PRIMS Full-text transcription (HTML)
[I][II]
Die Verwaltungslehre.
Sechster Theil.
Stuttgart. Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung.1868.
[III]
Innere Verwaltungslehre.
Zweites Hauptgebiet. Zweiter Theil. Die Allgemeine Bildung und Die Preſſe.
Stuttgart. Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung.1868.
[IV][V]

Vorwort.

Ich habe das allgemeine Bildungsweſen von der Elementar - und Berufsbildung geſchieden, und ſelbſtändig herausgegeben, weil mich bei dieſer Arbeit ein Gedanke begleitete, dem ich ſo viel ich vermocht, im Folgenden Form und Ausdruck gegeben habe.

Die Preſſe hat in unſrer Zeit eine Bedeutung erlangt, die ſie nie gehabt. Sie iſt, namentlich in Deutſchland, im Begriff, das zu werden, was ſie ſein ſoll, der gewaltige, allthätige, von keinem Sonderintereſſe beherrſchte Organismus der Selbſtbildung des Volkes. Es iſt nicht mehr möglich, von dem Bildungsweſen über - haupt zu reden, ohne dieſe hohe Stellung und Aufgabe der Preſſe zu erkennen. Es iſt deßhalb auch für die Wiſſenſchaft, welche ſich dem inneren organiſchen, ſich ſelbſterzeugenden Leben der Staaten und Völker widmet, nicht mehr möglich, die Preſſe, wie es bisher geſchehen, weſentlich nur als politiſche und Tagespreſſe aufzufaſſen. Derſelbe Proceß, der durch das ganze Leben Europas geht und uns alle erfaßt, hat auch die Preſſe ergriffen. Bis auf die neueſte Zeit lebte in ihr der alte ſtändiſche Unterſchied in ſeiner Weiſe fort. Der Unterſchied zwiſchen Buch und Tagesliteratur war und iſt zum Theil noch kein bloß äußerer und formeller. Er war und iſt vielmehr ein tiefgehender. Der Ernſt des Buches ſchied ſich in jeder Beziehung von der elaſtiſchen Gewandtheit des Tages - blattes; die Stoffe für beide ſchienen weſentlich andre und ein andres war oder ſchien das Publikum, an das ſich beide wendeten. Es herrſchte die Vorſtellung, als ob eben deßwegen die Aufgabe, und vor allem damit auch die geiſtige und ethiſche Verantwortlichkeit für beide Gruppen von geiſtigen Arbeiten und Arbeitern eine nicht minder tief verſchiedene ſei, und als ob dieſe höhere Verantwortlich - keit vorzugsweiſe auf dem Buche ruhe. Nur der, der Bücher ſchreibt,VI iſt noch der eigentliche Schriftſteller. Und das war bis zu einem gewiſſen Grade begründet, ſo lange die Tagespreſſe ſich hauptſächlich mit den politiſchen Fragen beſchäftigte. Die Gründe liegen wohl nahe genug. Allein überblickt man in unſrer Zeit das was die Zeit - preſſe man kann ſchon nicht mehr bloß von der Tagespreſſe reden leiſtet und wohin ſie ſelbſt drängt und gedrängt wird, ſo iſt es kein Zweifel, daß ſie alle Gebiete des geiſtigen Lebens neben der Politik gleichmäßig in ſich zu verarbeiten beſtimmt iſt. Es gibt gar keinen Theil der Bildung mehr, deſſen ſich dieſe Zeitpreſſe nicht in ihrer Weiſe bemächtigte und bemächtigen muß. Sie iſt zu einem großen Lehrorganismus der Völker geworden, ſo ſehr, daß die reinſte Wiſſenſchaft ſelbſt in den Spalten der Tagesblätter ihren berech - tigten Naum gefunden hat, und immer mehr finden wird. Und das iſt es, was in unſren Augen nicht bloß eine Thatſache bleiben, ſondern zu ernſter Beachtung auffordern ſollte. Iſt dem nämlich ſo, ſo ſoll auch gewiß jene höhere Idee der Verantwortlichkeit auf die Zeitpreſſe übergehen, welche am Ende aus den Vertretern der Wiſſen - ſchaft das gemacht hat was ſie ſind. Wir werden erſt dann die Preſſe in ihrer ganzen Bedeutung ſich entwickeln ſehen, wenn jeder Mitarbeiter an derſelben von der Idee erfaßt iſt, daß er in ſeiner Weiſe nicht bloß einen Erwerb zu ſuchen oder eine Meinung aus - zuſprechen, ſondern daß er einen Beruf zu erfüllen habe, der weit über die Vertretung einer politiſchen Anſicht hinausgeht. Die Scheidewand zwiſchen dem Schriftſteller und dem Literaten, zwiſchen dem wiſſenſchaftlichen Arbeiter und dem Journaliſten iſt noch immer eine qualitative; erſt wenn beide wiſſen und ausſprechen, daß ſie Organe eines und deſſelben großen, ethiſchen Berufes ſind, wird ſie zu einer quantitativen werden, und die gegenſeitige Achtung wird den gemeinſchaftlichen Erfolg ſichern. Und für dieſes Ziel, der Zukunft der Preſſe, möchten wir in unſrer Weiſe wirken. Hier iſt allerdings nicht der Ort, zu ſagen, wie dieß geſchehen könne; wohl aber haben wir dahin zu arbeiten, daß es geſchehe. Und wir haben die volle und innige Ueberzeugung, daß es daher von nicht gering anzuſchlagender Bedeutung ſein wird, wenn man die Preſſe in der Weiſe wie wir es verſucht, als organiſchen Theil des Bildungsweſens, und nicht mehr als bloßes Objekt der Polizei und Jurisprudenz, in die Wiſſenſchaft der innern Verwaltung aufnimmt,VII und hieran das Volks - und Berufsbildungsweſen unmittelbar an - ſchließt. Das iſt es, wofür wir hier die Bahn brechen möchten. Gelänge es uns, in dieſer Weiſe das Verſtändniß der Preſſe zu begründen und damit definitiv die Vorſtellung zu beſeitigen, als könne man den großen Bildungsproceß der Völker jemals allein auf Elementar - und Berufsbildung beſchränken, ſo würde die vorliegende Arbeit ihren allgemeinen Zweck erreicht haben. Freilich, eigentlich beſtreiten wird das niemand; das aber, worauf es zuletzt ankommt, wird doch die Aufnahme dieſer Wahrheit in das Bewußtſein aller Schriftſteller und aller Verwaltungen ſein; und das Criterium deſſelben wird dann in der Forderung erſcheinen, daß auch der Tagesſchriftſteller ſeine Fachbildung für ſeinen ſehr ernſten Beruf beſitze.

Was nun den ſpeciellen Inhalt betrifft, ſo muß ich wieder - holen, daß ich das ganze Material weder erreichen, noch auch das erreichte ganz bewältigen konnte. Ich muß mir dabei geſtatten, auf eine Lücke in der Literatur des geſammten Europas hinzuweiſen, die man erſt dann recht erfährt, wenn man auf die Sache genauer eingeht, oder ſie wenigſtens, wie die innere Verwaltungslehre, in ihrer ſpeciellen Bedeutung zu würdigen Veranlaſſung nehmen muß. Uns fehlt nämlich eine wiſſenſchaftliche Behandlung der einzelnen großen allgemeinen Bildungsanſtalten, wie z. B. der Sammlungen, namentlich der Theater und Bibliotheken. Wir meinen damit nicht, daß nicht vieles ſehr Bedeutende darüber geſagt wäre. Allein von dem Standpunkte der Verwaltung von dem Standpunkte der Frage, in welcher Weiſe dieſe Anſtalten eben von Seite der Regie - rungen behandelt worden ſind und behandelt werden müßten ſind dieſelben unſres Wiſſens niemals unterſucht worden. Das Theaterweſen iſt vielfach beſprochen; aber die Literatur deſſelben iſt keine fachmänniſche in dem Sinne, in welchem wir es für die Ver - waltungslehre zu fordern haben. Das Bibliotheksweſen ſeinerſeits entbehrt unſres Wiſſens geradezu jeder eingehenden Bearbei - tung, und das iſt in unſrer Zeit ein großer Uebelſtand, weil in demſelben genau derſelbe Proceß beginnt, der in der Preſſe jetzt ziemlich allgemein herrſcht, die Bewältigung der Ausſchließlichkeit des gelehrten Bibliotheksweſens durch das Auftreten des Bedürfniſſes nach den Volksbibliotheken den Gemeinde - und VereinsbibliothekenVIII als allgemeine Bildungsanſtalten. So wichtig die Sache auch iſt und ſo tief ſie auch in das geiſtige Leben der Völker hineingreifen wird, ſo fehlt uns doch ſogar die Statiſtik der Sache, geſchweige denn eine eingehende Bearbeitung derſelben. Das ſind Arbeiten, die große Vorbereitung fordern, und ihren Mann ganz in Anſpruch nehmen; es iſt unmöglich, ſie in der Verwaltungslehre zu erſchöpfen. Aber was ſie vermag, das iſt, dazu die Anregung zu geben, indem ſie die allgemeine organiſche Bedeutung derſelben feſtſtellt, und einer beſonderen Bearbeitung damit ihren allgemeinen Werth verleiht. Wir wären ſtolz darauf, zu ſolchen, wahrlich hochwichtigen Arbeiten den ſyſtematiſchen Platz und den Anlaß geben zu dürfen.

Immer klarer aber erſcheint es, daß die Verwaltungslehre dasjenige Gebiet der Staatswiſſenſchaft iſt, das an Bedeutung von keinem andern übertroffen, an innerem und äußerem Reichthum von keinem andern erreicht wird. Keine menſchliche Arbeit eines Einzelnen wird allen ihren auch nur mäßigen Anforderungen jemals genügen. Wann wird die Zeit kommen, wo ſie wie die andern Wiſſenſchaften, die Aufgabe eines eigenen Berufes bilden wird? Und bis dahin möge man das Unvollendete darum freundlich hin - nehmen, weil es denn doch den Blick auf die künftige Größe dieſes Gebietes niemals verloren hat.

Wien, November 1867.

L. Stein.

[IX]

Inhalt.

  • Das Bildungsweſen. Dritter Theil.
  • Das allgemeine Bildungsweſen.
  • Seite
  • I. Begriff deſſelben1
  • Das öffentliche Rechtsprincip des allgemeinen Bildungsweſens2
  • II. Elemente der Geſchichte des allgemeinen Bildungsweſens4
  • Erſter Abſchnitt. Die Sittenpolizei11
  • I. Begriff und Rechtsprincip und Elemente ihrer Geſchichte11
  • II. Die Polizei der Unzucht17
  • III. Die Polizei der Unmäßigkeit21
  • IV. Die Polizei der Glücksſpiele22
  • V. Die Polizei der Feiertage24
  • VI. Thierquälerei26
  • Zweiter Abſchnitt. Oeffentliche Bildungsanſtalten27
  • I. Begriff und geſchichtliche Entwicklung im Allgemeinen27
  • II. Akademien und wiſſenſchaftliche Geſellſchaften33
  • III. Bibliotheksweſen36
  • IV. Oeffentliche Sammlungen39
  • V. Theater40
  • VI. Bildungsvereinsweſen43
  • Dritter Abſchnitt. Die Preſſe44
  • I. Allgemeiner Charakter44
  • II. Die ethiſche und die ſociale Funktion der Preſſe47
  • III. Die äußeren Hauptformen der Preſſe53
  • IV. Das Recht der Preſſe56
  • 1) Begriff, Princip und Gebiete deſſelben. (Die Förderung der Preſſe durch die Verwaltung und das Preßrecht) 56
  • 2) Das Syſtem des Rechts der Preſſe59
  • a) Grundbegriffe. Die Begriffe der geiſtigen That und der geiſtigen Arbeit59
  • b) Das Preßſtrafrecht, ſein Begriff und ſeine Stellung62
  • c) Die Preßpolizei und das Preßpolizeirecht67
  • X
  • Seite
  • d) Die Preßfreiheit, ihr Princip und ihr Recht73
  • e) Die Elemente des Kampfes um die Preßfreiheit und was den Charakter eines geltenden Preßrechts bildet87
  • V. Die Geſchichte des Rechts der Preſſe94
  • 1) Die Elemente der Geſchichte94
  • 2) Charakter des Preßrechts der ſtändiſchen Epoche. (Kirchliches und Univerſitäts-Cenſurrecht) 97
  • 3) Charakter und Epochen des polizeilichen Preßrechts100
  • a) Die Preßpolizei und ihr allgemeiner Charakter100
  • b) Das Prohibitivſyſtem der Preßpolizei103
  • c) Das Präventivſyſtem106
  • d) Das Repreſſivſyſtem109
  • 4) Das Recht der freien Preſſe117
  • VI. Die geltenden Preßrechtsſyſteme123
  • England124
  • Frankreich133
  • Deutſchland139
  • Holland und Belgien145
  • Schweden148
  • Italien149
[1]

Das Bildungsweſen.

(Die Verwaltung und das geiſtige Leben.)

Dritter Theil. Das allgemeine Bildungsweſen.

I. Begriff deſſelben.

Die allgemeine Bildung umfaßt in ihrem Begriffe die Geſammt - heit derjenigen geiſtigen Güter, welche nicht mehr für einen beſtimmten Erwerb und Beruf dienen ſollen.

Während daher das geiſtige, für Beruf und Erwerb beſtimmte Leben ſtets den Charakter eines wenn auch geiſtig hochſtehenden und großen, ſo doch beſchränkten Ganzen enthält, iſt jene allgemeine Bil - dung der Faktor, welcher der geiſtigen Welt das Element des unend - lichen Fortſchrittes wiedergibt und erhält. Sie iſt ihrem Principe nach die Anerkennung, ja die Forderung der geiſtigen Freiheit, ihrer Wirk - lichkeit nach die Verwirklichung derſelben. Während daher die Elementar - und Berufsbildung auch bei einem ſtillſtehenden, ja in ſeiner Entwicklung zurückgehenden Volke nicht bloß eine hohe und ſelbſt in allem Einzelnen fortſchreitende ſein kann, iſt die allgemeine Bildung das endgültige Kri - terium der wahrhaft hiſtoriſchen, die Weltgeſchichte bewegenden Völker.

Die Macht dieſer Wahrheit iſt ſo groß, daß ſie ſich auch in allen übrigen Gebieten des Bildungsweſens Bahn bricht. Die allgemeine Bil - dung kann ihrem höhern Weſen nach zwar von den beiden andern Stufen unterſchieden, aber nicht von ihnen abgeſchloſſen werden. Denn am Ende iſt alles geiſtige Leben Ein Ganzes. Wohl aber kann ein Volk und eine Zeit ſie in ſehr verſchiedenem Grade mit der ſpeciellen Bildung verbinden. Und daher muß man ſagen, daß der Charakter und das Maß der freiheitlichen, unendlichen und damit welthiſtoriſchen Entwicklungsfähigkeit eines Volkes an dem Grade gemeſſen werden kann,Stein, die Verwaltungslehre. VI. 12in welchem es die Elemente der allgemeinen Bildung mit denen der Volks - und Berufsbildung zu verbinden gewußt hat.

Wie das nun in der niedern und höhern Pädagogik zu geſchehen hat, das zu unterſuchen iſt Sache der Bildungslehre. Wir nennen den Proceß, vermöge deſſen die Entwicklung der Menſchheit eben durch die allgemeine Bildung vor ſich geht, die Civiliſation oder Ge - ſittung, die daher ohne Verſtändniß des organiſchen Bildungsweſens gar nicht genetiſch verſtanden und dargeſtellt werden kann. Die Ver - waltungslehre aber hat den Punkt in der Civiliſation zu bezeichnen, auf welchem jene allgemeine Bildung in die öffentlichen Rechtszuſtände der Völker hineingreift und in welcher Weiſe ſie dieſelben beſtimmt und von ihnen beſtimmt wird. Mit dieſer Frage beginnt ihre Aufgabe.

Dieſer Punkt beſteht nun in dem Satze, daß während die Berufs - bildung dasjenige erzeugt, wofür ſie eben beſtimmt iſt, die Unter - ſchiede unter den Einzelnen wie unter den Geſellſchaftsklaſſen, die allgemeine Bildung ihrerſeits in der geiſtigen Welt dieſe Unterſchiede wieder aufhebt, dadurch die Trägerin der Gleichheit im geiſtigen und da - mit im geſellſchaftlichen Leben und den von ihm beherrſchten Rechtszuſtänden der Menſchheit wird. Sie iſt undenkbar ohne das Princip der gleichen Beſtimmung, ſie erzeugt die gleiche Befähigung, und fordert daher ein gleiches Recht Aller. Mit dieſem Satze tritt die - ſelbe als eins der bedeutſamſten Gebiete in die Verwaltungslehre.

Das öffentliche Rechtsprincip des allgemeinen Bildungsweſens.

Steht es demnach feſt, daß die höchſte Entwicklung des Staats als die allgemeine Perſönlichkeit durch die höchſte Entwicklung aller ſeiner einzelnen Angehörigen gegeben iſt und daß dieſe höchſte Entwicklung weſentlich auf jener allgemeinen Bildung beruht, ſo ſcheint die Her - ſtellung der Bedingungen dieſer allgemeinen Bildung eine der erſten und wichtigſten Aufgaben der Verwaltung zu ſein.

Allein gerade bei der allgemeinen Bildung erſcheint der für das geiſtige Leben der Menſchheit entſcheidende Grundſatz in erſter Reihe, daß nur dasjenige die Entwicklung wahrhaft fördert, was ſich der Einzelne durch ſeine That, durch ſelbſtthätiges Denken und Arbeiten ſelbſt erwirbt.

Die allgemeine Bildung darf daher weder vom Staate gegeben werden, noch darf er als ausſchließlicher Herr der materiellen Bedin - gungen derſelben erſcheinen. Die wahre allgemeine Bildung muß ſich daher jedes Volk ſelbſt ſchaffen, und die Verwaltung hat nur aus - nahmsweiſe unmittelbar bei derſelben mitzuwirken.

Indem aber das Volk ſich ſeine allgemeine Bildung ſelber ſchafft, wird die darauf gerichtete Thätigkeit ſtets von Einzelnen ausgehen. 3Damit iſt nun zugleich die Gefahr gegeben, daß der Einzelne dieſen ſeinen Einfluß auf die allgemeine Bildung mißbrauche, während die zu Bildenden als ſolche nie ganz im Stande ſind, ſich gegen dieſen Mißbrauch zu ſchützen. Von dieſem Standpunkt aus ergibt ſich nun das, was wir das Princip des öffentlichen Rechts des allgemeinen Bildungsweſens nennen müſſen.

Die allgemeine Bildung ſoll frei ſein in ihrer Entwicklung; das heißt, das Volk ſoll ſie ſich ſelber geben, und der Staat nur diejenigen Anſtalten herſtellen, welche ihrer Natur nach für Herſtellung und Leitung der Staatsmittel bedürfen. Die poſitive Thätigkeit der Verwaltung in Beziehung auf dieſe allgemeine Bildung iſt daher, wenn auch keine unbe - deutende, ſo doch eine äußerlich wenig erſcheinende. Sie beſteht formell nur in der Aufſtellung jener allgemeinen Bildungsanſtalten, welche der Kulturſtand eines Volkes fordert. Das eigentliche Gebiet derſelben iſt da - gegen vielmehr die durch die Verwaltung geforderte oder hergeſtellte Auf - nahme der allgemeinen, über die Elementar - und Berufsbildung hinaus - gehenden Bildungselemente in die Erziehung des Volkes; und weil die - ſelbe hier liegt, hat man ſie meiſtens ſo wenig theoretiſch beachtet. Da - gegen iſt die negative Thätigkeit praktiſch und juriſtiſch eine viel faß - barere. Denn die allgemeine Bildung ſoll zugleich geſchützt werden gegen die Verletzung der allgemeinen geiſtigen Ordnung; das heißt, da die letztere, die höhere Sittlichkeit, ihrerſeits nicht bloß eine That - ſache, ſondern wieder eine Bedingung der individuellen Entwicklung iſt, ſo hat die Verwaltung die Aufgabe, dieſe höhere öffentliche Sittlichkeit gegen die Verletzung durch die geiſtige That des Einzelnen zu ſchützen; und dieſe Aufgabe bezeichnen wir als die Kulturpolizei.

Während demnach die Aufgabe der Verwaltung des geiſtigen Lebens bei der Volksbildung die Pflicht der erſteren zur Herſtellung der letzteren, bei der Berufsbildung die Pflicht und das Recht der Ver - waltung zur Ordnung dieſes Bildungsgebietes enthält, wird ſie für die allgemeine Bildung nothwendig im Weſentlichen theils als Hebung und Erweiterung der Bildung überhaupt, theils als Herſtellung ſpezieller Bildungsanſtalten, theils aber als Kulturpolizei erſcheinen.

Daraus ergibt ſich nun allerdings für die Darſtellung des allge - meinen Bildungsweſens in der Verwaltung eine wichtige Conſequenz. Die letztere wird hier naturgemäß faſt nur als polizeiliche Funktion auftreten und ihr Recht faſt nur als ein polizeiliches erſcheinen. Es iſt ſchwierig, dabei die hohe Idee des allgemeinen Bildungsweſens feſtzuhalten.

Begriff und Inhalt der Kulturpolizei können indeß nur dann zu Mißverſtändniſſen Anlaß geben, wenn man ſich denkt, daß vermöge derſelben jede thätige Theilnahme der Verwaltung an der Förderung4 der allgemeinen Bildung ausgeſchloſſen ſei, oder daß die Selbſtthätig - keit des Volkes für ſeine allgemeine Bildung durch das Princip derſelben von dem Willen der Regierung abhängig gemacht werden ſolle. Beides iſt nicht der Fall. Keine Regierung kann die allgemeine Bildung ſchaffen, keine kann ſie hindern; aber keine darf ihr gegenüber ganz gleichgültig bleiben. Ihre Thätigkeit wird ſtets eine fördernde, aber in erſter Reihe allerdings eine ſchützende ſein müſſen. Die pſychologiſchen Gründe dafür enthält die Bildungslehre. Das Syſtem und der poſi - tive Inhalt dieſer Kulturpolizei aber werden durch daſſelbe große Ele - ment geſetzt, welches überhaupt das Verwaltungsrecht beherrſcht, die Geſellſchaftlichen Ordnungen.

Indem nämlich die allgemeine Bildung ihrem Princip nach die Gleichheit und damit das gleiche Recht aller Perſönlichkeiten enthält und verwirklicht, wird ſie dadurch vor allem ein entſcheidender Faktor in der geſellſchaftlichen Ordnung und ihrer Bewegung. Es ergibt ſich daraus, daß jede große geſellſchaftliche Ordnung ihr eigenes allgemeines Bildungsweſen erzeugt, und daß in jeder derſelben das geltende Recht der Kulturpolizei als eines der charakteriſtiſchen Merkmale des geſellſchaftlichen allgemeinen Rechtsprincips angeſehen werden muß.

Von dieſem Standpunkt aus hat ſich nun auch das heutige allge - meine Bildungsweſen und das öffentliche Recht der Kulturpolizei unſerer ſocialen Zuſtände entwickelt.

II. Elemente der Geſchichte des allgemeinen Bildungsweſens.

Es iſt, vermöge der obigen Natur der allgemeinen Bildung ſehr leicht, über die Entwicklung derſelben im Allgemeinen zu reden, da ſie auf allen Punkten zugleich erſcheint, und ſtets zugleich Grund und Folge der Geſammtentwicklung iſt. Allein es iſt ſehr ſchwer, den poſi - tiven Inhalt derſelben zu finden und zu verfolgen, denn die Gränzen zwiſchen dem was ihr und was andern Gebieten gehört, ſind im Ein - zelnen immer äußerſt ſchwierig, oft gar nicht feſtzuhalten. Dennoch muß die Verwaltungslehre ſich von derſelben Rechenſchaft ablegen.

Wiederum nun iſt dieſelbe dieſer Aufgabe gegenüber in der Lage, ſtatt nach bloßen Darſtellungen vielmehr nach einem beſtimmten Princip zu ſuchen, und den Werth ihrer Auffaſſungen und Ergebniſſe zunächſt von der Richtigkeit dieſes Princips abhängig zu machen. Dieſes Princip aber iſt unabweisbar ein geſellſchaftliches und darum iſt das allgemeine Bildungsrecht ſtets und weſentlich gleichfalls ein ſociales. Es erſcheint nothwendig, daſſelbe hier an die Spitze zu ſtellen.

5

Jede Bildung enthält und vertheilt ein geiſtiges Gut; jede allge - meine Bildung enthält und vertheilt die allgemeinen geiſtigen Güter; das geiſtige Gut aber beherrſcht das vorhandene materielle, erzeugt das nicht vorhandene. Durch den Erwerb der geiſtigen Güter wird daher der Einzelne über die Sphäre hinaus gelangen, in der er ſich durch die gegebene Vertheilung der materiellen Güter und ihrer Einflüſſe auf ſeine geſammte Lebensthätigkeit und Stellung befindet. Das iſt es, wodurch ſie ſich von der Berufsbildung weſentlich unterſcheidet, und das iſt es auch, wodurch ſie ein ſo gewaltiger, ja vielleicht der gewaltigſte Faktor in der Weltgeſchichte wird.

Wenn nun die geſellſchaftlichen Ordnungen einerſeits auf der Ver - theilung der Güter beruhen, und in gegenſeitiger Wechſelwirkung, wie die Wiſſenſchaft der Geſellſchaft zeigt, einerſeits durch die beſtimmte geiſtige Funktion eine geſellſchaftliche Güterordnung und andrerſeits durch dieſe Güterordnung wieder eine objektive feſte Vertheilung der geiſtigen Funktionen erzeugen, ſo iſt es klar, daß die allgemeine Bildung nicht bloß bei der einfachen Vermehrung der Gütermaſſe der geiſtigen Welt ſtehen bleibt, ſondern zugleich mit derſelben eine neue Vertheilung einer - ſeits der großen öffentlichen Funktionen, andrerſeits aber auch als Be - ſitz und Vermögensverhältniſſe theils bedingen, theils erzeugen müſſen. Keine Zeit und kein Volk täuſcht ſich über dieſe Bedeutung und dieſe Macht der allgemeinen Bildung, und es iſt dabei ganz gleichgültig, ob es jene Conſequenzen bloß mit ſeinem Gefühle und Inſtinkt erfaßt, oder ob es ſich dieſelben poſitiv zu formuliren weiß. Jeder verſteht es ſofort, daß während die Elementar - und Berufsbildung die höchſte Ent - wicklung eines Volkes innerhalb einer gegebenen Ordnung der Ge - ſellſchaft bedeuten, die allgemeine Bildung vielmehr unabweisbar den Keim einer neuen Geſtaltung der geſellſchaftlichen Welt mit all ihren Conſequenzen enthält. Denn allein dieſe allgemeine Bildung bringt den Einzelnen über die Gränzen ſeiner Lebensſtellung hinaus; ſie iſt es die ihn lehrt, andere Ordnungen zu verſtehen, zu beurtheilen und zu wünſchen; ſie gibt ihm die Kraft, in einer andern Ordnung thätig zu ſein; ſie endlich lehrt ihn, daß bei aller Verſchiedenheit des wirk - lichen Lebens ein Gebiet vorhanden iſt, auf dem die gleiche Beſtimmung eine gleiche Stellung und Aufgabe erzeugen muß. Sie arbeitet in dieſer Richtung zwar langſam, unter unendlichen Fehlern, einſeitig und oft thöricht, immer aber in derſelben Weiſe, unaufhaltſam das Kleine zum Kleinen fügend, bis die unendliche Wiederholung deſſelben eine große, alles andere überragende Thatſache daraus macht. Sie wird dadurch vielfach höchſt ungerecht gegen das Einzelne, gegen den unſchätz - baren Werth des Beſondern, gegen die Selbſtändigkeit, die Kraft und6 den Stolz der Specialbildung und des Berufs; aber im Ganzen behält ſie Recht. Sie iſt, indem ſich jedem einzelnen Menſchengeiſte ein neues Werden eröffnet, das Element des Werdens für die Geſammtheit. Sie iſt der Keim der ewigen Jugend im Leben des Geiſtes; ſie iſt aber auch nur zu oft der einſeitige Feind des Guten und Unzerſtörbaren, das das Beſtehende enthält. In ihr iſt der geiſtige Ausdruck des tiefen Gegenſatzes zwiſchen dem Alten und dem Neuen, des tiefen Mißver - ſtändniſſes über das wahre Weſen des Beſondern und des Allgemeinen, der Feindſchaft zwiſchen der Verſchiedenheit und der Gleichheit. Und das ſind die Elemente, auf denen die geſellſchaftliche Stellung der all - gemeinen Bildung beruht.

Denn es folgt daraus, daß die allgemeine Bildung das naturge - mäße Gebiet derjenigen Klaſſen der Geſellſchaft iſt, welche wir als die niedere bezeichnen. Die Hebung der niedern Klaſſen im Sinne der Geſellſchaftslehre bedeutet in der That zweierlei. Einmal iſt ſie die Verbeſſerung der wirthſchaftlichen und geiſtigen Lage derſelben inner - halb ihrer geſellſchaftlichen Stellung; dann aber iſt ſie dasjenige Ele - ment, durch welches ſie ſich den höhern Klaſſen gleichſtellt. Dieſe Gleichſtellung aber bedeutet zwar zunächſt ſtets eben nur die Gleichheit in dem Erwerb der geiſtigen Güter; dann aber bedeutet ſie eben ſo ſehr die Folgerungen und Forderungen, welche an dieſe weſentliche Gleich - heit der geiſtigen Bildung anſchließen. Und da nun ewig die geiſtige Welt doch zuletzt das geſtaltende und ordnende Element für die wirth - ſchaftliche iſt und ſein muß, ſo ergibt ſich, daß die Conſequenzen dieſer Entwicklung ſtets und unvermeidlich bei der großen Frage der Organi - ſation des wirthſchaftlichen Lebens anlangen. So wie das aber ge - ſchieht, tritt nun ein neues Element in die Geſchichte der allgemeinen Bildung hinein, das nicht weniger mächtig als die letztere ſelbſt, die Weltgeſchichte durchdringt, und in ewigem Kampfe mit jener und ihren gewaltigen Folgen iſt. Das iſt das Intereſſe.

So wie nämlich das Intereſſe der herrſchenden Klaſſe in der all - gemeinen Bildung nicht eben bloß das fördernde und geiſtige Element, ſondern die in ihr liegende Gefährdung ihres Beſitzes und ihrer In - tereſſen erkennt, ſo wird ſie derſelben feindlich. Und da nun nach den Geſetzen, nach welchen die Staatsverfaſſungen ſich bilden, die geſell - ſchaftlich herrſchende Klaſſe zugleich die Macht der Geſetzgebung und Ver - waltung beſitzt und feſthält, ſo folgt, daß ſofort eine Bewegung ent - ſteht, vermöge deren im Intereſſe der herrſchenden Klaſſe die Entwick - lung der allgemeinen Bildung ſelbſt bekämpft wird. Dieſer Kampf iſt ein furchtbarer, denn er wird auf geiſtigem Gebiete geführt, und die Einzelnen, die ihm zum Opfer fallen, fallen einer Idee, die einer7 Thatſache unterliegt. Dieſer Kampf ſelbſt aber hat zwei Geſtalten und ſo hat er auch zwei große Folgen und Ergebniſſe. Zuerſt iſt er natur - gemäß rein negativ. Er enthält anfänglich nur noch das Bewußtſein, daß die zum öffentlichen Recht gewordene Unterſcheidung der Klaſſen und die mit ihr gegebene Beſchränkung der allgemeinen Bildung auf gewiſſe Klaſſen nicht ſein ſoll; allein da ihm nicht das zweite zur Seite ſteht, die wirklich vorhandene und fortſchreitende allgemeine Bildung der niedern Klaſſe, ſo bleibt es bei der einfachen Zerſtörung der ſocialen Ordnung, die auf der gegebenen Vertheilung der geiſtigen Güter und der ſpeziellen Entwicklung der Berufe beruht, ſtehen. Sie iſt eine ein - fache Zerſtörung, keine Fortentwicklung; die Geſittung hat die negative Bedingung ihrer Entwicklung gefunden, aber ſie vermag ſie nicht poſitiv auszufüllen. Sie erzeugt daher einen andern Zuſtand, aber keinen Fortſchritt. Erſt da, wo der Kampf gegen die geſellſchaftlichen Unter - ſchiede von dieſem wirklichen Fortſchritt der niederen Klaſſe begleitet und bedingt wird, ſehen wir aus der Zerſtörung des Alten eine neue Ge - ſchichte beginnen. Erſt hier iſt der Proceß des Werdens ein lebendiger, und nicht mehr erſchöpft in dem Aufeinanderfolgen des andern an der Stelle des bisherigen. Und hier hat daher auch jenes Intereſſe der herrſchenden Klaſſe ein beſtimmtes Objekt, das es verfolgen, mit dem es kämpfen kann. Dieß Objekt iſt dann eben das Mittel, durch welches jene allgemeine Bildung ſich erzeugt und verbreitet. Dieß Mittel wird daher jetzt zum Gegenſtande des öffentlichen Rechts; an ihm formulirt ſich der Proceß der Bildung, und an ihm auch das öffentliche Recht; alle andern Faktoren werden nebenſächlich, und hier erſt beginnt die Geſchichte des Rechts des allgemeinen Bildungsweſens.

Die Verwaltungslehre muß daher, will ſie nicht durch ihre Aus - dehnung ſich überhaupt mit der Weltgeſchichte identificiren, ſich beſtim - men, erſt bei demjenigen Momente zu beginnen, wo dieſes große Mittel mit ſeiner Wirkung ins Leben tritt. Dieß Mittel ſelbſt aber iſt kein anderes als die Buchdruckerei. Es iſt überflüſſig, im Einzelnen nachzuweiſen, daß ſie es iſt und warum ſie es iſt, und warum ſie allein in der ganzen Weltgeſchichte jedes Verſuches ſpottet, die Entwicklung der allgemeinen Bildung neben und über der Fachbildung aufzuhalten. Die Geſchichte der Welt hat Zuſtände genug, in denen ſtarr gewordene Geſellſchaftsordnungen durch gewaltſame Bewegungen umgeſtoßen worden ſind, ohne daß dieſer Umſturz etwas Weſentliches gefördert hätte. Wir ſehen im Orient, in Aegypten, vielleicht auch im untergegangenen Amerika eine Geſtaltung der Dinge, in denen die Berufsbildung das ganze Volk durchdringt und den höchſten Grad der Kultur für jeden Theil erreicht. Wir ſehen das Intereſſe der herrſchenden Klaſſe jede freie Bewegung8 des Volks mit rückſichtsloſer Strenge unterdrücken. Wir ſehen dieſe Ordnung geſtürzt. Die Sikhs brachen den Buddhaismus, die Griechen brachen das ägyptiſche Prieſterthum, die Spanier vernichten Mexiko und Peru; aber fortgeſchritten ſind dieſe Völker nicht. Wir ſehen auch in der rohen Geſchlechterordnung der Germanen eine unterworfene Klaſſe als Leibeigene ſich erheben und die Bauernkriege ſich über ganz Europa wie eine geſchichtliche Windsbraut hinwälzen; aber wir ſehen nicht, daß ſie etwas Beſſeres gebracht hätten. Erſt da, wo die Preſſe beginnt, die Bildung in die Hütte auch des Armen zu tragen, wird es anders, und die Weltgeſchichte beginnt eine wahrhaft neue Epoche.

Wir können nun Inhalt und Bedeutung dieſer Epoche unſchwer charakteriſiren, wenn wir ſie auf die großen geſellſchaftlichen Kategorien zurückführen, welche auch dieſem Gebiet zum Grunde liegen. Nur hat der Geiſt der germaniſchen Geſchlechter dieſem Proceſſe ſeine ihm eigenthümliche Geſtalt gegeben. Eine Welt der Arbeit kann nie zur kaſtenmäßigen Abgeſchloſſenheit ihrer Theile gelangen, wie der Orient. Den Germanen iſt daher nie das Bewußtſein einer beſſeren Beſtimmung ihrer niederen Klaſſen verloren gegangen. Sie haben daher nie der Bewegung, welche mit der Buchdruckerei entſtand, ſich grundſätzlich und allgemein entgegen - geſtellt. Sie haben ſie vielmehr im Großen und Ganzen getragen und gefördert, und man darf nie verkennen, daß gerade an der Preſſe der germaniſchen Welt erſt das Weſen und der Werth der allgemeinen Bil - dung, ihre Gefahr und ihr Heil zum Verſtändniß gekommen iſt. Im Gebiete der Preſſe iſt daher hier der eigentlich ſociale Kampf gekämpft, das Recht der Preſſe iſt das wahre Recht der allgemeinen Bildung ge - worden, und damit iſt die Preſſe das Objekt dieſes ganzen Theiles der Verwaltung, ihrer Geſetzgebung und ihrer Thätigkeit. Wohl aber kann man auch hier eben aus dieſer Stellung der Preſſe heraus die beiden großen Epochen der Bewegung zur allgemeinen Bildung am deutlichſten erkennen.

Die erſte Epoche derſelben iſt nun, in Kürze bezeichnet, die der Los - löſung der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft aus der ſtändiſchen. Die ſtän - diſche Geſellſchaft enthält noch das orientaliſche Princip der Beſonderung der Berufe und der Erſchöpfung des geſammten Bildungsweſens in der Berufsbildung. Wohl ſehen wir hier das nicht germaniſche Princip der Gleichheit aller Beſtimmung ſich erhalten und innerhalb jenes Ge - bietes durchgreifen; aber die allgemeine Bildung iſt hier noch keine Bildung des Volkes, ſondern eine Gemeinſchaft der Berufsbildung in Philoſophie und Geſchichte. Wohl ſehen wir die Schola jedem offen ſtehen, aber es kann ſie am Ende doch nur der Sohn der beſitzenden Klaſſe betreten. Wohl nimmt die Kirche jeden, auch den Unfreien auf9 und der Hirtenknabe kann Papſt werden, aber die Kirche ſelbſt iſt ein Stand geworden. Erſt da, wo das Buch beginnt, beginnt eine neue Ordnung der Dinge. Erſt da fängt der Elementarunterricht an, allge - mein zu werden; erſt da ſtrömt das geiſtige Leben von der ſtändiſchen Bildung in das ganze Volk, alle Unterſchiede ausgleichend und bedeckend; erſt da entſteht die Thatſache einer allgemeinen Bildung, ohne daß ein anderes Element als das der natürlichen Entwicklung dabei thätig wäre. Und dadurch geſchieht nun das, was dieſe allgemeine Bildung in das Staatsleben und ſeine Verwaltung hineinzieht.

So wie nämlich die Anfänge der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft ſich entwickeln, entſteht ein neues öffentliches Recht, eine neue eigenthüm - liche, auf dem Weſen derſelben beruhende Geſtalt der Staatsgewalt. Wir haben ſie ihrem Princip nach die eudämoniſtiſche, ihrer Form nach die polizeiliche genannt. Die Epoche dieſer eudämoniſtiſchen Polizei erkennt ihrerſeits ohne ſich über das geſellſchaftliche Element Rechenſchaft abzulegen den Werth der allgemeinen Bildung. Sie weiß, daß dieſelbe nicht bloß das Glück und die Wohlfahrt, ſondern auch die Macht der Staaten vermehrt. Sie beginnt daher, dieſe allgemeine Bildung ſofort in den Kreis ihrer Aufgaben hineinzuziehen. Freilich erſcheint dieſe anfänglich noch der Form nach als Fachbildung; aber durch die Preſſe iſt das Feſthalten an der Beſchränkung derſelben nicht mehr möglich. Die geiſtige Welt dehnt ſich gleichſam von ſelbſt nach allen Seiten aus, und die Verwaltung iſt von ihrem Standpunkte aus gerne bereit, ihr die Hände zu reichen. Eben dadurch aber erſcheint nun die hier maßgebende Thatſache, daß dieſe Verwaltung unmittelbar nur ſehr wenig für dieſelbe zu thun vermag. Sie arbeitet vielmehr, vom eigenen Geiſte getragen, ſelbſtſtändig weiter, und in dieſer Arbeit droht ſie oft genug, dem Beſtehenden direkt gefährlich zu werden. Die Polizei erfährt das bald an der Fruchtloſigkeit ihrer Bemühungen, und in der Erkenntniß, daß ſie für die Förderung dieſer Bewegung wenig leiſten kann, zieht ſie ſich nunmehr auf das eigenthümliche, leicht verſtändliche Gebiet zurück. Sie ſieht ihre Aufgabe weſentlich in der Verhinderung der Ausſchreitungen, welche den Gang der Bildung ihrer Meinung nach oder in Wirklichkeit bedrohen. Sie ſucht die immer höher gehenden Wogen der Bewegung, deren letztes Ziel ſtets die perſönliche Freiheit iſt, einzudämmen; ſie fürchtet eigentlich nicht den Strom, der ſie zum Theil ſelbſt trägt, und will ihn nicht hemmen, aber ſie fürchtet ſein Ausſchreiten über die Ufer, welche ſie ſetzen zu müſſen glaubt. Sie verſucht daher, hier im Namen der Obrigkeit einzuſchreiten und die all - gemeine Bildung mit Vorſchriften und Maßregeln in Geſtalt und Grenze nach ihrem Sinn zu modeln. Sie will die Kultur; aber ſie will ſie ſo,10 wie ſie ſie verſteht; dieſelbe iſt für ſie ein Theil der allgemeinen Verwaltung und fällt unter das Recht und die Principien derſelben als ein Theil der Polizei überhaupt. So entſteht die Kulturpolizei, die erſte Geſtalt der eigentlichen Verwaltung der allgemeinen Bildung, die erſte Form, in der dieſelbe dem Staate zum Bewußtſein kommt; und wieder tritt uns die Er - ſcheinung entgegen, daß noch bis zum heutigen Tage ſich dieſer Name als die eigentliche Bezeichnung des Verhältniſſes der Verwaltung zur allge - meinen Bildung erhalten hat, die Begriffe verwirrend und das rechte Ver - ſtändniß erſchwerend. Allerdings liegt der nächſte Grund dafür wohl darin, daß aus Urſachen, die bei der Darſtellung des Preßweſens ihren Platz finden, die Verwaltung ſtreng negativ gegen die Preſſe war; allein den - noch iſt die Sache ſelbſt nur als hiſtoriſche zu erklären. Erſt die eigent - liche Verwaltungslehre kann dabei den richtigen Standpunkt für das Ganze feſtſtellen.

Läßt man daher dieſe Vorſtellung des vorigen Jahrhunderts fallen, ſo ergibt ſich nun, daß das, was wir die Kulturpolizei nennen, in der That nichts anderes iſt, als das polizeiliche Element in der organiſchen Verwaltung des allgemeinen Bildungsweſens überhaupt. Es iſt daher hier wie in der ganzen Verwaltungslehre dieß Element nicht etwa bloß auf ein Gebiet beſchränkt, und noch weniger das eigentliche Weſen der - ſelben, ſondern es iſt in der ganzen Verwaltung des Bildungsweſens enthalten, denn auch die Elemente und die Berufsbildung haben ihre Kulturpolizei ; nur tritt es in der allgemeinen Bildung ſpecieller her - vor, und erſcheint hier als eine beſondere, auch äußerlich geſchiedene Aufgabe der Verwaltung, die wir jetzt die Sittenpolizei nennen. Sie iſt die reine negative Seite dieſes Gebietes der Verwaltung. Ihr zur Seite ſteht das rein poſitive, dasjenige, in welchem die Verwaltung etwas Poſitives für ihren Zweck zu leiſten hat; und das Gebiet um - faßt die allgemeinen Bildungsanſtalten des Staats. In dem dritten und bei weitem wichtigſten Gebiet, der Preſſe, ſehen wir dagegen die wunderbarſte Erſcheinung der geſammten geiſtigen Welt, den ſich ſelbſt erzeugenden und ordnenden Proceß der allgemeinen Bil - dung, und das Verhältniß des Staats und ſeines öffentlichen Rechts zu dieſem Gebiete bildet das Preßweſen. So hat ſich aus der ge - ſchichtlichen Bewegung ein ſelbſtändiges Syſtem der Verwaltung und des öffentlichen Rechts herausgebildet; der einſeitige Begriff der Kultur - polizei iſt überwunden, und das allgemeine Bildungsweſen bildet jetzt die Erfüllung des großen Bildungsorganismus der Völker Europas, der ſeine Formulirung und ſein Recht durch die Verwaltungslehre zu empfangen hat.

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Wir können keine hiſtoriſche Entwicklung dieſes Gebietes als eines Ganzen andeuten, weil es eben keine gibt. Der Charakter aller bis - herigen Berührungen und Bearbeitungen der Frage beſteht darin, die drei Theile derſelben, welche wir angedeutet haben, geſondert zu be - handeln, und zwar ohne eine Vorſtellung von dem inneren organiſchen Zuſammenhang derſelben. Ausnahmslos iſt die Sittenpolizei, oft als eigene Kulturpolizei, ſelbſtſtändig behandelt, die Anſtalten für die all - gemeine Bildung ſind als Theile des Bildungsweſens, als einfache Zu - ſätze zu demſelben aufgefaßt, gelegentlich auch in die Kulturpolizei hinein - gezogen; die Preſſe und ihr Recht haben eine ſpäte, aber dann von jeder adminiſtrativen Beziehung zum Bildungsweſen abgeſonderte Unterſuchung erfahren. Wohl ſieht man, wie die vagen Vorſtellungen von Kultur oder Aufklärung im vorigen Jahrhundert und noch bis in das gegen - wärtige herein ungefähr den Gedanken enthalten, das Ganze organiſch auffaſſen zu wollen, allein während die Rechts - und Staatsphiloſophie noch bis jetzt, z. B. bei Bluntſchli und Held, bei allgemeinen Redensarten ſtehen bleiben, ohne Nutzen für das praktiſche Leben, con - denſirt ſich das Rechtsverhältniß in den Territorialrechten nach den einzelnen Geſetzgebungen, und das allgemeine deutſche Staatsrecht hat nicht einmal den Begriff der Kultur oder der Geſittung oder auch nur den der Sittenpolizei aufgenommen. Wir müſſen daher die Literatur - geſchichte auf das Einzelne verweiſen. Formell ſteht aber wohl ſchon hier feſt, daß es die Frage nach der Auffaſſung der Preſſe und ihrer organiſchen Stellung ſein wird, welche über die Auffaſſung dieſes ganzen Gebietes entſcheiden wird. Wird man daran feſthalten, in der Preſſe nur ſo weit einen Gegenſtand der Verwaltung zu ſehen als ſie Gegen - ſtand der Polizei iſt, ſo iſt dieſer ganze Theil aufgelöst. Wir unſer - ſeits vertreten unbedingt die würdigere Anſicht von derſelben, und werden ſie feſthalten müſſen.

Erſter Abſchnitt. Die Sittenpolizei.

I. Begriff und Rechtsprincip und Elemente ihrer Geſchichte.

Es iſt allerdings Sache der freien Selbſtbeſtimmung, die eigenen Handlungen mit der Sittlichkeit in Harmonie zu bringen. Die Straf - loſigkeit derſelben aber, ſo wie ſie in die Oeffentlichkeit treten, enthält eine Negation ihrer Strafbarkeit; durch ſie wird das, was für den Ein - zelnen unrecht iſt, für alle als zuläſſig geſetzt. Die ſittliche Ordnung12 iſt ein Gut der Gemeinſchaft; ſie ſchützt dieſelbe, indem ſie Handlungen ſtraft, welche ſie öffentlich verletzen. Darüber ſind alle Zeiten und Völker im Princip einig. Die Frage iſt nur die, ob es eine Gränze zwiſchen den bloß zu verhindernden und den zu beſtrafenden Handlungen gibt, und zweitens, wer dieſe Gränze ſetzen ſoll. Und in dieſen Punkten liegt die Geſchichte der Sittenpolizei.

Die Sittenpolizei umfaßt die Geſammtheit der Maßregeln, welche in allen Handlungen der Einzelnen das die öffentliche Sitte verletzende Element beſeitigen. Sie trägt daher, neben ihrer Berechtigung, die Gefahr in ſich, zugleich die Freiheit des Einzelnen von dem Geſichts - punkt jenes Elementes aus zu beeinträchtigen. Je beſtimmter ſich daher die individuelle Freiheit entwickelt, um ſo mehr tritt das Bedürfniß auf, die Gränze des Rechts und des Unrechts in der öffentlichen Handlung des Einzelnen objektiv ſo feſt zu ſtellen als möglich. Der Gang der Rechtsbildung dieſer Sittenpolizei beruht daher im Großen und Ganzen zunächſt darauf, daß zuerſt die Geſchlechter und dann in der ſtändiſchen Geſellſchaft die Körperſchaften dieſe Polizei der von ihnen geforderten Sitte ſelbſt ausüben, während mit dem Auftreten der polizeilichen Epoche die Regierung als verordnende Gewalt einſeitig zugleich Geſetzgebung und Vollziehung in die Hand nimmt. Das Charakteriſtiſche in dieſer Epoche iſt, daß ſich die öffentliche Sitte in ihr nicht mehr durch das ſittliche Bewußtſein des Volkes, ſondern durch die theoretiſche Auf - faſſung des Eudämonismus und ſeiner Wohlfahrtspolizei beſtimmt. Mit dieſem Eintreten der Polizeigeſetzgebung entſteht das, was man die zweite Geſtalt oder Epoche der Sittenpolizei nennen kann. In ihr übernimmt die Regierung die Aufgabe der alten Geſchlechter und ſtän - diſchen Körperſchaften, und zwar zum Theil in feindlicher Weiſe gegen dieſelben gerichtet, wie ſie überhaupt die Gegnerin jeder Selbſtverwal - tung iſt. Jetzt beginnt daher jene Reihe von Verordnungen und Maß - regeln, in welchen die junge Polizei mit der beſten Abſicht auf das Tiefſte in das Leben der Völker hineingreift und auf allen Punkten die Sitte theils durch ihre Verordnungen, theils durch Maßregeln vor dem Verderben zu bewahren oder das Publikum gegen ſie zu ſchützen ſucht. Dieſe Polizei - geſetze bilden kein äußerliches Ganze, ſondern ſind vielfach mit rein ſicher - heits - und geſundheitspolizeilichen Vorſchriften verwoben; ſie haben auch ſehr wenig genützt und gegenwärtig nur noch antiquariſchen Werth. Im Großen und Ganzen aber bedeuten ſie den Proceß, in welchem ſie die Unterordnung der Sitte unter die Herrſchaft der Geſchlechter und Stände auflöst, und die freie individuelle Bewegung in Mode, Lebens - weiſe und Umgangsformen an die Stelle der genoſſenſchaftlichen Ueber - wachung tritt. Die polizeiliche Sittenordnung bildet in dieſer Bewegung13 nur ein Moment; ſie ſelbſt gehört im Großen und Ganzen der Bil - dung der freien ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft und drückt das Werden der letzteren auf dem Gebiete aus, auf welchem jene Platz gewinnen muß, um ſich zu verwirklichen, auf dem Gebiete der individuellen Lebens - formen. Sie muß daher als ein Theil der geſammten Sittengeſchichte betrachtet werden; das polizeiliche Recht, unmächtig gegen ſie, unfähig die alte Sitte zu erhalten, zum Theil aber auch feindlich gegen ihre Ausſchreitungen, ſieht ſich allmählig auf einen immer engeren Raum zurückgedrängt. Schon am Ende des vorigen Jahrhunderts iſt ſie in der That nur noch Polizei der Unſitte, und ſchreitet nur da ein, wo wirkliche Vergehen gegen die Sittlichkeit ſtatt ſolcher gegen die Sitte vorliegen. Allein damit entſtand nun die Frage, nach welchem Rechts - titel dieſes Auftreten und Eingreifen der Polizei gegen den Einzelnen ſtattfinde. Das junge Staatsbürgerthum, der Polizei ohnehin nicht hold, will ſich ihr nicht unterwerfen, wo nicht beſtimmte Geſetze vorliegen. Die Willkür verſchwindet aus dem Strafrecht überhaupt, und damit auch aus dem Polizeirecht, und mit der Idee des Rechtsſtaates entſteht auch hier die Frage nach der Herſtellung eines poſitiven Sittenpolizei - rechts an der Stelle der polizeilichen Willkür. Mit dieſer Frage beginnt die dritte, gegenwärtige Geſtalt der Sittenpolizei.

Dieſe nun ſchließt ſich an die Geſchichte des Polizeiſtrafrechts im Allgemeinen, wie wir ſie im Polizeirecht angegeben haben. Der leitende Grundgedanke iſt der, daß niemand ohne ein Geſetz zu irgend einer Strafe verurtheilt werden kann. Die Ueberzeugung von der Noth - wendigkeit der Sittenpolizei bleibt; aber jener Grundſatz zwingt nun die Regierungen, die Beſtimmungen der letzteren zum geltenden geſetz - lichen Recht zu machen. Wir haben die beiden Grundformen, in denen dieß geſchehen iſt und geſchieht, bezeichnet. Die eine iſt die franzöſiſche, welche das ganze Polizeiſtrafrecht, alſo auch das Sittenſtrafrecht in die eigentliche Strafgeſetzgebung als Theil derſelben aufnimmt. Die zweite iſt die deutſche, welche mit viel richtigerem Verſtändniß für daſſelbe ein eigenes Polizeiſtrafgeſetzbuch erläßt. Wir haben das Ver - hältniß beider an ſeinem Ort dargeſtellt. Die Sittenpolizei des vorigen Jahrhunderts iſt damit verſchwunden, und es tritt an ihre Stelle das Sittenſtrafrecht. Daſſelbe gehört jetzt der Strafrechtswiſſenſchaft; das iſt ſein Charakter in dieſer dritten Epoche; und jetzt muß uns die Frage entſtehen, ob es dann noch überhaupt eine eigentliche Sittenpolizei neben dieſem Strafrecht der Unſittlichkeit gebe, und wenn, wo für dieſelbe in Beziehung auf das letztere die Gränze zu ſuchen ſei. Die Antwort auf dieſe Fragen enthält das Princip der eigentlichen Sittenpolizei unſerer Gegenwart.

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Dieſe Antwort liegt ihrerſeits in dem Begriff und Weſen des Strafrechts und der Polizei ſelbſt. Das Strafrecht der Unſitte be - ginnt da, wo eine beſtimmte einzelne, vom Geſetz mit Strafe belegte Handlung der Unſitte vorliegt, und zwar gilt das vom eigentlichen ſowohl als vom Polizeiſtrafrecht. So lange dieß nicht der Fall iſt, kann kein ſtrafrechtliches Verfahren eintreten. Das Gebiet der Sitten - polizei dagegen beginnt da, wo eine Handlung oder ein Zuſtand vor - liegen, welche die Gefährdung der öffentlichen Sitte enthalten, ohne ein Recht zu verletzen, und ohne vom Strafrecht verboten zu ſein. Das Recht der Polizei geht in dieſen Fällen allerdings dahin, ſolche Zuſtände und Handlungen zu verbieten, eventuell ſie mit der ihr zuſtehenden Zwangsgewalt auch zu beſeitigen, niemals aber dahin, dieſelben zu beſtrafen. Die Aufgabe des Strafrechts in jeder Geſtalt geht dabei dahin, der Polizei ſo wenig als möglich der eigenen Willkür zu über - laſſen; allein ganz kann er alle Fälle niemals in ſich aufnehmen. Indeß hat dieſer Proceß, der ſeinerſeits einen Theil der Entwicklung des ſtaatsbürgerlichen Rechts bildet, das reine Polizeirecht ſchon jetzt auf ſeine äußerſten Gränzen zurückgeführt, und es iſt daher jetzt nur noch wenig für daſſelbe übrig geblieben. Nur die alten Kategorien erhalten ſich; ihren Inhalt aber muß jetzt weſentlich die Strafrechtslehre aus - füllen.

Jede der drei angeführten Hauptgeſtaltungen der öffentlichen Sitten - polizei hat ihre Form der Geſetzgebung in Deutſchland, das eben deß - halb wohl allein eine eigentliche Geſchichte derſelben hat, während Eng - land und Frankreich, und mit dem letzteren alle Länder der Codification nach franzöſiſchem Recht eine ganz andere Stellung einnehmen.

Was zunächſt England betrifft, ſo gilt hier formell allerdings der Grundſatz, daß niemand anders als durch Urtheil und Gericht nach vorher - gegangenem Verfahren vor dem ordentlichen Richter beſtraft werden, und daß keine Polizei ohne geſetzliche Grundlage gegen den Einzelnen verfahren dürfe. In der Wirklichkeit aber wird dieſe Vorſchrift zu einem Sittenpolizeirecht ſehr leicht umgeſtaltet, indem die Polizei die Einzelnen ohne Weiteres in Haft nimmt (ſ. unten Polizeirecht) und die Richter gerade im Gebiete der Sittenpolizei ziemlich rückſichtslos verfahren, ſpeziell wo es ſich um Unzucht handelt. Bei dem Mangel einer beſtimmten Geſetz - gebung iſt es wohl ſchwer, etwas weiteres poſitiv zu ſagen, als was wir im Polizeirecht aufgeführt haben. Die ſpeciellen Geſetze führen wir unten an; einen ſchlagenden Beweis aber für die engliſchen Auf - faſſungen und Zuſtände bietet wohl die Stockprügelordnung vom Jahre 1861 (25 Vict. c. 18), wornach die Zahl der Stockprügel,15 welche den juvenile and other offenders offenbar diejenigen, die gegen die Sittlichkeit Aergerniß geben, vorgeſchrieben werden; bei weniger als vierzehn Jahren ſollen nicht mehr als zwölf Streiche gegeben werden, und ſoll der Stock von Birkenholz ſein. In Schottland werden dagegen die Betreffenden gepeitſcht; doch ſoll nach demſelben Geſetz niemand mehr als einmal für daſſelbe Vergehen gepeitſcht werden (ſ. Auſtria 1864 S. 373). Das legt die Frage wohl wieder nahe, ob die körperlichen Züchtigungen unbedingt zu verurtheilen ſind. Im übrigen haben allerdings die Polizeiorgane ſich ſtrenge nach den Ge - ſetzen zu halten. Literatur und Jurisprudenz exiſtirt darüber nicht.

Frankreich dagegen hat den Grundſatz, daß nur dasjenige be - ſtraft werden kann, was im Code Pénal verboten iſt, ſtrenge durch - geführt. Eine Sittenpolizei exiſtirt hier daher nur bei Gaſthäuſern. Im Uebrigen handelt es ſich dann um die Auslegung der Art. 471 ff. durch die Police correctionelle.

In Deutſchland beginnt das polizeiliche Element des Kampfes gegen die Unſitte ſchon mit dem 16. Jahrhundert, und hier bereits ſcheidet ſich das Sittenſtrafrecht von der Sittenpolizei. Es iſt eins der großen Verdienſte der Con. C. Carolina, zuerſt das erſtere in ganz beſtimmter Weiſe für gewiſſe Vergehen formulirt zu haben; allein der Standpunkt, den ſchon damals die Regierungen einnahmen, war ein viel allgemeinerer. Schon die Urheber der ältern Reichspolizeiord - nungen erklärten, ihr Hauptzweck ſei die Ausreutung vieler unleidlicher ſträflicher Laſter, und die Pflanzung und Aufbauung guter Sitten, Ehrbarkeit und Tugend. (Reichsakten 1551 §. 70, Berg, Polizei - reicht III. Bd. S. 6.) Dieſer Gedanke lebt fort; aus dem Vorgange der Con. C. Carol. geht die Aufnahme der groben Vergehen in die ein - zelnen Landesſtrafgeſetzbücher des 17. und 18. Jahrhunderts hervor, aus dem Princip der verſchiedenen Reichspolizeiordnungen der Gedanke, daß die Obrigkeit auch ohne beſtimmte Geſetze berechtigt ſei, mit Strafen einzugreifen, da ſie zugleich Gericht und Polizei war. Die Staatslehre des 18. Jahrhunderts formulirt dieſen Gedanken beſtimm - ter, und während die Reichspolizeiordnungen noch beſtimmte ſtändiſche Unterſchiede machen, führt jene ihre Principien ſchon ganz allgemein aus. Den im Grunde tiefen ethiſchen Standpunkt zeigen Arbeiten wie Benſen, Grundriß der reinen und angewandten Staatslehre, Abth. 2. 67; ebenſo Berg, Polizeirecht III. S. 6 und Bd. IV. Abth. 2, S. 810; ſogar juriſtiſch ward die Sache in das Staatsrecht aufge - nommen (Kretſchmann, Lehrbuch des deutſchen Staatsrechts §. 450) und als Aufgabe der Polizei anerkannt Heumann (Jus. pol. c. 21). Ebenſo erklärte ſich die Polizeiwiſſenſchaft, Juſti, Bd. II. Buch XI. 16(Begriff der bürgerlichen Tugenden und ihr Werth ) und Bd. XI. S. 45 (Ueppigkeit und Luſtbarkeiten); Schlettwein, Unterſuchung, wie die Polizei rühmliche Sitten eines Volkes bilden und erhalten kann (1764); Fiſcher, von der Polizei und dem Sittengeſetz (1767). Allerdings war davon die Folge ein mächtiges, allſeitiges Uebergreifen der Sitten - polizei, die ſich immer ſelbſt ihre Gränze ſetzte, Unmuth über dieſelbe, und am Ende Beſeitigung ihrer Verordnungen; doch blieben die Ver - brechen und ſchweren Vergehen, und die ſittliche Auffaſſung der Auf - gabe der Obrigkeiten erhielt ſich faſt ganz in der alten Form bis in unſer Jahrhundert hinein, wo ſie ſich mit der Idee der Aufklärung verſchmilzt, und zur negativen aber unbeſtimmten Seite der Innern Vervollkommnung und Ausbildung des Volkes wird (Jacob, Polizei - wiſſenſchaft §. 146 ff. 1809), während andere, gleichfalls von dem Geiſt der damaligen Zeit erfaßt und in der edleren Sitte die Hoffnung der Zukunft des deutſchen Volkes erkennend, die Sitten geradezu zu einem Gegenſtand poſitiver Geſetzgebung machen wollen, wie (Eberſtein) Ent - wurf eines Sitten - und Strafgeſetzbuches (1793), Reitzenſtein, über die Sittenveredlung durch beſſere Geſetze (1798) u. a. Die entſtehende Idee des Rechtsſtaates und ſein großes Princip der individuellen Frei - heit macht nun natürlich das Verfolgen dieſer Richtung unmöglich; das erſte Zeichen der neuen Geſtalt iſt das Verſchwinden derſelben aus dem Staatsrecht, in dem weder Gönner noch Klüber, weder Aretin noch Häberlin, weder Leiſt noch Maurenbrecher derſelben erwähnen; und dieß Aufgeben jenes Gebietes iſt mit gutem Recht geblieben. Statt deſſen beginnt nun weſentlich nach franzöſiſchem Vorgang die Polizeiſtrafgeſetz - gebung zu einem integrirenden Theile der Strafgeſetzbücher zu werden, wie in Preußen und Oeſterreich, und die Darſtellung einer eigenen Sittenpolizei verſchwindet; auch das Erſcheinen der Polizeiſtrafgeſetz - bücher von Württemberg, Bayern und Baden konnte ſie nicht wieder ins Leben rufen. Die Sittenpolizei iſt jetzt eine Sache der Strafrechts - lehre geworden, und ſelbſt in lauter Detail aufgelöste Staatsrechts - lehren wie die von Zöpfl haben ſie aus ihrem Geſichtskreis verloren, trotz der lebhaften Anklänge an die Idee des Staats, und trotz der Paragraphirung der Staatsbegriffe. Das war ein Fortſchritt, allein der Untergang des ethiſchen Momentes hätte zugleich großen Nachtheil gebracht, wenn nicht einerſeits die neu entſtehenden territorialen Ver - waltungsrechte, wie namentlich Mohl (im württembergiſchen Verwal - tungsrecht), Rönne, Pözl, Funke, Stubenrauch die poſitiven Geſetze lebendig erhalten hätten, bis Mohl in ſeiner Polizeiwiſſenſchaft Bd. I. Cap. 3 dem ganzen Gebiete ſeine organiſche Stellung in der Lehre vom geiſtigen Leben oder dem Bildungsweſen wiedergab. Damit iſt denn17 wohl auch definitiv jetzt Stellung und Aufgabe des Gegenſtandes ge - ſichert; die Sittenpolizei iſt von da an ziemlich unbezweifelt ein Gebiet des Verwaltungsrechts, und zwar des Bildungsweſens, und mit rich - tigem Inſtinct daher ſowohl von der frühern großartigen, als der jetzigen breiten und nicht mehr unbequemen Staatsphiloſophie Bluntſch - lis, Helds und anderer unberührt zur Seite geſchoben.

