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VORLESUNGEN ÜBER DIE ALGEBRA DER LOGIK (EXAKTE LOGIK)
ZWEITER BAND ZWEITE ABTEILUNG
HERAUSGEGEBEN IM AUFTRAG DER DEUTSCHEN MATHEMATIKER-VEREINIGUNG VON Dr. EUGEN MÜLLER, PROFESSOR AN DER OBERREALSCHULE ZU KONSTANZ MIT EINEM BILDNIS ERNST SCHRÖDERS
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LEIPZIGDRUCK UND VERLAG VONB. G. TEUBNER1905
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VORLESUNGEN ÜBER DIE ALGEBRA DER LOGIK (EXAKTE LOGIK)
ZWEITER BAND. ZWEITE ABTEILUNG
HERAUSGEGEBEN IM AUFTRAG DER DEUTSCHEN MATHEMATIKER-VEREINIGUNG VON Dr. EUGEN MÜLLER, PROFESSOR AN DER OBERREALSCHULE ZU KONSTANZ. MIT EINEM BILDNISS ERNST SCHRÖDERS.
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LEIPZIGDRUCK UND VERLAG VONB. G. TEUBNER1905
[II][III]

Ernst Schröder .

Von J. Lüroth in Freiburg i. Br.

Am 16. Juni 1902 starb Ernst Schröder, großh. badischer Hofrat und Professor der Mathematik an der technischen Hochschule Karlsruhe, nach einer Krankheit von nur wenigen Tagen an Gehirn - entzündung. Mit ihm ist ein guter und liebenswürdiger Mensch, ein tüchtiger Mathematiker, und mir vor allem ein lieber und treuer Freund verschieden, mit dem mich seit vierzig Jahren nahe Beziehungen verbanden.

Indem ich es unternehme, dem Verblichenen hier einige Blätter der Erinnerung zu weihen und über seine mathematischen Leistungen zu berichten, verhehle ich mir nicht die Schwierigkeiten, die mit dieser Aufgabe verbunden sind. Sie haben ihren Grund in dem Forschungs - gebiete, das Schröder besonders in den letzten Jahrzehnten pflegte, das von den gewöhnlichen Wegen mathematischer Bethätigung weit ab liegt. Wenn ich auch, durch den öfteren Verkehr mit Schröder, vielleicht etwas mehr in den Logikkalkul eingeweiht bin als manche Fachgenossen, so bin ich von einer gründlichen Vertrautheit weit ent - fernt; und ich muss daher die Kenner bitten, den Bericht über diese Dinge nachsichtig zu beurteilen.

Ernst Schröder stammte aus einer ursprünglich hannoverschen Familie. Sein Vater war G. Fr. Heinrich Schröder1)Die in Anführungszeichen gesetzten Stellen sind fast wörtlich einer kurzen Selbstbiographie entnommen, die Schröder seinem Bilde im Geistigen Deutsch - land beigegeben hatte., der sich durch viele mineralogische, chemische und physikalische Arbeiten, am meisten vielleicht als Vorläufer Pasteurs durch seine Untersuchungen über Fil - tration der Luft eine geachtete Stellung in der Wissenschaft erworben hatte. Zuerst in seiner Vaterstadt München am polytechnischen Zentral - institut, dann an der Kantonschule in Solothurn thätig, siedelte er 1840 nach Mannheim über, wo ihm die Direktion der höheren Bürgerschulea*IVErnst Schröder .übertragen wurde, aus der später das Realgymnasium hervorging. Er leitete diese Schule bis zu seiner 1873 erfolgten Pensionirung, nach der er 1876 seinen Wohnsitz in Karlsruhe nahm, wo später ausser seinem ältesten Sohne Ernst noch ein zweiter Sohn in hoher Staats - stellung thätig war. Er starb am 11. Mai 1885. Als erstes Kind aus seiner Ehe mit Karoline Walther, der Tochter des Pfarrers und Seniors Walther in Haunsheim, wurde Ernst am 25. November 1841 in Mannheim geboren. Er genoss zunächst zu Hause, dann zwei Jahre lang bei seinem Grossvater Walther eine vortreffliche Erziehung. Sein gutes Wortgedächtniss und ein grosses Sprachtalent befähigten den Kna - ben, der dem Unterricht von anderen Zöglingen seines Grossvaters bei - wohnte, spielend das Lateinische so weit zu erlernen, dass er im Alter von acht Jahren ziemlich gewandt lateinisch sprach.

Diese Frühreife hatte jedoch auch ihre Schattenseiten, indem sie den Knaben auf Unterrichtsgemeinschaft mit meist sehr viel älteren Genossen verwies, ihn der gleichaltrigen Spielkameraden beraubend und so den Grund zum Sondertum und einem Hang zu Einsamkeit legte.

Diesem Übelstande wurde einerseits entgegengewirkt durch mehr - malig freiwilliges Repetiren und Hospitiren in dem nun folgenden Besuch der drei Oberklassen der Schule seines Vaters, wo neuere Sprachen, Chemie und Naturgeschichte ihn besonders anzogen und er auch den Unterricht des namhaften Mathematikers August Weiler (der heute noch in Karlsruhe lebt) genoss.

Andererseits wurde derselbe gemildert durch die Pflege jeder Art von körperlicher Kräftigung gewidmeten Sports. Endlich wurde Schröder vor dem Übergang zum Gymnasium vier Monate lang zu einer befreundeten Oberförstersfamilie gegeben . Im Jahre 1856 ging Schröder an das Lyceum in Mannheim über und trat in die viert - oberste Klasse, damals Unterquinta geheissen, ein.

Schröder muss mit seinen Mitschülern wenig Beziehungen gehabt haben. Er selbst kam nie auf solche zu sprechen, und, wenn ich, der zwei Jahre hinter ihm dieselbe Anstalt durchlaufen hat, manchmal solche Genossen erwähnte, zeigte sich gewöhnlich, dass Schröder sie kaum kannte. Im Herbste des Jahres 1860 bekam er das Zeugniss der Reife. Begeisterung für Naturerkenntniss und reges Interesse an philo - sophischen Spekulationen zeigten sich schon früh, so dass die Berufs - wahl nicht schwer fiel und im zehnten Lebensjahre schon für Schröder der Plan fest stand, sich mathematischen und physikalischen Studien, somit dem Lehrberufe zu widmen. Um diesen Plan auszuführen, wandte er sich nach Heidelberg, um unter Hesse, Kirchhoff undVVon J. Lüroth.Bunsen zu studiren. Er that dies mit solchem Eifer und Erfolg, dass er bereits 1862 das Doktorexamen mit der besten Note bestehen konnte.

Ein ihm verliehenes Stipendium führte Schröder dann nach Königsberg, wo er neben dem Hören von mathematisch-physikalischen Vorlesungen bei Neumann und Richelot sich eifrig an den Seminar - übungen über diese Disziplinen beteiligte und einige der dafür aus - gesetzten Preise erwarb. Der Herbst des Jahres 1864 schloss die Studienjahre ab.

Schröder bestand bald darauf in Karlsruhe die Prüfung für Lehramts - praktikanten mit der Note gut . Er hätte wahrscheinlich sofort eine Anstellung im badischen Schuldienst gefunden, wenn er es nicht vor - gezogen hätte, sich zunächst nach Zürich zu wenden. Dort habilitirte er sich für Mathematik am Eidgenössischen Polytechnikum und lehrte gleichzeitig in Vertretung des erkrankten Prof. Gräffe als Vikar an der Kantonschule.

In Zürich verkehrte Schröder sehr viel mit Waadtländern, wobei er Gelegenheit hatte, seine guten Kenntnisse des Französischen wesent - lich zu üben und zu verbessern. Seinen Neigungen zu Leibesübungen getreu benutzte er den Aufenthalt in der Schweiz zu vielen Bergtouren. Unter anderm besuchte er mit einem Freunde zusammen die Gletscher - welt im Hintergrund des Bagnethals, eines der südlichen Nebenthäler der Rhône, und machte dort zum Teil ohne Führer mehrere grosse Be - steigungen.

Obgleich die Stellung in Zürich Schröder seinen Lebensunterhalt sicherte, so schienen doch die Chancen für die geplante Laufbahn bei solcher Doppelstellung nach beiden Richtungen hin nicht sonderlich hohe . Dieser Umstand und unliebsame Vorkommnisse persönlicher Art veranlassten Schröder im Sommer 1868 die Thätigkeit in Zürich aufzugeben und sich wieder dem heimischen Schuldienst zuzuwenden. Er erhielt zunächst eine Aushilfsstelle an der höheren Bürgerschule in Karlsruhe und kurze Zeit darauf eine Lehrstelle am Pädagogium in Pforzheim. Im Oktober 1869 legte er noch das zweite Examen, die sog. Dienstprüfung, mit der Note vorzüglich ab.

Schröder war in diesen Jahren schon literarisch thätig gewesen. Er hatte damals eine gewisse Neigung zu Verallgemeinerungen. So interessirten ihn lebhaft die Bestrebungen, die Definition von Funk - tionen, die von natürlichen Zahlen abhängen, auch auf andere Zahl - formen auszudehnen. Einen Versuch ähnlicher Art hatte er selbst schon gemacht in der kleinen Arbeit über Vielecke mit gebrochenerVIErnst Schröder .Seitenzahl (1)1)Die Nummern beziehen sich auf das Seite XVII folgende Verzeichniss der Schriften., die er noch als Heidelberger Student veröffentlicht hatte, indem er hierin den Begriff des p / q Ecks aufstellte. Ähnliche Verallgemeinerungen für den Raum führten ihn auf Polyeder von gebrochner Seitenzahl, und ich erinnere mich sehr sauber gearbeitete Pappmodelle von solchen Körpern bei ihm gesehen zu haben, die er während einer Masernkrankheit in Königsberg angefertigt hatte. Doch hat er über diese Dinge nichts veröffentlicht. Auch beschäftigte er sich eingehend mit den Versuchen Liouvilles und anderer, den Be - griff des Differentialquotienten auf beliebige Indices auszudehnen. In seiner Probevorlesung bei der Habilitation in Zürich behandelte Schröder diese Fragen. Eine Verallgemeinerung anderer Art knüpfte er (2) an die Maclaurinsche Summenformel. Er untersucht die Summe. einer Reihe von Funktionswerten, deren Argumente nicht wie gewöhnlich reelle Zahlen, sondern äquidistante Punkte einer be - liebigen Geraden der komplexen Zahlenebene sind. Er kommt hierbei auf Verallgemeinerungen der Bernoulli’schen Funktionen und gewisser von Ubbo Meyer eingeführter Zahlen, die mit den Binomial-Koeffi - zienten zusammenhängen und auf die er durch Kinkelin aufmerksam geworden. In einigen späteren Publikationen (5, 6, 16, 17) kommt er auf diese Dinge öfter zurück. Trotz der Belastung mit etwa 26 Schul - stunden konnte Schröder, der Zeit seines Lebens ein überaus fleissiger Arbeiter war und sich viele Nachtarbeit zumutete, während seines Pforz - heimer Aufenthaltes einige Arbeiten veröffentlichen (3, 4, 5, 6). Zwei von ihnen (3 und 4) beziehen sich auf eine von Eggers angeregte Methode, um Gleichungen durch Iteration aufzulösen. Die beiden anderen (5 und 6) sind wol entstanden bei den Vorarbeiten für das Lehrbuch der Arithmetik und Algebra. Sie behandeln die Frage, auf wie viele verschiedene Arten man ein Produkt von Zahlen berechnen könne. Als der Krieg im Jahre 1870 ausbrach, meldete sich Schröder in patriotischer Begeisterung freiwillig zum Dienst und wurde auch, der seiner Zeit bei der Konskription seiner Augen wegen zurückgewiesen war, als tauglich erklärt. Nach einer kurzen Ausbildungszeit in der Heimat wurde er der 4. schweren Batterie des badischen Feldartillerie - Regiments unter Hauptmann v. Froben zugeteilt. Sein jüngster Bruder stand gleichzeitig bei der Infanterie. Er machte die Belagerung von Strassburg und nach dessen Einnahme den Vormarsch der badischen Division nach Süden gegen Dijon mit, der mit einer Reihe von kleinenVIIVon J. Lüroth.Gefechten verbunden war. Aber vor den ernstlichen Zusammenstössen mit der französischen Südarmee erhielt Schröder die Nachricht, dass er zum Professor befördert sei und wurde bald darauf, am 1. Nov. 1870, nach Reklamation durch die Schulbehörde in die Heimat zurückgeschickt. Er wurde zum Lehrer für Mathematik und Naturwissenschaften an dem Pro - und Realgymnasium zu Baden-Baden ernannt. Diese Stelle behielt er bis zum Jahre 1874.

