit und Sorgfalt, mit der*)Zufolge des Verharrens, der Beständigkeit oder Permanenz der Schrift - zeichen weil m. a. W. ein x sich nie von selber in ein u verwandelt. Be - obachtungen dieser Art immer ausgeführt werden können, beruht mit die grosse Zuversicht, mit welcher wir die Ergebnisse der Deduktion acceptiren.

Indem unter den Prämissen des deduktiven Schliessens auch solche Sätze figuriren können, welche das Ergebniss einer Wahrnehmung an den Objekten der Untersuchung selbst und ferner auch von auf der - gleichen Wahrnehmungen gegründeten Induktionsschlüssen darstellen, mithin als absolut zuverlässig nicht angesehen werden dürfen, liefert uns die Deduktion namentlich ein Mittel, die Richtigkeit gemachter Induktionen durch das, was denknotwendig aus ihnen folgt, durch ihre Konklusionen oder Konsequenzen zu prüfen. Sobald sich auch nur eine von diesen Konsequenzen mit den Thatsachen oder als zuverlässig anzusehenden, ferneren Wahrnehmungsergebnissen unver - einbar erweist, ist mindestens eine von den nicht denknotwendigen Prämissen zu verwerfen. Solange dagegen auch alle ihre Folgerungen sich empirisch bewahrheiten, können die Induktionsschlüsse aufrecht erhalten und zur Grundlage einer Theorie genommen werden, welche die Erscheinungen zusammenfassend zu beschreiben und zu erklären beansprucht.

Auf diese Weise wird die Deduktion zu einem mächtig fördernden Hülfsmittel aller induktiven Wissenschaften. Wogegen sie ihrerseits, wie wir gesehen haben, der Induktion nicht nur entraten kann, son - dern vielmehr dieselbe ausschlieſst. Dieser Umstand rechtfertigt auch das Voranstellen der deduktiven vor die induktive Logik.

η) Wenn vorstehend wiederholt von einer Denknotwendigkeit ge - sprochen wurde, so ist (mit Sigwart) darauf aufmerksam zu machen, dass sich von einer solchen in zweierlei Sinne reden lässt.

Wir haben eine physikalisch-physiologisch-psychische, die psycho - logische oder subjektive Denknotwendigkeit zu unterscheiden von der logischen oder objektiven.

Die erstere ist der Grund, weshalb ein Mensch gerade so denkt, wie er eben wirklich denkt. Psychologisch betrachtet mag man alles, was der Einzelne denkt, für notwendige, d. h. gesetzmässig aus den jeweiligen Voraussetzungen erfolgende Thätigkeit ansehen; dass gerade12Einleitung.dies und nichts anderes gedacht wird, ist notwendige Folge des Vor - stellungskreises, der Gemütsstimmung, des Charakters, der augenblick - lichen Anregung, welche das einzelne Individuum erfährt (Sigwart1, p. 5 u. 6). Diese Notwendigkeit ist für den Denkenden eine absolute; aber für verschiedene Menschen, und für dieselbe Persönlichkeit bei verschiedenen Gelegenheiten, ist sie oft verschieden; sie gebiert, ruft hervor da richtiges, dort falsches, unlogisches Denken. Thatsächlich wird ja sehr vielfach auch unlogisch gedacht.

Die andre, die letztere Notwendigkeit scheint weniger leicht zu fassen. Gerade sie aber, indem sie dem Denken die Folgerichtigkeit vorschreibt (und unter Umständen auch aufnötigt), ist diejenige Denk - notwendigkeit, die wir bei obigen Erklärungen im Sinne hatten.

ϑ) Sie würde sich zunächst als ein noch unverwirklichtes Ideal charakterisiren lassen als diejenige Notwendigkeit, welche unser Denken beherrschen muss, wofern es seinen Zweck erreichen soll: das Erkennen.

In der That: nicht um Naturgesetze des Denkens handelt es sich in der Logik (diese als die Gesetze, nach denen wirklich gedacht wird, bleiben der Psychologie überlassen), sondern um normative Gesetze, Gesetze, welche die Richtschnur, Norm des Denkens bilden müssen, damit es jenen Zweck des Erkennens erreiche. Im Hinblick auf ihre Beziehung zu, Abhängigkeit von diesem Zwecke wäre also diese Denk - notwendigkeit auch als eine relative zu bezeichnen.

Sie wäre, genauer gesagt, hinzustellen als der Inbegriff aller der Gesetze, allgemeinen Schemata oder Methoden, durch deren Befolgung man erstens von richtigen Überzeugungen, Erkenntnissen ausgehend, stets wieder nur zu richtigen Erkenntnissen geführt wird, und zweitens, so - fern solchen Gesetzen etwa auch selbständige Urteile entspringen sollten, gemäss welcher nur absolut gewisse und wahre gebildet werden können.

Nun frägt sich aber: wie lässt sich solches Ideal verwirklichen?

Empirisch, indem man diese oder jene Gesetze für alle Fälle durchprobirt, gewiss nicht! Nicht allein bleiben auch die für am sichersten gehaltenen unsrer Überzeugungen immer noch der An - zweifelung, Skepsis, ausgesetzt, sondern es wäre jedenfalls auch aus - sichtslos, die unendliche Fülle der Möglichkeiten erschöpfend durch - gehen zu wollen.

ι) Wie lässt sich dennoch jenes objektiv notwendige Denken von dem zufälligen, dem subjektiv verschiedenen unterscheiden? Da wir aus der Jurisdiktion unsrer subjektiven Denknotwendigkeit doch13Einleitung.niemals herauszutreten, uns nie von dieser zu emanzipiren vermögen, so müssten wir solches für ganz hoffnungslos erklären, wenn uns nicht gelegentlich in Gestalt des intuitiven oder unmittelbaren Einleuchtens die Empfindung der Evidenz zuhülfe käme, wenn wir nicht an dem Bewusstsein der letzteren jenes erstere Denken erkennten.

Eine leidenschaftslose eingehende Prüfung der Form unsres Denkens durch unsern Verstand verschafft uns (mit subjektiver Denknotwendig - keit) die Überzeugung, lässt es uns als evident erkennen, dass es all - gemeine Gesetze für das im obigen Sinne folgerichtige Denken gibt, und wie sie beschaffen sein müssen.

Die Erfahrung dieses unmittelbaren Bewusstseins der Evidenz, welches einen Teil unsres Denkens begleitet, und der Glaube an seine Zuverlässigkeit und demzufolge auch Gemeinverbindlichkeit ist ein Postulat, über welches nicht zurückgegangen werden kann. Der Glaube an das Recht dieses Gefühls ist der letzte Ankergrund aller Gewissheit überhaupt. Wer dieses nicht anerkennt, für den gibt es keine Wissenschaft, sondern nur zufälliges Meinen (Sigwart1, p. 15).

ϰ) In dem Streben nach unserm Ziele darf uns sonach die Über - zeugung trösten, dass unter bestimmt erkennbaren Umständen die objektive Denknotwendigkeit, auf die wir fahnden, allemal auch zur subjektiven wird. Namentlich fallen beide Denknotwendigkeiten auch immer dann zusammen, wenn es sich um die Vereinigung von unmittel - baren Widersprüchen handelt.

Sehr treffend sagt in dieser Beziehung F. A. Lange1 p. 27 und 28:

Der Satz des Widerspruchs ist der Punkt, in welchem sich die Naturgesetze des Denkens mit den Normalgesetzen berühren. Jene psychologischen Bedingungen unsrer Vorstellungsbildung, welche durch ihre unabänderliche Thätigkeit im natürlichen, von keiner Regel ge - leiteten Denken sowol Wahrheit als Irrtum in ewig sprudelnder Fülle hervorbringen, werden ergänzt, beschränkt und in ihrer Wirkung zu einem bestimmten Ziele geleitet durch die Thatsache, dass wir Ent - gegengesetztes in unserm Denken nicht vereinigen können, sobald es gleichsam zur Deckung gebracht wird. Der menschliche Geist nimmt die grössten Widersprüche in sich auf, solange er das Entgegengesetzte in verschiedene Gedankenkreise einhegen und so auseinanderhalten kann; allein wenn dieselbe Aussage sich unmittelbar mit ihrem Gegen - teil auf denselben Gegenstand bezieht, so hört diese Fähigkeit der Vereinigung auf; es entsteht völlige Unsicherheit, oder eine der beiden Behauptungen muss weichen. Psychologisch kann freilich diese Ver -14Einleitung.nichtung des Widersprechenden vorübergehend sein, insofern die un - mittelbare Deckung der Widersprüche vorübergehend ist. Was in ver - schiedenen Denkgebieten tief eingewurzelt ist, kann nicht so ohne weiteres zerstört werden, wenn man durch blosse Folgerungen zeigt, dass es widersprechend ist. Auf dem Punkte freilich, wo man die Konsequenzen des einen und des andern Satzes unmittelbar zur Deckung bringt, bleibt die Wirkung nicht aus, allein sie schlägt nicht immer durch die ganze Reihe der Folgerungen hindurch bis in den Sitz der ursprünglichen Widersprüche. Zweifel an der Bündigkeit der Schluss - reihe, an der Identität des Gegenstandes der Folgerung schützen den Irrtum häufig; aber auch wenn er für den Augenblick zerstört wird, bildet er sich aus dem gewohnten Kreise der Vorstellungsverbindungen wieder neu und behauptet sich, wenn er nicht endlich durch wieder - holte Schläge zum Weichen gebracht wird.

Trotz dieser Zähigkeit des Irrtums muss gleichwol das psycho - logische Gesetz der Unvereinbarkeit unmittelbarer Widersprüche im Denken mit der Zeit eine grosse Wirkung ausüben. Es ist die scharfe Schneide, mittelst welcher im Fortgang der Erfahrung allmälig die unhaltbaren Vorstellungsverbindungen vernichtet werden, während die besser haltbaren fortdauern. *)Auch hier ein survival of the fittest , Überleben der Tauglichsten. Der Verf.Es ist das vernichtende Prinzip im natürlichen Fortschritt des menschlichen Denkens, welches, gleich dem Fortschritt der Organismen darauf beruht, dass immer neue Ver - bindungen von Vorstellungen erzeugt werden, von denen beständig die grosse Masse wieder vernichtet wird, während die bessern überleben und weiter wirken.

Dieses psychologische Gesetz des Widerspruchs bedarf natürlich zu seinem Bestande und zu seiner Wirksamkeit keiner Anschauung. Es ist unmittelbar durch unsre Organisation gegeben und wirkt vor jeder Erfahrung als Be - dingung aller Erfahrung. Seine Wirksamkeit ist eine objektive und es braucht nicht erst zum Bewusstsein gebracht zu werden, um thätig zu sein.

Sollen wir nun aber dasselbe Gesetz als Grundlage der Logik auffassen, sollen wir es als Normalgesetz alles Denkens anerkennen, wie es als Natur - gesetz auch ohne unsre Anerkennung wirksam ist, dann allerdings bedürfen wir hier so gut wie bei allen andern Axiomen der typischen Anschauung, um uns zu überzeugen **)Ich breche das Citat mit Absicht erst bei diesen Worten ab, welche zwar von andern Seiten bestritten, doch jedenfalls für die der Lange'schen Schrift zu - grunde liegende Gesamtauffassung bezeichnend sind.

15Einleitung.

Insbesondre bringt der Gang wissenschaftlicher Forschung es fort - während mit sich, dass Streit geschlichtet wird durch Verfolgung falscher Sätze in ihre Konsequenzen, und jeder apagogische Beweis ist ein Beispiel dieses Verfahrens (Sigwart1, p. 13).

λ) Im Hinblick auf die enormen unter den Menschen herrschenden Meinungsverschiedenheiten und auf die Thatsachen des Irrtums und des Streites, scheint auf den ersten Blick ein Glaube an die Ge - meinverbindlichkeit folgerichtigen Denkens nur schwer aufkommen zu können.

In diesem Glauben lässt sich die Logik gleichwol nicht beirren. Sie nimmt an, dass jene Fakta nicht sowol im Intellekte begründet sind, als vielmehr ganz andern Ursachen zur Last fallen.

Zumeist entspringen jene Meinungsverschiedenheiten schon aus der Nichtübereinstimmung der Prämissen des Schliessens, deren Erfassung bei verschiedenen Denkern nach verschiedenen Richtungen mangelhaft erscheint und die sich häufig nicht zu dem wünschenswerten Grade der Klarheit im Bewusstsein emporgearbeitet haben, über die denn auch eine hinreichende Verständigung nicht stattgefunden hat. Viele Menschen verschliessen auch ihr Bewusstsein gewissen Erkenntnissen.

Doch, sofern selbst die Prämissen deduktiven Schliessens noch leidlich übereinstimmen, sind die Schlussfolgerungen oft noch verschieden wegen mangelnder oder unvollständiger, nicht gründlich genug vollzogener Prüfung der im Bewusstsein aufgenommenen Objekte des Denkens durch den Ver - stand vonseiten des einen oder andern Denkenden. Solches kann veranlasst sein durch Denkfaul - (oder zarter ausgedrückt: - träg) heit, Schwerfälligkeit auf der einen Seite, durch die Scheu vor der geistigen Anstrengung nicht nur im gegebenen Falle, sondern auch durch den Mangel an Denkfertigkeit und Gewandtheit, an geistiger Schulung und Disziplin im Denken, welche jene Disposition im Gefolge zu haben pflegt und der grossen Menge gilt in der That das Kopfzerbrechen für die allerunangenehmste Arbeit. Andrer - seits wird häufig Ungeduld und Übereilung, ein lapsus attentionis etc., auf das Zustandekommen fehlerhafter Schlüsse hinwirken. So in der That schon bei ganz aufrichtigen Überzeugungen.

Dazu kommt aber noch die Dazwischenkunft, Intervention des Gemütes mit seinen Leidenschaften, welche dahin wirken, dass der Mensch, mitunter sich selbst unbewusst, oder auch sich beschwindelnd, einer in seinem (wirk - lichen oder vermeintlichen) Interesse liegenden, einer ihm genehmen, er - wünschten, schmeichelhaften Konklusion den Vorzug zu geben sucht vor der logisch berechtigten. Namentlich kommt oft das Übergewicht in Betracht, welches die Eitelkeit mit in die Wagschale legt, indem sie den Menschen geneigt macht, bei eingewurzelten, überhaupt bei den einmal von ihm ge - fassten Meinungen mit dem Dünkel der Unfehlbarkeit zu verharren, und Anderes mehr. Die Logik von Port-Royal1 schon entrollt uns ein aus feiner Beobachtung hervorgegangenes psychologisches Bild in beregter Hinsicht.

16Einleitung.

Man könnte auch die Frage aufwerfen, ob für den weiblichen Intellekt dieselbe Denknotwendigkeit verbindlich ist wie für den männlichen. *)Bedeutsam sagt z. B. ein feiner Menschenkenner, Bodenstedt (in Mirza - Schaffy):Frauensinn ist wohl zu beugen, Ist der Mann ein Mann und schlau, Aber nicht zu überzeugen: Logik gibt's für keine Frau. Frau'n kennen keine andern Schlüsse Als Krämpfe, Thränen und Küsse. Auch die auf diesem Gebiete zutag tretenden Gegensätze schieben wir aber auf Rechnung vor allem der bei beiden Geschlechtern so verschiedenartigen Vor - bildung und Schulung des Geistes, sodann auch auf Unterschiede des Tem - peramentes und der Neigungen, welche beim weiblichen Geschlechte reiner Verstandesthätigkeit im allgemeinen abgewendet sind. **)Nicht ohne Ausnahmen. Wir werden in diesem Werke auch mit den Leistungen einer Dame auf dem Gebiet der rechnenden Logik Bekanntschaft zu machen haben.

Aus alledem geht hervor, dass unser wirkliches Denken in den Urteilen, die es erzeugt, seinen Zweck häufig verfehlt (cf. Sigwart1, p. 9); dass diese Urteile teils von dem einzelnen Denkenden selbst wieder aufgehoben werden, indem die Überzeugung eintritt, dass sie ungültig sind, d. h. dass notwendig anders geurteilt werden muss, teils dass die Urteile von andern Denkenden nicht anerkannt werden, indem diese ihre Notwendigkeit bestreiten, sie für blosse Meinung und Ver - mutung erklären oder gar ihre Möglichkeit leugnen, sofern über den - selben Gegenstand notwendig anders geurteilt werden müsse.

Solche Erfahrungen müssen uns dazu anregen, uns selbst auf die Grundlagen unsres Denkens zu besinnen; in ihnen wurzelt das Be - dürfniss einer Disziplin, welche beitragen kann, dem Irrtum vorzu - beugen, den Streit vermeiden zu lehren, eventuell ihn zu schlichten, indem sie dem Verstande eine solche Vorbereitung gibt, dass ihm korrektes Denken zur Gewohnheit wird, und so darauf hinwirkt, dass das gemeinverbindliche Denken auch wirklich zum allgemeinen werde.

μ) Wir wollten uns mit den Gesetzen des folgerichtigen Denkens beschäftigen, somit des von einer für alle Intelligenzen verbindlichen Denknotwendigkeit beherrschten Denkens.

Nun kann man fragen: was ist Denken überhaupt, was Notwendig - keit, was sind Gesetze? Würde jemand diese Fragen beantworten, so könnte weiter gefragt werden, was die Worte bedeuten, mit Hülfe deren der Sinn der vorigen zu erklären versucht worden und so weiter17Einleitung.in infinitum. Wer diese Fragen fort und fort zu beantworten unter - nähme, würde in Erinnerung rufen das Bild des Hundes, der sich in den Schwanz zu beissen sucht; er würde sich immerfort im Ring herum bewegen!

Zudem ist die exakte Beantwortung derartiger Fragen etwas höchst Schwieriges zumeist wol ein verfrühtes Unternehmen!

Und ihr Versuch schon könnte uns von unserm eigentlichen Vorhaben immer weiter abziehen, würde uns möglicherweise gar nicht zu demselben kommen lassen, ja er dürfte uns in Untersuchungen verwickeln, die zu den schwierigsten der Philosophie überhaupt gehören, darunter manche, die Ver - fasser gern berufeneren Federn überlassen möchte. Daneben aber und nicht zum mindesten müsste uns solches Wagniss auch auf Untersuchungs - gebiete führen, in Bezug auf welche die Philosophen von Fach noch lange nicht einig sind, wo es annoch heisst: soviel Köpfe, soviel Sinne , Gebiete, die sich eben einer exakten Behandlung bis jetzt nicht zugänglich erwiesen haben.

Und sich auf Spekulationen in derartigen Gebieten einzulassen, würde als unvereinbar erscheinen mit dem ganzen Charakter der deduktiven Logik, die ja auf das Gemeinverbindliche, unmittelbar oder mittelbar Selbstverständ - liche sich zu beschränken hat, und deren Aufgabe es vorzugsweise ist, in dem Chaos der philosophischen Systeme den gemeinsamen Boden herzustellen, auf dem jedes System fussen muss, den unumstösslich sichern Kern zu ge - winnen, um welchen die übrigen Zweige der Philosophie und Wissenschaft überhaupt ankrystallisiren mögen.

Jedenfalls, meine ich, kann es dem Verfasser eines Buches über Logik nicht zugemutet werden, die tiefsten Rätsel des Daseins über - haupt, die schwierigsten Probleme der Metaphysik, Erkenntnisstheorie, Psychologie und vielleicht auch Physiologie schon in dessen Einleitung vorweg zu lösen. Wir können eben hier nur ein Ideal aufstellen, und von dem Standpunkte aus, den jeder Mensch einnimmt, welcher die Sprache beherrscht, auf dasselbe zusteuern.

Das Ideal ist: die Gesetze folgerichtigen (weil als solches einleuch - tenden) Denkens zum Bewusstsein zu bringen, denselben einen allgemeinen und zugleich möglichst einfachen Ausdruck zu geben, sie namentlich auch auf möglichst einfache Grundlagen auf möglichst wenige Prinzipien oder Axiome zurückzuführen, und überhaupt dieses Denken zu einer bewussten Kunstfertigkeit zu gestalten noch mehr: es in eine Technik zu entwickeln, welche zu irgendwie gegebenen Prämissen oder An - nahmen mit leichtester Mühe alle Folgerungen liefere, die nach irgend einer wünschbaren Richtung überhaupt gezogen werden können, auch mit unfehlbarer Sicherheit über die Folgerichtigkeit oder - unrichtigkeit einer Behauptung zu entscheiden, die richtige zu beweisen, die unbe - rechtigte oder falsche zu widerlegen gestatte.

Schröder, Algebra der Logik. 218Einleitung.

In ihrem ganzen Umfange kann diese Aufgabe begreiflicherweise nicht sofort gelöst werden. Aus dem allgemeinen Hintergrunde derselben hebt sich zunächst ein elementarer Teil hervor, für welchen die Aufgabe nicht nur als lösbar, sondern bereits als definitiv und nahezu vollständig gelöst erscheinen wird (ich meine die im Englischen als logic of absolute terms bezeichnete Disziplin). An ihn reiht sich ein höherer Teil (die logic of relatives ), dessen Behandlung sich mehr noch in den Anfangsstadien ihrer Entwickelung befindet.

Was namentlich den zu allerletzt charakterisirten Teil der Aufgabe be - trifft, so muss die künftige Entwickelung der logischen Disziplin erst vollends herausstellen, inwieweit er überhaupt durch allgemeine Methoden lösbar ist, und wann etwa zu seiner Lösung die Spezial wissenschaften einzutreten haben.

Wir könnten uns hienach mit dem bisher Gesagten begnügen, und mit dem Beginn der ersten Vorlesung sogleich in medias res eintreten.

ν) Um indessen dem ersten unsrer Motti (in welchem ich eine hohe Weisheit erblicke) thunlichst gerecht zu werden, will ich mir doch gestatten, etwas weiter auszuholen, und versuchen, dem Ursprung des logischen Denkens auch noch von einer andern Seite beizukommen, denselben noch eingehender darzulegen, die angedeuteten Rätsel und Probleme wenigstens streifend.

Ich thue dies nicht ohne Widerstreben, hervorgerufen durch das Be - wusstsein subjektiver Fehlbarkeit, sowie der bei der unerschöpflichen Viel - seitigkeit des Themas höchst wahrscheinlichen Einseitigkeit der Betrachtungen. Ausdrücklich möchte ich mit diesen einleitenden Überlegungen ebenso an - spruchslos auftreten, als ich zuversichtlich der alsdann entwickelten Theorie einen hohen Grad von Vollkommenheit in sachlicher Hinsicht zuspreche, und be - merke ich zum voraus, dass auch solche Leser, die mir bei jenen nicht überall zustimmend zu folgen vermöchten, sich mittelst Überschlagung von etlichen Seiten darüber hinwegsetzen mögen und die Korrektheit sowol als Wirksamkeit der alsdann folgenden Ausführungen gleichwol nicht werden bestreiten können.

Im Anschluss an gedachte Überlegungen werde ich zudem schliesslich Gelegenheit und Veranlassung finden, mich über die Eigenart der hier be - vorzugten Darstellungsweise der logischen Theorie, und des Buches insbe - sondere, noch näher auszulassen, dieselbe in gewissem Sinne zu rechtfertigen.

ξ) Der Mensch ist sich seines Daseins unmittelbar bewusst, und schreibt sich einen Geist zu. Die Existenz des eignen Ich's in der Form der Zeit ist wol (für dieses selbst) die unzweifelhafteste, die un - bestreitbarste und auch unbestrittenste von allen Thatsachen.

Von dieser der allersichersten Thatsache sind vorsichtige Philosophen jederzeit ausgegangen und werden solche es auch in Zukunft voraussicht - lich thun müssen.

Mit dem Bewusstsein aber ist uns ein Mannigfaltiges gegeben. Eine ganze Welt von Empfindungen, Erinnerungen, Vorstellungen und19Einleitung.Strebungen auch schon fertiger Gedanken und Überzeugungen findet der reifere Mensch, wenn er anfängt, über sich und die Welt nachzudenken, zu reflektiren, in seinem Bewusstsein bereits vereinigt. Jedenfalls um nur das allerwenigste zu sagen vermögen wir Ver - schiedenes in unserm Bewusstsein zu unterscheiden, wir finden Mancherlei in ihm zusammengefasst. Auch ist der Inhalt des Bewusstseins teilweise in Veränderung begriffen; Einzelnes in ihm Vorhandene schwindet aus demselben, nicht vorhanden Gewesenes wird erzeugt, Getrenntes ver - knüpft, Verbundenes gesondert.

Solche Thätigkeit des menschlichen Geistes, welche wir Denken im weitesten Sinne des Worts nennen (mit andern Worten Innewerden, Bewusstwerden), und welche dessen ganzes Dasein ausfüllt, besteht also jedenfalls wesentlich mit in einer Vereinigung von Mannigfaltigem im Bewusstsein.

Schon dieser Vorgang hat, genauer besehen, etwas höchst Rätsel - haftes, um nicht zu sagen: geradezu Unbegreifliches.

Der naive, der ungeschulte Verstand, der Verstand auch des Mannes der Praxis, der nur gewohnt ist, über die Dinge der Aussenwelt in Bezug auf diese selbst zu urteilen, dagegen vernachlässigt auch nachzudenken über die Vorgänge, welche im denkenden Subjekte hierbei stattfinden (sowie über die Beziehungen zwischen diesen und jenen), mag sich vielleicht mit Er - forschung von Unbekanntem, mit der Lösung von Problemen beschäftigen, doch pflegt er nirgends Unbegreifliches zu erblicken. Dass solches wol vor - handen sein müsse*)Schon das blosse Dasein kann dafür gelten, wie denn jener indische Weise, dessen L. Büchner Erwähnung thut, sich jeden Morgen von neuem wunderte, dass überhaupt etwas ist, und nicht nichts ist., wird er eventuell erst mit Verwunderung inne, wenn er versucht, in den Sinn der philosophischen Lehrmeinungen einzudringen und auf den Widerstreit von diesen stösst. Wer dann aber, mit der Vor - sicht, zu welcher die Wahrnehmung solcher Diskrepanz auffordern muss, ernstlich strebt in den Born der Erkenntniss einzudringen, wird fast auf Schritt und Tritt gewahr, wie wenig gefestet, bestimmt und vollendet auch die ihm geläufigsten Begriffe sich erweisen, ja wie wenig oft die für un - erschütterlich gehaltenen Grundlagen seines gesamten Denkens feststehen.

ο) Um jenen Vorgang der Zusammenfassung oder Verknüpfung von Mehrerlei zu einer Einheit im Bewusstsein auf sein einfachstes Urbild zu reduziren, fassen wir einmal den Fall in's Auge, wo das denkende Subjekt nur zwei Dinge, z. B. Sinneseindrücke in seinem Bewusstsein vereinigt. Die Sache wird am deutlichsten, wenn wir diese aus verschiedenen Sinnesenergieen entlehnen.

Man hört den Knall des nahen Blitzes, während der Lichteindruck desselben noch nachklingt. Es sind ja wol verschiedene Organe des2*20Einleitung.Körpers, welche den Schall und den Lichteindruck aufnehmen und dem Träger des Bewusstseins, dem Gehirne übermitteln; auch von letzterem mögen noch verschiedene Teile bei der Übernahme der beiderlei Botschaften vorzugsweise beteiligt sein. Gleichwol ist der Vorgang von ganz anderer Natur, als wenn etwa ein Wesen, das blos zu hören vermag, den Donner vernähme, und ein anderes Wesen, das blos sieht, das Aufleuchten des Blitzes wahrnähme, welche beiden Wesen nimmermehr auf einander einzuwirken, einander etwas mit - zuteilen, von einander zu wissen in der Lage wären, weil das erste zur Aufnahme von Lichteindrücken unfähig, blind, das zweite taub wäre. Vielmehr ist es ein einheitliches Bewusstsein, in welchem beide Eindrücke zusammenfallen, koinzidiren, in eins verschmelzen (das heisst doch wol: sich ver-ein-igen), und dennoch unterscheidbar bleiben!

Dasselbe, wie in Bezug auf diese verschiedenartigen Sinnesein - drücke, würde sich auch ausführen lassen in Bezug auf die verschiedenen Eindrücke, welche uns von einerlei Sinnesorgan übermittelt werden, z. B. für den Fall, wo wir zwei Lichtpunkte, oder sagen wir zwei Kreidestriche auf der Schultafel, gleichzeitig wahrnehmen. Treffen auch die von beiden Strichen entsendeten Strahlen, fallen ihre (um - gekehrten) Bilder auch auf verschiedene Stellen der Netzhaut, so werden schliesslich doch die Eindrücke beider im selben Bewusstsein vereinigt, und in dieser Hinsicht würde die Sache nicht anders liegen, wenn etwa der eine der beiden Striche, oder auch beide, anstatt wahr - genommene, blos vorgestellte, Erinnerungsbilder z. B. wären.

Die Annahme, es sei gar nicht möglich, zwei (wahrgenommenen oder blos gedachten) Dingen zugleich Aufmerksamkeit zu schenken, vielmehr springe letztere immer nur zwischen beiden hin und her, scheint der Schwierigkeit, die sie zu heben trachtet, nicht mit Erfolg aus dem Wege zu gehen. Es ist doch jedenfalls zuzugeben, dass wir zwei Striche mit dem Augenmaass z. B. nach ihrer Länge vergleichen können, und dieses wäre ganz undenkbar, wenn nicht wenigstens ein Erinnerungsbild vom einen festgehalten und zum andern mit herübergenommen würde, in Bezug auf welches wir eben zu beurteilen vermögen, ob es mit diesem sich deckt oder nicht. Die so überaus häufige Thätigkeit des Geistes, welche auf die Wahrnehmung oder Herstellung von Beziehungen zwischen Objekten des Denkens hinausläuft, scheint deren gleichzeitige Betrachtung zur unerläss - lichen Voraussetzung zu haben. Nie würden wir um noch ein anderes Beispiel zu wählen ein Wort zu lesen im Stande sein, wenn im Bewusst - sein nicht (die Auffassung von) mehr als ein (em) Buchstaben auf einmal Raum hätte. Nicht nur blos gewissermassen schlummernd, latent im Bewusstsein überhaupt, sondern selbst im Felde der Aufmerksamkeit ver - mögen wir also zwei oder mehrere Wahrnehmungen oder auch Vorstellungen zu vereinigen.

21Einleitung.

Als auf ein anderes Beispiel sei auf die kombinirten Töne und Har - monieen noch hingewiesen.

Diese Vereinigung, In-eins-setzung von Zwei - oder Mehrerlei, diese Herstellung einer Vieleinigkeit , welche sich im Bewusstsein des denkenden Sukjektes vollzieht, ist das, was ich als das Unbegreifliche des Vorgangs bezeichne. *)Wer an paradoxen Aussprüchen Freude hat, könnte sich, sofern er obigen Ausführungen folgte m. a. W. im Hinblick auf das hervorgehobene Mysterium der Zweizahl, Mehrzahl, der Vieleinigkeit im Bewusstsein, oder wie man dasselbe nennen mag wol versucht fühlen, dem Hegel'schen Ausspruch: Sein ist Nichtsein; dieser Widerspruch löst sich auf im Werden welchen ich in dieser Fassung Herrn Kuno Fischer's Logik entnehme einen andern an die Seite zu setzen: Zwei sind eins; dieser Widerspruch löst sich auf (verwirklicht sich) im Innewerden (Bewusstwerden). Sonst allerdings sind zweie nirgends eines. Wenn im Ernste gesprochen ein denkendes Subjekt A im Geist zwei Dinge b und c zugleich erschaut, so erzeugt sich in diesem Geiste eines (ein Ding ): die Anschauung von b nebst c , aus welcher nicht nur diejenige von b, oder die von c, jeden Augenblick losgelöst und isolirt zu werden vermag, sondern in welcher sogar, obzwar sie eins geworden , diese beiden Anschauungen auch stets gesondert, als zweie, empfunden sind.Der Versuch, die Herstellung zweier Bilder an verschiedene Stellen des Hirns zu verlegen wenn man doch dem letztern insbesondere, und der materiellen Welt überhaupt, Wirklich - keit zuschreiben will lässt deren Wechselwirkung aufeinander, lässt die Einheitlichkeit des Bewusstseins, der Versuch, sie an dieselbe Stelle (oder dieselben Stellen) zu verlegen, lässt ihre Unterscheidbarkeit wol unbegreiflich erscheinen.

π) Einerlei, wie die Wissenschaft in vorgeschritteneren Stadien sich das Wesen dieses Vorgangs auch zurechtlegen wird, so haben wir uns hier mit der Thatsache abzufinden, dass in dem einheitlichen Bewusst - sein des Ich's gar Mannigfaltiges verknüpft, zusammengefasst oder vereinigt erscheint, dass wir unmittelbar inne werden einer Mannig - faltigkeit (wie gesagt) von Empfindungen und Vorstellungen, Gemüts - zuständen und Willensstrebungen, welche teilweise als sich forterhaltend oder neu immer wieder erzeugend, teilweise als im Wechsel oder Fluss, in Änderung befindlich sich uns offenbart (zuweilen sich zu eigner Thätigkeitsäusserung steigernd), und in welcher sich namentlich auch die Gedanken entwickeln.

Dieser mannigfaltige Inhalt des Bewusstseins mit seinen auf - einanderfolgenden (genauer: sich an einander reihenden) Zuständen, seinen successiven Phasen, füllt das Leben des Individuums oder denkenden Subjektes aus. Er ist eine Welt für sich, ein (Mikro -) Kos -22Einleitung.mos, den wir kurz, wenn auch nicht erschöpfend, die Ideenwelt, Gedankenwelt des Individuums nennen mögen.

ϱ) Was uns zur Anerkennung auch des Makrokosmus, der Aussen - welt nötigt, zwingt, ist die schon von früh auf gemachte und seitdem fast unaufhörlich wiederholte Wahrnehmung resp. innere Erfahrung, dass wir über gewisse Teile der uns unmittelbar bewussten Gedanken - welt nicht willkürlich verfügen können.

Schon der Säugling kann das Gefühl des Hungers nicht willkürlich beseitigen, kann sich dem Eindruck blendenden Lichtes, wenn er etwa schlafen möchte, nicht verschliessen. Andere Teile unsrer Gedankenwelt, dagegen, sind wir uns unmittelbar bewusst, selbstthätig, frei, nach unserm Willen zu gestalten. Wir können uns z. B., sobald es uns beliebt, einen grünen Tannenbaum vorstellen, oder, wenn wir mögen, auch einen schnee - bedeckten, desgleichen rote Farbe, etc. etc. Wir mögen uns angenehmer Erlebnisse, einer hübschen Melodie erinnern und uns auch bessere Zustände hoffnungsfreudig ausmalen. Schwerer schon fällt es, unangenehme Er - innerungen los zu werden.

σ) Einzelnes, was in unser Bewusstsein eintritt, empfinden wir unangenehm als Schmerz, Leid, Ärgerniss, Kummer; Manches lässt uns als ein gleichgültig Empfundenes indifferent, Anderes empfinden wir als angenehm mit Genuss, Lust, Wohlbehagen, Freude. Jenes erstere veranlasst uns, die Beseitigung, dieses letztere, die Fortdauer, eventuell Wiederholung seiner selbst zu erstreben. Abermaliges Rätsel: das Wesen der Affekte, von Zu - und Abneigung, von Schmerz und Lust.

Dass beides, wenn auch vermutlich davon bedingt und stets davon begleitet, nicht wie nach der materialistischen Weltanschauung lediglich in Bewegungszuständen, in einem mehr oder weniger rhythmisch ausgeführten Tanze unsrer Gehirnmoleküle bestehen könne, dass auch der vollendetste Automat noch kein fühlender Mensch wäre, Empfindung über - haupt nicht auflösbar ist in Bewegung, steht mir vorderhand dogmatisch fest. Dafür gegebene Beweise vermag ich indessen als solche nicht anzuerkennen.

τ) Durch unsre physischen und psychischen Triebe, durch die Ab - neigung, auch Furcht, vor Schmerz, sowie die Erwartung von, Aus - sicht auf Genuss bedingt, bilden sich Wünsche in uns aus, werden wir uns gewisser Willensstrebungen, eines bestimmten Wollens un - mittelbar bewusst; wir nehmen Willensakte in uns vor. Und diese Thatsache des Vorhandenseins eines menschlichen Willens nun hängt auf das innigste mit der Anerkennung der Aussenwelt zusammen; sie scheint geradezu eine Vorbedingung*)Auch umgekehrt würde unser Wille unfähig sein in die Erscheinung zu treten ohne das Hinzukommen der Aussenwelt als eines Gegenstandes, an welchem derselbe sich erprobt, bethätigt und übt. zu dieser zu bilden, indem die23Einleitung.letztere in dem erkannten Unvermögen wurzelt, das Gewollte sofort, durch blosse geistige Thätigkeit des Ich in allen Fällen zu verwirklichen.

Das Wesen des Willens bildet ein vielbehandeltes und gleichwol noch nicht ergründetes Thema. Es ist eine Frage, welche die Philosophen zur Zeit noch in zwei grosse Lager spaltet: ob der menschliche Wille wirklich frei sei (und was ist Freiheit?), oder ob mit Spinoza die mensch - liche Freiheit, deren Alle sich rühmen, lediglich darin besteht, dass die Menschen sich ihres Wollens bewusst und der Ursachen, von denen sie bestimmt werden, unbewusst sind ; dergestalt, dass die Gedanken und Handlungen des Menschen lediglich eine Funktion sind ( Funktion im mathematischen Sinne) der Zustände, aus denen der Mensch hervorgegangen, der inneren und äusseren Umstände, unter deren Herrschaft er gerade steht eine Weltanschauung, nach welcher z. B. ein Mensch, der, wie er meint, freiwillig den Arm aufhebt, vergleichbar wäre einer (nur allerdings mit Bewusstsein begabten!) Marionette, die, während ihr mit naturgesetz - licher Notwendigkeit der Arm durch einen Draht emporgezogen wird, blos in dem Wahne stünde, denselben selbst zu heben. *)Wahrscheinlich ist dieser Vergleich eine Reminiscenz aus einer früheren Auflage von Herrn Ludwig Büchner's Kraft und Stoff ; in der mir vorliegenden 16. Auflage Leipzig 1888, 512 Seiten habe ich denselben jedoch vergeblich gesucht.

Die Frage ist von tiefgreifendster Bedeutung namentlich für die Rechtspflege und für die Beurteilung jenes schlimmsten aller Übel der Schuld.

Unleugbar zeigen nun die Fortschritte der Naturforschung, besonders auf dem Gebiete der Physiologie und Psychiatrik, unterstützt auch durch die Statistik der menschlichen Gesellschaft, eine stetig steigende Tendenz, das Gebiet der möglicherweise noch für frei zu haltenden, nämlich einer nachweisbar zwingenden Bestimmung entbehrenden Lebensäusserungen des Menschen einzuengen; und es mögen darum Naturforscher und Irrenärzte mehr zu der letzterwähnten Ansicht neigen. Ich stehe meinerseits nicht an, mich zu derselben zu bekennen, und zwar meine ich, dass schon ein Jeder zu demselben Ergebniss kommen muss, wofern wir nur ohne vor - gefasste Meinung uns selbst darauf besinnen, was denn eigentlich in uns vorgeht, wenn wir einen Entschluss zu fassen haben? Kommt uns kein Zweifel an bezüglich dessen, was in einem gegebenen, vorliegenden Falle zu thun sei, so handeln wir entweder instinktiv nach einem unbewusst und ohne unser Zuthun von Natur in uns entstehenden Impulse, oder wir folgen dabei sozusagen mechanisch einer schon von früher überkommenen (und seinerzeit naturgesetzmässig erworbenen) Gewöhnung. Von freier Entschliessung wird erst dann zu sprechen sein, wenn mehrere Möglich - keiten des Handelns sich dem Geiste zur Auswahl darbieten, m. a. W. wenn wir im Zweifel sind, was thun. Hier dürfte nun die Thatsache nicht in Abrede zu stellen sein, dass sooft wir so für eine Handlung uns zu ent - scheiden haben, es wiederum von unserm Willen völlig unabhängig erscheint, welche Erinnerungen, Vorstellungen und Überlegungen sich uns bis zum24Einleitung.Moment des Handelns aufdrängen, und welche zuletzt das Übergewicht er - halten, die That bestimmend.

Des weiteren sei in Bezug auf die angeregte interessante Frage auf Herrn Emil du Bois-Reymond's bekannte Schrift Die sieben Welträthsel und den darin citirten merkwürdigen Ausspruch des Abbé Galiani ver - wiesen. Die Arbeit von Ludwig Dieffenbach1 bekundet grosse Belesenheit des Verfassers und betrachtet mit Scharfsinn auch juristische Fragen vom deterministischen Standpunkte. *)Für jede Weltanschauung, ja fast für jede Ansicht, hat die Philosophie einen ismus als Namen parat. Da gibt es einen Nominalismus, Realismus und Konzeptualismus, einen Materialismus, Sensualismus, Naturalismus und Ratio - nalismus, einen Idealismus, Spiritualismus, Spiritismus, Supernaturalismus und Mysticismus, einen Eklekticismus, etc. und nicht genug damit: es müssen auch noch Personennamen zu weitern ismussen herhalten wie in Platonismus, Skotismus, Kantianismus, Schopenhauerianismus etc. Wer sich über die damit zu verbindenden Begriffe und ihre im Lauf der Jahrhunderte zum Teil recht schwankenden Bedeutungen orientiren will, mag ein gutes Konversationslexikon zu rate ziehen. Hüten aber muss man sich davor, eine Ansicht über die Dinge, schon darum, weil sie eine derartige Benennung gefunden hat, nunmehr für einen längst abgethanen und überwundenen Stand - punkt halten zu wollen. Nicht wenige dieser ismusse floriren noch lustig weiter und hängen eben mit fundamentalen Fragen zusammen, welche die Philo - sophie noch keineswegs zum Austrag zu bringen vermocht bat. Mit unsrer Einleitung gingen wir unsrer Überzeugung gemäss aus vom idealistischen Standpunkte. Die oben vorgetragenen (damit sehr wohl verträg - lichen) Anschauungen über die Willensfreiheit, nach welchen auch der Mensch mit seinem Fühlen, Thun und Denken keine Ausnahme in der allgemeinen Gesetzmässig - keit der Natur bildet, führen den Namen des Determinismus , und werden die Gegner dieses Standpunktes auch als Indeterministen bezeichnet.Von Neueren behandelt Riehl2 Bd. 2, p. 216 sqq. das Problem der Willensfreiheit besonders eingehend und, wie mir scheint, in mustergültiger Weise.

Ich würde es, nebenbei gesagt, für einen grossen Segen halten, wenn die Überzeugung von der Naturnotwendigkeit alles menschlichen Denkens und Handelns Gemeingut aller Gebildeten würde. Diese Weltanschauung, welcher unter den Dichtern der Neuzeit Herr Arthur Fitger prägnanten und poetischen Ausdruck verliehen, müsste im Einklang mit dem schönen Gebot der Nächstenliebe und vielleicht wirksamer als diese nur allzuoft nicht vorhandene oder fast unmögliche naturnotwendig dahin wirken, der Animosität, dem Hass und der Verdammungssucht jeglichen Boden, auf dem sie gedeihen könnten, zu entziehen und auch ein gutes Teil Über - hebung aus der menschlichen Gemeinschaft zu tilgen. Sofern die Hand - lungen des Individuums in erster Linie vom Stande seiner Einsicht ab - hängig, durch diesen sich bestimmt erweisen, würde sich für einen Jeden das praktische Gebot ergeben, vor allem auf Richtigstellung, Hebung und Vertiefung der Einsicht eigner, wie fremder bedacht zu nehmen. Bei der Beurteilung des Nebenmenschen würde man stets die in Madame de Staël's klassischem Spruche: Alles verstehen hiesse alles verzeihen, Tout25Einleitung.comprendre, c'est tout pardonner (als Subjekt) enthaltene Voraussetzung zu verwirklichen suchen und damit eine Erkenntniss zu gewinnen streben, deren Erwerbung durch jene oben genannten Affekte in der Regel voreilig verhindert wird. Jene Weltanschauung müsste endlich die Mahnung in sich schliessen, bei dem Kampfe gegen das Übel in dem Verfahren gegen Übelthäter nicht über das zum Schutze des Einzelnen und der Gesellschaft erforderliche Maass hinauszugehen.

Wir brauchen indess zu obiger Frage hier keine Stellung zu nehmen, und genügt uns die Thatsache, dass unser Wille sei er auch von einer uns unbewussten Notwendigkeit durchaus bestimmt, sei unsre Willensfreiheit auch nur Illusion doch innerhalb unsres Bewusstseins wenigstens als frei erscheint, nämlich als ein freier unmittelbar empfunden wird. Diese Thatsache ist nicht nur unbestritten, sondern: dass wir überzeugt sind, frei zu denken, und auch (innerhalb der Grenzen des uns physisch Möglichen) frei zu handeln glauben, bildet sogar eine der am tiefsten eingewurzelten menschlichen Überzeugungen. (l. l. c. c.)

υ) Demjenigen nun, was in unserm Bewusstsein als unfrei em - pfunden wird, sich dem unmittelbaren Einfluss unsres Willens entzieht, schreiben wir eine ausser uns liegende Ursache zu, und die Gesamtheit dieser Ursachen, denen wir ein eigenes Dasein, eine selbständige Exi - stenz ähnlich der unsrigen (genauer: derjenigen des Ich's) bei - legen, bildet für uns das Nicht-ich oder die Aussenwelt.

So, was wir sehen, hören, tastend fühlen, etc., gestaltet sich (als eine unfreiwillige Empfindung) zunächst zur Anschauung von etwas ausser uns Befindlichem. Der passiv empfangene Sinneseindruck löst in der Regel, um als Empfindung in's Bewusstsein einzutreten, eine rezeptive Thätigkeit des Geistes aus, und diese setzt sich noch über die Empfindung hinaus fort, indem sie Veranlassung wird, dass wir (aktiv) uns eine Vorstellung bilden von dem Gegenstand, der sie hervorruft.

Namentlich ist bekannt, wie wir so die Eindrücke der Farbenverteilung und Helligkeitsverhältnisse, die wir aus einem zweidimensionalen Gesichts - felde empfangen, in den (in einen vorgestellten dreidimensionalen) Raum hinaus verlegen.

Bei der Bildung der Vorstellungen spielt übrigens die Induktion, ob - wol meist unbewusst geübt, schon eine grosse Rolle. Sie z. B. ist es, die uns veranlasst, denselben Tisch, den wir sehend als ausgedehnt resp. raum - erfüllend wahrnehmen, auch mit Widerstandskräften auszustatten, dergleichen sich uns beim Anfassen desselben kund geben. Mit Induktionsschlüssen beteiligt sich der Verstand schon bei der Vorstellungsbildung; er vereinigt oft die aus verschiedenen Sinnesorganen ihm zuteil gewordenen Botschaften zur Gesamtanschauung eines Dinges, das sie veranlasste.

Besonders sind es Gesichts -, Tast - und Muskelsinn*)Bekanntlich sollte man eigentlich von sieben Sinnen sprechen zum wenigsten. Denn nicht nur ist das Funktioniren des Tastsinnes ein zwiefältiges, aus deren26Einleitung.Eindrücken wir, ihre Ursachen lokalisirend, unsre Vorstellung der mate - riellen Körperwelt mit ihrer dreifachen räumlichen Ausdehnung, ihren Widerstands - und andern Kräften und ihren Bewegungsvorgängen herausentwickelt, uns konstruirt haben.

φ) Wir bethätigen dabei das unser gesamtes Denken beherrschende Kausalitätsprinzip *)Nach Schopenhauer1 sind vier Wirkungsweisen dieses Prinzips zu unterscheiden, indem dasselbe uns zwingt, einen zureichenden Grund anzunehmen für das Sein, das Werden, das Erkennen und das Handeln. Nur für den zweiten Fall sollte nach ihm der obige Name angewendet werden. Der erste scheint mir, nebenbei gesagt, von S. unklar formulirt und überhaupt nicht haltbar, viel - mehr wesentlich in dem dritten Falle aufgehen zu sollen, welcher seinerseits den beiden übrigen nicht koordinirt zu setzen ist, sondern in einem gewissen Sinne über denselben steht. Als auf eine der besten mir bekannten Schriften über das Kausalitätsprinzip im engern Sinne sei hier auf Herrn Heinrich Weber's Königsberger Prorektorats - rede1 verwiesen.: für Alles, was in den Bereich desselben tritt, eine Ursache anzunehmen sonach, sofern wir nicht uns selbst als diese Ursache fühlen, dieselbe ausserhalb zu setzen.

χ) Als ein Teil dieser von uns vorgestellten materiellen Welt findet auch unser körperlicher Leib seine Stelle. Im gewöhnlichen Leben zum Ich gerechnet, muss er von der Philosophie doch der Aussenwelt, dem Nicht-ich zugezählt werden. Wenn nämlich auch die Vorstellung, dass wir ihn besitzen, im Bewusstsein stets mehr oder minder lebendig ist, so existirt er doch nicht ganz allein in der Ideenwelt des Ich's und bildet mit seiner Gestalt und Schwere, seinem Aufbau aus Zellen, seinem Gefässsysteme und den darin kreisenden Blutwellen, seinen mannigfachen uns unbewussten Lebensfunktionen, doch keinen freien (d. h. wie gesagt als frei empfundenen) Bestandteil unsres Bewusstseins. Wäre dem so, so würde Jedermann dasjenige*)als Drucksinn und als Wärmesinn, welcher letztere auch dem Geschmacksinn bei - gegeben, sondern ist dazu neuerdings auch der Muskelsinn , das Gefühl für Muskelanstrengung, getreten. Dieser letztere Sinn ist es z. B., durch welchen wir im stockfinstern Keller eine am leeren Hals gefasste volle Flasche von einer leeren unterscheiden; auch beruht auf den zur Accomodation der Augen und Kon - vergenz der Augenaxen erforderlichen Anstrengungen der Augenmuskeln ganz wesentlich das Schätzen der Entfernungen, in welchen sichtbare Gegenstände sich von uns befinden. Vergleiche besonders v. Helmholtz's Thatsachen der Wahr - nehmung , sowie die auf S. 73 der Schiel'schen Übersetzung von Mill1 citirten englischen Werke, als: Brown's Lectures, Mill's Analysis of the mind, Alexan - der Bain, The senses and the intellect, Herbert Spencer's Principles of psycho - logy (Kapitel über die Wahrnehmung), u. a.27Einleitung.Antlitz, das ihm am schönsten oder gerade am wünschenswertesten dünkt, besitzen, diejenige Körperkraft, die er sich wünscht, eben - dadurch erlangen etc.

Die Beziehungen des Leibes, als des dem Ich immerhin am näch - sten stehenden Teils der Aussenwelt zu diesem, sind mehrfacher Art.

Erstens: Durch die nach seiner Oberfläche, Peripherie, gehenden Nervenenden, die sich an einzelnen Stellen zu spezifischen Sinnes - organen vervollkommnen und ausgestalten, wird der Leib zum aus - schliesslichen Werkzeug, vermittelst dessen die ausserleibliche Aussen - welt auf uns einzuwirken vermag, spielt er die Rolle des allezeit be - reiten Boten, welcher, die peripherischen Sinnesreizungen dem Be - wusstsein übermittelnd, dem Geiste von dieser Aussenwelt Kunde bringt.

Zweitens: Zufolge seiner eigenen Beschaffenheit, seiner physio - logischen Verfassung, Konstitution, entstehen in ihm selbst auch visce - rale Reize, wie das Atmungsbedürfniss, Hunger, Durst, Drang jeder Art, durch welche er unabhängig vom Willen des Individuums phy - sische Triebe in dessen Bewusstsein wachruft. Auch können noch hierher gerechnet werden jene (krankhaften) Sinnestäuschungen, die wir erst unter Beihülfe induktiver Schlüsse von sinnlichen Wahr - nehmungen zu unterscheiden vermögen.

Drittens endlich: Indem sich gewisse Willensakte unmittelbar in Bewegungen und Kraftentwickelung, Arbeitsleistung seiner Gliedmaassen umsetzen, erscheint der Leib auch als das wiederum einzige*)Das Axiom: Es gibt keine geistige Einwirkung ohne materielle Vermitte - lung ist die Basis, auf welcher die gesamte Naturwissenschaft steht. Wer die - selbe nicht anerkennt, ist dem Aberglauben in jeglicher Form preisgegeben. Werk - zeug, durch welches seinerseits der Geist auf die Aussenwelt einwirken kann, deren kommende Zustände beeinflussend.

Die sowol unwillkürlichen als unbewussten Wechselwirkungen zwischen Geist und Leib (deren Vorhandensein wir gleichwol durch induktive Schlüsse erkennen), wie z. B. die Wirkung von Kummer oder Freude auf das körper - liche Wohlbefinden, können hier ausser Betracht gelassen werden.

ψ) Wir haben uns hier der gewöhnlichen Ansicht angeschlossen, der die selbständige Existenz der Aussenwelt, und in ihr auch die unsrer Nebenmenschen, für unzweifelhaft, für ausgemacht gilt.

Dem gegenüber steht bekanntlich die Weltanschauung eines hervor - ragenden Metaphysikers: George Berkeley's, nach welcher ganz allein der Geist existirte, die Aussenwelt aber keine Wirklichkeit besässe, vielmehr nur eine Vision, und ihre Objekte dem Ich von einem göttlichen Geiste vor - gespiegelte Wahngebilde, subjektive Erscheinungen wären, das Leben also28Einleitung.gleichwie ein Traum sich abspielte. Solche Ansicht (selbst wenn in die Leugnung der Aussenwelt auch die der Nebenmenschen samt ihrem Geiste noch eingeschlossen würde) lässt allerdings sich weder beweisen noch widerlegen; es bleibt dem Belieben anheimgestellt, sie anzunehmen oder zu verwerfen.

Auch sie gibt übrigens ein Nicht-ich zu, bestehend aus der Gesamt - heit der von dem Ich unabhängigen (als von ihm unabhängig empfundenen) durch eine Notwendigkeit ihm oktroyirten Vorspiegelungen. Für unsre Zwecke ist es gleichgültig, ob die Aussenwelt in dieser oder in jener Form aner - kannt wird, wofern dies nur überhaupt der Fall ist.

Unstreitig kräftigt es unsre Überzeugung von der Existenz eines wahr - genommenen Dinges der Aussenwelt, wenn wir aus ihren Kundgebungen inne werden, dass auch andre Menschen dasselbe ebenso wie wir erblicken. Aus diesem Umstand aber, mit De Morgan2 p. 28 sq., erst die Anerkennung von der Existenz der Aussendinge ableiten zu wollen, scheint mir ein Umweg zu sein, und glaube ich (ohne damit einen Anspruch auf Neuheit erheben zu wollen) diesem gegenüber vorstehend sub ϱ υ) den wahren Grund hervorgehoben zu haben.

ω) Empfindungen und Vorstellungen lassen auch durch Erinnerung sich reproduziren, ja wir können die Elemente uns schon geläufiger Vorstellungen auch zu ganz neuen Vorstellungsgebilden erfinderisch verknüpfen.

Wesentlich bleibt jedoch eine jede blos vorgestellte, sei es anti - zipirend geahnte, sei es in Erinnerung gerufene Empfindung von der durch Sinneseindruck thatsächlich hervorgerufenen verschieden.

Es dürfte schwierig sein, genau festzustellen, in was die faktische Em - pfindung mit ihrer Erinnerung übereinstimmt und wodurch sie doch von von dieser sich unterscheidet, was sie etwa vor ihr voraus hat. Die freien Vorstellungen scheinen mit einem erhöhten Gefühl von Selbstthätigkeit, einem Gefühl von Anstrengung der Einbildungskraft, Phantasie, verknüpft, unter Fehlen des Gefühls, eventuell Genusses, und auch der Anstrengung rezep - tiver Sinnesthätigkeit. Jedenfalls werden wir nicht satt durch die Vor - stellung, dass wir ein leckeres Gericht verzehrten, auch leiden wir ungleich weniger durch blos vorgestelltes Zahnweh.

Stellen wir uns Veilchengeruch z. B. vor, so haben wir doch nicht den Genuss des letztern; wir haben die Empfindung selbst nicht. Diese können wir erst durch umgestaltende Einwirkung auf die Aussenwelt erlangen, indem wir uns z. B. wirkliche Veilchen verschaffen.

In diesem unsern Unvermögen, die uns angenehmen Empfindungen und äussern Sinneswahrnehmungen unmittelbar in unserm Bewusstsein herzustellen, wurzelte, wie schon erwähnt, unsre Erkenntniss der Aussen - welt überhaupt.

α1) Auf ebendieser Beschränkung unsrer Macht über unsern Be - wusstseinsinhalt beruht es nun auch ferner, dass wir in Bezug auf29Einleitung.viele vorgestellte Dinge zunächst nur Absichten fassen, uns Ziele oder Zwecke vorsetzen können und diese durch Mittel zu erreichen suchen müssen, dass wir sie oft erst auf Umwegen zu verwirklichen, zu rea - lisiren im stande sind.

Alles Erkennen der Aussenwelt konnte schon die Voraussetzung nicht entbehren, dass die von den Dingen auf uns ausgeübten Ein - wirkungen, dass die Art, wie die Dinge uns erscheinen , von einer Notwendigkeit geregelt seien (bestimmt durch die Natur der Dinge an sich, die Natur unsres Wahrnehmungsvermögens und durch die Be - ziehung, gegenseitige Lage, in welche die Dinge und unsre Sinnes - organe zu einander stehen oder von uns gebracht werden). Und ebenso wäre das Verfolgen von Zwecken durch Mittel aussichtslos, sinnlos, ohne die Annahme, dass die aufzuwendenden Mittel notwendige Wirkungen haben, genauer gesagt: spezifische Wirkungen notwendig haben müssen. Es wird sich uns in letztrer Hinsicht nur darum handeln, diese Wir - kungen richtig vorauszusehen, die Gesetze dieser Wirkungen zu erkennen.

Gesetze in dem Sinne von Naturgesetzen pflegt man dahin zu formu - liren, dass unter gleichen Bedingungen auch jedesmal gleiche Folgen aus - nahmslos eintreten. Gleiche Ursachen haben gleiche Wirkungen. Statt gleiche wäre beidemal wol genauer zu sagen: ähnliche, d. i. solche, die einander in einer bestimmten Hinsicht gleichen . Versucht man aber ge - nauer festzustellen, worin das Einandergleichsein von sei es Ursachen, sei es Wirkungen, in der betreffenden Hinsicht besteht, so zeigt sich, dass das - selbe zurückzuführen ist auf die Übereinstimmung zwischen Eindrücken, Em - pfindungen, die sie unter bestimmten Umständen in unserm Geist hervorrufen, zurückkommt auf die Gleichheit ihrer Erscheinung für unser Erkenntniss - vermögen, die als solche unmittelbar empfunden und von der Nichtüberein - stimmung unterschieden wird. Dieser Rückschluss aber von unsern Em - pfindungen auf die Dinge, die sie hervorrufen, beruht wieder wesentlich auf der Annahme, dass jene von diesen mit Notwendigkeit abhängen, ihnen in gegebener Weise mit unabänderlicher Prädestination entsprechen. Notwendig - keit also erscheint als der ursprünglichere und höhere Begriff, ohne welchen auch derjenige einer Gesetzmässigkeit in der Aussenwelt nicht erklärt zu werden vermöchte.

β1) Unsre eignen Empfindungen z. B. Schmerz , unsre Vor - stellungen, Affekte und Willenszustände werden wir unmittelbar inne als dasjenige, was sie sind; sie sind gerade das, als was sie in unser Bewusstsein eintreten. Auf die analogen Vorgänge im Bewusstsein andrer Menschen vermögen wir darum auch mit einiger Wahr - scheinlichkeit zu schliessen.

γ1) Im Gegensatz aber zu den Erkenntnissobjekten der angeführten Klasse, welche sonach als dasjenige, was sie an sich sind, von uns30Einleitung.erkannt werden können, ist in Bezug auf die Dinge der übrigen Aussen - welt solches nicht der Fall. Vielmehr muss hier zuvörderst eine Grund - wahrheit konstatirt werden, welche die Metaphysik zutage gefördert und die einzige fast im Kreise der Philosophen zu allgemeiner Anerkennung gebracht hat (woneben ihr aber das Verdienst nicht ab - zusprechen ist, der Oberflächlichkeit wirksam entgegengetreten zu sein, viele Irrtümer, Illusionen als solche aufgedeckt und zerstört zu haben, überhaupt auf Läuterung und Präzisirung der Begriffe, mannigfach zu weiteren Fortschritten in dieser Richtung anregend und zur Gründlich - keit und Behutsamkeit im Forschen erziehend, hingearbeitet zu haben). Es ist die Wahrheit, dass wir, was die Dinge der Aussenwelt an sich sind, zunächst überhaupt nicht zu erkennen vermögen.

Längst hat die Physik den Schall, das Licht, die Wärme etc. auf etwas ganz anderes zurückgeführt, als das ist, als was sie uns erscheinen: auf Be - wegungsvorgänge, Schwingungszustände materieller Teilchen, welche wir bei tönenden oder den Ton leitenden Körpern sogar dem Auge sichtbar machen können. So ist eine grüne Wiese z. B. durchaus nicht grün an sich , d. h. ihr haftet nichts an von unsrer Empfindung der grünen Farbe, sondern wir wissen oder glauben mit gutem Grunde es zu wissen, dass diese Wiese nur die Eigenschaft hat, von den auf sie fallenden transversalen Lichtwellen die - jenigen von einer bestimmten Wellenlänge diffus zurückzuwerfen, die andern zu verschlucken, sie in Wärme oder auch chemische Arbeit des Blattgrüns (Chlorophylls) umsetzend. Herr Emil du Bois-Reymond hat schon darauf aufmerksam gemacht, dass der schöne Ausspruch Und es ward Licht auf Erden strenge genommen erst zur Wahrheit wurde, als sich die ersten Augenpunkte bei den frühesten Lebewesen (Infusorien) ausbildeten. Ebenso ist die uns umgebende Welt eigentlich stumm, und die Schall - und Ton - empfindungen entstehen erst, wenn durch die in das innere Ohr eindringenden longitudinalen oder Verdünnungs - und Verdichtungswellen der Luft von den 60000 Corti'schen Stäbchen, welche in der das Labyrinth auskleidenden weichen Nervenmasse stecken, einzelne Gruppen erschüttert, in Mitschwingung versetzt werden, u. s. w.

Wir vermögen bildlich gesprochen die Farbe der Brille, durch die wir die Welt betrachten, von dem Erscheinungsbild der Welt überhaupt nicht zu trennen, nicht dieses von jener frei zu machen, zu sondern. Denn jene Brille, als das dem Geiste mit den Sinnes - organen aufgesetze Wahrnehmungsvermögen, können wir eben (ohne Selbstvernichtung) nicht abnehmen, und nirgends ist der Geist im stande die Aussendinge selbst zu erfassen. Oder, um mit neueren Philosophen den Sachverhalt noch etwas schärfer zu präzisiren:

Von der Natur der Dinge an sich a , zufolge deren sie auf uns einwirken, und einem subjektiven Moment x, welches durch unsre Sinnesorgane sowol als durch die spezifische Natur, eventuell Be -31Einleitung.schränkung, unsres geistigen Auffassungsvermögens dieser Einwirkung hinzugefügt, vielleicht auch aus ihr weggenommen, gelöscht wird, unter allen Umständen aber sich ihr unvermeidlich beimischt, ist die Art A bestimmt, wie die Dinge uns erscheinen, wie wir sie uns kraft einer Naturnotwendigkeit vorstellen müssen; es ist, im mathematischen Sinne des Wortes, A eine Funktion von diesem x und a: A = f (x, a).

Da wir ausser stande sind, jenes x zu ermitteln, so können wir aus dem A, dessen wir unmittelbar inne werden, nicht mit irgend - welcher Sicherheit oder auch nur Wahrscheinlichkeit auf das a schliessen (und könnten es selbst dann nicht, wenn uns das Gesetz der Zuord - nung, oder die Natur der Funktion f schon bekannt wäre), d. h. was die Dinge an sich sind, bleibt uns unbekannt. *)Ich möchte gleichwol nicht mit Herrn E. du Bois-Reymond auch allen zukünftigen Fortschritten der Erkenntniss hier schon mit einem Ignorabimus vorgreifen.

Anstatt von solchen Dingen , müssten wir eigentlich vorsichtiger nur von dem (unbekannten) ihrer Erscheinung zugrunde liegenden Wirklichen reden. Auf dem Standpunkt des unbefangenen Bewusstseins nämlich (im Gegensatz zum Standpunkt des wissenschaftlichen Bewusstseins vergl. Harms1) identifizirt der Mensch allerdings die Dinge ohne weiteres mit seinen Vorstellungen von denselben.

Nachdem aber in Bezug auf ganze Reihen von Naturerscheinungen die fortschreitende Wissenschaft diese Einerleisetzung, Identifizirung schon als unhaltbar hat erkennen lassen, sie mit dem Streben nach einheitlicher Er - kenntniss des Weltganzen unvereinbar zeigte, ist die Philosophie vollkommen im Rechte, wenn sie bei allen Erscheinungsformen der Natur und Aussen - welt solche Identität von vornherein wenigstens in Zweifel zieht.

So müssen wir nun auch den Raum an sich als das der Erscheinungs - form des Raumes zugrunde liegende Wirkliche von dieser Erscheinung des - selben, d. i. dem vorgestellten Raume, unterscheiden und ebenso die Er - scheinungsform der Zeit auseinander halten mit dem ihr zugrunde liegenden Wirklichen.

δ1) Die Frage nach der Ähnlichkeit eines Dings an sich und unsrer Vorstellung von demselben ist wol (vergl. v. Helmholtz1) sinnlos. Die beiden mögen unvergleichbar sein, wie etwa eine Symphonie und ein Gemälde. Wesentlich ist die Gesetzmässigkeit, mit der sie sich gegenseitig entsprechen ein Entsprechen, welches nicht weiter zu gehen braucht, als etwa das Entsprechen, die gegenseitig eindeutige Zuordnung des Zeichens mit dem Bezeichneten , des Dinges und seines Namens (von der weiter unten noch eingehender die Rede sein wird) und bei der von einer Ähnlichkeit zwischen beiden auch32Einleitung.keine Rede sein kann. Wesentlich insbesondere ist die Wechselwirkung, in die beide unter Umständen treten, nämlich vor allem die unter ge - wissen Voraussetzungen eintretende Einwirkung des Dinges auf unsre Empfindung und Vorstellung von demselben, wie sie unabhängig von unserm Willen durch eine Naturnotwendigkeit gegeben erscheint, so - dann eventuell die Einwirkung unsrer Handlungen auf das Ding, oder vielmehr wiederum deren dadurch hervorgerufene Rückwirkung auf uns selber.

Die Eindeutigkeit solchen Entsprechens kann übrigens schon in Zweifel gezogen werden; ihr Ausdruck ist eventuell zu modifiziren in Anbetracht der Möglichkeit, dass gleichwie ein geschliffener Krystall mit seinen ver - schiedenen Facetten das Bild eines leuchtenden Punktes als ein mehrfaches zurückwirft, auch unser Geist in der Lage sein könnte (falls ein Sinnes - organ dem Facettenauge vergleichbar), ein Ding an sich stets nur als eine Mehrheit von Dingen wahrzunehmen. Auch umgekehrt ist denkbar, dass wir Dinge a, b und c isolirt nicht zu erkennen vermögen, dass uns wohl aber a, wenn in Verbindung mit b, als ein Ding und ebenso a mit c als ein ander Ding in die Erscheinung tritt, ohne dass wir doch von dem gemeinsamen Element a der beiden eine Ahnung bekommen, und anderes mehr.

ε1) Aus diesem gesetzmässigen Entsprechen, der erwähnten natur - notwendigen Wechselwirkung zwischen Ding und Vorstellung schöpfen wir nun die Berechtigung, doch in einem gewissen Sinne von den Dingen selbst zu reden, und nicht blos von unsern Vorstellungen über dieselben, trotzdem jene an sich sich unsrer Erkenntniss beharrlich verschliessen, und nur diese in unser Bewusstsein einzutreten vermögen.

Unstreitig wollen und beanspruchen wir, solches zu thun. Wenn wir z. B. sagen (vergl. Mill1): Die Sonne (genauer: der Stand der Sonne über dem Horizont) ist die Ursache des Tages , so soll damit nicht etwa blos ausgedrückt werden, dass die Vorstellung (oder Idee ) von der Sonne die Ursache (oder Idee von der Ursache?) sei von unsrer Vorstellung des Tages; es soll nicht blos eine Beschreibung des sub - jektiven Zustands unsrer Vorstellungen damit gegeben werden, der als solcher ja ebenso gut in unsrer Laune oder Willkür blos begründet sein könnte sondern es soll mit solchem Ausspruch darauf hinge - wiesen sein, dass in dem den erwähnten Erscheinungen (der Sonne und des Tages) zugrunde liegenden (unbekannten) Wirklichen etwas liegt, was kraft naturgesetzlicher Notwendigkeit uns zwingt, einen ur - sächlichen Zusammenhang zwischen beiden anzunehmen.

Im Hinblick, unter steter und als selbstverständlich geltender Be - zugnahme auf jenen Zwang des Entsprechens und unter dem (aller - dings nur zu oft ausser Acht gelassenen) metaphysischen Vorbehalt 33Einleitung.(dass wir die Dinge an sich nicht zu erkennen vermögen), können wir darum in der That von den Dingen der Aussenwelt selber (auch im Gegensatz zu unsern Vorstellungen) reden; in diesem Sinne und unter diesem Vorbehalte geschieht dies auch allgemein in den empi - rischen Wissenschaften und geschieht es von rechtswegen.

So hat nun z. B. die Frage, ob auf den von uns ewig abgewandten drei Siebenteln der Mondoberfläche, ob auf der Rückseite des Mondes sich Wasser befinde, einen ganz bestimmten Sinn, wenn wir auch nicht wissen können, was der Mond, was Wasser, was Materie überhaupt an sich ist, was der Erscheinung einer Oberfläche Wirkliches zugrunde liegt u. s. w. Dies wird wol jedermann ohne weiteres zugeben.

Ebenso ist aber auch um ein neuerdings vielumstrittenes Beispiel anzuführen die Frage eine vollberechtigte, ob der physikalische Raum wirklich ein Euklidischer , eine ebene und sonach unendliche dreidimen - sionale Mannigfaltigkeit sei, oder ob er etwa als ein durchweg endlicher, nach allen Seiten mittelst vierdimensionaler Krümmung in sich zurückkehre. Auch bei dieser Frage handelt es sich nicht um die subjektive Beschaffen - heit unsrer herkömmlichen, gewohnten Anschauung, welche zur Zeit noch unbestritten die des ersteren Raumes ist, sondern darum, ob nicht eine objektive Notwendigkeit vorliegt (oder wenigstens nach dem heutigen Stand unsrer Erkenntniss schon vorliegen kann und dereinst vielleicht sich auf - drängen wird) dieselbe zu modifiziren, der Wahrheit zuliebe sie umzubilden, nämlich sie durch die letztere Raumvorstellung zu ersetzen.

Ganz richtig hat auch Lotze hierin den Kernpunkt der Frage erblickt. Im übrigen scheint er mir aber in seiner gegen die Untersuchungen von Riemann und v. Helmholtz gerichteten Polemik (Metaphysik, p. 249 267) (unter anderm) in einen analogen Fehler zu verfallen, wie ihn (nach Whewhell's Geschichte der induktiven Wissenschaften) der Kirchenvater Lactantius*)Vor ihm, schon im Altertum, auch Tertullian vergl. Ueberweg1 p. 370. beging, der gegen die Möglichkeit von Gegenfüsslern auf unsrer Erde eiferte, weil er die ihm geläufige Richtung der Schwere absolut fest - hielt, und folgerichtig zu dem Schlusse kam, dass solche Antipoden auf dem Kopfe stehen müssten. Ganz ähnlich in der That überträgt auch Lotze in seinem Hauptargumente die ihm geläufige Vorstellung (und An - nahme der Existenz) von unendlichen Geraden, dieselbe allzu fest haltend, ohne weiteres auf Wesen (jene fingirten mit ihrer ganzen Existenz an die Kugelfläche gebannten Flächenwesen ), die sie nach den für ihr Dasein gemachten Annahmen gar nicht zu haben brauchten, ja überhaupt nicht haben könnten (p. 252), und spricht darum mit Unrecht von Wider - sprüchen , in welche solche Wesen durch das Studium ihres Raumes ver - wickelt werden müssten.

So sehr ich das neuerliche Wiederaufleben der (dermalen nur in einem wissenschaftlicheren Gewand, als früher, auftretenden) Mystik, welches sich an die erwähnte Frage der Raumdimensionen geknüpft hat, missbillige und beklage, halte ich doch die zweiterwähnte Raumanschauung für die richtige. Ich bin überzeugt doch würde es mich hier zu weit führen, meineSchröder, Algebra der Logik. 334Einleitung.Gründe darzulegen , dass nicht nur jene neueren Untersuchungen der Mathematiker über mehrdimensionale Mannigfaltigkeiten logisch und er - kenntnisstheoretisch vollberechtigte sind, sondern dass auch wirklich unsre raumerfüllende Welt eine durchaus endliche ist natürlich unbegrenzt jedoch nach jeder Richtung unsres Raumes in sich selbst zurückkehrend, wobei sich die successiven Phasen der jeweils augenblicklichen dreidimensio - nalen Gegenwart zu einem vierdimensionalen Gebilde der Wirklichkeit schichtweise übereinanderlegen. Zu dieser Anschauung bin ich nebenbei gesagt schon vor der durch Zöllner eröffneten Aera der Kontroversen angeregt durch die Lektüre des betreffenden von Dr. Mises (Theodor Fechner's) Vier Paradoxa gelangt. Wer Recht hat, das wird qui vivera, verra eine fernliegende Zukunft entscheiden. Jedenfalls kann es nicht als Argument gegen die Richtigkeit einer Ansicht aufgeführt werden, wenn Verfechter derselben zu weit gegangen sind, wenn Einzelne zugunsten derselben auch vielleicht sich kompromittirt haben sollten, und für welche Ansicht man auch immer Partei nehmen möge, wird man doch Bernhard Riemann's (auf der Schluss-Seite seiner Arbeit Über die Hypo - thesen, welche der Geometrie zu Grunde liegen ausgesprochenes) Endziel gelten lassen in welchem wir auch die Rechtfertigung aller meta - physischen Untersuchungen hauptsächlichst erblicken: dass die Forschung nicht durch die Beschränktheit der Begriffe gehindert und der Fortschritt im Erkennen des Zusammenhangs der Dinge nicht durch überlieferte Vor - urteile gehemmt wird .

Wenn bei dem vorstehenden Exkurse das Wort wirklich wiederholt gefallen ist, so war dasselbe bereits unter dem metaphysischen Vorbehalt, also nicht als gleichbedeutend mit an sich , zu nehmen. Wirklich nennen wir (zu einer Zeit), was ist, im Gegensatz zu dem was nicht ist, und es bedarf letzteres keiner weiteren Erläuterung für diejenigen Dinge, deren wir unmittelbar inne werden. Erläuterungsbedürftig dagegen bleibt das Wort für die Dinge der Aussenwelt, die wir ja nicht selbst mit unserm Geiste erfassen, sondern von denen nur die Vorstellung, und eventuell der Sinneseindruck, in unser Bewusstsein eintritt. Indem wir solch 'einem ge - dachten oder vorgestellten Dinge Wirklichkeit zuschreiben, bringen wir es zum Ausdruck, dass wir eine objektive Notwendigkeit erkennen, die wir nämlich direkt als über unserm Willen stehend unfrei empfinden die wir denn als eine objektiv begründete auch für gemeinverbindlich halten kraft der Natur unsres Vorstellungsvermögens das Ding gerade so und nicht anders zu denken. Das Ding an sich nennen wir die (unbekannte) Ursache, die wir solchem Zwange unterzulegen nicht umhin können.

Mit dieser Erklärung wird solchen Dingen, die wir überhaupt nie ge - dacht haben, die Wirklichkeit nicht abgesprochen.

ζ1) Durch das Fehlen oder die Bezugnahme auf jenes objektiv not - wendige Entsprechen zwischen Ding an sich und Vorstellung werden einige Unterscheidungen bedingt und begreiflich, die sonst unverständ - lich erscheinen müssten.

Es wird verständlich, wieso die Vorstellung von der Vorstellung35Einleitung.eines Dinges verschieden sein kann von der Vorstellung eben dieses Dinges (obgleich wir, wie gesagt, jede Vorstellung als das, was sie an sich ist, inne werden und als ebensolches auch beliebig zu repro - duziren vermögen), indem bei letzterer jene Bezugnahme eintreten mag, während sie bei ersterer fallen gelassen ist.

Spreche ich von einem Pferde (p), so habe ich eine Vorstellung von dem Pferde (vp). Spreche ich aber von meiner Vorstellung von dem Pferde, so habe ich eine Vorstellung von der Vorstellung von dem Pferde (vvp). Das beifolgende Schema

[figure]

versinnlicht in Zeichen unter s, s' das, wovon wir sprechen mögen, und unter h, h' dasjenige, was wir darunter denken oder im Geiste haben . Wäre jenes nicht verschieden, nicht zweierlei, so müsste, wenn die Vor - stellung von dem Pferde (eine) lebhaft (e) ist, auch das Pferd (ein) leb - haft (es) sein. Müssen wir aber Dasjenige, wovon wir beidemal reden, als zweierlei anerkennen, so scheint es, dass wir auch Dasjenige, was wir uns darunter denken, beidemal nicht als identisch dasselbe gelten lassen dürfen.

Es drängt sich die Frage auf, ob das nun ohne Ende so weiter geht, ob wir also die Vorstellung von der vvp abermals als ein neues Objekt des Denkens anzuerkennen haben, und so fort? Indessen will ich mich be - gnügen, hier blos die Frage aufgeworfen zu haben; ununtersucht bleibe, ob dabei nicht Gebilde von einer Art entstehen würden, wie sie etwa im Gegensatz zu rationalitas das lateinische Scherzwort rationabilitudinali - tas anzudeuten und wol zu persifliren bestimmt war.

Es wird ebenso begreiflich, wie wir unsrer Vorstellung vom Raume gleichwie schon dem Bewusstsein, das sie in sich fasst das Merkmal der Ausdehnung abzusprechen vermögen, während wir doch dem (sonst mit jener identisch erscheinen würdenden) vorgestellten Raume eine dreifache Ausdehnung zuerkennen und anderes mehr.

Haben wir nach den Errungenschaften der Physiologie als das Organ unsres Bewusstseins den cerebralen Teil unsres Leibes anzusehen, so er - scheint es (unter anderm) immerhin rätselhaft, wie in diesem, dem Hirne, welches ja ganz im Kopfe Platz hat, die Vorstellung ausgebildet wird von einem Raume, der noch weit über diesen hinaus bis zu den Sternen (und noch weiter) reicht. Lehrreiche und anregende Betrachtungen über diese und noch manche andere Frage über Raum, Zeit, Bewegung und Verur - sachung finde ich in anziehender Darstellung durchgeführt in dem Werke Herrn Otto Liebmann's1, welches nunmehr in zweiter Auflage vorliegt.

3*36Einleitung.

η1) Fassen wir (mit Mill) die Ergebnisse unsrer Betrachtungen zusammen, so kommen wir zu dem Schlusse, in welchem die besten Denker jetzt übereinstimmen:

Wie wir von der Welt überhaupt nichts inne werden, als die Reihenfolge der Zustände unsres Bewusstseins, als da sind: Em - pfindungen (Sensationen), Gemütsbewegungen (Emotionen) und Willens - regungen (Wollen), schliesslich Gedanken*)Mill2 will diese (vier) Arten von Bewusstseinszuständen mit einem Wort als Gefühle (im weitern Sinne) bezeichnet wissen und macht darauf aufmerk - sam, dass, was man Wahrnehmung nennt, nichts ist, als ein (an die Empfindung des Sinneseindruckes geknüpfter) Glaube, also eine Art Gedanke, und dass Hand - lungen nichts sind, als Willensthätigkeiten, auf welche eine Wirkung folgt (p. 90 der Schiel'schen Übersetzung). Ich frage noch: wohin gehört die freie Vor - stellung? - Zustände , natürlich, die durch den Wechsel in ihrer Succession auch Vorgänge zusammen - setzen, wofern sie nicht schon selbst als solche aufzufassen so machen die Empfindungen und die Ordnung ihres Eintretens auch alles aus, was wir von der materiellen Aussenwelt erfahren, und absolut sicher wissen können, und während die Substanz materieller Körper die unbekannte Ursache unsrer Empfindungen ist, erscheint die Sub - stanz Geist als der ( an sich ebenfalls unbekannte**)So nach Mill. Ich will es unerörtert lassen, ob und in welchem Sinne diese Qualifikation zutrifft. Ferner will ich hier nicht eintreten in die subtile Frage, unter welchem Gesichtspunkt etwa gerade Materie und Geist die überein - stimmende Bezeichnung als Substanz verdienen möchten. Die Physik hat der Materie bis jetzt erst eine Art von Substanz gegenübergestellt, als welche die Arbeitsvorräte der Natur, die freie und die gebundene ( kinetische und poten - zielle ) Energie zu bezeichnen. Empfänger oder Rezipient derselben.

Von den erwähnten Dingen sind es vorzugsweise die Gedanken, welche uns noch weiter zu beschäftigen haben werden.

Dass nun die Dinge der Aussenwelt nicht an sich erkennbar sind, ist für uns in jeder praktischen Hinsicht glücklicherweise ganz ohne Belang. Was die Dinge an sich sein mögen, weiss ich nicht und brauche es auch nicht zu wissen, weil mir doch niemals ein Ding anders als in der Erscheinung vorkommen kann (Kant, Kritik der reinen Vernunft. Ausgabe 1791, p. 332).

Die Art, wie diese Welt uns notwendig erscheint, wie die Dinge auf uns einwirken, beziehungsweise zurückwirken, das ist und bleibt für uns die Hauptsache. Es kommt dem Landmann darauf an, dass der von ihm bebaute Acker Früchte trägt, welche sich uns wohl -37Einleitung.schmeckend und nahrhaft erweisen, ganz einerlei, was diese an sich sind oder das denselben zugrunde liegende Wirkliche.

ϑ1) Um unsre Zwecke zu erreichen, unsre Ziele zu verwirklichen, dazu bedürfen wir der Mitwirkung unsrer Nebenmenschen; wir können deren Kooperation meist nicht entbehren. Um aber solche zu erlangen, müssen wir uns mit ihnen verständigen.

Auf die mannigfachen andern Momente, aus welchen das Mitteilungs - bedürfniss sich noch zusammensetzen mag und mit denen es im mensch - lichen Gemüte begründet erscheint, will ich hier nicht eingehen. Es ist ausreichend, den einen praktischen Gesichtspunkt hier hervorgehoben zu haben, welcher schon für sich allein mit Macht zu einer Verständigung unter den Menschen drängt.

Auch bei Tieren sehen wir nicht selten ein planmässiges Zusammen - wirken und eine gewisse Arbeitsteilung, vor allem bei den staatenbildenden, wie Ameisen, Bienen, u. s. w. es genügt schon, an die Bauten, den Ackerbau, die Viehzucht, Kriegführung und Sklavenhaltung bei den erstern zu erinnern. Auf welche Weise, wol unter dem Einfluss des Nachahmungs - triebes, derjenige Grad der Verständigung zwischen den Individuen des Stammes, der zu solchen Werken erforderlich ist, doch ohne ein Surrogat der Sprache, zustande kommt, ist nicht ganz aufgeklärt.

Das wirksamste und ausgiebigste, das Mittel zur Erzielung der weitestgehenden und weitreichendsten Verständigung unter den Menschen ist jedenfalls die Sprache.

ι1) In ihr bringt das denkende Subjekt zu dem Ding an sich und zu seiner Vorstellung von demselben noch ein drittes hinzu: den Namen oder das Zeichen des Dinges.

Um mit dem Seitenblick auf die Metaphysik, zu welchem wir uns oben veranlasst gesehen, thunlichst zum Abschluss zu kommen, sei hier sogleich darauf aufmerksam gemacht, dass woferne nur die Fälle von etwaiger Sinnestäuschung ausgeschlossen werden das Zeichen ebenfalls zu der Klasse von Dingen zu zählen ist, von welchen wir sagen dürfen, dass wir sie an sich erkennen.

Was freilich den Kohlenstoffteilchen, die den gedruckten Buchstaben a zusammensetzen, mit ihrer vorwiegenden linearen und Flächenausdehnung Wirkliches zugrunde liegt, wissen wir nicht; es kann uns dies aber auch vollkommen gleichgültig sein. Das Zeichen kommt eben für uns lediglich als dasjenige in Betracht, als was es uns erscheint; nur seine notwendige Wirkung auf uns, seine für alle, die es wahrzunehmen vermögen, gleich - mässig charakteristische Erscheinung bestimmt und regelt seine Verwendung. Und diese Erscheinung des Zeichens, kraft welcher wir den Buchstaben a in beliebiger Wiederholung immer als den gleichen erkennen und von allen andern Buchstaben unterscheiden, bildet für uns das Wesen desselben.

38Einleitung.

B. Vorbetrachtungen über Zeichen und Namen.

ϰ1) Ich glaube, die elementarste aller deduktiven Disziplinen nicht einleiten zu dürfen, ohne zuvörderst auf die enorme Wichtigkeit des Zeichens, das ja an sich als ein unbedeutendes Ding erscheint, ge - bührend hinzuweisen, und schliesse ich mich dabei grösstenteils in freier Weise an die Ausführungen Trendelenburg's2 (Bd. III, p. 1 4) an.

Erst mit dem Eintritt der bezeichnenden oder symbolisirenden Thätigkeit (zu welcher aus der bildenden Thätigkeit auch noch die abbildende gerechnet werden mag) scheint in der That das Menschen - geschlecht sich aus dem absoluten Nullpunkte der Civilisation und über das Niveau des Tieres erhoben zu haben, und kaum einer wirk - lichen Sache dürfte der Menschengeist soviel Fortschritte zu verdanken haben, als wie dem Zeichen der Sachen.

Das Zeichen, welches in der Geberde und im Ton zum Affekt, zur Lebensstimmung spricht, spricht in Wort und Satz zum Intellekt und hat nach den Gesetzen der Ideenassoziation die Kraft, in dem, der es vernimmt oder anwendet, bestimmte Vorstellungen zu erzeugen und in ihrer Abfolge zu richten.

Indem es mit der Vorstellung zusammenwächst, verschmilzt, wirkt es selber auch auf das Denken zurück. Durch das Zeichen werden die sonst in einander fliessenden, zuletzt zerfliessenden, Vorstellungen gesondert und als getrennte Elemente ein bleibender Besitz, über welchen der Denkende fortan verfügen kann. Mittelst des Zeichens wird unterschieden, das Unterschiedene fixirt und das Fixirte zu neuen und eigentümlichen Verbindungen tauglich gemacht; das Zeichen wird uns zur Handhabe, an welcher wir die Gedankendinge packen. Erst durch das Zeichen löst die Vorstellung von dem sinnlichen Eindrucke, an welchem sie sonst haftet, sich los, und vermag nun in das All - gemeine sich zu erheben. So wird das Denken durch das Zeichen des Worts nach der einen Seite frei, auf der andern bestimmt.

Ferner gibt es nur durch das Zeichen, durch welches in Vielen derselbe Gedanke, derselbe Zweck ein Wille und eine Seele möglich wird, jene Gemeinschaft der menschlichen Kräfte, auf welcher das Leben der Menschen als ein Leben der Individuen im ganzen Geschlecht, auf welcher Gesittung und Bildung beruht.

Diese Wirkung schon des ausgesprochenen Zeichens steigert sich noch ausserordentlich in der Schrift.

39Einleitung.

Das hörbare Zeichen, flüchtig wie der Augenblick*)Nach dieser Seite scheint indess Edison's Erfindung des Phonographen schon eine neue Aera zu inauguriren., wird durch die Schrift sichtbar und bleibend, den Verkehr der Vorstellungen zwischen räumlich Entfernten anknüpfend, selbst den allerdings nur einseitigen Verkehr der Gegenwart mit längst vergangenen und mit den zukünftigen Geschlechtern vermittelnd.

Sofern das Leben des Menschen ein historisches Leben ist, ein Leben in einer überkommenen durch die Geschichte gebildeten geistigen Substanz, so ist die Schrift das Organ dieses sich fortsetzenden und erweiternden Lebens und Wirkens. Der geschichtliche Geist der Menschheit gestaltet und mehrt sich in der Schrift.

Darum fühlten die Menschen auch seit der ersten Erfindung die Wichtigkeit der Schrift für menschliches Leben. Gesetze, schon seit Jahr - hunderten, verpönen ihre Fälschung.

Von den ältesten schriftlichen Urkunden aber, in welchen Glaube und Willensmeinung unter ihren Zeitgenossen hervorragender Persönlichkeiten sich einst verewigte und die als etwas Ausserordentliches dem kindlichen Geist einer früheren Kulturepoche begreiflich imponirten, sehen wir auch manche bis auf den heutigen Tag noch in übermässigem autoritativen An - sehen sich erhalten.

Seit bald einem halben Jahrtausend steigert die Schrift im Druck ihre Fähigkeit verbreiteter Mitteilung und an der Aufgabe, die Zeichen der Schrift in kürzester Zeit und grösster Vervielfältigung auf kleinem Raume so herzustellen, dass sie dem Auge sichtbar bleiben, wird immer noch fortgearbeitet. Endlich dürfen wir es rühmen, dass das Menschen verbindende Zeichen schon als ein unsichtbarer Blitz von Land zu Land, von Weltteil zu Weltteil fliegt, den ganzen Erdball mit seiner Herrschaft umspannend.

So hat das Zeichen in Sprache und Schrift schon für den Menschen überhaupt eine Bedeutung, wie gar nichts anderes. In Hinsicht seines Nutzens für die Gesellschaft erstanden allerdings ihm schon Rivalen oder Konkurrenten, wie Steinkohle und Eisen, wie die Dampfmaschine. Je mehr wir aber von dem Leben überhaupt den Gebieten geistiger Thätigkeit uns zuwenden, eine um so hervorragendere Rolle sehen wir dem Zeichen zufallen, und die bedeutendste in den Wissenschaften, vor - nehmlich den exakten. Erfindungen, auch Entdeckungen, die sachlichen Errungenschaften, welche sich der Menschengeist erwirbt, stehen fast ohne Ausnahme auf der Voraussetzung des verständlichen und konse - quent gehandhabten Zeichens, welches gleicherweise den einsamen Um - gang des Gedankens mit sich selbst und den Gedankenverkehr in der Menschheit bedingt.

40Einleitung.

λ1) Es haben diese Wissenschaften, mehr oder minder ausgesprochen, die Tendenz, die Schwierigkeiten des Studiums der Dinge der Dinge, die man nicht immer bequem zur Hand hat, die man meist nicht fest - halten oder fixiren und ohne weiteres manipuliren kann möglichst abzuwälzen auf das Studium ihrer Zeichen, welche letzteren dem Forscher stets zur Verfügung stehen und mit unvergleichlicher Leichtigkeit zu hantiren sind.

Die Erleichterung und Vorteile, welche ein judiziöser Gebrauch der Zeichen in dieser Hinsicht der Forschung zu gewähren vermag, würden sich passend vergleichen lassen mit denjenigen, welche gegenüber dem direkten Tauschverkehr mit Waaren (in Zentralafrika z. B.) die Einführung von Wertzeichen des Geldes gewähren müsste. Freilich würde mit solch 'illustrirendem Hinweis an Ort und Stelle nicht viel zu gewinnen sein, indem wir finden, dass Völkerschaften, welche sich noch im Zustande anal - phabetischer Wildheit befinden, auch mit dem Gebrauch des Geldes oft unbekannt sind.

Der vorstehende Vergleich ist ähnlich schon von Leibniz gemacht und verlohnt es, seinen Gedankengang näher darzulegen (vergl. Trendelen - burg l. c. auf spätern Seiten).

Leibniz geht von einer psychologischen Betrachtung über die Be - dingungen der Deutlichkeit unsres Denkens aus. Ursprüngliche und ein - fache Vorstellungen, so wie sie z. B. aus der Wahrnehmung stammen, pflegen auch anschaulich reproduzirt zu werden. Hingegen denken wir die zusammengesetzte Vorstellung gemeiniglich nur durch Zeichen. Namentlich wo behufs Bestimmung und Erkenntniss des Wesens eines Dinges eine längere Zergliederung nötig ist, schauen wir die ganze Natur dieses Dinges nicht an, sondern kürzen sie im Zeichen ab, indem wir darin die Fähig - keit zu haben meinen, die Vorstellung, wenn es sein muss, (vollends) zu entwickeln. So betrachten wir z. B. bei dem Begriff eines Tausendecks nicht wirklich alle tausend Seiten, sondern die Zahl tausend und sich aneinander schliessende Seiten schweben uns dunkel vor, und statt der deutlichen Vorstellung bedienen wir uns des Wortes als eines Zeichens, wie z. B. in der Arithmetik und Algebra allenthalben (Meditationes de cognitione veritatis et ideis, zuerst in den Acta eruditorum. Editio Erd - mann, p. 79, 80).

Und ferner sagt Leibniz im Eingang seiner deutschen Schrift: Un - vorgreifliche Gedanken betreffend die Ausübung und Verbesserung der deutschen Sprache (Dutens VI, 2, p. 7 sqq. wahrscheinlich 1697):

Wir haben Zeichen nötig nicht nur (um) unsre Meinung Andern an - zudeuten, sondern auch unsern Gedanken selbst zu helfen. Denn gleichwie man in grossen Handelsstädten, auch im Spiel und sonsten nicht allezeit Geld zahlet, sondern sich an dessen Statt der Zeddel oder Marken*)Wir würden heutzutage sagen: der Buchführung und Wechsel. Der Verf. bis zur letzten Abrechnung oder Zahlung bedient: also thut auch der Verstand mit den Bildnissen der Dinge, zumal wenn er viel zu denken hat, dass er41Einleitung.nämlich Zeichen dafür brauchet, damit er nicht nötig habe, die Sache jedes - mal, so oft sie vorkommt, von neuem zu bedenken. Daher, wenn er sie einmal wohl gefasst, begnügt er sich hernach oft, nicht nur in äusserlichen Reden, sondern auch in Gedanken und innerlichem Selbstgespräch, das Wort an die Stelle der Sache zu setzen. Und gleichwie ein Rechenmeister, der keine Zahl schreiben wollte, deren (In -) Halt er nicht zugleich bedächte und gleichsam an den Fingern abzählete, wie man die Uhr (schläge) zählt, nimmer mit der Rechnung fertig werden würde: also, wenn man im Reden und auch selbst in Gedanken kein Wort sprechen (passiren lassen) wollte, ohne sich ein eigentliches Bildniss von dessen Bedeutung zu machen, würde man überaus langsam sprechen, oder vielmehr verstummen müssen, auch den Lauf der Gedanken nothwendig hemmen, also im Reden und Denken nicht weit kommen. Daher braucht man oft die Worte als Ziffern oder als Rechenpfennige, anstatt der Bildnisse und Sachen, bis man stufenweise zum Facit schreitet und beim Vernunftschluss (? Endergebniss der Über - legung) zur Sache selbst gelanget. Woraus erscheinet, wie ein Grosses daran gelegen, dass die Worte als Vorbilde und gleichsam als Wechsel - zeddel des Verstandes wohl gefasset, wohl unterschieden, zulänglich, häufig, leichtfliessend und angenehm seien.

Wenn der Geometer , sagt Leibniz in demselben Sinne in einer andern Schrift (Fundamenta calculi ratiocinatoris, Editio Erdmann, p. 92), sooft er im Beweisen eine Hyperbel oder eine Spirale nennt, immer ge - nötigt wäre, ihre Erklärungen oder Entstehungsweisen oder wieder die Erklärungen der diese bildenden Begriffe sich genau vor Augen zu stellen, so würde er sehr langsam zu neuen Entdekungen gelangen; wenn der Arith - metiker beim Rechnen die Werte aller Ziffern und die Menge der Ein - heiten nacheinander dächte, so würde er nie weitläufige Rechnungen zu Ende bringen, und es wäre nicht anders, als wenn er statt der Ziffern soviele Steinchen anwenden wollte; und der Rechtsgelehrte kann nicht immer, sooft er die Aktionen, die Exzeptionen oder die Rechtswohlthaten erwähnt, die wesentlichen Erfordernisse dieser Dinge, welche oft weitläufig sind, im Geiste durchlaufen, und hat es auch nicht nötig.

Wie man sieht, berührt hier Leibniz schon den bedeutsamen Unterschied, welcher zwischen unmittelbaren (oder intuitiven ) und mittelbaren (symbolischen) Vorstellungen besteht.

Man kann z. B. die fünfhundert Billionen Schwingungen, welche in einem gelben Lichtstrahl an irgend einer Stelle in der Sekunde vor sich gehen, sich nicht im eigentlichen Sinn des Wortes vorstellen , weil das ganze Leben des Menschen auch beim Alter des Methusalem nicht aus - reicht, um auch nur einer einzigen Billion sich mit Gedankenschnelle folgender Vorstellungen, Empfindungen oder Wahrnehmungen als getrennter Dinge inne zu werden ganz abgesehen von der ihrer Kleinheit wegen auch nicht mehr vorstellbaren Einzelschwingung oder Bewegung eines Teilchens in seiner zum Strahl senkrechten elliptischen oder kreisförmigen Bahn (so wenigstens für den Standpunkt der Fresnel'schen Undulationstheorie, welcher neuerdings aber eine elektrodynamische Theorie des Lichts von Maxwell, nach den erstaunlichen Entdeckungen von Hertz wol siegreich 42Einleitung.gegenübersteht). Man kann jene gleichwol noch denken oder mittelbar sich vorstellen. Analog vermögen wir vier gegenseitig zu einander senkrechte Gerade ohne Widerspruch uns zwar zu denken , aber nicht mehr, als (irgend) drei derselben, auf einmal uns anschaulich vorzustellen eine, wie zu sehen ist, unerlässliche Unterscheidung, die bei der Kontroverse über die Raumdimensionen vielfach missachtet oder übersehen worden ist. Wir bedauern, bei den uns hier gesteckten Zielen auf diese interessante Frage nicht noch näher eingehen zu können.

μ1) Je nachdem sie ihr obiges Ideal bereits erreicht haben oder nicht, sind die exakten Wissenschaften aus ihrem ursprünglichen, dem induktiven Stadium in das deduktive übergetreten, oder befinden sich noch in jenem.

Hieraus erhellt, dass die allerwichtigsten Funktionen dem Zeichen in den deduktiven Wissenschaften obliegen müssen, ja dass dasselbe schliesslich in diesen den einzigen Gegenstand der Beachtung bilden wird.

Hier ist denn, dieser Wichtigkeit entsprechend, der Bezeichnung überhaupt und spezieller der Namengebung, Terminologie oder Nomenklatur auch die allergrösste Sorgfalt zu widmen. Es erscheint z. B. ein schwieriges mathematisches Problem oft schon halbwegs gelöst, sobald es gelungen, die zweckmässigste Bezeichnungsweise für die zu untersuchenden Gebilde zu entdecken, in welcher die fundamentalen Eigenschaften derselben am übersichtlichsten und angemessensten Ausdruck finden.

Auch zeigt die pädagogische Erfahrung, dass diejenigen Personen, welchen eine geringe Begabung zu exaktem Denken zuzusprechen ist, alle - mal eine auffallende Gleichgültigkeit, oft eine sich vornehm dünkende Geringschätzung gegen das Zeichen zur Schau tragen und in dieser Stimmung Unlust verraten, sich in die Disziplin des Zeichens zu fügen.

In der Herrschaft über die Zeichen zunächst der Wortsprache (n) in der Fähigkeit zum und Gewöhnung an korrekten Gebrauch der Wörter und ihrer Abwandlungen, Flexionen und an richtigen Satzbau, pflegt man überhaupt ein wesentliches Merkmal der Bildung mit Recht zu erblicken.

ν1) Aus all' den angeführten Gründen erscheint es ratsam, auch den Prinzipien der Bezeichnung, wie sie aus der Forderung ihrer Zweckdienlichkeit sich als notwendige ergeben, einige Aufmerksamkeit von vornherein zuzuwenden.

Zunächst müssen wir hier einer Verwechselung von Name und Wort vorbeugen.

Was ein Wort ist, weiss jedermann (und wird dieser Begriff unter anderm auch in der Telegraphie nach seinem Umfang scharf abgegrenzt).

Nicht alle Wörter aber sind Namen; vielmehr gibt es Wörter, die zwar dazu dienen, in Verbindung mit andern, Namen zusammenzusetzen, für sich jedoch noch keinen solchen vorstellen (Beispiele nachher).

43Einleitung.

Auf der andern Seite wird nicht jeder Name durch ein Wort re - präsentirt, sondern haben wir zu unterscheiden: einwörterige und viel - wörterige Namen. Die Hauptstadt des deutschen Reiches , oder auch die grösste Stadt, die an der Spree liegt ist sogut ein Name als wie Berlin ; es ist zur Zeit ein mit diesem letztern gleichbedeutender Name.

Zu den aus Wörtern zusammengesetzten Namen kommen in der Wissen - schaft noch Buchstaben selbst und solche Namen hinzu, die sich aus Buch - staben oder Ziffern mittelst eigener Verknüpfungszeichen zusammensetzen. Solche Namen bezeichnen wir vorzugsweise als analytische Ausdrücke (expressions, terms). Es kann und wird uns oft auch ein solcher Ausdruck, wie a · (b + c), als Name oder Zeichen für ein Ding zeitweilig herhalten und geben wir uns der Hoffnung hin, dass durch dergleichen blosse Namen sich ein grosser Geist nicht abschrecken lassen werde!

Name (nomen, noun) nennen wir ein Wort, Wortgefüge oder Zeichen, welches nach den seinen Gebrauch regelnden Konventionen wonicht gemäss längst vorhandener Übung fähig und dazu be - stimmt ist, ein Objekt des Denkens, ein Ding selbst zu bezeichnen. Der Name muss demnach (im Nominativ) als Subjekt eines Satzes stehen können, sobald man (in einem solchen) von dem Dinge reden, etwas darüber aussagen will.

Von den Wörtern stellen deshalb die Hauptwörter (Substantiva) ohne weiteres (im Nominativ) Namen vor, und auch die Eigenschafts - wörter (Beiwörter, Adjektiva) und Zeitwörter (Verba) sofern sie in substantivischer Verwendung vorkommen, wie Weiss für Etwas weisses resp. die Empfindung weisser Farbe, oder Schwimmen für die Thätigkeit resp. Kunst des Schwimmens. In der Arithmetik werden auch Zahlwörter (Numeralia) substantivisch als Namen gebraucht. Und selbstverständlich werden endlich Fürwörter (Pro-nomina), wie Dieser oder Jener zu den Namen gerechnet werden dürfen, sofern sie blos als Stellvertreter eines schon erwähnten (resp. anderweitig bekannten) Namens fungiren, aus Rücksichten des Wohlklangs aber, oder um Umständlichkeiten in der Rede zu vermeiden, kürzehalber, nur dessen Wiederholung zu ersparen bestimmt sind.

ξ1) Unsre Kultursprachen kennen zehn Wortarten, oder wenn wir die ja für die Logik ganz belanglosen Ausrufungswörter (Interjektionen) beiseite lassen, deren neune, von welchen wiederum der Artikel in manchen fehlt, sodass einige dieser Sprachen (wie Lateinisch, Russisch) sich mit acht Arten von Wörtern (nach der Klassifikation der Philo - logen und Grammatiker) in logischer Hinsicht behelfen.

Die obenerwähnten fünf von diesen Wortarten können, wie wir44Einleitung.sahen (auch die vier letztern aber nur bedingungsweise und in be - stimmten ihrer Formen, wie Infinitiv des Verbums etc.) als Namen verwendet werden.

Die übrigen, als da sind die Umstandswörter (Adverbia), die Prä - positionen und die Bindewörter (Konjunktionen) sind dessen unfähig. Solche Wörter, wie leider , zu , entweder sind keine Namen, und dasselbe gilt auch von den Flexionsformen des Substantivs, wie z. B. der Genitiv Arthurs etc. (vergl. Mill). Die Logiker der Aristotelischen Schule ( Scholastiker ) bezeichneten sie als synkategorematische Aus - drücke, weil sie erst zusammen mit andern ein Ding bezeichnen können (etwas aussagen ) im Gegensatz zu den Namen oder kate - gorematischen Ausdrücken.

Diese Wörter können auch in der That nicht als Subjekt eines Satzes stehen; man kann nicht sagen: Arthurs war in dem Zimmer oder: Leider ist zu beklagen . Man kann freilich sagen: Leider ist ein deutsches Ad - verbium . In diesem Falle aber steht Leider für: Das Wort: leider analog wie, wenn wir sagen: Pferd ist ein Hauptwort , das Subjekt auch nur als ein Wort in Betracht fällt und nicht in Hinsicht auf dasjenige, was es bedeutet. Man könnte solche Verwendung passend als die suppositio nominalis bezeichnen im Gegensatz zu der suppositio materialis, sive rea - lis (dies zwar zugunsten der Zweckmässigkeit abweichend vom scholastischen Gebrauche). Wer solchen Unterschied nicht anerkennen wollte, der müsste auch zugeben, dass ein gewisses Hauptwort vier Hufe hat und zwei Ohren! Im Deutschen ist dem Missverständniss allerdings einigermassen vorgebeugt durch den Wegfall des Artikels bei Das Pferd oder Ein Pferd , dessen Beibehaltung die erstere oder nominelle Auffassung unmöglich machen würde*)Wofern wir nicht sagten: Das Pferd ist ein mit dem bestimmten Artikel verbundenes Hauptwort der deutschen Sprache. Hierbei weisen nur noch die An - führungszeichen auf die suppositio nominalis hin. nicht so allerdings in den des Artikels entbehrenden Sprachen. Es erscheint darum hier beinahe als Luxus, zu statuiren, dass wir die Auf - fassung des Subjektes als eines blossen Namens, Wortes oder Wortgefüges späterhin stets ausgeschlossen wissen wollen.

ο1) Wie ein Zeichen als solches beschaffen ist, auf welche Weise es eventuell aus einfacheren Zeichen aufgebaut, zusammengesetzt wird, dies ist (zwar) keineswegs ganz gleichgültig:

Es müssen Zeichen, die für häufigen Gebrauch bestimmt, solchem ausgesetzt sind, vor allem angemessen kurze sein; es muss Weitläufig - keit, Komplikation derselben thunlichst vermieden werden. Andern - falls würde ja ihre Anwendung allemal einen ärgerlichen Aufenthalt verursachen, und vergegenwärtigt man sich leicht, wie wenig weit wir mit unserm Denken, mit unsern Erörterungen, Diskussionen kommen45Einleitung.würden, wären wir z. B. genötigt, den Namen jedes Vorzustellenden immer erst in Stein zu meisseln!

Der unter λ1) erwähnten psychologischen Unterstützung, welche das Denken aus dem Zeichen schöpft, würde es ohne diese Anforde - rung grösstenteils verlustig gehen.

Von den Zeichen, über welche die Sprache verfügt, erfüllen (als die einfachsten) genannte Anforderung am besten die Buchstaben. Deren An - zahl ist allerdings eine geringe. Man hat dieselbe in's Unbegrenzte ver - mehrt, indem man sie einerseits mit Accenten wie in a', a' ', andrer - seits mit angehängten Ziffern oder Zahlzeichen in Form von Suffixen , Stellenzeigern oder Indices versah, wie a1, a2, a3 etc.

Ungeachtet dieser Vermehrung des Vorrates an leidlich einfachen Zeichen hat man aber vorgezogen, denselben keine ein für allemal feststehende Be - deutung für den menschlichen Verkehr überhaupt beizulegen, sondern sie zu vorübergehenden Bezeichnungszwecken sich verfügbar zu erhalten. Für eigenartige Verwendung in bestimmten Spezialwissenschaften (ich erinnere an die Zeichen für die chemischen Elemente), für diverse Untersuchungs - gebiete und Untersuchungen (wie Buchstabenrechnungen) eventuell zu beliebiger Verwendung sind die Buchstaben reservirt, also dass diese gleichsam die Rolle spielen oder den Dienst zu versehen haben des Mäd - chens für Alles in dem Haushalte mit Zeichen.

Zur Unterstützung des Denkens sowol als zur Darstellung und Be - schreibung seiner Gesetze werden auch wir in der hier vorliegenden Spezial - wissenschaft von dieser Gunst der Situation umfassenden Gebrauch machen und zwar einen viel ernstlicheren, als es in Deutschland bei der einschlä - gigen Literatur bislang üblich gewesen. Auch nehmen wir gelegentlich das Vorrecht jeder Wissenschaft in Anspruch, sich für die eigenartigen ihrer Betrachtung unterliegenden Objekte noch besondre zu deren Darstellung vorzugsweise geeignete Zeichen zu schaffen.

Im übrigen sind wir aber nicht in der Lage, die Zeichen, deren unser Denken bedarf, vollkommen frei nach unserm Gutdünken beschränkt lediglich durch objektive Zweckmässigkeitsrücksichten willkürlich zu wählen, sondern wir finden uns zunächst daran gebunden, aus einem bereits vorhandenen Zeichenvorrat zu schöpfen, indem wir eben angewiesen sind auf den historisch überkommenen Wörterschatz der Sprache.

π1) Von dem uns schon mit der Sprache gegebenen Zeichenvorrat, mit welchem wir (also) in erster Linie zu rechnen haben, pflegen ein - wörterige Namen die erwähnte erste der an das Zeichen zu stellenden Anforderungen immerhin schon leidlich gut zu erfüllen.

Das hörbare und sichtbare Zeichen, als welches ein solcher Name erscheint, zeigt sich nun dergestalt mit der Vorstellung verwachsen, dass diese kommt, wenn das Zeichen ruft, sowie auch umgekehrt bei der Vorstellung uns stets der Name einfällt Vorgänge, bei welchen sogar, wie unter λ1) auseinandergesetzt, die Vorstellung nicht selten46Einleitung.unvollendet bleibt, und mehr nur im Zeichen als in dieser selbst ge - dacht wird.

Nur zu einem verschwindend geringen Teile aber besteht ein angeb - barer Zusammenhang zwischen diesem Zeichen und dem Bezeichneten, zwischen dem Wortlaut des Namens und dem Inhalt der Vorstellung oder demjenigen, was der Name benennen soll (Trendelenburg l. c.).

Solches ist ja in der That bekanntlich der Fall bei den sogenannten Onomatopoetica , die z. B. mit dem Klange des Namens eine Schallwirkung des zu benennenden Dinges nachahmen, wie die Hauptwörter: Rabe*)Die meisten wol der hier (zum Teil auch vielfach anderwärts) als solche angeführten Onomatopoetica werden in den Augen eines gründlichen Sprach - forschers unechte sein. In seinem berühmten Werke macht Herr Max Müller1, 2 darauf aufmerksam, wie leicht man sich in dieser Hinsicht täuscht und wie die Mehrzahl der vermeintlich aus Klangnachbildung hervorgegangenen Wörter auf ganz andere Quelle zurückzuführen ist, sodass nur ganz wenige darunter z. B. das Wort Kuckuck als zweifelloses Onomatopoeticon übrig bleiben. Speziell führt er an, dass unser Donner , tonerre , tonitru etc. von derselben Sanscrit - wurzel tan = strecken, spannen (dehnen?) abstammt, die auch im Ton der gespannten Saite, sowie in tendre , lat tener etc. und in tenuis , dünn (ursprünglich = flach ausgespannt) zu finden! Und anderes mehr. Allein wenn auch bei der Zusammensetzung der Wurzeln, aus der ein Wort hervorgegangen, das onomatopoetische Prinzip nachweislich nicht bestimmend ge - wesen, so könnte es, scheint mir, doch mit von Einfluss gewesen sein bei dem Prozesse der nachherigen Abschleifung (M. Müller's lautlichem Verfalle oder der phonetischen Korruption ), durch die schliesslich das Wort seine gegenwärtige Gestalt erhalten. Jedenfalls empfinden wir, die wir die fertige Sprache sprechen, solche onomatopoetische Anklänge, glauben sie herauszufühlen, ganz unbekümmert um die historische Berechtigung dieser Empfindung., Knall, Donner und andere, wie die Zeitwörter: meckern, miauen, zirpen, rollen etc. Auch manche Interjektionen, wie patsch, plumps, knak, könnten hierzu an - geführt werden. Bei dem Wort Blitz sollte man meinen, dass die Plötzlich - keit und Kürze der betreffenden Lichterscheinung durch die Kürze der Silbe angedeutet werde. Und um z. B. das griechische Wort βδέλλα für Blutegel auszusprechen, müssen die Lippen eine saugende Bewegung andeuten etc. etc.

Der sprachenbildende Geist knüpft überhaupt das Zeichen an eine hervorstechende Seite der Sache an; aber die Anknüpfung an den Inhalt des unter dem Zeichen Begriffenen ist einseitig und zufällig, gestattet keinen hinreichend bestimmten Rückschluss auf den vollen Inhalt, das ganze Wesen desselben. Das andeutende Gepräge des Zeichens schleift sich überdies mit der Zeit ab, und die ursprüngliche Marke ist in ganzen Sprachen verwischt. Die verschiedenen Sprachen bezeichnen in der That dasselbe Ding auch mit den verschiedensten Wörtern.

Der Laut schlägt diejenige Vorstellung in uns an, welche sich mit blinder Gewöhnung, aber nicht mit unterscheidendem Bewusstsein, welche sich faktisch, aber nicht logisch in dies Zeichen und in kein47Einleitung.anderes gekleidet hat (ibidem). Vielmehr ist es allemal eine haupt - sächlich von psychologischen Momenten beherrschte, von vielen äusseren Zufälligkeiten*)Vergl. z. B. Herrn Otto Behaghel's anregende und lehrreiche Schrift1. beeinflusste historische Entwickelung, in welcher eben dies Zeichen als Name für das vorgestellte Ding sich herausgebildet hat.

ϱ1) Diese Wahrnehmung ist schon geeignet, uns die Bemerkung nahe zu legen, wie es wünschenswert sein muss, dass die Namen oder Zeichen als solche auch noch eine zweite Anforderung erfüllen, die wir einstweilen erst in unbestimmten Umrissen dahin charakterisiren können, dass sie (aus einfacheren oder den einfachsten Zeichen) auch rationell zusammengesetzt sein sollen.

Vielwörterige Namen, wie sie in Gestalt einer umständlichen Beschrei - bung hergestellt und dann oft in Definitionen abgekürzt zu werden pflegen, vermögen allerdings diese Anforderung in gewissem Grade zu erfüllen.

Zufolge zahlloser Unvollkommenheiten der Wortsprache, welche sich zwar historisch erklären, doch nimmermehr sachlich rechtfertigen lassen, ist aber zu ihrer Herstellung oft noch ein hohes Maass von Geschicklichkeit erforderlich: es ist auf verschiedenen Gebieten noch förmlich eine Kunst, mit Ausschliessung von Missverständnissen unzweifelhaft zu sagen, von was man eigentlich reden wolle, und entspringen aus den erwähnten Unvoll - kommenheiten Schwierigkeiten, mit welchen Redner und Schriftsteller, Unter - richt und Gesetzgebung beständig ringen.

Es erwächst uns das Ziel, auf eine Vervollkommnung des elementaren Bezeichnungssystems für unsre Ideenwelt hinzuarbeiten, auf welches wir noch eingehender und wiederholt die Aufmerksamkeit zu richten haben werden. Mit einigem Erfolg können wir dies aber erst thun, wenn wir in unsern Betrachtungen weiter fortgeschritten sein werden.

σ1) Ist so in der That die äusserliche Beschaffenheit eines Namens immerhin nicht gleichgültig, so tritt solches Moment doch weit zurück gegenüber einem andern: wir meinen die Konsequenz oder Disziplin mit welcher das Zeichen gehandhabt wird. Diese, und nicht die Be - schaffenheit seiner äussern Erscheinung, ist bei dem Zeichen die Hauptsache.

Als das wesentliche oder fundamentale Erforderniss des Namens und Zeichens haben wir es hinzustellen, dass das Zeichen bei denen, die es brauchen, und denen, die es vernehmen, auch bei jeder Wieder - holung (wenigstens innerhalb eines bestimmten Zeitbereiches) die gleiche Vorstellung begleite oder erwecke, nämlich diejenige Vorstellung, welche die Wahrnehmung oder Erkenntniss eventuell die Erfassung, Kon - zeption, das Innewerden desselben Objektes in ihrem Geiste notwendig erregen müsste (und, von subjektiven Störungen abgesehen, in jedem eintretenden Falle auch wirklich erregt).

48Einleitung.

Es würde den Zwecken der Bezeichnung zuwiderlaufen und uns um alle Vorteile derselben bringen oder die beabsichtigte Wirkung wenigstens in Frage stellen, wenn bei dem zur Verständigung zwischen Menschen statt - findenden Verkehr der Eine dies der Andere das unter demselben als Name fallenden Zeichen verstünde; der Hörer könnte nicht wissen, was darunter zu denken beabsichtigt ist, wenn der Redende selbst von der einmal dem Zeichen von ihm beigelegten Bedeutung zu andern Malen willkürlich abginge, und endlich auch von der auf Erkenntniss irgend welcher Dinge gerichteten (und natürlich in Zeichen zu führenden) Überlegung des einsamen Forschers wäre nicht abzusehen, wieso dieselbe erfolgreich zu sein vermöchte, wenn dabei der Zusammenhang zwischen den Zeichen und ihrer Bedeutung sich verschöbe, wenn die vorgestellten Dinge ihren Namen sozusagen entschlüpften, wenn nicht, wenigstens zeitweilig und bis zur Erlangung bestimmter als Ruhepunkte zu fixirender Endergebnisse solcher Überlegung, die Bedeutung der meisten Zeichen konsequent beibehalten, festgehalten würde.

Darin, dass das unter dem Zeichen Gedachte demselben eindeutig entspreche, erblicken wir darum die wesentlichste Anforderung, die an den Gebrauch des Zeichens zu stellen ist. Der Name soll von einer bestimmt feststehenden oder konstanten Bedeutung sein; er soll als ein einsinniger oder nomen univocum verwendet werden.

Schon bei oberflächlicher Überlegung malen wir uns leicht die Un - sicherheit, eventuell Verwirrung, Konfusion aus, die entstehen muss, wenn z. B. in einer Gesellschaft drei Herrn den Namen Müller führen und nun der Herr Müller gerufen oder erwähnt wird. Das Bedürfniss, den Namen durch Hinzufügung weiterer Bestimmungen zu einem eindeutigen gestaltet zu sehen, liess jenen Spassvogel seine Wette gewinnen, dass er auf die einem jeden seiner Bekannten auf der Börse in's Ohr geflüsterte Mitteilung: Hast du schon gehört, dass der Meier fallirt hat? allemal zur Antwort die Gegenfrage erhalten würde: Welcher Meier?

Wie selten auch zur Zeit noch die im Wortschatz der Sprache uns gegebenen Namen diese Anforderung erfüllen, so ist es doch als ein Ideal hinzustellen, dem die Sprache, um ihren Zweck der Ver - ständigung ausgiebigst zu erreichen, zustreben muss, und dem sie auch in der That in fortschreitender Entwickelung sich immer mehr zu nähern scheint: gleichwie das Ding und die Vorstellung von demselben einander eindeutig mit Gesetzmässigkeit entsprechen, so auch das Ent - sprechen zwischen dem Vorgestellten und seinem Zeichen zu einem ein - deutigen zu gestalten, also dass auch das Ding und sein Zeichen ein - ander eindeutig zugeordnet erscheinen werden und das letztere in Wahrheit der Stellvertreter oder Repräsentant des erstern genannt werden dürfe.

Gehörte ein Ding der Aussenwelt an, so war die Vorstellung, die wir uns von demselben (soweit es überhaupt für uns erkennbar ist) zu bilden haben, durch eine (wir mögen sagen naturgesetzliche ) Notwendigkeit49Einleitung.bestimmt zu denken, und bildete dies, wie wir gesehen haben, eine unerläss - liche Voraussetzung der Erkenntnisslehre. Die letztere dürfte sogar der Überzeugung nicht wol entraten können, dass diese Vorstellung nach hin - reichend gründlicher Prüfung des Dinges bei allen Intelligenzen in letzter Instanz dieselbe werden muss, dass von dem richtig erkannten Dinge die Vorstellung eine (mathematische) Funktion ist, und soferne die Erkenntniss vollständig ist, auch das Ding eine Funktion der Vorstellung eine Wechselbeziehung, die wir dann als ein gegenseitig eindeutiges Entsprechen hinzustellen berechtigt waren.

Man kann allerdings ein Ding an sich auf verschiedene Sinnesener - gieen einwirken lassen und dadurch verschiedene Teilvorstellungen von demselben erhalten; es ist zunächst die aus diesen resultirende Gesamt - vorstellung, welche bei der vorstehenden Auseinandersetzung gemeint war, welche letztere dann aber auch für (irgend) eine bestimmte dieser Teil - vorstellungen in Anspruch genommen werden kann. Durch die Thatsachen der Farbenblindheit, Taubheit etc. erscheint es wol noch geboten, hierzu das Zugeständniss zu machen, dass in jener Gesamtvorstellung oder in Bezug auf gewisse von den Teilvorstellungen anfänglich ein Ausfall bei mangel - haft organisirten Individuen möglich ist, der jedoch mittelst induktiver Schlüsse indirekt ergänzt zu werden vermag: es kann z. B. auch ein Farben - blinder das Vorhandensein roten Lichtes durch die Wärmewirkung im Spektrum von dem des grünen unterscheiden, und ein Tauber mittelst des Tastgefühls die im Tönen begriffene Saite von der lautlos ruhenden.

τ1) Für ein Ding, soweit es für uns erkennbar ist, mehrere ver - schiedene Namen zu haben, ist allerdings mit den Zwecken der Ge - dankenmitteilung sehr wohl vereinbar und es darf dies nicht als ein eigentlicher Misstand, sondern höchstens als ein Luxus, vielleicht eine Verschwendung, hingestellt werden.

In der That stehen uns für dasselbe Ding zunächst oft verschie - dene Namen zugebote, indem es möglich ist, dasselbe von sehr ver - schiedenen Gesichtspunkten aus zu beschreiben welche Beschreibung dann jedesmal als ein Name für das Ding angesehen werden kann, und manche wissenschaftliche Untersuchung dreht sich darum, ob ein auf diese und ein auf jene Weise definirtes, eingeführtes, beschriebenes Ding das nämliche sein muss, oder ein anderes. Sind aber solche Untersuchungen beendet, ist das Ding voll erkannt, so wird es, auch im erstern Falle, doch praktisch erscheinen, fortan nur eine, und zwar die als die zweckmässigste erscheinende von allen Benennungen des Dinges als seine offizielle Bezeichnung (standard notation) in der Wissenschaft beizubehalten.

Wie es nun überhaupt möglich gemacht werden kann, dass eine Mehrheit von Menschen dasselbe vorgestellte Ding je mit dem gleichen Namen (eindeutig) bezeichne, und zwar nicht nur auf dem Gebiete derSchröder, Algebra der Logik. 450Einleitung.materiellen Welt, wo man auf die Dinge hinzuweisen vermag, sie mit - unter gleichsam etikettiren könnte, sondern auch aus der geistigen Welt, aus der Welt des Bewusstseins, mit dem ganzen Reichtum von Beziehungen, die es wahrzunehmen vermag, aus der Welt des Gemüts - lebens und Wollens, der Gefühle, auf dem gesamten intellektuellen Gebiete wie es m. a. W. erreicht werden kann, dass jene Mehrheit dieselbe Sprache rede dies ist auf den ersten Blick schon sehr erstaunlich.

Indessen unternehmen wir es nicht, diese interessante Frage zu beantworten, hier auseinanderzusetzen, kraft welcher von der Natur in den Menschen gelegter Triebe und auf welche Weise in dem jugend - lichen Verkehr des Individuums mit seinen nächsten Anverwandten, durch die Erziehung und das Leben diese Aufgabe lösbar ist und in weitem Umfange auch gelöst zu werden pflegt.

υ1) Es genügt zu konstatiren, dass aber die Aufgabe, welche nationale Gemeinschaft wir auch in's Auge fassen mögen, doch bei weitem nicht vollkommen gelöst ist. Der Sprachschatz einer jeden von unsern Kultursprachen überliefert vielmehr uns eine Fülle von Namen, welche der oben als wesentlich aufgestellten Anforderung der Einsinnigkeit durchaus nicht genügen, im Gebrauch denn auch durch ihren Doppelsinn zur Quelle von Missverständnissen werden und Un - bedachtsamen gegenüber nicht selten zu missbräuchlicher Anwendung sich hergeben.

Ein Name, bezüglich dessen jene Anforderung nicht erfüllt ist, heisst ein doppelsinniger oder mehrsinniger , nomen aequivocum oder ambiguum, wofern er nämlich dies müssen wir eigentlich der vor - stehenden Erklärung noch hinzufügen überhaupt (einen) Sinn hat, wirklich Name für etwas ist, m. a. W. falls wir nur den sinnlosen oder unsinnigen Namen, wie rundes Quadrat (dergleichen die Wissen - schaften gelegentlich auch hervorbringen) beiseite lassen.

Für doppelsinnig wird auch häufig zweideutig gesagt; doch könnte dieser Gebrauch selbst zur Quelle von Missverständnissen werden, indem, wie wir nachher sehen werden, auch das Wort zweideutig ein doppel - sinniges ist vergl. λ2).

Das Wesen der Doppelsinnigkeit ist nicht darin zu erblicken, dass der Name eine Mehrheit von Dingen als seine Bedeutung umfasst (wie einerseits der Kollektivname und andrerseits der Gemeinname , von denen weiter unten die Rede sein wird). Vielmehr beruht solche ledig - lich auf dem schwankenden Gebrauche, dem wir den Namen unterwerfen. Die Doppelsinnigkeit ist ein Merkmal der Anwendungsweise des Namens.

51Einleitung.

Sie tritt nämlich erst ein, indem wir (ev. gewohnheitsmässig) Urteile fällen, zu denen wir nur berechtigt sind, einmal im Hinblick auf eine bestimmte von den Bedeutungen des Namens und bei Aus - schluss seiner übrigen Bedeutungen, ein andermal ebenso im Hinblick auf eine andere von diesen Bedeutungen bei Ausschluss, vielleicht, der erstern, u. s. w.

Begegnen wir z. B. Urteilen, wie: Alle Metalle sind chemische Elemente und ferner: Messing ist ein Metall , so erscheint dadurch der Name Metall zu einem doppelsinnigen gestempelt. Jedes von diesen Urteilen kann für sich als richtig anerkannt werden, wenn nur die Be - deutung des Namens Metall auf eine bestimmte Weise aufgefasst, be - grenzt wird. Diese Abgrenzung ist aber beidemal verschieden; sie ist eine andere (und zwar hier blos eine engere ) bei dem erstern Urteile, wo sie mit der in der chemischen Wissenschaft üblichen zusammen - fällt, als bei dem zweiten Urteile, wo sie sich deckt mit der ( wei - teren ) Auffassung, welche dem Namen Metall in der Technik und im gewöhnlichen Leben zuteil wird.

Wer nun solche Doppelsinnigkeit übersähe, der würde sich schwer - lich der Schlussfolgerung erwehren können, dass Messing ein chemisches Element sein müsse wogegen es bekanntlich doch eine Mischung, Legirung aus Zink und Kupfer ist.

In ähnlicher Weise vollziehen wir, sooft zwei oder mehr Bedeu - tungen eines Wortes uns unbewusst vermengt werden, fast unver - meidlich logische Fehlschlüsse eine Bemerkung, zu welcher spätere Betrachtungen uns noch vielfach Belege liefern werden. (Vergl. be - sonders § 4.)

Um (mit Jevons) dies noch durch ein Beispiel zu illustriren, wo der Doppelsinn etwas weniger augenfällig ist, so könnte jemand argumentiren: Strafe ist ein Übel . Andern (wenn auch in bester Absicht) ein Übel zuzufügen, sollte nicht erlaubt sein, ist unrecht. Ergo: Andern eine Strafe angedeihen zu lassen (zuzufügen), ist unrecht. Der Doppelsinn liegt im Worte Übel , welches im ersten Satze aufzufassen war als physisches Übel oder Leid, im zweiten dagegen als moralisches Übel. Etc.

Sehr treffend sagt Baco von Verulam: Die Menschen glauben zwar, dass ihr Verstand die Worte beherrsche, aber es kommt auch vor, dass die Worte ihre Gewalt über den Verstand rückwirkend geltend machen ( Credunt homines, rationem suam verbis imperare, sed fit etiam, ut verba vim suam super rationem retorqueant ).

φ1) Es ist darum Jevons6 beizupflichten, wenn er sagt, dass nichts zur Erlangung korrekter Gewohnheiten des Denkens und Schliessens4*52Einleitung.mehr in's Gewicht fallen könne, als eine gründliche Bekanntschaft mit den grossen Unvollkommenheiten der Sprache, und dass an praktischem Nutzen kaum ein Teil der Logik denjenigen übertreffen dürfte, der auf die Vielsinnigkeit der Ausdrücke aufmerksam macht. Je mehr man sich in der That in die subtilen Schwankungen (variations) in der Bedeutung ganz geläufiger Worte vertieft, desto mehr wird man die gefährliche Natur der Werkzeuge (tools) gewahr, deren wir uns bei allen Mitteilungen und Argumentationen zu bedienen haben.

Wird der Gebildete auf diesen Punkt auch sorgsamer achten als der Ungebildete, so ist doch auch jenem im allgemeinen der Vorwurf nicht zu ersparen, dass selbst da, wo die Sprache zur Vermeidung jeder Doppel - sinnigkeit bequeme Ausdrucksmöglichkeiten bietet, er sich diese nicht immer hinlänglich zunutze macht.

Mit Recht hebt z. B. Mill die Doppelsinnigkeit hervor, mit welcher fast allerorten das Pronomen derselbe (dieselbe, dasselbe) gebraucht zu werden pflegt bald im Sinne von der nämliche (und dann also auch gleiche ), bald in dem Sinne von ein gleicher , aber nicht der nämliche. Es ist im Grunde (im erstern Sinne) nicht derselbe Eindruck, den ich em - pfange, wenn ich ein sich gleichgebliebenes Ding ein zweites Mal wahr - nehme. Wie oft spricht man nicht auch von Produktionen , wo man eigentlich von den Produkten reden müsste, und dergl. !

Der Doppelsinn des Hülfszeitworts sein als Kopula und als Existenz - behauptung z. B. Der Pegasus ist geflügelt und ist (d. h. existirt) doch überhaupt nicht! hat jahrhundertelang die Logiker vexirt, ja in der Irre herumgeführt. Auf den Doppelsinn mancher Wörter der eigenen Sprache wird man durch das Studium fremder Sprachen erst aufmerksam gemacht; so durch die französische Unterscheidung zwischen pouvoir und savoir auf den Doppelsinn des deutschen können ; auf den der Verba haben und sein (letzteres in noch einer andern als der vorhin erwähnten Hin - sicht) durch die Unterscheidung zwischen haber und tener resp. ser und estar im Spanischen. Ist Vorstellung doppelsinnig als Akt und als Resultat des Vorstellens, so haben wir uns bestrebt, das Wort hier immer nur im letztern Sinne zu gebrauchen.

Triftig bemerkt Jevons, dass hierin selbst die Logiker sich nicht viel besser gezeigt haben, als andere Leute. Unter dem Wort Negation werden wir selbst, eben notgedrungen dem Sprachgebrauch huldigend, nicht umhin können, bald zu verstehen die Operation des Negirens, bald aber das Ergebniss dieses Prozesses.

Der Doppelsinn eines Worts ist um so ungefährlicher, je weiter die Gebiete des Denkens (Begriffssphären), denen seine verschiedenen Bedeu - tungen angehören, auseinanderliegen. So dürfte z. B. der Doppelsinn des Wortes Widder zur Bezeichnung des Sternbilds im Tierkreise einer - und des männlichen Schafes andrerseits (ev. auch noch für eine mittelalterliche Belagerungsmaschine) nicht leicht Verwechselungen nahe legen.

Auf die aus Meinungsverschiedenheit unter den Menschen entspringende Mehrsinnigkeit von Ausdrücken, wie die schönste Frau , das beste Ver - fahren , etc. macht die Logik von Port-Royal noch aufmerksam.

53Einleitung.

Univoken Termen (termini) begegnet man besonders in der Sprache der Technik und Wissenschaft, und sieht sich jede Disziplin genötigt, dergleichen nötigenfalls sich selbst zu schaffen, sei es durch Restriktion, Einschränkung eines schon vorhandenen Wortes der Sprache auf eine bestimmte unter seinen landläufigen Bedeutungen mitunter auch unter Spezialisirung oder Generalisirung, Verallgemeinerung desselben, also Verengerung oder Erweiterung seiner Bedeutung sei es durch Einführung ganz neuer Wortbildungen.

Überhaupt sehen wir die Sprache, um den beständig sich steigernden Bezeichnungsbedürfnissen zu genügen, in einem notwendigen Wachstum begriffen, zu welchem ausser den soeben erwähnten Prozessen noch be - sonders auch beisteuert das Differenziiren der Synonyme, welches darin besteht, dass man Wörter, die bisher wesentlich als gleichbedeutende gebraucht wurden, anfängt (mit in bestimmter Weise verschiedenem Sinne) unterscheidend zu gebrauchen. In Illustration dieses Verfahrens mussten wir oben beginnen, die Synonyme zweideutig und doppel - sinnig auseinanderzuhalten, und werden auch noch andere Beispiele als wünschenswert, zweckmässig oder unumgänglich bei Gelegenheit sich darbieten.

Ein einsinniger Name, soviel sich absehen lässt, ist beispielsweise Kathedrale , obwol er (als ein Gemeinname) sehr vielen individuellen Ge - bäuden, wie dem Kölner Dome, dem Strassburger Münster, etc. beigelegt werden mag. Als ein sehr vielsinniger Name dagegen erscheint die Kirche (Jevons l. c.). Bald wird darunter nur verstanden das Gebäude, in welchem religiöse Handlungen vorgenommen, Andacht verrichtet wird, bald auch be - deutet der Ausdruck die ganze Körperschaft, Gemeinde der Personen, welche zu einem bestimmten Bekenntniss gehören, bald nur die religiösen Autori - täten oder die Körperschaft der Priester, den Klerus, die Hierarchie im Gegensatz zum Laienelemente, bald endlich auch die gesamte Organisation, Institution als solche, und in fast allen diesen Fällen wechselt der Aus - druck noch obendrein seine Bedeutung je nach der Konfession oder Sekte, für welche derselbe (gewöhnlich stillschweigend) in Anspruch genommen wird.

Es bedarf kaum des Hinweises, dass vielsinnige Namen sich besonders leicht zur Irreführung namentlich der unkritischen Menge, der Volksmassen hergeben, und sehen wir solche Praxis auch mit den Schlagwörtern poli - tischer Parteien von Demagogen und Propaganda machenden Agitatoren vielfach geübt. Der Missbrauch gleicht dem Taschenspielerkunststückchen, durch welches dem nichtsahnenden Publikum ein Ding für ein anderes mit Geschick untergeschoben wird, indem unvermerkt für die eine Bedeutung des Namens in Anspruch genommen wird, was genau besehen nur für die andere anerkannt werden konnte und aufrecht erhalten werden könnte natürlich mit dem Erfolg, das Urteil zu korrumpiren. Auch bieten die doppelsinnigen Wörter bequeme Vorwände und Angriffspunkte für den Streit - lustigen dar, indem es leicht ist, mit Unterstellung, Insinuation der einen54Einleitung.Bedeutung des Namens gegen dasjenige zu eifern, erfolgreich zu polemi - siren, was unter demselben Namen im Grunde von einer ganz andern Sache und vielleicht mit Recht behauptet worden ist. Desgleichen machen sie es leicht, den Gegner, der den Namen in mehrerlei Siune brauchte, oder (wie sollte er auch anders!) abweichenden Gebrauch bei Andern zuliess, der Inkonsequenz, anscheinend des Widerspruchs zu überführen. Etc.

χ1) Ungeachtet der hervorgehobenen eminent praktischen Wichtig - keit sorgfältigen Achtens auf etwaige Doppelsinnigkeit verwendeter Namen oder Zeichen gebührt den vielsinnigen Namen doch eigentlich keine Stelle in dem System der Logik selbst. Ihre Betrachtung liegt von rechtswegen nur der angewandten Logik ob. In der Theorie müssen wir die fundamentale Anforderung der Einsinnigkeit, kraft welcher erst ein Zeichen seiner Bestimmung voll zu genügen vermag, jeweils als erfüllt voraussetzen und dieses Ideal, bevor wir zu Nutzanwendungen schreiten, allemal vorgängig zu erfüllen trachten.

Hierzu ist es ausreichend, einen etwa vorgefundenen vielsinnigen Namen (wie man nach früheren sagen kann) zu differenziiren , das heisst hier: so viel verschiedene Namen aus ihm zu machen, als in wie viel verschiedenen Bedeutungen er gebraucht werden soll. Leicht wird dies hingebracht, indem man ihn z. B. durch einen Buchstaben repräsentirt und diesem alsdann Indices 1, 2, 3, anhängt, je nach - dem man ihn in seiner ersten, zweiten u. s. w. Bedeutung verstanden haben will.

Der doppelsinnige Name gilt in der Logik für ein Paar von Namen, die nur zufällig gleichen Klang haben; er repräsentirt uns ganz verschiedene Objekte des Denkens, Objekte, die darum doch nichts miteinander zu schaffen haben sollen. Von diesen wird zu sagen sein, dass sie homonym durch ihn bezeichnet seien.

Ein Hauptgrund, weshalb die grosse Mehrzahl der Wörter sich als mehrsinnig erweist, ist darin zu erblicken, dass von psychologischen Mo - menten beherrscht die Sprache in ihrer historischen Entwickelung sich so häufig bewogen sah, einen Namen von den einen auf andere Dinge zu über - tragen (zu transferiren), die mit jenen eine hervorragende Analogie offen - barten oder auch nur mit ihnen regelmässig sich assoziirt zeigten wie z. B. (Stände -) Haus auf die gesetzberatende Körperschaft der Volksvertreter.

Nicht selten kriecht so gewissermassen ein Name vom einen Ding zum andern, bis schliesslich oft keine grössere Gemeinschaft zwischen seinen ver - schiedenen Bedeutungen erkennbar ist, als zwischen irgend welchen mit ganz verschiedenen Namen belegten Objekten (Mill).

Namentlich aber und dies ist das wichtigste Moment hatte die Sprache alle Ausdrücke für Objekte, Qualitäten und Verhältnisse auf den geistigen Gebieten einst zu entlehnen aus dem naturgemäss zuerst55Einleitung.erschaffenen Wörterschatze für das sinnlich Wahrnehmbare in der materiellen Welt. Sie musste so neben der eigentlichen und ursprünglichen, der Be - deutung katexochēn oder par excellence auch noch eine uneigentliche , übertragene oder metaphorische Bedeutung den entlehnten Wörtern (oder ihren Zusammensetzungen) beilegen wie dies z. B. geschieht, wenn wir von einer glänzenden That, einem brillanten Geschäft, einer bittern Ent - täuschung u. s. w. reden.

Wer solchen Unterschied missachtet, wird leichtlich den Regeln der Logik gemäss zu absurden oder lächerlichen Folgerungen geführt werden. Treffend illustrirt dies De Morgan, indem er darauf aufmerksam macht, dass der Satz Nur der Weise ist (wirklich) reich (Solus sapiens est dives) logisch vollkommen äquivalent ist mit dem Ausspruche Jeder Reiche ist weise (Omnis dives est sapiens) jedenfalls sehr schmeichelhaft für die Reichen! Natürlich war das erste reich im übertragenen Sinne genommen, als: reich an inneren, an Schätzen des Gemütes, gesegnet mit Zufrieden - heit, etc., das zweite aber konnte ohne weiteres nur im eigentlichen Sinne als reich an Geld und (äusserm) Gut aus psychologischen Gründen verstanden werden.

Von jenem Recht der Metapher macht auch heute noch die Sprache fortgesetzt und in erspriesslicher Weise Gebrauch, vornehmlich in ihren poetischen Produktionen, und da ist es keineswegs der Wissenschaft und Logik zur Last zu legen, wenn dieselbe mit ihrer Analyse, mit logisch - wissenschaftlicher Zergliederung oft gleichsam den prachtvollen Farbenschmelz von den Flügeln des Schmetterlinges abzustreifen und blos ein kahles Ge - rippe übrig zu lassen scheint sondern nur ihrer unvollkommnen Anwen - dung. Wir missgönnen der Poesie ihre Freiheit nicht, wir bewundern sie vielmehr ob der Geschicklichkeit und Macht, mit der sie auf die Verede - lung des Geschmackes, des ganzen Fühlens und Denkens breiter Bevölkerungs - schichten hinzuwirken und gelegentlich auch vornehmlich auf ethischem Gebiete erhebende und wichtige Wahrheiten grossen Volksklassen, dem Einfältigen gleichwie dem Gebildeten, zum Bewusstsein und zu Anerkennung zu bringen versteht, allein wir müssen aus dem uns hier vorliegenden Unter - suchungsfelde solche Freiheit thunlichst bannen.

ψ1) Wir haben bis jetzt hauptsächlich gehandelt von Dingen, Vor - stellungen und Namen, indem wir uns bestrebten, hierüber eine erste, zum Teil auch wol unerlässliche Basis zu fernerer Verständigung zu gewinnen.

Im Einklang etwa mit De Morgan's2 Kapitelüberschrift On ob - jects, ideas and names . Dem letzten dieser Themata pflegen deutsche Werke über Logik entweder gar keine oder doch nur eine sehr stiefmütter - liche Behandlung angedeihen zu lassen, wie mir dieselben denn überhaupt von Anfang ihren Flug meistens zu hoch zu nehmen scheinen. Ausführ - liche und gründlichere Betrachtungen dagegen finden sich diesem Gegen - stand häufig in englischen Darstellungen der Logik gewidmet und sind in dieser Hinsicht vor allem die Werke von Mill1 und Jevons6 empfehlend hervorzuheben (neunte resp. siebente Auflage). Dieselben zeigen hierin sich56Einleitung.wenigstens ernstlich bestrebt wie dies auch Leibniz von sich sagt (vergl. Trendelenburg l. c.) immer die ersten Prinzipien zu suchen, welche sonst als trocken und ohne Reiz die Köpfe kaum kosteten und schnell wieder fahren liessen .

Das dritte der obigen Themata (mit dessen Betrachtung wir noch nicht zu Ende sind), scheint mir nun aber den naturgemässen Aus - gangspunkt zu bilden, an welchen die ferneren Themata der Logik als einer Lehre von den Begriffen, Urteilen und Schlüssen (in neuerer Ab - grenzung auch noch Methoden) anzuknüpfen sind. In der That:

In der mit Schöpfung einer Sprache verknüpften Notwendigkeit der Namengebung wurzelt auch die Bildung der Begriffe .

Es bedarf und verdient dies näher dargelegt zu werden, doch mögen wir an den Kernpunkt der Frage erst nach einigen weiteren Vorbetrachtungen herantreten vergl. η2) und folgende Chiffren.

ω1) Zunächst wol in der Welt des äusserlich Wahrnehmbaren be - merken wir, dass manche Dinge sich nahezu unverändert, stetig, in der Zeit forterhalten, dass sie, wie man sagen kann, eine zeitlang, oft eine lange Zeit hindurch, dieselben (genauer: sich gleich -) bleiben. Die Kontinuität wird zunächst in unserm Bewusstsein hergestellt, indem wir bei andauernder sowie wiederholter Wahrnehmung des Dinges inne werden, dass es uns als dasselbe (the same) erscheint, als welches es uns schon früher erschienen ist, und schreiben wir auch dem der Erscheinung des Dinges zugrunde liegenden Wirklichen die ent - sprechende Stetigkeit des Daseins zu. Die Sprache benennt dieses Ding, gibt ihm einen Namen, der bei jeder erneuten Wahrnehmung ebendieses Dinges ausschliesslich gebraucht wird, desgleichen, wenn man kundgeben will, dass man sich dasselbe in freier Erinnerung vor - stelle, m. a. W. wenn man von ebendiesem Dinge reden will. Der Name wird ein Eigenname (nomen proprium, singular term) im gewöhnlichen Sinne des Wortes sein.

In des Wortes engster Bedeutung genommen sollte der Eigenname nur das Ding in einem bestimmten Augenblick, Momente seines Daseins bezeichnen dürfen. Das gegenwärtige Berlin ist ein anderes als das Berlin vom Ende des vorigen Jahrhunderts, daher Berlin streng genommen erst dann ein Eigenname, wenn als bekannt gelten kann, aus welcher Epoche man es sich vorstellen will.

Merkur, Venus, Erde, Mars, etc. sind beispielsweise darnach Eigen - namen. Indessen illustriren unsre Beispiele das Wesen des Eigen - namens bis jetzt erst einseitig, indem sie hinsichtlich dessen, was sie bedeuten, alle herausgegriffen sind aus der Sphäre der konkreten Dinge oder Gegenstände.

57Einleitung.

Ein Ding heisst ein konkretes, wenn es einerseits vollkommen isolirt denkbar, andrerseits mit allen seinen Merkmalen (Teilen, Attri - buten und Beziehungen) gemeint ist oder genommen werden soll. So vermögen wir uns den Erdball ganz gut für sich allein zu denken, und wenn wir von ihm reden, so meinen wir denselben mit allem was darum und daran ist , ohne irgend etwas ausschliessen zu wollen, was gültig von ihm ausgesagt werden könnte.

Die Gegenstände der materiellen Welt sowol als auch die in ihr wahrnehmbaren lebenden Wesen, Pflanzen, Tiere, Personen und Gruppen von solchen (z. B. der Odenwald, die Familie des N. N., die Güter dieser Familie, das 24. Regiment der gegenwärtigen deutschen Armee, etc. nicht minder aber auch erdichtete persönliche Wesen, wie Cerberus, Circe, Polyphem und Bucentaur) können darnach als kon - krete Objekte des Denkens bezeichnet und mag dementsprechend ihr Name ein nomen concretum jeweils genannt werden.

α2) Aus der Vorstellung eines konkreten Dinges vermögen wir nun aber auch gewisse Elemente abzusondern und mehr oder minder vollkommen in unserm Geiste zu isoliren, eventuell erst, nachdem diese Vorstellung nach gewissen Richtungen noch weiter ausgebildet, ent - wickelt oder vollendet worden ist. Solche Teilvorstellungen im weitesten Sinne des Worts (resp. das ihnen zugrunde liegend gedachte Wirkliche) nennen wir Merkmale desselben (nota, mark im Singular).

Gelingt solche Isolirung vollkommen, so heisst das Merkmal ein Teil (pars, part) des Dinges*)Es ist dabei erforderlich und vorausgesetzt, dass man sich das Ding selbst erst isolirt denke. Würden wir einen Körper mitsamt seinem Schatten als das Ding hinstellen, so wäre auch der Schatten als ein Teil dieses Dinges zu be - zeichnen; er ist deshalb aber doch nicht ein Teil des Körpers , weil letzterer von vornherein ohne den Schatten zu denken gewesen wäre. Eine solche Exempli - fikation muss aber hier ausgeschlossen erscheinen, da wir den Schatten nur als solchen über oder in etwas, als auf einem materiellen Körper haftend, zu denken vermögen, und ihn darum selbst nicht als Konkretum (für sich, oder auch mit ganz anderm verknüpft) hinstellen durften. und wird sich auch seinerseits wieder als ein konkreter Gegenstand in's Auge fassen lassen.

So ist der Dunstkreis der Erde (die etwa bis zu 1 mm Druckhöhe gerechnete Atmosphäre), so sind die unsre Erde zusammenhängend be - deckenden Wassermassen, der afrikanische Kontinent, ein Berg etc. als Teile des Erdballs, so ist der Kopf, die Hand als Teil eines Menschen zu bezeichnen. Sie sind auch selbst konkrete Gegenstände. Nichts hindert, sie uns auch ohne die übrigen Teile, mit denen sie verbunden58Einleitung.sind, zu denken, wie denn sehr häufig auch der Teil vom Ganzen mechanisch abgetrennt zu werden vermag, die Möglichkeit solcher Trennung wenigstens allemal einleuchtet und in manchen Fällen auch anfangs blos der Teil bekannt ist, ohne dass man vielleicht von dem Dasein des Ganzen, dem er angehört, auch nur eine Ahnung besitzt. Umgekehrt ist zu merken, dass die Teile eines Dinges auch zu den Merkmalen desselben in der Logik zu rechnen sind. Es sind auch die Borsten ein Merkmal des Schweins (nicht etwa blos der Umstand, dass es überhaupt Borsten besitzt, welcher allerdings auch ein Merk - mal, aber eine durch Abstraktion gewonnene Verallgemeinerung des vorigen wäre, welche wesentlich nur auf dasjenige hinauskommt, worin das Schwein mit andern Borsten tragenden Geschöpfen übereinstimmt), und ist die Mähne, sowie der in ein Haarbüschel endigende Schweif Merkmal eines männlichen Löwen.

Gelingt jene Isolirung (Absonderung, Vereinzelung) nicht voll - kommen, so nennen wir das vorgestellte Ding etwas Abstraktes, seinen (Eigen -) Namen ein nomen abstractum. Wir haben dann Veranlassung zu reden von Attributen des gedachten Dinges, als da sind Qualität oder Eigenschaften und Thätigkeiten, und Quantität, sowie von Be - ziehungen (Relationen), darunter Ursache, Wirkung und anderes.

So die Farbe dieser Blumenkrone, die Elasticität und Festigkeit der Stahlfeder, mit welcher ich eben schreibe, das Gewicht des Erd - balls, seine Gestalt, Volum und derzeitige Lage im Weltraum, seine augenblickliche Entfernung von der Sonne, Geschwindigkeit, die Kraft, mit der er angezogen wird, etc. die Schönheit der Circe etc. dies alles sind abstrakte Eigennamen.

Die als deren Bedeutung verbleibende Vorstellung ist in der That dadurch gewonnen, dass man sie von der Gesamtvorstellung des kon - kreten Gegenstandes gewissermassen abzog, sie in den Brennpunkt der Aufmerksamkeit rückte und von dem Komplex aller übrigen Vorstellungs - elemente (nebst dem, was ihnen zugrunde liegt) absah oder abstrahirte. Solche Isolirung jener aus dem Gesamtbilde hervorgehobenen Vor - stellung erweist sich aber bei genauerem Zusehen nicht als eine voll - kommen durchgeführte und durchführbare, wie ich dies für das erste und noch ein späteres der angeführten Beispiele versuchen will ge - nauer darzulegen.

Jene beispielsweise rote Farbe können wir uns zwar wol völlig losgelöst von jedem Gedanken an die Blumenkrone, der sie eignete, als eine blos subjektive Lichtempfindung vorstellen, und wenn wir etwa für die vor mir liegende Blumenkrone von Anfang an nur deren59Einleitung.Vorstellung gesetzt hätten, so würde das aufgestellte Unterscheidungs - merkmal uns im Stiche lassen und läge kein Grund für uns vor, das Element der roten Farbe in dieser Vorstellung als ein Abstraktum gegenüberzustellen der ganzen Vorstellung als einem Konkretum (die wir ja vielmehr von unserm Standpunkte auch selbst schon als ein Abstraktum bezeichnen müssen). Es läge dann der Fall vor, dass wir, anstatt von den Dingen, blos gesprochen hätten von unsren Vor - stellungen über diese, ohne jede Bezugnahme auf etwas ihrer Er - scheinung zugrunde liegendes Wirkliches. Wollen wir aber nicht auf - hören solche Bezugnahme aufrecht zu erhalten, wollen wir fortfahren nach wie vor von Dingen zu reden, dann freilich können wir jene rote Farbe nicht anders denken als wie als Farbe von etwas Farbigem; und wird auch die Vorstellung ebendieses farbigen Etwas im übrigen mög - lichst unvollendet gelassen, so musste dasselbe doch als vorhanden notwendig mit gedacht werden und ist die Isolirung jener roten Farbe keine vollständige gewesen.

Ähnlich musste auch der vom Erdball eingenommene Raum z. B. als von etwas erfüllt, als Ausdehnungsform irgend einer Materie ge - dacht werden, von welcher er nie völlig loszulösen ist.

Wir betreten hiermit allerdings ein streitiges Gebiet. Ob man den Raum sich absolut leer denken könnte, einen Zeitraum ohne jeden Vorgang in demselben, den Geist auch ohne Körper, darüber ist viel hin und her gestritten worden. (Ich würde bis zur Erbringung eines Gegenbeweises diese Fragen verneinen. Die Erscheinung des Todes hat es uns leicht ge - macht, den Leib auch ohne Seele, isolirt zu denken wir nennen ihn Leichnam; ich würde aber, wenn von dem Leibe eines lebenden Wesens lediglich als Materie ohne Rücksicht auf dessen Besselung gesprochen wird, auch diesen strenge genommen für ein Abstraktum zu erklären mich ver - pflichtet glauben.)

Im Hinblick auf solche Kontroversen dürfte die Bemerkung am Platze sein, dass die Unterscheidung zwischen abstrakt und konkret für unser Hauptthema (soweit wir dasselbe zu führen vermögen) sich (noch) belang - los erweisen wird (ein Grund für diese Erscheinung wird sogleich, im folgenden Kontext ersichtlich). Wesentlich kommt es uns hier nur darauf an, zunächst die Bedeutung des Eigennamens und nachher die des Gemein - namens klarzulegen, zu welchem Ende wir dieselbe allerdings wol in ihre Hauptvarietäten hinein verfolgen müssen.

Ich muss auch gestehen, dass mich die obige Auseinandersetzung für die Scheidung der Merkmale in Teile und Attribute, die wir hier ich denke wol im Anschluss an das üblichste Verfahren genetisch zu ent - wickeln versucht haben, nicht völlig befriedigt. Die Erde z. B. zieht nach dem Gravitationsgesetze ein jedes Massenteilchen des Weltraums an, und können überhaupt zwischen ihr und irgend einem andern Objekt des Denkens60Einleitung.vom Geiste Beziehungen wahrgenommen oder hergestellt werden. Um das - jenige vorzunehmen, was wir oben die Isolirung ihrer Vorstellung nannten, müssen daher grosse Merkmalgruppen von der auf die Erde bezüglichen Gesamtvorstellung von vornherein ausgeschieden und losgelöst werden; es ist auch dazu schon eine Art von Abstraktionsverfahren erforderlich, und erscheint es geboten dabei auf die Raumerfüllung der Erde, ihre Charakteri - sirung als das einen bestimmten Raumteil Erfüllende vermittelst einer ihr zugedachten Begrenzung, sich zu berufen und ähnlich auch bei den übrigen als konkrete hinzustellenden Gegenständen.

Dass nun solch 'spezieller, gleichwie auch irgend ein anderer Abstraktions - modus, durch welchen eine Vorstellung zu einer isolirten gestaltet wird, für die (allgemeinen) Gesetze folgerichtigen Denkens nicht von Belang sein wird, ist zu gewärtigen.

Die Begriffe von Quantität und Qualität exakt und allgemein zu cha - rakterisiren dürfte überhaupt zu den schwierigeren Problemen der Philo - sophie gehören ich habe eine mir ganz genügende Erklärung nirgends auftreiben können. Gleichwol ist die Frage eine fundamentale, da auf ihr doch die Lehre von den gleichartigen , vergleichbaren oder durch ein - ander messbaren Grössen und die Scheidung zwischen Mathematik und Logik (im engern Sinne) beruht:

Von einem vorgestellten Dinge vermögen wir durch Abstraktion einen Teil abzusondern und ebenso vermögen wir ein Merkmal abzusondern welches nicht Teil sondern eine Eigenschaft, Thätigkeit oder Beziehung des Dinges ist. Die schwierige Frage ist, worin sich wol jene, die quantitative von dieser der qualitativen Sonderung der Vorstellungselemente unterscheidet? Wir glaubten den Unterschied in der vollkommenen Isolirbarkeit jener erstern im Geiste (sowol als eventuell in der Wirklichkeit) gegenüber der unvollkommeneren Isolirungsfähigkeit der letztern erblicken zu sollen.

Möglich auch, dass diese Begriffe der Qualität und Quantität (?) zu den Urbegriffen zu zählen sein werden, die in Form einer Definition einer Erklärung überhaupt nicht fähig, oder dass sie auch, wie der Begriff des Maasses , erst mittelst langer Reihen von Schlüssen aufgestellt werden können.

Mill freilich macht es sich hier bequem, indem er sich im wesent - lichen begnügt zu sagen: Quantität sei dasjenige, wodurch sich ein Liter Wasser von zwei, drei oder zehn Litern Wasser unterscheidet, worin er aber mit einem Liter Branntweins oder Schwefelsäure übereinstimmt, Quali - tät dasjenige, worin jene übereinstimmen und diese sich unterscheiden. So leicht es aber erscheint, treffende Beispiele hier anzuführen, so schwierig erscheint es uns, den Gegensatz allgemeingültig zu charakterisiren.

Es mag auch eine Wissenschaft, die sich ein für allemal nur mit auf eine bestimmte Weise hergestellten Abstraktionsergebnissen be - schäftigt wie die Geometrie mit den räumlichen Gebilden solche (relativ) als Konkreta hinstellen, und diesen erst und ihren (dann eben - falls konkret zu nennenden) Teilen als Abstrakta gegenüberstellen die Attribute der Gestalt, Grösse und Lage, Entfernung etc. jener Gebilde. 61Einleitung.Im Grunde würde alsdann nur konkret und abstrakt genannt werden, was eigentlich als abstrakt in erster und in zweiter Potenz oder wenn man will im ersten und im zweiten Grade (absolut genommen) hingestellt werden müsste. Von einem selbst durch den Abstrak - tionszprozess gewonnenen Objekte lassen sich ja häufig selbst wieder Merkmale noch weiter fort abstrahiren.

β2) Nicht anders, wie in Hinsicht der Qualitäten verfährt man auch bei (wahrgenommenen) Beziehungen zwischen Dingen: auch solche mögen wir mit Eigennamen belehnen.

Bemerken wir z. B., dass drei gewisse Sterne ein gleichschenkliges Dreieck bilden, dessen Schenkel fast doppelt so lang ist, wie die Grund - linie (und zwar allemal wieder, wenn sie allnächtlich wiederkehren), so können wir zunächst die Figur oder Gruppe selbst als ein Sternbild (und Konkretum) mit einem Eigennamen bezeichnen; aber wir können sogar auch das genannte abstrakte Seitenverhältniss (von nahe zwei zu eins), desgleichen den Neigungswinkel α des einen Schenkels gegen den andern, etc. als Ding je mit einem aparten Eigennamen belegen (falls solches uns der Mühe wert erschiene). Ich will dies hier besonders hervorheben, um zu erinnern, dass ich das Wort Ding in unsern Betrachtungen stets so all - gemein wie möglich gefasst wissen möchte, und in diesem Sinne für jedes (nach Ort, Zeit und Abstraktionsmodus) völlig bestimmte Ding einen Eigennamen für zulässig erachten muss. Einen solchen stellt allemal schon die Beschreibung vor, durch welche uns das zu denkende, zu be - trachtende Ding als ein singulares, unzweifelhaft bestimmtes kund gegeben wird wenngleich die letztere der für Namen in der Regel wünschens - werten Kürze entbehren wird, und um ihrer teilhaftig zu werden etwa durch einen Buchstaben ad hoc zu ersetzen wäre.

Auch der Gewinn z. B., den ein bestimmtes Geschäft für einen be - stimmten Teilhaber N. N. abwerfen wird wir mögen denselben ja χ nennen , ist so ein Eigenname, und ebenso würde sein Anrecht auf diesen Gewinn ein solcher sein.

γ2) Und nicht blos die Dinge aus der Aussenwelt, wie in früheren Beispielen, sondern auch solche aus der Welt des Bewusstseins, aus dem Geistesleben, sind eines Eigennamens fähig, und sie werden eines solchen teilhaftig, sobald wir sie mit Worten unverkennbar charakterisiren.

Auch meine Absicht, nachher spaziren zu gehen, die freudige Über - raschung, die (ein bestimmter) Jemand beim Erfahren einer gewissen an - genehmen Nachricht empfinden wird, die Eifersucht, die zwei bestimmte Nebenbuhler zur Zeit auf einander haben alles dies (immer in der suppositio nominalis betrachtet) sind Eigennamen.

δ2) Was ein Eigenname bedeutet, das werden wir häufig als etwas Spezielles, Individuelles, als ein Individuum unter den Objekten62Einleitung.des Denkens (in allerdings dem ursprünglichen Sinn dieses Wortes gegenüber sehr erweiterter Bedeutung) anzuführen haben.

Ich muss hier noch einer Ansicht gegenübertreten, zu welcher die Lektüre von Mill (besonders von p. 37 sq. der Schiel'schen Übersetzung2, desgl. von p. 40 sq.) verleiten könnte: dass der Eigenname an sich be - deutungslos oder nicht-bezeichnend (nonconnotative) sei. Das neben andern ähnlichen von Mill gewählte Beispiel Johann erscheint in dieser Hin - sicht keineswegs beweisend, denn Johann ist (in unserm Sinne) kein Eigenname es sei denn mit solchen Zusätzen, dass er eine ganz be - stimmte Person bedeutet sondern ein Vorname, und kommt als solcher einer ausgedehnten Klasse von Personen zu. So ist denn freilich der Name ein ziemlich nichtssagender und gibt uns wenig Aufschluss über das Wesen einer Person, welche denselben führt.

Der Eigenname ganz im Gegenteil ist ein möglichst ausdrucksvoller zu nennen, indem er ein ganz bestimmtes Ding bezeichnet mit allen seinen Merkmalen, bekannten sowol als unbekannten, sofern letztere ihm zukommen.

Mill2 selbst auch schränkt seine Behauptung auf einer folgenden Seite (p. 38) wieder ein, indem er Ausnahmen statuirt, für welche er die Grenze anscheinend willkürlich zieht; es wäre in der That durchaus nicht abzusehen, weshalb uns zwar die Sonne eine Menge Attribute mitbezeichnen sollte, dagegen Mill's eigner Name John Stuart Mill z. B. nicht?

Demgemäss erscheint mir auch die Unterscheidung von mitbezeich - nenden (connotativen) und nichtmitbezeichnenden (non-connotativen) Namen, von welchen Mill so grosses Aufhebens macht, als eine gänzlich belang - lose, genauer gesagt: überflüssige. Es bleibt mir von dem Gegensatze, wenn ich ihn schärfer in's Auge fasse, nichts anderes übrig als der aller - dings sehr belangreiche Unterschied zwischen einem Eigennamen und dem (mit einem Begriff verknüpften) Gemeinnamen; das übrige löst sich in Dunst auf. Für solchen Gegensatz aber nochmals besondre gelehrt klingende und fast möchte ich sagen: schwülstige Benennungen einzuführen scheint keineswegs Bedürfniss.

ε2) Nicht unwichtig ist es noch, zu beachten, dass die dem ab - strakten Substantivum zugeordneten Adjektiva, sofern sie überhaupt als Namen gelten können, doch im allgemeinen als konkrete Namen bezeichnet werden müssen.

So ist weisse Farbe oder Weisse ein nomen abstractum, dagegen weiss = ein weisses Ding = Etwas weisses muss offenbar zu den nomina concreta gerechnet werden, indem es ja das (konkrete) Ding selbst be - zeichnen soll, welchem das Attribut der weissen Farbe zukommt. Ebenso ist (räumliche) Ausdehnung ein Abstraktum, dagegen ausgedehnt, räumlich = Etwas ausgedehntes, Konkretum: ein jeder Körper kann so genannt werden. Vergl. noch Leben und lebendig, Nutzen und nützlich, Gleichheit, Ähnlichkeit, Verschiedenheit und gleich, ähnlich, verschieden, Dankbarkeit und dankbar etc. hinsichtlich ihres Gegensatzes als Konkreta und Abstrakta.

Ausgedehnte, gleiche, ähnliche oder verschiedene Dinge können freilich ebensogut aus der Sphäre der Abstrakta genommen sein, wie z. B. auch63Einleitung.ein geometrischer (sonach immaterieller) Körper, eine Fläche, mathematische Linie, der Schatten räumlich ausgedehnt, ein Zeitraum wenigstens aus - gedehnt genannt werden mag. Es lässt demnach (was Mill und Jevons zu übersehen scheinen) sich nur behaupten, dass die aus abstrakten Sub - stantiven abgeleiteten Adjektiva konkret sein können, aber nicht müssen, sie können oft auf beiderlei Weise verwendet werden und nehmen in Wahr - heit eine Zwitterstellung ein. Andere, wie dankbar , freilich kann man un - bedenklich als Konkreta hinstellen, denn Dankbarkeit lässt sich (es sei denn im übertragenen Sinne) nur einem lebenden Wesen, also Konkretum, zuschreiben.

ζ2) Versuchen wir nun einmal, uns auf den Standpunkt zu stellen, als ob es uns obläge, eine Sprache zu erschaffen, ganz nach Belieben Wörter oder Zeichen zu bilden und solchen ihre Gebrauchsweise vor - zuschreiben.

Auf den Unterschied unsrer Bestrebungen von denen der Volapükisten werden wir noch zu sprechen kommen vergl. α3) in dieser Einleitung, Fussnote.

Es erscheint dann keineswegs als eine leichte Aufgabe auch nur zu jenen schon unter ξ1) erwähnten zehn Wortarten zu kommen, welche wir in unsern Kultursprachen thatsächlich gebildet vorfinden. Die - selben genetisch zu erklären, sie gewissermassen aus den Bedürfnissen der Bezeichnung und Mitteilung herauswachsen zu lassen und so als zur Befriedigung dieser Bedürfnisse erforderliche, in solchem Sinne notwendige nachzuweisen, dürfte vielmehr höchst schwierig sein, wofern die Aufgabe überhaupt lösbar.

Das gleiche wäre auch zu leisten für die etwaigen Beugungsformen, Flexionen jener Wortarten, wie namentlich die Konjugationsformen der Verba, und die Deklinationsformen der Substantiva (Adjektiva und Prono - mina), mit welchen dann auch die Bestimmung oder Mission der Präposi - tionen in nächstem Zusammenhange steht, dergleichen ja in vielen Sprachen Kasus vertreten.

Es müsste in solcher Untersuchung auch die Frage beantwortet werden, mit wie vielen und welchen Wortarten, Kasus und Tempora etc. man (im Minimum) bereits auszureichen vermag, wie viele Arten von sprach - lichen Gebilden oder sagen wir kurz Sprachformen also unerläss - lich wären, mit welchen Formengruppen man die Zwecke des Gedanken - ausdrucks gleicherweise, mit welchen aber am besten erreichte und was die etwa überzähligen Formen für Vorteile gewährten.

Soweit die Lösung dieser Aufgabe gelungen wäre, hätten wir eine wirkliche Analyse der Sprache gewonnen, eine zugleich wissenschaft - liche und allgemeine Grammatik, welche die den Kultursprachen gemein - samen Elementarformen auch als unentbehrliche und notwendige er - kennen liesse, wogegen sie andrerseits die von Sprache zu Sprache wechselnden Gebilde ignoriren würde.

64Einleitung.

Es würde diese allgemeine Grammatik des Vorzugs geniessen, dass in ihr gerade dasjenige ausser Betracht bleiben dürfte und zu bleiben hätte, was beim Erlernen einer fremden Sprache jeweils die grössten Schwierig - keiten zu bereiten pflegt als da sind: die verschiedenen Arten von Kon - jugation und Deklination, welche die spezielle Grammatik uns oft so er - müdend als erste, zweite, dritte etc. aufzählt und vorführt, dazu die Unregelmässigkeiten der Verba, der Wortstellung und des Satzbaues, nament - lich aber auch die dem Ausländer das Deutsche so sehr erschwerenden drei Genera von den in dieser unsrer Sprache mit der , die oder das ganz ohne jeden objektiven Grund zu verknüpfenden (unpersönlichen) Haupt - wörtern und ebenso die Divergenzen zwischen Schrift und Aussprache, wie sie vor allem in der unphonetischen Schreibung des Englischen sich so bemühend *)Der Ausdruck ist besonders im deutsch - schweizerischen Idiome ein - gebürgert. kundgeben, auch anderes mehr.

Für ein engeres Gebiet, nämlich für dasjenige der Zahlenbezeichnung, sehen wir die analoge Aufgabe bereits gelöst vor uns. Hier kann in der That leicht der Nachweis geliefert werden, dass, wofern nicht mehr als zehn Ziffern sollen verwendet werden dürfen, eine systema - tische Darstellung aller natürlichen Zahlen nicht besser erreicht zu werden vermag, als sie durch die jetzt allgemein üblichen Ziffern - zusammenstellungen in unserm aus Indien überkommnen dekadischen Systeme bereits verwirklicht wird; es kann diese Zahldarstellung als eine aus Zweckmässigkeitsgründen auch notwendige gerechtfertigt werden.

Dass ähnliches aber für das ganze Gebiet der sprachlich bezeich - neten oder bezeichenbaren Objekte durchaus nicht gelingt, dürfte seinen Grund vor allem darin haben, dass eben dieses mit der Sprache ge - gebene Bezeichnungssystem sich an Vollkommenheit entfernt nicht messen kann mit dem in der angedeuteten Richtung für die Objekte der Arithmetik bereits verwirklichten Bezeichnungssysteme.

Hat dieses nun seine Richtigkeit, so muss an Stelle jenes oben - erwähnten Ideals einer allgemeinen Grammatik ein anderes treten: das rationellste Bezeichnungssystem für die Benennung aller Objekte und den Ausdruck aller Vorgänge des Denkens erst zu entdecken und als ein notwendiges zu rechtfertigen.

Auf dieses Ideal werden wir in der That noch weiter hinarbeiten.

η2) Gehen wir nun von dem eingenommenen Standpunkte auch nur ein Stück weit, auch einen Schritt nur vor, so leuchtet zunächst die Notwendigkeit ein, neben den (bisher besprochenen) Eigennamen, die jeweils ein ganz bestimmtes Ding bezeichnen, nur einem solchen65Einleitung.zukommen, auch solche Namen zu schaffen, die auf viele Dinge passen; es erhellt die Notwendigkeit der Schöpfung auch von Gemeinnamen.

Ich denke, dass die Erforderlichkeit von Namen überhaupt zur Be - zeichnung von Dingen und insbesondre von Eigennamen um je von einem bestimmten Dinge reden zu können, keiner weitergehenden Rechtfertigung bedarf, und werden auch die Betrachtungen, die wir anzustellen haben, um das Bedürfniss nach Gemeinnamen klar zu legen, zum Teil höchst trivialer Natur sein. Es dürfte solchen gleichwol nicht jedes Verdienst abzu - sprechen sein.

Denken wir uns eine Anzahl Personen im Vollbesitze einer beliebig grossen Menge von Eigennamen aber zunächst nur von solchen also dass das gleiche Wort sich bei allen jeweils mit der ( gleichen ) Vor - stellung von dem nämlichen bestimmten (übrigens beliebig konkreten oder abstrakten) Dinge mit unfehlbarer Sicherheit assoziirt, so wird sich mit Denknotwendigkeit erkennen lassen, dass diese Personen unfähig sein werden einander irgendetwas mitzuteilen, was sie nicht bereits laut Voraussetzung wussten. Ich will z. B. sagen, dass der Schnee weiss ist, aber weil ich nur über Eigennamen verfüge, kann ich dies nicht in Bezug auf den Schnee überhaupt thun, sondern nur in Bezug auf einen bestimmten Schnee, der z. B. an bekanntem Orte liegt, ich kann es auch nicht sagen in Bezug auf jeden Teil dieses Schnees, sondern nur in Bezug auf eine bestimmte Portion desselben, als Ganzes, die ich kurz als dieser Schnee bezeichnen will. Die Weisse dieses Schnee's mag sich durch ihren genauen Hellig - keitsgrad auch von derjenigen jedes andern Schnee's unterscheiden. Ich kann nicht sagen, dass dieser Schnee weiss überhaupt ist, wie andre weisse Körper, sondern weil ich auch nur den Eigennamen für diese Weisse von dem erwähnten eigentümlichen Helligkeitsgrade zur Verfügung habe, so kann ich auch diesem Schnee nur gerade diese Weisse zu - oder absprechen. Von den Personen, die meinen Ausspruch hören werden, wissen alle, was unter dieser Schnee gemeint ist (laut Voraussetzung), desgleichen was diese Weisse bedeutet, und werden dieselben sich auch darunter sofort, wenn der Name fällt, etwas jener bestimmten Empfindung weisser Farbe (mit dem erwähnten charakteristischen Helligkeitsgrade) zugrunde liegendes Wirkliches übereinstimmend vorstellen. Es kann nun aber sein, dass der Eine oder Andere der genannten Personen gleichwol noch darüber unwissend ist, dass diesem Schnee gerade diese Weisse zukommt, und dass ich es ihm sagen will. Laut Voraussetzung habe ich nun aber auch blos einen Eigennamen für gerade dieses hier vorliegende Zukommen, oder ich habe keinen. Im letztern Falle kann ich es nicht statuiren oder mitteilen; im erstern aber, wo dieses Zukommen ein (laut Voraussetzung) im gemein - samen Besitz der beteiligten Personen befindlicher Eigenname gewesen sein sollte, muss eben der Andre dasselbe schon gekannt haben, er musste da - mit bereits wissen, dass diesem Schnee diese Weisse gerade so zukommt, im Widerspruch zu der obigen Annahme, dass er darüber unwissend ge - wesen. Ergebniss: ein Bezeichnungssystem, das blos Eigennamen umfasste, ist notwendigerweise zur Übermittelung irgendwelcher Erkenntniss unzu - länglich. Dasselbe vermöchte höchstens, bereits vorhandene Erkenntniss -Schröder, Algebra der Logik. 566Einleitung.elemente durch Anrufen derselben wiederzubeleben oder in's Feld der Aufmerksamkeit zu rücken.

Um einen Ausspruch thun zu können, der eine Information zu liefern vermöchte, brauchen wir mindestens für die Kopula, welcher in unserm Beispiel das (erwähnte) Zukommen oder der Besitz entspricht, ein Wort von allgemeiner Bedeutung, das einen Gemeinnamen vertritt, und können damit dann allerdings als etwas für den Vernehmenden möglicher - weise Neues sagen: Dieser Schnee besitzt diese Weisse .

Wir wollen nun nicht weiter ventiliren, mit welchem minimalen Be - stand an Gattungsnamen ein Bezeichnungssystem den Zwecken sprachlicher Mitteilung schon ausreichend zu genügen vermöchte in Anbetracht, dass auch andere Momente dahin drängen, solche in grosser Menge zu schaffen, und dass ein Reichtum der Sprache an Gattungsnamen nur vorteilhaft erscheint.

ϑ2) Zunächst haben wir aber die vielwörterigen Gattungsnamen, welche sich aus einwörterigen und vielleicht auch andern Wortzeichen ableiten etwa rationell in Gestalt einer Definition oder Beschreibung aufbauen lassen, von unsrer Betrachtung natürlich auszuschliessen und unser Augenmerk zu richten auf die Erstellung der als ursprüngliche einwörterig zu gestaltenden Namen, die zu dem weiteren Aufbau uns erst die Bau - steine abgeben sollten.

Schon die oberflächlichste Überlegung zeigt, dass es gar nicht durchführbar sein würde, ein Jedes, was Objekt des Denkens werden mag, mit einem Worte als Eigennamen zu benennen.

Das wäre schon in Bezug auf die Dinge der Aussenwelt unthunlich.

Wie möchten wir z. B. Geometrie treiben, wenn jede Seite jede Ecke etc. eines jeden von irgend jemand in Betracht zu ziehenden Dreiecks ihren eigenen Namen führte, wenn sie von der Sprache je mit einem besonderen Worte bezeichnet würde und werden müsste? So ausserordentlich gross die Kombinationsfähigkeit der Buchstaben zu aussprechbaren Silben und so zahlreich die Arten auch sind, auf welche diese Silben sich zu Worten ver - knüpfen lassen, sie würden doch bei weitem nicht hinreichen um solchen. Bedarf an Eigennamen zu decken. Kein menschliches Gedächtniss aber würde die Kraft besitzen, wären solche Namen auch schon geschaffen (irgendwie, beliebig eingeführt), dieselben mitsamt ihrer Bedeutung zu be - halten, ganz abgesehen von der Schwierigkeit, sie zu erlernen.

Das Erlernen würde hier immer noch (in gewissem Umfange) wenigstens als möglich erscheinen.

Prinzipiell unmöglich aber müsste es genannt werden, falls die gleiche Praxis der Belehnung aller Dinge mit Eigennamen auf die Gebilde der geistigen Welt angewendet werden wollte. Da sich die Zustände des Bewusstseins eines Menschen, als namentlich seine Wahrnehmung von Unterschieden oder von Übereinstimmung an den Dingen, seine Empfindungen, Vorstellungen und Absichten etc. für die andern Menschen nicht sinnlich zur Wahrnehmung bringen lassen, da sich nicht, wie auf die Aussendinge auf solche hinweisen lässt, so wäre hier gar kein Weg denkbar, auf welchem67Einleitung.eine Sprache, die alle individuellen Bewusstseinszustände je mit Eigennamen bezeichnete, überhaupt Gemeingut einer Mehrheit von Menschen werden könnte. Schon die Erlernung der Sprache bliebe hier ein vonhause aus unlösbares Problem.

Wir brauchen also Gemeinnamen.

ι2) Der Gemeinname (nomen appellativum, general term) sollte mehrere Dinge bezeichnen dürfen, solchen einzeln und sozusagen mit gleichem Rechte zukommen.

Der Gemeinname Planet z. B. kann der Erde sogut wie dem Mars, Jupiter oder Saturn etc. beigelegt werden. Wir dürfen darum sagen: Die Erde ist (ein) Planet, Mars ist Planet, Jupiter ist Planet.

Hierdurch erscheint die Anwendungsweise des Gemeinnamens ge - regelt, soferne mit ihm etwas sollte ausgesagt werden, insoweit er also zum Prädiziren dient zunächst wenigstens: insofern er in der Form des Singulars Prädikat einer Aussage wird.

Die mittelst Eigennamen bezeichenbaren singularen, besondern, bestimmten oder individuellen Dinge, welche so der Gemeinname um - fasst , über die sich seine Bedeutung erstreckt und von deren jedem er für sich im Singular prädizirt werden darf, setzen eine Klasse (oder Gattung ) zusammen, von der sie die Individuen genannt werden. So sind Merkur, Venus, etc. bis Neptun die Individuen der Klasse der Planeten oder der Gattung Planet .

Das Wesen der obigen Verwendungsweise besteht nun darin, dass der Gattungsname sich auf seine Individuen, wie man sagt: distributiv , verteilt so nämlich, dass er jedem einzelnen dieser Individuen ganz (und ungeteilt) zukommt.

Es geht nichts, kein Teil von ihm verloren, wenn er einem Individuum beigelegt, zugeteilt wird, und man behält ihn immer noch ganz übrig, um ihn ebenso auch einem zweiten, dritten etc. Individuum zuzuteilen. Die vorliegende ist sonach eine eigentümliche Art von Verteilung , welche sich etwa der Ausbreitung einer ansteckenden Krankheit vergleichen liesse: werden hundert Personen von einem Scharlachkranken infizirt, so wird eine jede derselben nicht etwa blos des hundertsten Teiles, sondern der ganzen Krankheit, schlechtweg des Scharlachfiebers, teilhaftig (auch verliert Der - jenige, von welchem der Krankheitskeim sich auf die Andern überträgt, die Krankheit dadurch nicht).

Gelegentlich der Erläuterung des Distributionsgesetzes werden wir in § 12 Veranlassung nehmen, noch andere (und schönere) Vergleiche heranzuziehen zur Verdeutlichung der eigentümlichen Natur dieser hier in Betracht kommenden Verteilungsweise, der distributiven oder qualita - tiven , und ihres Gegensatzes zur andern von den beiden denkbaren Haupt - Verteilungsweisen, nämlich der gewöhnlichen oder quantitativen Verteilung.

5*68Einleitung.

Analog auch dürfen wir mit der Pluralform von den Individuen irgend einer in jener Klasse enthaltenen Gruppe, wie Venus, Erde, Mars, sagen: dieselben seien Planeten .

ϰ2) Auch umgekehrt soll unter dem Gemeinnamen (oder Gattungs - namen ), wenn von ihm etwas ausgesagt wird, stets nach Beliben dieses oder jenes ( irgendein any) Individuum der Klasse verstanden werden dürfen unter Planet also, wenn man will, die Erde, oder auch der Merkur, etc.

Durch diese wichtige Vorschrift erscheint der Gebrauch, die An - wendungsweise der Gattungsnamen auch in der andern Hinsicht ge - regelt, soferne er nämlich selbst als Gegenstand, Subjekt einer Aussage auftreten wird.

Wird diese Vorschrift konsequent befolgt, so wird also, was von der Gattung ausgesagt wird, auch von jedem ihrer Individuen Geltung beanspruchen.

Eine Aussage, deren Subjekt Gemeinname ist, eine Klasse vor - stellt, wird ein allgemeines oder generelles Urteil (judicium generale, general statement) genannt im Gegensatz zu einer Aussage, deren Subjekt ein Eigenname ist, ein Individuum vorstellt, welch 'letztere wir ein singulares oder Einzel-Urteil (judicium singulare, singular state - ment) nennen werden.

So dürfen wir beispielsweise sagen: Der Planet läuft um die Sonne, denn Merkur umläuft die Sonne, Venus umläuft die Sonne etc. Neptun läuft um die Sonne.

Die letztere Aussage ist Beispiel eines singularen Urteils, die erste illustrirt ein generelles Urteil; dasselbe ist auch gleichbedeutend, äquivalent mit: Jeder (every planet, each) umläuft die Sonne sowie mit Alle Planeten laufen um die Sonne und exemplifizirt jene besondre Art von generellen Urteilen, die man als universale bezeichnet.

Dagegen würde ein Satz wie: Einige Planeten (some planets) haben Monde zwar auch als ein generelles, aber nicht als ein universales, sondern als partikulares Urteil hinzustellen sein.

Endlich wird eine Aussage von der Art wie: Ein Planet ist (von lebenden Wesen) bewohnt ein unbestimmtes Urteil genannt.

Wir wollen auf diese Unterscheidungen, welche zunächst vorwiegend als sprachliche erscheinen, gleich hier schon aufmerksam machen, weil auf sie im Text gelegentlich Anspielung gemacht werden wird, während sie nach ihrem logischen Gehalte, systematisch, erst später in Betracht ge - zogen werden.

Dagegen ist ein generelles Urteil unrichtig, wenn dasselbe nicht für jede der als zulässig festgesetzten Bedeutungen des als sein Sub -69Einleitung.jekt auftretenden Gattungsnamens, nicht für jedes Individuum der Klasse, zutrifft. Es würde z. B. der Ausspruch: Der Planet hat (einen oder mehrere) Monde unberechtigt sein, weil er schon für die Venus (z. B.) als unwahr anzuerkennen ist.

Wir müssen es uns für unser eigentliches Thema vorbehalten, die Wirkung obiger Grundsätze, durch welche der Gebrauch von Gemein - namen geregelt werden muss, in die verschiedenen Ausdrucksformen der Sprache hinein zu verfolgen, und etwaige Abweichungen von den - selben, welche die Sprache sich (inkonsequenterweise) gestattet, ge - legentlich zum Bewusstsein zu bringen.

Auf die geschilderte Weise nun ermöglicht es uns der Gemein - name, beliebig viele singuläre Urteile zu einer einzigen eben der generellen oder allgemeinen Aussage abkürzend zusammenzufassen. Es wird damit ein ökonomisches Haushalten mit den Mitteln des Ausdruckes erstmalig angebahnt, und erscheint das Verfahren schon wegen der Häufigkeit, mit welcher solche Ersparniss anzubringen ist, von immensem Vorteile. Unabsehbar steigert sich noch diese Wirkung, wenn wir in Gestalt des Begriffes demnächst ein Mittel er - kennen werden, auch offene Klassen zu bestimmen, Klassen, welche oft eine unbegrenzte Menge von Individuen umfassen.

λ2) Der Gattungsname kann als ein mehrdeutiger oder viel - deutiger bezeichnet werden, indem ihm eben mehrere Bedeutungen mit gleichem (und vollem) Rechte zukommen. *)Es mag nämlich auch jedes Individuum der Gattung eine von seinen Be - deutungen genannt werden, wogegen die ganze Gattung oder Klasse seine Be - deutung schlechtweg ausmacht. Die Ausdrücke: eine Bedeutung und die Bedeutung , als verschiedene gekennzeichnet durch den unbestimmten und den bestimmten Artikel, werden bei Gemeinnamen unterscheidend gebraucht.Er tritt dadurch in Gegen - satz zu dem als eindeutig (determinative) zu bezeichnenden Eigen - namen sowie zu dem Namen Nichts (oder rundes Quadrat ), welchen wir (wie schon früher unsinning , so nun auch) undeutig nennen mögen.

Wie man sieht, ist hiernach zwischen zweideutig und doppelsinnig ein wesentlicher Unterschied anzuerkennen. Ein zweideutiger Name wäre z. B. meine Hand ; derselbe würde aber vollkommen einsinnig , univok gebraucht, wenn wir nur logisch berechtigte Urteile fällen, wie: meine Hand hat fünf Finger und dergl.

Zweideutig ist in der Arithmetik die Quadratwurzel aus irgend einer von Null verschiedenen Zahl (in ihrer ursprünglichen Bedeutung, als all - gemeinste, volldeutige oder Generalwert aufgefasst). Sie wird erst doppelsinnig, wenn man etwa was nicht erlaubt ist dieselbe und ihren Hauptwert homonym benennt oder bezeichnet. Einsinnig bleibt70Einleitung.sie (bei aller Zweideutigkeit), sobald die Arithmetik eine korrekte Dar - stellung findet.

Erst durch unberechtigt schwankenden Gebrauch, in der Art, wie wir es unter υ1) geschildert haben, kann ein vieldeutiger Name auch zu einem doppelsinnigen gestempelt werden gleichwie auch schon ein eindeutiger: man denke z. B. an einen schlechtweg nach Königsberg adressirten Brief, wo es doch mehrere Städte dieses Namens gibt, von denen aber nur eine hier gemeint sein konnte und bei einem andern, dem Wortlaut nach eben - dahin adressirten Brief auch eine andere gemeint sein mag.

Der Gemeinname kann ebenfalls abstrakt oder konkret ge - nannt werden, je nachdem die unter ihm begriffenen Individuem sämt - lich als Abstrakta resp. Konkreta zu gelten haben.

Mut stellt ein Beispiel für den ersten, Pferd ein solches für den zweiten Fall vor. Doch gibt es, wie wir schon hervorgehoben haben, auch Gattungsnamen von gemischtem Charakter ( abstrakt-konkreter Natur), wie ausgedehnt . Auch ist hier zu wiederholen, worauf wir bereits hin - wiesen, dass diese Unterscheidungen von geringem Belang für unsre nächsten Zwecke sind.

μ2) Vor allem ist noch einer Verwechselung des Gemeinnamens mit dem Kollektivnamen vorzubeugen. Der letztere umfasst allerdings auch eine Mehrheit von unterscheidbaren Dingen, welche, wenn man will, wiederum eine Klasse konstituiren und sich auch unter einem Gemeinnamen oder Gattungsnamen zusammenfassen lassen; jedoch wird er dadurch zum Kollektivnamen gestempelt, dass bei seinem Gebrauche wesentlich andere Grundsätze maassgebend sind, als für diesen ihm zugehörigen Gattungsnamen.

Der Kollektivname kann zunächst selbst ein Eigenname sein. Als solcher ist er uns nichts Neues und war bei allen unsern bisherigen Betrachtungen über Eigennamen schon immer mit zugelassen; auch seine Bedeutung hat nach wie vor als ein Individuum unter den Ob - jekten des Denkens zu gelten.

Ein solcher ist z. B. die (gegenwärtige) deutsche Armee ; ein solcher ist ferner die Gruppe der Planeten (sie würde zusammen mit deren Monden und der Sonne abermals einen Kollektivnamen: das Planeten - system ausmachen); ein solcher ist die Bibliothek des Herrn N. N. .

Als zugehöriger Gattungsname würde bezüglich erscheinen: (gegen - wärtig eingekleideter) deutscher Soldat , Planet und dem Herrn N. N. gehöriges Buch .

Wir erinnern, dass nach dem unter ι2) und ϰ2) Ausgeführten das Wesen des Gemeinnamens in seiner distributiven Verwendung bestand.

Durch seine Vermittelung kommen in erster Linie und hauptsäch - lich Aussagen zustande, die von den Individuen, welche der Gemein -71Einleitung.name umfasst, auch einzeln abgegeben werden könnten, ohne dass man nötig hätte, dabei auch an andre (die andern) Individuen dieser Gattung zu denken, auf sie zu reflektiren mit der Berechtigung also, von allen zwischen solchen Individuen etwa bestehenden Be - ziehungen von vornherein abzusehen, zu abstrahiren. Mit dem Prädi - kate freilich können dann auch Beziehungen zwischen Individuen der Subjektklasse statuirt werden.

Wird dagegen ein Name als Kollektivname gebraucht, so werden zwischen den Objekten, die er in sich zusammenfasst, gewisse Beziehungen als vorhanden vorausgesetzt und kommen als solche wesentlich in Be - tracht. Nicht alle Beziehungen, welche zwischen besagten Objekten betrachtbar, brauchen gegeben zu sein oder als unveränderliche fest - gehalten zu werden, aber gewisse wenigstens von diesen Beziehungen, oder in gewissen Hinsichten wenigstens gelten diese Beziehungen uns als feste. Jene Objekte und eventuell Individuen stehen vor unserm Geiste nicht als eine Klasse, sondern als ein System.

Jedenfalls, was von dem Kollektivnamen gültig ausgesagt wird, braucht von den Individuen, die er in sich zusammenfasst, nicht einzeln gültig zu sein. Es darf aufhören zu gelten, sobald man solche getrennt in's Auge fasst, sie separirt. Vielmehr braucht jenes Prädikat nur der Gesamtheit der Individuen zuzukommen (d. i. dem der gleich - zeitigen Vorstellung sämtlicher Individuen zugrunde liegenden Wirk - lichen) mit Rücksicht auf alle Beziehungen, welche zwischen diesen Indi - viduen schon (faktisch oder theoretisch) bestehen, solange man sie also in dieser ihrer Verbindung miteinander belässt*)Die Individuen selbst müssen gleichwol nicht als gleichzeitig existirende vorausgesetzt werden. Verdient der Kollektivname die Bezeichnung als eine Summe , Quantität oder Grösse , so ist sogar gefordert, dass man die Individuen bereits in eine eigenartige Beziehung, Gedankenverbindung gebracht habe, deren Wesen die Arithmetik auseinandersetzt. (zuweilen auch, so - bald man sie erst in gewisse feste Beziehungen zu einander gebracht denkt, bringt). Auch kommt dem einzelnen Individuum der Kollektiv - name (darum) nicht zu.

Der Flügelmann der ersten Kompagnie des ersten Regiments der deutschen Armee ist deutscher Soldat ; der Oberst desselben auch; aber er ist nicht (die) deutsche Armee . Die dentsche Armee ist schlagfertig; der einzelne Soldat kann dies auch sein. Aber die deutsche Armee mag auch der gegnerischen Armee überlegen sein, und von dem einzelnen deutschen Soldaten könnte doch jedenfalls nicht ausgesagt werden, er sei72Einleitung.der feindlichen Armee überlegen ansonst wir unser Militärbudget auf die Erhaltung dieses einen Soldaten einschränken dürften. Das Buch ist nicht die Bibliothek; die Bibliothek kann viele Tausende wert sein, das Buch gleichwol nicht, etc.

Als Kollektivnamen könnten wir jedes Ding bezeichnen, an welchem überhaupt Teile sich unterscheiden lassen: also vielleicht allein den Punkt, den Augenblick und das Nichts nicht! So ist ein Buch wieder Kollektiv - name in Bezug auf die in ihm zusammengebundenen Blätter und deren Seiten, eine Seite ebenso im Hinblick auf die auf ihr gedruckten Sätze, Wörter, Silben und Buchstaben. Fast jeden Namen also, mit dem wir bis - her ein Objekt des Denkens bezeichnet dachten, mag man einen Kollektiv - namen nennen. Es ist darum für die Logik von sehr geringem Belange, eine Unterscheidung zwischen Kollektivnamen und solchen, die es nicht sind, aufzustellen.

Und gleichwie die Eigennamen, von welchen wir bisher gesprochen, so mögen wir auch Gemeinnamen als kollektive hinstellen.

Armee ist so ein Gemeinname, sofern das Wort geradesogut die deutsche, wie die französische, die englische etc. Armee bezeichnen kann, und zugleich ist es Kollektivname in Bezug auf die einzelnen Soldaten, welche mit ihrer Ausrüstung die Armee zusammensetzen. Ebenso ist Bibliothek (überhaupt) Gemeinname und Kollektivname zugleich, ersteres als die Bibliothek des Herrn A, die der Gesellschaft B, etc. letzteres als die einzelnen Bücher umfassend, die sich in ihr befinden. (Jevons6.)

Ein psychologischer sowol als grammatikalischer Grund, von Kollektivnamen zu reden, liegt wirklich vor, wenn von einer Reihe von Individuen diese einzeln aufgezählt, erwähnt worden sind, und es nun gilt dieselben kollektiv zu einem Ganzen zusammenzufassen.

Wenn aufgezählte Individuen zu einem Gemeinnamen zusammen - gefasst werden sollen, so bedient sich die Sprache wesentlich anderer Ausdrücke, als wenn dieselben zu einem Kollektivnamen zu vereinigen sind.

Hat man erstern Zweck im Auge, so spricht man (streng konse - quent, oder auch nur mit Vorliebe) von einer Klasse, Gattung, Art, Ordnung, Familie (im weiteren Sinne, z. B. Pflanzenfamilie), einem Geschlecht, auch einem Reich (Bereich), einer Abteilung etc. dieser Individuen, im Hinblick dagegen auf letztern Zweck von ihrer (resp. ihrem) Menge, (Quantität), Gesamtheit, (Summe), Reihe, Folge, ev. Sequenz, Schar, Haufen, Gruppe, System, Zusammenstellung, Komplex, Inbegriff, Gebiet, Mannigfaltigkeit, man spricht von ihnen als von einem Ganzen, und vielleicht noch in manchen andern mehr oder weniger synonymen Termen.

Das Wort Abteilung sowie vielleicht auch schon Bereich,73Einleitung.Gebiet und Mannigfaltigkeit scheint wol in gleicher Weise für beide Zwecke disponibel zu sein.

Auffallend ist der grosse Reichtum an Ausdrücken, welche der Sprache zu solchen Zwecken zur Verfügung stehen. Die Wissenschaft (namentlich die Mathematik) hat übrigens schon angefangen diese Synonyme (besonders die der zweiten Gruppe) erheblich zu differenziiren und dürfte darin noch weiter fortschreiten.

Die häufigste Veranlassung dazu, von Kollektivnamen überhaupt zu reden, liegt in dem Auftreten der Pluralform von Substantiven, mit kollektiver Bedeutung. Auch sie ist vorwiegend grammatischer Natur. Die Individuen, welche der zugehörige Singular (als Gemein - name)*)Ein Eigenname kann überhaupt nicht in den Plural gesetzt werden. Man käme dadurch zu absurden Ausdrücken, wie wenn etwa ein Mensch von seinen Nasen , Köpfen, Vätern, seinen Geburtsstädten und dergl. reden wollte. Schon die natürliche Zahl, wenn grösser als 1, wird unsinning (um nicht zu sagen imagi - när ) sobald als ihre Einheit ein Individuum gesetzt wird, als ihre Benennung ein Eigenname auftritt, und ist z. B. fünf John Stuart Mill's (mit dessen Heimats - orte und Geburtsjahr gedacht) ein gänzlich sinnloser Ausdruck, desgleichen 7 Sonnen (unseres Planetensystemes). distributiv bezeichnet, bezweckt die Verwendung des Pluralis nicht selten, kollektiv zu einem Ganzen zusammenzufassen, während in der Regel freilich auch der Plural nur bestimmt ist, eine Klasse darzustellen.

Dass man, wenn ein Hauptwort im Plural fällt, demselben oft nicht ansieht, ob es mit der Absicht kollektiver oder aber genereller Auffassung gebraucht wird, ist als eine sehr grosse Unvollkommenheit der Sprache zu bezeichnen. Wir werden sehen, dass auf der Ver - wechselung beider Absichten manche Fehlschlüsse beruhen.

Wenn wir z. B. sagen: Die Anforderungen, welche sein Beruf an ihn stellte und fortfahren erfüllte er mit spielender Leichtigkeit , so lässt sich das Urteil als ein generelles auffassen. Fahren wir dagegen fort: brachten seine Gesundheit zum Wanken , so erscheint dies ausgeschlossen, und ist solches nicht wol von der einzelnen Anforderung, sondern nur von den vereinigten Nachwirkungen aller der aufreibenden Anforderungen gültig anszusagen gewesen. Etc. Zuweilen werden sogar Kollektivnamen gebraucht, um generelle Urteile zu fällen, z. B. wenn wir sagen: die ganze Familie N. N. hat zur Zeit den Keuchhusten. Seine Eltern sind gestorben. Etc.

In der Regel lässt sich allerdings durch Aufwendung von nur ein wenig Sorgfalt auf die Ausdrucksweise der Doppelsinn ver - meiden, doch ist zu beklagen, dass in dieser Richtung ausserordentlich viel gesündigt wird.

Wie oft begegnen wir nicht Sätzen wie: dass die drei Winkel eines74Einleitung.Dreiecks gleich zwei Rechten sind *)Philosophen ich könnte deren namhafte citiren sollten derartige Nachlässigkeiten des Ausdrucks sich am allerwenigsten zuschulden kommen lassen. oder die Quadrate über den beiden Katheten gleich demjenigen über der Hypotenuse*)Philosophen ich könnte deren namhafte citiren sollten derartige Nachlässigkeiten des Ausdrucks sich am allerwenigsten zuschulden kommen lassen. in welchen doch das Prädikat nur der Summe der im Subjekte aufgezählten Grössen zukommt! Korrekt gedeutet würden jedoch diese Sätze behaupten, jeder Dreieckswinkel für sich sei gleich zwei Rechten und das Quadrat über der Hypotenuse sei gleich dem über einer jeden Kathete. Wie leicht wäre es aber, in solchen Fällen noch das Adverbium zusammen in den Text, wie sich gehört, einzufügen!

Ebenso muss es als ein wahrer Verderb bezeichnet werden, wenn im Elementarunterricht der Volksschullehrer sagen lässt: 2 und 3 sind 5 , welches bedeutete: 2 ist 5, desgleichen 3 ist 5. Der Satz enthält zwei Fehler (nur!), indem einmal die Konjunktion und für das arithmetische Operationszeichen plus gesetzt erscheint dieses ginge aber noch an mit Rücksicht auf den von der Bequemlichkeit der Aussprache beherrschten Sprachgebrauch. In diesem Buche werden wir uns in der That gewisser - massen des umgekehrten Fehlers schuldig machen.

Gar nicht zu rechtfertigen ist aber die Pluralform der Kopula. 2 und 3 , verstanden als die Summe 2 + 3, ist eine einzige Zahl, und diese ( sind nicht, sondern) ist (gleich) 5. Will man im Plural sprechen, wie dies als Bedürfniss erscheinen kann in dem Falle, wo die Zahlen benannte sind, wie bei 2 Birnen und 3 Birnen , so ist zu sagen: sind zusammen 5 Birnen , wofern man nicht vorzieht zu sagen: gibt (oder macht ) 5 Birnen.

Eine Ausdrucksweise aber, die, wie gezeigt, den Unterschied zwischen Einzahl und Mehrzahl, kollektiver und genereller Deutung verwischt, kann nur verwirrend auf die jungen Köpfe wirken. [Ebenso dulde der Lehrer nicht, falls a und b Zahlen bedeuten, dass etwa der Schüler spreche, a sind gleich b und dergleichen mehr.]

Sehr misslich erscheint es besonders, wenn das adjektivische (sog. unbestimmte ) Zahlwort alle anstatt generell, einmal kollektiv ver - wendet wird. Die lateinische hat in dieser Hinsicht schärfer unter - schieden als die modernen Sprachen. Sie gebraucht generell nur omnes , kollektiv dagegen cuncti (zusammengezogen aus con-juncti, für alle zusammengenommen , joined together). Wir haben im Deutschen noch das Wort sämtliche , und wäre zu wünschen, dass dieses bislang mit alle synonyme Wort davon differenziirt und mit der gleichen Konsequenz unterscheidend gebraucht würde. Vergl. einen in § 4 be - sprochenen Fehlschluss.

Abgesehen von den erwähnten Fällen der Zusammenfassung auf - gezählter Dinge und der in den Plural gesetzten Hauptwörter, wo ein grammatikalischer Grund vorliegen kann, einen (einfachen oder zu - sammengesetzten) Namen als Kollektivnamen hinzustellen, ist die75Einleitung.zwischen solchen und Einzelnamen angängige Unterscheidung nur von psychologischer Art. Sie ist objektiv nur in soweit begründbar, als eben an dem überhaupt Benennbaren sich fast immer noch irgend welche Teile unterscheiden lassen, und erscheint im übrigen in unser subjektives Belieben gestellt.

Den Namen eines materiellen Körpers z. B. haben wir zunächst keinen Grund, anders als wie als einen Einzelnamen zu bezeichnen. Denselben Namen müssen wir aber als einen kollektiven hinstellen, sobald wir den Körper als eine Atomengruppe studiren. Nach Belieben können wir z. B. auch das Schachbrett als einen Felderkomplex behandeln. Etc.

Die kollektive Vereinigung mehrerer substantivisch benannter Dinge zu einem Ganzen, sowie die kollektive Pluralbildung (resp. - verwendung) ist besonders für die mit Zahl und Maass, mit der Quan - tität der Dinge sich beschäftigenden Disziplinen von Bedeutung.

Das Studium ihrer Gesetze ist demgemäss aber der Arithmetik und Grössenlehre und nicht der Logik (im engern Sinne) zuzuweisen.

An diesem Scheidepunkte zweigt sich eine grosse Gruppe von Disziplinen von der Logik ab, um sich ihr selbständig und in An - betracht des Reichtums der Entwickelung, die sie gefunden als mindestens ebenbürtig gegenüberzustellen. Und beide Richtungen er - scheinen unter diesem Gesichtspunkt ungefähr wie Quantität und Qua - lität geschieden.

ν2) Bevor wir das über ω1) charakterisirte Ziel noch weiter ver - folgen und den Nachweis der dort aufgestellten Behauptung vollends erbringen, scheint es mir wünschenswert, gleich mit den grundlegenden Betrachtungen über Namen, ihre Einteilungen und Unterscheidungs - möglichkeiten hier erst zu Ende zu kommen.

Man pflegt Namen auch noch als positive (affirmative, bejahende) oder aber negative (verneinende) hinzustellen, wie nützlich und nicht nützlich (nutzlos), schädlich und nicht-schädlich (unschädlich), Ich und Nicht-ich .

So unleugbar in der That ein Gegensatz zwischen solchen Be - nennungen (auch ihrer Bedeutung nach) besteht, von denen die eine als Verneinung , Negation der andern sich darstellt und gerade die - jenigen individuellen Objekte auszuschliessen scheint, welche die andere umfasst (und vice versā), so kann auf diesen Gegensatz doch nicht etwa eine Einteilung der Namen selbst in positive und negative gegründet werden in Anbetracht, dass es in unser subjektives Be - lieben gestellt bleibt, welchen von den beiden einander kontradikto - risch entgegengesetzten Namen wir als den positiven hinstellen wollen.

76Einleitung.

So wenn z. B. von geraden Linien in einer Ebene die Rede ist, mögen wir gewisse Paare (oder auch Systeme, Scharen) von solchen Geraden als Parallele mit einem positiven, andere als Nicht-parallele mittelst nega - tiven Namens darstellen. Nichts hindert aber auch, die erstern als Nicht - schneidende (Gerade) negativ, die letztern als (einander) Schneidende (Ge - rade) positiv zu benennen.

Positiv oder negativ zu sein, ist daher blos ein äusserliches, sozusagen grammatikalisches Merkmal des Namens, welchem in seiner Bedeutung kein bestimmtes Merkmal entspricht, ein logischer Gehalt überhaupt nicht zu - kommt, unter Umständen aber wol ein psychologischer.

Nur die Beziehung, der Gegensatz zwischen dem durch eine Be - jahung und dem durch deren Verneinung gebildeten Namen fällt wirk - lich dem Bereich der Logik anheim, und mit diesem Gegensatz werden wir uns auch noch eingehend zu beschäftigen haben. (Genaueres hierüber und über die auf diesen Punkt bezüglichen Kontroversen siehe in der siebenten und achten Vorlesung.)

Einen Stein kann man als nicht-sehend , dagegen nicht wol als blind bezeichnen. Demgemäss noch gewisse unter den für negativ angesehenen Namen als privative hinzustellen wie blind , taub , lahm etc. hat nur dann Sinn und ist nur motivirbar, wenn uns eine bestimmte Gattung vorschwebt, zu der ein so prädizirtes Individuum gehört. Entbehrt das In - dividuum nur eines Merkmals, welches seinesgleichen (den andern Indivi - duen ebendieser Gattung) in der Regel (von rechtswegen, im normalen Zustande) zukommt, so legen wir jenem das privative Prädikat oder At - tribut bei. Wegen der einerseits willkürlichen, andrerseits so komplizirten Voraussetzungen (denn was hat wol als normal zu gelten?), auf welchen solche Distinktion beruht, ist dieselbe aber für die elementare Logik von ganz untergeordnetem Interesse.

ξ2) Dagegen lässt eine wirkliche Einteilung der Namen sich gründen auf ihre Unterscheidung als absolute (nicht-relative) und rela - tive. Ein relativer Name ist ein solcher, welcher einem Dinge auf Grund des Umstands beigelegt wird, dass es in einer bestimmten Art von Beziehung (Relation) zu einem oder mehreren andern Dingen steht ein Name also, bei dessen Deutung das Vorhandensein auch dieser letzteren Dinge eine Voraussetzung oder Unterstellung bildet.

Z. B. Ursache, Wirkung, Grund, Folge, Entfernung, Vater, Sohn, ähn - lich, gleich, unähnlich, verschieden sind lauter relative Namen.

Nichts kann als eine Ursache bezeichnet werden, es sei denn als Ursache von etwas (anderem), welches seine Wirkung zu nennen sein wird. Niemand kann Vater heissen, er sei denn Vater von Kindern. Ent - fernung hat keinen Sinn für sich, sondern nur als Entfernung zweier Punkte, Körper oder Dinge im Raume von einander.

Wenn in der Parodie des Tannhäuser , welche die Breslauer Studenten -77Einleitung.verbindung Silesia geschaffen, auf die Bemerkung des Landgrafen, der den Tannhäuser aus der Ferne herankommen sieht:

Mich däucht, ich kenne diesen Wanderer:
Entweder ist er's, oder s'ist ein anderer ,

der Dichter den Adjutanten wohldienernd sagen lässt:

Wen Euer Gnaden meinen, weiss ich nicht
Doch hat er ein sehr ähnliches Gesicht ,

so beruht der Witz, resp. die Komik, auf der Verwendung eines relativen Namens, als ob er ein absoluter wäre.

Jene andern Dinge heissen die Korrelate , ihre Namen die nomina correlativa zu dem, was das nomen relativum bezeichnet; alle mit - einander sind die Beziehungsglieder , membra relationis, und die be - stimmte Art der zwischen beiderlei Objekten bestehend zu denkenden Beziehung heisst das fundamentum relationis .

Das letztere ist oft sehr verwickelter Art, wie bei Gläubiger , Schuld - ner , noch mehr bei Ankläger (Kläger), wo das eine Korrelat der Ver - klagte (Beklagte), ein zweites Korrelat das Delikt , Vergehen, sein würde, dessen der letztere vom ersten beschuldigt wird (resp. die eingeklagte Schuld - forderung oder Entschädigungssumme), ein drittes Korrelat der Gerichtshof, das Forum , vor welchem die Klage anhängig gemacht wird, und endlich ein viertes Korrelat sofern es nicht durch die vorerwähnten bereits be - dingt erscheint und dann nicht mitzuzählen wäre die Gesetzesbestimmungen, der Kodex und Paragraph, auf die sich die Klage beruft.

Das angeführte Beispiel exemplifizirt ein mehrfaches Relativum (multi - ple oder plural relative) im Gegensatz zu dem häufigsten Falle, dem des zweifachen (dual relative), wie es z. B. Wirkung mit ihrem Korrelate, der Ursache , darstellen würde.

Auch Abstrakta, wie Gestalt , Schönheit etc. können hienach schon als duale Relative aufgefasst werden (sofern zu fragen ist: wessen?), wobei allerdings in Bezug auf Schönheit , wie üblich, übersehen wäre, dass eigentlich der Geschmack des Publikums oder desjenigen, der dieselbe be - urteilt, anerkennt, als ein drittes Glied in die Beziehung eingeht.

Indem wir uns hier mit einer blossen Worterklärung begnügten, verweisen wir in Bezug auf Weiteres und Genaueres auf die letzten Vorlesungen in unserm Buche (24. Vorl.).

ο2) Mit obigem sind unsre Betrachtungen über Namen vorerst zu Ende gekommen, und dürfte es sich darnach empfehlen, die Haupt - ergebnisse übersichtlich zu rekapituliren. Es konnten unterschieden und einander gegenübergestellt werden:

a) univoke, d. h. einsinnige (wo nicht unsinnige)und äquivoke oder doppel - und mchrsinnige

Namen desgleichen auch schon Wörter oder Zeichen überhaupt. 78Einleitung.Nicht mehrsinnig zu sein war die fundamentale an das Zeichen zu stellende Anforderung, die auf die Forderung der Konsequenz in seinem Gebrauche hinauslief.

Die Wörter zerfielen in

b) kategorematische oder Namenund synkategorematische oder Nichtnamen.

Die Namen waren entweder

c)EigennamenoderGemeinnamen

jener ein Individuum unter den Objekten des Denkens, dieser (dis - tributiv) eine Klasse von Individuen bezeichnend und es bildete dies die für die Logik fundamentale Unterscheidung, mit deren Be - sprechung wir uns auf längere Zeit zur Not schon hätten be - gnügen können.

Die Unterscheidung von

d)EinzelnamenundKollektivnamen

liess sich indessen kaum anders als wie grammatikalisch oder psycho - logisch rechtfertigen, indem ausser dem Nichts (0), der Eins, dem Punkt und dem Augenblick so ziemlich alles Benennbare unter irgend einem Gesichtspunkt als ein Kollektivname hingestellt werden durfte. Ebenso war von den einander gegenübergestellten

e)positivenundnegativen

Namen nur der Gegensatz zwischen beiden logisch begründbar. Dagegen erschien jeweils

f)abstraktoderkonkret

und (bei Gemeinnamen) eventuell auch gemischt abstrakt-konkreter Natur zu sein als ein in der Bedeutung des Namens selbst begrün - detes Merkmal, auf das zu achten jedoch für die Logik weniger in's Gewicht fallen möchte, als für die Philosophie überhaupt.

Endlich war die Einteilung der Namen in

g)absoluteundrelative

wieder eine durchaus belangreiche wozu unter den Gemeinnamen auch wiederum solche von gemischtem Charakter denkbar wären (indem die Individuen, welche der Gemeinname umfasst, auch teils durch absolute, teils durch relative Namen charakterisirt sein könnten).

Es ist gelegentlich von Wert, sich bei der Verwendung von Namen über diese Verhältnisse Rechenschaft zu geben und darauf bezügliche Fragen vorzulegen.

79Einleitung.

Recht instruktiv und zu richtiger Anwendung vorstehender Unter - scheidungen erziehend ist ein logisches Gesellschaftsspiel: das Ratspiel, bei welchem, unter zeitweiliger Entfernung eines Mitspielenden, sich die übrige Gesellschaft über irgend ein Benennbares, jenem zum Erraten aufzugebendes Objekt des Denkens einigt. Der Ratende hat der Reihe nach an jeden Ein - geweihten eine beliebige Frage in Bezug auf das zu erratende Objekt zu stellen, die aber nur mit Ja oder mit Nein und im Zweifelsfalle mit Ja-nein beantwortet werden darf und korrekt zu beantworten ist; das Fragen mag so lange im Ring herum fortgesetzt werden, bis die Lösung erfolgt, das aufgegebene Objekt vom Ratenden bei seinem Namen genannt, oder aber der Versuch des Ratens aufgegeben wird. Fragen über die Buchstaben und Silben, die den Namen zusammensetzen, sind ausgeschlossen.

Das Spiel gibt oft die überraschendsten Aufschlüsse über die logische und intellektuelle Verfassung einzelner von den beteiligten Persönlichkeiten, und durch die nach erfolgtem Raten häufig sich anspinnende Diskussion als Erläuterung oder Rechtfertigung für gegebene Antworten, sowie durch die zuweilen schon im Laufe desselben mittelst Protests aus der Gesellschaft erfolgende Remedur für eine unrichtig erfolgende Antwort des Einzelnen gibt es vielfach Anregung zur Klärung der Begriffe.

Es können nicht nur individuelle Gegenstände aus der materiellen Welt aufgegeben werden, bei denen die Kategorieen der Zeit und des Ortes meist rasch auf die Spur zu helfen pflegen, sondern auch allgemein gefasste, mittelst Gemeinnamens dargestellte, Objekte wie z. B. Schwefelhölzer . Bei einiger logischen Schulung der Teilnehmer pflegen selbst Abstrakta als Gemeinnamen, wie z. B. der Sommer , Wahrscheinlichkeit , der Prädesti - nationsglaube , ein Missverständniss und dergl. unschwer geraten zu werden. Als überraschend reichhaltig erweisen sich die Kategorieen des Zweckes bei den Erzeugnissen menschlicher Kunst.

Bedingung für die Lösbarkeit der Aufgabe ist die Einsinnigkeit des zum Raten Aufgegebenen: es muss, falls dessen Name ein doppelsinnig ge - bräuchlicher sein sollte, die Gesellschaft sich zuvor über eine bestimmte unter seinen Bedeutungen als die hier dem Namen beizulegende geeinigt haben.

Natürlich wird in praxi auch bei dem Ratenden eine Kenntniss von der Existenz des betreffenden Objektes oder wenigstens von seinesgleichen, vorauszusetzen sein. Wer nie von dem neuentdeckten Metall Germanium, vom Neptunsmond Oberon oder von der dunklen (sehr lichtschwachen) Neben - sonne des Sirius, vom Sehpurpur, von dem kopflosen Wirbeltier des mittel - ländischen Meeres, dem Fisch Amphioxus etc. gehört hat, wird solche nicht wol zu raten im stande sein. Und auch bei denjenigen, welchen es obliegt, die Antworten zu geben, muss eine hinlängliche Bekanntschaft mit den Eigen - schaften und Ingredienzien, mit dem ganzen Wesen des Ratobjektes vorliegen.

80Einleitung.

C. Über Begriffe. Einteilung, Definition und Kategorieen, Pasigraphie. Logik des Inhaltes oder des Umfangs? Über Urteile, Schlüsse und deren Folgerichtigkeit. Warum Algebra der Logik.

π2) Nachdem wir die Notwendigkeit erkannt, dass der sprachen - bildende Geist neben Eigennamen auch Gemeinnamen schaffe, drängt sich uns als nächste die Frage auf: welche Dinge wir denn je mit dem - selben Gemeinnamen belehnen sollen?

Behufs ihrer Beantwortung müssen wir uns berufen auf das mensch - liche Unterscheidungsvermögen, ein Vermögen, ohne welches ja kein Studium, keine Wissenschaft, kein Erkennen denkbar erschiene:

Wir sind im stande, Verschiedenes zu unterscheiden und an ähnlichen Dingen Gleichheiten wahrzunehmen.

Die Gleichheit, Übereinstimmung (agreement) findet immer nur in einer gewissen Hinsicht statt und ist mit Verschiedenheiten (differences), in anderer Hinsicht verknüpft, ohne welche uns die miteinander verglichenen Dinge gar nicht als mehrere Dinge erscheinen könnten, sondern identisch, einerlei, einunddasselbe (oder das nämliche), nur ein Ding zu nennen sein würden.

Teile oder Elemente der Vorstellung eines nötigenfalls vollständig, auch mit allen seinen Beziehungen zu noch andern Dingen gedachten Dinges, in welchen es mit andern Dingen übereinstimmen oder auch von sol - chen differiren kann, nannten wir Merkmale desselben (genauer gesagt: jeweils das solchen Vorstellungselementen zugrunde liegend gedachte Wirkliche).

Insofern wir häufig ein Ding nicht vollständig auszudenken fähig, müssen wir natürlich neben bekannten auch unbekannte Merkmale in der Regel zugeben.

Es sei hier nochmals in Erinnerung gebracht, dass (hienach) dem Namen Merkmal eine möglichst allgemeine Bedeutung unterzulegen ist; es handelt sich dabei durchaus nicht blos um Eigenschaften (oder aber Thätigkeiten ), die dem Dinge selber, auch wenn es isolirt betrachtet wird, notwendig oder zufällig zukommen (innewohnen), vielmehr kann das Merk - mal auch begründet sein in einer Beziehung , einem Verhältnisse, einer Stellungnahme, welche andere Dinge zu dem gedachten einnehmen. Nicht nur gilt uns der Wellenschlag als ein Merkmal des Meeres, sondern es gilt uns auch der Preis, die Käuflichkeit als Merkmal einer Waare. Schon dass er mir, oder einem Andern, mir nicht, (als Eigentum) gehört, dass er mir gefällt, und dergl. ist als Merkmal eines Gegenstandes hinzustellen, und auch die Abwesenheit bestimmter Merkmalgruppen kann selbst wieder als Merkmal gelten, z. B. als Merkmal einer gewissen Bergspitze, dass noch kein menschlicher Fuss sie je betreten einerlei auch, ob etwa ein ein - wörteriger Name dafür vorhanden ist, oder nicht (Merkmal der Jungfräu - lichkeit oder Unberührtheit des Gipfels, der Unerstiegenheit ?). Vergl. hiezu besonders § 15. Dass aber z. B. eine Person A um den Tod einer andern B trauert, lässt sich begreiflicherweise ohne weiteres nicht81Einleitung.wol ein Merkmal einer dritten Person (oder Sache) C nennen. Im Merk - mal muss eine Bezugnahme auf das Ding zu erblicken sein, sobald wir dieses ausdenken.

Wir pflegen nun jeweils solche Dinge mit demselben Gemeinnamen zu benennen, welche dadurch, dass sie einander in Hinsicht bestimmter Merkmale gleichen, sich uns sozusagen von selber zur Belehnung mit dem gleichen Namen empfehlen.

ϱ2) Schon als Vorbedingung und weiterhin im Verlauf dieses Be - nennungsprozesses sowie bei dem Gebrauch des dadurch geschaffenen Gemeinnamens treten allemal die übereinstimmenden Merkmale jener Dinge in den Vordergrund der Aufmerksamkeit, denn sie gerade bilden das Band zwischen den wechselnden Vorstellungen der individuell ver - schiedenen Dinge, welche der Gemeinname umfasst, und dem sich gleichbleibenden Namen. Es wird (in Kant's Ausdrucksweise) auf jene übereinstimmenden Merkmale reflektirt .

Mit dem Gemeinnamen teuer (teures Ding) z. B. werden wir ver - schiedene Gegenstände nur dann bezeichnen, wenn wir auf die Höhe ihres Preises achten, mit dem Gemeinnamen rund nur solche, bei denen auf ihre Gestalt wir unser Augenmerk richten und deren Übereinstimmung mit der Kugelgestalt wahrnehmen. Etc.

Infolgedessen aber spielt sich ab, vollzieht sich im Geiste ein eigentümlicher psychologischer Vorgang, welcher darin gipfelt, dass wir mit dem Gemeinnamen einen Begriff verbinden.

Die übereinstimmenden Merkmale der Dinge, die wir mit dem - selben Gemeinnamen bezeichnen, verstärken sich gegenseitig im Be - wusstsein, werden als wiederholt vorgestellte intensiver gedacht, wo - gegen deren nicht übereinstimmende Merkmale im Bewusstsein zu - rücktreten.

In unserm Hirn mag diesem Vorgang ein Prozess entsprechen, welcher treffend verglichen worden ist mit der Vertiefung einer Furche des Ackers, wie sie durch wiederholtes Pflügen entlang derselben bewirkt wird. Schopenhauer1 zieht zum Vergleiche heran: die durch wiederholte und andauernde Umbiegung längs derselben Kanten sich ausbildende Neigung eines Tuches, sich in bestimmter Faltung zu legen. Bei der unzweifel - haften Feinheit der uns grösstenteils noch unbekannten Vorgänge im Ge - hirne, welche die Denkhandlungen begleiten und deren Erforschung der Physiologie obliegt, sind jedoch beide Vergleiche nur als sehr rohe An - näherungen aufzufassen, als ein blosser Notbehelf zu nehmen.

Beneke fasst obigen Verstärkungsprozess als eine Anziehung des Gleichartigen (in unserm Geiste) auf.

σ2) Es kann diese Wirkung noch mit bewusster Absicht gesteigert werden kraft eines andern Vermögens des Menschengeistes (auf dasSchröder, Algebra der Logik. 682Einleitung.wir nebenher Bezug zu nehmen schon wiederholt Veranlassung fanden) nämlich des Abstraktionsvermögens:

Wir sind im stande, auf gewisse Merkmale eines gedachten Dinges, m. a. W. in irgendwelchen Elementen unsrer Vorstellung von dem - selben, die Aufmerksamkeit zu konzentriren, dieselben in das Feld der Aufmerksamkeit zu rücken und daselbst mehr oder minder vollkommen zu isoliren, indem wir von andern Merkmalen absehen oder abstrahiren , d. h. die den letztern entsprechenden Vorstellungselemente im Be - wusstsein zurücktreten, eventuell sie völlig aus demselben schwinden lassen.

Solch 'bewusste Steigerung des durch den Gemeinnamen schon unbe - wusst eingeleiteten Abstraktionsprozesses wird aus Gründen der Arbeits - teilung besonders in den Wissenschaften praktizirt; in diesen pflegt der Geist durch reichliche Übung eine förmliche Virtuosität zu erlangen, von den (für die Untersuchung) unwesentlichen Merkmalen der Dinge abzu - sehen, alle Nebenumstände jeweils zu vernachlässigen, dieselben zum Be - huf seiner eigenen Entlastung zu ignoriren und so befreit dann seine volle Kraft dem Wesentlichen zuzuwenden.

Durch die Abstraktion überhaupt werden Vorstellungselemente so - weit isolirt, dass sie auch allein, in gleicher Isolirtheit, reproduzirt zu werden vermögen. Dadurch erlangen resp. erhöhen wir die Fähigkeit, dieselben allgemein zu verwenden, nämlich sowol, mit neuen Vorstel - lungselementen sie zu verknüpfen, als auch in andern Vorstellungs - komplexen als diejenigen waren, aus welchen sie abstrahirt*)Die Ausdrücke etwas abstrahiren und von etwas abstrahiren sind wohl zu unterscheiden. Ersteres ist gleichbedeutend mit darauf reflektiren , letz - teres mit davon absehen . wurden, sie (genauer ihresgleichen) wiederzuerkennen. Vergl. Sigwart1.

Nachdem wir z. B. vom Schnee das Merkmal der Weisse, weisser Farbe entnahmen, auslösten, abstrahirten, werden wir das gleiche Merkmal in der vorgestellten Nebelwolke, dem Kochsalz, der Gypsfigur, Papier etc. wiederfinden, und würde sich auch jemand eine weisse Maus z. B. vor - stellen können, der niemals eine solche gesehen. Den Anlass zum Vollzug dieser Abstraktion aber bot die Erfahrung, dass es verschiedene weisse Gegenstände gibt, und die Wahrnehmung dessen, worin sie unter sich über - einstimmen und sich von den nicht weissen unterscheiden. Als auf ein anderes Beispiel sei noch hingewiesen auf das Merkmal der Kugelgestalt beim Ball, der Seifenblase etc. und auf das Merkmal der Gestalt über - haupt, welches wir bei der Melodie, bei einer nach geographischer Länge und Breite bestimmten Himmelsgegend etc. vermissen (als nicht vorhan - den erkennen), nachdem es durch Abstraktion aus der Anschauung räum - licher Dinge von bestimmter Begrenzung gewonnen worden.

Die Abstraktion kann schon an der Einzelvorstellung (repraesen -83Einleitung.tatio singularis) ausgeübt, ihr Verfahren schon auf das Individuum angewendet werden.

Logisch betrachtet ist es gleichgültig für das Ergebniss eines Abstraktionsprozesses, ob man denselben nur einmal, oder öfters, voll - zogen habe, ob an einem oder an unzähligen Objekten. Psychologisch aber macht solches einen sehr beträchtlichen Unterschied aus, und es dürfte fraglich sein, ob nicht in dieser Hinsicht es geradezu als eine Vorbedingung für die Möglichkeit des Abstraktionsvollzuges hinzustellen ist, dass wir erst der individuellen Verschiedenheit der durch Abstrak - tion zu sondernden Merkmale inne geworden seien dadurch, dass durch Vergleichung verschiedener Objekte wir die Übereinstimmung der einen neben der Verschiedenheit der andern wahrgenommen.

τ2) Wir versuchten vorstehend genetisch auseinanderzusetzen, auf welche Weise wir dazu gelangen, uns einen Begriff, notio, conceptus, conception zu bilden von den durch einen Gemeinnamen dargestellten Dingen.

Der Begriff ist das in gewissem Sinne unvollendet, ein Ideal bleibende Resultat des eben (unter ϱ2 und σ2) geschilderten Pro - zesses.

Sein Wesen (essentia), oder, wie man auch sagt, seinen In - halt (complexus, intent) bilden eben die gemeinsamen Merkmale der mit dem Gemeinnamen bezeichneten Dinge, und zwar seinen faktischen Inhalt diejenigen der letztern, auf welche bei seiner Bildung reflektirt wurde, seinen idealen Inhalt aber die sämtlichen gemeinsamen Merk - male überhaupt, welche als solche erkannt werden könnten, die es aber vielleicht niemals vollständig auszudenken möglich.

Im Gegensatz zu diesem Inhalte wird die Gesamtheit, Klasse der unter dem Gemeinnamen (distributiv) zusammengefassten Individuen bezeichnet als der Umfang (ambitus, sphaera, extent) des zugehörigen Begriffes.

Beispielsweise sind im Begriffe materielle Substanz als dessen In - halt zusammengefasst die Merkmale: ausgedehnt und von bestimmter Raum - erfüllung zu sein, d. i. sich irgendwo im Raume zu befinden, die Merkmale der Beweglichkeit, Undurchdringlichkeit, Trägheit und Schwere, überhaupt die Eigenschaft, der Sitz von Kräften zu sein, dazu von unzerstörbarer und unerschaff barer Masse, also der Masse nach geschätzt, von ewiger Fort - dauer zu sein, das Merkmal, eine Temperatur zu besitzen, und anderes mehr. Seinen Umfang macht alles das zusammen aus, was überhaupt Materie heisst: jeder Körper, jeder Teil eines solchen und jede Gruppe von Körpern im Weltall.

υ2) Gemäss der hervorgehobenen zwiefachen Hinsicht nach6*84Einleitung.Inhalt und Umfang in welcher Begriffe betrachtet werden können, sind auch zwei Möglichkeiten denkbar, einen Begriff zu bestimmen.

Dies kann nämlich einerseits geschehen durch Angabe seines Um - fanges sogenannte Einteilung, Divisio (n), resp. Partition*)In Bezug auf den Namen Partition ist der Gebrauch unter den Logikern ein schwankender. Viele wollen darunter nur die Angabe der Teile eines Dinges verstanden wissen (z. B. bei der Orange die von Schale, Fleisch und Ker - nen), wogegen Ueberweg1 pag. 106 auch die Angabe der Merkmale (über - haupt) , indess nur eines Einzeldinges vergl. nachher ψ2) als Partition hinstellt. Ich würde oben diese letztere Bezeichnung der gebräuchlicheren Divi - sion vorziehen, in Anbetracht, dass mir für jene Aufzählung der Teile ein ein - wörteriger Name überhaupt nicht Bedürfniss erscheint, dass ferner Ueberweg's Partition (hier) als ein besondrer Fall der Definition hinzustellen ist, der eines aparten von Definition verschiedenen Namens ebenfalls nicht bedarf, sodass zu - nächst der Name Partition zu beliebiger Verwendung frei wird, in Anbetracht endlich, dass wir uns genötigt sehen werden, den Namen Division (sowie das Divisionszeichen) in einem von dem obigen gänzlich verschiedenen Sinne später - hin zu gebrauchen, womit dann also eine Doppelsinnigkeit mehr in die Wissen - schaft der Logik Eingang fände, die nach unserm Vorschlag vermieden wird. des Be - griffes, und andrerseits durch Angabe seines Inhaltes, das ist Begriffs - erklärung, Definition, auch Beschreibung.

So würden wir z. B. durch Aufzählung sämtlicher Planeten eine Um - fangsangabe (Division, Partition) des Begriffes Planet vollziehen man würde dazu erst im stande sein, wenn schon alle Planeten bekannt wären. Ebenso aber thun wir dies auch dadurch, dass wir sagen, die Klasse der Planeten zerfalle in die drei Unterklassen der inneren Planeten, der Erde und der äusseren Planeten.

Die Umfangsangabe des grammatikalischen Begriffes Satz (sentence) wird geleistet durch den Hinweis, dass der Satz entweder ein Fragesatz (sentence interrogative) oder ein Ausrufungssatz (sentence ejaculative), oder eine Wunschäusserung (sentence optative), oder eine Bitte (sentence roga - tive), ein Befehl (sentence imperative) oder endlich eine Aussage (sentence indicative, statement, lat. enunciatio ein Urteil, judgement, judicium) sein wird, m. a. W. dass die genannten Gebilde zusammen alles das ausmachen, was man einen Satz nennen kann.

Das Entsprechende leisten wir für den Begriff der einfachen Farbe (im Gegensatz zur Mischfarbe), wenn wir sagen, sie sei entweder rot, orange, gelb, grün, blau oder violet mit allen Abstufungen und Übergängen, wie sie das Spektrum eines weissglühenden festen Körpers zeigt.

So mögen wir ferner den Umfang des Begriffs Wirbeltier kund geben durch den Hinweis darauf, dass mit Einschluss des Amphioxus die Fische, sowie die Reptilien, Vögel und Säugetiere zusammen die Wirbeltiere aus - machen.

Der Ausspruch: Die Affekte sind: Liebe, Hass, Freude, Kummer, Hoffnung, Furcht, Humor (!) und Zorn gibt eine Aufzählung (oder Ein - teilung des Begriffs) der Affekte.

85Einleitung.

Die Einteilung kann geradezu auf eine Klassifikation hinaus - laufen, sofern man nämlich bei ihr nicht (oder nicht durchaus) auf die Individuen selbst zurückgeht, sondern dabei sich auf gewisse Unter - klassen als dem Umfange nach schon bekannte Begriffe (die sog. Einteilungsglieder , membra divisionis) beruft. Durch an sie gestellte wissenschaftliche Anforderungen wird indess der Begriff der Klassi - fikation noch weiter eingeengt.

Fortgesetzte Einteilung auch der zunächst sich darbietenden Unter - klassen oder Teilungsglieder führt in letzter Instanz (zuguterletzt) immer auf die Individuen als etwas (dem Umfange nach) nicht weiter Teilbares (zurück).

Umfasst wie in der grossen Mehrzahl der Fälle der Um - fang eines Begriffes unbegrenzt viele Individuen, ist deren Klasse eine offenc, so lässt sich dieser Umfang niemals erschöpfend angeben da - durch, dass man auf die Individuen selbst zurückgeht; vielmehr sieht man sich alsdann genötigt, zur Umfangsangabe auch solche Unter - klassen heranzuziehen, die selbst wieder offene sind, und entweder als schon bekannte vorauszusetzen sind, oder, wenn sie erklärt werden sollen, dies nur vermittelst Inhaltsangabe, Definition eines ihnen zu - gehörigen Begriffes zu werden vermögen. Bekannt wiederum konnten zwar die Individuen einer beliebig grossen Menge noch einzeln, der unbegrenzte Rest jedoch ebenfalls nur durch Innewerdung ihres begriff - lichen Inhalts geworden sein.

Exempel: Die unbegrenzte Reihe der Individuen, welche wir natür - liche Zahlen nennen, lässt sich zwar beliebig weit, doch niemals fertig aufzählen. Irgendeinmal muss die begriffliche Bestimmung derselben ein - treten, und am besten geschieht dies gleich von vornherein; man wird sie definiren als Summen von Einern , d. i. als die Ergebnisse eines Ver - fahrens, durch welches hinter 1 fort und fort + 1 angehängt wird.

Ebenso lassen sich die Punkte, die innerhalb einer gegebenen Ellipse liegen, nur durch ebendies Merkmal, oder auf eine darauf zurückkommende Weise, sie lassen nur begrifflich sich allesamt bestimmen.

Die Umfangsangabe erscheint darum als das unvollkommnere der beiden Mittel, einen Begriff zu bestimmen. Zudem überlässt sie uns noch ungelöst die Aufgabe, erst den Komplex der in allen unter den Begriff fallenden Individuen übereinstimmenden Merkmale ausfindig zu machen, zu entdecken, durch deren Verknüpftsein dieselben von allen nicht unter diesen Begriff fallenden Individuen unterscheidbar sind. Sie lässt somit das Wesen des Begriffes unerörtert, lässt uns den Reifen vermissen, der gleichsam als Fassdauben die Individuen erst zusammenhält.

86Einleitung.

Auch ist noch ein Umstand zu beachten: Wenn wir die Bestimmung eines Begriffs durch Umfangsangabe versuchen, so erscheint die Auswahl der Objekte des Denkens, die als seine Individuen hinzustellen sind, von vornherein in unser Belieben gestellt. Wie immer man auch solche Aus - wahl treffen mag, so lässt sich in dem Zufall, der unsre subjektive Will - kür lenkt und sie gerade auf diese und auf keine andern Objekte als die zu Individuen zu erhebenden (vielleicht auf's Gerathewohl, at random) ver - fallen lässt, in der That ein ebendiesen und nur diesen Individuen gemein - sames Merkmal erblicken, in gewissem Sinne also auch von einem Be - griffe reden, welcher der so gebildeten Klasse von willkürlich zusammen - gelesenen Objekten zugeordnet wäre.

Indessen leuchtet ein, dass solchermassen künstlich geschaffenen, er - künstelten Begriffen ein wissenschaftlicher Wert in der Regel nicht zu - kommen wird. Ein solcher wird wol nur solchen Begriffen zuzusprechen sein, die entweder entsprungen sind aus der Erkenntniss übereinstimmen - der Merkmale an gegebenen Objekten, die diesen unabhängig von subjek - tiver Laune notwendig oder faktisch zukommen, oder welche dadurch, dass sie ein gegebenes, ein bestimmt angebbares Merkmal enthalten, eben dienen sollen Objekte unsres Denkens zu bestimmen.

Wenn schon sie allerdings missbraucht werden könnte, so wird es gleichwol nicht ratsam erscheinen, der Freiheit der Begriffsbildung irgend welche Schranken von vornherein aufzuerlegen. Vergl. γ3).

φ2) Die Begriffserklärung, Definition*)Wir sprechen hier nur von der (allein als haltbar zu erkennenden) Nomi - naldefinition der schulmässigen Logik und betrachten das unklare Ideal der sog. Realdefinition als durch die Ausführungen von Mill, Sigwart und Andern abgethan., zu der wir nach obigem zum Behufe der Begriffsbestimmungen greifen werden, sieht sich vor eine andere Schwierigkeit gestellt.

Zunächst lassen die Merkmale, welche den unter einen Begriff fallenden ( zu seiner Kategorie gehörigen ) Individuen gemeinsam sind, und welche in ihrer Verbindung dessen idealen Inhalt ausmachen, sich überhaupt nie vollständig aufzählen. Der volle Inhalt des Be - griffs lässt nie sich fertig beschreiben . Denn wieviele Merkmale man auch schon berücksichtigt haben mag, so werden sich stets noch neue gemeinsame Merkmale angeben lassen, auf welche noch nicht geachtet worden ist. (vergl. nachherige Beispiele.)

Die Definition verzichtet daher in der That auf die unmittelbare Angabe des ganzen Begriffsinhaltes. Sie begnügt sich, direkt, explicite, nur einen Teil desselben, den Rest aber blos mittelbar, implicite anzu - geben, indem sie unter den übereinstimmenden Merkmalen eine gewisse Gruppe hervorhebt von solchen Merkmalen, welche die übrigen alle involviren, mitbedingen, nach sich ziehen, zur Folge haben sei es87Einleitung.auf Grund logischer Denknotwendigkeit allein, sei es auch mit denk - notwendiger Bezugnahme auf die anerkannten Grundsätze einer wissen - schaftlichen Doktrin, wie die Naturgesetze, Rechtsnormen und dergl.

Diese in der Definition hervorgehobenen Merkmale können als charakteristische oder wesentliche Merkmale des Begriffes (notae essen - tiales) hingestellt werden; doch ist nicht zu übersehen oder zu ver - gessen, dass die Bedeutung dieses Namens ein willkürliches Moment in sich schliesst, indem schon Beispiele darthun, dass für denselben Begriff als für ihn charakteristische sehr verschiedene Merkmalgruppen erwählt werden können.

Ein Beispiel zur Erläuterung dieser allgemeinen Bemerkungen: Wir mögen den Kreis (aufgefasst als Kreislinie) regelrecht definiren als eine geschlossene, ebene Kurve, deren sämtliche Punkte von einem bestimmten Punkt (etwa ebendieser ihrer Ebene, dem alsdann sogenannten Mittel - punkte ) gleichweit abstehen. [Etwas kürzer gefasst könnte die Definition auch lauten: Kreis ist der geometrische Ort d. i. die Gesamtheit der möglichen Lagen eines ( desjenigen ) Punktes in einer Ebene, wel - cher konstanten Abstand hat von einem festen Punkt in dieser Ebene.]

Auf Grund der geometrischen Axiome folgt alsdann denknotwendig der Satz von der Gleichheit aller Peripheriewinkel, welche auf demselben Bogen stehn, im Kreise. Dieser Satz thut aber weiter nichts, als: auf ein weiteres Merkmal, welches allen Kreisen gemeinsam ist, aufmerksam machen, solches konstatiren. Und zwar würde hier sogar sich beweisen lassen, dass dieses Merkmal (wenn auf gewisse Art formulirt) unter allen ebenen Kurven nur einem Kreise zukommen kann, weshalb man dasselbe auch be - nutzen könnte um eine gültige, jedoch von der vorigen gänzlich verschiedene Definition des Kreises aufzustellen.

Ebenso hätten wir aber auch definiren können Kreis sei eine solche ebene (geschlossene) Kurve zu nennen, welche bei gegebenem oder nicht zu überschreitendem Umfange den grösstmöglichen Flächeninhalt hat. Dar - aus folgt dann schon logisch allein (wenigstens, falls zugegeben wird, dass der vorigen Definition allemal ein wirklicher Kreis entspricht, ohne Be - rufung auf weitere geometrische Axiome), dass diese Kurve auch bei ge - gebenem Flächeninhalt den kleinstmöglichen Umfang haben muss was folglich ebensogut zu einer Definition des Kreises hätte mitverwendet wer - den können.

Offenbar sind es Gruppen von zum Teil recht verschiedenen Merk - malen wir brauchen sie nicht in einzelner Aufzählung zu wiederholen die in diesen verschiedenen Definitionen als wesentliche Merkmale des Kreises hingestellt wurden. Die einen ziehen aber schon die andern auf Grund der geometrischen Doktrin nach sich.

Den idealen Begriff des Kreises würde jemand erst dann besitzen, wenn alle möglichen für alle Kreise übereinstimmenden Eigenschaften und Relationen (Thätigkeiten fehlen hier) seinem Geiste gegenwärtig wären, in seinem Bewusstsein vereinigt würden. Derselbe müsste darnach alle (unter anderm auch alle geometrischen) Sätze, die überhaupt als von jedem Kreise88Einleitung.gültig ausgesagt werden könnten (auch in Bezug auf seinen Schnitt, seine Berührungen mit andern seinesgleichen sowie mit irgend welchen Kurven und Figuren, auch in Bezug auf Scharen von seinesgleichen, die Kreis - schnitte der Flächen etc., nicht zu vergessen seiner Gleichung und analy - tischen Eigenschaften in jedem Koordinatensysteme) schon kennen. Nun lässt sich aber die Möglichkeit nicht leugnen, dass fort und fort neue und allgemeingültige Sätze vom Kreise entdeckt werden. Den idealen Begriff des Kreises besitzt sonach niemand, sondern es ist seine Verwirklichung ein Ziel, auf das die Wissenschaft erst hinarbeitet.

Ein altbekanntes Beispiel, wie man in Bezug auf die Auswahl der als wesentliche zur Begriffsbestimmung ausreichenden Merkmale sich versehen kann, liefert Platon's Definition des Menschen als eines zwei - beinigen Tiers ohne Federn, welche dessen Schüler Diogenes durch einen gerupften Hahn persiflirte. Bezug sollte bei jener Definition genommen sein auf die anerkannten Thatsachen der Naturgeschichte.

Für einen gegebenen Begriff hat demnach der Ausdruck die wesentlichen Merkmale keinen bestimmten Sinn, sofern damit nicht auf eine bereits getroffene Auswahl hingewiesen wird; man kann viel - mehr von vornherein nur reden von einer Gruppe charakteristischer Merkmale.

Aus dem Gesagten geht hervor, dass eine Definition (auf extra - logischem Gebiete) überhaupt nur innerhalb des Rahmens einer be - stimmten Wissenschaft eines bestimmten Sinnes teilhaftig sein wird indem sie eben auf die Grundsätze, Axiome einer solchen stillschweigend Bezug nimmt.

Z. B. durch die oben gegebene Begriffserklärung des Kreises würde dieser Begriff in andrer Weise und als ein andrer bestimmt, wenn dabei auf die Axiome etwa einer nicht-euklidischen Geometrie Bezug genommen werden sollte anstatt, wie dies oben stillschweigend geschah auf die der Euklidischen. Es mag sogar der Fall eintreten, dass verschiedene unter den gleichberechtigt zu nennenden, weil einander gegenseitig bedingenden Definitionen des Kreises dort in der That wesentlich verschiedene Begriffe bestimmen, einander nicht mehr gegenseitig zur Folge haben.

Unter allen Umständen aber stützt und beruft sich die Begriffs - bestimmung mittelst Definition ganz unvermeidlich (mit) auf die Ge - setze des denknotwendigen Folgerns; sie setzt die deduktive Logik be - reits voraus.

χ2) Nun stehen zunächst uns nur diejenigen Begriffe zur Ver - fügung, die mit den fertigen Gemeinnamen der Sprache verknüpft sind und so uns gegeben erscheinen. Diese mögen jeweils durch beigegebene Erläuterungen von jedem Doppelsinn gereinigt, vor solchem fernerhin bewahrt werden, sodass wir mit ihnen einen unveränderlichen und scharfbestimmten Vorstellungsinhalt (vorbehaltlich dessen durch die89Einleitung.fortschreitende Erkenntniss bedingten Zuwachses) verknüpfen. Zur Auf - stellung aller ferneren Begriffe von unbegrenzt allgemeiner Anwend - barkeit steht uns dann, wie gezeigt, nur das Mittel der Definition zur Verfügung, bei dessen Anwendung allemal die Logik schon voraus - gesetzt werden musste.

Dieser Umstand legt mir erstmalig eine Bemerkung nahe, für die ich noch anderweitige und ausschlaggebende Gründe in's Feld zu führen haben werde. Schon im Hinblick darauf scheint mir nämlich das Be - streben: die Logik selbst als eine Logik des Begriffsinhaltes darzu - stellen, wie es seit Jahrtausenden vorwiegend zu verwirklichen gesucht worden, ein Hysteron-proteron zu sein; es wird damit, wie mich dünkt, das unterste zu oberst gekehrt, genauer: das oberste zu unterst.

Es würde mir bedauerlich erscheinen, es würde ja zu einem Zirkel nötigen, wenn die Grundgesetze folgerichtigen Denkens sich nicht darlegen liessen, ohne diesen subtilsten und schwierigsten Teil der Logik, wenn man will auch den höchsten, schon vorauszusetzen, als welcher die Lehre von den Inhalten der Begriffe (den Endzielen der Wissenschaft überhaupt) scheint hingestellt werden zu müssen.

In der That aber zeigt schon in ihrer bisherigen Entwickelung wie F. A. Lange1 pag. 147 hervorhebt die Logik eine zunehmende Tendenz, von einer Lehre des Inhalts eine solche des Umfangs zu werden. Der letztern, deren konsequente Durchführung von diesem scharfsinnigen Autor bislang vermisst wird, weissagt derselbe eine Zukunft mit reicher Entfaltung.

Wir versuchen hier, die Verwirklichung dieser Voraussagung mit an - zubahnen. Wenn wir auch die verschiedenen Seiten der Frage noch ein - gehend beleuchten werden, so sei es doch hier schon ausgesprochen, dass wir die Logik als Lehre von den Urteilen und Schlüssen rein nur als eine Logik des Umfanges darstellen werden desgleichen zunächst auch die Lehre von den Begriffen. Damit glauben wir auch den leichtesten Weg einzuschlagen, auf welchem sich mit gegebenen Kräften am weitesten wird kommen lassen.