II. Die Polizei der Unzucht.

Die Polizei der Unzucht iſt in mehr als einer Beziehung der ſchwierigſte Theil der Sittenpolizei; denn bei ihr iſt von jeher Princip, Gränze und Ausführung am meiſten ſtreitig oder doch unbeſtimmt ge - weſen. Die Elemente des Rechts - und Polizeiverhältniſſes derſelben dürften aber im Weſentlichen folgende ſein.

Die Beziehung der Geſchlechter zu einander iſt ein natürliches Element des perſönlichen Lebens, das aber die höhere ethiſche Beſtim - mung hat, durch die körperliche Vereinigung die innige Verſchmelzung des geſammten Lebens hervorzubringen, und damit das höchſte Princip aller menſchlichen Entwicklung, die Einheit der ſelbſtändigen Perſönlich - keiten, auf ein materiell gegebenes Verhältniß zu baſiren. Vor dieſer Idee erſcheint daher jede phyſiſche Vermiſchung der Geſchlechter als eine Unſittlichkeit. Allein die Entwicklung dieſer ethiſchen Unſittlichkeit zur rechtlichen, auf die es hier ankommt, beruht auf ganz beſtimmten Gründen und hat daher auch in den verſchiedenen Zeiten ganz beſtimmte Formen angenommen.

Alles Recht der Unzucht hat nämlich zwei Gebiete, welche ihrer - ſeits in der Natur der leiblichen Vermiſchung ſelbſt liegen. Das eine beruht auf dem rein thieriſchen Element der Befriedigung des Geſchlechts - triebes, bei dem der Gegenſtand ſelbſt kein Menſch, oder kein Erwach - ſener, und deſſen Form die des Thieres, die volle Oeffentlichkeit iſt. Hier iſt das perſönliche Element ganz dem natürlichen unterworfen, und damit ſeines Weſens entkleidet. Daher haben wohl alle Nationen und Zeiten die Sodomie, die Unzucht mit Unmündigen und das öffentliche Aergerniß als Verbrechen und Vergehen anerkannt. Es iſt das an und für ſich kein Gegenſtand der Polizei, ſondern des Strafrechts.

Wo es ſich dagegen zweitens um die Befriedigung des Geſchlechts - triebes in ihrem natürlichen Wege handelt, beginnt das, was wir die Rechtsgeſchichte der Unzucht nennen möchten.

Der erſte allgemeine Grundſatz dieſes Rechts beruht darauf, daß die Ehe heilig ſein ſoll. Wo es ſich dagegen nicht mehr um die Ehe handelt, fehlt anfänglich der Begriff und ſomit auch das Recht derStein, die Verwaltungslehre. VI. 218Unzucht; die Unehre iſt nur eine Unehre des Weibes, weil ſie auf das Geſchlecht fällt, das nur durch Ehre beſteht. Der Mann iſt weder ſtraf - bar noch unehrlich. Das iſt das Geſchlechterrecht der Unzucht.

In der ſtändiſchen Welt werden die Ideen der Geſchlechtsordnung auf die Körperſchaften übertragen, und dieſe werden jetzt das Organ, welches die Sitte wahrt und die Ehe ſchützt. In ihr aber tritt eine neue Erſcheinung auf. Die alte germaniſche Thatſache, die ſchon Tacitus erwähnt, daß die Germanen ſtrenge Zucht und Sitte gehalten, und die namentlich durch die Völkerwanderung faſt vernichtet war, tritt jetzt in der Kirche wieder als Reflexion auf, und erzeugt hier den erſten ethiſchen Begriff der Unzucht und Unſittlichkeit. Es iſt natürlich, daß anfänglich nur die Kirche ſtraft, was ſie ſelbſt zum Vergehen gemacht hat. Damit entſteht das vermeintliche Strafrecht der Unſittlichkeit, das aber den ſtändiſchen Charakter hat, indem es nur von einem Stande ausgeht, und nur von einem Stande vollzogen wird. Neben demſelben beſteht dann namentlich in den Dörfern das alte Geſchlechts - recht mit ſeinem, wir möchten ſagen Dorfſtrafrecht der Unſitte fort. Es iſt ein bunter, zerfahrener Zuſtand, der noch ſeiner Darſtellung entbehrt. Es wird erſt anders in der neu entſtehenden Epoche des Polizeirechts.

Dieſe nun tritt auf mit der Carolina, der auch hier die Bamberg. Halsgerichtsordnung Art. 141 148 faſt wörtlich vorauf geht. Dieſelbe beſtimmt eigentlich in ihren Art. 116 124 nichts Neues, ſondern formulirt im Grunde nur, was namentlich das kanoniſche Recht bereits feſtgeſtellt hat. Die Literatur, die ſich an dieſe Artikel ſeit 1640 anſchließt, iſt daher auch vorwiegend eine rein juriſtiſche. Allein das bedeutende iſt, daß der Kampf mit dieſem Verbrechen von da an als Sache des Staats angeſehen wird. Damit tritt zuerſt das polizeiliche Element neben das ſtrafrechtliche hin mit ſeinem ſpecifiſchen Polizeirecht, und zwar in der Weiſe, daß Bigamie, Inceſt und Concubinat weſentlich von kirchlichen, die Nothzucht nach wie vor vom rein ſtrafrechtlichen, die Hurerei und Kuppelei dagegen vom polizeilichen Standpunkt, letz - teres namentlich nach dem Vorgange des römiſchen Rechts allmählig in das an die Con. Cr. Carolina ſich anſchließende ſyſtematiſche Strafrecht des 18. Jahrhunderts hineingezogen werden. Damit denn entſteht die erſte eigentliche Sittenpolizei neben dem Recht der Unzucht. Die Gränze liegt wohl, nach römiſchem Begriffe, auf dem Punkte, daß die polizeiliche Erlaubniß bei öffentlichen Mädchen denkbar iſt, während alle andern Verbrechen, ebenſo die Kuppelei nach Art. 147 der Carolina, unbedingt als ſtrafbar angeſehen werden. Und dieſe Gränze zwiſchen Strafrecht und Polizei, bis zu einem gewiſſen Grade in der Natur der19 Sache gelegen, hat ſich bis auf die Gegenwart erhalten, indem ein zweites, weſentliches Moment hinzutrat.

Offenbar gibt es gar keinen Grund, der die in der Carolina aufgeſtellten Fälle der Unzucht als ſtraflos erſcheinen laſſen könne. Allein ſo wie die wirthſchaftlichen Verhältniſſe die Gründung der Ehen ſchwer machen, erſcheint es eben ſo ſchwer vermeidlich, die öffentlichen Mädchen gänzlich zu beſeitigen. Das nun iſt namentlich in den Städten der Fall, in denen ſogar die Zunftverhältniſſe und das ſtrenge Recht der Niederlaſſung die Ehen verhindern. Hier beginnt daher jetzt ein eigenthümlicher Kampf der Polizei mit der Unzucht, wie er ſchon in Rom vorhanden war, und hier bildet ſich daher auch das Recht der Sittenpolizei. Der Inhalt deſſelben beruht auf dem kirchlichen Grund - ſatz, daß niemand öffentliches Aergerniß geben ſoll, und auf dem poli - zeilichen, der Oberaufſicht über die feilen Mädchen. Formell beſteht das Verbot der letztern fort; es wird formell auch in den Strafrechts - lehren fortgeführt; in Wirklichkeit aber gilt der Grundſatz der römiſchen Dirnenpolizei mit Conceſſion des Aedilis, Steuer und Unterſuchung, und dieſer Grundſatz bleibt ſelbſt in der Epoche der neuen Strafgeſetz - gebung beſtehen. Dieſe Strafgeſetzgebung hat, unter Beibehaltung des Strafrechts für alle andern Fälle, dieß öffentliche Dirnenweſen aus der Strafgeſetzgebung weggelaſſen, und zwar nach Muſter der franzöſiſchen Geſetzgebung, die eine Aufgabe der Ortspolizei daraus machte. Dieſer Standpunkt iſt nun der allgemein geltende und allein durchführbare. Derſelbe bildet daher jetzt das eigentliche Gebiet der Unzuchtspolizei im ſtrengen Gegenſatz zum Unzuchtsrecht, das nach wie vor im Straf - recht ſeinen Platz ſich erhielt. Dieſe Polizei hat ſogar ihr eigenthüm - liches Syſtem von Fragen entwickelt, die allerdings mehr geeignet ſind zu einer praktiſchen als zu einer theoretiſch-ſyſtematiſchen Erledigung. Das erſte Gebiet dieſer Fragen gehört der Geſundheitspolizei und der Gefahr der Anſteckung an, und iſt unter Syphilis bereits im Geſund - heitsweſen dargelegt. Das zweite bewegt ſich in etwas unentſchiedener und unbeſtimmter Weiſe auf dem Felde des öffentlichen Aergerniſſes, und enthält namentlich die Frage nach der Zweckmäßigkeit der Bor - delle. Die Gründe für die polizeiliche Zuläſſigkeit beſtehen in der Möglichkeit der ſanitären und ſonſtigen Ueberwachung; die Gründe dagegen theils in der Abwehr des Aergerniſſes, aber wohl weſent - lich in der wichtigen Wahrheit, daß nicht die Bordelle ſelbſt das eigent - lich bedenkliche Moment ſind, ſondern vielmehr die durch dieſelbe unver - meidlich werdende und doch uncontrolirbare Entwicklung einer ſyſte - matiſch organiſirten Kuppelei mit ihren Verführungen zum Eintritt in die öffentlichen Häuſer. Aus dieſem Grunde kämpfen die intelligenten20 Städte mit vollem Rechte gegen dieſelben, und die Aufgabe der Un - zuchtspolizei neben der des Strafrechts iſt es jetzt, die Proſtitution in jedem einzelnen Falle ſo viel als möglich zu hindern, ſie ſanitätiſch zu überwachen und das Uebel zu beſſern. Die Ausführung dieſer Auf - gaben iſt dabei naturgemäß eine örtliche.

Die Geſchichte des Strafrechts, ſowohl im Allgemeinen, wie ſie Roßhirt gegeben hat (ſpeziell in Beziehung auf Fleiſchesverbrechen Bd. III. S. 79 ff. ), als die hiſtoriſchen Daten bei den einzelnen Criminaliſten, wie Mittermaier u. a., theils in den Syſtemen, theils in den Commentaren, hat ſtets das polizeiliche Element mit dem ſtraf - rechtlichen verſchmolzen, und daher die Sache im Grunde anders dar - geſtellt, als ſie wirklich war, da die Strafe für Unzucht gar nicht in der Carolina und Bamberg. Halsgerichtsordnung enthalten iſt. Die Criminaliſten aber wollten der unter Umſtänden und je nach Befinden ſtrafenden Polizei denn doch einen Rechtstitel geben und behielten dieß Beſtreben bei, auch nachdem die neuen Strafgeſetzgebungen die einfache Unzucht nicht beſtraften (jedoch in früherer Zeit mit Ausnahme des öſterreichiſchen Polizeigeſetzes über Polizeiübertretungen, in neuerer Zeit des bayriſchen Polizeiſtrafgeſetzbuches Art. 97). Den Standpunkt des Code Pénal (Art. 330) hat eigentlich ſchon das preußiſche Landrecht §. 992 ausgeſprochen; das ſächſiſche Geſetzbuch iſt weit beſtimmter, indem es auch die gewöhnliche Unzucht als Vergehen ſtrafbar macht, wenn ſie als Gewerbe betrieben wird oder öffentliches Aergerniß gibt (Art. 305. 309).

Die Polizeigeſetzgebung iſt hier ziemlich unbedeutend, wie es in der Natur der Sache liegt. England hat in neueſter Zeit ein Geſetz über die Zulaſſung von Disorderly houses in einzelnen See - ſtädten erlaſſen (21. 22. Vict. 24). Frankreich überließ die Sache ſchon durch organiſches Geſetz vom 19 22. Juli 1791 der autorité muni - cipale und überwies dann die Polizei der Präfectur (Decret vom 5. Mai 1855). In Oeſterreich ſind die betreffenden Beſtimmungen in Stubenrauch, Verwaltungsgeſetzkunde Bd. II. S. 424; für Preußen ſ. Rönne Bd. II. S. 343, wo die betreffenden polizeilichen Inſtruc - tionen enthalten ſind; für Bayern: Pözl, Verwaltungsrecht §. 109; Württemberg (ſehr ſtrenge): Mohl, Verwaltungsrecht §. 219; Polizeiſtrafgeſetzbuch Art. 52. Die weitläuftige Literatur über die Proſti - tution wiederholt ſich faſt immer, im Grunde ohne etwas recht Neues und ſpeziell ohne etwas polizeilich Praktiſches zu ſagen. (Vergl. Mohl, Polizeiwiſſenſchaft I. §. 89.)

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III. Die Polizei der Unmäßigkeit.

Erſt mit der Epoche des Eudämonismus beginnt die theoretiſche Anerkennung des Satzes, daß die Unmäßigkeit aller Art ein öffent - liches Uebel ſei, und erſt mit der polizeilichen Epoche beginnt der Verſuch, den bisher nur auf kirchlichem Gebiete geführten Kampf durch die Polizei aufzunehmen. Die Unmäßigkeit, bis dahin nur Sünde, wird jetzt als etwas Schädliches anerkannt, und damit wird ihr Begriff und das polizeiliche Verbot nunmehr zu einem ſyſtematiſch ausgebildeten gegen alle Arten der Unmäßigkeit. Bezeichnend ſind dabei die Verbote der großen Hochzeitsgelage und die Kleiderordnungen ſeit dem 16. Jahr - hundert, deren Zweck nicht ſo ſehr die Verhütung der perſönlichen Unmäßigkeit oder der Schutz der öffentlichen Zucht, als vielmehr ein volkswirthſchaftlicher iſt. Erſt mit dem vorigen Jahrhundert tritt mit der Polizei der öffentlichen Trunkenheit, ſo wie mit der der Schenkſtuben die Zuchtpolizei an die Stelle der volkswirthſchaft - lichen Polizei; die erſte von dem Standpunkt, daß nur die Oeffentlich - keit der Trunkenheit, die zweite von dem, daß die Verleitung dazu in dem Offenſtehen der Schenkſtuben verhindert werden müſſe. Weiter als bis zu dieſer Verhinderung geht das Recht der Polizei der Un - mäßigkeit nicht; zugleich greift in das erſtere die Sicherheits -, in das zweite die Gewerbspolizei hinein; doch iſt das Recht ſelbſt meiſt Ver - ordnungsrecht, und die Vollziehung eine rein örtliche. Dabei ſteht feſt, daß namentlich wo der Beſuch von Schenkſtuben einmal wirklich ver - boten iſt, die Uebertretung beſtraft werden muß.

England. Im Allgemeinen iſt dieſer Theil den bye laws der Gemeindeverwaltungen überlaſſen; doch ſind einzelne maßgebende Ge - ſetze erlaſſen. Die erſte Wirthshausordnung war das St. 9. Georg IV. c. 58; verbeſſert durch 16 17 Vict. 67. Die gegenwärtig geltenden iſt das St. 25 26. Vict. 35. Darnach muß die Anlage jedes Wirths - hauſes von dem Friedensrichter genehmigt werden; die Genehmigung wird dann den Steuerbehörden mitgetheilt, und dann erſt folgt die Conceſſion. Gegen die letzteren können die Nachbarn ſich beim Frie - densrichter beſchweren, was in öffentlicher Verhandlung geſchieht. Die örtliche Behörde (Chief magistrate) kann das Schenkhaus von der Polizeiſtunde befreien (Auſtria 1864, S. 473). Nach 28. 29 Vict. 77. kann ſogar jeder Friedensrichter ein öffentliches Haus polizeilich nach Ermeſſen ſchließen (Public houses Closing Act 1865. (Auſtria 1866.)

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Frankreich. Grundſatz, aufs Neue im Geſetz vom 18. Juli 1837 ausgeſprochen, daß der Maire das Recht hat, de publier de nouveau les lois et règlements de police et de rappeller les citoyens à leur observation. Daher iſt die ganze Polizei der Unmäßigkeit Sache der Mairie, welche durch die Commissaires de Police darüber wacht (ſ. auch Block v. Police).

Deutſchland. Geſchichte der Unmäßigkeitsgeſetzgebungen aller Art in den verſchiedenen deutſchen Staaten - und Rechtsgeſchichten; die Auffaſſung des vorigen Jahrhunderts am beſten bei Juſti; die Unmäßig - keitspolizei und Kleiderordnungen weſentlich als Luxuspolizei; Kampf gegen den Luxus (12. Buch, Hauptſtück 45). Einfluß der Phyſiokraten; namentlich Mirabeau, L’ami des hommes p. 176. Ueber Feſte ſ. unten. Dagegen noch Kleiderordnungen und Hausordnungen auf proteſtantiſch-religiöſer Baſis. (Buckle, Geſchichte der Civiliſation Bd. II. 60 63; ſ. auch Berg, Polizeirecht Bd. III. S. 6.) Eine aus - führliche und ſehr gute Darſtellung dieſer ganzen frühern Geſetzgebung für Hannover von H. Bodemeyer, Hannövr. Rechtsalterthümer Bd. I. ſ. I. Beitrag: die Luxus - und Sittengeſetze. 1857 (leider zu ſehr auf das ſtreng juriſtiſche Element beſchränkt); wie bedeutend könnten ſolche Abhandlungen für die ganze innere Geſchichte werden, wenn ſie mit ihrer quellenmäßigen Gründlichkeit den weiten hiſtoriſchen Blick Ro - ſchers und die geſchmackvolle Behandlung eines Freytag verbänden!

Oeſterreich. Stubenrauch, Verwaltungsgeſetzkunde II, §. 248.

Preußen: Rönne II, 347. Trunkſucht und Strafe daſelbſt im Strafgeſetzbuch §. 119. Bayern. Pözl, Verwaltungsrecht §. 109. Allenthalben ſcheint der Grundſatz durchgeführt, daß das Princip der ausſchließlichen Berechtigung genehmigter Schenkhäuſer zum Aus - ſchenken von geiſtigen Getränken eine weſentlich culturpolizeiliche Maß - regel ſei (ſiehe die Gewerbeordnung von Oeſterreich, Preußen, die bayriſche Verordnung vom 25. September 1841). Neue Polizeiſtrafge - ſetze gegen Trunkenheit und Wirthshausbeſuch preußiſches Strafgeſetz - buch §. 98. 99.) Richtiger im badiſchen Polizei-Strafgeſetzbuch §. 76 polizeiliche Entfernung und einer Strafe bei Gefährdung der Sicher - heit dritter Perſonen und §. 99 bei Trunkenheit und Verrichtungen, die Gefahren für Leben und Geſundheit enthalten. Verbotener Wirthshausbeſuch §. 77.

IV. Die Polizei der Glücksſpiele.

Auch die Erkenntniß der Nothwendigkeit des Verbotes der Haſard - ſpiele tritt auf mit der eudämoniſtiſchen Verwaltungslehre; namentlich23 aber das 18. Jahrhundert iſt reich an polizeilichen Verboten, die freilich zum Theil mit der Regalität des Lottos zuſammenhängen. Die Wahr - ſcheinlichkeitsrechnung gab das materielle Motiv (Buffon: tout joueur est un fou, dont on est convenu de ne pas se moquer ). Das unſelige Staatslotto flüchtete ſich hinter die Behauptung, daß der Trieb des Spieles unwiderſtehlich ſei; die Belaſſung der öffentlichen Spiel - banken hat mit vollem Recht den Unwillen des Volkes erregt; bei alledem aber iſt der Verſuch, die Haſardſpiele bis in die Sphären der privaten Geſelligkeit zu verfolgen, mit dem vorigen Jahrhundert ſo ziemlich in den Grundſatz übergegangen, den gewerblichen Betrieb deſſelben zu verfolgen und zu beſtrafen, indem derſelbe geradezu als ein Verbrechen in die Strafgeſetzbücher aufgenommen iſt.

Frankreich. Unterſcheidung der jeux clandestins und der jeux publics; Strafe: Code Pénal (Art. 410. 175. 478). Unter der Con - stituante werden nur noch die Spielhäuſer verboten; das Decret vom 24. Juni 1806 verbot ſie gleichfalls zwar in ganz Frankreich, geſtattete jedoch Erlaubniß für einzelne Ausnahmen; der Code Crim. hob nach Römiſchem Recht das Klagrecht auf. Die Geſetze von 1818 und vom 19. Juli 1819 belegten die conceſſionirten Häuſer mit Abgaben ( Millionen in Paris), bis endlich das Geſetz von 1836 alle öffentlichen Spiele in Frankreich verbietet. Jedoch Grundſatz der Er - laubniß zu gewiſſen öffentlichen Spielen durch die autorité munici - pale (Decret vom 22. April 1837 und 28. Mai 1841). Ganz ähnlich in Oeſterreich; neben ausführlichen, bereits aus dem Beginn des vorigen Jahrhunderts ſtammenden polizeilichen Verboten aller Arten von Spielen (Stubenrauch §. 429; das Strafrecht in §. 523 des Strafgeſetz - buches). Preußen. Aeltere Geſetzgebung in Rönne und Simon, Polizeiweſen II. §. 128 141 und Supplement I. 133 140. Neuere auf Grund des Strafgeſetzbuchs §. 266 und 267 genaueren Beſtim - mungen: Rönne, Staatsrecht II. 267. Königreich Sachſen. Geſetz vom 11. April 1864, Verbot von Haſardſpielen und Wetten bei 50 Rthlr. Strafe; Verjährung 5 Jahre und kein Klag - und Einrederecht. Das württembergiſche Recht bei Mohl, Verwaltungsrecht II. §. 419. Das bayriſche Recht bei Pözl, Verwaltungsrecht §. 109. Das Polizeiſtrafgeſetzbuch Art. 101 104 hat eine vollſtändige Strafgeſetz - gebung aufgeſtellt, ſpeciell bei Promeſſen auf Prämien in - und aus - ländiſcher Lotterie-Anlehen (101. 4). Polizeiliche Bewilligung iſt erlaubt; ob gewerbsmäßig? Baden (Polizeiſtrafgeſetzbuch) hat ſpeciell die Gewerbsmäßigkeit und Oeffentlichkeit betont, während es die Wetten, die Bayern auch verbietet, nicht berührt. §. 80. (Vgl. Mohl Polizei - wiſſenſchaft I. §. 41.) Die Spielbanken in Homburg und Wiesbaden24 haben bekanntlich der ganzen Civiliſation Deutſchlands widerſtanden: die württembergiſche Propoſition vom 18. April 1844, die Aufhebung der Spielhäuſer durch Bundesbeſchluß zu dekretiren, blieb ohne Erfolg. In England ſind alle öffentlichen Spielhäuſer ſtrenge verboten, und keine Spielſchuld iſt klagbar. Doch finden in Wirklichkeit Haſard - ſpiele vielfach ſtatt. Uebrigens werden ſie faſt überflüſſig durch die Wetten, die in den betting banks und betting houses zu einer förmlichen Induſtrie geworden ſind. Die Frage nach dem Lotto und den Lotterie-Anlehen gehört zwar nicht direkt hieher; es iſt aber doch nicht ganz zu überſehen, daß unter völliger Beſeitigung der Zahlen - lottos die Lotterie-Anlehen aller Art, bei denen der Einſatz im Grunde nur der Zins des angelegten Kapitals iſt, die einzige noch zu ver - theidigende Form des Glücksſpiels bieten.

V. Die Polizei der Feiertage.

Das Aufhalten von der erwerbenden Arbeit an den Feiertagen des religiöſen Lebens iſt eine ſo tiefe ethiſche Nothwendigkeit, daß keine religiöſe Weltanſchauung ſich ihr je entzogen hat. Die Frage iſt daher auch nicht die, ob die kirchlichen Sonn - und Feſttage durch Erwerbs - unthätigkeit gefeiert werden ſollen, ſondern in der That nur die, ob die Verwaltung des Innern polizeilich das Einſtellen der Arbeit bewirken oder daſſelbe den religiöſen Einflüſſen der Kirche überlaſſen ſoll. Dieſe Frage nun hat zwei Seiten. Die eine iſt eine rein ſtaat - liche, die zweite eine volkswirthſchaftliche. Was die rein ſtaatliche Seite und ihr öffentliches Recht betrifft, ſo hängt daſſelbe davon ab, ob der Staat eine Staatskirche auch verwaltungsrechtlich anerkennt. Allerdings gehört dieſe Frage in die Verfaſſung. Allein es iſt klar, daß wenn ein Staat dieß thut, die erſte rechtliche Folge davon für die Polizei der Feiertage die iſt, daß die übrigen Kirchen die Feiertage der Staatskirche äußerlich auch für ſich als geltend anerkennen und in Beziehung auf die äußere Heilighaltung ihren Vorſchriften folgen müſſen. Die zweite rechtliche Folge davon iſt die, daß der Staat ver - pflichtet iſt, die Vorſchriften der Kirche durch ſeine Polizeigewalt gegen Jeden zur Geltung zu bringen, alſo die Uebertretungen der kirchlichen Anordnungen mit Strafen zu bedrohen und mit Gewalt zu hindern. In dieſem Falle muß ſich daher der Staat als vollziehende Gewalt nicht mehr ſeiner ſelbſt, ſondern der Kirche anerkennen, und jede verwal - tungsrechtliche Frage hört auf. Hat der Staat dagegen keine Staats - kirche, ſo beginnt das Verwaltungsrecht. Daſſelbe wird nun zu unter - ſcheiden haben zwiſchen der Feier ſelbſt, und der Störung derſelben. 25Er wird die Feier und die Ordnung der Feier den Vorſchriften der Kirche überlaſſen, und iſt nicht berechtigt, dieſelbe mit polizeilichen Maßregeln zu erzwingen. Die Störung dagegen iſt ein Polizeiver - gehen. Dieß alles wird nun erſt da von Bedeutung, wo es ſich um die Frage handelt, ob Arbeit und Verkehr als Störungen anzu - ſehen ſind. Regel iſt dabei die, daß die Störung da polizeilich aner - kannt werden muß, wo ſie außer dem Hauſe auftritt, und zweitens in ſolcher Form, daß ſie mit der Aeußerung der Feier in Widerſpruch erſcheint. Dieß muß bei der großen Verſchiedenheit der Feierformen für jeden Fall beſtimmt werden. Feſt ſteht daher, daß Arbeit und Verkehrsarten an ſich nicht als Störung des Feiertags be - trachtet werden können; die Grenze, auf der ſie als ſolche erſcheinen, haben die Polizeiverordnungen feſtzuſetzen, die demnach nie etwas be - fehlen, ſondern nur verbieten können. Was endlich das Verhältniß zur Volkswirthſchaft betrifft, ſo iſt nur das feſtzuhalten, daß die letztere nie gegen die Feiertage an ſich, ſondern nur gegen ihr Ueber - maß ſein kann. Das richtige Maß aber beſtimmt ſich in dem Grade beſſer, in welchem die internationale Concurrenz eine freiere iſt.

In England iſt es ſchwer zu ſagen, ob die Strenge der Sitte oder der Geſetzgebung größer iſt; wenigſtens ſtimmen in der erſten alle Confeſſionen überein. Allein ſelbſt die ſtrenge Hochkirche hat überdieß den Grundſatz angenommen, daß jedes Glaubensbekenntniß hinſichtlich ſeiner arbeitsloſen Feiertage unbedingt ſelbſtändig ſei. Sie hat mit rich - tigem Blick die Zahl der letzteren ſo weit ſie vermochte, herabgeſetzt. In Frankreich iſt der Grundſatz des Geſetzes vom 18. November 1814 noch heute geltend, nach welchen an allen Sonn - und vom Staate anerkannten übrigen Feſttagen alle öffentlich vorgenommenen Pri - vatarbeiten aufhören und die Werkſtätten von außen geſchloſſen werden ſollen, mit Ausnahme der für die Communication beſtimmten Läden. Als 1830 die katholiſche Religion aufhörte, Staatsreligion zu ſein, entſtand die Frage, ob jener Grundſatz von 1814 noch gelte; ſie iſt wiederholt bejaht. Grundſatz iſt das Verbot öffentlicher und ſtören - der Arbeit und Zulaſſung der nothwendigen; das Geſetz vom 22. Fe - bruar 1851 hat übrigens daneben feſtgeſtellt, daß an den Sonn - und Feſttagen Kinder und Lehrlinge zu Arbeiten nicht gezwungen werden dürfen. Der Kampf gegen dieß Recht der Feiertage iſt in Frankreich ein heftiger. Die Anſichten der Staatswiſſenſchaft vor Jahrhunderten in Deutſchland bei Juſti Bd. 12. Hauptſtück 45 über Feſte; Freiheit derſelben gegen die traurigen und finſtern Köpfe S. 294. Die26 deutſche Literatur hat übrigens ſich mit der Sache nur wenig beſchäftigt, ſo manchen Anlaß auch die beſtehenden Geſetze und Verordnungen gegeben haben. Es iſt übrigens ganz naturgemäß, daß in unſerer Zeit die Frage nach den Feiertagen vorwiegend eine volkswirthſchaft - liche geworden iſt. Die Wahrheit iſt unabweisbar, daß der Arbeits - tag die Feiertage ernähren muß, und daß es daher ein auch volks - wirthſchaftlich nicht zu vertheidigender Standpunkt iſt, die Arbeitsloſig - keit des Feiertags über die Gränze hinaus zu dehnen, innerhalb deren ſie von dem gleichfalls chriſtlichen Nachbarvolke feſtgehalten wird. In dem Falle ſollte man den Grundſatz feſthalten, daß die Feiertags - und mithin die Arbeitstagsordnung jeder Confeſſion vollkommen frei ſei, und daß mithin die Arbeit der Mitglieder einer Confeſſion an dem arbeitsloſen Feiertag der andern als unbeſchränkt, und nicht als öffentliches Aergerniß betrachtet und verboten werde. Mit dieſem Grundſatz würde ſich die natürliche Ordnung von ſelbſt finden; das Uebrige wäre dann Sache des Kirchenrechts. In Oeſterreich ſind ähnliche, ſehr genaue Beſtimmungen, mit Strafbeſtimmung durch die Verordnung vom 13. September 1857. Preußen. Feiertagsrecht beruht auch nur auf der königl. Ordre vom 7. Juli 1837, welche die Heilighaltung den Regierungen zur Pflicht macht, nebſt Verordnung über die Eiſenbahn-Arbeiter (21. December 1846). Geſellen und Lehr - linge (Verordnung vom 9. Februar 1849) und jugendliche Fabrikarbeiter (9. März 1849). Genauere Beſtimmungen ſ. Rönne Staatsrecht §. 348. Bayern. Pözl, Verwaltungsrecht §. 110. 4. Polizeiſtrafgeſetzbuch Art. 105. 106. Störungen der Sonntagsfeier, als Vergehen gegen die ortspolizeilichen Vorſchriften über dieſelben und Störungen gottes - dienſtlicher Handlungen. Ebenſo Baden: Polizeiſtrafgeſetzbuch §. 69; ſ. Stempf a. a. O. S. 156). Holland (Boſch v. Kemper §. 378).

VI. Thierquälerei.

Das Verſtändniß des unſittlichen Elements in derſelben und damit das öffentliche Verbot datiren erſt aus unſerem Jahrhundert; ſie iſt theils durch öffentliche Strafen, theils durch Beſtrebungen von Vereinen bekämpft; die Beſeitigung dieſer Barbarei iſt ein nicht unbedeutſames Zeichen der fortſchreitenden Geſittung.

In Frankreich iſt die Thierquälerei unter Strafe erſt verboten durch Geſetz vom 2. Juli 1850. In Oeſterreich ſchon lange; die betreffenden neuen Verordnungen von 1854, 1855 und 1856 ſind zum27 Theil ſehr ſpeciell (Stubenrauch, Verwaltungsgeſetzkunde II. §. 432). In Preußen iſt das Verbot ſogar in das Strafgeſetzbuch aufgenom - men §. 340. 10; was im Grunde endgültig das richtige iſt. Bayern: Pözl §. 109 und Polizeiſtrafgeſetzbuch §. 100. Baden: Verord - nung vom 22. October 1864 (Viehtransportregelung). Das Polizei - ſtrafgeſetzbuch hat in §. 78 die polizeiliche Beſtrafung auf die beiden Fälle des öffentlichen Aergerniſſes und der Uebertretung (örtlicher) Verordnungen beſchränkt. Mohl hat das Verdienſt, die Frage in die Polizeiwiſſenſchaft aufgenommen und ſie ganz rationell behandelt zu haben (Polizeiwiſſenſchaft I. §. 93).

Zweiter Abſchnitt. Oeffentliche Bildungsanſtalten.

I. Begriff und geſchichtliche Entwicklung im Allgemeinen.

Das Gebiet der öffentlichen Bildungsanſtalten iſt weder ohne Be - deutung noch ohne Intereſſe. In der That ſind dieſelben weder zu - fällig entſtanden, noch iſt ihre Entwicklung eine zufällige. Es ſollte daher auch die Behandlung ſelbſt im Einzelnen ſtets im Hinblick auf das Ganze unternommen werden; denn ſie bilden ein keineswegs un - wichtiges Element in dem allgemeinen Bildungsweſen, und es iſt kaum zu verkennen, daß das neue ſociale Element, welches nebſt dem gewerb - lichen in unſerer Zeit hinzugetreten iſt, es möglich und auch wohl nöthig machen wird, einen allgemeinen Geſichtspunkt dafür einzunehmen.

Oeffentliche Bildungsanſtalten ſind alle diejenigen Anſtalten für die geiſtige Entwicklung des Volkes, die nicht mehr aus einem beſtimm - ten Zweck hervorgegangen ſind, und daher ſich auch nicht auf Bildungs - mittel für dieſen beſtimmten Zweck beſchränken, ſondern überhaupt die Mittel der geiſtigen Entwicklung ſo weit darbieten, als dieß von Seiten des Einzelnen nicht mehr geſchehen kann.

Ihr Auftreten, ihre Geſtalt und ihr öffentliches Recht hängen daher enge mit dem geſammten Gange des Bildungsweſens zuſammen, und tragen den Charakter der betreffenden Epoche an ſich. Dieſer aber wird durch die ſociale Entwicklung beſtimmt, und ſo wird man ſagen müſſen, daß jede Geſellſchaftsordnung ihre eigenthümlichen Bildungs - anſtalten hat.

Um dieſe aber richtig beurtheilen zu können, darf man ein zweites nicht vergeſſen. Das Weſen der geiſtigen Arbeit, der tiefere und letzte28 Inhalt der Bildung, iſt der Genuß, und wir haben in der Güterlehre die Fähigkeit der geiſtigen Produkte, dieſen geiſtigen Genuß zu gewäh - ren, als den freien Werth bezeichnet. Dieſer innige Zuſammenhang des Genuſſes mit der Bildung iſt ein wechſelſeitiger; wie die Bildung den Genuß erzeugt, ſo hat auch der Genuß die Fähigkeit, Bildung zu erzeugen. Und hier beginnt die ernſte Seite dieſer Frage. In jenem Verhältniß liegt nämlich die nahe Gefahr, den Genuß mit der Bildung nicht etwa zu verbinden, ſondern ſie zu verwechſeln und, den Genuß für Bildung haltend, bei ihm ſtehen zu bleiben. Eine äußere Gränze gibt es dafür nicht; innerlich iſt ſie principiell zwar ſehr leicht zu ziehen, denn es iſt klar, daß der Genuß dann zur Bildung wird, wenn er entweder eine Arbeit geiſtige oder äußerliche erzeugt, oder ſelbſt eine Arbeit erzeugt wird. Allein eben dieſe Arbeit kann man nicht erzwingen. Sie muß ſelbſtthätig entſtehen; ſie muß durch den lebendigen Volksgeiſt erſchaffen werden; ſie wird daher entweder trotz aller Beſtrebungen der Verwaltungen nie entſtehen, oder ſie wird ſich ungeachtet derſelben ſelbſt Bahn brechen. Daher iſt es bei dieſen öffentlichen Bildungsanſtalten von entſcheidender Bedeutung, nicht ſo ſehr auf ihre formelle Geſtalt, als vielmehr auf den ſie bildenden Geiſt zu achten; und es gilt dafür der allgemeine Grundſatz, daß die öffent - lichen Bildungsanſtalten regelmäßig als öffentliche Leiſtungen beginnen, dann als Schauſtellungen und Sammlungen erſcheinen, und endlich mehr und mehr bloße Genußmittel des geiſtigen Lebens werden. Die geiſtige Lebenskraft eines Volkes zeigt ſich ſtets in dem Streben, jene öffentlichen Arbeiten als Grundlage und Anlaß geiſtiger Arbeit aufzufaſſen, während das Herabgehen dieſer Lebenskraft da beginnt, wo das Volk an die Stelle dieſer Arbeit in ihnen Unterhaltung und Genuß ſucht, und dieſe von ihnen fordert. In dieſem Sinne ſind dieſe Anſtalten ein hochwichtiges Element des Geſammtlebens, und jede einzelne Art derſelben ſollte wohl von dieſem Standpunkt aus behan - delt und in ihrer Geſchichte dargelegt werden.

Faßt man die Sache nun in dieſer Weiſe auf, ſo gewinnt ſie eine größere hiſtoriſche Geſtalt.

In der Geſchlechterordnung erſcheint das, was die öffentlichen Bildungsanſtalten der ſpäteren Zeit vertritt, als große Volksfeſte, die aber immer ſich erſt an große öffentliche Wettkämpfe aller Art an - ſchließen, oder große öffentliche Thaten und Siege feiern. So war es bei den Griechen und ihren olympiſchen Spielen; ſo war es bei den römiſchen Triumphzügen; ſo war es bei den alten germaniſchen Wettſpielen und ihren Schwerttänzen und Laichen, die ſich dann in den Turnieren der edlen Geſchlechter und den gymnaſtiſchen Volks -29 beluſtigungen der niedern fortſetzen. In Griechenland aber trat allmählig an die Stelle jener öffentlichen Wettkämpfe die verderbliche Schauluſt der feierlichen Aufzüge, die namentlich in Athen eine gewaltſame Aus - beutung der höhern Klaſſe durch das Volk enthielten, in Rom die Gladiatorenwirthſchaft und die Arena, ſelbſt in Deutſchland die Spiele der Ringelreiter, die öffentlichen Gaukler und Gymnaſten und ähn - liches. Zu ſelbſtändigen Anſtalten bringt es dieſe Ordnung nicht; die rein kriegeriſche Aufgabe jener öffentlichen Produktionen läßt über - haupt die Idee einer geiſtigen Bildung, wie ſie namentlich in den griechiſchen und den deutſchen Sängerkämpfen ſich eine Zeit lang er - halten, allmählig untergehen; das geiſtige Element bedarf einer neuen Grundlage, eines neuen Ausdruckes, und die ſtändiſche Epoche, indem ſie dieſe überhaupt darbietet, wird damit auch die Schöpferin einer neuen Geſtalt dieſer Erſcheinungen.

Die ſtändiſche Zeit nämlich ſchließt allerdings alle ihre Funktionen in die feſten Gränzen der Körperſchaften ein; allein die Idee des Be - rufes, auf der ſie ruht, lebt in dieſem fort. Sie aber fordert geiſtige Nahrung, und dieſe wieder kann weder bei der Elementar - noch bei der Berufsbildung ſtehen bleiben; ſie will zugleich eine allgemeine ſein. Das iſt es nun, was mit dieſer Zeit die eigentlichen Bildungsanſtalten entſtehen läßt. Ihr Charakter liegt in dieſem Weſen der ſtändiſchen Berufsbildung. Sie ſind vorzugsweiſe geiſtiger Natur, und ſchließen ſich naturgemäß an die geiſtige Fachbildung an. Auch ihre Form iſt damit gegeben. Sie ſind eben deßhalb weſentlich in der Form der Bibliotheken und wiſſenſchaftlichen Sammlungen gegeben, und bilden, da ſie zunächſt für die Fachbildung beſtimmt ſind, einen Theil der Fachbildungsanſtalten, der Univerſitäten. Mit ihnen beginnt eigentlich das Gebiet der ſelbſtändigen allgemeinen Bildungsanſtalten. Denn wie die Univerſitäten ſelbſt ihrer ganzen Natur nach ſich nicht auf die ſtrenge ſtändiſche Unterſcheidung der Klaſſen beſchränken, ſo tragen auch jene Bibliotheken und Sammlungen gleich anfangs den Keim öffentlicher Anſtalten in ſich. Dieſer Charakter erhielt ſich für diejenigen Anſtalten, welche ſich an die Univerſitäten anſchließen und nicht gerade ſtrenge Fachbildung vorausſetzen, wie botaniſche Gärten, Naturalienkabinette u. ſ. w. Gemeinſam aber iſt dieſen Anſtalten, ver - möge dieſer ihrer urſprünglichen Beſtimmung, der Gedanke, daß ſie nicht Genußmittel, ſondern Arbeitsmittel ſind; in dieſer Gränze werden ſie ſtrenge erhalten; dieſes Princip iſt ihnen geblieben und iſt dasjenige, was ſie weſentlich von denen der folgenden Epoche unterſcheidet.

Wir haben dieſe, als Uebergang und Vorbereitung der ſtaats - bürgerlichen Geſellſchaft, die polizeiliche genannt. Das Verhältniß der30 polizeilichen Epoche zu den allgemeinen Bildungsanſtalten beruht darauf, daß dieſelbe die Macht des Geiſtes und den Werth der Bildung als ein hochbedeutſames Element für die Macht und die Achtung der Staa - ten, und ſpeziell der regierenden Häupter anerkennt, während die In - telligenz der damaligen Zeit das Streben der Fürſten, ſich durch ſolche Anſtalten auszuzeichnen, theils im individuellen, theils im allgemeinen öffentlichen Intereſſe gern begrüßt und befördert. So entſteht eine neue Kategorie dieſer Anſtalten. Dahin gehören die Akademien der Künſte und Wiſſenſchaften, die nichts arbeiten und für die nichts gearbeitet wird, die aber dennoch das Element der Arbeit durch die formelle, möglichſt mit fürſtlichem Glanz umgebene Gemeinſchaft der Gelehrten und Künſtler aufrecht halten. Dahin gehören ferner die glänzenden Sammlungen in Gallerien und Muſeen, bei denen der Genuß des Beſchauens und der Stolz des Beſitzers die Hauptſache ſind, die aber dennoch indirekt die wiſſenſchaftliche und künſtleriſche Arbeit fördern. Endlich gehören dahin die fürſtlichen Theater. Die Bedeutung der letztern iſt keine geringe. Die Aufnahme der Schauſpiele an den Höfen der Fürſten hatte die große Folge, der Dichtkunſt wieder in den höchſten Klaſſen ſowohl des geſellſchaftlichen als des geiſtigen Lebens ihren Rang zu geben. Die Hoftheater ſind es, welche das Schauſpiel aus der rohen Sphäre der Gauklerbühne zu einer öffentlichen, allgemeinen Bildungsanſtalt erhoben haben. Sie ſind der nothwendige Durchgangs - punkt für die Entwicklung zum heutigen Theaterweſen, denn der Fürſt, der ſie errichtete und beſuchte, gab der Mimik und der Dichtkunſt das zurück, was beide ſeit den griechiſchen Dramaturgen verloren hatten, und ohne welche ſie nicht leben können: ihre hohe und geachtete geſell - ſchaftliche Stellung. Einmal auf dieſen Punkt geſtellt, war es ihre Sache, ſich auf dieſer ſocialen Höhe zu halten. Sie haben es unter - nommen, und es iſt ihnen gelungen.

Auf dieſe Weiſe ſehen wir nun mit dem Abſchluß der polizeilichen Epoche und dem Siege der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft zwei große Gruppen der öffentlichen Bildungsanſtalten daſtehen: die eine, aus der ſtändiſchen Ordnung herüberragend, die ſich weſentlich an die Fach - bildung in Bibliotheken und wiſſenſchaftlichen Sammlungen anſchließt, die andere für den geiſtigen Glanz der Staaten geſchaffen, in Akade - mien, Gallerien, Muſeen und Hoftheatern mit Prunk und Glanz um - geben; jene mehr für die Arbeit, dieſe mehr für den Genuß beſtimmt, doch die erſtere nicht ohne Genuß, die andere nicht ohne Arbeit. Dieſe Verhältniſſe ſind es nun, welche die ſtaatsbürgerliche Geſellſchaft übernimmt.

Dieſelbe hat nun in dem ihr eigenthümlichen Geiſte zwei Dinge für das Gebiet der allgemeinen Bildung gethan. Wir können dieſe31 beiden Elemente, welche dieſe Geſellſchaftsordnung denſelben gebracht, ſehr beſtimmt bezeichnen. Sie hat einerſeits alle jene Bildungsanſtalten, wie ſie waren, in ſich aufgenommen, und ſie hat andererſeits neues zu denſelben hinzugefügt, beides ihrem Charakter entſprechend.

Was den erſten Punkt betrifft, ſo iſt derſelbe der ſpezielle Aus - druck des allgemeinen Princips dieſer Epoche, daß die Rechte und Auf - gaben des Fürſten in der That Rechte und Aufgaben des Staats, und daher für die Geſammtheit der Staatsbürger beſtimmt ſind. Die neue Staatsordnung fordert daher jetzt als Pflicht der Verwaltung, was bis dahin Laune oder berechtigte Neigung der Fürſten war. Jene Anſtalten werden daher jetzt Staatsanſtalten. Damit erhalten ſie eine organiſche Stellung im öffentlichen Bildungsweſen, und dieſe Stellung findet in drei Punkten ihren Ausdruck. Zuerſt iſt ihre Ord - nung und das Recht ihrer öffentlichen Benutzung jetzt Gegenſtand des öffentlichen Rechts und durch beſondere öffentliche Vorſchriften geordnet, weßhalb ſie von jetzt an auch in den Darſtellungen der (territorialen) Verwaltungsgeſetzkunde erſcheinen. Zweitens werden demgemäß ihre Angeſtellten jetzt auch Diener des Staats und treten rechtlich in die Kategorien der letzteren hinein. Drittens aber übernimmt der Staat theils die Erhaltung, theils die Anlage derſelben auf Staatskoſten; ſie werden ein Theil des Budgets, und die Folge iſt, daß ſie damit auch als Staatseigenthum erſcheinen.

Dieſe Punkte beziehen ſich nun auf die aus der ſtändiſchen und polizeilichen Epoche hinübergenommenen Anſtalten. Neben ihnen ent - ſteht nun eine zweite Gruppe, welche mehr den Ausdruck der ſtaats - bürgerlichen Entwicklung bildet, indem ihr Zweck eben die Förderung der allgemeinen Bildung iſt, ohne beſtimmte Beziehung auf einen Lebenszweck. Die Bildungsanſtalten dieſer Gruppe haben im Geiſte der ſtaatsbürgerlichen Bildung überhaupt theils eine vorwiegend wirth - ſchaftliche, theils eine leicht erkennbare ſociale, auf die Hebung der Intelligenz der niedern Klaſſe bezügliche Richtung. Zu den erſten zählen wir namentlich die Ausſtellungen aller Art, theils die Weltaus - ſtellungen, theils die örtlichen; freilich gehören dieſelben ſo ſehr im Princip dem wirthſchaftlichen Leben an, daß wir ſie in die Ver - waltung der Gewerbe verweiſen müſſen. Die zweite Richtung hat wieder zwei Hauptformen, die kleinen (Gewerbs -) Bibliotheken, und die öffentlichen Vorträge aller Art, die theils durch Vereine mehr oder weniger regelmäßig erhalten, theils bei einzelnen Gelegenheiten hervor - gerufen werden. Beide Einrichtungen ſind, wie alles was am letzten Ende mit der ſocialen Richtung zuſammenhängt, jetzt noch in dem Stadium, wo ſie als örtliche und zufällige erſcheinen. Sie werden aber32 bald ihren dauernden Platz in dem allgemeinen Bildungsweſen ein - nehmen, und dann wird die Verwaltung dahin gelangen, wo ſie jetzt mit dem Volksſchulweſen ſteht. Man wird ſolche Volksbibliotheken in nicht zu langer Zeit zu einer Verpflichtung der Gemeinden er - heben, und eben ſo werden die öffentlichen Vorträge zu regel - mäßigen Functionen, ohne welche die Gemeinden künftig eben ſo wenig werden ſein können, wie jetzt ohne die Volksſchule, und wo die Mittel dazu bei der Gemeinde nicht ausreichen, wird der Staat ſie zu dieſem Zwecke ſubventioniren. Nur ſollte, wenn das kommt, unbedingt und unter allen Umſtänden feſtgehalten werden, daß die Benutzung ſolcher Bibliotheken wenigſtens der ſolcher Vorträge niemals ganz unentgeltlich ſein darf. Die Unentgeltlichkeit würde durch die ihr in - wohnende Natur daſſelbe Uebel und in bösartigerer Weiſe wieder er - zeugen, das ſie bekämpfen ſoll: das Gefühl des Gegenſatzes der Klaſſen. Noch iſt jedes Volk untergegangen, das denen, die ſich einen Genuß oder ein Bildungsmittel mit eigenen Kräften erſchaffen können, dieſelbe als Geſchenk gegeben hat, und ewig wird dieß bleiben!

Das Bewußtſein und das Gefühl von dem Werthe der öffentlichen Bildungsanſtalten iſt ſo alt wie das öffentliche Bildungsweſen über - haupt, aber es iſt natürlich unklar, und muß bei den einzelnen An - ſtalten ſtehen geblieben werden. Die Verwaltung bedarf aber ihrer - ſeits einer allgemeinen, ſie alle umfaſſenden Auffaſſung derſelben. Wir ſind noch außer Stande, viel mehr als die obigen allgemeinen Geſichts - punkte zu geben, oder mehr als zerſtreute, faſt zuſammenhangsloſe Bruchſtücke der betreffenden Geſetzgebungen mitzutheilen. Unſer Wunſch geht daher im Namen der Wiſſenſchaft dahin, daß alle Männer von Fach, welche ſich mit den Verhältniſſen jener ſpeziellen Anſtalten be - ſchäftigen, die innern und äußerlichen Beziehungen zu dem Ganzen des öffentlichen Bildungsweſens in dem Einzelnen, was ihnen entgegen kommt, im Auge behalten mögen. Was das ſyſtematiſche Element betrifft, ſo muß gefordert werden, daß man den bisherigen, auf der ſtändiſchen Ordnung beruhenden Standpunkt verlaſſe, und namentlich die Bibliotheken, Sammlungen u. ſ. w. nicht mehr bloß der wiſſen - ſchaftlichen Bildung, ſondern der allgemeinen Bildung hinzurechne. Eine Literatur über das Ganze gibt es ſo wenig, als eine Codification; nur die territorialen Verwaltungsgeſetzkunden haben ein leider nicht vollſtändiges Material, und das nur für die alten Staatsanſtalten, aufgeſtellt. Mohl hat in ſeiner Polizeiwiſſenſchaft I. §. 83 86 das entſchiedene Verdienſt, dem Gegenſtande ſeinen Platz in der33 Verwaltung geſichert zu haben. Es wäre eine Arbeit von hohem Werthe, dieß weiter zu verfolgen, wenn auch zunächſt nur noch innerhalb der einzelnen Gebiete. Möchten dieſe wenigen Worte dafür einen Anſtoß geben!

II. Akademien und wiſſenſchaftliche Geſellſchaften.

Die Akademien verdanken ihr Entſtehen der Erkenntniß, daß die Wiſſenſchaft als ſolche, auch ohne jede unmittelbare Anwendung, einen wichtigen Theil der Macht und des höhern Lebens der Staaten bilde. Sie ſind im Grunde die Hauptform, in welcher die Verwaltung des geiſtigen Lebens der Staaten dieſen Satz öffentlich anerkennt; und in dieſer Anerkennung beſteht ihr Werth vielmehr als in dem, was ſie leiſten. Eben deßhalb ſind auch ihre Leiſtungen darauf berechnet, nicht ſo ſehr das Streben nach neuen Gebieten des Wiſſens zu fördern, als vielmehr das Erſtrebte als wiſſenſchaftliche Thatſache feſtzuſtellen. Darauf beruht ihre Einrichtung, vermöge deren ſie in beſtimmten, mehr oder weniger glücklich gewählten Abtheilungen das ganze Gebiet des Wiſſens umfaſſen, das Vorherrſchen der hiſtoriſchen Kenntniſſe, und ihr höchſt geringer Einfluß auf das wiſſenſchaftliche und geiſtige Leben der Völker. Ihre Wirkung iſt, namentlich den Univerſitäten und Vereinen gegenüber, vorzugsweiſe eine negative; ſie bezeichnen die Linie, unter welche der Stand der Kenntniſſe nicht herabgehen darf; und auch dieß nur in ſehr unvollkommener Weiſe, da ſie ſich mit den lebendigſten Fragen, den Fragen des gegenwärtigen Staatslebens, nicht zu beſchäf - tigen vermögen. Je beſſer die Univerſitäten, je weniger bedarf die Wiſſenſchaft der Akademien.

Die zweite große Form, in der dieſer Zweck erreicht wird, iſt der der wiſſenſchaftlichen Geſellſchaften. Wir müſſen dieſen Aus - druck jetzt ſtatt des früheren, der ſtändiſchen Epoche angehörenden der gelehrten Geſellſchaften nehmen, weil das freie Vereinsweſen nicht mehr bloß die gelehrte, ſondern auch die wirthſchaftliche Bildung in ſeinen Kreis gezogen hat und hier zum Theil mehr wirkt, als in jenen. Der Unterſchied der Akademien von dieſen wiſſenſchaftlichen Geſellſchaften beſteht nun nur in dem Verhältniß des Staats zu denſelben; jene gehören dem amtlichen, dieſe dem freien Bildungsweſen, und daher hat der Staat bei jenem Rechte in Beziehung auf die wirthſchaftliche Ver - waltung, dann Pflichten der Unterſtützung zu entſprechen. Für beide iſt jedoch die geiſtige Selbſtverwaltung ein Lebensprincip, das ſich namentlich durch den Grundſatz der freien Wahl ſowohl der Vorſtände als der Mitglieder und endlich der Leiſtungen bethätigt. Aber die Akademien ſind ſtets ſehr beſchränkter Natur, während die GeſellſchaftenStein, die Verwaltungslehre. VI. 334ſich vollkommen frei bewegen; jene unterliegen daher vielfach den Ein - flüſſen der Regierung, dieſe dagegen ſtehen regelmäßig unter der Herr - ſchaft des geiſtigen Bedürfniſſes. Es iſt kein Zweifel, daß die letztern daher auch weit mehr wirken und daß man ganz guten Grund hat, den Werth der Akademien von ihren Leiſtungen im Lehrfach ab - hängig zu machen, während mit der Zeit an ihre Stelle das Princip der Unterſtützung der Geſellſchaften, aber nur für einzelne beſtimmte Aufgaben derſelben zu treten haben wird.

Das Syſtem der Akademien in den verſchiedenen Ländern, namentlich auch das Verhältniß zur Verwaltung iſt ſehr intereſſant und belehrend. Das franzöſiſche beruht auf dem Unterſchiede zwiſchen dem durch Geſetz vom 3 Brumaire an IV aus der alten Akademie hervorgegangenen Institut de France mit ſeinen fünf Académies (fran - çaise, inscriptions et belles lettres, sciences, beaux arts et sciences morales et politiques (ſeit Verordnung vom 26. Oktober 1832) und der Académie de médicine, der Académie de musique, und den ſog. Académies universitaires. Die erſten beiden ſind mehr oder weniger Berufsbildungsanſtalten, die letzten ſind Verwaltungsorgane der Uni - versité (ſ. oben). Das Inſtitut dagegen iſt eine eigentliche Akademie der Wiſſenſchaften, deren Beruf es iſt, die höchſte Einheit aller Wiſſen - ſchaften, welche die franzöſiſchen Facultés der Université eben nicht geben können, zu vertreten. In dem Institut de France iſt die wiſſen - ſchaftliche Idee der deutſchen Univerſitäten, in den Facultés iſt ihre dogmatiſche Thätigkeit geſchieden und zum großen Nachtheil des höhern geiſtigen Lebens getrennt. In Deutſchland iſt eine ſolche Akademie der Wiſſenſchaften glücklicherweiſe unmöglich. Dagegen beſteht der Grund - charakter des deutſchen Akademieweſens darin, daß die Akademien der Wiſſenſchaften rein theoretiſche, die Akademien der Künſte dagegen weſentlich praktiſche, für das Kunſtbildungsweſen beſtimmte Anſtalten ſind. Dieſer Grundzug findet ſich in allen deutſchen Staaten wieder, ſo weit es Akademien gibt. Preußen hat zwei Arten der Akademien; die Akademie der Wiſſenſchaften ſeit 1700 iſt eben eine reine Aka - demie im obigen Sinn (neueſtes Statut vom 31. März 1838), die Aka - demie der Künſte dagegen (1699), die vielmehr eine höchſte Organi - ſation der Kunſtlehre iſt (ſ. oben) und die Kunſtſchulen des Königreichs leitet (Rönne II, §. 231 und 436). Das Syſtem Oeſterreichs beruht auf ähnlichen Grundlagen. Die Akademie der Wiſſenſchaften (Statut vom 14. Mai 1847, Organiſation bei Stubenrauch II, 423) iſt für die reine Theorie beſtimmt, ohne eine ins Leben eingreifende35 Funktion. Dagegen iſt die Akademie der bildenden Künſte in Wien durch allerhöchſten Erlaß vom 8. Oktober 1828 eigentlich als eine höhere Kunſt - ſchule geordnet, ohne eine Akademie im obigen Sinn zu ſein; erſt die neuen Statuten von 1865 haben ihr eine den Univerſitäten entſprechende Selbſtverwaltung gegeben. Die Orientaliſche Akademie ſeit 1754 wahrſcheinlich nach dem Vorbild der franzöſiſchen École des langues orientales (18. November 1669 und 31. Oktober 1670 durch Colbert ins Leben gerufen; ihre Zöglinge hießen Jeunes de langues; neueſte Organiſation, Verordnung vom 20. Auguſt 1833) errichtet, iſt nur eine ſpecielle Lehranſtalt für orientaliſche Sprachen. In Belgien ward 1769 die Société littéraire gegründet; erhoben zur Académie impériale des sciences 1772 (Juste, Hist. de Belgique II. 319). Gleichartig in Bayern. Die Akademie der Wiſſenſchaften (1759) rein theo - retiſch; doch iſt der Vorſtand der Akademie zugleich Vorſtand des General - Conſervatoriums der wiſſenſchaftlichen Sammlungen des Staats und einer techniſchen Commiſſion, die Gutachten über techniſche Unternehmun - gen zu geben hat (ſeit 1852.) Die Akademie der bildenden Künſte dagegen (1808) iſt im Grunde gleichfalls nur eine künſtleriſche Bildungs - anſtalt mit Selbſtverwaltung (ſ. oben).

