Sechstes Buch.
V. Bd. A[2][3]Wärme ist die Hauptbedingung alles Lebens. Aber nur ein mittlerer Grad derselben ist dem Le - ben der irdischen Organismen angemessen. Bey einer anhaltenden Temperatur der Atmosphäre, die + 35° des Reaumurschen Thermometers über - steigt, verwelken und verschmachten die meisten Pflanzen und Thiere eben so wohl, als bey einer Kälte, die unter — 30° herabsinkt.
In wenigen Gegenden der Erde bleibt sich die Temperatur der Luft immer gleich. In denA 2gemä -4gemäſsigten Climaten beträgt sie im Winter oft — 20°, und wechselt im Sommer zwischen + 12° und + 26°. Wie erhalten sich die Thiere und Pflanzen jener Erdstriche bey diesem Wechsel? Besitzen sie ein Vermögen, bey äuſserer Kälte sich zu erwärmen, und bey äuſserer Hitze sich ab - zukühlen? Oder giebt es sonstige Einrichtungen in ihrer Organisation, wodurch sie vor den nach - theiligen Wirkungen der Kälte und Hitze ge - schützt sind? Die Beantwortung dieser Fragen läſst sich blos aus der Erfahrung nehmen. Wir werden dieselbe zu Rathe ziehen, und bey dem Pflanzenreich unsere Untersuchungen anfangen.
Schon der Verfasser des dem Aristoteles zugeschriebenen Werks Von den Pflanzena)De plantis. L. I. C. 2. spricht von einer innern Wärme der Gewächse. Bacona*)Nov. Organ. L. II. aph. 12. p. 337. in Opp. omn. hingegen läugnete alle fühlbare Wär - me der Pflanzen. Doch diese und ähnliche Be - merkungen früherer Schriftsteller stützen sich auf zu wenige und zu mangelhafte Erfahrungen, als daſs sie Rücksicht verdienten. Erst J. Hunter stellte genauere Versuche über die Temperatur der Vegetabilien anb)Philos. Transact. Y. 1775. p. 446. Y. 1778. p. 38., die hier mitgetheilt zu werden verdienen.
An5An einer dreyjährigen Fichte, die Hunter unter Wasser in eine künstliche Temperatur von 15 bis 17° Fahrenh. gebracht hatte, erfror blos der jüngste Trieb. Dieser blieb auch welk, nach - dem die Fichte wieder gepflanzt war; die ältern Triebe aber vegetirten fort.
Von einer jungen Haberpflanze, die erst mit drey Blättern versehen war, wurde ein Blatt und die Wurzel in eine Kälte von 22° Fahrenh. ge - bracht. Das Blatt erfror sehr bald; die Wurzel aber behielt ihre Lebenskraft.
Zwey Blätter einer Bohnenpflanze, wovon das eine erfroren und wieder aufgethauet, das andere frisch und vorher aufgerollet war, wur - den in ein Gefäſs gelegt, das eine Temperatur von 17° Fahrenh. hatte. Von dem letztern Blatt erfror blos der Rand, der das Gefäſs berührte; das erstere erfror ganz und schneller als dieses.
Ausgepreſster Saft von Kohl und Spinat ge - fror nicht, wie das Wasser, beym 32sten Grad, sondern erst beym 29sten. Zwischen diesem und dem 30sten Grad thauete er wieder auf.
Wurde der gefrorne Saft in eine kalte Mi - schung von 28° gebracht, und wurden dann die Blätter einer frischen Bohne oder Fichte auf den - selben gelegt, so thauete er an den Stellen, wo er mit den Blättern in Berührung stand, wieder auf.
A 3In6In den Stamm eines Nuſsbaums, welcher 9 Fuſs hoch war und 7 Fuſs im Umfange hatte, wurde 5 Fuſs über der Erde ein 11 Zoll tiefes Loch gebohrt. In dieſes wurde ein Thermometer gebracht und der äuſsern Luft der Zugang zu der Oeffnung verschlossen. Im Frühling war der Stand des Thermometers so unbeständig, daſs sich nichts Allgemeines darüber bestimmen lieſs; im Herbst aber stand er um einige Grade höher als ein correspondirendes Thermometer, das in der freyen Luft hing. Im Winter, bey einer Tem - peratur von 29 bis 16°, zeigten auch Thermome - ter, die in Pappeln, Platanen, Fichten, Tannen und mehrere andere Bäume eingesenkt waren, eine etwas höhere Temperatur, als die Atmo - sphäre hatte; doch betrug der Unterschied gewöhn - lich nur Einen Grad.
Hunter schloſs aus diesen Beobachtungen, daſs die Pflanzen ein Vermögen besitzen, Wärme zu erzeugen, und zwar eine Wärme, die mit der Temperatur der Atmosphäre in einem gewis - sen Verhältniſs steht. Allein seine Erfahrungen berechtigen nicht zu diesem Schluſs. Die That - sachen, daſs ein frisches Blatt langsamer als ein gefrornes und wieder aufgethautes gefror, und daſs die Temperatur des Nuſsbaums im Herbst um einige Grade höher als die Temperatur der Atmosphäre war, lassen sich schon daraus befrie -digend7digend erklären, daſs alle vegetabilische Substan - zen schlechte Wärmeleiter sind, daſs ihr Leitungs - vermögen zu verschiedenen Zeiten und unter ver - schiedenen Umständen sehr verschieden ist, und daſs dieses wegen der bald gröſsern, bald gerin - gern Menge der in ihnen befindlichen Säfte, we - gen der veränderlichen Consistenz dieser Flüssig - keiten und wegen der ungleichen Spannung der vegetabilischen Fasern und Häute sehr verschie - den seyn muſs. Für die Richtigkeit dieser Er - klärung bürgen die Resultate, die Nauc)Annalen der Wetterauischen Gesellsch. für die ge - sammte Naturkunde. B. 1. H. 1. S. 27. und Balded)Wolfart’s Askläpieion. J. 1811. No. 18. 19. bey Wiederhohlung der Hunterschen Versuche erhielten. Gefrorner Kohlsaft, den je - ner in einer Temperatur von 29° F., dieser in einer Kälte von — 2° R. theils mit belebten Pflan - zentheilen, theils mit leblosen Körpern bedeckte, thauete immer auf, und die Quantität des aufge - thaueten Safts richtete sich nicht nach der Be - schaffenheit des aufgelegten Körpers, sondern nach der Menge der Berührungspunkte zwischen diesem und dem Eis. Von dem geringern Lei - tungsvermögen der Pflanzensäfte, und gewiſs nicht von einer eigenen Wärme derselben, rührt es auch her, daſs der Punkt des Thermometers,wobeyA 48wobey vegetabilische Flüssigkeiten gefrieren, nur einige Fahrenheitsche Grade niedriger als der Ge - frierpunkt des Wassers ist. Daſs endlich in Hun - ter’s Versuchen jüngere Pflanzenzweige schnel - ler als ältere erfroren, läſst sich aus dem grö - ſsern Gehalt an Säften der jüngern Zweige und aus der wäſsrigern Beschaffenheit dieser Säfte er - klären.
Nach Hunter stellte Schöpf ähnliche Be - obachtungen, wie jener an einem Nuſsbaum ge - macht hatte, an mehrern Bäumen in Nordamerika ane)Der Naturforscher. St. 23. S. 1.. Der Stand des Thermometers war zu ver - schiedenen Zeiten und an verschiedenen Bäumen sehr verschieden. Doch hatte im Allgemeinen das Innere der Bäume vom Herbst bis in den Winter eine höhere Temperatur als die Luft, und zwar eine desto höhere, je stärker der Frost war; hingegen vom Frühling bis in den Sommer war die innere Wärme des Baums niedriger als die Temperatur der Atmosphäre, und der Unter - schied nahm mit der Hitze der äuſsern Luft zu. Bey diesen Erfahrungen fehlen aber vergleichen - de Versuche mit abgestorbenen Bäumen, so daſs sich nichts Sicheres daraus schlieſsen läſst.
Wichtiger sind ähnliche, von Salomé ge - machte Versuchef)Annales de Chimie. T. XL. Brumaire. No. 119.. Dieser bohrte im Mai eincylin -9cylindrisches Loch von 9 Zoll Tiefe in den Stamm eines Baums von 18 Zoll Durchmesser 8 Fuſs hoch über der Erde, und ein ähnliches in ein Stück von einem geschlagenen Baumstamm, wel - ches noch mit der Rinde bekleidet, von einerley Durchmesser mit jenem Baum und an der Luft ausgetrocknet war. Er steckte in beyde Canäle zwey correspondirende Weingeistthermometer, und hing ein drittes ähnliches Werkzeug an der Nord - seite einer Mauer auf. Aus einer Vergleichung des Gangs der drey Wärmemesser ergaben sich folgende Resultate. Das Thermometer, welches in dem abgehauenen Baumstamm angebracht war, zeigte keine merkliche Abweichung von dem, welches in der freyen Luft hing. Das in dem lebenden Baum befindliche Thermometer hinge - gen stand immer höher als dieses, so lange die Temperatur der Luft unter 14° (vermuthlich des 100 gradigen, Celsius’schen Thermometers) war. Stieg aber die letztere über 14°, so blieb die Wärme des Baums unter der Wärme der freyen Luft. Während in dem Verlauf eines Monats die Temperatur der Atmosphäre zwischen 2° und 26° schwankte, blieb die Wärme des Baums im - mer über 9° und unter 19°. Diese veränderte sich auch nur sehr langsam und um wenige Gra - de, und hielt sich oft mehrere Tage zu allen Stunden auf demselben Punkt, während jene bin - nen 6 Stunden zuweilen um 10° wechselte. AmA 5mei -10meisten Einfluſs hatte auf diese ein anhaltender Regen, wobey sie merklich abnahm, ohngeach - tet die Wärme der Luft nicht merklich dadurch vermindert wurde.
Diese Versuche beweisen dem Anschein nach allerdings ein Vermögen der Gewächse, eine ge - wisse mittlere Temperatur in sich hervorzubrin - gen. Man kann zur Unterstützung derselben auch noch anführen, daſs die Temperatur des lebenden Baums ohne Zweifel noch gröſser war, als Salomé’s Versuche sie angeben, indem das in dem Baum befindliche Thermometer blos un - ten mit dem Innern desselben in Berührung stand, oben aber vor dem Einfluſs der Atmosphäre nicht geschützt war.
Noch mehr scheinen Hermbstädt’s Beobach - tungen für ein solches Vermögen der Gewächse zu sprecheng)Magazin der Gesellsch, naturf. Freunde in Berlin. Jahrg. 2. S. 316.. Hermbstädt fand, daſs der Saft von Ahornen, die im Winter angebohrt waren, dann noch in flüssiger Gestalt hervordrang, wenn der schon ausgeflossene Saft in untergesetzten Gefäſsen zu Eis erstarrt war. Er brachte in die Oeffnung eines frisch angebohrten Zuckerahorns die Kugel eines empfindlichen Thermometers, um - gab diese mit Baumwachs, um den hervordrin -gen -11genden Saft zurückzuhalten, und hing ein cor - respondirendes Thermometer neben dem vorigen in der freyen Luft auf. Zeigte nun das letztere Thermometer — 5° Reaum., so stand das erstere auf + 2°. Die innere Temperatur des Baums war selbst dann, wenn die Temperatur der Atmos - phäre auf — 10° herabsank, noch + 1°. Auch Rüben und Kartoffeln zeigten inwendig noch eine Wärme von + 1° bis + 1,5° bey einer Tempe - ratur der Luft von — 6° bis — 7°, und erfroren erst, wenn diese — 10° bis — 12° betrug. Obst - früchte hingegen erstarrten schon bey — 2°.
So scheinbar diese Beweise aber auch sind, so läſst sich doch nichts weiter aus ihnen schlie - ſsen, als daſs die Pflanzen ein geringes Leitungs - vermögen für Wärme besitzen, und daſs ihnen durch die Wurzeln aus der Erde eine gewisse mittlere Temperatur mitgetheilt wird.
In Betreff der Hermbstädtschen Versuche ist vorläufig zu bemerken, daſs bey denselben in der Angabe des Unterschieds zwischen der vegetabilischen und atmosphärischen Temperatur nicht gehörig Rücksicht auf die Dauer der letz - tern genommen ist. Wenn Hermbstädt behaup - tet, Rüben und Kartoffeln gefrören erst bey — 10° R., so sind von ihm mehrere wichtige Um - stände übersehen worden. Kartoffeln, die plötz - lich in eine Kälte von — 10° R, gebracht wer -den,12den, erstarren schnell zu Eis. Solche hingegen, die allmählig einer immer kältern Temperatur ausgesetzt werden, bleiben zwar bey einer Kälte von — 6° bis — 8° noch weich, und behalten eine höhere Temperatur als die äuſsere Luft, aber nur, weil in ihnen ein Proceſs statt findet, wodurch Zucker erzeugt wirdh)Einhof in Gehlen’s neuem allgem. Journ. der Che - mie. B. IV. S. 478..
