Zweytes Buch.
II. Bd. A[2][3]Ist die ganze Sinnenwelt nur ein einziger Orga - nismus, ist das Kleinste in ihr das, was es ist, nur dadurch, daſs es mit dem gröſsten in Wechselwir - kung steht, und hat auch das Gröſste sein Daseyn nur durch das Kleinste, so ist es ein eitles Beginnen, auch nur über ein Atom etwas bestimmen zu wol - len, ohne auf das Universum Rücksicht zu nehmen. Ehe wir daher in unsern Betrachtungen weiter ge - hen, müssen wir zuvor ausmachen, welche Stelle die lebende Natur im Organismus des Welltalls be - hauptet.
Dieser Theil unserer Untersuchungen wird das - selbe für die ganze lebende Welt, als einen einzi - gen groſsen Organismus, seyn, was das vorige Buch für die einzelnen Arten der lebenden Körper war. Aber wie in der Organisation der letztern,A 2so4so ist auch in der gesammten lebenden Natur nichts Dauerndes. Wir müssen daher eine gewisse Epoche festsetzen, worauf sich unsere Nachforschungen beziehen sollen. Hier wird die Gegenwart diese Epoche seyn. Die Revolutionen, welche die le - bende Natur erlitten hat, werden den Gegenstand des folgenden Buchs ausmachen.
Auch dieser Bestimmung müssen wir indeſs noch eine Einschränkung beyfügen. Was die lebende Natur jetzt ist, wurde sie zum Theil durch die Hand des Menschen. Diese säete, wo die Natur nicht gepflanzt hatte, und bevölkerte, was leer und öde gelassen war; diese brachte Grabesstille in Sam - melplätze des Lebendigen, und wandelte Paradiese in Wüsteneyen um; diese veränderte die ganze Oberfläche, ja, die Eingeweide der Erde, und lieſs wenige Spuren von dem übrig, was diese Welt war, als das Wort der Allmacht: es werde Licht! über sie ausgesprochen wurde. Alles aber, was der Mensch der Natur aufdrang, kann hier kein Gegenstand unserer Betrachtungen seyn. Es kann uns wenig daran liegen, in welchen Welttheilen seine verkrüppelten Hausthiere ihr armseliges Da - seyn kümmerlich fortschleppen. Nur das ist für uns von Wichtigkeit, welche Heimath diesen Thie - ren von der Natur selber angewiesen wurde. Nur in jenen Wäldern des innern Asien’s und Amerika’s, die noch von keinem Beile entheiligt wurden, inden5den unbeschifften Ströhmen dieser Länder, in den Afrikanischen Wüsten, in den Siberischen und Tartarischen Steppen, auf den Gipfeln hoher Ber - ge, nur da zeigt sich die Natur noch in ihrer ur - sprünglichen, unentweihten Gestalt, und dort ist es, wo wir den Stoff zu unsern Betrachtungen werden aufsuchen müssen.
A 3Erster6Wir sahen im zweyten Capitel der Einleitung(a)S. 68., daſs dem Leben jedes einzelnen Körpers im Betreff seiner Intension Gränzen gesetzt seyn müssen, weil die Schrankenlosigkeit desselben unaufhörliche Re - volutionen im allgemeinen Organismus verursachen würde. Wir liessen aber die Frage unberührt, ob auch das Leben der gesammten Natur intensive Schranken habe? Es ist indeſs leicht zu erachten, daſs die Beantwortung derselben, wenn auch nicht geradezu verneinend, doch auch nicht ganz beja - hend ausfallen könne, oder, mit andern Worten, daſs wir das Leben des Ganzen zwar eben so we - nig für absolut schrankenlos, als das des Einzel - nen, aber doch für weit weniger begränzt, als das des letztern annehmen müssen. Die Natur nehm - lich ist in ewigen Verwandlungen begriffen. Der Strohm der Zeiten führt immer neue Einwirkungen der Aussenwelt herbey(b)Biol. B. 1. S. 50.. Jeder Augenblick wür -de7de also, wie dem Individuum, so auch der ge - sammten lebenden Natur den Untergang drohen, sie würde ein ephemerisches Meteor seyn, wenn ihr nicht ein hoher Grad von intensiver Schranken - losigkeit zu Theil geworden wäre.
Dieser hohe Grad von Unbeschränktheit des Lebens der ganzen Natur ist nun auch das Erste, was sich uns aufdringt, wenn wir unsere Aufmerk - samkeit auf die Verbreitung der lebenden Körper wenden. Wir sehen dann, daſs alle Theile der Erde Wohnplätze lebender Geschö - pfe sind, daſs es nirgends eine leblose ohne eine lebende Natur giebt. Wir fin - den dann Leben in der Erde, wie auf ihrer Ober - fläche; in den Lüften, wie in den Gewässern; auf den ewigen Eisfeldern der kalten Zonen, wie auf den brennenden Sandwüsten zwischen den Wen - dekreisen; auf den Spitzen der höchsten Alpen, wie in den tiefsten Klüften der Erde. Selbst in Schwefelpfuhlen, Salzseen und siedenden Quellen treffen wir Spuhren des Lebendigen an.
Hier sind die Belege zu diesen Behauptungen!
Zu Spitzbergen, wo Martin noch in der Mitte des Mai um Mitternacht das Thermometer auf — 20° R. und die gröſste Sommerwärme nicht über 6° R. fand, wo das ganze Jahr hindurch bloſs die Ufer von Eise frey werden, sahe jener Naturforscher dennoch unzählige Haufen der Anas mollissima,A 4die8die ihre Eyer ausbrüteten, auf Hügeln gelagert. Einige Erdschollen enthielten die Saxifraga oppo - sitifolia, Saxifraga cespitosa, Cochlearia Groenlan - dica und einzelne Grasstengel. Zwischen den Ber - gen am Gestade wuchs Fucus vesiculosus, und am Ufer war Ulva latissima häufig ausgeworfen(c)Abh. der Schwed. Akad. 1758. B. XX. S. 292..
Im äuſsersten Norden von Amerika fanden Hearne und Mackenzie allenthalben noch Spuh - ren von Menschen, allenthalben noch jagdbare Thiere, und bis zum 69ten Grade der Breite noch Wälder von Birken und Weiden.
Am entgegengesetzten Ende der Erde, 19Gra - de weit vom Südpole, wo Cook auf seiner zweyten Reise durch ein unabsehbares Eisfeld vom weitern Vordringen abgehalten wurde, sahen die beyden Forster doch noch Pinguine(d)Forster’s Reise um die Welt. B. 1. S. 410., und auf der In - sel Südgeorgien, deren schwarze, schroffe Felsen selbst mitten im Sommer nirgends, als etwa nur auf Landspitzen, wo die Sonne noch einigerma - ſsen wirken kann, vom Schnee entblöſst werden, zwey Pflanzenarten, nehmlich das Hakenkraut (Ancistrum decumbens Forst.) und eine Art des Knaulgrases (Dactylis cespitosa L.)(e)Forster’s Bemerkungen auf einer Reise um die Welt. S. 146..
In9In der heissen Zone ist der Boden unter andern nahe bey den Aegyptischen Pyramiden so dürre und verbrannt, daſs man es für ein Wunder hal - ten möchte, wenn hier ein Thier oder Gewächs seine Nahrung fände. Dennoch sahe Hassel - quist(f)Reise nach Palästina. S. 87. 110. hier beydes. Von Pflanzen traf er die Chondrilla iuncea; von Thieren eine kleine Eidech - senart und Ameisenlöwen in unzählbarer Menge an.
Kein Gipfel eines Berges ist erstiegen, auf dem man nicht Spuhren von Leben bemerkt hätte. De Lüc erblickte 1560 Toisen über der Meeresflä - che noch eine Tipula, und Saussüre auf dem Mont - blanc 100 Fuſs unter dem Gipfel noch einen Schmetterling, 1780 Toisen über der Fläche des Meers die Silene acaulis, und bis zu den höchsten Felsen hinan kleine Warzenmoose, unter andern die Verrucaria sulphurea(g)Voigt’s Magazin f. d. Neueste aus der Physik. etc. B. V. St. 1. S. 39..
Der Boden des Meers ist nicht weniger reich, ja vielleicht noch reicher an lebenden Körpern, als die Oberfläche der Erde. In den Westindischen Gewässern, wo das Wasser ausserordentlich klar, und die Tiefe desselben nicht beträchtlich ist, sieht der Seefahrer auf dem reinen weissen Sandetau -A 510tausenderley Gewürme, Seeigel, Seesterne, Schnek - ken, Muscheln und bunte Fische; er schwebt über ganzen Waldungen von herrlichen Seepflanzen, von Gorgonien, Corallen, Alcyonien und mancher - ley buschichten Schwammgewächsen hinweg, die durch mannichfaltige Farben das Auge nicht min - der ergötzen, und von den Wellen so sanft hin und her bewegt werden, als eines der blumenreich - sten Gefilde über der Erde(h)Schöpf’s Reisen durch die vereinigten Nordamer. Staaten. Th. 2. S. 450..
Steigen wir hinab in das Innere der Erde, so finden wir auch da allenthalben, wo das Gestein eine Kluft oder Höhle bildet, eine unterirdische Welt von lebenden Körpern. In einer von Pal - las(i)Reise durch verschiedene Provinzen des Russischen Reichs. Th. 1. S. 57. besuchten Höhle bey Barnukowa war der schlammichte Grund am Eingange mit einem fa - serichten Byssus überzogen. Aus den Spalten des Schlamms wuchs überall ein besonderer langer Schimmel hervor, und im Innersten der Höhle war auf dem Reisig, welches das Wasser dahin ge - schwemmt hatte, ein sehr groſses Gewächs dieser Art (Mucor decumanus Pall. ) zu bemerken. Die Felsenwände der Höhle waren mit einem zarten, wie Spinnengewebe aussehenden Byssus (B. eva - nida, floccosa, nivea Dillen. ) behängt, und dieschauer -11schauerliche Stille des Orts wurde durch das Um - herflattern einer Menge von Fledermäusen gestöhrt.
Selbst in verschlossenen Höhlen, die noch kei - ne Verbindung mit der Oberfläche der Erde hatten, ist die düstere Einöde durch Flechten und Schwäm - me belebt. Als die Rosenmüllershöhle bey Mug - gendorf aufgebrochen wurde, waren in dem ent - ferntesten Ende derselben die Spiegelglatten Stalak - titenwände mit dem Lichen Tophicola Humboldt. berankt(k)Von Humboldt über die unterirdischen Gasarten. S. 36..
Auch mitten in Holz - und Steinmassen fand man lebendige Amphibien, Mollusken, Insekten und Würmer eingeschlossen. Meist waren es Krö - ten, woran diese Beobachtung gemacht wurde. Hubert(l)Hist. de l’Acad. des sc. de Paris. 1719. traf ein mittelmäſsig groſses, mageres Thier der Art mitten in einem mannsdicken, völ - lig gesunden und festen Ulmenbaume 4 Fuſs über der Wurzel an.
Ein ähnlicher Fall, wo eine Kröte in einem, wenigstens 80 - bis 100jährigen Eichbaume ent - deckt wurde, wird in der Hist. de l’Acad. des sc. de Paris vom Jahre 1731 erzählt.
Gräberg fand eine lebendige Kröte in dich - tem und festem Gesteine, als er in einer Grube zuGoth -12Gothland Steine brechen lieſs. Der Mund des Thiers hatte keine Oeffnung, sondern war mit ei - ner gelblichen Haut überzogen(m)Abh. der Schwed. Akad. 1741. S. 285..
T. Whiston sahe eine lebendige Kröte, die von einem Steinhauer in einem Marmorstücke na - he bey Wishech auf der Insel Elp gefunden war. Die Höhlung war etwas gröſser, als die Kröte, und hatte fast die nehmliche Figur. Das Thier war von dunkelgelber Farbe, und der Marmor, worin es sich befand, fest, klar, und an allen Seiten einige Zoll dick(n)Hamburg. Mag. B. XVII. St. 5. S. 552..
J. Malpas entdeckte ein lebendiges Thier der Art in einem Quadersteine zu Groſs-Yarmouth. Die Höhle, worin das Thier lag, war 6 Zoll von der Ecke des Steins und inwendig ganz glatt. Im Steine selber war keine Oeffnung zu bemerken(o)Ebendas. S. 554..
Gerhard traf eine lebendige Kröte in einem Steine zu Padenborn in der Grafschaft Mannsfeld an. Die Wohnung des Thiers war auch hier nicht viel gröſser, als das letztere, und inwendig ganz glatt. Man bemühete sich vergeblich eine Oeff - nung ausfindig zu machen, wodurch die Kröte in den Stein gekommen wäre. Endlich entdeckte man ein Loch auf der Oberfläche der Erde, dassich13sich 12 Klafter tief herunter erstreckte, jedoch 13 Zoll über der Höhlung, worin die Kröte lag, auf - hörte(p)Nouveaux Mém. de l’Acad. des sc. de Prusse. 1782. p. 13..
Als man auf dem braunen Kohlenwerke bey Langedogen im Saalkreise des Herzogthums Mag - deburg abteuffen wollte, fand sich unter ⅝ Lach - ter ganz dichter und fester Dammerde ein weisses, ganz reines, geschmeidiges, mit Klüfften und Rit - zen keinesweges durchsetztes, sondern ganz dich - tes und einige Lachter mächtiges Thon - oder Let - tenflötz, in welchem, bey fernerm Abteuffen, 16 Zoll tief eine lebendige Kröte zum Vorschein kam. Sie saſs ganz zusammengezogen in einer cirkelrun - den Höhlung, woran die obere Hälfte fehlte. Das enge Lager erlaubte ihr nicht die Füſse auszustre - cken, oder sich im geringsten zu bewegen. Als sie mit dem Steine an das Tageslicht gebracht wur - de, öffnete sie ihre Augen, welche sehr hell und klar glänzten, und sprang aus ihrem Lager heraus. Sie bezeigte sich unruhig, nachdem man sie in dasselbe wieder eingeschlossen hatte, und lebte darin nur noch 8 bis 9 Tage(q)Grillo in Voigt’s Mag. für den neuesten Zustand der Naturkunde. B. 1. St. 4. S. 35..
Nach Allen’s Erzählung fand man an dem Flusse Onion, ohngefähr 3 Meilen von Barlington -Bay,14Bay, bey dem Graben eines Brunnens, Holz in der Tiefe von 24 Fuſs, und neben diesem etwa 30 Frö - sche, die wie versteinert aussahen, so daſs es schwer hielt, sie von andern dabey liegenden klei - nen Steinen zu unterscheiden. Sobald man sie aber aus dem Brunnen herausgebracht, von der ankle - benden Erde befreyet und der Luft ausgesetzt hat - te, empfanden sie nach und nach die belebende Kraft der Sonnenstrahlen, und hüpften so munter hinweg, als hätten sie nie in ihrem unterirdischen Kerker gelegen(r)Natural et political history of the state of Vermont. London. 1798..
Antonio de Ulloa sahe in Madrit zwey Wür - mer, welche von Spanischen Bildhauern mitten in einem Marmorblock gefunden waren, und Misson erwähnt in der Beschreibung seiner Reise nach Ita - lien eines lebendigen Krebses, den man bey Tivoli in einem Stücke Marmor angetroffen hatte(s)Mehrere andere Citate von ältern Beobachtungen der Art finden sich in Haller’s Elem. Phys. T. III. L. VIII. S. 4. §. 3. p. 319. Voigt’s Mag. für das Neueste aus der Physik etc. B. XI. St. 1. S. 133..
Daſs auch Schwefelseen lebenden Körpern zum Aufenthalte dienen, beweisen Beobachtungen von Scheuchzer und Pallas. Jener sahe in Gewäs - sern der Art lebende Larven einer Tipula. Dieser fand in dem Schwefelsee Sernoje-osero den ganzenBo -15Boden des Pfuhls mit einer Haut bedeckt, welche eine gewisse Organisation hatte, und der er eine vegetirende Beschaffenheit zuschreiben zu dürfen glaubt(t)Pallas Reise durch verschiedene Provinzen des Russischen Reichs. Th. 1. S. 104.. In einer andern Schwefelquelle am Surgut hatte sich eine ganz eigene Materie, die zu den Spongien zu gehören schien, um alles in dem Wasser liegende Reisig erzeugt(u)Ebendas. S. 109..
Eben dieser Naturforscher fand in den Salzseen bey Saimka von Pflanzen die gemeine Salicornia, Salsola altissima und Aster tripolium, so wie von Thieren den Cancer pulex und Cancer salinus, welche groſsen Schaaren von Bergenten (Anas Ta - dorna) und einer Art weisser Möwen zur Nahrung dienten(v)Ebendas. Th. 2. S. 288.. Ein anderer See bey Kisloi, welcher salzig und schwefelhaltig zugleich ist, enthält eine Ulvenart und Karauschen(w)Ebend. S. 290..
Forskål(x)Flora Aegypt. Arab. p. 189. traf auf seiner Arabischen Reise in einer 49° R. warmen Quelle, Thunberg(y)Neue Abh. der Schwed. Akad. 1781. B. 2. S. 81. in ei - ner siedenden Quelle am Slangenkop, einem Ber - ge am Cap, Barrow(z)Reisen in das Innere von Südafrika. S. 93. in einem siedend heis -sen16sen Strohme bey Roode-Sand am Vorgebirge der guten Hoffnung Conferven, und Vandelli(z*)Them. 120. T. 2. in einer Hitze von 49° R. seine Ulva labyrinthiformis an.
Auf der Insel Amsterdam giebt es heisse Quel - len, in deren Schlamm, welcher das Quecksilber zum Siedepunkte treibt, Marchantien und Lycopo - dien wachsen(a)Staunton’s Beschreibung der Gesandschaftsreise des Grafen Macartney nach China — Voigt’s Mag. für den neuesten Zustand der Naturkunde. B. 1. St. 2. S. 22..
Der Turbo thermalis, ein Bewohner des Adria - tischen Meers, findet sich auch in den warmen Quellen von Abano, worin das Reaumürsche Ther - mometer auf 40° steigt(b)Olivi Zool. Adriat. P. 1. p. 172..
Nach Sonnerat’s Versicherung leben Fische in den warmen Bädern auf Manilla bey einer Tem - peratur von 140° Fahrenh., ja, nach der Aussage eines dortigen Geistlichen, sogar bey einer Hitze von 184°(c)M. s. auch Bruce’s Reisen zur Entdeckung der Quellen des Nil’s. Uebers. von Volkmann. B. 1. S. 32.
Nur die Crater feuerspeyender Berge, und ei - nige Inseln, die in neuern Zeiten durch vulcani -sche17sche Ausbrüche hervorgebracht sind, setzen der Ausbreitung des Lebens Schranken. Eine solche Insel ist Neu-Camene im Archipelagus, die vom Jahre 1707 bis 1711 bey verschiedenen Erdbeben nach und nach in die Höhe stieg, und deren fla - cherer Theil von schwarzen Basaltblöcken starrt, auf welchen fast keine Spuhr von Vegetation zu entdecken ist(d)Olivier’s Reisen durch das Türkische Reich, Egyp - ten u. Persien. Uebers. von Sprengel. Th. 1. S. 482.. Doch auch in diesen Einöden arbeitet die Natur schon längst an der Erzeugung des Lebendigen, und selbst den Schlünden der feuerspeyenden Berge nähert sie ihre lebenden Pro - dukte so sehr, als es die Beschränktheit des Lebens nur immer zuläſst. Die Insel Hiera, oder Alt-Ca - mene, welche ebenfalls durch einen vulcanischen Ausbruch, aber ungleich früher, als jene, nehm - lich kurz vor oder nach Christi Geburt, entstan - den ist, ernährt schon seit langer Zeit Pflanzen in einem Bette von verwittertem Bimsteine und vul - canischer Asche(e)Olivier a. a. O. S. 489., und selbst auf Neu-Camene zeigt sich schon an einigen Stellen, die mit Asche und verwitterten Steinen bedeckt sind, ein Anfang von Vegetation(f)Ebendas. S. 482.. Die beyden Forster fanden auf einen Vulcan der Insel Tanna, wo der Boden eine Hitze von 210° Fahrenh. hatte, mancherley blü -hendeII. Bd. B18hende Gewächse(g)Forster’s Reise um die Welt. Th. 2. S. 235. 259., und der Graf de Mailli an dem Crater des Vesuvs zwischen glühender Lava eine Salamanderart(h)La trois doigts. La Cepede Hist. nat. des quadr. ovip. T. 1. p. 496..
Ueberhaupt arbeitet die Natur, wie an den Schlünden der Vulcane, so auch allenthalben, wo Menschenhände, oder physische Kräfte eine leblose Wüste hervorgebracht haben, gleich wieder an der Hervorbringung lebender Körper, sobald jene nur aufhören, sich ihrem Wirken zu widersetzen. Nackte Felsen, auf welchen kein Staubkörnchen haftet, überziehen sich mit Flechten; unter den Blättern der letztern sammelt sich Erde, woraus Moose hervorsprossen; Vögel nisten auf diesen, und düngen und vermehren mit ihrem Auswurfe die angehäufte Erde; so wird aus dem nackten Steine ein reitzender, mit Kräutern, Stauden und Bäumen bedeckter Hügel.
Auf ähnliche Art wurde Aegypten aus einem öden Meeresboden zu einem der fruchtbarsten Län - der, indem ein kleines, zwey bis drey Fuſs langes Rohr mit seinen vielen Schöſslingen, seinen schar - fen Blättern, und seinen weit umher kriechenden, unter einander verschlungenen Wurzeln der Schlamm der See aufhielt(i)Hasselquist’s Reise nach Palästina. S. 1. p. 117..
Nach19Nach Morison’s Erzählung fand man acht Mo - nate nach dem groſsen Brande in London von 1666 die Brandstelle in einer Weite von 200 Morgen mit dem Erysimum latifolium maius glabrum Bauhini so bedeckt, daſs England, wo doch diese Pflanze nicht selten ist, Frankreich, Deutschland und Ita - lien schwerlich eine gleiche Menge würden haben aufbringen können.
Adanson(k)Reise nach Senegal. Uebers. von Schreber. S. 182. und Bonnet(l)Traité des corps organisés. T. III. p. 345. beobachteten, daſs ein ausgetrockneter Teich sich gleichsam von selbst wieder mit Fischen besetzt, ohne daſs sich der Ursprung dieser Thiere entdecken läſst. Jener wurde bey einer Reise über die Holzinsel in den vom Regenwasser entstandenen Seen einige Rothfe - dern gewahr. Die Regenzeit war verflossen, die Teiche vertrockneten, und die Fische kamen um. Nichts desto weniger zeigten sich im folgenden Jahre die nehmlichen Thiere wieder, obgleich jene Wasserbehälter mit dem, 300 Toisen entfernten Niger keine Gemeinschaft hatten, und diese Art von Fischen in demselben auch gar nicht anzutref - fen war.
Aber nicht bloſs jeder Theil der Er - de, sondern auch jeder ihrer lebenden Bewohner ist ein Wohnplatz des Le -ben -B 220bendigen. Die Pflanze dienet andern Pflanzen, Phytozoen und Thieren, das Thier andern Thie - ren, Polypen und Pflanzenthieren zur Wohnung.
Unter den Pflanzen giebt es verschiedene, die man nirgends, als auf andern Pflanzen antrifft (Schmarotzerpflanzen), z. E. die Tillandsien, mit deren langen, herabhängenden Zweigen alle Bäume in den Wäldern des wärmern Amerika bedeckt sind(m)Ulloa physik. u. histor. Nachrichten von Amerika. Uebers. von Dieze T. 1. S. 113. Bartram’s Reisen in Nordamerika, im Mag. von Reisebeschreib. B. X. S. 89. Schöpf’s Reisen durch Nordamer. Th. 2. S. 165., die Cuscuta, das Epidendrum, Viscum, die meisten Arten des Loranthus, verschiedene Cac - tus-Arten, Cytinus hypocystis u. s. w.
Von den Pflanzenthieren wohnt ein groſser Theil der Schwämme, Flechten und Moose auf Pflanzen. Dagegen werden alternde Phytozoen aus der Familie der Tange wieder eben so von Sertula - rien, Milleporen und andern Thierpflanzen be - wohnt, wie alternde Baumstämme von Flechten und Moosen(n)Mertens in Schrader’s Journal für die Bot. 1800. B. 1. S. 192..
Unter den Thieren sind es vorzüglich die In - sekten, die sich auf Pflanzen aufhalten. Blos aufder21der Eiche kannte schon Rösel(o)Insekten-Belust. B. 1. S. 270. 200 Insektenar - ten, und Linné(p)Pand. Ins. in Amoen. Acad. Vol. V. p. 230. auf der Weide 55, auf dem Pflaumenbaume über 30, auf dem Grase 16, auf der Pappel 22, auf der Linde 13, auf dem Birnbau - me über 40, auf der Birke 19 und auf der Distel 8 Arten.
Das Thier ernährt andere Thiere sowohl auf seiner Oberfläche, als in seinem Innern. Seine Oberfläche wird von Onisken, Lernäen, Milben, Fliegenlarven u. s. w., sein Inneres von Eingeweide - würmern bewohnt. Unter jenen Insekten giebt es einige, die, gleich den parasitischen Pflanzen, an einem Flecke der Oberfläche des Thiers angeheftet, daselbst eine Art von vegetirendem Leben führen, und wieder andern Insekten zur Befestigung und Nahrung dienen. De Geer fand auf einem Staphy - linus eine Art von Milben (Acarus coleoptratorum ru - fus, ano albicante. Linn. Faun. Suec. Ed. 2. n. 1983), und auf einer Pflanze eine Art von Lepturen (Lep - tura nigra, thorace elytrisque rufis. Linn. ibid. n. 681. β.), wovon einige vermittelst eines langen Fadens, der wie ein Stengel aus ihrem Hintertheile hervorging, an dem Körper des Insekts und der Pflanze befestigt waren, und andere auf eben die Art wieder mit ihnen zusammenhingen. DerKör -B 322Körper der äussersten Milbe oder Lepture war an den Bauch der folgenden geheftet, dieser an den der dritten, und so die ganze Reihe hindurch bis an die letzte, die ihren Stengel in den Staphylin, oder in das Gewächs gepflanzt hatte(q)Abhandl. der Schwed. Akad. B. XXX. S. 191..
Eingeweidewürmer finden sich in Thieren von jeder Art, von jedem Alter und in jedem ihrer Or - gane, nur die Milz und einige Drüsen ausgenom - men. Reaumur(r)Mém. pour servir à l’Hist. des ins. T. VI. P. 1. mém. 1. p. 27, 28. und Pallas(s)Reise durch verschiedene Prov. des Russischen Reichs. Th. 1. S. 226. entdeckten sie in Insekten, und Forskål(t)Descript. animal. p. 118. Icones rer. nat. T. 34. f. c. in der Pterotrachea aculeata. Swammerdamm(u)Bibel der Nat. S. 75. traf in den Uterus ei - ner Schnecke Eingeweidewürmer, und in diesen wieder kleinere von einer andern Art an. Bren - del, Hartmann und Roussens beobachteten schon bey Früchten im Mutterleibe, Doläus, Wepfer, Vallisnieri, Raulin, Blumenbach, Goeze und Bloch in jungen Thieren gleich, oder doch bald nach der Geburt, Eingeweidewürmer(v)M. s. die Citate in Bloch’s Abh. über die Erzeu - gung der Eingeweidewürmer. S. 32. 38, und Goeze’s N. G. der Eingeweidewürmer. S. 55. 65.. Sogarin23in dem Ey einer Henne ist ein solcher Wurm ge - funden(w)Voigt’s Mag. f. d. Neueste aus der Physik. B. IV. St. 1. S. 188..
Auch Zoophyten bewohnen sowohl die Ober - fläche, als das Innere der Thiere. Auf Wasser - thieren, und vorzüglich auf Kiemenfüſslern, fin - den sich oft Polypen in groſser Menge. Auf den Larven einiger Cicaden-Gattungen trifft man fast immer eine gewisse Art von Keulenschwämmen, zuweilen in der Länge von 2 Zollen, an, und zwar gewöhnlich auf dem obern Theile des Körpers je - ner Thiere(x)Wattson und Hill, Phil. Trans. Vol. LIII. p. 271. Fougeroux, Mém. de l’Acad. des sc. de Paris. 1769. p. 467.. Müller’s rother Keulenschwamm (Clavaria militaris crocea) wächst beständig aus ei - nem faulenden Insekt hervor(y)O. F. Müller in Nov. Act. Acad. N. C. T. IV. p. 215. Beschäftigungen der Berlin. Gesellsch. naturf. Freunde. B. 1. S. 156. — “Schrank beschreibt in seiner „ Baierschen Flor eine Conferva piscium, die er an „ verschiedenen Theilen des Leibes, vorzüglich aber „ an den Kiemendeckeln, der Orfe beobachtet hatte. „ Bloch bemerkte dieselbe an dem Rücken des Karpfen „ (Nat. Gesch. der Fische Deutschlands. Th. 1. S. 109). „ Die Schaalthiere sowohl des Meers, als des süſsen „ Wassers, dienen ebenfalls verschiedenen Phytozoen„ zum. Zoophyten, diesichB 424sich im Innern der Thiere aufhalten, sind die Infusionsthiere. Man findet diese unter gewissen Umständen fast in allen thierischen Säften, vorzüg - lich aber in dem reifen männlichen Saamen. In dem letztern hat man sie bey allen, in dieser Hin - sicht untersuchten Thieren entdeckt.
Das bisher Gesagte wird zum Beweise des ho - hen Grades von intensiver Unbeschränktheit des Lebens der gesammten Natur hinreichend seyn. Was eine aufmerksame Betrachtung der Verbrei - tung der lebenden Körper uns Weiteres an merk - würdigen Resultaten liefert, läſst sich in den bey - den folgenden Sätzen zusammenfassen:
Es giebt gewisse Gränzen der belebten Erde, ausserhalb welcher die Natur nur einige Artenvon(y)„ zum Befestigungspunkte, und diese erhalten dadurch „ eine Locomotivität, die sie sonst nicht hätten! Soll - „ te dies nicht mehr als zufällig seyn? Auf einer „ schwarzen Schnecke befindet sich in unsern ge - „ wöhnlichen Wiesengräben ganz ausschlieſslich eine „ Varietät des Batrachospermum moniliforme R., auf „ einer andern die Rivularia confervoides R. die ich in „ meinen Algis aquat. auch auf derselben abgebildet „ habe. Eine andere, noch unbeschriebene Con - „ ferve entdeckte ich vor zwey Jahren auf Schnek - „ ken irgendwo im Braunschweigschen, und im vori - „ gen Herbste auch in den Gräben längs dem Schwach - „ hauser Wege bey Bremen”. Anmerkung des Herrn Professor Mertens.25von lebenden Körpern hervorzubringen ver - mag. Ausserhalb dieser Gränzen liegen z. B. siedende Quellen und alle Erdstriche, in wel - chen die mittlere Temperatur weniger, als 3° R. beträgt, also die Gipfel hoher Gebirge und die Polarländer. Alles, was innerhalb dieser Gränzen liegt, enthält eine ähnliche lebende Natur. Nirgends treffen wir hier nur einzelne Classen von lebenden Körpern, nirgends Säug - thiere ohne Vögel, diese ohne Amphibien u. s. w. an.
Von jenen Gränzen an bis zu gewissen Mit - telpunkten der belebten Erde zeigt sich eine ähnliche Gradation vom Einfachern zum Man - nichfaltigern in der Verbreitung, wie in der Struktur der lebenden Organismen. Aber wie bey dieser jene Stufenfolge nur von der Menge der ungleichartigen Theile überhaupt gilt, so ist dasselbe auch bey jener der Fall. Nur die Menge der Geschlechter und Arten überhaupt ist z. B. gröſser in den heissen Zonen, als in den gemäſsigten, und gröſser in diesen, als in den Polarländern. Hingegen bey einzelnen Geschlechtern findet eine ganz entgegengesetz - te, oder auch gar keine Gradation statt.
Der folgende Abschnitt wird den Beweis dieser Sätze enthalten.
Schon aus dem, was im vorigen Abschnitte über die Verbreitung der lebenden Natur überhaupt ge - sagt ist, ergiebt sich, daſs die Zoophyten weiter als die Thiere, und diese weiter als die Pflanzen verbreitet sind.
Zoophyten leben an Orten und in Jahreszeiten, wo die übrige Natur erstorben ist. Wir finden sie auf den höchsten Gipfeln der schroffesten Felsen,auf27auf welchen kein Atom Erde haftet(z)Z. E. Webera pyriformis, alle Arten der Grimmia. und das Hypnum saxatile (Bridel muscol. recent, T. 1. p. 64.).; in unter - irdischen Klüfften, die nie durch[einen] Sonnenstrahl erhellt wurden; an den äussersten Gränzen der unwirthbaren Polarländer; unter dem Aequator; in Schwefelpfuhlen und in siedenden Quellen. Die Pilze entstehen im Herbste, wo das ganze Pflanzenreich und ein Theil des Thierreichs in den Scheintodt versinkt. Tange(z*)Turner Calendar. plant. marin. im V. Bande der Trans. of the Linnean Society., Flechten und Moose tragen Früchte, wenn die ganze übrige Na - tur von Kälte erstarrt ist. Infusionsthiere erzeugen sich in allen Säften der Thiere, Zoophyten und Pflanzen.
Fast eben so groſs ist auch die Biegsamkeit der thierischen Organisation. Auf den höchsten Felsenspitzen nisten Adler. Byssus radiciformis, Byssus membranaceus, Boletus turritus, Boletus fodinalis, Agaricus acephalus und andere, durch von Humboldt beschriebene Pilzarten dienen ei - genen Würmern und Insekten, besonders Derme - stesarten zur Nahrung, und so ist in unterirdischen Klüfften mit der Existenz einer verborgenen Welt von Zoophyten zugleich die einer unterirdischen Thier -welt28welt verbunden(a)Von Humboldt über die unterirdischen Gasarten. S. 36.. Kein Seefahrer ist den Polen so nahe gekommen, daſs er nicht Pinguine, Me - wen und andere Seevögel noch angetroffen hätte, und keine Afrikanische Sandwüste ist so brennend, daſs sie nicht von Insekten bewohnt würde. Daſs sogar Schwefelseen und heisse Quellen nicht nur Pflanzenthiere, sondern auch Fische und Insekten beherbergen, ist schon im vorigen Abschnitte be - merkt. Endlich sind es, nebst Zoophyten, auch Thiere, welche das Innere alles Lebendigen bewoh - nen, wie ebenfalls schon oben angeführt ist.
In engere Gränzen ist aber das Pflanzenreich eingeschlossen. Die Südspitze von Amerika ist nur noch dürftig mit krüpplichten Kräutern bekleidet. Wallis(b)Hawkesworth’s Geschichte der Seereisen. Th. 1. S. 172. traf sogar eine Stelle auf der Küste des Feuerlandes an, wo weder die schroffen, weit über die Wolken emporragenden Felsen, noch die zwi - schen diesen gelegenen Thäler auch nur einen einzi - gen Grashalm ernährten.
— — — Non illic canna palustris, Non steriles ulvae, non acuta cuspide iunci.
Und doch fanden die beyden Forster an dieser Küste eine Menge Geyer, Adler und Habichte, groſse, gesellig beysammen wohnende Heerden vonandern29andern Vögeln, mehrere Robbenarten, womit die Klippen am Strande bedeckt waren, kurz eine nicht unbeträchtliche Menge von Arten und Individuen des Thierreichs(c)Forster’s Bemerk. auf einer Reise um die Welt. S. 164.. Sandwichland, welches nur um 4° südlicher liegt, ist vermuthlich ganz unfä - hig, irgend einer Pflanze Nahrung zu verschaf - fen(d)Forster ebendas. S. 146., da doch Pinguine noch jenseits des südli - chen Polarzirkels leben(e)Forster’s Reise. Th. 1. S. 410..
Keine Pflanze bewohnt das Meer, ausser den Zosteren, die aber vielleicht zu den Phytozoen ge - hören, und dem anomalischen Cynomorium. Nie traf man Pflanzen in unterirdischen Höhlen, nie in Schwefelseen und heissen Quellen an. Zwar sollen nach der Versicherung des Plinius(f)Hist. nat. L. II. c. 103. L. XXXI. c. 6. und Mappus(g)De potu calido. p. 27. in einer Quelle von Abano, deren Hi - tze 52½° R. beträgt, verschiedene Kräuter wachsen. Aber Vallisnieri(h)Opere fisico-mediche. T. II. p. 433., der die Sache näher unter - suchte, fand weder in dieser Quelle, noch an de - ren Ufern eine Spuhr von Vegetabilien. Erst in ei - ner gewissen Entfernung, wo das Wasser seine Hitze schon gröſstentheils verlohren hatte, und woes30es sich in einigen Teichen ansammelte, traf er ein Paar Wasserpflanzen an. Doch ist soviel gewiſs, daſs der aus heissen Ströhmen aufsteigende Dunst mehrern Pflanzen nicht nur keinen Schaden thut, sondern oft gar ihr Wachsthum befördert(i)La Billardiere’s Reise nach dem Südmeere. Th. 1. S. 259., und daſs Quellen, worin das Thermometer nicht viel über 30° R. steigt, die Vegetation nicht verhindern. Einen Beweis des Letztern giebt ein Sumpf, in wel - chen sich die warmen Quellen von Bagnières er - gieſsen, dessen Temperatur, selbst mitten im Win - ter, 31° beträgt, und welcher mit Pflanzen bedeckt ist, die auch in der gewöhnlichen Temperatur wachsen, und in ihrer Entwickelung blos von den Jahreszeiten abhängen(k)Ramond in Pfaff’s u. Friedländer’s Annalen für die allgem. N. G. etc. 1802. H. 3. S. 210..
Indem wir ausgehen, um den Plan zu erforschen, den die Natur bey der Vertheilung ihrer lebenden Produkte beobachtete, ist das Erste, was sich un - sern Blicken darbietet, ihre physische Verbrei - tung. Wir finden andere Pflanzen auf dem Lande und andere in den Gewässern, andere auf den Gip - feln der Berge und andere in den Thälern, andere in fliessendem Wasser und andere in Sümpfen, noch andere in einem salzichten, kalkartigen, san - dichten und thonartigen Boden. Der zweyte Gegen - stand, der sich uns aufdringt, ist die geographi - sche Verbreitung der lebenden Körper. Jedes Land hat seine eigene Flor, die zwar zum Theil durch dessen physische Beschaffenheit, aber zum Theil auch durch die Länge und Breite desselben, durch die natürlichen Gränzen, wovon es eingeschlossen ist, und durch die Revolutionen, die es erlitten hat, bestimmt wird.
Nicht32Nicht immer steht die physische Verbreitung mit der geographischen in Verhältniſs. Es giebt Pflanzen, die sich in Rücksicht der erstern sehr auszeichnen, aber auf weit kleinere Erdstriche ein - geschränkt sind, als manche andere Gewächse, die eine weit geringere physische Verbreitung haben. Cocos-Palmen findet man häufig auf Corall-Felsen, wo kaum Erdreich genug zu seyn scheinet, daſs sie Wurzel darin schlagen können(l)Forster’s Reise. Th. 2. S. 19.. Ihre Nüsse können Monate lang im Meere herumtreiben und behalten dennoch das Vermögen zu keimen. So - bald sie nur das Land erreichen, kommen sie selbst im Sande fort(m)Forster im Mag. von Reisebeschreibungen. B. VI. S. 410.. La Billardiere(n)Reise. Th. 2. S. 70. sahe auf Tongatabu am Ufer des Meers eine Menge starker Brodtbäume, deren Wurzeln hier und da in Brak - wasser wie gebadet waren. Und doch sind diese Pflanzen, der groſsen Biegsamkeit ihrer Organisa - tion ohngeachtet, verhältniſsmäſsig nur auf einen kleinen Theil der Erde eingeschränkt! Die Cocos - palme, die sich, nach den angeführten Thatsachen zu urtheilen, über alle Länder der wärmern Clima - te verbreitet haben müſste, findet sich in dem gan - zen Neu-Holland nicht. Den Brodtbaum trifft man zwar von Surratte bis zu den Marquisen-Inseln, im stillen Weltmeere, fast auf jeder Küste und jederInsel33Insel an. Aber alle Umstände lassen vermuthen, daſs er ursprünglich nur in Ostindien zu Hause gehört, und von da blos durch Menschenhände weiter verpflanzt ist(o)G. Forster’s kleine Schriften. Th. 1. S. 399. ff..
Weder die physische, noch die geographische Verbreitung der Pflanzen steht mit den beständigern Charakteren dieser Organismen in enger Verbin - dung. Von der geographischen Verbreitung wird die Richtigkeit dieses Satzes weiter unten erhellen. Um uns von der Wahrheit desselben in Betreff der physischen Verbreitung zu überzeugen, dürfen wir nur einen Blick auf irgend ein artenreiches Ge - schlecht, z. B. auf das der Ranunkeln, werfen. Wir treffen in diesem einige Arten an, die blos in der Alpenregion wachsen, z. B. den Ranunculus pyre - naeus, parnassifolius, Thora, glacialis, nivalis, montanus u. s. w. Es giebt andere, die nur auf den Wiesen der Ebenen gedeihen, wie der R. bul - bosus, Philonotis, polyanthemos, acris u. s. w. Noch andere trifft man blos an sumpfigten Oertern an, so den R. flammula und lingua. Der R. flu - viatilis kömmt blos in fliessendem Wasser fort, und der R. salsuginosus wird nur in den Siberischen Salzsteppen gefunden.
Doch nicht blos verschiedene Arten von einer - ley Geschlechte, sondern auch eine und dieselbePflan -II. Bd. C34Pflanze wächst nicht selten auf den verschiedensten Standörtern ohne Abänderung in ihren specifiquen Charakteren. Das Sisymbrium amphibium gedei - het sowohl im Wasser, als auf dem Trocknen, und auf diesem in dem verschiedensten Erdreiche, und doch bleiben die charakteristischen Kennzeichen desselben immer die nehmlichen. Haller’s Ver - zeichniſs der Helvetischen Pflanzen(p)Histor. stirp. Helvet. — Enumer. method. stirp. Helv. indigen. enthält mehr als hundert Arten, die auf den Alpen und zugleich in den umliegenden Thälern wachsen. Nach Schöpf’s(q)Reisen durch die vereinigt. Nordamer. Staaten. Th. 1. S. 132. Bemerkung sind die meisten Amerikanischen Gewächse ganz oder doch ziemlich gleichgültig in Ansehung ihres Standorts.
Hier bestätigt sich also der am Schlusse des vo - rigen Abschnitts aufgestellte Satz, daſs die Natur innerhalb gewisser Gränzen allenthalben so viele lebende Körper aus jeder Familie und selbst aus jedem Geschlechte, wie ihr nur immer möglich ist, hervorzubringen sucht. Jene Gränzen sind bey den Pflanzen in Ansehung ihrer physischen Ver - breitung, wie aus den im vorigen Kapitel ange - führten Erfahrungen erhellet, heisse Quellen, Schwefelseen, Alpenregionen, die über der Schnee - linie liegen, und durch vulcanische Ausbrüche her -vor -35vorgebrachte Ruinen, auf welchen nicht genug Er - de zur Befestigung der Gewächse vorhanden ist.
Inzwischen, obgleich sich von keinem Pflan - zengeschlechte behaupten läſst, daſs die charakte - ristischen Merkmale desselben mit irgend einer Art des Standorts in unzertrennlicher Verbindung stehen, so ist es doch auch gewiſs, daſs einige Ge - schlechter sich mehr zu dieser, andere mehr zu je - ner physischen Verbreitung neigen. So neigen sich die Monocotyledonen weit mehr zu wasserreichen Standörtern, als die Dicotyledonen. Die ganze Familie der Hydrochariden enthält blos Wasser - pflanzen, und von den übrigen Pflanzen mit einem einfachen Saamenblatte wächst der gröſste Theil an sumpfigen Oertern. So bestehn viele Polygoneen und die meisten Ballblüthen und Ficoideen aus Salzpflanzen. Die Siberischen Salzsteppen sind gröſstentheils, ja oft blos mit Gewächsen aus diesen Familien, vorzüglich mit Arten der Geschlechter Polycnemum, Camphorasma, Anabasis, Salsola, Atriplex, Salicornia und Nitraria bedeckt. So fin - den sich in der Familie der Salatpflanzen, Lysi - machien, Euphrasien, Gentianen, Alpenrosen, Heiden, Ranunkeln und steinbrechartigen Pflanzen die meisten Alpengewächse.
Obgleich ferner die Charaktere der Familien und Geschlechter in keiner unzertrennlichen Ver - bindung mit der Beschaffenheit der äussern Ein -C 2flüsse36flüsse stehen, so werden doch die Varietäten und oft auch die Arten durch die letztern bestimmt. Die Wasserpflanzen haben gewisse specifique Cha - raktere, die den Bewohnern des Landes fehlen; die Alpengewächse zeichnen sich durch manche Eigen - heiten vor den Pflanzen der Ebenen aus; und so - wohl auf den Gebirgen, als in den Ebenen sind die Vegetabilien verschieden, nach der Verschieden - heit des Bodens.
Zwischen den Wasser - und Landpflan - zen findet ein merkwürdiger Unterschied in An - sehung der Blätter statt. Jene haben feine, schma - le, und blaſsgrüne, diese breite und dunklere Blät - ter. Am auffallendsten ist diese Verschiedenheit bey solchen Gewächsen, welche theils unter, theils über dem Wasser wachsen, z. B. dem Sium lati - folium. Bey dieser Pflanze sind diejenigen Blätter, die sich in der Luft befinden, eyförmig und gefie - dert, hingegen die Wurzelblätter, die unter dem Wasser wachsen, äusserst zusammengesetzt, haar - förmig, und weit länger, als die der Luft ausge - setzten Stengelblätter. Säet man diese Pflanze in einen feuchten, aber dem Ueberschwemmen nicht ausgesetzten Boden, so zeigen sich die Wurzel - blätter eben so, wie die Stengelblätter, nehmlich blos gefiedert; eben dasselbe geschieht, wenn man eine bereits gezogene Pflanze in die freye Luft setzt, ehe ihre Blätter angefangen haben, sich zu entwik -keln37keln(r)Dorthes in Voigt’s Mag. f. d. Neueste aus der Phy - sik etc. B. VI. St. 1. S. 72.. Aehnliche Erscheinungen bemerkt man auch bey der Hottonia palustris, dem Sisymbrium amphibium, Ranunculus aquatilis und mehrern an - dern Pflanzen.
Die Alpenpflanzen unterscheiden sich von den Bewohnern der Thäle und Ebenen vorzüglich in folgenden Punkten: Fast alle sind klein, und entweder holzig und strauchartig, mit harten, an der Erde fortkriechenden Zweigen, oder sehr saft - reich. Groſs ist dagegen die Blume, oft gröſser, als die ganze Pflanze. Alle blühen ausserhalb den Alpen im Frühlinge, und ziehen sich hier nach sumpfigten Oertern hin, wie sich bey der Zwerg - birke (Betula nana) zeigt, die in Lappland auf den Alpen, in Schweden und der Schweitz in Sümpfen wächst(s)Linnei amoen. acad. Vol. 1. p. 11.. Alle werden sowohl von übermäſsiger Hitze, als zu strenger Kälte getödtet(t)Ibid. Vol. IV. p. 423.. Blos sol - che Pflanzen, die binnen sehr kurzer Zeit wachsen, blühen und Früchte tragen, können auf Alpen aus - dauern. Die Gipfel hoher Berge sind nehmlich bis zum Sommer-Solstitium mit Schnee bedeckt. Um diese Zeit wird die Luft sehr schnell erwärmt, so daſs binnen acht Tagen alle Felder entblöſst sind. EbenC 338Eben so schnell geht dann auch die Vegetation vor sich. Binnen acht Tagen sind alle Felder grün; in den folgenden acht Tagen haben die Pflanzen ihre gehörige Gröſse erreicht; in der nächsten Woche blühen sie; binnen anderer acht Tage sind ihre Früchte reif; und jetzt währt es kaum noch vier - zehn Tage, daſs Nachtfröste und Schnee schon wieder die Ankunft des Winters anzeigen. So folgt hier, ohne Frühling, auf den Winter der Sommer, und auf diesen binnen fünf bis sechs Wochen ohne Herbst wieder der Winter(u)Ibid. p. 419. Linnei Fl. Lappon. Prolegom. §. 16..
Von der verschiedenen Mischung des Bodens hängt zuerst das Gedeihen der Pflanzen überhaupt ab. Unter den verschiedenen Urgebirgen sind vorzüglich die Granitgebirge kahl und nackt, und erlauben oft nur einigen Flechten und Moosen kümmerlich in ihren Ritzen hervorzuwachsen. An einigen Orten, z. B. auf den Granitfelsen des Altai - schen Gebirges, findet man auch nicht einmal die - se auf ihnen(v)Patrin in den Neuen Nordischen Beyträgen. B. 4. S. 183.. Besser geht die Vegetation auf den Gneusgebirgen von statten, noch besser auf den Glimmerschiefergebirgen, und diese nebst den Urthonschiefergebirgen sind fast immer mit frucht - baren Wiesen, Aeckern und Wäldern bedeckt(w)Steffens Beyträge zur innern Nat. Gesch. der Erde. B. 1. S. 84.. Vor -39Vorzüglich aber gedeihen die meisten Gewächse auf Kalkgebirgen. Selbst den Mangel der Wärme ver - mag ein gewisser Grad von Kalkgehalt des Bodens einigermaſsen zu ersetzen, wie die so hoch am kal - ten Altaischen Gebirge gelegene Gegend von Tige - räk beweiset, wo das Getreide, das auf den dorti - gen hohen Kalkbergen gesäet wird, ungemein schnell heranwächst, und alle wilde Pflanzen zu einer Riesengröſse gelangen, z. B. Rittersporn, Geisbart und Brennesseln zu einer Höhe von 12 Fuſs, und der Stamm der Angelica zu einer baumartigen Dicke(x)Pallas Reise durch verschiedene Provinzen des Russischen Reichs. Th. 2. S. 578. Patrin a. a. O. B. 2. S. 370..
Auch ein salziger Boden befördert das Wachs - thum aller für ihn passender Pflanzen. Dies zeigt sich vorzüglich in Egypten, wo nicht nur der Bo - den, sondern auch die Athmosphäre so mit Salz - theilen geschwängert ist, daſs die Steine allenthal - halben von Natrum angefressen, und alle feuchte Oerter voll langer, salpeterähnlicher Salzcrystalle sind. Hier giebt diese Salzigkeit der Luft und des Erdbodens, in Verbindung mit der Hitze, den Pflanzen ein Leben und ein Wachsthum, wovon der Bewohner des kalten Nordens keinen Begriff hat. Allenthalben, wo die Gewächse nur Wasser haben, geschieht ihre Entwickelung mit einer be -wun -C 440wunderungswürdigen Geschwindigkeit. Eine ge - wisse Kürbisgattung, Kora in der dortigen Sprache genannt, treibt binnen 24 Stunden beynahe 4 Zoll lange Kürbisse(y)Volney’s Reisen nach Syrien u. Egypten..
Ferner äussert sich der Einfluſs des Bodens auf die Vegetation an der Farbe der Pflanzen, und besonders der Blumenblätter. Sumpfpflanzen ha - ben gewöhnlich dunkelgrüne und glatte Stengel - blätter, wie die ganze Familie der Hydrochariden beweist. Zu Neu-Yersey in den vereinigten Staa - ten von Nordamerika, wo der Boden aus einem an der Oberfläche verwitterten rothen Thonschiefer besteht, zeichnen sich alle Pflanzen durch ein leb - hafteres Grün aus(z)Schöpf’s Reisen. Th. 1. S. 17. 18.. Auf die Farbe der Blumen - blätter scheint vorzüglich ein thonhaltiger Boden einen merklichen Einfluſs zu haben. Bey Constan - tinowo, wo das Erdreich viel weissen Thon ent - hält, sahe Pallas viele Pflanzen des Epilobium angustifolium und einige Stengel des Verbascum Thapsus mit weissen Blumen blühen(a)Pallas a. a. O. Th. 1. S. 25..
Fin nasser Boden bringt glatte und gefirniſste, ein dürrer rauhe Stengel und Blätter hervor, wie am Polygonum amphibium erhellet. Doch leidet diese Regel Ausnahme. Auch bey den meisten,den41den Winden ausgesetzten Pflanzen sind die Blätter mit einer zarten Wolle überzogen, welche da am dichtesten ist, wo sie am stärksten von den Wind - stöſsen getroffen werden(b)La Billardiere’s Reise. Th. 1. S. 70..
Noch gröſser, als diese Veränderungen, sind aber die, welche der ganze Habitus der Pflanzen durch die Einwirkung des Bodens erleidet. Vor al - len andern zeichnen sich in diesem Stücke die Salz - pflanzen aus. Bey diesen sämmtlichen Gewächsen bemerkt man in gewissen Theilen eine gröſsere Näherung zum Minimum der vegetabilischen Orga - nisation, als bey verwandten Arten, die in einem andern Boden wachsen. Die meisten derselben ge - hören zu den Dicotyledonen mit unvollständigen Blumen, deren Staubfäden um den Griffel befestigt sind, also zu einer Classe, die in geringer Entfer - nung von den Monocotyledonen steht. Dabey ha - ben die meisten. z. B. die Salzpflanzen aus den Ge - schlechtern Polycnemum, Camphorasma, Salsola, Reaumuria, zahlreiche, aber sehr kleine und schmale Blätter, manche auch, z. B. Salicornia, Anabasis, Calligonum, ganz blätterlose Stengel. Von diesem mächtigen Einflusse, den ein salziger Boden auf die Vegetation hat, rührt es her, daſs der Reisende in den Tartarischen Steppen gleich eine ganz andere Vegetation erblickt, wenn er aus san -digenC 542digen Flächen in salzige kömmt(c)Pallas Bemerkungen auf einer Reise durch die südl. Statthalterschaften des Russischen Reichs. Th. 1. S. 110., und eben daher rührt es auch, daſs in dem Boden von Egypten blos einheimische Gewächse unverändert bleiben, alle fremde aber sehr schnell ausarten(d)Volnfy’s Reise..
Doch nicht blos die Farbe und äussere Gestalt, auch die Textur und Mischung der Pflanzen wird durch den Einfluſs des Bodens sehr verändert. Holz von Pflanzen, die auf Kalkboden gewachsen sind, ist immer fester, als Holz von Granitboden. Sehr fest und hart ist deswegen alles Holz auf den Baha - ma-Inseln, wo der Boden blos aus Muschelkalk besteht, nur das von Rhizophora Mangle, Cono - carpus erecta, und andern im Wasser und in Süm - pfen wachsenden Bäumen ausgenommen(e)Märter in den physik. Arbeiten der einträchtigen Freunde zu Wien. J. 1. Q. 1. S. 61. 68. Schöff’s Rei - se. Th. 2. S. 417. 485.. Und noch härter ist alles Holz auf Neuholland, wo Van - couver(f)Entdeckungsreise in den nördl. Gewässern der Süd - see. Uebers. von Sprengel. S. 14. an der südwestlichen Küste die Koral - lenbänke und Muscheln, denen der Kalkboden die - ser Insel sein Entstehen verdankt, noch in ihrem natürlichen Zustande antraf; so hart und schwer,daſs43daſs es im Wasser zu Boden sinkt(g)Hunter’s Reise nach Neu-Süd-Wallis. S. 39. im Magazin von Reisebeschreibungen. B. XI.. — Der jüngere Saussüre erhielt bey einer chemischen Zer - legung von Pinus Abies, Pinus Larix, Rhododen - dron ferrugineum, Vaccinium Myrtillus und Juni - perus communis, die von Granitlande genommen waren, mehr Wasser, als von gleichen Pflanzen aus Kalklande. Auch zeigte eine Untersuchung der Asche in den Gewächsen aus Kalkboden einen gröſsern Antheil Kalkerde, in denen aus Granitbo - den eine gröſsere Menge Kieselerde. Zugleich ent - hielten die letztern sehr viel mehr Kalkerde, als der Granitboden ihnen gegeben haben konnte, die erstern hingegen keine Kieselerde(h)Bulletin de la Soc. philomathique. An VIII. p. 124..
Abhängiger, als von den sämmtlichen, bisher erwähnten Einflüssen, ist die physische Verbrei - tung des ganzen Pflanzenreichs von der Einwir - kung der cosmischen Kräfte. Dieser Gegenstand ist indeſs zu genau mit der geographischen Verthei - lung der Gewächse verbunden, als daſs sich beyde von einander absondern liessen. Wir werden da - her diese Materien jetzt ungetrennt untersuchen. Doch schränken wir uns hier blos auf die Thatsa - chen und die sich daraus ergebenden nächsten Fol -gerun -44gerungen ein, und versparen die allgemeinern Re - sultate bis zum folgenden Abschnitte.
Schon bey einem flüchtigen Blicke auf die geo - graphische Verbreitung der Pflanzen finden wir, daſs in derselben von den Polarkreisen an bis zum Aequator eine Gradation vom Einfachern zum Man - nichfaltigern statt findet. Spitzbergen enthält nur 17(k)Pennant’s Thiergeschichte der nördl. Polarländer. Th. 1. S. 111., Grönland 24(l)Cranz Historie von Grönland., Kamschatka 150(m)Pennant a. a. O. S. 145., Is - land 221(n)Zoega Fl. Island. in Olaffen’s u. Povelsen’s Reise nach Island. Th. 2., Lappland 374(o)Linnei Fl. Lappon., Schweden 416(p)Linnei Fl. Suecica. Ed. 2. wahre Pflanzen, und so nimmt die Zahl der Ge - wächse immer zu, bis zu den Ländern des heis -sen45sen Erdstrichs, unter welchen es mehrere giebt, z. B. die südlichste Spitze von Afrika, die blos erst an den Küsten untersucht sind, und doch schon viele tausend Pflanzen geliefert haben.
Es bestätigt sich also bey dem Pflanzenreiche unser obiger Satz, daſs in der Verbreitung der le - benden Organismen eine ähnliche Gradation, wie in der Struktur derselben herrscht. Aber wir ha - ben auch schon erinnert, daſs so wie hier diese Stufenfolge nur die Menge der ungleichartigen Or - gane überhaupt betrifft, so dieselbe auch dort nur in der Menge der Geschlechter und Arten über - haupt statt findet, und daſs einzelne Geschlechter entweder eine ganz entgegengesetzte, oder auch gar keine Stufenfolge beobachten. Auch hiervon giebt uns die Verbreitung der Pflanzen eine Menge Beweise. Schon gleich die beyden gröſsern natür - lichen Abtheilungen des Pflanzenreichs, die der Monocotyledonen und die der Gewächse mit einem doppelten Saamenblatte sind auf eine sehr verschie - dene Weise verbreitet. Die Heimath der erstern sind die heissen Zonen. Fast die Hälfte der Ge - schlechter, die zu dieser Abtheilung des Pflanzen - reichs gehören, sind blos auf die wärmern Erdstri - che eingeschränkt. Von denen, die sich weiter er - strecken, bewohnen doch nur wenige Arten die kältern Gegenden.
Es46Es giebt ganze Familien der Monocotyledonen, die nicht über die heissen Erdstriche hinausgehen. Dahin gehören die Palmen, die Ananas-Familie, die Musen und Cannen. Von den Palmen sind ei - nige Arten des Geschlechts Chamaerops die einzi - gen, die ausserhalb den Tropenländern ohngefähr bis zum 35ten Grade nördlicher Breite fortkommen. Dagegen gedeihen die Dattelpalmen (Phoenix dac - tylifera) schon in dem warmen Creta, in den übri - gen Inseln des Archipelagus, und im nördlichen Theile von Marocko nicht mehr. Selbst in Egyp - ten reift die Dattel selten, wenn der Baum zu sehr den kühlen Seewinden ausgesetzt ist(q)Olivier’s Reise durch das Persische Reich, Egyp - ten u. Persien. Uebers. von Sprengel. Th. 1. S. 439. — Schousboe’s Bemerkungen über das Gewächs - reich um Marocko. Th. 1. S. XIII.. Von den Ananaspflanzen wächst zwar die Agave Americana auch im südlichen Europa, aber erst seit 1561, um welche Zeit sie durch Cortusus dahin verpflanzt ist. Ihr eigentliches Vaterland ist das wärmere Amerika. Alle übrige Gewächse aus den angeführten Fami - lien sind blos in den heissen Ländern von Afrika, Asien, Amerika und der Südsee einheimisch, und selbst hier gedeihen sie in höher liegenden Gegen - den langsam oder gar nicht. So ist es z. B. auf Su - matra mit der Cocospalme. Je weiter man auf je - ner Insel, die mitten im heissen Erdstriche liegt, von der Küste nach dem höher liegenden Innerndes47des Landes kömmt, desto langsamer ist der Wachs - thum dieses Baums, wegen der abnehmenden Wär - me, und er muſs hier beynahe seine völlige Gröſse erreichen, ehe er trägt, da in den Ebenen ein Kna - be die ersten Früchte brechen kann(r)Marsden’s Beschreibung von Sumatra. S. 104..
Doch, statt uns durch eine weitläuftige Auf - zählung des Wohnorts von jeder einzelnen Pflan - zenart den Raum zu beengen, laſst uns einen kür - zern Weg einschlagen! Für jedes Pflanzenge - schlecht giebt es eine gewisse Gegend, gleichsam einen Mittelpunkt, wo die meisten Arten des - selben concentrirt sind. Laſst uns also die sämmt - lichen Geschlechter der Pflanzen unter zwey Ab - theilungen bringen; in die eine diejenigen setzen, deren Mittelpunkte zwischen dem 35ten Grade nördlicher und südlicher Breite liegen, in die an - dere diejenigen, wovon alle, oder wenigstens die meisten Arten ausserhalb diesen Gränzen, weiter nach den Polen hin, wachsen; und diese beyden Abtheilungen dann mit einander vergleichen!
(s)folgenden Verzeichnissen unter den generischen[Na - men] immer die Schreberschen (M. s. dessen Ausgabe der Linneischen Gen. pl.), und unter den Benennun - gen der Arten die Linneischen zu verstehen sind, wenn nicht das Gegentheil ausdrücklich erinnert ist.
49Von einigen, in diesen Verzeichnissen nicht angeführten Geschlechtern, wohin Acorus, Antho - xanthum, Lappago, Orchis, Satyrium, Ophrys und Serapias gehören, ist fast eine gleiche Zahl der bekannten Arten in den kältern und wärmern Erd - strichen einheimisch, oder sie sind in allen Zonen verbreitet, wie bey der Zostera der Fall ist, oder ihr Vaterland ist unbekannt, wie bey der Anthri - stia.
Unter den Monocotyledonen sind also von mehr als 160 Geschlechtern die meisten oder alle Arten in den wärmern Climaten, und kaum von 70 in den kältern Himmelsstrichen einheimisch. Dabey sind jene erstern Geschlechter meist sehr reich an Arten. Von Lachenalia und Ornithogalum wachsen mehr als 20, von Schoenus über 30, von Anthericum über 40, von Gladiolus und Ixia über 45, von Scir - pus und Cyperus über 50, und von Panicum an 70 Arten in den wärmern Climaten. Hingegen sind die meisten der letztern Geschlechter arm an Ar - ten. Blos Carex, Juncus, Agrostis, und Festuca machen hiervon eine Ausnahme. Paris, Galan - thus, Aphyllanthes, Butomus, und Scheuchzeria haben nur eine einzige Art.
D 2Um52Um sehr vieles geringer wird aber noch die Zahl der Monocotyledonen, welche die kalten und gemäſsigten Zonen bewohnen, gegen diejenigen ausfallen, deren Heimath die wärmern Himmels - striche sind, wenn diese Länder in botanischer Hin - sicht eben so bekannt, als jene, seyn werden. Nach der Versicherung von Ruiz und Pavon(t)Syst. vegetab. florae Peruvianae, Schrader’s Jour - nal für die Botanik. 1799. St. 4. S. 447. wachsen blos in den Gegenden von Tarma, Hua - nuco und Xauxa über 1000 Orchideen, und nach Forster’s Beobachtungen(u)Bemerkungen auf einer Reise um die Welt. S. 159. sind eben diese Pflanzen, und unter ihnen vorzüglich eine groſse Menge aus dem Geschlechte Epidendrum, auch in allen unbebauten Wäldern der Inseln des stillen Meers sehr häufig.
So wie die Mannichfaltigkeit der Pflanzen überhaupt, so wächst auch die der Monocotyledo - nen stufenweise von den Polen nach dem Aequator. Im äussersten Norden bis zum 60ten Grade der Breite, wo auf einen acht - bis zehnmonatlichen Winter, in welchem das ganze Pflanzenreich unter tiefem Schnee begraben liegt, ohne Frühling plötz - lich ein kurzer, aber heisser Sommer folgt, worin das Fahrenheitsche Thermometer zuweilen auf80°5380° steigt(v)Kirwan’s Angabe der Temperatur von den ver - schiedenen Breiten u. s. w. Uebers. von Crell., und das Wachsthum der Pflanzen so äusserst schnell von statten geht, daſs die Fel - der schon in vollem Grün stehen, wenn der Schnee kaum geschmolzen ist(w)Anburey’s Reisen im innern Amerika. S. 75, im Mag. von Reisebeschreibungen. B. VI., in diesem Erdstriche finden sich nur erst wenige Geschlechter aus den Familien der Rohrkolben, Cyperoideen, Gräser, spargelartigen Pflanzen, Graslilien, Narcissen und Hydrochariden. Die einzigen sind: Typha, Spar - ganium, Eriophorum, Phleum, Aira, Lolium, Elymus, Convallaria, Paris, Trillium, Juncus, Butomus, Alisma, Scheuchzeria, Triglochin, Helo - nias, Galanthus, Nymphaea.
Vom 60ten bis zum 35ten Grade der Breite, wo es an Stellen, die nahe an die See gränzen, gewöhnlich schon thauet, wenn die Sonnenhöhe 40° beträgt, und selten anfängt zu frieren, bis die Mittagshöhe der Sonne unter 40° ist(x)Kirwan a. a. O., zeigen sich immer mehr Geschlechter aus den angeführten Familien, besonders Phalaris, Milium, Stipa, La - gurus, Hordeum, Triticum, Secale, Bromus, Fe - stuca, Colchicum, Bulbocodium, Hemerocallis, Narcissus, Leucoium. Zugleich breitet sich die Fa -milieD 354milie der Lilien in dem südlichen Europa, den nördlichen Küstenländern von Afrika, der Levante, der Tartarey, Japan und Virginien aus. Hier, wo in verschiedenen Gegenden das Clima dem der wärmern Zonen schon sehr nahe kömmt, ist die wahre Heimath der Geschlechter Tulipa, Erythro - nium, Uvularia, Fritillaria, Lilium, und alle die - se Pflanzen blühen hier in den milden und nassen Wintermonaten vom October an bis zum März(y)Schousboe’s Beobachtungen über das Gewächsreich um Marocko. Th. 1. S. IX. 139 ff.. Aus den Familien der Asphodelen, irisartigen Pflan - zen, und Orchideen erscheinen ebenfalls mancher - ley Arten. Hingegen verliehren sich viele Mono - cotyledonen, die im äussersten Norden auf den Ebenen wachsen, entweder ganz, wie bey den Ge - schlechtern Galanthus, Triglochin und Scheuchze - ria der Fall ist, oder ziehen sich auf die Gebirge, wie Nardus stricta, Scirpus caespitosus, mehrere Carex-Arten, Aria flexuosa, Anthericum ossifra - gum, Lilium Martagon und Juncus squarrosus, die im nördlichen und mittlern Europa auf den Ebe - nen, im südlichen auf den Gipfeln der Berge ge - funden werden(z)Link’s geolog. u. mineralog. Bemerkungen auf einer Reise durch das südwest. Europa. S. 208 ff..
Zwischen dem 35ten und 90ten Grade der Breite scheint eine neue Kraft alles zu beleben. Es55Es friert hier selten, oder nie, ausser in hohen Gegenden. Der Unterschied zwischen den heisse - sten und kältesten Monaten ist unbeträchtlich, und zwar desto mehr, je näher man dem 20ten Grade der Breite kömmt(a)Kirwan a. a. O.. Der Druck der Luft ver - ändert sich das ganze Jahr hindurch äusserst we - nig. Alle meteorologische Veränderungen gehen mit weit gröſserer Regelmäſsigkeit, als in den ge - mäſsigten Climaten, von statten. Das Jahr hat nur zwey Witterungen, die regnichte und die trockne. Jene fängt sich mit heftigen Stürmen und Gewittern an, und während derselben dauert der Regen ununterbrochen fort. In der Mitte derselben verliehren die Bäume ihr Laub, aber es brechen auch schon neue Blätter hervor, ehe die alten sämmt - lich abgefallen sind. In der trocknen Jahreszeit fällt oft kein Tropfen Regen. Die Mitte dieser Zeit ist der Sommer der heissen Zonen, aber ein Sommer, der dieselbe Wirkung hervorbringt, wie die streng - ste Witternacht im Norden. Auf dem verbrannten und zerrissenen Boden liegt das ganze Gewächs - reich dann öde, und nur ein häufiger Thau, der des Morgens und Abends fällt, verhindert das gänz - liche Absterben desselben(b)Hasselquist’s Reise nach Palästina. S. 260 ff.. Dieser Erdstrich ist es, wo die Asphodelen, ananasartigen Pflanzen, Palmen, Musen, und Cannen, die meisten Nar -cissenD 456cissen und Iris-Geschlechter, kurz die gröſsten und prachtvollsten Arten und die reichhaltigsten Geschlechter der Monocotyledonen ihren Wohnort haben.
Eben diese Gradation findet auch bey einzelnen Geschlechtern statt. So wachsen
von dem Geschlechte Scirpus 5 Arten in Island, 7 in Schweden, 16 in Deutschland, 27 in Indien;
von Schoenus 4 Arten in Schweden, 5 in Deutsch - land, 11 in Westindien, 17 am Cap;
von Cyperus 3 Arten im nördlichen Europa, 15 im südlichen Europa, der benachbarten Küste des nördlichen Afrika und der Levante, 32 in In - dien;
von Dracaena 1 Art in Canada und den benach - barten Ländern des äussersten Nordens von Ame - rika, 3 in der gemäſsigten Zone, 9 in Ostindien, am Cap, auf Isle de France und Bourbon;
von Anthericum 1 Art in Island, 4 in Schwe - den, 5 in Deutschland, 41 am Cap.
Bey einigen Geschlechtern aber findet entweder eine ganz entgegengesetzte, oder auch gar keine Stufenfolge statt. Beyspiele von einer entgegenge - setzten Gradation geben die beyden Geschlechter Juncus und Allium. Von jenem sind 28 Arten im nördlichen Europa und nur 4 am Cap, von diesem über 50 Arten in Europa, aber nur eine einzige am Cap einheimisch.
Gar57Gar keine Stufenfolge findet bey denen Ge - schlechtern statt, die nur auf einzelne Länder be - schränkt sind. In Betreff dieser gilt das Gesetz: daſs jedes Land desto weniger eigen - thümliche Arten und Geschlechter ent - hält, je näher es dem Nordpole liegt, und desto mehr, je mehr es sich von Norden aus dem 35ten Grade südlicher Breite nähert.
In der nördlichen Erde, vom Polarkreise an bis zum 50ten und selbst bis zum 35ten Grade der Breite, giebt es wenige Geschlechter, die blos auf die alte oder neue Welt eingeschränkt sind, aber viele Arten, die sich in Europa, im nördlichen Asien und Amerika zugleich finden. Zu diesen gehören:
Carex panicea, Cynosurus erucaeformis, Jun - cus filiformis, Erythronium dens canis, Allium ur - sinum und Orchis bifolia, die über alle jene drey Welttheile verbreitet sind;
Scirpus triqueter, Poa compressa, Avena spi - cata, Arundo arenaria und Juncus effusus, die in Europa und zugleich in Nordamerika wachsen;
Melica altissima, Lilium Camschatcense und Nymphaea odorata, die in Nordamerika und im nördlichen Asien gefunden werden;
D 5Poa58Poa eragrostis, Avena pubescens, Arundo Do - nax, Convallaria bifolia, Juncus campestris, Alis - ma Plantago, Alisma natans, Alisma Damasonium, Sagittaria latifolia, Helonias borealis, Lilium, Mar - tagon, Anthericum serotinum, Iris biflora, Iris Xiphium, Iris spuria, Iris Sibirica und Orchis la - tifolia, die das nördliche Asien mit Europa gemein hat.
Aehnliche, doch nicht mehr so häufige Bey - spiele von Gleichheit der Geschlechter und selbst der Arten finden sich noch bis zum Aequator. Hierher gehören:
Dracontium polyphyllum, das sich im heissen Asien, auf den Societätsinseln, und in Surinam findet;
Fuirena umbellata, die in Indien und in Suri - nam zu Hause ist;
Cyperus minimus, der sich in Afrika und in Jamaika findet;
Cyperus articulatus, der in Aegypten, Indien und Jamaika wächst;
Cyperus polystachyos, aristatus, ligularis, und glomeratus, die in Afrika und Indien wachsen;
Scirpus echinatus, Cyperus monastachyos, Kyllingia monocephala, Kyllingia triceps, Carex lithosperma, Olyra latifolia, die in beyden Indien entdeckt sind;
Cyno -59Cynosurus aegyptius und Pistia Stratiotes, die in Afrika, Asien und Amerika einheimisch sind;
Nelumbium speciosum, das in Persien, In - dien und China gefunden wird, und von dem in Carolina wachsenden Nelumbium luteum wenig verschieden ist.
Aber schon in den wärmern Gegenden der nördlichen Erdhälfte giebt es manche Arten und ganze Geschlechter, die nur auf einzelne Länder beschränkt sind, z. B. die Zizania aquatica, eine Getreideart, die blos in Nordamerika vom 50ten Grade N. Br. an bis Florida ohne Anbau fortkömmt, und das Türkische Korn (Zea Mays), das ur - sprünglich in eben diesem Welttheile vom 40ten Grade der Breite an bis zur Linie wächst(c)J. Acostae hist. nat. et mor. Indiae. L. IV. c. 16.. Noch gröſser wird die Zahl solcher Arten und Geschlech - ter in der südlichen Erdhälfte, und desto gröſser, je näher man dem 35° S. Br. kömmt. So wachsen
Curculigo, Curcuma, Kaempferia, Hornsted - tia, Hellenia, Hedychium, Phrynium und die meisten Arten des Amomum nur im heissen Asien;
[Yucca], Tillandsia, Bromelia, Pitcairnia, Aga - ve, Millea, Alstroemeria, Xiphidium, Heliconia, Renealmia. Myrosma, blos im wärmern und heis - sen Amerika;
Ehr -60Ehrharta, Wurmbea, Veltheimia, Eucomis, Drimia, Massonia, Cyanella, Albuca, Eriosper - mum, Gethyllis, Agapanthus, Cyrthanthus, Tul - bagia, Lanaria, Strumaria, Dilatris, Wachendor - fia, Witsenia, Antholyza, Strelitzia blos am Cap;
Xerophyta und Urania blos in Madagascar;
der Seecocosbaum, eine Art des Borassus, blos in der kleinen Palmeninsel, einer der Sechel - len(d)Rochon’s Reise nach Madagascar. S. 143, im Mag. von Reisebeschr. B. VIII.;
der Neuseeländische Flachs (Phormium tenax) blos in Neuseeland und der benachbarten Norfolk - insel.
Jenseits des 35ten Grades südlicher Breite fin - den sich wieder Monocotyledonen, welche de - nen der gemäſsigten und kalten Zone des Nor - dens ähnlich, oder selbst gleich sind. So giebt es von dem Geschlechte Aira, wovon alle übrige bekannte Arten blos in Europa, der Levante, dem nördlichen Afrika und China wachsen, eine Art (A. antarctica) in Neuseeland, von Poa ebenfalls eine Art (P. anceps) in eben dieser Insel, von Juncus zwey Arten (J. grandiflorus und Magellanicus) im Magellans - und Feuerlande. Die Typha latifolia wächst in Europa, in Siberien, und zugleich in Neuseeland(e)G. Forster flor. ins. austral. sp. 336..
Nach61Nach diesen Thatsachen zu urtheilen, fände also in kalten, obgleich weit von einander entfern - ten Ländern, eine gröſsere Aehnlichkeit der Mono - cotyledonen, als in warmen Erdstrichen statt. In der That bestätigt sich dieser Schluſs auch bey den Alpenpflanzen. Auf den Bergen der Tropenländer von Asien und Amerika wachsen ähnliche, oder gar die nehmlichen Monocotyledonen, die in käl - tern Ländern auf den Ebenen angetroffen werden.
Doch sind auch nicht alle Monocotyledonen, die der Breite nach groſse Erdstriche einnehmen, darum Alpenpflanzen. Die meisten, die in Län - dern von verschiedener Temperatur wachsen, und nach der Mittagslinie hin sich nicht auf die Gebir - ge ziehen, sind aber Wasser - oder Sumpfpflanzen. Zu diesen gehören diejenigen unter den oben er - wähnten Pflanzen, welche nicht nur der Länge, sondern auch der Breite nach weit verbreitet sind, und ausserdem noch folgende:
Coix lacryma, in Süd-Europa, Aegypten und Ostindien;
Panicum sanguinale im mittlern und südlichen Europa, in Arabien, West - und Ostindien;
Acorus Calamus, in Europa, Japan(f)Thunberg fl. Japonica., Flori - da(g)Schöpe’s Reisen durch die vereinigten Nordamer. Staaten. Th. 2. S. 381. und Indien;
Alisma62Alisma cordifolia, sowohl im nördlichen, als südlichen Amerika;
Vallisnieria spiralis, vorzüglich im südlichen Europa, nach Linné auch in Finmark und Hol - land, nach Murray in Ostindien;
Trapa natans, erstreckt sich vom südlichen Europa über Asien bis Malabar.
Auf eine ganz andere Art, als die Monocotyle - donen, sind die Dicotyledonen auf der Erde ver - theilt. Die Anzahl der letztern mehrt sich von den Polen bis zum Aequator bey weitem nicht in dem Verhältnisse, als die der erstern. Dies zeigt sich schon bey einer Vergleichung der Pflanzen von Spitzbergen, Kamschatka, Island, Lappland und Schweden. Es giebt in
Das Verhältniſs der Zahl der Monocotyledonen zu der der Dicotyledonen ist also in
Auf der Osterinsel, die im 27° S. Br. folglich dem Wendekreise so nahe liegt, daſs sie füglich zu den Tropenländern gerechnet werden kann, und deren unfruchtbarer, überall mit Steinen über - säeter Boden nicht mehr als 20 Pflanzen hervor - bringt, wachsen 9 Monocotyledonen(n)Forster’s Bemerkungen auf einer Reise um die Welt. S. 151., und hier verhält sich also die Zahl dieser Gewächse zu der der Dicotyledonen beynahe wie 1 zu 1.
Fast giebt es auch eben so viele Dicotyledonen in denen Ländern, die zwischen den Polen und dem 35ten Grade nördlicher und südlicher Breite enthalten sind, als in denen, die zwischen diesen Breiten im heissen Erdstriche liegen, wie die bey - den folgenden Verzeichnisse beweisen werden:
Wir haben auch aus diesen Verzeichnissen, wie aus denen der Monocotyledonen, einige Ge - schlechter ausgelassen, wovon entweder fast gleich viele Arten in den kältern und wärmern Climaten einheimisch sind, wie Limosella, Menyanthes, Phryma, Dodartia, Spigelia und Corrigiola, oder die noch einer nähern Untersuchung bedürfen, ehe sich ihnen ihre Stellen im natürlichen System an - weisen lassen. Die Anzahl dieser ist indeſs nicht so groſs, daſs sie eine bedeutende Aenderung in dem Resultate, das wir aus jenen Verzeichnissen ziehen werden, hervorbringen könnte.
Nach diesen Verzeichnissen wachsen also von mehr als 540 Geschlechtern die meisten oder alle Arten in den kalten und gemäſsigten Zonen. Die wärmern Climate aber enthalten ohngefähr 820 sol - che Geschlechter. Bey den Dicotyledonen ist folg - lich das Verhältniſs der erstern zu den letztern, wie 1 zu 1½, da es bey den Monocotyledonen fast wie 1 zu 2½ war. Bey diesen waren auch die mei - sten von denen Geschlechtern, die vorzüglich in den wärmern Climaten einheimisch sind, sehr reich, hingegen die meisten der übrigen arm an Arten. Unter den Dicotyledonen der wärmern Länder fin - den sich zwar auch mehrere sehr reichhaltige Ge - schlechter. So giebt es in den wärmern Gegenden von Asien, Afrika, Amerika und den Südseelän - dern von Lobelia und Psychotria über 30, von Mi -II. Bd. Fmosa82mosa mehr als 40, von Bignonia, Stapelia und Hi - biscus etwa 50, von Cassia und Crassula 60, von Oxalis über 70, von Solanum, Mesembryanthe - mum und Melastoma über 80, von Justicia, Con - volvulus und Siola mehr als 90, von Erica und Pelargonium mehr als 100 Arten. Aber es wach - sen in den wärmern Zonen auch sehr viele Ge - schlechter, die nicht mehr als eine einzige Art ent - halten, und wovon gewiſs ein groſser Theil bey näherer Untersuchung entweder als identisch mit andern bekannten Pflanzenarten wird befunden, oder wenigstens nicht mehr zu eigenen Geschlech - tern wird gezählt werden. So ist es schon mit vielen der von Aublet, Forskal und Andern auf - gestellten Geschlechter gegangen, und das nehm - liche Schicksal werden vermuthlich auch die mei - sten der übrigen haben.
Unter den Dicotyledonen der gemäſsigten und kalten Zonen hingegen giebt es viele Geschlechter, welche nicht nur den eben erwähnten an Menge der Arten nichts nachgeben, sondern jene sogar dar - in übertreffen, und unter ihnen finden sich auch bey weitem nicht so viele Geschlechter, die nur eine einzige Art aufzuweisen haben, als unter je - nen. Beyspiele von reichhaltigen Geschlechtern der letztern geben z. B. Chenopodium, Salsola, Plantago, Aster, Senecio, Scabiosa, Valeriana, Pedicularis, Galium, Anemone, Cheiranthus, Alys -sum,83sum, Lepidium, Geranium, Viola, Arenaria, Se - dum, Rosa, Rubus, Prunus, Lotus, Medicago, wovon 25 bis 40 Arten im Norden wachsen; Eu - phorbia, Veronica, Campanula, Sisymbrium, Ci - stus, Saxifraga, wovon sich in eben diesen Gegen - den über 50 Arten finden; Teucrium, Antirrhinum, Ranunculus, Salvia, Trifolium, deren Arten sich dort auf 60 bis 70 belaufen; und das Geschlecht Astragalus, das sogar über 170 Arten enthält.
