Buchdruckerei der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung in Stuttgart.
Ich habe das allgemeine Bildungsweſen von der Elementar - und Berufsbildung geſchieden, und ſelbſtändig herausgegeben, weil mich bei dieſer Arbeit ein Gedanke begleitete, dem ich ſo viel ich vermocht, im Folgenden Form und Ausdruck gegeben habe.
Die Preſſe hat in unſrer Zeit eine Bedeutung erlangt, die ſie nie gehabt. Sie iſt, namentlich in Deutſchland, im Begriff, das zu werden, was ſie ſein ſoll, der gewaltige, allthätige, von keinem Sonderintereſſe beherrſchte Organismus der Selbſtbildung des Volkes. Es iſt nicht mehr möglich, von dem Bildungsweſen über - haupt zu reden, ohne dieſe hohe Stellung und Aufgabe der Preſſe zu erkennen. Es iſt deßhalb auch für die Wiſſenſchaft, welche ſich dem inneren organiſchen, ſich ſelbſterzeugenden Leben der Staaten und Völker widmet, nicht mehr möglich, die Preſſe, wie es bisher geſchehen, weſentlich nur als politiſche und Tagespreſſe aufzufaſſen. Derſelbe Proceß, der durch das ganze Leben Europas geht und uns alle erfaßt, hat auch die Preſſe ergriffen. Bis auf die neueſte Zeit lebte in ihr der alte ſtändiſche Unterſchied in ſeiner Weiſe fort. Der Unterſchied zwiſchen Buch und Tagesliteratur war und iſt zum Theil noch kein bloß äußerer und formeller. Er war und iſt vielmehr ein tiefgehender. Der Ernſt des Buches ſchied ſich in jeder Beziehung von der elaſtiſchen Gewandtheit des Tages - blattes; die Stoffe für beide ſchienen weſentlich andre und ein andres war oder ſchien das Publikum, an das ſich beide wendeten. Es herrſchte die Vorſtellung, als ob eben deßwegen die Aufgabe, und vor allem damit auch die geiſtige und ethiſche Verantwortlichkeit für beide Gruppen von geiſtigen Arbeiten und Arbeitern eine nicht minder tief verſchiedene ſei, und als ob dieſe höhere Verantwortlich - keit vorzugsweiſe auf dem Buche ruhe. Nur der, der Bücher ſchreibt,VI iſt noch der eigentliche „ Schriftſteller. “ Und das war bis zu einem gewiſſen Grade begründet, ſo lange die Tagespreſſe ſich hauptſächlich mit den politiſchen Fragen beſchäftigte. Die Gründe liegen wohl nahe genug. Allein überblickt man in unſrer Zeit das was die Zeit - preſſe — man kann ſchon nicht mehr bloß von der Tagespreſſe reden — leiſtet und wohin ſie ſelbſt drängt und gedrängt wird, ſo iſt es kein Zweifel, daß ſie alle Gebiete des geiſtigen Lebens neben der „ Politik “gleichmäßig in ſich zu verarbeiten beſtimmt iſt. Es gibt gar keinen Theil der Bildung mehr, deſſen ſich dieſe Zeitpreſſe nicht in ihrer Weiſe bemächtigte und bemächtigen muß. Sie iſt zu einem großen Lehrorganismus der Völker geworden, ſo ſehr, daß die reinſte Wiſſenſchaft ſelbſt in den Spalten der Tagesblätter ihren berech - tigten Naum gefunden hat, und immer mehr finden wird. Und das iſt es, was in unſren Augen nicht bloß eine Thatſache bleiben, ſondern zu ernſter Beachtung auffordern ſollte. Iſt dem nämlich ſo, ſo ſoll auch gewiß jene höhere Idee der Verantwortlichkeit auf die Zeitpreſſe übergehen, welche am Ende aus den Vertretern der Wiſſen - ſchaft das gemacht hat was ſie ſind. Wir werden erſt dann die Preſſe in ihrer ganzen Bedeutung ſich entwickeln ſehen, wenn jeder Mitarbeiter an derſelben von der Idee erfaßt iſt, daß er in ſeiner Weiſe nicht bloß einen Erwerb zu ſuchen oder eine Meinung aus - zuſprechen, ſondern daß er einen Beruf zu erfüllen habe, der weit über die Vertretung einer politiſchen Anſicht hinausgeht. Die Scheidewand zwiſchen dem Schriftſteller und dem Literaten, zwiſchen dem wiſſenſchaftlichen Arbeiter und dem Journaliſten iſt noch immer eine qualitative; erſt wenn beide wiſſen und ausſprechen, daß ſie Organe eines und deſſelben großen, ethiſchen Berufes ſind, wird ſie zu einer quantitativen werden, und die gegenſeitige Achtung wird den gemeinſchaftlichen Erfolg ſichern. Und für dieſes Ziel, der Zukunft der Preſſe, möchten wir in unſrer Weiſe wirken. Hier iſt allerdings nicht der Ort, zu ſagen, wie dieß geſchehen könne; wohl aber haben wir dahin zu arbeiten, daß es geſchehe. Und wir haben die volle und innige Ueberzeugung, daß es daher von nicht gering anzuſchlagender Bedeutung ſein wird, wenn man die Preſſe in der Weiſe wie wir es verſucht, als organiſchen Theil des Bildungsweſens, und nicht mehr als bloßes Objekt der Polizei und Jurisprudenz, in die Wiſſenſchaft der innern Verwaltung aufnimmt,VII und hieran das Volks - und Berufsbildungsweſen unmittelbar an - ſchließt. Das iſt es, wofür wir hier die Bahn brechen möchten. Gelänge es uns, in dieſer Weiſe das Verſtändniß der Preſſe zu begründen und damit definitiv die Vorſtellung zu beſeitigen, als könne man den großen Bildungsproceß der Völker jemals allein auf Elementar - und Berufsbildung beſchränken, ſo würde die vorliegende Arbeit ihren allgemeinen Zweck erreicht haben. Freilich, eigentlich beſtreiten wird das niemand; das aber, worauf es zuletzt ankommt, wird doch die Aufnahme dieſer Wahrheit in das Bewußtſein aller Schriftſteller und aller Verwaltungen ſein; und das Criterium deſſelben wird dann in der Forderung erſcheinen, daß auch der Tagesſchriftſteller ſeine Fachbildung für ſeinen ſehr ernſten Beruf beſitze. — —
Was nun den ſpeciellen Inhalt betrifft, ſo muß ich wieder - holen, daß ich das ganze Material weder erreichen, noch auch das erreichte ganz bewältigen konnte. Ich muß mir dabei geſtatten, auf eine Lücke in der Literatur des geſammten Europas hinzuweiſen, die man erſt dann recht erfährt, wenn man auf die Sache genauer eingeht, oder ſie wenigſtens, wie die innere Verwaltungslehre, in ihrer ſpeciellen Bedeutung zu würdigen Veranlaſſung nehmen muß. Uns fehlt nämlich eine wiſſenſchaftliche Behandlung der einzelnen großen allgemeinen Bildungsanſtalten, wie z. B. der Sammlungen, namentlich der Theater und Bibliotheken. Wir meinen damit nicht, daß nicht vieles ſehr Bedeutende darüber geſagt wäre. Allein von dem Standpunkte der Verwaltung — von dem Standpunkte der Frage, in welcher Weiſe dieſe Anſtalten eben von Seite der Regie - rungen behandelt worden ſind und behandelt werden müßten — ſind dieſelben unſres Wiſſens niemals unterſucht worden. Das Theaterweſen iſt vielfach beſprochen; aber die Literatur deſſelben iſt keine fachmänniſche in dem Sinne, in welchem wir es für die Ver - waltungslehre zu fordern haben. Das Bibliotheksweſen ſeinerſeits entbehrt — unſres Wiſſens — geradezu jeder eingehenden Bearbei - tung, und das iſt in unſrer Zeit ein großer Uebelſtand, weil in demſelben genau derſelbe Proceß beginnt, der in der Preſſe jetzt ziemlich allgemein herrſcht, die Bewältigung der Ausſchließlichkeit des gelehrten Bibliotheksweſens durch das Auftreten des Bedürfniſſes nach den Volksbibliotheken — den Gemeinde - und VereinsbibliothekenVIII als allgemeine Bildungsanſtalten. So wichtig die Sache auch iſt und ſo tief ſie auch in das geiſtige Leben der Völker hineingreifen wird, ſo fehlt uns doch ſogar die Statiſtik der Sache, geſchweige denn eine eingehende Bearbeitung derſelben. Das ſind Arbeiten, die große Vorbereitung fordern, und ihren Mann ganz in Anſpruch nehmen; es iſt unmöglich, ſie in der Verwaltungslehre zu erſchöpfen. Aber was ſie vermag, das iſt, dazu die Anregung zu geben, indem ſie die allgemeine organiſche Bedeutung derſelben feſtſtellt, und einer beſonderen Bearbeitung damit ihren allgemeinen Werth verleiht. Wir wären ſtolz darauf, zu ſolchen, wahrlich hochwichtigen Arbeiten den ſyſtematiſchen Platz und den Anlaß geben zu dürfen.
— Immer klarer aber erſcheint es, daß die Verwaltungslehre dasjenige Gebiet der Staatswiſſenſchaft iſt, das an Bedeutung von keinem andern übertroffen, an innerem und äußerem Reichthum von keinem andern erreicht wird. Keine menſchliche Arbeit eines Einzelnen wird allen ihren auch nur mäßigen Anforderungen jemals genügen. Wann wird die Zeit kommen, wo ſie wie die andern Wiſſenſchaften, die Aufgabe eines eigenen Berufes bilden wird? — Und bis dahin möge man das Unvollendete darum freundlich hin - nehmen, weil es denn doch den Blick auf die künftige Größe dieſes Gebietes niemals verloren hat.
Wien, November 1867.
L. Stein.
(Die Verwaltung und das geiſtige Leben.)
Die allgemeine Bildung umfaßt in ihrem Begriffe die Geſammt - heit derjenigen geiſtigen Güter, welche nicht mehr für einen beſtimmten Erwerb und Beruf dienen ſollen.
Während daher das geiſtige, für Beruf und Erwerb beſtimmte Leben ſtets den Charakter eines wenn auch geiſtig hochſtehenden und großen, ſo doch beſchränkten Ganzen enthält, iſt jene allgemeine Bil - dung der Faktor, welcher der geiſtigen Welt das Element des unend - lichen Fortſchrittes wiedergibt und erhält. Sie iſt ihrem Principe nach die Anerkennung, ja die Forderung der geiſtigen Freiheit, ihrer Wirk - lichkeit nach die Verwirklichung derſelben. Während daher die Elementar - und Berufsbildung auch bei einem ſtillſtehenden, ja in ſeiner Entwicklung zurückgehenden Volke nicht bloß eine hohe und ſelbſt in allem Einzelnen fortſchreitende ſein kann, iſt die allgemeine Bildung das endgültige Kri - terium der wahrhaft hiſtoriſchen, die Weltgeſchichte bewegenden Völker.
Die Macht dieſer Wahrheit iſt ſo groß, daß ſie ſich auch in allen übrigen Gebieten des Bildungsweſens Bahn bricht. Die allgemeine Bil - dung kann ihrem höhern Weſen nach zwar von den beiden andern Stufen unterſchieden, aber nicht von ihnen abgeſchloſſen werden. Denn am Ende iſt alles geiſtige Leben Ein Ganzes. Wohl aber kann ein Volk und eine Zeit ſie in ſehr verſchiedenem Grade mit der ſpeciellen Bildung verbinden. Und daher muß man ſagen, daß der Charakter und das Maß der freiheitlichen, unendlichen und damit welthiſtoriſchen Entwicklungsfähigkeit eines Volkes an dem Grade gemeſſen werden kann,Stein, die Verwaltungslehre. VI. 12in welchem es die Elemente der allgemeinen Bildung mit denen der Volks - und Berufsbildung zu verbinden gewußt hat.
Wie das nun in der niedern und höhern Pädagogik zu geſchehen hat, das zu unterſuchen iſt Sache der Bildungslehre. Wir nennen den Proceß, vermöge deſſen die Entwicklung der Menſchheit eben durch die allgemeine Bildung vor ſich geht, die Civiliſation oder Ge - ſittung, die daher ohne Verſtändniß des organiſchen Bildungsweſens gar nicht genetiſch verſtanden und dargeſtellt werden kann. Die Ver - waltungslehre aber hat den Punkt in der Civiliſation zu bezeichnen, auf welchem jene allgemeine Bildung in die öffentlichen Rechtszuſtände der Völker hineingreift und in welcher Weiſe ſie dieſelben beſtimmt und von ihnen beſtimmt wird. Mit dieſer Frage beginnt ihre Aufgabe.
Dieſer Punkt beſteht nun in dem Satze, daß während die Berufs - bildung dasjenige erzeugt, wofür ſie eben beſtimmt iſt, die Unter - ſchiede unter den Einzelnen wie unter den Geſellſchaftsklaſſen, die allgemeine Bildung ihrerſeits in der geiſtigen Welt dieſe Unterſchiede wieder aufhebt, dadurch die Trägerin der Gleichheit im geiſtigen und da - mit im geſellſchaftlichen Leben und den von ihm beherrſchten Rechtszuſtänden der Menſchheit wird. Sie iſt undenkbar ohne das Princip der gleichen Beſtimmung, ſie erzeugt die gleiche Befähigung, und fordert daher ein gleiches Recht Aller. Mit dieſem Satze tritt die - ſelbe als eins der bedeutſamſten Gebiete in die Verwaltungslehre.
Steht es demnach feſt, daß die höchſte Entwicklung des Staats als die allgemeine Perſönlichkeit durch die höchſte Entwicklung aller ſeiner einzelnen Angehörigen gegeben iſt und daß dieſe höchſte Entwicklung weſentlich auf jener allgemeinen Bildung beruht, ſo ſcheint die Her - ſtellung der Bedingungen dieſer allgemeinen Bildung eine der erſten und wichtigſten Aufgaben der Verwaltung zu ſein.
Allein gerade bei der allgemeinen Bildung erſcheint der für das geiſtige Leben der Menſchheit entſcheidende Grundſatz in erſter Reihe, daß nur dasjenige die Entwicklung wahrhaft fördert, was ſich der Einzelne durch ſeine That, durch ſelbſtthätiges Denken und Arbeiten ſelbſt erwirbt.
Die allgemeine Bildung darf daher weder vom Staate gegeben werden, noch darf er als ausſchließlicher Herr der materiellen Bedin - gungen derſelben erſcheinen. Die wahre allgemeine Bildung muß ſich daher jedes Volk ſelbſt ſchaffen, und die Verwaltung hat nur aus - nahmsweiſe unmittelbar bei derſelben mitzuwirken.
Indem aber das Volk ſich ſeine allgemeine Bildung ſelber ſchafft, wird die darauf gerichtete Thätigkeit ſtets von Einzelnen ausgehen. 3Damit iſt nun zugleich die Gefahr gegeben, daß der Einzelne dieſen ſeinen Einfluß auf die allgemeine Bildung mißbrauche, während die zu Bildenden als ſolche nie ganz im Stande ſind, ſich gegen dieſen Mißbrauch zu ſchützen. Von dieſem Standpunkt aus ergibt ſich nun das, was wir das Princip des öffentlichen Rechts des allgemeinen Bildungsweſens nennen müſſen.
Die allgemeine Bildung ſoll frei ſein in ihrer Entwicklung; das heißt, das Volk ſoll ſie ſich ſelber geben, und der Staat nur diejenigen Anſtalten herſtellen, welche ihrer Natur nach für Herſtellung und Leitung der Staatsmittel bedürfen. Die poſitive Thätigkeit der Verwaltung in Beziehung auf dieſe allgemeine Bildung iſt daher, wenn auch keine unbe - deutende, ſo doch eine äußerlich wenig erſcheinende. Sie beſteht formell nur in der Aufſtellung jener allgemeinen Bildungsanſtalten, welche der Kulturſtand eines Volkes fordert. Das eigentliche Gebiet derſelben iſt da - gegen vielmehr die durch die Verwaltung geforderte oder hergeſtellte Auf - nahme der allgemeinen, über die Elementar - und Berufsbildung hinaus - gehenden Bildungselemente in die Erziehung des Volkes; und weil die - ſelbe hier liegt, hat man ſie meiſtens ſo wenig theoretiſch beachtet. Da - gegen iſt die negative Thätigkeit praktiſch und juriſtiſch eine viel faß - barere. Denn die allgemeine Bildung ſoll zugleich geſchützt werden gegen die Verletzung der allgemeinen geiſtigen Ordnung; das heißt, da die letztere, die höhere Sittlichkeit, ihrerſeits nicht bloß eine That - ſache, ſondern wieder eine Bedingung der individuellen Entwicklung iſt, ſo hat die Verwaltung die Aufgabe, dieſe höhere öffentliche Sittlichkeit gegen die Verletzung durch die geiſtige That des Einzelnen zu ſchützen; und dieſe Aufgabe bezeichnen wir als die Kulturpolizei.