Hätten die Gewächse ein Vermögen, eine mittlere Temperatur hervorzubringen, so würde dasselbe in der Mitte des Winters am thätigsten seyn müssen, um sie vor der strengen Kälte zu schützen. Gerade zu dieser Zeit ist aber die Ve - getation ganz unthätig. Hingegen steht die Pflan - ze vermittelst ihrer Wurzeln in der genauesten Verbindung mit der Erde, die schon in einer ge - ringen Tiefe unter der Oberfläche eine Tempe - ratur besitzt, worauf die Abwechselungen der atmosphärischen Wärme wenig Einfluſs haben. und diese Temperatur des Erdbodens theilt sich der Pflanze weit leichter als die Wärme der Luft mit, indem die Wärme viel leichter aus einem dichten Medium in ein dünneres, als aus einem dünnern in ein dichtes übergeht. Hieraus lassen sich Salomé’s Beobachtungen über die langsame und geringe Veränderung der vegetabilischen Wär - me bey schnellen und bedeutenden Abwechselun -gen13gen der Temperatur sehr befriedigend erklären. Es ist hieraus zugleich klar, daſs Versuche über die Temperatur der Pflanzen nach dem verschie - denen Leitungsvermögen sowohl des Bodens, als der Pflanzen sehr verschieden ausfallen müssen. Am meisten wird dieses Vermögen durch Nässe abgeändert. Daher hatte in Salomé’s Beobach - tungen ein anhaltender Regen einen so groſsen Einfluſs auf die vegetabilische Temperatur. Für die Richtigkeit unserer Erklärung sprechen end - lich auch Nau’si)A. a. O. und Balde’sk)A. a. O. Erfahrungen, nach welchen leblose Körper sich unter gewis - sen Umständen eben so wie lebende Bäume in Betreff ihrer innern Temperatur gegen die Wär - me der Atmosphäre verhalten.
Vor dem Erfrieren sind die Gewächse auch noch durch andere Eigenschaften, als durch ihr geringes Leitungsvermögen für Wärme, geschützt. Bey abnehmender Wärme ziehen sich die Zellen im Umfang der Pflanze zusammen, und treiben die in ihnen enthaltenen Säfte nach der Achse hin, und bey noch mehr steigender Kälte gehen sie von hier in die Wurzel über, wo sie von der warmen Erde geschützt sind. Die Säfte sind dabey in sehr kleinen Zellen und sehr engen Röhren eingeschlossen. Nach Sennebier’sk*)Physiol. végét. T. III. p. 329.Ver -14Versuchen aber gefriert selbst bloſses Wasser in Haarröhren bey — 7° R. noch nicht. Die vege - tabilischen Säfte sind auch, vorzüglich im Win - ter, weit weniger flüssig als das reine Wasser, und die atmosphärische Kälte wirkt nur nach und nach auf sie. Blagden’s Erfahrungen beweisen, daſs alles, was die Flüssigkeit des Wassers ver - mindert, den Gefrierpunkt desselben erniedrigt, und daſs das Gefrieren langsamer bey allmähli - ger Zunahme, als bey plötzlichem Eintritt der Kälte erfolgtl)Philos. Transact. Y. 1788. p. 277.. Auf die erste dieser Ursachen hat schon Strömerm)Abhandl, der Schwed. Akad. J. 1739 u. 1740. S. 116., und auf die übrigen Sennebiern)Journal de Physique. T. XL. p. 173. — Physiol. vé - gét. T. III. p. 316. aufmerksam gemacht. Auch hat dieser schon erinnert, daſs krautartige Gewächse nicht immer durch das Gefrieren plötzlich ge - tödtet werden.
Manche andere Erscheinungen, die man sonst noch zum Beweise eines Vermögens der Pflan - zen, sich eine mittlere Temperatur zu erzeugen, angeführt hat, verdienen nach dem, was bisher über diesen Gegenstand gesagt ist, kaum noch einer Erwähnung. So hat man das Phänomen,daſs15daſs der Schnee im Winter auf begraseten Plät - zen und an Baumstämmen früher als an andern Stellen schmilzt, aus einer eigenen Wärme der Pflanzen erklären wollen, da sich doch blos auf eine mitgetheilte Wärme daraus schlieſsen läſst, und so hat man aus der Kühlung, welche Bäu - me und Gebüsche im Sommer gewähren, ein Vermögen der Gewächse, Kälte zu erregen, dar - thun wollen, da doch diese, blos von den feuch - ten Ausdünstungen der Vegetabilien herrührende Verminderung der Temperatur nur 1° F. beträgto)Ein Wärmemesser, der im freyen Schatten auf 70° F. stand, fiel auf 69° herab, wenn er zwischen die Kronen stark belaubter Bäume, oder in schattige Hecken gebracht wurde. (Schrank’s Briefe an Nau, naturhist., physikal., u. öconom. Inhalts. Erlangen. 1802. S. 169.), und also auf die Pflanzen wenig oder gar kei - nen Einfluſs haben kann.
Mit unserer Meinung, daſs die Wärme der Vegetabilien blos eine, aus der Erde mitgetheilte ist, stimmen auch Fontana’s Beobachtungenp)Efemeride chemico-mediche. 1805. Neues Journal der ausländischen med. chirurg. Litteratur, von Har - les u. Ritter. B. V. St. 2. überein, die zwar einigen Einwendungen aus - gesetzt, doch in der Hauptsache wohl richtig sind. Fontana glaubte mit Recht, daſs sich nieetwas16etwas Entscheidendes über die eigene Wärme der Pflanzen würde bestimmen lassen, so lange man die Versuche mit Gewächsen machte, die mit der Erde in Verbindung ständen. Er hielt es dabey für nöthig, die Pflanzen in einer Luft zu untersuchen, die an den Veränderungen der Atmosphäre keinen bemerkbaren Antheil nähme. Seine Versuche stellte er daher auf die Art an, daſs er eine Menge verschiedener Gewächse auf hängenden Platten in einen Keller brachte, des - sen Temperatur sich während der Beobachtungen nicht merklich änderte, und dessen Luft sich bey eudiometrischen Prüfungen von gleicher Rein - heit mit der äuſsern Atmosphäre zeigte. Mehr als 4600 Erfahrungen, welche auf diese Weise mit einem, wie Fontana versichert, sehr em - pfindlichen Thermometer gemacht wurden, gaben das Resultat, daſs die Wärme der Gewächse ganz abhängig von der Temperatur des Mediums ist, worin sich die Pflanzen befinden. Nur eine ein - zige, unter dem Nahmen fungo porcino im Tos - canischen bekannte Schwammart war beständig um einen halben Grad eines hunderttheiligen Thermometers wärmer als die äuſsere Luft.
Man kann gegen diese Beobachtungen eini - ge Einwürfe machen. Fontana sagt, daſs er von dem Keller, worin er seine Versuche mach - te, den Eintritt sowohl der äuſsern Luft, alsdes17des Lichts, und selbst des zurückgeworfenen Lichts abgehalten habe. Man weiſs aber, wie nothwendig frische Luft und Licht den Pflan - zen sind, und wie schnell die Entziehung die - ser beyden Agentien nachtheilig auf sie wirkt. Fontana’s Gewächse muſsten sich also in einem krankhaften Zustand befinden, von welchem sich auf den Zustand der Gesundheit nicht unbedingt schlieſsen läſst. Zwar hat sich Fontana gegen diesen Einwurf zu verwahren gesucht. Er brach - te von Zeit zu Zeit bald eines, bald mehrere Gewächse von der nehmlichen Art, als schon im Keller waren, in diesen hinein, während die Temperatur desselben der Wärme seiner Umge - bungen gleich war oder beynahe gleich kam. Er untersuchte hierauf diese Pflanzen nach einigen Minuten, dann nach einigen Stunden, und end - lich den ganzen Tag hindurch, und fand, daſs ihre Wärme mit der Temperatur der übrigen Vegetabilien, die schon seit mehreren Wochen in dem Keller hingen, übereinkam. Aber nach einigen Minuten, oder auch selbst nach einigen Stunden sollten die in den Keller gebrachten Pflanzen schon die Wärme desselben angenom - men haben? Dies ist unglaublich, und macht überhaupt die Zuverlässigkeit der Fontanaschen Versuche verdächtig. Gelangten aber die frischen Pflanzen erst nach mehrern Stunden zur Tem - peratur derer, die sich schon länger im KellerV. Bd. Bbefun -18befunden hatten, so konnte der Mangel an Licht und frischer Luft während dieser Zeit auf jene schon genug gewirkt haben, um ihr Vermögen, Wärme hervorzubringen, sehr zu schwächen.
Es ist ferner unwahrscheinlich, daſs Fonta - na’s Thermometer die zu feinern Versuchen nö - thige Empfindlichkeit besaſs. Fontana behaup - tet, nie einen merklichen Unterschied zwischen der Wärme der Pflanzen und der Temperatur des Mediums, worin sich dieselben befanden, be - obachtet zu haben. Nach Rumford’s Versuchen besitzt aber jeder Körper eine eigene Tempera - turq)Gilbert’s Annalen der Physik. B. XVII. S. 33. 213.. Ein geringer Grad von eigener Wärme hätte sich also auch an jenen Gewächsen zeigen müssen, wenn Fontana’s Thermometer hinrei - chend empfindlich gewesen wäre.
Doch dieser Einwendungen ohngeachtet bleibt immer, wenn man nicht die Wahrheit dieser Versuche ganz läugnen will, so viel gewiſs, daſs im Allgemeinen das Vermögen der Pflanzen, Wär - me zu erzeugen, entweder gar nicht vorhanden ist, oder auf einer weit niedrigern Stufe steht, als dem Gewächs von einigem Nutzen seyn kann. Die geringe Wärmecapacität des lebenden Pflan - zenkörpers und dessen Verbindung mit der Erde, dies sind die beyden Mittel, wodurch die Pflan -ze19ze vor den Abwechselungen und den Extremen der atmosphärischen Temperatur geschützt ist. Insofern jene geringe Capacität vorzüglich von der Menge, der Beschaffenheit und dem Sitz der vegetabilischen Säfte abhängt, und diese sich nach dem Grad der äuſsern Wärme verändern, läſst sich aber der Pflanze allerdings ein Vermögen zuschreiben, ihren Zustand nach der Beschaffen - heit der äuſsern Temperatur zu modifiziren. Mög - lich ist es auch, daſs einzelne Pflanzengattungen unter gewissen Umständen Wärme oder Kälte hervorzubringen und so den Einwirkungen der atmosphärischen Temperatur unmittelbar zu wi - derstehen im Stande sind. La Markr)Encyclop. méthod. Vol. 3. p. 9., Senne - biers)Usteri’s Neue Annalen der Botanik. St. 9. S. 119. — Sennebier Physiol. végét. T. 3. p. 314., und Hubertt)Bory de St. Vincent’s Reise nach den vier vor - nehmsten Inseln der Afrikanischen Meere. beobachteten an der Ober - fläche des Blüthenkolben (Spadix) vom Arum maculatum L., Arum italicum Lam. und Arum cordifolium Bory de St. Vinc. um die Zeit, wenn derselbe anfängt, aus der Scheide hervorzutre - ten, eine Hitze, die vier bis fünf Stunden zu - nahm, und zwar beym Arum maculatum zwi - schen drey und vier Uhr Nachmittags, ohnge - fähr in derselben Zeit sich wieder minderte, undinB 220in ihrer gröſsten Höhe die Temperatur der äu - ſsern Luft beym Arum maculatum um 15 bis 16° F., beym Arum cordifolium um 60 bis 70° F. über - traf. Die sich hierbey entwickelnde Wärme zweckt wohl eben so wenig darauf ab, die Befruch - tungstheile der Pflanze vor dem möglichen Ein - fluſs der atmosphärischen Kälte zu schützen, als die Kälte des Eiskrauts (Mesembryanthemum cry - stallinum), die ohne Zweifel nur von dem be - trächtlichen Salpetergehalt desselben herrührt, die - ser Pflanze zum Schutz gegen die Hitze der Luft zu dienenu)John (Neue chemische Untersuchungen mineral. vegetab. u. animalischer Substanzen. S. 8.) fand die Temperatur dieses Krauts 40 R. indem das Thermo - meter in der Luft auf 10° stand.. Jetzt kann es nach der Ana - logie dieser Beyspiele freylich Gewächse geben, die während der Befruchtungszeit eine zum Schutz der Blüthen dienende eigene Wärme erzeugen. Aber häufig können solche Fälle schwerlich seyn, da sich sonst gewiſs schon mehr Spuren dersel - ben als blos bey einigen Arumarten gezeigt hät - ten.
Eben so wenig als die Pflanzen. besitzen im Allgemeinen die sämmtlichen Thiere, nur die Säugthiere und Vögel ausgenommen, ein Ver -mögen21mögen, Wärme zu entwickeln. Sie haben wie die Gewächse eine geringe Capacität für Wärme, und die meisten leben im Wasser, im Schlamm, unter der Erde, in Baumstämmen, überhaupt an Oertern, wo eine mittlere Temperatur herrscht. Hierdurch sind sie vor den Abwechselungen der atmosphärischen Temperatur noch mehr als diese geschützt. Manche haben auch mit einigen Ge - wächsen die Eigenschaft gemein, wieder aufzu - leben, nachdem sie gefroren und wieder aufge - thauet sind. O. F. Müllerv)Entomostraca. p. 5. erzählt, daſs er ein Glas mit Wasser, worin sich mehrere Mono - culus-Arten und kleinere Dytisken befanden, völ - lig habe gefrieren und erst nach vier und zwan - zig Stunden wieder aufthauen lassen, und daſs demohngeachtet viele dieser Thiere ins Leben zu - rückgekommen wären. Andere Insekten widerste - hen einer sehr strengen Kälte ohne zu gefrieren. Reaumurv*)Mém. de l’Acad. des sc. de Paris. A. 1734. p. 256. Ed. d’Amsterd. sahe Raupen in einer künstlichen Kälte von — 17° seines Weingeistthermometers aushalten, ohne weder zu erstarren, noch getöd - tet zu werden. Bey einem Gegenversuch mit todten Raupen von der nehmlichen Art gefroren aber diese ebenfalls nicht, und es war also nichtinne -B 322innere Wärme, wodurch die erstern vor dem Ge - frieren geschützt wurden.
