Druck von Hoff & Heuſer in Mannheim.
Familiennachrichten und Geſchlechtsregiſter hat man bisher hauptſaͤchlich nur aus Abſichten der Eitelkeit und des aͤußern Vortheils geſammelt und aufgeſtellt, es iſt aber kein Zweifel, daß ſolche auch zu einer tiefen und wichtigen Belehrung gereichen koͤnnten, wenn man ſie ſie zu ſolchem Behuf einrichtete. Die Aufeinanderfolge, Verbreitung und Dauer eines Geſchlechts, die Miſchun¬ gen, welche es durch Aufnahme und Abgabe von Glie¬ dern erfaͤhrt und bewirkt, die Verpflanzungen nach andern Orten und Laͤndern, die Wandlungen der aͤußern Verhaͤltniſſe, die Geſtaltungen der Karaktere und der Talente, alles dies wuͤrde, in gehoͤriger Maſſe beſtimm¬ ter Einzelheiten uͤberſichtlich dargelegt, der Gegenſtand ungemein anziehender und lehrreicher Betrachtungen ſein. Solche Faͤden des Privatlebens, — denn auch die Koͤnigsgeſchlechter duͤrften in dieſem Sinn keine andre Auffaſſung anſprechen, — durch groͤßere Zeit¬ raͤume fortgefuͤhrt, muͤßten ſelbſt den Lauf der weltge¬1 *4ſchichtlichen Ereigniſſe in einer eignen, neuen Verwe¬ bung und Faͤrbung zeigen. Die fortſchreitende Wiſſen¬ ſchaft der geſelligen Lebensverhaͤltniſſe, wozu doch, aus ihren geringen Anfaͤngen, die ſtatiſtiſchen Bemuͤhungen ſich kuͤnftig emporheben muͤſſen, haͤtte die neuen That¬ ſachen zu ergreifen, und wuͤrde unfehlbar die außer¬ ordentlichſten, uͤberraſchendſten Folgerungen und An¬ wendungen daraus gewinnen. Es entſtuͤnde ſolcherge¬ ſtalt eine neue Art die Genealogie zu treiben, in einem hoͤheren Sinn und zu edlerem Zweck, als die bisherige, nur der aͤußern Vornehmheit duͤrftig — und nicht ſelten unwahr — dienende. Freilich kaͤme hierbei alles auf den eindringenden Blick und die ordnende Hand des Bearbeiters an. Ich will keineswegs ein ſolches Muſter zu geben hier unternehmen, inzwiſchen moͤgen im Sinne des Geſagten einige fluͤchtige Familiennachrichten, die ſich grade darbieten, meiner eignen Lebensſchilderung vorangehen.
Der Stamm, dem ich angehoͤre, iſt altſaͤchſich, in Weſtphalen von fruͤhſten Zeiten heimiſch und ausge¬ breitet. Das „ uralte, beruͤhmte, ritterliche Geſchlecht von Enſe, “wie der weſtphaͤliſche Geſchichtſchreiber von Steinen es nennt, theilte ſich fruͤh in zwei Linien, deren eine, mit Beibehaltung des goldnen Wappen¬ feldes, von der im Walde bei Arensberg gelegenen und in der Soeſter Fehde zerſtoͤrten Burg Varnhagen ſich mit dieſem Namen nannte, die andre ein ſilbernes Feld5 und den Namen Schnidewindt annahm. Schon vom dreizehnten Jahrhundert an kommen die von Enſe, als Ritter, Burgherren, Droſten, fuͤrſtliche Raͤthe, Dom¬ herren und Freiſtuhlherren, im Kreiſe der weſtphaͤliſchen Heimath zahlreich vor, bald kriegeriſch bewegt, bald friedlich ſeßhaft. Gleich darauf erſchienen auch die bei¬ den Linien, von welchen die Varnhagen’ſche ſich als die hervorragende zu erkennen giebt. Im fernern Ver¬ laufe der Zeit finden wir dies Geſchlecht von den Waffen und Fehden des Ritterlebens mehr und mehr ablaſſend, hingegen deſto ſtaͤrker dem geiſtlichen und gelehrten Stande nachgehend, wo mit nicht geringern Ehrenvor¬ zuͤgen ſich Wohlfahrt und Bildung vereinigten. Dieſe Richtung gewann entſchiednere Staͤtigkeit durch Konrad von Enſe genannt Varnhagen, koͤlniſchen Kanonikus, der als Paſtor zu Iſerlon daſelbſt im Jahre 1520, mit Vollmacht des