Während demnach die Aufgabe der Verwaltung des geiſtigen Lebens bei der Volksbildung die Pflicht der erſteren zur Herſtellung der letzteren, bei der Berufsbildung die Pflicht und das Recht der Ver - waltung zur Ordnung dieſes Bildungsgebietes enthält, wird ſie für die allgemeine Bildung nothwendig im Weſentlichen theils als Hebung und Erweiterung der Bildung überhaupt, theils als Herſtellung ſpezieller Bildungsanſtalten, theils aber als Kulturpolizei erſcheinen.
Daraus ergibt ſich nun allerdings für die Darſtellung des allge - meinen Bildungsweſens in der Verwaltung eine wichtige Conſequenz. Die letztere wird hier naturgemäß faſt nur als polizeiliche Funktion auftreten und ihr Recht faſt nur als ein polizeiliches erſcheinen. Es iſt ſchwierig, dabei die hohe Idee des allgemeinen Bildungsweſens feſtzuhalten.
Begriff und Inhalt der Kulturpolizei können indeß nur dann zu Mißverſtändniſſen Anlaß geben, wenn man ſich denkt, daß vermöge derſelben jede thätige Theilnahme der Verwaltung an der Förderung4 der allgemeinen Bildung ausgeſchloſſen ſei, oder daß die Selbſtthätig - keit des Volkes für ſeine allgemeine Bildung durch das Princip derſelben von dem Willen der Regierung abhängig gemacht werden ſolle. Beides iſt nicht der Fall. Keine Regierung kann die allgemeine Bildung ſchaffen, keine kann ſie hindern; aber keine darf ihr gegenüber ganz gleichgültig bleiben. Ihre Thätigkeit wird ſtets eine fördernde, aber in erſter Reihe allerdings eine ſchützende ſein müſſen. Die pſychologiſchen Gründe dafür enthält die Bildungslehre. Das Syſtem und der poſi - tive Inhalt dieſer Kulturpolizei aber werden durch daſſelbe große Ele - ment geſetzt, welches überhaupt das Verwaltungsrecht beherrſcht, die Geſellſchaftlichen Ordnungen.
Indem nämlich die allgemeine Bildung ihrem Princip nach die Gleichheit und damit das gleiche Recht aller Perſönlichkeiten enthält und verwirklicht, wird ſie dadurch vor allem ein entſcheidender Faktor in der geſellſchaftlichen Ordnung und ihrer Bewegung. Es ergibt ſich daraus, daß jede große geſellſchaftliche Ordnung ihr eigenes allgemeines Bildungsweſen erzeugt, und daß in jeder derſelben das geltende Recht der Kulturpolizei als eines der charakteriſtiſchen Merkmale des geſellſchaftlichen allgemeinen Rechtsprincips angeſehen werden muß.
Von dieſem Standpunkt aus hat ſich nun auch das heutige allge - meine Bildungsweſen und das öffentliche Recht der Kulturpolizei unſerer ſocialen Zuſtände entwickelt.
Es iſt, vermöge der obigen Natur der allgemeinen Bildung ſehr leicht, über die Entwicklung derſelben im Allgemeinen zu reden, da ſie auf allen Punkten zugleich erſcheint, und ſtets zugleich Grund und Folge der Geſammtentwicklung iſt. Allein es iſt ſehr ſchwer, den poſi - tiven Inhalt derſelben zu finden und zu verfolgen, denn die Gränzen zwiſchen dem was ihr und was andern Gebieten gehört, ſind im Ein - zelnen immer äußerſt ſchwierig, oft gar nicht feſtzuhalten. Dennoch muß die Verwaltungslehre ſich von derſelben Rechenſchaft ablegen.
Wiederum nun iſt dieſelbe dieſer Aufgabe gegenüber in der Lage, ſtatt nach bloßen Darſtellungen vielmehr nach einem beſtimmten Princip zu ſuchen, und den Werth ihrer Auffaſſungen und Ergebniſſe zunächſt von der Richtigkeit dieſes Princips abhängig zu machen. Dieſes Princip aber iſt unabweisbar ein geſellſchaftliches und darum iſt das allgemeine Bildungsrecht ſtets und weſentlich gleichfalls ein ſociales. Es erſcheint nothwendig, daſſelbe hier an die Spitze zu ſtellen.
5Jede Bildung enthält und vertheilt ein geiſtiges Gut; jede allge - meine Bildung enthält und vertheilt die allgemeinen geiſtigen Güter; das geiſtige Gut aber beherrſcht das vorhandene materielle, erzeugt das nicht vorhandene. Durch den Erwerb der geiſtigen Güter wird daher der Einzelne über die Sphäre hinaus gelangen, in der er ſich durch die gegebene Vertheilung der materiellen Güter und ihrer Einflüſſe auf ſeine geſammte Lebensthätigkeit und Stellung befindet. Das iſt es, wodurch ſie ſich von der Berufsbildung weſentlich unterſcheidet, und das iſt es auch, wodurch ſie ein ſo gewaltiger, ja vielleicht der gewaltigſte Faktor in der Weltgeſchichte wird.
Wenn nun die geſellſchaftlichen Ordnungen einerſeits auf der Ver - theilung der Güter beruhen, und in gegenſeitiger Wechſelwirkung, wie die Wiſſenſchaft der Geſellſchaft zeigt, einerſeits durch die beſtimmte geiſtige Funktion eine geſellſchaftliche Güterordnung und andrerſeits durch dieſe Güterordnung wieder eine objektive feſte Vertheilung der geiſtigen Funktionen erzeugen, ſo iſt es klar, daß die allgemeine Bildung nicht bloß bei der einfachen Vermehrung der Gütermaſſe der geiſtigen Welt ſtehen bleibt, ſondern zugleich mit derſelben eine neue Vertheilung einer - ſeits der großen öffentlichen Funktionen, andrerſeits aber auch als Be - ſitz und Vermögensverhältniſſe theils bedingen, theils erzeugen müſſen. Keine Zeit und kein Volk täuſcht ſich über dieſe Bedeutung und dieſe Macht der allgemeinen Bildung, und es iſt dabei ganz gleichgültig, ob es jene Conſequenzen bloß mit ſeinem Gefühle und Inſtinkt erfaßt, oder ob es ſich dieſelben poſitiv zu formuliren weiß. Jeder verſteht es ſofort, daß während die Elementar - und Berufsbildung die höchſte Ent - wicklung eines Volkes innerhalb einer gegebenen Ordnung der Ge - ſellſchaft bedeuten, die allgemeine Bildung vielmehr unabweisbar den Keim einer neuen Geſtaltung der geſellſchaftlichen Welt mit all ihren Conſequenzen enthält. Denn allein dieſe allgemeine Bildung bringt den Einzelnen über die Gränzen ſeiner Lebensſtellung hinaus; ſie iſt es die ihn lehrt, andere Ordnungen zu verſtehen, zu beurtheilen und zu wünſchen; ſie gibt ihm die Kraft, in einer andern Ordnung thätig zu ſein; ſie endlich lehrt ihn, daß bei aller Verſchiedenheit des wirk - lichen Lebens ein Gebiet vorhanden iſt, auf dem die gleiche Beſtimmung eine gleiche Stellung und Aufgabe erzeugen muß. Sie arbeitet in dieſer Richtung zwar langſam, unter unendlichen Fehlern, einſeitig und oft thöricht, immer aber in derſelben Weiſe, unaufhaltſam das Kleine zum Kleinen fügend, bis die unendliche Wiederholung deſſelben eine große, alles andere überragende Thatſache daraus macht. Sie wird dadurch vielfach höchſt ungerecht gegen das Einzelne, gegen den unſchätz - baren Werth des Beſondern, gegen die Selbſtändigkeit, die Kraft und6 den Stolz der Specialbildung und des Berufs; aber im Ganzen behält ſie Recht. Sie iſt, indem ſich jedem einzelnen Menſchengeiſte ein neues Werden eröffnet, das Element des Werdens für die Geſammtheit. Sie iſt der Keim der ewigen Jugend im Leben des Geiſtes; ſie iſt aber auch nur zu oft der einſeitige Feind des Guten und Unzerſtörbaren, das das Beſtehende enthält. In ihr iſt der geiſtige Ausdruck des tiefen Gegenſatzes zwiſchen dem Alten und dem Neuen, des tiefen Mißver - ſtändniſſes über das wahre Weſen des Beſondern und des Allgemeinen, der Feindſchaft zwiſchen der Verſchiedenheit und der Gleichheit. Und das ſind die Elemente, auf denen die geſellſchaftliche Stellung der all - gemeinen Bildung beruht.
Denn es folgt daraus, daß die allgemeine Bildung das naturge - mäße Gebiet derjenigen Klaſſen der Geſellſchaft iſt, welche wir als die niedere bezeichnen. Die Hebung der niedern Klaſſen im Sinne der Geſellſchaftslehre bedeutet in der That zweierlei. Einmal iſt ſie die Verbeſſerung der wirthſchaftlichen und geiſtigen Lage derſelben inner - halb ihrer geſellſchaftlichen Stellung; dann aber iſt ſie dasjenige Ele - ment, durch welches ſie ſich den höhern Klaſſen gleichſtellt. Dieſe Gleichſtellung aber bedeutet zwar zunächſt ſtets eben nur die Gleichheit in dem Erwerb der geiſtigen Güter; dann aber bedeutet ſie eben ſo ſehr die Folgerungen und Forderungen, welche an dieſe weſentliche Gleich - heit der geiſtigen Bildung anſchließen. Und da nun ewig die geiſtige Welt doch zuletzt das geſtaltende und ordnende Element für die wirth - ſchaftliche iſt und ſein muß, ſo ergibt ſich, daß die Conſequenzen dieſer Entwicklung ſtets und unvermeidlich bei der großen Frage der Organi - ſation des wirthſchaftlichen Lebens anlangen. So wie das aber ge - ſchieht, tritt nun ein neues Element in die Geſchichte der allgemeinen Bildung hinein, das nicht weniger mächtig als die letztere ſelbſt, die Weltgeſchichte durchdringt, und in ewigem Kampfe mit jener und ihren gewaltigen Folgen iſt. Das iſt das Intereſſe.
So wie nämlich das Intereſſe der herrſchenden Klaſſe in der all - gemeinen Bildung nicht eben bloß das fördernde und geiſtige Element, ſondern die in ihr liegende Gefährdung ihres Beſitzes und ihrer In - tereſſen erkennt, ſo wird ſie derſelben feindlich. Und da nun nach den Geſetzen, nach welchen die Staatsverfaſſungen ſich bilden, die geſell - ſchaftlich herrſchende Klaſſe zugleich die Macht der Geſetzgebung und Ver - waltung beſitzt und feſthält, ſo folgt, daß ſofort eine Bewegung ent - ſteht, vermöge deren im Intereſſe der herrſchenden Klaſſe die Entwick - lung der allgemeinen Bildung ſelbſt bekämpft wird. Dieſer Kampf iſt ein furchtbarer, denn er wird auf geiſtigem Gebiete geführt, und die Einzelnen, die ihm zum Opfer fallen, fallen einer Idee, die einer7 Thatſache unterliegt. Dieſer Kampf ſelbſt aber hat zwei Geſtalten und ſo hat er auch zwei große Folgen und Ergebniſſe. Zuerſt iſt er natur - gemäß rein negativ. Er enthält anfänglich nur noch das Bewußtſein, daß die zum öffentlichen Recht gewordene Unterſcheidung der Klaſſen und die mit ihr gegebene Beſchränkung der allgemeinen Bildung auf gewiſſe Klaſſen nicht ſein ſoll; allein da ihm nicht das zweite zur Seite ſteht, die wirklich vorhandene und fortſchreitende allgemeine Bildung der niedern Klaſſe, ſo bleibt es bei der einfachen Zerſtörung der ſocialen Ordnung, die auf der gegebenen Vertheilung der geiſtigen Güter und der ſpeziellen Entwicklung der Berufe beruht, ſtehen. Sie iſt eine ein - fache Zerſtörung, keine Fortentwicklung; die Geſittung hat die negative Bedingung ihrer Entwicklung gefunden, aber ſie vermag ſie nicht poſitiv auszufüllen. Sie erzeugt daher einen andern Zuſtand, aber keinen Fortſchritt. Erſt da, wo der Kampf gegen die geſellſchaftlichen Unter - ſchiede von dieſem wirklichen Fortſchritt der niederen Klaſſe begleitet und bedingt wird, ſehen wir aus der Zerſtörung des Alten eine neue Ge - ſchichte beginnen. Erſt hier iſt der Proceß des Werdens ein lebendiger, und nicht mehr erſchöpft in dem Aufeinanderfolgen des andern an der Stelle des bisherigen. Und hier hat daher auch jenes Intereſſe der herrſchenden Klaſſe ein beſtimmtes Objekt, das es verfolgen, mit dem es kämpfen kann. Dieß Objekt iſt dann eben das Mittel, durch welches jene allgemeine Bildung ſich erzeugt und verbreitet. Dieß Mittel wird daher jetzt zum Gegenſtande des öffentlichen Rechts; an ihm formulirt ſich der Proceß der Bildung, und an ihm auch das öffentliche Recht; alle andern Faktoren werden nebenſächlich, und hier erſt beginnt die Geſchichte des Rechts des allgemeinen Bildungsweſens.
Die Verwaltungslehre muß daher, will ſie nicht durch ihre Aus - dehnung ſich überhaupt mit der Weltgeſchichte identificiren, ſich beſtim - men, erſt bei demjenigen Momente zu beginnen, wo dieſes große Mittel mit ſeiner Wirkung ins Leben tritt. Dieß Mittel ſelbſt aber iſt kein anderes als die Buchdruckerei. Es iſt überflüſſig, im Einzelnen nachzuweiſen, daß ſie es iſt und warum ſie es iſt, und warum ſie allein in der ganzen Weltgeſchichte jedes Verſuches ſpottet, die Entwicklung der allgemeinen Bildung neben und über der Fachbildung aufzuhalten. Die Geſchichte der Welt hat Zuſtände genug, in denen ſtarr gewordene Geſellſchaftsordnungen durch gewaltſame Bewegungen umgeſtoßen worden ſind, ohne daß dieſer Umſturz etwas Weſentliches gefördert hätte. Wir ſehen im Orient, in Aegypten, vielleicht auch im untergegangenen Amerika eine Geſtaltung der Dinge, in denen die Berufsbildung das ganze Volk durchdringt und den höchſten Grad der Kultur für jeden Theil erreicht. Wir ſehen das Intereſſe der herrſchenden Klaſſe jede freie Bewegung8 des Volks mit rückſichtsloſer Strenge unterdrücken. Wir ſehen dieſe Ordnung geſtürzt. Die Sikhs brachen den Buddhaismus, die Griechen brachen das ägyptiſche Prieſterthum, die Spanier vernichten Mexiko und Peru; aber fortgeſchritten ſind dieſe Völker nicht. Wir ſehen auch in der rohen Geſchlechterordnung der Germanen eine unterworfene Klaſſe als Leibeigene ſich erheben und die Bauernkriege ſich über ganz Europa wie eine geſchichtliche Windsbraut hinwälzen; aber wir ſehen nicht, daß ſie etwas Beſſeres gebracht hätten. Erſt da, wo die Preſſe beginnt, die Bildung in die Hütte auch des Armen zu tragen, wird es anders, und die Weltgeſchichte beginnt eine wahrhaft neue Epoche.