Während seines Aufenthaltes in Baden beschäftigte sich Schröder wesentlich mit den Arbeiten an seinem Lehrbuch der Arithmetik und Algebra, das 1873 erschien. Allerdings kam er nie dazu, seinen ursprüng - lichen Plan vollständig auszuführen und das auf 4 Bände berechnete Werk zu vollenden. Es blieb auf den ersten damals erschienenen Band beschränkt. In ihm behandelt er zunächst sehr ausführlich und ein - gehend den Zahlbegriff und erwähnt dabei, wol als der erste, das allem Zählen zugrunde liegende Axiom, dass die Anzahl unabhängig sei vom Zählprozess; dass man also, wenn man eine Menge wiederholt zähle, immer dieselbe Anzahl bekommen müsse, vorausgesetzt man habe sich nicht verzählt. Dann folgt eine ausführliche Erörterung über die arith - metischen Operationen und zwar über die direkten und inversen. Die direkten Operationen werden einmal untersucht auf Grund einer in - dependenten Definition, und dann, wesentlich nach Grassmann, unter Annahme eines rekurrenten Bildungsgesetzes. Um den Gebrauch von Klammern möglichst einzuschränken, gibt Schröder zwei Konventionen, die seither allgemeine Aufnahme in die Lehrbücher gefunden haben. In einem Anhang wird das Rechnen mit Produkten und Summenzeichen ausführlich erörtert, insbesondere werden die Regeln aufgestellt, die bei Vertauschung der Summationsordnung bei mehrfachen Summen die Änderung der Grenzen ergeben. In den vorhergehenden Kapiteln führt Schröder nun aber eine wesentliche Neuerung ein, indem er die gewöhnlich festgehaltene Eindeutigkeit der Umkehrungen fallen lässt und das Operiren mit mehrdeutigen Ausdrücken eingehend behandelt. Er benutzt hierbei schon das Unterordnungzseichen und das Ein - ordnungszeichen, das in seinen späteren Veröffentlichungen über die Logik eine so grosse Rolle spielt. Ferner wurde er wenn ich nicht irre durch die monatelange Einstellung des Druckes, die durch den grossen Setzerstreik des Jahres 1872 hervorgerufen war , nach Hankels Vorgang veranlasst, weitergehende Untersuchungen einzufügen über die Gestalt, welche die arithmetischen Formeln annehmen würden, wenn die Operationen anderen als den gewöhnlichen Gesetzen gehorchten. Inbesondere dachte er dabei, dass die Multiplikation weder kommutativVIIIErnst Schröder .noch assoziativ sein könnte. Sie würde dann zwei Umkehrungen, also zwei Divisionen zulassen, die Schröder als Messen und Teilen be - zeichnete und durch Doppelpunkt und Bruchstrich unterschied. Bei diesen Untersuchungen, die hier begannen, befolgte er zunächst den Zweck, die Folgerungen der einzelnen Annahmen von einander zu trennen, also herauszubringen, welche Formeln alleinige Folgerungen des Kommu - tationsgesetzes seien, welche die Folgen des Assoziationsgesetzes, welche endlich nur beim Zusammenwirken der beiden Gesetze Geltung hätten u. s. w. Im weiteren Verlauf dieser Spekulationen, die Schröder während seines ganzen Lebens beschäftigten, von denen aber nur wenige Resultate publizirt sind, stellte er sich eine sehr viel umfassendere Aufgabe. Die Multiplikation mit ihren beiden Umkehrungen kann als symbolische Bezeichnung einer Funktion von zwei Argumenten auf - gefasst werden mit ihren zwei möglichen Umkehrungen, und das Studium von Gleichungen zwischen solchen Funktionen war nun sein Ziel. Um dieses Problem einigermassen einzuschränken, benützte er den Umstand, dass in den gewöhnlichen arithmetischen Fundamentalgleichungen höch - stens sieben Buchstaben auftreten. Er beschränkte sich daher auf die Betrachtung von solchen Gleichungen mit nur sieben Buchstaben. Die Buchstaben sollen auf der rechten und linken Seite der Gleichungen nur durch Multiplikationen oder ihre beiden Umkehrungen verbunden sein. Ein spezieller Fall ist der, wenn auf der rechten und linken Seite je nur eine Operation zur Anwendung kommt. Bei den ent - sprechenden arithmetischen Gleichungen treten dabei höchstens sechs Buchstaben auf, und deswegen beschränkt sich Schröder auch bei seinen Untersuchungen des speziellen Falles auf Gleichungen mit höch - stens sechs Buchstaben. Er betrachtet dabei diese Buchstaben als ganz allgemeine Zahlen, schliesst alle speziellen Zahlenwerte wie 0, 1 u. dergl. aus, und nimmt an, die Multiplikation wie ihre Umkehrungen seien voll - kommen eindeutig. Er hatte nun die Absicht, die bei den angegebenen Beschränkungen möglichen Gleichungen auf ihre Folgerungen zu unter - suchen, d. h. alle aus einer Gleichung folgenden anderen Gleichungen aufzustellen. Die Gesamtheit aller dieser Folgerungen nannte er in dem allgemeineren der oben genannten Fälle einen Kalkul , im speziellen einen Algorithmus . Die Gleichungen eines solchen Algorithmus oder eines Kalkuls zerfallen in zwei Klassen, indem nämlich aus einer Gleichung die sämtlichen anderen folgen oder nicht. Schröder hat einen ausserordentlichen Fleiss und eine grosse Arbeitskraft auf diese Studien verwendet, von deren Resultaten er Einzelheiten in einer Reihe von Arbeiten veröffentlicht hat (10, 11, 20, 22, 24, 25, 26). IXVon J. Lüroth.Insbesondere beschäftigte ihn ein System von 990 Gleichungen, die in der Gesamtheit von 7342 möglichen Gleichungen eine hervor - ragende Rolle spielen und deren Struktur er eingehend untersucht. Um die Möglichkeit der Algorithmen oder Kalkule und ihre Unabhängig - keit von einander zu beweisen, wendet er zwei Mittel an. Er kon - struirt Lösungen mit Hilfe der gewöhnlichen mathematischen Formeln, indem er einen Bruch, dessen Zähler und Nenner bilineare Funktionen von zwei Veränderlichen sind, so einrichtet, dass er die gegebene Funktionalgleichung erfüllt. Ferner konstruirt er Funktionstafeln, d. h. Tafeln, die zu gegebenen Argumentwerten den Funktionswert liefern, indem er dabei die Anzahl der möglichen Argumentwerte klein, höchstens gleich 8 annimmt. Für den Fall von nur 4 Argumentwerten stellt er die sämtlichen 576 Funktionstafeln auf, die bei eindeutigen Umkehrungen möglich sind, und für den Fall von acht Argumentwerten solche Tafeln, die gegebenen Funktionalgleichungen genügen, während sie bei weniger als acht Werten unmöglich sind. Bei all diesen Unter - suchungen zeigt Schröder eine grosse Gewandtheit in der Behandlung kombinatorischer Probleme, wie er solche auch in einigen speziellen Abhandlungen untersucht hat. Einige habe ich schon früher erwähnt. In einer anderen (21) bestimmt er die Anzahl der Substitutionen, welche in eine gegebene Zahl von Zyklen zerfallen. Bei all diesen Problemen kommt ihm seine Übung in der Benützung der Ubbo Meyer’schen Fakultäten-Koeffizienten, von denen schon früher die Rede war, zugute.

Während seines Aufenthaltes in Baden-Baden begann Schröder auch die Erlernung der russischen Sprache und benutzte seine freie Zeit, um die schöne Umgebung der berühmten Bäderstadt nach allen Richtungen hin in tüchtigen Fussmärschen, auf denen ich ihn öfter begleitete, kennen zu lernen.

Seine mathematischen Arbeiten bewirkten, dass er im Jahre 1874 nach Darmstadt an die technische Hochschule als ordentlicher Professor der Mathematik berufen wurde. Im Jahre 1876 folgte er einem Rufe an die technische Hochschule nach Karlsruhe; hier lehrte er, seiner Neigung entsprechend, die Fächer der Arithmetik, Trigonometrie und höheren Analysis. In dieser Stellung blieb er, später zum Hofrat er - nannt, bis zu seinem Tode. Das Vertrauen seiner Kollegen berief ihn im Jahre 1890 zum Direktor des Polytechnikums, während er dem Senat der Hochschule wiederholt angehört hatte.

Unter den Arbeiten, die er in Darmstadt und Karlsruhe veröffent - lichte, verdient neben den sofort zu besprechenden besonders die über Ein auf die Einheitswurzeln bezügliches Theorem der FunktionenXErnst Schröder .lehre (12) Erwähnung, weil Schröder hier ein einfaches Beispiel einer analytischen Formel gibt, die in verschiedenen Teilen ihres Gebietes verschiedene Werte annimmt. Dieses Beispiel wurde später von Weier - strass benutzt.

Schon bei der Vorbereitung zu dem Lehrbuch der Arithmetik und Algebra war Schröder, wol durch Robert Grassmann’s Formenlehre, auf die rechnerische Behandlung der Logik aufmerksam geworden. Diese Disziplin war es, welche seit seiner Übersiedlung nach Karlsruhe sein wissenschaftliches Leben vollständig erfüllte. Er lernte die Werke von Boole, De Morgan, Ch. S. Peirce und anderen besonders englischen und amerikanischen Autoren über die mathematische Logik kennen und studirte eifrig die Schriften von Sigwart, Trendelenburg, Lotze, Überweg, Wundt u. s. w. über den philosophischen Teil dieser Disziplin.