In England exiſtirt die Royal Academy of Arts, jedoch nur als Privatgeſellſchaft, an deren Spitze der Monarch ſteht und die Aus - ſtellungen veranlaßt und damit die Zeichenſchule verbindet, ohne große Bedeutung (Franz Kugler, Kleine Schriften zur Kunſtgeſchichte Bd. III, S. 464). In Dänemark beſteht die Akademie der Künſte ſchon ſeit 13. März 1754; dieſelbe hat ihre neue Fundation durch Verord - nung vom 28. Juli 1824 erhalten und ein neues Reglement am 1. März 1842. Die neuen Beſtimmungen (Bekanntmachung vom 28. Juli 1857, Reſolution vom 27. März 1859) haben das Element des Unterrichts darin aufgenommen und das Reglement vom 7. September 1863 mit dem jetzt durchgeführten Unterſchied von Profeſſoren und Mitgliedern daſſelbe ausgebildet. In Schweden dagegen exiſtirt zwar ein ganzes Syſtem von Akademien. Die ſchwediſche Akademie iſt (Erlaß vom 20. März 1786) beſonders für Wohlredenheit und Dichtkunſt, die Aka - demien der Wiſſenſchaften (ſeit 1739 aus einer einfachen wiſſen - ſchaftlichen Geſellſchaft entſtanden (Grundgeſetz vom 31. März 1741); neueſte Organiſation vom 13. Juli 1850; Akademie der Geſchichte und Alterthümer ſeit 1753; Akademie der Landwirthſchaft ge - ſtiftet den 25. December 1811 (neue Organiſation vom 6. November 1857). Die Akademie der freien Künſte (errichtet 1735; Privi - legium vom 5. Januar 1735; neue Organiſation vom 20. Mai 1846) umfaßt alle bildenden Künſte und iſt zugleich die eigentliche Kunſtſchul36 (6 Profeſſoren, davon 4 für Malerei, 1 für Baukunſt, 1 für Kunſt - anatomie). Daneben beſteht die muſikaliſche Akademie ſeit 8. Sep - tember 1771, die gleichfalls eine Lehranſtalt für die Muſik in allen ihren Zweigen iſt. Außerdem beſtehen mehrere wiſſenſchaftliche Geſell - ſchaften. (Fahråus Administratif och Statistisk Handbok. 1864, p. 269 ff. ) Was die Geſellſchaften betrifft, ſo unternehmen wir gar nicht, etwas Statiſtiſches über dieſelben zu ſagen. Wir bemerken nur, daß die Frage und der Zweifel an dem Nutzen der Akademien ſchon eine alte iſt. (Jacobi, über gelehrte Geſellſchaften, ihren Geiſt und ihren Zweck 1807; außerdem Schleiermacher, Gedanken über Uni - verſitäten, S. 27. Luden, Politik §. 149 und andere mehr. Schon im vorigen Jahrhundert Juſti II, §. 95. ( Alles kommt auf die Ceremonie der Vorleſung an; und man ſieht nicht, was dieſe zur Er - weiterung der Wiſſenſchaften beitragen ſoll ꝛc. ); vgl. §. 96. Ganz verſtändig iſt, was Mohl Polizeiwiſſenſchaft I, §. 86 darüber ſagt. Richtig iſt, was jener Franzoſe ſagt: Ce n’est pas l’Académie qui honore le savant mais le savant qui honore l’Académie. Eben ſo ſchlagend Mohl: Gerade die eigenthümlichſten und kühnſten Ge - danken werden leicht keinen Beifall finden bei einer Geſellſchaft älterer Männer, welche einen Ruhm als ein gegen ſie begangenes Unrecht zu betrachten geneigt ſein kann (a. a. O). Thatſache iſt, daß noch keine Akademie je etwas Neues geleiſtet, ſondern nur nützt durch Sammlung des Alten. Iſt dazu eine Akademie nothwendig?

III. Bibliotheksweſen.

Die ungemeine Wichtigkeit der Bibliotheken iſt unbezweifelt. Sie beſteht theils darin, daß ſie allein den wachſenden Umfang der wiſſen - ſchaftlichen Arbeiten beherrſchen, theils aber, und nicht minder darin, daß ſie in den Sammlungen der Werke das Bewußtſein und das Verſtändniß des geſchichtlichen Werdens der großen geiſtigen Wahr - heiten möglich machen, ja indirekt erzwingen. Dadurch iſt die Oeffent - lichkeit des Bibliotheksweſens, welche in der Loslöſung von den Berufs - bibliotheken einzelner Bildungsanſtalten und in der Zulaſſung des ge - ſammten Publikums zu ihrer Benützung beſteht, ein hochwichtiger Fort - ſchritt; ſie werden dadurch aus Lehrmitteln zu Bildungsmitteln, und es iſt kein Zweifel, daß ſie dieß mit der Zeit in immer größerm Maße ſein werden. Eben deßhalb gehören ſie unbedingt in die Verwaltung der allgemeinen Bildung, und füllen einen weſentlichen Theil des Sy - ſtems derſelben aus.

Die Geſchichte des Bibliotheksweſens beginnt mit den Fach - und37 Berufsbibliotheken der wiſſenſchaftlichen Körperſchaften; das zweite Sta - dium liegt in der Errichtung landesherrlicher Bibliotheken mit öffent - licher Benützung; das dritte, noch kaum begonnene, wird ſich erſt aus der Errichtung örtlicher öffentlicher Bibliotheken ergeben. Die letztern werden bis jetzt durch die Leihbibliotheken erſetzt. Der naturgemäße Weg iſt der, daß ſich allmählig das Bildungsvereinsweſen der Biblio - thekfrage bemächtigt, und daß Vereine für öffentliche Bibliotheken der allgemeinen Bildung entſtehen, wie es Vereine und Stiftungen für einzelne Berufsbildungen mit Bibliotheken gibt. Das öffentliche Recht der Bibliotheken beſteht naturgemäß aus den Reglements für ihre Er - haltung, Erweiterung und Benützung. Es iſt natürlich, daß jede Biblio - thek ihre ſpecielle Ordnung hat; eben ſo natürlich iſt es, daß dieſe im Weſentlichen übereinſtimmen. Die öffentlichen Bibliotheken ſtehen ſtets unter dem Miniſterium der geiſtigen Angelegenheiten; die Leihbiblio - theken dagegen unter der Polizei. Die Frage nach dem Eigenthums - recht an den öffentlichen Bibliotheken gehört der Lehre von Staatsgut; für die Verwaltungslehre iſt ſie nur ſo weit von Bedeutung, als das Eigenthumsrecht des Staats im Grunde die Anerkennung der Biblio - theken als Mittel der Verwaltung enthält.

Das intereſſanteſte Syſtem der Bibliotheken und ihres Rechts iſt ohne Zweifel das franzöſiſche. Bis zur Revolution beſtanden, wie gegen - wärtig faſt ausſchließlich in Deutſchland, die beiden Bibliothekſyſteme der ſtändiſchen (die Berufsbibliotheken, Univerſitätsbibliotheken und Kloſterbibliotheken) und der polizeilichen Epoche (die königlichen Biblio - theken). Die Revolution erklärte ſie einfach und ohne weitere Unter - ſcheidung für Staatsgut und ſtellte ſie in ihrer Geſammtheit zuerſt in Europa unter die Verwaltung (Dekret vom 14. November 1789). Dieſer Verwaltung wurden dann auch alle Archive des Reichs unter - geordnet, und zwar auf der Grundlage, daß namentlich die Kataloge der Handſchriften und Aktenſtücke von allen Provinzen eingeſendet und ſomit ein Generalkatalog der beſtehenden Bibliotheken verfaßt werden ſollte (Dekret vom 20 29. März 1790 und folgende). Durch Geſetz vom 7. Mess. an II. wurden dann die Bibliotheken und die Archive ge - ſchieden und die Vertheilung derſelben angeordnet. Durch Dekret vom 20. Februar 1809 wurden alle Manuſcripte in allen Bibliotheken als Staatseigenthum erklärt, und gleichfalls alle Archive aller Ver - waltungskörper; der Grundſatz, daß von jetzt an die Veröffentlichungen nur unter Zuſtimmung des Miniſteriums des Innern erfolgen können, war davon die nothwendige Folge, eben ſo die ſyſtematiſch in ganz38 Frankreich durchgeführte Unterſcheidung der öffentlichen und nicht öffentlichen Bibliotheken. Das geſammte Bibliotheksweſen wird dem Miniſterium des Unterrichts durch Verordnung vom 11. Oktober 1832 überwieſen. Die eigentliche Verwaltung deſſelben, ſpeziell die Benützung von Seiten des Publikums, iſt durch die im Weſentlichen noch gültige Verordnung vom 22. Februar 1839 geordnet. An dieß Bibliotheksweſen haben ſich dann mehrere Einrichtungen angeſchloſſen, ſpeziell die Thätig - keit der École des chartes (ſ. oben) und das Comité historique, reorganiſirt durch Verordnung vom 14. September 1852. Von be - ſonderem Intereſſe iſt das Syſtem der örtlichen Bibliotheken, die unter die Verwaltung der Municipalités geſtellt werden (Erlaß vom 8. Pluv. an XI). Die Verordnung von 1839 beſtimmte das Nähere über die Verwaltung. Grundſatz iſt, daß dieſe Bibliotheken auf Koſten der Körperſchaften erhalten werden, denen ſie gehören, während jedoch der Miniſter die Bibliothekare ernennt. Die Regierungsbibliotheken (non ouvertes au public, weſentlich die Archive der Körperſchaften) ſind als Eigenthum des Staats erklärt und ihre Verhältniſſe durch mehrere Erläſſe geordnet (Erlaß vom 12. December 1852, vom 14. Februar 1853). Angeblich ſoll es mehr als 200 ſolcher örtlichen Bibliotheken in Frankreich geben (A. Grün bei Block, art. Bibliothèques).

Auf dieſe Weiſe iſt das franzöſiſche Bibliotheksweſen ein einheit - licher Verwaltungszweig, in welchem zwar einerſeits die ſtändiſchen Unterſchiede weggefallen ſind, aber auch die ſelbſtändige Bewegung der Verwaltung der einzelnen Bibliotheken fehlt. Der Charakter des deutſchen Bibliotheksweſens iſt dem gegenüber ein weſentlich verſchie - dener. Dieſelben waren bis zum achtzehnten Jahrhundert Eigenthum der Univerſitäten und Stiftungen, und ſtanden ganz unter der Ver - waltung derſelben. Erſt mit der Mitte deſſelben nahmen ſie den Cha - rakter öffentlicher Anſtalten an, mit freier Benützung in der Bibliothek; auf derſelben Grundlage werden die neuen Hofbibliotheken errichtet. Jede derſelben erſcheint aber als etwas ganz ſelbſtändiges und hat da - her meiſt ihre eigene Verwaltung; die Bibliothekare ſind Staatsdiener und ſie erſcheinen im Budget. Für Oeſterreich beſteht ein Reglement von 1825, welches für die innere Ordnung und Verwaltung der öffent - lichen Bibliotheken maßgebend iſt; die Benützung derſelben für das ganze Publikum iſt erſt durch Erlaß vom 9. Februar 1854 geſtattet und geregelt (ſ. Stubenrauch II. 422). Das Eigenthumsrecht iſt nur bei einzelnen Bibliotheken überhaupt zur Sprache gekommen; das Recht der einzelnen, noch beſtehenden Corporationen auf ihre Bibliotheken iſt nirgends bezweifelt. Es gibt daher überhaupt kein allgemeines Biblio - theksweſen in Deutſchland, noch auch in ſeinen einzelnen Staaten. Jede39 Bibliothek hat ihre eigenen Reglements; die öffentlichen Bibliotheken ſtehen jedoch wohl faſt ausſchließlich unter dem Miniſterium des Unterrichts. Preußen (ſ. Rönne, Staatsrecht II. 231). Oertliche Bibliotheken ſind ſo gut als gar nicht vorhanden. Württemberg (Bibliotheken und ihre Ordnung bei Mohl, Verwaltungsrecht §. 218). Die bayeriſche Hof - und Staatsbibliothek ſteht unter dem Miniſterium des Innern (Pözl, Verwaltungsrecht §. 197). Die Göttinger Univerſitätsbibliothek empfing ihre erſte Vorſchrift 1782; verbeſſert 1794 (ſ. Meiners Ge - ſchichte der deutſchen Univerſitäten I. 67).

Das Leihbibliotheksweſen, früher zum Theil im Sinne des alten Preßrechts der Cenſur unterſtehend, fällt jetzt unter das Gewerbe - recht als conceſſionirtes Gewerbe (Rönne I. 94; Stubenrauch I. 398). In England erſte Leihbibliothek im achtzehnten Jahrhundert; 1725 war in London noch keine. (Buckle, Geſchichte der Civiliſation I. 371.) Die Leihbibliothek des Zion College ſeit 1697 gehörte dem Klerus. (Ueber Volksbliotheken ſ. unten.)

IV. Oeffentliche Sammlungen.

Die öffentlichen Sammlungen haben ſowohl in ihrer Bedeutung wie in ihrem öffentlichen Recht eine den Bibliotheken durchaus ent - ſprechende Stellung. Es läßt ſich jedoch nicht läugnen, daß die für die Berufsbildung beſtimmten Sammlungen weit rationeller hergeſtellt ſind, als die der allgemeinen Bildung, namentlich die Kunſtſammlungen, da die letzteren meiſt aus Liebhabereien ſtammen und in keiner organiſchen Verbindung mit der Volksbildung ſtehen, während die erſteren durch den praktiſchen Zweck, aus dem ſie hervorgegangen, in Objekt, Erweiterung und Verwaltung beherrſcht werden. Das einzige organiſche Element bei den großen Sammlungen (Muſeen und Galerien aller Art) beſteht in der Verbindung ihrer Benützung mit gewiſſen Berufsbildungen. Sie ſind ein ſehr ſchätzbares Material für die höhere allgemeine Bildung; allein für ihre rechte Verwerthung iſt außerhalb der Berufsbildung noch faſt alles zu thun.

Ueber die Einrichtungen zur Conſervation der Kunſtdenkmäler in Frankreich (und Belgien) Fr. Kugler, Kleine Schriften zur Kunſt - geſchichte Bd. III. S. 464 ff. Errichtung einer Abtheilung unter der Direction des beaux arts für die Monuments historiques mit einem Inspecteur, einem Comité historique mit den Inspecteurs particuliers (Correſpondenten) nebſt einer eigenen Commission des monuments historiques. Das hiſtoriſche Muſeum zu Verſailles, ebend. S. 476 ff.

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Vergl. für Frankreich die verſchiedenen Andeutungen bei Block. Für Oeſterreich Stubenrauch I. 561. Für Preußen: Rönne II. 463. Von beſonderem Intereſſe ſind die hiſtoriſchen Sammlungen aller Art, in deren Erhaltung und wiſſenſchaftliche Verwerthung ſich die Verwaltungen und die Vereine theilen. In Frankreich ſteht dieſe Erhaltung und Verwerthung direkt unter dem Ministère de l’Intérieur ſeit 1830; ſeit 1853 unter dem Ministère d’Etat, mit einem eigenen Fonds (900,000 Fr.) und eigenen Angeſtellten P. Merimée bei Block, Monuments historiques. In Oeſterreich iſt eine Centralcommiſſion zur Erhaltung der Baudenkmäler errichtet (Entſchließung vom 31. December 1850) und wird durch Vereine unterſtützt. Aehnliches geſchieht in Belgien und andern Staaten. Preußen: Verordnung über die Aufſtellung und Aufgaben des Conſervators der Kunſtdenkmäler (Rönne, Staats - recht II. §. 231 und 463). Bayern: die Central-Gemälde - Gallerie iſt eine organiſirte Verwaltungsſtelle, welche die Samm - lungen zu München, Schleißheim und Luſtheim, dann zu Augsburg und Nürnberg und das Kupferſtichkabinet in München umfaßt (organi - ſirt am 3. Juni 1851. Pözl, Verwaltungsrecht §. 198). Andere Samm - lungen verſchiedener Art bei Pözl, ebend. §. 197. Sie ſtehen größten - theils unter der Akademie der Wiſſenſchaften. Staatsrechtliche Eigenſchaft dieſer Sammlungen; Pözl, Verfaſſungsrecht S. 237. Die Sammlungen Württembergs als Gegenſtand des öffentlichen Rechts bei Mohl, Württemb. Verwaltungsrecht §. 218 (Bibliotheken, Na - turalienſammlungen, Antiquitäten und Kunſtſammlung).

V. Theater.

Die Bedeutung und der Einfluß, welche öffentliche Schauſtellungen zu allen Zeiten ausgeübt haben, ſpeciell aber ihre Stellung zur all - gemeinen Bildung ſind von jeher anerkannt, und Gegenſtand vielfacher Unterſuchung geweſen. Allein das Verhältniß zur Verwaltung, oder die Theilnahme des Staats an Inhalt und Form ihrer Leiſtungen bedarf einer ſelbſtändigen Darſtellung, die namentlich die heutigen vielbeſpro - chenen und doch zum Theil ſehr unklaren Beziehungen der Verwaltungen zum Theaterweſen auf ihren natürlichen Inhalt zurückführt.

Es iſt natürlich, daß auch die öffentlichen Schauſtellungen den Charakter der Geſellſchaftsordnungen tragen, für welche ſie beſtimmt, und daß dieſer Charakter über ihr öffentliches Recht entſcheidet. In der Geſchlechterordnung ſind ſie Waffenſpiele, bei denen jeder Einzelne für ſich ſelbſt ſorgt. Die Blüthezeit Griechenlands zeigt uns die Theater als Darſtellung großer ethiſcher Ideen und ſcheidet zuerſt die Kunſt von41 jedem öffentlichen Zwecke. Die Circenses dagegen laſſen ſie als Unter - haltungen der beſitzloſen Klaſſe erſcheinen ein Tribut der Beſitzenden an die arbeitsloſen Nichtbeſitzenden. In der ſtändiſchen Epoche ſchließt ſich das Theater an den großen berufsmäßigen Träger der allgemeinen Bildung, die Kirche; Gegenſtand und Zweck liegen im Gebiete der kirchlichen Ideen und Traditionen. Erſt mit dem ſelbſtändigen Auf - treten des Königthums ändert ſich dieß. Das Theater wird eine Feſt - vorſtellung; es hat keinen anderen Zweck mehr als den der Unterhaltung, und muß ſich daher jetzt an den Ideenkreis der allgemeinen Bildung anſchließen, das enge Gebiet der Kirche verlaſſend. Das iſt der ent - ſcheidende Wendepunkt für das Theaterweſen. Ihm entſprechend bleiben die Schauſpiele während der Epoche der königlichen Herrſchaft weſentlich innerhalb des Kreiſes der Schickſale und Ideen, welche die Throne um - geben; den Uebergang zum Volksſchauſpiel bildet dagegen allmälig die Komödie, die ſich mit dem bürgerlichen Individuum befaßt, bis endlich die Idee des der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft entſprechenden Thea - ters mit den großen deutſchen Dichtern auftritt. Nicht in ihrer höhern Kunſt, ſondern darin lag die unwiderſtehliche Gewalt der Stücke von Männern, wie Leſſing, Goethe und Schiller, daß ſie nicht mehr die großen ſittlichen Thatſachen für ſich, ſondern den Kampf des Indi - viduums ohne Rückſicht auf Rang und Stand in und mit ihnen verfaßten. Der Drang jener Epoche des Werdens der freien Geſell - ſchaft, der die geiſtige That in das Herz des Einzelnen verlegte, und dadurch das freie Volk bildete, fand ſich jetzt auf dem Theater in den neuen Schauſpielen zum objektiven Ausdruck gebracht; auch hier riß ſich das Individuum von der ſtändiſchen, herrſchenden Ordnung los, und ſo entſtand die Zeit, in der das Theater aus einer vorzugsweiſe fürſtlichen Unterhaltung zu einem ethiſchen Bildungsmittel ſich erhob. Die Folge da - von aber war materiell natürlich die, daß es nunmehr auch den Cha - rakter einer öffentlichen Anſtalt verlor, und als Unternehmung auf diejenigen angewieſen ward, für die es arbeitete. So ward das Theater ein Gewerbe im höheren Sinne des Wortes. Allein das ethiſche Ele - ment lebte in ihm fort; die griechiſche Tradition und die Weihe, die ihm die großen Dichter gegeben, erhielten das Bedürfniß nach dem reinen Kunſtgenuß; die höhere Bildung der höchſten Geſellſchaftsklaſſen forderte, in Gemeinſchaft mit der rationellen Erkenntniß des Einfluſſes, den jede Schauſtellung auch auf das freieſte Individuum behält, daß die freie Kunſt in dem dienſtbaren Gewerbe erhalten werde; und dafür boten die, die ſociale Revolution überdauernden fürſtlichen Theater die natürliche Grundlage. Auf dieſe Weiſe entſtand das gegenwärtige Verhältniß des Theaterweſens zur Verwaltung, und es muß daſſelbe in ſeinen Grund -42 zügen als ein dauernd richtiges anerkannt werden. Daſſelbe enthält zwei Theile. Einerſeits ſind die Theater förmliche öffentliche Bil - dungsanſtalten, bei denen der Erwerb das Untergeordnete, und die Erhaltung der edleren Kunſt die eigentliche Aufgabe iſt. Anderer - ſeits ſind dieſelben einfache Gewerbe, welche ihre Leiſtungen nach den Vorausſetzungen eines möglichſt großen Reinertrages einrichten müſſen. Die erſten ſollen die claſſiſche Kunſt vertreten, die letzteren werden der Unterhaltung und Erholung dienen. Für dieſe zu ſorgen iſt keine Aufgabe der Verwaltung; die erſtere aber um des Ertrags willen in Frage zu ſtellen, iſt ein Irrthum über das Weſen einer öffentlichen Anſtalt. Die gewerblichen Theater dürfen daher nie eine öffentliche Unterſtützung empfangen; die Theater der Kunſt dürfen nie in Gefahr kommen, derſelben entbehren zu müſſen. Die erſten verwalten ſich ſelbſt und ſtehen nur unter der ſittenpolizeilichen Aufſicht, ſowie unter dem Princip der gewerblichen Genehmigung; die letzteren ſollten ein Gebiet des Cultusminiſteriums bilden, und ſich mit ihren Leiſtungen und Beſtrebungen an die höchſten Bildungszuſtände der Völker an - ſchließen. Es iſt daher eben ſo wenig richtig, nur gewerbliche, als nur Hof - (oder National) theater zu haben, wie es falſch iſt, von dieſen innerlichſt verſchiedenen Anſtalten gleiche Funktionen zu verlangen. In der That ſteht auch die Verwaltung in den meiſten Staaten Europas mit dem öffentlichen Rechte des Theaterweſens auf dieſem allein richtigen Standpunkt.

Die drei Punkte, in welchen ſich dieß öffentliche Recht zuſammen - faßt, ſind die Subvention der Kunſttheater, die gewerbliche Con - ceſſion der Unterhaltungstheater und übrigen öffentlichen Schau - ſtellungen, und die Schauſtellungspolizei, die als einfache Sitten - polizei bei den Schauſtellungen, und noch immer auf dem Continent als Theatercenſur bei den Schauſpielen auftritt. Für Frankreich ſ. die ziemlich ausführliche Literatur und einen kurzen, aber guten Artikel von Ch. Tranchant bei Block. Hauptgeſetz iſt bisher das Decret vom 11. December 1824. Neueſte Verordnung vom 6. Januar 1864; Auf - hebung aller bisherigen ausſchließlichen Privilegien jedoch mit Bei - behaltung der Subventionen. (Auſtria 1864. S. 92. 93). Oeſterreich mit einer ganzen Reihe von einzelnen Verordnungen (Stubenrauch I. S. 399 und II. S. 430). Preußen, namentlich Entwicklung des gewerblichen Moments (Rönne II. S. 402), der Theatercenſur I. S. 89. 90. Bayern, Hof - und Nationaltheater in München (Pözl, Verwaltungs - recht §. 198).

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VI. Bildungsvereinsweſen.

Wir umfaſſen nun mit dem Ausdruck Bildungsvereinsweſen die Geſammtheit deſſen, was ohne Unterſtützung von Seiten der Regierung von den geſellſchaftlichen Elementen ſelbſt für die allgemeine Bildung geſchieht. Dieß ganze Gebiet iſt ſehr leicht in ſeinem Princip, aber ſehr ſchwer in ſeinen einzelnen Grenzen und in ſeinem Recht aufzufaſſen und zu beſtimmen. Das erſte iſt ſchon angedeutet. Es enthält den - jenigen Proceß, durch welchen die Hebung der niederen Klaſſe durch die Theilnahme und Hülfe der höheren, oder durch eigene Anſtrengungen vermöge der Entwicklung des geiſtigen Lebens vor ſich geht. Dieſer Proceß aber umfaßt zugleich das Vorbildungsweſen in den Sonntags - und das Fachbildungsweſen in den Fortbildungsſchulen, ſo daß es äußerſt ſchwierig iſt, hier den Punkt zu bezeichnen, auf welchem das allgemeine Bildungsweſen ſich von dem Berufsbildungsweſen ſcheidet. Eben deßhalb läßt ſich auch ſchwer von einem ſelbſtändigen öffentlichen Recht deſſelben reden. Das ganze Gebiet iſt für die Verwaltungslehre wichtiger als für das Verwaltungsrecht. Es iſt kaum etwas anderes hier thunlich, als die zu Tage tretenden Erſcheinungen feſtzuſtellen und ihre Bedeutung klar zu machen.

Dieſe Erſcheinungen nun zeigen uns zwei Dinge, welche gemeinſam den Kern des geſellſchaftlichen Lebens unſerer Zeit bezeichnen; einerſeits daß die hohen Klaſſen ſelbſtthätig eingreifen, um den niederen zu helfen, andererſeits daß die letzteren beginnen, ſich werkthätig ſelbſt zu helfen. Das, was in dieſem Sinne im Gebiete des allgemeinen Bildungs - weſens geſchieht, iſt nur ein Theil und Glied des großen Proceſſes, der unſer Jahrhundert charakteriſirt, und den wir die geſellſchaftliche Verwaltung nennen können. Die Verwaltungslehre hat in ihrem letzten Gebiete ſich ſpezieller damit zu beſchäftigen; hier kommt es nur darauf an, die betreffenden einzelnen Erſcheinungen zu bezeichnen.

Wir rechnen dahin zunächſt das ganze Gebiet der wirthſchaft - lichen Bildungsvereine, die zwar ſtets einen nächſtliegenden wirthſchaft - lichen Zweck haben, aber andererſeits eben ſo ſehr zur allgemeinen Bildung beitragen (Gewerbevereine, landwirthſchaftliche Vereine u. a.). In hohem Grade beachtenswerth aber iſt das, was in dem geſelligen Verein in der neueren Zeit vor ſich geht. Faſt allenthalben iſt das Element der reinen Geſelligkeit von der bildenden Aufgabe derſelben durch - drungen, namentlich indem ſich dieſelben zu Leſevereinen theils geradezu umgeſtalten, theils die letztern an ſich anſchließen. An dieß Vereinsweſen knüpfen ſich die öffentlichen Vorträge aller Art, die trotz vieler ver - kehrten Verſuche dennoch von Jahr zu Jahr ein wichtigeres Element der44 allgemeinen Bildung werden. Bisher zufällig und unorganiſch, werden ſie erſt dann ihre ganze Bedeutung entfalten, wenn ſie durch das regel - mäßig durchgeführte Princip der Entgeldlichkeit im Stande ſein werden, aus den Männern des öffentlichen Vortrages einen Stand zu machen, wie die Tagespreſſe es aus den Publiciſten gemacht hat, ſo daß es möglich ſein wird, in dem Vortrag einen Lebensberuf zu finden. Endlich bilden die Bibliotheken ein wichtiges Element der allgemeinen Bildung. Dieſelben ſind für die niederen Klaſſen noch wenig organiſirt, zum Theil gar nicht vorhanden, obwohl das Bedürfniß nach ihnen mit jedem Tage wächst. Die Zeit wird kommen, wo Vorträge und Biblio - theken ein Ganzes bilden werden; es wird ſich der in beiden im Keime liegende Proceß zu einem großen Ganzen entfalten; es wird jeder Ort, jede Gemeinde, jeder Verein erſt dann ſeiner Zeit zu entſprechen glauben, wenn er ſeine Bibliothek, ſeine Vorträge, ſein geiſtiges Leben hat; und mit gerechtem Stolz ſagen wir es zum Schluſſe dieſer Darſtellung: Die Zukunft Europas und vor allem die natürliche Hegemonie der deutſchen geiſtigen Entwicklung beruht darauf, daß im Gegenſatz zur römiſchen Welt und ihren öffentlichen Spielen mit all ihrer Verderbniß die ger - maniſche Welt auch in der geiſtigen Bewegung den Genuß nur in Verbindung mit der Arbeit ſucht und findet. Möge der Genius des deutſchen Volkes ihm dieſes unſchätzbare Kleinod, dieſe ewig junge Mutter alles wahren Fortſchrittes, lebendig erhalten!

Dritter Abſchnitt. Die Preſſe.

I. Allgemeiner Charakter.

Indem wir nun im Folgenden zum letzten Gebiet des öffentlichen Bildungsweſens, der Preſſe, übergehen, müſſen wir zuerſt den Stand - punkt feſtſtellen, von welchem aus die Verwaltungslehre und das Ver - waltungsrecht dieſelbe aufzufaſſen haben.

Eine Reihe von geſchichtlichen Gründen hat es hervorgebracht, daß man im öffentlichen Recht die Preſſe nur als Gegenſtand der negativen Thätigkeit der Verwaltung, der Polizei, betrachtet, und daher den Ge - danken des Preßrechtes und Preßweſens mit dem der Preßpolizei faſt für identiſch hält. Das mag ſeine Berechtigung haben, ſo lange man die Verwaltung ſelbſt nur als das Verwaltungsrecht auffaßt. So wie man aber die Idee der Verwaltung ſelbſt an die Spitze ſtellt,45 muß man auch in der Preſſe etwas anderes und höheres ſehen, als einen Faktor des Geſammtlebens, bei dem es vor allem darauf ankommt, ihn innerhalb ſeiner Gränzen zu halten und ſeine Gefahren zu be - kämpfen.

In der That iſt die Preſſe etwas Anderes. Die Preſſe im weiteſten Sinne des Wortes, als die Geſammtheit aller durch den Druck veran - ſtalteten Vervielfältigungen geiſtiger Arbeiten, iſt vielmehr derjenige Proceß, in welchem durch beſtändige gegenſeitige Einwirkung des Einzelnen auf das Ganze und des Ganzen auf den Einzelnen die allgemeine Bildung erzeugt und gefördert wird.

Dieſes Weſen und dieſe Fähigkeit der Preſſe liegen nun ihrerſeits in der Natur der Buchdruckerei, die eben dadurch die wichtigſte welt - hiſtoriſche Erſcheinung geworden iſt. Dieſe Natur der Buchdruckerei hat der geiſtigen Arbeit einen Charakter gegeben, der zu keiner anderen Zeit vorhanden, oder auch nur denkbar war. Sie iſt durch den Druck eine Arbeit Aller für Alle geworden. In dieſem Weſen der Preſſe laufen zunächſt alle Momente derſelben, wie in einem ge - meinſchaftlichen Mittelpunkte zuſammen. Denn durch dasſelbe iſt ſie berufen, dasjenige Bildungsmittel zu ſein, das zunächſt weder in Inhalt noch in Form, in Gegenſtand noch in Behandlungsweiſe, in Zeit noch in Umfang begränzt iſt, wie die bisher bezeichneten Formen des all - gemeinen Bildungsweſens. Sie kennt weder Unterſchiede des Standes noch der Fähigkeiten, weder Beſchränkungen in Beziehung auf das Objekt, noch auf die Art und Weiſe, es zu behandeln. Sie vermag in jedem Augenblick ſich demjenigen Gebiet des Lebens zuzuwenden, welches einer Unterſuchung und Anregung bedarf, und fordert an ſich weder eine beſondere Vorbildung, noch auch beſtimmte Zeit, noch beſtimmte Anſtrengung, noch ſetzt ſie Erfolge in einem Punkte voraus, um zu einem anderen überzugehen. Vor allem aber hat ſie nicht den Charakter einer öffentlichen Anſtalt, ſondern ſie beruht allein auf der Theilnahme der Einzelnen an dem, was ſie leiſtet. Indem ſie durch dieß, was ſie leiſtet, das innerſte geiſtige Leben der Menſchen erfaßt, beſitzt ſie die Fähigkeit und mit derſelben auch die Beſtimmung, als eine ſittliche Macht und damit als ein Beruf für diejenigen zu erſcheinen, die ſich ihr widmen, während ſie anderſeits, indem ihre Leiſtungen ſich wirthſchaftlich verwerthen, wieder materiell den Charakter und damit auch die Natur eines wirthſchaftlichen Unternehmens empfängt. Sie iſt dadurch diejenige Form des Bildungsweſens, in welcher die Förderung der allgemeinen Bildung als Sache der Einzelthätigkeit erſcheint. Sie iſt dadurch zunächſt ihrem ganzen Weſen nach vollſtändig unabhängig46 von der Verwaltung und beruht in dem, was ſie bietet, nur auf den ſittlichen oder wirthſchaftlichen Motiven, welche den Schriftſteller einer - ſeits bei dem, was er ſchreibt, und den Leſer anderſeits bei dem, was er liest, leiten.

Durch dieß Vorherrſchen der individuellen und zufälligen Momente ſcheint nun die Preſſe zunächſt ein ganz chaotiſcher, keiner feſten Organi - ſation fähiger, in Umfang und Inhalt, Werth und Erfolg ganz un - berechenbarer, rein zufälliger Proceß zu ſein, der dennoch in Form, Umfang und Inhalt das ganze geiſtige Leben der Gemeinſchaft umfaßt, gleichſam die unorganiſche Form der Selbſthülfe im Gebiete der allge - meinen Bildung, die aber mit den gewaltigſten, und wieder durch den Mangel jeder Organiſation gefährlichſten Kräften ausgeſtattet iſt; aus - geſtattet mit der Möglichkeit für den Einzelnen, die allgemeine geiſtige Thätigkeit ſeiner individuellen Anſchauung zu unterwerfen und jene da - durch im Guten wie im Böſen zu beherrſchen, ausgeſtattet aber auch mit der Möglichkeit von Seiten des Publikums, nicht bloß gegen das Beſte indifferent zu bleiben, ſondern nur dasjenige zu wollen und da - durch ins Leben zu rufen, was als ein Uebles erkannt werden muß. Mag man über die Preſſe denken, wie man will, immer wird bei der ungeheuren Maſſe, die einem hier entgegen tritt, dieſer erſte Eindruck einer elementaren Gewalt mit ſcheinbar unberechenbaren Kräften und Erfolgen der erſte und herrſchende ſein.

Ohne allen Zweifel nun iſt eine ſolche Vorſtellung falſch. Auch hier iſt die Macht des Geſammtlebens ſelbſt über dieſe freieſte und unbeſchränkteſte Form der individuellen Thätigkeit ſo groß, daß die letztere von dem erſten einerſeits gewiſſe äußere gemeingültige Formen ihrer Erſcheinung annimmt, die auch für das Verhältniß der Ver - waltung von Bedeutung werden, andrerſeits aber von einem Geiſte er - füllt, und im Großen und Ganzen auch beſtimmt und beherrſcht wird, der, über alle einzelnen Erſcheinungen hinausgehend, das eigentliche wir würden ſagen organiſche Weſen der großen, ſo unendlich wich - tigen Funktion der Preſſe ausmacht. Die Verwaltungslehre iſt nun wohl berechtigt, ehe ſie auf die Stellung des Staats und ſeiner Auf - gabe gegenüber der Preſſe eingeht, ſich von dieſem höheren und all - gemeineren Weſen derſelben Rechenſchaft abzulegen; denn zuletzt wird es die dieſem Weſen inwohnende Macht ſein, welche jenes Verhältniß der öffentlichen Macht zu dieſem Faktor des geiſtigen Geſammtlebens bedingt.

Die Darſtellung des Preßweſens gehört zu denen Theilen, in welche ſich Verwaltungslehre und Recht am deutlichſten ſcheiden. Die erſtere47 fordert das Verſtändniß der äußeren und inneren Natur der Preſſe, dieſe aber iſt eben die rechtliche Conſequenz derſelben. Eine Reihe von Gründen hat bewirkt, daß die Verwaltungslehre ſich mit der erſtern ſo gut als gar nicht beſchäftigt, und bloß beim Recht ſtehen geblieben iſt. Daher ſtammt unſerer Ueberzeugung nach der Mangel einer Geſchichte, auch des Preßrechts, und das theilweiſe ſich Verlieren der Literatur des letzteren in Einzelheiten. Uebrigens aber fehlt, ſo viel wir ſehen wohl eng mit dem obigen zuſammenhängend das theoretiſche Ver - ſtändniß der Preſſe als eines organiſchen Bildungsmittels, das im vorigen Jahrhundert viel klarer und bewußter als im gegenwärtigen iſt; auch in der Staatswiſſenſchaft, z. B. Berg, Polizeirecht Bd. II. Buch 3, S. 336 ff. ; ſie erſcheint ſpäter beinahe ausſchließlich als ein Faktor der Entwicklung der Verfaſſung; daher auch die polizeiliche Anſchauung bei der Behandlung der Preſſe vorwaltet.

II. Die ethiſche und die ſociale Funktion der Preſſe.

Obwohl nämlich jede einzelne Erſcheinung der Preſſe zunächſt als freie Aeußerung des Einzelnen, als der höchſte Ausdruck der Indi - vidualität auftritt, und obgleich ſie ſich vermöge ihrer vollkommenen Freiheit in Umfang, Form und Inhalt in ſo verſchiedenen Gebieten bewegt, daß ſogar die innere geiſtige Verbindung für das Bewußtſein des Einzelnen verſchwindet, ſo iſt ſie dennoch im Großen und Ganzen von einem und demſelben Geſetze beherrſcht, das aus dem Zuſammen - wirken ihres geiſtigen Inhalts und ihrer äußeren Form entſteht. Alles was ſie producirt, producirt ſie für alle. Sie kann gar nicht anders, als die geiſtigen Güter, die ſie enthält, allen Perſönlichkeiten, ohne Unterſchied der Vorbildung, des Ranges und Standes, darbieten. Sie iſt das einzige Mittel, die geiſtigen Güter des Einzelnen zum Gemeingut aller zu machen, und zwar in der einzigen Form, in der ein jeder fähig iſt, faſt ohne Unterſchied ſeiner Lebensverhältniſſe, ſich dieſelben anzueignen. Sie iſt daher, mag ſie erſcheinen, wie und wor - unter ſie will, ein organiſcher Theil, ja der eigentliche Träger des allgemeinen Bildungsweſens. Allein ſie iſt nicht bloß das. Je weiter unſere Erkenntniß menſchlicher Dinge ſchreitet, um ſo klarer wird es uns, daß die geiſtigen Güter die erſte Bedingung des wahren Fort - ſchrittes ſind. Durch die Preſſe gelangt daher die eigentliche höchſte Gewalt der geiſtigen, und mit ihr der volkswirthſchaftlichen und geſell - ſchaftlichen Entwicklung zum Ausdruck; ohne ſie iſt dieſelbe gar nicht zu erreichen; jede Arbeit für ſie, mag ſie in was immer für einer Form erſcheinen, iſt eine Arbeit für dieſen Fortſchritt, und jede in ihr48 ausgeſprochene Wahrheit bildet mindeſtens diejenige Linie, hinter welche die menſchliche Entwicklung nicht mehr zurückſinken kann.

Die Preſſe iſt daher, neben ihrem rein objektiven Inhalt, vor allen Dingen durch ihr Verhältniß zu den geiſtigen Gütern, die ſie als Thatſachen des Geſammtlebens conſtatirt, und die ſie zu öffentlichen Wahrheiten macht oder ihnen den Schein derſelben gibt, zunächſt eine ethiſche Macht. Sie iſt aber, indem durch ſie dieſe Güter zu einem Gemeingut aller Stände und Klaſſen ohne Unterſchied der Perſon und Stellung werden, ein gewaltiger vielleicht der gewaltigſte Faktor der geſellſchaftlichen Bewegung. Und ſo tief oder ſo hoch ſie ſtehen mag, niemals wird ſie ganz dieſes Bewußtſeins entbehren, und nie - mals wird man dieß bei ihrer Beurtheilung vergeſſen. Um ſo weniger, als daſſelbe auch für die Bildung des Rechts der Preſſe zu einem ent - ſcheidenden Faktor wird. Jene beiden Elemente nämlich ſind es, welche die öffentliche Stellung der Preſſe in allen ihren Formen beherrſchen. Es iſt nothwendig, ſie ſpeziell ins Auge zu faſſen.

Das hohe ethiſche Element der Preſſe zeigt ſich zunächſt bei den Arbeitern in derſelben, dann in der öffentlichen Forderung an das, was ſie leiſtet. Und es hat einen hohen Werth auch für die eigentliche Preßfrage, dieß ſo beſtimmt als möglich zu formulieren.

Zuerſt und vor allem wird und ſoll dieß ethiſche Bewußtſein den Schriftſteller erfaſſen. Es gibt kaum etwas in der Welt, das einen ſo großen Reiz auf den lebendigen Geiſt ausübte, als die Möglichkeit, vermöge der allgemeinen Veröffentlichung mit ſeiner individuellſten gei - ſtigen Arbeit, mit dem individuellſten Denken und Wollen, mit der individuellſten geiſtigen Geſtalt in Wiſſen und Glauben aus ſich ſelbſt herauszutreten, und etwas für das Ganze zu ſein und zu thun. Das hat für jeden ſeiner geiſtigen Kraft bewußten Mann zu allen Zeiten etwas unendlich Erhebendes gehabt. Es hat zu den kühnſten Dingen begeiſtert, den größten Muth eingeflößt, die mächtigſten Arbeiten der Menſchen hervorgerufen. Es hat ſeinen höchſten Lohn in ſich, indem es den Menſchen über ſich ſelbſt erhebt, und die enge Schranke der Individualität aufhebt, um ſich mit ſeinen innerſten Beſtrebungen dem Ganzen hinzugeben. Allein eben weil das, was der Einzelne auf dieſe Weiſe dem Ganzen gibt, Eigenthum des Ganzen wird, iſt die bloße Be - friedigung, die darin liegt, für edlere Gemüther nicht genug. In dem Bewußtſein der Macht, welche ſie ausüben, und der Beſcheidenheit, welche jeden edler gearteten Geiſt erfaßt, wo er dem Leben des Ganzen mit ſeiner ſubjektiven That entgegentritt, erfaßt ihn das tiefe ſittliche Gefühl der hohen Verantwortlichkeit, die der Schriftſteller gegen - über der Geſammtheit hat, für die er arbeitet. Das ruft wieder das49 Streben hervor, nun auch das Beſte zu leiſten, was die höchſte eigene Kraft zu leiſten vermag, und dadurch, durch das eigene Schaffen, ein Theil des Lebens der andern, ja ein Theil der ſelbſtwirkenden Geſchichte des menſchlichen Geiſtes zu werden. Und in dieſem Bewußtſein, in dieſer hohen ſittlichen Verantwortlichkeit liegt die eigentliche Würde der Preſſe, das lebendige Element ihrer Ehre, der feſte Halt für die Idee, daß ſie, wie jedes Einzelne eines Einzellebens an einer großen gemein - ſamen Aufgabe thätig iſt, dem Arbeiter in ihr einen Lebensberuf zu geben. Das iſt es, was ſie zuletzt über das, allerdings mit ihr ge - borene und ſie nie verlaſſende gewerbliche Element, ihrem wirthſchaft - lichen Körper, erhebt; das iſt aber auch zugleich die Quelle ihres ethiſchen Rechts und am Ende iſt alles poſitive Recht doch nur der formelle beſtimmte Ausdruck einer höhern in ihm lebendig werden - den ſittlichen Idee. Und dieß ethiſche Element, das zunächſt wohl nur in dem Einzelnen lebt, umgibt alsbald die öffentliche Arbeit deſſelben mit einer Sphäre von Forderungen, die, ausgeſprochen oder nicht, unabweisbar bleiben, und deren Erfüllung oder Nichterfüllung an den Schriftſteller zuletzt mit unvermeidlicher Gewalt ihr unerbittliches Maß legen.

Dieſe Forderungen nun ſind zweierlei Natur. Die erſte iſt die nächſte, aber ſie gehört dem ſpeziellen Bildungsweſen. Sie will Wahr - heit und Gründlichkeit. Ihr Organ iſt die Kritik; ihre Form iſt das Auftreten des Einzelnen gegen den Einzelnen. Eben darum gehört ſie nicht der Verwaltung; anders iſt es mit der zweiten Forderung.

Dieſe Forderung liegt nun tiefer, als in der einzelnen Wahrheit, und iſt allgemeiner, als jeder Gegenſtand, den die Preſſe erfaſſen mag. Sie geht davon aus, daß die letztere, indem ſie ihrem Weſen nach für die Gemeinſchaft der Menſchen arbeitet, auch keine andern Intereſſen und Aufgaben kennen und vertreten darf, als die, welche mit der höheren Entwicklung dieſer Gemeinſchaft in Harmonie ſtehen. Und dieſe Forderung gilt für alle Schriftſteller, für alle Formen und Gebiete der Preſſe in gleicher Weiſe, mit gleichem Ernſte. Denn trotz ihrer hohen ſittlichen Beſtimmung hat die Preſſe wie wenig andere Dinge die Fähigkeit, ſtatt ihrer großen, jener Entwicklung der Ge - ſammtheit und damit der Harmonie der höchſten Intereſſen dienen - den Idee für Sonderintereſſen verwendet zu werden. Das nun iſt im Geiſte jener Idee nicht bloß eine wahre Gefahr für die har - moniſche Entwicklung des Ganzen, ſondern es iſt ein tiefer ſittlicher Widerſpruch mit jenem ethiſchen Weſen der Preſſe ſelbſt; es iſt eine ver - dammenswerthe Verläugnung ihrer wahren Beſtimmung; in ihm, und in ihm allein beſteht das, was wir den Mißbrauch der Preſſe nennen. Stein, die Verwaltungslehre. VI. 450Und dieſer Mißbrauch der Preſſe enthält nach der Natur des letztern nicht bloß eine einzelne gefährliche That, ſondern er iſt vielmehr eine in das geſammte Bildungsweſen der Völker tief eingreifende, in ihren Folgen gar nicht zu berechnende gefährliche und fortwirkende Arbeit eines Uebels, die ſich an jeden Leſer wendet und jeden zu ſich hinab - zuziehen ſucht.

Beides nun, das Verſtändniß der hohen Beſtimmung der Preſſe und das der Gefahr ihres Mißbrauches ſind mit der Preſſe zugleich entſtanden. Beides ſucht daher, in der Gemeinſchaft der Menſchen lebendig, auch nach einem Ausdruck, und zwar nach einem Ausdruck im öffentlichen Recht. Aber dieſes Streben, das Weſen der Preſſe nicht bloß als einen Naturproceß des geiſtigen Lebens, ſondern auch als einen organiſchen Theil des öffentlichen Rechts zu erfaſſen, gewinnt nun erſt ſeine Geſtalt durch das zweite Element der Preſſe, das ſociale.

Für die richtige Beurtheilung der großen ſocialen Funktion der Preſſe muß man nun nicht etwa bei den Gegenſätzen der ſtaatsbürger - lichen Geſellſchaft ſtehen bleiben. Dieſelbe iſt vielmehr für alle geſell - ſchaftlichen Zuſtände gültig, und hat in allen Epochen der ſocialen Entwicklungen und Kämpfe denſelben Inhalt, denſelben Einfluß und dieſelben Gefahren.

Indem nämlich die Preſſe in jeder Form für die Bildung Aller ohne Unterſchied der Stellung arbeitet, vertritt ſie, gleichviel ob mit oder ohne Bewußtſein, ob in dieſem oder jenem Gebiete, die hohe Idee der für Alle gleichen perſönlichen Beſtimmung, und verleiht zugleich durch ihren Inhalt, die Kenntniſſe und Anſchauungen welche ſie ver - breitet, allen Perſönlichkeiten ohne Unterſchied die Mittel, dieſe Be - ſtimmung durch Denken und Lernen auch wirklich zu erreichen. Sie erzeugt daher durch ihre allgemeine, öffentliche und nie ermüdende Arbeit die gleiche Befähigung aller Klaſſen, eine Gleichheit, welche im übrigen Syſtem des öffentlichen Bildungsweſens nicht erreicht werden kann. Sie begründet aber ferner eben vermöge dieſer gleichen geiſtigen Fähigkeit den Drang nach Gleichheit auch im wirthſchaftlichen und ge - ſellſchaftlichen Leben; poſitiv, indem ſie ihren Inhalt, die geiſtigen Güter jedem Einzelnen in der Gemeinſchaft mittheilt, negativ dagegen gegen - über den hiſtoriſch entſtandenen und nur äußerlich berechtigten Unter - ſchieden der Klaſſen, Ständen und Einzelnen, indem ſie für jeden Unterſchied in der öffentlichen Berechtigung auch einen Unterſchied der perſönlichen Befähigung fordert. Sie wird dadurch, bloß durch die Thatſache ihres Daſeins, der lebendige Faktor der werdenden Gleich - heit des öffentlichen Rechts, und erzeugt andererſeits eine Ge - meinſchaft der Anſichten und des Wollens in öffentlichen Dingen, welche51 jeder Ausſchließlichkeit, die nicht zugleich geiſtig berechtigt iſt, feindlich entgegentritt. Sie iſt damit das eigentliche Element der beſtändigen ſocialen und politiſchen Entwicklung, die ſie in allen Formen, wenn auch in verſchiedenem Maße, fördert. Ihr Geiſt iſt und wird ewig bleiben das Streben und Ringen nach einer neuen, rein auf der gei - ſtigen Welt ruhenden Ordnung des geſammten öffentlichen Lebens.

Allein eben in dieſem ſelben Moment, durch welches ſie im Namen der höhern Beſtimmung der Menſchheit den Unterſchied theils aus - gleicht, theils offen bekämpft, wird ſie zugleich eine gewaltige ſociale Macht und eine nicht minder gewaltige ſociale Gefahr. Denn wenn es neben dem hiſtoriſchen auch einen ethiſchen Werth der Geſchichte der Geſellſchaft und ihrer Bewegungen gibt, ſo beſteht derſelbe zweifellos darin, daß dieſelbe Einen großen Satz beweist, ja als Geſetz dieſer Bewegung hinſtellt. Es iſt wahr, daß zu allen Zeiten und bei allen Völkern der Gegenſatz der niederen Ordnungen gegen die höheren le - bendig iſt, und daß ewig die erſteren bereit ſind, durch das rein phy - ſiſche Element ihrer Maſſe und ihrer Gewalt in die höheren Ordnungen hineinzudringen, oder ſich von der natürlichen Herrſchaft, welche die letzteren über die erſteren ſtets ausüben, durch materielle Bewältigung derſelben zu befreien. Es iſt ferner wahr, daß dieſe Neigung durch nichts ſo ſehr zur offenen That angereizt werden kann, als durch das Wort. Und ein ſolches Wort beſitzt ſeine wahre Macht nicht dadurch, daß es zu augenblicklicher Gewaltthat aufregt, und die vorher ſchon Willigen um einen Führer ſammelt; denn dieſe Gewaltthaten ſind vorübergehend, und enden ſelbſt bei den furchtbarſten Revolutionen ſtets wieder mit der phyſiſchen Unterwerfung durch die zuletzt ſiegende Macht der höhern Elemente des menſchlichen Lebens; ſondern der wahre Kern und die eigentliche Bedeutung jener Macht des an die niederen Klaſſen gerichteten Wortes beſteht darin, daß es an die höhere Idee der Per - ſönlichkeit ſelbſt anknüpft und vermöge derſelben aus dem Wunſche ein Recht macht auf alles, wodurch ſich die höhere Ordnung der Geſellſchaft von der niederen ſcheidet. Dann entſteht das, was wir nicht bloß die äußere, ſondern die innere Gefahr der Geſellſchaft nennen. Es beklei - det ſich das Sonderintereſſe der niederen Klaſſe mit der Idee der ſitt - lichen Berechtigung; der lebendige Wunſch, an den Gütern der höhern Theil zu haben, wird zur Vorſtellung von einem Anrecht, das einfach in den thatſächlichen Beſitze des größeren Maßes der geiſtigen und wirthſchaftlchen Güter beſtehen ſoll; die Begierde nach den letztern wird zum Haſſe gegen ihre Beſitzer, und der Zuſtand der Geſellſchaft wird ein beſtändiges Erwägen der Möglichkeit, mit phyſiſcher Gewalt die höhere Klaſſe durch die niedere zu bewältigen. Der organiſche Unter -52 ſchied zwiſchen den verſchiedenen Ordnungen erſcheint dann als tiefer, erbitterter Gegenſatz der Perſonen, welche beiden angehören; der har - moniſche Proceß der Klaſſenbewegung, welcher den Einzelnen aus der niederen in die höhere erhebt, wird verdrängt durch den Haß, den beide gegen einander tragen; an die Mißgeſtalt der Wahrheit, an das verdorbene Gefühl des organiſchen Unterſchiedes knüpfen ſich allmählig alle ſchlechten Eigenſchaften der Menſchen; das Verderbte gewinnt Werth, und ſelbſt der Unbefangene hört allmählig auf das Wort deſſen, der ihn im Namen der Idee der Gleichheit auffordert, die Säulen der Geſellſchaft zu brechen. Das iſt die Macht des Wortes, wenn es ſich dem geſell - ſchaftlichen Leben zuwendet; und darin liegt ſeine furchtbare Bedeutung, daß der Menſch nichts leichter verſteht und wenig lieber hört, als das, was geeignet iſt, eine Ordnung zu untergraben, in welcher er ſelbſt eine niedere Stellung einnimmt. So lange nun das Wort das eines Einzelnen iſt, iſt es nur gefährlich, wenn auch ohne daſſelbe bereits die Gegenſätze ſich hart berühren, und ein Kampf droht. Aber die Preſſe hat die Macht, daſſelbe zu einem Worte Aller an Alle zu machen. Sie hat daher die Gewalt, nicht bloß ſolche Gegenſätze zum Ausbruch zu bringen, ſondern ſie auch zu erzeugen, und dieſe Gewalt liegt gerade auf dem Punkte am nächſten, wo ſie von der Idee der Gleichheit und der ſocialen Beſtimmung redet, und die Forderungen vertritt, die aus beiden folgen. Das iſt das, was wir die ſociale Gefahr nennen, die in der Preſſe liegt. Ihr Kern iſt der Mißbrauch oder das Mißverſtänd - niß der Sonderintereſſen der niedern geſellſchaftlichen Ord - nungen.

Beide Elemente nun, die ſociale Aufgabe und die ſociale Gefahr, liegen zugleich und unabweisbar in der Funktion der Preſſe. Es iſt ein Unding, eine Preſſe zu wollen, ohne dieſe beiden ihrem Weſen immanenten Elemente. Es iſt nicht Sache der Verwaltungslehre, zu entwickeln, wo die Harmonie für beide gegeben iſt; wohl aber darf ſie dieſelbe vorausſetzen. Sie beſteht in der beide umfaſſenden Wahrheit, daß jeder geſellſchaftliche Fortſchritt der niedern Ordnung in erſter Reihe auf der Arbeit, der geiſtigen wie der materiellen, derſelben beruht, und daß das geſellſchaftliche Unrecht der höheren Klaſſe erſt da beginnt, wo ein formelles Recht die Erhebung der niedern Klaſſe zur höheren rechtlich ausſchließt, während das geſellſchaftliche Unrecht der niederen Klaſſe da anfängt, wo ſie eine höhere Stellung ohne Arbeit und ohne die durch Arbeit erworbenen geiſtigen und wirthſchaftlichen Be - dingungen fordert. Das ſteht feſt; und hier iſt es, wo die ſociale Verantwortlichkeit der Preſſe beginnt. Sie kann und wird nie ihre ſociale Funktion verläugnen oder verkennen; aber ſie hat die ethiſche53 Pflicht, jene Idee des organiſchen Fortſchrittes der niederen Klaſſe ſtatt der gewaltſamen, die Idee der inneren Harmonie ſtatt der des inneren Gegenſatzes zu vertreten. Sie darf in dieſem Sinne mit aller dem Ernſte der Sache entſprechenden Kraft ſowohl einzelne Rechts - ordnungen als einzelne Anſtalten und einzelne Menſchen angreifen; aber die Ordnung ſelbſt darf ſie in ihrer ethiſchen Baſis nicht lockern; denn das iſt eine Unwahrheit. So lange ſie die Trägerin des Fort - ſchrittes iſt, iſt ſie das was ſie ſein ſoll, und ſie ſoll ſein der nie ruhende, in allen Geſtalten wachſame und thätige Vertreter dieſer Entwicklung; aber ſo wie ſie eine Umgeſtaltung fordert, deren Grundlage nicht mehr die ſelbſtthätige Arbeit der niedern Klaſſe iſt, möge ſie das ausdrücken wie ſie will, ſo begeht ſie ein ſociales Unrecht, und zwar ein Unrecht nicht bloß gegen die höhere Idee der Sittlichkeit, ſondern auch gegen ſich ſelbſt. Denn die Folge dieſes Unrechts iſt, daß nicht bloß der Inhalt der Preſſe, ſondern die Preſſe als ſolche zur Feindin des Be - ſtehenden, und damit als ſolche von den höheren Ordnungen verlaſſen und dann gehaßt und verfolgt wird. Und das ſoll nicht ſein.

Das nun ſind die beiden großen Elemente der Preſſe, ihr ethiſches und ihr ſociales. Und in der That ſind ſie es, welche, langſam aber beſtändig wirkend, das Recht der Preſſe geſtaltet und entſchieden haben. In ihnen liegen dann aber auch die Momente, aus denen der Wechſel dieſes Rechts und ſeine Geſchichte ſich gebildet hat. Nur iſt dieſelbe nicht ſo einfach, wie die Elemente, welche ſie beherrſchen.

III. Die äußeren Hauptformen der Preſſe.

Das erſte, was man bei der Beurtheilung jener großen Funktion der Preſſe zu unterſcheiden, und das auf das Recht derſelben einen entſcheidenden Einfluß gehabt hat, ſind nun die äußeren Formen der Preſſe.

In der That iſt es ja die äußere Erſcheinung, welche die Preſſe von Schrift und Wort anderer Zeiten ſo weſentlich verſchieden macht. Es iſt daher natürlich, daß die Verſchiedenheit der letztern eine nicht geringere in ihrer Wirkſamkeit und damit auch in ihrem öffentlichen Recht erzeugt; es iſt daher falſch, dieſelben zu überſehen.

Dieſe äußeren Grundformen nun, gleichſam der Körper für die Seele und das Werkzeug für die Funktion der Preſſe und ihre geiſtige Wirkung, ſind das Buch, die Flugſchrift, die Zeitſchrift, das Fachblatt und die Tagespreſſe.

Das Buch iſt ein geiſtiges Erzeugniß mit ihm eigenthümlichem Stoff und eigenthümlicher Arbeit. Es fordert für den Leſer eine54 gewiſſe Bekanntſchaft mit dem erſteren und ein Verſtändniß der letzteren. Es iſt eben deßhalb nur für diejenigen da, welche leſend zu arbeiten ver - ſtehen. Es iſt ferner aus demſelben Grunde der höchſte Ausdruck der geiſtigen Individualität; es behält dieſen Charakter und wirkt daher ſtets individuell. Die Bedeutung des Buches beſteht darin, daß es der Regel nach aus langer, innerer Beſchäftigung mit ſeinem Gegenſtande hervorgeht, und daher eine ſolche bei ſeinem Leſer fordert und erzeugt. Seine Macht beſteht eben deßhalb wiederum darin, dem was es ſagt den Charakter und damit den Einfluß und das Recht einer Wahr - heit zu geben; ſein Einfluß iſt ein gewaltiger, aber vermöge ſeiner Natur zugleich ein beſchränkter. Sein Kreis iſt eng; es wirkt aber der Regel nach erſt durch die welche es geleſen und ihrerſeits verarbeitet haben.

Die Flugſchrift dagegen hat zur Aufgabe eine beſtimmte einzelne Frage, und zwar meiſt aus dem Gebiete des öffentlichen Rechts, in ſpecieller Beziehung auf einen beſtimmten Zuſtand zu erledigen. Die Flugſchrift iſt dadurch fähig, nicht bloß ſpecielle Anſchauungen, ſondern auch ſpecielle Intereſſen mit der ganzen Energie der individuellen Per - ſönlichkeit zu vertreten. Sie leiſtet ſtets für das Ganze weniger, für das Einzelne dagegen mehr als ein Buch, und darin beſteht ihre Stellung in der geiſtigen Bewegung durch die Preſſe.

Die Zeitſchrift iſt ſtets eine Sammlung individueller Arbeiten. Sie hat daher niemals eine individuelle Richtung; von Vielen geſchrieben, ſoll ſie für Viele und Verſchiedene wirken, und ihren Erfolg ſucht ſie daher nicht in der Durchführung einer einzelnen Wahrheit, ſondern in der Förderung der allgemeinen Bildung im Geiſte einer beſtimmten höheren Anſchauung.

Das Fachblatt bedarf keiner beſonderen Charakteriſtik. Es iſt die Preſſe des Berufes und ſeiner Bildung, mit allen Momenten der Preſſe für die ſpecielle Fachbildung ausgeſtattet, aber auch auf dieſe beſchränkt.

Das Weſen der Tagespreſſe endlich läßt ſich bei dem unge - heuren Umfang und dem grundſätzlich unbegränzten Gebiet ihres Inhalts wohl kaum anders bezeichnen, als indem man ſagt, daß ſie es eigent - lich iſt, welche dazu beſtimmt und dafür thätig erſcheint, den ganzen Einfluß, den das geiſtige Leben der Geſammtheit auf alle Einzelnen haben ſoll und hat, mit unermüdlicher Arbeit täglich zu vermitteln. Die Tagespreſſe kann daher ihrer Natur nach kein Element des geiſtigen Lebens ausſchließen, weder die That - ſachen und Fragen des öffentlichen Rechts, noch die der Volkswirth - ſchaft, noch die der abſtrakten Wiſſenſchaft, noch ſogar das Bedürfniß55 der Unterhaltung und Erholung aller Art. Sie ſoll alle dieſe Elemente täglich nicht bloß wiedergeben, ſondern ſie in derjenigen Verſchmelzung und gegenſeitigen Beziehung verarbeiten, in der ſie das tägliche Leben in ſich aufnimmt. Grade darin beſteht ein weſentlicher Theil ihres Einfluſſes, und gerade um dieſes Punktes willen enthält ſie eine gewiſſe Gefahr, aus der wieder ein wichtiger Theil ihres Rechtes ent - ſprungen iſt.

In dieſen fünf Hauptformen wirkt nun die Preſſe. In weiteſtem Sinne gehört dann noch eine ſechste hinzu; das iſt diejenige, welche in bildlicher Form eine in einen beſtimmten Gedanken faßbare Bezie - hung bildlicher Darſtellung zu öffentlichen Zuſtänden enthält; in den meiſten Fällen direkt mit der Preſſe verbunden, kann ſie allerdings auch ſehr wohl allein erſcheinen. Für dieſes ganze Gebiet der Preſſe gelten nun aber zunächſt gemeinſam die allgemeinen Grundſätze über das Weſen derſelben. Sie beginnt hiſtoriſch mit dem Buche; demſelben folgen faſt gleichzeitig Flugſchrift und Tagespreſſe in ihren Anfängen; Zeitſchriften und Fachblätter folgen erſt ſpäter. Jede dieſer Formen hat ihr eigenes Publikum; jede wirkt in ihrer Weiſe; jede ſteht in ihrem ſpeciellen Verhältniß zum geiſtigen Leben eines Volkes, zu ſeiner allge - meinen Bildung. Es iſt ein ſpecielles Studium, zu unterſuchen, welche Faktoren auf die concrete Geſtalt der Preſſe nach allen jenen Richtun - gen in jedem Lande gewirkt, und ihnen ihren Inhalt und ihre Tendenzen gegeben haben. Dieß Studium gehört der Verwaltungslehre nicht mehr an. Wohl aber werden die übrigen Unterſcheidungen maßgebend für die Geſtaltung des öffentlichen Rechts der Preſſe, das ſich, ſo wie jene Formen ſich ſelbſtändig entwickeln, zu einer gewiſſen Verſchieden - heit für jede einzelne derſelben herausbildet, obwohl es dennoch in ſeinem weſentlichen Princip ſtets daſſelbe iſt.