Wir können nun Inhalt und Bedeutung dieſer Epoche unſchwer charakteriſiren, wenn wir ſie auf die großen geſellſchaftlichen Kategorien zurückführen, welche auch dieſem Gebiet zum Grunde liegen. Nur hat der Geiſt der germaniſchen Geſchlechter dieſem Proceſſe ſeine ihm eigenthümliche Geſtalt gegeben. Eine Welt der Arbeit kann nie zur kaſtenmäßigen Abgeſchloſſenheit ihrer Theile gelangen, wie der Orient. Den Germanen iſt daher nie das Bewußtſein einer beſſeren Beſtimmung ihrer niederen Klaſſen verloren gegangen. Sie haben daher nie der Bewegung, welche mit der Buchdruckerei entſtand, ſich grundſätzlich und allgemein entgegen - geſtellt. Sie haben ſie vielmehr im Großen und Ganzen getragen und gefördert, und man darf nie verkennen, daß gerade an der Preſſe der germaniſchen Welt erſt das Weſen und der Werth der allgemeinen Bil - dung, ihre Gefahr und ihr Heil zum Verſtändniß gekommen iſt. Im Gebiete der Preſſe iſt daher hier der eigentlich ſociale Kampf gekämpft, das Recht der Preſſe iſt das wahre Recht der allgemeinen Bildung ge - worden, und damit iſt die Preſſe das Objekt dieſes ganzen Theiles der Verwaltung, ihrer Geſetzgebung und ihrer Thätigkeit. Wohl aber kann man auch hier eben aus dieſer Stellung der Preſſe heraus die beiden großen Epochen der Bewegung zur allgemeinen Bildung am deutlichſten erkennen.
Die erſte Epoche derſelben iſt nun, in Kürze bezeichnet, die der Los - löſung der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft aus der ſtändiſchen. Die ſtän - diſche Geſellſchaft enthält noch das orientaliſche Princip der Beſonderung der Berufe und der Erſchöpfung des geſammten Bildungsweſens in der Berufsbildung. Wohl ſehen wir hier das nicht germaniſche Princip der Gleichheit aller Beſtimmung ſich erhalten und innerhalb jenes Ge - bietes durchgreifen; aber die allgemeine Bildung iſt hier noch keine Bildung des Volkes, ſondern eine Gemeinſchaft der Berufsbildung in Philoſophie und Geſchichte. Wohl ſehen wir die Schola jedem offen ſtehen, aber es kann ſie am Ende doch nur der Sohn der beſitzenden Klaſſe betreten. Wohl nimmt die Kirche jeden, auch den Unfreien auf9 und der Hirtenknabe kann Papſt werden, aber die Kirche ſelbſt iſt ein Stand geworden. Erſt da, wo das Buch beginnt, beginnt eine neue Ordnung der Dinge. Erſt da fängt der Elementarunterricht an, allge - mein zu werden; erſt da ſtrömt das geiſtige Leben von der ſtändiſchen Bildung in das ganze Volk, alle Unterſchiede ausgleichend und bedeckend; erſt da entſteht die Thatſache einer allgemeinen Bildung, ohne daß ein anderes Element als das der natürlichen Entwicklung dabei thätig wäre. Und dadurch geſchieht nun das, was dieſe allgemeine Bildung in das Staatsleben und ſeine Verwaltung hineinzieht.
So wie nämlich die Anfänge der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft ſich entwickeln, entſteht ein neues öffentliches Recht, eine neue eigenthüm - liche, auf dem Weſen derſelben beruhende Geſtalt der Staatsgewalt. Wir haben ſie ihrem Princip nach die eudämoniſtiſche, ihrer Form nach die polizeiliche genannt. Die Epoche dieſer eudämoniſtiſchen Polizei erkennt ihrerſeits — ohne ſich über das geſellſchaftliche Element Rechenſchaft abzulegen — den Werth der allgemeinen Bildung. Sie weiß, daß dieſelbe nicht bloß das „ Glück “und die „ Wohlfahrt, “ſondern auch die Macht der Staaten vermehrt. Sie beginnt daher, dieſe allgemeine Bildung ſofort in den Kreis ihrer Aufgaben hineinzuziehen. Freilich erſcheint dieſe anfänglich noch der Form nach als Fachbildung; aber durch die Preſſe iſt das Feſthalten an der Beſchränkung derſelben nicht mehr möglich. Die geiſtige Welt dehnt ſich gleichſam von ſelbſt nach allen Seiten aus, und die Verwaltung iſt von ihrem Standpunkte aus gerne bereit, ihr die Hände zu reichen. Eben dadurch aber erſcheint nun die hier maßgebende Thatſache, daß dieſe Verwaltung unmittelbar nur ſehr wenig für dieſelbe zu thun vermag. Sie arbeitet vielmehr, vom eigenen Geiſte getragen, ſelbſtſtändig weiter, und in dieſer Arbeit droht ſie oft genug, dem Beſtehenden direkt gefährlich zu werden. Die „ Polizei “erfährt das bald an der Fruchtloſigkeit ihrer Bemühungen, und in der Erkenntniß, daß ſie für die Förderung dieſer Bewegung wenig leiſten kann, zieht ſie ſich nunmehr auf das eigenthümliche, leicht verſtändliche Gebiet zurück. Sie ſieht ihre Aufgabe weſentlich in der Verhinderung der Ausſchreitungen, welche den Gang der Bildung ihrer Meinung nach oder in Wirklichkeit bedrohen. Sie ſucht die immer höher gehenden Wogen der Bewegung, deren letztes Ziel ſtets die perſönliche Freiheit iſt, einzudämmen; ſie fürchtet eigentlich nicht den Strom, der ſie zum Theil ſelbſt trägt, und will ihn nicht hemmen, aber ſie fürchtet ſein Ausſchreiten über die Ufer, welche ſie ſetzen zu müſſen glaubt. Sie verſucht daher, hier im Namen der „ Obrigkeit “einzuſchreiten und die all - gemeine Bildung mit Vorſchriften und Maßregeln in Geſtalt und Grenze nach ihrem Sinn zu modeln. Sie will die Kultur; aber ſie will ſie ſo,10 wie ſie ſie verſteht; dieſelbe iſt für ſie ein Theil der allgemeinen Verwaltung und fällt unter das Recht und die Principien derſelben als ein Theil der Polizei überhaupt. So entſteht die „ Kulturpolizei, “die erſte Geſtalt der eigentlichen Verwaltung der allgemeinen Bildung, die erſte Form, in der dieſelbe dem Staate zum Bewußtſein kommt; und wieder tritt uns die Er - ſcheinung entgegen, daß noch bis zum heutigen Tage ſich dieſer Name als die eigentliche Bezeichnung des Verhältniſſes der Verwaltung zur allge - meinen Bildung erhalten hat, die Begriffe verwirrend und das rechte Ver - ſtändniß erſchwerend. Allerdings liegt der nächſte Grund dafür wohl darin, daß aus Urſachen, die bei der Darſtellung des Preßweſens ihren Platz finden, die Verwaltung ſtreng negativ gegen die Preſſe war; allein den - noch iſt die Sache ſelbſt nur als hiſtoriſche zu erklären. Erſt die eigent - liche Verwaltungslehre kann dabei den richtigen Standpunkt für das Ganze feſtſtellen.
Läßt man daher dieſe Vorſtellung des vorigen Jahrhunderts fallen, ſo ergibt ſich nun, daß das, was wir die Kulturpolizei nennen, in der That nichts anderes iſt, als das polizeiliche Element in der organiſchen Verwaltung des allgemeinen Bildungsweſens überhaupt. Es iſt daher hier wie in der ganzen Verwaltungslehre dieß Element nicht etwa bloß auf ein Gebiet beſchränkt, und noch weniger das eigentliche Weſen der - ſelben, ſondern es iſt in der ganzen Verwaltung des Bildungsweſens enthalten, denn auch die Elemente und die Berufsbildung haben ihre „ Kulturpolizei “; nur tritt es in der allgemeinen Bildung ſpecieller her - vor, und erſcheint hier als eine beſondere, auch äußerlich geſchiedene Aufgabe der Verwaltung, die wir jetzt die „ Sittenpolizei “nennen. Sie iſt die reine negative Seite dieſes Gebietes der Verwaltung. Ihr zur Seite ſteht das rein poſitive, dasjenige, in welchem die Verwaltung etwas Poſitives für ihren Zweck zu leiſten hat; und das Gebiet um - faßt die allgemeinen Bildungsanſtalten des Staats. In dem dritten und bei weitem wichtigſten Gebiet, der Preſſe, ſehen wir dagegen die wunderbarſte Erſcheinung der geſammten geiſtigen Welt, den ſich ſelbſt erzeugenden und ordnenden Proceß der allgemeinen Bil - dung, und das Verhältniß des Staats und ſeines öffentlichen Rechts zu dieſem Gebiete bildet das Preßweſen. So hat ſich aus der ge - ſchichtlichen Bewegung ein ſelbſtändiges Syſtem der Verwaltung und des öffentlichen Rechts herausgebildet; der einſeitige Begriff der Kultur - polizei iſt überwunden, und das allgemeine Bildungsweſen bildet jetzt die Erfüllung des großen Bildungsorganismus der Völker Europas, der ſeine Formulirung und ſein Recht durch die Verwaltungslehre zu empfangen hat.
11Wir können keine hiſtoriſche Entwicklung dieſes Gebietes als eines Ganzen andeuten, weil es eben keine gibt. Der Charakter aller bis - herigen Berührungen und Bearbeitungen der Frage beſteht darin, die drei Theile derſelben, welche wir angedeutet haben, geſondert zu be - handeln, und zwar ohne eine Vorſtellung von dem inneren organiſchen Zuſammenhang derſelben. Ausnahmslos iſt die Sittenpolizei, oft als eigene Kulturpolizei, ſelbſtſtändig behandelt, die Anſtalten für die all - gemeine Bildung ſind als Theile des Bildungsweſens, als einfache Zu - ſätze zu demſelben aufgefaßt, gelegentlich auch in die Kulturpolizei hinein - gezogen; die Preſſe und ihr Recht haben eine ſpäte, aber dann von jeder adminiſtrativen Beziehung zum Bildungsweſen abgeſonderte Unterſuchung erfahren. Wohl ſieht man, wie die vagen Vorſtellungen von „ Kultur “oder „ Aufklärung “im vorigen Jahrhundert und noch bis in das gegen - wärtige herein ungefähr den Gedanken enthalten, das Ganze organiſch auffaſſen zu wollen, allein während die Rechts - und Staatsphiloſophie noch bis jetzt, z. B. bei Bluntſchli und Held, bei allgemeinen Redensarten ſtehen bleiben, ohne Nutzen für das praktiſche Leben, con - denſirt ſich das Rechtsverhältniß in den Territorialrechten nach den einzelnen Geſetzgebungen, und das allgemeine deutſche Staatsrecht hat nicht einmal den Begriff der Kultur oder der Geſittung oder auch nur den der Sittenpolizei aufgenommen. Wir müſſen daher die Literatur - geſchichte auf das Einzelne verweiſen. Formell ſteht aber wohl ſchon hier feſt, daß es die Frage nach der Auffaſſung der Preſſe und ihrer organiſchen Stellung ſein wird, welche über die Auffaſſung dieſes ganzen Gebietes entſcheiden wird. Wird man daran feſthalten, in der Preſſe nur ſo weit einen Gegenſtand der Verwaltung zu ſehen als ſie Gegen - ſtand der Polizei iſt, ſo iſt dieſer ganze Theil aufgelöst. Wir unſer - ſeits vertreten unbedingt die würdigere Anſicht von derſelben, und werden ſie feſthalten müſſen.
Es iſt allerdings Sache der freien Selbſtbeſtimmung, die eigenen Handlungen mit der Sittlichkeit in Harmonie zu bringen. Die Straf - loſigkeit derſelben aber, ſo wie ſie in die Oeffentlichkeit treten, enthält eine Negation ihrer Strafbarkeit; durch ſie wird das, was für den Ein - zelnen unrecht iſt, für alle als zuläſſig geſetzt. Die ſittliche Ordnung12 iſt ein Gut der Gemeinſchaft; ſie ſchützt dieſelbe, indem ſie Handlungen ſtraft, welche ſie öffentlich verletzen. Darüber ſind alle Zeiten und Völker im Princip einig. Die Frage iſt nur die, ob es eine Gränze zwiſchen den bloß zu verhindernden und den zu beſtrafenden Handlungen gibt, und zweitens, wer dieſe Gränze ſetzen ſoll. Und in dieſen Punkten liegt die Geſchichte der Sittenpolizei.
Die Sittenpolizei umfaßt die Geſammtheit der Maßregeln, welche in allen Handlungen der Einzelnen das die öffentliche Sitte verletzende Element beſeitigen. Sie trägt daher, neben ihrer Berechtigung, die Gefahr in ſich, zugleich die Freiheit des Einzelnen von dem Geſichts - punkt jenes Elementes aus zu beeinträchtigen. Je beſtimmter ſich daher die individuelle Freiheit entwickelt, um ſo mehr tritt das Bedürfniß auf, die Gränze des Rechts und des Unrechts in der öffentlichen Handlung des Einzelnen objektiv ſo feſt zu ſtellen als möglich. Der Gang der Rechtsbildung dieſer Sittenpolizei beruht daher im Großen und Ganzen zunächſt darauf, daß zuerſt die Geſchlechter und dann in der ſtändiſchen Geſellſchaft die Körperſchaften dieſe Polizei der von ihnen geforderten Sitte ſelbſt ausüben, während mit dem Auftreten der polizeilichen Epoche die Regierung als verordnende Gewalt einſeitig zugleich Geſetzgebung und Vollziehung in die Hand nimmt. Das Charakteriſtiſche in dieſer Epoche iſt, daß ſich die „ öffentliche Sitte “in ihr nicht mehr durch das ſittliche Bewußtſein des Volkes, ſondern durch die theoretiſche Auf - faſſung des Eudämonismus und ſeiner Wohlfahrtspolizei beſtimmt. Mit dieſem Eintreten der Polizeigeſetzgebung entſteht das, was man die zweite Geſtalt oder Epoche der Sittenpolizei nennen kann. In ihr übernimmt die Regierung die Aufgabe der alten Geſchlechter und ſtän - diſchen Körperſchaften, und zwar zum Theil in feindlicher Weiſe gegen dieſelben gerichtet, wie ſie überhaupt die Gegnerin jeder Selbſtverwal - tung iſt. Jetzt beginnt daher jene Reihe von Verordnungen und Maß - regeln, in welchen die junge Polizei mit der beſten Abſicht auf das Tiefſte in das Leben der Völker hineingreift und auf allen Punkten die Sitte theils durch ihre Verordnungen, theils durch Maßregeln vor dem Verderben zu bewahren oder das Publikum gegen ſie zu ſchützen ſucht. Dieſe Polizei - geſetze bilden kein äußerliches Ganze, ſondern ſind vielfach mit rein ſicher - heits - und geſundheitspolizeilichen Vorſchriften verwoben; ſie haben auch ſehr wenig genützt und gegenwärtig nur noch antiquariſchen Werth. Im Großen und Ganzen aber bedeuten ſie den Proceß, in welchem ſie die Unterordnung der Sitte unter die Herrſchaft der Geſchlechter und Stände auflöst, und die freie individuelle Bewegung in Mode, Lebens - weiſe und Umgangsformen an die Stelle der genoſſenſchaftlichen Ueber - wachung tritt. Die polizeiliche Sittenordnung bildet in dieſer Bewegung13 nur ein Moment; ſie ſelbſt gehört im Großen und Ganzen der Bil - dung der freien ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft und drückt das Werden der letzteren auf dem Gebiete aus, auf welchem jene Platz gewinnen muß, um ſich zu verwirklichen, auf dem Gebiete der individuellen Lebens - formen. Sie muß daher als ein Theil der geſammten Sittengeſchichte betrachtet werden; das polizeiliche Recht, unmächtig gegen ſie, unfähig die alte „ Sitte “zu erhalten, zum Theil aber auch feindlich gegen ihre Ausſchreitungen, ſieht ſich allmählig auf einen immer engeren Raum zurückgedrängt. Schon am Ende des vorigen Jahrhunderts iſt ſie in der That nur noch Polizei der Unſitte, und ſchreitet nur da ein, wo wirkliche Vergehen gegen die Sittlichkeit ſtatt ſolcher gegen die Sitte vorliegen. Allein damit entſtand nun die Frage, nach welchem Rechts - titel dieſes Auftreten und Eingreifen der Polizei gegen den Einzelnen ſtattfinde. Das junge Staatsbürgerthum, der Polizei ohnehin nicht hold, will ſich ihr nicht unterwerfen, wo nicht beſtimmte Geſetze vorliegen. Die Willkür verſchwindet aus dem Strafrecht überhaupt, und damit auch aus dem Polizeirecht, und mit der Idee des Rechtsſtaates entſteht auch hier die Frage nach der Herſtellung eines poſitiven Sittenpolizei - rechts an der Stelle der polizeilichen Willkür. Mit dieſer Frage beginnt die dritte, gegenwärtige Geſtalt der Sittenpolizei.