Er ging nun daran die von den Vertretern der mathematischen Logik erhaltenen Resultate in einheitlicher Weise darzustellen. Es gelang ihm zunächst das System von Boole dadurch zu verbessern, dass er die Benutzung der gewöhnlichen Zahlen als unnötig nachwies. Die Division und Subtraktion ersetzte er durch Einführung der Nega - tion. Er hatte schon in seinem Lehrbuch der Arithmetik sich dahin ausgesprochen, dass man dann im Stande sein müsse, mit der Termino - logie, die einem nun zu Gebote stehe, alle Beziehungen auszudrücken, in denen Begriff dem Umfang nach stehen. In dem kleinen Buche (13) Operationskreis des Logikkalkuls , das 1877 erschienen ist, gibt er in diesem Sinne eine kurze Übersicht der Theorie. Er operirt mit Klassen von Dingen, d. h. mit der Gesamtheit aller Dinge, die gegebene Merkmale gemein haben. Zwei Klassen a und b können Individuen ge - mein haben; deren Gesamtheit wird mit a · b oder a b bezeichnet. Da - gegen soll unter a + b die Klasse der Dinge verstanden werden, die entweder zu a oder zu b gehören. Indem man nun immer auf die Individuen zurückgeht, beweist man die Rechengesetze, die mit den ge - wöhnlichen identisch sind, aber deswegen einfacher ausfallen, weil in der Logik a + a = a und a · a = a ist. Die Menge der Dinge, die nicht zu a gehören, wird mit bezeichnet. Dies ist die in späteren Schriften adoptierte Bezeichnung, früher schrieb Schröder dafür a1. Für diese Negation gelten die Gesetze ( ) = · und ( ) = + . Diese wenigen Formeln reichen hin, um einen grossen Teil der Logik des Umfanges der Begriffe im rechnerischen Gewande darzustellen. Erst im Jahre 1890 liess Schröder diesem kleinen Werke den ersten Band (27) einer ausführlichen auf drei Bände berechneten Darstellung der Logik in mathematischem Gewande, der exakten Logik, wie er sieXIVon J. Lüroth.gern nannte, folgen. In diesen Vorlesungen über die Algebra der Logik gibt uns Schröder eine ausführliche systematische Dar - stellung der ganzen Theorie, in der er die Forschungen der Engländer und Amerikaner, insbesondere von Charles S. Peirce, in einheitlichem Gewande, vermehrt durch zahlreiche eigene Untersuchungen vorträgt. Wie in seinem früheren Schriftchen, beschränkt er sich hier auf die Logik des Umfangs. Während er aber früher die Beweise und Definitionen auf die Betrachtung der Individuen gründete, stellt er jetzt in rein formaler Weise Definitionen an die Spitze, die einen Kalkul darstellen, den er als identischen bezeichnet. In dieser Weise wird zunächst die Subsumtion definirt, oder wie Schröder sagt, die Ein - ordnung, dann die Summe und das Produkt. Um die Formeln all - gemein gültig zu machen und gewisse Ausnahmen zu vermeiden, be - nutzt er mit Boole die durch das Symbol 0 bezeichnete Nullklasse, zu der im Gegensatz die Klasse 1 steht, die allen anderen übergeordnet ist und den ganzen Denkbereich umfasst. Es gelingt mit Hilfe von diesen Definitionen, eine ganze Anzahl der Rechnungsregeln des identischen Kalkuls zu beweisen. Insbesondere auch den einen Teil des Distributions - gesetzes a b + a ca (b + c). Dagegen gelingt es nicht, auch dessen zweiten Teil a (b + c)a b + a c abzuleiten; und in einem Anhang an das Buch gibt sogar Schröder einen strengen Beweis dafür, dass dies unmöglich ist, indem er eine Gruppe von Operationen aufzeigt, welche die Gesetze des identischen Kalkuls erfüllen, ohne dass der zweite Teil des Distributionsgesetzes gilt. Die genannten Deduktionen werden unterbrochen durch eine Untersuchung über die Deutung der Operationen, über die Übersetzung aus der Wortsprache in die Zeichensprache, wobei besonders die verschiedene Bedeutung von oder genau studirt wird. Um nun auch den zweiten Teil des Distributionsgesetzes zu beweisen, benutzt Schröder die Negation und setzt jenen zweiten Teil für einen speziellen Fall voraus. DieNegation einer Klasse a, die Schröder das Negat von a nannte und a-Strich aussprach, definirt Schröder ebenfalls rein formal und zeigt dann ihre Identität mit denjenigen Dingen des Denkbereiches auf, die zur Klasse a nicht gehören. Die Frage, wie Urteile, die eine Ver - neinung enthalten, in die Zeichensprache zu übersetzen seien, macht eine genauere Untersuchung nötig über die Bedeutung eines Urteils, das eine Negation enthält; er entscheidet sich dafür, a ist nicht b zu übersetzen durch a = , womit er sich an die Ansicht von Aristoteles und Wundt anschliesst. Die Negation erlaubt, die Subtraktion und die Division, welche die englischen Logiker noch benutzt hatten, ganz zu umgehen und damit gewisse Schwierigkeiten zu vermeiden, die sich sonst einstellen. Die Be -XIIErnst Schröder .handlung von Gleichungen gestaltet sich im Logikkalkul besonders einfach, da man alle Gleichungen in eine einzige zusammenfassen, die eine Seite auf 0 bringen und die andere in eine lineare und homogene Funktion der unbekannten Klasse und deren Verneinung entwickeln kann. In dieser Form lässt sich dann leicht die Bedingung für die Löslichkeit, d. h. die Resultante, und der Ausdruck für die unbekannte Klasse ablesen. Eine Reihe von Beispielen zeigt die Übersetzung eines Systems von Prämissen in die Zeichensprache und die weitere Behandlung durch die Rechnung, die sich öfters überraschend einfach gestaltet. Ein Nachteil dieser Theorie ist es, dass sie nur universale Urteile behandeln kann und dass partikulare Urteile sich in ihr nur schwer unterbringen lassen. Diesem Übelstand begegnet Schröder in dem 1891 erschienenen zweiten Bande seiner Vorlesungen, von dem aber leider nur die erste Abteilung herauskam. Schröder führt in diesem Buche neben dem Subsumtions - zeichen das Ungleichheitszeichen ein, für das er das Zeichen benutzt. Er kann dann das Urteil, einige a sind b durch die Formel a 0 ausdrücken. Um die Deduktionen zu erleichtern, und in gewisser Be - ziehung auch als eine Anwendung des identischen Kalkuls, benutzt Schröder den ebenfalls von Boole erfundenen sog. Aussagenkalkul d. h. eine symbolische Zusammenfassung von Aussagen durch Zeichen. Man kann (nach Mac Coll) jedem Urteil oder jeder Aussage ein Wert - zeichen zuteilen; und zwar das Zeichen 0, wenn die Aussage falsch ist, und das Zeichen 1, wenn sie richtig ist. Dann kann man, indem man unter den Aussagen oder den sie vertretenden Buchstaben, diese Wert - zeichen versteht, mit den Aussagen rechnen, indem man die Gesetze 0 + 0 = 0; 0 + 1 = 1 + 0 = 1 + 1 = 1 0 · 0 = 0 · 1 = 1 · 0 = 0; 1 · 1 = 1 00 01 11 = 1, = 0 benutzt. Die Formel ab zwischen den zwei Aussagen a und b, sagt dann aus: wenn a gilt, so gilt b, oder aus a folgt b, oder a zieht b nach sich (nicht wie man etwa versucht wäre zu denken, aus b folgt a). Schröder benutzt mit Boole, um den identischen Kalkul anwenden zu können, immer die Zeiträume, in denen die einzelnen Ur - teile gelten. Die getroffenen Festsetzungen verlangen, dass ein Urteil, das niemals wahr ist, immer einem richtigen eingeordnet ist. Hier - durch werden zwar Ausnahmen vermieden, es ergeben sich aber anderer - seits auch Sätze, die auf den ersten Blick etwas Fremdartiges haben und deren Richtigkeit man sich erst besonders zum Bewusstsein bringen muss. Schröder betrachtet nach sorgfältiger und eingehender Dis -XIIIVon J. Lüroth.kussion des Aussagenkalkuls die fünf möglichen Beziehungen, die nach Gergonne zwei Klassen zu einander haben können, und deren Ver - bindungen miteinander. In ähnlicher Weise untersucht er die vier primitiven Urteile De Morgan’s über zwei Klassen. Hierbei macht die Zulassung der 0-Klasse einige Schwierigkeiten. Mit Hilfe der ge - wonnenen Resultate werden dann die Syllogismen der alten Logik sorgfältig studirt und gezeigt, dass sie auf die von Miss Ladd gegebene Regel hinauslaufen, dass drei Klassen a, b, c, nicht gleichzeitig die Gleichungen a b = 0, c = 0 und die Ungleichung a c 0 befriedigen können. Diese syllogistischen Untersuchungen werden noch erweitert, indem andere zwischen drei Begriffen mögliche Prämissen betrachtet werden, welche in der gewöhnlichen Syllogistik nicht auftreten. Bei all diesen Eliminationsproblemen zwischen Gleichungen und Ungleichungen ergibt sich die Notwendigkeit, den Resultanten eine Klausel beizufügen, die das Auftreten von Ausartungen unmöglich machen soll. Und diese Klausel wieder leitet Schröder dazu über, den Begriff des Individuums festzustellen, d. h. in einer Formel auszusprechen, wann eine Klasse ein Individuum ist. Die ganze Untersuchung dieses zweiten Bandes macht ausführliche Erörterungen über verschiedene Gegenstände der allgemeinen Logik, partikulare Urteile, die Verneinung, die Kon - version und dergleichen nötig. Auch eine Reihe von Beispielen werden mit der Rechnung behandelt. Im Jahre 1895 erschien der dritte Band der Algebra der Logik (34) mit dem Untertitel Algebra und Logik der Relative . Allerdings ist von diesem Buch nur eine erste Abteilung publizirt und ob sich eine zweite Abteilung aus Schröder’s Manuskripten wird zusammenstellen lassen, ist zur Zeit noch nicht bekannt. Der Schöpfer dieser Logik der Relative ist Charles S. Peirce, und seine Theorie ist es im wesentlichen, die Schröder vorträgt. Unter einem Relativ versteht bekanntlich Peirce die Gesamtheit aller Aussagen, die sich darüber machen lassen, ob sich irgend zwei Individuen i und j des Denkbereichs in einer bestimmten Beziehung A zu einander befinden. Zu der Aussage i steht zu j in der Beziehung A gehört ein Wertzeichen ai j, ein Relativkoeffizient, wie Schröder sagt, der diese Aussage, je nachdem er 1 oder 0 ist, als wahr oder unwahr kennzeichnet. Das zu A gehörige Relativ a ist dann die Gesamtheit aller Aussagen oder aller Relativkoeffizienten, die allen möglichen Paaren von Ele - menten des Denkbereichs entsprechen.

Aus zwei Relativen, a und b, werden nach bestimmten Regeln neue Relative abgeleitet. Und zwar betrachtet man zwei Additionen und zwei Multiplikationen: je eine identische und eine relative.

XIVErnst Schröder .

Die identische Summe a + b und das identische Produkt, bezeichnet durch a · b oder einfacher a b, sind Relative, die durch die Relativ - koeffizienten ai j + bi j bezw. ai j · bi j definirt sind, wobei hier, wie im folgenden, die Rechnungen mit den Wertzeichen nach den beim Aus - sagenkalkul angeführten Regeln erfolgen. Das relative Produkt be - zeichnet Schröder mit a; b und spricht es a von b. Bei ihm ist der Relativkoeffizient (a; b) i j = 1, wenn es irgend ein Element h des Denk - bereiches gibt, für das ai h bh j = 1 ist, dagegen ist er Null, wenn dies nicht der Fall ist.

Die relative Summe bezeichnet Schröder mit ab, was er a piu b aussprach. Sie ist dadurch definirt, dass der Relativkoeffizient (ab) i j = 1 ist, wenn für jedes Element h des Denkbereichs ai h + bh j = 1 ist, Null dagegen, wenn dies nicht eintritt.

Neben diesen sich auf zwei Relative erstreckenden Operationen beziehen sich die Negation und Konversion auf nur ein Relativ. Das negirte Relativ a, das Schröder mit bezeichnet, hat den Relativ - koeffizienten i j[und] das konvertirte , das Schröder a convers aussprach, den ai j. Ein Relativ a ist einem b eingeordnet, oder in Zeichen es ist ab, wenn zwischen allen Relativkoeffizienten die Be - ziehung ai jbi j besteht.

Die gegenseitigen Beziehungen, die zwischen Relativen hiernach stattfinden können, und deren Zahl gegenüber den bei Zahlen möglichen gross ist, werden ausführlich untersucht. Während die Peirceschen Arbeiten, an sich nicht leicht zu lesen, durch den Wechsel der Be - zeichnungen sehr schwer verständlich sind, bietet das Studium des Schröderschen Buches keine wesentlichen Schwierigkeiten, indem es in einheitlicher Durchführung und hinreichender Ausführlichkeit die einschlägigen Fragen beantwortet. Ähnlich wie bei dem identischen Kalkul lässt sich jedes System von Gleichungen durch eine einzige Gleichung ausdrücken. Der relative Kalkul leistet aber noch mehr, indem sich auch jedes System von Ungleichungen, ja sogar die Forderung, dass von einer Anzahl Gleichungen und Ungleichungen eine oder die andere gelte, durch eine einzige Gleichung ausdrücken lässt. Schröder behandelt ausführlich die Herstellung der Resultante, die erfüllt sein muss, damit die Auflösung möglich ist, und die Auflösung selbst. Während aber die erstere sich herstellen lässt, erfordert die letztere so - gar unter Umständen unendliche Operationen. Für eine begrenzte An - zahl von Gleichungen werden alle möglichen Aufgaben ausführlich er - ledigt. Als eine Anwendung der Theorie gibt dann Schröder die Darstellung der Lehre von den Zahlen, wie sie in Dedekind’sXVVon J. Lüroth.bekannter Schrift Was sind und was sollen die Zahlen enthalten ist, im Gewande des Relativkalkuls. Er weist zunächst nach, dass die wichtigsten Sätze Dedekinds als allgemeine Sätze über Relative unter der Geltung gewisser Prämissen erscheinen. Dann aber zeigt er, dass sich die Theorie noch wesentlich vereinfachen lasse.

Weitere Studien betreffen die Mengen oder Systeme von Individuen, die man auch als Relative auffassen kann, und deren Abbildung auf einander, wobei die von Cantor und von Dedekind eingeführten Be - griffe der Gleichmächtigkeit und Ähnlichkeit, die auf der eindeutigen Abbildung beruhen, zur Sprache kommen. Schröder formulirt die nötigen Definitionen durch Beziehungen zwischen Relativen, die ge - statten, daraus Sätze abzuleiten, ohne dass man nötig hat, auf die Individuen zurückzugehen. Weitere Anwendungen werden endlich noch gemacht auf den Begriff der Funktion und den der Substitution. Als eine Fortsetzung der zuletzt erwähnten Untersuchung erscheinen zwei Abhandlungen (36, 37, 38) aus dem Jahre 1896, die allerdings erst 1898 erschienen sind. In der einen vergleicht Schröder eine von Peirce herrührende Definition der Endlichkeit eines Systems mit der Dedekind - schen Definition der Unendlichkeit und zeigt durch Rechnung, dass die eine die Negirung der andern ist. Im Anschluss daran beweist er vier von den fünf Sätzen, die Cantor über Mengen von gleicher Mächtig - keit aufgestellt hat, ohne dass er dabei von den transfiniten Zahlen Gebrauch machen muss. Den fünften Satz allerdings konnte er damals noch nicht herleiten.

In der zweiten stellt er mit Hilfe der Relativoperationen die Be - dingung her, dass zwei Relative, die Systeme sind, gleich viele Indi - viduen enthalten und ferner die Bedingung, dass die Anzahl dieser Individuen 0, 1, 2 oder 3 ist.

Durch diese Relativoperationen, glaubt Schröder, sei ein wesent - licher Schritt vorwärts gethan nach dem Ziel einer allgemeinen Pasi - graphie, nach einer allgemein verständlichen, von den nationalen Sprachen unabhängigen Zeichensprache zur Darstellung wissenschaftlicher Er - örterungen. Dass die Peirce’sche, von ihm verbesserte Zeichensprache des Relativkalkuls neben dem Aussagenkalkul dies eher zu leisten im - stande ist als die Symbole Peano’s und seiner Schüler, ist wol sicher. Ob aber das Schrödersche Ideal, wie er es in einer geistvollen Karls - ruher Rektoratsrede über das Zeichen (31) und einem Vortrag auf dem Züricher Mathematikerkongress (39 und 40) hingestellt hat, sich ver - wirklichen wird, muss zur Zeit dahingestellt bleiben.

Schröder hat in seinem grossen Werke über Logik eine ganzXVIErnst Schröder .ausserordentliche Menge von mühevoller Arbeit und von höchst scharf - sinnigen Untersuchungen niedergelegt. Nur kann man vielleicht sagen, dass er dem Leser etwas zuviel dargeboten hat. Auch war er zu sehr systematisirender Mathematiker, dem es Freude machte, innerhalb eines gegebenen Rahmens alle Möglichkeiten zu erörtern und alle sich darbieten - den Fragen zu lösen. Es ist schade, dass er uns die zweite Abteilung des dritten Bandes nicht mehr geben konnte, er hätte uns dann vielleicht an einfacheren Beispielen und Aufgaben, als die oben erwähnten sind, die Nützlichkeit der Lehre von den Relativen gezeigt. Was die Zu - kunft dieser logischen Disziplinen angeht, so glaube ich nicht, dass die enthusiastischen Hoffnungen, denen Schröder so oft Ausdruck gab, sich in Bälde erfüllen werden. Mir scheint es von Wichtigkeit zu sein, dass Aufgaben gefunden werden, die nicht künstlich gemacht sind, die sich aber durch den Logikkalkul in einfacherer Weise lösen lassen, als dies die gewöhnlichen Methoden gestatten.