Obgleich also auch die Dicotyledonen keine Ausnahme von dem Gesetze machen, daſs die Man - nichfaltigkeit der Pflanzen von den Polarländern bis zum Aequator zunimmt, so ist diese Zunahme bey ihnen doch weit geringer, als bey den Mono - cotyledonen. Die Mannichfaltigkeit der letztern erreicht ihr Maximum erst in der Nähe des Aequa - tors, die der erstern hingegen gelanget zu dieser fast schon in der Nähe des 35ten Grades der Breite, also auf der nördlichen Erdhälfte im südlichen Eu - ropa, den nördlichen Küstenländern von Afrika, der Levante, der Tartarey, Tibet, dem nördlichen China, Japan, Virginien, Carolina, Florida, Loui - siana und Californien; auf der südlichen Hemi - sphäre in Chili, Paraguay und Neuseeland.
Bey der Vertheilung der einzelnen Familien, Geschlechter und Arten der Dicotyledonen beobach - tet die Natur die nehmlichen Gesetze, die wir beyF 2den84den Monocotyledonen gefunden haben. Auch von jenen verbreitet sie, bey der graduellen Zunahme, die in der Zahl der sämmtlichen Geschlechter und Arten von den Polarkreisen an bis zum Aequator statt findet, einige Geschlechter nach einer Grada - tion, welche entweder mit jener in gar keiner Ver - bindung steht, oder ihr grade entgegengesetzt ist, und mischt gleiche Arten unter die verschiedensten Floren. Auch von jenen giebt sie den verschiedenen Ländern desto eigenthümlichere Floren, und den Gewächsen derselben ein desto fremdartigeres An - sehn, je näher diese Länder dem 35ten Grade südli - cher Breite liegen; jenseits dieser Gränze, in den süd - lichen Polarländern, bringet sie aber wieder ähn - liche, oder gar gleiche Pflanzen, wie in der kalten Zone des Nordens, hervor.
In Ansehung der Verbreitung einzelner Arten treffen wir bey den Dicotyledonen eine gröſsere Biegsamkeit der Organisation an, als bey den mei - sten Monocotyledonen. Bey den letztern besitzen fast bloſs Wasser - oder Sumpfpflanzen ein groſses Verbreitungsvermögen. Bey jenen aber zeichnen sich auch viele Wald - und Salzpflanzen und noch verschiedene andere Gewächse durch einen hohen Grad dieses Vermögens aus. Doch gehen die Was - ser -, Sumpf -, Wald - und Salzpflanzen den übrigen in der Stärke desselben vor. Diese sind zum Theil sowohl der geographischen Länge, als der Breitenach,85nach, hingegen diejenigen, die andere Standörter haben, meist nur der Länge nach weit verbreitet. Indeſs giebt es auch bey den letztern Pflanzen Aus - nahmen von dieser Regel in den Polarländern und auf hohen Bergen. Die Polarländer der nördlichen und südlichen Erdhälfte nehmlich haben, wie schon vorhin bemerkt ist, eine sehr ähnliche Vegetation, und die Berge zeigen dem Beobachter von ihrem Fuſse an bis zum Gipfel die nehmliche Reihe und Stufenfolge von Pflanzen, welche die Oberfläche der Erde von dem Orte an, wo diese Gebirge lie - gen, bis zu den Polarkreisen darbietet.
Die folgende Schilderung des Charakters der verschiedenen Länder in Betreff ihrer Produkte aus der Abtheilung der Dicotyledonen wird diese Sätze näher erläutern und beweisen.
Legen wir den schon oben erwähnten Satz zum Grunde, daſs es für jedes Pflanzengeschlecht einen gewissen Mittelpunkt giebt, wo die meisten Arten desselben ihren Wohnort haben, und setzen wir diejenigen in einerley Classe, welche einen gemein - schaftlichen Mittelpunkt der Art besitzen, so erge - ben sich acht solche Classen, oder Hauptfloren der Dicotyledonen, nehmlich die nordische, mor - genländische, Virginische, Westindische, Ost - indische, Afrikanische, Austrasische und Antark - tische.
F 3Die86Die nordische Flor erstreckt sich über alle Län - der des Nordens der alten und neuen Welt bis zum 50ten Grade der Breite. Ihr gehören vorzüglich
die Geschlechter Stellera und Pinus;
die meisten Kätzchenbäume;
viele Salat - und Distelpflanzen;
die Scabiosengeschlechter Scabiosa und Vale - riana;
verschiedene Lysimachien, vorzüglich Andro - sace, Primula, Corthusa, Soldanella und Samolus;
unter den Euphrasien die Geschlechter Veronica, Bartsia und Pedicularis;
verschiedene Borragineen;
das Geschlecht Gentiana;
alle Alpenrosen, nur Befaria ausgenommen;
viele Heidengeschlechter, namentlich Andro - meda, Arbutus, Clethra, Pyrola, Epigaea, Gaul - theria, Vaccinium, Empetrum und Hudsonia;
aus der Familie der Glockenblumen Campanula und Phyteuma;
das Geschlecht Galium;
von geiſsblattartigen Pflanzen Linnaea, Vibur - num, Sambucus und Cornus;
der gröſste Theil der Ranunkeln;
von Mohnpflanzen Papaver, Chelidonium und Fumaria;
das Geschlecht Viola;
mehrere nelkenartige Pflanzen;
die Geschlechter Rhodiola und Sedum;
alle87alle wahre steinbrechartige Pflanzen;
das Geschlecht Ribes;
die meisten rosenartigen Gewächse(q)M. vergl. C. Linnaei flora Lapponica. Eiusd. fl. Suecica. Ed. 2. J. E. Gunneri fl. Norvegica. A. J. Retzii florae Scandiuaviae prodromus. Ed. 2. G. C. Oeder fl. Danica. J. Lichtfoot fl. Scotica. J. E. Smith fl. Anglica. G. W. Roth Tentamen fl. Germanicae. A. ab Haller Historia stirpium indigenarum Helvetiae. R. Townson Travels in Hungary. Im Anhange. P. S. Pallas fl. Rossica. Ebendesselben Reise durch verschiedene Provinzen des Russischen Reichs. J. G. Gmelin fl. Sibirica. J. R. Forster fl. Americae septemtrionalis..
Fast alle diese, dem Norden eigene Pflanzen - geschlechter geben in Ansehung ihrer Verbreitung Beyspiele von einer Gradation, welche der des ganzen Pflanzenreichs grade entgegengesetzt ist. So enthält die nordische Flor von den Geschlechtern Veronica und Gentiana an 50 Arten, hingegen die morgenländische von der Veronica nur 4, und die Virginische von der Gentiana nur 6 Gattungen. So wachsen in Lappland nicht weniger als 24 Weiden - arten, hingegen in Indien nur eine einzige, nehm - lich Salix tetrasperma.
InF 488In allen Ländern des Nordens bis zum 50ten Grade der Breite findet eine groſse Aehnlichkeit der Vegetation statt. Es giebt in dieser Zone nur we - nige Geschlechter, die blos auf Europa, Asien, oder Amerika eingeschränkt sind; es giebt aber sehr viele Arten, welche fast allenthalben im Norden der drey groſsen Continente wachsen. Dahin ge - hören von Bäumen und Sträuchern:
von Kräutern:
Ausser diesen, im Linneischen Pflanzenver - zeichnisse angeführten Gewächsen fand Steller da, wo er mit Behring an den Küsten des nord - westlichen Amerika landete, folgende, auch in Eu - ropa wachsende Dicotyledonen:
Portlock fügt ihnen in einem der Beschrei - bung seiner Reise angehängten Verzeichnisse noch folgende, um den Cooksfluſs wachsende Arten bey:
Unter mehrern Dicotyledonen, die das nörd - liche Asien und Amerika gemeinschaftlich besitzen, die aber in Europa fehlen, sind die wichtigsten:
Ein Blick auf diese Verzeichnisse lehrt, daſs manche von jenen Pflanzen Sumpf - oder Wasser - gewächse, einige auch Wald - und Salzpflanzen sind, viele aber sich unter keine dieser Rubriken bringen lassen. Es bestätigt sich also bey diesen Pflanzen unsere obige Bemerkung, daſs die Dico - tyledonen in Ansehung ihrer geographischen Ver - breitung nicht so abhängig von ihren Standörtern sind, als die Monocotyledonen.
Bey dieser groſsen Aehnlichkeit in den mei - sten Geschlechtern und vielen Arten hat aber jedes der nördlichen Polarländer doch auch manche ihm eigene Gattungen, obgleich bey weitem nicht so viele, als die mehr südlich gelegenen Erdstriche. In Siberien erscheinet von dem östlichen Ufer des Jenisey an alles in einer neuen Gestalt. Die Ber - ge, welche nach Westen bis zum Uralischen Ge - birge nur zerstreut liegen, hängen nun zusammen und sind mit romantischen Thälern durchschnitten. Viele Europäische Pflanzen verschwinden, und an - dere, nur Asien eigene zeigen stufenweise eine Veränderung in der Vegetation an(t)Non ego Asiam ingredi mihi visus sum, antequam Jeniseam fluvium attingerem. Animalia in eam us - que regionem vix ulla vidi, quae non etiam aleretEu -. Kirschen,und92und überhaupt Früchte jeder Art, Johannisbeeren ausgenommen, gedeihen hier nicht mehr. Die Fichte (Pinus abies), die in Lappmark noch weit über den nördlichen Polarkreis hinaus groſse Wäl - der bildet, kömmt hier nicht höher als bis zum 58ten Grade der Breite fort. Eichen und Hasel - nuſsstauden, diese, über ganz Ruſsland bis zur östlichen Seite des Kama, und noch am westlichen Rande des Uralischen Gebirges allgemeine Gewäch - se, hören an dieser Bergkette ganz auf. Desto häufiger aber sind hier die in Europa unbekannten Pflanzen: Acer Tartaricum, Ulmus pumila, Pru - nus Sibirica, Pyrus baccata, Robinia Caragana, frutescens und pygmaea, und vorzüglich eine aus -ser -(t)Europa, saltem quae in campis vastis Wolgae fluvii inferioris tractus non occurrerent; vix alia vegetabilia, et terrarum lapidumque genus vix aliud. Facies tota terrae in eam usque regionem mihi Europaea visa est. Sed ab Jenisea fluvio tam orientem quam meridiem et septemtrionem versus alia plane terrae facies et nescio quis novus vigor constitit. Juga montium aut colles passim tantum adparebant, hic vero tota quanta regio montosa erat, vallium et camporum interiacentium amoenitate nulli facile secunda. Animalia nusquam adhuc visa in conspectum veniebant, ut moschife - rum animal et Musimon veterum, plantae quaedam Europae admodum familiares hic deficiebant, et no - vae in Europa nusquam visae comparebant. Gmelin Flor. Sibir. T. 1. Praef. p. XLIII.93serordentlich groſse Menge eigener Astragalus-Ar - ten(u)Pennant a. a. O. S. 136. 37. Neue Nordische Bey - träge. B. 2. S. 170. 171. 180..
Weiter hin nach der östlichen Gränze von Nord - asien, in Kamschatka, auf den Andreanofschen und Fuchsinseln, und auf der östlichen Seite desjenigen Zweiges vom Kinganischen Gebirge, welcher Davu - rien und das Nertschinskische Gebiet vom Selengins - kischen scheidet, finden sich wieder viele Europäische Pflanzen, die man in Siberien um den Jenisey nicht findet, z. B. in der letztern Gegend Eichen und Haselnuſsstauden, und die meisten von diesen Pflanzen trifft man auch auf der gegenüberliegen - den Seite von Nordamerika an(v)Pennant a. a. O. S. 145. Neue Nordische Beyträge. B. 1. S. 305. B. 2. S. 171.. Im Innern des letztern Erdstrichs verschwinden aber auch viele Europäische und Asiatische Gewächse, und es zei - gen sich dagegen, wenn auch nicht viele neue Ge - schlechter, doch manche eigene Arten. Besonders zeichnet sich Canada durch viele ihm eigenthüm - liche Kiefern -, Tannen -, Cedern - und Ahorngat - tungen und durch den Ginseng (Panax quinquefo - lium) aus, welcher zwar auch in Corea und im ganzen Nordamerika, aber nirgends in so uner -schöpf -94schöpflicher Menge, als an den Ufern des Cooks - flusses gefunden wird(w)G. Forster’s kleine Schriften. Th. 3. S. 108. Th. 2. S. 220..
Auch mit den abnehmenden Graden zeigt sich schon in diesen nördlichen Ländern einige Verschie - denheit in den Arten der Gewächse, und auch hier schon findet man die nehmliche Verschiedenheit auf hohen Bergen wieder, so wie man sich den Gip - feln derselben nähert. Auf den höhern Absätzen der Kinnekulle, eines Berges in Westgothland, wo der Schnee bis in den Mai und Juny bleibt, fin - det man Kräuter, die in Schonen, Gothland und Oeland wachsen, und auf der Spitze solche, die zum Theil dem kalten Norrland gehören(x)Bierkander in den Abh. der Schwed. Akad. 1776. B. 28. S. 83. 84..
Vom 50ten bis zum 35ten Grade nördlicher Breite mehrt sich die Anzahl der Dicotyledonen. Viele von denen, die jenseits dem 50ten Grade weiter nach Norden hin wohnen, sind auch hier einheimisch. So wachsen z. B. in Syrien um Alep - po(y)Nach Russel’s Verzeichnisse in dessen Beschreibung der Thiere u. Pflanzen um Aleppo. 2te Ausgabe, Ue - bers. von Gmelin.:
und noch verschiedene andere Pflanzen, die auch im nördlichen Deutschland, in Dännemark, Schwe - den und selbst in Lappland einheimisch sind. So fand Schöpf(z)Reise durch die vereinigten nordamer. Staaten. Th. 2. S. 380. 381. in Florida um St. Augustin an sumpfichten Stellen und in Wäldern:
und auf trocknem sandichtem Boden, unter dem Schutze der Palmen, Oxalis stricta und Veronica serpyllifolia: lauter Pflanzen, die nicht nur insge - sammt auch in den kältern Gegenden von Nord - amerika, sondern zum Theil auch im nördlichen Europa und in Siberien zu Hause sind.
Statt mancher anderer Pflanzen der nordischen Flor, die sich nicht so weit nach Süden erstrecken,giebt97giebt es, näher nach dem 35ten ° Breite hin, ihnen sehr ähnliche Arten. So wachsen(a)Nach Link’s Verzeichnisse in dessen geolog. und mineralog. Bemerk. auf einer Reise durch das südwestl. Europa. S. 200 ff.:
Aber neben diesen Gewächsen zeigen sich jetzt eine groſse Menge neuer Geschlechter, und zugleich erscheinet mit den verschiedenen Graden der Länge eine weit gröſsere Verschiedenheit der Vegetation, als in den nördlichern Gegenden. Eine eigene Flor haben die Morgenländer, nebst dem südlichen Eu -ropa,II. Bd. G98ropa, der nördlichen Küste von Afrika, der Tarta - rey, dem südlichen Siberien, dem nördlichen Chi - na, und Japan; eine eigene Flor findet sich in Vir - ginien, Pensylvanien, Maryland, dem nördlichen Carolina, und überhaupt in den mittlern Ländern von Nordamerika.
Die erstere, die morgenländische Flor, zeich - net sich besonders durch einen groſsen Reichthum an Schirm -, Lippen -, Dolden - und Schootenpflan - zen, an Cisten - und Geranienarten aus. Ausser - dem ist hier vorzüglich das Vaterland
der Polygoneen Calligonum, Rheum, Rumex, Polygonum;
der Ballblüthen Polycnemum, Camphorosma, Anabasis, Salsola, Spinacia, Acnida, Beta, Che - nopodium, Atriplex, Axyris, Ceratocarpus, Sali - cornia, Coryspermum;
der Wegerich-Familie;
der meisten Zapfenbäume, Scabiosen, Lysi - machien und Borragineen;
verschiedener Scrophularien;
der Labkräuter Asperula, Crucianella, Rubia, Valantia;
der Kapperpflanzen Reseda, Parnassia, Aldro - vanda;
der Malven Malope, Althaea, Lavatera;
verschiedener Rautenpflanzen;
der meisten nelkenartigen Gewächse;
meh -99mehrerer Saftpflanzen, vorzüglich aus dem Ge - schlechte Sempervivum;
vieler Portulaceen;
der Salikarien Lythrum, Glaux, Peplis;
einer groſsen Menge Hülsenpflanzen, beson - ders Genisten, Spartien, Cytisus -, Lotus - und Aftragalus-Arten;
der kreutzdornartigen Gewächse Evonymus und Rhamnus;
aus den übrigen Familien der Geschlechter Daphne, Statice, Morus, Urtica, Euphorbia, Bu - xus, Thea, Lonicera, Berberis, Leontice, Reau - muria, Nitraria, Punica, Philadelphus, Cneorum.
Die morgenländische Flor läſst sich noch in drey kleinere eintheilen: in die eigentliche Levan - tische, die Tartarische und Japanische.
Die Levantische Flor im engern Sinne er - streckt sich über das südliche Frankreich, Italien(b)Villars Histoire des plantes de Dauphiné. A. Gouan fl. Monspeliaca. L. C. Gerard fl. Galloprovinciae. P. Forskål f. Estaciensis, in eiusd. fl. Aegypt. -Arab. p. 1. Giraud-Soulavie Hist. nat. de la France meridio - nale. C. Allionii fl. Pedemontana., Portugal, Spanien(c)P. Löfling’s Reisebeschreibung nach den Spanischen Ländern in Europa u. Amerika. Uebers. v. A. B. Kölpin. Sy -, die nördliche Küste vonAfrikaG 2100Afrika bis zum Atlas(d)Poiret’s Reise in die Barbarey. R. Desfontaines fl. Atlantica, sive Hist. plantarum, quae in Atlante, agro Tunetano et Algeriensi crescunt. P. K. A. Schousboe’s Beobachtungen über das Ge - wächsreich in Marocko. Herausgegeben von C. G. Rafn., wo groſse Waldstrecken des Argan-Oehlbaums (Elaeodendrum Argan), der blos zwischen den beyden Flüssen Tansif und Suz, also zwischen 32° und 29° N. Br. wächst, eine na - türliche Gränze derselben ausmachen(e)Schousboe a. a. O. Th. 1. S. 97., über die Europäische Türkey, die Inseln des Archipela - gus(f)P. Forskal fl. Melitensis in eiusd. fl. Aegypt. Arab. p. XIII. Eiusd. fl. Constantinopolitana littoralis ad Dardanel - los, et insularum Tenedos, Imros, Rhodi. L. c. p. XV., die Krimm(g)P. S. Pallas physikalisch-topographisches Gemähl - de von Tau〈…〉〈…〉 ien., klein Asien, den nördli - chen Theil von Syrien und Persien(h)Tableau des provinces situées sur la còte occidentale de la mer Caspienne. Petersbourg. 1798. Im Anhange. A. Russel’s Beschreibung der Thiere u. Gewächse um Aleppo. La Billardiere Icones plantarum Syriae rariorum..
Hier(c)Synopsis stirpium indigenarum Arragoniae. Marsiliae. 1779. Link a. a. O.
101Hier ist vorzüglich die Heimath der Schirm -, Lippen -, Dolden - und Schootenpflanzen, der Ge - ranien -, Cisten -, Genisten -, Spartien -, Cytisus - und Lotus-Arten. Hier findet der Botaniker schon in kleinen Bezirken eine weit gröſsere Mannichfal - tigkeit von Gewächsen, als ihm weit gröſsere Strecken des nördlichen Europa liefern können. Im südlichen Spanien und Portugal sieht er in hö - hern schattigen Gegenden eine Menge nordeuro - päischer Pflanzen, auf Kalkhügeln eine Menge, welche zur Flora von Nord-Afrika gehören, und viele, welche durch das ganze südliche Europa gemein sind, auf Heiden mancherley gröſsere Ci - sten-Arten, und auf Sand - und Gypsebenen die diesen Ländern eigenen Löfflingien, Querien und Minuartien. In Armenien trifft er auf dem Berge Ararat die Levantische und Nordische Flor mit allen ihren Nüancen an. Auf der Spitze findet er Lapp - ländische, etwas weiter herunter Schwedische, noch tiefer herab Französische, auf den untern Absätzen Italiänische, und am Fuſse Armenische Gewächse(i)Tournefort Voyage au Levant.. Wenige Länder in der Levante aber bieten ihm eine gröſsere Anzahl interessanter Pflan - zen dar, als Creta. Zu jeder Jahreszeit kann er hier eine reichliche Ausbeute erwarten. Mitten im Sommer, wenn die Pflanzen auf den Ebenen und anderG 3102der Küste von der Hitze ausgedörret sind, ist der Ida, Dictäus und Spechia mit Blumen aller Art bedeckt. Verläſst der Botaniker diese hohen Ge - genden im Herbste, so findet er Narcissen, mehrere Schillen, einen Hemerocallis u. s. w. Bald darauf sieht er den Alraun und die staudenartige Luzerne. Im Januar, Februar und März sind alle Hügel mit Ranunkeln, Anemonen und Lilien bedeckt, wel - che bald von den Orchideen, Lippenpflanzen, Dol - dengewächsen und Cisten verdrängt werden. Mit - ten im Sommer zeigen sich einige länger blühende Pflanzen, und eine Menge Sträucher, Saturey, Thymian, Stachys, Lorbeern, Myrten u. s. w. und gegen das Ende des Sommers manche Schirm - pflanzen, unter andern die Atractylis gummi - fera(k)Olivier’s Reisen durch das Türkische Reich etc. Th. 1. S. 571..
Die Tartarische Flor, welche über das süd - liche Siberien(l)J. G. Gmelin fl. Sibirica., die Tartarey(m)R. Saunders Account of the vegetable and mine - ral productions of Bootan and Tibet. (Phil. Trans. Y. 1789. p. 79. Uebers. im Mag. von Reisebeschr. B. 1.) und Tibet geht, ist sehr reich an Salzpflanzen. Hier wachsen die meisten Polygoneen und Ballblüthen, und vie - le Arten des Geschlechts Statice.
Die103Die Japanische Flor, die in Japan und dem nördlichen China einheimisch ist, enthält manche eigenthümliche Geschlechter, worunter sich das Geschlecht Thea auszeichnet, dessen kostbarste Ar - ten in der Halbinsel Corea wachsen; ferner Othera, Orixa, Skimmia, Aucuba, Chloranthus, Gonato - carpus, Doraena, Weigelia, Bladhia, Hovenia, Bumalda, Lindera, Nandina, Deutzia, Tomex, Eurya, Apactis, Cleyera, Dryandra, nebst mehrern eigenen Arten aus den Geschlechtern Elaeagnus, Ur - tica, Ilex, Campanula, Celastrus, Vitis, Vibur - num, Vaccinium, Acer, Laurus, Quercus, Prunus, Ocymum, Hedysarum und Prenanthes. Der gröſs - te Theil der übrigen Japanischen Flor besteht aus einer Mischung von Europäischen, Amerikani - schen und Ostindischen Pflanzen(n)C. P. Thunberg fl. Japonica..
Zur zweyten Hauptflor des gemäſsigten Theils der nördlichen Erdhälfte, der Virginischen, die sich nach Norden bis zu den groſsen Canadi - schen Seen, und nach Süden bis Süd-Carolina er - streckt, gehören die meisten oder alle Arten der Geschlechter: Nyssa, Dirca, Fothergilla, Liqui - dambar, Quercus, Eupatorium, Solidago, Polym - nia, Baltimora, Silphium, Chrysogonum, Helian - thus, Helenium, Rudbeckia, Ambrosia, Obolaria, Monarda, Collinsonia, Schwalbea, Polypremum,Hy -G 4104Hydrophyllum, Ellisia, Phlox, Houstonia, Mit - chella, Cephalanthus, Hydrastis, Podophyllum, Sanguinaria, Vitis, Napaea, Stuartia, Sabothra, Penthorum, Heuchera, Hydrangea, Amorpha, Ptelea, Rhus, Juglans, Dionaea(o)H. E. Mühlenberg Index florae Lancastriensis (Trans. of the American Soc. Vol. 3. p. 157. Vol. 4. p. 235.) I. F. Gronovii fl. Virginica. Th. Walter fl. Caroliniana..
Vorzüglich ist Virginien nebst den angränzenden Ländern das Vaterland der Eichen, deren es hier an zwanzig eigene Arten giebt(o*)A. Michaux Hist. des chênes de l’Amerique.. Aus ihnen, aus mancherley eigenen Fichten -, Tannen -, Cypres - sen -, Buchen -, Ahorn - und Wallnuſsarten, aus dem Liriodendron tulipifera, Rhus vernix, Liqui - dambar styraciflua, Platanus occidentalis, der Aesculus Pavia, Aesculus arborea, Nyssa sylvatica, Nyssa coccinea, und Myrica cerifera, womit sich in Süd-Carolina und Florida noch mancherley Mag - nolien, Annonen, Sapinden und Lorbeerarten ver - binden(p)Bartram’s Reisen in Nordamerika, im Mag. von Reisebeschreibungen. B. X., bestehen jene undurchdringliche Wäl - der, die das ganze Nordamerika von Westen bisOsten105Osten und von Norden nach Süden, wie mit einem Ocean von Bäumen, bedecken(q)Meares und Douglas Reisen an die Nordwestküste von Nordamerika, in Forster’s Geschichte der Reisen. Th. 2. S. 200. Schöpf’s Reise in die vereinigten nord - amer. Staaten. Th. I. S. 297..
In Betreff des Geschlechts Penthorum müssen wir bemerken, daſs dessen einzige bekannte Art (P. sedoides) das einzige Gewächs aus der Fa - milie der Saftpflanzen ist, welches in Nordamerika wächst.
Die morgenländische und Virginische Flor sind ungleich reicher an Pflanzen, als die nordische; ja, sie gehören zu den reichhaltigsten unter allen. Dennoch aber ist die Anzahl solcher Pflanzen, die der Länge nach weit verbreitet sind, in ihnen weit kleiner, als in der letztern. Doch gilt dieses nicht so sehr von der morgenländischen, als von der Vir - ginischen Flor. In Bootan traf Saunders(r)A. a. O. eine Menge der Gewächse von England an. Im südli - chen Siberien und in der Tartarey wachsen viele Pflanzen, die sich auch in Ungarn, Oesterreich, der Schweitz und Italien finden, z. B.
und eine Menge anderer. Dagegen haben die mor - genländische und Virginische Flor verhältniſsmä - ſsig wenige gemeinschaftliche Arten. Selten finden sich an der Mittagsseite der groſsen Nordamerika - nischen Seen und in den Wiesenflächen am Ohio und Mississippi noch Pflanzen, die der alten Welt nicht völlig fremd wären, als nur solche, welche jene Gegenden mit Canada und den übrigen nörd - lichern Ländern, und diese mit Kamschatka, Si - berien und Europa gemein haben(s)G. Forster’s kl. Schriften. Th. 3. S. 102. ff.. Die einzi - gen, mir bekannten Arten, die sich im mittlern Theile von Nordamerika und zugleich in den[Mor - genländern][finden], und welche nicht unter die letztere Rubrik gehören, sind:
Weiterhin nach dem Aequator erhält die Vege - tation immer mehr Eigenthümliches. Ein Hauptcha - rakter, wodurch sich die tropischen Gewächse über - haupt, und besonders die Dicotyledonen der heissen Erdstriche von denen der gemäſsigten und kalten Zonen unterscheiden, ist ihre Neigung zur Trennung der Geschlechter. Zwischen den Wen - dekreisen wachsen nicht nur die meisten Pflanzen aus den Familien der Nesseln, Kürbisse und Eu - phorbien, sondern auch fast alle übrige zu den Linneischen Classen der Monoecia, Dioecia und Polygamia gehörige Pflanzen.
Ein anderer allgemeiner Charakter der Flor des heissern Theils der Erde ist die geistigere Mischung der dortigen Pflanzensäfte. Dort, wo die Sonnen - strahlen senkrecht fallen, wo ein höherer und un - unterbrochener Grad der Wärme die vegetabilische Schöpfung durchdringt, prangen alle Pflanzen miteinem108einem brennenden Colorit; dort reifen unter Silber - blüthen die Früchte der Hesperiden, dort die Man - gos und Mangostanen, Durionen, Nankas, Jambo - lans, Jambusen, Litschis, Rambuttans, Sapoten -, Sapotillen - und Mammeifrüchte, Papayen, Guaya - ven, Grenadillen, Tschirimoyas, kurz die meisten und edelsten Früchte, wofür der Boden des kalten Nordens, sich selber überlassen, nur eine geringe Anzahl herber Beeren und Waldobstarten hervor - bringt; dort flieſst Kampher und Benzoe statt ge - meinen Gummi und Harzes aus den Spalten der Bäume, oder ätherische Oele füllen die Rinden, Blüthen und Früchte, bilden die kräftigsten Ge - würze, und schwängern die Lüfte mit balsami - schen Gerüchen; dort erzeugen sich in den euphor - bienartigen Pflanzen jene fürchterliche vegetabilische Gifte, wovon schon einzelne Tropfen in wenigen Stunden dem Thiere Tod und Verwesung bringen.
Aber auch die Vegetation jedes einzelnen Lan - des erhält zwischen den Wendezirkeln, und beson - ders in der heissen Zone der südlichen Erdhälfte, noch weit mehr Charakteristisches, als in den nörd - lichen gemäſsigten Climaten. Hier lassen sich vier Hauptfloren unterscheiden: die Afrikanische, Ost. indische, Westindische und Austrasische.
Afrika, dessen nördliche Küsten ähnliche Pflanzen wie das südliche Europa erzeugen, zeigt eine neue, ganz eigenthümliche Flor auf der süd -lichen109lichen Seite des Atlas. Die Gewächse des Nordens, die bergige und wasserreiche Gegenden lieben, verschwinden hier, und die wenigen, die sich in die dürren Wüsten dieses Welttheils verirrt haben, sind kaum ihren Vorfahren noch ähnlich. Statt ihrer erscheinen Pflanzen von schwammiger Tex - tur, deren Parenchyma mit Säften überladen ist, und deren Blätter die Stelle der Wurzeln vertreten und aus dem nächtlichen Thau die Nahrung ziehen müssen, die ihnen der verbrannte Boden nicht zu geben vermag. Proteen, Schirmpflanzen, Gera - nien, Linden, Saftpflanzen, und Ficoideen sind hier die zahlreichsten Familien. Reich an Arten sind hier die Geschlechter: Passerina, Struthiola, Lachnea, Gnidia, Protea, Brabeium, Galenia, Gunnera, Xeranthemum, Gnaphalium, Leysera, Seriphium, Stoebe, Chrysocoma, Ithonna, Gor - teria, Osteospermum, Hippia, Tarchonanthus, Athanasia, Eriocephalus, Osmites, Oedera, Arcto - tis, Manulea, Hyobanche, Spielmannia, Eranthe - mum, Selago, Hebenstreitia, Buddleia, Halleria, Falkia, Retzia, Royena, Blaeria, Erica, Lobelia, Roella, Anthospermum, Hermas, Arctopus, He - liophila, Aitonia, Ekebergia, Pelargonium, Mon - sonia, Oxalis, Adansonia, Cienfuegia, Herman - nia, Mahernia, Antichorus, Sparmannia, Diosma, Pharnaceum, Crassula, Cotyledon, Septas, Limo - nia, Limeum, Aizoon, Mesembryanthemum, Te - tragonia, Vahlia, Gniera, Ophira, Neurada, Clif -fortia,110fortia, Schotia, Podalyria, Aspalathus, Sarcophyl - lus, Borbonia, Oedmannia, Liparia, Lebeckia, Rafnia, Psoralea, Wiborgia, Hallia, Detarium, Podalyria, Rhus, Brucea, Cassine, Phylica, Bru - nia, Staavia, Plectronia(t)J. Burmanni rariorum Africanarum plant. decas I-X. P. Forskål fl. Aegyptiaco-Arabica. J. Bergii descript. plantar. ex Capite bonae spei. Prodromus plantarum Capensium, quas in promon - torio bonae spei annis 1772-1775 collegit P. Thunbero..
Diese vielen, blos auf Afrika beschränkten Pflanzen zeigen sich aber erst stufenweise, indem man von den nördlichen Theilen desselben zu den südlichen fortgeht. Aegypten bringt noch erst wenige Vegetabilien ohne Hülfe der Kunst hervor. Der gröſste Theil des Gewächsreichs besteht in die - sem Lande aus cultivirten Pflanzen. Man findet hier eine oekonomische Flor, die zu den reichsten unter der Sonne gehört(u)Hasselquist’s Reise nach Palästina. S. 230. Fors - kål l. c. p. XLVII..
Noch ärmer an Gewächsen ist die groſse Wüste des nördlichen Afrika. Nur an einigen Orten ist hier der Boden mit kurzem Gesträuche bewachsen; an andern erblickt der hoffnungslose Wanderer rund umher an dem weiten unbegränzten Horizont nichts als Sand und Himmel, als eine heisse dürre Leere, wo das Auge umsonst einen Ruhepunktsucht,111sucht, und die bange Ahnung zu verschmachten die Seele ergreift(v)M. Park Reisen im Innern von Afrika, S. 138..
Erst näher nach den Quellen des Nils hin und an den Ufern des Nigers und Senegals breitet die Afrikanische Flor einen Theil ihrer vielen Schätze aus. Doch auch hier zeigt sich nur erst ein Theil derselben. Ihr gröſster Reichthum ist an ihrer südlichen Spitze angehäuft. Man sieht dort im Sommer nicht jene lachende Wiesen des Nordens, zwischen deren jährlich von neuem aufschiessendem Grase die Farben der Blumen sich so reitzend aus - zeichnen. Dürre Heiden, sandige Ebenen, peren - nirende und bleiche Gräser und trockne Büsche sind die Gegenstände, die sich um diese Zeit dem Auge darbieten. Aber grade diese traurige Wü - sten, diese sogenannte Karrofelder, die in der heissen Jahreszeit von keinem Regentropfen benetzt werden, auf welchen dann von den brennenden und durch die umliegenden nackten Felsen zurück - geworfenen Sonnenstrahlen alles versengt, alles so leer, wie auf einer Landstraſse gemacht ist, sind im Winter mit den prachtvollsten und mannichfal - tigsten Afrikanischen Blumen bestreut. Um diese Zeit rollet täglich, ja fast stündlich der Donner, und unaufhörlich giessen schwarze Gewitterwolken den heftigsten Regen herab. Schnell belebt das ge - tränkte Erdreich dann Saamen und Wurzeln, be -son -112sonders der Zaserblumen (Mesembryanthemum), Dickblätter (Crassula), Cotyledonen, Stapelien und der vielen übrigen fleischichten Afrikanischen Gewächse, die sehr bald grünen, blühen und im tiefsten Winter die Fluren mit der schönsten und frischesten Sommertracht bekleiden(w)Sparmann’s Reise nach dem Vorgebirge der guten Hoffnung. S. 11. 230..
Ohnweit der Küste des südöstlichen Afrika liegt die groſse Insel Matlagascar, die noch zu we - nig bekannt ist, als daſs sich über die Flor dersel - ben etwas, ins Einzelne Gehendes bestimmen lies - se, die aber gewiſs zu den pflanzenreichsten Län - dern des Erdbodens gehört, dabey weit weniger mit Afrika gemein hat, als sich bey der Nähe die - ses Landes erwarten liesse, und uns ohne Zweifel bey künftigen nähern Untersuchungen einen neuen Beweis für den Satz geben wird, daſs die Fremd - artigkeit der Flor eines Landes desto gröſser ist, je näher dieses dem 35ten Grade südlicher Breite liegt. Fast alle bekannte Gewächse jener Insel sind eigene Arten, oder gar eigene Geschlechter. Mi - thridatea, Thouinia, Omphalea, Canephora, und Policardia Juss. haben blos hier ihren Wohnort.
Die Ostindische Flor erscheint auf der süd - lichen Seite des groſsen Asiatischen Bergrückens, und breitet sich von hier über das südliche China,Tun -113Tunquin, Cochinchina, Siam, Hindostan, Coro - mandel, Malabar, das südöstliche Arabien, und über den groſsen südlichen Archipelagus von Asien aus. In diesen Ländern ist die Heimath der mei - sten Amaranthen, Acanthen und orangenartigen Gewächse, vieler Nessel -, Kürbis - und Guttäpflan - zen. Aus der letztern Familie gehören zur Ostin - dischen Flor besonders die Geschlechter Allophyl - lus, Vatica, Calophyllum, Rheedia, Mesua, Gar - cinia; aus den übrigen Ordnungen Terminalia, Quisqualis, Myristica, Phyllanthus, Caturus, Exoecaria, Nyctanthes, Jasminum, Clerodendrum, Volkameria, Vitex, Callicarpa, Premna, Gmelina, Tectona, Sesamum, Incarvillea, Pedalium, Fa - graea, Strychnos, Ophioxylon, Ceropegia, Nephe - lium, Leea, Olax, Inocarpus, Mimusops, Bassia, Knoxia, Mussaenda, Cerissa, Hydrophylax, Schmiedelia, Glabraria, Durio, Gaertnera, Sando - ricum, Melia, Swietenia, Cissus, Impatiens, La - gunaea, Hibiscus, Gossypium, Pentapetes, Pte - rospermum, Abroma, Kleinhofia, Sterculia, Li - riodendron, Dillenia, Michelia, Ochna, Uvaria, Rotala, Giesekia, Sesuvium, Glinus, Santalum, Jambolifera, Memecylon, Alangium, Sonneratia, Barringtonia, Osbeckia, Lagerstroemia, Lausonia, Mimosa, Guilandina, Hyperanthera, Prosopis, Cassia, Adenanthera, Cynometra, Bauhinia, Bu - tea, Cylista, Galega, Indigofera, Hedysarum, Smithia, Aeschynomene, Dalbergia, Galedupa Juss. II. Bd. HSeme -114Semecarpus, Mangifera, Connarus, Rumphia, Ca - narium, Scopolia, Pistacia, Averrhoa, Schrebera, Ziziphus, Nepenthes(x)G. E. Rumphii Herbarium Amboinense. C. Linnaei fl. Zeylanica. J. Burmanni thesaurus Zeylanicus. H. v. Rheede hortus Malabaricus. N. L. Burmanni fl. Indica. C. F. Rottböl Beskrivelse over nogle planten fra de Malabariske Kyster (Skr. det Kiobenhavenske Selsk. nye Saml. D. 2. S. 525. Th. Hardwicke Enumeration of plants noticed in his tour between Hurdwar and Sirinagur. (Asiatick Researches. Vol. VI. p. 348.) Plants of the Coast of Coromandel by Th. Roxburgh and J. Banks. J. de Loureiro fl. Cochinchinensis. Ed. Willdenow..
Ostindien ist es vorzüglich, worauf jene Schil - derung paſst, die wir oben von dem Reichthume der heissen Länder an edeln Früchten, Gewürz - und Gummipflanzen gemacht haben. Die Inseln des Indischen Meers sind am Strande mit Cocos - und Areca-Palmen, und die Berge, die sich hinter den Ebenen der Küsten sanft erheben, mit un - durchdringlichen Haynen von Fächerpalmen be - deckt, in deren Schatten die Früchte der Garcinia Mangostana, Eugenia Malaccensis, Eugenia Jam - bos, Durio zibethinus, Cynometra cauliflora, Ter - minalia Catappa, Averrhoa Bilimbi u. s. w. reifen,Lau -115Laurus Cinnamomum, Laurus Camphora, Styrax Benzoin, Myristica, Piper, Caryophyllus u. s. w. ihre ätherische Oele erzeugen, und die Athmo - sphäre, selbst in beträchtlichen Weiten über das Meer hinaus(y)Hawkesworth’s Geschichte der Seereisen. B. 3. S. 260. Meares und Douglas Reise. S. 77, in Forster’s Geschichte der Reisen. Th. 1., mit ihren Wohlgerüchen anfül - len. Dabey sind alle diese Gewürzpflanzen auf sehr kleine Wohnplätze beschränkt. Java brachte ursprünglich keine andere Specereyen hervor, als Pfeffer. Der Nelkenbaum soll anfangs nur in einer kleinen Insel, welche Machian oder Bachian heiſst, und östlich von Java, 15 Meilen nordwärts von der Linie liegt, so wie der Muskatennuſsbaum nur auf Banda gefunden seyn(z)Hawkesworth a. a. O. S. 353. 354.. Beyde Gewächse wer - den zwar auch auf Ceylon und in einigen andern Ländern von Ostindien angetroffen; aber dieser soll blos auf Banda, und jener nirgends als auf den Mo - lucken Früchte tragen(z*)Garcias ab Horto Hist. arom. Ed. IV. L. 1. p. 80. 81.. Sumatra enthält den Cassien -, Benzoe - und ächten Kampherbaum, aber keine Zimmtbäume. Die letztern wachsen auf Cey - lon und in den Bergen von Cochinchina(z**)Garcias ab Horto l. c. p. 61. Forster’s u. Spren - gel’s Beyträge zur Länder - u. Völkerkunde. Th. 1. S. 18 ff..
DieH 2116Die Ostindische Flor hat übrigens weit weniger mit der nähern Afrikanischen, als mit der entfern - tern Westindischen gemein, und diese Gleichheit der erstern und der letztern erstreckt sich vorzüg - lich auf Bäume und Sträucher, wie aus dem fol - genden Verzeichnisse der gemeinschaftlichen Pflan - zen beyder Indien erhellen wird:
Bey allem dem wird aber doch die Aehnlichkeit der Ost - und Westindischen Flor von ihrer Unähn - lichkeit weit übertroffen. Die letztere, die sich über das ganze wärmere Amerika bis ohngefähr zum 35° nördlicher und südlicher Breite erstreckt, enthält
die meisten Pflanzen aus den Familien der Wun - derblumen, Solaneen, Bignonien, Sapinden, Mal - pighien, Linden und Melastomen;
die Oleasterpflanzen Conocarpus, Bucida, Chun - coa, Pamea, Tanibuca;
viele Kürbispflanzen, besonders das Geschlecht Passiflora, von dessen zahlreichen Arten nur die einzige P. aurantia ausserhalb Amerika, in Neu - Caledonien, wächst;
mehrere Euphorbien, vorzüglich Argythamnia, Adelia, Jatropha, Stillingia, Hippomane, Hura, Omphalea, Plukenetia;
viele müllenartige Pflanzen, Aegiphila, Peti - tia, Cornutia, Petrea, Citharexylum, Duranta, Lippia, Lantana, Verbena;
H 3einige118einige Scrophularien, Borragineen und Polemo - nien, namentlich Browallia, Schwenkia, Vandel - lia, Besleria, Columnea, Calceolaria, Russelia, Cordia, Menais, Varronia, Nolana, Cantua, Hoitzia;
viele Apocineen, unter andern Plumeria, Echi - tes, Willughbeia, Allamanda, Rauwolfia, Theo - phrastea;
die Sapoten Jacquinia, Mangilla, Chrysophyl - lum, Achras;
der Guaiakanen Labatia, Halesia, Hopea, Symplocos;
sehr viele Labkräuter;
die Kapperpflanzen Morisonia, Marcgravia, Ascium, Stephania;
einige Guttäpflanzen, vorzüglich Sterbeckia, Mammea, Grias;
die Melien Cedrela, Guarea, Strigilia, Sym - phonia, Canella, viele Malven, besonders Malva, Malachra, Achania, Gordonia, Bombax, Theobro - ma, Bubroma, Dombeya, Büttneria, Corolinea, Ayenia;
die Magnoliengeschlechter Magnolia, Curatella und Quassia, mehrere Anonen und Nachtkerzen;
die Linden Lecythis, Gustavia, Decumaria, Eugenia, Dodecas;
verschiedene Prockien - und Mandelbaumartige Geschlechter aus der Rosenfamilie;
unter119unter den Hülsenpflanzen die | Geschlechter Parkinsonia, Haematoxylum, Panzera, Cubaea, Caesalpinia, Dimorpha, Hymenaea, Swartzia, Müllera, Arachis, Dalea, Teramnus, Rudolphia, Piscidia, Clitoria, Stylosanthes, Diphisa, Ame - rimnon, Andira, Geoffrea, Nissolia, Dipterix, Pterocarpus, Crudia, Copaifera, Myroxylon, Secu - ridaca, Brownea, Aruna, nebst mehrern Arten der Mimosa, Cassia und Bauhinia;
die Terpentinpflanzen Robergia, Comocladia, Amyris, Schinus, Spathelia, Toluifera, Joncque - tia, Zwingera, Zanthoxylum;
die kreutzdornartigen Gewächse Philocarpus, Myginda, Glossopetalum, Prinos, Colletia, Glos - soma, Gouania;
endlich noch aus den übrigen Familien die Ge - schlechter Rupala, Coccoloba, Rivinia, Dorstenia, Cecropia, Boehmeria, Cyrilla, Gesneria, Cerato - stema, Michanxia, Loranthus, Rhizophora, Tro - paeolum, Cissampelos, Cactus(a)C. Plumier genera plant. Americ. Eiusd. species pl. Americ. Eiusd. plantae Americ. N. J. Jacquin selectarum strpium Americ. historia. M. Vahl eclogae Americanae. O. Swartz Flora Indiae occidentalis. B. A. Euphrasen’s Reise nach der Insel St. Barthele - mi. Uebers. von Blumhof. P..
WirH 4120Wir dürfen die Westindische Flor nicht verlas - sen, ohne der Cordilleras des südlichen Amerika in botanischer Rücksicht erwähnt zu haben. Auf diesen Gebirgen zeigt sich in dem Bezirke von we - nigen Meilen der Uebergang der Vegetation von dem heissen Clima zum gemäſsigten und kalten. Indeſs fehlt es noch an einer Beschreibung dieses merk - würdigen Uebergangs von einem kundigen Botani - ker. Ulloa’s Schilderung(b)In dessen Physikal. und historischen Nachrichten von Amerika. Uebers. von Dieze. Th. 1. S. 94 ff. ist die einzige, die wir aufweisen können.
Dieser zufolge unterscheidet sich die niedrige Gegend in Peru von der hohen, diese von denjeni - gen, die nahe an der Linie liegen, und die letztern wieder von denen, die sich unter dem Wendekrei - se befinden, so sehr, daſs die ganze Natur in ihnen verändert zu seyn scheint. Die niedrige Gegend von Peru bringt wegen des vielen Sandes und desMan -(a)F. Aublet histoire des plantes de la Gujane Fran - çoise. L. Feuillée Journal des observations physiques etc. faites sur les côtes occidentales de l’Amerique meri - dionale. Florae Peruvianae et Chilensis prodromus. A. A. Hip - polyto Ruiz et Josepho Pavon. Systema vegetabilium florae Peruvianae et Chilensis. A. A. H. Ruiz et J. Pavon.121Mangels an Wasser ohne Hülfe der Kunst wenig hervor. Da, wo der Boden feucht ist, wachsen Mais, Yucca’s, Musa sapientum und paradisiaca, eine Art von Bataten, Camotes genannt, Psidium pyriferum, Anona Cherimoia, Gleditschien, Sa - pinden u. s. w. Auch gedeihen hier verschiedene Fruchtbäume der morgenländischen Flor, als Po - meranzen, Limonien, Aepfel, Feigen, Pflaumen - und Oehlbäume. Aber nirgends sieht man Eichen, Kork - und Kastanienbäume, und wenn es deren einige giebt, so ist es nur in den südlichen, an Chili gränzenden Gegenden, wo das Clima gemä - ſsigter ist, und wo alle vier Jahreszeiten von ein - ander unterschieden sind.
Doch findet bey dem niedrigen Lande ein Un - terschied statt, nicht in Ansehung der Entfernung vom Aequator, sondern in Betreff der Winde, wel - che daselbst herrschen. In dem weiten Erdstriche vom 26 oder 27ten bis zum 3½° südlicher Breite, wo die Winde beständig aus Süden wehen, und es an Regen fehlt, bringt der Boden blos die eben er - wähnten Gewächse und ausserdem noch Weinstö - cke hervor. Hingegen in dem ganzen Raume vom 3½° südlicher Breite bis zur Linie und von da bis zum Wendekreise des Krebses, wo kein Mangel an Regen ist, trifft man die üppigste Vegetation an. Hier wachsen mancherley Palmen, verschiedene Arten von Cedern, Caobos, Ceibas (Bombax),H 5Ma -122Marias, Evanos, Grenadillos, und viele andere groſse, starke, dickbelaubte und durch eine unend - liche Menge von Schlingstauden dicht unter einan - der verflochtene Bäume.
Von dem niedrigen bis zum hohen Lande be - merkt man eine, sich stufenweise zeigende Ver - schiedenheit in den Produkten. In den tiefen Grün - den, die durch häufigen Regen gewässert werden, geht die Vegetation des Zuckerrohrs sehr wohl, obgleich weniger geschwind, als in dem flachen Lande, von statten. In den höher gelegenen Ge - genden kommen alle Pflanzen des mittlern Europa fort. Hier wachsen Weitzen, Gerste und andere Kornarten. Bäume aber sind hier selten. Man fin - det keine Fichten, Eichen, Kastanien - und Kork - bäume. Nur in Chili sollen Fichten wachsen. In allen übrigen Theilen der Cordilleras von der Linie bis zum 23 oder 24ten Grade südlicher Breite trifft man nirgends diese Bäume an. Doch sind die Wei - den in diesen gemäſsigten Climaten sehr gemein, und die Cedern kommen hier ebenfalls, obgleich langsam, fort.
Die hohen kalten Gegenden bringen drey, ih - nen eigene Gattungen von Bäumen hervor: die Quinuales, Especias und Casis. Die Quinuales haben eine mittelmäſsige Höhe und Stärke. Merk - würdig ist ihre Rinde, wegen der zahlreichen Häu -te,123te, woraus sie besteht. Sie ist etwas über einen Zoll dick, und aus einer sehr groſsen Menge von Häuten zusammengesetzt, welche an einander kle - ben, dennoch aber sich leicht absondern lassen, und zarter als Papier sind. Die Casis, die noch kleiner als jene sind, wachsen auf den höhern Ber - gen, wo schon ein beträchtlicher Grad von Kälte herrscht.
Als die siebente unter den Hauptfloren der Di - cotyledonen haben wir die Austrasische ge - nannt. Diese geht über die sämmtlichen, zwischen den Wendekreisen gelegenen Südseeinseln, Neu - Holland mit inbegriffen.
Nirgends bestätigt sich der Satz, daſs von den nördlichen Polarländern an bis zur Gränze des ge - mäſsigten Erdstrichs der südlichen Hemisphäre die Vegetation ein immer fremdartigeres Ansehen er - hält, als in diesen Ländern. Hier ist fast keine Spuhr mehr von denen der gemäſsigten und kalten Zone des Nordens eigenen Pflanzengeschlechtern. Es giebt hier keine Polygoneen, Wegeriche, Di - stelpflanzen, Scabiosen, Euphrasien, Polemonien, Alpenrosen, Doldengewächse, Ranunkeln, Mohn - pflanzen, Ahorne, Caryophylleen und steinbrech - artige Pflanzen. Es finden sich hier nur ein Paar Arten aus den Familien der Ballblüthen, Kätzchen - und Zapfenbäume, Salatpflanzen, Lysimachien, Schootengewächse und Rosen. Alles, was die Au -stra -124strasische Flor an Pflanzen aus diesen Ordnungen aufzuweisen hat, besteht in folgenden wenigen Arten:
Reich sind dagegen die tropischen Südseeinseln an Proteen, Euphorbien, Nessel - und Schirmpflan - zen, Apocineen, Labkräutern, Malven, Myrten und Hülsenpflanzen. Am meisten zeichnet sich Neu-Holland durch viele ihm eigene Geschlechter und Arten aus. Hier ist das Vaterland der Ge - schlechter Banksia, Embothrium, Melaleuca, Lep - tospermum, Fabricia, Metrosideros, Eucalyptus, Pultenaea, Styphelia, Platylobium L. W., Achyro - nia L. W., Bossiaea L. W.(c)J. E. Smith Specimen of Botany of New-Holland.. Auf den kleinern unter jenen Inseln sind vorzüglich die Geschlech - ter Ficus, Piper, Justicia, Convolvulus und Hi - biscus reich an Arten(d)G. Forster florulae insularum australium prodro - mus..
Ame -125Amerika und Asien schliessen das Südmeer von zwey Seiten ein. Je näher die Inseln dieses Oceans dem einen oder andern jener Länder liegen, desto mehr gleiche oder ähnliche Pflanzen haben sie mit denselben gemein. Doch leidet diese Regel auch manche Ausnahmen. So findet man die Gardenia florida und Morus papyrifera, obgleich beydes Ost - indische Pflanzen sind, nur auf den östlichern Gruppen der freundschaftlichen und Societätsin - seln. Dagegen sieht man auf den neuen Hebriden und auf Neu-Caledonien, die von Amerika am weitesten entfernt sind, einige Amerikanische Ge - schlechter, namentlich die Passiflora aurantia, ei - ne Ximenia und die Amerikanische Waltheria(e)J. R. Forster’s Bemerkungen auf einer Reise um die Welt. S. 152.. Neuholland hat wenig mit den benachbarten Mo - lucken, aber manches mit dem südlichen Afrika, und einiges sogar mit Peru gemein. Der Afrikani - schen Flor ist die Neuholländische verwandt in An - sehung mehrerer Arten der Protea(f)La Billardiere’s Reise nach dem Südmeere. Th. 1. S. 325. und einer Gattung des Pelargonium, zweyer Geschlechter, die zu den eigenthümlichen des südlichen Afrika gehören; so wie der Neuholländischen die Afrika - nische in einer Art des Geschlechts Metrosideros, dessen Mittelpunkt Neuholland ist. Mit dem süd -lichen126lichen Amerika kömmt Neuholland in den Geschlech - tern Embothrium und Lobelia(g)La Billardiere a. a. O. Th. 1. S. 314., so wie an meh - rern Arten des Leptospermum, der Eucalyptus re - sinifera, einer Myrten - und Proteenart in der son - derbaren blätterförmigen Struktur der Rinde über - ein, welche Ulloa an den von ihm unter dem Na - men der Quinuales erwähnten Bäumen in den hö - hern Regionen der Cordilleras beobachtete(h)Mit Unrecht glaubt also La Billardiere (a. a. O. Th. 2. S. 4. 5), daſs sich diese Struktur der Rinde nur in Neuholland finde..
Aus den angeführten Thatsachen erhellet, daſs sich das Pflanzenreich in Ansehung seiner Verbrei - tung mit einem Baume vergleichen läſst, dessen Stamm aus den nördlichen Polarländern entspringet, und dessen Zweige sich nach Süden hin über die Erde ausbreiten, indem sie sich bis zu den Grän - zen der südlichen wärmern Zone immer weiter von einander entfernen. Bey ihrem ersten Entstehen giebt es viele unter diesen Zweigen, wovon ein - zelne Nebenäste sich zu dem Stamme zurückbiegen und mit diesem anastomosiren. Wir fanden viele Arten in der morgenländischen und Virginischen Flor, die auch im äussersten Norden wachsen. In den wärmern Zonen werden solche Arten immer seltener. Doch fehlt es auch hier nicht ganz an ihnen. Das folgende Verzeichniſs beweist, daſs esman -127manche Dicotyledonen giebt, die sich vom kalten Norden bis zu den südlichen Theilen von Afrika, Asien und Amerika, ja bis Neuholland und Neu - seeland erstrecken.
Amaranthus tricolor wächst in Ruſsland und Ostindien;
Amaranthus viridis in Europa und Brasilien;
Salicornia herbacea und Salsola Kali in Euro - pa, Virginien und Neuholland(i)La Billardiere a. a. O. Th. 1. S. 117.;
Euphorbia Chamaesyce in Süd-Europa, Sibe - rien und Westindien;
Sonchus oleraceus in Europa, den freund - schaftlichen Inseln und Neuseeland;
Conyza saxatilis in Süd-Europa, Palästina und am Cap;
Xanthium orientale in China, Japan, Canada, Virginien und Ostindien;
Verbena nodiflora in Sicilien, bey Neapel, in den Caraibischen Inseln, in Ostindien, und auf der Insel Tanna;
Leonurus marrubiastrum in Böhmen, der Ukrai - ne und Java;
Solanum nigrum in ganz Europa, Aegypten, Guinea, Indien, Virginien, dem wärmern Ameri -ka,128ka, auf O-Taiti(k)Forster’s Reise um die Welt. B. 1. S. 199., der Osterinsel(l)Forster’s Bemerk. auf einer Reise u. s. w. S. 150. G. Forster flor. ins. austral. prodr. sp. 106. und Neu - seeland(m)Banks u. Solander in Hawkesworth’s Gesch. der Seereisen. B. 3. S. 32.;
Rubia cordifolia in Majorca, Siberien, China, Japan, und am Cap;
Aralia nudicaulis in Virginien; eine sehr ähn - liche, vielleicht dieselbe Pflanze in Java;
Eryngium foetidum in Virginien, Jamaika, Mexico, und Surinam;
Hydrocotyle Americana sowohl im nördlichen und südlichen Amerika, als Ostindien;
Cardamine Africana in Arabien und auf der Insel Bourbon;
Bunias Syriaca in Oesterreich, Ungarn, im Bannat, in Siberien, Syrien und Sumatra;
Cakile maritima in Europa, Asien, Afrika und Amerika;
Aldrovanda vesiculosa in Italien und Indien;
Pharnaceum Cerviana bey Rostock, in Ruſs - land, Spanien, Guinea und Asien(m*)“Ich besitze dieses Gewächs auch von Demerary. „ Das sonst so kleine Pflänzchen ist in meinen Exem - „ plaren über anderthalb Fuſs hoch.” Anmerkung des Herrn Professor Mertens.;
Por -129Portulaca oleracea in Europa, Trinidad und In - dien;
Corrigiola littoralis in Europa; eine sehr ähnli - che Pflanze (C. Capensis) am Cap;
Tetragonia expansa in Japan und auf den Süd - seeinseln bis Neuseeland;
Isnardia palustris in Ruſsland, Frankreich, Virginien und Jamaika;
Tamarindus Indica in Aegypten, Arabien, In - dien und Amerika;
Hyperanthera Moringa in Aegypten, Ceylon und Amerika;
Cassia procumbens in Virginien und beyden Indien;
Bauhinia variegata in Madera und Malabar;
Psoralea bituminosa im südlichen Europa und am Cap;
Lathyrus odoratus in Sicilien; eine Varietät desselben in Ceylon.
Hedysarum junceum in Siberien, der Tartarey und Ostindien.
Sehr auffallend wird durch dieses Verzeichniſs unsere obige Bemerkung bestätigt, daſs die Dicoty - ledonen in Betracht ihrer geographischen Verbrei - tung eine gröſsere Biegsamkeit der Organisation ha - ben, als die Monocotyledonen, und daſs von die - sen meist nur in Bächen und Sümpfen, von jenen hingegen fast in jedem Boden, aber freylich inII. Bd. Idem130dem einen mehr, als in dem andern, gleiche Pflan - zen unter sehr verschiedenen und entfernten Him - melsstrichen gedeihen. Zugleich ergiebt sich aus diesem Verzeichnisse noch eine andere Folgerung. Wir finden in demselben nur fünf strauchartige Ge - wächse, nehmlich Conyza saxatilis, Hyperanthera Moringa, Tamarindus Indica, Bauhinia variegata und Psoralea bituminosa. Von diesen erstreckt sich auch keines bis zu den kalten Zonen, drey dersel - ben sind blos auf die wärmern Erdstriche einge - schränkt. Alle übrige Pflanzen jenes Verzeichnisses sind krautartige Gewächse, und unter diesen giebt es manche, die sich sowohl in den Tropenländern, als in den kalten Zonen beyder Erdhälften finden. Grade den entgegengesetzten Fall beobachten wir aber bey denen Gewächsen, die blos der Länge nach weit verbreitet sind. Ein Blick auf die obigen Ver - zeichnisse von denjenigen Pflanzen, welche die alte Welt unter gleichen Graden der Breite mit der neuen gemein hat, lehrt, daſs mehr als die Hälfte von diesen aus Sträuchern und Bäumen besteht. Strauch - und baumartige Pflanzen erstrecken sich also weiter der Länge, krautartige weiter der Brei - te nach.
Ausserhalb der wärmern Zone giebt es in der südlichen Erdhälfte nur noch fünf gröſsere Länder, nehmlich das nördliche Chili, das nördliche Para - guay, Magellansland, Feuerland und Neuseeland. Die131Die Flor des letztern hat vieles mit der Austrasi - schen, die der erstern manches mit der Westindi - schen gemein. Zugleich aber, und dieser Umstand verdient die gröſste Aufmerksamkeit, nähern sich auch diese Antarktische Floren wieder denen, wo - von in der Austrasischen fast alle Spuhren ver - schwunden waren, den Floren der gemäſsigten und kalten Zone des Nordens. In Neuseeland zeigen sich wieder die Geschlechter Plantago, Veronica, Myosotis, Gentiana, Andromeda, Peucedanum, Laserpitium, Ligusticum, Apium, Clematis, Le - pidium, Sisymbrium, Linum(n)G. Forster flor. ins. austr. prodr., im nördlichen Chili Salix, Scandix und Heracleum(o)Molina’s Nat. Gesch. von Chili. S. 103. 115. 144. 145. 157., im Feuer - lande Fagus, Betula und Ribes(p)Banks u. Solander beym Hawkesworth. B. 2. S. 43. 60.. Ja, es finden sich hier wieder mehrere Arten, die noch in keinen andern Erdstrichen, als in der nördlichen Erde ge - sehen sind. So bringt der Boden in Chili viele Kräuter freywillig hervor, die man auch in Euro - pa antrifft, z. B. Malven, Kleearten, Wegerichsar - ten, Cichorien, Melisse, Münze(q)Molina a. a. O. S. 101., das Heracleum tuberosum Mol. welches sich nur in der Wurzel von dem Heracleum sphondylium unterscheidet,undI 2132und die Chironia Chilensis Willd., die der Chiro - nia Centaureum sehr ähnlich ist(r)Molina a. a. O. S. 124.. So wachsen im Feuerlande Pinguicula alpina, Ranunculus Lap - ponicus, Galium Aparine, Statice Armeria, und eine Veilchenart, die der Viola palustris sehr ähn - lich ist; und in Neuseeland die Cotula coronopifo - lia. Dabei hat das Feuerland mit Neuseeland das Mniarum biflorum, welches jeder, der die Blume nicht untersucht hat, für eine Art des im südlichen Europa wachsenden Geschlechts Minuartia halten wird, die Calendula pumila und Wintera aromati - ca(s)Vancouver’s Entdeckungsreise. Uebers. von Spren - gel. S. 17. — Sollte aber auch die Wintera axillaris mit der W. aromatica von V. verwechselt seyn? gemein: Thatsachen, die um so merkwür - diger sind, da die ganze bekannte Flor des Feuer - landes sich kaum auf vierzig Arten beläuft(t)J. R. Forster’s Bemerkungen auf einer Reise etc. S. 154. G. Forster fasciculus plant. Magellan. in Commentat. soc. Reg. sc. Gotting. Vol. IX. p. 17..
Aber freylich erstreckt sich diese Aehnlichkeit auch nicht so weit, daſs die Floren dieser Länder nicht Vieles besitzen sollten, wodurch sie sich von denen der gemäſsigten und kalten Länder des Nor - dens unterschieden. Molina(u)A. a. O. S. 102. versichert, in Chi - li bei seinen, wie er selber hinzusetzt, sehr ein -ge -133geschränkten botanischen Spatziergängen schon auf 3000 Sommergewächse entdeekt zu haben, die er in kein botanisches Register eingetragen fand. Quinchamala, Araucaria, Panke Mol. (Gunnera Juss. ), Madia, Maytenus, Fuchsia, Gevuina Mol., Sassia M., Hippomanica M., Crinodendrum M., Aristotelea L’Herit., Temus M., Plegorrhiza M., Quillaria M. und eine Menge anderer ausgezeich - neter und noch in keinen andern Gegenden beob - achteter Pflanzen sind in diesem Lande einheimisch.
Im Magellans - und Feuerlande finden sich un - ter andern: Baea, Donatia, Misandra, das schon erwähnte Mniarum, und mehrere eigene Gattun - gen, die sich auf eine höchst merkwürdige Art da - durch auszeichnen, daſs sie ganz das Ansehn von Moosen haben, auf nackten Felsen kleben, und durch ihren ganzen Wuchs darauf abzuzwecken scheinen, auf jenen kahlen Plätzen den Grund zur Vegetation zu legen. So wie nehmlich diese Pflan - zen aufwachsen, breiten sie sich sowohl oben in Zweige, als unten in Wurzelfasern aus, die sehr dicht an einander liegen. Die untersten Fasern, Wurzeln, Stengel und Blätter verwesen, und wer - den stets durch neue ersetzt, so daſs sich zuletzt daraus ein kleiner Hügel bildet, der den Fels ein Paar Fuſs hoch bedeckt, und oft über drey Fuſs im Durchmesser hat. Diese Klumpen von Pflan - zen sind inwendig immer etwas feucht, und be -I 3för -134fördern dadurch den Anwuchs der letztern nach oben. Sie nehmen auch Saamen von andern Pflan - zen auf, die darin wie in Moosen wachsen und forttreiben. Die Hügel aber breiten sich stets wei - ter aus, bis ganze Berge und Felsen mit dieser Pflanze bekleidet, und mit einer kleinen Lage von Erde bedeckt sind, wodurch ein Bett zur Aufnah - me von gröſsern Gewächsen bereitet ist. Auf den Falklandsinseln fand Penrose solche Hügel, die von aussen ganz wie die Arbeit eines Maulwurfs oder eines sonstigen unterirdischen Thiers aussahen, deren innere, von einer sammtweichen, einen hal - ben Zoll dicken Rinde umgebene Höhlung aber mit einer unzähligen Menge von kleinen Stengeln ange - füllt war, welche kleine, denen der Tanne ähnli - che Blätter hatten, und einen harzigen Saft aus - schwitzten(v)Forster’s u. Sprengel’s Beyträge zur Völker - und Länderkunde. Th. 1. S. 161. 162..
In Neuseeland trafen Banks und Solander(v*)Hawkesworth a. a. O. B. 3. S. 32. 33. unter 400 verschiedenen Pflanzen nicht mehr als einige an, welche Europäischen Gewächsen gleich waren, nehmlich Saudisteln, Garten-Nachtschat - ten und ein oder zwey Gräser; ein Paar andere Arten gehörten zu den Gattungen, die man fast in allen Welttheilen antrifft; die übrigen aber wa - ren ihnen nirgends vorgekommen, bis auf fünfoder135oder sechs Arten, die sie im Feuerlande gesehen hatten. Von den beyden Forstern wurden hier die Geschlechter Corynocarpus, Carpodetus, Di - chondra, Coprosma, Schefflera, Melicope, Plagi - anthus, Schawia, Hedycaria, Pennantia und Grise - linia entdeckt(w)G. Forster fl. ins. austr. prodr..
Werfen wir jetzt noch einen Rückblick auf die bisherigen Beschreibungen der verschiedenen Flo - ren, so werden wir darin allenthalben, ausgenom - men an den südlichen Gränzen des wärmern Theils der Erde, Gründe für unsere obige Behauptung finden, daſs die Natur innerhalb gewisser Gränzen aller Orten ähnliche lebende Wesen hervorgebracht hat. Jene Ausnahme beweiset nun zwar, daſs die - se Aehnlichkeit allerdings beschränkt ist. Indeſs dürfen wir auch nicht vergessen, daſs unsere Ein - theilungen der Naturkörper nicht Werke der Natur sind, dürfen nicht schliessen, daſs, wenn die süd - liche Hemisphäre wenige oder gar keine Lippen - und Doldenpflanzen enthält, die Natur das Modell, wonach sie diese Gewächse der nördlichen Erdhälfte bildete, dort gänzlich verworfen hat. Hätte un - ser Plan verstattet, bey der Schilderung der Flo - ren mehr ins Einzelne zu gehen, so würde dieser und mancher andere Satz, den wir nur haben an -deutenI 4136deuten können, weiter ausgeführt seyn. Aber wir haben blos den Umriſs eines Gemähldes voll scheinbarer Verwirrung und doch voll himmlischer Harmonie entwerfen können, und müssen künfti - gen Forschern die weitere Ausführung dieser Skiz - zen überlassen.
Wir bemerkten im ersten Kapitel dieses Ab - schnitts, daſs die Zoophyten unter allen lebenden Körpern am weitesten auf der Erde verbreitet sind, sowohl in physischer, als geographischer Hinsicht. Wir müssen aber jetzt hinzusetzen, daſs dieses nur von der ganzen Classe, nicht von den einzelnen Familien und Geschlechtern und noch weniger von den einzelnen Arten gilt. Die Gröſse, Farbe, Ge - stalt, kurz die ganze Organisation dieser Körper ist weit abhängiger von den Einwirkungen der Aus - senwelt, als die der Pflanzen und Thiere. Kugel - schwämme (Lycoperda), die zu einer und dersel - ben Art gehören, variiren in ihrer Gröſse von ei - nem Zoll, ja von einer Linie, bis zu mehrern El - len(x)Ammann in den Comm. Acad. Petropol. T. XI. p. 314. Beroius in den Abh. der Schwed. Akad. 1762. B. 24. S. 334.. Wo findet sich ein ähnliches Beyspiel im Thier - und Pflanzenreiche? Nach Gleditsch’s Beobachtungen gehen sogar Blätterschwämme (Aga -rici)I 5138rici) in Löcherschwämme (Boleti) und diese in Sta - chelschwämme (Hydna) über. Eben so verschie - dene Bildungen einer und derselben Art finden sich bey den Tangen. Die unaufhörliche Bewegung des Elements, worin diese Körper leben, modifi - zirt ihre Form auf die mannichfaltigste Art. Nur bey denen, die in den Tiefen des Meers wachsen, wohin die Stürme nicht reichen, sehen wir einen regelmäſsigen Bau. Alle an der Oberfläche befind - liche hingegen sind so unbeständig in ihrer Gestalt, daſs man selten mehrere Tange von Einer Art an - trifft, die ganz mit einander übereinstimmen(y)Mertens in Schrader’s Journal f. d. Botanik. 1800. B. 1. S. 179.. Nichts kömmt aber den Varietäten bey, die man unter den Infusionsthieren antrifft. Hier ist nichts Beständiges. Beynahe in jedem Aufgusse von ver - weslichen Substanzen zeigen sich Formen, die sich in andern nicht finden; ja, in einer und derselben Infusion verwandeln sich fast mit jedem Tage die Gestalten.
Vorzüglich aber giebt es zweyerley äussere Ein - wirkungen, wofür alle Zoophyten einen hohen Grad von Empfänglichkeit besitzen, nehmlich Feuchtigkeit und Licht.
Neigung zu feuchten Standörtern ist ein allge - meiner Charakter dieser Körper. Fast alle Thier -pflan -139pflanzen, Wasserfäden, Tange und Najaden sind Bewohner des Wassers(y*)“Doch leidet dieser Satz einige Einschränkung. „ Die Conferva muralis Dillwyn wächst hier auf den „ Wällen an Bäumen und Planken, etwa zwey Fuſs „ hoch von der Erde, aber immer genau nach der dem „ Norden zugekehrten Seite, niemals an einer andern. „ Conferva frigida, C. arenaria Roth. und eine Abart „ des Ceramium caespitosum (oder die Conferva am - „ phibia der meisten Autoren) wachsen nicht nur an „ feuchten, sondern auch oft an sehr trocknen Stellen, „ ja Conferva ericetorum R. auf den dürresten Heiden. „ Byssus Jolithus, dem Roth unter dem Namen Con - „ ferva suaveolens eine andere Stelle im System ange - „ wiesen hat, wächst nebst mehrern ehemaligen Bys - „ sus-Arten auf Felsen. Der Hofapotheker Martius „ hat, laut Espers Zeugniſs (Icones fucorum. p. 124), „ eine Tangart im Bayreuthischen auf dem Lande ent - „ deckt. Fucus Palmetta soll auch in den Nordischen „ Wäldern wohnen, so wie sich die Corallina officina - „ lis terrestris Pallas. in Pommern unter dem Heide - „ gesträuch finden soll. Daſs dieses letztere Seeprodukt „ aber nichts weiter beweist, als daſs hier ehemals „ Meeresboden war, brauche ich kaum zu erinnern, „ obschon es merkwürdig ist, daſs es sich so lange da - „ selbst (durch Fortpflanzung?) hat erhalten können.” Anmerkung des Herrn Prof. Mertens.. Die Schwämme, Flechten, Lebermoose, Laubmoose und Farrnkräu - ter vertrocknen, sobald es ihnen an Feuchtigkeit fehlt, und vegetiren nur, wenn der Boden und die Athmosphäre reich an Wasser sind. Am läng -sten140sten können indeſs noch Flechten und Farrnkräuter der Feuchtigkeit entbehren.
Ein allgemeiner Charakter der Zoophyten ist auch ihre Abneigung gegen ein zu heftiges Licht. Die Thierpflanzen und diejenigen Phytozoen, die im Meere oder im süſsen Wasser wohnen, suchen sich durch Entfernung von der Oberfläche des Was - sers, oder durch Näherung zu derselben immer in einem gewissen mittlern Grade des Lichts zu erhal - ten. Sie erheben sich am Morgen, kehren um Mit - tag wieder zur Tiefe zurück, und erheben sich von neuem, so wie die Sonne ihrem Untergange zueilt. Manche Arten von Conferven, z. B. die Conferva amphibia Auct. und Conferva frigida Roth.(z)Dillwyn Synopsis of the British Confervae. Tab. 16. vegetiren blos im Herbste, Winter und Frühlinge, und verschwinden im Sommer, wenn der Wasser - behälter, worin sie sich aufhalten, nicht tief genug ist, um sie vor der Einwirkung der senkrechten Sonnenstrahlen zu schützen(z*)“Merkwürdig ist es auch, daſs die Farbe der Was - „ ser-Algen oft grade die entgegengesetzte Verände - „ rung, wie die der Pflanzen, erleidet. Bekanntlich „ gerathen Pflanzen, denen man in Kellern oder dun - „ keln Orten das Licht entzieht, in den Zustand, wel - „ chen man die Bleichsucht (etiolement) derselben nen - „ net. Bey den Algen ist oft die Beraubung des Lichts „ die Veranlassung, daſs ihre Farbe sich erhöht. Ichfinde. Die Moose undFarrn -141Farrnkräuter entziehen sich dem Einflusse der Sonnenstrahlen dadurch, daſs sie meist die nördli - che, höchstens die nordwestliche Seite von Bäu - men, Felsen und Gebäuden zu Standörtern wählen. Da, wo man sie an der Mittags - oder Morgenseite findet, sind sie doch immer vor dem Sonnenscheine durch etwas geschützt. Moose lieben deswegen die subalpinischen Regionen, wo sie weniger derun -(z*)„ finde, daſs die Conferva distorta Fl. Dan. (Ceramium „ vagum R.), je länger sie im Herbario liegt, eine „ desto glänzendere Grünspan-Farbe erhält, so wie „ auch die von mir an den Mühlenrädern in der We - „ ser entdeckte Conferva castanea sich mit schönerm „ Purpur färbt, je länger man sie in seiner Sammlung „ verwahrt. Andere See-Algen wechseln die Farbe, „ so daſs sie sich verschönern, je näher sie an die Ober - „ fläche des Meers gebracht und den Sonnenstrahlen aus - „ gesetzt werden. Vornehmlich ist das schöne Rosen - „ roth einiger Arten äusserst flüchtig. So lange Batra - „ chospermum moniliforme vagum R. auf dem Meeres - „ boden wächst, hat es eine schmutzig gelbe Farbe, „ wenn es gleich nur von etwa 8-10 Zoll Wasser be - „ deckt ist. Kaum hat es sich ein Paar Stunden auf „ die Oberfläche erhoben, so nimmt es eine schöne „ blaugrüne Farbe an.” Anmerkung des Herrn Prof. Mertens. — Ich kann zu diesen Beobachtungen noch hinzusetzen, daſs ich ein Exemplar des Potamo - geton fluitans besitze, an dessen obern Blättern die natürliche braungrüne Farbe nach dem Trocknen in Roth übergegangen ist.142unmittelbaren Einwirkung des Lichts ausgesetzt sind, vorzüglich beschattete Felsen und quellen - reiche Hügel, weshalb der Harz eine so groſse Menge derselben aufzuweisen hat. Auf den höch - sten Bergen trifft man kaum ein halbes Dutzend der gemeinsten Arten an, die überdies noch ein ver - kümmertes Ansehn haben. Am längsten halten noch Dicranum scoparium mit dem Hypnnm cu - pressiforme, und nächst diesen Encalypta vulgaris, Bryum lanceolatum, Grimmia apocarpa und Dicra - num fragile aus. Die übrigen bleiben auf den un - tern Absätzen zurück(a)Flörke in Schrader’s Journal f. d. Botanik. 1800. B. 2. S. 161.. Die Pilze und viele Flechten lieben die Dunkelheit, oder gar die völli - ge Finsterniſs. Wälder und unterirdische Höh - len, die nie, oder doch nur durch ein schwaches, zurückgeworfenes Licht erhellet werden, sind ihre Heimath. Die erstern sieht man daher auf groſsen Höhen fast gar nicht(a*)Flörke a. a. O..
Weniger empfindlich, als gegen das Licht, sind die Zoophyten gegen Wärme, wie die im er - sten Abschnitte angeführten Thatsachen beweisen. Alle aber fliehen einen gewissen Grad der Kälte, und dies ist ohne Zweifel mit eine Ursache, warum so wenige von ihnen in der Alpenregion ausdauern können. Vorzüglich ist den Farrnkräutern Kältenach -143nachtheilig. Keines dieser Gewächse vegetirt im Winter, hingegen die meisten nur bey einem ho - hen und anhaltenden Grade von Wärme.
Ziemlich gleichgültig sind auch viele Pflanzen - thiere gegen die Beschaffenheit des Standorts. Un - ter den Farrnkräutern und Laubmoosen findet man eine und dieselbe Art bald auf Bäumen, bald auf Dammerde, bald auf Felsen und Steinen von ganz verschiedener Mischung. Indeſs nimmt die Abhän - gigkeit der Phytozoen von der Beschaffenheit des Bodens zu, mit der abnehmenden Mannichfaltig - keit ihrer Organe. Unter den Lebermoosen giebt es daher schon manche, die nur gewissen Steinar - ten eigen sind. Marchantien traf Link blos auf Sandsteinen, und viele Jungermannien nur auf Gra - nit an. Die meisten Lobarien wachsen auf Bäu - men, viele aber auch auf Dammerde. Doch kom - men manche der erstern, z. B. Lobaria terebrata, physodes, saxatilis und caperata, auch auf Steinen vor. Unter den Flechten von einfacherer Struktur herrscht aber weit weniger Verschiedenheit in An - sehung des Standorts. Die meisten Arten des Ge - schlechts Peltigera lieben Sandsteingebirge, und alle Umbilikarien Sandstein und Granitfelsen(b)Link in Usteri’s Annalen der Botanik. St. 14. S. 2 ff.. Noch abhängiger von der Beschaffenheit des Bo - dens sind alle Pilze. Es ist schon im ersten Ab -schnit -144schnitte bemerkt, daſs es Arten giebt, die man nie anders als auf faulenden Insekten findet. Fast jede Pflanze und jeder Boden erzeugt auch eigene Pilze. Endlich sind, nach Turner’s Beobachtung(b*)Synopsis of the British Fuc. p. XXIII., verschiedene Fucus-Arten ebenfalls nicht ganz gleichgültig gegen ihren Standort, vielmehr in An - sehung desselben auf gewisse, oft sehr nahe lie - gende Plätze so eingeschränkt, daſs man sie nur da in groſser Menge antrifft. Die mineralogische Beschaffenheit des Standorts scheint ihm nicht ohne Einfluſs auf das Wachsthum der Arten zu seyn, woraus denn, beyläufig gesagt, folgen würde, daſs die sogenannte Wurzel bey den Tangen etwas mehr als bloſses Befestigungsorgan wäre(c)Nach einer, mir von Herrn Prof. Mertens mitge - theilten Vermuthung..
Der verschiedene Grad der bisher erwähnten Einflüsse, und vorzüglich des Lichts und der Feuchtigkeit, dessen die verschiedenen Familien, Geschlechter und Arten der Zoophyten bedürfen, bestimmt bey ihnen die geographische Verbreitung mehr, als bey den Pflanzen und Thieren.
Alle Pflanzenthiere, die eines schwachen Lichts und einer beträchtlichen Menge Feuchtigkeit zu ih - rer Vegetation bedürfen, also vorzüglich die Pilze und Moose, wohnen fast blos an den Gränzen der kalten und gemäſsigten Zonen.
Reich145Reich an mannichfaltigen Pilzen ist das nörd - liche Europa, Siberien(c*)Pallas Reisen durch versch. Prov. des Russischen Reichs. Th. 1. S. 44. 60., das nördliche China(d)Neue Nordische Beyträge. B. V. S. 105. und Virginien(e)Schöpf’s Reisen durch die vereinigt. nordam. Staa - ten. Th. 1. S. 419.. Sehr reich sind eben diese Ge - genden auch an Moosen, besonders an Laubmoo - sen. Schweden allein enthält von den letztern über 200 Arten(f)O. Swartz disp. syst. muscorum frondosorum Sue - ciae.. Selten sind dagegen diese Pflanzenthiere schon im südlichen Europa. Den Pilzen fehlen hier die beyden Hauptbedingun - gen, die eine so groſse Mannichfaltigkeit der - selben in den nördlichen Gegenden hervorbrin - gen, faulendes Holz und feuchte Wälder. Moo - se sind hier selten, weil hier feuchte, schatti - ge und kühle Gegenden ungemein selten sind(g)Link’s geolog. u. mineralog. Bemerkungen auf einer Reise etc. S. 199.. Es fehlen dort alle Arten des Phascum, so wie Gym - nostomum ovatum, Tetraphis pellucida, Encalypta vulgaris, Grimmia apocarpa, Ortotrichum anoma - lum, Leskia polyantha, Hypnum triquetrum, ser - pens, abietinum, crista castrensis, Webera pyri - formis, Marchantia polymorpha(h)Ebendas. S. 230.. Nur auf ho -henBd. II. K146hen Bergen findet man in diesen Gegenden einige Laubmoose, Jungermannien und Arten des Antho - ceros(i)Link a. a. O. S. 214..