ψ2) Auch das individuelle oder Einzelding wird als Begriff mit zugelassen; es ist der Komplex aller seiner Merkmale, durch deren eigenartige Verbindung miteinander es sich von allen andern Objekten des Denkens unterscheidet und so als ein vollkommen bestimmtes sich darstellt. In ihm und mit ihm selbst fällt Inhalt und Umfang seines Begriffes in eins zusammen.

Durch diese Einziehung des Einzeldinges unter die (bisher nur als allgemeine betrachteten) Begriffe erweitern wir die Auffassung, die wir mit dem Worte Begriff verbinden. Wir geben damit kund, dass uns als das Charakteristische beim Begriffe (als das Wesen vom Begriff des Begriffes) nur eben das erscheint, dass unter seinem Namen90Einleitung.eine bestimmtc von allen andern unterscheidbare Merkmalgruppe, ein be - stimmter Vorstellungsgehalt*)Ich glaube mich darin in Übereinstimmung mit Sigwart zu befinden vergl. 1 pag. 270. Doch möchte ich, im Hinblick auf das Unvollendetbleiben der Begriffe nach der Seite ihres idealen Inhaltes, seiner Forderung der festen Be - grenzung die obige der Bestimmtheit vorziehen. in eigenartiger Verknüpfung**)Dieser Zusatz ist eigentlich überflüssig, indem die Art und Weise, wie Merkmale miteinander verknüpft auftreten, selbst schon unter die Merkmale ein - gerechnet werden mag. Die sichere Unterscheidung eines Begriffs von allen an - dern wird notwendig mit ihm selbst gegeben sein, sobald nur sein Inhalt hin - reichend entwickelt. zusammengefasst und in unabänderlich konstanter Weise diesem Namen zugeordnet werde.

Mit Sigwart (l. c.) betrachten wir als das Ziel der Begriffs - bildung im logischen Sinne eine für alle Denkenden gleiche Ordnung ihres mannigfaltigen Vorstellungsgehaltes und damit die allseitige plan - mässige Vollendung dessen, was die Sprache überall schon mit un - bewusster Vernunft begonnen hat .

In und mit dem Begriff wird in der That verglichen: es wird Über - einstimmendes zusammengefasst und Nichtübereinstimmendes ausein - andergehalten. Und die Wahrnehmung aller Verschiedenheiten sowie die aller Übereinstimmungen (auch nach der Seite der Relationen, wie Grund und Folge, Ursache und Wirkung) wird die Erkenntniss des Weltganzen zusammensetzen.

Die Wissenschaft aber geht darauf aus, nicht nur logisch voll - kommene, sondern auch die zweckmässigsten Begriffe zu gewinnen, mit Hülfe deren und ihrer Bezeichnung die grösstmögliche Einfachheit und Abkürzung unsres Wissens zu erreichen ist und die wertvollsten und umfassendsten allgemeinen Urteile ermöglicht werden. (Vergl. Sigwart1 p. 272 u. 273.)

ω2) Kehren wir nochmals zu unsrer Betrachtung der Definition zurück. Bei der Erklärung eines Begriffs mittelst Definition konnte es sich nicht um die Angabe eines einzigen Merkmals als des wesent - lichen handeln. Es müsste sonst das zu Erklärende mit Demjenigen, wodurch es erklärt werden soll, sich dem idealen Vorstellungsgehalte nach schon von vornherein decken und würde ein völlig identisches Urteil resultiren, wie z. B. Weiss heisst etwas Weisses , Wahrheit ist, was wahr ist ; es könnte höchstens die Erläuterung des Sinns eines Wortes vermittelst eines damit synonymen vorliegen, wie etwa91Einleitung. Rotation ist eine Drehung , Zweifel ist Ungewisssein und dergl. was aber niemand als eine Definition gelten lässt.

Als charakteristisch kann immer nur eine Mehrheit, Gruppe, ein System von (allermindestens zwei) angebbaren Merkmalen in Betracht kommen welche dem Begriffsinhalte angehören, in ihm enthal - ten sind.

Würde eines von diesen Merkmalen durch die übrigen von selbst bedingt (in dem schon erläuterten Sinne), so wäre seine Anführung überflüssig; dasselbe ist dann aus der Definition behufs deren Ver - einfachung fortzulassen; dann sind ja schon die übrigen Merkmale zur Bestimmung des Begriffes ausreichend.

Jedes von diesen Merkmalen wird nun aber, ausser in dem zu definirenden, auch noch selbständig oder in andern Begriffen auftreten, denn wenn ein solches jenem ausschliesslich angehörte, so würde es allein schon für den zu definirenden Begriff charakteristisch sein, zur Bestimmung desselben ausreichen; die Angabe der übrigen Merkmale könnte alsdann unterbleiben und kämen wir auf den oben schon als ausgeschlossen erkannten Fall zurück.

Die in der Definition je als wesentliche verwendeten Merkmale müssen also, je für sich, gleichwie einen engeren Inhalt, so einen weiteren Umfang haben; sie werden dem zu definirenden über - geordnete oder mit ihm verglichen höhere Begriffe sein.

Von diesen Begriffen oder wesentlichen Einzelmerkmalen pflegt man irgend einen gewöhnlich den durch ein Substantiv dargestellten als genus proximum , d. i. als die dem zu definirenden ( Art -) Begriffe nächst übergeordnete Gattung zu bezeichnen, und sagt von dieser, dass sie durch die noch ferner hinzutretenden Merkmale ein - geschränkt, noch näher bestimmt, determinirt werde.

Jedes neu hinzutretende Merkmal muss in der That, gleichwie es den faktischen durch die bisherigen Merkmale ausgedrückten Vorstel - lungsinhalt vermehrt, so auch den (möglichen) Umfang des von letzterm bestimmten Begriffes wirklich verringern, ansonst es ja von diesen bereits thatsächlich mitbedingt sein und darum seine Erwähnung über - flüssig erscheinen würde.

Diese in der Definition zu dem genus proximum noch hinzu - tretenden Merkmale werden demgemäss als differentiae specificae be - zeichnet, weil sich durch ihren Komplex, sowie auch schon durch jedes einzelne von ihnen der zu definirende Begriff als eine Unterart des genus proximum von andern Arten dieser Gattung spezifisch unter - scheidet.

92Einleitung.

So erscheint bei unsrer (ersten) Definition des Kreises der Begriff Kurve (oder Linie) als nächst übergeordnete Gattung. Dieser ist von weiterem Umfange und dürftigerem Inhalte als der Begriff Kreis selbst. Der Kreis erscheint als eine Art unter der Gattung der Kurven. Als spezifische Unterschiede treten in unsrer Definition drei Merkmale zu dem Begriff der Kurve hinzu, nämlich das Merkmal geschlossen zu sein, eben zu sein und gleichen Abstand ihrer Punkte vom Mittelpunkte zu haben .

Liessen wir das erste fort, so würde die Definition auch jeden Kreis - bogen umfassen (resp. als einen Kreis hinstellen), ja bei hinreichend allgemeiner Fassung des Begriffs Kurve auch jedes System von Bögen und vielleicht isolirten Punkten derselben Kreislinie.

Durch Weglassung auch des zweiten Merkmals der Ebenheit bekämen wir einen Begriff, unter dessen Umfang ausser den Kreisen und Kreis - bögen auch jeder Linienzug auf einer Kugelfläche fallen würde der auf eine starre Kugel (als mathematische Linie) geschriebene Namenszug des geehrten Lesers zum Beispiel. Etc.

Was Kurve, was eben, was geschlossen ist, was gleichen Abstand seiner Punkte von einem nämlichen Punkte hat, das sind lauter höhere oder dem des Kreises übergeordnete Begriffe.

Wenn sonach die Definition eines Begriffes nur vermittelst anderer, demselben übergeordneter oder höherer Begriffe geleistet zu werden vermag, so wird man bei fortgesetzter Bestimmung auch dieser und der folgenden Begriffe mittelst Definition schliesslich bei solchen Be - griffen anlangen und innehalten müssen, welche als die allgemeinsten, dem Umfange nach weitesten oder höchsten, einer Definition nicht weiter fähig sind, da sich zu ihnen höhere Begriffe (ausser dem einen allumfassenden des Etwas ) nicht mehr angeben lassen (resp. im Begriffsvorrat der Sprache nicht vorfinden).

Solche selbst nicht definirbare, aber zur Definition anderer ver - wendbare Begriffe nennt man Urbegriffe oder Kategorieen . Die - selben werden dann einfach als von Anfang bekannt, nämlich mit der Sprache selbst gegeben vorauszusetzen sein.

Welches sind nun aber jene Kategorieen, die zum Aufbau aller andern Begriffe ausreichen würden?

Ein erster nach der zutreffenden Kritik von Mill und Andern noch ziemlich misslungener Versuch zur Aufstellung einer Kate - gorieentafel ist bekanntlich von Aristoteles gemacht. Auch haben Kant, Mill selbst, Peirce1c, Sigwart und Andere schon bessere Vor - schläge für das ganze Gebiet oder für einzelne Teilgebiete des Denkens zu machen gewagt. Ich hoffe einleuchtend zu machen, dass und warum derartige Versuche als verfrühte zur Zeit noch nicht zum Ziele führen können.

93Einleitung.

α3) Immerhin ist uns mit Obigem das Ideal erwachsen, unser gesamtes Begriffssystem zu einem wissenschaftlich streng gegliederten zu gestalten, indem wir die Begriffe alle aus möglichst wenigen Ur - oder Grundbegriffen vermittelst möglichst weniger Grundoperationen (zu denen die Determination gehören wird) systematisch aufbauen. [Die Begriffe dieser Operationen werden selbst zum Teil den Urbegriffen in gewissem Sinne zuzuzählen sein].

Nachdem erkannt ist, wie viel der menschliche Geist dem Zeichen verdankt, dürfen wir die Möglichkeit nicht ungenutzt lassen, das Zeichen noch weiter auszubilden. Es bietet sich die Aufgabe dar, durch an - gemessene, adäquate Gestaltung des Zeichens Zeichen und Sache durch - weg in gesetzmässiges Entsprechen zu bringen, oder (mit den Worten Trendelenburg's) die Gestaltung des Zeichens und den Inhalt des Begriffs in unmittelbare Berührung zu bringen, indem wir statt des in der Sprache gerade vorhandenen Wortes solche Zeichen ersinnen, welche die im Begriff unterschiedenen und zusammengefassten Merk - male unterscheidend und zusammenfassend darstellen.

Auf einzelnen Gebieten hat die Wissenschaft aus eigenem Bedürfniss schon Anfänge einer solchen Begriffsschrift hervorgebracht. Das Verfahren, durch welches mit unsern Ziffern die nach dem zehnteiligen Gesetz fort - schreitende Zahlenbildung ausgedrückt wird (vergl. ζ2), ist ein hervor - ragendes Beispiel dazu, an welchem es sich (in der Arithmetik und höheren Rechnung) deutlich zeigt, wie mit dem zutreffenden Zeichen die Herrschaft über die Sache, die Einsicht und Kunst des Menschen in unübersehbarer Wirkung zunimmt. Mit dem notwendigen , d. h. gemäss der Forderung höchster Angemessenheit als solches sich aufdrängenden Zeichen muss sich die Erkenntniss der bezeichneten Gebiete notwendig weiter und weiter er - schliessen.

Eine solche Bezeichnung wird, wenn sie auf das ganze Feld der Gegenstände des Denkens ausgedehnt zu werden vermag, im Gegensatz gegen das dem Inhalte der Vorstellungen mehr oder weniger gleich - gültige Zeichen des Wortes, eine charakteristische Sprache der Begriffe, Begriffsschrift , und im Gegensatz gegen die besonderen Sprachen der Völker eine allgemeine Sprache der Sache (Pasigraphie) sein (ibid.). Hiermit sind wir angelangt bei dem Gedanken einer philosophisch wissenschaftlichen Universalsprache.

Derselbe war zuerst von Des Cartes erfasst, dann von Leibniz vertieft; doch blieben die beiderseits gemachten Vorschläge mehr Umriss und Versprechen, als Ausführung und Leistung. Ich folge mit den hierauf bezüglichen Bemerkungen wieder Trendelenburg (l. c.). Cartesius (Episto - lae I, 111 in der Amsterdamer Ausgabe von 1682, p. 353 sqq.) verlangt, dass eine ähnliche Ordnung unter den Ideen, welche möglich sind, her -94Einleitung.gestellt werde, wie es eine natürliche Ordnung unter den Zahlen gibt. Und wie jemand in einem Tage lernen kann, in einer unbekannten Sprache alle Zahlen in's unendliche zu benennen und zu schreiben, obwol sie mit unzähligen verschiedenen Wörtern bezeichnet werden, so könne ähnliches mit den übrigen zum Ausdruck der menschlichen Gedanken notwendigen Wörtern geschehen. Die Erfindung einer solchen Sprache hänge von der wahren Philosophie ab*)Man sieht hier schon den grossen Unterschied, welcher besteht zwischen dem logischen Ideal der Pasigraphie und dem linguistischen einer Weltsprache , wie es heutzutage die Volapükisten anstreben. Gleichwie die Letzteren es thun, so bezweckten auch die erwähnten vorangegangenen Versuche blos, eine Ver - ständigung zu erzielen zwischen Solchen, die in der Sprache einander fremd sind. Durch die allerdings nicht gering anzuschlagende Beseitigung aller Unregelmässig - keiten vereinfachen sie zwar erheblich die Grammatik, übernehmen aber ohne weiteres fast alle sonstigen logischen Unvollkommenheiten unsrer faktischen Kultur - sprachen, schliessen an diese sich als an etwas schlechthin Gegebenes an.Solcher vorgängigen Versuche führt schon Trendelenburg uns eine ziem - liche Anzahl (beiläufig fünfe, von Kircher, Becher, Dalgarn, Wilkins und Trede) an. Das ohne Jahreszahl, Druckort und Namen des Verfassers unter dem Titel: Vorschläge einer notwendigen Sprachlehre um 1811 erschienene Werk von Ludwig Benedikt Trede, welches den Grundgedanken des Volapük schon vollständig (indess wol weniger einfach) in seiner Art verwirklicht, konnte ich von der Königlichen Bibliothek zu Berlin entleihen. Einer noch umfassenderen; denn ohne diese sei es unmöglich, alle Ideen der Menschen aufzuzählen oder zu ordnen und so zu unterscheiden, dass sie deutlich und einfach wären. Erst wenn man deutlich entwickelt hätte, welches die einfachen Vorstellungen, und aus welchen Elementen die Ge - danken zusammengesetzt sind, und wenn dies in der Welt anerkannt worden: so lasse sich eine allgemeine Sprache hoffen, welche leicht zu lernen, aus - zusprechen und zu schreiben wäre und welche überdies, was die Haupt - sache, unsre Urteilskraft fördern würde, indem sie alles so deutlich und unterschieden darstellte, dass eine Täuschung unmöglich würde, während umgekehrt unsre Wörter nur verworrene Bedeutungen haben, an welche sich der menschliche Geist so lange Zeit gewöhnt hat, dass er fast nichts vollkommen einsehe. Cartesius setzt hinzu, dass er eine solche Sprache und die Wissenschaft*), von welcher sie abhängt, für möglich halte; mit ihrer hülfe werde dann ein Bauer über die Wahrheit der Dinge besser urteilen, als jetzt ein Philosoph. Aber man solle nicht hoffen, sie je zu erleben, denn das setze grosse Veränderungen voraus und es sei dazu not - wendig, dass sich die Welt in's Paradies verwandle.

Leibniz indessen hatte kühneren Mut, obwol er die vorangegangenen Versuche*) und ihr Vergebliches kennt.

Des Letztern (nicht von ihm herausgegebenen) Aufsätze über die Pasi - graphie sind betitelt: historia et commendatio linguae characteristicae uni - versalis quae simul sit ars inveniendi et judicandi, desgl. dialogus de con - nexione inter res et verba et veritatis realitate (1677).

Schon die Namen, welche Leibniz dem Unternehmen gibt, kündigen seine Bedeutung an. Bald nennt er es lingua characteristica universalis95Einleitung.oder das Alphabet der menschlichen Gedanken, bald hingegen calculus philo - sophicus oder calculus ratiocinator. [In jenem Briefe vom Jahre 1714 nennt er es spécieuse générale ein Name, welcher an die Verwandtschaft mit der geometrischen Analysis erinnert, da diese, seit Vieta Buchstaben als allgemeine Zeichen von Grössen in sie einführte, analysis speciosa hiess.] Diese Namen zeigten schon das Ziel, das Leibniz vor Augen hatte: es war eine adäquate und allgemeine Bezeichnung des Wesens der Begriffe durch eine solche Zergliederung in ihre Elemente, dass dadurch eine Be - handlung derselben durch Rechnung möglich werden sollte; sein Unter - nehmen, sagt Leibniz, müsse zustande kommen characteribus et calculo als eine combinatoria characteristica.

Von den Prinzipien her hofft er Befestigung der Erkenntniss, Ver - hütung des Widerspruchs, Ausschluss des Streites (man werde, wo solcher droht, einfach sagen: Lasst uns friedlich die Sache berechnen!). Leibniz erwartet einen Einblick und eine Übersicht, durch welche mitten in der sich ausdehnenden Masse der Erkenntniss dennoch die Wissenschaften sich abkürzen, und insbesondere hofft er durch die Einsicht in die einfachen Elemente und deren Verbindungsweisen auch fortschreitende Erkenntniss des Besonderen, Entdeckungen und Erfindungen.

Die Verwirklichung des gedachten Ideals einer wissenschaftlichen Klassifikation und systematischen Bezeichnung alles Benennbaren muss aber nach dem oben von uns Angeführten zur Voraussetzung haben: die vollendete Kenntniss der die Begriffselemente zu verknüpfen be - stimmten Grundoperationen und die Bekanntschaft mit deren Gesetzen. Diese Vorarbeit hat die Logik zu leisten, und solange sie wie der - malen unvollendet ist, können Versuche erwähnter Art von Erfolg nicht gekrönt sein.

Vorher schon Kategorieentafeln aufzustellen scheint mir kaum ver - dienstlicher, als der Hinweis auf einen Haufen Steine als auf die Bausteine zu einem wundervollen Baue, dessen Plan jedoch noch niemand gesehen hat, und bei welchem auch das Bindemittel, der Kitt zum Zusammenhalten der Steine, vergessen ist.

Jene die Begriffe verknüpfenden Operationen werden wir hier in der That erst zu studiren haben.

Und ihre Gesetze werden wir in bestimmten Grenzen vollständig erforschen, aber allerdings zunächst nur für die elementarsten Ver -*)Reihe derartiger Versuche gedenkt Herr Guntram Schultheiss in einem Auf - satze über Künstliche und natürliche Weltsprachen in Westermann's Monats - heften vom Sept. 1886, p. 796 807.Des Raimundus Lullius Summulae logicales war hierbei nicht Er - wähnung zu thun. Dass Herrn Frege's Begriffsschrift 1 diesen ihren Namen nicht verdient, sondern etwa als eine in der That logische (wenn auch nicht zweckmässigste) Urteilsschrift zu bezeichnen wäre, glaube ich in meiner Rezension4 dargethan zu haben.96Einleitung.richtungen des Denkens, wie sie als solche sich darbieten. Dieser erste Teil der Logik ist der Klassenkalkul von Peirce als die Logik der Dinge hingestellt, welchen absolute Namen zukommen (vergl. ξ2).

An die schwankenden Gebräuche der Wortsprache werden wir dabei den Maasstab eines vollkommen konsequenten Bezeichnungs - systems anlegen. Mit letzterem werden wir dann auch im stande sein, die Verknüpfungen und Beziehungen, die zwischen Urteilen möglich sind, erschöpfend wiederzugeben, sodass als ein zweiter Teil der Logik der Aussagenkalkul erscheint, der sich zu einem hohen Grade von Vollendung bereits entwickelt zeigt.

Erst mit dem völligen Ausbau eines dritten (und schwierigsten) Teiles könnte aber die Disziplin der Logik den Anspruch erheben die obenerwähnte Vorarbeit für die dereinstige wahre Philosophie geleistet zu haben. Das wäre die Logik der unter relativem Namen zu be - greifenden Gedankendinge: die Logik der Beziehungen überhaupt und ihrer verschiedenen Kategorieen. Diesen Teil unsrer Disziplin müssen wir dermalen grossenteils noch unfertig lassen.

β3) Wir haben von π2) ab versucht, den Begriff des Begriffes zu entwickeln.

In einer so fundamentalen Frage, über welche die Philosophen schon seit Jahrtausenden geschrieben und wo deren Lehrmeinungen so himmelweit auseinandergehen, scheint nun aber doch ein kritischer Rückblick noch angezeigt zu sein.

Wir gingen bei unsrer Betrachtung von dem für den Begriff (als Einzelding oder aber allgemeinen Begriff) bereits vorhanden gedachten Namen (Eigennamen resp. Gemeinnamen) aus.

Die Annahme, dass der fragliche Begriff einen Namen habe, kann nicht wol als eine Beschränkung für die Allgemeinheit unsrer Be - trachtungen angesehen werden, wofern nur nicht etwa gefordert wird, dass der Name von Anfang bereits unter den einwörterigen figurire. Denn was auch Gegenstand des Denkens werden mag, es lässt sich doch mit Worten angeben, beschreiben. Und diese Beschreibung stellt uns einen (eventuell eben vielwörterigen) Namen für das Beschriebene vor. So oft wir übrigens einen neuen Begriff gewinnen, empfinden wir alsbald das Bedürfniss nach einem angemessenen (auch angemessen kurzen) Namen für denselben, und diesem Bedürfniss könnte nötigen - falls selbst durch einen einwörterigen Namen mittelst Einführung eines solchen immer genügt werden.

97Einleitung.

Es sollte jedenfalls mit unsrer Erörterung nicht behauptet sein, dass die Bildung des Worts dem Begriffe notwendig oder thatsächlich vorangehe.

Wenigstens die Aneignung des Wortes vonseiten des jugendlichen Menschen bei der Erlernung seiner Muttersprache mag in der That nicht selten derjenigen des zugeordneten Begriffes voraufgehen. Auch vermöchte die Wissenschaft wol Beispiele aufzuweisen, wo die Kombination von Worten z. B. in der Form als Nicht-a , nachdem ein Begriff von a bereits vorgelegen den ersten Anstoss zur Bildung eines Begriffes gab.

Jedoch lassen auch Belege sich erbringen für Fälle, wo die umgekehrte Succession erkennbar ist. Auf p. 177 seiner Schrift1 erinnert J. Keller an das von Steinthal erwähnte Kind, das jedesmal, wenn es einen Fremden mit Papa anredete, den Kopf dazu schüttelte. Es befand sich auf dem Stadium seiner Begriffsentwickelung, wo der allgemeine Begriff Mann, den es mit dem Worte Papa verband, sich zu spalten anfing in Mann im all - gemeinen und in den Begriff, den Kinder späterhin mit Papa verbinden. Wie in diesem Falle, so dürfte auch bei dem Zuwachs an Begriffen, den die Wissenschaften liefern, die geistige Erfassung des Begriffes der wort - bildenden Namengebung zumeist vorangehen.

Die ganze Frage mögen wir indess der Psychologie, Sprachwissenschaft und Pädagogik überlassen.

Worauf wir hier sicher fussen zu dürfen glaubten, ist nur: dass die Begriffsbildung mit der Namengebung, der Schöpfung und Fort - entwickelung der Sprache, notwendig handinhand geht.

γ3) Schwerlich dürfte unsre Darlegung beanstandet, sie möchte wol als zutreffend zugestanden werden in Bezug auf die sogenannten empirischen Begriffe.

Begriffe, die ihren Ursprung der Wahrnehmung, Erfahrung ver - danken, entstehn zweifellos auf die angegebene Weise. Und zwar braucht die Wahrnehmung nicht gerade eine sog. äussere zu sein, die auf dem Sinneseindruck beruht. *)Vergl. γ) Fussnote. Auch diese äussere Wahrnehmung läuft übrigens wesentlich auf eine innere hinaus, indem es nicht das Auge ist, das sieht, sondern der Geist, das Ich, in dessen Bewusstsein die Sinnesbotschaft auf - genommen wird.Auch durch innere Wahr - nehmung und Erfahrung gewinnen wir Begriffe in ganz analoger Weise. So mögen wir bei der Farbe und dem Ton auf das gemein - same Merkmal des Sinneseindrucks reflektiren**)Mit Absicht führe ich dies Beispiel an, um auf die Unhaltbarkeit und Willkür hinzuweisen, welche in der üblichen Erklärung disparater Begriffe liegt., wir mögen von den Phantasiegebilden, Absichten, Stimmungen und Gedanken das Merkmal der Unsinnlichkeit abstrahiren.

Schröder, Algebra der Logik. 798Einleitung.

Eine andere Frage ist indess, ob wirklich alle Begriffe so, durch Reflexion auf die gemeinsamen Merkmale, in's Dasein treten und treten müssen.

Neben dem geschilderten Prozesse der unmittelbaren Begriffs - bildung scheint mir in der That eine Möglichkeit auch mittel - barer konstruktiver Bildung von Begriffen zugestanden werden zu müssen.

Der Begriff der Unmöglichkeit z. B. (den auch Keller hervorhebt) ist sicher nicht empirisch durch Reflexion auf die gemeinsamen Merkmale von allem Unmöglichen entstanden, weil solches überhaupt nicht Gegen - stand einer Erfahrung werden konnte. Allerdings hegt auch dieser Be - griff eine Mannigfaltigkeit von Vorstellungsverbindungen und Gedanken ein, und grenzt sie gegen die übrigen ab, denen wir aus logischen oder (solchen und) physikalischen Gründen die Möglichkeit zusprechen. Und es wäre noch immerhin denkbar, dass auch hier durch Reflexion auf ein gemeinsames Merkmal an eben jenen Gedankendingen der Begriff entstan - den wäre, in Anbetracht, dass Unmöglichkeit ja in der That nicht von Dingen der Aussenwelt, sondern nur von einer Kombination von Erkennt - nisselementen in unserm Geiste prädizirt werden kann.

Ob solches aber die wirkliche und notwendige Entstehung des Be - griffs der Unmöglichkeit darstellt, scheint eine schwierige Frage zu sein.

Zuzugeben ist wol, dass wir in Gestalt der Verknüpfung (Kom - bination) und Trennung (Separation) und als eine Modifikation der letztern insbesondre in Form der Verneinung (Negation), von durch Abstraktion gewonnenen Vorstellungselementen oder Merkmalen auch das Vermögen besitzen, Begriffe mittelbar zu konstruiren, sodass Reflexion und Abstraktion nicht als die einzigen Quellen der Begriffs - entwickelung hingestellt werden dürfen.

Auch die Begriffe des Dings an sich und der Wahrheit , der Vollkommenheit , des Ideals , der Freiheit , und andere, könnten ähn - lich dem vorausgeschickten Beispiel verwendet werden, solche Bemerkung anzuregen.

Die angeführten Beispiele genügen wol, um auf die Schwierig - keiten einer allgemeinen Theorie der Begriffsbildung und der Erklärung seines Wesens hinzuweisen.

Ungeachtet der mehrtausendjährigen Arbeit sind über eine solche die Philosophen auch noch nicht einig geworden.

Es befehden sich die Schulen der Nominalisten , der Realisten und der Konzeptualisten und wenn auch ziemlich unverkennbar geworden ist, dass jene erstern mit der Einseitigkeit ihrer Auffassung sich nicht im Rechte befinden, so können wir uns doch auch auf eine allgemein aner - kannte Theorie noch nicht berufen.

Ebenso gehen die Ansichten noch weit auseinander über das Wesen der allgemeinen Vorstellung (repraesentatio generalis sive universalis) als99Einleitung.Desjenigen, was darunter vorgestellt wird, wenn der Name einer Klasse fällt, z. B. wenn von einem Baume gesprochen wird im Gegensatz zu der Einzelvorstellung (repraesentatio singularis, wie dieser Baum hier ) und im etwaigen Gegensatz zum Begriff Baum . Die Identität solcher Allgemeinvorstellung mit dem zugehörigen Begriffe wird teils behauptet, teils bestritten.

Auf solchem unsichern und vielumstrittenen Fundamente nun das Gebäude einer Wissenschaft errichten zu wollen, die, wie die Logik, den Anspruch erhebt, nur absolut sichere, weil denknotwendige und evidente Wahrheiten aufzustellen, scheint mir kein wissenschaftliches Verfahren. Die Logik von vornherein als eine solche des Begriffsin - haltes zu errichten möchte eher wol dem Versuche gleichen, das Dach vor dem Hause zu bauen.

Eine Logik des Umfanges in erster Linie anzustreben, darin bestärkt mich auch die Überlegung: dass (gerade wenigstens von dem Standpunkte, den manche Verfechter einer solchen des Inhaltes einnehmen) viele Be - griffe dem Inhalte nach überhaupt nicht existiren, die gleichwol eines (be - grifflich!) scharfumgrenzten Umfanges sich erfreuen.

So die meisten ursprünglich durch Negation gewonnenen Begriffe, wie etwa Nichtmensch indem es, wie Lotze witzig bemerkt, für den menschlichen Geist eine ewig unlösbare Aufgabe bleibt, von allem, was nicht ein Mensch ist, also von Dreieek, Wehmut und Schwefelsäure die gemeinsamen Merkmale zu abstrahiren und zum Begriff des Nicht-men - schen zusammenzufassen!

Dem Umfange nach existirt aber dieser Begriff doch unzweifelhaft (wenn man auch mit Lotze gegen die Zweckmässigkeit und den wissen - schaftlichen Wert seiner Aufstellung zu Felde ziehen mag), sintemal kein individuelles Objekt des Denkens bekannt ist, über welches wir irgend im Zweifel sein könnten, ob demselben das Prädikat, ein Mensch zu sein, zu oder abzusprechen wäre vorausgesetzt nur, dass man sich über ge - wisse Fragen des Doppelsinns, z. B. den Embryo, den Leichnam betreffend, geeinigt, nämlich den Begriff Mensch selbst erst gehörig präzisirt hat.

Und die Lotze'sche Argumentation1 pag. 58 würde mutatis mutan - dis ebensogut auf einander nicht schneidende Kurven anwendbar sein, wo seine sonstigen Einwendungen wegfielen. Auch hier würde es wol unmöglich sein, ein positives gemeinsames Merkmal zu abstrahiren. Ein negatives aber, genauer: die Abwesenheit eines bestimmten (anerkannten) Merkmals, will Lotze eben nicht als Merkmal gelten lassen. Vergl. hiezu § 16.

Von seinem Standpunkte aus, auf den ich mich soeben stellte, um ihn mit seinen eigenen Gründen zu widerlegen, hätte also auch dieser letz - tere Begriff keinen Inhalt und existirte doch unzweifelhaft seinem Umfange nach, als Klasse; und als solcher wäre er auch (schlechthin oder in ander - weitig noch enger begrenzter Auffassung) für die Geometrie ganz un - entbehrlich.

Von einer Logik des Inhaltes müssten (darnach also) ganz un - entbehrliche Begriffe ausgeschlossen bleiben und hätte solche keinen7*100Einleitung.Anspruch darauf, mit ihren Gesetzen unser ganzes Denken zu um - fassen, oder die erforderliche Allgemeinheit zu besitzen.

Übrigens steht es auch gar nicht so schlimm um die Einseitig - keit eines Studiums der blossen Begriffsumfänge (ohne Rücksicht auf den Inhalt der zugehörigen Begriffe) aus dem Grunde, weil sich zeigen wird, dass bestimmten Umfangsverhältnissen der Begriffe (wo solche vorhanden) allemal die umgekehrten Verhältnisse zwischen ihren Inhalten parallel gehen, z. B. einer Überordnung hier eine Unter - ordnung dort.

Es wird also das eine zwar unbehelligt vom andern dennoch grossenteils zugleich mit ihm erledigt. Und die Frage: ob Logik des Inhalts oder des Umfangs? müsste darnach sogar für irrelevant er - klärt werden, hätte sich nicht jene durch die Anforderung, u. a. immer nur begrifflich bestimmte Subjektklassen zu bilden, ganz übermässig eingeschränkt gesehen, und wäre sie nicht in Reaktion gegen solche Einengung notgedrungen allemal über ihre Grenzen hinaus getreten, und inkonsequent geworden! [Konsequenterweise könnte z. B. die Logik des Inhalts partikulare Urteile überhaupt nicht bilden es sei denn als identische oder nichtssagende Urteile vergl. die Aus - führungen am Schlusse des § 44.]

Was eine Klasse ist, scheint auch viel leichter zu begreifen, als der Komplex der psychologischen Motive, welche zu ihrer Aufstellung Veranlassung bieten könnten. Stellte man letztere, d. i. eben den In - halt des zugeordneten Begriffes (falls anerkannt werden mag, dass es einen solchen gibt) in den Vordergrund der Betrachtung und be - gänne, dergleichen Motive selbst aufzuzählen, so vermöchte niemand vorab zu ersehen, ob nicht die Wissenschaft noch ganz andere Motive zur Klassenbildung dereinst aufdrängen wird, als diejenigen sind, die man heutzutage als einen regelrechten Begriff konstituirend gelten lassen will. Wie schon unter v2) angedeutet und in Einstimmung mit Dedekind1 pag. 2, Fussnote können wir es nicht als berechtigt an - erkennen, dass man der Freiheit der Begriffsbildung irgend welche Schranken von vornherein auferlege.

Gerade indem sie die Klasse als eine möglicherweise auch ganz willkürlich zusammengesetzte um nicht zu sagen zusammengewür - felte in's Auge fasst, wird die Logik der Klassen, unter denen von selbst auch die Umfänge aller Begriffe mit figuriren, eine wesentlich höhere Allgemeinheit erzielen als jede Logik, welche von vornherein nur von den Inhalten der Begriffe handeln will.

Das letzte Wort über die Frage dürfte der Erfolg zu sprechen101Einleitung.haben; und hier scheinen mir zunächst die jahrtausendlangen Be - mühungen, von der Betrachtung des Begriffsinhaltes aus die Logik in ein gesund fortschreitendes Wachstum zu bringen, gescheitert.

Schlagender dürfte dies kaum zu konstatiren sein, als es von einem der heftigsten Gegner der Umfangslogik selbst geschieht, nämlich von Prantl, indem dieser in der Vorrede zum 4ten Bande seines Riesenwerkes1 als den Hauptgewinn seiner eingehenden Studien über die Logik-Erzeugnisse von mehrern der neueren und neuesten Jahrhunderte mit drastischen Worten den hinstellt, dass Andere all' den Wust nun nicht mehr durchzulesen brauchen! Sollte da die Disziplin nicht fortgesetzt doch auf dem Holzwege gewesen sein?

δ3) Ich möchte hiernächst noch einem Vorurteile entgegentreten, welches der Aufstellung einer Logik des Umfanges entgegensteht.

Es ist besonders in Deutschland bei geistreichen Philosophen Mode geworden und neuerdings in verstärktem Maasse*)Es würden sich eine Menge Citate beibringen lassen; ich halte mich aber durch das nomina sunt odiosa gerechtfertigt, wenn ich möglichst davon ab - stehe, solche Beispiele anzuführen, die vielleicht als eine persönliche Invektive aufgefasst werden könnten. Selbstverständlich indess sind zu obigem auch erfreuliche Ausnahmen zu koustatiren. die Versinnlichung von Begriffsumfängen durch die Euler'schen Kreise (vergl. § 3) eine dürre oder öde zu nennen, überhaupt von der Be - trachtung der Umfangsverhältnisse als von etwas Trockenem, Lang - weiligen oder Unfruchtbaren mit einer gewissen Geringschätzung zu sprechen, und vollends einen auf diese Betrachtung gegründeten Kalkul als einen toten Formalismus oder leeren Schematismus zu qualifiziren, solchen von vornherein zu verdammen.

Die Frage, ob dem wirklich so ist, scheint mir von ganz kapi - taler Bedeutung zu sein und es besonders im Interesse der deutschen Philosophie zu liegen, dass derselben auf den Grund gegangen werde.

Bei dem Versuche, dies zu thun, wende ich mich nicht an Diejenigen, die (vielleicht mehr oder minder bewusst) solche Äusserungen im Grunde blos als einen Deckmantel, eine scheinbare Rechtfertigung für ihre Bequem - lichkeit benutzen, zufolge deren sie die Mühe scheuen, welche es unver - meidlich kostet, in den Geist einer konsequent aufgebauten, exakten Wissen - schaft einzudringen, die Herrschaft über einen Kalkul sich zu erringen. Diese würden, weil ihnen die Überzeugung unwillkommen, auch schwerlich zu überzeugen sein.

Denjenigen aber, die unbeeinflusst von solch 'persönlichem Motive auf - richtig meinen, dass die Sache sich also verhalte, möchte ich folgende Be - trachtung nahe legen.

Bringen wir uns einmal zum Bewusstsein, was denn eigentlich102Einleitung.vor sich geht beim Zählen (der Einheiten einer Menge). Wenn ich z. B. die Herrn, die hier auf einer Bank vor mir sitzen, zähle, so bilde ich einen jeden derselben einfach mit einem Striche (1) ab. Da - mit das entstandene Bild sagen wir 11111 nicht als eilftausend - einhunderteilf gelesen werde, verbinde ich die Striche (Einer) mit dem Zeichen plus. Ich erhalte so ein Schema: 1 + 1 + 1 + 1 + 1 und ist es für die Zwecke unsrer Betrachtung nebensächlich, dass für dasselbe auch ein einfacheres Zeichen: 5, nebst zugehörigem Namen eingeführt ist.

Im Grunde ist es also eine äusserst rohe Art von Abbildung, die wir beim Zählen vornehmen (die Abbildung der Einheiten oder Indi - viduen der Menge blos nach ihrer Häufigkeit oder Anzahl ) eine Abbildung, die hinsichtlich ihres Gehaltes bei weitem nicht heran - reicht an diejenige, welche der Stift des Zeichners, die Kamera des Photographen, der Pinsel des Malers hervorzubringen vermöchte, von dem Meissel des Bildhauers zu geschweigen, durch welche ja nicht blos die Anzahl, sondern vielleicht die ganze äussere Erscheinung, ja allerhand charakteristische Eigentümlichkeiten der Haltung und der geistige Ausdruck der Gesichtszüge der abgebildeten Persönlichkeiten zur Darstellung kämen. Noch weniger kümmern wir uns bei unserm Abbildungsverfahren um diejenigen Verhältnisse, die den Menschen am meisten vom Menschen zu interessiren pflegen. Von den Anlagen, Kenntnissen und Fertigkeiten, von dem ganzen Charakter der abge - bildeten Personen nicht zu reden von ihren Vermögensverhält - nissen (!), die ja von andrer Seite auch wiederum der Darstellung durch Zahlen zugänglich wären wird einfach abstrahirt. Von der Abstammung und sozialen Stellung, von der Vorgeschichte eines Jeden, seinen Aussichten für die Zukunft von allem, was das Wesen seiner Persönlichkeit ausmacht, wird abgesehen; es wird, sofern es auch be - kannt sein sollte, beim Zählen gelöscht, ignorirt.

Welcher gemüt - und phantasievolle Denker möchte sich angesichts dessen nicht versucht fühlen etwa zu sagen: Natürlich haben auch die Zahlenverhältnisse ihren Wert; aber wo man diesen bedürfen wird, ist er nicht so schwierig zu ermitteln, um sich seiner nicht nebenher augenblicklich zu bemächtigen; einen Hauptgesichtspunkt für die Be - trachtung der Dinge aus ihren Zahlenverhältnissen zu machen halte ich für ebenso unfruchtbar (irrig) als langweilig *)Vergleiche einen analogen Ausspruch Lotze's in Bezug auf die begriff -!

103Einleitung.

Langweilig, trocken, dürr etc.? Vielleicht ja! Man kann es auch heute noch niemand verwehren, die Arithmetik (als die Wissen - schaft, die sich mit den Zahlenverhältnissen beschäftigt) langweilig zu finden. Es thun dies aber zumeist nur Solche, die entweder einen recht schlechten Elementarunterricht genossen oder sich überhaupt nicht der Mühe unterzogen haben, dieselbe kennen zu lernen.

Unfruchtbar? Nein! Es dürfte doch heutzutage wol niemand mehr es wagen, die Analysis und Mathematik, die Lehre von Zahl (und Maass), die messende und rechnende Physik, der Unfruchtbarkeit zu zeihen.

Und dennoch bleibt die Thatsache der Rohheit unsres Abbildungs - verfahrens, welches bei jedem Zählen allemal bethätigt wird, bestehen; dennoch ist die ungeheure Dürftigkeit, welche auch der Ermittelung metrischer Beziehungen notwendig anhaftet, ganz unverkennbar, und selbst die Geometrie, indem sie noch die gestaltlichen Verhältnisse der Dinge in den Bereich ihrer Betrachtung zieht, ist doch unleugbar einseitig, sieht von den allerinteressantesten Eigenschaften der raum - erfüllenden Substanz armselig ab.

Wie sind dabei nun die grossartigen Erfolge zu begreifen, die in einer (die Unterbrechungen eingerechnet) allerdings mehrtausendjährigen Geschichte gerade jene Wissenschaften thatsächlich errungen haben (und mit der Zeit nur immer reichlicher zu verwirklichen scheinen), welche sich die Erforschung der Gesetze der Dinge nach Zahl und Maass zur Aufgabe stellten?

Die Antwort gibt das alte Gleichniss von dem Bündel Pfeile, welches allen Versuchen, dasselbe zu zerbrechen, als Ganzes wider - stand und sich erst Demjenigen ergab, der dasselbe auflöste, die Pfeile einzeln zu knicken:

Die Schwierigkeiten, welche dem Fortschritt der Erkenntniss ent - gegenstehen, sind auch nur einzeln zu überkommen, und gerade in ihrer Einseitigkeit, in der durch sie verwirklichten Teilung der Arbeit liegt das Verdienst und die Kraft der erwähnten Disziplinen.

In ebendiesem Sinne dürfen wir auch die unsrer Logik der Um - fangsverhältnisse zur Last gelegte Einseitigkeit als einen Vorzug der - selben in Anspruch nehmen. Indem die ältere Logik solche Einseitig - keit verschmähte, ist sie in den jahrtausenden verhältnissmässig stehen geblieben, das Sprichwort illustrirend: qui trop embrasse, mal étreint. *)lichen Umfangsverhältnisse, den wir in § 15 citiren. Das Wort unfruchtbar fällt an andrer Stelle.104Einleitung.Versuchen wir es ist hohe Zeit es jetzt einmal ernstlich mit solcher Einseitigkeit und gehen über den Vorwurf der Dürftigkeit, die ja allerdings in gewissem Sinne mit solcher naturnotwendig verknüpft ist, sich aber durch intensivere Entwickelung in ihrem eigenen Be - reiche, durch grossen, ja ungeahnten, Reichtum der Entfaltung in andrer Hinsicht ausgleicht, zur Tagesordnung über.

Nicht übergehen dürfen wir jedoch diese Frage:

War es denn aber auch wahr, dass die Zahlenverhältnisse der Dinge gar nicht so schwierig zu ermitteln seien, um sich ihrer (im Bedarfsfalle) nicht nebenher augenblicklich zu bemächtigen? Sind nicht vielmehr in der That Generationen scharfsinniger Forscher in uner - müdlicher Arbeit fort und fort in Anspruch genommen, nur um dieser Zahlenverhältnisse sich immer mehr zu bemächtigen?

Und was zeigt sich nun auch in Bezug auf die Begriffsumfänge beim Vordringen auf unserm einseitigen Pfade?

Es zeigt sich, dass schon diese dürftigen Umfangsverhältnisse durchaus nicht so einfach zu übersehen sind, wie man anfangs sich einbilden mochte, ferner dass selbst bedeutende Philosophen in Fehler darin verfallen sind, und dass sich schwierige Probleme zur Lösung darbieten. Wer letzteres mit Aussicht auf Erfolg bestreiten wollte, der müsste wol erst einmal die in diesem Buch als noch ungelöst signalisirten Probleme lösen!

Ganz Zutreffendes über die vorliegende Frage sagt F. A. Lange auf p. 18 seiner citirten Schrift1, wo er Ueberweg's Stellungnahme gegen die schematisirende formale Logik geisselt. Der sehr beachtenswerte Passus lautet:

Wie nahe übrigens Ueberweg in Folge seines ungemeinen Scharf - sinns, seinem eigenen erkenntnisstheoretischen Vorurteil zum Trotz, an die richtige Auffassung der logischen Technik streifte, zeigt eine zum § 84 (S. 234) gehörige Anmerkung, welche speziell gegen die geringschätzige Art gerichtet ist, in der Hoppe (logik, Paderborn 1868) von dem » Denken nach dem Schema « redet im Gegensatz zu einem angeblichen Denken nach dem Begriff. Hier sagt Ueberweg wörtlich: » Mit gleichem Recht könnte man die mathematisch-mechanische Betrachtung als einseitig und willkür - lich schelten, wenn sie untersucht, was aus gewissen einfachen Voraus - setzungen folgt und dabei von andern Datis absieht, von denen jene in der Wirklichkeit nicht abgesondert vorzukommen pflegen, wenn sie z. B. die Bahn und die Stelle des Falls eines irgendwie geworfenen Körpers nur auf Grund der Gravitation und der Beharrung berechnet, ohne den Miteinfluss des Luftwiderstandes zu erwägen, sodass anscheinend die konkrete An - schauung das Resultat genauer zu bestimmen und über die Rechnung zu triumphiren vermag; wollte aber die mathematische Mechanik jenes ab - straktive Verfahren nicht üben, so würde sie die Bewegungsgesetze über -105Einleitung.haupt nicht zu erkennen vermögen und die Wissenschaft würde aufgehoben sein. « Es folgt die in der That schlagende Anwendung auf die Logik. Wer in ähnlicher Weise das abstrakte Verfahren der Logik von der Rea - lität aus korrigiren will, » hebt durch dieses Verfahren nicht eine falsche Logik zugunsten einer bessern, sondern die Möglichkeit einer methodisch fortschreitenden logischen Erkenntniss der Denkgesetze selbst auf. «

Erst nach beendeter Untersuchung über das, was aus den Umfangs - verhältnissen der Begriffe schon allein folgt, wird die wissenschaftliche Theorie des Denkens auch andere Momente mit in Betracht ziehen dürfen. Wer freilich sich an ein gerade vorliegendes Beispiel hält und solches ander - weitige Wissen, den nicht auf Umfangsverhältnisse bezüglichen Gehalt des - selben, mit hinzunimmt, kann wol ein volleres Resultat zu besitzen glauben und auf den Logiker herabsehen, der sich mit dem dürftigen Schema des Umfangsverhältnisses plage. Allein Der wird auch stets am Beispiel hängen bleiben und sich ohne die Reflexion auf diese Verhältnisse, welche durch das Abstrahiren von allem übrigen bedingt ist, niemals zur Er - kenntniss des allgemeinen Denkgesetzes erheben (vergl. Ueberweg l. c. mutatis mutandis).

So wird es auch Demjenigen, der ein Gemälde nach den Regeln der Perspektive beurteilt, nicht zu verargen sein, wenn er die Abstufungen der Farbentöne und die dem Bilde zugrunde liegende Idee des Künstlers dabei ausser Acht lässt. Soll das Bild gut sein, so muss vor allem die dürf - tige Zeichnung, die wieder übermalt wird, jenen Gesetzen genügen. (Vergl. De Morgan5 p. 83.)

Wenn gar aber Lotze seine Logik mit dem Wunsche schliesst, dass die deutsche Philosophie zu dem Versuche sich immer wieder erheben werde den Weltlauf zu verstehen und ihn nicht blos zu be - rechnen , so ist zu sagen: könnten wir ihn nur erst berechnen! dann würden wir gewiss ihn auch verstehen , soweit überhaupt ein Ver - ständniss auf Erden erzielbar.

ε3) Den Begriffen wird ihre Bildungsweise vorgeschrieben durch das Urteil . Durch das Urteil wird ausnahmslos einem Subjekte ein Prädikat beigelegt, zugeschrieben oder aber abgesprochen.

Für die komplizirteren Fälle, in welchen das Urteil sich aus Teilsätzen zusammensetzt, die durch Konjunktionen verbunden sind, behalten wir uns vor, dies in der Theorie erst genauer darzulegen; in solchen ist das Sub - jekt selbst ein Urteil, eine Aussage. In den einfacheren Fällen treten zu - meist anderweitige Objekte des Denkens als Subjekt auf.

Dies Subjekt ist entweder ein Einzelding und als solches ohne - hin ein Begriff oder es ist eine Klasse von Einzeldingen, und auch diese erscheint gewöhnlich zusammengehalten und bestimmt durch das Band eines ihre Individuen verknüpfenden Begriffes. Das Urteil be - jaht dann, oder verneint, das Prädikat von allen Individuen dieser Klasse und damit zugleich von ihrem Begriffe.

106Einleitung.

Soferne das Urteil anerkannt, zur Uberzeugung erhoben, adoptirt wird und dies zu werden ist der letzte, der Endzweck aller Urteile, welcher nur vorübergehend durch den mittelbaren Zweck einer blos provisorischen Annahme des Urteils verdrängt zu werden vermag erfüllt es alsdann folgende Mission, Bestimmung.

Sofern es bejahte, begründet es hinfort, wird es zum Ausgangs - punkt für eine Gewöhnung des Geistes, die Merkmalgruppe des Subjektbegriffes (und damit zugleich eines jeden seiner Individuen) stetsfort zu verknüpfen mit den Merkmalen des Prädikatbegriffes, die letztere geradezu in den Subjektbegriff selbst aufzunehmen und als einen integrirenden Bestandteil seines Inhaltes mit diesem zu ver - schmelzen.

War solche mentale Gewöhnung schon ehe das Urteil fiel vor - handen, so erscheint dasselbe als überflüssig, oder es dient doch nur dazu, gedachte Gewöhnung zum Bewusstsein zu bringen, in diesem wieder aufzufrischen und zu festigen.

Sofern das Urteil verneinte, beugt es jedenfalls der genannten durch - gängigen Verknüpfung vor.

Im übrigen lässt der Sinn und die Tragweite der sog. verneinenden Urteile verschiedene Auffassungen zu (als negativ prädizirende oder aber negative), in Bezug auf welche ich mich in Gegensatz zu Sigwart werde stellen müssen. Die Kontroversen können nicht kurzerhand vorweg abge - macht werden und ist in ihrem Betreff auf die Theorie (7te Vorlesung) zu verweisen. Es wird sich zeigen, dass, was wir um den streitigen Fragen hier noch auszuweichen nunmehr im Hinblick auf die bejahenden Urteile sagen werden, sich auch auf die verneinenden übertragen lässt.

Das Prädikat ist selbst ein Begriff. Und dieser ist, wenn nicht mit dem Subjektsbegriffe identisch , so allemal ein höherer Begriff, die Prädikatklasse dann der Subjektklasse übergeordnet .

Psychologisch jedoch ist es nicht erforderlich das Prädikat über - haupt als eine Klasse zu denken.

Wenn ich z. B. sage (cf. Mill2 pag. 113, 117) Schnee ist weiss , so will ich dies von irgend welchem, von allem Schnee gesagt haben, und ist es richtig, dass aller Schnee enthalten ist in der Klasse der weiss zu nennenden Dinge. Thatsächlich brauche ich aber bei jener Aussage an sonst nichts Weisses zu denken und will ich in der That damit nur kund - geben, dass in meiner Vorstellung vom Schnee das Merkmal der Weisse ein Element bildet, dass er mir die Empfindung erregt, die (durch Ab - straktion von irgend welchen weissen Dingen gewonnen) als die Vorstellung von weiss ein isolirter und bleibender Besitz meines Geistes geworden ist. Die analoge Betrachtung in Bezug auf den Satz: Blut ist nicht weiss (sondern rot) durchzuführen überlassen wir dem Leser.

Wir heben dies ausdrücklich hervor, um uns gegen den Vorwurf107Einleitung.zu verwahren, als ob wir den Umstand übersehen hätten, wenn wir späterhin aus Gründen wissenschaftlicher Zweckmässigkeit auf das Verhältniss zwischen der Subjekt - und der Prädikatklasse vorwiegend reflektiren, die beiden Begriffe gleichwol nach ihren Umfangsbeziehungen ins Auge fassen.

Aus alledem wird zunächst ersichtlich sein, wie die Urteile be - zwecken, auf die (definitive) Gestaltung der Begriffe hinzuarbeiten und einzuwirken.

Ich will nunmehr noch den Gedankengang Herrn Charles S. Peirce's darlegen, durch welchen er in der Einleitung zu seiner grundlegenden Arbeit5 das Wesen der Urteile und auch der Schlüsse von einer neuen Seite beleuchtet. Damit werden wir dann auch auf die Frage nach dem Wesen der Folgerichtigkeit der letztern zurück - kommen. Indem ich hinsichtlich des Wortlautes auf pag. 15 sqq. der Peirce'schen Schrift verweise, darf ich mich seiner Betrachtungsweise in freier Reproduktion anschliessen und mir auch kritische Zwischen - und Zusatzbemerkungen gestatten.

ζ3) Denken sagt Peirce ungefähr Denken als Gehirnthätig - keit ( cerebration ) ist ohne Zweifel den allgemeinen Gesetzen der Nerventhätigkeit (nervous action) unterworfen.

Es erscheint darum gerechtfertigt, zunächst einmal die letztere im allgemeinen zu betrachten.

Wenn eine Gruppe von Nerven gereizt (erregt, stimulirt) wird, so werden die Nervenknoten (Ganglien), mit denen die Gruppe im engsten Zusammenhange steht, und schliesslich das Centralorgan des Geistes selbst in einen Zustand der Thätigkeit versetzt, wel - cher seinerseits nicht selten Bewegungen des Körpers veranlasst. *)Man denke z. B. an das Hinblicken auf eine auffallende (Licht -) Erschei - nung im Gesichtsfelde, an das Blinzeln, Ausweichen bei drohendem Stoss, das Schlagen nach dem Insekt bei Mosquitostich und dergleichen.Wenn der Reiz (the stimulation) fortdauert, verbreitet sich die Er - regung (irritation) von Ganglion zu Ganglion, gewöhnlich dabei an - wachsend. Bald auch beginnen die zuerst erregten (excitirten) Nerven Ermüdung zu zeigen, und so ist aus doppeltem Grunde die körperliche Thätigkeit von einer wechselnden Art. Wenn die Reizung beseitigt wird, hört auch meist die Erregung rasch auf.

Aus diesen Thatsachen geht hervor, dass wenn ein Nerv affizirt wird solange bis die Stimulation unangenehm wirkt die Reflex - thätigkeit, wenn sie nicht von vornherein von solcher Art ist, den108Einleitung.Reiz zu beseitigen, ihren Charakter wieder und wieder verändern wird, bis der Reiz beseitigt ist, und darnach erst wird diese Thätigkeit aufhören.

Nun haben alle Lebensprozesse eine Tendenz und die Fähigkeit durch Wiederholung (repetition) leichter zu werden innerhalb ge - wisser Grenzen wenigstens, deren Überschreitung als Übermüdung, Überanstrengung, beziehungsweise Altersabnahme und - schwäche zu bezeichnen wäre. Längs was immer für einem Pfade eine nervöse Entladung (a nervous discharge) einmal gegangen ist, längs ebendieses Pfades wird eine neue der vorigen gleichartige Entladung um so leichter und wahrscheinlicher wieder stattfinden. Es beruht auf dieser allbekannten Thatsache der Nutzen und Erfolg der Übung.

Demgemäss wenn eine Nervenerregung wiederholt wird, so sind alle die verschiedenen Thätigkeiten, welche bei vorhergegangenen ähn - lichen Veranlassungen stattgefunden haben, in der günstigeren Lage, auch jetzt wieder stattzufinden, und zwar werden diejenigen am ehesten wieder eintreten, welche am häufigsten stattgefunden haben bei jenen vorausgegangenen Veranlassungen. Nun mögen die verschiedenen Handlungen, welche die Reizung nicht beseitigten, vorher manchmal ausgeführt worden sein und manchmal nicht; aber diejenige That, welche die Reizung beseitigt, muss am häufigsten ausgeführt worden sein, weil die Einwirkung in der Regel fortgedauert haben wird bis sie vollzogen wurde. *)Es dürfte fraglich erscheinen, ob wirklich der angeführte Grund der aus - schlaggebende ist, ob nicht vielmehr das Residuum, welches die vorangegangnen Erlebnisse, in Gestalt der Erinnerung an die früher erfolgreich gewesene Thätig - keit, im Geist und seinem Organe hinterlassen, dabei wesentlich mitwirkt (unter der Konkurrenz einer Gewohnheit, als vergeblich Erkanntes nicht wieder zu versuchen).Darum muss eine starke Gewöhnung daran, der gegebenen Reizung auf diese besondre Weise zu begegnen, rasch sich ausbilden.

Eine so erworbene Gewohnheit kann auch als eine Disposition, eine Anlage zu ihrer Ebenfallserwerbung weiter vererbt werden sagt Peirce ungefähr; dies dürfte jedoch als eine von der Physiologie noch nicht völlig entschiedene Frage zu bezeichnen sein und wird bekanntlich solches von einer Autorität wie die des Herrn Weismann entschiedenst bestritten.

η3) Zu unsern wichtigsten Gewohnheiten gehören diejenigen, kraft deren gewisse Klassen von Antrieben oder Reizungen uns zuerst in eine blos geistige, physiologisch betrachtet, blos cerebrale oder Hirn - thätigkeit versetzen.

109Einleitung.

Der Anblick eines hübschen Gegenstandes z. B. mag den Wunsch er - zeugen, denselben zu besitzen, welcher in dem Vorsatz gipfelt, bei nächster Gelegenheit sich seinesgleichen zu kaufen.

Sehr oft aber ist es auch nicht eine äussere Empfindung, ein Sinneseindruck (an outward sensation), welcher den Gedankengang in Fluss bringt (which starts the train of thought), sondern die Reizung, statt peripherisch zu sein, ist visceral (aus den Eingeweiden, aus dem Innern des Leibes stammend).

So wenigstens Peirce. Für diese für ihn charakteristische Ausdrucks - weise scheint mir aber eine Modifikation wünschenswert zu sein. Gemein - hin möchte man wol die eigentlich oder im engeren Sinne visceralen Reize wie Hunger, Geschlechtstrieb, Kopfweh mitsamt den periphe - rischen Sinneseindrücken als physische Antriebe gegenüberstellen den psy - chischen, von denen Peirce nunmehr reden will, im Hinblick wenigstens auf die Hirnthätigkeit, die sie begleitet.

Solche Antriebe zu Denkhandlungen oder wirklichen Thaten, wie sie als Hass, Liebe, Furcht etc. und namentlich, durch den Stand unsrer Ein - sicht bedingt, als Beweggründe (Motive) mannigfachster Art, wie Eigen - nutz, Selbstsucht, Pflichtgefühl, Gemeinsinn, in unserm Bewusstsein existiren, zu den visceralen (vielleicht Unterabteilung der grosshirnig-cerebralen) Reizungen zu rechnen, dürfte doch etwas gewagt erscheinen und überhaupt nur angängig sein, sofern man einseitig lediglich die Zustände oder Vor - gänge in's Auge fasst, welche im (als wirklich supponirten) Nervensystem den Bewusstseinsvorgängen nach heutigem Stand der Physiologie parallel gehen. Hierauf allerdings hat Peirce von vornherein schon hin - gewiesen durch die Bemerkung, dass er das Denken (nur) as cerebration betrachten wolle. Nunmehr fährt er fort:

In solchem Falle hat die Thätigkeit in der Hauptsache denselben Charakter: eine innere Thätigkeit beseitigt die innere Reizung. Eine vorgestellte Konjunktur von Umständen veranlasst uns dazu, eine ge - eignete Richtschnur des Handelns (line of action) vorzustellen.

Man findet, dass solche Vorkommnisse, auch wenn keine äussere Handlung eintritt, doch in hohem Maasse dazu beitragen, dass in uns eine Neigung, Gewohnheit sich ausbilde, wirklich auf die vorgestellte Weise zu handeln, wenn die vorgestellte Gelegenheit annähernd eintritt.

Eine cerebrale Gewöhnung (Gewohnheit? cerebral habit ) der höchsten Art, welche für eine unabsehbare Reihe von Gelegenheiten bestimmen wird, sowol, was wir in Gedanken, als was wir in Wirk - lichkeit thun, wird ein Glaube genannt.

Peirce sagt durchweg belief , nicht Überzeugung, conviction, oder Meinung, Ansicht, opinion, view. Wegen der Schwierigkeit, die spezifisch religiöse Nebenbedeutung ( faith ), mit welcher (im Deutschen) das Wort Glaube behaftet erscheint, nicht unnötig in den Vordergrund treten zu110Einleitung.lassen, würde ich das Wort Überzeugung vorziehen, wenn nicht dieses seinerseits wieder eine zu enge Bedeutung hätte, indem es auf ein schon ganz feststehendes, über jedes Zweifeln erhabenes Glauben hinzuweisen pflegt. Das Wort ein Glaube soll hier nur irgend etwas, was jemand eben glaubt, bezeichnen.

Bringen wir es uns zum Bewusstsein, dass wir eine spezielle Gewöhnung (specified habit) dieser Art haben, so vollziehen wir ein Urteil (judgment).

Unter Umständen möchte ich vorziehn zu sagen: dass wir sie er - werben, sie begründen oder fortan haben werden. Indessen hat Herrn Peirce's Ausdrucksweise hier den Vorzug, für alle Fälle wenigstens zuzu - treffen, wenn sie dafür auch nicht alles erschöpfen dürfte, was im Urteil liegen kann.

Zum Beispiel: schliessen wir uns dem Urteil an: der Mars ist von intelligenten Wesen bewohnt (wie dies neuerdings sehr wahrscheinlich geworden ist), so konstatiren wir (für uns und Diejenigen, die wir etwa durch den Hinweis auf die schnurgeraden Kanäle von Sciaparelli's areo - graphischer Karte ebendavon überzeugen oder überreden) eventuell be - beginnen und festigen, gewinnen wir damit eine Gewohnheit, die Oberfläche jenes (die Erde an Alter wol weit übertreffenden) Planeten belebt zu denken mit Wesen, die auf die Umgestaltung dieser Oberfläche, ja auf die Konfiguration des Festlandes dortselbst zweckbewusst und mit erfolg - reicher Technik einwirkten.

Es tritt, wie mir scheint, auf diesem, dem intellektuellen Gebiete die merkwürdige Thatsache hervor, dass oft ein Augenblick schon genügt (ein Augenblick, nämlich, des Einleuchtens ), um die allerfestesten und uner - schütterlichsten Gewohnheiten sich anzueignen, Gewohnheiten, die nicht selten mit äusserster Zähigkeit für's ganze Leben festgehalten werden.

Die Kraft, mit welcher eine Überzeugung so als eine Denkgewohnheit festgehalten wird, pflegt mehr oder minder vollkommen die reichliche Übung zu ersetzen, die sonst auf dem Gebiet der äusseren körperlichen Thätig - keiten wenigstens und auch bei vorwiegend mechanischem Auswendiglernen unerlässlich scheint zur Erwerbung und Festigung einer Gewohnheit. Die Intensität dieser Kraft erscheint mitbedingt durch den Grad der Evi - denz; sie steigert sich nach Maassgabe, je deutlicher wir (einmal oder zu immer wiederholten malen) das im Urteil Gedachte als ein durch objektive Notwendigkeit zu denken Gebotenes zu erkennen glauben. Bei den un - mittelbar einleuchtenden, analytischen oder selbstverständlichen Wahr - heiten ist die Tyrannei dieser Gewohnheit eine so grosse, dass man von vorn - herein gar nicht anders kann, als derselben huldigen. Der Begriff der Gewohnheit erhält in solchem Falle einen volleren Inhalt als gewöhnlich, den reichsten wol, der überhaupt ihm zukommen kann: sie artet in einen Grenzfall aus und fällt geradezu zusammen mit einem absoluten Zwange (der Denknotwendigkeit ).

Eine Denkgewohnheit kann natürlich auch verhältnissmässig unwichtig und kurzlebig sein. Wer z. B. urteilt: ich bin hungrig , manifestirt damit eine Gewohnheit, sich, sooft er an seinen gegenwärtigen Zustand zurück -111Einleitung.denken mag, von Hungergefühl befallen zu denken eine Gewohnheit indess, die meistens wieder verloren gehen wird, sobald darnach Sättigung stattgefunden.

In den meisten Fällen möchte das, was Peirce hier als das Bewusst - werden und den Anfang einer Denkgewohnheit hinstellt, vielleicht treffender als das Innewerden einer permanenten Neigung (wo nicht subjektiven Not - wendigkeit) des Denkens bezeichnet werden. Doch mögen wir nach dem Billigkeitsanspruche sit venia verbo das Wort Gewohnheit immerhin cum grano salis beibehalten.

ϑ3) Eine Glaubensgewohnheit (belief-habit) kann in ihrer Ent - wickelung damit beginnen, noch unentschieden, schwankend und schwach zu sein; sie vermag jedoch unbeschränkt zu werden: schärfer aus - geprägt, stärker und von weiterer Sphäre der Wirksamkeit Peirce lässt sie anfangs unbestimmt, mit Besonderheiten behaftet und dürftig (vague, special and meagre) sein, hernach präziser, allgemeiner und vollständiger (more full) werden.

Der Vorgang dieser Entwickelung, soweit er im Bewusstsein (in imagination) stattfindet, heisst Denken (thought).

Urteile werden gebildet, und unter dem Einfluss einer Glaubens - gewohnheit erzeugen sie oft ein neues Urteil, welches als ein Zuwachs zu dem Glauben erscheint. Ein solcher Vorgang wird Schliessen (an inference) genannt.

Das oder die vorangegangenen Urteile heissen die Voraussetzungen oder Prämissen, das nachfolgende Urteil der Schluss, die Konklusion.

Die Gewohnheit des Denkens, welche den Übergang von den ersten zu der letzten vermittelte und bestimmte, wenn als Satz formu - lirt zum Bewusstsein gebracht, heisst das leitende Prinzip (the lea - ding principle) des Schliessens. (Beispiele weiter unten.)

Während aber dieser Prozess des Schliessens oder die spontane Entwickelung von Überzeugungen (des Glaubens ) fast beständig in uns vorgeht, erzeugen auch neue peripherische Reizungen immerfort neue Glaubensgewohnheiten.

Für unsre Kulturepoche glaube ich als einen höchst wesentlichen Teil dieser neuen Anregungen die durch Beispiel, Unterricht, Wort, Schrift, Druck und Bild bewirkte Mitteilung resp. Übertragung der Ansichten und Überzeugungen andrer Menschen, von Sachverständigen, Fachgenossen etc. doch ganz besonders hervorheben zu sollen.

So wird der Glaube (das Glauben) zum Teil durch frühere Über - zeugungen bestimmt, zum Teil durch neue Wahrnehmungen.

Herrscht nun aber eine Gesetzmässigkeit in allen diesen Wand - lungen?

112Einleitung.

Die Forschung besteht darauf (maintains), dass dies der Fall ist, nämlich dass sie alle hinsteuern auf ein Endziel (gerichtet, angepasst sind, are adapted to an end), nämlich das: den Glauben mit der Zeit gewissen vorbestimmten Erkenntnissen entgegenzuführen (that of carrying belief, in the long run, toward certain predestinate conclu - sions), welche die nämlichen sind für alle Menschen und welche bleiben.

Dies ist der Glaube (the faith) des Forschers.

Auf dieser stillschweigend angenommenen Thatsache beruhen alle Maximen des Überlegens (maxims of reasoning) und auf Grund der - selben wird das, was zuletzt geglaubt werden muss, unabhängig sein von dem, was bisher geglaubt worden ist, und wird den Charakter der Wahrheit (reality) haben.

Kommt diese Wahrheit auch für den Einzelnen vielfach noch nicht zum Durchbruch, so wird sie doch (mehr und mehr auf jedem Gebiete) einst ihre Herrschaft entfalten für das Geschlecht. Der Glaube an ihre Erkennbarkeit, an ihren endlichen und definitiven (endgültigen) Sieg oder Triumph, liegt ganz gewiss der Forschung zugrunde und an der Verwirk - lichung dieses Ideals mitzuarbeiten schwebt jedem Forscher vor.

Diesen Glauben nimmt nun Peirce auch für den Logiker in Anspruch (dem Wortlaute nach sogar nur für diesen) und sagt:

Wenn darum eine gegebene Gewohnheit des Folgerns (a given habit, considered as determining an inference) von solcher Art ist, dass sie auf das gemeinsame Endziel hinwirkt (is of such a sort, as to tend toward the final result), so ist sie korrekt und andernfalles nicht. So zerfallen die Schlussfolgerungen (inferences become divisible) in gültige (the valid) und in ungültige (the invalid), und daraus schöpft die Logik ihre Existenzberechtigung.

Man sieht, dass hier Peirce dem Ergebnisse der Erkenntnisstheorie sozusagen teleologisch vorgreift.

Da nun diese Auffassung der Folgerichtigkeit die Ergänzung, deren sie bedürftig erscheint, durch Sigwart bereits gefunden hat vergl. unter A der Einleitung die Absätze β) und ξ ι) so glauben wir der Auseinandersetzung nach dieser Richtung nichts mehr hinzufügen zu sollen.

ι3) Das Eigentümliche und Verdienstliche an dieser den Kern der Sache jedenfalls nahe streifenden Auseinandersetzung von Peirce scheint mir zu sein: die nachdrückliche Hervorhebung des Moments der Gewohnheit in Bezug auf das Urteilen (mit Überzeugung, das Glauben) sowol, wie auf das Folgern oder Schliessen.

Ein spezielles, individuelles Handeln kann niemals selbst als eine Gewohnheit bezeichnet werden; es kann, als ein einmaliges, höchstens zum Ausgangspunkt für eine solche werden oder ein Ausfluss einer113Einleitung.solchen sein. Gewohnheit (und Neigung, Disposition) ist etwas Gemein - sames, übereinstimmend Wirkendes in einer ganzen Klasse von Hand - lungen (die, sofern sie auch bei verschiedenen handelnden Personen verglichen werden, sogar unbegrenzt, eine offene Klasse sein mag und in Bezug auf den Einzelnen die gleiche Bezeichnung nur insofern nicht verdienen wird, als das Leben desselben eine unbegrenzte Menge von Handlungen überhaupt nicht in sich fassen kann); die Gewohn - heit ist immer von einem mehr oder weniger allgemeinen Charakter.

Eine Gewohnheit veranlasst uns, unter ähnlichen Umständen auch immer ähnlich zu handeln, d. h. unter Umständen, die einander in einer bestimmten Hinsicht gleichen, stets Handlungen zu vollziehen, die wiederum in bestimmter (vielleicht in einer ganz andern) Hinsicht einander gleichen. Die zeitliche Succession der übereinstimmenden Merkmale jener Umstände und dieser Handlungen, wenn aus einem physiologischen Grunde erfolgend (und zugleich vielleicht durch ein psychologisches Motiv verursacht), macht das Wesen der Gewohn - heit aus.

In den verschiedenen Fällen, in denen dieselbe Gewohnheit wirk - sam ist, werden darnach die spezifischen Differenzen zwischen den Gruppen jener Umstände sowol als auch zwischen diesen Handlungen nebensächlich, ohne Belang sein.

Gelingt es, die übereinstimmenden Merkmale (eventuell auch nur wesentliche von diesen Merkmalen) jener Umstände und dieser Hand - lungen in Zeichen darzustellen, bei denen jene spezifischen Differenzen unausgedrückt bleiben, offen gelassen werden m. a. W. vermögen wir nur den Begriff der Umstände, unter welchen gedachte Gewohn - heit wirkt, und den Begriff der Handlungen, die sie dann hervor - ruft, darzustellen, so werden wir ein Schema für die Gewohnheit er - halten: sooft Umstände (von den Merkmalen) A eintreten, thun wir B (vollziehen eine Handlung von den Merkmalen B).

Jede Gewohnheit muss so ein allgemeines Schema haben.

Als Umstände haben wir jetzt hauptsächlich Zustände des Bewusst - seins und zwar besonders Meinungen, als Handlungen ebenso vorzugs - weise Denkhandlungen, die Bildung neuer Meinungen im Auge.

Es wurde erkannt, dass solche Meinungen wesentlich selbst schon Gewohnheiten im Denken sind oder zu solchen werden.

ϰ3) Aus solchen, den Prämissen p kann sich eine neue Denk - gewohnheit und Meinung entwickeln: die Konklusion c. (Vergleiche wieder Peirce l. c.)

Schröder, Algebra der Logik. 8114Einleitung.

Es gilt p, ergo gilt auch c , oder abgekürzt: p, ergo c ist darum das Schema jeder Folgerung.

Die Konjunktion ergo, folglich, also (therefore) ist das Zeichen des Schliessens (sign of illation).

Der Übergang von der Prämisse (oder dem System der Prämissen, set of premises) p zu der Konklusion c findet beim Schliessen statt gemäss einer in uns wirksamen Denkgewohnheit oder Regel.

Obwol diese das Folgern beherrschende oder leitende Gewohn - heit gewöhnlich nicht vom Bewusstsein objektivirt wird (is not present to the mind), sind wir uns doch bewusst, nach einem allgemeinen Prinzip (on some general principle) zu schliessen.

Alle Schlussfolgerungen, welche ebendiese Denkgewohnheit be - stimmen würde sobald nur die geeigneten (d. i. die unter den ersten Teil ihres Schemas fallenden) Prämissen zugelassen wären (when once the proper premises were admitted), bilden eine Klasse. Und die Denkgewohnheit ist vom Standpunkt der Logik eine gute zu nennen, wenn sie niemals (oder im Falle eines Schlusses nach der Wahr - scheinlichkeit, in case of probable inference, selten) von einer wahren Prämisse zu einer falschen Konklusion führen würde; andernfalles ist sie verwerflich (logically bad). M. a. W. Jeder denkbare Fall der Wirksamkeit einer guten Gewohnheit des Schliessens würde entweder ein solcher sein, in welchem die Prämisse falsch, oder ein solcher, in welchem die Konklusion wahr ist. Wogegen, wenn eine solche Ge - wohnheit schlecht ist, Fälle denkbar sein würden, in welchen die Prämisse wahr ist, während die Konklusion falsch bleibt.

Wir sahen, dass eine jede Gewohnheit ein allgemeines Schema haben muss. Dies gilt mithin auch von einer Denkgewohnheit, welche beim Folgern wirksam ist, das Ziehen von Schlüssen beherrscht: die - selbe wird sich allemal durch einen Satz darstellen lassen, dass ein Urteil (proposition) C von einer gewissen allgemeinen Form, welches in einer bestimmten Beziehung steht zu einem Urteil (oder einer Gruppe von Urteilen) P von ebenfalls allgemeinem oder schematischem Ausdruck, wahr sein muss, sobald dieses letztere wahr ist.

Ein solcher Satz ist dann das leitende Prinzip der Klasse von Schlussfolgerungen, deren Gültigkeit (validity) es in sich schliesst (implies).

Wird der Schluss erstmalig gezogen, so pflegt (wie schon an - gedeutet) das leitende Prinzip, solchergestalt formulirt, dem Geiste115Einleitung.nicht gegenwärtig zu sein. Aber die Gewohnheit, deren Schema es darstellt, ist in einer solchen Weise wirksam, dass bei Vergegen - wärtigung (upon contemplating) der angenommenen (believed) Prä - missen durch eine Art Intuition (Wahrnehmung, perception) auch die Konklusion für wahr erachtet wird.

Mit diesen Worten by a sort of perception beruft sich auch Peirce auf das von Sigwart mit Recht stärker hervorgehobene, ja in den Vorder - grund gestellte Bewusstsein der objektiven Denknotwendigkeit oder Gefühl der Evidenz.

Wenn hernach die Schlussfolgerung einer logischen Kritik unter - worfen wird, so vollziehen wir eine neue Schlussfolgerung, deren eine Prämisse jenes leitende Prinzip der vorigen ist (gemäss welcher Ur - teile, die in bestimmter Beziehung zu einander stehen, geeignet er - scheinen, Prämisse und Konklusion eines gültigen Schlusses zu sein), während die andere Prämisse eine Thatsache der Wahrnehmung (ob - servation) ist, nämlich der Beobachtung, dass die genannte (gegebene) Beziehung wirklich besteht zwischen der Prämisse und der Konklusion der in Frage (under criticism) stehenden Schlussfolgerung, dass m. a. W. das Schema jenes leitenden Prinzips im vorliegenden Falle zutrifft, und woraus dann geschlossen wird, dass diese Folgerung berechtigt, gültig war.

Ein Beispiel, an das wir noch weitere Unterscheidungen anknüpfen, mag dies verdeutlichen. Wir wählen hier das folgende (obzwar sehr abgedroschene, weil fast in allen Schriften über Logik einmal erwähnte):

Cajus ist ein Mensch,a ist ein b,
ergo: Cajus ist sterblich.ergo: a ist c.

Das rechts dem Schlusse beigefügte Schema desselben zeigt, dass ihm (so wie er zunächst sich darstellt) logische Gültigkeit nicht zukommen kann. Es kann nicht eine (gute) Denkgewohnheit uns von einer Prämisse der Form a ist ein b hinüberleiten zu einer Kon - klusion a ist c .

Dass vielmehr eine solche Gewohnheit, falls sie überhaupt bestünde, eine schlechte sein müsste, wäre leicht an beliebigen Beispielen darzuthun: indem wir dem a dieselbe Bedeutung Cajus , dem b die Mensch wie in dem Beispiel belassen, brauchen wir etwa nur dem c die Bedeutung un - sterblich (oder vollkommen und anderes) beizulegen, um die Haltlosig - keit des Schlusses zu erkennen. Die Folgerung wäre alsdann eine solche, deren Prämisse wir als richtig, deren Konklusion wir aber als falsch (mit einer gewissen Denknotwendigkeit) anerkennen müssen.

Gleichwol lässt sich die obige Konklusion sowol, als die Prämisse,8*116Einleitung.für richtig erklären, und die Schlussfolgerung besitzt darum das, was man die extralogische Gültigkeit derselben nennen könnte: sie ist materiell (aber nicht formell ) richtig.

Von der angeführten Prämisse allein konnte, wie gezeigt, eine Denknotwendigkeit die Konklusion hier nicht liefern. Da diese letztere aber richtig ist, so kann es dennoch eine gute Denkgewohnheit ge - wesen sein, die zu ihr hinführte (auch eine, die vom Gefühl der Denk - notwendigkeit begleitet sein mag), aber dann von andern Prämissen aus, nämlich von einer Gruppe solcher, die aus der angegebenen durch geeignete Ergänzung, Vermehrung hervorgehen.

Thatsächlich wirkte bei obigem Schlusse noch etwas, eine Denk - gewohnheit, mit, die uns zur richtigen Konklusion leitete, indessen als Prämisse unausgesprochen blieb. Man kann den Schluss gelten lassen als einen unvollständigen, als ein sog. Enthymem . *)Es gibt auch Grenzfälle von Enthymemen, wo dieser Name sich als nicht mehr angemessen beanstanden lässt. Solche treten ein, wenn die ausdrücklich angeführte Prämisse (oder eine derselben) sogar als völlig belanglos, überflüssig zu erkennen ist, wenn man etwa die sämtlichen wirklich wirksamen Prämissen mit Stillschweigen übergangen findet. So z. B. bei dem auch materiell wenigstens richtigen Schlusse (?): Vorgestern regnete es irgendwo ergo: geht morgen die Sonne auf. Die wirksamen Prämissen dieses Enthymems falls man es noch so nennen will würden etwa sein: Jeden Tag geht (in unsern Breiten) die Sonne auf; Morgen ist auch ein Tag. Man wird in solchem Falle sagen, dass das Wort ergo am unrechten Platze sei, und gar kein Schluss vorliege, sondern nur eine Reihe von ausser Zusammenhang stehenden Behauptungen.

In Enthymemen wird im gemeinen Leben sehr häufig geschlossen, wobei dem Verfahren die Tendenz der Abkürzung und die Höflichkeit zu - grunde liegt, bei dem Hörer, dem man die erforderliche mentale Ergänzung des Schlusses zuschiebt, auch selbstthätige denkende Mitwirkung voraus - zusetzen.

Bringen wir uns dieses (anfänglich eventuell unbewusst gebliebene) Agens zum Bewusstsein, so finden wir, dass es die Überzeugung war, dass alle Menschen sterblich seien.

Dieser Glaube, selbst eine Denkgewohnheit, wird von Peirce geradezu als das leitende Prinzip des vorliegenden Enthymems hin - gestellt mit einer gewissen Berechtigung vielleicht, obwol nicht in dem sonst üblichen Sinne.

Fügen wir denselben ausdrücklich, als Urteil gefasst, der bis -117Einleitung.herigen Prämisse hinzu, reihen wir dieses Urteil in unsre Prämissen ein, so lautet der Schluss nunmehr:

Alle Menschen sind sterblich, Cajus ist ein Mensch,
  • Schema: P)
    • Alle b sind c,
    • a ist ein b,
ergo: Cajus ist sterblich.ergo C): a ist c.

Der so vervollständigte Schluss besitzt nunmehr auch logische Gültigkeit; er ist auch formell richtig und zur Bekräftigung dessen vermögen wir uns nur darauf zu berufen, dass auch sein allgemeines Schema (unmittelbar) einleuchtet. Aus diesem Grunde ist der Schluss nunmehr auch ein vollständiger (a complete argument).

Bringen wir uns noch das leitende Prinzip dieses Schlusses zum Bewusstsein, so werden wir, die Aufgabe etwa von der psychologischen Seite angreifend, vielleicht finden, dass es die Überzeugung ist: dass ein Merkmal des Merkmals eines Dinges auch ein Merkmal dieses Dinges selbst sein müsse. Wir haben dann den Schluss: Nota notae est nota rei ipsius, Sterblichkeit ist ein Merkmal der Menschennatur, welche Merkmal des Cajus ist, ergo: Sterblichkeit ist ein Merkmal des Cajus.

Aber dieses selbe Prinzip des nota notae etc. ist wiederum wirksam beim Ziehen dieser letzteren Schlussfolgerung, sodass dieselbe durchaus nicht vollständiger ist als die vorhergehende. Auch hat sie das gleiche Schema wie diese.

Die in diesem Schema niedergelegte (formulirte, in dasselbe ein - gekleidete) Denkgewohnheit mögen wir als das leitende Prinzip selbst hinstellen.

Das Schema des Schlusses erhält man, indem man die Namen der speziellen Dinge, von welchen die Schlussfolgerung spricht, durch Symbole von allgemeiner Bedeutung, Buchstaben, ersetzt, für diese aber alle Beziehungen, welche die Schlussglieder (Prämissen und Konklusion) von jenen Dingen ausdrücklich voraussetzten oder behaupteten, ent - sprechend zum Ausdruck bringt.

Aus obigen Betrachtungen erhellte auch, dass man, um eine viel - leicht materiell richtige Schlussfolgerung als eine dennoch unberech - tigte zu erkennen, sie als logisch ungültig nachzuweisen, nur zu ihrem Schema ein Beispiel zu finden braucht, in welchem die Prämissen als richtig anzuerkennen sind, während die Konklusion sich als falsch er - weist. Auch bei solcher Anerkennung wird an das Gefühl der Evi - denz appellirt. (Vergl. hiezu eine in § 12 gegebene Illustration.)

Kürzer auch mag man direkt jene Namen durch irgend welche andere ersetzen, für die zwar die Prämissen noch zutreffen, die Kon - klusion aber nicht mehr zutreffen würde.

118Einleitung.

Der Mangel oder das Ausbleiben des Gefühles der Evidenz genügt ohne weiteres in der Regel noch nicht zu obigem Zwecke, dem Un - gültigkeitsnachweise für eine gegebene Schlussfolgerung in An - betracht dass man schon bei logisch berechtigten Schlüssen in ver - wickelteren Fällen oft langer Schlussreihen, erst mühsamer Zwischen - überlegungen bedarf, um das Gefühl von der Evidenz der Folgerung, die Überzeugung von ihrer Denknotwendigkeit zu gewinnen.

λ3) Ich habe noch zu erklären, weshalb hier die Logik als eine Algebra dargestellt und in dieser Darstellung berechtigt erscheint, sich im Gegensatz zu andern Behandlungsweisen vorzugsweise das Epitheton einer exakten Logik beizulegen.

In dem Bestreben, die Grundgesetze folgerichtigen Denkens zum Bewusstsein zu bringen und denselben einen allgemeinen, zugleich möglichst einfachen Ausdruck zu geben, hat sich die Logik ursprünglich enge an die Wortsprache angelehnt. Sie musste dieses thun, da ein anderes Mittel des Gedankenausdrucks zunächst überhaupt nicht zu - gebote stand, und sie wird auch in Zukunft fortfahren müssen, bis zu einem gewissen Grade diesen Anschluss zu suchen, nicht nur, weil sie sich dem Anfänger gegenüber stets in der gleichen Lage befindet, sondern auch, weil überhaupt in absehbarer Zeit die Wortsprache immerhin das Hauptmittel des Gedankenausdrucks sowie eine Haupt - form des Gedankenvollzuges bleiben wird. Auch wir werden mit dieser Anlehnung zu beginnen haben (1. Vorlesung).

Nachdem nun aber in Gestalt von so vielen andern Disziplineu das Beispiel vorlag, wie förderlich es ist, sich für bestimmte Unter - suchungsgebiete je eine eigene Zeichensprache zu schaffen und die fundamentalen Sätze dieser Disziplinen, unter Benutzung von Buch - staben als Symbolen, in allgemeine Formeln einzukleiden, hat nach einer langen Zeit verhältnissmässig unfruchtbarer Stagnation auch die Logik einen frischen Aufschwung genommen und sich in schon ziem - lich zahlreichen neueren Bearbeitungen*)Vergl. das Literaturverzeichniss am Schlusse. zu einer eigenen Buchstaben - rechnung, einer Algebra der Logik entwickelt.

In dieser finden nun die Gesetze des folgerichtigen Denkens ihren denkbar schärfsten, kürzesten und übersichtlichsten Ausdruck, in ihr stellen sie sich in der konzisesten und knappsten Gestalt dar. Zugleich befreit uns die neue Zeichensprache von all' den Fesseln, in welche durch die Macht der Gewohnheit die Wortsprache den Menschengeist119Einleitung.geschlagen. Zufolge dieser Vorzüge ist die rechnerische Behandlung der Logik in der Lage, mancherlei Lücken der älteren blos verbalen Behandlungen nachzuweisen und auszufüllen, zuweilen auch Fehler derselben zu berichtigen, darunter solche von grösserer Tragweite, von fundamentaler Bedeutung.

Jener enge Anschluss an die Wortsprache hat nämlich für die älteren Behandlungen der logischen Disziplin erhebliche Gefahren ge - bracht, denen sie auch grossenteils zum Opfer fielen. Auch die ge - bildetsten Kultursprachen haben ja als die Produkte einer von zahl - losen Zufälligkeiten beeinflussten Entwickelung viele und gewichtige Mängel, bestehend vor allem in der Übereinstimmung der üblichen sprachlichen Einkleidungsformen für wesentlich verschiedene Gedanken - beziehungen. Mit der dadurch so oft, ja regelmässig bewirkten Ver - hüllung des wahren Sachverhältnisses war es nahe gelegt, dieses selbst zu verkennen, seinen Unterschied von andern, mittelst gleicher Wort - verbindung ausgedrückten zu übersehen wogegen andrerseits an die Verschiedenheiten zugebote stehender verbaler Ausdrucksformen manch überflüssige Distinktionen geknüpft werden mochten. Der Zweideutig - keiten und Unbestimmtheiten zufolge schwankenden Gebrauches, der unsymmetrischen Einkleidung so vieler symmetrischen Verhältnisse, sowie der empfindlichen Abwesenheit von angemessen kurzen Ausdrucks - formen für manche wesentliche und charakteristisch häufig wieder - kehrende Beziehungen nicht zu gedenken.

Man wird hiefür in dem Buche als solche gekennzeichnete Belege genugsam finden.

Die rechnerische Behandlung der logischen Materie zuerst von Leibniz1 angeregt, dann auch von Lambert2…5 und Ploucquet1 ver - folgt, ist in dem grundlegenden Werke Laws of thought zum ersten - mal durch George Boole4 zu einem in seiner Art nahezu voll - ständigen, auch auf die Lösung von Problemen zugespitzten Systeme ausgebildet worden.

Nahezu vollständig allerdings nur innerhalb jenes schon erwähnten Gebietes, welches, von Peirce als die logic of absolute terms bezeichnet, sich weiterhin von selbst schärfer charakterisiren wird. Wie schon an - gedeutet, beschäftigt sich diese Disziplin nur mit den alleräusserlichsten logischen Aufgaben, welche auch den Tummelplatz der alten Logik bilden, sofern diese etwa in der Lehre von den Syllogismen gipfelte. Naturgemäss muss indess die Erledigung dieser Aufgaben allen feineren Untersuchungen aus der Logik der Beziehungen überhaupt, es muss der logic of relatives die elementarere Disziplin vorangehen, so wie etwa die Geometrie der Mechanik und diese der Elasticitätslehre voraufzugehen hat.

120Einleitung.

Die Anlehnung an das Vorbild eines bereits bekannten Kalkuls, als welcher sich derjenige der arithmetischen vier Spezies naturgemäss in den Vordergrund drängte, hat allerdings auch seinerseits diesem ob zwar genialen und bewunderungswürdigen Systeme gewisse Ubel - stände aufgeprägt, von welchen es jedoch rasch genug durch neuere Bearbeiter gereinigt worden ist.

μ3) Nun aber schien diese neuere Darstellung des gewichtigsten Inhaltsstoffes der (alten) Logik in einer eigenen Zeichensprache, in der Form eines Kalkuls, dem Althergebrachten ganz unvermittelt, schroff gegenüberzustehen. War sie doch auch nicht aus diesem un - mittelbar herausgewachsen, sondern hatte sozusagen einen selbständigen Ursprung: Mathematiker zumeist, nicht Berufsphilosophen, hatten sie aufgebaut.

Kein Wunder, dass dieselbe im andern Lager ungemessenes Be - fremden*)Jenem durch das Vermissen einer Brücke vom Einen zum Andern bedingten Befremden hat beispielsweise Hermann Lotze1 in der Anmerkung über logischen Calcül , durch welche sich die zweite Auflage seiner Logik von der ersten unter - scheidet, in drastischer Weise Ausdruck gegeben vergl. die Schlussworte seiner Anmerkung . erregte, verständnissvollem Entgegenkommen oft nicht be - gegnete, vielmehr manch 'abfällige Beurteilung erfuhr, namentlich ab - seiten Solcher, die überhaupt keinen Kalkul beherrschen.

Zuzugeben ist, dass ein Übergang von dem älteren zum neueren Systeme grösstenteils fehlte, und berechtigt war wenigstens das Ver - langen, dass die Grundlagen des Kalkuls aus den Prinzipien der alten Logik abgeleitet und bewiesen würden wohlbemerkt: soferne dieses möglich ist ein Punkt, auf den ich zurückzukommen habe.

Die vermisste Brücke geschlagen zu haben ist nun das Verdienst der grundlegenden Arbeit5 in Bd. III des American Journ. des Herrn Charles S. Peirce, zu welcher ihm, wie er sagt, Betrachtungen von Augustus de Morgan die Anregung gegeben haben.

Dasjenige vor allem, was uns in dieser Arbeit an Errungenschaften gesichert ist, desgleichen auch, was alsdann noch und zum Teile unter seiner Leitung Herrn Peirce's Schüler hinzugefügt haben, besonders in1, 1 Miss Ladd und Herr Mitchell dieses zunächst habe ich mich bestrebt, in systematischer Darstellung zu einem wissen - schaftlichen Systeme zu vereinigen.

Dass mir dabei nicht blos eine reproduzirende Thätigkeit zufiel, sondern ich auch kritisch und sichtend, lückenergänzend und schliesslich an dem121Einleitung.Gebäude weiterbauend eingreifen durfte, wird schon ein flüchtiger Ver - gleich zeigen.

v3) Einen Unterschied zwischen der hier angestrebten und den früheren Behandlungsweisen der Logik möchte ich noch hervorheben, ohne jemand damit nahe treten zu wollen.

Suchen wir was keine leichte Aufgabe ist die vorgängigen Darstellungen der verbalen Logik zu überblicken, so scheinen dieselben uns stets nur aufzutreten mit einem schon in sich abgeschlossenen, einem fertigen Bestande von Lehren.

Für das richtige Verständniss, mitunter für ganz eigenartige Auf - fassung und Anordnung, für angemessene Wertschätzung und An - wendung ebendieser stereotypen Lehren plädiren solche Werke mit grossem Scharfsinn, oft gewandter Dialektik und mehr oder minder Verdienst und Glück. Mit grossem Verdienst auch pflegen sie den Leser einzuführen in die vorhandenen Streitfragen oder Kontroversen, unhaltbare Ansichten widerlegend, veraltende Distinktionen über Bord werfend und neue einführend, auch einen Einblick in die historischen Wandlungen philosophischer Anschauungsweisen eröffnend. Bald von der allgemein philosophischen und metaphysischen, bald mehr von der psychologischen Seite tragen sie wol Schätzenswertes zu einem Auf - bau der Logik bei.

Was ich aber bei all diesem Anerkennenswerten vermisse ist, dass dabei mir nirgends zutage zu treten scheint, was denn etwa weiter noch zu thun und anzustreben wäre! In fühlbarem Gegensatze zu andern wirklichen Wissenschaften scheint mit der gegebenen Doktrin das Gebäude der logischen Disziplin allemal schon ganz vollendet da - zustehen.

Dagegen wird bei der rechnerischen Behandlung eine unbegrenzte Fülle ganz bestimmter Probleme sich zur Lösung darbieten: auch die Logik erscheint hier alsbald als eine Wissenschaft, die unbegrenzter Weiterentwickelung fähig, und ganz deutlich wird man, denke ich, die Punkte erkennen, wo zunächst die Hebel anzusetzen sind, an welchen fernere Arbeit einzusetzen haben wird, um ein weiteres Fortschreiten zu verwirklichen.

Die Frage, wie nun wol das Verhältniss der verbalen zur rech - nenden Disziplin aufgefasst werden soll, möchte ich dahin beantworten:

Herr Venn1 ist der Ansicht, dass diese nicht bestimmt sei, jene zu verdrängen, sondern vielmehr als ein gewissermassen höherer Teil auf sie zu folgen habe. Hievon bin ich nicht allzuweit entfernt, nur122Einleitung.meine ich, dass diese überdies auf Grund eben ihrer vollkommnen Konsequenz von maassgebendem Einfluss auf die künftige Gestaltung jener werden sollte, im Sinne einer Annäherung, ihrer Anbequemung an sie.

Bei der Fülle von der verbalen Logik fremden, ja unzugänglichen Themata von Untersuchungen, auf die wir hier einzugehen haben, mussten naturgemäss manche verdienstliche Betrachtungen jener hier unberücksichtigt bleiben oder konnten solche nur flüchtig gestreift werden. Sollte in der That Alles, was mir anderwärts von Wert erscheint, hier aufgenommen sein, so müsste ich das Volum des Buches vermehrfacht haben. Es kann deshalb nur wünschenswert genannt werden, dass der Studirende sich auch in der sonstigen zeitgenössischen Logikliteratur thunlichst umsehe, wozu ihm die Literaturangaben in unserm Verzeichnisse sowol als in gelegentlichen Noten Anregung geben und behülflich sein mögen.

ξ3) Zum Schluss der Einleitung noch einige Worte über Wert und Nutzen der Logik überhaupt und damit auch der vorliegenden Studien.

Schon die Logik von Port-Royal1 bemerkt, dass nichts schätzens - werter sei, als der gesunde Verstand und ein zutreffendes Urteil (le bon sens et la justesse de l'esprit) in der Unterscheidung dessen was wahr und was falsch ist. Während alle andern Eigenschaften des Geistes nur beschränkte Anwendungsgebiete besitzen, sei die Genauig - keit der Urteilsfunktion (l'exactitude de la raison) allgemein von Nutzen in allen Lagen und Verrichtungen des Lebens; denn nicht nur in den Wissenschaften, sondern auch bei der grossen Mehrzahl der Gegenstände (sujets), von denen die Menschen reden, und der Geschäfte, die sie treiben, sei es schwierig und von grösster Wichtigkeit, die Wahrheit vom Irrtum zu scheiden eine Aufgabe, die dem Verstand obliege. Man solle deshalb vor allem darauf bedacht nehmen, die eigne Urteilskraft zu entwickeln (de former son jugement). Gewöhn - lich bediene man sich des Verstandes als des Mittels, sich der Wissen - schaften zu bemächtigen, aber man solle eher sich der Wissenschaften als eines Werkzeugs zur Vervollkommnung des Verstandes bedienen, da die Schärfe des letztern ohne Vergleich wertvoller sei als alle auch von den verlässigsten Wissenschaften erschlossenen Kenntnisse.

Und treffend hebt Mill hervor, dass bei weitem der grösste Teil unsres Wissens (allgemeinen sowol wie des besonderen) offenbar aus Folgerungen besteht. Folgerungen zu ziehen sei das grosse Geschäft des Lebens genannt worden. Ein jeder habe täglich, alle Augenblick,123Einleitung.Thatsachen zu prüfen, welche er nicht direkt beobachtet hat (und zwar nicht zu dem allgemeinen Zweck der Vermehrung seines Wissens, son - dern weil die Thatsachen selbst für seine Interessen und Obliegen - heiten von Belang sind). Alle haben gewisse Thatsachen zu bestimmen, sie aus gegebenen Wahrnehmungen oder Data zu schliessen, und dar - aufhin gewisse Regeln (vorschriftsmässig oder nach freiem Ermessen) anzuwenden, und je nachdem sie dies gut oder übel thun, erfüllen sie gut oder schlecht die Pflichten ihres Berufs. Die logik zeige nun aber, welche Beziehungen stattfinden müssen zwischen den Daten und dem was aus ihnen geschlossen oder durch sie bewiesen wer - den kann. Darnach müsse sich in der Wissenschaft sowol, wie bei Führung seiner Geschäfte, ein jeder richten, bei Strafe, falsche Fol - gerungen zu ziehen, welche nicht in der Realität der Dinge be - gründet sind.

Wenn es Regeln gibt, nach welchen sich jeder Verstand in einem jedem Falle, in welchem er richtig geschlossen hat, wissentlich oder unwissentlich richtet, so scheint es kaum nötig, zu erörtern, ob es wahrscheinlicher ist, dass Einer diese Regeln beobachten wird, wenn er sie kennt, als wenn er sie nicht kennt.

Eine Wissenschaft könne ohne Zweifel auf eine gewisse Höhe gebracht werden ohne die Anwendung einer andern Logik als der - jenigen, welche alle Menschen, die einen gesunden Verstand besitzen, im Verlauf ihrer Studien empirisch erlangen. Es gebe aber eine ge - wisse Grenze sowol in Bezug auf das, was die Mechaniker ohne die Grundsätze der Mechanik, als auf das, was die Denker ohne die Grund - sätze der Logik zu leisten vermögen. Wenn mehrere der schwieri - geren Wissenschaften noch in einem so mangelhaften Zustand sind, dass in ihnen nicht allein so wenig bewiesen wird, sondern auch der Streit über das wenige Bewiesene nicht enden zu wollen scheint, so liege der Grund vielleicht darin, dass die logischen Begriffe der Men - schen noch nicht jenen Grad von Ausbildung ( Ausdehnung ) und Ge - nauigkeit erlangt haben, welcher für die Beurteilung der einschlägigen Beweise erforderlich ist

So sehr wir diesen hier im Auszuge wiedergegebenen Ausführungen zustimmen, so möchten wir doch eine andere Rücksichtnahme in den Vordergrund stellen. Wir wünschen die logische Forschung überhaupt nicht vom utilitarischen, geschweige denn von einem kurzsichtig oder engherzig um nicht zu sagen bornirt utilitarischen Standpunkte aus beurteilt zu sehen. So verdiente aber ein Standpunkt genannt zu werden, der das Streben nach Zutageförderung und Erkenntniss der124Einleitung.Wahrheit nur dann als berechtigt anerkennte, wenn dieselbe einen unmittelbaren oder zum voraus schon erkennbaren Nutzen verspricht.

Wir wünschen, dass die Logik unter dem wissenschaftlichen Ge - sichtspunkte betrachtet werde. Höher als jede Aussicht auf etwaigen Nutzen der Disziplin steht uns ihr absoluter Wert als Selbstzweck Wert als im Gegensatz zur Nützlichkeit steht uns die Erfor - schung der für richtiges Schliessen maassgebenden Denkgesetze um ihrer selbst willen. Und welches edlere Ziel könnte sich der Intellekt auch setzen, als das: sich selbst zu erkennen! somit die altehrwürdige Mahnung des Thales, das γνῶϑι σεαυτόν des Weisen von Milet ver - wirklichend.

Nebenbei halten wir ja solches Forschen nach der Wahrheit um ihrer selbst willen auch für diejenige Taktik, die den Forderungen eines vernünftigen, weil hinreichend weit ausschauenden Utilitarismus am besten gerecht werden muss.

Die Geschichte der Wissenschaften zeigt es zur Genüge, wie erst durch dieses freie Walten des Erkenntnisstriebes, durch das reine, von allen Rücksichten des Eigennutzes, ja Nutzerfolges, losgelöste Streben nach Wahrheit, d. i. die Bethätigung eben des wissenschaftlichen Geistes, die allergrössten Entdeckungen ermöglicht wurden.

Wären z. B. nicht Jahrhunderte lang in diesem Geiste die Gesetze jener rätselhaften Kraft erforscht worden, mit welcher geriebener Bern - stein, Harz etc. leichte Körper wie Korkstückchen, Papierschnitzel anzieht, wären sie nicht, wie gesagt, ohne jede Aussicht auf praktische Verwend - barkeit um ihrer selbst willen studirt worden, so würde auch die Ent - deckung des elektrischen Telegraphen unmöglich gewesen sein; als aber jene so unpraktisch sich anlassenden Forschungen weit genug gediehen waren, lag dieselbe auf einmal so nahe, dass Mehrere darauf verfielen, war die Entdeckung unbeschadet des Verdienstes Derer, welche wirklich die letzten Schritte vollführten schon fast von selbst da.

Eine von diesem Geist beseelte Forschung möchten wir als die Hochpraxis bezeichnen gegenüber der nur auf greifbar praktischen Nutzen ausgehenden Niederpraxis. Hier vor allem dürfte es am Platze sein , wie der volkstümliche Ausdruck fordert: den grossen Glauben zu haben und nicht die grosse Eselsmeinung. .

So trivial die obige Wahrheit in den Kreisen, die sich mit ernster Forschung abgeben, im allgemeinen glücklicherweise ist, ist sie doch gerade vonseiten Derer, welche die Logik zu kritisiren liebten, nicht hinlänglich gewürdigt, oft ganz ausser Augen gesetzt worden.

Wir zweifeln nicht, dass jene allgemeine Erfahrungsthatsache, welche als ein Gesetz aus der Geschichte der gesamten Wissenschaften hervorleuchtet, sich einst auch bei der Logik bewahrheiten wird, wo -125Einleitung.fern diese nur erst in den richtigen Bahnen wofern sie nur über - haupt einmal fortschreitet, und nehmen wir das Vorrecht der gänz - lich uninteressirten Forschung, das andern Wissenschaften zugestanden ist, auch für sie in Anspruch.

Gleich andern Wissenschaften dürfte auch die Logik einst ganz Un - geahntes verwirklichen und herbeiführen, dass nebenher in überraschender Weise auch unabsehbare Vorteile erzielt werden. Um nur auf eines hin - zudeuten, so sind seit ihrem jüngsten Aufschwunge bereits drei logical machines neuerdings aufgebaut, die allerdings den ihnen beigelegten Namen noch kaum zu verdienen scheinen, die nämlich mit ihrer Leistungsfähigkeit sich noch auf einer sehr rudimentären Stufe befindlich zeigen wie etwa der Papin'sche Topf gegenüber der Dampfmaschine. In der That aber vermag doch Niemand vorauszusehen, ob nicht schon bald eine Denk - maschine konstruirbar wird, analog oder vollkommner wie die Rechen - maschine, welche dem Menschen einen sehr beträchtlichen Teil ermüdender Denkarbeit fortan abnehmen wird, gleichwie die Dampfmaschine es mit der physischen Arbeit erfolgreich thut.

Freilich darf man die Ernte nicht schon während der Aussaat fordern, und am wenigsten da, wo Bäume gepflanzt werden.

[126]

Erste Vorlesung.

§ 1. Subsumtion.

Hauptmittel des Gedankenausdrucks und eine Hauptform des Ge - dankenvollzuges ist, wie schon gesagt, die Sprache.

Untersuchungen über die Gesetze des Denkens werden wir des - halb naturgemäss damit beginnen, dass wir deren einfachste Bildungen in's Auge fassen. Rein äusserlich betrachtet wären dies allerdings Buchstaben, Silben und Worte die Ergebnisse eines an den sprach - lichen Gebilden vorgenommenen und möglichst weit getriebenen Zer - gliederungsprozesses. In wesentlicher Hinsicht sind es Sätze, welche Aussagen, Urteile, Behauptungen darstellen.

Alles*)Vergl. Sigwart1 p. 9 sq. auf das Erkennen gerichtete Denken vollendet sich näm - lich in Urteilen, die als Sätze innerlich gedacht oder äusserlich aus - gesprochen, in Worte gefasst werden. In Urteilen endigt jede prak - tische Überlegung über Zwecke und Mittel, gipfelt jede Übereinkunft, um sie dreht sich jeder Streit. In die Form von Urteilen kleidet sich der Irrtum, in ihnen auch wird die Erkenntniss der Wahrheit nieder - gelegt; in Urteilen schliesst sich jede Überzeugung ab. Und nur in - sofern sich eine individuelle Überzeugung im Satze ausspricht, kann sie Gegenstand gemeinsamer Betrachtung werden und auf die Aner - kennung vonseiten Aller Anspruch erhebeu. Alle andern sprachlichen Gebilde kommen nur in Betracht als Bestandteile oder Elemente des Satzes, alle andern Geistesthätigkeiten nur als Bedingungen oder Vor - bereitungen, als Begleiterscheinungen und Wirkungen des Urteils.

Beginnen wir sonach damit, die Urteile in's Auge zu fassen, wie sie die Wortsprache als Sätze formulirt! Es muss sich uns hierbei empfehlen, unter Beiseitelassung der zusammengesetzteren, zunächst uns an die einfachsten Arten der Urteile zu halten. Als solche er - scheinen die sogenannten kategorischen Urteile, welche sich dar - stellen in Form eines Satzes, der mit einem Subjekt ein Prädikat verknüpft.

Wie aus der Grammatik bekannt, ist das Subjekt Dasjenige, wor -127§ 1. Subsumtion.über etwas ausgesagt wird, das Prädikat Dasjenige, was von dem Subjekte ausgesagt wird. Die Verbindung zwischen beiden wird sehr häufig durch ein Hülfszeitwort, die Kopula : ist , vermittelt.

Am besten wrden wir unsre Betrachtungen sogleich an ein paar Beispiele anknüpfen und erst nachher zusehen, inwiefern den Bemerkungen, zu welchen uns diese Beispiele Veranlassung geben, allgemeinere Gültigkeit zukommt.

Kategorische Urteile einfachster Art sind beispielsweise die in der Chemie als richtig anerkannten Sätze: (Alles) Gold ist Metall. (Alles) Kochsalz ist Chlornatrium.

An diese schon lassen die für unsre Disziplin fundamentalen Aus - einandersetzungen sich auf das leichteste knüpfen.

Beide Aussagen haben die nämliche Kopula. Als ihre, wie gesagt übereinstimmende, Kopula erscheint die dritte Person singularis des Hülfszeitworts, verbum auxiliare sein , nämlich: das Wörtchen ist , welches, hier wie dort, das zu seiner Linken befindliche Subjekt mit dem rechts von ihm stehenden Prädikate verknüpft.

Gleichwol erscheint die Beziehung, welche zwischen dem Subjekt der Aussage und ihrem Prädikat thatsächlich besteht, in dem ersten Beispiel als eine wesentlich andere, wie in dem zweiten, insofern um - gekehrt Metall nicht immer Gold, dagegen alles Chlornatrium auch Koch - salz ist. Diese Verschiedenheit ist in den obigen Aussagen augen - scheinlich nicht zum Ausdruck gebracht.

Will man genauer, als jene Aussagen es thun, die thatsächliche Beziehung zwischen dem Subjekte und dem Prädikate hiernächst ver - mittelst eines Beziehungszeichens darstellen, so muss man für das erste Beispiel ein anderes Zeichen wählen, als für das zweite. Man schreibe etwa:

Gold Metall. Kochsalz = Chlornatrium.

Das zweite Zeichen, =, ist entlehnt den (übrigen) mathematischen Disziplinen und namentlich schon der Arithmetik; es ist das bekannte Gleichheitszeichen . Während dasselbe aber anderwärts oft nur be - nutzt wird, um Übereinstimmung, Gleichheit in einer bestimmten Hin - sicht auszudrücken, z. B. Gleichheit hinsichtlich des Inhaltes oder Flächenmaasses bei zwei verschiedenen vielleicht auch verschieden ge - stalteten Flächen, soll dieses Zeichen in gegenwärtiger Schrift stets in der (inhaltlich) weitest gehenden (dem Umfang nach engsten ) Be - deutung aufgefasst werden, welche ihm überhaupt beigelegt zu werden vermag. Es soll uns nämlich die Übereinstimmung in jeder Hinsicht,128Erste Vorlesung.die vollkommne Übereinstimmung, Einerleiheit oder Identität zwischen den Bedeutungen der durch dasselbe verknüpften Namen, Zeichen oder Ausdrücke darstellen. Es kann daher das Zeichen = hier als einer - lei mit , oder, wenn man will, auch als identisch gelesen werden; indessen verschlägt es nichts, wenn wir uns bequemer der allgemeinen Übung anschliessen, dasselbe einfach als gleich zu lesen.

Für der Mathematik ferner stehende Leser sei ein für allemal be - merkt, dass man eine Behauptung der Form a = b eine Gleichung nennt, und zwar werden im Deutschen die durch das Zeichen = getrennten sowol als verknüpften Ausdrücke schlechtweg als die beiden Seiten der Gleichung bezeichnet; so ist a die linke , b die rechte Seite der vorstehenden Gleichung (englisch: lefthand resp. right - hand member, französisch: premier und second membre, etc.).

Nach dem Gesagten wird eine Gleichung, wie a = b, uns aus - drücken, dass ihre beiden Seiten a und b lediglich Namen für einund - dasselbe Objekt des Denkens sind. Und zwar sind es hier für das Nämliche verschiedene Namen. Dieser Umstand jedoch ist nebensäch - lich, indem auch in Gleichungen, wie a = a, die beiderseitigen Namen in einen einzigen werden zusammenfallen können. Es kommt bei der Gleichsetzung oder Identischsprechung, Identitätsbehauptung, nicht auf den Klang der Namen, nicht auf das Aussehen der etwaigen Aus - drücke, sondern ganz allein auf die Bedeutung derselben an.

Daneben mag auch die psychologische Wirkung der Namen eine ver - schiedene sein; sie mögen an verschiedene Merkmale von Dem, was sie bezeichnen, zuerst erinnern, und wie in dem angeführten Beispiele: Koch - salz = Chlornatrium den Hörer oder Leser veranlassen, sich Dasjenige, was sie bedeuten sollen, von verschiedenen Seiten vorzustellen, indem sie je mit eigentümlichen Vorstellungselementen an das Vorzustellende anknüpfen, diese sozusagen in den Vordergrund stellend. Achtet man hier in der That auf die Art, wie die Namen Kochsalz und Chlornatrium zusammen - gesetzt sind, so wird durch den erstern überhaupt nicht an chemische Be - standteile, sondern nur an die Verwendung des Salzes zum Kochen erinnert, dagegen durch den letzteren blos hervorgehoben, dass das Vorzustellende die chemische Verbindung der Elemente Chlor und Natriummetall sei. Das eine Merkmal aber: durchaus von der Beschaffenheit des gewöhnlichen zum Kochen verwendeten Salzes zu sein, ist von dem andern Merkmal: aus Chlor und Natrium zu bestehen, nach heutigem Stand der chemischen Er kenntniss unmöglich zu trennen, vielmehr damit unweigerlich zu verknüpfen, und so ist es immerhin dasselbe, was beide Namen bezeichnen.

Diesen ihren logischen Gehalt , ihre volle und eigentliche Bedeutung, von ihrem psychologischen Gehalt zu unterscheiden werden wir bei Namen sowol als auch bei Urteilen hier häufig Veranlassung haben.

129§ 1. Subsumtion.

Gleichwie die Klassen der Dinge, welche für Kochsalz, und welche für Chlornatrium erklärt werden müssen, ganz und gar einerlei sind, so sind es auch die zugehörigen Begriffe Kochsalz und Chlornatrium. Dieselben haben nicht nur einerlei Umfang , sondern auch denselben Inhalt , identisch dieselben Merkmale.

Das andere Zeichen lese man: untergeordnet , auch, wenn man will: subordinirt . Es heisse das Unterordnungszeichen und eine Be - hauptung, wie a b eine Unterordnung (subordinatio). Das Zeichen ist ähnlich gestaltet, gewissermassen nachgebildet dem (einen) Ungleichheitszeichen der Arithmetik, nämlich dem Zeichen < für kleiner (als) . Bekanntlich kann dieses rückwärts als grösser , >, gelesen werden und wird da - durch leicht mit seiner Bedeutung dem Gedächtnisse eingeprägt einerlei, ob vorwärts oder rückwärts gelesen dass man sich merkt: das Zeichen breite sich immer vom kleineren zum grösseren Werte hin aus, oder spitze sich vom grösseren Wert gegen den kleineren hin zu. Analog wird auch unser Unterordnungszeichen rückwärts, d. i wenn man wiederum von links nach rechts lesen will, in der umge - kehrten Stellung, , gelesen, als übergeordnet (superordinirt) zu deuten sein. Die obige Unterordnung darf (mit andern Worten) auch rück - wärts angeschrieben werden als eine Überordnung (superordinatio): b a, und wird dieser Ausspruch genau dasselbe besagen, wie der vorige.

Einer Verwechselung der Zeichen für über - und untergeord - net beugt die Bemerkung vor, dass auch hier das Zeichen seine Arme oder Zweige jeweils vom engeren zum weiteren Begriff, von der weniger umfassenden Klasse nach der umfassenderen hin (welche die andere in sich schliesst, also in einem gewissen, späterhin noch näher er - läuterten Sinne vom Teil zum Ganzen), somit ebenfalls vom Klei - neren zum Grösseren hin divergirend ausbreitet, wogegen in dem ent - gegengesetzten Sinne, vom weiteren zum engeren Begriff hin, das Zeichen sich zuspitzt (genauer gesagt: spitzrundet), seine Zweige immer enger zusammenlaufen, konvergiren, um sich am Scheitel des Zeichens zu vereinigen. Die kleinere Klasse, der engere Begriff, steht sonach immer am Scheitel des Zeichens.

Hienach erscheinen auch die Über - und Unterordnungszeichen als leicht zu merkende, als mnemonische .

Von den beiden Begriffen Gold und Metall wird in der ThatSchröder, Algebra der Logik. 9130Erste Vorlesung.jener der engere , dieser der weitere genannt. Diese Benennung ist schon von der älteren Logik eingeführt und zwar augenscheinlich im Hinblick, nicht auf den Inhalt , sondern auf den Umfang der ge - nannten Begriffe.

Der Umfang des Begriffes Gold setzt sich zusammen aus allem Dem, was Gold ist; ihn bildet die Klasse aller der Substanzen oder Dinge, welche als Gold zu erklären sind. Ebenso bildet die Klasse aller der Dinge oder Substanzen, welche Metall zu nennen wären, kurz gesagt: die ganze Klasse der Metalle, den sogenannten Umfang des Begriffes Metall . Die erstere Klasse ist in der zweiten enthalten, welche daneben auch noch Anderes enthält, z. B. die Klasse der als Silber zu bezeichnenden Substanzen, etc. Jene ist wirklich ein Teil von dieser. Die Klasse Gold ist, neben noch Anderem, ganz ent - halten in der Klasse Metall dies ist also die Beziehung, welche die Unterordnung Gold Metall auszudrücken bestimmt ist.

Umgekehrt aber, wie deren Umfänge die Klassen, verhalten sich die Inhalte der beiden Begriffe.

Der Inhalt oder das Wesen des Begriffes Metall setzt sich zu - sammen aus denjenigen Merkmalen, welche allen Metallen gemeinsam sind und, insgesamt, nur diesen zukommen. Dahin gehören erstlich diejenigen Eigenschaften, welche den materiellen Substanzen überhaupt innewohnen, eventuell für sie charakteristisch sind, als da sind: die Eigenschaft der Raumerfüllung, die Eigenschaft, träge, schwer zu sein, von konstanter Masse, etc. Und zweitens gehören dazu solche Merkmale, welche die Metalle von Nichtmetallen unterscheiden, z. B. die Eigenschaft gute Leiter der Elektrizität zu sein, eine geringe spezifische Wärme zu besitzen, im festen oder flüssigen Zustande das Licht in jener eigentümlichen Weise zurückzuwerfen, welche als Metall - glanz bezeichnet und in der Theorie der Metallreflexion von der Optik schärfer präzisirt wird, u. a. m.

Alle diese Merkmale des Begriffes Metall kommen nun auch dem Begriff Gold zu, und dazu noch manche andere, durch welche zum Teil das Gold sich von andern Metallen unterscheidet, z. B. das dem Golde eigentümliche hohe spezifische Gewicht, die Eigenschaft, im reflektirten Lichte gelb, im durchgehenden Licht aquamarinblau zu erscheinen, seine Duktilität, gewisse chemische Verwandtschaften und anderes mehr.

Dem Inhalte nach betrachtet ist nun der übergeordnete und weitere Begriff in dem untergeordneten, dem engeren mit enthalten. Der erstere erscheint geradezu als ein Teil des letzteren.

131§ 1. Subsumtion.

Im Hinblick auf diesen Inhalt der Begriffe, d. i. ihr eigentliches Wesen, müsste man also die Beziehung zwischen Gold und Metall gerade umgekehrt, wie oben, schreiben, in Gestalt von: Inhalt des Begriffes Gold Inhalt des Begriffes Metall so wenigstens, wenn man die geschilderte mnemonische Interpretation des Beziehungszeichens beibehalten will.

Statt das frühere Zeichen hier beizubehalten wäre nur angängig, wenn man diesem eine andere (ebenfalls mnemonische) Deutung geben, dasselbe nämlich dahin auslegen wollte, als ob mittelst desselben das an seinem Scheitel stehende Objekt sozusagen den Versuch machte, den An - spruch erhöbe, (mit den ausgebreiteten Armen des Zeichens) das andere Objekt zu umfassen, dasselbe in sich einzuschliessen. Diese Einschliessung als eine vollendete auch äusserlich zur Darstellung zu bringen, indem man etwa den Namen des eingeschlossenen Objektes in den des einschliessenden hineinsetzte, ist aus typographischen Gründen nicht angängig.

Die in unserm Beispiel bestehende Beziehung zwischen Gold und Metall, die wir also im Hinblick auf die zugehörigen Klassen oder Umfänge der gleichnamigen Begriffe vermittelst der Formel Gold Metall darzustellen fortfahren, ist wesentlich dieselbe Beziehung, welche über - haupt zwischen einer Art und der ihr übergeordneten Gattung be - steht, desgleichen zwischen einem Individuum und einer Art , zu der dies Individuum nebst noch andern Individuen gehörte. Es ist im allgemeinen:

die Art ihrer Gattung, das Individuum seiner Art, die Gattung einer ihrer Arten, die Art einem ihrer Individuen.

Bei Art und Gattung ist der engere oder Artbegriff zugleich der inhaltsreichere, der weitere oder Gattungsbegriff aber der inhaltsärmere. Und dasselbe lässt sich auch aufrecht erhalten in Bezug auf ein In - dividuum und die demselben übergeordnete Art , indem man ja unter dem Begriffe des gedachten Individuums nichts anderes als dessen (Einzel -) Vorstellung selbst versteht, nämlich die Gesamtheit aller seiner Merkmale. Als Beispiel sei angeführt: Die Erde ist ein Planet , was mit Erde Planet darzustellen ist. Wieder enthält der Begriff der Erde neben vielen eigentümlichen Merkmalen auch alle Merkmale des Begriffes Planet .

Nachdem wir nun für unsre beiden Musterbeispiele, die typischen Exempel von kategorischen Urteilen auf S. 127, den Unterschied, Gegen - satz hervorgehoben, welcher in den Beziehungen zwischen Subjekt und Prädikat bei ihnen zutage tritt, und uns diese Beziehungen in ihrer9*132Erste Vorlesung.Eigenart klar zum Bewusstsein gebracht haben, haben wir die Fähig - keit erworben, sind wir vorbereitet, die wahre Bedeutung der Kopula ist (oder sind ) zu erfassen, und uns nach einem geeigneten Be - ziehungszeichen zur Darstellung derselben umzusehen.

Die Kopula ist wird bald die eine, bald die andere der beiden Beziehungen ausdrücken, die wir mittelst der Zeichen und = dar - gestellt haben. Zu ihrer Darstellung wird sich darum ein aus den beiden letzten zusammengesetztes Zeichen als ein ohne weiteres, sozusagen nunmehr von selbst, verständliches und dem Gedächtniss sich einprägendes vor allen andern empfehlen. Ausführlichst wird dieses Zeichen als untergeordnet oder gleich zu lesen sein. Und so - ferne sich herausstellen wird, dass den an unsern Beispielen gemachten Wahruehmungen allgemeine Gültigkeit zukommt, können wir sagen:

Das kategorische Urteil drückt immer aus, dass das Subjekt (der Subjektbegriff) dem Prädikate (Prädikatbegriffe) entweder untergeordnet oder aber mit ihm identisch sei. Es wird demnach ursprünglich oder von hause aus: Subjekt Prädikat die gemeinsame Form aller kategorischen Urteile sein. *)Zufolge der später zu vollziehenden Einfübrung, Adjungirung des Begriffs des Nichts wird die Wirksamkeit obiger Bemerkung für unsre Disziplin nach - träglich eingeschränkt, sodass nicht alle Urteile in jener typischen Form der Sub - sumtion ihren angemessenen Ansdruck im Kalkul werden finden können.

Indem wir nachher an dem Leitfaden ihres sprachlichen Aus - drucks die verschiedenen Arten kategorischer Aussagen möglichst voll - ständig durchgehen, werden wir in der That sehen, dass sich diese Behauptung durchaus bewahrheitet, dass die erwähnte Auffassung sich wenigstens unbeschadet des logischen Gehaltes der betreffenden Urteile überall anbringen, allgemein durchführen lässt allerdings nicht selten bedingt durch eine Abänderung des psychologischen Gehaltes der betreffenden Urteile, sowie auf Kosten der Eleganz ihres sprach - lichen Ausdruckes, unter Verletzung, mitunter auch, des Sprachgefühles, in einer Weise, die wol in der That den Eindruck, erkünstelt zu sein, hervorbringen kann. Lässt aber dadurch sich nur bewirken, dass alle Urteile in einer gemeinsamen Form erscheinen, und so einer allgemeinen Behandlung zugänglich werden, so ist durch die Erzielung solch 'un - absehbaren Vorteils doch der gedachte modus procedendi vollauf ge - rechtfertigt.

Eine Behauptung der Form 10) a b133§ 1. Subsumtion.werden wir eine Subsumtion (Einordnung) nennen, das Zeichen das Subsumtionszeichen. Dasselbe könnte auch das Zeichen der eventuellen (oder fakultativen) Unterordnung genannt werden, wo das Beiwort eventuell darauf anspielt und in der That lediglich darauf hindeuten soll, dass die Unterordnung auch in (identische) Gleichheit ausarten kann im Gegensatz zu dem Zeichen der wirklichen oder defini - tiven Unterordnung, der Unterordnung schlechtweg.

Die linke Seite a der obigen Subsumtion heisst auch der Unter - begriff oder terminus minor derselben, die rechte Seite b ihr Oberbegriff oder terminus major. [Nebenbei bemerkt sind das Benennungen, die ganz ebenso auch bei der Unterordnung a b anwendbar erscheinen.] Ich werde indess diesen Benennungen in der Regel die einfacheren Subjekt und Prädikat selbst vorziehen, und zwar auch auf einem solchen Felde der Anwendung von Subsumtionen, welches mit diesen der Grammatik (spezieller der Satzlehre oder Syntax) entlehnten Ge - bilden anscheinend nichts zu thun hat, z. B. wenn wir später unter a und b in 10) uns Gebiete einer Mannigfaltigkeit vorzustellen haben.

Wir konnten in unsern typischen Exempeln die Subsumtion 10) in Worten durch den Satz darstellen: a ist b oder auch alles a ist b . Bei der ersteren Fassung muss man bleiben, wenn das Subjekt a der Einzelvorstellung entsprechend ein In - dividuum bedeutet, das ist also bei den sogenannten singulären Urteilen. Z. B. Mars ist Planet , was logisch dasselbe sagt, wie: Der Mars ist ein Planet .

Je nach dem sprachlichen Ausdruck des Subjektes werden aber für die Kopula mitunter auch andere Formen, wie z. B. die Plural - form sind zu wählen sein. So namentlich, wenn es sich um Arten und Gattungen handelt, z. B. (Alle) Säugetiere sind Wirbeltiere . (Alle) Zweihufer sind Wiederkäuer . An diesen als den wol häufigeren Fall wollen wir uns bei den nächsten Besprechungen vorzugsweise halten.

Gegenüber den einfachen Zeichen und = drückt das zusammen - gesetztere Zeichen (wie schon Peirce betont) gleichwol die einfachere Beziehung aus. In der That die Subsumtion 10) a b sagt weniger, wie die Unterordnung, resp. Gleichung

20)a b,30)a = b.

134Erste Vorlesung.Die Subsumtion lässt nämlich die umgekehrte Beziehung, in welcher b zu a steht, offen. In Worten ist der Inhalt der Aussage 20) oder 30) je nur durch zwei Sätze wiederzugeben, nämlich etwa: 20) Alle a sind b, aber nicht alle b sind a, und 30) Alle a sind b, desgleichen alle b sind a. Offenbar schliessen diese beiden Beziehungen einander aus; sie können niemals beide zugleich wahr sein, indem die letztern Sätze rechts ein - ander (kontradiktorisch) widersprechen.

Dagegen gibt 10) den einfachen Satz wieder: Alle a sind b . Gemessen nach ihrer Ausdrucksfähigkeit vermittelst der Wortsprache ist also in der That die Subsumtion 10) die einfachste von allen drei Aussagen.

Die Subsumtion 10) konstatirt, stellt fest, dass irgend einer der bei - den Fälle 20), 30) vorliege, und dann selbstverständlich nicht der andere.

Der erstere 20) von diesen beiden Fällen ist weitaus der häufigere. Bezüglich des letzteren 30) sei zunächst nur hervorgehoben, dass namentlich bei allen Urteilen, die als Begriffserklärungen, Definitionen hingestellt werden, beabsichtigt ist, dass diese als auch umgekehrt gültige verstanden werden.

Z. B. wenn wir definitionsweise sagen: Die (Jede) Kugelfläche ist eine Fläche, deren sämtliche Punkte gleichen Abstand haben von einem bestimmten Punkte (dem sog. Mittelpunkte) , so ist damit gemeint, dass auch umgekehrt jede Fläche mit konstantem Abstand ihrer Punkte von einem bestimmten Punkt eine Kugelfläche (zu nennen) sei. Sagen wir ebenso: Gerade Zahlen sind ohne Rest durch 2 teilbare Zahlen , so muss auch der Ausspruch gelten: Ohne Rest durch 2 teilbare Zahlen sind gerade Zahlen .

Welcher von den Fällen 20) und 30) bei der Subsumtion 10) vor - liege, ist manchmal unbestimmt, manchmal zwar bestimmt, aber nicht bekannt, meistens ohne Belang.

Freilich, wenn es zweifellos ist, welcher von den Fällen 20), 30) vorliegt, so hat die Aussage 10) a b einen eigentümlichen Charakter, den man durch einen Ausspruch wie: Paris liegt an der Seine oder an der Leine illustriren könnte.

Ein solcher Ausspruch mag vielleicht albern erscheinen, doch ist er unzweifelhaft richtig oder korrekt zu nennen! Paris liegt allerdings, wie jedermann weiss, nicht (wie Hannover) an der Leine, sondern es liegt an der Seine. Jemand, der obigen Ausspruch thäte, würde dem - nach eine Unwissenheit fingiren, die man ihm kaum zutrauen möchte,135§ 1. Subsumtion.er könnte sich dadurch den Vorwurf einer gewissen Unredlichkeit, Verstellung zuziehn. Für den Hörer aber, der etwa nicht schon von vornherein sachlich orientirt wäre, der seine Information über die Lage von Paris erst aus der obigen Aussage schöpfen müsste, würde diese Aussage ein irre führendes psychologisches Moment enthalten. Und dennoch: Weniger zu sagen als man weiss, ist erlaubt; und aus der Fülle der verfügbaren Kenntnisse Dasjenige hervorzuheben, was für einen bestimmten Zweck verwertbar ist, und demgemäss Anderes un - benutzt zu lassen, ist allgemeine Praxis in den Wissenschaften. Ge - schah dies in dem citirten Ausspruch zwecklos, so hat es hier, bei 10) zu geschehen zu dem Zwecke, den verschiedenen möglichen Fällen, die wir unter 20) und 30) aufgezählt haben, eine einheitliche Behand - lung angedeihen zu lassen, wie denn auch die Wortsprache faktisch für sie alle der nämlichen Kopula ist oder sind sich bedient.

Noch eines kommt hinzu, den obigen (Paris betreffenden) Aus - spruch in jeder andern als der logischen Hinsicht als verwerflich er - scheinen zu lassen: es ist der Umstand, dass es hier einen grösseren Aufwand von Worten erforderte, dass es umständlicher war, die in dem Ausspruch gegebene unvollständige Information zu liefern, als es ge - wesen wäre (in Gestalt des Ausspruchs: Paris liegt an der Seine ) die vollständigere Information zu geben.

Die gleiche Ausstellung wird man anscheinend uns auch später machen können, wenn wir in einer Subsumtion a b das Zeichen als untergeordnet oder gleich lesen, während wir in einem Falle sehr wohl wissen, dass wirkliche Unterordnung, in einem andern Falle vielleicht, dass eigentlich Gleichheit stattfindet!

Hier wird eben nicht ausser Acht zu lassen sein, dass es sich für uns, indem wir untergeordnet oder gleich sagten, in erster Linie um eine genaue Darstellung, um charakteristische Wiedergabe des Sinnes der Kopula handelte. Das ist freilich umständlicher, als nur untergeordnet oder aber blos gleich zu sagen. Die Wortsprache aber hat für den kürzeren Ausdruck ist , wofern sie nicht noch kürzer dies Beziehungszeichen gänzlich unübersetzt lässt, wie z. B. die russische Sprache, zuweilen auch die lateinische (vergl. ars longa , etc.).

Überhaupt haben wir bereits gesehen, dass im Gegensatz zu vorigem abschreckenden Beispiele die unvollständigere Information 10) den weitaus kürzeren sprachlichen Ausdruck in der That besitzt. Dies aber gilt für alle Kultursprachen und ist darum nicht etwa blos für einen zufälligen Umstand, eine Äusserlichkeit der betreffenden136Erste Vorlesung.Sprachen zu halten, sondern sicherlich tief begründet in der Natur des menschlichen Intellektes. Die Subsumtion 10) können wir sagen drückt blos einen Gedanken aus; die vollständigere Informa - tion 20) resp. 30) aber je deren zwei, und indem wir uns statt dieser letzteren mit diesem ersteren begnügen, lassen wir den einen davon fallen, sehen wir ab, abstrahiren wir von demselben.

Das Subsumtionszeichen wird also, gegenüber den Zeichen und =, als das ursprünglichere hinzustellen sein. Auf ihm werden wir darum auch das ganze Gebäude des ersten und umfassendsten, des elementaren Teiles der exakten Logik aufrichten.

Übrigens je nach den verschiedenen Anwendungsgebieten des Sub - sumtionszeichens und - begriffes werden wir dafür noch mannigfache sprachliche Ausdrucksformen gewinnen. Will man ein kurzes Wort für dieses Zeichen haben, welches auf allen Gebieten passt, so lese man es etwa als eingeordnet , oder sub , spreche also 10) als a sub b .

Ein Hauptvorzug dieses unbestimmteren (die Alternative zwischen = und stellenden) Zeichens tritt in der Wissenschaft zutage, wo man sehr viel mit allgemeinen Sätzen oder Aussagen (auch For - meln) und Gesetzen zu thun hat, wo es gerade wesentlich auf die Ge - winnung solcher ankommt. Von der unbegrenzten Menge der Fälle, welche solch 'ein allgemeines Urteil a b unter sich begreift, findet da oft bei den einen Gleichheit, bei den andern Unterordnung statt, und wird eine Zusammenfassung aller dieser Fälle in ein einheitliches Gesetz gerade eben nur durch das Subsumtionszeichen ermöglicht. Es kommt m. a. W. zumeist vor, dass bei einundderselben Subsumtion 10) die Frage, ob der Fall 20) oder der 30) vorliege, gar nicht allgemein, prinzipiell entschieden werden kann, sondern sich bald in dem einen, bald in dem andern Sinne entscheidet. Um hiezu ein einfachstes Bei - spiel zu geben, werden wir diese Verhältnisse an den Quadratwurzeln der Arithmetik sogleich im Kontext erläutern.

Im Anschluss an das Vorstehende möchte ich auch noch rechtfertigen, weshalb ich nicht, wie manche der neueren Autoren über Logik, für das Kleinerzeichen < selbst verwende, und demgemäss auch das Subsum - tionszeichen nicht durch das in der Mathematik schon gebräuchliche Zeichen für kleiner oder gleich darstelle, vielmehr besondre Zeichen für diese Beziehungen wählte.

Den Ausschlag hiefür gab die Erwägung, dass letztere Zeichen be - stimmt sind und geeignet sein sollen, in der Arithmetik selbst auch neben den Ungleichheitszeichen verwendet zu werden. Es lassen schon die Ele - mente der reinen Mathematik in manchen ihrer Abschnitte sich ohne das Unterordnungs - und namentlich das Subsumtionszeichen nicht korrekt dar -137§ 1. Subsumtion.stellen, woferne man bei ihrer Begründung nicht ungebührlich lange auf die Anwendung einer knappen Zeichensprache verzichten und mit verbalen Umschreibungen sich behelfen will. Und mit fortschreitender Entwickelung der mathematischen Wissenschaft werden, bin ich überzeugt, diese Zeichen daselbst immer unentbehrlicher werden.

Namentlich tritt dies schon längst bereits da zutage, wo man mit vieldeutigen Zahlenausdrücken zu thun bekommt, das ist, im Elementar - unterricht, erstmalig bei der Quadratwurzelausziehung. Diese ist eine (im allgemeinen) zweideutige Operation, und bekannt ist, wie zuweilen Lehrer sowol als Bücher, indem sie z. B. in einem Atem schreiben: 〈…〉 = 3 und daneben auch 〈…〉 = 3, den Anfänger (nach dem Satze, dass wenn zwei Grössen einer dritten gleich sind, sie auch unter sich gleich sein müssen) zu dem Fehlschlusse verleiten: + 3 = 3. In mehr versteckter Form, geschickt verhüllt, liegt dieses Verfahren einer Reihe von arithmetischen Paradoxen zugrunde, welche den Anfänger zu verblüffen pflegen.

Der Fehler liegt in dem unberechtigten Gebrauche des Gleichheitszeichens. Schreibt man freilich: Silber = Metall und (mit demselben Rechte) Metall = Gold , so gelangt man auch zu dem Schlusse: Silber = Gold ! In Bezug auf diesen Gebrauch herrscht in der zeitgenössischen Mathematik noch eine gewisse Nachlässigkeit, hervorgegangen aus der Übertreibung einer sonst in dieser Disziplin als so überaus fruchtbar bewährten Sparsam - keit, der Sparsamkeit mit Zeichen, welche hier zu einem Geizen mit solchen ausartet. Es beruht darauf die Möglichkeit zahlreicher Paradoxa , das ist deduktiver Ableitung, scheinbaren Beweises von Widersprüchen und augen - scheinlich falschen, absurden Ergebnissen auf Grund der schulmässigen Sätze und Regeln, indem eben diese nicht korrekt gewesen.

Um die Sache korrekt zu behandeln muss man zunächst die als eine mehrdeutige verstandene, die volldeutige Quadratwurzel von der eindeutig zu verstehenden auch in der Bezeichnung sorgfältig unterscheiden. Jene wird auch der allgemeine oder Generalwert , diese der Prinzipal - oder Hauptwert der Wurzel genannt. Der Generalwert ist aber meist eigentlich gar kein Wert (so wie z. B. ein Handschuh auch kein Schuh ist), vielmehr ist er eine ganze Klasse von Werten. Nach Cauchy's Vorschlag kann man ihn durch Anwendung einer sich sonst als überflüssig charakte - risirenden Klammer (vergl. Anhang 2) in Gestalt von 〈…〉 vor dem letzteren, dem Hauptwert 〈…〉 , auszeichnen, und verwendet man, noch besser, für ihn ein doppeltes Wurzelzeichen , welches ebenso an den Anfangs - buchstaben des Wortes Wurzel , wie das gewöhnliche oder einfache Wurzel - zeichen an den des Wortes radix erinnert.

Wir verstehen demnach unter 〈…〉 die Klasse oder Gattung, welche sich zusammensetzt aus allen den Zahlen, deren Quadrat gleich a ist im Gegensatz zu 〈…〉 , welches uns eine bestimmte von diesen Zahlen re - präsentiren wird.

Es ist z. B. die volldeutige Quadratwurzel, Vollwurzel, aus 32 oder 9 die von den beiden Werten 3 und 3 gebildete Gattung von Zahlen: 〈…〉 , oder kürzer ausgedrückt: 9 = ± 3. 138Erste Vorlesung.Und wollen wir blos ausdrücken, dass 3 einer (der eine) von diesen beiden Werten ist, ein andermal vielleicht, dass 3 ein solcher (der andere) ist, so ist es nur mehr zulässig, hiefür zu schreiben: 〈…〉 und 〈…〉 Behauptunge, die jetzt, weil sie korrekt sind, nicht mehr zu obigem Fehlschlusse verleiten können.

In diesem sowie in fast allen andern Beispielen derselben Art, die wir bilden mögen, besteht zwischen der volldeutigen Quadratwurzel und irgend einem ihrer Werte wirklich die Beziehung der Unterordnung, näm - lich die Unterordnung des Individuums unter eine umfassendere Klasse, zu der es gehört. Will man nun aber diese Wahrnehmung generalisiren, die - selbe für eine ganz beliebige Zahl a aussprechen, so darf man gleichwol nicht sagen, es sei 〈…〉 und 〈…〉 , aus dem Grunde, weil diese Aussagen eine Ausnahme erleiden würden, nämlich für a = 0 falsch werden. Da + 0 und 0 einerlei sind, so hat, wenn unter a die Null verstanden wird, auch die volldeutige Quadrat - wurzel aus a nur mehr einen Wert, den Wert 0; die als ihr General - wert zu bezeichnende Klasse schrumpft hier in ein einziges Zahlindividuum zusammen (sie ist diesmal ausnahmsweise auch wirklich ein Wert ) und es ist: 〈…〉 , gleich, aber nicht untergeordnet.

Allgemein, für jede beliebige Zahl a, gilt daher weder die Unter - ordnung, noch die Gleichung, sondern in der That nur die Subsumtion: 〈…〉 und ebenso 〈…〉 .

Und ähnlich ist auch bei den höheren Wurzeln in der Buchstaben - rechnung das Subsumtionszeichen anzuwenden der Allgemeingültigkeit zuliebe.

Allerdings wählt die Mathematik von den eventuell beiden unter die Klasse 〈…〉 fallenden Werten frühzeitig den einen als den sogenannten Hauptwert aus und zwar bei positivem Radicanden, im Gebiete der reellen Zahlen den positiven, den sie schlechtweg mit 〈…〉 bezeichnet, sodass z. B. 3 = 〈…〉 der Hauptwert und 3 = 〈…〉 der Nebenwert der Quadratwurzel aus 9 sein wird. Und indem sie fortan vorzugsweise mit diesen eindeutigen oder Hauptwerten operirt, das Rechnen mit viel - deutigen Ausdrücken nach Möglichkeit vermeidet, flieht die Mathematik so - zusagen die Gelegenheiten, wo sie ein spezifisch logisches Beziehungszeichen anwenden müsste. Ähnlich, wie in diesen ersten und einfachsten Fällen, verfährt die Mathematik auch später wieder bei den mehrdeutigen ana - lytischen Elementarfunktionen, d. i. den logarithmischen, cyklometrischen und allgemeinen Potenzfunktionen: sie wendet sich möglichst bald von deren Generalwerten ab und den eindeutigen Zweigen dieser Funktionen als den erwählten Hauptwerten derselben zu, hauptsächlich wol, um nicht einen komplizirteren Zeichenapparat, nämlich noch andere als die drei Zeichen139§ 1. Subsumtion.der Grössenvergleichung (=, >, <) verwenden zu müssen, dergleichen in der That bis jetzt auch keines ganz allgemein rezipirt erscheint.

Aber nicht nur zur Darstellung der Beziehungen zwischen vieldeutigen Zahlenausdrücken sollte eigentlich das Subsumtionszeichen allgemeinere Ver - wendung finden, sondern auch noch auf zahlreichen anderen Untersuchungs - gebieten, wo sich einstweilen noch jeder Autor seine eigene bisweilen recht schwerfällige Terminologie schafft behufs Darstellung von Beziehungen, die einfach als eine Einordnung zu charakterisiren wären. *)Ich will in dieser Richtung wenigstens auf Einiges aufmerksam machen und wende mich damit vorzugsweise an Mathematiker: Herrn George Cantor's berühmte Untersuchungen über die Mannigfaltigkeitslehre beschäftigen sich mit Beziehungen zwischen Punktmengen, bei denen die Subsumtion eine wesentliche Rolle spielt und durch entsprechende Verwendung ihres Zeichens sich erhebliche Vorteile im Sinne knapper Darstellung erzielen lassen würden. Ebenso könnten die epochemachenden Untersuchungen von Dedekind über allgemeine Zahlen - theorie3 (Supplement XI) sowie die Anwendungen der dort eingeführten Begriffe auf die Theorie der algebraischen Funktionen, wie sie Dedekind und Weber in ihrer Abhandlung in Bd. 92 des Crelle'schen Journals gegeben haben, wol über - sichtlicher dargestellt werden, wenn statt des Begriffs der Teilbarkeit stets der der Einordnung und das Subsumtionszeichen benutzt würde. Dabei würde auch der für das Studium störende Umstand vermieden, dass bei Moduln der Teiler dem Geteilten übergeordnet ist ein Umstand, auf welchen ich durch Herrn Lüroth aufmerksam gemacht worden. Nicht minder dürfte dieses Zeichen bei der Begründung von Herrn Schubert's genialem Kalkül der abzählenden Geo - metrie mit Vorteil zu verwenden sein, sowie auf andern Gebieten mehr.

Wählten wir nun für die Unterordnung das Zeichen < selbst, so würden zahlreiche Missverständnisse ebendadurch nahe gelegt werden. Wir können auch bei Zahlengattungen A und B, also bei vieldeutigen Aus - drücken, das Zeichen < in seinem ursprünglichen Sinne verwenden, um mittelst der Relation A < B auszudrücken, dass jede Zahl der Gattung A kleiner sei als jede Zahl der Gattung B. Doch wenn wir auch absehen wollen von der Zulässigkeit dieser immerhin seltnereu Verwendungsweise, so sieht man doch den in einer Formel beiderseits stehenden Ausdrücken nicht immer an, ob sie uns einen oder ob sie mehrere Werte repräsentiren sollen, wo doch im ersteren Falle das Zeichen < eine ganz andere Deutung zu erhalten hätte. Bei allen allgemeinen Untersuchungen über Zahlen - klassen, vieldeutige Ausdrücke, muss man vielmehr als Grenz - oder De - generationsfälle auch diejenigen besondern Fälle mit unterlaufen lassen, wo die vieldeutigen in eindeutige Ausdrücke ausarten, wo die Klassen auf je ein Individuum zusammenschrumpfen. Zwischen zwei Zahlindividuen, eindeutigen Zahlzeichen, ist die eigentliche Unterordnung unmöglich, un - denkbar, denn das zweite Individuum müsste dann eine Klasse sein, die ausser dem ersten noch andere Individuen enthält im Widerspruch zu der Annahme, dass sie nur eines enthalte, nämlich eine singuläre Klasse sei. Sind A und B dergestalt eindeutige Zahlzeichen, so könnte die Subsum - tion A B, in der Gestalt der Relation A B geschrieben, doch nur als Gleichung gelten, es müsste dann A = B selbst sein. Als Behauptung140Erste Vorlesung.hingestellt, würde jene Relation dann allerdings noch richtig bleiben, jedoch weniger sagen, wenn man das Zeichen < in , statt als untergeordnet , nun als kleiner interpretirte. Sooft aber solche Relation A B als Vor - aussetzung hinzustellen wäre, müssten die beiden fraglichen Interpretationen von < einen Unterschied geben: es wäre im erstern Falle die Annahme A kleiner als B durch die Relation ausgeschlossen, im zweiten aber zu - gelassen. Und anderes mehr.

Unstreitig wird es also praktischer sein, für die Unterordnung ein von dem Zeichen < verschiedenes Zeichen zu wählen. Wenn nun dieses fragliche Zeichen mit Rücksicht auf die Anforderung, dass dasselbe beim Vor - und Rückwärtslesen muemonisch interpretirbar sei, ebenfalls zwei divergirende Äste besitzen soll, so müssen dieselben gekrümmt genommen werden, und bleibt (bei Wahrung der Symmetrie des Zeichens in vertikaler Richtung, d. i. um die horizontale Axe) gewissermassen nur die Möglich - keit übrig, dasselbe dem von uns gewählten Parabel - (oder Hyperbel) bogen ähnlich zu gestalten in Anbetracht, dass ein Zeichen wie bereits vergeben erscheint, nämlich nach Paul Du Bois Reymond's Vor - schlag eine eigentümliche Verwendung zur Darstellung infinitärer Beziehungen bereits gefunden hat und auch am besten findet.

Man könnte höchstens noch unserm Zeichen anstatt des Scheitels eine Ecke geben: , wodurch es sich aber weniger deutlich von dem Zeichen < abheben würde ein Punkt indess, über den ich mit niemand streiten will. [Verwendeten wir statt des Parabelbogens einen Kreisbogen, so würde dadurch ein oft störender Parallelismus mit etwaigen Klammerhaken der hinter das Zeichen tretenden Ausdrücke bewirkt werden.]

Das Zeichen wurde 1873 von mir eingeführt1. Umfassende An - wendungen von den durch dasselbe ausgedrückten Beziehungen der Sub - sumtion möchten wol l. c. zum ersten mal auf (sozusagen) extralogischem Gebiete gemacht sein. Ich habe jenes mit noch einem andern Zeichen, auf das wir einzugehen haben werden, daselbst verwendet, um ein geschmeidiges Rechnen mit vieldeutigen Zahlenausdrücken auszubilden, Prinzipien und Methoden für solches zu entwickeln.

Herr Peirce verwendet dafür das in Amerika bereits ziemlich ein - gebürgerte Zeichen , welches allerdings drei Jahre früher von ihm eingeführt worden ist; doch haben vor ihm auch Augustus De Morgan und Andere sich schon be - sondrer von den angeführten differirender Zeichen für die gedachte Be - ziehung bedient.

Ich meine, dass nicht Rücksichten auf die mehr oder weniger zufällige Priorität eines Bezeichnungsvorschlages, sondern lediglich sachliche Zweck - mässigkeitsrücksichten den Ausschlag dafür geben sollten, welcher Vorschlag etwa allgemein anzunehmen wäre. In dieser Beziehung könnte ich schon die vorstehende Auseinandersetzung für sich selbst reden lassen. Besonders möchte ich jedoch noch darauf aufmerksam machen, dass ein vorgeschlagenes Beziehungszeichen nicht blos für sich allein in Betracht zu ziehen ist, sondern141§ 2. Darstellbarkeit der Urteile als Subsumtionsurteile.auch als ein Glied eines vollständigen Systems von Zeichen für sämtliche logischen Grundbeziehungen. Sollten letztere immerhin, wie wir sehen werden, zehn, oder, wenn man die vor - und rückwärts verschieden aus - sehenden gesondert zählt, vierzehn an Zahl überhaupt planmässig, ratio - nell bezeichnet werden und dies erscheint bei ihrer grossen Anzahl durchaus wünschenswert so wird sich zeigen lassen, dass mein Vorschlag nicht nur zweckentsprechend, sondern auch fast der einzige ist, der thunlich erscheint. Vergl. die spätere Besprechung der sämtlichen Zeichen in § 34 sq.

Jedenfalls dürfte sich's empfehlen, auf die Gestaltung neu einzuführender Zeichen eine grosse Sorgfalt zu verwenden. Denn ist ein ungeschickt ge - wähltes Zeichen einmal wirklich eingebürgert, so möchte wol eine Abhülfe kaum minder schwierig durchzuführen sein, als etwa der Plan, den Schienen - weg, Fahrdamm einer unzweckmässig gelegten Eisenbahnlinie wieder in fruchtbares Ackerland zu verwandeln!

Ich schliesse diesen Exkurs mit der Anführung eines in der Über - setzung von mir etwas gemilderten Ausspruchs von A. De Morgan, nach Peirce's von mir geteilter Ansicht, eines der scharfsinnigsten Logiker, die existirten. Derselbe stellt am Schlusse seines Syllabus3 die beiden folgenden Thatsachen einander gegenüber.

Erstens: die Logik ist die einzige Disziplin, welche seit dem Wieder - aufleben der Wissenschaften (since the revival of letters) keine entsprechenden Fortschritte gemacht hat.

Zweitens: die Logik, ganz allein, hat keinen Zuwachs an Zeichen (symbols) hervorgebracht.

Er sagt geradezu keine Fortschritte , was bekanntlich auch Kant mit aller Schärfe behauptet.

§ 2. Vorläufige Betrachtungen über Darstellbarkeit der Urteile als Subsumtionsurteile.

Es erübrigt uns noch, nachzusehen, inwiefern jedes Urteil als ein Subsumtionsurteil angesehen werden kann. Zunächst wenigstens wird dies für die kategorischen Urteile zu zeigen sein.

Für nicht-kategorische, nämlich die aus verschiedenen Teilsätzen mittelst Konjunktionen wie: wenn , so , entweder , oder , weder , noch , nicht nur , sondern auch , folglich , weil , und andere zusammengesetzten Urteile kann erst im Lauf der Entwickelung unsrer Theorie nach und nach dargethan werden, dass und auf welche Weise sie ihrem logischen Gehalte nach vollständig darstellbar sind mit Hülfe des Subsumtionszeichens selbst oder auch anderer Zeichen, deren Bedeutung jedoch auf den Subsumtionsbegriff zurückführbar ist, welche sich in der That aus dem letztern ableiten, auf Grund desselben definiren lassen.

Als Ding oder Objekt des Denkens, von welchem in einem Satze etwas ausgesagt wird, und welches demnach dessen Subjekt bildet, kann auch ein selber als Satz formulirtes Urteil auftreten und ebenso kann dasjenige, was von jenem prädizirt wird, bestehen in der Hervor -142Erste Vorlesung.hebung einer Beziehung, in der ein zweites Urteil zu jenem ersten steht. Dergleichen Urteile, welche anstatt von beliebigen andern Dingen zunächst selbst wieder nur von Urteilen handeln, nehmen in der Lehre von den Urteilen eine bevorzugte, eine Sonderstellung ein.

Dahin gehören vor allem die sog. hypothetischen (vergl. § 28) und die disjunktiven Urteile (vergl. § 15 und 31), ferner aber auch Urteile, welche, indem sie z. B. Verba wie können oder müssen , oder Adverbia, wie vielleicht etc. enthalten, auf die Möglichkeit oder Notwendigkeit der Zulassung eines gewissen Urteils hinweisen, im Grunde also auch nur von diesem selbst etwas unmittelbar prädiziren, erst mittelbar auch über die Dinge aussagen, welche dieses Urteil betrifft (vergl. § 54); endlich gehören dahin die im Sinne Sigwart's aufgefassten verneinenden Urteile (Urteils - verneinungen vergl. § 15 und 31).

Alle solchen Urteile werden von Boole sekundäre oder Urteile der zweiten Klasse genannt und gegenübergestellt den primären oder Urteilen der ersten Klasse (zu denen im allgemeinen die kategorischen gehören), welche nämlich nicht implicite erst von Urteilen sondern sogleich von den Dingen selbst handeln. Als die einfacheren haben wir vorerst nur diese letzteren zu betrachten.

Auch für die kategorischen Urteile müssen wir jedoch im Hinblick auf den fast unerschöpflichen Reichtum der Wortsprache und ihrer Ausdrucksmöglichkeiten darauf verzichten, die Aufgabe der Erbringung fraglichen Nachweises hier mit dem Anspruch auf formelle Vollständig - keit zu lösen. Wir begnügen uns und dies dürfte auch genügen an der Hand einiger Beispiele nur für die vornehmsten Ausdrucks - formen der Sprache zu erläutern und Anleitung zu geben, in welcher Weise die Darstellung zu vollziehen ist.

Besonders kommt es dabei uns noch darauf an, das Verfahren auch gegen unbillige Beurteilung in Schutz zu nehmen.

Im Urteil gibt sich ausser dem, was wir seinen logischen Gehalt nennen, oft ein gutes Teil von Stimmung, Gefühl und Absicht, Streben des Redenden kund und ruft Verwandtes (oder auch Entgegengesetztes) hervor in dem, der es vernimmt. Je nach der Form seiner sprach - lichen Einkleidung bleibt dabei oft mancherlei zwischen den Zeilen zu lesen (vergl. des Dichters: Was er weise verschweigt, zeigt mir den Meister des Stils sowie das geflügelte Wort: Man merkt die Absicht und man wird verstimmt u. a.). Es legt der Satz häufig Neben - gedanken nahe, auf deren Gestaltung schon die Art und Weise seiner Betonung von grossem Einfluss sein kann; gewisse Gedanken bereitet der Satz vor zu leichterer Erweckung, wofern er sie nicht selbst schon völlig wachruft, für andere präjudizirt er hemmend und vorbeugend. 143§ 2. Darstellbarkeit der Urteile als Subsumtionsurteile.Man wird z. B. dessen inne, wenn man im nächsten besten (Frage) - Satze die Emphase, den Nachdruck der Reihe nach auf's erste oder aber zweite u. s. w. bis letzte Wort legt.

Z. B. Wenn Sie den Mut haben! Hat er die Lisette geheiratet? Etc.

Ich will dabei nicht reden von Fällen, wo die Betonung geradezu den Sinn des Satzes selbst verändert, wie der bekannte Ausspruch: von der Seite kannt 'ich dich noch nicht dies erfuhr, als ein schlechter Schau - spieler mit der Betonung: von der Seite kannt' ich dich noch nicht den - selben deklamirte. Ich will nur reden von den Wirkungen des Satzes, die unbeschadet seines logischen Gehaltes nebenher gehen können. So sagt z. B. der Ausdruck Meine Wenigkeit logisch nicht mehr als ich ; ersterer aber hat einen Beigeschmack von affektirter Bescheidenheit. Etc.

Von einem mitunter ganz beträchtlichen Teil dieses lebendigen Inhaltes, des psychologischen Gehalts des Urteils sieht ohnehin die Logik ab nicht nur die unsrige, die Logik des Umfanges, sondern die Logik überhaupt. Diese kümmert sich um das Urteil nur insofern, als es mit dem, was es ausdrücklich ausspricht, wahr oder falsch ist, resp. durch die Konsequenz zu denken geboten oder weiteres zu denken nötigend.

Wie aber der logische Gehalt des Urteils hienach nur als ein Aus - zug, ein Excerpt aus dessen sprachlich angedeutetem Gehalte erscheint, so verhält sich wol auch schon dieser zu dem ihm zugrunde liegenden Gedanken und mag der Dichter (Victor v. Scheffel) recht haben, wenn er sagt:

Die Sprache ist ein edel Ding,
Doch hat sie ihre Schranken;
Ich glaub ', noch immer fehlt's am Wort
Für die feinsten und tiefsten Gedanken.

Dieser Auffassung gemäss soll nun auch nicht behauptet sein, dass durch die beabsichtigte Darstellung eines Urteils als Subsumtion dasselbe etwa nach seiner psychologischen Natur genauer dargelegt, dass es damit in irgend einer andern als eben nur der logischen Hinsicht angemessener oder besser dargestellt werde!

Als Beispiel betrachte man das Urteil: Die Wanderheuschrecken haben ihre Ohren an den Waden . Wir bestehen darauf, dass dieses logisch äquivalent ist mit dem Satze: Die Klasse der Wanderheu - schrecken ist enthalten in der Klasse der Geschöpfe (Wesen oder über - haupt Dinge ), welche (ihre) Ohren (Gehörorgane) an (den) Waden tragen . Keineswegs jedoch soll damit etwa unterstellt oder für die Auffassung plädirt werden, als ob der Hörer in seinem Geiste bereits vorgebildet habe die Vorstellung einer Klasse von Wesen, die das Gehörorgan an der unteren Hälfte der Extremitäten besitzen, und dass er nun, nachdem er durch das Urteil von der Thatsache in Kenntniss144Erste Vorlesung.gesetzt ist, in diese vorrätige Klasse auch einfach diejenige der Wander - heuschrecken einordne .

Im Gegenteil: die Thatsache wird wol den meisten Lesern über - raschend und neu sein, so wie es z. B. auch in weiteren Kreisen un - bekannt sein mag, dass eine Krebsart, Mysis, das Gehörorgan sogar an den Schwanzflossen trägt. Ein solches Urteil wird uns nicht schon im Besitz der Prädikatklasse antreffen, sondern uns höchstens Veran - lassung werden, dass wir eine solche Klasse erst aufstellen. Wesent - lich wird jenes Urteil nur unsern Begriff von den Wanderheuschrecken berichtigen oder vervollständigen, uns nötigend, diese Tiere, während wir bislang bei ihnen an Gehörorgane vielleicht niemals gedacht haben, fortan mit Trommelfellen, Tympanums, zu beiden Seiten jedes Schien - beins*)Diese Ausdrucksweise ist begreiflich eine anthropomorphistische. Bei Insekten, Heuschrecken von Waden zu reden ist jedoch in der Zoologie rezipirt. ausgestattet zu denken.

Auch der sprachliche Ausdruck unsrer als Beispiel gewählten Aus - sage ist durch die Umschreibung nur schwerfälliger geworden. Un - streitig aber gibt diese Umschreibung doch die nämliche Information wie die ursprüngliche Aussage, und ihr Vorzug besteht darin, dass sie die Beziehung zwischen dem Subjekt - und dem Prädikatbegriffe rein nach deren Umfangsverhältnisse darstellt, wodurch diese Beziehung in der auf das Subsumtionszeichen gegründeten Zeichensprache, in Gestalt von a b, nunmehr ausdrückbar wird. Und die Vorteile solcher Aus - drucksweise wo immer es sich um logische Fragen handelt werden im weiteren Verfolg unsrer Theorie genugsam zutage treten.

Ähnliche Bemerkungen, wie an das Vorhergegangene, würden nun auch mutatis mutandis an manche der nachfolgend anzuführenden Bei - spiele sich anknüpfen lassen; indess werden wir nicht mehr ausdrück - lich darauf hinweisen.

Eines aber sei hier noch hervorgehoben: in Bezug auf verneinende Urteile.

Es ist geltend gemacht worden, die durch eine Verneinung geforderte permanente Sonderung, Auseinanderhaltung oder Trennung von Merkmalen sei so wesentlich verschieden von der durch ein be - jahendes Urteil angeregten Verknüpfung solcher, dass es keinen Wert habe, beide Operationen unter demselben Gesichtspunkt zu betrachten, unter ein gemeinsames Schema sie zu bringen. Dies aber dürfte doch absprechend, vorschnell geurteilt sein.

Sagen wir z. B. das Wasser sei nicht zusammendrückbar (inkompres -145§ 2. Darstellbarkeit der Urteile als Subsumtionsurteile.sibel) , so fordern wir psychologisch, dass die Vorstellung, das Merkmal der Zusammendrückbarkeit, wie es elastischen und namentlich elastisch flüssigen Körpern zukommt, ausgeschieden werde aus dem Begriff des Wassers, falls es etwa irrtümlich in denselben aufgenommen worden sein sollte, und andernfalles, dass diese Vorstellung seiner Bildung wenigstens fern bleibe, dass sie nicht in die Vorstellung des Wassers eingehe.

Nun lässt auch dieses Urteil als eine Subsumtion sich ansehen, be - sagend, dass die Klasse der als (flüssiges) Wasser zu bezeichnenden Dinge enthalten sei in, gehöre zu der Klasse der nicht zusammendrückbaren Sub - stanzen oder Dinge.

Diese Umformung des Urteils geschieht auch hier der logischen Technik zuliebe und sie hat den gleichen Wert wie in den übrigen Fällen; sie wird erforderlich sobald man auf die Umfangsbeziehungen zwischen dem Subjekt - und dem Prädikatbegriffe reflektiren will (und zwar, wie man später sehen wird, einerlei, ob man als letzteren das Merkmal der Zusammendrückbarkeit oder aber das der Inkompressibilität gelten lassen mag).

Und solcher Reflexion kann ein wissenschaftlicher Wert ebenso - wenig abgesprochen werden, als etwa der einseitigen Hervorhebung der chemischen Zusammensetzung (oder vielleicht der Gewichtsverhält - nisse) von Substanzen, deren eine aus den andern als eine Verbindung hervorgeht.

Des weiteren wären hiezu noch die unter δ3) der Einleitung an - gestellten Betrachtungen heranzuziehen.

Man wird finden, dass, wer da gegen das Verfahren der Logik des Umfanges eifert, allemal dabei aus der Rolle des Logikers eigent - lich herausfällt, nämlich anstatt daran festzuhalten, dass es dieser um normative Bestimmungen, um einen Kanon des Denkens zu thun sein muss, sich (unbewusst) auf den Standpunkt stellt, als ob es vielmehr ankäme auf eine naturwissenschaftliche Analyse der psychologischen Vorgänge beim wirklichen Denken. Namentlich hat die exakte Logik oft Veranlassung, sich von der Sprachform zu befreien; denn wie sehr auch die letztere sagt treffend Fr. A. Lange1 p. 94 sich dem natürlichen und gewöhnlichen Denken anschmiegt, so ist es doch nicht Sache der Logik, dieser Natürlichkeit zu huldigen, sondern viel - mehr zu scheiden und klar zu stellen, was wirklich logisch ist in den Gebilden der Sprache und was nicht.

Nach diesen Vorbemerkungen können wir unsrer eigentlichen Auf - gabe, die nun erhebliche Schwierigkeiten nicht weiter darbietet, jetzt näher treten.

Zunächst gibt es Fälle, wo die Subsumtion (auch) nicht den vollen (logischen) Inhalt des kategorischen Urteils wiedergibt.

Schröder, Algebra der Logik. 10146Erste Vorlesung.

Dies tritt dann ein, wenn in dem Urteil ein Fingerzeig enthalten ist, ob die Kopula Unterordnung oder ob sie Gleichheit bedeutet, wenn das Urteil selbst die eine von diesen beiden Interpretationen ausschliesst. Sagen wir z. B.

1001 ist eine von den durch 11 und 13 teilbaren Zahlen , oder auch:

Santorin ist eine von den zahlreichen Inseln im griechischen Archipel , so erscheint zwischen Subjekt und Prädikat die Beziehung der identischen Gleichheit ausgeschlossen, und drückt das Urteil eine wirkliche Unter - ordnung aus. Es wird hier eben im Urteil selbst das Prädikat als eine Mehrheit von Individuen gegenüber dem als eine Minderheit (vorhin sogar als nur ein Individuum) sich darstellenden Subjekte hingestellt.

Sehen wir dagegen das Prädikat mit dem bestimmten Artikel verbunden (der allerdings, wie schon erwähnt, in manchen Sprachen, wie im Lateinischen und Russischen fehlt), oder wird was wesentlich auf dasselbe hinaus - kommt das Prädikat mit dem hinweisenden Fürwort (pronomen demon - strativum) der -, die -, dasjenige (im Plural diejenigen ) eingeleitet, so beansprucht und erhält die Kopula die assertorische Kraft des Gleichheits - zeichens, versichert die Identität zwischen Subjekt und Prädikat und schliesst die Unterordnung aus. Z. B.

  • Gerade Zahlen (noch deutlicher: Die geraden Zahlen) sind die durch 2 teilbaren Zahlen.
  • (Die) Primzahlen sind diejenigen Zahlen, welche zwei und nur zwei Teiler haben.
  • N. N. ist der Dieb (sc. welcher den vermissten Gegenstand entwendete).
  • Iridium ist das schwerste Metall.
  • Jener Herr ist sein Vater (soll heissen: der Vater dieses Herrn). Etc.

Hierher gehören auch die Fälle, wo das Prädikat ein Eigenname ist, also nicht wie es sonst als die Regel erscheint einen allgemeinen Begriff, sondern etwas Individuelles, ein spezielles Objekt des Denkens be - zeichnet, z. B.

  • Dieser Fluss ist der Rhein. Diese Stadt ist Berlin. Der Dichter jener Ode war Horaz.

In dieser besondern Art von singulären Urteilen drückt die Kopula ebenfalls die Identität des Subjektes mit dem Prädikate aus.

Dasselbe gilt von Aussagen wie 2 mal 2 ist 4 , wo das Prädikat ein Zahlenindividuum ist und die Kopula die Versicherung der arithmetischen Gleichheit zwischen Subjekt und Prädikat gibt, die hier übrigens mit der identischen Gleichheit in gewissem Sinne zusammenfällt (sofern es üblich ist, alle einander gleichen Zahlen durch ein einziges den Zahlenort mar - kirendes Zahlenindividuum vertreten zu lassen).

Zu den hiermit gekennzeichneten Fällen treten noch solche von spe - ziellerem Charakter hinzu, die man passend als die Grenzfälle bezeichnen kann, wo nämlich nichts oder etwas resp. alles als Subjekt, be - ziehungsweise Prädikat auftritt (wie z. B. bei dem Satze: dies ist alles ). Diese werden wir erst in einer späteren Vorlesung (§ 9) berücksichtigen.

Wird das Subjekt mit a, das Prädikat mit b bezeichnet, so ist a b der volle Sinn der Aussagen ersterer und a = b derjenige der Aussagen letzterer Art. In beiden Fällen gilt also gewiss die Subsumtion a b147§ 2. Darstellbarkeit der Urteile als Subsumtionsurteile.und drückt wenigstens einen Teil des (logischen) Inhalts unsrer Urteile richtig aus.

Zu derselben muss aber, um die Urteile vollständig wiederzugeben, noch etwas hinzugefügt werden, und zwar in dem zweiten, dem Falle der Gleichheit a = b, wo eben das Urteil auch umgekehrt gilt, invertibel oder reziprokabel erscheint, ist zu der Subsumtion a b noch eine zweite Sub - sumtion b a hinzuzusetzen.

Was zu der Subsumtion a b noch anzumerken ist, damit die Unter - ordnung a b vollständigen Ausdruck finde, werden wir erst sehr viel später in's Auge fassen (17. Vorlesung.).

Es gehören eben die angeführten Fälle, wenngleich sie in grammati - kalischer Hinsicht, d. i. schlechtweg, zu den einfachen Urteilen zählen mögen, doch zu den in logischer Hinsicht zusammengesetzten (so wenigstens vom elementarsten Standpunkte aus betrachtet).

Verweilen wir nur mehr bei den auch im engsten Sinne ein - fachen Urteilen das sind diejenigen, in welchen die Frage nach der Umkehrbarkeit des Urteils unbeantwortet gelassen ist bei welchen also es offen bleibt, ob das durch Vertauschung von Subjekt und Prädikat sich ergebende Urteil gilt oder nicht gilt, nämlich dieser Umstand wenn auch vielleicht nebenher bekannt oder aus der Sache ersichtlich doch in dem Urteil selbst nicht ausgedrückt erscheint.

Hier behaupteten wir kann man immer Subjekt und Prädi - kat als Klassen auffassen und den logischen Gehalt des Urteils da - durch vollkommen wiedergeben, dass man es interpretirt als die Ver - sicherung (Assertion): Die Subjektklasse ist ganz enthalten in der Prädikatklasse. Man wird demnach auch sprachlich durch geeignete Umschreibung ohne dadurch den logischen Gehalt des Urteils zu alteriren die Kopula immer auf das Wörtchen ist hinausspielen können.

Hiezu ist es freilich erforderlich, den Begriff der Klasse nicht allzu enge zu fassen.

An schwach besuchten Schulanstalten kann es vorkommen, dass eine Schülerklasse auch einmal nur einen Schüler besitzt, vielleicht sogar gar keinen. Analog diesem schon im gemeinen Leben vor - kommenden Präcedenzfalle werden wir hier das Wort Klasse immer in solchem Sinne nehmen, so weit fassen, dass auch der Fall zugelassen erscheint, wo die Klasse nur ein Individuum enthält, sich auf ein solches beschränkt, in ein solches gewissermassen zusammenzieht. Sogar dem Nichts als dem Fall einer gar kein Individuum ent - haltenden oder leeren Klasse werden wir späterhin seinen Platz unter den Klassen einräumen.

Im übrigen wollen wir, was unter einer Klasse und was unter einem Individuum zu verstehen sei, zunächst nicht weiter erörtern. 10*148Erste Vorlesung.Jedermann versteht, was gemeint ist, wenn man spricht von der Klasse der Säugetiere, einer Klasse, von der jedes einzelne Säugetier ein Indi - viduum vorstellt, oder von der Klasse der Dinge, welche diese oder jene Eigenschaften besitzen. Zum Überfluss mögen hierzu die Betrach - tungen unter δ2) und ν2) der Einleitung nachgesehen werden:

Wir sind im stande irgend welche Objekte des Denkens als Indi - viduen zu einer Klasse zu vereinigen ( zusammenzufassen ).

Allein nur (scheint es) einander (unmittelbar) widersprechende Sätze, je mit der Überzeugung von ihrer Richtigkeit verbunden, machen hie - von eine Ausnahme. Kann auch jeder, für sich, für wahr gehalten werden, z. B. der Satz: Der Mond ist bewohnt , sowie der Satz: Der Mond ist unbewohnt , so können sie doch nicht zusammengefasst werden zu einer Klasse von Wahrheiten .

Und auch ein Individuum mögen wir bezeichnen als eine Klasse, welche eben nur dieses Individuum selbst enthält. Ein jedes Gedanken - ding kann zu solchem Individuum gestempelt werden.

Dem wissenschaftlichen Begriff des Individuums werden wir indess gelegentlich noch näher treten (22. Vorlesung).

Auch jene Klasse aber, die selber eine Menge von Individuen umfasst, kann wieder als ein Gedankending und demgemäss auch als ein Individuum (im weiteren Sinne, z. B. relativ in Bezug auf höhere Klassen) hingestellt werden. Wenn wir jedoch von einem Individuum im absoluten (engeren) Sinne reden, so verstehen wir darunter ein Objekt des Denkens, dessen Name als ein Eigenname und nicht als ein Gemeinname gehandhabt wird (vergl. den Teil B unsrer Einleitung).

Nach dem Gesagten kann das Subjekt des Urteils, wenn es ein Haupt - wort ist, ohne weiteres als eine Klasse aufgefasst werden, desgleichen, wenn dieses Hauptwort etwa durch Beiwörter oder Relativsätze näher be - stimmt, determinirt erscheint.

Dasselbe ist der Fall, wenn das Subjekt aus mehreren durch Kon - junktionen, wie und , oder , sowie etc. verbundenen Substantiven oder Nomina besteht. Z. B. Gold und Silber sind Edelmetalle heisst: Jede als Gold oder Silber sich erweisende Substanz ist ein Edelmetall; die Klasse jener Substanzen ist enthalten in der Klasse dieser, der Edelmetalle. Den logischen Gehalt der meisten Konjunktionen werden wir übrigens noch zum Gegenstand eines speziellen Studiums machen, und ist zu empfehlen, dass man namentlich die Betrachtung von Sätzen wie: Entweder a oder b ist c , Weder a noch b ist c vorerst zurückstelle. Zur Stelle auf diese einzugehen würde später nur zu Wiederholungen uns nötigen.

Nachdem unter ξ1) der Einleitung der Gebrauch von Wörtern in der suppositio nominalis ausgeschlossen worden, konnte als Subjekt des Urteils149§ 2. Darstellbarkeit der Urteile als Subsumtionsurteile.nur mehr auftreten ein Hauptwort, Pronomen, oder Verbum; auch kann das Subjekt durch einen Relativsatz vertreten sein.

Von Verben wird häufig die Infinitivform auch substantivisch gebraucht und kann als Subjekt eines Satzes stehen, wie z. B. in Schwimmen ist eine Kunst , wo Schwimmen auch durch das Schwimmen ersetzbar ist im Englischen steht die Partizipialform swimming , im Französischen das Hauptwort la nage . Offenbar wird hier etwas ausgesagt von einer Klasse menschlicher Thätigkeiten resp. Fertigkeiten, nämlich vom Schwimmen; von ihr wird behauptet, dass sie enthalten sei in der Klasse derer, die eine Kunst sind, d. i. eigens erlernt und durch Übung gefestigt werden müssen von Jedem, der sie erlangen will. Vergl. auch Tadeln ist leicht, schwerer ist Besser-machen ; d. i. (die Thätigkeit des) Tadeln (s) gehört zu der Klasse der leicht auszuübenden Thätigkeiten, in diesem dem übertragenen Sinne überhaupt zur Klasse der leichten Dinge . Man sieht an diesem Beispiele, wie die Einschaltung eines solchen im Urteil selbst gar nicht erwähnten Hülfsbegriffes, hier desjenigen der Thätigkeit , erforderlich werden kann, um dem Doppelsinn des Prädikatnamens zu steuern, einer falschen Deutung desselben vorzubeugen. Im letzten Teil des Satzes geht das Prädikat dem Subjekte voran: Etwas besser machen (als es gemacht worden ist) ist ent - halten in der Klasse der Thätigkeiten (resp. Dinge), welche schwerer sind (im übertragenen Sinne) als das Aussprechen eines Tadels über die erfolgte Ausführung. Etc.

Desgleichen kommen im Deutschen als Subjekt von Sätzen auch Verba vor im Partizip, wie in: Vorgethan und nachbedacht hat Manchen in gross Leid gebracht . In diesem Sprüchwort ist das Subjekt offenbar die Klasse der Fälle, in welchen ein Mensch erst nach impulsivem Handeln über dieses nachdachte. Es ist von dieser Klasse behauptet, dass sie ent - halten sei in der Klasse derjenigen Handlungen, die ihrem Urheber grosses Leid brachten aber, müssen wir hinzufügen, nicht ganz, sondern nur zu einem ansehnlichen Teile, denn durch das unbestimmte, hier als Pronomen stehende Zahlwort Manchen ist das Urteil obendrein zu einem parti - kularen gestempelt, so wie es and erwärts auch durch den Beisatz von Adverbien, wie manchmal, bisweilen, oft, häufig, selten, nicht immer etc. zum Prädikate zu geschehen pflegt. Die eigentliche Subjektklasse ist hier jener unbestimmte Teil der angeführten Klasse.

Auch in den Fällen, wo ein Relativsatz das Subjekt des Satzes ver - tritt, wird nun der Leser leicht das Urteil nach dem Umfangsverhältnisse vom Subjekt - und Prädikatbegriffe analysiren. Die Beispiele: Was uns im innersten erregt, pflegt bleibenden Eindruck zu hinterlassen , sowie Schiller's Was kein Verstand der Verständigen sieht, das übet in Einfalt ein kindlich Gemüt mögen dazu anregen. Beide sind partikulare Urteile, worauf im ersten Satze das Verbum pflegt hinweist: Subjektklasse wird hier sein der grössere Teil der Erlebnisse, welche eine tiefgehende Emotion verur - sachen. Das zweite Urteil ist allerdings nicht der Form nach als parti - kular anzusehen, sondern nur im Sinne des Dichters, wofern man demselben nicht eine viel zu weit gehende Behauptung in den Mund legen will.

Abgesehen von Fällen der erwähnten Arten haben wir es beim Sub - jekt nur mehr mit einem Hauptwort oder aber Fürworte zu thun.

150Erste Vorlesung.

Dass ersteres eine Klasse vorstellt, wurde bereits dargethan. Es sind hiezu nur noch ein paar Bemerkungen angezeigt im Hinblick auf dessen etwaige Begleitworte.

Ausser Adjektiven und Relativsätzen können mit dem Hauptwort auch noch verbunden sein irgendwelche Zahlwörter (numeralia). Z. B. 4 Birnen und 3 Äpfel liegen auf dem Tische , Der dritte und der fünfte Mann soll vortreten , etc. Nun dann kennzeichnet sich das Subjekt ohne weiteres als eine Klasse (sogar im engsten Sinn dieses Wortes).

Ähnlich verhält es sich, wenn sogenannte unbestimmte Zahlwörter (numeralia indefinita) mit dem Hauptworte verbunden sind. Solche sind z. B. einige (etliche), manche, mehrere, viele, wenige, häufige, die meisten, gewisse , etc.; und die Anwendung dieser stempelt, wie schon unter χ2) der Einleitung erwähnt, das Urteil zu einem sog. besondern oder parti - kularen im Gegensatz zum allgemeinen oder universalen Urteile, in welchem das Subjekt als Ganzes angeführt oder von dem unbestimmten Zahlwort alle , in der Singularform vom adjektivischen Pronomen jeder , irgend ein begleitet erscheint.

Sagen wir: Einige Menschen sind klug , so ist das Subjekt eine Klasse, bestehend aus einer unbestimmten Anzahl, aus einigen Menschen und diese Klasse wird hingestellt als ganz enthalten in der Klasse der klugen Wesen. Bezeichneten wir die erstere Klasse mit a', die letztere mit b, so hätten wir auch hier eine Subsumtion: a' b.

Wenn wir nun ferner die Klasse der nicht-klugen (eventuell unklugen) Wesen mit b1 bezeichnen, so dürfen wir aber das ebenfalls richtige Urteil Einige Menschen sind nicht klug jetzt durchaus nicht mit a' b1 dar - stellen, weil das Subjekt dieser letzteren Aussage, obwol in Worten gleich - lautend, homonym benannt, doch ein ganz anderes ist, als das der vorigen. Hierdurch würde nämlich ein Doppelsinn des Symboles a' geschaffen; das - selbe würde der fundamentalen in der Wissenschaft an jedes Zeichen zu stellenden Anforderung der Einsinnigkeit [vergl. σ1 χ1) der Einleitung] nicht mehr genügen und in der That wird es für unsre Zeichensprache noch viel verfänglicher erscheinen als in der Wortsprache, Verschiedenes mit dem gleichen Zeichen in einer Untersuchung zu benennen. Hier müssten wir also für das Subjekt der zweiten Aussage ein neues Zeichen a' 'wählen, dieselbe durch eine Subsumtion a'' b1 darstellen, um Verwechselungen der beiden Subjekte vorzubeugen, welche ja in einundderselben Betrachtung auch nebeneinander vorkommen könnten, vielleicht zusammen aufzutreten bestimmt sind.

Wie jene beiden partikularen Urteile darzustellen sind, wenn a die Klasse der Menschen überhaupt und b, wie oben, die Klasse der klugen Wesen bedeutet, dies wird in spätern Untersuchungen eingehend dargelegt werden.

Einstweilen genüge die Einsicht, dass auch die partikularen Aussagen im Grunde nichts Anderes als Subsumtionsurteile sind. Indessen sei gleich hier schon angeführt, dass in Bezug auf sie die Fussnote auf S. 132 zutreffen wird.

Ist das als Subjekt figurirende Hauptwort mit einem adjektivischen Pronomen verbunden, wie dem besitzanzeigenden (pr. possessivum) in Sein Haus oder dem hinweisenden, wie Diese (Jene) Arbeiter , so dient dies auch nur zur näheren Bestimmung der Klasse.

151§ 2. Darstellbarkeit der Urteile als Subsumtionsurteile.

Anders dagegen, wenn der sog. verneinende Artikel kein mit dem Subjekt verknüpft erscheint. Sagen wir Kein Mensch ist vollkommen , so ist durchaus nicht etwa Subjekt des Satzes Kein Mensch und Prädikat desselben vollkommen . Vielmehr ist der Satz, bevor er als Subsumtion gedeutet werden kann, erst umzuschreiben in den logisch damit äquiva - lenten: Jeder Mensch ist nicht-vollkommen oder Alle Menschen sind un - vollkommen , dessen Subjekt die ganze Klasse der Menschen und dessen Prädikat die Klasse der unvollkommenen Dinge oder Wesen bedeutet. Wie vorhin ein partikular , so haben wir hier ein universell verneinendes Urteil vor uns, und bis zur systematischen Behandlung der verneinenden Urteile überhaupt können wir uns mit der Erkenntniss begnügen, dass sie unter dem Gesichtspunkt der Umfangsbeziehungen ebenfalls blos auf Sub - sumtionen hinauslaufen.

Tritt ein substantivisch gebrauchtes Pronomen als Subjekt eines Urteils auf, so kann dasselbe als ein bezugnehmendes (word of reference) stehen, wie es , dasselbe (das vorher genannte Ding) und ist dann lediglich Stellvertreter eines bestimmten nomen's, welches auch statt seiner wieder - holt werden könnte; es war dann im buchstäblichen Sinne ein pro-nomen.

Jenes kann aber auch ein persönliches Fürwort (pronomen personale) sein, in welchem Falle es ganz selbständig, ohne Bezugnahme auf vorher Erwähntes, auftreten mag als: Ich, du (Sie), er, sie, es, wir, ihr (Sie), sie. Hier kann die Kopula bin, bist, seid, sind auch immer leicht auf ist hinausgespielt werden, indem man statt ich bin doch sagen kann, der (resp. die) Redende, Sprecher, Verfasser, etc. ist und statt du bist als logisch vollkommen äquivalent sich sagen lässt: Der (oder die) Angeredete, Adressat, etc. ist ; wir sind heisst ja in des Wortes engster Bedeutung gewöhnlich nur: die Klasse der Personen, welche besteht aus dem Redenden und den Angeredeten, ist , im weiteren Sinne: die Klasse der bereits erwähnten oder als bekannt vorauszusetzenden Personen mit Einschluss des Redenden oder als redend Dargestellten ist ; ebenso Ihr seid heisst: die Klasse der angeredeten Personen ist Etc.

Auch das unbestimmte persönliche Fürwort man bezeichnet als Sub - jekt (und es steht nur als solches) doch nur eine gewisse Klasse von Per - sonen, desgleichen jemand , jedermann . Bei niemand ist, analog wie dies in Bezug auf das ihm äquivalente kein Mensch implicite schon aus - einandergesetzt wurde, die Verneinung zum Prädikat zu schlagen; für nie - mand weiss ob ist als logisch äquivalent zu setzen jedermann ist dar - über unwissend, ob . Etc. Auf Urteile, als deren Subjekt nichts erscheint, kommen wir noch ausführlich zu sprechen.

Eine Bemerkung fordert endlich die dritte Person singularis des Neu - trums der persönlichen Fürwörter heraus, nämlich das Wörtchen es , welches häufig als Subjekt von Urteilen auftritt. Das ist der Fall in den sogenannten impersonalen Urteilen.

Als eine wichtige Unterabteilung dieser letztern müssen wir zunächst die sog. Existenzialurteile hervorheben, wie Es gibt (il y a, there are) z. B. Metalle, die auf dem Wasser schwimmen . Auch solche Urteile wür - den als Subsumtionsurteile sich ansehen lassen; z. B. das angeführte wäre zu deuten als: Gewisse Vorstellungen von Metallen die auf dem Wasser152Erste Vorlesung.schwimmen, sind enthalten in der Klasse derjenigen Vorstellungen, denen (als das Vorgestellte) Wirkliches entspricht. Der Klasse gedachter Dinge, denen Realität zukommt, welche existiren, wird auch hier eine Subjektklasse eingeordnet. Die Existenzialurteile gehören jedoch wieder zu denen, für welche die Fussnote auf S. 132 Platz greift, weshalb zu ihrer Einkleidung doch in unsrer Technik zu andern Mitteln wird gegriffen werden müssen und wir mit besondrer Sorgfalt auf dieselben zurückzukommen haben. Der vorstehenden Betrachtung kommt daher eine praktische Tragweite nicht zu sondern nur ein theoretischer Wert, sofern sie beiträgt vollends zu er - härten, dass wirklich alles Urteilen sich in Subsumtionen bewegt.

In vielen Fällen vertritt das Wörtchen es blos provisorisch das Subjekt, welches dann ausführlicher hinter dem Prädikate beschrieben wird; z. B. es weht ein heftiger Wind oder es ist bequem, Andere für sich arbeiten zu lassen ; so auch bei es ist leicht , es ist nützlich . Etc.

Auch bei den impersonalen Urteilen im engsten Sinne des Worts, wie es regnet, donnert, blitzt es riecht nach Moschus , es ist vier Uhr (Nachmittags) etc. wird der Leser unschwer die Subjekt - und zugehörige Prädikatklasse ausfindig machen. So im ersten Beispiel: der gegenwärtige Zustand der Atmosphäre am hiesigen Platze ordnet sich ein in die Klasse der Zustände, die wir als Regen (wetter) bezeichnen; ein Geruch nach Moschus (etwas diesen Geruch Hervorrufendes) ist vorhanden in der uns umgebenden Luft (Existenzialurteil); der gegenwärtige Augenblick ist iden - tisch mit dem durch die Zeitbestimmung 4 Uhr Nachm. der hiesigen Ortszeit charakterisirten Momente. Und so weiter.

Nachdem wir so die wichtigsten Formen sprachlichen Ausdrucks durch - gegangen haben, welche beim Subjekt eines Urteils vorkommen mögen, er - übrigt es, ein gleiches in Bezug auf das Prädikat desselben zu thun.

Ist das Prädikat ein Substantiv mit oder ohne determinirende Neben - bestimmungen, oder auch ein Aggregat von solchen (mittelst Konjunktionen verbundenen), so liegt keine Schwierigkeit vor, sich den Umfang des Prä - dikatbegriffes oder die Prädikatklasse zum Bewusstsein zu bringen.

Desgleichen haben wir dazu wiederholt schon Anleitung gegeben für den Fall, wo das Prädikat ein Adjektivum ist wie denn der Satz die Erde ist rund nichts anderes aussagt als: die Erde gehört zu der Klasse der als rund zu bezeichnenden Dinge, sie ist Etwas rundes , ein rundes Ding. Nach diesem Vorbild konnte überhaupt ein Adjektivum allemal in die substantivische Form sogleich umgesetzt werden; die Adjektiva stehen den Substantiven am nächsten, erscheinen nur grammatikalisch von solchen verschieden. In der Thatsache allerdings, dass sie ihrer logischen Gleich - wertigkeit mit Substantiven ungeachtet, doch nicht allgemein wie diese als Subjekt eines Urteils stehen können, offenbart sich eine psychologische Eigentümlichkeit der Wortsprache wie denn z. B. Mill hervorhebt, dass man nicht sagen könne: rund ist leicht zu bewegen . *)Vereinzelte Ausnahmen kommen in Sprüchwörtern vor, wie: Allzuscharf macht schartig, u. a. Obige Sub - stantivirung des Adjektivs ist auch gleichermassen ausführbar, in was immer für einem Grad oder Vergleichungsmodus dasselbe steht, einerlei ob im153§ 2. Darstellbarkeit der Urteile als Subsumtionsurteile.Positiv, Komparativ oder Superlativ. Auch Beispiele zu den letzteren Fällen wird man schon unter den vorstehend betrachteten finden.

Statt durch die vom Hülfszeitwort sein abgeleitete Kopula mit dem Subjekt des Urteils verknüpft zu sein, ist das Prädikat desselben in den allermeisten Fällen mit einem Verbum konstruirt, und oft besteht es nur aus einem solchen.

Einerlei ob dieses Verbum transitiv vielleicht ein reflexivum oder intransitiv ist, ob es im Aktivum oder Passivum steht, auch einerlei in welchem Tempus, ob in einem Präteritum, im Präsens oder im Futu - rum, stets wird sich sei es vermittelst einer Partizipialkonstruktion, sei es durch Zuhülfenahme eines Relativsatzes das Urteil durch ein anderes vom selben logischen Gehalt umschreiben lassen, in welchem die Kopula ist steht und das Prädikat als eine Klasse hervortritt, der die Subjekt - klasse sich einordnet. Es würde ermüdend sein, dies für alle Fälle durch - zusprechen, die sich in grammatikalischer Hinsicht irgend unterscheiden lassen, und werden ein paar Beispiele genügen.

Die Erde dreht sich sagt das nämliche wie die Erde ist sich drehend (Etwas sich drehendes), sie ist in Rotation befindlich, enthalten in der Klasse der Körper oder Dinge, welche sich im Zustande der Drehung befinden .

Der Satz Caesar wurde ermordet passt sich nicht minder unserem allgemeinen Schema der kategorischen Urteile an, indem er besagt: die (singuläre) Klasse, bestehend aus dem einen Individuum (der bekannten histo - rischen Person des römischen Imperators) Caesar, ist enthalten in der Klasse der Personen, welche ermordet wurden.

Am 9. August 1896 wird eine totale Sonnenfinsterniss stattfinden stellt sich bei Reflexion auf die Umfangsbeziehungen als das Subsumtions - urteil dar: Eine totale Sonnenfinsterniss ist enthalten in der Klasse der Ereignisse (Dinge), welche am 9. August 1896 stattfinden (werden) . *)Es sei darauf aufmerksam gemacht, dass bei genauer Angabe eines Zeit - punktes oder eines Zeitraums, einer Epoche, ein unterscheidender Gebrauch der Temporalformen beim Verbum überflüssig wird, wie denn auch die Sprache meist das Präsens in solchen Fällen beibehält.In dieser Fassung erscheint indess das Urteil als ein unbestimmtes , und es gibt sich in der Verbindung des Subjektbegriffes totale Sonnenfinster - niss mit dem unbestimmten Artikel Eine zu erkennen, dass das Urteil eigentlich ein Existenzialurteil ist. Man könnte in der That mit der - selben logischen Tragweite auch sagen: Es gibt eine Sonnenfinsterniss, welche auf den Aug. 1896 fällt . Am angemessensten würde darnach (abermals als Subsumtion) das Urteil dahin zu interpretiren sein: Die Vor - stellung einer auf den 9. Aug. 1896 fallenden Sonnenfinsterniss gehört zu (ist enthalten in) der Klasse derjenigen Vorstellungen, denen Wirk - liches entspricht. Analog möge der Leser das Urteil interpretiren: In die Jahre 1870 und 71 fällt ein deutsch-französischer Krieg .

Auch der abgekürzte Gefechtsbericht: Tote 20, Verwundete 100 kann so einerseits als Existenzialurteil dargestellt werden; doch lässt er andrerseits auch sich als das umkehrbare Urteil deuten: Die Anzahl der bei jenem Gefechte (tot) Gebliebenen ist (einerlei mit, gleich) 20 u. s. w.

154Erste Vorlesung

Das in dem Rufe: Feuer! niedergelegte Urteil dürfte ebenfalls wesent - lich als Existenzialurteil anzusehen sein. Und anderes mehr.

Dagegen würde das schon in B der Einleitung erwähnte Urteil: der Pegasus ist geflügelt , sich logisch decken mit der Subsumtion: die (er - dichtete) Vorstellung vom (Dichterrosse) Pegasus ist enthalten in der Klasse der Vorstellungen von solchen Dingen (Wesen), welche als geflügelt zu bezeichnen .

In der Regel geht in unsern Kultursprachen das Subjekt dem Prädi - kate voran, doch haben wir bereits auf Fälle hingewiesen, wo das Subjekt provisorisch nur durch es vertreten erscheint, um ausführlichst hinter dem Prädikate beschrieben zu werden. Dahin gehörten auch die meisten Existenzialurteile, cf. Es war einmal ein König etc.

Fälle der umgekehrten Stellung beider Satzglieder kommen auch ausser - dem vor, jedoch verhältnissmässig selten, so namentlich bei anschaulich lebendigen Schilderungen vorwiegend sinnlichen Charakters wie denn noch auf sinnlicher Stufe stehende Sprachen, z. B. Das Hebräische, das Verbum besonders gerne voranstellen (Sigwart), so auch im gemütlichen Erzählerton und in poetischen Wendungen. Vergl. z. B. Unaufhörlich donnerten die Lawinen, rollte der Donner, knatterte das Kleingewehrfeuer; unausgesetzt schien die Sonne , Unaufhaltsam schreitet fort die Zeit , etc. Der Satz: In Südafrika lebt das Erdferkel kennzeichnet durch diese Stel - lung sich als ein partikulares Urteil und hat darum eine andere logische Tragweite, als der Satz: Das Erdferkel lebt in Südafrika , welcher uni - versal, und falsch zu nennen wäre, da diese Tiere auch in Senegambien vorkommen.

Es muss dem Sprachgefühl des Lesers überlassen werden, allemal (auch bei der umgekehrten Stellung) das Subjekt ausfindig zu machen, dasselbe nebst dem Prädikate zu erkennen. Man übe sich, etwa an Sentenzen, wie: Diejenigen verzeihen nie, die das Unrecht zugefügt haben (They never pardon, who have done the wrong, Jevons), oder Goethe's: Was wir verstehen können wir nicht tadeln etc., desgleichen an irgend - welchen Sätzen, wie Ich fühle mich jetzt besser ; So hat er gesagt (= Das eben Vernommene ist übereinstimmend mit dem, was er, damals, gesagt hat De Morgan); Hans ist allein zuhause (= die Klasse der zuhause befindlichen Personen ist identisch der singulären Klasse Hans ) die beiden letzten, wie man sieht, umkehrbare Urteile. Etc.

Es ist darüber gestritten worden, ob ein Urteil wie dieser Hund ist ein laufender genau denselben Gehalt habe wie das Urteil dieser Hund läuft . Solange man uns nicht einen Hund zeigen kann, der ein soeben laufender ist und dennoch nicht läuft oder umgekehrt darf uns die ganze Frage als eine höchstens dem psychologischen gebiet angehörige hier gleichgültig bleiben.

Wir versuchten vorstehend darzuthun, dass in der That und in welcher Weise ein jedes Urteil, soferne man die Umfangsbeziehung zwischen Subjekt - und Prädikatbegriff in's Auge fasst, hinausläuft auf und darzustellen ist als eine Subsumtion. Gelang es, dies für die Urteils - bildungen in der deutschen Sprache einleuchtend zu machen, so dürfen155§ 3. Euler's Diagramme.wir dasselbe auch für jede Sprache in Anspruch nehmen, in Anbetracht dass, was in irgend einer, sich auch in deutscher Sprache adäquat wird ausdrücken lassen.

Zweck der ganzen Auseinandersetzung war nur der: von vorn - herein einen Einblick zu eröffnen in das weite ja allumspannende Feld der Anwendungen, welche eine auf das Studium der Subsumtion ge - gründete Disziplin zulassen wird, in die Allgemeinheit und Tragweite, auf welche solche Disziplin Anspruch hat, die ihr zukommen muss. Was etwa in diesen Betrachtungen noch unvollendet geblieben ist, das wird sich zumeist in spätern Spezialstudien erledigen.

§ 3. Euler's Diagramme. Identischer Kalkul mit Gebieten einer Mannigfaltigkeit.

Die Beziehung der Subsumtion, mit deren logischem Gehalt und sprachlicher Einkleidung wir uns bisher beschäftigten, ist fähig, räum - lich oder geometrisch veranschaulicht zu werden auf eine Weise, welche für das Studium der Logik ungemein förderlich ist. Seit Leonhard Euler1 in seinen Briefen an eine deutsche Prinzessin von gedachter Versinnlichungsweise (der zwischen Begriffsumfängen oder Klassen über - haupt und so namentlich auch zwischen Subjekt und Prädikat bestehenden Beziehungen) einen populären Gebrauch gemacht hat, ist dieselbe wol in allen Werken über Logik benutzt oder wenigstens auf sie Bezug genommen. Auch wir wollen fortan uns jene Beziehungen versinnlichen vermittelst der Euler'schen*)Wir behalten diese Bezeichnung bei, obwol sich Vorläufer gefunden haben: bei Weise1 und in Gestalt von Winkeln oder Dreiecken schon bei Vives1 vergl. Ueberweg1 p. 239 und Fr. A. Lange1 p. 10. Diagramme .

Zu dem Ende ordnen wir in Gedanken den zu betrachtenden Be - griffsumfängen oder Klassen gewisse räumliche Gebiete Sphären ( Begriffssphären ) oder auch Flächen, z. B. Kreisflächen in der Ebene der Zeichnung, zu, lassen diese und jene einander gegenseitig eindeutig entsprechen, oder bilden jene durch diese gewissermassen ab.

Um zunächst zu unsern typischen Beispielen von kategorischen Urteilen auf S. 127 zurückzukehren, so mag die Kreisfläche a die Klasse Gold , die Kreisfläche b die Klasse Metall vorstellen.

Alsdann verdeutlicht die Fig. 1 die Beziehung: a b, in welcher beide Klas - sen zu einander stehen; man erblickt die Klasse a als einen blossen Teil der Klasse b, sieht, dass sie ganz in der letzteren ent -

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Fig. 1.

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Fig. 2.

156Erste Vorlesung.halten ist, dass aber diese letztere noch über sie hinausragt (b over - laps a) und demnach b auch noch anderes ausser a (wie ja z. B. die Klasse Silber ) enthalten wird.

Stellen wir uns dagegen durch Kreisflächen a und b die Klassen Kochsalz und Chlornatrium dar, so wird die zwischen beiden Klassen bestehende Beziehung: a = b versinnlicht durch die Fig. 2, in welcher beide Kreise ersichtlich in einen einzigen zusammenfallen.

Die Subsumtion a b aber, welche, wie wir sahen, den Sinn des kategorischen Urteils a ist b im allgemeinen wiedergibt, wird zu ver - anschaulichen sein durch den Hinweis darauf, dass von den beiden durch die Fig. 1 und die Fig. 2 dargestellten Fällen irgend einer (der eine oder aber der andere) stattfinde.

Man kann sich im ersten Falle geradezu die Kreisfläche a mit allen Goldteilchen, Goldatomen der Welt belegt denken, sodass jeder Punkt dieser Fläche der Träger eines Goldatomes ist, und den a umgebenden ringförmigen Teil der Kreisfläche b mit den Atomen aller übrigen Metalle (ausser Gold), die sich im Weltall vorfinden. Und analog könnte man im zweiten Falle mit den Kochsalzmole - külen verfahren.

Wir könnten im ersten Falle sagen: man denke sich die Kreis - fläche a ganz einfach vergoldet , wenn nicht bei der Vergoldung im Sinne der atomistischen Hypothese den Goldatomen gewisse Abstände vor - geschrieben wären, die sie nicht zu unterschreiten vermögen, über die hin - aus sie einander sich nicht nähern können, sodass wir sie auf der kleinen Fläche füglich nicht alle unterzubringen vermöchten. Emanzipiren wir uns aber von der Forderung, solche durch die Temperatur und Dichte des Ver - goldungsmaterials, eventuell die Grösse der Atome bestimmte Abstände einzuhalten, so steht der geforderten ideellen Zuordnung nichts mehr im Wege, da wir ja über unbegrenzt viele mathematische Punkte in der Kreis - fläche a verfügen, welche eine Mannigfaltigkeit der zweiten Art im Sinne Georg Cantor's bilden. *Die Ausführbarkeit gedachter Zuordnung würde sich nach des letzteru Untersuchungen über die Mannigfaltigkeitslehre streng mathematisch beweisen lassen, wie viel Gold und Metall es auch im Weltall geben mag, ja, wenn der ganze Raum damit erfüllt wäre. Man kann nach den einschlägigen Untersuchungs - ergebnissen (Borchardt's Journal Bd. 84) den ganzen Raum schon auf einer be - grenzten Linie oder Strecke ein-eindeutig abbilden, so, dass jedem Punkt des einen immer ein Punkt und nur ein Punkt der andern, und umgekehrt, entspricht. Vergl. hiezu auch Arbeiten von J. Lüroth, E. Jürgens, u. A.

Wir gehen aber sofort noch einen erheblichen Schritt weiter, über die bisherige Praxis der Verwendung Euler'scher Diagramme hinaus, indem wir die Beziehungen zwischen Sphären oder Punktgebieten des157§ 3. Identischer Kalkul mit Gebieten einer Mannigfaltigkeit.Raumes auch an sich studiren, losgelöst von deren vorhin charakteri - sirten illustrativen Zwecken, also ohne Rücksicht darauf, dass uns diese Gebiete Klassen oder Begriffe versinnlichen sollten.

Wir lassen so der eigentlichen Logik eine Hülfsdisziplin vorauf - gehen oder auch mit ihr parallel einhergehen, deren Sätze jederzeit durch die Anschauung kontrolirt werden können und welche von rein mathematischem Charakter ist. In ihr werden die Regeln aufgestellt und bewiesen für eine eigentümliche Buchstabenrechnung, welche pas - send zu bezeichnen sein dürfte als

Identischer Kalkul mit Gebieten einer Mannigfaltigkeit.

Als gegeben denken wir uns hier eine Mannigfaltigkeit von Ele - menten etwa die Mannigfaltigkeit der Punkte in der Fläche der Schultafel (oder die der Felder auf einem Bogen karrirten Papiers).

Diese Mannigfaltigkeit halten wir im Felde unsrer Aufmerksam - keit fest und kümmern uns nicht um die Dinge ausserhalb derselben. Die Natur dieser Mannigfaltigkeit sowie die Art ihrer Elemente sei von vornherein in unser Belieben gestellt; die Betrachtungen sollen allgemeine sein und werden (mit einem gewissen, später zu erwähnen - den Vorbehalt) Gültigkeit beanspruchen für jede denkbare Mannigfal - keit von irgendwelchen Elementen. Anstatt der bereits hervorgehobenen beiden Beispiele könnten wir namentlich auch nehmen: die Mannig - faltigkeit der Punkte des Raums überhaupt; desgleichen die (bekannt - lich vierdimensionale) Mannigfaltigkeit aller im Raume denkbaren Ge - raden; oder auch blos diejenige der Punkte einer bestimmten (sei es begrenzten, sei es unbegrenzten) geraden Linie; ferner auch die Mannig - faltigkeit der Zeitpunkte eines bestimmten Zeitraums, einer Epoche, wo nicht der Zeit überhaupt, und so weiter, u. s. w. Zur unmittel - baren Veranschaulichung ihrer Teile qualifizirt sich am besten das schon hervorgehobene Paradigma der Vorderfläche der Schultafel, die wir ja mit den in sie einzutragenden Figuren auch jeden Augenblick im Text hier abbilden zu können in der Lage sind. Ich werde aus didaktischen Gründen um nicht immer abstrakt (blos von Ele - menten, von Mannigfaltigkeit, etc.) zu reden diese spezielle Mannig - faltigkeit hier in den Vordergrund stellen, sie die bevorzugte Mannig - faltigkeit nennen.

Irgend eine Zusammenstellung von Elementen der Mannigfaltig - keit nennen wir ein Gebiet der letzteren. Solches Gebiet kann in unserem bevorzugten Falle aus beliebig vielen getrennten Teilen, als da sind: isolirte Punkte, Linien und Flächen, bestehen, eine ganz158Erste Vorlesung.beliebige Figur in der Tafelebene bilden; doch muss bei Linien - stücken und Flächen jeweils ausgemacht sein, ob auch deren End - punkte resp. Grenzlinien, Konturen mit zu dem Gebiet gehören sollen, oder nicht. Praktisch aber, behufs Illustration der allgemeinen Sätze unsres Kalkuls, werden wir in der Regel die Gebiete möglichst einfach durch zusammenhängende Flächen, etwa nach Art der Euler'schen Diagramme durch Kreisflächen (wo nicht das Gegenteil bemerkt wird, unter Einschluss von deren Peripherie) uns darstellen.

Buchstaben, wie a, b, c, mögen künftighin solche Gebiete be - deuten, aber diese selber, und nicht etwa (wie es sonst wol in der Mathematik üblich ist) deren Maasszahlen oder Flächeninhalte, von dergleichen in diesem Buche überhaupt nicht die Rede sein wird.

Mit einziger Ausnahme, vielleicht, der geometria situs, der syntheti - schen oder Geometrie der Lage herrscht in der Mathematik der Gebrauch vor, unter den Buchstaben jeweils Zahlen zu verstehen, und zwar zumeist die Maasszahlen von Grössen (eventuell auch die aus Paaren solcher zu - sammengesetzten komplexen Zahlen).

Von einer Grösse ihre Maasszahl zu abstrahiren ist auch nachdem man mit der Maass-Einheit schon Bekanntschaft gemacht hat noch ein ziemlich komplizirter Prozess. Ich erinnere an die Schwierigkeiten, welche schon die Aufstellung des Begriffs der Länge einer krummen Linie, sowie des Flächeninhaltes, desgl. des Voluminhaltes einer irgendwie begrenzten ebenen oder körperlichen Figur im elementaren Unterricht bietet ganz zu geschweigen von den Schwierigkeiten der Messung selber.

Sich unter dem buchstaben anstatt der gemessenen Grösse, z. B. Fläche selbst, deren Maasszahl vorzustellen ist gar nicht das Naturgemässe, vielmehr etwas Erkünsteltes. Es darf in Erinnerung gebracht werden, dass die Gewöhnung daran erst in der Schule mühsam anerzogen wird. Wenn z. B. von den Schülern eine Mischungsaufgabe, betreffend Wasser und Wein, gerechnet wird, so wird der Lehrer leichtlich auf die Frage, was x hier bedeute?, vom Schüler die Antwort erhalten: x bedeutet das Wasser statt richtig: die Anzahl Liter des zur Mischung zu verwendenden Wassers. Manche Schüler müssen wiederholt und hartnäckig darauf hin - gewiesen werden, dass unter den Buchstaben keineswegs die Dinge selbst, sondern deren Anzahl, beziehungsweise Maasszahlen, zu verstehen seien.

Es kann daher nicht wol als eine ungebührliche Zumutung an den Mathematiker bezeichnet werden, von dieser so mühsam erworbenen Ange - wöhnung zeitweilig für den gegenwärtigen Kalkul sich frei zu machen und wieder zurückzukehren zu dem urwüchsigen Verfahren, welches (an - statt ihrer Maasszahlen) die Dinge selbst benennt und bezeichnet zumal auch hiefür Präcedenzfälle in der Mathematik schon genugsam vorliegen: wie denn z. B. in der Lehre von Kongruenz, Ähnlichkeit und Projektivität der Figuren unter einem Dreieck A B C auch durchaus nicht verstanden wird die Maasszahl von dessen Fläche, vielmehr in der That das Dreieck selber, u. a. m.

Immerhin dürfte gerade den vorwiegend mathematisch geschulten Leser159§ 3. Identischer Kalkul mit Gebieten einer Mannigfaltigkeit.es anfänglich eine bewusste Anstrengung kosten, hier, wo es unumgänglich ist, isch zu emanzipiren von jener Gewöhnung, mit den uns Flächen dar - stellenden Buchstaben in Verbindung zu bringen die Vorstellung von metri schen Relationen.

Jedes spezielle Gebiet, das wir so unter einem Buchstaben a ver - stehen mögen, nennen wir einen Wert (valor, value) des letztern.

Als erste Beziehung, welche zwischen zwei Gebieten a und b be - stehen kann, fassen wir nun im identischen Kalkul die Beziehung der Subsumtion: a b in's Auge, die uns ausdrücken wird, dass das Gebiet a (das Subjekt - gebiet ) sich dem Gebiete b (dem Prädikatgebiet ) einordne, dass a in b enthalten sei so wie es, nebenbei gesagt, die Alternative zwischen den Figuren 1 und 2 veranschaulicht.

Den Sinn ebendieser Beziehung setzen wir einzig und allein als bekannt voraus.

Alle andern Begriffe und Beziehungen, die wir noch in den Be - reich des identischen Kalkuls hereinzuziehen haben, werden ausschliess - lich aus Beziehungen dieser Sorte, aus Subsumtionen aufgebaut, so - dass wir ungeachtet seiner später vollzogenen Erweiterungen und scheinbar grösseren Tragweite doch sagen können, der identische Kalkul beruhe einfach und ganz auf dem Studium der Subsumtionen.

Wir werden die Gesetze dieses Kalkuls zunächst (unter Beihülfe der Wortsprache) in der allgemeinen Form mathematischer Beweisführung begründen, für welche seinerzeit die Geometrie des Euklides muster - gültig geworden ist, um hernach in einem Rückblicke zu erkennen, dass bei den Schlüssen ebendieser Beweisführung nur die Prinzipien dieses Kalkuls selber angewendet worden sind.

Niemand, der für Reinheit der Methode und Konsequenz des Ver - fahrens Sinn besitzt, wird sich dem Eindruck der Schönheit und mathe - matischen Eleganz des damit geschaffenen wissenschaftlichen Systems verschliessen können. Freilich wird man, um diesen Eindruck ganz ungetrübt zu gewinnen, möglichst abzusehen haben von allem Beiwerk der hiernächst zu entwickelnden Theorie.

Das Beiwerk ist zu einem Teile ein kritisches, insofern uns obliegen wird, die gewählten Bezeichnungsweisen, die das Fundament der Zeichen - sprache bilden, zu motiviren, sie zu rechtfertigen gegen etwaige Ausstel - lungen von mathematischer nicht minder, wie von philosophischer Seite. Überhaupt werden wir auf vorauszusehende Einwände sowol, wie auf ent - gegenstehende Lehrmeinungen philosophischer Systeme und Ausführungen namhafter Mitarbeiter und Philosophen oft Rücksicht zu nehmen, solche nötigenfalls zu widerlegen haben. Und die Eigenart unsrer Behandlungs -160Erste Vorlesung.weise der logischen Materie bildet gerade hiefür eine beträchtliche Er - schwerung. Zufolge der verbindenden Stellung, die sie zwischen Philosophie einer - und Mathematik andrerseits einzunehmen bestimmt ist, werden wir in der That auf zwei wie schon im Vorwort erwähnt fast allzu verschieden disponirte Leserkreise stetsfort bedacht zu nehmen haben.

Die Hauptmasse aber des mit der Theorie des identischen Gebietekal - kuls hier zu verflechtenden Beiwerks wird von sachlicher Art sein, nämlich aus Nutzanwendungen des Kalkuls für die Zwecke der Logik selbst zu bestehen haben. Von diesen finden wir für gut, einen (ersten) Teil wenig - stens gleich neben der Theorie einherlaufen zu lassen, und zwar den Teil, welcher abzielt auf die Verwertung des Kalkuls behufs Einkleidung in seine Zeichensprache zunächst derjenigen Beziehungen, welche zwischen Klassen oder Begriffsumfängen die Wortsprache auszudrücken vermag.

Begriffe und Sätze oder Formeln des identischen Kalkuls (be - ziehungsweise des damit verwandten logischen, vergl. die sechste Vor - lesung) werden (überhaupt) die verschiedenartigsten Anwendungen zulassen, Anwendungen, die sich lediglich unterscheiden durch die Deutungsweise, Interpretation der hier als allgemeine Symbole ver - wendeten Buchstaben, und demgemäss auch der sie verknüpfenden Operations - und Beziehungszeichen. Wir werden namentlich unter den Buchstaben verstehen können:

  • α) Gebiete einer Mannigfaltigkeit von Elementen,
  • β) Klassen oder Gattungen von Individuen, insbesondere auch Be - griffe, nach ihrem Umfang betrachtet, desgl.
  • γ) Begriffe nach ihrem Inhalt betrachtet, speziell auch Vor - stellungen,
  • δ) Urteile, Behauptungen, Aussagen ( statements ),
  • ε) Schlüsse ( inferences )
    *)Die Schlüsse können selbst als Urteile hingestellt werden welche den denknotwendigen Zusammenhang zwischen Prämisse und Konklusion konstatiren.
    *),
  • ζ) Funktionalgleichungen, Algorithmen, Kalkuln, Gruppen ,

kurzum, bei geeigneter Auslegung der Zeichen so ziemlich alles Denkmögliche.

Wenn demnach als Vorwurf, Thema der deduktiven Logik ge - meinhin bezeichnet wird die Lehre von den Begriffen, Urteilen und Schlüssen, so wird zu sehen sein, dass auch auf diese Objekte unsre Hülfsdisziplin des identischen Kalkuls sich mitbezieht. Sie wird sich auf dieselben direkt übertragen lassen, indem man einfach einen Wechsel in der Deutung der Zeichen vollzieht.

Wie schon angedeutet, würde unsre Darstellung des identischen Kalkuls an Übersichtlichkeit allerdings gewinnen, wenn wir ihn zu - nächst nur als reinen Gebietekalkul, lediglich unter dem Gesichtspunkte161§ 3. Identischer Kalkul mit Gebieten einer Mannigfaltigkeit.α), entwickelten und uns dabei aller Seitenblicke auf seine ander - weitigen Anwendungen zunächst enthielten. Dieser Vorteil würde in - dess erkauft durch eine Reihe von, in meinem Dafürhalten schwer - wiegenden pädagogischen Nachteilen: man würde, vor allem, gar lange nicht abzusehen vermögen, zu was überhaupt die Betrachtungen gut sind, und weshalb sie angestellt werden. Zudem handelt es sich doch auch darum, den deutschen Leserkreis erst einigermassen heranzu - ziehen zu dem Gebrauch dieses Kalkuls, zu welchem ja Übungsbücher oder Aufgabensammlungen im Deutschen noch nicht existiren, wo - gegen in der englischen Literatur bereits manche Werke diesen Cha - rakter in beträchtlichem Umfange ausgeprägt zeigen. Jede Illustration aber von theoretischen Sätzen durch Beispiele auf einem Anwendungs - felde muss hier den Wert einer Übung im Gebrauch der zu erlernen - den Zeichensprache noch nebenher besitzen.

Aus diesen Gründen erscheint es mir als höchst wünschenswert bei der Entwickelung der Theorie des identischen Kalkuls sogleich ein Anwendungsgebiet von einigermassen praktischer Natur zur Verfügung zu haben, und wähle ich als das nächstliegende das Anwendungsfeld β), dasjenige Gebiet also, welches ja den Ausgangspunkt unsrer Be - trachtungen von vornherein gebildet hat, und die Idee zur Gründung einer selbständigen Hülfsdisziplin auf dem Felde α) erst seinerseits anregte.

Auf dieses Anwendungsfeld β) werden wir, nunmehr von α) aus - gehend, hinübergeleitet durch die Bemerkung, den Hinweis darauf: dass die Elemente unsrer Mannigfaltigkeit auch sogenannte Indi - viduen sein können, wo dann die Gebiete dieser Mannigfaltigkeit zu bezeichnen sein werden als Systeme, und wenn man will als Klassen von solchen Individuen. Als dergleichen Individuen mögen irgendwelche Objekte des Denkens, sofern sie überhaupt in Gedanken isolirbar sind, zunächst hingestellt werden, und die ganze Mannigfaltig - keit wird dabei erscheinen als eine all' jenen Klassen übergeordnete allgemeinere oder umfassendere Klasse, wofern sie nicht etwa als die Mannigfaltigkeit des Denkbaren überhaupt sich wird ansehen lassen.

Anmerkung. Nächst dem Anwendungsfelde β) des identischen Kal - kuls das ist dem mit dem Gebietekalkul α) auf das engste verwandten Klassenkalkul ist als das wichtigste dessen Anwendungsfeld δ) her - vorzuheben, das ist der Aussagenkalkul (von McColl als calculus of equivalent statements bezeichnet). Müssen wir doch all' unsre Über - legungen und Beweise vollziehen in Gestalt einer Reihenfolge von Aussagen!

Um dessen, was wir dabei thun, jeweils vollkommen inne zu werden, über einen jeden unsrer Schritte uns klarste Rechenschaft abzulegen, wirdSchröder, Algebra der Logik. 11162Erste Vorlesung.es darum ratsam sein, auf das Anwendungsfeld δ) schon frühzeitig zu achten, gelegentlich auch auf dieses einen Seitenblick zu werfen. Syste - matisch wird ja auf dasselbe allerdings erst später, mit Band 2 erst ein - zugehen sein. Aus dem angedeuteten didaktischen Grunde aber sei vor - greifend schon hier bemerkt, dass im Aussagenkalkul einer Subsumtion a b die Bedeutung zukommen wird: Wann die Aussage a gilt, gilt auch die Aussage b, jene zieht diese nach sich, m. a. W.: Aus a folgt b.

Die wichtigste Rolle muss naturgemäss solchen Klassen zufallen, welche als der Umfang von (gewissen, denselben zugeordneten) Be - griffen bestimmt erscheinen. Doch ist wie bereits unter γ3) der Einlei - tung betont, die Rechnung mit Klassen noch umfassender als die Rech - nung mit Begriffsumfängen, sofern man jeweils zu vorübergehenden Zwecken, ja sogar in völlig willkürlicher Auswahl, auch die allerhete - rogensten Dinge in eine Klasse wird zusammengefasst denken dürfen.

Die Benennung als Umfang eines Begriffes, welche wir von der scholastischen Logik überkommen haben, um die Klasse oder Gesamt - heit aller derjenigen Individuen zu bezeichnen, welche zu der Kate - gorie des betreffenden Begriffes gehören , diese Benennung erscheint im Hinblick schon auf deren Versinnlichung mittelst Euler'scher Diagramme als eine ziemlich unglücklich gewählte. Es sind ja keineswegs die Umfänge oder Peripherieen der Euler'schen Kreise, es sind nicht die Konturen der Flächengebiete, welche uns im iden - tischen Kalkul die Begriffsumfänge zu versinnlichen haben, sondern allemal diese Kreisflächen selber resp. die Flächengebiete mit allem was sie in sich enthalten. Viel passender hiefür erscheint das eng - lische extent , welches ganz wohl mit Ausdehnung oder Erstreckung des Begriffes im Deutschen wiedergegeben werden könnte. Doch sind wir nicht in der Lage, eine Jahrhunderte alte und ganz allgemein acceptirte logische Terminologie umstossen zu können, und müssen uns damit begnügen, auf das Verfängliche der Benennung einmal hier aufmerksam gemacht zu haben.

Noch ist zu betonen, dass wir bei den Anwendungen der Theorie auf Klassen immer nur scharfumgrenzte oder, wie man sagen kann wohldefinirte Klassen im Auge haben werden.

Es wird vorausgesetzt, dass in Bezug auf kein Ding oder irgend mögliches Objekt des Denkens einem Zweifel Raum gelassen sei, ob es zu der gedachten Klasse gehöre oder nicht.

Dies ist zunächst der Fall, sobald die Individuen der Klasse sich vollständig haben aufzählen lassen.

Häufig aber werden die (zu betrachtenden) Klassen offene sein, Klassen von einer unbegrenzten Individuenzahl, deren Individuen also163§ 3. Identischer Kalkul mit Gebieten einer Mannigfaltigkeit.überhaupt nie vollständig aufgezählt zu werden vermögen wie z. B. die Klasse der Linien oder Kurven eventuell auch Klassen, deren Individuen zum Teil noch ungewiss im Schoosse der Zukunft ruhen wie z. B. die Klasse der Menschen u. a. m.

In solchen Fällen müssen wir voraussetzen, dass wenigstens ein Prinzip in uns wirksam sei, welches in Bezug auf jedes einzelne in den Bereich unsres Denkens jemals fallende Objekt, in Bezug auf alles, was fähig ist, von uns vorgestellt (oder was noch mehr sagt, von uns gedacht) zu werden, unzweifelhaft entscheidet und uns mit Notwendig - keit dahin drängt, dirigirt, entweder, es zu der Klasse zu rechnen, oder aber, es von ihr auszuschliessen.

In Gestalt des Begriffes haben wir ja mit einem derartigen Prinzipe, das solches auch zu leisten fähig, schon in C der Einleitung Bekanntschaft gemacht. Indessen sei es ausdrücklich bemerkt, dass Natur und Wirkungsweise gedachten Prinzips hiernächst uns gleich - gültig lässt. Gerade darin, dass wir es dahingestellt sein lassen, auf welche Weise die vorauszusetzende Abgrenzung unsrer Klassen zu - stande kommen mag, erblicken wir einen Hauptvorzug der hier be - folgten Methode. Auf diesem Umstand gerade beruht, wie wir meinen, der elementare und fundamentale Charakter der hier entwickelten Theorie.

Das oben ausgesprochene Kriterium für die Wohldefinirtheit einer Klasse scheint übrigens noch eines einschränkenden Zusatzes zu be - dürfen in Gestalt des Vorbehaltes, dass die in Frage kommenden Ob - jekte hinlänglich bekannt seien.

Sobald z. B. wir eine Zahl kennen, ist jeder Zweifel ausgeschlossen, ob sie zur Klasse der ganzen Zahlen gehörig oder nicht; wir mögen die Klasse der ganzen Zahlen als Exempel einer wohldefinirten Klasse hinstellen ganz unbeschadet dessen, dass wir z. B. nicht wissen, ob das Atomgewicht des Schwefels (auf Wasserstoff als Einheit bezogen) zu derselben gehört oder nicht (vergl. die Stass'schen Atomzahlbe - stimmungen), da uns eben diese Zahl zur Zeit nicht hinlänglich sicher bekannt sein dürfte.

Auch mit diesem Vorbehalte bildet die genannte Voraussetzung ein Ideal in den Zuständen unsres Denkens, welches nur selten von der Wirklichkeit daselbst erreicht wird.

Es braucht in dieser Beziehung nur an die Schwierigkeiten erinnert zu werden, welche die Abgrenzung zwischen Pflanzen - und Tierreich bei den niederen Organismen der Naturwissenschaft bereitet, oder auch um ein noch frappanteres Beispiel zu wählen an die Schwierigkeiten, welchen die neuere gegen Fälschung der Nahrungs - und Genussmittel gerichtete Gesetzgebung bei dem Versuche begegnet ist, die Begriffe von Brod, Wurst,11*164Erste Vorlesung.von Wein und Bier festzustellen, den Umfang derselben unzweifelhaft ab - zugrenzen. Gleichwie diese Umgrenzung erfolgte mittelst Angabe der In - gredienzien, welche zur Bereitung jener Lebensmittel verwendet sein dürfen, so werden auch im allgemeinen gewisse Merkmale, die wir aus dem vollen Inhalte des zugehörigen Begriffs als die wesentlichen hervorheben, das wirksame Prinzip zur gesuchten Abgrenzung liefern.

Faktisch ist in der That die Abgrenzung der Klassen, welche die Sprache mit Gemeinnamen darstellt, zumeist eine schwankende. Nicht nur bleiben Fälle denkbar, welche bei der Abgrenzung unberücksichtigt gelassen sind, und in Bezug auf welche schon Derjenige, der den Gemeinnamen gebraucht, sich im Unklaren darüber befindet, ob sie einzurechnen oder auszuschliessen seien (womit dieses auch für Alle strittig, unentschieden bleibt), sondern die Abgrenzung ist auch oft im subjektiven Gebrauch bei einundderselben Persönlichkeit eine wechselnde, richtet sich nach dem Gedankenkreise, in dem man sich eben bewegt, und verändert sich mit dem Untersuchungsfelde, auf das man den Gemeinnamen anwendet.

So schliesst z. B. in der Naturgeschichte die Klasse der Tiere die - jenige der Menschen in sich ein, wogegen in der Sprache des gewöhn - lichen Lebens und gesellschaftlichen Verkehrs sie dieselbe ausschliesst. So begrenzen wir auch die Klasse Mensch sicherlich enger, wenn wir sagen: Alle Menschen sind sterblich , als wenn wir sagen: Dieser Mensch ist todt , der Arzt hat einen Menschen secirt und dergl. Es hätte doch ge - wiss keinen Sinn, einen Leichnam noch als sterblich zu bezeichnen!

Ausserdem aber wird, wenn erst die Paläontologie noch erfolg - reicher in eine graue Vorzeit eindringt, der Lamarck - Darwin'schen Entwickelungslehre einst die Aufgabe zufallen, die Grenze zwischen Zwei - und Vierhänder, eventuell Vierfüsser noch schärfer zu ziehen, so wie sie durch die Entdeckung des Archäopterix und der mit Zähnen bewaffneten fossilen Vögel Nordamerikas (Hesperornis, Ichthyornis etc.) bereits in die Lage versetzt wurde, genauer scheiden zu müssen, was zur Klasse der Vögel und was zu derjenigen der (Flug -) Eidechsen hinfort gehören solle.

Mit der Voraussetzung wohldefinirter Klassen vollzieht die Logik eine ganz ähnliche Idealisirung der Wirklichkeit, wie z. B. die Mechanik es thut, indem sie absolut starre, oder aber vollkommen tropfbar flüssige in - kompressible oder endlich vollkommen elastisch flüssige (gasförmige) Körper fingirt. Indessen ist mit ihrem Ideal die Logik insofern in einer günsti - geren Stellung, wie die Mechanik, als es der letztern nicht möglich ist, z. B. Körper herzustellen, welche dem Zustand der absoluten Starrheit be - liebig nahe kommen. Wogegen es doch wenigstens in unserm Vermögen liegt, für uns selbst und Andere die Klassen, von welchen die Rede sein soll, mittelst Besinnung darüber, resp. in freier Übereinkunft mittelst ein - gehender Verständigung in jeder wünschbaren Schärfe abzugrenzen. Es geschieht ja nicht immer, doch kann es nötigenfalls geschehen.

Auf dieses Ideal der Logik, dass man auf wohldefinirte Klassen sich berufen könne, arbeiten zudem Gesetzgebung und Wissenschaften eine jede auf ihrem Gebiete mit grosser Macht hin. Dasselbe ist gerade auf letzterem Felde, welches zur Anwendung unsrer Dis -165§ 3. Identischer Kalkul mit Gebieten einer Mannigfaltigkeit.ziplin in erster Linie in Betracht kommt, im weitesten Umfange ver - wirklicht, und bildet es in der That eine unerlässliche Voraussetzung für alles exakte Denken. Auch bleibt es unbenommen, die Abgren - zung in Frage kommender Klassen von Dingen zunächst nur provi - sorisch zu vollziehen, und falls sich aus den Ergebnissen angestellter Untersuchungen auf Grund exakten Denkens Beweggründe dazu ergeben sollten, diese Abgrenzung nachträglich abzuändern, zu modifiziren.

Verstehen wir unter b die Klasse der Studirenden auf deutschen Uni - versitäten im laufenden Studienjahre, so ist diese Klasse eine wohldefinirte. Hier entscheidet nämlich die ordnungsmässig vollzogene Immatrikulation. In dieser Klasse b ist enthalten diejenige der Studirenden der Universität Leipzig vom selben Jahrgange, welche mit a bezeichnet werden möge. Es ist dann a b. Denkt man sich in die Felder auf einer hinreichend fein karrirten Seite eines Bogens Papier die Namen sämtlicher Studenten der Klasse b eingetragen, und zwar jeden Namen gesondert in ein eigenes Feld, so werden diejenigen Felder, welche die Namen von Studenten der Klasse a enthalten, einen gewissen Komplex bilden man kann durch geeignete Aus - wahl der zur Eintragung der letzteren zu ver wendenden Felder, durch Zusammen - legen dieser Felder bewirken, dass er einfach zusammenhängend erscheint und es wird nun die Beziehung zwischen den Felderkomplexen, in welche die Individuen der Klassen a und b eingetragen sind, der Fig. 1 wesentlich gleichen, nämlich mit ihr darin übereinstimmen, dass der Komplex a als ein Teil des Komplexes b erscheint, in letzterem enthalten ist. Indem jedes Feld er - scheint als der Träger eines einzelnen Individuums, einem solchen zu - geordnet ist, prägt sich die Beziehung a b zwischen den Klassen a und b hier anschaulich aus, sie wird im wahren Sinne des Wortes sichtbar.

Es ist für das Folgende von der höchsten Wichtigkeit, dass man sich die Punktgebiete oder Flächen, die wir im identischen Kalkul betrachten werden, und die Klassen, von welchen behufs Illustration oder Anwendung des Kalkuls die Rede sein wird, in der geschilderten Weise auf einander bezogen denke. Wir glaubten, um allseitiges Ver - ständniss zu erzielen, auch ein Beispiel mit begrenzter Individuenzahl der Klassen vorführen zu müssen. Man wähle bei unbegrenzter Indi - viduenzahl (mathematische) Punkte, bei begrenzter etwa Felder zur Darstellung der in Betracht kommenden Individuen. Indess steht im letztern Falle nichts im Wege, die Felder sich auch in getrennte, etwa besonders markirte Punkte zusammenziehen zu lassen.

Nach diesen (im Grossen und Ganzen auch motivirten) Vorbe - merkungen gehen wir zur systematischen Darstellung der Theorie über.

Es kommt uns dabei auch sehr auf Erzielung einer guten Über - sicht an, welche wir durch scharfe Sonderung und konsequente Chiff - rirung ihrer verschiedenen Momente zu erzielen hoffen.

Definitionen , Begriffserklärungen chiffriren wir (wenn überhaupt,166Erste Vorlesung.so) je mit arabischen Ziffern in vollständiger aber einfacher Klammer, wie (1), (2) und so weiter.

Postulate ebenso, jedoch mit doppelter Einklammerung wie ((1)), ((2)),

Prinzipien oder Axiome mit römischen Ziffern, wie I, II, etc.,

Theoreme , Lehrsätze wieder mit arabischen Zahlen aber nur ein - seitiger (rechtseitiger) Einschliessung, mit Halbklammer , wie 1), 2), 3),

Es wird der Logik gemeinhin zugemutet, dass sie auch erkläre, was unter Definition, Postulat, Axiom und Theorem zu verstehen sei, dass sie also namentlich auch auf die Erfordernisse einer guten Definition näher eingehe, desgleichen auf die Anforderungen, die an den Beweis (die Demon - stration ) zu stellen, durch welchen das Theorem als ein solches nach - gewiesen werden muss, durch welchen es von einer blossen Behauptung zum Lehrsatz erst erhoben wird.

Ähnlich gehört auch die Charakterisirung der Aufgabe des Pro - blems , nebst den Anforderungen an ihre Lösung (solutio) und deren Determination noch zu den Obliegenheiten der gewöhnlichen Logik.

Es erscheint jedoch durch die Anlage, den Plan des ganzen Buches geboten, dass wir uns an dieser Stelle auf diese Fragen nicht einlassen, vielmehr uns mit dem Hinweis begnügen, dass die fraglichen Begriffe, so - weit sie nicht ohnehin schon Gemeingut sind, einstweilen wenigstens syn - thetisch erworben, herangebildet werden können an dem Material der auf - zustellenden und als solche hingestellten speziellen Definitionen, an der grossen Zahl von mustergültig bewiesenen Theoremen, etc.

Es wird sich ein Dualismus (eine Reziprozität ) durch die ganze Disziplin ziehen, indem die auf die Operationsstufe der Addition sich beziehenden Sätze sozusagen Pendants , symmetrische Gegenstücke bilden zu den auf die Stufe der Multiplikation bezüglichen (vergl. § 14). Wir chiffriren die einander dual entsprechenden Sätze jeweils mit der gleichen Nummer, jedoch unterschieden durch das Suffixum + resp. ×. Auch stellen wir solche Sätze meistens in den beiden Spalten (Kolum - nen) links und rechts von einem die Druckseite in der Mitte brechenden Vertikalstriche (dem Mittelstriche ) einander symmetrisch gegenüber.

Die analoge Übung besteht bekanntlich schon längst in der Geometrie der Lage, wo in den reziproken oder zu einander polaren Sätzen z. B. Raumpunkt und Ebene ihre Rollen tauschen, während die Gerade verharrt.

Es bedarf wol kaum des Hinweises, dass (hier wie dort) in ver - schiedenen Kolumnen oder Spalten aufgeführte Voraussetzungen oder Behauptungen, wenn sie auch im selben Niveau, auf einer Zeile stehen, doch niemals Bezug auf einander haben sollen: sie sollen nicht etwa gleichzeitig gelten, behauptet oder angenommen werden. Vielmehr hat man auf einmal immer nur den Text von einer Spalte allein, zu - sammen mit den etwa quer durchgehenden Zeilen zu lesen.

167§ 3. Identischer Kalkul mit Gebieten einer Mannigfaltigkeit.

Ohne Suffixum werden nur die zu sich selbst dualen Sätze chiffrirt erscheinen.

Als für die Theorie vorerst unwesentlich indess behufs etwaiger Nebenbemerkungen vorausgeschickt zu wünschen lasse ich zur Zeit unchiffrirt die

(Definition). Unter einer Aussage von der Form: b a (sprich: b übergeordnet oder gleich a, b super a) soll ganz das nämliche verstanden werden, wie wenn man sagt, dass a b sei. Eine Subsumtion kann hienach auch rückwärts gelesen werden, in - dem man nur das Subsumtionszeichen als Supersumtionszeichen inter - pretirt, resp. umkehrt .

Kraft dieser Definition vermögen wir auch den (verhältnissmässig sel - tenen) Fällen gerecht zu werden, in welchen die Wortsprache das Prädikat dem Subjekte voranzustellen liebt auf welche bereits in § 2 hingewiesen wurde: auch dergleichen Urteile mögen wir jetzt unmittelbar in die For - melsprache übertragen, ohne dass wir erst genötigt wären, eine Umstellung der beiden Satzglieder dabei vorzunehmen.

Ökonomisch und von Wert wird solche Möglichkeit sich besonders dann erweisen, wenn etwa der natürliche Gedankenverlauf dahin geführt hat, das Prädikat zuerst, vor dem Subjekte, zu beschreiben und wenn diese Schilderung sowie auch der Ausdruck gedachten Prädikates in den Sym - bolen unsrer Formelsprache einigermassen komplizirt erscheint, weit - läufig ist. Wollte man in solchem Falle das Subjekt in die gewöhnliche typische oder normale Stellung zum Prädikate bringen, so wäre man ge - nötigt, die umständliche Beschreibung, den komplizirten Namen oder Aus - druck des letzteren (hinter dem Subjekte, nachdem er vor demselben zuerst gefallen ist) zu wiederholen, was mühsam und langweilig sein kann. Die Wortsprache vermag sich dem durch den Gebrauch eines hinweisenden Für - worts zu entziehen, indem sie auf das Prädikat als auf jenes oder dieses eben beschriebene Ding zurückverweist. In der Formelsprache könnten wir allenfalls solcher lästigen umständlichen Wiederholung dadurch auch aus dem Wege gehen, dass wir sofort, nachdem der komplizirte Name des Prä - dikats erstmalig vollendet ist, ein einfaches Buchstabensymbol als Abkür - zung für denselben, als Name ad hoc oder Hülfsbezeichnung für dieses Prä - dikat einführten, sodass dessen Wiederholung dann keine Umstände mehr verursacht. Doch kann auch dies schon eine Nötigung zu unbequemen Weiterungen (wie Überladung der Untersuchung mit Zeichen u. a.) in sich schliessen, und bleibt das einfachste Auskunftsmittel jedenfalls das anmit geschaffene: die Beziehung des Subjekts zum Prädikate in der umgekehrten Ordnung als eine rückwärts gelesene Subsumtion oder Supersumtion dann zum Ausdruck zu bringen.

In die systematische Darstellung unsrer Disziplin werden wir das Supersumtionszeichen erst in § 34 aufnehmen.

[168]

Zweite Vorlesung.

§ 4. Erste Grundlagen: Prinzip I und II, Definition von Gleichheit, 0 und 1, nebst Folgesätzen.

An die Spitze haben wir zwei Grundsätze zu stellen, welche nicht auf noch einfachere Sätze zurückführbar erscheinen und schlechthin zugegeben werden müssen.

Prinzip I. a a.

Da das Subsumtionszeichen der Kopula ist entspricht, so heisst dies in Worten: a ist a .

Diese Aussage muss als eine gültige anerkannt werden, was immer für eine Bedeutung dem a auch beigelegt werden mag. Z. B. Gold ist Gold . Weiss ist weiss , etc. Dergleichen Sätze sind von nie - mand bestrittene Wahrheiten, deren Äusserung höchstens ihrer Selbst - verständlichkeit halber Anstoss erregen kann.

Demgemäss trägt auch die obige Subsumtion I den Charakter einer allgemeingültigen, einer Formel . Dieselbe, oder ihren Ausdruck in Worten, nennen wir den Satz der Identität, principium identitatis.

Unter diesem Namen hat schon die alte Logik den Satz gekannt und als ersten Grundsatz angenommen.

Bedeutet a ein Punktgebiet (z. B. eine Fläche) aus unsrer Mannig - faltigkeit (der Fläche der Schultafel), so sagt der Satz I aus: a ist in sich selbst enthalten, ist ein Teil von a; a ist untergeordnet oder identisch gleich a.

In der That liegt von den beiden Fällen, welche wir in der Ein - leitung unter dem Subsumtionszeichen als mögliche zusammengefasst haben, hier, wo beide Seiten der Subsumtion das nämliche Gebiet vor - stellen, ganz zuverlässig der eine vor, aber allerdings nie der erste, sondern immer nur der zweite Fall: a ist niemals*)Diese Behauptung, welche allerdings sofort einleuchtet, wird sich auf einem späteren Standpunkte auch beweisen lassen. untergeordnet dem a, sondern stets identisch gleich a.

169§ 4. Erste Grundlagen: Prinzip I.

Die Aussage a a hat daher etwas von jenem irreführenden Charakter, den wir bereits auf S. 134 sq. besprochen und durch ein Bei - spiel illustrirt haben; und auf den ersten Blick würde das nachher von uns bewiesene Theorem 1), nämlich die Gleichung a = a, als der angemessenere Ausdruck des Satzes der Identität erscheinen. Dem - ungeachtet müssen wir doch bei der obigen Fassung I dieses Prinzips beharren aus zwei Gründen.

Erstens hatten wir es ja angezeigt gefunden, von den drei Zeichen , und = das erstere oder Subsumtionszeichen als das ursprüng - liche hinzustellen, auf dessen wohlerfasste Bedeutung das ganze Gebüude der Algebra der Logik zu gründen sei. Von den beiden andern Zeichen wurde bisher nur ganz beiläufig gesprochen, nämlich lediglich, um die äusserliche Bildungsweise oder Zusammensetzung des Subsumtions - zeichens zu motiviren. Das Zeichen = werden wird erst nachher, mittelst Definition (1), als ein wesentliches fortan legitim zu ver - wendendes Beziehungszeichen in das System unsrer Disziplin einführen, und das Zeichen noch sehr viel später. Auf unserm gegenwärtigen Standpunkte sind wir also noch gar nicht berechtigt, resp. in der Lage, von identischer Gleichheit zu reden.

Zweitens und dieser Grund ist der ausschlaggebende müssen wir trachten möglichst wenig Behauptetes als unbeweisbaren Grund - satz hinzustellen. Sagen wir aber von einem ausgewanderten Freunde z. B., er sei nach Südamerika gegangen, so sagen wir offenbar mehr über ihn aus, als wenn wir blos melden, er sei nach Amerika (d. i. Nord -, Süd - oder Mittelamerika) gegangen. Und ebenso enthält die Aus - sage: a ist identisch gleich a eine weitergehende Information über die Beziehung des a zu sich selber, als die Aussage: a ist unter - geordnet oder identisch gleich a , m. a. W. a ist entweder nur ein Teil oder aber das Ganze von a .

Um also möglichst wenig Unbewiesenes vorauszusetzen, werden wir die letztere Alternative zunächst offen lassen, nur den letzten Satz als Grundsatz hinstellen. Wir werden für den Augenblick so thun, als ob wir nicht wüssten, welcher von den beiden Fällen eintritt, um dergestalt zu erkennen, dass auch dann schon mit zwingenden Gründen sich darthun lässt, dass es der letztere Fall ist, welcher zutrifft.

Für den systematischen Aufbau unsrer Disziplin sind vorstehende Betrachtungen durchaus nicht wesentlich; ich habe mit denselben nur beabsichtigt, die Beweggründe unsres Zuwerkegehens klar zu legen, so - mit auch einer missverständlichen Beurteilung desselben zuvorzukommen. 170Zweite Vorlesung.Für die Theorie ist es vollkommen ausreichend, das Prinzip I rundweg als ein solches hinzustellen.

Anmerkung zu I. Aus didaktischen Gründen will ich ebenso, einst - weilen vorgreifend, bemerken, dass, als ein Prinzip des Aussagenkalkuls gedeutet, der Satz I der Identität uns die Erlaubniss garantiren wird, eine als wahr anerkannte Behauptung bei beliebiger Gelegenheit zu wiederholen. Dieselbe muss dann immer wieder als wahr anerkannt werden. Wenn a gilt, so gilt a. Von dieser Freiheit werden wir im Text fortgesetzt Ge - brauch machen. (Vergl. § 31.)

Prinzip II. Wenn a b und zugleich b c ist, so ist auch a c.

Stellen a, b, c Gebiete etwa Kreisflächen vor, so mag dieser Satz durch die Figur erläutert werden:

[figure]
Fig. 3.

Indessen bringt solche Figur noch Besonder - heiten (besondre Umstände) zum Ausdruck, die in dem Satze nicht gefordert, nur zugelassen, die in ihm offen gelassen sind. Der Fig. 3 liegt näm - lich die Annahme zugrunde, dass die eventuellen Unterordnungen, von welchen im Satze die Rede ist, wirkliche, definitive Unterordnung seien. Da das Zusammenfallen zweier Kreise, von denen der eine im andern enthalten ist, immerhin als ein ver - hältnissmässig seltener Zufall erscheint, so mag man den in der Figur 3 zur Darstellung gebrachten Fall als den allgemeineren bezeichnen (und zwar in Hinsicht jedes Paares von aufeinanderfolgenden Kreisen, welches man in's Auge fassen möge).

Um auch die andern im Prinzip II mit inbegriffenen Fälle zu er - halten, braucht man sich nur noch vorzustellen, dass von den drei Kreisen, nämlich dem innersten a, dem mittleren b und dem äusseren c, irgend zwei successive auch zusammenfallen dürfen eine Deckung,

[figure]
Fig. 4.

[figure]
Fig. 5.

[figure]
Fig. 6.

die sich in einfachster Weise hinbringen lässt, entweder indem man einen äusseren Kreis zusammenschrumpfen lässt zu dem nächsten in ihm enthaltenen Kreis, oder auch indem man den inneren Kreis sich ausbreiten lässt bis zur völligen Ausfüllung des nächsten ihn um -171§ 4. Erste Grundlagen: Prinzip I und II.schliessenden Kreises. Es können so auch alle drei Kreise in einen einzigen zusammenfallen, und erhalten wir eigentlich noch vorstehende drei Figuren (Fig. 4 6), welche mit Fig. 3 zusammen den Satz II erst vollständig veranschaulichen.

Wir werden bei der Veranschaulichung von Sätzen und Aufgaben uns künftig zumeist nur an den allgemeinen Fall halten und uns mit der Darstellung der Fälle spezielleren Charakters durch Figuren nicht aufhalten, vielmehr die besonderen Ausartungen, die Degenera - tionsfälle sich ebenfalls zu veranschaulichen jeweils dem Leser über - lassen soferne solches überhaupt noch wünschenswert erscheint.

In verwickelteren Untersuchungen beim Auftreten zahlreicher Gebietssymbole wird es ohnehin unthunlich, jene Möglichkeiten immer vollständig durchzugehen. Alsdann aber bleibt der Argwohn zulässig, es möchte in einem der übergangenen Spezialfälle die Sache sich doch wesentlich anders verhalten, als in dem allgemeineren Falle behauptet und dargestellt worden. Hieraus erhellt, dass aus der An - schauung nicht in gleichem Maasse die Überzeugung von der Gewiss - heit unsrer allgemeinen Untersuchungsergebnisse zu schöpfen ist, wie sie sich erreichen lassen wird durch die streng analytische Methode, deren wir uns fast immer, jedenfalls in wesentlichen Fragen ganz aus - schliesslich bedienen. Kann doch in der That für die Umgrenzung eines Gebiets die Figur immer nur ein Beispiel darstellen, während unsre Gebiete irgendwie beschaffen sein, auch aus isolirten Punkten, Linien und getrennten Flächenstücken sollen bestehen dürfen! Mag also auch anfangs bei unsern grundlegenden Betrachtungen die Anschauung oft rasch vorauseilen dem durch das Folgende illustrirten modus procedendi, nämlich dem vorsichtigen und zuweilen mühsamen Verfahren des von der Anschauung losgelösten streng deduktiven Schliessens, so wird sie doch später sicher hinter diesem Verfahren zurückbleiben; sie wird ihm bald nachhinken und zuletzt es aufgeben müssen, dasselbe einzuholen. Bei dem Aufbau unsres Lehrgebäudes soll darum die Anschauung nur nebensächliche Verwendung finden, illustrationsweise, um den abstrakten logischen Prozeduren einen Vor - stellungsinhalt zu geben; sie soll darin überhaupt nur eine didaktische, erziehende, pädagogische Rolle spielen.