Alle bisherige Erfahrungen und selbst die - jenigen, woraus man auf eine eigene Tempera - tur der niedern Thiere geschlossen hat, sprechen für unsere Meinung. In den Beobachtungen, wo man solche Thiere wärmer als das Medium fand, in welchem sie befindlich waren, betrug der Unterschied nur wenige Grade und rührte gewiſs blos davon her, daſs die Thiere an tie - fern Stellen des Wassers oder der Erde, wo sie sich vor dem Versuch aufhielten, eine höhere Wärme mitgetheilt bekommen und während der Beobachtung noch nicht verlohren hatten. Die Fälle, wo eine wirkliche Entbindung von Wär - me bey diesen Thieren statt findet, sind nur auf wenige Arten und auf besondere Umstände beschränkt.
Folgende Erfahrungen enthalten die Beweise dieser Sätze.
Péron fand Haufen von Sertularien, Isis, Gorgonien, Alcyonien, Spongien, Tangen und Ulven, die an der Westküste von Neuholland aus der Tiefe des Meers hervorgezogen waren, um mehr als 3° R. wärmer als die Atmosphäre und die Oberfläche des Meers. Er schlieſst hier - aus auf eine eigene Wärme der Zoophytenw)Annales du Muséum d’Hist. nat. T. IV. p 133. 134.. Aber23Aber wer sieht nicht, daſs dieser Schluſs selbst dann nicht gültig seyn würde, wenn Péron die Temperatur jener Zoophyten mit der Wärme des mit ihnen aus einerley Tiefe genommenen Meer - wassers verglichen hätte?
In J. Hunter’s Versuchenx)Philos. Transact. Y. 1775. p. 446. brachten mehre - re, in ein Glas gelegte Regenwürmer das Fah - renheitsche Thermometer auf 58½°, indem die Wärme der Luft 56° war. In einem andern Ver - such stieg dieses von 55° auf 57°. Vier schwar - ze Schnecken brachten den Wärmemesser von 54° bis 57°, und drey Blutigel in Einem Versuch von 56° bis 57°, in einem andern von 54° bis 55½°. Diese geringen Unterschiede lassen sich aus der geringen Wärmecapacität jener Thiere und aus der Fortdauer der Temperatur, die sie im Wasser oder in der Erde angenommen hat - ten, hinreichend erklären.
Nach Spallanzaniy)Mém. sur la réspiration. p. 256. hat eine einzelne Schnek - ke (Limax, Helix) in einem verschlossenen Ge - fäſs keinen bemerkbaren Einfluſs auf das Ther - mometer. Wenn aber mehrere zugleich mit ei - nem Wärmemesser unter eine Glocke gesetzt wer - den, so steigt dieser um 1 / 12° bis ⅓° R. undzwarB 424zwar desto höher, je mehr Schnecken sich un - ter dem Gefäſs befinden, am höchsten in reinem Sauerstoffgas. Spallanzani hat aber anzuzeigen unterlassen, wie er es anfing, das Steigen des Thermometers um 1 / 12° wahrzunehmen und sich zu überzeugen, daſs eine so geringe Erhöhung der Temperatur nicht von der Nähe seines Kör - pers bey der Beobachtung des Thermometers, von dem vorhergegangenen Anfassen der Schnek - ken und dergleichen zufälligen Ursachen her - rührte.
Von ähnlichen Ursachen ist es gewiſs auch abzuleiten, daſs G. Martinez)Medical and philosoph. Essays. London. 1740. p. 330. 331. die Temperatur von Raupen um 2° F. höher fand, als die Wär - me der Atmosphäre, und daſs Hausmanna)De animalium exsanguium respiratione. p. 68. 69. in engen Gläsern, worin eine Sphinx Convolvuli, eine Locusta viridissima, sechs Individuen des Carabus hortensis und ein Erdregenwurm mit ei - nem Thermometer eingeschlossen waren, diesen binnen 9 bis 30 Minuten um 1° bis 3° R. stei - gen sah. In Hausmann’s Versuchen trat immer nachher wieder eine Abnahme der Wärme ein, wahrscheinlich weil sich die Temperatur, die den Insekten vor dem Versuch durch das Tra - gen in den Händen oder auf andere zufälligeArt25Art mitgetheilt war, nach und nach wieder ver - lohr.
Bey Fischen fand Martineb)A. a. O. p. 331. 332. die innere Wär - me um 1° F., bey Fröschen und Landschildkrö - ten um 5° höher als die des Mediums, worin sie enthalten waren.
Nach Broussonnet’s Beobachtungenc)Mém. de l’Acad. des sc. de Paris. A. 1785. p. 174. ist die Wärme der Fische höchstens um 1½° R. gröſser als die Temperatur des Wassers, worin sie sich befinden.
In J. Hunter’s Versuchend)Philos. Transact. Y. 1778. P. I. p. 26. zeigte ein Kar - pfe im Magen 69° F. Wärme, indem das Was - ser des Weihers, woraus der Fisch genommen war, 65½° Wärme hatte. Höher stieg das Queck - silber im Magen und Mastdarm einer Viper, nehmlich von 58° F. atmosphärischer Wärme auf 68°.
Kraffte)Praelect. in Physicam thooreticam. Tubing. 1750. p. 293. fand bey einem Hecht die Wärme in der Bauchhöhle 40° F., während das Wasser, worin der Fisch schwamm, nur 33° Wärme hatte. BeyB 526Bey einem andern Hecht war die innere Wärme 50½° und die Temperatur des Wassers 49°.
In dem Magen eines Hayfisches beobachtete Perrins eine Wärme von 88° F., indem das Thermometer in der Luft auf 78° und im Meer auf 76° standf)Gilbert’s Annalen der Physik. B. XIX. S. 448..
J. Davyf*)The Journal of Science and the Arts. Edited at the Royal Institution of Great Britain. Vol. II. p. 247. sahe das Thermometer in dem, aus der groſsen Rückenvene eines Hayfisches flie - ſsenden Blut auf 82° F. und zwischen den Rük - kenmuskeln auf 82,5° steigen, während es in der See auf 80,5° und in der Luft auf 79° stand. Das Blut einer Schildkröte hatte beym Austlie - ſsen aus der Carotis eine Temperatur von 91°, indem das Thermometer in der Luft 79° zeigte.
Nach diesen Erfahrungen wäre also bey den Fischen und Amphibien die innere Wärme um 1° bis 10° F. höher als die Temperatur des Wassers oder der Atmosphäre. Aber bey keinem der Versuche ist Rücksicht darauf genommen, daſs die Thiere, ehe sie zu dem Versuch aus dem Wasser oder aus dem Schlamm gezogen wurden, sich an Stellen befunden haben können, wo eine höhere Temperatur als da, wo sie sich zuletzt befanden, statt fand. Humeoldt und Provençal,welche27welche Thermometer in das Innere von Fischen brachten, die in Wasser, in atmosphärischer Luft, in Sauerstoffgas und in reinem Stickgas athme - ten, fanden nie einen merklichen Unterschied zwi - schen der Temperatur dieser Thiere und der äu - ſsern Wärmeg)Mémoires de la Societé d’Arcueil. T. II. p. 598.. Auffallend ist es auch, daſs da, wo man an Fischen und Amphibien eine an - dere Temperatur als an dem sie umgebenden Me - dium beobachtet haben will, die ihrige immer höher als die des letztern gewesen seyn soll, da doch, wenn sie eine eigene Wärme besäſsen, ihre Temperatur bey äuſserer Hitze niedriger als die des Wassers oder der Luft hätte seyn müssen. Bey manchen Fischen ist aber das Vermögen, der Kälte und Hitze Widerstand zu leisten, so ge - ring, daſs sie schon in einem Medium sterben, welches nur um einige Grade unter dem Gefrier - punkt erkältet, oder über 30° R. erwärmt isth)Broussonnet a. a. O.. Mit der Voraussetzung einer eigenen Wärme bey den Thieren der niedern Classen ist es ferner un - vereinbar, daſs sie zwar langsam, doch in einem beträchtlich hohen Grade an den Veränderungen der äuſsern Temperatur Theil nehmen, wie fol - gende, von J. Hunteri)A. a. O. p. 25. erzählte Versuche be - weisen.
Ein28Ein Thermometer, das in dem Magen eines Frosches 49° F. zeigte, während die äuſsere Luft 45° warm war, stieg in jenem auf 64°, nach - dem die Atmosphäre durch heiſses Wasser er - wärmt worden war.
Ein Aal von 45° Wärme nahm in Wasser von 65° binnen einer Viertelstunde mit diesem einerley Temperatur an.
An einem Schlei von 41° Wärme, der in 65° warmes Wasser gesetzt war, stieg das Thermo - meter binnen 10 Minuten auf 55°.
Eine Natter, ein Frosch, ein Aal, eine Schnek - ke und mehrere Blutigel wurden in kalte Mi - schungen von 10° Wärme gesetzt. In allen die - sen Thieren sank die Temperatur auf 31°. Kam sie noch tiefer herab, so erfroren die Thiere völ - lig.
Hunter will auch gefunden haben, daſs le - bende und todte Schleien und Aale die Tempe - ratur des Mediums, worin sie gesetzt sind, mit gleicher Schnelligkeit aufnehmen. Diese Behaup - tung ist zwar nicht ganz wahrscheinlich und stimmt auch nicht mit Crawford’s Erfahrun - genk)A. Crawford’s Versuche u. Beobachtungen über die Wärme der Thiere. Uebers. von Crell. S. 297. 298. überein, nach welchen ein lebender Froschlang -29langsamer als ein todter die Temperatur der Luft annimmt. Allein der Unterschied ist doch auf jeden Fall so gering, daſs er sich nur von einer Verschiedenheit in der Wärmecapacität des leben - den und todten Thiers, nicht aber von einer ei - genen Wärme des erstern ableiten läſst.
Zu allen diesen, gegen eine eigene Tempe - ratur der Amphibien, Fische und übrigen niedern Thiere sprechenden Gründen kommen endlich noch Braun’s Versuche, deren Resultat ist, daſs diese Thiere keine andere Wärme besitzen als die des Medium, worin sie sich befindenl)Nov. Commentar. Acad. scient. Petropol. T. XIII. p. 419. sq.. Braun hatte gewiſs so viel Uebung im Gebrauch des Thermometers als irgend einer der angeführten Schriftsteller, und seine Erfahrungen verdienen daher mehr Zutrauen als die Beobachtungen we - niger geübter Naturforscher.
Es giebt zwar einige Fälle, in welchen bey Thieren der niedern Classen eine wirkliche Ent - bindung von Wärme vorgeht. Sie finden bey den Bienen und Ameisen statt. Die eigene Wär - me der Bienen läſst sich des Winters in ihren Stöcken beobachten. Schon Swammerdamm und Maraldi kannten dieselbem)Hallfr Elem. Phys. T. II. L. V. S. 2. §. 1. p. 29. 30. Martinen)A. a. O. p. 331. be -stimm -30stimmte sie auf 97° F., ohne aber die Wärme der Luft bey der Beobachtung anzugeben. Jucho)Ideen zu einer Zoochemie. Th. 1. S. 90. fand sie von + 5° R. bey einer Temperatur der Atmosphäre von — 22°, und die Wärme eines Ameisenhaufens von + 16° bey einer Temperatur der Luft von — 17°. Diese Wärme aber hat ei - nen ganz andern Ursprung als die der Säugthiere und Vögel. Die Bienen bringen sie durch ge - meinschaftliche Bewegungen ihres Körpers, in - dem sie in Trauben zusammenhängen, also auf mechanische Art hervorp)Maraldi, Mém. de l’Acad. des sc. de Paris. 1714. Ed. d’Amsterd. p. 423..
Mit den bisher untersuchten Thieren gehören auch die Früchte der Säugthiere und Vögel in Betreff der Lebenswärme zu einerley Classe.
Den Eyern der Vögel wird ihre Temperatur blos von der Mutter mitgetheilt. Zwar will J. Hunterq)A. a. O. p. 28. gefunden haben, daſs frische Eyer dem Gefrieren länger als todte widerstehen. Aber die Verschiedenheit der Zeit, worin mehrere Eyer gefrieren, läſst sich schwerlich genau angeben. Ist31Ist der Versuch indeſs richtig, so beweist er nur eine verschiedene Wärmecapacität lebender und todter Eyer.
Daſs auch die Früchte der Säugthiere ihre Wärme blos von der Mutter erhalten, machen Autenrieth’s und Schüz’s Versucher)Diss. sist. exper. circa calorem foetus et sanguinem ipsius instituta, quam praes. J. H. F. Autenrieth def. G. F. Schüz. Tubing. 1799. wahrschein - lich, nach welchen Foetus von Kaninchen, die durch die Nabelschnur und den Mutterkuchen mit dem Körper der Mutter noch in Verbindung standen, aber aus dem Uterus hervorgezogen wa - ren, ihre Wärme in dem nehmlichen Verhältniſs verlohren wie andere Früchte von derselben Mut - ter, die von dieser getrennt und durch das An - werfen gegen den Fuſsboden getödtet waren.