Dieſe nun ſchließt ſich an die Geſchichte des Polizeiſtrafrechts im Allgemeinen, wie wir ſie im Polizeirecht angegeben haben. Der leitende Grundgedanke iſt der, daß niemand ohne ein Geſetz zu irgend einer Strafe verurtheilt werden kann. Die Ueberzeugung von der Noth - wendigkeit der Sittenpolizei bleibt; aber jener Grundſatz zwingt nun die Regierungen, die Beſtimmungen der letzteren zum geltenden geſetz - lichen Recht zu machen. Wir haben die beiden Grundformen, in denen dieß geſchehen iſt und geſchieht, bezeichnet. Die eine iſt die franzöſiſche, welche das ganze Polizeiſtrafrecht, alſo auch das Sittenſtrafrecht in die eigentliche Strafgeſetzgebung als Theil derſelben aufnimmt. Die zweite iſt die deutſche, welche mit viel richtigerem Verſtändniß für daſſelbe ein eigenes Polizeiſtrafgeſetzbuch erläßt. Wir haben das Ver - hältniß beider an ſeinem Ort dargeſtellt. Die Sittenpolizei des vorigen Jahrhunderts iſt damit verſchwunden, und es tritt an ihre Stelle das Sittenſtrafrecht. Daſſelbe gehört jetzt der Strafrechtswiſſenſchaft; das iſt ſein Charakter in dieſer dritten Epoche; und jetzt muß uns die Frage entſtehen, ob es dann noch überhaupt eine eigentliche Sittenpolizei neben dieſem Strafrecht der Unſittlichkeit gebe, und wenn, wo für dieſelbe in Beziehung auf das letztere die Gränze zu ſuchen ſei. Die Antwort auf dieſe Fragen enthält das Princip der eigentlichen Sittenpolizei unſerer Gegenwart.
14Dieſe Antwort liegt ihrerſeits in dem Begriff und Weſen des Strafrechts und der Polizei ſelbſt. Das Strafrecht der Unſitte be - ginnt da, wo eine beſtimmte einzelne, vom Geſetz mit Strafe belegte Handlung der Unſitte vorliegt, und zwar gilt das vom eigentlichen ſowohl als vom Polizeiſtrafrecht. So lange dieß nicht der Fall iſt, kann kein ſtrafrechtliches Verfahren eintreten. Das Gebiet der Sitten - polizei dagegen beginnt da, wo eine Handlung oder ein Zuſtand vor - liegen, welche die Gefährdung der öffentlichen Sitte enthalten, ohne ein Recht zu verletzen, und ohne vom Strafrecht verboten zu ſein. Das Recht der Polizei geht in dieſen Fällen allerdings dahin, ſolche Zuſtände und Handlungen zu verbieten, eventuell ſie mit der ihr zuſtehenden Zwangsgewalt auch zu beſeitigen, niemals aber dahin, dieſelben zu beſtrafen. Die Aufgabe des Strafrechts in jeder Geſtalt geht dabei dahin, der Polizei ſo wenig als möglich der eigenen Willkür zu über - laſſen; allein ganz kann er alle Fälle niemals in ſich aufnehmen. Indeß hat dieſer Proceß, der ſeinerſeits einen Theil der Entwicklung des ſtaatsbürgerlichen Rechts bildet, das reine Polizeirecht ſchon jetzt auf ſeine äußerſten Gränzen zurückgeführt, und es iſt daher jetzt nur noch wenig für daſſelbe übrig geblieben. Nur die alten Kategorien erhalten ſich; ihren Inhalt aber muß jetzt weſentlich die Strafrechtslehre aus - füllen.
Jede der drei angeführten Hauptgeſtaltungen der öffentlichen Sitten - polizei hat ihre Form der Geſetzgebung in Deutſchland, das eben deß - halb wohl allein eine eigentliche Geſchichte derſelben hat, während Eng - land und Frankreich, und mit dem letzteren alle Länder der Codification nach franzöſiſchem Recht eine ganz andere Stellung einnehmen.
Was zunächſt England betrifft, ſo gilt hier formell allerdings der Grundſatz, daß niemand anders als durch Urtheil und Gericht nach vorher - gegangenem Verfahren vor dem ordentlichen Richter beſtraft werden, und daß keine Polizei ohne geſetzliche Grundlage gegen den Einzelnen verfahren dürfe. In der Wirklichkeit aber wird dieſe Vorſchrift zu einem Sittenpolizeirecht ſehr leicht umgeſtaltet, indem die Polizei die Einzelnen ohne Weiteres in Haft nimmt (ſ. unten Polizeirecht) und die Richter gerade im Gebiete der Sittenpolizei ziemlich rückſichtslos verfahren, ſpeziell wo es ſich um Unzucht handelt. Bei dem Mangel einer beſtimmten Geſetz - gebung iſt es wohl ſchwer, etwas weiteres poſitiv zu ſagen, als was wir im Polizeirecht aufgeführt haben. Die ſpeciellen Geſetze führen wir unten an; einen ſchlagenden Beweis aber für die engliſchen Auf - faſſungen und Zuſtände bietet wohl die Stockprügelordnung vom Jahre 1861 (25 Vict. c. 18), wornach die Zahl der Stockprügel,15 welche den juvenile and other offenders — offenbar diejenigen, die gegen die Sittlichkeit Aergerniß geben, vorgeſchrieben werden; bei weniger als vierzehn Jahren ſollen nicht mehr als zwölf Streiche gegeben werden, und ſoll der Stock von Birkenholz ſein. In Schottland werden dagegen die Betreffenden gepeitſcht; doch ſoll nach demſelben Geſetz niemand mehr als einmal für daſſelbe Vergehen gepeitſcht werden (ſ. Auſtria 1864 S. 373). Das legt die Frage wohl wieder nahe, ob die körperlichen Züchtigungen unbedingt zu verurtheilen ſind. Im übrigen haben allerdings die Polizeiorgane ſich ſtrenge nach den Ge - ſetzen zu halten. Literatur und Jurisprudenz exiſtirt darüber nicht.
Frankreich dagegen hat den Grundſatz, daß nur dasjenige be - ſtraft werden kann, was im Code Pénal verboten iſt, ſtrenge durch - geführt. Eine Sittenpolizei exiſtirt hier daher nur bei Gaſthäuſern. Im Uebrigen handelt es ſich dann um die Auslegung der Art. 471 ff. durch die Police correctionelle.
In Deutſchland beginnt das polizeiliche Element des Kampfes gegen die Unſitte ſchon mit dem 16. Jahrhundert, und hier bereits ſcheidet ſich das Sittenſtrafrecht von der Sittenpolizei. Es iſt eins der großen Verdienſte der Con. C. Carolina, zuerſt das erſtere in ganz beſtimmter Weiſe für gewiſſe Vergehen formulirt zu haben; allein der Standpunkt, den ſchon damals die Regierungen einnahmen, war ein viel allgemeinerer. Schon die Urheber der ältern Reichspolizeiord - nungen erklärten, ihr Hauptzweck ſei „ die Ausreutung vieler unleidlicher ſträflicher Laſter, und die Pflanzung und Aufbauung guter Sitten, Ehrbarkeit und Tugend. “ (Reichsakten 1551 §. 70, Berg, Polizei - reicht III. Bd. S. 6.) Dieſer Gedanke lebt fort; aus dem Vorgange der Con. C. Carol. geht die Aufnahme der groben Vergehen in die ein - zelnen Landesſtrafgeſetzbücher des 17. und 18. Jahrhunderts hervor, aus dem Princip der verſchiedenen Reichspolizeiordnungen der Gedanke, daß die „ Obrigkeit “auch ohne beſtimmte Geſetze berechtigt ſei, mit Strafen einzugreifen, da ſie zugleich Gericht und Polizei war. Die Staatslehre des 18. Jahrhunderts formulirt dieſen Gedanken beſtimm - ter, und während die Reichspolizeiordnungen noch beſtimmte ſtändiſche Unterſchiede machen, führt jene ihre Principien ſchon ganz allgemein aus. Den im Grunde tiefen ethiſchen Standpunkt zeigen Arbeiten wie Benſen, Grundriß der reinen und angewandten Staatslehre, Abth. 2. 67; ebenſo Berg, Polizeirecht III. S. 6 und Bd. IV. Abth. 2, S. 810; ſogar juriſtiſch ward die Sache in das Staatsrecht aufge - nommen (Kretſchmann, Lehrbuch des deutſchen Staatsrechts §. 450) und als Aufgabe der Polizei anerkannt Heumann (Jus. pol. c. 21). Ebenſo erklärte ſich die Polizeiwiſſenſchaft, Juſti, Bd. II. Buch XI. 16(Begriff der „ bürgerlichen Tugenden und ihr Werth “) und Bd. XI. S. 45 (Ueppigkeit und Luſtbarkeiten); Schlettwein, Unterſuchung, wie die Polizei rühmliche Sitten eines Volkes bilden und erhalten kann (1764); Fiſcher, von der Polizei und dem Sittengeſetz (1767). Allerdings war davon die Folge ein mächtiges, allſeitiges Uebergreifen der Sitten - polizei, die ſich immer ſelbſt ihre Gränze ſetzte, Unmuth über dieſelbe, und am Ende Beſeitigung ihrer Verordnungen; doch blieben die Ver - brechen und ſchweren Vergehen, und die ſittliche Auffaſſung der Auf - gabe der Obrigkeiten erhielt ſich faſt ganz in der alten Form bis in unſer Jahrhundert hinein, wo ſie ſich mit der Idee der „ Aufklärung “verſchmilzt, und zur negativen aber unbeſtimmten Seite der „ Innern Vervollkommnung und Ausbildung des Volkes “wird (Jacob, Polizei - wiſſenſchaft §. 146 ff. 1809), während andere, gleichfalls von dem Geiſt der damaligen Zeit erfaßt und in der edleren Sitte die Hoffnung der Zukunft des deutſchen Volkes erkennend, die Sitten geradezu zu einem Gegenſtand poſitiver Geſetzgebung machen wollen, wie (Eberſtein) Ent - wurf eines Sitten - und Strafgeſetzbuches (1793), Reitzenſtein, über die Sittenveredlung durch beſſere Geſetze (1798) u. a. Die entſtehende Idee des Rechtsſtaates und ſein großes Princip der individuellen Frei - heit macht nun natürlich das Verfolgen dieſer Richtung unmöglich; das erſte Zeichen der neuen Geſtalt iſt das Verſchwinden derſelben aus dem Staatsrecht, in dem weder Gönner noch Klüber, weder Aretin noch Häberlin, weder Leiſt noch Maurenbrecher derſelben erwähnen; und dieß Aufgeben jenes Gebietes iſt mit gutem Recht geblieben. Statt deſſen beginnt nun weſentlich nach franzöſiſchem Vorgang die Polizeiſtrafgeſetz - gebung zu einem integrirenden Theile der Strafgeſetzbücher zu werden, wie in Preußen und Oeſterreich, und die Darſtellung einer eigenen „ Sittenpolizei “verſchwindet; auch das Erſcheinen der Polizeiſtrafgeſetz - bücher von Württemberg, Bayern und Baden konnte ſie nicht wieder ins Leben rufen. Die Sittenpolizei iſt jetzt eine Sache der Strafrechts - lehre geworden, und ſelbſt in lauter Detail aufgelöste Staatsrechts - lehren wie die von Zöpfl haben ſie aus ihrem Geſichtskreis verloren, trotz der lebhaften Anklänge an die Idee des Staats, und trotz der Paragraphirung der Staatsbegriffe. Das war ein Fortſchritt, allein der Untergang des ethiſchen Momentes hätte zugleich großen Nachtheil gebracht, wenn nicht einerſeits die neu entſtehenden territorialen Ver - waltungsrechte, wie namentlich Mohl (im württembergiſchen Verwal - tungsrecht), Rönne, Pözl, Funke, Stubenrauch die poſitiven Geſetze lebendig erhalten hätten, bis Mohl in ſeiner Polizeiwiſſenſchaft Bd. I. Cap. 3 dem ganzen Gebiete ſeine organiſche Stellung in der Lehre vom geiſtigen Leben oder dem Bildungsweſen wiedergab. Damit iſt denn17 wohl auch definitiv jetzt Stellung und Aufgabe des Gegenſtandes ge - ſichert; die Sittenpolizei iſt von da an ziemlich unbezweifelt ein Gebiet des Verwaltungsrechts, und zwar des Bildungsweſens, und mit rich - tigem Inſtinct daher ſowohl von der frühern großartigen, als der jetzigen breiten und nicht mehr unbequemen Staatsphiloſophie Bluntſch - lis, Helds und anderer unberührt zur Seite geſchoben.
Die Polizei der Unzucht iſt in mehr als einer Beziehung der ſchwierigſte Theil der Sittenpolizei; denn bei ihr iſt von jeher Princip, Gränze und Ausführung am meiſten ſtreitig oder doch unbeſtimmt ge - weſen. Die Elemente des Rechts - und Polizeiverhältniſſes derſelben dürften aber im Weſentlichen folgende ſein.
Die Beziehung der Geſchlechter zu einander iſt ein natürliches Element des perſönlichen Lebens, das aber die höhere ethiſche Beſtim - mung hat, durch die körperliche Vereinigung die innige Verſchmelzung des geſammten Lebens hervorzubringen, und damit das höchſte Princip aller menſchlichen Entwicklung, die Einheit der ſelbſtändigen Perſönlich - keiten, auf ein materiell gegebenes Verhältniß zu baſiren. Vor dieſer Idee erſcheint daher jede phyſiſche Vermiſchung der Geſchlechter als eine Unſittlichkeit. Allein die Entwicklung dieſer ethiſchen Unſittlichkeit zur rechtlichen, auf die es hier ankommt, beruht auf ganz beſtimmten Gründen und hat daher auch in den verſchiedenen Zeiten ganz beſtimmte Formen angenommen.
Alles Recht der Unzucht hat nämlich zwei Gebiete, welche ihrer - ſeits in der Natur der leiblichen Vermiſchung ſelbſt liegen. Das eine beruht auf dem rein thieriſchen Element der Befriedigung des Geſchlechts - triebes, bei dem der Gegenſtand ſelbſt kein Menſch, oder kein Erwach - ſener, und deſſen Form die des Thieres, die volle Oeffentlichkeit iſt. Hier iſt das perſönliche Element ganz dem natürlichen unterworfen, und damit ſeines Weſens entkleidet. Daher haben wohl alle Nationen und Zeiten die Sodomie, die Unzucht mit Unmündigen und das öffentliche Aergerniß als Verbrechen und Vergehen anerkannt. Es iſt das an und für ſich kein Gegenſtand der Polizei, ſondern des Strafrechts.
Wo es ſich dagegen zweitens um die Befriedigung des Geſchlechts - triebes in ihrem natürlichen Wege handelt, beginnt das, was wir die Rechtsgeſchichte der Unzucht nennen möchten.
Der erſte allgemeine Grundſatz dieſes Rechts beruht darauf, daß die Ehe heilig ſein ſoll. Wo es ſich dagegen nicht mehr um die Ehe handelt, fehlt anfänglich der Begriff und ſomit auch das Recht derStein, die Verwaltungslehre. VI. 218Unzucht; die Unehre iſt nur eine Unehre des Weibes, weil ſie auf das Geſchlecht fällt, das nur durch Ehre beſteht. Der Mann iſt weder ſtraf - bar noch unehrlich. Das iſt das Geſchlechterrecht der Unzucht.
In der ſtändiſchen Welt werden die Ideen der Geſchlechtsordnung auf die Körperſchaften übertragen, und dieſe werden jetzt das Organ, welches die Sitte wahrt und die Ehe ſchützt. In ihr aber tritt eine neue Erſcheinung auf. Die alte germaniſche Thatſache, die ſchon Tacitus erwähnt, daß die Germanen ſtrenge Zucht und Sitte gehalten, und die namentlich durch die Völkerwanderung faſt vernichtet war, tritt jetzt in der Kirche wieder als Reflexion auf, und erzeugt hier den erſten ethiſchen Begriff der Unzucht und Unſittlichkeit. Es iſt natürlich, daß anfänglich nur die Kirche ſtraft, was ſie ſelbſt zum Vergehen gemacht hat. Damit entſteht das vermeintliche Strafrecht der Unſittlichkeit, das aber den ſtändiſchen Charakter hat, indem es nur von einem Stande ausgeht, und nur von einem Stande vollzogen wird. Neben demſelben beſteht dann namentlich in den Dörfern das alte Geſchlechts - recht mit ſeinem, wir möchten ſagen Dorfſtrafrecht der Unſitte fort. Es iſt ein bunter, zerfahrener Zuſtand, der noch ſeiner Darſtellung entbehrt. Es wird erſt anders in der neu entſtehenden Epoche des Polizeirechts.