Hier freilich müssen wir uns noch auf dieselbe stützen, um das Prinzip II annehmbar erscheinen zu lassen: Wenn ein Gebiet in einem zweiten und dieses in einem dritten enthalten ist, fällt es uns unmöglich, uns vorzustellen, dass das erste nicht in dem dritten enthalten wäre; das Gegenteil vielmehr ist unmittelbar intuitiv . Auf die Heraus -172Zweite Vorlesung.forderung drei solche Gebiete a, b, c nachzuweisen, bei denen die vorausgesetzten Einordnungen des a in b und des b in c zutreffen, die behauptete Einordnung des a in c aber sich nicht bewahrheitet, wird niemand sich stellen können.

Das Prinzip II gibt uns ein Schema an die Hand, nach welchem von (zwei) bekannten Wahrheiten zu einer neuen (dritten) Wahrheit fortgeschritten, nach welchem aus zwei Aussagen eine dritte abgeleitet werden kann, welche allemal, wenn jenen beiden Wahrheit zukommt, notwendig ebenfalls wahr sein muss. Nach unsern einleitenden Be - trachtungen haben wir einen solchen Prozess als eine Schlussfolgerung, als deduktives Schliessen (inference, illatio) zu bezeichnen.

Die Voraussetzungen, aus denen gefolgert wird, die Prämissen sind hier die beiden Subsumtionen a b und b c; der Schluss (genauer: Schlusssatz ), die Konklusion heisst a c.

Der Schluss (als Folgerung verstanden) ist nicht nur gemein - verbindlich für alle Intelligenzen, sondern auch allgemeingültig , nämlich unabhängig von der Materie des Denkens: Sein Schema ist allgemein, indem der Schluss Geltung beansprucht, was auch immer für Bedeutungen den Buchstabensymbolen a, b, c in jenem Schema (durchweg) untergelegt werden mögen. Vorläufig werden wir das Schema auf Gebiete unsrer Mannigfaltigkeit, sodann auch auf Klassen von irgendwelchen Objekten des Denkens anzuwenden haben.

Der Satz II selbst ist hier im System für uns das erste Beispiel eines deduktiven Schlusses, und zwar ist er in der That einer abermals der erste von den sogenannten Vernunftschlüssen oder Syllogismen der alten Logik, in deren Studium kann man fast sagen diese Disziplin gipfelte. Derselbe führt daselbst den etwas geschmacklosen Namen Barbara und wird auch als das dictum de omni (et de nullo) bezeichnet.

Quidquid de omnibus valet, valet etiam de quibusdam et de singulis (quidquid de nullo valet, nec de quibusdam valet, nec de singulis) ist der Wortlaut dieses dictum .

Was von allen gilt, das gilt auch von einigen und von den einzelnen (Was von keinem gilt, das gilt weder von einigen noch von den einzelnen) scilicet Individuen.

Wir werden die Syllogismen auch in diesem Werke vollständig (und kritisch) durchnehmen, und mag deshalb in Bezug auf Einiges, was über den Syllogismus Barbara noch zu sagen wäre, auf die 20. Vorlesung verwiesen werden.

Zur Stelle sei nur noch bemerkt, dass das Gebiet b, welches in173§ 4. Erste Grundlagen: Prinzip II.der Konklusion gar nicht vorkommt, dagegen in jeder der beiden Prä - missen einmal vertreten ist, als das Mittelglied (terminus medius) des Syllogismus bezeichnet zu werden pflegt; dasselbe wird durch die Schlussfolgerung ausgemerzt oder eliminirt . Von den beiden Prä - missen heisst diejenige (a b), welche das Subjekt a der Konklusion enthält, auch der Untersatz (propositio minor), die andere (b c), welche das Prädikat c der Konklusion enthält, der Obersatz (propositio major) des Syllogismus.

Wie schon gesagt, ist der Satz II ein allgemeiner Schluss, welcher, weil die Bedeutung der in ihm vorkommenden Glieder a, b, c in unser Belieben gestellt ist, das Vorbild abgibt für eine unbegrenzte Menge nach seinem Schema auszuführender Schlüsse.

Um rein mechanisch die Konklusion a c aus den Prämissen abzuleiten, bieten sich zwei Wege dar: Man mag in dem Untersatze a b das Prädikat b auslöschen, und an seine Stelle schreiben das Glied c, welches in dem Obersatz jenem übergeordnet erscheint. Oder man kann auch in dem Obersatz b c das Subjekt b ersetzen durch dasjenige Subjekt a, welches in dem Untersatz demselben untergeordnet erklärt ist. Hienach können wir die beabsichtigte Anwendungsweise des Schema's II in Worten wie folgt formuliren:

In einer Subsumtion (einem Urteil) kann an Stelle des Subjekts jedes Subjekt dieses Subjektes, sowie an Stelle des Prädikats jedes Prädi - kat dieses Prädikates eingesetzt (substituirt) werden.

Es wurde in II der Untersatz vor (eventuell über) dem Obersatz ausgesprochen ( Goclenische Anordnung der Prämissen). Auch wenn umgekehrt der Obersatz vor (resp. über) den Untersatz gestellt ist ( Aristotelische Anordnung), muss man geübt sein, den Schluss zu ziehen: Aus b c und a b folgt ebenfalls a c.

Denn nach Prinzip I, für Aussagen in Anspruch genommen (vergl. Anmerkung zu I) kann man auch die zweite Prämisse vor der ersten lesen und die (für uns) ursprüngliche Anordnung der Prämissen her - stellen.

Die Goclenische Anordnung empfiehlt sich (hier) in der That als die zur Erreichung des Schlusses bequemere, zur Vorbereitung der Schlussfolgerung geeignetere; sie erscheint als die natürliche für die Logik des Umfanges. Die Wahl der umgekehrten Folge erklärt sich bei Aristoteles aus dem Umstand, dass er statt der Umfänge eben die Inhalte der Begriffe in's Auge fasste, wo dann die Stellung: c ist174Zweite Vorlesung.Merkmal des b, b Merkmal des a, ergo c auch Merkmal des a als die natürlichere erscheint.

Auch wenn a, b, c Klassen vorstellen, musste der Satz II all - gemeine Geltung haben. Hiezu ein paar Beispiele. Es ist: Gold Edelmetall, Edelmetall Chemisches Element, folglich auch: Gold Chemisches Element. Luft ist ein Körper. Alle Körper sind schwer. Ergo: die Luft ist schwer. (Lotze.) Pferd Säugetier; Säugetier Wirbeltier; ergo: Pferd Wirbeltier.

Beiläufig sei noch bemerkt, dass ein Schluss nach dem Schema II auch häufig als ein Schluss a fortiori bezeichnet wird; namentlich ist dies berechtigt, wenn (wie dies meist der Fall) die Subsumtionen in den Prämissen wirkliche Unterordnung bedeuten in Analogie zu dem Schluss der Arithmetik von a < b und b < c auf a < c. Wenn jedes Pferd ein Säugetier und jedes Säugetier ein Wirbeltier ist, so muss können wir sagen um so mehr auch jedes Pferd ein Wirbel - tier sein.

Drücken wir um bei unsern Beispielen zu bleiben dies etwa so aus, indem wir nunmehr auch auf den Inhalt der den Klassen zu - geordneten Begriffe achten, dass wir sagen: Den Pferden kommen die - jenigen Merkmale zu, die allen Säugetieren gemeinsam sind; die Säuge - tiere aber besitzen alle für die Wirbeltiere gemeinsamen Merkmale, und folglich müssen den Pferden auch die Merkmale der Wirbeltiere zu eigen sein, so wird verständlich, weshalb die überlieferte Logik (Kant) dem Prinzip II auch den Ausdruck geben konnte: nota notae est nota rei (repugnans notae repugnat rei) : jedes Merkmal des Merkmals (einer Sache) ist auch ein Merkmal der (eben dieser) Sache. Die in dem Beispiel in Frage kommenden Merkmale sind (kurz zu - sammengefasst) bezüglich die, Säugetier zu sein und Wirbeltier zu sein.

So auch ist, Materie zu sein, stoffliche Qualität, ein Merkmal der Luft, und schwer zu sein, Schwere, ein Merkmal der stofflichen Natur, Stofflichkeit (sit venia verbo!), folglich auch Schwere ein Merkmal der Luft.

Nun drängt sich freilich wol einem Jeden, der einen solchen Syl - logismus in's Auge fasst, eine Bemerkung auf, die ich zunächst für unser Beispiel aussprechen will, nämlich: dass man gar nicht wissen könne, dass alle Säugetiere Wirbeltiere seien, ohne bereits zu wissen, dass auch die Pferde Wirbeltiere sind.

Ebenso kann man auch nicht wissen, dass ein Gebiet b ganz, mit175§ 4. Erste Grundlagen: Prinzip II.allen seinen Teilen, in einem Gebiet c enthalten ist, ohne zugleich zu wissen, dass auch der Teil a des Gebietes b in c enthalten ist.

Die Bemerkung also ist naheliegend, dass die Schlussfolgerung uns keine wesentlich neue Erkenntniss liefert, keine, die wir im Besitze der Prämissen befindlich nicht eigentlich schon besessen hätten.

Diese Bemerkung ist richtig und unbestritten: es findet durch deduktives Schliessen eigentlich keine Vermehrung des Erkenntniss - materials statt; die Deduktion gibt über nichts Aufschluss, was nicht in den Prämissen, auf die sie sich stützt, im Grunde schon enthalten wäre, und es kann der Syllogismus II als das einfachste Beispiel, als der Urtypus deduktiven Schliessens, als der er sich hinstellen lässt, gerade am allerbesten benutzt werden, um über das Wesen der de - duktiven Methode Klarheit zu verbreiten.

Eines aber, dem wir entgegentreten müssen, das ist die Versuchung (der auch manche Philosophen erlegen sind), auf diesen Umstand eine Geringschätzung der deduktiven Methode zu basiren.

Gleichwie es schwierig sein möchte*)Wenn ich mir gestatten darf, ein schon anderwärts von mir gebrauchtes Bild zu wiederholen., Demjenigen, der eben erst das Alphabet erlernt, einen angemessenen Begriff beizubringen von der Grossartigkeit der Literatur, die ihm durch dasselbe erschlossen wird, so dürfte es auch schwer halten, einem Anfänger, welcher etwa noch keine einzige deduktive Disziplin beherrscht, eine zutreffende Vor - stellung beizubringen von der Kraft und dem Wert der deduktiven Methode. Ich würde mich einem solchen gegenüber eines Gleichnisses bedienen: Der Maschinenbauer muss auch das Eisen, aus dem er seine Maschinenteile herstellt, schon haben; es findet bei dem Bau der Maschine keine Vermehrung dieses Materials statt, vielmehr geht ein nicht unbeträchtlicher Teil desselben dabei unproduktiv verloren. Und ferner wird auch bei der Benutzung der fertig gestellten Maschine keine Arbeit durch dieselbe geschaffen, sondern nur ein bereits verfüg - barer Arbeitsvorrat abermals unter Verlusten in neue wertvollere Formen umgesetzt.

Analog dem ersten, wie auch dem zweiten Teil dieses Gleichnisses, hebt nun allerdings die deduktive Methode aus dem vorhandenen Material oder Vorrat von Erkenntnissen nur Einzelnes hervor, aber allerdings gerade dasjenige, was für bestimmte Erkenntnisszwecke von Wert ist, für die Fortführung der Untersuchung von Interesse erscheint. Sie begrenzt dieses Einzelne in bestimmte Formen und bringt es, von176Zweite Vorlesung.dem Übrigen getrennt, zum Bewusstsein, bietet es isolirt der Aufmerk - samkeit, der Beachtung dar, und hält es zu weiterer Verwendung dis - ponibel. Mitunter richtet sie auch das Ganze in neue zu anderweitiger Förderung der Erkenntniss geeignetere Formen her.

Sie zieht um ein anderes Bild zu gebrauchen die im Schachte freilich bereits vorhanden gewesenen Edelsteine an das Tageslicht, gibt ihnen Schliff und Fassung.

Dass diese Deduktion aber eine Kunst ist, welche in den meisten Fällen gar nicht so nahe liegt, deren Methode oft nicht leicht zu entdecken, zeigen fast alle Untersuchungen aus dem Gebiete der reinen und angewandten Mathematik, ebenso die komplizirteren Aufgaben in gegenwärtiger Schrift.

Um es zur Stelle durch ein Beispiel darzuthun, welches keine Vor - kenntnisse erfordert, lege ich dem Leser eine ganz einfache Aufgabe (aus der allgemeinen Theorie der Verknüpfung) vor.

Es mögen a, b, c beliebige Elemente einer Mannigfaltigkeit und a b das Resultat einer Verknüpfung von a mit b bedeuten, von der wir au - nehmen, dass sie jeweils wieder ein bestimmtes Element derselben Mannig - faltigkeit liefere; m. a. W. es sollen irgend zwei Elemente, in bestimmter Folge genommen, sich immer eindeutig zu einem dritten verknüpfen lassen. Die Knüpfung sei auch eindeutig umkehrbar , d. h. wenn a allein, oder b allein, durch ein anderes Element ersetzt, geändert wird, so soll auch a b sich ändern.

Wenn nun die Knüpfung z. B. das Gesetz befolgt, dass allgemein immer (a b) (b c) = a c ist, so soll die Frage entschieden werden, ob a b = b a durchaus zu gelten habe (die Knüpfung kommutativ sein müsse), oder aber, ob nicht vielleicht in besondern Fällen ein Knüpfungsergebniss a b von dem b a verschieden sein könne?

Jene Frage ist zu bejahen (die letztere zu verneinen), sie wäre da - gegen, wenn das Gesetz der Knüpfung ein wenig anders, nämlich (a b) (b c) = c a gelautet hätte, zu verneinen.

Diese Antwort auf die gestellte Frage steckt bei der ersten sowol als bei der etwas abgeänderten zweiten Aufgabe ebenfalls ganz und gar schon in den Prämissen, aber doch ziemlich verhüllt. Man versuche doch einmal, sie aus den Prämissen herauszuschälen! Ich will dies hier unterlassen, da die Betrachtung in eine andere (in gewissem Sinne speziellere) Disziplin gehört.

Ich bemerke nur noch, dass man unter den Elementen sich auch Zahlen z. B. vorstellen darf, und das Knüpfungsergebniss a b dann im mathematischen Sinne irgend eine Funktion f (a, b) der zwei Argu - mente a und b bedeuten wird, die eindeutig umkebrbar sein muss. Erfüllt diese nun die Funktionalgleichung (und es gibt solche Funktionen): f {f (a, b), f (b, c)} = f (a, c), so wird sie auch symmetrisch sein, nämlich f (a, b) = f (b, a) für alle Werte von a und b sein müssen.

Wie oft nicht finden wir aber ganz ähnlich wie bei der vorliegenden177§ 4. Erste Grundlagen: Prinzip II.Aufgabe uns in der Lage, dass wir gar nicht wissen, was alles in unserm Wissen schon enthalten ist, dass wir nicht sofort abzusehen ver - mögen, ob ein Bestimmtes darin liegt oder nicht, und es im ersten Falle eine schwere Arbeit kostet, dasselbe herauszuholen!

Es ist dieser Umstand die Folge von dem Vorhandensein allgemeiner Erkenntnisse, in Gestalt von welchen ja gegenüber dem direkten Erkennen auch das mittelbare oder indirekte Erfassen von Wahrheit zur Thatsache wird.

Wer den Wert der Deduktion überhaupt oder der Syllogistik ins - besondere aus dem Grunde bestreitet, weil dabei ein Verlust, ein Preis - geben von, Verzichten auf, Opfer an Erkenntnissmaterial stattfindet, gebraucht durchaus kein stichhaltigeres Argument oder Beweismittel, als jemand, der den Nutzen der Maschine leugnen wollte, weil sie vom verfügbaren Arbeitsvorrat einen Teil als Nebeneffekt verloren gehen lässt oder auch den Wert der Bildhauerkunst wegen des durch sie herbeigeführten Verlustes an Marmor! Es hat auch die Gestalt, in der wir Erkenntnisse isoliren, ihren selbständigen Wert.

Um die Wertschätzung der Deduktion dem Anfänger gegenüber zu retten, resp. diese gegen die auf sie erfolgten Angriffe zu ver - teidigen, heben Mill und Wundt1 (p. 285 sq.) an Stelle des vor - stehend von mir in den Vordergrund gestellten Grundes als ein ebenfalls nicht zu übersehendes Moment mit Recht hervor, dass man bei jenen auf eine Geringschätzung hinauslaufenden Einwänden von der verkehrten Vorstellung ausgeht, ein allgemeiner Satz lasse sich nur auf diejenigen Fälle anwenden, aus welchen er abstrahirt worden ist. Die fruchtbringendste Anwendung unsres Syllogismus besteht aber gerade darin, dass wir ihn auf solche Fälle anwenden, die zur Auf - stellung der (in der Regel wol induktorisch gewonnenen, vielleicht auch axiomatisch-hypothetisch aufgestellten) allgemeinen Prämisse nicht ge - dient haben.

Ein gut gewähltes Beispiel hiezu bringt Ueberweg in Gestalt des Schlusses: Was das Pendel verlängert verlangsamt (ceteris paribus, unter sonst gleichen Umständen) den Gang desselben. Wärme (genauer: Temperatursteigerung, Erwärmung) verlängert das Pendel. Also ver - langsamt sie seinen Gang. Der Obersatz konnte in der theoretischen Physik durch Rechnung abgeleitet sein, und brauchte also nicht not - wendig ohne Vermittelung des Untersatzes schon den Schlusssatz als Spezialfall in sich zu enthalten (cf. Fr. A. Lange1 p. 89).

Im Grunde auch wird ja bei dem induktiven Verfahren, es wird selbst in den Erfahrungswissenschaften immer nur von besonderen Fällen auf den besonderen Fall geschlossen. Schon das einmal sich gebrannt habende Kind scheut ein zweites mal das Feuer, noch ehe es sich zuSchröder, Algebra der Logik. 12178Zweite Vorlesung.dem allgemeinen Urteil erhoben, dass die Berührung mit Feuer brennenden Schmerz verursacht. Und jener Art des Schliessens vom Besondern auf's Besondre des Analogieschlusses ist schon das Tier fähig; auch der asinus ad lapidem non bis offendit eundem , selbst der Esel stösst nicht zwei mal an denselben Stein. Mit dem allgemeinen Satze aber, wie ihn der Induktionsschluss liefert, erhebt sich der menschliche Intellekt über den des Tieres. Dieser Satz ist das wirksamste und sicherste Mittel, aus bisherigen Erfahrungen für weitere Fälle Nutzen zu ziehen, dieselben zu verwerten. Derselbe ent - lastet das Gedächtniss von der Anforderung, die Einzelwahrnehmungen selbst (in ihrer vielleicht grossen Anzahl) mit all' ihren Nebenumständen und Details zu behalten; er gewährt die Erleichterung, gestattet, alles Nebensächliche zu vergessen; indem durch ihn diese Einzelwahr - nehmungen gleichsam summarisch gebucht, nur das Facit aus den - selben gezogen wird, bildet er die bequemste Form, dieselben zur Nutzanwendung auf weitere Einzelfälle in der Erinnerung aufzuspeichern und im Geiste zurecht zu legen. Er bildet dann die Vermittelung, das Band, die Brücke, über die von jenen vielleicht schon im Gedächt - niss gelöschten zu diesen neuen Fällen der Subsumtionsschluss uns hinüberführt.

Den Satz Alle Menschen sind sterblich auf die bereits gestorbenen Menschen anzuwenden würde freilich ein ziemlich unnützes Beginnen sein. Aber wenden wir nicht diesen Satz (als Obersatz in Verbindung mit dem Untersatze N. N. ist ein Mensch und der Konklusion: ergo ist N. N. sterblich ) fortwährend an auf uns und unsre noch lebenden Mitmenschen? Und wie anders würde es in der Welt aussehen, wenn nicht unsre ganze Lebensführung unter der Herrschaft dieses Syllogis - mus stünde? Dass man kein Logiker zu sein braucht, um ihn zu machen, nimmt ihm nichts von seiner Wichtigkeit. (Wundt l. c.)

Oft auch handelt es sich darum mit Hülfe der Konklusion fest - zustellen, ob eine Prämisse zulässig ist wie dies schon S. 11 an - gedeutet wurde eine Prämisse, die zunächst noch einen provisorischen oder hypothetischen Charakter hat. Der Chemiker z. B., der eine Sub - stanz zu verbrennen versucht, um zu ermitteln, ob sie organischen Ursprungs sei, steht unter der Herrschaft eines Syllogismus, dessen Obersatz lautet: Alle organischen Körper sind verbrennlich , dessen Untersatz: Diese Substanz ist organisch aber erst durch das that - sächliche Eintreffen oder Nichteintreffen des Schlusses: Diese Sub - stanz ist verbrennlich als eine zulässige (und dann noch weiter zu verfolgende, vollends ausser Zweifel zu setzende) oder aber als eine179§ 4. Erste Grundlagen: Prinzip II.fortan zu verwerfende Hypothese erkannt wird (vergl. Wundt ibidem).

Wesentlich sind es übrigens andere Formen des Syllogismus (als der bisher besprochene einfache Subsumtionsschluss II), welche in dieser Hin - sicht in Betracht kommen, weshalb die weitere Ausführung der angeregten Bemerkung auf die 20. Vorlesung zu versparen wäre.

Es gibt auch scheinbare Ausnahmen zu dem Prinzip II. Ohne die Vollständigkeit der Aufzählung garantiren zu wollen, bemerke ich deren von dreierlei Art. Als mehr nur auf ein Spiel mit Worten hinauslaufend will ich dieselben im Nebentexte behandeln.

Zur Verdeutlichung der ersten Art von solchen Ausnahmen diene das Beispiel (aus Jevons6):

Hans ist kein Narr. Kein Narr eignet sich zur Bekleidung hoher Staatsämter. Ergo: Hans eignet sich zur Bekleidung hoher Staatsämter.

Was hier als Mittelbegriff erscheint hat den verbalen Ausdruck kein Narr . Wir haben aber schon in § 2 hervorgehoben, dass kein-a über - haupt nicht eine Klasse ist. Das wahre Subjekt des scheinbaren Ober - satzes bildet die Klasse: Jeder Narr , sein Prädikat: ist ungeeignet zur Bekleidung hoher Staatsämter . Was ferner als Untersatz erscheint, würde für die Zwecke der Logik korrekter darzustellen sein, sei es in Gestalt von: Hans » ist nicht « ein Narr, als die Verneinung des Satzes: Hans ist ein Narr, sei es als negativ prädizirendes Urteil in Gestalt von: Hans ist (ein) Nicht-Narr (d. h. bei gesundem Verstande). Welche von diesen beiden Auffassungen maassgebend sein solle für das verneinende Urteil, bildet eine bekannte Streitfrage unter den Philosophen, zu der wir erst in § 15 Stellung nehmen werden. Jedenfalls aber wird der Schluss nach Schema II hiemit hinfällig; derselbe fällt auch nicht etwa unter das Schema irgend eines andern gültigen Syllogismus. Bei der zweiten Auffassung sieht man augenblicklich, dass gar kein Mittelglied vorhanden. Hier ist die Klasse Narr Subjekt des einen, die Klasse Nicht-Narr Prädikat des andern Satzes und statt dreien gehen also vier Glieder in die Prämissen ein (so - genannnte quaternio terminorum ).

Auch eben hierauf, auf die fallacia falsi medii , den Trugschluss (das Sophisma ) oder Fehlschluss (die Paralogie , den Paralogismus) des falschen Mittelgliedes Trugschluss oder Fehlschluss, je nach der Absichtlichkeit oder Unabsichtlichkeit des unrichtigen Verfahrens läuft auch die zweite der gedachten scheinbaren Ausnahmen hinaus.

Z. B. Aus dem Untersatz: Rappen sind Pferde und dem Obersatz: Pferde sind auf dem Rennplatze , folgt nicht mit Denknotwendigkeit der Schluss: Rappen sind auf dem Rennplatze .

Denn während der Untersatz dasselbe besagt, wie Alle Rappen sind Pferde , m. a. W. die (ganze) Klasse der Rappen ist enthalten in der Klasse der Pferde, während also der Untersatz ein wirklich universales Urteil ist, trifft solches bei dem vermeintlichen Obersatze nicht zu. Vielmehr ist der Sinn dieses in der That unvollständigen Ausspruches eigentlich nur der: Gewisse (oder Einige) Pferde sind auf dem Rennplatze , und dieser12*180Zweite Vorlesung.Sinn würde ihm auch nur zukommen, wenn er selbst ausdrücklich gelautet hätte: Alle Pferde sind auf dem Rennplatze , indem unter alle Pferde dann doch wieder nur diejenigen eines gewissen Besitzers, einer bestimmten Gruppe gemeint sein konnten, nicht aber die Klasse der Pferde überhaupt. Der angebliche Obersatz ist in Wahrheit ein partikulares Urteil.

Im vorliegenden Beispiele entsprang der Fehler aus der Unvollständig - keit des Ausdrucks, der durch seine Lückenhaftigkeit bedingten Ungenauig - keit desselben, wodurch das (unzulänglich beschriebene) Subjekt des zweiten Satzes dem Namen nach zur Deckung kam mit dem Prädikat des ersten. Dergleichen elliptische Redeweisen, welche man in der Wortsprache be - quemlichkeitshalber sich ungemein häufig gestattet, sind die Hauptquelle für die logischen Paradoxa, d. h. die scheinbaren Widersprüche zur Theorie des exakten Denkens.

Die leicht in's Endlose zu vermehrenden Beispiele zeigen, dass Nach - lässigkeit im Ausdruck für das exakte Denken seine Gefahren birgt, und dass man sich, unbekümmert um den Sinn, mechanisch, nach den Schemata oder Prinzipien des Kalkuls behuf Schliessens zuwerke zu gehen, erst ge - statten darf, wenn die Prämissen in der Zeichensprache des Kalkuls bereits ihren vollständigen und angemessenen Ausdruck gefunden haben.

Indessen, auch wenn die Prämissen im Geiste der Wortsprache beide korrekt ausgedrückt erscheinen, kann man noch zufolge einer (alsdann also berechtigt zu nennenden) Doppelsinnigkeit des Mittelbegriffs in den Fehler der fallacia falsi medii verfallen.

Dies werde illustrirt durch: Einige Herren sind Grundbesitzer. Herr Meier, Herr Müller, Herr Schmidt und Herr Schulze sind einige Herren. Ergo sind dieselben Grundbesitzer.

Das Mittelglied einige Herren hat im (hier vorangestellten) Ober - satze eine möglicherweise ganz andere Bedeutung als im (darauf folgenden) Untersatze.

Allgemein merke man: das Mittelglied b des Syllogismus II darf nicht blos durch einen sprachlichen Ausdruck von der Form einige x gegeben erscheinen; solche Beschreibung würde nicht genügen, um die Bedeutung desselben unzweideutig zu erklären.

Diese Unbestimmtheit entspringt aber nicht allein aus derjenigen des angewendeten unbestimmten Zahlwortes : einige , sondern sie ist schon durch die Anwendung eines Zahlwortes überhaupt bedingt.

Sagten wir: A, B und C sind drei Personen. Drei Personen sind an dem Morde beteiligt. Ergo sind A, B und C an dem Morde beteiligt so wäre es ja ein vollkommen bestimmtes Zahlwort drei , welches zur Charakterisirung des Pseudo Mittelgliedes mit verwendet worden. Und doch kann der Schluss nicht verbindlich sein, solange nicht als Subjekt des Obersatzes: Diese selben drei Personen zu setzen ist.

Die Verbindung eines Zahlwortes mit einem substantivischen Begriffe ist nicht ausreichend, ist unzulänglich, um eine wohldefinirte Klasse unzwei - deutig zu erklären. Dieselbe kann daher auch keinen Mittelbegriff liefern, der als solcher anzuerkennen wäre.

[Man könnte freilich auch: drei Personen als eine wohldefinirte Klasse hinstellen, welche dann zu umfassen hätte jedes erdenkliche Tripel,181§ 4. Erste Grundlagen: Prinzip II.jede Zusammenstellung von irgend dreien Personen aus der Vergangenheit, Gegenwart wie Zukunft des Menschengeschlechtes. Diese Klasse ist es aber nicht, von der die Wortsprache auszusagen beabsichtigt, sobald schlecht - weg von drei Personen die Rede ist; sie meint dabei immer gewisse drei Personen , d. i. nur ein nicht näher bestimmtes Individuum der vorhin be - schriebenen Klasse.]

Das Nämliche was vorhin für das Beispiel der Zahl drei durchgesprochen ist, würde sich auch auf die Zahl eins[übertragen] lassen, da wo sie als der unbestimmte Artikel : ein mit einem Substantiv verknüpft wird.

Um Fehlschlüsse der erläuterten Art, wie sie aus dem Doppelsinn des Mittelgliedes entspringen, zu vermeiden, lege man sich jeweils die Frage vor, ob unbeschadet der Gültigkeit der Prämissen das fragliche Mittelglied im Obersatze auch wirklich genau in demselben Sinne (als dasselbe) ver - standen werden dürfe und müsse, wie im Untersatze.

Im Anschluss an die letzten Betrachtungen des Nebentextes kon - statiren wir übrigens eine wichtige Verhaltungsmassregel, deren Be - folgung sich die Wortsprache keineswegs stets zur Richtschnur nimmt, wogegen die exakte Logik sich vor der verbalen durch ihre Befolgung hervorthun muss. Es ist der Grundsatz, die Maxime: Verschiedenes niemals mit demselben Zeichen darzustellen im Laufe einer Untersuchung ein Grundsatz, der als die Forderung der Einsinnigkeit aller etwa verwendeten Zeichen schon in B der Einleitung seine Rechtfertigung fand.

Die Unerlässlichkeit dieser Vorschrift kann eben durch das Prinzip II dargethan werden.

Sind a, b, c Gebiete oder Klassen derart, dass etwa a b ist, so gibt es auch immer ein solches x, dass x c ist (man braucht z. B. unter x sich nur c selber vorzustellen kraft I). Erlaubten wir uns nun etwa, das x (welches im allgemeinen von b verschieden ist) ebenfalls mit dem Namen b zu belehnen, so erhielten wir zu Prämissen a b und b c und kämen folgerichtig gemäss II zu dem Schlusse: a c als einer Folgerung aus der einzigen Annahme a b, bei ganz beliebigem c! Und die fallacia falsi medii wäre fertig und legitimirt.

Dass die Verwendung einunddesselben Zeichens als Name für ver - schiedene Denkobjekte (im Zusammenhange einer Überlegung) wie im vorstehenden Beispiel sich immer rächen muss, lässt sich allerdings nicht beweisen. Um aber die konsequente Durchführung unsrer Prin - zipien unbehelligt von allen nebenrücksichten zu ermöglichen, dürfen wir uns auch einer solchen Gefahr nicht aussetzen. Es muss demnach für den Kalkul wie für die exakte Logik maassgebend sein, dass man immer nur Identisches mit demselben Buchstaben benenne, oder die Bedeutung eines Zeichens, so wie sie einmal festgesetzt worden, un - verbrüchlich festhalte, bis die Untersuchung über das damit Be - zeichnete zum Abschluss gekommen. Es ist darauf zu halten ver -182Zweite Vorlesung.pflichtet, wer immer dem dictum des quidquid valet etc. allgemeine Geltung zuerkennen will.

Als eine Nutzanwendung hievon bemerkten wir schon in § 2 S. 150, dass wenn ein Ausdruck wie einige b in verschiedenen Sätzen vorkommt, diese Klasse nicht immer mit demselben Zeichen b', sondern allemal wieder mit einem neuen b' ', b'' ', etc. im allgemeinen darzustellen sein wird. Und ähnliches gilt, wo ein b als Subjekt eines unbestimmten Urteils auf - tritt. Der identische Kalkul wird ja übrigens zur Darstellung partikularer sowol als unbestimmter Urteile, über bessere als dieses provisorische Aus - kunftsmittel späterhin verfügen.

Eine dritte Art von scheinbaren Ausnahmen zu Prinzip II möge ver - deutlicht werden an dem Beispiele von Jevons:

Alle Werke (Schriften, Stücke) Shakespeare's können (von einer Person) nicht in einem Tage durchgelesen werden. Hamlet ist ein Werk von Shakespeare. Ergo kann Hamlet nicht in einem Tage durchgelesen werden. Für eine deutsche Schule mag man Goethe's Iphigenie als Para - digma vorziehen.

Der Untersatz und Schluss kann nicht bemängelt werden, wofern es mit dem Obersatze seine Richtigkeit hat.

Das Subjekt dieses oben vorangestellten Satzes: Alle Werke steht hier nicht distributiv als eine Klasse, sondern kollektiv als eine Menge; es steht für die Gesamtheit der Werke , für alle Werke zusam - mengenommen (cuncti, nicht omnes) und wäre besser durch Sämtliche Werke auszudrücken gewesen.

Das Urteil ist gar kein generelles (abgesehen von der Unbestimmtheit der durchlesenden Person); es ist kein im engeren Sinne universales . Ein universales (im weiteren Sinne, schlechtweg) kann es nur genannt wer - den, insofern es ein singulares Urteil ist und die singularen Urteile mit zu den universalen gerechnet werden.

Wofern der Untersatz nicht gerade Identität zwischen seinem Subjekt und seinem Prädikate aufweist, wird er wie dies oben der Fall eine wirkliche Unterordnung dieses Subjekts unter die Klasse seines Prädikat - begriffes ausdrücken. Sein Prädikat muss dann also ein allgemeiner oder Gattungsbegriff sein. Dieses Prädikat des Untersatzes muss aber, als der Mittelbegriff, zugleich Subjekt des Obersatzes sein (wenn anders ein Subsum - tionsschluss nach dem Schema II sich soll anbringen lassen) was oben nicht zutrifft; und deshalb war der Schluss hinfällig.

Es sind also blos Unvollkommenheiten unsrer modernen Sprachen gewesen, die zu den Fehlschlüssen verleitet haben und damit Aus - nahmen zum Prinzip II zu begründen schienen.

Zusatz zu II. Die Ausdehnung des Satzes II auf mehr als zwei als Prämissen angenommene Subsumtionen, welche sich so anordnen lassen, dass bis zur letzten hin das Prädikat einer jeden mit dem Sub - jekt der auf sie folgenden übereinstimmt, ist naheliegend. Wenn a b, b c und c d, so folgt auch a d und so weiter.

Der Beweis ist auf Grund von II selbst durch mehrmalige An -183§ 4. Erste Grundlagen: Prinzip II.wendung ebendieses Prinzips zu leisten. So folgt hier aus den beiden ersten Prämissen nach II schon, dass a c sein muss, und hieraus in Verbindung mit der dritten Prämisse c d folgt abermals nach II, dass a d sein muss, wie behauptet worden.

Wir haben damit das Verständniss der einfachsten Form des von der alten Logik sogenannten Kettenschlusses (sorites) gewonnen.

Anmerkung 1 zu Prinzip II.

Auf dem Anwendungsfelde δ) des § 3, d. i. im Aussagenkalkul vergleiche die Anmerkung auf S. 161 sq. wird dem Prinzip II die Bedeu - tung zukommen: Wenn c aus b folgt und b aus a folgt, so folgt auch c aus a unter a, b, c irgend welche Annahmen oder Behauptungen, irgend welche Aussagen (Urteile) verstanden.

Wir werden von diesem Prinzip bei den Beweisen unsrer theoreme fortgesetzt und, als von etwas Selbstverständlichem, stillschweigend Ge - brauch machen. Damit aber der Leser alsdann auch dessen inne werde, sei hier im voraus schon darauf aufmerksam gemacht.

Unter den Prinzipien des Gebietekalkuls aber darf solches Prinzip offenbar nicht aufgezählt werden, da es ersichtlich oder wenigstens an - scheinend gar nicht von Gebieten handelt. Jedenfalls in der that betrifft es nicht die Gebiete unsrer hier bevorzugten Mannigfaltigkeit.

Anmerkung 2 zu Prinzip II.

Ähnlich wie mit dem letzten verhält es sich mit noch einem Grund - satze, den wir fortgesetzt bei unsern Schlussfolgerungen im Gebietekalkul bethätigen werden.

In die fundamentalen Sätze und Formeln des Kalkuls gehen Buch - staben ein als allgemeine Symbole, in solcher Weise, dass denselben aus der Mannigfaltigkeit unsrer Gebiete je ein beliebiges als Wert oder Be - deutung soll untergelegt werden dürfen.

Der Grundsatz, den wir meinen, ist nun dieser: Jedes allgemeine Sym - bol (dessen Bedeutung unsrer Mannigfaltigkeit angehört) darf durch jedes beliebige (andre) Symbol (dessen Bedeutung derselben Mannigfaltigkeit an - gehört) durchweg ersetzt werden einerlei ob das letztere wiederum als ein (natürlich ebenso) allgemeines aufgefasst wird, oder ob es beliebt wird, dessen Bedeutung irgendwelche Beschränkungen aufzuerlegen, oder ob endlich dasselbe ein ganz spezielles Gebiet bezeichnet.

Auch von dieser Erlaubniss machen wir demnächst fortgesetzt Ge - brauch; wir substituiren bei den Beweisführungen geradeso, wie es auch in der Mathematik geschieht alle Augenblick für ein allgemeines (Ge - biete -, Klassen -, oder Aussagen -) Symbol irgend ein anderes. Aber nicht nur bei den fundamentalen, sondern auch bei den mittelst Beweises auf diese zurückgeführten, den aus ihnen gefolgerten oder abgeleiteten Sätzen, in den Theoremen .

Bei den Definitionen und Postulaten sowie den Axiomen oder Prin - zipien bei allem was willkürlich ausgemacht, allgemein angenommen, konventionell festgesetzt wird konstatirt obiger Grundsatz lediglich Das - jenige, was im Begriffe des allgemeinen Symbols liegt. Eine in Betreff sol -184Zweite Vorlesung.cher Symbole getroffene Übereinkunft soll ja immer den Sinn haben, dass sie zu gelten habe, was immer für besondre (sogenannte Werte ) oder wiederum allgemeine Symbole für die Buchstaben in ihr substituirt wer - den, und dasselbe gilt auch in Betreff solcher Sätze oder Behauptungen, die man übereinkommt, ohne jeden Beweis als allgemeingültige schlechtweg zu adoptiren.

Dagegen für die aus solchen Grundlagen als Folgerungen abgeleiteten Theoreme die gleiche Erlaubniss in Anspruch zu nehmen ist nicht mehr blos durch den Sinn der Worte verbürgt, sondern erscheint als ein wirk - liches Prinzip, wenn auch zunächst nicht als ein dem Gebietekalkul eigen - tümliches.

Auch die Berechtigung zu diesem Verfahren wird aber sich nicht als Ausfluss, Wirkung eines ganz neuen Prinzipes, sondern lediglich als eine Bethätigung unsres Prinzips II selber, und zwar auf dem Anwendungsfelde ε) des § 3 späterhin erkennen lassen.

Nunmehr verleiben wir auch das Gleichheitszeichen dem Lehr - gebäude der Algebra der Logik ein, indem wir auf den als allein be - kannt vorausgesetzten Begriff der Subsumtion eine Begriffserklärung der durch jenes Zeichen auszudrückenden Beziehung gründen.

Definition (1) der identischen Gleichheit (Identität).

  • (1) '.
    • Wenn a b und zugleich b a ist, so werde gesagt, es sei:
    • a = b (gelesen a gleich b).

Dass ein Ausspruch von dieser Form a = b eine Gleichung, a die linke, b die rechte Seite derselben genannt wird, haben wir schon S. 128 angeführt.

Da Vorstehendes eine Definition ist, so muss (wie schon auf S. 134 hervorgehoben wurde) die Festsetzung auch umgekehrt gelten: Es kann die Gleichung a = b nichts anderes aussagen, als dass die vorerwähnten Subsumtionen gleichzeitig bestehen, m. a. W.: (1) ''. {Wenn a = b gilt, so muss a b und b a sein. Wollten wir die beiden Teile (1) 'und (1)' 'der Definition (1) aus - drücklich auf einmal aussprechen, so wäre in (1)' die Partikel so durch immer dann und nur dann zu ersetzen gewesen.

Zusatz zu Def. (1). Weil alsdann (nach I, für Aussagen in An - spruch genommen vergl. die Anmerkung zu Prinzip I) b a und zugleich a b sein wird, so folgt nach Def. (1), dass auch: b = a zu gelten habe. Dies heisst: Jede Gleichung darf auch rückwärts wiederum als solche gelesen wer - den, m. a. W.: Die beiden Seiten einer Gleichung dürfen (in derselben) 185§ 4. Erste Grundlagen: Definition der Gleichheit.miteinander vertauscht werden, oder: Die identische Gleichheit ist eine symmetrische Beziehung ein Satz, der sich, wie wir soeben sahen, ganz streng beweisen lässt.

Stellen a und b Gebiete vor, so müssen sie, wenn das erste im zweiten und zugleich das zweite im ersten enthalten sein soll, einan - der decken, in eines zusammenfallen, koincidiren. Identisch gleiche Gebiete bezeichnen wir demnach als einerlei .

Man ersieht hierans, dass wie schon in der Einleitung betont der Begriff der Gleichheit im identischen Kalkul weit enger gefasst ist, als in der Grössenlehre. Dort, wo von Maassbestimmungen absolut nicht die Rede sein soll, dürfen wir zwei Kreise oder Flächen, wenn sie etwa nur gleich gross (inhaltsgleich, sogar, wenn sie auch kongruent) sein sollten, durchaus nicht als (identisch) gleich gelten lassen.

Ungeachtet dieser verschiedenen Interpretation des Gleichheitszeichens in den beiden Disziplinen ist es doch unbedenklich, sich des nämlichen Zeichens = für beiderlei Beziehungen zu bedienen selbst dann, wenn An - wendungen des identischen Kalkuls auf das Gebiet der mit Zahl und Maass operirenden Mathematik beabsichtigt sein sollten. Und zwar aus zwei Gründen.

Erstens deshalb, weil auch in der Mathematik nicht mit den Grössen selbst, sondern nur mit deren Maasszahlen, weil darin allgemein nur mit abstrakten Zablen gerechnet zu werden pflegt. Jede abstrakte Zahl be - trachtet man aber daselbst als ein nur einmal existirendes Individuum, ver - sinnlicht etwa durch einen bestimmten Punkt der Zahlenlinie resp. Zahlen - ebene, und bei dieser Auffassung kommt die Gleichheit zweier Zahlen auch auf ein Zusammenfallen derselben, auf deren Identität hinaus wie schon S. 146 angedeutet.

Zweitens würden gedachte Anwendungen des identischen Kalkuls auf das Gebiet der rechnenden Analysis doch vor allem angezeigt erscheinen und könnten in der That von grossem Nutzen werden da, wo man mit vieldeutigen Ausdrücken zu thun bekommt, wo nämlich mit Zahlzeichen zu operiren ist, die nicht notwendig je eine einzige Zahl, sondern eventuell eine ganze Klasse oder Gattung von Zahlen vorstellen. Von zwei solchen Zahlgattungen würde nun eine, A, untergeordnet oder gleich einer an - dern B zu nennen, es würde A B zu schreiben sein, wenn alle Werte, die A umfasst, unter den Werten von B zu finden sind, und gleich würden die beiden vieldeutigen Ausdrücke A und B heissen müssen, wenn dies gegenseitig ist, d. h. wenn sie beide ganz die nämlichen Werte um - fassen. Sobald aber diese identisch gleichen Ausdrücke A und B ein - deutige Zahlzeichen würden, nämlich die unter A und B verstandenen Zahlengattungen etwa nur je aus einem Zahlindividuum bestehen sollten, die Klasse A in den einen Wert a, die B zu der Zahl b zusammenschrumpfte, dann würde die vorhin statuirte identische Gleichheit A = B der Klassen doch in der That zusammenfallen mit der arithmetischen Gleichheit a = b zwischen diesen ihren einzigen Zahlwerten.

So wenig sich auch, wie S. 136, 139 dargelegt, das Zeichen < zur186Zweite Vorlesung.Verwendung in der Logik empfahl, würde es nach dem soeben Auseinan - dergesetzten doch nur eine unnütze Weitläufigkeit sein, wenn wir für die identische Gleichheit ein anderes als das arithmetische Gleichheitszeichen einführen, ein apartes, komplizirteres Zeichen für dieselbe hier benutzen wollten.

Bedeuten a und b Klassen, und ist a = b, so werden a und b nur (verschiedene) Namen für einunddieselbe Klasse vorstellen. Beispiels - weise werde angeführt: Pferd = Ross, Neger = Mohr, Erdtrabant = Mond (im engeren Sinne), = der Mond.

1) Theorem. Stets ist a = a.

Jedes Gebiet ist sich selbst identisch gleich.

Beweis. Die Voraussetzungen a b, b a, der Def. (1) für die Gleichheit a = b treffen nach Prinzip I zu, wenn a selber unter b verstanden, für b gesetzt wird; folglich ist in diesem Falle die Defini - tion auch anwendbar. Aus a a und a a folgt nach (1) ': a = a.

2) Theorem. Wenn a b und b = c, so ist a c.

Beweis. Dann ist auch b c nach der zweiten Prämisse auf Grund des Teils (1) '' der Def. (1) Und hieraus, in Verbindung mit der ersten Prämisse folgt nach II, dass a c.

3) Theorem. Wenn a = b und b c, so ist auch a c.

Beweis. Nach der ersten Prämisse und Def. (1) Teil (1) '', ist auch a b und hieraus in Verbindung mit der zweiten Prämisse folgt nach II: a c, wie zu beweisen war.

Die beiden letzten Theoreme zusammenfassend können wir also sagen:

Zusatz. Als Prädikat sowol, wie als Subjekt, darf Gleiches für Gleiches gesetzt werden.

In der That geht die Konklusion bei Th. 2) hervor aus der ersten Prämisse, indem man deren Prädikat b durch das ihm gleiche c er - setzt, bei Th. 3) aus dessen zweiter Prämisse, indem man deren Sub - jekt b durch das ihm gleiche a ersetzt.

4) Theorem. Wenn a = b und b = c, so ist auch a = c.

Oder: Wenn zwei Gebiete mit einem dritten identisch gleich sind, so sind sie auch unter sich identisch.

Es sind dann alle drei Gebiete einander gleich vergl. die nachherige Zusatzdefinition.

Beweis. Nach Def. (1), Teil (1) '', ist mit den beiden Voraus - setzungen des Satzes einerseits gegeben, dass a b und b c sei, und hieraus folgt a c nach II. Ebenso ist andrerseits gegeben:187§ 4. Folgesätze. Gleichheit.c b und b a, also nach II auch c a. Die gefolgerten beiden Ergebnisse a c und c a lassen sich aber nach Def. (1) Teil (1) 'zusammenfassen zu der Gleichung a = c, womit der Satz bewiesen ist.

Die Theoreme 2), 3), 4) finden bereits unter Prinzip II sich durch Figuren erläutert, vergl. Fig. 3 6.

Zusatz zu Th. 4). Die Ausdehnung des Satzes von zweien auf eine beliebige Menge als erfüllt vorauszusetzender Gleichungen, welche sich so anordnen lassen, dass sie eine stetige Kette bilden, d. h. dass die einander zugewendeten Seiten benachbarter Gleichungen jeweils übereinstimmen, ist naheliegend, und kann durch wiederholte Anwen - dung des Th. 4) unschwer bewiesen werden.

Wenn a = b, b = c und c = d ist, so folgt aus den zwei ersten Gleichungen nach 4) zunächst a = c und hieraus, in Verbindung mit der dritten Gleichung folgt ebenso: a = d. Daneben folgt auch aus den beiden letzten Gleichungen b = d, sodass hier jede zwei vorkom - mende Symbole als gleich nachweisbar sind.

Zusatzdefinition zu (1). Nunmehr kann auch der Begriff der identischen Gleichheit von zweien auf eine beliebige Menge von Ge - bieten ausgedehnt werden. Die Gebiete der Menge sind einander gleich zu nennen, wenn (d. h. immer dann und nur dann, wenn) je zwei derselben einander gleich sind.

Dass solches stattfinde, wird ausgedrückt, indem man die Namen der Gebiete in irgend einer Folge auf der Zeile durch Gleichheits - zeichen verbindet, z. B. schreibt: a = b = c =

Tritt zu einer Menge von unter sich gleichen Symbolen ein wei - teres Symbol hinzu, welches einem von jenen gleich ist, so bilden die bisherigen Symbole zusammen eine neue Menge von unter sich gleichen Symbolen.

Denn ist a1 = a2 = = a× = = an die erstgedachte Menge und trits an + 1 = a× hinzu, so ist für λ = 1, 2, n auch leicht zu be - weisen, dass das neuhinzugekommene an + 1 = aλ sein muss, in Anbetracht dass a× = aλ schon laut Voraussetzung gilt. Ein beliebig aus der neuen Menge herausgehobenes Paar von Symbolen enthält entweder das neu hin - zugekommene Symbol an + 1 oder nicht. Im ersten Falle enthält es neben jenem Symbole noch ein solches aλ der alten Menge, und ist die Gleich - heit beider Symbole des Paars soeben bewiesen. Im zweiten Falle muss das Paar aus zwei Symbolen aλ und aμ der alten Menge bestehen und ist deren Gleichheit bereits in der Voraussetzung gefordert, dass sämtliche Symbole dieser letztern einander gleich seien.

In beiden Fällen sind also die zwei Symbole des aus der neuen Menge herausgehobenen Paares in der That einander gleich.

188Zweite Vorlesung.

Was in logischer Beziehung davon zu halten sei, dass bei vorstehen - der Beweisführung im Grunde der Schluss der vollständigen Induktion , Schluss von n auf n + 1 angewendet werden musste, darüber sei auf Anhang 3 und auf § 51 verwiesen.

Ist nun irgend ein System von Gleichungen als zwischen Gebieten bestehend gegeben, so werden diese Gebiete unter sich gleich sein müssen, wenn es gelingt, die gegebenen Gleichungen so in einer Reihe anzuordnen, dass beim Durchgehen derselben in einem bestimmten Sinne etwa von links nach rechts fortschreitend man in jeder neu ins Auge gefassten Gleichung auf ein Gebiet stösst, welches be - reits in wenigstens einer der vorhergehenden Gleichungen als linke oder rechte Seite vorgekommen war. Um dies zu entscheiden, kann man eine beliebige von den Gleichungen als erste herausschreiben, darauf als zweite eine solche folgen lassen, welche eines der in der ersten stehenden Gebiete enthält, als dritte dann aus dem Reste eine solche Gleichung herauslesen, welche abermals die Forderung erfüllt mindestens eines der bisher schon vorgekommenen Gebiete zu ent - halten, und so weiter bis zu Ende. Ist es auf eine Art möglich, in dieser Weise mit den Gleichungen zu Ende zu kommen, so würde sich nachweisen lassen, dass dies auf jede Art eintreffen muss, mit welcher Gleichung des Systems man auch beginnen und wie man auch mit der Auslese der immer mindestens ein früheres Symbol enthaltenden Gleichungen fortfahren mag.

Es sollen jetzt noch zwei spezielle Gebiete in die Algebra der Logik eingeführt werden, für welche als Namen, wie unter Th. 22) dargelegt wird, die Zahlzeichen 0 und 1 sich empfehlen. Auch diese wollen wir vermittelst des Beziehungszeichens der Einordnung erklären, und zwar erfolge die

Definition (2×) der identischen Null Definition (2+) der identischen Eins
dadurch, dass wir die Subsumtion
0 aa 1

als eine allgemeingültige, nämlich für jedes Gebiet a unsrer Mannigfal - tigkeit anzuerkennende hinstellen. Dies will sagen:

0 nennen wir ein Gebiet, welches zu jedem Gebiete a in der Be - ziehung der Einordnung steht, welches in jedem Gebiete der Man - nigfaltigkeit enthalten ist.1 nennen wir ein Gebiet, zu wel - chem jedes Gebiet a in der Be - ziehung der Einordnung steht, in welchem jedes Gebiet der Mannig - faltigkeit enthalten ist.

Die Symbole 0 und 1, denen wir diese Eigenschaft zuschreiben,189§ 4. Definition von 0 und 1. Folgesätze.zählen wir jedenfalls hinfort mit zu den Gebieten unsrer Mannig - faltigkeit. Eventuell, möglicherweise, werden es uneigentliche Ge - biete sein, d. h. sie bleiben leere Namen, wenn unter den bisher als solche angesehenen wirklichen oder eigentlichen Gebieten, die mit der Mannigfaltigkeit zugleich uns virtuell, fakultativ gegeben erschei - nen, sie sich nicht nachweisen lassen sollten eine Frage, auf die wir im System uns erst an einer späteren Stelle einlassen wollen.

Auch die Beweggründe, welche uns zur Einführung ebendieser Symbole bestimmen, das Willkürliche, welches in ihrer Definition zu liegen scheint, erklärend rechtfertigen, können wir erst unter Def. (3) in § 5 auseinandersetzen.

Lediglich aus didaktischen Gründen damit der Leser, falls er nicht will, niemals den Leitfaden der Anschauung zu verlassen braucht sei indess die Bedeutung welche den Symbolen 0 und 1 zukommen wird, vor - greifend schon hier kurz angegeben: Die 0 wird uns ein leeres Gebiet vor - stellen, welches keinen Punkt der Mannigfaltigkeit enthält, und wenn von Klassen die Rede ist, dem Begriffe des Nichts entspricht. Die 1 dagegen wird die ganze Mannigfaltigkeit vorstellen, hier, im bevorzugten Falle, also die ganze Fläche der Schultafel. Und falls a, b, c, uns Klassen vor - stellen, wird 1 die umfassendste Klasse bedeuten, welche alle die Klassen und Individuen, von denen in der Untersuchung die Rede ist, in sich ver - einigt. Vergleiche § 7.

Es wird sich zeigen, dass die hier vollzogene Aufnahme, Einver - leibung, Adjungirung der identischen Null unter die Gebiete (der leeren Klasse unter die Klassen, des Begriffs des Nichts unter die Begriffe) unsrer ganzen Disziplin ihren eigenartigen Charakter aufprägt. Die Tragweite dieser unscheinbaren Übereinkunft (2×) ist kaum mit Ge - ringerem zu vergleichen, als mit den Wirkungen der Einführung der arithmetischen Null, der Aufnahme dieser unter die Ziffern und Zahlen. Letztere war eine That, in Bezug auf die mich Herrn Hermann Schubert's interessante Studie Zählen und Zahl (Hamburg 1887, 36 Seiten) belehrt (pag. 34), dass sie ungeachtet ihres heute allgemein anerkannten Wertes seinerzeit hartnäckige und heftige Opposition her - vorgerufen.

Zusatz 1 zu Def. (2). Es kann nicht mehr als ein Gebiet von der in Def. (2×) resp. (2+) geforderten Eigenschaft geben.

Denn gäbe es ausser 0 resp. 1 auch noch ein zweites Gebiet 0 'resp. 1' von jener gedachten Eigenschaft, dass nämlich

0 ' aa 1 '

allgemein sein müsste, so hätten wir auch

0 0 'nebst 0' 01 ' 1 nebst 1 1'

190Zweite Vorlesung.[indem wir uns hier unter dem a auch 0 resp. 1, dort, in Def. (2), auch 0 'resp. 1' vorstellen dürfen], und damit folgte nach Def. (1):

0 '= 01 '= 1,

d. h. die gedachten beiden Gebiete wären bezüglich einerlei, wären eines.

Zusatz 2 zu Def. (2). Insbesondre gilt auch 0 1.

In dieser Subsumtion fallen die beiden Subsumtionen (2×) und (2+) in eine einzige zusammen, welche als ein unter beiden zugleich be - griffenes Beispiel erscheint. In der That kann man sich unter a

in (2×) auch 1in (2+) auch 0

denken. Zum Überfluss aber folgt obige Subsumtion aus (2×) und (2+) zusammen auch noch nach Prinzip II, wofern man sich in beiden unter a den nämlichen Wert vorstellt.

5) Theorem.

5×) Wenn a 0 so ist a = 0. m. a. W.5+) Wenn 1 a so ist 1 = a.
Einordnung eines Gebietes unter 0 ist Gleichheit (mit 0), bedingt Verschwinden des betreffenden Gebietes.Die fakultative Überordnung eines Gebietes über 1 ist Gleichheit (des - selben mit 1).
Beweis. Da nach Def. (2×) ohnehin 0 a ist, so folgt hie - mit aus der Voraussetzung a 0 unsres Theorems kraft Def. (1) 'die Gleichheit: 0 = a.Beweis. Da nach Def. (2+) ohnehin a 1 ist, so gibt dies in Verbindung mit der vorausgesetz - ten Subsumtion 1 a nach Def. (1) 'die Konklusion: a = 1.

Unerledigt ist noch die Frage, auf welche Weise nun solche Sub - sumtionen, wie die mit Def. (2) eingeführten, in denen als Subjekt oder Prädikat die Symbole 0 oder 1 auftreten, mit Hülfe der Kopula ist in der Wortsprache darzustellen sein werden? Um die uns zu - nächst obliegenden Betrachtungen nicht zu überladen, wollen wir der - gleichen Fragen vorerst noch zurückstellen, unser Augenmerk eine Zeitlang blos dem Gebietekalkul als solchem zuwenden und dessen Anwendungen auf die Wortsprache hernach im Zusammenhange (in der vierten Vorlesung) durchgehen. Was da die Def. (2) im Gefolge hat, ist unter ϱ), σ), τ), υ) des § 9 entwickelt.

[191]

Dritte Vorlesung.

§ 5. Die identische Multiplikation und Addition. Peirce's analytische Definition von Produkt und Summe.

Wir müssen uns nunmehr mit Operationen bekannt machen, durch welche aus (zunächst) zwei Gebieten a, b jeweils ein drittes Gebiet abgeleitet werden kann, aus zwei Klassen eine dritte (später dann auch aus mehreren solchen eine neue). Zwei wichtigste von solchen Ope - rationen bezeichnen wir als identische Multiplikation und als identische Addition, und entlehnen der Einfachheit wegen Namen und Be - zeichnungsweise für die Operationsergebnisse und die dazu verknüpften Operationsglieder aus der Arithmetik von den gleichnamigen arithme - tischen Operationen.

Erfahrungsmässig hat dies Verfahren einen gewissen Widerstand zu gewärtigen; dasselbe wird nicht von jedermann ohne weiteres gebilligt und acceptirt. Es werden deshalb einige Worte zu seiner Rechtfertigung am Platze sein, sowie Fingerzeige, wie dasselbe da wo es ungeeignet erscheinen sollte, zu modifiziren sei.

Mit dem Malzeichen, z. B., und dem Namen Produkt die Vorstellung einer arithmetischen Multiplikation zu verknüpfen, ist durch jahrhunderte - langen Gebrauch sanktionirt, und von dieser langgewohnten und berech - tigten Gedankenverbindung zwischen Namen und dem durch sie Benannten sich hier stets frei zu halten wird in der That dem Leser zugemutet er - scheinen, wenn wir wirklich jene Namen und Zeichen aus der Arithmetik in unsre Disziplin herübernehmen. Bedeuteten die zu einem Produkt a · b oder a b zu vereinigenden Symbole a und b hier Zahlen oder auch Klassen, Gattungen von Zahlen, so wäre die Zumutung allenfalls eine harte zu nennen.

Solches ist nun aber nicht der Fall. Freilich, da uns a und b Klassen von irgendwelchen Dingen oder Objekten des Denkens vorzustellen haben werden, so ist ihre Interpretation als Klassen von Zahlen nicht gerade prinzipiell[ausgeschlossen]. Doch bildet letztere gegenüber den sonst hier im allgemeinen beabsichtigten Deutungsweisen ein Anwendungsfeld von sehr speziellem Charakter und verhältnissmässig untergeordneter Wichtigkeit. Für dieses, wenn es überhaupt in Betracht gezogen werden sollte, kann man sich leicht gewisse Kautelen, eine besondere Behutsamkeit in der Ver - wendung der Namen und Zeichen, als logischer (identischer) oder aber192Dritte Vorlesung.arithmetischer, zur Pflicht machen, auf das wir nachher noch näher zu sprechen kommen.

Lassen wir die etwa möglichen Anwendungen des identischen Kalkuls auf arithmetische Untersuchungen vorerst beiseite, so wird aber der obige Vorwurf einer ungebührlichen Zumutung von selbst hinfällig, indem es ganz unmöglich wird, dem Malzeichen die gewohnheitmässige Bedeutung unterzulegen. Man versuche doch einmal, wenn a die Klasse derjenigen Dinge vorstellt, welchen das Epitheton schwarz zukommt, und b die Klasse der Pferde , das Produkt a · b im arithmetischen Sinn zu verstehen! Abzustehen aber von einem ohnehin unmöglichen Vorhaben dies lässt sich doch nicht als eine ungebührliche Zumutung hinstellen!

Bei dem Versuch, ihn im herkömmlichen, arithmetischen Sinn zu deuten, gibt sich in unserm Beispiel der Name a · b als ein ganz und gar sinn - loser sofort zu erkennen. Daher ist dieser Name als ein solcher, der über - haupt eine vernünftige Erklärung noch nicht gefunden hat, zunächst zu jeder beliebigen Verwendung disponibel. Welche Bedeutung wir ihm hin - fort auch beilegen mögen was wie gesagt in unserm Belieben, Arbi - trium steht so kann dies zu Missverständnissen überhaupt nicht führen, ist unbedenklich und unverfänglich.

Das gleiche gilt, wenn a und b Punktgebiete, Flächen, und zwar diese selbst, nicht aber deren Maasszahlen oder Inhalte, vorstellen (vergl. S. 158). Es ist noch unausgemacht und kann deshalb beliebig ausgemacht werden, was in diesem Falle a · b bedeuten solle.

Dass eine herkömmliche Verwendung von Namen und Zeichen auf einem bestimmten Anwendungsfelde durchaus nicht deren selbständige Ver - wendung auf andern, neuen Anwendungsgebieten präkludirt oder von vorn - herein ausschliesst, dafür gibt es Präcedenzfälle genug in den Wissen - schaften.

Es ist dem Chemiker auch nicht verboten worden, mit CO das Kohlen - oxydgas zu bezeichnen, weil etwa durch den schon zwei Jahrtausende älteren Usus des Geometers es sanktionirt war, unter CO die Verbindungsstrecke zweier Punkte C und O zu verstehen. Um beide Deutungen zu verwech - seln, müsste man im Unklaren darüber sein, ob es sich um Punkte han - delt, oder um chemische Elemente, und füglich ist dem Leser eines Buches doch wenigstens zuzutrauen, dass er wisse und sich im Bewusstsein lebendig erhalte, wovon in dem Buch die Rede ist!

Was nun dem Einen Recht ist, das ist dem Andern billig. Um arith - metisches und identisches Produkt zu verwechseln, müsste man auch nicht wissen, ob die Rede ist von Zahlen, oder ob von Klassen, Gebieten.

Jedenfalls kann es nicht untersagt werden, unter einer besondern Über - schrift eine aparte sei es Bezeichnung bekannter Dinge, sei es Inter - pretation bekannter Zeichen zu verwenden, und zwar immer demjenigen Verfahren den Vorzug zu geben, welches sich dem zu betrachtenden Gegen - stande am besten anbequemt.

Einfacher aber, übersichtlicher, kürzer und zweckmässiger, als mit a b, lässt das Ergebniss der Operation, die wir identische Multiplikation der Klassen a und b zu nennen haben, sich überhaupt nicht darstellen im Hinblick auf die Anforderung, dass der Name dieses identischen Produktes,193§ 5. Die identische Multiplikation und Addition.um hinreichend ausdrucksvoll und durch sich selbst verständlich zu sein, die Symbole a und b, denen es entstammt, doch selber enthalten, sie irgendwie miteinander verknüpfen muss. Die simpelste Verknüpfung von Zeichen ist eben das Nebeneinanderstellen derselben auf der Zeile, und der Vorteile, die aus solcher Einfachheit erwachsen, sind wir nicht gesonnen, uns un - nötigerweise hier zu entschlagen. Zudem stellt auch die Wortsprache selbst (wie in § 8 zu sehen) die Namen der als identische Faktoren zu einem Produkt zu verknüpfenden Klassen in der Regel ohne weiteres Verknüpfungs - zeichen oder Bindewort nebeneinander.

Ähnliches aber, wie oben in Bezug auf das Produkt ausgeführt ist, liesse sich grösstenteils auch hinsichtlich der Summe sagen.

Nur dann, wenn Anwendungen des identischen Kalkuls auf die Arith - metik selbst beabsichtigt sein sollten dergleichen uns hier meistens ganz ferne liegen wird es ratsam die arithmetischen und die iden - tischen Operationen, Operationsglieder und Operationsergebnisse jeweils im Texte durch die kursiv gedruckten Beiwörter sorgfältigst zu unterscheiden, eventuell auch mittelst verschiedener Knüpfungszeichen die einen und die andern zu kennzeichnen. Ganz unerlässlich würde letzteres erscheinen, wenn etwa im selben Ausdruck oder in der nämlichen Formel die beiderlei Ope - rationen gleichzeitig vorkommen sollten.

Hier aber ist es leicht, gedachte Unterscheidung der arithmetischen und der gleichnamigen identischen Knüpfungszeichen irgendwie, in einer ad hoc konventionell festzustellenden Weise, zu bewirken. Man klammere etwa die Zeichen der seltener vorkommenden Sorte von Operationen ein: (·), (+), oder drucke sie hohl, fett, kursiv und dergleichen.

Bei der Multiplikation ist man in der günstigen Lage, ohnehin über zwei Knüpfungszeichen zu verfügen. Man reservire z. B. den Punkt, ·, für die identische, das liegende Kreuz, ×, für die arithmetische Multiplikation und beobachte die Rücksicht, dass alsdann nur das eine von diesen beiden Zeichen auch ungeschrieben bleiben, bequemlichkeitshalber unterdrückt wer - den darf, nicht aber auch das andere indessen, je nachdem es zweck - mässig erscheinen mag, durchweg das erste oder durchweg das zweite.

Für identische Addition wird man praktisch auch ein stehendes Kreuz gegenüber dem arithmetischen + in solchen Fällen verwenden, wie uns denn hier dank der Liberalität des Verlegers kleinere + Zeichen + und + zu gebote stehn.

Überdies ist zu beachten, dass wo immer Anwendungen der geschil - derten Art beabsichtigt sein sollten, auch die identische Null und Eins etwa durch kursiven Druck als 0, 1 oder aber mittelst Apostrophirung etc. von den Zahlindividuen 0, 1 unterschieden werden müssen vergl. § 9, ω).

In einem seiner Aufsätze 1a verwendet Herr Peirce durchweg ein - mal als Malzeichen das Komma, für identische Gleichheit ein Gleichheits - zeichen mit darunter gesetztem Komma, und für identische Addition ein + mit in den Winkelraum rechts unten eingefügtem Komma . Das ganze Bezeichnungssystem erscheint schon ein bischen schwerfällig, das erstere aber auch höchst bedenklich, weil man in Text wie in Formeln [z. B. beiSchröder, Algebra der Logik. 13194Dritte Vorlesung.f (a, b, c, )] dann nie unterscheiden kann, ob a, b, c, eine Gruppe, ein System von mehreren Symbolen, oder aber ein einziges Symbol das Pro - dukt der letztern vorstelle. Von diesem System der Schreibung kommt Peirce auch selbst wieder in seinen späteren Aufsätzen und wie es scheint, definitiv zurück. Im schriftlichen Arbeiten mag aber das Zei - chen +, sich zuweilen empfehlen.

Neue Zeichen und Namen zu erfinden ist ja in der That nicht schwer, und was die Namen betrifft, so hat gerade die Philosophie hierin die Welt schon mit grossartigen Leistungen beglückt.

Wollten wir vor der bei der Arithmetik zu machenden Namenanleihe zurückschrecken, so würden auch wir genötigt sein, ein ganzes Heer von neuen Namen zu erfinden. Es würde bei weitem nicht genügen, neben eigenen Zeichen zur Vertretung unsrer (von Boole schon eingeführten) 0 und 1, etwa blos für Multiplikation, Faktor, Produkt und Addition, Summand, Summe neue Namen zu schaffen. Als solche wurden neben - bei gesagt bereits Composition, Componenten, Compositum ( compound ) und Aggregation, Aggreganten, Aggregat *Indess der letztere Name ist ja auch in der Arithmetik bereits vergeben!) von Augustus de Mor - gan2,3 verwendet. Es würde überdies die Folge sein, dass wir das Summenzeichen Σ, das Produktenzeichen Π durch andere Zeichen ersetzen müssten, dass wir zeitweilig neue Namen einzuführen hätten auch eventuell für Potenz , für Division, Quotient, Dividend und Divisor , für Subtraktion, Differenz, Minuend und Subtrahend , für Abziehen und Vermindern , für mal, plus, durch und minus , und ausserdem noch für eine Menge anderer Kunstausdrücke. Ich erinnere an: Monom, Binom, Trinom, Poly - nom , an Koeffizient , an Ausmultipliziren (nach der Multiplikationsregel für Polynome) und Ausscheiden (eines gemeinsamen Faktors), an die Benennungen Funktion und Argument , an linear und homogen (in ihrer Anwendung auf den Funktionsbegriff), u. s. w.

Ein Blick auf den weiterhin dichter werdenden Formelinhalt dieses Buches wird schon erkennen lassen, wie viel umständlicher und schwer - fälliger derselbe sich darstellen müsste, wollten wir nur überall da, wo ein Malzeichen steht oder gesetzt zu denken, zu unterstellen ist, ein ausdrück - liches Knüpfungszeichen anbringen!

Erstrebenswerter als solche Neuerungen scheint es doch zu sein, mit einer schon vorhandenen Nomenklatur, die sich auch unsern eigenartigen Zwecken vorzüglich anpasst, haushälterisch auszukommen. Weigerten wir uns dessen, so würde aber die schlimmste Wirkung die sein, dass wir ge - nötigt wären, eine Menge aus der Arithmetik der vier Spezies allbekanuter Sätze in dem fremdartigen Gewand, das sie alsdann notwendig zeigen müssten, vollständig neu zu lernen. Bei dem Plan, den wir hier lieber befolgen, haben wir dagegen den Vorteil, nicht nur, dass die zahlreichen Analogieen und die minder zahlreichen Gegensätze zwischen dem identischen und dem arithmetischen Kalkul auf das klarste zutage treten, sondern dass wir auch einen ansehnlichen Teil unsrer Übung aus der allgemeinen Arith - metik (freilich nur von der Tertia eines Gymnasiums her) hier ohne weiteres195§ 5. Identische Multiplikation und Addition.zu verwerten in der Lage sind und diesen Vorteil blos erkaufen müssen durch rege Aufmerksamkeit auf die Punkte, wo jene Analogieen aufhören.

Eine gewisse Leichtigkeit, nicht blos Bezeichnungsweisen zu wechseln, sondern mehr noch, solche umzudeuten, sie vom Einen auf's Andere zu übertragen, ist auch anderwärts förderlich oder unentbehrlich gewesen, und nirgends in der Mathematik darf man an der Bezeichnung kleben. Es ge - nügt zu erinnern, an die Streckenrechnung, z. B., überhaupt an die zahl - reichen symbolischen Rechnungsmethoden, welche Analysis und Geometrie bereits aufweisen.

Die identische Addition hat mit der arithmetischen, ihrem Wesen nach, noch einige Verwandtschaft, die identische Multiplikation aber mit der arithmetischen gar keine [vergl. § 9, ω)].

Gleichwol rechtfertigt sich die übereinstimmende Bezeichnung von beiderlei Operationen durch die durchgängige Übereinstimmung ihrer for - malen Eigenschaften: alle Gesetze, welche von der Addition und Mul - tiplikation in der allgemeinen Arithmetik als allgemeine Formeln gelten (also ohne Rücksicht auf die Natur der zu verknüpfenden Zahlen, im ganzen Zahlengebiete) sei es in Bezug auf jene Operationen für sich, sei es auch für ihre Verbindungen miteinander alle diese Gesetze werden sich auch für die identischen Operationen als allgemein gültig erweisen, und dazu noch einige mehr!

Nur wo die umgekehrten oder inversen Operationen von jenen beiden, also die Subtraktion und Division mit in Betracht kommen, hört die formale Übereinstimmung zwischen den arithmetischen und den identischen vier Spezies zumeist auf.

Wir werden uns mit der identischen Subtraktion und Division erst spät in der 12. Vorlesung beschäftigen, und zwar, um sie dort für immer abzuthun, nämlich zu erkennen, dass diese Operationen im identischen Kalkul definitiv entbehrt werden können, indem sie ausreichend und am zweckmässigsten zu vertreten sind durch eine ein - fachere dritte Operation, die Negation, welche als ein gemeinsamer Spezialfall jener beiden erscheint.

Auch im identischen Kalkul mögen wir Addition und Multipli - kation zu zwei verschiedenen (Operations -) Stufen rechnen. Während aber in der Arithmetik die Addition als die ursprünglichere oder erste Stufe vorangeschickt werden muss, um das Verständniss der Multipli - kation als der zweiten Stufe vorzubereiten und zu erschliessen, steht im identischen Kalkul die Reihenfolge der beiden Operationen in unserm Belieben. Beide sind hier unabhängig von einander einzuführen; sie sind gewissermassen ebenbürtig oder von gleichem Range. Schon um dies zum Bewusstsein zu bringen, werde ich der Multiplikation hier13*196Dritte Vorlesung.den Vortritt geben. Ausserdem aber bestimmt mich hiezu die Rück - sicht, dass auf einem der Hauptanwendungsgebiete des identischen Kalkuls auf dem Anwendungsfelde δ) des § 3, im sog. Aus - sagenkalkul die Multiplikation in der That als die bei weitem wichtigere und häufigere, wo nicht ursprünglichere Operation er - scheinen wird. Demungeachtet mögen aber nach wie vor die Addition und Subtraktion ihre Bezeichnung als Operationen der ersten Stufe beibehalten.

Wir werden das identische Produkt a · b oder a b, desgleichen die identische Summe a + b zweier Gebiete a und b hier je gesondert defi - niren in ihrer Anwendung als Subjekt (terminus minor) und in ihrer Anwendung als Prädikat (terminus major) von Subsumtionen.

Man wird jedoch sehen, dass diese beiden Definitionen eines und desselben Symbols a b resp. a + b keineswegs von einander unabhängig sind, sondern derart in einander übergreifen, dass durch die eine not - wendig auch schon die andre gegeben erscheint. Eine bestimmte von ihnen muss als die des einfacheren Ausdrucks fähige an die Spitze gestellt werden. Und zwar die

Definition (3×).Definition (3+).

Wenn es für gegebene Gebiete a, b und c zutrifft, dass zugleich

c a und c ba c und b c

ist, so soll kürzer gesagt werden, es sei:

c a b.a + b c.

Mit dieser Festsetzung haben wir definirt:

das identische Produkt als Prädikat.die identische Summe als Subjekt.

Hiedurch werden nämlich zunächst lediglich als Bestandteile oder Elemente einer gewissen Redensart*)id est: der Redensart: ein Gebiet c ist in a b enthalten , resp. a + b ist in einem Gebiet c enthalten ., als Prädikat resp. Subjekt die Symbole

a ba + b

eingeführt, welche wir auch Gebiete nennen werden. Auf unserm gegenwärtigen Standpunkt müssen wir noch darauf gefasst sein, dass diese je nach den Bedeutungen von a und b sich als eigentliche Gebiete vielleicht nicht nachweisen lassen, sondern eben als uneigent - liche unsrer Mannigfaltigkeit zuzuschlagen, zu adjungiren sind.

197§ 5. Peirce's Definition von Produkt und Summe.

Da obiges Definitionen sein sollen, so gelten die Festsetzungen auch umgekehrt, und sagen die Subsumtionen

c a ba + b c

hinfort nichts anderes aus, als dass

c a und zugleich c ba c sowie b c

sei.

Um uns unzweideutig darauf zurückbeziehen zu können, wollen wir die beiden in jeder dieser Begriffserklärungen liegenden funda - mentalen Festsetzungen nochmals (mit äusserster Sparsamkeit an Textesworten) übersichtlich rekapituliren, indem wir sie mit unter - scheidenden Chiffren versehen, welche sich im bisherigen Texte nicht wol anbringen liessen. Unsre Konventionen sind:

Die einzeln stehende Subsumtion soll jeweils das nämliche aus - drücken, besagen, wie die zwei nebeneinander stehenden Subsumtionen zusammengenommen. Dies ist es, was ausgemacht wurde.

Zusatz 1) zur Definition (3).

Es gibt mindestens ein Gebiet c, welches den Voraussetzungen der Def. (3) genügt, indem nach Def. (2×) resp. (2+) jedenfalls

01

ein solches c ist. Wie immer die Gebiete a und b auch gegeben sein mögen, so ist es also jedenfalls zulässig, von

einem Produkte a beiner Summe a + b

zu reden, nämlich von ihnen zu sagen, es sei 0 a b, und a + b 1.

Hier tritt zum ersten mal ein Beweggrund zutage, der für die Einführung der Symbole 0 und 1 spricht, wie sie mittelst Def. (2) vollzogen worden. Die Zuziehung dieser Symbole zu der Mannig - faltigkeit der Gebiete hat nämlich, wie soeben erkannt, den Erfolg und rechtfertigt sich eben hiedurch, dass nun von a · b und a + b stets gesprochen werden kann. In Bezug auf das Produkt a b wird dies durch die Einführung der 0 in der That erst hingebracht, wie wir in § 7 noch genauer sehen werden: hätten wir nicht die 0, so wäre es nicht der Fall; es ist die Mission und das Verdienst der Null, dass sie dies bewirkt. Nur durch ihre Zuhülfenahme lässt es sich erreichen,198Dritte Vorlesung.dass hinfort identische Multiplikation und Addition für ganz beliebige Faktoren resp. Summanden a, b auch ausführbar werden.

Ohne diesen Umstand würde aber eine allgemeine Buchstaben - rechnung nach einheitlichen Regeln nicht möglich sein.

Hätte z. B. das identische Produkt a · b sehr häufig keinen Sinn, so könnte man keinen irgend Produkte enthaltenden Buchstaben - ausdruck, unbekümmert um die Bedeutung oder die Werte der in ihm vorkommenden Operationsglieder nach den Regeln des Kalkuls um - formen. Man müsste vielmehr jedesmal erst zusehen, ob die etwaigen Teilausdrücke (Ausdruckteile), sowie ob der ganze Ausdruck überhaupt einen Sinn hat, und wäre genötigt, die Bedingungen dafür jederzeit im Auge zu behalten, sie immerfort als Gültigkeitsbedingungen weiterzuschleppen.

Ein eklatantes, und wie ich denke hinreichend abschreckendes Beispiel einer derartigen unerquicklichen Sachlage wird uns weiter unten der Kalkul der inversen Operationen, werden uns die Gesetze der identischen Subtraktion und Division in § 23 liefern, deren Be - folgung aber, wie schon erwähnt, zum Glück entbehrlich bleibt.

Wenn nun also durch eine so einfache Übereinkunft, als welche die Def. (2) erscheint, wenn namentlich durch die Einführung der identischen Null mittelst Def. (2×), ein derartiger Erfolg sich erzielen lässt, dass durch sie erst ein einheitliches Schliessen und Rechnen nach unumschränkt allgemein gültigen Regeln ermöglicht wird so ist dieser Umstand ein hinreichendes Motiv dafür, diese Einführung zu vollziehen, so rechtfertigt dieser Erfolg wenigstens nachträglich die seiner Zeit bei Aufstellung der Def. (2) anscheinend bethätigte Willkür.

Damit der Leser auch bei den im nächsten Paragraphen folgenden teilweise subtileren Betrachtungen die Veranschaulichung durch die bei - gegebenen Figuren alsbald verstehen könne, sei wiederum vorgreifend gleich hier bemerkt, dass a b das den Gebieten a und b gemeinsame Gebiet vor - stellen wird, dass aber, wenn ein solches nicht vorhanden, dem Produkt a b der Wert 0 zuzuschreiben ist; desgl. wird a + b dasjenige Gebiet be - deuten, in welches a und b zusammenfliessen so wie es, weiter unten § 7, für Kreisflächen a und b die Figuren 9× und 9+ schraffirt aufweisen. Es braucht hienach der Leitfaden der Anschauung nirgends verlassen zu werden.

Wir bringen aber im Systeme die Veranschaulichungen absichtlich erst später, um eben die Anschauung nicht sofort zur Führerin bei den grund - legenden Betrachtungen werden zu lassen, vielmehr derselben die Herr - schaft vorzuenthalten und den rein analytischen Charakter, die formelle Strenge der auszuführenden Schlüsse in den Vordergrund der Aufmerksam - keit des Lesers zu rücken, um diesen die ihnen gebührende Beachtung zu sichern.

199§ 5. Produkt und Summe.

Die ganz wenigen und unbedeutenden Wiederholungen, zu denen uns die befolgte Taktik nötigt, mögen entschuldigt sein mit dem Hinweis, dass man eben beim Gehen zuweilen auch den Blick vorauseilen lassen muss nach Punkten hin, zu welchen selbst man erst etwas später gelangt.

6) Theorem. Die beiden Subsumtionen

6×) a b a, a b b6+) a a + b, b a + b

gelten für alle denkbaren Werte von a und b, sie gelten als allgemeine Formeln.

Beweis. Nach Prinzip I müssen wir zugeben, dass α)

I×. a b a b.I+. a + b a + b.

Dies ist zunächst zweifellos, wenn a und b wirkliche Gebiete vor - stellen, weil wir ja für alle denkbaren Gebiete den Satz I als Grund - satz angenommen haben.

Führen wir zuvörderst unter dieser Annahme unsern Beweis zu Ende.

Wenn man nun in vorstehender Subsumtion α)

das ab linkerhanddas a + b rechterhand

mit dem c in (3×) '' resp. (3+) '' identifizirt, d. h. sich ebendieses Gebiet unter dem dortigen c vorstellt, so erkennt man, dass die Sub - sumtion α) nach (3) '' nichts anderes aussagt, als dass zugleich

a b a, a b ba a + b, b a + b

ist, wie zu beweisen war.

Sollte es nun aber kein eigentliches Gebiet geben, welches unter dem Symbol

a ba + b

zu verstehen wäre eine Frage, deren völlige Erörterung wir bewusst auf eine spätere Stelle im System der Theorie verlegten, so ist folgendes zu bemerken.

Wir nehmen den Satz der Identität a ist a nicht blos für die Gebiete etwa unsrer bevorzugten speziellen Mannigfaltigkeit sondern wir nehmen ihn auch für diejenigen jeder denkbaren Mannig - faltigkeit, ja sogar für alles zu denken Mögliche überhaupt in Anspruch. Auch für irgendwelche Klassen von irgendwelchen Individuen muss er anerkannt werden. Jedes Ding oder Objekt des Denkens ist es selber, ist das, was es ist.

Wir dürfen demnach verlangen, dass unser Prinzip I auch für Namen anerkannt werde, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob dieselben einen Sinn haben, oder nicht. Dasselbe gilt uns auch für sinnlose200Dritte Vorlesung.Namen. Auch nichts ist nichts , 0 0, ein rundes Quadrat ist ein rundes Quadrat dürfen wir sagen.

Auch wer solche Behauptung nicht als selbstverständlich hinnehmen möchte, wird wenigstens zugeben müssen, dass dieselbe unbedenklich ist: es kann durch sie kein Irrtum erzeugt werden, gerade weil es nichts ist, worauf sich die Aussage bezieht; über nichts will sie eine Information erteilen und charakterisirt sich somit als eine inhaltsleere.

Nun haben wir mittelst der in den Definitionen (2) und (3) ge - troffenen Übereinkunft ausgemacht, die Symbole 0, 1, a · b und a + b unter allen Umständen zu den Gebieten unsrer Mannigfaltigkeit zu rechnen, sie nötigenfalls, wenn es keine eigentlichen Gebiete geben sollte, welche die ihnen beigelegten Eigenschaften besitzen, als un - eigentliche Gebiete meinetwegen sinnlose Namen dieser Mannig - faltigkeit zuzuschlagen.

Nach dem Vorausgeschickten können wir also auch für diese Gebiete den Satz der Identität in Anspruch nehmen und darauf die Überlegung gründen, durch welche sich oben der Beweis der Theo - reme 6) ergab.

In § 7 wird sich übrigens herausstellen, dass der Fall, wo jenen Symbolen der Wert 0 zukommt, in der That der einzige Fall ist und bleibt, in welchem sie uneigentliche Gebiete vorstellen. Dies ist zudem auch a priori klar. Denn entweder gibt es ein wirkliches Gebiet, welches die Bedeutung des Symbols a b ausmacht, oder nicht. Im letztern Falle ist das als Gebiet hingestellte Zeichen a b sinnlos, bedeutet nichts und kann 0 genannt werden. Analog a + b, falls es ausarten sollte.

Dass nun auf die identische Null ebenfalls das Prinzip I anwendbar ist, also 0 0 sein muss, ist zum Überfluss schon in der Def. (2×) der identischen 0 enthalten, indem die Formel 0 a als eine allgemein - gültige auch für ein die 0 bedeutendes a in Anspruch genommen werden darf. Auch unter diesem Gesichtspunkt also erscheinen die Subsumtionen α), auf die unser Beweis der Theoreme 6) sich gründete, selbst dann zulässig, wenn a b oder a + b uneigentliche Gebiete sein sollten, d. i. eben 0 bedeuten.

Endlich würden für a b = 0 die Subsumtionen 6×) sich auf Grund der Def. (2×) auch unmittelbar verifiziren lassen vergl. § 9, ϱ) wo - gegen für den Fall a + b = 0 zur Bewahrheitung der Subsumtionen 6+) das Theorem 24+) könnte herangezogen werden.

Nach Th. 6) muss im identischen Kalkul mit Gebieten nun umgekehrt wie in der Arithmetik und Zahlentheorie gesagt werden: das Produkt sei stets in seinem Faktor (dem ersten oder auch dem zweiten) enthalten; und es muss auch gesagt werden: der Summand, das Glied, sei in der Summe enthalten.

Mit dem Bisherigen haben wir bereits die formale Grundlage für einen bedeutenden (ersten) Teil des Gebäudes unsrer Disziplin gewonnen. 201§ 6. Kritische Untersuchungen über die gegebene Definition.Mit den gegebenen Prinzipien I, II, den Definitionen (1) bis (3) und den Theoremen 1) bis 6) kommt man bereits bei den deduktiven Schlussfolgerungen, welche uns obliegen, bis incl. der Theoreme 25) aus.

Gleichwol wollen wir an das bisherige noch einige etwas subtilere Betrachtungen unter der Überschrift des nächsten Para - graphen anreihen, welche die Bestimmung haben, eine berechtigte Anforderung zu erfüllen, einem Erkenntnissbedürfniss zu genügen, das meines Erachtens beim Anblick der Definition (3) von a b und a + b sich aufdrängen muss. Es handelt sich um die Frage, ob die in (3) anscheinend nur für die einseitige Verwendung dieser Symbole als Prädikat, respektive Subjekt, gegebene Vorschrift auch deren umge - kehrte Verwendung regelt, inwiefern sie also wirklich verdiente, als die vollständige Definition von Produkt und Summe hingestellt zu werden.

Es werden diese Betrachtungen noch einige an sich nicht un - interessante Theoreme und neue Formen von Definitionen liefern, die aber, wie angedeutet, späterhin nicht wesentlich citirt zu werden brauchen, die im Lehrgebäude nicht gerade als unentbehrliche Stütze erscheinen.

Anfänger mögen also ohne Schaden den § 6 überschlagen und werden dennoch in der Lage bleiben, die letzten Ziele dieses Buches erreichen zu können.

Ich denke hiebei speziell an den immerhin möglichen und für eine fernere Zukunft zu erhoffenden Fall einer Verwertung unsres Lehrganges für den Logikunterricht in Gymnasialprima. Daselbst eingeführt zu werden ist das Buch nicht bestimmt, vielmehr wird dasselbe seinen Zweck er - reichen, wenn Lehrer, Philosophen und Mathematiker, es würdigen.

§ 6. Kritische Untersuchungen über die gegebene Definition. (Überschlagbar.)

Zusatz 2 zur Def. (3). Unter den Voraussetzungen der Defi - nition (3) hat jedes Gebiet x, derart, dass

x cc x

ist, die gleiche Eigenschaft wie c, dass nämlich auch

x a nebst x ba x nebst b x

sowie

x a ba + b x

ist. Dies ergibt sich einerseits nach (3) 'unter zweimaliger Anwendung des Prinzips II, und andrerseits, in Übereinstimmung damit, auch nach (3)' 'durch einmalige Anwendung von II; nämlich, um es genauer z. B. links vom Mittelstriche darzulegen: Aus x c und c a202Dritte Vorlesung.folgt x a, desgleichen aus x c und c b folgt x b, und aus diesen beiden Ergebnissen muss nach (3×) 'selbst (für x statt c in Anspruch genommen) folgen: x a b.

Andrerseits folgt aus x c und c a b sogleich direkt: x a b und damit nach (3×) '' auch x a und x b.

Mit diesem Zusatze können wir nun die Definition (3) zu folgender, nur äusserlich etwas komplizirter erscheinenden Formulirung zusammen - fassen, bei der wir ebenfalls von vornherein sicher sind, dass das defi - nirte Gebilde als Gebiet existirt:

7) Theorem, als neue Fassung der Def. (3), auch zu citiren als Definition (4), und zwar

7×) Th. = Def. (4×)7+) Th. = Def. (4+).

Wenn für gegebene a, b ein c existirt derart, dass für jedes x, für welches

x cc x

ist, auch

x a nebst x ba x nebst b x

sein wird, dann und nur dann ist man berechtigt zu sagen, es sei:

c a b.a + b c.

Beweis. Da nach I c c ist, so ist c selber ein zulässiger Wert des x und muss jedenfalls auch

c a nebst c b,a c nebst b c,
somit nach (3×) 'c a bsomit nach (3+) 'a + b c

sein. Die Umkehrung ist der Inhalt des vorigen Zusatzes.

Der Sachverhalt sei einstweilen schon durch die Figur veran - schaulicht:

Fig. 7×.
[figure]
Fig. 7+.

Zusatz zu Th. 7). Unter den Bedingungen des Satzes hat wieder jedes y derart, dass

y cc y

203§ 6. Kritische Untersuchungen über die gegebene Definition.ist, durchaus die gleiche Eigenschaft, wie c, wie leicht mittelst II zwie - fältig zu beweisen ist.

Anmerkung zu Th. 7). Daneben mag es noch solche x geben, für welche zwar

x a nebst x ba x nebst b x

ist, ohne dass doch zugleich

x cc x

wäre. Im allgemeinen lassen sich in der That Gebiete x derart angeben, welche zu c in einer andern als der durch vorstehende Subsumtion aus - gedrückten Beziehung stehen, und wird es der Phantasie des Lesers nicht schwer fallen, sich in obige Figuren solche Gebiete x eingetragen zu denken, z. B.

links einen über das Zweieck c hinaus - ragenden oder auch ganz ausserhalb desselben liegenden, jedoch noch in den Kreis a sowol als den b ganz hineinfallenden kleinen Kreis xrechts einen die Kreise a und b zwar ganz in sich schliessenden, jedoch von der Zweieckfläche c noch teilweise überragten, vielleicht sogar selbst in das Zweieck c hineinfallenden Kreis x.

Wir mussten die Def. (4) als ein Theorem Th. 7) hinstellen, weil dieselbe keine willkürliche Festsetzung mehr den Grundlagen unsrer Disziplin hinzufügte, sondern auf Grund namentlich der bereits getroffenen Festsetzung (3), sich als eine notwendig mitgeltende, gleich - berechtigte Form ebendieser Def. (3) nachweisen liess.

Diese Form ist freilich weniger einfach als die frühere, und es hätte keinen Wert, die einfachere Fassung der Definition in eine ver - wickeltere, komplizirtere umzuwandeln, wenn diese nicht durch ihre Analogie mit den noch fehlenden, den ausstehenden beiden Definitionen uns das Material zu interessanten Vergleichen lieferte.

Inzwischen verlohnt es noch, zu sehen, dass und wie man von Def. (4) zur Def. (3) auch zurückgelangen kann.

Ich will dies nur für die Sätze links vom Mittelstriche zeigen. Wir mögen die Def. (4×) auch so in Worte fassen: Die Redensart c sei in a b enthalten , m. a. W. die Subsumtion c a b heisst: jedes in c enthaltene x ist auch in a und in b enthalten.

Da nach I c selbst ein solches x ist, muss nun die Annahme c a b auch die beiden Subsumtionen c a und c b nach sich ziehen, womit (3×) '' gewonnen ist.

Bleibt nur noch das Umgekehrte zu zeigen, d. h. (3×) 'abzuleiten.

Sind die Voraussetzungen c a und c b gleichzeitig erfüllt, so muss nach der erstern jedes in c enthaltene x (für welches also x c ist) nach II auch in a enthalten sein (für dasselbe auch x a sein). Ebenso muss nach der zweiten Voraussetzung jedes in c enthaltene x204Dritte Vorlesung.auch in b enthalten, für x c auch x b sein. Nach beiden Voraus - setzungen zusammen wird also jedes in c enthaltene x zugleich auch in a und in b enthalten sein, wonach die Def. (4×) ersichtlich an - wendbar ist, und nach dieser c a b zu sagen sein wird. Damit ist dann auch (3×) 'und sohin die ganze Def. (3) gewonnen.

Mit Def. (3) sowol als Def. (4) erscheint auf den ersten Blick immer noch

das Produkt nur als Prädikatdie Summe nur als Subjekt

allgemein definirt. Gleichwol zeigt sich leicht, dass damit doch auch für die Verwendung

des Produkts als Subjektder Summe als Prädikat

schon in gewissem Grade präjudizirt ist.

In der That ist dies wenigstens in den Beispielen der Subsumtionen α) des vorigen Paragraphen, sowie des Theorems 6), also bei:

augenscheinlich der Fall. Und diese Beispiele bleiben auch nicht die einzigen; vielmehr könnten wir sogleich den Zusatz beifügen: So oft etwa noch

a y oder b yy a oder y b

sein sollte, muss nach II auch

a b yy a + b

gelten, und diese Subsumtionen würden ebenfalls die umgekehrte Verwendung exemplifiziren.

Dass aber auch ganz allgemein die Definition

des Produkts als Subjektder Summe als Prädikat

zurückgeführt werden kann auf die für die frühere (hiezu umgekehrte) Verwendung bereits gegebene Def. (3), dass sie durch diese völlig mit - gegeben ist, ergibt sich aus folgender Betrachtung, die wir in die Form zweier Lehrsätze kleiden.

(8×) 'Theorem. Soll(8+) 'Theorem. Soll
a b cc a + b

gelten, so muss für jedes x, für welches

x a ba + b x

ist, auch sein:

x c.c x.

Beweis direkt aus II durch nur einmalige Anwendung dieses205§ 6. Kritische Untersuchungen über die gegebene Definition.Prinzips, das in der That aus den beiden Voraussetzungen linkerhand z. B. aus x a b und a b c unmittelbar uns die Behauptung liefert.

8×) '' Theorem. Wenn für jedes x, für welches x a b ist, auch x c sein muss, so wird8+) '' Theorem. Wenn für jedes x, für welches a + b x ist, auch c x sein muss, so wird
a b cc a + b

zu gelten haben.

Beweis. Nach I, nämlich wegen

a b a b,a + b a + b,

ist ja dann a b resp. a + b selber ein zulässiger Wert des x.

Hienach ist klar, dass wir definitionsweise zu sagen haben werden, es sei

a b c, wenn für jedes x, welches a b ist, auch x c sein wird.c a + b, wenn für jedes x, wo - für a + b x ist, auch c x sein muss.

Ersetzen wir hierin die Forderung x a b resp. a + b x durch das - jenige, was sie nach Def. (3) bedeutet, so erhalten wir folgende Fassung der noch ausstehenden Definition, die, wenn man sie auch selbständig als eine solche von vornherein hätte hinstellen können, doch dermalen wesentlich wieder als Theorem zu bezeichnen ist.

9×) Theorem, auch zu citiren als Definition (5×).9+) Theorem, auch zu citiren als Definition (5+).

Wenn für gegebene a, b ein solches c existirt, dass für jedes die Bedingungen

x a, x ba x, b x

bezüglich gleichzeitig erfüllende x auch stets

x cc x

ist, so (d. h. immer dann und nur dann) ist zu sagen, es sei:

a b c.c a + b.
[figure]
Fig. 8×.
Fig. 8+.
206Dritte Vorlesung.

Der Sinn auch dieser Erklärung mag durch eine Figur erläutert werden, in welcher sich die vorausgesetzten Bedingungen hinsichtlich der Gebiete a, b, c und wenigstens eines bestimmten x verwirklicht zeigen (Fig. 8× u. Fig. 8+). Es bedeuten a, b, x Kreisflächen und c das Bilineum , die von den zwei Kreisbogen begrenzte Fläche.

Zusatz 1 zu Th. 9). Unter diesen Bedingungen hat jedes y derart, dass

c yy c

ist, durchaus die gleiche Eigenschaft wie c, wie leicht nach II auf zwei Arten zu beweisen.

Zusatz 2 zu Th. 9). Nach Def. (2) existirt in Gestalt von 1 resp. 0 sicher mindestens ein c, welches den Voraussetzungen der Def. (5) genügt, gleichwie auch in Gestalt von 0 resp. 1 mindestens ein x der daselbst verlangten Art angebbar ist.

Anmerkung 1 zu Th. 9). Daneben mag es noch solche x geben, für welche zwar

x cc x

ist, ohne dass jedoch zugleich

x a, x ba x, b x

wäre, und in der That wird in die Figur die Phantasie des Lesers mit Leichtigkeit solche Flächen x einzeichnen.

Anmerkung 2 zu Th. 9). Sehr wichtig ist die Bemerkung: Das Theorem 6) des vorigen Paragraphen folgt ebensogut aus der Def. (5), wie aus der (3).

Denn für jedes x, für welches

x a nebst x ba x nebst b x

ist, gilt selbstverständlich doch

x aa x

im Grunde nach I, für Aussagen in Anspruch genommen, vergl. Anmerkung zu I. Indem man also unter dem c der Def. (5) sich a vorstellt, erkennt man, dass nach dieser

a b aa a + b

sein muss und ähnlich für b.

Vergleichen wir die Formen (4) der Def. (3) und die Def. (5), nämlich die beiden Theoreme 7) und 9) miteinander, so tritt eine weitgehende Übereinstimmung derselben zutage.

Der Unterschied beider Theoreme besteht nämlich ganz allein darin, dass die Zeile mit der Subsumtion

x cc x

und die Zeile mit den Subsumtionen

x a, x ba x, b x

207§ 6. Kritische Untersuchungen über die gegebene Definition.im einen Theorem dem andern gegenüber vertauscht erscheint; d. h. in der zusammengesetzten Voraussetzung eines jeden der beiden Theoreme, welche selbst die Erfüllung einer Bedingung an das Erfülltsein einer zweiten Bedingung knüpft, muss man jenes Bedingte mit dieser Be - dingung vertauschen, um das andre Theorem daraus zu erhalten man muss nicht das Theorem, wohl aber dessen Voraussetzung umkehren .

Wir hätten nun allerdings anstatt der Definitionen (3) oder (4) auch die Definition (5) als solche an die Spitze der ganzen Theorie stellen können, woraus sich sofort auch das Th. 6) wie in Anm. 2 zu Th. 9) gezeigt mitergeben haben würde.

Es wäre dann a b und a + b auch wieder nur für die einseitige Verwendung definirt erschienen, aber diesmal für die umgekehrte wie früher, zunächst nämlich wäre a b nur als Subjekt und a + b als Prädikat erklärt.

Für die andersseitige Verwendung dieser beiden Symbole (nämlich für die von a b als Prädikat und a + b als Subjekt) könnte dann die Begriffserklärung wieder leicht auf die vorhergehende zurückgeführt werden kraft zweier Theoreme naheliegender Analoga zu Th. 8) 'und 8)' ' die wir zunächst aussprechen und beweisen wollen.

10×) 'Theorem. Soll10+) 'Theorem. Soll
c a ba + b c

gelten, so muss für jedes x, für welches

a b xx a + b

ist, auch sein:

c x.x c.

Beweis direkt aus Prinzip II.

Und umgekehrt:

10×) '' Theorem.10+) '' Theorem.

Wenn für jedes x, für welches

a b xx a + b

ist, auch

c xx c

sein muss, so wird zu sagen sein, es sei

c a b.a + b c.

Beweis nach I, da alsdann auch a b resp. a + b selbst ein solches x ist, welches die Bedingung und folglich auch die Behauptung der Voraussetzung erfüllt.

208Dritte Vorlesung.

Hienach würden wir also definitionsweise zu sagen haben, es sei

c a b allein dann, wenn jedes a b enthaltende x auch c enthalten muss.a + b c dann allein, wenn jedes in a + b enthaltene x auch in c enthalten sein muss.

Ersetzten wir nunmehr in diesen Festsetzungen die Bedingung a b x resp. x a + b durch dasjenige, was sie nach Def. (5) oder Th. 9) bedeutet, wobei indess in letzterem an Stelle des dortigen x zur Unterscheidung ein andrer Buchstabe, wie y, verwendet werden müsste (weil x bereits mit einer andern Bedeutung vorgekommen, nicht mehr verwendbar erscheint), so erhielten wir endlich die noch aus - stehenden beiden Definitionen.

Diese aber obwol im Grunde notwendig äquivalent der Def. (3) und dasselbe leistend, nämlich mit Hülfe des Subsumtionsbegriffs die Bedeutung von a b als Prädikat und von a + b als Subjekt erklärend würde sich doch dem Wortlaut nach mit Def. (3) durchaus nicht decken. Bei weitem nicht so einfach wie letztere würde sie sogar noch erheblich verwickelter sich darstellen als die Def. (4) in Th. 7), indem sie noch weitere bedingte Bedingungen in ihre Bedingungen eingefügt zeigte. Wir wollen sie hier gar nicht in Worte fassen, sondern sie höchstens in der konziseren Formelsprache des Aussagen - kalkuls als ein Kuriosum darstellen [§ 32, π σ)].

Ihrerseits müsste sie, als die ursprüngliche Definition zugrunde gelegt, kraft Th. 10) uns noch eine abermals erheblich verwickeltere Fassung der Def. (5) liefern; diese wieder könnte in demselben Sinne weiter verwendet werden und so ohne Ende fort immer verwickelter.

Wir müssen ja nun im Gegenteil nach möglichster Vereinfachung der grundlegenden Begriffserklärungen streben.

Da haben wir denn als eine bemerkenswerte Thatsache zu kon - statiren, dass die Def. (5) [von a b als Subjekt, etc.] ungeachtet ihrer Analogie zur Def. (4) [von a b als Prädikat etc.] durchaus nicht einer analogen Vereinfachung fähig zu sein scheint, wie die letztere (4), [welche wir ja in die einfachere Fassung, Def. (3), zusammenziehen konnten] wenigstens nicht, ohne ihren Charakter [dass sie a b als Subjekt definire, etc.] dabei zu verlieren.

Wollte man gleichwol das Th. 9) als Def. (5) an die Spitze stellen, so würde sich zwar sehr leicht der eine Teil (3) '' unsrer früheren Def. (3) nunmehr als Lehrsatz auf Grund des bereits aus jener deduzirten Theorems 6) beweisen lassen. In der That aus:

c a b und a b a folgte c a und ähnlich auch c b.a + b c und a a + b folgte a c und ähnlich auch b c.

209§ 6. Kritische Untersuchungen über die gegebene Definition.Dagegen würde die Ableitung von (3) 'aus Def. (5) eine etwas höhere Anforderung an das abstrakte Denken stellen.

Ich will diese Ableitung nur für die Sätze zur Linken des Mittel - striches darlegen.

Wir können die Def. (5×) auch so in Worte fassen: Die Redens - art: c enthält a b in Formel: a b c heisst: jedes in a und b zugleich enthaltene x ist auch in c enthalten.

Auf diese Def. ist nun die Erklärung der andern Redensart: c ist in a b enthalten oder c a b zurückzuführen mittelst des Th. 10×) wonach ebendieses heissen wird: jedes a b enthaltende x (jedes x, welches a b enthält) muss auch c enthalten.

Fügt man in diese Erklärung ein, was die (in der Klammer wieder - holte) Voraussetzung x a b nach der vorhergehenden Erklärung (5×) bedeutet, indem man das dortige c mit x identifizirt, und für den hier bereits anderweitig vergebenen Buchstaben x einen andern, y, gebraucht, so ergibt sich als die auf Def. (5×) zu gründende Erklärung von a b als Prädikat die folgende: c a b heisst: jedes x, welchem jedes in a und b enthaltene y ein - geordnet ist, muss auch c enthalten.

Auf Grund dieser Definition ist nun zu zeigen, dass wenn c a und c b ist, auch c a b sein muss.

Gesetzt nun, es sei wirklich c a und zugleich c b.

Dann ist c selber ein solches in a und b enthaltenes y.

Es ist nun zu zeigen, dass jedes x, welchem jedes in a und b enthaltene y eingeordnet ist, auch c enthält.

Sei x irgend ein Gebiet, welchem jedes in a und b enthaltene y eingeordnet ist. So ist diesem x auch das vorhin erwähnte y, welches einerlei mit c war, eingeordnet, oder es muss dasselbe x auch c ent - halten. Unter den genannten Voraussetzungen (c a und c b) trifft demnach die letzte Definition zu und sind wir berechtigt zu sagen, es sei c a b womit nun auch (3×) '' gewonnen und die ganze Def. (3×) aus der (5×) abgeleitet ist.

Aus alledem geht hervor, dass es zwar praktikabel, doch jeden - falls nicht vorteilhaft ist, den von uns zurückgelegten Weg im ent - gegengesetzten Sinne zu durchlaufen.

Allerdings, sobald für a b resp. a + b die Art und Weise der Ver - wendung sei es als Subjekt, sei es als Prädikat vorgeschrieben ist, erscheint damit von selbst auch die Verwendung in dem umge - kehrten Sinne geregelt. Welche von den beiden VerwendungsweisenSchröder, Algebra der Logik. 14210Dritte Vorlesung.wir aber als die ursprüngliche Definition zuerst festlegen, ist deshalb doch nicht gleichgültig, sondern das in § 5 eingeschlagene Verfahren vorzuziehen.

11×) Theorem.11+) Theorem.

Es gibt nun ein Gebiet c, welches die Forderung der Definitionen

(3×) oder (4×) und (5×), d. i. 7×) und 9×)(3+) oder (4+) und (5+), d. i. 7+) und 9+)

gleichzeitig erfüllt für dieselben (irgendwie) gegebnen Gebiete a, b.

Da für dieses

c a b und a b ca + b c und c a + b

zugleich sein wird, so ist dasselbe

c = a bc = a + b

selbst zu nennen.

Zusatz. Es kann jedenfalls nur ein solches c geben.

Denn wäre auch noch c 'ein solches, so folgt ebenso:

c '= a bc '= a + b

und damit nach Th. 4) c '= c.

Beweis des Theorems. Dieser besteht in der Verbindung zweier Überlegungen, von denen die eine allerdings modifizirt unter Th. 6) schon einmal augestellt worden ist. Er möge demungeachtet hier ganz zum Bewusstsein gebracht werden. Wie schon erwähnt, sind nach I die Formeln α)

a b a ba + b a + b

als gültige anzuerkennen. Nach

Th. 9×) wenn das a b rechts in α)Th. 9+) wenn das a + b links

mit c in Gedanken identifizirt wird, erkennt man aber, dass die obige Aussage α) den Inhalt hat, dass jedes x, für welches

x a nebst x ba x nebst b x

ist, auch die Forderung erfüllen muss:

x a ba + b x.

Dagegen nach

Th. 7×) wenn das a b linkerhandTh. 7+) wenn das a + b rechterhand

in α) mit dem c daselbst identifizirt wird, sagt ebendieser Satz α) aus, dass umgekehrt jedes x, für welches

x a ba + b x

ist, auch die Bedingung erfüllen wird

x a nebst x ba x nebst b x.
211§ 7. Deutung von 0, 1, a b, a + b als Gebiete, nebst Postulaten.

Dies alles ist auch direkt nach Def. (3) ersichtlich. Das Symbol a b resp. a + b ist demnach in der That selbst dasjenige Gebiet c, welches die Voraussetzungen der als Theoreme 7) und 9) ausgesprochenen Definitionen gleichzeitig erfüllt.

Auf Grund der vorstehenden Überlegungen können wir nun sagen:

Die Operationen der identischen Multiplikation und Addition sind niemals undeutig und niemals mehrdeutig, vielmehr unbedingt ausführ - bar und eindeutig oder, wie ich zusammenfassend es ausdrücken will: sie sind vollkommen eindeutige innerhalb der durch Zuzug der Symbole 0, 1, a b, a + b vielleicht erweiterten Mannigfaltigkeit von Gebieten .

Dass a b in der That eines Wertes nie ermangeln kann, wenn man schon den Namen a b selber als Wert gelten lässt, erscheint selbst - verständlich: eine solche Definition verbürgt zugleich die Existenz des Defi - nirten. Dass a b nicht mehrere Werte haben kann, zeigte der Zusatz zu Th. 11). Analog bezüglich des a + b.

Worauf es hier besonders ankam, war: zu sehen, dass die Aufnahme der neuen Symbole unter die Gebiete im Grunde schon dadurch vollzogen wurde, dass man das Identitätsprinzip I auf sie anwendete, beziehungsweise ausdehnte.

Indem man nunmehr für c sogleich den Namen a b resp. a + b gebrauchte, würden die beiden Theoreme 7) und 9) augenscheinlich zu einem Satze zusammenfliessen, der sich völlig deckt mit der alten Definition (3) nur dass es jetzt jedes x anstatt des dortigen gewissen c hiesse.

Dergestalt im Ringe herum gegangen kämen wir somit wieder zu unserm Ausgangspunkte zurück.

Diesen Satz, Def. (3), stellt Herr Peirce einfach als Definition von a b resp. a + b hin.

Dass er aber solche Definition nicht blos für die einseitige Ver - wendung (als major resp. minor) sondern in der That vollständig ent - hält dies durch die hier gegebene Zergliederung nachgewiesen zu haben, dürfte wol nicht überflüssig gewesen sein.

§ 7. Deutung von 0, 1, a b, a + b als Gebiete nebst zugehörigen Postulaten. Konsistente Mannigfaltigkeit.

Wir schreiten jetzt dazu, das im Bisherigen abstrakt Definirte zu veranschaulichen, zu deuten.

Solange es ununtersucht gelassen wird, ob es eigentliche Gebiete gebe, welche die von den Symbolen 0, 1, a b, a + b geforderten Eigen - schaften besitzen, konnten wir sagen, dass unsre Definitionen die14*212Dritte Vorlesung.Existenz des Definirten insofern verbürgen, als sie es gewissermassen selber erzeugen oder schöpferisch einführen.

Sobald wir aber jenen unter die Gebiete aufgenommenen Sym - bolen eine Bedeutung unterlegen, behaupten, dass es der Anschauung zugängliche, wirkliche Gebiete gebe von den bezüglichen Eigenschaften, fügen wir unsern Definitionen gewisse Postulate hinzu, wir stellen Forderungen über Gebietnachweise als allgemein erfüllbare hin, bezüg - lich deren wir uns lediglich auf die Anschauung zu berufen vermögen.

Ganz allein bezüglich der Null werden wir solchen Nachweis als nicht ausführbar erkennen, und darf ich die Konstatirung des Gegen - teils wol für den Augenblick als ein negatives Postulat bezeichnen.

((1×)) Negatives Postulat.((1+)) (Positives) Postulat.
Es gibt kein eigentliches Gebiet von den Eigenschaften, welche Def. (2×) dem Symbole 0 auferlegt. Es lassen sich nämlich Gebiete angeben, die einander ausschliessen
*)Die hier kursiv gedruckten Worte bilden den positiven Inhalt auch dieses Postulates, sie sprechen die Forderung aus, der man eben faktisch genügen kann.
*), soge - nannte disjunkte Gebiete, die kein Element gemein haben. Da die 0 in jedem Gebiet enthalten, allen ge - meinsam sein soll, so kann sie nur ein leeres Gebiet sein, welches kein Element der Mannigfaltigkeit enthält. Trotzdem als ein Gebiet derselben charakterisirt, kann die Null auch nichts, was etwa ausser - halb der Mannigfaltigkeit läge, ent - halten, sie kann nur dem Begriffe des Nichts entsprechen. Nach Ad - jungirung des letzteren ist in der That dem Sprachgebrauch ent - sprechend zu sagen: Jedes Gebiet enthält seine eigenen Teile sowie Elemente und sonst nichts . Das Nullgebiet wird so von den einge - führten das einzige uneigentliche oder fingirte, eingebildete, angeb - liche Gebiet bleiben.
Die Elemente (und Gebiete) der Mannigfaltigkeit [seien resp. ] sind miteinander alle verträglich, sodass wir vermögen, die Mannigfaltigkeit als ein Ganzes zu denken. In dieser ist dana jedes Gebiet derselben ent - halten einschliesslich des ad - jungirten Nullgebietes gemäss den Anforderungen (2+); und hin - dert nichts, sie selbst als das grösste der in ihr enthaltenen Gebiete, als ein wirkliches Gebiet zu bezeichnen. Dieses bildet nun die dem Symbole 1 zukommende Bedeutung, welches so - nach dem Begriffe des Ganzen oder Alles innerhalb der vorausgesetz ten Mannigfaltigkeit entspricht.
213§ 7. Deutung von 0, 1 als Gebiete. Konsistente Mannigfaltigkeit.

Als Postulat ist ((1+)) eigentlich nur dann zu bezeichnen, wenn der Satz für eine bestimmte Mannigfaltigkeit in Anspruch genommen wird wie z. B. für diejenige der Punkte der Tafelfläche. Es gibt nämlich auch Mannigfaltigkeiten, bei denen das Postulat ((1+)) nicht erfüllbar ist, und solche finden wir ausschliesslich auf geistigem Gebiete, im Bereich der Lehren, Meinungen und Behauptungen. Es gibt Meinungen und Behauptungen, auch Anforderungen oder Bedingungen, die miteinander unvereinbar sind.

Beispielsweise der Satz: die Funktion f (x, y) ist symmetrisch lässt sich mit dem Satze: die (selbe) Funktion f (x, y) ist nicht sym - metrisch unmöglich zu einer Mannigfaltigkeit der früher gedachten Art vereinigen, oder mit vielleicht noch anderen Sätzen in einer als Ganzes denkbaren Mannigfaltigkeit zusammenfassen, gemeinsam unter - bringen. Da diese beiden Sätze jeder einzelne als gültig oder erfüllt angenommen, als glaubhaft hingestellt einen Widerspruch involviren, da sie m. a. W. miteinander unverträglich erscheinen, vermag der menschliche Geist nicht, sie zu vereinigen; wir können immer nur den einen oder aber den andern dieser beiden Sätze gelten lassen.

A priori, von vornherein, ist ((1+)) daher nicht sowol als ein Postulat sondern vielmehr als eine Voraussetzung oder Annahme zu qualifiziren, durch welche die zu betrachtende Mannigfaltigkeit cha - rakterisirt wird als eine konsistente Mannigfaltigkeit , deren Elemente sämtlich miteinander verträglich sind im Gegensatz zu den inkonsi - stenten Mannigfaltigkeiten , deren Elemente nicht alle verträglich sind miteinander. Auf diesen Sachverhalt sollte oben schon das in eckige Klammer gesetzte [seien resp. ] vorsichtig hinweisen. (Vergl. hiezu § 31, Fussnote.)

Um das Gebiet 1 zu veranschaulichen, müssten wir die ganze Bild - oder Tafelfläche schraffiren; die Veranschaulichung des Null - Gebietes ergäbe sich, wenn wir sie ganz leer liessen, nichts, auch nicht einen Punkt in sie einzeichneten und sagten, das Eingezeichnete eben sei das Nullgebiet.

Die Symbole 0 und 1 erscheinen als die beiden Extreme, als die äussersten Werte unter den denkbaren Gebieten der Mannigfaltigkeit, und zwar ist das Nullgebiet als das minimale, das Gebiet 1 als das Maximalgebiet zu bezeichnen. Ebenso stellen 0 und 1 die entgegen - gesetzten Extreme (Grenzfälle, limits) unter den Klassensymbolen vor, indem keine Klasse weniger als keines und keine mehr als alle Indi - viduen einer vorausgesetzten Mannigfaltigkeit (wo nicht von Objekten des Denkens überhaupt) enthalten kann.

214Dritte Vorlesung.

Wie es ferner die Figur veranschaulicht, in welcher wir a und b als Kreisflächen angenommen und die zugehörigen Gebiete a · b resp. a + b durch Schraffiren hervorgehoben haben:

Fig. 9×.
Fig. 9+.
ist zu konstatiren, dass
a · b das Gebiet vorstellt, welches den Gebieten a und b gemeinsam ist, in welchem sie sich gegenseitig durch - dringen (schneiden), und falls sie keinen Punkt gemein haben (Fig. 10×) das Nullgebiet.a + b das Gebiet vorstellt, zu welchem a und b einander gegenseitig ergänzen, [und zwar, falls dann innerhalb der Mannigfaltigkeit nichts mehr übrig bleibt, diese selbst, das Gebiet 1 vergl. Fig. 10+, worin b die Aussen - fläche des innern Kreises bedeutet].
[figure]
Fig. 10×.
Fig. 10+.
Hier ist a · b = 0Hier ist a + b = 1.
Solche Gebiete, deren Produkt 0 ist, nannten wir bereits disjunkt.Analog mögen solche Gebiete, deren identische Summe 1 ist, sup - plementär genannt werden.

Wir mögen die vorstehenden Sätze etwa selbst bezeichnen als

Postulat ((2×))Postulat ((2+)),

weil sie wesentlich auf der Erfüllbarkeit der Forderung beruhen und diese in sich schliessen:

wenn zwei Gebiete gegeben sind,
dasjenige Gebiet nachzuweisen, resp. herzustellen und im Geiste zu isoliren, welches die den beiden gemeinsamen Punkte ausschliesslich enthält. ein Gebiet zu bilden, welches nur die - jenigen Punkte enthält, die dem einen oder auch dem andern der beiden ge - gebenen Gebiete angehören.
215§ 7. Deutung von a b, a + b als Gebiete.

Vermögen wir nun dieses, so stimmt für die Anschauung die Probe des Teils (3) 'sowol als die Probe des Teils (3)' 'der Defi - nition (3):

Zu Fig. 9×, Wenn irgend ein Gebiet c zugleich in a und b ent - halten ist, so ist es auch in dem angeblichen Gebiet a b enthalten. Desgl. umgekehrt: Wenn ein c in dem fraglichen a b enthalten ist, so ist es auch zugleich in a und in b enthalten.Zu Fig. 9+. Wenn a und zu - gleich b ganz in einem Gebiete c enthalten sind, so ist auch das an - gebliche Gebiet a + b in diesem c enthalten. Und umgekehrt, wenn das problematische a + b in einem Gebiete c enthalten ist, so ist auch sowol a als b in diesem c ent - halten.

Vergl. auch Prinzip II und das hier unmittelbar evidente Theo - rem 6).

Zu Fig. 10×, wo a und b keinen Punkt gemein haben, ist noch zu bemerken: Ausser dem Nullgebiete ist kein Gebiet c denkbar, welches zugleich in a und in b enthalten wäre; dies Gebiet 0 ist aber auch in a b (welches = 0 behauptet ist) enthalten cf. I sowie Def. (2×), nach welchen beiden ja 0 0 gilt. Wenn umgekehrt ein c in dem a b, welches 0 ist, enthalten sein soll, so muss es nach Th. 5×) selbst 0 sein, und ist dasselbe nach Def. (2×) dann auch in a sowie in b enthalten.

Man sieht: der Satz der Arithmetik, wonach ein Produkt nicht anders gleich 0 sein, verschwinden kann, als indem einer seiner Faktoren selbst 0 ist ein Satz, der dort übrigens auch für Produkte von unbegrenzter Faktorenzahl schon nicht mehr gilt dieser Satz trifft im identischen Kalkul überhaupt nicht zu. Hier kann vielmehr leicht a · b verschwinden, ohne dass a oder b selbst gleich 0 wäre, verschwände. Es ist dies aber auch ein Satz, der wesentlich nicht auf die Multiplikation, sondern auf die Division sich bezieht, indem bei ihm der Produktwert (= 0) als gegeben erscheint. Der Satz kommt in der That auf die Gleichung 〈…〉 = 0 (für a ungleich 0) hinaus, und dass die auf Division bezüglichen Sätze der Arith - metik sich zumeist nicht auf den identischen Kalkul übertragen, wurde bereits hervorgehoben.

In gleicher Weise stimmt die Probe für jede andere der in § 6 abgeleiteten Formen der Def. (3).

Die angegebenen Gebiete genügen also der Def. (3) wirklich und nach Vorangegangenem [cf. Th. 11) Zusatz] auch einzig. Zum Über - fluss vermöchte man bei jedem andern als a b resp. a + b vermuteten Gebiete leicht solche x nachzuweisen, für welche die Forderungen der216Dritte Vorlesung.bezüglichen Definitionen des vorigen Paragraphen nicht mehr alle zu - treffen.

Hiermit aber haben wir den Boden der Realitäten betreten. Wir können aus dem anschaulichen Substrat die Gewissheit schöpfen, dass das System unsrer grundlegenden Definitionen und Prinzipien ein in sich konsistentes ist, dass dasselbe Widersprüche nicht in sich bergen kann, seine Teile miteinander verträglich sein müssen.

[217]

Vierte Vorlesung.

§ 8. Interpretation für Klassen.

Bei dem Kalkul mit Klassen enthalten die letzten Postulate die Forderungen:

von einer gegebenen Klasse von Individuen diejenigen abzusondern, welche zugleich einer andern Klasse angehörenzwei gedachte Klassen in eine ein - zige zu verschmelzen, welche die Individuen der beiden sämtlich enthält

Forderungen, denen der menschliche Geist gewachsen erscheint.

Man sieht: die identische

MultiplikationAddition
läuft auf eine
Absonderung, SelektionZusammenfassung, Kollektion
hinaus; bei
ersterer werden aus der einen Klasse die Individuen der andern (her) ausgelesen .letzterer werden die Individuen der beiden Klassen zu einer ein - zigen Klasse gesammelt, zusammen - gelesen .
*)Letzteres unbeschadet des etwaigen Zweckes einer distributiven Verwen - dung des Zusammenfassungsergebnisses behufs Bildung oder Abgabe auch von generellen Urteilen.
*)

Allemal entsteht hiebei aus den gegebenen Klassen eine neue, welche zu jenen in einer bestimmten Beziehung steht, und zwar in einer ganz fundamentalen Beziehung, welche erscheint als eine der denkbar einfachsten und am nächsten liegenden oder ursprünglichsten Beziehungen, die sich naturgemäss zu allererst der Beachtung dar - bieten. Indem nun die Wortsprache gedachte Klassen von Dingen in der Regel mit Gemeinnamen benennt, wie sie ja von Urbeginn haupt - sächlich mit Gemeinnamen operirt, die auf ganze Klassen von Dingen oder Verhältnissen passen, wird sie durch die Darstellung mittelst Worten, verbale Einkleidung der obigen Prozesse ein paar der wich -218Vierte Vorlesung.tigsten Mittel an die Hand bekommen resp. in Gestalt derselben be - reits besitzen, um aus vorhandenen Gemeinnamen in's Unbegrenzte neue Gemeinnamen zusammenzusetzen oder abzuleiten wodurch sie in den Stand gelangt, mit einem noch verhältnissmässig geringen Namen - vorrat haushälterisch auszureichen zur Bezeichnung von Vielem.

Es verdient deshalb sorgfältig untersucht zu werden, auf welche Weise die Wortsprache unser Mal - und Plus-Zeichen wiedergibt; es muss in's Auge gefasst und konstatirt werden, wie, wenn a, b, c, in Worten charakterisirte Klassen vorstellen, deren identisches Produkt und Summe ihren verbalen Ausdruck finden.

Für das Nämliche bieten oft sich mehrere Ausdrucksmöglichkeiten dar, mitunter aber werden wir sehen auch gleiche Ausdrucks - weisen für Verschiedenes! Ein bedenklicher Umstand, der gelegent - lich die Gefahr von Missverständnissen hervorruft und der Wortsprache den Vorwurf mangelhafter Präzision zuziehen muss, von welchem unsre Formel - oder Zeichensprache frei bleibt.

Um alles auf Interpretation unsrer identischen Operationen, deren Vor - und Rückübersetzung aus der Wort - in die Zeichensprache Be - zügliche sogleich vollständig erledigen zu können, setzen wir, ein wenig vorgreifend, hier schon als bekannt voraus einige Grundeigenschaften dieser Operationen, die ohnehin unmittelbar einleuchten, aber aller - dings erst im nächsten Paragraphen formell bewiesen werden so namentlich die in den Theoremen 12) und 13) ausgesprochenen, des - gleichen die Ausdehnung der Def. (3) auf beliebig viele Klassensym - bole, wie sie in Zusatz 2 zu Th. 13) geleistet wird.

α) Was die Wiedergabe des identischen Produktes a · b oder a b (wovon wir also beiläufig wissen, dass es auch einerlei mit b a ist) mit Worten betrifft, so kann, wenn die Klassen a und b mit Substan - tiven benannt sind, a b unter Umständen durch ein zusammengesetztes Hauptwort ausgedrückt werden. Z. B. a = Neger, b = Sklave, a b = Negersklave, d. i. ein Neger, welcher ein Sklave, oder ein Sklave, der Neger ist. So auch Gold-Münze , Marmor-Platte , etc.

α ') Umgekehrt jedoch lässt sich durchaus nicht, ja bei weitem nicht, jedes zusammengesetzte Hauptwort in dieser Weise deuten, als iden - tisches Produkt hinstellen. Schon bei Tischler-Meister könnte man darüber streiten, ob darunter blos ein Tischler zu verstehen sei, der zugleich Meister ist, ein Meister unter den Tischlern oder aber ein Meister von Tischlern, Meister der Tischler , der über andre Tischler als Befehlender und Meister gesetzt ist. Eine Rede aber,219§ 8. Interpretation für Klassen.bei Tische gehalten, eine Tischrede , soll jedenfalls nicht dasjenige bedeuten, was zugleich ein Tisch und eine Rede ist und Ähn - liches mehr.

β) Wohl am häufigsten wird der eine Faktor eines identischen Produktes durch ein Substantiv, der andre, oder die übrigen, in Form von Adjektiven ausgedrückt.

Schon S. 152 wurde ausgeführt, dass wir die Beiwörter ganz ebenso wie die Hauptwörter als Klassen auffassen, z. B. mit a = schwarz (= schwarzes Ding = etwas Schwarzes) kurz ausdrücken, dass a die Klasse derjenigen Dinge bezeichnen solle, denen das Epitheton schwarz zukommt, die wir etwa schwarze nennen würden. Bedeutet nun in diesem Sinne a = schwarz , b = Pferd , so wird a b = schwarzes Pferd die Klasse der Rappen be - zeichnen.

Bedeutet d = jung und c = normannisch , so ist d c a b = jun - ges normannisches schwarzes Pferd ein gewisser Teil jener Klasse. Etc.

β ') Umgekehrt auch liefern ein Hauptwort mit seinen Beiwörtern, wenn sämtlich als Klassen mit Buchstaben bezeichnet, allemal die Faktoren zu einem identischen Produkte.

Allerdings kann man nicht sagen, dass jedes Adjektiv einen Faktor vorstelle, sondern es steht dieser Verwendung der Adjektiva im Sinne solcher Faktoren bereits gegenüber deren (schon S. 152 von uns ab - gehandelte) Verwendung als Prädikat (vergl. Dieses Pferd ist schwarz ). Und auch wenn ein Beiwort attributivisch mit einem Hauptwort ver - bunden ist, zeigt sich, dass manchmal noch eine prädikative Deu - tung desselben nebenher läuft, die wir unter ε) zu besprechen haben werden. Von dieser Nebenbedeutung abgesehen hat aber in ihrer attributiven Verwendung die Adjektiv genannte Wortart die aus - schliessliche Mission den Zwecken der identischen Multiplikation zu dienen.

Da vor, dort hinter das von ihm regirte Substantiv gestellt gibt das Adjektiv in manchen Sprachen durch seine nach Numerus und Kasus mit ihm übereinstimmende Beugung, Flexion seine Zusammen - gehörigkeit mit dem Substantive zu erkennen, in allen Sprachen aber wenigstens durch seine (mit eventuell noch seinesgleichen) demselben benachbarte Stellung.

γ) Immer steht zur Übersetzung des identischen Produktes in die Wortsprache ein Relativsatz zur Verfügung, eingeleitet, konstruirt mit dem beziehenden Fürwort, Relativpronomen welcher, welche, welches 220Vierte Vorlesung.etc. a · b heisst: die a welche b sind , oder mit Rücksicht auf das Th. 12×) des nächsten Paragraphen auch die b, welche a sind .

So bezeichnet auch der Ausdruck: die Pferde, welche schwarz sind , desgleichen Etwas schwarzes, das ein Pferd ist die Klasse der Rappen.

γ ') Auch diese Regel gilt wiederum umgekehrt. Es handle sich darum die weitläufigeren Ausdrücke der Wortsprache in die übersicht - licheren des Kalkuls zu übersetzen. Indem wir dann suchen müssen, alle in Betracht kommenden Klassen mit Buchstaben zu bezeichnen, werden wir einen Relativsatz mit einem Prädikate zu identifiziren haben; ihn nämlich auffassen als die Klasse derjenigen Dinge, welchen das Prädikat desselben zukommt. In diesem Sinne kann gleichwie jedes Adjektiv so auch jeder Relativsatz als der eine Faktor mit dem Substantiv auf das er sich bezieht als dem andern Faktor zu einem iden - tischen Produkte vereinigt werden.

Und die besprochenen Übertragungsweisen gelten ebensowol, wenn a · b als Subjekt, wie wenn es als Prädikat steht.

Exempel: a b c, wo c = selten bedeutet, heisst: Schwarze Pferde sind selten , oder auch: Pferde, welche schwarz sind, sind selten . c a b, wo c ein spezielles Pferd Favorite bedeutet, heisst: Favorite ist ein schwarzes Pferd oder: Favorite ist ein Pferd, wel - ches schwarz ist .

δ) Dagegen nur, wenn a · b als Prädikat steht, ist das Malzeichen auch durch die Partikel und übertragbar.

c a b, übersetzt mit Favorite ist ein Pferd und schwarz wird uns, genau wie die vorhergehenden Sätze darüber informiren, dass (das Rennpferd) Favorite ein Rappe sei.

Das diesem vorhergehende Beispiel jedoch, für a b c, würde sich wie man sogleich übersieht durchaus nicht mit Schwarze Dinge und Pferde sind selten übersetzen lassen.

Sagten wir aber: Was schwarz und ein Pferd ist, ist selten , so stünde schwarz und ein Pferd wieder nicht als Subjekt da, sondern als Prädikat des Relativsatzes (zu dem Relativpronomen Was , = Dasjenige, welches ) der das Subjekt des ganzen Satzes vertritt.

Auf diese Eigenschaft der Partikel (Konjunktion) und , im Sub - jekt gebraucht eine andere logische Bedeutung zu erlangen als wie im Prädikate, werden wir weiterhin noch näher einzugehen haben (vergl. ϰ).

ε) Als eine besondre Anwendungsweise der identischen Multipli -221§ 8. Interpretation für Klassen.kation erscheint die von der alten Logik so genannte Operation der Determination . Durch Determination wird der Umfang eines Be - griffes allemal vermindert, sein Inhalt vermehrt, und ist der Grund für diese Benennung darin zu erblicken, dass, wenn wir z. B. unter den Pferden die schwarzen hervorheben, wir zu dem Begriff des Pfer - des, welcher zwar das Merkmal eine Farbe zu besitzen in sich schliesst, in welchem aber die Beschaffenheit dieser Farbe unbestimmt, offen gelassen ist, nunmehr noch das Merkmal der schwarzen Farbe hinzufügen und jenen Begriff dadurch noch näher bestimmen.

Das Wesen des Determinirens ist zu erblicken in der Einschrän - kung der freien Wahl, in der Verengerung, Verminderung des Spiel - raumes, der für unsre Willkür, Phantasie, oder den Zweifel gelassen ist, unter Vermehrung vielleicht der Information.

Verlangen wir im Kaufladen etwa Perlen a, so ist die Klasse der Objekte, die wir verlangen, durch ihren mit dem Namen Perlen ver - flochtenen Begriff charakterisirt. Begriff und Klasse erfahren eine nähere Bestimmung, wenn wir Glasperlen verlangen. Was von Glas ist, gläsern , möge b genannt werden. Dann ist durch die Forderung von b a (oder a b) schon weniger Spielraum gelassen in Bezug auf dasjenige, was der Kaufmann uns vorlegen mag, und dieser Spiel - raum wird immer weiter eingeschränkt, das Verlangte immer genauer bestimmt (determinirt), wenn wir weisse Glasperlen, runde weisse Glas - perlen u. s. w. verlangen. Jeder neue, durch ein Adjektiv (eventuell durch einen Relativsatz) ausgedrückte Faktor, wie rund c, weiss d, fügt hier wirklich eine weitere Bestimmung für die Klasse, die wir meinen, hinzu.

Solches ist aber durchaus nicht überall der Fall, wo Faktoren in Gestalt von Adjektiven oder Relativsätzen auftreten. Sagen wir z. B.

Das mächtige (a) deutsche (b) Reich c so ist Subjekt des hiermit begonnenen Satzes das identische Produkt a b c.

Hier aber bewirkt nur der Faktor b eine Determination des c. Sagen wir b c, so wird gefordert und hinzugebracht, dass der Hörer sich aus der Klasse der Reiche das deutsche isolire, es absondere, hervorhebe und vorstelle. Es wird durch das Adjektiv deutsch an - gegeben, bestimmt, von welchem Reich die Rede sein soll.

Ganz anders der Faktor a. Derselbe sagt nicht etwa aus, dass man unter den deutschen Reichen gerade das mächtige meine; das mächtige deutsche Reich ist (sofern wir die Gegenwart im Auge haben) ganz dasselbe als wie das deutsche Reich . Schon als b c ist das Subjekt vollkommen bestimmt, es ist hier geradezu a · b c = b c.

222Vierte Vorlesung.

Mit dem Faktor a legen wir dem bereits determinirten Subjekte b c ein Prädikat bei, dem deutschen Reiche das Prädikat mächtig zu sein , indessen nur beiläufig, anmerkungsweise, in der Voraussetzung, dass ihm dieses Prädikat anerkanntermassen zukomme oder wenigstens in der Erwartung, dass diese Prädikation nicht bestritten werde (an - sonst wir vor dem beabsichtigten Satze ein eigenes Urteil: das deutsche Reich ist mächtig formulirt haben würden, um zunächst diese Posi - tion gegen etwaige Einwände zu verteidigen). Wir bezwecken durch die Hinzufügung des Attributs mächtig , die Aufmerksamkeit des Hörers besonders auf dieses Merkmal (der Macht) zu lenken, das Vor - handensein dieses Merkmals in dem Begriffe des deutschen Reichs in Erinnerung zu rufen, es als ein besonders wichtiges im Bewusstsein aufzufrischen. Wir vermehren durch solchen Gebrauch eines Adjek - tivs wol mitunter den Vorstellungsinhalt der Hörer oder Leser, wir steigern die Intensität der Vorstellung in einer bestimmten Richtung, ohne jedoch die Klasse, welche vorgestellt wird, zu beeinflussen, ohne den Umfang des vorgestellten Begriffs zu verengern.

Die Philologie bezeichnet solche Verwendung eines Attributs (eines Beiwortes oder auch Relativsatzes) passend als die prädikative, im Gegen - satz zu der früher besprochenen, die wir eine determinative nennen werden.

Sagen wir (mit J. St. Mill): der Vater des jungen Mannes, der ihm jenes verboten hatte , so ist der Relativsatz der verboten hatte ein anderes Beispiel prädikativer Verwendung. Über das Sub - jekt a = Vater des jungen Mannes eine Klasse, die hier naturnot - wendig aus nur einem Individuum besteht und (vorausgesetzt, dass man wisse, von welchem jungen Mann die Rede) bereits vollkommen bestimmt erscheint, über dieses Subjekt erteilt der Relativsatz eine beiläufige Information, sagt aus, dass es (vielleicht identisch =) sei der (wol auch nur aus einem Individuum bestehenden) Klasse der - jenigen Personen, welche dem jungen Manne jenes verboten hatten. Jedenfalls aber bezweckt und vermag dieser Relativsatz nicht, das Subjekt des Satzes näher zu bestimmen, auszudrücken, dass derjenige unter den Vätern des jungen Mannes, welcher ihm jenes verboten hatte gemeint gewesen.

Man sieht hier auch das Mittel, die beiden Verwendungsweisen attributiv gebrauchter Adjektive als solche zu erkennen, zu discerniren. Ist in a b oder in dem Ausdruck die a, welche b sind , der Relativ - satz welche b sind , resp. der Faktor b, von determinativem Charakter, so muss der Ausdruck: diejenigen unter den a's, welche b sind den -223§ 8. Interpretation für Klassen.selben Sinn geben; im gegenteiligen Falle aber wird der letztere un - zulässig, nicht selten lächerlich erscheinen.

Ist b in a b ein prädikativer Faktor , so kann der Sinn des Pro - duktes a b auch mit die a (welche, nebenbei gesagt, b sind) oder mit a (welches ja b) vollkommen ausgedrückt werden. Dann ist in der That a b, sowie a b = a; und diese beiden Aussagen sind solche, die wir in der Theorie des Gebietekalkuls auch wirklich als äquivalente, einander gegenseitig bedingende nachweisen, die wir durch Rechnung aus einander ableiten können, vergl. Th. 20).

Dass aber a b = a hier ist, lässt erkennen, dass man einen Fak - tor b, sofern er prädikativ ist, auch ganz unterdrücken, die mit a b bezeichnete Klasse kürzer durch a allein darstellen kann.

Prädikative Faktoren sind also in der rechnenden Logik ohne Be - lang, im Gegensatz zu den determinativen.

So wenigstens, wenn sie wirklich nur eine beiläufige Information geben. Es kommt jedoch auch vor, dass eine Behauptung a b eine folgenschwere Prämisse für weitere Untersuchungen bildet und sich keineswegs von selbst verstand. Mit dieser selbständig hinzustellenden Aussage a b ist dann ein etwa prädikativ mit a verknüpfter Fak - tor b als gleichwertig zu erachten, welcher letztere nun aber eine neue und wesentliche Information enthält. In diesem Falle können wir ihm erst im Aussagenkalkul volle Gerechtigkeit widerfahren lassen.

Mit prädikativ erteilten Attributen wird unbewusst oder bewusst im gemeinen Leben, in Journalistik, Kritik, rhetorischen und polemisirenden Schriften ein weit verbreiteter Missbrauch getrieben, darauf gerichtet, im minder wachsamen Leser Voreingenommenheit zu erzeugen, irrige Ansichten einzuschmuggeln, die Zustimmung zu denselben, deren Annahme gewisser - massen zu erschleichen, um unversehens unberechtigte Denkgewohnheiten zu begründen, die sich der wahren Erkenntniss hinderlich erweisen. Wird z. B. gesagt: der feige Gegner wich dem Kampfe aus und dann gleich mit der Erzählung fortgefahren, so bleibt dem Hörer meist nicht die Zeit zu überlegen, ob auch das Epitheton feig berechtigt gewesen, ob nicht vielleicht gerade das Gefühl der Überlegenheit, eventuell Klugheit, Scho - nung oder Friedensliebe Motiv jenes Ausweichens war. Und dadurch dass mit verschiedenen Variationen des Ausdrucks dergleichen Imputationen mög - lichst oft in jener rasch darüber hingleitenden Form wiederholt zu werden pflegen, gelingt es, in der unkritischen Menge verhängnissvolle Ideenasso - ziationen zu festigen. Auch dem Logikkalkul widerfuhr bereits beinahe ein derartiges Schicksal, indem der Verfasser eines wol besser ungeschrie - ben gebliebenen Buches kaum anders, als mit dem Epitheton der unfrucht - bare von demselben spricht.

Herr Wundt will die Determination anders aufgefasst wissen, als so viel ich sehen kann alle übrigen Schriftsteller über diesen Gegen -224Vierte Vorlesung.stand, insbesondere alle Diejenigen, welche ausser ihm die neuerdings von Prantl so genannte mathematisirende Logik kultiviren (Sitzungsberichte d. Kgl. Bairischen Akademie der Wissenschaften von 1886).

Durch Determination des Begriffes Schaf mittelst des Begriffs weiss ergibt sich ihm 1 pag. 224 sq., gleichwie auch uns, der Begriff weisses Schaf , dessen Umfang die Klasse der weissen Schafe, d. i. der weissen (Dinge) unter den Schafen.

Dagegen gelangt Herr Wundt, indem er den Begriff Weiss deter - minirt, vermittelst des Begriffs Schaf zu dem Begriffe: die Weisse des Schafes anstatt, wie wir, zu dem Begriffe weisses Schaf wie oben, indem wir einfach unter den weissen Dingen die Schafe hervorheben. Für Herrn Wundt ist also, wie er selbst betont, die Determination im allge - meinen eine nicht kommutative Operation.

Meiner Meinung nach findet bei den Überlegungen, die Herrn Wundt zu der angegebenen Ansicht führen, eine Vermengung statt zwischen Pro - zessen, die sich auf den Umfang und solchen, die sich auf den Inhalt der fraglichen Begriffe beziehen.

Hielten wir uns streng in dem Rahmen einer Logik des Umfanges , so konnten wir jedenfalls der Wundt'schen Auffassung nicht beipflichten.

Wir können es aber auch nicht, wenn wir uns streng in dem Rahmen einer Logik des Inhaltes halten.

Bei den Umfängen oder Klassen lief die Determination hinaus auf eine Sonderung, ein Hervorheben von der, den determinirenden Faktoren*)Wundt bezeichnet diese als Determinator und Determinand , durch welchen letzteren Namen jedoch unliebsame Gleichklänge mit dem längst ander - weitig eingebürgerten Namen der Determinanten herbeigeführt würden. Eine unterscheidende Benennung beider Faktoren erscheint auf unserm Standpunkt unnötig. gemeinsamen Unterklasse.

Nicht zu übersehen ist, dass aber bei den Inhalten oder Begriffen die Determination wesentlich eine Knüpfung ist, auf eine Verbindung der ge - gebnen Begriffe hinausläuft:

Wir erhalten den Begriff weisses Schaf , indem wir mit den sämt - lichen im Begriff Schaf bereits enthaltenen Merkmalen verbinden den Be - griff weiss , d. i. das Merkmal der weissen Farbe. Und dasselbe Ergeb - niss erhalten wir notwendig auch, wenn wir mit dem Merkmal der weissen Farbe verbinden die sämtlichen Merkmale des Begriffes Schaf.

Unter den letzteren ist wohlbemerkt das Merkmal der Weisse oder weissen Farbe gar nicht enthalten: es gibt ja auch schwarze Schafe! Und der Begriff Schaf soll doch nur die allen Schafen gemeinsamen Merk - male enthalten, auch hätten wir nicht nötig, erst zu verbinden, was schon verbunden gewesen wäre. Man kann also eventuell wohl reden von der Weisse eines bestimmten Schafes, oder auch einer Gruppe von solchen, nämlich von der Weisse der weissen Schafe. Dagegen ist bei der allgemeinen Auffassung des Begriffes Schaf die Weisse des Schafes überhaupt ein Unding, sie postulirt nämlich die Weisse auch für die schwarzen Schafe.

225§ 8. Interpretation für Klassen.

Zu diesem Begriff der Weisse des Schafes kann nun aber Wundt nur gelangen, indem er anstatt zu verknüpfen das Merkmal der weissen Farbe absondert, hervorhebt faktisch aus dem Begriffe weisses Schaf , vermeintlich indess wol aus dem zur Determination herbeigezogenen Begriff Schaf , der jenes Merkmal aber, wie gezeigt, überhaupt nicht enthält.

ζ) Um demnächst auch den verbalen Ausdruck für die identische Summe a + b zu gewinnen, müssen wir uns vor allem über die logische Bedeutung der Partikel oder orientiren.

Es ist in logischer Hinsicht entschieden als ein Misstand zu be - klagen, dass die modernen Kultursprachen je nur ein Wort für oder besitzen, während doch zur unterscheidenden Darstellung der wesent - lich verschiedenen Verhältnisse, welche wir mit dieser einen Konjunk - tion unterschiedslos anzudeuten pflegen, mindestens drei Partikeln er - forderlich sein würden. Die lateinische Sprache hat in diesem Betreff feiner empfunden, schärfer unterschieden.

Ein erstes ist das erklärende (auch gleichsetzende, identifizirende, wiederholende, iterative) oder = oder mit andern Worten (lateinisch: sive, seu), welches Namen, Redeteile verknüpft, deren zweiter noch einmal das nämliche besagt wie der erste, indess zum Zweck der Ver - deutlichung, eventuell schärferen Präzisirung des ersten: in neuer Aus - drucksweise.

Sagen wir z. B.: Der Bauer oder Landmann , so ist das an - gewendete das obige oder , wofern wir nur die Klassen Bauer und Landmann als identisch ansehen. Die Wiederholung mit dem an - dern Worte mag hier den Zweck haben, dem vorzubeugen, dass etwa der Hörer entgegen unsrer Absicht an einen Bauer im Schachspiel, einen Vogelbauer oder anderes denke.

Wie man an dem Beispiel sieht, ist dieses oder schon deshalb Bedürfniss, weil die Sprache manche Homonyme enthält, gleichlautende Namen für ganz Verschiedenes, welche häufig eine unabhängige Ent - stehungsgeschichte und etymologische Zusammensetzung besitzen, nur zufällig gleich lauten. Je vollkommner eine Sprache, desto weniger freilich dürfte solches in ihr vorkommen.

Aber auch wenn Homonyme gar nicht vorkämen, würde das ge - nannte oder beziehungsweise ein Äquivalent dafür doch bleiben müssen, um Bedürfnissen der Wissenschaft zu genügen. Dieses oder dient dazu, eine als Einschaltung, in Parenthese, anzumerkende Defini - tion mit dem begrifflich zu erklärenden nomen zu verbinden und als solche zu kennzeichnen, z. B. die Kugelfläche oder der Ort der Punkte gleichen Abstands von einem festen Punkte , Am häufigsten kommtSchröder, Algebra der Logik. 15226Vierte Vorlesung.es bei wissenschaftlichen Untersuchungen vor, dass einunddasselbe Objekt als ein, zwei verschiedenen Objektreihen a1, a2, a3, und a', a' ', zugleich angehöriges auch zwei verschiedene Namen er - halten hat: a1 und a', sodass a1 = a' bedeutet, während etwa die übrigen accentuirten und mit Suffixen behafteten a lauter verschiedene Objekte bedeuten mögen, und dieser oft folgenschwere Umstand wird, indem man von jenem erstern Objekte als von a' oder a1 spricht, in dem Bewusstsein aufgefrischt erhalten. Es erscheint sonach dieses oder als nahe synonym mit d. i. (das ist), d. h. (das heisst), i. e. (id est) englisch viz. (gesprochen: namely) und kommt dem - selben logisch die Bedeutung =, nämlich die Kraft einer in Paren - these ausgesprochenen Identität, identischen Gleichheit zu.

Es wäre vielleicht, weil denn doch oder m. a. W. als zu lang erscheint, ganz angemessen und empfehlenswert, für dieses erste oder das lateinische sive zu verwenden und in die modernen Sprachen einzuführen.

η) Ein zweites ist das gegensätzliche , ausschliessende , exklu - sive (auch disjunktive ) oder = oder aber (lateinisch: aut, eng - lisch: or else).

a oder aber b will sagen: entweder a und dann nicht b, oder b und dann nicht a.

Wie dieses oder im identischen Kalkul auszudrücken ist, werden wir in § 18, ε) sehen.

ϑ) Das dritte ist das einschliessende inklusive (auch konjunk - tive ) oder = oder auch (lateinisch: vel).

a oder auch b will sagen: entweder a, oder b, oder beides zugleich.

Mit diesem letzteren oder werden wir es bei der Übersetzung des Zeichens + der identischen Addition zunächst allein zu thun haben.

Es würden bei den zwei letzten Gattungen von oder sich noch weitere Nüancen unterscheiden lassen, je nachdem es nur unbekannt, jedoch (an sich) bestimmt ist, welcher von den zwei oder drei Fällen eintritt, stattfindet, zwischen denen die Alternative zu stellen ist, d. i. oder viel - leicht , oder aber völlig unbestimmt gelassen, ganz (oder auch nur teil - weise, bedingt, innerhalb gewisser Grenzen) in unser Belieben gestellt, willkürlicher Wahl anheimgegeben ist, für welchen Fall man sich ent - scheide, d. i. oder wenn man will eine Auffassung, auf die gerade vel etymologisch besonders hinweist. Indessen will ich mich begnügen, diese Unterscheidungen nur angedeutet zu haben.

In Bezug auf oder auch scheint freilich der Sprachgebrauch sich nicht genau an die obige Erklärung zu halten, vielmehr dessen Bedeutung227§ 8. Interpretation für Klassen.noch über die oben stipulirte hinauszugehen, nämlich oft auch für oder aber, wenn man will herhalten zu müssen.

Der Ausdruck a oder auch b wird gleichbedeutend mit dem a oder aber b , das inklusive oder deckt sich mit dem exklusiven, und begreift auch dieses mit, in dem Falle wo die dritte Alternative a und b zugleich ohnehin undenkbar ist, oder aus sachlichen Gründen fortfallen muss. So ist Silber oder auch Gold = Silber oder aber Gold und wird besser dargestellt durch das kürzere Silber oder Gold , weil es nichts gibt, was Silber und Gold zugleich sein könnte, weil die Begriffe Silber und Gold ohnehin konträre Gegensätze vorstellen, einander von selbst ausschliessen, disjunkt sind.

ι) Nach diesen Vorbemerkungen wird es verständlich sein, wenn wir nunmehr konstatiren, dass die identische Summe a + b sich in der Wortsprache stets durch was a oder auch b ist ausdrücken lässt. Durch a oder auch b selber kann die Summe auch in jedem Zusammen - hange übersetzt werden mit Ausnahme des Falles, wo sie als Subjekt steht; in diesem wäre solches nicht unbedenklich, weil dadurch (vergl. § 15, Schlussanmerkung) eine Verwechselung des Urteils mit einem disjunktiven nahe gelegt würde; ganz unbedingt wird dann auch die Partikel oder viel besser durch die Partikel und ersetzt. Also: Steht a + b als Subjekt, so lese man das Pluszeichen als und ; andern - falles als oder , genauer: oder auch .

Wo a + b als Prädikat steht indessen und dies bildet eine bemerkenswerte Eigentümlichkeit der Wortsprache ist die Ersetzung des Bindewörtchens oder durch und nicht zulässig, wie sich dem - nächst und unter ϰ) unzweifelhaft herausstellen wird.

Die Proposition c a + b lässt sich übersetzen mit c ist a oder auch b , resp. mit alle c sind a oder (auch) b .

Und ferner ist a + b c in Worten darzustellen mit a und b ist c , alle a und b sind c .

[Nicht angängig wäre, dafür zu sagen: (entweder) a oder b ist c und mindestens gewagt: alle a oder b sind c , jedes a oder auch b ist c .]

Beispiele zu a + b c: Canadier und Indianer sind Ameri - kaner , auch: Canadier sowie Indianer etc. Die Klassen a und b in dem gewählten Beispiel sind nicht disjunkt, schliessen einander nicht aus, es ist a b hier nicht gleich Null, weil es auch canadische Indianer gibt. Ähnlich noch in diesem Beispiel: Adelige und Besitzende werden zur Aristokratie gerechnet .

15*228Vierte Vorlesung.

Anders dagegen im folgenden, wo a b = 0 gelten müsste, die Begriffe a und b disjunkt zu nennen wären:

Gold und Silber sind Edelmetalle .

Es wäre zur Not wol angängig, zu sagen:

Silber, oder auch Gold, ist Metall ,

Adelige, oder auch Begüterte, gehören zur Aristokratie , und ganz gut jedenfalls: Wer adelig oder auch begütert ist gehört dazu , Was Silber oder Gold ist, ist Metall . Desgleichen allenfalls, weil von dem ad - jektivischen Zahlwort, numeralen Adjektiv alle regirt: Alles Gold oder Silber ist Edelmetall . Besser aber: Alles Gold und Silber etc. Unzu - lässig dagegen wäre es oder wenigstens von geringerem logischen Gehalte, zu sagen: Entweder Gold oder Silber ist Edelmetall, und darum: Gold oder Silber, das Gold oder das Silber, ist Edelmetall , eine entschieden schlechte Ausdrucksweise, weil das und soviel deutlicher.

Beispiele zu c a + b.

Jene Familien sind adelige oder auch wohlhabende. Hier können einzelne von den genannten Familien auch zu den unbemittelten Adeligen gehören, andere wohlhabend aber bürgerlich sein.

Einen wesentlich hievon verschiedenen Sinn würde aber die Be - hauptung darbieten: Jene Familien sind adelig (e) und wohlhabend (e) . Dies würde bedeuten, dass sie sämtlich beides zugleich sind, und wäre mittelst c a b auszudrücken, vergl. δ).

Anderes Exempel: Diese Behauptungen sind richtige oder auch falsche . Als Übersetzung von c a + b hingestellt, wird dieser Satz besser mit richtige oder falsche darzustellen sein, mit Unterdrückung des auch , weil hier a und b einander ausschliessen, a b = 0 ist. So aufgefasst ist das Urteil ein rein analytisches , welches denknotwendig gelten muss von jeder beliebigen Gruppe von Behauptungen: Alle Behauptungen sind entweder richtige oder falsche.

Dagegen würde es mindestens eine Nachlässigkeit des Ausdrucks sein, hiefür zu sagen: diese Behauptungen sind richtige und falsche .

Dergleichen Nachlässigkeiten kommen allerdings nicht nur ungemein häufig in der Sprache des gemeinen Lebens, sondern auch bei den besten Schriftstellern vor, und sie entschuldigen sich zu einem Teile durch die Sitte, nach welcher im Verkehr zwischen Personen vorausgesetzt zu werden pflegt, dass der Andere keinen Unsinn rede und man selbst auch dies nicht zu thun beabsichtige. Wenn also eine Äusserung von einer der Parteien, die miteinander in geistigem Verkehr stehen, bei korrekter Deutung nach den Regeln der Schule sowie des überwiegenden Sprach - gebrauchs ein offenbarer Unsinn ist, Widersprüche in sich schliesst vielleicht auch, wenn sie dabei nur als allzu selbstverständlich, nichts - sagend und darum zwecklos erscheint so pflegt der andern Partei zugemutet zu werden, dass sie die nächstliegende unter den möglichen ver -229§ 8. Interpretation für Klassen.nünftigen Deutungen herausfühle und als den beabsichtigten Sinn jener Äusserung unterlege.

So würde ein Ausspruch: Diese Behauptungen sind richtige und falsche , wenn wirklich gebraucht, zu verstehen sein in dem Sinne: einige (die einen) von diesen Behauptungen sind richtige, einige (die andern) sind falsche ein Urteil, welches wir an dieser Stelle noch nicht in der Lage sind, in der Zeichensprache des Kalkuls darzustellen.

Man könnte sogar sagen: diese Behauptungen sind richtig und falsch (zugleich) , wenn der Sinn derselben nicht unzweifelhaft feststeht: richtig in dem einen Sinne und zugleich falsch in dem andern Sinne, der ihnen etwa untergelegt werden kann. Im Grunde ist dann aber das Subjekt c des Satzes beidemal nicht dasselbe und der Ausspruch nur eine abkürzende Zusammenfassung der beiden Aussagen: diese Behauptungen (auf die eine Art gedeutet) sind richtig ; ebendiese Behauptungen (auf die andre Art gedeutet) sind falsch .

Kraft des oben Bemerkten würde das eingangs gewählte Exempel, i. e. die Aussage: diese Behauptungen sind richtige oder auch falsche , im Verkehr gebraucht, auch nicht die oben ihr gegebene Bedeutung c a + b als ein nichtssagender Ausspruch haben, sondern mit einem Stich in's Ironische die Aufforderung an den Gegenpart enthalten, zu prüfen, ob nicht unter seinen Behauptungen doch wol einige falsche sein möchten! Auf diese Interpretation aber würde dabei das auch in oder auch jetzt wesentlich mit hinwirken.

Von solcher Gepflogenheit, von solchen Freiheiten, Lizenzen der Ver - kehrssprache aber müssen wir hier, um nicht in übergrosse Weitläufigkeiten verwickelt zu werden, nach Möglichkeit absehen. Es wäre überhaupt besser, wenn man sich korrekter Ausdrucksweisen befleissigte. Zudem würden wir sonst genötigt sein, auf die Eigentümlichkeiten und Feinheiten der speziellen Sprache, in welcher wir unsre logischen Untersuchungen führen, in einem Umfange einzugehen, welcher sich mit den allgemeineren Zwecken dieses Buches nicht vertrüge, vielmehr einer spezifisch deutschen Sprachlehre anheim fiele. In Bezug auf die Übertragung irgendwelchen sprachlichen Textes in die Zeichensprache der Logik wird darum noch Manches dem Takt und Sprachgefühl des Studirenden zu überlassen sein.

ϰ) Wir haben im Bisherigen unter δ) und ι) bereits ge - sehen, dass der Partikel und im Subjekt und im Prädikat eine logisch durchaus verschiedene Bedeutung zukommt.

Der Gegensatz möge noch an einem prägnanten Beispiel sichtbar gemacht werden, welches uns zugleich die vier Schemata der Defini - tionen (3) illustriren wird. Sagen wir:

Betrüger (a) und*)Ohne die Tragweite des Ausspruchs zu verändern, kann man dieses und auch durch oder ersetzen, wenn man sich zu der Umschreibung bequemt: Wer ein Betrüger oder ein Betrogener ist, ist etc. Dagegen würde: Betrüger oder Betrogene sind etc. undeutlich sein. Betrogene (b) sind auf dem Holzwege, ver -230Vierte Vorlesungdienen Tadel , oder dergleichen, so will dies freilich sagen einerseits: Betrüger sind auf unrechtem Wege, sind tadelnswert und andrer - seits: Betrogene sind auf unrichtigem Wege, verdienen einigen Tadel entsprechend dem Schema (3+) '' oder dem zweiten Teil der Defi - nition (3+) für a + b c; entsprechend können wir auch sagen der ganzen Definition (3+) von a + b als Subjekt, soferne die zwei letzten Sätze auch umgekehrt wieder in den ersten zusammengezogen werden dürfen, als mit ihm gleichbedeutend hingestellt werden.

Sagen wir desgleichen:

Jene Herren sind Betrüger und Betrogene so heisst dies ganz analog: Jene Herren sind Betrüger und zugleich: Jene Herren sind Betrogene in Illustration des Schema's (3×) '' für c a · b, sowie auch der ganzen Definition (3×) von a · b als Prädikat, indem wieder für die zwei letzten Sätze auch umgekehrt der erste eintreten kann, dieser mit jenen gleichbedeutend ist.

Das beidemal völlig gleichlautende Betrüger und Betrogene ist nun aber als Klasse im erstern Fall mit a + b, im letztern doch mit a · b zu übersetzen gewesen!

Im Subjekt hat die Konjunktion und die Kraft des Plus -, im Prädikat die des Malzeichens.

Es erscheint uns so, wenn wir dieses nun einheitlich zusammen - fassen, als die Hauptaufgabe des Bindewortes und : die Operations - glieder innerhalb der Definitionen (3) miteinander zu verknüpfen, Glieder, welche eben bei (3+), wo sie im Subjekt stehn, additive oder Summanden, bei (3×) wo sie im Prädikat stehn, multiplikative, oder Faktoren sind.

λ) Ähnliches gilt auch in Bezug auf die nahe liegende Ausdehnung der Schemata unsrer Def. (3) auf mehr als zwei Operationsglieder (cf. Zusatz 2 zu Th. 13):

a b c da + b + c d

sagt nicht mehr und nicht weniger, wie:

a b, a c, a da d, b d, c d.

Etc. Wir können auch diese Theoreme für die Wortsprache in An - spruch nehmen. Darnach lassen sich beliebig viele Sätze

vom selben Subjekt aber mit ver - schiedenen Prädikatenmit demselben Prädikat aber ver - schiedenen Subjekten

jeweils zusammenziehen in einen einzigen Satz mit ebendiesem Subjekt resp. Prädikate und mit einem neuen, zusammengesetzten

PrädikateSubjekte.

231§ 8. Interpretation für Klassen.Desgleichen können umgekehrt Sätze der letztern Art, d. i. Sätze mit einem auf gewisse Art zusammengesetzten

PrädikatSubjekte

immer aufgelöst werden in eine Anzahl von als gleichzeitig gültig an - zuerkennenden Sätzen vom nämlichen Subjekt resp. Prädikate und den Elementen jenes zusammengesetzten

Prädikats als einzelnen PrädikatenSubjekts als einzelnen Subjekten

eine Zerfällung durch welche der Sinn jener Sätze seine Erklärung findet, dieselben auseinandergesetzt werden.

Die Zusammensetzung erfolgt beidemal (sowol bei dem linker - hand als bei dem rechterhand Gesagten) vermittelst der Konjunktion und , wozu nur zu bemerken ist, dass letztere nicht immer ausdrück - lich gesprochen wird. Vielmehr pflegt bekanntlich statt a und b und c und d in der Regel blos gesagt zu werden:

a, b, c und d , indem man alle Bindewörter, mit Ausnahme des letzten, durch Kommata (Pausen) ersetzt und zwar sowol wenn a, b, c, d Adjektive (oder auch Relativsätze) als wenn sie Substantive bedeuten. Ähnlich später bei Adverbien. Exempel:

Die Löwen sind Raubtiere, vom Katzengeschlecht und im Oriente heimisch heisst: Die Löwen sind Raubtiere , Die Löwen sind vom Katzengeschlecht , Die Löwen sind Orientbewohner ein sog. (be - jahendes) konjunktives Urteil. Säuren, Basen und Salze sind chemische Verbindungen heisst: Säuren sind chemische Verbin - dungen , Basen sind chemische Ver - bindungen und Salze sind che - mische Verbindungen sogenann - tes kopulatives Urteil.

Der Sinn des erstern Satzes wird durch die drei letzten aus - einandergesetzt ; die drei letztern Sätze ziehen sich in den ersten zusammen.

Es beherrscht, regulirt unser Schema im Grossen und Ganzen den Gebrauch von zusammengesetzten nämlich aus andern abgeleiteten Klassen in Subjekt und Prädikate, führt ihn zurück auf den schon be - kannten Gebrauch der sie zusammensetzenden einfachen Klassen.

Indessen sind sowol in Bezug auf das Schema linker - als in Bezug auf dasjenige rechterhand auch Ausnahmen zu konstatiren.

μ) Links tritt eine Ausnahme zutage da, wo das Subjekt kon - struirt erscheint mit einem der sog. unbestimmten Zahlworter : einige, etliche, manche, gewisse, wenige, viele auch kein oder keine , des - gleichen schon, wo es versehen ist mit dem unbestimmten Artikel ein , oder mit einer Zahlbestimmung überhaupt vergl. S. 180.

232Vierte Vorlesung.

Z. B. die drei Sätze: Einige Substanzen sind (in Wasser) löslich ; Einige Substanzen sind (an der Luft) verbrennlich und Einige Sub - stanzen sind (in der Hitze) verflüchtigend sagen zusammen doch weniger aus, als der eine Satz: Einige Substanzen sind löslich, ver - brennlich und flüchtig , mit welchem sie ja nach dem allgemeinen Schema ganz gleichbedeutend sein müssten. In jenen drei Sätzen wird nämlich nur gesagt, dass es Substanzen gibt, welche eine beliebige der drei erwähnten Eigenschaften für sich (vielleicht nur getrennt von den übrigen) besitzen. In diesem einen Satze dagegen wird kon - statirt, dass es auch Substanzen gibt, die alle drei Eigenschaften auf sich vereinigen (wie dies in der That manchmal, sogar bei Salzen, z. B. beim salzsauren Anilin der Fall ist).

Ähnliches liesse sich bei den folgenden Aussagen durchsprechen:

Gewisse Pflanzen sind Fleischfresser, Dicotylen und Bewohner tro - pischer Moore . Manche Menschen sind unklug und leichtsinnig . Wenige Menschen sind arm und zufrieden . Viele sind unwissend und leichtgläubig . Etc. Zwei Mann wurden verwundet und gerieten in feindliche Gefangen - schaft heisst nicht: Zwei Mann wurden verwundet, und zwei Mann gerieten in Gefangenschaft; vielmehr bezieht sich letzteres auf dieselben zwei Mann, wie erstres, und weil eben der Name zwei Mann das Subjekt nur unzu - länglich bezeichnet, reicht die Wiederholung des Namens nicht aus, es als dasselbe zu kennzeichnen, und muss formell die Ausnahme Platz greifen.

Statt Einige a sind b und c zu sagen: Einige a sind b oder (auch) c würde dem Inhalt der beiden Sätze: Einige a sind b und: Einige a sind c zwar etwas näher kommen, sich aber auch nicht mit ihm decken. Es wird nicht mehr nötig sein, hierauf zurückzukommen, nachdem diese sog. partikularen Urteile im Zusammenhange behandelt sein werden. Lassen wir auch dieselben bis dahin noch möglichst zurücktreten, so durfte doch hier der Hinweis auf die Thatsache nicht unterbleiben, dass sie eine Ausnahme für das linksseitige Schema begründen.

Und ein analoges Verhalten nehmen wir uns hier auch zur Richtschnur in Bezug auf die später ebenfalls allgemein zu behandelnden verneinenden Urteile.

Ein negatives Urteil, wie: Kein Mensch ist fehlerfrei und all - wissend behauptet wiederum weniger, als wie die beiden Sätze: Kein Mensch ist fehlerfrei und Kein Mensch ist allwissend zusammen welche nur in den Satz: Kein Mensch ist fehlerfrei oder allwissend ohne Änderung (Erweiterung oder Einschränkung) des Sinnes zusammen - gezogen werden könnten.

ν) Eine Ausnahme von unserm Schema rechterhand unter λ) ist formell zu statuiren in folgendem Falle: Wenn das Prädikat eine Be - ziehung zwischen den Individuen der Subjektklasse, oder auch zwischen Unterklassen derselben, konstatirt, so darf a + b c nicht ohne weiteres in a c und b c zerfällt werden (und analog bei mehr als zwei233§ 8. Interpretation für Klassen.Termen). Z. B. Buschmänner (Hottentoten, Namaqua) und Neger (Damra, Hereró's) befehden einander will nicht sagen: Buschmänner befehden einander und Neger befehden einander , sondern: Die Buschmänner befehden die Neger und Die Neger befehden die Busch - männer .

a und b sind einander gleich heisst natürlich nicht: a ist ein - ander gleich und b ist einander gleich , sondern: a ist gleich b und b ist gleich a . Analog: Der Kläger und der Beklagte verglichen sich . Etc.

Die Herren A und B schliessen einen Kauf ab heisst: Herr A schliesst einen Kauf ab und Herr B schliesst einen Kauf ab , und lässt es offen, ob sie dies miteinander thun, wobei der eine Herr als Käufer der andere als Verkäufer erscheinen würde, oder aber mit dritten Personen. Im ersten Falle würde das Prädikat zwar eine Be - ziehung zwischen den beiden Individuen der Subjektklasse involviren, und doch die erwähnte Ausnahme nicht Platz greifen, weil die gedachte Beziehung im Prädikat nicht ausdrücklich erwähnt ist.

In allen Beispielen überträgt sich doch wesentlich das Prädikat ( befehden , gleich sein , Kauf abschliessen etc.) auch auf die Unter - klassen und Individuen der Subjektklasse, und in gewissem Sinne bleibt es immer wahr, dass, was von der Gattung ausgesagt wird, auch von deren Arten und Individuen gelten, ausgesagt sein soll; nur die Beziehung, welche dem Prädikat beigefügt ist, das einander oder mit, gegen, durch, etc. einander muss bei den Einzelübertragungen des Prädikats auf jene Unterklassen jeweils modifizirt, verschieden ausgedrückt, oder um einen bei Nicht-Mathematikern in diesem Sinne beliebten Aus - druck zu gebrauchen muss dabei differenziirt werden.

Regeln aufzustellen, nach welchen in dergleichen Fällen die Zer - spaltung des zusammengesetzten Urteils in einzelne einfachere, oder umgekehrt die Zusammenfassung solcher zu einem einzigen korrekt zu erfolgen hätte, liegt uns hier noch ferne. Es wären diese Regeln in die Logik der Beziehungen überhaupt zu verweisen. Diese aber, als eine allgemeine Disziplin, stellt einen höheren Teil der Logik vor, dem - gegenüber wir es hier nur mit den allerelementarsten Beziehungen zwischen Klassen oder Begriffsumfängen zu thun haben, nämlich mit jener besonderen Gruppe von Beziehungen, deren Erklärung ganz auf den Begriff der Einordnung gegründet werden kann, und bei welchen, wenn von Individuen einer Klasse etwas ausgesagt wird, die übrigen Individuen dieser Klasse dem Geist nicht gegenwärtig zu sein brauchen.

234Vierte Vorlesung.

ξ) Die nämliche Bedeutung, wie im Prädikat nämlich die Kraft des Mal-Zeichens kommt der Partikel und auch in Appositionen zu, d. h. zwischen Adjektiven (ev. auch Relativsätzen) die vom näm - lichen Substantiv regirt sind, sowie zwischen Umstandswörtern (Ad - verbien) die sich auf das nämliche Verbum beziehen. Z. B. Umsich - tige und wohlmeinende Freunde rieten ihm = Freunde, umsichtig und wohlmeinend, rieten Der Satz hat zum Subjekt (a · b) · c, d. i. Freunde c, die umsichtig (a) und wohlmeinend (b) zugleich sind (resp. waren) , nicht aber (a + b) · c = c · (a + b), das ist Freunde, die umsichtig oder aber wohlmeinend, oder vielleicht beides zugleich sind . Der Deutlichkeit zuliebe würde allerdings das und besser unterdrückt und gesagt: Umsichtige, wohlmeinende Freunde Indess wird des Wohlklangs wegen, bei einer Aufzählung von mehreren Eigenschafts - oder aber Umstandswörtern, die Sprache ungern auf das deren letzte verknüpfende Bindewort verzichten. Z. B. Opferwillige, reiche und verschwiegene Freunde halfen ihm aus seiner Geldverlegenheit . Es muss gemeint sein: Freunde, die alle jene Eigenschaften zugleich be - sassen; hätte z. B. auch nur einer derselben geplaudert, so würde die Diskretion der Übrigen nichts genützt haben!

(Gewohnheitmässiger) Haschisch (genuss) tötet schnell, elegant und sicher besagt wieder, dass die Tötung in jeder der genannten Weisen zugleich erfolge. Etc.

Als fernere Beispiele mögen noch angeführt sein: Ein markt - schreierisches und schwindelhaftes Unternehmen florirte daselbst . Die arglosen und unbewaffneten Eingeborenen erschraken sehr . Gewissen - hafte und pflichttreue Beamte werden geschätzt . Gezogene und weit - tragende Geschütze Seltene und teure Mineralien Etc.

Wie schwankend übrigens der Gebrauch bei derartigen Sätzen ist, zeigen Urteile wie:

Taugliche und untaugliche Militärdienstpflichtige haben sich ein - zufinden . Unsre aktiven und passiven Mitglieder sind eingeladen etc. wo die in die Apposition eingehenden beiden Klassen a und b sich nicht zu a · b sondern zu a + b zusammensetzen. Es wäre hiezu wieder auf das unter ι) Ausgeführte zu verweisen. Ob eine aus den Teilen a und b zusammengesetzte Apposition mit a b oder mit a + b zu übersetzen, ihrem Sinne nach logisch darzustellen ist, würde ohne sach - liche Nebenbetrachtungen in der That oft dunkel bleiben; über den Sinn von einigen Appositionen wird man wirklich streiten können.

Man lege sich bei dergleichen Übertragungen stets die Frage vor, ob beabsichtigt sei, dass die durch die Appositionsglieder ausgedrückten235§ 8. Interpretation für Klassen.Eigenschaften gleichzeitig oder nur einzeln dem regirenden Substantiv (oder Verbum) zugeschrieben werden: im erstern Fall wird a b, im letztern a + b die richtige Übersetzung sein.

Wir haben es in der Wortsprache, wie man sieht, fast immer nur mit Regeln zu thun, welche auch Ausnahmen zulassen. Erst im Kalkul werden wir Gesetze haben, bei denen Ausnahmen nicht vorkommen.

Im logischen Interesse haben wir vorstehend den Begriff der Appo - sition etwas weiter gefasst, als es in der Grammatik üblich ist, wo der - selben zugemutet zu werden pflegt, dass sie wie bei Dionysius, der Tyrann von Syrakus , Polykrates, Herrscher von Samos , etc. in der Form von Substantiven auftrete.

ο) Wir lernten für identische Produkte und Summen verschiedene Weisen der Übertragung in die Wortsprache kennen.

Die Operationszeichen · und + dürfen aber als mal und plus nur gelesen werden, wenn die Klassen, welche sie verknüpfen, durch Buch - staben dargestellt sind: Es soll hier nicht dafür plädirt werden, dass man sage: schwarz mal Pferd gleich Rappe oder Pferd mal weiss gleich Schimmel !

Wird das Malzeichen gar nicht gesprochen, so werden die Sätze wieder legitim, und machen im Deutschen wegen mangelnder Flexion des Eigen - schaftswortes und eventuell dessen hier nicht üblicher Hintansetzung hinter das Hauptwort, nur den Eindruck, von einem Kinde oder etwa einem Böhmaken, einem auf tiefer Kulturstufe stehenden, oder der deutschen Sprache nicht recht mächtigen Ausländer, halbwilden Eingebornen, etc. herzurühren: Schwarz (es) Pferd (black horse) ist (=) Rappe Pferd weiss (es) (cheval blanc) = Schimmel im übrigen vollkommen entsprechend der Schreibung: a b = c.

Desgleichen soll nicht Herren plus Damen für Herren und Damen gesagt werden. Etc.

π) Als Exempel zu Th. 6) führen wir an: a b 〈…〉 Gebildete Adelige sind gebildet . Besitzende Adelige sind adelig (Adelige). Schwarze Pferde sind schwarz [oder Rappen sind schwarz ; sie sind auch Pferde , etc.].

Hier gibt es nun sowol schwarze als auch nicht schwarze Pferde. Man beachte in dieser Hinsicht den Gegensatz des Beispiels zu den beiden folgenden: Der weisse Schnee ist weiss , Alle runden Quadrate sind rund welche indess ebenso berechtigt sind, das Th. 6×) zu exemplifiziren.

236Vierte Vorlesung.

Das zweite Beispiel fordert die Bemerkung heraus, dass aller Schnee weiss sei*)Der sog. rote Schnee ist es bekanntlich nur zum Scheine zufolge der eingestreuten Protococcus nivalis Algen., die versuchte Determination des Subjekts Schnee durch das Adjektiv weisse mithin überflüssig. Es gibt hier a b d. h. b welche a sind aber keine b, welche nicht a wären.

Das dritte Beispiel provozirt den Einwurf, dass es runde Quadrate überhaupt nicht gebe. [Da es zu einer Kontroverse Anlass geben kann, werden wir. auf dasselbe unter ϱ) des § 9 implicite nochmals zurück - kommen.]

Die drei kursiv gedruckten Exempel können als typische bezeichnet werden, indem wie leicht zu sehen jede denkbare Anwendung des Satzes 6×) von der Art eines dieser drei Exempel in beregter Hinsicht sein muss. 〈…〉 a + b. Die Adeligen sind Adelige oder auch Besitzende [ge - hören zur Aristokratie] . Die Besitzenden ebenfalls . Gleich ist untergeordnet oder gleich , vergl. den § 1.

Der Satz: Norddeutsche sind Deutsche kann angesehen werden als eine Exemplifikation von 6×) sowol als von 6+). Ersteres, indem man Norddeutsche versteht als die Klasse derjenigen Deutschen, welche aus dem Norden stammen, resp. nördlich der Mainlinie wohnen. Letzteres, insofern man die Klasse der Deutschen ansehen kann als die identische Summe aus den Klassen der Nord - und der Süddeutschen (einschliesslich der durch die Kolonialerwerbungen hinzugekommenen Reichsangehörigen).

Alle diese Sätze dürften einfach als Selbstverständliche zu be - zeichnen sein. Wir müssen hier eben auch die verschiedenen Arten des Selbstverständlichen registriren. Und dieses hat verschiedene Grade! Wo ist die Grenze des unmittelbar Selbstverständlichen für den einen, wo für den andern Denker oder Studirenden? Im Grunde wird so hoffen wir Alles in diesem Buch behauptete als selbstverständlich richtig zu bezeichnen sein nicht minder wie diese elementarsten Betrachtungen so auch die komplizirtesten Theoreme und Lösungen verwickelter Aufgaben, in welche vielleicht schon der begabteste mensch - liche Intellekt ohne die Technik unsres oder eines ihm gleichwertigen Kalkuls nicht mehr Einsicht zu gewinnen vermöchte.

Zur Entschuldigung dafür, dass wir jeweils auch bei dem einfacheren, dem unmittelbar Selbstverständlichen verweilen, sei der Ausspruch aus Goethe's Wahlverwandtschaften citirt:

237§ 9. Konsequenzen der Adjungirung einer Nullklasse.

Es klingt freilich wunderlich, wenn man etwas ausspricht, das sich ohnehin versteht; doch nur indem man sich über das Bekannte völlig ver - ständigt, kann man miteinander zum Unbekannten fortschreiten .

Andernfalls nämlich trennen sich alsbald die Wege und wird offenbar, dass es doch von einer nicht zu unterschätzenden erziehlichen Wirkung gewesen wäre, dass es geradezu unerlässlich ist, sich erst um die Sicherung von gemeinsamen Ausgangspunkten und Richtungen des Fortschreitens zu bemühen, selbst auf die Gefahr hin, dem Vorwurf der Trivialität zu begegnen.

§ 9. Fortsetzung. Konsequenzen der Adjungirung einer Nullklasse. Reine Mannigfaltigkeit.

ϱ) Die Betrachtungen unter π) würden nicht vollständig sein, wenn wir nicht bei Th. 6×) den Fall noch eingehender erörterten, wo a b = 0 ist.

Ich wähle dazu ein gewisses typisches Beispiel, ein Beispiel, welches sich zu einem Vorbild für alle Fälle dieser Art besonders gut eignet. Sagen wir: Alle gleichseitigen rechtwinkligen Dreiecke sind gleichseitig so gibt dies, wenn als Klasse gleichseitig mit a bezeichnet und rechtwinkliges Dreieck oder Rektangel = b genannt wird, eine Illustration zu dem Satze 6×) a b a.

Sind nun die Dreiecke, von welchen wir sprechen, solche auf der Kugelfläche, sind es sphärische Dreiecke, so gibt es*)Es ist hier nebensächlich, ob wir diesen Ausspruch auf die Mannigfaltig - keit 1 des Wirklichen, Realen, oder auf die noch umfassendere des überhaupt zu denken Möglichen beziehen. Individuen der Klasse a · b, welche ja die gleichseitigen rechtwinkligen (Kugel -) Drei - ecke , oder kürzer gesagt, die gleichseitigen (sphärischen) Rektangel bedeuten soll. Aus der Sphärik nämlich gleichwie aus der Anschauung ist es bekannt, dass jedes dreirechtwinklige Dreieck als der achte Teil der ganzen Kugelfläche zugleich auch ein gleichseitiges (nämlich drei - rechtseitiges) ist. Hier ist dann a · b nicht gleich 0, und haben wir ein Beispiel, welches sich den früher unter π) angeführten als gleich - artig an die Seite stellt.

Sprachen wir dagegen von geradlinigen oder ebenen Dreiecken, so wird a · b jetzt ein Name sein, welcher nichts bedeutet; es ist ein sinnloser oder leerer Name geworden, eine Klasse vorstellend, welche kein Individuum in sich schliesst, sintemal es gleichseitige rechtwinklige ebene Dreiecke bekanntlich nicht geben kann.

Ob man nun auch für ebene Dreiecke den obigen Ausspruch238Vierte Vorlesung.gelten lassen wird?? Man könnte darüber streiten, und es wäre das buchstäblich ein Streit um nichts und wieder nichts , denn auch die fragliche Aussage ist nichtssagend, sie bezieht sich auf nichts.

Wie man solches im gemeinen Leben halten mag, ist uns gleich - gültig; ich meine, man sollte (auch da) sie gelten lassen, man sollte ihr wenigstens eine sozusagen formale Gültigkeit zuerkennen, in An - betracht, dass in ihr dem Subjekt, den gleichseitigen ebenen Rektangeln, nur eine bei demselben schon vorausgesetzte Eigenschaft (der Gleich - seitigkeit) zugesprochen, beigelegt wird.

Hier aber, in dem Rahmen unsrer Disziplin der Algebra der Logik, sind wir jedenfalls verpflichtet, die gedachte Aussage als richtig anzu - erkennen.

Diese ja eine noch viel weitergehende Verpflichtung ist eine Wirkung, notwendige Folge der seiner Zeit von uns vollzogenen und durch die Vorteile, die sie gewährt, ja bereits motivirten Ad - jungirung der Null zu unsrer Mannigfaltigkeit, Folge der Aufnahme des Nullgebietes unter die Gebiete, der Zulassung einer Nullklasse zu den Klassen, der Hinzuziehung des Begriffs des Nichts zu den sonstigen Begriffen des Menschengeistes.

Nach Def. (2×) ist 0 a, was auch a für ein Gebiet, für eine Klasse bedeuten möge. Wenn also a b die 0 bedeutet, so ist in der That a b a.

Das Nichts ist sogar Subjekt zu jedem Prädikate: das Nichts ist schwarz; das Nichts ist zugleich auch nicht schwarz; denn die Null - klasse ist in jeder Klasse mit enthalten. Wenn sie nichts betrifft, kann eine Aussage niemals falsch sein, und wenn sich Aussagen auf gar nichts beziehen, so ist auch kein Widerspruch zwischen diesen Aussagen möglich.

Den in diesem Absatze ausgesprochenen allgemeinen Sätzen wird später doch eine gewisse Einschränkung nachträglich zu geben sein; indem es nötig fällt, die Mannigfaltigkeit 1, aus welcher jene Gebiete, Klassen oder Prädikate nach Belieben herausgehoben werden dürfen, in gewissem Sinne nach oben zu beschränken, indem sich herausstellt, dass diese Mannigfaltigkeit eine reine bleiben, d. i. eine gewisse Beschaffenheit bewahren muss, worüber ψ, χ) zu vergleichen.

In Bezug auf unser typisches Exempel kann man sich nunmehr auch vorstellen, dass etwa die Natur zu untersuchender Dreiecke ob sie ebene, ob sphärische von vornherein unbekannt sei. Die in dem Exempel als gültig hingestellte Aussage mag dann vielleicht ein Glied bilden in einer Kette von Überlegungen, die den Zweck haben, zu ermitteln, von welcher Natur die fraglichen Dreiecke wirklich sein müssen. Wird dabei nach hier239§ 9. Konsequenzen der Adjungirung einer Nullklasse.entwickelten logischen Prinzipien konsequent verfahren, so kann die er - wähnte Aussage als Prämisse zu weiteren Schlussfolgerungen nun ganz un - bedenklich mitverwendet werden, und ist kein Grund ersichtlich, weshalb gedachte Untersuchungen nicht ihren Zweck erreichen dürften.

So kann man z. B. auf die Behauptung, dass gedachte Dreiecke gleich - seitig sind, nach bekanntem Satze den Schluss gründen, dass sie auch gleichwinklig sein, ihre Winkelsumme mithin drei Rechte betragen müsse, womit dann die Frage entschieden ist und die ebenen Dreiecke aus - geschlossen erscheinen.

σ) Es wurde in § 1 ausgeführt, dass das Subsumtionszeichen der Kopula entspricht, und, wenn a und b Klassen vorstellen, die Sub - sumtion a b mit a ist b resp. alle a sind b wie derzugeben sei.

Die seitdem mit Def. (2×) von uns vollzogene Zuziehung, Ad - jungirung der Null zu den Gebieten und Klassen hat nun im Gefolge, dass auch diese Bemerkung eine Modifikation nachträglich erfahren muss, wenigstens für die Sprache des gemeinen Lebens.

Hat a den Wert 0, so gilt die Subsumtion a b ohnehin, was auch für eine Klasse b immer bedeuten möge. Diese Subsumtion 0 b lehrt uns dann nichts besonderes, sie wird (hinsichtlich des b) zu einer geradezu nichtssagenden .

Der Fall a = 0 ist nun der, wo die Klasse a überhaupt keine Individuen enthält, eine leere ist, was die Sprache mit: Es gibt keine a ausdrücken wird.

Diesen Fall muss man nunmehr, wenn ausgesagt wird, dass a b sei, stets mit als möglich zugelassen denken; daher ist die Subsumtion: a b fortan zu lesen: Alle a, sofern es welche gibt, sind b sie ist m. a. W. zu interpretiren als: Entweder: es gibt keine a, Oder, wenn es welche gibt, so sind sie alle b.

Im Rahmen der gegenwärtigen Disziplin wird es zwar [mit einem kleinen unter υ) zu erwähnenden Vorbehalt] ganz unbedenklich sein, auch bei der einfacheren Fassung zu bleiben und nur zu sagen: a ist b resp. alle a sind b , wie früher.

Für die Verkehrssprache aber wäre hiezu nicht zu raten! Indem hier stillschweigend die Unterstellung hinzutritt, dass Derjenige, der etwas sagt, auch wirklich (über) etwas aussagen wolle, so wird eine auf alle a bezügliche Aussage allgemein so aufgefasst, dass sie das Subjekt als existirend annehme oder hinstelle.

240Vierte Vorlesung.

Wird etwa gemeldet: Alle Versuche seien fehlgeschlagen , so wäre in der Auffassung des Publikums damit implicite auch gesagt, dass wirklich Versuche gemacht worden. Und wenn jemand, der nieman - den beraubte, etwa von sich sagen wollte: alle von ihm Beraubten seien wohlhabend gewesen , der würde sich einer argen Selbstverleum - dung schuldig machen. Etc. Vergl. hiezu noch weiter unten φ).

Immerhin beruht auf diesem Umstand eine Art von Witz, eventuell bewusster Täuschung oder Lüge, welche vor dem logischen Gewissen noch am ehesten zu entschuldigen (auch vor dem mathematischen, sofern eben in der Mathematik eine Anzahl, die der a, auch gleich 0 gedacht wer - den darf).

Wer sich im Alltags-Leben die Subsumtion 0 a zur Verhal - tungsregel wählen wollte, würde sicherlich bald der Wortklauberei, Sophistik, Spitzfindigkeit geziehen werden, und dieser wollen wir hier nicht das Wort reden.

Aber Eines schickt sich nicht für Alle . In der Wissenschaft ziemt es sich, schärfer zu unterscheiden, stillschweigende Voraus - setzungen jeweils zu ausdrücklichen zu erheben, dann aber, was gar nicht gesagt worden, auch nicht als behauptet hinzustellen.

Auch die gewöhnliche Verkehrssprache kann den Begriff des nichts oft nicht entbehren; sie zieht ihn zeitweilig allerdings heran, ohne jedoch auf sein Mitunterlaufen immer und überall gefasst zu sein. Sie verhält sich in dieser Beziehung der identischen Null gegenüber ungefähr so, wie die arithmetische Analysis sich verhält gegenüber der absoluten Unend - lich , welche hier ebenfalls zeitweilig herangezogen wird, um den Mangel eines Zahlenwertes äusserlich zu verdecken, den Ausfall einer Zahl zu maskiren, welche m. a. W. hier wesentlich die Rolle eines Lückenbüssers ( stopgap ) spielt, und dennoch nie als eine wirkliche Zahl angesehen und behandelt werden darf, dem Zahlengebiete schon darum nicht einverleibt werden kann, weil sie die Regeln der Arithmetik über den Haufen wer - fen würde.

Im identischen Kalkul dagegen wird die identische Null in ähnlicher Weise überall zugelassen erscheinen, wie in der Mathematik bei allgemeinen Untersuchungen im Zahlengebiete die arithmetische Null von vornherein mitbegriffen zu werden pflegt.

Dieser Umstand begründet einen Hauptunterschied zwischen der Sprache der Logik und der des gemeinen Lebens.

τ) Es hat die Zuziehung der Null auch noch die weitere Folge, dass wir die sog. Existenzialurteile , Sätze wie Es gibt a's nicht mehr (wie in § 2 noch provisorisch geschah) vermittelst einer Sub - sumtion darzustellen in der Lage sein werden. Man kann freilich eine Klasse bilden: r, die Klasse des Realen, die alles umfassen soll, was in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft (oder, wenn man will, auch241§ 9. Konsequenzen der Adjungirung einer Nullklasse.in der Gegenwart allein) dem Bereich der Wirklichkeit angehört, was existirt. Wenn es a's gibt, so ist dann a r. Das letztere aber ist, kraft Def. (2×), auch richtig, wenn es keine a's gibt; es schliesst die Subsumtion den Fall a = 0 nicht aus.

Wie Existenzialurteile selbst in unsrer Zeichensprache angemessen darzustellen sind, werden wir später sehen (§ 33).

Einstweilen sind wir nur im stande die Verneinung eines Existen - zialurteils darzustellen, indem, wie gezeigt, die Gleichung a = 0 [oder, nach Th. 5×) auch die Subsumtion a 0] ausdrücken wird: Es gibt keine a's . Dies wäre z. B. richtig, wenn a die Klasse der Zauberer, Hexen und Gespenster , oder auch wenn es die der runden Quadrate bedeutete.

υ) Zur Stelle ist über die verbale Einkleidung der mit Def. (2) als allgemeine Formel eingeführten Subsumtionen:

(2×)0 a und a 1(2+)

überhaupt noch einiges zu bemerken.

Wir sahen: 0 bedeutet nichts ; das Zeichen entspricht der Kopula, und muss mit ist in die Wortsprache übertragen werden; endlich a mag jedes beliebige. *)Wie schon angedeutet, mit einer Einschränkung, welche unter ψ) ausein - andergesetzt werden wird.Prädikat sein sagen wir beispiels - weise schwarz .

Die Subsumtion 0 a ist unzweifelhaft richtig, weil die Klasse aller der Dinge, welche wir schwarz nennen würden, ausser diesen nichts enthält, also wie ich sagen darf, noch obendrein auch nichts enthält.

Wenn wir diese Subsumtion aber, dem vorausgehenden gemäss, mit Nichts ist schwarz übersetzen wollten, so würden wir gleichwol eine falsche Aussage erhalten. Denn letztere würde ja den Sinn haben: Es gibt nichts Schwarzes ; sie würde die Verneinung eines der oben erwähnten Existenzialurteile sein, welche in Formeln nicht die Sub - sumtion, sondern nur die Gleichung 0 = a oder a = 0 ausdrückt.

Die Subsumtion hatten wir demnach falsch übersetzt, und dieses weist darauf hin, dass für unsre extremen Fälle die Übersetzungs - regeln eine Ausnahme haben, und haben müssen, indem über den Sinn des regelrechten Übersetzungsergebnisses die Wortsprache bereits ander - weitig verfügt hat.

Dies aber lässt sich nicht nur erklären sondern auch rechtfertigen. Bei der Aufstellung ihrer Regel, nämlich indem sie es zur GewohnheitSchröder, Algebra der Logik. 16242Vierte Vorlesung.werden liess, mittelst der Kopula die Einordnung des Subjekts unter das Prädikat auszudrücken, hat die Wortsprache auf jene äussersten Fälle (des Subjekts 0 oder Prädikates 1) überhaupt nicht ihr Augen - merk gerichtet. Indem sie die Kopula die logische Bedeutung gewinnen liess, durfte sie jene Fälle beiseite lassen.

Sie musste ja in der That darauf bedacht sein, die Mittel aus - zubilden, vermöge deren sich von irgend etwas (nicht aber von nichts) etwas aussagen lasse, und zwar etwas Bedeutsames, nicht aber etwas Selbstverständliches und vollkommen Belangloses.

Als ebenso zweck - und nutzlos, wie selbstverständlich, erscheint aber für das gemeine Leben sowol, wie für die verschiedensten Spezial - wissenschaften jegliche Äusserung von dem Sinne oder der Form einer der beiden Subsumtionen der Def. (2). Dass in irgend einer Klasse unter Anderem auch nichts mitenthalten sei, oder dass irgend eine Klasse von Dingen in Allem mitenthalten sei, dieses hervorzuheben dürfte nicht leicht irgendwo von Wert sein. Und zwar kann dies zu - gegeben werden ganz unbeschadet dessen, dass für die Technik des Kalkuls jenen Subsumtionen (2) doch eine ganz wesentliche Mission zufällt, dass ihre Unentbehrlichkeit hiefür bereits erkannt wurde, und wir allmälig vollends sehen werden, wie sie ihre Mission daselbst glän - zend erfüllen (die: Ausnahmslosigkeit zu ermöglichen).

Für die gedachten beiden Grenzfälle nun, wo die Einordnung also selbstverständlich und darum nichtssagend sein würde, hat die Wort - sprache sich vorbehalten, der Kopula die Kraft des Gleichheitszeichens zu verleihen.

In Bezug auf (2×) dass eine Aussage Nichts (0) ist schwarz (a) sagen will: 0 = a und nicht 0 a haben wir dies bereits auseinandergesetzt.

Dasselbe trifft auch bezüglich (2+) zu. Geben wir etwa am Ende einer Aufzählung eines Berichtes die Versicherung ab: Dies (das Bis - herige, Aufgezählte, Referirtes a) ist Alles , so wollen wir damit sicherlich nicht blos aussprechen, dass das Bisherige (a) in allem Denkbaren (1) mitenthalten sei neben Gott weiss noch was An - derem, also dass a 1 sei, sondern wir wollen versichern, dass die fragliche oder erwartete Klasse resp. Mannigfaltigkeit von Objekten oder Ereignissen, umfassend z. B. alles Dasjenige, dessen Kenntniss für die richtige Beurteilung der Sachlage wesentlich ist, durch das Aufgezählte, Referirte gerade erschöpft sei in unsrer Zeichensprache also, dass a = 1 sei, wenn wir in der That jene ganze Mannigfaltig - keit mit 1 bezeichnen.

243§ 9. Konsequenzen der Adjungirung einer Nullklasse.

Bedeutet nun also a irgend eine Klasse, wie schwarz oder Gold , etc., so dürfen wir Subsumtionen wie 0 a, a 1 jedenfalls nicht mit: Nichts ist Gold resp. Gold ist Alles übersetzen, obgleich 0 nichts und 1 alles Denkbare bedeutet, resp. auf unserm gegenwärtigen Standpunkte noch bedeuten kann.

Die Übersetzung dieser Subsumtionen in die Wortsprache ist über - haupt unnötig.

Will man sie aber dennoch ausführen, so ist etwa, wie oben (unter ϱ), die erstere mit Das Nichts ist Gold, ist schwarz, etc. wiederzugeben vergleiche das goldene Nichtschen und das silberne Warteeinweilchen des Volkswitzes im deutschen Sprichwörterschatze.

Bei geeigneter Betonung würde sich sogar die oben zurückgewiesene, refutirte Aussage aufrecht erhalten lassen. Falsch ist sie nur in der ge - wöhnlichen Betonung: Nichts ist schwarz , welche an den Tonfall des Dak - tylus: wenigstens erinnert. Richtig dagegen (in unserm Sinne) wäre sie mit der ungewöhnlichen Betonung: Nichts…ist schwarz (es ist ja ebensogut auch weiss) mit dem Tonfall des Amphimacer oder Kretikus: , und einer Pause hinter der ersten Länge.

Wird 0 anstatt durch nichts , durch ein Produkt dargestellt, das O zum Werte hat, so kann die gewöhnliche Ausdrucksweise wieder Platz greifen. Da z. B. die Klasse rundes Quadrat = 0 ist, so wäre es wenigstens unverfänglich zu sagen: alle runden Quadrate sind schwarz und dergl.

Am besten sage man etwa: das Nichts ist in Allem, so auch in der Klasse a noch mitenthalten.

Die zweite Subsumtion: a 1 liesse sich übersetzen mit: Gold ist etwas , Schwarze Dinge sind etwas , etc. indem das unbestimmte Pronomen etwas die Klasse vorstellt, die alles Denkbare unter sich begreift, alles, wovon man überhaupt zu reden vermöchte.

Es würde diese allumfassende Klasse entsprechen dem von Boole in die Logik eingeführten Universum des Diskussionsfähigen (uni - verse of discourse), Jevons 'und R. Grassmann's Totalität oder All .

Ob es aber angängig ist, eine so umfassende Klasse überhaupt zu bilden, die unter anderm auch die Ableugnung ihrer eigenen Zulässig - keit, die Verneinung ihrer Existenz mitenthalten müsste, ob wir diese hier als Bedeutung unsrer identischen 1 (Peirce's ) beilegen dürfen, soll gleich nachher noch eingehender untersucht werden.

φ) Nach dem Bisherigen dürfte es beinahe überflüssig sein, noch besonders darauf hinzuweisen, dass auch die Subsumtion 0 116*244Vierte Vorlesung.nicht mit Nichts ist Alles in die Wortsprache übertragen werden darf, und zwar aus doppeltem Grunde. Desgleichen darf sie nicht mit Nichts ist etwas wiedergegeben werden (aus einfachem Grunde), weil hier wenigstens noch das Subjekt nichts wie vorhin noch obendrein das Prädikat alles bewirkt, dass der Kopula ist die assertorische Kraft des Gleichheitszeichens nach dem Sprachgebrauch zukommt, statt derjenigen der Einordnung.

Will man jene Subsumtion durchaus in Worte fassen, so sage man etwa: Das Nichts ist auch in der Gesamtheit mitenthalten .

Wir glaubten mit den Betrachtungen unter ϱ), υ) und φ) so ein - gehend bei einer verhältnissmässigen Kleinigkeit, anscheinenden Baga - telle verweilen zu sollen, weil in Bezug auf sie und ihre Auffassung ein schroffer Gegensatz der Meinungen unter den Anhängern verschie - dener philosophischer Systeme zutage getreten ist und noch immerfort gestritten wird.

Von Herbart, dem auch Sigwart beitritt, ist in Abrede gestellt, dass die Wortsprache die Existenz des Subjektes unterstelle, und wird von letzterem als Beleg das Urteil angeführt: Der Pegasus ist geflügelt . Allerdings will mit diesem und in vielen ähnlichen Urteilen nicht aus - gesprochen sein, dass es in der Mannigfaltigkeit des Wirklichen überhaupt Individuen der Subjektklasse gebe, hier also: dass wirklich ein Pegasus existire. Dennoch aber wird mit dem Urteile ein Subjekt als wirklich vorhanden gesetzt.

Das logische Subjekt fällt nur hier nicht zusammen mit dem grammati - kalischen Subjekte. Wir haben den logischen Gehalt des als Beispiel her - vorgehobenen Urteils schon in § 2 dahin erläutert, dass dasselbe lediglich behaupte: die Vorstellung des Pegasus ist enthalten in der Klasse der Vor - stellungen von geflügelten Wesen, und jene Vorstellung ist eine wirkliche, hat eine historische Existenzberechtigung in einer gegebenen Mannigfaltig - keit von mythischen Wesen.

Wer diese Wirklichkeit leugnen, die Subjektklasse hier als eine leere hinstellen wollte, der müsste als einen vollberechtigten Ausspruch auch das Urteil zugeben: Der Pegasus ist ungeflügelt oder, sagen wir z. B. auch grün kurzum mit jedem beliebig gewählten Prädikate!

Auch der Umstand bildet nur eine Bestätigung unsrer Thatsache: dass der Glaube an die Existenz so mancher Subjekte oder auch Objekte sagen wir z. B. des leibhaftigen Teufels, eines tierisch-magnetischen Fluidums etc. eben dadurch erzeugt und gefestigt zu werden pflegt, dass von früh auf in der Umgebung des heranwachsenden Menschen vielfach über dieselben ausgesagt, prädizirt wird ein Verfahren, das als ein weitverbreiteter Missbrauch dem Aufmerksamen nicht entgehen kann.

Sehr Treffendes über die hier berührte noch nicht abgeschlossene Kon - troverse sagt auch Venn1 p. 126 sqq., welcher, die Frage wol am gründ - lichsten behandelnd, derselben ein eignes Kapitel widmet. Aussagen, Prä - dikationen über gar nicht existirende Subjekte spielen gerade in den Wissen -245§ 9. Konsequenzen der Adjungirung einer Nullklasse.schaften eine höchst hervorragende Rolle wie z. B. in der Mechanik die Sätze über die vollkommen starren Körper. Solche Sätze haben wesentlich die Bedeutung von Schlüssen, welche an die Voraussetzung der absoluten Starrheit eines Körpers die betreffenden Behauptungen als Fol - gerungen knüpfen; ihr logisches Subjekt ist eben diese Hypothese (der vollkommnen Starrheit eines Körpers) und erscheinen damit auch sie als Urteile über Urteile, und somit über Existirendes.

Wenn es demnach mit der Wortsprache sich doch so, wie wir oben sagten, verhält, so sind wir aber an deren Brauch in unsrer Disziplin nicht gebunden.

χ)*)Was unter χ) hier folgt ist wol als zu subtil für den ersten Unterricht weniger geeignet; es wäre mit jugendlichen Anfängern in der Schule z. B. zu überspringen. Am letzten Beispiel, der Subsumtion 0 1, lässt sich übri - gens schon darthun, dass es in der That unzulässig ist, unter 1 eine so umfassende, sozusagen ganz offene Klasse, wie das oben geschilderte Universum des Diskussionsfähigen (von Boole) zu verstehen.

Wie ausgemacht ist, sollte nämlich 0 in jeder Klasse, welche aus der Mannigfaltigkeit 1 herausgehoben werden kann, mitenthalten sein, sodass 0 a gilt, 0 sollte Subjekt zu jedem Prädikate sein.

Verstünden wir nun unter a die Klasse derjenigen Klassen der Mannigfaltigkeit, welche gleich 1 sind, [und dies wäre ja, wenn wir alles Denkmögliche in die Mannigfaltigkeit 1 hereinziehen dürfen, gewiss erlaubt], so umfasste diese Klasse wesentlich nur ein Objekt, nämlich das Symbol 1 selbst, beziehungsweise das Ganze der Mannigfaltigkeit, die seine Bedeutung ausmacht ausserdem aber auch nichts mit - hin O. Da nun also 1 und 0 die Klasse derjenigen Objekte aus - machten, welche gleich 1 zu gelten haben, so müsste nicht nur: 1 = 1, sondern auch: 0 = 1 anerkannt werden. Denn ein Prädikat, welches einer Klasse zukommt (hier das Prädikat, identisch gleich 1 zu sein), muss auch jedem Individuum dieser Klasse zukommen, gemäss Prinzip II.

In einer solchen Mannigfaltigkeit, wo 0 = 1 gälte, würde jede Möglichkeit der Unterscheidung zweier Klassen oder auch Individuen von vornherein ausgeschlossen sein; hier wäre dann alles wurst .

Indem man die Gleichung 0 = 1 nach später bewiesenen Regeln beider - seits mit a, daneben auch mit b multiplizirte [gemäss Th. 16×), 21×) und 22×)] sodann die Ergebnisse 0 = a und 0 = b [gemäss Th. 4)] mitein - ander vergliche, würde sich die Gleichung a = b als allgemeine Formel ergeben, gültig, was auch a und b für Klassen oder Individuen vorstellen mochten! Als allgemeine Formel hingestellt ist solche Gleichung jederzeit ein Unsinn.

Wir werden die Gleichung: 0 = 1246Vierte Vorlesung.nur anzuerkennen vermögen für eine völlig leere Mannigfaltigkeit 1, eine Mannigfaltigkeit, welche selbst gar kein Element oder Individuum enthält und eine solche schliessen wir von unsern Betrachtungen grundsätzlich aus.

Die vorstehende Überlegung würde mutatis mutandis auch statt - haft gewesen sein, wenn man in ihr das Symbol 1 von Anfang an durch den Namen irgend einer speziellen Klasse b der erstbetrachteten Mannigfaltig - keit ersetzt hätte; sie würde ebenso auf die absurde Gleichung 0 = b ge - führt haben. Und zwar wie folgt: Es gelte 0 a für jede Klasse a. Versteht man unter a die Klasse derjenigen Gebiete, welche gleich b sind, so muss diese neben b (welches ja von allen Gebieten ganz allein gleich b ist) auch die identische 0 enthalten, was eben die Subsumtion 0 a behauptet. Dann muss also auch 0 ein solches Gebiet sein, welches gleich b ist; es folgt (im Widerspruch mit Obigem) so: 0 = b für jedes b!

Diese Überlegungen zeigen, dass Boole's universelle Interpretation der 1 in der That eine zu weitgehende gewesen. *)Bei Abfassung meines Operationskreis etc. hatte ich diesen Umstand noch nicht beachtet.

Im eigentlichen Gebietekalkul, für die Gebiete a einer Mannigfal - tigkeit 1 von Punkten z. B., lässt sich die Subsumtion 0 a, wie wir schon sahen, ganz unumschränkt aufrecht erhalten.

Doch ist nun die Frage zu beantworten, inwiefern sich die Ge - setze des Kalkuls auch auf die Mannigfaltigkeit, gebildet aus allen möglichen Klassen, aus irgendwelchen Objekten des Denkens werden über - tragen lassen.

Es ist gezeigt, dass es unzulässig ist, diese Mannigfaltigkeit 1 vollkommen bestimmungslos, sie gänzlich uneingeschränkt oder offen zu lassen, indem sich gewisse denkmögliche Formulirungen der Prädi - katklasse a schon in (2×) als unzulässig erwiesen. Wie muss sie nun aber beschaffen sein, damit auf sie angewendet, die Regeln des Kal - kuls, insbesondre die Def. (2×), zu Widersprüchen in sich nicht mehr führen können?

Ich will die Antwort auf diese schwierige Frage zu geben versuchen.

Wir haben es zunächst zu thun mit einer Mannigfaltigkeit von irgend welchen Dingen Objekten des Denkens überhaupt als Elementen oder Individuen . Diese mögen (sämtlich oder auch zum Teil) von vornherein gegeben, oder aber (zum andern Teil oder sämt - lich) nur begrifflich irgendwie bestimmt sein. Denn völlig bestimmungs - los dürfen sie, wie schon gezeigt, nicht bleiben.

Damit die Symbole 0 und 1 etc. nach den Regeln des Kalkuls in dieser Mannigfaltigkeit verwendbar seien, wird dieselbe hinsichtlich247§ 9. Konsequenzen der Adjungirung einer Nullklasse.der Art, wie ihre Elemente gegeben oder auch begrifflich bestimmt sein dürfen, gewisse Anforderungen zu erfüllen haben.

Als eine erste Anforderung haben wir schon in § 7 unter Postulat ((1+)) die namhaft gemacht: dass die Elemente der Mannigfaltigkeit sämtlich vereinbar, miteinander verträglich sein müssen. Nur in die - sem Falle bezeichnen wir die Mannigfaltigkeit mit 1. Im andern da - gegen ziehen wir für dieselbe den Namen vor als des einzigen (Zahl?) - Zeichens aus dem Bereich der Arithmetik, welches daselbst eine definitiv unerfüllbare Forderung (die: mit 0 multiplizirt 1 zu geben) ausdrückt (wogegen die anfängliche Unmöglichkeit andrer Symbole, wie 1, i = 〈…〉 , etc., sich bekanntlich durch Erweiterung des Zahlengebiets beheben liess), als des spezifischen Symboles, also, der Unmöglichkeit. [Ein Exempel für letztere wird in Gestalt einer Man - nigfaltigkeit von miteinander unverträglichen Funktionalgleichungen in Anhang 5 gegeben.] Eine Mannigfaltigkeit, welche demnach zu nennen wäre, lassen wir im identischen Kalkul ausser Betracht.

Sind die Elemente der Mannigfaltigkeit vereinbar, so lassen sich in derselben kollektiv nach Belieben Systeme, Gebiete aus ihren Ele - menten zusammensetzen, in ihr abgrenzen, es lassen sich m. a. W. auch zwecks distributiver Verwendung irgendwie Klassen von Indi - viduen aus ihr hervorheben.

Und insbesondre gehören auch ihre Individuen selbst mit zu den Klassen, welche wir dann, wenn sie eben zu nur einem Individuum zu - sammenschrumpfen, als monadische oder singuläre Klassen bezeich - nen mögen.

Durch jenen Prozess der beliebigen Hervorhebung von Klassen von Individuen der ursprünglich gedachten Mannigfaltigkeit wird nun (im Allgemeinen) eine neue, noch viel umfassendere Mannigfaltigkeit ent - stehen, geschaffen, nämlich die der Gebiete oder Klassen der vorigen.

So ist die Mannigfaltigkeit der Punktgebiete der Tafelfläche eine viel umfassendere als die Mannigfaltigkeit ihrer Punkte; denn während die letztere als Gebiete, Punktklassen, nur irgend welche Flächen ent - hält, umfasst die erstere ausser diesen selben Flächen (als ihren sin - gulären Klassen) auch noch alle denkbaren Gattungen von Flächen, z. B. die Gattung der kreisförmigen Flächen, als Klassen in sich. Jedes Individuum der letztern Mannigfaltigkeit ist ein Punktgebiet, eine Fläche, die auch in Linie, Punktgruppe oder Punkt zusammenschrumpfen kann. Jedes Individuum der erstern ist eine Gattung von Punktgebieten, die ebenso auch in ein einzelnes Punktgebiet schrumpfen kann und not - wendig auch alles vorige mit in sich schliesst.

248Vierte Vorlesung.

Die neue Mannigfaltigkeit könnte man als die zweite Potenz der vorigen besser wohl als deren erste abgeleitete oder derivirte Mannig - faltigkeit bezeichnen.

Von ihr liesse sich abermals eine (eventuell) neue, noch umfassen - dere Mannigfaltigkeit ableiten , welche als die derivirte der ersten derivirten oder als die zweite abgeleitete Mannigfaltigkeit der ursprüng - lichen zu bezeichnen wäre. Und so fort.

Wie aus den vorausgeschickten Überlegungen zu ersehen ist, darf nun die Bedeutung der identischen 1 sich von der ersten jedenfalls nicht über die zweite, deren abgeleitete Mannigfaltigkeit, mit er - strecken, noch weniger also über noch höhere von den abgeleiteten Mannigfaltigkeiten.

Und damit auch in der ursprünglichen Mannigfaltigkeit die Sub - sumtion (2+) aufrecht erhalten werden könne, ist von vornherein er - forderlich (und hinreichend), dass unter ihren als Individuen gegebenen Elementen sich keine Klassen befinden, welche ihrerseits Elemente der - selben Mannigfaltigkeit als Individuen unter sich begreifen.

Bildete man auch nur eine singuläre Klasse in ebendieser und liesse solche als ein neues Individuum derselben zu, so drängte augen - blicklich wieder die identische Null sich zu ihr hinzu, schlüpfte sozu - sagen durch die Thür der Def. (2×) in sie ein.

Ich werde eine Mannigfaltigkeit der genannten Art eine reine nennen im Gegensatz zu einer gemischten , bei welcher obige An - forderung nicht durchaus erfüllt ist, also wenigstens einzelne ihrer Elemente Klassen sind, die schon andere Elemente derselben als In - dividuen enthalten.

Damit der identische Kalkul auf eine Mannigfaltigkeit anwendbar sei, muss sie eine reine Mannigfaltigkeit sein von vereinbaren Elementen.

ψ) Auch auf die derivirte einer solchen Mannigfaltigkeit ist der identische Kalkul wiederum anwendbar, nur muss die Null in dieser unterschieden werden von der Null in jener, der ursprünglichen Mannig - faltigkeit. Ebenso auch selbstverständlich die Eins, indem ja die eine Mannigfaltigkeit als Ganzes nicht identisch war, sich nicht deckte mit der andern; überhaupt werden in ihr sämtliche Ausdrücke, Operations - und Beziehungszeichen eine neue, eigenartige Bedeutung beanspruchen.

Ein Gebiet 0, welches die fundamentale Eigenschaft: 0 a nicht nur in der ursprünglichen, sondern zugleich auch in der abgeleiteten zweiten Mannigfaltigkeit besässe, kann es, wie wir gesehen, jedenfalls nicht geben; ein solches zu fingiren wäre nicht zulässig, man könnte,249§ 9. Reine Mannigfaltigkeit.ohne sich in Widersprüche zu verwickeln, es nicht einführen. M. a. W. Man darf die Betrachtungen innerhalb der ersten mit denjenigen innerhalb der zweiten Mannigfaltigkeit nicht vermengen.

Schon das Subsumtionszeichen gibt zwischen Gebiete gesetzt einen ganz anderen Sinn, als wenn es Klassen von Gebieten verknüpft.

Zur Unterscheidung wollen wir die Klassen der ursprünglichen Mannigfaltigkeit also etwa Punktgebiete unsrer Tafel wie früher mit kleinen, dagegen die Klassen ihrer derivirten Mannigfaltigkeit, d. i. also Gattungen von Punktgebieten, oder Klassen jener Klassen, mit grossen lateinischen Buchstaben darstellen.

Was dann eine Subsumtion a b ausdrückt, haben wir längst erörtert. Auch fahren wir fort, die identische Null dieser ursprüng - lichen Mannigfaltigkeit mit 0, die ganze mit 1 zu bezeichnen. Es mögen uns a', a' ', a'' ', noch spezielle Punktgebiete oder Klassen der ursprünglichen Mannigfaltigkeit vorstellen.

Wenn nun in der zweiten oder derivirten Mannigfaltigkeit eine Subsumtion A B gelten soll, so müssen alle in A zu einer Gattung zusammengefassten Punktgebiete auch vorkommen unter den in B zusammengefassten.

Das Gebiet 0 kann dabei zu jenen gehören oder auch nicht.

Wenn etwa: 〈…〉 gerade die rechts angemerkten Gebiete umfasst, so ist die Subsumtion A B beispielsweise erfüllt. Und zwar ist hier A B. Hielten wir aber die Bedeutung von A fest, so wäre A = B nur dann zu nennen, wenn auch B nur die drei angeführten Gebiete O, a, a' enthielte.

Ich verbinde die zu einer Klasse A oder B zusammengefassten Ge - biete rechts hier nicht durch Pluszeichen, weil solche als Gebiete-ver - knüpfende bereits einen abweichenden Sinn erhalten haben, und ihre An - wendung bei B, z. B., bewirken würde, dass wir von den angeführten Gebieten nach Th. 22+) nur mehr das eine 1 behielten.

Auch in unsrer zweiten Mannigfaltigkeit ist der Fall zulässig, dass die Klassen (Gebietgattungen) A, B als singuläre zu verstehen250Vierte Vorlesung.sind, nämlich je in ein individuelles Gebiet ausarten. Es mag einmal A = a, und vielleicht ebenso B = b je nur ein Gebiet vorstellen.

Im Allgemeinen wird dann nicht mehr A B sein. Dass aber trotzdem vielleicht noch a b sein kann, vermöchten wir in dieser zweiten Mannigfaltigkeit nun überhaupt nicht auszudrücken jeden - falls nicht mittelst des bisherigen Subsumtionszeichens.

Hieran wird auch die Möglichkeit ersichtlich, dass A B von a b ver - schieden; es muss z. B. das erstere Produkt unter den angegebnen Vor - aussetzungen, sobald nur b mit a nicht gerade zusammenfällt, verschwinden, ohne dass doch a b, welches = a, gleich 0 zu sein brauchte.

Das angeführte Beispiel, wo etwa A = a, B = b, a b und doch nicht A B augenscheinlich ist, lässt erkennen, dass es beim Über - gang von Betrachtungen innerhalb der ersten zu solchen innerhalb der zweiten Mannigfaltigkeit nicht einmal erlaubt sein wird, zu beiden Seiten einer Subsumtion Gleiches für Gleiches zu setzen, und zwar aus dem Grunde, weil bei Ausführung der Substitution auch das Subsum - tionszeichen seine Bedeutung notwendig ändert!

Sollte A B sein während A = a und B = b singuläre Klassen von Gebieten, also Einzelgebiete selber vorstellen, so wäre der Fall A B undenkbar, indem ja B dann ausser dem A (welches einerlei mit a ist) noch mindestens ein zweites Gebiet enthalten müsste, im Widerspruch zu der Annahme, dass es auch nur ein Gebiet, b, um - fasse. Es bliebe nur die Möglichkeit A = B übrig, und wäre es so - nach dasselbe Gebiet a, = b, das beide Klassen ausschliesslich ent - hielten.

Wir hätten nun in der zweiten Mannigfaltigkeit A gleich O ( gross Null ) zu nennen, wenn A eine leere Klasse ist, welche gar kein Ge - biet der ersten Mannigfaltigkeit enthält, also jedenfalls auch deren Nullgebiet (klein) 0 nicht auch nicht einmal dieses.

Hieraus erhellt, dass in der That die Nullklasse der zweiten Man - nigfaltigkeit, O, eine ganz andere Bedeutung hat, als diejenige 0 der ersten, dass sogar erstere die letztere auch nicht unter sich begreift. Das Nullgebiet der ersten Mannigfaltigkeit ist, als ein Gebiet , doch gewiss ein ordentliches, legitimes Individuum der zweiten; das Nichts in jener ist Etwas in dieser.

Zu dem absurden Ergebniss 0 = 1 waren wir aber oben, bei χ), im Grunde nur gelangt, indem wir beide Nullen verwechselten, auch die andre, O, mit 0 bezeichneten.

Lag hienach eine Mannigfaltigkeit ursprünglich vor, auf welche die Postulate unsres Kalkuls anwendbar waren, so durfte die Bedeu - tung der 1 schon nicht über die Ableitung oder Derivirte dieser Mannig -251§ 9. Reine Mannigfaltigkeit.faltigkeit mit erstreckt, und jedenfalls also auch nicht über alles Denk - mögliche überhaupt ausgedehnt werden!

Es ist indess auch gar nicht wünschenswert, die Bedeutung der 1 in solch 'abstrakter Allgemeinheit, wie Boole sie anstrebt, zu fassen.

Jede Untersuchung dreht sich doch nur um gewisse Dinge. Diese werden als eine reine Mannigfaltigkeit sich ansehen lassen, insofern es eben möglich und geboten sein wird, von den Untersuchungen über irgendwelche Klassen dieser Dinge getrennt zu halten alle etwaigen Untersuchungen über die Klassen der Klassen von ebendiesen Dingen!

Man strebt, bei den Untersuchungen folgerichtig denkend zuwerke zu gehen. Will man die Schlüsse, die auszuführen sind, sich in der knappsten Form, wie sie allein die algebraische Zeichensprache ge - währen kann, zum Bewusstsein bringen, sie nach den Methoden der logischen Theorie kontrolliren, oder auch sogleich von der Technik des Kalkuls für die Probleme der Untersuchung Nutzen ziehen, so empfiehlt es sich, und genügt es, nur eben jene Dinge, um welche die Untersuchung sich dreht, zu einer umfassendsten Klasse zusammen - zufassen, und sie als die ganze Mannigfaltigkeit oder identische Eins , als den Denkbereich , mit der Ziffer 1 zu bezeichnen.

ω) Zum Schlusse wollen wir noch, obwol es nicht mehr ganz unter die Überschrift dieses Paragraphen gehört, die identischen Ope - rationen und Symbole in Vergleichung ziehen mit den gleichnamigen arithmetischen, mit den sonstigen mathematischen.

Die durchgängige Übereinstimmung ihrer formalen Eigenschaften, welche aufseiten der identischen Operationen nur noch ein kleines Mehr aufweist, rechtfertigte bereits ihre übereinstimmende Benennung und Bezeichnung mit den arithmetischen Operationen, wenigstens für ein selbständiges (mit arithmetischen Untersuchungen nicht vermengtes) Studium des identischen Kalkuls, wie es hier dargestellt ist.

Im übrigen aber zeigt ihrer Bedeutung nach die identische Mul - tiplikation gar keine, die Addition nur eine bedingte Verwandtschaft mit der arithmetischen Operation gleichen Namens. Letzteres insofern:

Ist die identische Summe a + b zweier Gebiete eine reduzirte , sodass a b = 0 ist, mithin kein Teil des einen Summanden als ein auch im andern versteckter, implicite in diesem tautologisch wiederholt er - scheint, so wird die Maasszahl jener Summe a + b auch die arith - metische Summe a' + b' der Maasszahlen a' und b' ihrer Glieder a und b sein. In diesem Falle lässt sich dann also das Pluszeichen ohne weiteres beibehalten, wenn man unter a, b und a + b, statt diese Ge -252Vierte Vorlesung.biete selber, nur ihre Maasszahlen verstehen will, und die identische Addition geht bei solchem Wechsel der Deutung in die arithmetische über, fällt völlig mit ihr zusammen.

Anders, wenn das identische Produkt a b nicht 0 ist, wenn a und b einen Teil a b gemeinhaben. Hier würde, wie leicht zu sehen, das arithmetische Aggregat: a' + b' (a b) 'als die Maasszahl der identischen Summe a + b anzusetzen sein, wenn darin (a b)' diejenige des identischen Produktes a b bedeutet. Dem Um - stande, dass in a' + b' der beiden Gliedern gemeinsame Teil (a b) 'doppelt in Anrechnung gebracht ist, müsste dann eben durch ein - maliges Subtrahiren des letztern nur einfach abgeholfen werden.

Es begreift dieser Ansatz auch den vorhin besprochenen Fall mit unter sich, und ist derselbe also als allgemeingültig anzusehen, indem für a b = 0 auch (a b) '= 0 sein muss (was aber nicht umgekehrt zu gelten braucht*)Das gemeinsame Gebiet, identische Produkt zweier Flächengebiete z. B. kann falls diese etwa aneinander grenzen, sich berühren, aus getrennten Punkten und Linien bestehen, welche zum Flächenmaasse null haben werden, ohne doch ein leeres Gebiet zu sein, ohne auch im logischen Sinne zu verschwinden., nämlich die Maasszahl eines Gebietes welches als identische Null verschwindet, sicher die arithmetische Null sein wird.

Bei gemischten Untersuchungen ist aber, was beachtenswert und vielleicht für den Anfänger überraschend, auch die identische Null, das logische Nichts von dem Zahlindividuum 0 sorgfältig zu unter - scheiden. Ein einfaches Beispiel schon vermag dies darzuthun. Das identische Produkt 2 · 3, z. B., (im Gegensatz zum arithmetischen 2 × 3 verstanden) ist nichts , nämlich der identischen Null gleichzusetzen, weil es Nichts geben kann, was zugleich 2 und 3 wäre. Würde man es aber der arithmetischen Null gleichsetzen, so hiesse das: behaupten, dass das Zahlindividuum 0 einerlei sei mit den Zahlindividuen 2 und 3, was absurd.

Bei der Rechnung mit vieldeutigen arithmetischen Ausdrücken muss demnach nicht nur das identische vom arithmetischen Produkt mittelst konsequenter Anwendung verschiedener Malzeichen, sondern es muss auch die identische Null von der arithmetischen etwa durch kursiven Druck der erstern oder einen über sie gesetzten Punkt, Accent oder dergleichen unterscheidbar gemacht werden. Ebenso würde die identische Eins hier das ganze Zahlengebiet, auf welchem die Unter - suchungen sich bewegen, vorzustellen haben und erscheint es über -253§ 9. Fortsetzung.flüssig zu betonen, dass sie von der arithmetischen 1 unterscheidend bezeichnet werden müsse.

Sind a, b lineare oder Flächen - oder Raumgebiete und als solche durch ihre Begrenzung gegeben, so würde es nach den in Herrn Otto Bödicker's Erweiterung der Gauss'schen Theorie der Verschlingungen etc. (Stutt - gart, Spemann 1876, 68 Seiten) entwickelten Methoden nicht schwer fallen, die Maasszahlen (a + b) 'und (a b)' ihrer identischen Summe und desgl. Produktes durch Integrale darzustellen, erstreckt über die Gebiete a, b selbst oder ihre Umgrenzungen.

Wenn sonach die Analogie der identischen beiden Grundoperationen mit ihren arithmetischen Namensverwandten keine tiefgehende ist, so tritt dafür eine sehr weitgehende Analogie jener beiden mit gewissen komplizirteren arithmetischen Operationen zutage, die wir nur kurz anführen wollen: die identische Multiplikation verhält sich ihrem ganzen Wesen nach durchaus ähnlich, wie die Operation der Aufsuchung des grössten gemeinschaftlichen Divisors oder Teilers gegebener Zahlen und die identische Addition entspricht ebenso der Aufsuchung ihres kleinsten gemeinschaftlichen Multiplums oder Vielfachen.

In der That könnte man hinstellen: das identische Produkt von Gebieten als das grösste denselben gemeinsame Gebiet, als das umfas - sendste von all' den Gebieten, welche ihnen gemein sind; desgleichen die identische Summe von Gebieten als das kleinste von all' den Ge - bieten, die ein jedes von den gegebnen in sich enthalten, als das min - dest umfassende also von denen, die diese alle gemein haben.

Die Wahrnehmung dieser auch Herrn Georg Cantor nicht entgangenen Analogie hat in der That Herrn Dedekind veranlasst, in seiner schon erwähnten Abhandlung1 unser identisches Produkt a b, welches er die Ge - meinheit von a und b nennt, mit G (a, b), unsre von ihm die Zusammen - setzung genannte identische Summe a + b mit M (a, b) darzustellen. Da diese Bezeichnung unstreitig etwas schwerfälliger erscheint, wie die unsrige, so möchte ich, sogar bei logisch-arithmetischen Untersuchungen gemischter Art, unterscheidenden Knüpfungszeichen, z. B. für die identische Addition einem erheblich kleineren Pluszeichen im allgemeinen den Vorzug geben. Eventuell, namentlich für schriftlichen Gebrauch, dürfte es sich in solchen Fällen auch empfehlen gemäss Herrn Peirce's zeitweiliger Übung eines Pluszeichens mit in die Ecke rechts unten gesetztem Komma +, als iden - tischen Knüpfungszeichens sich zu bedienen zur Unterscheidung vom ein - fachen als dem arithmetischen +Zeichen wobei dann auch die Summen und Produktzeichen Σ, Π, wenn als identische (nicht arithmetische) zu deuten, mit einem Komma als Apostroph nur zu versehen wären, gleichwie erforderlichenfalls die 0 und 1 vergl. S. 193 sq.

[254]

Fünfte Vorlesung.

§ 10. Die nicht von Negation handelnden Sätze. Reine Gesetze, von Multiplikation und Addition je für sich.

12) Theorem. Für die identischen Operationen gilt das Kommuta - tionsgesetz :

12×) a b = b a.12+) a + b = b + a.

Nach diesem dürfen die beiden

Faktoren eines identischen Pro - duktesGlieder einer identischen Summe

miteinander ausgetauscht werden ohne dass dies von Einfluss auf die Bedeutung, den Wert des Ausdrucks wäre. Die identische Multipli - kation resp. Addition können wir auch sagen ist eine kommu - tative Operation; ihr Ergebniss ist symmetrisch in Bezug auf die (beiden) Operationsglieder.

Beweis des Satzes. Nach den Formeln des Th.

6×) a b b, a b a6+) b a + b, a a + b

von welchen ja nach Anmerkung zu Pr. I, S. 170, eine beliebige zu - erst statuirt werden durfte, folgt gemäss Def. (3×) 'resp. (3+)':

a b b ab + a a + b

und in dieser hiemit allgemein bewiesenen Formel darf man auch a und b vertauschen und erhält:

b a a ba + b b + a

was mit dem vorigen Ergebniss nach Def. (1) zusammenfliesst zu

a b = b a,a + b = b + a,

welches zu beweisen war.

[Das zweite Ergebniss hätte auch, analog wie das erste, direkt aus den vom Th. 6) gelieferten Subsumtionen:

b a a, b a ba b + a, b b + a

nach Def. (3) 'abgeleitet werden können; doch wäre diese Variante des Beweises augenscheinlich etwas weniger einfach gewesen.]

255§ 10. Die nicht von Negation handelnden Sätze.

Exempel. a = Adelige, b = Besitzende.

Die Besitzenden unter den Adeligen sind einerlei mit den Adeligen unter den Besitzenden.

Anderes Beispiel: a = weiss, b = Pferd. Etwas weisses, was ein Pferd ist, muss ein Pferd sein, welches weiss ist, und vice versā.

Sei a = Europäer, b = Russe, so gilt: Europäer und Russen sind Russen oder Europäer. Die Europäer nebst den Russen sind die Russen oder Europäer.

Es bedeute a das, was einem andern (einer bestimmten Klasse) unter - geordnet ist, b das, was ebendiesem gleich ist, so gilt: gleich sowie unter - geordnet ist untergeordnet oder gleich.

13) Theorem. Für die identischen Operationen gilt auch das Assoziationsgesetz :

13×) a (b c) = (a b) c.13+) (a + b) + c = a + (b + c).

Wenn man in bestimmter Folge, sei es

ein Symbol mit dem Produkt zweier andern Symbole,ein Symbol zu einer Summe zweier andern Symbole,

sei es

ein Produkt zweier Symbole mit einem dritten (Symbol) multiplizirteine Summe zweier Symbole zu einem dritten Symbol addirt

so ist es nach dem angegebenen Satze für den Wert des Ergebnisses gleichgültig, ob sich der in seinem Ausdruck in die Mitte tretende

FaktorTerm oder Summand

(hier b) mit dem ersten (a) oder ob er sich mit dem letzten (c) der drei genannten Symbole vergesellschaftet oder assoziirt , nämlich ob er mit diesem oder mit jenem vermittelst einer Klammer zusammen - geschlossen und dadurch zu

einem Teilprodukteeiner Teilsumme

des ganzen Ergebnisses vereinigt wird unter

Teilprodukt ein solches ProduktTeilsumme eine solche Summe

verstanden,

welches selbst wieder Faktor eines andern Produktes ist.welche ihrerseits als Term einer andern Summe erscheint.

Es erscheint hienach der Name des Assoziationsgesetzes gerecht - fertigt.

Man sieht, wie viel einfacher in Formeln, als in Worten, sich ein solches Gesetz darstellt.

In dem formalen Ausdruck des letzteren treten Klammern auf, und ist dies in unserm Lehrgebäude hier wesentlich zum ersten mal256Fünfte Vorlesung.der Fall. Über Zweck, Sinn und Verwendungsweise dieses Elementes der Zeichensprache, welches für die Erzielung knapper Ausdrucks - formen so hoch wichtig ist, im Grunde jedoch zur Not ent - behrt werden könnte, möge auf den Exkurs über Klammern in An - hang 2 verwiesen sein.

Beweis des Theorems. Nach 6×) resp. 6+) ist:

b c c und a (b c) b c,c b + c und b + c a + (b + c)
folglich nach II:somit nach II:
a (b c) c.c a + (b + c).
Ebenso ergibt ausEbenso ist:
b c b und a (b c) b cb b + c, b + c a + (b + c),
sich auch:somit:
a (b c) b.b a + (b + c).
Endlich ist nach 6×) unmittelbar:Endlich ist nach 6+) unmittelbar:
a (b c) a.a a + (b + c).
Aus dieser letzten und der vorher - gehenden Subsumtion folgt nach Def. (3×) ': a (b c) a bAus dieser und der vorhergehenden Subsumtion folgt nach (3+) ': a + b a + (b + c)
und hieraus, in Verbindung mit der vorher erwiesenen Subsumtion [a (b c) c] folgt ebenso:und hieraus, in Verbindung mit der zuerst konstatirten Subsumtion c a + (b + c) folgt ebenso:
a (b c) (a b) c.(a + b) + c a + (b + c).

Analog zeigt man, dass umgekehrt:

(a b) c a (b c)a + (b + c) (a + b) + c

ist, womit sich dann die Gleichheit der beiderseitigen Ausdrücke nach Def. (1) bewiesen findet.

In der That ist nach 6×):Man hat nämlich nach 6+):
(a b) c a b, desgl. a b aa a + b, a + b (a + b) + c,
folglich a fortiori:folglich
(a b) c a.a (a + b) + c.
AusEbenso
(a b) c a b und a b bb a + b, a + b (a + b) + c,
folgt ebenso:woraus:
(a b) c b.b (a + b) + c.
Endlich ist nach 6×) direkt:Endlich nach 6+) direkt:
(a b) c c.c (a + b) + c.
Aus den zwei letzten Subsumtio - nen folgt nach (3×) ': (a b) c b c,Hienach haben wir, kraft (3+) ': b + c (a + b) + c,
und hält man mit dem vorher - gehenden Ergebniss (a b) c aund da oben bereits a (a + b) + c
dies letztere zusammen, so ergibt sich wiederum nach (3×) 'gefunden ist, folgt endlich nach (3+) ', weiter:
(a b) c a (b c).a + (b + c) (a + b) + c.

q. e. d.

Die vorstehenden Beweise der Assoziationsgesetze bilden meines Er - achtens eine der schönsten Leistungen des Herrn Peirce.

Exempel zu dem Satze. Die Gebildeten (a) unter den adeligen Grundbesitzern (b c) sind die gebildeten Adligen (a b) unter den Grund - besitzern (c).

Gebildete oder auch Adelige (a + b) nebst den Besitzenden (c) sind dieselbe Klasse von Personen, wie Gebildete (a) nebst den Adeligen oder auch Besitzenden (b + c).

Exemplifikationen zu 13+) sind in der Wortsprache nicht leicht aus - drucksvoll darzustellen, weil in dieser ja Klammern nicht verwendet werden und, wo sie doch der Deutlichkeit wegen erforderlich wären, deren mentale Ergänzung höchstens durch die Betonung nebst geeigneten Pausen, durch den Rythmus der Rede angedeutet zu werden vermag. Im vorliegenden Falle jedoch pflegt die Wortsprache ohnehin gerechtfertigt durch die Theoreme 13) selbst, vergl. die nachfolgenden Zusätze und Zusatzdefinitionen bei der additiven Vereinigung oder kollektiven Zusammenfassung von drei oder mehr Klassen dieselben stets unterschiedslos, eventuell durch Konjunktionen wie und , sowie , oder verknüpft hintereinander auf - zuzählen; sie pflegt die Theoreme 13) allgemein dahin zu verwerten, dass sie es sich erspart, sich schenkt, Ausdrucksformen für Unterschiede auf - zustellen, die ohnehin belanglos sind.

Zusatz 1) und Zusatzdefinition.

Die konsequente Ausdehnung der vorstehenden speziellen Kommu - tations - und Assoziationsgesetze zu den gleichnamigen allgemeinen Sätzen, welche sich auf beliebig viele Operationsglieder beziehen, ist nun geradeso, wie in der Arithmetik, zu leisten.

Es würde in diesen Prozess der Verallgemeinerung, hier wie dort, nur das Th. 16) noch mit hereinzuziehen sein.

Die verallgemeinerten Sätze lassen sich zu dem Ausspruche zu - sammenfassen, dass bei der Verknüpfung beliebig vieler Symbole durch lauter Multiplikationen resp. lauter Additionen die Reihenfolge oder Ordnung und die Gruppirung oder Zusammenfassung dieser Opera - tionsglieder gleichgültig ist, insbesondre also auch Klammern nach Belieben gesetzt oder unterdrückt werden dürfen.

Schröder, Algebra der Logik. 17258Fünfte Vorlesung.

Auf diese Sätze ist endlich auch die Begriffserklärung

eines Produkteseiner Summe

von beliebig vielen

FaktorenGliedern

genau wie in der allgemeinen Arithmetik zu gründen.

Die Ausführung dieses Programmes kann nur eine Wiederholung desjenigen sein, was manchen Lesern aus den Werken von wissen - schaftlicher Tendenz über letztere Disziplin bereits bekannt ist. Zudem wird durch dieselbe in logischer Hinsicht nichts Wesentliches hinzugefügt, und sei sie darum ebenfalls in den Anhang verwiesen (Anhang 3).

Es lässt sich nun auch ein Produkt, eine Summe von drei oder mehr Gebieten wieder als ein solches zur Anschauung bringen, wie es für drei Operationsglieder die Figuren zeigen:

Fig. 11×.
Fig. 11+.

Man nehme sich die Mühe, an diesen Figuren die Gültigkeit des Asso - ziationsgesetzes 13) wirklich nachzusehen, indem man

einmal die Zweieckfläche, das Bili - neum a b mit der Kreisfläche c, das andere mal die Kreisfläche a mit der Zweieckfläche b c vor dem gei - stigen Auge zum Schnitt bringt.einmal die (ebenfalls von zwei Kreisbogen begrenzte) hier in Ge - stalt eines liegenden Achters sich darstellende Fläche a + b mit dem Kreis c, das andre mal den Kreis a mit der Achterfläche b + c zu einem Gebiet vereinigt.

Beidemal erhält man in der That dieselbe schraffirte Figur als die Bedeutung von

a b ca + b + c.

Zusatz 2), auch gehörig zur Def. (3).

Die beiden Teile (3) 'und (3)' 'der Def. (3) lassen sich nun - mehr leicht von zweien auf beliebig viele Subsumtionen ausdehnen, nämlich:259§ 10. Reine Gesetze.

Und umgekehrt:

Der Beweis ist naheliegend, nämlich z. B. linkerhand so zu leisten.

Ad (3×) '' '. Aus x a nebst x b folgt nach (3×)', dass x a b; hieraus aber in Verbindung mit x c folgt abermals nach (3×) ', dass x (a b) c, oder, weil die Klammer weggelassen werden darf, dass x a b c. Hieraus dann und aus der Voraussetzung x d folgt wieder nach (3×)', dass x (a b c) d sein muss, wo nun abermals die Klammer wegzulassen ist, u. s. w.

Ad (3×) '' '' kann man in der Voraussetzung auch unter Anbringung einer Klammer die rechte Seite als ein Produkt von nur zwei Faktoren schreiben, sodass sie sich darstellt als: x a (b c d ). Hieraus folgt aber nach (3×) '', dass x a, sowie x b c d sein muss. Letzteres kann wieder geschrieben werden: x b (c d ) und zerfällt nach (3×) '' abermals in x b nebst x c d Indem man so weiterfährt, ge - winnt man fortschreitend die verschiedenen Subsumtionen, welche die Behauptung ausmachen.

Exempel zum Vorstehenden haben wir schon in § 8 unter λ) gebracht.

Es könnten vorstehende Sätze auch als selbständige Definition von Produkt und Summe aus beliebig vielen Operationsgliedern (Faktoren resp. Summanden) hingestellt werden, während im gegenwärtigen Lehr - gang wir vorgezogen haben, diese Begriffe rekurrirend auf diejenigen der binären (d. h. immer nur zwei Symbole auf einmal verknüpfenden) Multiplikation und Addition zurückzuführen.

14) Theoreme. ( Tautologiegesetze .) Allgemein ist:

14×) a a = a.14+ a + a = a.

Beweis. Nach Th. 6×) resp. 6+), wenn darin a für b genommen wird, ist einerseits:

a a a.a a + a.
17*260Fünfte Vorlesung.

Andrerseits treffen die Voraussetzungen der Def. (3) nach I zu, wenn unter c und b dort ebenfalls a verstanden wird, und ist dar - nach auch:

a a a,a + a a,

sodass nach Def. (1) nun unser Lehrsatz bewiesen erscheint.

Während die vorhergehenden Theoreme Eigenschaften ausdrückten, welche den arithmetischen Operationen ganz ebenso wie den identischen zukommen, ist dies mit den Theoremen 14) nicht der Fall. Wir mögen letztere deshalb als die spezifischen Gesetze des identischen (sowie auch des logischen) Kalkuls hinstellen.

In der Arithmetik würde Gleichung 14+) nur für den Wert 0, Gleichung 14×) nur für die Werte 0 und 1 von a erfüllt sein; ausserdem könnte man beide Gleichungen noch für a = in Anspruch nehmen, welch 'letzteres Symbol aber nicht zu den Zahlen gehört.

In Worten lassen sich die beiden Sätze wie folgt fassen: Identische

MultiplikationAddition

eines Gebietes

mit sich selbstzu sich selbst

lässt dasselbe unverändert doch ist der Formelausdruck als der über - sichtlichere dem verbalen vorzuziehen.

Die Anschauung lässt beide Sätze als ganz selbstverständlich er - scheinen. Das Gebiet

welches a mit sich selbst gemein hatzu welchem a sich selbst ergänzt

ist eben a selber. Entsprechend für Klassen:

Ein Mensch, welcher ein Mensch ist, ist ein Mensch, und umgekehrt darf man auch sagen: ein Mensch ist ein Mensch und ein Mensch, ist ein Mensch, welcher ein Mensch ist. Was Gold oder auch Gold ist, ist eben Gold sowie umgekehrt.

Freilich ist die Bemerkung am Platze, dass man durch solche Urteile sich einer unnötigen Wiederholung, einer Tautologie , eines Pleonasmus schuldig mache. Es wird auch in der That kaum jemals einem Vernünf - tigen einfallen solchergestalt in unverhüllter Form, sozusagen nackt zu sagen: die Pferde, welche Pferde sind , die Neger-Mohren-Neger und ebensowenig die Menschen und die Menschen und die Menschen oder der - gleichen.

In verhüllter Form dagegen implicite wird solches, wie sich zeigen lässt, in den Wissenschaften sowol wie im gemeinen Leben, ungemein häufig gethan. Ein paar Beispiele werden genügen, dies zum Bewusstsein zu bringen.

Zum Zwecke einer zahlentheoretischen Untersuchung mögen wir etwa aus der Mannigfaltigkeit der positiven ganzen Zahlen diejenigen hervor -261§ 10. Reine Gesetze.heben, welche nur durch 1 und durch sich selber teilbar sind . Die so charakterisirte Klasse wird dann bestehen aus den Primzahlen (d. i. den Zahlen die zwei Teiler haben) und aus der bekanntlich nicht zu diesen gehörigen Eins (die ja nur einen Teiler hat). Für letztere aber ist es oben doppelt gesagt, dass sie durch 1 teilbar, denn bei ihr heisst eben durch sich selber ebenfalls durch eins teilbar. Von ihr sagten wir also in versteckter Form aus, dass sie durch 1 und durch 1 teilbar sei eine ausserhalb des Zusammenhanges jedenfalls überflüssige Wiederholung, die aber innerhalb des Zusammenhanges ganz unerlässlich ist, um die ver - bale Charakterisirung der Klasse so kurz wie oben zu gestalten.

Verfügt man bereits über den Namen Primzahlen , sind diese schon eingeführt, ist ihr Begriff bereits erklärt, so kann man freilich die hervor - zuhebende Klasse von Zahlen ungefähr ebenso kurz bezeichnen als die der Primzahlen nebst der Eins ; jedoch tritt hier erstlich der Gesichtspunkt, unter dem man die Zahlen hervorheben will, nicht so deutlich zutage, und zweitens mochte ja auch die ganze Untersuchung der Einführung des Prim - zahlbegriffs vorangegangen sein.

Sprechen wir einmal von den Besitzenden und den Adeligen , so sind die besitzenden Adeligen augenscheinlich doppelt aufgeführt, nämlich einerseits unter den Besitzenden, dann nochmals unter den Adeligen. Die Beschreibung der Klasse fällt aber jedenfalls so einfacher aus, als wenn man diesen Umstand vermeiden wollte.

In Bezug auf weitere Beispiele möge noch auf die Betrachtungen unter § 18, α δ) verwiesen sein.

Was nun aber (beim Beschreiben, Charakterisiren von Klassen) in verhüllter Gestalt implicite, ganz allgemeine Praxis ist, muss im System der Wissenschaft auch unverhüllt, ausdrücklich, explicite eine Stelle finden.

Zusatz 1 zu Th. 14). Die Ausdehnung dieser spezifischen Gesetze des identischen Kalkuls auf beliebig viele unter sich gleiche Operationsglieder ist naheliegend. Wir haben hier auch als all - gemeingültige Formeln:

a a a = a.a + a + a + = a.

Behufs Beweises hätte man unter Vorausbeziehung auf Th. 16) z. B.: a a a = (a a) a = a a = a, sodann a a a a = (a a a) a = a a = a, u. s. w.

Die erste lässt erkennen, dass eine Operation des Potenzirens im identischen Kalkul nicht vorkommt. Die Potenzexponenten der Arithmetik bleiben hier als obere Indices für uns verfügbar, und werden wir speziell unter a1 hier im allgemeinen nicht a selber, sondern irgend ein zweites von a vielleicht verschiedenes Gebiet verstehen; ebenso wird uns a, a0, a1, a2, a3, 262Fünfte Vorlesung.weiter nichts als eine Reihe von einander vielleicht durchweg verschiedener Gebiete oder Klassen vorstellen.

Die zweite Formel zeigt, dass der Zusammenhang, wie er zwischen Addition und Multiplikation in der Arithmetik besteht allerdings nur für den Fall eines positiven ganzzahligen Multiplikators, ein Zusammen - hang, der aber gerade die Multiplikation zur Operation der zweiten Stufe dort der Addition gegenüber stempelt hier im identischen Kalkul kein Analogon hat. Das Fehlen solchen Analogons zu der gedachten Gleichung der Arithmetik: 〈…〉 thut unsrer Bemerkung keinen Eintrag, dass die identischen Operationen sämtliche formalen Eigenschaften der gleichnamigen arithmetischen besässen. Denn eben weil diese Gleichung nicht allgemein, nicht im komplexen Zahlen - gebiete für ein ganz beliebiges n Sinn hat oder gültig ist, gehört sie nicht zu den formalen Eigenschaften im vollen Sinne dieses Wortes.