Um sich bei den anstrengenden Arbeiten zu zerstreuen, trieb Schröder während seines Karlsruher Aufenthaltes eifrig Sprachstudien. Er vervollkommnete sich im Englischen und lernte das Spanische. Daneben beschäftigte er sich viel mit der Blumenzucht, der er viel von seiner Zeit widmete. Er hatte sich dabei sehr eingehende botanische Kenntnisse angeeignet und grosse Übung in Behandlung der Pflanzen erlangt, so dass seine Pflanzen, obgleich er bei seiner Junggesellen - wohnung kein Treibhaus und keinen Garten hatte, gut gediehen. Wie früher trieb er auch den Sport eifrig. Neben Schwimmen und Schlitt - schuhlaufen, denen er von jeher gehuldigt hatte, übte er einige Jahre das Reiten. Später wurde er ein überaus enthusiastischer Radfahrer, da er hierdurch in kurzer Zeit sich kräftig ausarbeiten und nicht nach - denken könne. Freilich glaube ich, dass später für ihn der Genuss mehr darin bestand, viele Kilometer in möglichst kurzer Zeit zu durch - messen, als behaglich durch eine schöne Gegend zu fahren. Wenige Tage vor seinem Tode soll er noch eine grosse Radtour gemacht haben, und manche seiner Kollegen glauben, dass eine Erkältung, die er sich dabei holte, die tödliche Krankheit verursacht habe. Im Winter 1901 2, wo er das sechzigste Lebensjahr schon überschritten hatte, find er noch den jüngsten Sport, das Skilaufen, an.

Als ich Schröder im März 1902 zum letzten Male sah und ihn von seinen Ski - und Radtouren erzählen hörte, machte er noch in jeder Beziehung den Eindruck eines überaus rüstigen Mannes, dem man ein langes Leben prophezeit hätte. Merkwürdig war mir nur in den letzten Jahren seines Lebens erschienen, dass die mit dem LebenXVIIVon J. Lüroth.und dem Amte unvermeidlich verbundenen Reibungen immer schwerer auf ihm lasteten und offenbar seine Leistungsfähigkeit hemmten, so sehr, dass er sich nicht entschliessen konnte, das grosse Lebenswerk seiner Logikvorlesungen zu vollenden.

Haben sich in dieser Depression die Anfänge eines tieferen Leidens gezeigt, so kann man einem gütigen Geschick nur dankbar sein, das Schröder durch einen raschen Tod nach kurzer Krankheit vor längerem Siechtum bewahrt hat.

Verzeichniss der Schriften Schröders nach ihrer Zeitfolge, mit An - gabe der Datirung.

  • 1. Über Vielecke von gebrochener Seitenzahl oder die Bedeutung der Stern - polygone in der Geometrie. Zeitschr. f. Math. u. Phys. Bd. 7. Seite 55 64.
  • 2. Eine Verallgemeinerung der Mac Laurinschen Summen-Formel nebst Beiträgen zur Kenntniss der Bernoullischen Funktion. 28 Seiten. Programm der Kantons - schule in Zürich. Zürich, Druck von Zürcher & Furrer 1867.
  • 3. Über unendlich viele Algorithmen zur Auflösung der Gleichungen. Pforzheim im Januar 1869. Math. Ann. Bd. 2. Seite 317 365.
  • 4. Über iterirte Funktionen. Pforzheim im Juni 1869. Math. Ann. Bd. 3. S. 296 322.
  • 5. Vier kombinatorische Probleme. Zeitschr. f. Math. u. Phys. Bd. 15. S. 361 376.
  • 6. Berichtigung zu dem Aufsatze Vier kombinatorische Probleme . Baden - Baden im Dezember 1870. Zeitschr. f. Math. u. Phys. Bd. 16. S. 179 180.
  • 7. Die Umformungsregeln für algebraische Ausdrücke. Zeitschr. f. d. math. u. nat. Unterricht. Bd. 2. S. 410 415.
  • 8. Lehrbuch der Arithmetik und Algebra für Lehrer und Studirende. Erster Band: Die sieben algebraischen Operationen. Baden-Baden im September 1873. Leipzig 1873. XI u. 360 S.
  • 9. Abriß der Arithmetik und Algebra für Schüler an Gymnasien und Realschulen. Erstes Heft: Die sieben algebraischen Operationen. Leipzig 1874. 48 Seiten.
  • 10. Über die formalen Elemente der absoluten Algebra. Zugleich als Beilage zum Programm des Pro - und Realgymnasiums zu Baden-Baden für 1873 / 74. Baden - Baden, 7. Juli 1874. Stuttgart 1874. 31 Seiten.
  • 11. Über von Staudts Rechnung mit Würfen und verwandte Prozesse. Darmstadt, Dezember 1875. Math. Ann. Bd. 10. S. 289 317.
  • 12. Ein auf die Einheitswurzeln bezügliches Theorem der Funktionenlehre. Januar 1876. Zeitschr. f. Math. u. Phys. Bd. 22. S. 183 190.
  • 13. Der Operationskreis des Logikkalkuls. Karlsruhe im März 1877. Leipzig 1877. V u. 37 S.
  • 14. Note über den Operationskreis des Logikkalkuls. Karlsruhe, 7. Juli 1877. Math. Ann. Bd. 12. S. 481 484.
  • 15. Hermann Graßmann. Sein Leben und seine mathematisch-physikalischen Ar - beiten. Februar 1878. Math. Ann. Bd. 14, S. 1 45. (Darin von Schröder wohl nur Seite 30 Absatz bis 32 incl.)
  • 16. Bestimmung des infinitären Wertes des Integrals 〈…〉 (u) n d u. Karlsruhe im August 1879. Zeitschr. f. Math. u. Phys. Bd. 25. S. 106 117.
Schröder, Algebra der Logik. 2. II. bXVIIIErnst Schröder .
  • 17. Über die Eigenschaften der Binomialkoeffizienten, welche mit der Auflösung der trinomischen Gleichung zusammenhängen. Karlsruhe im Oktober 1879. Zeitschr. f. Math. u. Phys. Bd. 25. S. 196 207.
  • 18. Anzeige von Gottlob Freges Begriffsschrift. Karlsruhe 1879. Zeitschr. f. Math. u. Phys. Bd. 25. Historisch-literarische Abteilung S. 81 94.
  • 19. Selbstanzeige der unter 11., 12., 13., 14. genannten Schriften im Repertorium für reine und angew. Mathematik. Bd. 2. S. 81 87 mit Nachschrift auf S. 162.
  • 20. Über eine eigentümliche Bestimmung einer Funktion durch formale An - forderungen. Karlsruhe im Mai 1880. Journ. f. reine u. angew. Math. Bd. 90. S. 189 220.
  • 21. Über die Anzahl der Substitutionen, welche in eine gegebene Zahl von Cyklen zerfallen. Karlsruhe, November 1881. Archiv f. Math. u. Phys. Teil 68. S. 353 377.
  • 22. On the most commodious and comprehensive calculus. Exposition of a logical principle, as disclosed by the algebra of logic but overlooked by the ancient logicians. Report of the British Assoc. 1883. S. 411 412.
  • 23. Über das Eliminationsproblem im identischen Kalkul. Tageblatt der Natur - forscherversammlung zu Straßburg 1885. S. 353 354.
  • 24. Tafeln der eindeutig umkehrbaren Funktionen zweier Variablen auf den einfachsten Zahlgebieten. Karlsruhe in Baden, eingesandt Dezember 1886. Math. Ann. Bd. 29. S. 299 317.
  • 25. Über Algorithmen und Kalkuln. Karlsruhe in Baden im Januar 1887. Archiv f. Math. u. Phys. 2. Reihe, Teil 5. S. 225 278.
  • 26. On a certain method in the theory of functional equations. Report of the British Assoc. 1887. S. 621.
  • 27. Vorlesungen über die Algebra der Logik (exakte Logik). Erster Band. Karls - ruhe in Baden im März 1890. Leipzig 1890. XII u. 717 S.
  • 28. Eine Berichtigung zum ersten Band meiner Algebra der Logik. Karlsruhe, 17. Juni 1890. Math. Ann. Bd. 36. S. 602.
  • 29. Neues über die Bernoullischen Funktionen von natürlicher Ordnungszahl. Verhandl. d. Gesellsch. Deutsch. Naturf. u. Ärzte, 63. Vers. zu Bremen 1890. 2. Teil. S. 5 6.
  • 30. Über bestimmte Integrale, die sich rational durch π und log 2 ausdrücken. ibidem S. 8 9.
  • 31. Über das Zeichen. Festrede bei dem Direktoratswechsel an der Technischen Hochschule zu Karlsruhe am 22. November 1890. Karlsruhe 1890. 24 Seiten.
  • 32. Vorlesungen über Algebra der Logik (exakte Logik). Zweiter Band. Erste Abteilung. Karlsruhe im Juni 1891. Leipzig 1891. XIII u. 400 S.
  • 33. Note über die Algebra der binären Relative. Karlsruhe in Baden, September 1894. Math. Ann. Bd. 46. S. 144 158.
  • 34. Vorlesungen über die Algebra der Logik (exakte Logik). Dritter Band: Algebra und Logik der Relative. Leipzig 1895. VIII u. 649 S.
  • 35. Selbstanzeige des eben genannten Buches in Teubners Mitteilungen 1895. Nr. 1.
  • 36. Über zwei Definitionen der Endlichkeit und G. Cantorsche Sätze. Karlsruhe in Baden, Januar 1896. Nova Acta d. Leop. -Carol. Akad. d. Nat. Bd. 71. S. 301 312.
XIXVon J. Lüroth.
  • 37. Die selbständige Definition der Mächtigkeiten 0, 1, 2, 3 und die explicite Gleichzahligkeitsbedingung. Karlsruhe in Baden, im Februar 1896. ibidem S. 363 376.
  • 38. Über G. Cantorsche Sätze. Jahresbericht d. Deutsch. Math. -Vereinigung. Bd. 5. S. 81 82.
  • 39. On pasigraphy, its present state and the pasigraphic movement in Italy. The Monist, Oktober 1898. S. 44 62.
  • 40. Über Pasigraphie, ihren gegenwärtigen Stand und die pasigraphische Bewegung in Italien. Verhandl. d. 1. internat. Mathem. Kongresses in Zürich. Leipzig 1898. S. 147 162.
  • 41. Sur une extension de l’idée d’ordre. Bibliothèque du congrès internat. de Philosophie. III. Paris. S. 235 240.
b*[XX]

Vorbemerkung des Herausgebers.

Der Verfasser der Algebra der Logik hat bei seinem Ableben Manuskripte wissenschaftlichen Inhaltes in beträchtlicher Menge hinter - lassen. Dieselben sind insgesamt der Deutschen Mathematiker-Ver - einigung letztwillig zugeeignet, behufs Veröffentlichung, so weit thunlich. Ich erfülle eine angenehme Pflicht, indem ich der genannten Vereinigung und der von derselben niedergesetzten Kommission zur Verwaltung des Schröderschen handschriftlichen Nachlasses danke für den mir sehr erwünschten und mich ehrenden Auftrag, Schröders unvollendetes Haupt - und Lebenswerk, die Algebra der Logik aus seinen hinter - lassenen Papieren fortzusetzen und möglichst zu vervollständigen. Seitens der Kommission hatte insbesondere Herr Geheimrat Lüroth die Güte, das Manuskript zu dem nunmehr vorliegenden Halbband durchzusehen und mir vielfach mit Rat und That beizustehen. Dies, sowie auch die Beigabe des vorstehenden Nekrologs verbindet mich zu ganz besonderem Dank.

Das Manuskript war schon vom Verfasser ziemlich vollständig ausgearbeitet. So konnte sich die Thätigkeit des Herausgebers auf einige weniger ausgeführte Stellen und etliche Flüchtigkeiten des Text - entwurfes beschränken. Ausgenommen hiervon ist der letzte Anhang über die Kempesche Abhandlung, den der Verfasser nur bis zu der bezeichneten Stelle (Seite 575) bearbeitet hatte, während von da ab keinerlei Anhaltspunkte aufzufinden waren. Ich habe mich deshalb bemüht, das Fehlende möglichst im Sinne des Verfassers nach dem Kempeschen Original zu ergänzen.

Wer sich an gewisse Eigenheiten Schröderscher Diktion und besonders an seine breite, oft abschweifende Darstellungsweise einmal gewöhnt hat, der erkennt bald gerade auch darin das durchaus gründ - liche, ernste und schlichte Wesen und Streben des wissenschaftlichen Forschers und Lehrers, der alle Kunst prunkhaften Vortrages, alle glänzenden und blendenden Sprachmittel verschmäht, der nicht be - wundert, nur verstanden sein will, und zwar von Jedermann, auchXXIVorbemerkung des Herausgebers.vom Laien und vom jugendlichen Studirenden; für Studirende vorzugs - weise hat er sein Buch geschrieben.