Kurfuͤrſten-Erzbiſchofs von Koͤln, eine Blut - und Erbvikarie zu St. Martin ſtiftete, und mit Grundbeſitz und fuͤr die damalige Zeit betraͤchtlichem Einkommen ausſtattete. Dieſe Predigeranſtellung beſteht noch heutiges Tages mit mannigfachen Vortheilen, als ausſchließlicher Beſitz der Familie Varnhagen. Gleich der erſte Inhaber jedoch, Johann von Enſe genannt Varnhagen, nahm eifrigen Antheil an der durch Luther bewirkten Glaubens - und Kirchenreformation, fuͤhrte ſie, nach manchem Widerſtreit, in Iſerlon ſiegreich ein, und mit ihm wurde, unter Zuſtimmung des Stifters,6 ſowohl die Vikarie als auch die uͤbrige Familie pro¬ teſtantiſch. Die naͤchſte Folge war die Verheirathung des bisher eheloſen Vikarius. Seine erſte Frau, — denn er heirathete ſpaͤter zum zweitenmal — war eine von Kettler, Schweſter des nachherigen Herzogs von Kurland, Gotthard von Kettler, und aus dieſer Ver¬ bindung entſprang die Reihe meiner naͤheren Vorfahren, die nun faſt ohne Ausnahme, indem auch jene Stif¬ tung fortwaͤhrend einwirkte, ſich vorzugsweiſe dem ge¬ lehrten, und, neben dem geiſtlichen, beſonders noch dem aͤrztlichen Stande widmeten. Befriedigt in heimi¬ ſchem Anſehn, mittlerem Wohlſtand und gedeihlichem Wirken, lebte die Familie lange Zeit ſtill fort, ohne aus dem engen vaterlaͤndiſchen Bezirk herauszutreten. Durch erwaͤhlten Stand und Verhaͤltniſſe dem Buͤrger¬ thume zugewendet, hegte ſie auch einen dieſem ent¬ ſprechenden Freiſinn, dem der kleine ruͤckwaͤrts liegende Schimmer nicht ſchadete; dieſer mochte erloͤſchen oder ſich erneuen, beides ſchien nicht ſehr erheblich. —
Das fruͤhſte Beiſpiel eines in weiterer Welt ſich verſuchenden Sinnes gab einer von Johann von Enſe’s Enkeln, der waͤhrend des dreißigjaͤhrigen Krieges in Roſtock ſtudirt hatte, dann des Koͤnigs Guſtav Adolph von Schweden und ſpaͤter der Koͤnigin Chriſtina Leib¬ arzt geworden war; er ließ ſich in Schweden haͤuslich nieder, und hatte daſelbſt eine anſehnliche Nachkommen¬ ſchaft, deren Fortbeſtehen noch in neuern Zeiten kund7 war, und erſt in den neuſten aus Mangel an Nach¬ richten ungewiß geworden iſt.
Ein Bruder dieſes nach Schweden gegangenen Varn¬ hagen hatte die Rechte ſtudirt und war Buͤrgermeiſter in Altena geworden; ſein Sohn, mein Aeltervater, folgte ihm in dieſem Amte, war aber zugleich Doctor der Arzneikunde, die er nach dem Vorgange jenes Oheims ebenfalls in Roſtock ſtudirt hatte, und deren Wuͤrden und Ausuͤbung fortan in dieſer Linie ſich durch alle Geſchlechtsfolgen herab vererbten.
Doch geſchah in andrer Hinſicht eine wichtige Un¬ terbrechung des gewohnten Familienganges durch meinen Urgroßvater Johann Bernhard, der ſich als Arzt in Paderborn niederließ, und daſelbſt durch das uͤberwie¬ gende Einwirken der Jeſuiten, welche von jeher viel Anziehendes fuͤr gelehrte und kluge Leute hatten, zur katholiſchen Kirche uͤbertrat. Dieſer Glaubensweg lei¬ tete nun natuͤrlich auch ſeine Nachkommen, und zwar aͤußerlich trennend genug von dem proteſtantiſch geblie¬ benen Theil der Familie, innerlich aber nicht ohne die ſtarke Zugabe eines freien Unterſuchens und Zweifelns, mitunter ſogar eines in Scherz und Ernſt muthvollen Widerſpruchs, welchen die herrſchenden Einfluͤſſe der ſpaͤtern Zeit ohnehin maͤchtig hervorriefen, und den die Beſchaͤftigung mit Natur - und Heilkunde auch nur noch foͤrderte.