Der weſentliche Unterſchied dieſer Formen wäre wohl kaum zu überſehen geweſen, ſpeziell auch für das poſitive Preßrecht, wenn man auch nur die Anſichten des vorigen Jahrhunderts, wie ſie z. B. bei Juſti, Sonnenfels u. a. vorkommen, in einer ſyſtematiſchen Geſchichte deſſelben verarbeitet hätte. Nur Mohl hat, ſo viel wir ſehen, jenen Unterſchied zuerſt und allein angedeutet (Polizeiwiſſenſchaft Bd. III. S. 124. 125), namentlich hat er allein das Weſen der Tagespreſſe von den übrigen Formen geſchieden. Warum hat ſich Prutz in ſeiner, leider ſo unvollendeten Geſchichte des Journalismus auf das Tagesblatt beſchränkt?

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IV. Das Recht der Preſſe.

1) Begriff, Princip und Gebiete deſſelben.

(Die Förderung der Preſſe durch die Verwaltung und das Preßrecht.)

Es iſt nun wohl ſelbſtverſtändlich, daß die Gemeinſchaft der Menſchen, in deren Leben jene Preſſe ſo tief und gewaltig hineingreift, gegen dieſelbe eben ſo wenig gleichgültig bleiben kann, als gegen jedes andere auf ſie einwirkende Element. So wie daher die Preſſe ent - ſtanden iſt, hat die Verwaltung ihr gegenüber eine beſtimmte Stellung einnehmen müſſen. Sie hat dieſe ihre Stellung hier wie immer in die feſte Form eines öffentlichen Rechts zu faſſen; und ſomit entſteht der allgemeine, formale Begriff des Preßrechts, oder genauer der Verwal - tung der Preſſe, die wir auch das Preßweſen nennen können, dahin, daß es die Geſammtheit von Beſtimmungen iſt, welche die Staatsver - waltung für die Preſſe und ihre öffentliche Function aufſtellt.

Dieſes formale Gebiet des Preßrechts ſcheidet ſich nun nach dem Weſen dieſer Funktion in zwei allerdings in Form und Inhalt ſehr verſchiedene Gebiete.

Die Preſſe iſt nämlich zuerſt ein Bildungsmittel, und zwar für die allgemeine Bildung entſchieden das großartigſte, allgemeinſte und wichtigſte. Sie ſchließt daher das Bildungsweſen des Staates ab; ſie iſt das letzte und in mancher Beziehung das wichtigſte Organ, durch welches der große Bildungsproceß im Leben der Völker vollzogen wird. Allerdings iſt ſie dabei zugleich dasjenige, welches von dem Einzelnen ausgeht und zunächſt als Sache des Einzelnen daſteht. Allein ſie ſchließt damit keineswegs die Möglichkeit einer direkten Betheiligung von Seiten der Verwaltung aus; im Gegentheil kann eine Verwaltung ganz ohne dieſelbe ihre Aufgabe überhaupt nicht vollſtändig erfüllen. Die erſte Frage iſt daher die, ob und in welcher Weiſe die Verwal - tung ſich der Preſſe direkt bedienen ſoll und kann, um auch in dieſem Gebiete an der bildenden Funktion in ihrer Weiſe Theil zu nehmen.

Hier iſt es nun, wo jener Unterſchied der Hauptformen der Preſſe zuerſt ſeinen Werth hat.

Im Allgemeinen nämlich muß für dieſe Frage der Grundſatz aller Verwaltung und ihres Rechts als maßgebend anerkannt werden. Die Verwaltung darf für das Geſammtleben nie mehr geben, als die Bedingungen, welche der Einzelne ſich ſelbſt nicht verſchaffen kann. Die Verwaltung darf daher auch nur diejenigen Veröffentlichungen der Preſſe übernehmen, welche im Geſammtintereſſe von der Geſammtheit gefordert werden. Und zwar gilt dieß für Bücher faſt ausſchließlich57 für das, was wir als Quellenwerke und öffentliche Tabellenwerke, Publikationen amtlicher Unterſuchungen und anderes bezeichnen. Die Verwaltung kann nun ſolche Werke ſelbſt herausgeben, und dieß iſt Grundſatz faſt des ganzen Continents. Derſelbe iſt falſch. Die Verwaltung muß vielmehr feſthalten, daß auch ſolche Bücher Unter - nehmungen ſind. Sie ſoll ſie daher in Druck und Verlag an Private überlaſſen, eventuell Unterſtützung geben, niemals ſelbſt Verleger ſein. Jede Staatsdruckerei für Bücher wie für Zeitungen iſt an und für ſich ein Mißverſtändniß; denn ſie producirt unbedingt theurer und vermag nie durch gehörigen Vertrieb die Werke ihrer Beſtimmung zuzuführen. Daſſelbe gilt von Zeitſchriften. Zeitſchriften des Staats ſollen den Charakter der Bücher haben; die Verwaltung ſoll ſolche Unternehmungen, wenn ſie dieſen Charakter beſitzen, auch in Privathänden unterſtützen; haben ſie einen andern Charakter, ſo fallen ſie unter die Flugſchriften und die Tagespreſſe.

Es iſt falſch zu glauben, daß es thunlich iſt, eine Verwaltung ohne ein Tagesblatt zu laſſen. Sie bedarf eines Organs, durch welches ſie ihre Mittheilungen als Verwaltung auch täglich ver - öffentlicht. Zu dieſen Mittheilungen gehören nicht bloß Geſetze, ſondern auch alle andern auf die Verwaltung bezüglichen Veröffentlichungen, jedoch nur ſolche, bei denen dieſe letzteren vermöge ihrer Natur eine Bedingung der Verwaltungsthätigkeit in Finanzen, Recht und Innern iſt. Solche Blätter ſind die Amtsblätter. Dagegen iſt es nicht richtig, wenn die Ver - waltung ein eigentliches Tagesblatt hat. Die Verwaltung kann nicht als Partei gegenüber einer andern erſcheinen; ſie ſoll über den Parteien ſtehen; die officiöſe Preſſe dagegen gibt ihr dieſe Stellung, die ihr nie etwas anders einträgt, als Angriffe. Daher denn kommt es, daß die officiöſe Preſſe ſtets im umgekehrten Verhältniß zur Stellung und zum Recht der Volksvertretung ſteht. Je klarer die Stellung und Funktion der letzteren, je unnöthiger die erſtere, und umgekehrt; ja die officiöſe Preſſe wird in einem freien Staate der Regierung weit mehr Ver - legenheiten als Nutzen bereiten. Daher ſind Begriff ſowohl als Sache in England und in Nordamerika unbekannt, in Deutſchland wechſeln ſie, in Frankreich und Spanien ſtehen ſie in voller Blüthe. Das Daſein einer anerkannten officiöſen Preſſe iſt daher nie ein Zeichen verfaſſungsmäßiger Geſundheit. Damit iſt nicht ausgeſchloſſen, daß die Regierung Mittheilungen an die Preſſe ergehen laſſe; das Weſen der officiöſen Preſſe beſteht nicht in ſolchen Mittheilungen, ſondern viel - mehr in der Aufgabe, grundſätzlich das was von Seiten der Regierung geſchieht, richtig zu finden; und das iſt es, was ihre Natur umkehrt, es unmöglich macht, die Volksvertretung oder die freie Preſſe zu58 erſetzen, und ihr vermöge ihres Widerſpruchs mit ihrer eigenen Natur ihr auch ihren wahren Einfluß entzieht. Während es daher in wiſſen - ſchaftlichen Dingen für die Regierung ſchwer iſt zu viel zu thun, iſt es hier ſchwer, zu wenig zu thun. Das ſind die Grundlagen des Ver - hältniſſes derſelben zur Förderung der Preſſe.

Die Preſſe iſt aber zweitens, wie geſagt, ein mächtiger Faktor des allgemeinen geiſtigen Lebens, Trägerin der allgemeinen Bildung, aber auch Trägerin großer Gefahren. Allein das, was wir die Gefahr der Preſſe nennen, hat einen eigenthümlichen Charakter. Die Preſſe ſelbſt wendet ſich, ihrer Natur nach, zwar an die Geſammtheit, aber nur durch die Vermittlung des einzelnen Urtheils. Der einzelne Leſer hat daher die Möglichkeit, über den Inhalt der Preſſe ſelbſt zu unter - ſcheiden. Wenn er als Einzelner das Verkehrte und Gefährliche in der Preſſe erkennt, ſo iſt der Inhalt derſelben eben ſo wenig eine Gefahr, als jedes andere verkehrte individuelle Urtheil, und das Uebel, das daraus entſteht, iſt Sache des Einzelnen. Die Preſſe erſcheint daher zuerſt ſtets als ein geiſtiges Verhältniß vom Einzelnen zum Einzelnen. Das aber entzieht ſich, mit einer beſtimmten Ausnahme, der Thätigkeit der Verwal - tung. Mit Recht daher entſteht die Frage, ob überhaupt die letztere die Aufgabe haben könne und ſolle, in dieſe zunächſt rein individuellen Ver - hältniſſe der Preſſe einzuſchreiten, und ob ein ſolches Einſchreiten nicht vielmehr eine von jeder freien Verwaltung fern zu haltende Einmiſchung in das individuelle geiſtige Leben enthalte. Und dieß iſt unzweifelhaft der Punkt, auf welchem Frage und Inhalt des Rechts der Preſſe entſtehen.

Es ergibt ſich daraus zuerſt, daß die Aufgabe der Verwaltung demgemäß vorwiegend in dem Schutze beſtehen muß, den ſie allen durch die Preſſe möglicher Weiſe gefährdeten Rechten und Intereſſen der Einzelnen wie der Geſammtheit angedeihen läßt. Das Preßrecht iſt daher ſeinem ganzen Weſen nach Preß -, Straf - und Polizei - recht. Es ergibt ſich aber ferner, daß dieſe Aufgabe der Verwaltung erſt da beginnt, wo jene Gefahren nicht mehr durch den Einzelnen abgewendet werden können, und daß jedes polizeiliche Eingreifen an und für ſich falſch iſt, ſo weit dieß letztere möglich iſt. Es folgt daraus endlich, daß dieß Recht der Preſſe von der Meinung der Verwaltung ſelbſt abhängt, wo jene Grenze der öffentlichen Gefährdung zu ziehen ſei. Und dieſe Auffaſſung der Verwaltung wird nur durch zwei Faktoren beſtimmt; einerſeits durch den Inhalt der Preſſe ſelbſt und andrerſeits durch den Geiſt und die Stellung der öffentlichen Verwaltung. Das erſte gibt dem Preßrecht ſein Syſtem, das zweite gibt ihm ſeine Geſchichte. In dieſer Geſchichte iſt aber die heutige Geſtalt des Preßrechts ſelbſt als ein gegebenes Moment anzuſehen.

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Bei großem Reichthum der Literatur und Geſetzgebung über die Preſſe mangelt die Berückſichtigung der poſitiven Aufgabe der Ver - waltung in Beziehung auf die Verwaltung; hauptſächlich weil man die Unterſtützungsfrage mit der Hülfe der Regierung für die wiſſenſchaft - liche Fachbildung zuſammengeworfen, und die Frage nach der officiöſen Tagespreſſe namentlich einer wiſſenſchaftlichen Unterſuchung wohl nicht werth gefunden hat. Das Obige hat daher auch nicht den Zweck, Neues zu ſagen, ſondern nur den Standpunkt zu conſtatiren, den die Verwaltungslehre hier einnehmen muß.

2) Das Syſtem des Rechts der Preſſe.
a) Grundbegriffe. Die Begriffe der geiſtigen That und der geiſtigen Arbeit.

Wenn ſich Literatur und Geſetzgebung über das Weſen der Preſſe und ihr Recht einig wären, ſo würde die Aufgabe der Verwaltungs - lehre eine ſehr einfache ſein. Allein die Folge davon, daß dieß nicht der Fall iſt, erſcheint weſentlich darin, daß die Verwaltungslehre zu - nächſt ihre Gränzen ſuchen und ihr Verhältniß zur Rechtspflege be - ſtimmen muß; ſie muß daher das ganze Gebiet des Preßrechts ins Auge faſſen, um von dieſer ſyſtematiſchen Auffaſſung zu dem Inhalt und der Funktion ihres ſpeziellen Gebietes zu gelangen.

Es muß ihr daher jetzt noch geſtattet ſein, das ganze Syſtem des Rechts der Preſſe in ſich aufzunehmen, als zweiter Theil der Ver - waltung des in derſelben liegenden allgemeinen Bildungsmittels. Sie kann auch das nicht, ohne den Begriff des Rechts überhaupt an die Spitze zu ſtellen.

Ein Recht erſcheint da, wo die Lebensſphäre einer Perſönlichkeit mit der der andern in äußere Berührung tritt. Das Recht enthält die Gränze dieſer Lebensſphäre und in derſelben das Princip der freien Selbſtbeſtimmung. Von einem Recht der Preſſe kann daher nur da die Rede ſein, wo dieſelbe als Form und Inhalt die Lebenskreiſe einer andere Perſönlichkeit berührt; an Form und Inhalt dieſer Berührung erzeugt ſich das, was wir das Recht der Preſſe nennen.

Dieſe Berührung kann nun eine doppelte ſein. Sie kann einer - ſeits eine in der Form der Preſſe erſcheinende ſelbſtändige geiſtige That des Einzelnen enthalten; und ſie kann andernfalls als eine bloß geiſtige Arbeit derſelben erſcheinen. Dieſer Unterſchied iſt für Weſen und Recht der Preſſe ein ſo entſcheidender, daß wir ihn genauer beſtimmen müſſen, weil auf ihm zuletzt das ganze poſitive Preßrecht und auch die hiſtoriſche Entwicklung deſſelben beruht.

Eine geiſtige That überhaupt, und alſo auch die geiſtige That der60 Preſſe, erſcheint da, wo der Gedanke als ein fertiger in das geiſtige Leben des Andern hineintritt. Fertigſein des Gedankens heißt, den Grund ſeiner Geltung für Andere nicht mehr in einer geiſtigen Thätig - keit des Andern ſuchen, ſondern ſich ihnen als objektive Erſcheinung, als eine auf der Selbſtbeſtimmung des Denkenden ruhende Thatſache hinſtellen. Dieſes Fertigſein iſt zunächſt ein inneres; indem aber der Gedanke in dem Körper des Wortes erſcheint, tritt er eben als geiſtige That auf; und hier iſt es daher, wo auch ſein Recht beginnt, weil er als That die geiſtige Lebensſphäre des Andern wirklich beſtimmt oder doch zu beſtimmen ſucht.

Eine geiſtige Arbeit dagegen iſt diejenige, welche ihr Ergebniß zu - gleich mit den Gründen, aus denen es entſtanden iſt, aufſtellt. Indem ſie das thut, macht ſie ihre Geltung von der geiſtigen Thätigkeit des Andern abhängig. Sie erzeugt daher ſelbſt keine äußere Be - rührung der geiſtigen Lebensſphäre Anderer, ſondern eine innere Arbeit derſelben. Ihre Abſicht iſt, durch die Gleichheit dieſer inneren Arbeit das gleiche Ergebniß auch für Andere zu erzielen. Geſchieht das nicht, ſo bleibt ſie ſeinem geiſtigen Leben fremd. Geſchieht das aber, ſo wird ſie eben dadurch ſelbſt zu einer inneren That des Andern. Die aber, der freien Selbſtbeſtimmung angehörend, hat kein Recht, ſondern ge - hört dem auf ſich ſelbſt ruhenden, ſeine Harmonie ſich ſelbſt ſetzenden Leben des Geiſtes.

Jeder ſich in Wort, Bild, Schrift oder Druck äußerlich verkörpernde Gedanke hat nun die Fähigkeit, in dem obigen Sinne entweder als eine That zu erſcheinen oder als eine Arbeit. Das wird nicht können be - ſtritten werden. Iſt dem aber ſo, ſo ergibt ſich, daß das Geſammt - leben ſich zu jedem geäußerten Gedanken je nach dem einen oder dem andern Charakter dieſer Aeußerung in ein zweifaches Verhältniß tritt; und dieß Verhältniß iſt es, welches wir, aus dem Weſen des Gedankens ſelbſt entſpringend, als die beiden großen leitenden Principien für alle Formen des äußerlich erſcheinenden geiſtigen Lebens anerkennen. Die geiſtige That nämlich fordert wie jede That, ihr Recht und ihr Rechtsſyſtem; die geiſtige Arbeit dagegen, dem innern Gebiete der Selbſtbeſtimmung gehörig, fordert die Freiheit, die ſelbſt nichts anderes iſt, als die Entfernung jeder äußern Macht von dem ſich ſelbſt voll - ziehenden Proceſſe der Selbſtbeſtimmung. Dieſe beiden Principien gelten für jede Form der Aeußerung des Gedankens; alſo auch für die des Drucks. Und es ergibt ſich ſomit, daß es überhaupt ein Recht der Preſſe nur ſo weit gibt, als die Preſſe eine geiſtige That enthält, während für die geiſtige Arbeit der Preſſe der Grundſatz der Freiheit maßgebend iſt.

Dieſe an ſich ſehr einfache Unterſcheidung wird nun allerdings für61 das wirkliche Leben erſt da praktiſch, wo es ſich darum handelt, dieß Recht der geiſtigen That concret zu beſtimmen und ihre wirklichen, für den Urheber der That äußerlich geltenden Folgen feſtzuſetzen.

Der geſchichtliche Gang der Dinge hat es nun mit ſich gebracht, daß man überhaupt dieſe ganze Frage nur von der Seite der rechts - verletzenden geiſtigen Thätigkeiten aufgefaßt hat. Man hat die Frage bisher pſychologiſch und juriſtiſch noch gar nicht geſtellt, ob es denn auch wirklich eine geiſtige That gebe und mithin auch die, ob ſie als ſolche ein Recht haben könne. Ohne hier weiter auf eine pſychologiſche Unterſuchung einzugehen, werden wir uns damit genügen laſſen, auf dasjenige Gebiet hinzuweiſen, wo dieſelbe, wenn auch nicht gerade philoſophiſch, ſo doch praktiſch und ſeit Jahrtauſenden anerkannt iſt. Das iſt das bürgerliche Recht. Jene geiſtige That iſt nämlich wie jede That zuerſt eine wirthſchaftliche, und erſt in zweiter Reihe eine öffentliche. Die wirthſchaftliche geiſtige, gegenüber der andern ſich als Selbſtbeſtimmung äußernde That iſt nämlich nichts anderes, als die Zuſtimmung zu einem Vertrage, und das Recht der wirthſchaftlichen geiſtigen That iſt das Vertragsrecht. Die wirthſchaftliche Arbeit da - gegen, die ſich für den Andern äußert und auf ſeine wirthſchaftliche Lebensſphäre Einfluß zu gewinnen ſtrebt, iſt die Verhandlung in allen Formen. Auch hiefür gilt das obige Princip. Die That der Ver - trag erzeugt ein Recht; ſie bindet; die Verhandlung die Arbeit bindet nicht; ſie iſt frei. Das nun, was hier ganz unzweifelhaft gilt, gilt naturgemäß auch für die geiſtige That, welche die geiſtige Lebens - ſphäre des Andern verletzt, ſtatt mit ihr durch die Selbſtbeſtimmung deſſelben im Vertrage zum gegenſeitig geltenden Recht zu gelangen. Auch dieſe Verletzung hat nothwendig ihre rechtlichen Folgen. Und das Preßrecht beſteht daher aus der Geſammtheit der rechtlichen Folgen der Verletzung des geiſtigen Lebens einer andern Perſönlichkeit durch die in der Preſſe erſcheinende geiſtige That, während die geiſtige Arbeit weder rechtliche Folgen hat noch haben ſoll. Es iſt dabei nicht überflüſſig, ſpeziell anzuführen, daß in dieſem Sinn das Preßrecht nicht eben das einzige Gebiet des Rechts der geiſtigen That bildet, ſo wenig wie der ſchriftliche Abſchluß eines Vertrages allein das Vertragsrecht erzeugt. Es iſt nur ein Theil des letzteren, und enthält ſeinem Weſen nach nur diejenigen Modificationen jenes allgemeinen Rechts, welche nicht mehr durch den Inhalt dieſer That, ſondern bloß durch die Form ihrer Erſcheinung, die Verviel - fältigung im Drucke, begründet ſind. Freilich iſt dieſer Satz für die Geſchichte, wenn auch nicht für den Begriff des Preßrechts, in hohem Grade entſcheidend geworden.

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b) Das Preßſtrafrecht, ſein Begriff und ſeine Stellung.

Stehen nun dieſe Grundlagen feſt, ſo folgt, daß die erſte und wichtigſte Aufgabe aller poſitiven Rechtsbildung der geiſtigen, verletzen - den That und ſpeziell der Preſſe als der Hauptform ihrer Erſcheinung die iſt, eine feſte Unterſcheidung und Gränze für denjenigen Punkt zu finden, wo ſich dieſe That von der Arbeit ſcheidet. Denn nur durch dieſe Gränzbeſtimmung kann natürlich, ganz abgeſehen von Pſychologie und Philoſophie, das Recht der That ſein Objekt finden.

Wir verſtatten uns hier wieder, auf das bürgerliche Recht zurück - zugreifen.

Das bürgerliche Recht hat auf dieſem Punkte ſeine eigene, höchſt merkwürdige Geſchichte. Dieſelbe enthält von dem altrömiſchen Recht der legisactio und dann der stipulatio an bis zum neueſten Recht die allmählige, aber ſicher fortſchreitende Entwicklung des Grundſatzes, daß die That das iſt die Zuſtimmung zu dem Vortrage geſchehen iſt, ſo wie die Selbſtbeſtimmung äußerlich erkennbar iſt. Es iſt Sache der Geſchichte des Privatrechts, dieß im Einzelnen zu entwickeln. Wichtig für das Folgende iſt dabei nur der Grundſatz, daß der Richter ent - ſcheidet, ob jene Zuſtimmung geſchehen iſt oder nicht.

Das Strafrecht dagegen beruht auch hier auf andern Grundlagen. Das peinliche Recht hat mit einer jeden That überhaupt nur dann zu thun, wenn ſie ein Recht verletzt. Daſſelbe wird daher ſtets damit be - ginnen, die That nach dem Weſen des verletzten Rechts zu beſtimmen; das iſt, ſtatt des Begriffes der verletzenden That vielmehr die Fälle der Rechtsverletzung aufzuſtellen. Keine Rechtswiſſenſchaft und kein Strafrecht der Welt hat nun jemals daran gezweifelt, daß es ſolche Rechtsverletzungen durch ſelbſtändig daſtehende, auch äußerlich definir - bare geiſtige Thaten gebe; und man darf hinzufügen, daß im Großen und Ganzen auch die Hauptfälle zu allen Zeiten als die gleichen aner - kannt worden ſind. Nur hat das alte Strafrecht ſich ganz auf die Beſtimmung dieſer Fälle beſchränkt; erſt die deutſche Wiſſenſchaft hat in ihrem allgemeinen Theil des Strafrechts das Weſen der That in ſeine Momente zerlegt; doch iſt das eine Frage, die nicht hierher gehört. Auf dieſe Weiſe nun hat ſich von jeher ein ſehr einfaches Syſtem des Strafrechts für die geiſtige That gebildet, und bis auf die neueſte Zeit hat man ſich dabei vollkommen genügen laſſen. Man meinte, und bis zu einem gewiſſen Grade mit Recht, wenn man auch über Weſen und Definition von That und Arbeit des Geiſtes mit keinem Worte redete, daß die Gränzbeſtimmung zwiſchen beiden einer allgemein abſtrakten Feſtſtellung gar nicht bedürfe, ſondern daß die möglichſt genaue63 Beſtimmung der einzelnen ſtrafbaren That vollkommen genüge, da alles, was außerhalb dieſer Beſtimmung liege, als nicht mehr ſtrafbar auch keiner juriſtiſchen Definition unterliege. Das worauf es dem Straf - recht hier überhaupt ankam und was daher auch für das ganze Gebiet der Preſſe ſo gut wie für Wort, Bild und Schrift gelten ſollte, war eben die Feſtſtellung derjenigen geiſtigen Lebensverhältniſſe, welche man als Gegenſtand von Aeußerungen der Gedanken für unverletzbar erklärte, dann die Feſtſtellung der Form, in welcher man eine Ver - letzung durch eine geiſtige Aeußerung erkannte, und endlich die recht - lichen Folgen für die geſchehene rechtsverletzende That ſelbſt. Von einer weitern, aus höhern Geſichtspunkten hervorgehenden Unterſcheidung von That und Arbeit im Allgemeinen war dabei keine Rede und mit Recht; denn indem man jene Punkte wirklich genau beſtimmte, hatte man auch das gefunden, was das Strafrecht gebrauchte, und der Aufgabe der Ver - waltung ſowohl für die Rechtspflege als für das Innere Genüge gethan.

Auf dieſe Weiſe nun gelangte man zu einem feſten juriſtiſchen, wenn auch beſchränkten Syſtem. Aus den Lebensverhältniſſen ent - ſprangen die Arten der geiſtigen Rechtsverletzungen, aus der Form der Thatbeſtand und aus den rechtlichen Folgen die Strafe. Dieß ganze Strafrechtsſyſtem iſt nun das Strafrecht der geiſtigen That. Daſſelbe gehört daher auch dem Verwaltungsrecht und ſelbſt der Ver - waltungslehre gar nicht an. Daß nun jene Rechtsverletzungen durch den Druck ſtatt durch Wort oder Schrift begangen werden, ändert aller - dings weder an ihrem Thatbeſtande noch an ihrem Weſen etwas von Bedeutung, wohl aber läßt es ſich nicht läugnen, daß vermöge der Natur eines Druckwerkes das Maß der Verletzung eines Rechts gegen - über dem Wort und der Schrift vergrößert wird; ein quantitativer Unter - ſchied zwiſchen der Rechtsverletzung durch die Preſſe und den übrigen Formen kann ſchwer erkannt werden; aber ein eigenes quantitatives Recht der Preſſe exiſtirt hier nicht. Es iſt vielmehr klar, daß dieß Strafrecht der Preſſe demgemäß nichts anderes iſt, als das allgemeine Strafrecht der geiſtigen That, angewendet auf die beſondere Er - ſcheinungsform des letztern in der Preſſe.

Das nun, denken wir, dürfte wohl allgemein anerkannt ſein. Wir würden es daher auch an dieſem Orte gänzlich zu übergehen haben, in derſelben Weiſe wie conſequent die Strafrechtslehre das Preßrecht als ein eigenes Gebiet nicht kennt, wenn nicht das Folgende, das eigent - liche Verwaltungsrecht der Preſſe, ſo innig damit zuſammenhinge, daß wir es hier doch bezeichnen müſſen.

Jenes Strafrechtsſyſtem hat nämlich drei Grundformen der geiſtigen, das geiſtige Recht verletzenden That.

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Die erſte und verſtändlichſte iſt die Ehrenverletzung oder die Injurie in allen Formen. Die zweite iſt die Negation der Grundlagen der ſittlichen und rechtlichen Ordnung des Geſammtlebens durch dieß Aus - ſprechen des fertigen Gedankens. Die dritte iſt die Aufreizung Dritter zu einer phyſiſchen That, welche das Recht verletzen würde. Daß durch ſolche geiſtigen Thaten ein Unrecht begangen wird, iſt niemals fraglich geweſen und wird es nie ſein. Welcher Thatbeſtand erforderlich iſt, um in der betreffenden geiſtigen That ein Unrecht zu erkennen, muß das Geſetz vorſchreiben und der Richter erkennen. Welche Strafe darauf ſtehen ſoll, iſt Sache der Geſetzgebung. Auf dieſem ganzen Gebiete iſt daher das Preßrecht noch identiſch mit dem Recht aller Gedankenäußerung.

Wie nun kommt es, daß neben dieſen an ſich ſo einfachen Grund - ſätzen, welche in der Preſſe gar nichts als eine der rein äußeren Formen jener geiſtigen That ſehen und ſehen können, dennoch nicht bloß ein Preßrecht exiſtirt, ſondern auch in der innern Entwicklung der Völker eine ſo gewaltige Rolle ſpielt? Es iſt klar, daß es dieſe Frage iſt, deren Beantwortung der Verwaltungslehre und nicht mehr dem Strafrecht anheim fällt.

Die beiden großen Momente nun, durch welche die Preſſe neben ihrer rein ſtrafrechtlichen Stellung auch eine nicht minder wichtige ver - waltungsrechtliche empfangen hat und behalten wird, ſind die im Weſen der Druckerkunſt liegende allgemeine Wirkung der geiſtigen That, und zweitens die wieder nur durch die Druckerei mögliche allgemeine Be - wegung der geiſtigen Arbeit in einem Volke. Beides ſind zwei That - ſachen im geiſtigen Geſammtleben, ſo groß, ſo mächtig, ſo einflußreich, daß die Verwaltung ſich über dieſelben Rechenſchaft ablegen und ihnen, wie jeder ſolchen großen Thatſache gegenüber ihre Aufgabe und ihr Recht beſtimmen muß.

In der That geht aus der erſten dieſer Thatſachen die Preß - polizei, aus der zweiten der Begriff und das Recht der Freiheit der Preſſe hervor.

Die Strafrechtsliteratur und das Preßſtrafrecht. Eine beachtenswerthe Erſcheinung iſt es, daß die ganze deutſche Strafrechts - literatur ſich mit dem Strafrecht der Preſſe gar nicht beſchäftigt hat. Die Erklärung deſſelben aber liegt viel tiefer als in dem einfachen Mangel der Berückſichtigung und muß hier Platz finden, da ſie eine Ergänzung des über das Polizeirecht im allgemeinen Geſagten enthält.

Stellung und Auffaſſung des deutſchen gemeinen Strafrechts iſt nämlich ſchon im Entſtehen deſſelben bis auf unſere Zeit entſchieden65 und zwar durch die Geſetzgebung ſelbſt. Gleichzeitig nämlich neben der Con. Cr. Carolina traten bekanntlich die Rechtspolizeiordnungen auf. Obwohl es ſich damals noch um keine philoſophiſche Begründung des Begriffs von Verbrechen und Strafe handelte, ſo ſagte doch den Theoretikern wie den Geſetzgebern das richtige Gefühl, daß in dieſen beiden Geſetzgruppen zwei weſentlich verſchiedene ſtrafrechtliche Verhält - niſſe enthalten ſeien dieſelben, die wir als das peinliche und das Verwaltungs - oder Polizeiſtrafrecht bezeichnet haben. Den Commen - tatoren der Carolina fiel es daher gar nicht ein, Grundſätze aus den Reichspolizeiordnungen aufzunehmen, obwohl es ſich auch in ihnen um zum Theil ſehr ernſte Strafen handelte. Die vage Vorſtellung von einem Polizeirecht ſchied ſich auf dieſe Weiſe ſchon damals von dem Strafrecht, und dieſe Scheidung ging dann ſpäter in das Syſtem des Strafrechts über, ohne daß man den tiefern Grund derſelben unter - ſucht hätte. Das blieb, bis mit dem Code Pénal das Polizeiſtrafrecht in das peinliche aufgenommen wurde, wie wir es dargeſtellt haben. Verſchiedene deutſche Geſetzgebungen folgten dieſem Beiſpiel; andere da - gegen ſchieden das Polizeiſtrafrecht in den Polizeiſtrafgeſetzbüchern aus. Dadurch blieb es der Theorie des gemeinen deutſchen Strafrechts mög - lich, auch jetzt noch das Polizeiſtrafrecht von ſich fern zu halten, ſo daß kaum das Wort Polizei, geſchweige denn der Inhalt derſelben bei ihnen vorkommt. Dieß iſt der Charakter des gegenwärtigen Verhältniſſes; ſeine tieferen Beziehungen ſind im Polizeirecht entwickelt. Eine der wichtigen Folgen davon war, daß in dem ganzen Gebiet des peinlichen Strafrechts das ganze Recht der Preſſe überhaupt nicht aufgenommen iſt; denn ſchon im Beginne hat die Carolina ſich um die ganze Preſſe gar nicht gekümmert, während gleichzeitig das Preßpolizeirecht in den Reichspolizeiordnungen ſeit 1524 beſtändig und mit großem Nach - druck behandelt iſt. Das nun iſt ein großer Nachtheil für die Behand - lung aller juriſtiſchen Preßfragen geworden und die üblen Folgen der - ſelben ziehen ſich hin bis auf den heutigen Tag. Man iſt immer dabei ſtehen geblieben, daß das geſammte Preßrecht ausſchließlich der Polizei gehöre. Und in der That war der polizeiliche Geſichtspunkt in dem Kampf gegen die Preßfreiheit während dieſer drei Jahrhunderte ſo überwiegend, daß die eigentliche Jurisprudenz am liebſten mit der Sache gar nichts zu thun hatte. Sie beſchränkte ſich daher hartnäckig auf den Geſichtspunkt, gar keinen Begriff des Preßverbrechens und Preßvergehens anzunehmen, von dem Standpunkte ausgehend, daß eben die Preſſe als ſolche keinen Thatbeſtand des Verbrechens enthalte, ſondern im Weſentlichen vollkommen gleichartig mit den übrigen Mitteln und Formen des Gedankenausdrucks, Wort, Schrift und Bild,Stein, die Verwaltungslehre. VI. 566ſei. Die Frage, ob das Drucken und Verlegen an und für ſich, wenn es gegen die öffentlichen Vorſchriften geſchehe, ein Vergehen und ſtraf - bar ſei, wies ſie von ſich, und der Polizeiverwaltung zu; ſie hielt ſich ſtrenge an die Frage nach dem Inhalt des Gedruckten; das nun ent - ſchied für die trotz alledem nicht ganz vermeidliche Frage nach dem eigentlichen Preßſtrafrecht. Daſſelbe ward einerſeits ein Theil des Straf - rechts der Beleidigung, der Störungen der öffentlichen Ordnung und der Staatsverbrechen; aber immer in gleicher Behandlung mit den übrigen Formen des Gedankenausdruckes. Andererſeits aber hatte das die Folge, daß die großen Kategorien des allgemeinen Theils der Straf - rechtslehre, die Begriffe von Verſuch und Vollendung, Urheber und Gehülfe, Thatbeſtand und Indicien auf die ganze Preßſtrafrechtsfrage gar nicht angewendet wurden. Dieſelbe erfuhr daher überhaupt keine eigentlich wiſſenſchaftliche Behandlung, und das war ein großer Uebel - ſtand. Dazu trug nun allerdings das Cenſurſyſtem viel bei; allein doch keineswegs alles. Hätte man ſchon früher ſich im Criminalrecht damit beſchäftigt, ſo würde der mächtige Druck, den hier die Wiſſen - ſchaft auszuüben vermag, gewiß von Bedeutung geweſen ſein, nament - lich für die eigentlichen Preßgeſetzgebungen. Denn dieſe entſtanden nun faſt gleichzeitig mit den neuen Strafgeſetzbüchern und wir können es faſt nicht anders ausdrücken nahmen der theoretiſchen Behandlung die Anwendung jener allgemeinen Begriffe faſt unter den Händen weg, indem ſie die Frage nach dem entfernten und nähern Verſuch, nach intellectueller Urheberſchaft und Theilnehmern, nach Thatbeſtand und Strafe in ihren einzelnen Beſtimmungen über Druck, Verlag, Ver - faſſer, Verbreiter, öffentlichem Anſchlag u. ſ. w. in einer Weiſe ſpecia - liſirten, daß für die Theorie nichts übrig blieb. Statt der Aufnahme der Preſſe in das Strafrecht entſtand daher jetzt eine zweite Literatur, die Legalmethode in ihrer Anwendung auf das Preßrecht, als einfache Auslegung der beſtehenden Preßgeſetze. Und auf dieſem Gebiete bewegt ſich auch jetzt noch die betreffende Literatur. Die Strafrechtslehre kennt das Preßrecht als ſolches nicht, ſo wenig wie früher. Es macht einen eigenthümlichen Eindruck zu ſehen, wie dieſelbe das letztere faſt ängſtlich vermeidet. Sie bleibt ſtets bei dem Inhalt ſtehen Injurien, Auf - reizungen, Staatsverbrechen. Kaum daß ſelbſt der faſt ſo umſichtige Weber (Injurien und Schmähſchriften 1797) die Frage nach der Haf - tung des Verlegers berührt, ohne zu der des Druckers und Austrägers zu gelangen (Bd. III. §. 89. 92). Wie fern auch ſpäter die Preßfrage der criminaliſtiſchen Literatur liegt, zeigen wohl am beſten Wächter (Lehrbuch des Staatsrechts Bd. II. §. 159 S. 109), Mittermaier und Feuerbach (§. 201). Zu alle dem kam hinzu, daß man über den67 Begriff des Hochverraths ſich eben ſo wenig einig oder klar werden konnte, als über den der Polizei, die ihrerſeits ſo wichtig für das Preßrecht ſind. So hat man von der Strafrechtslehre hier wenig zu erwarten. Vergleiche über die Literatur Kappler (Handbuch der Litera - tur des Criminalrechts 1838, S. 711).

Es iſt vorauszuſehen, daß dieſer Zuſtand wohl ſo lange dauern wird, bis ſich, wie es in neueſter Zeit geſchieht (Glaſer und andere ſ. unten), wirkliche Criminaliſten mit der Frage beſchäftigen werden. Denn es iſt keine ſtreng wiſſenſchaftliche fachmänniſche Arbeit möglich neben der bloß ſtaatswiſſenſchaftlichen, ſo lange eine Anwendung der Kategorien des allgemeinen Theils auf die durch die Preſſe begangenen Verbrechen nicht dadurch ſtattfindet, daß eben das polizeiliche Element von der Einwirkung auf den Geiſt der Preſſe geſchieden und das freie Recht der Preſſe hergeſtellt wird. Zu dem Ende glauben wir als Aus - gangspunkt die Frage feſthalten zu müſſen, ob der Geiſt oder die Tendenz der Preſſe ein ſelbſtändiger Thatbeſtand im juriſtiſchen Sinne iſt oder nicht. Der Zuſammenhang dieſer Frage mit dem Ganzen wird ſich wohl ſofort im Folgenden zeigen.

c) Die Preßpolizei und das Preßpolizeirecht.

Während das Strafrecht der Preſſe, ſeinem Weſen nach das gleiche mit dem Strafrecht jeder rechtsverletzenden geiſtigen That, auf dem geiſtigen Inhalt der letztern beruht, liegt der Grund derjenigen beſon - dern Geſtalt oder Anwendung der Polizei, welche wir die Preßpolizei nennen, nicht mehr in dem Inhalt, ſondern in der Form, das iſt in der beſondern Natur des Erzeugniſſes und des Verkehrs der Druckſachen. Dieſe Natur der Druckerei iſt es daher, welche, und zwar ganz abge - ſehen vom Inhalt der Druckſache, die Aufgaben und Berechtigungen der Preßpolizei bedingt; und daraus ergeben ſich folgende Punkte für die letztere.

Zunächſt folgt daraus der allgemeine Begriff der Preßpolizei. Da jede Druckſache die Fähigkeit hat, vermöge ihres Inhalts eine an ſich unbegränzte und unberechenbare Wirkung zu empfangen, und da in der Preſſe zugleich die Fähigkeit liegt, Verbrechen zu begehen, ſo iſt es auch hier wie immer Aufgabe der Polizei, ſich die Mittel zu ſichern, um einerſeits ein ſolches Verbrechen zu hindern, andererſeits die Thäter ihrer Beſtrafung ſicher zuzuführen. Die Geſammtheit der dafür be - ſtimmten Mittel und der für die Anwendung derſelben geltenden Vor - ſchriften nennen wir die Preßpolizei.

An ſich hat ſomit dieſe Preßpolizei gar nichts beſonderes. Sie68 beruht genau auf denſelben Grundſätzen, welche für die Polizei und ihr Recht überhaupt gelten. Es iſt, denken wir, vollkommen einleuchtend, daß es ganz unnöthig iſt, die Preßpolizei von einem andern Stand - punkte zu beurtheilen als jede andere Polizei. Auch ſie iſt eine that - ſächliche Beſchränkung der Freiheit des geiſtigen Lebens, wie die übrige Polizei eine Beſchränkung dieſer Freiheit für das äußere bürgerliche Leben und ſeine Bewegung, aus denſelben Gründen und auf derſelben Rechtsgrundlage. Die Frage nach der Polizei und dem Polizeirecht überhaupt involvirt die Frage nach dem Preßpolizeirecht zunächſt ebenſo, wie das Strafrecht das Preßſtrafrecht. Der Punkt, wo jene ernſtlich fraglich wird, wird erſt unten als ein ganz ſelbſtändiger zu begreifen ſein.

Die Preßpolizei wird nun zu einem eigenen Zweig der Polizei, indem die Natur der Preſſe ſelbſt beſondere Maßregeln fordert, um der polizeilichen Aufgabe genügen zu können. Die Beſonderheit dieſer Maß - regeln beruht wieder einerſeits auf der Natur der Produktion der Druckſachen, welche für die Möglichkeit einer rechtlichen Verfolgung bei vorkommenden Verbrechen durch die Preſſe beſondere Bedingungen for - dert, andererſeits auf der Natur des Verkehrs mit denſelben, welche die Gefahr einer allgemeinen rechtsverletzenden Bewegung mit ſich bringen.

Demgemäß wird man am einfachſten die Preßpolizei in die Rechts - polizei und in die Sicherheitspolizei der Preſſe eintheilen können.

Das Princip der Rechtspolizei der Preſſe iſt einfach. Die Polizei hat, vermöge der Natur derſelben, die Aufgabe, diejenigen Bedingungen zu fordern und ſelbſt herzuſtellen, vermöge deren die rechtliche Verfol - gung eines vermittelſt der Preſſe begangenen Verbrechens möglich ge - macht wird. Die erſte dieſer Bedingungen iſt die Conſtatirung der Urheber ſolcher Verbrechen, die zweite die des Thatbeſtandes. Wiederum nach der Natur der Druckerei kann nun die erſte nur da mit der für die gerichtliche Thätigkeit erforderlichen Schnelligkeit und Sicherheit geſchehen, wenn erſtlich die Druckerei bekannt iſt, und zwei - tens ein Exemplar jeder einzelnen Druckſache zugleich bei dem Erſchei - nen derſelben ihrem Eintritt in den Verkehr der Polizei mitge - theilt wird. Das zweite hat zur Verausſetzung, daß durch Hinzufügung der Namen der Drucker (Producent) und Verleger (Verkehr) auf jeder Druckſache durch den Druck ſelbſt erſichtlich gemacht wird. Es iſt nicht nothwendig, den Namen des Verfaſſers zu fordern; eben ſo wenig erſcheint es als gerechtfertigt, Drucker oder Verleger zur Angabe des Verfaſſers zu zwingen, ſei es in welcher Form immer dieß geſchehen möge. Denn das Recht der Polizei geht auch hier nur auf Entdeckung des Thatbeſtandes durch die obigen Vorſchriften, und nur in dieſem69 Sinne bilden ſie ein Ganzes. Die Beſtrafung bei wirklich vorkom - menden Verbrechen und Vergehen iſt dann Sache des Gerichts, und es iſt durchaus kein Grund denkbar, weßhalb bei Preßvergehen die Theil - nehmer in anderer Weiſe zur Ablegung von Geſtändniſſen ſollten ge - zwungen werden, als bei allen andern Verbrechen. Die ganze Rechts - polizei der Preſſe iſt überhaupt nur eine Geſammtheit von Maßregeln zur Erleichterung der Thätigkeit des Gerichts, nicht etwa ein ſelbſtändiges Verfahren mit der Preſſe. Die darauf bezüglichen Vor - ſchriften der Polizei haben daher auch gar nichts mit dem Inhalte der Druckſache zu thun, ſondern gelten für jede derſelben ohne Unter - ſchied. Sie müſſen rein im öffentlichen Intereſſe gefordert und in dem - ſelben von der Polizei vollzogen werden. Die Nichtbeachtung derſelben erſcheint daher, natürlich ganz ohne Rückſicht auf den Inhalt, als Polizeivergehen, und dieß Polizeivergehen hat an ſich gar kein anderes Recht als jedes andere. Eben ſo gewiß iſt es, daß hier die Polizei, auf Grundlage der bloßen Thatſache, daß eine nicht angegebene Druckerei exiſtirt, oder daß eine Veröffentlichung ohne vorherige Mit - theilung an die Polizei geſchehen iſt, oder daß dieſelbe den Namen des Druckers bez. des Verlegers nicht enthält, ſelbſtändig nach dem allge - meinen Polizeirecht zu verfahren, eventuell nach dem Polizeiſtrafrecht vorzugehen hat. Dabei ſind wieder zwei Fälle möglich. Entweder iſt für dieſe formale Uebertretung eine geſetzliche Strafe beſtimmt, und dann hat das Gericht dieſelbe auszuſprechen und zu vollziehen; oder es iſt keine Strafe ausgeſprochen und dann muß die Polizei das Recht haben, die allgemeine Ordnungsſtrafe (ſ. Polizeirecht S. 46) zu voll - ziehen. Dieß Gebiet der Rechtspolizei der Preſſe iſt mithin auch hier nichts anders als eine einfache und conſequente Anwendung ganz all - gemeiner, für das geſammte Leben der Perſönlichkeit geltender Grund - ſätze auf das ſpezielle Gebiet der Druckerei, und es bedarf wohl keines Beweiſes, daß es mit der Freiheit der Preſſe gar nichts zu thun hat, ſondern unter denſelben Grundſätzen ſteht, wie jeder andere Theil des öffentlichen Rechts.

Die zweite Aufgabe der Polizei und das zweite Gebiet ihres Rechts entſteht nun da, wo dieſelbe bei dem Empfang der zur Veröffentlichung beſtimmten Publikation in dem Inhalt derſelben ein Verbrechen oder eine Gefahr für die öffentlichen Intereſſen erkennt. Das Rechtsver - hältniß, welches ſich daraus ergibt, muß wiederum zunächſt nicht als etwas beſonderes, der Preſſe Eigenthümliches angeſehen werden, wozu oft große Neigung vorhanden iſt, ſondern auch hier iſt daſſelbe an ſich gar kein anderes, als dasjenige, was für die Polizei in jedem Falle und bei jeder Handlung gilt, in der die Polizei eine öffentliche Gefährdung70 erkennt. Allerdings aber iſt das wahr, daß nirgends ſo ſehr als gerade bei der Preſſe die ganze öffentlich rechtliche Stellung der Polizei zur Erſcheinung gelangt. Nur die Unklarheit über das erſte Verhält - niß hat Unklarheit über die letztere zur Grundlage.

Die Geſammtheit aller polizeilichen Thätigkeiten und Berechtigungen, mit denen die Polizei ein Verbrechen oder eine (andere) öffentliche Ge - fährdung verhindern ſoll, haben wir früher bereits als Sicherheits - polizei bezeichnet. Das große Princip der Sicherheitspolizei und ihres Rechts iſt einfach. Die Polizei muß das Recht haben, Zuſtände und Handlungen nach ihrem Ermeſſen für gefährlich zu halten, und ſie dem - gemäß mit dem ihr zu Gebote ſtehenden Mitteln zu verhindern. Für den darin liegenden Eingriff in die perſönliche Freiheit iſt ſie aber dem Betroffenen haftbar, wie bei der Verhaftung, und es iſt gerecht, daß darüber das Gericht entſcheide, und der Staat die Entſchädigung leiſte, wenn kein individuelles Verſchulden von Seite des Polizeibeamten vorliegt. Das Recht der Preſſe iſt eine durchaus einfache Anwendung dieſer Grundſätze auf die zur Verbreitung beſtimmte Publikation. Es kann vernünftigerweiſe kein Zweifel ſein, daß die Polizei das Recht hat, die Verbreitung zu verhindern, wenn ſie den Inhalt der Publi - kation für ein Verbrechen oder für eine Gefahr hält. Die Form dieſer Verhinderung iſt die Beſchlagnahme, die Verhaftung des Gedankens. Die Form der Beſchlagnahme muß die Conſtatirung der vorhandenen Exemplare, dann die Verſiegelung, und endlich das individuelle Verbot der Ausgabe ſein. Das Objekt der polizeilichen Beſchlagnahme kann aber für ſich nicht das Manuſcript, ſondern nur die Druckexemplare ſein. Die Polizei hat unbedingt das Recht zu dieſer Beſchlagnahme, wo ſie unter eigener Verantwortlichkeit glaubt, daß Gefahr im Verzuge iſt. Sie kann aber auch ſich zu dem Ende einen gerichtlichen Befehl einholen. Die Beſchlagnahme des Manuſcripts kann über - haupt nur auf einen gerichtlichen Befehl geſchehen. Nach der Beſchlag - nahme treten dieſelben Folgen ein, wie nach der polizeilichen Ver - haftung; Ueberweiſung an den Rechtsweg, Urtheil und Haftung der Polizei, wenn die Beſchlagnahme nicht auf Grund eines richterlichen Befehles geſchehen iſt; im letztern Falle iſt dieſelbe ohnehin ſchon ein Theil des richterlichen Verfahrens.

Die Geſammtheit aller dieſer Grundſätze, die in der Beſchlagnahme ihren Ausdruck finden, faſſen wir zuſammen als das Recht der Sicher - heitspolizei der Preſſe. Daß auch ſie neben der Rechtspolizei nothwendig iſt, wird kein Verſtändiger bezweifeln. Eben ſo klar iſt aber auch, daß dieß ganze Gebiet der Sicherheitspolizei der Preſſe gar nichts anders iſt und ſein ſoll, als eine ſpecielle Anwendung des71 Rechts der Sicherheitspolizei überhaupt, und es leuchtet ſchon hier ein, daß man kaum vernünftiger Weiſe etwas gegen dieſe Grundſätze ein - zuwenden haben wird, wenn das Recht der Sicherheitspolizei im Allge - meinen auf den Grundlagen geordnet iſt, welche wir in der Lehre vom Polizeirecht aufgeſtellt haben.

Auf dieſe Weiſe ſtellen ſich nun Preßſtrafrecht und Preßpolizei als einfache und natürliche, durch die Erſcheinungsform der geiſtigen That gegebenen Theile oder Anwendungen des Straf - und Polizeirechts dar. Man kann eben deßhalb auch in gewiſſem Sinne ſagen, daß es über - haupt kein eigenes Preßſtraf - und Polizeirecht geben ſolle, inſofern man darunter etwas anderes als jene Anwendung allgemein geltender Grundſätze auf das Gebiet der Preſſe verſteht. Anderſeits wird jeder verſtändige Mann dieſe Einbeziehung der Preſſe unter die allgemeinen Normen nothwendig, und die Aufſtellung beſonderer Vorſchriften für die Anwendung der erſteren in Preßfällen als ganz zweckmäßig erachten. Und zwar nicht bloß für das Strafrecht, ſondern auch für das Polizei - recht. Nur muß man ſich aber über das letztere einig ſein. Wir haben die Grundbegriffe und ihr Recht in Polizei aufgeſtellt. Die Anwendung derſelben auf die Preſſe iſt das Gebiet der inneren Verwaltung; die Anwendung des Strafrechts iſt Sache der Rechtspflege; die Aufſtellung eines eigenen Preßrechts mit Straf - und Polizeirecht für die Preſſe iſt Sache der Zweckmäßigkeit. Ueber dieſe Punkte iſt kaum ein Streit möglich. Was iſt denn nun der Grund und das Gebiet der großen Frage nach dem Preßrecht überhaupt, wenn jene Sätze klar ſind?

Ohne Zweifel haben alle obigen Aufſtellungen eine gemeinſame, aber begränzte Grundlage. Sie beziehen ſich auf das, was wir die geiſtige That, die einzelne Aeußerung der Preſſe genannt haben. So lange es ſich von dieſer, von einer beſtimmten Injurie oder Unſitt - lichkeit, von einer beſtimmten Negation des öffentlichen Rechts, von einer beſtimmten Aufreizung zu einem Verbrechen handelt, können Straf - und Polizeirecht in ihrer Anwendung nicht beſtritten werden. Aber es iſt das eigenthümliche Weſen der Preſſe, daß ſie neben ihren Einzeläußerungen noch eine zweite geiſtige Thatſache enthält. An dieſe ſchließt ſich daher die Frage nach dem zweiten Rechtsgebiet der Preſſe, dem Recht der Preßfreiheit.

Auch hier iſt es von entſcheidender Bedeutung, ſich über den bis - herigen und den hier aufgeſtellten Begriff der Polizei in ihrem weſent - lichen Unterſchiede klar zu werden. Bis jetzt hat nämlich die ganze Literatur, dem Geiſte der Zeit und ihrer Geſetzgebung folgend,72 die obige, eigentliche Sicherheits - und Rechtspolizei mit der Polizei gegen den Geiſt der Preſſe ohne weiteres zuſammengeworfen, und mithin das Recht der Polizei auf Mittheilung der Pflichtexemplare, der Kaution, der Beſchlagnahme, unter demſelben Geſichtspunkt auf - gefaßt, wie die Cenſur, alles mit dem gemeinſamen Namen der Polizei belegend. Der Grund dieſer Auffaſſung war ein doppelter. Einerſeits, wie die Geſchichte der Verwaltungslehre zeigt, begriff man alles, was der Staat außerhalb der Staatswirthſchaft in der Rechts - pflege zu thun hatte, als Polizei; andrerſeits gab es aber keinen feſten Begriff von Preßfreiheit, durch welchen man die berechtigte von der unfreien Preßpolizei hätte unterſcheiden können. Dazu kam, daß die eigentliche Jurisprudenz ſich wie ſchon geſagt, weder mit der Polizei überhaupt, noch mit dem Preßrecht, beſchäftigte, die doch allein im Stande geweſen wäre, hier Ordnung und Klarheit in die Begriffe zu bringen. Das hat zur Folge gehabt, daß in manchen Vorſtellungen die Freiheit der Preſſe als vollſtändige Beſeitigung jeder polizeilichen Maßregel aufgefaßt wurde (John, Gutachten, Verhandlungen des ſechsten deutſchen Juriſtentages S. 318 ff. ), was natürlich nur durch Mangel an Verſtändniß der Polizei und ihres organiſchen Rechts erklärt werden kann. Andrerſeits wird dadurch die Stellung des geltenden Preßrechts unter dem Geſammtbegriff der Polizei in der Literatur ent - ſchieden. Während das vorige Jahrhundert es noch verſteht, daß die Preſſe überhaupt ein Culturelement iſt und daher unter das Bildungs - weſen gereiht und als organiſcher Theil deſſelben begriffen werden muß, wie bei Berg (Polizeirecht Bd. II. 3. Buch) das ganze Preßrecht als Theil der Unterrichtspolizei aufgeführt wird, hat das neunzehnte das ganze Preßweſen principiell mit wenig Ausnahmen (ſ. unten) als Theil des Polizeirechts, beziehungsweiſe der Polizeihoheit hingeſtellt; ſo namentlich Klüber im Oeffentlichen Recht des Deutſchen Bundes §. 503; Maurenbrecher Staatsrecht §. 56 und §. 196; Pölitz, Staatswiſſenſchaft II. Bd. über Sicherheits - und Ordnungspolizei S. 488; ſelbſt Zachariä, Deutſches Staats - und Bundesrecht II. Bd. S. 165 trotz ihrer im Uebrigen divergirenden Auffaſſung. Dadurch verlor man das richtige Urtheil ſo weit, daß Mohl, der das Preßrecht in ſeinem Württembergiſchen Staatsrecht I. Bd. §. 72. 73. als Allgemeines Staatsbürgerrecht behandelt, daſſelbe in ſeiner Polizei - wiſſenſchaft wieder unbeſchränkt unter die Präventivjuſtiz ſtellt (III. Bd. §. 13). Man ſah nicht, daß dieſe Polizei eben einen weſentlich doppel - ten Inhalt hat, und daß während die erſte die eigentliche Preßpolizei ein vollkommen berechtigter iſt, der zweite von Wiſſenſchaft und Praxis als Beſchränkung der Preßfreiheit eben ſo energiſch verurtheilt73 wird. Wäre Glaſer (Gutachten, Verhandlungen des ſechsten deutſchen Juriſtentags S. 185) über den rechtlichen Begriff der Polizei neben dem des Strafrechts zu einem Abſchluß gelangt, ſo würde der Angriff Johns auf ſeine uneigentlichen und eigentlichen Preßvergehen nicht möglich geweſen ſein; denn die eigentlichen ſind eben nichts anders als die Vergehen gegen die eigentliche Preßpolizei im obigen Sinne. Uebrigens hat ſchon Zachariä (Deutſches Staats - und Bundesrecht 1842, II. Bd. §. 145) den Unterſchied von formellen und materiellen Preßvergehen aufgeſtellt. Johns Arbeit liefert eben den Beweis, daß eine Kritik nutzlos bleibt, ſo lange man durch dieſelbe nichts anderes beweist, als daß man ſich vorher über die Sache nicht klar war und nachher nicht klar geworden iſt. Viel hat zu dieſer Ungeſchiedenheit der Begriffe die franzöſiſche Jurisprudenz beigetragen, da dieſelbe zu dem Begriffe der Polizei der Preſſe gar nicht recht gelangen konnte, weil das ganze Preßverfahren ſtreng geſetzlich geordnet war und die Preß - polizeivergehen wie alle andern Polizeivergehen ſeit dem Code Pénal als integrirende Theile des Strafrechts erſcheinen, was wieder das gemeine deutſche Recht nicht anerkannte. Uebrigens wird wohl das, was wir hier meinen, erſt durch die Erwägung des Folgenden recht klar werden.

d) Die Preßfreiheit, ihr Princip und ihr Recht.

Eine ganz andere Stellung zum Geſammtleben und ſpeziell zur Verwaltung ihrer Lehre und ihrem Recht hat nun dasjenige, was wir die Preßfreiheit nennen. Es iſt unerläßlich, ſich auch über den formalen Inhalt und Begriff derſelben einig zu ſein.

Zuerſt iſt es klar, daß Niemand die Preßfreiheit in der völligen Abwe - ſenheit des Rechts für die Preſſe ſuchen wird. Es wäre ein undenkbarer Widerſpruch, weniger Recht für die Preſſe zu fordern, als für den Staats - bürger, der für ſie arbeitet. Der Begriff der Preßfreiheit leidet daher gar keine Anwendung auf das durch die einzelne That der Preſſe noth - wendig geſetzte Recht derſelben. Nicht einmal eine härtere Strafe oder ſtrengere Polizeimaßregeln auf der bezeichneten Grundlage werden eine Be - ſchränkung der Freiheit der Preſſe bedeuten können, ſo wenig man von einer Beſchränkung der Freiheit des Bürgers reden könnte, wenn der Diebſtahl mit dem Tode beſtraft wird, wie früher in England. Will man daher von einer Freiheit der Preſſe als von einem ſpecifiſchen Begriffe reden, ſo muß man auch ein ſpecifiſch anderes Verhältniß derſelben im Auge haben. Jede Vermengung deſſelben mit dem früheren macht hier Recht und Begriff unklar.

Wir haben dieß zweite Verhältniß bereits bezeichnet. Es iſt die74 Arbeit die in der Preſſe liegt. Was ſie iſt, bedarf keines weiteren Beweiſes. Allein es iſt nothwendig, dieſelben als einen Thatbeſtand zu formuliren, um Rechtsfragen an ſie anknüpfen zu können. Gelingt das, ſo ſcheint uns die Frage der Preßfreiheit eine gelöste.

Das Weſen der Arbeit in der Preſſe beſteht darin, daß die im Druckwerk enthaltene Gedankenäußerung ſich ſelbſt als eine, in ihrer Gültigkeit von der geiſtigen Arbeit des Schriftſtellers und des Leſers bedingte hinſtellt. Nun hat jede Arbeit ein Ergebniß. Dieß Ergebniß iſt, wenn es in dieſer Weiſe durch Arbeit erworben iſt, eine Wahrheit. Es iſt ein abſoluter Widerſpruch, die Arbeit als Suchen nach der Wahrheit begränzen zu wollen. Die Arbeit in der Preſſe iſt daher frei. Allein dieſe Freiheit iſt noch nicht die Freiheit der Preſſe.

Das Ergebniß jener Arbeit des Gedankens kann nun alle wirk - lichen oder geiſtigen Verhältniſſe des Lebens zum Gegenſtand haben. In ſofern nennen wir die Geſammtheit dieſer Ergebniſſe die Wiſſenſchaft. Wo nun der Gegenſtand, mit welchem ſich jene Arbeit beſchäftigt, der Zuſtand des öffentlichen Rechts, des Staats oder der Geſellſchaft iſt, da empfängt das in derſelben liegende Streben einen eigenen Namen wegen ſeiner hohen ſpecifiſchen Bedeutung für das Geſammtleben. Wir nennen es die Tendenz oder den Geiſt der Arbeit ſelbſt, und mithin auch ihrer Erſcheinung, des Druckwerkes. Dieſe Tendenz, Richtung oder Geiſt des Druckwerkes iſt daher neben und möglicher Weiſe ganz unabhängig von den einzelnen Ausdrücken eine durchaus ſelbſtändige Thatſache. Dieſe Thatſache iſt ein inwohnendes Moment jedes Druckwerkes. Sie iſt in jedem Buche wie in jeder Zeitung, die ſich den öffentlichen Dingen zuwendet, vorhanden. Ja ſie iſt mehr; ſie iſt das eigentliche Leben derſelben. Sie beherrſcht die einzelnen Ausdrücke; ſie bildet ihren Zuſammenhang; ſie iſt die höhere Indivi - dualität des Werkes ſelbſt, und ſie wirkt in dieſer ihrer Individualität und vermöge derſelben. Sie wirkt zwar anders, aber ſie wirkt nicht weniger mächtig als jeder einzelne Ausſpruch. Sie wirkt mehr durch das was ſie anregt, als durch das was ſie enthält. Sie iſt eben dadurch ein ſo gewaltiges Culturmoment; ſie erhebt über den einzelnen Irrthum im Werke und läßt das Ganze wirken; ſie macht wiederum die einzelne Wahrheit unmächtig und läßt das Ganze wirkungslos; ſie iſt trotz der heftigſten Ausdrücke die Vertreterin der Ruhe und Tiefe in der Be - trachtung der öffentlichen Dinge, und ſie iſt bei aller Glätte und Form ein furchtbarer Feind derſelben. Ihre Macht iſt keine plötzliche, ſondern eine langſame, aber deſto größere; ſie enthält keine Verletzung des Rechts, aber ſie kann es auflöſen; ſie erzeugt nicht immer Eindrücke, wohl aber Ueberzeugungen; ſie iſt eine zweite Form der geiſtigen That, entſcheidend75 für den Werth, für die Dauer, für den Einfluß der Arbeit. Es iſt kein Zweifel, daß neben jedem einzelnen Satze der innere Zuſam - menhang derſelben, neben jeder einzelnen Anſicht der lebendige Kern aller, neben der Form und dem Einzelinhalt der Geiſt und die Tendenz des Druckwerks eine zweite, vielleicht weit wichtigere und mächtigere, gewiß aber ſelbſtändige Thatſache iſt.