Dies will nun freilich nicht sagen, dass ich die vom Verfasser ge - wählte Ausdrucksweise auch in allen einzelnen Fällen billigte. Ebenso kann ich auch inhaltlich seinen Ausführungen wol im grossen und ganzen, nicht aber in allen Einzelheiten beitreten. In dieser Hinsicht war ich wiederholt versucht, meinen abweichenden Standpunkt wenigstens etwa in einer Note oder einem kritischen Anhang darzulegen. Doch unterblieb dies vor allem deshalb, damit der neu herauszugebende Teil des Werkes sich möglichst gleichförmig an die schon vorhandenen angliedere. Auch die am Schluss beigefügten Anmerkungen des Herausgebers , auf welche hier zum voraus besonders hingewiesen sei, enthalten daher lediglich sachliche Berichtigungen und Ergänzungen, von denen anzunehmen ist, dass der Verfasser sie gleichfalls auf - genommen hätte, wenn er darauf aufmerksam geworden wäre.

Solche Berichtigungen sind mir mehrfach von den Herren Lüroth, Korselt und Couturat in freundlichster Weise zur Verfügung ge - stellt worden, nebst anderen Mitteilungen mehr rezensirenden Inhaltes; so zutreffend mir indessen auch diese letzteren erscheinen mochten, und so dankbar ich sie entgegennahm, so musste ich mir deren Auf - nahme unter die Anmerkungen dennoch versagen mit Rücksicht sowol auf die Wünsche der Einsender als auch auf den einheitlichen Charakter des gesamten Schröderschen Werkes.

Bezüglich der Stoffeinteilung, wie sie durch das schon dem ersten Bande vorgedruckte Inhaltsverzeichniss zum ganzen, ursprünglich nur auf zwei Bände berechneten Werke angekündigt war, und bezüglich der seitherigen Änderungen kann ich auf das unten folgende Vor - und Zwischenwort des Verfassers verweisen. Nach dessen Absicht sollte dem gegenwärtigen zweiten Teil des zweiten Bandes Titelblatt, Vorwort und Inhaltsverzeichniss in nunmehr teilweise abgeändertem Wortlaut für den ganzen zweiten Band beigegeben werden, wofür dann beim Einbinden das ursprüngliche nur provisorische Titelzeug der ersten Ab - teilung zu beseitigen und durch das neue zu ersetzen wäre.*)Auch ein Teil der Ferneren Berichtigungen und Nachträge zum ersten Bande Bd. 2, I Seite VIII ff. ist überflüssig geworden infolge Überganges des Inhaltes in den Text des gegenwärtigen Bd. 2, II. Es ist nämlich im einzelnen: 1) Bd. 2, I Seite IX Mitte bis XI Mitte, der Nachtrag zu Bd. 1 Seite 302 und 305 (betreffend Beweise von Grassmann und Peirce) ersetzt durch Bd. 2, II Seite 401 unten bis 405, wozu auch Seite 597 Zeile 7 v. o. ff. beizu - ziehen ist. DieXXIIVorbemerkung des Herausgebers.zweite Abteilung sollte nur durch das Zwischenwort eingeleitet sein. War es dem Verfasser nicht mehr vergönnt, sein Werk noch selbst in dieser Weise abzuändern, so wird man sich heute wol kaum dazu entschliessen. Zeigt der posthume Teil doch auch sonst der Spuren noch mehr, dass hier dem Werke mitten im Werden und Wachsen der Schöpfer entrissen wurde.

*)2) Bd. 2, I Seite XII Mitte, zu Bd. 1 Seite 589 (McColl) ersetzt durch Bd. 2, II Seite 450 und 451 (und Bd. 2, I Seite 305 Zeile 11 v. u.). 3) Bd. 2, I Seite XIII, zu Bd. 1 Seite 711 (Poretzki) ersetzt durch Bd. 2, II Seite 442 447 und 603 / 604. Zum Zwecke des Ersatzes müssten also auch diese Berichtigungen und Nachträge, mit Weglassung des nunmehr hinfälligen, nachgedruckt werden.

[XXIII]

Neues Vorwort des Verfassers zum zweiten Bande,

(zum Ersatz für das ältere Bd. 2 I, Seite III bestimmt).

Schon im ersten Bande findet sich ein Inhaltsverzeichniss zum zweiten Band, wonach dieser in seiner ersten Abteilung im wesent - lichen den Aussagenkalkul, in der zweiten die Beziehungslogik behandeln sollte. Inzwischen hat sich nun aber die Notwendigkeit herausgestellt, die Beziehungslogik aus dem zweiten Bande auszuscheiden und in einen besondern dritten Band zu verweisen, und zwar aus zwei Gründen:

Einmal ist in der Zwischenzeit noch so viel hinzugekommen, teils an neuen oder dem Verfasser jetzt erst zugänglichen Arbeiten, z. B. von Poretzki und Kempe, teils auch an zahlreichen von der Kritik er - hobnen Einwänden, welche einer Richtigstellung benötigten, so dass selbst bei Beschränkung der Beziehungslogik auf den ihr ursprünglich zugedachten Umfang der Band schon allzu sehr hätte anschwellen müssen.

Sodann aber hat bei der bis zuletzt aufgesparten Überarbeitung jener Schriften, die den Grund zu einer Logik der Beziehungen über - haupt, oder der Beziehungsbegriffe, Relative , gelegt haben, dieses Forschungsgebiet sich zu einem derartigen Umfange ausgewachsen, dass es auch bei knappster Diktion einen eigenen Band beanspruchte, wie es denn als eine ungeahnt grossartige Disziplin von unermesslicher Tragweite und noch unabsehbarer Entwicklungsfähigkeit sich darstellt.

So werde ich denn in dem Rahmen der Paragraphen des zweiten Halbbandes ganz andere Dinge abzuhandeln haben, als das provisorische Inhaltsverzeichniss in Aussicht gestellt, und glaube nicht um Ent - schuldigung dafür bitten zu sollen, wenn ich im ganzen doch so viel mehr als vorgesehen zu bieten in der Lage bin.

Zwischenwort des Verfassers.

(Die beiden Abteilungen des zweiten Bandes sollten nach der Absicht des Ver - fassers nur durch ein Blatt mit diesem Zwischenwort getrennt werden.)

Bei Herausgabe der ersten Abteilung dieses Bandes im Juni 1891 glaubte ich das Erscheinen der zweiten Hälfte, deren Inhalt die Logik der Relative bilden sollte, für den Herbst desselben Jahres in AussichtXXIVNeues Vorwort des Verfassers zum zweiten Bande.stellen zu können. Selten wol in meinem Leben bin ich in einer Schätzung so weit fehlgegangen, als damals bei der Beurteilung von Grösse und Schwere der Lücken meines Manuskripts. Dies kam daher, dass die mir einzig brauchbar erscheinende Arbeit des Herrn Peirce über Relative in 9c, die auch wirklich die hauptsächliche Grundlage zu meinem Band 3 abgegeben hat, blos einen Umfang von 18 Druck - seiten einnimmt, (die auf halb so viele von den unsrigen gehen würden), und dass ich wähnte, mit einem möglichst reproduzirenden Referat darüber nicht ohne kritische Randbemerkungen davonzukommen. Die ungeheure Tragweite dieser Abhandlung wurde mir erst bei der Detailbearbeitung klar. Wer nun aber den Inhalt meines Bd. 3, I mit dem vergleicht, was man davon auf 9 Seiten sagen könnte, der wird auch ohne Kenntniss der Literatur leicht gewahr, wie wenig die - jenigen meinem Buche gerecht werden, die dasselbe als ein blosses Sammelwerk hinstellen möchten.

[XXV]

Der Rückverweisungen halber geben wir auch hier wieder mit bei den Inhalt des ersten Bandes.

  • Seite
  • Anzeige und VorwortIII
  • Einleitung. A. Vorbetrachtungen über Charakter und Begrenzung der zu lösenden Auf - gabe mit Bemerkungen über Induktion, Deduktion, Widerspruch und folgerichtiges Denken. Denkendes Subjekt, seine Vorstellungen und die Dinge. (Chiffre α ι1) 1
  • B. Vorbetrachtungen über Zeichen und Namen. ϰ1 ο2) 38
  • C. Über Begriffe. Einteilung, Definition und Kategorieen, Pasigraphie. Logik des Inhaltes oder des Umfangs? Über Urteile, Schlüsse und deren Folge - richtigkeit. Warum Algebra der Logik. π2 ξ3) 80
  • Erste Vorlesung. § 1. Subsumtion126
  • § 2. Vorläufige Betrachtungen über Darstellbarkeit der Urteile als Subsum - tionsurteile141
  • § 3. Euler’s Diagramme. Identischer Kalkul mit Gebieten einer Mannig - faltigkeit155
  • Zweite Vorlesung. § 4. Erste Grundlagen: Prinzip I und II, Definition von Gleichheit, 0 und 1, nebst Folgesätzen168
  • Dritte Vorlesung. § 5. Die identische Multiplikation und Addition. Peirce’s analytische Definition von Produkt und Summe191
  • § 6. Kritische Untersuchungen über die gegebene Definition201
  • § 7. Deutung von 0, 1, a b, a + b als Gebiete nebst zugehörigen Postulaten. Konsistente Mannigfaltigkeit211
  • Vierte Vorlesung. § 8. Interpretation für Klassen217
  • § 9. Fortsetzung. Konsequenzen der Adjungirung einer Nullklasse. Reine Mannigfaltigkeit237
  • Fünfte Vorlesung. § 10. Die nicht von Negation handelnden Sätze. Reine Gesetze, von Mul - tiplikation und Addition je für sich254
  • § 11. Gemischte Gesetze, den Zusammenhang zwischen beiden Operationen zeigend270
  • XXVI
  • Sechste Vorlesung.
  • Seite
  • § 12. Nichtbeweisbarkeit der zweiten Subsumtion des Distributionsgesetzes und Unentbehrlichkeit eines weiteren Prinzipes. Prinzip zur Ver - tretung des unbeweisbaren Satzes282
  • Siebente Vorlesung. § 13. Negation (mit Postulat) und darauf zu gründende Sätze. Ihre Ein - führung für Gebiete299
  • § 14. Der Dualismus315
  • § 15. Kritische Vorbemerkungen zum nächsten Paragraphen: Inwiefern nega - tive Urteile als negativ prädizirende anzusehen und disjunktiv prädi - zirende Urteile von den disjunktiven zu unterscheiden sind319
  • Achte Vorlesung. § 16. Deutung der Negation für Klassen. Satz des Widerspruchs, des aus - geschlossenen Mittels und der doppelten Verneinung im Klassen - kalkul. Dichotomie. Gewöhnliche Mannigfaltigkeit342
  • § 17. Fernere Sätze für Gebiete und Klassen. Kontraposition, etc. 352
  • Neunte Vorlesung. § 18. Verschiedenartige Anwendungen: Rechtfertigungen, Studien und Übungsaufgaben365
  • Zehnte Vorlesung. § 19. Funktionen und deren Entwickelung396
  • Elfte Vorlesung. § 20. Spezielle und allgemeine, synthetische und analytische Propositionen: Relationen und Formeln434
  • § 21. Das Auflösungsproblem bei simultanen Gleichungen und Subsumtionen. Das Eliminationsproblem bei solchen446
  • § 22. Fortsetzung, auch für mehrere Unbekannte466
  • Zwölfte Vorlesung. § 23. Die inversen Operationen des Kalkuls: identische Subtraktion und Division als Exception und Abstraktion. Die Negation als gemein - samer Spezialfall beider478
  • § 24. Symmetrisch allgemeine Lösungen496
  • Dreizehnte Vorlesung. § 25. Anwendungsbeispiele und Aufgaben521
  • Vierzehnte Vorlesung. § 26. Besprechung noch andrer Methoden zur Lösung der bisherigem Kalkul zugänglichen Probleme. Das primitivste oder Ausmusterungsverfahren von Jevons. Lotze’s Kritik, und Venn’s graphische Modifikation des Verfahrens559
  • § 27. Methoden von McColl und Peirce573
  • XXVII
  • Anhänge.
  • Seite
  • Anhang 1. Beiläufige Studie über Multiplikation und Addition. (Zu § 6.) 595
  • Anhang 2. Exkurs über Klammern. (Zu § 10.) 599
  • Anhang 3. Ausdehnung von Begriff und Sätzen über Produkt und Summe von zweien auf beliebig viele Terme. (Zu § 10.) 609
  • Anhang 4. Logischer Kalkul mit Gruppen hiernächst von Funktional - gleichungen, mit Algorithmen und Kalkuln. (Zu § 12.) 617
  • Anhang 5. Substrat zum vorigen Anhang und Material zu dessen Belegen633
  • Anhang 6. Zur Gruppentheorie des identischen Kalkuls. Geometrisch - logisch-kombinatorische Probleme von Jevons und Clifford. (Zu § 12, 19 und 24.) 647
  • Literaturverzeichniss nebst Bemerkungen700
  • Namenverzeichniss zum ersten Bande716

Inhalt des zweiten Bandes. (Erste Abteilung.)