8Mein Großvater ſtudirte gleich wieder auf einer proteſtantiſchen Univerſitaͤt, zu Leyden in Holland; machte dann große Reiſen, beſuchte Rußland und Oeſterreich, und wollte Wien zu ſeinem Wohnort er¬ waͤhlen, wo aber ſeine Niederlaſſung durch ausgebro¬ chene Verdrießlichkeiten mit dem beruͤhmten und ein¬ flußreichen Arzte van Swieten geſtoͤrt wurde. Er kam darauf nach Duͤſſeldorf, wurde kurpfaͤlziſcher Rath da¬ ſelbſt, und nahm, ungewoͤhnlich in der Familie, eine Frau aus weiter Fremde, die Tochter eines Kaufmanns aus St. Petersburg. Das gute Anſehen, in welchem er bei Stadt und Regierung geſtanden, verſchafften ſeiner Wittwe nach ſeinem fruͤhzeitigen Ableben die nicht unbedeutende Hofſtelle einer Oberkammerfrau (Garde des Dames) bei der Gemahlin des Kurfuͤrſten Karl Theodor von der Pfalz, deſſen Hof in Mannheim durch Kunſtbildung und Glanz ſich vor vielen aus¬ zeichnete.
Mein Vater genoß zwar auch zuerſt bei den Jeſuiten den gewoͤhnlichen Schulunterricht, doch ohne daß ihre Leitung und Geſinnung ihn einnehmen konnten, er ſtudirte dann, dem Beiſpiele der Voraͤltern folgend, die Arzneiwiſſenſchaft, erſt in Heidelberg, darauf in Straßburg und Paris, heirathete, nicht ohne Bedenken ſeiner ſehr katholiſchen Mutter, eine Proteſtantin, aus Straßburg, mit der er ſich ſchon waͤhrend der Univer¬ ſitaͤtsjahre verlobt hatte, und ließ ſich in Duͤſſeldorf9 nieder. An dieſem Orte kam ich den 21. Februar 1785 zur Welt.
1785.
Daß die Stellung der Himmelskoͤrper im beſtimmten Augenblicke der Geburt eines Menſchen auf deſſen ganzes Geſchick einen entſcheidenden Einfluß uͤbe, kann man ſchon gelten laſſen; wenigſtens liegt in dieſer An¬ nahme der Sinn eines großen Verhaͤltniſſes, in welchem der Mikrokosmus zu dem Makrokosmus unmittelbar zu ſtehen ſich wohl beruͤhmen darf. Naͤher indeß, als die Berechnung und Deutung jenes Einfluſſes der Ge¬ ſtirne, draͤngt ſich uns heutiges Tages als bedingend fuͤr das anhebende Einzelleben die Stellung der Ge¬ ſchichtsbahnen auf, in welche die neue Geburt eintritt; und von Goethe’n hierzu angeleitet, muͤſſen wir dieſen einige Betrachtung widmen, um den nachherigen Ver¬ lauf klarer einzuſehen.
Das Jahr 1785 bezeichnet, wie jeder Zeitpunkt der Geſchichte, eine ganz beſtimmte Stufe von Ge¬ wordenem und Werdendem, und darin fuͤr jeden, der dieſem Moment angehoͤrt, ein unwiderruflich gegebenes Schickſal. Was auch die Umſtaͤnde ſonſt, guͤnſtig oder unguͤnſtig, darbieten, wie auch Geſinnung und Kraͤfte innerhalb des freigelaſſenen Raumes auf die Schranken ſelbſt zuruͤckwirken, immer bleibt die allgemeine Noth¬ wendigkeit jenes beſondern Moments das Umfaſſende10 und Bedingende, dem nicht zu entfliehen iſt. Auch in meinen Lebensereigniſſen kann ich das Entſcheidende jenes Anfangspunktes uͤberall deutlich genug verfolgen, und daß ich damals, dort, und unter ſolchen Umſtaͤnden geboren wurde, erkenne ich, wenn auch nicht als meine erſte That, wie ein Freund es einſt allzuſtark aus¬ druͤcken wollte, doch als meine erſte Habe und unver¬ lierbare Mitgift, deren Signatur in allen meinen Be¬ gegniſſen ſich wiederfindet.