Dieſe nun tritt auf mit der Carolina, der auch hier die Bamberg. Halsgerichtsordnung Art. 141 — 148 faſt wörtlich vorauf geht. Dieſelbe beſtimmt eigentlich in ihren Art. 116 — 124 nichts Neues, ſondern formulirt im Grunde nur, was namentlich das kanoniſche Recht bereits feſtgeſtellt hat. Die Literatur, die ſich an dieſe Artikel ſeit 1640 anſchließt, iſt daher auch vorwiegend eine rein juriſtiſche. Allein das bedeutende iſt, daß der Kampf mit dieſem Verbrechen von da an als Sache des Staats angeſehen wird. Damit tritt zuerſt das polizeiliche Element neben das ſtrafrechtliche hin mit ſeinem ſpecifiſchen Polizeirecht, und zwar in der Weiſe, daß Bigamie, Inceſt und Concubinat weſentlich von kirchlichen, die Nothzucht nach wie vor vom rein ſtrafrechtlichen, die Hurerei und Kuppelei dagegen vom polizeilichen Standpunkt, letz - teres namentlich nach dem Vorgange des römiſchen Rechts allmählig in das an die Con. Cr. Carolina ſich anſchließende ſyſtematiſche Strafrecht des 18. Jahrhunderts hineingezogen werden. Damit denn entſteht die erſte eigentliche Sittenpolizei neben dem Recht der Unzucht. Die Gränze liegt wohl, nach römiſchem Begriffe, auf dem Punkte, daß die polizeiliche Erlaubniß bei öffentlichen Mädchen denkbar iſt, während alle andern Verbrechen, ebenſo die Kuppelei nach Art. 147 der Carolina, unbedingt als ſtrafbar angeſehen werden. Und dieſe Gränze zwiſchen Strafrecht und Polizei, bis zu einem gewiſſen Grade in der Natur der19 Sache gelegen, hat ſich bis auf die Gegenwart erhalten, indem ein zweites, weſentliches Moment hinzutrat.
Offenbar gibt es gar keinen Grund, der die in der Carolina aufgeſtellten Fälle der Unzucht als ſtraflos erſcheinen laſſen könne. Allein ſo wie die wirthſchaftlichen Verhältniſſe die Gründung der Ehen ſchwer machen, erſcheint es eben ſo ſchwer vermeidlich, die öffentlichen Mädchen gänzlich zu beſeitigen. Das nun iſt namentlich in den Städten der Fall, in denen ſogar die Zunftverhältniſſe und das ſtrenge Recht der Niederlaſſung die Ehen verhindern. Hier beginnt daher jetzt ein eigenthümlicher Kampf der Polizei mit der Unzucht, wie er ſchon in Rom vorhanden war, und hier bildet ſich daher auch das Recht der Sittenpolizei. Der Inhalt deſſelben beruht auf dem kirchlichen Grund - ſatz, daß niemand öffentliches Aergerniß geben ſoll, und auf dem poli - zeilichen, der Oberaufſicht über die feilen Mädchen. Formell beſteht das Verbot der letztern fort; es wird formell auch in den Strafrechts - lehren fortgeführt; in Wirklichkeit aber gilt der Grundſatz der römiſchen Dirnenpolizei mit Conceſſion des Aedilis, Steuer und Unterſuchung, und dieſer Grundſatz bleibt ſelbſt in der Epoche der neuen Strafgeſetz - gebung beſtehen. Dieſe Strafgeſetzgebung hat, unter Beibehaltung des Strafrechts für alle andern Fälle, dieß öffentliche Dirnenweſen aus der Strafgeſetzgebung weggelaſſen, und zwar nach Muſter der franzöſiſchen Geſetzgebung, die eine Aufgabe der Ortspolizei daraus machte. Dieſer Standpunkt iſt nun der allgemein geltende und allein durchführbare. Derſelbe bildet daher jetzt das eigentliche Gebiet der Unzuchtspolizei im ſtrengen Gegenſatz zum Unzuchtsrecht, das nach wie vor im Straf - recht ſeinen Platz ſich erhielt. Dieſe Polizei hat ſogar ihr eigenthüm - liches Syſtem von Fragen entwickelt, die allerdings mehr geeignet ſind zu einer praktiſchen als zu einer theoretiſch-ſyſtematiſchen Erledigung. Das erſte Gebiet dieſer Fragen gehört der Geſundheitspolizei und der Gefahr der Anſteckung an, und iſt unter Syphilis bereits im Geſund - heitsweſen dargelegt. Das zweite bewegt ſich in etwas unentſchiedener und unbeſtimmter Weiſe auf dem Felde des öffentlichen Aergerniſſes, und enthält namentlich die Frage nach der Zweckmäßigkeit der Bor - delle. Die Gründe für die polizeiliche Zuläſſigkeit beſtehen in der Möglichkeit der ſanitären und ſonſtigen Ueberwachung; die Gründe dagegen theils in der Abwehr des Aergerniſſes, aber wohl weſent - lich in der wichtigen Wahrheit, daß nicht die Bordelle ſelbſt das eigent - lich bedenkliche Moment ſind, ſondern vielmehr die durch dieſelbe unver - meidlich werdende und doch uncontrolirbare Entwicklung einer ſyſte - matiſch organiſirten Kuppelei mit ihren Verführungen zum Eintritt in die öffentlichen Häuſer. Aus dieſem Grunde kämpfen die intelligenten20 Städte mit vollem Rechte gegen dieſelben, und die Aufgabe der Un - zuchtspolizei neben der des Strafrechts iſt es jetzt, die Proſtitution in jedem einzelnen Falle ſo viel als möglich zu hindern, ſie ſanitätiſch zu überwachen und das Uebel zu beſſern. Die Ausführung dieſer Auf - gaben iſt dabei naturgemäß eine örtliche.
Die Geſchichte des Strafrechts, ſowohl im Allgemeinen, wie ſie Roßhirt gegeben hat (ſpeziell in Beziehung auf Fleiſchesverbrechen Bd. III. S. 79 ff. ), als die hiſtoriſchen Daten bei den einzelnen Criminaliſten, wie Mittermaier u. a., theils in den Syſtemen, theils in den Commentaren, hat ſtets das polizeiliche Element mit dem ſtraf - rechtlichen verſchmolzen, und daher die Sache im Grunde anders dar - geſtellt, als ſie wirklich war, da die Strafe für Unzucht gar nicht in der Carolina und Bamberg. Halsgerichtsordnung enthalten iſt. Die Criminaliſten aber wollten der unter Umſtänden und je nach Befinden ſtrafenden Polizei denn doch einen Rechtstitel geben und behielten dieß Beſtreben bei, auch nachdem die neuen Strafgeſetzgebungen die einfache Unzucht nicht beſtraften (jedoch in früherer Zeit mit Ausnahme des öſterreichiſchen Polizeigeſetzes über Polizeiübertretungen, in neuerer Zeit des bayriſchen Polizeiſtrafgeſetzbuches Art. 97). Den Standpunkt des Code Pénal (Art. 330) hat eigentlich ſchon das preußiſche Landrecht §. 992 ausgeſprochen; das ſächſiſche Geſetzbuch iſt weit beſtimmter, indem es auch die gewöhnliche Unzucht als Vergehen ſtrafbar macht, wenn ſie als „ Gewerbe “betrieben wird oder „ öffentliches Aergerniß “gibt (Art. 305. 309).
Die Polizeigeſetzgebung iſt hier ziemlich unbedeutend, wie es in der Natur der Sache liegt. England hat in neueſter Zeit ein Geſetz über die Zulaſſung von Disorderly houses in einzelnen See - ſtädten erlaſſen (21. 22. Vict. 24). Frankreich überließ die Sache ſchon durch organiſches Geſetz vom 19 — 22. Juli 1791 der autorité muni - cipale und überwies dann die Polizei der Präfectur (Decret vom 5. Mai 1855). In Oeſterreich ſind die betreffenden Beſtimmungen in Stubenrauch, Verwaltungsgeſetzkunde Bd. II. S. 424; für Preußen ſ. Rönne Bd. II. S. 343, wo die betreffenden polizeilichen Inſtruc - tionen enthalten ſind; für Bayern: Pözl, Verwaltungsrecht §. 109; Württemberg (ſehr ſtrenge): Mohl, Verwaltungsrecht §. 219; Polizeiſtrafgeſetzbuch Art. 52. Die weitläuftige Literatur über die Proſti - tution wiederholt ſich faſt immer, im Grunde ohne etwas recht Neues und ſpeziell ohne etwas polizeilich Praktiſches zu ſagen. (Vergl. Mohl, Polizeiwiſſenſchaft I. §. 89.)
Erſt mit der Epoche des Eudämonismus beginnt die theoretiſche Anerkennung des Satzes, daß die Unmäßigkeit aller Art ein öffent - liches Uebel ſei, und erſt mit der polizeilichen Epoche beginnt der Verſuch, den bisher nur auf kirchlichem Gebiete geführten Kampf durch die Polizei aufzunehmen. Die Unmäßigkeit, bis dahin nur Sünde, wird jetzt als etwas Schädliches anerkannt, und damit wird ihr Begriff und das polizeiliche Verbot nunmehr zu einem ſyſtematiſch ausgebildeten gegen alle Arten der Unmäßigkeit. Bezeichnend ſind dabei die Verbote der großen Hochzeitsgelage und die Kleiderordnungen ſeit dem 16. Jahr - hundert, deren Zweck nicht ſo ſehr die Verhütung der perſönlichen Unmäßigkeit oder der Schutz der öffentlichen Zucht, als vielmehr ein volkswirthſchaftlicher iſt. Erſt mit dem vorigen Jahrhundert tritt mit der Polizei der öffentlichen Trunkenheit, ſo wie mit der der Schenkſtuben die Zuchtpolizei an die Stelle der volkswirthſchaft - lichen Polizei; die erſte von dem Standpunkt, daß nur die Oeffentlich - keit der Trunkenheit, die zweite von dem, daß die Verleitung dazu in dem Offenſtehen der Schenkſtuben verhindert werden müſſe. Weiter als bis zu dieſer Verhinderung geht das Recht der Polizei der Un - mäßigkeit nicht; zugleich greift in das erſtere die Sicherheits -, in das zweite die Gewerbspolizei hinein; doch iſt das Recht ſelbſt meiſt Ver - ordnungsrecht, und die Vollziehung eine rein örtliche. Dabei ſteht feſt, daß namentlich wo der Beſuch von Schenkſtuben einmal wirklich ver - boten iſt, die Uebertretung beſtraft werden muß.
England. Im Allgemeinen iſt dieſer Theil den bye laws der Gemeindeverwaltungen überlaſſen; doch ſind einzelne maßgebende Ge - ſetze erlaſſen. Die erſte Wirthshausordnung war das St. 9. Georg IV. c. 58; verbeſſert durch 16 — 17 Vict. 67. Die gegenwärtig geltenden iſt das St. 25 — 26. Vict. 35. Darnach muß die Anlage jedes Wirths - hauſes von dem Friedensrichter genehmigt werden; die Genehmigung wird dann den Steuerbehörden mitgetheilt, und dann erſt folgt die Conceſſion. Gegen die letzteren können die Nachbarn ſich beim Frie - densrichter beſchweren, was in öffentlicher Verhandlung geſchieht. Die örtliche Behörde (Chief magistrate) kann das Schenkhaus von der Polizeiſtunde befreien (Auſtria 1864, S. 473). Nach 28. 29 Vict. 77. kann ſogar jeder Friedensrichter ein öffentliches Haus polizeilich nach Ermeſſen ſchließen (Public houses Closing Act 1865. (Auſtria 1866.)
22Frankreich. Grundſatz, aufs Neue im Geſetz vom 18. Juli 1837 ausgeſprochen, daß der Maire das Recht hat, „ de publier de nouveau les lois et règlements de police et de rappeller les citoyens à leur observation. “ Daher iſt die ganze Polizei der Unmäßigkeit Sache der Mairie, welche durch die Commissaires de Police darüber wacht (ſ. auch Block v. Police).
Deutſchland. Geſchichte der Unmäßigkeitsgeſetzgebungen aller Art in den verſchiedenen deutſchen Staaten - und Rechtsgeſchichten; die Auffaſſung des vorigen Jahrhunderts am beſten bei Juſti; die Unmäßig - keitspolizei und Kleiderordnungen weſentlich als Luxuspolizei; Kampf gegen den Luxus (12. Buch, Hauptſtück 45). Einfluß der Phyſiokraten; namentlich Mirabeau, L’ami des hommes p. 176. Ueber Feſte ſ. unten. Dagegen noch Kleiderordnungen und Hausordnungen „ auf proteſtantiſch-religiöſer Baſis. “ (Buckle, Geſchichte der Civiliſation Bd. II. 60 — 63; ſ. auch Berg, Polizeirecht Bd. III. S. 6.) Eine aus - führliche und ſehr gute Darſtellung dieſer ganzen frühern Geſetzgebung für Hannover von H. Bodemeyer, Hannövr. Rechtsalterthümer Bd. I. ſ. I. Beitrag: die Luxus - und Sittengeſetze. 1857 (leider zu ſehr auf das ſtreng juriſtiſche Element beſchränkt); wie bedeutend könnten ſolche Abhandlungen für die ganze innere Geſchichte werden, wenn ſie mit ihrer quellenmäßigen Gründlichkeit den weiten hiſtoriſchen Blick Ro - ſchers und die geſchmackvolle Behandlung eines Freytag verbänden!
Oeſterreich. Stubenrauch, Verwaltungsgeſetzkunde II, §. 248.
Preußen: Rönne II, 347. Trunkſucht und Strafe daſelbſt im Strafgeſetzbuch §. 119. Bayern. Pözl, Verwaltungsrecht §. 109. Allenthalben ſcheint der Grundſatz durchgeführt, daß das Princip der ausſchließlichen Berechtigung genehmigter Schenkhäuſer zum Aus - ſchenken von geiſtigen Getränken eine weſentlich culturpolizeiliche Maß - regel ſei (ſiehe die Gewerbeordnung von Oeſterreich, Preußen, die bayriſche Verordnung vom 25. September 1841). Neue Polizeiſtrafge - ſetze gegen Trunkenheit und Wirthshausbeſuch preußiſches Strafgeſetz - buch §. 98. 99.) Richtiger im badiſchen Polizei-Strafgeſetzbuch §. 76 polizeiliche Entfernung und einer Strafe bei „ Gefährdung der Sicher - heit dritter Perſonen “und §. 99 bei Trunkenheit und Verrichtungen, die „ Gefahren für Leben und Geſundheit enthalten. “ Verbotener Wirthshausbeſuch §. 77.
Auch die Erkenntniß der Nothwendigkeit des Verbotes der Haſard - ſpiele tritt auf mit der eudämoniſtiſchen Verwaltungslehre; namentlich23 aber das 18. Jahrhundert iſt reich an polizeilichen Verboten, die freilich zum Theil mit der Regalität des Lottos zuſammenhängen. Die Wahr - ſcheinlichkeitsrechnung gab das materielle Motiv (Buffon: „ tout joueur est un fou, dont on est convenu de ne pas se moquer “). Das unſelige Staatslotto flüchtete ſich hinter die Behauptung, daß der Trieb des Spieles unwiderſtehlich ſei; die Belaſſung der öffentlichen Spiel - banken hat mit vollem Recht den Unwillen des Volkes erregt; bei alledem aber iſt der Verſuch, die Haſardſpiele bis in die Sphären der privaten Geſelligkeit zu verfolgen, mit dem vorigen Jahrhundert ſo ziemlich in den Grundſatz übergegangen, den gewerblichen Betrieb deſſelben zu verfolgen und zu beſtrafen, indem derſelbe geradezu als ein Verbrechen in die Strafgeſetzbücher aufgenommen iſt.