In den Tropenländern fehlen die Pilze und Moo - se zwar nicht ganz. Das Lycoperdon pistillare L. wurde von König in Ostindien, der Agaricus crini - tus L. und Boletus sanguineus L. von Rolander in Surinam gefunden. Ventenat hat eine Art des Phallus von ganz eigener Struktur beschrieben, die bey Surinam zur Regenzeit in erstaunlicher Menge hervorschieſst(k)Mém. de l’Institut nat. Sciences math. et physiques. T. 1. p. 503.. La Billardiere(l)Reise um die Welt. Th. 1. S. 192. traf auf der Cocosinsel sehr zahlreiche Moose an, die in dem dortigen feuchten Boden aufs üppigste vege - tirten. Das Gymnostomum truncatum wächst auch auf den Ruinen von Jerusalem, das Mnium caespi - titium in Indien, und das Hypnum elegans in Pe - ru(m)Bridel muscologia recentiorum. T. 1. p. 60. 61.. Aber alle Pflanzenverzeichnisse der wär - mern Länder enthalten doch nur eine sehr geringe Zahl dieser Phytozoen. Forskål fand in Aegypten nur zwey Lycoperda und ein einziges Mnium(n)Flora Aegypt. Arab. p. LXXVIII., in Arabien Eine Peziza, Ein Mnium und Ein Bryum(o)Ibid. p. CXXV sq.. Mehr Moose entdeckte Swartz auf Jamaika undin147in andern Gegenden von Westindien, und zwar ka - men ihm, neben mehrern eigenen Arten, 16 Laub - moose und 12 Lebermoose vor, die auch im nörd - lichen Europa zu Hause sind. Aber er bemerkt auch ausdrücklich, daſs diese Phytozoen dort an den Berggipfeln, in der Wolkenregion, also aus - serhalb dem wärmern Clima, wachsen(o*)O. Swartz obs. bot. p. 407. 408..
Die meisten Flechten bedürfen zu ihrem Fort - kommen einer geringern Quantität von Feuchtig - keit, und ertragen einen höhern Grad des Lichts, als die meisten Pilze und Moose. Jene sind daher nicht so sehr, als die letztern, auf die kalte und gemäſsigte Zone eingeschränkt. Es giebt eine Men - ge derselben im südlichen Europa(p)Link a. a. O. S. 199.. Im südli - chen Afrika scheint ihre Vegetation nicht weniger üppig, als die der Pflanzen, von statten zu gehen. Der gröſste Theil der dortigen Wälder ist mit einer Flechtenart durchwachsen, die beynahe alles Laub bedeckt, und von den Aesten in Büscheln von ei - nem bis drey Fuſs herabhängt(q)Barrow’s Reisen in das Innere von Süd-Afrika, S. 166.. Indeſs leidet es keinen Zweifel, daſs auch diese Familie reich - haltiger an Arten in den kältern, als in den wär - mern Zonen ist. Fast alle Flechtengattungen, die wir bis jetzt kennen, sind in Dännemark, Schwe -den,K 2148den, Deutschland und den übrigen nordischen Rei - chen gefunden, und die Schuld liegt gewiſs nicht an den Naturforschern allein, daſs unsere Verzeich - nisse dieser Phytozoen nicht mehr Arten aus den wärmern Ländern aufzuweisen haben.
Ueber die geographische Vertheilung der Con - ferven und Tange läſst sich aus Mangel an hinrei - chenden Untersuchungen nichts Gewisses bestim - men. Ich habe ehemals die Vermuthung gehegt, daſs sich die letztern Körper in Ansehung ihrer Verbreitung eben so, wie die Moose, verhielten, und meine Gründe waren:
Ich theilte diese Vermuthung, ohne meine Gründe beyzufügen, dem Herrn Professor Mer - tens mit, der mir Folgendes darüber zu schreiben die Güte hatte: “Sie wünschen zu wissen, ob die „ Zahl der Arten bey den Tangen von den Polen „ nach dem Aequator zu abnehme? Soll dies so viel „ heissen, als daſs z. B. die Gattung Fucus mehr„ Ar -K 3150„ Arten unter mehr polarischen Breiten zähle, so „ erinnere ich mich nicht, je etwas darüber gelesen „ zu haben, weiſs auch nicht, was zu dieser Be - „ hauptung berechtigen könne. Soll die Meinung „ aber seyn, daſs ein gröſserer Vorrath von See - „ gewächsen in den Polar-Meeren angetroffen „ würde, als unter dem Aequator, so möchte „ ich dies verneinen. Es ist Ihnen bekannt, daſs „ z. B. der Fucus natans L. (wahrscheinlich die - „ jenige Alge, die am zahlreichsten in der Welt „ vorhanden ist) sich nicht eher findet, als bis „ man in die westlichen Gegenden der Canarischen „ Inseln gekommen ist, wo er dann von 27 bis 30° „ N. Br. eine mehrere hundert Meilen groſse Strecke „ einnimmt. Osbeck, Kalm und andere Reisende „ behaupten, er fände sich in ungeheurer Menge „ bey Florida, und jene groſse Strecken im Atlanti - „ schen Meere wären von dort hergetrieben. Neh - „ men Sie ferner den Fucus pyriferus L. der sich „ in ungeheurer Menge im Aethiopischen Ocean, „ der ganzen Südsee und auch bey Sumatra befindet, „ wo er in einer Länge von mehrern 100 Fuſs aus „ dem Grunde des Meers heraufsteigt, und, wie „ Reisende versichern, eine Art von schwimmenden „ Inseln bildet. Aus der Mannichfaltigkeit der mir „ von Thunberg aus den Indischen Meeren mitge - „ theilten neuen Arten möchte ich eher auf eine grö - „ ſsere Menge der Arten unter dem Aequator oder „ in dessen Nähe, als bey den Polen schliessen. „ Wenn151„ Wenn sich die südlichen Europäer so eifrig mit „ der Algologie abgegeben hätten, als die nördli - „ chen, so würde wahrscheinlich die Disproportion „ in der Zahl zum Nachtheile der Nordländer aus - „ fallen.”
Von diesen Einwürfen trifft nun zwar der, welcher von der groſsen Menge von Individuen hergenommen ist, die in den Gewässern der wär - mern Zonen gefunden werden, nicht meine Mei - nung. Die zahlreichen Arten, die von Thun - berg in den Indischen Meeren gesammelt wurden, stehen ihr aber freylich entgegen. Es würde sich auch noch dies einwenden lassen, daſs es bekannt - lich Meeresströhme gebe, z. B. den Golfstrohm von Mexico, deren Wirkungen sich von den Wende - zirkeln bis zu den Polarmeeren erstrecken, und daſs es daher zweifelhaft bleibe, ob ein groſser Theil der Tangarten, die man in den nördlichen Meeren gefunden hat, angeschwemmte, oder ur - sprüngliche sind, wenn nicht die geringe Anzahl von Arten, welche Swartz in den Westindischen Meeren antraf, mit diesem Einwurfe unvereinbar wäre. Vielleicht aber könnte man dieses Argument umkehren, und viele der von Thunberg in dem Indischen Ocean entdeckten Arten für solche anse - hen, die aus dem südlichen Polarmeere, oder aus den nördlichen Gegenden des stillen Meers dorthin geführt wären.
K 4Mit152Mit mehr Gewiſsheit können wir über die geographische Verbreitung der Farrnkräuter urthei - len. Das wahre Vaterland dieser Phytozoen sind die wärmern Zonen. Alle Pflanzenverzeichnisse der kalten und gemäſsigten Länder des Nordens enthalten sehr wenige Farrnkräuter, und diese we - nigen sind lauter kleine, unansehnliche Arten. Nur die Lycopodien sind hier einigermaaſsen zahlreich. Alle übrigen Geschlechter sind erst in den beyden Indien reich an Arten, und erst hier finden sich Gattungen aus jener Familie, die zu einer baumar - tigen Gröſse gelangen, wie das Equisetum gigan - teum L., Pteris grandifolia L., Polypodium exalta - tum L. und Polypodium arboreum L. Zugleich ist es merkwürdig, daſs sich der Reichthum der südli - chen Erdhälfte an mannichfaltigen und groſsen Farrnkräuter weiter nach Süden erstreckt, als der der nördlichen nach Norden. In Deutschland, das schon allenthalben so sehr durchsucht ist, sind noch nicht mehr als 50 Farrnkräuter entdeckt(u)Nach Hoffmann’s botanischem Taschenbuche f. d. J. 1795.. Neuseeland hingegen, dessen Clima dem von Deutschland ziemlich ähnlich zu seyn scheint, lie - ferte den beyden Forstern während ihres dortigen kurzen Aufenthalts und in den kleinen Bezirken, die sie zu durchwandern Gelegenheit hatten, an 20 Ar - ten(v)G. Forster fl. ins. austr. prodr. p. 78 sq. 93. und unter diesen das Polypodium medulla -re,153lare, dessen Stamm eine Höhe von 80 Fuſs er - reicht(w)G. Forster plant. esculentae insul. oceani austr. p. 48..
Uebrigens giebt es unter den Farrnkräutern man - che, die sich durch eine sehr weite geographische Verbreitung auszeichnen. Das Ophioglossum vul - gatum L., welches fast allenthalben in Europa ein - heimisch ist, findet sich nach Clayton auch in Virginien, und nach Rumph sogar in Ostindien. Die Pteris pedata L. wächst sowohl in Siberien, als in Westindien. In beyden Ländern und zu - gleich in Canada ist auch das Asplenium rizophyl - lum L., in Groſsbrittanien und Westindien das Asplenium marinum L., in Aegypten und Jamaika das Polypodium pectinatum L., und in Frankreich, Japan und Ostindien die Marsilea quadrifolia zu Hause(x)Houttuyn’s Linneisches Pflanzensystem. Th. XIII. B. 1..
Wir haben im vorigen Buche zu den Pflanzen - thieren auch die Najaden gezählt. Die meisten Ge - schlechter dieser Familie bedürfen indeſs noch ei - ner nähern Untersuchung, ehe sich ihnen ihre Stelle im natürlichen System mit Sicherheit anwei - sen läſst, und die Arten derselben sind zu wenig zahlreich, um über ihre geographische Verbrei -tungK 5154tung etwas Bedeutendes sagen zu können. Ehe wir aber die Classe der Pflanzenthiere verlassen, müssen wir vorher noch der nahen Verwandschaft gedenken, welche zwischen den Pflanzen und den Phytozoen häufig in den wärmern Climaten, aber weit seltener in den gemäſsigten und kalten Zonen statt findet. Dort wachsen die Zamien und Cycas - arten, die gleich viel mit den Farrnkräutern und den Palmen gemein haben, dort jene wunderbaren Gewächse, die Hydnora Africana (Aphyteia L.), das Cynomorium coccineum und die Balanophora fun - gosa, die zwischen den Schwämmen und den Pflan - zen in der Mitte stehen, und in keine Familie der letztern passen. Hier hingegen findet sich selten etwas Aehnliches; hier ist alles nach einem Model gebildet, womit die Natur keine so ungleichartige Formen verbindet.
Die Thierpflanzen verhalten sich in Ansehung ihrer geographischen Verbreitung wie die Farrn - kräuter. In den Gewässern des Nordens bis zum 60ten Grade der Breite finden sich wenige oder gar keine Polypen des süſsen Wassers. Grönland ent - hält, nach dem Verzeichnisse des Fabricius, von diesen nicht eine einzige. Nur das Meer ist hier mit diesen Zoophyten versehen, doch, aller Wahr - scheinlichkeit nach, bey weitem nicht in dem Maa - ſse, wie die Meere zwischen den Wendezirkeln. Von ohngefähr drittehalb hundert, von Pallas(y)Elenchus zoophytorum.be -155beschriebenen Zoophyten aus den Familien der See - federn, Corallen und Gorgonien wohnt fast der dritte Theil in dem Indischen Ocean. Von den Gor - gonien ‒ und Antipathes-Arten ist mehr als die Hälfte in diesem Ocean einheimisch.
Die Zoophyten aus der Familie der Corallen sind vorzüglich in der Südsee zwischen den Wen - dezirkeln, den Individuen und vielleicht auch den Arten und Geschlechtern nach, häufiger, als in ir - gend einem andern Meere. Alles ist hier mit Inseln und Riffen, welche diesen Thierpflanzen ihr Ent - stehen verdanken, wie besäet, und jene Inseln sind zum Theil noch so neu, daſs auf manchen, z. B. an einigen Orten auf Neuholland(z)M. s. oben. Abschn. 2. Kap. 2. §. 1 dieses Buchs. und auf der Cocosinsel(a)La Billardiere’s Reise nach dem Südmeere. Th. 1. S. 188., die Gestalt der Corallen, selbst an den der Witterung am meisten ausgesetzten Felsen noch nicht die mindeste Veränderung erlitten hat. Die meisten trifft man ostwärts von den Societäts - inseln in einer Strecke von 10 bis 15 Graden an, und in dieser Gegend machen sie einen groſsen Ar - chipelagus aus, da sie westwärts von den Societäts - inseln nur einzeln vorkommen(b)Forster’s Reise um die Welt..
Eben so reich sind die Meere zwischen den Wendezirkeln ohne Zweifel auch an Zoophyten ausden156den Familien der Asterien und Actinien. Sparr - mann(c)Reise nach dem Vorgebirge der guten Hoffnung S. 6. sahe bey seiner Rückreise vom Cap nach einem Sturme in einem kleinen Winkel des Meers, nehmlich der Tafelbay, auf einmal mehr leuchten - de Medusen, als Thiere auf dem festen Lande viel - leicht überall vorhanden sind. Wie viel Neues würde hier nicht ein Müller entdeckt haben, wenn er diese Gewässer mit eben der Muſse, wie die von Dännemark, hätte untersuchen können!
Dies Wenige ist es, was wir über die Verthei - lung der Zoophyten sagen können. Es giebt keine Classe von lebenden Körpern, deren Verbreitung unabhängiger von den Einwirkungen der Aussen - welt ist, und keine, welche in dieser Rücksicht mehr die Aufmerksamkeit der Naturforscher ver - dient, als diese. Vielleicht werden die Fragmente, die wir geliefert haben, wenn auch keinen weitern Werth, wenigstens den haben, die groſsen Lücken, die sich in diesem Fache unsers Wissens noch fin - den, bemerkbar gemacht zu haben, und eine Auf - forderung zur Ausfüllung derselben gewesen zu seyn.
Das nehmliche Gesetz, welches bey der phys〈…〉〈…〉 schen Verbreitung der Pflanzen statt findet, gilt auch bey den Thieren. Auch bey diesen stehn die Charaktere der Classen, Familien, selbst der Ge - schlechter, und oft sogar der Arten in keiner un - zertrennlichen Verbindung mit der Beschaffenheit des Aufenthalts. Eine gröſsere Tendenz zu diesem, oder zu jenem Elemente ist das Einzige, worin sich manche Familien, Geschlechter und Arten aus - zeichnen.
Sehen wir zuerst auf die Säugthiere, so finden wir in dieser Classe einige, die beständig auf dem festen Lande leben, wohin die ganze Familie der Affen, der Rinder und Pferde, in der Familie der Hunde das Geschlecht der Beutelthiere (Didelphis), Stinkthiere (Viverra), Katzen, Hunde, Wiesel (Mustela), Dachse (Meles), Maulwürfe und Igel, die Familie der Nagethiere (mit Ausnahme der Bi - ber und einiger Mäusearten), der Fledermäuse, derFaul -158Faulthiere und Schweine, (ausgenommen das Schna - belthier, das Nilpferd und den Tapir) gehört. Fer - ner giebt es unter diesen Thieren einige, die nur Gebirge bewohnen, wie der Steinbock (Capra Ibex) und die Gemse (Antilope rupicapra); einige, wel - che nie, oder nur auf kurze Zeit die Oberfläche der Erde betreten, von welcher Art das Geschlecht der Maulwürfe und der Erdmäuse (Spalax) ist; und einige, die einen groſsen Theil ihres Lebens in den Lüften zubringen, wie die Fledermäuse.
Wir finden andere Säugthiere, die sich immer, oder wenigstens die meiste Zeit im Wasser aufhal - ten, und zwar entweder in Flüssen, Seen und Sümpfen, wie die Fluſsotter (Lutra vulgaris), ver - schiedene Wasserspitzmäuse und das Schnabelthier; oder im Meere, wie die ganze Familie der Wall - fische und das Geschlecht der Robben; oder auch im Meere und im süſsen Wasser zugleich, wie der Seehund (Phoca vitulina), wovon es eine silberfar - bene Varietät im süſsen Wasser der Siberischen Seen Baikal und Oron giebt(d)Steller’s Beschr. von Kamschatka. S. 108., die Meerotter (Lutra marina), die sich oft mehrere Tage hindurch in Teichen und kleinen Flüssen aufhält(e)Steller in den neuen nordischen Beyträgen. B. 2. S. 186., und der Hippopotamus, welcher zwar am häufigsten inFlüs -159Flüssen, aber zuweilen auch im Meere gesehen wird(f)Sparrmann’s Reise nach dem Vorgeb. der guten Hoffn. S. 566..
Eben so mannichfaltig ist auch der Aufenthalt der Vögel. Der Strauſs lebt auf dem festen Lande, ohne sich über die Oberfläche desselben zu erhe - ben; der Pequen, eine Eulenart in Chili, (Strix cu - nicularia Mol. ) bauet sehr tiefe unterirdische Gän - ge zur Aufbewahrung seiner Eyer(g)Molina’s Nat. Gesch. von Chili. S. 233.; die Familie der Habichte hält sich meist in der Region der Al - pen, die der Reiher in Sümpfen, und die der En - ten im süſsen Wasser und im Meere auf. Die Pin - guine (Aptenodyta) sind durch die Kürze ihrer Flü - gel und durch ihre ganze übrige Struktur fast aus - schlieſslich an das Wasser gebunden.
Eingeschränkter ist die physische Verbreitung der Amphibien, Fische, Crustaceen und Mollusken. Die meisten dieser Thiere bedürfen zu ihrer Exi - stenz eines gewissen Grades von Feuchtigkeit, und die, welche nicht ausschlieſslich im Meere oder im süſsen Wasser wohnen, halten sich wenigstens an dunkeln, feuchten Oertern auf. Nur sehr wenige können in jener Region ausdauern, wozu sich die Steinböcke, Gemsen und Adler erheben. Es giebt keine Fische in den Bächen auf dem höchsten Al -taischen160taischen Gebirge(h)Neue Nordische Beyträge. B. VI. S. 83., und keine in den Landseen der kalten Gegenden des tropischen Amerika, die über den bewohnten Landstrichen liegen(i)Ulloa Nachrichten von Amerika. Th. 1. S. 162., da doch verschiedene Entenarten in Menge auf diesen Seen leben(k)Ulloa a. a. O. S. 147..
Indeſs finden sich auch hiervon Ausnahmen.
Unter den Amphibien giebt es manche, vor - züglich in der Familie der Eidechsen, welche an sonnigen Oertern, oder auf Bäumen wohnen. Die fliegende Eidechse (Draco) vermag sogar, vermit - telst ihrer häutigen Flügel, sich eine kurze Zeit in der Luft schwebend zu erhalten.
Eben so erheben sich die fliegenden Fische (Exocoetus volitans, Gasterosteus volitans, Trigla volitans), mit Hülfe ihrer langen Brustflossen, über die Oberfläche des Wassers, und fliegen eine klei - ne Strecke weit fort. Der Aal geht zuweilen ans Land, auf Wiesen, in Kornfelder, und verkriecht sich bey strengen Wintern wohl gar auf Heubö - den(l)Blumenbachs Handbuch der Nat. Gesch.. In Tranquebar giebt es eine Art von Barsch (Perca scandens), die mit den ausgebreiteten Sta - cheln ihrer Kiemendeckel und Flossen Stunden lang auf Bäumen und auf dem trocknen Sande her -um -161umklettert(m)Daldorf in den Trans. of the Linnean Soc. T. III. p. 62.. Ein ähnlicher, vielleicht eben der - selbe Fisch, der sich zu Zeiten auf dem Trocknen aufhält, und hurtig, wie ein Frosch, von einem Steine zum andern hüpft, wurde auch von Banks und Solander auf Neuholland gesehen(n)Hawkesworth’s Gesch. der Seereisen. B. 3. S. 122..
Von den Crustaceen und Mollusken besteht zwar der gröſste Theil aus Wasserthieren. Allein die Geschlechter Cancer, Astacus, Limax und Helix enthalten doch auch Arten, die auf der Erde oder auf Bäumen leben, und unter den übrigen giebt es manche, die eine ziemliche Zeit ausser dem Was - ser zubringen können. Der Limulus gigas lebt zuweilen mehrere Tage auf dem Trocknen(o)Schöpf’s Reise durch die vereinigten nordamer. Staaten. Th. 1. S. 9.. Die Landkrabbe (Cancer ruricola L.) hält sich in tiefen Löchern auf, die oft einige hundert Schritte vom Wasser entfernt sind(p)Ebendas. Th. 2. S. 463.. Auf den Molucken giebt es eine Art von Landkrebsen, welche Bäume besteigen, und deren Früchte verzehren sollen(q)Forrest’s Reise nach Neu-Guinea. S. 98, in der Neuen Sammlung von Reisebeschr. Th. 3.. Die Austern legen sich oft so hoch auf den Gesta -denBd. II. L162den an Steine, Baumwurzeln u. s. w., daſs sie bey der Ebbe mehrere Stunden lang ganz trocken lie - gen(r)Schöpf a. a. O. Th. 1. S. 6..
Ferner ist die Organisation der vier letztern Thierclassen nicht so streng an die untern Regionen der Athmosphäre gebunden, daſs nicht einzelne Arten auf den Höhen der Alpen sollten leben kön - nen. In der Gegend von Santa-Fee de Bogota, der Hauptstadt von Neu-Granada, die wenigstens 1600 Toisen über der Meeresfläche liegt, findet sich doch noch eine Gadus-Art, obgleich freylich nur in sehr geringer Anzahl(s)Le Blond in Voigt’s Mag. f. d. Neueste aus der Physik etc. B. 5. St. 4. S. 33, 34..
Auch wurden diese Thiere für manche Punkte, worin ihr physisches Verbreitungs-Vermögen be - schränkter ist, als das der Säugthiere und Vögel, durch einen, in anderer Rücksicht höhern Grad je - nes Vermögens wieder entschädigt. Sie leben in verschlossenen Felsenklüften und in heissen Quel - len, also an Oerter, wo kein Säugthier und kein Vogel ausdauern kann(t)M. s. oben. S. 10 ff..
Bey den Insekten und Würmern findet eine sehr groſse Mannichfaltigkeit in Ansehung der phy - sischen Verbreitung statt. Die Insekten bewohnen vorzüglich das feste Land, die auf diesen sich auf -hal -163haltenden lebenden Körper, und das süſse Wasser. Blos in dem Geschlechte der Onisken giebt es eini - ge Meerthiere. Indeſs ist es noch zweifelhaft, ob diese nicht zu den Crustaceen gerechnet werden müssen. Der gröſste Theil der übrigen Insekten hält sich auf Pflanzen auf. Es giebt sehr wenige Gewächse, ausser dem Taxus und einigen andern Nadelhölzern, die nicht irgend ein Insekt beherr - bergten. Dagegen giebt es viele Pflanzenthiere, worauf keine Insekten wohnen. Nie trifft man Farrnkräuter, Laubmoose, Lebermoose und Flech - ten an, die von Insekten angefressen wären. Ei - ner kleinern Anzahl Insekten dient der thierische Körper zum Aufenthalte. Unter denen, die den vegetabilischen oder animalischen Körper nicht zum beständigen Wohnplatze haben, schwärmen einige frey in den Lüften umher; andere halten sich unter der Erde auf, und zwar manche in weit gröſsern Tiefen, als die übrigen unterirdischen Thiere(u)Die Cicada septemdecim soll in Amerika bis auf 30 Fuſs tief in der Erde gefunden seyn. Schöpf’s Reise. Th. 1. S. 321.; noch andere sind Wasserthiere; und manche be - wohnen mehrere Elemente zugleich, wie die Was - serkäfer, die an warmen Sommerabenden weite und hohe Züge unternehmen(v)Schmid in Illicer’s Mag. für die Insektenkunde. B. 1. S. 218. 219..
SoL 2164So wie die Insekten sich vorzüglich auf dem festen Lande aufhalten, so ist der gröſste Theil der Würmer im Meere einheimisch. Hier wohnen alle Röhrenwürmer und Aphroditen. Von den Naiden besteht ebenfalls ein groſser Theil aus Meer - thieren. Mehrere von diesen aber halten sich im süſsen Wasser, und einige auch unter der Erde auf. Keine Wurmart lebt auf Pflanzen. Hingegen ist die zahlreichste Familie derselben, die der Ein - geweidewürmer, blos auf das Innere des thieri - schen Körpers eingeschränkt. — Wir müssen uns bey diesem letztern Satze etwas verweilen, da er uns in der Folge sehr wichtig seyn wird.
Nie traf man einen Eingeweidewurm in oder auf der Erde an. Der Erdregenwurm (Lumbricus terrestris L.), den man ehedem mit dem Spuhlwur - me (Ascaris lumbricoides) für einerley hielt, unter - scheidet sich von diesem darin, daſs er nur Eine runde Blase am Munde, einen nach unten flachern Bauch, stärkere Ringe, harte Borsten, einen soge - nannten Gürtel, und eine ganz andere Struktur seiner innern Organe hat(w)Wichmann’s kleine med. Schriften. Müller im Naturforscher. St. 12. S. 180. Bloch von der Erzeu - gung der Eingeweidewürmer. S. 29. Goeze Versuch einer N. G. der Eingeweidew. S. 10. Murray opu - scul. Vol. 2. p. 15 sq. 403 sq.. Das Wasser beherr - bergt ebenfalls keinen Wurm, der mit irgend einemEinge -165Eingeweidewurme übereinkäme. Müller, der den gröſsten Theil seines Lebens mit Untersuchungen der Wasserthiere zubrachte, traf nie einen Einge - weidewurm im Wasser an. Linne’s(x)Amoen. acad. Vol. 2. p. 93. und Un - zer’s(y)Hamburg. Mag. B. VIII. St. 3. S. 313. Erzählungen von Bandwürmern, die in einer Okerquelle gelebt haben sollten, sind von Müller(z)Hist. vermium. Vol. 2. p. 62. Der Naturforscher. St. 12. S. 181. und Pallas(a)De infestis viventibus intra viventia. p. 57. Elench. zooph. p. 407., so wie die Behaup - tung von Beireis, der viele Jahre nach einander Spuhlwürmer in einem Brunnen gefunden haben wollte, durch Goeze(b)A. a. O. S. 15 ff. hinlänglich widerlegt. Und wo könnten auch die Blasenwürmer, welche Leske(c)Vom Drehen der Schaafe., Bloch(d)A. a. O. S. 23 ff. und Goeze(e)A. a. O. S. 194 ff. im Hirnmar - ke drehender Schaafe, in der Substanz der Leber und im Darmnetze dieser und anderer Thiere, Werner(f)Vermium intestin. etc: brevis expositio. und Isenflamm(g)Isenflamm’s u. Rosenmüller’s Beiträge für die Zergliederungskunst. B. 1. St. 3. S. 373. auch im Muskel -flei -L 3166fleische menschlicher Leichen fanden, und in deren Aussenblase man die Blutgefäſse der Leber, oder des sonstigen Organs, worin jener Wurm seinen Sitz hat, fortlaufen sieht(h)Goeze a. a. O. S. 50., ausserhalb dem thie - rischen Körper existiren.
Allein wird hierdurch unser obiger Satz, daſs die Charaktere der Ordnungen und Geschlechter in keiner nothwendigen Verbindung mit dem Medium stehen, worin sich das Thier aufhält, nicht umge - stoſsen? Eine genauere Untersuchung wird diesen Einwurf bald heben. Es giebt nehmlich in der Or - ganisation der Eingeweidewürmer durchaus keinen, allen gemeinschaftlichen Charakter, wodurch sie sich von den übrigen Würmern unterscheiden, und blos ihre so ausgezeichnete Lebensweise hat uns bewogen, sie im ersten Buche(i)S. 387. in Einer Ord - nung zu vereinigen, und nicht manche von ihnen in die Familie der Naiden neben den Regenwürmern, Sprützwürmern, Blutigeln und Planarien zu setzen. Statt unsern obigen Satz zu widerlegen, dienen al - so jene Würmer vielmehr zur Bestätigung dessel - ben, und wir können also jetzt als allgemein gül - tig annehmen, daſs es, wie bey den Pflanzen, so auch bey den Thieren gewisse Charaktere in der Struktur giebt, worin die Einwirkung äusserer Po -tenzen167tenzen keine, den Sinnen bemerkbare Veränderung hervorbringt.
Aber wie bey den Pflanzen, so finden sich auch bey den Thieren andere Charaktere in der Organi - sation, die allerdings mit der physischen Verbrei - tung in enger Verbindung stehen. Hierher ge - höret:
Das Weibchen der kurzköpfigen Eidechse (Iguana helioscopa) hat immer dieselbe Grundfar - be und das Ansehn, wie der Boden, auf welchem es sich aufhält(k)Pallas Bemerkungen auf einer Reise in die südli - chen Statthalterschaften des Russischen Reichs. Th. 1. S. 134..
Die Farbe der Fische variirt eben so nach der Verschiedenheit des Wassers, wie die Farbe der vierfüſsigen Thiere nach dem verschiedenen Him - melsstriche. Alle Fische, welche in stehenden, oder sumpfigen und morastigen Wassern sich auf - halten, nehmen eine bald stärkere, bald schwäche - re, grüne oder schwarze Farbe an; hingegen erhal -tenL 4168ten diejenigen, welche in flieſsenden Wassern le - ben, oder in solchen, die einen sandichten, merge - lichten, oder kieselichten Grund haben, hellere Farben und am Bauche einen Silberglanz(l)Bloch in den Schriften der Berlinischen Gesellsch. naturf. Freunde. B. 1. S. 256 ff..
Der Tschabitscha, eine Lachsart, die jährlich im Frühlinge aus dem Meere in den Fluſs Kam - schatka aufsteiget, ist weiſs und ohne alle Flecken, so lange sie sich in der See befindet; aber in dem Flusse hat sie, schon 4 Werste von der Mündung desselben, Vieles von ihrem Silberglanze verloh - ren, und fleckichte Schuppen bekommen(m)Steller’s Beschreibung von Kamschatka. S. 154..
Die Vögel der wärmern Erdstriche sind eben - falls nur mäſsig befiedert. Alle fast nackte Vögel, z. B. der Strauſs und der Casuar, wohnen in den heissen Climaten. Hingegen alle Wasservögel, alle Vögel der Polarländer, und alle, die sich hoch in die Luft zu den kältern Regionen erheben, sind sehr federreich. Bey den meisten von diesen sind die Federn doppelt, oder es kommen aus EinerWur -169Wurzel immer zwey, in einander liegende Federn hervor. Die Pinguine (Aptenodyta), die fast be - ständig im Wasser sind, haben kurze, länglichte, sehr steife und schuppenartig über einander lie - gende Federn(n)Buffon Hist. nat. des oiseaux. T. 1. p. 43. 44. For - ster’s Bemerkungen auf einer Reise um die Welt. S. 175. 176..
Bey den Schaalthieren bewirkt die Verschieden - heit des Wohnorts eine sehr groſse Verschiedenheit in der Festigkeit der Gehäuse. Diejenigen Conchy - lien, welche in der Tiefe des Meers leben, sind un - gleich stärker, als die des süſsen Wassers, und die des stillen Meers, des Indischen Oceans und anderer groſser Meere weit fester, als solche, die sich im mittelländischen und andern kleinern Mee - ren aufhalten. Der Argonauta Argus des mittellän - dischen Meers scheinet, dieser geringern Festigkeit wegen, auf den ersten Anblick eine ganz andere Art, als der des Indischen Oceans zu seyn(o)Poli Test. utriusque Siciliae. Vol. 1. Introd. p. 2.. Doch machen diejenigen Schaalthiere, welche zwar das Weltmeer bewohnen, aber nicht die Oberflä - che desselben verlassen, wie Helix Janthina und violacea L., hiervon eine Ausnahme, und haben eben so zarte Gehäuse, wie die des süſsen Wassers(p)Hawkesworth’s Gesch. der Seereisen. B. 2. S. 13..
3)L 5170Bey der geographischen Verbreitung der Thiere zeigt sich eine Erscheinung, die bey den Pflanzennicht172nicht statt fand. Ein groſser Theil der Thiere verändert mit den Jahreszeiten seinen Aufenthalt, und lebt immer in einerley Temperatur, indem er sich im Herbste aus kältern Gegenden nach wär - mern begiebt. Dies thun viele Vögel und manche Fische. Wir müssen die letztern von den übrigen absondern, und jede dieser Abtheilungen zum Ge - genstande einer eigenen Untersuchung machen.
Aber auch unter den wandernden Thieren giebt es einen doppelten Unterschied. Einige stellen ihre Züge blos des Bedürfnisses der Nahrung wegen an, und wandern meist nur nach Osten oder Westen,ohne(r)Menschen und der allgemein verbreiteten vierfüſsi - gen Thiere. Th. Pennant’s Thiergeschichte der nördlichen Polar - länder. Uebers. von Zimmermann. Ebendesselben allgemeine Uebersicht der vierfüſsigen Thiere. Uebers. von Bechstein. Histoire naturelle générale et particuliere. Latham’s allgemeine Uebersicht der Vögel. Uebers. von Bechstein. Histoire naturelle des quadrupèdes ovipares et des ser - pens, par de la Ceplde. M. E. Bloch’s ökonomische Nat. Gesch. der Fische Deutschland’s. Ebendesselben Nat. Gesch. der ausländischen Fische. In den Thier-Verzeichnissen dieses §. sind unter den Benennungen der Arten die der Gmelinschen Aus - gabe des Linneischen Natur-Systems zu verstehen, wenn nicht ein anderer Schriftsteller angeführt ist.173ohne sich dem Aequator oder den Polen um ein Bedeutendes zu nähern. Diese wird es unnöthig seyn, von denen zu trennen, welche immer auf demselben Boden verweilen. Nur die werden wir von den letztern absondern müssen, welche, durch das Bedürfniſs eines gleichen Grades der Tempera - tur getrieben, jährlich von Norden nach Süden, und von Mittag nach Mitternacht wandern, und für die Heimath dieser Thiere werden wir diejeni - gen Länder annehmen müssen, in welchen sie sich den Winter hindurch aufhalten.
Soviel läſst sich mit Gewiſsheit von allen die - sen Thieren behaupten, daſs bey ihnen, so wie bey den Pflanzen mit einem einfachen Saamenblatte, die Mannichfaltigkeit der Geschlechter und Arten in einer Stufenfolge, die nur durch locale Umstän - de zuweilen unterbrochen ist, von den Polarkreisen bis zum Aequator zunimmt.
Schon eine Vergleichung der Faunen von Grön - land und Schweden liefert einen Beweis dieses Satzes. Es giebt
Unter diesen Thieren sind alle wandernde Ar - ten mit eingeschlossen, und auch mit Inbegriff von diesen ist also Grönland weit ärmer, als das nur um wenige Grade südlicher gelegene Schweden. Blos bey den Mollusken und Würmern findet eine Ausnahme statt, aber aus leicht zu erachtenden lo - calen Ursachen. Schweden wird nehmlich von der Ostsee begränzt, die ihres geringen Umfangs, ihrer isolirten Lage und des wenigen, in ihr enthal - tenen Salzes wegen nicht viele Meerthiere ernäh - ren kann.
Noch deutlicher wird die Richtigkeit unsers obigen Satzes erhellen, wenn wir die verschiede - nen Zonen in Ansehung ihres Reichthums an Thie - ren mit einander vergleichen.
Von Säugthieren enthalten die Länder des äus - sersten Nordens bis zum Polarcirkel nur drey Ar - ten: den Isatis (Canis lagopus), den Eisbären (Ur - sus maritimus) und das Rennthier (Cervus ta - randus).
Von175Von den Polarcirkeln an bis zum 35ten Grade der Breite leben in der nördlichen und südlichen Erdhälfte:
Es giebt also 158 bekannte Säugthiere in den gemäſsigten Zonen.
Die wärmern Climate vom 35ten Grade nördli - cher bis zum 35ten Grade südlicher Breite enthalten dagegen:
Die ganze Familie der Affen, über 70 Arten.
Das ganze Geschlecht der Beutelthiere, 11 bis 12 Arten.
Die wärmern Climate enthalten also ohngefähr 270 Säugthiere, folglich beynahe noch einmal so viel als die gemäſsigten Zonen, und unter diesen sind noch nicht die vielen unbestimmten Thiere be - griffen, die gröſstentheils den Tropenländern ange - hören, und wodurch jene Zahl gewiſs noch um den vierten Thei! vergröſsert werden würde. Zwar sind dagegen in dem obigen Verzeichnisse den Thieren der kalten und gemäſsigten Zonen die Rob - ben und Cetaceen nicht beygezählt. Allein man - sieht leicht, daſs die geringe Anzahl dieser Thiere selbst dann, wenn auch alle den kalten Zonen an - gehörten, keine bedeutende Aenderung in dem er - wähnten Resultat hervorbringen würde.
In der That sind aber auch nur wenige der letztern Thiere auf die kalten und gemäſsigten Zonen eingeschränkt. Alle Delphine, Caschelotte (Physe - ter), Wallfische und Narwale (Monodon) durch -strei -185streifen alle Meere, und sind also keiner Zone aus - schlieſslich eigen, obgleich sie sich zu gewissen Jahreszeiten in den Polarmeeren häufiger, als zwi - schen den Wendezirkeln finden. Ja, von einigen unter ihnen ist es gewiſs, daſs sie sich im Winter nach den tropischen Meeren zurückziehen. Wenn wir also unsere obige Regel, die Heimath der wan - dernden Thiere nach ihrem Winteraufenthalte zu bestimmen, bey ihnen anwenden wollten, so wür - den wir sie als Bewohner der wärmern Zonen an - sehen müssen.
Von Seekühen (Trichecus) giebt es vier bekann - te Arten: das Wallroſs (T. Rosmarus), die Nordi - sche Seekuh (T. borealis), den Manati (T. Mana - tus) und den Dugung (T. Dugung). Die beyden letztern werden zwischen den Wendezirkeln gefun - den. Das Wallroſs und die Nordische Seekuh hal - ten sich aber blos in den nördlichen Polarmeeren auf, und gehen höchstens nur bis zum 44ten Gra - de der Breite herunter.
Unter den Robben giebt es 5 Arten, die blos erst in den nördlichen Polarmeeren gefunden sind, nehmlich Phoca Groenlandica, hispida, barbata, leporina(g)Die hasenhaarige Robbe. Pennant a. a. O. B. 2. n. 477. und fasciata(h)Die bandirte Robbe. Ebendas. n. 476.; 2, die sich im mit -tel -M 5186telländischen Meere aufhalten, nehmlich P. mona - chus, und P. pusilla; 3, welche die südlichen Po - larmeere bewohnen, nehmlich P. australis(i)Die Robbe von den Falklandsinseln. Ebend. n. 474., au - rita(k)Die geöhrte Robbe. Ebend. n. 481. und lupina Molin. ; 4, die in der kalten Zone, sowohl der südlichen, als der nördlichen Hemisphäre einheimisch sind, nehmlich Phoca ur - sina, jubata, cristata (womit P. leonina nach Fa - bricius(l)Schriften der nat. Ges. zu Kopenhagen. B. I. 2. S. 111. einerley ist) und vitulina.
Höchstens um 16 Arten wird also die Zahl der Säugthiere, die den kalten und gemäſsigten Zonen angehören, durch die Seekühe und Robben ver - mehrt, ein Zuwachs, der in dem obigen Resultat sehr wenig ändert.
Noch ungleich gröſser fällt aber der Unterschied zwischen den kältern und wärmern Zonen aus, wenn wir sie in Betreff ihres Reichthums an Am - phibien mit einander vergleichen.
Der äusserste Norden enthält nur 5 Amphibien, nehmlich die Lacerta viridis, Vipera Scytha, Rana es - culenta, Rana temporaria und die gemeine Kröte. Die erste ist das einzige Amphibium in Kamschatka(m)Cook’s dritte Entdeckungsreise. Uebers. von G. Forster.,so187so wie die vierte in Grönland(n)Fabricii Fauna Groenl. p. 124. und die Kröte in Labrador(o)R. Curtis in Forster’s u. Sprengel’s Beyträgen für Länder - und Völkerkunde. Th. 2. S. 95.. Die erwähnte Viper traf Pallas(p)Reisen durch versch. Prov. des Russischen Reichs, Th. 2. S. 717. im nördlichen Siberien an. Die Rana esculenta fin - det sich in Lappland(q)Hoeoström’s Beschr. des Schwed. Lapplands..
Von hier bis zum 35ten Grade nördlicher Breite fehlt die ganze Familie der Meerschildkröten (Che - lonia). Nie verlassen diese Thiere aus eigenem An - triebe die wärmern Zonen. Nur durch Stürme und Ströhme werden zuweilen einzelne Individuen der Chelonia Midas, Caretta und imbricata weit hinauf in die nördlichen Gegenden verschlagen(r)Schöpf’s Reisen. Th. 2. S. 440..
Es giebt ferner in jenen Erdstrichen keine Cro - codile, Drachen, Chamäleone, Amphisbänen, Boen, Angahen, Acrochorden und Cäcilien. Unter allen, zu diesen Familien gehörigen Thieren ist keines, das sich weiter nördlich, als bis zum 35ten Grade der Breite findet, ausser dem Alligator, der bis zum Cap Henry in Virginien geht(s)Ebendas. S. 197..
Von Landschildkröten giebt es in den gemä - ſsigten Zonen 8 Arten, nehmlich Testudo lutaria,orbi -188orbicularis, serpentina, Graeca, denticulata, geo - metrica, clausa, Caspica. Alle diese Thiere finden sich aber blos im südlichen Europa, in der Gegend des schwarzen Meers und des Caspischen Sees, in China und den vereinigten Staaten von Nordameri - ka. Mehrere von ihnen halten sich zugleich zwi - schen den Wendezirkeln auf. Hingegen trifft man keine in Schweden, keine im nördlichen Ruſsland und Siberien, keine in Canada an. Am weitesten ge - gen Norden gehen noch Testudo lutaria, orbicularis und geometrica. Die beyden erstern halten sich hin und wieder in Schlesien und Preussen auf. Die letztere wurde von dem jüngern Gmelin bey Pau - lowsky am östlichen Ufer des Don gefunden(t)S. G. Gmelin’s Reise durch Ruſsl. Th. 1. S. 125..
Es giebt ferner in den gemäſsigten Erdstrichen:
Alle diese Eidechsen verhalten sich aber in Anse - hung ihres Aufenthalts ganz wie die Landschildkrö - ten. Keine geht weiter hinauf, als bis zum 40ten Grade der Breite, und die meisten gehören in dengemä -189gemäſsigten Climaten zu den seltenen, in den wär - mern Ländern aber zu den gemeinen Thieren.
Die übrigen Amphibien der gemäſsigten Zonen sind:
Die ganze Classe der Amphibien enthält also in den gemäſsigten Climaten noch keine 90 Arten, mithin kaum so viel als das einzige Geschlecht Co - luber in den Tropenländern.
In der Geschichte der übrigen Thierclassen sind noch zu viele Lücken, als daſs sich bey diesen das Verhältniſs der verschiedenen Zonen, in Ansehung ihres Reichthums an Gattungen, auf eben die Art, wie bey den Säugthieren und Vögeln schätzen lies - se. Doch können wir jenes Verhältniſs bey den Vögeln und Fischen einigermaaſsen aus der Menge derer ableiten, die jährlich im Herbste die kältern Zonen verlassen, und sich des Winters in wärmern Gegenden aufhalten. Wir haben nehmlich die Re - gel festgesetzt, die Heimath wandernder Thiere von ihrem Winteraufenthalte herzunehmen. Hier -nach191nach fallen die wärmern Zonen noch weit reicher, und die kältern Länder fast noch ärmer an Vögeln und Fischen, als an Säugthieren und Amphibien, aus.
Es giebt kein ganzes Vögel-Geschlecht, wovon sich mit Gewiſsheit behaupten liesse, daſs es die gemäſsigten und kalten Climate zum beständigen Aufenthalte hätte; es giebt aber sehr viele, die nie, oder nur selten, die heissen Zonen verlaſsen. Zu diesen letztern gehören: Struthio, Casuarius, Pe - nelope, Numida, Crax, Phasianus, Pipra, Todus, Bucco, Trogon, Paradisea, Crotophaga, Bupha - ga, Buceros, Ramphastos, Psophia, Parra, Can - croma, Mycteria, Palamedea, Phoenicopterus, Rynchops, Platalea, Plotus. Der einzige Vogel aus diesen Geschlechtern, der sich im Zustande der Wildheit ausserhalb den wärmern Zonen auf - hält, ist der Amerikanische Casuar (Casuarius Rhea), den Wallis in Patagonien und an der Magellanischen Meerenge antraf(x)Hawkesworth’s Gesch. der Seereisen. Th. 1. S. 147. 154, 168..
Es giebt andere, sehr zahlreiche Vögel-Ge - schlechter, wovon nur wenige Arten im Frühlinge über den 35ten Grad der Breite hinauf nach Norden oder Süden wandern, alle übrige aber sich in den heissen Erdstrichen aufhalten. Solche Geschlech - ter sind die der Colibri und Papageyen. Von dener -192erstern bewohnen nur zwey Arten die gemäſsigte und kalte Zone des Nordens, nehmlich der Kragen - Colibri(y)Pennant’s Thiergesch. der nördl. Polarländer. Th. 2. S. 272. und der gemeine Colibri (Trochilus Co - lubris L.). Jener findet sich des Sommers in Not - kasund, dieser in Canada. Von dem letztern aber ist es bekannt, daſs er gegen den Winter nicht nur aus Canada, sondern selbst aus dem warmen Caro - lina nach dem mittlern Amerika zurückkehrt. Von den Papageyen halten sich höchstens sieben Arten in den gemäſsigten Erdstrichen auf, nehmlich Psit - tacus pertinax, P. Carolinensis, zwey Arten, die von den Spaniern unter dem 41° der Breite beob - achtet wurden, und noch zwey, welche Forster an der Dusky-Bay in Neuseeland unter der Polhö - he von 46° antraf. Blos die beyden ersten Arten sind aber näher bekannt, und von diesen weiſs man, daſs zwar der Illinesische Papagey (P. pertinax) das ganze Jahr hindurch am See Michigan wohnt, daſs aber der Carolinische Papagey nur während des Sommers in Virginien verweilt, und gegen den Winter nach dem wärmern Carolina zieht(z)Pennant a. a. O. S. 231 ff..
Hieraus erhellet schon so viel, daſs wenigstens die Hälfte der bekannten Vögel-Geschlechter Be - wohner der heissen Zonen sind. Untersuchen wir die übrigen, so finden wir unter diesen zwar viele,die193die sich während des Sommers im äussersten Nor - den aufhalten, aber sehr wenige, welche dort einen bleibenden Wohnsitz haben. Alle Vögel aus der Familie der Reiher verlassen im Herbste die nördli - chen Gegenden. Man sieht keine derselben in Schweden vor Anfange des Frühlings(a)Linnei amoen. acad. Vol. IV. p. 588.. In den Familien der Hühner, Sperlinge, Spechte, Krähen, Habichte und Enten giebt es nur einige wenige Ar - ten, die in der arktischen Zone überwintern. Von den wenigen hühnerartigen Vögeln, welche in der kalten Zone gefunden werden, gehören zu diesen bleibenden Bewohnern blos einige Waldhühner (Te - trao)(b)Ibid. p. 580. §. VI..
Von jenen Vögeln, welche im Herbste die arkti - sche Zone verlassen, bleiben zwar einige den Win - ter hindurch in den wärmern Ländern des gemäſsig - ten Erdstrichs. Aber die Zahl dieser Arten ist ge - wiſs geringer, als die Menge derer, die noch wei - ter herunter zum Wendezirkel gehen. Einen Be - weis giebt die in der Nachbarschaft des Caspischen Meers gelegene Gegend von Astrachan. Ungeheure Schaaren von Land - und Wasservögeln kommen alle Jahre im Frühlinge hier angezogen, und keh - ren im Herbste durch diese Gegend nach Süden zu - rück. Nur in gelinden Wintern bleiben hier einige derselben, nehmlich die verschiedenen Arten vonMei -Bd. II. N194Meisen, die gemeine Feldlerche, die schwarze Ler - che (Alauda nigra), der Schneeammer (Emberiza nivalis), der gemeine Aemmerling (Emberiza citri - nella), der Stieglitz, Zeisig und Ortolan (Emberi - za hortulana), die Kornkrähe (Corvus frugilegus), die Dohle (Corvus monedula), manche Raubvö - gel, verschiedene Taucher-Arten (Mergus), und die wilde Ente (Anas Boschas). Weiter nach Sü - den aber ziehen im Herbste: viele Waldhühner (Tetrao), die Turteltaube, der Steinquäker (Mota - cilla Oenanthe), die Rohrdrossel (Turdus arundi - naceus), der Rohrammer (Emberiza Schoeniclus), die Nachtigal, die Schwalbe, die Nachtschwalbe, der Bienenvogel (Merops apiaster), der Häher (Cor - vus glandarius), der Wiedehopf, der graue Neun - tödter (Lanius excubitor), verschiedene Reiherar - ten, namentlich Ardea ciconia, A. virgo, A. gigan - tea und A. grus, der Kiebitz, der kleine Strandläu - fer (Charadrius hiaticula), die groſse Schnepfe (Scolopax limosa), die Strandschnepfe (Scolopax totanus), verschiedene Wasserhühner (Fulicae), die Avocette (Recurvirostra Avocetta), die Colym - bus-Arten, die Kropfgans (Pelecanus onocrotalus), der Seerabe (Pelecanus carbo), der Schwan, die Gans und mehrere andere Entenarten(c)Neue Nordische Beyträge. B. 3. S. 8 ff..
Manche dieser letztern Vögel überwintern ver - muthlich in Persien an den südlichen Küsten desCaspi -195Capischen Meers. Daſs aber viele von ihnen noch weiter gegen Süden ziehen, wird durch Hassel - quist’s Beobachtungen, und durch die Analogie anderer Länder, die mit jenen Küsten ohngefähr unter einem gleichen Grade der Breite liegen, z. B. Carolina’s und Florida’s, wahrscheinlich. Nach Hasselquist(d)Reise nach Palästina. überwintern in Egypten, also in der Nähe des Wendekreises, die Dohle, der gemei - ne Staar (Sturnus vulgaris), der Ortolan, die Wach - tel, der Regenpfeifer (Charadrius pluvialis), der Kiebitz, die Kropfgans (Pelecanus onocrotalus), die wilde Ente (Anas Boschas) und Anas Penelope. Von den Zugvögeln, welche zu Anfange des Win - ters die nördlichen und mittlern Provinzen von Nordamerika verlassen, bleiben nur einige in Ca - rolina und Florida, andere aber begeben sich noch weiter nach Süden(e)Schöpf’s Reise. Th. 2. S. 163. Bartram’s Reisen in Nordamerika. S. 279 ff. im Magazin von Reisebeschr. B.X.. Es giebt sogar einige, die im Frühjahre von Süden her in Florida und Caro - lina ankommen, hier brüten und bey herannahen - dem Winter wieder nach Süden ziehen, aber nie Pensylvanien oder die nördlichen Staaten erreichen. Dahin gehören z. B. Emberiza ciris, Caprimulgus Carolinensis, Ardea caerulea, Ardea violacea, Tan -talusN 2196talus loculator, Phaeton aethereus, Pelecanus aqui - lus und Pelecanus Sula(f)Bartram a. a. O..
Von denjenigen Arten, die sich den Sommer hindurch als Zugvögel in den kalten und gemäſsig - ten Zonen aufhalten, scheinen manche Individuen den Trieb des Auswanderns gar nicht zu empfin - den, sondern die wärmern Climate zum beständi - gen Aufenthalte zu haben. Der jüngere Gmelin traf um Enzelli in Persien die meisten kleinern Eu - ropäischen Vögel an. Aber sehr wenige darunter waren Zugvögel. Er bemerkte sie fast insgesammt zu allen Jahreszeiten in gleich groſser Menge. Nur sahe er sie des Sommers in den Gebirgen häufiger, als in den Ebenen(g)S. G. Gmelin’s Reise durch Ruſsl. Th. 3. S. 97.. Ist diese Beobachtung nicht ein überzeugender Beweis, daſs jene Vögel nicht Europa, sondern das wärmere Persien zur wahren Heimath haben?
Auf ähnliche Art, wie mit den Vögeln, ver - hält es sich ohne Zweifel auch mit den Fischen, besonders den Fluſsfischen. Die kalte Zone des Nordens ist noch ärmer an solchen Fischen, welche die süſsen Gewässer derselben zum beständigen Wohnsitze haben, als an bleibenden Vögeln. In den Flüssen und Landseen von Kamschatka und dem nordwestlichen Amerika giebt es gar keine Fi -sche,197sche, als diejenigen, die im Frühlinge aus dem Meere in dieselben aufsteigen(h)Steller’s Beschr. von Kamschatka. S. 40. 141. Port - lock’s Reise an die Nordwestküste von Amerika, in G. Forster’s Gesch. der Reisen u. s. w. B. 3. S. 126.. Grönland hat nur vier Fluſsfische(i)Fabricii Fauna Groenl.. Sehr arm, sowohl an Fi - schen des süſsen Wassers, als an Seefischen ist auch die Hudsonsbay(k)Pennant’s Thiergesch. der nördl. Polarl. Th. 1. S. 238 ff..
Es giebt auch unter den Fischen, wie unter den Vögeln, manche Geschlechter, wovon keine Art, die das süſse Wasser bewohnt, ausserhalb den wärmern Zonen gefunden wird, und nur we - nige, den kältern und wärmern Climaten gemein - schaftliche Geschlechter, wovon die Flüsse und Landseen der letztern nicht mehr Arten, als die der erstern enthielten. Alle Fische des süſsen Wassers aus den Geschlechtern Gymnotus, Trichiurus, Ophi - dium, Coryphaena, Gobius, Scorpaena, Zeus, Stromateus, Chaetodon, Amia, Teuthis, Lorica - ria, Fistularia, Elops, Argentina, Atherina, Poly - nemus, Mormyrus, Ostracion, Tetrodon, Diodon, Pegasus, Centriscus, Balistes halten sich blos in - nerhalb der Wendezirkel, oder wenigstens in der Nähe derselben, keiner von ihnen aber in den Flüs - sen und Landseen des Nordens auf. Die letzternwer -N 3198werden von Arten aus den Geschlechtern Muraena, Cottus, Perca, Gasterosteus, Cobitis, Silurus, Sal - mo, Esox, Cyprinus, Acipenser und Petromyzon bewohnt. Alle diese Geschlechter, nur die Lachse (Salmo) und Störe (Acipenser) ausgenommen, sind aber wahrscheinlich, wo nicht reicher, doch eben so reich an Arten innerhalb, als ausserhalb der Wendezirkel, und von den beyden eben erwähnten Geschlechtern bestehen entweder alle, oder doch die meisten Gattungen aus Zugfischen. Die sämmt - lichen Störarten verlassen im Herbste die Flüsse, und nehmen ihren Winteraufenthalt im Meere. Un - ter den Lachsarten giebt es zwar einige, die im süſsen Wasser überwintern. Aber diese Gattungen finden sich nur im mittlern und südlichen Europa, und in denen Gegenden von Asien und Nordame - rika, wo der Winter gemäſsigt ist. In Kamschat - ka und dem nordwestlichen Amerika, wo die mei - sten Lachsarten zu Hause sind, halten sie sich, wie schon bemerkt ist, nur während des Sommers in den Flüssen und Landseen auf.
Bey den sämmtlichen vier höhern Thierclassen ist also das Uebergewicht in Ansehung des Reich - thums an Geschlechtern und Arten auf Seiten der wärmern Zonen. Wir würden ein sehr weitläufti - ges, und doch nur höchst unvollständiges Werk liefern, wenn wir dieses Uebergewicht auch bey jeder der niedern Thierclassen umständlich bewei -sen199sen wollten. Wir erinnern in Betreff der letztern nur soviel, daſs die kalten und selbst die gemäſsig - ten Zonen auch von Mollusken, Crustaceen, In - sekten und Würmern nichts enthalten, wovon die Länder und Gewässer der wärmern Erdgürtel nicht etwas Aehnliches besäſsen, daſs aber diese Vieles aus jenen Thierclassen haben, wozu die erstern wenig oder nichts Analoges aufweisen können. Es giebt im ganzen mittlern und nördlichen Euro - pa, im ganzen Siberien und nördlichen Amerika kein Insekt, worauf die Charaktere der Geschlech - ter Scorpio, Mantis, Pneumora Thunb. oder Ful - gora paſsten, und es ist unwahrscheinlich, daſs sich in jenen Gegenden, wovon die meisten schon so oft durchsucht sind, ein solches finden wird. Es ist hingegen sehr zu vermuthen, daſs in den weiten, noch von keinem Naturforscher betretenen Strecken des Innern von Afrika, des südlichen Asiens, des mittlern Amerika und des fünften Welttheils nicht nur eine noch weit gröſsere Menge von Mollusken, Crustaceen, Insekten und Würmer leben, welche denen der nördlichen Erdstriche ähn - lich sind, als unsere jetzige Verzeichnisse der Na - turkörper schon enthalten, sondern daſs auch die Anzahl derer Geschlechter, wovon sich keine Ar - ten ausserhalb den wärmern Zonen aufhalten, in künftigen Zeiten noch um ein Beträchtliches wird vermehrt werden.
N 4Es200Es wird dies um so wahrscheinlicher, wenn man die ungeheure Menge von Insekten erwägt, womit nach dem Zeugnisse aller Reisenden die heissen Gegenden bedeckt sind. An den Ufern des Senegal verdunkeln die Heerzüge der Heuschrecken und Mücken oft die Sonne; die Marigoins und Stechfliegen liegen auf der nackten Haut der Neger oft in mehrern Schichten über einander; selbst der sonst unfruchtbare Sand wimmelt von einer Art kleiner Flöhe, und die Ameisen Vagvague verzeh - ren in wenigen Tagen ein neues Haus(l)Adanson’s Reise nach Senegal.. Bey Thirsty-Sound in Neuholland fanden Banks und Solander eine so unglaubliche Menge von Schmet - terlingen, daſs in einem kleinen Bezirke von drey bis vier Morgen Landes auf allen Seiten wohl Mil - lionen derselben in der Luft herumflatterten, und ausserdem fast alle Aeste und Zweige der Bäume davon voll waren(m)Hawkesworth’s Gesch. der Seereisen. B. 3. S. 121..
Locale Umstände bringen aber freylich oft Aus - nahmen von diesem Gesetze der zunehmenden Men - ge der Arten mit zunehmender Entfernung von den Polen, und zwar am häufigsten bey den Seepro - dukten hervor. Wir haben schon im Anfange die - ses Capitels ein Beyspiel der Art bey der Verglei - chung der Mollusken und Würmer von Grönland und Schweden gefunden. Ein anderes giebt derCaspi -201Caspische See. Dieser ist ebenfalls äusserst arm an Mollusken und Würmern. Gmelin konnte in dem - selben nicht mehr als acht der gemeinsten Conchy - lien entdecken(n)S. G. Gmelin’s Reise durch Ruſsl. Th. 3. S. 247. 248.. Die Ursachen dieser Armuth sind aber ohne Zweifel keine andere, als die isolirte Lage jenes Meers, der geringe Salzgehalt dessel - ben, und die Menge des darin enthaltenen Berg - öls(o)Ebendas. S. 257 ff..
Ausser der gröſsern Mannichfaltigkeit haben die Thiere der wärmern Zonen auch in Ansehung der Struktur und der Farbe vor denen der kältern Länder manches voraus. Erstens nehmlich sind bey den meisten Thieren der Tropenländer die cha - rakteristischen Kennzeichen der Arten weit deutli - cher, als bey den mehresten Thieren der kältern Climate, ausgedrückt. Einen Beweis geben die Fledermäuse. Alle Europäische Gattungen dieses Geschlechts, nur Vespertilio ferrum equinum aus - genommen, haben vier obere und sechs untere Schneidezähne, und zugleich sind alle diese Arten geschwänzt. Hingegen herrscht unter den Fleder - mäusen der heissen Zonen, sowohl in Amerika, als in der alten Welt, weit mehr Verschiedenheit in Ansehung der Zahl der Schneidezähne, und der Gegenwart, oder des Mangels des Schwanzes.
Fer -N 5202Ferner finden wir bey den Thieren eine Be - merkung bestätigt, die wir auch bey den Pflanzen und Phytozoen gemacht haben, daſs nehmlich sehr häufig in den wärmern Climaten, hingegen selten oder gar nicht in den kältern Zonen ungleichartige Formen mit einander verbunden sind. Das Gnu - thier (Antilope Gnu), welches eben so viele Aehn - lichkeit mit dem Pferde, dem Ochsen und dem Hirsche, als mit den Antilopen hat, die ganze Fa - milie der Faulthiere, deren sämmtliche Arten fast eben so viel mit Thieren aus andern Familien, ja sogar aus andern Classen, als mit einander gemein haben, das Känguru (Jaculus giganteus), Potoru (Jaculus murinus) und mehrere andere Neuhollän - dische Säugthiere, die zwischen den Springhasen, Beutelthieren und Makis in der Mitte stehen, und alle ähnliche bizarre Formen sind blos in den wär - mern Zonen einheimisch. Nirgends trifft man Bey - spiele der Art in den kältern Climaten, ausser bey den Meerthieren, an.
Endlich nimmt auch die Mannichfaltigkeit und Lebhaftigkeit der Farben bey den Thieren, wie bey den Pflanzen, zu, mit abnehmender Entfernung vom Aequator. Die Panther, Leoparde, Zebra, verschiedene Viverren und überhaupt alle buntfär - bige Thiere wohnen in den heissen Gegenden, und dort prangen auch die meisten Vögel mit den grell - sten und lebhaftesten Farben, statt daſs in den ge -mäſsig -203mäſsigten und kalten Ländern die Farben schwä - cher und weniger abstechend sind. Von mehr als dreyhundert Vögeln, die sich in den temperirten Zonen finden, sind die Gold-Drossel (Oriolus gal - bula), der Eisvogel (Alcedo Ispida) und der Stieg - litz (Fringilla carduelis) fast die einzigen, die we - gen der Mannichfaltigkeit ihrer Farben in Betracht kommen können. Die prachtvollsten Fische sind ebenfalls den Gewässern zwischen den Wendezir - keln eigen. Das brennendste Roth, das reinste Blau, Grün und Gelb sind eben so gemein unter ihnen, als solche hohe Farben unter den Euro - päischen Fischen selten sind(p)Schöpf’s Reise. Th. 2. S. 135..
Das Resultat unserer bisherigen Untersuchun - gen ist, daſs sich die Thiere in Ansehung ihrer Ver - breitung ganz wie die Pflanzen mit einem einfachen Saamenblatte verhalten. Wir fanden bey den letz - tern eine Stufenfolge in der Mannichfaltigkeit der Geschlechter und Arten, die von den Polarzirkeln bis zum Aequator in zunehmender Richtung fort - ging, und eine gleiche Gradation haben wir auch bey den Thieren bemerkt. Wir haben aber auch einzelne Geschlechter bey den Monocotyledonen an - getroffen, deren Arten in entgegengesetzter Rich - tung vom Aequator bis zur gemäſsigten, oder gar bis zur kalten Zone an Mannichfaltigkeit zunahmen. Aehnliche Geschlechter giebt es nun auch unter denThie -204Thieren. Merkwürdig aber ist es, daſs sie sich nur bey den Säugthieren, nicht bey den Amphibien finden. Das Geschlecht der Salamander ist das ein - zige aus der Classe der letztern, dessen Arten in der nördlichen gemäſsigten Zone zahlreicher, als in den wärmern Ländern zu seyn scheinen. Allein dieser Schein rührt vielleicht nur von Mangel an hinreichenden Untersuchungen her. Manche Ver - schiedenheiten der Salamander, die für Charaktere eigener Arten gelten, sind vielleicht nur Verschie - denheiten des Alters, oder des männlichen und weiblichen Geschlechts. Hingegen wenn die Rob - ben (Phoca) in den Polarmeeren, und die Ge - schlechter der Wiesel, Dachse, Spitzmäuse, Bie - ber, Lemminge, Hamster und Winterschläfer in den nördlichen gemäſsigten Climaten mehr Gattun - gen, als näher nach dem Aequator hin enthalten, wie aus den obigen Verzeichnissen des Reichthums der kältern und wärmern Zonen an Säugthieren er - hellet, so läſst sich diese Art der Vertheilung nicht aus einer ähnlichen Ursache, wie bey den Salaman - dern, ableiten.
Wir haben die Pflanzen in Ansehung ihrer Verbreitung mit einem Baume verglichen, der aus den nördlichen Polarländern entspringet, und des - sen Zweige sich von dort aus über die Erde ausbrei - ten, indem sie sich immer weiter von einander entfernen. Eben dieses Bild paſst auch auf einengro -205groſsen Theil des Thierreichs. In den nördlichen Polarländern findet fast eine völlige Gleichheit zwi - schen den Thieren von Europa, Asien und Ame - rika statt. Allein diese Uebereinstimmung ver - schwindet sehr bald, und es bleibt nur noch eine bloſse Aehnlichkeit übrig. Auch diese vermindert sich, je näher man dem Aequator kömmt, und jen - seits dieser Gränze, in der südlichen Erdhälfte, sind nur noch geringe Spuhren derselben übrig.
Ueberhaupt herrscht eine bewunderungswürdi - ge Harmonie in der Verbreitung der Vegetabilien, und vieler Familien der Thiere. Alle Säugthiere des festen Landes, alle Landvögel, die meisten Am - phibien, Fluſsfische und Insekten richten sich in ihrer Verbreitung fast ganz nach den Pflanzen. In geringerer Verbindung mit den letztern stehen aber die Meerthiere. Bey diesen zeigen sich daher auch viele Ausnahmen von dem Gesetze, nach welchem jene obige Thierordnungen vertheilt sind.
Wir werden die Bestätigung dieser Sätze in dem folgenden Gemählde der verschiedenen Fau - nen finden.
Der ganze Reichthum, den der äusserste Nor - den bis zum Polarzirkel an Säugthieren des festen Landes aufzuweisen hat, besteht, wie schon oben erwähnt ist, aus dem Isatis, dem Eisbären und dem Rennthiere. Alle diese drey Thiere halten sich sowohl in Europa und Asien, als in Amerika auf.
Es206Es leben ferner noch unter dem Polarcirkel in der alten und zugleich in der neuen Welt, von Säugthieren:
sehr viele Vögel, z. B.
von Amphibien, Fluſsfischen, Crustaceen und Insekten:
Neben diesen, im ganzen Norden der alten und neuen Welt verbreiteten Thieren zeigen sich aber vom 62ten bis zum 35ten Grade der Breite so viele andere, nur auf gewisse Bezirke eingeschränkte Arten, daſs die Unähnlichkeit der Faunen von Eu - ropa, dem nördlichen Asien und Nordamerika schon auf der südlichen Seite des nördlichen Polarzirkels fast eben so groſs, als die Aehnlichkeit derselben ausfällt. Doch giebt es im nördlichen und mittlernEu -209Europa nur erst wenige Säugthiere, die sich nicht auch in Asien und Amerika finden. Mit Asien ha - ben jene Theile von Europa folgende Arten gemein:
Aber manche dieser Thiere gehen nicht weiter, als bis zur westlichen Seite des Ural und des Jeni - sey. An dieser Gränze, wo die Europäische und Siberische Flor sich scheiden, verschwinden auch die Krebsottern (Lutra minor), die Hausratten, die Karpen, Brassen, Forellen und die Krebse. Diese Thiere erscheinen aber wieder, gleich den Eichen und Haselnuſsstauden, auf der östlichen Seite des Zweiges vom Gebirge Kingan, welcher Daurien und das Nertschinskische Gebiet vom Se - lenginskischen scheidet, in den durch den AmurBd. II. Ogegen210gegen den östlichen Ocean flieſsenden Gewäs - sern(f)Neue Nord. Beyträge. B. 2. S. 171. Pallas spicil. zool. f. IX. p. 81. f. XIV. p. 44..
Alle Europäische Fledermäuse, ausgenommen Vespertilio pipistrellus, also V. auritus, murinus, noctula, serotinus, barbastellus und ferrum equi - num, so wie verschiedene Europäische Spitzmäu - se, namentlich Sorex leucodon, constrictus und te - tragonurus, sind wahrscheinlich dem nördlichen Asien fremd.
Das Haselhuhn (Tetrao Bonasia) und der ge - meine Staar (Sturnus vulgaris), die im ganzen nördlichen Europa so häufig sind, werden jenseits des Jenisey sehr selten. Vögelarten, die sich an dieser Gränze ganz verliehren, sind unter andern:
Der Grünfink (Loxia Chloris) zeigt sich aber wieder in Kamschatka, und der Neuntödter (La -nius211nius collurio) an der Behringsstraſse, also in der - selben Gegend, wo auch viele Europäische Pflan - zen, die sich nirgends in Siberien finden, wieder zum Vorscheine kommen.
In Siberien sieht man auch keine Tauben, bis man jenseits des Baikals kömmt, wo eine kleine Abart auf den Felsen nistet.
Endlich ist, ausser den schon erwähnten Fi - schen, auch der Aal weder in der Wolga, noch in allen von deren Ursprung an in dieselbe fallenden Flüssen und Bächen, oder benachbarten Landseen anzutreffen, und fehlt weiterhin durch ganz Sibe - rien(g)Pallas Reise durch versch. Prov. des Russischen Reichs. Th. 1. S. 134..
Statt jener sich verliehrenden Thiere erschei - nen im nördlichen Asien: der Dsiggetai (Equus he - mionus), der wilde Esel (Equus onager), der grun - zende Ochs (bos grunniens), die Kropfgazelle (An - tilope gutturosa), das ungeschwänzte Reh (Cervus pygargus), das Moschusthier (Moschus moschife - rus), der Baktrianische Camel, der Caragan (Canis caragan), der Corsak (Canis corsac), die Unze (Fe - lis Uncia), der Manul (Felis Manul), der Koulon (Mustela Sibirica), die ungeschwänzte und die ge - schwänzte Siberische Spitzmaus (Sorex minutus,minu -O 2212minutissimus), der langöhrichte Igel (Erinaceus au - ritus), vorzüglich aber eine groſse Menge Nage - thiere, namentlich
Alle diese Thiere haben Siberien, die Tarta - rey, die nördlichen Gegenden am Caspischen Mee - re, Tibet und das nordwestliche China, also die - selben Länder, worüber sich die Tartarische Flor erstreckt, zum Wohnplatze. Aber nicht alle gehen über alle Theile derselben. Besonders giebt es un - ter den angeführten Nagethieren manche, die nur auf kleine Bezirke eingeschränkt sind, z. B. Crice - tus Songarus und furunculus, die sich blos in der Baraba aufhalten, und zwar jener am Irtis, dieser gegen den Ob zu.
Ferner erscheinen im nördlichen Asien man - cherley neue Vögel, besonders aus der Familie der Enten und Reiher, z. B. Ardea gigantea, Ardea purpurea, Anas ruficollis, Anas formosa; weiternach213nach Osten in Kamschatka und auf der Beringsinsel Anas violacea, Anas Urile, Anas Beringii; und weiter nach Süden in Tibet der Pavo Tibetanus, und in Japan der Pavo muticus.
Die Classe der Amphibien enthält hier eben - falls manche Eidechsen, Schlangen und Frösche, die sich nirgends in Europa aufhalten. Am See Inderskoi findet sich Lacerta velox; in der Steppe Naryn und an den Flüssen Sarpa, Kuma, Terek Chalcides apoda; im südlichen Siberien Iguana he - lioscopa; am Caspischen Meere Anguis miliaris, Coluber Hydrus, Bufo sitibundus und Bufo ri - dibundus; am Caspischen Meere und am Ir - tisch Coluber Dione; am Jaik Coluber scutatus; an der Wolga und Samara Vipera Melanis; und in den Wäldern der Siberischen Gebirge Vipera Scytha.
Endlich von Fluſsfischen giebt es in diesen Ge - genden sehr viele eigene Arten aus den Geschlech - tern Salmo, Cyprinus und Acipenser. Die Hei - math des letztern Geschlechts ist vorzüglich das Caspische Meer mit den sich darin ergieſsenden Flüssen. Nirgends giebt es so viele Störarten, als in diesen Gewässern. Sie ziehen in ungeheuren Schaaren mehrere Wochen hindurch aus jenem See in die Wolga, sobald diese gegen Ende des Fe - bruars, oder im Anfange des Märzes vom Eise freyO 3zu214zu werden anfängt, und kehren im Herbste wie - der zum Caspischen Meere zurück(h)S. G. Gmelin’s Reise durch Ruſsl. Th. 2. S. 200..
So wie die Flor des südlichen Europa, der Le - vante und der nördlichen Küste von Afrika sich in vielen Stücken von der nordeuropäischen, der Tarta - rischen und der eigentlichen Afrikanischen unter - scheidet, so hat auch die Fauna dieser Länder manches Eigene. Hier findet sich der Steinbock (Capra ibex), die Bezoar-Ziege (Capra aegagrus), die Gemse (Antilope rupicapra), die Genette (Vi - verra Genetta), das Frett (Mustela Furo), das Eich - horn mit vier Streifen (Sciurus Getulus), die groſse Haselmaus (Glis quercinus), die kleine Haselmaus (Glis avellanarius), die gestrichelte Maus (Mus barbarus), die Rüsselmaus (Mus soricinus), und das Stachelschwein (Hystrix cristata).
Aber noch weit mehr Eigenthümliches, als in den bisher erwähnten Ländern, zeigt sich in den gemäſsigten, ja schon in den kalten Gegenden von Nordamerika. Schon unter dem 61ten Grade nörd - licher Breite, an der Hudsonsbay, zwischen dem Seekälber - und Churchill-Flusse, lebt ein groſses Thier, das der alten Welt fremd ist, nehmlich der Muskus-Ochse (Bos moschatus). Theils in eben dieser Gegend, theils in den vereinigten Staaten, Louisiana und dem nordwestlichen Amerika woh - nen auch:
Di -215Hier ist auch das Vaterland des Puters, der erst seit der Entdeckung von Amerika in der alten Welt einheimisch geworden ist.
HierO 4216Hier zeigen sich ferner viele, der alten Welt unbekannte Amphibien, z. B.
Gehen wir in der alten und neuen Welt unter dem 35° N. Br. noch weiter zum Aequator, so ver - liehrt sich die Gleichheit, wie der Pflanzen, so auch der Thiere immer mehr, und es tritt endlich in der südlichen Erdhälfte fast eine völlige Ver - schiedenheit der Arten, und selbst der Geschlech - ter ein.
Amerika’s groſser Reichthum an eigenthümli - chen Thieren fängt sich schon mit Mexico an. Doch sind es diesseits des Aequators nur erst ei - gene Arten, welche die neue Welt aufzuweisen hat. Aber Brasilien, Gujana, Peru, Chili und Pa - raguay enthalten auch ganze Geschlechter, wo - von sich entweder gar keine, oder doch nur sehr wenige Gattungen in den übrigen Welttheilen auf - halten, und diese Geschlechter finden sich nicht blos unter den Säugthieren, sondern auch, und zwar in noch gröſserer Menge, da, wo man sie am wenigsten erwarten sollte, unter den Vögeln.
Ge -217Geschlechter, wovon keine Art ausserhalb Amerika, vorzüglich dem südlichen, einheimisch ist, sind unter den Säugthieren: Cercopithecus, Da - sypus und Tapir; unter den Vögeln: Crax, Ram - phastos, Crotophaga, Cancroma, Palamedea, Pso - phia und Rynchops.
Geschlechter, wovon nur wenige Arten ausser - halb Amerika wohnen, sind unter den Säugthieren: Savia, Myrmecophaga und Bradypus; unter den Vögeln: Penelope, Trochilus und Pipra. Von manchen, in Afrika oder Asien einheimischen Thie - ren, die man in diese Geschlechter versetzt hat, ist es indeſs sehr zweifelhaft, ob sie wirklich da - hin gehören, und von den übrigen, nicht Ameri - kanischen Arten ist es ungewiſs, entweder ob ihr Geburtsort richtig angegeben ist, oder, wenn dies auch der Fall seyn sollte, ob sie nicht aus der neuen Welt in die alte versetzt sind, oder endlich ob sie wirklich die Thiere sind, wofür man sie aus - gegeben hat.
Aus dem Geschlechte der Savien giebt es drey Arten, die in Afrika einheimisch sind, oder seyn sollen, nehmlich Savia Aguti, S. Syriaca und S. Capensis. Die Agutis werden, nach der Versiche - rung von Robert Norris, nicht nur in Gujana, Brasilien und auf den Antillen, sondern auch häu -O 5fig218fig an der Goldküste in Afrika gefunden(k)R. Norris Reise nach Dahomey, im Mag. von Reisebeschr. B. V. S. 401.. Aber können nicht diese Thiere, gleich manchen andern, aus Amerika in die alte Welt versetzt seyn? Die Syrische Savie und der Klipdas finden sich freylich blos in Afrika, und nicht in Amerika. Allein bey - de haben so viele Eigenthümlichkeiten, daſs wir sie nur der Aehnlichkeit wegen, die ihr ganzer Ha - bitus mit dem der Amerikanischen Savien hat, diesen beygesellt, und nicht mit Herrmann zu ei - nem eigenen Geschlechte (Hyrax) gemacht haben. Sie besitzen in der untern Kinnlade vier Schneide - zähne, da sich bey den übrigen Savien deren nur zwey finden; die Bildung der Zehen überhaupt, und besonders des Nagels der dritten Zehe an den Hinterfüſsen, ist bey ihnen ganz ausgezeichnet; und die innere Struktur des Klipdas hat viele Ei - genthümlichkeiten, wovon bey der Savia Cobaya, Capybara, Aguti und Paca nichts Aehnliches vor - handen ist(l)M. s. Biol. B. 1. S. 211..
Von Ameisenfressern giebt es fünf bekannte Ar - ten: Myrmecophaga didactyla, jubata, Taman - dua(m)M. tetradactyla L. — Buffon’s Tamandua ist ein künstliches Thier gewesen. M. s. Bulletin de la Soc. philom. n. 42., Capensis und aculeata(n)Pennant’s allgem. Uebers. B. 2. n. 467. a.. Die drey er -stern219stern sind in Südamerika, die vierte in Afrika, und die fünfte in Neuholland zu Hause. Aber die bey - den letztern unterscheiden sich eben so sehr von den drey erstern, wie der Klipdas von den übrigen Savien, und der Afrikanische Ameisenfresser ist daher auch schon von Geoffroy zu einem beson - dern Geschlechte (Orycteropus) gemacht.
Den beyden Amerikanischen Faulthier - Arten (Bradypus didactylus und B. tridactylus) ist von Pennant(o)A. a. O. n. 452. ein Ostindisches Thier, unter dem Namen des bärenartigen Faulthiers (B. ur - siformis), beygesellt, das mit jenen, wie Pennant selber gesteht, nichts als den Mangel der Vorder - zähne gemein hat, hingegen in seinem übrigen Bau und seiner Lebensweise von dieser ganz verschie - den ist.
Zu den Penelopen rechnet man eine Art, die in Ostindien wohnt, die Penelope Satyra. Aber diese unterscheidet sich von den übrigen Gattun - gen dieses Geschlechts so auffallend durch zwey hornartige Auswüchse an der Stirne, daſs sie mit gröſserm Rechte, als der Puter, von jenen Vögeln getrennt werden könnte.
So findet auch eine beträchtliche Verschieden - heit zwischen den Arten des Bucco in der alten und neuen Welt statt. Alle Amerikanische Gat - tungen zeichnen sich durch einen weit gröſsernund220und mehr länglichten Schnabel vor den Asiatischen und Afrikanischen Vögeln dieses Geschlechts aus, und verdienen daher mit einem eigenen Namen be - legt zu werden. Eine ähnliche Bemerkung läſst sich ferner bey mehrern Amerikanischen Arten des Oriolus und der Parra machen.
Daſs es Colibri-Arten ausserhalb Amerika giebt, sucht man durch die Versicherung des Ten-Rhy - ne(p)Schediasma de promontor. bonae spei., nach welcher sich diese Thiere auch am Cap finden, zu beweisen. Allein welches Gewicht kann das Zeugniſs eines Mannes haben, der kein Naturforscher war, und der vielleicht eine Certhia für einen Colibri angesehen hat?
Doch wenn es auch zweifelhaft bleiben sollte, ob es ganze Geschlechter von Säugthieren und Vögeln giebt, die blos auf die neue Welt einge - schränkt sind, so läſst sich wenigstens soviel mit einem hohen Grade von Wahrscheinlichkeit be - haupten, daſs das südliche Amerika keine Art von Säugthieren mit der alten Welt gemein hat, ausser der Savia Aguti und denjenigen Gattungen, die sich vom nördlichen Amerika aus in die südli - chen Länder dieses Welttheils verbreitet haben. Die einzigen Zweifel, die hierüber noch obwalteten, seitdem Buffon diesen Satz zuerst aufstellte(q)Hist. nat. T. XIV. p. 311., betrafen die Didelphis marsupialis und Orientalis. Zim -221Zimmermann hat aber gezeigt, daſs die erstere nur in der neuen Welt, und die letztere blos in Ostin - dien gefunden wird(r)Geogr. Gesch. des Menschen. Th. 1. S. 303 ff..
Wahrscheinlich ist es auch, daſs sich bey einer genauern Untersuchung weit weniger, der alten und neuen Welt zugleich angehörige Amphibien finden werden, wie man bisher geglaubt hat. La Cepede und mehrere andere Amphibiologen geben eine sehr groſse Menge solcher Arten an. Allein nur bey denjenigen Gattungen, die im Meere le - ben, kann man sich einigermaaſsen auf diese An - gaben verlassen. Bey den übrigen ist es immer zu vermuthen, daſs ähnliche Thiere von oberflä - chigen Beobachtern für einerley ausgegeben sind.