Während so von den wirklich formalen Eigenschaften der beiden direkten Operationen der arithmetischen vier Spezies im identischen Kalkul in der That keine fehlt, sehen wir hier noch die spezifischen Gesetze 14) als weitere Eigenschaften hinzutreten, und zu diesen werden ferner noch im Grunde als eine Folge derselben die beiden Theoreme 23) kommen. Wir müssen demnach die identischen Operationen der Multiplikation und Addition den arithmetischen gegen - über als die an formalen Eigenschaften reicheren hinstellen.

Zusatz 2 zu Th. 14). Wenn nun überhaupt in einem Produkte, einer Summe, Faktoren resp. Glieder wiederholt auftreten, sei es auch nicht durchweg als successive oder einander benachbarte, sondern viel - leicht getrennt durch noch andre Operationsglieder, so wird man prak - tisch von den Theoremen 14) Gebrauch machen im Sinne einer Ver - einfachung dieser Ausdrücke, indem man von jeder Sorte Faktoren resp. Summanden immer nur einen beibehält (etwa den ersten), die übrigen ihm identisch gleichen aber fallen lässt. So wird man z. B. für

a b c a a b d a c d ca + b + c + a + a + b + d + a + c + d + c

in Hinkunft kürzer sagen

a b c d.a + b + c + d.

Man kann nämlich wegen der Kommutativität der Operationen die Operationsglieder zunächst so umordnen, dass die übereinstimmenden zusammenkommen, alsdann kann man die Gruppen der letztern wegen der Assoziativität jener Operationen jeweils zu einem einzigen Opera - tionsgliede zusammenschliessen, und endlich sie nach Th. 16) auf263§ 10. Reine Gesetze.das wir vorverweisen müssen ersetzen durch den einfacheren Aus - druck, dem sie nach Th. 14) äquivalent sind. So wäre vorstehend:

(a a a a) (b b) (c c c) (d d)(a + a + a + a) + (b + b) + (c + c + c) + (d + d)

als eine Zwischenstufe der Rechnung zu denken gewesen.

Den hier gegebenen Wink darf der Rechner nie aus den Augen verlieren.

Analog wird man für: die leichtgläubigen, guten, leichtgläubigen Kinder kürzer blos sagen: die leichtgläubigen guten Kinder , und für: Mohammedaner und Briten sowie Russen und Mohammedaner blos sagen Mohammedaner, Briten und Russen .

Für das Th. 14×) gebrauchte Boole4 den mit Recht allerwärts als ungeeignet qualifizirten Namen des law of duality , wofür Jevons1 den law of simplicity vorschlägt. Indem Boole eine Addition nur für ein - ander gegenseitig ausschliessende Summanden zuliess, konnte er auch nicht das Th. 14+) aufstellen oder zugeben. Von Neueren pflichtet ihm hierin nur Herr Venn1) noch bei, auf dessen Einwände wir in § 18, α) δ) ausführlichst eingehen werden.

Das Th. 14+) ist zuerst von Jevons1) ausgesprochen, welchem auch bezüglich Gebrauchs der hier adoptirten Addition die Priorität zukommen dürfte, soweit sie nicht etwa von De Morgan anticipirt erscheint. Th. 14+) nennt Jevons das law of unity , indem er darauf hinweist, dass die Nichtbeachtung des Satzes beim Zählen zu falschen Ergebnissen des Zählens führe. Eine schon einmal gezählte Einheit darf nicht wiederholt gezählt werden. Sind M', M' ', M'' ', individuell verschiedene Münzen, z. B. Markstücke, so gäbe eine Zählung, wie M' + M'' + M' '+ M'' '+ ein falsches Resultat; es muss beachtet werden, dass M' + M' weiter nichts ist, als M' etc.

Am geeignetsten würde mir die Bezeichnung der Theoreme 14) als Tautologiegesetze (der identischen Multiplikation resp. Addition) erscheinen, indem sie ausdrücken, dass es belanglos ist, das nämliche, was man bereits genannt hat, nochmals zu nennen, mag es mit simultanen oder unter alter - nativen Termen aufgeführt sein.

15×) Theorem.15+) Theorem.
Wenn a b so ist ac b c.Wenn a b so ist a + c b + c.
Beweis. Nach 6×) ist a c a, wegen a b also, nach II: a c b. Ebenso ist nach 6×): a c c. Aus den beiden letzten Subsumtionen folgt aber nach (3×) ':Beweis. Nach 6+) ist b b + c, nach II also um so mehr: a b + c, und da ohnehin c b + c nach 6+) ist, so haben wir nach Def. (3+) 'auch:
a c b c.a + c b + c.

In einer Subsumtion darf man also beiderseits

mit demselben Symbol multiplizirendasselbe Symbol addiren

264Fünfte Vorlesung.und muss man wiederum eine gültige Subsumtion hierdurch erhalten. An der Figur

[figure]
Fig. 12.

lassen beide Sätze sich durch Anschauung kontrolliren. Dass aber diese Sätze nicht umgekehrt werden dürfen, nämlich, dass aus a c b c resp. a + c b + c nicht a b folgen kann, offenbaren die Figuren:

Fig. 13×.
Fig. 13+.

bei denen für die Kreise a, b, c die angegebene Voraussetzung sich je als erfüllt, die fragliche Folgerung aber sich als nicht erfüllt zeigt.

Exempel:

Rappen sind Pferde, ergo: eng - lische Rappen sind englische Pferde. Blau ist farbig, ergo: blaue Salze sind farbige Salze.Schweden sind Europäer, ergo: Schweden und Russen sind Europäer oder Russen.

Dagegen:

Die europäischen Vulkane
*)Sofern Island und der vulkanische Teil des Kaukasus nicht zu Europa gerechnet und von erloschenen Vulkanen in der Eifel, im griechischen Archipel etc. abgesehen wird.
*) sind italienische Vulkane. Gleichwol ist europäisch nicht notwendig ita - lienisch .
Russen und Asiaten sind Europäer oder Asiaten, ohne dass doch Russen auch Europäer sein müssten.

Anmerkung. In der Wortsprache kann man durch unbedachte An - wendung des Th. 15×) in Fehler kommen; es ist daselbst auf scheinbare Ausnahmen des Satzes Rücksicht zu nehmen. Ein paar Beispiele werden dies am schnellsten deutlich machen.

265§ 10. Die nicht von Negation handelnden Sätze.

Ein Pistolenschütze ist ein Mensch. Darum muss aber ein vortreff - licher Schütze noch nicht ein vortrefflicher Mensch, der beste Schütze nicht der beste Mensch sein! Ebenso braucht eine grosse Fliege kein grosses Tier, ein kleiner Elephant kein kleines Tier zu sein, eine grosse Hütte kein grosses Gebäude vergl. Jevons6. Pfennige sind Geld, aber viele Pfennige können doch wenig Geld sein. Etc.

Die Ausnahme ist darin begründet, dass hier das Adjektiv c, welches determinirend zum Subjekt und Prädikat tritt, in beiden einen verschiedenen Sinn erhält zufolge des Umstandes, dass es als ein relatives verstanden, relativ genommen wird, nämlich eine Beziehung, ein Verhältniss des Sub - stantivs zu andern seinesgleichen auszudrücken bestimmt ist. Der Begriff vortrefflich unter den Schützen hat einen andern Inhalt, als der vor - trefflich unter den Menschen, vortrefflich als Mensch und dementsprechend ist auch der Umfang beider Klassen nicht derselbe.

Das Th. 15×) gilt stricte nur dann, wenn die Klasse c im Subjekt und Prädikat in absolut demselben Sinne verstanden wird.

Dementsprechend würde auch der Schluss: Alles Metall ist Substanz, folglich muss gelten: Das schwerste Metall (Iridium) ist die schwerste Substanz dieser Schluss würde formell falsch, ein Fehlschluss sein, ob - wol hier die Prämisse sowol als die Konklusion materiell richtig ist.

Eine ähnliche Bemerkung: dass der Kontrast von Individuen einer Subjektklasse zu ihresgleichen unwillkürlich mit in's Gewicht fällt, trifft nicht selten schon beim Erteilen solcher Prädikate zu, die sich als absolut bestimmte Attribute darzustellen scheinen. So werden wir vielleicht die gleiche Farbe, die falls von Schafen die Rede ist, noch weiss genannt wird, bei einer chemischen Substanz als grau oder gelblich bezeichnen. Als den Umfang des Begriffes weiss in absolutem Sinne können wir immerhin bezeichnen: die Gesamtheit derjenigen Dinge, welche wir (als solche ihrer Kategorie) eben weiss nennen würden, und bleibt dies un - bedenklich, es erscheint der Umfang nämlich als völlig bestimmt, solange nicht Objekte bekannt sind als unter verschiedene Kategorieen zugleich fallende, unter deren einer sie als weiss, unter deren andrer sie als nicht - weiss zu bezeichnen wären. Dass wir nur mit wohldefinirten Klassen zu thun hätten, wurde bereits als eine nicht überall wirklich erfüllte, ideale Voraussetzung der Logik hingestellt.

16×) Theorem.16+) Theorem.
Wenn a = b, so ist a c = b c.Wenn a = b, so ist a + c = b + c.

Man darf also auch beide Seiten einer Gleichung mit demselben Symbol multipliziren, sowie um Dasselbe vermehren.

Beweis. Die Annahme a = b zerfällt nach Def. (1) in die beiden Subsumtionen a b und b a. Aus der ersten folgt nach Th.

15×) a c b c15+) a + c b + c

und ebenso aus der zweiten:

b c a cb + c a + c

womit nach Def. (1) die Behauptung erwiesen ist.

266Fünfte Vorlesung.

Anmerkung 1. Durch Anwendung des Kommutationsgesetzes 12) auf die Behauptung in den beiden Theoremen 15) und 16) kann man diesen noch verschiedene Formen geben. Z. B. dem Th. 15×) noch die Formen: Wenn a b, so ist auch a c c b, desgleichen c a b c, desgl. endlich c a c b. Doch werden wir Sätze, die sich so unwesentlich von den aufgestellten unterscheiden, künftig nicht mehr mit anführen, vielmehr ohne weiteres als zugleich mit jenen gegeben betrachten.

Anmerkung 2. In der Arithmetik dürfen die beiden Sätze bekannt - lich auch umgekehrt werden. Man darf daselbst einen übereinstimmenden Faktor der beiden Seiten einer Gleichung, desgleichen einen übereinstim - menden Summanden derselben ohne weiteres streichen , den Faktor aller - dings nur, wenn er von 0 verschieden ist. Es kommt dies hinaus auf die Division der Gleichung durch den gedachten Faktor resp. auf die beider - seitige Subtraktion des gedachten Summanden, und beruht die Zulässigkeit des Verfahrens auf der Eindeutigkeit der beiden inversen Operationen, näm - lich der arithmetischen Division (mit Ausnahme derer durch 0) und der arithmetischen Subtraktion. Da wie schon erwähnt die inversen Operationen des identischen Kalkuls mit den gleichnamigen arithmetischen ausser ihrem Gegensatz zu den direkten Operationen nur wenig gemein haben, so lässt sich schon erwarten, dass hier der Rückschluss von a c = b c oder a + c = b + c auf a = b nicht zulässig sein wird.

Für Gebiete thun dies in der That die Figuren kund, in denen a und b die Kreisflächen, dagegen c das schraffirte Gebiet vorstellt:

Fig. 14×.
Fig. 14+.

Ebenso offenbaren für Klassen es Beispiele wie folgende:

Die gleichseitigen Dreiecke sind die gleichwinkligen Dreiecke, aber es ist nicht: gleichseitig einerlei mit gleichwinklig der Rhombus z. B. ersteres ohne das letztere. Die schwerste Substanz ist das schwerste
*)Auch wenn man hier im Prädikat schwerste genau so wie im Subjekte versteht als schwerer wie die übrigen Substanzen und nicht blos als schwerer wie die übrigen Metalle bleibt dies noch richtig. Vergl. die Anm. zu Th. 15).
*) Metall, doch ist nicht: Substanz = Metall.
Die Primzahlen nebst den unge - raden Zahlen ist dasselbe wie die Zahl 2 nebst den ungeraden Zahlen. Gleichwol ist die Klasse der Prim - zahlen nicht identisch mit der Zahl 2, sondern greift noch weit über dieses allerdings in ihr enthaltene Zahlindividuum hinaus. U. a. m.
267§ 10. Reine Gesetze.

Wegen der von der Arithmetik her geläufigen Übung ist es hier am Platze vor dem erwähnten Rückschluss ausdrücklich zu warnen:

In Gleichungen (sowie Subsumtionen) des identischen Kalkuls ist es nicht gestattet, übereinstimmende Faktoren oder auch Terme der beiden Seiten zu streichen .

17×) Theorem.17+) Theorem.

Wenn a b und a' b', so ist auch:

a a' b b'.a + a' b + b'.
Beweis. Nach 15×)
*)Nämlich: indem man in der ersten Subsumtion a b beiderseits mit a' nachmultiplizirt, in der zweiten a' b' beiderseits mit b vormultiplizirt.
*) und 12×)
Beweis. Nach 15+) und 12+)

folgt aus unsern Annahmen:

a a' b a', b a' b b',a + a' b + a', b + a' b + b',

woraus die Behauptung a fortiori (d. i. nach II) zu schliessen ist.

18×) Theorem.18+) Theorem.

Wenn a b und a' = b' ist, so muss sein:

a a' b b'.a + a' b + b'.

Beweis aus Th. 17×) resp. 17+), da die Annahme a' = b' auch a' b' nach Def. (1) in sich schliesst.

19×) Theorem.19+) Theorem.

Wenn a = b und a' = b', so ist auch:

a a' = b b'.a + a' = b + b'.

Beweis. Nach Def. (1) schliessen die Voraussetzungen in sich, dass sowol a b, a' b', als auch b a, b' a' ist. Aus ersterm folgt nach 17×) resp. 17+):

a a' b b'a + a' b + b',

aus letzterem ebenso:

b b' a a',b + b' a + a',

womit die Behauptung nach Def. (1) erwiesen ist. In Worten kann man sagen:

Gleiches mit Gleichem multiplizirt gibt Gleiches. Gleiches zu Gleichem addirt gibt Gleiches.

Zusatz 1. Die Ausdehnung der Sätze 17) bis 19) auf beliebig viele Subsumtionen oder Gleichungen ist naheliegend.

Um die allgemeinsten Sätze, welche sich auf diesem Wege ge -268Fünfte Vorlesung.winnen lassen, in Worte zu fassen, müssen wir aber ein paar Bemer - kungen vorausschicken.

Gleichstimmig nennen wir solche Subsumtionen, in deren Sub - sumtionszeichen der Bogen sich nach derselben Seite hin öffnet; dies sind z. B. alle bisherigen Subsumtionen, in welchen er es nach rechts that. Dagegen nennen wir ungleichstimmig zwei Subsumtionen, in denen der Bogen nach verschiedenen Seiten schaut, deren eine also eine eventuelle Unterordnung, deren andre eine eventuelle Überord - nung ausdrückt, wenn beide von links nach rechts gelesen werden.

In der Arithmetik herrscht der Gebrauch, die Anwendung der dort ebenfalls geltenden Theoreme 19) sowie schon 16) als eine Multipli - kation resp. Addition der die Voraussetzung bildenden (beiden) Glei - chungen schlechtweg zu bezeichnen. Dieses Verfahren ist schon in der Arithmetik nicht ganz korrekt, weil man ja in dieser Disziplin faktisch immer nur Zahlen, also niemals Gleichungen durch Rechnung verknüpft, und aus diesem Grunde haben auch schon einzelne Lehrer dagegen geeifert.

Die gedachte Ausdrucksweise ist jedoch in der Arithmetik ent - schuldbar und unverfänglich ja zweckmässig, indem sie in dieser Dis - ziplin durchaus nicht missverstanden werden kann und einen in der Mathematik unbeschreiblich oft auszuführenden Prozess kurz und charakteristisch andeutet. Sie ist daselbst auch, wie gesagt, ganz all - gemein üblich, und kein Mathematiker wird, wenn etwa die Gleichungen a = b, a' = b', a' '= b'' vorausgeschickt sind, Bedenken tragen, zu sagen: Multipliziren wir diese Gleichungen miteinander, so entsteht a a' a' '= b b' b'', summiren wir sie, so kommt a + a' + a' '= b + b' + b''; desgl. zu sagen: multipliziren wir die erste Gleichung mit c, so er - halten wir a c = b c, etc.

Diesen Gebrauch dürfen wir nun aber in den identischen Kalkul nicht unmodifizirt herübernehmen. Insoweit es sich nur um den Ge - bietekalkul handelt, wäre dies allenfalls noch angängig. Dazu werden wir aber im Aussagenkalkul zu lernen haben, wie Aussagen, Urteile, Behauptungen überhaupt, insbesondere also auch Subsumtionen und Gleichungen durch Multiplikation sowie Addition zu verknüpfen sind, und zwar in einem von dem oben besprochenen wesentlich verschie - denen, nämlich in dem richtigen, korrekten Sinne.

Solche Verknüpfung von Aussagen wird zu den häufigsten in unsrer Theorie vorzunehmenden Prozessen gehören. Da wird denn z. B. eine Gleichung a = b wirklich zu multipliziren sein mit einer Aussage c, und das Produkt (a = b) · c wird etwas anderes, nämlich mehr besagen, als wie die Gleichung a c = b c. Ebenso wird uns das Produkt zweier Glei -269§ 10. Die nicht von Negation handelnden Sätze.chungen (a = b) · (a' = b') bedeutend mehr ausdrücken als dass blos die Gleichung gelte a a' = b b', u. s. w. worüber des Näheren der Aussagen - kalkul selbst zu vergleichen, insbesondre § 33, ξ).

Es ist deshalb unerlässlich, die mehrerlei Prozesse auch unterscheidend zu benennen. Und dieses geschieht unsres Erachtens am einfachsten und besten, wenn man behufs Beschreibung der früheren in unsern Theoremen als zulässig hingestellten Schlüsse dem Multipliziren resp. Addiren ein ge - eignetes Umstandswort, Adverb zugesellt. Das Adverb muss, wie sich zeigt, ein anderes sein, bei den Schlüssen der Theoreme 15) und 16) als bei denen von 17) bis 19). Für jene ist schon beiderseits gebräuchlich, für diese schlagen wir überschiebend vor (nicht unpassend erschiene auch superponirend ).

Es soll gesagt werden: Subsumtionen, Gleichungen (später über - haupt Propositionen zunächst von einerlei Art) werden durch eine Operation überschiebend verknüpft, wenn man aus ihnen eine neue Subsumtion resp. Gleichung (Proposition derselben Art) dadurch ableitet, dass man sowol ihre linken Seiten als auch ihre rechten Seiten durch die gedachte Operation verknüpft.

Darnach dürfen wir nun erstlich die Theoreme 15) und 16) auch (nur wenig abweichend von der früheren Fassung) wie folgt aussprechen: Sub - sumtionen sowol als Gleichungen dürfen beiderseits mit demselben Symbol multiplizirt, resp. beiderseits um dasselbe Symbol vermehrt werden; es darf beiderseits dasselbe Symbol zu ihnen addirt werden; es darf auch ein Sym - bol mit einer Subsumtion oder Gleichung beiderseitig multiplizirt, es darf zu jenem diese beiderseitig addirt werden. Und zweitens:

Es liefern uns die Theoreme 17) bis incl. 19) darnach den all - gemeinsten Satz:

In beliebiger Menge vorhandene sei es gleichstimmige Subsumtionen oder auch Gleichungen dürfen überschiebend mit einander multiplizirt, über - schiebend zu einander addirt werden, und zwar ist das Ergebniss eine Gleichung nur, wenn unter den verknüpften Propositionen sich keine Subsumtion befindet, dagegen wieder eine mit den gegebenen gleich - stimmige Subsumtion im andern Falle, d. i. wenn mindestens eine Sub - sumtion sich unter den verknüpften Propositionen vorfindet.

Würde man aber eine Gleichung a = b mit einer andern a' = b' beiderseits multipliziren, so erhielte man eine Aussage a · (a' = b') = b · (a' = b') die sich ebenfalls als eine im Aussagenkalkul gültige nachweisen lassen wird, und daselbst einen Sinn hat, der weder sich deckt mit dem des Er - gebnisses der überschiebenden Multiplikation beider Gleichungen: a · a' = b · b', noch mit dem des Ergebnisses ihrer Multiplikation (schlechtweg): (a = b) · (a' = b'). Man ersieht hieraus, dass auch die Umstandswörter beiderseits und über - schiebend nicht verwechselt werden dürfen, nicht durch ein einziges Um -270Fünfte Vorlesung.standswort ersetzt werden können, und dass in der That in unserer Theorie es geboten erscheint, in beregter Hinsicht mehr als in der Mathematik auf korrekten Ausdruck zu halten!

Notabene: Multiplizirt man die Gleichung a' = b' beiderseits mit a = b, so entsteht auch etwas anderes, wie wenn man die Gleichung a = b beider - seits mit a' = b' multiplizirte. Vergl. § 33, ξ) und ο).

Zusatz 2. Kombinirte Anwendung der Theoreme 19×) und 19+) liefert den Satz, dass es in jedem Ausdruck, welcher nur durch die Operationen der identischen Multiplikation und Addition aufgebaut erscheint, gestattet ist, Gleiches durch Gleiches zu ersetzen. Sicherlich wird solche Ersetzung ohne Einfluss auf den Wert des Ausdrucks bleiben, wenngleich die Form desselben dadurch verändert werden mag.

Exempel. Ist b + c = a, so ist auch a (b + c) + d + (b + c) c = a a + d + a c = a + a c + d = a + d.

Wie Venn1 p. 146 und anderwärts bemerkt ist das der linkseitigen Kolumne von Sätzen 15) 19) zugrundeliegende Th. 15×) bereits von Leibniz gegeben (Specimen demonstrandi, Erdmann, p. 99), der auch schon die Determination durch Nebeneinanderstellen der Symbole nach Art der Faktoren eines Produktes ausdrückt.

Die Theoreme des gegenwärtigen Paragraphen sind von so ausser - ordentlich häufiger Anwendung, dass es zu umständlich wäre, sie jedes - mal zu citiren. Dieselben müssen in succum et sanguinem, in Fleisch und Blut des Rechners übergegangen sein.

§ 11. Gemischte Gesetze, den Zusammenhang zwischen beiden Operationen zeigend.

20) Theorem. Eine jede von den beiden Gleichungen: a = a b, a + b = b ist nur eine Umschreibung der Subsumtion: a b, dergestalt, dass diese drei Aussagen äquivalent sind, einander gegen - seitig bedingen: wenn irgend eine von ihnen gilt, so gelten auch die beiden andern.

Der Beweis besteht aus vier Teilen, indem zu zeigen ist, dass aus jeder der Gleichungen die Subsumtion und umgekehrt aus der Subsumtion eine jede von den Gleichungen folgt.

Ist a = a b, so folgt nach Def. (1) auch a a b, und weil nach Th. 6×) auch a b b ist, so folgt a fortiori:Ist a + b = b, so haben wir auch a + b b, und weil nach 6+) ohne - hin a a + b ist, so folgt nach II:
a b.a b.
Ist a b, so kommt nach 15×): a a a b, oder wegen 14×): a a b. Da nun nach 6×) ohnehin a b a gilt, so ist nach Def. (1) bewiesen, dass a = a b ist.Ist a b, so kommt nach 15+): a + b b + b, oder wegen 14+): a + b b. Da nun nach 6+) ohne - hin b a + b gilt, so ist a + b = b nach (1) bewiesen.

Für Gebiete wird der vorstehende Satz durch die Figuren 1 und 2 versinnlicht.

Exempel für Klassen. Rappen sind Pferde. Also sind Pferde, welche Rappen sind, nichts anderes als Rappen. Desgl. Rappen oder Pferde sind schlechtweg Pferde. Es versteht sich, dass unsre Exemplifikationen noch in der mannigfaltigsten Weise vermehrt werden könnten.

Zusatz. Im Th. 20) ist mitenthalten das Theorem von Robert Grassmann, dass auch die beiden Gleichungen einander gegenseitig bedingen. Das nämliche gilt von den beiden Subsumtionen: a a b und a + b b, die ja mit solchen des Th. 6) in jene Gleichungen zusammenfliessen: Auch diese beiden sind mit den drei obigen äquivalente Aussagen.

Schreiben wir nun die Subsumtionen der Def. (2): 0 a und a 1 nach Vorbild des Th. 20) in Gleichungen um, so erhalten wir augen - blicklich die folgenden Theoreme (die als reine Gesetze erscheinen):

21×) Theorem. a · 1 = a.21+) Theorem. a + 0 = a.
22×) Theorem. a · 0 = 0.22+) Theorem. a + 1 = 1.

In Worten bezüglich:

Mit 1 multipliziren ändert nichts, oder: Der Faktor 1 kann nach Be - lieben gesetzt oder unterdrückt werden. (Darum heisst 1 der Mo - dul der Multiplikation.)Null addiren ändert nichts, oder: als Summand kann 0 nach Belieben zugefügt oder weggelassen werden. (Deshalb mag 0 auch der Modul der Addition genannt werden.)
Ein Produkt verschwindet, sobald ein Faktor desselben 0 wird. Eine Summe nimmt den Wert 1 an, sobald ein Term derselben gleich 1 wird.

Die beiden letzten Sätze sind nämlich auch leicht auf beliebig viele Operationsglieder auszudehnen.

Durch die Voranstellung des Th. 20) haben wir hier die aller - dings hübschen vier direkten Beweise, welche Peirce von diesen Sätzen gibt, erspart. Zum Überfluss seien auch diese hier reproduzirt.

Beweis von 21×). Nach 6×) ist a · 1 a. Aus der Subsumtion von I: a a nebst derjenigen (2+): a 1Beweis von 21+). Nach I ist: a a, und nach (2×) ist: 0 a. Hieraus folgt nach dem Schema (3+) ':
folgt ferner nach (3×) ': a a · 1; womit der Satz kraft (1) bewiesen ist.a + 0 a. Dazu ist nach 6+): a a + 0, somit nach Def. (1) der Satz er - wiesen.
Beweis von 22×). Nach (2×) ist: 0 a · 0; nach 6×) aber auch a · 0 0, also nach (1) der Satz erwiesen.Beweis von 22+). Nach (2+) ist, gleichwie jedes Gebiet, so auch das a + 1 1. Dazu nach 6+) 1 a + 1, somit besteht die Gleichheit.

Für den Gebietekalkul ist die Gültigkeit der Sätze im Hinblick auf die Bedeutung von Produkt, Summe, 0 und 1 auch unmittelbar evident:

Was ein Gebiet der Mannigfaltig - keit mit der ganzen Mannigfaltig - keit gemein hat, ist ebendieses Ge - biet selbst.Dasjenige, wozu ein Gebiet von weiter nichts ergänzt wird, ist dies Gebiet selber.
Was ein Gebiet mit nichts gemein hat, ist nichts.Dasjenige, wozu ein Gebiet der Mannigfaltigkeit durch die ganze Mannigfaltigkeit ergänzt wird, ist offenbar ebendiese.

Anmerkung 1 zu den Theoremen 21) und 22).

Nach 21+) kann man jeden Ausdruck darstellen als eine Summe, deren eines Glied er selber, und dessen anderes Glied 0 ist. Auch einen Ausdruck, der gar nicht in Form einer Summe erscheint, ein beliebiges Symbol, kann man hienach jederzeit als eine Summe gelten lassen, dafür ausgeben, als eine solche behandeln, ansehen, betrachten. Insofern man aber den Summand 0 nicht ausdrücklich zu schreiben pflegt, nennt man in solchem Falle den Ausdruck, das Symbol, auch schlechtweg eine eingliedrige Summe, ein Monom . Dies gewährt den erheblichen Vorteil, dass man nun Regeln, die sich auf die Verknüpfung von Summen ebenso beziehen, wie auf diejenige von andern Symbolen (die keine Summen sind) einheitlich zusammenzufassen, für beide Fälle auf einmal darzustellen vermag, worauf wir gelegentlich bereits hin - wiesen.

Nach 21×) kann man ebenso jedes Symbol als ein Produkt hin - stellen, dessen andrer Faktor 1 wäre, und da man letztern nicht zu schreiben pflegt, dasselbe als ein einfaktoriges Produkt bezeichnen.

Zusatz zu ebendiesen Theoremen 21, 22).

Kommen in einem Ausdruck die Symbole 0 und 1 irgendwieoft als multiplikative oder additive Operationsglieder vor, verknüpft mit irgendwelchen andern durch Buchstaben dargestellten Gebiets - oder Klassensymbolen, so wird allemal eine Vereinfachung des Ausdruckes273§ 11. Gemischte Gesetze.nach den Schemata 21) und 22) möglich und angezeigt erscheinen, und zwar ist leicht einzusehen, dass sich der vorausgesetzte Umstand des Vorkommens von 0 oder 1 durch das fortgesetzte und nötigen - falls wechselnde Spiel der Berücksichtigung des jeweils einschlägigen von diesen Schemata immer gänzlich beseitigen lässt, mit einziger Ausnahme des Falles, wo der ganze Ausdruck nach seiner Reduktion schliesslich selbst den Wert 0 oder 1 annimmt (d. h. sich herausstellt, dass er eben diesen Wert besitzen muss).

Es wird nämlich jede als Summand auftretende Null, sowie jede als Faktor auftretende 1 ohne weiteres zu unterdrücken sein. Wo dagegen die 0 als Faktor erscheint, tilge man das ganze Produkt, in welchem sie Faktor ist. Wofern nämlich dieses Produkt nicht etwa selbst der ganze Ausdruck ist (welcher dann vielmehr in 0 zu ver - wandeln wäre), muss es nämlich Summand sein; denn wenn es Faktor wäre, hätte man nicht das ganze Produkt genommen gehabt. Ebenso wo 1 als Summand auftritt, tilge man alle übrigen mit ihm verbundenen Summanden. Darnach muss diese 1 Faktor geworden sein, wofern sie nicht der resultirende Wert des Ausdrucks selbst ist, denn wenn sie abermals Summand wäre, hätte man ja die übrigen Summanden noch nicht vollständig getilgt gehabt.

In solcher Weise reduzirt kann ein aus Gebietsymbolen mittelst Addi - tion und Multiplikation aufgebauter Ausdruck, sofern er nicht selbst in den Endwert 0 oder aber 1 sich zusammenzieht, die Symbole 0 und 1 nicht (weiter) enthalten.

Exempel. (a + b + c) (a + b + d) (a + c + d) · 0 · (1 + b + c + d) = 0, {a (b + c) + d (a + c)} (a b + c d) (b f + g h) + (1 + a c) (1 + g h) + (a + b) · 0 · (c + d) + a d + b c d = 1, a + 0 + (a + 1) (1 + 1) c (0 + 1) (1 + d) + 1 · {a (b c + d + 1) · 1 · d · 0 + e · 1} (1 + f + g + 0) = a + c + e.

So wichtig die vier Sätze 21) und 22) für den Kalkul mit Klassen sich erweisen werden, so wenig Wert scheint es zu haben, dieselben in der Wortsprache für solche in Anspruch zu nehmen.

Mit Widerstreben fast bequeme ich mich zu dem Versuche, der mehr nur als eine Übung für den Leser in der verbalen Einkleidung von Formeln sich rechtfertigen dürfte.

21×) Was schwarz und zugleich irgend etwas ist, das ist schwarz, und vice versā.21+) Was schwarz oder nichts ist, ist schwarz (und umgekehrt). Es wird sich freilich entgegnen lassen: es könne auch nichts sein. Dieses hebt aber unser Urteil keineswegs auf, da wir übereingekommen sind, unter den schwarzen Dingen auch das Nichts mitzubegreifen.
22×) Was schwarz und zugleich nichts ist, muss nichts sein dies wird allgemein zugegeben werden. Aber auch umgekehrt: Nichts ist nichts und zugleich schwarz so wenig -
stens in gegenwärtiger Disziplin, in welcher wir übereingekommen sind, das Nichts in jeder Klasse, so auch in derjenigen der schwarzen Dinge mitenthalten zu denken.22+) Was schwarz oder irgend et - was ist, muss eben nur irgendetwas sein, und umgekehrt: Alles ist schwarz oder (sonst) irgend etwas.

Das Wort nichts könnte in vorstehenden Sätzen auch teilweise oder durchweg durch ein rundes Quadrat z. B. ersetzt werden.

Wir sehen, dass für die Sprache des gemeinen Lebens höchstens wol die Theoreme 22×) und 21+) beanstandet werden können, aber nur diese durchaus nicht 22+). Jene sind dort in der That cum grano salis zu nehmen.

Dem Mathematiker dagegen, der seine bei den Zahlen erworbenen Gewohnheiten in den identischen Kalkul unbesonnen herübernähme, müsste das Theorem 22+) allein anstössig erscheinen. Die drei andern von den in Rede stehenden Theoremen konstatiren ja Formeln, die auch in der Arith - metik allgemeine Geltung haben.

Und der Umstand, dass die identische 0 die (beiden) Grundeigenschaften a · 0 = 0 und a + 0 = a mit der arithmetischen gemein hat, rechtfertigt es zweifellos, dass wir der Arithmetik das Zahlzeichen 0 behufs Darstellung unsres Nullgebietes, des absoluten Nichts , entlehnten.

Dagegen vereinigt die identische 1 in sich die Grundeigenschaft der arithmetischen 1, dass a · 1 = a ist, mit einer solchen der absoluten Un - endlich , gemäss welcher in der Mathematik a + = gilt.

In rein formaler Hinsicht würde darnach ein aus 1 und zusammen - gesetztes Zeichen, wie etwa:

[figure]

wol als das geeignetste erscheinen, um Dasjenige vorzustellen, was ich hier die identischen Eins nenne.

Will man aber statt eines besondern Zeichens (wie Jevons ' Uni - verse U, R. Grassmann's Totalität T) der Einfachheit wegen eines der beiden Zeichen 1 und selbst hiezu verwenden, so gibt die formale Hin - sicht keinen Ausschlag, welches von den beiden etwa vorzuziehen wäre.

Nun haben Boole und Andere stets, auch Herr Peirce früher, nur das Zeichen 1 benutzt. Neuerdings jedoch hat sich letzterer5 samt seiner Schule sekundirt durch Wundt1 für das Zeichen entschieden, sodass den Genannten also a · = a gilt!

In sachlicher Hinsicht mag hiebei wol die Überlegung ausschlaggebend gewesen sein, dass das fragliche Zeichen die ganze Mannigfaltigkeit, auf deren Gebiete die Untersuchungen spielen, vorzustellen hat, und diese häufig eine unendliche ist, nämlich, wenn sie auch nicht immer ein unbegrenztes oder unendlich grosses Gebiet vorstellt, doch wenigstens unbegrenzt viele Elemente enthält. So enthält ja in der That die durchaus endliche und vollkommen begrenzte Fläche der Schultafel (z. B.) gleichwol unendlich viele Punkte.

Demungeachtet muss ich jenen Übertritt*)Als eine Wirkung dieser Schwenkung citire ich einen Herrn Peirce zu - geschriebenen passus aus der verdienstlichen Abhandlung von Miss Ladd (Fran für einen Rückschritt halten275§ 11. Gemischte Gesetze.und scheint mir für den identischen Kalkul mit Gebieten und Klassen sowol als mit Aussagen die 1 unbedingt den Vorzug vor der zu verdienen aus folgenden Gründen:

α) Während die Gleichung a · 1 = a für die Arithmetik eine funda - mentale ist, spielt die Gleichung a + = daselbst gar keine Rolle. Grund: die absolute ist gar keine Zahl, sondern wird nur zeitweilig zum Zahlengebiet herangezogen um in der That den Mangel, das Nicht - vorhandensein eines Zahlenwertes zu verdecken. Manche Leser dürften deshalb schon Anstoss daran genommen haben, dass ich überhaupt von einer Unendlich gesprochen. Die spielt in der Mathematik nur die Rolle eines Lückenbüssers (S. 240).

β) In den Anwendungen auf Wahrscheinlichkeitsrechnung (cf. DeMorgan Boole, Peirce, Mac-Farlane, Mc Coll) entspricht die identische Eins immer dem bekannten Symbol, 1, der Gewissheit.

γ) In der Anwendung auf jede endliche Mannigfaltigkeit, d. i. auf eine solche, welche nur eine begrenzte Menge von Individuen, Elementen um - fasst (Exempel: Feldergebiet eines Bogens karrirten Papiers) muss Denen, die sich aus dem angeführten Grunde für das Symbol entschieden haben, dieses ganz ebenso unpassend erscheinen, wie ihnen für eine unendliche Mannigfaltigkeit das Symbol 1 erschien.

δ) Zudem dürfte es sich aber auch empfehlen, das Symbol reser - virt zu behalten für andere Zwecke: nämlich als Symbol des Widerspruchs, der Unverträglichkeit. Schon im identischen Kalkul doch ist dies hier von geringem Belange müsste man damit eigentlich die Ausdrücke 〈…〉 = 0 1 [vergl. § 23, σ)] darstellen. In gewissen andern Disziplinen indess, die mit dem identischen Kalkul nur verwandt sind, nicht zusammen - fallen, ist es von hohem Werte, das Symbol zu dem angedeuteten Zwecke verfügbar zu haben. Speziell z. B. um die Unverträglichkeit ge - wisser Funktionalgleichungen, Algorithmen miteinander in Formeln zu setzen bedürfen wir dieses Zeichens, als des am augemessensten erscheinenden (vergl. Anhang 5, Beleg 7). Im Grunde würde so der Gebrauch von , statt 1, legitim eingeschränkt auf den Fall, wo die Elemente (und also auch die Gebiete) der ganzen Mannigfaltigkeit nicht alle verträglich sind miteinander.

Dieser Fall aber ordnet sich nicht dem identischen Kalkul unter, sondern gibt mit Veranlassung zur Begründung eines neuen Kalkuls, des eigent - lich logischen oder Kalkuls mit Gruppen , in Bezug auf den wir sehen werden, dass er von einer gewissen Stelle an sich vom identischen abzweigt vergl. § 12 und Anhang 4, 5 und 6.

*)Franklin) vergl. Studies in logic, p. 19 : In any proposition of formal logic, represents what is logically possible; in a material proposition it re - presents what exists. Damit scheint mir doch lucus a non lucendo der Charakter des Symbols 〈…〉 auf den Kopf gestellt zu werden!

18*276Fünfte Vorlesung.

Der Anfänger kann hier noch nicht in der Lage sein, die unter δ) rubrizirten Bemerkungen ganz zu verstehen, mithin die angeführten Gründe voll zu würdigen. Anders Derjenige, der schon das Buch durchgearbeitet haben wird. Für diesen müssen wir der Vollständigkeit wegen noch eines bemerken:

Im Aussagenkalkul werden ja auch Aussagen in Rechnung gezogen, die gemeinhin zu reden miteinander unverträglich sind, die mit ihrem Sinne einander widersprechen . Es scheint demnach kraft des von mir unter δ) Gesagten das Verfahren des Herrn Peirce, die ganze Mannig - faltigkeit der Aussagen mit zu bezeichnen, auf den ersten Blick gerade gerechtfertigt zu sein. Und doch bestreite ich eben letzteres! Und dies mein Grund: Der Aussagenkalkul wird wesentlich ganz in Überein - stimmung mit Peirce von uns so angelegt werden, dass man die Aus - sagen (teilweise absehend von deren Sinne) jeweils in Gebiete umschreibt: in Gebiete von Zeitpunkten. Von einer Unverträglichkeit der letzteren miteinander (und in diesem Sinne also auch der zugehörigen Aussagen) kann dann so wenig die Rede sein, wie von einer Unverträglichkeit, einem Widerspruch zwischen den Punkten einer geraden Linie .

In der That wird dieser Aussagenkalkul auch nur ein Unterfall sein des identischen Kalkuls mit Gebieten einer Mannigfaltigkeit von unter sich verträglichen Elementen.

Ein Beispiel dagegen des logischen Kalkuls, der einen wesentlich andern Anblick darbieten wird, liefert erstmals der logische Kalkul mit Funktionalgleichungen, Algorithmen und Kalkuln, auf den wir in Anhang 4 und 5 eingehen.

Aus diesen Gründen sei die Beibehaltung der (Boole'schen) 1 empfohlen und hier bethätigt.

23×) Theorem. Stets ist:23+) Theorem. Stets ist:
a (a + b) = a.a + a b = a.
Beweis 1. Nach I ist a a, zugleich nach 6+): a a + b. Aus diesen beiden Subsumtionen folgt nach Def. (3×) ':Beweis 1. Nach I ist a a, zugleich nach 6×): a b a, woraus nach Def. (3+) 'folgt:
a a (a + b).a + a b a.
Umgekehrt ist aber auch nach 6×):Dazu ist nach 6+) direkt:
a (a + b) a.a a + a b.

Hiemit ist denn nach Def. (1) die Gleichheit erwiesen.

Beweis 2. Nach 6) ist: a b a a + b und die erste dieser beiden Subsumtionen lässt sich nach dem einen Teil des Th. 20) um - schreiben in die Gleichung 23+), die zweite Subsumtion, nach dem andern Teil von 20), in die Gleichung 23×).

277§ 11. Gemischte Gesetze.

Von den beiden Theoremen 23) ist aus einem erst unter 28) darzulegenden Grunde das zweite 23+) von der grösseren Wichtig - keit. Es genügt, von beiden nur dieses für den Gebrauch beim Rechnen sich einzuprägen, weshalb wir dasselbe auch allein in Worte kleiden wollen: Solche Glieder einer Summe, welche ein anderes Glied derselben zum Faktor haben, können jeweils unterdrückt, gestrichen, weg - gelassen werden, sie gehen in dem letzteren ein, werden von ihm ge - wissermassen verschluckt, einverleibt oder absorbirt weshalb man das Th. 23+) auch als das Absorptionsgesetz des identischen Kalkuls bezeichnen kann. Umgekehrt kann man natürlich auch ein beliebiges (Gebiets - oder Klassen -) Symbol um das Produkt desselben in irgend welche andere Symbole auf Wunsch additiv vermehren, ohne dass dies von Ein - fluss auf die Bedeutung des Ausdrucks wäre, in welchem jenes Symbol vorkommt.

Für irgend zwei Gebiete a, b ist die Gültigkeit der Theoreme 23) auch unmittelbar anschaulich.

Exempel für Klassen: Die Adeligen, welche adelig oder auch besitzend sind, müssen eben die Adeligen sein. Die Adeligen und die besitzenden Adeligen sind einfach die Adeligen.

Der Ausdruck: Pferde oder auch Rappen (schwarze Pferde) sagt weiter nichts, als der kürzere Ausdruck: Pferde .

Freilich, wenn jemand erzählte, es seien (bei einer gedachten Gelegen - heit) Pferde und Rappen zu sehen gewesen, so würde er mehr sagen, als wenn er blos erzählte, es seien Pferde zu sehen gewesen; es wäre näm - lich im erstern Falle positiv behauptet, dass unter den Pferden auch (einige) Rappen bemerkbar gewesen seien, während im zweiten Falle hier - über nichts ausgesagt, also das Gegenteil auch als möglich offen gelassen ist. Wie ein solcher Ausspruch in der logischen Zeichensprache darzu - stellen wäre, würde sich erst nach dem Eingehen auf die partikularen und Existenzial-Urteile angeben lassen, dann aber dem Studirenden auch keine Schwierigkeit mehr bereiten.

Aufgaben. Den Ausdruck zu vereinfachen: a b c (b + c) + (c d + a + d e f) a Resultat: a.

Desgleichen die Ausdrücke: a b (a + b), a + b + a b, a b c (a + b + c), a + b + c + a b + a c + b c + a b c.

Endergebnisse bezüglich: a b, a + b, a b c, a + b + c.

24×) Theorem. Wenn24+) Theorem. Wenn
1 = a ba + b = 0
ist, so muss auch sein:ist, so muss auch sein:
1 = a und 1 = b.a = 0 und b = 0.
278Fünfte Vorlesung.
Ein Produkt kann nicht anders gleich 1 werden, als indem jeder Faktor desselben gleich 1 wird.Eine Summe kann nur dann ver - schwinden, wenn ihre Glieder sämt - lich gleich 0 werden.
Beweis 1. Laut Voraussetzung ist nach Def. (1):Beweis 1. Laut Voraussetzung ist nach Def. (1):
1 a b,a + b 0.
und da nach Th. 6×)Aber nach Th. 6+) ist
a b aa a + b,
ist, so folgt nach II auch:folglich nach II:
1 a,a 0,
somit nach Th. 5+):nach Th. 5×) also
1 = a.a = 0.
Analog beweist man auch, dass 1 = b ist; zudem folgt dies nach 21×) als Rückstand aus der Voraus - setzung, nachdem schon a = 1 be - wiesen ist.Analog beweist man auch, dass b = 0 ist; desgl. folgt dies nach 21+) als Rückstand aus der Voraus - setzung, nachdem bereits a = 0 be - wiesen ist.

Beweis 2. Nach Def. (3×) resp. (3+) sagt die Subsumtion

1 a ba + b 0

ganz das nämliche aus, wie die beiden Subsumtionen:

1 a nebst 1 ba 0 nebst b 0

zusammen, und nach Th. 5×) resp. 5+) sind diese Subsumtionen alle drei je für sich äquivalent den entsprechenden Gleichungen in unserm zu beweisenden Satze.

Beweis 3. Beiderseitige Addi - tion von a zu der Voraussetzung nach 15+) gibt wegen 22+):Beweis 3. Multiplikation der Voraussetzung beiderseits mit a gemäss 15×) gibt wegen 22×):
1 = a b + aa (a + b) = 0,
also nach 23+):also nach 23×):
1 = a,a = 0,
etc.etc.

Anmerkung. Nach Th. 5) hätten auch die Gleichheitszeichen in der Voraussetzung unseres Satzes (desgleichen überall in demselben) durch das Subsumtionszeichen ersetzt werden können.

Mit Beweis 1 konnte das Theorem schon viel früher aufgeführt279§ 11. Gemischte Gesetze.werden, dicht hinter Th. 6), wenn man will; mit Beweis 2 sogar noch vor dem letztern.

Zusätze. Da aus den zwei letzten (den behaupteten) Gleichungen des Satzes auch umgekehrt die erste (die vorausgesetzte) nach 18) und 21) folgt, so kann man sagen, dass diese eine Gleichung äqui - valent ist dem System der beiden andern, simultan als gültig hin - gestellten. Insbesondre also sagt rechterhand die eine Gleichung a + b = 0 genau dasselbe aus, wie die beiden Gleichungen a = 0 und b = 0 zusammen genommen; denn aus jener folgen diese beiden, und aus diesen beiden folgt umgekehrt auch jene. Aus einem bald näher darzulegenden Grunde besitzt dieser Satz wiederum grössere Wichtigkeit als sein duales Gegenstück.

Wir haben auch in der Arithmetik Analoga zu dem erwähnten Satze. So ist, wenn a und b reelle Zahlen bedeuten und i die imaginäre Einheit vorstellt, bekanntlich die Gleichung a + i b = 0 äquivalent dem Gleichungen - paare: a = 0, b = 0. Desgleichen können diese letzteren beiden in die eine Gleichung a2 + b2 = 0 zusammengezogen werden, indem im reellen Zahlengebiet auch eine Summe von Quadraten nicht anders verschwinden kann, als indem ihre Terme (somit auch die Grundzahlen dieser Quadrate selbst) sämtlich verschwinden. Die Geltung des Th. 24+) weist darauf hin, dass es im identischen Kalkul nichts geben wird, was den negativen Zahlen der Arithmetik analog wäre. Namentlich kann es hier keine Gebiete geben, die als Summanden oder Addenden zu einmal gesetzten Gebieten hinzugefügt, diese wieder aufhöben. Es würden solche Gebiete sich hier auch nicht fingiren lassen, ohne dass die fundamentalen Gesetze des Kal - kuls umgestossen werden müssten. Gleichwol verfügt auch der identische Kalkul über die Mittel, eine Ausschliessung, Ausnahme oder Exception vor - zunehmen, worüber die einschlägigen Betrachtungen in § 23 zu vergleichen sein werden.

Die Ausdehnung der Sätze 24) von zweien auf beliebig viele Operationsglieder und Gleichungen ist leicht zu bewerkstelligen und naheliegend.

So wird z. B. die Gleichung a + b + c = 0 das nämliche aussagen, wie die drei Gleichungen a = 0, b = 0, c = 0 zusammen. Denn man kann die dreigliedrige Summe a + b + c zunächst darstellen als eine zweigliedrige: (a + b) + c. Die Anwendung des für Binome bewiesenen Th. 24+) auf die Gleichung (a + b) + c = 0 zerfällt diese zunächst in die beiden Gleichungen a + b = 0 nebst c = 0, und die erstere von diesen wird durch abermalige Anwendung des Th. 24+) noch in a = 0 nebst b = 0 gespalten. Und so weiter.

Eine beliebige Menge von Gleichungen, deren eine Seite 0 (resp. 1) ist, lässt sich demnach stets in eine einzige solche Gleichung zusammen - ziehen und durch diese ausreichend vertreten.

280Fünfte Vorlesung.

Exempel für Klassen.

Wenn die Aussage wahr ist: Alles der Wirklichkeit 1 Agehörige ist ein Räumliches a (d. i. irgendwo vorhanden sei es gewesen, sei es gegen - wärtig existirend oder künftig in's Dasein tretend) und ein Zeitliches b (irgendwann vorhanden) , so gelten auch die beiden Aussagen: Alles Wirk - liche ist als ein Räumliches irgendwo vorhanden (sc. gewesen, existirend oder künftig) und: Alles Wirkliche ist als ein Zeitliches irgendwann vor - handen . Und umgekehrt ziehen diese beiden letzteren Sätze den vorher - gehenden nach sich.

Der Satz: Es gibt keine Drachen, Hexen und Gespenster sagt das - selbe, wie die drei Sätze: Es gibt keine Drachen . Es gibt keine Hexen . Es gibt keine Gespenster .

25) Die beweisbare Subsumtion des Distributionsgesetzes. Es ist allgemein:

25×) Theorem.25+) Theorem.
a b + a c a (b + c).a + b c (a + b) (a + c).

Ich gebe für diese Sätze zwei ganz verschiedene Beweise.

Beweis 1. Nach 6+) ist:Beweis 1. Nach 6×) ist:
b b + c und c b + cb c b und b c c
somit nach 15×):somit nach 15+):
a b a (b + c), a c a (b + c). a + b c a + b, a + b c a + c,
Hieraus aber folgt nach Def. (3+) der zu beweisende Satz.und hieraus folgt nach Def. (3×) die zu beweisende Subsumtion.
Beweis 2. Nach 6×) ist:Beweis 2. Nach 6+) ist:
a b a und a c a,a a + b und a a + c,
woraus nach Def. (3+):woraus nach Def. (3×):
a b + a c a.a (a + b) (a + c).
Analog ist:Analog ist:
a b b und a c cb a + b, c a + c
sonach gemäss 18+):somit nach 18×):
a b + a c b + cb c (a + b) (a + c)
Aus dem vorigen Ergebniss in Verbindung mit diesem fliesst nach Def. (3×) die behauptete Subsumtion.Aus den gewonnenen beiden Re - sultaten fliesst nach Def. (3+) der zu beweisende Satz.

Zusätze. Wieder gestattet uns das Kommutationsgesetz, in den bewiesenen Formeln sowol Faktoren als Glieder beliebig umzustellen, und dadurch denselben noch andere Gestalten zu geben. Namentlich sei hervorgehoben, dass auch:281§ 11. Gemischte Gesetze.

b a + c a (b + c) ab c + a (b + a) (c + a)

fortan gelten muss.

Die Ausdehnung der Sätze auf die identische Addition beliebig vieler Terme mit gemeinsamem Faktor, resp. Addition eines Terms zu einem Produkt von beliebig vielen Faktoren, ist naheligend, und leicht zu beweisen. So haben wir auch:

a b + a c + a d a (b + c + d)a + b c d (a + b) (a + c) (a + d),

und so weiter.

Die Rechtfertigung der oben den Theoremen 25) gegebenen Über - schrift, und die Exemplifikation dieser Sätze durch Klassen, verschieben wir auf die nächste Vorlesung. Desgleichen verzichten wir darauf, die Sätze schon in Worten zu formuliren, aus Gründen, die daselbst zu - tage treten werden.

[282]

Sechste Vorlesung.

§ 12. Nichtbeweisbarkeit der zweiten Subsumtion des Distributions - gesetzes und Unentbehrlichkeit eines weiteren Prinzipes. Prinzip zur Vertretung des unbeweisbaren Satzes.

Setzen wir einen Augenblick den Fall, es würden sich auch die beiden folgenden Formeln beweisen lassen, die ich zwar noch nicht als Theoreme bezeichnen aber (vorgreifend) mit den jetzt fälligen Chiffren numeriren will:

26×) a (b + c) a b + a c26+) (a + b) (a + c) a + b c,

so würden im Hinblick auf Th. 25) nach Def. (1) auch die Gleichungen gelten müssen:

27×) a (b + c) = a b + a c27+) a + b c = (a + b) (a + c),

deren erste mit dem Distributionsgesetze der Arithmetik zusammen - fällt. Und umgekehrt: wenn die Formeln 27) als Gleichungen gelten, so sind nicht nur die Subsumtionen 25) sondern auch die 26) kraft Def. (1) als allgemeine Formel wahr.

Auch diese Formeln 26) und 27) wären wieder von zweien leicht auf mehr als zwei Operationsglieder auszudehnen, und hätte man bei 27), z. B. linkerhand, für drei Operationsglieder: a (b + c + d) = a b + a c + a d und so weiter. Der Beweis wäre zu führen, indem man die dreiglie - drige Summe b + c + d zunächst als eine zweigliedrige (b + c) + d kraft 13+) darstellte und dann zweimal nacheinander, zuerst auf diese bino - mische Summe selber, sodann auf ihren ersten Term b + c, das Schema 27×) anwendete. Man hat also zu schliessen: a (b + c + d) = a {(b + c) + d} = a (b + c) + a d = (a b + a c) + a d = = a b + a c + a d. Um darnach für eine viergliedrige Summe b + c + d + e den Satz zu beweisen, hätte man auch diese wieder als eine binomische darzustellen, z. B. in Gestalt von (b + c + d) + e. Etc.

Auf ihre Gültigkeit die sich bald offenbaren wird wollen wir die Formeln 27) erst nachher prüfen und uns zunächst damit be -283§ 12. Nichtbeweisbarkeit der 2. Subsumtion des Distributionsgesetzes.schäftigen, dieselben in Worte zu kleiden, so, wie man behufs ihrer Anwendung im identischen Kalkul gut thut, sie sich einzuprägen.

Jede als eine allgemeine Formel geltende Gleichung des Kalkuls lässt sich in zweierlei Weise, nämlich im Sinne von links nach rechts, sowie im entgegengesetzten Sinne, anwenden, und liefert, zum Zwecke dieser Anwendungen in Worte gefasst, demgemäss auch zwei Sätze: den einen (wie wir sagen können) vorwärts gelesen, den andern indem sie rückwärts gelesen wird. Die Formel drückt nämlich [im Hinblick auf den Zusatz zu Th. 2), 3), auf Zus. 2 zu Th. 19) und später noch dessen Verallgemeinerung Zus. 2 zu Th. 32)] die Erlaubniss aus, ge - legentlich die eine Seite der Gleichung durch die andere zu ersetzen, also entweder die linke Seite derselben durch die rechte, oder, falls es beliebt, umgekehrt den Ausdruck zur rechten durch den zur linken Hand befindlichen.

Von links nach rechts gelesen lehrt die Gleichung 27×) oder, was auf dasselbe hinauskommt, die Gleichung: (b + c) a = b a + c a, dass eine Summe mit einem Symbol multiplizirt werden kann, indem man jedes Glied der Summe mit ihm multiplizirt und die Ergebnisse (Einzelprodukte, Partialprodukte ) addirt (summirt). Kürzer gesagt: die Multiplikation einer Summe kann gliedweise an dieser ausgeführt werden.

Ein Faktor, mit welchem eine Summe behaftet erscheint, verteilt sich darnach auf die Glieder der Summe so jedoch, dass jedes Glied den ganzen Faktor bekommt. Und unter diesem Gesichtspunkt er - scheint die Bezeichnung des Satzes 27×) als Distributionsgesetz ge - rechtfertigt. *)Dieselbe soll nach Hankel1 und Herrn Bruce Halstead wahrschein - lich von William Rowan Hamilton (im Cambridge & Dublin Mathematical Magazine) als erster Quelle herrühren. Von Servois1 stammen nur die Namen Kommutations und Assoziationsgesetz .

Freilich ist die Art der Verteilung eine eigentümliche, wie wir sie übrigens schon bei der distributiven Verwendung der Gemeinnamen in B der Einleitung kennen gelernt haben. Auf dem Gebiete der materiellen Welt dürfte solche Distribution oder distributive Verteilung, bei welcher jeder an ihr Teilnehmende, Partizipirende das zur Verteilung gelangende Objekt ganz und ungeteilt für sich erhält, ohne dass es darum doch den andern Partizipanten vorenthalten würde, kaum ein Analogon finden es sei denn (annähernd) etwa bei der Austeilung, dem Weitergeben von Feuer beispielsweise der Cigarre , von Fermenten, auch der Verbreitung von Ansteckungsstoffen. Wohl aber vollziehen sich distributive Verteilungen auf dem geistigen Gebiete: in Gestalt der wie die Sprache zu sagen vorzieht Mitteilung von Gedanken. Charakteristisch ist hiebei, dass Derjenige, der einen klugen Einfall z. B. Andern mitteilt, ihn dadurch selber284Sechste Vorlesung.nicht verliert, während doch ein Jeder des ganzen Einfalles oder Gedan - kens teilhaftig geworden, und auf diesem Umstand beruhen wesentlich die grossen Vorteile des sog. Gedankenaustausches (eventuell auch die Nach - teile, z. B. bei Verleumdung). Wenn in einer Gesellschaft von hundert Personen Jeder auch nur einen klugen Gedanken hat und ihn den Andern mitteilt, so geht ein Jeder mit hundert klugen Gedanken nach Hause*)Volkstümliches Argument des unvergesslichen Dr. Faucher, auf die An - wesenden bei der Gründung eines Arbeiterbildungsvereines exemplifizirend vor - gebracht.! Der Verteilungsprozess ist hierbei untrennbar verbunden mit einer Verviel - fältigung, mit einem wiederholten Inexistenztreten des Verteilungsobjektes. Eine Geldsumme z. B. lässt unter die Anwesenden in dieser Weise sich leider nicht verteilen.

Die Anwendung der Formel 27×) in dem ebenerwähnten Sinne heisst Ausmultipliziren; man sagt, dass man die Summe b + c + mit a ausmultiplizire , wenn man das Produkt (b + c + ) a in b a + c a + verwandelt.

Man sagt in der Arithmetik auch, das Produkt werde entwickelt , doch wird man auf diese Ausdrucksweise hier besser verzichten, weil wir dieselbe in § 20 in einem andern Sinne einzuführen haben. Der Eng - länder verfügt hier über das Wort expanded zum Unterschiede von de - velopped .

Soll a (b + c + d ) ausmultiplizirt werden, so geht man mit dem Faktor a in Gedanken in die Klammer hinein , und lässt ihn bei dem ersten Gliede auf welches man stösst gewissermassen hängen. Ohne aber dadurch seiner Begleitung verlustig zu gehen, wandert man mit ihm weiter, um ihn auch bei dem zweiten Gliede haften zu lassen, und so fort.

Die umgekehrte Anwendung der Formel, wobei man also eine Summe b a + c a + d a in das Produkt (b + c + d ) a zusammenzieht, heisst das Ausscheiden des gemeinsamen Faktors a. Rückwärts ge - lesen also liefert uns die Formel 27×) den Satz: Wenn die Glieder einer Summe einen gemeinsamen (genauer blos: übereinstimmenden) Faktor enthalten **)Soll heissen: als Operationsglied enthalten , keineswegs aber im Sinne einer Überordnung oder Supersumtion, statt welcher im Gegenteil bei den Glie - dern gegenüber dem Faktor eine Unterordnung, Subsumtion vorläge. Für ent - halten sage man darum unverfänglicher: haben , besitzen ., so kann man denselben ausscheiden , d. h. ihn neben eine Klammer setzen, in welche die Summe der andern Faktoren geschrieben wird.

Damit dies korrekt sei, muss indess jedes Glied der gedachten Summe als ein binäres , d. i. aus nur zwei Faktoren bestehendes, Pro - dukt angesehen werden, dessen einer Faktor der in allen Gliedern laut Voraussetzung übereinstimmend vorhandene oder gemeinsame Faktor285§ 12. Nichtbeweisbarkeit der 2. Subsumtion des Distributionsgesetzes.ist. Bestand also ein Glied aus vielen Faktoren, so wird in ihm, nach Abtrennung des gemeinsamen erst das Produkt der übrigen Fakto - ren den andern Faktor vorstellen, von welchem in obiger Erklärung die Rede war (durchaus nicht dürfte die Summe von dessen Teilfak - toren gebildet werden).

Wie an dem Beispiel der Formel 27×) zu sehen ist, können die beiden Sätze, welche eine Formel vor - und rückwärts gelesen liefert, gänzlich verschieden klingen. Dies wird sich sogar als die Regel er - weisen. Gleichlauten, m. a. W. in einen Satz zusammenfallen, müssen die beiden nur dann, wenn die Formel symmetrisch ist, d. h. die eine Seite der Gleichung durch blosse Buchstabenvertauschung in die an - dere übergeführt werden kann, was dann nebenbei gesagt (durch die entgegengesetzte Vertauschung) auch immer umgekehrt der Fall sein muss. Es war dies unter den bisherigen Formeln oder Theoremen nur bei den Kommutationsgesetzen 12) der Fall.

Die Formel 27×) werden wir das duale Gegenstück des Distribu - tionsgesetzes nennen. *)In 2 glaubte ich, dieselbe entdeckt zu haben; jedoch war mir Herr Peirce in 1a zuvor gekommen.Dass sie dies wirklich ist, nämlich durch blosse Vertauschung von plus und mal aus dem (eigentlichen) Distribu - tionsgesetze hervorgeht, erkennt man deutlichst, wenn man in beiden Formeln die unterdrückten Malzeichen nebst den gesparten, mental zu ergänzen gewesenen Klammern ausdrücklich anschreibt:

27×) a · (b + c) = (a · b) + (a · c)27+) a + (b · c) = (a + b) · (a + c).

Auch die Formel 27+) ist von distributivem Charakter; sie zeigt, dass ein Summand, welcher zu einem Produkte tritt, sich auf die Fak - toren des letzteren verteilt . Statt ein Symbol zu einem Produkt zu addiren, kann man es zu jedem Faktor desselben addiren und die Ergeb - nisse (Einzelsummen) miteinander multipliziren. Umgekehrt: Wenn die Faktoren eines Produktes einen übereinstimmenden Term (Summanden) enthalten, so lässt sich das Produkt reduziren auf diesen Term vermehrt um das Produkt der restirenden Terme in den als nur zweigliedrige oder binomische Summen anzusehenden Faktoren.

Von diesen beiden Sätzen ist wol der letztere für die Technik des identischen Kalkuls noch von einigem Werte. Wie sich zeigen wird, lässt aber die Anwendung des Th. 27+) sich überhaupt umgehen, und kann man schon mit dem Distributionsgesetze 27×) auskommen.

In der Arithmetik gilt die Formel 27+) nicht; hier stehen Multipli - kation und Addition nur in einseitig distributivem Zusammenhange: die286Sechste Vorlesung.Multiplikation verhält sich distributiv zur Addition, aber nicht umge - kehrt. Im identischen Kalkul dagegen stehen Addition und Multiplika - tion in gegenseitig distributivem Zusammenhange.

Da die Formel 27×) die beiden vorhergehenden Subsumtionen 26×) und 25×) ohnehin umfasst, so verlohnt es natürlich nicht, diese beiden, weniger besagenden Sätze einzeln in Worte zu kleiden und sich ge - sondert einzuprägen, sondern wird es vorzuziehen sein und hinreichen, dies nur mit dem inhaltreicheren Satze 27×) zu thun. Wir durften daher auf jenes verzichten, und begnügen wir uns, das letztere gethan zu haben.

Dass nun die Formeln 27) und damit auch die vorhergehen - den 26) in der That Geltung haben, lehrt für die bisher als an - schauliches Substrat benutzten Flächengebiete oder Klassen von Punkten der Ebene zunächst die Anschauung. Man überzeugt sich nämlich son - der Mühe, dass sowol die linke als die rechte Seite einer jeden Glei - chung 27) bezüglich denselben in der folgenden Figur schraffirten Teil der Gebiete a, b, c vorstellt:

Fig. 15×.
Fig. 15+.

Die Anschauung konnte auch benutzt werden um alle bisherigen Sätze des Gebietekalkuls unmittelbar als richtig zu erkennen. Doch wird man zugeben, dass dies kein Beweis derselben sein würde, unter welchem ja ihre (bewusste) Zurückführung auf die bisherigen Defini - tionen (1) bis (3) durch zwingende nach den Prinzipien (I und II) ausdrücklich erfolgende Schlüsse zu verstehen ist.

Sonach erscheinen auch die Sätze 27) bis jetzt noch als unbe - wiesen.

Die Unmöglichkeit, ihren Beweis auf der Grundlage des Bisherigen zu leisten, kann völlig ausser Zweifel gestellt werden auf eine Weise, die ich jetzt auseinandersetzen will.

Ein solcher negativer Beweis kann nur durch Exemplifikation geleistet werden.

Eine allgemeine Behauptung wird als in dieser Allgemeinheit ungültig erwiesen sein, sobald man auch nur ein einziges Beispiel nachweist, für287§ 12. Nichtbeweisbarkeit der 2. Subsumtion des Distributionsgesetzes.welches sie nicht zutrifft, und dieses für sie selbst oder eine ihrer Konse - quenzen zu thun, erscheint als der einzige Weg, ihre Ungültigkeit zu be - weisen. Im letztern Fall hat man dafür einen sog. apagogischen oder indirekten Beweis, die reductio ad absurdum wovon sich jene Exempli - fikation auch als ein spezieller Fall würde hinstellen lassen, in Anbetracht, dass die Geltung der Behauptung für das Beispiel ja eine Konsequenz ist ihrer allgemeinen Geltung.

Handelt es sich insbesondre um den Nachweis der Ungültigkeit einer Folgerung selbst, und zwar einer angeblichen Beweisführung für einen materiell richtigen Satz, so bleibt nur der Weg des unmittelbaren Exem - plifizirens offen und kommt folgendes in Betracht.

Dass ein Satz A aus einer Gruppe von Definitionen, Axiomen und Sätzen B nicht mit Notwendigkeit folgt, wird jedenfalls dann unzweifel - haft erwiesen sein, wenn es gelingt, ein Gebilde als wirklich oder denkmöglich nachzuweisen, welches die Definitionen, Axiome (und Sätze) der Gruppe B sämtlich bewahrheitet und gleichwol den Satz A nach - weislich nicht erfüllt kurz: wenn man zeigt, dass irgendwo die Sätze B ohne A geltend vorkommen. Dann in der That kann A von B nicht bedingt werden.

In unserm vorliegenden Falle brauchen wir den Beweis der Nicht - beweisbarkeit nur etwa für die Formel 26×) zu führen. Für die 26+) ergibt sich derselbe alsdann als ein selbständiger ganz ebenso dual entsprechend, oder auch als ein vom vorigen abhängiger in unmittel - barer Zurückführung auf diesen auf Grund einer am Anfange des nächsten Paragraphen folgenden Bemerkung.

Der Satz A wird so die Formel 26×), die Gruppe B aber den ganzen Inhalt der Paragraphen 4, 5, 6, 10, 11 vorstellen.

Es empfiehlt sich vielleicht, das Wesen dieser Schlüsse durch ein ein - facheres Beispiel zu illustriren. Ich wähle folgendes Sophisma (aus Keynes1):

  • B
    • Du bist nicht das, was ich bin.
    • Ich bin ein Mann,

folglich: A) bist du nicht ein Mann (kein Mann).

Sagt dies ein Mann zu irgend jemand, so sind die Prämissen B des ausgeführten Schlusses richtig. Sagt er es zu einer Frau, so ist auch die Konklusion, der Schlusssatz B materiell richtig, und dennoch ist der Schluss unberechtigt, formell falsch! Dies wird erkannt, wenn man es ihn zu einem Manne sagen lässt, wo dann eben die Konklusion auch materiell unrichtig sein wird.

Es kann auch in der Anwendung des Satzes auf eine Frau die Un - richtigkeit des Schlusses als solchen nachgewiesen werden, indem man das Wort Mann durchweg durch das Wort Mensch ersetzt. Würde eine vom Denkinhalte unabhängige Denknotwendigkeit von den Prämissen B zur Konklusion A hinüberführen, so müsste dies gleichermassen der Fall sein, durch welches andre nomen man auch irgend ein in der Schluss -288Sechste Vorlesung.folgerung auftretendes nomen ersetzte. Die Folgerung müsste nach einem allgemeingültigen Schema vor sich gehen.

Dieses ist hier, wie gezeigt, nicht der Fall, und der Schluss demnach ein Fehlschluss resp. Trugschluss , d. i. eben gar kein wirklicher Schluss . (Der vorgeschrittenere Leser wird später leicht diesen speziellen Trugschluss auch nach den Regeln der Logik zu analysiren vermögen; derselbe läuft hinaus auf eine Verwechselung von Gleichheits - und Subsumtionszeichen. )

Dergleichen negative Beweise, Beweise für die Unzulässigkeit einer gewissen Folgerung oder die Unmöglichkeit eines gewissen Beweises, sind gewöhnlich nicht ganz leicht zu geben. Dies wird auch in unserm Falle zu sehen sein.

Als an ein berühmtes Vorbild sei hier noch daran erinnert, wie durch die Arbeiten von Beltrami, Cayley und Felix Klein die Nichtbeweis - barkeit des 11ten (in englischen Ausgaben 12ten) Axioms des Euklides aus den übrigen Axiomen der Euklidischen Geometrie dargethan worden ist. Nennen wir jenes Parallelenaxiom kurz A, die Gruppe der übrigen Axiome B, so gelang es zu beweisen, dass A nicht aus B folgen kann, wesentlich dadurch, dass für die Worte: Raum , Abstand und kongruent durchweg substituirt wurden die Worte: Quasi-Raum , Quasi-Abstand und quasi-kongruent , den letzteren aber eine solche (anschauliche) Bedeutung untergelegt wurde, dass die Axiomgruppe B sich als durchaus erfüllt, der Satz A dagegen sich als nicht erfüllt nachweisen liess.

Es haben selbst Lehrer der Mathematik in ihren gegen diese Arbeiten oder wenigstens deren Ergebniss polemisirenden Schriften (zahlreiche an - dere aber durch thatsächliche Nichtanerkennung dieses Ergebnisses) so wenig Verständniss für den logischen Charakter der Frage an den Tag gelegt, dass Denjenigen, die den Wert der Logik überhaupt bemängeln, hier greifbar gezeigt werden könnte, wie viel Streit, beharrlicher Irrtum, Papier - und Zeitverschwendung durch eine bessere logische Schulung des Geistes sich vermeiden liesse!

Da nun im identischen Kalkul für unsre Gebiete der Satz A, wie wir durch Anschauung erkannten, doch materiell richtig ist, so wird sich die Unabhängigkeit des Satzes A von der Satzgruppe B nur darthun lassen, indem wir für gewisse Objekte, von denen hierin die Rede war, durchweg andere Objekte substituiren, m. a. W. den Symbolen, welche uns diese Objekte darstellten, eine neue Bedeutung unterlegen, die beiden Partieen von Sätzen in ihrer Anwendung auf ein weiteres Untersuchungsfeld studiren.

Ein solches Anwendungsfeld, in welchem die Gruppe B ohne den Satz A gilt, ist nun in der That der logische Kalkul mit Gruppen, z. B. von Funktionalgleichungen, Algorithmen oder Kalkuln , den ich in Anhang 4 und 5 (resp. in 6) mit allem Detail begründe. Ich weise um bei dem Aufbau der gegenwärtigen Theorie nicht zu einer übergrossen Abschweifung genötigt zu sein, unter diesen beson - dern Überschriften eingehend nach, dass hier wirklich B durchaus289§ 12. Nichtbeweisbarkeit der 2. Subsumtion des Distributionsgesetzes.zutrifft, während Beispiele sich darbieten werden, in welchen A keines - wegs zutrifft. Den Beispielen, sowie dem ganzen Kalkul wird ein her - vorragendes Interesse auch an sich zukommen.

Die Anwendbarkeit des identischen Kalkuls auf das in § 3, S. 160 mitaufgezählte Feld ζ) wird demnach keine durchgängige sein, vielmehr nur eine beschränkte, teilweise oder partielle; sie wird bei den Sätzen 26) aufhören.

In der systematischen Darstellung der Theorie, mit der wir im Zuge sind, werde ich also die behauptete Nichtbeweisbarkeit der Sub - sumtion 26×) nunmehr als erwiesen ansehen.

Dieselbe bildet insofern auch kein wesentliches Moment dieser Theorie, als der letzteren doch nur obliegt positiv fortzuschreiten, so gut sie es eben vermag. Das Fortschreiten gelingt ersichtlich auf die Weise, in der wir es ausführen werden, und auf die Herausforderung, es anders zu machen, die Subsumtionen 26) mittelst Beweises auf Grundlage des Bis - herigen zu Theoremen zu erheben, wird niemand sich melden können.

Wir stehen darnach einer merkwürdigen Thatsache gegenüber.

Nach der in § 8 erörterten sprachlichen Einkleidung von a + b und a · b, wenn a und b als Klassen aufgefasst werden, sind die For - meln 25×) und 26×) wie folgt in Worte zu fassen:

25×) a b + a c a (b + c). Alle a, die b sind, nebst allen a, die c sind, müssen solche a sein, die b oder auch c sind.

Exempel: Die Gebildeten, welche adelig, und die Gebildeten, welche wohlhabend sind (die adeligen Gebildeten und die wohlhabenden Ge - bildeten), sind Gebildete, welche adelig oder auch wohlhabend sind.

26×) a (b + c) a b + a c. Alle a, welche b oder auch c sind, müssen solche a sein, die b sind, oder auch solche a, die c sind.

Exempel: Die Gebildeten, welche adelig oder auch wohlhabend sind, sind adelige Gebildete oder auch wohlhabende Gebildete (sind Gebildete, welche adelig, oder auch Gebildete, welche wohlhabend sind).

Von diesen beiden gleich selbstverständlich klingenden Sätzen lässt der erstere sich syllogistisch beweisen, der letztere nicht.

Bei den älteren blos verbalen Behandlungen der logischen Disziplin ist wol sicherlich nie jemand darauf verfallen, jenen ersten Beweis zu liefern, und übersah man ebenso die Unmöglichkeit des zweiten.

In dem Nachweise und der Ausfüllung solcher Lücken gibt sich auch wol eine Überlegenheit der mathematischen Behandlungsweise kund.

Jene unberücksichtigt gebliebenen Sätze (ich denke fast: sie wer - den auch nirgends ausgesprochen worden sein) sind nichtsdestoweniger von der allerhäufigsten Anwendung (begreiflich zumeist unbewusster -Schröder, Algebra der Logik. 19290Sechste Vorlesung.weise) wie dies schon bei den Raisonnements des gewöhnlichen Lebens eine geringe Aufmerksamkeit lehrt.

Anstatt der beiden Subsumtionen 25+) und 26+) wollen wir schliesslich nur die Gleichung 27+), die sie in sich zusammenfasst, noch für Klassen formuliren: Was a oder b und zugleich a oder c ist, das sind die a, nebst den b welche c sind.

Exempel: Die Gebildeten und die wohlhabenden Adeligen sind gerade diejenigen Personen, welche gebildet oder wohlhabend und (zu - gleich) gebildet oder adelig sind.

Ich muss an dieser Stelle das Verhältniss des hier Vorgetragenen zu Herrn Ch. S. Peirce's Vorarbeiten kennzeichnen.

So weit der identische Kalkul als Buchstabenrechnung bis hier über - haupt zur Darstellung gekommen ist, erscheint sein Aufbau der Haupt - sache nach ganz in den §§ 4, 5, 10 und 11 enthalten. In formeller Hin - sicht ist für diese Entwickelung Herrn Peirce's grundlegende Arbeit5 im dritten Bande des American Journal of Mathematics maassgebend gewesen, und zwar nicht nur in Bezug auf den Plan im grossen und ganzen, son - dern auch bezüglich fast aller einzelnen Sätze und der Mehrzahl ihrer Be - weise. Die Sätze allerdings waren zum Teil schon von Boole, Jevons und Anderen gegeben.

Ein beträchtlicher Unterschied findet jedoch statt hinsichtlich der Inter - pretation der vorkommenden Symbole. Herr Peirce nämlich fasst die Buchstaben durchweg als Urteile auf, begründet also die Theoreme als solche des Aussagenkalkuls wogegen hier sie als solche des Gebiete - kalkuls entwickelt wurden. Durch das letztere Verfahren erhalten sie, wie in § 32 gezeigt werden wird, eine erheblich grössere Tragweite; sie werden ganz wesentlich verallgemeinert. In formeller Hinsicht indess ist die Verschiedenheit der Interpretation bei dem von Peirce eingehaltenen Gange zufällig fast ohne jeglichen Einfluss gewesen, und lag uns oft ein - fach ob, die Peirce'schen Betrachtungsweisen auf die Gebiete zu übertragen.

Fussend auf die allbekannten Prinzipien I und II und die Definitionen (1), (2) und (3), von welchen die letzteren namentlich ihm eigentümlich sind, gibt Herr Peirce eine streng analytische Herleitung der verschie - denen Theoreme des Kalkuls und zwar zunächst derjenigen sagen wir bejahenden Charakters , in welchen nämlich von Negationen nicht die Rede ist bis exclusive des Theorems 25).

Hier angelangt hält er indess bei den Distributionsgesetzen inne und werden diese [von uns mit 27) numerirten Formeln] von ihm (5 pag. 33) mit der Bemerkung abgefertigt, dass sie nach l. c. von ihm citirten For - meln leicht zu beweisen, der Beweis aber für die Mitteilung zu langwierig sei [They are easily proved by*)Hier Def. (3) und Th. 6). , but the proof is too tedious to give].

Dies war nun ein zu berichtigender Punkt.

Von den beiden Subsumtionen 25) und 26) aus denen als einfacheren Sätzen das volle Distributionsgesetz 27) sich zusammengesetzt erweist,291§ 12. Nichtbeweisbarkeit der 2. Subsumtion des Distributionsgesetzes.liess die eine 25) sich in der That leicht, aber gar nicht langwierig, auf dem angedeuteten Wege beweisen. (Von den zwei in § 11 von mir ge - gebnen Beweisen beansprucht der erste kaum mehr als eine Zeile an Druckraum.)

Für den andern Teilsatz 26) aber wollte es mir zunächst durchaus nicht gelingen, den fehlenden Beweis zu erbringen. Statt dessen glückte es mir vielmehr, die Unbeweisbarkeit des Satzes wie oben (in Verbin - dung mit den citirten Anhängen) auseinandergesetzt darzuthun, und eine dieserhalb mit Herrn Peirce geführte Korrespondenz lieferte die Auf - klärung, dass derselbe seines diesbezüglichen Irrtums ebenfalls schon inne geworden war vergl. hiezu die Fussnote auf p. 190 in dessen in - zwischen erfolgter Fortsetzung 8 seines citirten Aufsatzes, im siebten Bande des American Journal.

Wenn ich auch in dieser Berichtigung mit Herrn Peirce zusammen - traf, so glaube ich doch darin über ihn hinauszugehen, dass ich eben die Unerreichbarkeit des zuerst von ihm erreicht Geglaubten nachweise.

Interessant wird es nunmehr sein, zu sehen, in welcher Gestalt das von Peirce errichtete wissenschaftliche Gebäude nach jener Berichtigung weiterzuführen ist.

Durch jenen Beweis der Unbeweisbarkeit der Subsumtion 26) wird es offenbar gemacht, dass statt des einen eigentlich zweierlei Kalkuln existiren, derart, dass in dem einen beide, im andern nur der eine der beiden Teile des Distributionsgesetzes unbedingt statthat. Mit dieser Erkenntniss aber drängt sich die Notwendigkeit auf, die verschiedenen Kalkuln auch verschieden zu benennen. Es erschien mir angemessen, den ersten, bisher schlechtweg so genannten Logikkalkul seitdem als den identischen Kalkul zu bezeichnen im Gegensatz zu dem an - dern, dem Kalkul mit Gruppen vielleicht als dem eigentlich logischen , beide Kalkuln jedoch nach wie vor in das Gebiet der Al - gebra der Logik zu verweisen.

Bis zum Einschluss der Theoreme 25) fallen beide Kalkuln wie gesagt in einen zusammen, so weit decken sie sich. Erst bei den Subsumtionen 26) erfolgt die Trennung, indem auch diese und damit das volle Distributionsgesetz 27) im identischen Kalkul noch durchaus gelten werden, im logischen (dem Kalkul mit Gruppen ) nicht. So weit auch findet dieser Gruppenkalkul sich in anhang 4 und 6 ent - wickelt, und darüber hinaus ist eine Entwickelung ihm überhaupt noch nicht zuteil geworden, auch bleibt er wol naturgemäss zurück, da ihm so wichtige Gesetze des identischen Kalkuls abgehn. Wir beschäftigen uns hiernächst nur mit dem identischen Kalkul weiter.

19*292Sechste Vorlesung.

Um weiter zu fahren, müssen wir uns vor allem klar machen, dass die beiden Sätze 26×) und 26+) sich auf einander zurückführen lassen.

Gilt z. B. die Formel 26×) allgemein, so auch wie oben dargelegt das volle Distributionsgesetz 27×). Und durch des letztern wieder - holte Anwendung ist ihrerseits leicht zu beweisen die Multiplikations - regel für Polynome , welche in dem (uns zunächst genügenden) ein - fachsten Falle ausgedrückt wird durch die Formel: 28×) (a + b) (c + d) = a c + a d + b c + b d.

Beweis. Multiplizirt man erst nur die Summe a + b mit dem hinter ihr stehenden Faktor nach 27×) aus, so ergibt sich: (a + b) · (c + d) = a · (c + d) + b · (c + d) und wenn man in den beiden Termen rechterhand nunmehr auch die Summe c + d je mit dem vor ihr stehenden Faktor ausmultiplizirt, so entsteht: (a + b) (c + d) = (a c + a d) + (b c + b d), wo nun die Klammern rechterhand auch weggelassen werden dürfen [cf. Anhang 2] und der Satz sich bewiesen findet.

Meist wird die Formel 28×) im Sinne von links nach rechts an - gewendet, und verlohnt es nur zu diesem Zwecke sie sich in Worten einzuprägen (wobei wir wegen der späteren Ausdehnung des Satzes auf beliebig viele Glieder die Gliederzahl, die bis jetzt nur zwei sein dürfte, schon unerwähnt lassen wollen):

Zwei Polynome (mehrgliedrige Summen) können mit einander multipli - zirt werden, indem man jedes Glied des einen Polynoms mit jedem Glied des andern multiplizirt und die Einzelprodukte summirt (addirt).

Man nennt diesen Prozess das Ausmultipliziren der gedachten Polynome in der Arithmetik auch wol das Entwickeln ihres Pro - duktes; doch erscheint wieder letzteres aus später zutage tretenden Gründen hier weniger geeignet (vergl. den § 19 über die Entwicke - lung der Funktionen überhaupt.

Im umgekehrten Sinne, also von rechts nach links gelesen, zwecks der Zerfällung eines gegebenen Aggregates von (monomischen binä - ren) Produkten in polynomische Faktoren, wird in der Praxis mit Recht der einmaligen Anwendung der komplizirten Formel 28×) vor - gezogen die wiederholte Anwendung der einfacheren 27×) im Sinne des Ausscheidens gemeinsamer Faktoren, so wie sie im umgekehrten Sinne beim Beweis von 28×) bereits oben geleistet ist. Man wird hier eben den Ansatz machen: a c + a d + b c + b d = a (c + d) + b (c + d) = (a + b) (c + d).

293§ 12. Prinzip zur Vertretung des unbeweisbaren Satzes.

Bevor wir weiterfahren sei die Gleichung 28×) auch für Klassen noch durch ein Beispiel erläutert:

Die russischen oder europäischen Kapitalisten oder Kaufleute sind die russischen Kapitalisten nebst den russischen Kaufleuten und den europäi - schen Kapitalisten sowie den europäischen Kaufleuten.

Sobald wir nun uns auf 28×) berufen dürfen lässt sich die rechte Seite von 27+) durch Ausmultipliziren wie folgt zerlegen: (a + b) (a + c) = a a + a b + a c + b c, und dies gibt nach Th. 14×) = {(a + a b) + a c} + b c = {a + a c} + b c = a + b c, indem der erste Term a a oder a nach 23+) die beiden zunächst ihm folgenden successive absorbirt .

Hiermit aber wird dann die Gleichung 27+) und damit auch die kraft Def. (1) in ihr mitenthaltene Subsumtion 26+) bewiesen er - scheinen.

Dem bisherigen genau dual entsprechend würde vermittelst 26+) auch 26×) sich ableiten lassen. Daher nun musste auch 26+) notwendig unbe - weisbar sein, denn wenn für diese Subsumtion der Beweis gelänge, sc wäre damit auch für die 26×) ein Beweis geliefert, was erwiesenermassen unmöglich ist.

Keinesfalls werden wir also genötigt sein, die Sätze 26) alle beide als Prinzipien hinzustellen.

Versuche, einen von ihnen etwa nach Hinzufügung der Def. (6) der Negation mit ihrem zugehörigen Postulate zu beweisen, schlagen ebenfalls fehl.

Dagegen brauchen wir blos einen speziellen Fall des einen, z. B. von 26×) als Axiom oder Prinzip zu fordern, und zwar den folgenden.

Prinzip III×. Wenigstens, wenn [b c 0, somit auch] b c = 0 ist, gilt sicher: a (b + c) a b + a c.

Zusatz 1. Nach 25×) und Def. (1) gilt dann auch die Gleichung: a (b + c) = a b + a c vorerst unter der einschränkenden Voraussetzung, dass b c = 0 sei.

Zusatz 2. Von zweien ist der Satz leicht auf drei und mehr Glieder auszudehnen, vorerst unter der entsprechenden Voraussetzung, dass deren Produkte zu je zweien gleich 0 seien. So muss nament - lich sein: a (b + c + d) = a b + a c + a d,294Sechste Vorlesung.falls b c = 0, b d = 0, c d = 0. Dann ist nämlich (wegen b c = 0) nach Zusatz 1: (b + c) d = b d + c d = 0 + 0 = 0 cf. Th. 21+). Deshalb also abermals nach Zusatz 1 ist: a {(b + c) + d} = a (b + c) + a d und durch Einsetzung von a (b + c) = a b + a c rechterhand ergibt sich hieraus der zu beweisende Satz.

Ebenso beweist sich leicht das Schema 28×) sofern nur a b = 0 und c d = 0. Etc.

Anmerkung 1. Dem Prinzip III× würde ein Satz III+ dual ent - sprechen: dass (a + b) (a + c) a + b c wenigstens dann sein müsse, wenn b + c = 1 ist. Denselben dürfen wir aber nicht auch als ein Prinzip bezeichnen sondern müssen ihn ein Theorem nennen, weil er sich nun - mehr selbst ohne die angegebene beschränkende Voraussetzung, näm - lich verallgemeinert zu 26+) und 27+) auf Grund von III× beweisen lassen wird.

Indessen braucht auf dieses Theorem hier überhaupt nicht Bezug ge - nommen zu werden.

Anmerkung 2. Ein spezieller Fall des Prinzips III×, also ein noch speziellerer Fall der Subsumtion 26×) würde der folgende Satz sein: III×0. Es ist a (b + c) a b + a c, soferne wenigstens b c = 0 und b + c = 1 ist, wo dann auch a (b + c) = a b + a c unter denselben Bedingungen gelten würde × ein Satz, dem wir also weiter unten die kürzere Fassung a (b + b1) = a b + a b1 oder die noch kürzere: a = a b + a b1 würden geben können.

Mit diesem noch einfacheren Satze, selbst in Verbindung mit seinem dualen Gegenstücke, gelänge es aber (wie wir sehen werden) nicht, hier auszukommen.

Da von zwei einander dual entsprechenden Sätzen hier blos der eine III× zum Prinzip erhoben wurde, so werden unsre ferneren Be - weisführungen eine Weile notwendig unsymmetrisch: der Dualismus ist uns zur Zeit entschlüpft, wird jedoch in Bälde wieder ein - gefangen.

Den in Kenntniss zu nehmenden Sätzen werden wir bis dahin auch nicht in der Lage sein, die ihnen dual entsprechenden immer sogleich gegenüberzustellen.

Über die anscheinende Unmöglichkeit, statt einseitig, hier doch symmetrisch vorzugehen, nämlich an Stelle von III× einen sich selbst295§ 12. Prinzip zur Vertretung des unbeweisbaren Satzes.dual entsprechenden Satz zum dritten Prinzip zu erwählen, muss ich mir weitere Bemerkungen noch vorbehalten (S. 310 sq.).

Einstweilen garantirt uns unser Prinzip III× die Erlaubniss, eine Summe wenigstens dann nach dem Distributionsgesetze auszumultipliziren, wenn ihre Glieder unter sich disjunkt sind (d. h. zu je zweien multi - plizirt ein Produkt 0 geben).

Dergleichen Summen mag man reduzirte nennen.

Man kann noch bemerken, dass auch die ausmultiplizirte Summe wieder eine reduzirte sein wird und nebenher diese Wahrnehmung mit McColl verallgemeinern zu dem Satze:

Zusatz 3. Das Produkt zweier (oder mehrerer) reduzirten Summen gibt ausmultiplizirt wieder eine reduzirte Summe.

Jedes Glied der ausmultiplizirten Summe hat nämlich, als Partialpro - dukt, ein Glied der ersten und ein Glied der zweiten Summe zum Faktor. Haben zwei Glieder aus der einen Summe denselben Term zum Faktor, so müssen ihre andern Faktoren disjunkte Terme aus der andern Summe sein, und sie darum zum Produkt O geben. Andernfalles haben sie sowol aus der einen als aus der andern Summe disjunkte Terme zu Faktoren und geben, wenn miteinander multiplizirt, um so mehr ein Produkt O.

Anmerkung 3 zu Prinzip III×.

Man kann vergl. Jevons1 p. 27 sq. für das Prinzip III× und ebenso schon für die allgemeinere Subsumtion 26×), nachdem sie (wie oben geschah) für Klassen oder auch für Gebiete in Worte ge - fasst sind, einen verbalen Beweis liefern wie folgt.

Vorausbemerkt sei nur, dass hiebei im Satze, wie im Beweis wieder - holt (auch in disjunktiven Urteilen) die Konjunktion oder vorkommt. Beim spezielleren Satze III× ist dieselbe im Sinne von § 8, η) zu verstehen als oder aber , bei dem allgemeineren Satze 26×) dagegen im Sinne von § 8, ϑ) zu ersetzen durch oder auch . Hierdurch allein würden die bei - den Sätze und Beweise sich unterscheiden. Wir sagen hiernächst schlecht - weg oder .

Im übrigen muss man wesentlich auch die Interpretation § 8, ι) von a + b vor Augen haben.

Jevons ' Beweis zu III× resp. 26×).

Was a und entweder b oder c ist wenn es b ist, so ist es a b*Dann ist es nämlich a und b zugleich, ist ein a, welches b ist, ein a b. Man kann sich auch auf Th. 20×) berufen, wonach für ein dem b eingeordnetes a, für a b, auch sein muss a = a b, und um so mehr a a b., wenn es c ist, so ist es a c, und es ist folglich entweder a b oder a c. [ sintemal auch a (b + c) b + c, sowie a b a b + a c und a c a b + a c nach Th. 6) sein muss ].

296Sechste Vorlesung.

Es sei nicht in Abrede gestellt die gemeinverbindliche Denknot - wendigkeit dieser Überlegung, so wenig, als wie schon die Selbstver - ständlichkeit des durch sie (womöglich noch) plausibel (er) gemachten Satzes.

Allein es wird bei diesen Schlüssen von einem Grundsatze Ge - brauch gemacht, der bisher weder implicite noch explicite Erwähnung fand, nämlich von diesem:

a ist entweder b oder c heisst genau dasselbe, wie entweder a ist b, oder a ist c . Kürzer: Was b oder c ist, ist entweder b, oder es ist c.

Man sieht, wie hienach die Kopula ist sich verteilt auf die beiden Glieder der Alternative, und wie umgekehrt sie von diesen beiden auch wieder abgezogen und in eine einzige Kopula zusammengezogen verschmol - zen werden kann.

Von den in diesem Grundsatz für einander äquivalent erklärten bei - den Urteilen ist das erste ein kategorisches, also mit einer Kopula ver - sehenes, mit dem Subjekte a und dem Prädikate b oder c . Das zweite Urteil aber ist gar kein kategorisches, sondern ein disjunktives . Es be - steht aus zwei Sätzen, deren jeder für sich seine Kopula besitzt, und die mittelst der Bindewörter entweder , oder verknüpft, in Abhängig - keit voneinander gesetzt sind.

Es gehört dieser Grundsatz als schlechthin gültiger ausschliesslich dem Aussagenkalkul an, woselbst wir ihn noch näher studiren wer - den § 45, α+). Im Gebietekalkul gilt er im allgemeinen nicht: Wenn ein Gebiet a im Gebiete b + c enthalten ist, braucht es nicht entweder in b oder in c ganz enthalten zu sein. Daselbst gilt er wie wir erst viel später, § 47, sehen werden nur für die Inaividuen der Klassen, die Punkte von a, nicht aber für die Klassen selber.

Erst wenn diese Argumentation auf die Individuen der Klasse als ein Grundsatz, als ein Prinzip ausdrücklich vorausgeschickt wor - den wäre, dürften wir die obige Überlegung als einen wirklichen Be - weis hinstellen.

Dergleichen zu thun wäre wohl in der That am zweckmässigsten beim ersten Unterricht mit Schülern.

Hier dagegen wollen wir darauf ausgehen, unsre Axiome oder Prinzipien möglichst aus dem Gebiete - oder Klassenkalkul selbst zu schöpfen (von dem Aussagenkalkul, der sich in ihm mitenthalten er - weist, solange es nur irgend angeht auch mit den Prinzipien I und II auszukommen suchend die wir ja bislang schon in doppeltem Sinne zu citiren hatten). Da verbietet es sich denn von selbst, von Argumen - tationen auf die Individuen der Klassen wesentlich Gebrauch zu machen, solange das Individuum noch überhaupt nicht einer wissenschaft -297§ 12. Prinzip zur Vertretung des unbeweisbaren Satzes.lichen Definition im Klassenkalkul teihaftig geworden, auf welche solche Argumentationen in strenger Beweisführung erst zu basiren wären. Um aber solche Definition und Beweisführung zu verwirk - lichen (vergl. § 47) werden wir längst schon des vollen Distribu - tionsgesetzes zum Aufbau unsrer Disziplin bedurft haben und vielfach in der Lage gewesen sein, desselben nicht entraten zu können.

Aus diesen Gründen verharren wir bei dem gewählten Prin - zipe III×.

Unverkennbar geht die Arithmetik einen umgekehrten Weg: sie fängt bei Aufstellung ihrer Zahlbegriffe und ersten Sätze eben mit Argumen - tationen auf die Individuen als den plausibelsten Überlegungen des Men - schengeistes an. In didaktischer Hinsicht dürfte solches Verfahren auch die grössten Vorzüge besitzen, und tadeln wir sie keineswegs darob. Wir verlangen jedoch, dass entweder das Eine oder aber das Andre konsequent durchgeführt werde! Hier nun haben wir nicht den Begriff des Indivi - duums sondern den der Einordnung zwischen Gebieten, Subsumtion, an die Spitze gestellt; wir haben bereits den entgegengesetzten Weg eingeschlagen und müssen ihn nun auch zu Ende gehen; wir dürfen darum jenen Begriff auch noch nicht voraussetzen (es sei denn ganz nebenher bei den Illustra - tionen durch Beispiele oder den Nutzanwendungen des Kalkuls), sondern werden erst verhältnissmässig spät im stande sein, eine Definition des In - dividuums, Punktes aufzustellen.

Wir begnügen uns, einstweilen mit Peirce zu sagen, der obige Beweis sei nicht syllogistisch, sondern dilemmatisch und verweisen in Bezug auf die als ein Dilemma hinzustellende Art des Schliessens auf § 45 des mehrerwähnten Aussagenkalkuls, sowie schon auf das Schema der Aufgabe ι1) des § 18. [Der vorgerücktere Leser wird leicht diese Schlussform als eine hier wirklich mit zur Anwendung gekommene erkennen, indem er sich das s des Schema's als a (b + c), das p desselben als a b + a c deutet ohne dass wir nötig hätten, hierauf nochmals zurückzukommen.] Den vorgreifenden Charakter des Beweises , zufolge dessen er hier noch nicht am Platze, noch depla - cirt erscheint, erblicke ich aber wesentlich nicht darin, dass diese Schlussform in ihm zur Anwendung kommt, sondern vielmehr in dem erwähnten Argumentiren auf Individuen .

Dual entsprechend könnte der andre Satz: 26+) (a + b) (a + c) a + b c, in Worten: Was a oder b und zugleich a oder c ist, ist entweder a oder: b und c auch dilemmatisch so bewiesen werden: Dasselbe ist entweder a oder nicht. Ist es nicht a, so muss es nach dem ersten Teil der Voraussetzung b und nach dem zweiten c sein; also ist es entweder a oder b und c .

298Sechste Vorlesung.

Nebenbei bemerkt liegt hier ein Fall vor, wo die Wortsprache, als des Instrumentes der Klammern entbehrend, unpräzise, zweideutig oder doppelsinnig wird, resp. durch geeignete Betonung und Pausen die Klam - merstellung andeuten, ersetzen muss. Es gibt ja (a oder b) und zugleich c , das ist (a + b) c, einen wesentlich andern Sinn als a oder (b und zu - gleich c) . Der letztere nur war vorhin maassgebend. Vergl. die Studie unter ζ) und η) des § 18.

Hiezu ist gehörig Anhang 4 nebst 5 und eine Episode aus An - hang 6.

[299]

Siebente Vorlesung.

§ 13. Negation (mit Postulat) und darauf zu gründende Sätze. Ihre Einführung für Gebiete.

Ich werde mich im § 13 und 16, d. h. in Bezug auf die Darstellung und Begründung der für die Technik des Kalkuls wichtigsten Sätze am nächsten an Robert Grassmann2 anschliessen.

Wir haben nunmehr mit einer dritten fundamentalen Operation des identischen Kalkuls Bekanntschaft zu machen, welche im Hin - blick auf die Begriffsumfänge oder Klassen Negation oder Ver - neinung schon von der alten Logik genannt worden ist eine Be - nennung, die wir auch für die Punktgebiete unsrer Mannigfaltigkeit adoptiren. Schon auf die Begriffe angewendet erscheint die Benennung eigentlich als eine übertragene, aus dem Aussagenkalkul, in welchem sie ursprünglich wurzelt (resp. aus der Lehre von den Urteilen) meta - phorisch herübergenommene.

Es ist diese dritte Operation insofern von einfacherem Charakter wie die beiden vorhergehenden, als sie immer schon an einem einzelnen Objekte vollziehbar ist, wogegen Multiplikation und Addition je deren zweie als zu verknüpfende Operationsglieder voraussetzen.

Multiplikation, Addition und Negation sind die drei Spezies des identischen Kalkuls.

Der begriffserklärung der negation müssen wir einen Hülfssatz vorausschicken.

29) Hülfstheorem. Wenn einerseits a b = 0 sowie a + b = 1 und andrerseits zugleich auch a c = 0 sowie a + c = 1 ist, so muss sein: b = c.

Beweis. Nach Th. 4) hat man a b = a c und a + b = a + c.

300Siebente Vorlesung.

Multiplizirt man die letztere Gleichung beiderseits mit b, so ent - steht nach Prinzip III× [sogar schon nach III×0] und Th. 14×): a b + b = a b + b c.

Ebenso entsteht aus ihr durch beiderseitige Multiplikation mit c: a c + b c = a c + c.

Wegen der erstern Gleichung ist aber gemäss 16+): a b + b c = a c + b c und folglich nach Th. 4) auch a b + b = a c + c; d. h. nach 23+), indem die ersten Terme absorbirt werden haben wir: b = c, q. e. d. Einfacher hätte man auch, mit Rücksicht auf die Voraus - setzung a b = 0, nach 21+) und 23+) das eine Multiplikationsergebniss in b = b c, das andre, wegen a c = 0, in b c = c zusammenziehen können. Indessen hat der erstere Beweis den Vorzug, sich auf eine spätere Erweiterung des Satzes, zu Th. 40) und Zusätze, ohne weiteres übertragen zu lassen.

Bezeichnen werden wir die Negation eines Gebietes a, indem wir diesem den Negationsstrich 1 als Suffixum anhängen, sonach mit a1 (gelesen: a-nicht ).

Sollte ein zu negirendes Gebiet einen zusammengesetzten Ausdruck haben, so wird es überdies dabei einzuklammern sein gemäss der allgemein bezüglich Gebrauchs der Klammern geltenden Maxime (vergl. Anhang 2). So wird z. B. (a b) 1, (a + b) 1, (a1) 1 die Negation von a b resp. a + b und a1 vorstellen.

Bei der Wahl obiger Bezeichnung kommt folgendes in Betracht.

Das Suffixum 1 soll einen Vertikalstrich vorstellen. Mittelst eines solchen werden wir auch anderweitig namentlich für Beziehungen die Negation andeuten. So wird uns z. B. das vertikal durchgestrichene Gleichheitszeichen: , gelesen ungleich , die Verneinung der Gleichheit auszudrücken haben. Nach diesem Prinzip wird es nämlich leicht, zu jedem Beziehungszeichen sofort dessen Verneinung zu bilden. Indem man einfach dasselbe vertikal durchstreicht gewinnt man ein hübsches und durch sich selbst verständliches, mnemonisches, obendrein auch noch nicht ander - weitig vergebenes Zeichen zur Darstellung eben der Beziehung, welche die Negation von jener zu nennen.

Aus >, z. B. wäre hienach auch das regelrechte Zeichen für nicht grösser , welches für's reelle Zahlengebiet als ( kleiner oder gleich ) in der Mathematik sehr viel gebraucht wird, unschwer abzuleiten.

Da es nun nicht angängig ist, Buchstaben oder gar zusammengesetzte Ausdrücke jeweils in Druck und Schrift wirklich durchzustreichen, so muss eben der Vertikalstrich neben jenen angemerkt werden (im letztern Falle,301§ 13. Negation (mit Postulat) und darauf zu gründende Sätze.wie betont, unter Einklammerung der Ausdrücke). Da ferner eine Nega - tion (die Operation des Negirens) nicht vollzogen werden kann, es sei denn an einem bestimmten Objekte, so ist es wiederum naturgemäss, das Objekt, welches man behuf Negirens schon haben muss, dem Negationsstrich dabei voranzuschicken, letztern also dahinter zu stellen, sei es auf gleicher Höhe, sei es darüber (als Accent) oder darunter (als Suffixum). Ich entschied mich für das Suffixum als das in Druck und Schrift die grösste Deutlich - keit gewährende Zeichen von immerhin minimalen Raumansprüchen.

[In meiner früheren Schrift2 verwendete ich zur Bezeichnung der Negation noch das Suffixum 1, schrieb also für unser non-a stets a1 (ge - lesen: a unten 1 , kürzer a-eins ). Es sollte dies daran erinnern, dass, wie in § 23 gezeigt wird, die Negation von a auch durch 1 a darstell - bar ist. Jedoch erscheint es angezeigt, des Dualismus halber, der alsdann reiner zum Ausdruck kommen wird, ein von den Symbolen 0 und 1 unab - hängiges Zeichen zur Darstellung der Negation zu verwenden.]

Von Andern (namentlich Boole, R. Grassmann und Ch. S. Peirce) ist vorgezogen worden, das zu negirende Objekt mittelst Horizontalstrich zu überstreichen, für unser a1 also zu schreiben (gelesen a strich).

Ernstliche Einwände lassen auch gegen diese Gepflogenheit sich nicht erheben. Die Entscheidung für diese oder jene ist gewissermassen Geschmack - sache. Eine jede von ihnen hat gewisse Vorteile und Nachteile.

Will man mit dem Horizontalstrich konsequent sein, so müsste man nun mit (statt ) die Ungleichheit darstellen. Dies sieht nun erstlich aus, wie ein doppelt negirtes Minuszeichen. Sodann ist das Zeichen auch schon anderweitig in Beschlag genommen: in der Zahlentheorie zur Dar - stellung von gleichrestig oder kongruent in andern Disziplinen auch wol für identisch gleich im Sinne von allgemein gleich , d. i. gleich für alle Wertsysteme gewisser Buchstabengruppen. Das Zeichen würde also hier seine dritte, mit den bisherigen disparate, Bedeutung beigelegt er - halten, wogegen für nicht gleich schon vielfach üblich ist (vergl. z. B. Aufsätze von Netto und Andern im Journal für die reine und an - gewandte Mathematik). Weiter würden wir für die Verneinung noch andrer Beziehungen, wie z. B. für nicht untergeordnet mit dem Horizontal - strich viel weniger hübsche Zeichen bekommen: ̅ statt , etc. Zeichen, die aus getrennten Teilen bestehen, weniger symmetrisch sind und wol auch mehr Raum einnehmen, als mit dem Vertikalstriche.

Endlich, schon bei Buchstaben, gefällt mir nicht, dass die Höhenlage des Horizontalstrichs von der Höhe des Buchstabens abhängig wird, z. B. āb̄ für unser a1 b1. Sind aber die Buchstaben von gleicher Höhe, wie a und c, so erscheint es allzu nahe gelegt, solche, wie wir sehen werden, grundverschiedene Ausdrücke wie = a1 c1 und 〈…〉 = (a c) 1 miteinander zu verwechseln, indem ihre Unterscheidung davon abhinge, ob an einer Stelle von höchst geringer Ausdehnung die Druckerschwärze, Tinte, nicht angegangen oder übergeflossen ist.

Bei zusammengesetzten Ausdrücken indess hat der Horizontalstrich den Vorteil, zugleich als Vinculum zu dienen und die Klammer zu ersetzen, wie in 〈…〉 , 〈…〉 und ā̄ für die oben angeführten drei Beispiele. Auch302Siebente Vorlesung.lässt unsre Schreibweise wegen der Ähnlichkeit des Negationsstrichs mit dem Suffixum 1 es fortan weniger ratsam erscheinen, ein erstes, zweites, drittes etc. (in einer Untersuchung auftretendes) a etwa mit a1, a2, a3, hier zu benennen. Hiefür kann man jedoch, da Potenzen ohnehin aus - geschlossen sind (Th. 14), nun mit a1, a2, a3, sich sehr gut behelfen.

In Bezug auf die Streitfrage zwischen Horizontal - und Vertikalstrich bei zu verneinenden Beziehungszeichen könnte übrigens Herrn Charles S. Peirce die Autorität seines Vaters Benjamin Peirce1 gegenübergestellt werden, mit dessen Bezeichnungsvorschlägen in seiner Linear associative Algebra wir teilweise zusammentreffen.

De Morgan, Jevons und Andere nehmen für Begriffe resp. Klassen und deren Negation die korrespondirenden Buchstaben aus dem grossen und kleinen Alphabete, bezeichnen die Negation von A mit a, sowie um - gekehrt was nach Th. 31) zulässig. Dies ist nur durchführbar, insoweit blos einfache Symbole in Betracht kommen (vergl. Anhang 2), verbietet sich indess, wenn das Negiren auch für zusammengesetzte Ausdrücke soll angedeutet werden können. Denn die Negation von A + B würde durch - aus nicht etwa a + b sein, u. s. w. vergl. die Theoreme 36). Der Vor - schlag erscheint uns hier als gänzlich unannehmbar.

Mit Worten nennen wir die Negation von a auch Nicht-a oder Non-a .

Indessen non-a , non (a + b) etc. für unser a1, (a + b) 1 in Formeln anzusetzen würde schwülstig ( cumbrous ) werden.

Definition (6), der Negation.

Negation eines Gebietes a nennen wir ein solches Gebiet a1, welches zu ihm in der Beziehung steht, dass zugleich: a a1 0 und 1 a + a1 ist.

Da nach Th. 5) ohnehin 0 a a1 und a + a1 1 sein wird, so gelten dann kraft Def. (1) auch die beiden Sätze: 30) Theoreme. Allgemein ist:

30×)a a1 = 0.30+)a + a1 = 1.

Diese Gleichungen hätten ebensogut zur Definition der Negation a1 von a verwendet werden können, muten jedoch dieser Negation schein - bar etwas mehr zu, als nur die obigen in ihnen mitenthaltenen beiden Subsumtionen zu erfüllen.

Nach § 7, S. 214, können wir nun auch sagen: Negation eines Gebietes nennen wir ein solches Gebiet, welches zu demselben zugleich dis - junkt und supplementär ist.

Zusatz 1 zu Def. (6). Zu einem Gebiete a kann es nicht mehr als eine Negation geben.

303§ 13. Die Negation für Gebiete, mit Postulat.

Denn wäre a1 'eine zweite, so würden neben den beiden Glei - chungen 30), und mit demselben Rechte, auch diese beiden bestehen: a a1' = 0 und a + a1 '= 1 und würde aus allen vier Gleichungen nach Hülfstheorem 29) [wo b dem a1 und c dem a1' entspricht] folgen: a1 '= a1, d. h. die beiden Negationen wären identisch, einerlei, wären in der That nur eine.

Die Operation des Negirens, d. i. die Herstellung der Negation zu einem gegebenen Gebiete, wird darnach jedenfalls keine mehrdeutige sein, die Negation a1 von a ist ein höchstens eindeutiges Gebietsymbol. Dagegen könnte noch dieses Symbol als ein undeutiges , die Opera - tion des Negirens als unausführbar erscheinen. Bislang ist noch die Möglichkeit zugelassen, dass vielleicht je nach dem Werte von a das Zeichen a1 ein sinnloses, einer Deutung als eigentliches Gebiet eventuell ganz unfähiges ist, welches dann als ein uneigent - liches Gebiet der Mannigfaltigkeit zu adjungiren die Def. (6) uns zumutet.

Diese Möglichkeit schliesst aus das folgende Postulat mit dem zu - gehörigen die Interpretation liefernden Nachweise.

Postulat ((3)). Zu jedem Gebiete a gibt es (mindestens) eine Nega - tion a1 (und dann wie schon gezeigt auch nur diese).

Dieselbe wird als Rückstand erhalten, wenn man das Gebiet a aus der ganzen Mannigfaltigkeit 1 fortlässt.

Dieses Restgebiet hat nämlich in der That die Eigenschaft, erstens: mit dem Gebiete a keinen Punkt gemeinsam zu haben, d. i. die Gleichung 30×) zu erfüllen; hätte es einen Punkt mit a gemein, so wäre ja dieser Punkt von a nicht pflichtschuldigst fortgelassen und zweitens: das Gebiet a auch zur ganzen Mannigfaltigkeit 1 zu ergänzen, d. i. die Gleichung 30+) zu erfüllen. Fehlte auch nur ein Punkt an dieser Mannigfaltigkeit, so wäre ja nicht der volle Rückstand genommen. Dasselbe ist sonach eine richtige Negation zu a, und weil es nur eine gibt, haben wir hier den bestimmten Artikel anzuwenden und zu sagen: die Negation von a.

Die Ausführungen des vorstehenden Absatzes sind nicht etwa als ein Beweis des vorhergehenden Postulates anzusehen, dessen Anerkennung vielmehr wir schlechthin fordern. Sie sollen nur beitragen, den Sinn des - selben voll zum Bewusstsein zu bringen, und der Anschauung resp. Intui - tion behülflich sein, dasselbe zu verifiziren.

Die Negation a1 eines Gebietes a ist in unserm bevorzugten304Siebente Vorlesung.Falle die Ergänzung dieses Gebietes zur Mannigfaltigkeit 1, d. i. zur ganzen Fläche der Schultafel.

Fig. 16.

Ist z. B. a die (Innen) Fläche eines Kreises, mit Einschluss von dessen Kon - tur, so bedeutet a1 die Aussenfläche des - selben (soweit sie zur Tafelfläche gehört) mit Ausschluss von dessen Kontur. In Fig. 16 ist dieses Gebiet durch Schraffiren veranschaulicht.

Diese Ergänzung a1 erscheint als das

Maximalgebiet unter den zu a dis - junkten Minimalgebiet unter den zu a sup - plementären
Gebieten.

Als ein Postulat durften wir den Satz ((3)) deshalb hinstellen, weil er die Forderung in sich schliesst, involvirt, zu irgend einem Gebiet a ebenjene Ergänzung zu denken oder zu bilden, sie aus ihm abzuleiten und in Gedanken zu isoliren.

Dieser Forderung fühlen wir uns gewachsen.

Zusatz 2 zu Def. (6). Insbesondre ist: 01 = 1, 11 = 0; die Negation der Null ist die Eins und umgekehrt; denn in der That haben wir nach den Theoremen 21) oder 22): 0 · 1 = 0 und 0 + 1 = 1, desgleichen mit umgestellten Faktoren resp. Gliedern. Auch ist es un - mittelbar intuitiv: Nichts ist erforderlich, um ein Ganzes zu sich selbst zu ergänzen. Die ganze Mannigfaltigkeit ist erforderlich um das Nichts zu ihr selbst zu ergänzen.

Die so hochwichtige Deutung unsrer Definition und Sätze für Klassen wollen wir auf demnächstige Paragraphen verschieben und uns bis zum Wiedergewinn des Dualismus im reinen Gebietekalkul fort - bewegen.

Die Theoreme 30) mögen auch einzeln in Worte gefasst werden:

Ein Gebiet mit seiner Negation multiplizirt gibt 0.Ein Gebiet zu seiner Negation addirt gibt 1.

Und sie können auch auf beliebig viele Operationsglieder dahin aus - gedehnt werden: Zusatz 1 zu Th. 30).

Sooft unter den Faktoren eines Produktes solche vorkommen, derenFindet sich unter den Gliedern einer Summe überhaupt eines, welches
einer die Negation des andern ist, verschwindet das Produkt. als die Negation eines andern Gliedes erscheint, so hat die Summe den Wert 1.

So ist z. B.

a b c · a b1 c d1 = 0.a + b + c1 + a + c + d1 = 1.

Man kann nämlich wegen der Kommutativität der Operationen die Operationsglieder so umordnen, dass das gedachte neben seine Negation zu stehen kommt; diese beiden kann man dann wegen der Associativität zu einem einzigen Operationsglied zusammenfassen (des - gleichen die übrigen Operationsglieder) und nach Th. 19) Zusatz 2 durch seinen Wert 0 resp. 1 ersetzen, worauf das Th. 22) in Wirksam - keit tritt. In unsern Beispielen haben wir als Wert des Ausdrucks:

a c d1 · b b1 = (a c d1) · 0 = 0.(a + b + d1) + (c + c1) = (a + b + d1) + 1 = 1.

31) Theorem. Es ist allgemein: (a1) 1 = a.

Die Negation der Negation der Negation eines Gebietes ist dies Gebiet selbst, oder: Doppelte Verneinung bejaht , hebt sich auf.

Beweis 1. Nach Th. 30) hat man unter Anwendung des Kom - mutationsgesetzes: a1 · a = 0, a1 + a = 1, und andrerseits, wenn Th. 30) für a1 statt a (so, wie es ist) in An - spruch genommen wird: a1 · (a1) 1 = 0, a1 + (a1) 1 = 1.

Vergleicht man diese vier Gleichungen mit dem Schema der Vor - aussetzungen des Hülfstheorems 29), so nimmt man dessen Anwendbar - keit wahr, und erhält die Folgerung: a = (a1) 1, die zu gewinnen war.

Beweis 2. Man kann auch einfach bemerken, dass die beiden Voraussetzungen der Def. (6) kraft Th. 12) unverändert gültig bleiben, wenn man die Symbole a und a1 mit einander vertauscht. Da nun die Def. (6) eine allgemeine Festsetzung sein sollte, so muss auch die an jene Voraussetzung konventionell geknüpfte Folgerung in Kraft bleiben, wenn man a und a1 vertauscht. Die Sache wird deutlicher, wenn man in Def. (6) den Namen a1 vermeidet, denselben durch irgend einen andern, etwa durch b ersetzt. Es wird ausgemacht: b die Nega - tion von a zu nennen, wenn a b = 0 und a + b = 1 ist. In diesem Falle ist aber auch b a = 0 und b + a = 1 nach Th. 12). Folglich istSchröder, Algebra der Logik. 20306Siebente Vorlesung.dann auch a die Negation von b zu nennen, wozu man sich eben durch die vorhergehende Abmachung verpflichtet hat, in Anbetracht, dass diese als eine allgemein zu befolgende hingestellt wurde, welche eben - sogut für ein Paar b, a von Gebieten, wie für das Paar a, b verbind - lich ist. Wird nun für b der Name a1 eingeführt, so gilt für a auch der Name b1 oder (a1) 1 vergl. übrigens Th. 32).

Ist also b (resp. a1) die Negation von a, so ist auch a die Negation von b (resp. a1).

Die Beziehung der Negation zwischen zwei Gebieten (a und a1) ist allemal eine gegenseitige. Die Beziehung ist symmetrisch .

Man wird durch Th. 31 erinnert an die Eigenschaft des Minus-Zeichens, an den Satz der Arithmetik: - (- a) = a, und könnte sich im Hinblick auf diese Analogie versucht fühlen, die Be - zeichnung a1 durch a ersetzen zu wollen. Wir werden indess später sehen, dass nicht 0 (0 a) = a sondern 1 (1 a) = a das wahre arithmetische Analogon des Th. 31) bildet. Vergl. § 23.

32) Theorem.

Ist a = b, so ist auch a1 = b1, oder: Gleiches, negirt, gibt Gleiches.

Beweis. Aus den beiden Gleichungen des Th. 30): aa1 = 0, a + a1 = 1 folgt wegen a = b nach Th. 16), d. h. indem man eben b für a substituirt: b a1 = 0, b + a1 = 1. Nach Th. 30) für b in Anspruch genommen ist aber auch: b b1 = 0, b + b1 = 1.

Aus diesen vier Gleichungen folgt nach dem Schema des Hülfs - theorems 29): a1 = b1, wie zu zeigen war.

Zusatz 1. Ist a1 = b1, so muss nach Th. 32) auch (a1) 1 = (b1) 1, mithin kraft Th. 31) auch a = b sein. Die beiden Gleichungen a = b und a1 = b1 bedingen sich also gegenseitig, sind äquivalent.

Zusatz 2. Hienach lässt der Zusatz 2 sub Th. 19), dass in ge - wissen Ausdrücken Gleiches für Gleiches gesetzt werden dürfe, sich nunmehr ausdehnen auf alle durch Addition, Multiplikation und Nega - tion hergestellten Ausdrücke: In jedem nur mittelst der identischen Opera - tionen der drei Spezies aus Gebietsymbolen aufgebauten Ausdrucke ist es erlaubt, irgend einen Term durch einen ihm identisch gleichen zu ersetzen.

Von dieser Erlaubniss wird beim Rechnen umfassendster Gebrauch gemacht, meist ohne besondern Hinweis auf dieselbe.

Ist z. B. a = c und b = d, so darf man für (a b1 + a1 b) e auch schreiben (c d1 + c1 d) e. Etc. etc.

307§ 13. Negation (mit Postulat) und darauf zu gründende Sätze.

Erlaubt nennt man diejenigen Umformungen eines Ausdrucks, welche ohne Einfluss auf den Wert (die Bedeutung) desselben sind, in der That also nur die Form des Ausdrucks (nur den Namen dessen, was er bedeutet) berühren. Diese erlaubten Umformungen nennt man vorzugsweise Transformationen . Es sind das diejenigen Veränderungen an dem Ausdrucke, oder freien Reproduktionen desselben, durch welche der Ausdruck in einen neuen verwandelt wird, übergeht, welcher dem gegebenen identisch gleich sein muss.

Von Verschiedenem eines für's andere zu setzen ist in dem an - gegebenen Sinne bei Ausdrücken im Allgemeinen nicht erlaubt, wie man leicht an den nächsten besten Beispielen (und schon bei den ein - fachsten Ausdrücken, wie a · b, a + b, a1) sich überzeugen kann.

Für einen Term auch einen von ihm verschiedenen zu substituiren ist natürlich aber angängig bei allgemeinen Sätzen oder Formeln. Kommt a als allgemeines Symbol in solchen vor, und ist unter a bereits ein be - stimmtes Gebiet verstanden, so darf man doch b für a schreiben, auch wenn b ungleich a ist; man darf auch die vorkommenden Buchstabensymbole allgemeiner Art beliebig unter sich vertauschen, unbeschadet dessen, dass sie verschiedene Bedeutungen haben mögen (vergl. Anm. 2 zu Prinzip II). Erlaubt sind hier diejenigen Veränderungen zu nennen, die unbeschadet der Richtigkeit der Formel vollzogen werden können.

Anmerkung zu Theorem 32).

Der ungemein häufig auszuführende Schluss von einer Gleichung a = b auf die Gleichheit zwischen den Negationen ihrer beiden Seiten: a1 = b1, dieser Schluss mithin die Anwendung des Th. 32) darf nicht etwa als das Negiren jener Gleichung bezeichnet werden; viel - mehr ist zu sagen: aus a = b folge durch beiderseitiges Negiren die Gleichung a1 = b1.

Es würde nämlich die Negation oder Verneinung der Gleichung a = b selbst (schlechtweg) die Behauptung liefern, dass a nicht gleich b sei, in Zeichensprache, dass a b (vergleiche den Aussagenkalkul) eine Behauptung welche die Gleichung a = b aufhebt, umstösst, also mit ihr nicht nur nicht äquivalent, sondern sogar unverträglich ist desgleichen also auch keineswegs sich deckt mit der Behauptung, dass Nicht-a gleich sei Nicht-b.

Ich glaubte darum2 für diese Anwendung des Th. 32) einen eigenen Namen in Gestalt von ( Entgegensetzung oder) Opposition seiner Zeit vorschlagen zu sollen. Doch erscheint das vorstehende als das näher liegende Auskunftsmittel, die Verwechslung zu vermeiden, und dürfte dasselbe wol den Vorzug verdienen. Zudem liesse auch der bei einer Subsumtion vergl. unten Th. 37) schon sanktionirte Name des Schlusses durch Kontraposition sich hier auf die Gleichung mit übertragen.

20*308Siebente Vorlesung.

33+) Theorem. Es ist allgemein: a + b = a b + a b1 + a1 b.

Beweis. Wir haben: a + b = a · 1 + 1 · b = a (b + b1) + (a + a1) b = (a b + a b1) + (a b + a1 b) = a b + a b1 + a1 b, mit Rücksicht auf die Sätze 21×), 30+), 30×) und III× (sogar schon III×0), endlich 14+) nicht zu gedenken der Theoreme 16), 12+) und 13+) Zusätze. Man darf nämlich den Faktor 1 hinzusetzen, für 1 nach Belieben b + b1 oder a + a1 substituiren (da diese Terme der 1 gleich sind), sodann ausmultipliziren, weil hier die Summanden disjunkte sind, endlich die Additionsklammern weglassen, und die Wiederholung des Summanden a b als tautologisch unterlassen.

Zusatz zu Th. 33+). Für beliebige a, b ist auch: a + b = a + a1 b = a b1 + b, d. h. Eine Summe bleibt ungeändert, wenn man einen Summanden mul - tiplizirt mit der Negation eines andern, und umgekehrt: so oft in einem Glied einer Summe ein Faktor steht, der als die Negation eines andern Glieds derselben erscheint, darf man diesen Faktor unterdrücken.

Beweis. Es ist ähnlich wie oben: a + b = a · 1 + b = a (b + b1) + b = (a b + a b1) + b = a b1 + (a b + b) = a b1 + b mit Rücksicht, ferner, auf das Absorptionsgesetz 23×). Und analog wenn b und a vertauscht werden. Dies ist der selbständige Beweis des für die Technik des Kalkuls ungemein wichtigen Zusatzes. Am schnellsten ergibt sich derselbe aus der Formel 33+) durch Vereinigung des ersten Terms rechterhand mit dem zweiten oder dritten gemäss 27+), 30+) und 21×).

Durch Anwendung vorstehender Sätze kann eine binomische Summe jederzeit in eine reduzirte verwandelt werden. Es ist ratsam, sich dieselben einzuprägen. Ihre Veranschaulichung geben wir unter dem nächsten Satze.

34+) Theorem. Was auch a und b für Gebiete vorstellen mögen, so ist: 1 = a b + a b1 + a1 b + a1 b1.

Beweis. Man hat in der bisherigen Weise: 1 = a + a1 = a · 1 + a1 · 1 = a (b + b1) + a1 (b + b1) = a b + a b1 + a1 b + a1 b1 unter Berufung auf III× [oder auch nur III×0].

Sind a und b z. B. Kreisflächen, so entsprechen den Gliedern rechterhand in 34+) die vier Teile, in welche von den Konturen dieser309§ 13. Negation (mit Postulat) und darauf zu gründende Sätze.Gebiete die ganze Ebene der Tafel im Allgemeinen zerschnitten wird wie dies Fig. 17 veranschaulicht. Man sieht zugleich, dass das [in Fig. 9+) schraffirte] Gebiet a + b aus den drei ersten dieser Terme zusammengesetzt ist, und ebensoleicht, wie Th. 33+), ist auch der Zusatz zu demselben durch die Anschauung zu bewahr - heiten.

[figure]
Fig. 17.

Zur Erläuterung sei erinnert, dass man der unter Postulat ((3)), Fig. 16 gegebenen Interpreta - tion von a1 und b1 eingedenk sein muss. Hienach wird a b1 z. B. dasjenige Gebiet vorstellen, welches der Innenfläche des Kreises a und der Aussenfläche des Kreises b gemeinsam ist, kurz gesagt: den Teil der Kreisfläche a, der ausserhalb b fällt. Und a1 b1 muss das den beiden Aussenflächen der Kreise a und b gemeinsame Gebiet vorstellen, mithin die Punkte umfassen, die ausserhalb beider Kreise zugleich liegen, ein Gebiet, das man als Aussenfläche des (als ein liegender Achter erscheinenden) Gebietes a + b bezeichnen darf.

Berührten sich die Kreise a und b, so würde das Gebiet a b in einen Punkt, den Berührungspunkt zusammenschrumpfen, und hätten ihre Kon - turen gar keinen Punkt gemein, so würde das Gebiet a b fortfallen, nicht existiren, O sein; dann würde a b1 mit dem ganzen Kreis a und a1 b mit b zusammenfallen.

Zusatz. Ersetzt man in 34+) die Summe der drei ersten Glieder rechterhand durch den einfacheren Ausdruck, welchem dieselbe nach Th. 33+) gleich ist, so ergibt sich noch: 1 = a + b + a1 b1.

Für die Zwecke des Unterrichts muss zum Bewusstsein gebracht werden, dass bei der korrekten Ausführung jener Substitution zweimal vom Assoziationsgesetze 13+) der Addition, nebst Zusatz, Gebrauch zu machen war, und zwar in entgegengesetztem Sinne: einmal behufs Ein - führung einer Klammer, durch welche die Gleichung 34+) in 1 = (a b + a b1 + a1 b) + a1 b1 umgeschrieben, die rechte Seite als zweigliedrige Summe dargestellt wird, deren erster Term nun erst durch das ihm gleiche a + b ersetzbar ist, welches als ein zusammengesetzter Ausdruck zunächst wieder selbst auch eingeklammert werden muss (cf. Anhang 2) sodann bei dem Substitu - tionsergebnisse: 1 = (a + b) + a b behufs Unterdrückung der letzten Klammer.

Dergleichen Zwischenoperationen übergehen wir zumeist mit Still - schweigen.

Nunmehr können wir zur Begründung des vollen Distributionsgesetzes schreiten. Dazu bedürfen wir sogar des Th. 34+) nicht, und wurde dieses blos wegen seiner nahen Verwandtschaft mit 33+) gleich hinter diesem angereiht.

310Siebente Vorlesung.

Theorem [ohne Nummer]. Auch wenn b c nicht gleich O ist, somit ganz allgemein, gilt die Subsumtion 26×) und damit auch das volle Distributionsgesetz 27×).

Wir mögen sogleich das letztere beweisen.

Beweis. Einerseits ist: a b + a c = a b · 1 + a c · 1 = = a b (c + c1) + a c (b + b1) = = a b c + a b c1 + a c b + a c b1 = = a b c + a b c1 + a b1 c nach III× [sogar schon nach III×0].

Andrerseits ist wegen 33+): a (b + c) = a (b c + b c1 + b1 c).

Und da die Produkte je zweier von den rechts eingeklammerten Gliedern O geben müssen, indem hier jedesmal mindestens zwei Fak - toren zusammenkommen, die als Negationen von einander sich gegen - seitig vernichten, da m. a. W.: b c · b c1 = 0, b c · b1 c = 0, b c1 · b1 c = 0 ist, so dürfen wir nach dem Zusatz 2 zu Prinzip III× nun rechterhand ausmultipliziren. Dies liefert: a (b + c) = a b c + a b c1 + a b1 c. Durch Vergleichung mit dem obigen Ausdruck folgt also nach Th. 4): a (b + c) = a b + a c, q. e. d. Mit dem durch Prinzip III×, Def. (6) und Postulat ((3)) ver stärkten Beweiskapitale ist hienach der Beweis des Distributionsgesetzes nunmehr gelungen.

Anmerkung. Eben um zu zeigen, dass auch das Produkt a (b c + b c1 + b1 c) durch Ausmultipliziren entwickelt werden darf, würde augenscheinlich der speziellere Satz III×0 nicht ausgereicht haben und war es unumgänglich, den umfassenderen III× als Prinzip hinzu - stellen.

Dies scheint mir allerdings mathematisch noch nicht vollkommen sicher - gestellt. Und ebenso muss ich es hier noch dahingestellt sein lassen, ob nicht schon ohne das Prinzip III× auf Grund lediglich des Zuzugs von Def. (6) und Postulat ((3)) mit Hülfe des (vielleicht auch für Aussagen in Anspruch zu nehmenden) Theorems 30) und 31) (d. i. den Sätzen des Widerspruchs, des ausgeschlossenen Mittels und der doppelten Verneinung) ein Beweis des Distributionsgesetzes möglich wäre. Den in Anhang 4 und 5 entwickelten logischen Kalkul mit Algorithmen kann man hiefür nicht als beweiskräftig gelten lassen, sofern sich in ihn der Begriff der Negation311§ 13. Auf Negation gründbare Sätze.nicht übertragen lässt (siehe ibidem Schlussnote) vielmehr in diesem Betreff dieser logische Kalkul noch weiter vom identischen zu divergiren, von ihm sich zu entfernen scheint.

Wir dürfen fortan auch die Formeln 26), 27) und 28×) als Theo - reme bezeichnen und ohne Einschränkung von denselben Gebrauch machen. Dasselbe gilt von dem dualen Gegenstück des letzteren, wel - ches bislang noch nicht erwähnt worden ist, und lautet:

28+) Theorem. Es ist (a + c) (a + d) (b + c) (b + d) = a b + c d.

Beweis durch dreimalige Anwendung von 27+), wodurch sich mittelst Zusammenziehung der beiden ersten und der beiden letzten Faktoren linkerhand ergibt: (a + c d) (b + c d), und dies, ebenso zu - sammengezogen in die rechte Seite übergeht.

Die Theoreme 26) bis 28) finden nunmehr ihrer vorgreifenden Chiffrirung ungeachtet erst hier im System ihre Stelle.

Wir wollen deshalb die 27×) und 28×) auch einmal in ihrer all - gemeinsten Fassung von binomischen Summen auf polynomische aus - gedehnt aussprechen: 27×) Th. (a1 + a2 + a3 + + am) b = a1 b + a2 b + a3 b + + am b. 28×) Th. (a1 + a2 + a3 + + am) (b1 + b2 + + bn) = = a1 b1 + a2 b1 + a3 b1 + + am b1 + + a1 b2 + a2 b2 + a3 b2 + + am b2 + + ........... + a1 bn + a2 bn + a3 bn + + am bn.

Bei den diesen dual entsprechenden 27+) und 28+) sei dies dem Leser überlassen. Die Formulirung derselben dürfte hier kaum ver - lohnen, weil die Erfahrung des Rechners darthut, dass man schon mit den einschlägigen Theoremen auf der einen Seite des Mittelstrichs überall bequem auskommt und diejenigen der linksseitigen Kolumne sind aus der Arithmetik geläufig.

Von vorstehender Multiplikationsregel für Polynome kann man sagen, dass sie auch das Distributionsgesetz 27) als besondern Fall in sich schliesse, indem man es als zulässig erachtet und sich vor - stellen kann, dass das eine der beiden zu multiplizirenden Polynome von vornherein als ein Monom gedacht werde oder auf ein solches sich reduzire [vergl. die Anm. 1 zu Th. 21) und 22)]. Schrumpft z. B. das zweite Polynom in sein erstes Glied b1 zusammen, so ergibt sich indem man dieses erste b als das einzige nun in Betracht kom -312Siebente Vorlesung.mende statt mit b1 einfacher mit b schlechtweg bezeichnet aus 28×) direkt das Th. 27×).

Es lässt sich also das Th. 28) als der allgemeinste Ausdruck des Distributionsgesetzes ansehen.

Zusatz 1 zu Th. 28).

Ist aus Gebietsymbolen, die wir einfache nennen wollen und etwa durch Buchstaben dargestellt annehmen, ein Ausdruck aufgebaut lediglich mittelst der Operationen der identischen Multiplikation und Addition, mithin dadurch, dass jene Symbole untereinander und auch mit sich selbst irgendwie verknüpft sind durch die genannten zwei direkten Spezies, so lässt sich allemal der Ausdruck darstellen als ein Aggregat von Monomen, als eine Summe, deren Glieder nur Produkte sind aus lauter einfachen Symbolen.

Beweis. Die vorkommenden Operationsglieder können nämlich nur entweder Summanden oder Faktoren sein, und sofern sie selbst noch als zusammengesetzt erscheinen, können sie nur Produkte oder aber Summen sein. In Bezug auf einen zusammengesetzten Ausdruck - teil sind daher nur folgende vier Fälle denkbar:

  • 10) derselbe ist eine Summe und tritt als Summand auf
  • 20) Faktor
  • 30) ein Produkt
  • 40) Summand auf.

Der zweite Fall lässt sich überall, wo er vorkommt, durch Aus - multipliziren nach dem Distributionsgesetze beseitigen (zu gunsten einer Vermehrung des vierten Falles, indem dabei Produkte von Summen aufgelöst werden in Summen aus Produkten).

Die Fälle 10) und 30) kommen unmittelbar in Wegfall, indem man die den zusammengesetzten Ausdruckteil umschliessende Klammer unter - drückt in Anbetracht, dass diese sich nach dem Assoziationsgesetze 13) nebst Zusatzdefinitionen in ebendiesen Fällen als überflüssig charak - terisirt. Eine Summe aus Summen (genauer gesagt: mit einer Summe als einem Gliede, oder auch mit mehreren Summen und vielleicht noch andern Gliedern als Gliedern) lässt sich ja immer ansehen als eine einzige Summe aus den sämtlichen Gliedern, und ebenso ein Produkt aus Produkten und vielleicht noch andern Faktoren immer darstellen als einziges Produkt aus den Faktoren jener nebst diesen übrigen Faktoren.

Hienach bleibt nur noch der vierte Fall übrig. Das heisst, unser Ausdruck wird nur mehr sein können eine Summe, ein (ein - oder mehr - gliedriges) Aggregat von Monomen, welche selbst nichts anderes sein313§ 13. Auf Negation gründbare Sätze.können als (ein - oder mehrfaktorige) Produkte aus einfachen Gebiet - symbolen, irgendwie herausgegriffen aus der Gruppe der in den Aus - druck ursprünglich eingehenden literalen Gebiete. q. e. d.

Man sagt von einem in solcher Weise dargestellten Ausdruck: derselbe sei in seine letzten Glieder ( ultimate aggregants ) zerfällt, auf - gelöst (oder entwickelt).

Bemerkenswert ist, dass er dann keine Klammern mehr enthalten wird. In der That nur beim Multipliziren von Summen durfte die Klammer (um diese herum) nicht ohne weiteres weggelassen werden, wogegen beim Addiren von Produkten dem herrschenden Gebrauch gemäss die Klammern jeweils gespart werden.

Es versteht sich, dass man bei der geschilderten Zerfällungsarbeit von den Gesetzen der Tautologie und Absorption, Th. 14) und 23) im Sinne der Vereinfachung des Resultates umfassendsten Ge - brauch machen wird.

Geschieht letzteres nach Möglichkeit, also dass kein Term wiederholt angesetzt und jeder unterdrückt wird, der einen andern als Faktor ent - hält, so würde sich wol zeigen lassen, dass die Zerfällung eines Ausdruckes in seine letzten Aggreganten immer nur auf eine Weise möglich, dass sie eine vollkommen eindentig bestimmte ist, sobald wenigstens die in den Ausdruck eingehenden einfachen Gebiete von einander unabhängig be - liebige sind [solange also insbesondre unter diesen Gebieten auch keine vorkommen, welche die Negation von andern sind]. Indessen im Hin - blick auf spätere viel wichtigere Ausdehnungen unsres Satzes (vergl. § 19) dürfte es kaum verlohnen, diesen immerhin schwierig erscheinenden Nach - weis zu liefern.

Zur Illustration werde die Aufgabe gelöst den folgenden Ausdruck in seine letzten Aggreganten zu zerfällen: x = {a b c + (a b d + a c d)} + + {(a b + c d) (a c + b d) (a d + b c) + (a + b + c) (a + b + d) (a + c + d) (b + c + d)} × · {(a + b) (c + d) + (a + c) (b + d)} (a + b c) (a + b d) (a + c d) (a + b c d).

Als Nebenrechnung entwickle man erst die beiden Glieder in der zweiten Zeile.

Das erste wird (durch Ausmultipliziren): a b c d + a b c + a b d + a c d + b c d, wovon auch noch der erste Term eingeht; das zweite wird: (a + b + c d) (a b + c + d) = a b + a c + a d + b c + b d + c d + a b c d, wovon der letzte Term absorbirt wird.

Die stehen bleibenden sechs Terme absorbiren aber auch noch die sämtlichen des vorhergehenden Gliedes, und da die Entwickelung des In - haltes der geschwungenen Klammer in der dritten Zeile gerade die näm - lichen sechs Terme liefert, so erhalten wir:314Siebente Vorlesung.x = a b c + a b d + a c d + + (a b + a c + a d + b c + b d + c d) (a + b c d). Multiplizirt man hier vollends aus, so gehen auch noch die ersten drei Terme von x in dem Ergebnisse ein, und entsteht: x = a b + a c + a d + b c d als das gesuchte Ergebniss.

Ganz genau dual entsprechend kann man auch jeden Ausdruck der gedachten Art (der mithin Ergebniss der Verknüpfung von lauter ein - fachen Symbolen mittelst identischer Multiplikationen und Additionen ist) zerfällen in seine letzten Faktoren , ( ultimate factors von Peirce auch geradezu als Primfaktoren bezeichnet), d. h. in solche Faktoren, welche nur Summen aus irgendwelchen von den gegebenen einfachen Symbolen sind, mithin kein Produkt mehr zum Summan - den enthalten.

Man scheide hier gemeinsame Faktoren, soweit solche ersichtlich sind, jeweils aus, und vereinige die dann noch übrig bleibenden Glie - der successive nach dem dualen Gegenstück der Multiplikationsregel für Polynome, d. h. gemäss dem Th. 28+), indem man jeweils jeden Faktor des einen Gliedes um jeden Faktor des andern vermehrt und die sich ergebenden Einzelsummen schliesslich miteinander multiplizirt (ohne Ausmultipliziren sie zu einem Produkte vereinigt, ihre Multipli - kation blos andeutend ).

Auf diese Weise umgeformt wird z. B., wie leicht zu sehen, unser letzter Ausdruck: x = (a + b) (a + c) (a + d) (b + c + d). Ebenso würde ein Ausdruck y = x + e sich nun darstellen als: y = (a + b + e) (a + c + e) (a + d + e) (b + c + d + e).

Da jedoch die Anwendung des dualen Gegenstücks 28+) der Multipli - kationsregel für Polynome dem Mathematiker nicht geläufig ist, so werden wir später [unter Th. 36), Zusatz 3] ein anderes Mittel angeben, um ohne jenes denselben Zweck zu erreichen ein Zweck übrigens, dessen Ver - wirklichung ohnehin nur selten als vorteilhaft oder wünschenswert erschei - nen möchte.

Zusatz 2 zu Th. 28) [und 30)].

Ist eine reduzirte Summe gleich 1, d. h. eine Summe, deren Glie - der unter sich disjunkt sind, so ist die Negation irgend eines Gliedes dieser Summe allemal die Summe ihrer übrigen Glieder (ohne das ge - nannte); ebenso ist noch allgemeiner die Negation irgend eines Aggregates von Gliedern, hervorgehoben aus dieser Summe, leicht angebbar in Gestalt des Aggregates ihrer übrig bleibenden Glieder.

315§ 14. Der Dualismus.

Denn dieses letztere Aggregat erfüllt die für die Negation des erstern charakteristischen beiden Bedingungen des Theorems 30): das - selbe erstens zur 1 additiv zu ergänzen dies laut Voraussetzung und zweitens mit ihm disjunkt zu sein, das Produkt 0 zu liefern; das Produkt muss verschwinden, weil beim Ausmultipliziren desselben ge - mäss Th. 28+) alle Partialprodukte nach Voraussetzung verschwinden werden, mithin auch deren Summe.

Ist z. B. 1 = a + b + c + d + e, während a, b, c, d, e disjunkt sind, so muss sein: a1 = b + c + d + e, c1 = a + b + d + e, (a + b + c + d) 1 = e, (a + b) 1 = c + d + e, (a + c + e) 1 = b + d, etc.

In der Mannigfaltigkeit 1 der Wirbeltiere muss, was nicht Fisch ist, Reptil oder Vogel oder Säugetier sein, und was nicht Reptil oder Vogel ist, muss Fisch oder Säugetier sein. Etc.

§ 14. Der Dualismus.

Mit den Prinzipien I, II und III× und den bisherigen Definitionen hatten wir bereits die formalen Grundlagen für die Schlussfolgerungen im identischen Kalkul vollständig gewonnen. Diese Grundlagen ent - sprachen entweder dualistisch sich selbst, oder sie traten paarweise auf als Gegenstücke zu einander. Nur bei Prinzip III× hörte die Symmetrie zeitweilig auf, indem der diesem dualistisch entsprechende Satz III+ nicht auch zum Prinzip erhoben wurde (vergl. Anm. 1 zu III×). Die Gültigkeit auch dieses Satzes ist nun aber nachgewiesen; sie ist mit dem allgemeineren Satze 26+), in dem er enthalten, zugleich sicher - gestellt.

Gleichwie nun also die Grundlagen, so müssen auch die aus diesen ableitbaren Folgerungen durchaus dem Satze des Dualismus genügen, welcher lautet:

35) Theorem.

In jedem Satze und in jeder allgemeinen Formel des identischen Ge - bietekalkuls ist es gestattet, gleichzeitig die Zeichen der Unter - und Über - ordnung, die 0 und die 1*)Der Negationsstrich muss dabei unverändert gelassen werden. Dasselbe gilt vom Gleichheitszeichen; doch wird die Eleganz erfordern, dass man die Glei - chungen rückwärts lese. sowie das Mal - und das Pluszeichen selbstverständlich mit den zugehörigen Benennungen im etwaigen ver - balen Texte, wie Subjekt und Prädikat, Produkt und Summe, Faktor und Summand durchweg zu vertauschen, und muss man hiedurch immer316Siebente Vorlesung.wieder einen gültigen Satz, eine richtige Formel erhalten, die von den ursprünglichen in der Regel, doch nicht notwendig verschieden.

Anstatt die Zeichen und der Einordnung und Überdeckung, oder das Sub - und das Supersumtionszeichen miteinander zu vertau - schen, konnte man auch ein jedes derselben, z. B. das erste festhalten, wofern man nur alsdann die beiden Seiten der Subsumtion, das Subjekt und Prädikat jeweils vertauschte. In der That: aus a b entsteht durch Vertauschung des im Subsumtionszeichen enthaltenen Bogens der Unter - ordnung mit dem der Überordnung ersichtlich: a b, und durch Ver - tauschung von major und minor entsteht: b a, was genau dasselbe sagt [aber freilich etwas ganz anderes als die ursprüngliche Subsumtion a b. Diese, wenn für sich allein hingestellt, gilt auch in der That nicht als allgemeine Formel, mithin beansprucht der Satz 35) auch nicht, auf sie anwendbar zu sein. Erst da, wo eine solche Subsumtion von andern Relationen abhängig gemacht ist, kann er mit auf sie anwendbar werden, desgleichen auch in solchen besondern Fällen, wie a a, wo eben die Subsumtion den Charakter einer Formel annimmt].

Prinzip I a a gibt insbesondre a a; dasselbe geht also auf ge - nannte Weise in sich selbst über.

Aus Prinzip II, welches aussagt: Wenn a b und b c so ist a c erhalten wir auf die eine Art: Wenn a b und b c, so ist a c , auf die andre: Wenn b a und c b, so ist c a beides aber ist richtig und deckt sich mit Prinzip II selber.

Man revidire schliesslich, dass durch das angegebene Verfahren die beiden Definitionen (2×) und (2+) ebenso (3×) und (3+) zu tauschen kom - men, wogegen die Def. (1) der Gleichheit und die (6) der Negation nur in sich selbst übergeht.

Ersetzten wir die Gebietsymbole 1 und 0 etwa durch 1 resp. 1 und die Operationssymbole · und + durch × resp. × [desgleichen die Chiffrirungssuffixa × und + durch und ], so könnten wir dem Prinzip des Dualismus den einfacheren Ausdruck geben: In allen Theoremen des Kalkuls darf man die Zeichen und durchweg ver - tauschen.

Führt nämlich von den Grundlagen eine Denknotwendigkeit zu gewissen Folgerungen hin, so muss diese Notwendigkeit bestehen un - abhängig von der Materie des Denkens und deren Bezeichnung. Also auch wenn man das mit Ausgedrückte mit dargestellt hätte, müsste sie fortbestehen. Dann würden aber die Grundlagen dieselben geworden sein, und statt der vorigen hätte man wol grossenteils neue Folgerungen erhalten die dualen Gegenstücke der letzteren so - nach müssen denn auch diese gelten.

Wir wollen die Berechtigung zu diesem Schlusse noch etwas übersichtlicher darlegen.

317§ 14. Der Dualismus.

Es mögen mit G die mehrerwähnten formalen Grundlagen des identischen Kalkuls bezeichnet werden, bestehend aus den bis - herigen Definitionen (1), (2), (3), (6), und den hier als Prinzipien bezeichneten Axiomen I, II unter Zuzug des als ebenfalls gültig nach - gewiesenen dualen Gegenstückes III+ (oder III ) zu III× (oder III ).

Wie wir gesehen, haben dann diese Grundlagen G die Eigenschaft, wiederum in sich selbst nur überzugehen, d. h. ungeändert zu bleiben, wenn man im obigen Sinne die Zeichen und durchweg ver - tauscht, und wurde dieser Umstand dadurch sichtbar gemacht, dass wir dem G das Suffixum erteilten, welches die gleiche Eigenschaft in sich zu erkennen gibt.

Durch diese Grundlagen G ist nun erwiesenermassen eine Gruppe von Folgerungen denknotwendig mitbedingt, z. B. die direkt bewiesenen Theoreme in der Kolumne zur Linken des Mittelstriches enthaltend, welche F genannt werden möge. Dieser notwendige Zusammenhang: Es gilt G, also auch F muss a priori bestehen bleiben, wenn man die Zeichen und ver - tauscht. Dadurch gelangen wir aber zu dem Satze: Es gilt G, also auch F , durch welchen die ganze Gruppe F der den vorigen F dual ent - sprechenden Sätze, darunter alle die in der Spalte rechts vom Mittel - strich befindlichen, mit einem Schlage bewiesen erscheint.

Hieraus erhellen auch die Vorteile des Dualismus und seiner Be - achtung.

Die durchgängige Symmetrie erleichtert schon das Behalten der Sätze, wie denn auf zwei Säulen ein Bau fester ruht, als auf einer.

Man kann aber den Dualismus auch in der That benutzen als ein wirksames Prinzip um sich die Herleitung und Begründung von nahe der Hälfte aller künftigen Sätze zu ersparen. Neben der kleinen Minderzahl sich selbst dual entsprechender Sätze genügt es fortan, nur die in der einen Spalte stehenden selbständig abzuleiten, woraus die fehlenden in der andern Spalte fast mühelos abzuschreiben sind, und man sich auf deren Gültigkeit wird ohne weiteres verlassen kön - nen. Ja bei jedem Paar einander dual entsprechenden Sätze hat man die Wahl, ob man nur den linksseitigen oder nur den rechtseitigen wirklich beweisen will.

Beispielsweise müssen darum auch Geltung haben die sämtlichen318Siebente Vorlesung.noch ausstehenden dualen Gegenstücke bisheriger Sätze, nämlich die noch nicht erwähnten Theoreme: 33×) Th. a b = (a + b) (a + b1) (a1 + b).

Zusatz dazu: a b = (a + b1) b = a (a1 + b). 34×) Th. (a + b) (a + b1) (a1 + b) (a1 + b1) = 0.

Zusatz dazu: a b (a1 + b1) = 0.

Beweise für diese Sätze kann man zum Überfluss auch, den vor - getragenen genau dual entsprechend, konstruiren. Desgleichen mögen eine für den Anfänger empfehlenswerte Übung selbständig Beweise für sie aufgesucht werden.

Bei den Zusätzen genügt schon einfaches Ausmultipliziren mit Rück - sicht auf 30×) und 21+). Bei den Theoremen empfiehlt sich Anwendung des Schemas 27+), wonach sich z. B. die beiden ersten Klammerfaktoren zusammenziehen in a + b b1 = a + 0 = a, etc.

Übrigens gleichwie in vorstehenden Beispielen werden wir auch sonst nirgends gezwungen sein, vom Th. 35) des Dualismus einen wesent - lichen Gebrauch zu machen, indem wir uns ja die benötigten Sätze auch samt und sonders einzeln zu beweisen vermögen. Sofern es uns beliebt, mögen wir das Th. 35) auch lediglich die Rolle eines empirischen Prinzips hier spielen lassen, welches die eben bei jedem einzelnen Satze zu machende Wahrnehmung, dass auch sein duales Gegenstück gilt, nachträglich konstatirt, m. a. W. alle diese Wahr - nehmungen zu einem allgemeinen Satze in erschöpfender Induktion zu - sammenfasst, resumirt.

In solchen Fällen, wo wir nur mehr des einen der beiden zu ein - ander dualen Sätze für die Technik des Kalkuls bedürfen werden, be - gnügen wir uns hinfort, auf die Existenz des andern lediglich in der Chiffrirung durch Anbringung eines Suffixums × oder + bei des erstern Chiffre hinzuweisen.

Den tiefern Grund für die Thatsache, dass wie durch den Gebiete - kalkul, so auch durch die Lehre von den Begriffen ein Dualismus sich hindurchzieht, kann man darin erblicken, dass wie auf S. 130 er - kannt die Unterordnung von Begriffsumfängen einer Überordnung der zugehörigen Begriffsinhalte parallel geht, und insbesondre auch die Multiplikation der Umfänge gleichzeitig angesehen werden kann als eine Addition der Inhalte. Es ist deshalb nicht zu verwundern, dass jener identischen Multiplikation auch die Eigenschaften der identischen Addition genau zukommen, da sie im Grunde selbst eine solche ist.

319§ 15. Kritische Vorbemerkungen.

§ 15. Kritische Vorbemerkungen zum nächsten Paragraphen: In - wiefern negative Urteile als negativ prädizirende anzusehen und disjunktiv prädizirende Urteile von den disjunktiven zu unter - scheiden sind.

Wir treten nunmehr an ein Untersuchungsfeld heran, auf welchem grosse Vorsicht geboten ist, indem wir namhafteste Philosophen aller Zeiten ich nenne zunächst nur Aristoteles und Kant hier weit ausein - andergehen sehen und auch ganz neuerdings von autoritativen Seiten unhalt - bare Theorieen aufgestellt zu finden meinen, die ihre Urheber, wofern diese nur konsequent dabei zuwerke gingen, in die grössten Widersprüche mit sich selbst verwickeln müssten.

Schon um die hiernach entgegenstehenden Hindernisse hinwegzuräumen sehe ich mich veranlasst, der Fortsetzung des systematischen Teils unsrer Disziplin einige Betrachtungen von kritisch-polemischer Natur voranzu - schicken.

Bei diesen Vorbetrachtungen will ich mich des Rechnens noch ent - halten, die Überlegungen vielmehr gemeinverständlich blos in Worten führen. Der Kalkul wird schliesslich die Ergebnisse dieser Überlegungen bestätigen und alles in noch hellerem Lichte erscheinen lassen.

Der Gründe für die Schwierigkeiten einer Theorie der Negation und die durch sie bedingte Uneinigkeit unter den Fachgelehrten sind mehrere, und werde hier auf die hauptsächlichsten im voraus hin - gewiesen, obwol sie sich erst nach Bewältigung des Aussagenkalkuls völlig überblicken und dann auch alle Schwierigkeiten sich als über - wunden erkennen lassen werden.

Ein Hauptgrund dürfte zu erblicken sein in gewissen Unbestimmt - heiten der Wortsprache, welche oft schon in ihren einfachsten und fundamentalsten Satzbildungen die wünschenswerte Präzision vermissen lässt, indem sie als eine notwendiger Zeichen, wie namentlich des Instituts der Klammern, entbehrende verschiedene Auffassungen dieser Satzbildungen zuzulassen scheint und insbesondere eine Ver - mengung von Deutungen des Klassenkalkuls mit solchen des Aussagen - kalkuls nicht selten nahe legt.

Die in Titel des § 16 genannten Sätze der Logik gehören wesent - lich dem Aussagenkalkul an, wurzeln ganz in diesem und können in ihrer ursprünglichen Bedeutung erst dort völlig erledigt werden (Vergl. § 31).

Es kann sich im Klassenkalkul nur um Analoga von ebendiesen Sätzen handeln, denen wir aber, weil sie gleichlautenden Ausdrucks in der Formelsprache teilhaftig sind und später durch einen blossen Wechsel der Interpretation, durch eine einfache Umdeutung aus ihnen320Siebente Vorlesung.hervor oder in sie übergehen werden, einstweilen schon den gleichen Namen beilegen mit dem unterscheidenden Zusatze: im Klassenkalkul .

Zwei zu den allergeläufigsten gehörende Redewendungen sind es besonders, die durch ihren Doppelsinn der Verwirrung Vorschub leisteten.

Die eine*)Die andre werden wir weiter unten erst unter η) namhaft machen. lautet: α) A ist nicht B .

Entgegen einer weitverbreiteten Meinung ist es im Allgemeinen durchaus nicht gleichgültig (für den Sinn dieser Aussage), ob die Ver - neinungspartikel nicht (in noch näher zu erläuterndem Sinne) zur Kopula ist , oder ob sie zum Prädikate B geschlagen wird.

Es handelt sich um die beiden Aussagen: β) A » ist nicht « B und γ) A ist » nicht B « welche als die Deutungsmöglichkeiten der Aussage α) zunächst sich darzubieten scheinen.

Da im Worttext die Klammern ganz andern Zwecken zu dienen pflegen, als wie im Kalkul, da sie hier schon anderweitig beschlagnahmt sind, näm - lich wie bekannt jeweils verwendet werden, um Anmerkungen, Erläuterungen in den Haupttext einzufügen, so ersetze ich daselbst die Zeichen (,) des Kalkuls durch eigentümlich gestaltete Anführungszeichen (guillemets, quo - tation marks) », «.

Man kann die fraglichen Deutungen β) und γ) beim Aussprechen schon durch den Tonfall unterscheiden: es wird der Satz β) etwa im Rhythmus des Choriambus ( ) zu sprechen sein, mit einer Pause hinter der ersten Länge, wogegen der Satz γ) mehr an den Versfuss des Ditrochäus ( ) anklingt.

Nach der Meinung derjenigen Philosophen, welche, wie Kant, Lotze, Sigwart**)Übrigens ohne dabei unter sich übereinzustimmen! das verneinende Urteil α) im Sinne von β) auf - gefasst wissen, nämlich die Verneinungspartikel zur Kopula geschlagen haben wollen wenn sie auch nicht gerade zu der deutlichkeitshalber von mir dafür gewählten Schreibung β) sich bequemen soll dieses Urteil α) oder β) nur konstatiren, dass die Aussage δ) A ist B beziehungsweise

  • δ ') Das Gebiet A ist im Gebiete B enthalten,
  • δ '') Die Klasse A ist enthalten in der Klasse B,
  • δ '' ') Alle A sind B

unrichtig, falsch sei. Umgekehrt käme darnach der Leugnung dieser321§ 15. Negative Urteile als negativ prädizirende anzusehen.Aussagen δ) der sprachliche Ausdruck β) zu, beziehungsweise die Aus - drucksform:

  • β ') Das Gebiet A ist nicht in dem Gebiete B enthalten,
  • β '') Die Klasse A ist nicht enthalten in der Klasse B,
  • β '' ') Alle A. » sind nicht « B.

Die Frage, ob es wirklich angängig ist, die Verneinung der Aussagen δ) sprachlich in die Ausdrucksformen β) einzukleiden, werden wir nachher zum Austrag zu bringen haben. Um Einwänden zuvorzukommen will ich voraus bemerken, dass dies nicht allgemein, und strenge genommen wol überhaupt nicht, angängig ist und dass ich mich blos provisorisch zu dieser Ausdrucksweise bequeme um auf den Gedankengang derjenigen Philosophen eingehen zu können, welche darin den Typus der verneinenden Urteile zu erblicken wähnen.

Das Missliche solcher Darstellung wird der Leser sicherlich bei β '' ') bereits herausgefühlt haben.

Bei genauerem Zusehen wird es sich uns als inkorrekt erweisen, nämlich mit dem anerkanntesten Prinzip der Logik ersichtlich in Widerspruch bringen, bestünde man darauf, die Verneinung der Aus - sagen δ), δ '' ') in die Form der Sätze β), β' '') zu kleiden, die Verneinungs - partikel sonach auf die Kopula zu beziehen.

Als den korrekten Ausdruck solcher Verneinung werden wir schliess - lich allgemein nur gelten lassen können:

  • ε) Es ist unrichtig zu behaupten, A sei B
  • ε '' ') Es ist nicht wahr, dass alle A B sind.

Im hinblick darauf werde ich mich auch enthalten, das im Sinne von β) verstandene Urteil α) hier ein verneinendes Urteil zu nennen; ich werde vielmehr diese korrekt durch ε) darzustellende Aussage hier nur als eine Urteilsverneinung gelten lassen.

Gebrauchen wir demungeachtet vorderhand dafür die Ausdrucks - weise β), so ist der bei den Chiffren δ) erklärte Sinn derselben nie ausser Augen zu lassen: es ist demgemäss unter allen Umständen fest - zuhalten, dass sie die Geltung der Aussagen δ) in Abrede zu stellen haben und weiter nichts.

Was ferner den Sinn der Aussage γ) betrifft, welche als die andre Deutungsmöglichkeit von α) sich darbot, so hat, wenn A und B Ge - biete unsrer Mannigfaltigkeit bedeuten, das » nicht B «, non-B oder B1 im vorvorigen Paragraphen bereits seine Erklärung wiederum als ein Gebiet ebendieser Mannigfaltigkeit gefunden, und können wir in diesem Falle nicht im Zweifel darüber sein, was die Aussage oder Subsumtion γ) bedeutet, Sie wird dann, etwas ausführlicher formulirt, behaupten:

Schröder, Algebra der Logik. 21322Siebente Vorlesung.

γ) Das Gebiet A ist enthalten in dem Gebiet Nicht-B, d. i. in demjenigen Gebiete, welches übrig bleibt, wenn man die sämtlichen Elemente von B, und nur diese, aus unsrer Mannigfaltigkeit fortlässt, dem Gebiete, welches ohne ein Element mit B gemein zu haben, das B zur ganzen Mannigfaltigkeit ergänzt.

Wie ein Punktgebiet aus der Ebene der Schultafel, so vermögen wir aber auch irgend ein gewünschtes System von Individuen aus einer Klasse, der sie angehören, im Geiste fortzulassen oder auszu - streichen und die alsdann übrig bleibenden Individuen festzuhalten; diese vermögen wir so zusammenzufassen zu einer neuen Klasse.

Sofern dabei nur Bezug genommen wird auf eine bestimmte Mannig - faltigkeit der gewöhnlichen Art, deren Individuen etwa den Punkten einer Ebene eindeutig zugeordnet werden könnten und welche die bei einer Untersuchung in Betracht gezogenen Begriffsumfänge oder Klassen mit ihren Individuen sämtlich enthält, wird demnach auch die Bedeu - tung der Negation einer Klasse (und damit, nach dem Umfange be - trachtet, auch des zugehörigen Begriffes ) einsinnig feststehn und zwar für alle Klassen des erwähnten Untersuchungsfeldes, überhaupt für alle diejenigen, welche etwa aus Individuen jener Mannigfaltigkeit gebildet werden könnten.

Haben wir z. B. die Mannigfaltigkeit der farbigen Dinge im Auge, so ist klar, was wir meinen, wenn wir reden von » nicht weissen «, oder auch von » nicht-schwarzen « Dingen, und dieselben Ausdrücke erhalten abermals eine bestimmt feststehende, obzwar beträchtlich weitere, um - fassendere Bedeutung, sobald wir sie etwa auf die Mannigfaltigkeit der sinnlich wahrnehmbaren Dinge beziehen; im letzteren Falle ge - hört ein Schall, Geruch, ein Druck oder Schlag etc. dazu, im er - steren nicht.

Einerlei, ob das erstere geschieht, oder das letztere, so werden beispielsweise die Aussagen gültig sein: Einige Schafe sind nicht - weiss , und Alle Schafe sind nicht-grün , oder, was dasselbe sagt: Kein Schaf ist grün .

Diese Aussagen, welche nach der landläufigen Terminologie das partikular verneinende und das universell verneinende Urteil exempli - fiziren, werden sogar noch richtig bleiben, wenn man auch die in Ge - danken zugrunde gelegte Mannigfaltigkeit noch beliebig weiter aus - dehnt; denn ebendadurch könnte auch nur eine Erweiterung der Prädikatklasse » nicht weiss « resp. » nicht-grün « (oder des auf die Man - nigfaltigkeit beschränkten Umfangs des Prädikat begriffes , sofern von einem solchen noch zu sprechen ist) bewirkt werden, und gehörte das323§ 15. Negative Urteile als negativ prädizirende anzusehen.Subjekt schon zu der engeren, so wird es um so mehr auch zu der erweiterten Prädikatklasse gehören.

Sind A und B irgend welche Klassen von Individuen oder völlig bestimmten mittelst Eigennamens bezeichenbaren Objekten des Den - kens Klassen, die z. B. als die Umfänge von uns gegebenen Be - griffen bestimmt sein mögen so kann man immer eine Mannig - faltigkeit konstruiren, welche die Individuen aus beiden Klassen sämt - lich enthält, und schon mit Bezug auf diese Mannigfaltigkeit (die Mn. A + B) werden dann die Aussagen: Einige A sind nicht-B sowie Alle A sind nicht-B einen völlig bestimmten Sinn haben, nämlich fähig sein, auszudrücken, dass die Klassen A und B teilweise resp. ganz einander ausschliessen (und zwar im ersteren Falle auch auf welche Weise).

Ganz dasselbe wird auch gelten für eine jede der genannten über - geordnete Mannigfaltigkeit. Und es scheint zunächst nichts im Wege zu stehen, dass wir die letztere sogar sich erstrecken lassen über das ganze Gebiet des überhaupt zu denken Möglichen, dass wie wir dies ausdrücken wollen wir unsern Betrachtungen zugrunde legen die absolute Mannigfaltigkeit (des Denkmöglichen).

Es würde dadurch die als Verneinung einer bestimmten Klasse B schlechtweg zu bezeichnende Klasse Nicht-B die weiteste Bedeu - tung zugewiesen erhalten, deren sie überhaupt fähig sein kann, sie würde nämlich alle möglichen individuellen Objekte des Denkens zu - sammenschliessen mit Ausnahme der zur Klasse B gehörenden.

In so erweiterter Bedeutung pflegt nun die Wortsprache die durch Verbindung eines Terms B mit der Verneinungspartikel nicht von ihr zusammengesetzten Ausdrücke nicht-B allerdings gemeinhin nicht aufzufassen, namentlich dann nicht, wenn dieselben in andern Stellungen wie als Prädikat gebraucht werden. Vielmehr bezieht sie dieselben in der Regel stillschweigend nur auf irgend ein dem Begriffe B über - geordnetes genus proximum.

Sprechen wir z. B. von Nichtkombattanten , so wird das genus proximum (zu Kombattanten) hier etwa die Klasse der zur Armee gehörigen oder aber der an einem Feldzug teilnehmenden Personen sein. Und sicher, wenn wir das Wort als Subjekt eines Satzes, oder im Genitiv, in einem von andern Substantiven regirten Kasus ge - brauchen, werden wir wie Lotze treffend betont die Pferde, Wagen und Steine am Wege nicht unter die Nicht-Kombattanten einrechnen.

Fällt dagegen das Wort als Prädikat, sagen wir z. B. die Ärzte21*324Siebente Vorlesung.sind Nichtkombattanten , so wird es für die logische Tragweite des Satzes gleichgültig, ob wir das Wort in jener engeren oder in irgend einer weiteren Bedeutung fassen. Da schon die engere Bedeutung des Wortes Nichtkombattant die Ärzte umschliesst, so wird die weitere es ebenfalls thun.

Strenge genommen sagt freilich im letzteren Falle das Urteil weniger aus, als im erstern; es lässt nämlich unausgedrückt, dass die (gedachten) Ärzte zu den (am Feldzug teilnehmenden) Personen gehören. Allein dieser Umstand bildete einen auch im erstern Falle nur enthymematischen Bestand - teil des Urteils, indem letzteres ja des genus proximum nicht ausdrücklich Erwähnung that. Sofern man worauf es hier allein ankommen wird nur eben die Thatsache, dass kein Arzt ein Kombattant ist, als den vollen Sinn und Gehalt des Urteils gelten lässt, sagt bei der zweiten Auffassung das Urteil auch ebensoviel als bei der ersten.

Wir mögen hienach die Frage, ob bei dem prädikativen Gebrauche des (dem Umfange nach jedenfalls existirenden) Begriffes Nicht-B dieser letztere mehr oder weniger enge gefasst werden soll, die Frage, ob bei der Begrenzung dieser durch Negation aus einer gegebenen B abzuleitenden Klasse Nicht-B Bezug zu nehmen sei auf eine bestimmte, mental zu supplirende, der B nächst übergeordnete Gattung (in wel - chem Falle auch non-B als eine wohldefinirte Klasse erscheinen wird, deren Aufstellung und Verwendung unmöglich beanstandet werden kann), oder ob dabei vielmehr Bezug genommen werde auf die ab - solute Mannigfaltigkeit (ein Verfahren, gegen welches von gewissen Seiten Protest erhoben worden ist) diese Frage können wir zu - nächst ganz offen lassen, sie in das subjektive Belieben stellen. Wir mögen z. B. die in Betracht kommenden verneinenden Ausdrücke wie nicht-schädlich , nicht vollkommen oder unvollkommen , nicht in eine bestimmte Beziehung eingehend, etwas bestimmtes thuend oder leidend, etc. ganz in dem allergeläufigsten Sinne verstehen, und sind darnach auf dem Punkte angelangt, sagen zu dürfen, dass mit einer Aussage der Form

γ '') Die Klasse A ist enthalten in der Klasse Nicht-B oder γ '' ') Alle A sind » nicht B « ein bestimmter und bekannter Sinn verbunden wird.

Das uns die Klammer vertretende Anführungszeichen » « konnte hier auch entbehrlich gemacht werden durch die Schreibung:

A ist (resp. alle A sind) nicht-B, non-B oder Nicht-B, wodurch sich schon die Auffassung γ) des Urteils α) hinlänglich charakterisirt und von der Deutung β) unterscheidet. Beliebt ist für γ) auch die Ausdrucksweise: A ist ein Nicht-B .

325§ 15. Negative Urteile als negativ prädizirende anzusehen.

Berechtigt ist nun die Bemerkung, dass ein solches Urteil γ) ganz wesentlich als ein bejahendes erscheint: es wird dadurch, wie sonst allerwärts, eine Subjektklasse unter die Prädikatklasse subsumirt welche letztere hier nur, gewissermassen zufällig, den verneinenden Ausdruck Nicht-B besitzt. Dass solche Ausdrucksform aber als ein nebensächlicher Umstand hinzustellen ist, sich mehr nur psychologisch, als logisch, begründen und zumeist sich auch vermeiden lässt (sofern für nicht-B auch ein positiver Name zur Verfügung steht), dass ebenso, wo sie fehlte, die Ausdrucksform sich (mittelst doppelter Ver - neinung) willkürlich herstellen liesse, das haben wir schon unter ν2) in B der Einleitung ausgeführt oder angedeutet (vergl. die dortigen Betrachtungen über parallele und nicht-schneidende sowie schneidende und nicht-parallele Geraden in einer Ebene).

Im Hinblick darauf will es nicht als rationell erscheinen, auf diesen Umstand eine wesentliche Unterscheidung zwischen bejahenden und verneinenden Urteilen zu gründen. Es scheint Beanstandung zu verdienen, dass man die Urteile α) mit der Deutung γ) überhaupt als verneinende bezeichne wie ich dies im Einklang mit der seit Aristoteles in der scholastischen Logik (noch) herrschenden (erst neuerdings mehrseitig bekämpften) Terminologie in der That hier thun werde.

Die Wahrnehmung dieser Diskrepanz hat bekanntlich Kant veran - lasst, neben den bejahenden und den von ihm verneinende genannten Urteilen β) noch eine dritte Art von Urteilen einzuführen, die er ziemlich unglücklich vergl. Sigwart I, p. 122 unendliche oder limiti - rende Urteile nennt (Die Seele ist nicht sterblich, soviel als: gehört in die unendliche Sphäre, die übrig bleibt, wenn ich das Sterbliche aussondere). Wie man sieht decken sich diese limitativen Urteile Kant's (deren Be - rechtigung und Vorkommen Sigwart im Gegensatz zu Lotze aus - drücklich anerkennt) mit den eben besprochenen Urteilen γ).

Ich würde vorstehenden Einwand als berechtigt anerkennen und die verneinenden Urteile der herrschenden Terminologie als unpas - send benannte umtaufen, wenn es daneben noch wirklich verneinende Urteile etwa die β) gäbe. Indem wir aber, wie schon angedeutet, diese Ausdrucksform β) als nicht haltbar erkennen werden, wird offen - bar, dass solches nicht der Fall ist, und aus diesem Grunde mögen wir uns auch der herrschenden Terminologie in Bezug auf ihre ver - neinenden Urteile ganz unbedenklich anschliessen.

Am angemessensten erscheint es, dergleichen Urteile γ) mit Wundt als negativ prädizirende zu bezeichnen.

Diese Benennung dürfte auf alle Fälle passend und unanfechtbar er - scheinen, und auch von Denjenigen der Kant'schen vorgezogen werden,326Siebente Vorlesung.die, wie Sigwart, auf einem, dem hier zu rechtfertigenden entgegen - gesetzten Standpunkte bestehen zu müssen glauben.

Wir haben jetzt den Sinn der Aussagen β) und γ) als der beiden Deutungsmöglichkeiten von α) selbständig festgestellt und vorweg die einschlägigen Benennungsfragen erledigt.

Nunmehr können wir dazu schreiten, zu zeigen, dass die Bedeu - tung der beiden Urteile β), γ) in der That grundverschieden ist. Im An - schluss daran wird sich dann auch herausstellen, welches von beiden die dem Urteil α) rechtmässig zukommende Deutung ist.

Ob in α) die Verneinungspartikel nicht in dem angeführten Sinne zur Kopula, oder ob sie zum Prädikat geschlagen wird, wird sich als gleichgültig uns nur dann erweisen, wenn das Urteil α) ein singulares ist, d. h. wenn das Subjekt A des Urteils Keine Klasse, son - dern ein Individuum vorstellt, wenn es mithin nicht durch einen Ge - meinnamen als ein vieldeutiger Term, sondern als ein eindeutiger Term durch einen Eigennamen ausgedrückt sich darstellt.

Stellt A einen Punkt unsrer Mannigfaltigkeit vor, so decken sich die Aussagen β ') und γ'). Wenn der Punkt einem Gebiete B nicht angehört, so gehört er notwendig dem Aussengebiete, der Negation des letztern oder dem Gebiete Nicht-B an, und umgekehrt. Der Punkt kann nicht gespalten werden; er kann nicht in zwei einander aus - schliessende Gebiete zugleich hineinragen.

Ebenso, wenn A ein Individuum vorstellt.

Die Musik von Beethoven ich meine diese selber, und zwar (um ein ganz individuelles Subjekt zu erhalten) bei einer bestimmten Gelegen - heit von gewissen Künstlern exekutirt, nicht etwa aber die gedruckten Noten » ist nicht « schwarz. Sie ist folglich » nicht-schwarz «.

Oder, um noch ein besseres Beispiel zu nehmen:

Das Kind frägt: Darf ich dies thun? Der Vater sagt: Nein! und er mag diese Antwort ausführlicher in den Satz kleiden: Du darfst dies nicht thun.

Dies ist zunächst wol zu unterscheiden von: Du darfst es » nicht thun «, d. h. Du darfst es unterlassen! Man sieht: die Verneinungspartikel gehört nicht zu dem ihr unmittelbar folgenden Worte thun , sondern zu dem Worte darfst und wäre logisch-konsequenter Weise, aber im Gegensatz zum Sprachgebrauche, eigentlich voranzustellen dem Prädikate darfst dies thun des entsprechenden bejahenden Urteils. Im Englischen wird sie schon etwas weiter vorangenommen: You dare not do that , und am unzwei - deutigsten prägt sich ihre Bezugnahme auf das Verbum dürfen , wel - ches das nachfolgende regirt, im Französischen aus: Tu ne dois pas faire cela .

Ob wir nun das Verbot Du darfst dies nicht thun wie vor -327§ 15. Negative Urteile als negativ prädizirende anzusehen.stehend auffassen als die blosse Verneinung des Satzes Du darfst dies thun , welchen das Kind als einen Fragesatz aufgeworfen, oder ob wir dasselbe deuten in dem Sinne: Du gehörst zur Klasse der Personen, welche nicht es thun dürfen , dies ist in materieller Hinsicht ganz ohne Belang, kommt wesentlich auf dasselbe hinaus, Hier rächt es sich nicht, wenn man die Verneinungspartikel zur Kopula anstatt zum Prädikate schlägt.

Wollte aber darauf hin jemand behaupten, aus der Verneinung der Aussage: Du darfst dies thun sei mit Denknotwendigkeit gefolgt: Du darfst dies nicht thun , oder umgekehrt, so wäre zu entgegnen, dass solcher Schluss von der Verneinung des A ist B auf die Behauptung A ist nicht B doch ein formell unrichtiger wäre. Im vorliegenden Falle, wo Prämisse und Konklusion materiell richtig, war der Schluss ein unvoll - ständiger, ein Enthymen. Und zwar beruhte er wesentlich mit auf einer stillschweigend übergangenen Nebenprämisse, besagend, dass das Subjekt Du resp. das Ich des Fragesatzes ein Individuum sei. Nach der Art, wie wir den Begriff des Individuums fassen, drückt diese unerwähnt ge - bliebene Prämisse einerseits aus, dass unser Subjekt nicht eine Mehrheit von Bedeutungen habe (keine Gattung ist), und andrerseits auch dass es existire, nicht nichts bedeute oder bedeutungslos wäre sodass, in der die Null adjungirt habenden exakten Logik wenigstens, die ausgelassene Prämisse auch als ein Paar von Prämissen hingestellt werden könnte.

Dass in der That ohne solche Prämisse der Schluss hinfällig wäre, wird sogleich ersichtlich, wenn wir nachher das Subjekt Ich, Du des Frage - und Antwortsatzes durch Wir, Ihr ersetzen.

Ganz anders (nämlich) verhält sich aber die Sache, wenn das Urteil α) ein generelles ist, mag es partikular, mag es universal sein. Hier geben die Sätze β) und γ) verschiedenen Sinn, und wenn dem Sprachgebrauch unzweifelhaft entsprechend das Urteil α) interpretirt werden soll, so ist es durchaus nur im Sinne von γ) zu deuten. Konse - quenterweise muss demnach die Verneinungspartikel zum Prädikate ge - schlagen werden.

Nehmen wir z. B. an, dass die ältern Geschwister etwas thun dürfen (vielleicht sogar sollen), was den jüngeren untersagt bleibt, so wird auf die Frage der Kinder oder des unter ihnen das Wort führenden: Dürfen wir dies thun? das Nein des Vaters in Kraft bleiben, denn ein Ja oder Ihr dürft dies thun würde es den jüngeren Geschwistern mit erlauben.

Die Antwort aber: Ihr dürft dies nicht thun würde es (nach dem Prinzipe: quidquid de omnibus valet, etc.) auch den älteren ver - bieten! Und sie würde gewiss auch als ein solches Verbot verstanden werden.

Hier also ist es einmal jedenfalls nicht angängig, die Verneinung328Siebente Vorlesung.des Urteils δ) in der Form α) auszusprechen, m. a. W. den Satz α) in dem als Bedeutung von β) erklärten Sinne zu verstehen. Es fehlt ja der Sprache nicht an Ausdrucksformen zur Darstellung des zutreffenden Sachverhaltes; der Vater mag z. B. auf die gestellte Frage zur Ant - wort geben: Ihr nicht, aber wohl (sondern nur) die beiden ältesten , oder Nur zum Teile dürft Ihr es thun, zum Teil nicht, und zwar etc. Als vollständig unmöglich muss es aber hingestellt werden, die richtige Antwort in Gestalt eines einzigen Satzes zu geben, dessen Subjekt Ihr (logisch dasselbe wie das Wir des Fragesatzes) wäre, und dessen Prädikat (in Bejahung oder Verneinung hingestellt) schlecht - weg als dürft dies thun sich darstellte!

Da genau genommen selbst das Pronomen personale Ich , auf eine bestimmte Person bezogen, noch ein Gattungsbegriff ist, insofern diese Person gemeint sein kann in verschiedenen Momenten ihres sich abwickelnden Lebens, so würden schon an die Frage: Kann ich dies thun? z. B. ein gewisses schwieriges Kunststück hinbringen, welches nur zeitweilig ge - lingt sich Betrachtungen anknüpfen lassen, welche den letzten analog sind.

Das vorstehende Beispiel war gewiss aus dem Leben genommen; es hatte höchstens den Misstand, dass ein logisch identisches Subjekt A doch im Frage - und Antwortsatze als Ich, Wir resp. Du, Ihr ver - schiedenen Ausdrucks teilhaftig wurde. Fassen wir darum noch ein Beispiel in's Auge, in welchem das Subjekt seinen Ausdruck nicht wechselt.

Zugegeben, dass es weisse und auch schwarze Schafe gibt. Bedeutet dann A die ganze Klasse der Schafe und B die Klasse weiss , so er - kennt man augenblicklich dass die Aussage β) in dem oben für sie fest - gesetzten Sinne richtig ist, und die zweite γ) falsch. Erstere, nämlich:

β0) Die Schafe (schlechtweg, d. h. alle Schafe) » sind nicht « weiss müsste als ein richtiges Urteil anerkannt werden indem sie die Geltung der falschen Aussage

δ0) Alle Schafe sind weiss

in Abrede stellte so wenigstens gemäss der über die Auslegung einer jeden Aussage β) oben getroffenen Verabredung.

Die zweite Aussage dagegen γ0) Die (Alle) Schafe sind nicht-weiss ist ein falsches Urteil, würde behaupten, dass auch die weissen Schafe, welche es doch gibt, welche sogar die Mehrzahl bilden, nicht-weiss seien.

Die beiden Urteile können daher unmöglich äquivalent sein.

Man bemerkt aber auch, wie gezwungen die dem Satze β0) gegebene Auslegung erscheint. Unstreitig würde hiefür die Sprache den Ausdruck vorziehen: Nicht alle Schafe sind weiss (d. h. die Klasse der Schafe ist nicht ganz, nur zum Teil, enthalten in der Klasse der weissen Dinge), wo - mit sie allerdings darüber hinaus noch andeuten würde, dass es neben nicht-weissen auch weisse Schafe gibt; am besten den: Einige Schafe sind329§ 15. Negative Urteile als negativ prädizirende anzusehen.nicht-weiss. Soll wirklich weiter nichts, als was in dem Satze ausgesagt wird: Es ist nicht wahr, dass alle Schafe weiss sind korrekt zum Aus - druck gebracht werden, ohne dass man aufhört von allen Schafen zu reden, so steht uns vorerst nur diese allerdings etwas umständliche Ausdrucksweise selbst zur Verfügung (§ 33 und 35).

Ich möchte indess weitere zur Rechtfertigung unserer Behauptungen dienende Ausführungen an gegnerischerseits gemachte Einwürfe an - knüpfen:

Kant's limitative Urteile γ) glaubten wir angemessener als nega - tiv-prädizirende bezeichnen zu sollen, und auch fortfahren zu dürfen, im Einklang mit der herrschenden Aristotelisch-scholastischen Terminologie dieselben schlechtweg als verneinende Urteile gelten zu lassen in An - betracht dass wir die andere Urteilform β) (die für Kant-Lotze-Sigwart den Typus des verneinenden Urteils vorstellt) überhaupt nicht werden an - erkennen können.

Gegen Kant's limitative, also unsre negativ prädizirenden Urteile polemisirt nun aber auf das heftigste Lotze. Ein Autor von des letzteren Bedeutung und Ansehen, falls er irrt, verdient gewiss widerlegt zu werden. Geben wir ihm darum zunächst selbst das Wort. In 1 p. 61 sagt derselbe:

Eine bestimmte Beziehung zwischen S und P, welcher Art sie immer sein mag, denken wir uns durch ein Urtheil: S ist P, als einen noch frag - lichen Gedanken ausgedrückt; diese Beziehung bildet den Gedankeninhalt, über den zwei einander entgegengesetzte Nebenurtheile gefällt werden; das eine affirmative gibt ihm das Prädicat der Gültigkeit oder der Wirklich - keit, das andere negative verweigert sie ihm.

Es erhellt hieraus, dass Lotze das verneinende Urteil im Sinne unsrer Aussage β) aufgefasst wissen will. Für diese Auffassung plädirt er überhaupt auf der ganzen Seite (p. 61) und weiterhin.

Er fährt z. B. fort (und hierin kann ich ihm beipflichten):

aber zwei wesentlich verschiedene Arten des Urtheils begründet dieser Unterschied nicht. Gültigkeit oder Ungültigkeit sind vielmehr in Bezug auf die Frage, die uns hier beschäftigt, als sachliche Prädicate zu bezeichnen, die von dem ganzen Urtheilsinhalte als ihrem Subjecte gelten.

Aber nun weiter unten:

das limitative oder unendliche Urtheil, das durch eine positive Copula dem Subject ein negatives Prädicat beilegen soll und durch die Formel: S ist ein Nicht-P, ausgedrückt zu werden pflegt. Viel Scharfsinn ist auch in neuerer Zeit zur Ehrenrettung dieser Urtheilsform aufgeboten worden, in der ich dennoch nur ein widersinniges Erzeugniss des Schulwitzes*)Ich gestatte mir, in diesen Citaten einzelnes durch kursiven Druck eigen - mächtig hervorzuheben. finden kann.

Ich werfe zunächst die Zwischenfrage ein: Steht nicht unmittelbar vorher das sachliche Prädikat der Ungültigkeit schon im Widerspruch mit der soeben und noch weiterhin verfochtenen Anschauung? Ist nicht330Siebente Vorlesung.eine Aussage, wie: Dies Urteil ist ein ungültiges gerade von der be - kämpften Form: S ist ein nicht-P ?

Fern liegt mir indess, etwa einen kleinen lapsus consequentiae auf - greifen zu wollen, um einen Vorwurf daraus zu schmieden. Hören wir weiter (auf p. 62):

Und so gibt es nirgends für das natürliche Denken eine zwingende Veranlassung, limitative Urtheile zu bilden; jede Folgerung, die aus dem Satze: S ist ein Nicht-P, möglich wäre, bleibt auch möglich aus dem andern: S ist nicht P. Es ist nicht der Mühe werth, hierüber weitläufiger zu werden; offenbare Grillen müssen in der Wissenschaft nicht einmal durch zu sorg - fältige Bekämpfung fortgepflanzt werden.

Dies insbesondre was kursiv gedruckt ist ein fundamentaler Irr - tum! Wir haben bereits gesehen, dass wenn S zum Beispiel Alle A be - deutet, diese hier für äquivalent erklärten Sätze im Grunde unser γ) und β) durchaus nicht gleichbedeutend sind; sie können daher auch nicht dieselbe logische Tragweite besitzen. In der That wird später wahr - zunehmen sein: aus dem letztern Urteil β) sei es für sich, sei's in Ver - bindung mit andern Prämissen folgt viel weniger als aus dem erstern γ).

Leicht war es eine derartige allgemeine Behauptung aufzustellen, wenn man sich dabei beruhigte und es unterliess, dieselbe in ihre Konsequenzen zu verfolgen.

Letzteres haben wir schon gethan nach der Seite der universalen Aus - sagen. Thun wir's auch noch nach der Seite der partikularen, um uns zu vergewissern, wie weit Lotze mit sich selbst in Übereinstimmung bleibt.

Sein Subjekt S möge also nun bedeuten: Einige A .

Wenn Lotze nach den von ihm selbst aufgestellten Grundsätzen zu - werke geht, so muss er unter dem Satze Einige A sind nicht B , oder wie dies noch deutlicher geschrieben werden könnte, unter: Einige A » sind nicht « B verstehen: die verneinend ausfallende Antwort auf die Frage, ob einige A wol B seien? Verneinung des Urteils: Einige A sind B liefert aber nach dem gesunden Menschenverstand, nach den Regeln der Schullogik und wie dies später auch die Rechnung bestätigt, das Urteil: Kein A ist B .

Niemandem wird es einfallen, unter dieser letzteren Aussage genan das nämliche zu verstehen, wie unter der vorigen, die beiden für äquivalent zu erklären; niemand wird z. B. den Satz: Einige Schafe sind nicht weiss verstehen als Kein Schaf ist weiss und niemand wird die Verneinung der Behauptung, dass einige Schafe gelb seien, durch den Satz ausdrücken: Einige Schafe sind nicht gelb .

Auch Lotze thut dies nicht. Er versteht unter Sätzen, wie: einige A sind nicht B, alle A sind nicht B, ganz dasselbe, wie alle übrigen Menschen, und steht nur in dem Wahne, die verneinenden Aussagen gleichwol durch - aus unserm Schema β) gemäss zu deuten.

Lotze tritt überhaupt als entschiedener Gegner einer Logik des (Be - griffs -) Umfanges auf. 1 p. 58 sagt er:

Natürlich haben auch diese Umfangsverhältnisse ihren logischen Werth; aber wo man diesen bedürfen wird, ist er nicht so schwierig zu ermitteln, um sich seiner nicht nebenher augenblicklich zu bemächtigen; einen Haupt -331§ 15. Negative Urteile als negativ prädizirende anzusehen.gesichtspunkt für die Betrachtung der Urtheile aus jenen Verhältnissen zu machen, halte ich für ebenso irrig als langweilig.

Wenn Lotze damit Recht hätte, so würde unser Bemühen, eine exakte Logik des Umfanges hier zu begründen, ein eitel vergebliches sein.

Nun zeigen aber die Fehler, in welche Lotze verfällt (und zwar schon in so einfachen jedweder Komplikation ermangelnden Fällen, wie bei dem besprochenen verneinenden Urteile), dass es doch nicht so leicht ist, sich der fraglichen Umfangsverhältnisse nebenher zu bemächtigen, und damit richtet sich seine (ohnehin, wie die vorhergehenden, eminent subjektive) letzte Schlussbemerkung von selbst. Des näheren vergleiche man hiezu noch δ3) in C unsrer Einleitung.

Wir haben gesehen, dass sooft das Urteil α) oder δ) ein generelles ist, es wesentlich einen andern Sinn liefert, als der ist, welchen der Sprachgebrauch mit der Aussage α) verbindet, will man die Verneinungs - partikel gemäss β) auf die Kopula beziehen.

Nun aber zu zeigen, dass dies genau genommen sogar einen Un - sinn liefert, dazu will ich jetzt schreiten.

Es handelt sich um das Urteil:

ε) Die Behauptung A ist B ist unrichtig, von dem ich nachweisen will, dass es nicht (wie provisorisch bisher) mit β) A » ist nicht « B noch weniger auch mit α) wiedergegeben werden darf.

Das Urteil ε) ist von Hause aus und bleibt in Ewigkeit (in Boole's Benennungsweise) ein sekundäres, ein Urteil über ein Urteil; nur mittelbar zunächst sagt es auch über A und B selbst etwas aus.

Welche Schlüsse aus dem Urteil ε) in Bezug auf A und B zu ziehen sind, wie m. a. W. dieses Urteil aufzulösen ist in primäre Aussagen, die von diesen Dingen A, B selbst (und von deren Negationen) unmittelbar handeln, werden wir später (Ende § 35) erschöpfend darlegen. Dort wird zu sehen sein, dass dieses Urteil allgemein nur in eine Alternative von primären Urteilen zerfällbar ist.

Die wirkliche Verneinung, Leugnung einer Aussage hat zum Sub - jekt (wie Lotze richtig bemerkte) ebendiese Aussage, und zum Prädi - kate ungültig, falsch, nicht-wahr . Subjekt jenes Urteils ε) ist die Behauptung δ) A ist B .

Diese selbst*)In der suppositio realis genommen, nämlich in Hinsicht dessen, was sie bedeutet, nicht aber (in suppositio nominalis) als blosser Schall oder Wortgefüge genommen vergl. ξ1) in B der Einleitung und § 31., und nicht, wie nach Sigwart, die Kopula ist derselben, ist dasjenige, was bestritten, in Abrede gestellt werden soll, ist der Gegenstand, auf den die Ableugnung sich bezieht, ist zugleich das Objekt der Verneinung .

Es scheint von vornherein eine Verdrehung der wahren Sachlage zu sein, wenn man für dieses Urteil ε) ein anderes unterzuschieben332Siebente Vorlesung.sucht in Gestalt von β) mit dem Subjekte A! Die Berechtigung hiezu müsste doch erst nachgewiesen werden.

Wie wir aber bereits die Unmöglichkeit eingesehen haben, wenig - stens falls A eine (n) Gattung (sbegriff) vorstellt, dies in korrekter Weise durchzuführen, so lässt sich nun auch obendrein erkennen, dass die Aussage β) dann einen Widerspruch in sich schliesst.

Mit dem Urteil β) wird beabsichtigt, von dem Subjekte (das ist unstreitig:) A etwas auszusagen, zu prädiziren. Die hinter diesem Subjekt stehenden Worte: ζ) » ist nicht « B geben an, was vom Subjekte A ausgesagt werden soll, sie erscheinen wenn man nicht gerade sagen will: als das Prädikat des Satzes so doch gewiss: als die Prädikation in demselben.

Unbeschadet des distributiven Charakters des Prädikates kann die Kopula in dasselbe eingerechnet werden. Schon aus dem Grunde, weil eine Kopula sehr häufig fehlt, erst in Gedanken zugefügt werden müsste (z. B. auch sobald ein anderes Verbum, als das Hülfszeitwort sein im Satze auftritt), wird nicht selten dasjenige, was eigentlich die Verbindung der Kopula mit dem Prädikate zu nennen wäre, schlechtweg als Prädikat bezeichnet. Wer schärfer unterscheiden will, mag für diese Verbindung den Ausdruck Prädikation gebrauchen.

Mit dieser Prädikation ζ) geraten wir nun aber in Widerspruch mit unserm Prinzip II, in Konflikt mit dem Satze: quidquid de omni - bus valet, valet etiam de nonnullis et de singulis den auch die Gegner unsrer Ausführungen als einen die ganze Logik beherrschenden Grundsatz ausdrücklich anerkennen.

Es müsste diese Prädikation ζ) sobald das Urteil β) anerkannt wird, nun auch den sämtlichen Arten und Individuen der Gattung A zukommen, was im Allgemeinen (wie die Beispiele zeigen) nicht der Fall ist.

Vom gegnerischen Standpunkt musste als richtig der Satz zugegeben werden: β0) Alle (Die) Schafe » sind nicht « weiss. Diese Prädikation » sind nicht « weiss müsste nach dem dictum de omni auch den weissen unter den Schafen (als einzelnen) zukommen, was widersinnig. Von der Gattung der Schafe müsste sie ebenso auf deren Arten, auf jede Schaf - rasse sich übertragen, während es doch sehr wohl eine solche Rasse geben kann, die nur weisse Schafe enthält.

Ragt der Kreis A nur teilweise in den Kreis B herein, so hätte man ebenso anzuerkennen: Alle Punkte des Kreises A » sind nicht « im Kreise B enthalten. Dasselbe aber erschiene damit auch von den in B hineinfallenden Punkten des A behauptet.

Sagen wir aber: der Kreis A fällt nicht in den Kreis B hinein, so scheinen wiederum beide Deutungen β) und γ) gleichermassen zulässig zu333§ 15. Negative Urteile als negativ prädizirende anzusehen.sein. Das Subjekt ist nunmehr ein Individuum, welches die in ihm ent - haltenen Punktindividuen Kollektiv nicht generell zusammenfasst, und hier könnte man den erhobenen Einwand nicht mehr vorbringen, denn einen Grundsatz der Logik, wonach, was von dem Ganzen behauptet wird, un - bedingt auch von dessen Teilen einzeln gelten müsste, einen solchen Grund - satz gibt es nicht.

Die obige Argumentation wird hinfällig, wenn ein Schliessen von allen oder einigen auf einzelne nicht angeht, weil überhaupt nur ein Individuum vorliegt.

Logisch ist dies der Fall nur beim singulären Urteil, dem Sprach - gefühl nach mitunter schon, wenn das Subjekt A im Singular steht.

[So kann man namentlich die Sätze β ') und β' ') passiren lassen, auch wenn darin das » ist nicht « in Anführungszeichen gesetzt würde, um so mehr aber ohne diese Verunstaltung, und zwar weil ihr Subjekt charakterisirt erscheint als ein Individuum allerdings nicht aus unsrer ursprünglichen, sondern in der aus ihr abgeleiteten Mannig - faltigkeit, der Mn. der Punktgebiete, der Klassen. Jedenfalls ist im Gegensatz, wie gezeigt, zu β' '') bezüglich jener beiden Sätze zu erklären, dass sie den sprachlich richtigen Ausdruck für die Verneinung der entsprechenden Sätze δ '), δ' ') vorstellten.]

Durch die Singularform wird in der Regel psychologisch eine Indi - vidualisirung des Subjektes angeregt. Man mag sich deshalb versucht fühlen, auch Lotze für sein Beispiel wenigstens zuzustimmen, wenn er das Urteil: Der Geist ist nicht Materie aufgefasst wissen will als die ver - neinende Antwort auf die Frage, ob der Geist Materie sei?

Das Urteil tritt zwar in der Form eines unbestimmten Urteils auf, beansprucht aber unzweifelhaft ein universales in logischer Hinsicht zu sein.

Unrecht muss man Lotze sofort auch für das Beispiel geben, wenn man anstatt Der Geist schlechtweg einmal sagt: Alle Geister oder auch nur: Jeder Geist . [Letzteres, obwol in Singularform, bringt durch das adjektivische Pronomen Jeder sofort die generelle Natur des Urteils, den Charakter des Subjekts als eine Gattung zum Bewusstsein, und begründet dadurch eine Ausnahme zu der eben nebenher statuirten psychologischen Regel.] Es könnten ja rein logisch betrachtet auch einige Geister Materie sein und andere nicht. Da wäre denn die Frage, ob allgemein der Geist Materie ist, zu verneinen, und dennoch das Urteil: Der Geist ist nicht Materie , mit der gleichen Allgemeinheit hingestellt, ein ungültiges!

Nun unterscheiden sich aber die beiden Aussagen: Der Geist ist nicht Materie (so, wie diese verstanden werden sollte) und Jeder Geist ist nicht Materie (oder: Kein Geist ist Materie) logisch überhaupt nicht. Sie unterscheiden sich nur psychologisch, insofern die Mehrdeutigkeit des Sub - jekts bei der erstern dem Bewusstsein entschwunden ist.

Man erkennt hier überhaupt die psychologische oder subjektive Be - dingung dafür, dass man Kant's Benennungsweise, Lotze's und Sig -334Siebente Vorlesung.wart's Theorie der verneinenden Urteile zustimmen könne: sie besteht darin, dass man vollständig ausser Acht lasse oder vergesse, dass das Sub - jekt der zu verneinenden Urteile eine Mehrheit von Bedeutungen umfassen kann oder umfasst.

Von rechtswegen hätte diese Theorie zum wenigsten auf die singu - lären Urteile ausdrücklich beschränkt werden müssen.

Da bei den generellen Urteilen nun nichts übrig bleibt, als zu der Deutung γ) für ihre Verneinung die Zuflucht zu nehmen, und wir bei den singulären Urteilen zwischen den Deutungen β) und γ) die Wahl hatten, so werden wir im Interesse der Einheitlichkeit des Verfahrens, um eine allgemeine Theorie zu ermöglichen, auch bei den letzteren der Deutung γ) den Vorzug zu geben haben.

Für die Algebra der Logik liesse sich noch ein weiterer Grund geltend machen, ganz und gar, auch bei den singulären Urteilen, nicht nur die Auslegung, die wir mittelst β) dem Urteil α) gaben, sondern diese Aus - drucksweise β) selbst: A » ist nicht « B zu verwerfen.

Dieser stellt sich dar als eine Folge oder Wirkung der hier (im Gegensatz zur Sprache des gemeinen Lebens) vollzogenen Zuziehung der Null.

Die Null haben wir gesehen ist in jeder Klasse mitenthalten; sie ist Subjekt zu jedem Prädikate. Hier muss gelten: Das Nichts ist ein B (in B enthalten), und zugleich auch: Das Nichts ist ein Nicht-B (in Nicht-B mitenthalten) was nebenbei gesagt durchaus keinen Widerspruch bildet, obwol die Klassen B und Nicht-B einander ausschliessen, indem sie gerade eben Nichts gemein haben.

Zugleich mit der Klasse A, zu der das Nichts mitgehört, zu der es quasi sich mit herandrängt, von der es nicht ausgeschlossen werden kann, würde nun im Urteil β) die Prädikation ζ) » ist nicht « ein B auch dem Nichts zugesprochen erscheinen. Wir würden so auf die Anerkennung des Satzes geführt: Das Nichts » ist nicht « ein B , welcher seinerseits zu verstehen war als die Inabredestellung des Urteils: Das Nichts ist ein B . Das letztere unbedingt anzuerkennen waren wir aber durch die Konsequenz verpflichtet daher ein Widerspruch!

Für die Sprache des gemeinen Lebens wäre, wie schon angedeutet, diese Überlegung nicht maassgebend, weil diese in ihren Urteilsbildungen, wie anderwärts ausgeführt, das Nichts gemeinhin vorweg ausschliesst (prä - kludirt). In der exakten Logik aber dürfen (resp. müssen) wir jedes Urteil der Form β) für falsch erklären. Die Verneinungspartikel mit Sigwart auf die Kopula zu beziehen ist dann hier überhaupt nicht angängig.

So wenigstens, wenn der Grundsatz quidquid de omnibus valet, valet etiam de singulis für alle Prädikationen, welche die Wortsprache auszu - drücken vermag, wirklich für quidquid valet , für alles, was gültig aus - gesagt werden kann, soll aufrecht erhalten werden. Denn unter diesen Einzelnen ( singuli ) figurirt hier auch das Nichts, wenngleich wir das - selbe sonst freilich nicht als ein Individuum (im engeren Sinne) der Subjektklasse gelten lassen werden.

Ich gebe zu, dass dieser vorstehenden Argumentation kein grosses335§ 15. Negative Urteile als negativ prädizirende anzusehen.Gewicht beizulegen ist. Ob man sich ihr anschliessen will, bleibt in ge - wissem Grade Geschmackssache. Man kann auch den Standpunkt ein - nehmen (wie wir ohnehin, bei unsrer Fassung des Prinzipes II, es thun), dass man die Gültigkeit des Grundsatzes quidquid valet etc. einschränkt auf solche Prädikationen, welche als wirkliche (und demnach selbstverständ - lich bejahend auftretende) Subsumtion unter eine (wenn auch vielleicht als Negation einer andern sich darstellende) Prädikatklasse erscheinen.

Ich meine jedoch, dass es nicht angezeigt ist, ganz unnötigerweise und sozusagen gewaltsam, in Gestalt der (wie mich dünkt absonderlichen) Satzform: A » ist nicht « B, solche Prädikationen in die Wortsprache ein - zuführen, welche, indem sie einer Klasse A gültig zugesprochen werden, gleichwol nicht allem Dem zukommen können, was unter dieser Klasse A mitenthalten ist.

Unsre Ergebnisse sind also folgende.

Die herrschende Terminologie ist wesentlich im Rechte. Ihre verneinenden Urteile sind negativ prädizirende. Die Verneinungspartikel im verneinenden Urteil gehört zum Prädikate, und in seiner Polemik gegen Kant ist Lotze im Unrechte.

Mit Kant aber diese Urteile als limitative abweichend zu be - nennen ist überflüssig. Denn die nach Kant-Lotze-Sigwart's Theorie als » verneinende « hingestellten Urteile können allgemein als diese jedenfalls nicht gelten und sie brauchen was sich empfiehlt als besondere Urteilsformen der Wortsprache (und in der Logik als pri - märe Urteile) überhaupt nicht anerkannt zu werden.

Dieselben sind verneinende, d. h. nun also negativ prädizirende Urteile über ein Urteil, welches ihr Subjekt und zugleich das Objekt der Verneinung ist. Allgemein ist es nicht möglich, dieselben darzu - stellen in Gestalt eines Urteils, welches das Subjekt dieses Subjektes zum Subjekte hätte. Die exakte Logik wird vielmehr diese sekun - dären Urteile, diese Urteilsverneinungen auflösen in eine Alternative von primären Urteilen.

Noch bleibt der Einwurf Lotze's zu widerlegen, wenn unsrer Prädi - katklasse B ein Begriff zugeordnet ist, der (als seinen Inhalt) bestimmte Merkmale in sich zusammenfasst, dass es zumeist nicht möglich sei, mit der Negation der Klasse, mit (Kant's und) unserm Nicht-B , dem wider - sinnigen Erzeugniss des Schulwitzes einen Begriff zu verbinden.

Darauf ist zu bemerken, erstens, dass wenn dem so ist oder wäre, es nichts zu bedeuten hätte. Das thut nichts!

Der Sinn, den wir Aussagen, wie:

Alle A sind nicht B, Einige A sind nicht B, wirklich beizulegen haben, ist, wie wir gesehen haben, ein solcher, dass die Prädikation , nicht-B zu sein, sich ganz in gleicher Weise von den omnes auf die non - nulli und die singuli (von allen auf einige und die einzelnen, ja sogar auf das Nichts mit) überträgt, wie eine Prädikation, B zu sein.

336Siebente Vorlesung.

Weil sonach jene Prädikation nicht - B zu sein, den distributiven Cha - rakter mit jedem wirklichem Prädikate gemein hat, weil sie die funda - mentale Eigenschaft besitzt, auf eine Mehrheit generell angewendet allemal dem Prinzip II gemäss sich auf die Glieder derselben zu verteilen, so müssten wir schon aus rein äusserlichen Zweckmässigkeitsrücksichten um eine gemeinschaftliche Behandlung solcher Prädikation mit den wirk - lichen Prädikaten (mit Prädikatbegriffen) zu ermöglichen dazu schreiten, den Begriff des Prädikats zu erweitern. Wir müssten uns dadurch be - stimmen lassen, jenes nicht-B sei es auch als ein fiktives, uneigent - liches Prädikat, d. h. im Grunde blosse Redensart doch als Prädikat im weitern Sinne mit zuzulassen; jene wären also unter die Prädikate mitaufzunehmen, und zwar, wenn auch weiter gar nichts darunter zu denken wäre.

Letzteres ist aber noch obendrein nicht der Fall. Denn zweitens ist nicht der geringste Anlass oder gar zwingende Grund vorhanden, den Be - griff des Merkmals so enge zu fassen, wie es bei Lotze's Argumentation anscheinend geschieht. [Vergl. γ3) unsrer Einleitung.]

Wir erinnern an die grosse Allgemeinheit mit welcher der Begriff des Merkmals hier stets aufgefasst werden sollte und auch sonst immer auf - gefasst wird. Merkmal eines Dinges oder isolirbaren Objekts des Denkens war alles zu nennen, was von dem Dinge (oder in Bezug auf dasselbe) wahrheitsgemäss ausgesagt werden kann.

Solches konnte sogar bestehen in einer Beziehung des Dinges zu uns selbst als der mittelbaren Folge einer z. B. willkürlich von uns hergestellten Beziehung unsrer selbst zu diesem. Wenn ich beispielsweise in einen Laden trete um gewisse Dinge zu kaufen, so muss es während meiner Verhandlungen mit dem Kaufmann, der Besichtigung der Waren ev. dem Feilschen um den Preis als ein Merkmal gewisser von den Waren gelten, dass ich sie kaufen will, im Gegensatz zu den übrigen, die ich nicht kaufen will. Habe ich jene gekauft, so ist es wiederum ein Merkmal derselben, dass sie in meinen Besitz oder Eigentum übergegangen. Der Kaufmann wird, um dieses Merkmal festzuhalten, sie beiseite legen, meine Adresse auf das Paket schreiben, etc., wofern er nicht, falls die[Gegenstände] schwer beweglich sind, sie gar mit Kreidestrich versieht, das Merkmal sichtbar zu machen. Das gleiche würde der Kaufmann vielmehr bei den nicht-gekauften Waren thun, falls ich etwa beinah den ganzen Laden ausgekauft hätte. Die gekauften Waren sind diejenigen, die nicht dem Kaufmann verbleiben; die nicht gekauften diejenigen, die ich ihm lassen will; das eine ist sogut ein Merkmal wie das andre, und kann auch, wie man sieht, nach Belieben positiv oder negativ ausgedrückt werden.

Wer je versuchen sollte, etwa die Maxime: Sooft du im Zweifel bist, ob du etwas thun sollst oder nicht, so unterlass 'es! im praktischen Leben zu befolgen, wird bald gewahr werden, wie oft ihn dieser Rat im Stiche lässt, indem, was unter einem Gesichtspunkt als ein Thun erscheint, sich unter einem andern als ein Unterlassen darstellt, sowie umgekehrt. So z. B. bei der Frage: Soll ich Herrn N grüssen?, oder soll ich ihn schneiden ?

Auch Abwesenheit , Nichtvorhandensein , Fehlen oder Mangel eines bestimmten Merkmals oder einer Merkmalgruppe ist wiederum als337§ 15. Negative Urteile als negativ prädizirende anzusehen.ein Merkmal und damit auch als ein Begriff anzuerkennen, wie denn auch die Sprache dafür die soeben angeführten abstrakten Begriffswörter und überhaupt vor allem in Gestalt der mit der Vorsilbe un - zusammen - gesetzten Beiwörter und Hauptwörter eine Unmasse von Benennungen hat.

Es ist ein Merkmal des Schalles, Tons oder Klanges z. B., dass er der Farbe (im eigentlichen, nicht im übertragenen Sinne) entbehrt, dass er überhaupt nicht auf den Gesichtssinn wirkt. Wir erblicken darin eine Ver - schiedenheit, einen Gegensatz, Kontrast desselben z. B. mit dem Bilde des Spektrums. Soll auch Kontrast nicht als ein Merkmal gelten?

Warum, frage ich um noch ein Beispiel zu nehmen warum soll es nicht ein Merkmal für die Katze der Insel Man ( Manxcat ) genannt werden, dass sie keinen Schwanz besitzt? Mir scheint es für die Katzen dieser Rasse noch ein wichtigeres Merkmal zu sein, dass sie keinen, als für die übrigen Katzen, dass sie einen Schwanz jeweils besitzen.

Wer sich diesem zuzustimmen weigerte, müsste vor allem ein unfehl - bares, vom sprachlichen Ausdruck unabhüngiges Kennzeichen aufstellen, wo - nach über die positive Natur eines Merkmals zu entscheiden wäre, z. B. sich ergeben würde, ob parallel oder schneidend, ob gesund oder krank, nützlich oder schädlich, frei oder gebunden, vorwärts oder rückwärts, gleich oder verschieden, etc. das positive (Beziehungs -) Merkmal.

Sofern wir die Klasse Mensch als eine wohldefinirte anzusehen ver - mögen, glauben wir mit dem Begriffe Mensch ein Mittel zu besitzen, Alles, was (ein) Mensch ist, zu unterscheiden von allem Erdenklichen, was es nicht ist. Diese Unterscheidung ist eine gegenseitige. Im ferneren Besitze des fundamentalen Begriffs der Verneinung, begreifen wir damit auch, was es heisst, wenn sich die für den Menschen charakteristische Merkmalgruppe an einem Objekt des Denkens nicht, oder nicht vollständig, vorfinden sollte. Wir haben damit von selbst auch den Begriff : Nicht - Mensch , und haben es gar nicht nötig, nach weiteren gemeinsamen Merk - malen von Dreieck, Wehmut und Schwefelsäure etc. noch besonders zu suchen, indem das Nichtzutreffen jener bestimmten Merkmalgruppe als Merkmal völlig genügt, um den Begriff Nicht-Mensch zu charakterisiren und (kraft des in Gestalt dieses Merkmals in uns wirksamen Prinzips) die Klasse Nicht-mensch zu einer genau ebenso wohldefinirten Klasse zu machen, als die Klasse Mensch es war. Vergl. γ3) der Einleitung.

Auch wer die Existenz eines Inhaltes zu dem angeblichen Begriffe Nichtmensch leugnet, indem er bei einer engeren, doktrinären, Auffassung des Begriffes verharrt, wird aber wenigstens zugeben müssen, dass ein Umfang zu diesem streitigen Begriffe in Gestalt der Klasse wirklich vorhanden ist (S. 99), dass der Begriff mindestens dem Umfange nach existirt und dies genügt für eine Logik des Umfanges!

Allerdings muss die Mannigfaltigkeit unsrer Denkobjekte, damit in ihr der Negationsbegriff aufstellbar ist, gewisse Anforderungen*)Diese Anforderungen vermöchte aber eine neben dem Menschen auch die Dreiecke, Wehmut und Schwefelsäure nebst noch vielem andern enthaltende Mannigfaltigkeit für unser obiges Beispiel in der That zu erfüllen.Schröder, Algebra der Logik. 22338Siebente Vorlesung.erfüllen, an die indess noch niemand gedacht zu haben scheint, welche zu formuliren jedenfalls die Philosophen gänzlich unterlassen haben (an die auch Lotze's Ausstellungen nicht entfernt streifen). Bei der Fort - setzung der Theorie werden wir diese Anforderungen zu statuiren haben.

Die zweite der eingangs erwähnten Redensarten lautet: η) A ist B oder C .

Auch hier macht es einen grossen Unterschied, ob wir die Partikel oder mit auf die Kopula beziehen, oder ob wir sie blos auf die beiden Ausdrücke beziehen, die sie, anscheinend im Prädikate, unmittel - bar verknüpft, m. a. W. ob wir als Glieder der Alternative ansehen wollen: die durch distributive Verwendung der Kopula entstehenden beiden Prädikationen ist B und ist C , oder aber blos: die Klassen - terme B und C .

Im erstern Falle haben wir in Gestalt von:

  • ϑ)
    • A ist entweder B, oder C genauer:
    • (Entweder) A ist B, oder (es) A ist C

ein wirklich disjunktives Urteil vor uns (falls nämlich die Glieder der Disjunktion einander ausschliessen). Dieses Urteil stellt eine Aus - sage (A ist B) als abhängig hin von einer andern (A ist C), genauer gesagt: es macht die beiden Aussagen von einander abhängig. Ent - weder es gilt die eine, oder es gilt die andere, oder also vielleicht auch beide zugleich so wenigstens bei der für uns hier maass - gebenden Auffassung. *)Diese Auffassung ist allerdings eine weitere als die altherkömmliche, die zu dem Namen der disjunktiven Urteile den Grund aus der Voraussetzung ent - nahm, dass die Klassen B und C disjunkte seien.

Als ein sekundäres Urteil vermögen wir dieses in unsrer bis - herigen Formelsprache noch keineswegs auszudrücken; vielmehr muss das dem Aussagenkalkul vorbehalten bleiben.

Da in η) die Worte ist und oder durch das eine, B, der beiden Prädikate B und C getrennt erscheinen, so könnten sie auch nicht durch eine Klammer auf der Zeile zusammengeschlossen werden, und bleibt zur deutlichen Charakterisirung der hier geforderten Auslegung, wenn man nicht eigene Ein - und Auslösungszeichen einführen will, nichts übrig, als eben so, wie es in der zweiten Fassung von ϑ) geschah, die Kopula ist hinter der Konjunktion oder zu wiederholen.

Im zweiten Falle haben wir in Gestalt von: ι) A ist » B oder C « einfach ein kategorisches Urteil vor uns, kein disjunktives. Während339§ 15. Disjunktive Urteile von disjunktiv prädizirenden zu unterscheiden.vorhin B und C zwei gesonderte Prädikate waren, hat das vorliegende Urteil nur ein Prädikat: » B oder C «, welches aber aus zwei Klassen B und C mittelst der Konjunktion oder zusammengesetzt erscheint, somit einen (von Jevons so genannten) pluralen Term vorstellt. Man könnte auch in Gestalt eines sog. divisiven Urteils sagen: Die A sind teils B, teils C.

Diesmal genügte die Klammer, oder das sie vertretende Anführungs - zeichen, zur deutlichen Charakterisirung der für die Aussage η) hier ge - forderten Auffassung. Sofern es nun lediglich darauf ankommt, einer Ver - wechselung der beiden Auffassungen ϑ) und ι) des Urteils η) vorzubeugen, so lässt sich dieser Zweck erreichen, indem wir etwa die Vorschrift be - obachteten, im zweiten Falle allemal die Anführungszeichen » « zu setzen, im ersten sie fortzulassen. Alles in allem genommen würde also in dieser Frage mit dem Institut der Klammern doch auszukommen sein.

Im Gegensatz zu den (eigentlich) disjunktiven ϑ) sind Urteile von der Form ι) nur als disjunktiv prädizirende zu bezeichnen.

Beide Urteile ϑ) und ι) geben denselben Sinn, decken sich oder sind logisch äquivalent, das eine folgt jedesmal mit aus dem andern (und umgekehrt) falls sie sich als singuläre Urteile darstellen, sobald nämlich das Subjekt A derselben ein Individuum bezeichnet. (Und dieser Umstand bildet dann eine Prämisse, welche auch unerlässlich ist, damit man die erwähnte Folgerung ziehen dürfe.)

Stellen dagegen unsre Urteile sich als generelle dar, genauer: be - deutet ihr Subjekt A eine Klasse oder Gattung, so geben sie ver - schiedenen Sinn, und zwar sagt das disjunktive Urteil ϑ) entschieden mehr aus als das disjunktiv prädizirende ι), indem es unfehlbar auch die Gültigkeit des letzteren nach sich zieht, wogegen das disjunktiv prädizirende Urteil ι) alsdann nicht aufgebrochen werden darf in ein disjunktives ϑ).

Ist in der That ein Punkt A enthalten im Gebiete » B oder C « (d. i. in dem aus den Kreisen B und C zusammengesetzten Gebiete B + C, dem Inbegriff, der Gesamtheit jener Gebiete), so ist notwendig er entweder ent - halten im Gebiete B, oder aber im Gebiete C, oder vielleicht auch (falls diese einander nicht ausschlossen) in beiden Gebieten zugleich, d. h. es gilt dann: Entweder ist A in B enthalten oder es ist A in C enthalten. Desgleichen selbstverständlich auch umgekehrt: Gilt letzteres, so ist der Punkt A gewiss auch im Gebiete » B oder C « enthalten.

Der Punkt konnte ja nicht teilweise dem einen, teilweise dem andern Gebiet angehören, da er eben unteilbar ist.

Anders, wenn dem Gebiet A eine Ausdehnung zukommt.

Ist es nach ϑ) richtig, dass ein solches A entweder ganz in B hinein - fällt, oder dass es ganz in C hineinfällt, so wird es damit auch in » B oder C « hineinfallen, d. h. es gilt alsdann auch wieder ι).

22*340Siebente Vorlesung.

Dagegen ist der umgekehrte Schluss jetzt nicht mehr zulässig. Wenn ι) gilt, so kann dies auch so geschehen, dass A zu einem Teile in den Kreis B zum andern in C hineinfällt; es gilt dann das disjunktiv prädizirende Urteil ι): A ist in » B oder C « enthalten, und gleichwol gilt das disjunk - tive Urteil ϑ) nicht, indem weder A in B noch A in C (schlechtweg, d. h. ganz) enthalten sein wird.

Und so verhält es sich nun auch, falls A eine Klasse, ein Gattungs - begriff sein sollte.

Zugegeben etwa, dass es blos weisse und schwarze Schafe gebe. Als - dann ist das disjunktive Urteil:

ϑ) Entweder sind alle Schafe weiss, oder sie sind schwarz, offenbar unrichtig; das Gegenteil vielmehr:

Weder sind alle Schafe weiss, noch sind sie alle schwarz, ist richtig.

Das disjunktiv prädizirende Urteil dagegen ist richtig, und zwar gibt ihm die Sprache (ohne Anwendung von besondern Anführungszeichen) den Ausdruck:

ι) Alle Schafe sind (entweder) weiss (e) oder schwarz (e).

Dass unser Urteil, wie in diesem Beispiele, ein universales, sowie dass die Glieder B und C der Alternative einander ausschliessen, erscheint dabei als nebensächlich. Das gleiche gilt, falls es partikular, sowie falls B und C ein Gebiet gemein haben.

Im Hinblick darauf z. B., dass westafrikanische Schafe der Wolle ent - behren und unter diesen sich auch schwarze finden mögen, können wir sagen:

ι) Einige Schafe sind schwarz oder ohne Wollhaare, und niemand wird diesen Satz als das disjunktive Urteil verstehen:

ϑ) Entweder einige Schafe sind schwarz, oder einige Schafe (dieselben) entbehren der Wollhaare.

Und auch, wenn das generelle Urteil sich im Subjekt des Ausdrucks Jedes A , Manches A bedienen, sowie wenn es in der sprachlichen Aus - drucksform des unbestimmten Urteils sich darstellen sollte, gilt ein gleiches.

Sagen wir:

(Die) Milch ist entweder gefälscht oder unverfälscht (echt), so ist das Urteil wesentlich ein universales, es will von jeder oder aller Milch gelten.

Dasselbe Urteil aber würde wieder nur im Sinne von ι) als disjunktiv prädizirendes zu verstehen sein und unzweifelhaft auch verstanden werden.

Das entsprechende disjunktive Urteil

ϑ) Entweder ist alle Milch gefälscht, oder alle Milch ist echt, wäre abermals sowol als Deutung jenes Urteils, wie auch an sich zu ver - werfen.

Die bisherige Logik scheint mir nun zwischen den beiden Arten von Urteilen, den disjunktiven (die sie den kategorischen gegenüber - stellt) und den disjunktiv prädizirenden (welche unter die kategorischen fallen) nicht hinlänglich unterschieden zu haben.

Die von ihr so genannten disjunktiven Urteile sind, wie aus dem vorstehenden erhellt, in der Regel disjunktiv prädizirende. Jedenfalls werden wir es zunächst (bis zum Aussagenkalkul) nur mit den letzteren341§ 15. Disjunktive Urteile von disjunktiv prädizirenden zu unterscheiden.zu thun haben. Blos, wo sie singulär sind, erscheinen beide Auf - fassungen gleichermassen zulässig.

Im Hinblick auf den Umstand, dass bei diesen Urteilen die Glieder der Disjunktion schon vielfach in der Sprache des gemeinen Lebens, desgleichen bei den in unsrer Theorie mit zuzulassenden Urteilen ein - ander nicht notwendig auszuschliessen brauchen, dürfte es als ange - messener erscheinen, das Wort disjunktiv durchweg durch ein anderes, etwa durch alternativ zu ersetzen.

Anmerkung. Im Hinblick auf das unter η) Gesagte könnte man auf die Vermutung kommen, als ob ähnlich auch das Urteil: ϰ) A oder B ist C, in welchem das Bindewort oder anscheinend im Subjekt des Satzes auftritt, zweierlei Deutungsmöglichkeiten darböte.

Bei korrekter Handhabung der Sprache ist dies nicht der Fall. Das Urteil ist unter allen Umständen ein sekundäres, in Wirklichkeit disjunktives, welches die zwei Urteile A ist C und B ist C der - art von einander abhängig hinstellt, dass mindestens das eine derselben gelten muss: Entweder A ist C, oder aber B ist C, oder auch (bei der für uns maassgebenden Auffassung des oder ) beide, A und B, sind C. Zu seiner Darstellung in der Formelsprache wird auch dieses Urteil des Aussagenkalkuls bedürfen.

Dagegen würde ein Urteil λ) » A oder B « ist C auszudrücken haben, dass das Gebiet A + B, der Inbegriff der Klassen A und B in C enthalten ist, demnach sowol A als B selber sich unter C subsumirt. Bereits unter ι) des § 8 haben wir darauf aufmerksam ge - macht, dass aber das Pluszeichen des identischen Kalkuls im Subjekte mit und zu übersetzen ist, und hätte darnach in der Wortsprache der Sach - verhalt, anstatt durch λ) nur durch das Urteil μ) A und B ist C ausgedrückt werden dürfen, wo Verwechselungen alsdann ausgeschlossen erscheinen.

Die in diesem Paragraphen besprochenen Urteilsformen lassen erkennen, dass es wie schon Jevons betont oft einen Unter - schied macht, ob man von einer Klasse spricht, oder ob von den in ihr enthaltenen Individuen. Will man von Klassen reden wie wir es bis zur Erledigung der wissenschaftlichen Definition des Individuums durchweg vorhaben so müssen disjunktiv (resp. alternativ) prädi - zirende Urteile von den disjunktiven (resp. alternativen) und negativ prädizirende Urteile von den Urteilsverneinungen sorgfältig unter - schieden werden.

[342]

Achte Vorlesung.

§ 16. Deutung der Negation für Klassen. Satz des Widerspruchs, des ausgeschlossenen Mittels und der doppelten Verneinung im Klassenkalkul. Dichotomie. Gewöhnliche Mannigfaltigkeit.

Die Übertragung der bisherigen Begriffe und Sätze von den Ge - bieten einer Mannigfaltigkeit 1 von Punkten auf die Klassen einer Mannigfaltigkeit von Individuen unterliegt keiner innern Schwierigkeit, wenn nur ebendiese Mannigfaltigkeit wieder die beiden Grundeigen - schaften besitzt: erstens als ein Ganzes 1 denkbar zu sein, d. h. nur miteinander verträgliche Elemente als Individuen zu enthalten ( kon - sistente Mn. vergl. § 7) und zweitens eine reine Mn. zu sein, so - mit unter ihren Individuen nicht auch Klassen von solchen Individuen (nebst vielleicht noch anderem) zu enthalten, und demzufolge die Ad - jungirung einer einheitlichen Null zuzulassen [vergl. § 9, ψ, χ)].

Diese beiden Anforderungen aber, vereinbar und rein zu sein, wer - den sich für die Existenz, für die Möglichkeit der Bildung, eines Negationsbegriffes nicht nur als hinreichende, sondern auch als uner - lässliche, notwendige Bedingungen demnächst erweisen.

Aus der Mannigfaltigkeit des Denkmöglichen überhaupt denken wir uns eine Mn. der verlangten Art als eine wohldefinirte Klasse hervorgehoben und bezeichnen dieselbe fortan kurz als eine gewöhn - liche Mannigfaltigkeit .

Die Elemente oder Individuen derselben müssen, wie gesagt, ein - ander gegenseitig ausschliessen, in dem Sinne, dass zwar wohl ein In - dividuum zugleich Teil*)Vergleiche eine unten S. 351 folgende exemplifizirende Betrachtung. oder Eigenschaft, Thätigkeit, Merkmal eines andern, desgleichen sogar eine Beziehung zwischen andern, aber nicht eine Bedeutung desselben sein darf, das andre nicht etwa eine das erste mitumfassende Klasse sei. Und ferner müssen diese Individuen ver - einbar, d. i. gleichzeitig denkmögliche sein, es dürfen keine zwei ein -343§ 16. Gewöhnliche Mannigfaltigkeit.ander ausschliessen in dem Sinne, dass sie beide zusammen zu denken einen Widerspruch involviren würde. *)Dergleichen wäre wol nur dann zu gewärtigen, wenn als Elemente der Mn. (auch) in Urteilen niedergelegte Überzeugungen figuriren, wenn als deren In - dividuen Glaubenssätze (im weiteren Sinne des Wortes) auftreten. Dann Obiges ausdrücklich zu verlangen, scheint eigentlich überflüssig, weil von Vernünftigen Unvereinbares ohnehin nicht zusammen gedacht wird, und für Verrückte keine Logik geschrieben wird. Von Vernünftigen ja! sofern sie nicht auf dem Holzwege sind, nicht irren. Versteckte Widersprüche können aber auch solchen entgehen. Ohnehin dürfte auch die Grenze zwischen beiden Kategorieen von Personen gar nicht so scharf zu ziehen sein; vielmehr hat die Ansicht sehr viel für sich, dass jeder Mensch an partiellem Wahnsinn leide, dass er seinen Tollpunkt be - sitzt (eventuell auch deren mehrere, welche, nebenbei gesagt, meist schon daran erkennbar, dass er böse wird, sobald ein solcher von Andern berührt wird) oder, un mit meinem Kollegen Knop einen terminus technicus der Geologie zu verwerten, mit dem sie das Vorkommniss bezeichnet, wo eine Schicht plötzlich in ganz anderem Niveau sich fortsetzt, als auf welchem sie aufgehört hat zu strei - chen: dass es auch in des Menschen Hirne Verwerfungsspalten gibt. Endlich war doch in Anhang 4 und 5 zu sehen, dass man auch unvereiu - bare, inkonsistente Mannigfaltigkeiten sehr wohl zum Gegenstand des Studiums machen, als Untersuchungsfeld sich erwählen kann.

Unter diesen Umständen, wissen wir bereits, ist es zulässig, eine Klasse O zu fingiren, welche allen aus der Mn. hervorhebbaren Klassen a gegenüber jene von der Def. (2×) geforderte Eigenschaft besitzt, dass nämlich O a sei, und diese Klasse ist die leere, welche die Rolle des Nichts für diese, in dieser Mn. spielt.

Und ferner gibt es dann auch eine Klasse 1, welche diesen Klassen gegenüber die Forderung der Def. (2+) erfüllt, dass a 1 stets ist, und dies ist die Mn. selbst als die umfassendste der in ihr enthal - tenen Klassen.

Alsdann auch ist es möglich, die Individuen irgend einer ge - gebenen Klasse a aus der Mn. fortzulassen, und die übrig bleibenden Individuen derselben wiederum zu einer Klasse zusammenzufassen (für welche O zu nehmen ist, wenn keine übrig bleiben sollten).

Wir haben damit die ausreichenden Grundlagen zur Bildung eines Negationsbegriffes: die Negation oder a1 von a wird die bei dem geschilderten Prozess resultirende Klasse sein.

Wir nennen diese Klasse nicht-a, non-a, die Negation, auch das kontradiktorische Gegenteil der Klasse a in Bezug auf die zugrunde liegend gedachte Mannigfaltigkeit, welche letztere indess in der Regel durch den Gegenstand der Untersuchung oder die Natur der anzustellenden Über -344Achte Vorlesung.legungen von vornherein bestimmt ist, als ein für allemal gegeben erscheint, woneben es, andernfalles, meist als belanglos sich erweist, ob sie mehr oder minder enge begrenzt wird woraus sich erklärt, weshalb sie nicht weiter erwähnt zu werden pflegt.

Wir übertragen auch diese Benennungen auf die den Klassen a und a1 (oder ) möglicherweise zugeordneten Begriffe.

Als Beispiele haben wir bereits im vorigen Paragraphen die Nega - tionen nicht-schwarz und Nichtkombattant besprochen. Der letztere Be - griff umfasst z. B. die Pionire, Trainsoldaten, Regimentshandwerker, Laza - retgehülfen, Ärzte, Auditoren und Geistlichen die am Feldzug teilnehmen oder zur Armee gehören, und lassen die Beispiele erkennen, dass in der That der Negationsbegriff auf eine bestimmt abgegrenzte Mn. gemeinhin bezogen wird.

In der Unbestimmtheit jener beim Negiren eines Begriffes zu - grunde zu legenden Mannigfaltigkeit, welche als eine demselben (nicht immer gerade nächst - ) übergeordnete Gattung ausfindig zu machen die Sprache gewöhnlich dem Sprachgefühl des Einzelnen überlässt, liegt nun allerdings eine Schwierigkeit, mit welcher die Theorie sich abzufinden hat. In praktischer Hinsicht ist diese Schwierigkeit minder erheblich, da man bei der angewandten Logik, in den Wissenschaften, doch allemal nur zu thun hat mit Objekten einer bestimmten Gattung, mit den Dingen, welche eben dem Felde der Untersuchung angehören. Fühlbarer macht sie sich auf dem Gebiete der reinen Logik, die sich ja nach Möglichkeit erstrecken sollte über alles Erdenkliche.

Behufs Erzielung einer möglichst unumschränkten Anwendbarkeit unsres Kalkuls wird es sich empfehlen, die beim Negiren zugrunde zu legende Mannigfaltigkeit thunlichst weit zu fassen. Auf die Art, wie dies sich erreichen lässt, gehen wir nachher (am Schluss des Paragraphen) ein.

Einstweilen sei nur auf folgendes hingewiesen. Ausser beim Prädi - ziren kommt die Verneinungspartikel nicht am häufigsten in Verbindung mit Adjektiven (oder deren Substantivirung) vor, und wird hier nicht selten durch die mit dem griechischen Alpha privativum entsprechende Vorsilbe un - vertreten. Z. B. möglich , unmöglich = nicht-möglich, Unmöglichkeit .

Durch die letztere pflegt aber noch bestimmter als bei Anwendung der Partikel nicht , auf ein bestimmtes genus proximum des dem negirten Adjektiv entsprechenden Begriffes hingewiesen zu werden, sodass man die beiden Ausdrucksformen nicht unbedingt für gleichbedeutend er - klären darf. Z. B. von durchsichtig oder undurchsichtig zu sprechen, werden wir nur Anlass haben, wo von körperlichen Dingen die Rede ist. Bei der Bildung des Negationsbegriffs der Undurchsichtigkeit wird des - halb auf die Mannigfaltigkeit der Körperwelt (resp. ihrer Merkmale) Bezug345§ 16. Deutung der Negation für Klassen.genommen, reflektirt. Die Frage, ob Geister durchsichtig seien (Drobisch) wird allgemein zu verneinen sein; aus dem genannten Grunde dürfen sie aber doch nicht undurchsichtig genannt werden. Logisch korrekt bleibt die Antwort: Geister sind nicht-durchsichtig , wo dann mit der Negation Bezug genommen ist auf eine hinreichend umfassende Mannigfaltigkeit, welche neben dem Sichtbaren, der Körperwelt auch mindestens die Geister, und (nach Belieben) anderes mehr, umfasst.

Mit Denknotwendigkeit gelten nun die Gleichungen: 30×) a = 0, 30+) a + = 1, 31) ā̄ = a, sowie = 1 und = 0.

Zunächst die beiden letzteren geben uns (für Klassen gedeutet) die Sätze: Nicht-nichts ist etwas eine Klasse, die, wie wir gesehen haben, Alles überhaupt (innerhalb der Mn.) Denkbare umfasst. Und Nicht - etwas ist nichts.

So unumschränkt diese Sätze auch zu gelten scheinen (zufolge unsrer Gewöhnung, mit unsern Überlegungen uns immer nur innerhalb einer ge - wöhnlichen Mn. zu bewegen), dürfen wir doch schon bei ihnen nicht ausser Acht lassen, dass für eine völlig offene Mn., für die absolute Mannig - faltigkeit des überhaupt zu denken Möglichen, dieselben keine Geltung haben werden, indem für sie wie in § 9, ψ) gezeigt ein einheitliches, ein absolutes Nichts undenkbar ist. Schon durch seine blosse Benennung und Einführung, durch seine Adjungirung zu einem Teile der absoluten Mn. wurde das Nichts zu einem Individuum gestempelt, individualisirt für andere Teilmannigfaltigkeiten derselben. Das Nichts in Bezug auf eine gewöhnliche Mn. z. B. war allemal ein Individuum in Bezug auf die aus dieser abgeleitete Mn.: das Nichts der Grössenlehre war ein Individuum in der Klasse der Zahlen (die arithmetische 0), die Null des identischen Kalkuls ein Individuum in der Klasse der Gebiete oder in der Mn. der Klassen. Sie wurde selbst ja zu einem Gebiete, zu einer Klasse. Über - haupt ist Nichts immer ein Individuum in der Klasse der Eigennamen sowie der Namen schlechtweg, der Worte und der Symbole, eventuell der Vorstellungen, Gedankendinge oder Erfindungen des Menschen. Jedermann wird die Behauptung zugeben: Nichts ist etwas, wovon man reden, etwas , worüber man verschiedener Meinung sein und streiten kann. Es existirt also schon der obige Gegensatz zwischen nichts und etwas in der ab - soluten Mn. nicht.

[Es könnte eingewendet werden, dass wir hier von Nichts immer nur in der suppositio nominalis gesprochen vergl. ξ1) der Einleitung, S. 44 von dem Nichts , als dem Worte, ev. der Vorstellung des Nichts, aber nicht von der Sache, nicht von ebendiesen in der suppositio realis oder im Hinblick auf seine Bedeutung genommen, nicht wirklich von nichts. Allein im letztern Sinn kann davon überhaupt nicht gesprochen werden, man müsste denn schweigen.]

Die Gleichung 30×) a a1 = 0 sagt nun aus: Es gibt nichts, was zugleich (und im selben Sinne) a und nicht-a ist.

346Achte Vorlesung.

Z. B. Nichts ist schwarz und zugleich auch nicht schwarz. Ein Subjekt auch, dem die Prädikate schwarz und nicht-schwarz gleich - zeitig zukommen sollten, muss nichts sein.

Die Gleichung erscheint als der konziseste Ausdruck für den Satz des Widerspruchs , das principium contradictionis der alten Logik zu - nächst hier mit der Beschränkung auf Klassen und Begriffsumfänge.

Aristoteles in seiner Metaphysik formulirt den Satz so (vergl. Sig - wart1 p. 145): Es ist unmöglich, dass dasselbe demselben in derselben Be - ziehung zugleich zukomme und nicht zukomme und sagt weiter: Dies ist der allergewisseste Grundsatz , denn es ist unmöglich, dass irgend je - mand annehme, dasselbe sei und sei nicht Jedermann, der einen Be - weis führt, führt ihn deshalb auf diesen Satz als letzten zurück; denn er ist von Natur das Prinzip auch für alle andern Axiome.

Demselben Satze werden wir im Aussagenkalkul wieder begegnen gleichwie auch den übrigen.

Die Gleichung 30+) a + a1 = 1 sagt aus: Alles ist » a oder nicht-a «.

In die Formelsprache zurückübersetzt würde dieser Ausspruch allerdings nur besagen: 1 a + a1, allein nach Th. 5+) muss diese Subsumtion äquivalent sein der Gleichung 30+). Jedenfalls: Was a ist, und was nicht-a ist, ergänzt sich zu der Gesamtheit alles (in unsrer Mannigfaltigkeit) Denkbaren, macht zusammen diese ganze Mn. aus.

Ein Drittes oder Mittelding zwischen a und nicht-a, schwarz und nicht-schwarz , gibt es darum in ihr nicht. Und so erscheint der Satz als Ausdruck des principium exclusi tertii (oder medii) inter duo con - tradictoria , als der Grundsatz des ausgeschlossenen Dritten oder Mittels zwischen zwei kontradiktorisch entgegengesetzten Begriffen oder als das tertium non datur der alten Logik für den Klassenkalkul gedeutet.

Die übliche Fassung: Omne A est aut B, aut non-B (Jedes A ist ent - weder B, oder nicht-B) muss aber vor missverständlicher Deutung, vor einer zu weit gehenden Interpretation bewahrt werden.

Übersetzt man das omne A mit jedes Individuum einer Klasse A , so ist der Satz richtig, nämlich, wie oben § 16 auseinandergesetzt, sowol zu verstehen als das disjunktiv prädizirende Urteil: A ist » B oder nicht-B « unzweifelhaft gilt in der That: A B + B1, da eben B + B1 = 1 und A 1 sein muss als auch als disjunktives Urteil für's einzelne Individuum.

Deutete man aber das omne A als: jedes Objekt A des Denkens , so überschritte man den dem Satze faktisch zukommenden Gültigkeitsbereich, und namentlich würde man über die demselben rechtmässig zukommende Deutung hinaus gehen, wenn man das omne A übersetzen wollte mit jede Klasse A . Hierdurch nämlich würde das Urteil gleichbedeutend mit der (disjunktiven) Behauptung, dass entweder A B oder A B1347§ 16. Satz des Widerspruchs und des ausgeschlossenen Dritten.sein müsse, was ja falsch zu nennen ist, sooft A aus Teilen von B und B1 sich zusammensetzt.

So mag z. B. wahr sein: Alle Schafe sind, oder jedes Schaf ist ent - weder schwarz oder nicht schwarz (resp. weiss), wogegen doch gleichwol nicht gelten wird: Jede Schafrasse ist entweder schwarz oder nicht schwarz (weiss), indem eine solche Rasse auch schwarze neben weissen Schafen ent - halten mag.

Mit andern Worten: der von jedem A behauptete Satz gilt nur in der ursprünglichen und nicht in der (aus ihr) abgeleiteten Mannig - faltigkeit.

Die Theoreme 30) müssen besonders bei der wissenschaftlichen Klassifikation, Einteilung (divisio) berücksichtigt werden.

Von einer solchen ist als oberste Anforderung die zu erfüllen, dass die Einteilungsglieder oder (Unter) Arten der zu klassifizirenden Gattung wirklich zusammen diese Gattung ausmachen: kein Individuum der Gattung darf ausgelassen werden; die Klassifikation muss eine vollständige sein; die Einteilung darf keine Lücke (gap, hiatus in divi - dendo) aufweisen.

Natürlich müssen die Einteilungsglieder auch wirklich Arten der ge - nannten Gattung (müssen derselben sämtlich eingeordnet) sein; die Arten dürfen nicht über die Gattung hinausgreifen.

Diese Anforderung bildet aber keine solche, vor deren Vernachlässigung besonders zu warnen ist, weil die Einteilungsglieder ohnehin nur als deter - minirende Faktoren der Gattung in Betracht zu kommen pflegen. Teilten wir z. B. die Schafe ein in weisse und schwarze, so meinten wir natür - lich nicht: in weisse Dinge und schwarze Dinge, sondern in weisse Schafe und schwarze.

Darnach pflegt sich die Anforderung, dass die identische Summe der Einteilungsglieder der Gattung eingeordnet sei, gemäss Th. 6×) und Def. (3+) ganz von selbst zu erfüllen; die Vollständigkeit aber erfordert, dass nun auch die umgekehrte Einordnung stattfinde, damit eben gemäss Def. (1) identische Gleichheit zwischen der Gattung und der Summe ihrer Arten vorliege.

Als eine zweite fundamentale Anforderung pflegt die hingestellt zu werden, dass die Einteilungsglieder disjunkt seien, einander gegen - seitig ausschlössen, je zu zweien 0 zum Produkt geben.

Die Vernachlässigung dieser Anforderung würde nämlich zu tau - tologischen Wiederholungen von bereits Aufgezähltem führen, welche als nicht wünschenswert, an sich zwecklos hinzustellen. Fehlerhaft könnte aber solches Verfahren nicht wol genannt werden, auch würde ein Verstoss gegen diese zweite Anforderung keine bedenklichen Wir - kungen haben vielmehr kann, wie wir in § 18, α δ) zeigen, die Missachtung derselben durch Rücksichten auf die Kürze und Bequem - lichkeit des Ausdrucks, bei Aufzählungen (die eine Gattung oder348Achte Vorlesung.Kategorie klassifizirend erschöpfen sollen) nicht selten sogar geboten erscheinen.

Eine dritte und letzte Anforderung, die rigoros gestellt zu werden pflegt, ist die: dass ein Einteilungsgrund vorhanden sei (vergl. Ein - leitung S. 85). Diese Anforderung mag durch psychologische, didak - tische, oder auch methodologische Rücksichten diktirt erscheinen; in rein logischer Hinsicht ist sie wol irrelevant zu nennen. Logisch voll - kommen ist eine Einteilung im Sinne der Logik des Umfanges wenigstens sobald sie nur die beiden ersten Anforderungen ja zur Not schon, sobald sie die erste derselben erfüllt.

Eine, alle drei Anforderungen erfüllende, und überhaupt die logisch vollkommenste Einteilungsweise wird erhalten, indem man das Th. 30+) zum Schema der Einteilung nimmt, nämlich aus der Gattung nur zwei Arten, aus jeder Art ebenso nur zwei Unterarten, und so weiter, macht, und zwar in folgender Weise. Sobald (durch ein Merkmal bestimmt, was indess vom Standpunkt der Logik des Umfanges noch unwesent - lich zu nennen) eine Art a der Gattung als solche sich darbietet, muss die Negation von dieser: a1, soweit sie nur unter die Gattung fällt, als die andere Art hingestellt werden. Und ebenso weiter in Hinsicht der Arten und ihrer Unterarten, falls jene noch fort und fort eingeteilt werden sollten.

Das solches Einteilungsverfahren ein erschöpfendes sein muss, ist nach Th. 30+) evident, wenn man dieses für die jeweils einzuteilende Gattung als augenblicklicher Mannigfaltigkeit 1 in Anspruch nimmt. Ebenso erfüllt das Verfahren kraft Th. 30×) auch die zweite Anfor - derung (und bildet allemal das erwähnte Merkmal den durch die dritte geforderten Einteilungsgrund).

Anwendbar ist das Verfahren auf jede Gattung einer gewöhn - lichen Mannigfaltigkeit 1. Hält man letztere fest, und nennt a die zu klassifizirende Gattung, b eine erste Art derselben, so wird b a, somit nach Th. 20×) b = a b sein. Man hat demnach die Einteilung: a = a b + a b1 Ist dann c eine Unterart von a b, d eine solche von a b1, so hat man ebenso weiter: a b = a b c + a b c1, a b1 = a b1 d + a b1 d1 sonach a = a b c + a b c1 + a b1 d + a b1 d1, wo augenscheinlich das Produkt irgend zweier Glieder rechts ver - schwinden muss, als ein zwei solche Faktoren vereinigendes, die Nega - tionen von einander sind. Etc.

349§ 16. Dichotomie.

Eine derartige Einteilung heisst zweileilig oder dichotomisch (im weitern Sinne). Die Gattung verzweigt sich dabei in Arten und Unter - arten so wie mancher Baum sich in Äste und Zweige gabelt. Es ist aber nicht erforderlich, dass jede Unterart gleichmässig weiter ein - geteilt werde und jedenfalls wird man bei gewissen Spezies als letzten Einteilungsgliedern stehen bleiben.

Gewöhnlich setzt man sogleich eines von diesen endgültigen Ein - teilungsgliedern jeweils als erste Art resp. Unterart an, dessen Nega - tion dann also die übrigen unter die betreffende Gattung resp. Art fallenden Einteilungsglieder in sich vereinigen wird. Hier braucht nur diese letztere, mithin immer nur das eine der beiden Einteilungs - glieder noch weiter eingeteilt zu werden Dichotomie im engeren Sinne. Auch diese ist zuverlässig eine erschöpfende (exhaustive) Ein - teilungsweise.

Werden z. B. mit Max Müller1 die menschlichen Sprachen unter dem Gesichtspunkt ihrer genealogischen Verwandtschaft oder nach - weislichen Abstammung von einer gemeinschaftlichen Muttersprache eingeteilt in die arischen (oder indogermanischen), die semitischen und die turanischen, so erhalten wir dichotomisch zuwerkegehend die Einteilung:

und ist nun ersichtlich, dass wenn etwa bei der oben erwähnten Ein - teilung eine Sprache übersehen worden sein sollte, die sich in keine der drei Abteilungen einfügt, oder wenn vielleicht bei einem wilden Volksstamme eine solche Sprache noch neu entdeckt werden sollte, diese notwendig zu unsrer letzten Gruppe gehören wird d. i. zur Gruppe der weder arisch - noch semitisch - noch turanischen Sprachen.