Ganz anders aber verhält es sich mit den Säugthieren und Vögeln nach der Geburt. Alle Thiere dieser beyden Classen erlangen, sobald sie geathmet haben, eine eigene Wärme, die bis zum Tode fortdauert und nur bey denen, die den Winter in Erstarrung zubringen, während ihres lethargischen Zustandes vermindert oder aufgeho - ben ist, sonst aber bey sehr beträchtlichen Ver - änderungen der äuſsern Temperatur und anderer Einflüsse fast unverändert bleibt.
Von32Von dem Menschen ist es bekannt, daſs des - sen Wärme 97° bis 98° F. beträgt. Einigen Un - terschied machen in derselben die Temperatur der Luft, die Art der Bedeckungen des Körpers, die Jahreszeiten, Speise und Trank, Schlaf und Wa - chen, Arzneymittel u. s. w. Doch beträgt die Zu - nahme und Abnahme nur einige Fahrenheitsche Grade, wenn nicht die äuſsern Einwirkungen ge - wisse Gränzen überschreiten und die thierischen Funktionen völlig in Unordnung gerathens)Martin in den Abhandl. der Schwed. Akad. J. 1764. S. 299 fg.. Ver - mindert wird unter andern die Wärme um etwa 2° F. durch den Schlaft)Martin ebendas. J. 1768. S. 198. — Hunter a. a. O..
Bey den übrigen Säugthieren und den Vögeln ist diese eigene Wärme meist gröſser als beym Menschen. Man fand sie bey
Diese Beobachtungen beweisen, daſs im All - gemeinen die Vögel eine gröſsere Wärme als die Säugthiere, unter beyden die kleinern Arten meist eine höhere Temperatur als die gröſsern, die mehrsten eine höhere als der Mensch, und jün - gere Thiere eine höhere als ältere besitzen. Es ergiebt sich aber auch, daſs diese Temperatur nicht genau auf gewisse Grade beschränkt, son - dern innerhalb gewisser Gränzen bey Individuen einer und derselben Art veränderlich ist. Am meisten verändert sie sich im Winter bey den - jenigen Säugthieren, welche diese Jahreszeit in Betäubung zubringen. Zu denselben gehören der Bobak, der Souslik, die Wurzelmaus, der Ham - ster, die Haselmaus, der Igel und die Fleder - mäuse. Die oben angegebenen Grade der Wärme dieser Thiere finden nur bey ihnen im wachen - den Zustande statt. Sobald sie in Erstarrung ge - rathen, sinkt ihre Temperatur bedeutend herab. Der Souslik, der im Sommer eine Temperatur von 103° F. besitzt, zeigt im Winter, wenn man ihn im Schlafe stöhrt und aus seiner Höhle durchEin -C 236Eingieſsen von kaltem Wasser hervortreibt, nur eine Temperatur von 80 bis 84¾°. Souslike, die einige Tage in einem Eiskeller zugebracht hatten und dort eingeschlafen waren, hatten gar nur eine Wärme von 56°. Andere, die im Anfang des Junius in einer kalten Nacht lethargisch ge - worden, am folgenden Morgen aber durch die Sonnenwärme wieder erweckt waren, zeigten im Anfang des Erwachens, wo das Herz ohngefähr dreymal binnen zwey Secunden schlug, eine Wär - me von 59° bey einer Temperatur der Atmo - sphäre von 67°q)Pallas a. a. O. p. 135. 136.. Bey schlafenden Igeln fand Hunterr)A. a. O. die Temperatur, je nachdem die Luft kälter oder wärmer war, 30 bis 45°.
Bey diesen lethargischen Thieren sieht man deutlich, daſs die Wärme derselben unabhängig von der äuſsern Temperatur ist, und durch eine innere Thätigkeit des Organismus hervorgebracht wird. Auch mitten im Winter bey strenger Kälte aufgeweckt, erhalten sie doch eine Temperatur, die einerley mit der, welche sie im Sommer be - sitzen, oder doch nur um wenige Grade niedri - ger ist.
Aber nicht mit gleicher Kraft wie bey einer niedrigen Temperatur vermögen die Säugthiere bey hohen Graden von Hitze ihre eigenthümlicheWär -37Wärme zu behaupten. Alle bisherige Versuche über den Einfluſs einer, die thierische Wärme übersteigenden Hitze auf Säugthiere und Vögel geben das Resultat, daſs jene Wärme nur so lange ziemlich unverändert bleibt, als sie von der letztern nur um ohngefähr 8° F. übertroffen wird, daſs aber eine stärkere Hitze dieselbe er - höhet und bey längerer Dauer den Tod verur - sacht.
Zufällige Beobachtungen über das Vermögen des menschlichen Körpers, eine Temperatur zu ertragen, welche die Blutwärme übersteigt, hatte man schon in frühern Zeiten gemachts)Haller El. Physiol. T. II. L. V. S. 2. §. 2. p. 30.. Der Erste aber, welcher eigene Versuche über die Wirkungen der Hitze auf Thiere anstellte, war ein Bremer Arzt, A. Duntzet)Experimenta, calorem animalem spectantia. Lugd. Bat. 1754.. Dieser fand, daſs sechs Hunde binnen 4½ oder 5½ Stunden in einer Hitze starben, die von 62°, 65° und 76° F. bis 106° und 122° erhöhet wurde. Ein anderer Hund starb binnen 3½ Stunden in einer Hitze, die im Anfang des Versuchs 146° betrug.
Schneller trat der Tod bey Thieren ein, mit welchen ähnliche Versuche von Braunu)A. a. O. p. 432. gemachtwur -C 338wurden. In einer Hitze von 146° F. starb ein Sperling binnen 7 Minuten und ein Hund und eine Katze bald nachher.
Bey einem der Hunde, die Duntze zu sei - nen Versuchen gebrauchte, betrug die Wärme 110°, indem die Temperatur der erhitzten Luft 146° war, und bey einem andern war jene 108°, indem diese 116° betrugv)Duntze a. a. O. p. 17. 20.. Ein Gegenversuch mit einem kupfernen Kessel, der mit einem aus Wasser und Kleye bereiteten Brey angefüllt war, und welcher der nehmlichen Hitze, worin die Hunde umkamen, eben so lange ausgesetzt wur - de, bewies aber, daſs die Verschiedenheit zwi - schen der Wärme der Luft und des thierischen Körpers nur von dem geringen Leitungsvermö - gen des letztern herrührte, indem jener eben so langsam als dieser die Hitze annahmw)Ebendas. p. 21..
Besitzt also etwa der Organismus der Säug - thiere und Vögel nur das Vermögen, bey einer niedrigen Temperatur der Atmosphäre einen ge - wissen Grad von Wärme hervorzubringen, nicht aber die Kraft, diese Wärme gegen höhere Grade von äuſserer Hitze anders, als nur durch sein geringes Leitungsvermögen zu behaupten?
So viel ist gewiſs, daſs der menschliche Kör - per seine Wärme ziemlich unverändert behält,wenn39wenn sie auch von der atmosphärischen Wärme um 6 bis 8° F. übertroffen wird. Ellis fand in Georgien die Wärme der heiſsesten Theile seines Körpers nur 97° F., indem das Thermometer in der Luft anhaltend auf 105° standx)Philos. Transact, Vol. L. P. II. Y. 1758. p. 754., und Frank - lin seine eigene Temperatur 96° bey einer Wär - me der Atmosphäre von 100°y)Journ. de Phys. T. II. p. 453.. Blumenbach sahe an einem heiſsen Tage auf den Schweitzer Alpen das Thermometer an seinem Körper auf 97° F. sinken, während die Temperatur der Luft im Schatten 100° betrugz)Blumenbach Institut. physiol. Ed. 1. p. 131.. In Nubien fand Costaz zur Zeit des Herbst-Aequinoctium das Thermometer auf 35° R. (= 110¾° F.); es fiel aber um 3° R. (= 6¾° F.), wenn man es unter die Achseln brachtea)Mémoire sur la Nubie et les Barabras, par M. Cos - taz. In der Déscript. de l’Egypte. Paris. 1809. T. I..
Dieser fortwährend niedrige Grad der thie - rischen Wärme bey einer nicht blos auf kurze Zeit beschränkten höhern Temperatur der Atmo - sphäre kann wohl nicht allein von dem geringen Leitungsvermögen des menschlichen Körpers her - rühren. Mehr Antheil an der Erhaltung dessel - ben scheint die verstärkte Ausdünstung des Kör - pers zu haben. Man weiſs, daſs alle Ausdün -stungC 440stung Kälte erregt, und zwar desto mehr Kälte, je schneller sie vor sich geht. Der thierische, und besonders der menschliche Körper dünstet aber nicht blos nach den Gesetzen der leblosen Körper aus. Aeuſsere Hitze verstärkt bey ihm den Umlauf des Bluts überhaupt und besonders den Zufluſs desselben zur äuſsern Haut; hieraus entsteht nicht nur vermehrte gasförmige Ausdün - stung, die den Körper abkühlt, sondern auch ein Hervordringen der unter der Haut angehäuften Säfte in der Form des Schweiſses, welcher den Körper vor der unmittelbaren Einwirkung der Hitze schützt, und mit welchem ein Theil der eingedrungenen Wärme wieder ausgeführt wirdb)Daſs der Schweiſs die thierische Wärme vermin - dert, beweisen Martin’s Versuche. (Abhandl. der Schwed. Akad. J. 1764. S. 299.).
Aus dieser Ursache ist es ohne Zweifel zu erklären, daſs der menschliche Körper eine Luft, die sogar bis zu 240° F. erhitzt ist, auf kurze Zeit auszuhalten vermag. Tillet, Dobson, Blag - den und de la Roche haben Beobachtungen über das Vermögen des Menschen, so hohe Grade von Hitze zu ertragen, aufgezeichnet. Blagden glaub - te aus diesen Erfahrungen auf eine eigene ab - kühlende Kraft (a power of destroying heat) des menschlichen Körpers schlieſsen zu müssen. Al - lein sie enthalten nichts, was sich nicht aus derobi -41obigen Ursache, ohne Voraussetzung einer sol - chen verborgenen Eigenschaft, erklären lieſse.
Tillet’s Beobachtungen beweisen blos im Allgemeinen, daſs der Mensch einen höhern Grad von Hitze aushalten kann, als man vormals glaub - te. Er fand bey einem Becker drey Mädchen, die gewohnt waren, von Zeit zu Zeit in den ge - heitzten Backofen zu gehen, und darin eine Hitze von 112° des Reaumurschen Weingeistthermome - ters eine Viertelstunde ohne Nachtheil ertrugen. Einige Thiere, die er in eine Wärme von 60° bis 65° dieses Thermometers brachte, hielten die - selbe besser in Leinwand gewickelt als nackt ausc)Mém. de l’Acad. des sc. de Paris. A. 1764. p. 186..
Dobson erzählt Fälle, wo verschiedene Per - sonen in einer Hitze von 202° bis 224° F. zehn bis zwanzig Minuten verweilten. Der Puls hob sich bey einer Temperatur von 202° auf 120, bey 210° auf 164 und bey 224° auf 145 Schläge in einer Minute. Die thierische Wärme stieg bey 202° auf 99½°, bey 210° auf 101½° und bey 224° auf 102°d)Philos. Transact. Vol. LXV. Y. 1775. P. II. p. 463..
Mannichfaltiger sind die von Blagden be - schriebenen Versuche, die durch Fordyce veran - laſst, und theils von diesem, theils von Blag -denC 542den, Banks, Solander und noch mehrern an - dern Physikern angestellt wurdene)Ebendas. P. I. p. 111. P. II. p. 484.. Fordyce lieſs drey in einander gehende Zimmer vermittelst Röhren, die durch den Fuſsboden aus dem ersten in das zweyte und dritte Zimmer gingen, und worauf, während sie erhitzt waren, Wasser ge - sprützt wurde, so stark heitzen, daſs in dem er - sten Zimmer eine Hitze von 110° bis 120° F. entstand, das zweyte eine Temperatur von 85° bis 90° erhielt, und das dritte mäſsig warm wur - de. Fordyce ging in bloſsem Hemde aus dem dritten Zimmer in das zweyte und aus dem zwey - ten in das erste, und verweilte in dem letztern an dem kühlsten Ort, der eine Temperatur von 110° hatte, zehn Minuten, an dem heiſsesten, worin das Thermometer auf 120° stand, zwanzig Minuten. In dem zweyten Zimmer fing er an zu schwitzen. In dem ersten floſs ihm das Wasser am ganzen Körper herab. Hier fand er das Ther - mometer unter der Zunge und in der Hand gerade auf 100°; auch hatte der Urin dieselbe Wärme. Der Puls war allmählig bis auf 145 Schläge in einer Minute gestiegen. Der äuſsere Umlauf des Bluts hatte sehr zugenommen. Die Venen waren sehr angeschwollen, und eine allgemeine, von dem Gefühl einer brennenden Hitze begleitete Röthe hatte sich über den ganzen Körper verbreitet. Das Athemhohlen aber war wenig verändert.