Steht dieß nun feſt, ſo entſteht die Frage, wie ſich zu dieſer That - ſache die Verwaltung des Rechts und die Verwaltung des Innern, die Rechtspflege und die Polizei zu verhalten haben, wenn und das iſt ja unſer Gebiet wenn dieſer Geiſt des Druckwerkes feindlich der gegebenen Ordnung und ihrem Recht gegenüber ſteht? Denn daß beide mit demſelben gar nichts zu thun haben, wenn er mit dieſem öffent - lichen Rechtsleben ſich überhaupt nicht beſchäftigt, oder von der Ver - waltung ohnehin ſei es von welchem Standpunkt immer als heilſam betrachtet wird, iſt ſelbſtverſtändlich.

Die Antwort auf dieſe Frage iſt entſcheidend. Nur darf ſie nicht vom Gefühle, ſondern ſie muß von der Rechts - und Verwaltungslehre gegeben werden.

Was zuerſt die Rechtspflege betrifft, ſo muß eine Vorfrage erledigt werden, die für das Folgende von entſcheidender Bedeutung iſt. Selbſt wenn man jene Thatſache des Geiſtes eines Druckwerkes unbedingt als eine ſelbſtändige anerkennt, wird die Frage entſtehen, wo die äußere und die innere Gränze zwiſchen Geiſt und Einzelſatz zu ſetzen iſt, und wer ſie zu beſtimmen hat. Denn daß beide in einander übergehen, iſt keinem Zweifel unterworfen. Das Recht beider aber iſt ein ſo weſent - lich verſchiedenes, daß die Möglichkeit, hier eine ſcharfe Gränze zu ziehen, identiſch wird mit der, überhaupt zwei Rechtsprincipien aufzuſtellen und feſtzuhalten, und daher identiſch mit der ganzen Frage nach dem Begriffe der Preßfreiheit.

Wir ſetzen daher zuerſt die innere Gränze, und dann die äußere.

Die innere Gränze zwiſchen dem Geiſte und den einzelnen Aus - drücken entſteht, je nachdem der letztere bloß als unbegründeter Ausſpruch der individuellen Ueberzeugung oder als Ergebniß einer Reihe von Schlußfolgerungen auftritt. Das erſtere mag das Ergebniß einer ſub - jektiven Arbeit ſein, aber es erſcheint als einfache That; es macht daher auch die Forderung, als ſolche behandelt zu werden; es beſtimmt die individuelle Stellung des Urhebers zu den allgemeinen Bedin - gungen des Rechtslebens. Das letztere ſetzt dagegen an und für ſich voraus, daß der Leſer ſelbſt den Proceß vollziehe, der einer ausge - ſprochenen Ueberzeugung zum Grunde liegt und daher ſelbſt die geiſtige Arbeit vollbringe, die zu dem aufgeſtellten Reſultat führt. Die letzte76 Ueberzeugung wird daher abhängig von der Ueberzeugung von jedem vorhergehenden Satz; aber ohne das Recht auf einen ſolchen Erwerb von Ueberzeugungen gibt es überhaupt kein geiſtiges Leben. Damit iſt die Bezeichnung der innern Gränze gegeben. Der Geiſt beginnt da, wo der Leſer durch das Druckwerk ſelbſt veranlaßt wird, zu dem Reſultate deſſelben erſt durch Schlußfolgerungen zu ge - langen. Ob und wie weit dieß der Fall iſt, zeigt jedes Druckwerk von ſelber.

Die äußere Gränze nun, oder die Entſcheidung in jedem ein - zelnen Falle, kann nicht anders gegeben werden, als durch das Urtheil des Gerichts. Nach welchen Grundſätzen daſſelbe dabei zu ver - fahren hat, und wie es gebildet werden ſoll, iſt aber nicht mehr Sache der Verwaltung, ſondern der Rechtspflege. Hier wieder tritt der Satz auf, daß das Preßrecht eben nichts anderes iſt und ſein ſoll, als eine ſpecielle Anwendung des Straf - und Polizeirechts und ihrer allgemeinen Grundſätze. Allerdings aber muß man, um dieſe Gränze auch im Ein - zelnen feſtzuhalten, den weiteren Grundſatz betonen, daß in Gemäßheit des obigen Princips dem Gerichte überhaupt die Frage nach der Be - deutung von Schlußfolgerungen aus einem Druckwerke überhaupt nicht vorgelegt werden ſoll, ſondern nur der einzelne Satz oder Ausdruck. Die Competenz des Gerichts ſoll an der Gränze aufhören, wo der Inhalt ſolcher einzelner Sätze erſt aus Vorausſetzungen und Con - ſequenzen gewonnen und in Gemäßheit dieſer Schlüſſe als ein ſtraf - barer oder gefährlicher bezeichnet werden muß. So wie dieß feſtſteht, iſt auch die Gränze für das (regelmäßige) Recht der Beſchlagnahme geſetzt, eben weil dieſelbe ja vor Gericht, wie jede andere Verhaftung vertreten werden muß. Sie kann und ſoll nie wegen ſolcher Sätze ſtattfinden, welche erſt durch Schlußfolgerungen gefährlich erſcheinen, und das Gericht muß daher, ganz abgeſehen von dem Inhalt der letz - teren, ein abweichendes Urtheil fällen, ſowie es ſich um die Bedeutung von Conſequenzen ſtatt von dem Inhalt einzeln hingeſtellter Sätze handelt. Oder, kurz zuſammengefaßt, der Geiſt eines Druck - werkes bildet keinen Thatbeſtand für die gerichtliche Ver - folgung. Der formelle Grund für dieſen wichtigen Satz liegt aber im Weſen der Sache ſelbſt. Daß der Verfaſſer eine falſche oder ſelbſt gefährliche Ueberzeugung hat, iſt natürlich eine Thatſache, die zwar unzweifelhaft ſein, aber nicht gerichtlich verfolgt werden kann; daß er ſie aber ſeinen Leſern auch wirklich beigebracht hat, iſt wiederum eine Thatſache, die nicht zu beweiſen iſt. Da nun erſt in dieſer allgemeinen Ueberzeugung das Gefährliche beſtehen würde, ſo fehlt eben das Object des Verfahrens überhaupt. Es iſt dabei ſelbſt -77 verſtändlich, daß die Thatſache des Ueberzeugtwerdens Anderer nicht durch die bloß ſubjektive Meinung des Richters, ſie ſeien wahrſcheinlich überzeugt, erſetzt werden könne. Der geiſtige Grund dafür beſteht einfach in der Thatſache, daß das Ziel des Druckwerkes eben nur die Einzelüberzeugung iſt, die ſelbſt wieder kein Objekt des gerichtlichen Verfahrens ſein kann. So ergiebt ſich die grundſätzliche Ausſchließung der Rechtspflege vom Geiſte oder der Tendenz der Druckwerke.

Die zweite Frage iſt nun die, ob, das Obige vorausgeſetzt, nicht die höhere Sicherheitspolizei wenigſtens gegen ein Druckwerk einſchreiten könne und ſolle, das durch ſeine Tendenz der öffentlichen Ordnung gefährlich erſcheint. Dieſe Frage iſt nicht mehr eine einfache.

Es iſt zunächſt wieder nothwendig, hier zu unterſcheiden. Die Dar - ſtellung des Weſens der höheren Sicherheitspolizei zeigt, daß das, was man eine Gefahr der öffentlichen Zuſtände und Ordnung nennt, eine zweifache Geſtalt hat. Es kann eine ſolche Gefahr eine äußerliche ſein, wie bei feindlicher Bedrohung, oder bei innerem Aufruhr oder gewalt - ſamen Bewegungen; und ſie kann eine innere ſein, deren Kern in einer Auffaſſung des Staatsbürgerthums von Recht und Ordnung beſteht, welche mit dem Beſtehenden in Widerſpruch treten. Nach den allge - meinen Grundſätzen des öffentlichen Rechts der höheren Sicherheits - polizei hat nun dieſelbe die Aufgabe und damit auch die Berechtigung, in den Fällen äußerer Gefahr nach ihrem Ermeſſen diejenigen Rechte der Staatsbürger zu beſchränken, deren Ausübung eine ſolche Gefahr in ernſtlicher Weiſe vermehren würde (z. B. öffentliche Verſammlungen während eines Aufruhrs, Briefwechſel aus einer belagerten Stadt ꝛc.). Es muß daher in ſolchen Fällen unzweifelhaft der höheren Sicherheits - polizei das Recht zuſtehen, auch gegen die Aeußerungen der Preſſe ein - zuſchreiten, wenn ſie natürlich abgeſehen von einzelnen Sätzen ihrem Geiſte nach die Gefahr, welche ſchon beſteht, vermehrt. Aber auch hier ſoll das Recht der höheren Sicherheitspolizei der Preſſe be - ſtimmten Regeln unterliegen. Als ſolche ſind die folgenden zu fordern: erſtlich eine wirklich vorhandene äußere Gefahr; zweitens eine formelle Mittheilung an die Preſſe, welche auf Grundlage jener öffentlichen Gefährdung ihr die höchſte Vorſicht auch in ihrer allgemeinen Tendenz zur Pflicht macht; drittens möglichſte Beſchränkung der polizeilichen Maßregeln auf die Beſchlagnahme in Zeit und Objekt. Dieß ſind die natürlichen Gränzen des Rechts der höheren Sicherheitspolizei gegenüber dem Geiſte der Preſſe.

Wo dagegen die äußeren Zuſtände eine ſolche Gefahr nicht dar - bieten, da muß man anerkennen, daß ein verwaltungsrechtliches Ver - fahren gegen jenen Geiſt der Preſſe an und für ſich unberechtigt und78 falſch iſt, ſelbſt da, wo dieſer Geiſt als ein unzweifelhaft gefährlicher erſcheint. Und zwar deßhalb, weil ſich derſelbe jeder direkten Maßregel von Seiten der Verwaltung und der Polizei insbeſondere entzieht. Das wieder beruht pſychologiſch darauf, daß die Leſer für die entfernteren Schlußfolgerungen in dem Grade empfänglicher werden, in welchem man die näherliegenden polizeilich verfolgt. Deßhalb ſteht die Regel feſt, daß eine Verfolgung des Geiſtes einer beſtimmten Richtung in der Preſſe im weiteſten Sinne ſtets den entgegengeſetzten Erfolg von dem hat, was man beabſichtigt. Es iſt überflüſſig, dafür auf jahrhundert - alte Erfahrungen hinzuweiſen. Es erſcheint ebenſo überflüſſig, das durch die höhere Natur des Geiſtes überhaupt zu begründen. Wohl aber muß ſich die Verwaltungslehre, indem ſie jenes allgemein geiſtige Ele - ment der Preſſe als außerhalb jeder direkten Einwirkung der Verwal - tung, und mithin außerhalb des Verwaltungsrechts liegend, anerkennt, davon Rechenſchaft ablegen, daß die Preſſe ihrerſeits den Keim der Heilung für die Uebel, die ſie anzurichten vermag, wieder in ſich ſelber trägt. Es erſcheint auch hier unnöthig, genauer zu verfolgen, wie und worin dieß der Fall iſt, theils direkt durch die beſſere Preſſe, theils indirekt durch die Natur der Preſſe überhaupt. Denn auch der pſycho - logiſche Satz iſt gewiß, daß die Vorſicht der Leſer in der Annahme eines Urtheils oder einer geiſtigen Richtung in dem Grade ſteigt, in welchem der Schriftſteller rückſichtsloſer auftritt. Das Element aber, welches dieſe Vorſicht ſtark macht, iſt einerſeits das Intereſſe, andrerſeits die Bildung. Sind in einem öffentlichen Zuſtande die erſteren gewahrt und gefördert, und die zweite allgemein, ſo kann der Geiſt der Preſſe wohl tiefe Irrthümer begehen, aber er kann keine Gefahren mehr be - reiten. Und nur mit dieſen hat es die Verwaltung zu thun.

Daraus ergibt ſich nun der concrete rechtliche Inhalt desjenigen, was man die Freiheit der Preſſe zu nennen hat. Dieſelbe beſteht demnach nicht in Abweſenheit eines Strafrechts der Preſſe; ſie iſt nicht beſchränkt durch das Recht der polizeilichen Anzeige und eben ſo wenig durch das der Beſchlagnahme; ſie iſt endlich nicht geſetzt in der Be - freiung von den Maßregeln der höheren Sicherheitspolizei im Falle äußerer Gefahr. Sie muß vielmehr davon ausgehen, daß ſie ſelbſt genau demſelben Straf - und Polizeirecht unterworfen iſt, wie der Staatsbürger, deſſen Gedanken ſie enthält oder anregt; es iſt ein Un - ding, mehr Unbeſchränktheit für den Gedanken, der in das Volk tritt, zu fordern, als für den Einzelnen, der ihn denkt. Sondern die Frei - heit der Preſſe bedeutet und iſt das Aufgeben jeder direkten und indirekten Maßregel gegen das, was wir den Geiſt der Preſſe genannt haben. Und in der That hat die Frage nach der79 Freiheit der Preſſe überhaupt nie an der Frage nach dem eigentlichen Straf - und Polizeirecht, das ein ganz nothwendiges Complement des Verwaltungsrechts iſt, entſtehen können, ſondern nur an dem Verſuche, eben jenen Geiſt der Preſſe ſtatt der einzelnen Aeußerungen derſelben zu bekämpfen. Und in dieſem Gebiete liegt daher auch die Geſchichte des Preßrechts ſeit dem Entſtehen der Buchdruckerei.

Nach der ganzen bisherigen Darſtellung iſt es offenbar eine ganz entſcheidende Frage, wie und ob man den Begriff der Preßfreiheit nicht bloß als abſtrakte Forderung ausſprechen, ſondern den Inhalt derſelben juriſtiſch formuliren ſoll. Wir behaupten, daß dieſe For - mulirung das Kriterium der Auffaſſung eines jeden Schriftſtellers über das Preßrecht iſt; und es wird deßhalb leicht verſtändlich ſein, wenn wir hinzufügen, daß zwar Wort und Princip der Preßfreiheit tauſende von malen ausgeſprochen ſind, daß aber eine genaue Beſtimmung von demjenigen, was man ſich darunter denkt, nirgends angetroffen wird. Wir unſerſeits müſſen, bis wir widerlegt werden, dabei ſtehen bleiben, daß es gar keine Formulirung und objektive Beſtimmtheit des Begriffes der Preßfreiheit geben kann, ſo lange man nicht den Geiſt oder die Tendenz der Preſſe als ſelbſtändige Thatſache von den einzelnen Aeuße - rungen trennt. Gerade in dieſer Beziehung iſt die Geſchichte der Literatur höchſt belehrend. Der Begriff und das Wort der Preßfreiheit findet ſich, ſo viel wir ſehen bis zum Jahre 1790 in der deutſchen juriſtiſchen Literatur nicht; bis dahin Bücherregal Aufſicht u. ſ. w. (ſ. Pütter, Literatur deutſchen Strafrechts, Bd. III. §. 94). Es ſcheint überhaupt erſt ſeit der Déclaration des droits (1789) entſtanden (Art. 11): La libre communication des pensées et des opinions est un des droits les plus précieux de l’homme; tout citoyen peut donc parler, écrire, imprimer librement, sauf à repondre de l’abus de cette liberté dans les cas determinés par la loi. Die deutſche Literatur machte daraus ein Naturrecht; doch war man ſich gleich anfangs einig, daß dieſe Preßfreiheit eine beſchränkte ſein müſſe, und in dieſem Suchen nach der Beſchränkung des Begriffs ging das Streben ihn ſelbſt zu beſtimmen, verloren. Im Großen und Ganzen iſt in der Auffaſſung der Juriſten zu Ende des vorigen Jahrhunderts und des gegenwärtigen nur ein ſehr geringer Unterſchied. Der juriſtiſche Ausgangspunkt war der Satz: Im Staate iſt das Recht, ſeine Gedanken Andern mitzutheilen, dem Staatszweck untergeordnet. Der Staat darf daher auch die Gegen - ſtände beſtimmen, an welchen man ſich vorzüglich durch Mißbrauch der Preßfreiheit vergehen kann. (Berg, Polizeirecht Bd. II. S. 336.) So die80 Hauptſchriftſteller: Birkner, über die Preßfreiheit und ihre Geſetze 1797; Gruner, Cremutius Cordus oder über Bücherverbote 1798 u. a.

Vorwiegend bleibt dabei ſtets nebſt abſtrakter Anerkennung des Rechts auf Preßfreiheit der polizeiliche Geſichtspunkt, und zwar immer ohne Unterſcheidung der eigentlichen und der unfreien Polizei. Die freiere Auffaſſung erſcheint daher im Staatsrecht auch nicht in dem Suchen nach jener Begriffsbeſtimmung, ſondern zunächſt in dem Verſuch, die Preßfreiheit nicht mehr einfach dem ſtaatsrechtlichen Begriff und Recht der Polizei einzuordnen, ſondern ihr eine andere, höhere Stellung einzuräumen. Die Kategorie des öffentlichen Rechts, unter der ſie auf - geführt wird, hat daher an und für ſich ſchon ihre hiſtoriſche Bedeutung. Der erſte, glauben wir, der hier Bahn brach, und ſtatt der Preßpolizei die Preßfreiheit zum Grunde legt, iſt unter den Staatsrechtslehrern Aretin in ſeinem Staatsrecht der conſtitutionellen Monarchie 1828, welcher den Begriff der Preßfreiheit zuerſt als einen publiciſtiſchen in das Staats - recht einführt, die Preßpolizei fallen läßt, und die erſtere als eine der Garantien der Verfaſſung herſtellt. Er iſt der erſte und einzige, der einen ſtreng juriſtiſchen Standpunkt feſthält und zum Theil durchführt und, indem er einerſeits die Cenſur für heillos erklärt, ein Straf - geſetz für Preßvergehen fordert, mit der genaueren Beſtimmung ſtraf - bar erſcheint jede unzweideutige oder offenbare Aufforderung zu wider - rechtlicher, geſetzlich mit Strafe belegter That und jede Beleidigung einer Perſon merkwürdiger Weiſe will er keine Strafe für Ver - letzungen der Sittlichkeit. Die Frage jedoch nach dem, was nothwendig der Preßpolizei angehört, iſt auch ihm von der Frage nach dem Strafrecht nicht geſchieden (Bd. II. Abth. 2. VII). Im Grunde iſt das Ganze eine Paraphraſe der Déclaration des droits. Für das territoriale Staatsrecht hat auch hier Mohl in ſeinem Württembergiſchen Staats - recht 1846 den alten Standpunkt verlaſſen. Mohl faßt das Recht der Preſſe als Preßfreiheit ſchon unter dem Begriffe der allgemeinen Staatsbürgerrechte (Bd. I §. 72. 73) und zwar als Theil der Denk - freiheit auf; ſeine Behandlung iſt freilich natürlich ſtreng referirend. Die ſpäteren Verwaltungsrechte ſind ſich noch über den Standpunkt nicht einig; Pözl (bayriſches Verwaltungsrecht §. 102) nimmt es wieder als Theil der Sicherheitspolizei. Rönne dagegen (Preußiſches Staats - recht Bd. I. II. §. 96) nach Mohls Vorgang als Recht der Preußen. Auch die Staats lehre iſt ſich nicht recht klar. Bemerkenswerth iſt jedoch, daß man ſich bei der Preſſe im vorigen Jahre faſt nur Bücher und Schriften dachte, und die Tagespreſſe kaum in Betracht zog (Juſti Bd. IX. Hauptſtück 36. Sonnenfels Bd. I. S. 94). Dieſe wird erſt ſpät beachtet, und die erſte Aufnahme derſelben als einer ſpecifiſchen81 Art der Preſſe mit Bezeichnung ihrer wichtigen Eigenthümlichkeiten in die Fachwiſſenſchaft finden wir bei Mohl, Polizeiwiſſenſchaft Bd. III. S. 35. Jedoch mußte man ſeit der formellen Entſtehung der Polizei - wiſſenſchaft näher auf die Sache eingehen, und jetzt beginnt auch dieſe Literatur ſich, wenn auch unklar, dem Gegenſatz zwiſchen der Noth - wendigkeit des Preßſtraf - und Polizeirechts und der Preßfreiheit zum Bewußtſein zu bringen, ohne zu einer formulirten Entſcheidung zu ge - langen; namentlich der wackere J. H. Berg (Polizeirecht II. Bd. S. 341. 344), wahrſcheinlich der Erfinder der Preßfrechheit S. 341. Jacob, Polizeiwiſſenſchaft Bd. II. §. 155 u. a. Pölitz, Staats - wiſſenſchaft Bd. II. 12. S. 491. Die Verfaſſungen müſſen darüber entſcheiden, welches von den beiden Syſtemen für die Beſchränkung der Preßfreiheit, der Cenſur, oder der unbedingten Preßfreiheit, jedoch mit einem Strafgeſetz für die Preßvergehen vorzuziehen ſei. Confuſer zu ſein oder unentſchiedener iſt wohl nicht möglich. Dennoch ſprach Pölitz die damalige Unklarheit am beſten aus; wie er dachten viele; man ſieht aber, daß feſte Begriffe auch den Staatslehrern mangeln, und daß man ſich weder über den leitenden Geſichtspunkt noch über den Inhalt einig war. Hier hätte nun das dritte Gebiet der Literatur helfen müſſen, die eigentliche, ſowohl juriſtiſche als publiciſtiſche Literatur der Preſſe. Aber auch ſie gelangte um ſo weniger dazu, als ſie von Anfang an die Preſſe und ihre Fragen ſtets für ſich, ohne ihren Zu - ſammenhang mit dem geſammten Organismus des Staats behandelte. Man muß hier drei Richtungen unterſcheiden: die rein hiſtoriſche, die publiciſtiſche, und die ſtreng preßrechtliche. Die erſte iſt verhältniß - mäßig wenig vertreten, da ſie gleich anfangs bei der Geſchichte der Cenſur ſtehen blieb, wie Hoffmann, Geſchichte der Büchercenſur 1819 und ſelbſt in neuerer Zeit das zu wenig beachtete, gründliche und ſpeciell für die öſterreichiſche Cenſurgeſchichte wichtige Werk von Dr. A. Wiesner, Denkwürdigkeiten der öſterreichiſchen Cenſur vom Zeitalter der Reformation bis auf die Gegenwart 1847. Von einer Geſammt - entwicklung des Preßweſens überhaupt iſt hier wenig die Rede; es ſind das nur Darſtellungen des Kampfes der regierenden Gewalten mit dem Geiſte der Preſſe, bei denen das Weſen der Preßfreiheit noch einfach in dem Kampf gegen die Cenſur beſteht, und daher die Frage nach dem Polizei - und Strafrecht in den Hintergrund tritt. Die publiciſtiſche Richtung hat denſelben Charakter. Sie will entweder Preßfreiheit sans phrase, oder ſchwankt zwiſchen ihr und der Nothwendigkeit irgend polizeilicher Maßregeln; zu einem Rechtsſyſtem gelangt ſie nicht. Indeſſen liegt ihre hohe Bedeutung nicht in dem, was ſie für die Formulirung der Begriffe oder der Rechtsſätze, oder für die ſtrenge UnterſcheidungStein, die Verwaltungslehre. VI. 682von Preßrecht und Preßfreiheit that. Das zu ſagen oder zu unter - ſuchen, war gar nicht ihre Abſicht. Sie iſt vielmehr von einem ganz andern Standpunkt ausgegangen. Ihr bedeutet die Preßfreiheit nicht mehr im Allgemeinen das Recht, ſeine Gedanken Andern mit - zutheilen, ſondern vielmehr das Recht, vermöge der Preſſe ſpeciell an öffentlichen Dingen Theil zu nehmen. Sie iſt damals zuerſt be - griffen als das große Organ der öffentlichen Meinung über Staats - angelegenheiten; die Idee der Preßfreiheit iſt die noch unklare Vorſtellung von dem Rechte des Volkes auf eine Theilnahme am Staate; das Recht auf Preßfreiheit iſt ſchon damals identiſch mit der Idee des Rechts auf Volksvertretung. Man ſagte das nicht; aber die Einen wußten es, die Andern fühlten es. Der Kampf für die Preß - freiheit bedurfte daher einer juriſtiſchen Definition nicht; da er weit über ſein nominelles Ziel hinausging, darf er gar nicht als für ſich beſtehend betrachtet werden; freilich folgte, daß eben deßhalb auch jeder Gedanke an eine Beſchränkung der Preßfreiheit als ein Zweifel an dem Recht der künftigen, in den Gemüthern des Volkes liegenden Volks - vertretung angeſehen und von der öffentlichen Meinung verurtheilt wurde. Das zu dem Range einer geſchichtlichen Thatſache erhobene Sendſchreiben von Fr. Gentz an Se. K. Majeſtät Friedrich Wilhelm III. bei Dero Thronbeſteigung allerunterthänigſt überreicht, Berlin 16. No - vember 1797 hat in dieſem Sinne eine Stellung, welche man nicht immer richtig auffaßt. Nicht daß Gentz hier die Preßfreiheit überhaupt vertrat, war das Bedeutende, denn das war ſchon von vielen geſchehen, ſondern die gewaltige Kraft, mit welcher dieſe Publication in die da - malige Zeit eingriff, beſtand darin, daß er die Preßfreiheit als ein Recht des Bürgerthums forderte, und daß von da an die, wenn auch juriſtiſch ganz vage Idee der Preſſe dadurch zum Feldgeſchrei dieſes Bürgerthums gegen die bureaukratiſch abſolutiſtiſche Regierung einerſeits und gegen den Reſt der ſtändiſchen Vorrechte anderſeits wurde. Nicht bloß, daß Gentz damals Preßfreiheit wollte, ſondern daß er für das Bürgerthum und die öffentliche Meinung, den unformu - lirten Willen der Staatsbürger, eine Theilnahme, einen entſcheidenden Einfluß auf die öffentlichen Angelegenheiten forderte, war es, was die langdauernde Begeiſterung für jenes Sendſchreiben erweckte. (Daſſelbe ſteht u. a. in Studien zur Orientirung über die Angelegenheiten der Preſſe von R (ühle) v. L (ilienſtern) 1820. S. 129 ff.)

Wenn dem Bürger eines Staates alles, was zum erlaubten Genuß des Lebens und zur Entwicklung ſeiner Kräfte gehört, offen ſteht; wenn er ſein freigewähltes Gewerbe in ungeſtörter Ruhe be - treiben kann; wenn ihm eine ſtrenge unparteiiſche, durch keinen Eingriff der83 Willkür gehemmte Rechtsverwaltung die Garantie ſeines Eigenthums und die beruhigende Ausſicht gewährt, daß nie einer ſeiner Mitbürger mächtiger ſein wird, als die Geſetze; wenn billige, gleichförmige, nach einfachen Grundſätzen geordnete, ohne Druck und Schikane er - hobene Abgaben ihm nur ſo viel von ſeinen Einkünften entziehen, als zur Erhaltung des Staats erforderlich iſt, und eine weiſe und gewiſſen - hafte Adminiſtration die zweckmäßige Verwendung ſeiner Beiträge ver - bürgt, wenn keine ungerechte oder übelverſtandene Einſchränkungen ihn hindern, ſeine Fähigkeiten, ſeine Kenntniſſe, ſein Vermögen nach eigener Neigung und Einſicht, nach der Idee die er ſelbſt von ſeinem Vortheil hat, zu benutzen (Adam Smith!), wenn er überdieß ſeine Gedanken über alles, was ihn umgibt, vortragen und ſeinen Zeitgenoſſen ſogar ſeine Irrthümer und ſeine Grillen mittheilen darf dann iſt alles erſchöpft, was der Menſch in der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft ſucht. Der Inbegriff dieſer Güter iſt die bürgerliche Freiheit, die unter einer monarchiſchen Verfaſſung bis zu ihrer höchſten Reife gedeihen kann! Das war der Kern der Forde - rung nach Preßfreiheit; die letztere war nicht mehr Selbſtzweck, ſie war nur noch Mittel dafür; wenn er jeden Zwang gegen die Preſſe bekämpft, ſo iſt das nur Conſequenz oder Vorausſetzung des Obigen, trotz dem, daß er auch hier die Hauptangriffe gegen die Preßbeſchrän - kung in die beiden kurzen Sätze zuſammenfaßt: Was, ohne alle Rück - ſicht auf andere Gründe, jedes Geſetz, welches Preßzwang gebietet, ausſchließend und peremtoriſch verdammt, iſt der weſentliche Umſtand, daß es nicht aufrecht gehalten werden kann. Wenn neben einem ſolchen Geſetze nicht ein wahres Inquiſitionstribunal wacht, ſo iſt es in unſern Tagen nicht möglich, ihm Anſehen zu verſchaffen. Das war ganz richtig, aber das war nicht die Hauptſache. Das Gentziſche Sendſchreiben war nicht weniger, als das ganze Programm der conſtitutionellen Monarchie, und die Preßfreiheit war nur ein, wenn auch weſent - liches Moment derſelben. Es iſt die Form, in der ſich das Princip der franzöſiſchen Revolution für das deutſche Leben zuſammenfaßt; aber für unſere Frage hat es die Bedeutung, daß es die Preßfreiheit unbe - dingt mit dem Princip der ganzen ſtaatsbürgerlichen Freiheit verſchmolz; dazu bedurfte man keiner Definition der erſteren und hat ſie auch nicht geſucht. Sondern, da man noch zu einer verfaſſungsmäßigen Volks - vertretung nicht gelangen konnte, ſo vertrat die Idee der Preßfreiheit ihre Stelle, und die Beſten gaben ſich der Ueberzeugung hin, daß ſie die erſtere theils erſetzen, theils erzeugen werde. Es war daher natürlich, daß niemand daran dachte, von jetzt an die Preßfreiheit zu bekämpfen; ſie ward gefordert, ohne nach ihren nothwendigen84 Beſchränkungen zu fragen, und zwar um ſo entſchiedener, als ſich als - bald der direkteſte Gegenſatz gegen dieſelbe, die Cenſur, zum förmlichen Syſtem erhob. Der tiefe Widerſpruch derſelben mit der aufkommenden ſtaatsbürgerlichen Freiheit ward natürlich ſo lebhaft gefühlt, daß die höhere Publiciſtik auch jetzt noch gar keinen Anlaß fand, nach einem beſtimm - ten Begriff der Preßfreiheit zu fragen; Preßfreiheit war von da an der Gegenſatz zur Cenſur. Allein eben die Cenſur machte eine Literatur gegen dieſelbe wieder unmöglich; es iſt daher klar, weßhalb bis zum Jahre 1830 die Vertretung der Preßfreiheit in der Preſſe ſelbſt ver - ſchwindet; nur die franzöſiſche Literatur über dieſelbe von 1814 bis 1830 vertritt die Idee der freien Preſſe, da ſie keine Cenſur kannte (Mohl, Polizeiwiſſenſchaft Bd. III. S. 127). Damit gewann denn die juriſtiſche Richtung Raum, und dieſe hier, wie immer an das Be - ſtehende anſchließend und jedem vagen Begriffe abgeneigt, ließ das Preßweſen wieder unter die Kategorie der Polizei fallen. Die be - deutendſten Arbeiten ſind daher jetzt Unterſuchungen über die Frage der Preßbeſchränkung, die Motivirung des polizeilichen Standpunkts, den die Geſetzgebung hier einnimmt, und die Unterſuchung nicht mehr über das Princip der Freiheit, ſondern über das der polizeilichen Be - ſchränkung und des Strafrechts. Im freieren Sinne: Schmid, Ueber Preßfreiheit und ihre Gränzen 1818; Krug, Entwurf zur deutſchen und Darſtellung der engliſchen Geſetzgebung über Preßfreiheit 1818, der jedoch in ähnlicher Weiſe wie Jacob a. a. O. von einer freien Cenſur phantaſirt, das Princip derſelben grundſätzlich feſthaltend; von allen am bedeutendſten Rühle v. Lilienſtern a. a. O. 2. Abth., eine hochachtenswerthe Arbeit, mit dem erſten Verſuch juriſtiſche Auf - faſſung in die Frage nach dem Recht der freien Preſſe zu bringen (namentlich S. 256 ff.). Die Idee der Cenſur ihrerſeits fand dagegen gleichfalls ihre Vertreter, und es iſt nicht zu läugnen, daß hier das Preßſtraf - und Polizeirecht zum Theil wiſſenſchaftlich behandelt worden. Den erſten und bedeutendſten Schritt that hier Ancillon (Vorleſung in der Sitzung der Akademie der Wiſſenſchaften zu Berlin, 14. März 1816; bei Rühle v. Lilienſtern S. 1 ff. ), der namentlich Begriff und Inhalt der Preßvergehen unterſucht; dann die durch ſeinen Ver - faſſer faſt noch mehr als durch ihren Inhalt berühmte Abhandlung von Gentz (Wiener Jahrbücher der Literatur 1818 Bd. I., gleichfalls bei Rühle v. Lilienſtern S. 47 ff. ): Ueber die Preßfreiheit in Eng - land , den Rühle v. Lilienſtern ſelbſt vortrefflich charakteriſirt; der Gedanke deſſelben iſt: der Mißbrauch der Preſſe ſoll an ſich durch ein Geſetz gehindert werden; darüber iſt kein Zweifel; ein gutes Geſetz über die Preßfreiheit iſt aber der[Quadratur] des Cirkels gleichzuſetzen, und85 daher vergeblich darnach zu ſuchen; auch die engliſche Geſetzgebung macht es ſchlechthin unmöglich, auf dem Wege der öffentlichen Anklage und des Geſchwornengerichts ein Libell gegen den Staat ausreichend zu definiren, oder mit andern Worten zwiſchen dem unſchuldigen Gebrauche und dem Mißbrauche der Preſſe in Rückſicht auf die öffentlichen Ange - legenheiten eine unverkennbare Demarcationslinie zu ziehen. Daher bleibt nichts übrig, als anzuerkennen, daß die Garantie der individuellen Freiheit und der öffentlichen Ruhe, inſoweit beide mit der Preſſe in Verbindung ſtehen, zuletzt allemal auf der Cenſur beruht. (Rühle v. Lilienſtern S. 216 218.) Das iſt die einzige ernſthafte Ver - theidigung, welche die Cenſur je gefunden; aber auch ſie hatte gerade in dem Munde von Gentz eine weit größere Tragweite. Sie bedeutete, wie die von demſelben Manne ausgeſprochene Idee der Preßfreiheit die Idee der conſtitutionellen, ſo ihrerſeits die Idee der vertretungsloſen Monarchie. Natürlich war und blieb dabei der entſcheidende Unter - ſchied zwiſchen dem eigentlichen und dem unfreien Preßpolizeirecht ganz unerörtert; es handelte ſich in Wahrheit nur formell um die Sicherheit der öffentlichen Ruhe; jedermann wußte, daß die Frage ſelbſt auf einem ganz andern Gebiete, auf dem der ſtaatsbürgerlichen Rechte und Frei - heiten überhaupt beruhte. So ſtand die Sache bis 1830. Die Folgen dieſes Jahres ließen ſich natürlich auch in der Preſſe fühlen; und da - mals war es, wo der eigentliche Charakter des deutſchen Bundes am ſchärfſten hervortrat. Die einzelnen Staaten hatten ſcheinbar den guten Willen, den Forderungen des Volks nachzugeben; aber der Bund war der Vorwand oder das Organ, welcher die Preßbeſchränkung feſthielt. Die Preßfrage blieb daher auch jetzt bei dem frühern allgemeinen Standpunkt. Die Literatur der dreißiger Jahre kommt nicht weit über die abſtrakte Stellung des Gentziſchen Programms hinaus; am bezeich - nendſten ſind in dieſer Beziehung die Schriften von Welker (die voll - kommene und ganze Preßfreiheit 1830) und das Staatslexikon. Dann gewinnt die juriſtiſche Auffaſſung wieder Raum: Löffler, über Geſetz - gebung der Preſſe 1837; Heinſius, die bedingte Preßfreiheit 1841; ſo auch Mohl, Polizeiwiſſenſchaft Bd. III. S. 126 ff. Aber auch in dieſer Zeit iſt man ſich nicht klar, daß das Recht der Beſchränkung der Preſſe in ihren Einzeläußerungen etwas weſentlich verſchiedenes iſt von dem des Geiſtes, und die Nothwendigkeit des erſtern, die man nicht läugnen kann, läßt die damit noch unklar verſchmolzene zweite nicht zu ihrer richtigen Bedeutung gelangen. Auf dieſe Weiſe ſchließt dieſe Epoche mit dem vorwaltend negativen Begriff der Preßfreiheit; ſie iſt noch immer im weſentlichen nichts als die Aufhebung der Cenſur.

Als nun mit dem Jahre 1848 die Cenſur fällt, und das Repreſſiv -86 ſyſtem eintritt, beginnt allerdings für das öffentliche Recht eine neue Epoche. Aber der alte rein negative Charakter der Preßfreiheit erhält ſich, und das iſt es, was der Preßrechtsliteratur der Gegenwart ihren Inhalt gegeben hat. Dieß nun läßt ſich wieder nur erklären, indem man eben auf den Unterſchied des Geiſtes der Preſſe von ihren Einzel - äußerungen eingeht. Man war einverſtanden, daß es ein Preßſtraf - und Polizeirecht geben müſſe. Aber die Verwaltung hat die Fähigkeit, dieß letztere ſo einzurichten, daß es indirekt auf den Geiſt der Preſſe Einfluß nimmt. So entſtand das zweite Syſtem, das Repreſſivſyſtem, das Deutſchland von Frankreich lernte. Es iſt klar, daß ein Kampf gegen dieß Repreſſivſyſtem einen ganz anderen Charakter haben mußte, als gegen das Präventivſyſtem. Es kam nicht mehr darauf, einfach wie früher das ganze Syſtem der Preßpolizei zu negiren, ſondern, indem man ihre Nothwendigkeit bis zu einem gewiſſen Grade zugeben mußte, die Gränze zwiſchen der berechtigten und der unfreien Polizei der Preſſe zu finden. Das aber konnte nur zu einem Reſultat führen, indem man dieſe Gränze theils in dem Objekt der Polizei, theils in ihrem Begriffe ſetzte, und davon ausging, daß die Preßpolizei ſelbſt nichts anders ſei und ſein könne, als eine ſpecielle Anwendung der Polizei überhaupt, ihrer Rechte und Functionen, auf die Preſſe ſelbſt. Und das war es, was mangelte; gab es doch nicht einmal eine Unter - ſcheidung mehr zwiſchen peinlichem und Polizeiſtrafrecht. Was daher jetzt Preßfreiheit ſei, vermochte man nicht recht mehr zu ſagen. Freiheit war auch für die Preſſe Freiheit innerhalb des Geſetzes, und die Preßgeſetze lagen vor. Man fühlte recht wohl, daß eine Unfreiheit da ſei; worin ſie aber beſtehe, wußte man nicht mehr zu formuliren, ſeitdem die Nothwendigkeit der polizeilichen Beſchränkungen ſelbſt in Beſchlagnahme und Kaution unzweifelhaft war, und die völlige Polizei - loſigkeit der Preſſe um ſo weniger Vertreter fand, als man zugeben mußte, daß auch England nie daran gedacht habe, dieſelbe einzuräumen. Das Merkmal dieſer Zeit iſt daher das Verſchwinden des Wortes der Preßfreiheit aus den betreffenden Unterſuchungen, und damit ein juriſti - ſches, weſentlich exegetiſches Eingehen auf die einzelnen territorialen Geſetzgebungen. Selbſt die tüchtigſten Juriſten, die ſich mit der Sache im Allgemeinen beſchäftigen, kommen, ſo klar ſie auch ſich ſelber im Princip ſind, in der Form zu keinem Abſchluß. Das Bedeutendſte was in dieſer Richtung von Seiten der juriſtiſchen Literatur des vorigen Jahrzehnts geliefert iſt, iſt ohne Zweifel der allgemeine Theil von Lorbeers Grenzlinien der Rede - und Preßfreiheit nach engliſchem Rechte mit Beiſpielen aus der Gerichtspraxis 1851, der zu keinem definitiven Reſultat im Ganzen gelangt; wieder aufgenommen iſt die Frage vom87 deutſchen Juriſtentag und eingehend behandelt in den beiden Gutachten von Glaſer und John a. a. O. Man vergleiche dazu die beiden Artikel Preßfreiheit Preßvergehen, und Preßpolizei von Pözl im Staatswörterbuch Bd. VIII. S. 227 ff. Der Verfaſſer bedauert mit Recht, daß eine eingehende Behandlung der ganzen Frage und ihrer Geſchichte fehlt. Jedenfalls zeigt uns das gegenwärtige Recht Deutſch - lands, daß das, was wir im folgenden Abſchnitt darlegen, die ſyſte - matiſche Darſtellung des Geiſtes des poſitiv noch für einen Theil Deutſchlands geltenden, und das leitende Princip für das ganze fran - zöſiſche Recht iſt.

e) Die Elemente des Kampfes um die Preßfreiheit und was den Charakter eines geltenden Preßrechts bildet.

Wenn nunmehr die obigen Begriffe und Grundſätze für Preß - ſtrafrecht, Polizei und Freiheit feſtſtehen, ſo wird es jetzt möglich, zu - nächſt das eigentliche Gebiet der Preßfrage, des Streites über das Preßrecht, auch formell zu beſtimmen, und auf dieſe Weiſe zu einem Abſchluß für dieſelbe zu gelangen. Und während vieles von dem bisher Dargelegten allerdings nicht der innern Verwaltung, ſondern der Rechts - pflege angehört, muß das Folgende ganz als Theil der erſteren erkannt werden.

Auch hier hat die Preßrechtsfrage die große phyſiſche Schwierigkeit, daß ſie unklar wird, ſo wie man vorausgefaßte Eindrücke oder Wünſche mitbringt, im Namen der Freiheit die Pflicht der Verwaltung einſeitig negirt, oder ihre Mißverſtändniſſe aufzulöſen ſich nicht die Mühe gibt.

Das große Princip desjenigen, was wir im obigen Sinne die Preßfreiheit genannt haben, iſt die völlige Unbeſchränktheit des Geiſtes aller Druckwerke im Gegenſatze zu den einzelnen Ausdrücken die Freiheit der Arbeit im Gegenſatz zu dem Recht der vollendeten That. Es iſt unnöthig zu betonen, welche Macht in dem erſteren derſelben liegt, und wie weit dieſelbe über die der letzteren hinausragt. Es iſt ferner klar, daß dieſer Geiſt ein im höchſten Grade gefährlicher für den geſammten Zuſtand der Bildung der Sittlichkeit, der Rechtsordnung werden könne. So wie man ſich dabei denkt, daß durch dieſen Geiſt nicht etwa Verkehrtes bekämpft und Unvollkommenes gebeſſert werden ſoll, ſondern daß derſelbe zum Beiſpiel die öffentliche Sittlichkeit unter - gräbt oder die Wiſſenſchaft herabſetzt, die Bildung bekämpft oder zur rohen Gewalt in öffentlichen Dingen anreizt, da wird es gewiß ver - ſtändlich, wenn man ſich ernſthaft fragt, ob bloß der Geiſt gegen den Geiſt ſchützen ſoll, oder ob nicht vielmehr die Verwaltung mit den ihr88 zu Gebote ſtehenden Mitteln auch das Ihrige gegen ſolche Gefahren zu thun hat?

Aber gehen wir weiter. Jedes Druckwerk iſt zunächſt ein Erzeug - niß eines Einzelnen. Dabei hat es die Form und macht den Anſpruch, eine Anſicht vieler zu ſein. Es fordert damit das Recht, als Anſicht Vieler, ja der Beſſeren zu gelten, und mit dieſer Geltung in die Wag - ſchale zu fallen, obgleich es nur ein individuelles Denken enthält. So iſt es nicht bloß ein Widerſpruch in ſich, ſondern ſeine Gefahr liegt hier in ſeiner Form, denn in der That erſcheint das, was ein Meinen und Wollen Einzelner iſt, mit dem Anrecht und dem Nachdruck einer allgemeinen Meinung. Iſt es richtig, daß dem Einzelnen und ſeiner Willkür eine ſolche Gewalt gelaſſen werde? Soll, wenn eine ſolche Gefahr angenommen wird, die Verwaltung, welche die Intereſſen der Geſammtheit gegen jeden Einzelnen zu vertreten hat, dieſe Wirkung unbeſchränkt laſſen?

Das ſind die Sätze, aus welchen nicht etwa das Preßſtraf - und Polizeirecht, ſondern die Frage hervorgegangen iſt, ob und wie weit es möglich ſei, gegen den Geiſt der Preſſe mit beſtimmten Verwal - tungsmaßregeln aufzutreten. Wir halten feſt, daß es ſich noch gar nicht um die Richtigkeit oder Berechtigung dieſer Frage an ſich handelt. Sondern das, worauf es ankommt, iſt vielmehr zuerſt wieder eine ganz beſtimmte formale Begriffsbeſtimmung, welche aber unerläßlich iſt. So wie die Verwaltung aus irgend einem der obigen Gründe oder zu irgend einer Zeit die obige Frage bejaht, ſo entſteht das, was wir jetzt die Beſchränkung der Preßfreiheit nennen. Dieſe Beſchränkung der Freiheit der Preſſe iſt darnach nicht durch des Daſein von Straf - und Polizeirecht gegeben, ſondern dieſelbe beſteht in der Geſammt - heit derjenigen Maßregeln, welche nicht gegen die einzelnen Sätze und Ausdrücke gerichtet ſind, ſondern durch welche die Verwal - tung auf den Geiſt der Preſſe ſich im obigen Sinne einen, ihrer An - ſicht nach das Geſammtintereſſe gegen individuelle Irrthümer und böſe Abſichten ſchützenden Einfluß zu erwerben trachtet.

Wir müſſen es, nach der gegenwärtigen Lage der Literatur und ihrer Geſchichte, für einen weſentlichen Fortſchritt erachten, wenn man dem - gemäß ſtrenge ſcheidet, und ſowohl den Begriff der Preßfreiheit als den der Beſchränkung der Preſſe und ihrer Freiheit definitiv nicht auf die rechtlichen und polizeilichen Maßregeln gegen einzelne Aeußerungen, ſon - dern gegen die Tendenz und den Geiſt der Preſſe bezieht. Auf dieſer Grundlage iſt dann leicht weiter zu gelangen.

So wie nämlich gleichviel zunächſt aus welchem Grunde und mit welchem Recht die Verwaltung dieſen Standpunkt einnimmt,89 ſo muß ſie dieſe Maßregeln auch formuliren und organiſiren. Das iſt, ſie muß ſie zu einem Syſteme machen.

Dieß Syſtem für die Beſchränkung der Preßfreiheit iſt nun folgendes.

Es iſt natürlich, daß ſich ihrerſeits auch die für dieſe Beſchränkung beſtimmten Maßregeln an den Inhalt der Verwaltung ſelbſt anſchließen; denn es iſt ja eben die Verwaltung, welche ſie vollziehen ſoll. Der Begriff der Verwaltung aber enthält bekanntlich drei Grundformen. Dieſe ſind die Staatswirthſchaft, die Rechtspflege und das Innere. Will alſo die Verwaltung die Freiheit der Preſſe beſchränken, ſo kann ſie dieß theils durch finanzielle Vorſchriften, theils durch ein der Rechts - pflege unterworfenes Strafrecht und theils durch die Polizei der inneren Verwaltung.

Dieß ſind die drei Formen der Beſchränkung der Preßfreiheit. Da aber Strafrecht und die Polizei der Preſſe ohnehin gegen die einzelnen Aeußerungen derſelben beſtehen, ſo kommt es neben der Form nunmehr darauf an, auch das allgemeine Princip für dieſe Gränze feſtzuſtellen, welche das erſtere von dem letzteren ſcheidet. Es iſt dieß um ſo wichtiger, als eine Verwaltung ſelbſt von einem Recht der Preßbeſchränkung, von einem offenen Kampfe gegen die Freiheit der Preſſe ſelten reden, ſon - dern vielmehr ſtets geneigt ſein wird, die Preßbeſchränkung einfach mit dem Recht der Preſſe zu identificiren, und weil, wenn die erſtere einmal zum geltenden Recht geworden iſt, es für die Rechtspflege ſo wie für die Polizei gar keinen Unterſchied beider mehr gibt; ſie müſſen, ganz abſehend von dem allgemeinen Charakter der betreffenden Maßregel, dieſelbe einfach als Recht behandeln. Nur die Wiſſenſchaft hat die Auf - gabe, auch hier jenen Unterſchied feſtzuhalten.

Jene für die ganze Preßverwaltung ſo hochwichtige Gränze liegt nun da, wo die Anforderungen des Strafrechts und der Polizei für die einzelnen Aeußerungen aufhören. Eine Maßregel der Preßbeſchrän - kung iſt ſtets diejenige Vorſchrift der Finanzen, des Strafrechts oder der Polizei, welche nicht mehr als Bedingung für die rechtliche Ver - folgung einzelner Aeußerungen oder für die Abwendung der Gefahren derſelben nothwendig erſcheint. So wie das der Fall iſt, beginnt die Aktion der Verwaltung gegen den Geiſt der Preſſe, ganz abgeſehen davon, ob von demſelben die Rede iſt oder nicht.

Gehen wir nach dieſem Princip die einzelnen Maßregeln in Be - ziehung auf die Preſſe durch, ſo erſcheint das folgende Syſtem.

1) Die finanzielle Beſchränkung der Preſſe beginnt da, wo die Beſteuerung der Preſſe ſo hoch iſt, daß der Preis der Produkte der Preſſe für die Leſer dadurch ein ſchwer erſchwinglicher wird. Daß die Preſſe ein Erwerb iſt, iſt kein Zweifel; daß ſie daher beſteuert werden90 muß, iſt nicht fraglich; daß dieſe Steuer bei Büchern und Werken nur als Gewerbe - und Einkommenſteuer erſcheinen kann, während bei der Tagespreſſe der Stempel eine Beſteuerung des Leſers enthält, alſo eine Verbrauchsſteuer iſt, ſind Sätze, welche der Finanzwiſſenſchaft ange - hören, und an ſich mit der Beſchränkung der Preſſe gar nichts zu thun haben. Dieſelbe beginnt erſt da, wo der Stempel der Tagespreſſe ſo hoch wird, daß er den Leſerkreis beſchränkt, oder wo das Porto in demſelben Sinn zu hoch geſetzt iſt, während die Beförderung der Preſſe aus naheliegenden Gründen weſentlich in der Herabſetzung des Portos für Zeitungen und Broſchüren liegt.

2) Der ſtrafrechtliche Kampf gegen den Geiſt der Preſſe liegt nun zweitens nicht in der Höhe der Strafe für Einzeläußerungen durch dieſelbe; dieſe Höhe gehört überhaupt dem Strafrecht und nicht dem Preßrecht. Sondern derſelbe beginnt vielmehr da, wo das Strafrecht dem Richter die Pflicht auferlegt, neben der Beurtheilung der einzelnen Aeußerungen noch ein Urtheil abzugeben über die Schlußfolgerungen, welche aus dem Inhalt des Druckwerkes von dem Leſer gezogen werden können, und den Inhalt dieſer Schlußfolgerungen als einen ſelbſtän - digen verbrecheriſchen Thatbeſtand anzuerkennen. Den Haupt - ausdruck dieſer Beſchränkung der Preßfreiheit durch das Strafrecht bildet der Gedanke, den das franzöſiſche Preßgeſetz von 1819 zuerſt formulirte, und den der Bundesbeſchluß von 1854 in das deutſche Recht hinüber - trug; die Strafbarkeit von Druckwerken, welche zu Haß und Verach - tung gegen die beſtehende ſittliche, geſellſchaftliche oder ſtaatliche Ordnung aufreizen. Denn Haß und Verachtung können in einzelnen Sätzen und Ausdrücken liegen, und dann fallen ſie ohnehin unter das freie Strafrecht der Preſſe. Sie können aber auch als Conſequenzen der in dem Druckwerke niedergelegten Arbeit des Geiſtes angeſehen werden. Indem das Strafgeſetz ſich nun ganz allgemein ausdrückt, um - faßt es, wenn auch unausgeſprochen, auch den letzteren Fall. Und in dieſem Sinne greift es in dasjenige Gebiet ein, welches wir als das der berechtigten Preßfreiheit anerkennen müſſen. Denn iſt einmal eine ſolche Beſtimmung gegeben, ſo muß der Richter darnach urtheilen, gleich - viel ob amtliches oder Geſchwornengericht gilt. Soll er das aber, ſo entſteht der tiefe Widerſpruch, der jede Beſchränkung der Preßfreiheit begleitet. Der Richter wird gezwungen, den objektiven Thatbeſtand des begangenen Verbrechens in dem ſubjektiven Eindruck zu ſuchen, den ihm die Conſequenzen des Druckwerkes gemacht haben. So entſteht der einzige Fall im ganzen Strafrecht, wo der Richter gegen alle Prin - cipien der Strafrechtswiſſenſchaft ohne objektiven Thatbeſtand über das Daſein eines Vergehens oder Verbrechens zu urtheilen gezwungen91 wird, und ſeine Meinung an die Stelle des letzteren ſetzen muß. Setzt man aber, daß die Conſequenzen eines Druckwerkes nicht als That - beſtand, ſondern als Verſuch gelten, und als ſolcher beſtraft werden ſollen in welchem Falle der obige Widerſpruch auf den erſten Blick gelöst erſcheint, ſo wird in der That derſelbe noch tiefer, ſo wie man die Sache vom Standpunkt des Rechts beurtheilt. Denn die Straf - barkeit des Verſuches beruht ſtets nur darauf, daß er mit geeigneten Mitteln geſchähe. Die Eignung der Mittel aber muß der Richter, da ihm die Möglichkeit einer objektiven Nachweiſung fehlt, nothwendig an ſich ſelber meſſen. Findet er nun, daß dieſe Eignung an ſich vor - handen iſt, ſo muß er ſich ſelbſt zu Haß und Verachtung durch den Geiſt des Druckwerkes bewogen gefunden haben, und dann wären ja Haß und Verachtung gerechtfertigt. Findet er aber, wie es natürlich ſtets der Fall iſt, daß Haß und Verachtung bei verſtändigen und ge - bildeten Leuten nicht erzeugt werden, ſo iſt wieder das geeignete Mittel und mit ihm die Strafbarkeit des Verſuches nicht vorhanden. Findet er endlich, daß das Druckwerk nur bei Unverſtändigen und Ungebildeten dieſe Fähigkeit beſitzt, ſo widerſpricht er ſich ſelber, denn das Weſen der Unverſtändigen und Ungebildeten beſteht ja eben darin, keine Schlußfolgerungen ziehen, alſo auch zu Haß und Verach - tung durch reine Conſequenzen nicht gelangen zu können. Mag man daher die in jenen Sätzen und Geſetzen liegende ſtrafrecht - liche Preßbeſchränkung auffaſſen, wie man will, immer wird ſie zu einem juriſtiſch ganz unlösbaren Widerſpruch. Dieſer juriſtiſch abſolute Widerſpruch erſcheint nun in ſeinem wahren Licht, wenn man ihn mit dem Weſen der Polizei in Verbindung bringt. Da nämlich, wie gezeigt, eine ſtrafrechtliche Funktion vermöge eines ſolchen Geſetzes gar nicht möglich iſt, und das Gericht dennoch zu einer ſolchen gezwungen wird, ſo leuchtet es ein, daß die aus jenem Geſetze hervorgehende Funktion des Gerichts in der That überhaupt keine gerichtliche, ſondern eine po - lizeiliche iſt. Ein ſolches Geſetz macht daher ein Gericht zu einem Polizeiorgan, und verwirrt damit das organiſche Weſen der ganzen Ver - waltung; nicht als ob die Polizei nicht auch ihre eben ſo weſentliche Funk - tion hätte; allein jene Geſetze ſetzen an die Stelle der organiſchen Com - petenz die geſetzliche. Und unter dieſem Widerſpruch muß unabweisbar die Funktion ſelbſt leiden; es iſt und bleibt verkehrt, mit den Händen gehen oder mit den Augen hören zu wollen. Und möge man nun ein amtliches oder ein Geſchwornengericht aufſtellen, immer hat die Erfahrung dieß beſtätigt, und immer wird ſie es beſtätigen; denn es iſt faſt unmöglich, daß unter ſolchem Widerſpruch nicht dasjenige leiden ſollte, was wir die volle Unabhängigkeit des Gerichtes nennen.

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Dieß nun iſt der ſtrafrechtliche Kampf gegen die Preßfreiheit. Wäh - rend derſelbe einfach iſt, iſt der folgende ein mehr verwickelter.

3) Der Kampf der Polizei mit der Preſſe und ihrer Freiheit hat nun keine ſo feſten und einfachen Gränzen, wie der des Strafrechts. Derſelbe beſteht auch hier nicht etwa in jeder polizeilichen Maßregel in Beziehung auf die Preſſe, ſondern nur in derjenigen, vermöge deren die Erzeugung und der Vertrieb eines Druckwerkes nach dem Ermeſſen der Polizei gehindert werden kann. Da nun dieß Ermeſſen der Polizei ſich ſtets nur auf den Geiſt der Druckwerke beziehen kann, weil die polizeiliche und ſtrafrechtliche Verfolgung der Einzeläußerung ohnehin geſetzlich feſtſteht, ſo erſcheint hier das Gebiet des eigentlichen Kampfes beider Principien, das Princip der freien geiſtigen Arbeit und das Princip der gleichfalls freien, durch keine Vorſchrift ſcharf begränzbaren Beſchränkung derſelben. Dieſe nun hat eine ganze Reihe von Formen und Einzelrechten. Sie erſcheint als ſtrenges, polizeilich ſtrafbares Verbot, als Cenſur, als Verwarnung, als Conceſſion, als einſeitige Beſchlagnahme, als unmäßige Höhe der Kaution, als Unterdrückung des Druckwerkes und als andere Vorſchriften. Auf den erſten Blick ſcheint hier, wie es im Weſen der Polizei liegt, der Geſichtspunkt der bloßen Zweckmäßigkeit vorzuherrſchen. Diejenigen Maßregeln der Polizei ſcheinen berechtigt, welche den Zweck, die Bekämpfung des als gefährlich angenommenen Geiſtes der Preſſe erfüllen. Das Nächſte ſcheint daher, einfach dieſe Maßregeln einzeln aufzuzählen und zu beleuchten. Allein in der That iſt die Polizei hier etwas anderes. Sie iſt nicht ein ſelbſt - wirkender Faktor. Sie iſt vielmehr auch hier ein Organ der inneren Verwaltung. Sie empfängt von der inneren Verwaltung den Geiſt ihrer Thätigkeit, und ſelbſt die einzelnen leitenden Vorſchriften. Sie muß daher in ihrer Funktion dieß ihr Verhältniß zur Verwaltung zum Ausdruck bringen; ſie wird ſich ſelbſt naturgemäß zum Ausdruck des Geiſtes der Verwaltung ſelbſt machen. Dieſer aber iſt ſeinerſeits wieder kein willkürlich erzeugter oder zufällig entſtandener. Er iſt viel - mehr das Ergebniß des Geſetzes der inneren Entwicklung der Völker ſelbſt. Dieß Geſetz beſteht darin, daß jede geſellſchaftliche Ordnung die ihrem Geiſt und ihren Intereſſen entſprechende Verwaltung erzeugt; in dieſer Verwaltung wieder die Polizei, in derſelben wieder das Ver - hältniß derſelben zur Preſſe. So ergibt ſich, daß, während die eigent - liche Preßpolizei durch die objektive Natur der Druckerei erzeugt wird, die Polizei der Preßfreiheit vielmehr als hiſtoriſche Thatſache er - ſcheint. Sie muß in dem, was ſie will, und in dem, was ſie thut, als eine geſchichtliche Geſtaltung des öffentlichen Rechts betrachtet wer - den. In dieſer Auffaſſung liegt der entſcheidende Geſichtspunkt für die93 Beurtheilung des gegebenen Rechts überhaupt, und ſpeziell der gegen - wärtigen Polizei der Preßfreiheit. Es wird daher, um neben der ſtreng juriſtiſchen Auffaſſung auch die verwaltungsrechtliche zur Geltung zu bringen, auch hier das Preßrecht in ſeiner hiſtoriſchen Entwicklung dar - geſtellt werden müſſen.

Für dieſe nun und für die Vergleichung des ſo tief verſchiedenen Preßrechts der verſchiedenen Geſetzgebungen und Staaten liegt nun in dem Obigen der gemeinſame Maßſtab. Derſelbe beſteht in dem, was wir jetzt den Charakter des geltenden Preßrechts nennen können. Der Charakter des geltenden Preßrechts nämlich beſteht nicht in der größeren oder geringeren Entwicklung der einzelnen geſetzlichen Beſtimmungen, ſon - dern vielmehr in dem Verhältniß, welches die Verwaltung und innerhalb derſelben die Polizei zu dem ſpezifiſchen Recht der Freiheit der Preſſe einnimmt. Das freie Preßrecht iſt dasjenige, in welchem die Ver - waltung nicht etwa die Preſſe überhaupt, ſondern den Geiſt der Preſſe als etwas anerkennt, auf welches dieſelbe durch ihre Maßregeln keinen direkten oder indirekten Einfluß nehmen ſoll. Das unfreie Preßrecht ſeinerſeits beſteht in dem Princip der Einflußnahme auf dieſen Geiſt der Preſſe und in der Verwirklichung dieſes Princips durch die für wirkſam erachteten Maßregeln der Preßpolizei. Dieſe nun hat ihre eigenthümliche Geſchichte, und dieſe Geſchichte bewegt ſich in den fol - genden Hauptſtadien.

Wir wiederholen, daß der Werth dieſer zunächſt ganz theoretiſchen Darſtellung einerſeits darin liegen dürfte, daß ſie die berechtigte von der unfreien Preßpolizei ſcheidet und andrerſeits darin, daß ſie den Standpunkt feſtſtellt, von welchem aus die poſitiven Geſetzgebungen gerade auf dem Punkte zu beurtheilen ſind, auf welchem ſie die Idee und das Recht der Preßfreiheit berühren. Sie bilden daher den Aus - gangspunkt der Geſchichte der letzteren; ihre concrete Geſtalt empfangen ſie in der Charakteriſtik der beſtehenden Geſetzgebungen, die ſich dieſer Geſchichte anſchließen ſoll.