Vergl. hiezu Jevons6 p. 98 111, insbesondre auch bezüglich des Baum des Porphyrius (Malchos).

Solange dergleichen nicht bekannt, mögen wir diese vierte Unter - abteilung allerdings gleich 0 annehmen.

Ähnlich aber, wie in diesem Beispiele, bewahrt uns auf den weniger sicheren Gebieten des Wissens allein das dichotomische Ver - fahren vor dem Begehen einer Auslassung beim einteilen. Um hier - gegen die erforderliche Garantie zu gewinnen, genügt es indess, wie man sieht, sich nur die letzte Unterklasse allemal zum Bewusstsein350Achte Vorlesung.zu bringen, welche von den bereits aufgezählten übrig gelassen wird, und mit Sorgfalt zu erwägen, ob sie wirklich eine leere.

Unterbleibt dies, während sie doch mitangeführt wurde, so macht der Klassifizirende den Eindruck nur Selbstverständliches zu sagen. Hierauf beruht z. B. der Humor der folgenden in Studentenkreisen beliebten Hexa - meter von unbekanntem Autor: Si bene rem memini sunt causae quinque bibendi: Hospitis adventus, praesens sitis atque futura, Vinum, festa dies et quaelibet alia causa. Weiss ich die Sache noch recht, so gibt's fünf Gründe des Trinkens: Erstlich die Ankunft des Gast's, dann Durst nebst künftigem Dürsten, Wein auch, und festlicher Tag, und jegliche andere Ursach.

Die Gleichung 31) (a1) 1 = a stellt das Prinzip der doppelten Ver - neinung , das dupplex negatio affirmat vor. Sie zerfällt nach Def. (1) in die beiden Subsumtionen: a (a1) 1, d. h. a ist nicht nicht-a, und (a1) 1 a, was nicht nicht-a ist, muss a sein.

So unbestimmt sind ihrem Sinne nach die in Worten ausgedrückten Sätze, sogar Grundsätze, der herkömmlichen Logik, dass man darüber ver - schiedener Meinung sein kann, welchen derselben eigentlich unsre Formeln jeweils darstellen! Es stellt z. B. Boole, dem wir uns angeschlossen, 4 pag. 49 die Gleichung 30×) als den Ausdruck des principium contradic - tionis hin, wogegen Peirce5 pag. 28 im Anschluss an Leibniz und Kant, die Subsumtion a (a1) 1 als solchen ansieht die umgekehrte als das principium exclusi medii hinstellend.

Man vergleiche über diese Streitfrage die gründliche Auseinander - setzung von Sigwart1 § 23, welcher auf Aristoteles zurückgehend dar - thut, dass unsre obige Auffassung die berechtigte.

Übrigens hängen die drei Sätze in der That auf das innigste zu - sammen. Alle drei gelten sie indess nur für eine gewöhnliche Mannigfaltigkeit, weil nur für eine solche der Begriff Nicht-a auf - gestellt werden konnte, und konstatiren sie, indem sie als schlechtweg gültige hingestellt zu werden pflegen, gewissermassen gleichmässig, dass wir uns mit unserm Denken immer nur in einer solchen bewegen.

Wer mit Sigwart die Verneinungspartikel auf die Kopula bezieht, kann die Sätze 31) auch wieder nur für Individuen von a gelten lassen, aber nicht für Klassen a. Eine Schafrasse z. B. von der es falsch ist, zu behaupten, sie sei nicht-weiss, indem sie neben schwarzen auch weisse Schafe enthält, darf darum doch nicht weiss genannt werden, weil dieses Prädikat damit auch ihren schwarzen Schafen zugesprochen würde.

Dass nun die an unsre Mannigfaltigkeit zu stellenden beiden An - forderungen konsistent und rein zu sein, nicht nur, wie erkannt, hinreichend, sondern auch notwendig (unerlässlich) sind, damit die351§ 16. Satz der doppelten Verneinung (im Klassenkalkul).Theorie der Negation Anwendung finden könne und allgemein, für jede der Mn. angehörige Klasse, der Begriff ihrer Negation aufstellbar werde, ist zudem leicht zu sehen.

Wäre die Mn. nicht konsistent, so wäre durch ihre Setzung bereits ein Widerspruch gegeben, und könnte auf dieser Basis unmöglich die For - derung widerspruchsfreien logischen Denkens erfüllt werden.

Wäre aber die Mn. keine reine, so müsste mindestens einmal als In - dividuum derselben eine Klasse A figuriren, die neben anderm auch ein ausserdem schon vorkommendes Individuum b derselben Mn. unter sich be - greift. Die Negation dieser Klasse A dürfte nach 30×) kein Individuum derselben, also auch b nicht, enthalten, und müsste dennoch alle übrigen Individuen der Mn., ausser genanntem A, umfassen, unter diesen auch das frei vorkommende b es wäre mithin Widersprechendes gefordert. Ebenso hätte die Negation des b (als isolirten Individuums der Mn.) alle übrigen Individuen derselben, sonach auch A, als Individuen zu umfassen, damit als Inbegriff von b und fraglichem Nicht-b die ganze Mn. herauskomme (die ja das Individuum A enthalten soll), und zudem dürfte dieses Nicht-b das b nicht enthalten, welches zugleich mit dem in ihr enthaltenen A doch in ihr steckt. Auch hier wäre also der Ausschluss des b zugleich mit dessen Einschluss (das eine explicite, das andre implicite mittelst A) ge - fordert was unvereinbar.

Während es so sich nicht angängig erwies, unter Ausschluss eines Individuums doch ganz eine Gattung zuzulassen, die es unter sich begreift, oder umgekehrt, bei Ausschluss dieser ganzen Gattung das Individuum zu - zulassen, während es logisch unmöglich erschien, der Gattung und den Be - deutungen ihres Namens Widersprechendes zuzumuten, bleibt solches sehr wohl möglich in Bezug auf ein Ganzes und dessen Teile, wie es das fol - gende Beispiel erläutern mag.

Gesetzt in einer Frage der Besteuerung von Grund - und Hausbesitzern gelten als Steuerobjekte nicht blos die Häuser, sondern auch die Fenster und die Kamine derselben um nicht zu sagen, auch die Ziegel auf den Dächern. Dann sind diese letztern ja sämtlich Teile der erstern. Man wird sie aber alle als gänzlich von einander unabhängige Objekte ansehen und behandeln können, und z. B. aus bestimmten vielleicht gesetzlich nor - mirten Gründen jemanden von der Besteuerung seines Gebäudes frei sprechen können, ohne ihm (damit) doch diejenige von dessen Kaminen zu erlassen, u. s. w. In dieser Mn. würde die Negation eines Hauses doch dessen sämtliche Kamine und Fenster als Individuen enthalten müssen, die Negation der gesamten letztern aber das Haus (als Ganzes) doch ein - begreifen. Es entstünde keinerlei Widerspruch, denn was vom Ganzen gilt (quidquid valet etc.) braucht darum bei den Teilen nicht auch schon zu - zutreffen. Das Haus und sein Kamin bleiben hier doch von einander un - abhängige Objekte des Denkens.

Konsistent wird nun eine Mn. schon sein, sobald sie keine Urteile als Individuen umfasst, denn dann kann auch zwischen letzteren kein Widerspruch bestehen. Rein wird sie sicher sein, sobald keine Klassen als ihre Individuen figuriren.

352Achte Vorlesung.

Eine Mn. aller erfindlichen, (im engern Sinne) individuellen Ob - jekte des Denkens ohne die (in der suppositio realis genommenen) Urteile wird nun überall da, wo nicht von Urteilen, sondern von Dingen schlechtweg die Rede ist, von hinreichender Erstreckung sein, um beim Negiren aller in Betracht kommenden Begriffe oder Klassen einheit - lich zugrunde gelegt werden zu können, und mag solche etwa die Mannigfaltigkeit der erdenklichen individuellen Dinge genannt werden. Nach Bedarf kann man diese auch noch auf die Sphäre der wirklichen Dinge einschränken.

§ 17. Fernere Sätze für Gebiete und Klassen. Kontraposition, etc.

36) Theoreme. Allgemein ist:

36×) (a b) 1 = a1 + b136+) (a + b) 1 = a1 b1
Die Negation eines Produktes ist die Summe der Negationen der Fak - toren. Die Negation einer Summe ist das Produkt der Negationen der Glieder.

Umgekehrt auch:

Eine Summe von Negationen ist die Negation des Produktes ihrer Neganden. Ein Produkt von Negationen ist die Negation der Summe

Beweis. Da es nur eine Negation zu einem Gebiete geben kann, so ist behuf Beweises gewissermassen nur die Probe zu machen, d. h. nachzusehen, ob die angebliche Negation

a1 + b1 von a ba1 b1 von a + b

die für dieselbe charakteristischen beiden Beziehungen des Th. 30) mit diesem Gebiete zusammen erfüllt, d. h. ob wirklich

a b (a1 + b1) = 0, a b + a1 + b1 = 1(a + b) a1 b1 = 0, a + b + a1 b1 = 1

ist. Dies folgt nun in der That aus den Zusätzen zu Th. 34×) und 34+), wenn man dieselben auch noch für die Gebiete a1, b1 statt a, b mit Rücksicht auf Th. 31) in Anspruch nimmt.

Im Grunde kam hiebei wieder das Hülfstheorem 29) in Anwendung. Man hat z. B. links vom Mittelstrich nach 30) einerseits: a b · (a b) 1 = 0, a b + (a b) 1) = 1 und, wie eben gezeigt, andrerseits: a b · (a1 + b1) = 0, a b + (a1 + b1) = 1, folglich nach jenem: (a b) 1 = a1 + b1.

Exempel für Klassen. Wer nicht adelig und Grundbesitzer zu -353§ 17. Fernere Sätze für Gebiete und Klassen.gleich ist, ist entweder nicht adelig, oder nicht Grundbesitzer [oder auch beides zugleich nicht, cf. § 8, ϑ)].

Was nicht ausländisch oder billig ist, muss nicht ausländisch (ev. inländisch) und zugleich nicht billig (ev. teuer) sein.

Hier ist wieder an eine Eigenheit der Wortsprache zu erinnern. Die Subsumtion c a1 b1 heisst: Jedes c ist nicht a und (zugleich) nicht b , wofür man auch den Ausdruck wählen kann: Jedes c ist weder a noch b sogenanntes verneinendes konjunktives Urteil. Man kann sich auch noch anders ausdrücken und beispielsweise sagen: (Jeder Fisch) Ein Fisch ist kein Vogel und kein Säugetier .

Schlägt man aber in solchem Falle den verneinenden Artikel zum Subjekte (anstatt, wie soeben, zum Prädikate), so muss das Mal-Zeichen im Prädikate, statt wie vorhin mit und , nun mit oder übersetzt werden: Kein Fisch ist ein Vogel oder ein Säugetier vergl. § 8, λ, μ), S. 232. Wogegen der Satz: Kein Fisch ist (ein) Vogel und (ein) Säugetier nur bedeuten würde: c (a b) 1, das heisst: c a1 + b1.

Dem gegenüber würde das sog. verneinende kopulative Urteil: Weder die a noch die b sind c (= Sowol die a als auch die b sind nicht c) in Formeln einfach durch: a + b c1 darzustellen sein. Und analog für mehr als zwei Terme.

Für Gebiete werden (im Hinblick auf Fig. 16) die Theoreme 36) veranschaulicht durch Fig. 17.

Zusatz 1. Die Ausdehnung der Theoreme 36) auf beliebig viele Terme (Operationsglieder, Faktoren oder Summanden) ist naheliegend. So ist auch:

(a b c) 1 = a1 + b1 + c1(a + b + c) 1 = a1 b1 c1,

denn: (a b c) 1 = {(a b) · c}1 = (a b) 1 + c1 = (a1 + b1) + c1 = a1 + b1 + c1, etc.

Anmerkung zu Th. 36). Wendet man die Formeln 36) auf a1 und b1 statt a und b an, so ergibt sich nach 31):

(a1 b1) 1 = a + b(a1 + b1) 1 = a b.

Diese Formeln zeigen (wie Peirce bemerkt), dass mit Hülfe der dritten Spezies, der Negation, von den beiden ersten Spezies d. i. von den direkten Rechnungsarten des identischen Kalkuls: Multiplikation und Addi - tion irgend eine, gleichviel welche,[entbehrlich] gemacht werden könnte.

Wollte man mit Negation und Multiplikation allein auskommen, so brauchte man nur überall, wo eine Summe a + b auftritt, für diese 〈…〉 zu schreiben. Mit Addition und Negation würde man ausreichen, indem man für jedes Produkt a b konsequent sagte 〈…〉 falls wir hier einmal den wagerechten Negationsstrich benutzen. [Ebenso liesseSchröder, Algebra der Logik. 23354Achte Vorlesung.nach früherem für 0 sich , oder aber für 1 sich durchweg schrei - ben, d. h. man könnte auch noch des einen der beiden Symbole 0 und 1 entraten.]

Analog lässt sich mittelst der Partikel nicht von den beiden Konjunktionen und und oder irgend eine logisch durch die andere darstellen:

Für a oder b könnte gesagt werden: was nicht » Nicht-a und Nicht-b « ist .Für was a und b ist liesse sich sagen: was nicht » Nicht-a oder Nicht-b « ist .

Dass es aber unzweckmässig wäre, solches durchzuführen, sei es im Kalkul, sei's in der Wortsprache, bedarf kaum einer nähern Darlegung.

Es liegt die Möglichkeit vor, dass sich die Sätze 36) vielleicht in der Gestalt:

Was nicht a und b ist, muss nicht a oder nicht b sein,Was nicht a oder b ist, muss zugleich nicht a und nicht b sein,

in Worte gefasst schon irgendwo in ältern Logikbüchern vorfinden.

Wo nicht, so müssen sie De Morgan zugeschrieben werden, welcher [wie Herr Venn1 p. 389, Fussnote ausfindig gemacht hat] in 6 p. 208, indessen ohne Beweis, bemerkt, es hätten a + b und a b bezüglich a1 b1 und a1 + b1 zum Gegenteile. Selbständig ist auf diese beiden hübschen Sätze auch Herr Robert Grassmann2 gekommen, und dürfte dieser sie zum ersten mal (und zwar auf die vorgetragene Weise) bewiesen haben.

Die in seiner Fussnote zu 5 p. 32 von Herrn Peirce jedenfalls im guten Glauben ausgesprochene, Herrn R. Grassmann eigentlich ver - dächtigende Vermutung (auf Grund unsicherer Reminiscenzen von Jevons 'Schrift1) kann ich (nachdem es mir unlängst endlich gelungen ist, dieses Buch durch antiquarischen Erwerb desselben zu Gesicht zu bekommen) durchaus nicht begründet finden.

Die Anwendung der Theoreme 36) im Sinne von links nach rechts, also die Verwandlung eines Ausdruckes (a b) 1 resp. (a + b) 1 in den ihm gleichwertigen a1 + b1 resp. a1 b1 nennt man das Ausführen (Ent - wickeln*)Aus einem in § 19 ersichtlichen Grunde wird dieser letztere Ausdruck indess besser vermieden.) der Negation, welche im Gegensatz hiezu bei den ursprüng - lichen Ausdrücken (a b) 1 und (a + b) 1 nur angedeutet erscheint. Eine, wie hier mit Negationsstrich versehene Klammer () 1 mag eine Nega - tionsklammer genannt werden. Das Ausführen der Negation läuft auf das Auflösen dieser Klammer hinaus.

Zusatz 2 zu Th. 36).

Durch kombinirte Anwendung der beiden Theoreme 36) und des Th. 31) kann man nunmehr von jedem nur durch Multiplikation und355§ 17. Fernere Sätze für Gebiete und Klassen.Addition aus lauter einfachen Symbolen und deren Negationen auf - gebauten übrigens noch so komplizirten Ausdrucke die Negation sofort und mit leichter Mühe ausgeführt herstellen, und zwar indem man jedes Gebiet mit seiner Negation und ausserdem noch die Zeichen mal und plus vertauscht.

Man schreibe also aus dem gegebenen Ausdruck ab: a mit a1, a1 in Gestalt von a, · als + und + als ·, wobei nur noch zu beachten ist, dass manche Klammern, welche im ursprünglichen Ausdruck blos gesetzt zu denken waren aber unterdrückt sein durften, im negirten Ausdruck ausdrücklich angeschrieben und beibehalten werden müssen wogegen andere, diejenigen, die dort unentbehrlich waren, hier als überflüssig in Wegfall kommen. Man hat nämlich gemäss Anhang 2 zu berücksichtigen, dass ursprünglich jeder zusammengesetzte Aus - druck, wenn mit andern Termen verknüpft oder zu verknüpfen, in Klammer stehen muss, dass aber endgültig (teils zufolge gewisser Eigenschaften, Gesetze unsrer direkten Operationen, teils auf Grund eigener auf Klammerersparniss es absehender Konventionen) nur um Summen herum, welche als Faktor auftreten, die Klammer nicht weggelassen werden darf.

War hienach der ursprüngliche Ausdruck schon frei von über - flüssigen Klammern, so wird beim Negiren desselben eine Klammer allemal dann einzuführen, im negirten Ausdruck neu anzubringen sein, wenn man an das Negiren eines Produktes kommt, welches als ein Summand im ursprünglichen Ausdruck steht indem eben dadurch sich eine Summe ergeben wird die als Faktor zu setzen. Dagegen kommt jede (andre, jede nicht gerade ein Produkt als Glied um - schliessende) Klammer des ursprünglichen Ausdrucks beim Negiren in Wegfall.

Zur Erläuterung und Übung seien zunächst für einige Ausdrücke die Negationen hergesetzt, deren erste sechs schon De Morgan 3 pag. 42 ge - geben hat:

Ausdruck: a + b c,Negation desselben: a1 (b1 + c1)
x = (a + b) c, x1 = a1 b1 + c1
(a + b) (c + d), a1 b1 + c1 d1
a + b (c + d), a1 (b1 + c1 d1)
a + b + a1 c (oder a + b + c), a1 b1 c1
(a + b c) (d + e f), a1 (b1 + c1) + d1 (e1 + f1)
a1 b + c1, (a + b1) c
a b + a1 b1, (a1 + b1) (a + b) = a b1 + a1 b
Ausdruck: a1 (b1 + c + d1),Negation desselben: a + b c1 d
a1 b c + a b1 c1, (a + b1 + c1) (a1 + b + c)
a (b1 + c1) + b1 c1, (a1 + b c) (b + c) = a1 (b + c) +b c
a1 (b + c + d) + b c d, a (b1 + c1 + d1) + b1 c1 d1.

Noch weitere Aufgaben in § 18, χ).

In jedem aus einfachen Gebietsymbolen durch die Operationen der drei Spezies Multiplikation, Addition und Negation aufgebauten Aus - drucke kann man jetzt alle vorgeschriebenen (angedeuteten) Negationen ausführen, wodurch der Ausdruck übergeht in einen solchen, der nur noch durch die beiden direkten Spezies, Multiplikation und Addition, aufgebaut erscheint aus den einfachen Symbolen und deren Negationen.

Man braucht zu diesem Zwecke nur mit den innersten Negan - den zusammengesetzter Natur, welche von der oben beschriebenen Art sein werden, zu beginnen, die innersten mit Negationsstrich be - hafteten Klammern zuerst, und dann nach aussen fortschreitend nach und nach auch die äussern Klammern dieser Art, aufzulösen, bis keine Negationsklammer mehr vorhanden ist.

Wird auch auf diese Weise rasch die Möglichkeit der Ausführung erkannt, so ist das geschilderte Verfahren doch nicht das praktischste. Es kann sich nämlich dabei ereignen, dass man irgend einen zusam - mengesetzten Ausdruckteil wiederholt umzunegiren , in seine Negation umzuschreiben bekommt, was, sooft es zweimal geschah, nach Th. 31) unnötige Arbeit war. Besser also wird man mit dem Auflösen der Negationsklammern in der Richtung von aussen nach innen fortschreiten, und sobald man mit dem Negiren der in einer solchen stehenden Terme wiederum auf eine Negationsklammer stösst, solche (mitsamt dem auf sie bezüglichen Vorsatze des Negirens) einfach fallen lassen, ignoriren.

Darnach ist z. B. [{(a + b) 1 c + d1 e} f] 1 = {(a1 b1 c + d1 e) f}1 = (a + b + c1) (d + e1) + f1 auf die erstere Art mit, auf die letztere ohne die angegebene Zwischen - rechnung (der doppelt negirte Ausdruckteil war a + b) sofort hinzusetzen.

Weitere Exempel: [{(a b) 1 + (c d) 1} (e + f) 1] 1 = a b c d + e + f, [a + b {c + d (e + f g) 1}1] 1 = a1 {b1 + c + d e1 (f1 + g1)}, ([(a x + b x1) 1 {(m x) 1 (n x1) 1}1 c] 1 + x) 1 = = (a + x1) (b1 + x) (m x + n x1) c x1 = b1n c x1.

Zusatz 3 zu Th. 36).

Das am Schluss des § 13 erwähnte Problem der Zerfällung eines Ausdrucks in seine letzten Faktoren kann nunmehr dadurch gelöst wer -357§ 17. Kontraposition.den, dass man die Negation des Ausdrucks herstellt, dieselbe (durch Ausmultipliziren) in ihre letzten Aggreganten zerfällt und dann abermals die Negation davon gemäss Th. 36) bildet. Z. B. für y = a b + a c + a d + b c d + e ergibt sich: y1 = (a1 + b1) (a1 + c1) (a1 + d1) (b1 + c1 + d1) e1 = a1 b1 e1 + a1 c1 e1 + a1 d1 e1 + b1 c1 d1 e1, sonach: y = (a + b + e) (a + c + e) (a + d + e) (b + c + d e) in Übereinstimmung mit dem früheren Ergebnisse.

37) Theorem.

Wenna b, so ist b1 a1(und umgekehrt).

Man darf also auch die beiden Seiten einer Subsumtion negiren, wenn man nur zugleich das Subsumtionszeichen umkehrt. Oder: Untergeordnetes (oder Gleiches), negirt, gibt Übergeordnetes (oder Gleiches). Eingeord - netes, negirt, gibt Umgeordnetes.

Es lassen sich zwei Beweise vollkommen dualistisch führen.

Beweis. Wenn a b ist, so ist

a = a b nach Th. 20×)a + b = b nach Th. 20+)

also nach Th. 32) auch

a1 = (a b) 1, das ist a1 = a1 + b1(a + b) 1 = b1, das ist a1 b1 = b1

nach Th. 36), und diese Gleichung ist, wiederum nach Th. 20) äqui - valent der Subsumtion: b1 a1, q. e. d.

Wendet man den Satz 37) auf die Subsumtion b1 a1 als die ursprünglich vorauszusetzende an, so folgt aus dieser auch (a1) 1 (b1) 1, das ist nach Th. 31) a b.

Die beiden im Satze vorkommenden Subsumtionen bedingen sich also gegenseitig, sagen wesentlich dasselbe aus oder sind äquivalent.

Exempel. Da Gold Metall ist, so ist, was nicht Metall ist, auch nicht Gold. Desgl. umgekehrt: Gilt etwa der Satz: Was nicht Pro - teinsubstanz ist (nicht aus dem Ei stammt) ist auch nicht lebendig , so folgt: Alles Lebendige ist Proteinsubstanz (stammt aus dem Ei) .

Ist eine Klasse als Subjekt enthalten in einer Prädikatklasse, so muss (als Klasse aufgefasst) die Negation des Prädikats enthalten sein in der Negation des Subjektes und zwar ganz einerlei, in Bezug auf welche Mannigfaltigkeit man die Negationen bildet, wofern dieselbe nur eine gewöhnliche ist, den Negationsbegriff zulässt.

Für Gebiete kann man den Satz durch die Anschauung verifiziren358Achte Vorlesung.an der Fig. 1 S. 155: die Aussenfläche des Kreises b ist ganz in der des Kreises a enthalten.

Der Schluss von der Subsumtion a b auf die Subsumtion b1 a1 (oder umgekehrt) gehört zu den sog. unmittelbaren Folgerungen , in - dem derselbe schon zustande kommt, wenn auch nur eine Prämisse gegeben ist. Derselbe wird in der Logik als die Konversion durch Kontraposition des durch die gegebene subsumtion ausgedrückten Ur - teils bezeichnet.

Zusatz. Ist a b und zugleich a1 b1, so wird a = b sein, und umgekehrt.

Beweis nach Def. (1), indem aus der letzten Subsumtion nach Th. 37) und 31) hinzufolgt: b a.

Exempel. Die beiden Sätze: Was Kochsalz ist, ist auch Chlor - natrium , und was nicht Kochsalz ist, ist nicht Chlornatrium drücken zusammen aus, dass Kochsalz und Chlornatrium einerlei sind.

38) Theoreme.

Die Subsumtiona bsagt genau dasselbe

aus, wie eine jede der beiden Gleichungen:

ad 38×) a b1 = 0.ad 38+) a1 + b = 1.

Beweis. Aus a b folgt nach Th.

15×) durch beiderseitiges Multipli - ziren mit b1, dass a b1 b b1, so - mit nach Th. 30×), dass a b1 0, was nach Th. 5×) auf a b1 = 015+ durch beiderseitiges Addiren von a1, dass a1 + a a1 + b, somit nach Th. 30+), dass 1 a1 + b, was nach Th. 5+) auf 1 = a1 + b

hinauskommt. Ist umgekehrt

a b1 = 0,a1 + b = 1,
so hat man nach Th. 30+):so folgt nach Th. 16×) etc.:
a = a · 1 = a (b + b1)a = a · 1 = a (a1 + b)
= a b + a b1 = a b + 0a a1 + a b = 0 + a b

oder a = a b. Aus diesem Resultate folgt aber nach Th. 20×), dass a b, wie zu beweisen war.

Aus dem Umstand, dass der letzte Teil des hier gegebenen Beweises rechterhand dem links durchaus nicht dual entspricht, erkennt man die Möglichkeit noch andrer Varianten der beiden Beweise, welche aufzusuchen dem Leser als eine gute Übung empfohlen sei.

Exempel für Klassen. Da alles Gold Metall ist, so gibt es nichts, was zugleich Gold und nicht Metall wäre. Und jede Substanz ja359§ 17. Fernere Sätze.alles Denkbare innerhalb einer die Klasse Metall umfassenden ge - wöhnlichen Mannigfaltigkeit ist (entweder) Metall oder [auch] nicht Gold.

Nach den Theoremen 38) lässt jede Subsumtion sich als eine Glei - chung schreiben, deren eine Seite 0, oder, wenn man will, auch 1 ist.

Zusatz zu Th. 38). Nach diesem Satze in Verbindung mit Th. 31) muss auch die Gleichung

a b = 0a + b = 1

bezüglich äquivalent sein einer der beiden Subsumtionen:

a b1, b a1a1 b, b1 a.

Die Gleichung a b = 0 erscheint so, als der symmetrische Ausdruck symmetrisch allerdings nur im Hinblick auf das Kommutationsge - setz 12×) der identischen Multiplikation für eine symmetrische Be - ziehung, für welche die Wortsprache nur die unsymmetrischen Aus - drucksformen hat: Kein a ist b , oder Kein b ist a , resp. Alle a sind nicht b , Alle b sind nicht a , (die demnach auch unter sich äquivalent sein werden) woferne man hier nicht etwa seine Zuflucht nehmen will zu der Umschreibung mit - tels verneinenden Existenzialurteils: Es gibt nichts, was a und b zugleich ist .

39) Theoreme.

Jede Gleichunga = blässt sich (auf der

einen Seitz, z. B.) rechterhand auf

39×) 039+ 1

bringen. Dieselbe ist nämlich äquivalent der Gleichung:

a b1 + a1b = 0a b + a1 b1 = 1,

oder auch in einer praktisch minder wichtigen Form geschrieben:

(a + b) (a1 + b1) = 0(a + b1) (a1 + b) = 1,

welche, wie leicht zu sehen, durch Ausmultipliziren gemäss Th. 28×), 30×) und 21+) auf die vorige zurückkommt.

Beweis. Nach Def. (1) zerfällt die Gleichung a = b in die bei - den gleichzeitig anzuerkennenden Subsumtionen: a b und b a. Nach dem Th. 38) lassen dieselben sich umschreiben in die Gleichungen

a b1 = 0, a1 b = 0a1 + b = 1, b1 + a = 1

360Achte Vorlesung.und folgt aus diesen durch überschiebendes Addiren resp. Multipliziren die zu beweisende Gleichung in der einen ihrer angegebenen beiden Formen.

Umgekehrt, wenn die Gleichung gilt:

a b1 + a1 b = 0,a b + a1 b1 = 1, sive (a + b1) (a1 + b) = 1,

so muss nach Th. 24) sein:

a b1 = 0 und a1b = 0,a1 + b = 1 und a + b1 = 1,

was nach Th. 38) hinauskommt auf die beiden Subsumtionen a b und b a, somit nach Def. (1) auf die Gleichung a = b, wie zu zeigen war.

Indess konnte man hier auch schon mit der ersten Hälfte des Be - weises auskommen, mit Rücksicht darauf, dass nach den citirten Sätzen das Paar der Subsumtionen sowie der für sie genommenen Gleichungen jeweils äquivalent sein musste der zum Ausgangspunkt genommenen Gleichung.

Exempel. Da Kochsalz einerlei mit Chlornatrium ist, so gibt es nichts, was Kochsalz und nicht Chlornatrium oder Chlornatrium und nicht Kochsalz wäre. Auch nichts, was Kochsalz oder Chlornatrium und zugleich nicht Kochsalz oder nicht Chlornatrium wäre.

Alles ist entweder Kochsalz und zugleich Chlornatrium oder nicht Kochsalz und dann auch nicht Chlornatrium. Desgleichen Kochsalz oder nicht Chlornatrium und zugleich Chlornatrium oder nicht Kochsalz.

Aufgabe. Man bringe die Gleichungen a b = a c, a + b = a + c rechts auf 0.

Auflösung: Mittelst der Zwischenrechnung cf. Th. 36): a b (a1 + c1) + a c (a1 + b1) = 0, (a + b) a1 c1 + a1 b1 (a + c) = 0 erhält man leicht die Resultate: a (b c1 + b1 c) = 0 resp. a1 (b c1 + b1 c) = 0. Bei den Anwendungen wird man aber, besonders wenn a, b oder c kom - plizirte Ausdrücke vorstellen, die Zwischenrechnung sparen und sich so - gleich an das Schema dieser Endergebnisse halten. Ebenso würden die rechts auf 1 gebrachten Gleichungen lauten: a1 + b c + b1 c1 = 1 resp. a + b c + b1 c1 = 1.

Das Th. 39) ist von grosser Wichtigkeit für die Technik unsres Kalkuls, und zwar das 39×) in höherem Maasse als sein duales Gegen - stück aus dem teilweise schon erwähnten Grunde, weil man lieber mit Aggregaten (Summen) von monomischen Produkten als mit Produkten von Polynomen (die in Klammern gesetzt bleiben müssten) rechnet, desgleichen vorzieht, das auch der Arithmetik angehörige Distributions - gesetz 27×), statt seines Gegenparts 27+), anzuwenden wozu endlich361§ 17. Fernere Sätze.jetzt als ein weiterer Grund der Umstand hinzutritt, dass es schon jedermann geläufig ist, mit rechterhand auf 0 (nicht aber auf 1) ge - brachten Gleichungen zu operiren. [Es könnte überdies als ebendahin wirkend angeführt werden, dass auch in der Wortsprache Ausdrücke wie (a + b) (c + d) meist unbequemer unzweideutig darzustellen sind, als die ihnen dual entsprechenden a b + c d.]

Nach Th. 24) Zusatz konnte jedes System von gleichzeitig gel - tenden Gleichungen mit der rechten Seite 0 in eine einzige solche Gleichung zusammengezogen und durch diese ausreichend vertreten werden. Nach den Th. 38) und 39) kann aber jede Subsumtion sowol als jede Gleichung überhaupt dargestellt werden als eine Gleichung mit der rechten Seite 0. *)Und statt 0 konnte auch 1 gesagt werden.Thut man dies bei allen etwa gegebenen Sub - sumtionen und Gleichungen, und wendet hernach den genannten Zu - satz an, so lässt sich offenbar das Ziel verwirklichen, welches der fol - gende Satz ausspricht:

Zusatz zu Th. 39). Jedes System von simultanen (koexistiren - den, als gleichzeitig geltend hingestellten) Subsumtionen und Gleichungen lässt sich in eine einzige Gleichung mit der rechten Seite 0 (oder, wenn man will 1) zusammenziehen und durch diese vollkommen vertreten.

Wir werden dieselbe die vereinigte Gleichung des Systemes nennen.

Dies legt uns folgende Bemerkung nahe. In der verbalen Logik wird gewöhnlich unterschieden zwischen Folgerungen , als welche sich an eine einzige Prämisse knüpfen, und Schlüssen , als welche mehrere Prämissen haben. Diese Unterscheidung erscheint auf Grund des vorstehenden Zu - satzes in der exakten Logik für den Kalkul als belanglos, da wir hier immer ein System von Prämissen in eine einzige Prämisse werden zusammenziehen können. Auch Schlüsse dürfen hier als Folgerungen hingestellt werden.

Und mit der Lösung von Problemen, die sich allgemein beziehen auf eine einzige Gleichung z. B. mit deren Auflösung nach einer Unbekannten wird das nämliche dann auch von selbst geleistet sein für irgend ein System von Gleichungen!

Übungsaufgabe. Man bilde die vereinigte Gleichung der folgenden acht Subsumtionen und Gleichungen: a b, c d1, e1 f, g1 h1, k = l, m = n1, p1 = q, r1 = s1.

Auflösung. Die vereinigte Gleichung ist: a b1 + c d + e1 f1 + g1 h + k l1 + m n + m1 n1 + p1 q1 + p q + r1 s + r s1 = 0.

362Achte Vorlesung.

Ebenso ist von den drei Subsumtionen: a b, a c1, c b die vereinigte Gleichung: a b1 + a c + b1 c = 0. Etc.

Die linke Seite einer rechts auf 0 gebrachten Gleichung nennt man, wie in der Mathematik auch das Polynom dieser Gleichung . So ist a b1 + a c + b1 c das Polynom der zuletzt erwähnten.

Mehr beiläufig wollen wir jetzt ein paar Theoreme anreihen, die sich zwar nicht selbst auf Negationen beziehen, aber erst jetzt be - wiesen werden können, nachdem wir (auf Grund des Prinzips III×) unter Hinzuziehung des Negationsbegriffs die Berechtigung erworben haben, von dem vollen Distributionsgesetze Gebrauch zu machen.

40) Theorem. Wenn zugleich a c b c und a + c b + c ist, so muss sein: a b

Beweis. Ähnlich wie bei Th. 29) haben wir: a = a (a + c) a (b + c) = a b + a c a b + b c = b (a + c) b (b + c) = b nach Th. 23×), der zweiten Voraussetzung nebst 15×), sodann 27×), der ersten Voraussetzung nebst 15+), wieder 27×), dann der zweiten Vor - aussetzung nebst 15×) und endlich 23×). Oder dual entsprechend.

Also nach Th. 2) und 3): a b, q. e. d.

Zusatz 1. Kombinirt man die durch das Theorem 40) gegebene Aussage mit derjenigen, welche sich durch Vertauschung von a und b aus ihr ergibt so erhält man das Theorem: Wenn a c = b c und zugleich a + c = b + c ist, so muss a = b sein, welches als eine Verallgemeinerung des Hülfstheorems 29) erscheint und auch selbständig genau wie letzteres bewiesen werden kann.

Anmerkung. Dass sowol beim Th. 40) als bei dessen Zusatz eine der beiden Prämissen allein nicht genügt, um die Konklusion zu rechtfer - tigen, haben wir bereits unter Th. 15) und 16) hervorgehoben und durch Beispiele über Klassen sowie durch Figuren belegt. Wir sind jetzt auch im stande, es analytisch zu beweisen.

Bei Th. 40) gibt die Annahme a = (b + c1) u, wo u ein willkürliches Gebiet vorstellt, jedesmal ein solches Gebiet a, für welches die erste Prä - misse a c b c erfüllt ist, indem ja a c = b c · u b c nach Th. 6×) wird und, nebenbei gesagt, auf die allgemeinste Weise; hier wird nun a b1 = b1 c1 u im Allgemeinen nicht = 0, also nicht a b sein.

363§ 17. Fernere Sätze.

Ähnlich für b = a c1 + u ist a + c b + c nämlich a + c + u, und wieder a b1 = a · (a1 + c) u1 = a c u1 nicht notwending 0, wie es nach Th. 38×) sein müsste, falls a b folgte.

Desgleichen, was den Zusatz betrifft, ist a c = (a + u c1) c ohne dass a = a + u c1 sein müsste, endlich ist a + c = (a + u c) + c, ohne dass doch im Allgemeinen, und für jedes beliebige Gebiet u sein müsste a = a + u c.

Das Theorem sowol als sein Zusatz gilt auch umgekehrt, und zwar für jedes beliebige Gebiet c. Nämlich wenn z. B. a b ist, so muss nach Th. 15) auch a c b c sowie a + c b + c für jedes c sein.

Exempel zu dem Satze. Sind die Mongolen und die Russen stets Russen oder Asiaten, zugleich alle mongolischen Russen auch asiatische Russen, so müssen die Mongolen sämtlich Asiaten sein. [Seit der chinesischen Ein - wanderung in fremde Weltteile sind freilich die Prämissen nicht mehr ganz zutreffend, sie waren es jedoch zeitweise.]

Zusatz 2 zu Th. 40) Theorem von Peirce.

Wenn für irgend ein c zugleich a c b und a b + c ist, so folgt: a b, desgleichen umgekehrt, für jedes c.

Beweis 1, nach Th. 40), weil unter den Voraussetzungen des Satzes nach Th. 15) auch a c c b c und a + c b + c + c, also a c b c und a + c b + c folgt.

Beweis 2×. Aus der zweiten Prämisse folgt durch beiderseitiges Multipliziren mit a gemäss 15×): a a a (b + c) also nach 14×) und 27×): a a b + a c.

Aber es ist a b + a c a b + b, wie sich durch beiderseitiges Addiren von a b zur ersten Prämisse gemäss 15+) ergibt. Hienach folgt a fortiori: a a b + b oder wegen des Absorptionsgesetzes 23+): a b, wie zu zeigen war.

Hiezu genau dual entsprechend lässt sich noch ein dritter Beweis 2+ führen, was dem Leser zur Übung empfohlen sei.

Die Umkehrung versteht sich nach Th. 6) und II von selbst: Ist a b, so wegen a c a auch a c b für jedes c. Etc.

Der Satz wäre eigentlich als ein selbständiges Theorem aufzuführen gewesen; er sieht noch einfacher aus als das Th. 40) demzuliebe wir ihn behufs Vergleichung hier eingereiht haben. Sonderliche Wichtigkeit für die Theorie möchte er gleichwol nicht besitzen und betrachte ich ihn mehr nur als Kuriosum. Die Exempel zu demselben klingen alle recht sonder - bar. Z. B. Da Gold, welches käuflich, Metall ist, und alles Gold käuflich oder Metall sein wird, so muss Gold Metall sein. Umgekehrt folgt aus364Achte Vorlesung.letzterm einerseits, dass auch geschmiedetes Gold Metall ist, und Gold sein wird Metall oder auch geschmiedet.

Von fundamentaler Wichtigkeit sind dagegen folgende Sätze:

41×) Theorem (Peirce5 p. 39) Wenn41+) Theorem. (Peirce) Wenn
a b ca b + c
ist, so istist, so ist
a b1 + c.a b1 c.

D. h. Es darf

ein Faktor des Subjektsein Summand des Prädikats

jeweils von diesem abgelöst und mit Negationsstrich versehen (in seine Negation verwandelt, negirt) als

Summand zum PrädikatFaktor zum Subjekt

geschlagen werden wonach denn aus der zweiten Subsumtion mit Rücksicht auf Th. 31) auch wieder die erste folgt. Der eine Satz nämlich kann, indem man b mit b1 vertauscht, auch als die Um - kehrung des andern dargestellt werden, ermächtigt zum Rückschlusse von dessen Behauptung auf seine Voraussetzung.

Behufs Beweises schliesse man aus der Voraussetzung durch beiderseitiges

Addiren von b1:Multipliziren mit b1:
a b + b1 b1 + c.a b1 b1 (b + c),
Nach Theorem 33+) Zusatz gibt dies:oder, wenn rechts ausmultiplizirt wird mit Rücksicht auf 30×):
a + b1 b1 + ca b1 b1 c.
und da nach Th. 6+) auchDa aber nach Th. 6×)
a a + b1b1 c c

ist, so folgt die Behauptung nach Prinzip II.

Vergleiche hiezu das Theorem ν) von Peirce im nächsten Para - graphen. Noch einfacher kann man sich gemäss Th. 38×) und ev. 36) überzeugen, dass sowohl die behauptete als die vorausgesetzte Sub - sumtion hinausläuft auf die Gleichung:

a b c1 = 0.a b1 c1 = 0.

Exempel:

Die Säugetiere welche Flossen haben, sind Wale; ergo: die Säugetiere sind Wale oder haben keine Flossen.Mohammedaner sind Schiiten oder Sun - niten; ergo: Mohammedaner, welche nicht Schiiten sind, müssen Sunniten sein.
[365]

Neunte Vorlesung.

§ 18. Verschiedenartige Anwendungen: Rechtfertigungen, Studien und Übungsaufgaben.

α) Auf Grund der Theoreme 33+) und Zusatz sind wir nun in der Lage, die zuerst von Jevons (dann unabhängig auch von Peirce, R. Grassmann und mir, Mc Coll und ev. noch Anderen) erfasste und in diesem Buche zu Grunde gelegte identische Addition vollends zu rechtfertigen gegenüber den von sehr beachtenswerter Seite gegen sie erhobenen Einwänden. Die Betrachtungen dürften auch an sich instruktiv sein, dazu als eine gute Übung erscheinen.

Es wurde bereits erwähnt, dass Boole4 in, ihm unbewusst, zu engem Anschluss and das Vorbild der arithmetischen Addition die gleichnamige Operation in der Logik nur verwendet wissen will um Klassen zu verknüpfen, die keine Individuen gemein haben und dass, nach der inzwischen vollzogenen Läuterung der Disziplin von arithmetischen Beimengungen, von neueren Autoren ihm hierin nur Herr Venn noch beipflichtet, indem er 1 pag. 381 389 die Forderung verficht, die Addition auf gebietfremde Summanden, individuenfremde oder disjunkte Klassen zu beschränken.

Herr Venn verwirft es, die Summe a + b für den Fall wo a b nicht = 0 ist, überhaupt zu erklären, da es ihm hier anstössig er - scheint, dass der den beiden Gliedern gemeinsame Teil a b, welcher in die Summe a + b doch nur ein mal eingehen soll, daselbst doch zwei mal (als Teil von a sowol, wie als Teil von b) implicite erwähnt wird.

Es ist unbestreitbar, dass man diesen Standpunkt einnehmen kann, denn auf Grund der oben citirten Sätze ist man berechtigt, und hindert in der That nichts, überall da, wo eine unsrer im Jevons'schen Sinne auftretenden Summen a + b auftritt, dafür unsymmetrisch und etwas umständlicher sei es a + a1 b, sei es a b1 + b zu schreiben, oder endlich auch symmetrisch aber noch umständlicher: a b + a b1 + a1 b.

Wer dieses vorzieht, wird also in der That es durchführbar finden, ausschliesslich mit reduzirten Summen zu operiren und bei Herrn366Neunte Vorlesung.Venn's Ansicht zu verharren. Es frägt sich nur, wie man damit durchkäme, ob etwa besser und bequemer?

Nicht der einzige, aber doch ein Hauptzweck unsres Kalkuls sind jedenfalls die Anwendungen desselben. Bei diesen müssen wir Data von Textaufgaben übertragen in die Zeichensprache des Kalkuls, in Relationen oder Formeln, und haben deren rechnerisch gefundene Lösungen alsdann wieder in die Wortsprache zurückzuübersetzen.

Die Brauchbarkeit des Kalkuls wird dabei im allgemeinen als eine um so grössere erscheinen, je inniger derselbe sich an die Wort - sprache anschmiegt; wenigstens soll er von den Gepflogenheiten der letzteren nicht ohne Not, nicht ohne triftige, durch greifbaren Vorteil sich rechtfertigende Gründe*)Rücksicht auf das Gebot der Konsequenz und Streben nach Allgemeinheit, Sparsamkeit, gehören zu den vornehmsten solchen. abweichen.

Ich werde nun durch ein paar Beispiele den Nachweis liefern, dass die Wortsprache unsre identische Addition nicht nur zulässt, sondern allerorten ganz ungenirt und wesentlich von derselben Gebrauch macht in der Wissenschaft natürlich nicht weniger wie im gemeinen Leben (doch genügt es schon, aus letzterm nur die Beispiele heraus - zugreifen**)Auf Beispiele aus verschiedenen Wissenschaften verzichten wir, da solche, um gemeinverständlich zu werden, in der Regel längere Vorbetrachtungen erheischen.). Es erscheint schon deshalb nicht ratsam, jene Addition aus unsrer Disziplin der Algebra der Logik auszuschliessen. Überdies werden wir aber sehen, dass die Wortsprache auch wohl daran thut, dieselbe zu verwenden.

β) Exempel. Die geographische Gesellschaft einer Universitäts - stadt veranstaltete im Saale der Museumsgesellschaft einen öffentlichen Vortrag, und schrieb in dessen Ankündigung im Tageblatt aus, dass Studenten sowie Museumsmitglieder freien Eintritt hätten.

Es gab aber viele Studenten, die zugleich Mitglieder der Museums - gesellschaft waren.

Sagen wir für Studenten a, für Museumsmitglieder b, so war also die Klasse der durch freien Eintritt bevorzugten Personen in der Ankündigung als Studenten und Museumsmitglieder , mithin als a + b bezeichnet.

Es ist augenscheinlich, dass die Klasse a · b der den beiden Kate - gorieen gemeinschaftlich angehörenden Individuen auf diese Weise zweimal aufgezählt wurde, und hätte im Sinne des Herrn Venn kor -367§ 18. Verschiedenartige Anwendungen.rekter das Inserat besagen müssen, dass für die Studenten und die - jenigen Mitglieder der Museumsgesellschaft, welche keine Studenten sind der Eintritt frei sei entsprechend a + a1 b.

Die Ankündigung wurde wohlweislich nicht so stilisirt, schon weil sie dann um die Inseratkosten für die gespaltene Petit-Zeile, welche die hier kursiv gedruckten Worte erfordert haben würden, teurer zu stehen gekommen wäre!

γ) Anderes Exempel. Ein Armeebefehl gibt bekannt, dass während des Waffenstillstandes aus einer von den deutschen Truppen umzingelten Festung folgende Kategorieen von Personen herauszu - lassen seien:

  • a Personen weiblichen Geschlechts
  • b Kinder
  • c greise und altersschwache Personen
  • d Verwundete
  • e Kranke und
  • f Angehörige deutscher Nation.

Hiermit ist die Klasse der herauszulassenden Personen schlechtweg gekennzeichnet als die identische Summe: A) a + b + c + d + e + f.

Dies ist in der That der kürzeste Ausdruck für diese Klasse, welcher möglich erscheint, obgleich, oder vielmehr gerade weil man sich dabei nicht scheut, es nicht ängstlich umgeht, verschiedene Klassen von Personen implicite, d. h. in verhüllter Gestalt, unter anderm Namen, wiederholt aufzuzählen. Z. B. die deutschen Kinder sind unter b mit aufgezählt als Kinder und unter f nochmals als Deutsche, etc.

Will man niemals andere Klassen zusammenfassen als solche, die einander ausschliessen, so ist man genötigt falls wir etwa die obige Reihenfolge beibehalten wollen den folgenden Ausdruck in Worten darzustellen: B) a + b a1 + c a1 b1 + d a1 b1 c1 + e a1 b1 c1 d1 + f a1 b1 c1 d1 e1.

Um zu beweisen, dass dieser in der That dem vorigen identisch gleich ist, scheide man erst den Faktor a1 bei den fünf letzten Gliedern aus, wo - durch entsteht: a + a1 (b + c b1 + d b1 c1 + e b1 c1 d1 + e b1 c1 d1 + f b1 c1 d1 e1) und ersichtlich wird, dass nach Th. 33+) Zusatz dieser ausgeschiedene Faktor a1 unterdrückt werden darf. Thut man dies und scheidet bei den vier letzten Gliedern der entstehenden Summe sogleich den Faktor b1 aus: a + b + b1 (c + d c1 + e c1 d1 + f c1 d1e1) so darf auch dieser unterdrückt werden, und so fort.

368Neunte Vorlesung.

Ebenso wie wir eben B) in A) transformirten, kann man auch um - gekehrt den Ausdruck A) in den B) überführen, indem man die Glieder des A) von rechts nach links durchgehend successive von der Erlaub - niss Gebrauch macht, ein jedes Glied mit der Negation des ihm voran - gehenden zu multipliziren.

Das gäbe nun die folgende Aufzählung: Frauen oder Mädchen, dazu die Kinder männlichen Geschlechts (Knaben), sodann die greisen Personen, welche männlichen Geschlechts und keine Kinder sind (Greise), sodann die Verwundeten, welche nicht weiblichen Geschlechts, auch keine Kinder und keine Greise sind, weiter die Kranken, welche nicht weiblichen Geschlechts, keine Kinder, keine Greise und unver - wundet sind, endlich die Deutschen, welche nicht weiblichen Geschlechts, keine Kinder, keine Greise, unverwundet und gesund sind.

Nun lässt sich der Ausdruck ja allerdings noch in etwas verein - fachen. Indem nämlich hier b c = 0 ist, d. h. es keine Kinder gibt, die Greise sind, muss: c b1 = b1 c + 0 = b1 c + b c = (b + b1) c = 1 · c = c sein; es lässt sich also der Faktor b1 bei c unterdrücken, oder ist der Zusatz welche keine Kinder sind bei den Greisen wie man ja wol augenblicklich gesehen hat überflüssig.

Welcher Befehlshabende würde gleichwohl sich einer solchen Pedanterie schuldig machen, wie sie auch der so vereinfachten letzten Aussage noch anhaftet?!

Man bemerke noch die Unsymmetrie des letzten Ausdruckes (B), die Abhängigkeit seines Baues von der gewählten Reihenfolge der Glieder. Nähme man die Glieder von A) in der umgekehrten Folge, z. B., so hätte man, um nichts schon Aufgezähltes zu wiederholen, nunmehr zu sagen: C) f + e f1 + d e1 f1 + c d1 e1 f1 + b c1 d1 e1 f1 + a b1 c1 d1 e1 f1 Und wollte man neben Erfüllung der Boole-Venn'schen Anforderung gar noch die Symmetrie des Ausdrucks bezüglich aller sechs Terme von A) wahren so, wie es Th. 33+) bezüglich der zwei ersten ermöglicht so wären nicht weniger als dreiundsechzig Glieder anzusetzen, deren jedes aus sechs Faktoren a oder a1, b oder b1, etc. bis f oder f1 bestünde, wie aus späteren Untersuchungen erhellen wird.

δ) Die vorstehenden Beispiele liefern Belege für eine sehr be - merkenswerte Thatsache:

Etwas schon einmal Gesagtes zu wiederholen scheint auf den ersten Blick eine Verschwendung zu sein an Zeit und Worten.

Die Beispiele thun aber dar, dass es sehr viel umständlicher wird, den Wiederholungen konsequent aus dem Wege zu gehen, als sie sich gelegentlich zu gestatten; sie zeigen, dass nur durch solche scheinbare369§ 18. Rechtfertigungen.Verschwendung die grösste Sparsamkeit an zur Beschreibung einer Klasse benötigten Worten oder Zeichen sich erzielen lässt, und bewahrheiten so auf dem Gebiete des Haushalts mit Worten, auf dem Felde der Ter - minologie , einen Satz, dem auch auf andern wirtschaftlichen Gebieten (so namentlich bei den Beratungen des Staatshaushalts seitens der Volksvertreter) eine allgemeinere Berücksichtigung zu wünschen wäre: dass die anscheinend allerengste Sparsamkeit oft auf die ärgste Ver - schwendung notwendig hinausläuft.

Als Vorteile, welche durch den Gebrauch der (Jevons'schen) ein - schliessenden oder tautologisirenden Addition (gegenüber der aus - schliessenden Boole-Venn's) zu erzielen sind, somit denselben recht - fertigen, lassen sich namhaft machen:

  • 10 Der direkte Anschluss an die Wortsprache und demgemäss leichteste Übertragbarkeit aus Worten in Formeln, und umgekehrt.
  • 20 Verwirklichung des denkbar kürzesten (Wort - sowie Formel -) Aus - drucks für die aus gegebenen sich zusammensetzenden Klassen und in Verbindung damit gleichwol
  • 30 Wahrung der Symmetrie der Ausdrücke (in Hinsicht auf die als Elemente der Zusammensetzung gegebenen Klassen).
  • 40 Bedingungslose Ausführbarkeit der Addition; der Allgemeinheit dieser Operation kommt es zu statten, wenn bei der Herstellung von Summen aus Klassen der Fall einer Gleichheit solcher nicht aus - geschlossen wird. Demzufolge auch
  • 50 Grössere Freiheit der Rechnungsoperationen und Transformations - methoden, m. a. W. reichere Mannigfaltigkeit der zur Verfügung stehenden Formen von Ausdrücken oder Darstellungen von Klassen, somit auch der Lösungsmittel bei Aufgaben.
  • 60 Geltung des Dualismus, zufolge dessen die ganze Disziplin sich über - sichtlich und symmetrisch gestaltete, sodass es möglich wurde, aus nahe der einen Hälfte der Sätze fast die ganze andre Hälfte ab - zuschreiben eine Harmonie, die aber schwinden würde, falls wir die Grundoperation der einen Spalte preisgäben.

Der einzige Einwand, der gegen jene Addition sich erheben lässt und auch erhoben wurde*)Von den Vorzügen, welche Herr Venn seiner exklusiven Addition vindi - zirt, erscheint mir der erste: der einer grösseren Annäherung an die arithmetische Zeichensprache, als ein zweifelhafter. Wenn reduzirte Summen zur Anwendung auf gewisse arithmetische Probleme wie z. B. zur unmittelbaren Umdeutung in Probabilitäten der entsprechenden Ereignisse bei Aufgaben der Wahrscheinlich - keitsrechnung sich in der That nicht nur besser qualifiziren sondern gar allein, ist der Vorwurf der Tautologie: dass manSchröder, Algebra der Logik. 24370Neunte Vorlesung.dabei sich schuldig mache, schon einmal Gesagtes (zumeist doch nur in verhüllter Gestalt) nochmals zu sagen, zu wiederholen.

Dieses ist nun aber an sich etwas ganz Harmloses, und kann uns das Ärgerniss, welches an Tautologien, wenn sie etwa wie bei Th. 14) unverhüllt auftreten, welches an den nackten Pleonasmen zu nehmen ist, nicht bewegen, auf alle oben aufgezählten Vorteile zu verzichten um so weniger, als ja ohnehin bei allgemeinen Festsetzungen fast immer gewisse Grenzfälle mit eingeschlossen werden, mit unterlaufen, im Hinblick auf welche allein man die Festsetzungen sicher nicht ge - troffen haben würde.

Jevons1 p. 76 sq. führt als Beleg dafür, dass das oder eventuell und , vergl. § 8, η, ϑ) faktisch nicht im ausschliessenden Sinne ge - braucht wird, den Satz an: Ein (englischer) peer ist entweder ein Herzog (duke), oder ein Graf (earl) oder ein Marquis oder ein viscount oder ein Baron, und macht darauf aufmerksam, dass viele peers zwei oder mehr von diesen Titeln besitzen, z. B. der Prince of Wales zugleich Duke of Cornwall, Earl of Chester, Baron Renfrew etc. ist. Auf p. 77 citirt er Stellen aus Shakespeare, Milton, Tennyson und Darwin's Origin of species (denen leicht aus deutschen Klassikern ähnliche gegenüber - zustellen wären) um die gleiche Thatsache zu stützen, und resumirt mit Recht, dass die Bedeutungen der durch die Konjunktionen und sowie oder verknüpften Terme von der absoluten Identität bis zum absoluten Ge - gensatze schwanken.

ε) Als nächste Anwendung unsres Kalkuls sei eine kleine Studie ausgeführt über unzulängliche Präzision und Missverständlichkeit ver - baler Ausdrücke, welche mit den Partikeln und , oder und nicht aufgebaut werden und die Beschreibung von Klassen bezwecken, welche sich aus andern als bekannt vorausgesetzten Klassen ableiten.

*)und ausschliesslich eignen, so begegnen wir dem dadurch, dass wir in solchem Bedarfsfalle eben auch unsre Summen mit Leichtigkeit in reduzirte umwandeln, und ist solcher Umstand kein Grund für uns, uns auch sonst stets mit solchen zu placken. [Über die vorgehaltene Anstössigkeit der Gleichung 1 + 1 = 1 glaube ich mit Stillschweigen hinweggehen zu dürfen.] Was aber die von Venn viertens als Hauptgrund angeführte angebliche Thatsache betrifft, dass die schönen Entwickelungs - und Eliminationschemata von Boole beim Aufgeben seiner Addi - tion nicht mehr anwendbar sein würden ( so far as has yet been schown ), so ist derselbe wol gänzlich hinfällig und beruht wie schon Herr Bruce Halsted2 p. 212 angedeutet zu haben scheint auf einer Verkennung des Umstandes, dass jene Schemata oder generalizations durch die in meinem Operationskreis2 dar - gelegten Methoden nicht nur aufrecht erhalten sondern noch einfacher und ele - ganter gestaltet werden einfacher namentlich schon durch die völlige Ent - behrlichmachung aller subtraktiven und divisiven Operationen. Vergleiche auch Frau Ladd Franklin2 p. 559 sq.

371§ 18. Studien.

Auf die Mehrsinnigkeit des Bindewortes oder wurde schon in § 8 unter ζ, η, ϑ) aufmerksam gemacht.

Was a oder b ist, im inklusiven Sinne verstanden als a oder auch b , entsprach nach dortigen Auseinandersetzungen der identischen Summe: a + b, welche = a b1 + a b + a1 b ist, d. h. bedeutet, was entweder a und nicht b, oder b und nicht a, oder endlich a und b zugleich ist.

Was a oder b ist, im exklusiven Sinne verstanden als a oder aber b , vergl. § 8, η), wird nunmehr darzustellen sein mit: a b1 + a1 b, d. h. entweder a, und dann nicht b, oder aber b, und dann nicht a.

Für zwei Kreise a und b wird dieses Gebiet durch die in nebenstehender Figur schraffirte Fläche veranschaulicht.

Die beiden Ausdrücke differiren um das Glied a b, fallen also mit ihren Bedeutungen zusammen, sooft a b = 0 ist.

Wir haben dies bereits l. c. durch das Beispiel

[figure]
Fig. 18.

Gold oder Silber erläutert, resp. exemplifizirt. Dagegen bedeutet Grund - besitzer oder aber Adelige etwas ganz anderes als Grundbesitzer oder auch Adelige . Jenes nämlich fasst blos die bürgerlichen Grundbesitzer mit den nicht grundbesitzenden Adeligen in eine Klasse zusammen unter Ausschluss der adeligen Grundbesitzer. Dieses dagegen unter Einschluss der letzteren.

Beiderlei oder erscheinen als symmetrisch in Bezug auf die Glieder der Alternative. a oder auch b sagt dasselbe wie b oder auch a nach dem Kommutationsgesetze 12×).

Ebenso ist aber auch a oder aber b einerlei mit b oder aber a , da, wie leicht zu sehen, a b1 + a1 b = b a1 + b1 a sein muss.

Hier möchten wir noch die Frage einschalten, ob es nicht vielleicht ein unsymmetrisches oder gibt in dem Sinne, dass a oder b bedeutet: entweder a und dann nicht b, oder aber b und dann vielleicht doch auch a zugleich?

Die Frage ist offenbar zu verneinen. Der Ausdruck ist ganz unklar, sofern er in seinem ersten Teil etwas verbietet, was er in seinem zweiten Teile ausdrücklich erlaubt.

Hier kann man entweder in Analogie mit dem in der Gesetzgebung maassgebenden Usus den Grundsatz anerkennen, dass, was etwa in einem Gesetzesparagraphen als erlaubt (nicht verboten) erscheint, in einem andern aber verboten wird, verboten sei, den Grundsatz also: Wenn Erlaub -24*372Neunte Vorlesung.niss und Verbot zusammentreffen, so gilt das Verbot. Darnach hätten wir a b1 + b a1 + b a b1 = a b1 + a1 b als Sinn des obigen Ausdrucks, entsprechend dem exklusiven oder aber da das b, welches zugleich auch a ist, dem ersten Teil zufolge auch nicht b sein muss, also mit dem Faktor b b1, = 0, behaftet sein und weg - fallen wird.

Oder man könnte auch den Grundsatz einhalten, sobald in Bezug auf das Nämliche eine Erlaubniss und ein Verbot ausgesprochen werden, immer das zuletzt Gesagte gelten zu lassen, ein ergangenes Verbot also durch eine darauf folgende ausdrückliche Erlaubniss als aufgehoben zu betrachten was allerdings nicht im Einklang mit dem Prinzip I des Aussagenkalkuls stehen wird. In diesem Falle würde unser Ausdruck bedeuten: a b1 + b + a b = a + b; jenes oder deckte sich dann also mit oder auch .

In beiden Fällen hätten wir kein neues oder , sondern nur eines der beiden früheren in weitläufigerer Formulirung.

Sofern es nicht aus dem oben genannten Grunde ohnehin gleich - gültig, irrelevant ist, werden wir wie bisher, so auch fortgesetzt hier, wenn nicht ausdrücklich oder aber gesagt wird, unter der schlecht - weg gesetzten Partikel oder immer das einschliessende oder auch verstehen.

ζ) Nach unsern Festsetzungen sind nun die Ausdrücke:

nicht-a was a und b ist , sowie, was a oder b ist von einer ganz bestimmten Bedeutung; sie können nur auf eine Weise verstanden werden als a1, a b, resp. a + b, und erscheinen Missverständ - nisse hiebei ausgeschlossen.

Ebenso sind: Was a und nicht b ist als a b1, Was a oder nicht b ist als a + b1 völlig unzweideutige Ausdrücke.

Doppelsinnig dagegen erscheinen schon die Ausdrücke: Was nicht a und b ist , Was nicht a oder b ist .

Den erstern z. B. kann man einerseits verstehen als: Was nicht a, und zugleich b, ist d. h. als a1 b, andrerseits als: Was nicht a und b zugleich ist , d. h. als (a b) 1 = a1 + b1 = a1 b + b1 = a1 b + a b1 + a1 b1 nach Th. 33+) woraus zu ersehen, um was sich die Bedeutung des Ausdrucks von der des vorigen unterscheidet.

Ebenso kann der zweite verstanden werden als:

373§ 18. Studien.

Was » nicht a « oder b ist , d. h. a1 + b = a1 b1 + a b + a b1, oder aber als: Was nicht » a oder b « ist, d. h. (a + b) 1 = a1 b1.

Im Interesse der Deutlichkeit empfiehlt sich hiernach die Maxime: bei konjunktiver Häufung von Attributen oder Prädikaten die bejahten den verneinten womöglich vorangehen zu lassen.

Man wird hier wiederum bestätigt finden, dass die Mehrsinnigkeit und die damit gegebene Möglichkeit von Missverständnissen, ja, ge - legentlich die Verleitung zu solchen, daher rührt, dass die Wortsprache des Instituts der Klammern entbehrt. Hiefür noch ein Beispiel: Was a und b oder c ist kann verstanden werden als: Was » a und b « oder c ist , d. i. als a b + c = (a b) + c oder auch in dem wesentlich davon verschiedenen Sinne: Was a und » b oder c « ist , d. i. als a (b + c).

Letzterer Ausdruck wird nun vollständig bekanntlich gelesen als: a (mal) Klammer b plus c geschlossen , und so könnte man scheint es auch im Texte Doppelsinnigkeiten vermeiden, wenn man daselbst die Worte Klammer Geschlossen an geeigneter Stelle einfügte. Mindestens würden aber hiefür die Anführungszeichen » und Schlusszeichen « den Vorzug verdienen, da wie schon ein - mal erwähnt, im Worttext die Einklammerung schon anderweitig be - schlagnahmt ist.

In Druck und Schrift dürfte der Gebrauch dieser Zeichen, zu denen wir auch gelegentlich greifen, in der That der beste Behelf sein wo immer es auf genaueste Unterscheidung ankommt und Missverständ - nisse sich nicht durch den Stil, Wahl geeigneter Redewendungen schon völlig ausschliessen lassen.

Zu so verzweifeltem Auskunftsmittel, jene Zeichen, wie angegeben, ausdrücklich zu lesen, greift die Sprache jedoch im gesprochenen Texte nicht; vielmehr verhält sie sich diesen Zeichen gegenüber gerade wie bei den Interpunktionszeichen und bestrebt sich ihrem Mangel abzuhelfen und dasjenige was die Zeichen uns auszudrücken bestimmt sind, darzustellen durch den Tonfall und Rhythmus der Rede, Anbringung geeigneter Pausen und nachdrückliche Betonung einzelner Redeteile, Emphase. Auch beim Lesen von Formeln werden ja die Klammern nicht immer gesprochen, sondern zumeist in ähnlicher Weise angedeutet woraus allerdings, beim Diktiren z. B., bekannte Schwierigkeiten entspringen.

374Neunte Vorlesung.

Immerhin besitzt die Zeichensprache des Kalkuls zufolge ihrer korrekten Handhabung der Klammern einen merklichen Vorsprung vor der Wortsprache, der sich besonders bei subtileren und verwickelten Untersuchungen geltend macht.

Wie schon beim Beschreiben von Klassen, so macht sich auch in irgend welchen andern Beziehungen der beklagte Mangel und gerügte Nicht - gebrauch von die Klammern zu vertreten fähigen sprachlichen Gebilden sehr häufig fühlbar.

Als Beispiel dadurch herbeigeführter Unbestimmtheit führt Jevons u. a. den Satz an: Er fuhr[]von Dover nach London und von London nach Brighton[]mit dem Schnellzuge '. Zufolge der (Un -) Sitte, das Zeitwort ganz an's Ende zu stellen, entstehen im Deutschen leider solche Unklar - heiten ganz besonders leicht, wie es beispielsweise die Zeitungsnotiz er - kennen lässt: An der deutschfranzösischen Grenze wird viel über[]Wild - diebereien von französischer Seite[]geklagt ' derengleichen aber unschwer auch von den bessern Schriftstellern in unbegrenzter Fülle beizubringen wären.

In der begonnenen Aufzählung missverständlicher Ausdrücke der Wortsprache wollen wir nicht nach Vollständigkeit streben, sondern begnügen uns mit noch ein paar Beispielen.

η) Aufgabe. Auf wieviele Arten kann der Ausdruck: Was a und b oder c und d ist verstanden, beziehungsweise missverstanden werden?

Auflösung. Verstanden auf vier, somit missverstanden auf drei Arten.

Sind nämlich vier Terme durch irgendwelche Operationen zu ver - knüpfen, was wir dadurch andeuten wollen, dass wir die Terme a b c d ohne Knüpfungszeichen nebeneinander setzen, so können Klammern auf folgende fünf Arten gesetzt werden, um die Knüpfungen auf lauter binäre (d. h. immer nur zwei Elemente auf einmal verbindende) zurückzuführen: {(a b) c} d, {a (b c)} d, (a b) (c d), a {(b c) d}, a {b (c d)}.

Unser obiger Ausdruck lautet nun: a · b + c · d und lässt folglich fünf Deutungen zu, von denen aber die zweite und vierte dasselbe Resultat liefern, indem nach Th. 13×) etc.: {a (b + c)} d = a {(b + c) d} = a (b + c) d = a b d + a c d sein muss, wogegen dieses Resultat von den drei andern Deutungen: {(a b) + c} d = (a b + c) d = a b d + c d, a {b + (c d)} = a (b + c d) = a b + a c d und375§ 18. Studien.(a b) + (c d) = a b + c d verschieden ist, gleichwie auch diese unter sich es sind im Allgemeinen.

ϑ) Aufgabe. Wie unterscheidet sich der Ausdruck: folgsame (a) fleissige (b) Kinder (c) von dem Ausdruck: folgsame Kinder und fleissige Kinder .

Auflösung. Der erstere ist a b c, der letztere a c + b c = (a + b) c also a b c + a b1 c + a1 b c, d. h. er umfasst ausser dem erstern auch noch die Kinder, welche folgsam aber nicht fleissig und diejenigen, welche fleissig aber nicht folgsam sind.

Sagt man nun: folgsame und fleissige Kinder , so erscheint es ganz in subjektives Belieben gestellt, ob man den erstern Ausdruck darunter verstehen will, oder den letztern vergl. § 8, ξ).

Es geben, denke ich, die vorstehenden Betrachtungen kein allzu glänzendes Bild von der Qualifikation der Wortsprache zur exakten Darstellung und Einkleidung von Untersuchungen über Klassen, und sie lassen wol auch erkennen, dass das Heil nicht etwa zu erwarten ist von Bestrebungen, die wie das Volapük blos die unregel - mässigen Formen, z. B. der Deklinationen und Konjugationen, abschaffen.

ι) Nunmehr Betrachtungen von einer andern Tendenz: Die Sätze bisheriger Theorie können gelegentlich verwertet werden um Ausdrücke zu vereinfachen, welche Klassen darstellen sollen.

Aufgabe. Wenn gesprochen wird von den gebildeten Reichen, den reichen Adeligen und den adeligen Ungebildeten wie ist die Beschreibung dieser Klasse von Personen zu vereinfachen?

Auflösung. Man lasse den mittleren Term weg; die Anführung der reichen Adeligen ist zu sparen. Denn: Sei a = gebildet, b = reich, c = adelig, so ist: a b + b c + c a1 die gegebene Klasse, und für b c kann gesetzt werden: 1 · b c = (a + a1) b c = a b c + a1 b c; alsdann aber wird in dem Ausdrucke: a b + a b c + a1 b c + a1 c das zweite Glied vom ersten, das dritte vom letzten nach Th. 23+) ab - sorbirt, und entsteht: a b + a1 c.

376Neunte Vorlesung.

In Worten kann man überlegen: Die reichen Adeligen sind ent - weder gebildet oder ungebildet. Im erstern Falle sind sie unter den gebildeten Reichen, im letztern unter den adeligen Ungebildeten ohne - hin erwähnt, und folglich ist es durchaus überflüssig, sie noch be - sonders zu erwähnen.

Man sieht, wie hier die Rechnung zwar für den in ihr noch Un - geübten vielleicht nicht bequemer ist, als die Überlegung in Worten, wie sie aber die Operationen dieses verbalen oder mentalen Räsonne - ments Schritt für Schritt wiederspiegelt und dieselben in knappster Form zum Ausdruck und Bewusstsein bringt.

Beiläufig haben wir vorstehend einen Satz gewonnen. Denselben spricht die Formel aus: Theorem ι) a b + b c + c a1 = a b + c a1, welche leicht zu merken und in der Technik des Kalkuls von ziem - licher Anwendbarkeit ist.

ϰ) Der Satz ist übrigens nahe verwandt, wenn man will nur eine kleine Umformung, eines schon von Herrn Peirce aufgestellten Theo - rems, nämlich des folgenden: Es gilt stets: Theorem ϰ) (a + x) (b + x1) = a x1 + b x. Durch Ausmultipliziren der linken Seite lässt sich nämlich erhalten: x b + b a + a x1, wonach der Satz ersichtlich auf den ι) zurückkommt. In der ihr von Peirce gegebenen Form ist die Gleichung dadurch bemerkenswert, dass die eine Seite derselben als das duale Gegenstück der andern (und umgekehrt) erscheinen würde, wenn nicht das Symbol x zugleich mit seiner Negation x1 tauschte. Es wäre darnach nicht korrekt, die Formel ϰ) selber eine zu sich selbst duale zu nennen, wohl aber darf man von dem durch sie ausgedrückten allgemeinen Satze sagen, dass er sich selbst dual entspreche. Denn das duale Gegenstück von ϰ), welches lautet: a x + b x1 = (a + x1) (b + x), wird den nämlichen Satz ausdrücken, da man in letzterer Gleichung unter x auch dasjenige Gebiet verstehen kann, welches in ϰ) mit x1 bezeichnet wurde.

λ) Aufgabe. Auf einer strategischen Bahnlinie findet sich für eine gewisse Zeit der Transport verboten von allen Gütern ausser solchen, welche Kriegszwecken dienen können, wenn sie explosiv oder377§ 18. Anwendungen.nicht für die Montanindustrie bestimmt sind, sowie solchen, welche für die Montanindustrie bestimmt sind, wenn sie nicht explosiv sind oder nicht Kriegszwecken dienlich.

Man soll das Transportverbot vereinfachen.

Auflösung. Es bedeute a = Kriegszwecken dienlich, b = ex - plosiv, c = für die Bergbauindustrie bestimmt. So ist nur erlaubt zu transportiren die Klasse der Güter: a (b + c1) + c (b1 + a1).

Von Th. 33+), Zusatz, Gebrauch machend kann man hiefür schreiben: a (b c + c1) + c (b1 a + a1) = a c (b + b1) + a c1 + a1 c = a c + a c1 + a1 c = a + c, quod erat inveniendum. Also:

Ausschliesslich erlaubt ist der Transport derjenigen Güter, welche Kriegszwecken dienlich, oder für die Montanindustrie bestimmt sind (ganz ohne Rücksicht darauf, ob sie explosiv sind, oder nicht).

Man kann auch gemäss Th. 36) von dem Ausdruck die Negation nehmen, und findet: (a1 + b1 c) (c1 + b a) = a1 c1 unmittelbar durch Ausmultipliziren. Also ist der Transport verboten für Alles, was weder Kriegszwecken dienlich noch auch für die Mon - tanindustrie bestimmt ist. Die Klasse explosiv fiel beidemal ganz heraus; dieselbe kommt wesentlich gar nicht in Betracht.

μ) Man kann nun auch schon manche Streitfrage rechnerisch entscheiden.

Aufgabe. Ein Chemiker hatte, um weitere Schlüsse darauf zu bauen, gesagt:

Salze, die nicht farbig sind, sind Salze, die nicht organisch sind, oder organische Körper, die nicht farbig sind.

Ein anderer bestreitet ihm dies. Zu entscheiden, wer Recht hat.

Auflösung. Es bedeute a = Salze, b = organisch, c = farbig. So lautete die Behauptung: a c1 a b1 + b c1.

Nach Th. 38×) ist die vorstehende Subsumtion völlig gleich - bedeutend mit der Gleichung: a c1 (a b1 + b c1) 1 = 0, oder a c1 (a1 + b) (b1 + c) = 0 und da Ausmultipliziren linkerhand diese Gleichung nach Th. 30×) be - wahrheitet, so ist auch die Subsumtion richtig, hatte der Erstere Recht.

Wie von allen verfügbaren Mitteln, so auch vom Ausmultipliziren kann378Neunte Vorlesung.geschickt und ungeschickt Gebrauch gemacht werden. Unzweckmässig wäre es, hier erst die beiden Binome auszumultipliziren, wobei von den vier zu bildenden Produkten blos eines, b b1 fortfiele. Besser gehe man mit dem Faktor a in die erste Klammer und mit dem c1 in die letzte Klammer hinein, wo dann nur je ein Glied stehen bleiben und sogleich a b · b1 c1 ent - stehen wird.

Man kann auch nach Th. 38+) die Subsumtion umschreiben in die Gleichung: (a c1) 1 + a b1 + b c1 = 1 oder a1 + c + a b1 + b c1 = 1, welche sich ebenfalls bewahrheitet, indem nach Th. 33+) Zusatz: a1 + a b1 = a1 + b1, desgleichen c + b c1 = c + b, hernach aber b1 + b = 1 und die ganze Summe: 1 + a1 + c = 1 nach Th. 22+) sein wird.

Endlich könnte man die rechte Seite der fraglichen Subsumtion umformen in: a b1 (c + c1) + (a + a1) b c1 = a b1 c + a c1 (b1 + b) + a1 b c1 = a c1 + (a b1 c + a1 b c1).

Nach Th. 6+) ist nun ein Summand hier a c1 jederzeit in der Summe enthalten.

ν) So unvollständig unser bis jetzt gesichertes wissenschaftliches Kapital noch ist (wie aus der Fortsetzung der Theorie erhellen wird), so vermag man doch mit demselben schon unbeschränkt neue Sätze aufzustellen, deren oft recht interessante zu entdecken, entdeckte zu beweisen. Wir begnügen uns mit ein paar Beispielen.

Theorem ν) (von Peirce). Wenn a b c + d ist, so muss auch: a c1 b1 + d sein [und desgleichen, mit demselben Rechte: a d1 b1 + c, b c1 a1 + d, b d1 a1 + c, c1 d1 a1 + b1, sodass von allen sechs Subsumtionen eine jede die fünf übrigen nach sich zieht, mit jeder andern äquivalent ist]. Es kann hienach ein Faktor des Subjekts mit einem Summanden des Prädikats vertauscht werden, sofern man nur beide in ihre Negationen umwandelt.

Der Beweis des Theorems wird am einfachsten dadurch geleistet, dass man nach Th. 38×) die Subsumtionen in Gleichungen umschreibt, wodurch die vorausgesetzte in a b (c + d) 1 = 0 oder wegen 36+) in a b c1 d1 = 0, die behauptete in a c1 (b1 + d) 1 = 0, das ist a c1 b d1 = 0 über - geht, sonach die beiden ganz das nämliche besagen.

[Nun darf man in der Voraussetzung unbeschadet ihrer Gültigkeit379§ 18. Anwendungen.a mit b sowie auch c mit d vertauschen, und muss hiebei auch die Be - hauptung gültig bleiben. Thut man dies einzeln oder gleichzeitig, so er - hält man aus der letztern sofort auch noch die drei folgenden von den be - haupteten Subsumtionen, und geht die allerletzte dann nach dem Theorem selbst aus der vorletzten hervor, wenn man in ihr die Terme b und c vor - schriftsmässig auf die andre Seite des Subsumtionszeichens wirft. Zum Überfluss folgt die eine Hälfte der sechs Subsumtionen auch aus der andern und so die letzte aus der ersten durch beiderseitiges Negiren gemäss Th. 37) und 36).]

ξ) Exempel hiezu. In der Mannigfaltigkeit 1 der (ebenen) Kurven bedeute a die Klasse der Kegelschnitte, b die Klasse derjenigen Kurven, welche einen Mittelpunkt haben, c die Klasse der Ellipsen (mit Ein - schluss des Kreises) und d die Klasse der Hyperbeln (mit Einschluss des Geradenpaars, nämlich Paares einander schneidender Geraden), so ist die vorausgesetzte Subsumtion erfüllt, nämlich:

Kegelschnitte, welche einen Mittelpunkt haben, sind Ellipsen oder Hyperbeln.

Nach dem Theoreme folgt daraus: Kegelschnitte, welche nicht Ellipsen sind, müssen Hyperbeln sein oder (Kurven, die) keinen Mittel - punkt haben. Etc. etc.

Anmerkung. Das gegebene Beispiel kann benutzt werden um darzuthun, dass es nicht gestattet ist, die Subsumtionszeichen in dem Satze ν) durch Gleichheitszeichen zu ersetzen. Denn die vorausgesetzte Subsumtion gilt hier sogar als Gleichung (indem die Ellipsen nebst den Hyperbeln auch die Kegelschnitte sind, die einen Mittelpunkt haben), die gefolgerte Subsumtion aber nicht:

Kurven, die keinen Mittelpunkt haben (oder aber, resp. ), sowie Hyperbeln, brauchen nicht Kegelschnitte zu sein, die nicht Ellipsen sind sie brauchen nämlich überhaupt nicht Kegelschnitte zu sein.

ο) Herr Peirce erblickt im obigen Satze ν) das wahre Wesen, die Essenz der Negation was insofern begründet erscheint, als derselbe die hochwichtigen Theoreme 41) in sich vereinigt. Diese fliessen aus ihm, indem man c = 0 resp. b = 1 annimmt.

Man konnte auch umgekehrt das Th. ν) ganz unmittelbar auf die beiden einfacheren Theoreme 41) zurückführen.

Anstatt aus diesen setzt Peirce5 p. 35, sein Theorem aus folgenden beiden Sätzen zusammen (wie? ist mir nicht recht ersichtlich):

Theorem ο×). WennTheorem ο+). Wenn
a b ca b + c
so ist: a c1 b1so ist: b1 c + a1

sowie umgekehrt deren Beweis und Deutung dem Leser überlassen sei.

π) Theorem (von Jevons1 p. 61). Von den sechs Gleichungen: a = b c1 + b1 c, a1 = b c + b1 c1 b = c a1 + c1 a, b1 = c a + c1 a1 c = a b1 + a1 b, c1 = a b + a1 b1 hat jede die fünf übrigen zur Folge; dieselben sind alle sechse einander äquivalent.

Aufgabe: das Theorem zu beweisen.

Auflösung. Durch beiderseitiges Negiren nach Th. 32) und 36) gehen die beiden Gleichungen einer jeden Zeile in einander über. Es handelt sich also nur noch darum, die untereinander stehenden links auf einander zurückzuführen.

Dies kann geschehen, indem man die beiden ersten Gleichungen mit c1 resp. c beiderseits multiplizirt und die Ergebnisse a c1 = b c1, a1 c = b c überschiebend addirt. Etc.

Am besten bringt man gemäss Th. 39+) die erste dieser Gleichungen rechterhand auf Null. Dieselbe erweist darnach sich äquivalent mit a (b c1 + b1 c) 1 + a1 (b c1 + b1 c) = 0 oder, wegen (b c1 + b1 c) 1 = b c + b1 c1, mit: a b c + a b1 c1 + b c1 a1 + c a1 b1 = 0.

Hieraus ist aber zu ersehen, dass der vorausgesetzte Zusammen - hang zwischen den Symbolen a, b, c in Bezug auf diese symmetrisch ist, durch Vertauschung derselben nicht verändert wird. Man mag demnach z. B. die Buchstaben a, b, c cyklisch im Ringe herum vertauschen, d. h. a durch b, daneben b durch c und c durch a er - setzen; dadurch wird man aus jener ersten Formel die dritte und aus dieser die fünfte erhalten.

Das behufs Beweises vorstehend eingeschlagene Verfahren und die daran geknüpfte Wahrnehmung mochte ungezwungen zur Entdeckung des Satzes geführt haben.

Man verifizire den Satz auch durch die Anschauung an der Fig. 18 (S. 371), indem man das dort schraffirte Gebiet mit c bezeichnet.

In Worten kann man sagen: Wenn a bedeutet b oder aber c , so muss auch b einerlei sein mit a oder aber c , und c mit a oder aber b .

Exempel zu dem Satze. Es möge a die Klasse der gesetzlich381§ 18. Studien.erlaubten, b diejenige der moralischen Handlungen vorstellen (welche beiden Sphären einander bekanntlich nicht durchaus decken). Alsdann sind die Handlungen a b unbedingt zu billigen oder wenigstens nicht zu beanstanden (es sei denn unter Gesichtspunkten, wie der Klugheit, Zweckmässigkeit, u. a. auf die wir hier keine Rücksicht nehmen wollen), die Handlungen a1 b1 sind unbedingt zu verwerfen; dagegen können wir die Handlungen der Klasse a b1 + a1 b (= c), welche nur gesetzlich oder nur moralisch, aber nicht beides zugleich sind, für den Augenblick nur um etwa einen kurzen Namen für die Klasse zu haben strit - tige oder fragwürdige nennen, sofern sie von dem Interpreten des Gesetzes eine andere Beurteilung zu erfahren haben als wie vom Stand - punkte der Moral. Noch besser vielleicht wird man sie Konflikts - handlungen nennen, weil Derjenige, der sie begeht oder sich vor sie gestellt sieht, sich in Konflikt befindet oder in solchen gerät zwischen seinem eigenen sittlichen Bewusstsein und demjenigen seiner Nation soweit es in der Gesetzgebung zum Ausdruck gelangt ist.

Nach unserm Satze müssen dann auch die gesetzlichen Handlungen entweder moralische oder aber Konfliktshandlungen sein, und um - gekehrt. Desgleichen müssen diejenigen Handlungen welche frag - würdig (Konfliktsh. ) oder aber gesetzlich sind, moralische sein, und umgekehrt.

Stellt man einen Ausdruck a b1 + a1 b symbolisch als eine Knüpfung a b von a mit b dar, so ist diese Knüpfung einerseits, wie erwähnt, eine kommutative, es ist a b = b a, zugleich ist sie nach Jevons 'Satze auch eindeutig umkehrbar, und befolgt in Bezug auf ihre Umkehrungen das Gesetz, dass sooft c = a b ist, auch a = b c und b = c a sein muss. Man beweise, dass allgemein auch: (a b) a = b = a (b a) sein wird. Die Knüpfung genügt überhaupt den Gesetzen des in Anhang 5 unter Beleg 6 angeführten Algorithmus Q0.

ϱ) Wir haben gelernt, jede beliebige Subsumtion a b auf ver - schiedene Arten in eine Gleichung umzuwandeln, welche ganz das nämliche sagt cf. Th. 20) und 38).

Umgekehrt hingegen mochte eine Gleichung a = b nach Def. (1) durch zwei als gleichzeitig geltend hingestellte Subsumtionen a b und b a ersetzt werden.

Hier liegt die Frage nahe, ob es nicht auch angängig ist, jede beliebige Gleichung umzuschreiben in eine einzige Subsumtion.

Diese Frage beantwortet in bejahendem Sinne das

382Neunte Vorlesung.

Theorem ϱ). Wenn a = b ist, so muss auch a + b a b sein, und umgekehrt, sodass die Gleichung mit der Subsumtion äquivalent.

In Worten: Wenn alles, was a oder b ist, auch a und b sein muss, so sind a und b identisch, einerlei und vice versā.

Dies zu beweisen kann als eine leichte Übungsaufgabe für An - fänger empfohlen werden. Doch sei deren Lösung hier angegeben:

Wenn a = b ist, so wird a + b = a + a = a und a b = a a = a, somit läuft die behauptete Subsumtion hinaus auf die durch das Prin - zip I verbürgte a a. Die Gleichung zog mithin die Subsumtion nach sich.

Ist umgekehrt a + b a b, so können wir nach Th. 6+), der Vor - aussetzung und Th. 6×) den Kettenschluss ausführen: a a + b, a + b a b, a b b, ergo a b, und ebenso zeigt man, was überdies nach der Symmetrie schon folgt, dass auch b a, womit nach Def. (1) dann die Gleichung a = b be - wiesen erscheint. Die Subsumtion hat also auch die Gleichung zur Folge, q. e. d.

Ein anderer Beweis ist ganz mechanisch führbar, indem man Sub - sumtion wie Gleichung gemäss den Theoremen 38×) und 39) rechter - hand auf 0 bringt.

σ) Aufgabe. Man zeige, dass wenn a b1 c1 und b c = 0 ist, auch b c1 a1 und c a = 0 sowie c a1 b1 und a b = 0 sein muss.

Gilt z. B.: ein Fisch ist weder Vogel noch Säugetier, während kein Vogel ein Säugetier ist, so haben wir auch die Folgerungen: ein Vogel ist weder Fisch noch Säugetier, und kein Säugetier ist ein Fisch, sowie: ein Säugetier ist weder Fisch noch Vogel, desgleichen kein Fisch ein Vogel.

τ) Ebenso zeige man, dass wenn gleichzeitig: a b c1 + b1 c, b c a1 + c1 a, c a b1 + a1 b ist, dann diese Subsumtionen als Gleichungen gelten müssen, nämlich a = b c1 + b1 c, etc. sein wird.

Ausführung gleichwie bei σ) dem Leser überlassen vergl. π).

383§ 18. Studien.

υ) Dem Anfänger, wie dem Dozenten wird auch die Zusammen - stellung einer Anzahl rein rechnerischer Übungen willkommen sein, die wir in mehrere Gruppen verteilen.

Die Aufgaben zielen zumeist auf die Vereinfachung eines ge - gebenen Ausdruckes hin, und werden wir sie alsdann dadurch dar - stellen, dass wir den gegebenen und den resultirenden vereinfachten Ausdruck, der zu entdecken gewesen, d. i. den gesuchten Ausdruck, ohne weiteres einander gleich setzen. In andern Fällen handelt es sich von vornherein nur um den Nachweis der Identität einander gleich gesetzter Ausdrücke; in manchen auch darum, aus einer gegebenen Voraussetzung rechnerisch eine angegebene Folgerung zu ziehen.

Allemal machen die Angaben den Anspruch, allgemeingültig zu sein bei beliebiger Deutung der vorkommenden Buchstabensymbole als Gebiete oder als Klassen. Jede so ein Problem nebst seinem End - ergebniss statuirende Angabe bringt mithin ein eigenes Theorem des identischen Kalkuls zum Ausdruck. Natürlich muss jedoch bei unsrer beabsichtigten mehr nur miscellenhaften Zusammenstellung solcher Theoreme auf strenge Systematik und Vollständigkeit Verzicht ge - leistet werden.

Nur gelegentlich geben wir auch eine Andeutung über die be - quemste Art der Lösung, und muss der Leser resp. Löser eben die wichtigsten Sätze des Kalkuls, vor allem die Regeln für's Ausmulti - pliziren und Ausscheiden, das Tautologie - und das Absorptionsgesetz, die Theoreme 30), und Zusatz zu 33+), etc. beständig vor Augen haben.

Als Theorem φ) stellen wir die Formel voran: φ) (a + b) (b + c) (c + a) = a b + b c + c a, welche dadurch bemerkenswert erscheint, dass sie vollkommen zu sich selbst dual ist.

Dieselbe kann auch in der Gestalt geschrieben werden: a (b + c) + b c = (a + b c) (b + c) und lässt sich analog in der Form: a (b + c + d ) + b c d = (a + b c d ) (b + c + d ) auch auf beliebig viele Terme a, b, c, d, ausdehnen, wo sie dann noch zu sich selbst dual, aber nicht mehr wie bei dreien in Bezug auf alle diese Terme symmetrisch ist.

Für drei Symbole kann man dem Satze auch noch andere zu sich selbst duale Formen geben, und zwar symmetrisch als: (a + b c) (b + a c) (c + a b) = a (b + c) + b (a + c) + c (a + b),384Neunte Vorlesung.desgleichen unsymmetrisch, aber einfacher, als: (a + b c) (b + a c) = a (b + c) + b (a + c), etc. indem diese Ausdrücke alle durch Ausmultipliziren, nach dem Ab - sorptionsgesetze auf a b + a c + b c hinauskommen. χ) (a + b c) b = (a + c) b; a (a b + b c) = a b; (a b + a c + b c) a b c = a b c; (b + a c) (c + d) = a c + b c + b d; a + b (c + d) + (a + b x) c = a + b (c + d); (a + b) (b + a c) = b + a c; (a + b) (b + a) = a + b; (a + b) (b + c) (c + d) (d + a) = a c + b d; (a + b) (b + c) = b + a c; (a + b) (b + c) (c + d) = a c + c b + b d; (a + b) (b + c) (c + d) (d + e) = b d + c (a d + a e + b e); (a + b) (b + c) (c + d) (d + e) (e + f) = a c d f + a c e + b c e + b d e + b d f; (a + b) (a + c) (a + d) (b + c) (b + d) (c + d) = a b c + a b d + a c d + b c d; (a + b) (b + c) (c + d) (d + e) (e + a) = a d b + b e c + c a d + d b e + e c a; (a + b + c) (a + b + d) (a + c + d) (b + c + d) = a b + a c + a d + b c + b d + c d; a (b + c) c (a + b) = a c; (a + b c) (b + a c) = a b + a c + b c = (a + b) (a b + a c + b c); (a b + c d) (a + b) (c + d) = a b (c + d) + (a + b) c d. a (b + c) + c1 = a + c1; a (b + c) (a1 + b1) c1 = 0; a1 b c (b1 + a c + a1 c1) = 0; (a + b) (a1 + b1) = a b1 + a1 b, (a + b1) (a1 + b) = a b + a1 b1; (a + b1 c) (b + a1 c1) = a b, (a1 x + b) (a + b1 x1) = a b; a (b + c) + a1 + b1 c1 = 1; (a + b1 c1) (a c + b1) = a c + b1 c1; a (b1 + c d) b (c1 + d) = a b c d; (a b1 c + a1 b c1) (a b c1 + a1 b1 c) = 0; (a1 + b c) (a + b1 c1) = a b c + a1 b1 c1; (a1 + b1) (a b + a c + b c) = c (a b1 + a1 b); (a1 + b1) a (b c1 + b1 c) = a b1 c; a (b + c) (c1 + a b + a1 b1) = a b; a + b1 + c1 + b (a c1 + a1 c) = 1; {a b1 c + (a1 + c1) b} {a b1 c1 + a1 (b + c)} = a1 b; a b + a b1 c = a (b + c); a (a1 + b1 c) (a1 + b c) = a c (a1 + b1) (a1 + b) = a (b1 + a1 c) b (a1 + c1) = 0; a1 (b1 + c1) (b + c a) (c + a b) = 0; (x + y) (x1 + y z1) (y1 + x z) = 0; x y (a + x1) (a1 + y1) (b + y1) (b1 + x1) = 0; a1 + b1 + c1 + a b + a c + b c = 1; (x + y) (x1 + z1) (y1 + z) (x1 + y + z) (x + y1 + z1) = 0; a1 + b1 + c (a b1 + a1 b) = a1 + b1; (a + b) (a b1 + a1 b) = a b1 + a1 b = (a1 + b1) (a b1 + a1 b); a b (a b1 + a1 b) = 0 = a1 b1 (a b1 + a1 b); (b c1 + b1 c) (c a1 + c1 a) (a b1 + a1 b) = 0; (b c1 + b1 c) + (c a1 + c1 a) + (a b1 + a1 b) = = (c a1 + c1 a) + (a b1 + a1 b) = (a b1 + a1 b) + (b c1 + b1 c) = (b c1 + b1 c) + (c a1 + c1 a) = = (a + b + c) (a1 + b1 + c1) = a (b1 + c1) + a1 (b + c) = etc. 385§ 18. Übungsanfgaben.(a b + a1 b1) (b c + b1 c1) (c a + c1 a1) = a b c + a1 b1 c1; (b c + b1 c1) (a b1 + a1 b) (a c1 + a1 c) = a1 b c + a b1 c1; (a1 b c + a b1 c + a b c1) (a1 b1 + a1 c1 + b1 c1) = 0; a b + a1 b1 + a1 c1 + b1 c1 = c1 + a b + a1 b1; a1 + b1 + a (b c1 + b1 c) = a1 + b1 + c1 = a1 b c + a b1 c + a b c1 + a1 b1 + a1 c1 + b1 c1; (a + b1 + c1) (a b + a c + b c) = a (b + c); a (b + c) + b (a c1 + a1 c) = a b + a c + b c; a (b + c) + c1 + a b + a1 b1 = a + b1 + c1 = a (b c1 + b1 c) + c1 + a b + a1 b1; a (b + c) + a1 b1 + a1 c1 + b1 c1 = a + b1 + c1 = a b c + a1 b1 + a1 c1 + b1 c1 + a (b c1 + b1 c); a1 (b c1 + b1 c) + a b + a c + b c = b + c; a b + a c + b c + a1 b1 + a1 c1 + b1 c1 = 1; (a1 + c1 + e1) (b1 + c1 + e1) (b1 + d1 + e1) (b1 + d1 + f1) (a c d f = a b1 c d e1 f,

Anleitung: man lasse in den Summen die Glieder fort, deren Nega - tion als Faktor aussen steht, und erhält: e1 (b1 + e1) (b1 + e1) b1 a c d f, etc.; (a1 + b + c) (a + b1 + c) (a + b + c1) = a b + a c + b c + a1 b1 c1; (a1 b1 + b c1) 1 = a b1 + b c; {(a1 x + b1 x1) c}1 = c1 + a x + b x1.

Zeige, dass wenn x = a (b + c) + b c1 + b1 c ist, dann x1 = a1 b c + b1 c1 sein muss. Ebenso dass wenn bezüglich: x = a1 b c + a (b + c), b c + c a + a b, b1 (c1 + a) + c1 a, a (b c1 + b1 c) + b1 c1, so x1 = a b1 c1 + a1 (b1 + c1), b1 c1 + c1 a1 + a1 b1, b (c + a1) + c a1, a1 (b1 c + b c1) + b c; a b1 + b1 c + a b c1 = a c1 + b1 c. ψ) a1 b1 + a c + b c = c + a1 b1; (a + b) c1 + (c + a1 b1) a1 + b c = 1; a1 b c + a b + a c + b1 c = a b + c; a1 b + a c1 + a1 c + b c + a b1 = a + b + c, Anleitung: a1 (b + c) + a (b1 + c1) + b c = a1 (b + c) + a (b c) 1 + b c = = a1 (b + c) + a + b c = b + c + a + b c = etc.; a b + b c1 + c d + b d1 = b + c d, Anleitung: a b + b (c d) 1 + c d = a b + b + c d = etc.; a + b + c1 + a1 b1 c = 1, Anleitung: Nach Th. 33+) Zusatz ist die linke Seite = a + b + c1 + a1 b1 = a + b + c1 + a1 = 1 + b + c1 = 1, oder auch nach Th. 36+) und 30+), weil a1 b1 c = (a + b + c1) 1; a b + a1 c + b c + c d1 + a b1 c d = a b + c,

Bemerkung: das Glied a b könnte auch beiderseits fortgelassen werden; a (c d + a b c d1 + b1 c d1 + a c1 + a b1 d) = a; (a b1 c1 + b c) (b c1 a1 + c a) (c a1 b1 + a b) = a b c;Schröder, Algebra der Logik. 25386Neunte Vorlesung.(a b + a1 b1) (c d + c1 d1) {(a + d) b1 c1 + a1 d1 (b + c)} = 0; {a + c1 (b + d1)} {b + d1 (a + c1)} (a +b d1) c1 (b + a c1) d1 = (a + b) c1 d1; (a + b + c + d) (a1 + b1 + c1 + d1) = a (b1 + c1 + d1) + a1 (b + c + d).

Anleitung: man zeige, dass der beim Ausmultipliziren eigentlich noch hinzutretende Term (b + c + d) (b1 + c1 + d1) von den beiden übrigen absor - birt wird, indem man ihn mit a + a1 multiplizirt; (a + b + c) (a + b1 + c1) (a1 + b + c1) (a1 + b1 + c) = 0; a1 b c + a (b + c) = a (b + c) + b c; a (b + c) + b c1 + b1 c = = a b c + b c1 + b1 c = a b + b c1 + b1 c = a c + b c1 + b1 c; a b1 c1 + a1 b c1 + a1 b1 c + a1 b c + a (b + c) = a + b + c; a b x + a1 x1 + a1 b = b x + a1 x1; a1 x1 y1 + x y1 + a x y = a x + a1 y1; a y + b x + a1 b1 x y = a y + b x + x y wol am bequemsten nachzuweisen; indem man das x y rechts mit 1, = = a + b + a1 b1 multiplizirt; a b x1 y1 + a y + b x + a1 b1 x y = (a + x) (b + y); a b1 + b c1 + c a1 = a1 b + b1 c + c1 a = (a + b + c) (a1 + b1 + c1); (a + b1) (b + c1) (c + a1) = (a1 + b) (b1 + c) (c1 + a) = a b c + a1 b1 c1; a b + a b1 x + a1 b x1 = a x + b x1; a b c d + a (b1 + c1 + d1) x y + b (a1 + c1 + d1) x y1 + c (a1 + b1 + d1) x1 y + + d (a1 + b1 + c1) x1 y1 = a x y + b x y1 + c x1 y + d x1 y1, wie zu zeigen, indem man a b c d mit 1, = x y + x y1 + x1 y + x1 y1 multipli - zirt, sodann die gleichnamigen Glieder zusammenzieht. ω) Wenn c = a x + b x1 bedeutet, so zeige man, dass a b + c (a + b) = c sein muss.

Desgleichen, wenn e = a x y + b x y1 + c x1 y + d x1 y1 bedeutet, dass a b c d + e (a + b + c + d) = e.

Wenn a b c = 0 ist, so muss a b d (x + c1) = a b d sein.

Unter der Voraussetzung, dass a b c d = 0387§ 18. Übungsaufgaben.ist, sollen die folgenden Reduktionen gerechtfertigt oder als zulässige ent - deckt werden: a (b c1 + d1) = a (b + d1); (a1 + b1 + d) c = (a1 + b1) c; a (b + c1 + d1) = a (c1 + d1); a d + a c1 + a b1 c d1 = a (b1 + c1); a1 + b c + c d1 = a1 + b c; a1 + b1 c + c d = a1 + b1 c; a1 + b d + a b c1 d1 = a1 + b c1; a b c + (b1 + c1) d1 = (a + b1 + c1) d1; a1 + b (c1 + d) = a1 + b c1; a (b1 + c d1) = a (b1 + c); a b + (a + b1 + c1) d1 = a b + (b1 + c1) d1.

Anleitung zur ersten Aufgabe. Die linke Seite lässt sich schreiben: a (b c1 d + d1) + a b c d = a b d (c1 + c) + a d1 = a (b d + d1) = a (b + d1).

Anleitung zur zweiten dieser Aufgaben. Die linke Seite ist {a1 + b1 + d (a1 + b1) 1} c = (a1 + b1 + a b d) c = (a1 + b1) c, weil der letzte Term, ausmultiplizirt, Null gibt. Etc.

Anleitung zur letzten Aufgabe: Da b c die Negation von b1 + c1, so darf man für a + b1 + c1 schreiben a b c + b1 + c1; hievon der erste Term, ausmultiplizirt, gibt a b c d1 (und kann um a b c d, welches 0 ist, vermehrt werden; dadurch entsteht a b c) welches dann in das schon vorhandene Glied a b eingeht, von diesem verschlungen wird.

Hier würde die Gleichung falsch, wenn man das Glied a b beiderseits fortlassen wollte. Zu ihrer Geltung bedarf sie aber der Voraussetzung nicht.

α1) Man vereinfache eine jede der nachfolgenden acht Subsumtionen: a b1 b, a a1 + b, a b1 a1, b1 a1 + b, a a b, a + b b, b1 a1 b1, a1 + b1 a1.

Auflösung: a b wie vermittelst des Th. 38×) zu zeigen.

Nach dem dritten der obigen Schemata könnte beispielsweise dem Satze: Alle Sünden sind verzeihbar (können Vergebung finden) als eine logisch vollkommen äquivalente psychologisch aber so sehr davon ver - schiedene auch die Fassung gegeben werden: Unverzeihliche Sünden sind keine Sünden welche De Morgan von dem das Beispiel herrührt nicht ganz mit Unrecht als ungeschickt , tölpelhaft oder abgeschmackt ( awkward ) hinstellt.

Dagegen muss man sich hüten, dergleichen an einem Beispiel zu machende Wahrnehmungen sogleich auf die ganze Urteilsform auszudehnen. Zum Beispiel: Falsche lateinische Deklinationen sind gar keine lateinischen Deklinationen hatte ich einst zu entgegnen, als mir ein philologischer Kollege meine Einteilung der numerischen Gleichungen in richtige und falsche1 p. 359 durch den Vergleich mit einer Einteilung der lateinischen Deklinationen in richtige und falsche lächerlich zu machen suchte. In der That: wirklich lateinische Deklinationen sind immer richtige. dagegen: falsche Gleichungen sind wirklich Gleichungen (d. i. Behauptungen einer25*388Neunte Vorlesung.Gleichheit). So erwies sich jene ungeschickte Urteilsform hier als eine geschickte zur Entkräftung des Einwandes.

β1) Man bringe die Gleichung a + b = a rechts auf 0 nach Th. 39).

Auflösung: a1 b = 0, was mit b a äquivalent. Notwendige und hinreichende Bedingung dafür dass ein Summand b im andern eingehe und unterdrückt werden dürfe, ist also: dass er diesem eingeordnet sei. Darnach erscheint das Absorptionsgesetz 23+) als spezieller Fall und Korollar der Theoreme 6).

Man verfahre ebenso mit der Gleichung a b = a und untersuche die Bedingung für das Eingehen eines Faktors b im andern a. Die - selbe ist a b1 = 0 oder a b.

Wenn x = a b1 + a1 b + a1 c1 + b1 c1 bedeutet, so untersuche man nach Vorstehendem systematisch, welches von den vier Gliedern rechts unter - drückt werden darf McColl3. Da a b1 (a1 b + a1 c1 + b1 c1) 1 = a b1 (a + b1) (a + c) (b + c) = a b1 (a b + c) = a b1 c und a1 b (a b1 + a1 c1 + b1 c1) 1 = a1 b c von 0 im allgemeinen verschieden, so sind die zwei ersten Glieder beizu - behalten. Dagegen ist: a1 c1 (a b1 + a1 b + b1 c1) 1 = 0 und b1 c1 (a b1 + a1 b + a1 c1) 1 = 0; wir können also nach Belieben das dritte oder vierte Glied weglassen. Aber nicht beide zugleich, denn nachdem nun x = a b1 + a1 b + b1 c1 resp. x = a b1 + a1 b + a1 c1 geschrieben ist, wird: b1 c1 (a b1 + a1 b1) 1 = a1 b1 c1 und a1 c1 (a b1 + a1 b) 1 = a1 b1 c1 nicht verschwinden so lange die Gebiete a, b, c als allgemeine gedacht, so lange nicht besondere Beziehungen zwischen denselben bestehend vor - ausgesetzt werden.

Natürlich wird man zur Anwendung des hier erläuterten syste - matischen Verfahrens nur zu schreiten haben, sofern sich nicht die überflüssigen Glieder ( redundant terms ) schon beim blossen Anblick, bei Durchsicht des Ausdrucks (by mere inspection) als andere zum Faktor habend entdecken lassen vergl. das Beispiel: a1 b c + a1 c + a b c1 + b c1 = a1 c + b c1.

Bei der Untersuchung, ob ein a + b = a, d. h. a1 b = 0 ist, kann übrigens zur Vereinfachung der Rechnung, wie McColl hervorhebt, von einem späteren Satze, vergl. Anm. 2 zu Th. 44+) mit Vorteil Gebrauch gemacht werden.

γ1) Nunmehr noch einige Übungen im rechnerischen Ziehen von Schlüssen. Man beweise den Sorites:389§ 18. Aufgaben und Anwendungen.a b, b c, c d, d e, ergo a e, indem man die Prämissen in der Form darstellt: a = a b, b = b c, c = c d, d = d e. (Jevons2 p. 31.)

Auflösung. Durch Rückwärtseinsetzung folgt: a = (a b c d) e.

δ1) Man zeige dass wenn den Prämissen eines (bejahenden) Ketten - schlusses noch eine Subsumtion hinzugefügt wird, welche sozusagen die Kette schliesst, durch welche nämlich der major seiner letzten dem minor seiner ersten Prämisse subsumirt wird, dann sämtliche termini einander gleich sein müssen. Z. B. ist: a b, b c, c d, d e und e a, so folgt a = b = c = d = e. (Jevons9 p. 212.)

In der That hat man a e nebst e a, somit e = a, ebenso a d nebst d a, somit d = a, etc.

ε1) Jedes a ist b , dargestellt als Jedes a ist b, oder b , gibt durch Konversion den Schluss: Jedes a, welches nicht b ist, ist b als scheinbare contradictio in adjecto .

In Formeln kann man noch etwas einfacher so zu diesem Schluss ge - langen: Wenn a b, so ist nach Th. 15×) a b1 b b1, aber b b1 b nach Th. 6×), ergo a b1 b. Am einfachsten nach Th. 41+), c = b setzend.

Man löse diesen Widerspruch. (Jevons9 p. 202.) Der schein - bare Widerspruch schwindet bei dem Hinweis darauf, dass a b1 0, oder also a b1 = 0 sein muss, d. h. es gibt keine a, welche nicht b sind; die Klasse dieser ist eine leere, und somit auch in der b mit - enthalten!

ζ1) Wenn kein a ein b c (d. h. b und c zugleich) ist, was folgt bezüglich der b und der a c? (Jevons9 p. 200.)

Beantwortung: die Prämisse a (b c) 1 lässt sich umschreiben in a b c = 0, und dieses ebenso wieder in b (a c) 1, d. h. kein b ist ein a c.

η1) Jevons9 p. 189.

Was ist der wahre Sinn der Redensart: Alle Räder, welche nach Croyland kommen, sind mit Silber beschlagen ?

390Neunte Vorlesung.

Bezeichnet r die Klasse der nach Croyland kommenden Räder und s = silberbeschlagen, so soll r s sein.

Die Unterstellung ist: dass es silberbeschlagene Räder überhaupt nicht gebe, d. h. dass s = 0 sei.

Hiernach folgt gemäss Th. 2) und 5+), dass auch r 0 somit r = 0 sei, das heisst also: es kommen keine Räder nach Croyland (einer gebirgig entlegenen, früher schwer zugänglichen Abtei).

Aufgaben von einer ähnlichen Leichtigkeit der Behandlung, in - dessen gleichwol nicht immer von unzweifelhafter Klarheit der Frage - stellung und unanfechtbarer Lösung, gibt Jevons in 9 in unge - heurer Menge.

ϑ1) Beobachtet sei, dass die Phänomene a, b, c nur in den Kom - binationen a b c1, a1 b1 c und a1 b1 c1 vorkommen. Was sind die einfachsten Aussagen, die über a, b, c gemacht werden können? (Jevons9 p. 219.)

Beantwortung. Der Ansatz: a b c1 + a1 b1 c + a1 b1 c1 = 1, oder a b c1 + a1 b1 = 1 gibt erschöpfend die Mannigfaltigkeit 1 der wirklichen Fälle an. Durch beiderseitiges Negiren folgt: (a1 + b1 + c) (a + b) = 0 oder a b1 + a1 b + (a + b) c = 0. Das Verschwinden der beiden ersten Terme zeigt an, dass a = b ist, und kann hienach das Verschwinden des letzten Terms kürzer durch (a + a) c = 0 oder a c = 0 ausgedrückt werden. Faktisch bedingen also die Phänomene a und b einander gegenseitig (die Klassen der Fälle wo das eine oder wo das andere von ihnen vorliegt, sind identisch) und wo eines von ihnen vorliegt, da fehlt c.

ι1) Gesetzt: Jedes s ist a oder b, aber jedes a ist p, und jedes b ist p. Zu folgern: jedes s ist p. (De Morgan 2 p. 123.)

Ist s a + b, dazu a p, b p, so folgt nach Def. (3) aus dem System der letzteren Prämissen: a + b p, und hieraus in Verbin - dung mit der ersten Prämisse nach Prinzip II: s p, wie zu zeigen war.

Nach De Morgan wäre dieser Schluss eine gewöhnliche Form des Dilemma .

ϰ1) Gesetzt: Jedes a ist entweder b, c oder d, ferner kein b ist a und kein c ist a, so folgt: jedes a ist d. (De Morgan2 p. 122.)

391§ 18. Aufgaben und Anwendungen.

Beweis. Von den Prämissen a b + c + d, a b = 0, a c = 0 kann man die erste nach Th. 20) schreiben: a = a (b + c + d) = a b + a c + a d, was sich mit Rücksicht auf die folgenden vereinfacht zu: a = a d oder a d.

λ1) Gesetzt: Jedes a ist b, c oder d; jedes b ist e, jedes c ist e, jedes e ist d. So folgere man: jedes a ist d. (De Morgan2 p. 123.) Prämissen: a b + c + d, b e, c e, e d. Ergo: b d, c d, c d, b + c d, und da ohnehin d d, so ist auch b + c + d d, woraus in Verbin - dung mit der ersten Prämisse a fortiori folgt: a d.

μ1) Angenommen: Jedes a ist b, jedes c ist d aber kein b ist d. Zu beweisen, dass auch kein a ein c sein wird. (De Morgan2 p. 123.) Prämissen: a b, c d, b d = 0. Aus den ersten beiden folgt nach Th. 15×): a c b d, sonach a c 0, was auf a c = 0 nach Th. 5) hinausläuft.

ν1) Man vereinfache die Aussage: (c + a) b1 + a c = (a + b) c1 + a b.

Auflösung. Bringt man rechts auf 0, so entsteht: b c1 + b1 c = 0, das heisst: b = c.

ξ1) Ist x = a x + b x1, so soll bewiesen werden, dass b x1 = 0 sein muss.

Am einfachsten geschieht dies mittelst Durchmultiplizirens der Prä - misse mit x1.

ο1) Wenn a = a b + x (a + b), so ist b = a b + x1 (a + b), und um - gekehrt. Dies zu beweisen, wird man beide Gleichungen rechts auf 0 bringen, wodurch sich a1 b x + a b1 x1 = 0 übereinstimmend ergibt.

π1) (Jevons9, p. 239.) Zu zeigen, dass die Aussage: Alle a sind sowol b als c äquivalent ist dem Systeme der beiden Aussagen: Was nicht b ist, ist auch nicht a und Was nicht c ist, ist nicht a , mithin392Neunte Vorlesung.a b c äquivalent 〈…〉 .

Auflösung: Erstere Subsumtion, rechts auf 0 gebracht gibt: a b1 + a c1 = 0 und dies ist auch die vereinigte Gleichung der beiden letztern Sub - sumtionen. Zudem geben diese nach (3): b1 + c1 a1, was die Konver - sion durch Kontraposition der erstern Subsumtion nach 37) und 36) ist.

ϱ1) De Morgan3 p. 14 empfiehlt einem Jeden, der sich oder seine Bekannten auf die Probe zu stellen wünscht, in wie weit Zergliederung (Analyse) der Formen des Aussagens (of enunciation) für ihn von Wert sein würde, die Vorlage dieser Frage, deren Beantwortung sofort ge - geben und begründet werden soll: ob die beiden folgenden Behauptungen (oder welche von ihnen) richtig seien:

Erstens. Alle Engländer, welche nicht schnupfen, sind zu finden unter den Europäern, welche keinen Tabak konsumiren.

Zweitens. Alle Engländer, welche keinen Tabak konsumiren, finden sich unter den Europäern, welche nicht schnupfen?

Bedeutet a = Engländer, b = Europäer, c = Schnupfer, d = Kon - sument von Tabak, so ist behauptet: a c1 b d1, sodann a d1 b c1, und gilt als selbstverständlich, dass a b und c d ist. Während also a b1 = 0 und c d1 = 0 ist, sagt die erste Behauptung, dass a c1 (b1 + d) = 0, die zweite, dass a d1 (b1 + c) = 0 sei; die zweite ist mithin offenbar richtig; von der ersten aber ver - schwindet zwar auch der Term a c1 b1 = c1 · 0 identisch; dagegen bleibt die Behauptung übrig: a c1 d = 0, oder a d c, welche unrichtig, sintemal es auch Engländer gibt, die Tabak konsu - miren ohne zu schnupfen (indem sie eben rauchen oder Tabak kauen, priemen).

σ1) Venn1 p. 264.

Drei Personen A, B, C sind beschäftigt, einen Haufen Bücher in einem Antiquariat zu sortiren. A soll alle deutschen politischen Werke und die gebundenen ausländischen Novellen herauslesen, dem B sind die gebundenen politischen Werke und die deutschen Novellen, falls sie nicht politischen Inhaltes, zugewiesen, endlich dem C die gebun - denen deutschen Werke und die ungebundenen politischen Novellen. [Statt politisch würden wir vielleicht besser historisch nehmen.]

393§ 18. Aufgaben und Anwendungen.

Welche Werke werden von zweien der drei Personen beansprucht, und werden es gewisse Werke von allen dreien?

Auflösung. Es bedeute a = deutsch, b = politisch, c = gebun - den, d = Novelle, und bei der Rechnung A die Klasse der der gleich - namigen Person zugewiesenen Werke, desgl. B etc., so ist gegeben: A = a b + a1 c d, B = b c + b1 a d, C = a c + c1 b d und hieraus folgt: A B = b c (a + d), A C = a b (c + d), B C = a c (b + d), A B C = a b c, womit die Antworten auf die gestellten Fragen gefunden sind und z. B. die letzte besagt, dass die gebundenen deutschen politischen Werke und nur diese (falls solche vorhanden) von allen drei Personen beansprucht werden.

In den Mathematical Questions with their solutions from the Edu - cational Times (edited by W. J. C. Miller), Vol. 33, 1880, pag. 99 und 100 sind auch noch in andrer Manier die Lösungen der vorstehenden Auf - gabe gewonnen von den Herrn C. J. Monro, R. R. Grey, und andern, sowie von H. McColl. In bezug auf des letztern Manier vergleiche der weiter vorgeschrittene Leser den § 46, 18. Studie.

τ1) Aufgabe, McColl, Math. Questions, Vol. 34, 1881, p. 85, gelöst von W. B. Grove, Elizabeth Blackwood, u. a.

Was ist der geringste Zusatz, der zu den Prämissen: a a, b β, c γ, gemacht werden muss, damit sie den Schluss ge - statten: x ξ?

Auflösung. Mit Rücksicht auf Th. 38×), 24×) und 5×) lässt das ursprüngliche Prämissensystem sich zusammenziehen zu der Subsum - tion: a α1 + b β1 + c γ1 + 0, und da der gewünschte Schluss ist: x ξ1 0, so ist den Prämissen allermindestens hinzuzufügen die An - nahme, dass x ξ1 a α1 + b β1 + c γ1 + sei. Dieses setzt weniger voraus, der Zusatz ist schwächer, ( weaker ), als wenn etwa das Subjekt nur in einzelnen Gliedern der Summe rechterhand enthalten gedacht werden müsste oder in einer echten Teilsumme der letztern, in einer Unterklasse, die nicht das Ganze wäre ( short of the whole ).

υ1) Aufgabe (W. B. Grove, Math. Questions Vol. 35, 1881, p. 29 hier leicht abgeändert).

In einer gewissen Schule hat jeder Schüler, der Englisch und Fran - zösisch, oder keines von beiden lernt, keine Algebrastunden; jeder an394Neunte Vorlesung.dem Unterricht in der Algebra Teilnehmende lernt sowol Englisch als Deutsch oder keines von beiden; jeder der Französisch aber nicht Deutsch lernt, hat entweder Englisch oder nicht Algebra. Man er - setze die Angaben durch eine einzige ihrem System äquivalente ein - fachere Angabe und zeige, dass die Anzahl derer, die Algebra haben, die Zahl der Englisch Lernenden nicht überschreiten kann.

Mit der letzteren Forderung treten wir eigentlich aus dem Rahmen der uns hier gesteckten Kategorieen von Aufgaben heraus; doch mag die Lösung als eine so naheliegende hier mit in Kauf genommen werden.

Auflösung (von McColl, Elizabeth Blackwood, u. a.). Es bezeichne a, d, e, f die Gattung der bezüglich Algebra, Deutsch, Eng - lisch, Französisch lernenden Schüler.

So lauten die Data: e f + e1 f1 a1, a e d + e1 d1, d1 f a1 + e, und ist die vereinigte Gleichung derselben: a (e f + e1 f1 + e d1 + e1 d + d1 e1 f) = 0 oder, da der Koeffizient von e1 in der Klammer sich auf 1 reduzirt, hernach das Th. 33+) Zusatz anwendbar wird: a (f + d1 + e1) = 0, das heisst: a d e f1. Da nun die Klasse a einem Teil der Klasse e schon eingeordnet, und a fortiori a e ist, so muss Num. a Num. e sein, wenn wir mit Numerus a die Anzahl der Individuen der Klasse a bezeichnen wie zu beweisen war.

Die einfachste Formulirung der Data würde übrigens das System der beiden Aussagen: a f = 0 und a d e vorstellen, also: Wer Algebra hat, hat kein Französisch, dagegen sicher Deutsch sowol als Englisch.

φ1) (Jevons9 p. 283 und Miss Ladd1 p. 51.)

Was sind, genau präzisirt, die Punkte, in welchen zwei Disputan - ten übereinstimmen, und die, in welchen sie differiren, wenn der eine (Henrici) behauptet:

  • Der Raum (a) sei die dreifach ausgedehnte Mannigfaltigkeit (b) mit Punkten als Elementen (c),
  • der Andere der Meinung ist, dass der Raum die dreifach ausgedehnte Mannigfaltigkeit sei und dass zugleich der Raum Punkte zu Ele - menten habe?
395§ 18. Aufgaben und Anwendungen.

Auflösung. Henrici's Behauptung ist: a = b c, oder a b1 + a c1 + a1 b c = 0.

Der Andere behauptet erstens, dass a = b, mithin a b1 + a1 b = 0, oder a b1 + a1 b c + a1 b c1 = 0 sei, und zweitens, dass a c, das heisst a c1 = 0 sei.

Die vereinigte Gleichung dieser beiden Aussagen: a b1 + a c1 + a1 b c + a1 b c1 = 0 geht über diejenige Henrici's um das zu den vorhergehenden dis - junkte letzte Glied a1 b c1 hinaus. Mithin stimmen Beide in dem was Henrici behauptete überein, während der Opponent desselben oben - drein behauptet, dass a1 b c1 = 0, m. a. W. b c1 a sei, d. h. dass eine dreifach ausgedehnte Mannigfaltigkeit, welche nicht Punkte zu Elementen hat, Raum sein müsse.

Wie schon das Beispiel der (Einzel -) Töne zeigt, welche nach Höhe, Stärke und Dauer eine dreifach ausgedehnte Mn. vorstellen, ist also jeden - falls der Opponent im Unrecht. Dies schliesst nicht aus, dass auch Hen - rici's angebliche Behauptung falsch ist. Beide Disputanten hätten nicht die , sondern nur eine dreifach ausg. Mn. sagen dürfen, wo dann ihre beiderseitigen Aussagen: a b c und: a b, a c auf genau dasselbe hinausgelaufen wären cf. Def. (3×).

Die bisherigen Anwendungsbeispiele und Aufgaben schon lassen wol erkennen, dass wo man über so viele Methoden verfügt, wie im identischen Kalkul, wo man freie Wahl hat unter so vielen Mitteln, von welchen sich ein mehr oder minder judiziöser Gebrauch machen lässt da jedenfalls von einem toten Formalismus nicht zu sprechen sein wird.

[396]

Zehnte Vorlesung.

§ 19. Funktionen und deren Entwickelung.

Nachdem wir Operationen kennen gelernt haben, dienlich um aus gegebenen Gebieten oder Klassen deren neue abzuleiten, müssen wir uns über die Eigenschaften der Ausdrücke orientiren, welche mittelst dieser Operationen aufgebaut oder zusammengesetzt werden können. Auf dieses Ziel steuern wir nunmehr hin.

42+) Theorem.

Jedes Gebiet y lässt sich durch jedes andre Gebiet x und dessen Ne - gation x1 linear und homogen ausdrücken in der Form: y = a x + b x1.

Beweis. Geometrisch wäre dies zwar evident für die Bedeutungen

[figure]
Fig. 19.

von a = A, b = B der Fig. 19 in welcher x und y die Kreisflächen, dagegen A und B die Bilineums - oder Bogenzweieckflächen, in welche diese Buch - staben eingeschrieben sind, vorstellen. Offenbar ist nämlich hier: A x = A, B x1 = B, y = A + B.

Indessen soll ohne Not nicht auf die An - schauung rekurrirt, zurückgegangen werden oder Berufung erfolgen.

Wir beweisen daher unsre Behauptung rein analytisch . Und dies gelingt bereits und auf die einfachste Weise durch die nach bisherigem [Th. 21×), 30+) und 27×)] leicht erweisliche Identität: y = y x + y x1, welche mit obiger Behauptung zusammenfällt, sobald man unter a und b das Gleiche, und zwar y selbst, versteht.

Noch besser, nämlich wie man bald in der Lage sein wird, darzuthun auf die allgemeinste Weise, wird der Satz erwiesen durch die ganz unumschränkt gültige Gleichung: y = (x y + u x1) x + (x1 y + v x) x1,397§ 19. Funktionen und deren Entwickelung.in welcher, auch bei gegebenen Gebieten x, y, die Symbole u, v noch völlig beliebige, willkürliche oder arbiträre Gebiete vorstellen. Auch diese Gleichung wird man durch Ausmultipliziren rechterhand und mit Rücksicht auf bekannte Theoreme leicht verifiziren.

Die in unserm Theorem behauptete Gleichung ist demnach auch wahr, wenn a = x y + u x1, b = x1 y + v x erklärt wird, d. h. unter a, b die angegebenen Werte verstanden werden.

Die Koëffizienten a und b der als zulässig behaupteten homogen linearen Darstellung des y durch x und x1 sind demnach nicht völlig bestimmt, wenn auch x und y gegebene Werte (Bedeutungen) haben. Mögen sie doch sogar, wie gezeigt, je einen willkürlichen also voll - kommen unbestimmten Bestandteil enthalten! Auch werden diese Koeffizienten im Allgemeinen ihre Bedeutung ändern, wenn man dem x andre und andre Werte beilegt (m. a. W. Bedeutungen unterlegt).

Auch für Klassen ist unser Satz unmittelbar einleuchtend: Die Individuen einer Klasse y müssen solche sein, welche x sind, oder solche, welche nicht x sind. Die Salze z. B. sind teils verbrennliche Salze, teils unverbrennliche.

Es versteht sich, dass auch eine dieser beiden Teilklassen eine leere sein kann, in welchem Falle der betreffende Term der Darstellung a x + b x1 gleich 0 zu denken ist, und zwar genügt es, um das Ver - schwinden dieses Terms zu bewirken, dass man dessen Koeffizienten gleich 0 nehme. Verstünden wir z. B. unter y die Klasse der Menschen und unter x die Klasse der sterblichen Wesen (die Klasse sterblich ), so wäre b = 0 zu denken. Die Klasse der Menschen besteht aus der - jenigen der sterblichen Menschen, wozu aus der Klasse der unsterb - lichen Wesen nichts hinzuzunehmen ist; hier ist schon y = a x = y x vergl. auch Th. 20×).

Entsprechend der schon erwähnten Unbestimmtheit der Koeffi - zienten a, b dürften wir freilich in unserm Beispiel unter b auch ver - stehen: die Klasse der Bäume in Anbetracht, dass es auch keine unsterblichen Bäume gibt, also b x1 doch = 0 wäre.

Die in dem Theorem gebrauchten Ausdrücke linear , sowie homogen sind aus der mathematischen Terminologie herübergenommen; sie finden in der Mathematik ihre Erklärung, auch die Benennungen dort ihre Moti - virung. Auf letztere wollen wir hier gar nicht, auf erstere nur so weit eingehen, als für unsre Zwecke unerlässlich ist. Für den Augenblick ge - nügt die Bemerkung, dass man eben einen Ausdruck von der Form a x + b x1 und nur einen solchen in Bezug auf x und x1 linear und homogen zu nennen hat. Die allgemeinste lineare aber nicht homogene Funktion398Zehnte Vorlesungvon x und x1 hätte die Form: a x + b x1 + c; sie enthielte nämlich ausser einem mit dem Faktor x und einem mit dem x1 behafteten Gliede auch noch einen von x und x1 freien Term, das so - genannte Absolutglied c.

Allerdings gebraucht die Mathematik diese Benennungen nur, sofern die Koeffizienten a und b (beziehlich auch c) von x und x1 unabhängig , bezüglich ebendieser Variabeln konstant sind, nämlich stets dieselben Werte behalten, welche Werte man auch dem x oder x1 in Gedanken unterlegen mag. Diese Anforderung ist im obigen Theorem anscheinend nicht immer erfüllt. Es werden aber die demnächst folgenden Sätze von 44) an zeigen, dass und wie sie sich in weitestem Umfange realisiren lässt; auch oben waren schon bei der Annahme a = b = y diese Koeffi - zienten für jede Deutung von x die gleichen.

43) Theoreme.

Die Subsumtion a b ist auch äquivalent der Gleichung:

43×) a = u b,43+) b = a + v,

in welcher u resp. v ein gewisses, ein unbestimmtes Gebiet vorstellt.

Beweis. Da

u b ba a + v

nach Th. 6), so folgt nach Th. 2) oder 3) aus der Gleichung jeden - falls die Subsumtion, was immer u und v bedeutet haben mochten, und muss nur noch gezeigt werden, dass auch das Umgekehrte für gewisse u, v der Fall ist.

Letzteres mag auf zwei Arten geschehen. Einmal selbständig: Hier genügt es, darauf aufmerksam zu machen, dass falls a b ist, die Gleichung 43×) schon für u = a, ebenso die 43+) wenigstens für v = b in der That erfüllt sein wird kraft Th. 20).

Sodann auch mittelst Berufung auf Th. 42). Nach diesem Satze kann stets:

a = u b + v b1b = u a + v a1 = (u + a1) (v + a)

geschrieben werden, indem man das eine der beiden Gebiete a, b linear und homogen durch das andre und seine Negation ausdrückt und die in Betracht kommenden Koeffizienten (die rechts vom Mittel - strich ganz andre sein mögen, als links von demselben) zunächst u und v nennt. Da nun, laut Voraussetzung, nach Th. 38):

a b1 = 0a1 + b = 1

ist, so folgt aus vorigem durch beiderseitiges Multipliziren mit b1 resp. Addiren von a1:399§ 19. Funktionen und deren Entwickelung.

a b1 = v b1 = 0a1 + b = u a + v a1 + a1 = = u a + a1 = u + a1 = 1

wonach sich die obige Gleichung vereinfacht zu

a = u b + 0 = u bb = 1 · (v + a) = a + v

wie zu zeigen war.

Zusatz zu Th. 43). Im Hinblick auf Th. 38) können wir also jetzt sagen, dass auch die Gleichungen:

a b1 = 0 und a = u ba1 + b = 1 und b = a + u

oder, wenn man will, auch die:

a b = 0 und b = a1 ua + b = 1 und b = a1 + u

einander äquivalent sind.

Es wird der Satz links (indem man x für b sagt) als ein spe - zieller Fall eines späteren Haupttheorems 50+) erscheinen.

Anmerkung 1. Man hat wohl zu unterscheiden zwischen un - bestimmten und willkürlichen Gebieten. Die letztern gehören zu den erstern, aber nicht umgekehrt.

Ist b gegeben und aIst a gegeben und b

lediglich durch die Anforderung bestimmt, dass es die Subsumtion a b erfülle, so kann man in der Gleichung

43×) das u43+) das v

als ein vollkommen willkürliches oder arbiträres Gebiet ansehen.

Anders aber, wenn überdies auch das andre der beiden Gebiete a, b gegeben, oder überhaupt nur, falls es auch nicht gegeben ist, noch andern Anforderungen ausser jener Subsumtion unterworfen sein sollte.

Für gegebene a und b, z. B., dürfen u und v nicht ganz beliebig angenommen werden.

Vielmehr müssen sie alsdann von der Form sein:

u = a + w b1v = (a1 + r) b

wo nur mehr w resp. r ein beliebiges Gebiet vorstellt wie wir durch ein späteres Theorem 50+) in die Lage gesetzt sein werden zu beweisen, indem wir die Gleichung 43) nach der Unbekannten u resp. v auflösen.

Ebenso mag überhaupt jede fernere an a und b gestellte Anforderung eine Einschränkung des Willkürlichkeitsbereichs, der Variabilität von u oder v involviren, gewisse Gebieteklassen als unzulässige Bedeutungen für u oder v ausschliessen.

Ähnlich, wenn man etwa die beiden die Subsumtion a b nur um -400Zehnte Vorlesung.schreibenden Gleichungen 43×) und 43+) als gleichzeitig geltende in's Auge fasst, können u und v nicht völlig unabhängig von einander angenommen werden. Vielmehr, wenn eines von diesen beiden Gebieten (eventuell im Einklang mit den für dasselbe angeführten Bestimmungen) festgelegt, ge - geben oder irgendwie angenommen ist, muss das andre die Form haben:

u = a + s v1,v = b (u1 + t),

wo nur mehr s, resp. t willkürlich bleibt.

Auch dieses nachzuweisen ist weiter nichts, als eine hier vorgreifend angeführte und als Übungsexempel zu empfehlende Anwendung des weiter unten vorgetragenen Theorems 50+). Zur Erleichterung von deren Lösung und um auf dieselbe nicht mehr zurückkommen zu müssen, führen wir hier nur noch an, dass u resp. v die Gleichung erfüllen muss:

u a1 v + u1 a = 0v b1 + v1 b u1 = 0

welche sich ergibt, indem man den Wert von b oder a aus der einen von den beiden Gleichungen 43) in die andre substituirt und dann rechts auf 0 bringt, kurz indem man eines der Symbole a, b aus den Gleichungen 43) eliminirt.

Beispielsweise kann die nach Def. (2) geltende Subsumtion:

0 ba 1

nach Th. 43) umgeschrieben werden in eine Gleichung:

0 = u b.1 = a + v.

Doch sind alsdann u und v augenscheinlich nicht vollkommen willkürlich und andrerseits sind sie auch nicht vollkommen bestimmt. Es gelten die Gleichungen (wenn b nicht selbst 0 resp. a nicht selbst 1 ist) nicht für alle, sondern nur für gewisse Gebiete u, v, aber doch für unendlich viele; es muss nämlich u, v von der Form sein:

u = w b1,v = a1 + r,

wo w und r arbiträr bleiben. In der That lag hier ein Fall vor, wo a = 0 resp. b = 1 völlig bestimmt war, wo es gegeben erscheint.

Anmerkung 2. Wir wollen jetzt im Überblick die zwölf Arten zusammenstellen, auf welche nach den bisherigen Sätzen eine Subsum - tion a b in Gestalt einer einzigen Beziehung (zumeist Gleichung) angeschrieben werden kann. Die folgenden Aussagen sind einander äquivalent: a b und nach 37): b1 a1; nach 20): a = a b, b = a + b, woraus nach 32) und 36) auch folgt: a1 = a1 + b1, b1 = a1 b1; nach 38): a b1 = 0, a1 + b = 1;401§ 19. Funktionen und deren Entwickelung.nach 43): a = u b, b = a + v, woraus nach 32) und 36) auch: a1 = b1 + u1, b1 = a1 v1 in welchen letzteren Darstellungen u, v und somit auch u1, v1, ge - wisse nicht näher bestimmte Gebiete vorstellen, welche in den oben erläuterten Fällen auch als arbiträre auszulegen erlaubt ist.

Wie man leicht erkennt kann man obendrein die Gleichungen auch sämtlich durch Subsumtionen ersetzen in folgender Weise: a a b, a + b b a1 + b1 a1, b1 a1 b1 a b1 0, 1 a1 + b a u b, a + v b b1 + u1 a1, b1 a1 v1 und mag so die Zahl der verfügbaren Ausdrucksweisen noch um zehn ver - mehren.

Bei den sechs ersten von diesen gilt nämlich die umgekehrte Subsum - tion nach Th. 6) und Def. (2) ohnehin als allgemeine Formel, sodass Gleichheit eintritt. Und bei den vier letzten Subsumtionen, welche ihrer - seits aus der ihnen entsprechenden Gleichung nach Def. (1) hervorgingen, folgt auch aus der Subsumtion wieder die Gleichung nach Th. 6), welches ms u b b resp. a a + v liefert, etc., darnach gemäss Prinzip II den Schluss a b zu ziehen gestattet, welcher äquivalent war der Gleichung (in der freilich u, v eine andre Bedeutung haben kann als in der voraus - gesetzten Subsumtion).

Wir geben jetzt die Erklärung des Funktionsbegriffes für (und in seiner Beschränkung auf) den identischen Kalkul.

Definition. Funktion von x oder f (x) gelesen: f von x nennen wir im identischen Kalkul jeden Ausdruck, welcher aus dem Gebietsymbol x (eventuell auch seiner Negation x1) und irgendwelchen andern Gebietsymbolen aufgebaut ist vermittelst der drei Grundoperationen des Kalkuls als da sind: identische Multiplikation, Addition und Negation.

Beliebig häufige Verwendung eines jeden Symbols ist bei diesem Aufbau selbstverständlich zugelassen. Auch war die in Klammer ge - setzte Einschaltung strenge genommen überflüssig, weil wir zu x zu - nächst durch Negiren ohnehin x1 ableiten und diese beiden Bausteine beliebig weiter verwenden können. Von den Operationen dürfen einzelne auch unvertreten sein; ebenso mögen andere Symbole fehlen.

Analog ist unter einer Funktion f (x, y) von x und y, sowie unter einer Funktion f (x, y, z) von x, y und z, u. s. w. irgend ein AusdruckSchröder, Algebra der Logik. 26402Zehnte Vorlesung.zu verstehen, der aus den angegebenen Symbolen x, y resp. x, y, z, etc. nebst vielleicht irgend welchen andern vermittelst der drei identischen Spe - zies aufgebaut ist.

Die angeführten Symbole x, resp. x, y, resp. x, y, z, etc. heissen die Argumente der Funktion f (x), resp. f (x, y), resp. f (x, y, z), etc., welche demnach als eine Funktion von nur einem Argumente, resp. von zwei, drei oder mehr Argumenten zu bezeichnen oder, wie man sogleich erkennen wird, besser gesagt anzusehen ist.

Im Allgemeinen werden hienach in dem Aufban des eine Funktion darstellenden Ausdruckes die Argumente x, y, z, der Funktion nebst ihren Negationen x1, y1, z1, vorkommen, unter sich und mit noch andern Gebietsymbolen, wie 0, 1, a, b, c, a1, b1, verknüpft durch identische Multiplikation oder Addition, wobei zwischen die Ver - knüpfungen hinein, sowie solchen vorangehend oder nachfolgend, auch die Operation der Negation an irgendwelchen Teilen des Ausdrucks vorgeschrieben sein mag.

Jene andern Gebietsymbole, a, b, c, welche neben den Argu - menten vorkommen mögen, werden wenn mit Buchstaben dargestellt und als allgemeine Gebiete aufgefasst auch wol Parameter der Funktion genannt.

Zu jedem ein Gebiet darstellenden Ausdruck darf man nach Th. 21×) den Faktor 1 so oft es beliebt hinzusetzen, und nach Th. 30+) für den einen Faktor 1 schreiben x + x1, für einen zweiten Faktor 1 schreiben y + y1, für einen dritten z + z1, etc. und was hier für den ganzen Aus - druck gesagt ist, gilt ebenso auch für irgend einen Term, ein Opera - tionsglied oder einen Teilausdruck desselben.

Hienach ist offenbar, dass man jeden Ausdruck überhaupt nach Belieben ansehen kann als Funktion von x*)In Bezug auf irgend ein Gebiet y folgt dies nebenbei auch schon aus dem Th. 42)., oder von x und y, von x, y und z, etc., auch wenn er diese Argumente von vornherein gar nicht enthalten sollte. Mit andern Worten: unter der beliebig häufigen Ver - wendung der Argumentsymbole in dem Aufbau des Ausdruckes ist oben auch die Nicht-Verwendung derselben, die Enthaltung von ihrer Verwendung, mit zugelassen.

Auch die Unterscheidung zwichen den Argumenten und den Para - metern der Funktion erscheint hienach als eine willkürliche: Wenn wir einen Ausdruck als Funktion von x, y, z, hinstellen, so heisst dies weiter nichts, als dass wir beabsichtigen, sein Verhalten für ver -403§ 19. Funktionen und deren Entwickelung.schiedene Bedeutungen oder Wertsysteme ebendieser genannten Argu - mente zu studiren.

Insofern wir dabei diesen Argumenten andre und andre spezielle Gebiete als Bedeutung unterlegen, ihre Namen festhaltend denselben andre und andre Werte beilegen werden, kann man auch sagen, man lasse die Argumente sich ändern, oder sie seien veränderliche Ge - biete, Variable.

Die Parameter der Funktion dagegen, deren jedem wir etwa im Laufe einer Untersuchung stets dieselbe Bedeutung untergelegt wissen wollen, nennen wir beständige Gebiete oder Konstante.

Es kann sein, dass wenn die Bedeutung der Argumente wechselt, diese also geändert werden, auch der als Funktion derselben hin - gestellte Ausdruck seine Bedeutung wechselt, dass also der Funktions - wert sich dann ebenfalls ändert. Ebenso kann es aber auch sich er - eignen, dass trotzdem man die Argumente alle denkbaren Wertsysteme (aus der Mannigfaltigkeit unsrer Gebiete) durchlaufen lässt, der Wert der Funktion doch stets der gleiche bleibt, dass er als unveränderlich, absolut konstant sich herausstellt. Kurz gesagt: die Funktion selbst kann sich als variabel oder aber als konstant erweisen. (Beispiele nachher.)

Im erstern Falle wird die Funktion als die abhängige (dependente) Variable bezeichnet, im Gegensatz zu den Argumenten als den unab - hängigen (independenten) Variabeln in Anbetracht, dass es bei den letztern in unser Belieben gestellt erscheint, welchen Wertänderungen wir dieselben unterwerfen wollen, wogegen hienach die Veränderlich - keit des Funktionswertes zufolge des für denselben geltenden Aus - druckes sich mit Denknotwendigkeit richtet, mithin als eine durch die Veränderungen, denen man die Argumente einmal unterworfen hat, durchaus bedingte erscheint.

Bleibt der Wert einer Funktion stets der gleiche, wenn man einem bestimmten Argument x alle denkbaren Werte aus der Mannigfaltig - keit unsrer Gebiete als Bedeutung unterlegt während die Bedeutung aller übrigen Symbole festgehalten wird, wogegen er sich ändern würde sobald auch die Bedeutung der übrigen Argumente wechselte, so nennt man die Funktion nur relativ konstant und zwar konstant in Bezug auf dieses genannte Argument x. Ebenso kann eine Funktion auch konstant sein in Bezug auf eine bestimmte Gruppe von Argumenten, indem ihr Wert durch alle möglichen Veränderungen, denen man eben diese Argumente unterwirft, sich nicht beeinflusst erweist. Auch hiezu nachher Beispiele.

26*404Zehnte Vorlesung.

Die zwischen Parametern und Argumenten einer Funktion will - kürlich gezogene Grenze ist demungeachtet von eminent praktischer Wichtigkeit, in Anbetracht, dass es in der Regel nicht zweckmässig erscheint, einen Ausdruck in seiner Abhängigkeit von allen in den - selben eingehenden allgemeinen oder literalen Gebietsymbolen zugleich zu untersuchen. Zumeist erscheint es nur angezeigt oder geboten, dies in Bezug auf eine gewisse Gruppe der den Ausdruck formal zu - sammensetzenden Elemente auf einmal zu thun, und diesen als den Argumenten der Funktion die übrigen Elemente als ihre Parameter gegenüberzustellen.

Alle hier eingeführten Benennungen sind dem Mathematiker in ihrer nicht durchaus gleichlautenden, aber doch analogen Anwendung auf das Gebiet der Zahlen längst geläufig. Die mathematische Erklärung der Funktion setzt allerdings das Vorhandensein eines analytischen oder Formelausdrucks für dieselbe nicht voraus, sondern stützt sich lediglich auf die eindeutige Zuordnung der Funktionswerte zu den Argumentwerten (resp. - wertsystemen); doch lässt sie wenigstens die analytische Darstellung der Funktionen durch dergleichen Ausdrücke mit zu, und findet auf dem Gebiet der letztern ihre hauptsächlichsten Anwendungen.

Ausserhalb der mathematischen Terminologie wird von Funktionen sowol als von Argumenten in einem gänzlich davon unabhängigen Sinne gesprochen: Man spricht von der Funktion, im Sinne von Lebensverrichtung, vom Funktioniren, irgend eines Organes des Pflanzen - oder Tierkörpers, auch von dem Funktioniren einer Maschine, überhaupt von der Funktion, der Wirksamkeit irgend eines Mittels zu einem Zwecke. Und ferner pflegt ein Beweisgrund auch als Argument, die Beweisführung, namentlich wenn sie eine rhetorische ist, als Argumentiren oder Argumentation bezeichnet zu werden. Diese Benennungen haben, wie gesagt, gar nichts mit den obigen, an die wir uns hier halten, zu schaffen. Die verschiedenen An - wendungssphären dieser Homonyme liegen aber auch so weit auseinander, dass der vorhandene Doppelsinn nicht sehr verfänglich erscheint.

Ersetzt man in einem als Funktion f (x) betrachteten Ausdrucke das Argument x durchweg, wo immer es sich in dem Ausdrucke vor - findet, durch ein spezielles Gebiet a, also namentlich auch x1 durch - weg durch a1, so wird der durch diese Substitution sich ergebende Ausdruck mit f (a) bezeichnet.

Insbesondre erhält man demnach f (1), indem man x durch 1 und demgemäss x1 durch 0 durchweg in f (x) ersetzt wobei man die durch die Theoreme 21), 22) und eventuell 30) angezeigten Vereinfachungen oder Reduktionen des Ausdrucks eintreten lassen kann. Ebenso resultirt f (0) aus f (x), indem man 0 für x und 1 für x1 einsetzt.

Obige Bemerkung gilt auch, wenn a einen zusammengesetzten Aus - druck bezeichnet, und ist hienach, sobald f (x) gegeben ist, auch die Be - deutung von f (b c), f (a + b), etc. ohne weiteres klar.

405§ 19. Funktionen und deren Entwickelung.

Analog entsteht f (a, b) aus f (x, y), indem man a für x und b für y (somit auch a1 für x1 und b1 für y1) in letzterm Ausdruck sub - stituirt. Und so weiter.

Wird ein die Gebietsymbole x, y, enthaltender Ausdruck als Funktion von diesen Argumenten mit f (x, y, ) bezeichnet, so ver - fügt man damit über eine zweite Darstellung desselben und diese wird, gegenüber dem aktuellen Ausdruck der Funktion in Gestalt des ur - sprünglichen Ausdruckes, bezeichnet als die symbolische Darstellung derselben. Eine Funktion wird darnach symbolisch dargestellt, in - dem man hinter einen Funktionsbuchstaben f oder φ, ψ, χ, Ϝ, Φ, Ψ, Χ, in eine Klammer und durch Kommata getrennt die Namen der Argumente in unabänderlich festzuhaltender Reihenfolge schreibt.

Der Funktionsbuchstabe ist ein Operationssymbol , aber nicht ein Gebiets - oder Klassensymbol, und darf mit einem solchen durchaus nicht verwechselt werden. Sähe man z. B. bei f (a + b) das f für ein Gebiet an, so würde diesem Ausdruck eine ganz andere als die vorhin erläuterte Bedeutung zukommen, derselbe würde nämlich dann für das Produkt f · (a + b) = f · a + f · b gehalten werden müssen. Es empfiehlt sich also zum Funktionsbuchstaben einen solchen zu wählen, der nicht schon ander - weitig als Gebietsymbol vorkommt.

Dass ein Buchstabe als Funktionsbuchstabe gelten solle ist jedoch in der Regel schon ohne ausdrückliche Vereinbarung ersichtlich. Sagen wir z. B. f (x), oder auch f (0), f (1) und dergleichen, so gibt sich das ein - geklammerte Symbol schon dadurch als ein Argument oder Argumentwert mithin das davorstehende als Funktionsbuchstabe zu erkennen, dass es mit einer Klammer umschlossen ist, die ohne solche Absicht als eine überflüssige zu verwerfen wäre (vergl. Anhang 2). Und sagen wir f (x, y, ) so zeigen auch die Symbole trennenden Kommata deren Be - stimmung, Argumente zu repräsentiren, an.

Haben wir nun etwa eine Funktion f (x, y, z), so wird der Ausdruck f (y, z, x) nicht wieder eben diese, sondern diejenige Funktion vorstellen, deren Ausdruck aus dem gegebenen hervorgeht, indem man x durch y, daneben y durch z und z durch x durchweg ersetzt. Ebenso, wenn f (x, y) gegeben ist, bedeutet f (y, x) das Ergebniss einer Vertauschung von x und y miteinander im gegebenen Ausdrucke, u. s. w.

Leicht erhellen nunmehr die Vorteile, welche durch die symbolische Darstellung der Funktionen erzielbar sind und im Hinblick auf welche eben solche Darstellung in die Wissenschaft eingeführt wurde.

Bei allen Untersuchungen von irgend allgemeinem Charakter ist es eine Sache von erster Wichtigkeit, zu wissen, in welcher Weise sich die Bedeutung eines Ausdruckes richtet nach den Bedeutungen der ihn zusammensetzenden Terme von allgemeiner Natur. Will man diese Abhängigkeit erforschen, so muss man den letzteren als Argu - menten andere und andere Bedeutungen unterlegen, Werte beilegen,406Zehnte Vorlesung.man muss dieselben sich ändern lassen oder sie variiren, um sodann die zugehörigen Werte in's Auge zu fassen, welche unser Ausdruck dabei annimmt.

Die Einsetzung oder Substitution eines speziellen Wertes für ein bestimmtes Buchstabensymbol, oder auch eines Wertsystemes für eine ganze Gruppe von solchen, wird darum eine der am häufigsten geforderten Verrichtungen in der Wissenschaft sein. Und unter Um - ständen, wenn etwa alle Werte einer bestimmten Klasse von Werten der Reihe nach für ein Symbol eingesetzt werden sollten, kann der ermüdende Prozess dadurch abgekürzt, vereinfacht werden, dass man statt dessen auf einmal einen allgemeinen Ausdruck für dieses Symbol substituirt, welcher die Werte jener Klasse, und nur diese, sämtlich umfasst, dass man anstatt der Einzelwerte selbst einsetzt den Aus - druck der ganzen Klasse von Werten. So wird es oft erforderlich auch einen zuweilen recht komplizirten Ausdruck für ein Buchstaben - symbol zu substituiren, sogar nicht selten gleichzeitig ein ganzes System von Ausdrücken für ein System von Argumenten.

Die Operation der Einsetzung läuft im wesentlichen auf ein Kopiren, Abschreiben, Reproduziren des gegebenen Ausdruckes hinaus, wobei man nur dessen eingedenk bleiben muss, sobald man beim Abschreiben auf eines der zu ersetzenden Symbole stösst, dass man dasselbe nicht unver - ändert kopirt, sondern den eben dafür einzusetzenden Ausdruck nimmt, denselben nötigenfalls in eine Klammer eingeschlossen hinsetzt, um darnach in dem solchergestalt modifizirten Abschreibeverfahren wieder fort - zufahren. An der Schultafel kann der Prozess durch Auslöschen der zu ersetzenden Symbole mit dem Kreideschwamme und Einschreiben der ein - zusetzenden Werte in die leeren Räume verdeutlicht werden; jedenfalls ist unerlässlich, dass der Anfänger in der Ausführung solch elementaren Pro - zesses sich eine gewisse Übung erwerbe.

Es kann nun der aktuelle Funktionsausdruck ein durch ein anderes zu ersetzendes Symbol hundert mal, ja unbegrenzt, unendlich oft ent - halten, wie das Beispiel zeigen mag: 〈…〉 in welchem der Ausdruck freilich in den einfacheren f (x) = a + x b auch zusammengezogen werden könnte, während derartige Verein - fachungen vielleicht nicht immer ausführbar erscheinen. Da wäre es nun äusserst ermüdend, resp. gar nicht vollständig durchführbar, das Argument x durch einen komplizirten Ausdruck sagen wir (a b1 + a1 b) (c d + c1 d1) durchweg in Wirklichkeit zu ersetzen.

Die symbolische Funktionsdarstellung erspart uns aber die Nötigung407§ 19. Funktionen und deren Entwickelung.zu dieser Arbeit, führt dieselbe zurück auf die einmalige Ersetzung des x an der Stelle, wo es als Argument aufgeführt war, durch den Ausdruck, welcher dafür einzusetzen ist. So wird in unserm Bei - spiele schon f {(a b1 + a1 b) (c d + c1 d1)} das Ergebniss der verlangten Operation vorstellen, und für die Zwecke allgemeiner Überlegungen genügt es zumeist, die Operation solcher - gestalt nur angedeutet zu lassen.

So liefert uns die symbolische Funktionsdarstellung allemal einen übersichtlichen und ausdrucksvollen schon durch sich selbst verständ - lichen Namen für jeden Funktionswert, welcher zu einem gegebenen Argumentwert oder Wertsysteme gehört.

Ein weiterer Vorteil, den uns diese Funktionsbezeichnung gewährt, ist aber der, dass wir durch sie auch in den Stand gesetzt werden, Eigenschaften, welche allen Funktionen zukommen, desgleichen Sätze, welche etwa nur für gewisse Klassen von Funktionen gelten, in der Zeichensprache des Kalkuls konzisest mittelst Formeln darzustellen.

Dieser Vorteil ist für das Studium der Ausdrücke und Funktionen ein ähnlicher und von der gleichen Tragweite, wie der, den der Ge - brauch von Buchstaben als allgemeinen Symbolen für Gebiete oder Klassen beim Studium der letzteren gewährt. Die Funktionsbuchstaben können auch verwendet werden zur Darstellung von allgemeinen Funktionen.

Nunmehr zur Illustration des Gesagten einige Beispiele und Übungen.

Bedeutet f (x) = a + a1 x, worin dem Obigen entsprechend a einen Parameter vorstellen soll, also die Symbole a und a1 von unveränderter Bedeutung bleiben, wenn man auch dem x irgendwelche verschiedene Be - deutungen unterlegt, sodass die Gebiete a und a1 als unabhängig von x zu bezeichnen, so ist f (0) = a und f (1) = 1. Somit ist die Funktion sicher mit x veränderlich, wofern nur unter a nicht gerade das Gebiet 1 verstanden wird; sie nimmt ja dann für verschiedene Werte von x mit - unter selbst verschiedene Werte an. Weiter ist auch f (a) = a, mithin hier zufällig: f (a) = f (0). Dagegen ist wieder f (a1) = 1, somit hier f (a1) = f (1). Endlich wird f (b) = a + a1 b = a + b cf. Th. 33+) Zu - satz, und konnten wir auch allgemein den ursprünglichen Ausdruck ver - einfachen zu f (x) = a + x.

Für f (x) = a + b x ist ähnlich: f (0) = a = f (a) = f (b1), f (1) = a + b = f (b) = f (a1), f (c) = a + b c, f (c1) = a + b c1, etc.

Für f (x) = (a + x) (b + x1) 408Zehnte Vorlesung.wird f (0) = a, f (1) = b, f (a) = a b = f (b1), f (b) = a + b = f (a1), also wieder, im Allgemeinen, f (x) veränderlich bei veränderlichem x, wirk - lich abhängig von x. Natürlich darf man bei einer speziellen Funktion f (x) die ursprüngliche Abmachung, Konvention, durch welche die Bedeu - tung dieses Zeichens erklärt wurde, nicht aus dem Auge verlieren. Würde z. B. jemand hier irrtümlich die Gleichung f (b) = a + b als die Erklärung, Definition dieser Funktion f, als Funktion eines Argumentes, das (statt x) den Namen b führte, ansehen, so würde er erhalten: f (a1) = a + a1 = 1, anstatt, wie vorhin: f (a1) = a + b. Dasjenige was ich aus einem Ausdruck f (x) erhalte, wenn ich für x erst b, hernach für b durchweg a1 in denselben einsetze, müsste nur dann not - wendig als das gleiche erscheinen, wie wenn für x sogleich a1 in dem Aus - druck eingesetzt worden wäre, wenn dieser b nicht neben x enthielte.

Versteht man hingegen unter f (x) den Ausdruck: f (x) = a (x + b1) + b (a1 + x1), so wird f (0) = a b1 + b = a + b, f (1) = a + a1 b = a + b, f (a) = a + b, f (b) = a + b, und so weiter; man erhält für f (x) stets den gleichen Wert f (x) = a + b, was für ein Gebiet man auch unter x verstehen möge; die hier vorliegende Funktion ist faktisch unabhängig von x oder konstant.

Analog wäre f (x) = (a + b1 x) (a1 x1 + b) = a b (bei gegebenen a, b) absolut konstant. Man vergleiche § 18, λ), wo be - reits der Beweis für diese Behauptungen geleistet worden ist.

Ebenso würde die Funktion: f (x, y) = a (x + y1) + y (a1 + x1) = a + y zu nennen sein: konstant in Bezug auf x , wogegen sie, sofern nicht ge - rade a = 1 bedeutet, von y abhängig erscheint.

Die Funktion f (x, y) = a (x + y + x1 y1) ist ebenfalls konstant, und zwar stets f (x, y) = a.

Dagegen die Funktion: f (x, y, z) = x z + y1 z + x1 y z ist nur in Hin - sicht auf x und y konstant, indem sie den Wert haben wird: f (x, y, z) = z.

Bedeutet: f (x, y, z) = a y z1 + b z x1 + c x y1,409§ 19. Funktionen und deren Entwickelung.so folgt: f (0, y, z) = a y z1 + b z, f (1, y, z) = a y z1 + c y1, f (x, 0, 0) = c x = f (1, x1, 1), f (x, 0, 1) = b x1 + c x, f (x, 1, 1) = b x1, f (0, 0, 0) = 0 = f (1, 1, 1), f (1, 0, 0) = c, f (0, 1, 1) = b, f (a, b, c) = a b c1 + b c a1 + c a b1 = f (a1, b1, c1), f (b, c, a) = 0, f (c, a, b) = a b1 + b c1 + c a1, f (a, b1, c1) = a b1 c + b c1 a1 + c a b = a c + a1 b c1, f (a1, b, c) = a b c1 + b c a + c a1 b1 = a b + a1 b1 c, etc.

Der Leser ermittle auch noch andre Funktionswerte, wie f (x1 1, 0), f (x, 1, x), f (x, x1, 0), f (d, d, d), etc.

44+) Theorem. Allgemein ist: f (x) = f (1) · x + f (0) · x1.

Beweis. In § 17, Zusatz 2 zu Th. 36) haben wir gesehen, dass (und wie) sämtliche im aktuellen Ausdruck von f (x) etwa angedeu - teten Negationen sich werden ausführen lassen, sodass schliesslich der Ausdruck nur noch durch Addition und Multiplikation (ohne Nega - tion) aus lauter Gebietssymbolen aufgebaut erscheint.

Von einem Ausdruck solcher Art haben wir aber in § 13, Zusatz 1 zu Th. 28) ferner gesehen, dass (und auf welche Weise) derselbe im - mer in seine letzten Aggreganten zerfällt werden kann, also dass derselbe als eine Summe, ein (eventuell auch nur eingliedriges) Poly - nom erscheint von lauter monomischen Gliedern, die nur (eventuell auch einfaktorige) Produkte sind von lauter einfachen Gebietssym - bolen irgendwie herausgegriffen aus der Gruppe der in den Aus - druck ursprünglich eingehenden literalen Gebiete und deren Negatio - nen , dagegen keine Summen mehr als Faktoren aufweisen und ohne jegliche Klammern darum sich anschreiben lassen.

Nachdem in diesem Stadium unser Ausdruck angelangt ist, kann man nun kraft des Kommutationsgesetzes 12×) in einem jeden der er - wähnten Monome sämtliche Faktoren, die x sind, desgleichen sämtliche Faktoren x1, zusammenrücken lassen und ihr Produkt nach dem Tau - tologiegesetze 14×) je durch einen einzigen Faktor x, resp. x1 ersetzen [wobei implicite auch das Assoziationsgesetz 13×) nebst Th. 16×) in Wirkung tritt].

Diejenigen Glieder des Aggregates, welche x und x1 zugleich ent - halten, kommen dabei nach Th. 30×), 22×) und 21+) in Wegfall.

Der Ausdruck erscheint hienach als linear in Bezug auf x und x1, insofern er diese Symbole nicht mehr mit sich selber oder mit -410Zehnte Vorlesung.einander, sondern nur noch mit Parametern multiplizirt zeigen wird. Und zwar hat er, wenn man noch die in Bezug auf x und x1 gleich - namigen Glieder zusammenzieht, sie nach Th. 27×) vereinigt , näm - lich x1 bei all den Gliedern, welche x1 zum Faktor haben, als gemein - samen Faktor ausscheidet , und ebenso x bei den mit x behafteten Gliedern nachdem man kraft des Kommutationsgesetzes 12+) sie hat zusammenrücken lassen notwendig die Form: f (x) = A x + B x1 + C, wo die Koeffizienten A, B, C die Symbole x und x1 nicht mehr als Operationsglieder enthalten, (sondern höchstens sich darstellen werden als Summen von Produkten aus lauter Parametern oder eventuell auch Negationen solcher).

Jedenfalls nämlich kann man doch die Summe derjenigen Glieder, welche weder mit x noch mit x1 behaftet waren, nunmehr C nennen und mit A resp. B das Gebiet bezeichnen, in welches nach Ausführung der geschilderten Operationen das x resp. x1 multiplizirt erscheinen wird vorausgesetzt natürlich, dass die Symbole A, B, C nicht bereits anderweitig als Namen vergeben waren, nämlich nicht selbst schon als Parameter im aktuellen Funktionsausdruck f (x) vorgekommen sind, in welchem Falle denn andere Buchstaben zur Darstellung unsrer Koeffizienten genommen werden müssten.

Hienach lässt also jede Funktion von x im identischen Kalkul sich als eine lineare Funktion von x darstellen.

Dieselbe wäre homogen zu nennen in dem Falle, wo etwa das Absolutglied C sich = 0 herausstellte, wo man es dann fortlassen und einfacher: f (x) = A x + B x1 schreiben könnte.

Aber auch wenn C nicht verschwindet, kann man unsern Aus - druck vollends homogen machen sei es durch überschiebendes Mul - tipliziren der vorstehenden Gleichung mit der Gleichung 1 = x + x1 sei es, noch besser, indem man blos das Absolutglied mit dem Faktor 1, der = x + x1 ist, versieht, somit C durch C · 1 = C (x + x1) = C x + C x1 ersetzt.

Hierdurch wird in der That: f (x) = (A + C) x + (B + C) x1. Der Ausdruck nimmt also schliesslich die lineare homogene Form an (indem wir A + C kürzer a und B + C ebenso b nennen): f (x) = a x + b x1, in welcher a und b von x (und x1) unabhängig sind.

411§ 19. Funktionen und deren Entwickelung.

Im identischen Kalkul lässt hienach jede Funktion sogar als eine homogene lineare sich hinstellen (mit konstanten Koeffizienten).

Diesem Umstand hauptsächlich hat es der identische Kalkul zu ver - danken, dass er so erheblich viel leichter zu beherrschen und zu handhaben ist, als die numerisch rechnende Mathematik für deren Ausdrücke und Funktionen eine so einfache typische Grundform nicht angebbar ist.

Die geschilderten Umformungen fanden nun aber sämtlich statt nach allgemein geltenden Theoremen oder Gesetzen des identischen Kalkuls, sodass die Gleichheit zwischen dem ursprünglichen Ausdruck f (x) und dem so gewonnenen a x + b x1 identisch bestehen muss für ganz beliebige, für alle erdenklichen Bedeutungen sämtlicher vorkom - menden Buchstaben oder Gebietsymbole wie denn schon für alle Zwischenstufen der Rechnung die Gleichung zwischen dem Ausdruck f (x), und dessen successiven Transformationen nach dem Distributions - gesetze etc., stetsfort den Charakter einer allgemeinen Formel behielt.

Diese letzte Formel bleibt demnach auch richtig, falls man x durch 1 ersetzt, wobei x1 = 0 zu setzen ist; desgleichen fährt sie fort gültig zu sein für x = 0, x1 = 1. Indem man sie für diese speziellen Fälle in Anspruch nimmt, erkennt man aber dass: f (1) = a, f (0) = b ist und nach Einsetzung dieser Werte von a und b in jene letzte For - mel wird unser Theorem bewiesen erscheinen.

Die Darstellung einer Funktion f (x) nach dem Schema des Th. 44+) wird die Entwickelung (development) dieser Funktion nach der Varia - beln x genannt.

Durch solches Entwickeln wird die Funktion linear und homogen gemacht in Bezug auf x und x1.

x und x1 heissen die Konstituenten der Entwickelung, im Gegen - satz zu den Koeffizienten f (1) und f (0) derselben.

Das Produkt der Konstituenten ist 0, ihre Summe ist 1, nach Th. 30), wogegen die Koeffizienten irgendwelche von einander unab - hängig beliebige Werte haben mögen, wie schon die Annahme f (x) = a x + b x1 erkennen lässt.

Nach Boole4 p. 72 und 73 Fussnote ist das Theorem 44+) das Ana - logon des Taylor'schen Satzes in der Funktionenlehre der arithmetischen Analysis.

Die (in der Taylor'schen bekanntlich enthaltene) Mac-Laurin'sche Reihe: 〈…〉 412Zehnte Vorlesung.geht in der That in unser Th. 44+) über, sobald man annimmt, dass die Zahl x der Formel des Tautologiegesetzes 14×): x x = x oder x x x = 0, das heisst der Gleichung: x (1 x) = 0 genüge. Diese quadratische Gleichung hat aber im Gebiet der Zahlen nur die beiden Wurzeln 0 und 1, und wird demnach unter x dann eine dieser beiden Zahlen zu verstehen sein.

Für x2 = x ist aber auch x2 · x = x · x oder x3 = x2, somit auch x3 = x, dann weiter x3 · x = x · x oder x4 = x, etc., und vereinfacht dar - nach die obige Reihe sich zu: 〈…〉 insbesondere gibt dies, für x = 1 in Anspruch genommen: 〈…〉 und wenn man aus diesen beiden Gleichungen die in der geschwungenen Klammer {} stehende Reihe eliminirt, indem man ihren Wert aus der zweiten Gleichung entnimmt und in die erste einsetzt, so kommt: f (x) = f (0) + x {f (1) f (0)} oder, anders geordnet: f (x) = f (1) · x + f (0) · (1 x).

Dies ist nun das Th. 44+) selbst, in Anbetracht, dass wir beim Stu - dium der inversen Operationen des identischen Kalkuls (§ 23) sehen wer - den, dass in der That 1 x = x1 bedeutet.

Wenn also die (Mac-Laurin'sche) Reihenentwickelung einer Funktion f (x) für die Werte 0 und 1 von x zulässig ist, so fällt sie mit unserm Theorem zusammen.

Bemerkt sei noch, dass man die Gleichung x x = x in der Arithmetik auch zusammenziehen könnte in x (x 1) = 0, was im identischen Kalkul nicht angängig wäre, cf. § 23.

Wir wollen nun die verschiedenen Phasen der beim Beweise des Theorems 44) auszuführen gewesenen Operationen, die vorstehend ab - strakt geschildert sind, durch einige konkrete Beispiele erläutern.

Natürlich bleibt es unbenommen, mit dem schematischen Verfahren auch noch anderweitige Vereinfachungen, die sich unterwegs anbringen lassen, zu verbinden.

Exempel. Sei f (x) = [{(a x + b x1) 1 c + d x} 1 e x1] 1.

Dann gibt die Ausführung der vorgeschriebenen Negationen: f (x) = {(a x + b x1) 1 c + d x} + e1 + x = (a1 + x1) (b1 + x) c + e1 + x indem der Term d x von dem x absorbirt wurde.

413§ 19. Funktionen und deren Entwickelung.

Durch Ausmultipliziren folgt hieraus: f (x) = a1 b1 c + a1 c x + b1 c x1 + e1 + x = a1 b1 c + e1 + b1 c x1 + x wobei wieder zu Anfang der zweite Term in den letzten einging. Ferner kann man aber in der Summe b1 c x1 + x nach Th. 33+) Zusatz den Faktor x1 unterdrücken und darnach wird auch in unserm f (x) = a1 b1 c + e1 + b1 c + x der erste Term vom vorletzten aufgesogen und bleibt: f (x) = b1 c + e1 + x was am besten wieder nach dem soeben citirten Satze homogen ge - macht sein wird: f (x) = x + (b1 c + e1) x1.

In der That aber ist hier mit leichtester Mühe schon aus dem ursprüng - lichen Ausdrucke zu entnehmen, dass: f (1) = [(a1 c + d) 1 e · 0] 1 = 01 = 1, f (0) = [(b1 c) 1 e] 1 = b1 c + e1 ist, womit also die Koeffizienten von x und x1 richtig angegeben erscheinen.

Exempel. Bedeutet f (x) = (a x + b x1 + c) (d x + e x1) g x, so sind diesmal keine Negationen auszuführen. Durch einfaches Ausmul - tipliziren, wenn man sich unterwegs nicht die geringste Vereinfachung ge - stattet, ergäbe sich: f (x) = a d g x x x + a e g x x1 x + b d g x1 x x + b e g x1 x1 x + c d g x x + c e g x1 x. Nach Th. 30+) fallen nun aber die Terme alle fort, welche x1 neben x zeigen. Bei den übrigen ist nach Th. 14×) x x sowie x x x durch x allein zu ersetzen und ergibt sich schliesslich durch Vereinigung dieser (bezüg - lich x) gleichnamigen Terme a d g x + c d g x das Resultat: f (x) = (a + c) d g x und dieses wird durch das Th. 44) bestätigt, beziehungsweise noch rascher gewonnen, indem schon aus dem ursprünglichen Ausdrucke direkt sich ergibt: f (1) = (a + c) d g, f (0) = (b + c) e · 0 = 0.

Exempel. Man entwickle, ohne Benutzung des Satzes, nach x die Funktion: f (x) = (a x1 + b x) (d x + e x1) 1 (g x + h) (k + l x1) {(m x) 1 (n x1) 1}1 und kontrollire dadurch den Satz.

Ausführung der Negationen gibt: f (x) = (a x1 + b x) (d1 + x1) (e1 + x) (g x + h) (k + l x1) (m x + n x1). Das Ausmultipliziren ohne jegliche Vereinfachung würde hier 64 Glieder geben. Lassen wir aber sogleich diejenigen fort, in welchen x und x1 zu - sammentreffen, und multipliziren die Faktoren zunächst paarweise, den ersten414Zehnte Vorlesung.mit dem letzten, etc. schreiben auch gleiche Faktoren nie wiederholt an, so entsteht: f (x) = (a n x1 + b m x) (d1 e1 + e1 x1 + d1 x) (g k x + h k + h l x1). Der Term d1 e1 (mit x + x1 multiplizirt) wird hier von den beiden folgenden absorbirt, und kommt: f (x) = (a n e1 x1 + b m d1 x) (h l x1 + g k x + h k) = = a n e1 h l x1 + a n e1 h k x1 + b m d1 g k x + b m d1 h k x, also: f (x) = b d1 (g + h) k m x + a e1 h (k + l) n x1. Mit viel geringerer Mühe erhält man aber dieses Resultat augenblicklich nach dem Th. 44+), indem sich: f (1) = b d1 (g + h) k m, f (0) = a e1 h (k + l) n schon aus dem ursprünglichen Ausdruck von f (x) bequemer allerdings nach ausgeführten Negationen unmittelbar ergibt.

Übungsexempel. Man entwickele f (x) = a (x + b1) + b (a1 + x1), so ergibt sich rein mechanisch, was wir früher § 18, λ) mittelst Kunst - griffen fanden: f (x) = (a + b) (x + x1) = a + b.

Übungsaufgabe. Durch Entwickelung nach a zu zeigen, dass: a b (c + d) + (a + b) c d = a (b c + b d + c d) + a1 b c d.

Bezeichnet man die linke Seite mit f (a), so ergeben sich in Gestalt von f (1) und f (0) die rechts angeführten Koeffizienten von a und a1.

Entwickelt man eine Funktion von der Form f (x) = a x + b x1 gemäss dem Th. 44) nach x, so erzeugt sich allemal der gleiche Aus - druck wieder, indem f (1) = a, f (0) = b sich erweist, d. h.: Eine bezüglich eines Symbols homogene lineare Funk - tion ist immer schon nach diesem entwickelt .

Durch das Th. 44+) erscheint das Th. 42+) von neuem bewiesen für alle Gebiete y = f (x), die eines analytischen Ausdruckes im iden - tischen Kalkul fähig sind, und erhält letzteres für diese dadurch einen präziseren Inhalt.

Zusatz 1 zu Th. 44+) (Boole).

Der Satz lässt von einer Funktion eines Argumentes sich leicht ausdehnen auf eine Funktion von zwei, drei, und beliebig vielen Argu - menten.

415§ 19. Funktionen und deren Entwickelung.

Auch jede solche Funktion kann nach (allen) ihren Argumenten (zugleich) entwickelt werden nach den Schemata: f (x, y) = f (1, 1) x y + f (1, 0) x y1 + f (0, 1) x1 y + f (0, 0) x1 y1, f (x, y, z) = = f (1, 1, 1) x y z + f (1, 1, 0) x y z1 + f (1, 0, 1) x y1 z + f (1, 0, 0) x y1 z1 + + f (0, 1, 1) x1 y z + f (0, 1, 0) x1 y z1 + f (0, 0, 1) x1 y1 z + f (0, 0, 0) x1 y1 z1, und so weiter, und kann man für das Bildungsgesetz der Entwicke - lung mit Boole folgende Regel aufstellen.

Um die Entwickelung einer Funktion f (x, y, ) von beliebig vielen Argumenten nach ebendiesen zu erhalten, ersetze man in dem Ausdruck der Funktion sämtliche Argumente durch 1 und multiplizire das Ergeb - niss mit dem (geordneten) Produkt dieser Argumente. Dadurch bekommt man das Anfangsglied der gesuchten Entwickelung. In diesem ersetze man den letzten Faktor (des Konstituenten oder Produkts der Argu - mente) durch seine Negation und zugleich das letzte Argument 1 (im Koeffizienten ) durch 0, wodurch sich ein zweites Glied der Entwickelung ergibt. In diesen beiden-Gliedern ersetze man hierauf den vorletzten Faktor ihres Konstituenten durch seine Negation, zugleich das vorletzte Argument ihres Koeffizienten (welches noch immer 1 geblieben sein wird) durch 0, und erhält zwei weitere Glieder. In allen vier bisherigen Gliedern er - setze man den drittletzten Faktor durch seine Negation, zugleich das dritt - letzte Argument im Koeffizienten durch 0, wodurch sich vier weitere Glie - der ergeben, und so weiter fort, bis man jeden, auch den ersten, Kon - stituentenfaktor durch seine Negation, zugleich auch das erste Argument 1 jedes Koeffizienten durch 0 ersetzt hat.

Wenn im Funktionsausdruck, vielleicht neben einem Argumente, auch dessen Negation vorkommt, so muss diese selbstverständlich in 0 verwan - delt werden, wenn man das Argument durch 1 ersetzt, und umgekehrt in 1, wenn man das Argument durch 0 ersetzt im Einklang mit einer schon früher statuirten Bemerkung.

Es wurde beim Formuliren der vorstehenden Regel bereits unter - weges angedeutet, dass man den hier als ersten erhaltenen Faktor jedes Gliedes wieder als dessen Koeffizienten , das Produkt der nach - folgenden (Buchstaben -) Faktoren aber, welche Argumente oder Nega - tionen von solchen sind, als seinen Konstituenten zu bezeichnen habe.

Behufs Beweises von diesem Zusatze betrachte man den Funktions - ausdruck f (x, y, z, ) zuerst lediglich in seiner Abhängigkeit von x. Man entwickele ihn nach diesem einen Argument x gemäss dem Schema 44+). Die Koeffizienten dieser Entwickelung werden dann nur noch als Funktionen von y, z, , hingegen konstant in Hinsicht416Zehnte Vorlesung.auf x erscheinen, indem eben behufs ihrer Gewinnung dieses x durch 1 oder 0 ersetzt werden musste. Hierauf entwickle man jeden dieser Koeffizienten nunmehr nach y, abermals gemäss dem Schema 44+), setze seinen Wert in den Ausdruck ein und multiplizire aus. Die neuen Koeffizienten werden dann nur noch als Funktionen von z, dagegen als konstant bezüglich x und y erscheinen; sie können nach z entwickelt eingesetzt werden, und so weiter.

Es wird genügen, den angedeuteten Beweis nur für die Funktion f (x, y) von zwei Argumenten wirklich auszuführen, da von diesem be - sonderen Falle des auszuführenden Beweises der allgemeinere sich nur quantitativ (durch grössere Häufung von Symbolen in den auch häufiger wiederholt zu machenden Ansätzen) unterscheidet. Dort hat man zunächst: f (x, y) = f (1, y) x + f (0, y) x1, und dann weiter: f (1, y) = f (1, 1) y + f (1, 0) y1, f (0, y) = f (0, 1) y + f (0, 0) y1.

Die Einsetzung dieser Werte in den vorigen Ausdruck gibt nach Ausmultipliziren den zu beweisenden Satz, wie er sich oben angegeben findet.

Die im obigen Zusatz gegebene Ausdehnung des Th. 44) auf Funk - tionen von mehr als einem Argumente ist zwar theoretisch interessant und wichtig, aber für die Technik des Kalkuls von geringem prak - tischen Werte, aus dem Grunde, weil man sich bei den vielen zum Teil gleichzeitig geforderten Einsetzungen von Werten 0 und 1 (je für ein Symbol und dessen Negation, oder umgekehrt) allzuleicht ver - sieht, diese zahlreichen Substitutionen auch ermüdend und lang - weilig sind.

Sollte wirklich die Entwickelung einer gegebenen Funktion nach mehreren Argumenten angezeigt erscheinen, so schlägt man am besten den Weg ein, der uns zum Beweise dieses Zusatzes verholfen hat, d. h. man entwickelt immer nur nach einem Argument auf einmal und so nach diesen allen nur successive ( fortschreitend , hintereinan - der ), wobei man bei jeder Zwischenoperation schon auf möglichste Vereinfachung der Koeffizienten Bedacht nehmen wird.

Wir begnügen uns, hiezu nur ein Exempel zu geben. Sei nach x, y, z zu entwickeln: f (x, y, z) = (a b x y + a1 b1) (c d1 x z + c1 d y1) + (a1 x1 + b1 y + c1 z + d) (y z + d1 y1 z1), so entwickelt man am besten zuerst nach y als demjenigen Symbole, wel - ches am häufigsten in dem Ausdrucke vorkommt sodass durch Ein -417§ 19. Funktionen und deren Entwickelung.setzung der Spezialwerte 0, 1 für y oder y1 die beträchtlichsten Reduk - tionen des letzteren in Aussicht stehen. Es entsteht: f (x, 1, z) = (a b + a1 b1) c d1 x z + (a1 x1 + b1 + c1 + d) z, (= etc.) f (x, 0, z) = a1 b1 (c d1 x z + c1 d) + a1 x1 d1 z1.

Und hieraus leiten wir ab, wie wenn wir nach z entwickeln wollten:

f (x, 1, 1) = a x + a1 x1 + b1 + c1 + d,f (x, 1, 0) = 0,
f (x, 0, 1) = a1 b1 (c d1 x + c1 d),f (x, 0, 0) = a1 b1 c1 d + a1 d1 x1,

worans endlich, der Entwickelung nach x entsprechend:

f (1, 1, 1) = a + b1 + c1 + d,f (1, 1, 0) = 0,
f (1, 0, 1) = a1 b1 (c d1 + c1 d),f (1, 0, 0) = a1 b1 c1 d,
f (0, 1, 1) = a1 + b1 + c1 + d,f (0, 1, 0) = 0,
f (0, 0, 1) = a1 b1 c1 d,f (0, 0, 0) = a1 (b1 c1 + d1).

Damit ist denn gefunden: f (x, y, z) = (a + b1 + c1 + d) x y z + a1 b1 (c d1 + c1 d) x y1 z + a1 b1 c1 d x y1 z1 + + (a1 + b1 + c1 + d) x1 y z + a1 b1 c1 d x1 y1 z + a1 (b1 c1 + d1) x1 y1 z1 als die gesuchte Entwickelung.

Das Resultat ist das nämliche, ob man erst nach x entwickelt und dann weiter nach y, oder ob man es erst nach y und dann nach x thut, oder endlich nach beiden zugleich.

Auch stimmt eine Entwickelung nach dem Argumentenpaare x, y und dem Argument z überein mit derjenigen nach dem Argument x und dem Argumentenpaare y, z; sie ist zugleich die Entwickelung nach dem Argumentetripel x, y, z. Man sieht:

Das Entwickeln einer Funktion ist in Hinsicht auf deren Argu - mente eine kommutative und zugleich assoziative Operation. Reihenfolge und Gruppirung der Argumente, nach denen einzeln oder in Gruppen entwickelt wird, sind dabei nebensächlich; die ganze Anordnung des Entwickelungsprozesses steht in unserm Belieben. Woferne nur alle - mal ausmultiplizirt wird ist die nach der Gesamtheit der Argumente entwickelte Funktion zugleich entwickelt nach jedem einzelnen dieser Argumente und nach jeder Gruppe von solchen und umgekehrt ab - gesehen natürlich von der Anordnung der resultirenden Glieder und der Reihenfolge der zu den Konstituenten derselben zusammentretenden Faktoren, welche Momente ja aber ohne Einfluss auf den Wert des Ergebnisses sind.

Dies alles wird nebenher bei der Durchführung des obigen Be - weises ersichtlich und könnte leicht noch näher dargelegt werden. Hin - sichtlich z zum Beispiel erscheint die nach x, y, z entwickelte FunktionSchröder, Algebra der Logik. 27418Zehnte Vorlesung.in der That gesondert in Glieder, welche z selbst und solche, welche z1 enthalten. Die Glieder von beiderlei Art sind leicht aus dem Gesamt - ausdruck herauszulesen, wenn sie auch nicht (durchaus) beisammen stehen. Analog bezüglich des y sowie des x. Etc.

Zusatz 2 zu Th. 44+) (Boole).

Alle Konstituenten der Entwickelung einer Funktion sind zu einander disjunkt, geben nämlich zu irgend zweien multiplizirt das Produkt 0, in - dem sie sich jedenfalls dadurch von einander unterscheiden müssen, dass mindestens ein Faktor des einen Konstituenten im andern durch seine Negation vertreten erscheint, wonach also das Th. 30×) anwend - bar wird.

So ist bei zwei Argumenten in der That: x y · x y1 = 0, x y · x1 y = 0, x y · x1 y1 = 0, x y1 · x1 y = 0, x y1 · x1 y1 = 0, x1 y · x1 y1 = 0. Etc. Es wäre nicht uninteressant, doch etwas umständlich, das all - gemeine Zutreffen dieser aus dem Bisherigen schon einleuchtenden Thatsache mittelst zwingender Schlüsse genauer darzulegen.

Ebenso gilt:

Die Summe aller Konstituenten ist stets gleich 1 eine Aussage, die bei einem Argumente mit Th. 30+), bei zwei Argumenten mit dem Th. 34+) zusammenfällt (für a, b dort x, y gesagt). Bei dreien haben wir: x y z + x y z1 + x y1 z + x y1 z1 + x1 y z + x1 y z1 + x1 y1 z + x1 y1 z1 = 1 Etc. Jene Konstituenten sind nämlich (allgemein) gerade die Glieder des ausmultiplizirten Produktes cf. Th. 30+): 1 = (x + x1) (y + y1) (z + z1) ...., welches als die Entwickelung der konstanten Funktion 1 nach x, y, z, anzusehen sein wird.

Hat die Funktion n Argumente, so ist die Anzahl ihrer Konstituenten, somit auch der Glieder ihrer vollständig angeschriebenen Entwickelung gleich der nten Potenz von 2, gleich 2n. Diese Anzahl ist also 2, 4, 8, 16, 32, 64, bei 1, 2, 3, 4, 5, 6, Argumenten.

Anmerkung 1 zu Th. 44+).

Das duale Gegenstück zu diesem Theorem: 44×) Th. 〈…〉 möge hier wenigstens einmal Erwähnung finden; erstmalig ist dasselbe von Herrn Peirce ausgesprochen.

419§ 19. Funktionen und deren Entwickelung.

Durch Vergleichung dieses Ausdrucks mit dem vom andern, Th. 44+) gelieferten, ergibt sich nach ihm die interessante Formel: 〈…〉 .

Dieselbe würde als zu sich selbst dual zu bezeichnen sein, wenn man nur berechtigt wäre die Funktion f (x) sich selber dual ent - sprechend zu nennen.

Ersetzt man f (1) durch a und f (0) durch b, wo dann a und b als allgemeine Gebiete werden aufgefasst werden dürfen, so erhält man jene Formel: (a + x1) (b + x) = a x + b x1 von Peirce, die wir schon unter ϰ) des § 18 betrachtet haben.

Gleichwie das Th. 44+) in eventuell wiederholter Anwendung be - nutzt werden konnte, um eine Funktion f (x, y, z, ) nach ihren Argumenten in eine Summe zu entwickeln, so kann dies auch mit Th. 44×) geschehen behufs Entwickelung ebendieser Funktion in Ge - stalt eines Produktes. Diese letztere wird dann das duale Gegenstück der vorigen Entwickelung sein. Z. B. bei zwei Argumenten wird: 〈…〉 . Etc. Jene erstere Entwickelung war nach dem mathematischen Sprach - gebrauch zu bezeichnen als (ein) homogen (er Ausdruck) in Hinsicht jedes einzelnen sowol, als jeder Gruppe, als auch der Gesamtheit der Argument - symbole (falls in diese wir auch die Negationen der Argumente mit ein - rechnen); sie war nämlich dadurch gekennzeichnet, dass in jedem Gliede immer gleichviele der betreffenden Symbole als Faktoren stehen. (Dabei ist jeder Argumentbuchstabe auch vertreten.)

Analog erscheint diese letztere Entwickelung in einer eigentümlichen, der homogenen dual entsprechenden Form, die sich dadurch kennzeichnet, dass jeder Faktor der Zerfällung immer von genannten Argumentsymbolen gleich viele als Summanden enthält (so zwar, dass in jedem Faktor auch jeder Argumentbuchstabe entweder in Gestalt des Argumentes selbst oder in Gestalt von dessen Negation als Glied vertreten ist, und dies im Ganzen auf jede mögliche Weise).

Lässt man alle in einem Ausdruck f überhaupt vorkommenden Buchstabensymbole als Argumente gelten, und entwickelt nach diesen gemäss Th. 44+), so wird man eine Zerlegung jenes Ausdrucks f in seine letzten Aggreganten erhalten in dem schon § 13 zu Th. 28) erörterten Sinne, jedoch in der Regel wol mit dem Unterschiede (vom Ergebniss der dort beschriebenen Prozesse), dass jetzt von den nach Th. 30+) möglichen Zusammenziehungen von Gliedern, und dem Ein - gehenlassen überflüssiger Faktoren solcher, kein Gebrauch gemacht ist.

Analog kann man auch das Th. 44×) benutzen, um die Zerfällung27*420Zehnte Vorlesung.irgend eines Ausdrucks in seine letzten oder Prim-Faktoren zu be - werkstelligen.

Anmerkung 2 zu Th. 44). Als Folgerungen fliessen aus diesem Theorem durch beiderseitiges Multipliziren mit x resp. x1 die Sätze McColl's: x f (x) = x f (1) und x1 f (x) = x1 f (0) und macht derselbe darauf aufmerksam, dass durch Anwendung dieser Schemata manche Rechnungen sich sehr vereinfachen lassen.

Hatten wir z. B. in § 18 unter β1) auszurechnen: a b1 (a1 b + a1 c1 + b1 c1) 1, so kann dies so geschehen, dass man den Faktor hinter a b1 als eine Funktion f (a) von a, oder aber als eine solche F (b) von b betrachtet; darnach ergibt sich nach dem ersten resp. zweiten Schema das Ganze gleich a b1 (0 + 0 + b1 c1) 1 = a b1 (b + c) = a b1 c, resp. a b1 (0 + a1 c1 + c1) 1 = a b1 (c1) 1 = a b1 c. Und dergleichen mehr.

Sind Ausdrücke, an oder mit welchen eine Rechnungsoperation des identischen Kalkuls vorzunehmen ist, nach bestimmten resp. den nämlichen Argumenten entwickelt und man vermag ja jeden Aus - druck nach gegebenen Argumenten entwickelt darzustellen so lassen die Rechnungsregeln ganz ausserordentliche Vereinfachungen zu, von welchen jetzt Kenntniss zu nehmen ist: wir haben mit entwickelten Funktionen nun rechnen zu lernen.

Vorbemerkung zu Th. 45+).

Schon nach dem Distributionsgesetze allein ist die Summe von nach x, y, entwickelten Funktionen [ganz ähnlich, wie in der Arith - metik die von Potenzreihen] zu bilden mittelst additiver Vereinigung der Koeffizienten aller gleichnamigen Glieder wobei wir gleichnamig jetzt solche Glieder zu nennen haben, welche denselben Konstituenten als Faktor enthalten, sich also höchstens durch ihren Koeffizienten unterscheiden.

So sind z. B. a x y1 z und b x y1 z zwei gleichnamige Terme in Hinsicht auf die Argumente x, y, z.

In der That haben wir ohne weiteres: (a x + b x1) + (a' x + b' x1) = a x + a' x + b x1 + b' x1 = (a + a') x + (b + b') x1, (a x1 + b x) + (c x1 + d x) + (e x1 + f x) = (a + c + e) x1 + (b + d + f) x, (a x y + b x y1 + c x1 y + d x1 y1) + (a' x y + b' x y1 + c 'x1 y + d' x1 y1) = = (a + a') x y + (b + b') x y1 + (c + c') x1 y + (d + d') x1 y1, und so fort. Die Summe von Funktionen, welche nach gewissen für421§ 19. Funktionen und deren Entwickelung.sie alle gemeinsamen Argumenten entwickelt sind, wird hienach eben - falls wieder nach diesen entwickelt erhalten, und bedarf die vorstehende Regel für den auch nur mit den ersten Elementen der Buchstaben - rechnung Vertrauten keiner besonderen Betonung; sie versteht sich ohnehin. Aber auch:

45+) Theorem. Um das Produkt von Funktionen auszurechnen , welche nach denselben Argumenten entwickelt und geordnet sind, braucht man nur die Koeffizienten der gleichnamigen resp. gleichstelligen Glieder miteinander zu multipliziren und hinter deren Produkte die ihnen ge - meinsamen Konstituenten zu setzen. Auf diese Weise erhält man das Produkt wieder nach ebendiesen Argumenten entwickelt.

Man hat so gewissermassen nur eine Superposition, ein Überein - anderschieben mit den die Entwickelungen darstellenden Polynomen vor - zunehmen, dergestalt, dass die ohnehin übereinstimmenden Konstituenten der gleichstelligen Glieder zur Deckung kommen, ihre Koeffizienten aber zu neuen Koeffizienten zusammentreten, indem sie sich multiplikativ verbunden nebeneinanderstellen.

In der That ist: (a x + b x1) (a' x + b' x1) = a a' x + b b' x1, (a x1 + b x) (c x1 + d x) (e x1 + f x) = a c e x1 + b d f x, (a x y + b x y1 + c x1 y + d x1 y1) (a' x y + b' x y1 + c 'x1 y + d' x1 y1) = = a a' x y + b b' x y1 + c c' x1 y + d d' x1 y1, etc. Beweis durch (mentales) Ausmultipliziren nach der Multipli - kationsregel für Polynome Th. 28×) mit Rücksicht auf den Zusatz 2 zu Th. 44+):

Indem hier jedes Glied des einen Polynoms oder entwickelten Aus - drucks mit jedem Glied des andern im Geiste zusammengebracht wird, verschwinden alle diejenigen Einzelprodukte, deren Faktoren verschiedene Konstituenten enthalten, in Anbetracht, dass ja letztere disjunkt sind m. a. W. ungleichnamige Glieder aus dem einen und dem andern Polynom entnommen, geben allemal Null zum Produkte. Von Einfluss auf den Wert des Ergebnisses können nur diejenigen Einzelprodukte bleiben, welche gleichnamige Glieder aus dem einen und dem andern Polynom zusammenfassen. In dem Produkt solcher wird aber der in beiden übereinstimmende Konstituent nicht wiederholt als Faktor zu erwähnen, sondern nach dem Tautologiegesetze 14×) nur einmal als Faktor anzuschreiben sein, q. e. d.

Von zweien ist der Satz äusserst leicht auch auf beliebig viele multiplikativ zu verknüpfende Polynome auszudehnen.

422Zehnte Vorlesung.

Das Theorem ist bereits von Boole gegeben; es bewirkt dass mul - tiplikative Prozesse sich im identischen Kalkul oft ausserordentlich viel be - quemer, als in der Arithmetik gestalten.

Zusatz zu Th. 45+).

Das Theorem ist noch einer naheliegenden Erweiterung fähig, nach welcher überhaupt das Ausmultipliziren von gleichvielgliedrigen Aggregaten oft sich vereinfachen wird (auch wenn diese Aggregate nicht aus Entwickelung nach gewissen Argumenten hervorgegangen). Zur Herstellung des Produktes zweier solchen Aggregate genügt die multiplikative Verknüpfung ihrer gleichstelligen Glieder, sobald bekannt ist, dass die Glieder des einen Aggregates disjunkt sind mit den un - gleichstelligen Gliedern des andern was dann immer auch umgekehrt der Fall sein wird. So muss z. B. sein: (a + b + c) (a' + b' + c ') = a a' + b b' + c c', sobald a b' = 0, a c '= 0, b a' = 0, b c' = 0, c a' = 0, c b' = 0 ist.

46+) Theorem.

Auch die Negation einer nach irgendwelchen Symbolen entwickelten Funktion wird nach ebendiesen entwickelt erhalten, indem man einfach die Koeffizienten des Ausdrucks negirt, die Konstituenten aber unver - ändert lässt; es ist: (a x + b x1) 1 = a1 x + b1 x1, (a x y + b x y1 + c x1 y + d x1 y1) 1 = a1 x y + b1 x y1 + c1 x1 y + d1 x1 y1, etc. Beweis 1. Bezeichnet f den Inhalt der Klammer links, das ist eben die zu negirende Funktion, den Neganden, und f 'die rechte Seite der zu beweisenden Gleichung, sonach die angebliche Negation von f, so ist blos zu zeigen, dass f' = f1 d. h. die angebliche Negation in der That die wirkliche ist. Auf Grund der Theoreme 30), wonach ja: f f1 = 0 und f + f1 = 1 sein muss, wird dies aber nach dem Hülfstheorem 29) geleistet sein, sobald wir darthun, dass auch: f f '= 0 und f + f' = 1 ist. Beides folgt nun in der That durch Ausführung dieser Multipli - kation und Addition gemäss Th. 45+), indem bei f und f 'die Produkte der gleichstelligen Koeffizienten a, a1; b, b1; etc. durchweg verschwinden, ihre Summen gleich 1 werden konform den Theoremen 30), wobei zuletzt Zusatz 2 zu Th. 44+) in Wirksamkeit tritt.

423§ 19. Funktionen und deren Entwickelung.

Der vorstehende Beweis lief mehr auf eine Probe der Richtigkeit, eine Verifikation des Satzes hinaus. Der folgende Beweis ist mehr heuristisch , lässt auch erkennen, auf welchem Wege der Satz leicht zu entdecken war.

Beweis 2. Nach Th. 36) ist zunächst bei einem Argumente: (a x + b x1) 1 = (a x) 1 (b x1) 1 = (a1 + x1) (b1 + x) = x a1 + a1 b1 + b1 x1 = a1 x + b1 x1 wie nach dem Th. § 18, ι) oder ϰ), oder endlich durch völlige Ent - wickelung des vorletzten Ausdrucks nach x gemäss Th. 44+) unter Berücksichtigung des Absorptionsgesetzes einzusehen.

Nachdem so für ein Argument der Satz gewonnen ist, lässt er sich für zwei Argumente hieraus ableiten, wie folgt:

  • (a x y + b x y1 + c x1 y + d x1 y1) 1 = {(a y + b y1) x + (c y + d y1) x1}1 = = (a y + b y1) 1 x + (c y + d y1) 1 x1 = (a1 y + b1 y1) x + (c1 y + d1 y1) x1 = = a1 x y + b1 x y1 + c1 x1 y + d1 x1 y1.

In derselben Weise fortschreitend wird der Satz für immer ein Argument mehr gewonnen [und allgemein für n + 1 Argumente auf den vorher erledigten Fall von n Argumenten zurückgeführt].

Das Th. 46+) gestaltet auch das Negiren der Funktionen zu einer bequemen Operation, sobald solche nur entwickelt worden.

Von manchen in meinem Operationskreis2 gegebenen Sätzen, die ich später durch Herrn Peirce antizipirt, vorweggenommen fand, ist mir wenigstens dieses Theorem geblieben.

Exempel. (a x + b x1 + c) 1 = (a1 x + b1 x1) c1 = a1 c1 x + b1 c1 x1.

Exempel. Nach unserm Satze kann nun die Negation von a b1 + a1 b auf drei Arten hergestellt werden. Der Ausdruck ist nämlich entwickelt sowol nach a für sich, als auch nach b allein, als auch nach a und b zu - sammen. Im Hinblick auf ersteres bekommt man die Koeffizienten b1 und b zu negiren, während man die Konstituenten a und a1 stehen zu lassen hat; es entsteht: (a b1 + a1 b) 1 = a b + a1 b1.

In der zweiten Hinsicht muss man die a und a1 als die Koeffizienten gelten lassen, diese negiren, und b1, b als Konstituenten unverändert lassen, wo - durch a1 b1 + a b somit das gleiche Resultat entsteht.

In der dritten Hinsicht werden in: a b1 + a1 b = 0 · a b + 1 · a b1 + 1 · a1 b + 0 · a1 b1 die Koeffizienten 0, 1, 1, 0 zu negiren sein, wodurch sich (a b1 + a1 b) 1 = 1 · a b + 0 · a b1 + 0 · a1 b + 1 · a1 b1 also wiederum das alte Resultat ergibt.

Die letzte Betrachtung zeigt, dass bei der Anwendung des Satzes eine Fehlerquelle verfänglich ist: man darf die etwa fehlenden Glieder424Zehnte Vorlesung.der Entwickelung nicht übersehen, da deren Nullkoeffizienten beim Ne - giren sich in 1 zu verwandeln haben; m. a. W. man muss die Ent - wickelung jeweils als eine vollständige dargestellt der Anwendung des Satzes zugrunde legen, jeden einzelnen Konstituenten berücksichtigen, wenn er auch, weil in 0 multiplizirt, in dem Ausdruck nicht zu er - blicken war.

Thäten wir dies nicht, so erhielten wir ja aus a b1 + a1 b = 1 · a b1 + 1 · a1 b durch Negiren der Koeffizienten fälschlich 0 · a b1 + 0 · a1 b = 0 als die ge - suchte Negation.

Ebenso ist die Klippe zu vermeiden, dass man das Th. 46×) nicht etwa anwende bevor die (nach den Konstituenten) gleichnamigen Glieder vereinigt sind.

So ist z. B. (a1 x + a x1 + b1 x1) 1 nicht = = a x + a1 x1 + b x1 = a x + (a1 + b) x1, sondern = a x + (a + b1) 1 x1 = a x + a1 b x1.

Im Hinblick auf die letzten Sätze: Th. 45) nebst Vorbemerkung und Th. 46), kann man zusammenfassend sagen, dass jede an oder mit Funktionen auszuführen vorgeschriebene Operation des identischen Kalkuls sich als die gleiche Vorschrift überträgt auf die Koeffizienten von deren Entwickelung.

Noch sei bemerkt, dass die Negation einer Funktion f (x) in Ge - stalt von {f (x)}, unbequem zu schreiben ist. Um ein handlicheres Zeichen dafür zu erhalten, mag man definiren: f1 (x) = {f (x) }1, und ähnlich f1 (x, y) = {f (x, y) }1 etc. Darnach wird uns auch bedeuten: f1 (0) = {f (0) }1 und f1 (1) = {f (1) }1.

Es ist zu wünschen, dass man im stande sei jeweils rasch die ver - schiedenen Werte zu übersehen, deren eine gegebene Funktion des identischen Kalkuls fähig ist, welche sie nämlich dadurch zugeteilt erhalten kann, dass man den Argumenten irgendwelche Wertsysteme beilegt.

Um die angeregte Frage über die Variabilität irgend einer Funktion zu beantworten, schicken wir eine kurze Betrachtung voraus über Mittel oder Zwischenwerte .

Definition. Ein Gebiet x ist ein mittlerer Wert oder Zwischen - wert ( Mittel ) von a und b zu nennen, es ist zu sagen: x liege zwischen a und b , wenn a x und zugleich x b ist. Da hieraus: a b nach Prinzip II folgt, so ist ersichtlich, dass425§ 19. Funktionen und deren Entwickelung.von einem Mittelwerte nur gesprochen werden kann bei solchen zwei Gebieten, zwischen welchen die Beziehung der Einordnung, Subsumtion besteht, von denen das eine im andern enthalten ist. Dies ist stets vorauszusetzen oder es wird mit behauptet sobald wir die Redensart gebrauchen.

Sobald a b ist gibt es immer Mittelwerte (mindestens einen solchen) zwischen a und b; nach Prinzip I und der Voraussetzung ist nämlich x = a sowol als x = b alsdann ein solcher. Es kann dar - nach irgend ein Gebiet a als ein Mittelwert zwischen ihm und sich selber hingestellt werden wie bei der durch die Voraussetzung a b mit zugelassenen Annahme b = a zu sehen ist.

Wir gehen nun darauf aus, die allgemeine Form der zwischen a und b liegenden Gebiete, falls es solche gibt, zu finden.

Hier haben wir zunächst das kleine

Hülfstheorem zu Th. 47+). Wenn x zwischen a und b liegt, so ist stets: a x1 + b x = x, und umgekehrt.

Beweis. Ist x zwischen a und b gelegen, so gilt nach der ge - gebenen Definition und Th. 38×): a x1 = 0 und b1 x = 0.

Ersetzen wir darnach in dem Ausdrucke a x1 + b x das a x1 durch 0 und dieses durch b1 x, so wird derselbe: a x1 + b x = b1 x + b x = (b1 + b) x = 1 · x = x wie einerseits zu zeigen gewesen.

Ist andrerseits a x1 + b x = x, so können wir diese Gleichung mit x1 beiderseits multipliziren ( durchmultipliziren ) und erhalten: a x1 = 0 oder a x cf. Th. 38×). Darnach vereinfacht sich aber die Glei - chung zu: b x = x, was nach Th. 20×) äquivalent ist: x b. Damit ist also gezeigt dass a x und x b, somit auch a b sein muss, d. h. dass in der That x zwischen a und b liegt.

Man könnte dem Satze auch die einfachere Form geben: Liegt x zwischen a und b, so ist a + b x = x, in Anbetracht, dass wegen a b nach Th. 20+) b = a + b sein muss. Setzt man in der That diesen Wert für b in den früheren Ausdruck ein, so wird derselbe: a x1 + b x = a x1 + (a + b) x = a (x1 + x) + b x = a + b x.

In dieser vereinfachten Gestalt ist aber der Satz nicht rein umkehrbar, wie in der früheren, vielmehr kann sehr wohl a + b x = x sein, ohne dass doch a x b, ohne dass überhaupt a b ist. Bei beliebigem a und b426Zehnte Vorlesung.lässt dies die Annahme x = a + b w erkennen, in welcher auch w ein ar - biträres Gebiet vorstellt; denn diese Annahme genügt in der That, wie leicht zu proben, der Forderung a + b x = x und nebenbei gesagt, wie sich mittelst Th. 50+) zeigen lassen würde, auch auf die allgemeinste Weise.

Der vereinfachte Satz würde nur so sich umkehren lassen: Wenn a + b x = x und zugleich a b ist, so muss x zwischen a und b liegen. In der That kommt dann die Voraussetzung, wie so eben gezeigt, auf die des früheren (umgekehrten) Satzes: a x1 + b x = x hinaus.

Nunmehr beantwortet die aufgeworfene Frage der Satz: 47+) Theorem. Stellt w ein arbiträres Gebiet vor, so ist: x = a w1 + b w die allgemeine Form aller zwischen a und b liegenden Gebiete sobald überhaupt zwischen a und b Gebiete liegen können, d. h. a b ist.

Beweis. Ist irgend ein x zwischen a und b gelegen, so sind immer Werte für w angebbar derart, dass unsre Formel gerade dieses x vorstellt. Ein solcher Wert von w ist sicher x selber, indem für w = x in der That a x1 + b x = x nach dem vorigen Hülfssatze sein wird.

Umgekehrt muss bei beliebig angenommenem w der Ausdruck a w1 + b w immer zwischen a und b liegen, sobald nur a b ist.

Da nämlich dann b = a + b ist, so haben wir ähnlich wie oben: a w1 + b w = a w1 + (a + b) w = a + b w und folgt erstens a a + b w nach Th. 6+), und zweitens, wegen b w b cf. Th. 6×) auch a + b w a + b, d. h. a + b w b. Es ist also a + b w oder a w1 + b w oder x dann zwischen a und b gelegen, q. e. d.

Im Einklang mit der Anschauung wird also der Ausdruck: x = a + w b uns jeden zwischen a und b liegenden Wert vorstellen und nur solche Werte, sobald nämlich von solchen überhaupt zu sprechen, nämlich a b oder a + b = b ist.

Der Mindestbetrag oder minimale Wert des x ist der für w = 0 sich ergebende Wert a selber, sein Höchstbetrag oder maximaler Wert der für w = 1 sich ergebende Wert b. Und alle dazwischen liegenden Werte überhaupt erhält man, indem man in einer der beiden obigen Gleichungen w von 0 bis 1 variiren lässt das heisst, im identischen Kalkul: indem man w alle denkbaren Gebiete unsrer Mannig - faltigkeit vom gänzlich leeren bis zur vollen Tafelfläche als Bedeutung nach einander annehmen, oder wie man sagt durchlaufen lässt.

Der Vorgang dieses Durchlaufens ist hier nicht so einfach, wie in427§ 19. Funktionen und deren Entwickelung.der Arithmetik etwa das Durchlaufen der reellen Zahlen von 0 bis 1, die daselbst ja eine bestimmte Reihenfolge haben.

Zunächst unterscheiden sich nur solche Werte von x = a + w b = a + w a1 b cf. Th. 33+) Zusatz bei denen der Term w a1 b verschieden ausfällt. Es kommt nur auf die ausserhalb a zugleich aber innerhalb b liegenden Gebietsteile von w an, wogegen es gleichgültig ist, wie man die inuerhalb a oder ausserhalb b fallenden Teile von w festlegt, welche Punkte von a sowie von b1 man zu w rechnet oder nicht rechnet.

Wenn w den Wert 0 verlässt, so erhalten wir demnach die nächsten Bedeutungen von x, wenn wir w nur einen Punkt des Gebietes a1 b be - deuten lassen, aber jeden, einzeln genommen, successive. Hernach werden wir dem w die Bedeutung jedes denkbaren Punktepaares, Punktetripels, Quadrupels etc. von innerhalb des Gebietes a1 b unterzulegen haben. Es folgen Punktmengen aus unendlich vielen diskreten Punkten von a1 b, die sich in der Nähe einer oder mehrerer Stellen unendlich dicht häufen, dann solche, die längs eines Linienstücks überall dicht sind, solche Punktmengen, die ein Linienstück stetig ausfüllen, dieses wieder kombinirt mit allen früheren Punkten, Punktmengen, etc. dasselbe verlängert oder dazu ein zweites genommen, und so weiter, dann folgen Flächengebiete aus a1 b herausgegriffen, dann auch mit früherem kombinirt, etc. Zuletzt die ganze Fläche a1 b ohne irgend ein Punktetripel, ohne ein gewisses Punktepaar, ohne einen einzelnen Punkt dieser Fläche auf jede denkbare Weise ge - bildet, zu allerletzt diese Fläche a1 b voll genommen immerfort mit be - liebiger Besetzung der ausserhalb a1 b liegenden (dem Gebiete a + b1 ange - hörigen) Punkte.

Insbesondre fliesst aus Th. 47) jetzt auch das Th. 43×), indem, wenn a b ist, auch 0 a b, mithin a ein Zwischenwert zwischen 0 und b zu nennen sein wird. Derselbe kann hienach durch 0 + w b, also w b dargestellt werden, und umgekehrt stellt a = w b stets einen solchen vor.

Nach diesen vorbetrachtungen wird der Satz verständlich sein: 48+) Theorem.

Eine Funktion im identischen Kalkul liegt immer zwischen dem Produkte und der Summe der Koeffizienten ihrer Entwickelung, und zwar ist sie fähig, jeden zwischen diesen beiden Grenzen liegenden Wert (mit Einschluss ebendieser Grenzen) auch wirklich anzunehmen dadurch, dass man für ihre Argumente geeignete Werte wählt.

Beweis zunächst für ein Argument. Sei f = a x + b x1, so berechnet sich: f · a b = a b und (a + b) · f = f,428Zehnte Vorlesung.daher ist nach Th. 20×): a b f und f a + b, somit f in der That zwischen a b und a + b gelegen.

Ebenso leicht wäre dies auch mittelst a b + f = f und f + (a + b) = a + b zu zeigen gewesen. Desgleichen ganz direkt: Es ist nach 6×) a x a, b x1 b, woraus durch überschiebendes Addiren folgt: f a + b. Und ferner ist: f = (a + a b) x + (a b + b) x1 = x a + a b + b x1, sonach kraft 6+): a b f.

Daher muss nach Th. 47) nun f sich darstellen lassen in der Form: f = a b w1 + (a + b) w.

Damit aber diese Gleichung, d. h. a x + b x1 = a b + w (a + b), zu einer richtigen Identität werde, kann man zu jedem gegebenen x ein w angeben, und zu jedem gegebenen w ein x, das sie erfüllt. Für ersteres genügt die Annahme: w = a x + b x1, für letzteres die Annahme: x = a1 b w1 + a b1 w, wie man leicht nachrechnet.

In der That ist also f zwischen a · b und a + b auch jedes Zwischen - wertes fähig, und zwar wird der Ausdruck a x + b x1 einen gegebenen Wert f, für den nur a b f a + b ist, annehmen, indem man x = a1 b f1 + a b1 f, somit x1 = (a + b1) f1 + (a1 + b) f nimmt, da nach dem Hülfstheorem zu 47+) dann sein wird: a b f1 + (a + b) f = f.

Beweis für zwei Argumente. Sei f = a x y + b x y1 + c x1 y + d x1 y1, so sieht man, dass a b c d · f = a b c d und (a + b + c + d) + f = a + b + c + d ist. Nach Th. 20) haben wir also in der That: a b c d f und f a + b + c + d, wie dies auch noch auf verschiedene andere Arten wieder nachweis - bar wäre.

429§ 19. Funktionen und deren Entwickelung.

Der erste Teil des Satzes (soweit er kursiv gedruckt) ist hienach bewiesen, und ist klar, wie man den analogen Beweis auch bei be - liebig vielen Argumenten leisten kann.

Nennt man nun: a b c d + w (a + b + c + d) = φ = a b c d w1 + (a + b + c + d) w, so gibt es zu jedem Wertepaar x, y ein Gebiet w, welches die Gleichung f = φ erfüllt, zu einer identisch richtigen macht. Ein solches ist w = f selber, wie äusserst leicht nachzurechnen.

Umgekehrt gibt es aber auch zu jedem beliebig angenommenen oder gegebenen Werte von w (oder f) ein Wertepaar x, y, welches diese Gleichung erfüllt. Ein solches ist z. B.: x = (a + b) c1 d1 w + (a1 + b1) c d w1, y = (a b1 + c) d1 w + (a1 b + c1) d w1, x1 = (a1 b1 + c + d) w + (a b + c1 + d1) w1, y1 = {(a1 + b) c1 + d} w + {(a + b1) c + d1} w1, wie die Probe zeigt.

Um die Behauptung mit möglichst wenig Mühe zu verifiziren rechne man nicht etwa erst die Produkte x y, x y1, x1 y, x1 y1 für sich aus, sondern sogleich: a x y = a x · a y, b x y1 = b x · b y1, c x1 y = c x1 · c y, d x1 y1 = d x1 · d y1; man findet auf diese Weise unmittelbar: a x y = a b1 c1 d1 w, b x y1 = b c1 d1 w, c x1 y = c d1 w, d x1 y1 = d w + a b c d w1, und da nach Th. 33+) Zusatz vergl. auch § 18, γ) sein muss: a b1 c1 d1 + b c1 d1 + c d1 + d = a + b + c + d, so stimmt die Probe.

Die Art zu schildern, wie ich vorstehende Werte von x, y systematisch fand, würde hier noch zu weit führen und sei darüber blos im Allgemeinen auf den § 24 verwiesen.

Da nun nach Th. 47+) φ jeden denkbaren Wert zwischen a b c d und a + b + c + d vorstellt, so ist erkannt, dass auch f jeden solchen Wert wirklich annehmen kann.

Das Entsprechende analog bei drei und mehr Variablen darzuthun, ist nicht ganz einfach (Problem!) und wollen wir auf den independenten Beweis des nicht kursiv gedruckten Teils des Th. 48+) für diesen Fall nicht eingehen.

Man kann jedoch diesen Beweis auch rekurrirend führen, nämlich, nachdem er für irgend eine bestimmte Anzahl von Argumenten bereits geleistet ist, darthun, dass er auch für die nächst höhere Anzahl430Zehnte Vorlesung.von Argumenten (für ein Argument mehr) dann gelten muss ( Schluss von n auf n + 1 oder Verfahren der vollständigen Induktion ).

Hinreichend wird dies erhellen, wenn wir es für zwei und drei Argumente durchführen.

Ist f der vorige Ausdruck, so kann man, denselben nach y an - ordnend, schreiben: f = (a x + c x1) y + (b x + d x1) y1. Nach dem für ein Argument (y) bereits bewiesenen Satze muss also a b x + c d x1 f (a + b) x + (c + d) x1 sein, und kann f jeden zwischen diesen Grenzen oder einschliessenden Werten gelegenen Wert auch wirklich annehmen. Nach dem für ein Argument (x) bewiesenen Satze ist aber a b · c d der Minimalwert des Subjektes von f, links, und (a + b) + (c + d) der Maximalwert seines Prädikates rechts (bei variablem x). Folglich kann f jeden zwischen a b c d und a + b + c + d gelegnen Wert wirklich annehmen, q. e. d.

Sei s = F (x, y, z) irgend eine Funktion von drei Argumenten und mögen a, b, c, d, e, f, g, h die Koeffizienten ihrer geordneten Ent - wickelung heissen, so ist nach z entwickelt: s = F (x, y, 1) z + F (x, y, 0) z1, folglich F (x, y, 1) · F (x, y, 0) s F (x, y, 1) + F (x, y, 0), d. h. a b x y + c d x y1 + e f x1 y + g h x1 y1 s (a + b) x y + (c + d) x y1 + (e + f) x1 y + (g + h) x1 y1, mithin s jedes Zwischenwertes zwischen dem Minimalwert a b · c d · e f · g h der linken und dem Maximalwert (a + b) + (c + d) + (e + f) + (g + h) der rechten Seite, also zwischen a b c d e f g h und a + b + c + d + e + f + g + h, fähig.

Man hätte auch zuerst nach x, y anordnen und die für ein und zwei Argumente schon bewiesenen Sätze in der umgekehrten Folge anwenden können.

Um hiernach die Bedeutungen, welche einem Ausdruck für irgend - welche Werte einer bestimmten Gruppe von Buchstaben zukommen können, sofort zu überschauen, braucht man nur den Ausdruck nach ebendiesen Buchstaben zu entwickeln und alsdann das Th. 48) anzu - wenden.

Zusatz zu Th. 48+).

Jede Menge von arbiträren Gebietssymbolen, die in einer Funktion im identischen Kalkul vorkommen, lässt sich stets durch ein einziges arbiträres Gebiet ersetzen.

431§ 19. Funktionen und deren Entwickelung.

Behufs Beweises ist nur zu zeigen, dass man zwei arbiträre Gebiete u, v jeweils durch eines w vertreten lassen kann (ohne dass. dies von Einfluss auf den Variabilitätsbereich des Ausdrucks wäre). Auf diese Weise wird man dann die Anzahl der vorkommenden arbi - trären Symbole solange fortgesetzt um eins vermindern können, bis sie gleich eins geworden ist.

Denkt man sich aber den die arbiträren Gebiete u, v enthaltenden Ausdruck f nach diesen entwickelt, so wird er nach Th. 44+) die ( bi - ) lineare homogene Form haben: f = a u v + b u v1 + c u1 v + d u1 v1, und alle Werte, deren dieser Ausdruck fähig ist, sowie nur solche, können nach Th. 48+) auch von dem folgenden Ausdruck angenommen werden: f = a b c d + w (a + b + c + d) und umgekehrt, sodass dieser letztere für eine offen gelassene Be - deutung des Gebietes w gerade so allgemein ist, wie der vorhergehende für unbestimmte u, v.

Die Gesamtheit der Bedeutungen des erstern fällt zusammen mit der Gesamtheit der Bedeutungen des letzteren Ausdrucks, weshalb es gestattet war, denselben Buchstaben f zur Bezeichnung beider zu ver - wenden.

Exempel 1. Auf diese Weise, wenn immerfort u, v, w ganz willkürliche Gebiete vorstellen, vereinfacht sich der folgende Ausdruck linkerhand zu demjenigen rechterhand in der Gleichung: a d u v1 + b c u1 v + v {a d (b + c) + b c (a + d)} = w (a d + b c). Es stellt also die linke Seite unter allen Umständen, was immer auch u und v bedeuten mögen, einen Teil des Gebietes a d + b c vor, und zwar jeden gewünschten.

Exempel 2. Es ist ganz allgemein: {a (u + b1) + b (u1 + a1)} (v + c1 d1) + {c (u + d1) + d (u1 + c1)} (v1 + a1 b1) = a + b + c + d. Die linke Seite ist hier trotz der Unbestimmtheit von u, v ein eindeu - tiger Ausdruck, sie ist konstant bezüglich u, v, wie man bereits durch die, der Anwendung unsres Zusatzes ohnehin voranzuschickende, Ent - wickelung der linken Seite nach u, v erkennt.

Hier, meinen wir einmal, ist der gemeine Verstand ohne die Technik des Kalkuls nicht ausreichend. Die intuitiv anschauliche Erkenntniss dürfte wol bei vorliegender Aufgabe die Rechnung nicht einholen. Man versuche doch einmal, auch nur für einen konkreten Fall das, was die Gleichung behauptet zu begreifen, indem man etwa432Zehnte Vorlesung.a = Kaufmann, b = Russe, c = Europäer, d = Grundbesitzer, u = ge - bildet, v = patriotisch gelten lässt und beginnt, die Bedeutung der linken Seite unsrer Gleichung gemäss der in § 8 und 16 dargelegten Regeln in Worten zu beschreiben!

Man wende nicht ein, dass so komplizirte Ausdrücke nicht vorkommen, blos künstlich ersonnen seien. Solange die Mittel zu ihrer Handhabung und praktisch schon zu ihrer Einkleidung fehlen, solange Methoden und Wege dahin noch nicht einmal eröffnet sind, müssen ja Aufgaben, die solche Ausdrücke involviren könnten, natürlich unzugänglich bleiben. So - fern aber die Philosophie die Ausbildung solch 'exakter Methoden ver - schmähte, müsste sie wol ewig im Phrasentum stecken bleiben, wobei es allerdings unbenommen bliebe, fort und fort in immer neuen Tonarten zu variiren, wie weit man es darin gebracht. Gleichwie vielmehr die reine Mathe - matik auf dem Zahlengebiete noch immer nicht auf die Höhe gelangt ist, solche Komplikationen zu bewältigen, wie sie die Anwendungen auf selbst ver - hältnissmässig noch ganz einfache Aufgaben der Physik und Technik ihr zumuten, so werden zweifelsohne auch bei den zu erhoffenden Anwendungen der geläuterten Methoden unsrer Logik auf die Probleme der wahren Philosophie (vergl. Descartes S. 94) die Komplikationen jeder Art nicht ausbleiben.

Exempel 3. Es erweist sich auch nach unserm Zusatze: a b u v1 + (a1 + b1) u1 v + u (a b1 + a1 b) = w als vollkommen unbestimmt oder willkürlich, unbeschränkt jedes Gebiet zu bedeuten fähig, man könnte sagen: geradezu als alldeutig .

Die Aufgabe, eine Funktion nach ihren Buchstabensymbolen zu entwickeln, deckt sich nicht mit der Anforderung, dieselbe auf ihren formell einfachsten Ausdruck zu bringen wohl aber kann das ein - schlägige Theorem 44) behufs Lösung der letzteren oft mit Vorteil zugezogen werden.

Während aber jene Aufgabe als eine vollkommen bestimmte sich erwies, so ist solches mit dieser nicht der Fall: es bleibt für eine Funktion zuweilen die Wahl zwischen mehreren gleich einfachen ein - fachsten Ausdrücken. Es genügt dies durch Beispiele zu belegen: so sind vergl. meinen Operationskreis2, p. 27, Z. 20 v. o. die beiden äquivalenten Ausdrücke: a (b + c1) + a1 b1 = a b + (a1 + c1) b1 gleich einfachen Baues und lassen doch sich nicht weiter reduziren; vergleiche auch ein schon in § 18 unter β1) behandeltes Exempel (wo sich die Methode angegeben findet, die Nichtunterdrückbarkeit eines Operationsgliedes, wo sie vorliegt, nachzuweisen).

Auf diesem Umstande beruht es wol, dass zur Lösung der Auf -433§ 19. Funktionen und deren Entwickelung.gabe, einen Ausdruck auf seine einfachstmögliche Form zu bringen, eine unfehlbar zum Ziel führende einheitliche Vorschrift nicht bekannt ist, und eine solche sich auch schwerlich aufstellen liesse: vielmehr wird dabei immer Einiges der Willkür und dem analytischen Geschick des Rechners anheimgestellt bleiben.

Miss Ladd und Mr. McColl empfehlen zu dem genannten Zweck das doppelte Negiren des wie wir unbeschadet der Allgemeinheit an - nehmen können, schon als ein Aggregat von Monomen gegebenen Aus - drucks, wobei die erste Negation desselben durch Ausmultipliziren, unter Fortlassung verschwindender oder eingehender Terme, erst wieder in Ag - greganten zu entwickeln ist, bevor man abermals negirt. Vergl. auch § 27.

Exempel zu dieser Methode von McColl. Gegeben: x = a + b c + a1 b1 d + a1 c1 d, also x1 = a1 (b1 + c1) (a + b + d1) (a + c + d1), wo zunächst die beiden Terme a als unverträglich mit dem Faktor a1 fort - zulassen sind. Wir erhalten sonach x1 = a1 (b1 + c1) (b c + d1) = a1 (b1 + c1) d1, und folglich: x = a + b c + d als den auf seine einfachste Form gebrachten Ausdruck.

Anderes Exempel McColl's. Gegeben: x = a b1 c1 + a b d + a1 b1 d1 + a b d1 + a1 b1 d, also

  • x1 = (a1 + b + c) (a1 + b1 + d1) (a1 + b1 + d) (a + b + d) (a + b + d1) = = {a1 + (b + c) (b1 + d1) (b1 + d)} (a + b) = (a1 + b1 c) (a + b) = a1 b + a b1 c,

darnach x = (a + b1) (a1 + b + c1) = a b + a c1 + a1 b1 + b1 c1. Von diesen vier Gliedern darf nun aber noch das zweite oder aber vierte unterdrückt werden, sodass x = a b + a c1 + a1 b1 = a b + a1 b1 + b1 c1 sich deckt mit dem oben beispielsweise angeführten zweierlei einfachste Darstellungen zulassenden Ausdrucke vergl. § 18, β1).

Als ein bequemeres Verfahren scheint mir indess die Anwendung von Th. 30+) und 33+) Zusatz den Vorzug zu verdienen, wonach man sogleich schliessen kann: x = a {b1 c1 + b (d + d1)} + a1 b1 (d1 + d) = a (b1 c1 + b) + a1 b1, d. h. einerseits = a (c1 + b) + a1 b1, andrerseits = a b + (a c1 + a1) b1 = a b + (c1 + a1) b1.

Beim vorigen Exempel wäre zunächst der Faktor a1 zu unterdrücken gewesen, hernach in x = a + b c + (b1 + c1) d der Faktor b1 + c1 als die Negation von b c vorstellend.

Schröder, Algebra der Logik. 28[434]

Eilfte Vorlesung.

§ 20. Spezielle und allgemeine, synthetische und analytische Pro - positionen: Relationen und Formeln.

Schon von alters her werden in der Logik Urteile auch als Pro - positionen bezeichnet, namentlich, wenn sie als Glieder eines Theo - rems oder einer Beweisführung, Argumentation, auftreten. Wir wer - den uns dieses Namens auch hier, jedoch in einem ganz bestimmten noch näher zu erläuternden Sinne, bedienen.

Die kategorischen Urteile, mit deren Ausdruck in der Zeichen - sprache des Kalkuls wir uns bisher beschäftigten, erwiesen sich in § 2 in der Regel als Subsumtionen, zum Teil auch als Gleichungen, und so wird uns der Name Proposition zunächst herhalten als ein gemeinsamer Name für diese beiden Arten von Behauptungen, als ein kürzeres Wort für Subsumtion oder auch Gleichung einerlei ob solche in der Wortsprache oder ob sie in der Zeichensprache des Kalkuls ausgedrückt erscheint, immerhin vorzugsweise im Hinblick auf letztere Darstellungsmöglichkeit.

Späterhin werden wir aber den Begriff der Proposition noch weiter fassen. Zu den erwähnten beiden Arten von Aussagen werden nämlich noch andere kommen, welche wie Unterordnungen, Überord - nungen, Ungleichungen und anderes mehr, sich ebenfalls in unserer Zeichensprache formelartig darstellen.

Alle Beziehungen, welche denkbar sind zwischen Gebieten unsrer Mannigfaltigkeit, desgleichen also auch zwischen Klassen überhaupt sowie Begriffsumfängen insbesondere, soweit es dabei ankommt auf Vorhandensein oder Nichtvorhandensein gemeinsamer Elemente oder Individuen der unter sich verglichenen Gebiete oder Klassen sagen wir kurz: alle Umfangsbeziehungen , sollen, in Worten oder Zeichen statuirt, später schlechtweg Propositionen genannt werden. Ihre mög - lichen Arten zählen wir in § 34 39 vollständig auf.

Als Vorbereitung für die wichtigen Untersuchungen zu denen wir im nächsten Paragraphen schreiten, müssen wir nun die Aufmerksam - keit des Lesers richten auf einige Unterscheidungen, welche sich bei435§ 20. Spezielle und allgemeine Propositionen.Betrachtung der Propositionen aufdrängen. Wir müssen uns unter gewissen Gesichtspunkten mit einer Einteilung der Proposi - tionen beschäftigen. Was wir aber in diesem Betreff demnächst zu sagen haben im Hinblick auf die Subsumtionen und Gleichungen (denen eine Einführung in die Theorie bis jetzt allein zuteil geworden), wird es späterhin ein Leichtes sein auch auf die übrigen Arten von Aus - sagen zu übertragen, die unter den erweiterten Begriff der Proposi - tion noch fallen werden.

Zunächst zerfallen die Propositionen in spezielle und allgemeine.

Speziell nennen wir eine Proposition, wenn sie als Subjekt und Prädikat, als linke und rechte Seite der Gleichung, überhaupt als Be - ziehungsglieder (der Umfangsbeziehung ) sowie als Operationsglieder der diese etwa darstellenden Funktionen lediglich vollkommen bestimmte oder eindeutige Gebietsymbole, bestimmte wohldefinirte Klassen enthält eindeutig in der abgeleiteten Mannigfaltigkeit oder Mn. der Gebiete, der Klassen kurz: wenn sie nur von speziellen Gebieten oder Klassen handelt.

Allgemein , genauer: von unbestimmtem oder allgemeinem Cha - rakter nennen wir eine Proposition, wenn obiges nicht der Fall ist, wenn also auch Gebietsymbole in ihr vorkommen sei es als Be - ziehungsglieder, sei es als Operationsglieder der drei identischen Spe - zies im Ausdrucke derselben die von noch nicht völlig bestimmter, vielmehr von teilweise oder völlig unbestimmter, eventuell allgemeiner Bedeutung in der Mannigfaltigkeit der Gebiete resp. Klassen sind.

Beispielsweise sind 0 = 0, 0 1, 0 · 1 = 0, etc. desgleichen a b, falls a und b etwa die in Fig. 1 dargestellten Kreisflächen bedeuten, lauter spezielle Propositionen; ebenso würden dann 0 a, b 1, a b a solche exemplifiziren, nicht minder wie a = a b, und andere.

Auch die Urteile: Die Neger sind von schwarzer Hautfarbe sowie Alle schwarzen Krähen sind schwarz , obwol in der logischen Termino - logie als generelle, ja universale (zu deutsch allgemeine ) Urteile zu be - zeichnen, sind doch in unserm Sinne nur als spezielle Propositionen hinzu - stellen, und dürfen sie nicht etwa allgemeine Propositionen genannt werden.

Man nimmt hier wieder einmal die Gefahren eines Doppelsinnes als naheliegende wahr, und fühlt die Unabweislichkeit einer genaueren Ver - ständigung. Ich muss mich den Sprachreinigern zum Trotze hier gegen die Verdeutschung des Wortes universal erklären, weil ich das Wort allgemein hierselbst in wesentlich abweichendem Sinne dem lateini - schen generalis näher kommend zu gebrauchen mich genötigt sehe.

Das Subjekt Neger war, als ein Gattungsname, ein vieldeutiger Term in der ursprünglichen, d. i. der Mannigfaltigkeit der individuellen (der mittelst Eigennamen darzustellenden) Objekte des Denkens. Es erscheint aber als28*436Eilfte Vorlesung.ein eindeutiger Term in der abgeleiteten, der Mannigfaltigkeit der Klassen, indem es unter den Klassen eine ganz bestimmte, individuelle Klasse vorstellt.

Als allgemeine Propositionen würden a = a b, sowie a b, a b a, etc. hinzustellen sein, wenn entweder a, oder b, oder beide Symbole unbe - stimmte Gebiete oder Klassen vorstellen sollten, wenn die Bedeutung dieser Symbole ganz oder teilweise offen gelassen wäre. Ebenso, wenn a irgend ein Gebiet vorstellt (desgleichen, wenn es ein beliebiges in einem be - stimmten b enthaltenes Gebiet vorstellte), muss die Proposition a 1 als eine allgemeine bezeichnet werden. Etc.

Auf dem Felde der Arithmetik entsprechen unsern speziellen Pro - positionen die numerischen Gleichungen, welche nur mittelst Ziffern dar - gestellte individuelle Zahlen ( numerische oder ziffrige , digital numbers ) enthalten, oder in denen wenigstens, falls Buchstaben in ihnen auftreten sollten, diese, wie π = 3,14159 , e = 2,71828 , i = 〈…〉 , schon eine konventionell feststehende Zahlenbedeutung haben. Unsern all - gemeinen Propositionen dagegen entsprechen die literalen oder Buch - staben-Gleichungen, welche auch Buchstaben als unbestimmte oder all - gemeine Zahlzeichen enthalten, Buchstaben, denen es uns noch freisteht verschiedene Zahlenwerte als Bedeutung unterzulegen.

Solch leicht erkennbares äusserliches Unterscheidungsmerkmal, wie das Auftreten oder Nichtauftreten von Buchstaben in der Arithmetik es bil - dete, können wir jedoch im identischen Kalkul der Unterscheidung beider Klassen von Propositionen nicht zugrunde legen, weil wir hier auch die speziellen Gebiete oder Klassen stets mit Buchstaben darzustellen pflegen und darzustellen genötigt sind die beiden Gebiete 0 und 1 ganz allein ausgenommen. Was dort (in der Arithmetik bei i, π, e) als Ausnahme mitanzuführen war, bildet hier (im identischen Kalkul) die Regel!

Spezielle Propositionen erfreuen sich jeweils eines völlig bestimm - ten Sinnes, und darum ist eine spezielle Proposition immer entweder eine richtige oder eine falsche.

Die oben angeführten waren Exempel von richtigen speziellen Propo - sitionen. Dagegen würden 1 0, 0 = 1, und bei der durch Figur 1 er - klärten Bedeutung von a und b die Subsumtion b a, die Gleichung a b = b, etc. eine falsche spezielle Proposition exemplifiziren; ebenso die verbalen Urteile: Die Mohren sind weiss sowie Einige schwarze Krähen sind nicht-schwarz , und andere mehr.

Die (in unserm Sinne) allgemeinen Propositionen können nicht so, wie die der vorigen Abteilung, die speziellen, ohne weiteres in richtige und falsche eingeteilt werden, weil sie keinen völlig fest - stehenden Sinn besitzen. Die Beantwortung der Frage, ob sie als richtig oder falsch erscheinen, wird vielmehr häufig davon abhängen, welche Bedeutungen, Werte oder Wertsysteme man den in ihnen vor - kommenden Buchstabensymbolen, für welche eine völlig bestimmte Be - deutung eben noch nicht ausgemacht ist (und die darum als unbe -437§ 20. Analytische Propositionen, Formeln.slimmte oder variabele eventuell als allgemeine Symbole hingestellt werden mögen) beigelegt denkt.

Wohl aber tritt auch hier bei einer Umschau ein grosser Gegen - satz zutage:

Wir bemerken schon unter den bisherigen solche Propo - sitionen, die richtig werden, welche Bedeutungen, Werte oder Wert - systeme man auch den in ihnen vorkommenden variablen Elementen beilegen mag, und solche, bei denen dies nicht der Fall ist.

Erstere nennen wir analytische Propositionen, die letzteren syn - thetische .

Hierbei befinden wir uns in vollkommener Analogie mit dem Verfahren der numerisch rechnenden Mathematik, die ihre Buchstabengleichungen in analytische und synthetische einteilt.

Beispiele von analytischen Propositionen sind die Subsumtionen resp. Gleichungen: a a, 0 a, a 1, a b a, a a + b, a + a b = a, a a1 = 0, a + a1 = 1, a (b + c) = a b + a c, etc. Überhaupt jede in den bisherigen Sätzen, d. i. Axiomen ( Prinzipien ) und Theoremen, als allgemeingültig hingestellte und eventuell bewiesene Sub - sumtion oder Gleichung wird als eine analytische Proposition zu bezeich - nen sein.

Analytische Propositionen, in unsrer Zeichensprache dargestellt, heissen mit einem Worte auch Formeln im strengen Sinn dieses Wortes.

Der Sprachgebrauch mit seinen Inkonsequenzen verwendet freilich manch - mal auch das Wort Formel als synonym mit (Buchstaben -) Ausdruck (ex - pressio, compound term), doch ist diese Verwendung die weitaus seltenere, hat meist einen rhetorischen Beigeschmack und ist eigentlich als inkorrekt zu qualifiziren so wenigstens für die Mathematik; ich habe nichts da - gegen, wenn der Chemiker nicht nur von der Formel für einen chemischen Vorgang, sondern auch von der Formel einer Substanz als einer chemi - schen Verbindung spricht.

In der Mathematik ist die Formel jeweils eine Gleichung (eventuell auch Ungleichung) also eine wirkliche Behauptung, nicht aber blos ein Aus - druck, Term oder Name für eine Zahl, und analog soll es auch im iden - tischen Kalkul gehalten werden.

Das charakteristische Merkmal der Formel schlechtweg ist dem - nach in ihrer Allgemeingültigkeit, ist darin zu erblicken, dass sie er - füllt ist, gilt, welche Wertsysteme (aus der zugrunde gelegten Man - nigfaltigkeit) man auch den in ihr vorkommenden Buchstabensymbolen unterlegt.

Niemals, freilich, kann hier solche Allgemeingültigkeit empirisch438Eilfte Vorlesung.nachgewiesen werden, indem man etwa alle erdenklichen Werte und Wertsysteme durchprobirte, dieselben für unsre Buchstabensymbole ein - setzend und das Einsetzungsergebniss auf seine Richtigkeit als spezielle Proposition in jedem Falle prüfend. Vielmehr steht uns, wenn wir eine allgemeine Proposition für eine Formel ausgeben, nur die Berufung auf das Gefühl der Evidenz zugebote, mit der wir sei es ihr Schema selbst, sei es dasjenige der Voraussetzungen aus denen sie abgeleitet wurde, sowie der Schlüsse die von da zu ihr hinführten, als denknotwendige erkennen.

Alle übrigen bisher vorgekommenen Propositionen (zunächst sofern die in ihnen auftretenden Buchstaben nicht durchweg ganz spezielle Bedeu - tungen hatten) sind Exempel von synthetischen Propositionen. So nament - lich die in unsern Theoremen angeführten Subsumtionen oder Gleichungen, welche als Voraussetzungen oder Bedingungen, desgleichen diejenigen welche dann als Behauptung in dem Theorem hingestellt wurden. Ebenso, wenn zwei Propositionen als einander äquivalent hingestellt wurden, wo dann die eine von der andern und diese von jener bedingt wird, waren es allemal synthetische Propositionen.

Ein einfachstes Beispiel einer synthetischen Proposition ist insbeson - dere die Subsumtion a b. Diese gilt ja nicht als allgemeine Formel für beliebige Wertepaare oder Bedeutungen von a und b. Es gibt Fälle (illustrirt durch Fig. 1) in welchen sie richtig, andere (illustrirt z. B. durch Fig. 7 11) in welchen sie falsch ist. Ebenso die Gleichung a b = a, etc.

Wenn Prinzip II aussagte, unter den Voraussetzungen a b und b c gelte die Behauptung a c, oder wenn Th. 37) aussagte, die bei - den Subsumtionen a b und b1 a1 seien äquivalent, so waren alle diese Subsumtionen synthetische.

Um eine allgemeine Proposition als eine synthetische nachzuweisen, genügt es schon, ein einziges Wertsystem ausfindig zu machen, anzu - geben, welches, für die Buchstaben in sie eingesetzt, eine falsche spe - zielle Proposition liefert.

So kann a + b a nur eine synthetische Proposition sein, sowol wenn a und b unbestimmte Gebiete vorstellen, als auch, wenn eines derselben, z. B. b als ein spezieller Kreis gegeben sein sollte. Man braucht nämlich dem a nur die Bedeutung eines ausserhalb b liegenden Kreises beizulegen, um durch die Anschauung zu erkennen, dass alsdann sie falsch wird.

Von den synthetischen Propositionen kann man sagen, dass sie eine Beziehung zwischen den in sie eingehenden Gebieten ausdrücken oder etabliren, man kann sie mit einem Wort auch Relationen (im engeren Sinne) nennen.

So drückt die letztbetrachtete a + b a, wie leicht zu sehen, die Be - ziehung zwischen den Gebieten a und b aus, dass b in a enthalten ist, was kürzer auch b a sagen würde. Die analytische Proposition oder Formel a b a dagegen drückt keinc Beziehung zwischen a und b selbst439§ 20. Synthetische Propositionen, Relationen.aus (wenngleich sie allerdings die Beziehung der Einordnung von ab in a ausspricht und mit Recht behauptet); diese lässt sich nicht als eine Rela - tion zwischen a und b hinstellen, da ihr alle Gebiete a und b schon so wie so genügen.

Auch die richtigen speziellen Propositionen werden analytische genannt, wenn sie durch Einsetzung spezieller Werte aus einer For - mel, einer analytischen Proposition von allgemeiner Gültigkeit hervor - gehen, wenn sie m. a. W. nur eine Formel exemplifiziren, partikulare Anwendungen, Paradigmata einer solchen, mithin von denknotwen - digem Schema sind. Und andernfalles werden wir auch jene wieder synthetisch nennen; desgleichen mögen die falschen speziellen Propo - sitionen mit zu den synthetischen gezählt werden.

Darnach ist z. B. jene Aussage: Die schwarzen Pferde sind schwarz zwar eine spezielle, gleichwol aber eine analytische Proposition zu nennen. Sie geht nämlich aus dem Th. 6×) a b a hervor, wenn man a = schwarz und b = Pferd bedeuten lässt, und gilt wie dieses mit Denknotwendigkeit. Die Aussage gibt uns auch keinerlei Belehrung über diese Klassen a und b, da sie in unserer Disziplin auch nicht einmal die Existenz des Subjektes, nämlich schwarzer Pferde unterstellt oder fordert. Ebenso bei: Der weisse Schnee ist weiss , Die runden Quadrate sind rund .

Dagegen das Urteil: Die Mohren sind schwarz ist eine synthetische spezielle Proposition (und zwar eine richtige); es belehrt über die Haut - farbe der Mohren, und hat zum Schema: a b, welches, wie erkannt nicht von allgemeiner und denknotwendiger Geltung ist. Definirten wir freilich die Mohren als Menschen von schwarzer Hautfarbe und setzten diesen Ausdruck für das Subjekt in unser Urteil ein, so würde dasselbe sich nun - mehr als ein analytisches (dem obigen ähnlich) darstellen. Solange aber solche Einsetzung nicht geschehen, ist aus dem Urteil selbst seine Selbst - verständlichkeit nicht zu erkennen und muss dasselbe immerfort synthetisch genannt werden, um so mehr, als der Begriff der Mohren schon ander - weitig bekannt und auch durch andere Merkmale als das der schwarzen Hautfarbe definirt sein könnte.

Hienach zerfallen denn alle Propositionen wie einerseits in spe - zielle und allgemeine, so andrerseits in synthetische und analytische, sodass hieraus durch Kombination sich vier Unterklassen ergeben, als da sind die synthetischen speziellen, die synthetischen allgemeinen, die analytischen speziellen und die analytischen allgemeinen Propositionen.

Kennzeichen der analytischen Proposition ist somit die aus ihr selbst ersichtliche Selbstverständlichkeit derselben, ihre denknotwendige Geltung einerlei, ob sie von allgemeinerem Charakter ist, oder von speziellem, nämlich aus allgemeingültigem Schema durch Einsetzen spezieller Werte für dessen Buchstabensymbole hervorgegangen.

Kennzeichen der synthetischen Propositionen ist, dass sie solcher aus ihnen selbst erkennbarer denknotwendiger Geltung ermangeln.

440Eilfte Vorlesung.

Den analytischen und den synthetischen Propositionen fällt eine gänzlich verschiedene Rolle in der Wissenschaft zu.

Erstere sind in Bezug auf die Gebiete oder Klassen, über welche sie etwas auszusagen scheinen, im Grunde vollkommen nichtssagend , sie liefern über diese selbst keinerlei Information. Dagegen stellen sie uns, wenn sie von allgemeinem Charakter, wenn sie Formeln sind, Gesetze des Denkens dar (und bringen, im Fall sie spezieller Natur, solche zur Anwendung); sie bringen uns Sätze, Theoreme der formalen Logik zum Ausdruck und zum Bewusstsein.

Indem sie als solche eventuell die Gleichheit, Identität zwischen allgemeinen Ausdrücken konstatiren, ermächtigen sie uns, jeden Aus - druck von der Form der linken Seite der Gleichung, wo immer es uns vorteilhaft erscheint, zu ersetzen durch einen andern, nach dem Schema ihrer rechten Seite konstruirten Ausdruck, oder auch umgekehrt (vergl. S. 283). Sie drücken so fakultativ anzuwendende Rechenvorschriften aus, garantiren uns gewisse Freiheiten in der Umformung von Ausdrücken, von welchen wir geschickt, oder zur Unzeit Gebrauch machen mögen in der Absicht, die Beschreibung von Klassen zu vereinfachen und an Zeichenaufwand, Ausdruckskapital und geistiger Arbeit Er - sparnisse zu erzielen, überhaupt um irgendwelche Probleme zu lösen.

Und auch wenn unsere Formeln blos als Subsumtionen erscheinen, gewährleisten sie uns die Erlaubniss, gewisse Substitutionen, falls es uns passend erscheint, vorzunehmen, insbesondre den terminus minor derselben, wo er anderwärts als Prädikat auftritt, durch den major, ihren major, wo immer er als Subjekt auftritt durch ihren minor zu ersetzen; vergl. S. 173. Auch sie statuiren also Lizenzen für die Um - formung, Transformation zum wenigsten von Aussagen.

Wenn dann später durch den Aussagenkalkul auch solche Theoreme, welche gewisse Behauptungen von bestimmten Voraussetzungen abhängig hinstellen, in der Zeichensprache durch einen einzigen Ansatz, durch eine Formel darstellbar gemacht werden, so wird sich das zuletzt Ge - sagte auch auf den so erweiterten Begriff der Proposition und Formel übertragen. Es regeln diese Formeln den Übergang von einer Aussagen - form zu andern; sie geben uns allgemeine Schemata für denknotwendiges Folgern, deduktives Schliessen.

Soviel über die Rolle, welche den analytischen Propositionen, und namentlich den Formeln zufällt, die, soferne sie in Worten dargestellt sind, auch analytische Urteile von der Philosophie genannt werden oder als apriorische Wahrheiten bezeichnet werden mögen. Vergl. ζ) unsrer Einleitung.

441§ 20. Spezielle und allgemeine, synthetische u. analytische Propositionen.

Ich kann mich bei dieser Gelegenheit eines Seitenblicks auf die Wahr - heiten der Mathematik nicht entschlagen. Soferne diese Zahlen betreffen einerlei ob ganze oder irrationale oder andere so ist es erst in neuerer Zeit durch die scharfsinnigen Arbeiten namentlich von Hermann Grassmann und den Herrn Weierstrass, Georg Cantor und Dede - kind ausser allen Zweifel gestellt worden, dass diese Wahrheiten durchaus nur den Charakter von analytischen haben (vergl. hiezu unsern § 51), dass mithin Kant's Frage: wie sind synthetische Urteile a priori möglich? wol eine gegenstandslose ist.