Das achtzehnte Jahrhundert hatte ſeine weitaus¬ ſehenden, mit allgemeiner Anſtrengung verfolgten Auf¬ gaben bereits tuͤchtig gefoͤrdert, das Muͤhſamſte und Undankbarſte ſeiner Arbeiten war gethan, das Wuͤn¬ ſchenswertheſte glaubte man nah, die bewegteſte Ent¬ wickelung war im Gange, die gewaltſamſten Erfolge aber ſtanden noch bevor. Die eigentliche Mitte, von woher eine gaͤnzliche Umwandlung aller europaͤiſchen Lebenszuſtaͤnde betrieben wurde, war Frankreich; reli¬ gioͤſe Denkart, Staatsverfaſſung, Erziehung, Geſellig¬ keit, alles wollte ſich auf neuen Grundlagen voͤllig veraͤndert erheben, die alten Verhaͤltniſſe wichen, der Staat ſelbſt erwies ſich alsbald fuͤgſam, und die leb¬ hafte, geiſtreiche, fuͤr Umgang und Mittheilung hoͤchſt ausgebildete Nation wirkte durch ihre Gaben und Thaͤ¬ tigkeit unwiderſtehlich auf die andern Laͤnder ein, ſelbſt Polen und Rußland nicht ausgenommen, welche weder entlegen genug, noch ſo weit zuruͤck waren, um ſich11 dem anmuthigen und verheißenden Einfluß entziehen zu koͤnnen. Die neue Richtung gewann die Haͤupter der Nationen, die Kaiſer, Koͤnige, Fuͤrſten, und hatte ſich der hoͤheren Staͤnde laͤngſt vollkommen bemaͤchtigt, ehe ſie zu den mittlern und untern gelangen konnte. In Nordamerika hatte dieſer Einfluß zu einer neuen Frei¬ heitsgeſtalt mitgewirkt, gegen welche die in England und Holland, in der Schweiz, und zum Theil auch in Deutſchland, beſtehenden Formen der Freiheit nur noch als ein Schein galten.
Man wuͤrde jedoch ſehr irren, wenn man den An¬ theil der Deutſchen an der umfaſſenden Arbeit dieſes Jahrhunderts fuͤr geringer halten wollte, als den der Franzoſen, obgleich der Glanz des voranſchreitenden Thuns meiſt bei dieſen war; jene hatten nicht minder einen voͤllig neuen Lebensinhalt hervorgearbeitet, der ſeiner neuen Formen harrte, und inzwiſchen nachhaltig uͤberall einwirkte, wo dieſe daheim und in der Fremde ſich oͤffneten. Der preußiſchen Monarchie leuchtete noch das letzte Jahr Friedrichs des Großen, fuͤr die oͤſter¬ reichiſchen Erblande und das deutſche Reich wirkten ſchon die lichten Beſtrebungen Kaiſer Joſephs des Zweiten. Auf groͤßeren und kleineren Thronen ſah man die Zoͤg¬ linge der Menſchenfreundlichkeit, der Aufklaͤrung, der Duldungs - und Gleichſtellungslehren; in vieljaͤhrigem Frieden war Wohlſtand, Verkehr, Unterſuchung und Einſicht aller Art gewachſen; alle Staͤnde befleißigten12 ſich der Bildung, der Ablegung von Vorurtheilen, und die Nation hatte fuͤr ihren allgemeinen Aufſchwung, fuͤr ihre Geſinnung, fuͤr ihre Gemuͤths - und Gedankenkraft, eben jetzt in Litteratur, Sprachausbildung und Kunſt¬ beſtreben ſo gluͤckliche als harmloſe Organe errungen. Indeß hielten die alten Einrichtungen noch vor, und das Leben wogte friſch und kraͤftig, aber zugleich be¬ ſcheiden und erfreulich, zwiſchen ſeinen oft ſeltſam ver¬ bauten oder ganz vernachlaͤſſigten Ufern hin.