Frankreich. Unterſcheidung der jeux clandestins und der jeux publics; Strafe: Code Pénal (Art. 410. 175. 478). Unter der Con - stituante werden nur noch die Spielhäuſer verboten; das Decret vom 24. Juni 1806 verbot ſie gleichfalls zwar in ganz Frankreich, geſtattete jedoch Erlaubniß für einzelne Ausnahmen; der Code Crim. hob nach Römiſchem Recht das Klagrecht auf. Die Geſetze von 1818 und vom 19. Juli 1819 belegten die conceſſionirten Häuſer mit Abgaben (5½ Millionen in Paris), bis endlich das Geſetz von 1836 alle öffentlichen Spiele in Frankreich verbietet. Jedoch Grundſatz der Er - laubniß zu gewiſſen öffentlichen Spielen durch die autorité munici - pale (Decret vom 22. April 1837 und 28. Mai 1841). — Ganz ähnlich in Oeſterreich; neben ausführlichen, bereits aus dem Beginn des vorigen Jahrhunderts ſtammenden polizeilichen Verboten aller Arten von Spielen (Stubenrauch §. 429; das Strafrecht in §. 523 des Strafgeſetz - buches). — Preußen. Aeltere Geſetzgebung in Rönne und Simon, Polizeiweſen II. §. 128 — 141 und Supplement I. 133 — 140. Neuere auf Grund des Strafgeſetzbuchs §. 266 und 267 genaueren Beſtim - mungen: Rönne, Staatsrecht II. 267. — Königreich Sachſen. Geſetz vom 11. April 1864, Verbot von Haſardſpielen und Wetten bei 50 Rthlr. Strafe; Verjährung 5 Jahre und kein Klag - und Einrederecht. Das württembergiſche Recht bei Mohl, Verwaltungsrecht II. §. 419. — Das bayriſche Recht bei Pözl, Verwaltungsrecht §. 109. Das Polizeiſtrafgeſetzbuch Art. 101 — 104 hat eine vollſtändige Strafgeſetz - gebung aufgeſtellt, ſpeciell bei Promeſſen auf Prämien in - und aus - ländiſcher Lotterie-Anlehen (101. 4). Polizeiliche Bewilligung iſt erlaubt; ob gewerbsmäßig? — Baden (Polizeiſtrafgeſetzbuch) hat ſpeciell die Gewerbsmäßigkeit und Oeffentlichkeit betont, während es „ die Wetten, “die Bayern auch verbietet, nicht berührt. §. 80. (Vgl. Mohl Polizei - wiſſenſchaft I. §. 41.) Die Spielbanken in Homburg und Wiesbaden24 haben bekanntlich der ganzen Civiliſation Deutſchlands widerſtanden: die württembergiſche Propoſition vom 18. April 1844, die Aufhebung der Spielhäuſer durch Bundesbeſchluß zu dekretiren, blieb ohne Erfolg. — In England ſind alle öffentlichen Spielhäuſer ſtrenge verboten, und keine Spielſchuld iſt klagbar. Doch finden in Wirklichkeit Haſard - ſpiele vielfach ſtatt. Uebrigens werden ſie faſt überflüſſig durch die Wetten, die in den betting banks und betting houses zu einer förmlichen Induſtrie geworden ſind. — Die Frage nach dem Lotto und den Lotterie-Anlehen gehört zwar nicht direkt hieher; es iſt aber doch nicht ganz zu überſehen, daß unter völliger Beſeitigung der Zahlen - lottos die Lotterie-Anlehen aller Art, bei denen der Einſatz im Grunde nur der Zins des angelegten Kapitals iſt, die einzige noch zu ver - theidigende Form des Glücksſpiels bieten.
Das Aufhalten von der erwerbenden Arbeit an den Feiertagen des religiöſen Lebens iſt eine ſo tiefe ethiſche Nothwendigkeit, daß keine religiöſe Weltanſchauung ſich ihr je entzogen hat. Die Frage iſt daher auch nicht die, ob die kirchlichen Sonn - und Feſttage durch Erwerbs - unthätigkeit gefeiert werden ſollen, ſondern in der That nur die, ob die Verwaltung des Innern polizeilich das Einſtellen der Arbeit bewirken oder daſſelbe den religiöſen Einflüſſen der Kirche überlaſſen ſoll. Dieſe Frage nun hat zwei Seiten. Die eine iſt eine rein ſtaat - liche, die zweite eine volkswirthſchaftliche. Was die rein ſtaatliche Seite und ihr öffentliches Recht betrifft, ſo hängt daſſelbe davon ab, ob der Staat eine Staatskirche auch verwaltungsrechtlich anerkennt. Allerdings gehört dieſe Frage in die Verfaſſung. Allein es iſt klar, daß wenn ein Staat dieß thut, die erſte rechtliche Folge davon für die Polizei der Feiertage die iſt, daß die übrigen Kirchen die Feiertage der Staatskirche äußerlich auch für ſich als geltend anerkennen und in Beziehung auf die äußere Heilighaltung ihren Vorſchriften folgen müſſen. Die zweite rechtliche Folge davon iſt die, daß der Staat ver - pflichtet iſt, die Vorſchriften der Kirche durch ſeine Polizeigewalt gegen Jeden zur Geltung zu bringen, alſo die Uebertretungen der kirchlichen Anordnungen mit Strafen zu bedrohen und mit Gewalt zu hindern. In dieſem Falle muß ſich daher der Staat als vollziehende Gewalt nicht mehr ſeiner ſelbſt, ſondern der Kirche anerkennen, und jede verwal - tungsrechtliche Frage hört auf. Hat der Staat dagegen keine Staats - kirche, ſo beginnt das Verwaltungsrecht. Daſſelbe wird nun zu unter - ſcheiden haben zwiſchen der Feier ſelbſt, und der Störung derſelben. 25Er wird die Feier und die Ordnung der Feier den Vorſchriften der Kirche überlaſſen, und iſt nicht berechtigt, dieſelbe mit polizeilichen Maßregeln zu erzwingen. Die Störung dagegen iſt ein Polizeiver - gehen. Dieß alles wird nun erſt da von Bedeutung, wo es ſich um die Frage handelt, ob Arbeit und Verkehr als Störungen anzu - ſehen ſind. Regel iſt dabei die, daß die Störung da polizeilich aner - kannt werden muß, wo ſie außer dem Hauſe auftritt, und zweitens in ſolcher Form, daß ſie mit der Aeußerung der Feier in Widerſpruch erſcheint. Dieß muß bei der großen Verſchiedenheit der Feierformen für jeden Fall beſtimmt werden. Feſt ſteht daher, daß Arbeit und Verkehrsarten an ſich nicht als Störung des Feiertags be - trachtet werden können; die Grenze, auf der ſie als ſolche erſcheinen, haben die Polizeiverordnungen feſtzuſetzen, die demnach nie etwas be - fehlen, ſondern nur verbieten können. Was endlich das Verhältniß zur Volkswirthſchaft betrifft, ſo iſt nur das feſtzuhalten, daß die letztere nie gegen die Feiertage an ſich, ſondern nur gegen ihr Ueber - maß ſein kann. Das richtige Maß aber beſtimmt ſich in dem Grade beſſer, in welchem die internationale Concurrenz eine freiere iſt.
In England iſt es ſchwer zu ſagen, ob die Strenge der Sitte oder der Geſetzgebung größer iſt; wenigſtens ſtimmen in der erſten alle Confeſſionen überein. Allein ſelbſt die ſtrenge Hochkirche hat überdieß den Grundſatz angenommen, daß jedes Glaubensbekenntniß hinſichtlich ſeiner arbeitsloſen Feiertage unbedingt ſelbſtändig ſei. Sie hat mit rich - tigem Blick die Zahl der letzteren ſo weit ſie vermochte, herabgeſetzt. — In Frankreich iſt der Grundſatz des Geſetzes vom 18. November 1814 noch heute geltend, nach welchen an allen Sonn - und vom Staate anerkannten übrigen Feſttagen alle öffentlich vorgenommenen Pri - vatarbeiten aufhören und die Werkſtätten von außen geſchloſſen werden ſollen, mit Ausnahme der für die Communication beſtimmten Läden. Als 1830 die katholiſche Religion aufhörte, Staatsreligion zu ſein, entſtand die Frage, ob jener Grundſatz von 1814 noch gelte; ſie iſt wiederholt bejaht. Grundſatz iſt das Verbot öffentlicher und ſtören - der Arbeit und Zulaſſung der nothwendigen; das Geſetz vom 22. Fe - bruar 1851 hat übrigens daneben feſtgeſtellt, daß an den Sonn - und Feſttagen Kinder und Lehrlinge zu Arbeiten nicht gezwungen werden dürfen. Der Kampf gegen dieß Recht der Feiertage iſt in Frankreich ein heftiger. Die Anſichten der Staatswiſſenſchaft vor Jahrhunderten in Deutſchland bei Juſti Bd. 12. Hauptſtück 45 über Feſte; Freiheit derſelben „ gegen die traurigen und finſtern Köpfe “S. 294. — Die26 deutſche Literatur hat übrigens ſich mit der Sache nur wenig beſchäftigt, ſo manchen Anlaß auch die beſtehenden Geſetze und Verordnungen gegeben haben. Es iſt übrigens ganz naturgemäß, daß in unſerer Zeit die Frage nach den Feiertagen vorwiegend eine volkswirthſchaft - liche geworden iſt. Die Wahrheit iſt unabweisbar, daß der Arbeits - tag die Feiertage ernähren muß, und daß es daher ein auch volks - wirthſchaftlich nicht zu vertheidigender Standpunkt iſt, die Arbeitsloſig - keit des Feiertags über die Gränze hinaus zu dehnen, innerhalb deren ſie von dem gleichfalls chriſtlichen Nachbarvolke feſtgehalten wird. In dem Falle ſollte man den Grundſatz feſthalten, daß die Feiertags - und mithin die Arbeitstagsordnung jeder Confeſſion vollkommen frei ſei, und daß mithin die Arbeit der Mitglieder einer Confeſſion an dem arbeitsloſen Feiertag der andern als unbeſchränkt, und nicht als öffentliches Aergerniß betrachtet und verboten werde. Mit dieſem Grundſatz würde ſich die natürliche Ordnung von ſelbſt finden; das Uebrige wäre dann Sache des Kirchenrechts. — In Oeſterreich ſind ähnliche, ſehr genaue Beſtimmungen, mit Strafbeſtimmung durch die Verordnung vom 13. September 1857. — Preußen. Feiertagsrecht beruht auch nur auf der königl. Ordre vom 7. Juli 1837, welche die Heilighaltung den Regierungen zur Pflicht macht, nebſt Verordnung über die Eiſenbahn-Arbeiter (21. December 1846). Geſellen und Lehr - linge (Verordnung vom 9. Februar 1849) und jugendliche Fabrikarbeiter (9. März 1849). Genauere Beſtimmungen ſ. Rönne Staatsrecht §. 348. — Bayern. Pözl, Verwaltungsrecht §. 110. 4. Polizeiſtrafgeſetzbuch Art. 105. 106. Störungen der Sonntagsfeier, als Vergehen gegen die „ ortspolizeilichen Vorſchriften “über dieſelben und Störungen gottes - dienſtlicher Handlungen. — Ebenſo Baden: Polizeiſtrafgeſetzbuch §. 69; ſ. Stempf a. a. O. S. 156). — Holland (Boſch v. Kemper §. 378).
Das Verſtändniß des unſittlichen Elements in derſelben und damit das öffentliche Verbot datiren erſt aus unſerem Jahrhundert; ſie iſt theils durch öffentliche Strafen, theils durch Beſtrebungen von Vereinen bekämpft; die Beſeitigung dieſer Barbarei iſt ein nicht unbedeutſames Zeichen der fortſchreitenden Geſittung.
In Frankreich iſt die Thierquälerei unter Strafe erſt verboten durch Geſetz vom 2. Juli 1850. In Oeſterreich ſchon lange; die betreffenden neuen Verordnungen von 1854, 1855 und 1856 ſind zum27 Theil ſehr ſpeciell (Stubenrauch, Verwaltungsgeſetzkunde II. §. 432). — In Preußen iſt das Verbot ſogar in das Strafgeſetzbuch aufgenom - men §. 340. 10; was im Grunde endgültig das richtige iſt. — Bayern: Pözl §. 109 und Polizeiſtrafgeſetzbuch §. 100. — Baden: Verord - nung vom 22. October 1864 (Viehtransportregelung). Das Polizei - ſtrafgeſetzbuch hat in §. 78 die polizeiliche Beſtrafung auf die beiden Fälle des „ öffentlichen Aergerniſſes “und der „ Uebertretung (örtlicher) Verordnungen “beſchränkt. — Mohl hat das Verdienſt, die Frage in die Polizeiwiſſenſchaft aufgenommen und ſie ganz rationell behandelt zu haben (Polizeiwiſſenſchaft I. §. 93).
Das Gebiet der öffentlichen Bildungsanſtalten iſt weder ohne Be - deutung noch ohne Intereſſe. In der That ſind dieſelben weder zu - fällig entſtanden, noch iſt ihre Entwicklung eine zufällige. Es ſollte daher auch die Behandlung ſelbſt im Einzelnen ſtets im Hinblick auf das Ganze unternommen werden; denn ſie bilden ein keineswegs un - wichtiges Element in dem allgemeinen Bildungsweſen, und es iſt kaum zu verkennen, daß das neue ſociale Element, welches nebſt dem gewerb - lichen in unſerer Zeit hinzugetreten iſt, es möglich und auch wohl nöthig machen wird, einen allgemeinen Geſichtspunkt dafür einzunehmen.
Oeffentliche Bildungsanſtalten ſind alle diejenigen Anſtalten für die geiſtige Entwicklung des Volkes, die nicht mehr aus einem beſtimm - ten Zweck hervorgegangen ſind, und daher ſich auch nicht auf Bildungs - mittel für dieſen beſtimmten Zweck beſchränken, ſondern überhaupt die Mittel der geiſtigen Entwicklung ſo weit darbieten, als dieß von Seiten des Einzelnen nicht mehr geſchehen kann.
Ihr Auftreten, ihre Geſtalt und ihr öffentliches Recht hängen daher enge mit dem geſammten Gange des Bildungsweſens zuſammen, und tragen den Charakter der betreffenden Epoche an ſich. Dieſer aber wird durch die ſociale Entwicklung beſtimmt, und ſo wird man ſagen müſſen, daß jede Geſellſchaftsordnung ihre eigenthümlichen Bildungs - anſtalten hat.
Um dieſe aber richtig beurtheilen zu können, darf man ein zweites nicht vergeſſen. Das Weſen der geiſtigen Arbeit, der tiefere und letzte28 Inhalt der Bildung, iſt der Genuß, und wir haben in der Güterlehre die Fähigkeit der geiſtigen Produkte, dieſen geiſtigen Genuß zu gewäh - ren, als den freien Werth bezeichnet. Dieſer innige Zuſammenhang des Genuſſes mit der Bildung iſt ein wechſelſeitiger; wie die Bildung den Genuß erzeugt, ſo hat auch der Genuß die Fähigkeit, Bildung zu erzeugen. Und hier beginnt die ernſte Seite dieſer Frage. In jenem Verhältniß liegt nämlich die nahe Gefahr, den Genuß mit der Bildung nicht etwa zu verbinden, ſondern ſie zu verwechſeln und, den Genuß für Bildung haltend, bei ihm ſtehen zu bleiben. Eine äußere Gränze gibt es dafür nicht; innerlich iſt ſie principiell zwar ſehr leicht zu ziehen, denn es iſt klar, daß der Genuß dann zur Bildung wird, wenn er entweder eine Arbeit — geiſtige oder äußerliche — erzeugt, oder ſelbſt eine Arbeit erzeugt wird. Allein eben dieſe Arbeit kann man nicht erzwingen. Sie muß ſelbſtthätig entſtehen; ſie muß durch den lebendigen Volksgeiſt erſchaffen werden; ſie wird daher entweder trotz aller Beſtrebungen der Verwaltungen nie entſtehen, oder ſie wird ſich ungeachtet derſelben ſelbſt Bahn brechen. Daher iſt es bei dieſen öffentlichen Bildungsanſtalten von entſcheidender Bedeutung, nicht ſo ſehr auf ihre formelle Geſtalt, als vielmehr auf den ſie bildenden Geiſt zu achten; und es gilt dafür der allgemeine Grundſatz, daß die öffent - lichen Bildungsanſtalten regelmäßig als öffentliche Leiſtungen beginnen, dann als Schauſtellungen und Sammlungen erſcheinen, und endlich mehr und mehr bloße Genußmittel des geiſtigen Lebens werden. Die geiſtige Lebenskraft eines Volkes zeigt ſich ſtets in dem Streben, jene öffentlichen Arbeiten als Grundlage und Anlaß geiſtiger Arbeit aufzufaſſen, während das Herabgehen dieſer Lebenskraft da beginnt, wo das Volk an die Stelle dieſer Arbeit in ihnen Unterhaltung und Genuß ſucht, und dieſe von ihnen fordert. In dieſem Sinne ſind dieſe Anſtalten ein hochwichtiges Element des Geſammtlebens, und jede einzelne Art derſelben ſollte wohl von dieſem Standpunkt aus behan - delt und in ihrer Geſchichte dargelegt werden.