Doch führen wir ſchon hier das Wort Bergs auf (Polizeirecht, Bd. II. S. 337), der ſchon vor zwei Menſchenaltern die Sache mit vollkommener Klarheit erkannte. Vage Beſtimmungen, allgemeine Be - ſchränkungen gelten aber hier nicht; denn darnach kann kein Richter das Geſetz auf eine gegebene Thatſache anwenden; weder züchtigen noch loslaſſen. Er kann thun, was er will; und das ſoll kein Richter thun können. Es iſt eine ſchlechte und ungerechte Politik, wenn man un - beſtimmte Geſetze über Schreib - und Preßfreiheit gibt; ſie iſt er - niedrigend, wenn man ſie gibt, um ſeiner Zeit finden zu können, was94 man ſucht. Eine ſchärfere und zugleich ſchlagendere Kritik als die Worte des hochbedeutenden Mannes für Geſetze, wie den Bundes - beſchluß von 1854, gibt es nicht; uns will ſcheinen, als wären die Schriftſteller unſerer Zeit gegenüber ſolchen Männern nicht berufen, ſie zu vergeſſen; höher ſteht auch bei den beſten der Gegenwart weder das Gefühl der Freiheit noch das Verſtändniß der Sache als bei dieſen tapfern Vorkämpfern für Güter, die wir genießen.

V. Die Geſchichte des Rechts der Preſſe.

1) Die Elemente der Geſchichte.

Obwohl nun die Elemente dieſer Geſchichte bereits in der bisherigen Darſtellung enthalten ſind, ſo wird es dennoch nothwendig, ſie in ihrer ſpeciellen Beziehung zu dem großen Ganzen der Rechtsbildung hier zu - ſammenzufaſſen. Es bedarf dabei wohl keiner beſondern Nachweiſung, daß die Geſchichte der Preſſe ſelbſt etwas ganz anderes iſt und enthält, und daher von der Verwaltungslehre gar nicht berührt wird. Dagegen iſt der Unterſchied der Hauptformen der Preſſe allerdings ein auch für die Rechtsbildung weſentlicher und wir müſſen daher für dieſelben auf das Frühere zurückweiſen.

Die Grundlage dieſer Geſchichte iſt das, was wir die ſociale Funktion der Preſſe genannt haben. Das Weſen derſelben beſteht in der Vertheilung der geiſtigen Güter an alle Klaſſen und Stände der Geſellſchaft ohne Unterſchied, eine Vertheilung, welche darauf beruht, daß die geiſtigen Güter durch die Vertheilung an Viele dem entgegen - geſetzten Verhältniß unterliegen, wie die wirthſchaftlichen; denn wäh - rend bei den letzteren durch die Vertheilung der Antheil ſich vermindert, das auf jeden Einzelnen fällt, ſteigt dieſer Antheil bei den geiſtigen Gütern. Dadurch iſt die Preſſe der große nie ruhende und aus ſich ſelbſt ſeine eigene Kraft ſchöpfende Faktor des ſocialen Fortſchritts; indem ſie die niedern Klaſſen in geiſtiger Beziehung gleich reich macht mit den höheren, verwiſcht ſie den tiefern Kern des Unterſchiedes, hebt das höhere geiſtige Princip der Ungleichheit in Recht und Geſellſchaft auf, und indem ſie ſomit die abſtrakte Idee der gleichen Beſtimmung aller Perſönlichkeit in Kenntniß und Denkkraft verwirklicht, wie die Religion es in Glaube und Liebe thut, wird ſie der natürliche Gegner jeder, auf rechtlichen Unterſchieden beruhenden geſellſchaftlichen Ordnung.

Dieß nun wird ſie ihrerſeits niemals durch das, was dem eigent - lichen Straf - und Polizeirecht der Preſſe unterliegt, die einzelne Aeußerung, mag dieſelbe ſonſt ſo verbrecheriſch ſein wie ſie will. Sie wird es vielmehr eben durch das, was wir den geiſtigen Inhalt der95 Preſſe nennen. Sie hat dabei ihre zwei durch die Natur des geiſtigen Lebens ſelbſt angedeuteten Wege. Beide ſind auch für das Verſtändniß des hiſtoriſchen Preßrechts nicht ohne Bedeutung. Der eine beſteht in der einfachen Mittheilung von Kenntniſſen und geiſtigen Thatſachen, der zweite beſteht in der Anregung zu eigener, geiſtiger, ſelbſtthätiger Arbeit. Daraus ergibt ſich, daß die Geſchichte des Rechts der Preß - freiheit in der That auch nur mit demjenigen zu thun hat, was eben ſich auf dieſen Geiſt der Preſſe bezieht. Das was wir als ſolchen be - zeichnet haben, enthält daher ſtets geſellſchaftliche und ſtaatliche Grundſätze, Forderungen und Darſtellungen, und die Aufgabe der Preßbeſchränkung hat daher ſtets den Kampf der Verwal - tung mit dieſen Forderungen und Darſtellungen aus Staat und Ge - ſellſchaft zum Inhalt.

Daraus nun folgen gewiſſe allgemeine Sätze für die Geſchichte des Preßweſens, welche auch für das Verſtändniß einzelner Erſcheinungen deſſelben maßgebend werden.

Es gilt zunächſt der Satz, daß die Beſchränkung der Preſſe ſtets in gradem Verhältniß zu der Schärfe der geſellſchaftlichen Gegenſätze ſteht. Je tiefer die Kluft zwiſchen den einzelnen Ständen und Klaſſen iſt, um ſo ſtrenger wird das Preßrecht. Iſt der geſellſchaftliche Kampf geradezu ausgebrochen, ſo ändert ſich zugleich der Charakter des Druck - werkes in ſeiner öffentlichen Stellung. Denn da die Schlußfolgerungen alsdann ohnehin von jedem Einzelnen gezogen werden, und der offene Kampf ſeinerſeits eben darin beſteht, daß die bis dahin inneren Schluß - folgerungen zur äußern That übergehen, ſo verſchwindet thatſächlich der Unterſchied zwiſchen Geiſt und Einzelſatz, und jede Beziehung auf ge - ſellſchaftliche und öffentlich rechtliche Fragen wird eine That, und unter - liegt dem Recht der That ſtatt dem des Geiſtes. Daher hält die Preß - beſchränkung ſtets gleichen Schritt mit dem geſellſchaftlichen Kampfe. Das erſte Stadium beſteht ſtets in dem Aufrechthalten einer großen geiſtigen Entfernung von jeder praktiſchen Beziehung; das zweite er - ſcheint in immer beſtimmter formulirten Anwendungen auf gegebene öffentliche Verhältniſſe und in der Meinung der herrſchenden Elemente, daß die Preſſe eine Partei bilden könne, während in der Wirklichkeit ſtets die Partei die Preſſe bildet; das dritte erſcheint als unmittelbare Verfolgung der Druckwerke und Verdammung ihres allgemeinſten Inhalts; wo das eintritt, iſt ſtets der geſellſchaftliche Kampf nicht mehr weit entfernt, und die Beſonnenheit wird alsdann ſtets auf beiden Seiten gleichmäßig verloren. Dieſe Erſcheinungen wiederholen ſich mit einer faſt geſetzlichen Regelmäßigkeit; leider wird die Bedeutung derſelben gleichfalls regelmäßig erſt dann beachtet, wenn es zu ſpät iſt.

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Es gilt zweitens der Satz, daß die Wirkung und das Recht der Preſſe im umgekehrten Verhältniß zur Geltung der Volksvertre - tung ſteht. Das beruht wieder auf der pſychologiſchen Thatſache, daß das perſönliche Wort immer mehr, und der Regel nach ſogar auch einen andern Einfluß hat als das gedruckte. Denn wenn das gedruckte Wort Grundſätze und Forderungen gibt, ſo gibt das geſprochene der durch jene entſtehenden Richtung zugleich den Führer und perſönlichen Vertreter. Die Preſſe kann daher nie die Volksvertretung erſetzen; wohl aber kann ſie gerade durch das, was ſie thut und iſt, eine ſolche erzwingen. Iſt aber eine ſolche da, ſo wird das Recht der Preßbeſchrän - kung in dem Grade unmöglicher, in welchem die erſtere die großen ſocialen und politiſchen Fragen ernſthafter in die Hand nimmt. Es iſt dabei eine ſehr bedenkliche, zu ernſtem Nachdenken auffordernde Erſchei - nung, wenn die Preſſe im Ganzen ſich gegen die Volksvertretung gleich - gültig verhält, oder gar derſelben im Allgemeinen entgegentritt; denn das bedeutet nicht mehr eine Abweichung in Beziehung auf einzelne mehr oder weniger große Fragen des Staats in der Geſellſchaft, ſondern es bedeutet vielmehr die erſten Anzeichen eines neuen Proceſſes der Staatenbildung ſelbſt. Doch liegt es uns fern, hierauf einzugehen.

Es gilt drittens der Satz, daß die eigentliche Rechtswiſſen - ſchaft ſich der Frage nach dem Preßrecht erſt dann bemächtigt, wenn die Preßbeſchränkung aufhört und das Preßrecht an ihre Stelle tritt. Und zwar iſt dieſer Grundſatz, deſſen Hauptbeſtätigung gerade die deutſche Literatur bietet, darauf begründet, daß die Rechtswiſſen - ſchaft ihrem eigenſten Weſen nach mit dem Polizeirecht ſich nicht ver - miſchen läßt und ſelbſt bei geringer formeller Ausbildung ſehr wohl weiß, wo die polizeiliche Beſchränkung die äußere Form des Strafrechts annimmt, ohne doch ein wahres Strafrecht werden zu können. Die ganze Lage der wiſſenſchaftlichen Bearbeitung der für die Preſſe gelten - den Beſtimmungen in den Hauptländern Europas liefert dafür den unverkennbaren Beweis.

Endlich liegt es viertens in der Natur der Sache, daß der Kampf gegen die Freiheit der Preſſe je nach der geſellſchaftlichen Ord - nung gegen eine andere Form der Preſſe gerichtet iſt. In der ſtän - diſchen Ordnung richtet ſich derſelbe weſentlich gegen die geiſtige Be - wegung überhaupt, daher vorzugsweiſe gegen das Buch, meiſt unter Verachtung der Flugſchrift und Tagespreſſe. Die polizeiliche Epoche wird gegen das Buch gleichgültiger, denn ſie hat ſchon Sinn für die Bildung, die ſtets durch Nachdenken gefördert wird; aber da wo es ſich um öffentliches Recht handelt und ihre Mängel angegriffen werden, greift auch ſie gegen das Buch ein. Ihr Objekt iſt nicht mehr die97 geiſtige Entwicklung überhaupt, ſondern nur die, dem öffentlichen Recht zugewendete Bewegung, ſei es Buch oder Zeitpreſſe. Wenn die ſtaats - bürgerliche Geſellſchaft ſich ihrem Siege nähert, hört der Kampf gegen das Buch auf, und es beginnt der Kampf mit der Tagespreſſe. Erſt wo ſie definitiv geſiegt hat, verſchwindet auch dieſer Theil der Preß - beſchränkung und das einfache Preßſtraf - und Polizeirecht tritt an ſeine Stelle.

Es iſt nun die Aufgabe des Folgenden, dieſen großen hiſtoriſchen, noch keineswegs vollendeten Proceß der Scheidung zwiſchen beiden Rechtsgruppen der Preſſe und der allmähligen Beſeitigung der Beſchrän - kung der Preßfreiheit in ſeinen Hauptgeſtaltungen darzuſtellen.

Dieß genaue und auch das Einzelne durchdringende Verſtändniß dieſer allgemeinen Geſetze der Rechtsbildung für die Preſſe fordert einen Mann, der mit der literariſchen Gelehrſamkeit eines Gervinus und der juriſtiſchen eines Zöpfl die freie, künſtleriſch geſtaltende Kraft eines Freitag verbindet, wie er ſie in ſeinen ſchönen Neuen Bildern lebendig über die Zuſtände des inneren Lebens auszubreiten und mit friſcher Wärme zu malen verſteht. Denn mit bloß literariſchen Citaten iſt hier freilich nicht alles gethan. Wohl aber möchten wir hier an eins der bedeutſamſten Worte erinnern, das ein geiſtig hochbegabter Staatsmann des vorigen Jahrhunderts über das Weſen der Preſſe und ihres Rechts ausſprach, und das wie es ſcheinen will, mehr wie alles andere, was man hier ſagen kann, fordern darf, daß man es zu Ende anführen ſollte. Es iſt Turgot, von dem es ſich handelt. Er ſagt: Ce n’est pas l’erreur qui s’oppose à la verité! Ich finde den Ausſpruch bei Buckle, Geſchichte der Civiliſation Bd. I. S. 73 (Ruge’ſche Ueberſetzung). Einen tiefſinnigeren wüßte ich nicht anzuführen.

2) Charakter des Preßrechts der ſtändiſchen Epoche.

(Kirchliches und Univerſitäts-Cenſurrecht.)

Das große Intereſſe, das ſich an dieſe erſte Geſtalt des Preßrechts knüpft, iſt allerdings ein hiſtoriſches; das Recht ſelber haben wir nicht mehr. Allein es hängt ſo innig mit dem geſammten Bildungsweſen der vergangenen Jahrhunderte zuſammen, und bildet ſo ſehr die Grund - lage der gegenwärtigen Rechtsbildung, daß wir es wenigſtens in ſeinem Charakter bezeichnen müſſen.

Derſelbe beruht darauf, daß wie das ganze übrige ſo auch das geiſtige Leben dieſer Zeit eine durchgreifend körperſchaftliche Geſtalt inStein, die Verwaltungslehre. VI. 798Gedanken, Kenntniſſen und Intereſſen annimmt. Das Individuum iſt noch unbedeutend; erſt das, was die Körperſchaft ſagt und thut, iſt eine öffentliche That. So wie daher überhaupt der Gedanke durch die Schrift zuerſt, dann in viel höherem Maße durch die Preſſe die Fähig - keit gewinnt, eine ſolche öffentliche That zu ſein, ſo nimmt auch die Körperſchaft das Recht in Anſpruch, daß die Gedanken und Worte des Einzelnen nicht als individuelle Meinung, ſondern als eine körperſchaft - liche Aeußerung betrachtet werden; denn ſie weiß, daß, ſo lange kein Widerſpruch von Seiten der Körperſchaft vorliegt, das Geſchriebene und Gedruckte in der ganzen übrigen Welt als ihre Gedanken gelten wird. Die einfache Folge davon iſt, daß die Körperſchaft, welche durch ihr Stillſchweigen für den Inhalt der Schrift und des Druckwerkes indirekt eintritt, das Recht beanſprucht, die Erlaubniß zur Veröffentlichung zu geben. Dieß Princip iſt die Grundlage des Preßrechts der ſtän - diſchen Epoche. Nur hat dieſelbe zwei weſentlich verſchiedene Formen, aus denen auch zwei weſentlich verſchiedene Geſtaltungen dieſes Preß - rechts hervorgehen.

Die erſte iſt die rein kirchliche. Die Kirche iſt die Körperſchaft, welche den poſitiven Glauben und ſeine Form, das Dogma vertritt. Für ſie iſt daher die Erlaubniß einer, aus ihrer Mitte hervorgehenden Druckſchrift etwas ſelbſtverſtändliches, nichts anders als eine einfache Anwendung des Grundſatzes, nach welchem überhaupt die Kirche nicht etwa eine Gemeinſchaft der Gläubigen überhaupt, ſondern die feſtge - ſchloſſene, mit allen Funktionen und Rechten der Religion ausſchließlich betraute Corporation des die ganze chriſtliche Welt umfaſſenden Prie - ſterthums iſt. Dieſer einfache Grundſatz aber ſpaltet ſich mit dem Auf - treten der evangeliſchen Kirche, deren Weſen zunächſt in der Aufhebung dieſer ſtändiſchen Scheidewand zwiſchen Prieſter und Gemeinde beſteht. Während die katholiſche Kirche daher jenes urſprüngliche Princip des kirchlichen Preßrechts unbedingt feſthält, verſchwindet daſſelbe eben ſo unbedingt mit der evangeliſchen, denn der evangeliſche Prediger iſt ein Staatsbürger, der katholiſche iſt ein Mitglied ſeiner Corporation. So war es gleich anfangs, und ſo iſt es geblieben. Aus jenem Princip ergab ſich dann als nächſte Conſequenz das Recht des kirchlichen Ver - botes der Druckwerke, das die evangeliſche Kirche gleichfalls natürlich nicht kennt. Lange Zeit hindurch war jenes Recht der erſtern ein öffentliches Recht in denjenigen Staaten und inſoweit die Staatsgewalt die kirchlichen Beſchlüſſe polizeilich ausführte. Als dieſes Verhältniß verſchwindet, bleibt das katholiſche Recht der Kirche bei dem alten Princip der Erlaubniß für die Publikationen des Clerus, und dem Rechte des Verbotes für die Geſammtheit der Gläubigen beſtehen,99 und fährt noch jetzt fort, in dieſer Weiſe theils in dem römiſchen Index, theils in einzelnen Manifeſtationen ſich geltend zu machen.

Die zweite große Körperſchaft iſt jedoch die Univerſität. Sie iſt, mag ſie ſonſt organiſirt ſein wie ſie will, die Trägerin des arbeitenden Gedankens. Sie umfaßt zwar in ihrer theologiſchen Facultät die Kirche und den Glauben, aber auch hier wird ſie dadurch nicht ein Glied der Körperſchaft des Prieſterthums. Sie kann daher ihrerſeits auf der Forderung einer Erlaubniß zur Herausgabe von Druckwerken gar nicht beſtehen; ſie kann eben ſo wenig zum Recht des Verbots ge - langen. Die Literatur, die aus den Univerſitäten hervorgeht, iſt daher gegenüber der kirchlichen grundſätzlich eine freie. Aber ſie iſt dennoch eine Körperſchaft. Sie gibt als ſolche nicht bloß eine gewiſſe Gewähr für die Wahrheit, ſondern ſie hat auch gewiſſe Rechte. Sie iſt dadurch das berufene Organ, unter Umſtänden eine Entſcheidung über geiſtige Arbeiten auszuſprechen, die von der mit ihnen entſtehenden Staats - gewalt gefordert wird; und ſie iſt es daher auch, welcher man das ausſchließliche Recht auf Druck und Verlag, wenigſtens in den Univerſitätsſtädten, einräumt. Das iſt es, was ihre Stellung in der Geſchichte des Preßrechts beſtimmt. Ihre Rechte ſind nicht aus ihrer Natur hervorgegangen, und daher auch weder in Inhalt noch in Um - fang gleich, ſondern ſie ſind Privilegien, namentlich das Privilegium der Druckerei, und an dieſes erſt knüpft ſich die eigentliche Cenſur, welche von Seiten der Univerſität ausgeübt wird. Aber eben deßwegen haben dieſe Rechte der Univerſitäten niemals eine große Rolle in der Geſchichte des Preßrechts geſpielt; ſie verſchwinden ſpurlos mit dem 18. Jahrhundert, und treten ſchon im 16. vor dem ſtaatlichen Preßrechte ganz in den Hintergrund. Man müßte das Preßrecht der Univerſitäten aus den Einzelrechten jeder Univerſität erſt zuſammenſtellen. Daß das - ſelbe gegenwärtig verſchwunden iſt, iſt nicht Folge eines Kampfes mit der Freiheit wie bei der ſtaatlichen Cenſur, ſondern der natürlichen Entwicklung der Dinge. Eine ſelbſtändige Ordnung des Preßrechts und der Preßpolizei iſt unter dieſen Verhältniſſen kaum denkbar, vielweniger eine objektive Scheidung des Geiſtes der Preſſe von dem Recht der ein - zelnen Ausdrücke derſelben. Das geſammte Preßrecht der ſtändiſchen Zeit, das corporative Preßrecht, hat daher nur einen hiſtoriſchen Werth; die eigentliche Entwicklung beginnt erſt mit der folgenden Epoche.

Wir glauben auf dieſen Theil der Geſchichte hier nicht weiter ein - gehen zu ſollen. Nur bemerken wir zu Hoffmanns Geſchichte der Cenſur (1819), daß es nicht richtig iſt, Cenſur und Preßrecht zu identificiren100 und die große Scheidung des polizeilichen von dem ſtändiſch corpora - tiven Preßrecht wegzulaſſen. Ebenſowenig genügt es, das Preßrecht bloß auf Bücher zu beſchränken. Uebrigens fehlt jede Geſchichte ſeit Hoffmann. Einen vortrefflichen Beitrag zu derſelben bilden übrigens, wenn auch mit ſpezieller Beziehung auf Oeſterreich, Wiesners oben - citirte Denkwürdigkeiten, ſpeciell das Verhältniß der Wiener Univerſität zu den Jeſuiten betreffend (S. 73): Die Dekane in der philoſophiſchen Abtheilung, auch der Vicedekan cenſirten die ihrer Fakultät gehörigen Schriften; andere geiſtige Produkte wurden von einem Profeſſor approbirt und die ertheilte Druckbewilligung von dem Univerſitätsrektor mit ſeiner Unterſchrift beſtätigt. Die Stellung der Staatswiſſenſchaft zur Preß - frage wie bei Juſti, Polizeiwiſſenſchaft IX. Buch §. 110, der die Ueber - laſſung der Cenſur an die Univerſitäten bereits bekämpft, iſt gleich - falls bei Hoffmann nicht hinreichend berückſichtigt. Ohne eine ſtrenge, auf das Weſen beider eingehende Unterſcheidung zwiſchen der kirchlichen und der Univerſitätscenſur iſt überhaupt dieſe ganze Epoche nicht richtig zu beurtheilen. Die Geſchichte der Cenſur in Belgien, namentlich die ſtrengen Cenſur-Edikte (Edikt vom 25. Juni 1729) bei Juste, Histoire de Belgique Vol. II. p. 319. Nach Philipps Kirchenrecht Bd. VI. §. 324 beginnt die kirchliche Cenſur als Erlaubniß und Verbot bereits im Jahr 496; das allgemeine Geſetz, nach welchem der Druck aller den Glauben betreffenden Schriften unter Androhung der Excommuni - kation von der Erlaubniß der Biſchöfe abhängig gemacht ward, iſt von Alexander VI. 1501; die Congregation des Index ſtammt von Sixtus V. (Geſchichte derſelben: Philipps §. 325 328).

3) Charakter und Epochen des polizeilichen Preßrechts.
a) Die Preßpolizei und ihr allgemeiner Charakter.

Das was wir das polizeiliche Preßrecht nennen, entſteht nun mit der neuen Staatsgewalt und dem Königthum, in dem jene ihren Aus - druck empfängt. Die Zeit deſſelben dauert vom Anfang des ſechzehnten Jahrhunderts bis zur Gegenwart, und ſeine Grundprincipien ſind noch immer nicht ganz überwunden. Es iſt daher nothwendig, abgeſehen von den einzelnen Rechtsbeſtimmungen, über das Objekt dieſes Rechts einig zu werden, und das iſt nur möglich, indem man auf die frühern Unterſcheidungen zurückgreift. Denn die geltenden Beſtimmungen um - faſſen ohne Unterſchied und ohne Bewußtſein deſſelben Straf -, Polizei - und Beſchränkungsrecht der Preſſe durch einander und erſt langſam löst ſich das letztere formell von dem erſten ab, obwohl die Elemente der101 Trennung ſchon im Beginne dieſer Epoche, ja in ihrem Weſen ſelber gegeben ſind.

Denn in der That iſt der Unterſchied in dem Princip dieſer ganzen Epoche von dem der ſtändiſchen ein weſentlicher, und die hiſtoriſche Ent - wicklung iſt zuletzt doch nur ein zur Geltungkommen dieſes Princips, gegenüber den Beſchränkungen, welche es erfahren hat.

Während nämlich das ſtändiſche Leben den Gedanken einer allge - meinen und gleichen Beſtimmung und Bildung nicht erfaßt, ſteht die neue Welt auf einem andern Standpunkt. Für die neue geſellſchaftliche Ordnung iſt die allgemeine Bildung des Volkes an und für ſich ein Theil ihrer Entwicklung ſelbſt. Sie fragt eigentlich gar nicht, ob ſie gut oder nicht gut iſt, ſondern ſie nimmt den Proceß, den jene hervor - bringt, als einen ganz ſelbſtverſtändlichen in ſich auf. Sie begrüßt da - her die Buchdruckerei ihrerſeits als einen mächtigen Hülfsgenoſſen; der tiefe Haß der Geiſtlichkeit gegen dieſelbe iſt ihr beinahe unverſtändlich; ſie tritt eben ſo unmittelbar ins Leben, wie in unſerer Zeit die Eiſen - bahnen und die Dampfmaſchine. Die Form, in der dieß geſchieht, iſt gleichfalls dem Weſen jener geſellſchaftlichen Entwicklung entſprechend. Sie iſt die des Gewerbes. Und dieß Gewerbe hatte noch dazu die Eigenthümlichkeit, die Geſtalt einer Zunft nicht recht zuzulaſſen, was daſſelbe vor ſtändiſcher Reaktion bewahrte. Die Buchdruckerei wird da - her gleich anfangs das große unwiderſtehliche Mittel für den Selbſt - bildungsproceß der jungen ſtaatsbürgerlichen Geſell - ſchaft. Von dieſem Standpunkt, von ihrem durchgreifenden Zuſammen - hang mit der Geſchichte des Bildungsweſens aus muß derſelbe vor allem betrachtet werden, und iſt ſie im Grunde auch betrachtet.

Ihrer Natur nach nun umfaßt die Buchdruckerei gleich vom Anfang an alle Gebiete des menſchlichen Denkens und erſcheint in allen Formen der Preſſe zugleich. Sie iſt zugleich Buch, Flugſchrift, Bild, Tages - preſſe. Sie beſchäftigt ſich mit dem Elementarunterricht, mit der Fach - wiſſenſchaft, mit der Unterhaltung, mit den höchſten geiſtigen und ſtaat - lichen Fragen. Sie iſt ſo gewaltig, daß ſie mit einemmale alles zu - gleich iſt und ihre große welthiſtoriſche Aufgabe auf allen Punkten zu - gleich beginnt.

Das nun iſt es, was die Stellung der neuen Staatsgewalt und das aus derſelben hervorgehende öffentliche Recht der Preſſe entſcheidet. Denn dieſe Rechtsbildung will ihrem ganzen Weſen nach den Fortſchritt der öffentlichen, allgemeinen Bildung; es fällt ihr daher gar nicht ein, den Entwicklungsgang der Preſſe an ſich zu hindern. Die Grundauf - faſſung der letztern iſt von Anfang an die eudämoniſtiſche. Allein gleich - zeitig zeigt ſich auch die Macht der Preſſe. Sie vermag es, nicht bloß102 Bildung zu verbreiten und Laſter und Thorheiten zu geißeln, ſondern ſie greift auch einzelne Perſönlichkeiten an und ſie erhebt ſich gegen die beſtehende ſtaatliche und kirchliche Ordnung. Das iſt nun der Punkt, auf welchem die Staatsgewalt zu der Frage kommt, ob ſie berufen ſei, der Preſſe entgegen zu treten. Das durchgreifende vormundſchaftliche Element, das in dem eudämoniſtiſchen Staatsweſen liegt, läßt die Ant - wort nicht zweifelhaft bleiben. So entſteht das, was dieſe ganze Epoche von Anfang an charakteriſirt und ſich in allen Erſcheinungen deſſelben wiederholt. Die Regierungen beginnen zu unterſcheiden zwiſchen der guten und der gefährlichen Preſſe. Die gute Preſſe iſt diejenige, welche die allgemeine Bildung verbreitet; die gefährliche Preſſe iſt die, welche das Beſtehende angreift. Und mit dieſer Unterſcheidung iſt die allgemeine Geſtalt des öffentlichen Rechts gegeben. Die erſte geht ihren Weg, frei und ungehindert von der Regierung und ihrem Eingreifen. Sie bedarf keiner Erlaubniß; es iſt die freie Arbeit des Individuums in der geiſtigen Welt, deren Träger ſie iſt; ja die Regierung fängt allmählig an, ſie zu befördern und zu unterſtützen. Die zweite dagegen iſt eine Gefahr. Die Regierung verfolgt ſie, verbietet ſie, vernichtet ſie, beſtraft ſie. Die erſte hat daher noch gar kein Recht, denn ſie iſt frei; nur die Druckerei als Gewerbe hat ihr Gewerberecht. Die zweite hat eigentlich auch kein Recht, weil ſie ganz der polizeilichen Gewalt der Regierung unterworfen iſt; ſie iſt gegenüber der letztern rechtlos. Der durchſtehende Charakter dieſer ganzen Epoche läßt ſich da - her in dem einfachen Satz zuſammenfaſſen, daß die als ungefährlich erkannte Preſſe eines Rechts nicht bedarf, wie der Gedanke, deſſen Aus - druck ſie iſt, während die gefährliche Preſſe kein Recht findet, wie ein Feind rechtlos iſt, den man bekämpft. Es iſt klar, worauf der Unter - ſchied des Preßrechts dieſer Epoche von dem der ſtändiſchen beruht: die Freiheit iſt ſchon Princip und die Beſchränkung iſt die Ausnahme; und das ändert ſich nicht dadurch, daß die letztere hart, ſtreng, verkehrt und willkürlich wird. Die Geſchichte des Preßrechts iſt damit ſchon die Ge - ſchichte dieſer Beſchränkung und ihres polizeilichen Rechts ge - worden; die Geſchichte derjenigen geſammten Preſſe, welche unter dieſe Beſchränkung nicht fällt, gehört von da an überhaupt nicht mehr dem Rechte, ſondern nur dem geiſtigen Leben.

Das, worauf es von jetzt an ankommt, iſt daher klar. Es iſt erſtlich das Princip, nach welchem die Regierung dasjenige, was ſie für gefähr - lich hält, beſtimmt und es von dem Ungefährlichen und damit freien Gebiete der Preſſe ſcheidet; und es iſt zweitens das Recht und Mittel, mit welchem dieſelbe die von ihr als öffentlich gefährlich beſtimmte Druck - ſache verfolgt. Das erſte iſt einfach und bleibt ſich für die ganze103 Epoche gleich; es iſt der Grundſatz des rein einſeitigen, von jeder ob - jektiven Regel freien Ermeſſens der regierenden Gewalt. Das zweite dagegen iſt nach den verſchiedenen Zeiten weſentlich verſchieden. Dieſe Verſchiedenheit iſt es, welche die drei Epochen dieſer Periode bildet, die wir am beſten mit bekannten Namen die des Prohibitiv -, des Prä - ventiv - und des Repreſſivſyſtems nennen. Gemeinſchaftlich iſt allen, daß der Geiſt der Preſſe von Inhalt und Form derſelben im Einzelnen nicht geſchieden iſt und daher die weſentliche Unterſcheidung von Straf - und Polizeirecht einerſeits, und vom Recht des Geiſtes der Preſſe andrer - ſeits nicht zum Bewußtſein und zur Erſcheinung kommt; verſchieden ſind ſie erſt in den Mitteln, mit denen ſie wirken. Jede von ihnen aber erzeugt wieder gewiſſe Sätze des Preßrechts, welche dauernd ſind; auf der Natur der Preſſe ſelbſt ruhend, bleiben ſie der jedesmal folgen - den Epoche und gehen in das Recht derſelben über. Man muß ſich daher die Sache nicht ſo denken, als ob ein tiefer, ſcharfer Abſchnitt in jenen drei Stadien unter einander, oder zwiſchen ihnen und der folgenden Zeit ſtattgefunden hätte. Im Gegentheil hat jedes folgende von dem frühern etwas in ſich aufgenommen und das gegenwärtige Recht muß daher als ein Ergebniß der geſammten vorhergehenden Geſchichte angeſehen werden.

Für die Verwaltungslehre muß es daher genügen, den Geiſt jener Epochen ſo beſtimmt als möglich zu charakteriſiren. Die Geſchichte hat das Einzelne hinzuzufügen.

b) Das Prohibitivſyſtem der Preßpolizei.

Wir bezeichnen die erſte Geſtalt des polizeilichen Preßrechts als das Prohibitivſyſtem. So hart und gewaltſam dieß Syſtem nun auch in einzelnen Gebieten des jungen geiſtigen Lebens, ſpeziell im kirch - lichen und politiſchen auftritt, ſo wäre es doch ſehr falſch, auch in ihm den Gegner der Preſſe an und für ſich zu finden. Der eine Grund - gedanke deſſelben war vielmehr, wie es die Natur der Sache mit ſich brachte, daß die Regierungen an ſich der Entwicklung des arbeitenden Geiſtes weder entgegen traten noch abhold waren. Am klarſten drückt vielleicht das Mandat von Karl VI. vom Jahr 1725 vom 23. Auguſt (bei Wiesner S. 95) den wahren Standpunkt dieſer Zeit aus. Es ſoll dahin gewirkt werden, daß die inländiſchen Druckereien, woran res literaria großen Antheil nehme, in Aufnahme gebracht, die Hervor - bringung guter und nützlicher Bücher gar nicht eingeſchränkt, ſondern vielmehr befördert werden. Verbotene Schriften und von Staatsſachen handelnde Bücher und Traktate ſollten genau unterſucht, wenn ein104 beſondrer Anſtand ſich äußere, ihretwegen bei Hof angefragt, Schmäh - ſchriften angehalten, nach Umſtänden confiscirt und hierüber nach Hof berichtet werden. Freilich dauerte es lange, ehe man ſich dieſe Unter - ſchiede genauer formulirte. Dagegen beginnt das polizeiliche Syſtem mit der Erkenntniß, daß die Preſſe an und für ſich eine große, ſelbſtändige und daher hoch beachtenswerthe Macht ſei, die eben deßhalb der neuen Polizei unbedingt zu unterſtehen habe. Dieß allgemeine Rechtsprincip ward zuerſt durch den Reichstagsabſchied vom 18. April 1524 ausgeſprochen, daß eine jede Obrigkeit bei ihren Druckereien und ſonſt allenthal - ben nothdürftig Einſehens haben ſolle, damit Schmähſchriften und Ge - mälde hinfürder gänzlich abgethan und nicht wieder ausgebreitet wür - den. Auf dieſer Grundlage organiſirt ſich nun ziemlich raſch die poli - zeiliche Thätigkeit und ihr Recht in Preßangelegenheiten. Die beiden großen allgemeinen Maßregeln, welche ſich aus dieſem allgemeinen Standpunkt entwickelten, waren erſtlich das Conceſſionsweſen für die An - lage von Druckereien, und zweitens das Recht des Verbotes für die zu druckenden Bücher. Das erſte erſchien bei dem damaligen Gewerberecht ſelbſtverſtändlich; das zweite wird im Reichstagsabſchied vom 22. April 1529 (§. 9) ausdrücklich beſtimmt: Alles was weiter Neues gedruckt oder feilgehabt werden ſoll, ſoll zuvor einer von jeder Obrigkeit dazu verordneten verſtändigen Perſon unterbreitet und ſo darin Mangel be - funden wird, Druck und Verkauf nicht zugelaſſen werden. Das war nun Reichsrecht; aber jeder Landesherr faßte dieſen Grundſatz in ſeiner Weiſe auf, und man gelangte hier wie auf allen andern Gebieten bald dahin, das Bücherregal als ein eigenes öffentliches Recht aufzuſtellen. Dieſem Regal ging es in Beziehung auf ſeinen formellen juriſtiſchen In - halt wie jedem andern. Die leitenden Grundſätze wurden theils durch die Reichstagsabſchiede, theils durch die Literatur des entſtehenden wiſſen - ſchaftlichen Staatsrechts feſtgeſtellt; die Ausführung und Anwendung blieb der territorialen Gewalt. Was den erſten Punkt betrifft, ſo ge - langte man bald zu gewiſſen Vorſchriften, welche noch heute beſtehen und zum Theil ſtets beſtehen werden. Schon der Reichstagsabſchied von 1530, §. 58, forderte die Angabe des Druckers und Druckortes ( Des Truckers Name und Zunahme, auch die Stadt, darin ſolches getruckt mit nämlichen Worten darin geſetzt ); zugleich wird ein eigenes Preßſtrafrecht aufgeſtellt, jedoch hatte daſſelbe noch den rohen Charakter einer rein polizeilichen Strafe nach Gelegenheit an Leib und Gut. Die Reichspolizeiordnung von 1548, Tit. 334 ſchärfte und beſtimmte dieſe Strafen und dehnte ſie aus auf alle, welche ſolche, ohne Erlaubniß gedruckten oder ſonſt verbotenen Bücher ſchmähligs, paßquilliſcher oder andrer Weiß verkaufen, kaufen oder behalten . Die Strafe gegen105 die Drucker war nach Edikt vom 30. Juli 1548 beim Druck unerlaubter Bücher Verluſt der Conceſſion (Niederlegung ihres Gewerbes) und 500 Gulden Gold (Wiesner a. a. O. S. 50). Ebenſo wird hier wir glauben zuerſt der Verfaſſer geſetzlich verfolgt. Das Princip der Conceſſion der Druckerei wird dann weiter ausgeführt im Reichstags - abſchied von 1570, §. 155; die Abgabe von Pflichtexemplaren durch kaiſerliches Patent vom 15. März 1608 vorgeſchrieben (war das allgemein anerkannt?). Die Ausführung dieſer Vorſchriften blieb den Territorial - herren, und das wirklich geltende Preßrecht war daher bei aller Gleich - artigkeit des Princips doch in den einzelnen Ländern ſehr verſchieden. Auf dieſem Gebiete griff natürlich die religiöſe Frage in entſcheidender Weiſe ein; der Kampf gegen die Preſſe erſcheint im ſechzehnten Jahr - hundert ganz, und im ſiebenzehnten Jahrhundert vorwiegend als ein Kampf der verſchiedenen kirchlichen Ordnungen gegen den antidogma - tiſchen Geiſt der Preſſe; das Preßrecht iſt faktiſch nur ein Verbot und Verfolgungsrecht gegen die einer Confeſſion feindlichen Schriften; die ganze übrige Preſſe iſt noch faktiſch frei. Allein mit dem Auf - treten der eigentlichen Polizeiherrſchaft, die auf dem Principe des abſo - luten Königthums beruhte und ſich im achtzehnten Jahrhundert als Günſtlingsherrſchaft äußert, tritt nun der Angriff gegen dieſe Mißver - waltung hinzu. Noch beſchäftigt ſich die Preſſe nicht mit der Ver - faſſungsfrage; noch handelt es ſich daher gar nicht um einen Geiſt der Preſſe. Wohl aber ſchafft ſich der Druck, der auf dem Volke ruht, in perſönlichen Angriffen auf die Regierenden Luft. Montesquieu iſt auch hier der Mann, der den Charakter ſeiner Zeit am klarſten verſteht. L’aristocratie est le gouvernement qui proscrit le plus les ouvrages satiriques. Les magistrats y sont de petits souverains, qui ne sont pas assez grands pour mépriser les injures un seigneur en est percé de part en part. L. XII. Chap. 13. Daher entſteht ein neues ſtrenges Preßrecht; es iſt das der Pasquills und Schmähſchriften. Dieß Recht iſt in England als Recht der Libels am ſtrengſten und formell - ſten ausgebildet (ſ. unter England) und bildet noch jetzt die Grundform ſeines Preßrechts. In Deutſchland geht es ſofort in das Criminalrecht über; doch bildet es damals faſt den einzigen Geſichtspunkt, von dem aus die Idee einer Gefahr, die in der Preſſe liegen könne, entſteht (Sonnenfels, Grundſ. der Polizei §. 152). Die Feindſchaft zwiſchen den einzelnen Reichsſtänden ließ dieſe Pasquille häufig entſtehen. Dieß Verhältniß gab zu ernſtem Streit zwiſchen Kaiſer und Reich Anlaß; daran ſchloß ſich die ſtaatsrechtliche Literatur; Hauptſammlung Gerſt - lacher, Handbuch der teutſchen Reichsgeſetze B. IX. S. 1188 ff. Moſer, Landeshoheit in Polizeiſachen; ſpeciell über das kaiſerliche Bücher -106 commiſſariat in Leipzig: Ludwig. Vom kaiſerlichen Generalſuperinten - denten aller Buchdrucker des römiſchen Reiches 1740. Literatur bei Pütter (Literatur des Staatsrechts III. S. 593). Mit welcher rückſichtsloſen Gewalt und wie ſyſtematiſch die Jeſuiten in Oeſterreich die Bücher reli - giöſen Inhalts verfolgten: Wiesner a. a. O.; die Grundauffaſſung über das Recht blieb aber (Berg, Polizeirecht II. S. 353, 359). Das waren die Grundzüge des Zuſtandes. Der Geiſt des damaligen Rechts hat ſich auch in der zweiten Epoche erhalten. Die Grundſätze ſind im Großen und Ganzen: Freiheit der Preſſe für alles, was nicht den Staat und die Religion betrifft; Recht der Polizei, die Bücher zu er - lauben und zu verbieten; Mittel: Conceſſion, Angabe des Druckers, Pflichtexemplar; Strafrecht: rein polizeilich, meiſt ohne geſetzliche Gränze; Beſchlagnahme, Vernichtung, Verbrennung der Exemplare; polizeiliche Aufhebung der Druckereiconceſſion nebſt Strafe gegen den Drucker; die ſpezielle Bezeichnung der unſittlichen Druckwerke iſt ſchon vorhanden, ſo wie die der Schmähſchriften, auch des Druckes und der Bilder ( Gedrucktes oder Gemähletes ); aber von einem Unterſchied des einzelnen Satzes und des Geiſtes der Druckwerke, alſo von einem be - ſondern Rechte des letztern iſt noch gar keine Rede. Es giebt daher zwar den Namen der Cenſur, aber ſie geht noch nicht auf die einzelnen Theile des Inhalts, ſondern auf das ganze Werk; und das Haupt - mittel iſt nicht die Streichung einzelner Theile, ſondern das Verbot des Ganzen. Die Rechtsfolgen endlich ſind kein peinliches Recht, obwohl die Strafen peinlich ſein können, ſondern ſie ſind ein Theil des Poli - zeirechts und daher ganz dem Ermeſſen der Polizei der Obrigkeit überlaſſen; ſie ſind in kein Strafgeſetzbuch übergegangen; das Verfahren iſt daher auch kein gerichtliches, ſondern ein polizeiliches; die Auffaſſung des Preßrechts iſt daher gut, aber eudämoniſtiſch, die Freiheit eng be - gränzt, aber vorhanden, die Durchführung willkürlich, zufällig, ohne feſte Ordnung. Das Ganze iſt daher kein Recht, ſondern eine Polizei. Und das entſcheidet für die folgende Epoche.

c) Das Präventivſyſtem.

Hält man nun für den Begriff des Preßrechts den Kern der früheren Zeit feſt, ſo iſt das Präventivſyſtem leicht verſtändlich. Es iſt die Anwendung der obigen Grundſätze ſtatt auf Werke im Ganzen vielmehr auf die einzelnen Aeußerungen derſelben. Die Form, in der die Preßpolizei gegen die letzteren kämpft, iſt die eigentliche Cenſur; die Aufgabe und das Recht der Preßpolizeibehörde: mit dem Geiſte der Druckwerke in ihren einzelnen Aeußerungen einen Kampf zu beginnen,107 indem man neben dem allgemeinen Recht des Verbotes das beſondere aufſtellt, einzelne Theile und Ausdrücke eines geiſtigen Werkes zu unterdrücken, und den Reſt zu erlauben. Mit dem letztern ent - ſteht das eigentliche Cenſurweſen. Daſſelbe erſcheint nun in einer Maſſe einzelner Verordnungen und Maßregeln, die aber mehr und mehr ſo ſehr ins Kleinliche fallen, daß es nicht der Mühe werth erſcheint, dieſelben auch nur der Geſchichte zu überliefern. In der frühern Epoche waren noch gewaltige, die ganze geiſtige Welt um - faſſende Bewegungen einander gegenüber getreten, und man hatte daher zu gewaltigen, das ganze Gebiet der geiſtigen Arbeit umfaſſenden, freilich auch die Rechte des Geiſtes tief erſchütternden Mitteln gegriffen. So war trotz aller Unfreiheit in dieſer Richtung der Polizei doch etwas Großartiges in dieſem Kampfe jener zwei Gewalten. Auch handelte es ſich dabei ſtets um wirklich geiſtige Arbeiten, nicht um einzelne Auf - wallungen, Sätze oder Anſichten. Noch waren die Bücher die wahren Träger des geiſtigen Lebens; noch war ihr Einfluß für die ganze öffentliche Auffaſſung der Dinge entſcheidend; noch waren ſie es allein, welche die höhere, allgemeine Bildung auch in das Volk hineintrugen. Gegen ſie kämpfte das Prohibitivſyſtem des Verbots; gegen das letztere erhob ſich der Geiſt, der ſich in ſeiner Arbeit nicht beſchränken laſſen will, die Wiſſenſchaft, die ſich nicht zerſtückeln läßt, die Bildung, die aus dem Buche ſtets mehr Arbeit als Einzelergebniſſe zieht. Das aber, was in ſo großen Dingen immer den tieferen Widerſpruch erzeugt, das rein ſubjektive, frivole Element kann in dem Buche wenig Raum gewinnen, wenig Wirkung thun; auch kann das Buch dem Buche ent - gegentreten; der Kampf gegen das Buch hat den Charakter eines ernſten, tiefgehenden, dauernde Erfolge hinterlaſſenen Kampfes. Aber jetzt entſteht neben dem Buche die Tagespreſſe. Auch ſie ergreift all - mählig keineswegs im Anfange die großen Fragen des geiſtigen Lebens; aber ſie ergreift ſie in der Geſtalt der Einzelmeinung, welche den Anſpruch macht, allgemein zu ſein, und doch nicht den Raum hat, eine Arbeit zu liefern. Sie giebt nur Reſultate; ſie tritt auf mit fertigen Ergebniſſen; ſie beſteht aus lauter Einzelſätzen. Sie iſt ein ganz anderes Element als das Buch; aber dennoch iſt ſie durch die ganze große Bewegung der Geiſter getragen und trägt ſie wieder. Ihre Richtung geht daher auch natürlich auf das Nächſte, Verſtänd - lichſte, Faßbarſte. Das iſt der Gedanke der Betheiligung des Volkes an öffentlichen Dingen, die tägliche Arbeit, durch die Tagespreſſe täglich in das Volk hineingetragen. Was hilft da Conceſſion, Pflicht - exemplar, einzelnes Verbot? Wenn ich heute verbiete, was wird morgen in der Zeitung ſtehen? Das tägliche Aufquellen des öffent -108 lichen Gedankens iſt es, was unwiderſtehlich, unermüdet, täglich aufs Neue gefordert, täglich erläuternd, allgegenwärtig daſteht. Die Arbeit der Polizei wird damit fortgeriſſen in dieſes tägliche Geiſtesleben; es gilt einen Verſuch, das Prohibitivſyſtem an das Einzelne zu legen. Das iſt die eigentliche Cenſur. Und hier iſt es, wo ſich die mächtige Arbeit der Polizei zerſplittert, zerfährt, in Zufall, Willkür, Unver - ſtand ihrer einzelnen Organe auflöst, um ſo mehr, als ihnen auch das Buch, das Schauſpiel, die Zeitſchrift, das Bild überantwortet iſt. Und was ſoll eigentlich dieſe Präventivpolizei mit ihrer Cenſur? Soll ſie im Grunde den einzelnen Ausdruck verfolgen? Nein, ſie ſoll doch zuletzt in dem einzelnen Ausdrucke den Geiſt des Druckwerkes treffen. Sie hat die unlösbare Aufgabe, nicht mehr über den Geiſt als ſolchen, ſondern über den Punkt in Wort und Satz zu entſcheiden, wo die Gränze des Geiſtes iſt; und ſie hat die Löſung dieſer Aufgabe mit ungeeigneten Mitteln zu erzielen. Sie beruht auf dem tiefen Irrthum, daß die Preſſe erſt die Partei bilde, ſtatt daß ſie aus ihr hervorgeht. Sie iſt der unlösbare Widerſpruch, durch das Streichen jeder einzelnen Stelle im Einzelnen zu negiren, was ſie im Ganzen zugibt, das Recht auf Theilnahme des Volkes an öffentlichen Angelegenheiten. Zwar gibt ſie allmählig das Buch auf; Werke über zwanzig Bogen werden cenſurfrei; aber in dem Zeitungsweſen arbeitet ſie mit um ſo größerer Hartnäckigkeit. So erhebt ſich endlich der allgemeine Unwille; neben ihm das Bewußtſein der juriſtiſchen Unmöglichkeit, durch das Verbot oder das Streichen einzelner Sätze jede Haftung für Druck und Verlag auf den Cenſor zu wälzen; der Unmuth ſteigt; er bricht aus in Spott und Hohn über ein Princip, das, einſt in furchtbar ernſter Geſtalt daſtehend, jetzt in dem einzelnen Cenſor kleinlich, in den einzelnen Akten deſſelben kläglich, im Ganzen nutzlos iſt; und der erſte Stoß, der das bisherige Syſtem trifft, vernichtet die Cenſur und den Cenſor; aber freilich nicht die Frage, ob denn nun mit dieſer Form der Preßpolizei das alte Princip der Preßpolizei ſelbſt definitiv beſeitigt iſt.

Es iſt für das geſammte öffentliche Leben Deutſchlands wohl ſehr bezeichnend, daß das deutſche Volk allein unter den Kulturvölkern die Cenſur ertrug, während Frankreich lieber eine Revolution machte, als ihre Einführung duldete. Aber jene Möglichkeit, die Cenſur in Deutſch - land zu erhalten, war im Grunde nichts anderes als die Unmöglichkeit, zu einer einheitlichen Volksvertretung zu kommen. Die Cenſur ſelbſt zog ihre Kreiſe enger und enger, ſie ſollte zuletzt nur noch dasjenige in der Preſſe verhindern, um deſſentwillen man keine Volksvertretung109 wollte: Die Erlaubniß, über alles Oeffentliche ſeine Meinung zu ſagen und die Mängel der Staatsverfaſſung und der Geſetzgebung ins hellſte Licht zu ſetzen (Jacob, Polizeiwiſſenſchaft Bd. I. S. 322). Die Auffaſſung der Preßfreiheit war daher auch jetzt noch mannigfach beſchränkt; man dachte ſich dieſelbe hauptſächlich als Mittel gegen Miß - bräuche (Mohl, Polizeiwiſſenſchaft Bd. I. S. 126). Wie lächerlich die Cenſur werden kann, zeigte in concreteſter Weiſe Wiesner a. a. O.; ja es wurden ſogar Möbelſtoffe und Cattune der Cenſur unterzogen (S. 382). Es war aber das Ganze bereits im Abſterben begriffen.

d) Das Repreſſivſyſtem.

Man kann im Allgemeinen ſagen, daß das Verſtändniß des - jenigen Syſtems, welches man nicht ohne Grund das Repreſſivſyſtem genannt hat, das Kriterium für die Klarheit über das ganze Preßrecht bildet. Auch hier aber zeigt es ſich, daß überhaupt das Preßrecht ohne ſein natürliches Corollarium, die Volksvertretung und ihr Recht, gar nicht erklärt werden kann. Eben in dieſem Sinne bildet das Preßrecht auch hier einen ſo weſentlichen Theil der inneren Geſchichte der Staaten.

Als die Revolutionen des Jahres 1848 eintraten, ſchien auf den erſten Blick eine große Thatſache feſtgeſtellt. Es war die des Rechts der Volksvertretungen im weiteſten Sinne des Wortes. War durch ſeine Vertreter das Volk einmal in voller Ausübung ſeiner Rechte, ſo war es natürlich, daß ſeine politiſchen Anſchauungen, Wünſche und Kämpfe wie auch eben durch dieſe Vertretungen zur Geltung kommen mußten. Geſchah das, ſo folgte der entſcheidende Satz, daß nunmehr auch die Preſſe gegenüber dem in der Geſammtheit ſeiner Vertreter auftretenden Volke erſt in zweiter Reihe zur Geltung kommen könnte. Daraus aber folgte, daß es gar keinen vernünftigen Grund mehr haben konnte, auf das eigentlich wirkende Element der Preſſe, den Geiſt oder die Tendenz derſelben, einen beſtimmenden Einfluß zu nehmen; ja ein ſolcher wäre geradezu ein Widerſpruch mit dem großen Grundprincip der Verfaſſungsmäßigkeit geweſen. Dazu kam dann der Haß, ja die Verachtung gegen das Präventivſyſtem. Beides zuſammenwirkend er - zeugte daher in Frankreich wie in Deutſchland im erſten Augenblick die Forderung der unbedingten Preßfreiheit. Der Sinn derſelben war die Beiſeitigung nicht bloß der Maßregeln der Polizei gegen den Geiſt der Preſſe, ſondern der preßpolizeilichen Maßregeln überhaupt: Die Preßfreiheit darf unter keinen Umſtänden und in keiner Weiſe durch vorbeugende Maßregeln, namentlich Cenſur, Conceſſionen, Sicherheits - beſtellungen, Staatsauflagen, Beſchränkungen der Druckereien oder des110 Buchhandels, Poſtverbote oder andere Hemmungen des freien Verkehrs beſchränkt, ſuspendirt oder aufgehoben werden (deutſche Grundrechte), was in einige deutſche Verfaſſungen überging. Das war die erſte Auffaſſung des Preßrechts der neuen Epoche.

Offenbar war dieſe Auffaſſung eine undurchführbare. Jeder Ver - ſtändige mußte ſich ſagen, daß eine Preſſe ohne alles Recht undenkbar ſei. Welches dieß Recht nun ſein ſolle, war allerdings zweifelhaft; nur Eins ſtand feſt, daß es nämlich von jetzt an ſtatt eines verordnungs - mäßigen ein geſetzmäßiges ſein müſſe. Darüber ward man auch bei den Regierungen einig, und die Verfaſſungen ſprachen dieſen Grund - ſatz aus (preußiſche Verfaſſung Art. 23, bayeriſche Preßordnung vom 4. Juni 1848). Die Frage aber war jetzt, welche Beſtimmungen dieſe Geſetze enthalten und welche Momente alle dieſe Beſtimmungen ent - ſcheiden würden.

Vielleicht nun wäre bereits im Jahre 1848 der definitive Schritt zur Aufſtellung eines freien Preßrechts feſtgehalten worden, wenn nicht aus bekannten hiſtoriſchen Gründen die Volksvertretungen durch den Rückſchlag, den jede Revolution mit ſich bringt, vielfach direkt oder indirekt von ihrer Berechtigung in öffentlichen Dingen wieder entfernt worden wären, und wenn andererſeits das noch immer nicht nüchterne Freiheitsbewußtſein verſtanden hätte, Maß zu halten. Beides war nicht der Fall. Das erſte nun warf das Volk, dem die Freiheit der Bewegung in ſeinen Vertretungskörpern beſchränkt war, auf die Preſſe als das große, jenes Bedürfniß erfüllende Organ zurück; das zweite gab ihr eine vielfach geradezu feindliche Stellung zu den herrſchenden Syſtemen. Ein Kampf gegen die Preſſe von Seiten der letzteren war daher an und für ſich unvermeidlich. Das neue Preßrecht hatte über - haupt die Aufgabe, ein neues Straf - und Polizeirecht der Preſſe zu formuliren; die tiefgehende Feindſeligkeit der Gegenſätze, die gleich nach 1848 wieder auftrat, erzeugte das natürliche Beſtreben, neben den ein - zelnen Ausdrücken wiederum den Geiſt der Preſſe zum Gegenſtand des öffentlichen Rechts zu machen. Und das war es nun, was dieſem letzteren ſeinen Charakter gab.

Denn jene Freiheit des Journalismus hatte in demſelben etwas erzeugt, was dieſes Etwas, das wir den Geiſt der Preſſe nennen, in einer viel concreteren, faßbareren Form als bisher erſcheinen ließ. Das war dasjenige, was wir die politiſche Individualität jedes einzel - nen Journals nennen möchten. Seit 1848 hatte das öffentliche Be - wußtſein ſich in große, ziemlich beſtimmt auftretende Parteien geſpalten. Dem mußte die Tagespreſſe Rechnung tragen. Das einzelne Journal konnte nicht mehr im Allgemeinen reden, wie früher. Es mußte eine111 beſtimmte Auffaſſung vertreten, das Organ einer beſtimmten Partei werden. Die Geltung jedes Journals im Publikum beruhte darauf, daß es negativ jede ihm fremde Anſchauung von ſich abwies, und poſitiv das ihm Entſprechende mit äußerſter Conſequenz verfolgte. Das individuelle Element der ſubjektiven Anſchauung verſchwand; es gab im Journalismus keinen einzelnen Mitarbeiter mehr. Jetzt ſchien es einen Sinn zu haben, wenn man dachte, daß dieſelbe Parteien bilden könne, ſtatt daß ſie aus denſelben hervorgehen. Das öffentliche Leben war weit genug, um dem rein Individuellen keine Macht mehr über ſich einzu - räumen. Der große Proceß war vollendet, der das Individuum in die arbeitende Wiſſenſchaft verwies, in der Tagespreſſe dagegen ein inner - lich und äußerlich fertiges Ganze, gleichſam eine tägliche That ſuchte und finden mußte. Und dieß in ſich fertige, einſeitige, aber abge - ſchloſſene Ganze, dieſe Individualität der Gemeinſchaft von Mitarbeitern und Leſern eines beſtimmten Journals, dieſe innere Einheit, dieſes jeden Artikel und jede Mittheilung beherrſchende Element der Zeitung war nun eben nichts anderes, als der jetzt ſelbſtändig wirkende Geiſt derſelben; was bisher von den Druckwerken ſchwer oder gar nicht trennbar geweſen, ward jetzt eine klare, unzweifelhafte öffentliche That - ſache, ja ein Recht. Damit denn ſchien nun dasjenige gefunden, was die Grundlage des Rechts der freien Preſſe ſein mußte, das Objekt der - ſelben, und an ihm beſtimmte ſich nun das Recht derſelben.

Offenbar lag es nämlich in den gegebenen politiſchen Verhältniſſen, daß die Tagespreſſe gerade vermöge dieſes ihres Geiſtes ſich entſchieden gegen die Richtung der Regierung wendete, welche die Berechtigung der Volksvertretung auf ein geringſtes Maß zurückgeführt hatte. Dieſer Richtung mußte nicht etwa der einzelne Artikel, ſondern die Geſammt - tendenz derſelben als ihr wahrer Feind erſcheinen. Es war dieſer Ten - denz ſehr leicht, das Verletzende in den einzelnen Aufſätzen zu ver - meiden, und jedem Anlaß zu ſtrafbarer oder polizeilicher Verfolgung aus dem Wege zu gehen, ohne im Geringſten die politiſche Wirkung zu beeinträchtigen. Von dieſer Ueberzeugung waren beide Theile durch - drungen; jener Geiſt der einzelnen Journale war wirklich eine aner - kannte Thatſache, obgleich man ſie juriſtiſch nicht formulirte; daß der Kampf gegen ihn und nur in zweiter Reihe gegen einzelne Ausdrücke gehen müſſe, war klar; die große Frage war nur die, in welcher Weiſe dieß möglich ſei, ohne geradezu die Freiheit der Preſſe aufzuheben. Und hier war es nun, wo ein gleichfalls im Journalismus dieſer Zeit liegendes Element der Sache Form und Inhalt gab.

Durch den gewaltigen Umfang, den die öffentliche Bewegung an - genommen hatte, war der Bedarf von Tagesblättern in einer unglaublichen112 Weiſe geſtiegen. Die höhere politiſche Bildung hatte dieſen Bedarf zu einem feſten gemacht; die halbe oder ganze Beſeitigung der Volks - vertretung hatte die Tagesblätter unwiderſtehlich an die Stelle der erſteren geſchoben. Es gehörte daher jetzt einerſeits viel Kapital dazu, ein Tagesblatt von Bedeutung zu gründen, und es ward anderer - ſeits eine öffentliche Funktion, ſich an demſelben zu betheiligen. Das erſte machte jedes Tagesblatt zu einem großartigen wirthſchaftlichen Unternehmen und knüpfte allmählig eine Reihe von literariſchen Exiſtenzen an daſſelbe; das zweite gab den letzteren eine öffentliche Ehre, die zum nicht geringen Theil auf der Gefahr beruhte, welche den Journaliſten bedrohte. So ward aus der Geſammtheit der letzteren ein Stand, der ſeine Stellung, ſeine Standesehre, ſeine Adepten, ſeine Häupter, ſein Recht hatte. Unter einer freien Volksvertretung wäre das in dieſer Weiſe nicht möglich geworden, wie es in England nicht der Fall iſt; ſo aber kam es faſt von ſelbſt und wird ſich ſtets wiederholen, wo eine berechtigte Volksvertretung mangelt. Aber damit war auch der Punkt gegeben, wo die Regierung durch die Geſetzgebung ihren Einfluß auf die Preſſe gewinnen konnte. Das Princip bildete ſich dafür leicht und ſicher aus. Man mußte durch die wirthſchaftliche Gefähr - dung des Unternehmens eines Tagblattes ſtatt der früheren Cenſur den einzelnen Redakteur und Schriftſteller zu ſeinem eigenen Cenſor machen. Dieß iſt das eigentliche Weſen des Repreſſivſyſtems. Sein großes Princip iſt, den Geiſt der Tagespreſſe abhängig zu machen, indem es die Intereſſen abhängig macht. Sein großes Mittel iſt nicht die Bedrohung der Perſon mit Straf - und Polizeirecht, ſondern die Bedrohung der Unternehmung, die im Tagesblatt liegt. Es iſt eine neue, eigenthümliche, und doch im Grunde uralte, weil rein menſchliche Form des Kampfes mit dem Geiſte des öffentlichen Lebens. Der letztere iſt da, als ſelbſtändige, unverkennbare, das Einzelne beherrſchende Thatſache; aber er iſt zugleich da mit ſeiner verwundbaren Seite, dem Intereſſe derer, die ihn ausſprechen und vertreten; und das, worauf es jetzt ankommt, iſt, das neue geſetzliche Recht der Preſſe ſo zu formu - liren, daß es, in klarer Form, eben dieß Intereſſe in die Hand der Regierung gibt. Und aus dieſem Streben iſt nun die Geſammtheit von preßrechtlichen Beſtimmungen hervorgegangen, welche eben das Syſtem des Repreſſivrechts bilden.