Am Niederrhein ſchlugen die Wellen dieſer deutſchen Fluthen beſonders lebhaft und vielartig. Dem Han¬ delsverkehr mit Holland und England offen, nach Frankreich in beſtaͤndiger Theilnahme an dortiger Bil¬ dung und Mode hingewandt, von Oeſterreich in Belgien, noch naͤher von preußiſcher Macht beruͤhrt, aus fuͤrſt¬ lichen Gebieten, freien Reichsſtaͤdten, erzbiſchoͤflich-kur¬ fuͤrſtlichen und andern geiſtlichen Herrſchaften zuſammen¬ geſetzt, ritterſchaftliche, moͤnchiſche, buͤrgerfreie Elemente vereinend, boten dieſe Gegenden das wunderbarſte Ge¬ miſch von lebendiger Wechſelwirkung.
Duͤſſeldorf ragte in mancher Beguͤnſtigung hervor. Fruͤher eine fuͤrſtliche Reſidenz, und noch ſtets, wiewohl die kurpfaͤlziſche Hofhaltung immer in Mannheim blieb, als ſolche angeſehen und gehalten, als Hauptſtadt der Herzogthuͤmer Juͤlich und Berg der Sitz einer eigenen Landesregierung, nach bequemer Lage am Rheinhandel theilnehmend, heiter gebaut und fortwaͤhrend erweitert13 und verſchoͤnert, durch gebildete Einwohner von freiem und muntrem Sinn, durch zahlreiche Beamte, Militaͤr, benachbarten reichen Adel und viele Fremde belebt, welche zum Theil wegen der beruͤhmten Bildergalerie verweilten, im Winter auch wohl um des zu Zeiten wohlbeſetzten Schauſpiels willen kamen, durfte dieſe Stadt unter die vorzuͤglichſten und angenehmſten am Rhein gezaͤhlt werden. Als namhafte Repraͤſentanten dieſes Lebenskreiſes kann ich zuvoͤrderſt den Kanzler Grafen von Neſſelrode nennen, der mir als ein edles Bild hoher Amtswuͤrde und milder Vornehmheit noch vor Augen ſteht, dann ſeinen Sohn, der innig befreun¬ det mit Jakobi und in brieflichem Verkehr mit dem Grafen von Mirabeau war, den Freiherrn von Hom¬ peſch, den Hofkammerrath Beuth, der eine ſchoͤne Kunſt - und Naturalienſammlung beſaß, den Medizinalrath Brinkmann, den Regimentsarzt Naͤgele, ferner manche Offiziere, Kaufleute, Kuͤnſtler und Schauſpieler, die durch Talent und feines Betragen zu der beſten Geſell¬ ſchaft Eingang hatten; als Frauen von hoͤchſter Aus¬ zeichnung ſind zwei Graͤfinnen von Hatzfeldt, die beiden Schweſtern Jakobi’s und die juͤngere Graͤfin von Neſſel¬ rode, ſchon aus anderweitigen Erwaͤhnungen bekannt; unter den gebildeten Damen der vornehmen Klaſſe fehl¬ ten aber auch ſolche nicht, deren glaͤnzende Vorzuͤge nicht immer guͤnſtig zu beurtheilen waren.