  • Fünfzehnte Vorlesung. § 28. Übergang zum Aussagenkalkul. Taxirung von Aussagen nach ihrer Gültigkeitsdauer und Klasse der Anwendungsgelegenheiten1
  • § 29. Übersichtlichste Darstellung der bisherigen Sätze in der Zeichensprache des Aussagenkalkuls. Das Summenzeichen Σ und das Produktzeichen Π25
  • § 30. Fortsetzung über Σ, Π. Aufhören des Dualismus35
  • Sechzehnte Vorlesung. § 31. Die Grundsätze der Logik im Aussagenkalkul gedeutet. Inkonsistenz. 49
  • § 32. Vom Gewicht der Aussagen. Direkte Verifikation der Sätze des Aus - sagenkalkuls durch diesen63
  • Siebzehnte Vorlesung. § 33. Herkömmliche Einteilung der kategorischen Urteile nach Qualität und Quantität. Modifizirte Deutung der universalen in der exakten Logik und Unzulänglichkeit des früheren Kalkuls zur Darstellung der partikularen Urteile85
  • § 34. Die fünf möglichen Elementarbeziehungen Gergonne’s und die vier - zehn Grundbeziehungen in anschaulich geometrischer Einführung95
  • § 35. Analytische Definition dieser Beziehungen und Zurückführung der - selben auf einander106
  • Achtzehnte Vorlesung. § 36. Reduktion sämtlicher Beziehungen auf den Typus der Gleichung und ihrer Negation (der Ungleichung) 118
  • § 37. Entwickelung der Produkte und Summen von Grundbeziehungen124
  • XXVIII
  • Seite
  • § 38. Erweiterung des Beziehungskreises durch Zuzug auch der negirten Gebiete131
  • § 39. Die denkbaren Umfangsbeziehungen überhaupt und ihre Darstellung durch vier primitive (De Morgan’s). Die möglichen Aussagen über n Klassen, und Peano’s Anzahl[derselben]136
  • Neunzehnte Vorlesung. § 40. Umschau über die gelösten und noch zu lösende Probleme. Mitchell’s allgemeine Form der gegebene Urteile zusammenfassenden Gesamt - aussage179
  • § 41. Das Eliminationsproblem gelöst für ein paar typische Spezialfälle, dann allgemein (aus dem Rohen). Bemerkung das Auflösungsproblem betreffend199
  • Zwanzigste Vorlesung. § 42. Die Syllogismen der Alten. Traditionelle Übersicht derselben217
  • § 43. Miss Ladd’s rechnerische Behandlung der fünfzehn giltigen Modi. Beispiele228
  • § 44. Die inkorrekten Syllogismen der Alten und ihre Richtigstellung in der exakten Logik. Über Subalternation und Konversion. Zusammen - gesetzte Schlüsse239
  • Einundzwanzigste Vorlesung. § 45. Besonderheiten des Aussagenkalkuls im Kontrast mit dem Gebiete - kalkul. Dilemma, Modus ponens und tollens, disjunktiver Schluss. Formeln gemischter Natur256
  • § 46. Diverse Anwendungen, Studien und Aufgaben, darunter: Wesen des indirekten Beweises, Hauber’s Satz, Mitchell’s Nebelbilderproblem, nochmals McColl’s Methode, etc. 277
  • Zweiundzwanzigste Vorlesung. § 47. Definitionen des Individuums, Punktes, und ihre Zurückführung auf einander. Auf Individuen bezügliche Sätze. Duales Gegenstück zum Individuum318
  • Dreiundzwanzigste Vorlesung. § 48. Erweiterte Syllogistik350
  • § 49. Studien über die Klausel und noch ungelöste Probleme des Kalkuls371
XXIXInhalt des zweiten Bandes (zweite Abteilung).

Des zweiten Bandes zweite Abteilung.

  • Seite
  • Ernst Schröder . Von J. LürothIII
  • Vorbemerkung des HerausgebersXX
  • Vor - und Zwischenwort des VerfassersXXIII
  • Vierundzwanzigste Vorlesung. § 50. Vervollkommnung gewisser Partieen des ersten Bandes401
  • § 51. Zum Kapitel der symmetrisch allgemeinen Lösungen423
  • Fünfundzwanzigste Vorlesung. § 52. Rückblick nebst Ergänzungen aus dem neuern Literaturzuwachse. Kritisches und Antikritisches437
  • Sechsundzwanzigste Vorlesung. § 53. Meine Kontroverse mit Frau Franklin-Ladd ein lehrreiches Kapitel. 464
  • § 54. Fortsetzung. Über zeitlich partikulare Urteile. Konstitution des Be - griffes, und negative Merkmale476
  • Siebenundzwanzigste Vorlesung. § 55. Über Knüpfungen von bestimmten formalen Eigenschaften im iden - tischen Kalkul493
  • § 56. Über die Modalität der Urteile506
  • Anhänge. Anhang 7. McColl’s Anwendung des Aussagenkalkuls zur Ermittelung der neuen Grenzen mehrfacher Integrale bei Abänderung der Integrationsfolge515
  • Anhang 8. Kempe’s Zusammenhang des identischen Kalkuls mit der Geometrie der Lage564
  • Anmerkungen des Herausgebers593
  • Literaturverzeichniss598
  • Namenverzeichniss zum zweiten Bande606

VORLESUNGEN ÜBER DIE ALGEBRA DER LOGIK

(EXAKTE LOGIK).

[401]

Vierundzwanzigste Vorlesung.

§ 50. Vervollkommnung gewisser Partieen des ersten Bandes.

In der Zwischenzeit seit dem Erscheinen der ersten Bände bin ich der Möglichkeit inne geworden, den Lehrgang des ersten Bandes schon in einigen Hinsichten zu vervollkommnen, welche mir zu bedeutsam erscheinen, als dass es sich empfehlen könnte, ihre Besprechung blos unter die Berichtigungs - nachträge einzureihen. Ich will vielmehr die einschlägigen, nicht durchweg miteinander zusammenhängenden Verbesserungen und Fortschritte in gegen - wärtiger Vorlesung darlegen.

Man fasse den Überblick des in Band 1 befolgten Lehrganges ins Auge, wie er sich etwa S. 28 34 des gegenwärtigen Band 2 gegeben findet.

Derselbe bedarf (vergl. die Berichtigungsnachträge) nur der einen Richtigstellung, dass in der Aussagengleichheit S. 34, Z. 12 v. u. rechter - hand der Aussagenfaktor (a b = 0) beizufügen ist, so dass die Gleichung lautet: (a x + b x1 = 0) = (a b = 0) (x = b x1 + a1 x) Dementsprechend sollten auch in der verbalen Fassung des Hülfstheorems des § 24 , Bd. 1, S. 502 die nachher kursiv gedruckten drei Worte eingeschaltet werden, so dass es lautet: die Gleichung a x + b x1 = 0 ist, ihre Möglichkeit vorausgesetzt, (oder: sofern sie überhaupt erfüllbar ist), äquivalent der: x = b x1 + a1 x.

Bei dem dort angeführten Beweise ist nämlich für die rückwärtige Aussagensubsumtion von der Resultante a b = 0 der erstern Gleichung in der That wesentlich Gebrauch zu machen.

Hiervon abgesehen, gibt sich nun noch eine Unvollkommenheit unserer Theorie kund in der späten Stellung, welche unser System dem Theoreme 37) anweist, nämlich dem Satze von der (Konversion durch) Kontraposition bei Subsumtionen: 37) (ab) = (b1a1) trotz der Einfachheit und des überaus hohen Grades von unmittel - barer Evidenz, deren dieser Satz sich erfreut.

Zum Beweise desselben hatten wir uns Bd. 1, S. 357 berufen auf die Theoreme 20), 32) und 36), die von Gleichungen handeln, wogegenSchröder, Algebra der Logik. 2. II. 26402Vierundzwanzigste Vorlesung.es natürlicher erschiene, umgekehrt das Kontrapositionstheorem für Gleichungen: 32) (a = b) = (a1 = b1) kraft Def. (1) auf dasjenige 37) für Subsumtionen zu gründen. Zum mindesten ist es wünschenswert, jenes auf dieses auch gründen zu können.

Die gerügte Unvollkommenheit kam mir früh zum Bewusstsein. Die - selbe entsprang daraus, dass ich mich lange Zeit ganz vergeblich bemühte, den von Herrn Peirce5 p. 27 für das Th. 37) gegebnen Beweis zu ver - stehen, woran dessen Darstellung nicht ohne Schuld ist. Wäre ich statt dessen zeitig darauf ausgegangen, selbst einen Beweis aufzusuchen, so würde mir der Erfolg wohl früher zuteil geworden sein. Zuletzt fand ich zwei einander dual entsprechende sehr einfache Beweise, deren einer sich aber als zusammenfallend mit dem Kern des Peirce’schen Beweises erwies, als dieser selbst also, gewissermassen befreit von verdunkelndem Beiwerk.

Die fragliche Verbesserung ist aber darum von besondrer Wichtig - keit, weil sie es erst ermöglichen wird, auch höchst beachtenswerte Beweise von noch andern Sätzen, nämlich den De Morgan’schen Theoremen 36), in den Lehrgang aufzunehmen, bei denen solches bis - lang ohne Zirkelschluss nicht angängig gewesen ist.

Das ersehnte Ziel lässt sich in der That sehr einfach erreichen, wenn man die Reihenfolge der Theoreme 36), 37), 38) in die entgegen - gesetzte verwandelt.

Um keine Verwirrung bei den Citaten zu verursachen, werde ich in - dessen die bisherigen Chiffren der Sätze beibehalten. Wenn ich von neuem zu chiffriren hätte, würde ich überdies vorziehen, den Satz 35) vom Dualismus unchiffrirt zu lassen, da derselbe, ohnehin vergl. S. 33 oben von anderer Natur als die übrigen Theoreme , eine Art von zunächst nur empirisch anerkanntem Prinzip statuirt. *)Hierzu die Anmerkung des Herausgebers am Schlusse dieses Bandes.

Das Theorem 38) (1a1 + b) = (ab) = (a b10) lässt sich in der That ohne weiteres z. B. dicht hinter das Th. 35) vorannehmen. Denn in Bd. 1, S. 358 haben wir dazu Beweise gegeben, die nur die Theoreme 5), 15), 16), 20), 21), III× oder 27) und 30) voraussetzten.

Wenn wir uns nun also schon hierauf berufen dürfen, so kann jetzt angereiht werden das Theorem: 37) (ab) = (b1a1) mit den folgenden beiden Beweisen:

403§ 50. Vervollkommnung gewisser Partieen des ersten Bandes.

Beweis 1. (ab) = (1a1 + b) = {1(b1) 1 + (a1)} = (b1a1) nach 38+), 31) und 38+), wobei wir durch die Klammer um a1 nur darauf hinweisen wollten, dass a1 demnächst wie ein einfaches Symbol angesehen werden möchte.

Beweis 2. Desgleichen hat man dual entsprechend (ab) = (a b10) = {(b1) (a1) 10} = (b1a1) nach 38×), 31) und 38×).

Schliesst man übrigens im Geiste des ersten Bandes noch verbal, also ohne wirkliche Aussagenäquivalenzen zu statuiren, so wird man b1a1 als Folgerung aus ab, also nur: (ab)(b1a1) erhalten und dieses (blos verbal angesetzte) Ergebniss nach demselben Schema in Verbindung mit Th. 31): (b1a1){(a1) 1(b1) 1} = (ab) auch als rückwärts gültige Aussagensubsumtion nachzuweisen haben, mit der es sich erst zur Aussagengleichung 37) gemäss der für Aussagen in Anspruch genommenen Def. (1) zusammenzieht.

Mit jenem Th. 38) kann jetzt auch der Satz 37) der Kontraposition ebenfalls noch vor das Th. 32) gestellt werden, und dann lässt sich auch dieses Theorem 32) (a = b) = (b1 = a1) der Kontraposition von Gleichungen nun kraft 37) aus (ab) = (b1a1) (ba) = (a1b1) durch überschiebendes Multipliziren, oder die darauf hinauslaufenden Überlegungen in Worten sofort beweisen.

Der erheblichste Gewinn aus der Umstellung der Sätze ist aber der, dass wir jetzt auch die schönen Beweise in unsere Theorie auf - nehmen können, welche Herr Peirce5 p. 37 für die De Morgan’schen Theoreme 36) gibt. Allerdings muss zu dem Ende diesen Theoremen auch ferner noch vorangestellt werden das Theorem 41) von Peirce 41) (a bc) = (ab1 + c).

Für dieses haben wir Bd. 1 S. 364 auch einen Beweis gegeben, welcher von keinem späteren Satze als von Th. 33) Gebrauch machte, so dass die Voranziehung auch dieses Satzes ohne weiteres angängig ist. Und mehr in den Vordergrund der Theorie gerückt zu werden, als es in Bd. 1 geschah, verdient auch dieses Th 41) schon seiner eminenten Wichtigkeit halber, die z. B. auch in Bd. 3 deutlich zutage treten wird. Bildet dasselbe doch ein Gegenstück zu den fundamentalen Definitionen (3). Während nämlich letztere zeigen, wie eine Subsumtion, deren Prädikat ein Produkt, resp. deren Subjekt eine Summe ist, zerfällt werden kann in26*404Vierundzwanzigste Vorlesung.einfachere Subsumtionen, lehrt dieses Th. 41): welche Umformungen mit einer Subsumtion vorgenommen werden dürfen, bei der umgekehrt das Sub - jekt ein Produkt oder das Prädikat eine Summe ist. Für a = 1 resp. c = 0 geht zudem das Th. 41) über in die beiden Theoreme 38), von denen es eine Zusammenfassung und zugleich Verallgemeinerung vorstellt.