Als einen Beweis unserer Behauptung können wir den Alligator, und den eſsbaren Leguan von Amerika anführen.
Der Amerikanische Alligator wird von Ban - kroft und La Cepede für eine bloſse Varietät des Nilcrocodils angenommen. Aber bey einer genau - ern Vergleichung beyder Thiere zeigen sich sowohl in der äussern Form, als im innern Baue sehr gro - ſse Verschiedenheiten. Der Amerikanische Alliga - tor hat eine stumpfe Schnauze, auf jeder Seite des Oberkiefers ein Loch, worin der vierte Zahn der untern Kinnlade verborgen liegt, und Hinterfüſse,deren222deren Zehen nur zur Hälfte durch Schwimmhäute verbunden (semipalmata) sind. Bey dem Nilcro - codil hingegen findet man eine länglichte Schnauze, einen Einschnitt an beyden Serten des Oberkiefers zur Durchlassung des vierten Zahns der untern Kinnlade, und Hinterfüſse, deren Zehen ganz mit Schwimmhäuten versehen sind(s)Nach Cuvier’s Beobachtungen (in Wiedemann’s Archiv für Zool. u. Zoot. B. 2. St. 2. S. 162), die ich bey mehrern, auf dem hiesigen Museum befindlichen Exemplaren des Aegyptischen und Amerikanischen Crocodils völlig bestätigt gefunden habe.. Auch traf Plu - mier bey dem Amerikanischen Alligator eine Luft - röhre, die mehrere Biegungen machte, ehe sie in die Lungen überging(t)La trachée-artere, après qu’elle est descendue un peu obliquement sur la tête du foie à côté gauche, remonte ensuite vers le côté droit et vers le milien du sternum, ensuite redescendant elle se divise en deux branches qui entrent chacune daus son lobe du poumon. Plu - mier in Schneideri Hist. amph. fasc. 2. p. 99., und einen doppelten Ma - gen an(u)A l’endroit du pilore il y avait une valvule faite en façon d’un anneau capable de recevoir facilement le doigt: après cette valvule on voyoit comme un se - cond ventricule fort petit et après cette oavité il y avait une autre valvule annulaire, semblable à un secoud pilore, un peu plus létroit que le premier. Plumier l. c. p. 109.. Von dem Nilcrocodil hingegen erwäh -nen223nen Vesling(v)Obs. anat. c. 5. und Hasselquist(w)Reise nach Palästina. S. 344. keiner ähn - lichen Struktur.
So unterscheidet sich vielleicht auch der Ame - rikanische eſsbare Leguan von dem Ostindischen. Der letztere ist die Lacerta Iguana des Linné. Mehrere Reisende, und unter ihnen selbst gute Naturforscher, z. B. Schöpf(x)Reise durch die vereinigt. nordam. Staaten. Th. 2. belegen mit eben diesem Namen einen Leguan, der sich in Westin - dien aufhält, und scheinen über die Identität die - ser und der Ostindischen Art gar kein Bedenken zu tragen. Märter aber, welcher die nehmliche Eidechse beobachtete, deren Schöpf unter dem Namen der Lacerta Iguana L. erwähnt, ist unge - wiſs, ob es wirklich diese, oder nicht die Iguana cauda subulata, tereti, longa, crista nulla, capite postice aculeato Gronov. Zooph. n. 54. (Lacerta Agama L.) ist(y)Physikal. Arbeiten der einträcht. Freunde in Wien. J. 2. Q. 1. S. 82.. Hier haben wir also einen Be - weis, daſs man sich nicht einmal auf das Zeug - niſs von Naturforschern über die Gleichheit von Thieren der alten und neuen Welt verlassen darf. Welches Gewicht können daher die Aussagen von Leuten haben, die oft nicht die ersten Gründe der Naturgeschichte kannten? Und diese sinddoch224doch häufig die vornehmsten, oder gar die einzi - gen Beweise für eine solche Identität.
Folgendes Verzeichniſs enthält die sämmtli - chen, näher bekannten Säugthiere und die merk - würdigsten Vögel, die im mittlern und südlichen Amerika einheimisch sind, und welche nie, oder doch nur selten weiter nach Norden, als höchstens bis zum 35ten Grade der Breite gehen.
Von Säugthieren gehören hierher:
Die merkwürdigsten, dem mittlern und süd - lichen Amerika eigenen Vögel sind:
Vorzüglich ist es Terra Firma, Brasilien und Paraguay, wo die meisten dieser vielen Amerika - nischen Vögel ihren Wohnort haben, und eben die - se Länder sind es auch, in deren unermeſslichen, jedem Sonnenstrahle unzugänglichen, und mit Feuchtigkeit überladenen Wäldern sich ausseror - dentlich viele, sowohl Arten, als Individuen von Amphibien aufhalten. Bankroft versichert, er kenne in Gujana über sechszig Schlangenarten(c)Bankroft’s Gujana., und nach Ulloa’s Erzählung sind die Gassen in Portobello nach einem Regen mit sechs Zoll langen Kröten wie gepflastert(c*)Allg. Hist. der Reisen. B. IX. S. 80.. Alle Klapperschlangen (Crotalus) und die meisten Arten der Geschlechter Coluber, Boa, Rana, Hyla und Bufo sind in jenen Ländern zu Hause, und nirgends giebt es so gro -ſseP 2228ſse Thiere und so eigene Formen in der Familie der Frösche, als hier, wie Rana paradoxa, Bufo Pipa und Bufo cornutus Laur. beweisen. Nimmt man den Nil - und Ganges-Crocodil aus, so sind auch die gröſsten der übrigen Thiere aus der Ei - dechsenfamilie, nehmlich Crocodilus Alligator, Gecko Caudiverbera, Lacerta Dracaena und Lacer - ta monitor in Süd-Amerika einheimisch.
Bey den Fluſsfischen zeigt sich in Amerika ein Phänomen, wovon wir oben etwas Aehnliches in Siberien bemerkt haben, und welches auf ein eigenes, bey der Verbreitung dieser Thiere statt fin - dendes Gesetz hindeutet. So wie nehmlich im nördlichen Asien die nach Norden fliessenden Ströh - me ganz andere Fische enthalten, als diejenigen, die sich durch den Amur in den östlichen Ocean ergiessen, so haben auch alle an der Westseite der Nordamerikanischen Gebirge entspringende und durch den Mississippi mit dem Meerbusen von Me - xico zusammenhängende Flüsse nur einige wenige Fischarten mit denjenigen Ströhmen gemein, wel - che von der Ostseite jener Berge in den Ocean fliessen. Die streichenden Fische, besonders Clu - pea Alosa, die fast in allen Flüssen der östlichen Küste im April und Mai tief ins Land gehen, und mehrere andere Arten, werden im Alleghenny und Monanghala gänzlich vermiſst(d)Schöpf’s Reisen. Th. 1. S. 381.. Es scheint al -so,229so, daſs die Arten der Fische in einem Flusse nicht durch die Lage der Quelle, sondern durch die La - ge der Mündung desselben bestimmt werden. Ue - brigens ist das wärmere Amerika, besonders das südliche, nicht weniger reich an mannichfaltigen und merkwürdigen Fischen, als an andern Thie - ren. Der Amazonenfluſs wimmelt so sehr von ih - nen, daſs man sie mit den Händen greifen kann(d*)Acugna in Robertson’s Gesch. von Amerika. B. 1. S. 549.. Vor allen übrigen sind die Geschlechter Gymnotus und Silurus hier reich an Gattungen. Doch finden sich die vielen Amerikanischen Welse blos in den Flüssen des festen Landes von Amerika, vorzüg - lich von Brasilien. Es giebt keinen derselben in Jamaika und auf den Antillischen Inseln(e)Bloch’s ausl. Fische. Th. 8. S. 17..
Was die Geschlechter Cercopithecus, Dasypus, Crax, Ramphastos u. s. w. für Amerika sind, ist eine Menge anderer für die Tropenländer der alten Welt. Alle Affen (Simia), Paviane (Papio), Makis (Lemur), Gürtelthiere (Manis), Antilopen, Pferde, Elephanten - und Rhinozeros-Arten, das Nilpferd (Hippopotamus), die Giraffe, und alle Arten der Vögelgeschlechter Struthio, Pavo, Numida, Para - disea, Buceros und Buphaga finden sich bios in Afrika und im wärmern Asien.
BeyP 3230Bey der gegenseitigen Lage von Afrika und Asien ist es fast unmöglich, daſs diese Welttheile nicht einige Thiere mit einander gemein haben soll - ten. Indeſs ist die Zahl solcher Arten weit gerin - ger, als sich erwarten liesse, und dagegen die Menge derer Thiere, die sich blos in Afrika, oder blos in Asien finden, so groſs, daſs unser Satz von der Zunahme in der Verschiedenheit der Faunen mit zunehmender Entfernung von dem Nordpole durch diese Welttheile eben so sehr, als durch Amerika, bestätigt wird.
Setzt man die Hausthiere bey Seite, so sind es folgende Thiere, die sich sowohl in Afrika, als in Asien finden:
Aber von mehrern dieser Thiere ist es noch gar nicht ausgemacht, ob sie auch in Afrika und Asien zugleich einheimisch sind. Daſs sich z. B. der Mohraffe (S. Maura) nicht nur in Guinea, son - dern auch in Ceylon aufhalte, beruhet blos auf dem Zeugnisse des Seba(f)Thesaur. T. 1. p. 77., welches bekanntlich in die - sen Sachen von geringem Gewichte ist. Von den meisten der übrigen hat man keine zuverlässige Beweise, daſs sie sich in Afrika oder Asien auch auf der Südseite des Aequators befinden. Hinge - gen ist es gewiſs, daſs der gröſste Theil von ihnen diesseits des 3oten Grades nördlicher Breite lebt. Es ist also sehr wohl möglich, daſs alle Thiere, die jene Welttheile mit einander gemein haben, nicht zu den ursprünglichen Bewohnern von Afri - ka, oder Asien gehören, sondern sich entweder von Norden aus über beyde Welttheile, oder von dem einen über den andern durch Syrien verbreitet haben. Das Letztere ist vermuthlich der Fall mit dem Löwen, der Hyäne, dem Gold wolf und dem Strauſs gewesen, welche ganz Afrika von der Bar - barey an bis zum Cap, aber von Asien blos die an Afrika gränzenden Länder bewohnen.
Diese Vermuthung erhält einen noch höhern Grad von Wahrscheinlichkeit, wenn wir einen Blick auf die groſse Menge von Arten werfen, diejedemP 4232jedem der beyden erwähnten Welttheile auschlieſs - lich zugehören.
Säugthiere, die sich blos in Afrika und vor - züglich im südlichen aufhalten, sind:
Zu den merkwürdigern Vögeln, die blos in Afrika einheimisch sind, gehören:
Fast alle diese Thiere zeigen sich erst in Abys - sinien, Guinea, kurz in der Nähe des Aequators, und von hier nimmt die Anzahl derselben immer mehr zu bis zum Lande der Caffern und Hotten - totten, wo die Elephanten in Heerden von mehrern Hunderten und die Antilopen in Haufen von vielen Tausenden wandern. Die Säugthiere und Vögel verhalten sich also auch in Afrika ganz wie die dor - tige Flor, die ebenfalls ihre sämmtlichen Reichthü - mer erst in der südlichen Hälfte dieses Welttheils ausbreitet.
Die Amphibien lieben einen dunkeln, feuchten und warmen Aufenthalt. Afrika bietet ihnen blos Wärme, aber nur in wenigen Gegenden Feuchtig - keit und Schatten an. Es ist also nicht zu verwun - dern, daſs sich hier nicht so viele Thiere aus die - ser Classe, als in Amerika finden. Inzwischen sind selbst die dürresten Sandwüsten jenes Welttheils nicht leer an Eidechsen und Schlangen. Es finden sich hier:
In Aegypten wohnt der bekannte Nilcrocodil, und eine andere, noch wenig bekannte Art, der schwarze Crocodil, hält sich am Senegal auf(n)Adanson’s Reise nach Senegal..
Ganz anders, als die Säugthiere und Vögel, sind die Fluſsfische in Afrika verbreitet. Die Ströh - me der nördlichen Hälfte dieses Welttheils enthal - ten eine nicht geringe Anzahl derselben, und unter diesen manche eigene und merkwürdige Gattungen, z. B. den Zitterwels (Silurus electricus), und alle bekannte Mormyrus-Arten. Aber im südlichen Afrika findet das räthselhafte Phänomen statt, daſs die dortigen Flüsse theils gar keine Fische, theils nur einige wenige Capsche Karpen (Cyprinus gono - rynchus) enthalten, die kaum die Gröſse eines ge - wöhnlichen Herings erreichen(o)Sparrmann’s Reise. S. 565...
In Asien finden sich auf der südlichen Seite des groſsen Bergrückens, welcher Hindostan von Tibet scheidet, folgende, diesem Welttheile eigene Säugthiere:
Unter den Vögeln, die zur Ostindischen Fauna gehören, sind einige der merkwürdigsten:
Ca -237Vergleicht man dieses Verzeichniſs mit denen der Säugthiere und Vögel des mittlern und südli - chen Afrika’s und Amerika’s, so wird man finden, daſs auch die Fauna der südlichern Theile von Ostindien, gleich der Flor derselben, der Ameri - kanischen eben so ähnlich, wo nicht ähnlicher, als der Afrikanischen, ist. Unter den eigenthümlichen Afrikanischen Thiergeschlechtern sind es die Anti - lopen, Rhinozeros und Elephanten, wovon sich auch Arten in Ostindien finden, und von diesen bewohnen die Antilopen blos das feste Land des wärmern Asiens, nicht aber die Inseln des Indi - schen Oceans. Wilde Elephanten finden sich zwar auf Ceylon, den Sundischen und PhilippinischenIn -238Inseln. Ohne Zweifel aber stammen sie von zahmen Thieren ab, die aus Indien herüberge - bracht sind(t)Vergl. Forrest’s Reise nach Neu-Guinea. S. 304, in der Neuen Samml. von Reisebeschr. Th. 3.. Auf den letztern findet man da - gegen viele Arten der dem südlichen Amerika vor - zuglich eigenen Geschlechter Didelphis und Bucco, da doch Afrika von Beutelthieren gar keine und aus dem letztern Geschlechte nur eine einzige Art enthält.
Die Fremdartigkeit der angeführten Thiere von Ostindien nimmt auch in diesem Welttheile, wie in Amerika und Afrika zu, je weiter man nach Süden kömmt. Lemur Lori, Lemur tarsius, die beyden angeführten Arten von Beutelthieren und Springern, beyde Gattungen des Galeopithecus, alle Paradiesvögel und die meisten Ostindischen Pa - pageyen zeigen sich erst auf Ceylon, den Sundi - schen Inseln, den Philippinen, Molucken und Ca - rolinen. Hingegen verliehren sich auf diesen In - seln die Raubthiere. Man trifft keine derselben auf Mindanao, Gilolo, Mandiolo, Bachian, Neu - Guinea und auf allen Papus-Inscln an(u)Pennant’s allgem. Uebers. B. 1. S. 113.. Viele der erstern Thiere haben auch in diesen Gegenden, gleich dem Nelken - und Muskatenbaum, einen sehr beschränkten Wohnort. Verschiedene Papa - geyen finden sich blos auf der einen oder andernklei -239kleinen Insel des Archipelagus um Luçon, und nie auf den übrigen, noch so nahe liegenden Inseln(v)Sonnerat’s Reise nach Neu-Guinea. S. 28.. Das ganze zahlreiche Geschlecht der Paradiesvögel scheint blos auf Neu-Guinea zu Hause zu seyn, und von hier nach den Molucken und andern be - nachbarten Inseln zu streifen(w)Forrest a. a. O. S. 149..
Von den Ostindischen Vögeln verdient übrigens dies noch bemerkt zu werden, daſs manche dersel - ben, z. B. die Paradiesvögel, der Ternatische Eis - vogel (Alcedo Dea), eine Art Papuischer Papageyen u. s. w. zwey sehr lange und steife, am Hintern sitzende und an den Enden gefiederte Kiele mit einander gemein haben(x)Forrest ebendas. S. 151..
In Ansehung der Amphibien steht Ostindien dem wärmern Amerika an Menge der Arten we - nig, oder gar nicht nach. Man findet dort eine nicht geringere Mannichfaltigkeit unter den Schlan - gen, als in dem letztern Welttheile. Von Legua - nen giebt es daselbst mehr Arten, als in allen übri - gen Ländern, und von den Crocodilen ist es zu vermuthen, daſs die wärmern Theile von Asien noch manche unbekannte Gattungen enthalten. Diese letztern Thiere finden sich nach Norden auf dem festen Lande dieses Welttheils bis zum 2oten Grade der Breite, nach Osten auf Mindanao(y)Forrest ebendas. S. 188.,nach240nach Süden auf Sumatra(z)Marsden’s Beschr. von Sumatra. S. 136., Borneo(a)Forrest a. a. O. S. 330. und der Cocosinsel(b)La Billardiere’s Reise nach dem Südmeere. Th. 1. S. 190., nach Westen auf den Seychellen(c)Rochon’s Reise nach Madagasear. S. 125. 163, im Mag. von Reisebeschr. B. 8., und ohne Zweifel auf noch mehrern andern Inseln des Indischen Oceans. Es ist unwahrscheinlich, daſs alle diese Länder nur von einer einzigen Cro - codilart bewohnt werden sollten; hingegen ist es gewiſs, daſs sich in Siam eine Gattung aufhält, die von dem bekannten Ganges-Crocodil sehr verschie - den ist, wie die von den Missionarien gelieferte Beschreibung jener Art beweist(d)Cf. Schneider Hist. amph. fasc. 2. p. 157..
In Betreff der Ostindischen Fluſsfische ist es merkwürdig, daſs sich darunter sehr wenige Welse (Silurus) befinden, da doch diese Fische im südli - chen Amerika so sehr häufig sind(e)Bloch’s ausl. Fische. Th. 8. S. 17..
Noch gröſser, als auf den südlichen Asiatischen Insein, ist die Fremdartigkeit der Säugthiere in Neuholland und Madagascar.
Neuholland’s Säugthiere zeichnen sich sehr auffallend darin aus, daſs alle, die wir näher ken - nen, mit mehrern Thieren von ganz verschiedenerStruk -241Struktur, besonders mit den Maki’s, Beutelthieren und Springhasen der übrigen Länder, gleich viel gemein haben, und daher in keine der übrigen Säugthier-Familien recht passen. Das Känguru (Jaculus giganteus), Potoru (Jaculus murinus) und gefleckte Känguru (Jaculus maculatus); das fuchs - artige Beutelthier(f)Pennant’s allgem. Uebers. B. 2. n. 224., das Hepunaru(g)Ebendas. n. 228. a., das klei - ne(h)Ebend. n. 228. b., das eichhornartige(i)Ebend. n. 228. c., und das langschwän - zige(k)Ebend. n. 228. d. fliegende Beutelthier; endlich die beyden schon oben erwähnten Wieselarten, das Tapoaru und Tapoa-Tafa, machen in Ansehung der Zähne unter sich ein neues Thiergeschlecht aus, in Be - treff des Beutels und der Füſse schliessen sie sich an die Beutelthiere an; durch die Länge der Hin - terfüſse, so wie durch die Kürze der vordern Glied - maaſsen, sind sie den Springhasen ähnlich; die Nägel aber und der Bau der Zehen verbinden sie einigermaaſsen mit den Maki’s(l)Forster im Mag. von Reisebeschr. B. V. S. 123.. Durch ein an - deres Neuholländisches Thier, den stachlichten Ameisenfresser, nähert sich die Familie der Faul - thiere den Stachelschweinen und Igeln. Die auf - fallendste Vereinigung ungleichartiger Formen aberzeigtBd. II. Q242zeigt sich an dem Schnabelthiere (Ornithorynchus paradoxus), in welchem nicht nur der Schnabel der Enten, sondern sogar die innere Struktur der Am - phibien mit der äussern Gestalt der Säugthiere ver - einigt ist(m)Blumenbach in Voigt’s Mag. für den neuesten Zustand der Naturkunde..
Hier finden wir also einen neuen Beweis un - sers im ersten Abschnitte dieses Buchs (S. 24. 25) aufgestellten Satzes, daſs die Natur innerhalb gewis - ser Gränzen aller Orten ähnliche lebende Wesen her - vorgebracht hat. Wir sehen zugleich, daſs jene Bild - nerin da, wo sie nicht im Stande ist, den Charak - ter jeder Familie, oder jedes Geschlechts in einer eigenen Gattung auszudrücken, die Charaktere mehrerer Familien oder Geschlechter in einer ein - zigen Art vereinigt, und so diesem Gesetze der Aehnlichkeit dennoch treu zu bleiben sucht.
Einen nicht so fremdartigen Bau, als die Säug - thiere, haben die Vögel und Amphibien in Neu - holland. In Ansehung der Vögel zeichnet sich aber dieses Land auf eine andere merkwürdige Art aus. Es ist nicht das nahe Ostindien, sondern das ent - fernte, aber mit Neuholland unter gleichen Graden der Breite liegende Chili, womit diese Insel in Be - treff dieser Thiere manches gemein hat. Man fin - det hier nicht den Asiatischen Casuar, wohl abereine243eine andere Art(n)White’s Reise nach Neu-Süd-Wallis. S. 124, im Mag. von Reisebeschr. B. 5., die entweder mit dem Ameri - kanischen Vogel dieses Geschlechts (Casuarius Rhea) einerley, oder doch nur in minder wichtigen Punk - ten von diesem verschieden ist. Man trifft hier keine Art des Buceros an, die doch in Ostindien so häufig sind; hingegen wohnt hier eine Art der Mycteria(o)Mycteria australis, alba, capite colloque viri - di-nigris; tectricibus, pennis scapularibus caudaque nigris; rostro nigro; pedibus rubris., deren übrige Gattungen in Südame - rika und am Senegal zu Hause sind. Es giebt hier endlich eine schwarze Schwanenart(p)La Biliardiere’s Reise. Th. 1. S. 108., welche der Chilesischen, von Molina(q)Nat. Gesch. von Chili. S. 207. beschriebenen Anas melancoripha ähnlich zu seyn scheint.
In Madagascar war die Form der Maki’s das Model, wonach alle dortige Säugthiere gebildet wurden. Unter den bekanntern, dieser Insel eige - nen Säugthieren ist die Viverra Galera die einzige, woran jene Form vermiſst wird. Das Eichhorn von Madagascar (Sciurus Madegascariensis) hat eben so viel mit den Maki’s, als mit den Eichhör - nern gemein. Alle übrige, näher bekannte und blos auf dieses Land eingeschränkte SäugthieresindQ 2244sind wahre Maki’s. Hier wohnen Lemur Macaco. Mongoz, Catta, Indri, laniger und murinus.
Neuholland ist die einzige unter den Südsee - inseln, welche eigene Säugthiere besitzt. Die übri - gen haben nicht mehr als fünferley Arten, nehm - lich das Schwein, den Hund, die gemeine Ratte, den Vampyr, und eine andere sehr kleine Art von Fledermäusen. Aber auch diese wenige Arten fin - den sich nicht einmal auf allen jenen Inseln. Der Vampyr wird blos auf den westlichen Inseln des stillen Meers angetroffen. Auf Tanna giebt es aus - ser ihm noch die erwähnten kleinen Fledermäuse in unzählbarer Menge. Das Schwein und der Hund finden sich zugleich blos auf den Societätsinseln. Neuseeland, nebst den übrigen niedrigern Eilan - den, enthält blos Hunde. Die Marquesen, freund - schaftlichen Inseln und neuen Hebriden haben nur Schweine. Die Osterinsel und Neucaledonien be - sitzen keine von beyden Thierarten(r)Forster’s Bemerkungen auf einer Reise etc. S. 166..
Eben so arm sind diese Gegenden an Amphi - bien. Nur sechs Arten wurden auf Cook’s zwey - ter Reise in der Südsee zwischen den Wendezirkeln beobachtet; nehmlich Testudo imbricata, Testudo Midas, Gecko virosus, Lacerta agilis, Coluber la - ticaudatus und Anguis platura; und von diesen le - ben nur die beyden Eidechsenarten auf dem Lande, die übrigen hingegen im Meere(s)Ebendas. S. 172..
De -245Desto reichhaltiger aber ist hier die Classe der Vögel. Auf Neuseeland fanden die beyden For - ster 38, auf den Inseln des stillen Meers 48, auf dem Ocean, auf den südamerikanischen Felsen, und auf den noch südlichern Küsten 28, also im Ganzen 114 neue Arten, von welchen die Hälfte Wasservögel waren. Von bekannten Arten trafen sie ohngefähr 30 an, von welchen auch über 20 aus Wasservögeln bestanden. Die meisten von jenen neuen Arten gehörten unter die ohnehin schon sehr reichen Geschlechter Anas, Pelecanus und Procellaria, mehrere aber auch zu einem eige - nen Geschlechte, das sich mehr als irgend ein an - deres durch die flossenartige Struktur seiner Flügel und die schuppenartige Beschaffenheit seiner Federn an die Fische anschlieſst, nehmlich dem der Pin - guine (Aptenodyta)(t)Forster Bemerkungen etc. S. 171., und eine, die sich auf mehrere Südseeinseln, vorzüglich auf Neuseeland aufhält, zu einem eigenen Geschlechte der Reiher - familie (Vaginalis).
Diese Armuth an Säugthieren und Amphibien, und dieser Reichthum an Vögeln ist indeſs nicht blos den Südseeinseln, sondern überhaupt allen kleinern und von dem festen Lande entfernten Ei - landen eigen. So giebt es z. B. auch auf Madera von Wildpret weiter nichts, als das Kaninchen,undQ 3246und von Amphibien nur Eidechsen, aber keine Schlangen; hingegen von Vögeln finden sich hier Falco Nisus, Corvus corone, Corvus pica, Alauda arvensis, Alauda arborea, Sturnus vulgaris, Em - beriza citrinella, Motacilla flava, Motacilla rube - cula, Hirundo rustica, Hirundo apus, Tetrao ru - fus, Loxia Astrild, Fringilla domestica, Fringil - la montana, Fringilla coelebs, Fring. carduelis, Fring. butyracea, Fring. canaria, und ohne Zwei - fel noch mehrere andere Arten(u)Forster’s Reise um die Welt. B. 1. S. 21. 22..
Wir haben oben bemerkt, daſs ein Charakter des Thierreichs, und besonders der Säugthiere der wärmern Zonen in häufigen Verbindungen ungleich - artiger Formen besteht. Aus dem bisher Gesagten erhellet, daſs dieser Charakter vorzüglich von den Säugthieren der südlichen Länder des wärmern Theils der Erde gilt.
Ausser dieser Verschiedenheit der Thiere des Südens und Nordens giebt es noch eine zweyte, welche ihre Erstreckung der geographischen Breite nach betrifft. Viele Thiere des Nordens nehmlich, welche groſse Erdstriche der Länge nach einneh - men, sind auch von Norden nach Süden weit ver - breitet. Hingegen die Thiere der südlichen Erd - hälfte sind immer der Breite nach nur auf enge Zonen eingeschränkt, wenn sie sich auch über sehr entfernte Länder der Länge nach erstrecken.
Gehen247Gehen wir das obige Verzeichniſs derer Thiere durch, welche die nördliche alte Welt mit Nord - amerika gemein hat, so finden sich unter den dort erwähnten Säugthieren siebenzehn Arten, welche nur auf wenige Grade der Breite eingeschränkt sind, nehmlich der Isatis (Canis lagopus), das gemeine Wiesel, der Zobel, Eisbär, Dachs, Vielfraſs, die kleinere Fischotter, die gemeine Spitzmaus, die Spitzmaus mit verkehrtem Schwanze, (Sorex con - strictus), der Bieber, der Lemming, die Feldmaus, (Lemmus arvalis), die Waldmaus, das gestreifte Eichhorn, das Rennthier, Elendthier, und wilde Schaaf (Capra Ammon). Die übrigen vierzehn Arten erstrecken sich bis zum Aequator, bis zum Wendekreise des Steinbocks, ja bis zu den südli - chen Polarländern.
Der Luchs fängt ohngefähr mit dem 64° N. Br. an, und geht in Amerika bis Carolina und Mexico.
Der Wolf geht nach Norden bis zum Polar - zirkel; nach Süden in Asien bis China, Persien, und vielleicht noch weiter; in Afrika bis zum Cap; in Amerika bis Mexico.
Der Fuchs findet sich häufig in Island, Nor - wegen, Lappland, Jeniseisk, Tobolsk und Kam - schatka, geht in Asien bis Bengalen und bis zur Küste von Coromandel; in Afrika bis zur Goldküste und Aethiopien; in Amerika bis Peru, und, wennQ 4jenes248jenes fuchsähnliche Thier, das Bougainville(v)Voyage autour du Monde p. 64. und Bybon(w)Hawkesworth’s Gesch. der Seereisen. B. 1. auf den Falklandsinseln sahen, und welches Molina(x)Nat. Gesch. von Chili. S. 259. unter dem Namen des Cul - peu (Canis Culpaeus) beschreibt, eine bloſse Ab - art des Fuchses ist, wie es wirklich der Fall zu seyn scheint, bis zum Magellanslande.
Fast einerley Länder mit dem Fuchse bewohnt auch der Bär. Dieser ist nach Norden bis zum 66ten Grade der Breite, nach Süden bis Siam, Java und Ceylon, in Amerika wenigstens bis zum Ama - zonenflusse, wo nicht bis zum Magellanslande, verbreitet.
Den Marder trifft man in Canada, Siberien, Norwegen, Schweden, und von da in Asien bis Persien, Tibet, Tunquin, und selbst bis zu den Maldiven an.
Der Hermelin lebt in allen kalten Ländern des Nordens, und zugleich auf den Molucken.
Die gemeine Otter fängt in Europa mit Lapp - land, in Asien mit Beresof, in Amerika mit Cana - da an, geht in Asien bis Siam, und in Afrika, nach Sparrmann’s oben erwähntem Zeugnisse, bis zum Cap.
Der249Der Aufenthalt des Hasen erstreckt sich von Lappland, Siberien, Grönland und der Hudsons - bay bis zum Senegal, Bengalen und Ceylon.
Das gemeine Eichhorn wohnt sowohl unter dem nördlichen Polarzirkel, als im heissen Asien und Amerika bis Siam, Guiana und Peru.
Das fliegende Eichhorn hält sich in Lappland, im nördlichen Asien bis zu den Gränzen der dorti - gen Waldungen, in Canada, und nach Süden in der neuen Welt bis Carolina und Mexico auf.
Der Hirsch geht nach Norden bis zum 64° der Breite, nach Süden in Asien bis Siam, Tunquin, Java und Sumatra, in Afrika bis Abyssinien und Guinea, in Amerika bis Peru und Brasilien.
Das Reh ist nach Norden in Europa bis Nor - wegen, in Siberien bis Kuſsnez und Jekuz, nach Süden in Asien bis Indien, Java und Ceylon ver - breitet.
Der wilde Ochse findet sich in ganz Europa und Siberien bis zum 64, in Nordamerika bis zum 51 oder 52ten Grade nördlicher Breite. Nach Süden erstreckt sich sein Aufenthalt in Afrika bis zum Cap und bis Madagascar, in Asien bis Indien, den Sun - daischen Inseln und den Philippinen. Indeſs ist es unmöglich, zu bestimmen, welche von diesen Län - dern durch Hülfe des Menschen mit ihm besetzt sind.
Q 5Noch250Noch weiter als diese Säugthiere sind manche Vögel, die das nördliche Amerika mit Nordasien und dem nördlichen Europa gemein hat, ver - breitet.
Die Meerelster (Haematopus ostralegus) be - wohnt Schweden, Lappland, Ruſsland, Siberien, Kamschatka, ganz Nordamerika von Neuyork bis zu den Bahamainseln, Curaçao in Westindien, die Falklandsinseln(y)Forster’s u. Sprengel’s Beyträge. Th. 1. S. 178., und die Westküste von Neu - holland.
Der Goldregenpfeifer (Charadrius pluvialis) fin - det sich in allen Gegenden des Nordens von Eu - ropa, Asien, und Amerika, und geht südlich bis Carolina und bis zu den Sandwichinseln.
Der Aasgeyer (Vultur aura) hält sich allenthal - ben im südlichen sowohl, als nördlichen Amerika von Neuschottland bis zum Feuerlande auf. In Eu - ropa geht er bis zum 52°, in Asien bis zum 55° N. Br.
Wenig Vögel sind aber in so vielen Ländern anzutreffen, als die Schnepfen. Man findet sie fast überall in Europa, Asien, Afrika und Ame - rika(z)Hawkesworth’s Gesch. der Seereisen. B. 3. S. 351..
Die weite Verbreitung mancher Amphibien von Norden nach Süden erhellet vorzüglich bey derRana251Rana temporaria und Rana esculenta. Die erstere geht nördlich bis Grönland(a)Fabricii Fauna Groenl., die letztere bis Schweden(b)Linnei Fauna Suec. Ed. 2. p. 101.. Zugleich finden sich beyde, nach Molina’s Zeugnisse(c)A. a. O. S. 190., in Chili.
Eben so auffallende Beyspiele von weiter Ver - breitung findet man auch bey manchen Thieren des Nordens, welche der geographischen Länge nach groſse Strecken in der alten Welt einnehmen, ohne aber der neuen Welt ursprünglich anzugehö - ren. Hierher gehören vorzüglich die Ratzen. Fast in allen Südseeinseln sind diese gefunden, und es ist unwahrscheinlich, daſs sie durch Menschen da - hin gebracht seyn sollten. Watt(d)Rückreise von Neu-Süd-Wallis. S. 159, im Mag. von Reisebeschr. B. 1. traf sie auf Macauley’s Eilande, einer unbewohnten und un - fruchtbaren Insel im Südmeere an. Die beyden Forster(e)Reise um die Welt. B. 1. S. 152. fanden sie auf Neuseeland, und ur - theilten aus der Menge derselben, daſs sie nicht von Europäischen Schiffen herstammen könnten.
Sehr schmal sind dagegen die Zonen, wel - che die Thiere der südlichen Erdhälfte, und selbst solche von diesen, die fast alle Grade der Länge bewohnen, der Breite nach einnehmen. Am deut -lich -252lichsten zeigt sich dies bey dem Vampyr. Dieser findet sich am Senegal, auf Guinea, in Sofala, Mombosa, Monomotapa, auf den Inseln Mada - gascar, Bourbon, Frankreich und Rodriguez, in Guzurate, auf der Küste Coromandel und Malabar, in Siam, auf Sumatra, Java, den Maldiven, Phi - lippinen, Molucken, Neu-Guinea, Neuholland und auf den westlichern Inseln des stillen Meers. Der kälteste, nach Norden gelegene Erdstrich, worin er noch fortkömmt, ist die chinesische Pro - vinz Chensi. In der südlichen Erdhälfte trifft man ihn schon am Cap nicht mehr an. Sein Aufenthalt erstreckt sich also in der nördlichen Hemisphäre höchstens bis zum Wendekreise des Krebses, und in der südlichen kaum bis zum Wendekreise des Steinbocks.
Einen andern Beweis giebt der Amerikanische Casuar (Casuarius Rhea). Dieser hält sich, wie wir oben gesehen haben, sowohl in Neuholland, als im südlichen Amerika auf. Er ist also der geo - graphischen Länge nach über Länder von beträcht - licher Entfernung verbreitet. Ziemlich groſs ist auch die Zone, die er der Breite nach einnimmt. Dennoch überschreitet er nicht den Aequator. In Amerika geht er südlich bis zur Magellanischen Meerenge, nördlich aber höchstens bis zum Amazo - nenflusse, also noch lange nicht bis zur nördlichen Erdhälfte.
Es253Es würde uns jetzt noch übrig seyn, auch von der geographischen Verbreitung derer Thiere, die sich allein oder doch vorzüglich im Meere aufhal - ten, ein Gemählde zu entwerfen. Allein die Ar - muth an Erfahrungen, die in diesem Theile der Naturgeschichte herrscht, erlaubt uns nur, einige allgemeine Bemerkungen zu machen.
Schon aus der Verschiedenheit, die in der Le - bensweise zwischen den Bewohnern des Meers und des Landes statt findet, läſst sich schliessen, daſs die Verbreitung der erstern ganz andere Gesetze haben werde, als die der letztern. Jene halten sich in einem Elemente auf, das ihnen mit geringer An - strengung sich zu bewegen erlaubt, ihren Zügen nicht so viele Hindernisse entgegensetzt, wie die Landthiere auf ihren Wanderungen antreffen, ihnen ihre Nahrung meist ungesucht darbietet, und weit geringern Veränderungen der Temperatur, als die Luft, unterworfen ist. Das Pflanzenreich, mit dessen Verbreitung die der Landthiere sehr eng verbunden ist, hat keinen Einfluſs auf ihre Wohn - örter; es sind die Zoophyten des Meers, mithin Organismen, die auf eine ganz andere Art als die Pflanzen vertheilt sind, wovon ihr Aufenthalt abhängt.
Von jener Verschiedenheit des Elements rührt es her, daſs die Mannichfaltigkeit der Faunen weit geringer im Meere, als auf dem Lande ist. Hierändert254ändert sich die Gestalt des Thierreichs oft schon in - nerhalb weniger Grade der Länge oder Breite; dort hingegen muſs der Naturforscher die verschieden - sten Climate besuchen, oder ganze Continente um - schiffen, ehe er eine beträchtliche Abwechselung in den Faunen antrifft.
In der kalten und gemäſsigten Zone des Nor - dens, welche vier bis fünf verschiedene Faunen von Landthieren enthält, finden sich nur zwey Re - gionen, die eine bedeutende Verschiedenheit in Be - treff der Meerthiere zeigen. Die eine begreift den Theil des Weltmeers, der von Europa und der neuen Welt begränzt ist; die andere den, welcher zwischen dem nordöstlichen Asien und dem nord - westlichen Amerika liegt. In jener Region wohnt z. B. die Grönländische Robbe (Phoca Groenlandi - ca), die rauhe Robbe (Phoca hispida), die Alca alce, die meisten Arten des Gadus und der Clupea; in dieser ist der Aufenthalt der Nordischen Seekuh (Trichecus borealis), des Seebären (Phoca ursina), der Alca cristatella, tetracula, psittacula, cirrhata, antiqua, pygmaea, und während des Winters der vielen eigenen Lachsarten, die im Sommer die Flüs - se und Landseen von Kamschatka besuchen.
Gröſser als die Verschiedenheit ist aber die Gleichheit der Faunen dieser beyden Regionen in Betreff der Säugthiere und Vögel. Beyde werden von dem Wallroſs (Trichecus rosmarus), der ge -mei -255meinen Robbe (Phoca vitulina), der Klappmütze (Phoca cristata) und der groſsen Robbe (Phoca bar - bata) bewohnt; beyde haben die meisten, der kal - ten Zone des Nordens zugehörigen Seevögel, unter andern Alca arctica, Alca impennis, Alca Torda. Procellaria pelagica, Colymbus Grylle, Colymbus Troile, Colymbus arcticus und Larus tridactylus mit einander gemein. Nicht so groſs ist vielleicht die Anzahl der Fische, die sich in den nördlichen Meeren auf beyden Seiten der alten und neuen Welt finden. Doch fehlt es in Ansehung dieses Punkts noch an hinreichenden Beobachtungen.
Gering ist auch die Verschiedenheit der See - thiere unter den verschiedenen Graden der Breite in der kalten und gemäſsigten Zone des Nordens. Erst in der Nähe des Wendezirkels ändern sich die Bewohner des Oceans. Wir haben schon oben die Geschlechter der Seethiere genannt, die sich blos in den Meeren der heissen Zonen aufhalten. Die nördliche kalte Zone hat keine solche Geschlech - ter aufzuweisen, wohl aber giebt es manche Ar - ten, welche nur in den höhern nördlichen Breiten gefunden werden, und sich nach dem Wendezir - kel des Krebses hin verliehren. Zu diesen gehören die meisten Robben, Mewen (Larus), Taucher - gänse (Mergus) und Alken, der Schellfisch (Gadus Aeglefinus), Dorsch (Gadus Callarias), Stockfisch (Gadus Morrhua), Hering (Clupea Harengus) und mehrere andere Fische.
Zwi -256Zwischen den Wendekreisen giebt es drey Re - gionen des Weltmeers, die sich in Ansehung ihrer Bewohner von einander unterscheiden. Die eine begreift die Meere zwischen Afrika und Amerika; die zweyte den Indischen Ocean und die übrigen kleinern Meere, die zwischen Afrika, Asien und Neuholland liegen; und die dritte den zwischen den Wendezirkeln enthaltenen Theil des stillen Meers.
Die erste und dritte dieser Regionen, die auf der einen Seite durch die alte, auf der andern durch die neue Welt gänzlich von einander geschie - den sind, enthalten sehr verschiedene Faunen. Dies beweiset der Manati (Trichecus Manatus), der den Atlantischen Ocean, nicht aber das stille Meer bewohnt. Dies erhellet ferner bey einer Vergleichung der von Kämpfer, Houttuyn und Bloch beschriebenen Japanischen Fische mit denen von Marcgraf, Browne, Rochefort, Catesby und Andern gelieferten Beschreibungen der an der Ostküste des wärmern Amerika sich aufhaltenden Thiere dieser Classe, worunter fast gar keine ge - meinschaftliche Arten befindlich sind. Und dies beweisen auch die Beobachtungen der beyden For - ster, die unter 114 von ihnen im Südmeere zu - sammengebrachten Fischarten nur ohngefähr 40 Linneische Gattungen antrafen(f)Forster’s Bemerkungen. S. 172. 173..
Dage -257Dagegen scheint die Fauna des Indischen Oce - ans fast eben so viel mit der des Atlantischen und stillen Meers gemein zu haben, als sie Eigenes aufzuweisen hat. Es giebt in dieser Region eine eigene Wallroſsart, nehmlich den Dugong. Mit ihm aber findet sich hier auch bis Neuholland und bis zu den Philippinen der eben erwähnte Manati. Es giebt hier eine beträchtliche Menge eigener Fisch - arten, besonders aus den Geschlechtern Calliony - mus, Coryphaena, Zeus, Chaetodon, Sparus, Te - trodon und Ostracion. Aber unter eben diesen und andern Geschlechtern giebt es auch viele Gat - tungen, die der Indische Ocean theils mit dem Atlantischen, theils mit dem stillen Meere gemein hat. So führt z. B. White(g)Reise nach Neu-Süd-Wallis. S. 130 ff. im Mag. von Reisebeschr. B. V. unter den Seefi - schen der Westküste von Neuholland, wo doch die Landthiere fast insgesammt von eigener Art sind, neben einigen wenigen neuen Arten drey Fische an, die sich auch auf der nördlichen Seite des Ae - quators aufhalten, nehmlich den Syngnathus Hip - pocampus, einen Bewohner des mittelländischen Meers, die Atherina Brownii, die sich um Ja - maika findet, und die Fistularia tabacaria, die um Japan einheimisch ist.
In der südlichen Erdhälfte giebt es ausserhalb der wärmern Zone keine Länder mehr, die sich derBrei -Bd. II. R258Breite nach weit genug erstrecken, um der Ver - breitung der Seethiere Schranken zu setzen. Hier finden daher keine bedeutende Verschiedenheiten unter den verschiedenen Graden der Länge in An - sehung der Faunen des Meers weiter statt. Die Bewohner dieser antarktischen Region lassen sich unter drey Abtheilungen bringen. Sie bestehen theils aus solchen, welche alle Theile des Welt - meers bewohnen; theils aus solchen, welche die kalte Zone des Südens mit der des Nordens gemein hat, die sich aber nicht zwischen den Wendekrei - sen aufhalten; und theils aus solchen, die blos den südlichen Polarmeeren angehören.
Zur ersten dieser Abtheilungen gehören vor - züglich die Wallfische. Es ist bekannt, daſs Ba - laena Mysticetus, Boops und Physalus, Delphinus Phocaena, Delphis und Orca vom Nordpole bis zum Südpole gehen. Die beyden letztern sieht man unter allen Graden der Breite in gleicher Men - ge(h)Forster a. a. O. S. 169.. Molina aber versichert, hinlängliche Be - weise zu haben, daſs sich ausser jenen auch alle übrige Wallfischarten in der Südsee finden, die man in der Nordsee antrifft(i)Molina a. a. O. S. 202.. Zu eben dieser Abthei - lung gehören ferner: Phoca vitulina, ursina und jubata, so wie unter den Seevögeln: Procellaria pelagica, glacialis, aequinoctialis und Puffinus. Vor -259Vorzüglich ist aber die Classe der Fische reich an solchen Arten, die beyde Hemisphären vom Aequa - tor bis zu den Polarkreisen bewohnen. Es gehören zu diesen unter andern:
Von manchen dieser Arten ist es indeſs zwei - felhaft, ob sie in der wärmern Zone eine bleibende Stäte haben, und nicht zu denjenigen Thieren, die sich in den Polarmeeren beyder Erdhälften, aber nicht zwischen den Wendezirkeln aufhalten, also zur zweyten der obigen Abtheilungen gehören. DaſsR 2260Daſs es wirklich Thiere der Art giebt, beweiset der Albatros (Diomedea exulans). Es ist bekannt, daſs sich dieser Vogel in groſser Menge auf den Meeren der südlichen Eiszone findet, aber desto seltener wird, je näher man dem 35ten Grade süd - licher Breite kömmt, und sich diesseits des Vorge - birges der guten Hoffnung ganz verliehrt. Nun aber kömmt derselbe Vogel, nach Steller’s Beob - achtung, jährlich am Ende des Juny bey Kamschat - ka und den Kurilischen Inseln von Süden oder Süd-Westen ganz abgemagert an, und kehrt, ohne hier Nester zu bauen und zu brüten, am Ende des July oder vor der Mitte des August wieder nach Süden zurück. Es läſst sich also nicht zweifeln, daſs der Albatros jährlich von den südlichen Polar - meeren zu den nördlichen, und von diesen wieder nach jenen wandert(n)Diomedea, quam Stellerus ipse, et ex eo Krasche - ninikosius Laros maximos (Tschaiki) appellat, circa finem Junii mensis adveniunt immensis et millenariis fere catervis, certique nuntii sunt instantis adventus piscium. Circa finem Julii et ante medium Augusti abeunt rursum. Numquam autem ad oram Kamschat - kae orientalem adscendunt, ubi vix rarissime et ve - lut hospites visuntur; contra in Sinu Peschinensi, et universo mari Kamschatico interiore, inque archipe - lago Kurilico abundant. Ad insulam Beringii quoque copiose venerunt, tempore, quo Stellerus abitum inde parabat. Quum in has regiones advolant, macilentis -simae. Ist dies aber gewiſs, soist261ist es auch nicht ganz unwahrscheinlich, daſs noch mehrere andere Thiere, z. B. der Stockfisch, der im October, November und December an den Kü - sten von Juan Fernandez und Valparaiso in eben so groſser Menge, wie an den Bänken von Terre Neuve erscheint(o)Molina a. a. O. S. 195., und die groſse nördliche Me - we (Larus catarractes), die in höhern Breiten so - wohl gegen den Süd - als Nordpol häufig angetrof - fen wird(p)Forster’s Reise um die Welt. Th. 1. S. 83., ebenfalls jährlich eine solche Wande - rung antreten.
Zur(n)simae deprehenduntur. Ab austro vero advolare inde apparet, quod in extremo peninsulae promontorio primae conspici soleant. Imo saepe e regione S. W. advolantes et abitus tempore eodem remeantes observa - tae sunt catervae. — Jure miratus est Stellerus, Dio - medeas circa Kamschatkam nequaquam nidificare, aut proli operam dare, quum tamen eo ipso tempore ad - sint, quo omne ibi avium genus progignere solet. Verum hacc ipsa res argumento est, avem hanc esse alterius hemisphaerii, quae hyemem poli australis fu - giens ad extremum huncce Oceaui pacifici angulum usque migrat, et diverso prolificationis termino ad - sueta est, in illud tempus verosimillime collocando, ubi apud nos hyems et aestas est, in hemisphaerio australi. Neque puto incredibilis est, in quamvis ignota causa, talis et tanta migratio in ave marina, quae ubique victum, ubique requieti locum in Oceano reperire poterit. Pallas misc. zool. f. V. p. 29 sq.
R 3262Zur dritten Abtheilung der Meerthiere des käl - tern südlichen Erdgürtels haben wir diejenigen ge - rechnet, welche dieser Region ausschlieſslich zu - gehören. Unter diesen befindet sich nur ein einziges eigenes Geschlecht, nehmlich das der Pinguine (Aptenodyta), wofür aber die nördliche Polarzone ein Analogon an den Alken besitzt, und welches auch nicht blos auf die südlichen Eismeere einge - schränkt ist, sondern alle Meere der südlichen Erd - hälfte vom Polarzirkel an bis zum Aequator be - wohnt(q)Forster in Commentat. soc. Reg. sc. Gotting. phys. T. III. p. 123.. Alle übrige Thiere dieser Abtheilung machen blos eigene Arten aus, und gehören vor - züglich zu den auch im nördlichen Ocean anzu - treffenden Geschlechtern Phoca, Procellaria, Dio - medea und Pelecanus. So wenig die Verbreitung der Meerthiere in anderer Rücksicht der des Pflan - zenreichs ähnlich ist, so kömmt also jene doch dar - in mit dieser überein, daſs die Fauna der Meere des kältern südlichen Erdgürtels, eben so wie die Flor der dortigen Länder, wenig Eigenes, aber sehr vieles mit der der nördlichen Polarzone ge - mein hat.
Alles bisher Gesagte gilt aber blos von den hö - hern, mit Wirbelbeinen versehenen Thierclassen. Bey der Verbreitung der Mollusken und Würmer des salzigen Wassers scheinen wieder neue Gesetzeein -263einzutreten. Einen Grund für diese Vermuthung liefert der zwischen den Wendezirkeln enthaltene Theil des stillen Meers. Hier, wo es so manche eigene Arten von Seevögeln und Seefischen giebt, sind die Muscheln und Schnecken lange nicht so mannichfaltig, als sich von einem so beträchtlichen Ocean erwarten liesse. Auf dem Rief, welches die meisten Inseln dieses Meers umschlieſst, finden sich nur die gemeinsten Arten des Linneischen Sy - stems, Porcellaneen, Bischofskronen, gewöhnliche Kinkhörner, Stachelschnecken, Mondschnecken und Neriten(r)Forster’s Bemerkungen S. 174.. Aber wer mag es bey dem gerin - gen Vorrathe von brauchbaren Materialien, welche die Geschichte der Mollusken und Würmer enthält, wagen, allgemeine Gesetze für die Verbreitung die - ser Thiere aufzustellen?
Jede Untersuchung über den Einfluſs der gesamm - ten Natur auf die lebende Welt muſs von dem Grundsatze ausgehen, daſs alle lebende Gestalten Produkte physischer, noch in jetzigen Zeiten statt - findender, und nur dem Grade, oder der Richtung nach veränderter Einflüsse sind. Ob eine solche Voraussetzung von sonstigen Gründen unterstützt wird? Diese Frage könnten wir allenfalls ganz un - beantwortet lassen. Es könnte uns hier genug seyn, zu wissen, daſs die entgegengesetzte Hypotheseallen265allen Untersuchungen, womit wir uns jetzt be - schäftigen werden, das Thor versperren, und zu den dürftigsten Resultaten führen würde.
Die obige Frage ist indeſs nicht nur wichtig für unsere jetzige Untersuchungen; sie ist es auch für die ganze Biologie. Mit ihrer Beantwortung ist zugleich das Grundproblem dieser Wissenschaft aufgelöset. Nicht blos zum Behufe der Nachfor - schungen, denen dieser Abschnitt gewidmet ist, sondern um uns überhaupt bey unsern fernern Be - trachtungen einen festen Standpunkt zu verschaf - fen, werden wir daher zuvörderst jene Frage er - örtern.
Wir haben im dritten und vierten Kapitel der Einleitung gesehen, daſs die Biologie begründet ist, sobald die Erfahrung für eine der drey folgenden Fragen entscheidet: Ist Lebenskraft nur da, wo le - bensfähige Materie ist? Oder ist diese ein Produkt von jener? Oder sind beyde wechselseitig durch einander? Findet das Ersie statt, so vermag die Kunst, oder der Zufall aus Stoffen der todten Natur lebensfähige Materie, und also auch lebende Orga - nismen hervorzubringen. Ist hingegen lebensfähi - ge Materie ein Produkt der Lebenskraft, so ge - schieht alle Bildung lebender Körper nur auf dem Wege der Fortpflanzung. Sind endlich Lebens - kraft und lebensfähige Materie wechselseitig durch einander, so verdankt zwar jeder lebende Körper,R 5wie266wie bey der vorigen Hypothese, andern, die vor ihm waren, sein Entstehen. Allein bey jener Vor - aussetzung vermag derselbe nur Individuen von der nehmlichen Art, wozu er selber gehört, zu er - zeugen, und diese Erzeugung geschieht immer nur in der Periode der vita maxima; der Tod ist hier wirklicher Uebergang von der vita minima zur leblosen Natur. Hingegen bey der letztern Voraus - setzung erzeugt zwar auch der lebende Organis - mus zur Zeit der vita maxima andere ihm ähnliche Individuen; aber der Tod ist hier Uebergang von der vita maxima nicht zur leblosen Natur, sondern zu andern Formen des Lebens.
Die Fragen, die wir jetzt untersuchen werden, sind also diese: Vermag die Kunst, oder der Zu - fall aus Stoffen der todten Natur lebende Organis - men hervorzubringen? Oder, wenn dies nicht ist, geht jedes lebende Individuum nach dem Tode in andere Formen des Lebens über? Unser Gang bey dieser wichtigen Untersuchung kann nicht vor - sichtig genug seyn, und es ist daher nothwendig, alle bedeutende Erfahrungen, die hierbey in An - schlag kommen können, der strengsten Prüfung zu unterwerfen, ehe wir ein entscheidendes Urtheil zu fällen wagen.
Was die erste jener Fragen betrifft, so giebt es keine Erfahrung, die für eine Entstehung leben - der Körper aus Stoffen der leblosen Natur spräche,hin -267hingegen viele, worauf sich eine affirmative Beant - wortung der zweyten Frage bauen läſst, und zu diesen gehört zuerst die Entstehung der Zoophy - ten, und vorzüglich der Infusionsthiere.
Sind Lebenskraft und lebensfähige Materie wechselseitig durch einander, und ist der Tod Ue - bergang gewisser Formen des Lebens zu andern, so muſs jedes Atom der Materie des lebenden Kör - pers nach der Trennung vom Ganzen noch Leben äussern, und jene Materie muſs durch die Auflö - sung in ihre Grundtheile, welche bey der Fäulniſs nach dem Tode statt findet, in kleinere lebende Or - ganismen verwandelt werden. Da ferner nach dem dritten Kapitel des vorigen Abschnitts die Organisa - tion der Zoophyten weit abhängiger von den Ein - wirkungen der Aussenwelt ist, als die der Thiere und Pflanzen, so müssen auf dem Wege der Er - zeugung aus formloser lebender Materie, am leichtesten und am häufigsten Zoophyten gebildet werden. Mit diesen Folgerungen nun stimmen Needham’s, Wrisberg’s, Müller’s und Ingen - houss’s Beobachtungen über die Entstehung der Infusionsthiere und der Priestleyschen grünen Materie völlig überein.
Needham(s)Nouvelles observations microscop. etc. p. 191. beobachtete in Aufgüssen von Mandeln und andern vegetabilischen Substanzenerst268erst eine Absonderung einzelner Theile der letz - tern, und eine Ausdünstung ihrer feinsten Parti - keln. Nach acht Tagen äusserte sich in einigen jener Theile eine geringe Bewegung. Es sonderte sich ein Theilchen von andern Partikeln ab, und bewegte sich durch einen Raum von 8 bis 10 seiner Durchmesser, oder in einem kleinen Kreise herum, indem die Theile, wovon es sich abgesondert hat - te, unbeweglich blieben. Nach einiger Zeit wurde diese Bewegung schwächer, und endlich hörte sie ganz auf. Zeichen von Willkühr waren an dersel - ben nicht zu bemerken.
Thiere, deren Eyer in die Aufgüsse gekommen wären, konnten diese Theilchen nicht seyn, denn die Flaschen mit den Infusionen waren wohl ver - stopft worden(t)Ebendas. p. 192.. Zudem hatte Needham, um sich zu versichern, daſs keine Insekten ihre Eyer in die Aufgüsse hatten legen können, kochende Schöpsenfleischbrühe in einer wohl verstopften Flasche aufbewahrt, und doch nach einiger Zeit lebende Wesen von verschiedener Gröſse darin wahrgenommen(u)p. 199.. Needham glaubte daher aus seinen Versuchen schliessen zu müssen, daſs diese Wesen von einem fruchtbaren, in den Aufgüssen befindlichen Princip herrührten. In der That wür - de es auch unbegreiflich seyn, daſs unter einer sol - chen Menge von Beobachtern, die sich mit Unter -su -269suchungen der microscopischen Thiere abgegeben haben, nicht ein einziger so glücklich gewesen seyn sollte, das Insekt zu sehen, woraus jene her - vorkommen sollen, oder diese Thiere in ihrer Ver - wandlung zu überraschen.
In einer Infusion von Weitzenkörnern zeigten sich folgende Veränderungen. Erst wurden diese Körner weicher, sie verwandelten sich in eine Art von Gallerte, und unter dem Vergröſserungsglase zeigte sich darin eine unzählige Menge von Fasern. Diese Fasern verwandelten sich in wahre belebte Thierpflanzen. Nachher gingen Theile aus ihnen hervor, die eine fortschreitende Bewegung äusser - ten, und deren Gestalt sehr verschieden war. Ei - nige Tage darauf verlohren diese Theile ihre Bewe - gung. Dann vereinigten sie sich in eine Masse, aus welcher neue Thierpflanzen hervorkamen. Aus den letztern entstanden wieder Kügelchen, und so dauerte dieser Wechsel immer fort, bis sich mit dem Vergröſserungsglase nicht mehr entdecken lieſs, was in dem Aufgusse vorging(w)p. 219..
Ferner schnitt Needham die feinen Fäden, welche aus keimenden Saamenkörnern entstehen, von diesen ab, und legte sie in ein Uhrglas mit Wasser. Hier vegetirten dieselben fort, obgleich sie von den Saamenkörnern getrennt waren. An ihrem einen Ende sahe Needham einen durchsich -tigen270tigen Kopf, und um diesen saſsen Infusionsthiere, jedoch ohne Leben. Nach einiger Zeit aber wur - den die letztern lebendig, bewegten sich, und ver - liessen ihren vorigen Platz(x)p. 219..
Needham hält es hiernach für wahrscheinlich, daſs die Infusionsthiere unter allen lebenden Wesen eine besondere Classe ausmachen, deren eigenthüm - licher Charakter dieser ist, daſs sie weder auf eben dem Wege, wie die übrigen lebenden Körper, er - zeugt werden, noch sich durch eben die Mittel er - halten und vermehren. Diese ihre Art sich zu ver - mehren besteht seiner Meinung nach darin, daſs sich eine Gattung mit derjenigen, welche unmittel - bar ihr vorangeht, vereinigt. Er muthmaſst so - gar, daſs unter gewissen günstigen Umständen, die vielleicht selten statt finden, eine groſse Menge dieser kleinen Thiere sich reproduciren könne, nachdem die ganze Art derselben durch einen aus - serordentlichen Zufall an irgend einem Orte gänz - lich untergegangen ist. Er schlieſst dies aus der Erzeugung der Kleisterälchen, welche lebendige Junge gebähren, und also vollkommen im Stande sind, sich so lange auf die gewöhnliche Weise fortzupflanzen, als sie eine Materie finden, die zu ihrem Unterhalte geschickt ist. Nichts desto weni - ger glaubt er aus seinen Beobachtungen schliessen zu können, daſs ihr Ursprung demjenigen anderermicro -271microscopischen Thiere ähnlich sey, obgleich sie freylich durch eine weit gröſsere Menge von Ver - wandlungen, als die letztern, hindurchgehen müs - sen, und, ehe sie sich als vollkommne Aelchen zeigen, in einem ganz andern Zustande leben(y)p. 290..
So weit Needham. Nach Wrisberg’s(z)Wrisbero observ. de animalculis infusoriis satura. p. 82. Be - obachtungen gehören zur Erzeugung der Infusions - thiere: Wasser, Luft, eine mäſsige Wär - me, und eine dem Wasser beygemischte vegeta - bilische oder animalische Substanz.
Liesse sich durchaus reines Wasser bereiten und eben so rein erhalten, so würden wahrschein - lich keine Infusionsthiere darin entstehen(a)Ebend. p. 83..
Daſs athmosphärische Luft zur Erzeugung der Infusionsthiere nothwendig ist, bewies eine Infu - sion von Fliegenlarven, und eine andere von einer Trichuride. In beyden entstanden keine Infusions - thiere, so lange die Luft keinen Zutritt zu den Auf - güssen hatte; hingegen zeigten sich dieselben so - gleich, als die Luft hinzugelassen wurde(b)p. 83, Obs. XI. p. 86, not. n. p. 91.. Eben so entstanden selbst nach 18 Tagen noch keine In - fusionsthiere in Regenwasser, welches eine Linie hoch mit Olivenöl bedeckt war. In ähnlichemWas -272Wasser aber, worauf Mandelöl nur tropfenweise schwamm, fanden sich diese Thiere, wie gewöhn - lich, nach einigen Tagen ein(c)p. 90..
Alle dem Wasser beygemischte vegetabilische oder animalische Substanzen sind zur Erzeugung der Infusionsthiere geschickt, wenn sie nur keine Säure, keine Schärfe, und überhaupt nichts ent - halten, wodurch die Fäulniſs verhindert wird(d)p. 89..
Die erste Veränderung in den Aufgüssen ist die Entwickelung von Luftblasen, die gewöhnlich nach 16, 20 bis 24 Stunden erfolgt. Fehlen diese, so kommen gar keine, oder doch nur sehr wenige Thiere zum Vorscheine(e)p. 85. 87..
Kurz nach der Entwickelung der Luftblasen, oder auch zugleich mit dieser, findet man in allen Infusionen eine Menge sehr kleiner runder Körper - chen, welche bald zerstreut liegen, bald eine Art von Membran ausmachen, und aus der Auflösung der in dem Aufgusse befindlichen animalischen, oder vegetabilischen Substanzen entstehen(f)p. 88.. Alle Theile der Thiere und Pflanzen sind aus diesen Molekülen zusammengesetzt. Man findet sie unter dem Microscop selbst in den kleinsten Fibern des Apium palustre(g)p. 89. (Sium Apium Roth. ?). Sie haben einerley Strukturmit273mit den Infusionsthieren, und unterscheiden sich von diesen durch nichts, als durch den Mangel an Bewegung(h)p. 45.. Sie gehen immer dem Entstehen der letztern vorher, und da, wo man sie nicht fin - det, fehlen auch diese(i)p. 39.. Einigemale sahe Wris - berg sogar einen Haufen solcher todter Molekülen in seinen kleinsten Theilen lebendig werden(k)p. 25, not. q. p. 74.. Wahrscheinlich entstehen also aus ihnen die Infu - sionsthiere(l)p. 75..
Der Uebergang jener Molekülen zu Infusions - thieren ist folgender. Zuerst bemerkt man an ih - nen eine so äusserst leise Bewegung, daſs man sie kaum für eine Bewegung halten solite(m)p. 16, 73.. Sobald aber eine solche Moleküle einmal in Bewegung ge - setzt ist, verbindet sie sich mit einer andern zu einem gröſsern und zusammengesetztern Thie - re(n)p. 73, 50.. In Einem Falle schmolz ein sich schon be - wegendes Thier mit einer noch unbeweglichen Mo - lekule zusammen(o)p. 74.. Zuweilen machte eine Men - ge von Thieren lebende Häute und sich bewegende Berge aus(p)p. 20, d. 10. p. 24, 25, 44.. Oft trennten sich einzelne Molekü -lenBd. II. S274len von einem solchen Haufen, und bewegten sich abgesondert von den übrigen(q)p. 25..
Ausser diesen, aus einfachen Bläschen beste - henden Thieren fand Wrisberg in den meisten Aufgüssen noch eine Menge gröſserer, polypenähn - licher Körper, welche mit jenen in ihrer Entste - hung eine auffallende Aehnlichkeit hatten(r)p. 95.. So beobachtete er in einer Infusion von einem Blutigel unter mehrern kleinern Thieren auch zwey grö - ſsere, welche mit einem Stiel versehen waren, ver - mittelst dessen sie lange ohne eine merkliche Bewe - gung an dem Schimmel hingen, der sich in dem Aufgusse erzeugt hatte. Nach und nach aber entstand in ihnen eine wellenförmige Bewegung; diese ging in eine oscillirende, pendelförmige über; der Stiel riſs; die Thiere machten einige Minuten hindurch eine sehr schnelle drehende Bewegung, und end - lich zersprangen beyde in kleinere Körperchen, de - ren Bewegung allmählig schwächer, und zuletzt ganz unmerklich wurde(s)p. 4..
Merkwürdig, und eine wichtige Bestätigung der Schlüsse, die Needham aus seinen Beobachtun - gen zog, ist es, daſs die kleinern Thiere immer früher, als die gröſsern, entstanden. In einem Aufgusse von frischem Fleische zeigten sich am 2tenTage275Tage um 2½ Uhr Nachmittags Luftblasen, und die oben erwähnten Molekülen(t)p. 21, obs. VII, d. 14, h. 2½.. Dann erfolgte an demselben Tage um 11 Uhr Abends eine innere Be - wegung in dem Aufgusse(u)Ibid. h. 11 vesp.. Am 3ten Tage fan - den sich Infusionsthiere, worunter aber nur wenige gröſsere waren(v)d. 15, p. 23.. Nach 3 Wochen war die Men - ge der gröſsern Thiere schon eben so groſs, als die der kleinern(w)p. 23, d. 9 Sept., und nach 4 Wochen fanden sich meist nur wieder die gewöhnlichen kleinern Thiere(x)p. 26, d. 16..
Dieselbe Stufenfolge fand in Aufgüssen von Fliegenlarven(y)p. 31, obs. X., und von verschiedenen Saa - men(z)p. 54, obs. XV. p. 57, obs. XVI., am auffallendsten aber in einer Infusion des Apium palustre(a)p. 61, obs. XVII. statt. In dieser erschienen erst die gewöhnlichen Molekülen und Luftbla - sen(b)p. 61, d. 19.. Dann folgten Thiere von einfacher Struk - tur(c)d. 23.. Hierauf zeigten sich ausser diesen auch noch fischähnliche Thiere, andere ovale mit einemzan -S 2276zangenförmigen Organ, und glockenförmige Poly - pen(d)d. 31, p. 63 sq.. Die Zahl der fischähnlichen Thiere und Polypen verminderte sich wieder, und mit ihr die der kleinern Infusionsthiere(e)p. 66, d. 2 Sept.. Nachdem aber die erstern ganz verschwunden waren, zeigten sich die letztern wieder in groſser Menge(f)p. 66, d. 10.. So ging dieses abwechselnde Verschwinden und Erscheinen verschiedener Arten von Thieren bis zu Ende der Beobachtung fort. — Die nehmlichen Phänomene zeigten sich auch in einer andern Infusion des Apium palustre(g)Obs. XVIII, p. 71 sq..
Endlich beobachtete Wrisbero auch bey den gröſsern Thieren nicht nur ein ähnliches Zusam - menschmelzen zweyer zu einem einzigen, wie bey den kleinern, sondern in einer Infusion von einer Trichuride sahe er auch zwey Polypen, welche zu - sammengewachsen waren, während jener Wurm in dem Aufgusse lag, sich wieder trennen, nachdem der Wurm herausgenommen war(h)p. 80..
Alle diese Phänomene sprachen so auffallend für das Needhamsche System, und lassen sich so schwer erklären, wenn man keine andere Erzeu - gung als auf dem Wege der Fortpflanzung an -nimmt,277nimmt, daſs es unmöglich ist, jenem System sei - nen Beyfall zu versagen, sobald die angeführten Erfahrungen richtig sind.
Aber auch Müller’s(i)Vermium etc. hist. Vol. 1. P. 1. p. 1 sqq. Beobachtungen stim - men ganz mit denen von Needham und Wrisberg überein, ausgenommen, daſs er niemals ein sol - ches Zusammenschmelzen zweyer Infusionsthiere zu einem einzigen bemerkte, wie der letztere be - schreibt(k)Ebend. p. 11. not. **).. Löste er aber thierische oder vegeta - bilische Substanzen durch Maceration zu einem Häutchen auf, so beobachtete er dasselbe, was Needham und Wriseerg sahen. Von dem Häut - chen trennten sich runde Blasen, oder sehr kleine Punkte, entweder nach einander, oder zugleich; diese geriethen in eine zitternde Bewegung; ihre Bewegung nahm immer mehr zu, und endlich zeig - ten sie sich als ordentliche Infusionsthiere(l)p. 20.. Mül - ler schlieſst hieraus mit den beyden erwähnten Naturforschern, daſs alle thierische und vegetabi - lische Substanzen durch ihre Decomposition zu Häutchen aufgelöset werden, die sich in Bläschen, und aus diesen in Infusionsthiere verwandeln. Mit den letztern, die man nicht, wie die meisten Beobachter thun, mit den übrigen microscopischen Thieren verwechseln darf, sind seiner MeinungnachS 3278nach alle Flüssigkeiten angefüllt, und aus ihnen entstehen alle vegetabilische und animalische For - men(m)p. 21 sqq. — O. F. Müller’s Pile ‒ Larven (Kopenhagen. 1772). S. 73 ff., oder die Uebersetzung: die Gabelschwanzraupe (Leipzig. 1773)..
Wir hätten hiermit also eine beträchtliche Rei - he von Erfahrungen für eine Meinung, mit deren Begründung die ganze Biologie begründet ist. In - deſs ist es bey keinem Gegenstande in der Natur - lehre so leicht, zu sehen, was man sehen will, als bey den Infusionsthieren, und hier ist es daher doppelt nothwendig, alle Einwürfe und Gegener - fahrungen, die gegen die obigen Beobachtungen gemacht sind, oder gemacht werden können, auf - zusuchen, und gegen dieselben abzuwägen, ehe wir auf den Folgerungen, die sich aus jenen Beob - achtungen ziehen lassen, weiter bauen.
Fast zu eben der Zeit, als Wrisberg seine den Needhamschen Erfahrungen zur Bestätigung die - nenden Beobachtungen bekannt machte, erschie - nen Spallanzani’s scharfsinnige und zahlreiche Versuche, welche den Needhamschen weniger gün - stig waren, oder doch als solche von ihrem Urhe - ber und dessen Zeitgenossen angesehen wurden.
Zu -Zuförderst fand Spallanzani, daſs die Struk - tur der Infusionsthiere verschieden ist nach der Verschiedenheit der Infusionen(o)Ebendas. S. 128 ff..
Versuche mit den Saamen von Wassermelonen, Kürbissen, Hanf und Hirsen beweisen ferner, daſs die Thiere sich nicht zu allen Zeiten zeigen, son - dern daſs die Natur gewisse Gesetze beobachtet, nach welchen sie, wenn der Saame aufängt zu keimen, hervorkommen, so wie dieser wächst, sich vermehren, und, wenn er abnimmt oder ver - dirbt, sich gleichfalls vermindern und sterben(p)S. 151,. Das Regiment der kleinen Thiere wechselt ab; auf eine kleinere Gattung folgt eine gröſsere, auf diese wieder eine kleinere; die eine entsteht, wenn die andere untergeht; dieses währt eine gewisse Zeit fort, bis sie sich ganz verliehren, und dem Beob - achter das Vergnügen der Abwechselung rauben.
Um mit Gewiſsheit zu erfahren, ob zwischen der Vegetation des Saamens und der Erzeugung der Infusionsthiere eine Verbindung statt finde, machte Sp. Infusionen von zerriebenem und von unbeschä - digtem Saamen. In beyden Arten von Aufgüssen zeigten sich Infusionsthiere, jedoch mit folgendem Unterschiede. Die in den Aufgüssen von unbe - schädigtem Saamen waren gröſser, als die in denInfu -S 4280Infusionen von zerquetschtem Saamen. In dem letztern verlohren sie sich bald, hingegen in dem erstern blieben sie noch eine Zeitlang, wenn auch der Saame schon getrieben und Blätter bekommen hatte. Zuweilen geschahe es, daſs der Saame so lange er keimte eine Menge Thierchen hervorbrach - te, daſs aber dieses aufhörte, sobald er zerdrückt wurde(q)S. 155..
In Korn-Mehl erzeugten sich eben so wohl Thiere, als in dem Saamen, der blos zerdrückt war(r)Ebendas.. Wurde aber die Stärke des Mehls (amy - lum) von dem Kleister (gluten) abgesondert, und von jedem dieser Theile besonders ein Aufguſs ge - macht, so erschienen in der Infusion mit der Stärke wenige oder gar keine Thiere, hingegen in der kleisterartigen ein solches Heer, daſs die Flüssig - keit durchaus belebt schien(s)S. 157..
Anders wie mit dem Kornmehle verhielt es sich mit Gersten, Türkischem Korne, Bohnen, Wolfsbohnen, Reiſs und Leinsaamenmehl. In Aufgüssen von diesen Substanzen zeigte sich nie ein lebendes Wesen(t)Ebendas..
Lieſs Sp. den Saamen, ehe er einen Aufguſs davon machte, erst in der Erde etwas keimen, sozeig -281zeigten sich die Infusionsthiere weit geschwinder, als wenn er unvorbereiteten Saamen zu der Infusion nahm(u)Ebendas..
Wurde die Vegetation des in dem Aufgusse befindlichen Saamens durch Kälte zurückgehalten, so entstanden bey weitem nicht so viele Thiere, und diese erreichten nicht die Gröſse, als wenn das Keimen durch Wärme beschleunigt wurde(v)S. 159..
So weit stimmen Spallanzani’s Beobachtun - gen noch ganz mit den Needhamschen überein. Inzwischen glaubt jener, diese Erfahrungen mit der Meinung vom Entstehen der Infusionsthiere aus Eyern doch vereinigen zu können. “Kann „ nicht”, frägt er, “die gemäſsigte Wärme, welche „ die Körner in der Infusion zum Keimen bringt, „ auch auf die darin befindlichen Eyer wirken und „ dieselben ausbrüten, diese Eyer mögen nun durch „ die Luft herbeygeführt seyn, oder sich zuvor im „ Wasser, oder im Gefäſse befunden haben, oder „ von den Weibchen auf die Saamen, ehe sie ins „ Wasser geschüttet worden, gelegt seyn? Es hält „ nicht schwer”, fährt er fort, “zu erklären, warum „ sich gleich, oder wenigstens bald Würmer zeigen, „ wenn man den Saft aus dem aufgequollenen Saa - „ men drückt, oder den bereits aufgekeimten Saa -„ menS 5282„ men in die Infusion bringt. Man nehme an, daſs „ die Eyer mit dem Safte der kleinen Canäle ver - „ mischt sind, so sieht man leicht, daſs die Wür - „ mer durch die Wärme geschwind zum Auskrie - „ chen gebracht werden können; welches denn die „ Ursache ist, warum man sie in dem ausgepreſsten „ Safte oder in der Infusion so bald wahrnimmt. „ Daſs aber der in Mehl verwandelte Saamen keine „ Infusionsthiere giebt, rührt vermuthlich daher: „ die Materie wird untüchtig, etwas zum Ausbrüten „ der Eyer beyzutragen, entweder weil die nöthige „ Wärme dadurch verhindert wird, oder weil die „ zur Ernährung der Eyer dienenden Säfte ver - „ derben”(w)S. 161..
Man sieht, daſs dieser Versuch, die Erzeugung der Infusionsthiere aus Eyern mit den obigen That - sachen in Uebereinstimmung zu bringen, gröſs - tentheils auf der Voraussetzung beruht, daſs jene Eyer schon vor ihrer Entwickelung in den vegeta - bilischen Substanzen des Aufgusses enthalten sind. Aber Spallanzani vergiſst, daſs seine eigenen, weiter unten vorkommenden Versuche das Gegen - theil lehren, indem gekochte vegetabilische und ani - malische Substanzen eben so tauglich, als unge - kochte, zur Erzeugung der Infusionsthiere sind. Jene Eyer können folglich blos entweder in dem Wasser, oder in der Luft befindlich seyn. Alleinwoher283woher nun die Erklärung des Umstandes, daſs die Struktur dieser Thiere verschieden nach der Ver - schiedenheit der Infusionen, und anders ist in ei - nem Aufgusse von Kürbissaamen, anders in einer Infusion von Chamillensaamen, anders in einer In - fusion von Saueramphersaamen, noch anders in einem Aufgusse von Korn, und wieder anders in einer Infusion von Spelz(x)S. 128 ff.? Woher die Erklä - rung des abwechselnden und regelmäſsigen Ver - schwindens und Erscheinens nicht nur verschiede - ner Individuen, sondern auch verschiedener Ar - ten von Thieren in einerley Aufgusse?
Spallanzani geht hierauf zur Prüfung der Beobachtungen über, womit Needham seine Mei - nung zu beweisen sucht. Unter diesen kömmt, wie wir gesehen haben, folgender vor. Die feinen Fäden, welche aus keimenden Saamenkörnern ent - stehen, vegetirten im Wasser fort, obgleich sie von diesen getrennt waren, und trieben an ihrem einen Ende einen durchsichtigen Kopf, um welchen In - fusionsthiere, wie kleine Saamenkörner saſsen, die anfangs ohne Leben waren, nach einiger Zeit aber sich zu bewegen anfingen, und ihren vorigen Platz verliessen. Spallanzani wiederhohlte diesen Ver - such, und fand ihn völlig bestätigt(y)S. 163 ff.. Gegen die Schlüsse, welche Needham daraus zieht, wendet er aber ein, daſs ein groſser Unterschied zwischender284der Organisation erwähnter kleiner Körper, die sich in Infusionsthiere verwandeln, und der Bestand - theile der Wurzeln sey, indem diese aus einem Ge - webe von Fasern bestehen, an jenen hingegen nichts Fasern Aehnliches zu bemerken ist. Ferner hält er den Schluſs für unrichtig: weil sich die In - fusionsthiere bey ihrer Geburt zwischen vegetabili - schen Theilen befinden, so entstehen sie wirklich aus diesen. Daſs man aber die Eyer jener Thiere nicht gleich von Anfange an gewahr wird, kann, seiner Meinung nach, daher rühren, weil sie zu klein und zu durchsichtig sind(z)S. 170 ff..
Diese Einwürfe treffen nun allerdings die zu - letzt erwähnte Needhamsche Beobachtung, aber sie treffen nicht die Wrisbergschen und Müller - schen, nach welchen die vegetabilischen und ani - malischen Substanzen in runde Bläschen aufgelöst werden, aus denen die Infusionsthiere entstehen. Ja, Wrisberg fand diese Bläschen in allen Theilen von Thieren und Pflanzen schon vor ihrer Auflö - sung. Und gesetzt, bey dieser Beobachtung hätte auch eine optische Täuschung statt gefunden, so liegt doch nichts Unwahrscheinliches in der Voraus - setzung, daſs durch eben die Gährung, welche zur Erzeugung der Infusionsthiere nothwendig ist, zugleich die Fibern, die man in vegetabilischen und animalischen Theilen findet, in runde Molekülen verwandelt werden.
Eine285Eine andere Beobachtung, welche Needham für seine Meinung anführt, ist die, daſs sich ein - zelne Atomen in den Aufgüssen von den übrigen Partikeln, welche unbeweglich blieben, absonder - ten, eine Strecke fortrückten, und dann wieder liegen blieben. Diese Bewegung kann man, nach Needham’s Meinung, nicht willkührlich nennen, weil die Atomen den ihnen im Wege liegenden Hin - dernissen nicht ausweichen, und man keine andere Spuhren von Spontaneität daran wahrnimmt. Eben so wenig, glaubt er, kann man sie der Gährung, oder der Ausdünstung des Aufgusses zuschrei - ben, weil man zuweilen gröſsere Atomen sich be - wegen, und von kleinern, die unterdeſs ruhig bleiben, absondern sieht. Jene Bewegung muſs also von einem innern Princip herrühren, und die - ses Princip vermag folglich den vegetirenden Saa - men in Thiere zu verwandeln. Aber diese Thiere verwandeln sich auch wieder in Pflanzen; aus den letztern entsteht von neuem eine schlechtere Gat - tung von Thieren; diese gehen wieder in Pflanzen über, u. s. w. — Was den ersten Punkt betrifft, so fand zwar auch Spallanzani ausser den eigent - lichen Infusionsthieren zuweilen noch andere kleine sich bewegende Körper in den Aufgüssen. Bey nä - herer Untersuchung zeigte sich indeſs, daſs in die - sen Partikeln einige der gewöhnlichen Infusions - thiere verborgen waren, welche durch ihre Bewe - gung das Fortrücken jener Partikeln verursach -ten286ten(a)S. 177.. Von einer solchen Verwandlung der Infu - sionsthiere in Pflanzen, wie Needham gesehen ha - ben wollte, fand aber Spallanzani nie etwas auch nur Aehnliches, obgleich er eine Menge Versuche in dieser Absicht anstellte(b)S. 179 ff.. Das einzige Merk - würdige in einigen Gläsern war, daſs sich nach dem Absterben der einen Gattung von Thieren eine andere unendlich kleinere zeigte, die ohngefähr 14 Tage lebte(c)S. 182..