In43In einem zweyten Versuch betrug die Hitze in dem heiſsesten Theil des ersten Zimmers 130° bis 132°, in dem kühlsten 119°. Fordyce ging erst in diesen kühlern Theil. Nach einer halben Minute lief ihm das Wasser strohmweise vom Körper herab. An einer Flasche, die mit Was - ser von 100° Wärme angefüllt war, floſs aber ebenfalls immer Feuchtigkeit herab, so oft sie auch abgewischt wurde. Nachdem Fordyce an dem kühlern Ort des ersten Zimmers funfzehn Minuten geblieben war, begab er sich in den Theil desselben, dessen Wärme 130° betrug. Um diese Zeit war die Temperatur seines Körpers 100° und sein Puls schlug 100 mal in einer Mi - nute. In der Wärme von 130° blieb er funfzehn Minuten, binnen welcher Zeit sein Puls bis auf 139 Schläge kam, die Wärme in der Hand, un - ter der Zunge und im Urin aber nicht über 100° stieg.
In einem dritten und vierten Versuch wurde eine Kammer blos durch einen Ofen ohne Was - serdünste, in jenem von 150° bis 210°, in die - sem vom Siedepunkt des Wassers bis 260° er - hitzt. Auſser Fordyce setzten sich auch Blag - den, Banks und Solander dieser Hitze, doch den höchsten Graden nur zehn bis zwölf Minu - ten aus. Bey allen trat Schweiſs ein, und der Puls wurde immer sehr beschleunigt. Die Tem -pera -44peratur des Körpers blieb bey Blagden in einer Wärme von 150° auf 98°.
Es ist zu bedauern, daſs bey diesen Versu - chen keiner auf den Gedanken kam, ein todtes Thier der Hitze auszusetzen, und die Zunahme der Wärme desselben in gewissen Zeiträumen zu bestimmen. Das Resultat würde wahrscheinlich gewesen seyn, daſs der thierische Körper schon vermöge seiner geringen Leitungsfähigkeit aus ei - ner, durch die starke Hitze sehr verdünnten Luft die Wärme nur langsam aufnimmt, und daſs sich schon hieraus die geringe Zunahme der thieri - schen Wärme in der kurzen Zeit, welche die Versuche dauerten, zum Theil erklären läſst. Aber einige Zunahme fand doch immer statt, und da - bey schwitzten alle, die sich der Hitze aussetz - ten. Daſs dieser Schweiſs hinreichend war, um die niedrige Temperatur des Körpers zu unterhal - ten, läſst sich zwar nicht aus den obigen Be - obachtungen beweisen; aber sie enthalten auch nichts, was dieser Voraussetzung widerspricht, als etwa den Umstand, daſs sich bey Fordyce’s Versuchen die Wasserdünste in dem heiſsesten Zimmer an seinem Körper zu Tropfen verdich - teten. Blagden glaubte aus dieser Erfahrung schlieſsen zu müssen, daſs die Ausdünstung nicht das einzige Mittel war, wodurch der Körper ab - gekühlt wurde. Allein Fordyce bemerkt aus -drück -45drücklich, daſs er in dem zweyten Zimmer zu schwitzen angefangen habe, und es ist nicht ein - zusehen, warum der Niederschlag der Wasserdün - ste den Schweiſs sollte unterdrückt haben.
Mit allen diesen Bemerkungen sind die Re - sultate der zahlreichen Versuche, welche Dela - roche und Berger über die Wirkungen der Hit - ze auf den thierischen Körper anstellten, so über - einstimmend, daſs über das Unvermögen des thie - rischen Körpers, eine sehr hohe Temperatur lange zu ertragen, und über die vermehrte Ausdünstung als die Hauptursache, die dessen Wärme in einer heiſsen Luft auf einer niedrigern Stufe erhält, kein Zweifel weiter statt finden kann.
Delaroche und Bergerf)Expériences sur les effets qu’une forte chalour pro - duit dans l’économie animale. à Paris. 1806. setzten Thiere aus allen Classen einer Wärme von 30° bis 74° des De Lucschen Thermometers (32⅝° bis 80½° R.) aus. Im Allgemeinen ertrugen gröſsere Thiere eine solche Temperatur besser als kleine. Die letztern starben gewöhnlich bald in einer Hitze von 45° bis 50° (49½° bis 54⅓° R.). Sie selber wurden von einer Wärme, die 49° bis 58° (53¼° bis 63° R.) betrug und welcher sie sich abwech - selnd, jeder fünf Minuten, eine Stunde lang aus - setzten, bis zur Ohnmacht erschöpft. Berger konnte eine Hitze von 87° (94½° R.) nicht län -ger46ger als sieben Minuten aushalten. Eine feuchte Luft wirkte auf beyde noch nachtheiliger als eine trockne. Sowohl an sich selber als an Thieren fanden sie immer eine Zunahme der eigenen Temperatur während des Aufenthalts in der hei - ſsen Luft, die z. B. bey einer, eine Stunde und vier Minuten in einer Hitze von 49° bis 55° (53¼° bis 59¾° R.) gehaltenen Taube 5½° (6° R.) betrug. Bey Fröschen ging diese Zunahme lang - samer als bey warmblütigen Thieren vor sich. Doch verhielten sich in diesem Stück todte Frö - sche eben so wie lebende. Versuche über den Einfluſs einer hohen Temperatur auf die Haut - ausdünstung bewiesen, daſs diese immer dadurch sehr befördert wird, und zwar noch weit mehr durch eine feuchte Wärme, als durch eine trocke - ne, auch daſs der Verlust an Gewicht, den der Körper dabey erleidet, mit dem Grad der Hitze zunimmt. Um auszumachen, ob diese Zunahme der Hautausdünstung mit dem Vermögen der Thiere, eine hohe Temperatur einige Zeit ertra - gen zu können, in Beziehung stehe, beobachtete Delaroche das Verhältniſs der Erwärmung bey todten und lebenden, in heiſses Wasser getauch - ten Fröschen. Er fand, daſs die letztern schnel - ler als die erstern die Wärme des Wassers annah - men, also das Gegentheil von dem, was Craw - ford bey ähnlichen Versuchen bemerkt hatte. Er untersuchte ferner das Wachsthum der Tempera -tur47tur bey lebenden Fröschen und Karpfen, die sich in heiſsem Wasser befanden. Die Thiere nahmen immer früher oder später die Wärme des Was - sers an. Endlich wurden in einen geheitzten Ka - sten erst Frösche, feuchte Schwämme und mit Wasser angefüllte irdene, poröse Gefäſse der Art, die in Spanien unter dem Namen der Alcarra - zaz bekannt sind und zum Abkühlen des Was - sers gebraucht werden, und dann Kaninchen nebst diesen Alcarrazaz gebracht. Die Frösche, Schwäm - me und Alcarrazaz nahmen in einer gewissen Zeit beynahe einerley Temperatur an; die Kaninchen zeigten eine etwas höhere Wärme als die Gefäſse.
In spätern Versuchen setzte Delarocheg)Journ. de Phys. T. LXXI. p. 289. Kaninchen, Meerschweinchen, Tauben und Frö - sche in eine eingeschlossene, mit erhitzten Was - serdämpfen beladene Atmosphäre, wodurch, sei - ner Voraussetzung nach, alle Ausdünstung sowohl auf der Oberfläche des Körpers, als in den Lun - gen verhindert werden sollte. Der Wärmegrad der Luft betrug bey den warmblütigen Thieren 31° bis 32,6° R., bey den Fröschen 20,5° bis 21,8°. Die Thiere verweilten darin 39 bis 75 Minuten. Die Temperatur der warmblütigen Thiere stieg in dem erhitzten Raum beständig wenigstens um 1° bis 2°, oft auch um 3° bis 4° über die Wär - me der sie umgehenden feuchten Luft. Bey denFrö -48Fröschen war die Zunahme minder groſs; die Temperatur derselben wurde bald der der erhitz - ten Luft gleich, und erhielt sich auch auf diesem Punkt.
Wir dürfen also nach allen bisherigen Erfah - rungen annehmen, daſs die Vögel und Säugthiere einen bestimmten Grad von Wärme hervorbrin - gen und diesen gegen eine kältere Temperatur der Atmosphäre fast unverändert behaupten, daſs sie aber bey einer Hitze der Luft, welche jenen Grad übersteigt, ihre Wärme nur in so weit und so lange unverändert zu erhalten vermögen, als das geringe Leitungsvermögen ihres Körpers, die ver - mehrte Hautausdünstung und der Schweiſs die eindringende Hitze abzuhalten und die eingedrun - gene zu binden hinreichend sind.
Woher aber jener Wärmegrad der beyden obersten Thierclassen, auf den die gewöhnliche Temperatur der Atmosphäre so wenig Einfluſs äu - ſsert? Erinnert man sich, daſs die Früchte der Säugthiere und Vögel noch keine eigene Wärme besitzen und daſs es vorzüglich das Athemholen ist, was das Leben nach der Geburt vor dem Leben des Embryo voraus hat; bedenkt man, daſs eben diese Funktion im Winterschlaf der le - thargischen Säugthiere, so wie in Ohnmachtenund49und im Scheintode, worin die eigene Wärme gar nicht, oder nur in geringem Grade statt findet, aufgehoben oder sehr vermindert ist, und daſs mit der Rückkehr des Athemholens diese Tempe - ratur wieder eintritt; erwägt man, daſs die eigene Wärme der äuſsern Theile des Körpers desto grö - ſser ist, je näher sie dem Herzen und den Lun - gen liegen, und daſs gleich weit hiervon abste - hende Theile einen gröſsern oder geringern Wär - megrad zeigen, je nachdem eine groſse Arterie näher oder tiefer unter ihrer Oberfläche liegth)J. Davy, Philos. Transact. Y. 1814. P. II. p. 598., so kann man die Voraussetzung, daſs die Lungen der Heerd der thierischen Wärme sind, nicht an - ders als sehr natürlich finden.
Allein das Athemholen im Allgemeinen kann noch keine Wärme hervorbringen. Auch die Am - phibien und Fische athmen, und doch liegt zwi - schen ihnen und den Thieren der beyden ober - sten Classen in Betreff ihrer Temperatur eine so weite Kluft. Dieser Entfernung entspricht nichts als die Verschiedenheit des Blutumlaufs. Bey den Säugthieren und Vögeln kehrt alles Blut erst zum Herzen zurück, ehe es in den Lungen der Einwirkung der atmosphärischen Luft ausge - setzt wird; bey den übrigen Thieren hingegen geht alles venöse Blut unmittelbar zu den Lun -gen.V. Bd. D50gen. Blos aus diesem verschiedenen Mechanis - mus der Bewegung des Bluts läſst sich aber auch nichts, was auf unsern Gegenstand Beziehung hätte, erklären. In der blauen Krankheit, wo der Umlauf des Bluts beym Menschen mit dem der Säugthiere übereinkömmt, ist nur die Wärme der äuſsern Theile zuweilen geringer, die der innern aber oft gröſser als im natürlichen Zustandi)J. R. Farre Pathological Researches. Essay I. Lon - don. 1814. — J. F. Meckel in dessen Archiv f. d. Physiol. B. 1. S. 250.. Ist jener Mechanismus also etwa nur Nebenwir - kung einer höhern Ursache, die zugleich eine eigene Beschaffenheit des Bluts der Säugthiere und Vögel begründet, und ist es vielleicht diese eigene Mischung des Bluts, die in Verbindung mit dem Athemholen das Erklärungsprincip der thierischen Wärme ausmacht?
Wir sind hier auf einen Punkt gekommen, von welchem aus vielleicht eine befriedigende Theorie einer Erscheinung, zu deren Erklärung schon viele vergebliche Versuche gemacht sind, zu finden seyn wird. Ehe wir aber unsern eige - nen Weg verfolgen, wird es gerathen seyn, die - jenigen, die von unsern Vorgängern eingeschla - gen wurden, zu betrachten.
Wir übergehen die Theorien der frühern Schriftsteller bis auf den ersten, der sich derWahr -51Wahrheit wenigstens näherte, wenn er sie auch nicht ganz erreichte, bis auf Crawfordk)Versuche u. Beobachtungen über die Wärme der Thiere. Uebers. von Crfll. 2te Ausg.. Die - ser ging von den beyden folgenden Erfahrungs - sätzen aus:
1. Fleisch, Milch und Pflanzen enthalten eine geringere, Blut hingegen eine gröſsere Menge Wärme als das Wasser.
2. Eine beträchtliche Menge Wärme enthält die atmosphärische Luft, 18,6 mal mehr als das Wasser.
Fleisch, Milch und Pflanzen sind die Materien, woraus das Blut bereitet wird. Dieses muſs da - her, so schloſs Crawford, seine höhere Tempe - ratur aus einer andern Quelle haben, welche, der zweyten Thatsache zufolge, die atmosphärische Luft ist. In den Lungen aber kömmt das Blut mit der Luft in Berührung. Das Blut entzieht also beym Einathmen der Luft Wärme und führt diese bey der Rückkehr aus den Lungen mit sich in alle Theile des Körpers.