Dieß Syſtem wird nun, im Anſchluß an das Obige, leicht in ſeinem juriſtiſchen und polizeilichen Kern zu beſtimmen ſein. An den - ſelben, wenn er einmal feſtſteht, ſchließen ſich dann leicht die einzelnen ausführenden Beſtimmungen an.

Die Grundlage dieſes Syſtems iſt wie geſagt der Gedanke, daß113 jener Geiſt der Tagespreſſe, ſpeciell der der einzelnen Publikationen und Journale, nicht bloß an und für eine ſelbſtändige Thatſache ſei, ſondern auch in einem ſo gefährlichen Widerſpruch mit der Rechts - ordnung ſtehen kann, daß man ihn als ſolchen ſtrafrechtlich müſſe verfolgen können. In dieſem Widerſpruch nun findet die Preßgeſetz - gebung des Repreſſivſyſtems das, was wir jetzt das Preßvergehen nennen. Auf dieſem Begriffe ruht das ganze Repreſſivſyſtem; es iſt der ſpecifiſche Kern deſſelben; von ihm aus gehen alle einzelnen Conſe - quenzen des letzteren, und an ihm gewinnen daher die drei Grund - begriffe des Preßrechts, die Preßfreiheit, das Strafrecht und die Polizei ihren ſpecifiſchen Inhalt.

1) Der Begriff der Preßfreiheit gewinnt unter dem Repreſſiv - ſyſtem zuerſt eine neue Bedeutung. Wie dieſelbe unter dem Präventiv - ſyſtem weſentlich nur in der Negation der Cenſur erſcheint, ſo iſt ſie jetzt noch keineswegs die wahre Preßfreiheit, ſondern ſie bedeutet das Daſein eines Preßgeſetzes und die gerichtliche Verfolgung und Vollziehung der in demſelben enthaltenen einzelnen Beſtimmungen. Sie erſcheint daher auch jetzt weſentlich nur als Negation des Admini - ſtrativverfahrens und als Anerkennung der ausſchließlichen Gültigkeit des geſetzlichen Rechtes. Frei iſt eine Preſſe, die unter einem Geſetze ſteht, ſtatt unter der Polizei und ihren Verordnungen. Dieſe Forde - rung iſt anerkannt. Will daher jetzt die Regierung auf den Geiſt der Preſſe einwirken, ſo muß ſie jenes Erfaſſen der Intereſſen, und mit demſelben den Kampf gegen den Geiſt nun auch geſetzlich formuliren.

2) So entſteht nun der Verſuch, für den Geiſt der Preſſe die erſte Bedingung jeder gerichtlichen, kriminellen Verfolgung, die Natur eines objektiven Thatbeſtandes geſetzlich herzuſtellen und ſomit jenes eigentliche Preßverbrechen und - Vergehen zu formuliren, für welches das Druckwerk nicht mehr, wie bei Injurien u. ſ. w., Mittel und Beweis, ſondern der ſelbſtändige Thatbeſtand ſein ſoll. Dieß nun geſchah, indem man neben die Verbrechen und Vergehen, die durch das Druckwerk in ſeinen einzelnen Ausdrücken vollbracht werden können, ganz allgemein die Aufreizung zu Haß und Verachtung des beſtehenden Rechts hinſtellte. Haß und Verachtung des Beſtehenden können nun in jedem Druckwerke direkt ausgeſprochen ſein, und mithin als ein - zelne Sätze unzweifelhaft dem ſtrafrechtlichen Verfahren unterzogen werden; daß ſie in dieſem Falle Vergehen ſind, iſt gar nicht zweifel - haft und die Funktion des Gerichts beruht hier auf der Frage, ob der betreffende Satz thatſächlich einen Ausſpruch des Haſſes oder der Ver - achtung enthalte. Allein ſie können auch, je nach der Auffaſſung der Leſer, als bloße Conſequenzen des Inhalts erſcheinen. Das erſtere iſtStein, die Verwaltungslehre. VI. 8114nicht das eigentliche Preßvergehen, ſondern ein durch die Preſſe be - gangenes Verbrechen. Erſt da, wo der Inhalt wegen ſeiner möglichen Conſequenz als ein wirkliches Vergehen geſetzlich als verbrecheriſch aner - kannt wird, beginnt das eigentliche Preßverbrechen. Und das war es, was nach franzöſiſchem Vorgange der Bundesbeſchluß von 1854 aner - kannte. In ihm gipfelt daher das ganze Repreſſivſyſtem; die weiteren Anwendungen waren verhältnißmäßig einfach. Denn es iſt klar, daß Haß und Verachtung hier als Schlußfolgerungen aus dem Inhalt auf - gefaßt werden und daß mithin neben dem Ausdruck der Geiſt des Druck - werkes ſelbſt der Thatbeſtand eines Verbrechens ſein ſoll. Der juriſtiſche Widerſpruch, der darin liegt, iſt ſchon früher bezeichnet. Um ſeinet - willen hat auch die peinliche Geſetzgebung dieſes Preßſtrafrecht nicht in ſich aufgenommen, und das hat es ferner auch gehindert, daß die juriſtiſche Frage, in wie fern die Begehungsform durch das Mittel der Drucklegung und Verbreitung bei Vergehen des Gedankens, wie Be - leidigungen, Hochverrath und Majeſtätsverbrechen, Unſittlichkeiten, Ver - leitung zu Verbrechen u. ſ. w. eine ſelbſtändige Straferſchwerung für jene Verbrechen enthalten müſſe, von der ſtrafrechtlichen Literatur unter - ſucht wurde. Der Verwaltungslehre muß es genügen, auf dieſen Mangel der letzteren hinzuweiſen.

3) So wie nun dieß ſpecifiſche Preßvergehen des Repreſſivſyſtems einmal feſtſtand, ſo kam es darauf an, nicht bloß überhaupt eine Strafe dafür zu beſtimmen, ſondern ſie ſo einzurichten, daß ſie durch ihren Inhalt ihren Zweck, die Beſeitigung nicht etwa einzelner rechtsverletzender Ausdrücke, ſondern des gefährdenden Geiſtes der Druckwerke, auch wirk - lich erreiche. Und hier erſcheint nun das dritte Moment, welches das Repreſſivſyſtem charakteriſirt. Da bei jenen eigentlichen Preßvergehen im Sinne des Repreſſivſyſtems das Subjekt nicht mehr der Schrift - ſteller, der Verfaſſer des einzelnen Aufſatzes, ſondern wie oben be - zeichnet, das journaliſtiſche Unternehmen ſelbſt iſt, das als individuelle Geſtaltung der öffentlichen Meinung auftritt, ſo richtet ſich auch die Strafe gegen das Unternehmen, gegen das Tagesblatt ſelbſt, und die Redakteure, Verfaſſer, Verleger, Verbreiter erſchienen als Mit - urheber und als eigentliche Thäter. Daher gelangt das Repreſſiv - ſyſtem zu dem nur ihm eigenen Syſtem eines zweifachen Straf - rechts. Der eine Theil deſſelben iſt gegen das Journal ſelbſt und erſt der zweite gegen das Druckerei - oder Preßgewerbe und ſeine Individuen gerichtet. Die Strafe gegen das Unternehmen ſyſtemiſirt ſich; ſie iſt Vernichtung der einzelnen Nummer, Suspenſion des Journals für einige Zeit, gänzliche Aufhebung deſſelben. Daneben beſteht das Strafſyſtem gegen die Mitglieder der Tagespreſſe, auch hier theils in115 Bußen durch Cautionsverluſt, theils in Gefängniß beſtehend. Der Widerſpruch, der in dieſer Scheidung lag, hatte ſeinerſeits auch hier wieder zur Folge, daß die kriminaliſtiſche Wiſſenſchaft, die ohnehin den Thatbeſtand des eigentlichen Preßvergehens nicht anzuerkennen vermochte, auch nicht im Stande war, den Gedanken einer Beſtrafung eines Unternehmens in ſich aufzunehmen; erfüllt von dem Bewußtſein, daß die gerichtliche Verurtheilung eines Journals ein juriſtiſches Unding ſei, und demnach dem Geſetze gegenüber geſtellt, welche dieſelbe forderte, wies ſie einfach das ganze Preßſtrafrecht von ſich ab, in dem Bewußtſein, daß das Gericht hier aus ſeiner wahren Sphäre heraus - gedrängt und zu einer polizeilichen Funktion verwendet werde; und ſo geſchah es, daß das Preßſtrafrecht dem peinlichen fremd blieb; es ſind zwei Strafrechte, die ſich gegenſeitig als gar nicht vorhanden betrachten. Dieß iſt auch gegenwärtig noch der Zuſtand der Literatur auf dieſem Gebiete; wir haben ihn früher ſchon im Allgemeinen bezeichnet. Das Gefühl, daß darin eigentlich ein tiefer Widerſpruch liegt, iſt allgemein; aber die peinliche Literatur hat ihrerſeits Unrecht, ſich dabei ganz negativ zu verhalten. Es iſt klar, daß auch die beſten Commentare zu den beſtehenden Preßgeſetzen, wie die von Rönne und Harum, dagegen nicht helfen; die wahre Frage wird erſt da beginnen, wo die Anwendung der großen allgemeinen Kategorien der Strafrechtslehre auf das Preßrecht beginnen wird; doch muß die Verwaltungslehre hier abſchließen.

War nun auf dieſe Weiſe Begriff und Strafe des Preßverbrechens des Repreſſivſyſtems feſtgeſtellt, ſo war es nicht mehr ſchwer, auch das letzte Gebiet, das der Preßpolizei, im Sinne deſſelben zu organiſiren.

4) Erkannte man nämlich einmal jenes ſpecifiſche Preßverbrechen des Repreſſivſyſtems geſetzlich an, ſo war es nur conſequent, daß ſich auch die Preßpolizei deſſelben ſo weit erweiterte, um die Gemeinſchaft nicht mehr bloß gegen die Rechtsverletzungen, die in einzelnen Aus - drücken liegen, ſondern auch gegen ſolche zu ſchützen, welche durch jenen Geiſt der Preſſe entſtehen konnten. Auch die Preßpolizei verſchmolz nun dieſe ihre beiden Arten oder Gebiete; nur war das Syſtem, das ſich daraus entwickelte, ein eigenthümliches und weſentlich durch die Natur der Tagespreſſe gebotenes. Der erſte Grundſatz war der, daß man das Druckereigewerbe conſequent nicht bloß unter die genehmigten rechnete, ſondern die Entziehung der Gewerbsbefugniß als Ord - nungsſtrafe aufſtellte, die mithin ohne gerichtliches Urtheil als reine Polizeimaßregel von der letzteren allein ausgeſprochen werden konnte. Der zweite war die Härte der Polizeiſtrafe bei nicht gehörigem Ver - fahren mit den Pflichtexemplaren. Der dritte und eingreifende beſtand darin, das Unternehmen eines Tagesblattes ſelbſt an eine Conceſſion116 zu knüpfen, und dieſe einfach nach polizeilichem Ermeſſen widerruflich zu machen; damit ward der Geiſt der Zeitung zu ihrer eigenen höchſten polizeilichen Gefahr, und das wirthſchaftliche Intereſſe die täglich lebendige Cenſur des Schriftſtellers, der bei jeder Arbeit neben ihm am Tiſche ſaß, jeden Strich der Feder leitete! Der vierte war das Syſtem der Beſchlagnahme, die als rein polizeiliche Maßregel keiner Rechtferti - gung bedurfte, und, an ſich vollkommen gerechtfertigt, eben dadurch dieſelbe Gefahr für jedes einzelne Blatt ward, die in der Widerruflich - keit der Conceſſion für das ganze Unternehmen beſtand. Beides ward ſcheinbar gemildert durch das Syſtem der Verwarnungen, das da - gegen den großen Vorzug hatte, den juriſtiſchen Charakter des ganzen Repreſſivſyſtems offen als unhaltbar, und den polizeilichen als den allein geltenden hinzuſtellen. Eine gerichtliche Verwarnung iſt offenbar ein juriſtiſches Unding; die polizeiliche aber geht an die Unternehmung ſelbſt, nicht an die Perſon; ihr Grund iſt eine Möglichkeit, ihr Objekt iſt ein geiſtiges Etwas, das ſich jeder Definirung entzieht, ihre Grund - lage iſt eine politiſche Richtung, die mit dem Wechſel des Syſtems ſelbſt wechſelt, ihr höchſter Erfolg wäre daher, wenn ſie überhaupt wirken könnte, nicht die Erzielung eines andern Geiſtes, ſondern die Beſeitigung des geiſtigen Elements in dem verwarnten Journal über - haupt, wie ihre Vorausſetzung die zufällige rein ſubjektive Anſchauung des Verwarnenden. Hier iſt die reine Sicherheitspolizei des Geiſtes, die ſogar die harte Form des Richterſpruches annimmt, wo die Folge mehrmaliger Verwarnung die Suspenſion oder gar das Verbot des ganzen Unternehmens ſein kann. Dieſem Rechte des Repreſſivſyſtems gegenüber iſt natürlich die Preſſe ganz hülflos, denn indem alle jene einzelne Ausſprüche reines verordnungsmäßiges Verwaltungsrecht der Polizei ſind, exiſtirt auch kein Klagrecht und keine Appellation, ſondern nur das Beſchwerderecht mit ſeinen Conſequenzen, und in ſeinen härte - ſten Anwendungen wird jenes Syſtem zwar nie Gegenſtand des Spottes und Hohnes, wie die Cenſur, wohl aber iſt es fähig, eine tiefe Miß - ſtimmung zwiſchen Volk und Regierung zu erzeugen, und in jedem Falle verwirrt es die Rechtsbegriffe, indem es das Recht der Verwal - tung, gegen einzelne Ausdrücke mit Polizei und Strafe einzuſchreiten, in der öffentlichen Meinung zweifelhaft machte durch das, ſich auch der einfachen Bildung aufdrängende Bedenken, ob es überhaupt Recht ſei, die Arbeit des Geiſtes polizeilich maßregeln zu wollen, und ob, wenn dieß Recht geworden durch ein Preßgeſetz, der Zweck, die Beſeitigung des gefährdenden Geiſtes, durch ein Mittel auch wirklich erreicht wer - den könne, das am Ende ſeine letzte Berechtigung doch nur in der Erreichbarkeit jenes Zweckes zu ſuchen habe.

117

Faßt man nun das bisher Geſagte zuſammen, ſo iſt es kein Zweifel, daß auch das Repreſſivſyſtem nur ein Uebergangsſtadium bildet für eine weſentliche andere Geſtalt des Preßrechts, deren Charakter die Verwaltungslehre nunmehr leicht definiren kann.

Die oben bereits motivirte Abneigung der Fachliteratur der Rechts - wiſſenſchaft, ſich mit dem Preßrecht zu beſchäftigen, hat es wohl weſent - lich verurſacht, daß wir keinen gründlichen Verſuch beſitzen, die Vor - ſtellungen von Präventiv - und Repreſſivſyſtem auf den feſten Boden einer juriſtiſchen oder adminiſtrativen Definition zurückzuführen, oder auch nur die Geſchichte des Preßrechts von dieſem Standpunkt behan - deln zu laſſen. Der einzige, der, ſo viel wir ſehen, jene Unterſcheidung wirklich durchführt, iſt Block, Dict. de l’Admin. v. presse. Das natürliche Streben, gegen die Preſſe eine Gewähr und Sicherheit zu finden, muß, will es anders zu feſten Reſultaten kommen, ſich immer fragen, ob überhaupt gegen den Gedanken ſtrengere und andere Polizei - maßregeln durchführbar und motivirt ſind, als gegen den Denkenden ſelbſt vor allem da, wo, wie in unſerer Zeit, das ganze Volk zu den Denkenden gehört.

4) Das Recht der freien Preſſe.

Sollen Begriff und Inhalt des Rechts der freien Preſſe nunmehr zu einer feſten, auch juriſtiſch faßbaren Geſtalt gelangen, ſo wird es nothwendig, dieſelben auf die drei oben bezeichneten Elemente zurück - zuführen, die Freiheit der Preſſe, ihr Strafrecht und ihre Polizei.

Das nämlich iſt nunmehr keinem Zweifel unterworfen, daß die Freiheit der Preſſe eben ſo wenig in der Strafrechts - und Polizeirechts - loſigkeit beſtehen kann, wie die Freiheit des Staatsbürgers. Die Freiheit bedeutet auch hiefür vielmehr nur diejenige Gränze, bis zu welcher die Beſchränkung der individuellen Selbſtbeſtimmung durch das Geſammt - leben reichen kann und ſoll; und die Aufgabe des öffentlichen Rechts iſt hier wie immer die Beſtimmung dieſer Gränze durch den Inhalt des geltenden Staatswillens. Und gerade dadurch iſt es möglich, dem Be - griffe derſelben einen feſten Inhalt zu geben.

I. Wie die Grundlage des Repreſſivſyſtems der Gedanke iſt, daß der Geiſt der Preſſe an und für ſich den Thatbeſtand eines öffentlichen Verbrechens bilden könne, ſo iſt es wiederum die Grundlage des Syſtems der freien Preſſe, daß es ein eigentliches, ſelbſtändiges, durch Geiſt oder Tendenz der Druckwerke conſtatirtes Verbrechen nicht gebe. Das118 leitende Princip iſt, daß nichts ein Verbrechen ſein könne, was erſt durch Schlußfolgerungen aus dem Inhalt eines Druckwerkes ent - wickelt werden muß. Steht dieſer Grundſatz feſt, ſo iſt die Freiheit der Preſſe geſichert; und mit ihr fallen dann natürlich auch alle die - jenigen ſtraf - und polizeirechtlichen Sätze, welche als Conſequenzen des eigentlichen Preßverbrechens von dem Repreſſivſyſtem aufgeſtellt worden ſind; nicht die, die ihren Grund im Weſen der Preſſe ſelber haben. Damit iſt dann auch das gefunden, was wir die juriſtiſche Baſis des öffentlichen Preßrechts nennen, die Möglichkeit, die juriſtiſchen Grundbegriffe auf die Preſſe anzuwenden. Sie iſt, wenn man den obigen Begriff der Preß - freiheit annimmt, höchſt einfach, und läßt ſich in dem Satze zuſammenfaſſen, der den Unterſchied zwiſchen dem Repreſſiv - und dem freien Preßrechts - ſyſtem am deutlichſten zu bezeichnen ſcheint. Alles, was erſt durch einen Schluß aus dem Inhalt eines Druckwerkes gefunden werden kann, iſt unfähig, Fundament einer öffentlichen Anklage zu ſein, oder als juriſtiſcher Thatbeſtand zu gelten. Eines Näheren bedarf das Preß - recht nicht. Die Gränze aber zwiſchen dem, was ein Schluß und ein fertiger Inhalt iſt, zu ziehen, iſt Sache des Gerichts. Der leitende Gedanke für die Entſcheidung deſſelben muß dabei das formelle Princip ſein, daß nichts als Thatbeſtand und Klagobjekt gelten ſoll, was erſt durch den Zuſammenhang mehrerer einzelner Sätze als Inhalt eines Druckwerkes nachgewieſen wird. Auf dieſen Begriff des Zuſammen - hanges muß formell das Hauptgewicht gelegt werden. Die Forderung an das Gericht, auf dieſer Grundlage jene Unterſcheidung zu machen, iſt nicht bloß eine nothwendige, ſondern eine vollkommen berechtigte; es iſt dieſelbe, die bei Injurien, bei Hochverrath und andern Verbrechen unabweisbar geſtellt wird. Was zweitens das Gericht betrifft, ſo hatte die Forderung eines Geſchwornengerichts ſpeziell für die Preſſe eben zu ſeiner Grundlage das Preßverbrechen des Repreſſivſyſtems. Es war die einzige Gewähr gegen die gänzlich verkehrte Stellung, in welche jenes Verbrechen das Gericht gebracht hatte; man darf bei dieſer For - derung nie vergeſſen, daß unter dem Repreſſivſyſtem das gerichtliche Strafrecht den Charakter eines polizeilichen hatte, und daß man mit Recht nur den Geſchwornen zutraute, ſich von den polizeilichen Einflüſſen gänzlich fern zu halten. So wie das Repreſſivſyſtem und ſein ſpecifiſches Preßverbrechen verſchwinden, verſchwindet auch jedes Motiv, für die Preſſe in den Geſchwornen ein Spezialgericht zu fordern, und man kann jetzt ſagen, daß die Geſchwornen entweder gar nicht, oder für alle Fälle gelten ſollen, eine Frage, deren Beantwortung der Rechtspflege angehört. Damit ſteht im engſten Zuſammenhange das Strafſyſtem des freien Preßrechts. Mit dem Preßverbrechen des Repreſſivſyſtems119 verſchwindet nämlich auch das ganze Syſtem der Strafen gegen das Preßunternehmen, ſowohl die Suspenſion als das gerichtliche Verbot einer Zeitung, und die Conceſſionsentziehung für das Druckerei - gewerbe. Es gibt nur noch Strafen für die Urheber und Gehülfen der einzelnen ſtrafbaren Veröffentlichung; und bei dieſer beginnt das eigentliche Preßſtrafrecht.

II. Das eigentliche Preßſtrafrecht hat demnach zu ſeinem Inhalt das Recht der einzelnen ſelbſtändigen Aeußerung eines Gedankens in einem Druckwerk. Da nur bei einem verbrecheriſchen Gedanken die Aeußerung an ſich ſtrafbar iſt, ſo erſcheint das Preßſtrafrecht als das Recht derjenigen Aeußerung, welche durch die Preſſe geſchieht, und ſchließt ſich daher organiſch an jede andere Form der Aeußerung, Rede, Schrift und Bild an. Das Strafrecht hiefür zerfällt daher in zwei Theile. Der erſte Theil enthält die Beſtimmung des verbrecheriſchen Thatbeſtandes an ſich, ohne Rückſicht auf die Erſcheinungsform, und die Strafe dafür, alſo für Wort und Schrift ſo gut als für Preſſe; der zweite Theil bezieht ſich auf die verſchiedenen Formen dieſer Aeußerung. Es iſt nothwendig, daß hier die Aeußerung durch die Preſſe aus naheliegenden Gründen einen doppelten Unterſchied von den übrigen hervorrufen muß. Zuerſt wird wegen des entwickelten ver - brecheriſchen Bewußtſeins (Vorbedacht und Ausbreitung) für daſſelbe Ver - brechen die Strafe eine höhere ſein, wenn es auf dem Wege der Preſſe geſchieht. Zweitens werden die Begriffe von Thäter, Gehülfe, intel - lektueller Urheberſchaft, Verſuch und vollendetem Verbrechen dann auf das Druckwerk nothwendige Anwendung finden, und demnächſt eine ſelbſtändige Stellung im allgemeinen Theile der Strafrechtslehre auch in Deutſchland finden, wie ſie es bereits in Frankreich gefunden haben. Allerdings wird dabei die Frage nach dem Thatbeſtande und der Gränze der Aufreizung ſtets die ſchwierigſte bleiben; aber ſie iſt nicht, wie in Glaſers Abhandlung, die einzige, und jedenfalls gehört ſie nicht ins Verwaltungsrecht, ſondern ins Kriminalrecht; daß ſich das letztere darüber nicht einig iſt, ändert an der Sache ſelbſt eben ſo wenig, als daß es auch noch keinen abſoluten ſtrafrechtlichen Begriff für Hoch - und Landesverrath gibt und je geben wird. Es iſt eben falſch, hier dieſe Frage durch einzelne Fälle, Formeln und Aufzählungen erſchöpfen zu wollen, wie ſchon de Serres es richtig ausgeſprochen, und wie Glaſer es mit gleich richtigem Verſtändniß betont. Aber das iſt gewiß, daß alle dieſe Dinge erſt dann zur Entſcheidung gelangen werden, wenn durch die Beſeitigung des Preßverbrechens des Repreſſivſyſtems das Kri - minalrecht in die Lage kommt, ſich fachgemäß mit ihnen zu beſchäftigen, womit eben Glaſer einen ſo tüchtigen Anfang gemacht hat. Man120 wird nun wohl noch einen dritten Theil des eigentlichen Preßſtraf - rechts hervorheben müſſen, namentlich weil er in England (vgl. Lorbeer a. a. O. an mehreren Stellen) ſchon ausgebildet iſt. Das ſind die, durch Drohung mit Veröffentlichung durch die Preſſe erzielten Erpreſſungen aller Art. Es iſt aber klar, daß auch hier die Preſſe nur ein Moment an dem ſtrafrechtlichen Thatbeſtande iſt, und ein ſelb - ſtändiges Preßverbrechen nicht dadurch begangen werden kann. Haben Glaſer und John die ganze Frage darum übergangen?

III. Aus allem dieſem ergibt ſich nun, daß das Recht der freien Preſſe eben weſentlich nur ein Polizeirecht iſt und ſein kann. Das formelle Kriterium des erſtern beſteht deßhalb darin, daß auch die Preßgeſetzgebung nur als eine reine Polizeigeſetzgebung erſcheinen, und mithin nur die Anwendung der allgemeinen Grundſätze über Polizeirecht, ſpeciell alſo über Polizeiverfahren und Polizeiſtrafrecht in Beziehung auf Druckwerke enthalten darf. Die Gränzen und Principien dieſes Polizeiverfahrens und Polizeiſtrafrechts ſind daher grundſätzlich dieſelben, wie in Beziehung auf den Staatsbürger überhaupt. Es gibt keine Polizei gegen den Geiſt der Preſſe; es muß eine ſolche geben gegen das einzelne Wort derſelben. Es gibt keine Polizeiſtrafen gegen Tendenzen, es muß ſolche geben gegen die Nichtbeachtung der preßpolizeilichen Vor - ſchriften. Was nun das Princip dieſes Polizeirechts betrifft, ſo dürfen wir in Beziehung auf Klag - und Beſchwerderecht auf die vollziehende Gewalt, in Beziehung auf das übrige rechtliche Verhältniß auf die Darſtellung des Polizeirechts überhaupt verweiſen; ſo wie man feſthält, daß die Preßpolizei grundſätzlich keine von dem allgemeinen Polizei - recht abweichenden Rechtsſätze zur Geltung bringen, ſondern nur die - jenigen Modifikationen deſſelben enthalten darf, welche durch die be - ſondere Natur der Preſſe gefordert werden, ſcheint das Gebiet derſelben ein ziemlich einfaches und klares zu ſein. Die Grundlagen des Syſtems aber ſcheiden ſich in ganz beſtimmter Weiſe von dem des Repreſſivſyſtems.

1) Die Polizei des Druckereigewerbes iſt nicht mehr die Con - ceſſion oder gar die preußiſche Prüfung, noch weniger die polizeiliche Entziehung des Gewerberechts. Sie beſteht einfach in der Verpflichtung zur Anzeige jedes errichteten reſp. erworbenen Gewerbes, und Strafe für die Unterlaſſung.

2) Die Polizei des Druckwerkes beſteht in der Verpflichtung, einerſeits Druckort, Drucker und Verleger auf die Druckſache zu ſetzen, anderſeits das Pflichtexemplar mindeſtens gleichzeitig mit dem Erſcheinen der Polizei zu übergeben, unter Strafe.

3) Die Polizei des Vertriebes beſteht in dem Recht, nach em - pfangenem Pflichtexemplar den Vertrieb polizeilich zu verhindern. Dieß121 geſchieht durch die Beſchlagnahme, die Verhaftung des Gedankens, und durch das Verbot, wo die Beſchlagnahme nicht ausgereicht hat. Das Verbot hat zur Folge, daß der Vertrieb polizeilich ſtrafbar wird, nicht der Beſitz des verbotenen Exemplars. Das Recht der Beſchlagnahme iſt unbeſchränkt; aber ſie muß wie jede andere polizeiliche Verhaftung in der geſetzlichen Zeit zur gerichtlichen Verfolgung führen, und bei Auf - hebung derſelben haftet der Staat, beziehungsweiſe das Polizeiorgan. Das Verbot umfaßt alle Organe des Vertriebes, Buchhändler, Aus - rufer, Austräger, Anſchläger; es iſt nichts dabei, was an ſich etwas Beſonderes hätte; jedoch kann das Verbot ſich auf nicht gewerbsmäßige Mittheilungen nicht beziehen. Daſſelbe erſtreckt ſich natürlich auch auf auswärtige Veröffentlichungen. So lange kein Geſetz etwas Specielles darüber angeordnet hat, ſteht es der Polizei ganz frei, fremde Druck - ſachen zu verbieten; auch hier gilt wie bei der Verhaftung Fremder das Recht der Ausweiſung, das formell nur durch Verträge modificirt werden kann. Der Grundſatz, daß ein Verbot der Poſtverſendung ohne vorherige Beſchlagnahme und gerichtliches Urtheil rein polizeilich ſei, iſt falſch; mit Recht hat die preußiſche Kammer ſich dagegen erklärt. Dagegen kann dieſes Verbot als Form der Beſchlagnahme und mit den rechtlichen Folgen derſelben gar nicht bezweifelt werden.

4) Die Polizei der Tagespreſſe nimmt nun alle bisherigen Grundſätze der Preßpolizei auf; das Weſen der letzteren aber macht einige Zuſätze nothwendig. Ihre erſte Aufgabe beſteht nach der Natur des Journals in der Aufſtellung derjenigen Bedingungen, welche im Falle eines durch daſſelbe begangenen Verbrechens die Ausführung der gerichtlichen Verfolgung möglich machen. Dieſe Bedingungen ſind erſtlich die Anzeige des Unternehmens, zweitens die Bezeichnung des für den Inhalt verantwortlichen Redakteurs, und drittens die Be - ſtellung einer Kaution. Das Princip der Freiheit der Preſſe fordert dagegen, daß ſowohl die Genehmigung des Unternehmens als die der Perſon des Redakteurs oder ſeines Stellvertreters nicht erforderlich ſei. Das Journal als Ganzes iſt vollkommen frei, die Haftung tritt nur für den einzelnen Ausſpruch des Journals ein. Die Angabe des Eigen - thümers iſt dagegen deßhalb nothwendig, weil, im Falle der Redakteur fälſchlich angegeben oder nicht mehr vorhanden iſt, dieſer Eigenthümer die Verantwortlichkeit übernimmt, welche ſonſt der Redakteur zu tragen hat ein Punkt, der in den verſchiedenen Preßgeſetzen nicht immer gut hervorgehoben iſt.

Der zweite Punkt des Polizeirechts der Tagespreſſe beſteht in der polizeilichen Haftung für wiſſenſchaftlich falſche Nachrichten, welche geeignet ſind, Störung im öffentlichen Leben hervorzurufen. Es kann122 wohl über das Recht der Polizei, darüber Ordnungsſtrafen zu verhängen, eben ſo wenig ein Zweifel ſein, als über ihr Recht, öffentliche Reden, etwa auf der Gaſſe, zu hindern, welche ſolche Nachrichten verbreiten. Es iſt dann Sache des Journals, Thatſachen anzuführen, welche das Nicht - verſchulden feſtſtellen. Auch hierüber fehlen, mit Ausnahme Frankreichs, gehörig genaue Beſtimmungen.

Der dritte Punkt betrifft das Verbot einzelner Mittheilungen, z. B. der Gerichtsverhandlungen während eines Proceſſes, militäriſche Mit - theilungen u. a. m. Es iſt kein Zweifel, daß die Polizei berechtigt iſt, dieß im Einzelfalle auch ohne Geſetz zu verbieten; ganze Kategorien dagegen können nur durch das Preßgeſetz verboten werden. Die Folge der Uebertretung iſt dabei zunächſt die einfache Beſchlagnahme, dann die Ordnungsſtrafe.

Der vierte Punkt betrifft die Verpflichtung der Journale zu gewiſſen Mittheilungen. Die Verpflichtung zur Mittheilung eines, wegen eines durch das Tagesblatt begangenen Vergehens erlaſſenen Urtheils hat den Sinn, daß das Urtheil dieſelbe Publicität erlangen ſoll, wie das Vergehen ſelbſt. Die Verpflichtung zur Aufnahme amtlicher Mit - theilungen kann polizeilich ſtets gefordert werden, wenn die Regierung es im öffentlichen Intereſſe erachtet. Wenn das Journal durch ſeine eigenen Mittheilungen oder Aeußerungen oder zu einer ſolchen amtlichen Einrückung ſelbſt Anlaß gegeben hat, ſo muß die Mittheilung unent - geltlich geſchehen. Iſt das nicht der Fall, ſo muß die Regierung die Einrückung bezahlen als eine Leiſtung eines Einzelnen für die Geſammt - heit. Die Verpflichtung, bei einem Angriffe eine Erwiederung auf - zunehmen, muß unbedingt, und zwar an derſelben Stelle, in derſelben Form, und in demſelben Umfang anerkannt werden, ſowie eine Perſon genannt, oder ausreichend beſtimmt bezeichnet iſt. Die Gründe liegen nahe.

Was zum Schluß die Stempelung der Journale betrifft, ſo iſt ſie nichts als eine Verbrauchsſteuer, und es iſt gänzlich verkehrt, etwas anderes aus ihr machen zu wollen.

Dieß ſind nun die leitenden Grundſätze für das freie Recht der Preſſe. Zwei Dinge charakteriſiren es in ſeiner formellen Erſcheinung, den reinen Preßgeſetzen. Das erſte iſt die Beibehaltung des peinlichen Strafrechts in dieſen Geſetzen, das nicht dahin gehört, ſondern in das Strafgeſetzbuch; und da nun die Strafgeſetzbücher ihrerſeits auch einen Theil deſſelben enthalten, ſo entſteht dadurch die Verwirrung der Be - griffe, welche eine ſelbſtändige wiſſenſchaftliche Behandlung des Ganzen bisher unthunlich gemacht und die Literatur auf die bloße Exegeſe der123 Preßgeſetze beſchränkt hat. Das zweite, eng mit dem Obigen zuſammen - hängende Moment iſt der Mangel eines ſelbſtändigen Begriffs der Polizei und ihres Rechts, der allein den Hauptgedanken hätte durchführen können, auf den in unſeren Augen alles ankommt, daß nämlich jedes Preßrecht der freien Preſſe künftig nur als Polizeirecht auftreten, und jedes Preßgeſetz nur ein Polizeigeſetz ſein kann. So wie man darüber und über den Unterſchied zwiſchen dem peinlichen und dem Polizeiſtrafrecht einig iſt, dürfte das Syſtem des Preßrechts nicht mehr zweifelhaft ſein.

VI. Die geltenden Preßrechtsſyſteme.

Auf der Grundlage der obigen Begriffe wird es nun wohl nicht mehr ſchwierig ſein, die geltenden Syſteme des Preßrechts in den ver - ſchiedenen Ländern Europas zu vergleichen. Die wahre Differenz des - ſelben liegt natürlich auch hier nicht in den einzelnen Beſtimmungen und Ausführungen, ſondern in dem Princip, welches die Preßgeſetz - gebung beherrſcht. Denn hier wie immer ſind die erſteren doch nur die Conſequenz des letzteren, und erfüllen den Charakter derſelben, ſtatt ihn zu bilden. Das nun was wir den Charakter dieſes poſitiven Rechts der Preſſe nennen, erſcheint durch die Beziehung auf die verſchiedenen hiſtoriſchen Geſtaltungen, welche das Recht durchgemacht hat; der Charakter einer poſitiven Preßgeſetzgebung iſt aber die Epoche ſelbſt, in welcher ſie ſich befindet.

In der That nämlich ſind bei aller Verſchiedenheit der Preßgeſetz - gebungen in ganz Europa dieſelben im Weſentlichen gleich. Alle haben dieſelben Epochen durchgemacht; alle haben zu verſchiedenen Zeiten dieſelben Principien anerkannt; alle haben dieſelben Zwecke mit denſelben Mitteln zu erreichen verſucht; bei allen iſt derſelbe hiſtoriſche Gang, der allmählige Uebergang vom ſtändiſchen zum polizeilichen, vom poli - zeilichen zum freien Preßrecht unverkennbar. Und für dieſe Entwicklung gilt bei allen daſſelbe Geſetz, daß das Auftreten der Verwaltung gegen den Geiſt der Preſſe ſtets in geradem Verhältniß ſteht zur Beſchränkung des Rechts der Volksvertretung durch die Regierung; je entſchiedener die letztere, um ſo rückſichtsloſer der Kampf gegen die Tendenz der Preſſe, je freier die erſtere, deſto freier die letztere. Denn bei allen Völkern iſt ewig die Preſſe die Stellvertreterin der Volksvertretung, und ſteht erſt dann in zweiter Reihe, wenn dieſe ihren naturgemäßen Platz bekommt.

Die folgende Charakteriſtik hat daher nicht etwa die Aufgabe, das geltende Preßrecht in ſeinem ganzen Umfange darzuſtellen, ſondern nur124 die allgemeinen Grundlagen, das feſte europäiſche Syſtem durchzuführen, an welches man leicht die einzelnen Beſtimmungen anſchließen kann. Wir wiederholen nur hier noch einmal, daß es nichts gibt, was ſo ſehr das Verſtändniß des Eigenen fördert, als die Zuſammenſtellung mit dem Fremden unter dem gemeinſamen Geſichtspunkt.

England.

Es will uns ſcheinen, daß das engliſche Preßrecht ſelten ſeinem wahren Weſen nach aufgefaßt wird. Es ſchwebt den meiſten noch immer die Meinung vor, als ſei es an und für ſich von jeher das freie Recht der Preſſe geweſen. Das iſt nun gänzlich falſch. Das einzige, wodurch ſich Englands Preßrecht immer vor dem continen - talen auszeichnet, iſt das Feſthalten der Geſchwornen als Gericht; im Uebrigen hat England ſich trotz alles Redens für ſeine Preß - freiheit erſt ſeit 1848 über das Princip des Repreſſivſyſtems erheben können. Bis dahin war der Charakter des engliſchen Preßrechts nur der des Repreſſivſyſtems, gemildert durch die Anwendung des Geſchwornengerichts.

Es kann uns nicht unbekannt ſein, daß wir mit dieſer Anſicht, und mit der verhältnißmäßig geringen Achtung, die wir damit vor der formellen engliſchen Preßgeſetzgebung ausſprechen, mancher Tradition entgegentreten. Dennoch iſt die Sache nicht anders. Ein freies Preß - recht in dem Sinne, daß der, in den Schlußfolgerungen aus den ein - zelnen Sätzen eines Druckwerkes ſich ergebende Geiſt deſſelben überhaupt kein Gegenſtand eines richterlichen Urtheils ſein ſoll, hat bis dahin in England nicht exiſtirt; die Polizei iſt daneben eine ſtrenge, und das Polizeiſtrafrecht iſt ausgebildet wie kaum in Frankreich. Wenn daher trotz dem die Preſſe in England faktiſch frei war, ſo lag der Grund nicht in dem formalen Recht, ſondern darin, daß die Vertretung des Volkes ſelbſt ſo frei daſteht, daß eine Verurtheilung eines Druckwerkes wegen politiſchen oder kirchlichen Tendenzen ſchon in unſerm Jahr - hundert unmöglich erſchien. Auch hier muß man daher für England zwiſchen dem Geſetz und ſeiner Anwendung unterſcheiden und nie ver - geſſen, daß auch für die Preſſe die Geſetzgebung niemals eine orga - niſche, ſondern immer nur eine ſtückweiſe geweſen iſt, bei der die gerichtli - chen Entſcheidungen, wie einſt in Rom, oft mehr rechtbildende Gewalt haben, als die Geſetze ſelbſt. Der Gang der Entwicklung iſt folgender.

I. Die ſtändiſche Epoche des engliſchen Preßrechts iſt der con - tinentalen vollkommen gleich. Schon unter Heinrich IV. das Stat. de haeretio comburendo (1400) mit ſtrengem Verbot des Ab - faſſens und Abſchreibens von Büchern gegen den Glauben; unter125 Heinrich V. zwölf Inquiſitoren zur Auffindung der Bücher Wikleffs. Unter Heinrich VIII. war Wolſey Großinquiſitor. Großes Autodafé von Büchern 1527, und Stat. 34. 35. Henry VIII. 1. Verbot des Verkehrs mit ketzeriſchen Schriften. Die eigentlich polizeiliche Epoche beginnt erſt unter Eliſabeth. Das Stat. 22. Elis. 12. erklärt das Schreiben, Drucken oder Verlegen eines Buches, welches aufrühreriſche Dinge oder Verleumdungen der Königin enthält, für Felonie. Das Verfahren dabei geſchah allerdings durch Richterſpruch; allein die Jury hatte nur zu urtheilen, ob der Beklagte der Verfaſſer ſei; das übrige gehe ſie nichts an (Homersham-Cox, Staatseinrichtungen Eng - lands, überſetzt von Kühne S. 249). Der Richter iſt daher hier wie immer in England, zugleich das Polizeiorgan. Faſt gleichzeitig ward (nach deutſchem Muſter?) die Cenſur eingeführt; dieſelbe ſcheint jedoch ſich in England wie in Deutſchland nur auf das ganze Buch erſtreckt und für das Ganze die Genehmigung ertheilt zu haben. Die Stern - kammer trat ſeit 1500 als höchſte Cenſurbehörde ein und funktionirte zugleich als Gericht und Polizei (Cox a. a. O. S. 250. Gneiſt Bd. I. S. 195). Dadurch iſt es gekommen, daß das Prohibitiv - und Präven - tivſyſtem hier verſchmolzen wurde. Dieſer ganzen Epoche fiel es gar nicht ein, den Geiſt der Preſſe frei zu laſſen und ſich auf einzelne Ausdrücke zu beſchränken; es war daher auch eine Stellencenſur wie in Deutſchland gar nicht nöthig. Das Stat. 13. 14. Charles II. 33. war das erſte förmliche Präventivgeſetz gegen die Preſſe; es galt zwar nur bis 1679, ward aber erneuert 1685 und 1692, und Macaulay (Hist. of Charles II. Chap. 12) zeigt uns, wie damals the temper of judges and juries gegen den Geiſt der Preſſe und jede freie Bewegung thätig war. Allerdings wird das Cenſurgeſetz von 1662 mit dem Jahre 1694 nicht wieder erneuert. Das iſt das Ende des Präventivſyſtems. Allein die übrigen Grundſätze dauern fort, und das ganze engliſche Preßrecht des 18. und 19. Jahrhunderts iſt bis 1848 nichts anderes, als ein ſehr ausgebildetes Repreſſivſyſtem, das dem Richter die formelle und auch die moraliſche Aufgabe gegeben und gelaſſen, neben den einzelnen Ausdrücken in der Preſſe auch den Geiſt derſelben als verbrecheriſchen Thatbeſtand anzuerkennen und zu beſtrafen. Erſt mit dem Jahre 1848 entſteht in England geſetzlich das Recht der freien Preſſe, und es erſcheint faſt unbegreiflich, daß ſelbſt Lorbeer, der doch das Stat. 11. Vict. 12. überſetzt ſeinem Buche hinzufügt, den weſent - lichen Unterſchied zwiſchen ihm und der Fox and Comp. libel Bill nicht auf der Stelle erkannt hat. Es wird unſre Aufgabe ſein, dieß hier nachzuweiſen; denn eine lehrreichere Preßgeſetzgebung wie die eng - liſche gibt es nicht, auch für die rein theoretiſchen Grundbegriffe.

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II. Das engliſche Repreſſivſyſtem bis 1848. Auf jenem Verhältniß beruht nun die faſt unerklärliche Erſcheinung, über welche auch Lorbeer ſich nicht hat Rechenſchaft ablegen können, daß die eng - liſche Preßgeſetzgebung ſich, wie es das Weſen des Repreſſivſyſtems for - dert, in drei Theile ſpaltet, die nur theoretiſch geſchieden zu werden brauchen, um uns das klarſte Bild jenes Syſtems zu geben, welches exiſtirt und uns die Entfernung zu bezeichnen, welche zwiſchen dem eng - liſchen Preßrecht und dem deutſchen jener Zeit liegt. Dieſe Theile ſind das Strafrecht für die Tendenz der Preſſe, das eigentliche Preßſtraf - recht des Clubs und das Preßpolizeirecht.

Im Allgemeinen iſt man auch in England über dieſen Inhalt des Preßrechts erſt ins Klare gekommen, als der Journalismus in der Mitte des vorigen Jahrhunderts entſteht (Hunt, History of News papers. Buckle, Geſchichte der Civiliſation von Ruge I. S. 311, 378, überſ. mit einzelnen Angaben, ohne juriſtiſchen Standpunkt). Die Verhältniſſe, aus denen das Recht der Preſſe hervorging, ſind auch hier die allgemeinen Verhältniſſe und Rechte der Volksvertretung. Es iſt bekannt, daß im Anfange des vorigen Jahrhunderts das Parlament und ſeine Bedeutung faſt vernichtet war und daß es erſt in der Mitte deſſelben beginnt, ſelb - ſtändig zu werden und ſich auf die öffentliche Meinung zu ſtützen. Zu - gleich aber lebte in dieſem Parlament derſelbe große Antagonismus, der jetzt wieder das engliſche Volk bewegt und der im Princip wie in ſeinen Aeußerungen dem großen europäiſchen Proceß der Entwicklung und des Sieges der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft angehört, der Gegen - ſatz zwiſchen dem freien und dem ſtändiſchen Elemente derſelben. Es war natürlich, daß auch hier die junge Preſſe ſich auf die Seite der freien Bewegung gegen das reaktionäre ſtändiſche Element ſtellte. Dieſes aber hatte die Majorität und beherrſchte damit die Regierung. Die Folge war, daß die letzte Hälfte des vorigen Jahrhunderts voll iſt, zwar nicht von Präventivmaßregeln, welche ſchon im ſiebzehnten Jahr - hundert verſchwinden, wohl aber von Repreſſivmaßregeln; daß aber zu gleicher Zeit das Bewußtſein von der Nothwendigkeit einer freien Preſſe in allen Ständen lebendig war; und dieſer ganz eigenthümliche Gegen - ſatz zwiſchen beiden Elementen hat nun das Recht gebildet, das wir auf jene drei Grundbegriffe des Repreſſivſyſtems zurückführen.

Der innige Zuſammenhang zwiſchen der Tagespreſſe und der innern Entwicklung des Volksgeiſtes hat es in England niemals zweifelhaft erſcheinen laſſen, daß neben den einzelnen Ausdrücken auch der Geiſt der Druckwerke eine ſelbſtändige Thatſache ſei, und die freie Auffaſſung des öffentlichen Rechts hat daher auch hier zuerſt die Frage entſtehen laſſen, ob man den letztern zum Gegenſtand ſelbſtändiger Verfolgung127 machen ſolle. In der That iſt man darüber niemals zweifelhaft ge - weſen. Vortrefflich hat dieß Glaſer a. a. O. hervorgehoben und nament - lich die hier entſcheidende Stelle Blackſtones citirt. Mit Recht ſagt er: Blackſtone faßt die Preßfreiheit ganz formell auf (IV, 152); ſie iſt ihm die Befreiung vom Präventivzwang. Es iſt für die Erhaltung des Friedens und der guten Ordnung nothwendig, gefährliche oder Aergerniß gebende (offensive) Schriften zu ſtrafen, deren Tendenz durch eine gerechte und unparteiiſche Proceßführung (Geſchworene) feſt - geſtellt iſt. Dadurch wird die Freiheit des Denkens und Forſchens nicht beeinträchtigt. Die Privatmeinung iſt frei, allein die Ausſtreuung oder Veröffentlichung ſchlechter, die Zwecke der Geſellſchaft vereitelnder Meinungen iſt ein Verbrechen, das die Geſellſchaft beſtraft. Daß dieſe Geſellſchaft ſelbſt wieder aus ſcharfen Gegenſätzen beſteht, von denen das eine Element eben für gefährlich hält, was das andere für hochlöblich anſieht und daß die Zurückführung auf das Weſen der Ge - ſellſchaft daher eben die größte Gefahr für die angeblich freie Privat - meinung wird, davon ahnt natürlich Blackſtone nichts; daß zur Zeit des Starchamber der temper of judges and jurys gerade auf Grund - lage der obigen Anſicht der Juriſten, deren Vertreter Blackſtone iſt, die ganze Preſſe geknebelt hatte, das hatte noch kein Macaulay nachge - wieſen. Andrerſeits wird natürlich das Preßrecht durch dieſe allgemeine Auffaſſung, welche eben die Vermiſchung des Strafrechts des Geiſtes oder der Tendenz mit dem des Einzelausdrucks enthält, unſicher, und zwar erſchien dieſe Unſicherheit für England in der dem engliſchen Ge - richtsverfahren eigenthümlichen Form. Die Jury hatte ihr Verdikt zu geben; die Frage, worüber ſie ſchuldig oder nichtſchuldig ausſprechen dürfe, war nicht entſchieden. Hält die Jury ſich an einzelne Aus - drücke, ſo iſt der Geiſt dem Strafrecht entzogen, ſpricht ſie dagegen über das Ganze, ſo iſt ſie nur eine freie Form des Repreſſivſyſtems und es beſteht kein freies Preßrecht. Dieß blieb unbeſtimmt bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts; aber die Wirkungen der franzöſiſchen Revo - lution waren auch über den Kanal gedrungen. Der Kampf der freien Volksvertretung gegen das höchſt beſchränkte Parlamentsſyſtem begann. Die Regierung ſtand natürlich auf der Seite des letztern. Es war klar, daß mit einem Geſetze, welches bloß einzelne Ausdrücke in den Druck - werken ſtrafbar machte, in dieſem Kampfe nicht viel gewonnen ſei. Man mußte die Tendenz ſelber bekämpfen. Und ſo entſtand das erſte eigent - liche Strafgeſetz des Repreſſivſyſtems, das wir in Europa kennen und das weit mehr als man glaubt, den folgenden Geſetzgebungen zum Muſter gedient hat. Die Fox-Libell-Bill (Stat. 32. Georg. III. c. 60, im Auszug überſetzt bei Lorbeer, S. 452), welche in sect. I.128 ſagt, daß gegen jedes Druckwerk entweder die Privatanklage (indict - ment) oder die Staatsanklage (information) als Ganzes erhoben wer - den könne und daß die Jury berechtigt ſei, wegen der ganzen zur Entſcheidung vorgelegten Klagſache (matter in issue) ihren Wahrſpruch zu erlaſſen, wobei ihr das Recht bleibt, auch über die einzelnen Ausdrücke neben dem Generalverdikt auch noch ein Specialverdikt zu geben (sect. III). Das heißt, ſie kann mit ihrem Wahrſpruch über den Geiſt des Druckwerkes im Sinne der Blackſtone’ſchen Grundſätze und über die in den Einzelausdrücken enthaltenen Rechtsverletzungen Strafen ausſprechen, denen auch die beiden Formen der Klage (action of the case und information) entſprechen. Ueber dieſe juriſtiſche ſtrafrechtliche Verantwortung der hier zuerſt von den Einzelausdrücken geſchiedenen Tendenz des Druckwerkes ſind die Engländer ſelbſt ſo wenig zweifelhaft, daß der bedeutendſte Preßrechtsautor Holt (The law of the libel 1816 und öfter) geradezu ſagt, es ſei eigentlich nicht mehr der Mühe werth, ſich mit dieſer Frage in Bezug auf die Libelle zu beſchäftigen, denn das Objekt bei er Libellklage iſt weſentlich der einzelne Ausdruck und unterliegt ſeinen eigenen Geſetzen (ſ. unten; Lorbeer S. 149). Noch im Jahre 1830 hat Starkie (A treatise on the law of Slander and Libel 2, Edict 1830, I. p. 105 ff. bei Glaſer) denſelben Gedanken wiederholt. Solche ſtrafbaren Handlungen geſtatten in Wahrheit keine andere wirkſame Beſchränkung als in Rückſicht auf die Wirkun - gen, die ſie hervorbringen; wird die Regierung unter dem Vorwand angegriffen, daß man ihre Fehler darlegen oder ihre Irrthümer rügen wolle, in Wahrheit aber, um der Verwaltung der öffentlichen Ange - legenheiten Hinderniſſe zu bereiten (?) und ſie ins Stocken zu brin - gen oder für Aufruhr und Revolution den Weg durch Lockerung der Bande der Unterthanentreue und Loyalität zu bahnen (!) ſo iſt ein ſolches Druckwerk der Geſellſchaft ſchädlich und nachtheilig und da - her verbrecheriſch. Härtere Grundſätze gegen den Geiſt hat der ganze Continent nicht aufzuweiſen, ſelbſt Frankreich nicht, und der Bundesbeſchluß von 1854 iſt gar nichts anderes, als die geſetzliche Formulirung dieſer allgemeinen Grundſätze. Das Syſtem war aller - dings gemildert durch die Gültigkeit der Geſchworenengerichte und durch den Geiſt der engliſchen Conſtitution, zuweilen (?) über Gegenſtände, die vom höchſten Intereſſe für die öffentliche Stimmung ſind, ſtärkere Aus - drücke zu geſtatten (Lorbeer S. 144). Allein in der Sache war Englands Preßrecht kein freies Preßrecht.

Das Gefühl dieſes auch von den engliſchen Schriftſtellern nicht klar verſtandenen Verhältniſſes iſt es nun, welches den zweiten Theil des engliſchen Repreſſivſyſtems, das eigentliche Preßſtrafrecht, zu einer129 Ausbildung gebracht hat, welche alles ähnliche auf dem Continent weit übertrifft. In der That war es nicht zweifelhaft, daß nach den obigen Principien jeder Verleger und Schriftſteller ganz in der Hand der Ge - richte und ihres temper war, auch wenn er in Darſtellung und Wort noch ſo vorſichtig jede Beleidigung oder Provocation vermieden hatte. Auch war es bei dem ehrlichen engliſchen Geſchworenengerichte ein natür - liches Bedürfniß, für ſein Urtheil über die eben angeklagten Druckwerke eine objektiv geltende Richtſchnur zu haben, um die Gränze der Straf - barkeit beſtimmen zu können, die nach dem obigen Grundſatze ja gänz - lich verſchwindet. Daher geht denn faſt gleichzeitig neben dieſer Geſetz - gebung eine zweite einher, welche es verſucht, das Strafbare von dem Nichtſtrafbaren vermöge äußerer Merkmale zu ſcheiden. So entſteht der Begriff des Libel. Libell iſt das durch ſeinen einzelnen Inhalt ſtraf - bare Druckwerk. Das erſte ſehr merkwürdige Geſetz in dieſer Richtung iſt das Stat. 60. Georg. III. und Georg. IV. 8, in welchem jedes Druckwerk ſtrafbar erklärt wird, wodurch man die Perſon des Königs, ſeine Erben und Nachfolger, oder den Regenten, oder die Regierung und Verfaſſung des vereinigten Königreiches, oder eines der Parla - mentshäuſer in Haß und Verachtung zu bringen trachtet (lag dem Bundesbeſchluß von 1854 dieſes Statut vor?). Ein ſolches Libell iſt daher ein Friedensbruch, und in Folge deſſen kann es nunmehr gar zweimal zugleich verfolgt werden durch Civilklage (action on the case mit indictment) und durch information. Die Strafen ſind ſehr hart (Homersham-Cox, S. 259), der übrigens von dem Weſen der Preßfreiheit juriſtiſch keine Ahnung hat und das entſcheidende Stat. 11. Vict. 12 gar nicht kennt. Es iſt dieß das Geſetz, welches dem Straf - recht des Geiſtes der Preſſe ſeinen politiſchen Inhalt gab. Dieß Geſetz, auf der unumſchränkten Herrſchaft der ſtändiſchen Parlaments - elemente ruhend und jeden Kampf für eine Reform ſtrafrechtlich ge - fährdend, beſteht bis zum Jahre 1830. Und wieder ſchlagen die Wellen der franzöſiſchen Revolution an die Küſten Englands. Der Drang nach einer freieren Volksvertretung wird unwiderſtehlich. Es iſt nicht mehr möglich, jeden Verſuch, die Regierung oder eines der beiden Parla - mentshäuſer anzugreifen, durch eine information vom Staatsanwalt aus zu verfolgen, und dieſen Geiſt der Preſſe nach 60. Georg. III. zu verfolgen. Aber die Reformbewegung ſiegt nur halb, und der Ge - danke, den Geiſt der Preſſe geſetzlich frei zu geben, gelangt daher auch nur halb zur Geltung. Das Gebiet, auf welchem dieſe Bewegung nun ausgekämpft wird, iſt der Begriff des Libell . Die Frage iſt die, ob die Tendenz als ſolche, oder der Einzelausdruck aus einem Druck - werke ein Libell mache. Das erſte war bis jetzt Rechtens neben demStein, die Verwaltungslehre. VI. 9130zweiten; man wagt es nicht, es ganz beſtehen zu laſſen, und wagt es nicht, es anzugreifen. Die allgemeine Unſicherheit drückt Starkie am beſten aus (oben), aber er bezeichnet auch den Weg, den dieß engliſche öffentliche Recht einſchlägt, um zu einer feſten Geſtalt zu gelangen. Man verſuchte, die einzelnen Ausdrücke und Fälle zu beſtimmen, welche aus einem Druckwerke künftighin ein Libell machen ſollten, eben wie man in Frankreich verſuchte und verſucht, einzelnen Fällen die Competenzgränze zwiſchen Gerichts - und Adminiſtrationscompetenz zu beſtimmen. Die Theorie ihrerſeits erkannte recht wohl, daß dieß un - thunlich ſei. Die Feſtſtellung und Einhaltung einer Gränzlinie iſt aber im höchſten Grade ſchwierig und mühſam. Außer Zweifel ſteht nur, daß ſie nicht durch Verbot gewiſſer Anſichten oder gewiſſer Ausdrücke gewonnen werden kann (Starkie a. a. O.). Aber dieſe Bequemlich - keit, die Aufſtellung jener Gränzlinie, die ja zugleich die der Freiheit der Preſſe war, einfach dem Richter von Fall zu Fall zu überlaſſen und damit die Unfähigkeit der Rechtswiſſenſchaft offen zu erklären, konnte doch nicht genügen. Daß hier etwas Beſtimmteres geſchehen müſſe, ſahen ſelbſt die Deutſchen, wie Birnbaum: Notize sur le Droit Anglais rel. aux délits de la presse, 1828 (Archiv des Criminal - rechts XIII. 528). Aber erſt im Jahre 1833 verſuchte die Regierung den erſten Schritt und brachte nun eine Bill ein, die Mittermaier vortrefflich charakteriſirt hat (Archiv für Geſchichte des Auslands Bd. VI, Nr. V.) deren Grundgedanke es war, daß wegen allgemeiner An - griffe auf die Regierung keine information mehr zuläſſig ſei und daß nur das als Libell gelten ſolle, was direkt gegen eine Perſon oder eine Corporation gerichtet iſt, ſo daß dadurch das Libell ſtets den Charakter eines defamatory-libel enthält. (Warum hat der ſonſt ſo fleißige Lorbeer, dem freilich der alte Repreſſivcharakter des engliſchen Preß - rechts überhaupt in ſeinem Unterſchied gegen das freie Preßrecht von 1848 nicht klar wird, dieſen Entwurf nicht aufgenommen?) Das nun hätte allerdings die Frage entſchieden und Englands Preßrecht frei ge - macht. Allein dieſer Entwurf wird von der conſervativen Partei zehn Jahre hindurch hingezogen und an ſeiner Stelle erſchien endlich das eigentliche Geſetz über die Schmähſchriften, die ſog. Campbells Libel Bill 7. Vict. 96 (1843), welche ſich einfach auf die Definition und die Klagbarkeit der durch die Preſſe verübten Injurien bezog, jedoch noch ohne den großen Grundſatz der Strafbarkeit der Tendenz zu erſchüttern. Für das Recht der Injurie iſt dieſe Bill (An Act to amend the Law respecting Defamatory Words and Libel ſpeciell mit Bei - ſätzen herausgegeben von Parry, Lord Campbells Libel Act 1844) von entſcheidender Bedeutung. Sie muß als das Hauptgeſetz für131 denjenigen ganzen Theil des engliſchen Strafrechts angeſehen werden, der ſich auf alle Verletzungen bezieht, welche vermittelſt der Preſſe gegen Einzelne oder Körperſchaften als Injurie, oder gegen königliche Perſonen als Majeſtätsbeleidigungen gelten, aber die Frage nach der eigentlichen Preßfreiheit wird mit ihr nicht gelöst. Freilich konnte ſie auch nicht einmal für die erſtere Frage genügen; auch Lorbeer weiß mit ihr nichts rechtes anzufangen. Für dieſe blieb daher nichts anderes übrig, als nach engliſcher Weiſe bei dem Mangel jeder wiſſenſchaftlichen Behand - lung der Frage ſich neben dem Geſetze eine Jurisprudenz aus den ein - zelnen Urtheilen der Gerichte zu ſammeln und daraus ſo viel als möglich eine Art von Syſtem zu bilden. Es iſt Lorbeers unbeſtreit - bares Verdienſt, dieß verſucht zu haben. Was Fiſchel ſagt, iſt ziemlich werthlos. Die übrigen Schriftſteller, namentlich Gneiſt, halten ſich ſtreng an die Preßpolizei. In England ſelbſt gibt es keine Literatur, die über den obigen Standpunkt hinaus wäre.

Dieß war der Standpunkt der vierziger Jahre. Höchſt wichtig war nur die Beſtimmung in Campbells Libel Act, daß niemand bei Injurien zur exceptio veritatis zugelaſſen werden ſollte, und eigenthümlich und für das Recht der Injurien beachtenswerth die fernere Beſtimmung, daß die nachgewieſene Bereitwilligkeit des Beleidigers, vor dem Proceſſe einen Vergleich herbeizuführen, die Strafe mildern ſolle. Allein mit dem Preßrecht hatte das nichts zu thun; das war nichts anderes als das Strafrecht der Ehrenbeleidigungen (défamation) und umfaßte neben dem Druckwerke auch alle anderen Arten der Aeußerung. Die Lehre vom Preßweſen hat dieſe Fragen dem eigentlichen Strafrecht zu über - weiſen. Das Stat. 32. und 30. Georg. III. beſtand für das Princip der Preßfreiheit nach wie vor, wenn auch die Praxis ſie nicht mehr anwendete. Daneben nun hatte ſich eine einfache und ſehr energiſche Preßpolizei entwickelt, die man in Deutſchland bis auf die neueſte Zeit gar nicht gekannt hat und bei der es ſchwer zu ſagen iſt, ob ſie mehr von der franzöſiſchen oder die franzöſiſche mehr von ihr gelernt hat. Wir fügen ſie unten hinzu, weil ſie im Jahre 1848 nicht ge - ändert ward.