Wägt man auch diese Beobachtungen von Needham und Spallanzani gegen einander ab, und vergleicht sie mit den Wrisbergschen und Müllerschen, so ergiebt sich Folgendes. Die er - ste Beobachtung von Needham läſst sich freylich mit Spallanzani aus Infusionsthieren erklären, welche in den fortrückenden Atomen enthalten wa - ren. Aber wenn Wrisberg und Müller todte Par - tikeln von animalischen und vegetabilischen Sub - stanzen in eine zitternde Bewegung gerathen, sich von den letztern losreissen, willkührliche Bewegun - gen äussern, und sich mit andern ähnlichen, so - wohl lebenden, als todten Molekülen zu gröſsern Thieren vereinigen sahen, so müſste hier auf diese Thiere eine kleinere, und nicht, wie würklich ge - schahe, eine gröſsere Gattung gefolgt seyn, wennauch287auch hier die Bewegung jener Partikeln durch klei - ne in denselben enthaltene Infusionsthiere verur - sacht wäre. Die zweyte Beobachtung von Need - ham beweist, wie jeder positive Versuch, immer mehr als Spallanzani’s negative Erfahrungen. In - zwischen liesse sich allerdings auf diese einzelne Beobachtung, wobey so leicht Täuschung möglich war, nicht viel bauen, wenn sie nicht sowohl Wris - berg’s, als Spallanzani’s eigene Beobachtungen über das abwechselnde Entstehen und Verschwin - den verschiedener Arten von Thieren, eine Erschei - nung, welche mit der Entstehung der Infusions - thiere aus Eyern weit unvereinbarer ist, wie Spal - lanzani geglaubt zu haben scheint, und Wris - berg’s Erfahrungen über die nahe Verwandschaft der Erzeugung des Schimmels mit der der Infu - sionsthiere, worauf wir unten zurückkommen wer - den, auf ihrer Seite hätte.
Needham kochte ein Stück Fleisch, preſste den Saft heraus, und fand, nachdem er einen Auf - guſs davon gemacht hatte, am folgenden Tage eine Menge Infusionsthiere darin. Er glaubt, man kön - ne nicht annehmen, daſs diese aus Eyern entstan - den seyen, welche schon vorher in der Infusion vorhanden gewesen wären, weil das Feuer diesel - ben zum Auskriechen untüchtig gemacht haben würde. Da nun gleichwohl bey diesem Versuche Thiere entstanden, so folgert er, daſs dieselbennicht288nicht auf dem Wege der Fortpflanzung erzeugt worden. Spallanzani wiederhohlte diesen Ver - such mit einer Menge sowohl animalischer, als vegetabilischer Substanzen. Das Resultat war, daſs die Gewalt des Feuers zwar sehr viele Infusionen untüchtig macht, Thiere hervorzubringen, aber auch eben so vielen dieses Vermögen nicht benimmt, und daſs dieses Vermögen bleibt, man mag die In - fusion wenige Stunden erwärmen, oder so heftig kochen lassen, daſs alles darin zu einem Teige wird. Es ist ferner einerley, ob man die gekoch - ten Materien in demselben Wasser, worin sie ge - kocht sind, kalt werden läſst, oder in frisches Was - ser legt; in beyden Fällen bringen sie Thiere her - vor, doch mit dem Unterschiede, daſs die Thiere der gekochten Aufgüsse von denen der ungekochten an Gestalt und Gröſse verschieden sind(d)S. 186 ff..
Ohngeachtet also Needham’s Erfahrung ihre Richtigkeit hat, so läſst sich diese, nach Spallan - zani’s Meinung, mit der Hypothese von der Erzeu - gung der Infusionsthiere aus Eyern doch vereinigen, wenn man annimmt, daſs die Eyer aus der Luft in die Aufgüsse kommen. Zwar machte auch hierüber schon Needham eine Erfahrung, welche dieser Vor - aussetzung nicht günstig zu seyn scheint. Er ver - schloſs ein Glas mit einem Aufgusse von Kalbfleischdurch289durch einen Korkstöpsel, und erhitzte dasselbe über Kohlen; dennoch erzeugten sich in demselben In - fusionsthiere. Um diesen Punkt auszumachen, stellte Spallanzani viele Versuche an, wovon die Resultate folgende waren.
Im luftleeren Raume entstanden keine Thie - re(e)S. 200.; hingegen in einer blos verdünnten Luft er - zeugten sie sich eben so wohl, als in der gemei - nen(f)S. 202..
Siegelte Spallanzani die Gläser, worin sich die Infusionen befanden, hermetisch zu, so er - zeugten sich keine Thiere, wenn die Gläser nur klein waren; in groſsen aber, die mehr Luft faſsten, stellten sich die Thiere in ziemlicher Menge ein(g)S. 201..
Wurden Flaschen, die vorher erhitzt waren, um die an den Wänden etwa klebenden Eyer zu tödten, mit gekochten Aufgüssen gefüllt, und, nachdem sie kalt geworden und frische Luft her - eingedrungen war, hermetisch versiegelt, so waren in einigen Flaschen nach vier Tagen noch keine Thiere entstanden; hingegen in vielen fanden sich dieselben, obgleich nicht in groſser Anzahl(h)S. 203..
End -Bd. II. T290Endlich versiegelte Spallanzani 19 verschiede - ne, mit Infusionen gefüllte Flaschen hermetisch, und lieſs sie eine Stunde lang in einem Gefäſse mit Wasser kochen. Als er nun zur gehörigen Zeit die Flaschen untersuchte, zeigte sich kein Merk - mal einer freywilligen Bewegung. Viele nachfol - gende Versuche liefen eben so ab. Bekamen aber die Flaschen nach dem Kochen Risse, wodurch die Luft eindringen konnte, so geschahe es zuweilen, daſs sich noch Thiere in dem Aufgusse einfan - den(i)S. 203..
Hier hätten wir also eine Beobachtung, die auf den ersten Anblick mit der Needhamschen Meinung unvereinbar, und von Spallanzani selber für ein experimentum crucis gehalten zu seyn scheint. Al - le übrige Versuche dieses Naturforschers beweisen, wie wir gesehen haben, theils nicht gegen jene Meinung, theils gereichen sie derselben sogar zur Bestätigung. Allein auch diese Beobachtung ver - liehrt bey genauerer Untersuchung alle Beweiskraft. Spallanzani’s eigene Versuche zeigen, daſs eine nothwendige Bedingung zur Entstehung der Infu - sionsthiere eine gewisse Quantität athmosphärischer Luft ist. Nun aber ist bey dem letzten Versuche nicht angeführt, wie groſs die gebrauchten Flaschen waren, und es bleibt also zweifelhaft, ob nicht vielmehr eine zu geringe Menge von Luft, als dasKochen,291Kochen, an der Nichterzeugung der Infusionsthie - re Schuld war. Ein anderer, noch wichtigerer und von Spallanzani übersehener Umstand ist die Zer - setzung der Luft in den hermetisch versiegelten Flaschen, welche das Kochen nothwendig nach sich ziehen muſste. Die Analogie der übrigen lebenden Organismen macht es wahrscheinlich, daſs auch zur Erzeugung der Infusionsthiere nicht nur Luft überhaupt, sondern auch eine Luft von bestimm - ter Qualität gehört. Verlohr nun die Luft in den Flaschen nicht vielleicht diese Qualität durch das Kochen? Ich glaube, daſs sich die Frage ohne Be - denken mit ja! beantworten läſst. Denn daſs jene zur Erzeugung der Infusionsthiere erforderliche Luft respirable ist, beweisen die obigen Versuche von Spallanzani, und daſs die in den Flaschen verschlossene athmosphärische Luft durch das Ko - chen mit den Aufgüssen eine andere Mischung be - kommen muſste, lehren die Phänomene bey der Destillation thierischer und vegetabilischer Substan - zen. So bleibt folglich Needham’s System auch von dieser Seite unerschüttert; ja, es bekömmt noch eine neue Stütze durch die Spallanzanische Beobachtung, daſs sich in ungekochten Aufgüssen Thiere von anderer Art, als in gekochten erzeugen. Man suche die Eyer der Infusionsthiere in den in - fundirten Substanzen, im Wasser, oder in der Luft, so bleibt diese Beobachtung gleich unerklärbar. Aber sie wird erklärbar, sobald man mit NeedhamT 2die292die Erzeugung jener Thiere von einem vegetativen Princip, oder was für einen Namen man der Sache sonst geben will, ableitet, dessen Produkte ver - schieden sind, nach der Verschiedenheit der äus - sern Einflüsse.
Nach Spallanzani suchte endlich noch The - rechowsky(k)Diss. de Chao infusorio Linnaei. Uebersetzt in den (Leipziger) Sammlungen zur Physik u. Naturgeschich - te. B. 2. St. 2. S. 1 ff. die Erzeugung der Infusionsthiere aus Eyern durch Versuche darzuthun.
Dieser Beobachter erhielt aus den Aufgüssen einer Menge pflanzenartiger und thierischer Sub - stanzen einerley Gattung von Thieren, wenn er ei - nerley Wasser dazu gebrauchte, verschiedene, wenn er sich verschiedenen Wassers bediente(l)Leipziger Sammlungen a. a. O. S. 167..
So oft er ein Gefäſs mit einem Aufgusse von thierischen oder vegetabilischen Substanzen entwe - der hermetisch versiegelte, oder mit dem Halse umgekehrt über Quecksilber stürzte, konnte er nie ein lebendes Wesen darin entdecken(m)Ebendas. S. 169..
In reinem frischen Wasser, das in kupfernen Gefäſsen aus einem steinernen Brunnen geschöpft war, fand er zwar anfangs keine Thiere. Als er sich jedoch keine Mühe verdrieſsen lieſs, und zuwie -293wiederhohlten malen durch verschiedene Linsen und bey verschiedenem Lichte andere Tropfen be - obachtete, so wurde er endlich einige wenige Thie - re gewahr(n)S. 170..
In Wasser, welches mit keiner vegetabilischen oder thierischen Materie vermischt war, kamen nach einigen Tagen in einer mäſsigen Wärme, so wie das Wasser ausdünstete, mehrere Thiere zum Vorscheine, obgleich noch keine Spuhr von Fäul - niſs in demselben zu entdecken war(o)S. 171..
Eiswasser, gekochtes und frisches Wasser wur - den in verschiedenen reinen Gläsern offen hinge - stellt. Nach einigen Tagen zeigten sich blos in dem frischen Wasser Infusionsthiere, in den bey - den andern Gläsern aber keine(p)Ebendas..
Wurde zu dem gekochten Wasser und dem Eis - wasser frisches ungekochtes Wasser gegossen, so zeigten sich nach einigen Tagen in beyden einige wenige Thiere(q)Ebendas..
Von Aufgüssen sowohl vegetabilischer, als ani - malischer Substanzen mit Eiswasser, abgesottenem und frischem Wasser, brachten blos die mit fri - schem Wasser bereiteten Infusionsthiere hervor; indenT 3294den beyden übrigen erzeugte sich weiter nichts, als Häutchen und Fasern(r)S. 171..
Wurde den letztern Aufgüssen frisches Was - ser beygemischt, so kamen auch in diesen Infu - sionsthiere zum Vorscheine(s)S. 172..
Wurden die Infusionsthiere in einem Aufgusse durch Hitze oder Frost getödtet, so erzeugten sich nachher keine neue Thiere in demselben, wenn die Flüssigkeit auch noch so lange aufbewahrt wur - de(t)S. 173..
Gekochte Blätter oder gekochtes Fleisch gaben mit frischem Wasser Infusionsthiere, hingegen kei - ne mit gekochtem(u)Ebend..
Endlich füllte Therechowsky zwey Gläser mit einem heiſs bereiteten, aber wieder kalt gewor - denen Aufgusse, und lieſs in das eine einen Trop - fen von einer andern Infusion fallen, der mit Thie - ren angefüllt war. Je länger er dieses aufhob, de - sto mehr Thiere erschienen darin, welche auch denen in dem zugemischten Tropfen befindlichen vollkommen ähnlich waren. In dem andern Auf - gusse bemühete er sich umsonst, Infusionsthiere zu entdecken(v)Ebend..
The -295Therechowsky schlieſst aus diesen Beobach - tungen, daſs die Infusionsthiere nicht aus den in - fundirten Substanzen, sondern aus Eltern oder Ey - ern entstehen, die in dem aufgegossenen Wasser verborgen liegen(w)S. 166..
Man kann diese Erfahrungen in zwey Classen eintheilen: in solche, welche den Beobachtungen von Needham, Wrisberg und Spallanzani nicht entgegen sind, und in solche, welche mit den letz - tern in Widerspruche stehen. Zu jenen gehört die Beobachtung, daſs Infusionen, die mit verschiede - nem Wasser bereitet sind, verschiedene Thiere ge - ben, und diese läſst sich eben so gut mit der Need - hamschen, als der Therechowskyschen Meinung von der Entstehung der Infusionsthiere vereinigen, indem jener zufolge nach der Verschiedenheit der äussern Einflüsse und also auch nach der verschie - denen Mischung des aufgegossenen Wassers die Produkte des erzeugenden Princips verschieden seyn müssen. Wenn aber Therechowsky behaup - tet, daſs verschiedene Substanzen, die mit einerley Wasser infundirt sind, einerley Infusionsthiere her - vorbringen, so sprechen dagegen so viele meiner eigenen Beobachtungen, daſs mir die Treue und Genauigkeit dieses Schriftstellers sehr verdächtig wird. Man darf nur Kressensaamen und Roggen - körner mit einerley Wasser infundiren, um sichvomT 4296vom Gegentheile zu überzeugen. Wenn ferner Th. beobachtet haben will, daſs sich in Aufgüssen mit gekochtem Wasser keine Infusionsthiere erzeugen, so verliehrt diese Behauptung schon durch den Wi - derspruch, worin sie mit den Versuchen von Need - ham, Wrisberg und Spallanzani steht, viel von ihrem Gewichte. Spallanzani’s Versuche enthal - ten indeſs den Schlüssel zu diesem Widerspruche. Wir haben nehmlich gesehen, daſs sich bey diesen Versuchen in manchen Infusionen mit gekochtem Wasser keine Infusionsthiere erzeugten, obgleich sie in eben so vielen andern zum Vorscheine kamen. Ohnstreitig müssen also ausser dem Kochen noch andere Umstände hinzukommen, wenn das aufge - gossene Wasser seine Tauglichkeit zur Hervorbrin - gung der Infusionsthiere verliehren soll, und diese Umstände fanden vielleicht bey den Therechowsky - schen Versuchen statt. Gesetzt aber auch, es hätte seine Richtigkeit, daſs in Aufgüssen mit gekochtem Wasser niemals Infusionsthiere entstehen, so be - wiese dieser Satz doch wieder eben so viel für, als gegen Needham. Denn daſs die durch das Ko - chen bewirkte Mischungsveränderung des Wassers nicht ohne Einfluſs auf das erzeugende Princip blei - ben kann, läſst sich schon zum voraus vermuthen, und daſs sie wirklich einen Einfluſs auf dieses Prin - cip hat, erhellet aus Spallanzani’s Beobachtung von der Verschiedenheit der Thiere in gekochten und ungekochten Infusionen.
Alles spricht also bis jetzt noch für und nichts gegen eine Meinung, mit deren Begründung die ganze Biologie begründet ist. Es giebt aber noch einen andern Weg, worauf sich jene Meinung prü - fen läſst, und auch diesen laſst uns erst versuchen, ehe wir ihr beytreten. Ist es ein gewisses, mit jeder lebenden Materie unzertrennlich verbundenes, und nach der Verschiedenheit der äussern Einflüs - se nur unter verschiedenen Gestalten sich äussern - des Princip, dem die Infusionsthiere ihr Entstehen verdanken, so wird ohne Zweifel das Licht, das sich auf die ganze übrige lebende Natur so wirksam zeiget, auch auf die Erzeugung dieser Thiere einen wichtigen Einfluſs haben. Welche Erscheinungen erfolgen also in Aufgüssen, die dem Lichte ausge - setzt sind? Sind die Thiere in diesen ganz ver - schieden von denen, welche bey der Abwesenheit des Lichts entstehen, so bleibt nichts übrig, als entweder der Needhamschen Meinung beyzutreten, oder in den Lichtstrahlen Infusionsthiere und deren Eyer zu suchen.
Jene Verschiedenheit zeigt uns nun wirklich die Erfahrung an den unter dem Namen der Priestleyschen grünen Materie bekann - ten Infusionsthieren, Organismen, die sich von al - len übrigen Thieren der Art durch ihre grüne Farbe, durch ihr Vermögen, unter allen Um -T 5stän -298ständen, und selbst noch eine Zeitlang nach dem Tode, Sauerstoffgas auszuathmen, vorzüglich aber darin unterscheiden, daſs sie blos in Aufgüssen, die der Einwirkung des Lichts ausgesetzt sind, sich erzeugen.
Priestley entdeckte diese Materie und ihr Ver - mögen, Sauerstoffgas auszuathmen, bey seinen Versuchen über die Respiration der Pflanzen(x)Priestley Versuche und Beobachtungen über ver - schiedene Theile der Naturlehre. Th. 1. S. 259.. Er fand, daſs sie sich am leichtesten in Brunnen - wasser, und in Wasser, welches mit fixer Luft im - prägnirt ist, erzeugt(y)Ebendas. S. 261., daſs Licht zur Hervor - bringung derselben ein nothwendiges Erforderniſs ist(z)S. 262., und daſs ihre erste grüne Farbe mit der Zeit in eine Pomeranzenfarbe übergeht(a)S. 263.. Weil sie aber auch in verschlossenen Gefäſsen entstand, und weil sie ihm unter dem Vergröſserungsglase gröſstentheils als ein dichtes erdartiges Wesen er - schien, so glaubte er, daſs sie weder animalischer, noch vegetabilischer Natur, sondern ein Wesen von eigener Art sey(b)S. 262.. Aus spätern Erfahrungen zog er den Schluſs, daſs Wasser in den zur Erzeugung der grünen Materie tauglichen Zustand versetzt, durch denselben Proceſs auch das Vermögen erhal -te,299te, Sauerstoffgas hervorzubringen, und daſs daher dieses Gas jenem Proceſs und nicht der grünen Ma - terie seinen Ursprung verdanke(c)S. 264.. Er lieſs daher diese Substanz wieder ganz ausser Acht, bis Ingen - houss(d)Versuche mit Pflanzen. Uebersetzt von J. A. Sche - rer. Th. 1. bewies, daſs das Sauerstoffgas, welches Wasser giebt, worin sich grüne Materie abgesetzt hat, blos durch die letztere erzeugt werde.
Priestley nahm hierauf diese Substanz für eine Confervenart an, und setzte seine vorigen Ver - suche mit derselben wieder fort(e)Priestley a. a. O. Th. 2. S. 15 ff. u. S. 28 ff..
Er fand seine ehemahlige Beobachtung, daſs jene Materie blos unter Mitwirkung des Sonnen - lichts hervorgebracht wird, bestätigt(f)Ebendas. S. 16 ff..
Ferner bemerkte er, daſs Brunnenwasser der Erzeugung dieser Substanz günstiger, als destillir - tes und Regenwasser ist(g)S. 31..
Sie entstand auch in Wasser, welches mit Kü - chensalz und Salpeter geschwängert war, und zwar hatte die in dem erstern erzeugte nicht nur eine re - gelmäſsigere Bildung als die, welche in gemeinemWas -300Wasser entstanden war, sondern hauchte auch mehr Sauerstoffgas, als diese, aus(h)S. 33..
In Wasser, welches mit fixer Luft ge - schwängert war, bildete sie sich erst, nachdem die - ses Gas wahrscheinlich schon entwichen war(i)S. 34..
Unter den vegetabilischen Substanzen, welche Priestley anwandte, nehmlich Kohl, Salat, Spring - kraut, Gurken, weisse Lilien, Erdbeeren, Rüben, und Zwiebeln, waren die Erdbeeren der Erzeugung der grünen Materie am günstigsten(k)S. 42., die Zwie - beln am ungünstigsten(l)S. 44..
Eine ähnliche Verschiedenheit fand in dieser Hinsicht unter animalischen Substanzen statt(m)S. 45.. Am besten ging die Erzeugung der grünen Mate - rie von statten, als Priestley eine todte Maus in Wasser der Sonne aussetzte(n)S. 49.. Auch das Gehirn, die Lungen und die Leber von Schaafen wurden sehr bald mit grüner Materie bedeckt, welche ei - ne beträchtliche Menge Sauerstoffgas lieferte(o)S. 51.. Schaafgalle mit der Gallenblase nahm ebenfalls bin - nen wenigen Tagen eine grüne Farbe an, und er -zeug -301zeugte Sauerstoffgas, welches aber bald völlig wie - der verschluckt wurde(p)S. 52.. Schaafblut und Schöp - sentalg hingegen gaben gar keine grüne Materie(q)S. 51..
Von Fischen, welche unter Wasser dem Son - nenlichte ausgesetzt wurden, trennte sich sehr bald eine dünne häutige Substanz, dann sonderte sich eine rothe Materie ab, welche sich in der ganzen Masse des Wassers ausbreitete, und diese verwan - delte sich endlich in grüne Materie(r)S. 45..
Bey einem ähnlichen Versuche mit einer gebra - tenen Flechse aus dem Halse eines Kalbes zeigte sich, daſs überhaupt alles Wasser, ehe es grün wurde, eine röthliche Farbe bekam, wenn auch kein Blut oder andere rothe Theile sich innerhalb oder ausserhalb dem der Untersuchung ausgesetzten Körper befanden(s)S. 48..
So viel Merkwürdiges uns diese Priestley - schen Beobachtungen von der grünen Materie auch schon lehren, so wenig ist dies doch mit dem zu vergleichen, was in der Folge Ingenhouss(t)Vermischte Schriften physisch-medicinischen Inhalts. B. 2. No. 3. an derselben entdeckte. Nachdem dieser sich drey Jahre hindurch bemühet hatte, die Natur jener Sub -stanz302stanz zu bestimmen, wurde er überzeugt, daſs Priestley sie erst untersucht habe, nachdem sie schon ein hohes Alter erreicht hatte, und daſs sie, vom Anfange ihres Entstehens an beobachtet, das auffallendste Beyspiel eines allmähligen Uebergangs vom Thierreiche zum Pflanzenreiche, und von die - sem wieder zum Thierreiche gebe(u)Ebendas. S. 131 ff.. Eine so höchst merkwürdige Entdeckung würde, wenn sie sich bestätigen sollte, keinen Zweifel an der Rich - tigkeit der Needhamschen Beobachtung übrig las - sen, und sie verdient daher vor allen andern eine umständliche Darstellung.
Setzt man Brunnenwasser in offenen, oder ver - schlossenen, aber durchsichtigen Gefäſsen der Son - ne aus, so steigen einige Tage nach dieser Aus - setzung von dem Boden, oder den Wänden des Ge - fäſses Luftblasen aus, und zugleich bildet sich eine grünliche Kruste darin(v)S. 145.. Diese, unter dem Ver - gröſserungsglase betrachtet, erscheint als ein Hau - fen grünlicher, gröſstentheils runder, oder eyför - miger, sehr kleiner, mit einer durchsichtigen und schleimigen Kruste umgebener Partikeln, wovon einige sich frey bewegen, andere aber, die jedoch jenen vollkommen ähnlich sind, an den Wänden des Gefäſses unbeweglich festsitzen(w)S. 146.. Zu eini - gen Zeiten ist jene Bewegung deutlicher, als zuan -303andern. Oft liegen die Thierchen wie betäubt, nehmen aber nachher ihre vorige Thätigkeit wie - der an(x)S. 157..
Die Körperchen vermehren sich beständig, und mit ihnen die Kruste(y)S. 147.. Nach etlichen Wochen bekömmt die letztere eine gewisse Dicke und Con - sistenz. Untersucht man sie in diesem Zustande, so zeigt sie sich grade so, wie sie von Priestley beschrieben ist. Sie scheint dann wirklich ein schleimiger Bodensatz des Wassers zu seyn, der an der Sonne grün geworden ist; man sieht an ihr keine Organisation. Die grünen Partikeln, die zur Zeit ihrer Entstehung deutlich sichtbar waren, sind jetzt so auf einander gehäuft, und vielleicht in ih - rer Organisation so verändert, daſs auch der auf - merksamste Beobachter, wenn er nicht ihre ganze Verwandlung Schritt vor Schritt verfolgte, sehr schwer die Spuhren ihrer ersten Gestalt ent - deckt(z)S. 149-151..
Einige Wochen später, wenn die Kruste noch mehr Consistenz erlangt hat, scheint sie eine ver - wirrte Masse, ein erhärteter grüner Schleim gewor - den zu seyn. Reisset man diese Masse aus einan - der, und beobachtet man die Ränder derselben mit einem guten Microscop, so erblickt man noch dieur -304ursprünglichen grünen Körperchen, aber entstellt, von einer schleimigen Materie umhüllet, und durchflochten mit durchsichtigen Fäserchen, die kleinen farbenlosen Glasröhren ähnlich sehen, und unregelmäſsige, jedoch augenscheinliche Bewegun - gen äussern. Sie nähern sich einander, kehren wieder in ihre vorige Lage zurück, verwickeln sich oft unter einander, und machen sich wieder los. Trifft man die Zeit, wo diese Bewegungen in ihrer gröſsten Stärke vor sich geben, so sollte man die Fasern für aalförmige Thiere halten(a)S. 152.. Wirklich sind sie auch den Essig-Aelchen einigermaaſsen ähn - lich. Oft bemerkt man an ihnen sogar peristalti - sche Bewegungen(b)S. 153, 154..
Die weisse Farbe und Bewegung dieser Fäden dauert nur eine gewisse Zeit. Nach etlichen Mo - naten wird die grüne Kruste fester, uneben, und erhebt sich hier und da in unregelmäſsige Hügel - chen. Die Fasern nehmen sich jetzt deutlicher aus; sie sind grün, und ohne Ordnung zerstreut, be - sonders an den erhabensten Theilen der vorsprin - genden Kruste; sie übersteigen aber die Oberfläche der Kruste nicht, welche immer glatt, und dem Gefühle nach ziemlich hart bleibt. In dieser Kru - ste findet man kaum noch erkennbare Ueberbleibsel der ursprünglichen Thierchen(c)S. 155..
Ue -305Ueberläſst man noch ferner die Kruste sich sel - ber, indem man von Zeit zu Zeit, aber selten, das Wasser erneuert, so nehmen die Unebenheiten der grünen Kruste immer mehr zu, und erheben sich in Pyramiden. Sobald diese Pyramiden sich bilden, richten sich die grünen Fasern, die sich unregelmäſsig durch die Unebenheiten der grünen Kruste schlängelten, auf, entwickeln sich, und fü - gen sich nach der Länge der pyramidenförmigen Körper. Besonders kenntlich werden sie gegen den obern Theil der letztern. Das Uebrige der Pyrami - den ist eine durchsichtige, gallertartige Materie, die Consistenz genug hat, um ihre Gestalt, wenig - stens so lange sie unter Wasser steht, aufrecht zu erhalten. Wenn dieselben unter die Gewächse (Pflanzenthiere) gehören, so ist es unter die Tre - mellen(d)S. 155, 156..
Hänfiger und geschwinder als in bloſsem Brun - nenwasser entsteht die grüne Materie, wenn man thierische oder vegetabilische Substanzen jenem bey - mischt(e)S. 161.. Hingegen in gekochtem und destillir - tem Wasser, welches in einem Gefäſse über Queck - silber stand, erzeugte sich nichts von jener Mate - rie, ohngeachtet das Gefäſs über anderthalb Jahre der Sonne ausgesetzt war(f)S. 162, 173.. Als aber Ingen -houssBd. II. U306houss frisches und noch zuckendes, oder gekoch - tes Fleisch mit einsperrte, so bildete sich grüne Materie, doch nur langsam und nicht sehr häu - fig(g)S. 173, 177.. Nur sehr langsam und unvollkommen ging auch die Erzeugung dieser Materie in gekochtem und destillirtem Wasser vor sich, welches in offe - nen Gefäſsen, aber ohne Beymischung einer ver - weslichen Substanz, der Sonne ausgesetzt war(h)S. 162.. Unter verschiedenen thierischen Substanzen lieferte Ochsengalle, und unter vegetabilischen Indigo die gröſste Menge dieses Grüns(i)Ebendas..
Ausser daſs sich die grüne Materie in Wasser, welches mit thierischen oder vegetabilischen Sub - stanzen vermischt ist, viel schleuniger und häufi - ger, als in unvermischtem, erzeugt, gehen auch die Verwandlungen derselben in jenem weit rascher, als in diesem vor sich. Ferner sind die Thiere, woraus die grüne Materie besteht, verschieden nach der Verschiedenheit der angewandten verwes - lichen Substanz(k)S. 163.. Doch erhält man nicht immer vermittelst derselben verweslichen Substanz diesel - be Art von Thieren(l)Ebendas.. Die gröſste Art fand In - genhouss in einem mit Kuh - und Taubenmist ver -misch -307mischten Wasser, und in dem Abgusse der Fleisch - bänke, der im Sommer grün geworden war. Diese Thiere waren länglich, hinten und vorne zuge - spitzt, und von einem schönen dunkeln Grün. Un - ter dem Vergröſserungsglase erschienen sie als wah - re Fische, sowohl in ihrer Gestalt, als in ihrer Art zu schwimmen. In diesem Zustande blieben sie nur wenige Tage. Sie wurden alle rund, fuhren aber noch einige Zeit fort, das Wasser mit der nehmlichen Geschwindigkeit zu durchlaufen. Al - lein bald hörte ihre Bewegung auf; sie hängten sich an einander, und bildeten eine grüne Kruste(m)S. 164.. Diese Verwandlung ging oft sehr schnell vor sich. Das Thier setzte sich senkrecht auf, hielt sich mit dem einen Ende seines Körpers unbeweglich an, indem es sein oberes Ende zirkelförmig bewegte, und nach einigen solchen zirkelförmigen Bewegun - gen, wobey sich das Thier bald verlängerte, bald verkürzte, machte es sich wieder unter der Gestalt einer Kugel los(n)S. 165.. Uebrigens erleiden diese durch verwesliche Substanzen hervorgebrachten Thiere, wenn sie sich einmal in der schleimigen Kruste fest - gesetzt haben, die nehmlichen Verwandlungen wie die, welche in unvermischtem Wasser entstehen. Nur bildet sich die Kruste bey jenen schneller, unddieU 2308die sich bewegenden Fasern lassen sich hier ver - hältniſsmäſsig eher bemerken(o)S. 167..
Einige male beobachtete Ingenhouss, daſs die grüne Materie, nachdem sie ein ganzes Jahr hin - durch in einem offenen Becken gestanden, und die Gestalt einer Tremelle angenommen hatte, sich auf - lösete, verfaulte, und das Wasser, welches bis dahin klar geblieben war, trübe und grün machte. Bey näherer Untersuchung zeigte sich, daſs diese Farbe von einer ausserordentlich groſsen Menge der nehmlichen kleinen Thiere herrührte, welche im verwichenen Jahre das ursprüngliche Grün ge - bildet hatten. Die neuen Thiere verhielten sich auch ganz, wie die vorigen. Sie fielen allmählig zu Boden, und bildeten eine neue grüne und schlei - mige Kruste, genau wie die erstere(p)S. 207.. Die nehm - liche Erscheinung brachte Ingenhouss nach Wohl - gefallen hervor, indem er die gekörnte grüne Mate - rie trocknete, zu einem feinen Pulver zerrieb, und in einer Glaskugel voll Wasser der Sonne aussetz - te, ohne eine andere Substanz beyzufügen. Wenn übrigens die gekörnte grüne Materie nicht getrock - net wird, sondern beständig mit Wasser bedeckt bleibt, und keiner zu anhaltenden Sonnenhitze lan - ge ausgesetzt ist, so erhält sie sich mehrere Jahre hindurch ganz unverändert(q)S. 208..
So -309So weit die Priestleyschen und Ingenhouss - schen Beobachtungen über die grüne Materie. Die Beweiskraft derselben, und besonders der letztern, für die Meinung, daſs es eine gewisse Kraft giebt, welche ohne präexistirenden Saamen, blos aus ver - weslichen Substanzen lebende Organismen hervor - zubringen vermag, ist so einleuchtend, daſs sie kaum eines Commentars bedürfen. Denn wo ist bey jenen Thieren, denen die grüne Materie ihren Ursprung verdankt, auch nur ein Verdacht von Er - zeugung aus Eyern? Wie auffallend deutet dage - gen jene Absonderung häutiger Substanzen von den thierischen Stoffen der Aufgüsse, und jene rothe Farbe des Wassers, die auch dann, wenn keine rothe Theile in der Infusion vorher befindlich ge - wesen sind, dem Entstehen der grünen Thiere vor - her geht, auf eine Erzeugung der letztern durch gewisse chemische Processe hin? Und wie über - einstimmend ist diese Beobachtung mit denen von Needham, Wrisberg und Müller über die Auf - lösung der thierischen und vegetabilischen Stoffe in Molekülen, und den Uebergang dieser Partikeln in Infusionsthiere? Läſst sich endlich nach Ingen - houss’s Erfahrungen über die Verwandlung der anfangs animalischen Natur der grünen Materie in eine vegetabilische an der Richtigkeit der Need - hamschen Beobachtungen von dem Uebergange thie - rischer Organismen in Pflanzen mit Grunde noch zweifeln?
Doch die Gründe für Needham’s Meinung sind noch bey weitem nicht alle erschöpft. Auch die Saamenthiere geben einen neuen Beweis dafür. Needham und Buffon(r)Hist. nat. T. 2. p. 168 sq. sahen in dem Zeugungs - stoff verschiedener Thiere lange Fasern, die sich zu beyden Seiten in Zweige vertheilten. Diese Fa - sern öffneten sich, und zergingen in lebende Kü - gelchen, die einen Schwanz hinter sich herschlepp - ten. Der letztere löste sich nach einiger Zeit von ihnen ab; dann verlohren sie ihre Bewegung; sie fielen zu Boden, und lösten sich wieder in Fäser - chen auf, aus denen von neuem eine kleinere Art von Thieren entstand.
Wrisberg(s)Observ. de animalc. infus. p. 95 sq. fand, daſs die Thiere in fri - schem, unverdünntem Saamen mit ihren Schwän - zen an den von Needham und Buffon beschriebe - nen Fäserchen hingen; in verdünntem Saamen aber fand er sie von diesen getrennt. Uebrigens sahe er eben so, wie diese Beobachter, in einem Auf - gusse von männlichem Saamen nach dem Tode der eigentlichen Saamenthiere ein dünnes Häutchen entstehen, und die letztern sich in Thiere von einer andern Gattung verwandeln(t)Ibid. obs. IX. p. 30..
Die311Die Bewohner des männlichen Saamens gehö - ren also in dieselbe Classe, wohin alle übrige In - fusionsthiere zu rechnen sind, und das nehmliche Princip, das in Aufgüssen anderer vegetabilischer und animalischer Substanzen thätig ist, wirkt auch in jener Flüssigkeit.
Bey den bisher angeführten Beobachtungen zeigte sich jenes Princip meist nur noch unter ani - malischen Formen, (das Wort animalisch nach dem Sprachgebrauche des gemeinen Lebens als gleichbedeutend mit beseelt genommen). Allein wenn die lebende Materie jeder Form des Lebens fähig ist, so muſs sie an sich gestaltlos seyn, und ihre bestimmten Formen nur durch äussere Ein - flüsse erhalten, und auch nur durch diese darin er - halten werden. In eben den Aufgüssen, worin sie uns bisher unter der Gestalt von Thieren erschien, muſs sie also bey veränderten Umständen auch ve - getabilische Organismen hervorbringen können.
Eine Bestätigung dieses Schlusses finden wir schon in den Needhamschen und Ingenhoussschen Versuchen. Aber auch die Erzeugung des Schim - mels stimmet ganz damit überein. Fast in allen den Aufgüssen, woran Wrisberg seine angeführ - ten Beobachtungen über die Infusionsthiere machte, sahe er auch, nachdem die Fäulniſs ihren Anfang genommen hatte, verschiedene Arten von Schim -U 4mel312mel hervorkommen, die in eben dem Verhältnisse, wie die Infusionsthiere und Polypen, zunahmen, und mit diesen wieder verschwanden, und deren Stiele aus ähnlichen Molekülen, wie die Schwän - ze der Polypen, zusammengesetzt waren. Wris - berg schlieſst hieraus: Illum motum illamque agi - tationem, cui animalia infusoria obediunt, eundem in vegetandis mucoribus exserere effectum, atque in mucoribus et polyporum pedunculis moleculas iisdem legibus longitudinaliter congeri, quibus sub alia figura in animalibus conglutinantur infuso - riis(u)Wrisberg a. a. O. S. 92 ff..
Noch analoger aber erscheint die Erzeugung der Infusionsthiere und des Schimmels in Monti’s Beobachtungen(v)Commentar. Acad. sc. Bonon. T. III. p. 145. Ueber - setzt im Hamburg. Mag. B. XIX. J. 1757. S. 563 ff..
Monti fand auf animalischen und vegetabili - schen Substanzen, welche sich in verschlossenen Röhren befanden, einen so häufigen und langen Schimmel, daſs die Röhren ganz damit angefüllt waren. Setzte er aber eben diese Substanzen der freyen Luft aus, so entstand zwar auch dann auf ihnen Schimmel, doch ein weit kürzerer und min - der dauerhafter(w)Comm. Bonon. l. c. p. 149..
Zur313Zur Sommerszeit kömmt der Schimmel am reichlichsten und geschwindesten hervor; langsa - mer wächst er in den Herbstmonaten; am lang - samsten, oder gar nicht entsteht er in den Winter - monaten und zu Anfange des Frühlings(x)Ibid. p. 151..
Auf faulenden Substanzen, die sich unter dem Recipienten der Luftpumpe befanden, erzeugte sich eben so wohl Schimmel, als auf solchen, welche ausserhalb dem Recipienten standen, wenn etwas Luft wieder in den Recipienten getreten war; hin - gegen war auf jenen kein Schimmel zu finden, wenn der Cylinder keine Luft eingelassen hatte(y)p. 151, 152..
In Gefäſsen, die mit Wachse, Rindsblasen, Korkstöpseln, Pergament, Papier, leinenen, baum - wollenen und andern Zeugen verschlossen waren, erzeugte sich eben so wohl Schimmel, als in offe - nen Gefäſsen, wenn jene eine hinlängliche Menge Luft enthielten; es entstand aber keiner in kleinen Gefäſsen, welche nur wenig Luft faſsten(z)p. 152..
Um zu erfahren, ob das Feuer die Erzeugung des Schimmels auf solchen Körpern, worauf er sonst leicht entsteht, hindern könne, goſs Monti auf dergleichen Substanzen, ehe er die Gläser, wor - in sie sich befanden, zuband, sehr heisses Wasser. NachU 5314Nach einigen Tagen waren aber diese Gefäſse eben so voll von Schimmel, als diejenigen, worin kein heisses Wasser gekommen war(a)p. 153..
Monti änderte hierauf diesen Versuch auf fol - gende Art ab. Er schüttete in gläserne Gefäſse Stücke von Früchten, lieſs jene eine Viertelstunde in siedendem Wasser stehen, und verschloſs sie in demselben Augenblicke, als er sie aus dem Was - ser zog, mit einem heiſs gemachten Deckel. Alle diese Gefäſse wurden nun gut verbunden, und an dem gewöhnlichen Orte acht Tage lang aufgehoben. Nach Verlauf dieser Zeit fand sich in denjenigen, welche mit Lappen von dünnem Zeuge zugebunden waren, Schimmel, hingegen keiner in denen, wel - che mit dickern Lappen, oder mit Pergament, Fell u. dgl. verschlossen waren. Die in den letztern Gläsern befindlichen Substanzen hatten eine weisse und runzlichte Oberfläche bekommen(b)Ibid..
Dieselben Resultate erhielt Monti bey der Wiederhohlung dieses Versuchs, wenn nur die da - bey gebrauchten Substanzen die Hitze des sieden - den Wassers ausgestanden hatten, und gleich beym Herausziehen aus dem Wasser mit einem heissen Deckel verschlossen wurden. Wenn aber dieses Verschliessen langsamer geschahe, und in die Ge - fäſse vorher kalte Luft hereintrat, so fand sich inde -315denen, die mit dicken Zeugen verbunden waren, eben so wohl Schimmel als in denen, welche Mon - ti mit dünnen Lappen verschlossen hatte(c)p. 154..
Eben so erzeugte sich auch Schimmel in den - jenigen Gefäſsen, welche in dem siedenden Wasser gelegen hatten, und im Moment des Herausneh - mens verschlossen waren, wenn dieselben nachher auch nur auf einen Augenblick wieder geöffnet wurden(d)Ibid..
Monti zog hieraus den Schluſs, daſs das Nicht - aufkommen des Schimmels in den erhitzten und genau verschlossenen Gefäſsen von der durch die Hitze bewirkten Verdünnung der Luft herrühre. Er glaubte, diese Verdünnung der Luft zu verhin - dern, wenn er die Gefäſse, nachdem sie eine Vier - telstunde in siedendem Wasser gelegen hatten, so lange darin lieſs, bis alles kalt geworden wäre. Dies geschahe, und, als die Gefäſse aus dem Was - ser herausgenommen waren, lieſs Monti dieselben mit schon zubereiteten und am Feuer gedörrten Deckeln so genau wie möglich verschliessen, und an den gewöhnlichen Ort hinsetzen. Nun erzeugte sich wirklich auch in allen eben so gut Schimmel, wie in denjenigen, welche nie in die Hitze des sie - denden Wassers waren gebracht worden(e)Ibid..
End -316Endlich setzte Monti verschlossene Gefäſse mit leicht schimmelnden Substanzen in Sand -, Wasser - oder Aschenbäder, und erhielt sie eine halbe Stun - de in sehr starkem Feuer. Nach Verlauf der ge - wöhnlichen Zeit waren alle die, die er mit dichten Deckeln verschlossen hatte, ohne Schimmel, ein einziges ausgenommen, das in dem Frauenbade mit Sand oder Asche nicht ganz hatte bedeckt werden können. Hingegen hatte sich in allen den Gefäſsen, die mit dünnem Zeuge zugebunden waren, Schim - mel erzeugt(f)p. 154, 155..
Die Uebereinstimmung zwischen diesen Beob - achtungen und den Resultaten der Spallanzani - schen Versuche über die Erzeugung der Infusions - thiere leuchtet jedem ohne unser Erinnern ein. Zu - gleich aber geben diese Montischen Erfahrungen, und vorzüglich die Beobachtung, daſs etwas kalte, bey einem langsamen Verschliessen der Gläser in dieselben eindringende Luft sogleich Schimmel her - vorbrachte, einen neuen Beweis, daſs es nicht in der Luft schwimmende Eyer und Saamenkörner seyn können, woraus die in vegetabilischen und animalischen Aufgüssen befindlichen Organismen ihren Ursprung nehmen. In jedem Cubikzoll ath - mosphärischer Luft müſste man Schimmelsaamen annehmen, um diese Voraussetzung mit jener Beob - achtung in Uebereinstimmung zu bringen. Auch hierdurch wird also die Wahrheit dessen bestätigt,was317was wir schon bey den Erfahrungen von Spallan - zani bemerkt haben, daſs die Nichterzeugung von Zoophyten in verschlossenen und nach der Ver - schliessung erhitzten Gefäſsen, blos von der durch die Hitze bewirkten Zersetzung der Luft in den Gläsern herrührt.
Ausser diesen Beobachtungen von Wrisberg und Monti giebt es bey der Bildung des Schimmels noch andere Phänomene, welche, gleich mehrern bey der Entstehung der Infusionsthiere statt finden - den Erscheinungen, auf einen dabey vorgehenden chemischen Proceſs hindeuten.
So wie dem Entstehen der Infusionsthiere und der Priestleyschen grünen Materie eine Absonde - rung membranöser Substanzen von den animali - schen und vegetabilischen Substanzen der Aufgüsse vorhergeht, so verwandeln sich auch im Wasser aufgelöste Pflanzenschleime, ehe sie schimmeln, in eine Haut, und zwar in eine Haut, die nicht mehr im Wasser auflösbar ist(g)Grens Grundriſs der Chemie. Th. 2. S. 112. §. 1093..
Vauquelin erhielt aus der Leber des Rochen, nachdem er sie mit einem zinnernen Löffel in einem irdenen Gefäſse zerdrückt und erhitzt hatte, ein gelbes Oel, worauf er zwölf Stunden nach der Ex - traktion blies. Bey der Fortsetzung dieses Blasens entstand eine weisse undurchsichtige Haut, die sichin318in kleine Blättchen theilte und mit dem Oel ver - mischte. Diese Haut und die weissen undurchsich - tigen Körperchen, die sich am Grunde des Oels sam - melten, waren, nach Vauquelin’s Meinung, Was - ser, das sich durch die Exspiration erzeugt hatte. Jedes Wasserkügelchen wurde, obgleich es durch das darüber stehende Oel vor der Luft geschützt war, mit der Byssus septica L. überzogen. “Wie kömmt „ hier aber”, frägt Vauquelin, “der Saame dieser „ Pflanze in die erwähnte Flüssigkeit? Kömmt er „ aus der Brust, aus der ausgeathmeten Luft, oder „ aus dem Oel? Aus der athmosphärischen Luft „ kann er nicht herrühren, da diese erst nach der „ Exspiration und zwar durch eine enge Glasröhre „ zugesetzt wurde”(h)Annales de Chimie. T. X. p. 193.. Ich dächte aber, aus dem Oel könnte er noch viel weniger gekommen seyn.
Als im Jahre 1800 die Höhle bey Glücksbrunn oft erleuchtet wurde, wozu man Unschlitt-Lichter gebrauchte, die man blos durch Thon an die Seiten - wände der Höhle befestigte, fand Köcher vierzehn Tage nach einer solchen Erleuchtung alles abgeflos - sene Talg in einen weissen Schimmel verwandelt, der beym Angreifen äusserst locker war, und beym Zerreiben nicht das mindeste Fettige zeigte(i)Von Hoff’s Magazin für die gesammte Mineralogie. B. 1. H. 3. S. 434..
Bisher habe ich über die Entstehung der Infu - sionsthiere, der grünen Materie und des Schim - mels blos die Versuche Anderer angeführt. Ich bin auch immer der Meinung gewesen, daſs jeder, der eine neue Idee vorträgt, diese Methode so viel wie möglich befolgen sollte. Jetzt wird es mir aber er - laubt seyn, mich auch auf meine eigenen Versuche zu berufen. Mehrere von diesen stellte ich in der Absicht an, um den Einfluſs des Galvanismus auf die Erzeugung der erwähnten Organismen zu er - forschen. Die Folgerungen, die sich in dieser Hin - sicht aus denselben ziehen lassen, habe ich an ei - nem andern Orte entwickelt. Hier werde ich nur auf diejenigen aufmerksam machen, welche die Entstehung jener Körper aus formloser Materie betreffen.
Erster Versuch. Am Ende des Aprils mach - te ich einen Aufguſs von zerschnittenen Wurzeln und andern vegetabilischen Substanzen mit funf bis sechs Pfund Fluſswasser in einem Gefaſse von weissem Glase, setzte in das Wasser mehrere Pflan - ze der Lemna trisulca und der Hottonia palustris, und brachte das Gefäſs auf ein helles Zimmer. Die Pflanzen vegetirten in dem Aufgusse bis zum Win - ter sehr lebhaft; das Wasser blieb diese ganze Zeit hindurch so klar und geruchlos, als wenn es erst eben aus dem Brunnen geschöpft gewesen wäre;es320es war voll von Wasserflöhen, Naiden und Wasser - schnecken; aber von Infusionsthieren, grüner Ma - terie und Schimmel zeigte sich nie eine Spuhr in demselben.
Eben diese Beobachtung habe ich in der Folge auch noch an andern Aufgüssen gemacht, worin sich vegetirende Wasserpflanzen befanden. Erst dann kamen in denselben Infusionsthiere oder grüne Materie zum Vorscheine, wenn das Wachs - thum der Pflanzen abzunehmen anfing.
Aber wie wird nun die Entstehung der Infu - sionsthiere durch lebende Pflanzen unterdrückt? Werden etwa die Eyer derselben von diesen einge - sogen? Aber warum geschieht dies denn nicht auch mit den Eyern der Wasserflöhe?
Zweyter Versuch. Im Anfange des Aprils bereitete ich mehrere Aufgüsse von den Blättern der Wasserlilie (Iris pseudacorus L.) mit Brunnen - wasser in Gefäſsen von dunkelgrünem Glase, be - deckte diese mit Papier, und setzte sie vor das Fen - ster meines Wohnzimmers, wo gewöhnlich eine Temperatur von 14 bis 16° R. herrschte, und wel - ches durch ein gegenüberstehendes Haus vor der Sonne geschützt war. Am 12ten Tage zeigten sich Infusionsthiere in den Aufgüssen, und an diesen machte ich folgende Beobachtungen, die mir, gleich den Phänomenen des vorigen Versuchs, mit derHypo -321Hypothese von dem Entstehen dieser Thiere aus Eyern unvereinbar zu seyn scheinen:
1) Von den vegetabilischen Substanzen der Auf - güsse lösten sich zarte Flocken ab, die unter dem Vergröſserungsglase als Aggregate sehr kleiner Molekülen erschienen. Nur an diesen Flocken fanden sich Infusionsthiere, und zwar desto mehr, je deutlicher jene Molekülen wa - ren. Brachte ich hingegen ein noch unaufge - löstes Stück der Irisblätter, oder einen Tropfen, worin keine Flocken waren, unter das Micro - scop, so zeigten sich wenige oder gar keine Thiere.
2) Aber auch in Tropfen mit flockichter Materie war am 12ten und 13ten Tage anfangs keine, oder doch wenig Bewegung zu spühren. Nur allmählig kamen die Thiere zum Vorscheine, und so wie sich dieselben mehrten, sahe ich auch einen Theil jener Materie immer beweg - licher werden, und zuletzt sich in einen Hau - fen von Thieren verwandeln, der sich von der übrigen Materie trennte, und abgesondert von derselben bewegte. Späterhin, als die Fäul - niſs in den Aufgüssen schon weitere Fortschrit - te gemacht hatte, fand dieses allmählige Er - scheinen der Thiere zwar noch statt, doch mit dem Unterschiede, daſs jeder unter das Ver - gröſserungsglas gebrachte Tropfen mit flockich -Bd. II. Xter322ter Materie schon gleich im Anfange der Beob - achtung eine beträchtliche Menge Infusionsthie - re enthielt, und daſs diese Anzahl nur mit der Zeit zunahm. Auch fanden sich jetzt selbst in manchen, die keine Flocken enthielten, ziem - lich viele Infusionsthiere.
3) Am 13ten Tage sahe ich in mehrern Tropfen einzelne Molekülen der flockichten Materie in eine langsame Bewegung gerathen, welche all - mählig stärker wurde, und zuletzt in eine will - kührliche überging. Ob diese Molekülen aber sich schon vorher bewegt hatten, und nur ru - heten, während ich sie für todt hielt, hier - über kann ich nichts bestimmen. Inzwischen bin ich gewiſs, daſs sie nicht, wie Spallan - zani gegen Needham behauptete, Fett - oder Oelklümpchen waren, worin sich kleinere In - fusionsthiere befanden, indem die Struktur derselben mit der einer Art von Infusionsthie - ren, die einen ovalen Körper mit einem haken - förmig gekrümmten Vordertheile hatte (Kol - poda Mülleri), und welche damals in den Aufgüssen sehr häufig war, ganz übereinkam.
4) An eben diesem Tage beobachtete ich ein an - deres ähnliches, aber noch auffallenderes Phä - nomen, wie Needham beschreibt. In der Nä - he eines Stücks der flockichten Materie lag ein kugelrunder undurchsichtiger Körper, der kei -ne323ne Aehnlichkeit mit irgend einem der in dem Aufgusse befindlichen Infusionsthiere hatte, lan - ge ohne alle Bewegung. Allmählig aber gerieth er in eine fortschreitende Bewegung, und rückte auf die flockichte Materie zu. So wie er sich dieser näherte, wurde seine Bewegung schneller, und als er fast in unmittelbarer Be - rührung mit ihr war, äusserte er auf einmal Bewegungen, die mit eben dem Rechte, wie die Bewegungen der übrigen Infusionsthiere, den Namen der willkührlichen verdienen. Bald eilte er zu dieser, bald zu jener Stelle der flok - kichten Materie. Doch dauerte diese Bewe - gung nur eine kurze Zeit. In einiger Entfer - nung von diesen Flocken blieb er auf einmal liegen, und äusserte weiter keine Bewegungen.
5) Am 16ten Tage fand ich in einem Tropfen mit flockichter Materie ausser mehrern andern Ar - ten von Infusionsthieren auch verschiedene, welche aus zwey zusammenhängenden Kugeln bestanden, gleich einer an einem elektrisirten Körper tanzenden Flaumfeder bald hierhin, bald dort hin flogen, dann wieder eine Zeitlang in Ruhe blieben, nun eine Strecke forttrieben, und hierauf ihr Spiel von neuem anfingen. Die beyden Kugeln, woraus diese Körper be - standen, entfernten sich bald so weit von ein - ander, daſs sie wie getrennt aussahen, baldX 2nä -324näherten sie sich so, daſs sie nur eine einzige Kugel auszumachen schienen. Nachdem diese Bewegung etwa eine Viertelstunde gedauert hatte, sonderten sich beyde Kugeln ganz von einander ab, und jedes zeigte sich nun als ein eigenes Infusionsthier.
6) Endlich fand auch in diesen Aufgüssen diesel - be Succession in der Art der Thiere statt, wel - che Needham und Wrisberg in den ihrigen beobachteten. Vom 12ten bis zum 23ten Tage waren die Infusionen voll von durchsichtigen, ovalen, mit schwarzen Punkten besetzten Thie - ren, deren Vorder-Ende hakenförmig gekrümmt war (Kolpoda Müll.). Ausserdem befanden sich um diese Zeit in den Aufgüssen fischähn - liche Thiere mit einem dicken runden Vorder - theile und spitzen Schwanze (Paramaecia Mül - leri). Selten aber fand ich unter diesen letz - tern Thieren eines, das sich in der Flüssigkeit frey herumbewegte. Fast alle hingen mit ih - rem spitzen Schwanze an der flockichten Ma - terie, und äusserten nur dann und wann eine langsame pendelähnliche Bewegung. Die übri - ge Zeit hindurch hätte man sie für völlig tod halten sollen.
Ganz anders aber verhielt es sich mit diesen beyden Arten von Thieren nach dem 23ten Tage. Die kleinen ovalen Thiere mit gekrümmtem Vor -der -325dertheile verlohren sich jetzt ganz. Die Paramäcien hingegen, die sich bis zum Ende der dritten Woche in so geringer Menge zeigten, und damals immer an der flockichten Materie hingen, wo sie blos eine pendelartige Bewegung äusserten, fanden sich jetzt in unzählbarer Menge ein, und bewegten sich mit ausserordentlicher Geschwindigkeit. Nach der drit - ten Woche erschienen auch einige Vorticellen, die sich aber bald wieder verlohren. Das Regiment der Paramäcien dauerte übrigens nur eine kurze Zeit. Schon am 34ten Tage konnte ich nicht ein einziges mehr entdecken.
Noch muſs ich bemerken, daſs sich in diesen Aufgüssen nicht die mindeste Spuhr von Schimmel zeigte, obgleich ich mehrere derselben bis in den August aufbewahrte.
Dritter Versuch. Ich wiederhohlte den vorigen Versuch in der Mitte des Sommers mit den Blättern und Wurzeln des Calmus (Acorus calamus L.) und des Butomus umbellatus. In diesen Infu - sionen zeigte sich eine ähnliche Succession verschie - dener Arten von Infusionsthieren, wie in den vo - rigen Aufgüssen, und, wie beym vorigen Versuche, so entstand auch hier nicht der mindeste Schimmel.
Vierter Versuch. Mit demselben Brunnen - wasser, womit die Aufgüsse in den beyden vorigen Versuchen gemacht waren, infundirte ich im Au -X 3gust326gust in fayencenen Tellern zerschnittene Aepfel, Carotten und rothe Rüben, und setzte diese In - fusionen an denselben Ort, wo sich die vorigen Aufgüsse befanden.
Nach einigen Tagen erzeugten sich auf diesen Infusionen gallertartige Membranen, und gegen den 14ten Tag fand ich diese Häute mit graugrünem (Mucor glaucus L.) und gemeinem Schimmel (Mu - cor mucedo) bedeckt, der sich auf den Infusionen von Aepfeln bis in die sechste, auf denen von Ca - rotten und rothen Rüben aber nur bis in die vierte Woche hielt. In keinem der Aufgüsse waren wäh - rend dieser Zeit Infusionsthiere zu finden.
Aus den drey letztern Versuchen folgt, daſs unter gleichen Umständen einige Aufgüsse blos In - fusionsthiere, andere blos Schimmel hervorbringen, und daſs die Ursache dieser Verschiedenheit nicht an dem Wasser, sondern an den infundirten Sub - stanzen liegt. Es folgt zweytens daraus, daſs bey der Entstehung der Infusionsthiere andere chemi - sche Processe als bey der des Schimmels statt fin - den; bey der erstern nehmlich werden die infun - dirten Substanzen in eine flockenartige, bey der letztern in eine gelatinöse Materie aufgelöst. Sind nun jene Processe blos coexistirende Phänomene mit der Erzeugung der Infusionsthiere und des Schim - mels, oder sind sie Ursachen dieser Erzeugung? Daſs sie von der Entstehung der InfusionsthiereUrsa -327Ursachen und nicht Coeffekte sind, machen die beym ersten und zweyten Versuche angeführten Beobachtungen sehr wahrscheinlich. Da nun nach dem vorigen Versuche die Phänomene, die der Bildung des Schimmels vorhergehen, denen, wel - che sich vor der Erscheinung der Infusionsthiere zeigen, ähnlich sind, so berechtigt uns diese Ana - logie zu dem Schlusse, daſs auch von der Entste - hung des Schimmels die erwähnten chemischen Pro - cesse Ursachen und nicht Mitwirkungen sind. Die Richtigkeit dieses Schlusses wird, glaube ich, durch folgende Beobachtung ausser Zweifel gesetzt.
Fünfter Versuch. Auf den Alpen findet sich ein rother Schnee, der nach Ramond’s Unter - suchungen(i*)Scherer’s allgem. Journal der Chemie. B. IV. H. 24. S. 670. eine vegetabilische Substanz, ver - muthlich eine Byssus-Art, ist. Gesetzt nun es lies - se sich durch Zumischung gewisser chemischer Agentien zu solchen Aufgüssen, auf welchen sich sonst nur gewöhnlicher Schimmel erzeugt, eine ähnliche-Byssus Art hervorbringen, würde auch da noch an eine Entstehung derselben aus präexi - stirendem Saamen zu denken seyn? Eine solche künstliche Erzeugung jener Substanz habe ich aber wirklich entdeckt. Ich hatte im August in drey fayencenen Tellern Aufgüsse von zerschnittenenCa -X 4328Carotten mit frisch bereitetem Kalkwasser gemacht, die eine dieser Infusionen mit Zink und Silber, die zweyte mit Zink und Eisen, die dritte mit Zink und Kupfer armirt, und dieselben an einen mäſsig hellen Ort hingestellt. Den Zweck, den ich bey diesem Versuche eigentlich beabsichtigte, habe ich an einem andern Orte angezeigt. Hier bemerke ich nur Folgendes. Vier Tage nachher, nachdem ich die Armaturen aus den Gefäſsen wieder herausge - nommen hatte, und schon im Begriffe war, die Aufgüsse wieder wegzugiessen, fand ich auf allen dreyen eine Menge blaugrünen Schimmels, zugleich aber auch runde, 1 bis 3 Linien im Durchmesser haltende Flecken von der schönsten Carminfarbe. Ich brachte diese Substanz unter das Microscop, und fand in ihr eine fadenartige, der der Byssus ähnliche Struktur. Ihr schönes Roth aber dauerte kaum zwey Tage, und verwandelte sich in ein schmutziges Braun. Sowohl von jenem Schimmel, als von dieser rothen Substanz zeigte sich übrigens mehr auf der ersten, als auf der zweyten, und auf dieser mehr, als auf der dritten Infusion. Beyde aber entstanden auch auf der ersten später, als auf der zweyten und dritten. Infusionsthiere waren in keinem der Aufgüsse zu entdecken.
Nach diesen Versuchen waren es also gewiſs nicht präexistirende Eyer oder Saamenkörner, wor - aus die Infusionsthiere und der Schimmel in denAuf -329Aufgüssen von Wasserschwerdtel und Calmus, Aepfeln, Carotten und rothen Rüben hervorkamen, sondern die chemischen Processe, welche bey der Auflösung dieser Vegetabilien statt fanden, waren es, wodurch jene Organismen gebildet wurden, und in den Aufgüssen von Wasserschwerdtel u. s. w. entstanden deswegen blos Infusionsthiere, so wie in den Infusionen von Aepfeln u. s. w. blos Schimmel und Byssus, weil in jenen andere che - mische Processe, als in diesen vorgingen. Nun ent - halten der Wasserschwerdtel und der Calmus ein aromatisches Princip, Aepfel, Carotten und rothe Rüben aber Bestandtheile, welche der Wein - und Essiggährung fähig sind. Sollten also vielleicht vegetabilische Substanzen, die ein aromatisches Princip enthalten, vorzüglich oder allein Infusions - thiere, diejenigen aber, welche der Wein - und Essiggährung fähig sind, vorzüglich Schimmel hervorbringen? Die Bestätigung dieser Vermu - thung würde unserer Meinung von der Entste - hung des Schimmels und der Infusionsthiere aus formloser Materie ein neues Gewicht geben. Daſs nun aber die Erfahrung wirklich mit die - ser Vermuthung übereinstimmet, beweisen fol - gende Gründe:
1) Eine bekannte Erfahrung ist es, daſs alle Substanzen, welche in Wein - und Essiggäh - rung übergehen, Schimmel hervorbringen.
X 52)3302) Was geschieht bey der Weingährung? Die schleimicht-zuckerartige Materie des Pflanzen - reichs, welche allein derselben fähig ist, ver - liehrt einen Theil ihres Sauer - und Kohlenstoffs als kohlensaures Gas, und das Verhältniſs des Wasserstoffs zu diesen beyden Bestandtheilen wird hierdurch vergröſsert. Läſst sich nun eben diese Veränderung dadurch hervorbringen, daſs man, statt den vegetabilischen Substanzen Oxygene und Kohlenstoff zu entziehen, diesel - ben mit Wasserstoff schwängert, indem man sie unter einer Glocke voll Wasserstoffgas ver - schlieſst, und bildet sich auch hierbey Schim - mel, so kann unmöglich diese Substanz aus präexistirenden Saamenkörnern entstehen. In wie fern diese Vermuthung mit der Erfahrung übereinstimmet, erhellet aus folgendem Ver - suche.
Sechster Versuch. Um den Einfluſs des Wasserstoffgas auf das Keimen der Saamenkörner zu erforschen, füllte ich im October zwey cylin - drische, einen halben Fuſs im Durchmesser halten - de und einen Fuſs hohe Gläser mit jener Luftart, welche durch die Zersetzung von Wasserdämpfen beym Durchgange durch einen glühenden Flinten - lauf bereitet war, und brachte unter dieselben auf das Sperrwasser Stücke Flanell, die mit Kressen - körnern besäet waren. Der Erfolg war, daſs kei -nes331nes von diesen Körnern keimte, sondern daſs alle aufquollen, welk, schleimicht, und endlich mit einem sehr kurzhaarichten Schimmel überzogen wurden. Auch gingen diese Veränderungen, das Schimmeln ausgenommen, nicht nur mit denen vor, welche auf dem Flanell lagen, und mit dem Wasserstoffgas in unmittelbarer Berührung standen, sondern auch mit denjenigen, welche von dem Fla - nell herabgefallen und in dem Sperrwasser zu Bo - den gesunken waren. Das Sperrwasser stieg wäh - rend der 14 Tage, welche dieser Versuch dauerte, in der einen Glocke über 2 Zoll, in der andern et - was über 1 Zoll, und in beyden Gefäſsen war also eine beträchtliche Menge Wasserstoffgas absorbirt worden.
Dieser Beobachtung widersprechen zwar Ver - suche von Sennebier(k)Usteri’s neue Annalen der Botanik. St. 15. 1797. S. 30., nach welchen in reinem Wasser - und Stickstoffgas kein Schimmel entstehen soll. Allein das Wasserstoffgas, dessen sich Senne - bier bediente, war vielleicht durch die Zersetzung des Wassers vermittelst Eisenfeile und Vitriolsäure bereitet, und daſs auf diesem Wege eine Luftart erhalten wird, die nichts weniger als rein ist, be - weiset der Geruch derselben. Da nun überdies sich der Schimmel vorzüglich an dumpfen, feuchten und dunkeln, also solchen Orten erzeugt, wo ohneZwei -332Zweifel eine häufige Zersetzung des Wassers und Entwickelung von Wasserstoffgas vorgeht, so glau - be ich berechtigt zu seyn, meine Beobachtung für die richtigere zu halten.
Bis hieher harmonirt also unsere Theorie ganz mit der Erfahrung. Daſs nun 3) auch Aufgüsse, welche ein aromatisches Princip enthalten, der Er - zeugung der Infusionsthiere günstig, der des Schimmels aber ungünstig sind, beweisen die bey - den nachstehenden Versuche.
Siebenter Versuch. Im April machte ich zwey Aufgüsse in porcellanenen Tassen, die eine Nro. 1 von Erbsen und Brunnenwasser, die zweyte Nro. 2 von einer eben so groſse Menge Erbsen und Brunnenwasser, wozu ich aber noch einen halben Scrupel Kirschlorbeerwasser mischte. Beyde Infu - sionen wurden mit Papier bedeckt, und an einen mäſsig warmen Ort hingestellt.
An den beyden folgenden Tagen waren beyde Aufgüsse mit Luftblasen bedeckt. Die meisten fan - den sich auf Nro. 1, weniger auf Nro. 2.
Am 5ten Tage hatte sich auf Nro. 1 sowohl, als auf Nro. 2 eine durchsichtige gelatinöse Haut gebildet. Die Erbsen in Nro. 1 waren sehr aufge - schwollen, die in Nro. 2 waren noch unverändert.
Am 11ten Tage hatte sich die gelatinöse Sub - stanz auf Nro. 1 in eine aus runden Molekülen be -ste -333stehende Haut verwandelt, und jetzt zeigte sich in dieser Infusion auch eine Menge sehr kleiner Infu - sionsthiere, theils als schwarze Punkte, theils als durchsichtige Bläschen. In der gelatinösen Substanz von Nro. 2 hingegen zeigten sich noch wenige Mo - lekülen, und zugleich fanden sich in diesem Auf - gusse nur erst wenige, sich willkührlich bewegen - de Bläschen.
Am 17ten Tage entdeckte ich in den beyden Aufgüssen Folgendes: Nro. 1 roch sehr faulicht; in Nro. 2 hingegen war noch kein Geruch zu bemer - ken. Die in Nro. 1 befindlichen Erbsen waren stark aufgequollen, aber nur eine einzige von allen hatte gekeimt; die in Nro. 2 hingegen waren wenig auf - gequollen, hatten aber meist alle gekeimt. In Nro. 1 zeigten sich ovale Infusionsthiere mit einem brei - ten Hintertheile und schmalen Vordertheile, die sich nur langsam bewegten, und zwar zeigten sie sich nur in Tropfen, die aus der Nähe der Saamenkör - ner und nicht von andern Stellen der Infusion ge - nommen waren, und auch dort nur in geringer Anzahl. Eine weit gröſsere Menge von Infusions - thieren fanden sich in Nro. 2, und zugleich unter - schieden sich diese von denen in Nro. 1 dadurch, daſs sie schmäler, vorne und hinten von gleicher Breite, durchsichtiger, weit schneller in ihren Be - wegungen, und fast allenthalben in dem Aufgusse gleichförmig verbreitet waren.
Die334Die schnellere Bewegung der Thiere in Nro. 2 beobachtete ich auch am 23ten Tage. Doch fand an verschiedenen Stellen von einerley Tropfen aus die - sem Aufgusse ein Unterschied in der Schnelligkeit dieser Bewegung statt. Einige Haufen von Thie - ren flogen mit einer solchen Geschwindigkeit unter einander herum, daſs ich sie nicht mit den Augen verfolgen konnte; andere hingegen bewegten sich langsamer, obgleich immer noch geschwinder, als die Thiere in Nro. 1. Uebrigens hatte die Menge der Thiere in beyden Infusionen seit dem 17ten Ta - ge beträchtlich zugenommen.
Am 29ten Tage fand ich Nro. 1 bis auf wenige Drachmen verdünstet. Von Nro. 2 war nicht so viel verflogen, und auf dieser Iufusion hatte sich hin und wieder Schimmel erzeugt. Unter dem Ver - gröſserungsglase zeigte sich in beyden Aufgüssen eine groſse Menge von Infusionsthieren, doch eine gröſsere in Nro. 2, als in Nro. 1. In dieser schwam - men sie zerstreut; in jener hatten sie sich gröſsten - theils zu lebenden Massen vereinigt. Ferner war in Nro. 2 die Bewegung derselben, wie bey den vorigen Beobachtungen, schneller. als in Nro. 1. Endlich fand ich die Thiere in Nro. 1 gröſser, als die in Nro. 2. Ich goſs zu beyden Infusionen wie - der frisches Brunnenwasser.
Am 43ten Tage war an Nro. 1 wenig Geruch zu bemerken. Auf der Oberfläche dieses Aufgusseshat -335hatte sich viel bläulichter Schimmel gebildet. Meh - rere unter das Vergröſserungsglas gebrachte Tropfen enthielten eine so ausserordentlich groſse Menge von Infusionsthieren, daſs das ganze Feld des Mi - croscops damit bedeckt war. Die Bewegung der - selben war aber sehr langsam. Unter einer stark vergröſsernden Linse zeigten sie sich als lange, gerade, schmale, hinten stumpfe, vorne etwas spitze Thiere, ohne jene dendritische Figuren, die man im Innern der meisten Infusionsthiere sieht. Das Gegentheil von diesem Allen fand in Nro. 2 statt. Der Geruch dieses Aufgusses war äusserst pene - trant, die Menge des Schimmels, der sich darauf erzeugt hatte, aber geringer, als die des Schim - mels auf Nro. 1. In allen Tropfen aus Nro. 2, die ich unter das Vergröſserungsglas brachte, fand ich weit weniger Thiere, als in denen aus Nro. 1, zu - gleich aber bewegten sich die in jenem auch ganz auffallend schneller, als die in dem letztern. Fer - ner unterschieden sich die Thiere in Nro. 2 von denen in Nro. 1 sehr deutlich durch ihre Struk - tur. Statt des langen und geraden Körpers der letz - tern hatten jene einen dicken, krummen, hinten sowohl, als vorne rundlichten, vorne auf der einen Seite eingeschnittenen, und in ihrem Innern mit sehr dunkeln Blumenfeldern gezeichneten Körper. Uebrigens waren die Thiere in Nro. 1 sowohl, als in Nro. 2 fast noch von derselben Gröſse, wie am 17ten Tage. Nur in Nro. 2 fand ich eines, wel -ches336ches fast noch einmal so groſs als die übrigen war, sich aber unter der in dem Tropfen schwimmenden gelatinösen Materie meiner Beobachtung gleich wie - der entzog. Ein merkwürdiges Phänomen in Nro. 2 war endlich noch dies, daſs sich mehrere Thiere zu einem Klumpen verbunden hatten, der sich be - ständig um seine Axe drehete, und ein eigenes grö - ſseres Thier auszumachen schien, welches einige Aehnlichkeit mit den von Wrisberg(l)Obs. de animalc. inf. f. 5. beschrie - benen und abgebildeten blumenförmigen Thieren hatte.
Ich habe diesen Versuch, so wie den vorher - gehenden, ohne alle Erwartung des Erfolgs ange - stellt, den derselbe wirklich hatte, und dieser Um - stand sichert mich gegen den Verdacht einer dabey statt gefundenen Täuschung. Haben die Beobach - tungen, die er mir lieferte, aber ihre Richtigkeit, so ist es gewiſs mehr als wahrscheinlich, daſs in den narcotischen, und also auch in den von ihnen ohne Zweifel nur dem Grade nach verschiedenen aromatischen Substanzen eine Kraft liegt, welche die Erzeugung thierischer Organismen aus formlo - ser Materie befördert, der Entstehung vegetabili - scher Organismen auf diesem Wege aber hinderlich ist. Diesen Schluſs rechtfertigt die spätere Erzeu - gung der gelatinösen Haut, welche, wie wir oben gesehen haben, ein Vorbote der Entstehung desSchim -337Schimmels ist, auf Nro. 2, als auf Nro. 1; die schnellere Vermehrung der Thiere in der erstern Infusion; die ungleich lebhaftere Bewegung dersel - ben; die Vereinigung derselben zu lebenden Mas - sen, die ich nie in Nro. 1 beobachtete; und die geringe Menge Schimmel, welche auf Nro. 2 ent - stand. Die schnellere Vegetation der Erbsen in Nro. 2 beweiset aber auch, daſs nur die Erzeugung vegetabilischer Organismen aus formloser Materie, nicht aber die aus präexistirendem Saamen durch das Kirschlorbeerwasser zurückgehalten wird, und auch dieser Umstand giebt einen Beweis für die Bildung des Schimmels durch gewisse chemische Processe.
Noch auffallender, als in diesem Versuche zeig - te sich übrigens der nachtheilige Einfluſs des Kirsch - lorbeerwassers auf die Entstehung des Schimmels in dem folgenden:
Achter Versuch. Zu derselben Zeit, als ich den vierten Versuch anstellte, infundirte ich in zwey fayencenen Tellern Nro. 1 und 2 eine gleiche Menge roher Aepfelscheiben von einerley Apfel mit Brunnenwasser, tröpfelte in Nro. 1 zwey Drachmen Kirschlorbeerwasser, und setzte beyde Gefäſse an einerley Orte dem Tageslichte aus.
Am 15ten Tage waren beyde Gefäſse fast ganz mit graugrünem (Mucor glaucus L.) und gemeinemBd. II. YSchim -338Schimmel (Mucor mucedo L.) bedeckt. Auf Nro. 2 aber hatte sich weit mehr erzeugt, als auf Nro. 1. Auf jener Infusion schwamm eine dicke ganz mit Schimmel bewachsene Haut. In dieser hingegen war blos die Oberfläche der Aepfelscheiben mit Schimmel bezogen.
Am 29ten Tage fing der Schimmel auf Nro. 1 wieder an zu verschwinden. An dem in Nro. 2 hingegen war noch keine Abnahme zu bemerken.
Am Ende der 6ten Woche war in beyden Ge - fäſsen der Schimmel gänzlich verzehrt.
Infusionsthiere habe ich während dieser Zeit in Nro. 1 so wenig, als in Nro. 2 entdecken können.
So weit meine Erfahrungen über die Erzeu - gung der Infusionsthiere und des Schimmels. Von denjenigen meiner Beobachtungen, welche die Ent - stehung der Priestleyschen grünen Materie betref - fen, werde ich zuerst einen Versuch anführen, woraus erhellet, daſs diese Substanz ohne präexi - stirende Keime gebildet wird, und daſs sie im An - fange ihres Entstehens thierischer Natur ist.
Neunter Versuch. Einen der Aufgüsse von Irisblättern, die zum zweyten Versuche gedient hatten, theilte ich am 27ten Tage, nachdem ich frisches Brunnenwasser hinzugegossen hatte, in zwey Hälften, goſs die eine Hälfte A in ein enges und langes Gefäſs von weissem Glase, verband die -ses339ses mit Leinewand, und setzte dasselbe ins Freye den Sonnenstrahlen aus. Die andere Hälfte B blieb in dem vorigen Gefäſse, und an ihrer bisherigen Stelle.
Die letztere Hälfte wurde von Tage zu Tage immer trüber und stinkender, und auf ihr erzeug - ten sich dünne, weisse Membranen ohne allen Schimmel. — Nach 8 Tagen war der Geruch der selben äusserst widrig. Bey der Besichtigung meh - rerer, aus verschiedenen Stellen der Infusion ge - nommenen Tropfen fanden sich nur noch wenige, meist kugelrunde Thiere (Volvox globator), wovon sich einige um ihre Axe dreheten, andere unbeweg - lich lagen, andere während des Schwimmens eine zitternde Bewegung äusserten, und noch andere, die sich in der Nähe von flockichter Materie befan - den, von dieser bald angezogen, bald zurückge - stoſsen wurden. — Eben so verhielt sich diese In - fusion noch nach vier Wochen, nur fand ich da - mals in einer Menge Tropfen, die ich unter das Vergröſserungsglas brachte, nicht mehr als drey lebende Wesen. — Am Ende des dritten Monats war der Aufguſs völlig geruchlos geworden. Aber auch keine Spuhr von Leben war in demselben mehr zu entdecken.
Ganz anders verhielt sich die Infusion A. Die - se wurde von Tage zu Tage klárer und durchsich - tiger. — Vom 8ten Tage an stiegen aus ihr Luft -Y 2bla -340blasen auf, und nach 3 Wochen hatte sie eine schö - ne hellgrüne Farbe bekommen, war voll zarter grüner Flocken, klar und ganz geruchlos. — Am Ende der 5ten Woche verlohr sie ihre grüne Farbe, und in eben dem Verhältnisse, wie diese ver - schwand, sammelte sich auf dem Boden des Glases eine dunkelgrüne Materie. Von den in der Infu - sion schwimmenden Blättern war jetzt nur noch ein weisses durchsichtiges Gerippe übrig. — Nach 7 Wochen lag auf dem Boden des Glases eine ge - ringe Menge einer dunkelgrünen Materie, und über derselben eine Schichte von einer ähnlichen Sub - stanz, deren Farbe aber weit heller war, und ins Gelbe fiel. Klümpchen einer der letztern ähnlichen Materie hingen auch an den Wänden des Glases und an den in der Infusion schwimmenden Blätter - skeletten. Nie aber saſsen diese an der dem Son - nenlichte zugekehrten Wand des Glases, sondern beständig an der entgegengesetzten Seite. Ich gab verschiedentlich dem Glase eine andere Stellung, um zu sehen, ob dieser Umstand nicht zufällig wäre; aber immer fand ich, daſs sich nach einiger Zeit die grüne Materie von der erstern Seite wieder nach der letztern hinbegeben hatte. Ich goſs hier - auf die Infusion in ein flaches fayencenes Gefäſs, und setzte dieses an einen hellen, aber dem unmit - telbaren Zutritte der Sonnenstrahlen unzugänglichen Ort. Hier pflanzte sich die grüne Materie ungleich schneller, als in ihrem vorigen Standorte fort, undzu -341zugleich wurde die Farbe derselben weit dunkeler. Unter dem Vergröſserungsglase zeigten sich nach acht Wochen in ihr sehr kleine grüne und runde Körper.
In der einen Hälfte von einer und derselben Infusion wurde hier also durch den bloſsen Einfluſs des Lichts Leben und Thätigkeit hervorgebracht, indem sich in der andern Hälfte die lebenden Wesen immer mehr verlohren. Von denjenigen lebenden Körpern, die sich während der Einwirkung des Sonnenlichts in der erstern Hälfte erzeugten, war vorher keine Spuhr zu bemerken. Von dieser Er - zeugung entwickelten sich aus dem Aufgusse viele Luftblasen, und derselbe verlohr seine trübe Farbe und seinen faulichten Geruch. So wie sich die grüne Materie in demselben vermehrte, nahm die grüne Farbe der infundirten Blätter in gleichem Verhältnisse ab. Alle diese Erscheinungen deuten so offenbar auf einen chemischen Proceſs hin, wo - durch die grüne Materie hervorgebracht wird, daſs sich unmöglich an eine Erzeugung derselben aus Saamen denken läſst.
Aber woher die bey diesem Versuche beobach - tete Bewegung der grünen Materie von der einen Seite des Glases zu der entgegengesetzten minder erleuchteten? Diese wäre unmöglich, wenn die grüne Materie eine blos vegetabilische Substanz wäre, und wir können also zweytens aus dem neun -Y 3ten342ten Versuche schliessen, daſs jene Substanz im An - fange ihres Entstehens thierischer Natur ist.
Eine dritte Folgerung aus diesem Versuche ist, daſs der unmittelbare Zutritt des Sonnenlichts die Erzeugung und Fortpflanzung der grünen Materie mehr hindert, als befördert. So lange die Infusion A jenem ausgesetzt war, erzeugte sich in ihr nur eine geringe Quantität dieser Materie; die Vermeh - rung der letztern ging langsam von statten, und ihre Farbe blieb bleich und gelb. Hingegen pflanz - te sich diese Materie sehr schnell fort, und ihre Farbe wurde gleich dunkeler, sobald der Aufguſs an einen nur mäſsig erleuchteten Ort kam.
Zehnter Versuch. Eine Bestätigung der letztern Folgerung, und zugleich der Priestley - schen Beobachtung von der Entstehung einer ro - then Farbe in Aufgüssen, in denen sich grüne Ma - terie bilden will, erhielt ich auch von einer Infu - sion von Roggenkörnern, die ich im Anfange des Juny in einem groſsen Gefäſse von weissem Gla - se mit einem Pfund Brunnenwasser gemacht, und ins Freye an einen Ort, der den gröſsten Theil des Tages hindurch von der Sonne beschienen wurde, hingestellt hatte. Erst im Anfange des July be - merkte ich in diesem Gefäſse einen Ansatz von grü - ner Materie, da doch andere Aufgüsse von Roggen - körnern, die ich blos dem Tageslichte ausgesetzthat -343hatte, um diese Zeit mit grüner Materie schon ganz bedeckt waren.
Am 27ten July trat eine Wärme ein, wobey das Reaumursche Thermometer im Schatten auf 20° stieg. Schon am 29ten war die grüne Materie in dem obigen Gefäſse gröſstentheils aufgelöst, und hauchte einen widrigen Geruch aus, da doch andere Ge - fäſse mit jener Substanz, die blos dem Tageslichte ausgesetzt waren, von der Wärme nichts gelitten hatten.
Der Entstehung der grünen Materie in dieser Infusion gingen folgende Erscheinungen vorher. Erst wurde der Aufguſs nach der Sonnenseite hin mit vielen Luftblasen bedeckt; etwa 14 Tage nachher erzeugte sich auf der Oberfläche desselben eine ge - latinöse Membran; so wie diese sich bildete, wurde das Wasser trübe, und zuletzt braunroth; und jetzt fing die grüne Materie an, sich an den Wänden des Glases zu bilden.