Zum Beweise seiner Theorie berief sich Craw - ford auf die Erfahrung, daſs Sauerstoffgas fünf - mal so viel Wärme als die atmosphärische Luft enthält und, nach Priestley’s Versuchen, auch weit länger als diese zum Athmen tauglich bleibt;daſsD 252daſs die eingeathmete Luft als Stickgas und koh - lensaures Gas wieder ausgeathmet wird, von wel - chen das letztere kaum 1 / 67 so viel Wärme als die atmosphärische Luft enthält, und daſs folglich die aus der Atmosphäre aufgenommene Wärme im Blut zurückbleiben muſs.
Die Art, wie das Blut der atmosphärischen Luft Wärme entzieht, setzte Crawford den che - mischen Grundsätzen seiner Zeit gemäſs in einen Austausch des Phlogistons und der Wärme bey - der Substanzen. Mit dem venösen Blut gelangt aus allen Theilen des Körpers Phlogiston zu den Lungen, wo dieses mit der Atmosphäre in Wech - selwirkung tritt. Die atmosphärische Luft, die dem Phlogiston verwandter als der Wärme ist, läſst ihre Wärme fahren, nimmt jenes dafür auf, und geht in fixe und phlogistische Luft über. In dem Blut wird durch den Verlust des Phlogistons die Capacität für Wärme erhöhet; die aus der Luft entbundene Wärme geht in das Schlagader - blut über, gelangt mit demselben in die äuſser - sten Zweige der Arterien, und wird auf der Grän - ze der Schlagadern und Venen dem Arterienblut wieder entzogen, indem dieses dagegen mit Phlo - giston beladen und in venöses Blut verwandelt wird. Das venöse Blut muſs also eine geringere Wärmecapacität als das arterielle besitzen, und dieses wird auch durch Crawford’s Versuche be - stätigt, nach welchen sich das erstere zu demletz -53letztern in Ansehung der Wärmecapacität wie 10: 11,4 oder 11,5 verhält.
Dies sind die Hauptzüge der Crawfordschen Theorie. Die Grundlage derselben wurde in der Folge von Lavoisierl)Mém. de l’Acad. des sc. de Paris. A. 1777. p. 590. angenommen; nur die Art, wie die Wärme der geathmeten Luft von dem Blut aufgenommen wird, erhielt von diesem eine andere Erklärung. In dem antiphlogistischen Sy - stem ist es der Sauerstoff, welcher der Luft beym Einathmen entzogen wird, und bey seiner Tren - nung die Wärme, die ihn vorher im gasförmigen Zustand erhielt, entweichen läſst. Diese frey ge - wordene Wärme verbindet sich mit dem Schlag - aderblut, und verläſst dasselbe wieder beym Ue - bergang in die Venen, wo das Blut dafür Kohlen - stoff aufnimmt, den es in den Lungen von neu - em gegen Sauerstoff und Wärme austauscht.
Es ist unläugbar, daſs Crawford’s Theorie, die unbewiesene Voraussetzung des Phlogistons ab - gerechnet, befriedigender war als die Erklärung Lavoisier’s. Jene gab einen Grund des Ueber - gangs der Wärme aus der Atmosphäre in das Blut an; in der letztern hingegen ist dieser wich - tige Punkt nicht beachtet. Beyde Hypothesen sind indeſs schon darum unzureichend, weil sie unbe - antwortet lassen, was jede Theorie der thieri -schenD 354schen Wärme vorzüglich zu beantworten hat, die Frage: warum blos die Säugthiere und Vögel eine so hohe und so beständige, eigene Temperatur besitzen, da doch zwischen ihrem Athemholen und der Respiration der übrigen Thiere kein so groſser Abstand ist? Beyde Theorien trifft auch der Einwurf, daſs, wie Le Galloism)Le Sang est il identique dans tous les vaisseaux qu’il parcourt? à Paris. 1802. p. 44., Bunt - zenn)Beytrag zu einer künftigen Physiologie. Kopenha - gen u. Leipz. 1805. S. 40. und Nasseo)Reil’s u. Autenrieth’s Archiv f. d. Physiol. B. XII. S. 409. gezeigt haben, bey der Zersetzung der atmosphärischen Luft in den Lun - gen zu wenig Wärme frey wird, als daſs sich eine erhebliche Zunahme der Temperatur des Bluts davon ableiten läſst. Ferner müſsten, wenn blos die Lungen der Heerd der thierischen Wär - me wären, alle übrige Theile des Körpers diesen Organen weit mehr an Wärme nachstehen, als wirklich der Fall ist. Dann ist auch der Satz, worauf beyde sich stützen, daſs die thierische Wärme mit der Menge des zersetzten Sauerstoff - gas in geradem Verhältniſs steht, nicht allgemein gültig. Die Cetaceen athmen in äuſserst langen Zwischenräumenp)Autenrieth in der Salzburger med. chir. Ztg. 1795. B. 3. S. 328. und besitzen doch einen ho -hen55hen Grad eigener Wärmeq)Martine med. and philos. Essays. p. 336. 337. — Versuche über das Vermögen der Pflanzen u. Thiere, Wärme zu erzeugen u. zu vernichten. Uebers. von L. v. Crell. Helmst. 1778. S. 60.. Endlich läſst sich gegen beyde Theorien einwenden, daſs auch ge - lassenes Venenblut die atmosphärische Luft zer - setzt, ohne daſs eine merkliche Erhöhung der Temperatur dabey eintritt.
Brandisr)Ueber die Lebenskraft. §. 17 fg., der die Mängel der Lavoisier - schen Theorie zum Theil fühlte, glaubte densel - ben abzuhelfen, indem er annahm, das Blut ent - zöge der atmosphärischen Luft den Sauerstoff; dieser verbände sich an den äuſsersten Gränzen der Arterien und Venen mit dem Kohlenstoff und Phosphor der thierischen Materie; die Verbindung würde durch die Lebenskraft bewirkt, indem jede Bewegung der einzelnen thierischen Fiber etwas Aehnliches im Kleinen verursachte, was der elek - trische Funke im Groſsen hervorbringt, und das Resultat jenes Processes wäre die thierische Wär - me. Allein diese Hypothese hebt nur eine schein - bare Schwürigkeit, und es steht ihr ein sehr wichtiger Einwurf entgegen. Sie soll vorzüglich erklären, woher die beym Ausathmen erscheinen - de kohlensaure Luft in einer Wärme entsteht, worin sonst nicht einmal Phosphor und nochvielD 456viel weniger Kohlenstoff eine Verbindung mit dem Sauerstoff eingeht. Aber es ist gar nicht wahrscheinlich, daſs der beym Einathmen auf - genommene Sauerstoff zur Bildung der beym Ausathmen erscheinenden Kohlensäure verwandt wirds)Biologie. Bd. 4. S. 207 fg. — Nasse in Meckel’s Archiv f. d. Physiol. Bd. 2. S. 200 fg.; und würde er dies auch, so lieſse sich doch aus jener Verbindung desselben die thieri - sche Wärme auf keine Weise erklären. Die Er - fahrung lehrt nur, daſs bey der Abscheidung des Sauerstoffs aus dem Sauerstoffgas Wärme entbun - den wird. Aber es ist nicht richtig, daſs beym Uebergang dieses Stoffs aus einer tropfbaren Flüs - sigkeit in eine andere Materie immer Wärme ent - bunden wird. Eher würde jene Hypothese noch zu vertheidigen seyn, wenn darin angenommen wäre, daſs nicht der Sauerstoff, sondern das Sau - erstoffgas der atmosphärischen Luft vom Blute aufgenommen und beym Uebergang aus den Ar - terien in die Venen seiner Basis beraubt würde. Auf ähnliche Art suchte Ackermannt)De combustionis lentae phaenomenis. quae vitam constituunt. Jenae. 1804. die Ent - stehung der thierischen Wärme zu erklären. Al - lein die Hauptfrage, woher es rührt, daſs die Zersetzung des Sauerstoffgas nur bey den Säug - thieren und Vögeln eine so hohe und so bestän -dige57dige Temperatur hervorbringt? bleibt auch bey dieser Voraussetzung unbeantwortet.
Ueberhaupt kann keine Theorie der thieri - schen Wärme die wahre seyn, die nicht erklärt, warum diese Wärme blos auf die beyden ober - sten Thierclassen eingeschränkt ist.
Wenn also Rigbyu)An Essay on the Theory of the production of ani - mal heat. London. 1785. die thierische Wärme von einer Entbindung der Wärme aus den Nah - rungsmitteln bey der Verdauung ableitete, so bleibt hierbey die Schwürigkeit, daſs die Amphi - bien, Fische u. s. w. eben so wohl, ja zum Theil noch weit mehr Nahrungsmittel zu sich nehmen und verdauen, wie die Säugthiere, und doch keine eigene Wärme besitzen.
Wenn ferner Castbergv)In Rafn’s Bibliothek for Physik, Medicin og Oe - konomie. die Ernährung für die Quelle der thierischen Wärme insofern an - nahm, daſs einem allgemeinen Gesetze nach bey jedem Uebergang tropfbarer Flüssigkeiten in feste Körper gebundene Wärme frey wird, so läſst sich gegen diese Hypothese wieder der vorige Einwurf machen und auſserdem läſst sich fragen: Wie sich mit ihr die Fortdauer der thierischen Wär - me in der Auszehrung und in andern Krankhei -ten,D 558ten, wo offenbar mehr Festes in Flüssiges, als Flüssiges in Festes verwandelt wird, erklären läſst? Ob überhaupt im gesunden Zustand und während des ganzen Lebens der Uebergang von Flüssigkeiten in feste Materie so überwiegend über die entgegengesetzte Veränderung ist, daſs dabey eine beträchtliche Menge freyer Wärme entwickelt werden kann? Ob nicht vielmehr jener Ueber - gang geringer als diese entgegengesetzte Verände - rung ist, indem alle feste Nahrungsmittel erst in Flüssigkeiten verwandelt werden müssen, ehe sie zur Ernährung dienen können?
Wenn auf noch andere Art Buntzenw)Beytrag zu einer künftigen Physiologie., ge - stützt auf Galvanische Versuche, die thierische Wärme von der bey der Systole der Arterien statt findenden Zusammenziehung der Queerfasern dieser Gefäſse ableitet, so steht seiner Meinung wieder der Haupteinwurf entgegen, daſs bey ihr jene Wärme nicht blos auf die Säugthiere und Vögel beschränkt seyn könnte, und dabey läſst sie sich auf ähnliche Art wie die Castbergsche widerlegen. Buntzen hält nehmlich die Wärme für ein Produkt des aufgehobenen Gegensatzes der positiven und negativen Elektricität, und diese Aufhebung findet seiner Meinung nach bey der Zusammenziehung der Arterien statt. Ist dies der Fall, so muſs bey der Herstellung jenes Ge -gensat -59gensatzes in der Diastole der Arterien Kälte ent - stehen; es wird also bey der letztern eben so viel Wärme gebunden werden, wie bey der vor - hergegangenen Systole entwickelt war, und es wird keine Erhöhung der Temperatur eintreten können.
Wenn endlich Roosex)Journal der Erfindungen u. s. w. in der Natur - und Arzneywissenschaft. St. 17. S. 3 fg. glaubte, die thierische Wärme würde von den Nerven durch eine Rück - wirkung des Gehirns erzeugt und durch die Ner - ven dem Schlagaderblut mitgetheilt, so läſst sich zuvörderst gegen diese Meinung erinnern, daſs sie zu unbestimmt ist. Soll der Grad der thieri - schen Wärme von der Menge der Nerven abhän - gen, so ist sie unrichtig, weil das Insekt nicht weniger Nerven hat, als der Mensch. Ist es die Gröſse des Gehirns gegen die Gröſse des ganzen Körpers, wie Roose an einer Stelle seines Auf - satzes (S. 18.) behauptet, so läſst sich fragen, warum die Vögel, die doch zum Theil ein klei - neres Gehirn haben, wie mehrere Säugthiere, den - noch einen eben so hoben, ja noch höhern Grad von eigener Wärme besitzen, wie die letztern; warum die Amphibien und Fische, von welchen einige ein gröſseres Gehirn haben, wie manche Vögel, insgesammt kaltblütig sind, und warum zwischen den Vögeln und Amphibien eine so gro -ſse60ſse Entfernung in Betreff der Lebenswärme ist, da doch in Ansehung ihres Gehirns und Nerven - systems kein so groſser Abstand zwischen ihnen statt findet? Ist es die Rückwirkung des Gehirns, wovon die thierische Wärme erzeugt wird, so hätte bestimmt erklärt werden sollen, was un - ter diesem Ausdruck zu verstehen ist, und es hätte bewiesen werden müssen, daſs eine solche Rückwirkung nur bey denjenigen Thieren, die eigene Wärme besitzen, statt findet. Weder jene Erklärung, noch dieser Beweis ist aber von Roose geliefert worden, und dieser läſst sich auch nicht führen.
Indeſs, wenn man die Gründe betrachtet, die für jede der erwähnten Hypothesen vorgebracht sind, so läſst sich nicht läugnen, daſs in den mei - sten etwas Wahres enthalten seyn muſs. Ein Kennzeichen der wahren Theorie muſs also seyn, daſs sie zeigt, in wie fern das Athemholen, die Verdauung, die Thätigkeit der Gefäſse und der Nerven Einfluſs auf die Vermehrung oder Ver - minderung der thierischen Wärme haben, ohne jedoch die Hauptquelle derselben zu seyn. Wir wollen versuchen, ob unsere obige Voraussetzung, daſs eine eigene Beschaffenheit des Bluts der Säug - thiere und Vögel in Verbindung mit dem Athem - holen die thierische Wärme begründet, auf eine solche Theorie führt.