14Durch Jakobi’s Nennung iſt ſchon ein Mittelpunkt bezeichnet, mit dem die erſten Geiſter des Vaterlandes in Verbindung ſtanden, und deſſen Strahlen ſogar uͤber Deutſchland hinaus ſich verbreiteten. Zunaͤchſt aber ge¬ hoͤrte er durchaus dem Niederrhein und deſſen Nachbar¬ ſchaft an, indem mit Koͤln, Aachen, Koblenz, und auf andrer Seite mit Elberfeld, Duisburg, Xanten, Muͤn¬ ſter, der lebhafteſte Verkehr unterhalten wurde. In Pempelfort, neben einer bedeutenden Fabrikanſtalt, gab ein ſchoͤnes großes Wohnhaus und angenehmer Garten die reichſte Gelegenheit zur edelſten Gaſtfreundſchaft, die ſelten in ſolcher Ausdehnung mit gluͤcklichem Maß, und ohne allen Prunk ſo reichlich, ausgeuͤbt worden. Dies Verhaͤltniß war fuͤr Duͤſſeldorf, wo Jakobi ſeines Am¬ tes wegen eben ſo wie in Pempelfort zu Hauſe war, uͤberaus belebend, und Geſelligkeit, Litteratur und Kunſt¬ bildung hatten ihren feſten Anhalt an ihm. Ich habe ſpaͤterhin oft bedauert, daß von dieſem Hauſe, mit wel¬ chem doch mein Großvater ſchon wohlbekannt geweſen, mein Vater ſich aus einer ich weiß nicht welcher ſtolzen Verſtimmung zuruͤckgehalten hat. Er pflog niemals Umgang nach jener Seite hin, wiewohl er die Perſonen nach Gebuͤhr achtete, und von ihrem Daſein und Wir¬ ken vielfach beruͤhrt ſeyn mußte.
Meine fruͤheſten Eindruͤcke und Erinnerungen ſind nicht aus dem ſtaͤdtiſchen Leben, ſondern von Garten und Fluſſe her. Das kleine Haus, welches wir in einer15 Seitenſtraße bewohnten, ging ruͤckwaͤrts auf den Rhein, dem hier noch grade ſo viel Boden abgewonnen war, um ein Gaͤrtchen und ein ſchmales Weidenufer zu bil¬ den, durch einige vorgelagerte Felſenſtuͤcke gegen den Andrang des Stromes, ſelbſt bei einigem Schwellen deſſelben, ziemlich geſchuͤtzt. Aus einem Fenſter des Wohnzimmers fuͤhrten Treppenſtufen in dieſen Raum hinab, der in ſeiner engen Umhegung, nach kleinſtem Maßſtabe mit Raſen und Beeten, Straͤuchern und Baͤumchen verſehen, bei großem Himmelsblick und rei¬ cher Ausſicht aufwaͤrts auf die maͤchtig voruͤberſtroͤmende Waſſerfluth und ihre jenſeitigen Ufer, bei naͤhrend ge¬ ſunder Luft von Sonnenwaͤrme und friſchem Hauche zugleich getroffen, in ſeiner ſtillen, gedraͤngten Abge¬ ſchloſſenheit uns Kindern ein wirkliches Paradies war, und als ſolches mir noch jetzt vor Augen ſchwebt. Ich erinnere mich deutlich des genoſſenen reinſten Gluͤcks, der unſchuldigſten Freudigkeit des Gemuͤths, des klar¬ ſten Auffaſſens der Welt und des harmloſeſten Verbrin¬ gens ſchoͤner Tage. Meine Schweſter, Roͤschen genannt, um anderthalb Jahr aͤlter, gewaͤhrte mir das Gluͤck einer lieblichen, in Spiel und Ernſt gleich wohlthaͤtigen Genoſſen¬ ſchaft, und dabei eines reiferen Vorbildes, fuͤr Rath und Anhalt immer bei der Hand. Wir liebten uns wahrhaft, hatten ein unbeſchraͤnktes Kindervertrauen zu einander, und wenn ja kleine Zaͤnke eintraten, deſſen ich mich doch kaum erinnere, ſo gingen ſie ſchnell und ſpurlos voruͤber.
16Selten wagten wir die Hecke des Gaͤrtchens gegen das Waſſer hin zu uͤberſchreiten, die Gefahr ſtellte ſich uns um ſo erſchreckender vor Augen, als eines Morgens ſich ergab, daß ein Rabe, der zahm und redend uns ſo vertraut geworden als wunderbar geblieben war, ſein Gitterhaus uͤber Nacht durchbrochen, und wahrſcheinlich, da er nicht fliegen konnte, ſeinen Tod im Rhein ge¬ funden hatte. Um ſo reizender war es, wenn wir denn doch zuweilen, unter Aufſicht des Vaters, uͤber die ſtrenge Graͤnze vorgingen, das mit Weiden und Gebuͤſch bewachſene Ufer durchſtoͤrten, die daran feſtgelegten ſchwimmenden Floßbalken betraten, moͤglichſt nah die großen Schiffe und die ungeheuern Floͤße, die von vie¬ len hundert Armen fortgerudert nach Holland hinabgin¬ gen, ſtolz vorbeiziehen, Nachen heranrudern, zuweilen Schwimmer ſich ergoͤtzen ſahen, oder auch nachſinnend zu unſern Fuͤßen das lebendige Spiel der Wellen und Wirbel betrachteten, und wohl gar in das reine Waſſer unſre Stuͤcken Weißbrod eintauchten, die ſo benetzt uns das labendſte Gericht duͤnkten.