Eben diese Entstehung einer rothen Farbe vor der Bildung der grünen Materie beobachtete ich auch in andern Aufgüssen von Roggenkörnern, die nicht unmittelbar den Sonnenstrahlen, sondern blos dem Tageslichte ausgesetzt waren. Doch erstreck - te sich die rothe Farbe in diesen Infusionen nicht auf die ganze Flüssigkeit, sondern blos auf die in - fundirten Saamenkörner. In eben diesen Aufgüssen entdeckte ich ausserdem die von Ingenhouss be -Y 4schrie -344schriebenen Infusionsthiere, durch deren Zusam - menhäufung die grüne Materie gebildet wird. Ich sahe dieselben aus Infusionsthieren von einer an - dern Art entstehen, sich eine Zeitlang in dem Auf - gusse herumbewegen, hierauf sich mit andern ähn - lichen Thieren vereinigen, bey dieser Vereinigung ihre Bewegung verliehren, und durch ihre Zusam - menhäufung die erwähnte Materie bilden. Ich sahe endlich in einigen von jenen Aufgüssen vor der Er - scheinung der grünen Materie erst gelatinöse Mem - branen und Schimmel entstehen, und diese wieder verzehrt werden, so bald sich jene Materie zu er - zeugen anfing. Das Nähere von diesen Beobach - tungen findet man in den beyden nachstehenden Versuchen.
Eilfter Versuch. Ich machte gegen das Ende des Aprils in fayencenen Untertassen Infu - sionen von Roggenkörnern mit Brunnenwasser, und setzte dieselben vor ein mäſsig erleuchtetes, gegen Westen gelegenes Fenster. Es erzeugten sich auf ihnen nach 8 Tagen dünne Membranen ohne allen Schimmel, und darauf viele Luftblasen. Nach 14 Tagen zeigten sich in ihnen Infusionsthiere, welche die Gestalt eines Kahns mit einem krummen, vorwärts gebogenen Schnabel hatten. Die Roggen - körner hatten unterdeſs gekeimet, und vegetirten so gut, wie es in bloſsem Wasser möglich war.
Nach345Nach 4 Wochen waren die erwähnten Membra - nen verschwunden, und die Wände der Gefäſse mit grünen Krusten bekleidet. Diese Krusten brei - teten sich erst blos an den innern Flächen der Ge - fäſse aus, späterhin aber erzeugte sich auch grüne Materie an den in den Aufgüssen schwimmenden Roggenkörnern und Roggenpflanzen. Hier bildete sie sich indeſs nicht in der Gestalt einer Kruste, sondern eines mit Confervenähnlichen Fasern durch - webten Schleims. So oft ich frisches Wasser hin - zugoſs, nahm die Menge dieser Substanz, und zu - gleich die der Luftblasen auf der Oberfläche des Wassers merklich zu. Mit dem Wachsthum der grünen Materie verlohren die in den Aufgüssen lie - genden Blätter, wie im neunten Versuche, ihre grüne Farbe, die Roggenkörner aber wurden erst weiſs und dann roth.
So wie sich die grüne Materie in diesen Auf - güssen von der 4ten Woche an bildete, verschwan - den die kahnförmigen Thiere mit krummen Schna - beln, und statt derselben erschienen unzählige sehr kleine, völlig runde, sich langsam bewegende Punk - te. Die Bewegung der letztern fand aber nicht im - mer statt, sondern oft lagen diese Thiere wie be - täubt. Auch machten die sich bewegenden Körper immer nur die kleinere Anzahl aus. Neben ihnen traf ich immer eine groſse Menge Molekülen an, die ihnen vollkommen ähnlich waren, aber unbe -Y 5weg -346weglich lagen. Vorzüglich häufig waren die letz - tern in der Nähe der grünen Materie, die sich an den Wänden in der Gestalt einer Kruste festgesetzt hatte. Die sich bewegenden Körper hingegen wa - ren häufiger in der schleimartigen Materie, welche auf der Oberfläche des Wassers schwamm.
Zwölfter Versuch. Am 1ten Juny machte ich vier Infusionen von Roggenkörnern mit Brun - nenwasser (A, B und a, b), legte in jede der bey - den erstern A und B eine Eisenstange, so daſs das obere Ende dieses Metalls ausserhalb dem Was - ser auf dem Rande des Gefäſses ruhete, und setzte die vier Aufgüsse in ein helles Zimmer, das, wie ich aus andern Erfahrungen wuſste, der Erzeugung des Schimmels günstig war.
Nach 8 Tagen erzeugten sich auf a und b, und nach 14 Tagen auch auf A und B farbige Häute und viele Luftblasen. Jene wurden immer dicker und fester. Diese aber verlohren sich gegen den 26ten Tag wieder, und um diese Zeit entstanden auf den Membranen in beyden Gefäſsen warzenartige Gewächse, welche anfangs schneeweiſs waren, nachher aber graugrün wurden.
Von jenen warzenartigen Gewächsen kamen auch noch gegen das Ende der 5ten Woche immer neue hervor. Ausserdem zeigte sich hin und wie - der auf den Membranen gemeiner Schimmel (Mu -cor347cor mucedo L.), und zwar auf A und B mehr, als auf a und b.
Nach der 5ten Woche fingen von den Roggen - pflanzen, welche gröſstentheils 4 bis 5 Zoll lang geworden waren, mehrere an, ihre grüne Farbe zu verliehren, und jetzt fand sich auch in allen vier Gefäſsen grüne Materie, aber mit folgenden merkwürdigen Unterschieden:
1) Die beyden Infusionen A und B waren mit einer dicken und spröden Kruste bedeckt, die an einigen Stellen und vorzüglich an den Rän - dern bräunlich - grün, an den meisten Stellen aber von aufgelöstem Eisen ganz schwarz aus - sahe, und unter welcher sich keine Luftblasen fanden. Brachte ich kleine Stücken jener Haut mit einem Wassertropfen unter das Vergröſse - rungsglas, so erschienen diejenigen, die noch keine grüne Farbe angenommen hatten, als eine aus Myriaden von Thieren, die mit äusserster Schnelligkeit durch einander liefen, bestehende Masse. Diese Thiere waren aber ganz diesel - ben, die man in allen Infusionen von Roggen - körnern, in welchen sich noch keine grüne Farbe erzeugt hat, antrifft (Müllers Kolpoda cucullus). Diejenigen Theile jener Membra - nen, welche grün geworden waren, enthielten die nehmlichen Thiere in eben so groſser Men - ge. Ueberdies aber zeigten sich auch in derNähe348Nähe von diesen runde undurchsichtige Pünkt - chen, welche ungleich kleiner, als die erwähn - ten Thiere waren, sich nicht so schnell als diese bewegten, und ganz mit denen überein - kamen, die sich in und neben der grünen Ma - terie beym vorigen Versuche fanden.
2) Ganz andere Erscheinungen zeigten sich in den Aufgüssen a und b. Die Membranen, wo - mit diese sonst bedeckt waren, hatten sich meist verlohren, und der gröſste Theil dersel - ben war in Priestleysche Materie von einem schönen hellen Grün verwandelt. Diese Sub - stanz war mit vielen Luftblasen bedeckt. Nir - gends bildete sie an den Wänden der Gefäſse Krusten. Stückchen derselben mit einem Was - sertropfen unter das Vergröſserungsglas ge - bracht, enthielten nur einige wenige von den kahnförmigen Thieren, die sich in A und B fanden. Auch wichen die in a und b von de - nen in A und B darin ab, daſs jene mehr ku - gelförmig waren, da diese eine eyförmige Ge - stalt hatten, und daſs die meisten der erstern nicht, wie die letztern, hin und her schwam - men, sondern sich mit dem einen Ende ihres Körpers am Glase festhielten, und mit dem andern zirkelförmig herumbewegten. So ge - ring die Anzahl dieser kahnförmigen Thiere in a und b war, so groſs fand ich dagegen inihnen349ihnen die der kleinen runden Partikeln, wor - aus die grüne Materie besteht, und zwar lagen diese hier ohne alle Bewegung, da sie sich in A und B ziemlich lebhaft bewegten.
Uebrigens bekamen die infundirten Roggenkör - ner in diesen vier Aufgüssen, so wie bey den vo - rigen Versuchen, gegen die Zeit des Entstehens der grünen Materie eine röthliche Farbe. Auch fand ich, daſs sich diese Materie schneller an einem hel - len Tage und wenn ich frisches Brunnenwasser hinzugegossen hatte, als zu andern Zeiten, fort - pflanzte.
Eines der merkwürdigsten Resultate der bishe - rigen und vorzüglich der beyden letztern Versuche, ist die Erfahrung, daſs die membranösen Substan - zen, die sich im Anfange auf den Infusionen er - zeugten, in eben dem Maaſse wieder verzehrt wur - den, wie sich grüne Materie bildete, und zwar immer neben oder über dieser verzehrt wurde. Es schien mir nothwendig zu seyn, diese Beobach - tung auch an Aufgüssen von andern Substanzen zu prüfen.
Dreyzehnter Versuch. Ich infundirte zu dem Ende in der Mitte des July zerschnittene Carot - ten mit Brunnenwasser, und setzte diese Aufgüsse an denselben Ort, wo die zu dem vorhergehenden Versuche dienenden Gefäſse standen.
Gegen350Gegen den 8ten Tag entstanden auf diesen In - fusionen gallertartige Membranen, und nach 14 Tagen zeigte sich eine Menge graugrünen Schim - mels (Mucor glaucus L.).
Am 25ten Tage hatten sich in den Aufgüssen grüne Punkte gebildet, in deren Nähe die erwähn - ten gelatinösen Häute, wie bey den vorigen Versu - chen, völlig verschwunden waren.
Den bisherigen Erfahrungen über die Erzeu - gung und Fortpflanzung der grünen Materie füge ich endlich noch eine Beobachtung bey, welche die Entstehung dieser Substanz aus Infusionsthieren und ihre Verwandelungen betrifft. In den vorigen Versuchen bildete sich dieselbe immer in der Ge - stalt von Krusten oder schleimichten Concrementen, und wir schlossen nur auf die Entstehung derselben aus der Zusammenhäufung von Infusionsthieren, weil sich diese Thiere nie anders, als zugleich mit jener Substanz zeigten, weil sie sich in der Nähe derselben am häufigsten fanden, und weil sie hier aller Bewegung beraubt waren. In dem folgenden Versuche wird man aber einen Fall antreffen, wo sich die grüne Materie in Gestalt eines Pulvers bil - dete, und wo es mir durch Verdünnung und Zer - theilung dieses Pulvers gelang, die ursprünglichen Infusionsthiere aus demselben wieder herzustellen. Man wird überdies bey diesem Versuche die Beob - achtung von Ingenhouss bestätigt finden, daſs sichdie351die grüne Materie unter gewissen günstigen Um - ständen in fasernähnliche Körper verwandelt, wel - che, gleich den ursprünglichen runden Infusions - thieren, eine Zeitlang willkührliche Bewegungen äussern.
Vierzehnter Versuch. Am 4ten Mai warf ich in ein Gefäſs mit Wasser, worin Kressensaamen 14 Tage an der Sonne gestanden hatte, und worin sich eine braune Wolke erzeugt hatte, eine Hand - voll Blätter von verschiedenen Pflanzen, nebst Stücken von den Gedärmen eines Schellfisches, und setzte dasselbe dem Lichte aus.
In den ersten Tagen verbreitete die Infusion einen äusserst faulichten Geruch. Am 20ten Tage aber hatte sich dieser ganz verlohren, und es war blos noch ein starker Kressengeruch übrig. Die Farbe des Aufgusses war jetzt blau - grün, die des Fleisches, welches darin lag, ganz weiſs ge - worden.
Am 28ten Tage hatte die Infusion eine braune Farbe angenommen.
Am 43ten Tage dauerte diese braune Farbe fort, aber auf dem Boden des Glases hatte sich eine dicke Schichte Priestleyscher Materie von sehr dun - kelm Grün erzeugt. Um diese in Zukunft besser beobachten zu können, goſs ich die Infusion in ein flaches fayencenes Geschirr.
Hier352Hier setzte sich die grüne Materie nicht, wie in den vorigen Versuchen, an den Wänden des Gefäſses fest, sondern häufte sich auf dem Boden desselben in der Gestalt eines dunkelgrünen Pul - vers an. Ich brachte in den ersten Tagen des July dieses Pulver unter das Vergröſserungsglas. Da, wo dasselbe dicht auf einander lag, konnte ich nichts daran unterscheiden. Aber nach den Rändern hin, wo es durchsichtiger war, erschien es wie eine Menge kleiner, runder, dunkelgrüner Mole - külen, die sich langsam unter einander herumbe - wegten, und durch irgend eine Kraft verhindert zu werden schienen, sich von dem übrigen Haufen zu trennen. Vermengte ich dieses Pulver vermit - telst einer Nadel mit dem Wassertropfen, worin es lag, so sahe ich deutlich, daſs es auch da, wo vorher wegen der Undurchsichtigkeit desselben nichts daran zu erkennen gewesen war, blos aus jenen Thieren bestand.
Ich vermischte hierauf diesen Aufguſs mit dem, welcher zum zweyten Versuche gedient hatte, und lieſs ihn an seiner bisherigen Stelle stehen.
Im Anfange des Septembers hatten sich schlei - michte Häute in demselben gebildet, und in diesen fand ich theils noch die ursprünglichen runden Thiere, theils zarte fasernähnliche Körper in aus - serordentlicher Menge. Beyde bewegten sich unterein -353einander sehr lebhaft, die erstern aber doch weit schneller, als die letztern.
Gegen das Ende des Septembers dauerte die Bewegung der runden Thiere noch fort; die fasern - ähnlichen hingegen erschienen ohne alle Bewegung.
Alles überzeugt uns also, daſs lebensfähige Materie und Lebenskraft unzertrennlich mit einan - der verbunden sind, daſs die lebende Materie an sich gestaltlos ist, und daſs ihr nur durch äussere Einflüsse eine bestimmte Form ertheilt wird. Nach der Verschiedenheit jener Einflüsse ist diese Form entweder eine animalische oder vegetabilische. Die ersten Rudimente der erstern sind die Infusions - thiere, die der letztern die Byssus und der Schim - mel, und von diesen Rudimenten aus erhebt sich die lebende Natur durch unzählige Mittelstufen auf der einen Seite bis zum Menschen, und auf der andern bis zur Musa, der Ceder und Adan - sonie.
Jene Rudimente bedürfen, wie wir gesehen ha - ben, zu ihrem Entstehen keiner andern Einflüsse als derer der leblosen Natur; in diese höhern For - men hingegen ergieſst sich die lebende Materie in jetzigen Zeiten nur unter der Mitwirkung lebender Organismen. Wie aber verhält es sich mit den Mittelstufen? Werden die den InfusionsthierenBd. II. Zver -354verwandten Würmer, und die an den Schimmel so nahe gränzenden Tremellen, Schwämme, Flech - ten u. s. w. immer nur durch andere ihnen ähnliche Organismen erzeugt, oder entstehen nicht auch diese blos unter der Einwirkung von Kräften der leblosen Natur aus formloser lebender Materie? Wir glauben mehrere Gründe zu haben, die letz - tere Frage zu bejahen. Ehe wir unsere Beweise dafür aber beybringen, müssen wir vorher bemer - ken, daſs es unrichtig sey zu schliessen: dieser oder jener lebende Körper bringt Saamen, Eyer oder lebende Junge hervor; folglich muſs er selber auf die nehmliche Art erzeugt seyn. Weder Gründe der Theorie noch der Erfahrung rechtfertigen die - sen Schluſs, und doch drehen sich um ihn fast alle Einwürfe, welche gegen die Entstehung von Thie - ren und Pflanzen ohne Mitwirkung ähnlicher Orga - nismen vorgebracht sind.
Um bey den Pflanzenthieren mit unsern Be - weisen anzufangen, so gränzen alle Tremellen, Conferven, Schwämme und Flechten so nahe an den Schimmel, daſs schon diese Verwandschaft uns einigermaaſsen berechtigt, auch bey ihnen eine Er - zeugung aus aufgelösten animalischen und vegeta - bilischen Substanzen anzunehmen. Aber es giebt auch bey jenen Organismen Phänomene, die sich mit der Entstehung derselben aus Saamen durch - aus nicht vereinigen lassen.
Gle -355Gleditsch(m)Mém. de l’ Acad. des sc. à Berlin. 1749. p. 26. füllte zehn reine und vorher auf einem Ofen erhitzte Gefäſse mit frischen und reifen Melonenstücken, bedeckte die Töpfe mit Mousselin, und setzte einige derselben an hohe und trockne, andere an niedrige und feuchte Oerter seines Gartens, Stalls, Hauses und Kellers. In den meisten erzeugten sich zugleich Schimmel, Byssus und Tremellen. In den erstern Gefäſsen aber über - trafen die Tremellen und Byssus an Menge den Schimmel; in den letztern hingegen war es umge - kehrt. Gleditsch leitet diesen Unterschied von der verschiedenen specifiquen Schwere der Saamen jener Gewächse her. Dieser Meinung zufolge müſs - te also die untere Schichte der Athmosphäre mit Schimmelsaamen, und die höhere mit Saamen von Byssus und Tremellen durch und durch angefüllt seyn, und diese Myriaden von Saamen müſsten oft Jahre lang herumirren, bis ihnen der Zufall oder ein Physiker einige Melonenstücke u. d. gl. zu ih - rer Entwickelung verschaffte, und neben ihnen müſsten noch Myriaden von andern Pflanzensaa - men, und Myriaden von Eyern der Infusionsthiere in der Luft Platz haben, und diese Saamen und Eyer müſsten von den gröſsern Thieren und Pflan - zen unaufhörlich eingeathmet und unverändert wie - der ausgeathmet werden! Wen schwindelt nicht bey solchen Ungereimtheiten?
Wris -Z 2356Wrisberg(n)Obs. de anim. inf. p. 101 sq. fand an sehr dunkeln und feuch - ten Orten Steine, die mit Byssus, Schwämmen und verschiedenen kleinen Moosarten bewachsen waren, nach einem drey - bis viermaligen Abreiben und Poliren bald wieder mit Gewächsen von dem - selben Geschlechte, aber von einer andern Art be - deckt. Man kömmt auf die vorigen Ungereimthei - ten zurück, wenn man zur Erklärung dieser Beob - achtung wieder herbeygeflogenen Saamen annimmt. Man setze dagegen, daſs die Luft an jenen Orten mit Molekülen vermoderter animalischer und vege - tabilischer Substanzen geschwängert war, daſs sich diese Partikeln an den erwähnten Steinen absetzten, und zu Schwämmen, Moosen u. s. w. vereinigten: was läſst sich gegen diese Erklärung einwenden?
Wir haben im ersten Abschnitte dieses Buchs gesehen, daſs allenthalben, wo im Innern der Erde das Gestein eine Kluft oder Höhle bildet, sich gleich die ersten Keime der Vegetation zeigen. Woher nun die unterirdische Pflanzenwelt? Ihre Stammeltern, wird man sagen, befanden sich in jenen Höhlen schon vor deren Verschliessung. Al - lein mit dieser Verschliessung muſste eine ganz an - dere Temperatur und Mischung der darin enthal - tenen Luft eintreten, als vorher statt fand. War also der Grad von Wärme, und die Gattung von Luft, welche sich in jenen Klüften vor dieser Re -volu -357volution fanden, der Lebensweise der darin befind - lichen Pflanzenthiere angemessen, so muſste ihre Fortdauer durch die Verschliessung jener Höhlen unmöglich gemacht werden. Ist umgekehrt nur die Athmosphäre verschlossener Klüfte für sie taug - lich, so können sie vorher nicht an Orten, die mit der auf der Oberfläche der Erde ruhenden Luft in Verbindung standen, existirt haben. Ueberdies fin - det man jene Thierpflanzen nur in verschlos - senen Höhlen. Begreiflich wird hingegen die Ent - stehung dieser unterirdischen Gewächse, sobald man annimmt, daſs sie aus dem Moder anderer Thiere und Pflanzen, die in jenen Höhlen ihr Grab fanden, gebildet wurden.
Eine noch wichtigere Bestätigung unserer Mei - nung fand De Reynier(o)Voigt’s Mag. f. d. Neueste aus der Physik etc. B. VII. St. 1. S. 49. in den Bleybergwerken von Ste. Marie. Alles alte zu Stützen gebrauchte Holz war hier mit dem Lichen radiciformis bedeckt, und jeder Uebergang von der ersten rohen Zusam - menhäufung bis zur feinsten Organisation lieſs sich genau daran bemerken. De Reynier verfolgte den Gang der Natur aufs sorgfältigste. Zuerst erzeugte sich auf der Fläche des Holzes ein Tropfen etwas schleimichten Wassers; dieser wurde nach und nach merklich trüber; er verhärtete auf dem Grun -deZ 3358de und dehnte sich in die Länge aus; am obern Ende blieb er zwar noch immer durchsichtig, doch wurde er in eben dem Maaſse dunkler, als er der Pflanzengestalt näher kam. Als die Flechte etliche Zolle lang war, verschwand der Wassertropfen, und die Pflanze nährte sich nun durch ihre äus - sern Organe. “Ausgemacht ist es”, fährt De Rey - nier nach dieser Erzählung fort, “daſs sich diese „ Pflanze in der ersten Zeit ihrer Entstehung nicht „ durch Intussusception nähret. Sie hat gleich von „ Anfange die Stärke, die sie auch in der Folge bey - „ behält, und ihre äussere Fläche, auf welcher die „ von dem Wasser herbeygeführten Bestandthei - „ le sich vereinigen, zeigt ihre Bildung deutlich „ genug.”
Eine ganz ähnliche Beobachtung machte ich an der einen (Nro. 1) von den beyden Erbsen - Infu - sionen, welche zu dem oben erzählten siebenten Versuche über den Einfluſs des Kirschlorbeerwas - sers auf die Erzeugung der Infusionsthiere und des Schimmels dienten. Nachdem dieser Aufguſs 48 Tage gestanden hatte, fand ich auf dem Schimmel, womit derselbe bedeckt war, eine Menge kugelrun - der Tropfen von der Gröſse eines Stecknadelknopfs bis zu der einer Erbse, die so klar und durchsich - tig wie Crystall waren. Nach 4 Tagen wurden die - se Tropfen an den Rändern schmutzig weiſs. Ihr oberster Theil aber blieb noch klar und hell. Nach1435914 Tagen gingen die kleinern unter ihnen in graue Körper über, welche das Ansehn von kleinen Ku - gelschwämmen hatten. Die gröſsern wurden von den Rändern an nach dem Gipfel hin immer un - durchsichtiger, und ich würde vermuthlich auch bey diesen die nehmliche Verwandlung, wie bey den kleinern, beobachtet haben, wenn sie nicht durch eine zufällige Erschütterung des Gefäſses wä - ren zerstöhrt worden.
Nicht minder unvereinbar mit der Hypothese von der Entstehung aller Gewächse aus Saamen ist die künstliche Erzeugung der Schwämme aus zusammengehäuftem Pferdemiste(p)Tournefort in den Mém. de l’Acad. des sc. à Pa - ris. 1707. p. 58.. Man sagt, der Saamen dieser Körper werde von den Pferden mit den Nahrungsmitteln verschlungen, gehe den - selben unverändert wieder ab, und veranlasse so die häufige Erzeugung der Schwämme in den Ex - krementen dieser Thiere. Hiergegen würde auch nichts einzuwenden seyn, wenn nur, wie jener Voraussetzung gemäſs der Fall seyn müſste, zu - weilen, und nicht, wie die Erfahrung lehrt, in jedem gehörig eingerichteten Beete von solchem Miste sich Schwämme in zahlloser Menge erzeug - ten. Jeder Grashalm müſste mit dem Saamen die - ser Körper angefüllt oder bedeckt seyn, wenn jeneErklä -Z 4360Erklärung richtig wäre. Allein man betrachte auch die bey der künstlichen Erzeugung der Schwämme statt findenden Phänomene, und man wird schwer - lich den Muth haben, diese Entstehung noch fer - ner von Saamen abzuleiten. Zuerst erzeugt sich auf dem Pferdemiste eine weisse haarichte Substanz, die das Ansehn von Schimmel und den Geruch von Schwämmen hat. Das obere Ende der Haare, wor - aus jene Substanz besteht, ist rund; hieraus wird ein Knöpfchen, und dieses verwandelt sich in einen Champignon(q)Tournefort ebendas.. Hier ist also eine ganz ähnliche Erscheinung, wie in animalischen und vegetabili - schen Aufgüssen, wo Eine Art von Infusionsthieren in eine andere übergeht, aber nichts, was dem Keimen der Saamenkörner auch nur analog wäre.
Eine ähnliche schimmelartige und nach Schwäm - men riechende Substanz, wie jene ist, die sich auf dem Pferdemiste erzeugt, sahe Monti(r)Commentar. Acad. sc. Bonon. T. III. p. 156. Altes Hamburg. Mag. B. XIX. S. 583. auch häufig an halbfaulen Wurzeln eingegangener Bäu - me, und in dem faulen Unrathe aufgerührter Mist - haufen.
Eben dieser Naturforscher traf an einigen auf Bäumen wachsenden Schwämmen eben die Verbin - dung und dasselbe Geflechte von faserichten Bün - deln an, welches in den Bäumen selbst war, ausderen361deren schadhaften Theilen diese Schwämme her - vorkamen(s)Ebendas..
Die Chinesen verschaffen sich nach Gefallen eſsbare Schwämme, indem sie faules Holz in eine Grube an einem gegen Mittag gelegenen und schat - tigen Ort werfen, dasselbe mit Blättern von dem nehmlichen Baume bedecken, und es oft mit Was - ser, worin Salpeter aufgelöset ist, begieſsen. Auf diese Art sollen nicht nur Hölzer von verschiedenen Bäumen, sondern auch solche, die von verschie - denen Theilen eines und desselben Baumes genom - men sind, verschiedene Arten von Schwämmen geben(t)Cibot in den Act. Acad. sc. Petropol. 1777. P. 1. Hi - stoire. p. 83..
Nach Ruel’s Versicherung schiessen fast au - genblicklich Schwämme auf, wenn man den Stamm eines weissen Pappelbaums an der Wurzel entblöſst, und mit verdünntem Sauerteige anfeuchtet. Auch bringen, seiner Erzählung zufolge, die Hügel al - lerley Schwämme hervor, wenn man bey regnich - tem Wetter die Stoppeln abbrennet(u)Tournefort a. a. O..
Die Erscheinung der Lohblumen, einer Art von Schwämmen, die sich auf der Gerberlohe er - zeugt, kündigt im Sommer anderes Wetter an(v)Marchant in den Mém de l’Ac. des sc. à Paris 1727..
AufZ 5362Auf den Larven einiger Cikaden - Gattungen findet man, wie schon oben(w)S. 23. angeführt ist, fast immer eine gewisse Art von Keulenschwämmen.
Mery und Lemery fanden auf Schienen von Aepfelbaumholz und auf Binden, womit im Hotel - Dieu zu Paris Beinbrüche verbunden waren, klei - ne platte und weiſsliche Schwämme, am häufigsten auf denen, die bey Kranken gebraucht waren, welche auf der Seite im Saale der chirurgischen Patienten, wo der Wasserbehälter ist, gelegen hatten.
Volkmar sahe nach einem Gewitterregen auf einer Wiese zwey sogenannte Hexenringe(x)Kreise auf Wiesen, die ein vorzüglich grünes und frisches Ansehn haben, und wahrscheinlich durch das Einschlagen eines Blitzes verursacht werden., die vor dem Gewitter nicht da gewesen waren, nahe neben einander. Ganz regelmäſsig in dem Mittel - punkte eines jeden stand ein Schwamm (in dem Centrum des einen ein Agaricus campestris, in dem des andern ein Lycoperdon Bovista), und eben so regelmäſsig fanden sich in der Peripherie eines je - den Kreises mehrere Pilze von derselben Art, als der im Mittelpunkte(y)Roose Grundzüge der Lehre von der Lebenskraft. 2te Aufl. S. 60..
Ver -363Vereinige diese Beobachtungen mit der Hypo - these von der Erzeugung aller Schwämme aus Saa - men, wer da kann! Ich sehe keine Möglichkeit dazu.
Auch bey den eigentlichen Pflanzen fehlt es nicht an ähnlichen Beobachtungen. Hierher gehört Morison’s oben(z)S. 19. erwähnte Erzählung von einer ungeheuren Menge des Erysimum latifolium majus glabrum Bauhini, welches acht Monate nach dem groſsen Brande in London von 1666 auf der Brand - stelle hervorwuchs.
Wenn man in der Provence und in Languedoc den dürren Boden ausgebrannt hat, so wächst auf demselben das Jahr nachher eine groſse Menge schwarzen Mohns hervor, der in den folgenden Jahren nicht wieder erscheint(a)Tournefort in der Hist. de l’Ac. des sc. à Paris avant 1699. T. X. p. 69..
Einen Boden, der viele hundert Jahre hindurch trocken gelegen hatte, der aber nachher eine Zeit - lang mit faulendem Wasser bedeckt gewesen war, sahe Tournefort(b)A. a. O. viele Pflanzen hervorbrin - gen, die nur in Morästen wachsen, obgleich jener Platz von Sümpfen so weit entfernt war, daſs derWind364Wind den Saamen von diesen Pflanzen nicht konnte hingeführt haben.
Man nehme den Wind oder Insekten für die Verbreiter der Pflanzensaamen an, man wird auf jeden Fall Schwürigkeiten über Schwürigkeiten fin - den, wenn man die Entstehung der Gewächse bey diesen Beobachtungen aus Saamen erklären will.
Noch schwüriger in dieser Hinsicht ist eine Erfahrung, welche Henkel, einer der scharfsin - nigsten unter den ältern Vertheidigern der gene - ratio aequìvoca, machte. Dieser grub im Frühjah - re Erde aus einer Tiefe von 2 Fuſs, setzte sie in einem Topfe an den höchsten Ort des Hauses un - ter freyem Himmel, und verwahrte den letztern so, daſs niemand hinzu kommen konnte. Nach zwey bis drittehalb Monaten waren junge Pflanzen aufgegangen, die sich von Ausläufern aus alten Wurzeln sehr deutlich unterschieden, und in der Folge als Gras und Eyternesseln (Urtica urens L.) zeigten. Diese Gewächse nun konnten nicht von einem aus der Luft herbeygeführten Saamen her - rühren, weil es nicht im Herbste, wo die Saamen - schooten reifen, bersten, ausfallen und sich zer - streuen, sondern im Frühlinge war. Eben so we - nig konnte der Saame in der Erde gelegen haben, denn diese war zuverlässig wenigstens seit 30 Jah - ren nicht umgegraben worden. Und wäre auch vor dieser Zeit Saamen mit der Erde vermengt und ver -schüt -365schüttet worden, so hätten doch so alte Körner nicht treiben können, weil aller Gärtner Erfahrung nach ein sechsjähriger Saamen selten mehr taug - lich, und nach Morison’s Beobachtung ein zehn - jähriger zum Keimen schlechterdings verdorben ist(c)Henkel’s Flora saturnizans. Leipzig. 1722. S. 61 ff..
Vielleicht gehört hierher auch noch folgende, in der Hist. de l’Acad. Roy. des sc. de Paris (T. 1. p. 183) erzählte Beobachtung von Huygens: Ce fut en cette mème année 1675 que Mr. Hughuens (Huygens) rompit en présence de l’Assemblée une bouteille de verre double, où il avait mis de la terre en 1672, et qu’il avait ensuite bien bouchee. Il se trouva que cette terre avait produit quantité d’herbe qui remplissait presque toute la bouteille, et cela sans avoir reçu de nouvel air de dehors. Indeſs ist diese Beobachtung, wie man sieht, zu unvollständig erzählt, als daſs sich mit Sicherheit Resultate daraus ziehen liessen.
Wir wenden uns jetzt zum Thierreiche, und zwar zuerst zur Entstehung der Eingeweidewür - mer. Lassen die bisher angeführten Gründe noch einen Zweifel an der Erzeugung lebender Organis - men ohne Zuthun ähnlicher Körper übrig, so wirddie -366dieser durch die folgenden Erfahrungen gewiſs weg - geräumt werden.
Erzeugen sich die Eingeweidewürmer in den Thieren unmittelbar aus den thierischen Säften? Oder gelangen sie in den animalischen Körper von aussen? Wenn irgend eine Frage in der Biologie als ausgemacht betrachtet werden kann, so sind es gewiſs diese. Die Beobachtungen eines Pallas, Müller, Werner, Bloch, Goeze und Rudolphi liefern so viele Gründe für die negative Beantwortung der letztern Frage, und für die affirmative der er - stern, wie wenig andere biologische Meinungen aufzuweisen haben.
Falsch ist es diesen Beobachtungen zufolge, daſs die eigentlichen Eingeweidewürmer von aussen in den thierischen Körper kommen. Ja, sie können auch nicht auf diesem Wege dahin gelangen. Kä - men sie in ihn von aussen, so müſsten sie auch ausserhalb demselben in der Luft, in der Erde, im Wasser, oder in andern Thieren leben. Daſs aber an keinem der drey erstern Orte Eingeweidewürmer weder jemals gefunden sind, noch gefunden wer - den können, ist schon im letzten Kapitel des vori - gen Abschnitts gezeigt.
Nur von andern Thieren könnte also ein Thier seine Eingeweidewürmer bekommen, wenn es die - selben von aussen erhielte, und dies wäre auf einem doppelten Wege möglich: entweder durch Speiseund367und Trank, oder im Mutterleibe durch den Stoff, den die Frucht von der Mutter, oder vom Vater empfängt.
Die Möglichkeit der Mittheilung von Eingewei - dewürmern durch Speise und Trank läſst sich nun zwar nach Abilgaard’s Versuchen nicht leugnen. Dieser warf nehmlich zwey zahmen Enten Stich - linge vor, und fand nach einiger Zeit, daſs die Bandwürmer dieser Fische bey den Enten sehr gut fortgekommen waren(d)Schriften der naturf. Gesellsch. zu Kopenhagen. B. 1. Abth. 1. S. 49.. Allein mehrere Gründe beweisen, daſs dieser Fall unter die sehr seltenen gehört. Bloch(e)Von der Erzeugung der Eingeweidew. S. 43. und Goeze(f)Vers. einer N. G. der Eingeweidew. th. Körper. S. 25. fanden in Rei - hern, wilden Enten, Störchen und andern fisch - fressenden Vögeln keine andere, als die gewöhn - lichen Vogelbandwürmer, in Fischottern blos ähn - liche Tänien, wie sie andere Säugthiere haben, und in den Raubthieren, welche doch alle Arten von Fischen, deren sie sich bemächtigen können, verzehren, nur die denselben eigenen Wurmarten. Ueberhaupt, wenn die Mittheilung der Eingewei - dewürmer durch Speise und Trank geschähe, wo - her kämen dann Würmer in Thieren, die sich blos von Vegetabilien nähren? Wie liesse es sich dann erklären, daſs solche Thiere einerley Würmer ha - ben, die nicht von einander, oder gar nicht vonani -368animalischen Substanzen leben? Warum hätten Thierarten, die sich in einerley Gegend aufhalten und einerley Nahrung genieſsen, verschiedene Würmer(g)Vergl. Bloch a. a. O. S. 45.? Warum fänden sich beym Menschen nur Askariden, Haarköpfe, etwa dreyerley Arten von Bandwürmern, und höchstens Blasenwürmer, hingegen bey den Thieren weit mehr Geschlechter und Arten von Eingeweidewürmern, da diese doch in Vergleichung mit dem Menschen so einfach le - ben(h)Vergl. Goeze a. a. O. S. 52.? Endlich, wie ist Mittheilung der Bla - senbandwürmer, die mitten im Hirnmarke drehen - der Schaafe, und sonst nirgends, ihren Sitz haben, durch Speise möglich?
Der einzige Weg, worauf Eingeweidewürmer in den gewöhnlichern Fällen durch Mittheilung in den thierischen Körper gelangen, kann also, wenn es einen solchen giebt, nur der seyn, daſs sie aus dem Körper des Vaters, oder der Mutter in den der Frucht übergehen. Ein solcher Uebergang wäre aber nur mit den Eyern jener Würmer möglich, und diese müſsten sich schon vor der Empfängniſs im männlichen oder weiblichen Zeugungsstoff be - finden, indem nach der Bildung des Embryo keine Gemeinschaft zwischen den Gefäſsen der Mutter und der Frucht weiter statt findet. Aber durch den männlichen Saamen können die Eyer nicht in denFoetus369Foetus kommen, indem jener, wie wir in der Fol - ge sehen werden, bey der Befruchtung nicht zu dem weiblichen Zeugungsstoff gelanget. Dieser weibliche Saame müſste also ein Magazin von Ey - ern seyn, und zwar nicht blos von Eyern Einer, sondern aller der Arten von Eingeweidewürmern, welche die Thierart, wozu die Mutter gehört, in sich beherrbergt. Denn fehlte nur eine einzige Art darunter, so würde nicht nur der Foetus, son - dern auch dessen ganze Nachkommenschaft auf immer von dieser Art befreyet seyn.
Hier ist also schon Eine Ungereimtheit, worauf die obige Voraussetzung führt. Eine noch gröſsere entsteht, wenn man überlegt, welchen Weg jene Eyer zurückzulegen haben, und wie vielen Zu - fällen sie ausgesetzt sind, ehe sie zu den Eyer - stöcken gelangen können. Sie müssen erst von den lymphatischen Gefäſsen, oder von den Milchgefä - ſsen eingesogen, von hier in den Brustgang, dann in die Schlüsselbeinvene, in den Hohlvenensack, und nun zum Herzen geführt werden. Dieses muſs sie weiter in die Aorta treiben, und dann müssen die Saamenarterien eine eigene Anziehung auf sie äussern, weil sie sonst eben so gut den Weg zum Ge - hirne und zu jedem andern Eingeweide, als zu den Ovarien nehmen könnten. Auf diesem langen We - ge müssen sie die heftigste Friktion erleiden, ohne davon beschädigt zu werden. Sie müssen endlich,Bd. II. Aawenn370wenn sie nach so vielen Zufällen den Ort ihrer Be - stimmung erreicht haben, entweder Jahre lang in den weiblichen Zeugungsorganen liegen können, ohne die Fähigkeit zur Entwickelung zu verlieh - ren, oder sie müssen, so wie sie in den Eyer - stöcken abgesetzt sind, gleich wieder eingesogen werden, und neuen Platz machen. Doch schon genug der Absurditäten! Und gesetzt diese Unge - reimtheiten liessen sich reimen, wie kämen die Fa - denrundwürmer, die Pfriemenschwänze und so viele andere Würmer, die sich nicht durch Eyer, sondern durch lebendige Junge fortpflanzen, in den Körper des Embryo?
Es vereinigt sich also Alles, um uns zu über - zeugen, daſs die ersten Eingeweidewürmer, die sich im thierischen Körper erzeugen, nicht von ähnlichen Organismen herstammen, sondern aus den Säften jenes Körpers ohne Voreltern gebildet werden. Und hiermit sehen wir einen Weg zur Erklärung von hundert Thatsachen bey der Ent - stehung jener Würmer, die bey den übrigen Hypo - thesen immer unerklärt bleiben müssen. “Wie,” frägt z. B. Goeze(i)A. a. O. S. 207., “mag die Entstehungsart des „ kugelförmigen Bandwurms mit der Decke beschaf - „ fen seyn? Spuhren von Eyern habe ich in kei - „ nem einzigen entdecken können. Gewiſs ist es, „ daſs die Entstehungsart des Wurms vom Kleinen,„ und371„ und zwar mit der Blase anfängt, und sich mit dem „ gerunzelten Köpfchen endigt. Ist sein erster Ur - „ sprung aus einem Ey, wie kömmt dieses an die „ verschiedensten Oerter der innersten Theile thie - „ rischer Körper, als an das Darmfell, in die Sub - „ stanz der Leber u. s. w. und zwar allemal inner - „ halb der Häute dieser Theile, damit sich die Haut „ bey dem allmähligen Wachsthume des Wurms he - „ ben und seine Wohnung werden kann.” Aehnli - che Fragen, worauf nur bey unserer Hypothese eine Antwort möglich ist, lassen sich hier noch in Menge aufwerfen.
Endlich noch Eine Frage. Wir sehen in Auf - güssen von animalischen und vegetabilischen Sub - stanzen die Molekulen, worin jene Substanzen auf - gelöset werden, sich in lebende Körper verwan - deln, und diese sich zu gröſsern Organismen verei - nigen. Sollte nicht auch die Bildung der Eingewei - dewürmer auf eine ähnliche Art geschehen? Diese Vermuthung würde schon durch die Verwandschaft mancher Eingeweidewürmer mit den gröſsern In - fusionsthieren einige Wahrscheinlichkeit erhalten. Die Ovarien der elliptischen Kettenbandwürmer sehen wie Kugelthiere (Volvox globator) aus(k)Goeze a. a. O. S. 321.. Wer Infusionsthiere beobachtet hat, wird gewiſs mit uns eine auffallende Aehnlichkeit zwischen dendun -Aa 2372dunkeln Feldern, die man im Innern dieser Thiere sieht, und den blumichten Eyerschläuchen vieler Eingeweidewürmer, z. B. der fasciola hepatica(l)Bloch a. a. O. T. 1. f. 4. finden. Fischer(m)In Reil’s Archiv f. d. Physiol. B. 3. H. 1. S. 98, und in dessen Zusätzen zu Ingenhouss über die Er - nährung der Pflanzen. S. 171. sahe eine ähnliche Verwand - lung mit seiner Cystidicola farionis vorgehen, wie bey den Infusionsthieren statt findet, woraus die Priestleysche grüne Materie entsteht.
Noch mehr aber würde unsere Vermuthung an Wahrscheinlichkeit gewinnen, wenn die Theile, worin sich vorzüglich Eingeweidewürmer erzeu - gen, auch vorzüglich reich an Infusionsthieren ei - gener Art wären. Und so verhält es sich wirklich. Es giebt wenig Thiere, die in ihren Gedärmen so viele Arten von Eingeweidewürmern beherrber - gen, als die Frösche. Bey eben diesen Amphibien fanden aber Bloch(n)A. a. O. S. 36. und Goeze(o)A. a. O. S. 429 ff. auch den Darmschleim nicht nur voll von Infusionsthieren überhaupt, sondern auch von Infusionsthieren ei - gener Art. Es ist freylich wahr. Goeze(p)A. a. O. S. 433. fand dagegen nie dergleichen Thiere in dem Darmschlei - me irgend eines andern Thiers. Allein bey günsti - gern Umständen würde er sie ohne Zweifel auchhier373hier angetroffen haben. Leuwenhoek beobachtete in seinen eigenen Exkrementen Infusionsthiere, aber nur wenn er mit dem Durchfalle behaftet war; eben dieser Beobachter und Hollmann(q)Introd. in philos. phys. §. 438. not. b. sahen, was man auch nicht zu allen Zeiten sieht, micro - scopische Thiere im Blute; und Buffon(r)Hist. nat. T. II. p. 190. traf im männlichen Zeugungsstoff nicht immer Saamen - thiere an. So ist auch die Entstehung der Einge - weidewürmer an gewisse günstige Umstände gebun - den, und so stimmet hier auch von dieser Seite alles vollkommen überein.
Aber nicht nur die Eingeweidewürmer, son - dern auch die höhern Thierclassen liefern uns Be - weise für unsere Meinung, jedoch freylich nicht ganz so bündige, wie jene. Eben die verschlos - senen Klüfte im Innern der Erde, worin von Hum - boldt eigene Flechtenarten beobachtete, fand der - selbe auch von verschiedenen Wurm - und Insekten - Familien bewohnt(s)M. s. oben. S. 11.. Die nehmlichen Schwü - rigkeiten, die uns aufstoſsen, wenn wir die erste Entstehung jener Phytozoen von Saamen ableiten wollen, zeigen sich auch bey diesen Thieren, und so wie dort, so verschafft uns auch hier unsere Theorie eine leichtere Erklärung.
UndAa 3374Und sollten sich nicht auf eben die Art auch die Erfahrungen erklären lassen, wo man Amphi - bien, besonders Kröten, in Bäumen, Marmor - blöcken u. s. w. eingeschlossen fand(t)M. s. oben. S. 11 ff.? Daſs die - se Thiere mit den Bäumen oder Steinen, worin sie gefunden wurden, ein gleiches Alter sollten ge - habt haben, ist unmöglich. Unter vielen hundert Fröschen, die ich zu Galvanischen Versuchen auf - bewahrt habe, lebte keiner in bloſsem Wasser län - ger als einige Monate. Klapperschlangen hat man sechs bis sieben Monate ohne Nahrung erhalten(u)Michaelis im Götting. Mag. von Lichtenberg u. Forster. J. IV. St. 1. S. 94.. Aber diese Thiere hatten doch Wasser und respi - rable Luft. Und was sind einige Monate gegen die Zeit, die zur Bildung dicker Holz - und Stein - massen erforderlich ist? Daſs ein fruchtbares Ey in eine Oeffnung des Bodens oder Steins gefallen, und nach der Verschliessung dieser Oeffnung ausge - brütet seyn sollte, wie Le Cat(v)Melanges d’Hist. nat. Vol. IV. p. 615. Bremisches Mag. B. 1. S. 596. und Ger - hard(w)Mémoires de l’Acad. des sc. de Berlin. 1782. p. 13. annehmen, ist eben so unmöglich, da kein Wachsthum ohne Nahrung statt findet. Aus - ser diesen beyden Erklärungsarten sehe ich aber keine andere Möglichkeit, von den obigen Erfah - rungen einen Grund anzugeben, als daſs man an -nimmt,375nimmt, bey der Bildung der Steine oder Bäume wurden faulende animalische oder vegetabilische Substanzen im Innern derselben mit verschlossen, deren Bestandtheile sich wieder zu animalischen oder vegetabilischen Formen vereinigten, und nach mannichfaltigen Verwandlungen endlich eine Krö - te, oder einen Frosch bildeten. Wären die Steine oder Bäume zu einer andern Zeit gespalten worden, so würde vielleicht ein anderes Thier darin gefun - den seyn. Ich sehe freylich auch bey dieser Erklä - rung Schwürigkeiten; aber ich finde auf diesem Wege doch wenigstens einen möglichen Grund, hin - gegen gar keinen auf jedem andern Wege.
Von neuern Erfahrungen, die sich schwerlich mit der Meinung von dem Ursprunge aller leben - den Körper aus präexistirenden Keimen vereinigen lassen, ist eine der merkwürdigsten die oben(x)M. s. oben S. 19. erwähnte Adansonsche Beobachtung, daſs sich ausgetrocknete Teiche in Afrika gleichsam von selbst wieder mit Fischen besetzten. “Diese Begeben - „ heit,” setzt Adanson seiner Erzählung hinzu, “ist „ um so merkwürdiger, weil man nicht begreifen „ kann, durch welchen Weg jene Fische dahin ge - „ kommen seyn können. Denn obgleich die Behäl - „ ter ziemlich tief sind, so haben sie doch gar keine „ Gemeinschaft mit dem Wasser des Niger, von„ wel -Aa 4376„ welchem sie ohngefähr 300 Toisen entfernt sind, „ und überdies ist diese Gattung von Fischen in „ dem Flusse nicht anzutreffen, so daſs man auch „ nicht vermuthen kann, es möchten etwa Wasser - „ vögel die Eyer aus demselben dorthin gebracht ha - „ ben. Wollte man sagen, sie legten alle Jahre ihre „ Eyer auf den Boden der Behälter, wo sich diesel - „ ben während der neunmonatlichen Dürre frisch „ erhielten, bis sich der Regen wieder einstellte, so „ würde dennoch eben die Schwürigkeit wegen des „ Ursprungs der ersten übrig bleiben. Eben so un - „ gereimt würde es seyn, sich vorzustellen, ihr „ Saame wäre an andern Orten mit den Dünsten in „ die Höhe gestiegen, und hätte sich nachher beym „ Herunterfallen in verschiedene Behälter zerstreut.”
Für die Richtigkeit dieser Schlüsse, welche Adanson aus seiner Beobachtung zieht, sprechen auch noch Spallanzani’s Erfahrungen. Bonnet nehmlich, welcher ebenfalls diese Reproduktion der Fische in ausgetrockneten und wieder angefüll - ten Teichen bemerkt hatte, vermuthete, daſs die - selben aus befruchteten Eyern gekommen wären, die sich in dem trocknen Schlamme unbeschädigt erhalten hätten, und forderte Spallanzani auf, diese Vermuthung durch Versuche zu prüfen. Der Italiänische Naturforscher gewährte ihm diesen Wunsch, allein ohne Erfolg. Aus drey Arten von Eyern, die er aus einem Flusse genommen, dreyMo -377Monate im Trocknen aufbewahrt, und darauf ins Wasser gelegt hatte, kam kein Fisch zum Vor - scheine(y)Spallanzani’s Versuche über die Erzeugung der Thiere u. Pflanzen. Abth. 1. S. 54. §. 75..
Bey einem Rückblicke auf die bisher angeführ - ten Erfahrungen sieht man bald, daſs die Beweise für die Entstehung lebender Körper aus formloser Materie desto seltener werden, je höher wir im System der Natur zu den zusammengesetztern Or - ganismen heraufsteigen. Die meisten derselben fan - den wir bey den Zoophyten, weniger schon bey den Pflanzen, und gar keine bey den höhern Thier, classen. Dies liesse sich auch schon zum voraus erwarten. Es war zu vermuthen, daſs der zusam - mengesetztere Organismus zu dem Grade von Aus - bildung, den er besitzt, nur stufenweise veredelt werde, und daſs also jene Entstehungsart bey ihm eine weit längere Zeit, als bey dem einfachern Or - ganismus erfordere. Wir dürften daher, gestützt auf die Analogie der Zoophyten, Pflanzen und nie - dern Thierclassen, annehmen, daſs auch die Ur - formen der Säugthiere und Vögel einst auf dieselbe Weise erzeugt wurden, worauf in jetzigen Zeiten meist nur noch Zoophyten gebildet werden, wenn gleich ausser jener Analogie keine weitere BeweisefürAa 5378für diese Meinung vorhanden wären. Indeſs giebt es allerdings solche Gründe. Wir werden diese im folgenden Buche aufstellen. Wir werden dort se - hen, daſs der Weg, worauf die ganze lebende Na - tur gebildet wurde, derselbe war, auf welchem jetzt noch die plastischen Kräfte bey der Erzeugung aus formloser Materie wirken. Wir werden finden, daſs so wie heut zu Tage aller ungebildete Stoff sich zuerst zu Zoophyten organisirt, so auch die ersten Rudimente der ganzen lebenden Natur aus Zoophy - ten bestanden. Hier bemerken wir nur noch, daſs man nicht einwenden kann, eine solche Erzeugung von Thieren der höhern Classen müsse jetzt noch beobachtet werden, wenn unsere Meinung gegrün - det wäre. Denn was geschahe, als die lebende Natur noch im Werden begriffen war, kann nicht mehr geschehen, seitdem sie völlig organisirt ist.
Wir dürfen also nicht mehr zweifeln, daſs eben jenes thätige Princip, welches in Aufgüssen von verweslichen Substanzen eine microscopische Thier - und Pflanzenwelt bildet, nicht auch gröſsere und mehr zusammengesetzte Organismen sollte hervor - bringen können. Indeſs würde an der Vollständig - keit unsers Beweises noch etwas fehlen, wenn wir nicht auch von jener Umwandlung thierischer For - men in vegetabilische, und der letztern in anima - lische, die Needham in seinen Infusionen beobach - tete, und wovon wir schon oben eine Bestätigungbey379bey den Phänomenen der Priestleyschen grünen Materie gefunden haben, etwas Aehnliches bey gröſsern Organismen aufzuweisen hätten.
Es läſst sich schon zum voraus erwarten, daſs sich wirklich solche analoge Erfahrungen finden werden. Im dritten Kapitel des vorigen Abschnitts führten uns nehmlich unsere Untersuchungen über die Verbreitung der Zoophyten auf den Satz, daſs diese abhängiger von den Einwirkungen der Aus - senwelt sind, als die Pflanzen und Thiere. Da wir nun schon bey den Amphibien so auffallende Verwandlungen einer Thierform in eine andere, und noch auffallendere bey den Insekten antref - fen(z)Biol. B. 1. S. 260. 372 ff., sollten denn nicht die Zoophyten noch weit gröſsere Metamorphosen erleiden?
Zu den Erfahrungen, wodurch diese Vermu - thung bestätigt wird, gehören zuvörderst Lichten - stein’s Beobachtungen über die Verwandlung der Federbuschpolypen in Alcyonien, und dieser in Spongien. Nach den Untersuchungen jenes Natur - forschers sind die bekannten Körper auf dem Boden der Spongien des süſsen Wassers die Eyer der Fe - derbuschpolypen. Läſst man diese vorsichtig aus - kriechen, so kömmt die Tubularia Sultana heraus; diese wird zur Tubularia campanulata, reptans und repens, indem sie älter wird und sich rankenweise vervielfältigt. Eine üppige Fruchtbarkeit bildetdar -380daraus ferner die gallertartigen Klumpen, welche man Alcyonien des süſsen Wassers nennen könnte. Sterben die Thierpflanzen, welche sich zu derglei - chen Klumpen vereinigt haben, so entsteht nach Maaſsgabe der Umstände Spongia fluviatilis oder palustris daraus. Sind die weichen Theile der Tu - bularien ganz verfault, so bleibt Spongia friabilis zurück, auf deren Grunde wieder Eyer gefunden werden. Derselbe Kreislauf bildet in der See aus der Tubularia ramosa das Alcyonium digitatum, und daraus die Spongia officinalis(a)Voict’s Mag. f. d. Neueste aus der Physik. B. XI. St. 2. S. 17..
Mit Recht nennet Lichtenstein diese Entdek - kung, reich an Folgerungen für alle Zoophyten überhaupt. Schon längst hätten uns auch mehrere Umstände auf dieselbe führen müssen, wenn nicht die uns am nächsten liegenden Wahrheiten gewöhn - lich die wären, die wir am spätesten finden. So bemerkten schon Aristoteles, Plinius und Ae - lian an den Spongien eine Art von willkührlicher Bewegung, und unter den Neuern bestätigten diese Beobachtung Redi(b)Opuscul. P. 1. p. 168., Imperato(c)Hist. naturale. p. 625., Gesner(d)De aquatil. L. IV. Cap. de spongiis., Marsigli(e)Hist. phys. de la mer. p. 53. und Ellis(f)Philos. Transact. Vol. LV. n. 31.. Dagegen nahmenRon -381Rondelet, Pallas(g)Reise durch versch. Prov. des Russischen Reichs. Th. 1. S. 14., Spallanzani(h)Voigt’s Mag. f. d. Neueste aus der Physik. B. V. St. 2. S. 60. 61. und Blumenbach(i)Handbuch der Nat. Gesch. 3te Ausg. S. 509. 510. nie eine Spuhr von Bewegung an jenen Körpern wahr. Hätten diese entgegengesetz - ten Beobachtungen uns nicht schon längst auf die Vermuthung bringen sollen, daſs die Spongien eine doppelte Existenz haben?
Jetzt, da dieser Satz nicht mehr bloſse Vermu - thung ist, wird es erlaubt seyn, auf ihm weiter zu bauen. Gesetzt also es gäbe Organismen, bey de - nen wir eben so, wie bey den Spongien, bald Aeus - serungen von Spontaneität bemerkten, bald nicht wahrnähmen, dürften wir jetzt nicht schliessen, daſs auch diese Körper von der vegetabilischen Form zur animalischen, oder von dieser zu jener über - gehen? Solche Organismen sind aber die Confer - ven und Tremellen. Die meisten der erstern äus - sern nach den Beobachtungen von Girod-Chan - tran(k)Bulletin des sc. par la Soc. philomath. 1797. n. 6. p. 43. willkührliche Bewegungen. Das Nehm - liche nahmen Adanson(l)Mém. de l’ Acad. des sc. de Paris. 1767. p. 568., Corti(m)Osservazioni microscopiche sulla tremella etc. und Fonta -na382na(n)Saggio sopra il falso ergot e tremella. Firenz. 1775. Rozier Journ. de phys. T. VII. Fevr. 1776. p. 47. an der von Dillen(o)Hist. musc. p. 15. unter dem Namen Conferva gelatinosa, omnium tenerrima et minima, aquarum limo innascens, be - schriebenen Tremellenart, O. F. Müller(p)Schriften der Berlin. Gesellsch. naturf. Freunde. B. 4. S. 172 ff. an einer ungefiederten Art von Conferven, und Sche - rer(q)Ueber das pflanzenähnliche Wesen u. s. w. S. 6 ff. an einer Tremellenart wahr, die sich in den warmen Karlsbader und Töplitzer Wassern findet. Dagegen erwähnt Blumenbach(r)Götting. Mag. von Lichtenberg u. Forster. 1781. St. 1. S. 80 ff. in Be - treff der Conferva fontinalis L. und Springsfeld(s)Hist. de l’Acad. des sc. de Berlin. 1752. p. 102. in Ansehung der in den Karlsbader und Töplitzer Wassern befindlichen Tremellen nichts von thieri - schen Bewegungen. Ja auch Scherer(t)A. a. O. S. 7. bemerk[t]e solche Bewegungen an diesen Tremellen nie, so lange sie sich an ihrem Geburtsorte in der Karlsba - der Quelle befanden, sondern immer erst am drit - ten Tage, nachdem er sie in ein Glas mit Wasser gebracht hatte, und Müller(u)A. a. O. S. 171. beobachtete eine Menge Conferven vergeblich, ehe er die erwähnte Art, welche Bewegungen äusserte, entdeckte.
Es383Es ist freylich wahr, der verschiedene Grad des Lichts und der Wärme muſs hierbey mit in An - schlag gebracht werden, und die Schererschen Beobachtungen lassen sich blos hieraus hinreichend erklären(v)Scherer a. a. O.. Allein wenn die Analogie der Spon - gien und der zuletzt erwähnten Pflanzenthiere noch durch andere Umstände vermehrt wird, so glauben wir doch Grund zu haben, die entgegengesetzten Resultate der angeführten Beobachtungen nicht von dieser Ursache allein abzuleiten. Ein solcher Um - stand ist aber folgender. Zu eben der Zeit, als Scherer an den Tremellen der Karlsbader und Töplitzer Quellen Bewegungen wahrnahm, beob - achtete er in dem Wasser auch verschiedene Infu - sionsthiere. Diese dauerten fort, so lange sich die Tremellen erhielten. So wie die letztern aber in Verwesung übergingen, wurden sie seltener, und statt ihrer fanden sich andere Arten von Infusions - thieren ein(w)Ebendas. S. 18 ff.. Es zeigt sich hier also eine ähn - liche Succession der Erscheinungen, wie bey dem Uebergange der Federbuschpolypen in Alcyonien, und dieser in Spongien statt findet. Ueberdies be - obachtete aber Scherer auch einerley Verhalten der erwähnten Tremellen und Infusionsthiere ge - gen chemische Mittel. Verschiedene Säuren, Alka - lien und Mittelsalze brachten convulsivische Bewe - gungen in jenen Tremellen hervor, und tödtetendie -384dieselben, am schnellsten Scheidewasser, langsa - mer eine Auflösung von Zucker. Mit kohlensau - rem Gas geschwängertes Wasser bewirkte in ihnen einen Zustand von Erstarrung, ohne sie zu tödten. Den nehmlichen Einfluſs äusserten diese Mittel auf die Infusionsthiere(x)Ebendas. S. 8 ff. u. S. 20..
Inzwischen diese unsere Meinung würde doch blos auf den Namen einer Vermuthung Anspruch machen dürfen, wenn sie nicht noch andere Beob - achtungen auf ihrer Seite hätte. Zu diesen gehö - ren zuerst Girod-Chantran’s Erfahrungen, nach welchen die Tremellen, Conferven und Byssus - Arten wahre Polypengebäude sind, die aus der Vereinigung von Infusionsthieren entstehen, und nach ihrer Zerstöhrung auch wieder in Infusions - thiere zerlegt werden.
An der Byssus velutina L. fand dieser Beob - achter drey verschiedene Arten von Existenz. Der eine Theil bestand aus Röhren, die unter einander verschlungen waren, und kleine, undurchsichtige, grüne, fast gleich groſse, zusammengehäufte Kör - per enthielten. An dem zweyten fanden sich ähn - liche Röhren, die aber aus dem einen ihrer Enden diese Körper ausfliessen liessen. An dem dritten Theile endlich waren die Röhren leer, niederge - senkt, und mehr oder weniger verunstaltet. Die - se verschiedenen Theile lagen auf einander, undschie -385schienen eben so viele verschiedene Schichten aus - zumachen(y)Girod-Chantran a. a. O. 1797. n. 6. p. 42.. Bey einer andern noch unbeschrie - benen Byssus-Art erkannte er nicht nur jene Kör - per als wirkliche Thiere, sondern vor seinen Augen fügten sich dieselben auch zusammen, und bildeten strahlenförmige Bündel, indem sie sich an einem Punkte festsetzten(z)Ebendas. n. 9. p. 66..
In der Conferva bullosa L. fand er theils ge - gliederte, theils einfache Röhren, woran kleine Körper hingen, welche aus ihnen hervorgekommen zu seyn schienen(a)Ebend. n. 6. p. 43.. Die Conferva canalicularis L. entsteht aus kleinen, ins Graue fallenden Kör - pern, die eine geringe Bewegung äussern, wodurch sie sich mit einander verbinden. Einige Zeit nach - her bilden sie Röhren, welche in eben dem Ver - hältnisse länger werden, wie jene Körper heran - wachsen. Man sieht sie dann sehr deutlich in den Zwischenräumen der Scheidewände jener Röhren mit einer schwarzgrünen Farbe. Endlich tritt eine Epoche ein, wo die Körper einer nach dem andern aus den Röhren ausfliessen, und worauf die De - composition der letztern folgt(b)Ebendas. An 7. n. 27. p. 17.. Aehnliche Beob - achtungen machte Girod-Chantran an der Con -fer -Bd. II. Bb386ferva rivularis L., Conf. fontana Dillen. und an - dern Arten des Wasserfadens(c)Ebend. n. 27. p. 17. n. 6. p. 43..
Die Tremella verrucosa L. im Wasser beobach - tet, zeigte nach einigen Tagen in der Membran, worin sie eingewickelt ist, einen Riſs, aus wel - chem eine gelatinöse Substanz hervordrang. An - fangs lieſs sich in dieser unter dem Microscop nichts, als krumme, unordentlich unter einander liegende Linien bemerken. Drey Tage nachher aber sahe man deutlich in ihr Körperchen, die sich sehr schnell bewegten. Am folgenden Tage war diese Bewegung schwächer, und vielleicht würden jene Körper eine neue Tremelle gebildet haben, wenn die Quantität des Wassers, worin die ge - latinöse Substanz lag, nicht zu gering gewesen wäre(d)Ebend. n. 6. p. 43..
Diese Beobachtungen sind die Früchte fünfjäh - riger Untersuchungen. Es würde also hart seyn, sie geradezu für Täuschung zu erklären. Aber mit ihnen harmoniren auch so auffallend die Erfahrun - gen eines ältern Beobachters, daſs sich die Richtig - keit derselben nicht bezweifeln läſst. Der letztere ist Ingenhouss. Schon die oben erzählten Erfah - rungen desselben über die Verwandlungen der Priestleyschen Materie gereichen den Beobachtun -gen387gen von Girod-Chantran zur Bestätigung. Aber noch mehr stimmen mit diesen folgende überein.
In den Fäden des Fluſswasserfadens (Conferva rivularis L.) fand Ingenhouss unter dem Vergrö - ſserungsglase sehr durchsichtige, farbenlose Röhren mit einer ausserordentlich groſsen Menge kleiner, runder, in einer schleimigen, mehr oder weniger grünen Materie verwickelten Körperchen, von der - selben Gestalt und Gröſse, welche die kleinern Thiere haben, woraus die Priestleysche Materie entsteht. Schnitt er die Fäden der Conferve in sehr kleine Stücke, und brachte sie unter den Brenn - punkt eines Microscops, so sahe er oft aus den ab - geschnittenen Enden dieser Röhren alle die kleinen Körper, von ihrem Schleime noch umhüllet, her - ausflieſsen. Anfangs lagen sie ohne alle Bewegung. Von Tage zu Tage aber fingen immer mehrere an, sich zu bewegen, und nach sechs oder sieben Ta - gen waren sie gemeiniglich alle lebendig, aus - genommen diejenigen, welche in der schleimigen Substanz saſsen(e)Ingenhouss verm. Schriften. B. 2. S. 218. 219. Eben - desselben Vers. mit Pflanzen. B. 3. S. 33 ff..
Ferner beobachtete Ingenhouss, daſs ein und dasselbe Wasser in drey verschiedenen Behältern drey verschiedene Wesen hervorbrachte. In einer Glas - glocke, worin das Wasser keine Bewegung hatte,er -Bb 2388erzeugte sich ein Schwarm grüner Thierchen; hier - auf entstand eine grüne Kruste; in dieser wuchsen nach einer gewissen Zeit bewegliche Fasern, und endlich ging alles in eine Tremelle über(f)Verm. Schriften. B. 2. S. 223.. In groſsen steinernen Wasserbehältern, worin das Was - ser beständig mehr oder weniger in Bewegung war, kamen dieselben Thierchen hervor. Aber statt die Wände des Bassins mit einer gleichförmigen Kruste zu überziehen, bildeten sie hier auf dem Boden desselben gekörnte Massen, und neben diesen er - zeugten sich zugleich Conferven(g)Ebendas. S. 224. 183 ff.. In groſsen hölzernen Wasserbehältern, wo das Wasser zwar ruhiger war, als in groſsen ausgemauerten Behäl - tern, aber unruhiger, als in Glasglocken, entstan - den die nehmlichen Thierchen und dieselbe klebrige Materie; allein jene bildeten eine grüne schleimige Kruste, die heller war, als in den Glocken, und gemeiniglich kam darin keine Tremelle, und wenig oder gar keine gekörnte Materie hervor, sondern die grüne Materie verwandelte sich bald fast gänz - lich in eine Conferve(h)Ebend. S. 224..
Unter gewissen Umständen gingen zuweilen auch die Fasern gewisser Pflanzen, Früchte und Wurzeln unmittelbar in eine Art von Conferven über. In einem Aufgusse von Kartoffeln bekam der Theil des Parenchyma dieser Früchte, der dasmei -389meiste Sonnenlicht erhielt, eine grüne Farbe, die bis auf eine gewisse Tiefe in die Substanz des Erd - apfels eindrang. Untersuchte Ingenhouss diese Ma - terie unter dem Microscop, so fand er, daſs sie gröſstentheils eine Fortsetzung derjenigen Fasern war, woraus das Parenchyma der Kartoffeln be - stand, und sonderte er sie der Länge nach ab, so erschien das eine Ende derselben grün, indem das andere noch weisse, oder grauliche, sich in das Parenchyma verlohr(i)Vers. mit Pflanzen. B. 3. S. 39..
Als Ingenhouss auf einmal sechs und dreyſsig Gläser voll Brunnenwasser im Glashause der Sonne aussetzte, so war eines unter den offenen, auf des - sen Boden kleine, höchst zarte, Corallenschnüren ähnliche Fäden hervorkamen, welche aus densel - ben runden Körperchen bestanden, woraus die Priestleysche Materie entsteht. Diese Fäden er - reichten indeſs nicht die Gröſse eines halben Zolls. Sie sanken bald zusammen, und nach einigen Mo - naten fand sich der Boden des Glases mit einer Tre - melle bedeckt(k)Verm. Schriften. B. 2. S. 226. 227..
Eine ähnliche Erscheinung beobachtete Ingen - houss in gläsernen Kugeln voll Brunnenwasser, die er mit der Tremelle Nostoch an die Sonne gesetzt hatte. Nach ohngefähr vierzehn Tagen zeigte sich ineini -Bb 3390einigen derselben hier und da ein grüner, an den Wänden sitzender Punkt, von welchem grüne Fä - den, in der Gestalt eines Pinsels, ausgingen, die mit den Fäden des jugendlichen Fluſswasserfadens völlig übereinkamen. Sie wurden aber nicht groſs, sondern gingen nach fünf bis sechs Wochen in Häu - te über, die sich von den Membranen der Tremelle Nostoch in keinem Stücke unterschieden(l)Ebendas. S. 227. 228. Vers. mit Pflanzen. B. 3. S. 32..
Das Fleisch dieser Tremelle Nostoch fand In - genhouss aus einem zwischen zwey sehr dünnen Membranen, welche die beyden Oberflächen eines Blatts ausmachen, gedrängten Gewebe knotiger Fä - den zusammengesetzt, die aus kleinen, runden, sehr regelmäſsig unter einander geordneten Körpern bestanden. Diese, wie Corallenschnüre aussehende Fäden glichen vollkommen den Fäden jener oben erwähnten Conferve, die in einem der sechs und dreyſsig Gläser hervorkam. Reinigte Ingenhouss die Tremelle von allen fremdartigen Körpern, und legte sie dann in destillirtes Wasser, so fand er nach einigen Tagen das ganze Wasser mit kleinen runden Körperchen angefüllt, die mit denjenigen, welche der Fluſswasserfaden giebt, ganz überein - kamen(m)Verm. Schriften. B. z. S. 232. Vers. mit Pfl. B. 3. S. 28 ff..
Hält391Hält man auch diese Erfahrungen von Ingen - houss zur Bestätigung derer von Girod-Chantran noch nicht für hinreichend, so lassen sich noch frü - here Beobachtungen anführen, wobey nicht der mindeste Verdacht einer vorgefaſsten Meinung statt findet. Diese machte J. C. Wilke an einer Confer - venart, die sich in Trinkgläsern erzeugt, und er - zählt sie in den Abhandlungen der Schwedischen Akademie für das Jahr 1764(n)B. 26. S. 273 der Deutschen Uebers.. Nachdem er hier die Gestalt jenes Wasserfadens beschrieben hat, fährt er fort: “Wie es mit der Befruchtung zuge - „ he, habe ich zwar bey einem so kleinen Gewächse „ nicht entdecken können, aber doch ist es glauh - „ lich, daſs es sich auf irgend eine Art durch Wur - „ zeln oder Saamen fortpflanzt. Wenn es anfängt, „ sich im Glase zu zeigen, so ereignet es sich meist, „ daſs ein gröſserer Busch erst an einer Stelle auf - „ wächst, von dem sich nach und nach immer klei - „ nere und kleinere ausbreiten, aber es läuft nicht um „ den ganzen Rand herum gleich hinauf. Wenn das „ Glas mit destillirtem Wasser wohl ausgespühlt wird, „ das man nachgehends weggieſst, und in anderem „ destillirtem Wasser mit seinem Moose zertheilt, „ so sieht man zwar darin viele kleine runde Kör - „ per, an denen man weder Leben noch Bewegung „ wahrnimmt; aber diese können vom Bodensatze „ herrühren. Gleichwohl verdienet bemerkt zu wer -„ den,Bb 4392„ den, daſs, wenn dieses Gewächs, nachdem es mit „ destillirtem Wasser ist ausgespühlt worden, und „ in diesem Wasser in einer kleinen Flasche zum „ Verfaulen hingesetzt wird, sich innerhalb acht „ Tagen darin eine Menge kleiner laufender Kugeln „ zeigen, die Leben und eigene Bewegung haben. „ Sie sind eben so groſs, als die vorerwähnten Ku - „ geln, und nicht gröſser, als daſs sie wohl in den „ Höhlungen des Gewächses Platz hätten. Sie ster - „ ben auch weg, wenn das Gewächs zerfällt und „ aufgelöset wird.”
Noch mehr! Die eigentlichen Tremellen (Tre - mella Roth. ) enthalten bekanntlich in einer haut - artigen Blase eine wäſsrige Feuchtigkeit, die sich mit zunehmendem Alter in eine gallertartige Masse verwandelt, worin sich durch die durchsichtige Haut unter dem Vergröſserungsglase einzelne zer - streute Körner wahrnehmen lassen(o)Roth’s Bemerkungen über das Studium der cryptog. Wassergewächse. S. 61.. Diese Kör - ner nun sind in der Tremella pruniformis R. nach Schrank’s(p)Briefe, naturh. physik. u. oekonom. Inhalts an Nau. S. 93. Beobachtungen, wahre Vorticellen, und vermehren sich auch als solche durch Thei - lung. Aber zugleich müssen sie als die Fruchtkör - ner der erwähnten Tremelle angesehen werden: denn sie erzeugen sich erst mit zunehmendem Al - ter der letztern in deren Substanz, und sobald sievon393von dieser getrennt sind, bringen sie wieder eine Tremelle hervor. “Deutlich,” sagt Schrank(q)A. a. O. S. 100., „ entstand an den kleinen Stellen des Uhrglases, wo „ sich solche Gruppen festgesetzt hatten, eine klei - „ ne Ulva (Tremella) pruniformis von der Gröſse „ eines Stecknadelknopfs, und die Wände des gro - „ ſsen Glases, worin ich eine Anzahl dieser angebli - „ chen Pflanzen aufbewahrt hatte, waren am fol - „ genden Morgen ganz mit solchen anfänglichen Ul - „ ven tapezirt.”
Alle Beobachtungen über die Lebensweise der Conferven und Tremellen deuten also darauf hin, daſs bey diesen Pflanzenthieren eine ähnliche Ver - wandlung, wie bey den Thierpflanzen, statt findet, und daſs die Tremelle eben das für den Wasserfa - den ist, was das Alcyonium, nach Lichtenstein’s Erfahrungen, für die Tubularie. So wie die Tu - bularie ihre thierische Natur weit lebhafter äussert, als das Alcyonium, und dieses mit zunehmendem Alter sich immer mehr der vegetabilischen Existenz nähert, so ist es nach jenen Beobachtungen wahr - scheinlich auch der Fall bey den Conferven und Tremellen. So lange die Fäden der erstern von einander abgesondert leben, äussern sie unter ge - wissen, durch künftige Untersuchungen näher zu bestimmenden Umständen thierische Bewegungen. MitBb 5394Mit der Vereinigung dieser Fäden zu einem, unter der Gestalt einer Tremelle sich zeigenden Ganzen werden diese Bewegungen immer schwächer, und endlich hören sie ganz auf. Ferner pflanzen sich die Phytozoen aus der Familie der Wasserfäden, gleich den Thierpflanzen und Vegetabilien, sowohl durch Knospen, als durch Fruchtkeime fort. Ihre Fruchtkeime aber haben das Eigene, daſs sie bis zu ihrer Entwickelung wahre Infusionsthiere sind, als solche locomotive Bewegungen äussern, und sich als solche durch Theilung vermehren.
Alle übrige Pflanzenthiere, und besonders die Pilze, sind auf der einen Seite mit den Conferven und Tremellen, auf der andern mit den Thierpflan - zen so nahe verwandt, daſs sich jedem die Frage aufdrängen muſs, ob unsere Meinung von der Ent - stehung und Verwandlung der Wasserfäden sich nicht auch auf die erstern sollte ausdehnen lassen? Bey manchen jener Organismen fehlt es uns noch an Beobachtungen, um hierüber entscheiden zu können. Bey einigen aber finden sich Erscheinun - gen, welche diese Vermuthung allerdings sehr wahrscheinlich machen. Wir erinnern hier an die Erfahrungen von Münchhausen(r)Der Hausvater. Th. 1. St. 2. §. 12. Th. 2. St. 2. §. 757 ff. Th. 3. Anh. No. 1. J. A. H. Reimarus in H. S. Reimarus angefangenen Betrachtungen über die be - sondern Arten der th. Kunsttriebe. S. 179 ff. und G. Wil -ke395ke(s)Journal encyclopédique. 1767., die gewiſs mehr Aufmerksamkeit verdienen, als man ihnen bisher geschenkt hat. Nach Münch - hausen’s Beobachtungen streuen die Schwämme, wenn sie alt werden, besonders die Kugelschwäm - me und der Schimmel, einen schwärzlichen Staub aus. Betrachtet man diesen unter guten Vergröſse - rungsgläsern, so findet man halbdurchsichtige, in - wendig mit schwarzen Pünktchen angefüllte und der Substanz eines Polypen nicht ganz unähnliche Kügelchen. Wenn man jenen Staub in Wasser legt, und in einer mäſsigen Wärme aufbewahrt, so schwellen die Kügelchen allmählig an, und ver - wandeln sich in eyrunde, bewegliche, Thieren ähnliche Körper. Diese Thiere laufen im Wasser herum, und giebt man weiter auf sie Acht, so wird man am folgenden Tage wahrnehmen, daſs sich Klumpen von einem härtern Gespinnste zu - sammensetzen, aus welchem weiter Schimmel und Kugelschwämme entstehen.
Die Beobachtungen von Wilke stimmen hier - mit in der Hauptsache überein. Linné(t)De mundo invisibili, in Amoen. acad. Vol. VII., Wei - se(u)Plant. cryptog., und Scopoli traten den von Münchhausen und Wilke aus den obigen Beobachtungen gezo - genen Folgerungen bey, ohne jedoch die Richtig - keit jener Erfahrungen durch neue Versuche zu prü -fen.396fen. Schrank(v)Römer’s u. Usteri’s Mag. f. d. Botanik. St. 12. No. 3 §. 1., welcher diese Prüfung unter - nahm, erhielt Resultate, die mit den Münchhau - sischen nicht übereinkamen, und er glaubt daher die letztern für unrichtig erklären zu müssen. Wer sieht aber nicht das Voreilige dieser Behaup - tung? So wie die Saamen der Conferven und Tre - mellen nicht unter allen Umständen ihre thierische Natur äussern, so kann dies ja auch mit den Saa - men der Pilze der Fall seyn. Nur so viel läſst sich aus den Versuchen von Schrank schliessen, daſs die von Münchhausen beobachteten Erschei - nungen nicht immer erfolgen, und dies liesse sich auch erwarten. Hätte Schrank seine Versuche mehr vervielfältigt, so würde er ohne Zweifel nicht nur ähnliche, sondern vielleicht noch auffal - lendere Beobachtungen, wie Münchhausen, ge - macht haben. Ich berufe mich wegen dieser Be - hauptung auf O. F. Müller’s Erfahrungen.
Müller fand die Keule seines rothen Keulen - schwamms mit Wärzchen besetzt, die eine kleine Zelle mit einem kugelförmigen Körper enthielten, dessen spitzes Ende die auswendig sichtbare Warze bildete. Diese kleinen weissen Körperchen sahe er, sich aus den Zellen losmachen, indem sie sich hin und her krümmten, aus denselben herausfahren, 1 bis 1½ Zoll von der Keule entfernen, sich imFrey -397Freyen schlangenweise bewegen, und zum Theil auf den Schwamm zurückfallen. Fing er diese schlangenförmigen Fasern auf einer Glasscheibe auf, so erschienen sie anfangs als steife Stäbe, bald nachher aber bildeten sie ein Gespinnst, welches unter dem Suchglase der feinsten Baumwolle nicht unähnlich sahe, und von langen, unterbrochenen, soliden, an einigen Stellen etwas gerunzelten Fä - den, die sich in allen möglichen Richtungen durch - kreutzten, gebildet wurde. Müller glaubte, daſs eine Menge Fasern, wenn sie sich in verschiedenen Punkten berührten, vielleicht einen langen Faden auszumachen fähig wären, und daſs ihre Vereini - gungspunkte, wegen der Feinheit der Theile, un - sichtbar blieben. Aber das Vergröſserungsglas wi - derlegte diese Vermuthung, und zeigte, so unbe - greiflich es auch scheinet, daſs aus kurzen Fasern lange, in einander verwickelte, und selten unter - brochene Fäden entstanden wären(w)Beschäftig. der Berl. Gesellsch. naturf. Freunde. B. 1. S. 159..
Eine ähnliche Erscheinung beobachtete Müller an seinem spatelförmigen und schlangenförmigen Keulenschwamme. Aus der Keule des erstern staubten kleine weiſsliche Punkte schaarenweise her - vor, die unter dem Vergröſserungsglase wie die aufgefangenen Fasern des rothen Keulenschwamms aussahen(x)Ebendas. S. 164. Flor. Dan. Tab. 658.. Aus der Oberfläche des schlangen -för -398förmigen Keulenschwamms stiegen eine Menge glänzender Funken auf, die sich in der Luft hin und her wälzten, sich schaarenweise zerstreuten, und endlich gröſstentheils auf den Schwamm zu - rückfielen. Bey ihrer Ausfahrt erschienen sie als unebene Punkte oder spielende Sonnenstäubchen. Wenn sie auf den Schwamm zurückgefallen waren, glichen sie den feinsten Schneetheilchen, und wur - den bald unmerklich. Auf einem Glase aufgefan - gen, und unter einem Suchglase betrachtet, er - schienen sie glänzend und länglicht, verwandelten sich aber nicht in ein Gespinst, sondern blieben un - verändert(y)Beschäftig. der Berlin. Gesell. a. a. O..
Die Theorie, die wir in den vorigen §phen dar - gethan zu haben glauben, war in dem Alterthume allgemein herrschend. Indeſs stützte sie sich bey diesem auf so oberflächigen Beobachtungen, daſs es einem Redi und Vallisnieri nicht schwer fal - len konnte, die Unrichtigkeit der letztern zu be - weisen. Statt aber der sogenannten freywilli - gen Erzeugung (generatio aequivoca) engere Gränzen zu setzen, läugneten diese Naturforscher sie ganz, und zogen Schlüsse aus ihren Beobach - tungen, die nicht minder voreilig, als die der Alten, waren. Buffon und Needham haben das Ver - dienst, die Bohauptungen des Redi und Vallis -nieri399nieri wieder eingeschränkt, und der Wahrheit den Sieg vorbereitet zu haben. Keiner von ihnen sahe aber den Reichthum ihrer Lehre an den wichtig - sten Folgerungen für die ganze Biologie gehörig ein. Beyde, doch Buffon mehr als Needham, baueten auf ihr neben manchen richtigen Sätzen auch viele andere, die mit ausgemachten Wahrhei - ten in Widerspruch standen, und nicht dazu ge - eignet waren, ihren Systemen allgemeinen Beyfall zu verschaffen.
Nach Buffon(z)Hist. nat. T. II. giebt es in der Natur eine dem Thier - und Pflanzenreiche gemeinschaftliche, stets wirksame, unveränderliche, und unzerstör - bare Materie, die allem, was lebt und wächst, zur Nahrung und Entwickelung dienet.
Wie wir Formen machen können, wodurch das Aeussere der Körper eine beliebige Gestalt er - hält, so hat die Natur innerliche Formen, ver - mittelst welcher sie nicht nur die äusserliche Ge - stalt, sondern auch die innerliche Beschaffenheit der Körper zu bilden vermögend ist.