Dagegen erscheinen die Axiome der Geometrie als synthetische Pro - positionen, die eine denknotwendige Geltung nicht zu beanspruchen ver - mögen und in dieser Hinsicht auf einer Linie stehen mit den Axiomen oder Prinzipien der Mechanik, mit den Theorieen und Hypothesen aller übrigen Teile der Physik oder Naturlehre. Dermalen bildet dies allerdings noch eine, selbst unter den Mathematikern nicht völlig zum Austrag ge - brachte Streitfrage. Für den Verfasser kann indess kein Zweifel bestehen, wohin der Sieg sich (vollends) neigen muss, und erscheint mir die Geo - metrie von hause aus als der erste Teil der Physik, als ursprünglich nur ein Zweig der induktiven und Naturwissenschaften, als solcher zunächst im Gegensatze stehend zur reinen Mathematik im engsten Sinne des Wortes, die als streng deduktive Disziplin nur Arithmetik*)Ich gebrauche das Wort Arithmetik hier immer in seiner vollsten Be - deutung, als die Zahlentheorie Algebra, Analysis, Funktionenlehre etc. mitum - fassend: als die gesamte Lehre von den Zahlen und ihren Funktionen. und Logik zu um - fassen hätte und für Denjenigen, der mit Dedekind die Arithmetik als einen Zweig der Logik ansieht, mit letzterer geradezu zusammenfiele.

Sofern nicht ihre Axiome als in der Natur des physikalischen Raumes begründete einst noch in Zweifel gezogen und modifizirt werden müssen, hat aber die Geometrie, gefolgt von der Geomechanik etc., ihr induktives Anfangsstadium längst schon verlassen und ist, einen rein mathematischen Charakter annehmend, in das deduktive Stadium übergetreten (vgl. S. 42). Sie mag, gleichwie die theoretische Mechanik, aber nicht ohne diese, zur (reinen) Mathematik (im weiteren Sinne) nunmehr gerechnet werden.

Die synthetischen Propositionen, oder Relationen, geben eine In - formation über die Klassen oder Gebiete, von denen sie handeln; sie dienen also in erster Linie dazu, wirklich etwas auszusagen und die Mitteilungsbedürfnisse der Sprache zu befriedigen.

Sofern sie von speziellem Charakter sind, wird diese Information, wie erwähnt, entweder richtig oder unrichtig sein. In diesen Fällen haben alle Klassen, von denen in der Proposition die Rede ist, ihre Definition, Erklärung bereits anderweitig, vorher, oder wenigstens ausserhalb der Proposition, gefunden; die Proposition sagt nur über lauter bestimmte oder bekannte Klassen etwas aus.

Anders, wenn die Proposition von allgemeinem Charakter ist, wo sie auch unbestimmte Klassen oder deren Symbole enthält.

442Eilfte Vorlesung.

Hier sind dann zweierlei Fälle zu unterscheiden.

Es kann sein, dass es gar keine speziellen Werte gibt, dass Ge - biete oder Klassen gar nicht denkbar sind, welche, für jene unbe - stimmten Symbole in die Proposition eingesetzt, dieselbe erfüllten , nämlich aus ihr eine richtige spezielle Proposition hervorgehn lassen würden.

Von solcher Art wären z. B. die Propositionen: a a1 = 1, sowie x + x1 = 0. Da nach Th. 30) für jede Klasse a, für jedes Gebiet x, doch aa1 = 0, und x + x1 = 1 sein muss, so würden diese Relationen auf die For - derung hinauslaufen, dass 1 = 0 sein solle.

Dies würde nur zutreffen, wenn die Mannigfaltigkeit, auf die unsre Untersuchungen sich beziehen, von vornherein eine leere wäre, und dass solches auszuschliessen sei, haben wir bereits als ein diesen Untersuchun - gen zugrunde zu legendes Postulat hingestellt. Für uns wird also eine Gleichung: 1 = 0 als eine unbedingt zu verwerfende gelten, wir können sie geradezu als den Typus der Absurdität hinstellen.

Wer sie zugäbe würde auf jegliche Unterscheidung innerhalb der Mn. Verzicht leisten, wie wir schon S. 245 ausgeführt haben. Dem wäre alles egal ; buchstäblich gälte für Den: Es ist Alles nichts .

In solchem Falle nennen wir die synthetische Proposition eine absurde .

Insofern sie zu gelten beanspruchte und dies zu thun ist doch der Endzweck jeder Aussage oder Behauptung würde die Propo - sition uns zumuten unter ihren Symbolen uns Gebiete zu denken, die gar nicht denkbar sind. Sie stellte damit an uns eine unerfüllbare Forderung. Auf jedem Felde ist es leicht, Forderungen aufzustellen, welche zu erfüllen unmöglich ist, und so auch auf dem Felde der Logik, auch im identischen Kalkul.

Zuweilen wird auch die Forderung selbst, z. B. die Gleichung x + x1 = 0, eine unmögliche genannt; jedoch geschieht dies dann nicht in der suppositio nominalis, indem es ja leicht ist, dieselbe trotz allen Wider - sinnes behauptend auszusprechen, sondern in der suppositio realis: die Gleichung in Hinsicht dessen, was sie behauptet, als eine erfüllte oder geltende, ist unmöglich.

Eine synthetische Proposition wird demnach auch absurd zu nennen443§ 20. Spezielle und allgemeine, synthetische u. analytische Propositionen.sein, wenn sie mit Denknotwendigkeit nach den Regeln des Kalkuls auf die Gleichung 1 = 0 hinausläuft.

Dass aber auch umgekehrt auf diese Gleichung jede im obigen Sinne absurde Proposition hinauslaufen muss, jede nämlich, die durch kein Wert - system ihrer unbestimmten Symbole erfüllbar ist, werden wir im Aussagen - kalkul sehen.

Der vorige Kontext lässt dann nebenher die Thatsache deutlich wer - den, dass sobald einmal ein Unsinn zugegeben wird, dann auch jeder Un - sinn mittelst zwingender Schlüsse sich ableiten oder beweisen lässt so - fern wir nämlich als Schema solchen Unsinnes die Behauptung nehmen, dass zwei beliebig herausgegriffene verschiedene Dinge einerlei seien. Ge - langten wir vom ersteren zu 0 = 1, so liess sich auch von da zu a = b fortschreiten.

Ist die allgemeine synthetische Proposition nicht absurd, so gibt es Werte oder Wertsysteme, deren Einsetzung in die Proposition (für die in ihr vorkommenden nicht schon anderweitig bestimmten Gebiet - symbole) die Wirkung hat, dass eine richtige spezielle Proposition ent - steht. Von solchen, die allgemeine in eine richtige spezielle Propo - sition verwandelnden Wert (system) en sagt man, dass sie die Propo - sition erfüllen , derselben genügen , sie bewahrheiten .

Man nennt sie auch Wurzeln , beziehungsweise ein System von Wurzeln , dieser Proposition (Gleichung oder Subsumtion etc.) ent - sprechend dem bei synthetischen Gleichungen in der Mathematik gel - tenden Sprachgebrauche.

Sobald die Proposition aber Geltung beansprucht, stellt sie uns vor die Aufgabe, uns unter ihren Buchstabensymbolen solche Gebiete oder Klassen vorzustellen, welche sie erfüllen , m. a. W., diese Sym - bole eben nur bedeuten zu lassen: ein System von Wurzeln der Pro - position. Und um dies für jedermann zu ermöglichen, müssen solche Wurzeln mit Hülfe der in der Proposition etwa sonst noch vorkom - menden bestimmten oder gegebenen Gebiete, ihrer sogenannten Para - meter , beschrieben, durch diese übrigen Gebiete ausgedrückt, berech - net werden.

Die Ausführung dieses Geschäftes heisst das Auflösen der Pro - position nach den als ihre Wurzeln zu bestimmenden Gebieten als Unbekannten . Damit sie als solche sogleich erkennbar seien, werden diese erst zu bestimmenden unbekannten Gebiete mit Vorliebe durch die Buchstaben x, y, z, dargestellt, im Gegensatz zu den mit den ersten Buchstaben des Alphabets zu bezeichnenden Parametern.

Und zwar erhält man eine besondere oder partikulare Lösung der Proposition, wenn die Angabe von Wurzeln nur auf eine Weise er -442Eilfte Vorlesung.folgt, wenn nur ein System von Wurzeln (nach anderer, etwas weiterer Auffassung, wenn nur nicht jedes solche) ermittelt worden, während die allgemeine Lösung vorliegt, sobald alle möglichen existirenden Wur - zeln (systeme) ermittelt sind, sich dargestellt finden.

Beides fällt zusammen, es liegt schon die allgemeine Lösung vor, und wird der Ausdruck partikulare Lösung dann besser ausser Kurs gesetzt, falls überhaupt nur ein System von Wurzeln existirt, falls also die Unbekannten sich durch die Proposition eindeutig be - stimmt erweisen.

Um dies sogleich durch ein einfaches Exempel zu illustriren, so haben wir nach Th. 43) als Auflösung der Subsumtion x b nach der Unbe - kannten x den Ansatz: x = wb, in welchem w ein willkürliches Gebiet vorstellt, und zwar gibt bei solcher Deutung von w dieser Ausdruck alle erdenklichen Lösungen, er stellt die allgemeine Lösung vor. Wurzel ist hier jedes zwischen 0 und b liegende Gebiet x. Als partikulare Lösungen oder spezielle Wurzeln ergeben sich z. B. durch die Annahmen w = 0 und w = 1 die Werte x = 0 und x = b (hier Minimal - resp. Maximalwert der Wurzeln). Werden mehrere solche Wurzelwerte in einundderselben Unter - suchung in Betracht gezogen, so pflegt man sie auch als x1, x2, unter - scheidend zu bezeichnen. Alle Wurzeln fallen hier in eine x = 0 zu - sammen, und ist die Lösung eine eindeutig bestimmte, wenn von vornher - ein b = 0 bedeutete.

Dual entsprechend hat man analog x = a + w als die allgemeine Lösung der Subsumtion a x, mit dem Minimalwerte x1 = a und dem Maximalwerte x2 = 1, wobei für a = 1 wieder nur eine Wurzel x = 1 existiren wird.

Wir ersehen hieraus, wie die allgemeine synthetische Proposition fähig ist und wie ihr die Mission zufällt, gewisse Gebiete oder auch ganze Klassen von Gebieten (oder von Klassen, und Systemen solcher) gewissen Anforderungen oder Bedingungen entsprechend zu be - stimmen , dieselben aus der Mannigfaltigkeit der überhaupt denkbaren Gebiete (resp. Klassen und Gebietsysteme) auszeichnend hervorzuheben.

Die analytische Proposition vermag nicht, solchem Zwecke dienstbar zu sein; wird z. B. verlangt, dass x y x sei, so dürfen wir unter x und y uns noch jedes beliebige Paar von Gebieten vorstellen.

Es tritt darnach die Aufgabe an uns heran, uns nunmehr mit dem Problem der Auflösung von (synthetischen allgemeinen) Proposi - tionen zu beschäftigen, welche Aufgabe wir im nächsten Paragraphen in einer für den bisherigen Propositionsbegriff erschöpfenden Weise er - ledigen werden.

Zum Schlusse geben wir noch rekapitulirend eine Übersicht über die vorstehend nötig gewordenen Unterscheidungen. Die Einteilung der Pro - positionen, zu der wir uns veranlasst gesehen, veranschaulicht das Schema:445§ 20. Spezielle und allgemeine, synthetische u. analytische Propositionen.

Bedeutet p = Proposition, b = speziell (erinnernd an besondere prop., aber nicht im Sinne von partikular), g = allgemein (erinnernd an genera - lis aber nicht im Sinne von universal), α = analytisch, σ = synthetisch (Relation), v = wahr (prop. vera), f = falsch (prop. falsa), a = absurd, s = auflösbar (prop. solubilis), so bestehen die Gleichungen resp. Subsumtionen: p = b + g, b g = 0, p = σ + α, σ α = 0, v f = 0, b v + f p, g σ = a + s, a s = 0, α v, a f, f σ. Sonach ist: g σ + α oder g = g σ + g α, ebenso b v σ + α oder b v = b v σ + b v α, σ = b v σ + b f + a + s, α = b v α + g α, dazu f = b f + g a, v = b v + g α indem hier nämlich auch s v = s f = 0 zu gelten hat.

Nach dem Sprachgebrauch kann eine Relation, wenn sie irrtümlich als eine Formel hingestellt worden, auch als eine falsche Formel quali - fizirt werden. In logischer Hinsicht ist dies aber nicht korrekt, denn solche falsche Formel oder vermeintliche Formel ist überhaupt keine Formel ; niemals ist ein Teil von σ g α. Man wird darum die Formeln auch nicht in richtige und falsche einteilen dürfen so wenig wie etwa die lateinischen Deklinationen! Eine falsche Proposition dagegen ist wirk - lich eine Proposition, Aussage und Behauptung gewesen.

Auf die spezielle falsche Proposition 0 = 1 laufen übrigens wie schon angedeutet auch die absurden wesentlich hinaus und werden wir zwischen beiden späterhin keinen Unterschied machen.

446Eilfte Vorlesung.

§ 21. Das Auflösungsproblem bei simultanen Gleichungen und Sub - sumtionen. Das Eliminationsproblem bei solchen.

Um das Einfachste und Wichtigste vorweg zu erledigen, stellen wir an die Spitze den Satz: 49+) Theorem. Die Gleichung a x + b x1 = 0 ist äquivalent einer jeden der beiden Doppelsubsumtionen: b x a1 resp. a x1 b1, d. h. ausführlicher gesprochen, dem Paare von Subsumtionen: b x, x a1 resp. a x1, x1 b1 mit welchem nebenher dem Prinzip II gemäss gegeben ist: b a1 sowie a b1. Allemal ist also die Unbekannte zwischen dem Koeffizienten ihrer Nega - tion und der Negation ihres Koeffizienten gelegen.

Beweis. Nach Th. 24+) zerfällt die gegebene Gleichung ohne Einbusse an Inhalt in die beiden a x = 0 und b x1 = 0; die letztere von diesen ist aber nach Th. 38×) äquivalent der Subsum - tion b x und die erste äquivalent der x a1, und damit ist die erste Doppelsubsumtion b x a1 nicht nur bewiesen, sondern auch als mit der gegebnen Gleichung äquivalent erkannt.

Das Th. 38×) lässt aber auf vorstehende zwei Gleichungen sich auch noch auf eine zweite Weise anwenden: indem man links, statt des einen, den andern Faktor isolirt; so ergeben sich auch direkt die beiden Subsumtionen a x1, x1 b1 des andern Paares, welche zu einfacherer Schreibung sich in die zweite Doppelsubsumtion a x1 b1 zusammenziehen lassen.

Überdies folgen aber auch die beiden Subsumtionen des zweiten Paares durch Konversion mittelst Kontraposition nach Th. 37) unter Berücksichtigung von Th. 31) aus denen des ersten, und ebenso also auch die eine Doppelsubsumtion aus der andern.

Endlich kann man, nachdem die erste Doppelsubsumtion wie vorstehend bewiesen, als der Gleichung a x + b x1 = 0 üquivalent nachgewiesen ist, die zweite auch durch blosse Buchstaben -447§ 21. Auflösung und Elimination bei Gleichungen und Subsumtionen.vertauschung aus dem damit gewonnenen Satze ableiten. Vertauschung von x mit x1 und zugleich von a mit b führt nämlich die Gleichung a x + b x1 = 0 nur in sich selbst über und ist darum gleichwie in dieser Prämisse, so auch in deren Konklusionen gestattet.

Wir werden im Verlauf der weiteren Untersuchungen erkennen, dass das Th. 49+) die im Titel des Paragraphen genannten beiden Probleme schon vollständig löst, dass wir nämlich berechtigt sind, das erste Subsumtionenpaar als die Auflösung der Gleichung a x + b x1 = 0 nach der Unbekannten x hinzustellen, und ebenso das zweite Subsum - tionenpaar als deren Auflösung nach der Unbekannten x1 (der Nega - tion der vorigen). Und ferner wird die nebenher mit diesen Subsum - tionenpaaren gegebene Relation a b1, oder, was damit nach Th. 37) äquivalent sein muss: b a1, oder endlich nach Th. 38×) in symme - trischer Fassung angeschrieben: a b = 0, als die Resultante der Elimination von x (nebst x1) aus der Glei - chung a x + b x1 = 0 zu bezeichnen sein.

Auflösung nebst Resultante fasst die Doppelsubsumtion übersicht - lichst zusammen.

Um alles dies zu erkennen, müssen wir uns aber jetzt in einige Betrachtungen von nicht mehr ganz so einfacher Natur vertiefen; wir müssen namentlich noch mit einer andern Form der Auflösung Be - kanntschaft machen, welche demjenigen, was man in der Mathematik unter der Auflösung, Wurzel einer Gleichung versteht, näher kommt, und, wenn sie auch nicht so bequem, wie die (angeblich) im obigen Theoreme dargestellte, mit Worten zu interpretiren sein wird, doch für die Zwecke der Rechnung gewisse Vorzüge beansprucht.

Als mit einer wie man später übersehen wird im Grunde nur neuen Fassung des vorigen Theorems müssen wir uns auch mit dem folgenden Theoreme befreunden.

50+) Theorem. Die Gleichung a x + b x1 = 0 ist äquivalent dem Gleichungenpaare: a b = 0 und x = b u1 + a1 u, worin u ein unbestimmtes Gebiet vorstellt.

448Eilfte Vorlesung.

Der Beweis besteht aus mehreren Teilen.

Im ersten Teile gilt es zunächst zu zeigen, dass a b = 0 aus der vorausgesetzten Gleichung folgt. Dies findet sich bereits oben auf eine erste Weise bewiesen. Ich will dafür aber noch einen zweiten Be - weis geben:

α) Gilt für gewisse Werte von a, b, x die erste Gleichung, so kann man dieselbe beiderseits einmal mit a, ein andermal mit b mul - tipliziren und die so sich ergebenden Gleichungen überschiebend ad - diren. Dadurch erhält man: a x + a b x1 + a b x + b x1 = 0. Aber die beiden äussersten Glieder linkerhand geben nach der Vor - aussetzung (zusammen) null. Deshalb vereinfacht sich unser Ergeb - niss zu: a b (x1 + x) = 0, oder a b = 0, womit gezeigt ist, dass die zweite Gleichung aus der ersten folgt.

Sollte nun also diese zweite Gleichung a b = 0 wir mögen sie etwas vorgreifend schon die Resultante nennen von den Koef - fizienten a und b der ersten nicht erfüllt sein, so kann auch die erste unmöglich gelten, sie kann dann durch keinen Wert von x erfüllt werden denn, wenn sie für ein gewisses x richtig wäre, so müsste, wie gezeigt, auch die zweite Gleichung gelten, entgegen der soeben gemachten Annahme.

β) Nehmen wir sonach die Gleichung a b = 0 als erfüllt an, so muss ferner was auch immer für ein Gebiet unter u verstanden werden möge der durch die dritte Gleichung gegebene Ausdruck bu1 + a1u, für x in die erste Gleichung eingesetzt, dieselbe erfüllen, d. h. jedes durch die dritte Gleichung dargestellte Gebiet x ist dann eine richtige Wurzel unsrer ersten Gleichung. Denn die Probe stimmt: ist x = b u1 + a1 u, so folgt x1 = b1 u1 + a u nach Th. 46+) und 31), und die erstere Gleichung mit a, die letztere mit b durchmultiplizirt liefert beim Addiren: a x + b x1 = a b u1 + a b u = a b (u1 + u) = ab · 1 = a b = 0 wie behauptet worden.

Man sieht jedoch, dass die Probe für das Erfülltsein der Gleichung durch die angebliche Lösung nur insofern stimmt, als die Resultante449§ 21. Auflösung und Elimination bei Gleichungen und Subsumtionen.eben erfüllt ist, denn durch die Einsetzung verwandelte sich die Glei - chung zunächst in jene Resultante.

Ohne Rücksicht auf das Erfülltsein oder Nichterfülltsein dieser letzteren könnte man daher mit Herrn Voigt definiren:

Lösung (oder Wurzel ) einer Gleichung nennen wir einen Aus - druck, welcher, für die Unbekannte in die Gleichung eingesetzt, dieselbe auf ihre Resultante reduzirt (genauer: auf die Resultante der Elimina - tion jener Unbekannten aus ihr).

γ) Umbekehrt lässt aber auch jedes die (erste) Gleichung a x + b x1 = 0 erfüllende x sich durch den Ausdruck bu1 + a1u darstellen, indem es z. B. genügt, unter u sich x selbst vorzustellen, um die Gleichung x = b u1 + a1 u zu einer analytischen oder richtigen Identität zu machen.

Alsdann wird auch u1 durch x1 zu ersetzen sein. Nach der An - nahme ist aber, wie unter Th. 49+) bereits erwähnt, auch schon für sich: a x = 0 und b x1 = 0; sonach folgt, wenn für b x1 erst 0, für 0 dann a x geschrieben wird (mit ähnlichem Kunstgriff, wie S. 425): b u1 + a1 u = b x1 + a1 x = 0 + a1 x = a x + a1 x = (a + a1) x = 1 · x = x, was zu zeigen war und auch nach Th. 49+) mittelst Buchstaben - vertauschung auf das Hülfstheorem zu Th. 47+) hätte zurückgeführt werden können.

Wir sind hienach berechtigt den Ausdruck, welchen die dritte Gleichung x = b u1 + a1 u für die Unbekannte liefert (oder auch diese Gleichung selber) als die allgemeine Lösung der Gleichung hinzustellen.

Hiermit ist dargethan, dass wenn die erste Gleichung gilt, dann auch die zweite gelten muss (vergl. α) und die dritte wenigstens für ein gewisses u (vergl. γ), woneben unter β) gezeigt ist, dass wenn die zweite Gleichung nebst der dritten (für irgend ein u) gilt, dann auch die erste Gleichung gelten muss.

D. h. das ganze Theorem ist bewiesen, und mag man merken: Die Gleichung ist stets äquivalent ihrer allgemeinen Lösung nebst der Resultante.

Jener Satz ist das Haupttheorem der bisherigen Theorie. Er lehrt (noch unmittelbarer wie der vorige) bezüglich irgend einer Un - bekannten x die im Titel dieses Paragraphen angedeuteten Probeleme lösen. Bei der Wichtigkeit desselben müssen wir noch einige Zeit bei seiner Betrachtung verweilen.

Schröder, Algebra der Logik. 29450Eilfte Vorlesung.

In früher geschilderter Weise lässt nämlich jedes System von gleichzeitig geltenden oder zu erfüllenden Gleichungen (oder nach Be - lieben auch Subsumtionen) sich zusammenziehen in und ersetzen durch eine einzige Gleichung mit der rechten Seite 0, die vereinigte Glei - chung des Systemes.

Kam in dem Systeme neben irgend welchen andern Gebietsym - bolen ein Gebiet x vor, so wird die linke Seite der vereinigten Glei - chung eine Funktion von x sein (und auch wenn jenes nicht der Fall war, würde sogar sie als Funktion von x sich doch ansehen lassen). Diese Funktion lässt sich nach Th. 44+) durch x und x1 linear und homogen darstellen in der Form a x + b x1, sodass die erste Gleichung in unserm Theoreme die Stelle vertritt des allgemeinsten Systemes von simultanen Gleichungen und eventuell Subsumtionen, in welchen neben vielleicht noch andern eine Unbekannte x vorkommt.

Eine Unbekannte mögen wir das Gebiet x nennen auch dann, wenn es bekannt sein sollte, indem man doch immer die Frage aufwerfen kann, welche Werte sich dem x noch beilegen lassen würden, ohne dass die Pro - positionen des Systems zu gelten aufhören, indem man, m. a. W. die For - derung stellen kann, die vereinigte Gleichung, somit auch jenes System simultaner Propositionen nach x aufzulösen , und zwar sie vollständig auf - zulösen, mithin sämtliche Wurzeln derselben anzugeben. Durch den einen vielleicht schon bekannten Wert von x ist jene Frage doch im Allgemeinen noch nicht von vornherein erledigt.

Die Auflösung einer Gleichung oder eines Systems setzt die Vor - frage nach deren Auflösbarkeit als erledigt voraus. Der Vernünftige wird ja nichts Unmögliches unternehmen.

Unter α) ist aber dargethan, dass in Bezug auf die Auflösung der vereinigten Gleichung a x + b x1 = 0 nach x diese Frage bald zu bejahen, bald zu verneinen ist:

δ) Die Gleichung ist auflösbar, es gibt Werte, welche für x eingesetzt, dieselbe erfüllen, d. h. sie besitzt Wurzeln immer dann, wenn zwischen den Koeffizienten derselben die Relation ab = 0 be - steht, d. h. wenn ihre Koeffizienten disjunkt sind; aber auch nur dann.

Denn wenn diese zweite Gleichung unsres Theorems nicht erfüllt ist, haben wir gesehen, kann auch die erste Gleichung für keinen Wert von x bestehen, sie hat dann überhaupt keine Wurzeln und ist dieselbe, sowie das ihr äquivalente System von Propositionen in diesem Falle unauflösbar und absurd zu nennen. Unter den Propositionen des Systems werden dann sich entweder solche finden, die für sich allein schon absurd und durch kein x erfüllbar sind, oder die Pro -451§ 21. Auflösung und Elimination bei Gleichungen und Subsumtionen.positionen sind wenigstens unvereinbar , inkonsistent , sie vertragen sich nicht miteinander.

Die Forderung, die vereinigte Gleichung aufzulösen, überhaupt, sie für irgend eine Bedeutung des Symboles x als gültig anzuerkennen, bleibt es hier unmöglich, zu erfüllen.

Die Gleichung a b = 0 erscheint hienach als das Kennzeichen für die Auflösbarkeit der Gleichung a x + b x1 = 0 nach der Unbekannten x.

Nicht auflösbar war beispielsweise die Gleichung 1 · x + 1 · x1 = 0; sie selbst sowol als ihre Resultante lief auf die absurde Forderung 1 = 0 hinaus; der Ansatz einer solchen Gleichung x + x1 = 0 ist ganz und gar unzulässig.

Nicht nur ist a b = 0 eine unerlässliche, notwendige Bedingung sondern auch die hinreichende Bedingung für diese Auflösbarkeit.

Ist sie nämlich erfüllt, so gibt die dritte Gleichung unsres Theo - rems: x = b u1 + a1 u für jede Bedeutung des u eine richtige Wurzel und für ein von 0 bis 1 (im Klassenkalkul von nichts bis alles ) variirendes u die sämtlichen Wurzeln der ersten Gleichung an.

Diese hat hienach, falls sie auflösbar ist, im Allgemeinen unend - lich viele (eine unbegrenzte Anzahl oder Menge von) Wurzeln; ihre Lösung nach x ist (unendlich -) vieldeutig. Geleistet wird die verlangte Auflösung der ersten Gleichung dann also durch die dritte Gleichung des Theorems, und zwar ausschliesslich und vollständig, indem die - selbe für x einen allgemeinen Ausdruck angibt, welcher sämtliche Wurzeln der erstern und nur solche umfasst.

Als die notwendige und hinreichende Bedingung dafür, dass die Unbekannte x überhaupt einen Wert oder Werte habe, könnte man die Gleichung a b = 0 füglich auch die Wertigkeits - oder Valenz - bedingung für x nennen. Nur wenn sie erfüllt war, konnte es ein die Gleichung a x + b x1 = 0 erfüllendes Gebiet x geben, war x eines Wertes fähig, und wenn sie erfüllt ist, musste es auch ein solches (eventuell mehrere solche) Gebiete geben, denn im letzteren Falle er - wies sich jedes durch den Ausdruck b u1 + a1 u dargestellte Gebiet als eines von der verlangten Eigenschaft.

ε) In Anbetracht, dass diese Gleichung a b = 0 den Namen x der Unbekannten überhaupt nicht enthält, kann man sie aber, wie schon eingangs angedeutet, auch noch unter einen andern Gesichtspunkt bringen: man kann sie bezeichnen als Resultante der Elimination des x aus der ersten Gleichung a x + b x1 = 0 unsres Theorems.

So oft nämlich eine Gleichung oder überhaupt ein System von Propositionen gegeben ist, in welchen eine Gruppe x, y, von Sym -29*452Eilfte Vorlesung.bolen eventuell vorkommt ( eventuell , d. h. nicht notwendig durchaus, vielleicht sogar überhaupt nicht), und man leitet daraus durch logische Schlüsse solche (eventuell neue) Propositionen ab, welche jene Sym - bole x, y, nicht enthalten, in welchen deren Name gar nicht vor - kommt, so nennt man diese letztern Propositionen (sowol sie einzeln, als auch das System derselben) ein Ergebniss der Elimination von x, y, aus jenem gegebenen Propositionensystems . Man sagt: man habe die Symbole x, y, aus dem Systeme herausgeworfen oder eliminirt .

Es gibt hienach im Allgemeinen mehrere Eliminationsergebnisse für das nämliche Propositionensystem und in Bezug auf die nämlichen Symbole x, y, als zu eliminirende Gebiete oder Eliminanden .

In unserm Falle würde z. B. auch a b c = 0 ein solches sein, was immer c bedeuten mag.

Doch ist zu bemerken, dass man diejenigen von den durch die Elimination gewonnenen Propositionen, welche etwa sich als ana - lytische Propositionen herausstellen sollten, fallen lässt, und sie end - gültig, definitiv dem Eliminationsergebnisse nicht zuzuzählen pflegt aus dem Grunde, weil man sonst immer eine unbegrenzte Menge von nichtssagenden Propositionen mit in's Auge zu fassen hätte. So dürften beispielsweise die analytischen Propositionen 0 a, b 1, a b a, (a b) 1 = a1 + b1, etc. unserem Eliminationsergebniss a b = 0 nicht zugezählt werden, obwol auch sie sich als Aussagen über a, b darstellen, die x nicht enthalten. M. a. W.:

Gleichwie bei dem als Basis der Elimination dienenden Systeme von gegebenen Propositionen diese nur in Betracht kommen, sofern sie Relationen darstellen, dagegen beiseite zu lassen sein werden, so - bald sie etwa analytische Propositionen sein sollten, so fallen auch als Eliminationsergebnisse nur Relationen in's Gewicht.

Es ist nun eine gelegentlich sehr wichtige Frage, welche Rela - tionen etwa, unabhängig von den Werten der Symbole x, y, zwischen den übrigen im gegebenen Propositionensysteme vorkommenden Gebiet - symbolen bestehen werden, sobald dieses System gilt, m. a. W. welche Relationen diese übrigen Symbole erfüllen, zu einander eingehen müssen, damit das Propositionensystem überhaupt bestehen könne für irgend ein Wertsystem der Eliminanden.

Ein solches Eliminationsergebniss, durch welches diese Frage vollständig beantwortet wird (in sogleich noch näher präzisirtem Sinne), heisst das volle Eliminationsergebniss oder schlechtweg das Eliminationsresultat , und sofern es nicht als ein System von Rela -453§ 21. Auflösung und Elimination bei Gleichungen und Subsumtionen.tionen sich darstellt, vielmehr in eine einzige Relation zusammen - gezogen ist, auch die Resultante der Elimination Dass die An - wendung des bestimmten Artikels hiebei gerechtfertigt ist, wird dem - nächst erhellen.

Es bezeichne B kurz das als Basis der Elimination von x, y, gegebene System von Propositionen (und zwar Relationen), ebenso bezeichne R ein Eliminationsergebniss. Dasselbe wird hienach ein System von Relationen sein (oder auch eine einzige Relation), das aus B folgt, jedoch die in B (vielleicht) vorkommenden Symbole x, y, nicht enthält; R kann nur andere, in B ebenfalls vorkommende Symbole, wie a, b, enthalten (nebst vielleicht noch ganz neuen Symbolen, die auch in B nicht vorgekommen waren, wie es zum Bei - spiel unbestimmte Parameter sein würden).

Nach der beabsichtigten Erklärung ist R dann ein volles Eli - minationsergebniss zu nennen, wenn, sobald R erfüllt ist, es sicher mindestens ein Wertsystem von x, y, gibt, für welches auch B ·er - füllt sein muss.

Ist nun auch R ' ein volles Eliminationsergebniss in diesem Sinne, so erkennt man leicht, dass die beiden Ergebnisse R und R' logisch äquivalent sind, dass sie einander gegenseitig bedingen müssen: wann R erfüllt ist, wird auch R 'erfüllt sein und ebenso folgt um - gekehrt aus der Geltung von R' auch die von R; der Fall, dass zwar eines von den beiden Ergebnissen, aber nicht das andere, erfüllt ist, kann nicht vorkommen.

Denn wäre zum Beispiel R erfüllt, während R 'nicht erfüllt ist, so gäbe es aus dem erstern Grunde ein Wertsystem der x, y, für welches auch B erfüllt ist. Da für dieses nun also B gilt, so muss auch R' gelten, indem laut Voraussetzung R 'als ein Eliminations - ergebniss aus B folgte. Das Erfülltsein von R' widerspräche also der soeben gemachten Annahme seines Nichterfülltseins, welche hienach unzulässig war, zu verwerfen ist. Etc.

Wir sind darum berechtigt, R 'eine blosse Umschreibung von R zu nennen; zu sagen R und R' seien wesentlich dasselbe Eliminations - ergebniss vielleicht nur in verschiedenen Formen oder Ausdrucks - weisen. Wir dürfen R (sowie auch R ') als das Resultat der Elimi - nation schlechthin bezeichnen.

In dem besonderen Falle, wo das Propositionensystem B die Eli - minanden x, y, gar nicht enthalten sollte, wo von vornherein kein einziger von diesen in ihm vorkäme, ist leicht zu sehen, dass B selber das Resultat der Elimination von x, y, aus ihm sein muss; es fällt454Eilfte Vorlesung.dann mit R zusammen und ist seine eigene Eliminationsresultante. Denn erstens ist es ein Eliminationsergebniss, weil es x, y, nicht mehr (genauer: ohnehin nicht) enthält und doch aus B folgt , nämlich seine Geltung mit der von B gegeben ist (Wenn B gilt, so gilt B vergl. Prinzip I im Aussagenkalkul); und zweitens ist es das volle Ergebniss, indem, sobald es erfüllt ist, sonach B gilt, es auch Wert - systeme von x, y, geben muss, für welche B gilt , dann nämlich B ohnehin gelten muss, welche Wertsysteme man auch immer unter x, y, verstehen mag. Es versteht sich, dass in solchem Grenz - falle von Eliminiren nur in uneigentlichem Sinne zu sprechen ist, so - fern man Jemanden, der gar nicht da ist, auch nicht hinauswerfen kann.

Aber auch wenn B von vornherein die Eliminanden x, y, oder wenigstens einige derselben enthielt, kann es doch mit der Elimi - nationsresultant R logisch äquivalent sein und dies bildet noch eine zweite Art von besondern Fällen bemerkenswerten Charakters.

Trifft solches zu, sodass also nicht nur R aus B folgt, sobald B nur für irgend ein Wertsystem der x, y, erfüllt ist, schlechthin gilt, sondern auch, wenn R gilt, B unbedingt gelten muss, mithin gelten muss für jedes beliebige Wertsystem der Eliminanden x, y, , so sagt man, dass letztere von selbst aus B herausfallen . Dann kann ja in der That B durch R ganz und gar ersetzt werden.

Ist die volle Resultante zu einer Gleichung (Basis) nur eine ana - lytische, Formel oder Identität, wie 0 = 0, so wird man nach dem unter ε) Bemerkten auch sagen dürfen: die Gleichung liefere, oder habe, keine Resultante.

Zu allen diesen vorerst theoretisch als möglich erkannten Vor - kommnissen wird uns die Praxis Beispiele liefern.

Durch die Elimination entlastet sich der Geist, indem er auf seine Kenntnisse in Hinsicht der Eliminanden zeitweilig verzichtet, dieselben fallen lässt, von ihnen absieht, abstrahirt, jeweils von solchen Erkennt - nisselementen, welche für die Verfolgung bestimmter Erkenntnisszwecke unwesentlich, belanglos erscheinen und deren Beibehaltung also ihn hiebei nur als ein Ballast zu beschweren vermöchte.

ζ) Kehren wir nach diesen allgemeinen, nämlich auf jedes System von Propositionen, Aussagen und jede Gruppe von Symbolen anwend - baren (in gleicher Weise auch auf die Relationen der numerischen Mathematik übertragbaren) Betrachtungen, durch welche der Begriff des Eliminationsresultates festgelegt ist, zurück zu unserm Theorem 50+).

Hier wird in der That die Gleichung a b = 0 nun als die volle455§ 21. Auflösung und Elimination bei Gleichungen und Subsumtionen.Resultante der Elimination von x aus der Gleichung a x + b x1 = 0 zu bezeichnen sein, sintemal, wenn jene erfüllt ist, es nach β) auch immer Werte von x gibt welche diese erfüllen.

Die erste Gleichung des Theorems exemplifizirt das B, die zweite das R der obigen allgemeinen Betrachtungen.

Sollte die vereinigte Gleichung das x gar nicht enthalten, so wird sie, wenn wir a ihre linke Seite nennen, die Form a = 0 haben. Nach Früherem können wir ihr Polynom gleichwol nach x entwickeln , wodurch sie wird: a x + a x1 = 0, und wenn wir jetzt x wieder regelrecht eliminiren, so ergibt sich a a = 0 oder a = 0 als die Resultante somit in der That wiederum die ursprüngliche Gleichung in Bestätigung des oben Gesagten.

Ungeachtet der durchgängigen Übereinstimmung der Begriffe von Eli - mination , Resultante , Wurzeln und Auflösung in Bezug auf Glei - chungen des arithmetischen, wie auf Propositionen des identischen Kalkuls gestaltet sich die Anwendung dieser Begriffe in beiden Disziplinen doch sehr verschieden!

In der Arithmetik erweist sich das Eliminationsproblem sowol als das Auflösungsproblem in bestimmter Weise abhängig von der Anzahl der zur Verfügung stehenden ( von einander unabhängigen ) Gleichungen in ihrem Verhältniss zur Anzahl der zu eliminirenden, beziehungsweise als Unbe - kannte zu berechnenden Zahlgrössen. Im identischen Kalkul, in Bezug auf Gebiete, ist dieses, wie sich zeigte, durchaus nicht der Fall.

In der Arithmetik kann man aus einer Gleichung überhaupt nichts eliminiren sofern die Resultante wieder eine Gleichung werden soll. [Allerdings liesse sich z. B. im Gebiet der positiven Zahlen eine Unglei - chung, wie a > b, auch als die Resultante der Elimination des x aus der Gleichung a = b + x hinstellen.]

Man ist nicht im stande, aus einer (synthetischen) Gleichung eine andre abzuleiten, welche eine oder mehrere Buchstabenzahlen, die in der erstern vorkamen, nicht mehr enthält, wofern diese nicht nach den Regeln der Arithmetik von selbst aus ihr herausfallen.

Damit Elimination möglich sei, dürfen erstens die gegebenen Glei - chungen einander nicht widersprechen und muss zweitens die Anzahl der unabhängigen Gleichungen (d. h. solcher von welchen keine aus den übrigen folgt), um eins grösser sein als die Anzahl der Eliminanden.

Um eine Grösse zu eliminiren sind also in der Arithmetik mindestens zwei Gleichungen erforderlich, für n Grössen mindestens n + 1 Gleichungen.

Im identischen Kalkul kann schon aus einer Gleichung jedes beliebige Gebietsymbol eliminirt werden, und gleichwie eines, so auch mehrere nach - einander oder auch a tempo, auf einmal (eine Aufgabe die wir noch zu betrachten haben werden). Hier ist das Eliminationsproblem ganz allgemein lösbar. Aus jeder beliebigen Menge von Propositionen lässt sich eine be - liebige Gruppe von symbolen jederzeit eliminiren. Nur wird die Resul -456Eilfte Vorlesung.tante nicht immer eine Relation sein, sondern manchmal nur eine analytische Proposition, eine Identität.

Soll in der Arithmetik ein System von Gleichungen nach einem System von Unbekannten auflösbar sein, so darf die Anzahl der unabhängigen Gleichungen nicht grösser sein, als die Anzahl der Unbekannten und dürfen auch keine den andern widersprechende Gleichungen mit vorliegen.

Im identischen Kalkul darf sie beliebig gross sein.

Eine Ähnlichkeit zwischen beiden Disziplinen erblicken wir aber darin, dass hier wie dort das Auflösungsproblem nicht unbedingt, nicht in allen Fällen lösbar ist.

In der Arithmetik erscheinen durch die Gleichungen die Unbekannten nicht völlig bestimmt, sie bleiben teilweise willkürlich, die Auflösungen sind vieldeutige, jedenfalls dann, wenn (Auflösbarkeit vorausgesetzt) die An - zahl der Gleichungen kleiner ist, wie die der Unbekannten.

Im identischen Kalkul ist die Auflösung in der Regel eine mehrdeu - tige, auch schon bei einer Gleichung ersten Grades mit einer Unbekannten, und mit andern Problemen als mit einer Gleichung ersten Grades können wir hier zunächst überhaupt nicht zu thun haben.

η) Um für die Anwendungen das Th. 50+) sich einzuprägen, merke man (einerseits):

Die Resultante der Elimination eines Symbols, einer Unbekannten x, aus einer rechts auf 0 gebrachten links nach dieser entwickelten Glei - chung ergibt sich, indem man das Produkt der Koeffizienten von dieser Unbekannten und ihrer Negation gleich 0 setzt.

Man kann aber auf zwei Arten der Gleichung eine solche Form geben, dass die Elimination sich schon vollzieht, indem man ein - fach den Eliminanden und seine Negation ausstreicht, unterdrückt.

Einmal nämlich trifft dies zu, wenn man die linke Seite der Glei - chung als Produkt schreibt, sie in ihre letzten Faktoren zerlegt. So wird sie: (a + x1) (b + x) = 0 und unterdrückt man hier die zwei - ten Glieder der Binome, so ergibt sich in der That die Resultante: a b = 0.Ebenso trifft es zu, wenn man, die linke Seite wie früher entwickelt lassend, die Gleichung rechts auf 1 bringt vergl. Th. 32). Für a x + b x1 = 0 haben wir dann zu sagen: a1 x + b1 x1 = 1 und wird durch Löschen von x und x1 hier in der That entstehen: a1 + b1 = 1, eine Gleichung die mit der Resul - tante a b = 0 nach Th. 32 und 36) äquivalent ist.

Stellte man aber, während die Gleichung rechts auf 1 gebracht ist, zugleich auch die linke Seite als Produkt dar, schriebe man also:457§ 21. Auflösung und Elimination bei Gleichungen und Subsumtionen.(a1 + x1) (b1 + x) = 1, so träfe die letzte Regel nicht mehr zu, ebensowenig, wie es bei der ursprünglichen Form der Gleichung a x + b x1 = 0 der Fall war indem ja nach derselben fälschlich a1 b1 = 1, resp. a + b = 0 entstehen würde.

Ein bequemeres Eliminationsverfahren als das Fortlassen, Aus - löschen, die Tilgung der Eliminanden ist nun überhaupt nicht denkbar. *)Die Bemerkung ist wol, unter Leitung von Mr. Peirce, zuerst von Miss Ladd gemacht und von Mr. Mitchell noch weiter ausgedehnt worden.

Es ist deshalb bei Eliminationsaufgaben mitunter vorteilhaft zu operiren mit rechts auf 1 (anstatt auf 0) gebrachten Gleichungen (in - dem man links Aggregate, nach wie vor, Produkten vorzieht). Be - sonders wird dies auch noch aus einem andern Grunde: der Inter - pretation halber im Aussagenkalkul sich empfehlen.

03D1;) Lautet f (x) = 0 eine nach x aufzulösende Gleichung, so entsteht durch Entwickelung des Polynoms derselben nach x gemäss Th. 44+): f (1) · x + f (0) · x1 = 0 und ist daher: f (0) · f (1) = 0 die Resultante der Elimination von x und zugleich die Bedingung für die Auflösbarkeit der Gleichung nach x und für ihre mögliche Geltung.

Die Auflösung selbst würde heissen: x = f (0) · u1 + f1 (1) · u.

ι) Von praktischem Nutzen ist noch diese Bemerkung. Wir setzten beim Eliminiren bisher das Polynom der Gleichung als bezüglich des Eliminanden x (durch Entwickelung nach demselben) homogen gemacht voraus. Von dieser Voraussetzung ist es vorteilhaft, sich unabhängig zu machen. Ist nämlich: a x + b x1 + c = 0 die Gleichung, aus welcher x zu eliminiren ist, wo die linke Seite als nicht homogene lineare Funktion jetzt ein Absolutglied c enthält, so würde diese Gleichung, homogen gemacht, lauten: (a + c) x + (b + c) x1 = 0 und gäbe nach der Regel:458Eilfte Vorlesung.(a + c) (b + c) = 0 als die Resultante. Diese vereinfacht sich aber zu: a b + c = 0 oder c + a b = 0. Daher kann man merken: Das Absolutglied (Aggregat der Glieder welche x und x1 nicht zum Faktor haben) geht jeweils unverändert in die Resultante über; es braucht demselben nur noch das Produkt der Koeffizienten hinzugefügt zu werden, mit welchen x und x1 ursprüng - lich behaftet sind.

ϰ) Ist nun bei einer Gleichung a x + b x1 = 0 die Bedingung für ihre Zulässigkeit oder Auflösbarkeit, die Valenzbedingung für x oder Resultante seiner Elimination, erfüllt, so handelt es sich auch noch darum, den allgemeinsten Ausdruck für die Unbekannte oder Wurzel x der Gleichung jederzeit richtig herstellen zu können. Es ist zu dem Ende nicht praktisch, etwa nur die Formel x = b u1 + a1 u auswendig zu lernen, schon weil in einer solchen die für die Unbe - kannte (x), die Koeffizienten (a, b) und den Parameter (u) zugrunde gelegte Bezeichnung sehr häufig kollidirt, in Konflikt gerät, nicht stimmt mit denjenigen Bezeichnungen welche gegeben sind in den Pro - blemen auf die der Satz angewendet, für welche er verwertet werden soll. Es empfiehlt sich deshalb, dass man die durch die Formel der Auflösung (allerdings am kürzesten) ausgedrückte Regel sich oben - drein in Worten einpräge, und merke man darum (andrerseits):

Um nach einer Unbekannten eine Gleichung aufzulösen, nachdem dieselbe rechts auf 0 gebracht, links nach der Unbekannten entwickelt und als auflösbar erkannt ist, setze man die Unbekannte gleich der Negation ihres Koeffizienten multiplizirt mit einem unbestimmten Gebiete, plus dem Koeffizienten ihrer Negation mal der Negation dieses Gebietes.

Für die Gleichung a x + b x1 = 0, wo a b = 0 ist, hat man also die Wurzeln x, neben welchen auch deren Negation angegeben werden mag: ϰ) x = a1 u + b u1, x1 = a u + b1 u1, worin man wegen der Willkürlichkeit von u natürlich auch u und u1 hätte vertauschen können.

λ) Die Auflösungen lassen sich nun aber auch noch in folgenden Formen schreiben: λ) x = b + a1 u = a1 (b + u), x1 = b1 (a + u1) = a + b1 u1,459§ 21. Auflösung uud Elimination bei Gleichungen und Subsumtionen.welche dadurch bemerkenswert sind, dass sie ein Operationsglied weniger enthalten, mithin einfacher erscheinen.

Um zunächst diese beiden neuen Formen für x aufeinander zurückzu - führen, bemerke man, dass wegen a b = 0 hier b = 1 · b = (a + a1) b = a b + a1 b = 0 + a1 b = a1 b, oder auch rückwärts: a1 b = b sein muss; und ähnlich auch, dass a b1 = a.

Mit der vorhergehenden nach u homogenen Form x) bringt man so - dann die Darstellung λ), z. B. x = b + a1 u in Zusammenhang, indem man rechts nach u entwickelt, wodurch sich ergibt: x = b (u + u1) + a1 u = b u1 + (b + a1) u.

Nach Th. 33+) Zusatz ist aber jetzt b + a1 = a1 + a b = a1 + 0 = a1 wie denn überhaupt wegen a b1 oder b a1 hier: a b1 = a, a1 b = b, a1 + b = a1, a + b1 = b1 schon nach Anm. 2 zu Th. 43) folgt und erhalten wir die frühere Form x = b u1 + a1 u aus der letzten durch Einsetzung jenes Wertes a1 für b + a1. Umgekehrt erhält man aus dieser jene, indem man a1 durch das wegen a b = 0 ihm gleiche a1 + b ersetzt und darnach die Glieder mit b zusammenzieht, d. h. die eben vollzogene Umformung nun rückwärts ausführt.

μ) Nach allen in ihr vorkommenden Symbolen rechterhand ent - wickelt lautet unsre Lösung:

  • μ)
    • x = (a b + a1 b) u1 + (a1 b + a1 b1) u = a1 b u1 + (a1 b + a1 b1) u,
    • x1 = (a b1 + a1 b1) u1 + (a b + a b1) u = (a b1 + a1 b1) u1 + a b1 u,

wie sich aus ϰ) leicht nach Th. 44+) ergibt, am bequemsten aber direkt, indem man in ϰ) den einen (mit b nicht behafteten) Term mit b + b1 den andern (von a noch freien) Term mit a + a1 multiplizirt. Die Ausdrücke μ) könnten hinwiederum auch in:

  • ν)
    • x = a1 b + a1 b1 u = a1 (b + u b1),
    • x1 = a b1 + a1 b1 u1 = b1 (a + u1 a1)

zusammengezogen werden, wobei sie nach a, b noch entwickelt blieben.

ξ) Einen heuristischen Beweis, eine Herleitung , der die Auflösung leistenden Formel λ) somit auch ϰ) habe ich in meinem Opera - tionskreis2 gegeben wie folgt.

Soll a x + b x1 = 0 sein, während die Bedingung a b = 0 für den Bestand und die Auflösbarkeit dieser Gleichung erfüllt ist, so muss, wie schon unter 49+) erwähnt, für sich: a x = 0 und b x1 = 0 sein. Der ersten Forderung genügt man nach Th. 43) Zusatz auf die460Eilfte Vorlesung.allgemeinste Weise, indem man x = v a1 setzt, wo v ein unbestimmtes Gebiet bedeutet. Darnach folgt dann x1 = v1 + a, b x1 = b v1 + a b = b v1 + 0 = b v1 und um nun auch noch die zweite Forderung zu erfüllen, braucht man nur mehr v1 so zu bestimmen, dass b v1 = 0 ist. Darnach folgt in gleicher Weise: v1 = w b1, v = w1 + b, wo w1 ebenso, wie ursprünglich w, ein unbestimmtes Gebiet vorstellt. Hiermit ist gefunden: x = (w1 + b) a1 und dies ist die eine der unter λ) für die Lösung angegebenen For - men, wenn man noch den Namen w1 des unbestimmt bleibenden Ge - bietes durch den Namen u ersetzt. Für dieses x = a1 (u + b) stimmt nun, wie schon (indirekt) erkannt (und auch wieder direkt leicht nach - weisbar wäre) die Probe: es erfüllt die aufzulösende Gleichung bei beliebigem u.

Das Ergebniss muss darnach die vollständige Auflösung darstellen. Denn jede Wurzel x der Gleichung muss wie erkannt diese Form haben, und jedes x von dieser Form ist eine Wurzel der Gleichung.

Übrigens ist zu bemerken, dass unser Th. 50+) obwol in den vor - liegenden Gestalten erst von mir ausgesprochen, hergeleitet und bewiesen, im Grunde doch nichts anderes ist, als das Haupttheorem im Boole'schen Werke4, nur gereinigt von allen arithmetischen Beimengungen und von der spezielleren Boole'schen mitausgedehnt über die allgemeinere Je - vons'sche Addition, demgemäss auch nicht unerheblich vereinfacht.

Im Gegensatz zu noch andern eventuell zu besprechenden Methoden zur Bewältigung des Auflösungs - und Eliminationsproblemes werde ich da - her die auseinandergesetzte (nach einem auch schon von andern Seiten vor - liegenden Vorgange) die von mir modifizirte Boole'sche Methode nennen ( Boole's method, as modified by Schröder ). Bezüglich dessen unmodi - fizirter Methode vergleiche § 25, Ende.

ο) Beabsichtigen wir Anwendungen des Theorems 50+) im Klassen - kalkul, so muss noch näher erwogen werden, wie daselbst der unbe - stimmte Parameter u zu interpretiren, wie also die Formel der Auflösung: x = b u1 + a1 u oder x = b + u a1 in der Wortsprache darzustellen sein wird.

Jene Formel unmittelbar in diese zu übertragen, gemäss den in § 8 und 16 erörterten Regeln, erscheint misslich, in Anbetracht, dass u allemal einen unbestimmten Bruchteil: nichts, oder einiges (etwas), oder das ganze (alles) von der mit ihm multiplizirten Klasse heraus -461§ 21. Auflösung und Elimination bei Gleichungen und Subsumtionen.schneiden wird. Ein Ausdruck wie: was b und nicht etwas Gewisses oder auch nicht a aber gleichzeitig jenes Gewisse ist entbehrt doch wol der wünschenswerten Durchsichtigkeit. Auch passen Subsumtionen sich bequemer der Wortsprache an, als wie Gleichungen.

Dem Mangel wird leichtlich abgeholfen, indem man auf die Form 49+) des Theorems 50+) zurückgeht.

Jenes Theorem statuirte, dass die Gleichung a x + b x1 = 0 auch äquivalent ist dem Paare der Subsumtionen: b x und x a1, oder noch einfacher geschrieben der Doppelsubsumtion: b x a1.

Demnach werden die beiden zusammengültigen Aussagen: Alle b sind x, und kein x ist a mit Worten die Auflösung der Gleichung a x + b x1 = 0 nach der Un - bekannten x leisten.

In der That erscheint in diesen Aussagen die Unbekannte x auf der einen Seite, als Prädikat resp. Subjekt einer Subsumtion, isolirt, während auf deren andrer Seite nur bekannte Terme, gegebene Klassen stehen und dieses muss als das Charakteristikum der Auflösung für die Wortsprache angesehen werden.

Auch wenn wir eine Gleichung für die Wurzel haben wir mögen sie für den Augenblick kurz mittelst x = c darstellen könnte die - selbe ja mit Worten nur in Gestalt der beiden Subsumtionen c x und x c vergl. Def. (1) der Gleichheit ausgedrückt werden, welche wesentlich von dem eben beschriebenen Charakter sind. [Diese würden sich auch wieder in eine Doppelsubsumtion c x c, oder auch x c x, zusammenziehen lassen.]

Allerdings wäre hier die andre Seite, das aus den bekannten Klassen zusammengesetzte Subjekt oder Prädikat der Subsumtionen, beidemal das nämliche: c, was vorhin nicht der Fall war. Es wird sich aber im Hinblick auf den obigen Satz 49+) oder ο) empfehlen, bei dem Begriff der verbalen Auflösung von dieser Anforderung Umgang zu nehmen, ja den Begriff der Auflösung überhaupt eben dadurch zu erweitern.

Zu demselben Ergebnisse kann man auch von den Formeln ϰ) oder λ) aus, d. h. auf dem Umwege über diese Darstellungen der Wurzeln, ver - mittelst des Theorems 48) gelangen.

Darnach in der That muss x = b u1 + a1 u zwischen dem Produkte und der Summe seiner Koeffizienten liegen, und sich in Gestalt von:462Eilfte Vorlesung.π) x = a1 b + w (a1 + b) auch darstellen lassen vergl. Th. 47), zweite Form; m. a. W. die Glei - chung ist äquivalent dem Subsumtionenpaare: a1 b x, x a1 + b. Wegen a b = 0 haben wir aber, wie bereits gezeigt: a1 b = b und a1 + b = a1, also wieder b x a1, q. e. d.

Ebenso sieht man dem Ausdruck x = b + u a1 augenblicklich an, dass er zwischen b und b + a1 irgendwie gelegen, welches letztere sich aber da, wo a b = 0 ist, in a1 selbst zusammenzieht. *)In den Formen b x a1 + b habe ich in meinem Operationskreis die Lösung bei den Boole'schen Problemen jeweils mit Worten gedeutet, jedoch dieses Schema selbst als eine auf die Interpretation bezügliche Bemerkung vergl. p. 24 dort nicht mitgeteilt, da ich mich in jener Schrift immer nur der Gleichheitszeichen bediente. Ich wüsste demnach kaum zu sagen, wem nun das Th. 49+) eigentlich zuzuschreiben wäre. Von spätern Schriftstellern kommt ihm McColl am nächsten, indem er nach seiner in § 27 dargelegten Methode die Lösung in Gestalt der beiden Subsumtionen: b x, a x1 gewinnen müsste.

ϱ) Es erübrigt, dass wir uns noch vollends über die Determina - tion des Auflösungsproblems orientiren, vor allem, dass wir uns über die Frage klar werden, wann die Gleichung nur eine Wurzel besitzt, wann dagegen mehrere; in welchen Fällen sie gar keine Wurzel hat, wurde bereits festgestellt.

Wenn ein Gebiet x durch eine gegebene Gleichung a x + b x1 = 0 ausschliesslich bestimmt ist, wenn an x keine andern Anforderungen gestellt werden, als dass es eben diese Gleichung erfülle, m. a. W. wenn x geradezu definirt erscheint als die Wurzel dieser Gleichung, dann bleibt in unsrer Formel für die Auflösung: x = a1 u + b u1, das unbestimmte Gebiet u vollkommen beliebig oder arbiträr.

Die Wurzel x ist dann in der Regel nicht ein Gebiet, sondern kann man sagen eine ganze Klasse von Gebieten, die sich eben aus unsrer Formel ergeben, indem man dem u alle möglichen Bedeu - tungen (in der Mannigfaltigkeit der Gebiete) beilegt.

σ) Je nachdem die Werte der gegebenen Koeffizienten a, b be - schaffen sind, kann indess auch der Fall eintreten, dass alle Werte dieser Klasse zusammenfallen, sich auf einen einzigen reduziren.

463§ 21. Auflösung und Elimination bei Gleichungen und Subsumtionen.

Sicher tritt dies, weil nach Th. 49+) x zwischen b und a1 gelegen, ein, wenn b = a1, somit auch a = b1, ist, oder, da diese Bedingung, rechts auf 0 gebracht, als a b + a1 b1 = 0 sich darstellt, wenn nicht nur die Auflösbarkeitsbedingung a b = 0, sondern auch daneben noch die Bedingung a1 b1 = 0 erfüllt ist.

Wir haben in diesem Falle: x = a1 b = b = b + a1 = a1 als die einzige Wurzel der aufzulösenden Gleichung, deren verschiedene Ausdrucksformen der Leser mit Rücksicht auf die angeführten Rela - tionen, soweit es nicht bereits geschehen, leicht auf einander zurück - führen wird. In der That fällt dann aus allen Formeln für die Wurzel x das unbestimmte Gebiet u von selbst heraus, wie auch direkt bei einer jeden von ihnen am leichtesten bei ν) zu sehen ist.

Jene Bedingung b = a1 ist aber nicht nur hinreichend für das Zusammenfallen sämmtlicher Wurzeln, sondern auch notwendig für dieses. Soll nämlich x = b u1 + a1 u unabhängig sein von u, so muss es insbesondre für u = 0 auch denselben Wert annehmen wie für u = 1, d. h. es muss b = a1, sonach da a b ohnehin = 0 ist, auch a1 b1 = 0 sein. Also:

Notwendige und hinreichende Bedingung dafür, dass die Gleichung eine und nur eine Wurzel habe ist: dass die Koeffizienten Negationen von einander seien. *)Man könnte auch sagen: a1 b1 = 0 ist die Bedingung dafür, dass nicht mehr als eine Wurzel, sowie a b = 0 die Bedingung dafür, dass nicht weniger als eine (dass nicht gar keine) Wurzel existire.

Ihre Wurzel ist dann eindeutig bestimmt, die Unbekannte näm - lich gleich dem Koeffizienten ihrer Negation (oder der Negation ihres Koeffizienten) in der Gleichung.

Für diesen Fall kommt in der That die Gleichung a x + a1 x1 = 0 oder b1 x + b x1 = 0 nach Th. 39) auch direkt auf x = a1 = b hinaus.

In jedem andern Falle ist die Wurzel durch die Gleichung nicht vollkommen bestimmt, vielmehr die Auflösung (unendlich) vieldeutig ( unendlich nur in dem Falle nicht, wo die Klasse, das Gebiet a1 b aus einer begrenzten Menge von Individuen, Punkten bestünde).

τ) Wir erwähnten bereits, wann u arbiträr bleiben wird.

464Eilfte Vorlesung.

Sobald hingegen ausser der Gleichung a x + b x1 = 0 über x noch anderweitige Information vorliegt, so wird die Variabilität von u ge - wissen Einschränkungen unterliegen.

Erledigen wir noch die Frage, welche Werte dem u zugeteilt wer - den dürfen, wenn x einen bekannten Wert hat oder einen gegebenen Wert erhalten soll, der jedoch immerhin der Gleichung a x + b x1 = 0 genügt.

Die Antwort ergibt sich, indem man unter letzterer Voraussetzung die Gleichung b u1 + a1 u = x nach der Unbekannten u auflöst. Zu dem Ende hat man diese Gleichung rechts auf 0 zu bringen cf. Th. 39) und 46): x (b1 u1 + a u) + x1 (b u1 + a1 u) = 0, links nach u zu ordnen: (a x + a1 x1) u + (b1 x + b x1) u1 = 0 und nunmehr das Th. 50) selbst anzuwenden.

Als Resultante der Elimination des u ergibt sich: (a x + a1 x1) (b1 x + b x1) = a b1 x + a1 b x1 = 0, und ist diese wegen der vorausgesetzten Relationen a x = 0 und b x1 = 0 von selbst erfüllt. Darnach berechnet sich: u = (b1 x + b x1) v1 + (a1 x + a x1) v, u1 = (b x + b1 x1) v1 + (a x + a1 x1) v, wo nun v ein arbiträres Gebiet bleibt.

Machen wir mit diesen Ausdrücken die Probe der Auflösung, von der nicht ganz leicht zu sehen ist, dass sie wirklich stimmt.

Zunächst ist zu bemerken, dass man durch Tilgung der Terme a x und b x1 schon die aufzulösende Gleichung hätte vereinfachen kön - nen zu: a1 x1 u + b1 x u1 = 0, und dass ebenso bei u der zweite, bei u1 der dritte von den vier Ter - men in Klammer wegfällt.

Indem man diese vereinfachte Gleichung gemäss Th. 50) nach der Unbekannten u auflöste, ergäben sich für u und u1 die noch ein - facheren Ausdrücke: υ) u = b1 x v1 + (a + x) v, u1 = (b + x1) v1 + a1 x1 v welche auch aus den vorigen durch einen Kunstgriff ableitbar, indem man z. B. oben bei u in der zweiten Klammer den Term a x, der ja 0 ist, zufügt und Th. 33+) anwendet.

Nun wird: a1 u + b u1 = a1 b1 x v1 + a1 x v + b v1 + a1 b x1 v, von welchem Ausdruck wir einzusehen haben, dass er (bei beliebigem v) gleich x sein muss.

465§ 21. Auflösung und Elimination bei Gleichungen und Subsumtionen.

Wegen b x1 = 0 fällt zunächst der letzte Term fort, und für den vor - letzten können wir ebendeshalb schreiben: b v1 = b v1 (x + x1) = b v1 x + v1 b x1 = b v1 x + 0 = b v1 x. Alsdann tritt x als gemeinsamer Faktor heraus, und sein Koeffizient wird: (a1 b1 + b) v1 + a1 v = (a1 + b) v1 + a1 v = (a1 + a b) v1 + a1 v = a1 v1 + a1 v = a1, da ja a b = 0 ist.

Hiemit ist denn gefunden: a1 u + b u1 = a1 x, und bleibt nun blos noch in Betracht zu ziehen, dass wegen a x = 0 in der That: a1 x = a1 x + a x = (a1 + a) x = 1 · x = x sein muss.

Die Probe mit den Ausdrücken υ) stimmte also für jede Bedeutung von v.

Der Parameter u der Auflösung x = a1 u + b u1 unsrer Gleichung a x + b x1 = 0 ist hienach bei gegebenem x im Allgemeinen weder voll - kommen beliebig noch vollkommen bestimmt. Vielmehr ist aus den Dar - stellungen υ) für denselben zu ersehen, dass er zwischen b1 x und a + x liegen muss, in Formeln, dass: φ) b1 x u a + x und dazwischen kann er auch jeden Wert zugeteilt erhalten, wie man durch Anwendung des Th. 47) auf die Funktion, welche u hier von v ist, erkennt.

χ) Völlig beliebig könnte bei gegebnem x der Parameter u nur wer - den, wenn b1 x = 0 und a + x = 1 wäre. Bilden wir aber aus diesen Relationen und der vorausgesetzten a x + b x1 = 0 die vereinigte Gleichung, so erhalten wir: (a + b1) x + (a1 + b) x1 = 0, woraus durch Elimination von x entsteht: (a + b1) (a1 + b) oder a b + a1 b1 = 0, d. h. a = b1, sowie b = a1, womit wir auf den schon unter σ) behandelten Fall verwiesen werden, in welchem die Wurzel x vollkommen bestimmt war.

ψ) Völlig bestimmt könnte dieser Parameter u nur sein, wenn b1 x = a + x, d. h. a1 x1 · b1 x + (a + x) (b + x1) = 0, oder a x1 + b x = 0 noch wäre, im Ganzen also, d. h. im Verein mit der ursprünglichen Gleichung, wenn: a x + b x1 + a x1 + b x = 0, oder (a + b) (x1 + x) = a + b = 0, mithin sowol a = 0, als b = 0 wäre.

Schröder, Algebra der Logik. 30466Eilfte Vorlesung.

In diesem Falle würde durch die aufzulösende Gleichung: 0 · x + 0 · x1 = 0 offenbar x vollkommen unbestimmt gelassen, und müsste in der That u = x selbst genommen werden, falls hier die Formel x = b u1 + a1 u = 0 · u1 + 1 · u noch die Auflösung darstellen sollte.

Augenscheinlich ist jedoch dieser Fall nur ein Grenzfall von sehr spe - ziellem Charakter und untergeordneter Wichtigkeit, der wol kaum besonders gemerkt zu werden braucht.

ω) Jedenfalls ist, wie aus φ) nochmals und schon aus γ) ersicht - lich, die Annahme u = x selber für den unbestimmten Parameter ge - nügend, um einen gegebenen Partikularwert x aus dem allgemeinen Aus - druck der Wurzeln hervorgehen zu lassen.

§ 22. Fortsetzung, auch für mehrere Unbekannte.

Nachdem vorstehend das Auflösungs - sowie das Eliminationspro - blem für eine Unbekannte erledigt ist (insoweit als gegebene Propo - sitionen nur Subsumtionen und Gleichungen in Betracht kommen), fassen wir den Fall in's Auge, wo mehrere Unbekannte vorliegen.

Diese werden, wenn sie in einem Propositionensysteme vorkamen, in der Regel auch in dessen vereinigter Gleichung auftreten. Wenn nicht so fallen sie aus dem System von selbst heraus, da mit diesem ja die vereinigte Gleichung logisch äquivalent ist. Wird diese stehen bleibende Gleichung sich als falsch herausstellen, so war das ganze Auflösungsproblem unmöglich; andernfalles aber bleiben die herausfallenden Unbekannten vollkommen unbestimmt, und, sofern nicht noch anderweitige Bestimmungen für sie hinzutreten, willkürlich. Es bleibt dann nur noch die Frage nach den Wertsystemen der nicht herausfallenden Unbekannten zu beantworten.

Seien x, y, z, die in der vereinigten Gleichung auftretenden Unbekannten. So wird die linke Seite derselben sich nach jeder ein - zelnen von diesen, sowie nach allen zusammen entwickeln lassen.

Man kann nach der (vollständigen) Resultante der Elimination irgend einer von ihnen, oder einer Gruppe derselben, oder auch von allen miteinander fragen.

Hier gilt nun der Satz:

Zusatz 1 zu Th. 50). Die Resultante der Elimination sämtlicher Unbekannten wird erhalten, indem man das Produkt der Koeffizienten467§ 22. Fortsetzung, auch für mehrere Unbekannte.des nach denselben entwickelten Polynoms der Gleichung gleich 0 setzt. [Ausdehnung von η) des § 21.]

Wir beweisen den Satz zunächst für irgend zwei Unbekannte x, y. Nach diesen entwickelt hat die Gleichung die Form:

  • α) a x y + b x y1 + c x1 y + d x1 y1 = 0,

oder nach x geordnet:

  • β) (a y + b y1) x + (c y + d y1) x1 = 0,

desgleichen nach y geordnet:

  • γ) (a x + c x1) y + (b x + d x1) y1 = 0,

wobei die Koeffizienten a, b, c, d nun noch die übrigen Unbekannten z, als Argumente enthalten können.

Eliminirt man x allein, so kommt nach schon bekannter Regel:

  • β ') (a y + b y1) (c y + d y1) = 0 oder a c y + b d y1 = 0,

und wenn hieraus jetzt y eliminirt wird: a c b d = 0.

Eliminirte man aber zuerst y, so käme

  • γ ') (a x + c x1) (b x + d x1) = 0 oder a b x + c d x1 = 0

woraus durch Elimination von x entsteht: a b c d = 0 das ist wesentlich dasselbe wie vorhin.

δ) Es ist also zunächst gleichgültig, ob man erst x, dann y, oder ob man erst y, dann x eliminirt.

Die gefundene Relation a b c d = 0 muss nun aber auch die volle Resultante bei Elimination des Paars von Gebieten x, y sein. Denn wenn sie erfüllt ist, so gibt es jedenfalls (mindestens) ein Gebiet x, welches die vorhergehende Gleichung erfüllt vergl. δ) des § 21). Weil diese aber die Resultante der Elimination von y aus der ersten Gleichung vorstellte und somit (für das gedachte x) erfüllt ist, so gibt es (zu diesem) nun auch ein y, welches die erste Gleichung erfüllt. Sonach gibt es, sobald die Relation a b c d = 0 erfüllt ist, sicherlich ein Wertepaar von x, y, für welches die ursprüngliche Gleichung rich - tig wird, d. h. diese Relation ist die (volle) Resultante der Elimina - tion von x und y zugleich.

In dieser Weise kann man weiter schliessen. Bezüglich dreier Unbekannten x, y, z entwickelt hat die Gleichung die Form: a x y z + b x y z1 + c x y1 z + d x y1 z1 + e x1 y z + f x1 y z1 + g x1 y1 z + h x1 y1 z1 = 0 und gibt die Elimination von z:30*468Eilfte Vorlesung.(a x y + c x y1 + e x1 y + g x1 y1) (b x y + d x y1 + f x1 y + h x1 y) = 0, oder: a b x y + c d x y1 + e f x1 y + g h x1 y1 = 0. Hieraus aber folgt durch Eliminiren von y nebst x nach der vorstehend schon bewiesenen Regel sogleich: a b c d e f g h = 0, und dasselbe würde (nur mit umgestellten Faktoren) sich auch er - geben haben, hätte man zuerst x nebst y, hernach z eliminirt.

Man schliesst nun, wie vorhin, dass diese Relation die volle Re - sultante der Elimination von x, y, z sein muss. Denn ist sie erfüllt, so gibt es mindestens ein Wertepaar von x, y, für das die vorher - gehende Gleichung und zu diesem dann auch einen z-Wert, zusammen also ein Wertetripel von x, y, z, für welches die erste Gleichung er - füllt ist.

Man könnte auch zuerst z und y auf einmal eliminiren; so er - gäbe sich: (a x + e x1) (b x + f x1) (c x + g x1) (d x + h x1) = 0 oder a b c d x + e f g h x1 = 0, woraus dann durch Elimination des x wiederum dieselbe Resultante folgte desgleichen, falls man etwa in umgekehrter Ordnung erst x, hernach y und z miteinander eliminirte.

ε) Es ist also auch gleichgültig, ob man die Gruppe x, y und ausserdem z, oder ob man x für sich, und die Gruppe y, z auf einmal eliminirt.

Man sieht: das Eliminiren von Symbolen ist in Bezug auf diese nach δ) eine kommutative und nach ε) auch eine assoziative Operation.

Wollte man vollkommen gründlich sein, so hätte man auf die - selbe alle in Anhang 3 über die Multiplikation angestellten Betrach - tungen zu übertragen ähnlich, wie dies auch in Bezug auf das Entwickeln der Fall war vergl. § 19 Zus. 1 zu Th. 44). Und diese Übertragung unterläge auch nicht der geringsten Schwierigkeit, indem die erwähnten Betrachtungen einfach Geltung behalten, falls man nur unter a b, anstatt ein Produkt, vorübergehend versteht: das Ergebniss einer Elimination von a, b aus irgend einer bestimmten Elimina - tionsbasis resp. der Entwickelung nach a, b von irgend einer be - stimmten Funktion.

Aber auch schon darum, weil in unsrer resultirenden Relation keine Unbekannte hinsichtlich ihres Koeffizienten (oder desjenigen ihrer469§ 22. Elimination von mehreren Unbekannten.Negation) bevorzugt erscheint (desgleichen keine Gruppe von Unbe - kannten und Negationen solcher, kein Konstituent der Entwickelung), m. a. W. schon aus der Symmetrie dieser Relation (in Bezug auf die den verschiedenen Konstituenten zugeordneten Koeffizienten) ist zu er - sehen, dass die Reihenfolge und Gruppirung, in welcher die Eliminan - den beseitigt werden, dass die ganze Anordnung des Eliminations - prozesses gleichgültig sein muss für die zu erwartende Resultante. Genauer:

Zusatz 2 zu Th. 50). Es ist für das Ergebniss ohne Belang, in welcher Reihenfolge man aus einer Gleichung die verschiedenen Unbekannten, sei es einzeln, sei es in beliebigen Gruppen eliminirt, auch einerlei, in welchen Gruppen, und ob man sie successive oder ob man sämtliche Un - bekannte auf einmal eliminirt.

Da das Entwickeln nach vielen Symbolen zugleich S. 416 eine er - müdende Operation ist, bei welcher leicht auch Versehen mitunter - laufen, so wird man behufs Elimination einer Gruppe von solchen am besten so verfahren, dass man erst eine Unbekannte allein eliminirt, z. B. x. Die Resultante wird nur noch die übrigen Unbekannten y, z, enthalten. Aus dieser wird man hernach eine zweite von den Unbekannten eliminiren, z. B. y, aus der so gewonnenen neuen Resul - tante eine dritte z, und so weiter fortschreitend nach und nach die sämtlichen Unbekannten.

ζ) Auf Grund des Zusatzes 1 zu Th. 50) wäre in Erweiterung der unter η) des § 21 gemachten Bemerkungen leicht zu zeigen, dass wenn die vereinigte Gleichung rechterhand auf 1 gebracht ist, auch hier (bei beliebig vielen Eliminanden) wieder die Resultante erhalten wird, indem man einfach die Konstituenten des nach den Eliminanden entwickelten Polynoms der Gleichung (mithin diese Eliminanden selbst samt ihren Negationen) durchweg auslöscht.

War z. B. f (x, y) = 0 die Gleichung nach zweien von den Unbekannten entwickelt, so wird sie nun f1 (x, y) = 1 oder a1 x y + b1 x y1 + c1 x1 y + d1 x1 y1 = 1, und gibt durch Ausstreichen der Konstituenten: a1 + b1 + c1 + d1 = 1, was mit a b c d = 0 äquivalent ist. Etc.

η) Anmerkung zum Zusatz 2 des Th. 50).

Im Gegensatz zu vorstehendem ist es aber nicht gleichgültig, wel - ches Verfahren man beim Eliminiren einschlägt in folgender Hinsicht.

470Eilfte Vorlesung.

Hat man ein System von Propositionen (wir können ohne Beein - trächtigung der Allgemeinheit sagen: Gleichungen, da sich ja auch die Subsumtionen stets als Gleichungen darstellen liessen) also: Hat man ein System von Gleichungen, so kann man ein Symbol (oder auch eine Gruppe von solchen) aus diesen, indem man sie getrennt lässt mithin aus jeder Gleichung für sich eliminiren und schliesslich die Resultanten zu einem einzigen Ausspruch zusammenfassen.

Oder man kann auch die Gleichungen des Systems zuerst in eine einzige zusammenziehen und aus dieser vereinigten Gleichung als - dann das Symbol (resp. die gedachte Gruppe der Symbole) eliminiren.

Auf letzterem Wege ergab nach unsern Regeln sich die volle Re - sultante der Elimination.

Auf dem erstern Wege jedoch erhält man im Allgemeinen ein weniger umfassendes Resultat, zwar wol ein richtiges, aber nicht das volle Eliminationsergebniss wie dies schon an einfachen Beispielen nachweisbar ist.

Wird z. B. das Symbol x aus den beiden Gleichungen des Systems: a x + b x1 = 0, c x + d x1 = 0 einzeln eliminirt, so lautet die vereinigte Gleichung der beiden Er - gebnisse: a b + c d = 0 geradeso, wie sie auch lauten würde, wenn man aus den Gleichungen: a x + b x1 = 0, c y + d y1 = 0 das Paar x, y eliminirt hätte. [Offenbar kam hiebei nicht zur Gel - tung, nicht zum Ausdruck, dass die Unbekannte y der zweiten Glei - chung die nämliche sein sollte, wie die der ersten, dass beide Gleichun - gen für denselben Wert des Eliminanden erfüllt seien.]

Dagegen ist die Resultante der Elimination von x aus der ver - einigten Gleichung: (a + c) x + (b + d) x1 = 0 (von jenen) nun: (a + c) (b + d) = a b + a d + b c + c d = 0 sonach umfassender als das vorige Eliminationsergebniss, indem sie, ausser a b = 0 und c d = 0, auch noch besagt was daraus allein nicht folgen würde dass auch a d = 0 und b c = 0 sein muss!

Behufs Gewinnung des vollen Eliminationsergebnisses muss man also erst vereinigen, dann eliminiren.

Gegen diese Vorschrift kann man freilich zuweilen auch ohne Schaden sündigen im obigen Exempel insbesondre dann, wenn die dabei ver -471§ 22. Elimination von mehreren Unbekannten.lornen Terme von selbst oder analytisch verschwinden, wie dies z. B. ein - treten würde, wenn sich a d als von der Form α β1 · α1 β und c d als von der Form α β · α1 β1 oder vielleicht γ δ · ε δ1, und dergleichen, herausstellte.

Es haben durch solchen Verstoss einzelne meiner amerikanischen Mit - arbeiter auf dem Feld der logischen Algebra bei der Behandlung spezieller Aufgaben einen Vorsprung vor mir gewonnen, indem sie allerhand Weit - läufigkeiten des Druckes ersparten und mit einfacherem Formelansatz zum Ziel kamen, als wenn sie nach den von mir empfohlenen Schemata streng systematisch zuwerke gegangen wären. Solchen Vorsprung muss ich aber als einen illegitimen bezeichnen, sofern sich die dabei befolgte Taktik bei andern Gelegenheiten rächen müsste.

Durch die vorstehenden Überlegungen wurde das Eliminations - problem für eine beliebige Menge von Eliminanden erledigt.

ϑ) Es frägt sich noch, wie das Auflösungsproblem bei einer Mehr - zahl von Unbekannten sich gestaltet.

Im Gegensatz zur numerisch rechnenden Mathematik muss das Problem der Auflösung eines Propositionensystems nach mehreren ebenso wie schon nach einer Unbekannten allemal mit der Elimination eben - dieser Unbekannten verbunden werden in der Art, dass diese Elimina - tion der eigentlichen Auflösung jeweils vorauszuschicken ist. Und ferner scheint das Auflösen nach mehrern Unbekannten für die Logik nicht die entsprechende Wichtigkeit zu besitzen, wie für die Arith - metik.

Die Unbekannten mögen x, y, z, heissen. Eliminirt man (aus der vereinigten Gleichung des Problemes) sie sämtlich z. B. succes - sive in der umgekehrten Ordnung als wie sie angegeben sind so ergibt sich als Resultante eine Gleichung, in der nur noch bekannte Gebiete 0, 1, a, b, c, d, vorkommen werden.

Die Resultante R = 0 möge sie heissen kann eine analy - tische Identität sein, wie es namentlich der Fall sein wird, wenn sie auf die Gleichung 0 = 0 sich zusammenzieht, während auch umge - kehrt, nachdem sie rechts auf 0 gebracht ist, die linke Seite R der - selben auf Grund der Regeln des Kalkuls dann ebenfalls identisch 0 sein wird. In diesem Falle wird die Aufgabe der Berechnung von x, y, z, unbedingt lösbar sein für alle denkbaren Wertsysteme der Parameter oder Symbole a, b,

Oder aber: die Resultante R = 0 ist selbst eine synthetische Glei - chung, eine Relation.

Ist dieselbe von den gegebenen Symbolen a, b, nicht erfüllt, in - dem sich für ihre linke Seite R eben ein gemäss den Voraussetzungen des Problems von 0 verschieden zu denkender Wert herausstellt (und472Eilfte Vorlesung.wie es namentlich vorliegen wird, sobald die Resultante etwa auf die Gleichung 1 = 0 sich zusammenzieht), so wird unsre Aufgabe unlös - bar, unmöglich sein, nicht etwa, weil man alsdann die Werte der Un - bekannten nicht sollte zu entdecken vermögen, sondern weil es dann gar keine solchen Werte geben kann, welche die aufzulösende Glei - chung erfüllen.

Ist dagegen die resultirende Relation R = 0 von den gegebenen Gebieten a, b, erfüllt, so ist die Aufgabe lösbar, die Auflösung mög - lich, und kann man alsdann gleichwie im ersten Falle schreiten zur Ermittelung der Wurzeln , d. h. der (aller derjenigen) Wertsysteme, welche für x, y, z, eingesetzt die vereinigte Gleichung erfüllen.

ι) Häufig sind auch die Parameter a, b, c, nicht speziell gegeben, sondern selbst noch unbestimmte, als gegeben blos zu denkende Gebiete; sie werden etwa, da man in der Wissenschaft sogleich möglichst allgemeine Probleme zu lösen bestrebt ist, uns allgemeine Gebiete von vornherein vor - zustellen haben.

In solchem Falle kann man nach der gleichen Methode, die wir hin - sichtlich x, y, z, noch auseinanderzusetzen haben, die Parameter a, b, zuerst selbst als Unbekannte so bestimmen, dass sie jene Resultante R = 0 auf die allgemeinste Weise befriedigen. Alsdann ist in der That auch kein Unterschied mehr vorhanden zwischen gegebenen und gesuchten Gebieten; wir mögen dann sämtliche Buchstabengebiete, welche in die vereinigte Glei - chung eingehen, gleichmässig als Unbekannte bezeichnen und erlangen den Vorteil, dass das Auflösungsproblem nun stets lösbar wird, sofern die Gleichung nicht geradezu auf die Absurdität 1 = 0 hinausläuft.

Denken wir uns nämlich alle Buchstaben eliminirt, bis auf einen a, so kann die Resultante nur eine von folgenden vier Formen haben: 0 · a + 0 · a1 = 0, d. h. 0 = 0, wo a dann unbestimmt bleibt, 1 · a + 0 · a1 = 0, wo dann a = 0 sich bestimmt, 0 · a + 1 · a1 = 0, d. h. a1 = 0, wo sich a = 1 bestimmt, 1 · a + 1 · a1 = 0, d. h. 1 = 0, was (für jedes a) unmöglich in Anbetracht, dass ja ausser a keine Buchstaben mehr in der Resul - tante vorkommen werden, sonach das Polynom der letztern, nach a ent - wickelt, als Koeffizienten nur 0 oder 1 aufweisen kann.

Im ersten Fall war die Resultante als eine analytische Gleichung er - füllt, hier fiel a mit den übrigen Buchstaben von selbst heraus und bleibt es willkürlich.

Im zweiten und dritten Falle erwies sich a (= 0 oder aber 1) als absolut bestimmt; man wird diesen seinen ermittelten Wert in die ver - einigte Gleichung einsetzen unter Vereinfachung derselben in der dadurch bedingten Weise, und wird es fortan ausser Betracht lassen um sich nur noch mit der Aufgabe zu beschäftigen diese vereinfachte Gleichung aufzu - lösen, so als wenn sie die ursprünglich gegebene gewesen wäre; dieselbe enthält dann mindestens einen Buchstaben weniger.

473§ 22. Auflösung nach mehreren Unbekannten.

In allen drei Fällen haben wir dann eine Unbekannte weniger, weil auch im ersten a als willkürlich bleibend erkannt, gefunden ist.

Im vierten Falle wird man das Problem als unzulässig verlassen. Da die Resultante aus der vereinigten Gleichung folgte, so wird auch diese schon absurd sein, für keinen Wert von a und für kein Wertsystem der Buchstabensymbole kurzum überhaupt nicht zu bestehen vermögen.

Liegt dieser vierte Fall nun nicht vor, so kann auch bei keiner fer - neren Elimination irgend einer Buchstabengruppe die absurde Gleichung 1 = 0 mehr vorkommen. Denn da diese letztere auch a nicht enthält, so kann sie jedenfalls als ein Ergebniss der Elimination des a auch an - gesehen werden, und müsste also, entgegen der Annahme, in der vollen Resultante der Elimination von a schon enthalten gewesen sein und eben die volle Resultante hatten wir ja beim Eliminiren jederzeit gebildet.

Wir hätten nunmehr jetzt zur Elimination und Berechnung von b, c, zu schreiten in der Weise wie es für x, y, des weitern auseinander - gesetzt wird.

ϰ) Aus der vorletzten Eliminationsresultante R (x) = 0, welche beim Einhalten der oben empfohlenen Anordnung des Eliminations - prozesses von den Unbekannten nur noch x enthalten kann, berechne man x gemäss Th. 50+). Dies ist möglich, weil die Bedingung für ihre Auflösbarkeit ja eben das Erfülltsein der (letzten) Resultante R = 0 war. Im Ausdruck für die Wurzel x wird ein willkürlicher Parameter u auftreten.

Für jeden Wert der somit gefundenen Wurzel x wird dann die Gleichung R (x) = 0 erfüllt sein, weil die Probe für die Auflösung, wofern sie richtig vollzogen war, doch sicher stimmt.

Diese Gleichung R (x) = 0 war aber selbst die Resultante der Elimination von y aus der drittletzten Eliminationsresultante R (x, y) = 0, welche von den Unbekannten ausser x nur noch y enthielt (da die folgenden Unbekannten bereits eliminirt waren). Das Erfülltsein dieser Resultante R (x) = 0 ist die Bedingung für die Auflösbarkeit der Glei - chung R (x, y) = 0 nach der Unbekannten y.

Setzt man in letztere den für die Wurzel x gefundenen Wert für x ein, so enthält sie ausser der Unbekannten y nur noch die bekannten Gebiete a, b, nebst dem willkürlichen Parameter u, und ist sicher nach y auflösbar. Ihre Auflösung gemäss Th. 50) liefert uns nun auch diese zweite Wurzel, deren Ausdruck noch einen neuen willkür - lichen Parameter v enthalten wird.

Die gefundenen Wertepaare x, y befriedigen jetzt die drittletzte Resultante R (x, y) = 0, welches die Bedingung war für die Auflös - barkeit nach z der viertletzten Resultante R (x, y, z) = 0, die ausser474Eilfte Vorlesung.diesen als Argumente angeführten drei Unbekannten keine andern ent - hält. Nach Einsetzung der gefundenen Wurzelwerte von x, y wird man daher durch Auflösung gemäss Th. 50) jetzt die dritte Wurzel z erhalten deren Ausdruck einen neuen arbiträren Parameter w in sich schliesst.

Und so kann man augenscheinlich fortfahren bis alle Unbekannten gefunden sind, welche dann auch die (zuletzt nach der letzten Unbe - kannten aufgelöste, das ist die) ursprünglich gegebene vereinigte Glei - chung erfüllen werden.

λ) Wir wären hiemit zu Ende, wenn nicht noch eine beim successiven Eliminiren von z, y, x zuweilen eintretende Möglichkeit zu berücksichtigen wäre, die wir mit Stillschweigen übergangen haben: Es kann bei diesem successiven Eliminiren eventuell zu verschiedenen Malen vorkommen, dass beim Eliminiren einer bestimmten Unbekannten mit dieser zugleich noch mehrere andere, dass eine ganze Gruppe von solchen auf einmal herausfällt.

Fällt z. B. beim Eliminiren von y auch x zugleich heraus, so wird die der definitiven Resultante R = 0 unmittelbar vorangehende vorletzte Re - sultante jetzt nicht R (x) = 0 sondern R (x, y) = 0 zu nennen sein. Fallen unterweges mit z zugleich schon x und y heraus, so ist die vorletzte Re - sultante von der Form R (x, y, z) = 0, etc.

Man kann erstlich solchen Fall beseitigen, indem man im ersten Beispiel zwischen die allerletzte R = 0 und die vorletzte R (x, y) = 0 die Gleichung R · x + R · x1 = 0 als nunmehrige vorletzte unter R (x) = 0 zu verstehende Resultante ein - schiebt eine Gleichung, die sich aus R = 0 durch Entwickelung der linken Seite nach x ergab.

Im zweiten Beispiel, indem man zwischen R (x y z) = 0 und R = 0 als drittletzte und vorletzte Resultante die Gleichungen einschiebt: R · x y + R · x y1 + R · x1 y + R · x1 y1 = 0 als dermaligen Stellvertreter des im Text erwähnten R (x, y) = 0 und wie - der R · x + R · x1 = 0 als Stellvertreter von R (x) = 0 und so fort.

Zur Erledigung des Falles genügt dann der Hinweis darauf, dass so - fern eine Unbekannte aus der nach ihr aufzulösenden Gleichung von selbst herausfällt, dieselbe (wie bereits erkannt) unbestimmt bleibt, hier also, wo sie durch die Gleichung allein bestimmt werden sollte, als willkürlich oder arbiträr zu bezeichnen sein wird.

Zweitens erkennt man aber auch ganz direkt, dass wenn beim Elimi - niren einer Unbekannten auch die übrigen mit herausfallen, diese alle bis auf eine willkürlich bleiben müssen, welche letztere sich durch die übrigen ausdrücken lässt.

Gibt z. B. die Gleichung R (x y z) = 0 beim Eliminiren von z sogleich eine Resultante R = 0, die auch x und y nicht mehr enthält, so ist das Erfülltsein der letzteren vorausgesetzt die erstere nach z schon not -475§ 22. Auflösung nach mehreren Unbekannten.wendig auflösbar (also: welche Werte auch immer unter y und x verstan - den werden mögen; es bleiben somit x und y arbiträr, und lässt sich durch Auflösung der Gleichung R (x, y, z) = 0 nach z nunmehr dieses durch die beliebigen x und y ausdrücken).

Wir mögen hienach als

Zusatz 3 zu Th. 50) den Satz registriren: Auch nach jedem System von Unbekannten kann jedes System von Subsumtionen und Gleichungen bequem aufgelöst werden, sobald dieselben nur überhaupt zulässig und miteinander verträglich sind, was daran zu erkennen, dass die Resul - tante der Elimination dieser Unbekannten erfüllt ist.

Sobald es nur Wertsysteme der Unbekannten gibt, welche ein - gesetzt in die Propositionen des Systems dieselben erfüllen, sind solche auch immer leicht vollständig aufzufinden.

Für die allgemeinste Gleichung mit zwei Unbekannten α) dieses Paragraphen wollen wir die Auflösung nach x, y wirklich ausführen. Dies lässt sich auf zwei Arten bewerkstelligen. Unter Voraussetzung, dass die Resultante der Elimination von x und y: a b c d = 0 erfüllt sei, kann erst y eliminirt und aus der Resultante γ ') das x be - rechnet werden, hernach aber y aus γ); oder umgekehrt mittelst β') und β). Ersteres gibt: μ) x = c d u1 + (a1 + b1) u, x1 = (c1 + d1) u1 + a b u und dies in γ) eingesetzt: {(a + d1) c u1 + (b1 + c) a u} y + {(b + c1) d u1 + (a1 + d) b u} y1 = 0 woraus sich endlich berechnet:

  • μ ')
    • y = {(b + c1) d u1 + (a1 + d) b u} v1 + {(a1 d + c1) u1 + (b c1 + a1) u} v,
    • y1 = {(b1 c + d1) u1 + (a d1 + b1) u} v1 + {(a + d1) c u1 + (b1 + c) a u} v.

Letzteres gibt: ν) y = b d v1 + (a1 + c1) v, y1 = (b1 + d1) v1 + a c v, was in β) eingesetzt liefert: {(a + d1) b v1 + (b + c1) a v} x + {(b1 + c) d v1 + (a1 + d) c v} x1 = 0 und aufgelöst:

  • ν ')
    • x = {(b1 + c) d v1 + (a1 + d) c v} u1 + {(a1 d + b1) v1 + (b1 c + a1) v} u,
    • x1 = {(b c1 + d1) v1 + (a d1 + c1) v} u1 + {(a + d1) b v1 + (b + c1) a v} u.

Die Wurzeln x, y werden hienach durch die Ausdrücke μ, μ ') oder nach Belieben auch ν, ν') vollständig oder in allgemeinster Weise dar - gestellt, wobei u, v jedes denkbare Gebietepaar vorzustellen haben. 476Eilfte Vorlesung.Es könnten nebenbei auch die Faktoren u, u1, v, v1 zur einen Hälfte unterdrückt werden, nämlich bei x in μ) der u1, bei x1 der u, etc.

Man bemerkt die Verschiedenartigkeit und Unsymmetrie, der für die einen und für die andern Wurzeln sich ergebenden Darstellungen je nachdem man die eine oder die andere Reihenfolge bei dem Auf - lösungsverfahren einhält. Diese Wahrnehmung wird uns noch eigen - artige Forschungen in § 24 auszuführen anregen.

ξ) Von grösserer Wichtigkeit als die vorstehend erledigte sind die Aufgaben, bei welchen nicht nach den Werten der verschiedenen Unbekannten x, y, z, selber, je für sich, sondern sogleich nach dem Werte einer bestimmten Funktion f (x, y, z, ) dieser letzteren ge - fragt wird.

Sind die Unbekannten bereits selber sämtlich ermittelt, so brauchte man ihre Ausdrücke nur in den gegebenen Ausdruck dieser Funktion ein - zusetzen, um auch diese Aufgabe gelöst zu haben. Das Resultat würde so eine ganze Reihe arbiträrer Parameter u, v, w, enthalten, die behufs Vereinfachung desselben nun noch gemäss Th. 48) Zusatz durch einen ein - zigen solchen ersetzt werden müssten.

Dies wäre unbequem; zudem würde den Unbekannten je nach der Reihenfolge, in der man sie beim Auflösen ermittelt, wiederum eine ver - schiedenartige Behandlung zuteil werden, die einen sozusagen vor den an - dern bevorzugt erscheinen. Überhaupt aber wäre die angegebene Art, das Problem zu lösen, obwol scheinbar als die am nächsten liegende sich dar - bietend, doch als ein Umweg zu bezeichnen, in Anbetracht dass eine sehr viel einfachere und in Hinsicht sämtlicher Unbekannten symmetrisch zuwerke gehende Lösungsweise der Aufgabe möglich ist.

Es ist bemerkenswert, dass ohne die Werte der Unbekannten x, y, z, irgend selbst zu kennen man die Berechnung von f (x, y, z, ) doch unmittelbar zu leisten vermag:

Zusatz 4 zu Th. 50). Mit den einfachen Mitteln des Th. 50) sind wir schon im stande, wenn ein beliebiges System von simultanen Glei - chungen und Subsumtionen gegeben ist, irgend eine verlangte Funktion f (x, y, z, ) einer Gruppe von ( unbekannten ) Gebieten falls es ge - wünscht wird: ohne Rücksicht auf die Werte einer zweiten Gruppe m, n, p, q, r, durch die Symbole einer dritten Gruppe, nämlich durch alle übrigen a, b, c, auszudrücken, resp. im identischen Kalkul zu be - rechnen .

Man füge einfach dem gegebenen Systeme von Propositionen die neue Gleichung t = f (x, y, z, ) hinzu indem man eben für die gesuchte Funktion einen einfachen477§ 22. Auflösung nach mehreren Unbekannten.Namen, als welchen wir t gewählt haben, einführt. Man bilde nun erst die vereinigte Gleichung des also vergrösserten Systemes, eliminire aus dieser sowol die Symbole m, n, p, q, r, der zweiten als auch die x, y, z, der ersten Gruppe, so wird man eine Resultante erhalten, die ausser dem gesuchten t nur noch die Gebiete a, b, c, der dritten Gruppe enthält. Und diese nach der Unbekannten t gemäss Th. 50+) aufgelöst führt zur Erledigung unsrer Aufgabe.

Den vorliegenden Fingerzeig hat schon Boole gegeben.

Exempel siehe in § 25 unter Aufgabe 24, 26 und anderwärts.

Hinsichtlich der Determination auch dieses Problems, seine even - tuelle Unzulässigkeit, Bestimmtheit oder Unbestimmtheit, sind wiederum verschiedene Vorkommnisse möglich, welche sich aber der Leser nach dem Vorangegangenen leicht selber zurecht legen wird, und die zum Teil auch durch die Beispiele illustrirt werden.

Wenn wie dies wol meist beabsichtigt sein wird die Sym - bole m, n, p, q, r, in dem Ausdruck f (x, y, z, ) nicht vorkommen, so kann man natürlich auch aus der vereinigten Gleichung des noch unvergrösserten Propositionensystems erst einmal die m, n, p, q, eliminiren und die so gewonnene Resultante dann noch mit der Glei - chung t = f (x, y, z, ) oder also t f1 (x, y, z, ) + t1 f (x, y, z, ) = 0 vereinigen , um jetzt nur mehr x, y, z, zu eliminiren. Bei dieser Anordnung des Verfahrens wird man alsdann mit weniger komplizirten Relationen zu thun haben, als bei der Anordnung nach dem allgemei - neren Schema.

Man sieht: auf unserm bisherigen Standpunkte, wo wir als Pro - positionen nur erst Subsumtionen und Gleichungen kennen, hat der identische Kalkul den seltenen Vorzug, die allgemeinsten Aufgaben, die innerhalb seines Rahmens überhaupt erdacht werden können, auch wirklich zu lösen.

Dass immerhin auch hier noch etwas zu thun bleibt, dass fernere Fortschritte der Disziplin noch möglich und anzustreben sind, werden wir in § 24 sehen, wo an die Art und Weise der Lösung obiger Aufgaben z. B. in Hinsicht ihrer Symmetrie bezüglich gewisser Symbolgruppen noch weitere Anforderungen gestellt werden.

Auch in Anhang 6 eröffnen sich Perspektiven auf noch fernere Pro - bleme. Man kann von diesem Anhang grösstenteils schon jetzt noch besser nach § 24 Kenntniss nehmen.

[478]

Zwölfte Vorlesung.

§ 23. Die inversen Operationen des Kalkuls: identische Subtraktion und Division als Exception und Abstraktion. Die Negation als ge - meinsamer Spezialfall beider.

Eine erste Anwendung des Haupttheorems 50) wollen wir mehr im theoretischen Interesse machen, um über die zur Addition und Multiplikation entgegengesetzten oder inversen Operationen des Kalkuls Klarheit zu gewinnen.

In jeder Disziplin die überhaupt von Subtraktion und Division handelt, werden diese Operationen definirt als diejenigen, welche eine Aufgabe lösen, die in der Beziehung der Umkehrung steht zur Aufgabe der Addition resp. Multiplikation.

Bei den letztern Aufgaben, denjenigen also der beiden direkten Operationen, werden die Summanden resp. Faktoren a, b als gegeben angenommen, und kommt es darauf an, deren Summe resp. Produkt: α)

x = a + bx = a · b

herzustellen, zu bilden oder, wenn man die in der Arithmetik ge - bräuchliche, hier nicht mehr ganz passende Ausdrucksweise in unsre Disziplin herübernehmen will: sie zu berechnen . Eine zu der eben geschilderten umgekehrte oder inverse Aufgabe liegt vor, wenn der bei der vorigen gesucht gewesene Term gegeben ist und einer der beiden vorhin bekannt gewesenen Terme als Unbekannte gesucht wird, während auch der andere nach wie vor als bekannt gilt. Diese Auf - gabe tritt also an uns heran, wenn gefragt wird nach demjenigen Terme, welcher mit einem gegebenen additiv resp. multiplikativ ver - knüpft ein gegebenes Resultat liefert, eine gegebene Summe, resp - ein gegebenes Produkt gibt.

Eine Operation, welche zwei Operationsglieder thetisch verknüpft, lässt im Allgemeinen zweierlei Umkehrungen, zu ihr inverse oder lytische Operationen zu, je nachdem bei bekanntem Knüpfungsergeb - nisse das eine oder das andere jener Operationsglieder als Unbekannte gesucht wird. Wegen der Kommutativität der identischen Addition479§ 23. Die inversen Operationen des Kalkuls.resp. Multiplikation vergl. Th. 12) kann man aber den zweiten Term einer Summe resp. Faktor eines Produkts allemal zum ersten machen; es ist darum gleichgültig, ob es das erste oder ob es das zweite Operationsglied war, nach welchem gefragt wurde, und fallen die beiden Umkehrungen der Operation hier jeweils in eine zu - sammen.

Bezeichnen wir abermals die bekannten Terme mit a und b, den gesuchten Term mit x, so wird es sich nun also darum handeln, das - jenige Gebiet, oder diejenigen Gebiete x zu ermitteln, welche die Glei - chung erfüllen: β)

x + b = a,x · b = a,

m. a. W. es wird diese Gleichung nach der Unbekannten x aufzulösen sein. Als

identische Differenz : a minus b, aus dem Minuenden a und dem Subtrahenden b identischen Quotienten : a (geteilt) durch b, aus dem Dividenden (Zähler) a und dem Divisor (Nenner) b

werden wir zu definiren haben: die Wurzel der vorstehenden Gleichung β) falls sie nämlich eine solche besitzt, falls die Gleichung β) über - haupt auflösbar ist nach x.

Die Bedingung hiefür ergibt sich aber nach Th. 50), indem wir die Gleichung zunächst rechterhand auf 0 bringen nach Th. 39) wird sie: γ)

a1 (b + x) + a b1 x1 = 0a1 b x + a (x1 + b1) = 0

und indem wir nunmehr die Unbekannte x aus ihr eliminiren. Die Resultante lautet: δ)

a1 b = 0, somit b aa b1 = 0 sive a b.

Und diese Relation drückt die Anforderung aus, welche von den gegebenen Termen (Gebieten, Klassen) a, b erfüllt sein muss, wenn es überhaupt ein Gebiet oder Gebiete x geben soll für welche die aufzu - lösende Gleichung besteht. Sie ist unerlässliche Bedingung für die mögliche Geltung der Gleichung, die notwendige und hinreichende Be - dingung für die Auflösbarkeit derselben und die Existenz einer Wur - zel (oder von Wurzeln). Identische Subtraktion und Division sind hiernach keine unbedingt ausführbaren Operationen; ihre Ausführbarkeit ist vielmehr an die Bedingung δ) geknüpft.

Ist diese Relation nicht erfüllt, so kann vernünftigerweise über - haupt nicht von einer Differenz a minus b resp. einem Quotienten a durch b gesprochen werden; die letzteren bleiben sinnlose Namen480Zwölfte Vorlesung.und in gewisser Hinsicht von demselben Charakter, wie die nächste beste Silbenzusammenstellung. *)Sagen wir etwa: Kangerdluksuatsiak-Ikerasaksuat. Ich nahm dabei an, dass der Leser nicht Grönländisch verstehe; denn eigentlich waren dies ein paar grönländische Ortsnamen, ursprünglich besagend: Ort, wo Leute wohnen und dergleichen.Es gibt dann eben nichts, was dem Namen als seine Bedeutung entspricht. (Auch die Null, das Nichts unsrer ursprünglichen Mannigfaltigkeit bleibt als solche Bedeutung aus - geschlossen.)

Als Bedingung dafür, dass gedachter Differenz, gedachtem Quo - tienten eine Bedeutung, ein Wert überhaupt zukomme, mögen wir sie auch die Valenzbedingung für letztere nennen. Diese Bedingung müssen wir, so oft im folgenden von Differenzen oder Quotienten ge - sprochen wird, jeweils als erfüllt voraussetzen.

Ist jene Wertigkeitsbedingung δ) erfüllt, so vereinfacht die auf - zulösende Gleichung sich zu: ε)

a1 x + a b1 x1 = 0a1 b x + a x1 = 0

und kann man nun zur Auflösung derselben nach der Unbekannten x schreiten.

Aus dem allgemeinen Theorem 50), nach dessen Schema die Auf - lösung stattzufinden hat, wissen wir aber bereits, dass es nicht blos eine Wurzel geben wird, sondern unendlich viele (im Allgemeinen von einander verschiedene). Einen Ausdruck, der sämtliche Wurzeln und nur solche liefert, werden wir erhalten, indem wir die gegebenen Terme a, b mit einem willkürlichen Gebiet u in bestimmter Weise verknüpfen.

Diesen Ausdruck wollen wir die volldeutige Differenz , resp. den volldeutigen Quotienten nennen, oder auch den Generalwert der Diffe - renz, des Quotienten im Gegensatz zu einem nachher hervorzuheben - den besondern Wert derselben (desselben), den wir als deren Prin - zipal - oder Hauptwert zu bezeichnen Anlass finden und auch die eindeutige Differenz , den eindeutigen Quotienten nennen mögen.

Ich will mir das gewöhnliche Subtraktions - und Divisionszeichen zur Darstellung von letzteren reserviren, und müssen wir dann, um nicht Missverständnisse herauszufordern, für die volldeutigen Ausdrücke unterscheidende Zeichen wählen. Als solche habe ich schon2 das ein Kolon durchsetzende Minuszeichen für die Subtraktion und ein dop - peltes Kolon für die Division angewendet.

Als die allgemeinste Wurzel der Gleichung β) oder ε) erhalten wir nun also:481§ 23. Identische Subtraktion und Division.ξ)

x = a ÷ bx = a:: b,

wo die rechte Seite den Ausdruck bedeutet: η)

a ÷ b = ab1u1 + au =a:: b = a u1 + (a + b1) u =
= a (b1 + u) == a + u b1 =
= a b1 + u b = a b1 + u a b,= a b + u a1b1,

in welchem u ein willkürliches Gebiet vorstellt. *)Die augegebenen verschiednen Ausdrucksformen für die Wurzel sind in § 22 schon implicite aufeinander zurückgeführt. Um die Zurückführung direkt zu leisten, genügen, im Hinblick auf die Valenzbedingung δ), die Theoreme 30+) und 33+) Zusatz, oder auch Entwickelung nach a, b, u.

Natürlich stimmt nun auch die Probe der Auflösung, welche darin besteht, dass man den Ausdruck η) oder ξ) für x in die Gleichung β) einträgt und sich überzeugt, dass dieselbe auf Grund der Voraus - setzung δ) erfüllt ist und zwar für jede Bedeutung des u. In der That muss sein: ϑ)

(a ÷ b) + b = a(a:: b) b = a,

d. h. jeder Wert

der Differenz, zu dem Subtrahenden addirt gibt den Minuendendes Quotienten, mit dem Divisor multiplizirt liefert den Dividenden.

Bei dem Nachweise ist schon die Valenzbedingung δ) unentbehrlich, indem man als Wert der linken Seite in ϑ) zunächst erhält:

a + ba b

was erst auf Grund von δ) sich in a zusammenzieht vergl. Th. 20).

In § 21 und 22 gelang es uns, die allgemeinsten Eliminations - und Auflösungsprobleme der bisherigen Theorie schon ohne jegliche Kenntniss von den hier betrachteten inversen Operationen des identischen Kalkuls zu lösen. In dieser Thatsache hauptsächlich ist die Bestätigung zu erblicken für eine früher schon einmal gemachte Andeutung: dass die identische Subtraktion und Division ohne Schaden oder Einbusse aus der ganzen Dis - ziplin des Kalkuls sich ausmerzen lassen. Auch die gegenwärtige Studie hat die Tendenz dies vollends zu erhärten.

Die hier gebrauchten Bezeichnungen sind deshalb auch als proviso - rische, nur dem augenblicklichen Bedarf zu dienen bestimmte anzusehen, und aus diesem Grunde ist es auch sehr gleichgültig, wie man etwa die volldeutigen Operationszeichen in a ÷ b, a:: b zur Unterscheidung von den eindeutigen in a b, a: b verbatim lesen mag. Da es immerhin misslich erscheint, häufig Zeichen lesen zu müssen ohne einen Fingerzeig darüber und eine bestimmte Gewöhnung, wie dieselben auszusprechen seien, so mag man für jene etwa voll-minus und voll-durch sprechen.

Beachtenswert erscheint noch folgendes. Wir haben vorstehend x er -Schröder, Algebra der Logik. 31482Zwölfte Vorlesung.klärt als die allgemeinste Lösung der Gleichung β), als den Generalwert der Wurzel. Dieser ist eigentlich nicht ein Wert, sondern stellt gleichwie die Ausdrücke η) eine ganze Gattung oder Klasse von Werten vor, die man erhalten wird, indem man daselbst das u von 0 bis 1 variirt (vergl. S. 426 sq.). Die Gleichungen ζ) bis ϑ) sowie die noch weiterhin folgenden auf volldeutige Differenzen und Quotienten bezüglichen sind darum auch nicht, wie zumeist die früheren, zu deuten als Gleichungen zwischen Ge - bieten, sondern als solche zwischen Klassen von Gebieten die allerdings, wie in ϑ) rechts, sich unter Umständen auch in ein einziges Gebiet zu - sammenziehen mögen. Sie sollen aussagen, dass (nicht etwa jedes einzelne, sondern) die Gesamtheit der Gebiete links einerlei ist mit der Gesamtheit der Gebiete welche rechts vom Gleichheitszeichen dargestellt erscheinen. Die Gleichheitszeichen sind also wirksam nicht in der ursprünglichen, sondern in der aus ihr abgeleiteten Mannigfaltigkeit, in der Mn. der Klassen von Ge - bieten, und sinken dieselben nur in Ausartungsfällen, wie ϑ), in die erstere Mn. zurück.

Will man jedoch x als ein eindeutiges Gebietsymbol aufgefasst wissen, mithin darunter nur ein spezielles die Gleichung β) erfüllendes Gebiet, eine partikulare Wurzel dieser Gleichung verstehen, so ist es nicht mehr zu - lässig die Angaben ζ) als Gleichungen beizubehalten. Wie wir schon ander - wärts ausgeführt haben, darf das Individuum seiner Gattung nicht etwa gleich gesetzt werden. Für ζ) müsste alsdann korrekt geschrieben werden:

x a ÷ bx a:: b

wobei im Allgemeinen die Unterordnung gilt und Gleichheit nur in den (nachher auch zu betrachtenden) Grenzfällen eintreten kann, wo die rechte Seite eindeutig wird, die Gleichung β) nur eine Wurzel zulässt, in diesen Fällen aber auch eintreten muss.

Auch diese Subsumtionszeichen wären aber als solche der abgeleiteten Mannigfaltigkeit zu interpretiren, und nicht als solche der ursprünglichen. Die Subsumtion besagte hier nicht, das Gebiet x sei als Teil enthalten in einem rechts angeführten Gebiete, sondern nur, es sei als Individuum ent - halten in der rechts stehenden Klasse von Gebieten.

Gerade in jenen Grenzfällen aber, wo die Klasse a ÷ b rechts selbst nur ein Gebiet umfasst, müsste das Subsumtionszeichen Missverständnisse nahe legen, indem es Einordnung (als Teil) mitzuzulassen scheint, wo, wie erwähnt, nur Gleichheit gelten kann. Zur Vermeidung solcher (und ähn - licher schon in § 9 unter ψ) charakterisirter Misstände müsste man eigent - lich zweierlei Subsumtionszeichen verwenden für die ursprüngliche und für die abgeleitete Mannigfaltigkeit.

Die Nötigung hiezu lässt sich indess vermeiden und sie pflegt glück - lich vermieden zu werden, indem man die Lösungen:

x = a (b1 + u)x = a + u b1

auch jetzt wieder als Gleichungen schreibt, dafür aber dem u eine andere Deutung gibt. Statt wie bisher es als ein willkürliches Gebiet gelten zu lassen, dem alle erdenklichen Bedeutungen innerhalb der ursprünglichen Mn. mit gleichem Rechte zukommen, braucht man es jetzt nur hinzustellen483§ 23. Identische Subtraktion und Division.als ein unbestimmtes Gebiet, das vielleicht noch seiner näheren Bestim - mung harrt. Man wird es jetzt, wo x eindeutig sein soll, nur ein ge - wisses Gebiet bedeuten lassen [oder irgend eines von jener sub τ) des § 21 bestimmten Klasse von Gebieten] und dadurch hinbringen, dass beider - seits vom Gleichheitszeichen eindeutige Gebietsymbole stehen zwischen denen die Behauptung der Gleichheit wieder zulässig ist.

Demgemäss werden wir es fortan auch wie bisher vermeiden, mit unsern Betrachtungen über die ursprüngliche Mn. solche zu vermengen, in welchen das Subsumtionszeichen anders als für diese selbst gedeutet wer - den müsste.

Unter allen Gebieten, welche wir als die Partikularlösungen der Gleichung β) in η) zusammengefasst, der Gebieteklasse also, welche wir als volldeutige Differenz resp. Quotienten daselbst angegeben haben, sind besonders zweie hervorhebenswert, nämlich: die beiden einschliessenden Gebiete oder Grenzen , zwischen welchen (sie selbst mitzugelassen) alle Gebiete der Klasse a ÷ b resp. a:: b liegen müssen. Aus unsern Formeln η) ergibt sich das eine als das umfassendste Punktgebiet oder die weiteste unter den Bedeutungen, welche der Diffe - renz, dem Quotienten von a und b eindeutig untergelegt werden kön - nen, bei der Annahme u = 1, das andre als die engste dieser Bedeu - tungen für u = 0 wobei indessen nicht zu übersehen ist, dass der Dualismus erfordert, der Annahme u = 1 bei der einen die u = 0 bei der andern Operation, und umgekehrt, gegenüberzustellen.

Wir erhalten (für u = 1 resp. 0) als den

Maximalwert der identischen Dif - ferenz:Minimalwert des volldeutigen Quo - tienten:
ι) (a minder b) = a.(b in a) = a.
Der höchste unter den Werten der Differenz ist darnach der Minuend selberDer niederste unter den Quotien - tenwerten ist der Dividend oder Zähler

und bei dieser Auffassung erscheinen unsre inversen Operationen als völlig wirkungslos an dem passiv mit ihnen affizirten Operations - gliede. Es ist demnach müssig, etwa noch nach formalen Gesetzen dieser eindeutigen Maximalsubtraktion und Minimaldivision zu fragen, auch nicht angezeigt, deren Ergebniss für den Hauptwert zu erklären.

Desgleichen verlohnt es nicht, eigene Knüpfungszeichen für diese Ope - rationsweisen einzuführen, weshalb wir uns in ι) mit einem charakteristi - schen Wortausdruck für die Andeutung ihres Ergebnisses begnügten.

Bei der andern Annahme (u = 0 resp. 1) dagegen stellt sich her - aus als der31*484Zwölfte Vorlesung.

Minimalwert der volldeutigen Dif - ferenz:Maximalwert des volldeutigen Quo - tienten:
ϰ) a b = a b1a: b = a + b1 = 〈…〉

und indem wir für diese hiermit die gewöhnlichen Subtraktions - und Divisionszeichen einführen, bezeichnen wir sie auch als den eindeu - tigen oder Hauptwert, d. i. als Differenz und Quotient schlechtweg. Eindeutige Subtraktion resp. Division nennen wir die zu ihrer Bil - dung dienenden Operationen. Auch diese Operationen sind nur aus - führbar , es haben a b und a: b nur einen Sinn, wenn die Valenz - bedingung δ) erfüllt ist.

Aus den Definitionen η) und ϰ) sind als besondere Fälle hervor - zuheben: λ

wo die Valenzbedingung (für die angegebenen Differenzen und Quo - tienten) jeweils analytisch, von selbst erfüllt ist, weshalb von ihr ab - gesehen werden kann, den Formeln λ) unbedingte Geltung zukommt. Die Subtraktion einer Klasse von sich selbst sowie von der 1 ist unbedingt ausführbar, etc.

Die Symbole 1 ÷ 1 und 0:: 0 sind hienach vollkommen unbe - stimmt oder alldeutig zu nennen; sie stellen die ganze aus der ursprünglichen Punktmannigfaltigkeit abgeleitete oder ableitbare Mannigfaltigkeit der Gebiete vor, indem uns eben u schlechthin jedes Gebiet zu bedeuten hat.

Die letzten Formeln unter λ) aber: μ) 1 a = a1 = 〈…〉 oder 0: a lassen erkennen, dass die Negation weiter nichts als ein gemeinsamer Spezialfall der (eindeutigen) Subtraktion und Division ist: a negiren heisst, es von 1 abziehen oder es in die 0 hineindividiren.

Mit diesem Spezialfall der beiden inversen Operationen aber kommt,485§ 23. Die Negation als ihr gemeinsamer Spezialfall.wie wir gesehen haben, der identische Kalkul als mit seiner dritten Spezies schon völlig aus.

Zieht man auch die beiden inversen Operationen mit unter den Gesichtspunkt des Dualismus, so werden natürlich zugleich mit Addi - tion und Multiplikation auch Subtraktion und Division ihre Rollen auszutauschen haben. Alsdann kann man sagen, dass die hiemit ge - gebene Gleichung: ν) 〈…〉 zu sich selbst dual ist.

Und das gleiche gilt auch von den noch durch ihre Kombination mit sich selbst entstehenden Gleichungen wie: 〈…〉 etc. Die p. 31 meines Operationskreis2 gemachte Angabe, dass diese er - wähnten die einzigen zu sich selbst dualen Formeln des identischen Kal - kuls seien, beruhte jedoch auf einem Übersehen, ist eine zu weit gehende gewesen, wie wir denn in der That schon in § 18 unter φ) auch noch andre Formeln solchen Charakters kennen gelernt haben.

Mit Rücksicht auf μ) hätten die fundamentalen Theoreme 30) und 31) nun auch in folgenden Formen angeschrieben werden können, in deren einigen (den durch die Beisetzung der Chiffre hervorgehobenen) es nützlich ist, sie gesehen zu haben: 〈…〉 Die 31) zeigt, dass nicht ( a) = a oder 0 (0 a) = a, sondern 1 (1 a) = a das wahre arithmetische Analogon des logischen Satzes von der doppelten Verneinung ist worauf wir uns schon S. 306 beriefen.

Beachtenswert erscheint, dass der Ausdruck ϰ), mit x bezeichnet bezüglich die Auflösung ist des folgenden Paares von Gleichungen: ο)

x + b = a, x b = 0x b = a, x + b = 1

durch welches also ϰ)

x = a bx = a: b = 〈…〉

vollkommen eindeutig bestimmt wird.

Man erkennt dies leicht, indem man systematisch zuwerke geht, zu -486Zwölfte Vorlesung.erst also die vereinigte Gleichung des Gleichungenpaares ο) herstellt, aus dieser dann x eliminirt, wodurch sich abermals die Valenzbedingung δ) und nur diese ergibt, endlich jene nach der Unbekannten x auflöst. Als Auf - lösung ergibt sich der völlig bestimmte Wert:

x = a b1x = a + b1;

und umgekehrt ist leicht nachzuweisen, dass dieser letztere Ansatz zu - sammen mit der Valenzbedingung δ) auch das Gleichungenpaar ο) nach sich zieht, nämlich dieselbe vereinigte Gleichung liefert mit welcher dieses äquivalent sein muss. Sobald man also die in der Voraussetzung π) doch sicher miteingeschlossene Annahme gelten lässt, dass die daselbst gegebenen Ausdrücke einen Sinn haben, wird die Gleichung π) auch ihrerseits das Gleichungenpaar ο) zu ersetzen im stande sein.

Links vom Mittelstriche z. B. ist aus dieser Betrachtung zu lernen, dass man im identischen Kalkul einen Summanden (b) von der einen Seite der Gleichung wenigstens dann (jedoch auch nur dann) von dieser Seite als einen Subtrahenden (mit dem Minuszeichen) auf die andere Seite werfen darf, wenn er mit dem andern Summanden (x, resp. mit allen übrigen Gliedern der vorausgesetzten Summe) disjunkt ist, wenn also die binomische Summe eine reduzirte war.

Während aus einer Gleichung x + b = a im Allgemeinen nur zu schliessen ist, dass x einer von den Werten der volldeutigen Differenz a ÷ b sein müsse, folgt x = a b ausschliesslich dann, wenn neben - her bekannt ist, dass x b = 0 sei.

Dagegen darf ein Subtrahend immer als Summand über das Gleichheitszeichen hinübergeschafft, transponirt werden, m. a. W. aus einer Gleichung x = a b ist es immer zulässig den Schluss zu ziehen: x + b = a, in Anbetracht, dass die Probe einer richtig voll - zogenen Subtraktion doch sicher stimmen wird.

Im Hinblick darauf z. B., dass b + 0 = b nebst b · 0 = 0 gilt, wird es darnach insbesondre gestattet sein, eine Gleichung a = b (oder a = b + 0) in die Form a b = 0 umzusetzen, dieselbe mithin auch nach demselben Schema, welches in der Arithmetik geläufig ist, rechterhand auf 0 zu bringen. In der That sagt der Ansatz a b = 0 nach ϰ) aus, dass a b1 = 0 sei, wozu aber noch die Valenzbedingung a1 b = 0 tritt, und dieses läuft nach Th. 24) und 39) zusammen auf a = b hinaus. Wie den Ge - brauch der inversen Operationen überhaupt, so wird man aber auch die Schreibweise a b = 0 in unsrer Disziplin besser vermeiden.

Unberechtigt würde es aber beispielsweise sein, aus der Gleichung a + 0 = a, die allgemein gilt, den Schluss zu ziehen, dass 0 = u a sein müsse bei beliebigem u, nämlich dass 0 dem Generalwert von a ÷ a, nach dem Schema η, λ) gebildet, gleichzusetzen sei. Es gilt dies, da der Term 0 ein vollkommen bekannter, notwendig nur für gewisse u (= v a1, z. B. für u = 0); es darf nur geschlossen werden, u sei einer von den im General -487§ 23. Identische Subtraktion und Division.wert zusammengefassten Werten, und weil a · 0 = 0, so ist es hier der Hauptwert selber: 0 = a a.

Es erübrigt noch, auch Ausdrücke von den folgenden Formen einmal in's Auge zu fassen: ϱ

von welchen die Valenzbedingung zeigt, dass sie im Allgemeinen sinnlose, uninterpretable sind, falls nämlich nicht gerade a gleich

10
01

bezüglich bedeutet.

Führte man hier das Zeichen ( unendlich ) als Symbol der Ab - surdität, des Unsinns ein, so könnte man falls nur nicht gerade die eben genannte Voraussetzung zutrifft diese Ausdrücke samt und sonders gleich setzen, und speziell wäre zuverlässig: σ) 0 ÷ 1 = = 1:: 0 sowie 0 1 = = 1: 0 = 〈…〉 letzteres wie in der Arithmetik [wobei nun auch die Gleichung 0 1 = 〈…〉 als zu sich selbst dual erscheinen würde].

Es ist in der That unverfänglich, die verschiedenen absurden Ausdrücke, wie 0 1 und 1: 0, einander gleich zu setzen. Alles was unsinnig ist, darf für einerlei uns gelten. Gäbe man überhaupt auch nur den aller - geringsten Unsinn zu, so würde ja durch vollkommen logische Schlüsse auch jeder gewünschte noch so grosse Unsinn sich beweisen lassen ähnlich wie bekanntlich in der Arithmetik, so auch in identischen Kalkul.

Speziell hier: Lässt man zu, dass es ein x = 〈…〉 gebe von der Eigen - schaft, dass x · 0 = 1 ist, so ist leicht zu zeigen, dass auch für ebendieses x gilt: x + 1 = 0 nebst x · 1 = 0, dass also auch x = 0 1 anzuerkennen ist. Wegen x · 0 = 0 folgte nämlich aus der Annahme, dass 0 = 1, und hieraus durch beiderseitiges Multipliziren mit x auch 0 = x, sodann x + 1 = x + 0 = x = 0 und x · 1 = 0 · 1 = 0.

Das Symbol kann aber nicht, wie seinerzeit das Symbol 0, als ein uneigentliches Gebiet der Mannigfaltigkeit unsrer Gebiete zugeschlagen, ad - jungirt werden; vielmehr vertritt es die Null der abgeleiteten Mn., Mn. der Gebieteklassen.

Es müsste nämlich seine Hinzuziehung, Zulassung als Gebiet die Folge haben, dass die Prinzipien unsres Kalkuls, wenn sie in voller All - gemeingültigkeit aufrecht erhalten würden, sich selbst aufhöben, uns nach allen Seiten in Widersprüche verwickelten [wie wir denn nach der Defi - nition = 〈…〉 nun · 0 = 1 hätten im Widerspruch mit a · 0 = 0 bei der Annahme a = , etc.] dass sie andernfalles ihre Allgemeingültig - keit verlören und mit lästig zu beobachtenden Ausnahmen behaftet würden,488Zwölfte Vorlesung.wodurch es nahegelegt erschiene, den Eindringling aus der Mannigfaltig - keit der Gebiete wieder auszustossen.

Durch die Koexistenz der Gleichungen π) und ο) findet sich unsre Definition von eindeutiger Differenz und Quotient, die wir oben durch Partikularisiren der volldeutigen gewannen, noch einmal selb - ständig ausgedrückt. Z. B. links: Weiss man von einem Gebiete x nur das eine, dass seine Summe mit einem gegebenen b ein anderes a liefert, so ist x noch nicht vollständig bekannt. Wohl aber ist der gesuchte Summand vollkommen bestimmt, wenn man ferner weiss, dass er den andern b ausschliesst, dass also bx gleichzeitig 0 ist. Etc.

Und ähnlich auch für Klassen. Für letztere besitzt die in a b = a b1 (während a1 b = 0 gedacht wird) vorgeschriebene logische Operation einen sehr geläufigen sprachlichen Ausdruck in Gestalt jener verbalen Formen, mittelst welcher eine Ausnahme statuirt wird.

Es kann das Minuszeichen geradezu mit der Partikel aus - genommen , ohne in die Wortsprache übersetzt werden, indem die Differenz a b die Klasse der a mit Ausschluss der b vorstellen wird (von welchen die Valenzbedingung die Voraussetzung ausspricht, dass sie ganz in jener enthalten seien).

Bedeutet z. B. a = Metall, b = Edelmetall, so stellt a b = a b1 die Metalle vor, welche nicht Edelmetalle sind, also die Metalle ohne die Edelmetalle, die Metalle mit Ausnahme der Edelmetalle.

Umgekehrt jedoch darf ein sprachlicher Ausdruck von der Form die a ohne die b , a ausgenommen b in unsre Zeichensprache in der Regel nicht mit a b ohne weiteres übertragen werden, sondern nur mit a a b = a (a b) 1 = a (a1 + b1) = a b1 (wo dann in der That a1 · a b = 0 ist). Die Wortsprache setzt es nämlich als selbstverständlich voraus, dass man aus einer Klasse nur solche Individuen ausschliessen könne und auszuschliessen beabsichtige, welche in ihr enthalten sind und diese stillschweigende Forderung muss der hier ausdrucksvollere Kal - kul ausdrücklich darstellen. Sagt man die a ohne die b , so meint man sicherlich nur die a ohne diejenigen b, welche a sind .

Wird z. B. berichtet, im untergegangenen Schiffe seien alle Passa - gire (a) ertrunken, ausgenommen die Frauen (b), welche gerettet worden, so ist, wenn b die Klasse der Frauen schlechtweg, somit im ganzen Menschengeschlechte, bedeutet, die Klasse der ertrunkenen Personen offen - bar nur a a b = a b1 nicht aber a b, welcher Ansatz gar keinen Sinn haben würde, indem hier die Valenzbedingung b a nicht erfüllt wäre. Für a a b hier a b schreiben hiesse: von den Passagiren des Schiffes auch die in ruhiger Sicherheit auf dem Festlande lebenden Frauen aus - schliessen zu wollen.

489§ 23. Dieselben als Exception und Abstraktion.

Sagen wir ebenso: die Europäer ohne die Russen , so heisst dies vollständiger ausgedrückt: die Europäer ohne die europäischen Russen, und kann es uns nicht einfallen, auch die asiatischen Russen von den Euro - päern ausschliessen zu wollen.

Ungeachtet dessen, dass nun also hier die Wortsprache einem geringeren Zwange unterworfen ist, in ihren Ausdrucksformen eine grössere Freiheit, Licenz geniesst, wie unsere Zeichensprache, sind wir doch berechtigt, die Subtraktion im Klassenkalkul als eine Aus - schliessung zu erklären, sie auszugeben für die Exception.

Für die eindeutige Division hat die Sprache keinen entsprechenden oder adäquaten Ausdruck. Unter der Voraussetzung, dass a b sei, bedeutete 〈…〉 = a + b1 dasjenige was a oder nicht-b ist. Es liegt im gewöhnlichen Gedankenverlaufe wol selten eine Veranlassung vor, eine derartige Klasse zu bilden, und dieser Umstand war Beweggrund für uns, der identischen Subtraktion den Vortritt vor der Division zu geben.

Unter denjenigen Operationen zwar, welche unter dem Namen der volldeutigen Division zusammengefasst sind, ist immer eine, welche im Klassenkalkul, im Kalkul mit Begriffsumfängen oder - Inhalten hin - zustellen ist als eine Abstraktion.

Ist bei bekannten x nämlich x · b = a, so ist x selbst sicherlich einer von den Werten des volldeutigen Quotienten a:: b und muss man, um von dem Produkte a zu diesem seinem Faktor x überzugehen, dabei absehen, abstrahiren von den für den andern Faktor b charak - teristischen Merkmalen.

Z. B. seien a, b, x die Klassen: a = Rappe , b = schwarz , x = Pferd , so gibt der Begriff Rappe , befreit, abgesehen vom Merk - mal der schwarzen Farbe, den Begriff Pferd .

Die eindentige Division liefert uns aber in Gestalt von 〈…〉 nicht gerade jenen besonderen Faktor x, sondern einen andern, der eben - falls mit b multiplizirt, determinirt, a liefert. Als Quotienten der Klasse Rappe geteilt durch die Klasse schwarz stellt sie vielmehr hin: alles, was entweder ein Rappe, oder nicht schwarz ist. Unter diesen nicht-schwarzen Dingen sind auch die übrigen Pferde noch mit enthalten.

Es mag der Psychologie überlassen bleiben, zu erklären, weshalb das duale Gegenstück zur Einschränkung, Ausnahmebildung im natür - lichen Denken keine Stätte zu finden scheint, jedenfalls hier nicht die490Zwölfte Vorlesung.entsprechende Rolle spielt. Uns genügt es hier, von der Thatsache Notiz zu nehmen.

In den Figuren 20 finden sich für die Kreisflächen a und b zu - nächst die Gebiete a b = a b1 und 〈…〉 = a + b1 mittelst schräger Schraffirung hervorgehoben; zugleich sind für eine bestimmte Annahme von u als dritten Kreis durch wagrechtes Schraffiren die bei η) in Be - tracht kommenden Flächen ub resp. ub1 sichtbar gemacht, und damit auch die Generalwerte a ÷ b und a:: b soweit möglich (nämlich exempli - ficando) veranschaulicht.

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Fig. 20+

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Fig. 20×

Wie wir gesehen, liesse sich der Subtraktion wol noch einige Wichtigkeit für die Technik des identischen Kalkuls zuerkennen, indem bei den Übersetzungen aus Wort - in Zeichensprache, oder umgekehrt namentlich also bei der Einkleidung von Textaufgaben behufs ihrer rechnerischen Behandlung, sodann bei der Interpretation der Rechnungs - ergebnisse mittelst Worten diese Operation in Betracht kommen wird, wo immer Ausnahmen zu konstatiren sind oder gefordert werden.

Aus diesem Grunde, dessengleichen bei der Division nicht vor - liegt, wollen wir nun der Subtraktion noch einige Betrachtungen widmen (dem Leser es überlassend, sich das dual Entsprechende be - züglich der Division gewünschtenfalles selbst zum Bewusstsein zu bringen).

Von den Gesetzen der eindeutigen Subtraktion ist vor allem das Distributionsgesetz (derselben) zu beachten: τ) a (b c) = a b a c oder (b c) a = b a c a, von welchem auch in den Diskussionen des gemeinen Lebens allgemein Gebrauch gemacht wird.

491§ 23. Die Subtraktion als Exception.

Z. B. Der europäische ohne den russischen Handel ist der europäische Handel ohne den russischen Handel. Die geflügelten Tiere mit Ausnahme der Insekten sind die geflügelten Tiere mit Ausnahme der geflügelten In - sekten und vice versā. Etc.

Der Beweis des Satzes ergibt sich am einfachsten, indem man die beiden Seiten der Formel nach dem Schema ϰ) evaluirt. In der That hat die linke Seite derselben die Bedeutung a (b c) = a b c1 mit der Valenzbedingung b1 c = 0; und die rechte Seite der Formel hat den Wert: a b a c = a b (a c) 1 = a b (a1 + c1) = a b c1 mit der Valenzbedingung (a b) 1 a c = (a1 + b1) a c = a b1 c = 0.

Unter der Voraussetzung also, dass die Ausdrücke zu beiden Seiten der Formel nur überhaupt einen Sinn haben eine Voraussetzung, die man füglich als eine selbstverständliche bezeichnen kann werden diese beiderseitigen Ausdrücke das Nämliche (nämlich a b c1) bedeuten und ist die Gültigkeit der Formel unanfechtbar. Bedingung dafür ist die vereinigte Gleichung der beiderseitigen Valenzbedingungen, welche im vorliegenden Falle aber auf die erste, die linkseitige Valenz - bedingung sich reduzirt, indem diese, nämlich b1 c = 0, schon von selber auch die andre a b1 c = 0 zur Folge hat.

Immerhin ist nicht zu übersehen, dass die Valenzbedingungen für die beiden Seiten der Gleichung τ) verschiedene sind, dass die linke Seite, um einen Sinn zu haben, mehr verlangte, als die rechte. Man kann daher durch unbedachte Anwendung des Satzes in Fehler verfallen, und es ist z. B. aa a oder a · a a · 1 nicht = a (a 1), weil die Valenzbedingung für die Differenz a 1, das wäre a1 = 0, im allgemeinen nicht erfüllt ist, während andrerseits a a a sehr wohl einen Sinn, nämlich den Wert 0 hat.

Im übrigen kann auf Grund von τ) der Satz des Widerspruchs oder die Formel 30×) sub ξ) a (1 a) = 0 jetzt aufgelöst werden in a a a = 0 und erscheint er darnach als eine blosse Umschreibung des Tautologie - gesetzes 14×) a a = a eine Auffassung, welche besonders Boole betonte.

Für die Wortsprache ist die Ausserachtlassung der Verschiedenartig - keit jener beiderseitigen Valenzbedingungen nicht verfänglich und zwar wegen der oben erwähnten Licenz, deren sie sich beim Statuiren von Ausnahmen erfreut. Ein Beispiel wird dies deutlich machen.

Es möge a = betrunken, b = Heide, c = Grönländer bedeuten. Nehmen wir an, dass es betrunkene Grönländer gar nicht gibt, sintemal man auf Grönland nur in Leberthran kneipt, so wird der Satz an - zuerkennen sein, dass die betrunkenen Heiden ohne die Grönländer einerlei sind mit den betrunkenen Heiden ohne die betrunkenen Grönländer, das ist a b a c, welches wegen a c = 0 sich in a b zusammenzieht! Keines - wegs dürfte aber a (b c) hiefür geschrieben werden, in Anbetracht, dass nicht alle Grönländer Heiden zu sein brauchen oder wirklich sind, man492Zwölfte Vorlesung.daher von den Heiden b exakt auch nicht die Grönländer c subtrahirend ausnehmen kann, sondern nur die grönländischen Heiden b c. Es würde darnach der Ausdruck b c schon jeglichen Sinnes baar sein, und wäre es nur zulässig die Klasse b b c = b (1 c) = b c1 zu bilden.

Um uns auch über die sonstigen Gesetze der logischen Subtrak - tion möglichst rasch zu orientiren, will ich zunächst in übersichtlicher Formelzusammenstellung die fundamentalen Sätze der arithmetischen Subtraktion zur Vergleichung hersetzen.

Soweit dieselben auf nicht mehr als drei allgemeine Zahlen Bezug haben, können letztere vergl. meine Schriften 1 und 2 in folgende vier Gruppen gebracht werden:

  • v1) (a b) + b = (a + b) b = b (b a) = a,
  • v2)
    • (a + b) c = a + (b c) = a (c b) =
    • = (a c) + b = b (c a),
  • v3)
    • a (b + c) = (a b) c =
    • = (a c) b,
  • v4)
    • a b = (a + c) (b + c) = (a c) (b c) =
    • = (c b) (c a) = (a c) + (c b),
    • a + b = (a + c) + (b c) = (a + c) (c b) =
    • = (a c) + (b + c) = (b + c) (c a).

Nach dem Schema ϰ) können wir nun für jeden der hier verglichenen Ausdrücke den Wert angeben, der demselben im identischen Kalkul beizu - legen ist. Desgleichen vermögen wir nach dem Schema δ) auch seine Valenzbedingung anzusetzen, oder, wo mehrere Minuszeichen in dem Aus - druck vorkommen, seine sämtlichen Valenzbedingungen, welche wir dann zu einer einzigen Gleichung vereinigen mögen. Mit Rücksicht auf diese seine Valenzbedingung (schlechtweg) können wir endlich jeden Ausdruck nötigenfalls entwickeln nach den Symbolen, a, b, (c), aus welchen er auf - gebaut ist.

Sonach ist es dann weiter keine Kunst, zuzusehen, ob (und unter welchen Bedingungen) die in der Arithmetik gleichwertigen Ausdrücke auch im identischen Kalkul übereinstimmen und um welche Terme sie sich andernfalles unterscheiden.

Es stellt sich heraus, dass von den in der Arithmetik geltenden Gleichungen so ziemlich die Hälfte auch im identischen Kalkul Geltung besitzt unter der Voraussetzung, dass die Ausdrücke beiderseits gleichzeitig einen Sinn besitzen, d. h. unter den aus dem Anglick der beiden Seiten selbst ersichtlichen Valenzbedingungen.

Unter Zugrundelegung derselben Annahme (der vereinigten Valenz - bedingung der Gleichung) bedarf die andere Hälfte der Gleichungen, um im identischen Kalkul gültig zu werden der Hinzufügung eines Korrektions - gliedes auf der einen Seite derselben eines additiven oder subtraktiven Gliedes, welches eines allgemeinen Ausdrucks selber fähig ist.

493§ 23. Die inversen Operationen.

Es würde zu weit führen, wenn wir für alle Kombinationen der vor - stehend unter v) einander gleichgesetzten Ausdrücke dies hier im einzelnen rechtfertigend durchführen wollten. Jede von den einschlägigen Unter - suchungen nebst ihrer geometrischen Deutung kann als eine interessante oder wenigstens zuträgliche Übung, geistige Gymnastik für den Anfänger empfohlen werden.

Von den nicht unmodifizirt geltenden Sätzen sei deshalb nur weniges speziell hervorgehoben.

Zu v1) haben wir insbesondere: φ) (a + b) b = a a b oder a b das ist a b1. Korrektionsglied ist mithin a b oder b. Es wäre nicht erlaubt, den Ausdruck, wie in der Arithmetik, auf a zu reduziren. Z. B. Die Begüterten und die Adeligen, ohne die Begüterten, sind nicht etwa schlechtweg die Adeligen, sondern nur die unbegüterten Adeligen (R. Grassmann).

Zu v2) gilt beispielsweise: χ) a + (b c) = {(a + b) c} + a c; Korrektionsglied mithin: + a c. Die Reihenfolge, in welcher Additionen und Subtraktionen vollzogen werden, ist also im identischen Kalkul nicht gleichgültig.

Die Sätze v3) dagegen gelten auch im identischen Kalkul ganz un - verändert.

Zu v4) haben wir exempli gratia: ψ) (a + c) (b + c) = (a b) (1 c), das Korrektionsglied ist also (a b) c. Hieraus ersieht man, dass ein übereinstimmender Bestandteil (Summand, c) von Minuend und Subtrahend einer Differenz jedenfalls dann unterdrückt, die Differenz also immer dann mit ihm gekürzt werden darf, wenn derselbe gegen die andern Bestand - teile disjunkt, wenn nämlich c a = 0 und c b = 0 ist: beim Subtrahiren reduzirter Summen von einander sind übereinstimmende Terme unbedenklich zu streichen.

Statt nach den Gesetzen der eindeutigen kann man auch nach denen der volldeutigen Subtraktion fragen.

Man findet, dass die Regel der Arithmetik für das distributive Aus - multipliziren einer Differenz (sowie umgekehrt für das Ausscheiden eines gemeinsamen Faktors im Minuend und Subtrahend einer solchen): ω1) a (b ÷ c) = a b ÷ a c auch hier Geltung hat, indem nach dem Schema η) sich übereinstimmend a b (c1 + u) als Wert der beiden Seiten ergibt unter der schon bei τ) er - wähnten Valenzbedingung b1 c = 0, die man als eine selbstverständliche auch unerwähnt lassen könnte auf Grund des Axioms, dass ein Satz nur Geltung beanspruchen kann für diejenigen Fälle, für welche Dasjenige, worüber er aussagt, einen Sinn besitzt.

Ferner ergeben sich die Werte der nachstehend untereinandergestellten494Zwölfte Vorlesung.Elementarausdrücke, wenu man die rechts neben sie gestellten Gleichungen, eventuell wo sie vorkommen unter Elimination von y und z, ge - mäss der Methode des § 21 nach der Unbekannten x auflöst:

  • ω2)
    • x = (a + b) ÷ c aus x + c = a + b,
    • x = a + (b ÷ c) aus x = a + y, y + c = b,
    • x = a ÷ (c ÷ b) aus x + y = a, y + b = c,
    • x = a ÷ (b + c) aus x + b + c = a,
    • x = (a ÷ b) ÷ c aus x + c = y, y + b = a,
    • x = (a + c) ÷ (b + c) aus x + b + c = a + c,
    • x = (a ÷ c) ÷ (b ÷ c) aus x + y = z, y + c = b, z + c = a,
    • x = (a ÷ c) + (c ÷ b) aus x = y + z, y + c = a, z + b = c,

und so weiter. Valenzbedingung ist jeweils die Resultante der Elimination von x, y, z.

Hier steht jedoch noch ein andrer Weg offen: man kann auch das Schema η) eventuell wiederholt als Vorschrift benutzen, um die verlangten Ausdrücke darnach aufzubauen, wobei man mit den Inhalten der Klammern beginnend successive nach aussen fortschreiten wird. Dieses Verfahren bei ω1) oben von uns angewendet ist das bequemere da, wo nur ein ÷ Zeichen sich in dem Ausdrucke vorfindet. Wo aber deren mehrere auf - treten, würde so in das Ergebniss eine Mehrzahl von arbiträren Para - metern u, v, w eingehen, die dann nach unserm Zusatze zu Th. 48+) auf einen einzigen erst noch zurückgeführt werden müssten.

Hat man so (auf die eine oder andere Weise) die Elementarausdrücke berechnet, so unterliegt die Vergleichung derselben wiederum keiner Schwierigkeit, und wird man ähnliche Wahrnehmungen, wie oben bei den eindeutigen Ausdrücken, machen.

Insbesondere möge noch der Leser untersuchen, ob allgemein, oder unter welchen Bedingungen die Ausdrücke ω3) (a + c) ÷ (b + d) und (a ÷ b) + (c ÷ d) für einander gesetzt werden dürfen, desgl. für die einfachen Minuszeichen.

Wol genügen aber schon die bisherigen Studien um ein Bild zu geben von den Schwierigkeiten oder besser Unbequemlichkeiten, mit welchen man fortgesetzt sich zu placken hätte, wollte man etwa nach den solchergestalt für die Exception und Abstraktion geltenden Formeln wirklich rechnen. Als empfindlichster Misstand würde sich der Um - stand fühlbar machen, dass die Regeln nicht unbedingt gültig, die Transformation von Ausdrücken nach denselben nicht allgemein zu - lässig sind, sondern an die von mir so genannten Valenzbedingungen als an eine jeweilige Voraussetzung geknüpft erscheinen. Sodann sind die mittelst des Korrektionsglieds modifizirten Sätze auch weniger einfach, als die entsprechenden in der Arithmetik, und analoge Ver -495§ 23. Die inversen Operationen des Kalkuls.einfachungen, wie sie letztere Disziplin noch obendrein durch die Ein - führung der negativen Zahlen für den ganzen Komplex ihrer ein - schlägigen Sätze erzielt hat, wären hier nicht anzubringen. Die Sätze würden hier, zumal bei ihrer nicht unerheblichen wol kaum verminder - baren Anzahl, auch schwer zu behalten sein und müssten jedesmal bei der Anwendung samt ihren Gültigkeitsbedingungen nachgeschlagen werden gewiss eine höchst unerquickliche Zumutung! Und anderes mehr.

Es ist darum nur zu beglückwünschen, dass durch das Studium einzig ihres gemeinsamen Spezialfalles, der Negation, die weitere An - wendung der inversen Operationen des Kalkuls entbehrlich und über - flüssig geworden.

Der Studirende möge deshalb auch einen Ausdruck wie die a ohne die b , die a mit Ausnahme der b künftighin nicht mit a a b resp. a b sondern nur mit a b1 in die Zeichensprache übertragen. In der That ist der Ausdruck mit: die a, welche nicht b sind augen - scheinlich äquivalent.

Zum Schlusse sei noch erwähnt, dass die Darstellung η) des Generalwerts der Differenz sich auch unter dem Gesichtspunkt des Th. 44+) Zusatz 1 für die Entwickelung einer Funktion f (a, b) = a ÷ b nach ihren Argumenten darstellen, nachträglich ableiten lässt. Nach diesem Satze nämlich müssten wir haben: α1) a ÷ b = (1 ÷ 1) a b + (1 ÷ 0) a b1 + (0 ÷ 1) a1 b + (0 ÷ 0) a1 b1. Nun ist der Koeffizient 0 ÷ 1 sinnlos vergl. das unter σ) Gesagte. Damit der sinnlose Term aus dem Ausdruck fortfalle, wird der zu - gehörige Konstituent a1 b = 0 sein müssen, was uns die Valenz - bedingung liefert.

Nach den unter λ) angegebenen Spezialwerten (die auch durch ge - sonderte Überlegungen hätten unabhängig ermittelt werden können) sind: 1 ÷ 1 = u, 1 ÷ 0 = 1 und 0 ÷ 0 = 0 für die übrigen Koeffizienten einzusetzen und ergibt sich: a ÷ b = u a b + a b1 in Übereinstimmung mit η).

Analog dual entsprechend für den Generalwert des Quotienten.

Das Theorem 44+) nebst Korollaren wird in dieser Weise auch für die unter Konkurrenz inverser Operationen aufgebauten Funktions - ausdrücke gültig bleiben, wenn man es durch die Zusatzbemerkung ergänzt, dass diejenigen Konstituenten, deren Koeffizienten undeutig aus -496Zwölfte Vorlesung.fallen, für sich gleich 0 gesetzt werden müssen und so die Valenzbedingung für den Funktionsausdruck liefern.

Die vorstehende nähert sich der Art und Weise auf welche Boole seine inversen Operationsergebnisse ermittelte.

Die wesentlichsten in diesem Paragraphen gewonnenen Ergebnisse, seinerzeit im Operationskreis2 von mir mitgeteilt, habe ich nachträglich als von Herrn Peirce in seiner Schrift1a schon früher veröffentlichte vor - gefunden.

§ 24. Symmetrisch allgemeine Lösungen.

Die zur Vervollständigung der Theorie hiernächst von uns angestellten Betrachtungen können bei erstmaliger Lektüre des Buches überschlagen werden es sei denn, dass der Anfänger sie benntzen wolle um sich im identischen Rechnen zu üben. Dieselben scheinen mir vorwiegend ein theo - retisches Interesse zu besitzen von eigentümlichem Reiz vielleicht für den Mathematiker dagegen praktische Verwertbarkeit wol erst für eine fernere Zukunft in Aussicht zu stellen.

Ein nicht ganz leichtes Problem ist es, das uns hier noch zu be - schäftigen hat, da seine Lösung unter Umständen wünschenswert er - scheinen kann. Dasselbe bezieht sich auf den Fall, wo nach einer Mehr - zahl von unbekannten Gebieten oder Klassen gleichzeitig gefragt wird.

Hier kam es darauf an, die sämtlichen Wertsysteme, und nur solche, anzugeben, welche für die Unbekannten x, y, z, in die ver - einigte Gleichung des Problems bezüglich eingesetzt, dieselbe erfüllen.

In § 22, unter ϑ) sqq. gelang uns dieses, indem wir die vereinigte Gleichung nach dem System der Unbekannten allgemein auflösen, ihre Wurzeln wirklich berechnen , d. h. unter Zuhülfenahme arbiträrer Para - meter u, v, w, Ausdrücke für dieselben aufzustellen lernten, welche bei beliebiger Deutung jener Parameter uns allemal ein System von Wurzeln, ein solches aber auf jede mögliche Weise, liefern mussten.

Zu dem Ende mussten aber die Unbekannten successive (eliminirt und in der umgekehrten Ordnung) berechnet werden und die für die - selben als Wurzeln erhaltenen Ausdrücke erwiesen sich nach ihrem ganzen Baue formell abhängig von der dabei eingehaltenen Reihenfolge.

Die zuerst berechnete Unbekannte enthielt z. B. in ihrem Aus - druck nur einen willkürlichen Parameter, die nach dieser berechnete dazu noch einen weiteren, mithin deren zweie, die nächstberechnete ihrer dreie, u. s. w. Es konnte auch vorkommen, dass bei der letzten Elimination (eine oder) mehrere Unbekannte auf einmal herausfielen. Diese mussten dann unbestimmt, willkürlich bleiben und waren durch sie hernach die übrigen Unbekannten auszudrücken. Auf diese Weise497§ 24. Symmetrisch allgemeine Lösungen.wurden bei der Auflösung einzelne Unbekannte vor den andern bevor - zugt, und solches war sogar der Fall, wenn auch die urspüngliche Auf - gabe symmetrisch erschien bezüglich sämtlicher Unbekannten oder auch einer gewissen Gruppe von solchen, wenn die vereinigte Gleichung durch gewisse unter den Unbekannten vorgenommene Vertauschungen in Verbindung vielleicht mit einer gleichzeitigen Vertauschung unter ihren gegebenen Parametern a, b, c, ungeändert blieb, nur in sich selbst transformirt wurde.

So ist z. B. die Gleichung x y = 0 bezüglich x und y symmetrisch. Elimination von y gibt 0 = 0 (womit also auch x von selbst heraus - gefallen); mithin kann x als willkürlich hingestellt werden, und darnach berechnet sich dann: y = v x1. Somit stellen uns die Gleichungen: x = x, y = v x1 bei beliebigem x und v in der That jedes System von Wurzeln vor; man könnte auch sagen: x = u, y = v u1 bei beliebigen u, v.

Hätten wir aber die umgekehrte Reihenfolge bei der Auflösung vor - gezogen, so würden wir in Gestalt von y = y, x = u y1, oder: x = u v1, y = v zur Darstellung von ebendiesen Wurzelpaaren gelangt sein.

Eine gerechtfertigte, rationelle Anforderung ist es, nunmehr zu verlangen, dass die Darstellung für die Wurzelnsysteme von dem bei dem Auflösungsverfahren befolgten modus procedendi unabhängig er - scheinen sollen, und dass insbesondere alle diejenigen Vertauschungen einerseits zwischen den Unbekannten x, y, z, andrerseits zwischen den gegebenen Parametern a, b, welche die Data des Problems ungeändert lassen, nämlich die vereinigte Gleichung desselben in sich selbst transformiren, auch das System der Lösungen nicht affiziren, nämlich die Darstellungen der verschiedenen Wurzeln nur auf einander zurückführen, wofern sie noch mit geeigneten Vertauschungen unter den neu hinzugekommenen Symbolen, den willkürlichen Parametern, verbunden werden.

Um diesen Anforderungen zu genügen, dürfen nun jedenfalls nicht mehr einzelne Unbekannte direkt durch andere von ihnen ausgedrückt werden, wo letztere unbestimmt bleiben; vielmehr müssen jetzt alle Wurzeln ausgedrückt werden lediglich durch die gegebenen Parameter a, b, c, (oder die Koeffizienten der nach den Unbekannten ent - wickelten vereinigten Gleichung) und durch willkürliche oder unab - hängige Parameter.

Schröder, Algebra der Logik. 32498Zwölfte Vorlesung.

Dergleichen arbiträre Gebiete (welche wir bisher mit Vorliebe u, v, w genannt haben), will ich in diesem Paragraphen ausschliesslich durch griechische Buchstaben (des kleinen Alphabetes) darstellen, sodass auch umgekehrt jeder solche uns stets ein vollkommen willkürliches Gebiet bedeutet.

Ein durch solche Parameter ausgedrücktes System von Wurzeln wird als ein richtiges, als eine Lösung der gegebenen Relation oder vereinigten Gleichung zu bezeichnen sein, wenn dasselbe, in die Gleichung eingesetzt, diese in eine analytische Identität verwandelt; es darf also durch die Einsetzung nicht etwa eine Relation zwischen den Parametern sich ergeben.

Und als die allgemein (st) e Lösung wird es zu bezeichnen sein, wenn jedes beliebige die vereinigte Gleichung erfüllende Wertsystem x, y, z, der Unbekannten aus den für die Wurzeln aufgestellten Ausdrücken dadurch erhalten werden kann, dass man den in sie ein - gehenden Parametern geeignete partikulare oder besondere Werte beilegt.

Die Forderung der Symmetrie haben wir oben schon charakterisirt.

Ein allen diesen Anforderungen genügendes System von Aus - drücken (resp. von Gleichungen, in welchen linkerhand die Unbekannten sämtlich isolirt erscheinen, rechterhand nur die Koeffizienten mit will - kürlichen Parametern verbunden erscheinen) nennen wir eine symme - trisch allgemeine Lösung des vorgelegten Problems.

Man mag noch ausserdem verlangen, dass die Anzahl der ver - wendeten arbiträren Parameter nicht grösser sei, als unumgänglich.

Ich werde nunmehr die vorstehend charakterisirte Aufgabe für eine Reihe von Einzelfällen lösen die wichtigsten, von elementarer Natur. Es zeigt sich, dass die gefundenen Lösungen immer leicht als solche, die allen Anforderungen wirklich genügen, zu bewahrheiten sind. Weinger leicht sind sie manchmal zu entdecken.

Zu ihrer Auffindung verfüge ich bis jetzt erst über den Anfang einer allgemeinen Methode. Der erste Schritt von dieser bei jedem Problem der gleiche führt nicht selten schon sofort zum End - ergebnisse. Manchmal aber wird man durch denselben zunächst in einen Zirkel geführt, aus welchem es bis jetzt nicht möglich erscheint, ohne besondere Kunstgriffe herauszukommen. Die Methode bedarf also noch weiterer Ausgestaltung. Was über dieselbe zu sagen ist, will ich gelegentlich der Beispiele auseinandersetzen.

Ich beginne mit der folgenden (unbegrenzten) Reihe von funda - mentalen Problemen.

499§ 24. Symmetrisch allgemeine Lösungen.

Aufgabe 1. Es soll die Gleichung x y = 0 symmetrisch allgemein nach den Unbekannten x und y aufgelöst werden.

Die Auflösung wird dargestellt durch die Gleichungen: x = α β1 ω1 + α1 β ω, y = α1 β ω1 + α β1 ω, worin, wie vorbemerkt, α, β und ω ganz beliebige Gebiete bedeuten.

Aufgabe 2. Ebenso nach x, y, z die Gleichung x y z = 0 symmetrisch allgemein zu lösen.

Auflösung: x = α (β1 + γ1) ω1 + α1 (β + γ) ω, y = β (γ1 + α1) ω1 + β1 (γ + α) ω, z = γ (α1 + β1) ω1 + γ1 (α + β) ω.

Aufgabe 3. Desgleichen nach x, y, z, w aufzulösen die Gleichung: x y z w = 0.

Auflösung: x = α (β1 + γ1 + δ1) ω1 + α1 (β + γ + δ) ω, y = β (α1 + γ1 + δ1) ω1 + β1 (α + γ + δ) ω, z = γ (α1 + β1 + δ1) ω1 + γ1 (α + β + δ) ω, w = δ (α1 + β1 + γ1) ω1 + δ1 (α + β + γ) ω. Und so weiter: das Bildungsgesetz für beliebig viele Faktoren des zum Verschwinden zu bringenden Produktes ist ersichtlich.

Beweis. Erstens stimmt bei ganz unbestimmt gelassenen will - kürlichen Gebieten ω, α, β, γ, δ, für die angegebenen Wurzelwerte die Probe der Auflösung wie dies leicht nachzurechnen ist.

Die Auflösungen sind also jedenfalls richtige.

Zweitens sind sie aber auch die allgemeinsten, wie ich für Auf - gabe 3 näher nachweisen will (ganz analog ist es auch für die vor - hergehenden beiden Aufgaben zu leisten, etc.).

Ist x, y, z, w irgend ein Wertsystem oder System von gegebenen Gebieten, welche die Anforderung x y z w = 0 erfüllen, so kann man immer unsre Parameter ω, α, β, γ, δ so bestimmen, dass unsre Aus - drücke für die Wurzeln gerade dieses Wertsystem liefern. In der That genügt es, zu diesem Zwecke etwa: ω = 0 und α = x, β = y, γ = z, δ = w selbst zu denken.

32*500Zwölfte Vorlesung.

Um dies darzuthun muss nur erkannt werden, dass die Gleichung: x = x (y1 + z1 + w1) unter der Voraussetzung 0 = x y z w eine richtige Identität ist. Ad - diren wir aber diese letztere überschiebend zu der vorigen Gleichung, so entsteht: x = x (y1 + z1 + w1 + y z w) = x · 1 = x, in Anbetracht, dass wegen y1 + z1 + w1 = (y z w) 1 der Inhalt der Klammer rechts gleich 1 sein muss cf. Th. 36×) und 30+).

Und analog bezüglich der übrigen Unbekannten. Ebenso würde mit den Annahmen ω = 1, α = x1, β = y1, γ = z1, δ = w1 der Nachweis gelungen sein.

Es ist also wirklich jede denkbare Lösung, jedes der Forderung x y z w = 0 genügende Wertsystem in unsern Ausdrücken für die Wurzeln enthalten.

Und drittens gleichwie die Aufgabe in Bezug auf sämtliche Un - bekannte symmetrisch war, so sind es auch unsre Resultate, indem durch Vertauschungen unter den Parametern α, β, γ, δ augenscheinlich die verschiedenen Wurzeln nur in einander übergeführt werden, das System der Lösungen aber, wenn zugleich auch diese Wurzeln ver - tauscht werden, als Ganzes unverändert bleibt.

Wir sind darnach mit dem Beweis zu Ende.

Unsre Lösungen sind sogar symmetrisch in Bezug auf die Gruppe der Parameter und diejenige ihrer Negationen, indem bei Vertauschung von ω, α, β, γ, δ mit bezüglich ω1, α1, β1, γ1, δ1 die Ausdrücke wesent - lich ungeändert bleiben, nur in sich selbst wieder übergehen.

Letztere Eigenschaft ist ein Luxus. Man kann sie preisgeben und dafür den Vorteil erkaufen, dass man mit einem Parameter weniger auskommt.

Wie im zweiten Teil des Beweises sich offenbarte sind nämlich auch die für die spezielle Annahme ω = 1 (oder auch = 0) sich er - gebenden Ausdrücke schon die allgemeinsten Lösungen und kann man also sagen, dass auch durch die Formeln: x = α1 (β + γ + δ) y = β1 (γ + δ + α) z = γ1 (δ + α + β) w = δ1 (α + β + γ) 501§ 24. Symmetrisch allgemeine Lösungen.die Gleichung x y z w = 0 schon symmetrisch allgemein gelöst wird, wobei wir nun nicht mehr Parameter, als Unbekannte haben.

Analog auch für die übrigen Aufgaben: es wird z. B. x = α β1, y = α1 β die einfachst mögliche symmetrisch allgemeine Lösung der Gleichung x y = 0 sein. Etc.

Zur Auffindung der angegebenen Lösungen kann man heuristisch sich leiten lassen durch die folgende Überlegung.

Soll x y z w = 0 sein, so müssen wir nach Th. 43) Zusatz haben: x = α (y z w) 1 = α (y1 + z1 + w1) und ist damit die allgemeine Form gefunden, in welcher x sich durch vier andre Gebiete α, y, z, w aus - drücken lässt; symmetriehalber muss das Analoge in Bezug auf die übrigen Unbekannten der Fall sein, sich also y durch β, x, z, w aus - drücken lassen, etc. Würden wir aber dieses Schema zum Vorbild nehmen, so bekämen wir noch mit einer übergrossen Anzahl von Parametern zu thun (die auch nicht von einander unabhängig bleiben dürften).

Vorteilhafter ist darum die Bemerkung, dass nach bekannten Sätzen cf. Th. 38) Zus. und Th. 20) eine Gleichung ab = 0 äqui - valent ist (der Subsumtion a b1 und folglich auch) der Gleichung a = a b1 (wie dies, wegen a = a b1 + a b, auch leicht ganz direkt nach - zuweisen). Aus der Gleichung x y z w = 0 erhalten wir also: x = x (y1 + z1 + w1), y = y (z1 + w1 + x1), etc. Ersetzt man hier rechterhand die Symbole x, y, z, w selbst durch un - bestimmt gelassene Parameter α, β, γ, δ so erhält man jedenfalls sym - metrische Darstellungen für die vier Unbekannten, welche fähig sind jedes gegebene Wertsystem der Wurzeln bei geeigneter Bestimmung der Parameter (nämlich für die Annahme α = x, β = y, etc. der - selben) auch wirklich zu liefern, und ist mit diesen Darstellungen nur die Probe noch zu machen, ob sie auch für alle möglichen Werte dieser Parameter schon die Forderung, dass x y z w = 0 werde, erfüllen und siehe da: die Probe stimmt!

Die damit gewonnenen symmetrisch allgemeinen Lösungen: x = α (β1 + γ1 + δ1), y = β (γ1 + δ1 + α1), etc. bleiben jedenfalls ebensolche, wenn man sie noch mit einem weitern un - bestimmten Parameter ω1 multiplizirt, und aus den Darstellungen gehen dann ebenso berechtigte hervor, indem man sämtliche Parameter mit ihren Negationen vertauscht. Aus den beiden Systemen von Ausdrücken ergeben sich endlich durch additive Vereinigung der entsprechenden neue, an - scheinend die allgemeinsten (in Wahrheit aber nur ebenso allgemeine) die502Zwölfte Vorlesung.ebenfalls die Forderung x y z w = 0 erfüllen müssen, in Anbetracht, dass sie nach ω samt und sonders entwickelt erscheinen und man also behufs Multiplikation derselben nur die Koeffizienten ihrer gleichnamigen Glieder übereinander zu legen braucht.

Um die beim vorstehenden Spezialproblem erlangten Fingerzeige in der Richtung einer zum Ziel führenden Methode zu verallgemeinern, müssen wir noch dem Th. 50) eine neue Ausdrucksform geben, durch welche dasselbe mit dem Zusatze zum Th. 47+) in Zusammenhang ge - bracht wird. Das letztere sagte (mit neuer Bezeichnung) aus, dass sooft A x B ist, auch immer A x1 + B x = x sein müsse. Sagen wir hier b für A und a1 für B, so gelangen wir in Anbetracht, dass die Gleichung a x + b x1 = 0 auch mit der Doppelsubsumtion b x a1 nach Th. 49+) äquivalent ist, zu dem Satze, den wir be - zeichnen als das

Hülfstheorem des § 24: Die Gleichung a x + b x1 = 0 ist äqui - valent der: x = b x1 + a1 x.

In der That kann diese Äquivalenz auch leicht direkt nachgewiesen werden, indem man einfach die letztere rechterhand auf 0 bringt.

Die letztere Gleichung, obwol sie rechterhand die Unbekannte x selbst noch enthält, kann gleichwol als eine partikulare Lösung der erstern hin - gestellt werden, in Anbetracht, dass sie aus der allgemeinen Lösung x = b u1 + a1 u auch hervorgeht, indem man den willkürlichen Parameter u gleich x selbst annimmt. Sie stellt aber mit gleichem Rechte jede Partikularlösung vor, indem es offen blieb, welche von diesen unter x gedacht wurde.

Man könnte, im Hinblick auf die erste, unsre zweite Gleichung auch noch zu: x = a1 x (mittelst Unterdrückung von b x1, welches ja 0 sein sollte) vereinfachen. Für unsre beabsichtigten Anwendungen wird sich dieses aber nur selten empfehlen, so, natürlich, wenn der Term b x1 analytisch ver - schwinden sollte, wie es oben bei Aufgabe 4, wo b = 0 war, der Fall gewesen.

Wir werden darnach ein Arbeiten nach dem vollen und ein solches nach dem verkürzten Schema unsres Hülfstheorems zu unter - scheiden haben.

Nach obigem Hülfstheorem können wir nun die vereinigte Gleichung unsres Problems nach irgend einer Unbekannten so auflösen, dass wir ohne Zuhülfenahme eines arbiträren Parameters diese Unbekannte durch503§ 24. Symmetrisch allgemeine Lösungen.sich selbst und durch die übrigen Unbekannten linear und eindeutig ausdrücken.

Thun wir dies für jede Unbekannte, so erhalten wir ein System von Gleichungen, deren jede mit der ursprünglichen vereinigten Gleichung äquivalent ist (und je für eine Unbekannte einen Ausdruck angibt).

Jede Vertauschung von Symbolen, welche die ursprüngliche Glei - chung in sich selbst verwandelt, muss darum auch bei dem System dieser aus ihr gezogenen Folgerungen zulässig sein, dasselbe in sich selbst verwandeln.

In unsern Darstellungen für die Unbekannten kommen nun freilich rechterhand neben den Koeffizienten der vereinigten Gleichung auch diese Unbekannten selbst wieder vor. Ersetzt man aber (blos rechter - hand) jede einzelne von diesen letztern durchweg durch einen besondern nunmehr unbestimmt zu lassenden Parameter oder griechischen Buch - staben, so wird man ein allgemeineres System von Darstellungen für die Unbekannten erhalten, welches jedenfalls fähig ist, ein jedes be - sondere System von Wurzelwerten (für gewisse Parameterwerte) dar - zustellen, welches (m. a. W.) alle Wurzelsysteme notwendig mitumfasst oder in sich begreift.

Ausserdem wird dieses System von Gleichungen unfehlbar die An - forderungen der Symmetrie auch erfüllen. Wenn nämlich vor der Er - setzung durch die griechischen Buchstaben eine Gleichung des Systems aus einer andern hervorging durch eine vielleicht zwischen den Koef - fizienten und jedenfalls auch zwischen den Unbekannten der vereinigten Gleichung vorgenommene Vertauschung, so muss das gleiche auch nach jener Ersetzung noch der Fall sein sobald man nur mit der Ver - tauschung eben der Unbekannten auch die entsprechende zwischen den für sie eingesetzten griechischen Parametern parallel gehen lässt.

Also die Anforderung der Allgemeinheit und die Anforderung der Symmetrie erfüllen bereits die so gewonnenen Darstellungen für die Unbekannten. Um sie als symmetrisch allgemeine Lösungen der vereinigten Gleichung hinstellen zu dürfen, müssen wir nur noch zu - sehen, ob sie auch Lösungen derselben sind, ob sie als Wurzeln die - selbe erfüllen schon bei beliebig gelassenen Parameterwerten. Zu dem Ende ist nunmehr die Probe zu machen; die Ausdrücke sind für die Unbekannten in die vereinigte Gleichung einzusetzen.

Nicht selten, wie gesagt, stimmt diese Probe: es resultirt aus der Substitution der Ausdrücke, die wir dann als die Wurzeln bezeichnen dürfen, eine von den Parametern analytisch erfüllte Identität; man ist schon mit dem einen geschilderten als dem ersten Schritt der Methode am Ziele.

504Zwölfte Vorlesung.

Zuweilen aber führt die Einsetzung jener Darstellungen für die Unbekannten zu einer Relation zwischen den Parametern, welche von diesen erst erfüllt werden müsste. Die Aufgabe ist alsdann wenigstens auf die andre zurückgeführt: diese Relation nunmehr nach besagten Parametern als Unbekannten symmetrisch allgemein zu lösen. Hätten wir schon deren Wurzeln, so würde ihre Substitution in die früheren Gleichungen uns auch die ursprünglichen Unbekannten darstellen lehren.

Die Hülfsaufgabe, auf die wir so geführt werden, kann sehr viel einfacher und leichter sein, als wie die ursprüngliche, in welchen Fällen wir schrittweise zum Ziel gelangen werden. Allein es kommt auch vor, dass die für die Parameter resultirende Relation oder Hülfs - gleichung genau von derselben Form ist, wie die ursprüngliche ver - einigte Gleichung in Bezug auf die ursprünglichen Unbekannten es war, sodass das Problem wesentlich bis auf die nunmehr durch andere vertretenen Namen der Unbekannten (und vielleicht Koeffizien - ten) dasselbe geblieben ist, und es, auf die gleiche Art von neuem in Angriff genommen, in Ewigkeit bleiben müsste. Alsdann vermögen nur andersartige Kunstgriffe aus dem Zirkel herauszuführen wofern überhaupt das Problem ein lösbares.

Es werden fernere Beispiele dies nach und nach illustriren.

Aufgabe 4. Die Subsumtion: x y nach x und y symmetrisch allgemein zu lösen.

Auflösung. Die Gleichung x y1 = 0, mit der unsre Subsumtion äquivalent, ist dies auch wieder mit den beiden: x = x y und y = x + y. Nach der auseinandergesetzten Methode gelangen wir also zu den Formeln: x = α β ω1 + α1 β1 ω, y = (α + β) ω1 + (α1 + β1) ω welche auch schon für ω = 0 angesetzt werden konnten als: x = α β, y = α + β, und die Aufgabe lösen.

Ebenso konnte aber auch die Lösung schon aus der bei Aufgabe 1 gegebenen abgeleitet werden, indem man nach dortigen Schemata die Glei - chung x y1 = 0 symmetrisch allgemein löst nach den Unbekannten x und y1; für diese hat man die l. c. aufgestellten Ausdrücke und ergibt noch aus dem letztern sich y selbst durch beiderseitiges Negiren. Man bekommt die nämlichen Formeln, wie vorstehend, bis auf den Umstand, dass der Parameter β mit seiner Negation gewechselt.

505§ 24. Symmetrisch allgemeine Lösungen.

Es gibt keine wirkliche Vertauschung, welche hier die Data des Problems ungeändert liesse: es können x und y hier nicht die Rollen tauschen und die Aufgabe selbst ist unsymmetrisch. Die Symmetrie unsrer Lösungen besteht hier gleichwol in dem Sinne, dass weder y einseitig durch x ausgedrückt wird, noch umgekehrt x durch y, sondern dass vielmehr beide Unbekannte gleichmässig dargestellt werden durch zwei unabhängige Parameter α und β. Dass diese Darstellungen so - gar in Bezug auf letztere symmetrisch erscheinen, dürfte mehr wol nur als ein Zufall anzusehen sein. Verzichteten wir auf diese Gleich - mässigkeit, so könnte die Aufgabe schon einfacher mittelst: x = α, y = α + β, oder auch mittelst: x = α β, y = β in unabhängigen Parametern gelöst werden.

Aufgabe 5. Eine Reihe von Problemen einfachsten Charakters ergibt sich, indem man fordert, dass von den vier Gliedern der nach x und y entwickelten Einheit (identischen Eins) irgend eines, irgend zweie oder irgend dreie verschwinden, dass also von den vier Glei - chungen: x y = 0, x y1 = 0, x1 y = 0, x1 y1 = 0 in jeder möglichen Weise eine Gruppe gelten solle und allemal das System nach x und y symmetrisch allgemein gelöst werde.

Für die erste Gleichung, wenn sie für sich allein gelten soll, ist dies schon unter Aufgabe 1 geleistet, für die zweite unter Aufgabe 4 und dar - aus ergibt sich auch die Lösung für die dritte Gleichung, indem man x und y vertauscht; endlich braucht man, um für die vierte Gleichung die Lösungen zu finden, nur bei denen der Aufgabe 1 das x, y durch x1, y1 zu ersetzen, somit hier als x und y anzusetzen: die Negationen der an - gegebnen Wurzeln.

Gleichzeitige Geltung von irgend zweien der vier obigen Gleichungen führt auf die sechs Aufgaben, je eine von den Gleichungen symmetrisch allgemein zu lösen:

x y + x y1 = x = 0,x y + x1 y = y = 0,x y + x1 y1 = 0,
x y1 + x1 y = 0,x y1 + x1 y1 = y1 = 0,x1 y + x1 y1 = x1 = 0.

Von diesen bietet nur die dritte und die vierte ein Interesse (siehe unten). Bei den vier andern Aufgaben fiel nämlich die eine Unbekannte von selbst heraus; diese bleibt willkürlich und kann einem Parameter α, oder β, gleichgesetzt werden, wogegen sich die andre Unbekannte gleich 0 resp. 1 bestimmt.

Nach Th. 33+) gibt das Verschwinden irgend dreier von den vier Ter - men, mithin auch ihrer Summen zu irgend dreien, die Ansätze:506Zwölfte Vorlesung.x1 + y1 = 0, x1 + y = 0, x + y1 = 0, x + y = 0, welche nur je durch das Verschwinden der beiden Glieder befriedigt wer - den können, womit sich aber x und y gleich 1 oder 0 völlig bestimmen.

Alle vier Terme zugleich können nicht verschwinden, weil der Ansatz nach Th. 34+) auf die absurde Gleichung 1 = 0 führen würde.

Als einzige weitere Ausbeute der vorstehenden Blumenlese notiren wir also diese beiden Probleme: die Gleichung x y + x1 y1 = 0 resp. x y1 + x1 y = 0 je symmetrisch allgemein zu lösen.

Dieselben sind dadurch interessant, dass sie die einfachsten Exempel zu dem oben erwähnten Zirkel liefern.

Behandeln wir zunächst das erste derselben. Die Gleichung zer - fällt in die beiden Forderungen x y = 0 und x1 y1 = 0. Der ersten von diesen wird nach Aufgabe 1 durch den Ansatz: x = α β1, y = α1 β auf die allgemeinste Weise symmetrisch genügt, und müssen die Para - meter α und β nur mehr noch so bestimmt werden, dass sie auch die zweite Forderung x1 y1 = 0 erfüllen. Es wird aber x1 y1 = (α1 + β) (α + β1) = α1 β1 + α β und sonach erhalten wir in Gestalt von α β + α1 β1 = 0 für diese unbe - kannten Parameter eine Gleichung von genau derselben Form, als die ursprüngliche gleichung in Hinsicht von x und y gewesen.

Das gleiche stellt sich heraus, wenn wir streng systematisch ver - fahren, die Gleichung nämlich gemäss dem Hülfstheorem des § 24 nach x und y auflösen, wodurch sich x = y1, y = x1 ergibt, alsdann die Symbole x, y rechterhand durch arbiträre Parameter α, β ersetzen und mit den gewonnenen Darstellungen x = β1, y = α1 die Probe der Auflösung machen: es zeigt sich, dass diese Parameter nicht unab - hängig von einander sind, sondern die Relation: α1β1 + α β = 0 be - friedigen müssen, welche wiederum von der alten Form ist. Auf die - selbe Weise (behufs Ermittelung von α, β) fortfahrend müssten wir nun immerfort auf die gleiche Aufgabe behufs ihrer eignen Lösung zurückverwiesen werden.

Aus dem Zirkel tritt man aber hier leicht heraus vermittelst der Bemerkung, dass die Relation zwischen den Parametern auch mit α = β1 oder β = α1 äquivalent ist. Es genügt also in den obigen Darstellungen β1 durch α zu ersetzen, und erhalten wir: x = α, y = α1 als die gesuchten symmetrisch allgemeinen Lösungen.

Die Symmetrie gibt hier sich darin kund, dass die beiden Lösungen507§ 24. Symmetrisch allgemeine Lösungen.in einander übergehen, wenn man den (einzigen) vorkommenden Para - meter α mit seiner Negation α1 vertauscht.

Die analogen Betrachtungen für das zweite Problem durchzu - führen, dessen Gleichung auf x = y oder y = x hinausläuft und mittelst: x = α, y = α symmetrisch allgemein gelöst wird, dürfen wir füglich dem Leser überlassen.

Indem man analog dem hier Durchgesprochenen systematisch alle diejenigen Probleme aufsucht, welche sich ergeben können durch die Forderung des Verschwindens von irgend einer Gruppe von Termen, hervorgehoben aus den acht Gliedern der Entwickelung von 1 nach x, y und z gelangt man weiter zu den in Aufgabe 6 bis 11 behan - delten Problemen wobei wir aber nur mehr diejenigen erwähnen, welche nicht zufolge Herausfallens von Unbekannten auf früher Er - ledigtes hinauslaufen und welche ferner der Art nach verschieden sind, sodass sie nicht durch blosse Vertauschung von Unbekannten mitein - ander oder mit ihren Negationen auf bereits Behandeltes zurück - kommen.

In Aufgabe 2 ist sonach für die Forderung des Verschwindens von nur einem der acht Terme implicite die Lösung schon für alle Möglich - keiten angegeben.

Wir führen auch die Probleme nicht mehr in der streng kombi - natorisch-lexikalischen Reihenfolge vor in welche sie erst durch die Anordnung: Aufg. 2, 10, 7 (oder 8 Anm.), 6, 8, 11, 9 treten würden.

Aufgabe 6. Die Gleichung x = y z1 + y1 z oder, die rechte Seite auf 0 gebracht: x y z + x y1 z1 + y z1 x1 + z x1 y1 = 0 symmetrisch allgemeinst zu lösen.

Die Auflösung leisten die Formeln:

x = β γ1 + β1 γ,x1 = β γ + β1 γ1,
y = γ α1 + γ1 α,etc.
z = α β1 + α1 β,

wie schon durch den ersten Schritt der auseinandergesetzten Methode sich ohne weiteres ergibt vergl. hiezu auch das Th. von Jevons unter π) des § 18. Wieder genügt hier die Annahme α = x, β = y, γ = z, um gegebene Werte von x, y, z herausspringen zu machen.

508Zwölfte Vorlesung.

Hätte man für die Auflösung einer gleichung a x + b x1 = 0 an - statt des vollen Schemas x = b x1 + a1 x1 das verkürzte: x = a1 x vergl. unser Hülfstheorem benutzt, so würden sich die ebenfalls richtigen aber weniger einfachen Formeln als Lösung des Problems ergeben haben:

x = α (β γ1 + β1 γ),x1 = α1 + β γ + β1 γ1,
y = β (γ α1 + γ1 α),etc.
z = γ (α β1 + α1 β),

Man ersieht hieraus, dass das Problem der symmetrisch allgemeinen Darstellung eines Systems von Unbekannten nicht nur auf verschiedene Weisen, sondern auch in verschiedener Weise lösbar ist.

Aufgabe 7. Die Gleichung x y1 z1 + y z1 x1 + z x1 y1 = 0, welche nur die letzten drei Glieder der vorigen enthält, symmctrisch allgemein zu lösen.

Auflösung. Systematisch ergibt sich: x = α (β + γ) + α1 (β γ1 + β1 γ) = (β + γ) (α + β1 + γ1) = = α β γ + β γ1 + β1 γ, wozu x1 = α1 β γ + β1 γ1 gehört, und so weiter x, y, z nebst α, β, γ cyklisch (im Ringe her - um) vertauscht.

Die Lösungen sind richtige, aber nicht die einfachst möglichen. Bessere ergeben sich hier merkwürdigerweise, indem man anstatt des vollen Schema's das gekürzte in Anwendung bringt. So kommt:

x = α (β + γ),x1 = α1 + β1 γ1,
y = β (γ + α),etc.
z = γ (α + β),

als eine schon beträchtlich einfachere unter den möglichen Lösungen der Aufgabe. Man mache hier die Probe und überzeuge sich, dass mittelst der Annahme α = x, β = y, γ = z die Lösungen auch jedes gewünschte die Data erfüllende System von Wurzelwerten zu liefern im stande sind; Elimination von α, β, γ führt blos auf die obige Gleichung.

Aufgabe 8. Die Gleichung x y z + x1 y z + y1 z x + z1 x y = 0 nach x, y, z symmetrisch allgemein zu lösen.

509§ 24. Symmetrisch allgemeine Lösungen.

Dieselbe ist auch äquivalent dem System der drei Gleichungen: y z = 0, z x = 0, x y = 0, indem ihr Polynom sich mittelst identischer Umformungen leicht in x y + y z + z x zusammenziehen lässt.

Auflösung. Es wird also die nach x aufzulösende Gleichung in der Gestalt erscheinen: x (y + z) + x1 y z = 0, und nach dem vollen Schema ergibt sich darnach systematisch:

x = α β1 γ1 + α1 β γ,x1 = α (β + γ) + α1 (β1 + γ1),
y = β γ1 α1 + β1 γ α,etc.
z = γ α1 β1 + γ1 α β,

wozu nur noch bemerkt werden mag, dass x und x1 auch in der Gestalt: x = (γ α1 + γ1 α) (α β1 + α1 β), x1 = (γ α + γ1 α1) + (α β + α1 β1) geschrieben werden könnten, etc.

Anmerkung. Die Lösung derjenigen Gleichung: x1 y z + y1 z x + z1 x y = 0, welche nur die drei letzten Glieder der obigen umfasst, müssen sich nunmehr ergeben, wenn man in denen der Aufgabe 7 die Unbekannten mit ihren Negationen vertauscht. Thut man das gleiche auch mit den dortigen Parametern, so werden sich:

x = α + β γ,x1 = α1 (β1 + γ1)
y = β + γ α,etc.
z = γ + α β,

als diese gesuchten Lösungen ergeben.

Übrigens ist hervorzuheben, dass bei den Aufgaben 7 und 8 weder das Verfahren nach dem vollen, noch dasjenige nach dem verkürzten Schema uns die in formaler Hinsicht einfachsten Lösungen lieferte, welche möglich erscheinen.

Vielmehr drücken schon die Ansätze:

Lösungen aus für die darunter gesetzten Aufgaben (deren letzte aus Aufgabe 8 durch Vertauschung der Unbekannten mit ihren Negationen510Zwölfte Vorlesung.hervorgeht) wie durch Eliminiren von α, β, γ aus den drei Glei - chungen je leicht zu verifiziren ist.

Bei gegebenen Werten von x, y, z, welche die Resultante oder vor - gelegte Gleichung erfüllen, sind hier bezüglich: α = y z + x1 (y + z) bei den zwei ersten Problemen; sodann α = y (auch y + u z1); α = y1 (auch y1 + u z) und so weiter, die Buchstaben α, β, γ und x, y, z cyklisch vertauscht diejenigen Werte, welche für die Parameter anzunehmen sind, um die Lösungsgleichungen identisch zu erfüllen.

Gelegentlich der ersten von obigen vier Aufgaben sei noch eines kleinen Paradoxons erwähnt. Eliminirt man blos β und γ, so entsteht für α die Gleichung: (y1 + z1) α + x1 (y + z) α1 + x y1 z1 = 0, in welcher das letzte Glied links auch unterdrückt werden mag auf Grund der von x, y, z ohnehin erfüllt vorauszusetzenden Relation oder Endresul - tante der Elimination (auch noch von α). Darnach berechnet sich: α = x1 (y + z) + u y z, worin u willkürlich.

Behufs Erzielung einer möglichst einfachen Annahme für α wird man sich nun versucht fühlen u (anstatt wie oben 1) lieber gleich 0 zu nehmen, somit α = x1 (y + z) und entsprechend β = y1 (z + x), γ = z1 (x + y) zu setzen. Mit diesen Werten stimmt nun aber die Probe β + γ = x auf - fallenderweise nicht, vielmehr läuft diese Gleichung (auf Grund der Vor - aussetzungen über x, y, z vereinfacht) noch auf die Relation x y z = 0 hin - aus, welche mit den Voraussetzungen nicht gegeben war.

Um dies aufzuhellen, eliminiren wir aus den drei Gleichungen x = β + γ, etc. der Aufgabe in Vereinigung mit den drei Ansätzen: α = x1 (y + z) + u y z, β = y1 (z + x) + v z x, γ = z1 (x + y) + w x y die Parameter α, β, γ und erhalten als vereinigte Resultante: 0 = x y1 z1 + y z1 x1 + z x1 y1 + x y z (v1 w1 + w1 u1 + u1 v1).

Aus dieser ist zu ersehen, dass u, v, w in allen drei Ansätzen will - kürlich bleiben, wenn x y z = 0 sein sollte, dass aber ohne diese Voraus - setzung dieselben (unabhängig von x, y, z) nur einander gleich genommen werden dürfen, falls u1 = v1 = w1 = 0 somit u = v = w = 1 gesetzt wird, womit sich die oben angeführten Parameterannahmen als notwendige ergeben.

Bei der dritten Aufgabe dagegen resultirt für α die Gleichung: y α1 + z α + x z = 0, woraus α = y + u z1 folgt. Der analoge Ansatz für β und γ in Gestalt von511§ 24. Symmetrisch allgemeine Lösungen.β = z + v x1, γ = x + w y1 liefert durch das entsprechende Verfahren die Resultante: 0 = y z + z x + x y + x1 y1 z1 (v1 w + w1 u + u1 v), woraus ersichtlich ist, dass der letzte Term für u = v = w schon bei be - liebigem u in Wegfall kommen wird.

Aufgabe 9. Die Gleichung: x y1 z1 + y z1 x1 + z x1 y1 + x1 y z + y1 z x + z1 x y = 0, welche die bei den Aufgaben 7, und 8 Anm., vorgekommenen Glieder in sich zusammenfasst, nach x, y, z symmetrisch allgemein zu lösen.

Auflösung. Die Gleichung fordert, dass: x + y + z = x y z, oder (x + y + z) (x1 + y1 + z1) = 0 sein solle, und lässt sich schreiben in der Gestalt: oder y z1 + z x1 + x y1 = 0, oder y1 z + z1 x + x1 y = 0, (y z1 + y1 z) + (z x1 + z1 x) + (x y1 + x1 y) = 0, womit, da die drei Terme auch einzeln verschwinden müssen, nach Th. 39) gesagt ist, dass: x = y = z sein müsse. Hiernach wird denn augenscheinlich: x = α, x1 = α1 y = α, y1 = α1 z = α, z1 = α1 die gesuchte Lösung in unabhängigen Parametern sein.

Behufs Verfahrens nach dem (vollen) Schema der Methode müsste man die Gleichung zuerst nach einer Unbekannten ordnen, z. B. nach x, wo sie sich in folgender einfachen Gestalt darstellen wird: x (y1 + z1) + x1 (y + z) = 0, sodann nach jener auflösen, etc. Es würde sich x = α β γ + α1 (β + γ) = (β + γ) (α1 + β γ), oder noch konziser: x = β γ + α1 (β + γ), x1 = β1 γ1 + α (β1 + γ1), y = γ α + β1 (γ + α), etc. z = α β + γ1 (α + β), ergeben, und da sich y z = α (β γ + β1 γ1), somit x1 y z = α β1 γ1 und folglich ebenso x y1 z1 = α1 β γ herausstellt, so führt uns die Probe der Auflösung512Zwölfte Vorlesung.auf eine Gleichung in α, β, γ von derselben Form wie die gegebene in x, y, z nur die drei ersten Glieder mit den drei letzten vertauscht, d. h. wir gelangen zum Zirkel. Aus diesem wird wieder nur herauszukommen sein durch die Bemerkung, dass die Relation zwischen unsern Parametern auf γ = β = α hinausläuft, womit sich die oben angeführten Lösungen ergeben. Nach dem gekürzten Schema würden hier alle drei Unbekannten sich gleich α β γ ergeben haben.

Aufgabe 10. Die Gleichung: x y z + x1 y1 z1 = 0 symmetrisch allgemein zu lösen in unabhängigen Parametern.

Das systematische Verfahren nach dem vollen Schema der Methode führt hier zu der Erkenntniss, dass die Wurzeln folgenden Bau haben müssen: x = α (β1 + γ1) + α1 β1 γ1 = α (β1 + γ1) + β1 γ1, x1 = α1 (β + γ) + β γ

y = β (γ1 + α1) + γ1 α1,etc.
z = γ (α1 + β1) + α1 β1,

d. h. wir erhalten dieselben Ausdrücke, wie im Kontext der vorigen Aufgabe nur die Parameter mit ihren Negationen vertauscht. Weil nun aber x y z = α1 β1 γ1 und x1 y1 z1 = α β γ wird, so werden die Para - meter selbst noch die Relation α β γ + α1 β1 γ1 = 0 symmetrisch allgemein zu erfüllen haben, womit wir bei dem Zirkel uns angelangt finden.

Auf ebendiesen Zirkel würde es auch führen wenn man etwa die Lösungen der Aufgabe 2 benutzen wollte, um die vorliegenden zu ent - decken. Ebenso:

Wendete man das gekürzte Schema an, so ergäbe sich: x = α (β1 + γ1), x1 = α1 + β γ und so weiter (die Buchstaben cyklisch vertauscht). Hier würde zwar x y z = 0 schon identisch verschwinden, dafür aber x1 y1 z1 = α1 β1 γ1 + α β γ sich ergeben und somit der alte Zirkel resultiren.

Der Leser mag hier nun selbst versuchen, aus diesem Zirkel herauszukommen. *)Vergleiche hiezu Anhang 6.

Aufgabe 11. Die Gleichung: x y z + x1 y z + y1 z x + z1 x y + x1 y1 z1 = 0,513§ 24. Symmetrisch allgemeine Lösungen. welche links die Glieder der in Aufgabe 8, Anmerkung und Auf - gabe 10 gegebenen Gleichungen zusammenfasst symmetrisch allgemein zu lösen.

Die Darstellungen für die Wurzeln müssen hiernach sich er - geben, wenn man in die bei der Aufgabe 7 gefundenen Ausdrücke die - jenigen Parameterwerte substituirt, welche die Forderung der Auf - gabe 10: α β γ + α1 β1 γ1 = 0 symmetrisch allgemein erfüllen.

Anmerkung. Vertauschte man noch die Unbekannten mit ihren Negationen, so ergäben sich daraus weiter die Lösungen für eine Auf - gabe, welche die Glieder aus den Aufgaben 7 und 10 zusammenfasste.

Mit vorstehenden Aufgaben würden alle diejenigen erledigt sein, welche irgend Interesse bieten von jenen, die unter den sub Aufgabe 5 angegebnen Gesichtspunkt fallen.

Aufgabe 12. Die Gleichung: x y1 + x1 y = c nach x und y symmetrisch allgemein zu lösen.

Auflösung.

Die in Aufgabe 6 gelöste Gleichung hätte nach Jevons 'dort citirtem Theorem auch angeschrieben werden können in der Gestalt: x y1 + x1 y = z, woraus ersichtlich ist, dass die dortige von der hier vorliegenden Aufgabe sich nur dadurch unterscheidet, dass jetzt z nicht mehr unbekannt sein, sondern einen gegebenen Wert c besitzen soll.

Wollte man die Lösungen der Aufgabe 6 zur Auffindung der Wur - zeln der obigen 12 benutzen, so bliebe man in den Zirkel gebannt, für die unbestimmten Parameter α und β jener Lösungen eine Gleichung α1 β + α β1 = c von genau der nämlichen Form, wie die vorstehende lösen zu müssen, und so ohne Ende fort weiter, falls man abermals neue Para - meter zur Darstellung der letztern einführen wollte.

Eliminirt man x und y aus der rechts auf 0 gebrachten Gleichung, so resultirt 0 = 0, woraus zu erkennen ist, dass c vollkommen will - kürlich gegeben werden kann. Die Gleichung lautet: c (x y + x1 y1) + c1 (x y1 + x1 y) = 0. Das systematische Verfahren führt (ebenfalls) hier zum Zirkel:

Nach dem vollen Schema wird man unschwer die Darstellungen ge - winnen: x = c β1 + c1 β, y = c α1 + c1 α (in Bestätigung von Jevons 'Theorem) und müssen dann aber, damit dieSchröder, Algebra der Logik. 33514Zwölfte Vorlesung.Probe stimme, die Parameter selbst wieder die Relation α β1 + α1 β = c erfüllen.

Nach dem gekürzten Schema erhielte man: x = α (c β1 + c1 β), y = β (c α1 + c1 α), wo α, β dann die Gleichung erfüllen müssten: c (α β1 + α1 β) = c, oder c (α β + α1 β1) = 0, welche aufzulösen wenigstens nicht leichter ist, als die ursprüngliche Aufgabe.

Um nun aus diesem Zirkel herauszukommen, nehmen wir die Un - bekannten nach c entwickelt an: x = α c1 + β c, y = γ c1 + δ c x1 = α1 c1 + β1 c, y1 = γ1 c1 + δ1 c und machen mit diesen Werten die Probe; es muss dann: c1 (α γ1 + α1 γ) + c (β δ1 + β1 δ) = c werden, d. h.: c1 (α γ1 + α1 γ) = 0 und c (β δ + β1 δ1) = 0. Diesen Forderungen genügen wir (zwar für ein gegebenes c keines - wegs auf die allgemeinste Weise, immerhin jedoch in einer für alle c zutreffenden Weise), indem wir: α γ1 + α1 γ = 0 und β δ + β1 δ1 = 0 selbst machen, womit sich γ = α und δ = β1 bestimmt. Einsetzung dieser Werte führt uns nunmehr zu den Dar - stellungen der Wurzeln: x = α c1 + β c, x1 = α1 c1 + β1 c y = α c1 + β1 c, y1 = α1 c1 + β c, von welchen in der That erweislich ist, dass sie unser Problem lösen.

Einerseits stimmt (wie gezeigt) die Probe.

Andererseits genügen sie den Forderungen der Symmetrie: durch Vertauschung von β mit β1 gehen x und y ineinander über während durch Vertauschung von α, β mit α1, β1 auch x, y in x1, y1, und um - gekehrt, übergeht.

Endlich aber und dies muss hier noch besonders nachgewiesen werden sind die Lösungen auch die allgemeinsten: Für die An - nahmen: α = x y, β = x y1 (oder auch x + y1), c = x y1 + x1 y werden in der That die Gleichungen zu analytischen, identisch in x, y erfüllten. Bei geeigneter Bestimmung der Parameter α, β werden also unsre Ausdrücke für die Unbekannten auch jedes gewünschte, die vor -515§ 24. Symmetrisch allgemeine Lösungen.gelegte Gleichung erfüllende Wertepaar x, y darzustellen im stande sein, q. e. d.

Selbstredend können solche Parameterwerte, welche dieses leisten, wie soeben die für α und β angegebenen, auch systematisch aufgefunden wer - den, indem man unsre die Wurzeln darstellenden Gleichungen mit der ursprünglichen Gleichung des Problems vereinigt und nach den Unbe - kannten α, β auflöst. Es genügt dann aber für diese nur irgend ein System von Partikularlösungen zu entdecken, wobei man denjenigen vom einfach - sten Ausdrucke den Vorzug geben wird.

Zur Übung für den Studirenden führen wir noch folgende beiden Auf - gaben mit ihren Lösungen ohne weitere Bemerkung an.

Aufgabe 13. Die Gleichung: x y = a nach x und y symmetrisch allgemein zu lösen.

Auflösung: x = a + α β1, y = a + α1 β.

Aufgabe 14. Das Gleichungenpaar: x y = a, x1 y1 = b symmetrisch allgemein zu lösen.

Auflösung. Es müssen a und b die Voraussetzung: a b = 0 erfüllen, womit sich: a = α β1, b = α1 β ergibt. Alsdann sind: x = a + γ b1, x1 = b + γ1 a1 y = a + γ1 b1, y1 = b + γ a1 die gesuchten Lösungen. Um gegebene x, y zu erhalten, braucht man blos γ = x y1 oder auch γ = x + y1 (oder irgendwie dazwischen) zu nehmen.

Wir gehen nunmehr zu einer letzten und Hauptaufgabe über.

Aufgabe 15. Die allgemeinste Gleichung mit zwei Unbekannten x, y: a x y + b x y1 + c x1 y + d x1 y1 = 0 kürzer: F = 0 soll nach diesen symmetrisch allgemein gelöst werden.

Auflösung. Durch Elimination von x, y resultirt zwischen den Koeffizienten der Gleichung die Relation: a b c d = 0 und diese ist zunächst identisch zu erfüllen, indem man gemäss Auf - gabe 3 für jene Koeffizienten in unabhängigen Parametern die Aus - drücke nimmt:33*516Zwölfte Vorlesung.

a = α (β1 + γ1 + δ1),a1 = α1 + β γ δ,
b = β (α1 + γ1 + δ1)etc.
c = γ (α1 + β1 + δ1)
d = δ (α1 + β1 + γ1).

Obwol wir uns unter den Koeffizienten fortan diese Ausdrücke vorzustellen haben werden, ziehen wir den Einfachheit wegen vor, doch die alten Namen a, b, c, d für dieselben beizubehalten.

Schon in § 22 unter β) und γ) haben wir die Gleichung F = 0 nach x resp. nach y geordnet angeschrieben und aus dem Anblick dieser Darstellungen fliessen nach dem vollen Schema unsrer Methode die Gleichungen: x = x (a1 y + b1 y1) + x1 (c y + d y1), y = (a1 x + c1 x1) y + (b x + d x1) y1, deren jede mit der aufzulösenden F = 0 äquivalent sein wird.

Systematisch zuwerke gehend ersetzen wir rechts in ihnen die Namen x, y der Unbekannten durch unbestimmte Parameter μ, ν. Ordnen wir auch sogleich nach diesen, so ergeben sich die Ausdrücke, neben welche wir diejenigen für ihre Negationen schreiben: x = a1 μ ν + b1 μ ν1 + c μ1 ν + d μ1 ν1, x1 = a μ ν + b μ ν1 + c1 μ1 ν + d1 μ1 ν1, y = a1 μ ν + b μ ν1 + c1 μ1 ν + d μ1 ν1, y1 = a μ ν + b1 μ ν1 + c μ1 ν + d1 μ1 ν1.

Hiermit sind nun leicht die vier Produkte zu bilden: x y = a1 μ ν + d μ1 ν1, x y1 = b1 μ ν1 + c μ1 ν, x1 y = b μ ν1 + c1 μ1 ν, x1 y1 = a μ ν + d1 μ1 ν1, deren Einsetzung in F = 0 uns die Bedingung liefert: a d (μ ν + μ1 ν1) + b c (μ ν1 + μ1 ν) = 0, welche einzig noch von μ, ν zu erfüllen ist.

Der Versuch, die Gleichung so, wie die obige, systematisch nach den Unbekannten μ, ν aufzulösen, führt im Zirkel herum wie auch schon a priori zu sehen ist, in Anbetracht, dass die Gleichung unge - ändert bleibt, wenn man in ihr (dem Vorbild entsprechend, das sie mit F = 0 zusammengehalten darbietet) das a sowol als das d durch a d, zugleich das b und das c durch b c ersetzt.

Indessen kommt man hier unschwer zum Ziele durch die Bemer - kung, dass wenn μ ν1 + μ1 ν = ϱ genannt wird, sich μ ν + μ1 ν1 = ϱ1 dazu ergibt, wonach die zu erfüllende Gleichung lautet: a d ϱ1 + b c ϱ = 0.

517§ 24. Symmetrisch allgemeine Lösungen.

Dieser wird auf die allgemeinste Weise vermittelst des Ansatzes (cf. Th. 50): ϱ = a d ϖ1 + (b1 + c1) ω, ϱ1 = (a1 + d1) ω1 + b c ϖ worin die überstrichenen Faktoren auch unterdrückt werden dürften zu genügen sein, und wenn man darnach μ = ϰ ϱ1 + λ ϱ, μ1 = ϰ1 ϱ1 + λ1 ϱ ν = ϰ ϱ1 + λ1 ϱ, ν1 = ϰ1 ϱ1 + λ ϱ nimmt, wie sich dies nach den in Aufgabe 12 gewonnenen Schemata für die symmetrisch allgemeine Auflösung der Gleichung μ ν1 + μ1 ν = ϱ nach den Unbekannten μ, ν (bei gegebenem ϱ) ergibt, so wird unser Problem gelöst sein.

Es erübrigt nur mehr die Werte von μ, ν, oder besser sogleich die Produkte: μ ν = ϰ ϱ1, μ ν1 = λ ϱ, μ1 ν = λ1 ϱ, μ1 ν1 = ϰ1 ϱ1 nebst den gefundenen Werten von ϱ, ϱ1 in die letzten Ausdrücke von x, y einzusetzen. Nach ϱ geordnet wird zunächst: x = (a1 ϰ + d ϰ1) ϱ1 + (b1 λ + c λ1) ϱ, x1 = (a ϰ + d1 ϰ1) ϱ1 + (b λ + c1 λ1) ϱ, y = (a1 ϰ + d ϰ1) ϱ1 + (b λ + c1 λ1) ϱ, y1 = (a ϰ + d1 ϰ1) ϱ1 + (b1 λ + c λ1) ϱ und hieraus fliessen bei Unterdrückung jener überstrichenen ω-Faktoren wol die konzisestmöglichen Ausdrücke für die Wurzeln der vorgelegten Gleichung: x = b c (a1 ϰ + d ϰ1) + a d (b1 λ + c λ1) + a1 (d + ϰ) ω1 + b1 (c + λ) ω, y = b c (a1 ϰ + d ϰ1) + a d (b λ + c1 λ1) + a1 (d + ϰ) ω1 + c1 (b + λ1) ω, x1 = b c (a ϰ + d1 ϰ1) + a d (b λ + c1 λ1) + d1 (a + ϰ1) ω1 + c1 (b + λ1) ω, y1 = b c (a ϰ + d1 ϰ1) + a d (b1 λ + c λ1) + d1 (a + ϰ1) ω1 + b1 (c + λ) ω, worin ϰ, λ ω unabhängig beliebige Parameter vorstellen.

Direkt dürfte hier nicht ganz leicht zu sehen sein, dass die bei - den letzten Ausdrücke wirklich die (korrekt gebildeten) Negationen für die ersten beiden sind. Übersehbar wird dies erst, nachdem man die Ausdrücke nach den drei Parametern entwickelt haben wird, was auch zum Ausmultipliziren derselben behufs Probens der Auflösungen die bequemste Form gibt. Man findet:

  • x = {(a1 + b1 d) ϰ λ + (a1 + c d) ϰ λ1 + d (a1 + b1) ϰ1 λ + d (a1 + c) ϰ1 λ1} ω1 + + {(b1 + a1 c) ϰ λ + c (a1 + b1) ϰ λ1 + (b1 + c d) ϰ1 λ + c (b1 + d) ϰ1 λ1} ω,
  • y = {(a1 + b d) ϰ λ + (a1 + c1 d) ϰ λ1 + d (a1 + b) ϰ1 λ + d (a1 + c1) ϰ1 λ1} ω1 + + {b (a1 + c1) ϰ λ + (c1 + a1 b) ϰ λ1 + b (c1 + d) ϰ1 λ + (c1 + b d) ϰ1 λ1} ω;
518Zwölfte Vorlesung.
  • x1 = {a (b + d1) ϰ λ + a (c1 + d1) ϰ λ1 + (d1 + a b) ϰ1 λ + (d1 + a c1) ϰ1 λ1} ω1 + + {b (a + c1) ϰ λ + (c1 + a b) ϰ λ1 + b (c1 + d1) ϰ1 λ + (c1 + b d1) ϰ1 λ1} ω,
  • y1 = {a (b1 + d1) ϰ λ + a (c + d1) ϰ λ1 + (d1 + a b1) ϰ1 λ + (d1 + a c) ϰ1 λ1} ω1 + + {(b1 + a c) ϰ λ + c (a + b1) ϰ λ1 + (b1 + c d1) ϰ1 λ + c (b1 + d1) ϰ1 λ1} ω.

Die Probe, dass, a b c d = 0 vorausgesetzt, identisch: a x y = 0, b x y1 = 0, c x1 y = 0 und d x1 y1 = 0 wird, stimmt was eine Anzahl leichter Rechenexempel liefert, in - dem man immer nur die gleichstelligen Koeffizienten aus den entsprechen - den zwei Zeilen zu verknüpfen braucht. Mit Rücksicht auf die Sym - metrieverhältnisse brauchte übrigens nur eine von diesen vier Glei - chungen auf ihre Richtigkeit geprüft zu werden, wofern die letztere diesmal nicht schon aus der Herleitung erhellte.

Auf Grund der Relation a b c d = 0 kann man bemerken, dass die folgenden unter den obigen Koeffizienten mit den ihnen rechts gleich - gesetzten äquivalent sind: a1 + b1 d = a1 + d (b1 + c), d (a1 + c) = d (a1 + b1 c), b1 + a1 c = b1 + c (a1 + d), c (b1 + d) = c (b1 + a1 d), a1 + c1 d = a1 + d (b + c1), d (a1 + b) = d (a1 + b c1), c1 + a1 b = c1 + b (a1 + d), b (c1 + d) = b (c1 + a1 d). Ersetzte man jene durch diese, desgleichen ihre Negationen wo sie auftreten durch diejenigen der rechten Seite, so ist es, um alles vollends in den unabhängigen Parametern ausgedrückt zu erhalten, nur mehr erforderlich, dass man die lateinischen Buchstaben a, b, c, d durchweg in die griechischen α, β, γ, δ verwandle.

Was die Anforderungen der Symmetrie betrifft, so geht die Glei - chung F = 0 ausschliesslich in sich selbst über durch die folgenden Vertauschungen ( Transpositionen ) links vom Vertikalstrich:

10) (x, y) (x1, y1) (b, c)(λ, λ1)
20) (x, y1) (x1, y) (a, d)(ϰ, ϰ1)
30) (x, x1) (a, c) (b, d)(ϰ, λ1) (λ, ϰ1) (ω, ω1)
40) (y, y1) (a, b) (c, d)(ϰ, λ) (ϰ1, λ1) (ω, ω1)
50) (x, x1) (y, y1) (a, d) (b, c)(ϰ, ϰ1) (λ, λ1)

Dieselben, verbunden mit den rechts vom Vertikalstrich daneben gesetzten Vertauschungen zwischen den Parametern, führen auch das System der vier für x, y, x1, y1, angegebenen Lösungen nur in sich selbst zurück. Da aus denen 10) und 30) die übrigen Vertauschungen alle ableitbar sind, so braucht dies nur für jene beiden wirklich nach - gesehen zu werden.

519§ 24. Symmetrisch allgemeine Lösungen.

Den Forderungen der Symmetrie ist also durch unsre Lösungen durchaus Genüge geleistet.

Es ist nunmehr nur noch die Frage zu erledigen, wie etwa die Parameter ϰ, λ, ω anzunehmen sind, damit unsre Formeln für die Wur - zeln ein gegebenes Wertepaar x, y darstellen, das übrigens die Glei - chung F = 0 erfüllt.

Nach dem Hülfstheorem des Paragraphen vergl. auch § 21, ω) ist es zu dem Ende ausreichend μ = x, ν = y selbst zu machen, desgleichen ω = ϱ selbst zu nehmen, und nach dem in Aufgabe 12 Ermittelten werden die Annahmen ϰ = μ ν nebst λ = μ ν1 (oder auch μ + ν1) zum Ziele führen. Darnach werden wir in Gestalt von: ϰ = x y, λ = x y1 (oder auch x + y1), ω = x y1 + x1 y ein System von Annahmen haben, welches in einfacher Weise unsre Formeln für x, y zu solchen macht die sich als blosse Umformungen der Gleichung F = 0 herausstellen, auf Grund von dieser sich iden - tisch bewahrheiten. Die Rechnung bestätigt dies in der That direkt; man wird dazu am besten die konzisesten Ausdrücke von x, y nehmen und auch die aus F = 0 durch Elimination von x oder y sich er - gebenden beiden Relationen β '), γ') des § 22 dabei berücksichtigen.

Die vorstehend gelösten Aufgaben liefern begreiflicherweise uns auch ebensoviele Eliminationsprobleme: eliminirt man aus ihren Lösun - gen, resp. den die Wurzeln darstellenden Gleichungen, sämtliche unab - hängigen Parameter (also griechischen Symbole), so kann man sich überzeugen, dass als Resultante hervorgeht die ursprünglich zur Auf - lösung vorgelegt gewesene Gleichung, und zwar gerade nur diese aber keine weitergehende Relation zwischen den Unbekannten (und Koef - fizienten) was als eine Kontrole für die Richtigkeit unsrer Be - trachtungen dient.

Dies auch bei Aufgabe 15 durchzuführen, ist leicht, obschon ein wenig mühsam.

Eliminirt man hier erst ϰ und λ ohne ω, so zeigt sich, dass ω diesmal kein Luxus-Parameter ist, wie bei den Aufgaben 1 bis 4, wo es, selbst bei gegebenen x, y, , noch beliebig spezialisirt, gleich 0 oder 1 z. B. genommen werden konnte. Vielmehr muss diesmal ω eine als Resultante der Elimination von ϰ, λ sich ergebende Relation erfüllen, welche mit Rücksicht auf die Endresultante F = 0 in der einfachen Gestalt geschrieben werden kann: (a1 + d1) (x y1 + x1 y) ω1 + (b1 + c1) (x y + x1 y1) ω = 0.

Nur insofern die Werte von x, y als erst durch die Gleichung520Zwölfte Vorlesung.F = 0 bestimmt gelten sollen, wird gleichwie ϰ und λ, so auch ω willkürlich, werden alle dreie wirklich unabhängige Parameter sein.

Aus Vorstehendem wird der Studirende schon inne geworden sein, dass in unsrer Disziplin noch eine Fülle von Problemen der Lösung harrt. Ich signalisire (ausser den Aufgaben 10 und 11) insbesondere: die symmetrisch allgemeine Auflösung der allgemeinsten Gleichung mit drei Unbekannten. Ferner: die Ergänzung der Methode zu einer solchen, die in allen Fällen unfehlbar zum Ziele führt oder andern - falles: der Nachweis, dass in gewissen Fällen die Aufgabe unlösbar ist, nebst der vollständigen Angabe, in welchen Fällen eben ihre Lösung unmöglich bleibt.

In Anbetracht, dass wir bei der Darstellung zweier Unbekannten mittelst unabhängiger Parameter in Aufgabe 14 mit einem solchen aus - kamen, in Aufgabe 12 deren zweie und in Aufgabe 15 deren dreie be - nötigten, reihen weiter hieran sich Fragen nach der Minimalanzahl der bei jedem Probleme erforderlichen selbständigen Parameter, und an - deres mehr. *)Z. B. noch: Wir stiessen auf Ausdrücke, wie bei Aufgabe 9 auf b c + a1 (b + c), deren Negation einfach erhalten wird, indem man sämtliche einfachen Symbole, welche im Ausdruck vorkommen, in ihre Negationen umwandelt Beantwortung der Frage: welches sind die Ausdrücke, die diese Eigenschaft haben müssen und allein haben können? Welches sind erschöpfend die zu sich selbst dualen Formeln des Kalkuls? Etc.

Dies alles schon bei demjenigen Teile unsrer Disziplin, der (nächst dem Aussagenkalkul) als der vollendetste, ja als im wesentlichen voll - endet hingestellt werden darf! Betreffen ja doch die eben charakteri - sirten Forderungen nur noch die Art und Weise, nur mehr die Aus - drucksformen einer Lösung, die schon gegeben wurde.

Des weiteren vergleiche man noch den Anhang 6, welcher (etwa mit den Schlussbetrachtungen des Anhang 4 verschmolzen) auch als eine selbständige, den andern ebenbürtige Vorlesung in die Theorie hätte aufgenommen werden können. Dass ich ihn als eine solche nicht einreihte, geschah hauptsächlich deshalb, weil in ihm das numerische Element der Logik in einem Grade hervortritt, welcher mit der auf dessen Ausschluss gerichteten Tendenz des Buches nicht ganz im Ein - klang sich befindet.

[521]

Dreizehnte Vorlesung.

§ 25. Anwendungsbeispiele und Aufgaben.

Als einfachste Anwendungen der Theorie läge es nunmehr nahe, etwa die sogenannten unmittelbaren Folgerungen und alsdann die Syllogismen der schulmässigen Logik vorzunehmen. Dies könnten wir auch leicht, in - soweit nur universale Prämissen und Konklusionen in Betracht zu ziehen sind.

Aufgaben aber, bei welchen partikulare Urteile mit in Betracht kommen, müssen wir als um einen Grad schwieriger bezeichnen. Bei der Unbestimmt - heit des Zahlworts einige ist dies auch begreiflich. Es stellt sich heraus, dass die Behandlung solcher Aufgaben, selbst wenn sie in ihrer Art noch so einfach angelegt erscheinen, für die bisherige schon leidlich in sich ab - geschlossene Theorie zumeist*)Ausgenommen sind nur diejenigen Fälle, wo durchweg beim Problem und seiner Lösung das einige a im selben Sinne verstanden werden muss, sodass es als Klasse von vornherein mit a' bezeichenbar, in Bezug auf welches dann die Aufgabe von universalem Charakter wäre. noch gar nicht erreichbar ist (vergl. § 33). Und so könnte von den angedeuteten Problemen doch nur ein unbedeutender Bruchteil zur Zeit erledigt werden Grund für uns, das ganze Unter - nehmen zu verschieben.

Wir beschäftigen uns darum hiernächst nur mit solchen Aufgaben, wie sie unsrer Theorie prinzipiell schon zugänglich sind mögen dieselben in ihrer Art auch erheblich verwickelter erscheinen als wie die oben an - gedeuteten. Dabei wird ähnlich, wie in der Mathematik verfahren, wo man z. B. auch die komplizirtesten Aufgaben über quadratische Gleichungen bewältigen lernen wird, bevor man sich mit der einfachsten kubischen Gleichung abgibt. Durch jeweilige Beschränkung auf bestimmte abge - grenzte Gebiete ist allein die Meister schaft zu erlangen.

Wir stellen demnach eine Reihe von Problemen und Untersuchungen hier zusammen. In erster Linie sollen diese zur Erläuterung dienen für die bisher entwickelten allgemeinen Methoden. Auch mögen sie als Übungs - beispiele angesehen werden, um die Bethätigung ebendieser Methoden beim Studirenden anzubahnen. Zum Teil sollen diese Beispiele später auch als Prüfsteine verwendet werden, um an ihnen vergleichende Betrachtungen über diese und noch andere fernerhin auseinanderzusetzende Auflösungs - methoden anzustellen. Alle können sie dazu dienen, die Kraft der rechne - rischen Methode gegenüber den herkömmlichen schulmässig verbalen Über -522Dreizehnte Vorlesung.legungsweisen in's rechte Licht zu setzen, jene als die überlegene zu erproben.

Dagegen wolle man diesen Beispielen nicht etwa die Bestimmung zu - schreiben, dass sie den Nutzen unsrer Kunstlehre des Denkens vielleicht für das praktische Leben darzuthun hätten. *)Dafür sind sie meistens zu künstlich ersonnen. Zum Teil werden die Aufgaben mehr nur mit Scherzrätseln, Vexiraufgaben, Spielproblemen verwandt erscheinen.Utilitarische Bestrebungen liegen uns nach wie vor ferne und setzen wir voraus, dass auch der Leser von dem wissenschaftlichen Interesse geleitet sei.

Ich gebe die Aufgaben nicht etwa peinlich nach ihrer Schwierigkeit geordnet. Der Studirende, welcher mit den leichtesten beginnen und von diesen allmälig aufsteigend zu den verwickelteren fortschreiten will ( schwie - rige gibt es eigentlich unter den bisherigem Kalkul überhaupt zugäng - lichen Problemen, nachdem derselbe so weit entwickelt ist, nicht mehr) braucht sich nur zuerst an diejenigen zu machen, welchen der geringste Druckumfang gewidmet ist, und bei denen sich am wenigsten Formel - anhäufungen dem Auge darbieten!

Ich beginne vielmehr mit jener komplizirtesten der von Boole ge - stellten Aufgaben, welche ich erstmalig in2 nach seiner geläuterten Methode behandelt habe und auch hier mit allen Zwischenrechnungen durchnehme weil mir dieselbe jenen oben angedeuteten Zwecken der Methoden - erläuterung und später auch - vergleichung am vielseitigsten und besten zu dienen fähig erscheint.

1. Aufgabe. (Boole4 p. 146 149.) Es werde (gemäss Boole) angenommen**)Über die Zulässigkeit (in gewissem Sinne Unzulässigkeit) dieser Annahme vergleiche die unten folgende Anmerkung zur Aufgabe., dass die Beobachtung einer Klasse von Erscheinungen (Natur - oder Kunsterzeugnissen, z. B. Substanzen) zu den folgenden allgemeinen Ergebnissen geführt hat:

α) Dass in welchem auch von diesen Erzeugnissen die Merkmale A und C gleichzeitig fehlen, das Merkmal E gefunden wird, zusammen mit einem der beiden Merkmale B und D, aber nicht mit beiden.

β) Dass, wo immer die Merkmale A und D in Abwesenheit von E gleichzeitig auftreten, die Merkmale B und C entweder beide sich vor - finden oder beide fehlen.

γ) Dass überall, wo das Merkmal A mit dem B oder E, oder mit beiden zusammen besteht, auch entweder das Merkmal C vorkommt oder das D, aber nicht beide. Und umgekehrt, überall wo von den Merkmalen C und D das eine ohne das andre wahrgenommen wird, da soll auch523§ 25. Anwendungsbeispiele und Aufgaben.das Merkmal A in Verbindung mit B oder mit E oder mit beiden zu - gleich auftreten.

Verlangt sei

erstens dass ermittelt werde, was in jedem gegebenen Falle aus der erwiesenen Gegenwart des Merkmals A in Bezug auf die Merk - male B, C und D geschlossen werden kann,

zweitens auch zu entscheiden, ob irgendwelche Beziehungen un - abhängig von der An - oder Abwesenheit der übrigen Merkmale be - stehen zwischen derjenigen der Merkmale B, C, D (und bejahenden - falles welche?),

drittens in ähnlicher Weise zu beantworten, was aus dem Vor - handensein des Merkmals B folgt in Bezug auf die Merkmale A, C und D (sowie umgekehrt, wann aus An - oder Abwesenheit von Merkmalen dieser letzteren Gruppe auf diejenige von B geschlossen werden kann),

viertens zu konstatiren, was für die Merkmale A, C, D an sich folgt.

Auflösung. Die ganze Klasse der Fälle von Erscheinungen, resp. die Klasse der Erzeugnisse, in welchen sich eines der Merkmale A, B, C, D, E vorfindet, werde mit dem entsprechenden Buchstaben des kleinen lateinischen Alphabets bezeichnet. *)Für unser a, b, c, d, e verwenden Boole und Einige der nach ihm das Problem Behandelnden bezüglich: x, y, z, w, v.Bedeutet sonach a die Klasse der Fälle in welchen das Merkmal A vorliegt, so wird a1 die Klasse derjenigen Fälle bedeuten, in welchen dieses Merkmal A fehlt, etc.

Nach dem in den Paragraphen 8 und 16 über die Interpretation des identischen Kalkuls für Klassen Gesagten vergl. auch § 18, ε) ϑ) übersetzen sich im engsten Anschluss an den Worttext die Data α), β), γ) unseres Problems bezüglich in die nachstehenden Pro - positionen (Subsumtionen resp. Gleichungen): δ) a1 c1 (b d1 + b1 d) e, a d e1 b c + b1 c1, a (b + e) = c d1 + c1 d.

Die Gleichung erhält man eigentlich zuerst als Subsumtion vor und rückwärts gelesen, nämlich als a (b + e) c d1 + c1 d nebst c d1 + c1 d a (b + e), was aber nach Def. (1) der Gleichheit sofort eben in die Gleichung zusammen - zuziehen ist.

Man bemerkt nun, dass in jedem unsrer drei Data α), β), γ) die524Dreizehnte Vorlesung.bezüglich der Merkmale A, B, C, D gegebene Auskunft verquickt er - scheint mit einem andern Element E, über welches wir in den ver - langten Schlussfolgerungen nichts zu sagen wünschen.

Es wird deshalb in erster Linie erforderlich sein, das dem Merk - mal E entsprechende Klassensymbol e zu eliminiren aus dem System der Propositionen δ), in welches wir die Data eingekleidet haben.

Zu dem Ende bringen wir dieselben rechts auf Null nach dem Schema der Theoreme 38×) und 39+) und bilden gemäss Th. 20+) ihre vereinigte Gleichung , indem wir, statt jeder einzelnen, so - gleich die Summe ihrer linken Seiten gleich Null setzen. Dabei ist lediglich Sorge zu tragen, dass man die Negationen der vorkommenden Ausdrücke richtig ansetze, mit Rücksicht namentlich auf Th. 36) und 46+). Die vereinigte Gleichung lautet: ε) a1 c1 (b d + b1 d1 + e1) + a d e1 (b c1 + b1 c) + a (b + e) (c d + c1 d1) + (a1 + b1 e1) (c d1 + c1 d) = 0.

Die Resultante der Elimination von e besteht nun nach § 21, ι) aus dem von e und e1 freien Gliede im Polynome dieser Gleichung: a1 c1 (b d + b1 d1) + a b (c d + c1 d1) + a1 (c d1 + c1 d), dessen erster Term a1 c1 b d noch in dem letzten a1 c1 d nach dem Ab - sorptionsgesetze 23+) eingeht, vermehrt um das Produkt der Koeffi - zienten, welche e und e1 in ε) besitzen das Ganze gleich 0 gesetzt.

Der Koeffizient von e ist aber: a (c d + c1 d1), der von e1 ist des - gleichen leicht aus ε) herauszulesen als: a1 c1 + a d (b c1 + b1 c) + b1 (c d1 + c1 d); das Produkt beider ist gleich: a d b1 c*)Miss Ladd hat1 p. 58 darauf aufmerksam gemacht, dass Herr Wundt1 p. 356 sq., indem er die auf b bezüglichen Schlüsse zieht, dieses Glied zufällig auslässt, weshalb dieselben falsch ausfielen; ich finde: nur unvollständig., mithin die Resultante: a1 (c d1 + c1 d + b1 c1 d1) + a (b c d + b c1 d1 + b1 c d) = 0, oder durch Zusammenziehung zweier Terme: ζ) a (c d + b c1 d1) + a1 (c d1 + c1 d + b1 c1 d1) = 0.

Diese schon recht übersichtliche Gleichung hat nun den Ausgangs - punkt für unsere weiteren Betrachtungen zu bilden.

Man bemerkt zunächst, dass, betrachtet als entwickelt nach den Argumenten c und d, die Koeffizienten von a und a1 in ζ) geradezu die Negationen von einander sind, meinem Theorem 46+) gemäss525§ 25. Anwendungsbeispiele und Aufgaben.gebildet. *)Die Bemerkung des Herrn Peirce in 5 p. 42, Z. 5 v. o. dass die in Gleichung ζ) über a, b, c, d enthaltene Information sich in: a + c d + b c1 d1 = 1 zusammenziehen lasse, beruht auf einem Versehen. Will man die Gleichung rechts auf 1 bringen, so hat man nur die Koeffizienten von a und a1 auszutauschen, und eine einfachere Fassung als die nachherige η) oder ϑ) lässt sich der Aussage nicht geben.Das Produkt dieser beiden Koeffizienten sowol als auch dasjenige ihrer beiden Negationen ist demnach gleich Null.

Um die zweite der gestellten Fragen zu beantworten und zugleich die Beantwortung der ersten Frage vorzubereiten, müssen wir jetzt a aus ζ) eliminiren. Dem Gesagten zufolge führt diese Elimination aber auf die Identität 0 = 0, womit in Beantwortung jener zweiten Frage be - wiesen erscheint: dass zwischen den Merkmalen B, C und D Für sich hinsichtlich ihrer An - oder Abwesenheit keine unabhängige Beziehung besteht.

Die Gleichung ζ) ist demnach äquivalent ihrer Auflösung nach a.

Weil indess, wie bemerkt, auch das Produkt der Negationen der Koeffizienten von a und a1 verschwindet, der eine Koeffizient die Ne - gation des andern ist, muss hier der in § 21, σ) betrachtete Fall vorliegen: der in dem Ausdruck der Wurzel gemeinhin auftretende ein unbestimmtes Gebiet u enthaltende Term geht in den andern ein, die Gleichung hat nur eine Wurzel, die Unbekannte a ist durch die Gleichung eindeutig bestimmt, und zwar hat sie zum Ausdrucke den Koeffizienten ihrer Negation a1 in der Gleichung, sodass ganz un - mittelbar: η) a = c d1 + c1 d + b1 c1 d1 als die gesuchte Auflösung nach a erhalten wird.

Dieselbe könnte nebenbei gesagt auch in den Formen angesetzt werden: ϑ) a = c d1 + c1 d + b1 c1 = c d1 + c1 d + b1 d1 = c d1 + c1 d + b1 (c1 + d1), die unbedingt mit dem Ausdruck η) äquivalent sind, vergl. § 18, β1).

Die Gleichung η) beantwortet nun die erste der gestellten Fragen, und zwar, indem wir sie als Subsumtion vor - und rückwärts inter - pretiren, dahin: wo immer das Merkmal A zu finden ist, muss auch das Merkmal C oder das D vorliegen, aber nicht beide zugleich, oder aber es müssen beide zusammen mit dem Merkmal B fehlen; umgekehrt: Wo die Merkmale B, C, D alle drei fehlen, sowie auch, wo von den Merkmalen C, D das eine ohne das andere vorliegt, da muss auch das Merkmal A sich finden.

526Dreizehnte Vorlesung.

Des weiteren muss nun b aus der Gleichung ζ) eliminirt werden. Da die Koeffizienten a c1 d1 und a1 c1 d1 von b und b1 daselbst disjunkt sind, Null zum Produkte haben, so besteht die Resultante dieser Eli - mination einfach in der gleich 0 gesetzten Summe der von b und b1 freien Glieder in ζ), d. h. sie lautet: ι) a c d + a1 c d1 + a1 c1 d = 0 eine Gleichung, aus welcher die Antwort auf die vierte Frage nach - her zu entnehmen sein wird.

Mit Rücksicht auf diese Relation ι) vereinfacht nun die Gleichung ζ) sich zu: ϰ) a c1 d1 b + a1 c1 d1 b1 = 0 und gibt dieselbe dem Th. 50+) gemäss regelrecht nach der Unbe - kannten b aufgelöst: b = a1 c1 d1 + v (a c1 d1) 1 = a1 c1 d1 + v (a1 + c + d), wobei v eine unbestimmte Klasse vorstellt. Hier lässt aber nach Th. 33+) Zusatz der in v zu multiplizirende Term a1 sich mit dem Faktor (c + d) 1 = c1 d1 ausstatten und geht hernach das betreffende Glied v a1 c1 d1 im ersten Term der rechten Seite nach dem Absorptionsgesetze auf, sodass: λ) b = a1 c1 d1 + v (c + d) als ein einfacherer Ausdruck für die gesuchte Auflösung nach b erscheint.

Behufs bequemster Deutung mittelst Worten werden wir dieses Ergebniss dasselbe für v = 0 und v = 1 in Anspruch nehmend umschreiben in die Doppelsubsumtion: μ) a1 c1 d1 b a1 + c + d, die auch gemäss Th. 49+) direkt aus ϰ) herausgelesen werden konnte. Damit ist in Beantwortung der dritten Frage gefunden: Wenn die Merkmale A, C und D gleichzeitig fehlen, so findet sich das Merkmal B, und wo das Merkmal B sich findet, da muss das Merkmal C oder auch das D vorliegen, wonicht A fehlt.

Behufs Beantwortung der vierten Frage könnte man die Gleichung ι) direkt in Worte fassen wie folgt: Die Merkmale A, C und D kommen nicht alle drei zusammen vor und wo das Merkmal A fehlt kann von den Merkmalen C und D das eine nicht ohne das andere auftreten.

Etwas übersichtlicher vielleicht wird man die Gleichung ι) in ihre Auflösung nach a umschreiben mit der sie (weil Elimination von a blos auf 0 = 0 führt) äquivalent sein muss. Diese Auflösung lautet: ν) a = c d1 + c1 d + w (c1 + d1) = c d1 + c1 d + w c1 d1,527§ 25. Anwendungsbeispiele und Aufgaben.wo w unbestimmt ist cf. Th. 33+) nebst dem Absorptionsgesetze (be - hufs Rechtfertigung der letztvollzogenen Kürzung). Oder als Doppelsub - sumtion geschrieben: ξ) c d1 + c1 d a c1 + d1. Sie lehrt, dass aus der Anwesenheit von A geschlossen werden kann auf die Abwesenheit von wenigstens einem der beiden Merkmale C, D, und umge - kehrt, dass wo von diesen letztern C und D das eine allein (ohne das andere) sich vorfindet, geschlossen werden kann auf die Anwesenheit von A.

Zur Übung möge der Leser aus ζ) auch c durch a, b, d und d durch a, b, c ausdrücken und die Ergebnisse interpretiren Aufgaben die auch McColl sich gestellt. Man findet leicht als Eliminationsresultante, ver - einfachte Gleichung und Lösung: a1 b1 d1 = 0, (a d + a1 d1) c + (a b d1 + a1 d) c1 = 0, c = a b d1 + a1 d + u a d1 oder a b d1 + a1 d c a d1 + a1 d; a1 b1 c1 = 0, (a c + a1 c1) d + (a b c1 + a1 c) d1 = 0, d = a b c1 + a1 c + t a c1 oder a b c1 + a1 c d a c1 + a1 c.

Anmerkung zur 1. Aufgabe.

Natürlich sind die Data unseres Problems auch mögliche und logisch zulässige; denn ihre vereinigte Gleichung ε) ist eine Relation, die keinen Widerspruch involvirt, die nach den Regeln des Kalkuls auf die im bisherigen Aussagengebiete allein absurde Behauptung 1 = 0 nicht hinausläuft.

Unmöglich können aber diese Data, so wie Boole angibt, ganz durch Beobachtung (einer Klasse von Naturerzeugnissen) gewonnen worden sein, indem der in der Prämisse β) angeführte Fall a d e1, dass wo immer die Merkmale A und D in Abwesenheit von E gleichzeitig auftreten , kraft des Gesamtsystems dieser Prämissen, überhaupt nie vorgekommen sein kann.

Liest man nämlich aus der vereinigten Gleichung ε) diejenigen Glieder heraus, welche die Kombination a d e1 zum Faktor haben, in - dem man da, wo einer dieser Buchstaben a, d oder e nennen wir ihn für den Augenblick x unvertreten erscheint, sich den Faktor 1, = x + x1, hinzudenkt, so ergibt sich leicht als die Gesamtheit dieser Glieder: a d e1 (b c1 + b1 c) + a b c d e1 + a b1 c1 d e1 = = a d e1 (b c + b c1 + b1 c + b1 c1) = a d e1 · 1 = a d e1. In der That ist also nach der vereinigten Gleichung selbst: ο) a d e1 = 0, d. h. der Fall konnte niemals vorgekommen sein ein Umstand, auf528Dreizehnte Vorlesung.welchen mich aufmerksam gemacht zu haben ich Herrn M. Badorff in Baden-Baden verdanke.

Das Boole'sche Problem ist darnach eigentlich als eine Vexir - aufgabe zu bezeichnen, und um von diesem ihrem vexatorischen Cha - rakter befreit zu sein, hätte die Aufgabe vielmehr etwa mit den Worten eingeleitet werden sollen: Gesetzt durch Beobachtung einer Klasse von Erscheinungen oder sonst auf irgend eine Weise sei er - kannt, dass .

2. Aufgabe von Herrn Venn4 p. 487.

Die Mitglieder eines Aufsichtsrats (Verwaltungsrats, members of a board) a sind entweder Obligationenbesitzer b (bondholders) oder aber Aktienbesitzer c (shareholders) d. h. also nicht beides zugleich. Wenn nun die Obligationenbesitzer zufällig alle im Aufsichtsrat sind, was folgt in Bezug auf diese und die Aktienbesitzer (die b und die c)?

Auflösung. Übersetzung der Data in die Zeichensprache liefert: a b c1 + b1 c, b a. Aus diesem Prämissensystem ist a zu eliminiren. Die vereinigte Gleichung desselben lautet: a (b c + b1 c1) + a1 b = 0 und gibt regelrecht als die Resultante: (b c + b1 c1) b = 0, oder: b c = 0; dies heisst: kein Obligationenbesitzer ist Aktienbesitzer.

Noch kürzer lässt die Elimination des a aus den beiden Prämissen sich hier unmittelbar nach Prinzip II ausführen, den Schluss liefernd: b b c1 + b1 c, oder b (b c + b1 c1) = 0, b c = 0, wie oben.

Auch die beste allgemeine Methode wird so in einzelnen Fällen durch besondre denselben angepasste Kunstgriffe sich oft nach Ein - fachheit der Lösung noch übertreffen lassen.

Herr Venn verwendete die obige Aufgabe zu einem Wettstreit zwischen einer Klasse von gut in der verbalen Logik geschulten Studirenden und einer andern in der rechnerischen Logik bewanderten welcher eklatant zugunsten der letztern ausfiel.

3. Aufgabe. (Boole4, p. 118 120 und 128 129.) Das Stu - dium einer Klasse von Substanzen habe zu den Ergebnissen geführt: Treten die Merkmale a und b zusammen auf, so findet sich das Merk - mal c oder aber das d. Treten b und c zusammen auf, so findet sich529§ 25. Anwendungsbeispiele und Aufgaben.sowol das Merkmal a, als das d, oder beide fehlen. Sooft die Merk - male a und b zusammen fehlen, fehlen auch die c und d, und umge - kehrt. Gefragt, was ohne Rücksicht auf das Merkmal d von den übrigen ausgesagt werden kann.

Auflösung. Die Klasse der Substanzen, die ein bestimmtes Merkmal besitzt, möge für die Zwecke der Rechnung hier mit dem Namen des Merkmals selbst dargestellt werden. So fordern die Prä - missen, dass: a b c d1 + c1 d, b c a d + a1 d1, a1 b1 = c1 d1 sei. Aus diesen ist d zu eliminiren, die Resultante nach a oder b oder c aufzulösen, das Ergebniss mit Worten zu deuten. Vereinigte Gleichung des Prämissensystemes ist: a b (c d + c1 d1) + b c (a d1 + a1 d) + a1 b1 (c + d) + c1 d1 (a + b) = 0.

Die Elimination von d erfordert den Ansatz: a1 b1 c + (a b c + a1 b c + a1 b1) (a b c1 + a b c + a c1 + b c1) = 0 zu dessen Herstellung man aus der vereinigten Gleichung blos heraus - zulesen braucht: das von d sowol als d1 freie Glied, sodann die Koeffi - zienten, mit welchen d behaftet erscheint und endlich die Koeffizienten von d1. Der erste Klammerfaktor zieht sich in b c + a1 b1, der zweite in a b + a c1 + b c1 zusammen, wonach leicht a b c als das Produkt der beiden erkannt wird. Mithin ist unsre Resultante: a b c + a1 b1 c = 0. Sie lehrt, dass die Merkmale a, b und c nie alle drei zusammen auf - treten, auch in Abwesenheit von a und b das c nicht vorkommt.

Elimination irgend eines der drei Buchstaben a, b, c aus ihr führt auf: 0 = 0 (z. B. des a auf b c · b1 c = 0). Die Resultante sagt dem - nach genau dasselbe, wie ihre Auflösung nach irgend einer dieser Un - bekannten. Die Auflösungen sind, wenn u, v, w unbestimmte Klassen (von Substanzen) vorstellen, bezüglich: a = b1 c + u (b1 + c1) = b1 c + u (b1 c + c1) = b1 c + u c1, analog b = a1 c + v c1 und endlich c = w (a b1 + a1 b), oder in Form von Doppelsubsumtionen: b1 c a b1 + c1, a1 c b a1 + c1, 0 c a b1 + a1 b. Sie zeigen, dass wo in Abwesenheit von b das Merkmal c vorliegt, auch a sich finden muss; wo a sich findet aber b oder auch c not - wendig fehlen wird. Desgleichen, a und b vertauscht. Endlich wo cSchröder, Algebra der Logik. 34530Dreizehnte Vorlesung.sich findet, da muss von den Merkmalen a und b das eine ohne das andere (muss a oder aber b) zugegen sein.

4. Aufgabe. (Jevons9 p. 202.)

In einer Mannigfaltigkeit ist jedes Ding entweder ein b oder ein c, und jedes c ist ein b, wofern es nicht ein a ist. Zu beweisen, dass jedes a ein b sein muss.

Beweis. Prämissen sind: 1 b + c und c b + a1. Sie geben die vereinigte Gleichung: b1 c1 + a b1 c = 0 aus welcher c zu eliminiren ist. Die Resultante lautet: a b1 = 0, oder also: a b wie zu zeigen war.

5. Aufgabe aus dem Moral science tripos von Cambridge 1879, behandelt von Jevons9 p. 206. Es stehe fest, dass jedes b, welches nicht d ist, entweder a sowol als c, oder weder a noch c ist; und ferner, dass kein c und kein d ein a und b zugleich sein kann. *)In Gestalt von neither c nor d is both a and b gibt Jevons (eventuell schon der Aufgabensteller) diesem letzten Teil der Aufgabe einen inkorrekten Ausdruck. Es müste heissen: neither any c nor any d is . Denn in der angegebenen Fassung wäre der Sinn unstreitig der, dass weder alle c, noch alle d, a und b zugleich sein könnten, und würde das Problem, nach den Methoden des § 41 behandelt, nicht die verlangte Konklusion, vielmehr nach Elimination des c und d nur die Resultante: a1 + b1 0 oder a b 1 liefern, welche blos lehrt, dass es Dinge gibt, die nicht a und b zugleich sind.Zu beweisen, dass kein a ein b ist.

Beweis. Die Prämissen in Formeln eingekleidet lauten: b d1 a c + a1 c1, c (a b) 1, d (a b) 1, und geben die vereinigte Gleichung: (a c1 + a1 c) b d1 + a b c + a b d = 0.

Elimination von d aus dieser gibt: a b c + a b (a c1 + a1 c) = 0, oder a b c + a b c1 = 0, und hieraus Elimination von c: a b = 0, d. h. kein a ist b, wie zu beweisen war.

6. Aufgabe. (McColl3 p. 21.)

Es sollen x und y eliminirt werden aus den Prämissen: a x1 c + d y, b x c + d y + e, a1 b1 x + c + d e1, a + b + c x + y.

531§ 25. Anwendungsbeispiele und Aufgaben.

Auflösung. In der vereinigten Gleichung: a c1 x1 (d1 + y1) + b c1 e1 x (d1 + y1) + a1 b1 c1 (d1 + c) x1 + (a + b + c) x1 y1 = 0 kommt y nur als y1 in der Form A + By1 = 0 vor, weshalb als Resultante der Elimination von y anzusetzen ist A = 0, d. h. die Glieder, welche y1 zum Faktor haben, sind einfach wegzulassen. Um aus dem Rückstande: b c1 d1 e1 x + {a c1 d1 + a1 b1 c1 (d1 + e)} x1 = 0 noch x herauszuwerfen, hat man alsdann das Produkt der beiden Koeffi - zienten gleich 0 zu setzen, welches augenscheinlich gibt: a b c1 d1 e1 = 0, oder a b c + d + e.

7. Aufgabe. (Boole4 p. 237.)

Eine Anzahl Tuchmuster lieferte bei der Untersuchung folgende Regeln:

Jedes weiss (w) und grün (g) gestreifte Stück war auch schwarz (s) und gelb (e) gestreift und umgekehrt.

Jedes rot (r) und orange (a) gestreifte Stück war auch mit blau (b) und gelb gestreift, und umgekehrt.

Was kann ohne Rücksicht auf gelb geschlossen und über grün ausgesagt werden?

Auflösung. Die Data sind: w g = s e, r a = b e, sonach in vereinigter Gleichung: w g (s1 + e1) + s e (w1 + g1) + r a (b1 + e1) + b e (r1 + a1) = 0 woraus e eliminirt: w g s1 + r a b1 + (s w1 + s g1 + b r1 + b a1) (w g + r a) = 0 oder r a (b1 + s w1) + w (s1 + b r1 + b a1) g + r a s g1 = 0.

Die Resultante der Elimination von g läuft auf die Nullsetzung des ersten Terms hinaus: r a (b1 + s w1) = 0 oder r a b, r a s w.

Unabhängig von gelb und grün ist also lediglich zu schliessen: dass rot und orange gestreifte Muster auch blau, sowie rot, orange und schwarz gestreifte auch weiss gestreift sein müssen.

Mit Rücksicht hierauf lässt sich nun der erste Term der obigen von e freien Endgleichung unterdrücken, und gibt dieselbe nach der Unbekannten g aufgelöst leicht: g = r a s + u {w1 + s (b1 + r a)},34*532Dreizehnte Vorlesung.d. h. die grün gestreiften Muster bestehen aus allen, die zugleich rot, orange und schwarz gestreift sind, nebst einer unbestimmten Menge solcher (keinen, einigen oder allen solchen), die entweder nicht weiss gestreift sind, oder die schwarz, und zugleich nicht blau oder rot nebst orange, gestreift sind.

Bequemer wird sich dies in Gestalt der Doppelsubsumtion beschreiben lassen, welche darum für die Einkleidung der Lösung den Vorzug verdient: r a s g w1 + s (b1 + r a) und zu erkennen gibt: dass die zugleich rot, orange und schwarz ge - streiften Muster auch grün gestreift sein müssen. Jedes grün ge - streifte Muster aber muss, falls es nicht weiss gestreift ist, sicher schwarz und entweder nicht blau, oder rot nebst orange gestreift sein.

Es versteht sich, dass vorstehend ein jeder Buchstabe nicht das Merkmal der betreffenden Farbe, sondern die Klasse der mit diesem Merk - mal behafteten Objekte in unsrer Mannigfaltigkeit der Tuchmuster vorzustellen hatte.

Man vergleiche auch die Lösung vorstehenden Problems nach Peirce's Methode in § 27. Das Problem ist auch behandelt von Grove (Educatio - nal Times, April 1881), Miss Ladd1 p. 55 57.

8. Aufgabe. (Lambert3 I, 14.)

Wenn die x ohne die a einerlei sind mit den b, und die a ohne die x zusammenfallen mit den c, wie drückt sich x durch a, b und c aus?

Auflösung. Data sind: a1x + b und a x1 = c, also in vereinigter Gleichung: a1 b1 x + (a + x1) b + a c1 x1 + (a1 + x) c = 0. Durch Elimination des x ergibt sich zunächst die Relation: a b + a1 c + (a1 b1 + c) (b + a c1) = 0, oder: a b + a1 c + b c = 0, oder: a b + a1 c = 0 vergl. Th. ι) des § 18 wonach die Gleichung sich vereinfacht zu: x (a1 b1 + c) + x1 (a c1 + b) = 0 und nach x aufgelöst gibt: x = a c1 + b + u (a + b) c1 = a c1 + b, indem der unbestimmte Term eingeht.

In Anbetracht, dass b c = 0 ist, also b = b c1 + b c = b c1 gesetzt werden kann, lässt sich dem Ergebniss auch die Gestalt geben: x = (a + b) c1 und lehrt dasselbe: die Klasse x besteht aus den a und den b, mit Ausschluss der c (was wir in § 23 mit x = a + b c dargestellt533§ 25. Anwendungsbeispiele und Aufgaben.haben würden, wonach es mit Lambert's Ergebniss buchstäblich über - einstimmte).

Wie Herr Venn1 p. 272 bemerkt, besitzt vorstehende Aufgabe ein ge - wisses historisches Interesse als einer der frühesten Versuche, logische Auf - gaben rechnerisch (in Symbolen) zu lösen, und reiht sich unter dem gleichen Gesichtspunkt hieran auch die folgende von Lambert behandelte Frage.

9. Frage. Wenn a d = b c ist, lässt sich alsdann schliessen, dass 〈…〉 = 〈…〉 sein müsse, d. h. wenn die a mit den d die nämlichen Individuen gemein haben, wie die b mit den c, muss dann jede (resp. überhaupt eine, resp. eine bestimmte) Klasse, welche durch b determinirt sich in a zu - sammenzieht, sich decken mit jeder (resp. etc.) Klasse, welche durch d determinirt c gibt?

Wie in den Klammern schon angedeutet, unterscheiden wir mehrerlei Auffassungen der Frage, für welche alle sie verneinend zu beantworten sein wird. Herr Venn l. c. konstatirt einen Irrtum Lambert's, welcher, obwol die Nichthebbarkeit beiderseits übereinstimmender Faktoren in einer Gleichung schon bemerkend, doch mehr als einmal annehme, dass es sich also verhalte (die Frage nämlich zu bejahen sei). Indessen gibt Venn selbst, unter Äusserung berechtigter Zweifel, eine unrichtige Beantwortung der Frage, indem er ihre Bejahung an die Bedingung knüpft, dass a = c und b = d sei was sich bei einer jeden der Auffassungen nicht gerade als notwendig, eventuell als nicht hinreichend, herausstellen wird.

Um dies alles aufzuhellen, sei die Frage auch hier behandelt, obwol sie nicht ganz in den die übrigen Aufgaben umschliessenden Rahmen passt: wir wünschten mit § 23 die inversen Operationen des Kalkuls endgültig aus unserer Disziplin ausgemerzt zu haben, weshalb wir denn auch die Untersuchung auf gegenwärtigen Kontext beschränken.

Zur Unterscheidung von General - und Prinzipalwert des Quotienten greifen wir auf die Bezeichnungen des § 23 zurück.

Die Prämisse, rechts auf 0 gebracht lautet: a d (b1 + c1) + b c (a1 + d1) = 0, oder links nach a, b, c, d entwickelt a d (b1 c1 + b1 c + b c1) + b c (a1 d1 + a1 d + a d1) = 0; sie leugnet also die Existenz von sechsen der sechzehn zwischen a, b, c, d und ihren Negationen überhaupt denkbaren Kombinationen, welche die Mannigfaltigkeit 1 der Möglichkeiten zusammensetzen, wogegen sie über die zehn übrigen Kombinationen derselben nichts aussagt.