Zuerst61Zuerst ist so viel gewiſs, daſs die Verände - rung der Capacität des Bluts bey dessen Durch - gang durch die Lungen der Grund ist, auf dem sich allein eine befriedigende Theorie der thieri - schen Wärme bauen läſst. Crawford’en wird immer das Verdienst bleiben, ihre Wichtigkeit zuerst eingesehen zu haben. Daſs eine solche Veränderung wirklich statt findet, leidet keinen Zweifel, wenn auch die Gröſse derselben schwer zu bestimmen ist. Aus Crawford’s Versuchen mit dem Blut von Hunden und Schaafen, dem gleiche Gewichtstheile Wasser zugesetzt wurden, ergab sich das Verhältniſs des venösen Bluts zum arteriellen in Betreff der Wärmecapacität wie 1 zu 1,14, oder wie 1 zu 1,15. Kleiner fand dieses Verhältniſs J. Davyy)Philos. Transact. Y. 1814. p. 590.. Dieser bediente sich vor - züglich des aus der Jugularvene und der Carotis genommenen Lämmerbluts. Zuerst trennte er da - von durch Umrühren mit einer hölzernen Ruthe den Faserstoff. Vier Stunden nach dem Lassen des Bluts wurden beyde Arten desselben nebst Wasser bis 140° F. erwärmt, und die relativen Zeiten beobachtet, in welchen die drey Flüssig - keiten bis auf die Temperatur von 80° kamen. Auf diese Weise wurde die specifische Wärme des Venenbluts auf 0,921, die des Arterienbluts auf 0,934 bestimmt, indem die specifische Schwere des erstern = 1,050, die des letztern = 1,047war.62war. Dann wurden beyde Blutarten und Wasser bis 121° F. erwärmt und mit ohngefähr 62° war - mem Wasser vermischt. Aus den Veränderungen der Temperatur ergab sich eine specifische Wär - me des Venenbluts von 0,812 und des Arterien - bluts von 0,814. Bey den übrigen Versuchen wurde Blut angewandt, worin der Faserstoff noch zugegen war. Die Vergleichung der Zeiten, in welchen Wasser und die beyden Blutarten eines Schaafs, von welchen das venöse den einen, das arterielle den folgenden Tag aufgefangen war, von 120° F. bis 80° abgekühlt wurden, führte auf eine specifische Wärme des Venenbluts = 0,903 bey einer specifischen Schwere = 1,051, und auf eine specifische Wärme des Arterienbluts = 0,913 bey einer specifischen Schwere = 1,049. Endlich wurden die beyden Blutarten gleich, nachdem sie aus den geöffneten Gefäſsen geflossen waren und ihre Temperatur bestimmt war, mit Wasser von 57 bis 58° F. Wärme vermischt. Hierbey fand sich die specifische Wärme des Venenbluts = 0,839, die des Arterienbluts = 0,852, indem die specifische Schwere des erstern = 1,050, die des letztern = 1,049 war. Das höchste Verhältniſs der Wärmecapacität des Bluts der Venen zu dem der Arterien war also nach diesen Versuchen nur 1: 1,01, folglich bedeutend geringer als das, wel - ches Crawford angab.
Man63Man kann gegen diese Versuche einwenden, daſs bey der Vermischung des Bluts mit Wasser vielleicht eine chemische Wirkung eintritt, wo - durch die Wärmecapacität des erstern verändert wird, und daſs es ein unrichtiges Verfahren von J. Davy war, den Faserstoff vom Blut zu tren - nen, dasselbe vier Stunden stehen zu lassen, und dann erst dessen Wärmecapacität zu untersuchenz)M. vergl. Thomson’s Bemerkungen in dessen An - nals of Philosophy. Y. 1814. March. p. 229.. Da aber bey diesen und mehrern andern Mängeln und bey der Schwürigkeit, sich reines Venen - und Arterienblut zu verschaffen, dennoch die obi - gen Erfahrungen immer eine höhere Wärmecapa - cität des Arterienbluts anzeigten, so ist zu ver - muthen, daſs die letztere bey genauern Versu - chen noch weit höher ausfallen würde. Jene Er - fahrungen sprechen also für, und nicht, wie Davy selber meint, gegen die Richtigkeit der Craw - fordschen Angaben.
Woher nun diese Verschiedenheit beyder Blut - arten? Der Grund kann kein anderer, als eine stärkere Ausdehnung des Bluts in den Arterien seyn. Dafür spricht die, schon von Hammer - schmidta)Notabile discrimen inter sanguinem arteriosum et venosum. Gottingae. 1756. p. 18. bemerkte und durch J. Davy’s obige Versuche bestätigte geringere specifische Schwere des Arterienbluts in Vergleichung mit dem Blutder46[64]der Venen. Andere Schriftstellerb)Autenrieth’s Handb. der empirischen menschl. Physiologie. B. 1. S. 238. — Nasse in Reil’s u. Au - tenrieth’s Archiv f. d. Physiol. B. XII. S. 421. haben zwar gerade das Gegentheil, eine Zusammenziehung des Bluts beym Uebergange aus dem venösen System in das arterielle angenommen Allein ihre Gründe sind blos von der gröſsern Weite der Venen gegen die der Arterien hergenommen, woraus sich nur auf eine Abnahme der Masse des Bluts beym Durchströmen durch die Lungen schlieſsen läſst.
Jede Expansion ist mit vermehrter Wärmeca - pacität verbunden, und die ausgedehnte Materie nimmt aus dem Medium, wovon sie umgeben ist, so lange Wärme auf, bis sie von dieser so viel gebunden hat, als sie zu binden vermögend ist. Man hat hiervon einen Beweis am Fallen des Thermometers beym Verdunsten des Wein - geists und Aethers in verdünnter Luft. Das zu den Lungen gehende Blut hat also an der Wär - me der eingeathmeten Luft eine Quelle, woraus es dieses Princip schöpfen, und, da die Luft in den Lungen mit der Atmosphäre in Verbindung steht, so viel als es nur immer aufzunehmen ver - mag, mit sich verbinden kann.
Bey dieser Meinung bedarf es nicht der un - wahrscheinlichen und unzureichenden Vorausset - zung einer Entbindung der latenten Wärme desSauer -65Sauerstoffgas der eingeathmeten Luft, einer Ent - bindung, die, wenn sie ihrem Zweck entsprechen sollte, eine so hohe Temperatur zur Folge haben müſste, daſs die Lungen dadurch zerstöhrt wer - den würden. In den Lungen wird, dieser Theo - rie zufolge, die Luft sowohl als das Blut, dem Thermometer nach, vielmehr abgekühlt, als er - hitzt; die Erzeugung der thierischen Wärme tritt erst weiterhin bey der Zusammenziehung des Bluts ein.
Nach dieser Voraussetzung muſs das Venen - blut mehr freye Wärme, hingegen Arterienblut, das sich nach seinem Durchgang durch die Lun - gen noch nicht wieder zusammengezogen hat, mehr gebundene Wärme enthalten; jenes muſs nach dem Ausflieſsen aus der Ader den Stand des Quecksilbers im Thermometer anfangs mehr als dieses erhöhen; nachher aber, wenn das letz - tere sich zusammenzieht und seine gebundene Wärme entweichen läſst, wird der Wärmemesser in demselben eine höhere Temperatur als im Ve - nenblute anzeigen. Es giebt wirklich eine Erfah - rung, die hiermit übereinstimmt. Ashley, Cow - per und Colemannc)On suspended animation. fanden die Wärme des Ve - nenbluts anfangs immer um einen Grad des Fah - renheitschen Thermometers höher als die desSchlag -V. Bd. E66Schlagaderbluts; das letztere hingegen wurde nach fünf Minuten nur drey bis sechs Grade wärmer als das erstere, verlohr aber diese Wärme baid wieder. Dieser Erfolg kann indeſs nicht in allen Fällen statt finden. Die Zusammenziehung des Bluts und mit dieser die Entbindung von Wärme fängt schon in der Aorta an. In vielen Fällen wird bey Versuchen über die Verschiedenheit der Temperatur des Arterien - und Venenbluts das Re - sultat das nehmliche seyn, das J. Davyd)A. a. O. p. 596. fand, indem er die Kugel eines Thermometers in die Jugularvene und in den Strohm des Bluts der geöffneten Carotis bey Lämmern, Schaafen und Ochsen brachte, wo dieses immer ohngefähr 1° F. mehr Wärme als das Blut der Vene zeigte.
Bey allen jenen Versuchen darf man nicht übersehen, daſs mit dem Austritt des Bluts aus den Adern die Entbindung der thierischen Wärme sich sehr verändern muſs, und daſs sich von Versuchen an gelassenem Blut nicht unbedingt auf die Wärme desjenigen, welches noch in den Adern befindlich ist, schlieſsen läſst. In dem gelasse - nen Blut entsteht gleich ein Bestreben zum Ge - rinnen, eine Art von Zusammenziehung, die ohne Zweifel von der Systole des umlaufenden Bluts sehr verschieden und vielleicht nicht, wie jene, mit merklicher Entbindung von Wärme verbun -den67den ist. Fourcroye)Annales de Chimie. T. VII. p. 147. glaubte zwar gefunden zu haben, daſs beym Coaguliren des Rindsbluts die Wärme desselben um 5° R. zunimmt. J. Hun - terf)Treatise on the blood. p. 47. aber widersprach ihm hierein. Schildkrö - tenblut zeigte in einem, von dem letztern ge - machten Versuch 65° F. als es ausfloſs, 66° als es gesammelt war und 65° während dem Gerin - nen. J. Davyg)The Journal of science and the arts. Edited at the Royal Institution. Vol. II. p. 246. fand ebenfalls eine ununterbro - chene Abnahme der Temperatur des gerinnenden Bluts von einem Hayfisch und einer Schildkröte. Ein anderes Resultat erhielt der Verfasser des Ar - tikels Blood in Rees’s Cyclopaedia (Vol. IV[.]P. II.). Zehn Unzen Blut wurden in einem höl - zernen Gefäſs aufgefangen. Die Temperatur des - selben war beym Ausflieſsen aus der Vene 93° F. Binnen 6 Minuten war das Thermometer auf 89° gesunken und das Gerinnen begann an der Ober - fläche. Als die Kugel des Wärmemessers bis zum Coagulum der Oberfläche erhoben war, stieg das Quecksilber auf 90½°; als jene wieder dem Boden des Gefäſses genähert wurde, sank dieses auf 89°. Der Versuch wurde zweymal fast mit demselben Erfolg angestellt. Beym drittenmal stieg das Quecksilber auf 91°. Hier schienen also beymGerin -E 268Gerinnen des Bluts 2° F. Wärme entbunden zu werden. Gordon und Ellis wiederhohlten die - sen Versuchg*)Thomson Annals of Philosophy. Aug. 1814. p. 139.. Blut aus der Femoralarterie ei - nes Hundes wurde in einem schmalen gläsernen Krug aufgefangen. Die Temperatur des Bluts beym Flieſsen aus der Arterie betrug 99° F., in - dem das Zimmer, worin der Versuch gemacht wurde, eine Wärme von 46° F. hatte. Hierauf wurden die Veränderungen des Bluts beym Ge - rinnen mit einem hundertgradigen Thermometer untersucht, und zwar so, daſs die Kugel dessel - ben zwanzig Minuten hindurch bald eine Minute unter der Oberfläche, bald eine eben so lange Zeit in dem untern Theil der Flüssigkeit gehal - ten wurde. Anfangs stand das Thermometer an der Oberfläche auf 34°, indem es in der Tiefe des Glases 30½° zeigte. Nachher fiel es an der erstern Stelle allmählig auf 33½°, 32°, 31°, 25½° und 24°, an der letztern auf 30°, 28,8°, 28½° und 24°. Als es an beyden Stellen auf 24° stand, schien das Blut völlig geronnen zu seyn. Gor - don findet hierin eine Bestätigung der Meinung, daſs beym Gerinnen des Bluts Wärme entwickelt wird. Mir scheint aber das Resultat schon dar - aus hinreichend erklärbar zu seyn, daſs das Blut unten, wo es mit dem kalten Boden des Glases in Berührung war, schneller als an der Oberflä - che abgekühlt wurde. Ich habe einen ähnlichenEr -69Erfolg beobachtet, als ich bloſses Wasser, das eine Temperatur von 70° R. hatte, in ein kaltes Gefäſs goſs, und darin ein Thermometer bald zur Oberfläche heraufzog, bald zum Boden her - absenkte. Gordon führt noch einen zweyten Ver - such an, wo ein Fahrenheitsches Thermometer, das in der Tiefe des Bluts 73° zeigte, in der Mitte des Blutkuchens auf 85° stieg. Er giebt hierbey aber nicht an, wie die Veränderungen der Temperatur an der Oberfläche vom Anfang des Versuchs an waren.
Man begreift jetzt, in wiefern der Verdau - ung, der Ernährung, der Thätigkeit der Gefäſse und dem Einfluſs der Nerven Antheil an der Her - vorbringung der Lebenswärme zukömmt. Sie wir - ken nach unserer Theorie insofern auf diese, als theils durch sie diejenige Mischung des Bluts, vermöge welcher dasselbe fähig ist, beym Durch - gang durch die Lungen eine Erhöhung seiner Wärmecapacität zu erleiden, unterhalten, theils die in den Lungen von dem Arterienblut gebun - dene Wärme beym Fortgang desselben wieder frey gemacht wird.