Hiernach hat man nun für De Morgan’s bekannte Theoreme:

36) (a b) 1 = a1 + b1(a + b) 1 = a1 b1

den folgenden Peirce’schen

Beweis. Nach Th. 30) ist

(a b) (a b) 1 = 01 = (a + b) + (a + b) 1

oder nach Def. (1) und dem Assoziationsgesetz 13)

a b (a b) 101a + b + (a + b) 1

Bringt man in diesen Subsumtionen gemäss Th. 41) regelrecht den Faktor a (von links) nach rechts | das Glied a (von rechts) nach links, so kommt:

b (a b) 10 + a1 = a1a1 · 1 = a1b + (a + b) 1,

und wenn darnach ebenso der Term b hinübergeschafft wird:

(a b) 1a1 + b1a1 b1(a + b) 1,

womit die Theoreme zunächst einseitig als Subsumtionen bewiesen er - scheinen.

Um auch die umgekehrten Subsumtionen zu beweisen, wendet Peirce den Schluss der Kontraposition gemäss Th. 37) an auf die Theoreme 6):

a ba, a bbaa + b, ba + b

wonach wir haben:

a1(a b) 1, b1(a b) 1(a + b) 1a1, (a + b) 1b1

und sich nach Def. (3) in der That diese noch ausstehenden Subsumtionen:

a1 + b1(a b) 1(a + b) 1a1 b1

ergeben, die sich endlich mit den vorhin gefundenen kraft Def. (1) zu den Gleichungen zusammenziehen, welche zu beweisen gewesen.

Was ich von Begründungsweisen der elementaren Sätze unserer Theorie sonst noch gerne in den Bd. 1 aufgenommen haben möchte, ist vor allem folgendes.

Die Art, wie Herr Robert Grassmann die Eindeutigkeit der Negation und den Satz 31) der doppelten Verneinung beweist, bildet eine Variante der Bd. 1, S. 302 sq. und S. 305 von uns gegebenen Beweise, welche keinen Gebrauch macht von dem Hülfstheorem 29), Bd. 1, S. 299.

405§ 50. Vervollkommnung gewisser Partieen des ersten Bandes.

Der Zusatz 1 zur Def. (6) der Negation knüpft l. c. an die Vor - aussetzungen

30×)a a1 = 0a + a1 = 130+)
30'×)a a'1 = 0a + a'1 = 130'+)

die Behauptung a'1 = a1 und wird von R. Grassmann wie folgt bewiesen.

Nach Th. 21×), der Voraussetzung 30'+), Prinzip III×, der Voraus - setzung 30×) und Th. 21+) haben wir: a1 = a1 · 1 = a1 (a + a'1) = a1 a + a1 a'1 = 0 + a1 a'1 = a1 a'1, und ebenso, nur 30 ') mit 30) bei den Citaten vertauscht: a'1 = a'1 · 1 = a'1 (a + a1) = a'1 a + a'1 a1 = 0 + a'1 a1 = a1 a'1, also a'1 = a1 kraft Th. 4), q. e. d.

Das Theorem 31) (a1) 1 = a wird ferner so bewiesen.

Nach Th. 21), 30), Pr. III×, Th. 30×) und 21×) ist: (a1) 1 = (a1) 1 · 1 = (a1) 1 (a + a1) = (a1) 1 a + (a1) 1 a1 = (a1) 1 a + 0 = (a1) 1 a, a = a · 1 = a {a1 + (a1) 1} = a a1 + a (a1) 1 = 0 + a (a1) 1 = (a1) 1 a, also (a1) 1 = a wiederum nach Th. 4), q. e. d.

In ähnlicher Weise lässt sich auch bei dem Beweise der Theoreme 36) De Morgan’s Bd. 1, S. 352 das Hülfstheorem 29) entbehren.

z. B. links vom Mittelstriche: Th. 36×) (a b) 1 = a1 + b1;

Beweis. Nach 21×), 30×), III×, 27×) 13×), 30+) und 21+) ist a1 + b1 = (a1 + b1) · 1 = (a1 + b1) {(a b) + (a b) 1} = (a1 + b1) (a b) + + (a1 + b1) (a b) 1 = a1 a b + b1 a b + (a1 + b1) (a b) 1 = 0 + 0 + + (a1 + b1) (a b) 1 = (a1 + b1) (a b) 1 und ebenso nach 21×), Zusatz zu 34), 27×) usw. (a b) 1 = (a b) 1 · 1 = (a b) 1 (a1 + b1 + a b) = (a b) 1 (a1 + b1) + (a b) 1 (a b) = = (a b) 1 (a1 + b1) + 0 = (a b) 1 (a1 + b1), sonach a1 + b1 = (a b) 1 kraft Th. 4), q. e. d.

Man sieht jedoch, wie diese Beweise eben durch Vorannehmen des Hülfstheorems 29) in unserem Bd. 1 einfacher gestaltet sind.

Gleichwol erscheint der in Bd. 1, S. 352 von mir gegebene Beweis des Th. 36) dem oben vorgetragenen Peirce’schen gegenüber, nachdem dieser zur Aufnahme in unser System geeignet geworden, nun als ein minderwertiger.

406Vierundzwanzigste Vorlesung.

Resumirend können wir etwa sagen, dass die Umordnung der chiffrirten Sätze unserer Theorie in die nachstehende Reihenfolge: 1) bis 31), 38), 37), 32), 33), 34), 35), 41), 36), 39), 40), 42) usw. durch - führbar ist und hinsichtlich der Eleganz der dadurch ermöglichten Beweisführungen nicht zu verachtende Vorteile bietet.

Hiermit gelangt eine erste Gruppe unserer Vervollkommnungs - bestrebungen zum Abschluss.

In einem ganz kurzen Abriss der algebraischen Logik, den ich plane, gedenke ich den nach vorstehenden Andeutungen (vergl. auch unten S. 423) verbesserten Lehrgang zu verwirklichen.

Eine zweite Gruppe von auf Vervollkommnung der Theorie im ersten Bande abzielenden Bemerkungen bezieht sich auf die Theoreme 45) und 46) des § 19, Bd. 1, S. 420 424, sowie Bd. 2, S. 33 f., welche lehren, wie mit im Sinne Boole’s entwickelten Funktionen identisch zu rechnen sei.

Zunächst, wie wir jedoch sehn werden, blos formell lassen diese Sätze eine naheliegende Verallgemeinerung zu, indem an die Stelle der Konstituenten in den Boole’schen Entwicklungsschemata auch treten darf irgend ein System von Argumenten (Gebieten, Klassen), von denen weiter nichts bekannt zu sein braucht, als dass sie unter sich disjunkt sind. Für solche Argumente mögen wir füglich den Namen Konstituenten beibehalten.

Dann aber handelt es sich von vornherein nicht sowol um Funktionen, welche gemäss den Boole’schen Schemata nach jenen Ar - gumenten entwickelt zu denken wären, als vielmehr einfacher blos um Ausdrücke, welche eben inbezug auf diese Argumente linear und homogen sind.

Gedachte Verallgemeinerungen präsentiren sich in der That als die Hülfssätze:

Funktionen oder Ausdrücke, welche homogen linear sind inbezug auf ein System von disjunkten Argumenten (den Konstituenten ), können gleichwie durch Addition, so auch durch Multiplikation überschiebend ( durch Superposition ) verknüpft werden; das heisst: man braucht immer nur die Koeffizienten ihrer gleichnamigen Glieder durch die betreffende Rechnungsart zu verknüpfen.

Letztere mag man vielleicht kurz ihre gleichstelligen oder korre - spondirenden , homologen Koeffizienten nennen, jenes, insofern man sich die Glieder einer jeden von den Funktionen nach den Argumenten geordnet denkt. Als gleichnamig sollten hier wiederum nur diejenigen407§ 50. Vervollkommnung gewisser Partieen des ersten Bandes.Glieder gelten, welche den nämlichen Konstituenten, also dasselbe Argument zum Faktor haben.

Desgleichen: eine solche Funktion kann koeffizientenweise negirt werden.

In Zeichen: wenn x y = x z = = y z = = 0 ist, hat man, wie ohnehin (a x + b y + c z + ) + (α x + β y + γ z + ) = = (a + α) x + (b + β) y + (c + γ) z + , so auch analog (a x + b y + c z + ) (α x + β y + γ z + ) = a α x + b β y + c γ z + , und ferner (a x + b y + c z + ) 1 = a1 x + b1 y + c1 z + .

Der Beweis ist völlig analog dem der früheren Sätze.

Das heisst: Für den Produktensatz ist er zu leisten durch mentales Ausmultipliziren nach dem Distributionsgesetze, resp. der Multiplikations - regel für Polynome, unter Rücksichtnahme auf die Voraussetzungen und das Tautologiegesetz 14×). Bezüglich des Satzes über Negation zeigt man, dass der Negand mit dem angeblichen Negate die Summe 1 und das Produkt 0 richtig liefert kraft der vorhergehenden beiden Sätze.

In Anbetracht dass auch die Boole’schen Konstituenten als unter sich disjunkt nachgewiesen wurden, kann man die früheren Theoreme 45), 46) als besondre Fälle unter die eben aufgestellten Hülfssätze subsumiren, welche letzteren aber den Vorzug grösserer Einfachheit besitzen.

Es lassen sich jedoch auch umgekehrt diese Hülfssätze als eine partikulare Anwendung jener früheren Theoreme hinstellen.

Denn sollte eine Funktion f (x, y, z, ) nach diesen ihren als disjunkt vorausgesetzten Argumenten im Boole’schen Sinne entwickelt werden, so kann die Entwickelung nur die bezüglich x, y, z, selbst lineare homogene Form haben: f (x, y, z, ) = a x + b y + c z + , sintemal durch Entwickelung von x selbst nach den sämtlichen Argumenten leicht zu zeigen ist, dass wegen der Voraussetzungen sein muss: x = x y1 z1 , y = x1 y z1 , usw., nämlich jeder Boole’sche Konstituent, in welchem mehr als ein Argument unnegirt vorkäme, jenen zufolge verschwinden und aus der Entwickelung herausfallen muss.

Desgleichen würde sich auch nach andern Schlussweisen die Prämisse x y = 0 umschreiben lassen in xy1 oder x = x y1, ebenso die x z = 0 in x = x z1, womit auch gefunden ist x = x y1 z1, und so weiter.

Hiermit ist auch die Berechtigung erwiesen, den Namen Konstituent vom Boole’schen x y1 z1 auf unser x selbst zu übertragen.

408Vierundzwanzigste Vorlesung.

Die Verallgemeinerung konnte deshalb blos als eine formelle bezeichnet werden. Wesentlich haben wir nur eine Vereinfachung des Ausdrucks jener Theoreme damit gewonnen.

Diesen reihen sich nun noch ein paar Sätze an, bei denen ich ebenso wie bei den vorigen namentlich im Interesse des dritten Bandes Gewicht darauf legen muss, sie statuirt zu haben. Zunächst:

Zwei Funktionen, welche nach einem System von solch disjunkten Konstituenten entwickelt sind, m. a. W: Zwei homogen lineare Funktionen von den nämlichen disjunkten Argumenten können nicht anders einander gleich sein, als indem die (inbezug auf diese Argumente) gleichnamigen Glieder für sich jeweils einander gleich sind; kurz: einander gleiche Funktionen derart müssen gliedweise übereinstimmen. In Zeichen: ist a x + b y + c z + = α x + β y + γ z + , und sind die x, y, z, wie oben disjunkt, so muss sein: a x = α x, b y = β y, c z = γ z, .

Beweis. Multiplikation der ersten Prämisse beiderseits mit x gibt wegen x y = x z = = 0 sofort a x = α x; etc. q. e. d.

Umkehren lässt sich der Satz nur insofern, als die Gleichungen der Behauptung ihrerseits selbstverständlich (durch Überaddiren) die erste Prämisse garantiren.

Formell mit Beschränkung auf im Boole’schen Sinne entwickelte Funktionen wurde obigen Satzes schon einmal (Bd. 2, S. 309 f.) beiläufig Erwähnung gethan.

Aus der Übereinstimmung der gleichnamigen Glieder kann nun im allgemeinen nicht auf die Gleichheit ihrer Koeffizienten geschlossen werden; aus a x = α x folgt bekanntlich nicht, dass a = α sein müsse.

Wol aber lässt sich diese Gleichheit beweisen, wenn von den Koeffizienten a und α etwa noch bekannt sein sollte, dass sie (gleich - wie Aussagen) lediglich der Werte 0 und 1 fähig seien, und wenn man ausserdem weiss, dass x 0 ist. Hier würde nämlich die An - nahme, dass a und α nicht entweder gleichzeitig = 1, oder alle beide = 0 wären, die Annahme also, dass der eine Koeffizient 1, der andere dagegen 0 wäre, zu dem Widerspruche x = 0 mit der letztern Voraus - setzung führen.

Sonach können wir sagen:

Wenn zwei Funktionen der nämlichen unter sich disjunkten und von 0 verschiedenen Argumente*)Solche werden überaus häufig vorkommen; der Fall liegt namentlich allemal vor, wenn die Argumente Individuen sind. einander gleich sein sollen, und wenn die Koeffizienten ihrer Entwicklung nach diesen Argumenten auf den409§ 50. Vervollkommnung gewisser Partieen des ersten Bandes.Bereich der beiden Werte 0 und 1 angewiesen sind, so müssen die Koeffizienten der gleichnamigen Glieder (resp. eines jeden Konstituenten) in beiden Funktionen einzeln übereinstimmen.