Von meinem dritten Jahre ungefaͤhr bis uͤber mein fuͤnftes hinaus ſind meine Erinnerungen in dieſer Gar¬ tenluſt zuſammengedraͤngt, als das Bild eines ununter¬ brochenen großen Sommers, ſo wie die dazwiſchenlie¬ genden Winter gleichfalls zu einem zuſammenhaͤngenden Ganzen ſich mir ausgeſchieden haben. Die Zeitbeſtim¬ mung meines fuͤnften Jahres wird mir durch den Um¬17 ſtand ſicher, daß mir ein anhaltendes allgemeines Glockengelaͤut, welches aus den kurkoͤlniſchen Ortſchaften, und beſonders, von Neuß her, lange Zeit tagtaͤglich in regelmaͤßigen Friſten erſchallte, durch ſein betruͤbendes Einerlei, das der Rhein als Leiter nur allzuhell heran¬ fuͤhrte, zur unleidlichſten Qual wurde, dieſes Gelaͤut aber geſchah wegen des Ablebens Kaiſer Joſephs, der am 20. Februar 1790 geſtorben war.
Mit dieſer ſtillen Gartenluſt wetteiferte bald ein buntes Theilnehmen an lebhafterem Verkehr. Der ſchoͤne Hofgarten wurde mit beiden Eltern und der Schweſter haͤufig beſucht, ich fing an, den Vater auf vielen ſeiner Ausgaͤnge zu begleiten, zu ſtaͤdtiſchen Beſuchen, auf das Land zur geſelligen Einkehr in nahen Gaͤrten und Doͤrfern, oder auch zu entfernteren Ortſchaften, nach Grafenberg, Benrath, Neuß, Ratingen, Zons, wohin den Vater zum Theil Amtsberuf, zum Theil das Be¬ duͤrfniß groͤßern Ausflugs fuͤhrte. Auch in das Theater, welches jeden Herbſt in Duͤſſeldorf ſich einfand, wurde ich fruͤhzeitig mitgenommen, und habe zwiſchen Mutter und Schweſter, obwohl ich ſogar letztere manchmal dar¬ uͤber laͤcheln ſah, bei ruͤhrenden Vorgaͤngen, die ich doch nur im Allgemeinen als ſolche faſſen konnte, heiße Thraͤnen geweint.
Was aber inmitten aller dieſer Dinge meinen Sinn und ganzes Daſein außerordentlich erhob, und meinem Bewußtſein einen ungewoͤhnlichen Schwung gab, warII. 218die Sonderbarkeit, daß ich, wenigſtens zum Ausgehen, als Tuͤrke gekleidet war. Das achtzehnte Jahrhundert hatte in ſeinen Zuͤgen, ehe ſie ſchrecklich wurden, unge¬ mein viel Kindiſches, beſonders in Deutſchland, wo die Vorſtellungen und Triebe eines lebhaft angeregten Beſſern, zu dem man ſtrebte, fuͤr die Ausuͤbung in die engſten Schranken geklemmt waren, und da, wo ſie ſich nun doch Luft machten, oft nur als naͤrriſche Spie¬ lereien hervorkamen. Sprachbildung und Kinderzucht waren die jedem Thaͤtigen am naͤchſten offnen Gebiete; wer ſonſt nichts konnte, machte ſich eine eigne Ortho¬ graphie, worin die Deutſchen, zwiſchen den ſiebzig und neunziger Jahren, zahlloſe Verſuche angeſtellt, oder bearbeitete ſeine Kinder, was niemand wehren konnte. Durch Jean Jacques Rouſſeau's dringende Mahnungen war man auf bequeme, der Geſundheit vortheilhafte Bekleidung der Kinder allgemein bedacht, er ſelbſt trug ſich armeniſch, die orientaliſche Tracht uͤberhaupt hatte unlaͤugbare Vorzuͤge, und mit ihr ſtimmten die neuauf¬ gebrachten Kleidungsſtuͤcke wenigſtens in Weite und Fuͤlle uͤberein. Es war nur ein Schritt auf dieſem Wege weiter, machte