Die nächste Ursache jener Veränderungen ist die Einwirkung der Nerven auf das Blut. Nur hiervon kann die Ausdehnung und Zusammenzie - hung dieser Flüssigkeit, welche die Bindung und Entbindung von Wärme zur Folge hat, abhän -E 3gen.70gen. Schon im vorigen Buchh)Biol. Bd. 4. S. 225. 226. fanden wir Be - weise für den Einfluſs des Nervensystems auf die thierische Wärme. Auch schon Elliot beobach - tete, daſs nach der Unterbindung des Hauptner - ven eines Theils die Wärme desselben abnimmti)Esprit des Journaux. 1780. Juin. p. 74.. Bichatk)Allgemeine Anatomie. Uebers. von Pfaff. Th. 1. Abth. 1. S. 258. kannte eine Person, welcher der Cu - bitalnerve oberhalb dem Erbsenbein durch ein Stück Glas durchschnitten war, und in deren klei - nem Finger und Ringfinger von dieser Zeit an beständig eine Kälte zurückblieb. Er bemerkt zu - gleich, daſs im Aneurysma auf die Unterbindung der Nerven oft ein Gefühl von Erstarrung und allgemeiner Kälte in den Gliedmaaſsen folgt; daſs zuweilen in der halbseitigen Lähmung der kranke Theil eine niedrigere Temperatur als der gesunde hat, obgleich in beyden der Puls gleich stark ist; daſs in den typhösen Fiebern, wobey vorzüg - lich das Gehirn leidet, oft eine auffallende Un - gleichheit in der Temperatur der verschiedenen Theile des Körpers statt findet, und daſs oft auch bey Verrenkungen die Zusammendrückung der Ner - ven durch die Köpfe der Knochen eine Kälte in dem verrenkten Gliede hervorbringt.
Noch mehr sprechen aber für jenen Einfluſs Brodie’s Erfahrungen. Dieser schnitt Kaninchenden71den Kopf ab und unterhielt ohngefähr anderthalb Stunden das Athemholen durch Einblasen von Luft. Der Blutumlauf und die Farbenveränderung des Bluts beym Durchgang durch die Lungen dauer - ten während dieser Zeit fort. Aber die thierische Wärme nahm mit jeder Minute ab und zwar schneller als bey Kaninchen, denen nach der Ent - hauptung keine Luft in die Lungen geblasen wurde, ja sogar schneller als bey enthaupteten Kaninchen, denen vor dem Einblasen die groſsen Gefäſse unterbunden waren, um den Blutumlauf zu hemmenl)Philos. Transaet. Y. 1811. p. 36.. In der Folge bemerkte Brodie auch, daſs während Gifte, welche die Funktionen des Gehirns stöhren, auf ein Thier wirken, das Vermögen desselben, Wärme zu entwickeln, in glei - chem Verhältniſs mit der Nervenkraft desselben abnimmt. Unterhält man während des Schein - tods, den das Gift hervorbringt, das Athemholen durch Einblasen von Luft, so hört die Entbin - dung von Wärme eben so vollständig wie nach der Enthauptung auf, und wird das künstliche Athemholen bis zum Aufhören der Wirkungen des Giftes fortgesetzt, so kehrt die Wärme in gleichem Verhältniſs mit der Nervenkraft zurück. Während dem Einblasen von Luft dauert in dem Blut der Arterien und Venen die gewöhnliche Far -ben -E 472benveränderung fort, und es wird nach wie vor kohlensaures Gas abgeschiedenm)Phil. Trans. Y. 1812. p. 378..
Um zu noch entscheidendern Resultaten zu gelangen, machte Brodie neue vergleichende Ver - suche über die Quantität Luft, welche Thiere im natürlichen Zustand beym Athemholen ver - brauchen, und die, welche bey aufgehobenem Einfluſs des Gehirns in gleicher Zeit und unter möglichst gleichen Umständen aufgezehrt wird, wobey er aber von dem, wohl nicht ganz zuver - lässigen Resultat der Versuche Allen’s und Pepy’s ausging, daſs beym Athmen das Volumen des verzehrten Sauerstoffgas dem des ausgehauchten kohlensauren Gas völlig gleich ist, das Stickgas hingegen unverändert bleibtn)Biol. Bd. 4. S. 178 fg.. Die Beobachtun - gen wurden an Kaninchen in einem besonders da - zu eingerichteten Apparat angestellt. Bey zweyen dieser Thiere wurde der Einfluſs des Gehirns auf die Werkzeuge des Athemholens vermittelst Durch - schneidung des Rückgraths am Obertheil des Hal - ses und der weichen Theile des letztern über ei - ner vorher angelegten Unterbindung, bey fünf andern durch Einimpfen des Woorara-Gifts oder des wesentlichen Oels der bittern Mandeln, wel - che beyde die Funktionen des Gehirns aufhe - ben, ohne den Blutumlauf aufzuhalten, gehem - met. Brodie zieht aus diesen Versuchen das Re -sul -73sultat, daſs in einem Thier, in welchem das Ge - hirn seine Funktionen nicht ausübt, keine Wär - me erzeugt wird, wenn auch das Athemholen fortdauert, der Blutumlauf so wie die chemischen Modifikationen des Bluts im arteriellen und venö - sen System auf die gewöhnliche Weise unterhal - ten werden, und in gleicher Zeit eben so viel kohlensaures Gas wie sonst abgeschieden wirdo)Phil. Transact. Y. 1812. p. 378..
Diesen Erfahrungen stehen freylich andere entgegen. W. Lawrencep)Medico - chirurgical Transact. by the medical and chirurg. Society of London. Vol. V. p. 166. hat einen Fall von einem hirnlosen Kinde beschrieben, das vom Sonn - tag bis zum Donnerstag Morgen lebte, natürlich athmete, etwas Nahrung zu sich nahm, Stuhl - gang und Harnausleerung hatte, und bis die Kräfte sanken natürlich warm war. Das Rückenmark ragte ohngefähr einen Zoll über dem groſsen Hin - terhauptsloch hervor, und hatte hier eine kleine Anschwellung, mit welcher die sämmtlichen Ner - ven vom fünften Paar bis zum neunten verbun - den waren. Doch dieser Fall beweist nur, daſs nicht das ganze Gehirn zur Unterhaltung der Le - benswärme erforderlich ist. Wichtiger ist Em - mert’s Beobachtungq)Hufeland’s u. Harles’s Journal der prakt. Heilk. J. 1815. St. 3. S. 55. an einem alten Kaninchen,woranE 574woran er das verlängerte Mark ohne Verletzung des kleinen Gehirns durchschnitt, das Athemho - len durch Lufteinblasen unterhielt, und in eine groſse Wunde zwischen Haut und Muskeln 2 Un - zen und nachher in den Mastdarm 1 Unze einer Abkochung der unächten, giftigen Angustura-Rin - de brachte. Der Kreislauf und die Farbenverän - derung des Bluts dauerten hierbey fort; allein von der Zerstörung des Rückenmarks an war der Herz - schlag nicht mehr sichtbar und das Klopfen der Carotiden schwächer und seltener. “Die Tempe - „ ratur des Afters”, sagt Emmert, “verminderte „ sich in Zeit von 75″ um 3° R., was aber bey „ der verminderten Stärke und Geschwindigkeit des „ Kreislaufs, bey der unvollständigen künstlichen „ Respiration, welche um die Hälfte seltener als „ die natürliche war, und der geringen Tempera - „ tur des Zimmers von 12° R. gewiſs nicht für „ die von Brodie behauptete Abhängigkeit der thie - „ rischen Wärme vom Gehirn spricht.” Es hält schwer, die Verschiedenheit dieser Erfahrung von den Resultaten der Versuche Brodie’s zu erklä - ren. Indeſs einzelne Abweichungen müssen sich bey diesen Versuchen, auf deren Erfolg so viele zufällige Umstände Einfluſs haben, immer erge - ben. Eine einzige negative Erfahrung kann hier nicht mehrere positive aufwiegen, so lange sich nicht eine bey den letztern vorgegangene Täu - schung nachweisen läſst.
In75In den bisherigen Theorien der thierischen Wärme konnte man die in den Classen der Am - phibien, Fische und übrigen niedern Thiere statt findende Abwesenheit der Lebenswärme blos von dem unvollkommenern Bau der Respirationsorgane ableiten. Wir haben aber schon wiederholt be - merklich gemacht, daſs der Unterschied zwischen den Werkzeugen des Athemholens dieser Thiere und den Lungen der Säugthiere und Vögel nicht groſs genug ist, um die so sehr viel niedrigere Temperatur der erstern aus derselben allein er - klären zu können. Die Ursache kann nur darin liegen, daſs bey den Amphibien und den übrigen Thieren der niedern Classen das Blut gar kein, oder nur ein sehr geringes Vermögen besitzt, der Luft Wärme zu entziehen und Wärme zu bin - den. Mit der Abwesenheit dieses Vermögens steht der Mangel an Pulsationen in den Zweigen des arteriellen Systems und der einfache Blutumlauf jener Thiere in Verbindung. Der letztere kann schwerlich einen mechanischen Zweck haben, son - dern muſs Folge einer höhern Ursache seyn, wor - in zugleich eine geringere Vitalität des Bluts be - gründet ist.
Man kann gegen diese Theorie einwenden, daſs in allen den Fällen, wo in einer Materie ver - mehrte Wärmecapacität eintritt, ein Uebergang der - selben aus dem festen Zustand in den flüssigen,oder76oder aus dem tropfbaren in den gasförmigen statt findet, daſs aber bey der Verwandlung des venö - sen Bluts in arterielles keine so groſse Verände - rung vorgeht, Gegen diesen Einwurf ist aber zu bemerken, daſs mit der Veränderung, die das Blut beym Durchgang durch die Lungen erleidet, die meisten Vorgänge, bey welchen in unorganischen Körpern Ausdehnungen und Zusammenziehungen entstehen, nicht vergleichbar sind. Wo sonst Flüs - sigkeiten ausgedehnt werden, geschieht dies durch Mittheilung von Wärme. Beym arteriellen Blut ist umgekehrt die Mittheilung von Wärme Folge der Ausdehnung. Nur zwischen den Polen der Voltaischen Säule erleiden Flüssigkeiten eine ähn - liche Veränderung. Füllet man zwey Glasröhren von etwa zwey Zoll Länge und zwey Linien im Durchmesser mit frischem Blut, und verbindet durch Platinadräthe das untere Ende der einen mit dem negativen, das der andern mit dem po - sitiven Pol einer solchen Säule, indem man zu - gleich beyde Röhren in Wasser von 96° F. Wär - me taucht, so sondert sich in der negativ elek - trisirten Röhre sehr viel Wasser ab, der Blutku - chen zieht sich in eine dichte und feste Masse zusammen und das Volumen der Flüssigkeit nimmt so sehr zu, daſs das Wasser nach einiger Zeit aus der Röhre überläuft, wenn es anfangs auch vier bis fünf Linien unter dem obern Rand ge - standen hat; hingegen in der mit dem positivenPol77Pol verbundenen Röhre wird das Blut in eine breyartige Masse verwandelt und das Volumen des - selben vermindert, so daſs es unter seinen ersten Stand in der Röhre herabfällt. Brandisr)Pathologie. S. 179 fg., der diesen Versuch zuerst anstellte, hat dabey auf die Veränderung der Temperatur in den Röhren nicht Rücksicht genommen. Buntzens)A. a. O. S. 106 fg., der die Wär - me bey der Zersetzung einer Salmiakauflösung durch eine Voltaische Säule von 1500 Plattenpaa - ren an beyden Polen untersuchte, fand, daſs, als die Temperatur der Auflösung vor dem Versuch 10° R. war, das Thermometer eine Minute nach der Schlieſsung der Kette bey dem positiven Pol auf 12° stieg, hingegen bey dem negativen auf 8° stand. Nach einigen Minuten stieg dieses bis zu 10°, dann zu 12° und endlich blieben beyde auf 15° stehen. Dieser Versuch wurde mit einer zweymal gekrümmten Röhre gemacht, worin die Dräthe weit von einander abstanden. In einer nur zweymal gebogenen, mit Flanell umwickel - ten Röhre, worin der Abstand der Dräthe gerin - ger war, nahm die Wärme bey der Gasentwicke - lung von 14° bis 60° zu. Der positive Pol der Voltaischen Säule bringt also eine Zusammenzie - hung des Bluts und vermuthlich mehr oder we - niger aller Flüssigkeiten und damit Wärme her - vor; der negative hingegen bewirkt eine Ausdeh -nung78nung derselben, womit Bindung von Wärme ver - bunden ist.
Wie stark die Ausdehnung ist, die das Blut beym Durchgang durch die Lungen erleidet, wis - sen wir nicht. Ist sie aber auch nur hinreichend, um bey jedem Athemzug den Uebergang einer Wärme von einem Grad des Fahrenheitschen Thermometers ins Blut zu bewirken, so läſst sich zeigen, daſs hierdurch der ganze Körper schon binnen 35 Minuten eine Temperatur von ohnge - fähr 84° F. bey einer mittlern Wärme der Atmo - sphäre von 64° erhalten muſs. Nimmt man nehm -