Soll nun überhaupt ein Wert von a:: b übereinstimmen mit einem Werte von c:: d, so müssen zunächst die beiderseitigen Valenzbedingungen erfüllt sein, welche lauten: a b1 = 0 und c d1 = 0. Um die vereinigte Gleichung der letztern a b1 + c d1 = 0 nach allen vier Symbolen zu ent - wickeln, wird man am besten das Th. 33+) links anwenden, wonach sie die Form annimmt: a b1 c d1 + a b1 (c1 + d) + c d1 (a1 + b) = 0,534Dreizehnte Vorlesung.also a b1 c d1 + a b1 (c1 d + c1 d1 + c d) + c d1 (a1 b + a1 b1 + a b) = 0. [Hätte man statt dessen jedes ihrer beiden Glieder mit der Entwickelung von 1 nach den beiden andern im betreffenden Glied nicht vorkommenden Symbolen gemäss Th. 34+) multiplizirt, so wäre der Term a b1 c d1 unnötig zweimal angesetzt worden.] Versammelt man nun hieraus diejenigen Glieder, deren Verschwinden durch die Prämisse nicht ohnehin garantirt ist, so bemerkt man dass es die folgenden dreie sind: a b1 c d1, a b1 c1 d1 und a1 b c d1. Darnach ist b1 d1 (a c + a c1 + a1 c) = 0 oder b1 d1 (a + c) = 0, das heisst: a + c b + d die notwendige Bedingung dafür, dass ein Wert von a:: b nur überhaupt mit einem solchen von c:: d übereinstimmen könne. Da schon diese Bedingung im allgemeinen nicht erfüllt ist, und, wie erkannt, ganz und gar nicht in der Voraussetzung liegt, so wird die gestellte Frage für jeg - liche Auffassung derselben zu verneinen sein.

Nehmen wir nun aber ausser der Prämisse a d = b c auch noch diese Forderung a + c b + d als erfüllt an, so ist uns nicht nur letztere, sondern sind auch die Valenzbedingungen a b und c d selbst ge - sichert, und ausser diesen stipulirt die Prämisse nur noch, dass b d (a c1 + a1 c) = 0 oder b d (a + c) a c sei. Die so erweiterte Prämisse läuft also auf die drei Voraussetzungen: a b, c d, (a + c) b d a c hinaus, deren vereinigte Gleichung das Verschwinden von neunen jener sech - zehn Konstituenten festsetzt die im bisherigen sich auch angegeben finden.

Unter dieser Annahme können wir nun weiter fragen, ob, oder unter welchen ferneren Bedingungen auch jeder Wert von a:: b mit jedem Werte von c:: d übereinstimmen wird?

Dies ist nur möglich, wenn diese beiden Ausdrücke eindeutig ausfallen, nämlich selbst nicht schon mehrere unter sich verschiedene Werte umfassen.

Für den Generalwert des Quotienten von a und b hatten wir in § 23, η) den Ausdruck: a:: b = a u1 + (a + b1) u und soll dieser von u unabhängig ausfallen, so muss für beliebige u, v sein: a u1 + (a + b1) u = a v1 + (a + b1) v, was rechts auf 0 gebracht: a1 b1 (u v1 + u1 v) = 0 gibt und für jedes Worte - paar u, v nur bestehen kann, wenn selber a1 b1 = 0 ist vergl. unten Studie 21. Da nun ohnehin a b1 = 0 nach der Valenzbedingung war, so haben wir alsdann a b1 + a1 b1 = 0 oder b1 = 0, d. h. b = 1 und wird a:: b = a:: 1 = a sein müssen. Analog d = 1 und c:: d = c.

Die obige Frage wird demnach sich nur bejahen lassen, wenn a = c und b = d = 1 ist; mithin war hier Herrn Venn's Entscheidung, bei welcher b = d noch unbestimmt blieb, nicht ausreichend.

535§ 25. Anwendungsbeispiele und Aufgaben.

Von grösserem Interesse erscheint die Frage, ob oder wann vielleicht die Gesamtheit der Werte von a:: b sich deckt mit der Gesamtheit der Werte von c:: d?

Diese Gleichheit a:: b = c:: d tritt nur dann und sicher dann ein, wenn unter der oben stipulirten Annahme die Gleichung: a + u b1 = c + v d1 für ein beliebig angenommenes u erfüllbar ist durch ein v und für ein irgendwie angenommenes v erfüllbar ist durch gewisse u vergl. § 23, η).

Letzteres tritt ein, wenn für die (rechts auf 0 gebrachte) Gleichung: (a + b1 u) c1 (d + v1) + a1 (b + u1) (c + d1 v) = 0 die Resultante der Elimination des v: a c1 d + a1 b c + b1 c1 d u + a1 c u1 = 0 auflösbar ist nach u, d. h. wieder, wenn nur die Resultante auch seiner Elimination hieraus erfüllt ist. Als die gesuchte Bedingung finden wir hienach schlechtweg die Resultante der Elimination von u nebst v aus der obigen Gleichung, also: a c1 d + a1 b c = 0 eine Gleichung, welche laut Prämisse schon ohnehin erfüllt ist.

Unter den durch Zuzug der Valenzbedingungen von a:: b und c:: d zu der Prämisse a d = b c erweiterten Voraussetzungen wird folglich aller - dings aus letzterer auch auf die Geltung der Proportion a:: b = c:: d zu schliessen erlaubt sein, indess auch nur unter diesen Voraussetzungen.

Fragen wir endlich, ob oder wann auch die Hauptwerte der beider - seitigen Quotienten übereinstimmen werden, d. h. wann in unsrer Bezeich - nung wirklich a: b = c: d, oder 〈…〉 = 〈…〉 , sein wird? unter ebendiesen Voraussetzungen, ohne welche ja die Frage gar keinen Sinn haben würde!

Nach ϰ) des § 23 deckt sich dies mit der Forderung, dass a + b1 = c + d1, oder (a + b1) c1 d + a1 b (c + d1) = 0, sei. Da laut Prämisse schon zwei von den vier Termen links fortfallen, reduzirt sich dies auf die Forderung: b1 c1 d + a1 b d1 = 0 oder (a + a1) b1 c1 d + a1 b (c + c1) d1 = 0, worin nach den Valenzbedingungen abermals zwei Terme sich wegheben. Es bleibt die Bedingung: a1 c1 (b1 d + b d1) = 0, oder b + d a + c + b d durch welche den neun schon verschwindenden Konstituenten noch zwei weitere zugesellt werden. Schliesslich haben wir: a d c d b + c, b c a b a + d als den Inbegriff der erforderlichen Bedingungen für die Bejahung der Frage, ob 〈…〉 = 〈…〉 ?

536Dreizehnte Vorlesung.

10. Aufgabe. (Venn1 p. 267.)

Aus einer gewissen Klasse von Gegenständen liest eine Person heraus (picks out) die x, welche z sind und die y, welche nicht z sind. Aus dem Rückstande scheidet eine andere Person aus die z, welche y und die x, welche nicht y sind. Man findet, dass nur die z, welche nicht x sind, diese aber sämtlich, übrig bleiben.

Was kann alsdann über die ursprüngliche Klasse w möge sie heissen ausgesagt werden?

Auflösung. In die Zeichensprache übersetzt lautet die Prämisse: w (x z + y z1) 1 (z y + x y1) 1 = z x1 vergleiche das über die Ausschliessung, Exception in § 23 S. 495 gesagte.

Nach meinem Th. 46) stellt die linke Seite sich dar als: w (x1 z + y1 z1) (z1 y + x1 y1) = w (x1 y1 z + x1 y1 z1) = w x1 y1.

Es lautet also die Gleichung: x1 y1 w = x1 z, wobei die linke Seite zu erkennen gibt: der Erfolg der zweimaligen Ausscheidungen war einfach die Beseitigung der x und der y aus der Klasse der w.

Da nun die Gleichung, rechts auf 0 gebracht, aussagt: x1 y z + x1 y1 z1 w + x1 z w1 = 0, so haben wir erstlich als Resultante der Elimination von w die Relation: x1 y z = 0 oder y z x, d. h. alle y, welche z sind, mussten auch x gewesen sein, und zweitens haben wir als Auflösung: w = x1 z + u (x + y) bei unbestimmtem u, oder: x1 z w x + y + z, d. h. die Klasse w musste sicherlich die z, welche nicht x sind, alle enthalten haben, und konnte nur aus Individuen der Klassen x, y und z zusammengesetzt gewesen sein was auch unmittelbar als selbstverständlich einleuchtet.

11. Aufgabe. (Mc Coll, Math. Questions etc. from the Educa - tional Times, Vol. 31, p. 43 und 44, auch gelöst von Herrn Lloyd Tanner.)

Durch Beobachtung sei erkannt, dass sooft die Ereignisse a und b537§ 25. Anwendungsbeispiele und Aufgaben.zusammen eintreten, denselben allemal folgt*)Meines Erachtens müssten diese Verba des zeitlichen Folgens und Vorher - gegangenseins wol durch ein auf eine Begleiterscheinung hinweisendes Verbum, wie mit denselben Einhergehen ersetzt werden so wenigstens bezüglich des Ereignisses c. das Ereigniss c, des - gleichen das d oder auch e, ferner: dass, sooft die Ereignisse d und e beide eintreten, ihnen allemal vorhergegangen*)Meines Erachtens müssten diese Verba des zeitlichen Folgens und Vorher - gegangenseins wol durch ein auf eine Begleiterscheinung hinweisendes Verbum, wie mit denselben Einhergehen ersetzt werden so wenigstens bezüglich des Ereignisses c. ist das Ereigniss a, oder auch b nebst c. Wann können wir (aus dem Eintreten oder Nicht - eintreten der Ereignisse a, b, c oder d) schliessen erstens, dass e ge - wisslich eintreffen wird, und zweitens, dass e sicher nicht eintrifft?

Auflösung. Die Data lauten (wenn a gedeutet wird als Klasse der Fälle, wo das gleichnamige Ereigniss eintritt, etc.): a b c (d + e), d e a + b c, oder: a b (c1 + d1 e1) + a1 (b1 + c1) d e = 0, woraus durch Elimination von e zunächst zu ersehen ist, dass a b c1 = 0 oder a b c, d. h. das Zusammentreffen von a und b stets von c ge - folgt ist, wie dies auch schon die Prämissen statuirten, sodann durch Auflösen der restirenden Gleichung nach der Unbekannten e, sowie e1, sich ergibt: a b d1 e a + b c + d1, a1 d (b1 + c1) e1 a1 + b1 + d.

Die ersten Teile von diesen Doppelsubsumtionen enthalten die Antwort auf die gestellten Fragen: e tritt sicher ein, wenn a und b (und c) ohne d eintreten, und e tritt zuverlässig nicht ein, wenn d eintritt und entweder a und b, oder a und c nicht eintreten.

12. Aufgabe. (W. B. Grove, Educational Times 1. Febr. 1881, 6616; Miss Ladd1 p. 54.) Die Mitglieder einer wissenschaftlichen Gesellschaft zerfallen in drei Abteilungen (Sektionen) a, b, c von denen jedes Mitglied mindestens einer angehören muss, und gelten folgende Bestimmungen:

Wer der Sektion a aber nicht der Sektion b angehört, desgleichen wer der b und nicht der c angehört, endlich wer der Sektion c aber nicht a angehört, darf der Gesellschaft einen Vortrag halten, falls er seinen Beitrag bezahlt hat, aber sonst nicht.

Ein jeder, der Sektion a aber nicht c, c aber nicht a, b aber nicht a, Angehörende, darf den Mitgliedern ein Experiment vormachen, falls er seinen Beitrag gezahlt hat, sonst nicht.

Jedes Mitglied muss jährlich den übrigen Mitgliedern entweder einen Vortrag halten oder ein Experiment vormachen.

538Dreizehnte Vorlesung.

Gesucht der Minimalzusatz zu den Bestimmungen, durch welchen jedes Mitglied gezwungen würde, entweder seinen Beitrag zu zahlen oder seine Mitgliedschaft zu verwirken.

Auflösung. Sei 1 die Klasse der Mitglieder, x die Klasse derer, die einen Vortrag halten müssen (sonach auch dürfen), y die Klasse derer, die ein Experiment vormachen müssen, z die Klasse derer, die ihren Beitrag bezahlt haben.

Dann garantiren die bisherigen Bestimmungen schon dass: a1 b1 c1 = 0, (a b1 + b c1 + c a1) x z1 = 0, (a c1 + a1 c + a1 b) y z1 = 0, x1 y1 = 0 ist, und handelt es sich darum, hinzubringen, dass z1 ausgeschlossen werde aus allen den Teilen der Gesamtheit 1 der Mitglieder, aus denen es nicht bereits ausgeschlossen wurde, nämlich aus der Negation von: a1 b1 c1 + (a b1 + b c1 + a1 c) x + (a c1 + a1 b + a1 c) y + x1 y1.

Diese ist: (a + b + c) (a b c + a1 b1 c1 + x1) (a c + a1 b1 c1 + y1) (x + y) in Anbetracht, dass der Koeffizient von x vollends nach a entwickelt sich als a (b1 + c1) + a1 (b + c) darstellt, während der von y als a c1 + a1 (b + c) schon ebendarnach entwickelt ist, wonach die Negationen dieser Koeffizienten sich sofort als a b c + a1 b1 c resp. a c + a1 b1 c1 nach meinem Th. 46+) ergeben.

Hier sind nun zunächst die beiden Terme a1 b1 c1, als in ihre Negation a + b + c zu multiplizirende fortzulassen. Darnach gibt das Produkt der beiden mittleren von den vier Faktoren: a b c + a c x1 + a b c y1 + x1 y1, wovon der letzte Term als Negation des nachfolgenden Faktors x + y zu unterdrücken, der vorletzte vom ersten absorbirt wird. Dann erhalten wir durch Ausmultipliziren leicht: a b c (x + y) + a c x1 y, wobei jedoch statt x + y genommen werden kann: x + x1 y und dann der vom zweiten dieser Glieder herrührende Term in dem letzten Gliede eingeht.

Es bleibt: a b c x + a c x1 y als Ausdruck jener Klasse, von welcher z1 auszuschliessen wäre.

Daher ist der gesuchte geringste erforderliche Zusatz zu den Be - stimmungen dieser: a c (b x + x1 y) z1 = 0, d. h. Wer seinen Beitrag nicht gezahlt hat, kann nicht allen drei Sektionen zugleich angehören und einen Vortrag halten, desgleichen kann er nicht den Sektionen a und c gleichzeitig angehören und ohne Vortrag zu halten ein Experiment vormachen .

Hätte man oben die Koeffizienten von x und y mittelst Ausmultipli - zirens von (a1 + b) (b1 + c) (c1 + a) resp. (a1 + c) (a + b1) (a + c1) negirt, so539§ 25. Anwendungsbeispiele und Aufgaben.konnte diese Aufgabe schon in § 18, als χ1) gebracht werden, da sie eine Elimination oder Berechnung einer Unbekannten nicht erforderte.

13. Aufgaben. Unter dieser Nummer geben wir eine Reihe von leichteren Rechnungsaufgaben.

α) Man bringe die Gleichung x = a rechts auf Null, löse sie alsdann systematisch nach x auf und überzeuge sich, dass der unbestimmte Term eingeht.

β) Aus der Gleichung a x + b = 0 soll x eliminirt [und berechnet] werden. Auflösung: die Resultante ist: b = 0. [Darnach würde sich be - rechnen: x = u a1, d. h. x a1.]

γ) Analog x und y aus der Gleichung a x + b y + c = 0 zu eliminiren etc. Resultante: c = 0. Berechnen würde sich darnach: x = u a1, y = v b1 oder x a1, y b1.

δ) Wenn a = x b und b = y a, so ist durch Elimination von x und y zu zeigen, dass a = b sein muss.

Anstatt das systematische Verfahren anzuwenden, kann man hier auch mittelst Durchmultiplizirens der Prämissen schliessen, dass a b = x b b = x b = a, b a = y a a = y a = b, sonach a b = a = b sein muss.

ε) Aus a x = b das x zu eliminiren und zu berechnen.

Resultante: a1 b = 0, Lösung: x = b + u a1, resp. b a, b x b + a1.

Durch beiderseitiges Multipliziren der Prämisse mit a und Vergleichung, erkennt man auch direkt, dass a b = b sein muss; doch gibt das syste - matische Verfahren die Gewissheit, dass man hiermit die volle Resultante besitze.

ζ) Nach x aufzulösen die Gleichung: (a b + a1 b1) x + (a b1 + a1 b) x1 = 0.

Auflösung: x = a b1 + a1 b. [Resultante: 0 = 0.]

η) Desgl. a1 b1 x + (a b1 + a1 b) x1 = 0. Aufl. x = a b1 + a1 b + u a b.

ϑ) Man zeige, dass aus der Gleichung: (b1 + c1) x + (a c + a1 b) x1 = 0, wo a b1 c + a1 b c1 = 0 sein wird, sich x = a c + a1 b völlig eindeutig bestimmt. Man sieht: die Bedingung S. 463 in σ) des § 21 braucht nicht etwa analytisch erfüllt zu sein, sondern es genügt, wenn sie nur erfüllt ist kraft der Resultante.

540Dreizehnte Vorlesung.

ι) Dagegen für (b1 + c1) x + a1 (b + c) x1, wo a1 (b c1 + b1 c) = 0, wird x = a1 (b + c) + u b c irgendwie zwischen a1 (b + c) und a1 (b + c) + b c liegen können.

ϰ) (Boole?) Aus a b + x a b1 + y a1 b + a1 b1 = 0 eliminire man x, y.

Die Resultante heisst a b + a1 b1 = 0, oder a = b1, b = a1. Mit Rück - sicht darauf vereinfacht die Gleichung sich zu x a + y a1 = 0, woraus x = u a1, y = v a oder x a1, y a sich berechnen würde.

λ) Das Gleichungenpaar nach x aufzulösen: a = a b + x (a + b), b = a b + x1 (a + b).

Die Wurzel ist: x = a b1 + u (a + b1), und ergibt sich keine Relation zwischen a und b. Die zweite Prämisse deckt sich mit der ersten vergl. § 18, ο1).

μ) (De Morgan2 p. 123.) Zu zeigen, dass aus den Prämissen: Jedes a ist b oder c und jedes c ist a kein Schluss in Bezug auf nur zweie der drei Klassen a, b, c gezogen werden kann.

Auflösung. a b + c, c a gibt a b1 c1 + a1 c = 0 als vereinigte Gleichung. Elimination von a allein, desgleichen von c für sich, führt augenscheinlich nur auf 0 = 0, als der vollen Resultante. Die von b führt blos auf die zweite Prämisse zurück.

ν) Venn5 p. 13. Die Data zu vereinfachen: x y z + y1 (= y1 + z), x y z w, w x y z = 0.

Resultat: x y = 0.

14. Aufgabe (nach Venn1 p. 270 den deutschen Schulverhältnissen angepasst).

Wir beschränken unsre Aufmerksamkeit (confine ourselves) auf die Schüler der Mittelschulen einer Stadt als da sind: a = Gymnasiasten und a1 = Realschüler. Bedeutet b die welche Hebräisch und c die welche Englisch hatten, so soll von der Kategorie x der bei den Promotionsprüfungen durch - gefallenen, der sitzen bleibenden oder nichtpromovirten Schüler bekannt sein, dass was der Leser sich leicht in Worte fasst: x a b1 + a1 c, a x b + c, c x a b ist. Man ermittle diese Klasse.

Auflösung. Unschwer überzeugt man sich, dass der Faktor, welchen x in der vereinigten Gleichung erhält: a b + a1 c1 + a b1 c1 + a1 c + b1 c = 1 ist, und diese sich zu: x = 0 vereinfacht. Mithin sind alle promo - virt worden.

541§ 25. Anwendungsbeispiele und Aufgaben.

15. Aufgabe. Venn1 p. 268 desgleichen.

Bei einer andern Schüleraufgabe bedeute x die Knaben, x1 die Mädchen, a die prämiirten, b und c die an einem bestimmten Unter - richtsgegenstand, z. B. Griechisch resp. Literaturgeschichte teilnahmen.

So soll aus der Angabe: a = b x + c x1 die Unbekannte x berechnet werden.

Auflösung. Man findet: x = a c1 + a1 c + u (a b + a1 b1), wo u unbestimmt; d. h. die Knaben zählten zuverlässig in ihren Reihen die sämtlichen prämiirten Schulkinder, die nicht Literaturgeschichte hatten nebst den nicht prämiirten Schulkindern, die Literaturgeschichte hatten; zudem vielleicht irgendwelche prämiirte Kinder die Griechisch hatten sowie ev. nicht prämiirte Kinder die kein Griechisch hatten, doch jedenfalls keine andern.

16. Aufgabe. Venn1 p. 262 auch Math. Quest. Vol. 34, p. 35 und 36. (Lösungen von Harley, Matz, Mc Coll, Genese, u. a.) Bei einem Klub bedeute

  • x = Mitglied des Finanzausschusses (financial committee)
  • y = der Bibliothekskommission (library )
  • z = des Verwaltungsausschusses (general ),

so sollen die folgenden (in Worten zu gebenden) Klubregeln: x z, y z x, x y = 0 vereinfacht werden.

Auflösung. In der vereinigten Gleichung: x z1 + x1 y z + x y = 0 lässt zuerst der Faktor x1 sich unterdrücken indem man in den beiden letzten Gliedern linkerhand sich y als gemeinsamen Faktor ausgeschieden denkt und in der Klammer das Th. 33+) Zusatz an - wendet, die Klammer hernach wieder auflösend. Alsdann aber lässt unmittelbar das Th. ι) des § 18 sich anwenden und entsteht: x z1 + y z = 0 oder x z nebst y z = 0, was wieder in Worte zu fassen.

Venn findet dies mittelst Entwickelung der einzelnen Teilaussagen nach x, y und z und nachheriger Zusammenziehung der Ergebnisse, welch letztere, wie er nicht ganz unrichtig bemerkt is purely a matter of tact and skill, for which no strict rules can be given .

542Dreizehnte Vorlesung.

17. Aufgabe. Venn5 p. 14.

Gegeben: a b + c, b c + d, c d + a, d a + b. Welche Bedingung muss mindestens hinzugefügt werden, damit a b d sei?

Auflösung. Die Forderung a b d1 = 0 gibt, nach allen vier Sym - bolen entwickelt: a b c d1 + a b c1 d1 = 0.

In der vereinigten Gleichung der Prämissen: a b1 c1 + b c1 d1 + c d1 a1 + d a1 b1 = 0 ist aber das einzige Glied in welchem a b d1 als Faktor stecken kann, weil es von a1 sowol als b1 und d frei ist, das zweite, und dieses garan - tirt, dass a b c1 d1 + a1 b c1 d1 = 0 ist. Demnach ist der zweite Teil der entwickelten Forderung bereits ohnehin erfüllt, und braucht nur mehr noch stipulirt zu werden, dass: a b c d1 = 0, das heisst a b c d sei.

18. Aufgabe. Man eliminire und berechne x aus der Sub - sumtion: a x + b x1 + c α x + β x1 + γ.

Auflösung. Homogen gemacht lautet dieselbe Prämisse: (a + c) x + (b + c) x1 (α + γ) x + (β + γ) x1, und wird dieselbe rechts auf 0 gebracht, indem man ihre linke Seite mit der Negation der rechten multiplizirt. Nach den Theoremen 38), 36) und 46) lässt sich dies unmittelbar hinschreiben in Gestalt von: (a + c) α1 γ1 x + (b + c) β1 γ1 x1 = 0, woraus nun als Resultante der Elimination von x folgt: (a b + c) α1 β1 γ1 = 0, oder a b + c α + β + γ, und als Auflösung: x = (b + c) β1 γ1 + u a1 c1 (α + γ); oder in Form einer Doppelsubsumtion beides vereinigt: (b + c) β1 γ1 x a1 c1 + α + γ, oder auch: (a + c) α1 γ1 x1 b1 c1 + β + γ.

19. Aufgabe. Eliminire und berechne x aus der Gleichung: a x + b x1 + c = α x + β x1 + γ.

Auflösung. Rechts auf 0 gebracht und homogen gemacht lautet die Gleichung:543§ 25. Anwendungsbeispiele und Aufgaben.{(a + c) α1 γ1 + a1 c1 (α + γ)} x + {(b + c) β1 γ1 + b1 c1 (β + γ)} x1 = 0, woraus die Resultante folgt: (a b + c) α1 β1 γ1 + (a b1 α1 β + a1 b α β1) c1 γ1 + a1 b1 c1 (α β + γ) = 0 und die Auflösung: x = {(b + c) β1 γ1 + b1 c1 (β + γ)} + u (a + c + α1 γ1) (a1 c1 + α + γ) oder: (b + c) β1 γ1 + b1 c1 (β + γ) x (a + c) (α + γ) + a1 c1 α1 γ1.

20. Aufgabe. Die Gleichung b = x a + y a1 nach x und y auf - zulösen.

Auflösung. Rechts auf 0 gebracht lautet die Gleichung: a (b1 x + b x1) + a1 (b1 y + b y1) = 0. Der erste Term, gleich 0 gesetzt, ist die Resultante der Elimination von y, ebenso der zweite, gleich 0 gesetzt, die Resultante der Elimi - nation von x. Da Elimination beider Unbekannten auf die Identität 0 = 0 führt, so braucht zwischen a und b keinerlei Relation zu be - stehen; vielmehr können diese beiden Gebiete völlig nach Belieben angenommen werden. Auflösung der ersten Resultante nach x, und der letztern nach y, gibt endlich: x = a b + u (a1 + b) = a b + u (a1 + a b) = a b + u a1, y = a1 b + v (a + b) = a1 b + v (a + a1 b) = a1 b + v a, für willkürliche u, v. In der That stimmt die Probe: b = (a b + u a1) a + (a1 b + v a) a1, und ist damit, wenn man nur noch die Namen a, b durch x, y ersetzt, die Formel des Th. 42) systematisch aufgefunden.

21. Studie. Soll es mindestens einen Wert von x geben, für welchen die Gleichung besteht: a x + b x1 = 0, so haben wir gesehen muss a b = 0 sein. Welche Relation aber die Koeffizienten a, b erfüllen müssen, wenn die Gleichung für jeden Wert von x Geltung haben soll, ist auch nicht schwer zu sehen. Dieselbe lautet: a = b = 0, d. h. die Koeffizienten müssen dann beide schon einzeln gleich 0 sein. Insbesondre muss nämlich alsdann die Gleichung auch für x = 1, so - wie für x = 0, gelten, was als notwendig zu erfüllende Bedingung a = 0 nebst b = 0 liefert, und das genügt auch, um die Gleichung zu einer allgemein geltenden Formel zu machen.

544Dreizehnte Vorlesung.

Analog musste bekanntlich a b c d = 0 sein, wenn es ein Werte - paar von x und y, oder auch deren mehrere, geben soll, für welches die Gleichung: a x y + b x y1 + c x1 y + d x1 y1 = 0 richtig wird. Soll diese Gleichung aber für jedes Wertepaar x, y, soll sie allgemein gelten, so ist: a + b + c + d = 0 dafür die notwendige und hinreichende Bedingung; wieder müssen dann also alle Koeffizienten für sich verschwinden, je den Wert 0 haben.

Behufs Nachweises bilde man aus 1, 1, 0, 0 alle erdenklichen Werte - paare (1,1; 1,0; 0,1; 0,0) und setze sie für x und y oder auch: man erteile nur dem y die Werte 1 resp. 0 und verwerte für die stehen bleibende Gleichung in x, die dann noch für jedes x wird gelten müssen, das Ergebniss der vorhergehenden Überlegung.

Analog für noch mehr Variable.

22. Aufgabe.

Die Gleichung: a u v + b u v1 + c u1 v + d u1 v1 = a b c d + w (a + b + c + d) ist, wie wir in § 19 unter Th. 48) Zusatz gesehen haben für irgend ein w erfüllbar durch gewisse Wertepaare u, v und für irgend ein Wertepaar u, v erfüllbar durch gewisse w.

Es soll die Bedingung (Relation zwischen a, b, c, d) dafür aufgesucht werden, dass diese Gleichung auch für ein irgendwie angenommenes Werte - paar v, w bestehen (d. h. durch ein u erfüllt, nach u aufgelöst werden) könne, resp. für ein beliebiges Wertepaar u, w (erfüllbar sei durch ein v).

Auflösung. Man eliminire zunächst v aus der rechts auf 0 gebrachten Gleichung. Als Resultante stellt sich nach einiger Rechnung heraus: a1 b1 (c + d) u w + a b (c1 + d1) u w1 + (a + b) c1 d1 u1 w + (a1 + b1) c d u1 w1 = 0 und da dieselbe nun für jedes irgendwie gedachte Wertepaar u, w Geltung haben soll, so muss cf. vorige Studie sein: a1 b1 (c + d) + a b (c1 + d1) + (a + b) c1 d1 + (a1 + b1) c d = 0, das heisst: a + b = c + d nebst a b = c d.

Die Resultante der Elimination des u ergibt sich analog, bequemer aber, indem man vorstehend u mit v und zugleich b mit c vertauscht. Zu deren allgemeiner Geltung in v, w würde sonach erforderlich sein, dass: a + c = b + d und a c = b d ist. Die vereinigte Gleichung der beiden Ergebnisse, m. a. W. das System der Forderungen: a + b = c + d, a + c = b + d, a c = b d, a b = c d, welches auf a = d, b = c hinausläuft (Aufgabe, dies nachzuweisen),545§ 25. Anwendungsbeispiele und Aufgaben.stellt die Bedingung dafür vor, dass von den drei Symbolen u, v, w irgend zweie ganz beliebig angenommen werden können, ohne dass der Bestand der ersten Gleichung gefährdet wird.

23. Aufgabe (Boole4 p. 144).

Die Ringelwürmer (Anneliden) sind weichleibige Tiere und entweder nakt oder in einer Röhre eingeschlossen. Auch besteht die Ordnung der Ringelwürmer aus allen wirbellosen Tieren, welche rotes in einem doppelten Gefässsystem zirkulirendes Blut haben.

Bedeutet a = Anneliden, s = weichleibige Tiere (softbodied animals) n = nakt, t = in einer Röhre (tube) eingeschlossen, i = wirbellos (inver - tebrate), r = rotes in etc. zirkulirendes Blut habend, so werden: a s (n + t), a = i r, nebst n t = 0 (was als selbstverständlich eingeschlossen) die gegebenen Propositionen sein.

Gesetzt wir wünschen nun zu erfahren, in welcher Weise die Klasse s t = w der weichleibigen in einer Röhre eingeschlossenen Tiere sich zu - sammensetzt aus den Klassen r, n, i der rotblütigen, der nakten und der wirbellosen Tiere.

So werden wir zuerst aus der vereinigten Gleichung der Prämissen: a (s1 + n1 t1) + a (i1 + r1) + a1 i r + n t = 0 das a eliminiren. Die Resultante ist: n t + (s1 + n1 t1) i r = 0. Und diese Gleichung werden wir mit der hinzugekommenen: w1 s t + w (s1 + t1) = 0 vereinigen. [Die Elimination des a konnte hier vor dieser Vereinigung er - folgen, weil a in der hinzutretenden Gleichung w = s t nicht vorkommt.] Aus der vereinigten Gleichung ist alsdann s und t zu eliminiren. Die Resultante der Elimination zunächst des s lautet: n t + n1 t1 i r + w t1 + w1 t i r = 0, sodann die auch von t: (n + w1 i r) (w + n1 i r) = 0, oder: n w + n1 i r w1 = 0. Und diese Gleichung ist nun wiederum nach w als Unbekannter aufzulösen. Es wird: s t = w = n1 (i r + u), worin u eine unbestimmte Klasse bedeutet; d. h. Die Klasse der in eine Röhre eingeschlossenen weichleibigen Tiere besteht aus den nicht nakten wirbellosen rotblütigen Tieren nebst einem unbestimmten Reste von nicht - nakten Tieren. Das Resultat befindet sich, wie man leicht nachweisen wird, in Übereinstimmung mit dem von Boole in der weitläufigeren Fassung w = n1 {i r + u (i r1 + i1)} dargestellten Ergebnisse.

Schröder, Algebra der Logik. 35546Dreizehnte Vorlesung.

Benennte man auch s t1, s1 t und s1 t1 je mit einem eigenen Buchstaben (gleichwie vorhin s t mit w) und brächte das gleiche Verfahren gemäss dem Th. 50+) Zusatz in Anwendung, so würde sich in Einklang mit Boole ergeben: s t1 = n i r + u (i1 + r1), s1 t = u n1 (i1 + r1), s1 t1 = u (i1 + r1) (wobei nur u jedesmal wieder von neuem eine unbestimmte Klasse vorzu - stellen hätte) welche Resultate zu deuten wir dem Leser überlassen.

24. Aufgabe (Venn1 p. 310).

Gegeben y z = a, z x = b; es soll c = x y durch a und b aus - gedrückt werden.

Auflösung. Aus der vereinigten Gleichung der beiden ersten Prämissen: a1 y z + a (y1 + z1) + b1 x z + b (x1 + z1) = 0 eliminire man zuerst z, welches ja in der dritten Prämisse nicht vor - kommt. Aus der Resultante: a + b x1 + (a1 y + b1 x) (a + b) = 0 und der dritten Prämisse bilde man sodann die vereinigte Gleichung: a y1 + b x1 + a1 b y + a b1 x + c1 x y + c (x1 + y1) = 0 um aus ihr noch x und y zu eliminiren, schliesslich c zu berechnen.

Die vorstehende Gleichung wird die volle Resultante der Elimi - nation des z aus dem System der drei Prämissen, resp. aus deren ver - einigter Gleichung, uns vorstellen, weil die Terme, die von vornherein vom Eliminanden frei sind, immer unverändert in die Resultante über - gehen. Elimination von y gibt: b x1 + a b1 x + c x1 + (a1 b + c1 x) (a + c) = 0, oder: a1 b c + a (b1 + c1) x + (b + c) x1 = 0 und hieraus die von x: a1 b c + a (b c1 + b1 c) = 0, oder (a b1 + a1 b) c + a b c1 = 0. Da die Elimination von c hieraus auf 0 = 0 führt, so braucht zwi - schen a und b keinerlei Relation zu bestehen und konnten diese Klassen von vornherein beliebig angenommen werden, so lange x und y unbe - stimmt gelassen wurden. Nunmehr berechnet sich: c = a b + u a1 b1, oder a b c a b + a1 b1, was zu finden war.

547§ 25. Anwendungsbeispiele und Aufgaben.

Anmerkung. Um x und y auf einmal zu eliminiren, wäre freilich ein einfacheres Verfahren das gewesen, dass man in das überschiebend ge - bildete Produkt der beiden ersten Gleichungen z x y = a b den Wert von z y (= c) aus der dritten Prämisse einsetzte. Aus dem Ergebniss c z = a b schliesslich z eliminirend erhält man aber blos: a b c1 = 0, woraus zu er - kennen ist, dass jenes Ergebniss nicht die volle Resultante gewesen. In andern Fällen mag ein Kunstgriff schneller als das systematische Ver - fahren zuweilen auch zur vollen Resultante führen, doch ist das letztere, selbst wenn es weitläufiger, vorzuziehen, eben weil es uns über jene Frage nicht im Ungewissen lässt.

Wäre d = x y1 + x1 y zu suchen gewesen, so hätte sich ergeben: a b d + (a b1 + a1 b) d1 = 0, also: d = a b1 + a1 b + u a1 b1.

Für e = x1 y1 ebenso: (a + b) e = 0, e = u a1 b1.

Für f = x y1 desgleichen: a f + a1 b f1 = 0, f = a1 (b + u).

Und dergleichen mehr wobei natürlich die Symbole u der ver - schiedenen Lösungen beliebige aber nicht von einander unabhängige Bedeutungen haben.

25. Aufgabe. Unter Elimination von x die Funktion t = φ (x). auszudrücken durch die Koeffizienten der Gleichung f (x) = 0.

Auflösung. Sei entwickelt: f (x) = 0 = a x + b x1, φ (x) = t = a x + β x1, wo also a = f (1), b = f (0), α = φ (1), β = φ (0) gegebene Parameter vorstellen werden, so haben wir die letzte Glei - chung rechts auf 0 zu bringen: t φ1 (x) + t1 φ (x) = 0, aus ihr und der andern die vereinigte Gleichung zu bilden: f (x) + t φ1 (x) + t1 φ (x) = 0, also entwickelt: (a x + b x1) (t + t1) + t (α1 x + β1 x1) + t1 (α x + β x1) = 0, sodann x zu eliminiren, und die Resultante: {a (t + t1) + α1 t + α t1} {b (t + t1) + β1 t + β t1} = 0, oder (a + α1) (b + β1) t + (a + α) (b + β) t1 = 0 nach der Unbekannten t aufzulösen, nicht ohne dieselbe zuvor auch eliminirt zu haben. Da (a + α1) (b + β1) (a + α) (b + β) = (a + α1 α) (b + β1 β) = a b35*548Dreizehnte Vorlesung.ist, haben wir als Resultante nur die alte Valenzbedingung: a b = 0, welche auch schon aus der Gleichung f (x) = 0 zu ersehen war, und sodann: t = (a + α) (b + β) + u (a1 α + b1 β) als die gesuchte Darstellung.

t ist demnach gelegen zwischen a β + b α + α β und a β + b α + a1 α + b1 β (in welcher Summe der Term α β einging vergl. § 18, Th. ι).

26. Aufgabe. Analog unter Elimination von x, y durch die Koef - fizienten der Gleichung: f (x, y) = 0 die Funktion t = φ (x, y) auszudrücken.

Auflösung. Entwickelt sei f (x, y) = a x y + b x y1 + c x1 y + d x1 y1 = 0, φ (x, y) = α x y + β x y1 + γ x1 y + δ x1 y1 = t, so hat man wie vorhin zu verfahren: die letzte Gleichung rechts auf 0 gebracht mit der vorigen zu vereinigen, dann x, y herauszuwerfen und die Resultante nach t aufzulösen. Sie lautet: (a + α1) (b + β1) (c + γ1) (d + δ1) t + (a + α) (b + β) (c + γ) (d + δ) t1 = 0, gibt bei Elimination von t die alte Valenzbedingung: a b c d = 0 und aufgelöst: t = (a + α) (b + β) (c + γ) (d + δ) + u (a1 α + b1 β + c1 γ + d1 δ), worin u unbestimmt bleibt.

Ähnlich lässt sich die Lösung bei beliebig vielen Eliminanden x, y, z, hinsetzen.

27. Aufgabe (Miss Ladd1 p. 58 61).

Die Werktage der Woche sollen kurz mit Mo., Di., Mi., Do., Fr., Sa. bezeichnet werden.

Sechs Kindern a, b, c, d, e, f wird zugemutet*Die armen Kinder! wird man freilich sagen.), dass sie folgende Vorschriften befolgen.

  • 10) Am Mo. und Di. dürfen nie viere (oder mehr) zusammen ausgehen
549§ 25. Anwendungsbeispiele und Aufgaben.
  • 20) Am Do., Fr. und Sa. dürfen niemals dreie (oder mehr) daheim bleiben.
  • 30) Am Di., Mi. und Sa. müssen, wenn b und c beisammen sind, auch a, b, e und f beisammen bleiben.
  • 40) Am Mo. und Sa. darf b nicht ausgehen, wofern nicht d zuhause bleibt oder c, e und f zuhause bleiben.

b und f beschliessen zuerst, was sie thun wollen, und c trifft seine Entscheidung vor a, d oder e.

Zu ermitteln ist erstens, wann c ausgehen muss, zweitens, wann es daheim bleiben muss, mithin drittens auch, wann es verfahren kann nach seinem Gefallen.

Auflösung. Man lasse a auch bedeuten die Klasse der Fälle oder Zeiten, in welchen das Kind a ausgeht, sonach a1 die Klasse der Fälle oder Zeiten, in welchen das Kind a daheim verweilt und so weiter. Ebenso lasse man Mo. bedeuten die Klasse der Fälle, in wel - chen es Montag ist , d. h. die Klasse der auf einen Montag fallenden Zeiten, u. s. w.

Alsdann fordern die beiden ersten Vorschriften, dass sei:

  • 10) (Mo + Di) (a b c d + a b c e + a b c f + a b d e + a b d f + a b e f + a c d e + + a c d f + a c e f + a d e f + b c d e + b c d f + b c e f + b d e f + c d e f) = 0,
  • 20) (Do + Fr + Sa) (a1 b1 c1 + a1 b1 d1 + a1 b1 e1 + a1 b1 f1 + a1 c1 d1 + a1 c1 e1 + + a1 c1 f1 + a1 d1 e1 + a1 d1 f1 + a1 e1 f1 + b1 c1 d1 + b1 c1 e1 + b1 c1 f1 + b1 d1 e1 + + b1 d1 f1 + b1 e1 f1 + c1 d1 e1 + c1 d1 f1 + c1 e1 f1 + d1 e1 f1) = 0.

In der That soll die Klasse der Fälle, wo es Mo. (oder Di. ) ist und zugleich die Kinder a, b, c, d zusammen ausgehn, eine leere sein, was durch (Mo + Di) · a b c d = 0 auszudrücken; etc.; ebenso soll die Klasse der Zeiten eine leere sein, wo es Do. (oder Fr. oder Sa. ) ist und die Kinder a, b, c zusammen daheim bleiben, was durch (Do + Fr + Sa) a1 b1 c1 = 0 sich aus - drücken wird, etc. Dass an den betreffenden Tagen nicht mehr als viere ausgehen, bezüglich nicht mehr als dreie daheim bleiben sollen, braucht nicht besonders formulirt zu werden, indem die aus dieser Formulirung zu unserm Ansatz hinzutretenden Terme ohnehin von den bereits angesetzten absorbirt werden müssten, wie a b c d e von a b c d, wie a1 b1 c1 d1 von a1 b1 c1, etc.

Ferner ist zu bemerken, dass im Sinne der Aufgabenstellerin die Sämtlichen Kinder etwa in einer und derselben Pension untergebracht zu denken sind, sodass diejenigen, die daheim bleiben, dann auch beisammen bleiben, und diejenigen, welche ausgehen, dies ebenfalls zusammen thun.

Die dritte Prämisse schliesst für gewisse Tage die Fälle aus, in welchen b und c beide aus oder beide daheim sind, falls nicht (oder ausgenommen , wenn) zugleich a, b, e und f beisammen bleiben. D. h. sie fordert: (Di + Mi + Sa) (b c + b1 c1) (a b e f + a1 b1 e1 f1) 1 = 0. Die Negation im letzten Faktor kann nach meinem Th. 46) als die -550Dreizehnte Vorlesung.jenige einer nach b entwickelte Funktion ausgeführt werden, wodurch derselbe wird: b (a1 + e1 + f1) + b1 (a + e + f) und dies nach Th. 45) mit dem ebendarnach schon entwickelten vor - hergehenden Faktor multiplizirt, verschafft unsrer Prämisse die Form: 30) (Di + Mi + Sa) (a1 b c + b c e1 + b c f1 + a b1 c1 + b1 c1 e + b1 c1 f) = 0.

Die letzte Prämisse ist in Formeln: (Mo + Sa) b (d1 + c1 e1 f1) 1 = 0 oder (Mo + Sa) b d (c + e + f) = 0. Multiplizirt man hier mit dem ersten Faktor aus und berücksichtigt, dass nach der zweiten Prämisse: Sa · c1 e1 f1 = 0 ist, so kann man mit Rücksicht auf: c + e + f + c1 e1 f1 = 1 im zweiten Teil vereinfachen: Sa · (c + e + f) = Sa · (c + e + f + c1 e1 f1) = Sa · 1 = Sa, sodass 40) Mo · b d (c + e + f) + Sa · b d = 0 der Ausdruck der vierten Prämisse wird (wie auch direkt einzusehen, da das Daheimbleiben c1 e1 f1 am Sa. schon ausgeschlossen ist).

Zunächst ist erforderlich, a, d und e zu eliminiren [vergl. den Nachsatz unter Prämisse 40) im Text der Aufgabe].

Der Teil der Prämissen, welcher schon frei von diesen ist, lautet:

  • 2 ') (Do + Fr + Sa) b1 c1 f1 = 0,
  • 3 ') (Di + Mi + Sa) (b c f1 + b1 c1 f) = 0,

wobei 10) und 40) keinen Term beisteuern. Die Summe der linken Seiten von 2 ') und 3') ist jedenfalls ein erster Bestandteil in dem Polynom der gesuchten Resultante.

Miss Ladd entnimmt nun weitere Bestandteile als Eliminationsergeb - nisse aus den einzelnen Paaren von Prämissengleichungen, wobei sie indess einige Paare wie (1) mit (4), etc. übergeht.

Da nach § 22 S. 470 dies immer insofern bedenklich ist, als man riskirt, nicht die volle Resultante zu bekommen, eliminiren wir lieber syste - matisch aus der vereinigten Gleichung der vier Prämissen (zu welcher man dieselben im Geiste leicht zusammenzieht) wenn auch mit mehr Schreiberei erst a, dann d, dann e (wenn man will, unter Beiseitelas - sung der vorstehend schon hervorgehobnen Terme, welche sich ja unver - ändert erhalten müssen oder, weil es unbequem, auf sie besonders achten zu müssen, lieber unter Mitanführung derselben).

Die Resultante der Elimination von a enthält, gleich 0 gesetzt die Summe aller der Glieder aus den vier Prämissen, welche weder a noch a, zum Faktor haben:551§ 25. Anwendungsbeispiele und Aufgaben.0 = (Mo + Di) (b c d e + b c d f + b c e f + b d e f + c d e f) + + (Do + Fr + Sa) (b1 c1 d1 + b1 c1 e1 + b1 c1 f1 + b1 d1 e1 + b1 d1 f1 + b1 e1 f1 + c1 d1 e1 + + c1 d1 f1 + c1 e1 f1 + d1 e1 f1) + + (Di + Mi + Sa) (b c e1 + b c f1 + b1 c1 e + b1 c1 f) + Mo · b d (c + e + f) + Sa · b d + plus dem Produkte aus der Summe der Koeffizienten von a in die Summe der Koeffizienten von a1, nämlich: + [(Mo + Di) (b c d + b c e + b c f + b d e + b d f + b e f + c d e + c d f + c e f + d e f) + + (Di + Mi + Sa) b1 c1]. [(Do + Fr + Sa) (b1 c1 + b1 d1 + b1 e1 + b1 f1 + c1 d1 + + c1 e1 + c1 f1 + d1 e1 + d1 f1 + e1 f1) + (Di + Mi + Sa) b c]. Letzteres ist zunächst auszumultipliziren. Nennte man es kurz [A + B] [C + D] = A C + A D + B C + B D, so verschwindet nicht nur B D, sondern, weil das Produkt je zweier ver - schiedenen Wochentage 0 ist auch A C, und aus demselben Grunde verein - fachen die stehen bleibenden Glieder A D + B C sich zu: Di · (b c d + b c e + b c f) + Sa · b1 c1 mit Rücksicht auf das Absorptionsgesetz.

Denkt man dies sich oben hinter das +Zeichen gesetzt, und eliminirt aus der Gleichung d, so erhält man analog weiter:

  • 0 = (Mo + Di) b c e f + (Do + Fr + Sa) (b1 c1 e1 + b1 c1 f1 + b1 e1 f1 + c1 e1 f1) + + (Di + Mi + Sa) (b c e1 + b c f1 + b1 c1 e + b1 c1 f) + Di · (b c e + b c f) + Sa · b1 c1 + + [(Mo + Di) (b c e + b c f + b e f + c e f) + Mo · b (c + e + f) + Sa · b + Di · b c] · · (Do + Fr + Sa) (b1 c1 + b1 e1 + b1 f1 + c1 e1 + c1 f1 + e1 f1),

wo das Produkt der zwei letzten Zeilen sich wieder reduzirt, und zwar zu: Sa · b (c1 e1 + c1 f1 + e1 f1).

Wird, nachdem dies eingesetzt ist, endlich e eliminirt, so kommt:

  • 0 = (Do + Fr + Sa) b1 c1 f1 + (Di + Mi + Sa) (b c f1 + b1 c1 f) + Di · b c f + Sa · b1 c1 + Sa · b c1 f1 + + [Mo + Di) b c f + (Di + Mi + Sa) b1 c1 + Di. b c] · · [(Do + Fr + Sa) (b1 c1 + b1 f1 + c1 f1) + (Di + Mi + Sa) b c + Sa · b (c1 + f1)]

wo das letzte Produkt sich reduzirt zu: Sa · b1 c1 + Di · b c f + Di · b c = Di · b c + Sa · b1 c1.

Nach den Wochentagen geordnet ist demnach die gesuchte Resul - tante, wenn wir eingehende Terme sogleich bei den Koeffizienten fort - lassen: 0 = Di (b c + b1 c1 f) + Mi (b c f1 + b1 c1 f) + (Do + Fr) b1 c1 f1 + Sa (b f1 + b1 c1), wo der letzte Koeffizient zusammengezogen ist aus b c f1 + b c1 f1 + b1 c1. 552Dreizehnte Vorlesung.Dies gibt, nach c geordnet: 0 = Sa · b f1 + {Di + Mi · f1} b · c + {(Di + Mi) f + (Do + Fr) f1 + Sa} b1 · c1, was zerfällt in die Resultante der Elimination auch noch von c: Sa · b f1 = 0 und in die beiden Subsumtionen: Di · b + Mi · b f1 c1, (Di + Mi) b1 f + (Do + Fr) b1 f1 + Sa · b1 c.

In Beantwortung der gestellten Fragen haben wir demnach das Ergebniss:

Wenn am Di. oder Mi. f ohne b ausgeht, desgleichen, wenn am Do. oder Fr. b und f beide daheim bleiben, endlich, wenn am Sa. b zuhause bleibt, so muss c ausgehen.

Wenn am Di. b ausgeht, sowie wenn am Mi. b ohne f ausgeht, dann muss c zuhause bleiben.

In jedem andern Falle kann c nach Belieben verfahren. Wie es aber auch verfahren möge, so wird am Sa. b nicht ohne f ausgehen dürfen.

Die vorstehende ist wol die komplizirteste von den Aufgaben des Denkrechnens, die bis jetzt überhaupt gestellt und gelöst worden sind.

28. Aufgabe. McColl, Math. Questions, Vol. 33, p. 22 24, auch gelöst von C. J. Monro.

Ähnlich wie in der 11. Aufgabe mögen nachstehend die Buch - staben gedeutet werden als Klassen der Fälle, in welchen ein gleich - namiges Ereigniss eintritt. Dann soll beobachtet sein, dass: a b x c d e, b c y d e, c + d + e1 (a1 + b + x) (b1 + c + y), a1 x = b1 y. Gesucht, wann ohne Rücksicht auf y das Eintreffen (resp. Eingetroffen - sein) oder Nichteintreffen des Ereignisses x verbürgt ist.

Auflösung. Elimination von y aus der vereinigten Gleichung der drei letzten Prämissen: b c (d1 + e1) y + (c + d + e1) (a b1 x1 + b c1 y1) + a1 x (b + y1) + (a + x1) b1 y = 0 gibt: a1 b x + a b1 (c + d + e1) x1 = 0, und dies mit der ersten Prämisse (die y gar nicht enthielt) vereinigt: (a1 + c1 + d1 + e1) b x + a b1 (c + d + e1) x1 = 0. Die Auflösung dieser Resultante nach x, mitnebst deren Konversion (d. h. ihrer Auflösung nach x1): a b1 (c + d + e1) x a c d e + b1, (a1 + c1 + d1 + e1) b x1 a1 + b + c1 d1 e lässt die Subjekte von x und x1 (daneben ungefragt auch ihre Prädikate) erkennen was leicht in Worten zu formuliren.

553§ 25. Anwendungsbeispiele und Aufgaben.

29. Aufgabe (Elizabeth Blackwood, Math. Quest. Vol. 35, 1881, p. 24 u. 25). Bekannt sei, dass jedes von den zusammengesetzten Ereignissen a y z, b z x, c x y von mindestens zweien der Ereignisse d, e, f begleitet (resp. gefolgt) ist und dass jedes von den zusammengesetzten Nichtvorkommnissen d1 y1 z1, e1 z1 x1, f1 x1 y1 das Nichteintreffen von min - destens zweien der Ereignisse a, b, c bedingt. Welche Abhängigkeit folgt daraus zwischen dem Eintreffen oder Nichteintreffen der Ereig - nisse a, b, c, d, e, f ohne Rücksicht auf die x, y, z?

Auflösung (cf. McColl, Grove, und andere).

Die Prämissen sind: a y z + b z x + c x y e f + f d + d e, d1 y1 z1 + e1 z1 x1 + f1 x1 y1 b1 c1 + c1 a1 + a1 b1. Indem man das Polynom ihrer vereinigten Gleichung nach x, y, z ent - wickelte, und das Produkt der Koeffizienten = 0 setzte, ergäbe sich un - schwer die gesuchte Resultante als: a b c d1 e1 f1 = 0.

Da dieses systematische Verfahren immerhin einige Schreiberei erfor - derte, wollen wir die Aufgabe durch einen Kunstgriff lösen, der noch ein - facher ist als der von McColl etc. ( by mere inspection ) angewendete. Wir zerlegen jede der beiden Prämissensubsumtionen, deren Subjekt ja als Trinom erscheint gemäss Def. (3+) in drei einzelne Subsumtionen, und werfen in einer jeden von diesen den Koeffizienten von links gemäss Peirce's Th. 41) nach rechts; so entsteht: y z e f + f d + d e + a1, y1 z1 b1 c1 + c1 a1 + a1 b1 + d, z x + b1, z1 x1 + e, x y + c1, x1 y1 + f. Addiren wir überschiebend jetzt diese sechs Subsumtionen und beachten, dass y1 z1 + z1 x1 + x1 y1 gerade die Negation von y z + z x + x y ist, so er - halten wir: 1 a1 + b1 + c1 + d + e + f, oder: a b c d + e + f, was zu finden gewesen.

30. Aufgabe (Macfarlane, Math. Questions, Vol. 44, p. 48 50).

Aus den mit Worten gegebenen Data: a x + b1 y = c, d x1 (e + y) = f sollen die Klassen x, y als Unbekannte durch die übrigen ausgedrückt werden.

Die Auflösung soll hier mit allen Zwischenrechnungen gegeben wer - den. Aus der vereinigten Gleichung der Data: (a x + b1 y) c1 + (a1 + x1) (b + y1) c + d f1 x1 (e + y) + (d1 + x + e1 y1) f = 0 heben wir die Koeffizienten von y und y1 hervor, und bilden ihr Produkt:554Dreizehnte Vorlesung.{b1 c1 + d f1 x1} {(a1 + x1) c + e1 f} = b1 c1 e1 f + c d f1 x1. Aus diesen und den stehen gebliebnen Gliedern (welche weder y noch y1 zum Faktor haben), heben wir die Koeffizienten von x und von x1 hervor, um deren Produkt zu bilden: (a c1 + f) (b c + d e f1 + c d f1) = a c1 d e f1 + b c f. Letzteres, mit den bezüglich x und y konstanten Termen des vorigen Er - gebnisses sowol als der vereinigten Gleichung vereinigt und gleich 0 ge - setzt, ist die Resultante der Elimination von x nebst y, oder die zwischen den bekannten Klassen notwendig geltende Relation: a c1 d e f1 + a1 b c + b c f + b1 c1 e1 f + d1 f = 0, welche leicht als a d e c + f, b c a, b c f = 0, f (b + c + e) d in Worten zu deuten ist. Um x zu finden, braucht man nur mehr die Gleichung mit der rechten Seite 0 aufzulösen, in welcher x und x1 bezüg - lich die Faktoren des zuletzt ausmultiplizirten Produktes zu Koeffizienten haben. Da b c f = 0 ist, vereinfacht der Koeffizient von x1 sich noch zu (b c + c d + d e) f1, und ist hienach die Auflösung: (b c + c d + d e) f1 x (a1 + c) f1. Ebenso heben wir noch aus der vereinigten Gleichung die Koeffizienten von x und x1 hervor; das Produkt derselben ist: (a c1 + f) {c (b + y1) + d f1 (e + y)} = a c1 d e f1 + b c f + c f y1 + a c1 d f1 y, wovon eigentlich nur die beiden letzten Glieder auszurechnen gewesen. Diese zusammengezogen mit den nur y oder y1 aber nicht x oder x1 zum Faktor habenden Gliedern der vereinigten Gleichung geben die nach y auf - zulösende Gleichung: (b1 c1 + a c1 d f1) y + (a1 c + e1 f + c f) y1 = 0, deren Auflösung ist: a1 c + c f + f e1 y c + b (a1 + d1 + f).

Zur Darstellung dieser letzteren (in der Zeichensprache) nimmt Herr Macfarlane den Raum von sieben Druckzeilen in Anspruch, zur Dar - stellung der Auflösung nach x deren viere, und habe ich nicht versucht, seine Resultate zu kontroliren, da der hervorgehobene Kontrast wol ge - nugsam erkennen lässt, dass sein Verfahren weit entfernt sein muss, zu den zweckmässigsten zu gehören.

31. Studie. Um dem Leser, welchem Boole's grundlegendes Werk4 vielleicht schwer zugänglich ist, eine Idee zu geben, in welcher Weise dort Probleme rechnerisch behandelt werden, wollen wir schliess - lich ein paar Aufgaben dieses Autor's noch in seiner Manier lösen, obwol wir, wie schon angedeutet, dasjenige, was diese Manier von den neueren Behandlungsweisen unterscheidet, auf Grund der unver -555§ 25. Anwendungsbeispiele und Aufgaben.kennbaren Vorzüge dieser letzteren für endgültig abgethan halten, ihm nur historisches Interesse noch zuerkennend.

Vor allem sei die fundamentale Aufgabe behandelt, die Gleichung a x + b x1 = 0 nach x aufzulösen. Zu dem Ende muss im Einklange mit den Ergeb - nissen unsres § 23 zunächst 1 x für x1 geschrieben, die Gleichung also mit Boole4 p. 155 in der Form angesetzt werden: a x + b (1 x) = 0.

Diese aufzulösen verfährt Boole wie bei den arithmetischen Glei - chungen ersten Grades, bildend: 〈…〉 , und dieses Ergebniss wird von Boole nun als f (a, b) betrachtet und in Gestalt von: f (a, b) = f (1, 1) a b + f (1, 0) a b1 + f (0, 1) a1 b + f (0, 0) a1 b1 gemäss Th. 44+) nach a und b entwickelt . So ergibt sich ihm: 〈…〉 , wobei ich davon absehe, dass auch für a1, b1 in der Regel nur 1 a, 1 b von ihm geschrieben wird.

Da 〈…〉 ein Unsinn wäre, falls es wirklich vorkäme, so muss es herausfallen, d. h. in einen verschwindenden Konstituenten, in 0 mul - tiplizirt sein. Dies gibt die Valenzbedingung für x oder Auflösbar - keitsbedingung für die gegebne Gleichung, nämlich: a b = 0 (d. i. unsre Resultante der Elimination des x), und da 〈…〉 = u jeden erdenklichen Wert vorstellt, unbestimmt oder willkürlich bleibt, so haben wir: x = a1 b + u a1 b1 in Übereinstimmung mit unserm rein logisch gerechtfertigten Ergeb - nisse ν) des § 21.

Man sieht indess, dass hier Zwischenoperationen ausgeführt wurden, die einer logischen Deutung unfähig bleiben, wie z. B. nicht nur die Bil - dung des im identischen Kalkul jedes Sinnes ermangelnden Nenners 0 1, sondern namentlich auch schon der Ansatz einer Differenz b a, während a gar nicht in b enthalten!

556Dreizehnte Vorlesung.

Andere Aufgabe. In 4 p. 95. 97 verlangt Boole, dass die Glei - chung: x = y (z + w) nach der Unbekannten y aufgelöst werde, wobei ihm bedeutet: x = verantwortliche Wesen, y = vernunftbegabte Wesen, z = Diejenigen, die Freiheit des Handelns haben, w = Solche, welche ihrer Freiheit sich freiwillig begeben haben.

Und er verfährt analog wie vorhin folgendermassen. Die arithmetische Lösung des Problems: 〈…〉 wird, als Funktion von x, z, w betrachtet, entwickelt nach dem Schema: f (x, z, w) = f (1, 1, 1) x z w + f (1, 1, 0) x z w1 + + f (0, 0, 0) x1 z1 w1.

Es entsteht, wenn wir die drei sofort herausfallenden Terme noch in Klammer mit anführen: 〈…〉 , und folgt hieraus erstens, dass die Konstituenten der beiden deutungsun - fähigen Koeffizienten 〈…〉 und 〈…〉 verschwinden müssen, also x (z w + z1 w1) = 0 sein muss, und zweitens, dass y = x (z w1 + z1 w) + u x1 z1 w1 gefunden ist, was dann leicht mit Worten zu interpretiren.

Instruktiv ist die Vergleichung dieses Ergebnisses mit dem nach unsrer Theorie sich ergebenden. Die Aufgabe fällt, wenn man z + w mit einem Buchstaben bezeichnet, unter das Schema der in Aufgabe 13, ε) des gegen - wärtigen Paragraphen schon gelösten (wobei die dort x genannte Unbe - kannte nur y heisst, wogegen a = z + w, b = x hier als gegeben zu den - ken vergl. auch § 23) und haben wir zuverlässig als Resultante: x z1 w1 = 0 sowie als Auflösung: y = x + u z1 w1 oder: x y x + z1 w1.

Nach Th. 33+) Zusatz kann statt des Terms u z1 w1 allerdings auch u x1 z1 w1 gesetzt werden. Gleichwol deckt sich aber unser Ergebniss nicht mit dem Boole'schen, und die Abweichung erklärt sich aus dem Umstande, dass bei Boole die Summe z + w als eine reduzirte verstanden wird, deren Glieder z und w als disjunkte das Produkt: z w = 0 geben bei uns jedoch im Allgemeinen nicht. Ziehen wir diese Glei - chung als eine nach den Daten des Problemes selbstverständlich geltende557§ 25. Anwendungsbeispiele und Aufgaben.zu unsern Prämissen hinzu, so aber erst dann erweist sich (leicht) die völlige Übereinstimmung der beiderseitigen Ergebnisse.

Indem bei Boole sogar x + x = 2x, etc. gilt, so treten überhaupt, wie vorstehend, bei seinem Verfahren in den Gliedern des Resultates oft Zahlenfaktoren, wie 〈…〉 , 〈…〉 , etc. als Koeffizienten auf, die er schliess - lich als belanglose, nicht interpretable, über Bord wirft, die Konstituenten, mit denen sie behaftet erscheinen, gleich 0 setzend.

Ähnlich mag endlich zur Vergleichung herangezogen werden eine von den zahlreichen Aufgaben, die Boole knüpft an Senior's Defi - nition von wealth (wörtlich des Reichtums, genauer wol dem volks - wirtschaftlichen Begriffe des Gutes entsprechend). Prämisse ist: w = s t (p + r), wo w = Gut, s = Dinge, die nur in begrenztem Vorrat verfügbar (limi - ted in supply), t = übertragbar (transferable), p = Genuss verschaffend (productive of pleasure) und r = Leid vorbeugend (preventive of pain) bedeutet. Cf. 4 p. 106, sq.

Verlangt ist ein Ausdruck für w ohne Rücksicht auf r.

Wir würden systematisch aus der Gleichung: w1 s t (p + r) + w (s1 + t1 + p1 r1) = 0 erst r eliminiren, die Resultante: w1 s t p + w (s1 + t1) = 0 sodann nach w auflösen und finden: w = s t (p + u) oder s t p w s t ein Ergebniss, das aber hier schon unmittelbar zu gewinnen war, indem man den Namen r des Eliminanden durch den u einer unbestimmten Klasse ersetzte!

Boole hingegen, welcher natürlich die Prämisse, da p und r sich gegenseitig nicht ausschliessen, in der Form ansetzen muss: w = s t (p + r p1) operirt, p1 durch 1 p ersetzend, wie folgt. Er schreibt die Gleichung: w s t (p + r r p) = 0, bemerkt, dass das Polynom derselben für r = 1 in w s t und für r = 0 in w s t p übergeht, mithin (w s t) (w s t p) = 0 die Resultante der Elimination von r ist. Ausmultiplizirt gibt dies (wegen w w = w, etc.) eine Gleichung: w w s t p w s t + s t p = 0 aus der sich: 〈…〉 558Dreizehnte Vorlesung.nach den Regeln der Arithmetik berechnet. [Statt dessen konnte aber auch jenes Polynom erst nach w entwickelt werden in der Gestalt: (1 s t) (1 s t p) w + s t p (1 w) = 0, woraus dann: 〈…〉 sich berechnete.] Beidemal ergibt sich durch die mühsame Entwickelung der rechten Seite als einer Funktion f (s, t, p) übereinstimmend: 〈…〉 , als ein auch unmittelbar einleuchtendes Ergebniss: Die wirtschaftlichen Güter bestehen aus allen übertragbaren Genussmitteln von begrenztem Vor - rat und einem unbestimmten Reste (indefinite remainder) von nur in be - grenzter Menge zur Verfügung stehenden übertragbaren Dingen, die keine Genussmittel sind.

Der Leser hat vielleicht den Eindruck, dass Boole's Verfahren sich in Praxi wenigstens doch ziemlich stark von meiner Modifikation desselben unterscheidet.

[559]

Vierzehnte Vorlesung.

§ 26. Besprechung noch andrer Methoden zur Lösung der bisherigem Kalkul zugänglichen Probleme. Das primitivste oder Ausmusterungsverfahren von Jevons. Lotze's Kritik, und Venn's graphische Modifikation des Verfahrens.

Es handelte sich im bisherigen stets um Probleme, deren Data ausdrückbar sind durch Subsumtionen (oder Gleichungen*)Diese besonders zu erwähnen könnte unterbleiben, da nach Def. (1) eine Gleichung äquivalent ist einem Paar von Subsumtionen.) zwischen Klassen oder Funktionen des identischen Kalkuls von solchen, und deren Lösung dann ebenfalls wieder durch Aussagen von dieser Form darstellbar ist. Es kam dabei darauf an, gewisse Klassen aus den Daten des Problems zu eliminiren, andere aus denselben in dem in § 21, ο) erläuterten Sinne zu berechnen, d. h. ihre Subjekte und Prä - dikate aufzufinden, welche vermittelst der übrigen Klassen sich be - schreiben lassen.

Ehe wir mit nächster Vorlesung in Band 2 diesen Kreis unsrer Aufgaben erweitern, wollen wir noch ein Weilchen bei den bisherigen verweilen um uns über die verschiedenen Methoden zu orientiren, welche zur Bewältigung dieser Aufgaben vorgeschlagen worden sind und zur Verfügung stehen.

Als solche zählt Herr Peirce in seiner grundlegenden Arbeit5. in chronologischer Folge auf: die Methoden von Boole, Jevons, Schröder, McColl, denen er alsdann noch eine fünfte selbst hinzu - fügt. Wir werden sehen, dass diese nur auf dreie wesentlich hin - auslaufen, von denen die von mir modifizirte Boole'sche Methode im bisherigen schon dargelegt und ausschliesslich angewendet worden ist. Durch diese ihm zuteil gewordene Modifikation erscheint das ursprüng - liche Verfahren Boole's nunmehr als vollständig antiquirt (superseded) und dürfte künftig niemand mehr je auf dasselbe zurückgreifen. In seiner abgeänderten Gestalt jedoch wird dasselbe, denke ich, wol fort -560Vierzehnte Vorlesung.leben, obwol ihm neuerdings durch McColl und Peirce ein ebenbür - tiges Verfahren an die Seite gestellt ist.

Das Verfahren von Jevons ist zwar ein kunstloses wenn man will, das nächstliegende oder ursprünglichste doch verdient es immer - hin als eine besondere Methode (die zweite von oberwähnten dreien) hingestellt zu werden.

Im wesentlichen besteht dasselbe kurz gesagt darin: dass man für die sämtlichen Klassen, von denen im Problem die Rede ist, alle Möglichkeiten hinschreibt, welche in Bezug auf das Vorkommen oder Nicht - vorkommen einer jeden in Verbindung mit den andern denkbar sind, von diesen denkbaren Kombinationen alsdann alle diejenigen ausstreicht, welche durch die Data des Problemes als unzulässige ausgeschlossen werden, und aus den stehen bleibenden endlich herauszulesen sucht die Antwort auf die Fragen, die das Problem aufwirft.

Von Jevons1 p. 44 sq. zuerst 1864 auseinandergesetzt, ist, wie Herr Venn1 p. 351 bemerkt, derselbe Gedanke schon früher, 1811, auch von Semler1 p. 48 angedeutet.

Der erste der drei im Jevons'schen Ausmusterungsverfahren ge - forderten Prozesse deckt sich mit der Entwickelung im Sinne des Th. 44+) der identischen 1 welche die ganze Mannigfaltigkeit vor - stellt der Individuen oder Objekte auf die das Problem Bezug nimmt nach den im Probleme vorkommenden Klassensymbolen als Argu - menten. Die Glieder und Konstituenten dieser Entwickelung sind eben jene Kombinationen , die alle hinsichtlich dieser Klassen denkbaren Möglichkeiten repräsentiren. Anstatt dieselben mittelst Pluszeichen unter sich zu verknüpfen und die so gebildete Summe ausdrücklich gleich 1 zu setzen, wird man gewöhnlich vorziehen, gedachte Kombi - nationen bequemer nur einfach untereinander zu schreiben.

Man beginnt demgemäss damit, als erste Kombination hinzuschreiben: das Produkt sämtlicher vorkommenden Klassensymbole (indem man, wo etwa eine Klasse nebst ihrer Negation in den Data des Problems erwähnt sein sollte, sich für eine von beiden, etwa für die affirmativ ausgedrückte entscheidet). In dieser ersten Kombination ersetzt man das letzte Symbol durch seine Negation und erhält die zweite Kombination; in beiden bis - herigen Kombinationen ersetzt man das vorletzte Symbol durch seine Nega - tion und erhält zwei weitere Kombinationen. Man fährt so fort in allen bisherigen Kombinationen immer ein früheres Symbol durch seine Nega - tion zu ersetzen, bis dieses auch für das erste Symbol geschehen ist, so werden sämtliche Kombinationen angesetzt sein.

Die Zahl der letzteren ist 2n, wenn n die Anzahl der vorkommenden Symbole gewesen vergl. S. 418 und jede dieser 2n Kombinationen ist ein Produkt von n Faktoren, wobei als Faktor ein jeder von den im561§ 26. Besprechung noch andrer Methoden. Verfahren von Jevons.Problem zu verwenden gewesenen Buchstaben entweder unnegirt als sol - cher steht oder aber durch seine Negation vertreten ist.

Um beispielsweise die 7. Aufgabe des § 25 nach Jevons 'Methode zu behandeln, würde schon der Ansatz von 27 = 128 Kombinationen (welche je aus sieben Symbolen sich zusammensetzen) erforderlich sein. Man wird sich schwerlich dazu verstehen, für n > 6 die Operationen noch praktisch durchzuführen.

In dieser mit wachsender Zahl n so rasch zunehmenden Weitläufigkeit der Prozesse liegt eine erste und grosse Schwäche der Methode.

Behufs Ausführung des zweiten von der Methode geforderten Pro - zesses muss man eine jede der angesetzten Kombinationen im Geiste zusammenhalten oder vergleichen sowol mit der linken Seite, dem Subjekte, als eventuell mit der rechten Seite, dem Prädikate einer jeden in Form einer Subsumtion gegeben gedachten Prämisse des Problemes. Man muss ja zusehen ob die Kombination mit der Prä - misse verträglich ist, oder nicht, um im letztern Falle die Kom - bination auszustreichen. Dieses geht genauer dargelegt in folgender Weise vor sich.

Beide Seiten der Prämisse mögen wir als Aggregate von Mono - men uns dargestellt denken, sodass S + S' + P + P' + P' '+ die Form unsrer Prämisse ist, wo die Glieder S, S', P, selbst Pro - dukte sein werden von höchstens n Symbolen (in der Regel weniger), hervorgehoben aus der Gruppe der überhaupt im Problem vorkommen - den (n) Klassensymbole a, b, c, und ihrer (n) Negationen a1, b1, c1,

Man hat sich nun zu erinnern, dass nach § 8, χ) die Pluszeichen der Subsumtion links, im Subjekte, mit und , rechts, im Prädikate aber mit oder in Worte zu übersetzen sind, mithin die Prämisse fordert, dass wo die in S vereinigte Faktorenkombination vorliegt, so - wol, als auch wo die in S' vereinigte vorliegt, etc. da auch vorliegen muss entweder die in P oder die in P', oder die in P' ', etc. vereinigt erscheinende Kombination von Faktoren.

In Bezug auf die mit dieser Prämisse zu vergleichende Kombi - nation (aus der Menge der 2n angesetzten) K möge sie für den Augenblick heissen können nun verschiedene Fälle vorliegen.

Entweder sie ist nach Th. 6×) oder Prinzip I einem der Subjekte S, S', (eventuell auch gleichzeitig deren mehreren) einge - ordnet, d. h. die sämtlichen Faktoren, aus denen sich eins dieser Sub - jekte zusammensetzt, treten auch als Faktoren in K auf, oder nicht.

Im letztern Falle treffen schon die Voraussetzungen der Prämisse für unsere Kombination K nicht zu, die Prämisse berührt die Kom -Schröder, Algebra der Logik. 36562Vierzehnte Vorlesung.bination gar nicht, geht sie nichts an, sagt überhaupt nichts in Bezug auf dieselbe aus. Die Kombination kann als mit der Prämisse ver - träglich, doch zu ihr indifferent, neutral, bezeichnet werden. *)Ich bemerke, dass ich in meiner Darstellung mehrfach, und wie ich glaube verbessernd oder ergänzend, von Jevons abweiche, dessen Benennungen als ex - cluded, included und contradictory subject mir unter anderm nicht ganz glück - lich gewählt erscheinen.

Im ersteren Falle fordert die Prämisse, dass die Kombination K nun auch mindestens einem der Prädikate P, P', P' ', eingeordnet sei, d. h. dass sie auch dessen Faktoren sämtlich in sich aufweise. (Sie muss deshalb mit letzteren der Reihe nach im Geiste zusammen - gehalten werden.)

Ist es der Fall, so erfüllt die Kombination K unsre Prämisse, sie ist nicht nur mit ihr verträglich, sondern sogar konform mit ihr ge - bildet, in Übereinstimmung mit derselben.

Ist es nicht der Fall, so widerspricht die Kombination K der Prä - misse, wird von ihr als unzulässig hingestellt, ausgeschlossen, verboten, und muss ausgestrichen werden.

Um dies zur Stelle durch ein ganz einfaches Beispiel zu erläutern, so möge die Prämisse heissen: a b1 c1, d. h. die a, welche nicht b sind, sind auch nicht c (oder: wo die Merkmale von a vorliegen und Merkmale von b fehlen, da fehlen auch solche von c). Wie verhalten sich dann die drei Kombinationen: a1 b1 c d1, a b1 c1 d und a b1 c d1? Nun: die erste ist in - different zu der Prämisse, als den Faktor a b1 nicht in sich aufweisend; die zweite ist im Einklange mit der Prämisse, fällt unter dieselbe, da sie neben a b1 auch c1 aufweist; die dritte aber widerspricht der Prämisse, indem sie zwar a b1, aber nicht c1, vielmehr statt dessen c in sich als Faktor auf - weist, dieselbe wäre demnach zu streichen, wogegen die beiden andern Kombinationen stehen bleiben können als von dieser Prämisse erlaubte (d. h. nicht verbotene) sofern sie nicht von andern Prämissen noch auf - gehoben werden.

Ehe wir zur Besprechung des dritten und letzten Prozesses der Jevons'schen Methode übergehen, mögen die beiden vorigen an jenem Boole'schen Problem, der 1. Aufgabe des § 25 erprobt werden.

Citirenshalber legen wir uns die Prämissen α), β), γ) des Problems in folgender Fassung auseinander: α) a1 c1 bedingt b d1 e oder b1 d e; β) a d e1 bedingt b c oder b1 c1;563§ 26. Das Ausmusterungsverfahren von Jevons.

indem wir auch den Ausdruck a (b + e) = a (b e1 + b1 e + b e) nach den drei in ihm vorkommenden Symbolen entwickelten (was strenge genommen nicht nötig: man könnte auch mit a b + a e schon die Überlegungen anstellen).

Da fünf Symbole a, b, c, d, e in Frage kommen, so haben wir 25 = 32 Kombinationen durchzugehen, die wir nachstehend geordnet und numerirt untereinander stellen.

Die links notirten Chiffren α), β), γ) von Prämissen erklären die danebenstehende Kombination als mit diesen übereinstimmende, als eventuell zulässig, die rechts notirten als ihnen widersprechende unzu - lässige, dergestalt, dass wo Erlaubniss (im vorerwähnten Sinne) und Verbot zusammentreffen, das Verbot zu gelten hat. Die Kombina - tionen, bei denen keine Prämissenchiffre angemerkt ist, sind die zu allen Prämissen indifferenten. Kombinationen.

1)a b c d e γ3 ')17)a1 b c d e
2)β) a b c d e1 γ1 ')18)a1 b c d e1
3)γ3 ') γ1' ') a b c d1 e19)a1 b c d1 e γ1 '')
4)γ1 ') γ1' ') a b c d1 e120)a1 b c d1 e1 γ1 '')
5)γ3 ') γ2' ') a b c1 d e21)a1 b c1 d e α) γ2 '')
6)γ1 ') γ2' ') a b c1 d e1 β)22)a1 b c1 d e1 α) γ2 '')
7)a b c1 d1 c γ3 ')23)α) a1 b c1 d1 e
8)a b c1 d1 e1 γ1 ')24)a1 b c1 d1 e1 α)
9)a b1 c d e γ2 ')25)a1 b1 c d e
10)a b1 c d e1 β)26)a1 b1 c d e1
11)γ2 ') γ1' ') a b1 c d1 e27)a1 b1 c d1 e γ1 '')
12)a b1 c d1 e1 γ1 '')28)a1 b1 c d1 e1 γ1 '')
13)γ2 ') γ2' ') a b1 c1 d e29)α) a1 b1 c1 d e γ2 '')
14)β) a b1 c1 d e1 γ2 '')30)a1 b1 c1 d e1 α) γ2 '')
15)a b1 c1 d1 e γ2 ')31)a1 b1 c1 d1 e α)
16)a b1 c1 d1 e132)a1 b1 c1 d1 e1 α)
36*564Vierzehnte Vorlesung.

Die rechts glossirten Kombinationen sind ausgestrichen zu denken. Man bemerkt, dass einige von den Fällen: 21, 22, und 30), sich zwei - mal in den Prämissen verboten finden. Natürlich, nachdem sie ein erstes mal als solche erkannt und gestrichen worden, war es ein Luxus, uns davon zu überzeugen, dass sie nochmals daselbst ausgeschlossen werden, und seitens welcher Prämissen; man durfte sie von da beim Durchgehen der letztern überspringen.

Die rechts unglossirten Kombinationen oder Fälle sind die zu - lässigen. Es sind die elfe mit den beigefügten Nummern, die wir uns übersichtlich nochmals herausschreiben in eine Tabelle:

  • 3) a b c d1 e
  • 4) a b c d1 e1
  • 5) a b c1 d e
  • 11) a b1 c d1 e
  • 13) a b1 c1 d e
  • 16) a b1 c1 d1 e1
  • 17) a1 b c d e
  • 18) a1 b c d e1
  • 23) a1 b c1 d1 e
  • 25) a1 b1 c d e
  • 26) a1 b1 c d e1.

Der oben gegebenen Andeutung zufolge muss nun diese Tabelle uns vertreten eine Gleichung, in welcher die Summe der elf in ihr zusammengestellten Kombinationen gleich 1 gesetzt wird. Wurde sie doch aus der vollständigen Entwickelung der 1 erhalten, indem man alle diejenigen (einundzwanzig) Glieder oder Konstituenten fortliess, welche kraft der Prämissen verschwinden!

Aus dem Anblick der Tabelle kann man ohne weiteres entnehmen, dass worauf wir unter der 1. Aufgabe schon aufmerksam machten die Kombination a d e1 überhaupt nicht vorkommt, dass hier a d e1 = 0 sein muss. Es ist das jener von Boole sicherlich nicht beabsichtigte vielmehr bei der Formulirung seiner Aufgabe wol übersehene Umstand, zufolge dessen seine Prämisse β) einen vexatorischen Charakter bekam. Ausser auf die in § 25 angedeutete Weise würde sich dies auch noch vermeiden lassen, indem man der Prämisse β) anstatt der angegebenen positiven die negative Fassung gäbe dass in Abwesenheit von E die Merkmale A und D zusammen niemals mit B ohne C sowie mit C ohne B sich vor - finden was einfach auf den Ausschluss der Elementarfälle oder Kombi - nationen 6) und 10) hinausliefe.

565§ 26. Das Ausmusterungsverfahren von Jevons.

Wir kommen nun zu den letzten im Jevons'schen Verfahren ge - forderten Prozessen welche dahin zielen, dass aus den stehen gebliebenen Kombinationen herausgelesen werde die Antwort auf die im Probleme aufgeworfenen Fragen, betreffend entweder die Resultante der Elimi - nation eines Symbols, oder auch die Auflösung der Data nach einer Unbekannten.

Die Behandlung, welche Jevons diesen letzten Teilen seiner Methode angedeihen lässt, ist entschieden der schwächste Punkt in seiner Darstellung, weshalb ich mich auch nicht mehr an diese halte. Ist es doch keineswegs unsre Absicht, eine Geschichte aller irgend gemachten verfehlten oder unzulänglichen Versuche zu schreiben ansonst das tausendfache Volumen dieses Buches nicht ausreichen würde!

Nach den anderwärts vergl. § 21 unter η) rechts vom Mittel - striche gegebenen Andeutungen ist es nun aber ein Leichtes, auch das Eliminationsproblem noch glatt zu lösen:

Die Elimination eines Symbols ist darnach einfach zu leisten, indem man aus der Tabelle der stehen gebliebenen Kombinationen den Eliminanden (nebst seiner Negation, wo immer er als Faktor steht, und er tritt eben nur als solcher auf) unterdrückt, weglöscht. Eine jede dabei wiederholt als Rückstand bleibende Kombination aber wird man natürlich cf. Tautologiegesetz 14+) nur einmal beibehalten, das zweite mal fortlassen.

So liefert nun die im obigen Problem geforderte Elimination von e aus unsrer Tabelle die Resultante: 1 = a b c d1 + a b c1 d + a b1 c d1 + a b1 c1 d + a b1 c1 d1 + a1 b c d + a1 b c1 d1 + a1 b1 c d, wo der erste von den acht Termen rechterhand aus den Kombinationen 3) und 4), der drittletzte aus 17) und 18), der letzte aus 25) und 26) wenn man will auch schon gemäss Th. 30+) zusammengezogen ist.

Zufällig sind die acht Konstituenten in vorstehender Gleichung gerade die Hälfte der 24 = 16, welche die Entwickelung der 1 nach den Symbolen a, b, c, d (ohne e) zusammensetzen. Die übrigen achte treten in der linken Seite der Gleichung ζ) der 1. Aufg. des § 25 auf, wenn man diese vollends (auch nach b) entwickelt. Unser Ergebniss stimmt also überein mit dem dort (viel bequemer) gefundenen.

Eliminirt man aus ihm a auf die angegebene Weise, so ergibt sich weiter nichts, als die Entwickelung der 1 nach den Argumenten b, c, d mit ihren 23 = 8 Gliedern, also eine analytische Identität, durch welche die zweite der im Problem gestellten Fragen sich erledigt.

Eliminirt man b, so folgt: 1 = a c d1 + a c1 d + a c1 d1 + a1 c d + a1 c1 d1,566Vierzehnte Vorlesung.welche fünf Glieder die dreie in Gleichung ι), l. c. in der That zur vollständigen Entwickelung der 1 nach den Symbolen a, c und d er - gänzen und die vierte Frage des Problems beantworten.

Das Äquivalent der Auflösung nach einer Unbekannten endlich wird nun bei dieser Methode darin zu erblicken sein, dass man aus der Resultante oder Zusammenstellung der stehen gebliebenen Kombi - nationen diejenigen Kombinationen der übrigen Symbole herauszuleseu vermag, welche als Koeffizienten mit dieser Unbekannten selbst, sowie diejenigen welche mit ihrer Negation ausschliesslich verknüpft sind.

So kommt in Beantwortung der ersten Frage unsres speziellen Problems die Klasse a nur vor in Verbindung mit b c d1 + b c1 d + b1 c d1 + b1 c1 d + b1 c1 d1, und wo eine von diesen fünf Kombinationen vorliegt, da kann auch a sich finden; a1 aber kommt nur mit den dreien b c d + b c1 d1 + b1 c d verbunden vor; und entweder bei mindestens einer von den fünfen wird a oder bei mindestens einer von den dreien wird a1 sich auch finden müssen, da nicht alle Glieder, deren Summe ja = 1 ist, zugleich verschwinden können.

Ebenso kommt in Beantwortung der dritten Frage b nur vor in Verbindung mit: a c d1 + a c1 d + a1 c d + a1 c1 d1 und b1 nur mit: a c d1 + a c1 d + a c1 d1 + a1 c d.

Eine schwache Seite des Verfahrens bleibt darin bestehen, dass man diese Antworten in einer unübersichtlichen Form, nach allen restirenden Symbolen gleichmässig entwickelt gewinnt, und es nun noch dem analytischen Geschick des Rechners überlassen bleiben muss resp. der Willkür in Bezug auf die Auswahl unter den verschie - denen Arten, auf welche dazu das Th. 30+) sich verwenden lässt die Beschreibung dieser die Antwort enthaltenden (Aggregate von) Klassen weiter zu vereinfachen!

Ich möchte hier mit ein paar Worten auf Bemerkungen von Lotze in seiner Anmerkung über logischen Calcül (Zweite Auflage seiner Logik1 p. 266 und 267 das Vorwort datirt vom 6. Sept. 1880) eingehen, da dieselben geeignet erscheinen, eine irrige Ansicht über das Verhältniss der rechnerischen Methoden zu dem Verfahren von Jevons hervorzurufen und zu verbreiten.

In thatsächlicher Hinsicht ist zunächst zu erwähnen: die Schluss -567§ 26. Lotze's Kritik.bemerkung Boole's bei seinem (als 1. Aufgabe in unserm § 25 behandelten) Probleme I have not attempted to verify these conclusions hatte Lotze, wie er mir schrieb veranlasst, diese Verifikation zu versuchen. Boole's Fassung der Prämisse β), welche eine Kombination (a b c d) als beobachtet hinstellt, die nach den Konklusionen dann gar nicht vorgekommen sein kann, führte ihn jedoch dabei irre, und wandte er sich nach einem erfolg - losen Anlauf dieserhalb brieflich (19. April 1880) an mich, worauf ich am 22. April ein Antwortschreiben abgehen liess, welches nebst dem Hinweis auf Badorff's Wahrnehmung (S. 528) die oben (S. 563 sq.) gegebene Zu - sammenstellung der glossirten Kombinationen mit den zugehörigen Er - läuterungen nahe wörtlich enthielt. Ich hatte dieselbe ohne noch von irgend welchen Schriften Jevons 'damals Kenntniss zu haben, jedoch nach dem Vorgange meines damaligen Kollegen, Herrn Lüroth schon zuvor entworfen. Nach einem späteren Schreiben muss Lotze meinen Brief auch erhalten haben.

Ich will nun nicht davon reden, dass die Bemerkung Lotze's p. 266, dass der passendere Weg sich ganz von selbst darbietet , sowie p. 267, dass Jevons das Verfahren nicht erst entdeckt zu haben brauchte, da es in der Anweisung zu Klassifikationen längst vorgelegen, mit seiner anfäng - lichen Hülflosigkeit einigermassen kontrastirt. Jedenfalls auch lag für Lotze keine Verpflichtung vor, jener kleinen Beihülfe meinerseits zu er - wähnen, welche sich ja blos als Bethätigung einer schon anderweitig be - kannten (mir zwar seitdem erst als solche kund gewordnen) Methode von Jevons erwies.

Was ich aber im sachlichen Interesse sagen zu sollen glaube, ist folgendes.

Indem Lotze bei seiner Besprechung des Boole'schen Problems sich darauf beschränkt, lediglich die Tabelle der elf stehen bleibenden Kombinationen (von S. 564) hinzusetzen, und von den übrigen meint, dass sie schon gleich während des ganz mechanischen Verzeichnens derselben zu unterdrücken waren, erweckt er den An - schein, als ob (hier) die rechnerische Behandlung des Problems gegen - über einer solchen nach dem gemeinen Verstande einen ganz über - mässigen Arbeitsaufwand erheische, auch einen erheblich grösseren Druckumfang in Anspruch nehme; er verhilft dem kunstlosen Zuwerke - gehen gegenüber dem wissenschaftlichen zu einem billigen und un - verdienten Triumphe.

Kaum möchte selbst dem Scharfsinn eines Lotze zuzutrauen sein, dass er es praktikabler finde hier schon während des Verzeichnens die - jenigen Kombinationen zu unterdrücken, welche durch die Gesamtheit der gegebenen Bedingungen ausgeschlossen sind . Jedenfalls aber ist die von Lotze so geschickt verhüllte mühsame Geistesarbeit (der wir in der Absicht, sie in extenso darzulegen, auf S. 563 unter der Über - schrift Kombinationen einen doch immer noch unzulänglichen Aus -568Vierzehnte Vorlesung.druck gegeben haben) beim Jevons'schen Verfahren gar nicht zu ver - meiden; sie muss durch mentale Vergleichung einer jeden von den 32 Kombinationen je mit fast allen der (14 resp.) 16 Prämissensubjekte und ev. - Prädikate doch wirklich geleistet werden.

Nun pflegt bei einer Methode schon eine geringe Arbeitsersparniss sehr wichtig zu sein wegen der unbegrenzten Häufigkeit, mit der sie sich anbringen lässt, und bei einer Vergleichung zwischen verschiedenen Methoden sind selbst geringfügige Unterschiede in dieser Hinsicht nicht zu verachten. Hier aber ist der Unterschied zugunsten der Rechnung für sich schon ein ganz beträchtlicher und Jeder, der die beiderlei Arbeiten durchgemacht, wird mir beipflichten, wenn ich be - streite, dass jener Jevons'sche Weg hier der passendere gewesen. Er ist es wol überhaupt nie, doch um so weniger, je grösser die An - zahl der in Betracht zu ziehenden Symbole.

Die ganze Anmerkung über logischen Calcül , auf deren sonstige Auslassungen hier einzugehen ich verzichte, ruft doch in etwas den Aus - spruch Melanchthon's zu Sinn: Den alten Lehrmeistern gefällt nicht die neue Lehre !

Ähnliche Bemerkungen, wie in Bezug auf die Jevons'sche Methode, treffen auch hinsichtlich Herrn Hermann Scheffler's Verfahren zu, welches nur eine geringfügige Modifikation der vorigen ist.

Auch er behandelt in 1 auf p. 739 742 das Boole'sche Problem unsern Prüfstein für die Methoden und zwar, wie gesagt, wesentlich in Jevons 'Weise, indem er nur: erstlich die negirten Fälle als Faktoren unterdrückt, was eine kleine Druckersparniss bildet, dafür die positiv vor - handenen Merkmale zwischen Vertikalstriche einschliessend so bedeutet ihm |a| die Klasse der Fälle, wo das Merkmal a allein, ohne eines der vier übrigen vorliegt (was uns a b1 c1 d1 e1 darstellt), desgleichen |a b| die Klasse der Fälle, wo nur die Merkmale a und b verbunden, jedoch ohne c, d und e, auftreten (was also bislang durch a b c1 d1 e1 dargestellt wurde), etc. und indem er zweitens, anstatt der Gesamtheit 1 aller denkbaren Fälle, die Klassen a, b, c, d, e selber nach den (positiven) Symbolen ent - wickelt . Letzteres ist kein Vorteil, indem es ihn nötigt, nach dem Vorbild: a = |a| + |a b| + |a c| + |a d| + |a e| + |a b c| + |a b d| + |a b e| + |a c d| + + |a c e| + |a d e| + |a b c d| + |a b c e| + |a b d e|*)Dieses Glied findet sich bei ihm ausgelassen. + |a c d e| + |a b c d e| nun 5 × 16 = 80 Glieder statt unsrer 32 hinzuschreiben und sichtend (ev. streichend) durchzugehen.

Nach den Prämissen vergl. unsre Tabelle auf S. 564 bleiben z. B. von diesen 16 Gliedern nur die sechs folgenden stehen: a = |a| + |a b c| + |a c e| + |a d e|**)Bei Scheffler ist dieses Glied fälschlich durch |a c| vertreten, welches + |a b c e| + |a b d e|569§ 26. Venn's graphische Modifikation des Verfahrens.und wird der Leser leicht aus dem Anblick jener Tabelle sich die analogen Entwickelungen von b, c, d und e auch in dieser Symbolik herausschreiben.

Von einigem Interesse sind noch Schlüsse die Herr Scheffler am Schlusse zieht, von der Art der folgenden: dass, wenn nur ein einziges Merkmal erscheint, dieses nur a sein kann, dass wenn überhaupt vier Merkmale zusammen erscheinen, darunter immer b und e sind, etc. Solche Schlüsse zu ziehen die halb arithmetischer Natur sind, scheint nicht direkt in das Ressort unsres Kalkuls zu gehören. Dagegen wird sie der Leser leicht in der Tabelle der 11 zulässigen Fälle bestätigt erblicken oder aus dieser entnehmen.

Herr Scheffler veranschaulicht schliesslich das Boole'sche Problem auch noch durch eine Figur (in der nachher zu besprechenden Manier des Herrn Venn, der ihm darin zuvorgekommen) die aber unbrauchbar ist, weil sie das ganze Feld 1 nur in 31 anstatt in 32 Felder zerlegt, sonach von allen denkbaren Fällen von vornherein einen unberücksichtigt lässt.

Dass es Herrn Scheffler nicht ganz klar geworden, wieso zwischen den Merkmalen b, c, d keine unabhängige Beziehung resultiren soll, während er doch den Fall |c d| nebst |b c d| als einzig zugelassen konstatirt, liegt an der Unzulänglichkeit seiner Bezeichnung. Der Fall |b c d| z. B. weist nicht auf eine solche Beziehung hin, indem er ja das Fehlen der Merkmale a und e unweigerlich nur eben leider nicht ausdrücklich fordert. Die obenerwähnte kleine Druckersparniss war also nicht umsonst zu haben, sondern muss mit dem Zustand des ungedeckten Irrtümern-Ausgesetztseins erkauft werden.

Herr Venn zieht in seinem mehrerwähnten Werke1 im Grunde auch die Jevons'sche Methode noch den übrigen vor. Er gibt der - selben aber wenigstens soferne nicht mehr als fünf Klassensymbole beim Problem in Betracht kommen eine graphisch anschauliche Gestalt, die Beachtung verdient. Er verwendet Diagramme nach Art der Euler'schen, macht aber einen eigentümlichen Gebrauch von der Schraffirung. Während in meiner Schrift2 ich, gleichwie im Bisherigen, mich dieses Veranschaulichungsmittels blos bedient hatte um gewisse (Flächen -) Gebiete vor den übrigen hervorzuheben, legt Herr Venn dem Schraffiren die Bedeutung des Ausstreichens, einer Tilgung bei. Durch Schraffiren soll ein im allgemeinen logisch denkbares Gebiet, resp. eine Klasse, als eine nach den Daten des vorliegenden Problemes nicht vorhandene, als eine verschwindende oder leere gekennzeichnet werden.

**)auch in seiner Entwickelung von c gestrichen werden muss; bei d und e fehlt ihm das Glied |a d e|, sodass von den fünf Entwickelungen, die er gibt, nur die von b richtig ist. Es zeigen wol schon die vielen Fehler, in welche Herr Scheffler verfällt, dass die vermeintlichen Vorzüge seines Verfahrens illusorisch sind; auch spricht es nicht zugunsten des letzteren, ist vielmehr in Hinsicht dessen lehrreich, dass ihm trotz dieser Fehler die Diskrepanz seiner Resultate mit denen von Boole und mir gar nicht auffällt, er vielmehr diese nur einfach bestätigt findet.

570Vierzehnte Vorlesung.

Ein von ihm gegebenes einfaches Beispiel wird die Sache sogleich klar machen.

Prämissen eines Problems seien: a b (oder a b1 = 0) und

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Fig. 21.

b c = 0. So werden die Data nach Euler'scher Weise durch die Figur 21 darzustellen sein, aus welcher auch direkt ersichtlich ist, dass a c = 0 sein wird ein Schluss, der rechnerisch durch Elimi - nation von b aus den Prämissen gezogen werden kann (Bekannter Syllogismus vergl. Celarent und Cesare in § 42).

Statt dessen veranschaulicht Venn die Data mittelst der Figur 22,

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Fig. 22.

in welcher die Gebiete a b1 (wagrecht) und b c (hier senkrecht) sich ausgestrichen finden. Man erkennt auch hier sogleich, dass a c völlig ausgestrichen ist.

Für Probleme, die sich auf zwei, drei, vier oder fünf Klassen a, b, c, d, e beziehen, empfiehlt dem - gemäss Herr Venn die durch die handlichen Figuren 23, 24, 25 u. 26 dargestellten Schemata, welche etwa durch Überdruck zu vervielfältigen und bei jedem derartigen Problem ganz stereotyp zu verwenden sind. [In den ersten beiden Figuren erblicken wir kongruente Kreise, in der dritten als Gebiete a, b, c, d vier kongruente Ellipsen, in der vierten

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Fig. 23.

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Fig. 24.

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Fig. 25.

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Fig. 26.

571§ 26. Venn's graphische Modifikation des Verfahrens.aber neben zwei Paar kongruenter Ellipsen a, e und b, d noch eine ringförmige Fläche c in Gestalt einer Raute mit abgerundeten Ecken. Herr Venn verwendet andere Buchstaben.]

Die Figuren zerschneiden je die ganze Ebene, den Konstituenten der Entwickelung von 1 entsprechend richtig in resp. 4, 8, 16 und 32 Felder.

Ich habe diese Felder numerirt so, dass die Nummern angeben die Stellenzahl des betreffenden Konstituenten von 1 = a b + a b1 + a1 b + a1 b1, resp. 1 = a b c + a b c1 + a b1 c + a b1 c1 + a1 b c + a1 b c1 + a1 b1 c + a1 b1 c1, resp. 1 = a b c d + a b c d1 + a b c1 d + a b c1 d1 + a b1 c d + a b1 c d1 + a b1 c1 d + a b1 c1 d1 + + a1 b c d + a1 b c d1 + a1 b c1 d + a1 b c1 d1 + a1 b1 c d + a1 b1 c d1 + a1 b1 c1 d + a1 b1 c1 d1, resp. bei der letzten Figur die Nummer der betreffenden Kombination in der Zusammenstellung, gegeben beim letzten nach Jevons 'Methode behandelten Problem auf S. 563, welche Kombination jeweils eigentlich selbst, als durch das Feld veranschaulicht, in ebendieses hineinzu - schreiben wäre.

Demgemäss veranschaulicht und zugleich damit löst Herr Venn das nunmehr wohlbekannte Boole'sche Problem durch die Fig. 27 in welcher blos unterblieben ist, auch das Aussen - feld (32) zu schraffiren, und ausserdem ihm das Versehen zu verbessern war, das Feld 24 der Fig. 26 freigelassen zu haben (vergl. Venn1 p. 281).

Übrigens schliesst es auch einen Fort - schritt gegenüber dem ursprünglichen Jevons'schen Verfahren in sich, dass Venn diesen Strich der Felder nicht im Hinblick auf das Kombinationensystem der nach allen Symbolen gleichmässig

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Fig. 27

entwickelten Einheit vollzieht [wie sie beim vorliegenden Problem auf S. 563 angegeben], sondern im Hinblick auf die Glieder der einzeln rechts auf 0 gebrachten Prämissengleichungen, wie sie sich in unsrer vereinigten Gleichung jeweils zusammengestellt finden [so oben bei ε) der 1. Aufg. des § 25]. Gewisse von diesen Gliedern nämlich die ans weniger Faktoren zusammengesetzten werden sich dabei als von grösserer Tragweite ( scope ) erweisen als die andern, nämlich den Strich ganzer Komplexe von Elementarfeldern auf einmal er - heischen.

572Vierzehnte Vorlesung.

Zur ferneren Illustration sei auch Venn's graphische Behandlung der 10. Aufgabe des § 25 hergesetzt (Fig. 28), wobei wir die aus dem

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Fig. 28.

Gebiet w herausgelesenen Felder horizontal schraffirt, das übrig bleiben sollende Feld durch einen Punkt hervorgehoben und diejenigen vier Felder die darnach verschwinden mussten, verti - kal schraffirend ausgestrichen haben, demgemäss das Feld x1 y z w nach beiden Richtungen schraf - firend.

Zum Schlusse sein noch ein paar Probleme Venn's angeführt, bei welchem sein Verfahren in der That vielleicht bequemer erscheint als irgend ein rechnerisches.

Die von Jevons1 p. 64 aufgestellten Data: a = b + c, b = c1 + d1, c1 d1 = 0, a b = b c d seien zu vereinfachen.

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Fig. 29.

Schraffiren ( shading out ) aller Felder, die durch diese Prämissen als leere hingestellt werden, liefert die Fig. 29, aus welcher sofort ersichtlich, dass a = b = c = 1, d = 0 sein muss, indem eben nur das Feld a b c noch übrig bleibt.

Rechnerisch würde sich dieses Resul - tat ebenfalls ergeben, indem man die vereinigte Gleichung: a b1 c1 + a1 (b + c) + b c d + b1 (c1 + d1) + c1 d1 + (a b1 + a c1 + a1 b c) d = 0 etwa nach a entwickelte, wodurch sich a (b1 + c1 + d) + a1 · 1 = 0 mit einiger Mühe ergäbe; es muss sonach in der That a1 = 0, das heisst a = 1, hernach auch b1 + c1 + d = 0 sein, etc.

Treffend widerlegt Herr Venn1 p. 148 Fussnote die Bemerkung von Jevons, l. c. dass die obigen Data zweifellos einander widersprechende ( contradictory ) seien, auf die wir in Anhang 6 zurückkommen müssen, weil die ihr zugrunde liegende falsche Anschauung Jevons vielfach zur Aufstellung ungeeigneter Ergebnisse geführt hat.

Ähnlich kommt Venn5 p. 15 von den Daten aus: y x z1 + z x1, w y x z + x1 z1, x y w + z, y z x + w573§ 27. Methoden von McColl und Peirce.zur Anlegung der Figur 30, aus welcher auf den ersten Blick ein - leuchtet, dass y = 0 der ganze logische Gehalt (import) des Prämissensystems sein muss.

In der That erhalten wir dieses Ergebniss auch als dessen ver - einigte Gleichung , welche hiernach zusammen - fallen wird mit der Resultante der Elimination von x, z oder w einzeln, oder in einer Partie, oder insgesamt aus dem Prämissensysteme.

Vergl. auch Math. Quest. vol. 34 p. 51, wo dieselbe Aufgabe mit vertauschtem x und y gestellt und umständlicher von McColl gelöst ist.

Dagegen löst sie auf die vorstehende Weise Herr R. Harley, ibid. p. 74.

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Fig. 30.

§ 27. Methoden von McColl und Peirce.

Die Methode, welche Herr Peirce in seiner grundlegenden Arbeit5 p. 37 42 als fünfte meiner Auffassung nach: dritte den übrigen hinzufügt, ist äusserst beachtenswert und genial, wenn auch seine Darstellung derselben einzelnes zu wünschen lässt.

Ich möchte das Verhältniss dieser Methode zur modifizirten Boole'schen vorweg im Bilde charakterisiren. Bei dieser wurden die verschiedenen Knäuel der Prämissen oder Data des Problems erst fest zu einem einzigen Knoten geschürzt (der vereinigten Gleichung) und dieser dann durchhauen (bei der Elimination).

Beim Peirce'schen Verfahren aber werden jene Knäuel in ihre dünnsten Fäden auseinandergelegt und die erforderlichen einzeln zer - schnitten (oder auch neu nach Bedarf verknüpft) wogegen die Jevons'sche Methode sogleich ein Häcksel aus dem Ganzen machte! Ich denke zu zeigen, dass durch eine geringfügige Abänderung der Peirce'schen Tendenz unter Beibehaltung seiner Schlussweisen, indem man nämlich jene Knäuel immer nur so weit auseinandernimmt, als erforderlich, um den Eliminanden resp. die Unbekannte frei zu be - kommen, dasjenige Verfahren entsteht, welches für gewöhnlich den Vorzug verdienen dürfte wobei sich das Verfahren aber dem McColl'schen genähert haben, nicht mehr allzuweit von demselben verschieden sein wird.

Wenn Herr Peirce von seiner Methode sagt, dass sie perhaps is simpler and certainly is more natural than any of the others , so muss ich ihm in Bezug auf die grössere Natürlichkeit Recht geben,574Vierzehnte Vorlesung.obwol es beim ersten Blick auf die sechs Prozesse aus denen sie sich zusammensetzt, durchaus nicht so scheint. Die (nur eventuell) grössere Einfachheit wird erst erreicht bei der angedeuteten Abänderung, die ich vorschlage.

Ich will zuerst versuchen, eine möglichst getreue Darstellung seiner Methode zu geben, was ich indess nicht thun kann, ohne einige Ergänzungen beizufügen und gelegentliche Kritik zu üben.

Methode von Peirce.

Erster Prozess. Man drücke alle Prämissen mittelst der Kopula aus*)Hier muss ich zuerst bemerken, dass Peirce bei seinem ersten und dritten Prozesse auch das Beziehungszeichen der Subsumtionenverneinung in den Kreis seiner Betrachtungen zieht, mithin auch verneinte Subsumtionen als unter den Prämissen vorkommend mit zuzulassen scheint. Die Möglichkeit solchen Vorkommens verliert er aber beim Schildern der übrigen Prozesse vollständig aus den Augen, unterlässt namentlich zu sagen, was mit den entstehenden Alter - nativen von negirten Subsumtionen nach seiner Absicht anzufangen wäre, wie denn nun aus ihnen unter sich und in Verbindung mit den positiven Subsumtionen die Eliminationen zu vollziehen wären u. s. w. Abgesehen davon, dass wir bei solcher Erweiterung des Kreises zugelassener Prämissen das Verfahren erst unter dem Aussagenkalkul berücksichtigen und be - sprechen könnten, muss dies aber schon darum unterbleiben, weil ein solches überhaupt nicht vorliegt, die Methode nach dieser Richtung nicht ausgebildet, unfertig, ja auf wenige ganz rudimentäre Andeutungen beschränkt erscheint. Ich muss zudem bezweifeln, dass sie sich durch irgend naheliegende Modi - fikationen den sechs Prozessen entsprechend ergänzen liesse. Cf. § 46, 10. und 11. Aufgabe., beachtend, dass nach Def. (1) a = b dasselbe sagt, wie a b und b a. Die Prämissen werden sich darnach als ein System von lauter Subsumtionen darstellen.

Zweiter Prozess. Man entwickele jedes Subjekt in Form einer Summe gemäss Th. 44+) und dual entsprechend jedes Prädikat in Form eines Produkts gemäss Th. 44×) nach den in ihm vorkommenden Buch - stabensymbolen indem man etwa im Einklang mit den im § 19 auseinandergesetzten Methoden links das Schema: f (x) = f (1) x + f (0) x1, rechts das f (x) = {f (0) + x} {f (1) + x1} bezüglich jeden Buchstabens wiederholt in Anwendung bringt.

Als das leichteste Verfahren stellt Peirce hier ein gewisses hin, auf das ich erst in der Anmerkung nachher eingehen will.

Ich muss aber bemerken dass eine vollständige Entwickelung schon im Sinne der Peirce'schen Methode gar nicht erforderlich ist. Es ist575§ 27. Methoden von McColl und Peirce.völlig ausreichend, wenn man nur die Subjekte in letzte Aggreganten , die Prädikate in letzte Faktoren im Sinne des § 13 zerlegt, jene also ausmultiplizirend je als Summe von monomischen Produkten einfacher Sym - bole darstellt, diese aber gemäss dem dualen Gegenstück 27+) des Distri - butionsgesetzes jeweils in ein Produkt von Summen einfacher Symbole verwandelt.

Während z. B. nach Peirce ein Prädikat x + y z in (x + y + z) (x + y + z1) (x + y1 + z) dual entwickelt werden sollte, genügt bereits dessen Zerlegung in (x + y) (x + z). Und analog wird auch allgemein das letzterwähnte Ver - fahren seiner grösseren Einfachheit halber den Vorzug verdienen.

Nach Ausführung des zweiten Prozesses werden also als Subjekte nur Summen von Produkten, als Prädikate nur Produkte von Summen aus einfachen Symbolen auftreten und das genügt.

Dritter Prozess. Gemäss den Schemata der Def. (3), wonach eine Subsumtion der Form

b + c + d + aa b c d

äquivalent ist dem Systeme von Subsumtionen:

wie ich bequemer dafür schreiben will löse man alle zusammen - gesetzten Subsumtionen in die damit äquivalenten Systeme von simul - tanen einfacheren Subsumtionen auf.

Es wird darnach irgend eine Prämisse, welche nach dem bisherigen die Form besitzen muss s + s' + s' '+ p p' p'' p' '' in der Gestalt anzuschreiben sein: 〈…〉 womit gesagt sein soll, dass s p, s p', s p' ', s p'' ', , s' p, s' p', s' p'', s' p' '', , s' ' p, etc. sei.

In praxi meint Peirce werden diese Operationen schon beim Niederschreiben der Prämissen sich vollziehen lassen.

576Vierzehnte Vorlesung.
Da die Glieder s, s', der in letzte Summanden zerlegten Sub - jekte ihrerseits monomische Pro - dukte waren,Da die Faktoren p, p', der in letzte Faktoren zerlegten Prä - dikate ihrerseits Summen aus ein - fachen Symbolen waren,

so werden nach Vollzug unsres dritten Prozesses gerade umgekehrt wie früher

die Subjekte nur Produktedie Prädikate nur Summen

sein, aber jetzt aus lauter einfachen Symbolen, nämlich den Argumenten (Variablen, Koeffizienten, Parametern, Eliminanden, Unbekannten, oder wie man sie nennen mag) und ihren Negationen wofern sie nicht selbst schon einfache Symbole sind.

Vierter Prozess. Dieser soll nunmehr die Elimination eines Symbols bewerkstelligen. Wir nennen den Eliminanden x. Dann müssen nach Peirce auf jede mögliche Weise zusammengehalten werden eine Subsumtion des vorliegenden Systems, welche x im Subjekt oder aber x1 im Prädikat enthält, mit einer solchen, welche umgekehrt x im Prädikat oder aber x1 im Subjekt enthält.

Sollte beides zugleich der Fall sein bei einer Prämissensubsumtion, so fällt der Eliminand schon von selbst heraus, oder man kann das eine weglassen, den einen Term x resp. x1 unterdrücken gleichviel welchen.

Wenn nämlich x und x1 zusammen im Subjekte vorkämen, so wäre dieses (als das Produkt der einfachen Symbole) kraft Th. 30×) gleich 0, wenn sie zusammen im Prädikate vorkämen, so wäre letzteres (als die Summe dieser und vielleicht noch anderer Terme) nach Th. 30+) gleich 1. Diese Fälle werden gar nicht in Betracht kommen, weil man Subjekte und Prädikate doch immer nur möglichst ausgerechnet ansetzt.

Kommt aber x im Subjekt und zugleich x1 im Prädikate vor, oder umgekehrt, so kann dies nach bisherigem nur in der Form: a x b + x1 resp. c x1 d + x eintreten, und wird gemäss Th. 41) solcher Ansatz zu a x b oder a b + x1 resp. c x1 d oder c d + x nach Belieben sich sofort vereinfachen lassen.

Nach der vorausgehenden Bemerkung wird jene Subsumtion von der Form sein: α) a x b oder aber a b + x1 und diese von der Form: β) c d + x oder aber c x1 d wobei nach dem Th. 41) des § 17 die nebeneinanderstehenden Sub - sumtionen ja äquivalent sein müssen.

577§ 27. Methoden von McColl und Peirce.

Resultante der Elimination von x aus den beiden Subsumtionen des-Paares, welches aus den Zeilen α) und β) je eine Subsumtion enthält, ist nun die Subsumtion: γ) a c b + d.

Beweis. Die vereinigte Gleichung von α) und β) würde in der That (in der von mir bevorzugten Schreibweise) lauten: a b1 x + c d1 x1 = 0, somit als Resultante liefern: a b1 c d1 = 0, was nach Th. 38×) mit der Sub - sumtion γ) äquivalent ist.

Die Regel für solche Einzelelimination lautet also: Man multipli - zire die Subjekte und addire die Prädikate der zusammengehaltenen Sub - sumtionen unter Weglassung des Eliminanden.

Von den so gewonnenen Resultanten müssen die nicht analytisch erfüllten (diejenigen, welche Relationen sind) vollständig registrirt werden, sofern sie nicht in bereits registrirten mitenthalten sind. Zusammen mit denjenigen Subsumtionen, in welchen der Eliminand gar nicht vorkam, werden sie in Gestalt eines Propositionensystems die volle Resultante darstellen.

Es ist nicht erforderlich, eine Subsumtion der Form α) mit einer andern von ebendieser Form α) behufs Elimination des x zusammenzuhalten, und ebensowenig braucht man x aus irgend zwei Subsumtionen der Form β) apart zu eliminiren, weil in solchen Fällen die Resultanten stets auf die Identität 0 = 0 hinauslaufen müssen.

In der That würde bei zwei Subsumtionen der Form α): a x b und c x d (oder c d + x1) die vereinigte Gleichung lauten: (a b1 + c d1) x + 0 · x1 = 0, sonach bei Eli - mination des x nur fordern, dass (a b1 + c d1) · 0 = 0 sei, was von selbst der Fall ist. Und ähnlich verhält es sich bei irgend zwei Subsumtionen der Form β), wie: a b + x und c d + x (oder c x1 d), welche vereinigt 0 · x + (a b1 + c d1) x1 = 0 geben. Im übrigen müsste, dass hier die Gesamtheit der Einzelresultanten die volle Resultante darstellt, doch eigentlich noch bewiesen werden!

Fünfter Prozess. Derselbe bezweckt (in Verbindung mit dem nächstfolgenden und letzten Prozesse) das Äquivalent dessen zu leisten, was wir seinerzeit als die Auflösung des Propositionensystems nach einer Unbekannten (x) bezeichneten. Nach § 21, ο) kommt diese hinaus auf die Ermittelung erstens eines (x nicht als Operationsglied ent - haltenden) Prädikates, zu welchem x Subjekt ist, und zweitens eines (ebenfalls von x freien) Subjektes, zu welchem x Prädikat ist.

Schröder, Algebra der Logik. 37578Vierzehnte Vorlesung.

Im fünften Prozess werden zunächst alle Subjekte, sowie alle Prädikate von x (unter den im Prämissensystem vorkommenden Sym - bolen oder Termen) aus den vorliegenden Subsumtionen einzeln heraus - gelesen; im sechsten werden sie hernach zu einem einzigen Subjekte resp. Prädikate zusammengefasst.

Nachdem vorstehend hingebracht war, dass alle Subjekte höchstens Produkte, alle Prädikate aber höchstens Summen sind (wofern sie näm - lich überhaupt noch als zusammengesetzte, nicht schon als einfache Symbole erscheinen), können wir nach Belieben gemäss Th. 41) jedes Operationsglied aus dem Subjekte in's Prädikat bringen, oder umgekehrt, indem wir dasselbe erstens in seine Negation verwandeln, zugleich aber auch zweitens die Art seiner Verknüpfung (mit den andern Sym - bolen) dualistisch abändern, nämlich diese aus einer Addition in eine Multiplikation oder umgekehrt verwandeln vergl. den Wortlaut jenes Theoremes, nach welchem ja: a b + x1 mit a x b und a x1 b mit a b + x gleichbedeutend ist.

Keineswegs dürfte dagegen a + x1 b in a b x oder auch a b x1 in a + x b (oder umgekehrt) verwandelt werden, wie man, die Subsumtionen rechts auf 0 bringend leicht erkennt, wo sie besagen: (a + x1) b1 = 0, a (b1 + x1) = 0 resp. a (b1 + x) = 0, (a + x) b1 = 0 und augenscheinlich einander durchaus nicht decken. Mit Subsumtionen von vorstehender Form können wir es aber hier nicht mehr zu thun be - kommen, da, wenn solche vorkamen, sie nach dem dritten Prozess zerlegt sein mussten.

Wo es etwa erforderlich wird, ein Symbol auf die andre Seite der Subsumtion hinüberzuschaffen (zu transponiren ), welches auf der einen Seite isolirt steht, so lässt es die Einheit zurück, falls es Subjekt war, die Null falls es Prädikat gewesen. Schematisch: soll in einer Subsumtion a b das a hinübergeschafft werden, so sagt man: 1 · a b und folgert nach der Regel: 1 a1 + b; sollte aber das b herübergeschafft werden, so denkt man sich die gegebene Sub - sumtion in der Gestalt angeschrieben: a b + 0, und folgert regel - recht: a · b1 0.

Demnach kann stets die Negation x1 der Unbekannten, wo sie irgend vorkommt, in Gestalt von x transponirt werden, wodurch er - zielt wird, dass das vorliegende Subsumtionensystem nur mehr x selbst, aber nicht mehr x1 enthält. Und weiter können diejenigen Operations -579§ 27. Methoden von McColl und Peirceglieder, mit welchen nun x noch verknüpft erscheint, ebenfalls auf die andere Seite geschafft werden, sodass in jeder einzelnen Subsumtion (in der die Unbekannte überhaupt vorkommt) diese jetzt endlich isolirt erscheinen wird, und zwar entweder als das Subjekt, oder als das Prädikat derselben. Die regelrechte Ausführung dieser Operationen macht den fünften Prozess aus.

Sechster Prozess. Man vereinige schliesslich die gewonnenen Subsumtionen, welche die Unbekannte x zum Prädikate haben in eine einzige Subsumtion mit ebendiesem Prädikate x, indem man die Summe ihrer Subjekte bildet, ebenso diejenigen Subsumtionen, welche gemein - sam die Unbekannte x zum Subjekte haben in eine einzige Subsum - tion mit ebendiesem Subjekte x und dem Produkt ihrer Prädikate als Prädikat auf Grund der jetzt im umgekehrten Sinne, wie beim dritten Prozess, anzuwendenden Schemata der Def. (3).

Hiermit wird man schliesslich die Doppelsubsumtion (mit x als dem Mittelterme) erhalten, welche die Berechnung der Unbekannten leistet und das Problem löst.

Zur Illustration dieser Methode wollen wir mit Peirce das als 1. Auf - gabe in § 25 von uns gelöste Problem von Boole nochmals behandeln, dessen Data waren: a1 c1 (b d1 + b1 d) e, a d e1 b c + b1 c1, a (b + e) = c d1 + c1 d, und bei welchem verlangt wird, erstens diejenigen Aussagen über a zu finden in welchen nur noch von b, c, d die Rede ist (which involve only b, c, d), zweitens anzugeben welche Relation zwischen b, c, d allein besteht, drittens zu finden, was von (und mit) b in Bezug auf a, c, d ausgesagt werden kann und viertens zu ermitteln, welche Relation zwischen a, c und d besteht.

Auflösung gemäss Peirce. Durch die ersten drei im Kopf aus - geführten Prozesse lösen wir die drei Prämissen bezüglich auf in die nach - folgend zusammengestellten Subsumtionen:

Es war hiebei blos zu berücksichtigen, dass b d1 + b1 d = (b + d) (b1 + d1), b c + b1 c1 = (b + c1) (b1 + c), ähnlich c d1 + c1 d = (c + d) (c1 + d1) und endlich a (b + e) = a b + a e ist.

Zuerst müssen wir e eliminiren, von welchem wir nichts wissen wol - len , von welchem abgesehen werden soll.

37*580Vierzehnte Vorlesung.

Zum System der Resultanten gehören erstens diejenigen unter den obigen Subsumtionen, welche e überhaupt nicht enthalten; diese sind: δ) 〈…〉 .

Zweitens tragen dazu bei die Resultanten der Elimination des e aus je einer Subsumtion der Gruppe: 〈…〉 mit je einer solchen der Gruppe: 〈…〉 und nur diese, weil in den Subsumtionen jener Gruppe wesentlich e im Prädikat (oder, was auf dasselbe hinausläuft, e1 im Subjekt), in den Sub - sumtionen dieser Gruppe aber e im Subjekte auftritt.

Nach der Regel des vierten Prozesses gebildet sind nun unsre Resul - tanten sämtlich hingeschrieben folgende: 〈…〉 , 〈…〉 wovon aber nur diese eine: ε) a d b + c1 + d1 wirklich zu notiren gewesen, die andern nämlich: 0 1, a d 1, a d b1 + c + d, etc. bis a c1 d b + c1 + d1 als selbstverständlich schon mittelst Kopfrechnung erkannt und sofort hätten weggelassen werden können.

Die zuletzt gefundne Einzelresultante ε) kann nun auch noch, indem man d1 der Regel des Th. 41) gemäss nach links wirft, vereinfacht wer - den zu: a d b + c1.

Und ferner geht die zweite von den Subsumtionen δ): a1 c1 b1 + d1 augenscheinlich in der letzten c1 d a auf, wie man in Peirce's Manier am schnellsten sehen wird, indem man erstere mittelst Umstellung zweier Terme umwandelt in c1 d b1 + a, was aus c1 d a und Th. 6+) doch a fortiori schon folgt.

Es wird darnach jene fortzulassen sein.

Die Gesamtresultante der Elimination des e, zunächst durch das System der koexistirenden Subsumtionen δ) und ε) vollständig dargestellt erschei - nend, zieht sich demnach zusammen zu:581§ 27. Methoden von McColl und Peirce.ζ) a1 c1 b + d, 〈…〉 , 〈…〉 , a d b + c1. Dieses System von sechs Subsumtionen bildet nunmehr die Prämissen zu allen weiter verlangten Schlussfolgerungen.

Die zweite, dritte und sechste von diesen gibt die Prädikate von a an; dieselben sind: b1 + c + d, b1 + c1 + d1 und b + c1 + d1. Es muss a eingeordnet sein ihrem Produkte: a (b + c1 + d1) (b1 + c + d) (b1 + c1 + d1) oder ausmultiplizirt: a b1 (c1 + d1) + c d1 + c1 d = b1 c1 d1 + c d1 + c1 d. Um zu finden, ob irgend eine Relation zwischen b, c und d besteht, suchen wir auch die Subjekte von a zusammen. Diese sind aus der ersten, vierten und fünften Subsumtion ζ) zu entnehmen in Gestalt von: b1 c1 d1, c d1 und c1 d; es muss also ihre Summe dem a eingeordnet sein: b1 c1 d1 + c d1 + c1 d a.

Augenscheinlich resultirt durch Elimination des a aus den beiden letzten Subsumtionen, welche hier schon durch den Schluss Barbara nach Prin - zip II erfolgen wird, weiter nichts als eine analytische, leere , das Prin - zip I der Identität exemplifizirende Formel (an empty proposition), so - dass zwischen b, c und d keine unabhängige Beziehung zu bestehen braucht.

Um die Prädikate von b zu finden, kombiniren wir die zweite und dritte Subsumtion ζ) und erhalten (analog, wie bei a des genaueren an - gegeben wurde): b (a1 + c + d) (a1 + c1 + d1) oder b a1 + c d1 + c1 d als drittes der verlangten Ergebnisse.

Durch Sammlung der Subjekte von b geht aus der ersten und der letzten Subsumtion ζ) hervor: a1 c1 d1 + a c d b.

Durch Elimination von b aus diesem und dem vorigen Ergebnisse ge - mäss Prinzip II geht dann hervor: a c d + a1 c1 d1 a1 + c d1 + c1 d, oder vereinfacht: a c d = 0, was mit der vierten und fünften Subsumtion gibt: c d1 + c1 d a c1 + d1 in Beantwortung der letzten von den gestellten Fragen.

Anmerkung. Unter dem zweiten Prozesse empfiehlt Peirce, um einen Ausdruck in seine letzten

SummandenFaktoren

entwickelnd zu zerlegen, falls er nämlich von vornherein ein582Vierzehnte Vorlesung.

Produkt (von Summen)eine Summe (von Produkten)

gewesen, das folgende Verfahren. Man bilde

jedes denkbare Produktjede Summe

aus allen in dem Ausdruck vorkommenden Buchstabensymbolen und deren Negationen, sodass darin jeder Buchstabe nur einmal (negirt oder aber un - negirt) vertreten ist.

Gemäss der fundamentalen Formel des Th. 6): a b b b + c untersuche man, ob

das gebildete Produkt ein Subjekt ist von jedem Faktordie Summe ein Prädikat ist von jedem Gliede

des gegebenen Ausdruckes. Trifft dies zu, so ist es, resp. sie ein

letzter SummandPrimfaktor

ebendieses Ausdruckes, andernfalls nicht.

Man fahre in dieser Weise fort, bis so viele letzte Summanden resp. Faktoren gefunden sind, als der Ausdruck besitzen muss.

Um diese Zahl zu finden (unter obenerwähnter Voraussetzung, die ja schon nach § 14 sich immer vorgängig erfüllen lassen würde), gibt Peirce ohne Herleitung den arithmetischen Ausdruck an: 2m + n m p p, wo m die Gesamtanzahl der verschiedenen Buchstabensymbole bedeutet, die im Ausdruck vorkommen, falls ein Symbol und seine Negation nicht als verschieden angesehen werden, wo ferner n die Gesamtzahl der im Aus - druck als Operationsglieder überhaupt auftretenden Symbole vorstellt, mögen diese verschieden sein oder nicht (nach Berücksichtigung übrigens der Tau - tologie - und Absorptionsgesetze behufs einfachstmöglicher Schreibung des Ausdrucks), endlich p die Anzahl der

FaktorenGlieder

des Ausdrucks ist (mit dem gleichen Vorbehalte wie soeben, ohne wel - chen sonst ja die Zahlen n und p beliebig hoch angesetzt werden könnten).

Es sei hienach z. B. der Ausdruck x + y z dual zu entwickeln [ dual , das soll heissen: in die Form eines Produktes, gemäss Th. 44×) sinte - mal die Entwickelung schlechtweg, in unsrer Terminologie sich stets be - zieht auf die Zerlegung in eine Summe gemäss Th. 44+)]. Nach Peirce ist zu bemerken, dass hier m = 3, n = 3, p = 2 ist, womit sich die An - zahl der gesuchten Faktoren (arithmetisch) berechnet zu 23 + 3 3 × 2 2 = 8 + 3 6 2 = 3. Man sollte nun alle acht Ausdrücke, welche durch additive Vereinigung dreier von den sechs Symbolen x, y, z, x1, y1, z1 mit verschiedenen Buch - staben gebildet werden können eigentlich durchprobiren in folgender Weise. Da x x + y + z und y z x + y + z,583§ 27. Methoden von McColl und Peirce.so ist x + y + z ein Faktor unseres Ausdrucks x + y z. Um die Probe mit x + y + z1 zu machen, haben wir zu bemerken, dass: x x + y + z1 und y z x + y + z1 ist, sodass dies ebenfalls einer von den gesuchten Faktoren sein musste. Das nämliche stellt sich heraus, wenn wir mit x + y1 + z den Versuch machen, womit also (hier zufällig bei den drei ersten Versuchen) die ge - suchten Faktoren schon vollzählig gefunden sind. Dagegen würde z. B. mit x + y1 + z1 der Versuch fehlgeschlagen haben, indem zwar x x + y1 + z1 aber nicht y z x + y1 + z1 sein müsste, und bezüglich x1 + y1 + z1 liesse sich weder einsehen, dass x, noch dass y z demselben eingeordnet sein müsste. Etc.

Sollte ebenso beispielsweise der Ausdruck: (a + b + c) (a + b1 + c1) (a1 + b + c) diesmal in die Form einer Summe, also schlechtweg entwickelt werden, so wäre m = 3, n = 9, p = 3, sodass 23 + 9 3 × 3 3 = 5 die a priori bestimmte Anzahl der zu gewärtigenden Entwickelungsglieder ist. Von den acht Konstituenten der Entwickelung (von 1) nach a, b, c sind daher nur dreie hier ausgeschlossen, und zwar sind es diese: a1 b1 c1, a1 b c, a b1 c1, welche allein nicht in allen drei Faktoren, nämlich in den gerade darüber - stehenden nicht, sich enthalten erweisen. Der Ausdruck ist sonach: = a b c + a b c1 + a b1 c + a1 b c1 + a1 b1 c.

Die Vorausbestimmung der Anzahl Glieder resp. Faktoren der ge - suchten Entwickelung erscheint mir zwar verdienstlich, das ganze Verfahren auch in der That nicht schwierig, jedoch (im allgemeinen) als zu umständ - lich und ermüdend gegenüber denjenigen Verfahrungsweisen, vor welchen ihm Peirce den Vorzug zuerkennen will, und die schon im § 13 ausein - andergesetzt wurden.

Ich würde bei Aufgaben der letzterwähnten Art judiziöses Ausmultipli - ziren vorziehen, wo noch Faktoren fehlen dieselben in Gestalt von 1, = x + x1, hinzufügend, wiederholten Ansatz eines Gliedes aber vermeidend. So haben wir, in dem Beispiel, durch Vereinigung des ersten mit dem dritten Fak - tor sogleich: (b + c) (a + b1 + c1) = a (b c + b c1 + b1 c) + a1 (b c1 + b1 c) etwa bei (b1 + c1) den Faktor a1 gemäss Th. 33+) Zusatz beifügend, und b + c beim Multipliziren mit a vollends entwickelnd gemäss Th. 33+) selbst.

Bei den Aufgaben der vorigen Art aber scheint mir das Schema des Th. 27×) am bequemsten verwendet zu werden, wonach in obigem Beispiel zuerst x + y z in (x + y) (x + z) übergeht, sodann weil x + y den Buch - staben z, x + z aber den y noch nicht, wie es erforderlich wäre, enthält, weiter: x + y = x + y + z z1 = (x + y + z) (x + y + z1) 584Vierzehnte Vorlesung.und analog x + z = x + z + y y1 = (x + y + z) (x + y1 + z) genommen, im Produkte: x + y z = (x + y + z) (x + y + z1) (x + y1 + z) aber der erste Faktor rechts nur einmal angesetzt wird. Um den Gedanken - gang darzulegen musste ich dies alles niederschreiben; man kann jedoch das Ergebniss leicht gleich aus dem Kopfe hinsetzen.

Zum Glücke aber brauchen wir, wie oben betont, uns bei den Pro - blemen hiermit überhaupt nicht zu plagen. Gleichwol aber schien mir Peirce's Manier im Entwickeln der Funktionen es wert zu sein, der Aufmerksamkeit des Lesers unterbreitet zu werden, sollte sie auch blos dazu dienen, die Mannigfaltigkeit und Fülle der Weisen, auf welche in unsrer Disziplin zuwerke gegangen werden kann, auf's neue zu illustriren.

Ich will nun diejenige Modifikation der Peirce'schen Methode auseinandersetzen, welche mir, wie eingangs angedeutet, als die aller - natürlichste und einfachste zugleich erscheint.

Wie der Leser wol bereits herausgefühlt hat, besteht der Vorzug der Natürlichkeit gegenüber der Boole'schen Methode bei der Peirce - schen darin, dass sie nicht wie jene mit Gleichungen sondern vielmehr mit Subsumtionen operirt, sonach mit Subjekten und Prädi - katen zu thun hat, die den Urteilsfunktionen im gewöhnlichen Denken sich durchaus anpassen. Die Prämissen brauchten nicht mehr rechter - hand auf 0 gebracht, auch nicht mehr zu einer einzigen Aussage ver - einigt zu werden Operationen, deren erstere zuweilen mühsam aus - zuführen ist, deren letztere, so leicht sie ist, ein schwülstiges (cum - brous) Ergebniss aufweisen kann. Bei Peirce's Verfahren mussten indess dafür andere Weitläufigkeiten in Kauf genommen werden, die wir nun vermeiden wollen unter Beibehaltung der Vorzüge.

Aus irgend einem System von in Form von Subsumtionen an - geschriebenen Prämissen ein Symbol x zu eliminiren, desgleichen das - selbe (im mehrerwähnten Sinne) zu berechnen ist unsre Aufgabe.

Mit der Berechnung ist bekanntlich allemal die Elimination der Unbekannten zu verbinden, die uns die Auflösbarkeitsbedingung liefert; desgleichen geht schon nach § 21 und wie weiterhin zu sehen mit der Elimination auch die Auflösung oder Berechnung von selber Hand in Hand. Sollte also etwa ein Symbol zu eliminiren und ein anderes zu berechnen verlangt sein, so wende man nacheinander in Hinsicht auf jedes der beiden für sich das Verfahren an, welches wir nun bezüglich des einen x be - schreiben werden. Ebenso, wenn mehrere Unbekannten zu eliminiren da - neben irgend welche zu berechnen sind, wird man (wie schon früher er - wähnt) die Eliminanden immer einzeln successive (in irgend einer Reihen - folge) beseitigen, weil dabei mit jedem Schritte schon eine erhebliche Ver - einfachung des fernerhin die Prämissen zu vertreten habenden Propositionen -585§ 27. Methoden von McColl und Peirce.systems erzielt wird wogegen, wenn man die Operationen behufs simul - taner Elimination an das ursprüngliche Prämissensystem anküpfen wollte, man dieses Vorteils verlustig gehen würde. Wir werden es demnach in der That immer nur mit einem Symbol, als Eliminanden oder Unbekannte, auf einmal zu thun bekommen, und brauchen nur darauf Bedacht zu nehmen, wie wir uns in Bezug auf dieses (somit auch jedes) am besten aus der Schlinge ziehen.

In jeder Prämissensubsumtion (welche x überhaupt enthält) entwickele man die linke Seite, das Subjekt, falls x in demselben vorkommt, nach x in Form einer Summe gemäss Th. 44+) die rechte Seite oder das Prädikat, falls x in ihm vorkommt, in Form eines Produktes ge - mäss Th. 44×). Darnach lässt sich: a x + b x1 (α + x1) (β + x) als die allgemeine Form einer jeden x enthaltenden Prämisse hin - stellen, wobei nur, wenn x auf einer Seite von selbst herausfällt oder fehlte, dasselbe nicht extra eingeführt zu werden braucht, vielmehr dann in Gestalt von a x + b x1 γ resp. c (α + x1) (β + x) mit der betreffenden Prämisse weiter zu operiren ist. Es brauchen auch etwa ausfallende Glieder, wie 0 · x oder 0 · x1 oder Faktoren, wie 1 + x oder 1 + x1, durchaus nicht angesetzt zu werden, vielmehr kommen in solchen Fällen auch die beim allgemeinen Schema anzuführenden Operationen, soweit sie sich auf jene zu beziehen hätten, einfach in Wegfall.

Man löse jetzt die betreffende Subsumtion gemäss Definition (3) auf in die einfacheren Subsumtionen: 〈…〉 wobei wieder, falls ein Term fehlte, derselbe auch vorstehend nicht vertreten sein wird.

Das allgemeine Schema repräsentirt nur zwei (nicht vier) Subsumtionen, nämlich die beim Lesen einer jeden Zeile sich ergebenden: a x α + x1, b x1 β + x, da die über's Kreuz durch das Subsumtionszeichen verbundenen Terme nur analytische Identitäten a x β + x, b x1 α + x1 liefern.

Nach der Regel von Peirce's Theorem 41) werfe man das Opera - tionsglied x1 jetzt (als x) auf die andere Seite, was beim allgemeinen Schema auf eine Unterdrückung des Terms x1 hinausläuft, und für sämtliche angeführten Fälle gibt:

a x α b β + xresp.a x γ b γ + xresp.c x α c β + x.

586Vierzehnte Vorlesung.Sodann isolire man x vollends durch Hinüberwerfen des mit ihm ver - knüpften Operationsgliedes nach derselben Regel, wodurch entsteht: b β1 x a1 + α, resp. b γ1 x a1 + γ resp. c β1 x c1 + α.

Hierdurch ist dann die Prämisse verwandelt in eine Doppelsubsum - tion mit dem Mittelgliede x und einem davon freien Subjekte sowol als Prädikate. Dieselbe ist m. a. W. für sich schon aufgelöst nach x; zugleich erscheint x eliminirt, sobald man es beim Lesen der Doppel - subsumtion gemäss Prinzip II überspringt. In der That wird beim allgemeinen Schema b β1 a1 + α die Resultante der Elimination des x vorstellen.

Wenn von dem allgemeinen Schema einzelne Terme fehlten, so kann es sich ereignen, dass man statt einer Doppelsubsumtion nur eine einfache Subsumtion erhält von der Form d x oder aber x δ. Diese ist jedoch leicht zu einer Doppelsubsumtion zu ergänzen in Gestalt von: d x 1 resp. 0 x δ und ist ersichtlich, dass alsdann durch die Elimination des x aus der Einzelprämisse nur eine Identität: d 1 resp. 0 δ resultiren würde, die bei Aufstellung der Gesamtresultante nicht weiter berücksichtigt zu werden braucht (weil 0 links Summand, 1 rechts Faktor würde wie sogleich zu sehen).

Um nunmehr das ganze System von Prämissen nach der Unbekannten x aufzulösen, nachdem die x enthaltenden sämtlich zu solchen Doppel - subsumtionen umgeformt sind, braucht man nur die Subjekte dieser letzteren additiv zu einem einzigen Subjekte, ihre Prädikate multiplikativ zu einem einzigen Prädikate von x zu vereinigen. Man wird dadurch eine Doppelsubsumtion mit dem Mittelgliede x und davon unabhängigen extremen Gliedern erhalten, welche nach Def. (3) äquivalent sein muss dem System jener Doppelsubsumtionen, welche also zusammen mit der Gruppe der x von vornherein nicht enthaltenden Prämissen das ur - sprüngliche Prämissensystem vollständig vertritt. Die volle Resultante der Elimination des x besteht aus dem System der Prämissen eben dieser letztern Gruppe in Verbindung mit der aus der vereinigten Doppelsubsumtion durch Überspringen des x gemäss Pr. II sich er - gebenden Resultante, welche die Summe der Subjekte des x einordnet dem Produkt seiner Prädikate.

Um dies an dem klassischen Problem von Boole, 1 Aufg. des § 25, zu erläutern, so schreiben wir behufs Elimination von e die erste Prämisse in der Gestalt an: 〈…〉 , die zweite als: a d (b c1 + b1 c) e,587§ 27. Methoden von McColl und Peirce.indem wir eine Doppelumstellung an ihrem früheren Ansatz vornehmen, nämlich den Faktor e1 von links als Summanden e nach rechts warfen, sodann den Summanden b c + b1 c1 negirt als Faktor b c1 + b1 c von rechts nach links oder beides a tempo.

Die dritte Prämisse, welche Gleichung war, lösen wir als vorwärtige und rückwärtige Subsumtion bezüglich auf zu:

a b c d1 + c1 dresp.c d1 + c1 d a
e c d1 + c1 d + a1b1 (c d1 + c1 d) e.

Die Resultante der Elimination des e besteht aus dem System der drei von den vorstehenden Subsumtionen, welche e gar nicht enthalten, zusammen mit derjenigen, welche die Summe der drei Subjekte von e sub - sumirt unter das eine Prädikat desselben. Letztre lautet: a1 c1 + a d (b c1 + b1 c) + b1 (c d1 + c1 d) c d1 + c1 d + a1. Hiermit ist diese Elimination bereits vollzogen. Bei keiner allgemeinen Methode wird man sich aber der Anforderung entziehen können, die syste - matisch von ihr gelieferten Rechnungsergebnisse jeweils nach Möglichkeit mit Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse des gerade vorliegenden Falles zu vereinfachen, zu reduziren! Das letzte vereinfacht sich zu: a b1 c d = 0 oder a c d b, wie man augenblicklich erkennt, wenn man das Glied a1 von rechts als Faktor a und ebenso das Glied c d1 + c1 d von rechts als Faktor c d + c1 d1 nach links wirft.

Der Übersicht wegen reproduziren wir die (bereits da stehende) Gesamt - resultante, zugleich die Elimination von a vorbereitend; sie besteht aus dem Systeme: (b d + b1 d1) c1 a, a b1 + c d1 + c1 d, c d1 + c1 d a, a b + c1 + d1. Mithin ist ihre Auflösung nach a: (b d + b1 d1) c1 + c d1 + c1 d a (b1 + c d1 + c1 d) (b + c1 + d1) in welcher Doppelsubsumtion die extremen Glieder sich nach leichter Re - duktion als gleich herausstellen, sodass die Elimination von a ergebnisslos bleibt, und a = c d1 + c1 d + b1 c1 d1 geschrieben werden kann.

Um sodann b zu eliminiren, nehmen wir am besten die letzte als die einfachste Zusammenfassung der nun als Prämissen dienenden Ergebnisse, und zerlegen die Gleichung als vor - und rückwärtige Subsumtion in: 〈…〉 . Die Elimination von b1 aus der ersten und der in b1 a + c + d um - geschriebenen dritten von diesen vier Subsumtionen liefert augenscheinlich nur ein identisches Ergebniss, weshalb die Resultante der Elimination588Vierzehnte Vorlesung.von b (somit b1) blos aus den von b freien Subsumtionen dieser Gruppe besteht, die sich in c d1 + c1 d a c1 d1 + c d1 + c1 d oder c1 + d1 zusammenziehen. Auch liest man sofort heraus die Auflösung nach b1: a (c d + c1 d1) b1 a + c + d, woraus sich diejenige nach b durch Umstellen der Terme, oder auch beider - seitiges Negiren ergibt zu: a1 c1 d1 b a1 + c d1 + c1 d, wo letzteres Prädikat (nur) mit Rücksicht auf die vorhergehende Relation (zwischen a, c, d) auch in a1 + c + d zusammenziehbar ist (indem man ihm a1 c d ohnehin, aber auch noch a c d, welches 0 ist, zufügen kann).

So gelangten wir also zu den früheren Ergebnissen.

Es möge ferner noch die 7. Aufgabe des § 25 (von Boole) entsprechend behandelt werden. Die Prämissen waren: w g s e, r a b e, s e w g, b e r a und werden im Hinblick auf die beabsichtigte Elimination von e zu schreiben sein: 〈…〉 , oder 〈…〉 , mithin stellt das System: w g s, r a b, w g r a + b1, r a w g + s1 die Resultante der Elimination von e vor. *)Es wird, wie hier, nicht selten vorzuziehen sein, dass man beim Eliminiren die Einzelresultanten unvereinigt lasse.

Um die Elimination und Berechnung von g vorzubereiten, schreiben wir letzteres: 〈…〉 , woraus folgt: r a s g (s + w1) (r a + b1 + w1) oder w1 + s (r a + b1) wie früher eine Behandlung, die mir derjenigen des § 25 entschieden vorzuziehen scheint.

Ich meine gleichwol, dass das von mir modifizirte Verfahren Boole's durch diese neue Methode keineswegs überflüssig gemacht wird. Nicht nur behält es den einen Vorzug, dass man dabei mehr rein mechanisch um nicht zu sagen: gedankenloser zuwerke gehen kann, womit ich mir zum Teil den Umstand erkläre, dass, wie Herr Peirce seinerzeit mir schrieb,589§ 27. Methoden von McColl und Peirce.seine Schüler mein Verfahren dem seinigen vorzuziehen pflegten, sondern auch zum vollen Verständniss der ganzen Disziplin wird dasselbe stets un - entbehrlich bleiben. Endlich kann man auch die an jeder einzelnen Prä - missensubsumtion zu vollziehenden Operationen der Auflösung und Elimina - tion mindestens geradesogut nach jenem Boole'schen Schema ausführen, als nach der vorstehend illustrirten Peirce'schen Methode, wie eine ver - gleichende Bearbeitung der typischen 18. Aufg. des § 25 nach den beiden Manieren zu erkennen gibt.

Das Verfahren, welches Herr McColl ganz selbständig, indessen immerhin sehr nachträglich, zur Lösung der Probleme des Boole'schen Kalkuls ersonnen, ist doch nicht ganz so sehr, wie er selbst glaubt, von dem modifizirten Boole'schen verschieden und muss ich hierin Herrn Venn1 p. 372 beipflichten (vergl. ebenda). Sofern nur eine Prämisse in Betracht kommt und die Boole'schen Prämissen lassen sich ja stets in eine einzige zusammenziehen möchte ich dasselbe überhaupt nicht als eine neue Methode, sondern höchstens als eine eigene Manier in der Anwendung der Boole'schen Methode gelten lassen.

Ein Fortschritt tritt erst da zutage, wo es sich um Elimination und Auflösung bei Systemen Boole'scher Prämissen handelt und ist eben darin zu erblicken: dass McColl deren vorgängige Vereinigung zu einer einzigen Prämissengleichung entbehrlich macht, womit er denn Peirce vorgearbeitet und eine neue Behandlungsweise der Probleme angeregt, mitbegründet hat.

Vorwiegend scheinen mir Herrn McColl's Verdienste auf einem andern Felde zu liegen: auf dem der Anwendungen worüber u. a. unser An - hang 7 zu vergleichen ist.

McColl's Verfahren basirt auf den beiden Gleichungen: x f (x) = x f (1) und x1 f (x) = x1 f (0), welche wir schon in § 19 als Anm. 2 zu Th. 44+) angeführt haben, und die er auch für beliebig viele Argumente zusammenfassend er - weitert zu dem Satze: x y z u1 v1 f (x, y, z u, v, ) = x y z u1 v1 f (1, 1, 1, , 0, 0, ). Die Gültigkeit auch dieser Gleichung ist unmittelbar ersichtlich aus der allgemeinen Boole'schen Formel 44+) für die Entwickelung einer Funktion f (x, y, z, u, v, ) beliebig vieler Argumente nach ebendiesen in Anbetracht, dass bekanntlich f (1, 1, 1 0, 0, ) der Koeffizient ist, mit welchem der Konstituent x y z u1 v1 in jener Entwickelung behaftet erscheinen wird, und dass die übrigen Glieder derselben Ent - wickelung, als mit dem angegebnen disjunkte Konstituenten habend, in diesen multiplizirt verschwinden müssen.

590Vierzehnte Vorlesung.

Charakteristisch ist aber die Art, wie McColl zu obiger Gleichung gelangt. Seine Rechnungsweisen sind wesentlich aus dem Aussagenkalkul ( calculus of equivalent statements ) hervorgewachsen, und könnten eigent - lich erst unter diesem ganz ungehindert besprochen werden, weshalb wir auch noch einmal auf sie zurückkommen § 46 am Schlusse. Bedeuten ihm nun x, y, z, u, v, verschiedene Aussagen, so wird diesen Symbolen der Wert 1 zukommen, wenn sie wahr und der Wert 0, wenn sie falsch sind (vergl. unten § 28). Wird nun angesetzt das Produkt x y z u1 v1 , so sind damit die Faktoraussagen als gleichzeitig gültige hingestellt oder an - genommen (vergl. § 28), d. h. es ist x = y = z = 1 und ebenso u1 = v1 = = 1, sonach u = v = = 0 gesetzt; und deshalb dürfen in der That die genannten Symbole in einer etwa noch dahinter tretenden (d. h. gleichzeitig gemachten) ferneren Aussage f (x, y, z, , u, v, ) durch diese ihre Werte 1, 1, 1, 0, 0, bezüglich ersetzt werden.

Es müsste dies auch gültig bleiben, wenn etwa f (x, y, , u, ) nicht mehr blos einen Funktionsausdruck des identischen Kalkuls in unserm bis - herigen Sinne, sondern auch, wenn es irgend ein System von Propositionen vorstellte, in welchem nur als Aussagensymbole die Argumente vorkämen. Gelegentlich macht, um Schlüsse zu ziehen, McColl auch in dieser Weise von dem Satze Gebrauch. Doch lässt von dem wie wir sehen werden engeren Aussagen kalkul (in welchem nämlich die Symbole lediglich der Werte 0 und 1 fähig sind) der Satz auch auf den weiteren Klassen kalkul (in welchem sie beliebige Werte haben können) sich nicht ohne weiteres übertragen (cf. § 46, 18. Studie).

Ist nun z. B. eine Subsumtion: φ (x) ψ (x) nach der Unbekannten x aufzulösen, oder auch diese zu eliminiren, so wird gefolgert: φ (x) ψ1 (x) 0 was dasselbe besagt, wie, dass es = 0 sei; und hieraus durch beider - seitiges Multipliziren mit x1 oder x, unter Anwendung des angeführten Satzes: x1 φ (x) ψ1 (x) = x1 φ (0) ψ1 (0) 0, x φ (x) ψ1 (x) = x φ (1) ψ1 (1) 0, oder, was dasselbe besagt, = 0. Nach Th. 38) lassen nun aber diese letzten Subsumtionen sich umschreiben in: φ (0) ψ1 (0) x, φ (1) ψ1 (1) x1 oder auch, nach Belieben, in: x1 φ1 (0) + ψ (0), x φ1 (1) + ψ (1). Multiplizirt man überschiebend die Subsumtionen der ersten, oder ad - dirt ebenso man die der zweiten Zeile, so ergeben sich mit Rücksicht auf Th. 30) und Th. 5) die Formen, in deren erster McColl die Resul - tante der Elimination von x ansetzt:591§ 27. Methoden von McColl und Peirce.φ (0) φ (1) ψ1 (0) ψ1 (1) = 0 resp. 1 = φ1 (1) + φ1 (0) + ψ (1) + ψ (0) oder auch für = geschrieben.

Ich denke, man erkennt, dass dies nur eine andere Manier ist, zu derselben Resultante zu kommen, zu welcher Boole gelangen würde, indem er die Gleichung φ (x) ψ1 (x) = 0 links nach x entwickelte und das Pro - dukt der Koeffizienten = 0 setzte.

Verbände man dagegen diagonal oder über's Kreuz je zwei Sub - sumtionen aus den beiderlei Zeilen vermittelst des Syllogismus Barbara (oder Prinzips II) um x oder x1 zu eliminiren, so würde sich diese Resultante auf eine dem Verfahren von Peirce näher kommende Weise ergeben in den Formen: φ (0) ψ1 (0) φ1 (1) + ψ (1), φ (1) ψ1 (1) φ1 (0) + ψ (0).

Die beiden Subsumtionen einer (der ersten) Zeile aber stellen für McColl die Auflösung nach der Unbekannten x vor wofür meines Erachtens wieder diejenigen der Hauptdiagonale den Vorzug verdienen würden, gleichwie dann auch die Subsumtionen der Nebendiagonale die Auflösung nach x1 am besten darstellen werden.

Die Art, wie hienach McColl mit Systemen von Subsumtionen operirt, erhellt aus folgendem.

Nachdem jede einzelne von den gegebenen Prämissensubsumtionen, wie oben gezeigt in zweie von der Form α x, β x1 aufgelöst, zerfällt ist, können wir als unser Prämissensystem ansehen: α1 x, α2 x, , αn x, β1 x1, β2 x1, βn x1, und lassen diese n Paare nach Def. (3+) sich zusammenziehen in: α1 + α2 + αn x, β1 + β2 + βn x1, welche beiden Subsumtionen zusammen dessen Auflösung nach x vorstellen, wogegen deren überschiebend gebildetes Produkt: (α1 + α2 + + αn) (β1 + β2 + βn) 0 die Resultante der Elimination des x sein wird.

Ein Beweis für die Vollständigkeit dieser Resultante nämlich der α β = 0 für die Prämissen α x, β x1 wäre nach unsern Betrach - tungen in § 21 leicht zu erbringen (resp. ist dort selbst implicite bereits erbracht), ist jedoch von McColl nicht gegeben.

Nach vorstehendem Schema behandelt McColl verschiedene Pro - bleme, namentlich von Boole, darunter auch die bekannte 1. Aufgabe des § 25 und diese mittelst zwei (ein halb) Druckseiten Rechnung. Irgendwelche Vorteile in Hinsicht der Druckersparniss, Vermehrung592Vierzehnte Vorlesung.der Übersicht oder Erleichterung der Arbeit gegenüber den schon auseinandergesetzten (und teilweise allerdings der McColl'schen sich nähernden) Behandlungsweisen vermag ich aber nicht dabei wahrzu - nehmen.

Wo mehrere Argumente als Eliminanden oder Unbekannte gleich - zeitig in Betracht kommen, verfährt übrigens McColl nicht etwa rein nach dem oben geschilderten Schema für eines nach dem andern von diesen. Vielmehr müssen wir, um vollständig sein Zuwerkegehen charakterisirt zu haben und den bis incl. zu unserm § 32 vorgeschrittenen Leser in den Stand zu setzen, die von McColl behandelten Probleme genau in seiner Weise (nach -) rechnen zu können, etwas vorgreifend noch folgendes bemerken.

Sei F (x, y, z, ) ein Prämissensystem, z. B. ein aussagenrechnerisch angesetztes Produkt von Subsumtionen, so wird dasselbe laut Voraus - setzung gelten, somit den Wert der 1 des Aussagenkalkuls haben. Irgend ein Konstituent (einer Entwickelung) nach den Argumenten x, y, z, , z. B. x y1 z1 , wird daher mit diesem Faktor F (x, y, z ), der ja 1 ist, versehen werden dürfen, sodass x y1 z1 = x y1 z1 F (x, y, z ). Nach dem im Schlusspassus der S. 589 gegebenen Satze (und mit Rück - sicht auf dessen zulässige im Kontext der folgenden Seite schon angedeutete Erweiterung) ist aber die rechte Seite dieser Gleichung = x y1 z1 F (1, 0, 0, ) und somit F (1, 0, 0, ) kraft Th. 6×). Sonach ergibt sich in der Gestalt: x y1 z1 F (1, 0, 0, ) ein Prädikat zu dem gedachten Konstituenten, welches sich zunächst wiederum als ein Produkt von Subsumtionen darstellt, worin aber die Argumente nicht mehr vorkommen. Dasselbe wird nun nach den in § 32 gegebnen Schemata, insbesondre dem λ), sich umschreiben lassen in einen von allen Subsumtionszeichen befreiten Ausdruck, der auch als ein solcher des Klassenkalkuls deutungsfähig geworden.

Aus den zu sämtlichen Konstituenten auf diesem Wege gewonnenen Prädikaten leitet hernach McColl durch überschiebendes Addiren sich seine Eliminationsergebnisse ab, die sich so als Prädikationen ergeben für die Konstituenten nach den als Unbekannte zu berechnenden Argumenten. Z. B. aus den Prädikaten zu x y1 z1 und zu x y1 z fliesst so ein Prädikat zu x y1, aus diesem und einem ähnlich gewonnenen Prädikate zu x y ergibt sich ein Prädikat zu x (welches durch Kontraposition schliesslich in ein Subjekt zu x1 verwandelt wird). Etc.

Dass dieses Zuwerkegehen nicht eben vorteilhaft ist, zeigt deutlichst eine Vergleichung der von McColl gegebnen Lösungsarbeit z. B. bei der 28. Aufgabe des § 25 mit der dort von mir geleisteten.

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Anhänge.

Schröder, Algebra der Logik 38[594][595]

Anhang 1. Beiläufige Studie über identische Multiplikation und Addition. (Zu § 6. Überschlagbar.)

Das Verständniss der Betrachtungen wird sehr erleichtert, wenn sich der Leser die geringe Mühe nimmt, sich dieselben mittelst Flächengebieten zu veranschaulichen.

Um einzusehen, dass es immer gewisse Gebiete c gibt, welche den Forde - rungen der Def. (5) genügen, nämlich (S. 205) die Eigenschaft haben, dass für alle x, für welche α)

x a und zugleich x ba x und zugleich b x

ist, auch β)

x cc x

sein muss, könnte man folgende Überlegung anstellen.

Gesetzt ausser 0 resp. 1 gebe es kein x, für das die Beziehungen α) erfüllt sind. Dann genügt bereits der Wert

c = 0c = 1

der obigen Forderung, fernerhin also jedes beliebige Gebiet c.

Ist diese Annahme aber nicht erfüllt, so gibt es ausser 0 resp. 1 mindestens ein x ein solches heisse x1 von solcher Beschaffenheit, dass die Bedingungen α) bezüglich erfüllt sind, d. h. dass wir haben:

x1 a, x1 ba x1, b x1.

Alsdann ist auch für alle solchen x, für welche β1)

x x1x1 x

ist, a fortiori die Bedingung α) erfüllt. *)Es wird nachher x1 = x 'als das gemeinsame Anfangsglied zweier von da divergirenden Wertreihen: x', x '', x '' ', und x1, x2, x3, erscheinen, bei deren letzterer die Exponenten auch nur als Indices aufgefasst werden sollen. Man hat demnach für dieses erste x die Wahl unter den Bezeichnungen x1 und x.

Wenn nun auch das Umgekehrte gilt, dass nämlich für jedes x, für38*596Anhang 1.das die Bedingungen α) zutreffen, auch die Subsumtion β1) besteht, dann ist in Gestalt von c = x1 bereits ein die Forderungen der Def. (5) erfüllender Wert des c gefunden.

Gilt er diese Umkehrung nicht, so gibt es mindestens ein x ein solches heisse x '' derart, dass die Voraussetzung α) zutrifft, d. h. dass wir haben:

x '' a, x '' ba x '', b x ''

ohne dass doch für dieses x auch β1) erfüllt wäre, d. h. ohne dass wir hätten:

x '' x 'x ' x' '.

In diesem Falle kann nach Def.

(3+) aus x1 a und x '' a(3×) aus a x1 und a x ''

gefolgert werden, dass

x1 + x '' aa x1 x ''

sein muss, und analog ergibt sich, dass zugleich auch ist:

x1 + x '' bb x1 x ''.

Nennen wir aber

x1 + x '' = x2x1 x '' = x2,

so ist dieses Gebiet x2 jetzt ein solches, für welches x '' bei jener Um - kehrung keine Ausnahme mehr bildet, desgleichen, nach wie vor, auch x1 keine. Wir haben nämlich nach Th.

6+) x1 x1 + x '', also x1 x26×) x1 x '', x1, also x2 = x1

desgleichen:

x '' x2x2 x ''.

Dieses x2 ist jetzt der den Forderungen unsrer Def. (5) genügende Wert des c selber, es ist: c = x2, wenn es jetzt überhaupt kein x mehr gibt, welches den Voraussetzungen α) genügte, ohne mit x2 die Beziehungen einzugehen: β2)

x x2x2 x.

Gibt es aber noch solche x, welche sich dem x2 will ich kurz sagen nicht fügen , d. h. für welche zwar die Voraussetzungen α) aber nicht die Subsumtion β) erfüllt ist, so kann man ebenso weiter schliessen.

Es sei dann x '' 'irgend eines derselben; so haben wir:

x '' ' a, x' '' ba x '' ', b x' ''

aber doch nicht

x '' ' x2x2 x '' '.
597Beiläufige Studie über identische Multiplikation und Addition.

Dann folgt nach Def. (3) aus:

x2 a und x '' ' aa x2 und a x '' '

dass

x2 + x '' ' aa x2 x '' '

und analog auch:

x2 + x '' ' bb x2 x '' '

ist. Nennen wir nunmehr

x2 + x '' '= x3x2 x '' '= x3,

so ist x3 ein solches Gebiet, welchem sich alle bisherigen x fügen , sogar das letzte: x '' ', da wir nach Th. 6) haben:

x '' ' x3x3 x '' '

während α) ja ohnehin von diesem x '' 'erfüllt wird.

Gibt es jetzt kein x mehr, welches α) erfüllt, ohne auch die Sub - sumtion: β3)

x x3x3 x

zu erfüllen, so ist: c = x3 als ein die Anforderungen der Def. (5) er - füllendes c gefunden.

Gibt es aber noch ein x es heisse x '' ' welches sich bei der Umkehrung dem x3 nicht fügt , so kann man, ebenso weiter schliessend, ein:

x3 + x '' '' = x4x3 x '' '' = x4

konstruiren, für welches sich x '' '' samt allen früheren Gebieten x fügt .

In dieser Weise fortfahrend kann man aus jedem angebbaren sich nicht fügenden und dem zuletzt gewonnenen x allemal ein neues x ab - leiten, bezüglich dessen sich alle bisherigen fügen ; man kann das sich nicht fügende sozusagen endgültig beseitigen.

Man könnte sich hienach zu dem Schluss berechtigt glauben, es müsse ein c existiren, für das sich jedes x fügt . In der That sieht man sich vor die Alternative gestellt, entweder diese Existenz zuzugeben, oder un - begrenzt in der angegebenen Weise fortzuschliessen.

Jener Schluss wäre gleichwol nicht stichhaltig. Beispielsweise können wir dies aus dem bekannten Paradoxon von Achilles mit der Schildkröte lernen, wo die Alternative vorliegt, entweder zuzugeben, dass jener diese nicht einholen könne, oder aber auf den zehntel, hundertel, tausendtel etc. Schritt, der noch fehlt, ohne Ende fortzuschliessen. Die Abneigung vor letzterem ist kein zwingender Grund, sich für ersteres zu entscheiden.

Dass es Gebiete c gibt, die den Forderungen der Def. (5) genügen ist stichhaltig ja schon in § 6 bewiesen.

Man könnte es nebenher auch so einsehen. Da nach Th. 6+) resp. 6×):

a a + b, b a + ba b a, a b b

sein muss, so ist für jedes die Bedingungen α) erfüllende x auch sicher:

x a + ba b x,

598Anhang 1.folglich ist unter anderm auch

c = a + bc = a b

ein die Forderungen der Def. (5) erfüllendes c.

Ungeachtet der Analogie mit Def. (5), welche in unsrer Theorie die Def. (4) vergl. Th. 7) darbietet, lässt sich an letztere doch eine Studie, welche analog der vorstehenden erschiene, nicht knüpfen. Vielmehr ist man hier augenblicklich mit den Überlegungen fertig:

Dass es c gebe, welche den Forderungen der Def. (4) genügen, näm - lich die Eigenschaft haben, dass für alle x, welche der Subsumtion β) ge - nügen, auch die beiden Subsumtionen α) erfüllt seien, ist sofort schon klar, wenn man nur das Gebiet:

c = 0c = 1

in's Auge fasst. Nach Th. 5) kann nämlich für dieses c die Subsumtion β), also die

x 01 x

überhaupt nur bestehen. wenn

x = 0x = 1

selbst ist, und dieses einzige x, welches β) erfüllt, erfüllt dann auch ge - mäss Def. (2) die beiden Subsumtionen α).

Das angeführte c ist also bereits ein die Forderungen der Def. (4) schon erfüllendes.

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Anhang 2. Exkurs über Klammern. (Zu § 10.)

Derselbe ist vorzugsweise bestimmt für nicht mathematischgebildete Leser.

Indessen dürfen doch auch in einer vollständigen Theorie die funda - mentalen Auseinandersetzungen über ein so wichtiges Element der Zeichen - sprache, als welches die Parenthesen sich darstellen, nicht fehlen.

Man versetze sich zunächst auf den Standpunkt zurück, wo eben erst das Th. 13) bewiesen ist, resp. bewiesen werden soll. Dasselbe fordert schon (und erstmalig) die nachstehenden Bemerkungen heraus.

Dass Klammern oder Parenthesen (brackets) auch im identischen Kalkul vonnöten sind, wird bedingt durch den Umstand, dass man auch in diesem Kalkul oft zu thun, zu operiren, umzuspringen, zu rechnen hat mit Gebieten, Klassen oder Aussagen (etc.), die einen zusammengesetzten, einen komplizirten Namen oder Ausdruck besitzen einen Namen z. B. von welchem einzelne Bestandteile oder Elemente selbst wieder Gebiete oder Klassen vorstellen mögen, verschieden von dem durch den ganzen Namen vorgestellten Gebiete.

Einfach (simple) im strengen oder engsten Sinn des Worts nennen wir einen Namen, Term, wenn er ein Buchstabe ist, wie a oder b, x, α, A, etc., desgleichen, wenn er eine Ziffer, wie 0, 1 (auch ).

Zusammengesetzt (compound) heisst der Name in jedem anderen Falle.

Mag es einfach oder zusammengesetzt sein, so muss an ein Zeichen die Anforderung gestellt werden, dass es im Druck isolirt stehe, nämlich von andern Zeichen durch unbedruckte Zwischenräume, Spazien, geschieden sei. Zusammengesetzt sollte nun eigentlich ein Zeichen immer dann heissen, wenn an ihm selbst sich noch in dieser Weise getrennte Teile erkennen lassen, wogegen es einfach zu nennen wäre, sobald in ihm die Drucker - schwärze ein zusammenhängendes Flächenbild bedeckt. Es machen jedoch hievon die Buchstaben i, j (und die als Namen hier überhaupt nicht ver - wendeten Vokale ä, ö, ü) eine Ausnahme. Dass es unverfänglich ist, auch diese noch den einfachen Zeichen beizuzählen, beruht erstlich auf dem Um -600Anhang 2.stand, dass wir einen über Buchstaben zu setzenden Punkt oder Tupfen (dot) hier nicht als Operationszeichen verwenden werden, und zweitens auf der nunmehr sogleich im Haupttext folgenden Bemerkung.

Aus einfachen Namen können auch neue, demnach zusammen - gesetzte Namen aufgebaut werden, wobei man jene jedoch in der Regel mitsamt den etwa sie verbindenden Knüpfungszeichen einer be - stimmten Zeile entlang zu setzen und zu lesen hat. Für die meisten Zwecke wird es darum zulässig sein, auch solche Namen als einfache (im weiteren Sinne) gelten zu lassen, die nur auf der Zeile wenigstens keine getrennten Bestaudteile aufweisen.

So darf der als einfacher Name zu behandelnde Buchstabe allenfalls noch mit einem Accente oder aber Suffixum, unteren Index, also überhaupt mit einem (Stellen -) Zeiger versehen sein, wie a' (sprich: a strich, oder a prim, englisch: a dash), a' ', a0, a1, a2, an (gesprochen: a null, a eins, a zwei, a unten n), desgleichen im identischen Kalkul wenigstens, und dies entgegen der sonstigen mathematischen Gepflogenheit auch mit einem Exponenten, wie a0, a1, a2, an (spr. a hoch null, etc.) indem hier S. 261 sq. die Exponenten stets nur als obere Indices angesehen werden, (das Kapitel über die Logik der Beziehungen vielleicht ausgenommen).

Wie schon in B der Einleitung S. 45, erwähnt, wird durch die Zeiger der Vorrat an einfachen Namen, die zum Benennen zur Verfügung stehen, der sich sonst auf die Buchstaben der paar Alphabete beschränken würde, fast unbegrenzt vermehrt.

Durch ihre Stellung über oder unter dem Niveau der Zeile aber, sowie durch ihren kleineren Druck in dieser andern Höhenlage, sollen die Zeiger sich als zu dem ihnen unmittelbar links vorangehenden Buchstaben gehörige zu erkennen geben, und ähnliches gilt auch von dem Negationsstrich .

Der Negationsstrich nimmt im identischen Kalkul eine Sonderstellung ein, indem er hier als ein Operationszeichen gebraucht werden wird, um die Verneinung des mit ihm behafteten Ausdrucks zu fordern, darzu - stellen. Demgemäss werden wir a1 (gelesen: a nicht) eigentlich als einen zusammengesetzten Namen anzusehen haben und können ihn als einfach nur in den (oben charakterisirten) Fällen gelten lassen, wo auch a' z. B. als einfach angesehen werden dürfte, nämlich wo über ihn hinweg streng auf der Zeile weiterzulesen ist.

[In der 25. Vorlesung gilt auch der Accent sowie das Suffixum 0 als ein Operationszeichen, indem dort a' steht für das Bild von a und a0 für die Kette von a, was dort also zu ähnlichen Bemerkungen in Bezug auf den Accent und das Suffixum 0, wie soeben in Bezug auf den Nega - tionsstrich Veranlassung geben würde.]

Abgesehen von diesem Operationszeichen, mit welchem bereits an einem einzigen Symbole (dem es rechts unten anzufügen) operirt werden kann, verwenden wir als Operationszeichen fast nur noch Knüpfungs - zeichen, und zwar solche, welche mindestens zwei Symbole auf der Zeile verbinden. Wesentlich kommen sogar nur zweierlei solche Knüpfungs - zeichen: plus und mal, für uns in Betracht, als + und · (oder ×), und nur601Exkurs über Klammern.vorübergehend, in § 24, treten zu diesen noch Subtraktions - und Divisions - zeichen hinzu, unter letztern der Bruchstrich, der zwei Symbole in verti - kaler Richtung verbindet.

Ausser durch Operationszeichen, werden aber Ausdrücke auch noch durch Beziehungszeichen zu Aussagen verbunden, wie =, , etc. die sämtlich nur auf der Zeile zwischen sie zu treten haben.

Ein Wort, sofern es nicht blos aus einem Buchstaben besteht, sowie eine Verbindung von Worten zu einer Beschreibung oder zu einer Aussage, würde als ein zusammengesetzter Name oder Aus - druck hinzustellen sein.

Solche führen wir aber nicht in die Rechnung ein, da sie sich für die Bezeichnungszwecke der exakten Logik als zu umständlich erweisen.

Unser Hauptbestreben bleibt ja darauf gerichtet, eine Ökonomie der Zeichen zu verwirklichen und zwar, da an die Zeichen auch die Gedanken geknüpft sind, damit auf möglichste Ersparniss an Gedanken - arbeit hinzuwirken.

Wenn darum etwa in einer Textaufgabe eine Klasse mit Worten gekennzeichnet ist, und es angezeigt erscheint, dieselbe der Rechnung zu unterwerfen, sie in Subsumtionen, Gleichungen, Formeln oder auch Ausdrücke eingehen zu lassen, überhaupt sie zum Gegen - stande anhaltender Überlegungen zu machen, so werden wir wie gesagt dieselbe jeweils möglichst einfach uns darstellen, demgemäss also von vornherein einen Buchstaben, einen einfachen Namen für sie einführen.

Muss ja doch bei den an ein Objekt geknüpften Untersuchungen vollends beim Rechnen mit demselben sein Name erfahrungs - mässig in häufiger Wiederholung gedacht und ausgesprochen werden, und verursacht (S. 44) ein umständlicher Name, ein unbequemes Zeichen, doch allemal, so oft es nur gebraucht werden muss, einen höchst ärger - lichen Aufenthalt!

Hauptsächlich auf diesem Umstand, dass sie die Wiederholung meistens langwieriger Namen ersparen durch den Hinweis auf ihre einmal vollendete Aussprache, beruht nebenbei bekanntlich der grosse Wert der Pronomina demonstrativa für die Wortsprache.

Solcher nun bedürfen wir im Kalkul nicht (können sie da auch nicht brauchen!) und sichern uns den gleichen Vorteil in noch höherem Maasse, indem wir für den verwickelten Namen einen Buchstaben einführen, den - selben dann in jedem Bedarfsfalle wiederholend.

Wenn nun bei den anzustellenden Überlegungen unsre einfachen Namen vermittelst der Rechnungs - und Beziehungszeichen des iden - tischen Kalkuls zusammenzusetzen sind zu Ausdrücken , welche viel - leicht selbst wieder zur Bildung noch komplizirterer Ausdrücke oder602Anhang 2.Aussagen als deren Operations - oder Beziehungsglieder weiterzuver - wenden sein werden, wenn also an solche noch fernere Uberlegungen angeknüpft werden müssen, welche ein (eventuell wiederholtes) Her - stellen, Ansetzen ihres Namens erfordern , so würde es nach bis - heriger Maxime angezeigt erscheinen, auch für sie wiederum einfache oder Buchstaben als Namen neu einzuführen wo wir dann gänzlich der Klammern entraten könnten.

In der That würde diese Praxis: für jede in Betracht zu ziehende Klasse, für jeden Ausdruck sofort einen einfachen Namen zu schaffen, am besten durchweg eingehalten, wenn nicht ihre strikte Befolgung einen Misstand nach sich zöge, durch die Rücksichtnahme auf welchen die Wirksamkeit jener Maxime wieder eingeschränkt werden muss. Resultiren würde nämlich eine Überladung der Untersuchungen mit einer allzugrossen Menge aparter (wenn auch einfacher) Zeichen, deren Bedeutung, da sie doch wenigstens während gedachter Untersuchungen festgehalten werden muss, im Gedächtnisse zu behalten, demselben eine übergrosse Last aufbürden hiesse.

Aus diesem Grunde verwenden wir zur Bezeichnung von solchen Gebieten oder Klassen, die zu andern bereits einfach benannten in einer einfachen Beziehung stehen, anstatt willkürlich zu erfindender einfacher , doch oft lieber zusammengesetzte Namen, und zwar solche, welche durch die Art ihrer Zusammensetzung stetsfort erkennen lassen, in welcher Beziehung jene gedachten Gebiete zu diesen er - wähnten stehen sollen.

Im Ganzen kommt es also darauf an, den goldenen Mittelweg zu gehen zwischen Gebundenheit an bemühend schwerfällige Ausdrucks - weisen einerseits und Überlastung des Gedächtnisses andrerseits, m. a. W. darauf: dass man das an sich gerechtfertigte Bestreben nach möglichster Erleichterung und Vereinfachung der Ausdrucksmittel zügeln lasse durch die Rücksicht auf eine nur mässige Inanspruch - nahme des Gedächtnisses, namentlich auf Entlastung des mechanischen Gedächtnisses durch Beizug des judiziösen vermittelst mässigen Gebrauches von zusammengesetzten und zwar von rationell zusammen - gesetzten Namen.

Sobald nun bei einem zusammengesetzten Ausdruck eine Operation angedeutet, an oder mit ihm vorgenommen werden soll, wird die An - bringung von Klammern zum unabweislichen Bedürfniss: damit einer Mehrsinnigkeit der Bezeichnungsergebnisse vorgebeugt werde.

Um dies näher darzulegen, wollen wir vorzugsweise die Fälle in's Auge fassen, wo jene Beziehungen darstellbar, wo nämlich zusammen -603Exkurs über Klammern.gesetzte Ausdrücke herzustellen sind durch die Knüpfungszeichen des identischen Kalkuls.

Sind a, b, c Gebiete oder Klassen, so werden a · b, b · c, a + b, b + c, etc. die nächstliegenden Beispiele von neuen, aus den vor - liegenden abgeleiteten Gebieten oder Klassen sein, für welche sich uns die angeführten Symbole als zusammengesetzte Namen zur Ver - fügung stellen.

Wenn wir nun z. B. ein Gebiet a zu multipliziren haben mit dem Gebiete b + c, so dürfen wir für das sich dadurch ergebende Gebiet nicht ohne weiteres schreiben: a · b + c aus dem Grunde, weil dieser Ausdruck ebensogut gehalten werden könnte für das Ergebniss der Addition eines Gebietes c zu dem Gebiete a · b. Und diese beiden Ergebnisse wären doch verschieden, wie schon die Veranschaulichung derselben für das nächste beste Beispiel zeigt; sie dürften also durchaus nicht verwechselt werden. Solcher Ver - wechselung vorzubeugen ist die Klammer bestimmt.

Das Malzeichen in obigem Ausdruck a · b + c erscheint faktisch nur neben den Bestandteil b des zusammengesetzten Namens b + c gestellt, und niemand vermag dem Ausdruck anzusehen, dass es sich auf diesen ganzen Namen beziehen sollte.

Ebenso bliebe in Hinsicht des Pluszeichens der Zweifel offen, ob es sich auf das ganze Produkt a · b oder nur auf den ihm zunächst stehenden Faktor b desselben beziehen solle.

Solche Unbestimmtheit (hier Zweideutigkeit, Doppelsinnigkeit) zu heben vermögen wir vermittelst der Klammern, und zwar, indem wir als obersten Grundsatz adoptiren:

Sooft an oder mit einem zusammengesetzten Ausdruck eine Operation ausgeführt werden soll, welche durch ein an demselben anzubringendes Operationszeichen darzustellen ist wie z. B. auch durch eine bestimmte Art der Verknüpfung des Ausdruckes mit noch anderen Symbolen so muss derselbe eingeklammert werden, und zwar: damit man erkenne, das Operations - resp. Verknüpfungszeichen beziehe sich auf den ganzen Ausdruck und nicht etwa blos auf den ihm zunächst stehenden Be - standteil desselben.

Hienach erscheinen denn in der That die beiden vorhin noch in der Gefahr einer Verwechselung befindlichen Ausdrücke als a · (b + c) sprich a mal Klammer b plus c, geschlossen und (a · b) + c spr. Klammer a mal b geschlossen, plus c nun auch äusserlich ge -604Anhang 2.bührend unterschieden, und war es von diesen der erstere a · (b + c), den wir zu bilden vorhatten.

Die Klammer () mag angesehen werden als Überrest einer einfach geschlossenen (unverknoteten) Kurve, welche den zusammengesetzten Namen oder Ausdruck als ihren Inhalt umfassen, einhegen soll und ihn so zu einem Ganzen zusammenschliesst, welches nur als solches zu allem, was ausserhalb befindlich in Beziehung treten kann. So in unserm Beispiele:

[figure]

Von dieser Ellipse brauchen aber nur die in die Zeile fallenden beiden Teile wirklich ausgezogen oder forterhalten zu werden, weil eben nur dieser entlang der Ausdruck gelesen wird. Zugleich erhellt aus dieser Bemerkung, wie zuweilen auch ein wagrechter Strich oder Haken als Vinculum die Klammer zu ersetzen vermag so in der Arithmetik der verlängerte Wurzelstrich, sowie der Bruchstrich, zum Exempel bei 〈…〉 .

Sich die Befolgung obiger Regel zu erlassen, ein Dispens von derselben, ist nur zulässig auf Grund bewusster Überlegungen (oder durch solche gerechtfertigter Übung), die wir nachher erörtern werden.

Ist der verknüpfte ein einfacher Name wie a oder b', so ist dessen Einklammerung unnötig, indem bei a · b' niemand auf die Meinung verfallen kann, das Malzeichen beziehe sich nur etwa auf die rechte Hälfte des Buchstabens a, und nicht auf diesen ganzen Buchstaben und niemand auch in den Irrtum geraten wird, es beziehe sich au das b ohne seinen Accent. [Sollte freilich einmal zu irgendwelchem Zwecke das Produkt a · b accentuirt werden, so müsste es ein - geklammert, es müsste dann (a · b) 'geschrieben werden.]

Sofern also alle in Betracht gezogenen Gebiete oder Klassen mit ein - fachen Namen benannt sind, ist das Institut der Klammern überflüssig.

Die überflüssige Klammer bildet ein noch für andere Zwecke disponibles Merkzeichen, und mag man z. B. in einer Untersuchung mit (a), (b), etc. ganz andere Dinge wie a, b, bezeichnen.

Auch in den andern Fällen wird die Klammer entbehrlich, sobald man die erforderliche Menge von einfachen Namen einführt.

Der obige Ausdruck a · (b + c) z. B. kann auch ohne Klammern darge - stellt werden in Gestalt von a · z, sobald wir b + c = z nennen, und ebenso lässt sich, indem a · b = x genannt wird, ohne jegliche Klammer x + c schreiben für dasjenige was wir oben mit (a · b) + c darstellen mussten.

Um noch ein Beispiel anzuführen, so lässt sich das Assoziations - gesetz der Multiplikation ohne Klammern dahin aussprechen, dass, wenn a · b = x und b · c = y genannt wird, dann a · y = x · c sein müsse.

Die Klammer, indem sie uns die Einführung noch besondrer ein - facher Namen erspart, überhebt uns also auch der Nötigung, die Be -605Exkurs über Klammern.deutung dieser Namen ausserhalb des Textes auseinanderzusetzen, sei es in vorgängiger Erklärung, sei es in nachträglicher Anmerkung zu dem - selben, wo nicht in Form einer Einschaltung; sie gestattet, von dem, was sie zu bedeuten hätten, im Zusammenhange des Textes zu reden. Anstatt z, welches b + c bedeutet sagen wir sogar bequemer (b + c) .

Fassen wir den Zweck der Klammern noch unter einem andern Gesichtspunkt in's Auge. Sobald in einem Ausdruck mehrere Knüpfungs - zeichen zu erblicken sind, fällt den Klammern die Aufgabe, die Mission zu, die Succession oder Reihenfolge der betreffenden Operationen zu regeln. Nach der Erklärung, welche unsre Operationen der identischen Multiplikation und Addition gefunden haben, hat es nur einen Sinn, zu verlangen, dass zwei Gebiete (zu einem dritten) verknüpft werden. Es wäre aber sinnlos, etwa zu fordern, dass a, b und c gleichzeitig durch Multiplikation und Addition verknüpft werden sollten. Wenn a tempo a mit b multiplizirt und b mit c summirt werden sollte, was sich ja in der That durch verschiedene Personen ausführen liesse, so würden auch zwei Ergebnisse a · b und b + c resultiren. Zu einem Er - gebnisse durch die beiden Rechnungen der Multiplikation und Addition lassen sich die drei Gebiete nur vereinigen, wenn diese Rechnungen nacheinander, successive, fortschreitend ausgeführt werden, und da frägt es sich vor allem, in welcher Ordnung oder (Reihen -) Folge.

Wird zuerst b und c summirt, und hernach (mit dem Ergebnisse) a multiplizirt, so entsteht a · (b + c).

Wird dagegen zuerst a mit b multiplizirt, und dann (zu dem Er - gebnisse) c addirt, so entsteht (a · b) + c.

So wenig man ein Haus bauen und hernach erst die Steine und Balken dazu liefern kann, so wenig kann man an einem Gebiete eine Operation (sei es auch nur andeutungsweise) vollziehen, bevor man (einen Namen für) dies Gebiet selbst hergestellt hat. Ehe man es wenigstens gedacht, kann man nichts daran oder damit machen. Auch die Nürnberger hängen Keinen, sie hätten ihn denn zuvor .

Es ist darnach eine innerhalb einer Klammer vorgeschriebene Operation jeweils vor derjenigen ausgeführt zu denken, welche an oder mit dem Klammerausdruck selbst vollzogen werden sollte, deren Zeichen also auch nur ausserhalb von dessen Klammer zu erblicken sein wird. Man wird in einem jeden Bestandteil des Ausdrucks jeweils leicht die innersten Klammern ausfindig machen, und für die Interpretation so - wol als eventuell auch für die Ausrechnung von komplizirten Aus - drücken, welche Klammern ev. in Klammerausdrücken und wieder in606Anhang 2.solchen etc. desgleichen vielleicht auch neben solchen eingeschachtelt enthalten, ist also die Regel gerechtfertigt, diese Prozesse von innen nach aussen fortschreitend auszuführen. Auf dieser Bemerkung vor allem beruht die für den Anfänger schon nicht ganz leichte Kunst des richtigen Verstehens und Ansetzens von Ausdrücken, eine Kunst in Bezug auf welche, wie bei jeder Kunst, die Übung ein Übriges, viel - leicht das meiste, thun muss.

In prinzipieller Hinsicht ist nun aber noch zweierlei zu bemerken.

Erstens ist das Einschachteln von Klammerausdrücken in neue Klammern u. s. w. sowie überhaupt das häufige Anbringen von solchen, immerhin ein lästiger Notbehelf; der erstere Fall sogar nicht selten ein die Übersicht erschwerender Umstand. Man sucht diesen Misstand dadurch zu verringern, dass man da, wo im nämlichen Ausdruck Klammern von einer andern umschlossen werden, für die eingeschlos - senen und für die umschliessende verschiedene Klammerhaken mit Vorliebe verwendet, so diejenigen der runden (), der geschwungenen oder geschweiften {…} und der eckigen [] Klammer.

Zudem aber sucht man überhaupt den Gebrauch der Klammern möglichst einzuschränken.

Ein für allemal sei bemerkt, dass man übereingekommen ist, die zusammengesetzten Ausdrücke, welche durch ein logisches Beziehungs - zeichen zu verknüpfen sind, welche also die linke oder rechte Seite einer Subsumtion, oder einer Gleichung, einer Ungleichung, etc. bilden sollen, im (Gebiete) Kalkul niemals einzuklammern. Also man schreibt z. B.: a b a + b und nicht: (a b) (a + b).

Erst im Aussagenkalkul , wo jene Ausdrücke Aussagen bedeuten, die selbst wieder derartige Beziehungszeichen enthalten mögen, kann solche Einklammerung nötig werden, und würde in der That z. B. a b = c ganz etwas anderes bedeuten, als (a b) = c jenes nämlich kund geben, dass a in b enthalten sei, welches einerlei mit c, dieses aber, dass c die Aussage bedeute (oder ihr äquivalent sei), dass a in b enthalten. Das Nähere wird sich aus dieser Disziplin ergeben.

Der Gebrauch der Klammer ist dort durch die Konvention geregelt, dass, wo nicht eine solche Klammer das Gegenteil vorschreibt, die Zeichen der identischen Operationen stets vor den Beziehungszeichen interpretirt werden müssen.

Darnach dürften wir im Gegensatz zum obigen Beispiel in einem Aus - druck des Aussagenkalkuls, wie a (b a) + b, die Klammer jedenfalls nicht weglassen.

Doch kehren wir wieder zum Gebietekalkul zurück.

Ausserdem sich von der Klammer zu dispensiren gelingt zunächst in der Hälfte der Fälle.

607Exkurs über Klammern.

Wo es nämlich, wie in den angeführten Beispielen lediglich darauf ankommt, vermittelst der Klammer zwei verschiedene Auffassungs - möglichkeiten für einenunddenselben Ausdruck zu unterscheiden ge - nügt es, und ist es folglich erlaubt, die Klammer bei der einen Auffassungsweise konsequent wegzulassen, wofern man nur sie bei der andern konsequent beibehält.

Man ist in der Mathematik übereingekommen, beim Addiren von Produkten die Klammern (um diese herum) wegzulassen*)Über die allgemeineren Konventionen, von welchen die obige nur einen Sonderfall vertritt, vergleiche mein Lehrbuch 1 p. 217 sqq., und diesem Gebrauche wird es zweckmässig sein, sich auch im identischen Kalkul anzuschliessen. Sonach schreiben wir für (a · b) + c hinfort bequemer a · b + c oder a b + c.

Um so gewissenhafter muss dann aber beim Multipliziren von Summen die Klammer (um letztere herum) beibehalten werden und ist es niemals erlaubt, einen Ausdruck a (b + c) in a b + c abzukürzen.

Beispielsweise kann hienach der Ausdruck a · b + c · d nur mehr als (a b) + (c d), nicht aber als a (b + c) d, auch weder als a (b + c d) noch als (a b + c) d verstanden oder gedeutet werden.

So wird ferner wenn wir hier vorgreifend auch den Negationsstrich mit in den Bereich der Betrachtungen ziehen bei a · (b1) = a b1 und a + (b1) = a + b1 die Klammer sich sparen lassen, wofern sie nur bei Aus - drücken der Form (a · b) 1 und (a + b) 1 festgehalten wird, und indem wir ersteres thun wird hingebracht, dass nun, den Kommutationsgesetzen 12) entsprechend, das ohnehin nicht missverständliche b1 a resp. b1 + a ohne weiteres umgestellt werden darf in a b1 und a + b1. Sofern nicht eine Klammer es anders vorschreibt, wird also die Negation jeweils vor den beiden andern Spezies ausgeführt zu denken sein.

Ebenso mögen wir definiren: d1 '= (a') 1, da wo vielleicht (a1)' noch einen andern Sinn behält.

Für die Zeichen Π und Σ werden hinsichtlich des Klammergebrauchs in § 30 noch besondere Festsetzungen getroffen.

Ferner aber kann die Klammer auch in beiden Fällen weggelassen, sie kann durchaus gespart werden überall da, wo die durch die Klammer - stellung von einander unterschiedenen Ausdrücke denknotwendig den - selben Wert haben müssen, wo sie nur als verschiedene Namen für das nämliche Gebiet, für ein und dieselbe Klasse erscheinen.

Ein erstes Beispiel liefert uns das Assoziationsgesetz 13) selbst.

Nach diesem welches wir nur etwa für die Multiplikation in's Auge fassen wollen ist es für den Wert des Produktes gleich - gültig, auf welche Weise man in dem Ausdruck608Anhang 2. Exkurs über Klammern.a · b · c eine Klammer anbringt. Eine solche kann nur entweder die beiden ersten oder aber die beiden letzten der drei als Faktoren angesetzten Symbole bei Festhaltung von deren Reihenfolge umschliessen, da a und c durch das mittlere Symbol b getrennt erscheinen, folglich deren Einschliessung ohne b in eine Klammer unthunlich ist. Eine Einklammerung des ganzen Ausdrucks a b c ist ja, solange nicht weitere Operationen an ihm vorzunehmen sind, als unnötig zu verwerfen, und ebenso eine Einklammerung der einfachen Symbole a, b oder c selbst bereits ausgeschlossen.

Auf eine der beiden angegebenen Arten aber muss die Klammer auch gesetzt gedacht werden, wenn überhaupt dem Ausdruck ein Sinn untergelegt werden soll. Denn wir können auch zwei Multiplikationen nicht gleichzeitig ausführen: eine von beiden entweder die von a mit b oder die von b mit c muss den Vortritt haben, m. a. W. ein Produkt ist bis jetzt nur für zwei Faktoren definirt worden; ein Produkt von dreien aber zur Zeit noch unerklärt.

Wir könnten demnach unter a · b · c, wenn überhaupt etwas, so nur entweder (a · b) · c oder a · (b · c) verstehen. Welches von beiden wir thun, ist aber, wegen a (b c) = (a b) c, also kraft des Assoziations - gesetzes gleichgültig und folglich braucht darüber auch keine Vorschrift gegeben zu werden. Wir schreiben künftig unterschiedslos, bequemer und übersichtlicher für die genannten beiden Ausdrücke den einen a b c und sind so naturgemäss zu dem Begriff des Produktes von drei (zu - nächst noch in bestimmter Ordnung gegebenen) Faktoren a, b und c gelangt, als welches wir unter dem Namen a b c zu verstehen haben den kraft des Assoziationsgesetzes übereinstimmenden Wert der Produkte a (b c) und (a b) c.

Als eine Art von psychologischem Postulat, neu hinzutretend zu den auf die Interpretation bezüglichen und in § 7 schon angeführten Postulaten, kann es allerdings vielleicht hingestellt werden, dass wir uns schliesslich dieses Gebiet a b c noch auf eine (anscheinend) dritte Weise, nämlich: als das den dreien a, b und c schlechtweg gemeinsame Gebiet, im Geist zu erzeugen und vorzustellen vermögen, ohne dabei einen der vorher ange - deuteten Bildungsprozesse wiederholen, mit Bewusstsein durchlaufen zu müssen.

Indem wir diese Überlegungen nun analog auch auf beliebig viele Faktoren ausdehnen, schliessen sich hier ebenso naturgemäss an die Betrachtungen des folgenden Anhangs.

[609]

Anhang 3. Ausdehnung von Begriff und Sätzen über Produkt und Summe von zweien auf beliebig viele Terme. (Zu § 10.)

Ich werde zunächst nur vom Produkte reden. Um den Begriff eines Produktes von beliebig viel sagen wir n Faktoren zu ge - winnen, bedürfen wir ausser dem speziellen Assoziationsgesetz 13×) und dem speziellen Kommutationsgesetz 12×) noch wesentlich des Satzes 16×), dass Gleiches mit Gleichem multiplizirt Gleiches gibt (so wenigstens im Falle der Anwendung von nie mehr als zwei Faktoren) wobei, wie in dieser ganzen Disziplin gleich ja eigentlich nur Identisches genannt wird. Dieses Th. 16), welches wir im System erst ein wenig später aufzuführen vorzogen, könnte, samt dem dasselbe vorbereitenden Th. 15), auch unmittelbar hinter Th. 13) angereiht werden, und ist für die nachfolgenden Überlegungen vorausgeschickt zu denken.

Diese Überlegungen, welche als ebenso scharfsinnig, wie einfach und fundamental zu bezeichnen sind, rühren wesentlich von Hermann Grass - mann her. Von Hermann Hankel und von mir reproduzirt, wobei sie vielleicht noch ein wenig gewonnen haben, sind sie neuerdings auch von 0. Stolz in dessen Vorlesungen über allgemeine Arithmetik aufgenommen worden. Es könnte in ihrem Betreff auf dieses letztere Werk sowol wie auf mein Lehrbuch1 verwiesen werden. Doch will ich, um ein möglichst lückenloses Gebäude hier aufzurichten, das für unsere Disziplin Unent - behrliche davon hier einfügen, und zwar mit der Vereinfachung, welche Herr Stolz1 der Darstellung noch hat angedeihen lassen.

Was auf die Anordnung (Reihenfolge) und was auf die Zusammen - schliessung (mittelst Klammern, Gruppirung) der Faktoren sich bezieht ist nach Grassmann's Vorgange scharf auseinander zu halten. Wenn wir zunächst von der letzteren, also von der Klammerstellung, handeln wollen, so ist demnach die Reihenfolge der als Faktoren zu verwen - denden Symbole von vornherein gegeben zu denken und im Verlauf der Untersuchung unabänderlich festzuhalten.

Schröder, Algebra der Logik. 39610Anhang 3.

Es empfiehlt sich, diese Faktoren mit numerirten Buchstaben zu bezeichnen, sie etwa a1, a2, a3, an 1, an zu nennen.

Das Th. 13×) zeigte uns, dass die Klammerstellung bei drei Faktoren gleichgültig ist. Dazu gilt der

Satz 13) a. Wenn die Klammerstellung bei weniger als n Faktoren irrelevant ist, so muss sie es auch bei n Faktoren sein.

Beweis. Nach der Voraussetzung ist es bei 3, 4, bis inclusive n 1 Faktoren bereits als für den Wert des Ergebnisses gleichgültig erkannt, in welcher Weise man dieselben vermittelst Klammern so in Gruppen scheidet, dass ein Ausdruck entsteht, welcher durch lauter Multiplikationen von immer nur zwei Faktoren hergestellt ist. Der laut Annahme stets übereinstimmende Wert des Ergebnisses für alle die verschiedenen hierbei noch denkbaren Bildungsweisen des Ausdrucks kann demnach schon ohne jede Klammer geschrieben und schlechtweg das Produkt der in dem Ausdruck vorkommenden Symbole oder Faktoren (für die bestimmte Reihenfolge in der sie auf der Zeile stehen) genannt werden.

Es ist dann zu zeigen, dass auf Grund der Theoreme 13×) und 16×) dasselbe auch für n Symbole zutreffen muss, wenn diese in be - stimmter Reihenfolge angeschrieben und dann irgendwie mittelst binärer Multiplikation (d. i. eben Multiplikation von immer nur zwei Faktoren) zu einem Produkte vereinigt werden.

Nun kann der ganze Ausdruck in zwei Faktoren mittelst Klammern nur auf folgende Arten gespalten werden, für welche wir die zuge - hörigen Ergebnisse mit den linkerhand eingeführten Namen benennen wollen: x1 = a1 (a2 a3 an) x2 = (a1 a2) (a3 an) ............ xr = (a1 a2 ar) (ar + 1 an) ............ xn 1 = (a1 a2 an 1) an, wo r irgend eine der Indexzahlen von 1 bis n 1 bedeuten mag, mithin 1 r n 1 zu denken ist.

Die Bildungsweise für die beiden Hauptfaktoren oder Teilprodukte: a1 a2 ar = sr, ar + 1 ar + 2 an = tr von irgend einem dieser Ausdrücke611Ausdehnung des Produkt-Begriffs auf beliebig viele Terme.xr = sr tr braucht nach dem Gesagten nicht weiter angedeutet oder mittelst fernerer innerhalb derselben anzubringender Klammern angegeben, vor - geschrieben zu werden, da diese Teilprodukte jedenfalls weniger als n (höchstens n 1) Faktoren enthalten, während sogar s1 = a1 und tn 1 = an wie man sich auszudrücken pflegt nur aus einem Faktor bestehen , eigentlich nämlich gar nicht Produkte sind.

Zu zeigen ist, dass die obigen n 1 Ausdrücke x1, x2 xn 1 einander gleich sein müssen, und dies wird nach Th. 4) Zusatz geleistet sein, wenn wir darthun, dass allgemein (nämlich für jedes der gedachten γ bis zum letzten hin) xr = xr + 1 sein muss, womit ja x1 = x2, x2 = x3, xn 2 = xn 1 dann erkannt sein wird.

Nun ist zufolge der den Symbolen tr und tr + 1 beigelegten Bedeutung (kraft der bei solchen Teilprodukten beliebig anbringbaren Klammern): tr = ar + 1 tr + 1 und kann nach Th. 16×) dies in xr = sr tr eingesetzt werden. Darnach wird sich dann xr aus drei Faktoren zusammensetzen und kraft Th. 13×) sich ergeben: xr = sr (ar + 1 tr + 1) = (sr ar + 1) tr + 1. Es ist aber zufolge der den Symbolen sr und sr + 1 zukommenden Be - deutung auch (wegen der Unterdrückbarkeit von Klammern in denselben): sr ar + 1 = sr + 1 und kann dies wiederum nach 16×) in das letzte Ergebniss eingesetzt werden. Dadurch entsteht: xr = sr + 1 tr + 1 = xr + 1 was zu beweisen war.

Nun war bei drei Faktoren die Klammerstellung ohne Einfluss auf den Wert des Ergebnisses; nach dem eben Bewiesenen muss sie es auch für 3 + 1 oder 4 Faktoren sein; ist sie es sonach für viere, so muss sie es auch sein für 4 + 1 oder 5 Faktoren und so weiter. Es kann in dieser Weise ohne Ende fort geschlossen werden, und jedenfalls auch so lange, bis man irgend eine vorgedachte Faktoren - zahl erreicht hat (Schluss von n 1 auf n resp. n auf n + 1, oder Bernoulli'scher Schluss der vollständigen Induktion ).

Gilt also nur das spezielle Assoziationsgesetz (für drei Faktoren), so gilt auch stets das allgemeine Assoziationsgesetz (für beliebig viele Faktoren). Letzteres lautet:

39*612Anhang 3.

Satz 13) b ( Allgemeines Assoziationsgesetz ). Auch bei irgend einer Anzahl, bei einer beliebigen Reihe von multiplikativ zu verknüpfenden Sym - bolen ist die Klammerstellung für den Wert des Ergebnisses gleichgültig.

(Definition.) Den für jede denkbare Art der Klammerstellung übereinstimmend erhältlichen Wert des Ergebnisses der Verknüpfung nennt man kurz das Produkt der sämtlichen, in ihrer gegebenen Reihen - folge verwendeten, Symbole und pflegt man dasselbe dadurch auszu - drücken, dass man diese Symbole als Faktoren in jener bestimmten Reihenfolge gemeinhin ohne alle Klammern nebeneinander stellt.

Die hier angestellten Betrachtungen sind nicht nur für die identische, wie für die numerische Multiplikation in gleicher Weise gültig, sondern überhaupt für jede Art von eindeutiger Verknüpfung, die man sich unter dem vorstehend gebrauchten Namen Multiplikation irgend vorstellen mag. Nichts hindert, den Punkt, wo er als Malzeichen in Gedanken zu setzen gewesen, wirklich hinzuschreiben und ihn dabei durch ein beliebiges Knüpfungszeichen (wie Herr Stolz es thut) zu ersetzen. Die an unsre Voraussetzungen angeknüpften Schlussfolgerungen müssen dabei unverändert stichhaltig bleiben, weil sie eben (von der Materie unabhängig) nach all - gemeinen Schemata mit Denknotwendigkeit erfolgten. Sofern also für die gedachte Knüpfung nur die Voraussetzungen 13×) und 16×) zutreffen, muss auch das allgemeine Assoziationsgesetz für diese Knüpfung gelten und kann der Begriff der ursprünglich nur binären Knüpfung erweitert werden zu demjenigen einer beliebig viele Terme auf einmal (in bestimmter Reihen - folge) verbindenden Knüpfung der nämlichen Art.

Namentlich sind unsre Ergebnisse auch auf die identische gleichwie auf die numerische Addition ohne weiteres übertragbar und gilt dies nicht minder von dem hiernächst noch weiter Folgenden. Als Knüpfungszeichen wird hier eben nur das Pluszeichen zu figuriren haben.

Die so ausgedehnten, dergestalt erweitert anzulegenden Betrachtungen gehören sich eigentlich eingefügt in den Rahmen einer allgemeinen Theorie der Verknüpfung, welche passend wol absolute Algebra zu nennen dieselben für die verschiedenen Unterdisziplinen ein für allemal erledigte. Doch sei bemerkt, dass, abgesehen von vereinzelten Bruchstücken, solche Theorie noch nicht geschrieben ist!

Nebenbei gesagt gibt es auch Operationen, die nur assoziativ, nicht kommutativ sind wie z. B. die Multiplikation der Substitutionen und die der Quaternionen und unzählige andere sowie auch umgekehrt Operationen sich angeben lassen, welche kommutativ aber nicht assoziativ sind.

Hier indess haben wir nur noch mit der Verbindung beider Eigen - schaften der Assoziativität und Kommutativität uns zu beschäftigen.

Auf Grund der bisherigen aus 13×) abgeleiteten Theoreme (und Definition) lässt sich nun der Satz beweisen:

Satz 13) c. In einem Produkt von n Faktoren dürfen irgend zwei benachbarte miteinander vertauscht werden.

613Ausdehnung der Produkte betreffenden Sätze auf beliebig viele Terme.

Wird: a1 a2 an = x genannt, so gilt auch: x = a2 a1 a3 an = = a1 a2 ar 1 ar + 1 ar ar + 2 an 1 an = = a1 a2 an 2 an an 1.

Beweis. Da man nach 13) b Klammern auch beliebig anbringen darf, so können wir schreiben: x = (a1 a2 ar - 1) (ar ar + 1) (ar + 2 an) = = sr 1 (ar ar + 1) tr + 1.

Nach Th. 12×) ist aber ar ar + 1 = ar + 1 ar, und darnach wird gemäss 16×): x = sr 1 (ar + 1 ar) tr + 1 = sr 1 ar + 1 ar tr + 1.

Setzt man hierin wieder die Werte von sr 1 nebst tr + 1 ein, und lässt die dabei um diesen ihren zusammengesetzten Namen ursprüng - lich anzubringenden Klammern kraft 13) b weg, so ist der mittlere (allgemeine) Teil unsrer Behauptung bewiesen.

Ebenso beweist man die beiden andern Teile, indem für die ex - tremen oder Rand-Fälle (r = 1 und r = n 1) sein muss: x = (a1 a2) t2 = (a2 a1) t2 = a2 a1 t2 und x = sn 2 (an 1 an) = sn 2 (an an 1) = sn 2 an an 1. q. e. d.

Satz 13) d. Ist aber Vertauschung benachbarter Faktoren erlaubt, so kann man aus irgend einer gegebenen auch jede gewünschte Anordnung der Faktoren herleiten.

Man suche unter den Faktoren der gegebenen Anordnung den - jenigen heraus, welcher (in der gewünschten Anordnung) an die erste Stelle treten soll. Steht er nicht bereits an dieser, so lasse man ihn durch nötigenfalls fortgesetzte Vertauschung mit dem ihm jeweils un - mittelbar vorangehenden Faktor, nach und nach bis an die erste Stelle vorrücken. Sobald er dieselbe inne hat, lasse man ihn an dieser fortan unverändert stehen. Man suche hierauf denjenigen Faktor in der nunmehr als gegeben vorliegenden Anordnung auf, welcher in der verlangten die zweite Stelle einnehmen soll. Hat er diese Stelle nicht schon selber inne, so ist er jedenfalls hinter derselben zu finden, weil vor ihr nach dem Bisherigen bereits ein andrer Faktor steht. Man lasse ihn dann ebenso in fortgesetztem Platzwechsel mit dem augen - blicklich unmittelbar vor ihm stehenden resp. vor ihn getretenen bis an die zweite Stelle vorrücken, und wenn er sie erreicht, in der -614Anhang 3.selben verharren, und fahre so fort, bis jeder Faktor die ihm zu - gewiesene Stelle eingenommen hat. Dies muss endlich eintreten weil mit jedem neu vorgenommenen Faktor, die Zahl der noch nicht an ihre Stellen gebrachten immer um 1 abnimmt, und weil die neu, die an den folgenden Stellen, hinzutretenden Erfolge die früher errungenen nicht wieder umstossen.

Soll beispielsweise aus der Anordnung a5 a2 a4 a1 a3 die Reihenfolge a1 a2 a3 a4 a5 hergestellt werden, so wird der Reihe nach zu bilden sein: a5 a2 a1 a4 a3 a5 a1 a2 a4 a3 a1 a5 a2 a4 a3 a1 a2 a5 a4 a3 a1 a2 a5 a3 a4 a1 a2 a3 a5 a4 a1 a2 a3 a4 a5

Hienach ist erkannt, dass eine (multiplikative) Verknüpfung, welche assoziativ ist gemäss Th. 13×) und ausserdem dem speziellen Kommu - tationsgesetze 12×) unterworfen, welche somit bei zwei Faktoren kommu - tativ ist, dies auch bei beliebig viel Faktoren sein muss, d. h. es gilt für sie der

Satz 13) e ( Allgemeines Kommutationsgesetz ). Auch bei einem Produkte von beliebig vielen Faktoren ist deren Reihenfolge gleichgültig.

Legt man von vornherein die Voraussetzungen 12×) und 13×) in ihrer Verbindung mit einander zugrunde, so kann man zu den allgemeinen Er - gebnissen 13) b und 13) e auch noch auf andre Weisen gelangen, über welche am vollständigsten wol mein Lehrbuch 1 Aufschluss gibt.

Hiermit nun sind wir zu dem Abschlusse gelangt, den wir er - strebten.

Ich gestatte mir nur noch eine Bemerkung darüber, was von der ganzen mathematisch so musterhaft strengen Betrachtung in Bezug auf ihre Stellung zur Logik zu halten.

Es wurde hier als ein sollte man meinen der Logik (im engsten Sinne) eigentlich fremdes Element, die Zahl, mit in den Kreis der Untersuchungen hereingezogen allerdings nur die natürliche Zahl oder Anzahl, jedoch in Gestalt von r und n auch die all - gemeine oder Buchstabenzahl. Dies geschah teils nebensächlich, teils wesentlich. Ersteres insofern wir die Zahlen als Suffixe des Buch - stabens a verwendeten: es boten eben a1, a2, an sich als zweck -615Ausdehnung der Sätze über Produkte etc. auf beliebig viele Terme.mässige Namen für die (irgendwievielen) n Faktoren dar, und diese Namen sind so gut wie irgendwelche andere. Letzteres bei dem Schlusse von n auf n + 1 durch welchen allein der Satz 13) a be - wiesen werden konnte und auf den wir auch schon sub Th. 4) Zusatz hinweisen mussten.

Der rein logischen Rechtfertigung dieses Schlusses (der voll - ständigen Induktion) in Verbindung mit solchen logischen Grund - betrachtungen, wie sie die Gewinnung des Begriffes der Anzahl (der Einheiten einer Menge) vorzubereiten helfen müssen, ist der § 51 im 2. Bande gewidmet. Aus dem gegenseitigen Hinübergreifen der beiden Disziplinen ist aber allerdings zu entnehmen, dass sich die Elemente der Logik und diejenigen der Arithmetik in Hinkunft wol nicht mehr ganz in der bisher beliebten scharfen Sonderung von einander vorzu - tragen empfehlen werden (resp. streng und gründlich abhandeln lassen), welche ich für die ersteren hier noch nach Möglichkeit aufrecht zu erhalten mich bestrebt habe. Die elementarsten (nämlich die Anzahl - ) Begriffe der quantitativen Logik müssen wenigstens bei den Buch - staben oder Symbolen schon zur Anwendung kommen dürfen, mittelst deren wir die Überlegungen der qualitativen Logik formuliren mögen wir diese jener auch vorangehen lassen. Wie denn auch um - gekehrt die Überlegungen der Arithmetik nie entbunden zu werden ver - mögen von der Befolgung jener denknotwendigen Gesetze, welche die (des Zählens sich noch enthaltende) allgemeine Logik aufstellt. In - zwischen mögen auch noch folgende Erwägungen zur Beachtung empfohlen sein.

Es wurde im Bisherigen von Reihenfolge oder (An -) Ordnung und von Gruppirung oder Zusammenfassung der Faktoren gehandelt, so gelegentlich früher auch von Eindeutigkeit der Operationen. Und sei bemerkt, dass wir hier nicht etwa aus den Begriffen von Eindeutigkeit resp. Ordnung und Gruppirung (welcher letztere eigentlich hier erstmalig zu gewinnen gewesen) werden abstrakte Folgerungen zu ziehen haben. Wir haben uns dafür vielleicht noch lange nicht weit genug in diese Begriffe und deren Definition vertieft, über die sich jedenfalls noch manches sagen liesse. Viel - mehr begnügten wir uns, diese Begriffe hier genetisch einzuführen, sie auf synthetischem Wege an dem Substrat der Faktoren entstehen zu lassen, gewissermassen den Anfänger zu denselben zu erziehen. Es war die Ein - flechtung dieser Begriffe in den Text für uns nur das Schema, die Formel, unter der wir das in den Sätzen bereits in seinem Wesen Erkannte nach - träglich allgemein und mnemonisch zusammenfassten.

Um zu erkennen, dass mit alledem keine fremden Elemente in unsre Disziplin wesentlich hereingezogen sind, braucht man sich nur etwa dasjenige, was wir hier allgemein als durchführbar erkannt haben,616Anhang 3.in jedem Falle seiner künftigen Anwendung wirklich durchgeführt zu denken. Z. B. solche Umformungen, die wir kraft des allgemeinen Kommutations - und Assoziationsgesetzes an Produkten uns künftighin gestatten werden, mag man jeweils auf die strikte Anwendung der Schemata 12×), 13×) und 16×) zurückführen, wie ich es zum Schlusse noch für ein Beispiel darlegen will. Es möge zum Exempel für die Gleichung: (a b) · (c d) = (a d) · (b c) der Beweis verlangt werden, weil man vielleicht den einen dieser beiden Ausdrücke in den andern zu verwandeln wünscht. Hier kann man unter Anwendung der darüber und darunter angesetzten Schemata wie folgt zum Ziele der gewünschten Umwandlung beweiskräftig gelangen: 〈…〉 . In dieser Weise durchweg zu verfahren, hiesse nun freilich, auf den Nutzen unserer allgemeinen Sätze zu verzichten, durch deren An - wendung wir ja ohne weiteres den einen Ausdruck in den andern (mittelst blosser Abänderung der Faktorenfolge) hätten umschreiben können. Allein der Hinblick darauf, dass man Obiges doch überall thun könnte, offenbart uns, dass die ganze Theorie doch nur auf den Prinzipien der §§ 4 und 12 wesentlich beruht.

[617]

Anhang 4. Logischer Kalkul mit Gruppen hiernächst von Funktional - gleichungen, mit Algorithmen und Kalkuln. (Zu § 12.)

Der gegenwärtige Anhang dient einem doppelten Zwecke: einem ausserhalb des Interessenkreises dieses Buches liegenden, und einem in denselben fallenden.

Der erste Zweck ist: die Grundzüge einer eigenen Zeichensprache zu entwickeln und systematisch zu erläutern, von der ich in anderweitigen Mitteilungen bereits beiläufigen Gebrauch gemacht habe und behufs Aufstellung einer allgemeinen Theorie der Verknüpfung einen noch viel umfassenderen Gebrauch zu machen haben werde einer Zeichensprache, die es mir namentlich durch ihre Einfachheit erst ermöglichen wird, die zahlreichen Ergebnisse meiner Untersuchungen über Funktionalgleichungen übersichtlich mitzuteilen und in knappster Form zu begründen.

Dieselbe lehnt sich übrigens an die allgemeine Zeichensprache des iden - tischen Kalkuls auf das innigste an.

Ihr Gebrauch wird auch in Anhang 5, wo sie nicht entbehrt werden kann, illustrirt.

Dem zweiten Zweck soll gegenwärtiger Anhang 4 nicht für sich allein dienstbar sein, sondern in Verbindung mit dem nächstfolgenden, gewissermassen sekundirt von Anhang 5. Er besteht in der Lieferung des schuldig gebliebenen Beweises für eine in § 12 unsrer Disziplin aufgestellte, für die Theorie der Erkenntniss wol nicht belanglose Be - hauptung: dass nämlich ein gewisses Gesetz des folgerichtigen Denkens, die zweite Subsumtion des Distributionsgesetzes , nicht syllogistisch bewiesen werden kann.

Behufs Erreichung dieses Zieles werde ich aus meinen Unter - suchungen über Funktionalgleichungen eine kleine aber interessante Episode (ganz elementarer Natur) herauszugreifen und in Anhang 5 vorzuführen haben.

Dieselbe dient zugleich als eine Exemplifikation, sie liefert ein spezielles Substrat für die allgemeinen Betrachtungen des Anhang 4,618Anhang 4.und zwar ein solches, über dessen Realität kein Zweifel obwalten kann, indem ich zu allen in Betracht zu ziehenden Funktionalgleichungen auch Lösungen angebe, welche ohne Vorkenntnisse von jedermann leicht als solche erkannt und verifizirt werden können so schwierig sie mitunter auch zu entdecken waren. Durch die Existenz von Lösungen wird dargethan, dass jene Funktionalgleichungen wirklich bestehen können und für gewisse Funktionen (für eben diese Lösungen) in der That als allgemeine Formeln gelten.

Von mathematischen Bildungselementen dürfte hierbei kaum mehr als der Begriff der eindeutigen Funktion (wenigstens von zwei Argumentzahlen) vorausgesetzt erscheinen.

Bei den Auseinandersetzungen werde ich wiederholt zwei meiner Ab - handlungen zu citiren haben die erstere lediglich, um für Diejenigen, die sie kennen, den Zusammenhang mit dem Gegenwärtigen herzustellen. Von der zweiten werde ich das zum Verständniss des Ganzen und der be - absichtigten Nutzanwendungen Unentbehrliche nachstehend ebenfalls kurz - möglichst zusammenstellen, sodass der Leser, welcher verstehen will, nicht gezwungen sein wird, Einsicht von derselben zu nehmen. Immerhin dürfte aber solche Einsichtnahme hier als wünschenswert zu bezeichnen sein, wenigstens soweit die hier angezogenen einleitenden Paragraphen dieser zweiten Abhandlung in Betracht kommen. Ich werde diese Abhandlungen in Anhang 4 und 5 immer mit (l. c.) 7 und (l. c.) 8 citiren, siehe unter Schröder das Literaturverzeichniss.

Gegenstand der Untersuchung sei eine Mannigfaltigkeit U von Sätzen, deren jeder für sich betrachtet gelten oder auch nicht gelten kann, im ersten Fall aber auch die Geltung von noch andern Sätzen derselben Mannigfaltigkeit nach sich zieht auf Grund von Prinzipien P welche selbst der gedachten Mannigfaltigkeit nicht durchaus anzugehören brauchen. Die sämtlichen Sätze der Mannigfaltigkeit seien ferner mit einander und mit den Prinzipien verträglich.

Derartige Sätze wären z. B. diese: Das Dreieck A B C ist rechtwinklig , Die Funktion f (x, y) ist symmetrisch denen wir im Aussagenkalkul als Gelegenheitsurteilen wieder begegnen werden. Es kommt ganz darauf an, von welchem Dreieck, von welcher Funktion, die Rede ist je nachdem werden die angeführten Sätze gelten oder nicht gelten. Die Geltung des ersten Satzes zieht die Geltung einer ganzen Reihe anderer auf das Dreieck A B C bezüglicher Sätze oder Aus - sagen nach sich, nämlich aller derjenigen, welche Eigenschaften konstatiren, die auf Grund der Prinzipien (Axiome) der Euklidischen Geometrie aus der Rechtwinkligkeit folgen. Ebenso zieht die Geltung des zweiten Satzes beispielsweise die Folgerung nach sich, dass die beiden Umkehrungen der Funktion f (x, y) mit einander identisch sind auf Grund der Voraus - setzung, die man hier als zu den Prinzipien . gehörig ansehen mag, dass die Funktion eine eindeutige Umkehrung überhaupt zulasse.

619Logischer Kalkul mit Gruppen von Funktionalgleichungen.

Nachdem hiermit der allgemeine Charakter des Substrates unsrer Untersuchung hinlänglich gekennzeichnet sein dürfte, empfiehlt es sich, ein spezielles Substrat dieser Art nunmehr hervorzuheben, eine ganz bestimmte Mannigfaltigkeit von Sätzen namhaft zu machen und jeweils zur Illustration zu benutzen:

Die Sätze der Mannigfaltigkeit seien analog dem zweiten der vorstehenden Beispiele f (x, y) = f (y, x) durch arithmetische Formeln darstellbare, nämlich Funktionalgleichungen.

Als eine Formel hingestellt zu werden verdient eine Funktional - gleichung insofern, als sie für eine Funktion, die ihr genügt, den Charakter der Allgemeingültigkeit besitzt, nämlich gelten wird für jedes erdenkliche Wertsystem der Argumente, welches man irgend aus dem Gebiete der Zahlen herausgreifen mag. Keineswegs aber braucht die Funktionalgleichung auch erfüllt zu sein für jede Funktion, vielmehr haftet ihr auch ein synthetischer Charakter an insofern als sie dienlich sein kann, gewisse Funktionen (oder Klassen von solchen) als solche, die ihr genügen sollen, zu bestimmen. So bestimmt ja in der That die Funktionalgleichung f (x, y) = f (y, x), wenn sie analytisch ( allgemein , für alle Wertepaare x, y) gelten soll, die Funktion f als eine symmetrische; für eine solche aber ist sie dann als eine Formel erfüllt.

Der Name Formel , den wir hier den Funktionalgleichungen beilegen, rechtfertigt sich ausserdem durch die nachfolgend für sie einzuführende symbolische Schreibweise, in welcher sie einen ähnlichen Anblick dar - bieten werden, wie die bekannten Formeln der allgemeinen Arithmetik wie z. B. Kommutations - und Assoziationsgesetz gelegentlich auch geradezu mit solchen zusammenfallen.

Und zwar mögen unsre Funktionalgleichungen sich nur beziehen auf eine Funktion zweier Argumente nebst ihren beiden Umkehrungen, die ich nach den (l. c.) 8, § 1 dargelegten Grundsätzen symbolisch als Produkt, Verhältniss und Bruch schreibe und alle drei als vollkommen eindeutig voraussetze.

Die dreifache Voraussetzung dieser Eindeutigkeit nebst den, den Gegensatz der drei Grundoperationen (oder die Definition von zweien derselben durch die dritte) zum Ausdruck bringenden sechs Funda - mentalbeziehungen [die ich sogleich angeben werde vergl. auch (l. c.) 8, § 2] konstituiren alsdann die Prinzipien P, nach denen Folgerungen zu ziehen sein werden.

Für f (a, b) werde also kürzer blos a b geschrieben, und dies ein symbolisches Produkt genannt. Zu jedem beliebigen Wertepaar a und b soll es stets einen und nur einen Wert von f (a, b) oder a b im Gebiete der Zahlen geben. Die Aufsuchung dieses Wertes für gegebene a, b ist eine Operation, die wir demnach als die erste Grundoperation (oder symbolische Multiplikation ) bezeichnen werden. Für ein gewisses Werte - paar a, b sei c der Wert von a b, sonach a b = c.

620Anhang 4.

Für die im Anhang 5 gegebenen Beispiele wird sich allemal der Wert c in einer die Funktion a b definirenden Tabelle (Funktionstafel in Gestalt eines symbolischen Einmaleinses) aufschlagen lassen.

Nun kann man aber auch, wenn b und c gegeben sind, nach dem Werte (oder den Werten) von a fragen, die so beschaffen sind, dass a b gerade gleich dem gegebenen c ist, und ebenso, wenn a und c gegeben sind, nach dem oder denjenigen Werten von b, für welche a b = c wäre.

Die Operationen, durch welche wir Antwort auf diese beiden Fragen erlangen, nennen wir die umgekehrten oder inversen Operationen von der als symbolische Multiplikation bezeichneten direkten Operation. Wir bezeichnen sie als symbolische Divisionen und zwar bezüglich mittelst Doppelpunktes als symbolische Messung und mittelst Bruchstrichs als symbolische Teilung ; sie bilden die beiden andern von den drei Grund - operationen . Auch sie werden jeweils äusserst leicht an der die Funktion a b erklärenden Funktionstafel auszuführen sein.

Wir nehmen nun ferner an, dass die Antwort auf die gestellten Fragen stets (für jedes Wertepaar von a und c, sowie von b und c) und immer nur auf eine Weise gegeben werden könne, oder wie man sagt, dass die beiden symbol. Divisionen (gleichwie die Multiplikation) unbedingt aus - führbar und nie mehrdeutig seien. M. a. W. wir erklären, nur mit solchen Funktionen a b uns beschäftigen zu wollen, bei welchen solche Ein - deutigkeit der Umkehrungen zutrifft. Sooft dann a b = a' b sein sollte, wird auch a = a' sein müssen; ebenso, wenn a b = a b' ist, wird b = b' folgen.

Dasjenige b, für welches bei gegebnen a, c: a b = c ist, nennen wir b = c: a und dasjenige a, für welches bei gegebnen b, c: a b = c ist, nennen wir a = 〈…〉 und nach der Voraussetzung wird es immer ein und nur ein solches geben, sodass das symbolische Verhältniss a: b und der symbolische Bruch 〈…〉 uns in jedem Falle (für gegebene Operationsglieder desselben) eine ganz bestimmte Zahl vorstellen werden.

Nach diesen Definitionen sind dann a b = c, b = c: a und a = 〈…〉 drei einander äquivalente Aussagen, und substituirt man den Ausdruck, welchen uns irgend eine dieser Gleichungen für den auf ihrer einen Seite isolirten Buchstaben als einen neuen diesem eben zukommenden Namen zur Verfügung stellt, in die beiden andern Gleichungen, so ergeben sich die sechs Beziehungen: b = (a b): a, a = 〈…〉 , a (c: a) = c, a = 〈…〉 , 〈…〉 b = c, b = c: 〈…〉 welche für die beiden, je in sie eingehenden Buchstaben den Charakter von allgemein gültigen Formeln haben müssen, da zweie von den drei Buch -621Funktionalgleichungen.staben von vornherein beliebig angenommen werden konnten (wodurch sich erst der dritte bestimmte).

Es wird deshalb gestattet sein, in obigen Beziehungsgleichungen die Buchstaben auch durch irgend welche andere zu ersetzen, und kann man sich für einen solchen Buchstabenwechsel entscheiden, dass in jeder von den Gleichungen nur mehr a und b und zwar der letztere b auf einer Seite isolirt vorkommen. Darnach werden sich die sechs Fundamental - beziehungen zu dem übersichtlichen Schema zusammenziehen lassen:

in welchem die im regelmässigen Sechseck angeordneten Ausdrücke dem im Mittelpunkt stehenden b gleichgesetzt zu denken sind, natürlich aber auch unter sich einander gleich gesetzt werden dürfen.

Endlich seien aber die zu betrachtenden Funktionalgleichungen auch von einer bestimmten Form. Sie seien diejenigen der Sorte a, b, c = a, b, c von (l. c.) 8, § 4, d. h. solche Gleichungen, in welchen beiderseits die Ergebnisse der Verknüpfung der nämlichen drei Buchstabenzahlen a, b und c durch irgend welche zwei successive von den drei symbolischen Grundoperationen stehen wo diesen Buchstaben nun von einander unabhängig beliebige Werte zukommen sollen. *)D. h. unter c soll jetzt nicht mehr der durch a und b bestimmt gewesene Wert des vorigen Kontextes, sondern ein ganz beliebiger Wert verstanden werden.

Unsre Mannigfaltigkeit umfasst darnach 990 (nicht durch Buch - stabenvertauschung auf einander zurückführbare und nicht identische) Gleichungen, die man leicht vollständig hinschreiben kann, und deren Gesamtheit ich also U hier zu nennen haben werde. [In Anhang 5 werden nur wenige Gruppen von diesen Gleichungen wirklich in's Auge zu fassen sein.]

Derselben gehören die Prinzipien P hier überhaupt nicht an.

Die in diesen Funktionalgleichungen auftretenden Argumente oder Operationsglieder a, b, c mussten dabei stets als allgemeine Zahlen eines bestimmten, sei es diskreten, sei es kontinuirlichen, begrenzten oder auch unendlichen Zahlengebietes aufgefasst werden. [Wirklich in Betracht kommen werden für uns aber nur Zahlengebiete, die aus einigen wenigen Ziffern bestehen.]

Indem (l. c.) 8, § 9 eine Funktion von mir konstruirt ist, welche622Anhang 4.für das ganze Gebiet der komplexen Zahlen die 990 besagten Gleichungen gleichzeitig erfüllt aber schon dadurch auch, dass eingangs des Anhang 5 eine Funktion angegeben ist, welche dies wenigstens für ein Zahlengebiet aus zwei oder vier Ziffern thut ist die Existenz von Lösungen für alle diese Funktionalgleichungen sowie die Verträglich - keit der letztern miteinander dargethan.

Die 990 Formeln unsrer Mannigfaltigkeit U würden in der üblichen Gestalt von Funktionalgleichungen erscheinen, wenn man für jedes sym - bolische Produkt a b wieder f (a, b), für die symbol. Quotienten a: b und 〈…〉 aber etwa φ (a, b) und ψ (a, b) bezüglich schriebe. Beispielsweise müsste so die Formel: 〈…〉 = b 〈…〉 eigentlich lauten: ψ {φ (b, c), a} = f {b, ψ (a, c)}.

Subsumtion.

Um hinfort nicht allzu abstrakt zu reden, halte ich mich schon bei der Darstellung der allgemeinsten Begriffserklärungen und Theoreme an das hervorgehobene spezielle Substrat U.

Unter A, B, C verstehen wir lauter Algorithmen , d. h. irgend - welche Gruppen von Funktionalgleichungen, herausgegriffen aus der Mannigfaltigkeit , d. i. dem Gebiete der 990 Formeln U.

Ich unterscheide dabei, wie anderwärts, zwischen Formelgruppen und Formelsystemen, indem ich unter einer Formelgruppe verstehe ein solches System von Formeln des Gebietes, welches keine ihm nicht bereits angehörige Formel des Gebietes kraft der Prinzipien nach sich zieht also ein System, welches ergänzt worden ist durch den Zuzug aller seiner Konsequenzen, so weit diese wieder dem Gebiete U angehören.

Von andern Formelsystemen, als den in dieser Weise zu Algo - rithmen kompletirten Gruppen sei hier überhaupt nicht die Rede. Nur sei in Bezug auf die ohne Rücksicht auf logischen Zusammenhang ge - bildeten Formelsysteme bemerkt, dass sich auf sie ohne weiteres jener Kalkul anwenden lässt, der für Gebiete einer Mannigfaltigkeit überhaupt in der Algebra der Logik aufgestellt worden ist, und den wir in dieser Anwendung den identischen Kalkul mit Formelsystemen zu nennen haben werden im Gegensatz zu dem sogleich zu begründenden logischen Kalkul mit Algorithmen .

Wenn A aus B (kraft der Prinzipien ) folgt, aber nicht umge - kehrt, so werden wir hier schreiben: α) A B. 623Subsumtion.Es ist dann in der That das Formelsystem des Algorithmus A kleiner, nur ein Teil (m. a. W. echter Teil ) des Formelsystems des Algo - rithmus B.

Allerdings ist auch die umgekehrte Schreibweise berechtigt und wird im Aussagenkalkul vorgezogen vergl. Bd. 2 § 28 im Hinblick darauf, dass die Zeit, während welcher (resp. die Klasse der Gelegenheiten bei welchen) die von einer andern B einseitig bedingte Aussage A als wahr anzuerkennen ist, nur ein Teil sein wird der Zeit (resp. etc.) während welcher die Aussage A gilt:

Wenn (wann, solange, sooft) B gilt, gilt auch A aber nicht umge - kehrt; A kann auch gelten ohne B.

Ebenso ist nun auch hier die Gesamtheit der Fälle in welchen (die Klasse der Funktionen, für welche) der Algorithmus B erfüllt wird, nur ein Teil von derjenigen, für welche es der Algorithmus A ist. Unter diesem Gesichtspunkt müsste man eigentlich die Schreibung: β) B A zur Darstellung des vorausgesetzten Sachverhalts wählen.

Wenn demnach das Zeichen der Unterordnung genau dem Zeichen < entsprechend verwendet werden soll, so hat man doch für ein - unddieselbe Beziehung a priori unter zwei Schreibweisen die Wahl, nämlich einer extensiven α), bei der mehr auf die räumliche (Flächen -) Ausbreitung der etwa geschrieben gedachten Sätze oder Formelsysteme gesehen, und einer intensiven β), bei welcher mehr auf ihre zeitliche Ausdehnung, ihre Gültigkeitsdauer, das Augenmerk gerichtet wird, oder sofern man von einer solchen nicht sprechen mag auf die Klasse der Gelegenheiten, wo sie Anwendung finden, hier also die Fälle des Erfülltseins oder die Klasse der Lösungen der Funktionalgleichungen.

Durch die Bevorzugung der extensiven vor der intensiven Schreibung unterscheidet sich der hier vorzutragende Kalkul schon in der Anlage von dem später vorzutragenden Aussagenkalkul.

Ich würde mich unter Umständen wol auch der zweiten Schreibweise anschliessen, muss aber hier der ersteren den Vorzug geben.

Folgt nicht nur A aus B, sondern auch B aus A, so sind die Formelsysteme der Algorithmen A und B identisch dieselben, und schreiben wir: A = B oder B = A.

Denn da wir nur mit Algorithmen zu thun haben wollen, so ist das Formelsystem A ergänzt zu denken durch Zuziehung aller seiner Konsequenzen, zu denen nach der Voraussetzung auch B gehört, und umgekehrt, d. h. beide sind eines.

Um lediglich auszudrücken, dass A aus B folgt, während un - bekannt ist oder unentschieden, offen gelassen werden soll, ob auch umgekehrt B aus A folge, werden wir schreiben: A B desgl. B A,624Anhang 4.was man wie bisher als eingeordnet oder sub lesen kann, daneben auch: A folgt aus B, ist Teil von B, in B enthalten; B bedingt, um - fasst A, schliesst A in sich, involvirt es ( implies A).

Darnach müssen die beiden Axiome zugegeben werden: I. A A. II. Wenn A B und B C, so ist auch A C.

Auch kann man, das Zeichen der eventuellen Unterordnung als das ursprüngliche ansehend, durch dieses das Gleichheitszeichen definiren mittelst der

Definition (1). Wenn A B und zugleich B A, so werde A = B genannt.

Versinnlichen wir uns die Algorithmen durch Flächengebiete der Ebene, so stellt wenn nur grosse anstatt kleine Buchstaben in sie eingetragen gedacht werden die Figur 1, S. 155, die Beziehung A B, und die Figur 2 ibid. die A = B dar, und falls A B, so findet entweder das eine oder das andre statt.

Diese Versinnlichung ist aber hier noch mehr als blosse Analogie, auch mehr als eine Abbildung: Man kann sich geradezu die Flächen - gebiete in soviele Parzellen zerlegt denken, als wie viele Gleichungen des Gebietes U der zugehörige (gleichnamige) Algorithmus umfasst, und in diese Parzellen wie in die Felder auf einem Bogen karrirten Papiers diese Gleichungen selbst hineingeschrieben, so wird damit das wirkliche Verhältniss der Formelgruppen A, B zu einander direkt zur Anschauung gebracht.

Multiplikation.

Wir definiren jetzt das logische Produkt A · B oder A B und die logische Summe A + B zweier Algorithmen, und bringen alsdann die Grundeigenschaften der so eingeführten Gebilde zum Ausdruck.

Hiebei wollen wir für alle Definitionen und Sätze durchweg die - selben Chiffren verwenden, welche den entsprechenden im identischen Kalkul zukamen, wenn diese auch hier in etwas anderem Zusammen - hange vorgebracht werden, weil ja gerade die anfängliche Überein - stimmung der beiden Kalkuln von erster Wichtigkeit ist.

A B stelle den, den beiden Algorithmen A und B gemeinsamen Formelkomplex vor, es sei also das logische Produkt der Formel - gruppen einerlei mit dem identischen Produkt der betreffenden Formel - systeme, cf. Fig. 9×, S. 214.

Dasselbe werde 0 genannt, also A B = 0 geschrieben, wenn A625Multiplikation.und B innerhalb U keine Gleichung gemein haben, und diese 0 werde als ein uneigentlicher, der Null-Algorithmus mit zu den Algorithmen gezählt.

Im andern Falle ist A B auch nicht blos ein Formelsystem, son - dern selbst wieder ein Algorithmus, indem es alle Gleichungen, die es innerhalb U nach den Prinzipien zur Folge haben kann, bereits in sich schliessen muss.

Ersichtlichermassen gilt nämlich (auch wenn A B nur Formel - system wäre): Th. 6×) A B A und A B B.

Hat nun A B innerhalb U eine Konsequenz C, so folgt diese, weil mit A auch A B gegeben ist, nach Prinzip II auch aus A, d. h. es ist C A; und ganz ähnlich folgt C B, d. h. es muss C den Algorithmen A und B schon gemeinsam sein, sich in A B befinden.

Die Multiplikation von Algorithmen ist ein ungemein fruchtbares Mittel, um neue Algorithmen A B zu limitiren, sie als vollständige oder Gruppen nachzuweisen, die Grenzen ihrer Konsequenzen (inner - halb U) zu erkennen, wenn bereits diejenigen der Faktoren A, B be - kannt, diese selbst limitirt sind. (Beispiele weiter unten, Anhang 5 sub Beleg 1 .)

Aus der Übereinstimmung der logischen mit der ( extensiv auf - gefassten) identischen Multiplikation geht hervor, dass jene auch die Grundeigenschaften von dieser besitzt; sie ist kommutativ und asso - ziativ, auch gilt z. B. Th. 14×) A · A = A was alles übrigens auch ganz direkt einleuchtet.

Speziell seien hier aber zum Bewusstsein gebracht die der Defi - nition (3) der Theorie entsprechenden beiden Sätze: (3×) 'Sooft X A und zugleich X B, so ist auch X A B. (3×)' 'Jedesmal, wenn X A B ist, muss auch X A und X B sein.

Der letztere (3×) '' von diesen beiden Sätzen erscheint im Hinblick auf Th. 6×) und II als geradezu selbstverständlich: Wenn X aus dem dem A und B gemeinsamen Formelsystem schon folgt, so folgt es a fortiori aus A, desgl. aus B.

Nicht in gleichem Grade (der Unmittelbarkeit) leuchtet aber der erste Satz (3×) 'ein. Liesse man hier ausser Acht, dass die Formel - gruppe X ganz dem Gebiet U angehören muss, so würde sich der Satz (3×)' leicht durch Beispiele widerlegen lassen. In der That ist der Fall denkbar, dass gewisse Behauptungen resp. Formeln X nachSchröder, Algebra der Logik. 40626Anhang 4.den ja ausserhalb U liegenden Prinzipien zwar aus den Prämissen A folgen, desgl. aus den Prämissen B, ohne jedoch aus den, den beiden Prämissensystemen gemeinsamen Elementen oder Gleichungen zu folgen, welche letztere sogar 0 sein, ganz fehlen können. (Betreffs wirklichen Vorkommens solchen Falles siehe Anhang 5, Beleg 2 .)

Wenn dagegen, wie vorauszusetzen, X, A, B komplete Algorithmen desselben Gebietes U sind, so muss, falls X aus A folgt, das Formel - system der Gruppe X geradezu ein Teil desjenigen von A sein, ebenso, falls auch X aus B folgt, ein Teil von B, und dann also ein Teil des dem A und B gemeinsamen Formelkomplexes (welcher mithin sicher vorhanden ist).

Sonach gelten also in der That die beiden Teile von (3×), einem Satze, von dem wir sahen, dass durch ihn das identische Produkt ausreichend definirt werden konnte. Diese Definition hätten wir anstatt der von uns gewählten unmittelbar intuitiven auch hier zu Grunde legen können.

Desgleichen gilt hier das Analogon der Definition (2×): 0 A, und zwar hat dieses einfach den Sinn, dass mit dem Gebiet der Felder, in welche die Formeln irgend eines Algorithmus eingetragen sind, auch jederzeit unbeschriebene Felder verbunden gedacht werden mögen. Nichts oder leere Felder bilden die Bedeutung des Nullalgorithmus, wenn wahr sein soll, dass jeder Algorithmus seine eigenen Formeln und ausserdem 0 enthält.

Zöge man indess die 18 Identitäten der Formelsorte a, b, c = a, b, c mit in den Bereich der alsdann 1008 Gleichungen umfassenden Mannig - faltigkeit U herein, so würden diese 18 den Inhalt des Nullalgorithmus ausmachen. Seine Bedeutung würde die Aussage sein, dass die For - meln a (b: c) = a (b: c), etc., allgemein gelten, und würden diese als konstanter unvermeidlicher Bestandteil sich in jedem Algorithmus mit vorfinden. Durch sie würde aber offenbar über Geltung oder Nicht - geltung von noch andern Formeln des Gebietes kein Präjudiz gegeben.

Addition.

Als die logische Summe A + B definiren wir denjenigen Formel - komplex, welcher nicht nur die Gleichungen von A und die von B sämtlich enthält, sondern auch noch alle diejenigen Gleichungen des Gebietes U dazu, welche aus diesen, wenn sie gleichzeitig als wahr627Addition.angenommen werden, auf Grund der Prinzipien hinzugefolgert werden können. *)Bei der intensiven Deutung würde unsre obige Summe als Produkt zu bezeichnen sein (unser Produkt aber nicht als Summe ).

Diese logische Summe A + B greift über die identische Summe A (+) B der Formelsysteme im Allgemeinen hinaus wie sich nachher leicht durch Beispiele belegen lassen wird (Anhang 5, Beleg 3 ).

Die letztere bedeutet bekanntlich das Formelsystem, zu welchem die Systeme A und B sich gegenseitig ergänzen; dieselbe wird im Allgemeinen kein Algorithmus sein, weil aus A und B zusammen als Prämissen sich oft noch weitere Gleichungen schliessen lassen werden, die weder dem A noch dem B für sich angehören.

Es ist demnach die logische Summe zweier Algorithmen etwa in folgender Weise durch eine Figur zu versinnlichen.

Sehr oft ereignet es sich, dass die logische Summe A + B sämtliche Gleichungen des Gebietes U umfasst. Diese konstituiren ja zusammen selbst einen Algorithmus: U0, welcher inner - halb des zur Illustration gewählten Substrates mit dem Formelsystem U zusammenfällt.

Dieser Algorithmus U0 möge für den

[figure]
Fig. 31.

Augenblick mit dem Zahlzeichen 1 bezeichnet werden, eine Kon - vention, die sich dadurch rechtfertigt, dass alsdann die Gleichung A · 1 = A allgemein gelten wird. Dann gilt für jedes Individuum A in der Mannigfaltigkeit der zur Betrachtung vorliegenden Algorithmen auch das Analogon der Definition (2+): A 1.

Und endlich gelten die beiden Sätze, welche in der Theorie die Definition (3+) der identischen Summe zusammensetzten:

  • (3+) '. Wenn A X und B X, so ist auch A + B X.
  • (3+) '' Wenn A + B X, so ist auch A X und B X.

Da nach unsrer Definition der logischen Summe offenbar: Th. 6+) A A + B und B A + B sein muss, so erscheint der letztere Satz (3+) '' nach II als geradezu selbstverständlich: Wenn A nebst B und allem, was beide noch zur Folge haben, aus X folgt, so folgt natürlich auch A aus X und B aus X.

Weniger unmittelbar leuchtet der erstere Satz (3+) 'ein.

Wäre X kein Algorithmus, sondern blos ein Formelsystem, aller -40*628Anhang 4.dings ganz aus U, jedoch irgendwie, herausgegriffen, so wäre ein Fall denkbar, wie ihn die folgende Figur versinnlicht: wo zwar A und B

[figure]
Fig. 32.

ganz in X liegen, dagegen A + B doch nicht in X enthalten ist (vgl. An - hang 5, Beleg 4 ). Es brauchte dann (3+) 'nicht zu gelten.

Nun aber sollte X einen Algorith - mus (innerhalb U) bedeuten, komple - tirt durch Hinzuziehung aller seiner nach den Prinzipien bedingten Kon - sequenzen. Wenn dieser A zur Folge hat, dessen ganzes Formelsystem in sich schliesst, desgl. B zur Folge hat, so hat er auch alles das zur Folge, was kraft der Prinzipien aus A und B zusammen noch weiter gefolgert werden kann, d. h. er hat auch A + B zur Folge und schliesst dessen ganzes Formelsystem von Hause aus in sich.

Hiermit ist sorgfältigst erkannt, dass die Axiome I und II, sowie die Definitionen (1), (2), (3) des identischen Kalkuls auch in dem logischen Kalkul mit Algorithmen*)Hätten wir ein umfassenderes Substrat gewählt, so wäre dieser auch als ein Kalkul mit Kalkuln zu bezeichnen. unmodifizirt Geltung haben.

Diese aber bildeten ausschliesslich die formale Grundlage für den ersten Teil jenes Kalkuls, soweit er in den Paragraphen 4, 5 bis 10, 11 der Theorie dargestellt ist. Folglich können wir auch alle aus dieser Grundlage streng deduktiv dort abgeleiteten Sätze jetzt ohne weiteres in den logischen Kalkul herübernehmen, die kleinen Buch - staben von ebendort in grosse umschreibend einschliesslich der ersten Subsumtion, Th. 25×), des Distributionsgesetzes.

Dass die zweite 26×) nicht gilt, werden wir gegen Schluss belegen (Anhang 5, Beleg 5 ); doch sei bemerkt, dass von dem nur diesen Zweck im Auge Habenden die vorhergehenden und nachfolgenden Be - lege des Anhang 5 überschlagen werden können.

Was vorstehend erörtert und festgesetzt worden an dem Substrat der resp. für die Algorithmen oder Gruppen von Funktional - gleichungen , das lässt sich noch allgemeiner und für die Gruppen - theorie überhaupt aufrecht erhalten.

Der Begriff der Gruppe hat neuerdings fast in der gesamten Mathe - matik eine rapid steigende Bedeutung und zunehmend verbreitete Anwen -629Logischer Kalkul mit Gruppen.dung gefunden. Sind doch Herrn Dedekind's Zahlenkörper, Kronecker's Rationalitätsbereiche, etc. nichts anderes wie Gruppen , und wie die Sub - stitutionentheorie sich fast nur um Gruppen von Substitutionen dreht, so haben auch für die Geometrie Herrn Walter Dyck's gruppentheoretische Untersuchungen, für die höhere Analysis Herrn Sophus Lie's Trans - formationsgruppen etc. eine fundamentale Wichtigkeit erlangt. Nicht minder sah die Mechanik sich genötigt Gruppen von Bewegungen (Translationen und Rotationen) zu studiren, und ist mit deren Studium durch Camille Jordan u. a. die Bravais-Sohncke'sche Erklärung der Krystallstruktur erwachsen, u. s. w.

Unter solchen Umständen dürfte es wohl verlohnen, die Gesetze, nach welchen alle Forscher, die sich mit Gruppen beschäftigen, wenn auch viel - leicht unbewusst, denken, sich einmal gründlich zum Bewusstsein zu bringen, zumal diese Gesetze in ihren elementarsten Grundzügen sich als keine andern erweisen als die der Logik überhaupt und des identischen Kalkuls, bis exclusive zur zweiten Subsumtion des Distributionsgesetzes.

Ist ein System von Dingen gegeben, die wir Elemente nennen wollen, und kennen wir einen Prozess, durch welchen aus irgend - welchen von diesen Elementen sich neue Gebilde erzeugen, herstellen, ableiten lassen, so vermögen wir auch die letzteren als weitere Elemente zu dem System der bisherigen hinzuzuschlagen, sie sozu - sagen dem Systeme als neue Errungenschaft anzugliedern .

Auf diese Weise kann man fortfahren, und den gleichen Prozess auch auf die (oder irgendwelche) Elemente des so erweiterten Elemente - systems anwenden, solange überhaupt der Prozess noch neue Dinge als Elemente zu liefern vermag und auf die hinzutretenden anwendbar bleibt.

Den Prozess haben wir uns hienach begrifflich bestimmt zu denken als eine gewisse Art von Prozessen. Sofern wir ihn eigenmächtig aus - führen können, mögen wir ihn auch eine Operation nennen, oder, wenn sich an dieser verschiedene Stadien unterscheiden lassen, ihn hinstellen als ein System von Operationen (den Teiloperationen der vorerwähnten als - dann zusammengesetzten Operationen); die Reihenfolge solcher Teil - operationen kann eine vorgeschriebene, oder auch ganz oder teilweise in unser Belieben gestellte sein, je nach der Art, wie der Prozess begrifflich bestimmt erscheint. Operationen können (als uni-näre ?) schon aus einem Elemente (zuweilen oder immer) ein neues erzeugen, oder aber als Knüpfungen deren zweie oder mehrere bedürfen um ein neues Element hervorzubringen ( binäre , ternäre und multi-näre ? Knüpfungen). Als auf Beispiele sei auf Negation und Multiplikation als solche Operationen hingewiesen.

Durch die Vorschrift, welche die Natur des Prozesses bestimmt und durch die ursprünglich gegebenen Elemente ist in allen Fällen die Mannigfaltigkeit der Objekte des Denkens bestimmt, welche durch den Prozess aus jenen Elementen ableitbar sind.

630Anhang 4.