Faßt man die Sache nun in dieſer Weiſe auf, ſo gewinnt ſie eine größere hiſtoriſche Geſtalt.
In der Geſchlechterordnung erſcheint das, was die öffentlichen Bildungsanſtalten der ſpäteren Zeit vertritt, als große Volksfeſte, die aber immer ſich erſt an große öffentliche Wettkämpfe aller Art an - ſchließen, oder große öffentliche Thaten und Siege feiern. So war es bei den Griechen und ihren olympiſchen Spielen; ſo war es bei den römiſchen Triumphzügen; ſo war es bei den alten germaniſchen Wettſpielen und ihren Schwerttänzen und Laichen, die ſich dann in den Turnieren der edlen Geſchlechter und den gymnaſtiſchen Volks -29 beluſtigungen der niedern fortſetzen. In Griechenland aber trat allmählig an die Stelle jener öffentlichen Wettkämpfe die verderbliche Schauluſt der feierlichen Aufzüge, die namentlich in Athen eine gewaltſame Aus - beutung der höhern Klaſſe durch das Volk enthielten, in Rom die Gladiatorenwirthſchaft und die Arena, ſelbſt in Deutſchland die Spiele der Ringelreiter, die öffentlichen Gaukler und Gymnaſten und ähn - liches. Zu ſelbſtändigen Anſtalten bringt es dieſe Ordnung nicht; die rein kriegeriſche Aufgabe jener öffentlichen Produktionen läßt über - haupt die Idee einer geiſtigen Bildung, wie ſie namentlich in den griechiſchen und den deutſchen Sängerkämpfen ſich eine Zeit lang er - halten, allmählig untergehen; das geiſtige Element bedarf einer neuen Grundlage, eines neuen Ausdruckes, und die ſtändiſche Epoche, indem ſie dieſe überhaupt darbietet, wird damit auch die Schöpferin einer neuen Geſtalt dieſer Erſcheinungen.
Die ſtändiſche Zeit nämlich ſchließt allerdings alle ihre Funktionen in die feſten Gränzen der Körperſchaften ein; allein die Idee des Be - rufes, auf der ſie ruht, lebt in dieſem fort. Sie aber fordert geiſtige Nahrung, und dieſe wieder kann weder bei der Elementar - noch bei der Berufsbildung ſtehen bleiben; ſie will zugleich eine allgemeine ſein. Das iſt es nun, was mit dieſer Zeit die eigentlichen Bildungsanſtalten entſtehen läßt. Ihr Charakter liegt in dieſem Weſen der ſtändiſchen Berufsbildung. Sie ſind vorzugsweiſe geiſtiger Natur, und ſchließen ſich naturgemäß an die geiſtige Fachbildung an. Auch ihre Form iſt damit gegeben. Sie ſind eben deßhalb weſentlich in der Form der Bibliotheken und wiſſenſchaftlichen Sammlungen gegeben, und bilden, da ſie zunächſt für die Fachbildung beſtimmt ſind, einen Theil der Fachbildungsanſtalten, der Univerſitäten. Mit ihnen beginnt eigentlich das Gebiet der ſelbſtändigen allgemeinen Bildungsanſtalten. Denn wie die Univerſitäten ſelbſt ihrer ganzen Natur nach ſich nicht auf die ſtrenge ſtändiſche Unterſcheidung der Klaſſen beſchränken, ſo tragen auch jene Bibliotheken und Sammlungen gleich anfangs den Keim öffentlicher Anſtalten in ſich. Dieſer Charakter erhielt ſich für diejenigen Anſtalten, welche ſich an die Univerſitäten anſchließen und nicht gerade ſtrenge Fachbildung vorausſetzen, wie botaniſche Gärten, Naturalienkabinette u. ſ. w. Gemeinſam aber iſt dieſen Anſtalten, ver - möge dieſer ihrer urſprünglichen Beſtimmung, der Gedanke, daß ſie nicht Genußmittel, ſondern Arbeitsmittel ſind; in dieſer Gränze werden ſie ſtrenge erhalten; dieſes Princip iſt ihnen geblieben und iſt dasjenige, was ſie weſentlich von denen der folgenden Epoche unterſcheidet.
Wir haben dieſe, als Uebergang und Vorbereitung der ſtaats - bürgerlichen Geſellſchaft, die polizeiliche genannt. Das Verhältniß der30 polizeilichen Epoche zu den allgemeinen Bildungsanſtalten beruht darauf, daß dieſelbe die Macht des Geiſtes und den Werth der Bildung als ein hochbedeutſames Element für die Macht und die Achtung der Staa - ten, und ſpeziell der regierenden Häupter anerkennt, während die In - telligenz der damaligen Zeit das Streben der Fürſten, ſich durch ſolche Anſtalten auszuzeichnen, theils im individuellen, theils im allgemeinen öffentlichen Intereſſe gern begrüßt und befördert. So entſteht eine neue Kategorie dieſer Anſtalten. Dahin gehören die Akademien der Künſte und Wiſſenſchaften, die nichts arbeiten und für die nichts gearbeitet wird, die aber dennoch das Element der Arbeit durch die formelle, möglichſt mit fürſtlichem Glanz umgebene Gemeinſchaft der Gelehrten und Künſtler aufrecht halten. Dahin gehören ferner die glänzenden Sammlungen in Gallerien und Muſeen, bei denen der Genuß des Beſchauens und der Stolz des Beſitzers die Hauptſache ſind, die aber dennoch indirekt die wiſſenſchaftliche und künſtleriſche Arbeit fördern. Endlich gehören dahin die fürſtlichen Theater. Die Bedeutung der letztern iſt keine geringe. Die Aufnahme der Schauſpiele an den Höfen der Fürſten hatte die große Folge, der Dichtkunſt wieder in den höchſten Klaſſen ſowohl des geſellſchaftlichen als des geiſtigen Lebens ihren Rang zu geben. Die Hoftheater ſind es, welche das Schauſpiel aus der rohen Sphäre der Gauklerbühne zu einer öffentlichen, allgemeinen Bildungsanſtalt erhoben haben. Sie ſind der nothwendige Durchgangs - punkt für die Entwicklung zum heutigen Theaterweſen, denn der Fürſt, der ſie errichtete und beſuchte, gab der Mimik und der Dichtkunſt das zurück, was beide ſeit den griechiſchen Dramaturgen verloren hatten, und ohne welche ſie nicht leben können: ihre hohe und geachtete geſell - ſchaftliche Stellung. Einmal auf dieſen Punkt geſtellt, war es ihre Sache, ſich auf dieſer ſocialen Höhe zu halten. Sie haben es unter - nommen, und es iſt ihnen gelungen.
Auf dieſe Weiſe ſehen wir nun mit dem Abſchluß der polizeilichen Epoche und dem Siege der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft zwei große Gruppen der öffentlichen Bildungsanſtalten daſtehen: die eine, aus der ſtändiſchen Ordnung herüberragend, die ſich weſentlich an die Fach - bildung in Bibliotheken und wiſſenſchaftlichen Sammlungen anſchließt, die andere für den geiſtigen Glanz der Staaten geſchaffen, in Akade - mien, Gallerien, Muſeen und Hoftheatern mit Prunk und Glanz um - geben; jene mehr für die Arbeit, dieſe mehr für den Genuß beſtimmt, doch die erſtere nicht ohne Genuß, die andere nicht ohne Arbeit. Dieſe Verhältniſſe ſind es nun, welche die ſtaatsbürgerliche Geſellſchaft übernimmt.
Dieſelbe hat nun in dem ihr eigenthümlichen Geiſte zwei Dinge für das Gebiet der allgemeinen Bildung gethan. Wir können dieſe31 beiden Elemente, welche dieſe Geſellſchaftsordnung denſelben gebracht, ſehr beſtimmt bezeichnen. Sie hat einerſeits alle jene Bildungsanſtalten, wie ſie waren, in ſich aufgenommen, und ſie hat andererſeits neues zu denſelben hinzugefügt, beides ihrem Charakter entſprechend.
Was den erſten Punkt betrifft, ſo iſt derſelbe der ſpezielle Aus - druck des allgemeinen Princips dieſer Epoche, daß die Rechte und Auf - gaben des Fürſten in der That Rechte und Aufgaben des Staats, und daher für die Geſammtheit der Staatsbürger beſtimmt ſind. Die neue Staatsordnung fordert daher jetzt als Pflicht der Verwaltung, was bis dahin Laune oder berechtigte Neigung der Fürſten war. Jene Anſtalten werden daher jetzt Staatsanſtalten. Damit erhalten ſie eine organiſche Stellung im öffentlichen Bildungsweſen, und dieſe Stellung findet in drei Punkten ihren Ausdruck. Zuerſt iſt ihre Ord - nung und das Recht ihrer öffentlichen Benutzung jetzt Gegenſtand des öffentlichen Rechts und durch beſondere öffentliche Vorſchriften geordnet, weßhalb ſie von jetzt an auch in den Darſtellungen der (territorialen) Verwaltungsgeſetzkunde erſcheinen. Zweitens werden demgemäß ihre Angeſtellten jetzt auch Diener des Staats und treten rechtlich in die Kategorien der letzteren hinein. Drittens aber übernimmt der Staat theils die Erhaltung, theils die Anlage derſelben auf Staatskoſten; ſie werden ein Theil des Budgets, und die Folge iſt, daß ſie damit auch als Staatseigenthum erſcheinen.
Dieſe Punkte beziehen ſich nun auf die aus der ſtändiſchen und polizeilichen Epoche hinübergenommenen Anſtalten. Neben ihnen ent - ſteht nun eine zweite Gruppe, welche mehr den Ausdruck der ſtaats - bürgerlichen Entwicklung bildet, indem ihr Zweck eben die Förderung der allgemeinen Bildung iſt, ohne beſtimmte Beziehung auf einen Lebenszweck. Die Bildungsanſtalten dieſer Gruppe haben im Geiſte der ſtaatsbürgerlichen Bildung überhaupt theils eine vorwiegend wirth - ſchaftliche, theils eine leicht erkennbare ſociale, auf die Hebung der Intelligenz der niedern Klaſſe bezügliche Richtung. Zu den erſten zählen wir namentlich die Ausſtellungen aller Art, theils die Weltaus - ſtellungen, theils die örtlichen; freilich gehören dieſelben ſo ſehr im Princip dem wirthſchaftlichen Leben an, daß wir ſie in die Ver - waltung der Gewerbe verweiſen müſſen. Die zweite Richtung hat wieder zwei Hauptformen, die kleinen (Gewerbs -) Bibliotheken, und die öffentlichen Vorträge aller Art, die theils durch Vereine mehr oder weniger regelmäßig erhalten, theils bei einzelnen Gelegenheiten hervor - gerufen werden. Beide Einrichtungen ſind, wie alles was am letzten Ende mit der ſocialen Richtung zuſammenhängt, jetzt noch in dem Stadium, wo ſie als örtliche und zufällige erſcheinen. Sie werden aber32 bald ihren dauernden Platz in dem allgemeinen Bildungsweſen ein - nehmen, und dann wird die Verwaltung dahin gelangen, wo ſie jetzt mit dem Volksſchulweſen ſteht. Man wird ſolche Volksbibliotheken in nicht zu langer Zeit zu einer Verpflichtung der Gemeinden er - heben, und eben ſo werden die öffentlichen Vorträge zu regel - mäßigen Functionen, ohne welche die Gemeinden künftig eben ſo wenig werden ſein können, wie jetzt ohne die Volksſchule, und wo die Mittel dazu bei der Gemeinde nicht ausreichen, wird der Staat ſie zu dieſem Zwecke ſubventioniren. Nur ſollte, wenn das kommt, unbedingt und unter allen Umſtänden feſtgehalten werden, daß die Benutzung ſolcher Bibliotheken wenigſtens der ſolcher Vorträge niemals ganz unentgeltlich ſein darf. Die Unentgeltlichkeit würde durch die ihr in - wohnende Natur daſſelbe Uebel und in bösartigerer Weiſe wieder er - zeugen, das ſie bekämpfen ſoll: das Gefühl des Gegenſatzes der Klaſſen. Noch iſt jedes Volk untergegangen, das denen, die ſich einen Genuß oder ein Bildungsmittel mit eigenen Kräften erſchaffen können, dieſelbe als Geſchenk gegeben hat, und ewig wird dieß bleiben! —
Das Bewußtſein und das Gefühl von dem Werthe der öffentlichen Bildungsanſtalten iſt ſo alt wie das öffentliche Bildungsweſen über - haupt, aber es iſt natürlich unklar, und muß bei den einzelnen An - ſtalten ſtehen geblieben werden. Die Verwaltung bedarf aber ihrer - ſeits einer allgemeinen, ſie alle umfaſſenden Auffaſſung derſelben. Wir ſind noch außer Stande, viel mehr als die obigen allgemeinen Geſichts - punkte zu geben, oder mehr als zerſtreute, faſt zuſammenhangsloſe Bruchſtücke der betreffenden Geſetzgebungen mitzutheilen. Unſer Wunſch geht daher im Namen der Wiſſenſchaft dahin, daß alle Männer von Fach, welche ſich mit den Verhältniſſen jener ſpeziellen Anſtalten be - ſchäftigen, die innern und äußerlichen Beziehungen zu dem Ganzen des öffentlichen Bildungsweſens in dem Einzelnen, was ihnen entgegen kommt, im Auge behalten mögen. Was das ſyſtematiſche Element betrifft, ſo muß gefordert werden, daß man den bisherigen, auf der ſtändiſchen Ordnung beruhenden Standpunkt verlaſſe, und namentlich die Bibliotheken, Sammlungen u. ſ. w. nicht mehr bloß der wiſſen - ſchaftlichen Bildung, ſondern der allgemeinen Bildung hinzurechne. — Eine Literatur über das Ganze gibt es ſo wenig, als eine Codification; nur die territorialen Verwaltungsgeſetzkunden haben ein leider nicht vollſtändiges Material, und das nur für die alten Staatsanſtalten, aufgeſtellt. Mohl hat in ſeiner Polizeiwiſſenſchaft I. §. 83 — 86 das entſchiedene Verdienſt, dem Gegenſtande ſeinen Platz in der33 Verwaltung geſichert zu haben. Es wäre eine Arbeit von hohem Werthe, dieß weiter zu verfolgen, wenn auch zunächſt nur noch innerhalb der einzelnen Gebiete. Möchten dieſe wenigen Worte dafür einen Anſtoß geben!
Die Akademien verdanken ihr Entſtehen der Erkenntniß, daß die Wiſſenſchaft als ſolche, auch ohne jede unmittelbare Anwendung, einen wichtigen Theil der Macht und des höhern Lebens der Staaten bilde. Sie ſind im Grunde die Hauptform, in welcher die Verwaltung des geiſtigen Lebens der Staaten dieſen Satz öffentlich anerkennt; und in dieſer Anerkennung beſteht ihr Werth vielmehr als in dem, was ſie leiſten. Eben deßhalb ſind auch ihre Leiſtungen darauf berechnet, nicht ſo ſehr das Streben nach neuen Gebieten des Wiſſens zu fördern, als vielmehr das Erſtrebte als wiſſenſchaftliche Thatſache feſtzuſtellen. Darauf beruht ihre Einrichtung, vermöge deren ſie in beſtimmten, mehr oder weniger glücklich gewählten Abtheilungen das ganze Gebiet des Wiſſens umfaſſen, das Vorherrſchen der hiſtoriſchen Kenntniſſe, und ihr höchſt geringer Einfluß auf das wiſſenſchaftliche und geiſtige Leben der Völker. Ihre Wirkung iſt, namentlich den Univerſitäten und Vereinen gegenüber, vorzugsweiſe eine negative; ſie bezeichnen die Linie, unter welche der Stand der Kenntniſſe nicht herabgehen darf; und auch dieß nur in ſehr unvollkommener Weiſe, da ſie ſich mit den lebendigſten Fragen, den Fragen des gegenwärtigen Staatslebens, nicht zu beſchäf - tigen vermögen. Je beſſer die Univerſitäten, je weniger bedarf die Wiſſenſchaft der Akademien.