Jedes Thier und jeder seiner Theile ist eine sol - che innerliche Form, in welcher jene Materie, die ihm zum Wachsthume dienet, verähnlicht wird. Die Gestalt dieser innerlichen Form ist unveränder - lich, die Masse und Gröſse derselben aber nimmtin400in gehörigem Ebenmaaſse zu, und diese Zunahme macht das Wachsthum aus, welches dadurch ge - schieht, daſs die Form von der erwähnten Materie innigst durchdrungen wird.
Findet kein Wachsthum weiter statt, so wird der Ueberfluſs der nährenden und hervorbringen - den, überall verbreiteten Materie, nachdem sie durch die innerliche Form gegangen ist, in ein oder mehrere Behältnisse unter der Gestalt einer Flüssigkeit gesandt, die alle dem Thiere ähnliche Theilchen, und folglich alles, was zur Hervorbrin - gung seines Gleichen erforderlich ist, enthält.
Diese Flüssigkeit ist der Saamen, der also in beyden Geschlechtern eine Art von Exirakt aus al - len Theilen des Körpers ausmacht. Bey der Blatt - laus, der Zwiebel, und andern lebenden Körpern, welche ohne Zuthun eines männlichen Individuum erzeugt werden, verbinden sich die organischen Theilchen, woraus diese Flüssigkeit besteht, in je - dem einzelnen Geschöpfe zu Körpern, die dem gro - ſsen ähnlich sind. Bey denen aber, zu deren Er - zeugung die Vereinigung zweyer Geschlechter er - forderlich ist, müssen sich die Saamenfeuchtigkei - ten beyder Geschlechter vermischen, wenn die in ihnen enthaltenen organischen Theilchen ein neues Individuum bilden sollen.
So lange diese Vermischung nicht vor sich ge - gangen ist, bringen jene Flüssigkeiten Wesen her -vor,401vor, die von den Thieren und Pflanzen verschie - den, und unter dem Namen der Saamenthiere be - kannt sind.
Durch die Vermischung beyder Flüssigkeiten wird die Wirksamkeit der organischen Theilchen in der einen durch die entgegengesetzte Wirkung der Theilchen in der andern gleichsam gehemmet, so daſs jedes dieser Theilchen sich zu bewegen aufhöret, und an dem ihm zukommenden Orte bleibt.
Die Bewegung und Wirkung der lebenden Theilchen wird aber auch durch leblose Materien, besonders durch ölichte und salzichte, aufgehal - ten. Von diesen befreyet, nehmen sie ihre Wirk - samkeit wieder an, und bilden verschiedene Arten von Pflanzen und sich fortbewegende lebende Ge - schöpfe.
Needham(a)Nouvelles observ, microscopiques. nahm ebenfalls eine der ganzen lebenden Natur gemeinschaftliche Materie an, die zur Hervorbringung von Pflanzen und Thieren gleich tauglich ist.
Sie bildet Thiere, wenn sie sich im Zustande der Exaltation befindet, Pflanzen, wenn ihre Thä - tigkeit herabgestimmet ist.
InBd. II. Cc402In jedem Punkte derselben befindet sich eine expansive, absolut elastische Kraft, die aber durch eine gegenwirkende beschränkt wird.
Aus dem verschiedenen Verhältnisse dieser bey - den Kräfte entstehen alle lebende Wesen. Wo jene erhöhet wird, bildet sich ein Thier; wo jene de - primirt wird, entsteht eine Pflanze.
In jedem thierischen Körper wird mit zuneh - mendem Alter die expansive Kraft vermindert, und die gegenwirkende vermehrt.
Diese gegenwirkende Kraft liegt vorzüglich in den Salzen. Von ihnen werden daher die micro - scopischen Thiere getödtet, und erst nach ihrer Verdünstung äussert sich in vegetabilischen und ani - malischen Aufgüssen Leben.
Die Verschiedenheit der Saamenfeuchtigkeit bey den verschiedenen Organismen rührt von dem verschiedenen Verhältnisse der ihnen beywohnen - den expansiven und gegenwirkenden Kraft her. Im Saamen der Thiere befindet sich die erstere im höchsten Grade der Exaltation.
Man sieht, wie in diesen beyden Systemen hel - le und schöne Ideen mit dunkeln und verworrenen vermischt sind. Sondern wir die letztern und alles noch Unerwiesene von jenen ab, so bleiben zwey Sätze übrig, die wir nach so vielen, für dieselben sprechenden Thatsachen als ausgemacht anzuneh -men,403men, und unsern künftigen Untersuchungen zum Grunde zu legen berechtigt sind. Der erste ist:
Daſs in der ganzen Natur eine stets wirksame, absolut indecomponible und unzerstörbare Materie vorhan - den ist, wodurch alles Lebende von der Byssus bis zur Palme, und von dem Punktähnlichen Infusionsthiere bis zu den Meerungeheuern Leben besitzt, und welche, obgleich un - veränderlich ihrem Wesen, doch ver - änderlich ihrer Gestalt nach, unauf - hörlich ihre Formen wechselt.
Der zweyte Satz ist:
Daſs diese Materie an sich formlos und jeder Form des Lebens fähig ist, daſs sie nur durch den Einfluſs äus - serer Ursachen eine bestimmte Ge - stalt erhält, nur bey der fortdauern - den Einwirkung jener Ursachen in dieser verharret, und eine andere Form annimmt, so bald andere Kräf - te auf sie wirken.
Nec perit in tanto, mihi credite, mundo, Sed variat faciemque novat, nascique vocatur, Incipere esse aliud, quam quod fuit ante, morique Desinere illud idem.
Cc 2Mit404Mit diesen Sätzen ist uns jetzt das Ziel gege - ben, worauf unsere künftigen Untersuchungen ge - richtet seyn müssen. Das Wesen jener Materie wird uns ewig unbekannt bleiben, und kann kein Gegenstand unserer Nachforschungen seyn. Nur auf die Formen, deren dieselbe fähig ist, und auf die Ursachen, wodurch ihr diese Formen ertheilt werden, können unsere Untersuchungen abzwek - ken. Wir werden hierbey jene Materie mit dem Namen des Lebensprincips, Lebensstoffs oder der Lebensmaterie, und diese Ursachen mit dem der formenden, oder plastischen Potenzen bezeichnen.
Könnten wir jenen Lebensstoff in seinem form - losen Zustande darstellen, und nach Gefallen mit ihm experimentiren, so dürften wir die Natur nur geradezu befragen, um die Data, die uns zur Be - gründung unserer Wissenschaft nöthig sind, zu erhalten. Allein die chemische Analyse der leben - den Organismen liefert uns vier Stoffe, die ein gemeinschaftliches Eigenthum der Thiere, Zoophy - ten und Pflanzen sind, den Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff und Kohlenstoff. Von diesen sind die beyden letztern wahrscheinlich noch einer weitern Zerlegung fähig. Ist also der Sauerstoff oder Was - serstoff unser Lebensstoff, oder entzieht sich dieser ganz unserer Wahrnehmung? Man sieht leicht, daſs sich hierüber noch nichts entscheiden läſst. Aber405Aber wenn auch unser Lebensprincip einerley mit dem Oxygene oder Hydrogene wäre, so existirt doch keines von diesen anders, als in Verbindung mit andern Stoffen, und auch bey jener Identität würde sich also die Lebensmaterie in keinem ganz reinen Zustande darstellen lassen. Die Hoffnung, geradezu die Natur befragen zu können, müssen wir daher aufgeben, und uns begnügen, sie nur zu belauschen. Wir werden im folgenden Kapitel einen Versuch machen, auf diese Art ihre Geheim - nisse zu erforschen. Wir werden uns bemühen, vermittelst der Thatsachen, die in den beyden vori - gen Abschnitten enthalten sind, die formenden Potenzen des Lebensstoffs und deren Wirkungsart zu entdecken. Ehe wir aber zu diesen Untersu - chungen übergehen, müssen wir vorher noch eine Erinnerung in Betreff unserer eben geäusserten Vermuthung von der Identität des Lebensstoffs mit dem Oxygene oder Hydrogene beyfügen.
Man wird eine Inconsequenz darin zu finden glauben, daſs wir diese Identität auch nur für mög - lich halten, da jene Materien, den gewöhnlichen Begriffen gemäſs, Stoffe der leblosen Natur sind, unser Lebensprincip aber ein ausschlieſsliches Ei - genthum der lebenden Körper seyn soll. Allein dieser Schein von Inconsequenz wird verschwin - den, wenn man sich unserer Bemerkungen überdieCc 3406die Gränzen der lebenden Natur(b)Biol. Bd. 1. S. 106. 155 ff. erinnert. An - genommen der Sanerstoff oder Wasserstoff wäre ei - nerley mit unserm Lebensprincip, so finden wir jene Stoffe zwar als Wasser in einem Zustande, den wir für leblos halten. Aber wer hat diese Leb - losigkeit bewiesen? Und gesetzt, man bewiese sie, nehmen wir denn nicht eine Latenz der Wär - me an, und könnte es nicht auch für unsern Le - bensstoff einen solchen Zustand geben? Dies sey inzwischen nur beyläufig gesagt, um Miſsverständ - nisse zu verhindern.
Ueber die Verbreitung der lebenden Körper nach der Verschiedenheit der äussern Einflüsse philoso - phiren, heiſst, die äussern Bedingungen des Lebens aufsuchen. Diese Bedingungen lassen sich in for - melle und materielle eintheilen. Die erstern sind dieselben, die wir im vorigen Kapitel for - mende Potenzen des Lebensstoffs ge - nannt haben, und unter ihnen ist die erste und vor - nehmste Wärme. Die Mannichfaltigkeit, Zahl und Gröſse der lebenden Individuen steht, bey übri - gens gleichen Umständen, in geradem Verhältnisse mit dem Grade der Wärme.
Die zunehmende Mannichfaltigkeit der leben - den Individuen bey der Zunahme der Wärme folgt aus dem im vorigen Abschnitte bewiesenen Satze, daſs jene im Allgemeinen mit der Entfernung von den Polen in geradem Verhältnisse steht. Sie bestä - tigt sich auch bey der Vegetation der Alpen. Auf Gebirgen wird die Zahl der Gewächse mit zuneh - mender Höhe immer geringer; sie verliehrt sichCc 4fast408fast ganz auf den Gipfeln derselben, wo man nur hin und wieder noch eine einsame Zwergbirke oder Saxifraga erblickt.
Aber nicht blos die Mannichfaltigkeit, sondern auch die Menge der Individuen wächst mit zuneh - mender Wärme. Wir wollen nur einige, von Con - damine im heissen Amerika, und von Sparrmann und Barrow im südlichen Afrika gemachte Beob - achtungen zum Beweise dieses Satzes anführen. Der mittlere Theil der neuen Welt ist reicher an Pflanzen, als irgend eine andere Gegend des Erdbo - dens. “Wenn man von den Anden herabkömmt,” sagt Condamine(c)Relation abregée d’ un Voyage etc. p. 48., “hat man eine weite und ein - „ förmige Aussicht auf Wasser und Grün, und „ sonst nichts. Man tritt auf die Erde, ohne sie „ zu berühren, weil sie von üppig wachsenden „ Pflanzen, Unkraut, Stauden und Gesträuchen so „ ganz bedeckt ist, daſs es viel Mühe und Arbeit „ kosten würde, sie auch nur einen Fuſs breit da - „ von zu säubern.” Im südlichen Afrika weidet der Springbock, eine Antilopenart, immer in gro - ſsen Heerden, die sich nach der Aussage der Land - leute zu weilen auf 10000 Stück belaufen sollen(d)Barrow’s Reise im südlichen Afrika. S. 100.. Sparrmannen begegnete ein Haufen von ohngefähr tausend Büffeln(e)Sparrmann’s Reise nach dem Vorgeb. der guten Hoffn. S. 590.. Ein Colonist versicherte, daſser409er Heerden von vier - bis fünfhundert Elephanten hätte laufen sehen(f)Barrow a. a. O. S. 175.. Sparrmann nennet sogar Heerden von Tausenden dieser Thiere(g)Sparrmann a. a. O. S. 303.. Bar - row sahe ein Feld in der Nähe eines Sumpfes, worauf sich eine so ungeheure Menge ägyptischer Gänse, Berggänse, Schnepfen und Enten gelagert hatte, daſs es im buchstäblichen Sinne ganz damit bedeckt war(h)Barrow a. a. O. S. 133.. Bey dem Seekuhflusse war die ganze Gegend, 10 englische Meilen weit auf jeder Seite dieses Flusses und 80 bis 90 Meilen in der Länge, also in einer Strecke von 16 bis 1800 Qua - dratmeilen, durchaus von Heuschrecken bedeckt, die jeden Grashalm verzehrt hatten. Das Wasser im Flusse war kaum zu sehen, so viel todte Lar - ven schwammen darin, welche bey dem Versuche, an das Schilf zu gelangen, ertrunken waren(i)Barrow. S. 251.. Wo ist in der gemäſsigten Zone ein Land, das einen solchen Reichthum an Pflanzen und Thieren auf - zuweisen hat?
Die heisse Zone endlich ist es auch, wo alles lebt, was das feste Land Groſses und Gigantisches an lebenden Körpern enthält. Hier wohnen die colossalischen Elephanten, Nashörner und Nilpfer - de; hier der Riese unter den Vögeln, der Strauſs;hierCc 5410hier ungeheure Schlangen und Eidechsen; hier das Bambusrohr, das eine Länge von mehr als 30 Fuſs erreicht(k)Rheede Hort. Malab. T. 1. p. 26., die Aloe dichotoma, wovon Patter - son(l)Reisen in das Land der Hottentotten. Uebers. von Forster. S. 55. Individuen sahe, die im äussersten Umfan - ge der Zweige 400 Fuſs hielten, die Säulencypresse (Cupressus columnaris Forst.), die bis 140 Fuſs in der Länge und bis 30 Fuſs im Durchmesser heranwächst(m)King’s Nachrichten von der Norfolkinsel. S. 286, im Mag. von Reisebeschr. B. XI. Hunter’s Reise[nach] Neu-Süd-Wallis, ebend. S. 125., und der Baobab (Adansonia di - gitata), der oft eine Krone von 160 und einen Stamm von 25 Fuſs im Durchmesser hat(n)Adanson’s Reise nach Senegal. Forster’s u. Spren - gel’s Beyträge zur Länder - u. Völkerkunde. Th. 1. S. 64..
Alles wird dagegen zwergartiger und krüpplich - ter mit abnehmender Wärme. Dies zeigt sich schon bey einer Vergleichung der Thiere Asiens und Afrika’s mit ähnlichen, die unter gleichen Gra - den der Breite in dem kältern Amerika wohnen, z. B. des Löwen, Tiegers, Bären und Wolses der alten und neuen Welt(o)Carver’s Reisen durch Nord-Amerika. Hamburg. 1780. S. 360-362. Dobrizhoffer’s Gesch. der Abipo - ner. Th. 1. S. 332., des Elephanten und Nil - pferdes mit dem Tapir, des Llama und Guanucomit411mit dem Dromedar und Camel, des Strauſses mit dem Amerikanischen Casuar, des Alligator der neuen Welt mit dem Nilcrocodil.
Noch auffallender ist dieser Unterschied in der Gröſse, wenn man Thiere der kalten und gemä - ſsigten Zonen gegen ähnliche Geschöpfe der Tro - penländer hält. Welch ein Abstand zwischen dem von Allamand beschriebenen Maulwurfe (Talpa gigantea), der sich am Cap aufhält, und dem Eu - ropäischen! Ja, auch bey ganzen Familien findet dieser Unterschied statt. Die Familie der Nage - thiere enthält die Zwerge, die der Schweine die Riesen unter den Säugthieren. Die Heimath der erstern ist daher Siberien, die Tartarey, Canada und Virginien, die der letztern das heisse Asien, Afrika und Amerika.
Eben so ist es bey den Pflanzen. Von Gna - phalium, Chrysocoma, Aster, Inula, Senccio, Ar - temisia und mehrern andern Geschlechtern, die in den heissen Zonen strauchartige Gattungen haben, sind alle Arten, die in den kältern Climaten wach - sen, blos Kräuter. Auf den Shettländischen In - seln sind die Haselstaude, die Buschweide, die netzförmige, kriechende und gemeine Weide die einzigen Sträucher, und auch diese stehen nur sehr sparsam(p)Pennant’s Thiergesch. der nördl. Polarländer. Th. 1. S. 38.. In Grönland fand Cranz(q)Historie von Grönland. vonbaum -412baumartigen Pflanzen nur den Wacholder, die Birke und einige Weiden, wovon jedoch keine über 10 Fuſs hoch war. Im nördlichen Asien giebt es uber den 68ten Grad der Breite hinaus keine Wälder mehr, und unter dem 70ten wächst kaum noch ein Gesträuch(r)Pennant a. a. O. S. 125.. Auf Spitzbergen ist die Zwergweide (Salix herbacea) das einzige baumar - tige Gewächs, und diese wird selten über zwey Zoll hoch(s)Martens Spitzbergen. S. 65. Phips Reise nach dem Nordpol..
Am auffallendsten aber ist bey den Vegetabi - lien das Verhältniſs, worin die Gröſse mit der Wär - me steht, auf Gebirgen. Hier mindert sich mit zunehmender Höhe nicht nur die Zahl und Man - nichfaltigkeit, sondern auch die Gröſse der Indivi - duen. Um Santa-Fee de Bogota, der Hauptstadt von Neu-Granada, welche wenigstens 1600 Fuſs über der Meeresfläche unter 4° nördlicher Breite liegt, befindet sich das ganze Pflanzenreich in einer Art von Erstarrung. Auf den über der Stadt her - vorragenden steilen Bergen wächst nichts, als Hei - dekraut, Farrnkraut und einige andere wilde Pflan - zen. Man trifft keinen Baum an, der nur mit un - sern Büschen könnte verglichen werden; blos in Schlünden, die vor der kalten Luft geschützt sind, giebt es einige, wovon aber doch die gröſsten un - sern Pflaumenbäumen noch nicht gleich kommen. Die -413Diese Vegetation wird immer schwächer, je näher man den Gipfeln der Berge kömmt, und verschwin - det am Ende fast gänzlich(t)Le Blond im Journal de phys. Mai. 1786. Voigt’s Mag. f. d. Neueste aus der Physik. B. 5. St. 4. S. 37..
Auf den Pyrenäen zeigt sich folgende Grada - tion in dem Wachsthume der Kräuter, Stauden und Bäume. Gleich unter der Region des ewigen Eises machen die Daphne Cneorum, die Gentiana nivalis und jene übrigen krautartigen Gewächse, die keine Behandlung zähmen, keine Wartung anderswo ein - heimisch machen kann, den Vortrab der Vegetation aus. Nach diesen Kräutern zeigen sich die Gesträu - che. An ihrer Spitze steht der Rhododendron, drey - bis viertehalb hundert Toisen unter der Schneeregion, und neun hundert Toisen über der Meeresfläche. Ihnen folgen bald die Bäume, und zwar zuerst der Taxus und die Cembro-Fichte, Dann zeigt sich das ganze Geschlecht der harzigen Bäume. Die wilde Fichte verbindet sich mit der Tanne. Beyde von erstaunlicher Höhe, in Reihen geschlossen, die sich gegenseitig befestigen, beyde fast ganz von Aesten entblöſst, und mit einer dün - nen Erdschichte zufrieden, klammern sich an die nackten Felsen an und kleben an deren Oberfläche. Diese beschliessen die Vegetation der Pyrenäen, und verliehren sich, indem sie immer seltener wer - den, unter den Pflanzen der Ebenen(u)Ramond’s Reise nach den Pyrenäen. B. 2. S. 58 ff..
Von414Von den bisherigen Sätzen giebt es nun frey - lich Ausnahmen. Aber alle diese sind nur schein - bar. Immer finden Umstände dabey statt, wodurch das obige Gesetz nicht einmal eingeschränkt, ge - schweige denn widerlegt wird.
Eine solche scheinbare Ausnahme macht das Meer. Die Gewässer der Eiszone sind eben so reich, wo nicht reicher an Thieren, als das feste Land zwischen den Wendezirkeln. In Kamschatka ziehen zu gewissen Jahreszeiten so groſse Heere von Fischen aus dem Meere in die Flüsse, daſs diese oft dadurch zugedämmt, und aus ihren Ufern getrieben werden. Die groſse Menge, welche nach dem Fallen des Wassers auf dem Lande zurück - bleibt, verursacht einen Gestank, der eine Pest nach sich ziehen könnte, wenn nicht Bären und Fuchse die Menge der faulenden Körper verminder - ten, und heftige Winde die Luft wieder reinig - ten(v)Steller’s Beschr. von Kamschatka. S. 40. 141.. In dem Eismeere finden sich animalische Formen, wogegen die gröſsten Landthiere nur als Zwerge erscheinen, wie die Wallfische beweisen, und vegetabilische Gebilde, wogegen die höchsten Bäume nur Sträucher sind, wie an dem Fucus gi - ganteus erhellet(w)M. s. das 3te Kap. des 2ten Absch. dieses Buchs..
Aber 1) der groſse Reichthum, den die Eiszone in gewissen Jahreszeiten an Thieren aufzuweisenhat,415hat, besteht gröſstentheils in wandernden Thieren, welche dort nur den kurzen Sommer hindurch ver - weilen, im Winter aber wärmere Gegenden auf - suchen. In Kamschatka, und vermuthlich auch im nordwestlichen Amerika haben weder die Landseen, noch die Flüsse andere Fische, als diejenigen, die aus dem Meere in dieselben aufsteigen, und von diesen kommen alle im Winter um, welche nicht bey Zeiten ins Meer zurückkehren(x)Steller a. a. O. S. 142. Portlock’s Reise an die Nordwest-Küste von Amerika. S. 126, in Forster’s Geschichte der Reisen etc. B. 3.. Das Meer - ungeheuer der Eiszone, der Wallfisch, zieht sich ebenfalls gegen die Ankunft des Winters in wärmere Gegenden zurück. Villefort fand diese Thiere im Juny bey der Insel Mascarin unter 1° 12′ süd - licher Breite(y)De Brosse’s Gesch. der Schiffarthen nach den Süd - ländern. Uebers. von Adeluno. S. 366., und, nach Barrow’s Berichte, sind sie in allen Bayen von Afrika den Winter hin - durch sehr zahlreich(z)Barrow a. a. O. S. 43.. Zwar setzt der Letztere hinzu, daſs sie kleiner sind und nicht den Werth haben, als die der kältern Meere. Aber dies rührt vielleicht nur daher, weil sie im Sommer durch die Begattung ausgemergelt sind, und an den Afrikani - schen Küsten nicht die ihnen angemessene Nah - rung finden.
2)4162) Im Meere, so wie im Innern der Erde, fin - den weit weniger Veränderungen der Temperatur, als auf der Oberfläche der Erde, und in einer ge - wissen Tiefe wahrscheinlich gar keine Abwechse - lungen der Wärme statt. Aus Kalm’s(a)Abh. der Schwed. Akad. 1771. B. 33. S. 57., Wil - ke’s(b)Ebendas. S. 64. und Forster’s(c)Bemerkungen auf einen Reise um die Welt. S. 50. Versuchen über diesen Gegenstand ergiebt sich, daſs das obere Wasser an niedrigen Ufern, sowohl in Flüssen, als im Weltmeere, mehr Wärme, als die Luft, und tiefe - res beynahe eben so viel erlangen kann, daſs aber diese Wärme nicht tiefer als 5 Faden dringt, und mit zunehmender Tiefe immer mehr abnimmt, bis man eine beständige Temperatur antrifft, die von den Jahreszeiten nicht geändert wird. Nach Hun - ter’s, in tiefen Brunnen auf Jamaika angestellten, Versuchen ist diese beständige Wärme des Innern der Erde, oder des Wassers an jedem Orte einerley mit der an der Oberfläche desselben statt findenden mittlern Temperatur(d)Phil. Transact. Vol. I. P. I. Voigt’s Mag. für das Neueste aus der Physik. B. VI. St. 2. S. 14.. Und hiermit stimmen auch sowohl Wilke’s Versuche, als die in den Kel - lern der National-Sternwarte zu Paris gemachten Beobachtungen überein. Jener nehmlich fand die beständige Temperatur im Landscroner Hafen 8 bis 9° nach Celsius, also 6,4 bis 7,2° nach Reau -mur417mur(e)Wilke a. a. O., und fast die nehmliche Zahl erhält man auch für die mittlere Temperatur des, um keine bedeutende Entfernung von Landskrona entlegenen Lund aus ein und zwanzigjährigen, an diesem Or - te von Schenmark und Nenzelius angestellten Be - obachtungen(f)Abhandl. der Schwed. Akad. 1775. B. 37. S. 161.. In den Gewölben der National - Sternwarte zu Paris beträgt die beständige Tempe - ratur 9,6° R.(g)Von Humboldt über die unterirdischen Gasarten, S. 82., und auf der Oberfläche von Paris die mittlere Wärme, nach Wargentin(h)Abh. der Schwed. Akad. 1758. B. 20. S. 3 ff., 10,7° Celsius = 8,5° Reaum. also auch fast dieselbe Zahl.
Hat dies nun seine Richtigkeit, so folgt, daſs wir nur Thiere und Pflanzen des Landes mit ähn - lichen Geschöpfen des Landes, Wasserthiere und Wasserpflanzen nur mit Wasserthieren und Was - serpflanzen, und verschiedene Länder nur nach de - nen Thieren, die darin überwintern, vergleichen dürfen, wenn wir über die Wirkungen der Wärme richtig urtheilen wollen.
3) Die Bewohner des Meers sind aber noch einem andern Einflusse ausgesetzt, den die Thiere und Gewächse des Landes entweder gar nicht, oderdochBd. II. Dd418doch nicht in dem Maaſse empfinden, und der ge - wiſs von der gröſsten Wichtigkeit in der Oekono - mie der erstern ist. Wir wissen aus dem zweyten Kapitel des vorigen Abschnitts, wie sehr ein salzi - ger Boden und ein Salzgehalt der Athmosphäre die Wirkungen der Wärme bey dem Wachsthume ge - wisser Pflanzen unterstützt, und wie üppig die Ve - getation in mehrern Gegenden von Afrika, dieser beyden verbundenen Ursachen wegen, vor sich geht. Wir dürfen uns also nicht darüber wundern, daſs das Meer, worin der eine dieser Einflüsse in einem weit höhern, der andere in einem zwar nicht so hohen, aber auch nicht so veränderlichen Gra - de, als auf den Afrikanischen Ebenen statt findet, Pflanzenthiere aufzuweisen hat, wogegen die höch - sten Bäume dieser Gegenden nur Sträucher sind.
Die Analogie läſst uns vermuthen, daſs eine Ursache, die sich auf die Vegetation so wirksam zeigt, auch auf den thierischen Organismus einen wichtigen Einfluſs haben muſs, und diese Vermu - thung wird dadurch unterstützt, daſs es Thatsa - chen giebt, die sich aus keiner andern Voraus - setzung, als aus dieser, erklären lassen. Wir ha - ben schon im vierten Kapitel des vorigen Abschnitts bemerkt, daſs alle Schaalthiere, die sich in Flüs - sen, Landseen und kleinern Meeren, z. B. im Adriatischen Meere, aufhalten, weit zartere Ge - häuse haben, als diejenigen, die den Ocean bewoh -nen.419nen. Wir können jetzt noch hinzufügen, daſs auch alle Thierpflanzen(i)Olivi Zool. Adriatica. p. 218. und Pflanzenthiere(k)Mertens in Schrader’s Journal f. d. Botanik. 1800. B. 1. S. 198. in jenen nie die Gröſse, als in den letztern, errei - chen. Man hat diese Thatsachen daraus erklären wollen, daſs in der Tiefe des Oceans, wohin die Gewalt der Stürme nicht reicht, jene Körper in ihrem Wachsthume nicht so oft gestöhrt würden, als auf dem seichtern Grunde kleinerer Meere. Al - lein fände diese Ursache statt, so würden Flüsse, Landseen und Buchten die gröſsten Zoophyten ent - halten müssen, weil in diesen das Wasser auch bey den heftigsten Stürmen schon in einer geringen Tie - fe weit weniger in Bewegung ist, als das Welt - meer bey geringern Bewegungen der Luft in einer weit gröſsern Tiefe. Andere sind bey der Erklä - rung jener Thatsachen den entgegengesetzten Weg gegangen, und haben die heftigere Bewegung des Wassers im Ocean für die Ursache des üppigern Wachsthums der Bewohner desselben angenommen. Aber welche Körper leiden mehr von der Bewegung des Meers, als diejenigen Conchylien, die sich blos auf der Oberfläche desselben aufhalten, und doch haben diese äusserst dünne und zerbrechliche Schaa - len(l)M. s. oben Abschn. 2. Kap. 4. §. 1.. Eine weit befriedigernde Erklärung giebtunsDd 2420uns die Voraussetzung, daſs der Salzgehalt des Wassers das Wachsthum der Bewohner dieses Ele - ments befördert. Hieraus begreift man die groſse Verschiedenheit zwischen den Thieren und Zoophy - ten des süſsen und salzigen Wassers. Hieraus läſst sich abnehmen, warum sich an der Oberfläche des Meers so zarte, hingegen in den Tiefen desselben so feste Conchylien erzeugen: denn allen Erfahrun - gen zufolge ist das Seewasser in der Tiefe weit sal - ziger, als an der Oberfläche(m)Bergmann’s physikalische Erdbesehreibung. 3te Aufl. B. 1. S. 363.. Hieraus endlich ergiebt sich, warum kleinere Meere keine so groſse Zoophyten und keine Schaalthiere mit so festen Ge - häusen, als sich im Weltmeere finden, enthalten. Es läſst sich nehmlich schon zum voraus vermu - then, und die Ostsee giebt einen Beweis dafür, daſs die Flüsse, die sich in den engen Bezirk der erstern ergieſsen, den Salzgehalt derselben vermin - dern müssen, daſs aber diese Ursache auf die gro - ſse Wassermasse des Oceans keinen Einfluſs haben kann.
Wird also das Wachsthum des thierischen Or - ganismus von der Einwirkung der Salze modifizirt, so folgt, daſs wir auch Meerthiere mit Meerthieren in Betreff der Abhängigkeit ihrer Gröſse von der Wärme nicht anders vergleichen dürfen, als wenn vorher dargethan ist, daſs der Salzgehalt der Ge -wäs -421wässer, worin sie sich befinden, nicht zu sehr ver - schieden ist. Dieser Gehalt nun scheint in den grö - ſsern Meeren der wärmern und gemäſsigten Zonen allenthalben derselbe zu seyn(n)La Billardiere’s Reise nach dem Südmeere. Th. 1. S. 54., und in diesen Gegenden sehen wir auch die Meerthiere an Man - nichfaltigkeit und Gröſse mit abnehmender Entfer - nung vom Aequator zunehmen. Von der Mannich - faltigkeit derselben ist dieser Satz schon im vierten Kapitel des vorigen Abschnitts dargethan. Die steigende Gröſse derselben erhellet aus folgenden Thatsachen. Die Meere zwischen den Wendezir - keln enthalten die gröſsten Schildkröten, Mollusken und Crustaceen. Der gemeine Octopus wächst in Ostindien und im Mexicanischen Meerbusen zu ei - ner so ungeheuren Gröſse heran, daſs man abge - rissene einzelne Arme von ihm angetroffen hat, die bis 30 Fuſs lang waren(o)Blumeneach’s Handb. der Nat. Gesch. 3teAusg. S. 474.. An den Küsten von Sumatra, Neu Guinea und mehrern andern Inseln des Indischen Oceans giebt es eine Muschel (die Kihmo-Muschel), wovon oft der Rogen allein sechs Pfund, das ganze Thier, wenn es aus der Schaale genommen ist, zwanzig bis dreyſsig Pfund, und die Schaale über drittehalb hundert Pfund wiegt(p)Marsden’s Beschr. von Sumatra. S. 24. Forrest’s. Reise nach Neu-Guinea. S. 62, in der Neuen Samml. von Reisebeschr. Th. 3.. DieDd 3422Die Meere der heissen Zonen sind auch der Auf - enthalt des gröſsten unter den Crustaceen und In - sekten, des Limulus gigas. Blos in den Sommermo - naten findet man diesen auch in andern, ausserhalb den Wendezirkeln gelegenen Meeren(q)Schöpf’s Reise durch die vereinigten Nordamer. Staaten. Th. 1. S. 8..
Allein diese Gradation erstreckt sich nicht wei - ter, als vom Aequator bis zu den Polarzirkeln. Hier erscheinen zwey Geschlechter, die in einer ganz entgegengesetzten Richtung an Mannichfaltig - keit und Gröſse zunehmen, nehmlich die der Rob - ben und Seekühe. Das Wallroſs (Trichecus ros - marus), die nordische Seekuh (Trichecus borealis), der Seebär (Phoca ursina), der glatte und der zot - tige Seelöwe (Phoca leonina et jubata), und mit ihnen noch mehrere andere Robbenarten sind be - ständige Bewohner der nördlichen und südlichen Polarmeere, und zugleich sind diese Arten zahlrei - cher und gröſser als diejenigen, die man in den Meeren der gemäſsigten und wärmern Zonen an - trifft. Wäre es nun ausgemacht, daſs die Salzig - keit des Meers innerhalb der Polarzirkel zunähme, so würde auch hier die Erfahrung mit unserer Theorie übereinstimmen. Zu vermuthen ist es, daſs diese Zunahme wirklich statt findet, indem die in den Polarmeeren unaufhörlich vorgehende Bil - dung ungeheurer Eismassen, wobey das gefrieren -de423de Wasser seine Salzigkeit verliehrt(r)Forster’s Bemerkungen auf einer Reise um die Welt. S. 59., den Salz - gehalt des ungefrornen Residuum nothwendig ver - mehren muſs. Und mit dieser Vermuthung stim - men auch ganz die Versuche überein, welche Pages(r*)Reisen um die Welt. S. 711. auf seinen Reisen nach den nördlichen und südlichen Polarmeeren über den Salzgehalt des Oceans anstellte, wie die folgende von ihm ent - lehnte Tabelle beweist:
Hundert Pfund Seewasser enthielten:
Eine andere Ausnahme von dem Gesetze der zunehmenden Gröſse der Individnen mit zuneh - mender Wärme macht die Vegetation mancher Kü - sten des heissen Erdstrichs, z. B. des Vorgebirges der guten Hoffnung. Hier erscheinen die Pflanzen in Ansehung ihrer Gröſse fast wie Alpenpflanzen. Sie wachsen höchstens nur zu Sträuchern, nicht zu Bäumen heran(s)Hawkesworth’s Gesch. der Seereisen. B. 3. S. 399.. Unter den Gewächsen, die hier Sparrmann(t)Reise nach dem Vorgeb. der guten Hoffn. S. 27. um die falsche Bay antraf, war die Capsche Cunonie (Cunonia Capensis) der gröſs - te Baum, obgleich ihre Höhe nicht mehr als zwey höchstens drey Mannslängen betrug.
Auch diese Ausnahme ist indeſs nur scheinbar. Die Küsten am Cap werden beständig von heftigen und kalten Südost-Winden heimgesucht(u)Sparrmann a. a. O. S. 20. 21.. Un - ter allen Ursachen, welche Ausnahmen von dem Gesetze der steigenden Wärme mit abnehmender Entfernung vom Aequator hervorbringen, sind aber, nächst der Höhe über der Meeresfläche, keine wirksamer, als herrschende Winde. So ist der Winter an den Küstenländern des nördlichen Ame - rika, die verschiedene Monate hindurch sehr von Nordwest-Winden leiden, ungleich strenger als im Innern des Landes, wo diese Winde weit gelinder wehen(v)Carver’s Reisen durch Nordamerika. S. 57.. So bringen die regelmäſsigen Winde,die425die in den hohen Gegenden von Südamerika herr - schen, in diesen Winter hervor, wenn in den Thä - lern Sommer ist, und umgekehrt(w)Ulloa Nachrichten von Amerika. Th. 1. S. 78.. So ist es auf Coromandel Sommer vom März bis zum Octo - ber mit einem beständigen Südwest-Winde, und das übrige Jahr hindurch Winter mit Sudostwinde; gerade umgekehrt aber ist es an der andern Seite des Gatischen Gebirges, oder in Malabar(w*)Sonnerat’s Reisen nach Indien u. China. B. 1. S. 29. Le Gentil’s Reisen in den Indischen Meeren. S. 190.. Eben so verhält es sich endlich auch auf der öst - lichen und westlichen Seite des Gebirges Cauraga - hing in Ceylon; auf jener ist es Winter, auf dieser Sommer mit Ostwinde, und umgekehrt mit West - winde(x)R. Knox Voyage de l’Isle de Ceylan. T. 1. p. 9..
Was Wunder also, daſs da, wo die Winde nicht kalt genug sind, um eine solche gänzliche Umwandlung des Clima hervorzubringen, sie we - nigstens das Wachsthum der Pflanzen zu beschrän - ken vermögen? Daſs blos hierin die Ursache der erwähnten Erscheinungen liegt, sieht man auf Isle de France, wo die Bäume nie wieder ausschlagen, wenn sie nicht, entweder durch andere Bäume, oder vermittelst steinerner Einfassungen, gegen dieSee -Dd 5426Seewinde geschützt werden(y)La Perouse’ns Entdeckungsreise. B. 1. S. 198, im Magazin von Reisebeschr. B. XVI.. Man sieht dies ferner auf der Osterinsel an dem Papiermaulbeer - baume (Morus papyrifera), der dort ebenfalls durch Mauern vor den Winden gesichert werden muſs, wenn er gedeihen soll, und niemals höher wird, als die Mauer, die ihm zur Schutzwehr dienet(z)Ebendas. S. 207.. Es erhellet dies endlich daraus, weil am Cap die - jenigen Gewächse, oder diejenigen Theile dersel - ben, worauf die Winde nicht wirken können, die - selbe Gröſse wie in den übrigen Tropenländern er - reichen. Stämme, die nicht über einen Zoll dick sind, haben hier armsdicke, ja oft noch stärkere Wurzeln(a)Hawkesworth’s Gesch. der Seereisen. B. 3. S. 399.; und tiefer im Innern des Landes, wohin die Stürme, die am Tafelberge wüthen, nicht gelangen, wächst der Taxus elongatus (Ilex crocata Thunb.) zu einer Höhe von 30 bis 40 Fuſs bis zum ersten Aste, bey einem Durchmesser von 10 Fuſs, empor(b)Barrow’s Reisen im südl. Afrika. S. 108..
Eben diese Ursache bringt übrigens nicht blos in den heissen, sondern auch in den gemäſsigten und kalten Zonen die nehmliche Wirkung hervor. An den Ufern des Sees Superior in Canada, dessen Wasser in der Mitte des Sommers eine Klafter tief unter der Oberfläche einen dem Gefrierpunkte na -hen427hen Grad der Kälte hat, kühlen die Stürme, die vorzüglich von Nordwesten her die furchtbarsten Wellen erregen, die Luft, zumal an der Südseite des Sees, nachdem sie über seine ungeheure Was - serfläche hingestrichen sind, in dem Grade, daſs daselbst gewisse Pflanzenarten nicht fortkommen, und besonders der sogenannte wilde Reis (Zizania aquatica) keinen Saamen trägt, da doch eben diese Pflanze oberhalb des Winnipeg, beynahe 5 Grad weiter gegen Norden, häufig wächst und reifen Saamen bringt(c)G. Forster’s kleine Schriften. Th. 3. S. 64. 86.. An der Küste des Norton-Sund im nordwestlichen Amerika zwischen 63° 33′ und 64° 21′ Br. sind die Bäume, als Birken, Erlen, Weiden und Fichten, sehr klein, und von den letz - tern hat keine über sechs bis acht Zoll im Durch - messer. Aber so wohl die Höhe, als die Dicke derselben nimmt zu, je weiter man vom Meere ins Innere des Landes geht(d)Pennant’s Thiergesch. der nördl. Polarl. Th. 1. S. 195..
Endlich zeigen sich scheinbare Ausnahmen von dem obigen Gesetze, wo es an den materiellen Be - dingungen des Lebens und besonders an Wasser fehlt. Dieser Mangel aber findet sehr häufig in den heissen Erdstrichen, und sehr selten in den käl - tern Zonen statt. Kein Wunder also, wenn die wasser - und grasreichen Ebenen des Nordens grö -ſsere428ſsere Rinder und Pferde ernähren, als die dürren Afrikanischen Sandebenen, wo sich die Ochsen an den Salzpflanzen, die Pferde an den stachlichten Aesten der Mimosen zu sättigen, und beyde als Ge - genmittel gegen die sauern und scharfen Säfte die - ser Pflanzen Lumpen, Felle, trocknes Leder, Kno - chen, Kieselsteine, Sand und ihren eigenen Mist zu verschlingen gezwungen sind(e)Barrow a. a. O. S. 98.. Kein Wun - der, wenn der Reisende bey seinen Wanderungen durch jene brennenden, jedes Wassertropfens be - raubten Wüsten oft in mehrern Tagen nicht ein einziges baumartiges Gewächs sieht, hingegen in dem kalten, aber wasserreichen Canada, in Norwe - gen, und an den Ufern des Jenisey und Ob in Sibe - rien Fichten und Tannen von einer Höhe erblickt, welche der, wozu manche Bäume der Tropenlän - der gelangen, wenig nachgiebt(f)Die Schottische Kiefer (Pinus rubra) erreicht in Norwegen eine Höhe von 160 Fuſs (Pennant a. a. O. S. 87). In Notka-Sund giebt es Fichten, die 120 Fuſs hoch sind, und 7 Fuſs im Durchmesser haben. (Pennant ebendas. S. 179)..
Daſs indeſs auch in den kalten Zonen nicht weniger, als in den heissen Climaten, das Empor - streben der Vegetation durch Mangel an Wasser gehemmt wird, beweiset die Insel Long-Island bey Neu-York, die sich 130 Englische Meilen weit in die Länge und 15 Meilen weit in die Breite er -streckt.429streckt. In dem südlichen Theile dieses Eilands, der eine ganz flache Ebene ausmacht, bringt der Boden weder Bäume noch Sträucher hervor, aus - genommen ein grobes Gras und ein Gesträuch, das selten über vier bis fünf Fuſs hoch wird; und auch das wächst nur in einer besondern Gegend der Ebe - ne. Der Erdboden ist schwarz, mit einer Art Moos bedeckt, und unter der lockern Erde liegt eine Sandschichte. Der Sand saugt natürlich den stärk - sten Regen ein, und verhindert, daſs kein Wasser auf dem Lande stehen bleibt. Ausserdem giebt es auf der ganzen Fläche keine Quelle und kein flie - ſsendes Wasser(g)Anburey’s Reisen im innern Amerika. S. 367, im Mag. von Reisebeschreibungen. B. VI..
Von diesem Mangel an den materiellen Bedin - gungen des Lebens rührt es auch her, daſs alle vulcanische Inseln eine scheinbare Ausnahme von dem Gesetze der Zunahme in der Mannichfaltig - keit der Geschlechter und Arten mit abnehmender Entfernung vom Aequator machen, und zwar eine desto gröſsere, je spätern Ursprungs dieselben sind. So besteht die ganze Flor der Insel Ascension, die blos durch eine vulcanische Eruption hervorge - bracht ist, nur aus 7 Arten(h)Osbeck’s Reise nach China. Th. 2. S. 98. For - ster’s Reise um die Welt, B. 2. S. 575. 576., da doch das kalte Spitzbergen deren 17 enthält. So fand man beyder430der Entdeckung von Isle de France und Bourbon, zweyer Inseln, deren ganzer Boden ebenfalls durch das Feuer ging, daselbst weder Säugthiere noch Amphibien, und sogar keine andere Vögel, als Seevögel(i)Buffon Hist. nat. Suppl. T. VI. p. 147. 148. Nach Sonnerat (Reise nach Indien u. China. B. 2. S. 69) erhielt Isle de France auch die meisten Pflanzen aus Indien, China, vom Cap und aus Europa..
Ausser diesen theils nur scheinbaren, theils von dem Mangel an den formellen Bedingungen des Lebens herrührenden Anomalien giebt es aber noch andere Thatsachen, die sich nicht ohne Hülfe einer zweyten, der Wärme entgegengesetzten for - mellen Bedingung des Lebens erklären lassen. Wir haben gesehen, daſs die Monocotyledonen erst in den heissen, die Dicotyledonen aber schon in den gemäſsigten Zonen das Maximum in der Mannich - faltigkeit ihrer Geschlechter und Arten erreichen. Wir wissen ferner, daſs ein gemeinschaftlicher Charakter aller Dicotyledonen der heissen Climate ihre Neigung zur Trennung der Geschlechter ist(k)M. s. oben Abschn. 2. Kap. 2. §. 2.. Nun stehen im Gewächsreiche überhaupt die Mo - nocotyledonen, und unter diesen diejenigen, deren Geschlechter getrennt sind, dem Minimum der ve - getabilischen Organisation, und also der animali -schen431schen Bildung näher, als die übrigen(l)Vergl. Biolog. B. 1. S. 426 ff.. Hieraus folgt, daſs zwischen den Wendezirkeln eine Ursa - che statt findet, welche die Erzeugung animalischer Formen befördert, in den gemäſsigten Zonen aber eine gegenwirkende, die Entstehung vegetabilischer Gebilde begünstigende Kraft das Uebergewicht hat, und dieser Schluſs wird auch dadurch bestätigt, daſs die Mannichfaltigkeit der Landthiere, gleich der der Monocotyledonen, ebenfalls erst in den heissen Zonen ihr Maximum erreicht. Welches sind nun jene entgegengesetzte Kräfte?
Diese Frage würde beantwortet seyn, wenn sich darthun liesse, daſs Wärme ohne Licht die Entstehung animalischer, hingegen Licht die Bildung vegetabilischer For - men befördert. Der weniger erleuchtete, ob - gleich wärmere Ort müſste dann reicher an Monocotyledonen, aber verhältniſsmäſsig ärmer an Dicotyledonen seyn, als der mehr erleuchtete, obgleich kältere. Diese Bedingungen nun finden in den heissen und gemäſsigten Zonen wirklich statt. In den erstern erhalten die Vegetabilien bey ihrer Entwickelung im Ganzen weniger Licht, als in den letztern, weil in jenen die Luft überhaupt weniger rein(m)“Gleich den ersten Tag nach unserer Abreise von „ Teneriffa verlohr der Himmel jenes herrliche Ansehn,„ wel -, und während der Regenzeit,also432also in denen Monaten, wo die Vegetation dort vor - züglich, oder gar allein vor sich geht, bey einer schwülen Hitze fast beständig mit schwarzen Wol - ken bedeckt ist, und die Sonne täglich nur zwölf Stunden über dem Horizont verweilt, in diesen aber zur Zeit des Wachsthums der Pflanzen der Him - mel selten umwölkt, der Tag weit länger und die Wärme gemäſsigter ist, als in den heissen Climaten.
Aber die obige Voraussetzung hat auch noch so viele sonstige Gründe auf ihrer Seite, daſs sich ihre Wahrheit nicht bezweifeln läſst. Wir sehen die Pflanze von ihrer Geburt bis zum Tode ihre Ar - me der Sonne entgegenstrecken, und vom Morgen bis zum Abend mit ihren Blättern und Blüthen demLau -(m)„ welches man nur in einem gemäſsigten Clima wahr - „ zunehmen pflegt. Statt dessen war er immer mit „ einer matten Blässe überzogen, die weder ganz Ne - „ bel noch Gewölk zu seyn schien, und den Hori - „ zont so sehr verengte, daſs er keine drey Stunden im „ Umkreise hatte.” La Perouse’ns Entdeckungsreise. B. 1. S. 125, im Mag. von Reisebeschr. B. XVI. “Vom „ 25ten October an hatten wir (auf der Farth von Tri - „ nidad nach Süden) immer schlechtes Wetter, bis wir „ endlich die Insel St. Catherine erreichten. Tag für „ Tag sahen wir uns in dicke Nebel gehüllt, derglei - „ chen man nicht einmal mitten im Winter auf der „ Küste von Bretagne wahrnimmt.” La Perouse eben - das. S. 136.433Laufe dieses Gestirns folgen, hingegen das Thier den Glanz der Sonne fliehen, und sich vor ihm in der Tiefe der Gewässer, in Höhlen und im Dickicht der Wälder verbergen. Wir beobachten allenthal - ben, wo die Stärke des Lichts geschwächt, oder die Dauer desselben vermindert ist, die Wärme aber sich unverändert auf einem gewissen mittlern Grade erhält, eine Tendenz zur Bildung animali - scher Formen. Alles, was sich im Schooſse der Erde ohne Mitwirkung des Lichts erzeugt, besteht entweder aus wirklichen Thieren, oder aus Pilzen und Flechten, also aus Mittelkörpern zwischen der animalischen und vegetabilischen Organisation. Zoophyten und Thiere sind fast die einzigen Kör - per, die den Boden der Gewässer beleben. Nur sehr wenige wahre Pflanzen wach[se]n in Flüssen und tiefern Landseen und fast keine im Meere, und alle diese Gewächse tragen, so lange sie un - ter dem Wasser vegetiren, an ihren schmalen, zerschnittenen Blättern und an ihrer bleichen Far - be das Gepräge des Minimum der vegetabilischen Organisation, und verliehren dieses erst, wenn sie über die Fläche des Wassers sich erhoben haben und den ungeschwächten Einfluſs der Sonnenstrah - len genieſsen können.
Auch die geographische Vertheilung der Zoo - phyten beweiset unsern Satz. Bey diesen findet von den Polarkreisen an bis zum Aequator eine stu -Bd. II. Eefen -434fenweise zunehmende Näherung im Wasser von der vegetabilischen zur animalischen Organisation, hingegen auf dem Lande von der letztern zur etstern statt. Im Norden erzeugen sich auf dem dunkeln Boden des Meers und in der mäſsi - gen, aber gleichförmigen Wärme desselben man - nichfaltige Arten von Wasserfäden und Tangen, und auf dem Lande, erwärmt durch den Schnee und geschützt durch ihn vor dem Lichte, Flech - ten, Lebermoose und Laubmoose. Daher in die - sen Gegenden die groſse Zahl und Mannichfaltig - keit dieser Pflanzenthiere bey einer geringen Men - ge und Verschiedenheit der Thierpflanzen. Aber näher nach der Linie hin, wo im Wasser bey glei - chen Tiefen der Grad der Wärme in einem weit gröſsern Verhältnisse, als der des Lichts zunimmt, organisirt sich das, was im Norden zu Tangen und Conferven wurde, zu Corallen, Gorgonien, Seefe - dern und Actinien. Auf dem Lande hingegen, wo kein Schnee die Pflanzenthiere dem Einflusse der Sonnenstrahlen entzieht, gedeihen Moose und Flechten nur noch im tiefsten Dunkel der Wälder und während der Regenzeit. Die Familie der Farrn - kräuter, also eine Ordnung, die eines höhern Grads der Wärme bedarf, und dabey weniger empfind - lich gegen den Einfluſs des Lichts ist, als alle übri - ge Pflanzenthiere, ist die einzige aus dieser Classe, die in den heissen Climaten einen groſsen Reich. thum an mannichfaltigen Geschlechtern und Artenauf -435aufzuweisen hat. Aber diese steht auch der vege - tabilischen Bildung näher, als irgend eine andere Familie der Phytozoen.
Wir haben also zwey formelle Bedingungen des Lebens gefunden, die einander in den mannich - faltigsten Verhältnissen auf der Erde entgegenge - setzt sind. Entspricht jedem dieser verschiedenen Verhältnisse bey gleichen materiellen Bedingungen ein eigenes lebendes Gebilde, was bedarf es denn weiter noch, als blos dieser materiellen Bedingungen, um alle ursprüngliche Mannichfaltigkeit der leben - den Natur zu erklären? Wir sagen, ursprüng - liche: denn mit dem Entstehen der ersten leben - den Körper muſsten auch neue formelle Bedingun - gen des Lebens eintreten, wodurch die Organi - sation der folgenden Generationen abgeändert wurde.
Vergleichen wir Länder, die sich unter glei - chen Breiten, obgleich noch so verschiedenen Gra - den der Länge befinden, und wo keine locale Ursa - chen den Grad der Wärme und des Lichts abän - dern, so finden wir in der That auch viele Gründe für diese Vermuthung. So liegen z. B. Philadelphia und Peking unter einer gleichen Breite und an den - selben Seiten von Amerika und Asien, nehmlich den östlichen. An beyden Orten sind die WinterEe 2kalt,436kalt, die Sommer aber sehr warm. In beyden bringen die nehmlichen Winde dieselben Wirkun - gen hervor; in beyden sind die Nordwestwinde kalt und durchdringend, die Südweste warm und trocken, die Nordoste kalt und feucht, die Süd - oste feucht und warm. In beyden Gegenden herr - schen die Südweste im Sommer und die Nordweste im Winter. Diese Aehnlichkeit des Clima bringt auch in beyden ähnliche Pflanzen hervor. Taback, Phytollacca, der Persimon, der Maulbeerbaum und verschiedene andere Gewächse sind einheimisch sowohl um Peking, als um Philadelphia. Gin - seng wird westlich von Peking gesammelt, und diese Pflanze wächst sonst nirgends, als unter ähnlichen Graden der Breite in Amerika(n)Transact. of the American philos. Society. Vol. 1..
Aehnliche Resultate liefert eine Vergleichung der nordwestlichen Küste von Europa und Ame - rika.
Ein gleiches Clima erzeugt also gleiche Pflan - zen. — Aber wie läſst es sich erklären, daſs die Theestaude und mit ihr manche andere, in China einheimische Gewächse sich nicht auch unter den - selben Graden der Breite im nordöstlichen Ame - rika finden?
Schon allein dieses Factum beweist, daſs Wär - me und Licht nicht die einzigen formellen Bedin -gun -437gungen des Lebens seyn können. Aehnlicher That - sachen aber giebt es noch eine Menge. Eines der vornehmsten ist die gänzliche Verschiedenheit der Thiere und Pflanzen der südlichen Erdhälfte bis zum 35ten Grade der Breite, vorzüglich Neuhol - lands, von denen der nördlichen Hemisphäre.
Welche Kraft ist es, die hier bey einem gleichen Grade der Wärme und des Lichts eine so gänzliche Verschiedenheit der lebenden Gestalten hervorge - bracht hat? Ist es der Boden? Aber dieser besteht auf Neu-Holland(o)M. s. oben S. 42. und den übrigen flachen In - seln des zwischen den Wendezirkeln gelegenen Theils der Südsee(p)Forster’s Reise um die Welt. Th. 2. S. 34. La Billardiere’s Reise nach dem Südmeere. Th. 1. S. 188. aus verwitterten Muscheln und Corallen, und aus denselben Materien besteht er auch auf den Westindischen Inseln(q)Von den Bahamischen Inseln s. m. Schöpe’s Rei - sen durch die vereinigten nordamer. Staaten. Th. 2. S. 417; von Curaçao, Voyage d’un Suisse dans diffe - rentes Colonies de l’Amerique; von den Bergen an der Küste auf St. Christoph, Isert’s Reise nach Gui - nea und den Caraibischen Inseln., deren Produkte doch mit denen der Südsee-Inseln sehr wenig Aehnlichkeit haben.
IstEe 3438Ist es die Mischung der Athmosphäre? Aber die gröſsten Veränderungen, die man in dieser be - obachtet hat, betragen nach von Humboldt(r)Von Humboldt’s Vers. über die chem. Zerlegung des Luftkreises. S. 167. 0,290 bis 0,236, und nach Berthollet(s)Scherer’s allg. Journal der Chemie. B. IV. S. 596 ff. noch weniger an Sauerstoffgas, und dem erstern zufol - ge(t)Von Humboldt a. a. O. S. 104. 0,005 bis 0,015 an kohlensaurem Gas, ein Unterschied, der viel zu gering ist, als daſs sich von ihm bedeutende und bleibende Wirkungen auf die lebende Natur erwarten liessen. Zudem be - rechtigt uns weder Theorie, noch Erfahrung zu der Voraussetzung, daſs die Mischung der Athmo - sphäre in der südlichen Erdhälfte anders ist, als in der nördlichen.
Auch bemerken wir da, wo locale Ursachen eine veränderte Mischung der Athmosphäre vermu - then lassen, keinen formellen, sondern blos einen materiellen Einfluſs auf die lebende Natur. Wir finden, daſs in solchen Gegenden entweder die Ve - getation üppig von statten geht, indem die Thiere kein Gedeihen haben, oder daſs umgekehrt die letztern sich dort in ihrem Elemente fühlen, indem die Pflanzen keine Nahrung finden. Jenes ist z. B. der Fall in Sennaar, wo vielleicht der fette Boden dem Luftkreise sehr vielen Sauerstoff entzieht, unddage -439dagegen eine ungewöhnlich groſse Menge Kohlen - stoff entbindet. Nichts ist gewisser, sagt Bruce, als daſs nie ein Weibchen je in der Stadt, oder et - liche Meilen in der Runde umher Junge gebracht hat. Dieser nachtheilige Einfluſs höret auf, sobald man das Vieh aus der Gegend von Sennaar in eine Sandgegend bringet. Aira, welches drey bis vier Meilen von dieser Stadt liegt, kein Wasser ausser dem Nil in der Nähe hat, und mit weissem un - fruchtbarem Sande umgeben ist, bekömmt allen Ar - ten von Vieh vortrefflich. So ungünstig aber Sen - naar den Thieren ist, so liefert der dortige Boden doch einen Ueberfluſs an vegetabilischen Nahrungs - mitteln für Menschen und Vieh. Man versicherte Bruce’n, daſs er 300fältig tragen sollte, welches ihm indeſs übertrieben zu seyn schien(u)Bruce’s Reisen zur Entdeckung der Quellen des Nils. Uebers. von Volkmann. B. 4. S. 474.. Eben diese Armuth an Thieren und dieser Reichthum an Pflanzen zeigt sich in Bootan. “Ich erinnere „ mich,” sagt Turner, “auf meiner ganzen Reise „ durch dieses Land kein wildes Thier, Makis aus - „ genommen, gefunden zu haben, und von Wild - „ prett sahe ich blos bey Chuka einige Phasanen.” Dafür ist aber Bootan allenthalben mit ewigem Grün bedeckt, und reich an Wäldern der gröſsten und höchsten Bäume. Ganz das Gegentheil findet in dem benachbarten Tibet statt. Die Mannichfal -tig -Ee 4440tigkeit von Vögeln, Wildprett, Raubthieren und Vieh ist hier ausserordentlich groſs. Aber schon gleich beym ersten Anblicke fällt es dem Reisenden als ein Land auf, daſs in Ansehung des Pflanzen - reichs unter die von der Natur am wenigsten be - günstigten gehört, und keiner Cultur fähig zu seyn scheint. Es zeigt nur niedrige felsige Anhöhen oh - ne irgend eine sichtliche Vegetation, oder ausge - dehnte dürre Ebenen, die den traurigsten und widrigsten Anblick gewähren(v)Turner’s Gesandschaftsreise an den Hof des Teshoo Lama. Hamburg. 1801. S. 96..
Es giebt nur noch ein einziges Agens, das sich mit Wahrscheinlichkeit für den Grund der erwähn - ten Verschiedenheit zwischen den lebenden Produk - ten beyder Erdhälften annehmen läſst. Wir müs - sen indeſs, ehe wir uns deutlicher erklären können, einige physikalische Sätze vorausschicken.
1) Alle oxydationsfähige Körper stehen in einer Wechselwirkung, die sich durch Abänderun - gen in den physischen und chemischen Qua - litäten derselben, vorzüglich durch Modifica - tionen ihrer chemischen Affinitäten, Freywer - den von negativer und positiver Elektricität, und Entstehung von Polarität zu erkennen giebt. Am auffallendsten äussert sich diese Wechselwirkung, die wir der Kürze halbermit441mit dem Namen der Galvanischen Aktion oder des Galvanismus bezeichnen wollen, in der Voltaischen Säule.
2) Eine Bedingung dieser Wechselwirkung ist Ungleichartigkeit der oxydationsfähigen Kör - per in Betreff ihrer physischen und chemischen Qualitäten.
3) Diese Wechselwirkung ist am gröſsten bey den Metallen, und bey diesen desto gröſser, je verschiedener die Metalle in ihren physischen und chemischen Qualitäten sind, daher über - haupt am gröſsten zwischen edlen und unedlen Metallen.
4) Sie wird erhöhet durch Erhöhung und ver - mindert durch Verminderung der Temperatur.
5) Alles Flüssige, also Gestaltlose, aber der Ge - staltung Fähige, was in die Sphäre dieser Wechselwirkung kömmt, wird durch dieselbe bey seiner Gestaltung modificirt, wie die Den - driten in Metallauflösungen, welche dem Einflusse der Voltaischen Säule ausgesetzt sind, beweisen.
6) Alle lebende Körper besitzen einen hohen Grad von Empfänglichkeit für die Einwirkung des, bey jener Wechselwirkung thätigen Agens. Von dem thierischen Körper bedarf dieser Satz keines Beweises. Daſs er auch von den Vege - tabilien und Zoophyten gilt, habe ich inEe 5Pfaff’s442Pfaff’s und Scheel’s Nordischem Archiv für Natur - und Arzneywissenschaft. B. 1. St. 2. S. 240 und Gilbert’s Annalen der Physik. R. VII. S. 281 durch zahlreiche Versuche er - wiesen, denen ich noch den folgenden bey - füge.
Im August 1801 setzte ich eine ohngefähr 8 Zoll hohe Pflanze des Lamium album, die in ei - nem Topfe zufällig aufgewachsen war und noch nicht geblühet hatte, dem Einflusse einer Voltai - schen Säule von 50 Paaren Kupfer - und Zinkplat - ten auf die Art aus, daſs der Zinkpol mit dem untern und der Kupferpol mit dem mittlern Thei - le des Stammes durch Stanniolstreifen in Verbin - dung stand. Die Scheiben von Leinewand, wo - durch die Plattenpaare getrennt waren, hatten in einer Salmiakauflösung gelegen, und wurden um den dritten Tag von neuem angefeuchtet. Die Wirkungen der Säule auf das Gefühl waren von geringer Stärke. Die Pflanze blieb in der Kette neun Tage hindurch. Während der ersten drey Tage zeigten sich keine Veränderungen. Am vier - ten Tage aber bekamen die Spitzen der ältern Blätter dunkelschwarze Flecken. Diese breiteten sich in der Folge immer weiter aus, nahmen zu - letzt das ganze Blatt ein, und zogen das Abfal - len desselben nach sich. Eben diese Veränderung zeigte sich auch an den Zweigen und am Stam -me,443me, besonders an dem Theile des letztern, wel - cher zwischen den beyden Stanniolstreifen enthal - ten war.
Nach den obigen Voraussetzungen würde es keinen Zweifel leiden, daſs eine ähnliche Wech - selwirkung, wie in der Voltaischen Säule vor - geht, auch zwischen den Himmelskörpern, und namentlich zwischen der Erde, dem Monde und der Sonne statt fände, wenn sich darthun liesse, 1) daſs diese Körper zu den oxydationsfähigen gehören, 2) daſs sie in ihren physischen und chemischen Qualitäten verschieden sind, und 3) daſs die erwähnte Wechselwirkung nicht blos auf die unmittelbare Berührung der Körper einge - schränkt ist, sondern schon in der Ferne entsteht.
Was den ersten dieser Sätze betrifft, so be - darf derselbe von der Erde keines Beweises. Daſs er aber auch von dem Monde gilt, erhellet aus den Vulcanen desselben, die ohne Feuer, und also auch ohne Oxydationen und Desoxydationen gar nicht vorhanden seyn könnten. Die Sonne ist vermöge ihres Lichtes ein sehr wirksames Agens bey der Galvanischen Wechselwirkung. Legt man zwey verschiedene, an dem einen Ende mit ein - ander verbundene Metallstangen, z. B. Zink und Silber, mit ihren freyen Enden in einen Aufguſs von vegetabilischen Substanzen, so erzeugen sich an diesen auf der Oberfläche des Wassers strah -len -444lenförmige Figuren, und zwar die gröſsten und meisten Strahlen an demjenigen Metalle, welches dem Sauerstoff am nächsten verwandt ist, kleinere und weniger zahlreiche, oder auch gar keine an dem andern. Beyde Metalle haben die längsten und meisten Strahlen auf der dem andern zuge - kehrten Seite, doch nur wenn das Licht keinen Einfluſs auf sie hat. Wirkt aber dieses auf sie ein, so ziehen sich die Strahlen eben so nach demselben hin, wie von dem Zink nach dem Silber, und von dem letztern nach dem erstern; und wenn in einer Kette von zwey Metallen das eine derselben nach der dunkeln Seite des Zimmers hin gekehrt ist, so drehen sich diejenigen Strahlen, welche auf dieser Seite entstehen, in einer krummen Linie nach dem Lichte hin, da sie sonst immer gerade Linien bil - den(w)Gilbert’s Annalen der Physik. B. VII. S. 281 ff..
Von dieser Seite ist also eine Galvanische Ak - tion zwischen der Erde, dem Monde und der Son - ne gewiſs möglich. Ob nun zweytens auch in den physischen und chemischen Qualitäten dieser Him - melskörper die zu einer solchen Wechselwirkung erforderliche Verschiedenheit statt findet? Diese Frage wird sich beantworten lassen, wenn man er - wägt, daſs jene Qualitäten mit der Dichtigkeit in enger Verbindung stehen, und daſs diese bey den erwähnten Körpern sehr verschieden ist. Setzt mandie445die Dichtigkeit der Erde ‗ 1, so ist die des Mon - des ‗ 0,74, und die der Sonne ‗ 0,25(x)La Lande Astron. T. II. p. 120.. Die Dichtigkeit der Erde verhält sich aber nach Caven - dish’s Versuchen zur Dichtigkeit des Wassers, wie 5,48 zu 1(y)Gilbert’s Annalen. B. VI. S. 396.. Wird also die Dichtigkeit des Was - sers zur Einheit angenommen, so ist die des Mon - des ‗ 4,05 und die der Sonne ‗ 1,37. Vergleicht man hiermit Muschenbroek’s Tafeln über das spe - cifische Gewicht der Körper(z)Introd. ad Philos. nat., so ergiebt sich, daſs die Dichtigkeit der Erde zwischen der des ge - brannten Kupfers (‗ 5,45) und der der Goldglätte (‗ 6,00) in der Mitte steht, der Mond sich in An - sehung seiner Dichtigkeit dem Spieſsglanze (‗ 4,00 oder 4,70) nähert, und die Sonne in dieser Quali - tät der Salpetersäure (‗ 1,31) unter den flüssigen, und dem Salmiak (‗ 1,45) unter den festen Kör - pern am nächsten kömmt. Hierbey ist nun zwar zu bemerken, daſs in Cavendish’s Versuchen das specifische Gewicht des destillirten Wassers nach Kirwan’s Abwägung, wonach 1 Kubikzoll ‗ 25,35 Gran ist, hingegen in Muschenbroek’s Tafeln das specifische Gewicht des Regenwassers zur Einheit angenommen ist. Inzwischen geht doch so viel aus diesen Untersuchungen hervor, daſs die Dich - tigkeiten der Erde, des Mondes und der Sonne de - nen dreyer Körper ohngefähr gleich sind, woraussich446sich eine sehr wirksame Galvanische Kette con - struiren läſst.
Es ist also drittens noch auszumachen, ob eine Galvanische Aktion auch zwischen Körpern mög - lich ist, die nicht in unmittelbarer Berührung mit einander stehen. Aber was könnte uns hindern, jene Wirkung in die Ferne, die jeder Körper, und also auch jedes Metall, vermöge seiner attraktiven oder repulsiven Grundkraft äussern muſs, beym Galvanismus für unwirksam zu halten? Zwar glaubt von Humboldt(a)Vers. über die gereizte Muskel - und Nervenfaser. Th. 1. S. 231. 247. Th. 2. S. 447. auf diese Unwirksam - keit aus seinen Versuchen schliessen zu müssen. “Ueberaus merkwürdig und charakteristisch,” sagt er, “für die Natur der belebten Nerv - und Mus - „ kelfaser ist es, daſs alle Wirkungen aus der Ent - „ fernung beym Galvanischen Versuche nur unter „ den thierischen Organen selbst, und nie, nie un - „ ter zwey Metallen oder andern unbelebten Ket - „ tengliedern eintreten.” Allein die Versuche, wor - auf sich von Humboldt wegen dieser Behauptung beruft, zeigen blos, daſs jeder Zwischenraum zwi - schen den unbelebten Kettengliedern die Entste - hung sichtbarer Bewegungen der Muskelfasern ver - hindert, nicht aber, daſs in unterbrochenen Ket - ten gar keine Aktion statt findet. Die letztere kann zu schwach seyn, um wirkliche Zusammenziehun -gen447gen hervorzubringen, aber hinreichend, um bey fortdauernder Einwirkung auf thierische Organe deren Empfänglichkeit für Reitze zu verändern. Ich habe indeſs im April 1799 eine Beobachtung gemacht, wodurch es wahrscheinlich wird, daſs bey einem hohen Grade dieser Empfänglichkeit auch eine zur Erregung von Muskelbewegungen hinreichende Wirkung aus der Ferne zwischen den metallischen Armaturen statt finden kann. Ich brachte in dem einen Hinterschenkel eines sehr reitzbaren Frosches, dessen Extremitäten fast noch zehn Minuten nach der Trennung vom Körper sich von selber zu bewegen fortfuhren, heftige Contraktionen hervor, indem ich den ischiadi - schen Nerven blos an einem einzigen Punkte mit einer Silberstange berührte. Diese Zuckungen wurden noch ungleich heftiger, als ich in dem Zeitpunkte, wo das Silber den Nerven berührte, zugleich eine Zinkstange, die mit dem Silber in gar keiner leitenden Verbindung stand, mit den Schenkelmuskeln in Berührung brachte. So be - merkte auch Robinson(b)Experim. and observat. relative to the Influence la - tely discovered by Mr. Galvani etc. by R. Fowler. p. 180. schon Blitze vor den Augen, ehe noch die Zink - und Silberdräthe, wo - mit er die innern Flächen der Wangen armirt hat - te, mit einander in Berührung kamen.
Aus -448Ausser diesen Gründen sprechen endlich noch alle meteorologische Veränderungen für einen cos - mischen Galvanismus. Wo ist ein Princip, aus - ser diesem, das alle, zur Erklärung jener Phäno - mene erforderliche Eigenschaften in sich vereinigte? Weder die Anziehung der Himmelskörper, noch das Sonnenlicht kann dieses Princip seyn. Es ist eine von Muschenbroek(c)Introd. ad Phil. nat. §. 2070. zu Leiden, Rosen - thal(d)Versuch, wie meteorolog. Beobacht. zur schickli - chen Zeit zu machen u. s. w. S. 14, in den Act. Acad. Moguntin. ad annos 1780 et 1781. zu Nordhausen, Planer(e)Beobacht. der Witterung u. s. w. in Erfurt vom J. 1781. S. 8 in den Act. Ac. Mogunt. ad. ann. 1780 et 1781. Ejusd. observ. oscillat. mercurii in Tubo Tori - celliano. Erford. 1783. p. 40. in Erfurt, Toaldo(f)Saggio meteorologico. Padova. 1781. in Venedig, Duc-Lachapelle(g)Gilbert’s Annalen der Physik. B. II. S. 361. zu Montauban in Frankreich, Balfour und Farga - hoor(h)Asiatic Researches. Vol. IV. in Bengalen, Don Alzate y Ramirez(i)Traité de Meteorologie par M. Cotte. p. 336. in Mexico, Godin(k)Boucuer figure de la Terre. p. 49. in Peru, von Humboldt(l)Gilbert’s Annalen. B. VI. S. 188. in Cumana, Cassan(m)Gren’s Journal der Physik. B. III. S. 109. zu St. Lucie unter 14°N. Br.449N. Br. und De Lamanon(n)Gilbert’s Annalen. B. VI. S. 195. zwischen 11° 2′ N. Br. und 1° 17′ S. Br. gemachte Beobachtung, daſs der Druck der Luft des Morgens steigt, um Mittag abnimmt, des Abends von neuem wächst, und um Mitternacht wieder fällt. Liesse sich eine Ver - änderung der Athmosphäre aus den zuletzt er - wähnten Kräften befriedigend erklären, so würde es am ersten diese athmosphärische Ebbe und Fluth seyn, deren Perioden sogar, nach Cassan’s Beobachtungen, mit denen des Fallens und Stei - gens des Meers harmoniren. Aber weder die blo - ſse Anziehung der Himmelskörper, worin die letztere Erscheinung ihren Grund hat, noch die erwärmende Kraft der Sonnenstrahlen ist zur Er - klärung des erstern Phänomens hinreichend: jene nicht, weil nach La Place’s Berechnung(o)Méchanique céleste. die vereinigte Wirkung der Sonne und des Mondes, wenn sie in ihrer mittlern Entfernung und in Conjunction oder in Opposition sind, nur eine Veränderung von 0,28 Pariser Linien im Barome - terstande bewirken kann, da dieselbe doch bey der athmosphärischen Ebbe und Fluth nach De Lamanon im Mittel 1,2 Englische Linien, und nach von Humboldt 1,7 Pariser Linien beträgt; diese nicht, weil ihre Wirkungen durch zu viele Ursachen abgeändert werden, als daſs dieselbeneinenBd. II. Ff450einen regelmäſsigen Gang beobachten könnten. Hierzu kömmt noch, daſs mit jenem periodischen Steigen und Fallen des Barometers auch eine Ebbe und Fluth der athmosphärischen Elektricität, also eine Beschaffenheit des Luftkreises verbunden ist, die sich schwerlich aus den beyden letztern Ursachen erklären läſst. Gleich jener steigt diese, nach Saussure’s Beobachtungen, bey heiterm und stillem Wetter des Morgens, und erreicht ihr Ma - ximum einige Stunden nach Sonnenaufgange, fällt hierauf wieder, wächst aber von neuem des Abends, und ist am stärksten einige Stunden nach Sonnenuntergange, fällt dann von neuem, bis sie gegen Morgen zu ihrem Maximum zurückkehrt(p)Lichtenberg’s Mag. f. d. Neueste aus der Physik. B. 3. St. 2.. In dem Galvanismus aber finden sich alle zum Grundprincip der meteorologischen Veränderungen erforderliche Eigenschaften. Die Wirkungen eines solchen Princips müssen Oxydationen und Desoxy - dationen ohne vorhergegangene Erhöhung der Temperatur, Verwandlung von Luft in Wasser und von Wasser in Luft, Veränderung der Mi - schung des Luftkreises, Vermehrung oder Vermin - derung der Elasticität desselben, Bindung oder Ent - bindung von Wärme, und Erregung von Elektrici - tät seyn, und eben diese Wirkungen sind die des Galvanismus.
Hat451Hat aber dies seine Richtigkeit, so ist es auch wahrscheinlich, daſs jener cosmische Galvanismus anders seyn wird in der südlichen Hemisphäre und anders in der nördlichen, wenn der Bau der erstern von der Struktur der letztern verschieden ist. Die - se Verschiedenheit nun fällt in die Augen. Die Oberfläche der nördlichen Erdhälfte besteht gröſs - tentheils aus festem Lande, die der südlichen aus Meerwasser. Zugleich zeigt sich in der wärmern Zone der südlichen Hemisphäre ein weit gröſserer Reichthum an edlen Metallen, als in allen übrigen Erdstrichen. Gold und Silber finden sich nirgends in der Menge, als in den heissen Gegenden des Südens von Amerika, Asien und Afrika. Hinge - gen in der nördlichen Erdhälfte sind Eisen und Kupfer die häufigern Metalle.
Sollte nun eine Kraft, die sich im Kleinen auf den lebenden Körper so wirksam zeigt, nicht auch auf die ganze lebende Natur den mächtigsten Ein - fluſs haben? Und sollte die verschiedene Modifi - kation dieses Agens in den beyden Erdhälften nicht die Ursache der Verschiedenheit seyn, die in den lebenden Produkten beyder Hemisphären statt findet?
Diese Hypothese würde noch mehr gewinnen, wenn sie uns auch die Frage beantwortete: War - um diese Verschiedenheit vorzüglich zwischen den Thieren und Pflanzen der wärmern Zonen beyderFf 2Erd -452Erdhälften, weniger aber zwischen denen der käl - tern Climate des Südens und Nordens vorhanden ist? Laſst uns sehen, ob sich diese Thatsache aus unserer Hypothese erklären läſst!
Da eine Bedingung der Galvanischen Aktion ein gewisser Grad von Wärme ist, so muſs dieje - nige Wechselwirkung, welche zwischen der Erde und den Himmelskörpern vorgeht, auf jener ab - nehmen mit zunehmender Entfernung vom Aequa - tor. Sie kann daher in den Polarländern keinen so groſsen Einfluſs auf die lebenden Körper haben, und bey einem gleichen Grade des Lichts und der Wärme muſs also in diesen Gegenden eine gröſsere Aehnlichkeit der Thiere und Pflanzen statt finden, als in den wärmern Zonen. Hierzu kömmt noch, daſs die Verschiedenheit, welche in der Vertheilung der Metalle auf beyden Erdhälften statt findet, sich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht bis zur kältern Zone des Südens erstreckt. Im Magellans - lande, Feuerlande und in Neuseeland ist noch kei - ne Spuhr von edlen Metallen entdeckt, wohl aber fanden Banks und Solander in der Mercurius-Bay auf Neuseeland eine groſse Menge Eisensand, der von den Bächen aus dem Lande herabgeschwemmt war, und einen sichern Beweis giebt, daſs hier Eisenerze vorhanden seyn müssen(q)Hawkesworth’s Gesch. der Seereisen. B. 2. S. 344..
Aus den bisherigen Voraussetzungen ist nun die ursprüngliche Verschiedenheit in den le - benden Produkten der Erde erklärt. Mit dem Ent - stehen dieser Produkte aber wurden neue Kräfte geweckt, welche auf die Bildung der folgenden Generationen Einfluſs hatten. Zu diesen gehört vorzüglich die dynamische Einwirkung, welche jeder lebende Organismus auf die übrige Natur äussert.
Es würde inconsequent seyn, alle übrige Kör - per, welche die im vorigen § angezeigten Eigen - schaften haben, für vermögend, den lebenden Or - ganismus aber für unfähig zu einer solchen dyna - mischen Einwirkung zu halten. Wir haben um desto mehr Grund, bey ihm ebenfalls dieses Ver - mögen anzunehmen, da seine Organe nicht min - der tauglich zur Construktion Galvanischer Ket - ten und Voltaischer Säulen, als alle andere oxy - dable Körper sind. Auch treffen wir eine Menge Erscheinungen an, die nur in einer solchen Ein - wirkung lebender Körper auf andere einen be - friedigenden Grund finden. Wer erklärt ohne sie die Phänomene von Geselligkeit und Ungesel - ligkeit, Sympathie und Antipathie, deren es bey den Pflanzen wie bey den Thieren giebt? Wer sagt uns, ohne Hülfe jener Voraussetzung, war - um z. B. Erica vulgaris, Polygonum aviculare,Ff 3Poa454Poa annua und Fucus vesiculosus immer in gro - ſsen Haufen, hingegen Gentiana ciliata, Daphne mezereum, Colchicum autumnale und Fucus sac - charinus nie anders, als einzeln, leben(r)Von Humboldt’s Aphorismen aus der chem. Phy - siol. u. s. w. S. 117.; war - um Agrostemma Githago, Ervum hirsutum, Ra - nunculus arvensis, Lithospermum arvense und viele andere Pflanzen nur zwischen dem Korn gedeihen; warum der Hafer von Serratula arven - sis, der Lein von Euphorbia peplus und Scabiosa arvensis, der Weitzen von Erigeron acre, und der Buchweitzen von Spergula arvensis leidet(s)Ebendas. S. 116.; warum, einem allgemeinen Glauben der Landleute zufolge, die Nachbarschaft der Berberis vulgaris Miſswachs des Getreides hervorbringt; warum alle Arten von Eichen dem Aufkommen des Grases und anderer Pflanzen um sich her hinderlich sind(t)Schöpf’s Reise Th. 2. S. 297.; warum die Dattelpalme und der Cocosnuſsbaum nie in einerley Boden wachsen, und auf der ganzen Insel Sumatra sich keine Dattelpalmen finden, obgleich der Cocosnuſsbaum und andere Palmenarten daselbst in Menge angetroffen wer - den(u)Marsden’s Beschreibung von Sumatra. S. 105.?
Zwar455Zwar hat Brugmanns(v)Diss. de lolio eiusdemque varia specie, noxa et usu. 1785. diese Erscheinungen aus einer andern Ursache herzuleiten versucht. Seiner Voraussetzung nach leeren die Pflanzen aus den äussersten Enden ihrer Wurzeln Säfte aus, welche den benachbarten Gewächsen und ihnen selbst theils schädlich, theils nützlich sind. Allein wäre diese Erklärung allgemein gültig, so könnte die Antipathie zweyer Pflanzen nur da statt finden, wo ihre Wurzeln mit einander in Berührung kä - men, und könnte nicht, wie doch wirklich der Fall ist, sich auf weitere Entfernungen erstrecken. Auch müſste bey jener Voraussetzung der schäd - liche Einfluſs, den manche Pflanzen auf andere äussern, dem Boden mitgetheilt werden, und also noch fortdauern, wenn jene schon ausgerottet wä - ren, welches doch keinesweges der Fall ist. Ein Feld trägt keine andere Pflanzen, so lange Hanf darauf wächst; es bedeckt sich aber gleich wie - der mit andern Kräutern, sobald dieser wegge - räumt ist. Endlich wird die Brugmannsche Er - klärung von keinen Beweisen unterstützt; hinge - gen hat die unsrige eine wichtige Analogie für sich. Man setze ein Gefäſs mit Quecksilber in die Nähe einer Pflanze. und diese wird in kurzer Zeit gänzlich absterben, selbst wenn das Metall von ihr einen halben Fuſs und noch weiter ent -ferntFf 4456fernt ist(w)Scherer’s Journal der Chemie. B. 1. S. 667 ff. Pfaff’s und Scheel’s Nordisches Archiv. B. 1. St. 2. S. 268 ff.. Hier ist ein Phänomen, das mit jener Antipathie der Pflanzen völlig übereinkömmt, und sich aus keiner andern Ursache, als aus ei - ner dynamischen Einwirkung des Quecksilbers auf den vegetabilischen Organismus begreiflich machen läſst(x)Pfaff’s u. Scheel’s Archiv. B. 1. St. 2. S. 283 ff..