Vorbehaltlich jedoch dessen, dass die als gegeben hingestellten Ele - mente nicht bereits unverträglich miteinander seien und dass als Elemente nicht etwa Klassen von Elementen figuriren. Die erstere Forderung er - scheint sofort als eine selbstverständliche. Bei Nichtbeachtung der letztern aber müsste späterhin Verwirrung, Konfusion entstehen, es müssten Wider - sprüche sich ergeben insofern keine Sicherheit, keine Garantie dagegen vor - läge, dass wir nicht bei den nötig fallenden Unterscheidungen zwischen den Elementen ein bestimmtes Element als solches (bei einer bestimmten Betrachtung) auszuschliessen und zugleich dasselbe als ein Individuum einer solchen Gattung oder Klasse, die selbst Element ist, zuzulassen hätten. Nur höchstens kollcktive Zusammenfassungen von Elementen zu einem Systeme solcher, nicht aber generelle (zu einer Gattung von solchen) wird man wiederum als Elemente gelten lassen dürfen. M. a. W. das System der dem Prozess der Gruppenbildung zu unterwerfenden Elemente wird von vornherein in dem in den §§ 7, 9 und 16 erläuterten Sinne eine konsistente sowol als reine, wird eine gewöhnliche Mannigfaltigkeit sein müssen, und auch der Prozess der Gruppenbildung ist der Einschränkung zu unterwerfen, muss so beschaffen sein, dass jenes System bei seiner Er - weiterung zur Gruppe eine solche Mn. stets bleiben wird.

Die also aus den gegebenen Elementen ableitbaren Elemente bilden mit diesen selbst zusammen ein System, welches die durch die erstern bestimmte, denselben zugehörige Gruppe zu nennen ist, und dürfen jene als ausreichende Bestimmungselemente dieser Gruppe hingestellt werden.

Der Begriff der Gruppe ist hienach ein engerer als der des Elemente - systems ; jede Gruppe ist ein Elementesystem, aber nicht jedes Elemente - system ist eine Gruppe.

Hienach ist klar, dass (zunächst) die Begriffserklärungen der Ein - ordnung oder Subsumtion, der Gleichheit und der Unterordnung auf die Gruppen ebenso anwendbar sein werden, wie auf die Elemente - systeme überhaupt, und bedarf der Ansatz: A B, oder die damit äquivalente Redensart: die Gruppe A ist Untergruppe der B, keiner neuen Erklärung.

Die in der Wissenschaft eingeführte Arbeitsteilung bringt es mit sich, dass auch gruppentheoretische Untersuchungen sich immer nur auf eine (begrifflich) bestimmte Mannigfaltigkeit von Objekten des Denkens zu beziehen haben, aus welcher nur die Bestimmungselemente aller in Betracht zu ziehenden Gruppen allein hervorzuheben sind. Diese Mannigfaltigkeit (die wir, wie gesagt als eine gewöhnliche vorauszusetzen haben) bestimmt ihrerseits eine Gruppe, oder besser gesagt, sie ist wenn mit Rücksicht hierauf eben vollständig, um - fassend genug, charakterisirt schon selbst eine Gruppe.

Diese Gruppe, die umfassendste, welche alle denkbaren Gruppen631Logischer Kalkul mit Gruppen.des vorliegenden Untersuchungsfeldes in sich schliessen wird und, als blosses Elementarsystem aufgefasst, etwa die zugrundeliegende Mannigfaltigkeit zu nennen wäre mag die vollständige Gruppe (schlechtweg) genannt werden. Sie entspricht der identischen Eins , 1, des Aussagen - und Gebietekalkuls und würde nicht unpassend auch als die Gruppe 1 hingestellt werden.

Dieselbe ist jedoch bei den Substitutionen z. B. nicht mit der identischen Substitution 1 zu verwechseln, welche letztere vielmehr, wie nachher erhellt, eine Nullgruppe , die Gruppe 0 konstituiren wird.

Als Produkt A · B oder A B zweier Gruppen A und B gilt uns das System der Elemente, welche sowol der Gruppe A als auch der B angehören m. a. W. das identische Produkt der zugehörigen Elementesysteme, die Gemeinheit dieser Systeme in Herrn Dede - kind's1 Ausdrucksweise. Dasselbe muss, sofern es kein leeres (oder Nullsystem ) ist, allemal selbst eine Gruppe sein.

Denn wäre dies nicht der Fall, so müsste durch den Prozess der Gruppenbildung aus seinen Elementen ein neues ableitbar sein, welches ihm selbst, dem Systeme A B, nicht angehört, und darum auch nicht dem System A und dem B zugleich angehören kann, vielmehr wenigstens einem dieser beiden sagen wir dem System A nicht angehören wird. Da laut Definition die Elemente von A B aber sämtlich auch Elemente von A (sowie von B) sind, so wäre es hienach auch gelungen, aus den Elementen des Systems A ein neues, diesem nicht angehöriges Element abzuleiten im Widerspruch mit der Voraussetzung, dass A eine Gruppe gewesen.

Nullgruppe oder Gruppe 0 nennen wir das Produkt aller er - denklichen Gruppen, welche in der vollständigen Gruppe (als Unter - gruppen) enthalten sind (diese selbst also einbegriffen).

Wo etwa auch ein mit 0 bezeichnetes Element auftritt, ist diese Gruppe 0 von dem Elemente 0 natürlich zu unterscheiden.

Die Nullgruppe wird eine eigentliche Gruppe sein auf jedem solchen Untersuchungsfelde, wo gewisse Elemente in jeder Gruppe enthalten, allen Gruppen gemeinsam sein müssen.

So z. B. wird im Gebiet der Substitutionsgruppen die Nullgruppe be - stehen aus der einen identischen Substitution 1; in der Gruppentheorie des identischen Kalkuls vergl. Anhang 6 wird die Nullgruppe aus den beiden Elementen 0 und 1 bestehen, und auch auf dem Gebiet der Gruppen von Funktionalgleichungen oder Algorithmen können der Null - gruppe als Inhalt oder ihre Bedeutung eventuell untergelegt werden: die sechs Fundamentalbeziehungen nebst all den Formeln, welche etwa noch auf Grund derselben allgemein, als analytische Gleichungen, gelten.

Andernfalles wird die Nullgruppe als eine uneigentliche, nämlich inhaltlose oder leere, zu gelten haben.

Summe A + B zweier Gruppen A und B nennen wir diejenige632Anhang 4.Gruppe, welche aus den Elementen von A und B zusammengenommen ableitbar ist, welcher m. a. W. die Elemente der identischen Summe der Elementesysteme A und B als Bestimmungselemente dienen. Die erstere greift über die letztere im allgemeinen hinaus, wie gelegent - lich gegebene Beispiele darthun.

Es würde nun blos eine Wiederholung desjenigen sein, was wir im identischen oder Gebietekalkul bereits eingehendst durchgesprochen haben (was uns ferner behufs Angliederung der Dedekind'schen Kettentheorie obliegen wird, in neuer Fassung aufzufrischen) und was wir endlich für das Substrat der Algorithmen im Eingang gegenwär - tigen Anhanges erinnernd in Anspruch zu nehmen hatten, wollten wir von neuem darlegen, wie aus den hiemit gegebenen Grundlagen wieder alle Gesetze des identischen Kalkuls bis zu dem in § 12 charakteri - sirten Divergenz - oder Abzweigungspunkte hin als auch für den Gruppenkalkul gültige fliessen. Wir dürfen diese Gesetze für ihn hinfort ohne weiteres in Anspruch nehmen.

Ist der gruppenbildende Prozess eine uninäre Knüpfung, d. h. eigent - lich gar keine Knüpfung, sondern vielmehr eine Operation, mittelst welcher je aus einem Elemente immer schon ein eventuell neues als Funktion oder Bild desselben abgeleitet werden kann wie z. B. im identischen Kalkul die Operation des Negirens, in der Arithmetik die der Quadratwurzel - ausziehung, oder die Herstellung des Briggs'schen Logarithmus, etc. so steht nichts im Wege die gedachte Ableitung als eine Abbildung an - zusehen, und deckt sich der Begriff der Gruppe mit dem Dedekind'schen Begriff der Kette . Des Letzteren Ketten sind die durch einen Abbildungs - prozess erzeugten Gruppen. Der Gruppentheorie ordnet die Theorie der Ketten als ein besondrer Zweig sich unter.

Es könnte sogar scheinen als ob die letztere sich ebensoweit erstreckte, wie die erstere. Denn ist die eindeutige Abbildung eine solche nur ein - seitig, nicht auch umgekehrt, ist sie eine unähnliche , so mögen irgend - viele Elemente das nämliche Bild haben. Dieses Bild als das Ergebniss einer Verknüpfung jener Elemente hinzustellen, geht aber dann nicht an, weil der Unterschied besteht, dass es diesen nicht erst in ihrer kollektiven Verbindung, als dem Systeme derselben, sondern dass es ihnen bereits einzeln genommen, distributiv oder generell, eindeutig entspricht. Immerhin ergeben sich aus diesem Verhältnisse vielleicht Anknüpfungspunkte für beide Theorieen.

Die Gruppentheorie ist hienach anzusehen als eine wirkliche Erweiterung der Theorie der Ketten.

[633]

Anhang 5. Substrat zum vorigen Anhang und Material zu dessen Belegen.

Als solches muss ich jetzt ein paar spezielle Algorithmen des Gebietes U vorstellen.

Voraus bemerke ich, dass ich den logischen Zusammenhang zwischen den 990 Formeln dieses Gebietes längst vollständig erforscht habe und denselben auch auf die einfachste Weise zu begründen vermag. Die Dar - legung dieses Zusammenhanges ist aber nicht der Endzweck der gegen - wärtigen Mitteilung. Vielmehr beabsichtige ich ja, denselben nur nebenher zu benutzen, um durch gegenteilige Beispiele darzuthun, dass gewisse Sätze im logischen Kalkul keine Geltung zu haben brauchen.

Ich kann mich daher in Bezug auf das unter vielen denkbaren, ebenfalls schon ziemlich von mir durchforschten Formelgebieten [vergl. (l. c.) 8, § 3 und 4] willkürlich ausgewählte Gebiet U darauf beschränken, die meinem Hauptzweck dienlichen Thatsachen einfach anzuführen, sofern diese Thatsachen (mit mehr oder weniger Mühe) von jedermann kontrolirbar sind, und brauche ich dabei weder auf die Methoden einzugehen, durch welche sie (im Zusammenhang) am bequemsten zu beweisen wären, noch darauf, wie sie gefunden wurden.

Die Ableitung der einen Formeln aus den andern, von denen sie mit - bedingt werden, ist zudem leicht und ganz elementar zu bewerkstelligen und mag deshalb dem Leser überlassen bleiben. Nur in Bezug auf das schwierige (und hier besonders wichtige) Problem der Abgrenzung jeder Formelgruppe will ich beweiskräftige Angaben machen.

Wesentlich sind es fünf Algorithmen, mit denen wir Bekannt - schaft zu machen haben.

10) Der Algorithmus U0 selbst, bestehend aus den sämtlichen 990 Gleichungen des Formelgebietes U [vergl. (l. c.) 8, § 7 sq.].

Für uns ist nur der Nachweis von Belang, dass es Funktionen gibt, die alle diese Funktionalgleichungen gleichzeitig erfüllen, dass diese also, als Formeln aufgefasst, miteinander verträglich sein müssen.

Der Nachweis ist zu leisten durch Angabe einer Funktion, die sie wirklich erfüllt. Eine solche wird nun für ein Zahlengebiet von vier Elementen, den Ziffern 1, 2, 3, 4, definirt (in Gestalt eines sym - bolischen Einmaleinses) vermittelst der Tafel:634Anhang 5.

  • 1 = 1 · 1 = 2 · 2 = 3 · 3 = 4 · 4
  • 2 = 1 · 2 = 2 · 1 = 3 · 4 = 4 · 3
  • 3 = 1 · 3 = 3 · 1 = 2 · 4 = 4 · 2
  • 4 = 1 · 4 = 4 · 1 = 2 · 3 = 3 · 2,

desgleichen auch schon für ein Zahlengebiet von nur zwei Elementen, 1 und 2, durch das erste Viertel dieser Tafel (es sind das die Funktionstafeln 10,0) 2 und 10,0) 4 von (l. c.) 7.

Überzeugen wir uns wenigstens für ein Beispiel davon, dass solches in der That der Fall ist. Unter anderm müsste etwa gelten: 〈…〉 eine Formel, aus der nebenbei gesagt, alle übrigen von U fliessen, die somit für sich schon eine ausreichende Prämisse des Algorithmus U0 bildet (dergleichen er 156 innerhalb U besitzt). In der Formel dürfen wir nun für a, b, c irgendwelche von den Ziffern 1, 2, 3, 4 setzen, und müssen, falls sie gültig, allemal eine richtige Gleichung erhalten. So muss sich z. B. herausstellen, dass 〈…〉 , sowie auch 〈…〉 , etc. ist. Um dies nachzusehen entnehmen wir aus der zweiten Zeile der Tafel vom letzten Produkte (als zusammengehalten mit seinem ange - gebenen Werte 2) dass 2: 4 = 3 ist, aus der vierten Zeile aber, dass 2 · 3 = 4. Durch Einsetzung dieser Werte kommt also die erstere Glei - chung hinaus auf: 〈…〉 , und dass dieses richtig ist, indem beide Seiten den Wert 1 haben, ist aus der dritten und vierten Zeile der Tafel vom ersten Produkt zu entnehmen.

Ebenso kommt die andre Gleichung auf 〈…〉 oder 1 = 1 hinaus.

Der Leser vergesse bei diesen Betrachtungen nicht, dass hier keines - wegs von eigentlichen Produkten und Quotienten die Rede ist, für welche ja das Einmaleins schon anderweitig feststeht. Vielmehr ist vorstehend 1 · 1 und 2 · 3 etc. nur aufzufassen als eine abgekürzte Schreibung ad hoc für f (1, 1) und f (2, 3) etc., und konnten solche Funktionswerte bei der Definition, tabellarischen Erklärung von f (x, y) doch nach Belieben fest - gesetzt werden!

So leicht es nun auch für ein Beispiel sich erwies, das Erfülltsein einer bestimmten Formel nachzusehen, so würde es doch bei ihr schon sehr weitläufig werden, solches für alle Wertsysteme der Argumente aus dem Zahlengebiete durchzuführen, und vollends kaum durchführbar, fast eine Lebensaufgabe, bei allen 990 Formeln des Formelgebietes U denselben empirischen Weg auszuschreiten.

Der Leser, welcher meinen in jedem beliebig herausgegriffenen Bei - spiele sich bewährenden Behauptungen gleichwol den Glauben versagt, muss635Substrat zum vorigen Anhang und Material zu dessen Belegen.deshalb verwiesen werden auf die generellen Schlüsse, durch welche ich (l. c.) 8 und an andern Orten das empirische Verfahren vereinfacht oder entbehrlich gemacht habe.

20) Der Algorithmus A1. Die Gleichung, welche das Assoziations - gesetz ausdrückt: b (a c) = (b a) c ist eine von den 990 Gleichungen U. Aus ihr fliessen noch 15 andere Gleichungen desselben Gebietes, und nur diese. Ich muss dieselben vollständig anführen. Sie lauten: (b: a): c = b: (a c), 〈…〉 , 〈…〉 ,

[figure]
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[figure]

wo die Seiten der beiden Dreiecke und des vollständigen Vierecks als Gleichheitszeichen zwischen den an die Ecken gesetzten Ausdrücken interpretirt zu denken sind.

Die Ableitung dieser 15 Gleichungen aus der Prämisse gibt zum Überfluss mein Lehrbuch der Arithmetik und Algebra, I. Band, p. 242 sqq.

Die vorstehenden 16 Gleichungen bilden dasjenige, was auf dem Gebiete U der Algorithmus A1 der (eindeutigen und eindeutig um kehrbaren) assoziativen Operationen zu nennen ist.

Dass wirklich keine andern als diese 16 Gleichungen des Gebietes aus dem ganzen Systeme folgen, kann auf die elementarste Weise nachgewiesen werden durch die folgende Tafel von Funktionswerten

  • 1 = 1 · 1 = 2 · 2 = 3 · 3 = 4 · 4 = 5 · 6 = 6 · 5
  • 2 = 2 · 1 = 1 · 2 = 3 · 6 = 6 · 4 = 4 · 5 = 5 · 3
  • 3 = 3 · 1 = 1 · 3 = 2 · 5 = 5 · 4 = 4 · 6 = 6 · 2
  • 4 = 4 · 1 = 1 · 4 = 2 · 6 = 6 · 3 = 3 · 5 = 5 · 2
  • 5 = 5 · 1 = 1 · 5 = 2 · 3 = 3 · 4 = 4 · 2 = 6 · 6
  • 6 = 6 · 1 = 1 · 6 = 2 · 4 = 4 · 3 = 3 · 2 = 5 · 5

welche auf einem Zahlengebiet von 6 Zahlen, die mit den Ziffern 1 bis 6 bequemlichkeitshalber benannt sind, in Gestalt eines symbolischen Einmaleinses eine vollkommen eindeutige und ebenso umkehrbare Funktion definirt.

636Anhang 5.

Man sieht leicht, dass dieses Zahlengebiet der einfachsten Gruppe , die es gibt, von nicht durchweg vertauschbaren Substitutionen entspricht, indem man das Element 1 mit der identischen Substitution , die Ele - mente 2, 3, 4 mit den Transpositionen (α β), (α γ) und (β γ) identifiziren kann, wo dann die Elemente 5 und 6 den cyklischen Substitutionen (α β γ) und (α γ β) entsprechen werden, und unsre symbolische Multiplikation zusammenfällt mit der eigentlichen Multiplikation der Substitutionen.

Wie die Multiplikation der Substitutionen überhaupt, so ist also auch die vorliegende jedenfalls assoziativ. Und auch der Nachweis, dass keine andern von den 990 Gleichungen U als die sub A1 angeführten 16 von der durch die Tafel definirten Funktion durchaus erfüllt werden, unter - liegt theoretisch nicht der geringsten Schwierigkeit. Dagegen würde, den - selben ohne weitere Vorbereitung direkt zu liefern, allerdings einen Auf - wand an Mühe erheischen, welcher der Kenntnissnahme der gesamten das Gebiet U erledigenden Theorie der Verknüpfung, nachdem dieselbe im Zu - sammenhange von mir dargelegt worden wäre, schon allein fast gleich - kommen dürfte.

Nebenbei sei noch bemerkt: Lässt man die vertikalen Seiten der beiden Dreiecke, sowie die Diagonalen des Quadrats in A1 fort, so bleiben diejenigen 12 von den 16 Gleichungen A1, deren jede für sich als eine ausreichende Prämisse von A1 zu bezeichnen ist und also innerhalb U die Tragweite 16 hat. Dagegen bilden die fortgelassenen 4 Gleichungen einen dem A1 untergeordneten Algorithmus K1, dessen Prämissen eben jene beiden Vertikalseiten (mit der Tragweite 4) sind. Von den Diagonalgleichungen des Quadrats bildet jede für sich einen eigenen Algorithmus: J2 resp. J3, indem sie keine weiteren Konse - quenzen innerhalb U nach sich zieht.

Diese Eigenschaft, innerhalb U die Tragweite 1 zu haben, kommt unter allen 990 Gleichungen U ausser den beiden genannten nur noch der Gleichung zu: 〈…〉 , die somit ebenfalls einen eigenen Algorithmus: J1 vorstellt. (Vergl. unten Beleg 1 .)

30) Der Algorithmus C1. Eine Prämisse desselben kann zunächst angegeben werden in Gestalt einer jeden von den beiden Gleichungen: 〈…〉 .

Diese gehören zwar dem Gebiete U nicht an; auf letzterem aber ziehen sie folgende 30 Gleichungen als Konsequenzen nach sich, die wir den Algorithmus C1 (der kommutativen Operationen) innerhalb U nennen.

637Substrat zum vorigen Anhang und Material zu dessen Belegen.
[figure]

wo die punktirten Linien Wiederholungen (Dubletten) anderer bereits als Seiten ausgezogenen Formeln vorstellen, aus denen sie durch ein - fache Buchstabenvertauschung hervorgehen und daher nicht mitzu - zählen sein werden.

Es ist nun bemerkenswert wenn auch für unsern Hauptzweck unwesentlich dass 29 von diesen 30 Gleichungen einzeln als Prä - missen des ganzen Algorithmus ausreichen, somit die Tragweite 30 haben. Nur die Diagonalgleichung des obersten Quadrats, d. i. die vorhin erwähnte Gleichung J1, teilt diese Eigenschaft mit den übrigen nicht, sondern bleibt ein in sich abgeschlossener Unteralgorithmus von C1 mit der Tragweite 1.

Eine dem Algorithmus C1 ausschliesslich unterworfene Multipli - kation definirt auf einem Gebiete von vier Zahlen die Tafel 111, 1) 4 und, auf eine zweite davon verschiedene Art auch die Tafel 121, 1) 4 meiner Abhandlung (l. c.) 7 welche lauten:

1 = 1 · 1 = 2 · 2 = 3 · 4 = 4 · 31 = 3 · 3 = 4 · 4 = 1 · 2 = 2 · 1
2 = 2 · 4 = 4 · 2 = 1 · 3 = 3 · 12 = 2 · 4 = 4 · 2 = 1 · 3 = 3 · 1
3 = 3 · 3 = 4 · 4 = 1 · 2 = 2 · 13 = 1 · 1 = 2 · 2 = 3 · 4 = 4 · 3
4 = 4 · 1 = 1 · 4 = 2 · 3 = 3 · 24 = 4 · 1 = 1 · 4 = 2 · 3 = 3 · 2.
638Anhang 5.

Für jede andre von den 990 Formeln U, welche nicht mit einer von den 30 angeführten zusammenfällt, ist der Leser wenigstens in der Lage, sich zu überzeugen, dass sie von den vorstehenden Funk - tionen nicht, oder nicht durchaus erfüllt wird.

40) Der Algorithmus O1, (l. c.) 8 § 5 besprochen und limitirt, kann nach den Elementen der Arithmetik definirt werden als die logische Summe: O1 = A1 + C1.

Bei genauerem Zusehen zeigt sich leicht, dass aus der Annahme, eine Multiplikation sei assoziativ und kommutativ zugleich, folgt, dass von den 990 Gleichungen U nun 150 erfüllt sind, nämlich alle die von einander verschiedenen Formeln, welche erhalten werden können durch Gleichsetzung irgend zweier der nachstehend vom selben Rechteck umrahmten Ausdrücke: O11 〈…〉 O12 〈…〉 O13 〈…〉 Das erste Rechteck enthält (als nicht durch blosse Buchstabenver - tauschung aufeinander zurückkommende) 14. das zweite 100, das dritte 36 von den genannten 150 Gleichungen, welche zusammen den Algo - rithmus O1 der gewöhnlichen Algebra oder sog. allgemeinen Arithmetik im Formelgebiete U ausmachen.

Auf einem Zahlengebiete von 3 resp. 4 Elementen erfüllen aus - schliesslich ihn die durch die beiden Tafeln, (l. c.) 7 31, 1) 3 und 91, 1) 4:639Substrat zum vorigen Anhang und Material zu dessen Belegen.

1 = 1 · 1 = 2 · 3 = 3 · 21 = 1 · 1 = 3 · 3 = 2 · 4 = 4 · 2
2 = 3 · 3 = 1 · 2 = 2 · 12 = 2 · 1 = 1 · 2 = 3 · 4 = 4 · 3
3 = 2 · 2 = 3 · 1 = 1 · 33 = 3 · 1 = 1 · 3 = 2 · 2 = 4 · 4
4 = 4 · 1 = 1 · 4 = 2 · 3 = 3 · 2

definirten beiden Funktionen, sodass eine jede von den (innerhalb U beiläufig 60) ausreichenden Prämissen von O1, wie z. B. die Gleichung (a b) c = b (c a), wirklich nur die Tragweite 150 (daselbst) besitzen kann.

50) Der Algorithmus C00. Wesentlich werden wir jetzt nur noch des nachstehenden Algorithmus bedürfen, welcher 18 Gleichungen des Gebietes U umfasst:

[figure]

und C00 genannt werden möge, in Anbetracht, dass er nur als ein Unteralgorithmus des schon anderwärts von mir erwähnten Algorith - mus C0 mit den Prämissen a b = a: b = 〈…〉 sich darstellt.

Die 12 Gleichungen an den beiden ersten sechsseitigen Sternen ziehen einander und auch die 6 am dritten Sternecke nach sich, wo - gegen von diesen letzteren immer nur die zwei Gleichungen an den parallelen Dreieckseiten einander gegenseitig bedingen, und ausserdem640Anhang 5.keine Konsequenzen haben. Es sei dies nur nebenbei zur Orien - tirung bemerkt.

Wesentlich ist aber der Nachweis, dass dieser Algorithmus kom - plet ist, keine weiteren als die angeführten 18 Gleichungen des Ge - bietes U zur Folge haben kann.

Dieser Nachweis lässt sich unschwer führen mit Hülfe der nach - stehenden Funktionstafel*)Ich habe dieselbe (mit etwas permutirten Ziffern) erstmalig auf dem 57sten Meeting der British Association, in Manchester vergl. Report für 1887, p. 621 der Öffentlichkeit übergeben., welche auf die einfachst mögliche Weise, und das ist für ein Zahlengebiet von 9 Elementen, eine eindeutige und eindeutig umkehrbare Funktion zweier Argumente so definirt, dass sie eben nur den angeführten Funktionalgleichungen C00, und keinen andern Formeln von U, Genüge leistet:

  • 1 = 2,58,197346
  • 2 = 3,69,278154
  • 3 = 1,47,389265
  • 4 = 5,82,431679
  • 5 = 6,93,512487
  • 6 = 4,71,623598
  • 7 = 8,25,764913
  • 8 = 9,36,845721
  • 9 = 7,14,956832.

Dieselbe ist in der bei den einfacheren Tafeln noch nicht beliebten Abkürzung geschrieben, welche verständlich wird durch die Bemerkung, dass die erste Zeile derselben ausführlicher lauten sollte: 1 = 2 · 2 = 5 · 8 = 8 · 5 = 1 · 9 = 9 · 7 = 7 · 3 = 3 · 4 = 4 · 6 = 6 · 1, und so weiter.

Als besonders beachtenswert müssen wir hervorheben, dass in C00 nur die beiden wagrechten Seiten des dritten sechsseitigen Sterns eine Eigenschaft ausdrücken, die auch der gewöhnlichen Multiplikation zu - kommt, sub O1 gilt, nämlich die Eigenschaft: E1) a (b: c) = a: 〈…〉 , 〈…〉 a = 〈…〉

Dies ist also ein Formelsystem, welches man durch ebendiese Wahrnehmung, dass O1 · C00 = E1641Belege.ist, als eine vollständige Gruppe, als einen eigenen Algorithmus von der Tragweite 2 (innerhalb U) erkennt.

Belege (überschlagbar).

Als Beleg 1 (cf. Anhang 4 unter Multiplikation ) mag ausser der Schlussbemerkung des vorigen Absatzes noch angeführt werden, dass die oben behauptete Vollständigkeit der aus nur einer Gleichung bestehenden Formelgruppe J1 hervorgeht durch die Bemerkung, dass A2 · C1 = J1 ist, wo A2 charakterisirt ist durch die Prämisse: a: (b: c) = (a: b): c. Ebenso ist A1 · C2 = J2, wo C2 die Prämisse hat: a: b = b: a. Etc.

Beleg 2 (cf. ibidem). Die etwa N1 zu nennende Formel a: a = 〈…〉 folgt leicht aus A1, desgleichen also auch die Formel: M2) a: a = b: b

Dieselbe Gleichung M2 ist auch in einem Algorithmus D2 enthalten, von welchem das reine Multiplikationsgesetz (a b) c = (a c) b eine Prämisse bildet. Jene M2 folgt aber nicht aus dem Algorithmus A1 · D2, welcher = J2 ist; denn in der That sind für J2 in Gestalt der Tafeln 112,2) 4 und 122,2) 4 meiner schon citirten Abhandlung (l. c.) 7 Lösungen angebbar, welche sogar dem noch umfassenderen Algorithmus C2 genügen, dagegen die Formel M2 augenscheinlich nicht erfüllen. Hier folgt also X (= M2) aus A (= A1) desgl. aus B (= D2), und dennoch nicht aus A · B (= J2). Grund dieses scheinbaren Widerspruchs zu dem Theorem (3×) 'des Anhang 4 ist der Umstand, dass eben X, = M2, nicht dem Formelgebiet (U) angehört, innerhalb dessen das Produkt A B aufgesucht wurde.

Beleg 3 (cf. Anhang 4 sub Addition ). Das Hinausgreifen der logischen über die identische Summe ist schon an dem Beispiel A1 + C1 = O1 zu sehen, wo sich die 16 + 30 Gleichungen der letztern zu den 150 Glei - chungen der erstern erweitern. Noch einfacher zeigt es sich an demselben Beispiele, wenn man auf das Gebiet der reinen Multiplikationsgesetze innerhalb U, d. i. auf das Formelsystem O11 des Algorithmus O1 sich be - schränkt: Die eine Prämisse b (a c) = (b a) c von A1 mit den vier Glei - chungen des Vierecks unten links in C1 fliesst dann zu den 14 Formeln O11 logisch zusammen.

Beleg 4 (cf. ibid.). Versteht man unter X das Formelsystem, be - stehend aus den 150 Gleichungen O1 und noch irgendwelchen andern Glei - chungen des Gebietes U, z. B. der Gleichung (c a): b = 〈…〉 , jedoch ohne die zwei Gleichungen E1, so ist im Gegensatz zu (3+) ' sowol A, = A1 als auch B, = C1 in X enthalten, dennoch aber A + B, = A + C1 = O1 nicht (ganz) in X enthalten.

Schröder, Algebra der Logik. 41642Anhang 5.

Der Hauptbeleg.

Beleg 5 (cf. ibid.). Man bemerke, dass der obige Algorith - mus C00 mit den beiden vorhergegangenen Algorithmen A1 sowol als C1 überhaupt keine dem Gebiet U angehörigen Formeln gemein hat, dass also hierselbst: A1 · C00 = 0 und C1 · C00 = 0 ist. Darnach haben wir auch: A1 · C00 + C1 · C00 = 0 + 0 = 0. Im Gegensatz dazu ist aber: (A1 + C1) · C00 = O1 · C00 = E1 nach dem unter O1 und C00 Gesagten.

Eine Unterordnung: (A1 + C1) · C00 A1 · C00 + C1 · C00 ist folglich hier unmöglich. Denn diese, nämlich E1 = 0, müsste wegen der ohnehin gültigen Subsumtion 0 E1 cf. Def. (2×) nach der Definition (1) der Gleichheit auf E1 = 0 hinauslaufen, während doch E1 von 0 verschieden ist.

Da nun 0 E1 stetsfort in Geltung bleibt, während, wie gesagt, die Gleichheit 0 = E1 ausgeschlossen ist, so bleibt nur die andere Alternative: 0 E1 übrig, d. h. wir haben hier: A1 · C00 + C1 · C00 (A1 + C1) · C00 und zwar definitiv untergeordnet, , aber nicht gleich, =.

Dieses Ergebniss findet sich im Einklang mit der anderweitig be -

[figure]
Fig. 33.

reits erkannten Thatsache, dass die erste Subsumtion des Distributionsgesetzes not - wendig gilt.

Der Sachverhalt wird in Anbe - tracht, dass auch A1 und C1 innerhalb U keine Formel gemein haben versinn - licht durch die Fig. 33, bei der wir auch die Zahl der Formeln jeweils in die Ge - biete eingetragen haben.

Ein zweites Beispiel, wo wirklich Unter - ordnung eintritt, würde im Anschluss an das vorstehende erste erhalten, indem man den Algorithmus C00 ersetzte durch das ebenfalls als ein Algorithmus: E0 = E1 + E2 + E3 nachweisbare Formelsystem seines dritten Sternecks, und ein drittes643Der Hauptbeleg.Beispiel das allereinfachste erhielte man durch Ersetzung von C00 durch E1 selber.

Das analoge Verhältniss besteht für die angeführten Beispiele auch noch auf dem umfassenderen Gebiete der 3064 (l. c.) 8 charakterisirten Formeln fort. *)Ob es auch fortbestehen würde, und nicht vielleicht doch Gleichheit ein - träte, auf einem Gebiet, welches alle denkbaren Formeln umfasste, ist eine noch offene Frage nnd bleibt für die Kraft der Beweisführung gleichgültig.

Der logische Kalkul unterscheidet sich demnach in der That von dem identischen dadurch, dass in ersterem das Distributionsgesetz nicht als Gleichung zu gelten braucht, sondern nur einseitig gelten muss als die Subsumtion: 25×) A · B + A · C A · (B + C), wogegen die umgekehrte Subsumtion: 26×) A · (B + C) A · B + A · C oft nicht erfüllt ist.

Jedenfalls kann aus den den beiden Kalkuln gemeinsamen Grund - sätzen nicht die Gleichheit der beiderseitigen Ausdrücke folgen.

Noch ein Beweis für diese merkwürdige Thatsache, der von den Betrachtungen des gegenwärtigen Anhanges ganz unabhängig ist, wird von mir in Anhang 6 ge - geben. Derselbe nimmt die Ausführungen des Anhangs 4 für ein Substrat in Anspruch welches ausschliesslich dem Gebiete des identischen Kal - kuls angehört und setzt mit - hin keinerlei Betrachtungen auf extralogischem Gebiete voraus; auch er jedoch wird kein gänz - lich müheloser sein.

Das als nur einseitige Sub - sumtion geltende Distributions - gesetz 25×) des logischen Kal - kuls wäre in diesem durch die

[figure]
Fig. 34.

Fig. 34 zu versinnlichen, worin A (B + C) den überhaupt (resp. schräge), A B + A C den doppelt schraffirten Teil vorstellt.

Dass diese beiden in eins zusammenfliessen, nämlich Gleichheit41*644Anhang 5.eintritt, kommt übrigens auch zuweilen vor, und geben wir dazu noch folgenden vorletzten

Beleg 6 . Ein gewisser nämlich der bereits (l. c.) 8, § 6 be - trachtete Algorithmus Q0 umfasst 324 Gleichungen innerhalb U (von dessen 132 ausreichenden Prämissen z. B. die Gleichung a (b: c) = 〈…〉 a eine sein würde) und hat mit dem Algorithmus O1 von 150 Gleichungen ein gewisses, leicht ausfindig zu machendes Formelsystem von 46 Gleichungen gemein, das einen Algorithmus bildet, welcher Q1 heissen möge als dessen Prämisse z. B. die Formel genommen werden könnte: (b: c) a = a: 〈…〉 . Wir haben also: O1 Q0 = Q1 oder (A1 + C1) Q0 = Q1. Ferner ist (siehe unter A1): A1 Q0 = K1; dazu C1 Q0 = C1, weil C1 ganz in Q0 enthalten; somit: A1 Q0 + C1 Q0 = K1 + C1. Dass aber K1 + C1 = Q1 ist leicht nachzuweisen. Mithin gilt hier in der That: (A1 + C1) Q0 = A1 Q0 + C1 Q0 als Gleichung.

Es kommen also beide durch das Zeichen in der ersten Sub - sumtion des Distributionsgesetzes als Alternative offen gelassenen Fälle faktisch vor.

Beleg 7 . Wir könnten auch unser Untersuchungsfeld noch über U hinaus ausdehnen, indem wir es beispielsweise alle diejenigen (auf eine Funktion zweier Argumente nebst ihren Umkehrungen be - züglichen) Funktionalgleichungen umfassen liessen, welche (bei sym - bolisch abgekürzter Schreibung dieser drei Grundfunktionen als Pro - dukt, Bruch und Verhältniss) nicht mehr wie sechs Operationsglieder a, b oder c enthalten.

Alsdann würden die Formeln des Gebietes nicht mehr allesamt miteinander verträglich sein.

Es würden Fälle vorkommen, wo von zwei Funktionalgleichungen zwar jede für sich als allgemeine Formel gelten kann und in der That Lösungen besitzt, indem Funktionen sich angeben lassen, die sie wirklich erfüllen wo aber beide Gleichungen unmöglich zusammen - bestehen können, es keine Funktion geben wird, die sie gleichzeitig erfüllte.

Ein solches Formelpaar wäre z. B. dieses: a = (a · b) · (b · a) und b = (a · b) · (b · a). Dass jede von diesen Formeln für sich als allgemeingültige bestehen kann, thun bezüglich die beiden Tafeln dar:645Belege.

1 = 1,23456781 = 1,2345,6789
2 = 2,17548362 = 2,4718,3695
3 = 3,71865243 = 3,7561,9824
4 = 4,58127634 = 4,1629,7358
5 = 5,46213875 = 5,8193,4276
6 = 6,85731426 = 6,3974,8512
7 = 7,32684157 = 7,6832,5941
8 = 8,6437251,8 = 8,9257,1463
9 = 9,5486,2137,

welche in der unter C00 erläuterten Abkürzung geschrieben sind, sodass ausführlicher z. B. die erste Zeile der erstern Tafel zu lesen wäre: 1 = 1 · 1 = 2 · 3 = 3 · 4 = 4 · 5 = 5 · 6 = 6 · 7 = 7 · 8 = 8 · 2 und die der zweiten: 1 = 1 · 1 = 2 · 3 = 3 · 4 = 4 · 5 = 5 · 2 = 6 · 7 = 7 · 8 = 8 · 9 = 9 · 6, etc. Dass aber jene beiden Formeln nicht zugleich bestehen können, geht daraus hervor, dass durch Vergleichung aus ihnen folgen würde: a = b, was für ein, wie wir voraussetzen, mehr als eine Zahl ent - haltendes Zahlengebiet, mithin als allgemeine Formel unmöglich ist, indem es die Gleichheit auch für irgend zwei als verschieden voraus - gesetzte Zahlen oder Elemente des Gebietes postuliren würde.

Ähnlich würden sich auch Fälle anführen lassen, wo von drei Funktional - gleichungen eine jede für sich, auch irgend zwei zusammen, nicht aber alle drei zugleich von einer Funktion erfüllt werden können und dergleichen mehr worauf ich hier indess verzichte.

Endlich würde das Formelgebiet auch solche Formeln mit um - fassen, welche für sich allein schon unzulässig sind, nämlich nicht be - stehen können, ohne einen Widerspruch mit den Voraussetzungen der Eindeutigkeit der Funktion und der Mehrheit resp. Verschiedenheit der Elemente des Zahlengebietes zu involviren. Eine solche würde z. B., wie der Leser leicht nachweisen wird, die Formel a b = a (b a) sein, und andre mehr.

Die Gesamtheit der Formeln des Gebietes, als Gruppe oder Al - gorithmus betrachtet mitumfasst also diesmal auch absurde Folgerungen und trägt den Charakter der Unmöglichkeit an sich. Zur Bezeichnung des letztern empfiehlt sich darum nicht die 1, die wir oben für U ver - wenden mochten, sondern vielmehr ein Symbol, welches die Nicht - existenz, Unmöglichkeit des damit zu Bezeichnenden in sich zu er - kennen gibt. Als solches bietet die Mathematik aber nur das Zeichen 646Anhang 5.der absoluten Unendlich dar. Vergl. die Bemerkung in § 10 unsrer Theorie des identischen Kalkuls S. 274 sqq.

Allerdings würde jetze ein geringer Übelstand, denn an Sonder - barkeiten und exceptionelles Verhalten ist man ja bei dem Symbol ohnehin gewöhnt wenn A einen zulässigen Algorithmus innerhalb des Formelgebietes vorstellt, A · = A zu gelten haben, und nicht, wie in der Arithmetik = (sofern dort A 0 ist). Dafür aber bietet sich nun A als ein mnemonisches und bequemes Zeichen dar, um das System derjenigen Formeln des Gebietes zu bezeichnen, deren jede für sich mit den Gleichungen des Algorithmus A unverträg - lich sein muss. Nennten wir σ0 die erste und σ1 die zweite der obigen beiden Funktionalgleichungen, so gehörte die erste dem Systeme σ1, die zweite dem σ0 an.

[647]

Anhang 6. Zur Gruppentheorie des identischen Kalkuls. Geometrisch-logisch - kombinatorische Probleme von Jevons und Clifford. (Zu § 12, 19 und 24.)

Hier kommt die Frage zur Beantwortung, wie viel verschiedene und welche Ausdrücke der identische Kalkul mit Gebieten oder Klassen aus einer gegebenen Menge solcher vermittelst seiner drei Spezies überhaupt zu bilden vermag, und ferner im Zusammenhang damit die Frage, wie vielerlei und welche Aussagen über zwei Gebiete a, b, über dreie a, b, c, auch wie vielerlei über viere a, b, c, d, etc., die exakte Logik imstande ist abzugeben, solange sie sich noch auf ihrer ersten Etappe befindet, nämlich nur erst über das Subsumtions - und Gleichheitszeichen (nicht aber über deren Verneinung) verfügt eine Frage, die wir für die zweite Etappe erst in § 39 be - antworten werden.

Die Beantwortung jener Fragen wird ermöglicht durch das Studium der Gruppen , zu welchen die Ausdrücke oder Funktionen des identischen Gebietekalkuls zusammentreten.

Als eine Nutzanwendung der Betrachtungen ergibt sich nebenbei ein neuer Beweis für die Nichtbeweisbarkeit der zweiten Subsumtion des Distri - butionsgesetzes, bei welchem es nicht erforderlich ist, ein extralogisches Sub - strat in's Auge zu fassen (vergl. § 12).

Und endlich wird auf Grund derselben die Unmöglichkeit dargethan, die Gleichung x y z + x1 y1 z1 = 0 in drei unabhängigen Parametern symme - trisch allgemein zu lösen (vergl. § 24).

Es wird zu sagen sein: ein System von Ausdrücken (des iden - tischen Kalkuls) bilde eine Gruppe (in Hinsicht der Operationen dieses Kalkuls), wenn es nicht möglich ist, mittelst der drei identischen Spezies (als da sind Negation und additive sowie multiplikative Ver - knüpfung) aus denselben einen neuen Ausdruck herzuleiten, welcher nicht schon mit einem unter ihnen identisch gleich wäre, welchen m. a. W. das System nicht bereits in sich schlösse.

Nennen wir jene Ausdrücke die Elemente der Gruppe, so wird also eine Gruppe ihrem Begriffe gemäss alle diejenigen Ausdrücke, welche aus ihren Elementen mittelst der drei Spezies aufgebaut werden können, bereits als Elemente enthalten müssen.

648Anhang 6.

So bilden um das einfachste Beispiel voranzustellen die beiden Ausdrücke 0 und 1 zusammen eine Gruppe nebenbei bemerkt: die Nullgruppe weil auch ihre Negationen 1 und 0 sind, die multiplikativen sowol als die additiven Verknüpfungen dieser beiden Symbole aber immer wieder auf 0 und 1 selbst nach den Theoremen 22) und 23) hinauslaufen.

Kommt in einer Gruppe auch nur ein Buchstabe (oder auch Buch - stabenausdruck) a vor, so enthält die Gruppe notwendig auch dessen Negation a1, welche es ja möglich ist, mittelst Negirens aus ihm ab - zuleiten. Dann lässt aber auch a · a1, welches gleich 0 ist, und a + a1, welches gleich 1 ist, sich mittelst identischer Spezies aus diesen ver - fügbaren Elementen ableiten, und folglich muss die Gruppe sofern sie diesen Namen wirklich verdiente auch die Symbole 0 und 1 enthalten haben, d. h.

Die Nullgruppe ist (selbstverständlicher) Bestandteil einer jeden Gruppe.

Es bilden, wie leicht nachzuweisen, die Symbole 0, 1, a, a1 selbst wieder eine Gruppe. Wir nennen sie die Gruppe von a , weil sie aus a allein, wie gezeigt, schon ganz ableitbar ist.

Die Gruppe von a1 fällt hienach zusammen mit der Gruppe von a, die Nullgruppe auch mit der Gruppe von 1.

Wenn in einer Gruppe ein gewisses System von Elementen für sich schon eine Gruppe bildet, so nennt man diese eine Untergruppe von jener, jene auch, wenn man will, eine Übergruppe von dieser vergl. Anhang 4, Schluss.

So war die Nullgruppe eine Untergruppe der a-Gruppe, gleichwie überhaupt von jeder erdenklichen Gruppe zu nennen.

In der Gruppe von a kann indess (wie schon angedeutet) der Buchstabe a auch durch irgend einen Ausdruck, eine Funktion des identischen Kalkuls vertreten sein, und sind z. B. 0, 1, a b, a1 + b1 0, 1, a + b, a1 b1 0, 1, a b1, a1 + b etc., noch allgemeiner: 0, 1, f (a, b, c, ), f1 (a, b, c, ) nach dem Obigen ebenfalls richtige Gruppen, die wir als die Gruppe649Zur Gruppentheorie des identischen Kalkuls.von a b (oder a1 + b1) die Gruppe von a + b , resp. a b1, resp. f (a, b, c ) bezeichnen dürfen.

Bei Angabe oder Aufzählung der Elemente einer Gruppe sollen natür - lich tautologische Wiederholungen möglichst unterbleiben. Solange nur die einfachen Gebietsymbole oder Buchstaben, welche allenfalls in den Aus - drücken für die Elemente vorkommen, als von einander unabhängig be - liebige Gebiete angesehen, gedeutet werden, müssen hienach auch sämtliche Elemente einer Gruppe im Allgemeinen unter sich verschieden sein, m. a. W. die Gleichsetzung irgend zweier Ausdrücke der Gruppe muss allemal eine synthetische Gleichung, eine Relation liefern, nicht aber darf dadurch eine Formel entstehen.

Diese Forderung ist stricte aufrecht zu erhalten, sobald etwa die Anzahl der Elemente in Betracht gezogen werden, wenn von dem Um - fang der Gruppe gesprochen werden soll andernfalles würde ja der Gruppe ein bestimmter Umfang gar nicht zukommen. Ist sie erfüllt, so mögen wir sagen, die Gruppe sei in ihrer reduzirten Form dargestellt, reduzirt gegeben, ausgerechnet, ermittelt.

Im übrigen wird es aber bei den in's Auge zu fassenden Erzeugungs - weisen der Gruppen sich empfehlen, dass man im Geiste des Tautologie - gesetzes Wiederholung von Elementen nicht verbiete, sondern nur für belang - los erkläre. Wo keine Veranlassung dazu vorliegt, wird man alsdann doch sie ohnehin unterlassen so z. B. bei allen Endergebnissen, bei denen ja auf grösstmögliche Einfachheit derselben für künftigen Gebrauch zu sehen ist.

Auf der andern Seite gewinnt man so die Freiheit, eine Gruppe z. B. auch aus einer Übergruppe entstehen zu lassen dadurch, dass man zwischen den Elementen von dieser Relationen einführt, z. B. einzelne Elemente, die ursprünglich verschieden gedacht wurden, einander gleich werden lässt. Nur aber indem man zulässt, dass verschiedene Buchstaben auch gleich - wertig werden dürfen, nur dadurch wird man in der That imstande sein, sich die volle Allgemeinheit der Betrachtungen mitsamt deren Vorteilen zu sichern.

Ein solches System von Elementen der Gruppe aus welchem alle übrigen Elemente derselben durch unsre Operationen (der drei Spezies) schon vollständig ableitbar sind, nannten wir ein (ausreichendes) System von Bestimmungselementen der Gruppe.

Wir bezeichnen die Gruppe kurz, indem wir hinter den Buch - staben G ein System von Bestimmungselementen derselben diese durch Kommata getrennt in eine Klammer schreiben.

Auch die Gruppe selbst kann als ein ausreichendes System von Bestimmungselementen ihrerselbst hingestellt werden, insofern hier übrige Elemente, die erst noch aus den angegebenen abzuleiten wären, gar nicht vorhanden sind. In solchem Falle mögen wir das Symbol G auch weglassen.

Sonach werden wir nun haben:650Anhang 6.G (0) = G (1) = G {0, 1} = {0, 1}; G (a) = G (a1) = G {0, 1, a, a1} = {0, 1, a, a1} und zudem = G (a, a1) = G (0, a) = G (1, a) = G (0, a1) = G (1, a1) = = G (0, a, a1) = G (1, a, a1) = G (a1, a) = G (a, 0) = etc. indem es auch auf die Reihenfolge bei der Angabe der Elemente nicht an - kommen wird.

Nehmen wir in G (a) das a gleich 0 an, so entsteht: G (0) = {0, 1, 0, 1} = {0, 1}, und ebenso für a = 1 erhalten wir G (1) = {0, 1, 1, 0} was sich eben - falls zu {0, 1} reduzirt in Illustration des im vorigen Kontext Gesagten.

Die Nullgruppe besteht aus zwei, die Gruppe von a schlechtweg aus vier Elementen, weil zunächst in ihr das a als beliebig zu denken.

Bei der Angabe von ausreichenden Bestimmungselementen einer Gruppe wird indess im Allgemeinen darauf zu halten sein, dass man sich unnötiger Weitläufigkeiten nicht schuldig mache, d. h. es sind überflüssige Elemente dabei zu unterdrücken. Als überflüssig wird die Angabe eines Bestimmungselementes dann zu bezeichnen sein, wenn dasselbe aus den bereits angegebenen (resp. den übrigen Bestimmungs - elementen ) durch die erlaubten Operationen, eben der drei Spezies, schon ableitbar ist.

So ist bei G (a, a1) das a1 ein überflüssiges Bestimmungselement, wes - halb es besser unterdrückt und die betreffende Gruppe einfacher mit G (a) dargestellt wird. Resp. falls man a1 beibehalten will, so wird a als über - flüssig zu unterdrücken sein.

Kommen überflüssige Bestimmungselemente nicht (mehr oder von vornherein nicht) vor, so ist das System der Bestimmungselemente ein reduzirtes . Wir haben dann ein ausreichendes System von unent - behrlichen Bestimmungselementen (welche freilich allemal auch durch ganz andere vertreten werden könnten, und darum nur in einem ge - wissen Sinne als unentbehrliche hingestellt werden dürfen näm - lich als nicht-überflüssige wie aus dem Obigen erhellt). Auf ein solches System soll der schlechtweg gebrauchte Name System von Bestimmungselementen künftig immer hinweisen.

Unsre nächste Aufgabe sei: die Gruppen aufzusuchen der Aus - drücke, welche mittelst zwei, resp. 3, resp. 4 Buchstaben a, b, c, d gebildet werden können. So weit thunlich mögen wir auch zusehen, auf welche Art diese Gruppen in Untergruppen sich gliedern. Vor allem aber kommt es darauf an, die Anzahl und Beschaffenheit der verschiedenen Arten oder Typen zu ermitteln, von welchen die als Elemente der Gruppe auftretenden Ausdrücke sein werden.

651Zur Gruppentheorie des identischen Kalkuls.

Von zwei Ausdrücken werden wir nämlich sagen, dass sie zum nämlichen Typus gehören, wenn sie durch blossen Buchstabenwechsel aus einander hervorgehen, genauer: wenn es möglich ist, aus dem einen Ausdruck den andern, dadurch abzuleiten, dass man für die ein - fachen Buchstaben a, a1, b, b1, aus denen er sich zusammensetzt und deren positive uns unabhängig beliebige Gebiete vorstellen, eventuell andere (sei es positive, sei es negative) einfache Symbole sub - stituirt, deren positive ebenfalls unabhängig beliebige Gebiete vorzu - stellen haben. *)Selbstverständlich ist bei diesen Einsetzungen zu beachten, dass nach Th. 32), wenn b für a gesetzt wird, auch b1 für a1 gesetzt werden muss, gleichwie, wo a durch b1 ersetzt wird, auch a1 durch b ersetzt werden muss.Es wird dann immer auch möglich sein, den andern Ausdruck aus dem einen zurückzugewinnen: indem man nämlich die vorigen Einsetzungen wieder rückgängig macht. (Postulat?, dass man dies immer könne.)

Vom selben Typus sind z. B. die Ausdrücke a + a1 b c1 und b1 + a1 d, weil der zweite (zunächst in der mit ihm äquivalenten Form b1 + a1 b d, = b1 + b d a1) sich aus dem ersten (der auch zu a + b c1 reduzirbar) ergibt, indem man in diesem das a durch b1 ' somit das a1 durch b' zugleich das b durch d' und das c1 durch a1' ersetzt, hernach aber die Accente weglässt. Darnach wird auch der erste Ausdruck sich aus dem zweiten (in seiner reduzirten Form) ergeben, indem man im letztern b1 durch a', d durch b', und a1 durch c1 'ersetzt, sodann die Accente fortlässt.

Hat man zwei Ausdrücke auf die Übereinstimmung ihres Typus zu untersuchen, in welchen teilweise oder durchaus die nämlichen Buchstaben auftreten, so ist es ratsam (so, wie es im vorstehenden Beispiel durch - geführt worden), die Buchstaben des einen Ausdrucks provisorisch mit Ac - centen zu versehen und dadurch von denen des andern unterscheidbar zu machen.

In der That sollten die Buchstaben des einen Ausdrucks eine von den gleichnamigen des andern unabhängig beliebige Bedeutung haben, und wird man so nur die allgemeine für das Bezeichnen maassgebende Maxime im vorliegenden Falle befolgt haben, dass in einer Untersuchung als ver - schieden Denkbares nicht übereinstimmend bezeichnet werden dürfe.

Andernfalles läuft man nicht selten Gefahr die gleichnamigen Buch - staben als solche des ersten und als solche des zweiten Ausdruckes zu vermengen, wie an einem Beispiel dargelegt werden möge: Um den Ausdruck: a x + a1 b y + b1 c in b1 x + b c1 y + a c zu verwandeln und damit zu erkennen, dass beide zum selben Typus ge - hören, ist erforderlich und hinreichend, a tempo zu ersetzen: (x durch x, y durch y),652Anhang 6.

  • a durch b1, somit a1 durch b,
  • b durch c1, b1 durch c,
  • c durch a, ( c1 durch a1).

Bringt man sich aber zum Bewusstsein, dass gleichzeitig a1 durch b und b durch c1 (desgleichen b1 durch c und c durch a) ersetzt werden solle (im ersten Ausdrucke), so liegt das Missverständniss, der Wahn, nahe, als ob etwa a1 durch c1 (desgl. b1 durch a) zu ersetzen wäre. Dies ist nicht der Fall, denn das b (des ersten Ausdruckes) welches durch c1 daselbst ersetzt werden soll, ist ein ganz anderes Gebietsymbol, als das b (des zweiten Ausdruckes), durch welches das a1 (im ersten) zu ersetzen war.

Dem Missverständniss wird vorgebeugt, wenn man sich die Buchstaben des zweiten Ausdruckes mit Accenten versieht, wo dann zu sagen ist, dass man a durch b1 ', b durch c1', c durch a', somit auch zugleich a1 durch b', b1 durch c ', (c1 durch a1') zu ersetzen habe.

Jedenfalls wird man bei Beachtung dieser einfachen Vorsichtsmassregel leichter und sicherer diejenigen (oder solche) Vertauschungen ausfindig machen, welche den einen Ausdruck in den andern überführen, sofern es deren gibt und andernfalles wird man ebenso die Unmöglichkeit solcher Verwandlung bequemer erkennen.

In vielen Fällen freilich wo Vertauschungen von immer nur zwei Buchstaben auf einmal, sogenannte Transpositionen schon hinreichen, die beabsichtigte Überführung zustande zu bringen, und zwar solche Trans - positionen, die nie einen Buchstaben als Vertauschungselement miteinander gemein haben braucht man nicht zu solcher Weitläufigkeit (der Ein - führung und Wiederfortlassung von Accenten) seine Zuflucht zu nehmen.

Man erkennt z. B. augenblicklich, dass von den beiden Ausdrücken: a b + a c + a1 b1 c1 und a b + b c1 + a1 b1 c der eine aus dem andern durch Vertauschung von a mit b und zugleich von c mit c1 hervorgeht, mithin auch diese von einerlei Art sein werden.

[Wo dagegen sog. cyklische Vertauschungen von höherer Ordnung, Vertauschungen im Ringe herum erforderlich werden, wie beim vorher - gehenden Beispiel die Ersetzung von a durch b1, von b1 durch c und von c durch a, da möchte die kleine Weitläufigkeit sich für den Anfänger lohnen.]

Nicht vom selben Typus sind z. B. die beiden Ausdrücke: a b + a1 b1 und a b + a b1 deren zweiter sich auf a reduzirt. Was für unabhängig beliebige Gebiete man auch für a und b einsetzen möge, nie wird derselbe hier in den zweiten übergehen, wie leicht durchzuprobiren wäre.

Die Gruppe von a und b besteht aus 16 Elementen, als da sind: G (a, b) = {0, 1, a, b, a1, b1, a b, a b1, a1 b, a1 b1, a + b, a + b1, a1 + b, a1 + b1, a b + a1 b1, a b1 + a1 b}

Dass diese Ausdrücke in der That durch die identischen Spezies aus a und b ableitbar , nämlich abgeleitet sind, ist augenscheinlich.

653Zur Gruppentheorie des identischen Kalkuls.

Ebenso ist ersichtlich, dass dieselben unter sich verschieden. Um es zu beweisen, brauchte man nur ein jedes der Elemente nach den beiden Argumenten a und b im Sinne des § 19 entwickelt darzu - stellen, wie es die beiden letzten derselben, sowie die viere von a b bis a1 b1 schon sind. Alsdann würde sich offenbaren, dass keine der Entwickelungen durchaus dieselben Glieder enthält, wie irgend eine andere, dass sie lauter verschiedene (additive) Kombinationen von den vier Konstituenten a b, a b1, a1 b, a1 b1 vorstellen, m. a. W. durch die Werte 0 oder 1 der Koeffizienten, mit denen diese Konstituenten in ihnen (in den Entwickelungen) behaftet sind, sich unterscheiden.

Bleibt also nur noch darzuthun, dass mit dem angegebenen System von Elementen die Gruppe erschöpfend angegeben ist: es bleibt die Vollständigkeit der Gruppe zu beweisen. *)Diese Ausdrucksweise ist bequem und verständlich, obzwar sie keine ganz genaue. Ihrem Begriffe nach ist jede Gruppe eine vollständige. Eine unvoll - ständige Gruppe wäre eine contradictio in adjecto, verdiente den Namen Gruppe nicht, sondern wäre als blosses System von Elementen zu bezeichnen. Durch die Redensart soll der Nachweis gemeint sein, dass das für eine Gruppe ausgegebene System die Elemente einer solchen vollständig enthält, sonach den ihm gegebenen Namen verdiente.

Dieser Nachweis kann auf zwei Wegen geliefert werden.

Der erste Weg besteht in der Anwendung der Methode, durch welche sich ein gegebenes System von Bestimmungselementen einer Gruppe allemal zu dieser Gruppe vervollständigen oder ergänzen lässt. Bleibt diese Methode bei dem vorliegenden System von (16) Elementen erfolglos, indem durch sie keine weiteren Elemente demselben hinzu - gefügt werden, so musste das System schon die vollständige Gruppe gewesen sein.

Bevor wir von dem zweiten Wege sprechen, wollen wir diese Methode näher in's Auge fassen.

Gegeben irgend welche Symbole oder Ausdrücke als Bestimmungs - elemente einer Gruppe. Es handle sich darum, die ganze Gruppe her - zustellen. Dies lässt sich unfehlbar, wie folgt, bewerkstelligen:

Man füge den gegebnen Bestimmungselementen (durch Kommata getrennt) zunächst die 0 und 1, sowie die Negationen jener hinzu, so - fern sie nicht bereits unter denselben sich mitangegeben finden. Hier - mit wird dieser erste Prozess des Negirens sich als schon ab - geschlossen erweisen, indem es nicht nötig fallen wird noch weiter vom Negiren Anwendung zu machen.

Die Elemente 0 und 1, die wir uns vorangeschrieben denken,654Anhang 6.mögen bei den folgenden Prozessen ausser Betracht bleiben, sintemal es nicht möglich ist, durch multiplikative oder additive Verknüpfung eines Ausdruckes mit ebendiesen jemals einen neuen Ausdruck zu gewinnen.

Von der hinter 0, 1 stehenden Reihe als nunmehrigem Bestande von Elementen verknüpfe man nun (in Gedanken), zunächst z. B. stets multiplikativ, ein jedes Element mit jedem andern, und füge, wenn das Produkt keinem einzigen von den bisherigen Elementen gleich ist, dasselbe allemal als ein neues Element den bisherigen am Ende der Reihe hinzu. Man fahre solange damit fort, bis sich durch die multi - plikative Verknüpfung keine neuen Elemente mehr ergeben, bis näm - lich jede zwei von den vorhandenen (den gegebenen nebst den hinzu - getretenen) Elementen verknüpft worden. Der Prozess des Multipli - zirens wird sich damit als abgeschlossen erweisen.

Ebenso verfahre man endlich in Hinsicht additiven Verknüpfens indem man von dem dermalen verfügbaren Vorrate jede zwei Elemente zu einer Summe zusammenhält und diese, wenn sie von allen bis - herigen verschieden, denselben sofort als ein neues Element am Ende der Reihe angliedert. Die Gruppe muss dann vollständig dastehen, so - bald auch dieser Prozess des Addirens zu Ende gekommen.

Da die verknüpfenden Operationen kommutative sind, so wird man natürlich, nachdem ein a mit einem b zusammengehalten worden, das b nicht nochmals mit diesem a zu verbinden brauchen. Es ge - nügt darum, ein jedes Element gewissenhaft mit jedem der ihm vorher - gehenden in der Reihe verknüpft zu haben. Verknüpfungen der Ele - mente mit sich selbst können wegen der Tautologiegesetze erlassen werden.

Auch zulässig zwar, jedoch minder gut würde die Taktik sein, ein Element je mit allen ihm nachfolgenden zu verknüpfen, weil im Lauf der Prozesse das Ende der Reihe sich oft noch weiter hinausschiebt und man sonach genötigt wäre, nachdem ein frühes Element mit allen zur Zeit auf dasselbe folgenden, nebst den eventuell ebendadurch noch neu hinzutretenden, schon vollständig verknüpft worden, später, wenn durch Verknüpfen späterer Elemente deren abermals neue hinzugekommen sein werden, nochmals auf jenes zurückzukommen um es auch mit diesen inzwischen neuhinzugetretenen noch zu verknüpfen und dieses eventuell wiederholt, bei jedem Elemente! Man müsste so von jedem Elemente im Sinne behalten oder notiren, bis zu welcher Stelle der Reihe als ihrem dermaligen Endpunkte man es bereits mit den ihm nachfolgenden verknüpft hat, von wo an noch nicht; man käme aus der gleichmässigen Ordnung heraus und würde leichter Aus - lassungen begehen.

Um zu erkennen, dass das so gewonnene Elementesystem die ge -655Zur Gruppentheorie des identischen Kalkuls.suchte vollständige Gruppe ist, sind folgende Überlegungen anzu - stellen.

Nachdem der Prozess des Multiplizirens benndigt ist kann selbst - verständlich durch multiplikative Verknüpfung zweier Elemente kein neues Element mehr gewonnen werden, auch nicht durch multiplika - tives Verknüpfen beliebig vieler von den vorhandenen Elementen denn solches läuft bekanntlich auf das successive Verknüpfen von immer nur zweien ebendieser Elemente hinaus, welches, wie wir wissen, ein neues Element nie liefern konnte.

Ebenso, nachdem der Prozess des Addirens beendigt, kann addi - tive Verknüpfung von zweien oder beliebig vielen der nun vorhandenen Elemente kein neues Element mehr liefern.

Wir wollen die Reihe der nach diesem dritten Prozesse vorliegenden Elemente kurz die Summenreihe nennen, und ebenso das System der Elemente soweit es nach Beendigung des zweiten Prozesses vorgelegen, die Produktenreihe .

In der That kann jedes Element dieser Summenreihe angesehen werden als die Summe α + β zweier Elemente α und β der Produktenreihe, indem man, wenn es mit einem Element α dieser Produktenreihe selbst zusammen - fallen sollte, sich nur die 0 unter β vorzustellen braucht.

Ebenso konnte jedes Element α der Produktenreihe angesehen werden als das Produkt γδ zweier Elemente γ und δ der vorhergehenden (durch den ersten oder Negationsprozess ergänzten) Reihe sie möge kurz die erste Reihe heissen (im Gegensatz zu dem ursprünglich gegebnen Systeme von Bestimmungselementen als der nullten Reihe). Denn wenn das Element auch als ein γ zu diesem ursprünglichen System selbst ge - hörte, so braucht man sich nur (unter α ebendieses γ und) unter δ die 1 vorzustellen.

Ich behaupte jetzt, dass auch die Multiplikation irgend zweier (und darnach auch beliebig vieler) Elemente der Summenreihe kein neues Element mehr liefern kann. Denn durch α + β wird sich das eine, durch α '+ β' das andere dieser Elemente darstellen lassen, wo α und β sowie α 'und β' der Produktenreihe angehören. Nun ist: (α + β) (α '+ β') = α α '+ α β' + α 'β + β β'.

Die vier Glieder rechterhand gehören aber unfehlbar selbst schon der Produktenreihe an, denn diese enthält ja als Element bereits jedes Produkt von zweien ihrer Elemente.

Die Summenreihe aber enthält jede Summe nicht nur von zweien, sondern auch von beliebig vielen Elementen der Produktenreihe; sie enthält nämlich auch als Element jede Summe von irgend zweien (und beliebig vielen) ihrer eigenen Elemente. Im vorliegenden Falle müssen z. B. auch α α '+ α β', sowie α 'β + β β' schon Elemente dieser Summen -656Anhang 6.reihe sein, und ebendarum muss auch die Summe dieser beiden wieder ein ihr selber angehöriges Element sein, wie zu zeigen gewesen.

Bei dem Beweise wurde augenscheinlich kein Gebrauch gemacht von der Annahme, dass zuvor der erste Prozess vollzogen sei, dass die Vervollständigung des Systems mittelst Einverleibung auch der Negationen seiner Elemente überhaupt stattgefunden habe. Wir müssen vielmehr allgemein den Satz haben:

Wenn ein System von Elementen so beschaffen ist, dass es durch multiplikative Verknüpfung zwischen seinen Elementen Intermultipli - ziren keine neuen Elemente mehr liefern kann, und man vervollstän - digt das System soweit, dass sich auch durch additive Verknüpfungen zwischen seinen Elementen Interaddiren keine neuen Elemente mehr ergeben können, so kann auch das so vervollständigte System beim Intermultipliziren keine neuen Elemente mehr liefern. M. a. W.:

Eine Gruppe hinsichtlich Multiplikation , wenn vermehrt auch zu einer Gruppe hinsichtlich Addition , bleibt dennoch Gruppe hinsichtlich der Multiplikation, wird also eine Gruppe in Hinsicht beider Opera - tionen .

Des Dualismus halber liefert natürlich dieser Satz noch einen zweiten richtigen, wenn man die Worte Multiplikation und Addi - tion in ihm vertauscht.

Ich behaupte ferner, dass nachdem der erste Prozess vorausge - gangen, nun auch die Operation des Negirens aus keinem Element der Summenreihe ein neues mehr erzeugen kann.

Zunächst wird als α + β das zu negirende Element darzustellen sein, wo α und β der Produktenreihe angehören. Und wir haben: (α + β) 1 = α1 β1.

Der Beweis wäre erbracht, wenn etwa auch α1 und β1 der Pro - duktenreihe angehören müssten. Dies lässt sich aber keineswegs be - haupten. Nachweisbar ist gleichwol, dass α1 β1 wenigstens der Summen - reihe angehören muss.

Als Element der Produktenreihe ist nämlich: α = γ δ und ebenso β = γ 'δ', wo γ, δ, γ ', δ' der ersten (abgeleiteten) Reihe als Elemente angehören. Da diese mittelst Negirens vervollständigt worden, so enthält sie not - wendig auch schon die Negationen γ1, δ1, γ1 ', δ1' ebendieser Elemente. Nun ist α1 β1 = (γ1 + δ1) (γ1 '+ δ1') = γ1 γ1 '+ γ1 δ1' + γ1 'δ1 + δ1 δ1', wo die Glieder rechterhand notwendig der Produktenreihe, und dar -657Zur Gruppentheorie des identischen Kalkuls.nach das Aggregat derselben auch der Summenreihe, schon unver - meidlich angehören.

Hiermit ist erkannt, dass weder durch Addiren, noch durch Multi - pliziren, noch durch Negiren aus der Summenreihe neue Elemente abgeleitet werden können. Dies ist also auch nicht möglich durch irgendwelche Verbindung dieser Operationen unter einander.

D. h. jene Summenreihe muss die gesuchte Gruppe sein. q. e. d.

So sehr die Ergänzung von Bestimmungselementen zur vollstän - digen Gruppe durch vorstehendes Verfahren auch vereinfacht erscheint, so ist sie doch immerhin noch mühsam genug.

Beispielsweise aus den Bestimmungselementen a, b ergibt sich als erste Reihe: 0, 1, a, b, a1, b1, sodann als zweite oder Produktenreihe bei strenger Einhaltung der vor - geschriebenen Ordnung: 0, 1, a, b, a1, b1, a b, a1 b, a b1, a1 b1 ein System, welches die Negationen der vier letzten Elemente in der That noch nicht enthält. Zur dritten oder Summenreihe treten dann zu den angegebenen noch der Reihe nach: a + b, a1 + b, a + b1, a1 + b1, a b1 + a1 b, a b + a1 b1 als weitere Elemente hinzu.

An ferneren beiläufig von uns angeführten Gruppen wird der Leser reichliche Gelegenheit haben, die Methode einübend zu festigen.

Ein zweiter Weg, die Vollständigkeit einer gegebenen Gruppe nachzuweisen, besteht darin, dass man die Anzahl ihrer Elemente a priori ermittelt und sich überzeugt, dass dieselbe hier vorliegt.

Zu diesem Zwecke muss man ein System von Bestimmungs - elementen der Gruppe kennen.

Ein solches ausschliesslich und auf jede mögliche Weise aus der Gruppe herauszulesen, ist eine keineswegs leichte Aufgabe, die wir einstweilen als ein systematisch erst noch zu lösendes Problem vor - merken.

Sehr häufig genügt jedoch schon die blosse Beaugenscheinigung, Okularinspektion der Gruppe, um ein System von Bestimmungs - elementen derselben zu entdecken, indem man eben wahrnimmt, dass aus gewissen als Elemente auftretenden einfachen oder Buchstaben - symbolen die übrigen Elemente alle aufgebaut sind als Funktions - ausdrücke des identischen Kalkuls. Diese einfachen Symbole, nach Weglassung derer, welche die Negationen von beibehaltenen sind, bil - den dann das System der Bestimmungselemente. So oben a und b.

Schröder, Algebra der Logik. 42658Anhang 6.

Sind aber n unabhängig beliebige Symbole als Bestimmungselemente einer Gruppe gegeben, so muss dieselbe aus 22n Elementen bestehen.

Die Ermittelung ihrer Elementenzahl ist sonach eine leichteste Aufgabe.

Analog Jevons9 p. 221, 10 und8 p. 137 143 lässt dies sich in der That unschwer wie folgt beweisen.

Jedes Element der Gruppe ist eine Funktion lediglich der n Be - stimmungselemente, und enthält die Gruppe alle Funktionen, welche durch die Operationen des identischen Kalkuls aus diesen aufgebaut werden können.

Denkt man sich jedes Element gemäss § 19 nach den n Bestim - mungselementen als den Argumenten entwickelt , so enthält diese Entwickelung, vollständig angeschrieben, 2n Glieder (vgl. ibidem). Jeder von den 2n Konstituenten der Entwickelung kann zum Koeffizienten nur entweder 0 oder 1 haben, weil laut Voraussetzung noch andere Buch - staben als die der Argumente nicht vorkommen, und 0 und 1 die einzigen speziellen Gebietsymbole des identischen Kalkuls waren. Je - nachdem wird der betreffende Konstituent als Glied in der Entwickelung fehlen oder ganz in derselben vertreten sein. Darnach haben wir aber: 〈…〉 verschiedene Möglichkeiten, die Koeffizientenstellen mit Nullen oder Einsern zu besetzen, und ebensoviel verschiedene Ausdrücke , aufgebaut aus den n Argumenten, kann es nur, ebensoviele muss es auch geben.

Die ermittelte Zahl, nur um 1 vermindert, muss auch zugleich die Anzahl sein der inhaltlich verschiedenen (einander nicht äquiva - lenten) Aussagen, welche von der auf simultane Subsumtionen und Gleichungen beschränkten Logik abgegeben werden können in Bezug auf n Gebiete oder Klassen.

Denn da die Aussage eine Subsumtion oder eine Gleichung sein soll (zu welcher ja auch ein System von simultanen Propositionen ebendieser Art stets sich vereinigen lässt), so kann sie als Gleichung mit der rechten Seite 0 geschrieben werden. Das Polynom, die linke Seite dieser Gleichung kann aber als eine Funktion der n gegebenen Klassen, nur einer von den obigen 22n Ausdrücken sein, und somit gibt es auch anscheinend genau so viel verschiedene Aussagen. Von diesen Aussagen läuft aber eine auf: 1 = 0 hinaus, diejenige nämlich, bei der links alle Koeffizienten als Einser angesetzt sind, das Polynom also659Zur Gruppentheorie des identischen Kalkuls.die Summe sämtlicher Konstituenten sein wird. Diese eine Aussage ist als absurde, unzulässige, nicht mitzurechnen, sonach die fragliche Anzahl der über n Klassen möglichen Aussagen: = 22n 1.

Eingerechnet dagegen ist (wieder) die nichtssagende oder iden - tische Aussage, bei der linkerhand alle Koeffizienten Nullen sein werden und welche auf: 0 = 0 hinausläuft.

Nach diesen Ergebnissen muss also a priori 222 = 24 = 16, 223 = 28 = 256, 224 = 216 = 65 536, 225 = 232 = 4 294 967296, 226 = 264 = 18 446744 073709 551616, die Anzahl sein der im Allgemeinen unter sich verschiedenen Aus - drücke, welche aus zwei Gebieten a, b resp. aus dreien a, b, c, resp. aus vieren, a, b, c, d, resp. etc. durch die Operationen des identischen Kalkuls aufgebaut werden können (bei sechs Gebieten mithin über 18 Millionen Billionen!).

Ebendiese muss bezüglich auch die Anzahl sein der Elemente für die Gruppen G (a, b), resp. G (a, b, c), resp. G (a, b, c, d),

Die Vollständigkeit der oben angegebenen Gruppe G (a, b) ist hiermit auch auf dem zweiten Wege bewiesen.

Wir wenden uns nunmehr der Frage zu, wie vielerlei und welche Typen die Ausdrücke aufweisen müssen, welche unsre Gruppen G (a), G (a, b), G (a, b, c), G (a, b, c, d), in nunmehr ja bekannter An - zahl als Elemente zusammensetzen.

Es zeigt sich, dass diese Frage für die Anwendungen der Gruppen - theorie (von denen wir am Schluss eine geben) von Wichtigkeit ist.

Leicht ist die Frage bei den Gruppen G (a) und G (a, b) zu beant - worten, die ja oben schon fertig gebildet vor unsern Augen stehen.

Zunächst müssen die Elemente 0 und 1 für von verschiedenem · Typus erklärt werden, welcher Gruppe sie auch angehören mögen, sodass jedes von diesen beiden Elementen als für sich allein schon einen aparten Typus konstituirend anzusehen ist. Es ist nämlich nicht möglich, von den beiden Ausdrücken 0 · a + 0. a1, 1 · a + 1 · a1, desgleichen von den beiden42*660Anhang 6.0 · a b + 0 · a b1 + 0 · a1 b + 0 · a1 b1, 1 · a b + 1 · a b1 + 1 · a1 b + 1 · a1 b1 etc. den einen aus dem andern durch eine Buchstabenvertauschung ab - zuleiten.

Bei G (a) gesellt sich nun zu dem ersten Typus 0, als zweiter der Typus a, a1, dessen beide Repräsentanten in der That durch die Vertauschung von a mit a1 in einander übergehen, und endlich als dritter der Typus 1. Wir haben also nach Typen ordnend für G (a) das Schema: 0 a, a1 1

Die Reihenfolge der Typen bestimmt sich hier unter dem Gesichts - punkt, dass aus der Entwickelung der 1 nach dem Bestimmungs - elemente a der Gruppe: 1 = a + a1 beim ersten Typus kein, beim zweiten ein Glied und beim dritten Typus alle zwei Glieder in einem Repräsentanten des Typus vereinigt, zu einem solchen zusammengefasst erscheinen.

Komplementär werden wir zwei Typen zu nennen haben, wenn ein Repräsentant des einen Typus die Negation ist von einem Reprä - sentanten des andern. Als Repräsentanten eines Typus dürfen wir jeden aus den Bestimmungselementen der Gruppe aufgebauten Ausdruck bezeichnen, der zu dem Typus gehört ( von diesem Typus ist ).

Darnach wäre es nicht schwer zu zeigen, dass zwei komplemen - täre Typen immer gleichviele Repräsentanten besitzen, gleichviel Ele - mente der Gruppe umfassen müssen, und zwar sind die Repräsentanten des einen gerade die Negationen von denen des andern. Entwickelt nach den Bestimmungselementen der Gruppe enthält der eine Reprä - sentant immer gerade diejenigen Glieder, welche in der Entwickelung des andern fehlen vgl. den Zusatz auf S. 314 sq.

Bei strenger Anordnung der Typen nach der Zahl von Gliedern in der Entwickelung ihrer Repräsentanten werden also komplementäre Typen einen Rang einnehmen, der sich dadurch kennzeichnet, dass der eine Typus vom Anfang der Typenreihe gerade so weit absteht, als der komplementäre vom Ende derselben. Es wird sich aber später zumeist empfehlen, von dieser strengen Anordnung abzugehen, nämlich die Reihe der Typen gleichsam in der Mitte zu knicken und die beiden Schenkel zusammenzulegen, sodass die komplementären Typen zu Nachbarn werden.

Von zwei komplementären Typen werden wir sagen, dass sie zu - sammen einen Haupttypus ausmachen.

661Zur Gruppentheorie des identischen Kalkuls.

Die komplementären Typen könnten auch einander dual entspre - chende genannt werden. Zu einem Ausdruck als Repräsentanten eines Typus erhält man nämlich den dual entsprechenden, wenn man während die in ihn eingehenden einfachen Symbole (seien sie positive oder negative) ungeändert gelassen werden plus mit mal in ihm vertauscht. Die Negation erhält man nach den Theoremen 36) ebenso, indem man nur obendrein noch jene einfachen Symbole in ihre Negationen verwandelt. Die Negation des Ausdrucks geht also aus dem dualen Gegenstück desselben hervor, indem man die Buch - staben des letzteren mit ihren Negationen vertauscht sowie um - gekehrt, d. h. Negation und duales Gegenstück des Ausdrucks gehören zum selben Typus, den wir den komplementären von demjenigen des Ausdrucks nannten.

Wie zahlreiche Beispiele darthun, kann aber ein Ausdruck auch sich selbst, oder wenigstens einem solchen vom nämlichen Typus dual entsprechen, sodass es auch Typen gibt, die zu sich selber dual und komplementär sind.

Ein sich selber komplementärer Typus ist zugleich ein Haupt - typus, konstituirt für sich einen solchen. Ein solcher kann nach dem Vorstehenden aber nur vorkommen innerhalb derjenigen Abteilung, welche die Mitte innehält in der Reihe der Typen, somit je gerade die Hälfte aller Konstituenten zu einem Elemente zusammenfasst.

Dies alles exemplifizirt sich bereits bei der Gruppe G (a), wo die Verhältnisse freilich höchst einfach liegen:

Der mittlere (zweite) Typus, repräsentirt durch a, a1, ist zu sich selbst komplementär, und zugleich der zweite Haupttypus. Der dritte Typus, repräsentirt durch 1, ist komplementär zum ersten, durch 0 repräsentirten, und macht mit ihm den ersten Haupttypus aus. Wir haben also bei G (a) drei Typen und zwei Haupttypen.

Der Analogie mit dem Folgenden wegen heben wir noch hervor, dass sich die Frage nach der Anzahl der Typen in der Gruppe G (a) geometrisch deckt mit der Frage nach der Anzahl der Arten, auf welche sich an der zweipunktig begrenzten Strecke, dem (geradlinigen) Zweieck Ecken auswählen lassen.

Man kann entweder keine Ecke, oder irgend eine, oder alle zwei Ecken auswählen.

Analog wird bei der Frage nach der Zahl der Typen, in welche die Elemente der Gruppe G (a, b) sich einordnen, es darauf ankommen, zu ermitteln, auf wie viele Arten

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Fig. 35.

662Anhang 6.sich beim (ebenen) Viereck, z. B. beim Quadrate (Fig. 36) Ecken aus - wählen lassen.

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Fig. 36.

Offenbar kann man ent - weder keine Ecke wählen, oder irgend eine, oder irgend zweie, und dann entweder zwei be - nachbarte, oder aber zwei gegen - überliegende, oder irgend dreie (mit Auslassung jedes vierten) oder alle viere.

Wenn wir für die Konstituenten der Entwickelung der identischen 1 nach den Bestimmungselementen a, b der Gruppe die Nummern bei - behalten, welche aus der Vergleichung der beiden Quadrate der Figur ersichtlich werden, so haben wir in der That bei den Elementen von G (a, b) die folgenden 6 Typen in strenger Anordnung:

  • Erster Typus: 0
  • Zweiter : 1 = a b, 2 = a b1, 3 = a1 b, 4 = a1 b1
  • Dritter : 1 + 2 = a, 1 + 3 = b, 2 + 4 = b1, 3 + 4 = a1
  • Vierter : 1 + 4 = a b + a1 b1, 2 + 3 = a b1 + a1 b
  • Fünfter : 2 + 3 + 4 = a1 + b1, 1 + 3 + 4 = a1 + b, 1 + 2 + 4 = a + b1, 1 + 2 + 3 = a + b
  • Sechster : 1 + 2 + 3 + 4 = 1,

und schliessen sich von diesen der erste und sechste zu einem Haupt - typus, ebenso der zweite und fünfte zu einem zweiten Haupttypus zu - sammen, während der dritte und vierte je für sich einen Haupttypus konstituiren. Wir haben also bei zwei Bestimmungselementen sechs Typen und vier Haupttyen.

Nachdem dies erledigt, nehmen wir die analoge Aufgabe bei der Gruppe aus drei unabhängigen Bestimmungselementen: G (a, b, c), in Angriff. Und zwar wollen wir die fragliche Anzahl der Typen und Haupttypen erst a priori ermitteln. Eine empirische Bestätigung der Ergebnisse wird sich nachträglich ergeben, indem wir die 256 Elemente der Gruppe in den einfachsten Ausdrucksformen, deren sie im iden - tischen Kalkul fähig scheinen, wirklich hinschreiben was sich der mannigfachen Anwendungen halber, die von der Zusammenstellung gemacht werden können, verlohnen wird.

Numeriren wir in der Entwickelung der identischen Eins nach den Bestimmungselementen a, b, c:663Geometrisch kombinatorisches Problem von Jevons. 〈…〉 die acht Glieder kurz mit den darübergesetzten Ziffern, so erkennt man sogleich, dass unser Problem sich deckt mit der Aufgabe, die Anzahl der Arten zu ermitteln, auf welche an einem Würfel mit wie nebenstehend numerirten Ecken deren irgend welche ausgewählt werden können.

Genauer lässt dies sich in folgender Weise einsehen. Denken wir uns irgend eine Funktion f (a, b, c, ) von den Argumenten a, b, c, nach diesen im Boole'schen Sinne entwickelt, so wird nach § 19 ein jeder Konstituent der Entwickelung sich darstellen als das Produkt der sämtlichen Argumentbuchstaben: a b c je mit oder aber ohne Negationsstrich genommen.

Und bei den Problemen der vorlie - genden Gattung haben wir nur mit den Entwickelungen der identischen Eins zu

[figure]
Fig. 37.

thun, welche der Summe aller jener Konstituenten gleich ist.

Nach dem Gesagten muss ein jeder Konstituent in jeden andern (zu der nämlichen Entwickelung gehörigen) sich überführen lassen lediglich dadurch, dass man gewisse Argumentbuchstaben in ihre Ne - gationen verwandelt. Vergleichen wir irgend zweie dieser Konstituenten mit einander, so lassen dieselben sich jedenfalls dadurch in einander überführen, dass man diejenigen Argumentbuchstaben ungeändert lässt, welche in beiden Konstituenten übereinstimmend vorkommen, nämlich entweder beidemal positiv (unnegirt), oder aber beidemal negativ (mit Negationsstrich versehen) erscheinen, dass man dagegen diejenigen Argumente mit ihren Negationen vertauscht, welche in beide Konstituenten in verschiedener Weise als Faktor eingehen, nämlich im einen gleichviel welchem von beiden unnegirt, im andern negirt auftreten.

Mit Clifford (siehe weiter unten) kann man passend Abstand der beiden in Vergleichung zu ziehenden Konstituenten nennen: die Anzahl der Argumentbuchstaben, welche dergestalt behufs Überführung des einen Konstituenten in den andern zu vertauschen sind mit ihren Negationen.

So werden beispielsweise die beiden Konstituenten664Anhang 6.a b c d und a b1 c d den Abstand 1 besitzen, weil es erforderlich und ausreichend ist, das eine Argument b mit seiner Negation b1 zu vertauschen, um aus dem einen von ihnen den andern abzuleiten.

Die Konstituenten a1 b c d und a b1 c d dagegen haben den Abstand 2, weil zu diesem Zwecke die beiden Argumente a und b mit ihren Nega - tionen a1 und b1 vertauscht werden müssen.

Die Konstituenten a b1 c d1 und a1 b1 c1 d haben den Abstand 3, etc.

Ein jeder Konstituent besitzt von sich selbst oder einem ihm identisch gleichen (wie z. B. a1 b1 c d von a1 b1 c d) den Abstand 0.

Nach den Erörterungen besitzt ein Konstituent A von einem andern B denselben Abstand, wie der andere B vom ersten A.

Untersucht man nun beim oben vorliegenden Probleme, wie sich ein Konstituent oder Glied unserer Entwickelung, z. B. das erste 1 oder a b c als Ursprung zu den übrigen Gliedern in Hinsicht seines Abstandes von denselben verhält, so bemerkt man, dass es zu dem Ursprung drei Glieder (Konstituenten) gibt, welche den Abstand 1 von ihm besitzen, und die man darum passend als die dem Ursprung be - nachbarten oder anliegenden Glieder wird bezeichnen können. Drei andere von den 7 übrigen Gliedern haben von ihm den Abstand 2, und sollen die dem Ursprung abliegenden Glieder heissen. Das letzte noch übrige Glied hat von dem Ursprung den grössten hier vor - kommenden, nämlich den Abstand 3, und mag das denselben gegen - überliegende oder der Gegenkonstituent des Ursprungs genannt werden.

Für den eben gewählten Ursprung versinnlicht diesen Sachverhalt die Figur:

[figure]
[figure]
Fig. 38.

Während Ursprung und Gegenglied ungeändert bleiben (festge - halten werden), können, durch blosse Vertauschungen unter den Argu - menten a, b, c selbst, die drei anliegenden Glieder ineinander über - geführt werden, desgleichen die drei abliegenden.

665Geometrisch-kombinatorisches Problem von Jevons.

Ganz ebenso verhält sich nun die Würfelecke 1 zu den drei ihr benachbarten 2, 3 und 5, nebst den ihr abliegenden Ecken 4, 6 und 7 und ihrer Gegenecke 8 wofern die Abstände entlang dem Kanten - system des Würfels gemessen werden.

Und wie die Würfelecken als gleichwertig zu gelten haben, indem man jede Ecke in die Lage jeder andern bringen kann, ohne dass der Würfel aufhört mit sich selbst zusammenzufallen, so kann man auch durch blosse Vertauschungen von Argumenten a, b oder c mit ihren Negationen (sowie auch von jenen unter sich) die ganze Konstituenten - summe so in sich selber transformiren, dass irgend zwei verlangte Glieder derselben den Platz gewechselt haben werden sodass, was oben über den Ursprung a b c in seinem Verhältniss zu den übrigen Gliedern gesagt ist, auch von jedem andern Gliede als Ursprung wird gelten müssen.

Um alle analytisch ausführbaren Transformationen der Konstituenten - summe in sich selbst unter geometrischem Bilde erblicken zu können, wird man auch den umgestülpten Würfel, das ist denjenigen Würfel, bei welchem die Ziffern aller Gegenecken ausgetauscht worden, für gleichwertig gelten zu lassen haben mit dem ursprünglichen Würfel, obwol er mit diesem nie zur Deckung mit allen gleichnamigen Ecken gebracht werden kann, demselben vielmehr nur symmetrisch gleich sein wird.

Jene, die Konstituentensumme in sich selbst transformirenden Ver - tauschungen sind leicht zu ermitteln. Es sind vor allem die folgenden Produkte von Transpositionen , bei denen wir solche Buchstabenvertau - schungen, die von selbst aus andern folgen, jeweils unter diese schreiben: (a, a1) (1, 5) (2, 6) (3, 7) (4, 8); (b, b1) (1, 3) (2, 4) (5, 7) (6, 8); (c, c1) (1, 2) (3, 4) (5, 6) (7, 8);

(a, b) (3, 5) (4, 6);(a, c) (2, 5) (4, 7);(b, c) (2, 3) (6, 7)
(a1, b1)(a1, c1)(b1, c1)

Aus diesen schon würden sich die folgenden Vertauschungen nach den Multiplikationsregeln der Substitutionen theorie ableiten lassen, gleichwie sie direkt sich ergeben:

(a, b, c) (2, 5, 3) (4, 6, 7);(a, c, b) (2, 3, 5) (4, 7, 6)
(a1, b1, c1)(a1, c1, b1)

(a, a1) (b, b1) (1, 7) (2, 8) (3, 5) (4, 6); (a, a1) (c, c1) (1, 6) (2, 5) (3, 8) (4, 7); (b, b1) (c, c1) (1, 4) (2, 3) (5, 8) (6, 7); (a, a1) (b, b1) (c, c1) (1, 8) (2, 7) (3, 6) (4, 5);

(a, b1) (1, 7) (2, 8);(a, c1) (1, 6) (3, 8);(b, c1) (1, 4) (5, 8);
(a1, b)(a1, c)(b1, c)

666Anhang 6.

(a, a1) (b, c1) (1, 8) (2, 6) (3, 7) (4, 5);(b, b1) (a, c1) (1, 8) (2, 4) (3, 6) (5, 7);
(b1, c)(a1, c)
(c, c1) (a, b1) (1, 8) (2, 7) (3, 4) (5, 6);
(a1, b)
(a, b, c1) (1, 6, 4) (3, 5, 8);(a, b1, c) (1, 4, 7) (2, 8, 5);(a, b1, c1) (1, 7, 6) (2, 3, 8);
(a1, b1, c)(a1, b, c1)(a1, b, c)

desgleichen in den drei letzten Vertauschungen die Cyklen sämtlich rück - wärts gelesen, beziehungsweise die beiden letzten Elemente in denselben durchweg vertauscht.

Da es nun bequemer ist, sich von der geometrischen Anschauung des Würfels leiten zu lassen, als derartige Zeichenvertauschungen vor - zunehmen, so wollen wir die uns obliegende kombinatorische Unter - suchung jetzt am geometrischen Bilde ausführen.

Wir haben entweder keine Aushebung: dies gibt den ersten Typus welcher der nichtssagenden Aussage entspricht und das Element 0 der Gruppe G (a, b, c) liefert.

Oder wir haben eine Aushebung, indem wir als Element der Gruppe irgend ein Glied, einen Konstituenten jener achtgliedrigen Summe, oder also eine Ecke des Würfels nehmen einer von Jevons und Clifford so genannten einfaltigen Aussage ( one-fold statement ) entsprechend. Dies gibt den zweiten Typus mit den 8 Repräsentanten oder Formen (als Elementen der Gruppe): 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8.

Oder wir haben zwei Aushebungen, indem wir zwei Ecken des Würfels nehmen, entsprechend zweien Konstituenten, welche additiv vereinigt zu denken sind zu einem Ausdrucke, als einem Elemente der Gruppe, oder als dem Polynom einer (rechts auf 0 gebrachten) Aussage, die als eine zwiefältige oder zweifache (twofold statement) bezeichnet werden dürfte.

Zwei Ecken des Würfels lassen nun aber auf dreierlei Weisen sich auswählen.

Beginnen wir jedesmal mit der Ecke 1, so kann die zweite Ecke ent - weder eine ihr benachbarte (anliegende) Ecke sein, d. h. eine von den dreien 2, 3, 5 und dann gleichviel welche, oder eine abliegende, d. h. 4, 6 oder 7, oder die gegenüberliegende, somit 8. Dies gibt für die drei fol - genden Typen, bei denen die verbundenen (kombinirten) Ecken entweder Endpunkte einer Kante, oder Gegenecken einer Seitenfläche des Würfels oder endlich Gegenecken des Würfels selbst sind:

Dritter Typus mit den 12 Repräsentanten (wenn wir Raumersparniss halber die Pluszeichen jeweils unterdrücken, welche die Ziffern einer jeden Kombination eigentlich verbinden sollten): 12, 34, 56, 78, 13, 24, 57, 68, 15, 26, 37, 48.

667Geometrisch-kombinatorisches Problem von Jevons.

Vierter Typus mit den 12 Repräsentanten: 14, 23, 58, 67, 16, 25, 38, 47, 17, 35, 28, 46.

Fünfter Typus mit den 4 Repräsentanten: 18, 27, 36, 45.

Oder wir haben drei Aushebungen ( threefold statement) Auch diese lassen sich auf drei Arten bewerkstelligen und liefern drei weitere Typen.

Entweder nämlich: zwei von den drei auszuhebenden Ecken sind be - nachbarte; dann mögen wir 1 und 2 als diese nehmen. Alsdann kann auch die dritte auszuhebende Ecke einer von diesen beiden benachbart sein (aber nicht beiden zugleich, weil sonst der Würfel ein Dreieck zur Seitenfläche haben müsste), gleichviel welcher wie z. B. 3 der 1, und die drei Ecken bestimmen eine rechtwinklig gebrochene Linie: 213, ein Knie ; dies gibt den

Sechsten Typus mit den 24 Repräsentanten: 312, 124, 243, 431, 657, 578, 786, 865, 215, 156, 562, 621, 734, 348, 487, 873, 513, 137, 375, 751, 426, 268, 684, 842. Andernfalles wird die dritte neben 1 und 2 auszuwählende Ecke keiner von diesen beiden benachbart sein; dann fallen die Ecken 3, 4, 5, 6 ausser Betracht, und kann jene nur einer von den beiden Endpunkten 7 und 8 der Gegenkante von 12 sein, gleichviel welcher von diesen. Diese Aushebung verknüpft also die Endpunkte einer Kante je mit einem End - punkt ihrer Gegenkante und gibt den

Siebenten Typus mit den 24 Repräsentanten: 127, 128, 781, 782, 345, 346, 563, 564, 136, 138, 681, 683, 245, 247, 572, 574, 154, 158, 481, 485, 263, 267, 372, 376.

Oder unter den auszuhebenden Ecken sind keine zwei benachbarte. Beginnen wir mit 1, so werden also die drei anliegenden 2, 3 und 5 zu verwerfen sein. Nun kann aber auch die Gegenecke 8 nicht genommen werden, weil dieser die drei noch übrigen Ecken 4, 6 und 7 benachbart sind und dann keine nicht benachbarte Ecke mehr vorhanden wäre, die für die dritte sich nehmen liesse. Folglich müssen in diesem Falle die beiden andern Ecken unter den der ersten abliegenden 4, 7, 8 ausgewählt werden, gleichviel auf welche Weise. Wie 147 bestimmen dann die gewählten Ecken ein gleichseitiges Dreieck, welches von Diagonalen dreier Seiten - flächen des Würfels gebildet wird, und auf welchem als Grundfläche je eine Ecke des Würfels pyramidenförmig steht. Dies ist der

Achte Typus mit den 8 Repräsentanten: 523, 641, 714, 832, 176, 258, 385, 467.

668Anhang 6.

Da hiermit bei drei Aushebungen alle Möglichkeiten erschöpft wurden, so haben wir überzugehen zu dem Falle, wo vier Aushebungen gemacht werden. Es wird sich herausstellen, dass diese auf sechserlei Arten ge - schehen können.

Erster Unterfall: Drei von den vier auszuwählenden Ecken bilden die Figur des rechten Winkels (das Knie, wie 213 etc. beim sechsten Typus), sodass zwei von ihnen der von uns in die Mitte gesetzten dritten benachbart sind. Alsdann kann die vierte Ecke einer von diesen dreien benachbart sein, oder nicht.

Ist sie der bevorzugten oder mittleren Ecke benachbart, so erweist sie sich als vollkommen bestimmt. Weil nämlich von den drei derselben benachbarten Ecken schon zwei ausgehoben sind, muss sie die dritte sein. Die vier gewählten Ecken bestimmen dann ein Dreikant (einen Dreifuss); ihr System besteht aus einer Ecke des Würfels mitnebst den Endpunkten der drei in ihr zusammenstossenden Kanten. Dies ist der

Neunte Typus mit den 8 Repräsentanten: 1523, 2641, 3714, 4832, 5176, 6258, 7385, 8467.

Ist die vierte Ecke aber einer von den beiden andern benachbart, mit - hin bei 213 der 2 oder der 3, so kann sie entweder demselben durch die bisherigen drei Ecken bestimmten Seitenquadrate als dessen vierte Ecke angehören, oder, wenn diesem nicht, so sicher dem gegenüberliegenden. Im ersten Falle sind die gewählten vier Ecken diejenigen einer quadra - tischen Seitenfläche des Würfels; sie bestimmen dann auf vier Arten jene zweiteilig im rechten Winkel gebrochene Linie (ein Knie), sowie eine drei - teilig in Hufeisenform gebrochene Linie. Dies gibt den

Zehnten Typus mit den 6 Repräsentanten: 1243, 5786, 1562, 3487, 1375, 2684.

Im andern Falle muss die zu 213 hinzu zu wählende vierte Ecke ent - weder 6 oder 7 sein (weil 5, als der mittleren benachbart, schon unter dem neunten Typus berücksichtigt ist, und 8 zu keiner von den dreien benachbart). Die vier Ecken, wie 6213, bestimmen jetzt eine windschiefe dreiteilig gebrochene Linie (windschiefes Doppelknie) und haben wir den

Elften Typus mit den 24 Repräsentanten: 3126, 5124, 1348, 7342, 1568, 7562, 3786, 5784, 2137, 5134, 1248, 6243, 1578, 6573, 2687, 5684, 2157, 3156, 1268, 4265, 1378, 4375, 2487, 3486.

Bleibt der Fall zu erledigen, wo die vierte Ecke keiner von den drei ein Knie 312 bildenden benachbart ist.

Als vierte werden dann also auszuschliessen sein die Ecken 4, 5, 6 und 7, sodass als einzig zulässige 8 geblieben. Die vier erwählten Ecken erscheinen als diejenigen an einem rechtwinkligen Knie in Verbindung mit der Gegenecke seines Scheitels und haben wir den

669Geometrisch-kombinatorisches Problem von Jevons.

Zwölften Typus mit den 24 Repräsentanten: 3128, 1247, 2435, 4316, 6574, 5782, 7861, 8653, 2158, 1564, 5623, 6217, 7346, 3485, 4871, 8732, 5138, 1376, 3752, 7514, 4267, 2683, 6841, 8425.

Hiermit sind die Fälle abgethan, bei denen eine erwählte Ecke zwei andern erwählten benachbart ist, also drei von den vier zu erwählenden Ecken in der Lage wie beim sechsten Typus zu einander stehen; denn das von diesen dreien gebildete Knie könnte man immer für 213 im obigen Räsonnement eintreten lassen, welches in allen seinen möglichen Kombinationen bereits aufgeführt worden. Sollen Wiederholungen vermieden werden, so ist also fortan solcher Fall nicht mehr zuzulassen.

Bleibt der Unterfall zu erledigen, wo drei von den vier erwählten Ecken in der Lage wie beim siebenten Typus sich zu einander befinden wie z. B. 127. In diesem Falle sind 3, 4, 5, 6 als zu 1 oder 2 benachbart nach dem soeben gesagten zu verwerfen, und bleibt blos 8 als vierte zu - lässige Ecke übrig. Die vier erwählten Punkte bilden jetzt die Ecken von einem der rechteckigen Diagonalquerschnitte des Würfels, und haben wir den

Dreizehnten Typus mit den 6 Repräsentanten: 1278, 3456, 1368, 2457, 1548, 2637.

Bleibt als letzter noch der Unterfall zu erledigen, wo drei von den vier auszuhebenden Ecken die Figur des achten Typus miteinander bilden. Und zwar wird auch die vierte Ecke mit je zweien der drei erwähnten nur diese Figur des achten Typus eingehen dürfen, weil andernfalles (wenn nämlich eine Konfiguration des siebten oder sechsten Typus dabei mit unterliefe) die Aushebungsweise schon im Bisherigen abgethan sein müsste. Insbesondere dürfen sonach benachbarte Ecken jetzt überhaupt nicht mehr vorkommen.

Gehen wir von der Aushebung der Ecken 235 aus, so sind 1, 4, 6 und 7 als einer (oder mehreren) von den drei erwählten Ecken benachbart, zu verwerfen und bleibt nur mehr 8 als vierte zulässige Ecke übrig. Die vier zu erwählenden Ecken sind jetzt durchweg von einander abliegende und bilden das System der Ecken von einem der beiden regelmässigen (dem Würfel einschreibbaren) Tetraeder. Wir haben somit als letzten Typus dieser Aushebung den

Vierzehnten Typus mit den zwei Repräsentanten: 1476, 2358.

Nunmehr auch die Fälle von 5, 6, 7 und 8 Aushebungen durchzu - gehen ist nicht erforderlich, weil hierbei gerade die Ecken auszuheben sein werden, die bei den ersten vier Aushebungen (diese in umgekehrter Reihen - folge genommen) bezüglich zurückgelassen wurden. Die Typen von jenen Aushebungen sind zu denen von diesen bezüglich komplementär. Insbesondere werden (die) 8 Aushebungen liefern: das Element 1 der Gruppe G (a, b, c),670Anhang 6.als einzigen Repräsentanten des letzten Typus derselben entsprechend der absurden Aussage: 1 = 0.

Wir müssen demnach im Ganzen haben entsprechend je 0, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8 Aushebungen: 1 + 1 + 3 + 3 + 6 + 3 + 3 + 1 + 1 = 22 Typen von Elementen der Gruppe G (a, b, c), mithin so viele Arten von Aus - drücken, welche aus a, b und c mittelst der drei Spezies aufgebaut werden können.

Und diese Typen konstituiren zusammen: 1 + 1 + 3 + 3 + 6 = 14 Haupttypen zu welchen sich je die von Anfang und Ende der obigen Reihe gleich - weit abstehenden Typen bezüglich zusammenthun.

Wir wollen nunmehr von jedem Typus einen Repräsentanten wirk - lich anschreiben, um denselben auf seine einfachste Gestalt oder be - quemste Ausdrucksform im identischen Kalkul zu bringen. Es repräsen - tirt den

  • 1. Typus: 0; 2. Typus: 1 = a b c; 3. Typus: 1 + 2 = a b c + a b c1 = a b;
  • 4. Typus: 1 + 4 = a b c + a b1 c1 = a (b c + b1 c1);
  • 5. Typus: 1 + 8 = a b c + a1 b1 c1;
  • 6. Typus: 1 + 2 + 3 = a b c + a b c1 + a1 b c = a (b + c);
  • 7. Typus: 1 + 2 + 7 = a b c + a b c1 + a1 b1 c = a b + a1 b1 c;
  • 8. Typus: 2 + 3 + 5 = a b c1 + a b1 c + a1 b c = a (b c1 + b1 c) + a1 b c;

die geringfügige Vereinfachung findet hier jedoch auf Kosten, unter Verhüllung der Symmetrie statt.

  • 9. Typus: 1 + 2 + 3 + 5 = a b c + a b c1 + a b1 c + a1 b c = = a (b c1 + b1 c) + b c = a (b + c) + a1 b c = a (b + c) + b c = a b + a c + b c;
  • 10. Typus: 1 + 2 + 3 + 4 = a b c + a b c1 + a b1 c + a b1 c1 = a;
  • 11. Typus: 1 + 2 + 3 + 6 = a b c + a b c1 + a b1 c + a1 b c1 = = a (b + c) + a1 b c1 = a c + b c1;
  • 12. Typus: 1 + 2 + 3 + 8 = a b c + a b c1 + a b1 c + a1 b1 c1 = a (b + c) + a1 b1 c1;
  • 13. Typus: 1 + 2 + 7 + 8 = a b c + a b c1 + a1 b1 c + a1 b1 c1 = a b + a1 b1;
  • 14. Typus: 1 + 4 + 6 + 7 = a b c + a b1 c1 + a1 b c1 + a1 b1 c = = a (b c + b1 c1) + a1 (b c1 + b1 c) = b (a c + a1 c1) + b1 (a c1 + a1 c) = = c (a b + a1 b1) + c1 (a b1 + a1 b);
  • 15. Typus (komplementär zum 8. Typus): 1 + 4 + 6 + 7 + 8 = = a b c + a b1 c1 + a1 b c1 + a1 b1 c + a1 b1 c1 = a b c + b1 c1 + a1 (b1 + c1) = = (a + b1 + c1) (a1 + b + c1) (a1 + b1 + c) = a b c + a1 b1 + a1 c1 + b1 c1;
671Geometrisch-kombinatorisches Problem von Jevons.
  • 16. Typus (kompl. zum 7. Typ.): 3 + 4 + 5 + 6 + 8 = = a b1 c + a b1 c1 + a1 b c + a1 b c1 + a1 b1 c1 = a b1 + a1 b + (a1 + b1) c1 = = a b1 + a1 b + a1 c1 = a b1 + a1 b + b1 c1 = a b1 + a1 (b + c1) = = (a + c1) b1 + a1 b = a b1 + a1 b + a1 b1 c1;
  • 17. Typus (kompl. zum 6. Typ.): 4 + 5 + 6 + 7 + 8 = = a b1 c1 + a1 b c + a1 b c1 + a1 b1 c + a1 b1 c1 = b1 c1 + a1;
  • 18. Typus (kompl. zum 5. Typ.): 2 + 3 + 4 + 5 + 6 + 7 = = a b c1 + a b1 c + a b1 c1 + a1 b c + a1 b c1 + a1 b1 c = = a b1 + b c1 + c a1 = a c1 + c b1 + b a1 = (a + b + c) (a1 + b1 + c1);
  • 19. Typus (kompl. zum 4. Typ.): 2 + 3 + 5 + 6 + 7 + 8 = = a b c1 + a b1 c + a1 b c + a1 b c1 + a1 b1 c + a1 b1 c1 = b c1 + b1 c + a1;
  • 20. Typus (kompl. zum 3. Typ.): 3 + 4 + 5 + 6 + 7 + 8 = = a b1 c + a b1 c1 + a1 b c + a1 b c1 + a1 b1 c + a1 b1 c1 = a1 + b1;
  • 21. Typus (kompl. zum 2. Typ.): 2 + 3 + 4 + 5 + 6 + 7 + 8 = = a b c1 + a b1 c + a b1 c1 + a1 b c + a1 b c1 + a1 b1 c + a1 b1 c1 = a1 + b1 + c1;
  • 22. Typus (kompl. zum 1. Typ.): 1 + 2 + 3 + 4 + 5 + 6 + 7 + 8 = = a b c + a b c1 + a b1 c + a b1 c1 + a1 b c + a1 b c1 + a1 b1 c + a1 b1 c1 = 1.

Die vorstehend von mir durchgeführte Untersuchung ohne das geometrische Gewand, in das ich sie gekleidet, und ohne die Bezugnahme auf Ausdrücke sowie Gruppen ist zuerst von Jevons in Angriff genommen, der sich die Frage vorlegte, wie vielerlei Aussagen (innerhalb der von uns charakterisirten Schranken) über drei Klassen a, b, c gemacht werden können. Jevons schreibt freilich in ganz andrer Gestalt, als die oben gewonnene die 256 rechts auf 0 gebrachten Aussagen wirklich hin (9 p. 286 289 cf. auch 8 p. 137 sqq.) eine Zusammenstellung, die er als the logical index bezeichnet. Er ordnet diese Aussagen in ver - schiedene Typen ein, deren er aber (statt 22) nur 15 aufstellt. Die der übrigen zu klassifiziren verhindert ihn ein fundamentaler Irrtum, zufolge dessen er eine Aussage als eine sich selbst widersprechende (als inconsi - stent ) erklärt wenn sie das Verschwinden von einer der drei Klassen a, b, c, oder von einer ihrer Negationen a1, b1, c1 involvirt. Mit Recht hebt Venn1 p. 162 Fussnote hervor, dass was (auch von Jevons) bei ab - geleiteten Symbolen, z. B. Produkten wie a b, etc. als zulässig erklärt wird, auch bei den ursprünglichen Symbolen nicht ausgeschlossen werden darf, dass aber die Einführung einer solchen Restriktion überhaupt (ein Verbot, leere oder verschwindende Klassen zur Sprache zu bringen) für die Logik ein geradezu selbstmörderisches Verfahren (suicidal) wäre.

Zu verwundern ist, dass Clifford, der wie nachher zu schildern, das analoge Problem für vier Symbole a, b, c, d gelöst, gleichwol die Jevons'sche Lösung des niedereren Problems (für dreie) nicht revidirt zu haben scheint.

672Anhang 6.

Ist ein Ausdruck von einem der vorstehenden 22 Typen gleich Null zu setzen, so lässt sich die damit gegebene Aussage oft noch auf eine einfachere Gestalt bringen dadurch, dass man einzelne Glieder auf die andere Seite des Gleichheitszeichens wirft, oder auch die Gleichung in mehrere zerfällt, diese in Subsumtionen umschreibt, etc.

Wir kommen damit den von Jevons in seinem logical index ge - gebenen Formen der Aussage näher, werden diese aber meist an Einfach - heit der Ausdrucksweise noch überbieten können, weil Jevons des Sub - sumtionszeichens noch entbehrte und die Einordnung a b zum Beispiel durch die Gleichung a = a b auszudrücken genötigt war.

Wenn wir uns genau an die oben vorgeführten Typus-Repräsen - tanten halten, so ergeben auf die angeführte Weise in der That sich leicht die folgenden Aussagen zum

  • 1. Typ. 0 = 0 (identische Aussage);
  • 2. Typ. a b c = 0 oder unsymmetrisch a b c1, oder auch a b1 + c1;
  • 3. Typ. a b = 0 oder a b1;
  • 4. Typ. a b c = 0 und a b + c; oder a b = a c1 oder a b1 = a c;
  • 5. Typ. a b c = 0 und a1 b1 c1 = 0 (oder 1 a + b + c);
  • 6. Typ. a b = 0 und a c = 0; oder a b1 c1;
  • 7. Typ. a b = 0, c a + b;
  • 8. Typ. a b c, a c b, b c a; oder b c a b c + b1 c1;
  • 9. Typ. a b = 0, a c = 0, b c = 0;
  • 10. Typ. a = 0;
  • 11. Typ. a c = 0, b c.
  • 12. Typ. a b = 0, a c = 0, 1 a + b + c;
  • 13. Typ. a b = 0 und 1 a + b, oder: a = b1 oder a1 = b;
  • 14. Typ. a b c = 0, a b + c, b a + c, c a + b, oder a b = a c1, a1 b = a1 c, oder etc.
  • 15. Typ. a b c = 0, 1 a b + a c + b c;
  • 16. Typ. a = b und 1 a + b + c (oder 1 a + c);
  • 17. Typ. 1 a, 1 b + c;
  • 18. Typ. a = b = c;
  • 19. Typ. 1 a, b = c;
  • 20. Typ. 1 a = b;
  • 21. Typ. 1 a = b = c;
  • 22. Typ. 1 = 0 (absurde Aussage).
673Zur Gruppentheorie des identischen Kalkuls.

Die Gruppe G (a, b, c) besteht hienach aus folgenden 256 Elementen: 1. Typus: 0; 22. Typus: 1; 2. Typus: a b c, a b c1, a b1 c, a b1 c1, a1 b c, a1 b c1, a1 b1 c, a1 b1 c1. 21. Typus: a1 + b1 + c1, a1 + b1 + c, a1 + b + c1, a1 + b + c, a + b1 + c1, a + b1 + c, a + b + c1, a + b + c. 3. Typus: a b, a b1, a1 b, a1 b1, a c, a c1, a1 c, a1 c1, b c, b c1, b1 c, b1 c1. 20. Typus: a1 + b1, a1 + b, a + b1, a + b, a1 + c1, a1 + c, a + c1, a + c, b1 + c1, b1 + c, b + c1, b + c. 4. Typus: a (b c + b1 c1), a (b c1 + b1 c), a1 (b c + b1 c1), a1 (b c1 + b1 c), b (a c + a1 c1), b (a c1 + a1 c), b1 (a c + a1 c1), b1 (a c1 + a1 c), (a b + a1 b1) c, (a b1 + a1 b) c, (a b + a1 b1) c1, (a b1 + a1 b) c1. 19. Typus: a1 + b c1 + b1 c, a1 + b c + b1 c1, a + b c1 + b1 c, a + b c + b1 c1, b1 + a c1 + a1 c, b1 + a c + a1 c1, b + a c1 + a1 c, b + a c + a1 c1, a b1 + a1 b + c1, a b + a1 b1 + c1, a b1 + a1 b + c, a b + a1 b1 + c. 5. Typus: a b c + a1 b1 c1, a b c1 + a1 b1 c, a b1 c + a1 b c1, a b1 c1 + a1 b c. 18. Typus: (a + b + c) (a1 + b1 + c1), (a + b + c1) (a1 + b1 + c), (a + b1 + c) (a1 + b + c1), (a + b1 + c1) (a1 + b + c)

    • oder:
    • oder:
  • a b1 + b c1 + c a1,
  • a c1 + c b1 + b a1,
  • a b1 + a1 c1 + b c,
  • a c + a1 b + b1 c1,
  • a b + a1 c + b1 c1,
  • a c1 + a1 b1 + b c,
    • a c + a1 b1 + b c1
    • a b + a1 c1 + b1 c.

6. Typus: a (b + c), a (b + c1), a (b1 + c1), a (b1 + c), a1 (b + c), a1 (b1 + c), a1 (b1 + c1), a1 (b + c1), b (a + c), b (a1 + c), b (a1 + c1), b (a + c1), b1 (a + c), b1 (a + c1), b1 (a1 + c1), b1 (a1 + c), (a + b) c, (a + b1) c, (a1 + b1) c, (a1 + b) c, (a + b) c1, (a1 + b) c1, (a1 + b1) c1, (a + b1) c1. 17. Typus: a1 + b1 c1, a1 + b1 c, a1 + b c, a1 + b c1, a + b1 c1, a + b c1, a + b c, a + b1 c, b1 + a1 c1, b1 + a c1, b1 + a c, b1 + a1 c, b + a1 c1, b + a1 c, b + a c, b + a c1, a1 b1 + c1, a1 b + c1, a b + c1, a b1 + c1, a1 b1 + c, a b1 + c, a b + c, a1 b + c. Schröder, Algebra der Logik. 43674Anhang 6.7. Typus: a b + a1 b1 c, a b + a1 b1 c1, a b c + a1 b1, a b c1 + a1 b1, a b1 + a1 b c, a b1 + a1 b c1, a b1 c + a1 b, a b1 c1 + a1 b, a c + a1 b c1, a c + a1 b1 c1, a b c + a1 c1, a b1 c + a1 c1, a c1 + a1 b c, a c1 + a1 b1 c, a b c1 + a1 c, a b1 c1 + a1 c, a b1 c1 + b c, a1 b1 c1 + b c, a b c + b1 c1, a1 b c + b1 c1, a b1 c + b c1, a1 b1 c + b c1, a b c1 + b1 c, a1 b c1 + b1 c. 16. Typus: a b1 + a1 b + a1 b1 c1, a b1 + a1 b + a1 b1 c, a b1 + a1 b + a b c1, a b1 + a1 b + a b c, a b + a1 b1 + a1 b c1, a b + a1 b1 + a1 b c, a b + a1 b1 + a b1 c1, a b + a1 b1 + a b1 c, a c1 + a1 c + a1 b1 c1, a c1 + a1 c + a1 b c1, a c1 + a1 c + a b1 c, a c1 + a1 c + a b c, a c + a1 c1 + a1 b1 c, a c + a1 c1 + a1 b c, a c + a1 c1 + a b1 c1, a c + a1 c1 + a b c1, a1 b1 c1 + b c1 + b1 c, a b1 c1 + b c1 + b1 c, a1 b c + b c1 + b1 c, a b c + b c1 + b1 c, a1 b1 c + b c + b1 c1, a b1 c + b c + b1 c1, a1 b c1 + b c + b1 c1, a b c1 + b c + b1 c1 [in welchen Ausdrücken von dem ternären Gliede auch jeweils der eine, oder aber der andere von den beiden Faktoren unterdrückt werden darf, die in einem der übrigen mit ihm verbundenen Glieder vorkommen]. 8. Typus: a b c1 + a b1 c + a1 b c, a b c + (a b1 + a1 b) c1, a b c + b1 (a c1 + a1 c), a (b c1 + b1 c) + a1 b1 c1, a b c + a1 (b c1 + b1 c), b (a c1 + a1 c) + a1 b1 c1, (a b1 + a1 b) c + a1 b1 c1, a b1 c1 + a1 b c1 + a1 b1 c. 15. Typus: a b c + a1 b1 + a1 c1 + b1 c1, a b c1 + (a1 + b1) c + a1 b1, a b1 c + b (a1 + c1) + a1 c1, a b1 c1 + a1 (b + c) + b c, a (b1 + c1) + a1 b c + b1 c1, a1 b c1 + b1 (a + c) + a c, a1 b1 c + (a + b) c1 + a b, a b + a c + b c + a1 b1 c1, [oder: (a + b1 + c1) (a1 + b + c1) (a1 + b1 + c), (a + b1 + c) (a1 + b + c) (a1 + b1 + c1), etc.] 9. Typus: a b + a c + b c, a b + (a + b) c1, a c + b1 (a + c), a (b1 + c1) + b1 c1, a1 (b + c) + b c, b (a1 + c1) + a1 c1, (a1 + b1) c + a1 b1, a1 b1 + a1 c1 + b1 c1. 10. Typus: a, a1, b, b1, c, c1. 11. Typus: a c + b c1, a c1 + b c, a c + b1 c1, a c1 + b1 c, a1 c1 + b c a1 c + b c1, a1 c1 + b1 c, a1 c + b1 c1, a b + b1 c, a b1 + b c, a b + b1 c1, a b1 + b c1, a1 b1 + b c, a1 b + b1 c, a1 b1 + b c1, a1 b + b1 c1, a b + a1 c, a c + a1 b, a b + a1 c1, a c1 + a1 b, a c + a1 b1, a b1 + a1 c, a c1 + a1 b1, a b1 + a1 c1. 12. Typus: a (b + c) + a1 b1 c1, a (b + c1) + a1 b1 c, a (b1 + c1) + a1 b c, a (b1 + c) + a1 b c1,675Zur Gruppentheorie des identischen Kalkuls.a b1 c1 + a1 (b + c), a b c1 + a1 (b1 + c), a b c + a1 (b1 + c1), a b1 c + a1 (b + c1), b (a + c) + a1 b1 c1, a b1 c1 + b (a1 + c), a b1 c + b (a1 + c1), b (a + c1) + a1 b1 c, b1 (a + c) + a1 b c1, b1 (a + c1) + a1 b c, a b c + b1 (a1 + c1), a b c1 + b1 (a1 + c), (a + b) c + a1 b1 c1, (a + b1) c + a1 b c1, a b c1 + (a1 + b1) c, a b1 c1 + (a1 + b) c, (a + b) c1 + a1 b1 c, a b1 c + (a1 + b) c1, a b c + (a1 + b1) c1, (a + b1) c1 + a1 b c. 13. Typus: a b + a1 b1, a b1 + a1 b, a c + a1 c1, a c1 + a1 c, b c + b1 c1, b c1 + b1 c. 14. Typus: a (b c + b1 c1) + a1 (b c1 + b1 c), a (b c1 + b1 c) + a1 (b c + b1 c1).

Die Ausdrücke eines jeden Typus sind so geordnet, dass sie, wenn der Reihe nach gelesen, genau entsprechen den vorher zusammengestellten Aushebungen chiffrirter Würfelecken. Durch Vergleichung eines Ausdrucks mit der gleichstelligen Ziffernkombination unter dem gleichen Typus wird darnach auch sogleich ersichtlich, wie der erstere nach a, b, c entwickelt sich darstellen würde, z. B. der erste Ausdruck (Repräsentant) des elften Typus muss sein: a c + b c1 = 3 + 1 + 2 + 6 = 1 + 2 + 3 + 6 = a b c + a b c1 + a b1 c + a1 b c1.

Die Anzahl der Typen und Haupttypen in welche die 216 = 65536 Ele - mente der Gruppe G (a, b, c, d) zerfallen, hat Clifford3 bestimmt vergl. auch eine hierauf bezügliche Bemerkung von Cayley2.

Dabei ist es ihm um die Typenzahl der Aussagen zu thun, welche in simultanen universalen Urteilen über vier Klassen a, b, c, d abge - geben werden können (wenn also Alternativen zwischen solchen Ur - teilen ausgeschlossen bleiben, sodass nur die von uns später soge - nannten einfachen oder monomischen Urteile in Betracht kommen werden).

Wir wollen über den Charakter und die Ergebnisse seiner müh - samen Untersuchung wenigstens kurz referiren, uns einige Zusatz - bemerkungen gestattend.

Die 16 Glieder oder Konstituenten in der geordneten Entwickelung der identischen Eins nach den Argumenten a, b, c, d: 1 = a b c d + a b c d1 + a b c1 d + a b c1 d1 + a b1 c d + a1 b1 c1 d1 wollen wir uns wieder mit den Zahlen 1, 2, 3, 16 der Reihe nach numerirt denken.

Was die Abstandsverhältnisse dieser 16 Konstituenten betrifft, so gibt es zu irgend einem derselben als Ursprung ( origin ) vier an -43*676Anhang 6.liegende ( proximates ), welche den Abstand 1 von ihm besitzen, sechs mittelständige ( mediates ), die von ihm den Abstand 2 haben, vier abliegende ( ultimates ) mit dem Abstand 3, endlich einen gegenüberliegenden ( obverse ) mit dem Abstand 4 so wie es für den Ursprung a b c d das folgende Schema zu erkennen gibt:

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Fig. 39.

Die Frage ist: auf wie viele Arten irgendwieviele von diesen 16 Konstituenten ausgehoben und zu einer identischen Summe ver - einigt, additiv kombinirt werden können, wenn man zu einerlei Art alle diejenigen Aushebungen rechnet, bei welchen die resultirenden Summen durch blosse Vertauschungen unter den Buchstaben a, b, c, d, a1, b1, c1, d1 auf einander zurückgeführt werden können.

Auch hier lässt das Problem sich unter geometrischem Bilde be - trachten. Und zwar läuft es hinaus auf die Ermittelung der Anzahl der Arten, auf welche bei dem Analogon des Würfels in einer räumlichen Mannigfaltigkeit von vier Dimensionen sich Ecken auswählen lassen. Um zunächst für dieses Gebilde einen geeigneten Namen zu gewinnen, möge man bedenken, dass auch zutreffend bezeichnet werden könnte die Strecke als Zweieck das Quadrat (reguläres) Vierstreck (Vierseit) der Würfel, Kubus Sechsquadrat (Hexaeder) indem in dem ohnehin für letztern gebräuchlichen Namen Sechsflach (Hexa-hedron) nur zufällig nicht ausgedrückt erscheint, dass jede Seiten - fläche ein Quadrat sein solle.

Für jenes fragliche vierdimensionale Gebilde bietet demnach unge - zwungen der Name Achtwürfel Oktokub oder (reguläres) Achtzell sich dar. Dieses Achtzell ist in der That zu denken als ein vierdimensio - nales (hyper -) räumliches Gebiet, welches begrenzt ist von acht Würfeln, von denen immer viere in einer Ecke der Figur zusammenstossen und zu je zweien eine quadratische Seitenfläche gemein haben.

Man kann das Gebilde ganz gut auch in unserm (dreidimensionalen) Raume veranschaulichen sei es durch seine Projektion in den letztern, wo die Würfel sich als Rhomboeder darstellen, sei es auf eine Weise, die ich jetzt beschreiben will.

Schon das Quadrat kann selber (ich meine nicht eine Projektion des - selben) mit seinen vier Ecken in eine gerade Linie eingezeichnet werden,677Geometrisch-kombinatorisches Problem von Clifford.desgleichen der Würfel mit seinem Ecken - und Kantensystem in eine Ebene, wofern man nur sich gestattet, einzelne Seiten resp. Kanten desselben zu verbiegen, dieselben kürzend oder dehnend. Für das Quadrat soll dies Fig. 40, für den Würfel Fig. 41 erläutern; in beiden haben wir auch die Nummern der Ecken eingetragen (bezogen auf die Glieder

[figure]
Fig. 40.

unsrer Entwickelung der identischen Eins nach a, b resp. a, b, c).

Zwei Seiten des Quadrates sowie zwei Seitenflächen des Würfels er - blickt man unverzerrt.

Nichts hinderte, beim Quadrat die beiden andern Seiten gerad - linig anzunehmen; jedoch geschähe dies auf Kosten der Übersichtlich - keit, indem die vier Seiten dann in - und über - einander fallen würden. Nun kann man aber doch von den Verzerrungen absehen, und deren ungeachtet die Seiten resp. Kanten für gleich - wertig gelten lassen. Indem man die Qua - dratseiten den Deformationen geschmeidig folgen lässt, kann man z. B. auch in der Anschauung das soit-disant Quadrat Fig. 40 in sich selbst herumschwingen, sodass die Ecke 1 nach 2, 2 nach 4, 4 nach 3 und 3 nach 1 rückt. Ebenso kann man den sit venia verbo! Würfel Fig. 41 in sich selbst verschieben, sodass er stets mit seiner Anfangslage in Deckung bleibt, aber z. B. die Ecken 3, 1 nach 4, 2, die 4, 2 nach 8, 6, letztere nach 7, 5 und diese nach 3, 1 rücken, etc. Kurz man kann alle am wirklichen Quadrat resp. Würfel ausführbaren Prozesse oder Opera -

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Fig. 41.

tionen im Geiste auch zur Ausführung bringen an den vorstehenden Ab - bildern dieser Gebilde, welche eine Dimension weniger als das Gebilde selbst besitzen und nach Analogie eines Herbariums füglich als ge - presstes Quadrat, gepresster Würfel zu bezeichnen wären.

Analog bietet nun der vierdimen - sionale Oktokub im dreidimensional ge - pressten Zustande (gepresst natürlich unter Verbiegung und Zerrung von einzelnen seiner Kanten) sich in einer Gestalt dar, die wir nebenstehend in einer annähernd perspektiven, nämlich orthogonalen Projektion in der Ebene der Zeichnung darstellen, die 16 Num - mern an die Ecken setzend.

Vier von den Würfeln haben, wie man sieht, jetzt eine wiegenförmige Gestalt gewonnen, welche an gewisse

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Fig. 42.

678Anhang 6.viersitzige Kinderschaukeln erinnert; zwei von den Würfeln sind unverzerrt geblieben; zwischen diesen erscheint einer als der Kern der ganzen Figur in unserem Raume; der letzte von den Würfeln ist diese ganze Figur selbst, und schliesst die sieben vorerwähnten in sich, ist aber gleichwol als mit einem jeden derselben gleichwertig anzusehen.

Das Gebilde hat 32 Kanten, von welchen immer viere in einer von den 16 Ecken zusammenstossen. Je dreie von solchen 4 von einer Ecke ausgehenden Kanten bestimmen einen Würfel und von den vier so be - stimmten Würfeln (von welchen ebenfalls zu sagen sein wird, dass sie in dieser Ecke zusammenstossen) haben je zweie wieder eine Seitenfläche mit - einander gemein, sodass auch sechs quadratische Seitenflächen in jeder Ecke zusammentreffen; der Seitenflächen sind es 24 im ganzen.

Anstatt der hier gewählten Veranschaulichungsweise kann man auch eine exakte Parallelprojektion des vierdimensionalen Gebildes (regulären Oktokubs) in unsern dreidimensionalen Raum betrachten. Eine orthogonale Projektion derart gibt die Figur (das Kantensystem) des regulären Rhomben - dodekaeders (Rautenzwölfflächners, Granatoeders) mitsamt den acht Radien, welche die dreikantigen Ecken desselben mit seinem Mittelpunkte verbinden, in welchem letztern die Projektionen zweier Ecken des Achtzells zusammen - fallen ein Umstand auf welchen Herr Kollege Hertz mich aufmerksam machte. Die Projektion ist analog derjenigen, bei welcher ein Würfel sich als reguläres Sechseck projizirt, wobei zwei Würfelecken in dem Mittelpunkt des letztern übereinander fallen. Wie wir diese in der Fig. 43 ein wenig auseinanderhalten, so wollen wir auch in der Fig. 44 des projizirten Acht -

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Fig. 43.

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Fig. 44.

zells die beiden Ecken 8 und 9 behufs Vermehrung der Übersicht nicht ganz zusammenfallen lassen, was sie eigentlich thun sollten.

Die 24 quadratischen Seitenflächen des Achtzells projiziren sich zur679Geometrisch-kombinatorisches Problem von Clifford.einen Hälfte als die 12 rautenförmigen Seitenflächen des Granatoeders, zur andern Hälfte als die im Innern des Körpers liegenden Rauten, die auf zweien Gegenkanten einer vierkantigen Granatoederecke stehen und dessen Mittelpunkt 8 oder 9 zur vierten Ecke haben. Und ganz deutlich wird man nun allemal die beiden als Rhomboeder projizirten Würfel erblicken, die auf irgend einer von den vorerwähnten 24 Rauten als auf einer gemeinsamen Grundfläche stehen.

In der Regelmässigkeit der vorstehenden Figur prägt sich mit der Umstand aus, dass die 16 Ecken des regulären Oktokubs auf dem vier - dimensionalen Analogon einer Kugelfläche, auf einer Vierer-Sphäre liegen müssen.

Würde die Seite des Quadrats oder Kante des Würfels und Oktokubs zur Längeneinheit genommen, so würde nebenbei gesagt der Radius dieser vierdimensionalen Hyper-Sphäre leicht als = 〈…〉 = 1 sich berechnen, gleichwie der Radius der durch die Ecken eines Würfels gelegten (drei - dimensionalen) Kugel = 〈…〉 , der des dem Quadrat umschriebenen Kreises = 〈…〉 und der des eindimensionalen Hypo-Kreises , gelegt durch die Ecken des Zweiecks (der Strecke 1), = 〈…〉 = 〈…〉 ist. Die dem Granatoeder umschreibbaren Kugeln, welche nämlich durch die Ecken von einerlei Art desselben hindurchgehen, sind natürlich von kleinerem Halbmesser, als dem vorerwähnten 1 der Hyper-Sphäre, und zwar wären ihre Radien unschwer zu finden in Anbetracht, dass (nach einer Be - merkung von Hertz) gleichwie in Fig. 43 die Quadratdiagonalen 23, 47, etc. und die Dreiecke 235, 476) so in der räumlichen Figur zu Fig. 44 die Würfeldiagonalflächen 4, 6, 16; 4, 6, 7, etc. sowie die Tetraeder 1, 10, 11, 13 und 4, 6, 7, 16 sich in natürlicher Grösse präsentiren müssen. Wol die einfachste Veranschaulichung des Achtzells entnehme ich einem Modelle Herrn Victor Schlegel's Modell Nr. 2 der 15. Serie (Projektionsmodelle der vier ersten regelmässigen vierdimensionalen Kör - per) aus der hübschen Sammlung von Modellen für den höheren mathematischen Unterricht, welche in L. Brill's Verlage in Darmstadt erschienen. Das Gebilde ist in des ersteren Abhandlung: Theorie der homogen zusammengesetzten Raumgebilde in den Nova acta der Ksl. Leop. -Carol. Deutschen Akademie der Naturforscher, Bd. 44, p. 343 457, angeführt p. 434 auch als Stringham's reguläres Oktae - droid (cf. American Journal of Math. Vol. 3, p. 1 14).

[figure]
Fig. 45.

Das Modell stellt eine centrische Projektion des Achtzells in unsern Raum vor, analog derjenigen durch Fig. 45 dargestellten, bei der man680Anhang 6.einen Würfel auf die Ebene stellt und von einem Punkte oberhalb des - selben auf diese projizirt. Es sei durch die beifolgenden Fig. 46 und 47

[figure]
Fig. 46.

[figure]
Fig. 47.

veranschanlicht jene wie die früheren orthogonal, diese nach Kopp'scher Manier schief pro - jizirt bei welcher der innere oder Kern-Würfel thatsächlich in unserm Raume steht.

Es kann nun die geometrisch - kombinatorische Aufgabe ge - stellt werden, zu ermitteln, auf wie viele Arten sich an er - wähntem Achtzell Ecken aus - wählen lassen, wenn zu einerlei Art alle diejenigen Aushebungen gezählt werden, bei welchen die Systeme der ausgewählten Ecken kongruente oder symmetrisch gleiche Figuren bilden. Und mit dieser Aufgabe fällt das von Clifford gelöste logisch-kom - binatorische Problem zusammen, die Anzahl der Typen zu er - mitteln, in welche die aus vier (und nur vier) Argumenten a, b, c, d (also ohne Zutritt von Pa - rametern als Koeffizienten) zu - sammensetzbaren Funktionen im identischen Kalkul zerfallen, oder die Typenzahl der Aus - sagen zu finden (vermehrt um 1), welche über vier Klassen oder Begriffe (ohne Hinzu - ziehung von noch anderen) in simultanen universalen Urteilen abgegeben werden können.

Um nunmehr Clifford's Resultate als auf die Typenzahl der Elemente von G (a, b, c, d) bezügliche anzuführen, wollen wir unsre vorangeschickten Resultate für G (a), G (a, b) und G (a, b, c) noch einmal rekapitulirend zusammenstellen, indem wir für jede Zahl von ausgehobnen Konsti - tuenten auch hinzufügen: die Summe der Formenzahlen der Typen, in welche sie zerfällt, das ist die Gesamtanzahl der Elemente unsrer Gruppe, welche entwickelt aus soviel Konstituenten sich additiv zusammensetzen.

Diese Formenzahl ist bei n Bestimmungselementen der Gruppe und λ681Geometrisch-kombinatorisches Problem von Clifford.auszuhebenden von den 2n Konstituenten (der Entwickelung der identischen 1 nach jenen) a priori bekannt, indem sie sein muss: die Anzahl der (addi - tiven) Kombinationen ohne Wiederholungen zur λten Klasse von diesen 2n Konstituenten (oder Entwickelungsgliedern) als Elementen . Sie ist mit - hin der Binominalkoeffizient: (2n) λ, wofern wir uns für den Binominalkoeffizienten zum Exponenten m und vom Index λ der bekannten Schlömilch'schen Bezeichnungsweise bedienen: 〈…〉 .

Wir hatten für n = 1, mithin bei G (a), zu 0, 1, 2 Aushebungen (resp. - facher Aussage, - fold statement): 1, 1, 1 Typen, mit zusammen 1, 2, 1 oder (2) 0, (2) 1, (2) 2 Formen (Repräsentanten oder Elementen der Gruppe), dabei 1 + 1 = 2 Haupttypen.

Desgleichen hatten wir für n = 2, also bei G (a, b), zu 0, 1, 2, 3, 4 Aushebungen: 1, 1, 2, 1, 1 Typen, mit zusammen bezüglich 1, 4, 6, 4, 1 oder (4) 0, (4) 1, (4) 2, (4) 3, (4) 4 Formen, somit 1 + 1 + 2 = 4 Haupttypen. Ferner für n = 3, also bei G (a, b, c), zu 0, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8 Aushebungen: 1, 1, 3, 3, 6, 3, 3, 1, 1 Typen mit zusammen 1, 8, 28, 56, 70, 56, 28, 8, 1 oder (8) 0, (8) 1, (8) 2, (8) 3, (8) 4, (8) 5, (8) 6, (8) 7, (8) 8 Formen, was 1 + 1 + 3 + 3 + 6 = 14 Haupttyen gab.

Endlich für n = 4, mithin bei G (a, b, c, d), gibt es bei 0, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16 Aushebungen: 1, 1, 4, 6, 19, 27, 47, 55, 78, 55, 47, 27, 19, 6, 4, 1, 1 Typen mit 1, 16, 120, 560, 1820, 4368, 8008, 11440, 12870, 11440, 8008, 4368, 1820, 560, 120, 16, 1 oder (16) 0, (16) 1, (16) 2, (16) 3, (16) 4, (16) 5, (16) 6, (16) 7, (16) 8, (16) 9, (16) 10, (16) 11, (16) 12, (16) 13, (16) 14, (16) 15, (16) 16 Formen und beträgt die Zahl der Haupttypen: 1 + 1 + 4 + 6 + 19 + 27 + 47 + 55 + 78 = 238.

In Summa haben wir also für n = 1, 2, 3, 4: 3, 6, 22, 398 Typen und 2, 4, 14, 238 Haupttypen.

682Anhang 6.

Die von Clifford gegebne Typenzahl 396 war hier um 2 zu ver - mehren, weil er die Elemente 0 und 1 der Gruppe, als identische (0-fold statement) und absurde Aussage (16-fold statement) nicht mitberücksichtigte.

Ich habe nur die vier ersten Typenzahlangaben des obigen Schema's selbst nachgerechnet.

Bei drei Aushebungen hat man in der That in Bezug auf die Ab - standsverhältnisse der drei ausgehobenen Glieder die folgenden 6 Möglich - keiten: p p m, p m u, p u o, m m m, m m o, m u u, oder 112, 123, 134, 222, 224, 233 wo die Buchstaben p, m, u, o als Anfangsbuchstaben auf proximate, me - diate, ultimate und obverse hinweisen sollen, und selber oder besser die darunter gesetzten Abstandsziffern je an die Seiten eines Dreiecks gesetzt zu denken sind, an dessen Ecken die drei ausgehobenen Glieder stehen. Repräsentanten dieser 6 Typen sind etwa die Ausdrücke:

  • a b c d + a b c d1 + a b c1 d = a b (c + d),
  • a b c d + a b c d1 + a b1 c1 d = a (b c + b1 c1 d),
  • a b c d + a b c d1 + a1 b1 c1 d = a b c + a1 b1 c1 d,
  • a b c d + a b c1 d1 + a b1 c d1 = a {b c d + (b c1 + b1 c) d1},
  • a b c d + a b c1 d1 + a1 b1 c d = a b (c d + c1 d1) + a1 b1 c d = (a b + a1 b1) c d + a b c1 d1,
  • a b c d + a b c1 d1 + a1 b1 c1 d = (a b c + a1 b1 c1) d + a b c1 d1.

Wie man sieht läuft das Problem, arithmetisch gefasst, hinaus auf die additive Zerlegung der Binomialkoeffizienten von der Form (2n) λ in die Formenzahlen der verschiedenen Typen, welche sich bei λ Aus - hebungen ergeben. Für n = 2 und 3 ergaben sich als solche Zer - legungen:

  • (4) 2 = 4 + 2;
  • (8) 2 = (8) 6 = 12 + 4 + 12, (8) 3 = (8) 5 = 24 + 8 + 24,
  • (8) 4 = 24 + 6 + (8 + 2) + 6 + 24.

Das allgemeine Gesetz scheint jedoch nicht leicht zu ermitteln.

Will man das Problem bei beliebigem n und λ mithin allgemein be - handeln, so empfiehlt es sich vielleicht, die 2n Konstituenten der Ent - wickelung so zu numeriren, dass ihre Ordnungszahlen im dyadischen Zahlen - system dargestellt erscheinen. Aus dem strenge nach den Argumentbuch - staben geordnet dargestellten Konstituenten ergibt sich die Ordnungszahl in der dyadischen Darstellung auf's leichteste, indem man alle unnegirten Argumentfaktoren in Nullen, alle mit Negationsstrich versehenen in Einser umschreibt. Man kann hernach die Entwickelung der identischen Eins so zusammenfassen: 〈…〉 (als identische Summe). 683Zur Gruppentheorie des identischen Kalkuls.Um den Abstand irgend zweier Glieder dieser Summe zu erfahren, setze man sie mit den gleichstelligen Ziffern (ihrer dyadischen Ordnungszahlen) unter einander, und setze eine Null an, wo zwei gleiche Ziffern (zwei Nullen oder zwei Einser) unter einander stehen, eine Eins, wo zwei un - gleiche Ziffern (0 und 1 oder 1 und 0) unter einander stehen. Der ge - suchte Abstand ist die Ziffernsumme ( Quersumme ) des so gebildeten Ansatzes. [Den letztern könnte man als das symbolische Produkt der beiden Glieder im Sinne meiner Abhandlung8 § 9 und 10 hinstellen.]

Für 0, 1, 2 Aushebungen hat man jedenfalls bezüglich 1, 1, n als Typenzahlen. Doch schon für 3 Aushebungen ist die Typenzahl mit ihren den Typen einzeln zugehörigen Formenzahlen nur sehr mühsam zu ge - winnen.

Das Problem sei den Mathematikern zur Weiterführung empfohlen.

Was die eingangs angeregte Frage nach der Gliederung einer gegebenen Gruppe in Untergruppen, und deren Anzahl, betrifft, so ist dieselbe noch sehr leicht empirisch für G (a) und G (a, b) zu beant - worten.

Es enthält nämlich*)Der Deutlichkeit zuliebe fügen wir die Elementezahl der Gruppe dem Buchstaben G als Suffix bei. G4 (a) = (0, 1, a, a1) ausser sich selbst nur die eine Untergruppe G2 (0) = (0, 1).

G16 (a, b) enthält als Untergruppen erstens die Nullgruppe G2 (0); zweitens die sieben vierelementigen Gruppen: G4 (a), G4 (b), G4 (a b), G4 (a b1), G4 (a1 b), G4 (a1 b1), G4 (a b1 + a1 b) drittens die sechs achtelementigen Gruppen:

  • G8 (a, a b) = (0, 1, a, a1, a b, a1 + b1, a b1, a1 + b),
  • G8 (b, a b) = (0, 1, b, b1, a b, a1 + b1, a1 b, a + b1),
  • G8 (a, a1 b) = (0, 1, a, a1, a1 b, a + b1, a1 b1, a + b),
  • G8 (b, a b1) = (0, 1, b, b1, a b1, a1 + b, a1 b1, a + b),
  • G8 (a b, a1 b1) = (0, 1, a b, a1 + b1, a1 b1, a + b, a b + a1 b1, a b1 + a1 b),
  • G8 (a b1, a1 b) = (0, 1, a b1, a1 + b, a1 b, a + b1, a b + a1 b1, a b1 + a1 b)

viertens sich selber als 16 elementige Gruppe. Zusammen enthält G (a, b) also 1 + 7 + 6 + 1 = 15 Untergruppen.

Die Gliederung auch dieser Untergruppen wäre leicht in ähnlicher Weise anzugeben.

Dagegen ist die analoge Aufgabe, die Untergruppen von G256 (a, b, c) vollständig anzugeben, eine noch ungelöste und signalisirt sich684Anhang 6.hier abermals eine Reihe von Problemen dem Mathematiker und Philosophen.

Anstatt von Gruppen schlechtweg, d. i. von Gruppen hin - sichtlich aller drei Operationen oder Spezies des identischen Kalkuls hat man zuweilen Veranlassung, auch zu reden von Gruppen in Hin - sicht nur gewisser von diesen drei Operationen. Und verdient es, hier noch kurz erörtert zu werden, auf wie viele und welche Arten solches möglich ist.

Von vornherein erscheint es möglich zu reden von einer Gruppe in Hinsicht keiner, oder irgend einer, oder irgend zweier oder endlich aller dreie von den genannten Operationen.

Der erste Fall bleibe ausser Betracht. Von den übrigen 3 + 3 + 1 = 7 Möglichkeiten erweisen aber nur fünfe sich als wesentlich verschieden, wo 5 entstanden aus 3 + 1 + 1.

In der That ist haltbar der Begriff einer Gruppe in Hinsicht der Negation für sich als eines Systems von Elementen, welches durch Negiren nicht weiter vermehrt werden kann, welches nämlich zu jedem Ausdrucke, der als Element des Systems auftritt, auch dessen Nega - tion bereits als Element enthält.

Desgleichen der Begriff

  • einer Gruppe in Hinsicht der Multiplikation und (dual entsprechend) der
  • einer Gruppe in Hinsicht der Addition allein.

Weiter der Begriff

  • einer Gruppe in Hinsicht der Multiplikation und Addition (mit Ausschluss jedoch der Negation) und endlich der Begriff
  • einer Gruppe in Hinsicht aller drei Spezies, der Gruppe schlechtweg.

Beispiele gelegentlich in Band 2.

Dagegen kann es nicht geben: eine Gruppenbildung hinsichtlich Multiplikation und Negation allein, desgleichen nicht eine solche nur in Hinsicht auf Addition und Nega - tion denn sind die Operationen eines von diesen beiden Paaren von Spezies zugelassen, so ist es von selbst auch immer die dritte Spezies, und wird der letzte Fall vorliegen: der Gruppenbildung schlechtweg oder in Hinsicht aller drei Spezies.

Dies beruht auf der Anmerkung zu den Theoremen 36), wonach auch (S. 353) (a1 b1) 1 = a + b resp. (a1 + b1) 1 = a b allemal gebildet werden kann, sobald es gestattet ist, neben der Opera -685Zur Gruppentheorie des identischen Kalkuls.tion des Negirens nur die eine der beiden direkten Operationen des Kalkuls auf die Elemente a und b der Gruppe anzuwenden.

In der That sind also im identischen Kalkul nur die aufgezählten fünferlei Arten der Gruppenbildung möglich, von welchen die letzte als die wichtigste diejenige ist, mit der wir uns vorwiegend be - schäftigten.

Wir können auch das Substrat der hier untersuchten Gruppen benutzen, um (auf's neue) jene Behauptung des § 12 unsrer Theorie zu erhärten: dass die zweite Subsumtion des Distributionsgesetzes nicht syllogistisch beweisbar ist.

Im logischen Kalkul mit Gruppen (speziell von Ausdrücken, Funktionen, wie sie im identischen Kalkul vorkommen) gilt in der That diese zweite Subsumtion des Distributionsgesetzes im allgemeinen nicht und gelten gleichwol doch alle andern Sätze des identischen Kalkuls, wie solche bis einschliesslich des § 11 der Theorie entwickelt worden insbesondre natürlich also auch die erste Subsumtion des Distributionsgesetzes.

Um gedachten Nachweis zu leisten, braucht man sich nur nach der oben von uns begründeten Methode von der Vollständigkeit nach - stehender vier Gruppen zu überzeugen, die wir kurz mit den links bei - gesetzten Buchstaben bezeichnen wollen: A = G8 (a b c, a b + a c + b c) = {0, 1, a b c, a1 + b1 + c1, a b + a c + b c, a1 b1 + a1 c1 + b1 c1, a1 b c + a b1 c + a b c1, a b c + a1 b1 + a1 c1 + b1 c1}, B = G16 (a b, b c) = {0, 1, a b, b c, a1 + b1, a1 + c1, a b c, a b c1, a1 b c, a1 + b1 + c1, a1 + b1 + c, a + b1 + c1, b (a + c), b1 + a1 c1, b (a c1 + a1 c), b1 + a c + a1 c1}, C = G16 (a c, b c) = {0, 1, a c, b c, a1 + c1, b1 + c1, a b c, a b1 c, a1 b c, a1 + b1 + c1, a1 + b + c1, a + b1 + c1, c (a + b), c1 + a1 b1, c (a b1 + a1 b), c1 + a b + a1 b1}, D = G32 (a b, a c, b c) = {0, 1, a b, a c, b c, a1 + b1, a1 + c1, b1 + c1, a b c, a b c1, a b1 c, a1 b c, a1 + b1 + c1, a1 + b1 + c, a1 + b + c1, a + b1 + c1, a (b + c), b (a + c), c (a + b), a1 + b1 c1, b1 + a1 c1, c1 + a1 b1, a (b c1 + b1 c), b (a c1 + a1 c), c (a b1 + a1 b), a1 + b c + b1 c1, b1 + a c + a1 c1, c1 + a b + a1 b1, a b + a c + b c, a1 b1 + a1 c1 + b1 c1, a1 b c + a b1 c + a b c1, a b c + a1 b1 + a1 c1 + b1 c1}.

Die drei ersten von diesen: A, B, C, sind Untergruppen der vierten D, was selbstverständlich erscheint auch bei der ersten A, in An - betracht, dass die Bestimmungselemente von dieser nichts anderes sind, als Produkt und Summe der Bestimmungselemente von D.

686Anhang 6.

Da C aus B hervorgeht, indem man b und c vertauscht, so braucht die Probe auf Vollständigkeit blos bei den Gruppen A, B und D aus - geführt zu werden: für diese aber ist sie von erster Wichtigkeit, da auf der konstatirten Vollständigkeit die Beweiskraft der Überlegungen beruht. [Man müsste sich hier also der nicht unerheblichen Mühe des systematischen Intermultiplizirens und Interaddirens unterziehen.]

Nach dem aufgestellten Begriffe der logischen Summe von Gruppen haben wir nun: B + C = D, weil G (a b, a c, b c) die Bestimmungselemente von G (a b, b c) und G (a c, b c) in sich vereinigt. Daher ist: A · (B + C) = A · D = A nach Th. 20×), weil ja A D, wie oben erwähnt, sein musste.

Andrerseits ist es leicht, die Produkte A · B und A · C der ersten Gruppe in die beiden auf sie folgenden zu ermitteln.

Sucht man die Elemente auf, welche die Gruppen A und B, nämlich ihre Elementensysteme, gemein haben, so bildet deren System not - wendig wieder eine Gruppe. Diese möge E heissen; so lehrt der blosse Anblick von A und B, dass E = G4 (a b c) = {0, 1, a b c, a1 + b1 + c1} ist, und haben wir also: A · B = E.

Ebenso zeigt sich aber auch, dass A · C = E ist (wie zum Überfluss auch schon aus der Symmetrie von E bezüg - lich a, b, c hervorgeht).

Darnach wird sein müssen: A · B + A · C = E + E = E.

Nun deckt aber E sich keineswegs mit A, es ist sonach auch A B + A C verschieden von, jedenfalls ungleich A (B + C), welches gleich A erwiesen. Man bemerkt, dass E nur eine (d. i. eine echte ) Untergruppe von A ist; wir haben: E A und folglich auch (durch beiderseitige Einsetzung des Gleichen): A B + A C A (B + C) womit nachgewiesen ist, dass es im logischen Kalkul mit Gruppen Fälle gibt, in welchen die Formel des Distributionsgesetzes nur ein - seitig als eine Unterordnung gilt.

687Zur Gruppentheorie des identischen Kalkuls.

Die Unterordnung folgte hier auch schon aus dem Nichtvorliegen der Gleichheit in Anbetracht, dass A B + A C als , das ist = oder , A (B + C) in Th. 25×) bewiesen ist.

Von der erworbenen Bekanntschaft mit den Typen der Gruppe G (a, b, c) und von der gegebenen Zusammenstellung ihrer Elemente wollen wir schliesslich eine Nutzanwendung machen, um die Theorie der Eliminationsresultanten sowie diejenige der symmetrisch allgemeinen Lösungen um einen Schritt zu fördern.

Denken wir uns x, y und z irgendwie durch Parameter a, b, c, d, ausgedrückt, mithin sie als Funktionen des Gebietekalkuls von eben diesen Symbolen und nur von diesen gegeben, so kann man nach der Relation f (x, y, z) = 0 fragen, die als Resultante der Elimination sämtlicher Parameter aus den vorliegenden Gleichungen: x = φ (a, b, c, d, ), y = ψ (a, b, c, d, ), z = χ (a, b, c, d, ) folgen muss. Das Polynom f (x, y, z) dieser Resultante kann nur eines der 256 Elemente der Gruppe G (x, y, z) sein, da es andere Symbole als x, y und z selbst laut Voraussetzung nicht in sich aufweist, mithin bei seiner Entwickelung nach seinen drei Argumenten x, y, z als Koeffizienten nur die Symbole 0 und 1 zur Verfügung stehen können.

Sehr häufig wie wir bereits erfahren tritt insbesondre der Fall ein, dass unser Polynom das Element 0 der Gruppe G (x, y, z) ist. Die Resultante stellt sich alsdann in der Gestalt 0 = 0 dar und ist eine nichtssagende. Wir dürfen alsdann sagen, dass bei unbestimmt gelassenen Werten der Parameter a, b, c, d, auch die Gebiete x, y, z von einander unabhängig beliebige bleiben, oder dass keine Relation, Be - ziehung zwischen denselben bestehn muss oder folgt (S. 454).

Falls f (x, y, z) sich als das Element 1 der Gruppe G (x, y, z) herausstellen sollte, wäre die Resultante (als da ist: die Gleichung 1 = 0) eine absurde (Behauptung).

Dieser Fall kann aber nicht vorkommen, und die Erfahrung wird es bestätigen auch lässt es sich strenge, wie folgt, beweisen. Eine Resultante 1 = 0 wäre als ein Ergebniss der Elimination nicht nur von a, b, c, sondern auch von x, y, z anzuerkennen. Als letzteres müsste es auch in der vollen Resultante für x, y, z enthalten sein. Eliminirt man aber regelrecht aus der vereinigten Prämissengleichung x1 φ + x φ1 + y1 ψ + y ψ1 + z1 χ + z χ1 = 0688Anhang 6.ebendiese drei Symbole, so ergibt sich als die gedachte volle Resultante nur: 0 = 0.

Der Aussagenbereich, mit dem wir es im vorliegenden ersten Bande der exakten Logik ausschliesslich zu thun haben, war auf die universalen Urteile beschränkt, umfasste nämlich nur, was mittelst Gleichungen oder Subsumtionen ausdrückbar ist.

In diesem Bereiche kann ein unmittelbarer Widerspruch (S. 6) über - haupt nicht vorkommen, sintemal bekanntlich das kontradiktorische Gegen - teil einer universalen allemal eine partikulare Behauptung ist vergl. S. 33. Gleichwol kann mittelbar, innerlich, auch schon auf dieser ersten Logik - etappe ein Widerspruch zwischen sowol als in Aussagen auftreten, insofern sie zusammen oder für sich schon auf die Behauptung 1 = 0 hinaus - laufen oder zu schliessen gestatten zusammen, wie z. B. die Gleichungen a = 0 und a1 = 0, und für sich schon, wie z. B. x + x1 = 0, oder wie a x y1 + a1 + x1 + y = 0 womit sie denn in unmittelbaren Widerspruch treten würden zu der allen unsern Betrachtungen implicite zugrunde liegenden Annahme, dass 1 nicht gleich, 0 sei.

Dass dergleichen nun hier nicht vorliegen kann, ist mit obigem dar - gethan.

Und wie sollten auch jene Prämissen x = φ (a, b, ), y = ψ (a, ), einen Widerspruch mit einander involviren, da durch eine jede der - selben doch nur festgesetzt wird, was unter dem Buchstaben linker - hand verstanden werden solle, einem Buchstaben, der neu, noch un - erwähnt war, und auf den in den übrigen Prämissen auch keinerlei Bezug genommen ist?!

Aus diesen Gründen wird uns also die absurde Resultante über - haupt nicht in den Weg kommen und mag fortan unberücksichtigt bleiben.

Als in x, y, z symmetrische Resultanten können nun überhaupt nur folgende fünfzehn von achterlei Typus auftreten*)Bei Mitberücksichtigung der absurden Resultante: R9), nämlich 1 = 0 wären es 16 Resultanten von 9 verschiedenen Typen., für die wir die beigesetzten Chiffren einführen:

  • R0) 0 = 0.
  • R1) x y z = 0, R1 ') x1 y1 z1 = 0.
  • R2) x y z + x1 y1 z1 = 0.
  • R3) x1 y z + y1 z x + z1 x y = 0, R3 ') x y1 z1 + y z1 x1 + z x1 y1 = 0.
  • R4) x y z + x1 y z + y1 z x + z1 x y = 0 oder y z + z x + x y = 0 R4 ') x1 y1 z1 + x y1 z1 + y z1 x1 + z x1 y1 = 0 oder y1 z1 + z1 x1 + x1 y1 = 0.
  • R5) x y z + x y1 z1 + y z1 x1 + z x1 y1 = 0 oder x = y z1 + y1 z
689Zur Gruppentheorie des identischen Kalkuls.

[womit nach § 18, Th. π) auch y = z x1 + z1 x und z = x y1 + x1 y ge - geben ist], R5 ') x1 y1 z1 + x1 y z + y1 z x + z1 x y = 0 oder x = y z + y1 z1 (womit zugleich auch y = z x + z1 x1, z = x y + x1 y1 sein muss).

  • R6) x y z + x1 y z + y1 z x + z1 x y + x1 y1 z1 = 0, oder: (x = y1 z1), y = z1 x1, z = x1 y1,

von welchen drei Gleichungen nämlich eine aus den zwei andern folgt ein Satz, der denen § 18, π, σ, τ) sich anschliesst.

R6 ') x y z + x y1 z1 + y z1 x1 + z x1 y1 + x1 y1 z1 = 0, oder (x = y1 + z1), y = z1 + x1, z = x1 + y1.

  • R7) x1 y z + y1 z x + z1 x y + x y1 z1 + y z1 x1 + z x1 y1 = 0,
  • oder: (x + y + z) (x1 + y1 + z1) = 0, oder: x = y = z

(somit auch: x1 = y1 = z1)

  • R8) x y z + x1 y z + y1 z x + z1 x y + x y1 z1 + y z1 x1 + z x1 y1 = 0
  • oder x + y + z = 0, oder: x = y = z = 0
  • R8 ') x1 y1 z1 + x1 y z + y1 z x + z1 x y + x y1 z1 + y z1 x1 + z x1 y1 = 0
  • oder x1 + y1 + z1 = 0, oder x = y = z = 1.

Von diesen Resultanten sind paarweise komplementär: R0 mit R9 (siehe oben die Fussnote)

R1 mit R8 ',R1 'mit R8,
R2 und R7
R3 mit R6 ',R3 'mit R6
R4 und R4 '
R5 und R5 '

insofern die Polynome derselben (nicht aber die resultirenden Aus - sagen selber) Negationen von einander sind wogegen die zum selben Typus gehörigen (die hier gleich numerirt erscheinen und sich nur durch den Accent unterscheiden) als solche, welche durch Vertauschung der x, y, z mit ihren Negationen in einander übergehen, nur als ob - verse von einander bezeichnet werden dürften.

Wir haben hienach nur sechs Haupttypen.

Die Vollständigkeit der Zusammenstellung nachzuweisen sei als eine ganz leichte Aufgabe dem Leser überlassen.

Wie man einerseits die Gleichung R = 0 betrachten konnte als die Resultante der Elimination von a, b, aus den gegebenen GleichungenSchröder, Algebra der Logik 44690Anhang 6.x = φ (a, b, ), y = ψ (a, b, ), z = χ (a, b, ) so kann man andrerseits auch umgekehrt, indem man jene Resultante R = 0 als gegeben, als eine von den Unbekannten x, y, z zu erfüllende Relation ansieht, diese drei Gleichungen x = φ, etc. auffassen als die Lösungen dieser Aufgabe, nämlich als die Formeln, welche die (oder gewisse) Wurzeln jener Gleichung R = 0 in unabhängigen Parametern a, b, ausgedrückt darstellen.

Wie von Anfang schon bei der Zahl der Unbekannten, so wollen wir jetzt auch hinsichtlich der Anzahl der Parameter uns auf die An - nahme beschränken, dass es ihrer dreie seien: a, b und c.

Die rechten Seiten unserer drei Gleichungen nämlich φ (a, b, c), ψ (a, b, c), χ (a, b, c), werden alsdann ebenfalls Elemente sein der Gruppe G (a, b, c). Und sollten etwa durch cyklische Vertauschung von a, b und c diese drei Funktionen in einander übergehen, so werden wir in Gestalt von α) z = φ (a, b, c), y = φ (b, c, a), z = φ (c, a, b) symmetrische Lösungen haben für die, wie sich zeigen wird, auch hin - sichtlich der Unbekannten symmetrische Aufgabe, die Gleichung R = 0, ausführlicher R (x, y, z) = 0 aufzulösen.

Gedachte Lösungen verdienen den Beinamen von allgemeinen Lösungen allermindestens insofern, als sie bei der Willkürlichkeit der Parameter a, b, c uns unendlich viele Systeme von Wurzeln der Gleichung R = 0 ausdrücken. Sie verdienen aber sogar als die all - gemeinen Lösungen hingestellt zu werden, nämlich als Ausdrücke, welche jedes erdenkliche System von Wurzeln der Gleichung R = 0 schon in sich fassen werden, indem in § 22 erkannt wurde, dass (die notwendige und) eine hinreichende Bedingung für die Auflösbarkeit des Gleichungensystems x = φ, y = ψ, z = χ nach den Unbekannten a, b, c die ist, dass die Resultante R = 0 der Elimination von a, b, c aus dem Systeme erfüllt sei; es werden demnach die Parameter a, b, c sich auch immer so bestimmen lassen, dass für ein (irgendwie) ge - gebenes, nur aber die Forderung R = 0 erfüllendes Wertsystem der Unbekannten x, y, z jene drei Gleichungen gerade dieses Systems von Wurzeln darstellen.

Wir haben dann also kurz die symmetrisch allgemeinen Lösungen der Gleichung R = 0. Der Form nach kann (und wird) es noch ver - schiedene Systeme solcher Lösungen für eine nämliche Gleichung R = 0691Zur Gruppentheorie des identischen Kalkuls.geben, doch werden diese immer gleich umfassende sein, der Bedeutung nach sich mit einander decken.

In der Absicht, die symmetrisch allgemeinen Lösungen der Gleichung R2 (und damit auch die von R6 nebst R6 ' vergl. § 24, Aufg. 10 und 11) welche bislang nicht erreichbar schien, zu entdecken, oder andern - falles nachzuweisen, dass die Lösung dieser Aufgabe mittelst dreier unabhängigen Parameter unmöglich ist, habe ich nun für alle erdenk - lichen Annahmen der Funktion φ (a, b, c) die Resultante R = 0 auf - gesucht.

Um die Ergebnisse der Untersuchung übersichtlich angeben zu können, bemerke ich, dass von den drei Gleichungen x = φ (a, b, c), y = etc. immer nur die erste wirklich angeführt zu werden braucht, indem die beiden andern ja durch die cyklische Vertauschung von a, b, c zu - gleich mit der von x, y, z aus ihr sich auf das leichteste ergeben.

Was die Untersuchung herausstellte, können wir hiernach dahin zusammenfassen. Es ergibt sich als Resultante der Elimination von a, b, c: R0 aus der Annahme x = a, desgleichen aus der x = a b + a1c, des - gleichen aus der Annahme

  • x = b c + a1 (b + c), desgl. aus der x = a b c1 + a1 (b1 + c);
  • R1 aus x = a1 (b + c), x = b c1 + a b1 c;
  • R1 'aus x = a1 + b c, a b c1 + b c + b1 c1;
  • R3 'aus x = b c, a + b c, a (b + c1), a (b c + b1 c1), a b1 c1 + b c, a b c + b1 c1, a b1 c1 + a1 (b + c), a b1 c1 + a1 (b + c) + b c;
  • R3 'aus x = b + c, a (b + c), a + b c1, a + b c1 + b1 c, a b c + b c1 + b1 c, a1 b c + b c1 + b1 c, a b c + a1 (b1 + c1), a b c + a1 (b c1 + b1 c);
  • R4 aus x = b c1, a1 b c, a b1 c1 + a1 b c;
  • R4 'aus x = b + c1, a1 + b + c, (a + b1 + c1) (a1 + b + c);
  • R5 aus x = b c1 + b1 c, a (b c1 + b1 c), a b1 + a1 c;
  • R5 'aus x = b c + b1 c1, a + b c + b1 c1, a b + a1 c1;
  • R7 aus x = a b c, a b c + a1 b1 c1, a1 b c + a b1 c + a b c1, b c + c a + a b und a (b c + b1 c1) + a1 (b c1 + b1 c), a + b + c, (a + b + c) (a1 + b1 + c1), a b + a c + b c + a1 b1 c1.

Nicht vertreten sind die Resultanten: R2, R2 ', R6, R6', R8, R8 '[und wie vorauszusehen gewesen auch die absurde Resultante R9 oder 1 = 0 nicht].

Was zunächst die beiden letzteren betrifft, so wird bei ihnen die Frage nach ihrer symmetrisch allgemeinen Lösung gewissermassen44*692Anhang 6.hinfällig, indem durch die Forderungen R8 oder R8 'sich die Un - bekannten als x = y = z = 0 resp. als x = y = z = 1 absolut bestimmt erweisen. Wenn man wollte, könnte man freilich auch hier in Gestalt von:

  • x = a a1
  • y = b b1
  • z = c c1
resp.
  • x = a + a1
  • y = b + b1
  • z = c + c1

solche Lösung in drei willkürlichen Parametern a, b, c angeben.

Auch R7 lässt sich schon einfacher wie oben mittelst eines Para - meters lösen in Gestalt von

    • x = a
    • y = a
    • z = a.

Bei allen andern von den vorgekommenen Gleichungen wird 3 die Minimalzahl von den zu ihrer symmetrischen Lösung erforderlichen Parametern sein.

Die Vollständigkeit unsrer Resultantentafel vorausgesetzt wird durch das Nichtauftreten der Resultanten R2, R2 ', R6, R6' der Beweis erbracht sein, dass diese Gleichungen eine symmetrisch allgemeine Lösung in drei unabhängigen Parametern nicht besitzen können.

Darnach bleibt es aber unbenommen, in vier oder mehr Parametern immer noch nach einer solchen Lösung zu fahnden. So ist z. B. die Resultante der Elimination von a, b, c, d aus den drei Gleichungen: x = a b + c d y = a c + b d z = a d + b c keine andere als: R3 von welcher Gleichung denn also auch um - gekehrt die drei vorhergehenden eine symmetrische allgemeine Lösung geben. Und es erscheint nicht undenkbar, sondern fast als wahr - scheinlich, dass auch für R2 sich in solcher Art Lösungen finden liessen.

Mit der Fertigstellung gegenwärtigen Lehrgebäudes noch allzusehr anderweitig in Anspruch genommen muss ich das interessante Problem, dies zu entscheiden, zur Zeit Andern überlassen.

Was aber die Vollständigkeit unserer für drei Parameter gegebenen Resultantentafel betrifft, die für den obigen Beweis von erster Wichtig - keit war sowie überhaupt in Betreff der Gewinnung derselben, so ist folgendes zu bemerken.

693Zur Gruppentheorie des identischen Kalkuls.

Keineswegs braucht man alle 256 Elemente von G (a, b, c) einzeln gleich x gesetzt (und durch cyklische Permutation der beiden Buchstaben - systeme a, b, c und x, y, z zu einem Systeme von drei Gleichungen er - gänzt) direkt auf ihre Resultante zu prüfen.

Zunächst liefern die hinsichtlich a, b, c symmetrischen Ausdrücke oder Elemente von G (a, b, c) stets ohne alle Rechnung R7, weil der Ansatz auf x = y = z augenscheinlich hinausläuft. Dergleichen Ausdrücke kommen nur bei dem 1. und 22., 2. und 21., 5. und 18., 8. und 15., beim 9., und beim 14. Typus vor, mithin bei 10 Typen und 6 Haupttypen, und finden sich abgesehen von den Elementen 0 und 1 oben bei R7 vertreten durch Repräsentanten, welche mit Rücksicht auf die nachfolgenden Bemerkungen als ausreichende hingestellt werden durften.

Wir brauchten also nur mehr die Ausdrücke durchzugehen, welche nicht bezüglich aller drei Buchstaben a, b, c symmetrisch erscheinen.

Solche können nun aber noch in Hinsicht zweier von diesen drei Buch - staben symmetrisch sein, was in der That vorkommt bei den Typen: 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 12, 13. und 21, 20, 19, 18, 17, 16, 15, sonach bei allen Typen ausser 11 und den schon abgethanen 1 nebst 22 und 14.

In solchem Falle braucht man nur solche Ausdrücke zu berücksichtigen, bei welchen der Buchstabe a bevorzugt erscheint, die Symmetrie also hin - sichtlich b und c vorliegt. Denn war dies nicht der Fall, war ein andrer Buchstabe als a bevorzugt, so lässt sich durch cyklische Vertauschung der drei Parameter immer hinbringen, dass es der Fall wird, dass in dem = x zu setzenden Ausdrucke φ (a, b, c) der bevorzugte Buchstabe gerade a ist.

Denken wir für den Augenblick uns den bevorzugten Buchstaben als das erste Argument angeführt, so müssen in der That die drei Gleichungen x = φ (b, c, a), y = φ (c, a, b), z = φ (a, b, c), desgleichen diese: x = φ (c, a, b), y = φ (a, b, c), z = φ (b, c, a) bei der Elimination von a, b, c uns die nämliche Resultante R = 0 liefern, als wie die drei Gleichungen: x = φ (a, b, c), y = φ (b, c, a), z = φ (c, a, b) sintemal die Resultante, weil sie die Eliminanden a, b, c gar nicht ent - hält, auch ungeändert bleiben muss, wenn man diese irgendwie unter sich vertauscht.

Auf Grund dieser Bemerkung reduzirt sich nicht nur bei den hin - sichtlich zweier Argumente symmetrischen, sondern auch bei den gänzlich unsymmetrischen Funktionen φ (a, b, c) die Menge der direkt zu ermit - telnden Resultanten sehr beträchtlich, und wird die Resultante schon nur für höchstens ein Drittel der Ausdrücke wirklich aufzusuchen sein.

694Anhang 6.

Nehmen wir vorläufig als erwiesen an, dass die Resultante aus den drei letzten Gleichungen, wie immer auch die Funktion φ (a, b, c) be - schaffen sein möge, hinsichtlich x, y, z symmetrisch sein muss ein Punkt über welchen nachher noch zu sprechen sein wird so kommt aber um die Menge der auf Resultanten zu prüfenden Ausdrücke zu vereinigen noch folgendes hinzu.

War R (x, y, z) = 0 die zum Ansatz x = φ (a, b, c) etc. gehörige Re - sultante, so muss ebendiese, nämlich R (x, z, y) = 0 auch zu dem An - satze x = φ (a, c, b) gehören, weil die Gleichungen x = φ (a, c, b), y = φ (b, a, c), z = φ (c, b, a) durch die gleichzeitige Vertauschung von b mit c und y mit z in die vorigen augenscheinlich verwandelt werden (mit Umstellung der beiden letzten von ihnen).

Von den sechs Ausdrücken, welche aus φ (a, b, c) durch Vertauschung, Permutation der Argumente ableitbar wären, braucht also immer nur einer auf seine Resultante (wenn = x gesetzt, etc.) geprüft zu werden womit im Allgemeinen (d. h. sofern jene sechs Ausdrücke verschieden), eine Re - duktion der Arbeit auf ihren sechsten Teil erzielt sein wird.

Weiter aber muss der Ansatz x = φ (a1, b1, c1), etc. auch seinerseits die obige Resultante R (x, y, z) = 0 liefern, da die Bezeichnung der Eli - minanden gleichgültig ist, diese also auch durch ihre Negationen durchweg ersetzt werden durften eine Bemerkung, durch welche die restirende Arbeit sich abermals um nahe die Hälfte reduzirt, nämlich nur dann sich nicht verringern wird, wenn die Funktion φ (a, b, c) bei Vertauschung der Argumente mit ihren Negationen ungeändert blieb.

Eine abermalige Reduktion der Arbeit auf ihre Hälfte ermöglicht endlich diese Bemerkung: Hat der Ansatz x = φ (a, b, c), etc. zu einer Resultante R× (x, y, z) = 0 geführt, wo x einen gewissen von den Indices 1 bis 8 vorstellt, so muss natürlich aus den Gleichungen: x1 = φ1 (a, b, c) etc. [d. h. y1 = φ1 (b, c, a), z1 = φ1 (c, a, b)] unter φ1 die Negation von φ verstanden sich ganz dieselbe Resul - tante ergeben, weil diese Gleichungen bezüglich äquivalent, blosse Trans - skriptionen von, den vorhergehenden sind. Daraus folgt aber, dass nun auch der Ansatz: x = φ1 (a, b, c) etc. [d. h. y = φ1 (b, c, a), z = φ1 (c, a, b)] nun auch nicht mehr durch mühsames Eliminiren auf seine Resultante ge - prüft zu werden braucht, vielmehr letztere sich aus der vorigen unmittelbar abschreiben lässt, indem man die Symbole x, y, z mit ihren Negationen vertauscht. Das heisst, die hier in Frage kommende Resultante lautet: R× (x1, y1, z1) = 0, oder nach der eingeführten Nomenklatur: Rϰ '(x, y, z) = 0.

Die gleiche Bemerkung trifft auch für x = 0 zu, wenn man R0 'für einerlei mit R0 gelten lässt.

Auf Grund derselben brauchen die Ausdrücke der zu schon geprüften komplementären Typen nicht mehr auf ihre Resultanten geprüft zu werden,695Zur Gruppentheorie des identischen Kalkuls.und von den Ausdrücken eines zu sich selbst komplementären Typus nur die eine Hälfte.

Ist beispielsweise R4 als Resultante zu x = a1 b c + a b1 c1 ermittelt, so muss R4 'die Resultante sein zu dem Ansatze x = (a + b1 + c1) (a1 + b + c) = a b + a1 c1 + b1 c. Und in Illustration zu den vorhergehenden Be - merkungen ist R3' die Resultante zu dem Ansatze x = a + b c1, so muss es auch die Resultante sein zu dem x = a + b1 c, der durch Ver - tauschung von b und c aus ihm hervorgeht.

Ist R5 die Resultante zu x = a (b c1 + b1 c), so muss es auch die zu x = a1 (b c1 + b1 c) sein, weil letzteres Gleichungensystem durch Vertauschung von a, b, c mit a1, b1, c1 in das vorige übergeht. Etc.

Hiernach ist es nur mehr eine kleine Geduldsprobe, die Vollständigkeit unsrer Resultantentafel nachzuweisen.

Mühsam bleibt aber die Ableitung von 19 der zusammengestellten 44 Resultanten selbst, von welchen 20 direkt abgeleitet werden mussten (was nur bei dem Ansatze: x = a sich auf den ersten Blick erledigt und wobei die ebenso selbstverständlich auf R7 führenden Fälle nicht ein - gerechnet sind). Ich habe nach schon erläuterten und auch noch nicht er - läuterten Methoden das Eliminationsverfahren auf die mannigfaltigste Weise variirt, dasselbe aber immer als ein mühsam anzuwendendes gefunden; und wer mir auch nur einen Teil der Resultanten nachrechnet, wird sicherlich gleich mir den Wunsch nicht unterdrücken können, dass hierbei eine Art von Denkrechenmaschine die mechanische Arbeit abnehmen möchte!

Versuchen wir jetzt noch den rückständigen Beweis des sehr plausibeln Satzes zu leisten, den auch die Erfahrung in den vorstehenden Aufgaben bestätigte: dass die Resultante R (x, y, z) = 0 der Elimination von a, b, c aus den drei Gleichungen: x = φ (a, b, c), y = φ (b, c, a), z = φ (c, a, b) eine symmetrische Funktion von x, y, z sein müsse, so sollte man meinen, dieser Beweis müsste a priori gelingen: es müsste gelingen, zu zeigen, dass wenn man irgend zwei Argumente von R, wie etwa y und z, in den vor - liegenden Gleichungen vertauscht, die nämliche Resultante herauskommen wird. Gelänge dies, so wäre in der That der Beweis der Symmetrie von R erbracht, indem sich durch eventuell wiederholtes Vertauschen ( Trans - position ) von immer nur zweien der Argumente x, y, z bekanntlich jede erdenkliche Anordnung derselben würde herstellen lassen. Auffallender - weise ist es nun aber auf keine Weise möglich, die drei Gleichungen: x = φ (a, b, c), z = φ (b, c, a), y = φ (c, a, b) durch was immer für Vertauschungen unter den Parametern a, b, c in die vorigen dreie zu transformiren, wie es der Leser leichtlich nachweisen wird. Und die Versuche einer Beweisführung auf dem angedeuteten Wege scheinen fehlzuschlagen, auch wenn man etwa noch in Berücksichtigung zieht, dass es von vornherein gleichgültig gewesen, in welcher Reihenfolge man die Argumente der Funktion φ ansetzen mochte. Die Funktion φ (a, b, c) hätte man ja z. B. auch Φ (a, c, b) nennen können. Allerdings, wenn man b696Anhang 6.mit c vertauscht und dazu das zweite Argument mit dem dritten, so gehen die drei letzten Gleichungen in der That in die drei vorigen über. Von rechtswegen heisst es dann aber durchweg nun Φ statt φ.

Auch die Hinzuziehung der Annahme, dass die Funktion φ (a, b, c) ausser a, b, c sonst keine Parameter enthalte eine Annahme, die sich übrigens für die Geltung des Satzes als unwesentlich erweisen wird scheint eine aprioristische Beweisführung nicht zu fördern.

Und somit bleibt nichts übrig als den Beweis des Satzes a posteriori anzutreten, indem man die Resultante für die allgemeinste Funktion φ (a, b, c) wirklich herstellt, und ihre Symmetrie darnach sozusagen empirisch nach - weist als eine unmittelbar wahrzunehmende.

Zu dem Ende lösen wir zunächst die noch allgemeinere

Aufgabe. Die Parameter a, b, c zu eliminiren aus den drei Glei - chungen: x = φ (a, b, c), y = ψ (a, b, c), z = χ (a, b, c), wo φ, ψ, χ irgendwelche Funktionen im identischen Kalkul sind.

Auflösung. Man hat entwickelt : φ (a, b, c) = φ111 a b c + φ110 a b c1 + φ101 a b1 c + φ100 a b1 c1 + + φ011 a1 b c + φ010 a1 b c1 + φ001 a1 b1 c + φ000 a1 b1 c1, analog für ψ und χ, worin nun also die Koeffizienten als gegeben zu denken sind in Gestalt von irgendwelchen Gebiets - oder Klassensymbolen.

Bezeichnen wir bei diesen Koeffizienten die Negation durch übergesetzten Horizontalstrich, so ist ferner: φ1 (a, b, c) = φ̄111 a b c + φ̄110 a b c1 + φ̄101 a b1 c + φ̄100 a b1 c1 + + φ̄011 a1 b c + φ̄010 a1 b1 c + φ̄101 a1 b1 c + φ̄000 a1 b1 c1, analog für ψ und χ.

Vereinigte Gleichung der Prämissen ist nun: x1 φ + x φ1 + y1 ψ + y ψ1 + z1 χ + z χ1 = 0, wo die linke Seite nun leichtlich nach den a, b, c geordnet sich schreiben liesse. Man liest indess die Koeffizienten der verschiedenen Konstituenten schon bequem aus den für φ und φ1 gemachten Angaben heraus. Resul - tante der Elimination von a, b, c ist das Produkt dieser Koeffizienten = 0 gesetzt, mithin:

  • 0 = (x1 φ111 + x φ̄111 + y1 ψ111 + y ψ̄111 + z1 χ111 + z χ̄111) (x1 φ110 + x φ̄110 + y1 ψ110 + y ψ̄110 + z1 χ110 + z χ̄110) · · (x1 φ101 + x φ̄101 + y1 ψ101 + y ψ̄101 + z1 χ101 + z χ̄101) (x1 φ100 + x φ̄100 + y1 ψ100 + y ψ̄100 + z1 χ100 + z χ̄100) · · (x1 φ011 + x φ̄011 + y1 ψ011 + y ψ̄011 + z1 χ011 + z χ̄011) (x1 φ010 + x φ̄010 + y1 ψ010 + y ψ̄010 + z1 χ010 + z χ̄010) · · (x1 φ001 + x φ̄001 + y1 ψ001 + y ψ̄001 + z1 χ001 + z χ̄001) (x1 φ000 + x φ̄000 + y1 ψ000 + y ψ̄000 + z1 χ000 + z χ̄000) ·

Diese Resultante soll jetzt noch nach den Argumenten x, y, z ent - wickelt werden. Man erhält unschwer:697Zur Gruppentheorie des identischen Kalkuls.

  • 0 = x y z (φ̄111 + ψ̄111 + χ̄111) (φ̄110 + ψ̄110 + χ̄110) (φ̄101 + ψ̄101 + χ̄101) (φ̄100 + ψ̄100 + χ̄100) · · (φ̄011 + ψ̄011 + χ̄011) (φ̄010 + ψ̄010 + χ̄010) (φ̄001 + ψ̄001 + χ̄001) (φ̄000 + ψ̄000 + χ̄000) + + x y z1 (φ̄111 + ψ̄111 + χ111) (φ̄110 + ψ̄110 + χ110) (φ̄101 + ψ̄101 + χ101) (φ̄100 + ψ̄100 + χ100) · · (φ̄011 + ψ̄011 + χ011) (φ̄010 + ψ̄010 + χ010) (φ̄001 + ψ̄001 + χ001) (φ̄000 + ψ̄000 + χ000) + + x y1 z (φ̄111 + ψ111 + χ̄111) (φ̄110 + ψ110 + χ̄110) (φ̄101 + ψ101 + χ̄101) (φ̄100 + ψ100 + χ̄100) · · (φ̄011 + ψ011 + χ̄011) (φ̄010 + ψ010 + χ̄010) (φ̄001 + ψ001 + χ̄001) (φ̄000 + ψ000 + χ̄000) + + x y1 z1 (φ̄111 + ψ111 + χ111) (φ̄110 + ψ110 + χ110) (φ̄101 + ψ101 + χ101) (φ̄100 + ψ100 + χ100) · · (φ̄011 + ψ011 + χ011) (φ̄010 + ψ010 + χ010) (φ̄001 + ψ001 + χ001) (φ̄000 + ψ000 + χ000) + + x1 y z (φ111 + ψ̄111 + χ̄111) (φ110 + ψ̄110 + χ̄110) (φ101 + ψ̄101 + χ̄101) (φ100 + ψ̄100 + χ̄100) · · (φ011 + ψ̄011 + χ̄011) (φ010 + ψ̄010 + χ̄010) (φ001 + ψ̄001 + χ̄001) (φ000 + ψ̄000 + χ̄000) + + x1 y z1 (φ111 + ψ̄111 + χ111) (φ110 + ψ̄110 + χ110) (φ101 + ψ̄101 + χ101) (φ100 + ψ̄100 + χ100) · · (φ011 + ψ̄011 + χ011) (φ010 + ψ̄010 + χ010) (φ001 + ψ̄001 + χ001) (φ000 + ψ̄000 + χ000) + + x1 y1 z (φ111 + ψ111 + χ̄111) (φ110 + ψ110 + χ̄110) (φ101 + ψ101 + χ̄101) (φ100 + ψ100 + χ̄100) · · (φ011 + ψ011 + χ̄011) (φ010 + ψ010 + χ̄010) (φ001 + ψ001 + χ̄001) (φ000 + ψ000 + χ̄000) + + x1 y1 z1 (φ111 + ψ111 + χ111) (φ110 + ψ110 + χ110) (φ101 + ψ101 + χ101) (φ100 + ψ100 + χ100) · · (φ011 + ψ011 + χ011) (φ010 + ψ010 + χ010) (φ001 + ψ001 + χ001) (φ000 + ψ000 + χ000).

Sei nun insbesondere: ψ (a, b, c) = φ (b, c, a), χ (a, b, c) = φ (c, a, b), mithin ψ (a, b, c) = φ111 a b c + φ101 a b c1 + φ011 a b1 c + φ001 a b1 c1 + + φ110 a1 b c + φ100 a1 b c1 + φ010 a1 b1 c + φ000 a1 b1 c1, χ (a, b, c) = φ111 a b c + φ011 a b c1 + φ110 a b1 c + φ010 a b1 c1 + + φ101 a1 b c + φ001 a1 b c1 + φ100 a1 b1 c + φ000 a1 b1 c1, oder also: ψ111 = φ111, ψ110 = φ101, ψ101 = φ011, ψ100 = φ001, ψ011 = φ110, ψ010 = φ100, ψ001 = φ010, ψ000 = φ000, χ111 = φ111, χ110 = φ011, χ101 = φ110, χ100 = φ010, χ011 = φ101, χ010 = φ001, χ001 = φ100, χ000 = φ000, desgleichen mit übergesetzten Horizontalstrichen, so erhalten wir durch diese Einsetzungen als die Resultante der Elimination von a, b, c aus den drei Gleichungen: x = φ (a, b, c) y = φ (b, c, a), z = φ (c, a, b) die nachstehende Gleichung:698Anhang 6.0 = x y z · φ̄111 (φ̄110 + φ̄101 + φ̄011) (φ̄100 + φ̄010 + φ̄001) φ̄000 + + x y z1 (φ̄110 + φ̄101 + φ011) (φ̄101 + φ̄011 + φ110) (φ̄100 + φ̄001 + φ010) (φ̄011 + φ̄110 + φ101) · · (φ̄010 + φ̄100 + φ001) (φ̄001 + φ̄010 + φ100) + + x y1 z (φ̄110 + φ̄011 + φ101) (φ̄101 + φ̄110 + φ011) (φ̄100 + φ̄010 + φ001) (φ̄011 + φ̄101 + φ110) · · (φ̄010 + φ̄001 + φ100) (φ̄001 + φ̄100 + φ010) + + x y1 z1 (φ̄110 + φ101 + φ011) (φ̄101 + φ011 + φ110) (φ̄100 + φ001 + φ010) (φ̄011 + φ110 + φ101) · · (φ̄010 + φ100 + φ001) (φ̄001 + φ010 + φ100) + + x1 y z (φ̄101 + φ̄011 + φ110) (φ̄011 + φ̄110 + φ101) (φ̄001 + φ̄010 + φ100) (φ̄110 + φ̄101 + φ011) · · (φ̄100 + φ̄001 + φ010) (φ̄010 + φ̄100 + φ001) + + x1 y z1 (φ̄101 + φ110 + φ011) (φ̄011 + φ101 + φ110) (φ̄001 + φ100 + φ010) (φ̄110 + φ011 + φ101) · · (φ̄100 + φ010 + φ001) (φ̄010 + φ001 + φ100) + + x1 y1 z (φ̄011 + φ110 + φ101) (φ̄110 + φ101 + φ011) (φ̄010 + φ100 + φ001) (φ̄101 + φ011 + φ110) · · (φ̄001 + φ010 + φ100) (φ̄100 + φ001 + φ010) + + x1 y1 z1 · φ111 (φ110 + φ101 + φ011) (φ100 + φ010 + φ001) φ000; hierbei wurde lediglich Gebrauch gemacht von den Tautologiegesetzen 14), dem Th. 30+) φ̄ + φ = 1, 22+) a + 1 = 1 und 21×) a · 1 = a.

Beachtet man überdies, dass die Koeffizienten von x y z1, x y1 z und x1 y z die nämlichen sind, desgleichen sich als einerlei herausstellen die Koeffizienten von x y1 z1, x1 y z1 und x1 y1 z, so treten weitere Vereinfachungen ein. In diesen Koeffizienten lassen zudem nach dem Schema: (α1 + β + γ) (α + β1 + γ) (α + β + γ1) = α β + α γ + β γ + α1 β1 γ1 noch drei und drei Faktoren sich ausmultipliziren, sodass die Resultante sich am einfachsten darstellt als: 0 = x y z φ̄111 (φ̄110 + φ̄101 + φ̄011) (φ̄100 + φ̄010 + φ̄001) φ̄000 + + (x1 y z + x y1 z + x y z1) (φ̄110 φ̄011 + φ̄110 φ̄101 + φ̄101 φ̄011 + φ110 φ101 φ011) · · (φ̄100 φ̄001 + φ̄100 φ̄010 + φ̄010 φ̄001 + φ100 φ010 φ001) + + (x y1 z1 + x1 y z1 + x1 y1 z) (φ110 φ011 + φ110 φ101 + φ101 φ011 + φ̄110 φ̄101 φ̄011) · · (φ100 φ001 + φ100 φ010 + φ010 φ001 + φ̄100 φ̄010 φ̄001) + · + x1 y1 z1 φ111 (φ110 + φ101 + φ011) (φ100 + φ010 + φ001) φ000 ·

Die Symmetrie derselben in Bezug auf x, y, z ist nun ersichtlich.

Ersetzen wir die Namen der Argumente a, b, c durch die griechischen Buchstaben α, β, γ um die lateinischen Buchstaben frei zu bekommen für andre Zwecke, so empfiehlt es sich noch, die zwar ausdrucksvolle, doch etwas schwerfällige Bezeichnung der bisherigen Koeffizienten von φ durch die darunter gesetzten Zeichen zu ersetzen:699Zur Gruppentheorie des identischen Kalkuls.φ111, φ110, φ101, φ100, φ011, φ010, φ001, φ000 a, b, c, d, e, f, g, h.

Als Resultante der Elimination von α, β, γ aus den drei Gleichungen: x = a α β γ + b α β γ1 + c α β1 γ + d α β1 γ1 + e α1 β γ + f α1 β γ1 + g α1 β1 γ + h α1 β1 γ1, y = a β γ α + , z = a γ α β + ist dann gefunden: 0 = x y z a1 (b1 + c1 + e1) (d1 + f1 + g1) h1 + + (x1 y z + x y1 z + x y z1) (b1 e1 + b1 c1 + c1 e1 + b c e) (d1 g1 + d1 f1 + f1 g1 + d f g) + + (x y1 z1 + x1 y z1 + x1 y1 z) (b e + b c + c e + b1 c1 e1) (d g + d f + f g + d1 f1 g1) + + x1 y1 z1 a (b + c + e) (d + f + g) h.

Soll sich dies in 0 = x y z + x1 y1 z1 zusammenziehen wie es doch der Fall sein müsste, wenn diese Gleichung eine symmetrisch-allgemeine Lösung x = φ (α, β, γ), etc. in drei arbiträren Parametern α, β, γ besässe so müssen der erste und der letzte Koeffi - zient gleich 1 gemacht werden (durch geeignete Bestimmung von a, b, c, d, e, f, g, h) während die beiden mittleren Koeffizienten verschwinden. Jene beiden Gleichungen: a1 (b1 + c1 + e1) (d1 + f1 + g1) h1 = 1 = a (b + c + e) (d + f + g) h geben aber durch Kontraposition: a + h + b c e + d f g = 0 und a1 + h1 + b1 c1 e1 + d1 f1 g1 = 0 und involviren Widersprüche miteinander, wie diesen: dass gleichzeitig a = 0 und a1 = 0 sein müsste (desgleichen h + h1 = 0, anstatt = 1). Vergl. auch Th. 24×).

Es geht hieraus von neuem die Unmöglichkeit hervor, die Gleichung R2 = 0 (und damit auch die R6 resp. R6 '= 0) in drei Parametern sym - metrisch allgemein zu lösen.

[700]

Literaturverzeichniss nebst Bemerkungen.

Nachstehend gebe ich das Verzeichniss der von mir selbst benützten Lite - ratur, noch ergänzt durch Literaturangaben aus Venn's Schrift1 ebenda. Von diesen sollen die besternten nach ihm besonders für die symbolisirende oder rechnerische Logik von Interesse sein. Wo mir dies auf Grund eigener Über - zeugung oder Einsichtnahme der Fall scheint oder mir überhaupt zum Bewusst - sein gekommen, dass unmittelbar ein Werk von erheblichem Einfluss auf die Gestaltung meiner vorliegenden Schrift geworden, habe ich dasselbe meistens noch durch den Druck hervorgehoben. Von jeder Schrift, die ich zu Gesicht be - kommen, findet sich die Anzahl ihrer Seiten angeführt.

  • Alsted, J. H. 1) Logicae systema harmonicum, 1614.
  • Apelt, E. F. 1) Die Theorie der Induktion, Leipzig 1854, 204 Seiten.
  • Aristoteles. 1) Kategorien, oder Lehre von den Grundbegriffen, Ed. von J. H. v. Kirchmann, Philosophische Bibliothek , Bd. 70 und 71. Leipzig 1876, 41 + 54 Seiten.
    • 2) Hermeneutica, oder Lehre vom Urteil, desgleichen 41 + 60 Seiten.
    • 3) Erste Analytiken, oder Lehre vom Schluss, desgl. Bd. 72 u. 73, 1877, 150 + 260 Seiten.
    • 4) Zweite Analytiken, oder Lehre vom Erkennen, Bd. 77 u. 78, 1877, 102 + 190 Seiten.
    • 5) Topik, desgl. Bd. 89 u. 90, 1882, 206 + 130 Seiten.
    • 6) Sophistische Widerlegungen, desgl. Bd. 91 u. 92, 66 + 64 Seiten je einschliesslich der Erläuterungen v. Kirchmann's.
    • 7) Die Metaphysik des etc. Bd. 38 u. 39, 422 + 346 Seiten.
  • Bachmann, C. F. 1) System der Logik, 1828.
  • * Bain, Alexander. 1) Logic, 1870. Part. I. Deduction, 2. ed. London 1873, 283 Seiten, Part. II. Induction, 445 Seiten.
    • 2) A higher English grammar, new edition, London 1884, 358 Seiten. Im erwähnten Jahre wurde das 80ste Tausend der revised ed. aus - gegeben.
    • 3) A companion to the higher English grammar; second ed. London 1877, 358 Seiten.
  • * Bardili, C. G. 1) Grundriss der ersten Logik, gereiniget von den Irr - thümmern bisheriger Logiken überhaupt, der Kantischen insbesondere. Keine Kritik, sondern eine Medicina mentis, brauchbar hauptsächlich für Deutschlands kritische Philosophie. Stuttgart 1800, 360 Seiten.
701Literaturverzeichniss nebst Bemerkungen.
  • Baynes, T. S. 1) Essay on the new analytic of logical forms, 1850.
  • Behaghel, Otto. 1) die deutsche Sprache. Leipzig und Prag 1886, 231 Seiten; zugleich 54. Band der deutschen Universalbibliothek für Gebildete Das Wissen der Gegenwart.
  • Beneke, Friedrich Eduard. 1) System der Logik als Kunstlehre des Denkens. Berlin, Dümmler, 1842; zwei Bände mit 328 + 397 Seiten.
  • Bentham, George. 1) Outline of a new system of logic, 1827.
  • Bergmann, Julius. 1) Die Grundprobleme der Logik. Berlin 1882, 196 Seiten.
  • Bernoulli, Johann. 1) Parallelismus ratiocinii logici et algebraici (1685; Opera I, 214).
  • Binet, Alfred. 1) La psychologie du raisonnement. Recherches expérimen - tales par l'hypnotisme, Bibliothèque de philosophie contemporaine , Paris 1886, 168 Seiten.
  • Bolzano B. 1) Logik, 1837.
  • Boole, George (gesprochen: Buhl).
    • * 1) The mathematical analysis of logic, being an essay towards a cal - culus of deductive reasoning. Cambridge, Macmillan, Barclay & Mac - millan, London, George Bell, 1847; 82 Seiten.
    • * 2) The calculus of logic, Cambridge and Dublin, Mathematical Jour - nal , Vol. 3, 1848, p. 183 198.
    • 3) The claims of science (Lecture at Cork, 1851).
    • * 4) An investigation of the Laws of thought on which are founded the mathematical theories of logic and probabilities. London, Walton and Maberly, Cambridge, Macmillan & Co., 1854; 424 Seiten.
    • * 5) Of propositions numerically definite, Transactions of the Cambridge philosophical society , Vol. 11, p. 396 411, posthum mitgeteilt von A. De Morgan.
  • Born, Th. 1) Über die Negation und eine notwendige Einschränkung des Satzes vom Widerspruch. Ein Beitrag zur Kritik des menschlichen Erkenntnissvermögens. Leipzig, Friedrich (ohne Jahreszahl), 91 Seiten.
  • Bowen, F. 1) Treatise on logic 1872.
  • Brentano, T. 1) Psychologie vom empirischen Standpunkte, 1874.
  • * Busch, M. 1) Anfangsgründe der logikalischen Algebra, Tübingen 1768.
  • Carrol, Lewis. 1) The game of logic, London, Macmillan 1887, cf. Re - zension von Alfred Sidgwick p. 3 sq. und John Venn p. 53 sq. von Nature Vol. 36, 1887.
  • Cayley, Arthur (gespr. Keleh).
    • * 1) Note on the calculus of logic. The Quarterly Journal of pure and applied mathematics , Vol. 11, 1871, p. 282 sq.
    • 702
    • 2) On compound combinations, Proceedings of the literary and philo - sophical society of Manchester , Vol. 16, 1876 77, p. 113 114.
  • * de Castillon, G. F. 1) Sur un nouvel algorithme logique 1803 (Classe de philosophie spéculative), p. 3 24 der Mémoires de l'Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres depuis l'avènement de Frédéric Guillaume III au trône 1803 avec l'histoire pour le même temps , Berlin 1805.
  • Chase, D. P. 1) First logic book, 1875.
  • Clifford, W. K.
    • * 1) Lectures and essays, 1879.
    • 2) Contemporary Review , 1873.
    • 3) On the types of compound statement involving four classes, Procee - dings of the Literary and Philosophical Society of Manchester , Jan. 1877, Vol. 16, p. 88 101.
    • 4) On the nature of things-in-themselves, Mind (A quarterly review of psychology and philosophy, ed. by Croom Robertson) Vol. 3, 1878, p. 57 67.
  • Dalgarno, G. 1) Ars signorum, ed. 1834.
  • * Darjes, J. G. 1) Weg zur Wahrheit, 1776.
  • Dedekind, Richard.
    • 1) Was sind und was sollen die Zahlen?, Braunschweig, Vieweg 1888, 58 Seiten.
    • 2) Stetigkeit und irrationale Zahlen, Braunschweig 1872, 31 Seiten.
    • 3) Siehe unter Dirichlet1.
  • * Delboeuf, J. 1) Logique algorithmique. Essai sur un système de signes appliqué à la logique avec une introduction on sont traitées les que - stions générales relatives à l'emploi des notations dans les sciences. Liège et Bruxelles, 1877, 99 Seiten.
  • De Morgan, Augustus.
    • 1) First notions of logic (preparatory to the study of geometry). London, Taylor & Walton 1839; 32 Seiten.
    • * 2) Formal logic, or the calculus of inference necessary and probable. London, Taylor and Walton, 1847; 336 Seiten.
    • * 3) Syllabus of a proposed system of logic, London, Walton and Maberly 1860; 72 Seiten.
    • * Sodann in den Transactions of the Cambridge Philosophical Society :
    • 4) On the structure of the syllogism and its application (Nr. I) Nov. 9, 1846, Vol. 8, part 3, 1847, p. 379 408. Diese Abhandlung (Nr. 29) rief jene denkwürdige Polemik in Betreff der Selbständigkeit von De Morgan's Entdeckungen mit Sir W. Hamil - ton hervor, worin letzterer sie schliesslich anerkannte (Die Kontroverse begann 1846, setzte sich intermittirend im Athenaeum fort und kam in der Contemporary Review 1873 zum Abschluss) vgl. Venn1 p. 9.
    • 5) On the symbols of logic, the theory of the syllogism (Nr. II) and703 in particular of the copula, and the application of the theory of probabilities to some questions of evidence. Febr. 25, 1850, Vol. 9, 1851, part. 1, p. 79 127.
    • 6) On the syllogism Nr. III and on logic in general. Febr. 8, 1858, Vol. 10, 1864, part. 1, p. 173 230.
    • 7) On the syllogism Nr. IV and on the logic of relations. April 23, 1860, Vol. 10, 1864, part. 2, p. 331 358.
    • 8) On the syllogism Nr. V and on various points of the onymatic system. May 4, 1863, Vol. 10, 1864, part. 2, p. 428 487.
    • 9) Artikel Logic in der Englisch Cyclopaedia von 1860.
    • 10) Vergl. Boole5.
  • Dieffenbach, Ludwig. 1) Der menschliche Wille und seine Grundlagen. Die Freiheit des Willens und die Zurechnung. Darmstadt 1886, 130 S. (Selbstverlag des nun verstorbenen Verfassers, C. F. Winter'sche Buch - druckerei.)
  • Dirichlet, Lejeune. 1) vorlesungen über Zahlentheorie, herausgegeben und mit Zusätzen versehen von Dedekind, 3. Aufl., 2 Bände. Braun - schweig 1879, 627 Seiten.
  • * Drobisch, Moritz Wilhelm. 1) Neue Darstellung der Logik nach ihren einfachsten Verhältnissen mit Rücksicht auf Mathematik und Natur - wissenschaften. Vierte Auflage. Leipzig, L. Voss, 1875, 244 Seiten. Inzwischen ist eine fünfte Auflage erschienen.
  • Du Bois Reymond, Emil. 1) Reden. Erste Folge, Leipzig 1886, 550 Seiten (darin: Die sieben Welträthsel, p. 381 411), 2. Folge, ibid. 1887, 589 Seiten.
  • * Ellis, A., J. 1) On the algebraical analogues of logical relations, Pro - ceedings of the Royal Society of London , Vol. 21, p. 497 sq.
  • Ellis, R. L. 1) Edition of Bacon's works, 1858.
    • * 2) Mathematical and other writings 1863.
  • Erdmann, J. E. 1) Geschichte der neueren Philosophie 1834 53.
  • Euler, Leonhard.
    • 1) Briefe an eine deutsche Fürstinn über verschiedene Gegenstände aus der Naturlehre. Nach der Ausgabe von Condorcet und de la Croix, übers. von F. Kries. Leipzig 1792 94, 3 Bde. von 547 + 384 + 424 Seiten. Das Original führt den Titel: Lettres à une princesse d'Allemagne sur quelque sujets de physique et de philosophie, 1768 72 daselbst vergleiche II p. 106, Lettre 102 105 auch existirt eine englische Ausgabe: Letters to a German Princess, Ed. Brewster, 1823.
  • Franklin, Frau, s. Ladd.
  • Frege, Gottlob. 704Literaturverzeichniss.
    • * 1) Begriffsschrift, eine der arithmetischen nachgebildete Formelsprache des reinen Denkens. Halle a. S. L. Nebert, 1879, 88 Seiten.
    • 2) Anwendungen der Begriffsschrift, Vortrag. In den Sitzungsberichten der Jenaischen Gesellschaft für Medicin und Naturwissenschaften, 1879; 5 Seiten.
    • 3) Über den Zweck der Begriffsschrift, ibid. Jan. 1882, p. 1 10.
    • 4) Die Grundlagen der Arithmetik, eine logisch mathematische Unter - suchung über den Begriff der Zahl, Breslau 1884, 119 Seiten. Diese Schrift enthält manch 'kritischen Seitenblick auf mein Buch1 (siehe unter Schröder); indess vermag ich nicht zu finden, dass der Ver - fasser demselben sonderlich gerecht geworden. So z. B. gründet er selbst seine Begriffserklärung der Anzahl von einheiten einer Menge auf den besonders von ihm erklärten Begriff gleichzahlig und bittet, p. 79, dies Wort als eine willkürlich gewählte Bezeichnungsweise zu betrachten deren Bedeutung nicht der sprachlichen Zusammensetzung sondern jener Er - klärung zu entnehmen ist ansonst ja in der That ein circulus in de - finiendo vorliegen würde. Die gleiche Rücksicht aber lässt Herr Frege keineswegs auch mir angedeihen, indem er (p. 28) bemängelt, dass in meiner Definition der Anzahl das Wort Häufigkeit nur ein an drer Aus - druck für Anzahl sei, ohne dessen Erwähnung zu thun, dass daneben auch meinerseits der Begriff gleichhäufig ( von gleicher Häufigkeit ) seine strenge Erklärung selbständig gefunden. p. VIII findet es Herr Frege ergötzlich , dass ich unter der Überschrift Einziges Axiom auf die Permanenz der Zeichen hingewiesen, ein Vergnügen, das ich gern ihm lasse; die Ausstellung trifft nur das (von mir beliebte) Wort Axiom , womit ich glaubte und noch glaube, eine Voraussetzung oder Annahme bezeichnen zu dürfen, die den Beweisführungen mit zugrunde liegt wenn sie meinetwegen auch innere oder äussere Bedingung einer jeden Beweisführung ist. Wesentlich wollte ich l. c. andeuten, dass jedenfalls eine andere Voraussetzung empirisch-synthetischer Art bei den arithme - tischen Wahrheiten nicht gefordert zu werden braucht, und da auch Herr Frege zu der Überzeugung gelangt, dass die arithmetischen Wahrheiten analytische seien, so besteht wol in sachlicher Hinsicht hier Überein - stimmung. Über andere einzelnen meiner Aussprüche zuteil gewordene Auslegungen, mit denen ich nicht ganz einverstanden, glaube ich hinweg - gehen zu dürfen, sie dem Urteil Derer anheimstellend, die von denselben Kenntniss nehmen. Richtig ist (p. 63) dass ich einmal genauer hätte sagen sollen, dass ein (gewisser) Name zu einem gewissen Begriffsworte (anstatt Begriffe ) wird.
  • Gergonne, J. D.
    • 1) Essai de dialectique rationelle (Gergonne's Annales de mathémati - ques , Tome 7, p. 189 228.
  • Gilman, B. J. 1) Observations in relative number with applications to the theory of probabilities, siehe Studies in logic , p. 107 125.
  • Grassmann, Hermann. 1) Lehrbuch der Arithmetik für höhere Lehr - anstalten. Berlin 1861, 220 Seiten.
  • Grassmann, Robert. Die Wissenschaftslehre oder Philosophie. Zweiter Ergänzungsteil: Die Formenlehre oder Mathematik.
    • 1) Erstes Buch: Die Grössenlehre; 52 Seiten.
    • * 2) Zweites Buch: Die Begriffslehre oder Logik; 43 Seiten. Stettin, R. Grassmann, 1872.
705Literaturverzeichniss nebst Bemerkungen.
  • * Günther Sigmund. 1) Vierteljahrschrift für wissenschaftliche Philo - sophie , 1879.
  • Halsted, George Bruce.
    • * 1) 1a) Boole's logical method, The Journal of speculative philosophy (edited by Wm. T. Harris, St. Louis MO.). Vol. 12, 1878, Nr. 1, p. 81 91.
    • 1b) Statement and reduction of syllogism, ibid. Nr. 4, p. 418 426.
    • 1c) Algorithmic division in logic, ibid. Vol. 13, 1879. Nr. 1, p. 107 112.
    • 2) The modern logic. ibid. April 1883, Vol. 17, Nr. 2, p. 210 213.
    • 3) De Morgan as logician, ibid. Vol. 18, Nr. 1, p. 1 9.
    • * 4) Algebras, spaces, logics, Popular science monthly , Aug. 1880.
  • Hamilton, W. 1) Lectures on Logic, 1860.
    • 2) Discussions on philosophy, 1866.
  • Hamilton, William Rowan. 1) Elements of Quaternions, 1866.
  • Hankel, Hermann. 1) Vorlesungen über die complexen Zahlen und ihre Functionen. Theorie der complexen Zahlensysteme etc. Leipzig 1867, 196 Seiten.
  • Harley, Robert.
    • * 1) British Quarterly Review , July 1866.
    • * 2) On Boole's laws of thought, Report of the British Association 1866, p. 3 6 der Notices and abstracts, und 1870, p. 14 sq.
    • 3) Remarks on Mr. Murphy's paper3, Proceedings of the Literary and philosophical society of Manchester , Vol. 23, 1884, p. 36 40.
  • Harms, Friedrich. 1) Logik. Aus dem h. Nachlasse des Verf. heraus - gegeben von Heinrich Wiese, Leipzig 1886, 308 Seiten.
  • Hauber, F. C. 1) Scholae logico-mathematicae, 1829.
  • v. Helmholtz. 1) Vorträge und Reden. 1. Bd. Braunschweig 1884, 396 Seiten, 2. Bd. ibid. 380 Seiten, darin: Die Thatsachen in der Wahr - nehmung (1878) p. 217 251 auch separat erschienen.
  • Herbart, J. F. 1) Einleitung in die Philosophie. Vierte Aufl. 1850.
  • Hoffbauer, J. C. 1) Analytik der Urtheile und Schlüsse. 1792.
  • * v. Holland, Georg Jonathan. 1) Abhandlung über die Mathematik, die allgemeine Zeichenkunst und die Verschiedenheit der Rechnungsarten, 1764.
  • * Hughlings, J. P. The logic of names, an introduction to Boole's Laws of thought, 1869.
  • Ingleby, C. M. 1) Outlines of theoretical logic, 1856.
  • Itelson, Gregor. 1) Zur Geschichte des psychophysischen Problems, Stein's Archiv für Geschichte der Philosophie , 1889, Bd. 3, p. 282 290
  • Jevons, William Stanley (gespr. Dschihwns). Schröder, Algebra der Logik. 45706Literaturverzeichniss.
    • * 1) Pure logic, or the logic of quality apart from quantity: with remarks on Boole's system and on the relation of logic and mathematics. London, E. Stanford, 1864; 87 Seiten.
    • * 2) The substitution of similars, the true principal of reasoning, derived from a modification of Aristotle's dictum. London, Macmillan & Co., 1869; 86 Seiten.
    • 3) On a general system of numerically definite reasoning, 1870, Vol. 4 der 3d Series der Memoris of the literary and philosophical society of Manchester , 1871, p. 330 352.
    • 4) On the mechanical performance of logical inference, Philosophical Transactions of the Royal society of London , 1870, Vol. 160, p. 497 518.
    • 5) Primer of logic. With illustrations and questions unter den Science primers London, Macmillan 1876, erschienen.
    • 6) Elementary lessons in logic: deductive and inductive. With copious questions and examples and a vocabulary of logical terms. 7th Edi - tion. London, Macmillan & Co. 1878; 340 Seiten.
    • 7) Lessons in logic, inductive and deductive. With numerous illustra - tions, London, Macmillan & Co., 3sh. 6d; 2d Ed. (laut Buchhändler - anzeige).
    • * 8) The principles of science. A treatise on logic and scientific method. 3d Ed. London, Macmillan & Co. 1879; 786 Seiten. (Erste Aus - gabe 1874, 2 Bände.)
    • * 9) Studies in deductive logic. A manual for students. London, Mac - millan & Co. 1880, 304 Seiten.
    • 10) On the inverse, or inductive, logical problem, 1871, Memoris of the literary and philosophical society of Manchester , 3d series, Vol. 5, 1876, p. 119 130.
    • 11) Who discovered the quantification of the predicate? The Contem - porary Review 1873, Vol. 21, p. 821 824.
  • Kant, Immanuel
    • 1) Logik. Ein Handbuch zu Vorlesungen, herausgegeben von G. B. Jäsche; erläutert von J. H. v. Kirchmann, 2. Aufl., Leipzig 1876, 164 Seiten.
    • 2) Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren, 1762, Ed. Rosenkranz von Kant's Werken, Leipzig 1838, Bd. 1, p. 57 74.
    • 3) Kritik der reinen Vernunft, Ed. v. Kirchmann, 2. Aufl. Berlin 1870, 720 Seiten.
  • Keller, Julius. 1) Der Ursprung der Vernunft. Eine kritische Studie über Lazarus Geiger's Theorie von der Entstehung des Menschen - geschlechts. Heidelberg 1884, 220 Seiten.
  • Keynes, John Neville. 1) Studies and exercises in formal logic, in - cluding a generalisation of logical processes in their application to com - plex inferences, London, Macmillan 1884, 414 Seiten.
    • 2) Matter of fact logic, Mind , Vol 4, p. 120 122.
    • 707
    • 3) On the position of formal logic, ibid. p. 362 375.
  • Kircher, Athanasius. 1) Ars magna sciendi, 1631.
  • v. Kries, Johannes. 1) Die Principien der Wahrscheinlichkeitsrechnung, eine logische Untersuchung. Freiburg i. B. 1886, 298 Seiten.
  • Kvet, F. B. 1) Leibnizen's Logik, 1857.
  • Ladd, Christine (Frau Fabian Franklin).
    • 1) On the algebra of logic, siehe unter Studies in logic p. 17 71.
    • 2) On some characteristics of symbolic logic, American Journal of psy - chology edited by G. Stanley Hall, Worcester 1889, Vol. 2, p. 543 567.
    • 3) Some proposed reforms in common logic, Mind , January 1890. p. 75 88.
    • 4) Aufgaben in den Mathematical Questions .
  • Lambert, Johann Heinrich.
    • * 1) Neues Organon, oder Gedanken über die Erforschung und Bezeich - nung des Wahren und dessen Unterscheidung vom Irrthum und Schein, 2 Bde., Leipzig 1764, 592 + 436 Seiten.
    • * 2) Nova acta eruditorum 1765.
    • * 3) Logische und philosophische Abhandlungen, 1781.
    • * 4) Deutscher gelehrter Briefwechsel, herausg. von J. Bernoulli, 4 Bde, 1782 84.
    • 5) Anlage zur Architectonic, oder Theorie des Ersten und des Ein - fachen in der philosophischen und mathematischen Erkenntniss, 2 Bde, Riga 1771, 376 + 560 Seiten.
  • Lange, Friedrich Albert.
    • 1) Logische Studien. Ein Beitrag zur Neubegründung der formalen Logik und der Erkenntnisstheorie. Iserlohn 1877, 149 Seiten.
  • Lange, J. C. 1) Nucleus logicae Weisianae, 1712.
    • 2) Inventum novum quadratilogici.
  • Latham, R. G. 1) Logic in its applications to language, 1856.
  • Leechman, J. 1) Logic, 1864.
  • v. Leibniz, Gottfried Wilhelm.
    • * 1) Opera philosophica, Erdmann's Ed. 1840.
  • Liard, Louis.
    • * 1) Les logiciens anglais contemporains. 2me Edit. Paris, Germer Bail - lère 1883; 177 Seiten. Unter dem Titel: Die neuere englische Logik auch in's Deutsche übersetzt von J. Imelmann, 2. Aufl. Leipzig, Denicke, 1883, 153 Seiten.
  • Liebmann, Otto.
    • 1) Zur Analysis der Wirklichkeit, Philosophische Untersuchungen, Strassburg, K. J. Trübner, 1876; 619 Seiten. (Inzwischen in zweiter Auflage erschienen.)
45*708Literaturverzeichniss.
  • Lindsay, T. M. 1) Ueberweg's logic, 1871.
  • Lipschitz, Rudolf. 1) Lehrbuch der Analysis. 1. Band, Grundlagen d. A., Bonn 1877; 594 Seiten. (2. Bd. Diff. - und Integralrechnung, Bonn 1880; 734 Seiten.)
  • Lotze, Hermann.
    • 1) Logik. Drei Bücher vom Denken, vom Untersuchen und vom Er - kennen. Zweite Aufl. Leipzig, Hirzel, 1880; 608 Seiten.
    • 2) Metaphysik. Drei Bücher der Ontologie, Kosmologie und Psycho - logie. Ibid. 1879; 604 Seiten.
  • Maass, J. G. E. 1) Grundriss der Logik, 1793.
  • Macfarlane, Alexander (gesprochen: Mkfárlehn).
    • * 1) Principles of the algebra of logic, with examples, Edinbourgh, D. Douglas, 1879; 155 Seiten.
    • * 2) On a calculus of relationship. Part I. Proceedings of the Royal Society of Edinbourgh , Vol. 10, p. 224 232, May 1879.
    • 3) Algebra of relationship. Part II. ibid. Vol. 11. p. 5 13, Dec. 1880.
    • 4) Desgl. Part III. ibid. Vol. 11, p. 162 173, March 1881.
    • 5) An analysis of relationship. Philosophical Magazine , June 1881, p. 436 446.
    • 6) Analysis of relationships applied to various problems. Journal of the anthropological Institute , London 1882.
    • 7) Analysis of relationship, of consanguinity and affinity. London, Harrisons & Sons, 1882, 18 Seiten.
    • 8) Besprechung von Kant's critique of pure reason: translated into English bei F. Max Müller, 2 vols. London, Macmillan Philo - sophical Magazine , June 1882, p. 1 4.
    • 9) The logical spectrum, Philos. Mag. , April 1885, p. 286 289.
    • 10) Aufgaben in der Educational Times , cf. Math. Questions .
  • * Maimon, Salomon. 1) Versuch einer neuen Logik 1974.
  • Mansel, H. L. 1) Prolegomena logica 1860. 2 ) Aldrich, 1862.
  • McColl, Hugh (gesprochen: Hjuh Măkohl).
    • * 1) The calculus of equivalent statements and integration limits. ( Procee - dings of the London Mathematical Society , Vol 9, 1877 78, p. 9 20.
    • * 2) The calculus of equivalent statements (second paper), ibid. p. 177 186.
    • * 3) Desgl. (third paper), ibid. Vol. 10, 1878, p. 16 28.
    • * 4) Desgl. (fourth paper), ibid. Vol. 11, 1880, p. 113 121.
    • 5) A note on prof. C. S. Peirce's probability notation of 1867, ibid. Vol. 12, p. 102.
    • * 6) Symbolical reasoning, Mind , Jan. 1880, Vol. 5, p. 45 60.
    • 7) On the growth and use of a symbolical language, Proceedings of the literary and philosophical society of Manchester , 1881, Vol. 20, p. 103.
    • 8) Aufgaben in den Math. Questions , und der Educational Times .
709Literaturverzeichniss nebst Bemerkungen.
  • Marquand, Allan.
    • 1) The logic of the Epicureans, siehe Studies in logic , p. 1 11.
    • 2) A machine for producing syllogistic variations, mit Note on an eight-term logical machine. Ibid. p. 12 16.
    • 3) A new logical machine, Proceed. Americ. Acad. Vol. 21, p. 303 307.
  • Mill, John Stuart.
    • 1) System of logic, ratiocinative and inductive 8th ed. (Zuletzt 9th ed. erschienen.)
    • 2) Dasselbe in deutscher Ausgabe, als System der deductiven und inductiven Logik von J. Schiel, Braunschweig, Vieweg, 1868, 3. Aufl., 573 + 586 Seiten. Die Citate beziehen sich auf Bd. 1 der 5. Aufl. der Übersetzung.
    • 3) Examination of Sir W. Hamilton's Philosophy, 1865.
  • Mitchell, O. H.
    • 1) On a new algebra of logic. Siehe Studies in logic , p. 72 106.
  • Müller, Max.
    • 1) Vorlesungen über die Wissenschaft der Sprache. Für das deutsche Publikum bearbeitet von Carl Böttger. Leipzig, Gust. Mayer, 1863; 400 Seiten.
    • 2) Dasselbe in neuer Auflage, in zwei Bänden. Bd. 1, 3. Aufl. 1875, 500 Seiten, Bd. 2, 2. Aufl. 1870, 636 Seiten.
    • 3) The science of thought, unter dem Titel: Das Denken im Lichte der Sprache , übersetzt von Engelbert Schneider, Leipzig 1888, 607 Seiten.
    • 4) No language without reason no reason without language, Nature Vol. 36, 1887, p. 249 251.
    • 5) The original intention of collective and abstract terms, Mind Vol. 1, p. 345 351.
  • Murphy, Joseph John.
    • * 1) Relation of logic to language, Belfast Natural history and philo - sophical society , Febr. 1875, 21 Seiten.
    • * 2) Fundamental logic, Mind , Jan. 1877, Vol. 2, p. 47 55.
    • * 3) On an extension of the ordinary logic, connecting it with the logic of relatives. Proceedings of the Literary and philosophical. society of Manchester , Vol. 19, 1880, p. 90 101.
    • 4) On the transformation of a logical proposition containing a single relative term, ibid. 1882, Vol. 21, p. 36 sq.
    • 5) On the quantification of predicates and on the interpretation of Boole's logical symbols, ibid. 1884, Vol. 23, p. 33 36.
    • 6) On the meaning of addition and subtraction in logic, ibid. 1886, Vol. 25, p. 8 16.
  • Peano, Giuseppe (Joseph).
    • 1) Calcolo geometrico secondo l'Ausdehnungslehre di H. Grassmann, preceduto dalle operazioni della logica deduttiva, Torino, Fratelli Bocca, 1888, 170 Seiten.
    • 710
    • 2) Arithmetices principia, nova methodo exposita, Turin, Rom, Florenz, Fratelli Bocca, 1889, 40 Seiten.
    • 3) I principii di Geometria, logicamente esposti, Saggio di ibid. 1889, 40 Seiten. Die sehr beachtenswerten Schriften sind dem Verf. zu spät bekannt geworden um in diesem Bande noch eingehende Berücksichtigung zu finden. Es ist höchst frappant, in 3) z. B. eine riesige Menge von geo - metrischen Sätzen mitsamt deren Beweisen fast einen Druckbogen hindurch ungefähr von Zeile zu Zeile fortschreitend ohne jeglichen Text oder Figuren lediglich in der Zeichensprache dargestellt zu erblicken nur erläutert noch durch einige ganz am Schlusse angehängte Noten nebst vorausgeschicktem Schlüssel. Die Zeichensprache ist wesentlich die unsres Klassen - und Aussagenkalkuls (mit wenigen Zufügungen), obwol äusserlich ganz eigenartig ersonnen und von der hier verfochtnen leider verschieden. Es erhellt aus ihrem Anblick, dass das S. 93 aufgestellte Ideal der Pasigraphie für die Zwecke der Wissenschaft bereits in ganz erheblichem Umfange verwirklicht ist. Die Menge der sog. Axiome müsste jedenfalls noch weiter, noch sehr verringert werden.
  • Peirce, Benjamin (gesprochen: Pörss).
    • 1) Linear associative algebra, new edition with addenda and notes by Ch. S. Peirce, son of the author. New-York, Van Nostrand 1882 Abdruck aus dem American Journal of Mathematics , Vol. 4, p. 97 229.
  • Peirce, Charles S (antiago).
    • * 1) Three papers on logic, read before the American Academy of arts and sciences 1867 siehe: Proceedings of the American Academy of arts and sciences Vol. 7, 1865 1868:
    • 1a) On an improvement in Boole's calculus of logic, p. 250 261.
    • 1b) On the natural classification of arguments, p. 261 287.
    • 1c) On a new list of categories, p. 287 298.
    • 2) Description of a notation for the logic of relatives resulting from an amplification of the conceptions of Boole's calculus of logic. Me - moirs of the American Acadmey Vol. 9, 1870, p. 317 378.
    • 3) On the application of logical analysis to multiple algebra, Procee - dings of the American Acad. 1875, Vol. 10, p. 392 394.
    • 4) Note on Grassmann's calculus of extension, ibid. 1878, Vol. 13, p. 115 sq.
    • * 5) On the algebra of logic, American Journal of Mathematics 1880, Vol. 3, p. 15 57.
    • 6) Brief description of the algebra of relatives, 6 Seiten (wo?).
    • 7) On the logic of number, Amer. Journ. of Math. , Vol. 4, p. 85 95.
    • 8) On the algebra of logic: a contribution to the philosophy of notation. Am. Journ. of Math. 1884, Vol. 7, p. 180 202.
    • 9) In dem Buche Studies in logic siehe unter S unsres Verzeichnisses:
    • 9a) A theory of probable inference, p. 126 182.
    • 9b) Note A. On a limited universe of marks, p. 182 187.
    • 9c) Note B. The logic of relatives, p. 187 203.
    • * 10) Journal of speculative philosophy , Vol. 2, 1868 (three papers):
    • 10a) Questions concerning certain faculties claimed for man, p. 103 114.
    • 10b) Some consequences of four incapities p. 140 157.
    • 711
    • 10c) Grounds of validity of the laws of logic. Further consequences of four incapacities p. 193 208. Ich würde diese Schriften in der Einleitung berücksichtigt haben, wenn sie mir früher zugänglich gewesen wären.
    • 11) Upon the logic of mathematics, Proceedings Americ. Acad. Vol. 7, p. 402 412.
  • Ploucquet, Gottfried.
    • * 1) Sammlung der Schriften, welche den logischen Kalkul des Herrn Prof. Ploucquet betreffen, Frankfurt und Leipzig, 1773 von A. F. Bök. Nach Itelson1: 1776 cf. p. 284, ibid.
    • 2) Methodus calculandi in logicis, Francof. et Lips. 1763.
    • 3) Godofredi Ploucquet Principia de substantiis et phaenomenis (Ac - cedit Methodus calculandi in logicis ab ipso inventa cui praemitti - tur Commentatio de Arte Characteristica), Francof. et Lipsiae 1764. Die erste Auflage der Principia (ohne die Beilage) ist 1753 er - schienen.
    • 4) Elementa philosophiae contemplativae, sive de scientia ratiocinandi notionibus disciplinarum fundamentalibus Deo, Universo et speciatim de Homine, Stuttgart 1778, 543 Seiten; enthält p. 37 42 ein Kapitel: de Calculo logico.
  • Pommer, Josef. 1) Beispiele und Aufgaben zur Lehre vom kate - gorischen Syllogismus, Wien 1884, 36 Seiten.
  • Port-Royal, La logique de.
    • 1) Edition nouvelle, avec introduction et notes suivie d'éclaircissements et d'extraits d'Aristote, Descartes, Malebranche, Spinosa, Leibnitz, Kant, Hamilton, Stuart Mill, par Alfred Fouillée. Paris, E. Belin, 1879, 456 Seiten. Das ursprüngliche Werk: La logique, ou l'art de penser , bekannter unter obigem Titel, hatte zu Verfassern Arnauld und Nicole, Patres in einer neben dem Cisterciensernonnenkloster Port-Royal-des-Champs un - weit Versailles (in einem Gebäude Les-Granges) gegründeten Kloster - schule; es erschien 1662.
  • v. Prantl, Karl.
    • 1) Geschichte der Logik im Abendlande. Vier Bände, Leipzig 1855 1870, 733 + 403 + 426 + 305 Seiten.
  • Riehl, A.
    • * 1) Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie , 1877.
    • 2) Der philosophische Kriticismus und seine Bedeutung für die posi - tive Wissenschaft, 2 Bände, Leipzig, 1876 79, 447 + 358 Seiten.
  • Rüdiger, A. 1) De sensu veri et falsi, 1741.
  • Scheffler, Hermann.
    • 1) Die Naturgesetze und ihr Zusammenhang mit den Prinzipien der abstrakten Wissenschaften.
    • * Dritter Theil. Die Theorie der Erkenntniss oder die logischen Gesetze. Leipzig 1880, 930 Seiten.
  • Schlötel, W. 1) Zum 4. Mai 1876. Kleine Bausteine zu einem Denk -712Literaturverzeichniss.male. Zur Privatmittheilung an Gelehrte bestimmt. Freiburg i. Br. 1876, 206 Seiten. S. 89 114 nimmt der (auf dem Titelblatt nicht genannte) Verfasser auch einen Anlauf zu einer von ihm als Recursionssyllogistik bezeichneten Sym - bolik (den ich aber nicht für einen glücklichen halte). Ich würde die Arbeit, ganz versteckt wie sie ist, in einem seiner vielen, zumeist gegen Professor Drobisch, die Berliner Akademie, Bibliotheksvorstände etc. gerichteten Pam - phlete, sicher übersehen haben, hätte mich nicht ihr Verfasser in einer selt - samen Zuschrift auf dieselbe und darauf aufmerksam gemacht, dass ich sie bei der Grossh. Badischen Hof - und Landesbibliothek entleihen könne.
    • 2) Die Logik, neu bearbeitet. Göttingen 1854, 118 Seiten.
  • * Schlosser, F. P. 1) Disputatio de sororio logices et matheseos nexu, et applicatione praeceptorum logicorum in disciplinis mathematicis, 1727.
  • Schopenhauer, Arthur. 1) Über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde, 3. Aufl. Leipzig 1864, 160 Seiten.
  • Schröder, Friedrich Wilhelm Karl Ernst.
    • 1) Lehrbuch der Arithmetik und Algebra für Lehrer und Studirende. 1 Band: Die sieben algebraischen Operationen. Leipzig, Teubner 1873, 360 Seiten.
    • * 2) Der Operationskreis des Logikkalkuls, ibid. 1877, 37 Seiten rezen - sirt von Adamson Mind , Vol. 3, p. 252 255.
    • 3) Note über den Operationskreis des Logikkalkuls, Mathematische Annalen 1877, Bd. 12, p. 481 484.
    • 4) Rezension von Frege's Begriffsschrift in Schlömilch's Zeit - schrift für Math. und Physik , 1880, Bd. 25, p. 81 94 der histo - risch-literarischen Abteilung.
    • 5) Exposition of a logical principle, as disclosed by the algebra of logic, but overlooked by the ancient logicians, Report of the 53d Meeting of the British Association held at Southport , 1883, p. 412.
    • 6) Über das Eliminationsproblem im identischen Kalkul. Tagblatt der 58. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Strassburg 1885, p. 353 sq.
    • 7) Tafeln der eindeutig umkehrbaren Funktionen zweier Variabeln auf den einfachsten Zahlengebieten. Math. Annalen 1887, Bd. 29, p. 299 317.
    • 8) Über Algorithmen und Kalkuln. Hoppe's Archiv für Math. und Physik , 1887, 2. Reihe, Teil 5, p. 225 278. Leider wurde mir der Aufsatz einigermassen verunstaltet zufolge Inter - venirens der Redaktion bei den Korrekturen, an die ich nicht ohne Schaudern zurückdenke. Am empfindlichsten bleibt, dass bei Erwähnung der Integrabilitätsbedingungen, p. 267, nicht nur mir die beabsichtigte Fussnote mit den ausführlichen Literaturangaben, sondern auch im Texte die gebührende Erwähnung der Namen Riemann und Paul Du Bois Reymond (neben dem von Thomae) ungeachtet aller meiner Bitten, Anerbietungen und wiederholten Vorstellungen aus erster und zweiter Korrektur gestrichen wurde. Ich muss den Leser ersuchen, vor der Lek - türe die (zumeist zweimal vergebens angebrachten) Korrekturen und Ver - besserungen aus den Berichtigungen des Bandes eintragen zu wollen, in welche sie wenigstens schliesslich aufgenommen erschienen.
    • 9) Über die Anzahl der Urteile, welche die Logik abzugeben vermag über713Literaturverzeichniss nebst Bemerkungen.zwei Begriffe, Tagblatt der 62. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte zu Heidelberg 1889, p. 190. Anlässlich genannter Versammlung wurde ich erst durch Herrn Walter Dyck auf die Schriften2 und3 des Herrn Peano aufmerksam gemacht, nach welchen ich auch dessen Schrift1 erwarb. Ich ersehe aus dem Vorwort der letzteren, dass die von mir ermittelte Zahl 32767 schon Herrn Peano bekannt war und in einer allgemeineren Formel desselben enthalten ist, die ich im zweiten Bande nun begrüuden werde.
  • Schuppe, Wilhelm. 1) Erkenntnisstheoretische Logik, Bonn 1878, 701 Seiten.
  • * Segner, J. A. 1) Specimen logicae universaliter demonstratae, 1740.
  • * Semler, C. A. 1) Versuch über die combinatorische Methode, 1811.
  • Servois. 1) Cf. Gergonne's Annales de Mathématiques Tome 5, p. 98, 111, 142, etc. wo sich die Namen commutative und distributive erst - malig finden.
  • Sigwart, Christoph.
    • 1) Logik. Erster Band. Die Lehre vom Urtheil, vom Begriff und vom Schluss. Tübingen, Laupp, 1873, 420 Seiten.
    • 2) Zweiter Band. Die Methodenlehre. Ibid. 1878, 612 Seiten.
  • * Solly, T. 1) Syllabus of logic, 1839.
  • Spalding, W. 1) Introduction to logical science, 1857.
  • Spottiswoode, W. 1) Remarks on some recent generalizations of algebra, Proceedings of the London Math. society 1872.
  • Steinthal, H. 1) Der Ursprung der Sprache, im Zusammenhang mit den letzten Fragen alles Wissens, eine Darstellung, Kritik und Fortentwicke - lung der vorzüglichsten Ansichten. 3. Ausgabe, Berlin 1877, 374 Seiten.
  • Stolz, Otto.
    • 1) Vorlesungen über allgemeine Arithmetik, nach den neueren An - sichten bearbeitet. 2 Bände, Leipzig, Teubner, 1885 86; 344 + 326 Seiten.
  • Studies in logic by members of the Johns Hopkins University. Boston, Little, Brown & Co., 1883, 203 Seiten.
  • Sweet, Henry. 1) Words, logic and grammar, Transactions of Philo - logical society , 1876.
  • Thomson, W. 1) Laws of thought, 1875.
  • Thoughts on logic, or the S. N. I. X. propositional theory, 1877.
  • * Tönnies. 1) De logicae scientiae ad exemplum arithmeticae instituenda ratione, 1752.
  • Trendelenburg, Adolf.
    • 1) Logische Untersuchungen, 2 Bde, Leipzig 1870, 3. Aufl. 388 + 538 Seiten.
    • 714
    • 2) Historische Beiträge zur Philosophie, 4 Bde. Band 3, Berlin 1867, 444 Seiten.
  • Twesten, A. D. C. 1) Logik 1825.
  • Ueberweg, Friedrich.
    • 1) System der Logik und Geschichte der logischen Lehren. 4. Aufl., Bonn, Marcus 1874, 434 Seiten.
  • Ulrich, J. H. 1) Institutiones logicae et metaphysicae, 1792.
  • Ulrici, H. Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik , 1878.
  • Venn, John.
    • 1) Symbolic Logic, London, Macmillan, 1881; 446 Seiten. Wegen der ausserordentlichen Belesenheit des Verfassers, seiner sorg - fältigen kritischen Anmerkungen und seiner Historic notes in Chapter XX, in Bezug auf die Entwickelungsgeschichte der symbolisirenden Logik eine schätzenswerte Ergänzung zum vorliegenden Buche.
    • 2) The logic of chance, an essay on the foundations and province of the theory of probability with especial reference to its logical bearings and its application to moral and social science. 2d ed. London, Macmillan, 1876, 488 Seiten.
    • 3) Consistency and real inference, Mind , Vol. 1, 1876, p. 43 52.
    • * 4) Boole's logical system, ibidem p. 479 491.
    • * 5) On the diagrammatic and mechanical representation of propositions and reasonings (The London, Edinbourgh and Dublin), Philosophical Magazine (and Journal of Science), Vol. 10, 5th series, 1880, p. 1 18.
    • * 6) Symbolic logic, Princeton Review , NewYork, Sept. 1880, p. 247 267.
    • * 7) On the various notations adopted for expressing the common pro - positions of logic, Proceedings of the Cambridge Philosophical so - ciety , Dec. 1880, Vol. 4, p. 35 46.
    • * 8) On the employment of geometrical diagrams for the sensible re - presentation of logical propositions, ibid. p. 46 58.
    • 9) The difficulties of material logic, Mind Vol. 4, p. 35 47.
    • 10) On the forms of logical proposition, Mind Vol. 5, p. 336 349. In 4) bis 8) sind einzelne Kapitel von 1) vorausbearbeitet.
    • 11) The principles of empirical or inductive logic, Macmillan 1889, 594 Seiten. Enthält auch viel zur formalen Logik gehöriges, u. a. schätzenswerte Angaben über Universalsprachen.
  • Vives, Ludwig. 1) De censura veri, 1555.
  • Voigt, Andreas Heinrich.
    • 1) Die Auflösung von Urteilssystemen, das Eliminationsproblem und die Kriterien des Widerspruchs in der Algebra der Logik. Frei - burger Doktordissertation, Leipzig, Alex. Danz 1890.
  • Waitz, Theodor. 1) Lehrbuch der Psychologie als Naturwissenschaft, Braunschweig 1849, 685 Seiten.
  • Weber, Heinrich. 1) Über Causalität in den Naturwissenschaften. 715Literaturverzeichniss nebst Bemerkungen.Rede, gehalten bei der Übergabe des Prorectorats der Albertus-Universi - tät zu Königsberg. Leipzig, Engelmann 1881, 30 Seiten.
  • Weise, Chr. cf. Lange, J. C.
  • Wilkins, J. 1) Essay towards a real character and philosophical lan - guage, 1668.
  • Wolf, Christian. Psychologia empirica, 1779.
  • Wundt, Wilhelm.
    • 1) Logik. Eine Untersuchung der Principien der Erkenntniss und der Methoden wissenschaftlicher Forschung. 1. Bd. Erkenntnisslehre, Stuttgart, Enke 1880; 586 Seiten.
    • 2) 2. Bd. Methodenlehre, ibid. 1883; 620 Seiten.

Was die Logikliteratur überhaupt betrifft, soweit solche hier nicht an - geführt worden, so sind schon in Ueberweg1 und Prantl1 die reichhaltigsten Angaben zu finden und ausserdem sei bemerkt, dass nach De Morgan2 p. 333 schon 1847 die zweite Auflage von Blakey's Essay on logic einen Kata - log von über tausend Logikschriften mit kurzer Titelangabe enthält.

Biographische Notizen über De Morgan, Boole und Jevons finden sich bei Liard1 p. 71, 99, 147. Boole's Leben ist unter dem Titel Homeside life of a scientific mind in dem University Magazine von 1878 anonym von seiner Wittwe Mrs. Mary Boole beschrieben vgl. über dasselbe auch Harley1. Über Augustus De Morgan's Leben und Schriften gibt auch die Encyclo - paedia Britannica 9th Ed., Vol. 7, p. 64 67 schätzenswerte Notizen.

Da ich die Anwendungen der Algebra der Logik auf numerische Probleme (im Allgemeinen) und insbesondere auf die Aufgaben der Wahrscheinlichkeits - rechnung, wie im Vorwort erwähnt, vorerst beiseite lassen musste, so sei zum Schlusse hier wenigstens die Literatur darüber zusammengestellt, soweit solche mir irgend zur Kenntniss gekommen. Es möchten in erwähnter Hinsicht in Be - tracht kommen:

  • Boole4 p. 243 398, (De Morgan4 p. 393 405, 5 p. 116 125),
  • Ch. Peirce1a, wo er Fehler Boole's berichtigt,
  • Macfarlane1 sowie Math. Questions Vol. 32, p. 18 sq., p. 74 77, Vol. 36, p. 101 sq.
  • Gilman1, Elizabeth Blackwood, Math. Questions , Vol. 29, p. 106 108.
  • McColl1 p. 16 17, 4, sowie Math. Questions Vol. 29, p. 20 23, p. 100, Vol. 33, p. 113.
  • Betreffs numerischer Syllogismen und Probleme überhaupt: Boole5, Jevons3 und
  • Macfarlane und McColl, Math. Questions Vol. 35, p. 103 sq. Vol. 36, p. 27 sq., p. 55, p. 72.
[716]

Namenverzeichniss zum ersten Bande.

Die Zahlen hinter den Namen bedeuten die Nummer der Seite, auf welcher der Name sich erwähnt findet.

  • Apelt 3; Aristoteles 92, 173, 319, 346, 350.
  • Baco 51; Badorff 528, 567; Bain 26; Becher 94; Behaghel 47; Beltrami 288; Beneke 81; Berkeley 27; Bernoulli 611; Blackwood 393, 394, 553; Blakey 715; Bodenstedt 16; Bödicker 253; Boole VI, 119, 194, 243, 245, 246, 251, 263, 274 276, 290, 301, 331, 350, 365, 369, 370, 411, 414, 415, 418, 422, 460, 462, 477, 496, 522, 527, 528, 531, 540, 545, 554 559, 562, 564, 567, 569, 571, 584, 586, 588, 589, 591, 663; Bravais 629; Brill L. 679; Brown 26; Büchner 19, 23.
  • Cantor, Georg 139, 156, 253, 441; Cartesius cf. Descartes; Cauchy 137; Cayley 288, 675; Clifford 647, 663, 666; 671, 675 682; Corti 30; Crelle 139.
  • Dalgarn 94; Darwin 164, 370; Dedekind IV, 100, 139, 253, 441, 629, 632; De Morgan 28, 55, 105, 120, 140, 141, 154, 194, 263, 275, 302, 354, 355, 387, 390 392, 540; Descartes 93, 94, 432; Dieffenbach 24; Dio - genes 88; Drobisch 4, 345; Du Bois Reymond, Emil 24, 30, 31; Du Bois Reymond, Paul 140, 712; Dyck 629, 713.
  • Edison 39; Eckermann I, XI; Erdmann 4, 270; Euklides 159, 288; Euler, Leonhard 101, 155, 156, 158, 162, 569, 570.
  • Faucher 284; Fechner 34; Fitger 24; Fischer, Kuno 21; Franklin cf. Ladd; Frege 95, 704; Fresnel 41.
  • Galiani 24; Gauss 253; Geiger, Lazarus 4; Genese 541; Gilman 715; Goclenius 173; Goethe Titelblatt, XI, 154, 182, 236; Grassmann, Hermann 441, 609; Grassmann, Robert 243, 271, 274, 299, 301, 354, 365; Grey 393; Grove 393, 532, 536, 553.
  • Halsted 283, 370; Hankel, Hermann 283, 609; Hamilton, William Rowan 283; Hamilton, W. 702; Harley 541, 573, 715; Harms 31; Hegel 5, 21; Henrici 394, 395; Herbart 244; v. Helmholtz 26, 31, 33; Hertz 41, 678 sq.; Hoppe 104; Hoppe, Reinhold 712; v. Humboldt, Wilhelm 4.
  • Jevons 51 53, 55, 63, 72, 154, 179, 243, 263, 265, 274, 290, 295, 302, 339, 341, 349, 354, 365, 369, 370, 374, 380, 381, 389 391, 394, 460, 507, 530, 559 562, 565 569, 572, 647, 658, 663 672; Jordan, Camille 629; Jürgens 156.
  • Kant 36, 81, 92, 140, 174, 319, 320, 325, 329, 333, 335, 350, 441; Keller, Julius 4, 97, 98; Keynes 287; Kircher 94; Klein, Felix 288; Knop 343; Kopp 680; v. Kries 3; Kronecker 629.
  • Lactantius 33; Ladd 120, 274, 370, 394, 433, 457, 524, 532, 536, 548, 550; Lamarck 164; Lambert 119, 532, 533; Lange, F. A. 3, 13, 14, 89, 104, 145, 155, 177; Leibniz 40, 41, 56, 93 95, 119, 270, 350; Liard VI, 715; Lie 629; Liebmann XI, 35; Lotze 10, 33, 99, 102, 105, 120, 174, 320, 323, 325, 329 331, 333, 335, 336, 338, 559, 566, 567; Lüroth XI, 139, 156, 567; Lullius 95.
  • Macfarlane 275, 553, 554; Mac Laurin 411, 412; Malchos 349; Matz 541; Maxwell 41; McColl 161, 275, 365, 388, 393, 394, 420, 433, 462, 527, 530, 536, 541, 552, 553, 559, 570, 573 576, 579 581, 583 585, 589 592;717Namenverzeichniss zum ersten Bande.Melanchthon 568; Mill, John Stuart V, 2, 3, 26, 32, 36, 44, 52, 54, 55, 60, 62, 63, 86, 92, 106, 122, 152, 177, 222; Miller 393; Milton 370; Mitchell 120, 457; Monro 393, 552; Müller, Max 46, 349.
  • Papin 125; Peano 710, 713; Peirce, Benjamin 302; Peirce, Charles S. III, 92, 96, 107 113, 115, 116, 119, 120, 133, 140, 141, 191, 193, 194, 211, 243, 253, 257, 274 276, 285, 290, 291, 297, 301, 302, 314, 350, 353, 354, 363 365, 376, 378, 379, 418, 419, 423, 457, 496, 525, 532, 553, 559, 560, 573, 588, 589, 591; Platon 88; Ploucquet 119; Port-Royal 122; Porphyrius cf. Mal - chos; Prantl 101, 224, 715.
  • Riehl 24; Riemann 33, 34, 712.
  • v. Scheffel 143; Scheffler 568, 569; Schlegel, Victor 679; Schlömilch 681; Schlötel 711 sq; Schiaparelli XI, 110; Schiel 26, 62; Schiller 149; Schopenhauer 26, 81; Schubert, Hermann 139, 189; Schultheiss 95; Shakespeare 182, 370; Semler 560; Senior 557; Servois 283; Sigwart V, 2, 3, 8, 9, 11 13, 15, 16, 82, 86, 90, 92, 106, 115, 126, 142, 154, 244, 320, 325, 326, 329, 331, 333 335, 346, 350; Silesia 77; Sohncke, Leonhard 629; Spencer 26; Spinoza 23; de Staël 24; Stas XI, 163; Steinthal 4, 97; Stolz 609; 612; Stringham 679.
  • Tanner 536; Taylor 411; Tennyson 370; Tertullian 33; Thales 124; Tho - mae 712; Trede 94; Trendelenburg 38, 40, 46, 56, 93, 94.
  • Ueberweg 4, 33, 84, 104, 105, 155, 177, 715.
  • Venn 121, 244, 263, 270, 354, 365, 366, 369, 370, 392, 528, 533, 536, 540 542, 546, 559, 560, 569 572, 589; Vieta 95; Vives 155; Voigt 449.
  • Weber, Heinrich 26, 139; Weierstrass 441; Weise 155; Weismann 108; Whately 2; Whewell (gesprochen: Wjuil) 33; Wilkins 94; Wundt 177 179, 223 225, 274, 325, 524.
  • Zöllner 34.

About this transcription

TextVorlesungen über die Algebra der Logik
Author Ernst Schröder
Extent745 images; 266406 tokens; 20317 types; 1785534 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationVorlesungen über die Algebra der Logik (Exakte Logik) Erster Band Ernst Schröder. . XII, 717 S. TeubnerLeipzig1890.

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ClassificationFachtext; Mathematik; Wissenschaft; Mathematik; core; ready; china

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