Die zweite große Form, in der dieſer Zweck erreicht wird, iſt der der wiſſenſchaftlichen Geſellſchaften. Wir müſſen dieſen Aus - druck jetzt ſtatt des früheren, der ſtändiſchen Epoche angehörenden der „ gelehrten Geſellſchaften “nehmen, weil das freie Vereinsweſen nicht mehr bloß die gelehrte, ſondern auch die wirthſchaftliche Bildung in ſeinen Kreis gezogen hat und hier zum Theil mehr wirkt, als in jenen. Der Unterſchied der Akademien von dieſen wiſſenſchaftlichen Geſellſchaften beſteht nun nur in dem Verhältniß des Staats zu denſelben; jene gehören dem amtlichen, dieſe dem freien Bildungsweſen, und daher hat der Staat bei jenem Rechte in Beziehung auf die wirthſchaftliche Ver - waltung, dann Pflichten der Unterſtützung zu entſprechen. Für beide iſt jedoch die geiſtige Selbſtverwaltung ein Lebensprincip, das ſich namentlich durch den Grundſatz der freien Wahl ſowohl der Vorſtände als der Mitglieder und endlich der Leiſtungen bethätigt. Aber die Akademien ſind ſtets ſehr beſchränkter Natur, während die GeſellſchaftenStein, die Verwaltungslehre. VI. 334ſich vollkommen frei bewegen; jene unterliegen daher vielfach den Ein - flüſſen der Regierung, dieſe dagegen ſtehen regelmäßig unter der Herr - ſchaft des geiſtigen Bedürfniſſes. Es iſt kein Zweifel, daß die letztern daher auch weit mehr wirken und daß man ganz guten Grund hat, den Werth der Akademien von ihren Leiſtungen im Lehrfach ab - hängig zu machen, während mit der Zeit an ihre Stelle das Princip der Unterſtützung der Geſellſchaften, aber nur für einzelne beſtimmte Aufgaben derſelben zu treten haben wird.
Das Syſtem der Akademien in den verſchiedenen Ländern, namentlich auch das Verhältniß zur Verwaltung iſt ſehr intereſſant und belehrend. Das franzöſiſche beruht auf dem Unterſchiede zwiſchen dem durch Geſetz vom 3 Brumaire an IV aus der alten Akademie hervorgegangenen Institut de France mit ſeinen fünf Académies (fran - çaise, inscriptions et belles lettres, sciences, beaux arts et sciences morales et politiques (ſeit Verordnung vom 26. Oktober 1832) — und der Académie de médicine, der Académie de musique, und den ſog. Académies universitaires. Die erſten beiden ſind mehr oder weniger Berufsbildungsanſtalten, die letzten ſind Verwaltungsorgane der Uni - versité (ſ. oben). Das Inſtitut dagegen iſt eine eigentliche Akademie der Wiſſenſchaften, deren Beruf es iſt, die höchſte Einheit aller Wiſſen - ſchaften, welche die franzöſiſchen Facultés der Université eben nicht geben können, zu vertreten. In dem Institut de France iſt die wiſſen - ſchaftliche Idee der deutſchen Univerſitäten, in den Facultés iſt ihre dogmatiſche Thätigkeit geſchieden und zum großen Nachtheil des höhern geiſtigen Lebens getrennt. In Deutſchland iſt eine ſolche Akademie der Wiſſenſchaften glücklicherweiſe unmöglich. Dagegen beſteht der Grund - charakter des deutſchen Akademieweſens darin, daß die Akademien der Wiſſenſchaften rein theoretiſche, die Akademien der Künſte dagegen weſentlich praktiſche, für das Kunſtbildungsweſen beſtimmte Anſtalten ſind. Dieſer Grundzug findet ſich in allen deutſchen Staaten wieder, ſo weit es Akademien gibt. Preußen hat zwei Arten der Akademien; die Akademie der Wiſſenſchaften ſeit 1700 iſt eben eine reine Aka - demie im obigen Sinn (neueſtes Statut vom 31. März 1838), die Aka - demie der Künſte dagegen (1699), die vielmehr eine höchſte Organi - ſation der Kunſtlehre iſt (ſ. oben) und die Kunſtſchulen des Königreichs leitet (Rönne II, §. 231 und 436). — Das Syſtem Oeſterreichs beruht auf ähnlichen Grundlagen. Die Akademie der Wiſſenſchaften (Statut vom 14. Mai 1847, Organiſation bei Stubenrauch II, 423) iſt für die reine Theorie beſtimmt, ohne eine ins Leben eingreifende35 Funktion. Dagegen iſt die Akademie der bildenden Künſte in Wien durch allerhöchſten Erlaß vom 8. Oktober 1828 eigentlich als eine höhere Kunſt - ſchule geordnet, ohne eine Akademie im obigen Sinn zu ſein; erſt die neuen Statuten von 1865 haben ihr eine den Univerſitäten entſprechende Selbſtverwaltung gegeben. Die „ Orientaliſche Akademie “ſeit 1754 wahrſcheinlich nach dem Vorbild der franzöſiſchen École des langues orientales (18. November 1669 und 31. Oktober 1670 durch Colbert ins Leben gerufen; ihre Zöglinge hießen Jeunes de langues; neueſte Organiſation, Verordnung vom 20. Auguſt 1833) errichtet, iſt nur eine ſpecielle Lehranſtalt für orientaliſche Sprachen. In Belgien ward 1769 die Société littéraire gegründet; erhoben zur Académie impériale des sciences 1772 (Juste, Hist. de Belgique II. 319). Gleichartig in Bayern. Die Akademie der Wiſſenſchaften (1759) rein theo - retiſch; doch iſt der Vorſtand der Akademie zugleich Vorſtand des General - Conſervatoriums der wiſſenſchaftlichen Sammlungen des Staats und einer „ techniſchen Commiſſion, “die Gutachten über techniſche Unternehmun - gen zu geben hat (ſeit 1852.) Die Akademie der bildenden Künſte dagegen (1808) iſt im Grunde gleichfalls nur eine künſtleriſche Bildungs - anſtalt mit Selbſtverwaltung (ſ. oben).
In England exiſtirt die Royal Academy of Arts, jedoch nur als Privatgeſellſchaft, an deren Spitze der Monarch ſteht und die Aus - ſtellungen veranlaßt und damit die Zeichenſchule verbindet, ohne große Bedeutung (Franz Kugler, Kleine Schriften zur Kunſtgeſchichte Bd. III, S. 464). — In Dänemark beſteht die Akademie der Künſte ſchon ſeit 13. März 1754; dieſelbe hat ihre neue Fundation durch Verord - nung vom 28. Juli 1824 erhalten und ein neues Reglement am 1. März 1842. Die neuen Beſtimmungen (Bekanntmachung vom 28. Juli 1857, Reſolution vom 27. März 1859) haben das Element des Unterrichts darin aufgenommen und das Reglement vom 7. September 1863 mit dem jetzt durchgeführten Unterſchied von Profeſſoren und Mitgliedern daſſelbe ausgebildet. — In Schweden dagegen exiſtirt zwar ein ganzes Syſtem von Akademien. Die ſchwediſche Akademie iſt (Erlaß vom 20. März 1786) beſonders für Wohlredenheit und Dichtkunſt, die Aka - demien der Wiſſenſchaften (ſeit 1739 aus einer einfachen wiſſen - ſchaftlichen Geſellſchaft entſtanden (Grundgeſetz vom 31. März 1741); neueſte Organiſation vom 13. Juli 1850; Akademie der Geſchichte und Alterthümer ſeit 1753; Akademie der Landwirthſchaft ge - ſtiftet den 25. December 1811 (neue Organiſation vom 6. November 1857). — Die Akademie der freien Künſte (errichtet 1735; Privi - legium vom 5. Januar 1735; neue Organiſation vom 20. Mai 1846) umfaßt alle bildenden Künſte und iſt zugleich die eigentliche Kunſtſchul36 (6 Profeſſoren, davon 4 für Malerei, 1 für Baukunſt, 1 für Kunſt - anatomie). Daneben beſteht die muſikaliſche Akademie ſeit 8. Sep - tember 1771, die gleichfalls eine Lehranſtalt für die Muſik in allen ihren Zweigen iſt. Außerdem beſtehen mehrere wiſſenſchaftliche Geſell - ſchaften. (Fahråus Administratif och Statistisk Handbok. 1864, p. 269 ff. ) — Was die Geſellſchaften betrifft, ſo unternehmen wir gar nicht, etwas Statiſtiſches über dieſelben zu ſagen. Wir bemerken nur, daß die Frage und der Zweifel an dem Nutzen der Akademien ſchon eine alte iſt. (Jacobi, über gelehrte Geſellſchaften, ihren Geiſt und ihren Zweck 1807; außerdem Schleiermacher, Gedanken über Uni - verſitäten, S. 27. Luden, Politik §. 149 und andere mehr. Schon im vorigen Jahrhundert Juſti II, §. 95. („ Alles kommt auf die Ceremonie der Vorleſung an; und man ſieht nicht, was dieſe zur Er - weiterung der Wiſſenſchaften beitragen ſoll “ꝛc. ); vgl. §. 96. Ganz verſtändig iſt, was Mohl Polizeiwiſſenſchaft I, §. 86 darüber ſagt. Richtig iſt, was jener Franzoſe ſagt: „ Ce n’est pas l’Académie qui honore le savant mais le savant qui honore l’Académie. “ Eben ſo ſchlagend Mohl: „ Gerade die eigenthümlichſten und kühnſten Ge - danken werden leicht keinen Beifall finden bei einer Geſellſchaft älterer Männer, welche einen Ruhm als ein gegen ſie begangenes Unrecht zu betrachten geneigt ſein kann “(a. a. O). Thatſache iſt, daß noch keine Akademie je etwas Neues geleiſtet, ſondern nur nützt durch Sammlung des Alten. Iſt dazu eine Akademie nothwendig?
Die ungemeine Wichtigkeit der Bibliotheken iſt unbezweifelt. Sie beſteht theils darin, daß ſie allein den wachſenden Umfang der wiſſen - ſchaftlichen Arbeiten beherrſchen, theils aber, und nicht minder darin, daß ſie in den Sammlungen der Werke das Bewußtſein und das Verſtändniß des geſchichtlichen Werdens der großen geiſtigen Wahr - heiten möglich machen, ja indirekt erzwingen. Dadurch iſt die Oeffent - lichkeit des Bibliotheksweſens, welche in der Loslöſung von den Berufs - bibliotheken einzelner Bildungsanſtalten und in der Zulaſſung des ge - ſammten Publikums zu ihrer Benützung beſteht, ein hochwichtiger Fort - ſchritt; ſie werden dadurch aus Lehrmitteln zu Bildungsmitteln, und es iſt kein Zweifel, daß ſie dieß mit der Zeit in immer größerm Maße ſein werden. Eben deßhalb gehören ſie unbedingt in die Verwaltung der allgemeinen Bildung, und füllen einen weſentlichen Theil des Sy - ſtems derſelben aus.
Die Geſchichte des Bibliotheksweſens beginnt mit den Fach - und37 Berufsbibliotheken der wiſſenſchaftlichen Körperſchaften; das zweite Sta - dium liegt in der Errichtung landesherrlicher Bibliotheken mit öffent - licher Benützung; das dritte, noch kaum begonnene, wird ſich erſt aus der Errichtung örtlicher öffentlicher Bibliotheken ergeben. Die letztern werden bis jetzt durch die Leihbibliotheken erſetzt. Der naturgemäße Weg iſt der, daß ſich allmählig das Bildungsvereinsweſen der Biblio - thekfrage bemächtigt, und daß Vereine für öffentliche Bibliotheken der allgemeinen Bildung entſtehen, wie es Vereine und Stiftungen für einzelne Berufsbildungen mit Bibliotheken gibt. Das öffentliche Recht der Bibliotheken beſteht naturgemäß aus den Reglements für ihre Er - haltung, Erweiterung und Benützung. Es iſt natürlich, daß jede Biblio - thek ihre ſpecielle Ordnung hat; eben ſo natürlich iſt es, daß dieſe im Weſentlichen übereinſtimmen. Die öffentlichen Bibliotheken ſtehen ſtets unter dem Miniſterium der geiſtigen Angelegenheiten; die Leihbiblio - theken dagegen unter der Polizei. Die Frage nach dem Eigenthums - recht an den öffentlichen Bibliotheken gehört der Lehre von Staatsgut; für die Verwaltungslehre iſt ſie nur ſo weit von Bedeutung, als das Eigenthumsrecht des Staats im Grunde die Anerkennung der Biblio - theken als Mittel der Verwaltung enthält.
Das intereſſanteſte Syſtem der Bibliotheken und ihres Rechts iſt ohne Zweifel das franzöſiſche. Bis zur Revolution beſtanden, wie gegen - wärtig faſt ausſchließlich in Deutſchland, die beiden Bibliothekſyſteme der ſtändiſchen (die Berufsbibliotheken, Univerſitätsbibliotheken und Kloſterbibliotheken) und der polizeilichen Epoche (die königlichen Biblio - theken). Die Revolution erklärte ſie einfach und ohne weitere Unter - ſcheidung für Staatsgut und ſtellte ſie in ihrer Geſammtheit — zuerſt in Europa — unter die Verwaltung (Dekret vom 14. November 1789). Dieſer Verwaltung wurden dann auch alle Archive des Reichs unter - geordnet, und zwar auf der Grundlage, daß namentlich die Kataloge der Handſchriften und Aktenſtücke von allen Provinzen eingeſendet und ſomit ein Generalkatalog der beſtehenden Bibliotheken verfaßt werden ſollte (Dekret vom 20 — 29. März 1790 und folgende). Durch Geſetz vom 7. Mess. an II. wurden dann die Bibliotheken und die Archive ge - ſchieden und die Vertheilung derſelben angeordnet. Durch Dekret vom 20. Februar 1809 wurden alle Manuſcripte in allen Bibliotheken als Staatseigenthum erklärt, und gleichfalls alle Archive aller Ver - waltungskörper; der Grundſatz, daß von jetzt an die Veröffentlichungen nur unter Zuſtimmung des Miniſteriums des Innern erfolgen können, war davon die nothwendige Folge, eben ſo die ſyſtematiſch in ganz38 Frankreich durchgeführte Unterſcheidung der „ öffentlichen “und „ nicht öffentlichen “Bibliotheken. Das geſammte Bibliotheksweſen wird dem Miniſterium des Unterrichts durch Verordnung vom 11. Oktober 1832 überwieſen. Die eigentliche Verwaltung deſſelben, ſpeziell die Benützung von Seiten des Publikums, iſt durch die im Weſentlichen noch gültige Verordnung vom 22. Februar 1839 geordnet. An dieß Bibliotheksweſen haben ſich dann mehrere Einrichtungen angeſchloſſen, ſpeziell die Thätig - keit der École des chartes (ſ. oben) und das Comité historique, reorganiſirt durch Verordnung vom 14. September 1852. — Von be - ſonderem Intereſſe iſt das Syſtem der örtlichen Bibliotheken, die unter die Verwaltung der Municipalités geſtellt werden (Erlaß vom 8. Pluv. an XI). Die Verordnung von 1839 beſtimmte das Nähere über die Verwaltung. Grundſatz iſt, daß dieſe Bibliotheken auf Koſten der Körperſchaften erhalten werden, denen ſie gehören, während jedoch der Miniſter die Bibliothekare ernennt. Die Regierungsbibliotheken (non ouvertes au public, weſentlich die Archive der Körperſchaften) ſind als Eigenthum des Staats erklärt und ihre Verhältniſſe durch mehrere Erläſſe geordnet (Erlaß vom 12. December 1852, vom 14. Februar 1853). Angeblich ſoll es mehr als 200 ſolcher örtlichen Bibliotheken in Frankreich geben (A. Grün bei Block, art. Bibliothèques).
Auf dieſe Weiſe iſt das franzöſiſche Bibliotheksweſen ein einheit - licher Verwaltungszweig, in welchem zwar einerſeits die ſtändiſchen Unterſchiede weggefallen ſind, aber auch die ſelbſtändige Bewegung der Verwaltung der einzelnen Bibliotheken fehlt. Der Charakter des deutſchen Bibliotheksweſens iſt dem gegenüber ein weſentlich verſchie - dener. Dieſelben waren bis zum achtzehnten Jahrhundert Eigenthum der Univerſitäten und Stiftungen, und ſtanden ganz unter der Ver - waltung derſelben. Erſt mit der Mitte deſſelben nahmen ſie den Cha - rakter öffentlicher Anſtalten an, mit freier Benützung in der Bibliothek; auf derſelben Grundlage