Dies sind die allgemeinern unter den formel - len Bedingungen des Lebens. Die materiellen Be - dingungen desselben lassen sich, gleich jenen, in ursprüngliche und secundäre unterscheiden. Die Pflanzen und Thiere nehmlich geben der Er - de, dem Wasser und der Luft nicht blos zurück, was sie von diesen empfangen haben, sondern bilden neue Mischungen, und beleben den Schooſs, der sie erzeugte, gebahr und ernährte, mit neuen Kräften bey ihrer Verwesung. So wurden mit dem Entstehen der Urformen des Thier - und Pflan - zenreichs nicht nur die ursprünglichen formellen, sondern auch die primären materiellen Bedingun - gen des Lebens abgeändert. Hier müssen wir es aber dahin gestellt seyn lassen, welche dieser ma - teriellen Bedingungen zu den ursprünglichen, und welche zu den secundären gehören, und uns be -gnü -457gnügen, den Grad ihrer Wichtigkeit für die le - bende Natur zu schätzen, und ihre Wirkungsart zu entdecken.
In Beziehung auf den erstern Punkt bemer - ken wir, daſs Wasser und athmosphäri - sche Luft die wichtigsten und allge - meinsten unter den materiellen Bedin - gungen des Lebens sind, daſs aber die Nothwendigkeit des erstern desto mehr abnimmt, und die der letztern desto mehr steigt, je mehr Mannichfaltigkeit in der Organisation eines lebenden Kör - pers herrscht.
Die Wichtigkeit des Wassers als materieller Bedingung der lebenden Welt erhellet schon aus mehrern, im Vorhergehenden angeführten That - sachen. Im Allgemeinen besitzt von zwey gleich warmen Ländern das wasserreichere auch die mei - sten Individuen von lebenden Körpern. Welches Land hat einen gröſsern Ueberfluſs an Wasser, als das mittlere Amerika, wo der Maragnon, der Oro - noko, der Plata, der Mississippi und der Lorenz - fluſs in Canälen, die schon lange vorher, ehe sie sich mit dem Meere vermischen, mehr Armen der See, als Ströhmen süſsen Wassers gleichen, dem Ocean zueilen, ihr Bett, das noch von keinen Dämmen beschränkt ist, unaufhörlich verändern, und bey jedem Anwachse die umliegenden EbenenFf 5über -458überschwemmen? Aber wo ist auch die Vegeta - tion üppiger, wo wimmelt der Boden von einer solchen Menge Würmer, Insekten, Schlangen, Frösche und Eidechsen, als an den Ufern dieser Flüsse? Hingegen welche Gegenden sind ärmer an Wasser, als die Lybische Wüste? Und wo fehlt es der Natur so sehr an Kraft, um die Indi - viduen ihrer lebenden Produkte zu vervielfältigen, als in dieser Einöde?
Wir müssen indeſs bey dieser Vergleichung die Menge der Individuen von der der Arten und Ge - schlechter wohl unterscheiden. Nur die erstere hängt von den materiellen, die letztere aber auch von den formellen Bedingungen des Lebens ab. Jene kann sehr beträchtlich seyn, indem diese nur gering ist, und umgekehrt. So enthält die südli - che Spitze von Afrika nicht viele Individuen von Pflanzen. Wie groſs aber die Zahl der Gattungen und Geschlechter hier ist, weiſs man aus dem vo - rigen Abschnitte.
Aber nicht alle Classen und Familien der leben - den Körper bedürfen des Wassers in gleichem Grade. Die feuchten Gegenden des heissen Ame - rika, die so voll von Thieren der niedern Classen sind, enthalten weit weniger einzelne Säugthiere, als diejenigen Theile von Afrika und Asien, die mit ihnen unter gleichen Graden der Breite liegen. Hingegen giebt es nirgends so viele Individuenvon459von Säugthieren, als in dem dürren Afrika. Es folgt also, daſs die Säugthiere weniger, als die niedern Thierclassen des Wassers bedürfen. Die physische Verbreitung der lebenden Organismen lehrt aber auch, daſs überhaupt dieses Bedürfniſs mit abnehmender Mannichfaltigkeit der Organe zunimmt. Keine unter allen lebenden Körpern sind mehr an feuchte Standörter gebunden, als die einfachsten unter allen, die Zoophyten. Und auch unter diesen steigt jenes Bedürfniſs mit der Ein - fachheit ihrer Organisation. Von den Pflanzen - thieren sind die Farrnkräuter am wenigsten, mehr die Moose, am meisten die Schwämme und Tan - ge abhängig vom Wasser. Die Classe der Thier - pflanzen enthält lauter Bewohner dieses Elements. Gehen wir von den Phytozoen zu den Pflanzen über, so treffen wir auf der Gränze beyder Reiche eine ganze Familie an, die blos in Seen und Mo - rästen lebt, nehmlich die der Najaden. Ihnen fol - gen in Ansehung der Mannichfaltigkeit der Organe die Monocotyledonen, und diese können auch schon mehr der Feuchtigkeit entbehren, als die Najaden, aber doch weniger als diejenigen, die auf der höchsten Stufe der vegetabilischen Organisation stehen, als die Dicotyledonen. Eben diese Grada - tion zeigt sich, wenn wir uns von den Thierpflan - zen zu den Thieren wenden. Unter den Wür - mern halten sich die meisten entweder im Wasser, oder in den thierischen Säften auf. Ein kleinererTheil460Theil bewohnt das Innere der Erde, also doch auch ein feuchtes Medium. Weniger abhängig vom Wasser sind die Insekten. Aber von den Mollus - ken und Crustaceen zu den Fischen, von diesen zu den Amphibien, und von den letztern zu den Vögeln und Säugthieren mindert sich diese Abhän - gigkeit in einer Stufenfolge, die nur bey einzelnen Arten unterbrochen ist.
Bey keiner Art von lebenden Körpern geht aber die Unabhängigkeit vom Wasser bis zur völ - ligen Entbehrlichkeit desselben. Wenn die Agave, Aloe, Cacalie, der Cactus, und ein gewisser Baum auf der Insel Bourbon (Bois de Nattes) in den trockensten Felsenritzen leben, ohne oft mehrere Monate hindurch von einem Tropfen Regen be - feuchtet zu werden, wenn das Epidendrum flos aeris, eine in Indien jenseits des Ganges einhei - mische Schmarotzerpflanze, im Zimmer an der Decke aufgehangen, vegetirt und viele Jahre hin - durch blüht, so sind diese Ausnahmen von dem Gesetze der Nothwendigkeit des Wassers, als ma - terieller Bedingung alles Lebens, nur scheinbar, und es ist zu weit gegangen, mit Ingenhouss(y)Ueber Ernährung der Pflanzen und Fruchtbarkeit des Bodens. Uebers. von Fischer. S. 49 ff. hieraus auf die völlige Entbehrlichkeit des Was - sers zur Erhaltung jener Pflanzen zu schliessen. “Der Nachtthau,” sagt dieser Schriftsteller, “kann„ sol -461„ solchen Gewächsen nicht die hinlängliche Nah - „ rung verschaffen, da alle übrige Pflanzen sonst „ auch damit erhalten werden müſsten.” Dieser Schluſs aber ist, wie schon von Humboldt(z)In seinen Zusätzen zu der angeführten Schrift von Inoenhouss. S. 17 ff. bemerkt hat, unrichtig. Nur so viel läſst sich aus den angeführten Erfahrungen folgern, entwe - der daſs die erstern Gewächse weniger Feuchtig - keit als die letztern bedürfen, oder daſs jene mehr Organe haben, um das nöthige Wasser aus der Athmosphäre schöpfen zu können. “Um aber „ gewiſs zu seyn,” fährt Ingenhouss fort, “daſs „ diese Gewächse nicht vom Thau genähret werden, „ dürfen wir nur bedenken, daſs einige Pflanzen „ dieser Gattung in Gewächshäusern entweder in „ Töpfen leben, oder so, daſs man sie am obern „ Theile aufhängt.” Aber auch dieser Grund ist nicht haltbar. Die wäſsrige Ausdünstung der um - herstehenden Pflanzen und die dampfende Garten - erde ersetzen in Treibhäusern das mangelnde Ver - kehr mit der Wolkenregion, wie auch schon von Humboldt erinnert hat.
Entscheidende Beweise für die Nothwendig - keit des Wassers, als materieller Bedingung des vegetabilischen Lebens, sind folgende:
1) Mauerpfeffer (Sedum acre) und Hauslauch (Sempervivum tectorum), zwey Pflanzenarten,die462die mit den Agaven und ähnlichen fleischigen Gewächsen der Tropenländer in ihrer Lebens - weise übereinkommen, in gereinigte Kiesel - erde unter Glasglocken gepflanzt, sterben sehr bald ab, wenn man der Luft dieser Glok - ken durch ätzende Kalkerde alle Feuchtigkeit entzieht; hingegen vegetiren sie fort, wenn ihre Wurzeln während dieses Versuchs mit Wasser benetzt werden(a)Von Humboldt a. a. O. S. 22..
2) Drey Pflanzen von Sedum acre, die 69¾ Gran wogen, ins Fenster gestellt, waren nach 19 Tagen um 27¾ Gran, und eine Sprosse von Sempervivum tectorum, deren Gewicht 251 Gran betrug, und welche ebenfalls am Fenster stand, nach fünf Wochen um 116 Gran leich - ter geworden, obgleich die erstern während dieser Zeit Wurzelfasern getrieben hatten(b)Gouoh in Scherer’s Journal der Chemie. B. 3. S. 525 ff..
Aus diesen Versuchen erhellet, daſs die er - wähnten Saftpflanzen zwar weniger Wasser zu ih - rer Erhaltung als alle andere Pflanzen bedürfen, und daſs hierzu die bloſse Feuchtigkeit der Ath - mosphäre hinlänglich ist, daſs aber dieses Wasser zur Vergröſserung ihres Volumens nicht zureicht, und gänzliche Entziehung desselben eben so wohlbey463bey ihnen, als bey allen andern Gewächsen, den Tod nach sich zieht.
Nicht ganz unwahrscheinlich ist übrigens von Humboldt’s Vermuthung(c)A. a. O. S. 26., daſs zu gewissen Zeiten, wo auch der Nachtthau fehlt, den fleischi - gen Blättern der Aloe, des Mesembryanthemum oder Sedum der Nahrungssaft, der in die Höhlen ihres Zellgewebes deponirt ist, zur Erhaltung die - ne. Beym Sedum acre enthalten nach Gough(d)A. a. O. S. 256. die mit Saft angefüllten Kapseln den Vorrath, womit sie sich in trocknen Jahreszeiten erhalten.
Eine eben so nothwendige materielle Bedin - gung alles Lebens, als das Wasser, ist auch die athmosphärische Luft. Aber das Bedürfniſs dieses letztern Elements steigt und fällt bey den verschie - denen Classen von lebenden Körpern in einem Verhältnisse, welches dem, worin das Bedürfniſs des Wassers bey ihnen zu - und abnimmt, gerade entgegengesetzt ist. Die höhern Classen von Thie - ren und Pflanzen, die am unabhängigsten vom Wasser sind, können am wenigsten der athmosphä - rischen Luft entbehren. Umgekehrt aber verhält es sich bey den niedern Classen und bey den Zoo - phyten.
Die464Die Unentbehrlichkeit der athmosphärischen Luft zur Erhaltung der Säugthiere und Vögel ist so bekannt, daſs es kaum nöthig seyn wird, Er - fahrungen zum Beweise derselben anzuführen. Wir wollen indeſs kurz die Resultate der Versuche mittheilen, welche von mehrern Französischen Naturforschern über den Einfluſs der verschiede - nen Gasarten auf Kaninchen und Meerschweine (Savia Cobaya) angestellt sind. Unter einer Glocke mit Sauerstoffgas, welches aus oxygenirt-salzsau - rem Kali gezogen war, erstickte eines dieser Thie - re nach 1 Stunde 40 bis 45 Minuten; unter einem Cylinder voll athmosphärischer Luft nach 24 Minu - ten; in Wasserstoffgas, welches aus Eisenfeile mit Schwefelsäure entbunden war, nach 10 Minuten; in Stickstoffgas binnen 5½ Minuten; in dem durch Destillation aus Eichenholz entwickelten kohlenhal - tigen Wasserstoffgas in 2 Minuten; in geschwefel - tem Wasserstoffgas binnen einer halben Minute; in dem aus Kreide durch Schwefelsäure gezogenen kohlensauren Gas nach 2 Minuten; in Ammoniak - gas in weniger als einer Minute; in oxygenirt - salzsaurem Gas nach 2½ Minuten; in schweflicht - saurem Gas nach 1½ Minuten; endlich unter Was - ser nach 3 Minuten(e)Ritter’s Beyträge zur nähern Kenntniſs des Galva - nismus. B. 1. St. 1. S. 73 ff..
Diese Thatsachen enthalten den Grund der Armuth des heissen Amerika und des Reichthumsder465der Afrikanischen Sandwüsten an Individuen von Säugthieren. Es ist nehmlich bekannt, daſs alle Dammerde, und vorzüglich fette Dammerde, der Athmosphäre den Sauerstoff entzieht, und kohlen - saures Gas aushaucht. Bekannt ist es auch, daſs sich aus Sümpfen kohlenhaltiges Wasserstoffgas entwickelt. Man weiſs endlich, daſs die Entbin - dung dieser Gasarten desto schneller und stärker von statten geht, je höher die Temperatur und je niedriger der Grad des Lichts ist. Diese Bedingun - gen der Erzeugung zweyer, dem Leben der Säug - thiere äusserst nachtheiligen Gasarten finden nun in einem hohen Grade in den heissen Ländern der neuen Welt statt. Der dortige Boden, dessen Pro - dukte seit Jahrtausenden unbenutzt vermoderten, besitzt eine gröſsere Fettigkeit, als man in irgend einer andern Gegend antrifft(f)Robertson’s Gesch. von Amerika. Uebers. von Schiller. B. 1. S. 302. 533.; die dichten Wäl - der verwehren der leuchtenden Kraft der Sonnen - strahlen den Zugang zu dem sumpfigen Erdreich, und lassen nur die wärmende Kraft derselben zu - dringen. Hier muſs also die Reinheit der Athmo - sphäre in einem Grade getrübt werden, welcher der Fortdauer und Vermehrung der Säugthiere äus - serst hinderlich ist.
Wegen der Schwere der beyden erwähnten Gas - arten, welche denselben nicht erlaubt, sich mit denhö -Bd. II. Gg466höhern Regionen der Athmosphäre zu vermischen, kann aber dieses Hinderniſs nur an der Oberfläche der Erde statt finden, und weder diejenigen Säug - thiere, die sich vermittelst flügelartiger Organe zu den obern Luftschichten erheben, noch die Vögel treffen. Diese Thiere sind daher im heissen Ame - rika nichts weniger als arm an Individuen. Nach der Versicherung von Ulloa und Herrera(g)Beym Robertson a. a. O. S. 299. ma - chen die groſsen Schaaren von Fledermäusen, die sich um Carthagena aufhalten, eine dortige Land - plage aus, und einer Stelle in der Geschichte von Paraguay zufolge(h)Hist. de Paraguay. T. II. p. 273., wurden die Mopsikaer, eine ansehnliche, ohnweit dieser Provinz wohnende Nation blos von einer ungeheuren Menge den Sperlingen ähnlicher Vögel aus ihrem Lande ver - trieben.
Afrika enthält nur wenig Gegenden, wo jene Bedingungen, die im heissen Amerika der Entbin - dung irrespirabler Gasarten günstig sind, statt fin - den. Auf den weiten, nur sparsam mit Bäumen bedeckten Sandebenen jenes Welttheils hat die Circu - lation der Luft keine Hindernisse, und das Wenige, was sich von schädlichen Gasarten sammeln kann, wird bald wieder von dem Harmattan, einem bren - nenden Winde, der zu bestimmten Zeiten aus dem innern Afrika gegen das Atlantische Meer we -het467het(i)Dobson, Phil. Trans. Vol. LXXI. Lichtenberg’s Mag. für das Neueste aus der Physik etc. B. 1. St. 4. S. 41., zerstreuet. Daher das Gedeihen und die ausserordentliche Vermehrung der Afrikanischen Säugthiere.
Man darf übrigens nicht ausser Acht lassen, daſs unsere obigen Bemerkungen über die Armuth des mittlern Amerika an Säugthieren blos von de - nen Theilen desselben gelten, die in den heissen Zonen liegen, nicht aber auf diejenigen anwend - bar sind, die ein gemäſsigteres Clima haben. In diesen herrscht ein ähnlicher Reichthum an Säug - thieren, wie in Afrika. Auf der südlichen Seite des Plataflusses und in Chili haben sich die Rin - der, Pferde und Hunde, die von den Spaniern dorthin versetzt sind, zu einer so ungeheuren An - zahl vermehrt, und sich so weit ausgebreitet, daſs sie in Heerden von Tausenden wild herumstreifen, und daſs die Ochsen jährlich blos der Felle wegen gejaget und in groſser Menge getödtet werden(k)Anson’s Reise in De Brosse’s Gesch. der Schiffar - then nach den Südländern. S. 480 ff. Molina’s Nat. Gesch. von Chili. S. 284.. Aber in diesen Gegenden finden auch jene Umstände nicht statt, welche der Vermehrung der Säugthiere in den heissen Ländern der neuen Welt so hinder - lich sind. Es giebt hier keine groſse WaldungenundGg 2468und Moräste. Die Wälder, womit das mittlere Amerika bedeckt ist, erstrecken sich nur bis zur nördlichen Seite des Plataflusses. Hingegen auf der Südseite desselben, an der ganzen östlichen Küste von Patagonien bis zur Magellanischen Meerenge, wächst kein anderes Holz, als etwas schlechtes Gesträuch(l)Anson a. a. O. S. 480. §. 3.. Dabey hat dieses Land einen leichten, trocknen und sandichten Boden, groſsen Mangel an Wasser, aber einen Ueberfluſs an langem und dickem Grase, welches in Rasen wächst, die zwischen groſsen unfruchtbaren Strek - ken Sandes zerstreut liegen(m)Anson ebendas. S. 483. §. 6. S. 481. §. 3.. Alle Umstände sind hier also von der Art, daſs sich die groſse Fruchtbarkeit der dortigen Säugthiere leicht erklä - ren läſst.
Eben jene dunkeln und feuchten Wälder, und jene stinkenden Sümpfe, deren Athmosphäre ein Gift für die Säugthiere und Vögel ist, sind das Element der Amphibien. Diese Thiere leben fer - ner in verschlossenen, unterirdischen Klüften, wo eine höchst unreine Luft herrschen muſs, und kei - ne Erneuerung derselben möglich ist(n)M. s. oben S. 11. ff.. Wir können schon hieraus schliessen, daſs bey ihnen das Bedürfniſs der reinen athmosphärischen Luft weit geringer, als bey den höhern Thierclassen,seyn469seyn muſs, und Versuche bestätigen auch diese Folgerung. Frösche leben acht Stunden und noch länger unter Wasser, da Säugthiere und Vögel in diesem Elemente kaum eben so viele Minuten aus - dauern können. Die geringe Menge der dem Was - ser beygemischten athmosphärischen Luft ist wäh - rend jener Zeit zur Erhaltung des Lebens solcher Thiere hinreichend, wie daraus erhellet, daſs sie schon binnen einer Stunde umkommen, wenn die Erneuerung dieser Luft verhindert wird, indem man sie in einem Gefäſse unter Wasser bringt, und der Athmosphäre den Zugang zu dem letztern durch Verschliessung des Gefäſses, oder durch Be - gieſsen des Wassers mit Oel benimmt, und daſs noch früher, nehmlich binnen einer Viertelstunde der Tod eintritt, wenn man bey dem letztern Ver - suche vorher die Luft durch Auskochen, oder da - durch, daſs man erst andere Frösche darin ersticken läſst, absondert(o)Hist. nat. de Buffon. Suppl. Corradori in Sche - rer’s Journal der Chemie. B. 2. S. 676 ff..
Daſs auch für die Fische eine bestimmte Men - ge, dem Wasser beygemischter athmosphärischer Luft ein nothwendiges Bedürfniſs ist, beweisen Duverney’s(p)Mém. de l’Acad. des sc. de Paris. 1701. p. 224., Priestley’s(q)Versuche u. Beobacht. über verschiedene Gattungen der Luft. Th. 3., und Corrado -ri’sGg 3470ri’s(r)A. a. O. S. 669 ff. Versuche. Duverney fand, daſs Fische in so fern im luftleeren Raume sterben, in wie fern dem Wasser die Luft entzogen wird; daſs fer - ner diese Thiere in Wasser umkommen, welches durch Kochen seiner Luft beraubt ist; endlich daſs sie auch dann zu leben aufhören, wenn das Was - ser, worin sie sich befinden, nicht erneuert, oder das Gefäſs, welches zu ihrer Aufbewahrung dienet, verschlossen wird. Priestley beobachtete, daſs Fische, die in abgesottenes Regenwasser gesetzt worden waren, binnen vier Stunden umkamen, und daſs andere Thiere dieser Art, die er in Was - ser gebracht hatte, welches mit Stickgas, Wasser - stoffgas, kohlensaurem oder nitrösem Gas ge - schwängert war, ebenfalls ihr Leben einbüſsten. Nach Corradori’s Versuchen sterben Fische in einem mit Wasser angefüllten und mit Oel ge - sperrten Gefäſse binnen einem Tage, andere aber, die nach dem Tode von jenen in dasselbe Wasser gesetzt werden, in noch weit kürzerer Zeit. Es ist also gewiſs, daſs die Fische eben so wenig, als die höhern Thierclassen der athmosphärischen Luft ganz entbehren können. Da aber jene Thiere nicht eher, als nach vier Stunden in ausgekochtem, und erst binnen einem Tage in ungesottenem Was - ser, Frösche hingegen im erstern Falle schon bin - nen höchstens 20 Minuten, und im letzern binnen einer Stunde umkommen, so erhellet zugleich,daſs471daſs die Abhängigkeit von dieser materiellen Be - dingung des Lebens bey den erstern noch um einen Grad geringer, als bey den Amphibien ist: eine Folgerung, die auch dadurch bestätigt wird, daſs man Fische in warmen Quellen und in Schwefel - pfuhlen(s)M. s. oben S. 15. 16., also in Wassern, die theils sehr arm an athmosphärischer Luft, theils mit schwefelhal - tigem Wasserstoffgas geschwängert seyn müssen, angetroffen hat.
Bey den niedern Thierclassen und den Zoophy - ten finden wir Erscheinungen, die uns berechtigen würden, auf eine völlige Abwesenheit des Bedürf - nisses der athmosphärischen Luft bey diesen Thie - ren zu schliessen, wenn nicht andere Erfahrungen einer solchen Folgerung entgegenständen. Mollus - ken leben mehrere Stunden, ja vielleicht ganze Tage unter dem Recipienten der Luftpumpe, so - wohl in, als ausser dem Wasser, wenn auch die Luft noch so sehr verdünnet ist(t)Poli Test. utriusque Siciliae. Vol. I. Introd. p. 55.. Unter den Insekten werden ebenfalls nur wenige durch den luftleeren Raum getödtet(u)J. F. Martinet de respiratione insectorum. L. B. 1753.. Spanische Fliegen, die Lyonnet unter ein Glas setzte, worunter Schwefel auf rothglühendem Kupfer brannte, hiel - ten es länger als eine halbe Stunde in dieserAth -Gg 4472Athmosphäre aus, ohne irgend ein Zeichen von Uebelbefinden zu äussern, obgleich der Schwefel - dampf so dick war, daſs er das Glas fast undurch - sichtig machte(v)Lesser Theol. des Ins. P. I. p. 124.. Alle Eingeweidewürmer, und vorzüglich diejenigen, die im Parenchyma verschie - dener Organe, und in Blasen, welche mit Lymphe angefüllt sind, leben, befinden sich in einem Me - dium, wovon es schwer zu begreifen ist, wie in demselben auch eine noch so geringe Quantität athmosphärischer Luft enthalten seyn kann. Eben dies gilt von den Saamenthieren. Von dem Schim - mel haben wir schon im 6ten § des vorigen Kapi - tels gesehen, daſs er sich in reinem Wasserstoffgas erzeugt.
Aber dieser Erfahrungen ohngeachtet ist es doch gewiſs, daſs die niedern Thierclassen und Zoophy - ten der athmosphärischen Luft nicht ganz entbeh - ren können, obgleich sie nur einer sehr geringen Quantität derselben zu ihrer Fortdauer bedürfen. Es ist eine, zuerst von Malpighi(w)Diss. epist. de bombyce. am Seiden - wurme gemachte, und nachher von Martinet(x)A. a. O. an andern Insekten bestätigte Beobachtung, daſs Verschliessung der Luftlöcher (stigmata) dieser Thiere mit Oel binnen kurzer Zeit den Tod der - selben nach sich zieht. Ferner ist es eine bekannteThat -473Thatsache, daſs diejenigen Wasserinsekten, bey welchen die Oeffnungen der Tracheen am Hinter - theile liegen, von Zeit zu Zeit an die Oberfläche des Wassers kommen, um durch diese Oeffnun - gen Luft zu schöpfen, und daſs sie sterben, wenn sie gezwungen werden, auf dem Boden des Was - sers zu bleiben. Endlich hat Vauquelin(y)Annales de Chimie, T. XII. p. 273. Gren’s Journal der Physik. B. VII. S. 453. durch Versuche dargethan, daſs die Mollusken und Insekten eben so wohl, als die höhern Thier - classen, aber freylich weit langsamer und in weit geringerm Maaſse, das Volumen einer Quantität athmosphärischer Luft, worin sie eingeschlossen sind, vermindern. Aehnliche Erfahrungen, wor - aus die Nothwendigkeit dieser Luft zur Entste - hung der Zoophyten erhellet, haben wir schon im vorigen Kapitel angeführt. Wir haben dort bemerkt, daſs sich nach Wrisberg’s Beobachtun - gen keine Infusionsthiere in Aufgüssen von verwes - lichen Substanzen zeigen, so lange die Luft keinen Zugang zu den Infusionen hat, daſs jene aber so gleich entstehen, wenn die Luft hinzugelassen wird, und daſs bey Monti’s Versuchen auf faulen - den Substanzen unter dem Recipienten der Luft - pumpe sich nur dann Schimmel bildete, wenn nach dem Auspumpen etwas Luft in den Cylinder wie - der eingedrungen war, nicht aber, wenn dieserkei -Gg 5474keine Luft eingelassen hatte. Hiermit läſst sich auch das Resultat meines vorhin erwähnten Ver - suchs, wo sich die letztere Substanz auf Saamen - körnern erzeugte, die sich unter einer mit Was - serstoffgas gefüllten Glocke befanden, sehr wohl vereinigen, indem der Cylinder mit ungekochtem Brunnenwasser, also mit einer Flüssigkeit, welche immer eine beträchtliche Menge athmosphärischer Luft enthält, gesperrt war.
Von den Säugthieren an bis zu den einfachsten Zoophyten spricht also alles für die Nothwendig - keit der athmosphärischen Luft als materieller Be - dingung des Lebens; aber alles beweist auch, daſs die Abhängigkeit von ihr mit zunehmender Ein - fachheit in der Organisation immer geringer wird. Es ist uns jetzt noch übrig, dieses Gesetz auch bey den Pflanzen zu prüfen. Gilt dasselbe auch von diesen Organismen, so läſst sich vermuthen, daſs jene Abhängigkeit bey ihnen wieder zunehmen, jedoch nicht zu der Höhe, worauf sie bey den obern Thierclassen steht, gelangen werde.
Dies ist wirklich auch das Resultat, das sich aus den vielen Versuchen ergiebt, welche über den Einfluſs der athmosphärischen Luft und der übri - gen Gasarten auf das vegetabilische Leben ange - stellt sind. Es ist erstens gewiſs, daſs manche Pflanzen eine beträchtliche Menge athmosphärischer Luft zu ihrem Unterhalte verbrauchen. Halesküt -475küttete einen Ast eines Apfelbaums in das eine Ende einer gläsernen Röhre, und setzte das an - dere Ende in ein Gefäſs mit Wasser; nach drey Stunden war das Wasser viele Zolle hoch in die Röhre hinaufgestiegen(z)Hales Statik der Gewächse. S. 90. Vergl. S. 57. 184..
Es ist aber zweytens auch gewiſs, daſs die Ve - getation bey einer sehr geringen Quantität athmo - sphärischer Luft fortdauern kann, wenn nur die andere materielle Bedingung des Lebens, Wasser, in hinreichendem Maaſse vorhanden ist. Dies er - hellet sowchl aus Priestley’s Versuchen, nach welchen Gewächse im luftverdünnten Raume eine lange Zeit sehr wohl fortkommen(a)Priestley’s Vers. u. Beob. über versch. Theile der Naturl. Th. 1. S. 292., als aus der beträchtlichen Höhe, zu welcher sich die Pflanzen auf Gebirgen erheben. Auf den Alpen der Schweitz und den Pyrenäen endigt sich die Vegetation mit 1100 Toisen über der Meeresfläche, auf den Andes, wo die Schneelinie höher liegt, erst mit 2300 Toi - sen, einer Höhe, wo es noch Heidekraut giebt(b)Ramond’s Reise nach den Pyrenäen. Th. 2. S. 56..
Gewiſs ist es endlich, daſs die Pflanzen eine beträchtliche Zeit und weit länger, als die Thiere der höhern Classen, in Stickgas, kohlensaurem Gas und Wasserstoffgas ausdauern, ja, ihr Wachs - thum fortsetzen können, wenn diese Gasarten nurmit476mit einer geringen Quantität athmosphärischer Luft vermischt sind.
Am wenigsten nachtheilig ist dem vegetabili - schen Organismus das Stickgas. Auf Flanell ge - säeter Kressensaamen keimet, nach Achard’s Ver - suchen, in diesem Gas bey einer Temperatur von 16 bis 20° R. eben so gut, als in athmosphärischer Luft(c)Lichtenberg’s Mag. f. d. Neueste aus der Physik. B. 2. St. 1. S. 52.. Ein ähnliches Resultat gaben Ingen - houss’s Versuche(d)Journal de phys. Fevr. 1786. Voigt’s Mag. f. d. Neueste aus der Physik. B. 5. St. 2. S. 34..
Nachtheiliger wirkt das reine Sauerstoffgas. Von zwey Münzpflanzen, wovon die eine in ath - mosphärischer Luft, die andere in Sauerstoffgas stand, war die letztere nach einem Monat ganz eingegangen und schwarz geworden, die erstere aber nur an ihrem untern Theile abgestorben(e)Priestley’s Vers. u. Beob. über versch. Gattungen der Luft. Th. 3. S. 312.. Von drey andern Münzpflanzen, wovon die eine in gemeiner Luft, die zweyte in Stickgas und die dritte in Sauerstoffgas stand, kam die zweyte bes - ser als die erste fort; die dritte aber wurde kränk - lich und verdarb das Sauerstoffgas(f)Priestley’s Vers. u. Beob. über versch. Theile der Naturl. Th. 1. S. 251.. Von sechsStök -477Stöcken der Münzpflanze, wovon drey in athmo - sphärischer Luft, und drey in Sauerstoffgas stan - den, waren die erstern nach einigen Tagen weit besser, als die letztern, fortgekommen(g)Priestley a. a. O. S. 252..
In den Resultaten der Versuche, die bisher über den Einfluſs des kohlensauren Gas auf das vegetabilische Leben angestellt sind, herrscht eine sehr groſse Verschiedenheit. Bey dem ersten Ver - suche, den Priestley in Beziehung auf dissen Gegenstand machte, starb ein Stengel der Wasser - münze in dem aus gährendem Biere gezogenen kohlensauren Gas völlig ab(h)Priestley’s Vers. u. Beob. über verschiedene Gat - tungen der Luft. Th. 1. S. 34.. Percival und Bew aber, welche diesen Versuch mit Luft wie - derhohlten, die aus Kreide und Vitriolöhl, entbun - den war, erhielten ganz entgegengesetzte Resultate. Tulpen, Safranblüthen, Jonquillen, Leberblumen, Tuberosen, Levcojen und mehrere andere Pflan - zen kamen theils eben so gut, theils noch besser in kohlensaurem Gas, und in Wasser, welches mit diesem geschwängert war, als in der athmo - sphärischen Luft und in reinem Wasser fort(i)Sammlungen zur Physik u. Nat. Gesch. B. 1. Leipzig. 1779. S. 105.. Diese letztern Beobachtungen wurden auch durch Henry bestätigt, nach dessen Versuchen sich Wein - trauben, Erdbeeren und Kirschen länger in koh -len -478lensaurem Gas, als in der athmosphärischen Luft halten, und Erdbeeren - und Münzpflanzen in der erstern besser, als in der letztern fortkommen(k)Priestley a. a. O. Th. 3. Anh. S. 6..
Priestley wiederhohlte hierauf seine Versuche im Jahre 1776, und dann wieder im Jahre 1777. Die erstern gaben folgende Resultate: Münzpflan - zen wurden sehr bald schwarz, wenn sie in koh - lensaurem Gas gestanden hatten, und selbst dann, wenn dieses mit ⅞ athmosphärischer Luft vermischt war(l)Ebendas. S. 289 ff.. Doch erfolgte das Absterben desto schnel - ler, je reiner jenes Gas war(m)Ebendas. S. 294.. In Wasser, wel - ches mit fixer Luft geschwängert war, kamen Münzpflanzen ohne Wurzeln besser fort, als in reinem Wasser, hingegen dieselben Pflanzen mit Wurzeln schlechter, als in dem letztern(n)Ebendas. S. 299 ff.. — Bey den folgenden Versuchen vom Jahre 1777 be - kam eine Münzpflanze in einer Mischung aus ⅓ fixer und ⅔ athmosphärischer Luft schwarze Flecken(o)Priesteey’s Vers. u. Beob. über versch. Theile der Naturl. Th. 1. S. 253.. Münzpflanzen, welche mit ihren Wurzeln in Was - ser standen, das mit kohlensaurem Gas imprägnirt war, gediehen anfangs in diesem besser, als in rei - nem Wasser, starben aber bald darauf völlig ab(p)Ebend. S. 254.. Bey479Bey einer Wiederhohlung dieses Versuchs war der Erfolg derselbe, ausser daſs die Pflanzen in dem imprägnirten Wasser diesmal im Anfange nicht bes - ser, als in reinem Wasser fortkamen(q)Ebend. S. 255..
Mit diesen Beobachtungen von Priestley stim - men nun zwar die Resultate der Versuche von Ha - les(r)Statik der Gewächse. S. 185., Ingenhouss(s)Vers. mit Pflanzen. Uebers. von Scherer. B. 2. S. LXI. 11. 12. 133., von Humboldt(t)Aphorismen aus der chem. Phys. der Pflanzen. S. 93 ff. und Achard(u)Lichtenberg’s Magazin. B. 2. St. 1. S. 53. überein. Auch hat Priestley gegen Percival’s Versuche Einwürfe gemacht, die aller - dings von einigem Gewichte sind. Er erinnert, daſs dieser zwey Umstände übersehen hätte, welche nicht dürften ausser Acht gelassen werden: der eine be - stände darin, daſs Pflanzen in verschlossenen Ge - fäſsen, in denen sie nicht viel ausdünsten können, sich ohne Wasser länger, als bey gleichen äuſsern Verhältnissen in der freyen Luft erhielten. Perci - val hätte also, um reine Resultate zu bekommen, die Pflanzen, die er zur Vergleichung mit denen gebrauchte, welche in verschlossenen Gefäſsen voll fixer Luft standen, nicht, wie er gethan hatte, an der freyen Luft liegen lassen, sondern ebenfalls verschliessen müssen. Ein zweyter Umstand wäre der, daſs bey der Bereitungsart des kohlensaurenGas,480Gas, dessen sich Percival bediente, das letztere mit einer beträchtlichen Menge gemeiner Luft hät - te vermischt seyn müssen(v)Priestley’s Vers. u. Beob. über versch. Gattungen der Luft. Th. 3. S. 291.. Inzwischen, wenn auch dieser letztere Umstand wirklich statt gefun - den hat, so weichen doch die Resultate der Per - civalschen Versuche von den Priestleyschen Be - obachtungen zu sehr ab, als daſs diese Abweichun - gen nicht einen wichtigern Grund haben sollten. Ohne Zweifel ist dieser die, von keinem jener Na - turforscher beachtete Verschiedenheit in der Stär - ke des Lichts, dem die Pflanzen bey den erwähn - ten Versuchen ausgesetzt waren. Ueberhaupt aber geht aus diesen entgegengesetzten Erfahrungen der Schluſs hervor, daſs das kohlensaure Gas, welches für jeden Körper, der auf den höhern Stufen der animalischen Organisation steht, schon in gerin - gem Maaſse ein absolutes Gift ist, auf den vegeta - bilischen Organismus nur unter gewissen Umstän - den als tödlich wirkt, und daſs also auch hierdurch die geringere Abhängigkeit des letztern von der Be - schaffenheit der ihn umgebenden Athmosphäre be - stätigt wird.
Daſs reines Wasserstoffgas zur Unterhaltung des vegetabilischen Lebens ganz untauglich ist, be - weisen sowohl Achard’s(w)Lichtenberg’s Magazin. B. 2. St. 1. S. 53. und Ingenhouss’s(x)Journ. de phys. Fevr. 1786. Voigt’s Magazin. B. 5. St. 2. S. 34.Beob -481Beobachtungen, als mein oben erwähnter Versuch, in welchem Kressensaamen unter einer Glocke mit jener Gasart, statt zu keimen, mit Schimmel über - zogen wurde. Indeſs giebt es auch hier entgegen - gesetzte Erfahrungen, die es wahrscheinlich ma - chen, daſs die nachtheiligen Wirkungen des Was - serstoffgas durch einen Zusatz von athmosphäri - scher Luft gemindert werden. Ingenhouss sahe in seinen frühern Versuchen den Saamen der Kres - se eben so gut in einer Bouteille mit Wasserstoff - gas, als an der freyen Luft bis zu einer gewissen Höhe wachsen(y)Vers. mit Pflanzen. B. 1. S. 93., und von Humboldt, welcher keimende Zwiebeln des Crocus sativus in eine Frei - bergsche Grube brachte, wo die Luft durch Was - serstoffgas so sehr verunreinigt war, daſs sie das Licht auslöschte und die Lungen angriff, fand nach 17 Tagen die Blätter dieser Pflanzen grün, ihre Geschlechtstheile gelb, mit Pistill und Staubfäden versehen(z)Von Humboldt’s Aphorismen. S. 125.. Bey einem andern Versuche des letztern kamen Sprossen von Phaseolus vulgaris sehr gut in einer Luftart fort, die aus ⅕ Lebensluft und ⅘ Wasserstoffgas bestand(a)Von Humboldt über die gereizte Muskel - und Nervenfaser. B. 2. S. 338..
Eine der nachtheiligsten Gasarten für den Pflanzenkörper ist aber die Salpeterluft. Kressen -saa -Bd. II. Hh482saamen, den Achard dem Einflusse des kohlen - sauren Gas und des Wasserstoffgas aussetzte, keim - te zwar nicht, so lange er sich in diesen Luftarten befand. Als er aber nach acht Tagen herausge - nommen und der athmosphärischen Luft ausgesetzt wurde, kam er sehr gut fort. Hingegen in der ni - trösen Luft wurde der Saamen sehr bald braun, darauf schwarz, und verlohr gänzlich das Vermö - gen zu keimen(b)Achard a. a. O. S. 52..
Dies sind die Verhältnisse, in welchen die le - bende Natur gegen Wasser und Luft, als mate - rielle Bedingungen des Lebens, steht. Es frägt sich jetzt: ob diese Bedingungen die einzigen jener Art, oder ausser ihnen noch andere vorhanden sind? Die Beantwortung dieser Frage ist nicht so leicht, wie es auf den ersten Blick scheinet. Wir sehen zwar, daſs alle Thiere noch anderer Stoffe zu ihrer Erhaltung bedürfen, und daſs zum Gedei - hen der meisten Pflanzen eine bestimmte Mischung des Bodens erforderlich ist. Allein jene Stoffe und diese Mischung könnten blos einen formellen Ein - fluſs auf das animalische und vegetabilische Leben äussern, und als solche zu den nothwendigen Be - dingungen des letztern gehören, ohne aber in ma - terieller Hinsicht den Thieren und Pflanzen unent - behrlich zu seyn. Diese Vermuthung würde auchei -483einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit erhalten, wenn sich beweisen liesse, daſs Wasser und ath - mosphärische Luft zur Erhaltung des Lebens über - haupt und zur Bildung derer Grundstoffe, die sich in der Materie der lebenden Körper finden, hin - reichen; daſs es lebende Organismen giebt, die jene übrigen materiellen Stoffe gar nicht in ihre Substanz aufnehmen, so nothwendig ihnen diesel - ben auch zu ihrer Fortdauer sind; endlich daſs der formelle Einfluſs jener Stoffe ungleich wichtiger ist, als ihr materieller Beytrag zur Vegetation seyn kann.
Sehr wichtige Erfahrungen sprechen für diese Sätze. Es ist erstens keinen Zweifeln unterworfen, daſs der vegetabilische Organismus sich blos mit Wasser und athmosphärischer Luft ernähren kann, und daſs sich blos hieraus alle die Stoffe, die man bey der chemischen Analyse desselben erhält, in ihm erzeugen. Hofmann setzte Zweige der Men - tha crispa in destillirtes Wasser, und fand, daſs so - wohl ihr Gewicht, als die Menge ihres Kohlenstoffs darin zunahm(c)Gren’s Journal der Physik. B. 3. 1791. S. 10.. De la Metherie zog aus der Asche verbrannter Saamen vermittelst eines Magnets das Eisen heraus. Einen andern Theil derselben lieſs er in Wasser aufkeimen, und erhielt aus der Asche dieser Pflanzen mehr metallische Theile undEr -Hh 2484Erden, als vorher aus den Saamenkörnern(d)Journal de physique. Nov. 1783.. Schrader säete Roggen, Gerste und Hafer in subli - mirten Schwefel auf Glas - und Porcellangefäſsen, verwahrte diese in Glaskasten vor Staube, und be - goſs den Schwefel mit destillirtem Wasser. Die Körner brachten 40 Halme hervor, welche zum Theil Aehren angesetzt hatten, getrocknet fünf mal mehr als die ausgesäeten Körner wogen, und nicht nur eben so viel, sondern auch dieselben Er - den, als Kornhalme, die in der Erde gewachsen waren, nehmlich Kieselerde, Kalkerde, Bittererde und Braunstein, enthielten(e)Schrader’s u. Neumann’s Preisschriften über die eigentliche Beschaffenheit u. Erzeugung der erdigen Bestandtheile in den verschiedenen inländischen Ge - treidearten. S. 26 ff..
Auf ähnliche Resultate führen Vauquelin’s Versuche über die Bildung der Kalkerde und des Kohlenstoffs in den Exkrementen und Ey - erschaalen der Hühner. Dieser sperrte eine legende Henne an einem Orte ein, wo sie nichts als Hafer fressen konnte, dessen Gewicht Vauquelin genau kannte. Sie fraſs in 10 Tagen 483838 Grammen, und legte 4 Eyer. Ihr Mist wurde sorgfältig, so wie sie denselben von sich gab, gesammelt. Jene Quantität Hafer enthielt 5944 Grammen phosphor - saurer Kalkerde, und 9341 Grammen Kieselerde. In dem Hühnermiste hingegen fanden sich bey derZer -485Zerlegung 2547, und in den Schaalen der erwähn - ten 4 Eyer 19743, also überhaupt 22290 Grammen, oder 5 Drachmen 6 Gran kohlensaurer Kalkerde. Die Exkremente gaben überdies 11944 Grammen phosphorsaurer Kalkerde, aber nur 8067 Grammen reiner Kieselerde, folglich 1274 Grammen weniger, als in den genossenen Haferkörnern enthalten war. Es muſs also eine beträchtliche Menge Kalkerde, in dem Zustande eines kohlensauren sowohl, als phosphorsauren Salzes in den Organen der Henne sich gebildet haben, und eine gewisse Quantität Kieselerde verschwunden seyn(f)Scherer’s Journal der Chemie. B. 3. S. 199..
Es ist zweytens sehr wahrscheinlich, daſs die Pflanzen gar keine Erde in ihre Substanz aufneh - men. Boyle pflanzte im Mai einen Melonenkern in einem Topfe mit wohl ausgetrockneter Erde, lieſs das Kraut nebst der Frucht im October wie - der herausnehmen, und die Erde nach zweymali - gem Austrocknen abwägen, wobey sich kein Ver - lust an Gewichte fand(g)Boyle Chym. scept. p. 95.. Helmont pflanzte ei - nen fünf Pfund schweren Weidenast in ein irdenes Gefäſs mit 200 Pfund in einem Backofen getrock - neter Gartenerde, bedeckte den Topf mit durch - löchertem Eisenbleche, und begoſs die Erde bald mit destillirtem, bald mit Regenwasser. Nach fünfJah -Hh 3486Jahren hatte der Baum, ohne die vielen während der Zeit abgefallenen Blätter zu rechnen, 164 Pfund und 3 Unzen an Gewichte zugenommen, und die Erde, welche vor dem Abwägen im Backofen wie - der getrocknet wurde, nur 2 Unzen verlohren(h)Helmontii complex. et mist. elem. P. 36. p. 48.. Auf den Versuch von Boyle läſst sich zwar nicht viel bauen, da er ihn nicht selber machte, sondern durch seinen Gärtner anstellen lieſs. Die Beobach - tung des Helmont bleibt aber immer ein wichtiger Beweis gegen die Aufnahme der Erde in die Sub - stanz der Pflanzen.
So wenig aber alle übrige ponderable Stoffe, ausser dem Wasser und der athmosphärischen Luft, als nothwendige materielle Bedingungen des Lebens betrachtet werden können, so wichtig ist drittens ihr formeller Einfluſs auf die ganze lebende Natur. Jene Stoffe wirken insgesammt analog entweder dem Lichte, oder der Wärme, und ausserdem äussert jeder derselben noch eine specifique Nebenwirkung, vermöge welcher einzelne Theile des le - benden Organismus bey ihrer Bildung eine eigene Richtung erhalten.
Daſs es ponderable Stoffe giebt, die eine ähn - liche Wirkung auf den Lebensstoff äussern, wie die Wärme, beweisen vorzüglich die Salze. Sehet die Myriaden von Thieren und Zoophyten, mitdenen487denen das Meer bevölkert ist, und deren üppiges Gedeihen, ein Gedeihen, das gerade am stärksten ist in den Gewässern der Polarzone, also da, wo es am meisten an dem vornehmsten der formenden Potenzen des Lebensstoffs, an Wärme fehlt, wo aber vielleicht deren Mangel durch den gröſsern Salzgehalt der dortigen Meere ersetzt wird! Spricht diese Fruchtbarkeit und dieses Wachsthum nicht laut für jene Aehnlichkeit? Sehet die Pflanzen, womit der Meerestrand und Salzfelder bedeckt sind! Nähern sich nicht alle diese Gewächse mehr als die, welche in den Geschlechtscharakteren mit ih - nen übereinkommen, aber in einem andern Boden wachsen, dem Minimum der vegetabilischen Orga - nisation, also der animalischen Bildung(i)M. s. oben S. 41., und deutet nicht auch diese Näherung auf eine ähnliche Wirkungsart der Wärme und eines salzigen Erd - reichs hin?
Daſs es ferner ponderable Stoffe giebt, die auch dem Lichte analog wirken, erhellet aus den Veränderungen, welche der vegetabilische Orga - nismus von der Einwirkung des Wasserstoffs, und der thierische Körper von dem Einflusse der Nah - rungsmittel erleidet. Es ist ein ausgemachter Er - fahrungssatz, daſs bey allen lebenden Körpern die Intensität der Farben durch den Einfluſs des Lichtserhö -Hh 4488erhöhet wird. Wir haben im vorigen Abschnitte gesehen, daſs diese zunimmt mit zunehmender und abnimmt mit abnehmender Entfernung vom Ae - quator, also mit der Stärke des Lichts in geradem Verhältnisse steht. Wir können jetzt noch hinzu - setzen, daſs oft schon mit einem geringen Unter - schiede in der geographischen Breite zweyer Oerter ein Unterschied in dem Colorit der dortigen Thiere und Pflanzen verbunden ist. So zeichnen sich zwar in Neuseeland verschiedene Vögel durch ihre schönen Farben aus, allein auf der etwas nördlicher gelegenen Norfolkinsel, wo die nehmlichen Arten von Thieren und Pflanzen vorkommen, haben die - selben Vögel noch ein weit lebhafteres und brennen - deres Colorit(k)Forster’s Bemerkungen auf einer Reise um die Welt. S. 175.. Dies ist schon Ein Grund für den obigen Satz. Ein zweyter ist die Verminde - rung der Stärke des Colorits, welche die meisten Thiere der kalten Zonen im Winter, also bey ver - minderter Einwirkung des Sonnenlichts, erleiden, und zwar in einem desto höhern Grade erleiden, je näher ihr Wohnort den Polen ist. So verwech - selt der Corsak im Winter an den meisten Theilen seines Leibes die gelbe Farbe der Haare mit der grauen, und diese Veränderung geschieht desto stärker, je weiter er sich nach Norden aufhält; hingegen ist sie sehr gering in den südlichern Ge -gen -489genden(l)Neue Nordische Beyträge. B. 1. S. 33.. Ein dritter Beweis jenes Satzes ist die von Dorthes bemerkte Thatsache, daſs die Rau - pen, die sich in der Erde und im Holze aufhal - ten, so wie diejenigen Vögel und Schmetterlinge, die nur zur Nachtzeit ausfliegen, lange nicht die lebhaften Farben haben, womit die Tagvögel ge - ziert sind. Endlich spricht auch dies für den Ein - fluſs des Lichts auf das Colorit der lebenden Orga - nismen, daſs gewöhnlich bey den Thieren und Pflanzen die dem Lichte mehr ausgesetzten Theile ihrer Oberfläche auch die dunkler gefärbten, die - jenigen aber, worauf die Lichtstrahlen weniger Ein - fluſs haben, von blasserer Farbe sind, wie man vor - züglich bey den Schollen (Pleuronectes) sieht, bey welchen die zur obern Fläche gewordene Seiten - fläche auch ein weit dunkleres Colorit zeigt(m)Salzburger med. chir. Ztg. 1801. B. 4. S. 7..
Es läſst sich gegen diese Gründe nicht einwen - den, daſs es nicht die leuchtende, sondern die wärmende Kraft der Sonnenstrahlen sey, welche das Dunklerwerden der Farben verursacht. Eine einfache Erfahrung beweiset das Gegentheil. Jede, im Dunkeln aufwachsende Pflanze verliehrt ihr Co - lorit und bekömmt eine bleichgelbe Farbe, wenn sie auch einer noch so hohen Temperatur ausge - setzt ist; sie erhält aber ihr Grün schon bey demLich -Hh 5490Lichte einer Lampe wieder(n)Sennebier über den Einfluſs des Sonnenlichts auf alle drey Reiche der Natur. Th. 2. Abth. 3. Tessier, Mém. de l’Acad. des sc. de Paris. 1783. p. 133. Von Humboldt’s Aphorismen. S. 120. Vassalli in Crell’s chem. Annalen. 1793. St. 11. S. 517.. Wohl aber lassen sich Thatsachen anführen, welche beweisen, daſs es nicht das Licht allein ist, welches die Farben der lebenden Körper erhöhet, sondern daſs es auch ponderable Stoffe giebt, welche dieselbe Wirkung hervorbringen. Von Humboldt(o)Aphorismen. S. 125 ff. Usteri’s Annalen der Bota - nik. St. 3. S. 237. Journal de phys. T. 40. p. 154. Crell’s chem. Annalen 1792. B. 1. S. 72. 254. Gren’s Journal der Physik. B. 5. S. 196. und Ingen - houss(p)Journal de phys. Fevr. 1786. Voigt’s Mag. B. 5. St. 2. S. 34 ff. entdeckten, daſs Pflanzen eine dunkel - grüne Farbe selbst in der tiefsten Finsterniſs an - nehmen, wenn die Athmosphäre, worin sie sich befinden, mit einer mäſsigen Quantität Wasserstoff vermischt ist. Eben diese Gasart ist es vielleicht auch, welche macht, daſs Bäume, die an schatti - gen, feuchten und dumpfigen Orten stehen, oft das dunkelste Laub haben. Ausserdem läſst die Analogie der Amphibien und Fische, deren Grund - farbe oft von der Farbe des Bodens abhängt, wie im vierten Kapitel des vorigen Abschnitts bemerkt ist, vermuthen, daſs auch der Boden auf das Co - lorit der Pflanzen Einfluſs hat.
In491In Betreff der Säugthiere und Vögel ist es sehr wahrscheinlich, daſs die Veränderung der Farbe, welche viele von denen, die den Norden bewohnen, im Winter erleiden, nicht bey allen von dem ver - minderten Einflusse des Lichts, sondern bey man - chen auch von Mangel an Nahrung herrührt. Man weiſs sicher, sagt der jüngere Gmelin(q)Reise durch Ruſsland. Th. 1. S. 38 ff., daſs Thiere, welche hungern müssen, das beste Pelz - werk geben. Die Siberischen Tartaren nehmen die Füchse aus ihren Gruben, entziehen ihnen die Nahrung, und ihr Fell verbessert sich. So lange der Wolf genug zu fressen hat, werden seine Haa - re weder schön, noch weiſs. Einige gefräſsige Raubvögel bekommen dichte und weisse Federn, wenn ihnen im Winter kleine Vögel fehlen; hinge - gen der Adler und der Uhu verändern ihre Farbe niemals, weil sie sich vom Raube vierfüſsiger Thiere nähren deren sie im Winter so gut, als im Sommer, habhaft werden können. Oeffnet man im Winter diejenigen Thiere, deren Haare oder Federn in dieser Jahreszeit vollkommner werden, so findet man, daſs sie mager und mit vieler Feuch - tigkeit angefüllt sind. Säugthiere und Vögel, die immer zu fressen haben, verändern ihre Farbe nie - mals. Deswegen hat man unter einem gemäſsigten oder warmen Himmelsstriche keine Beyspiele von solchen Wintertrachten, wie man im Norden sieht: denn dort kann es niemals an Nahrung fehlen. Des -492Deswegen ist die Veränderung der Haare in den nördlichen Gegenden nicht beständig, und einige Vögel, die sich sonst nicht umzukleiden pflegen, thun es doch zuweilen, wenn es ihnen an Fut - ter gebricht.
Der erste Theil unsers obigen Satzes von der Wirkungsart der erwähnten ponderablen Stoffe ist also dargethan, und hiermit ist zugleich eine That - sache erklärt, wovon sich ohne diesen Satz kein Grund würde angeben lassen, nehmlich daſs die lebende Natur in den verschiedensten Climaten von gewissen Seiten eine unverkennbare Aehnlichkeit behauptet. Erinnert man sich jetzt dessen, was wir im vorigen Abschnitte über den Einfluſs gesagt haben, welchen der Boden und das Medium, worin sich Thiere und Pflanzen aufhalten, auf die ganze Organisation haben. so wird man dort auch die Belege zu dem zweyten Theile jenes Satzes antref - fen, worin behauptet ist, daſs jede dieser Poten - zen nicht nur der Wärme oder dem Lichte analog wirkt, sondern zugleich noch eine eigene Neben - wirkung auf die Bildung einzelner Organe äussert. Vorzüglich merkwürdig ist in dieser Hinsicht die im vierten Kapitel des zweyten Abschnitts erwähn - te Veränderung, welche die Gestalt der Lachse, die im Sommer aus dem Meere in die Flüsse und Landseen von Kamschatka aufsteigen, von dem aufgehobenen Einflusse des Salzwassers erleidet.
In -493Indeſs können auch jene eigenen Nebenwirkun - gen, welche ponderable Stoffe auf die Bildung ein - zelner Theile des lebenden Organismus äussern, aus sehr verschiedenen Ursachen entstehen. So ist es z. B. gewiſs, daſs die Stacheln und Dornen vie - ler Pflanzen oft Produkte des Erdreichs sind. Du - fay pflanzte zwey Rosenstöcke, den einen in einen vortrefflichen, mit Nahrungssäften reichlich verse - henen Boden, den andern in Sand. Beyde wuch - sen ganz gleichförmig; aber der erstere war dicht mit starken und spitzen Dornen besetzt, indem man den andern, dessen Stacheln ganz biegsam und in geringer Anzahl vorhanden waren, angreifen konnte, ohne sich im geringsten zu verletzen(r)Lichtenberg’s Mag. f. d. Neueste aus der Physik. B. 4. St. 2. S. 62.. Nach dieser Erfahrung würde es blos ein fruchtba - rer Boden seyn, wodurch die Stacheln der Pflanzen gebildet werden. Allein wenn man die Genista anglica, die Ononis spinosa und andere dornichte Gewächse auch in den dürresten Sandfeldern sieht, wenn man erwägt, daſs in Persien, also in einem groſsen Erdstriche, wo doch beträchtliche Verschie - denheiten des Bodens statt finden müssen, die mei - sten Stauden, und sogar solche, die in andern Ländern keine Dornen haben, mit diesen besetzt sind, so wird es wahrscheinlich, daſs jene Erschei - nung noch durch andere Ursachen, als durch den Boden, hervorgebracht werden kann. Zu vermu -then494then ist es, daſs in Persien gewisse Winde diese Ursache sind, indem auch der wollichte Ueberzug mancher Pflanzen sowohl von einem nassen Boden, als von dem Einflusse der Winde entsteht(s)M. s. oben S. 40. 41., und in jenem Lande alle Kräuter eben so mit Haaren oder Wolle, wie die Bäume und Sträucher mit Sta - cheln besetzt sind(t)Nichts ist hier (in Persien) häufiger, sagt der jün - gere Gmelin (Reise durch Ruſsl. Th. 3. S. 348), als die Ceratonia, welche in den Apotheken unter dem Namen der Siliqua dulcis bekannt ist. Hier sind die Mespeln, die Birnart Asgill, der stachlichte Pflau - menbaum, die Calassa, und der Granatbaum mit ih - ren Stacheln beschwerlich. Hier sieht man Bäume mit diesen Waffen versehen, die sonst keine haben, z. B. Cornus sanguinea, vieler anderer Beyspiele nicht zu erwähnen. Diese Bäume werden von einem stach - lichten Stauden-Rubus, der China-Wurzel und an - dern Pflanzen der Art umschlungen. Auf der Erde kriechen wollichte Kleearten mit haarichten Kelchen. An andern Stellen sieht man viele Kräuter aus der Fa - milie der rauchblättrigen und sternförmigen des Tour - nefort. Dort erscheinen Lychnisarten mit ihrem Pelz, da eine groſse Anzahl vom Hahnenfuſs ‒ Ge - schlechte, und da eine eben so beträchtliche von Wik - ken ‒ und Schootenpflanzen; fast alles hat einen haa - richten oder wollichten Ueberzug..
Jetzt aber stoſsen wir auf eine ähnliche Schwü - rigkeit, wie im 11ten § des vorigen Kapitels. Manwird495wird fragen: Ob der Boden, ob andere ponderable Stoffe mehr als bloſse Abarten hervorzubringen vermögen? Ob die specifiquen Charaktere der Gat - tungen nicht mit der physischen Verbreitung der - selben in engerer Verbindung stehen müſsten, als in der That der Fall ist, wenn sie Produkte jener Stoffe wären? Durch den im 4ten § des gegen - wärtigen Kapitels bewiesenen Satz, daſs zwischen allen lebenden Körpern eine dynamische Wechsel - wirkung statt findet, sind wir indeſs in den Stand gesetzt, diesen Einwurf befriedigend zu beantwor - ten. Hat jener Satz seine Richtigkeit, so folgt, daſs jene Körper vermöge dieser Wechselwirkung einen einzigen dynamischen Organismus ausma - chen; es folgt zweytens, daſs mit der vollendeten Organisation der ganzen lebenden Natur auch die Organisation jedes lebenden Individuum’s bestimmt ist; es folgt ferner, daſs in der letztern keine wesent - liche Abweichung von der ursprünglichen Norm ein - treten kann, so lange die erstere unverändert bleibt. Es folgt aber auch, daſs damals, als die Organisa - tion des Ganzen noch im Werden begriffen war, die des Einzelnen ganz abhängig von Einflüssen gewesen seyn kann, welche jetzt nur noch bloſse Varietäten, nicht mehr Gattungen, hervorzubrin - gen vermögen. Es folgt endlich, daſs die Gewalt solcher Einflüsse über einen lebenden Körper desto geringer seyn muſs, je gröſser, und desto gröſser, je geringer die Zahl seiner Berührungspunkte mitder496der Aussenwelt ist. Diese Zahl steigt aber mit der Mannichfaltigkeit der Organe, und nimmt ab mit zunehmender Einfachheit und Gleichartigkeit der letztern. Jene Gewalt muſs also geringer seyn bey den höhern Thierclassen, als bey den niedern; gröſser bey den Pflanzen; und am gröſsten bey den Zoophyten.
Vergleichen wir mit dieser letztern Folgerung die Erfahrung, so stimmet sie auch ganz damit überein. Einen Beweis, wie schwer die Ausartung bey dem Menschen von statten geht, geben die Ju - den. Schon seit so vielen Jahrhunderten aus Palä - stina verbannt, und in alle Weltgegenden zerstreut. behauptet dieses Volk, selbst unter den verschie - densten Zonen, noch immer seine eigenthümliche Bildung.
Ein höherer Grad von Degeneration findet bey manchen der übrigen Säugthiere statt. Auf der In - sel St. Barthelemi bekamen die Schaafe nach drey oder vier Fortpflanzungen statt der Wolle gerade steife Haare(u)Fahlberg in den Neuen Abh. der Schwed. Akad. B. VII. I. 1786. S. 223.. Das zahme Hausschwein, das ohne Zweifel von dem wilden Eber abstammet, ar - tet hin und wieder in Raçen aus, die an Sonder - barkeit alles weit übertreffen, was man an körper - licher Verschiedenheit unter den Menschen bemerkt. Schweine mit ungespaltenen Klauen kannten schondie497die Alten, und in Hungarn, Schweden und andern Ländern finden sich ganze Heerden davon. Die Europäischen Schweine, die im Jahre 1509 von den Spaniern nach der Westindischen Insel Cubagna gebracht wurden, degenerirten dort in eine Varie - tät mit Klauen, die auf eine halbe Elle lang waren(v)Blumenbach in Voigt’s Mag. f. d. Neueste aus der Physik. B. VI. St. 1. S. 7. Hacquet ebend. B. VI. St. 4. S. 28 ff..
Einen noch gröſsern und schnellern Einfluſs haben die Ursachen der Degeneration auf die Far - ben der Vögel. Das Männchen der Loxia Oryx zeichnet sich in Südafrika während der Frühlings - und Sommermonate durch sein glänzendes, am Halse, an der Brust, dem Rücken, dem obern und untern Theile des Steiſses hochrothes, an der Keh - le und dem Unterleibe schwarzes Gefieder aus. Im Herbste und Winter verliehrt es diesen Schmuck, und nimmt die graulich-braune Farbe des Weib - chens an(w)Barrow’s Reisen in das Innere von Südafrika. S. 300.. Es giebt bey den Säugthieren der wärmern Climate kein ähnliches Beyspiel von einer so schnellen und so totalen Umwandlung der Far - be; und auch in den kalten Zonen sind die Farben - veränderungen der meisten Säugthiere geringer, als die der Vögel.
AberBd. II. Ii498Aber bey diesen Thierclassen sind es doch blos die Klauen, Haare, Federn und andere min - der wichtige Organe, worin äussere Einflüsse schnelle und groſse Veränderungen hervorbringen. Hingegen bey den Fischen erleidet fast die ganze Organisation binnen sehr kurzer Zeit eine Umwand - lung, wenn die Beschaffenheit des Elements, wor - in sie sich aufhalten, verändert wird, wie aus dem schon oft erwähnten Beyspiele der Zugfische in Kamschatka erhellet.
Sehr leicht und sehr schnell degeneriren auch die Pflanzen. Sträucher arten in Bäume, und Bäu - me in Sträucher aus. Fremde, und sogar einhei - mische Gewächse verwandeln sich in unsern Gär - ten oft so, daſs auch ein geübter Botaniker kaum mehr im Stande ist, ihren ursprünglichen Charak - ter zu erkennen.
Wie wenig Selbstständigkeit endlich die Orga - nisation der Zoophyten hat, ist schon aus dem dritten Kapitel des vorigen Abschnitts bekannt. Hier aber ist auch die Zahl der Berührungspunk - te mit der Aussenwelt und die Verkettung mit dem Organismus, den die lebende Natur vermöge jener dynamischen Wechselwirkung bil - det, welche unter ihren Individuen statt findet, weit geringer, als bey den übrigen lebenden Kör - pern. Nur bey den Zoophyten sehen wir daher noch beständig das Phänomen der Erzeugung ausform -499formloser Materie vor sich gehen, da hingegen diese Erscheinung bey den Thieren der höhern Classen gar nicht mehr, und bey denen, deren Organisation von einfacherer Art ist, nur in ver - schlossenen Höhlen und an andern isolirten Orten noch statt findet.
Jede Form des Lebens kann durch physische Kräfte auf eine doppelte Art hervorgebracht seyn: entweder durch Entstehung aus formloser Mate - rie, oder durch Abänderung der Form bey fort - dauernder Gestaltung. Im letztern Falle kann die Ursache dieser Abänderung entweder in der Ein - wirkung eines ungleichartigen männlichen Zeu - gungsstoffs auf den weiblichen Keim, oder in dem erst nach der Erzeugung statt findenden Einflusse anderer Potenzen liegen. Durch jene Ursache werden Bastarde, durch diese Abar - ten gebildet. Ohne Zweifel werden sich dem Leser bey unsern bisherigen Betrachtungen schon längst die Fragen aufgedrängt haben: auf wel - chem dieser Wege die lebende Natur ihre jetzige Gestalt erhalten hat? Ob alle verschiedene Gat - tungen der lebenden Körper aus formloser Ma - terie hervorgingen, oder ob nur gewisse Urfor - men (protoplasta) auf diese Art hervorgebracht, und die übrigen durch Ausartung oder durch Bastarderzeugung von jenen entsprungen sind? Ii 2Die -500Diese Fragen lassen sich theils gar nicht, theils hier noch nicht beantworten. Man sieht aber leicht ein, daſs es keine Aenderung in den Re - sultaten unserer bisherigen Untersuchungen macht, ob alle, oder nur gewisse Gattungen aus Urformen, und im letztern Falle die übrigen durch Ausar - tung von diesen entstanden sind. Nur dann wür - den jene Resultate einige Einschränkung erleiden, wenn die Bastarderzeugung einen wichtigen An - theil an der Bildung der jetzigen lebenden Natur gehabt hätte. Allein daſs dieser Antheil, wenn er wirklich statt gefunden hat, nur sehr gering gewesen seyn kann, werden wir im vierten Bu - che beweisen.
S. 93. Z. 11-13.
Von der Aehnlichkeit, die zwischen den nordwestli - chen Küstenländern der alten und neuen Welt in Anse - hung des Pflanzenreichs statt findet, geben auch die Beob - achtungen, die La Perouse und dessen Begleiter beym Port des Français unter 58° 39′ N. Br. und 139° 50′ west - licher Länge von Paris machten, einen Beweis. Man fand hier, sagt La Perouse, beynahe alle die Pflanzen, welche in Frankreich auf Wiesen und Bergen wachsen. An einer andern Stelle bemerkt er, daſs alle dortige Er - zeugnisse des Pflanzenreichs auch in Europa einheimisch sind, und daſs De la Martiniere auf seinen dasigen Streifereien nicht mehr als drey Pflanzen gefunden habe, die er für neu gehalten hätte. (La Perouse’s Entdek - kungsreise. B. 1. S. 321, im Mag. von Reisebeschr. B. XVI.)
S. 101. Z. 16-22.
Eine ähnliche Stufenfolge in der Vegetation, wie Tournefort auf dem Berge Ararat beobachtete, traf der jüngere Gmelin auch auf den Gilanischen Schneegebirgen an. (S. G. Gmelin’s Reise durch Ruſsland. Th. 3. S. 362. 429.)
S. 142. Z. 12 ff.
Mehrere Flechten und Pilze, namentlich Lichen ver - ticillatus, L. aidelus, L. radiciformis, L. pinnatus, die meisten Byssi, Verrucaria rubra, Agaricus acheruntius, A. acephalus, Boletus botryoides, Octospora cryptophila, vergehen binnen wenigen Sekunden, wenn sie aus ihrenIi 3unter -502unterirdischen Wohnörtern beym Sonnenscheine an die athmosphärische Luft gebracht werden. (Von Humboldt’s Aphorismen aus der chem. Physiol. der Pflanzen. S. 80.)
S. 148. Z. 13 ff.
Auch in Hudsonsmeerbusen zu Cap Fry unter 64° 32′ N. Br. giebt es sehr groſse Taugarten. “Das Meergras,” sagt Ellis, (Reise nach Hudsonsmeerbusen. S. 266.) “wächst hier ungemein stark, und einiges wird 30 Fuſs „ lang, welches ich deswegen anführe, weil es mir zum „ wenigsten was Ausserordentliches zu seyn scheinet, in - „ dem hier wegen der rauhen Witterung nur wenige „ Gewächse auf dem Lande sind. ” — Nirgends aber findet sich so viel Tang als in der Bay Castries an der Tartari - schen Küste unter 51° 29′ N. Br. und 139° 4′ östlicher Länge von Paris. “Es ist kein Meer,” sagt La Perouse, (Entdeckungsreise. B. 2. S. 73) “fruchtbarer an Seetang „ verschiedener Art als dieses, und der Pflanzenwuchs un - „ serer schönsten Wiesen ist weder so grün, noch so dicht „ bewachsen. Eine groſse Vertiefung, auf deren Ufer ein „ Tartarisches Dorf lag, und die wir zuerst für tief genug „ hielten, unsere Schiffe aufzunehmen, weil die See hoch „ genug ging, als wir in der Bay ankerten, war zwey „ Stunden nichts mehr für uns als eine groſse Wiese von „ Seegras.”
S. 213. Z. 5 von unten.
Nach den Worten: Nirgends giebt es so viele Störarten, als in diesen Gewässern, setze man hinzu: und in den groſsen Nordamerikani - schen Landseen.
S. 221 ff.
Was ich hier über die Verschiedenheit des Amerika - nischen Alligator von dem Nilcrocodil gesagt habe, lei - det, neuern Untersuchungen von Geoffroy zufolge (An - nales du Muséum d’Hist. nat. T. II. p. 37. 53), einige Abän -derun -503derungen. Soviel bleibt gewiſs, daſs diejenige Crocodil - art, die man bisher mit dem Namen des Alligator (Lacer - ta alligator L.) belegte, dem Aenssern nach von dem Nilcrocodil in den von Cuvier angegebenen Merkmalen verschieden ist. Hingegen sind der doppelte Magen und die gebogene Luftröhre, die ich für eigenthümliche Charak - tere der innern Struktur des erstern hielt, auch bey dem letztern vorhanden*)L’estomac, sagt Geoffroy (A. a. O. S. 44) von dem Magen des Nilcrocodil, étoit surmonté d’une poche, laquelle se tronvoit ter - minée par le pylore. Von der Luftröhre sagt er (S. 46): Un peu avant de se diviser en deux branches, elle se replie et se contourne du côté gauche, ainsi qu’on le remarque dans plusieurs oiseaux. Diese Beschreibungen unterscheiden sich von denen, die ich oben (S. 222) aus Plumier’s nachgelassenem Manuscript angeführt habe, blos darin, daſs sich, nach Plumier, die Luftröhre des Alligator rechts, hingegen, nach Geoffroy, die des Nilcrocodil links bieget. Allein da Plumier nicht bestimmet, was er unter rechts und links verstanden haben will, so läſst sich hieraus keine Ver - schiedenheit folgern., und gehören vielleicht zu den gene - rischen Kennzeichen der Crocodile. Gewiſs ist es aber auch, daſs es in Amerika ausser dem bekannten Alligator noch eine andere Crocodilart giebt, worauf alle die Cha - raktere passen, in welchen sich der Nilcrocodil von dem Alligator unterscheidet. Doch weichet diese neue Art von dem Nilcrocodil wieder in andern Stücken ab, so daſs un - ser Satz von der Verschiedenheit der Amerikanischen Crocodile und derer der alten Welt dennoch unan - gefochten bleibt. Jene neue Art nehmlich hat überhaupt einen längern und schmalern Körper, und besonders län - gere und schmalere Kinnladen, als der Nilcrocodil. Der Schwanz besteht bey jener aus 20, bey diesem nur aus 17 Reifen. Die beyden ersten Zähne des Unterkiefers sind weit länger, hingegen der vierte Zahn auf jeder Seite der nehmlichen Kinnlade weit kleiner bey der erstern, als bey dem letztern. Bey der neuen Amerikanischen Art sinddieIi 4504die Rückenschilder weniger zahlreich und ungleicher ver - theilt: nur die der äussern Reihen haben hervorspringende Gräten; an den mittlern Schildern fehlen diese fast ganz: bey dem Nilcrocodil aber haben alle Schilder mit ihren Gräten einerley Form, einerley Hervorragungen und ei - nerley gegenseitige Lage. Endlich sind alle Schuppen, und selbst die der äussern Gliedmaaſsen, bey der Amerika - nischen Art viereckig, bey dem Nilcrocodil hingegen rund oder sechseckig.
S. 245. Z. 21 ff.
So fand man auch bey der Entdeckung von Amerika auf den Westindischen Inseln nur vier Arten von Säug - thieren, wovon das gröſste (vermuthlich die Marmota monax) nicht gröſser als ein Kaninchen war, nebst einer Art kleiner stummer Hunde. (Robertson’s Gesch. von Amerika. B. 1. S. 381.)
S. 255. Z. 2 von unten.
Der Hering gehöret nicht zu diesen Thieren. Nach Isert (Reise nach Guinea. S. 206) ist er der häufigste Fisch an der Küste von Guinea. Er gehöret dagegen zu denen Thieren, die sich auf beyden Seiten der alten und neuen Welt finden, indem er, dem Ysbrand (Reise nach China. S. 31) und Kraschenninikow zufolge, in ver - schiedenen Gegenden von Kamschatka häufig vorhan - den ist.
S. 261.
Daſs manche Fische so weite Züge, wie hier voraus - gesetzt ist, auszuführen im Stande ist, beweisen Perouse’s Beobachtungen. Bey seiner Abreise von den Sandwichin - seln sagt dieser: “Die Fische, welche uns von der Oster - „ insel bis in die Nähe unsers Ankerplatzes nachgeschwom - „ men waren, verlohren sich nun. Sonderbar genug war „ es, daſs immer derselbe Zug Fische unsere beyden Fre - „ gatten wenigstens funfzehnhundert Meilen weit beglei - „ tete. Mehrere Boniten, auf deren Rücken wir noch dieWun -505„ Wunden, welche ihnen unsere dreyzackichten Wurf - „ spiesse verursacht hatten, sehr deutlich wahrnahmen, „ waren so kennbar, daſs wir sie von andern ihrer Art sehr „ genau unterscheiden konnten. Täglich sahen wir die „ nehmlichen Fische rings um uns her, die wir bereits am „ vorhergehenden Tage bemerkt hatten. Ich glanbe ganz „ gewiſs, wenn wir uns nicht bey den Sandwichinseln „ aufgehalten hätten, würden sie uns noch zwey-bis drey - „ hundert Meilen weit nachgezogen seyn, bis sie endlich „ in solche Gewässer gekommen wären, worin sie, ihrer „ Natur nach, nicht länger Nahrung gefunden hätten.” (La Perouse’s Entdeckungsreise. B. 1. S. 254.) — Von manchen Vögeln, und besonders allen Seevögeln, ist es übrigens bekannt, daſs sie sich oft ausserordentlich weit von den Küsten entfernen. Wenn man nach den Westindischen Inseln segelt, sieht man oft Vögel 200 Seemeilen weit vom Lande (Sloane Hist. of Jamaika. Vol. 1. p. 30.). Catesby sahe eine Eule zur See, als das Schiff 600 Seemeilen weit vom Lande entfernt war (Nat. Hist. of Carolina. praef. p. 7. Hist. nat. de Buffon. T. XVI. p. 32.).
S. 381. 382,
Im Juny und July 1803 habe ich selber Gelegenheit gehabt, die hier erwähnte, sich willkührlich bewegende Conferve (Conferva limosa Roth. ) häufig zu beobachten. Ich fand sie in einem doppelten Zustande: in dem einen bestand sie aus sehr zarten, farbenlosen, divergirenden Fäden, die mit dem einen Ende in Schlamm oder grüner Materie saſsen; in dem andern Zustande waren die Fäden weit länger, stärker und gedrängter, hatten eine schöne blaugrüne Farbe, und bildeten eine Art von Rasen. Jener Zustand ist der, worin ich diese Conferve in den Gräben antraf. Aus ihm ging sie in den letztern über, wenn ich sie in reinem Wasser dem Tageslichte aussetzte.
In dem erstern Zustande war die häufigste Bewegung jener Conferve die pendelförmige. Ihre einzelnen Fädenbeug -506beugten sich mit den freyen Enden stoſsweise von der Rech - ten zur Linken und von der Linken zur Rechten. Doch krümmten sie sich auch nach jeder andern Richtung. Oft drehten sie sich so, daſs ihr freyes Ende einen Cirkel, und ihr Ganzes einen Kegel beschrieb; oft erschienen sie in schlangenförmiger Gestalt; oft näherte sich ihr bewegli - ches Ende dem unbeweglichen so, daſs sie das Ansehn von biegsamen Stäben erhielten, deren Enden gegen einander gebogen sind. Bey der pendelförmigen Bewegung machte gewöhnlich das freye Ende eine hakenförmige Krümmung. Zugleich fand hierbey eine fortschreitende Bewegung statt, vermöge welcher das eine Ende, womit der Faden am Schlamme saſs, entweder in diesen tiefer eindrang, oder sich aus demselben herausbegab, und die man bey einer flüch - tigen Beobachtung leicht für eine Verkürzung, oder für ein Wachsthum der Conferve ansieht. Zuweilen sahe ich einen Faden, der bisher unbeweglich gelegen hatte, seine Bewegungen auf einmal stoſsweise anfangen, Die Tempe - ratur und das Verdünsten des Wassers schien auf die Schnelligkeit und Stärke der Bewegungen Einfluſs zu ha - ben. Ich beobachtete nehmlich, daſs ein Haufen von Fä - den, den ich lange vor einem offenen Fenster betrachtet hatte, ohne heftige Bewegungen darin wahrzunehmen, sich stärker zu krümmen anfing, als die Thüre des Zim - mers geöffnet wurde, und davon ein Luftzug entstand, der das Vergröſserungsglas traf.
In dem letztern Zustande, worin die Fäden der Con - ferve eine blaugrüne Farbe haben, gingen ihre Bewegun - gen nicht so lebhaft, wie in dem erstern, vor sich. Als ich in einem Wassertropfen, der einen Haufen jener Fä - den enthielt, etwas weissen Zucker auflöste, rollten sich diese auf, wurden steif und unbeweglich, und bekamen ein gegliedertes Ansehn.
S. 384.
Umständlicher sind Girod-Chantran’s Beobachtun -gen507gen in folgendem Werke erzählt, das aber erst während dem Abdrucke des gegenwärtigen Bandes herausgekommen ist, und daher hier noch nicht benutzt werden konnte: Re - cherches chimiques et microscopiques sur les Conferves, Bysses, Tremelles etc. par Girod-Chantran. Paris. An X. 4.
S. 394. Z. 4 ff.
Das gegenwärtige Kapitel über die Entstehung und die Verwandlungen der lebenden Körper wurde schon vor viertehalb Jahren ausgearbeitet. Seit dieser Zeit verhin - derten mich andere Beschäftigungen über jene Gegenstände weitere eigene Beobachtungen anzustellen. Nur die Resul - tate neuerer Lektüre und fernern Nachdenkens habe ich späterhin nachtragen können. Erst im Frühlinge und Sommer des jetzigen Jahrs 1803, nachdem das Manuscript jenes Kapitels schon zum Drucke abgesandt war, ist es mir möglich gewesen, den Faden meiner ehemahligen Untersuchungen über die Entstehung der Conferven und Tremellen wieder anzuknüpfen. Die Resultate dieser neu - ern Beobachtungen gehören indeſs mehr für den folgenden, als für den gegenwärtigen Band. Nur dies muſs ich hier erinnern, daſs mir jetzt die Benennung von Fruchtkei - men, die ich in der 7 und 8 Zeile der 394 Seite für die sich willkührlich bewegenden Körner gewählt habe, die man im Innern einer jeden Conferve und Tremelle vom Anfange ihres Entstehens an wahrnimmt, unpassend zu seyn scheinet. Die eigentlichen Fruchtkeime zeigen sich bey den Conferven nur in einer gewissen Periode ihres Le - bens, und zwar bey vielen Arten (z. B. der Conferva seti - formis, spiralis, scalaris Roth. u. a. m.) erst dann, wenn sich mehrere Individuen durch Röhren, die an den Seiten derselben hervorwachsen, unter einander verbunden haben. Nach dieser Verbindung sieht man die vorhin erwähnten kleinern Körner, welche an den innern Wänden eigener Schläuche in Spirallinien, sternförmigen oder andern regel - mäſsigen Figuren befestigt sind, aus der einen Conferve indie508die andere übergehen, und in der letztern sich zu sphäri - schen oder ovalen Beeren vereinigen, die mit der Conferve fast von gleichem Durchmesser sind, und nach deren Bil - dung blos die äussere, farbenlose Hülle der letztern übrig bleibt. Diese Beeren, mit deren Entstehung das Wachs - thum der Conferven beendigt ist, müssen ohne Zweifel für die wahren Fruchtkeime der Wasserfäden angesehen wer - den. Aber nicht von ihnen, sondern von den ursprüngli - chen grünen Körnern, die schon bey dem Entstehen der Conferven in denselben vorhanden sind, gelten die Sätze dieses Kapitels. Nur die letztern verhalten sich unter ge - wissen Umständen als Infusionsthiere, und sind dabey im Stande, die Conferve, in deren Innerm sie sich befanden, auf eine, mir noch unbekannte Art zu reproduciren.
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