III. Das gegenwärtige Syſtem der Preßfreiheit und des Preßpolizeirechts in England. Lord Campbells Bill hatte kaum vier Jahre beſtanden, als das gewaltige Jahr 1848 Europa erſchütterte. Und wieder trug das Meer die Bewegung nach Englands Küſte. Und eins der Gebiete, auf denen England ſich auch in ſeinem öffentlichen Recht von derſelben erfaßt ſah, war das Preßrecht. England mußte an der Freiheit, von der Europa trunken war, auch ſeinerſeits Theil nehmen. So geſchah es, daß durch das Geſetz vom 22. April 1848 (11. Vict. c. 12.) das alte132 Repreſſivſyſtem gänzlich vernichtet und an die Stelle deſſelben das Syſtem der Preßfreiheit geſetzt ward. Dieß Geſetz hebt nämlich die oben citirte Be - ſtimmung des Stat. 36. Georg. III. c. 7. ausdrücklich auf, mit Aus - nahme derjenigen Schriften u. ſ. w., die darauf hinausgehen, den Tod, Untergang oder Gefangennehmung des Königs, ſeiner Erben und Nach - folger kundzugeben, auszuſprechen oder zu erklären, indem es zweck - mäßig erſcheint, alle diejenigen nach der erwähnten Akte gültigen Be - ſtimmungen, die ſich nicht auf Verbrechen an der Perſon des Regenten beziehen, aufzuheben. Damit erſt war die geſetzliche Verfolgung eines Druckwerkes, das nicht Felonie enthielt, beſeitigt; der Geiſt der Preſſe war frei und jedem Urtheil entzogen und ein Druck - werk nur dann der Felonie ſchuldig, wenn ſolche Pläne, Anſchläge, Entwürfe, Projekte als Anſichten ausgeſprochen oder erklärt ſein ſollten, wobei Druck und Schrift, öffentliche oder vorſätzliche Rede und offene That und Handlung als gleichbedeutend erklärt werden (Glaſers un - eigentliche Preßdelicte). Mit dieſem Geſetz iſt die Epoche zu Ende, deren Inhalt Blackſtone juriſtiſch und Georg III. geſetzlich formulirt; es gibt kein Preßvergehen in England mehr, ſondern nur noch Vergehen und Verbrechen, welche durch die Preſſe begangen werden können. Es iſt nur durch den Mangel an einem klaren Begriff von Preßfreiheit er - klärlich, daß auch Lorbeer den entſcheidenden Fortſchritt, der hierin liegt, nicht geſehen hat; aber höchſt merkwürdig tritt uns wieder einmal trotz anderer Verſchiedenheiten die Gleichartigkeit, ja die Gleichzeitigkeit der engliſchen und continentalen Geſetzbildung ſelbſt da entgegen, wo man ſie oft am wenigſten erwartete.

Die weitere Frage wäre nun offenbar die, in welchem Verhältniß Campbells Bill, die von 11. Vict. 12. gar nicht berührt wird, zu der letzteren ſteht. Wir können, auf Grundlage der früheren Darſtellung, kurz ſein. Sie bleibt; aber ſie und ihre Hermeneutik enthalten jetzt auch formell kein Preßrecht, ſondern das Injurienſtrafrecht. Blackſtones und Starkies Anſichten ſind jetzt erſt für das Preßrecht beſeitigt und England hat jetzt überhaupt kein ſpecifiſches Preßrecht, ſondern nur eine Preßpolizei.

Dieſe nun, abgeſehen von der Einführung des Zeitungsſtempels 60. Georg. III. und 1. Georg. IV. 9. und deren Herabſetzung durch 6. 7. Will. IV. 76. iſt einfach, aber ſtreng. Eine Polizei des Druckerei - gewerbes kennt England nicht. Dagegen iſt die Verpflichtung der Pflichtexemplare mit dem Namen des Druckers und Verlegers anerkannt, ebenſo das Syſtem der Cautionen, das ſich auch auf Flugſchriften be - zieht. Die ſtrengen Vorſchriften für Zeitungen von 38. Georg. III. 78. (1798) ſind doch nie ſo weit gegangen, eine Conceſſion erforderlich zu133 machen, und dadurch oder durch die Bedrohung der Conceſſion indirekt auf den Geiſt der Zeitung zu wirken, obwohl jede falſche Angabe bei einem Pflichtexemplar mit der Strafe des Meineides bedroht ward. Wie heftig Georg III. die Preſſe auch zu bekämpfen ſuchte (Buckle Bd. I §. 375), eine Einwirkung von dieſer Seite hat er nicht einmal verſuchen dürfen; das Aeußerſte was ihm gelang, war Stat. 39. Georg. III. 79, wornach Buchdrucker und Beſitzer von Lettern dem clerk of the peace Anzeige machen ſollen, ſogar die Schriftgießer; auch ſollen dieſe ein genaues Verzeichniß aller Perſonen führen, denen ſie Lettern verkaufen; heimliche Preſſen ſollen polizeilich aufgeſucht und Verkäufer von polizei - widrig gedruckten Schriften beſtraft werden (bei Lorbeer S. 461 das Geſetz, bei Gneiſt Bd. I. §. 369 der Auszug). Daneben beſtehen auch jetzt zu Recht geltend die alten Geſetze, welche die Verbreitung falſcher, Beſorgniß erregender Nachrichten verbieten von 2. Rich. II. 1. 5. und 12. Rich. II. 11.; bei Lorbeer S. 151, 452.

Dieß ſind, wie wir denken, die Elemente der hiſtoriſchen Entwick - lung des engliſchen Preßrechts. Sie zeigen unter allem am deutlichſten die drei organiſchen Grundformen in drei Epochen, und werden wohl manches in ihrer concreten Weiſe verſtändlich machen, was in der reinen Theorie unſicher blieb. Verwirrter im Einzelnen, aber eben ſo klar im Ganzen iſt Frankreichs Preßrecht.

Frankreich.

Das Preßrecht Frankreichs iſt, trotz der großen Mannigfaltigkeit ſeiner einzelnen Beſtimmungen und ſeines wechſelnden Standpunktes, dennoch im Großen und Ganzen ein ſehr einfaches. Das ſtändiſche Preßrecht erhielt ſich noch bis zum vorigen Jahrhundert; das Prohibitiv - ſyſtem herrſchte bis zur Revolution; das freie Preßrecht iſt nur in ganz kurzen Augenblicken geltend geweſen; ſo iſt in der That die neuere Geſchichte des geltenden Preßrechts Frankreichs ein beſtändiges Hin - und Herſchwanken zwiſchen dem Präventiv - und Repreſſivſyſtem bis zur Charte von 1830, und wie da die ſtrengſte Herrſchaft der letzteren, jedoch ſtets mit dem unbehaglichen Charakter, daß die in der franzöſiſchen Form des Repreſſivſyſtems liegende Abhängigkeit der Preſſe von der herrſchen - den Gewalt nicht wie in Deutſchland als die offene ehrliche Feind - ſchaft gegen den Geiſt der Preſſe auftritt und dieſem Geiſt geradezu den Krieg erklärt, ſondern vielmehr als die indirekte Abhängigkeit des wirthſchaftlichen Kapitals erſcheint. Es ſoll der Schein der Freiheit die Wirklichkeit einer Abhängigkeit verdecken, wie ſie nie größer und beſſer organiſirt war. Auf dieſer Grundlage iſt die Geſchichte dieſes Rechts im Ganzen, und ſpeciell der Charakter und die Stellung der134 einzelnen Geſetze mit Rückſicht auf die frühere Darſtellung, ſehr durch - ſichtig.

Was die Epoche des Prohibitivſyſtens und ſelbſt die der ſtändiſchen Zeit betrifft, ſo verweiſen wir ſpeziell auf Rouſſet (Nouveau Code annoté de la presse 1856, p. 40), deſſen Aufzeichnung der Geſetze mit dem Reglement vom 23. Februar 1723 beginnt und dieſelben fort - führt S. 241 49. Quellenkenntniß: für die Prohibitivepoche von C. Schloſſer, Geſchichte des 18. Jahrhunderts (passim), und Buckle, Geſchichte der Civiliſation Bd. I. S. 213 221 (1764, Verbot jedes Buches über politiſche Fragen). Von einem Rechte war da nicht die Rede.

Die Zeit des Repreſſivſyſtems beginnt mit der Déclaration des droits (ſ. oben), zu der die Conſtitution von 1791 hinzuſetzt: sans que les écrits puissent être soumis à aucune censure ni inspection avant leur publication. Allein welche Beſtimmungen die Geſetze über die Druckwerke enthalten würden, war eben nicht geſagt. Der Kampf zwiſchen den Parteien machte vor der Hand jede Geſetzgebung unthun - lich; erſt als die blutige Epoche vorbei und der Sieg der ſtaatsbürger - lichen Geſellſchaft entſchieden war, begann dieſe ihren Feind, die rothe Republik, deſſen Organ ſie aus der Volksvertretung verdrängt, nun auch in der Preſſe zu verfolgen, nach der allgemeinen Regel der Rechts - bildung des Preßweſens. Das Geſetz vom 27. Germ. an IV beſtimmte den Tod für Aufreizung zum Widerſtand; das Geſetz vom 28. Germ. an IV forderte die Angabe von Drucker und Verfaſſer mit harter Strafe; das Geſetz vom 19. Fruct. an V dagegen ging ſchon ſo weit, die Journale überhaupt (für ein Jahr) unter die polizeiliche Aufſicht zu ſtellen; das Geſetz vom 9. Vend. an V u. f. führten den Stempel ein, jedoch mit Ausnahme der Fachblätter; das Geſetz vom 27. Nivose an VIII unterwirft die Herausgabe der Journale direkt der autorisation préalable du Gouvernement, bis endlich Napoleon mit dem Decret vom 5. Februar 1810 das Präventivſyſtem vollſtändig herſtellt. Dieſe Verordnung beſchränkt die Zahl der Druckereien, fordert für jede der - ſelben die Genehmigung, den förmlichen Eid der Buchdrucker, ſtellt alle Journale unter Conceſſion und ſchreibt die Cenſur vor. Daneben iſt die Colportage polizeilich gemaßregelt (Arr. 17. Germ. an XI), die Theater unter ſtrenger Cenſur (Decret vom 29. Juli 1807), kirchliche Bücher dürfen nur mit Bewilligung des Biſchofs ausgegeben werden (Decret vom 7. Germ. an XIII), in jedem Departement darf über - haupt nur ein Journal ſein (Decret vom 3. Auguſt 1810) und ſo iſt das Präventivſyſtem bis zu einem Grade entwickelt, wie nie zuvor. Neben dieſem Syſtem tritt nun das Strafrecht auf. Noch darf kein Franzoſe ohne Geſetz beſtraft werden; der Code Pénal muß daher135 für die Preßvergehen eigene Strafen aufſtellen und ſo entſteht zuerſt der Begriff der Délits de la presse, der ſo viel Unklarheit in die ge - ſammte Auffaſſung gebracht hat, indem das durch die Preſſe (par la voie de la presse) begangene Verbrechen als Preßverbrechen aufgefaßt wird, wodurch der Unterſchied zwiſchen den einzelnen Ausdrücken und dem Geiſte der Preſſe verloren geht. Daß von ſpeciellen Geſetzen über die letzteren keine Rede ſein konnte, wie in der Fox Libel Bill, iſt na - türlich, da die ganze Preſſe unter Genehmigung und Cenſur ſteht.

Die zweite Periode beginnt nun mit der Reſtauration; es iſt die des Kampfes mit der Cenſur. Dieſe Epoche iſt dadurch von dauernder Bedeutung, daß in ihr die Tendenz zuerſt als ſelbſtändige That - ſache neben den einzelnen Ausdrücken, welche den Beſtimmungen des Code Pénal verfallen, anerkannt und zum Gegenſtand gerichtlicher Verfolgung gemacht wird. Im Anfange wird natürlich die Verfolgung der Preſſe überhaupt eine harte, bis nach voller Sicherung des neuen Königthums die Preſſe ihrerſeits anfängt, ihre Funktion in regelmäßiger Weiſe zu beginnen. Dieſem nun tritt die Preßgeſetzgebung von 1819 gegenüber, und zwar in drei Geſetzen. Das erſte vom 17. Mai ent - hält ein verſchärftes Strafrecht für die durch die Preſſe begangenen Verbrechen; das zweite vom 26. Mai beſtimmt das Verfahren in ſolchen Fällen; namentlich wird hier die Beſchlagnahme und die action publique vor dem Tribunal genau geordnet. Das dritte vom 9. Juni endlich iſt ſpeziell gegen die Tagespreſſe gerichtet; es ſyſtemiſirt die Preßpolizei der Journale mit Anzeige, Pflichtexemplar und Caution. Offenbar war das für das Repreſſivſyſtem nicht genügend; denn die Beziehung auf den Code Pénal ließ noch immer einen beſtimmten nachweisbaren juriſtiſchen Thatbeſtand eines Délit fordern, und es war daher leicht, ſich der gerichtlichen Verfolgung zu entziehen, während man die heftigſte Oppoſition machte. Da erſchien das Geſetz vom 17. März 1822, die Loi des tendances. Erſter Grundſatz war die Einführung des Princips der Conceſſion für Herausgabe eines Journals; zweiter war der, daß dieſe Conceſſion ſuspendirt oder ganz zurückgezogen werden könne: dans le cas l’esprit d’un journal ou écrit périodique résultant d’une succession d’articles serait de nature à porter atteinte à la paix publique, au respect à la religion de l’Etat ou aux autres religions légalement reconnues en France, à l’autorité du Roi, et à la stabilité des institutions constitutionelles ſollen die Cours royales auf Antrag des Procureur du Roi die Suspenſion auf mindeſtens einen Monat ausſprechen; beim Rückfalle drei Monate; das drittemal Einziehung der Conceſſion. Das iſt das erſte Geſetz des Continents, welches das Repreſſivſyſtem klar und ſcharf ausſpricht; der136 Geiſt der Preſſe, die Natur der Schlußfolgerung aus einer Reihe von Artikeln iſt zu einem juriſtiſchen Thatbeſtande erhoben, der Richter iſt zum polizeilichen Organe geworden, und nicht mehr der Verfaſſer, ſondern das Unternehmen wird beſtraft. Es iſt genau daſſelbe, was das Stat. 60. Georg. III. ausſpricht, nur viel klarer, und mit dem allerdings weſentlichen Unterſchiede, daß man dabei nicht den Ver - faſſer wie in England, ſondern das Kapital der Zeitung verfolgt. Be - denkt man nun, daß außerdem der Drucker noch immer auf Conceſſion ſteht und beeidigt iſt, ſo iſt die Höhe des Repreſſivſyſtems, die Erzie - lung der geiſtigen Abhängigkeit durch die wirthſchaftliche erreicht; und wenn der Begriff des erſteren und ſein weſentlicher Unterſchied von dem Syſtem des freien Preßrechts noch eines weiteren Beweiſes bedürfte, ſo würde dieß Geſetz es geben.

Die Folge davon war natürlich eine heftige Oppoſition der Jour - nale; der wachſende Einfluß der Kammern, namentlich nach dem Antritt Karls X., machte allmählig das Feſthalten an dem alten Standpunkt unmöglich, und ſo ward das Geſetz vom 18. Juli 1828 genommen, das ausdrücklich die Loi des tendances aufhob (Art. 18). Nur die Polizei der Anzeige der Cautionen und der Beſchlagnahmen ward bei - behalten, die Gründung eines Journals dagegen freigegeben, und die Beſtrafung nach dem Code Pénal hergeſtellt. Und jetzt begannen die Journale die Oppoſition in einer Weiſe aufzunehmen, die ihren Cha - rakter, die Stellvertretung einer freien Verfaſſung, wieder einmal ins hellſte Licht ſtellte. Die Reſtauration konnte die Kammer beherrſchen, die Preſſe nicht. Es war klar, daß man mit der letztern den Kampf auf Leben und Tod beginnen müſſe. Man mußte den Verſuch machen aus dem Repreſſivſyſtem ins Präventivſyſtem zurückzugreifen. So wur - den die Juliordnungen (20. Juli 1830) erlaſſen, welche die Freiheit der periodiſchen Preſſe aufheben und die Cenſur herſtellten. Es war der letzte Akt der Prävention. Das Volk, das in der Preſſe die Volks - vertretung vernichtet ſah, antwortete mit der Revolution.

Natürlich war es eine der erſten Maßregeln der neuen Regierung, die Cenſur zu vernichten. La censure ne pourra jamais être rétablie (Charte 1830); am 8. Oktober 1830 wurde das Erkenntniß der Preß - vergehen den Geſchwornen ſtatt der ſtaatlichen Gerichte übergeben; allein die Preſſe fing ſchon damals an, in gewiſſen Erſcheinungen der Ord - nung der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft bedenklich zu werden. Die Kammern gaben daher der Regierung gerne nach in ihren ſchärfern Polizeimaßregeln; die öffentlichen Anſchläge und Ausrufer wurden unter ſtärkere Controle geſtellt (Geſetz vom 10. December 1830), das Cau - tionsweſen neu organiſirt (Geſetz vom 14. December 1830) und die137 Verfolgung der Délits commis par la voie de la presse vor den Cours d’Assises geordnet (Geſetz vom 8. April 1831), ebenſo die Be - ſteuerung (Mai 1832); die Ordonnanz vom 6. April 1834 hielt die alten Polizeivorſchriften in Beziehung auf Druckwerke und Buchhandel und ihre Unterſtellung unter das Polizeiminiſterium entſchieden aufrecht, und für die Ausrufer und Anſchläger ward die polizeiliche Genehmi - gung ausdrücklich gefordert (Geſetz vom 6. Februar 1834). So konnte das neue organiſche Preßgeſetz vom 9. September 1835 vom Großſiegel - bewahrer mit dem Satze eingeleitet werden: La société vit au milieu de la plus épouvantable anarchie; die Beſitzenden fühlten das Heran - nahen der ſocialen Bewegung in den ſich wiederholenden Attentaten, und das neue Geſetz ward votirt. Nach dieſem Geſetze ward wohl nach engliſchem Vorbild jede Aufreizung zu dem im Code Pénal Art. 86 und 87 bezeichneten Verbrechen soit qu’elle ait été ou non suivie d’effet als ein Verbrechen gegen die Sicherheit des Staats (félonie) erklärt und die Diffamation davon geſchieden. Die geſell - ſchaftliche Gefahr aber tritt ſchon jetzt in den Vordergrund, indem toute attaque contre la proprieté, toute provocation à la haine entre les diverses classes de la société mit der doppelten Strafe des Geſetzes vom 17. Mai 1819 (Art. 8) belegt werden könne. Die Eigenthümer des Journals leiſten die Caution; der Gerant iſt verantwortlich, er muß den dritten Theil der Caution als Eigenthum beſitzen; die Cours d’Assises kann nach dem Geſetz vom 9. Juni 1819 die Suspenſion wieder ausſprechen; die Pflicht zur Aufnahme von réponses et rectifications wird ausgeſprochen; die Errichtung von Theatern ſteht unter Conceſſion, die Schauſpiele eben ſo; kurz es iſt, mit Ausnahme der Cenſur und der autorisation préalable für die Errichtung eines Journals, das ganze Repreſſivſyſtem bis auf einen, allerdings weſentlichen Punkt hergeſtellt; und dieſer Punkt iſt das Erforderniß eines gerichtlichen Urtheils über die Suspenſion und die übrigen Strafen. Das muß man feſthalten, denn der gegen - wärtige Zuſtand des Preßrechts unterſcheidet ſich von dem des Geſetzes von 1835 weſentlich nur durch den entſcheidenden Satz, daß die Maß - regeln gegen die Unternehmung jetzt polizeiliche ſind, alſo keine gerichtliche Verhandlung zulaſſen.

Dieß Geſetz gilt bis 1848. Wir unterlaſſen es hier, auf die übrigen Mittel einzugehen, mit denen die Regierung auf die Unab - hängigkeit der Preſſe einwirkte; rechtlich hält ſie am Geſetz von 1835. Die Revolution von 1848 hatte daher denn auch nichts Eiligeres zu thun, als das Geſetz von 1835 aufzuheben (Decret vom 6. März 1848). Für das Strafrecht blieben jedoch die Artikel des Code Pénal und138 das Geſetz von 1819 beſtehen; die nothwendigen Modifikationen wurden durch das Decret vom 11. Auguſt 1848 gegeben; die neue Conſtitution verwies alle durch die Preſſe begangene Verbrechen wieder an die Jurys (Art. 12), bis das Hauptgeſetz vom 27. Juli 1849 erſchien, das dieſe Sätze zuſammenfaßte, übrigens aber für die Mittheilungen, die es dem Journale verbot (Anklage-Akte) ſehr ſtrenge war. Der Umſchwung, den auch die Preßgeſetzgebung erlitt, beginnt mit dem Geſetz vom 16. Juli 1850, welches die Caution erhöht und den Stempel wieder ein - führt, und den Satz zuerſt aufſtellt, daß jeder Artikel von ſeinem Verfaſſer gezeichnet ſein muß (Art. 3). Damit war der Re - preſſion das gewaltige Mittel der individuellen Gefährdung gegeben; es war nur noch ein Schritt zur vollen Herſtellung des Repreſſivſyſtems, der endlich durch das Décret organique vom 17. Februar 1852 geſchah. Die Grundſätze deſſelben bedürfen keines Commentars. Jede Zeitſchrift beruht auf der autorisation préalable, ſelbſt die, welche ſich mit der économie sociale (?) beſchäftigen; fremde Journale bedürfen gleichfalls der Genehmigung; die Verpflichtungen zur Aufnahme von Mittheilungen, ſowie die Verbote von andern vermehren ſich; die Preßvergehen werden den tribunaux correctionnels überwieſen; jeder Zeugenbeweis iſt aus - geſchloſſen. Die Bezeichnung eines esprit du Journal oder einer ten - dance iſt zwar ſorgfältig vermieden, aber ſtatt deſſen kann nicht bloß das Gericht die Unterdrückung eines Journals als ſelbſtändige Unter - nehmung ausſprechen, ſondern der Art. 32 ſagt offen: Nach einer Verurtheilung ſelbſt für bloße Contravention kann die Regierung binnen zwei Monaten die Suspenſion oder die Unterdrückung eines Journals ausſprechen; ja ein Journal kann auch ohne alle Verurthei - lung vom Miniſterium nach zweimaliger Verwarnung auf zwei Monate ſuspendirt und ohne allen Rechtsgrund par mesure de sûreté générale vom Präſidenten definitiv unterdrückt werden. Es iſt dazu nichts hinzuzufügen als die Naivetät, mit der Batbie (Droit public I. 45) dieſe repression administrative bezeichnet: C’est le droit qu’a le Ministre ou le Préfet d’avertir un journal pour des motifs non déterminés par la loi, et dont le Ministre ou le Préfet a la souveraine appréciation. Bei dieſer abſoluten Abhängigkeit war es freilich unnöthig die tendance als ſelbſtändiges Objekt der Polizei - maßregel zu bezeichnen; in der That aber hat dies Decret die Anwen - dung der Loi des tendances von 1822, die doch noch durch die Ge - richte vollſtreckt ward, nunmehr einfach der unverantwortlichen Polizei übergeben. Das alles zuſammen mit der Abhängigkeit des Druckerei - gewerbes und der individuellen Signatur bildet die höchſte Ausbildung des Repreſſivſyſtems, die in der Geſchichte vorkommt. Die Geſetze ſelbſt139 bei Rouſſet a. a. O. S. 249 ff. Das öffentliche Recht ſyſtematiſch behandelt bei Laferrière (Droit de l’Admin. I. 1. 3. ) und Batbie (Droit public I. 35). Eine ſehr gute Darſtellung gibt Block (Dict. de la Politique v. Presse). Geſchichte der Preſſe: Hatin (Histoire de la Presse II. Bd.). Literatur des Preßrechts bei Block (Dict. de l’Admin. v. Presse). Ueber die früheren Geſetze Archiv für Literatur des Auslandes Bd. V.; Mohl, Literatur der Staatswiſſenſchaft Bd. III. S. 177 ff.

Deutſchland.

Nach den bisherigen Darſtellungen wird es nun wohl nicht ſchwierig ſein, das Preßrecht Deutſchlands in ſeiner gegenwärtigen Geſtalt zu charakteriſiren, da es aus mehr als einem Grunde nicht möglich iſt, an dieſem Orte ſich auf Einzelheiten einzulaſſen.

Als die Ereigniſſe des Jahres 1848 mit dem alten Syſtem auch die Cenſur definitiv vernichteten, war man ſich, wie ſchon früher be - merkt, nur über den negativen Inhalt der neuen Preßfreiheit klar, und die Grundrechte forderten als Freiheit der Preſſe einfach die Be - ſeitigung aller Repreſſivmaßregeln und die Beurtheilung der Preßver - gehen durch Schwurgerichte. Offenbar hatte man bei dem erſten Punkte keine klare Vorſtellung von dem immer nothwendigen Gebiete der Preß - polizei, und bei dem zweiten lag die traditionelle Vorſtellung von eigent - lichen Preßvergehen zu Grunde, ohne daß man ſich darüber Rechen - ſchaft abgelegt hätte, daß es ein Preßverbrechen nur dann gibt, wenn der Geiſt der Preſſe als ſelbſtändiger Thatbeſtand Gegenſtand der ge - richtlichen Unterſuchung wird. Es war daher gleich anfangs klar, daß man bei den Grundrechten nicht werde ſtehen bleiben können und daß eine organiſche Preßgeſetzgebung nothwendig ſei. Daß einzelne Staaten den allgemeinen Satz der Grundrechte in ihre Verfaſſung aufnahmen, bedeutete daher auch nicht viel. Eine beſtimmte Geſtalt konnte die Ent - wicklung erſt mit den eigentlichen Preßgeſetzen annehmen.

Ueberblickt man nun, was Deutſchland in dieſer Beziehung ſeit 1848 geleiſtet hat, ſo ergeben ſich zwei Hauptreſultate. Theoretiſch iſt man ſich über den Begriff der Freiheit der Preſſe nicht einig, da man ſich nicht einig iſt darüber, daß die Freiheit der Preſſe rechtlich in jeder direkten oder indirekten Beſeitigung der Einwirkung auf den Geiſt der Preſſe beſteht, während das Strafrecht der Preſſe wieder kein ſelb - ſtändiges, ſondern nur ein Theil des Strafrechts der Aeußerung ver - brecheriſcher Gedanken überhaupt ſein ſoll, und ein Preßgeſetz daher nur ein Polizeigeſetz ſein kann. Auch darüber war man ſich nicht einig, weder ob ein ſolches Polizeigeſetz nöthig ſei, noch was es140 enthalten müſſe. Dieſer Mangel in der Theorie ward entſcheidend, weil er es möglich machte, theils die Preſſe auch in ihrem Geiſte unter die Verwaltungsgewalt zu ſtellen, theils aber das Strafrecht auch auf den Geiſt anzuwenden, ohne daß die Literatur dagegen ein ernſtes Gegen - gewicht zu bieten wüßte. Andererſeits entſtand gleichzeitig der Bundes - tag aufs neue, und aufs neue trat daher für die Bildung des poſitiven Rechts der Gedanke ins Leben, die Geſetzgebung über die Preſſe wie vor 1848 vom Bundestag ausgehen zu laſſen. So entſtand dann eine doppelte Geſetzgebung. Die eine war die bundestagliche, die andere die der Territorien. Daß dabei an eine rechtliche Einheit ſo wenig zu denken war als an eine theoretiſche, war klar. Es bleibt daher nichts anderes übrig, als dieſe beiden Grundformen zu charakteriſiren und die einzelnen Preßgeſetzgebungen daran anzuſchließen.

Im Allgemeinen nun kann man ſagen, daß die Bundesgeſetzgebung das Repreſſivprincip wieder hergeſtellt hat, während die Staats - geſetzgebungen der großen Staaten ſich von demſelben, ſo weit ſie über - haupt zur Selbſtändigkeit gelangt ſind, losgemacht und zum Theil wenigſtens das Syſtem des Rechts der Preßfreiheit durchgeführt haben.

Der hiſtoriſche Verlauf dieſer Geſetzgebung iſt im Großen und Ganzen folgender.

Der erſte Staat, der zu einer ſelbſtändigen Preßgeſetzgebung ge - langte, war Preußen (Geſetz über die Preſſe vom 12. Mai 1851), das in faſt allen ſeinen Punkten noch heute gilt. Die Bearbeitungen dieſes Geſetzes ſind außer dem daſſelbe betreffenden Theil im Staats - recht von Rönne (das Geſetz über die Preſſe 1851), L. Hartmann (das Geſetz über die Preſſe 1861), Schwark (das Geſetz über die Preſſe 1862) nebſt Conrad (die preußiſche Preß - und Nachdrucksgeſetz - gebung 1862). Oeſterreich empfing ſein erſtes freies Preßgeſetz am 13. März 1849; dann folgte das Preßgeſetz vom 27. Mai 1852, das das Repreſſivſyſtem wieder herſtellte und zuletzt das neue Geſetz vom 17. December 1862, das in Princip und Ausführung den Ge - danken der Preßfreiheit geſetzlich durchführte. Höchſt gründlich iſt für das ganze Gebiet des Preßrechts P. Harum (die gegenwärtige öſter - reichiſche Preßgeſetzgebung, ſyſtematiſche Darſtellung über das Autor - recht und die Preßpolizeigeſetzgebung 1857). Das neue Preßgeſetz iſt commentirt von Lienhardt. Bayern hatte ſchon durch Verordnung vom 13. Juni 1803 die Cenſur aufgehoben, jedoch für die Zeitungen ſie beibehalten (1806), und dieß beſtand fort bis 1848, wo das Edikt über die Freiheit der Preſſe (4. Juni 1848) die Cenſur beſeitigte und das Geſetz zum Schutz gegen den Mißbrauch der Preſſe vom 17. März141 1850 die Preßpolizei ordnete. Der Bundesbeſchluß von 1854 ward nicht publicirt (Pözl, bayeriſches Verfaſſungsrecht §. 27, Doll - manns Geſetzbuch des Königreichs Bayern, III. Heft, 1). Bayerns Geſetzgebung iſt von allen deutſchen die freieſte; es kennt weder Con - ceſſionen noch Cautionen, keine Beſchränkung des Druckerei - oder Ver - lagsgewerbes, die Schwurgerichte entſcheiden, und ſelbſt bei der Be - ſtrafung für Polizeiübertretungen ſteht die Gerichtsbarkeit nicht der Polizei, ſondern den Gerichten zu. Den zerfahrenen Zuſtand Deutſchlands kennzeichnet kaum etwas beſſer, als der Geiſt und Inhalt des Bundes - beſchluſſes vom 6. Juli 1854 gegenüber dieſem trefflichen bayeriſchen Geſetz. Das Königreich Sachſen hatte am 14. März 1851 ein eigenes Preßgeſetz erlaſſen, welches neben den gewöhnlichen Maßregeln der Preßpolizei (Anzeige, Pflichtexemplar, Angabe von Drucker und Ver - leger, Caution, Recht der Beſchlagnahme) auch noch den Grundſatz feſt - hält, daß die Strafen nur auf gerichtlichem Wege erkannt werden können; jedoch ſoll, wenn eine Zeitſchrift binnen Jahresfriſt zwei gerichtliche Ver - urtheilungen erfahren hat, die Kreisdirektion das Recht haben, das Blatt zeitlich oder gänzlich zu verbieten (§. 30). Eben ſo gegen Drucker und Verleger (§. 31). Das Geſetz vom 4. April 1851, einige ſtraf - rechtliche Beſtimmungen betreffend, aber beſtimmte offen die Strafbar - keit nicht bloß einzelner Aufforderungen, ſondern ſelbſt tadelnde Kritiken der Regierung, öffentlicher Behörden oder einzelner Berufs - handlungen wenn dabei Beweggründe untergelegt oder Eigenſchaften beigelegt werden, welche im Publikum (?) Haß oder Verachtung gegen dieſelben zu erregen geeignet ſind. Der Kampf gegen die Tendenz liegt hier offen vor. Damit war ſchon dem Repreſſivſyſtem die Bahn gebrochen und der Bundesbeſchluß von 1854 wurde ohne Weiteres mit Verordnung vom 30. Januar 1855 für Sachſen publicirt. Es ſagte ja im Grunde nichts Neues. Dieſe Geſetze gelten noch gegenwärtig, und bilden einen tiefen Gegenſatz gegen das freie bayeriſche, öſterreichiſche und preußiſche Syſtem.

In Württemberg dagegen iſt die bisherige Entwicklungsgeſchichte etwas anderes, das Reſultat dagegen das gleiche. Das württem - bergiſche Preßrecht wird von Mohl (württemberg. Verfaſſungsrecht §. 73) richtig als ein doppeltes bezeichnet, das eigentlich württembergiſche auf Grundlage des Geſetzes vom 30. Jan. 1817, und die verſchiedenen Geſetze des deutſchen Bundes. Nirgends iſt wohl der Gegenſatz zwiſchen der freiſinnigen Richtung der örtlichen Geſetzgebung und den reaktionären Beſtrebungen des deutſchen Bundes ſo klar ausgedrückt als hier; es iſt ein höchſt belehrendes Stück innerer Geſchichte Deutſchlands. Die Dar - ſtellung Mohls (S. 385 372) gehört zu den beſten in dieſem trefflichen142 Werke. Das ſehr freiſinnige Geſetz von 1817 blieb jedoch praktiſch trotz ſeiner Beſtätigung in der Verfaſſungsurkunde von 1819 in §. 28 außer Anwendung, ward aber durch königl. Verordnung vom 1. März 1848 wieder hergeſtellt und ſo beginnt die zweite Epoche des württem - bergiſchen Preßrechts, die hauptſächlich durch Verordnung vom 25. De - cember 1850 zum Schutz gegen den Mißbrauch der Preſſe charakteriſirt iſt. Dann trat der Bundesbeſchluß von 1854 ins Leben und der Kampf des Bundes mit dem freien Staat beginnt aufs Neue, indem die könig - liche Verordnung vom 7. Januar 1856 die Durchführung der Bundes - beſchlüſſe anordnete, namentlich in Beziehung auf das Druckereigewerbe, während für die eigentliche Preſſe das Geſetz von 1817 aufrecht ge - halten ward (ſ. Roller, württemb. Polizeirecht, §. 834 836). Auch hier fehlt das Schwurgericht; die Kreispolizeiämter haben aber das Recht, nicht bloß die Zeitungen, ſondern auch die Druckerei - und Ver - lagsgewerbe polizeilich einzuſtellen, wenn dieſe Gewerbe nach zweimaliger Verurtheilung oder Verwarnung beharrlich zu Verbreitung von ſtaats - gefährlichen Druckſchriften gemißbraucht werden. Offenbar iſt hier das ſubjektive Ermeſſen der Staatsregierung über etwas, das das Geſetz Staatsgefährlichkeit nennt, entſcheidend; es iſt die loi des tendances, nur in der härteren Form des franzöſiſchen Geſetzes von 1852 mit der Souveränetät der Polizeibehörde an der Stelle des Gerichts. Das Ge - ſetz vom 26. Auguſt 1849 iſt daneben eine ganz rationelle Beſtimmung über die Berichtigungen. Auf dieſe Weiſe iſt auch Württemberg in das ſtrenge franzöſiſche Repreſſivſyſtem zurückgefallen und ſteht in tiefer Ver - ſchiedenheit neben dem bayeriſchen freien Syſtem da. Die übrigen deutſchen Staaten haben nicht einmal eine innere Geſchichte ihres Preß - rechts aufzuweiſen; ſie haben einfach den Bundesbeſchluß von 1854 acceptirt und publicirt; ſo Altenburg (Verordnung vom 4. Februar 1856), als Einführungsverordnung durch Bundesbeſchluß; Han - nover (Verordnung vom 15. Januar 1855). In Baden hat das Preßrecht dieſelbe Geſchichte. Daſſelbe iſt zuerſt durch das Geſetz vom 15. Februar 1851 im Sinne des Repreſſivſyſtems, dem ſächſiſchen ähn - lich geordnet, und dann der Bundesbeſchluß von 1854 durch das Ge - ſetz vom 15. Januar 1857 eingeführt. Dieß ſtrenge unzeitgemäße Syſtem iſt auch in einem Polizeiſtrafgeſetzbuch von 1863 beibehalten. Die Polizeiübertretungen der Preſſe ſind jedoch nach dieſen Geſetzen ge - richtlich zu verfolgen (Stempf, Preßſtrafgeſetzbuch S. 104). In Sachſen-Altenburg Einführung des Bundesbeſchluſſes von 1854 (Verordnung vom 1. März 1855) und eine Verordnung vom 5. Juni 1863 ſpeciell in Beziehung auf die Polizei des Verlags - und Druckerei - gewerbes. Das braunſchweigiſche Geſetz vom 4. Mai 1848 hat143 die Cenſur aufgehoben und die Strafbarkeit zur Entſcheidung den Ge - richten zugewieſen; aber nach §. 4 kann die Unterdrückung einer Zei - tung auch durch das Gericht verfügt werden. Es ergibt ſich daraus, daß der Bundesbeſchluß von 1854 noch in einem großen Theile Deutſch - lands Rechtens iſt. Die Grundlagen deſſelben ſind einfach. Er enthält einerſeits die Preßpolizei, und es iſt nicht zu verkennen, daß er ſie als ſolche richtig organiſirt hat. Allein neben der Preßpolizei ſtellt er ſich klar und ausgeſprochen auf den Standpunkt des franzöſiſchen Re - preſſivſyſtems. Er ſcheidet die Uebertretung preßpolizeilicher Vor - ſchriften von den durch den Inhalt verwirkten Strafen. Er hält den Grundſatz der Verwarnungen feſt. Er verbietet eine vorzugsweiſe Verweiſung der durch die Preſſe begangenen ſtrafbaren Handlungen vor das Geſchworenengericht. Er will das ganze Preßgewerbe in all ſeinen Zweigen von Conceſſionen abhängig machen, die auch auf admini - ſtrativem Wege erfolgen können; und endlich beſtimmt er, faſt wört - lich wie das ſächſiſche Geſetz, nach dem Muſter der Loi des tendances, daß ein ſtrafbarer Angriff auch da ſtattfindet, wo die Form der Darſtellung den Gegenſtand des Angriffes dem Haſſe oder der Miß - achtung auszuſetzen geeignet iſt. Es leuchtet ein, daß dieſe unbeſtimmte Faſſung an ſich aus einem richterlichen Verfahren nothwendig ein poli - zeiliches macht und daß bei dem Recht der Polizei, nach ihrem Er - meſſen das ganze ſchriftſtelleriſche Unternehmen oder das ganze Druckerei - gewerbe zu unterdrücken, eine ſolche Möglichkeit der Strafe im Grunde eine ſelbſt für das Repreſſivſyſtem überflüſſige Härte war.

Faßt man nun auf dieſer Grundlage das Preßrecht Deutſchlands zuſammen, ſo ergibt ſich, daß das deutſche Recht beide Syſteme neben einander in Geltung hat. Das Recht der freien Preſſe gilt in Oeſterreich, Preußen und Bayern; das Repreſſivſyſtem in den übrigen Staaten auf Baſis des Bundesbeſchluſſes von 1854. Das Rechtsprincip der erſtern Staaten iſt: Freiheit des Gewerbes der Druckerei und des Verlags, nur mit dem Unterſchied, daß dieß Ge - werbe in Bayern ganz frei iſt, in Oeſterreich der Conceſſion bedarf und in Preußen ſogar nach dem hier unglücklicher Weiſe beibehaltenen Grundſatz der ſtändiſchen Epoche eine eigene Prüfung für Drucker und Buchhändler fordert; die Preßverordnung vom 1. Juni 1863, welche die Conceſſion auf polizeilichem Wege widerruflich erklärte, ward durch den energiſchen Widerſtand des Abgeordnetenhauſes (Sitzung vom 19. No - vember 1863) glücklich beſeitigt; ſie hätte, ganz abgeſehen von ihrem Widerſtreit mit der Verfaſſung, das Repreſſivſyſtem auf einem bedenk - lichen Umwege wieder eingeführt, da jene Aufhebung der Gewerbs - berechtigung doch nur einen praktiſchen Sinn gehabt hätte als polizeiliche144 Strafe für den unliebſamen Geiſt eines Journals. Das zweite Princip iſt die Freiheit des Gedankens und die Strafbarkeit des Ausdrucks die Freiheit der geiſtigen Arbeit und die gericht - liche Verantwortlichkeit der geiſtigen That. Sein erſter Ausdruck iſt die gewerbliche Freiheit des Preßunternehmens des Buches wie der Zei - tung, jedoch gegen polizeiliche Anzeige, mit Beſchlagnahme gegen Haftung und gerichtlichem Verfahren. Sein zweiter Ausdruck iſt die Beſeitigung des Syſtems der Verwarnungen und des polizeilichen Verbotes. Sein dritter iſt die Beſeitigung des Urtheils gegen das Unternehmen und Zurückführung auf die Perſon des verantwortlichen Redacteurs u. ſ. w. Das dritte Princip iſt die Ueberweiſung der durch die Preſſe be - gangenen Verbrechen an die Gerichte. Und hier müſſen wir wieder - holen, was wir ſchon einmal geſagt haben. Da wir im Syſtem der Preßfreiheit überhaupt kein eigentliches Preßverbrechen anerkennen können, indem ein Preßyerbrechen eben in dem Geiſt der Preſſe beſteht und ſein Thatbeſtand nur durch Schlußfolgerungen und nicht durch einzelne Ausdrücke gegeben wird, ſo iſt damit der formelle Uebergang vom Repreſſiv - zum freien Syſtem dadurch gegeben, daß alle durch die Preſſe (par la voie de la presse) begangenen Verbrechen in das Straf - geſetzbuch aufgenommen werden. Nur kann und das war ſogar die beſtimmte Forderung des Bundesbeſchluſſes von 1854 die Straf - barkeit des Gedankens in der Form in die Strafgeſetzbücher aufgenom - men werden, daß die Form der Darſtellung geeignet iſt, jemanden dem Haß und der Verachtung auszuſetzen. Wo dieß der Fall iſt, da iſt das Repreſſivſyſtem materiell im peinlichen Recht enthalten, allein alsdann iſt dieſe Frage ſo wie die nach dem Schwurgericht keine Frage der Preßfreiheit für ſich, ſondern eine Frage des Strafrechts der Ge - dankenäußerung überhaupt; die Preſſe hat hier kein beſonderes Recht für ſich zu fordern, ſondern ſteht auf gleicher Stufe mit jeder andern Form der Aeußerung des Gedankens; es gibt kein Preß - ſtrafrecht im freien Preßrecht. Das vierte Princip iſt die Auffaſſung des Preßrechts als eines Polizeirechts und der Preßgeſetze als ein - facher Polizeigeſetze. Den Ausdruck dafür bildet der ſelbſtändige Erlaß von Preßgeſetzen. Das iſt im Großen und Ganzen das Syſtem der drei großen deutſchen Staaten. Das der kleineren iſt das harte franzöſiſche Repreſſivſyſtem. Dieſer Widerſpruch im deutſchen Rechtsleben kann nicht dauern. Der Uebergang zum freien und gleichen Preß - recht zum freien im Sinne des freien Syſtems, und zum gleichen im Sinne einer für ganz Deutſchland vollkommen gleichen Preß - polizeigeſetzgebung iſt der nächſten Zeit vorbehalten.

145
Holland und Belgien.

Während in England, Frankreich und Deutſchland drei Formen des Preßrechts auftreten, in denen die Preßpolizei noch immer mit dem Preßſtrafrecht in Verbindung ſteht und daher der Begriff und Inhalt des Preßrechts überhaupt unſicher wird, ſehen wir in Holland und Belgien eine vierte Form auftreten. Der Charakter derſelben iſt ein Preßrecht, welches nicht einmal eine formell anerkannte Preßpolizei beſitzt, und welches alles Strafrecht auf die durch die Preſſe begangene Verbrechen bezieht. Doch unterſcheiden ſich wieder beide, und beide haben allerdings das miteinander gemein, daß ſie man kann nicht anders ſagen als aus Bedenken gegen jede denkbare Beſchränkung der Preſſe auch nicht einmal die allernothwendigſten Grundſätze des Polizeirechts formulirt haben. In Holland und Belgien iſt der Gedanke freier als der Denkende; denn es gibt weder Anzeige, noch Beſchlag - nahme, und das ganze polizeiliche Recht iſt noch ſehr unentwickelt, wie es überhaupt kein eigenes Preßgeſetz gibt.

Was zunächſt Holland betrifft, ſo ſtand es bis zum Sturze der napoleoniſchen Herrſchaft unter dem Präventivſyſtem Frankreichs. Gleich nach der Befreiung vom napoleoniſchen Joche begann Wilhelm I. ſeine Regierung mit der Verordnung vom 14. Januar 1814 mit der Auf - hebung der Cenſur als gänzlich im Widerſtreit mit der freien Denk - weiſe, worauf jeder ächte Niederländer den höchſten Werth legt, und die von jeher die Regierung dieſes Land ausgezeichnet hat. Die völlige Freiheit jeder Veröffentlichung wird ausdrücklich anerkannt, unter rein gerichtlicher Verantwortlichkeit mit der genaueren Beſtimmung, daß, wenn der Verfaſſer nicht bekannt iſt, der Drucker allein verantwortlich wird (Art. 4). Ferner ſoll jedes Druckwerk (stuik), welches ohne den Namen des Verfaſſers oder des Druckers ausgegeben wird, und ohne Angabe von Zeit und Ort des Druckes, als ein libel angeſehen und der Herausgeber und Verbreiter als Urheber von Schmähſchriften (paskwilschrijver) verfolgt werden können. Von einem Kampf gegen den Geiſt der Druckſachen iſt keine Rede; freilich auch nicht von Be - ſchlagnahme. Das alte Grundgeſetz faßte ſo viel wir ſehen das einzige in ganz Europa die Preſſe nicht als Gegenſtand der Polizei, ſondern von dem hohen, allein richtigen Standpunkt eines Theils des Bildungsweſen auf (Hauptſt. X. Van hed onderwijs), und ſprach als leitenden Gedanken (in Art. 227 des Entwurfs von 1815 und Art. 225 des Gerichtsgeſetzes von 1817) aus: Es iſt jedem geſtattet, ſeine Gedanken und Gefühle durch die Preſſe mitzutheilen als ein hoch - wichtiges Mittel zur Ausbreitung von Kenntniſſen und zum Fort - ſchritt der Aufklärung, ohne irgend einer Erlaubniß dazu zuStein, die Verwaltungslehre. VI. 10146bedürfen; doch bleibt jeder für alles, was er ſchreibt, druckt, ausgibt oder verbreitet, der Geſellſchaft oder dem Einzelnen verantwortlich, ſofern die Rechte derſelben beleidigt werden. Die weitere Ausführung dieſes Grundſatzes enthält das Geſetz vom 28. September 1816; der Bericht, der die Vorlage einleitet, im Auszug bei de Boſch-Kemper (Nederl. Staatsregt §. XXXI). Die Hauptaufgabe dieſes Geſetzes, das die völlige Freiheit der Preſſe nach Innen gewährt, war der geſetzliche Schutz auswärtiger Souveräne gegen die holländiſche Journaliſtik. Wie ſchön und männlich lautet in jener Zeit, wo die Cenſur auf dem ganzen Continent galt und ſelbſt England die Fox Libel Bill anerkennt, der Vortrag der holländiſchen Regierung: So lange Beſonnenheit und Aufrichtigkeit die Grundlagen des nationalen Charakters ausmachen ſollen, kann die Entſcheidung in einem Kampfe zwiſchen Wahrheit und Irrthümer hier zu Lande niemals bedenklich ſein, und wir werden deß - halb keine Beſprechung oder keinen Ausdruck der Anſchauung (gevve - lens) über die innere Verwaltung durch irgend welche Vorſchriften be - ſchränken, als durch das bereits beſtehende Recht. Doch wurden einige ſtrengere polizeiliche Maßregeln durch das Geſetz vom 6. März 1818 eingeführt gegen Ruheſtörungen durch die Preſſe; das Geſetz vom 16. Mai 1824 hob dieß Geſetz wieder auf, machte jedoch, weſentlich nach franzöſiſchem Vorgange, die Aufregung zu Haß und Verachtung (hoon en laster) gegen den König und das Geſetz vom 1. Juni 1830 auch gegen die höchſten Regierungscollegien ſtrafbar, ohne daß die Polizei der Preſſe ſtrenger ward; dieſelbe blieb nach wie vor unter dem Gerichte. Aber auch dieſe Geſetzgebung ward nach der Julirevolution beſeitigt, und das alte Geſetz von 1815 wieder hergeſtellt. Als daher das neue Grundgeſetz von 1848 gegeben ward, war eine neue Geſetz - gebung über das Preßrecht nicht nothwendig. Nun iſt es bezeichnend, daß die Preßfreiheit aus dem Hauptſtück über das Bildungsweſen weg - genommen, und als Art. 8 in das erſte Hauptſtück (Von dem Reiche und ſeinen Bewohnern) geſetzt ward. Der Art. 8 lautet: Niemand hat eine vorherige Erlaubniß nöthig, um durch die Preſſe ſeine Ge - danken und Anſchauungen zu veröffentlichen, vorbehaltlich jeder Ver - antwortlichkeit nach dem Geſetze. Daß daneben die Beſtimmungen der Preßpolizei von 1815 fortbeſtehen, namentlich in Beziehung auf Angabe von Drucker, Druckort und Verleger, iſt klar; auch kann wohl das Recht zur vorläufigen Beſchlagnahme nicht bezweifelt werden. Aber die holländiſche Literatur hat den Gedanken einer Polizei nicht ausge - bildet; de Boſch-Kemper (Nederl. Staatsregt. §. XXXI) iſt ſich dar - über durchaus unklar; ebenſo Opzoomer (Staatsregtelik Onderzock S. 121 137); doch iſt über das Princip kein Zweifel.

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Auf weſentlich gleicher Grundlage beruht das Preßrecht Belgiens. Belgien hat daſſelbe in ſeiner Conſtitution von 1830 gleich ſo feſt be - gründet, daß dieſe Geſetzgebung durch keine ſpätere erſchüttert iſt. Cha - rakter dieſes Rechts iſt völlige Preßfreiheit, aber auch Mangel einer ſyſtematiſchen Preßpolizei. In Belgien iſt nicht bloß das Druck - und Verlagsgewerbe vollſtändig frei, ſondern es hat auch die Anzeige, die Ausgabe und die Gründung der Zeitungen gar keine polizeiliche Vorausſetzung (Conſtitution Art. 18. 14. 198 ), ja es iſt ſogar durch Decret vom 19. Juli 1831 jeder Stempel auf Zeitungen beſeitigt, und durch Geſetz vom 3. Mai 1839 die Poſtverſendung aufs Aeußerſte erleichtert. Daneben ſteht der Grundſatz feſt, daß der Beweis der Wahrheit bei Angriffen auf die Regierung hier wir glauben allein in Europa zugelaſſen iſt, ſo daß dieſer Beweis den Schrift - ſteller von jeder Strafe frei macht (Decret vom 20. Juli 1831). Ja eine falſche Behauptung iſt nach Brix (La Constitution belge et les lois organiques. 1865. S. 40. 41. ) ſtraflos, wenn ſie unwiſſentlich aufgeſtellt wurde. Alle durch die Preſſe begangenen Vergehen werden durch die Jury abgeurtheilt (Decret vom 20. Juli 1831). Ueber den Grundbegriff deſſen nun, was als délit de presse angeſehen werden ſoll, ſpricht ſich ein Urtheil der Cour de Cassation vom 28. März 1839 in einer Weiſe aus, die wir hier um ſo mehr anführen, als daſſelbe den weſentlichen Unterſchied zwiſchen Geiſt und Wort, der dem ganzen Unterſchied des Repreſſivſyſtems und des Syſtems des freien Preßrechts zum Grunde liegt, in einer ſo klaren Form bezeichnet, daß wir es als den beſten Beweis für die Aufrechthaltung dieſer Unter - ſcheidung hier anführen dürfen. Pour qu’il y ait délit de presse, ſagt der Gerichtshof, il faut qu’il y ait expression directe de la pensée, ou la manifestation d’une opinion, et que de plus il y ait écrit. Cependant le jury connaît de la calomnie commise par des imprimés contre un fonctionnaire, bien que ce ne soit pas un délit d’opinion ou de tendance et qu’il ne puisse pas revêtir un caractère politique. (Brix a. a. O. S. 42.) Das Decret vom 20. Juli 1831 iſt das Grundgeſetz für das Preßrecht überhaupt. Dar - nach ſind Drucker, Redner, Anſchläger Theilnehmer des Verbrechens. Die Strafen haben zur Vorausſetzung den Angriff auf die verbind - liche Kraft der Geſetze und Aufforderung, Ungehorſam, Verläumdung der Perſon des Königs, Injurien; der Beweis der Wahrheit iſt zuge - laſſen; die Verfolgung tritt nur auf Klage der beleidigten Partei ein, mit einziger Ausnahme der Majeſtätsbeleidigungen. Die Jury ent - ſcheidet; iſt der Verfaſſer nicht bekannt, ſo haftet der Drucker perſönlich; Recht des Einrückens einer Antwort in ein Journal bei perſönlichen148 Angriffen. Jedes Exemplar eines Journals muß außer dem Namen des Druckers die Angabe ſeines Domicils in Belgien enthalten. Dieſes Geſetz wurde zuerſt durch Geſetz vom 1. Juli 1832 bis 1833 verlängert, dann auf unbeſtimmte Zeit durch Geſetz vom 6. Juli 1833, und gilt im Weſentlichen auch jetzt noch; der Artikel 13 (Recht des Einrückens einer perſönlichen Erwiderung) iſt durch das Geſetz vom 15. Mai 1855 erläutert, der Art. 3 durch Geſetz vom 6. April 1847. Erſt nach 1852 wurde die Verletzung fremder Souveräne geſetzlich ſtrafbar erklärt, auf napoleoniſchen Einfluß, durch Geſetz vom 20. December 1852; und das Geſetz vom 12. März 1858 hat die atteintes aux relations inter - nationales (Code Pénal L. II. ) nie geſtattet; doch muß der Staats - anwalt die Genehmigung des Juſtizminiſters für die gerichtliche Ver - folgung dieſer Verbrechen einholen. (Circulär vom 13. März 1858.) Das Geſetz von 1831 vollſtändig in Kritiſche Zeitſchrift für Geſchichte des Auslandes, Bd. VI. S. 163. S. Brix a. a. O. S. 146. Das Straf - recht der durch die Preſſe begangenen Verbrechen in Schuermann Code de la Presse, Brüſſel 1861. Vergleiche über den Standpunkt dieſer Geſetze und ihre Beziehung zu dem franzöſiſchen Preßrecht von 1791 ſehr gut Glaſer, Gutachten Bd. I. Die Contraventionen ſind dabei die Vergehen gegen die polizeiliche Vorſchriften, namentlich das Geſetz von 1831, und gehören nicht vor die Jury, ſondern als répa - ration civile du dommage vor die Civilinſtanz, oder als délit cor - rectionnel aux quels la presse servirait accidentellement d’instru - ment, p. e. l’escroquerie, l’annonce des loteries prohibées etc. vor das tribunal correctionnel. (Brix a. a. O. S. 42.)

Schweden.

Das ſchwediſche Preßrecht iſt bereits im Anfange dieſes Jahrhunderts in einer Weiſe feſtgeſtellt, welche wenig zu wünſchen übrig läßt. Das ſchwediſche Preßgeſetz (Preßfreiheitsordnung vom 6. Juni 1812) ge - hört zu den vier Grundgeſetzen des reinen öffentlichen Rechts (Geſetz über die Regierungsform vom 6. Juni 1809, über die Reichstags - ordnung vom 10. Februar 1810, Succeſſionsordnung vom 26. Sep - tember 1810). Man erkennt in dieſem Geſetze einerſeits die franzöſiſchen freien, andererſeits die engliſchen Grundſätze wieder, und man muß ge - ſtehen, daß kein Land Europas das Preßrecht in freierer und großartigerer Weiſe aufgefaßt hat. Nach dem erwähnten Geſetze iſt jede Art von Präventivmaßregel vollſtändig beſeitigt, und jede Repreſſion gleichfalls ausgeſchloſſen. Von einem Strafrecht des Geiſtes der Preſſe iſt nicht nur nicht die Rede, ſondern es iſt ſogar der Gedanke, daß jede Beſtrafung der Preſſe zu ihrem Objekt nur die einzelnen Ausdrücke haben ſolle,149 faſt am deutlichſten in ganz Europa ausgeſprochen. Das ganze ſchwediſche Preßrecht hat dieß ſtrafrechtliche Element ſorgfältig von dem polizeilichen geſchieden. Das Preßgewerbe iſt vollkommen frei; von Conceſſion oder Caution der Tagespreſſe iſt keine Rede. Dagegen iſt es polizeiliche Vorſchrift, daß Name des Druckers, des Druckortes und Jahreszahl auf jedem Druckwerke angegeben ſein muß; der Drucker haftet, wenn er den Verfaſſer nicht nennt; ein Exemplar jedes Druckwerkes muß dem Gericht (dem Juſtizminiſter oder ſeinem Beauftragten) vor dem Er - ſcheinen übergeben werden; dann kann der Staatsanwalt (Juſtizkanzler) das Druckwerk mit Beſchlag belegen, oder er kann es auch ohne Be - ſchlagnahme gerichtlich verfolgen. Die gerichtliche Verfolgung kann auch durch Privatklage geſchehen. Dieſelbe beſteht in einer ſchriftlichen Klage, in welcher die betreffenden einzelnen Stellen genau citirt ſein müſſen; darauf ſchriftliche Vertheidigung, Replik und Duplik; dann wird eine eigenthümliche Jury gebildet. Jede Partei wählt vier unbe - ſcholtene Männer, das Gericht ſelbſt wählt fünf; von dieſen ſchließt jede Partei ohne Angabe der Gründe je einen aus, ſo daß neun Ge - ſchworene übrig bleiben. Dieſer Jury wird dann eine kurze Darſtellung des Streites gegeben und dann die Frage vorgelegt: Iſt die Schrift ſchuldig nach den von dem Kläger citirten Stellen in den Geſetzen? Zur Ver - urtheilung gehören ſechs Stimmen; allein dieſes Verdict beſtimmt nichts über die Strafe, ſondern entſcheidet nur den Thatbeſtand des durch die Preſſe begangenen Verbrechens; und jetzt erſt ſpricht das Gericht die Strafe aus, gegen welche Beſtimmung noch die Appellation möglich iſt. Um dieſes Preßrecht aufrecht zu halten, wählt der Reichstag ſechs (wegen ihrer Kenntniſſe und Gelehrſamkeit bekannte) Mitglieder, welche übrigens eine Art von Oberaufſicht über die ganze Preſſe ausüben, jedoch mehr literar-hiſtoriſcher als ſtatiſtiſcher oder polizeilicher Natur. Dieß freie Preßrecht Schwedens hat niemals zu Uebelſtänden Anlaß gegeben. (Vgl. Dr. Friſch bei Wappaeus, Steins Handbuch der Geographie. Skandinaviſche Halbinſel S. 488 und 491.)

Italien.

Neben den bisher angeführten Geſetzgebungen hat die italieniſche wiederum ihre Eigenthümlichkeiten, die freilich nicht in einem beſonderen Princip, ſondern vielmehr in einer eigenthümlichen Verſchmelzung der oben angeführten Elemente beſtehen. Das Grundgeſetz für das Preß - recht iſt das Geſetz vom 26. März 1848, dem die Geſetze vom 26. Febr. 1858 und vom 20. Juni 1858 gefolgt ſind. Das allgemeine Princip iſt auch hier allerdings die Freiheit der Preſſe; die Baſis der Preß - polizei iſt der Grundſatz, daß jedes Druckwerk mit dem Namen des150 Druckers und Druckortes verſehen und 24 Stunden vor dem Erſcheinen der Staatsanwaltſchaft übergeben werden muß, welche dann das Recht der Beſchlagnahme hat. Iſt kein Verleger und Verfaſſer genannt, ſo haftet der Drucker. Die periodiſchen Publikationen ſind übrigens hier (Kap. 8) von den übrigen Druckwerken geſchieden; das Recht zur Her - ausgabe eines Journals iſt frei, doch muß vorläufige Anzeige geſchehen; der Gerant iſt nach franzöſiſchem Muſter verantwortlich; vor der Aus - gabe Einreichung eines Pflichtexemplars; Verpflichtung zur Aufnahme öffentlicher Mittheilungen. Das Strafrecht iſt nun hier wie immer ein doppeltes; das peinliche Strafrecht für die durch das Mittel der Preſſe begangene Verbrechen iſt in dieſes Geſetz ausführlich aufgenommen, obgleich es eigentlich ins peinliche Recht gehört; das Polizeiſtrafrecht der Preſſe für Uebertretungen der polizeilichen Vorſchriften beſteht in Bußen. Das Gericht iſt nach engliſch-ſchwediſchem Muſter in eine Jury über den Thatbeſtand und in das Gericht für die Strafbeſtimmung geſchieden; nach der Beſchlagnahme muß die Anzeige des weiteren Ver - fahrens binnen 24 Stunden mitgetheilt werden. Das Beſondere dabei iſt, daß den Geſchworenen vor ihrem Verdict die Erklärung vorgelegt wird: das Geſetz verlangt von den Richtern über die Thatſache nicht eine Discuſſion oder eine Prüfung der einzelnen Ausdrücke (termini isolati) des mehr oder weniger weiten Sinnes, der jedem derſelben beigelegt werden könnte, ſondern legt ihnen die Verpflichtung auf, ſich ſelbſt in der Stille und Sammlung zu fragen und in Aufrichtigkeit zu prüfen, welchen Erfolg (effetto) die Geſammtheit (oder der Zuſammen - hang il complesso) der beklagten Druckſchrift auf ihren Geiſt ge - macht habe ohne an die Anwendung der Strafe zu denken. Hier iſt alſo das Geſchwornengericht zum Urtheil über den Geiſt der Preſſe berufen, und dieſer als ſelbſtändige Thatſache behandelt. Die Strafe ſelbſt iſt neben der gegen den Geranten eine Suspenſion des Jour - nals, ſo lange die peinliche Strafe (pena afflittiva) des erſten dauert, wenn er nicht einen andern Geranten aufſtellt. Man ſieht deutlich in der Nutzloſigkeit der erſteren Beſtimmung die Unſicherheit des Princips; jene Frage an die Jury iſt im Grunde die letzte Form des Beibehaltens des Repreſſivſyſtems, die auch durch die folgenden Geſetze nicht weſentlich gemildert iſt.

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TextDie Verwaltungslehre
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EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationDie Verwaltungslehre Sechster Theil. Jnnere Verwaltungslehre Lorenz von Stein. . X, 150 S. CottaStuttgart1868.

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Fraktur

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