Zwei mit den letzten analoge Sätze gelten schon über die Ein - ordnung, Subsumtion, zwischen derartigen Funktionen, nämlich erstens:

Von zwei (homogenen linearen) Funktionen der nämlichen disjunkten Argumente kann die eine der andern nicht anders eingeordnet sein, als indem die gleichgesinnte (gleichstimmige) Einordnung zwischen je zwei gleichnamigen Gliedern der entwickelten Funktionen besteht, gleichwie auch umgekehrt selbstverständlich gemäss Th. 15), wenn die Einordnung zwischen den homologen Gliedern durchgängig besteht, auch deren Summen, die Funktionen im Subsumtionsverhältnisse stehen müssen. In Zeichen:

Wenn für x y = x z = = y z = = 0 ist: a x + b y + c z + α x + β y + γ z + , so muss sein a xα x, b yβ y, c zγ z, , (sowie umgekehrt).

Beweis. Denn beiderseitiges Multipliziren mit x gibt wegen erst - erwähnter Voraussetzung a x xα x x oder a xα x, wie zu zeigen war, usw.

Sind zweitens die Koeffizienten wieder auf das Gebiet der Werte 0 und 1 beschränkt, die Argumente aber von 0 verschieden, so folgt aus der Einordnung zwischen den Funktionen auch die im selben Sinn ge - nommene zwischen ihren homologen Koeffizienten, sowie selbstverständ - lich auch das Umgekehrte zutreffen wird.

Denn wäre bei a xα x und x 0 etwa aα, so müsste a = 1 und α = 0 sein, weil in den drei andern noch denkbaren Fällen eben aα sein würde. Alsdann aber führte die schon erwiesene Subsumtion a xα x zu dem Widerspruche x0 mit der Voraussetzung x 0.

Eine dritte Gruppe von Vervollkommnungsbestrebungen steht im Dienste des Satzes von der Nichtbeweisbarkeit der zweiten Subsumtion des Distributionsgesetzes vergl. § 12 des Bd. 1, für welche ich im Anhang 4, 5 und 6 zwei Beweise erstmals gegeben habe, von denen wenigstens der zweite, Bd. 1, S. 685 ff., sich ganz innerhalb des Rahmens der logischen Disziplin selbst hielt und keines extralogischen Substrates zu der Exemplifikation, auf die es ankommt, benötigte.

Die Wichtigkeit des gedachten Satzes beruht bekanntlich darauf, dass durch ihn die selbständige Existenz jener Disziplin verbürgt ist, die ich als einen logischen Kalkul mit Gruppen oder kurz als Gruppenkalkul bezeichnete, um sie von identischen Kalkul unter - scheiden und diesem gegenüberstellen zu können.

410Vierundzwanzigste Vorlesung.

Die beiden Kalkuln haben die Prinzipien und Sätze 1) bis 25) unseres Lehrganges gemein, unterscheiden sich dann aber dadurch, dass in jenem das Th. 26), mithin das volle Distributionsgesetz nicht zu gelten braucht, dagegen in diesem gilt.

Insofern man die Geltung oder Nichtgeltung von Th. 26) in jenem unentschieden lässt, kann man sagen, dass der identische Kalkul sich als ein Unterfall in den Gruppenkalkul einordnet, und dass alle Sätze dieses Gruppenkalkuls, als des allgemeineren von beiden, auch im identischen Kalkul gelten müssen, aber nicht umgekehrt. Nimmt man dagegen etwa das Nichterfülltsein des Th. 26+) a (b + c)a b + a c unter die Prinzipien des Gruppenkalkuls auf, so steht derselbe dem identischen Kalkul abgeschlossen und ihn ausschliessend gegenüber.

Für jenen Satz der Nichtbeweisbarkeit des Th. 26) aus den vorher - gegangenen Prinzipien und Sätzen unserer Theorie sind nun alsbald von Herrn Lüroth, sodann auch von den Herren Voigt und Korselt noch drei (oder vier) andere Beweise geliefert oder angedeutet worden, bei denen wol mit einem geringeren Aufwand von Vorbetrachtungen das Ziel erreicht wird, und die ich darum, gleichwie im Interesse der Vollständigkeit meines Werkes, glaube in Kürze hier aufnehmen zu sollen. Ich will sie in der Reihenfolge ihrer zeitlichen Succession numeriren, doch ausser der Reihe besprechen.

Der Beweis 4, von Voigt2, p. 303 f. mehr nur angedeutet, im folgenden unter seiner Beihülfe näher ausgeführt, gibt uns zugleich Veranlassung, zur Klärung der Frage einer Inhaltslogik oder eines etwaigen, Bd. 1, S. 100 nur von mir gestreiften, identischen Kalkuls mit (idealen?) Begriffsinhalten weiteres Material beizubringen, welches vielleicht auch zu den Erörterungen in der Einleitung unseres Bd. 1 und der von andern Seiten an diese geknüpften Polemik eine nicht unwichtige Ergänzung bildet. Herr Voigt sagt l. c.:

Dieser (der ideale Begriffsinhalt) besteht in der Gesamtheit der Merkmale, welche die Objekte, die einen bestimmten Begriff erfüllen, gemein haben. Die Logik dieser idealen Begriffsinhalte ist aus der elemen - taren Logik ganz auszuscheiden, da sie ihren Gesetzen nicht durchaus folgt. Ein Kalkul der idealen Inhalte wäre ein Gruppenkalkul im Schröderschen Sinne, für den also das dritte Prinzip nicht gilt.

Addiren wir z. B. den idealen Inhalt des Begriffes: Rechtwinkliges Dreieck, zu dem idealen Inhalt des Begriffes: Gleichschenkliges Dreieck, d. h. bilden wir aus diesen beiden Begriffen einen neuen, dessen Inhalt alle Merkmale derjenigen Objekte ausmacht, die beide Begriffe zugleich erfüllen, so wird der ideale Inhalt dieses Begriffes keineswegs blos die411§ 50. Vervollkommnung gewisser Partieen des ersten Bandes.Summe der Merkmale der beiden gegebenen Begriffe sein, sondern der Begriff enthält auch Merkmale, die weder dem einen noch dem anderen zukamen, z. B. den, dass die Hypotenuse doppelt so gross ist als die zugehörige Höhe.

Es wäre in der That, wie Schröder bemerkt, ein Hysteronproteron, wenn man mit einem solchen Inhaltskalkul beginnen wollte, und wenn Husserl2 es dennoch thut oder zu thun glaubt, so hat das allein darin seinen Grund, dass er sich so kurz fasst , anstatt ihn wirklich durch - zuführen. Auffallend ist, dass Schröder nicht die Bemerkung gemacht hat, dass eine Logik idealer Inhalte eine Gruppenlogik sein müsse. Er hätte dann näher liegende Beispiele für die Nichtbeweisbarkeit der zweiten Subsumtion des Distributionsgesetzes, als die im Anhang entwickelten, haben können.

Dass in der That aus inhaltslogischen Betrachtungen naheliegende Beispiele zu letzterm Zwecke sich schöpfen lassen, wollen wir zu - nächst an der Hand eines andern ebenfalls von Voigt mir gelieferten Beispiels ausser Zweifel stellen.

Es bedeute etwa mit Beschränkung auf den Denkbereich der Merkmale von ebenen Figuren a die Merkmale des Rechtecks b die Merkmale des Rhombus c das Merkmal vierfach , d. h. in Bezug auf vier verschiedene Axen symmetrisch , wie es z. B. das Quadrat ist in Bezug sowol auf seine beiden Diagonalen als auch auf die beiden Winkelhalbirenden dieser; wogegen der Rhombus nur in Bezug auf jene, das Rechteck nur in Bezug auf diese symmetrisch ist, beide also blos zweifach symmetrisch zu nennen wären, ein Merkmal, welches d heissen möge.

Da das Rechteck mit allen vierfach symmetrischen Figuren nur die Eigenschaft gemein haben kann, in Bezug auf zwei Axen symme - trisch zu sein, so bedeutet a c nichts als dieses Merkmal, welches wir d genannt haben. Dasselbe d bedeutet auch b c, denn auch der Rhombus hat mit einer durchweg beliebigen vierfach symmetrischen Figur nichts als dieses Merkmal gemein. Also stellt auch a c + b c, als eine Tauto - logie d + d, nur dieses Merkmal d vor.

a + b dagegen bedeutet den Merkmalkomplex, der allen denjenigen Figuren zukommt, welche die Merkmale des Rechtecks und die Merk - male des Rhombus in sich vereinigen*)Wenigstens steht nichts im Wege, dem Symbol a + b hiernächst solche Deutung zu geben., d. h. es bedeutet die Merkmale des Quadrates. Da die vierfache Symmetrie c zu diesen Merkmalen gehört, so bedeutet also (a + b) c nur eben dieses Merkmal c.

412Vierundzwanzigste Vorlesung.

Nun ist offenbar das Merkmal c der vierfachen Symmetrie nicht dem d der zweifachen Symmetrie eingeordnet, (sondern umgekehrt, und diese umgekehrte Einordnung ist hier eine wirkliche Unterordnung). Also gilt die Subsumtion (a + b) ca c + b c hier nicht, q. e. d.

Um diese wol unanfechtbaren Überlegungen beweiskräftig zu finden, scheint mir der Nachweis doch unerlässlich, dass diejenigen Prinzipien, in denen der identische Kalkul mit dem Gruppenkalkul übereinstimmt, auch wirklich Geltung haben für die vorstehend adoptirten Deutungen von Ein - ordnung, Produkt und Summe zweier Merkmalkomplexe.

Ein Merkmalkomplex g war hier eingeordnet genannt einem Merkmal - komplex h, wenn sich jedes Merkmal des ersteren unter den Merkmalen des letzteren vorfindet. (Der Subsumtion gh würde also entsprechen die umgekehrte Subsumtion zwischen den Umfängen der Begriffe, die durch unsere Merkmalkomplexe bestimmt sind.) Trifft auch das Umgekehrte zu, d. h. ist sowol gh als hg, so besteht zweifellos Identität zwischen den beiden Merkmalkomplexen, d. h. es besteht hier unsere Def. (1) der Gleichheit, g = h, zu Rechte. Ebenso müssen offenbar Prinzip I gg und II: Wenn fg und gh, so ist auch fh, allgemein gelten.

Ferner musste der Merkmalkomplex 0, welcher sich in jedem Merkmal - komplex mit vorfinden soll, bei uneingeschränktem Denkbereich als völlig leer vorgestellt werden, dem Begriff Etwas entsprechend, bei Be - schränkung des Denkbereiches, z. B. auf die Merkmale ebener Figuren dagegen als dieses Merkmal selbst, eben zu sein, während 1 den Komplex aller er - denklichen, darunter auch kontradiktorisch entgegengesetzter Merkmale irgendwelcher oder bezw. ebener Figuren bedeutet, dem Begriffe des Nichts entsprechend. Dann sind die Formeln (2) erfüllt.

g + h sollte sodann bedeuten den Merkmalkomplex, der allen denjenigen Figuren gemeinschaftlich zukommt, die sowol die Merkmale g als auch die h besitzen, nnd dieser wird gebildet nicht nur von den Merkmalen g und h selber, sondern auch von allen denjenigen Merkmalen, die nach den Axiomen der Geometrie aus der Verbindung dieser beiden Merkmalkomplexe g und h hinzufolgen. (Der Umfang dieses Begriffes g + h wäre in unserer Umfangs - logik als das identische Produkt der den Begriffen g und h einzeln zukommenden Umfänge zu bezeichnen.) Evident ist nun hieraus, dass wenn g + hf ist, dann auch gf und hf sein muss.

Keineswegs ohne weiteres einleuchtend erscheint dagegen die umgekehrte Behauptung, dass so oft gf und hf ist, auch g + hf sein müsse. Der Komplex f könnte in der That zwar die Merkmale g und h für sich umfassen, aber irgend ein weiteres Merkmal ausschliessen, welches weder aus g allein, noch aus h allein, wol aber aus der Verbindung beider aufgrund geometrischer Axiome hergeleitet werden kann und somit zum Komplex g + h gehört. Und zwar ist dies möglich, so lange man sich den Merkmalkomplex f ganz ad libitum zusammengesetzt denkt. Wird nun aber der Denkbereich auf die den geometrischen Axiomen unterworfenen Merkmale der ebenen Figuren eingeschränkt, so wird auch f entweder einen solchen Merkmalkom - plex vorstellen, der einer ebenen Figur wirklich zukommen kann, wonach413§ 50. Vervollkommnung gewisser Partieen des ersten Bandes.sodann letztere Figur, falls sie die Merkmale g und h besitzt, auch alle die - jenigen Merkmale mit umfassen wird, die aus der Verbindung beider folgen, d. i. alle Merkmale des Komplexes g + h; oder f bedeutet einen Komplex von Merkmalen aus unserm Denkbereich, welche, als nach den geometrischen Axiomen mit einander unverträglich, keiner ebenen Figur gleichzeitig zukommen können, und ist dann hier mit 1 zu bezeichnen, da man aus dem in ihrer Unverträglichkeit liegenden Widerspruch noch jedes andere erdenkliche Merk - mal hinzugefolgert denken kann (vergl. Bd. 2, I, S. 18, Z. 13 v. o.), sodass f alle Merkmale des Denkbereiches umfasst; und dann gilt nach (2) selbst - verständlich g + h1 neben g1 und h1.

Für die angegebene Deutung der Symbole treffen