aber dennoch allgemeines Aufſehn, als mein Vater, mit eigengeſinnter Kuͤhnheit, ſeinen Kna¬ ben voͤllig tuͤrkiſch gekleidet einhergehen ließ. Ich war lange Zeit fuͤr Erwachſene und Kinder ein Gegenſtand des Staunens, des Bewunderns, wohl auch des Nei¬ des, denn mein Kaftan und meine Schaͤrpe leuchteten19 in buntem Glanz, und mein Bund war mit Perlen und Steinen reich beſetzt. Das Aergerniß einiger pfaͤffiſch¬ geſinnten Leute, welche von ſolcher, den Unglaͤubigen nachgeahmten, Kleidung auch auf die unchriſtlichen Grundſaͤtze ſchließen wollten, die ſich darin argwoͤhnen ließen, konnte nur den Trotz verſtaͤrken, und die Be¬ friedigung erhoͤhen, welche mein Vater dabei empfand, daß dieſer Augenſcherz auch ein erfreuliches Bild ſein wolle, das auf die allgeprieſene Toleranz ſo gluͤcklich hindeutete. —
Ein Gefuͤhl von Einſamkeit, das ich freilich damals mir nicht deutlich zu machen wußte, begleitete mich aus der Stille auch in Geraͤuſch und Laͤrm. Ich hatte keine eigentliche Spielkammeraden, nur gelegentlich und auf abgeriſſene Stunden fand ich ſolche Geſellſchafter; meine Sinnesart und Tagesgewoͤhnung aber floß nie mit der ihrigen zuſammen, ich behielt in der groͤßten aͤußern Hingebung innerlich etwas Fremdes gegen ſie, wie uͤber¬ haupt etwas Abſonderndes gegen die Welt und ihre Darbietungen. Meinem Vater hing ich mit der groͤ߬ ten Zaͤrtlichkeit an, und ich hatte ein unbegraͤnztes Ver¬ trauen zu ihm; allein daſſelbe ſollte ſchon fruͤh durch einen Vorfall betraͤchtlich leiden.
Eines Tages, bei ſchoͤnem Sonnenwetter, trafen wir auf dem Grafenberg eine muntere Geſellſchaft, wor¬ unter auch mehrere unſrer Schauſpieler und Schauſpie¬ lerinnen. Nichts konnte reizender fuͤr mich ſein, ich2 *20fand unter dieſen wunderbaren Weſen meine Lieblinge leicht heraus, und konnte mich beſonders an einer Ma¬ dame Lange gar nicht ſatt ſehen. Ich hatte fuͤr ſie ein ſo eignes und ſtarkes Gefuͤhl, daß ich dem Beduͤrfniſſe, davon zu reden, nachgeben mußte, ich zog meinen Va¬ ter abſeits, und vertraute ihm ſo bewegt als verſchaͤmt, daß ich in dieſe Dame verliebt ſei. Schon ſein Lachen uͤber die Eroͤffnung machte mich betroffen, nichts aber glich meiner Beſtuͤrzung und meinem Aerger, als er, der Geſellſchaft mich wieder zufuͤhrend, der Dame vor dem ganzen Kreiſe nun laut mittheilte, welche Erobe¬ rung ſie gemacht, und ich darauf mich den Gegenſtand vielfachen Scherzes werden ſah. Ich war empoͤrt uͤber dieſen Mißbrauch meiner Zutraulichkeit, und verdachte meinem Vater um ſo mehr ſein gegen mich begangenes Unrecht, als mir auch hoͤchſt empfindlich auffiel, daß die ſchoͤne Frau durch jene Entdeckung zu keiner weitern Aufmerkſamkeit fuͤr den Knaben veranlaßt wurde; haͤtte ſie mich wenigſtens an ſich gezogen, mir geliebkoſt und mich gekuͤßt, wie ich es nun faſt erwartete, ſo haͤtte ich mir den Erfolg der Sache noch gefallen laſſen, die mir jetzt, da ſie durch Gleichguͤltigkeit von der einen und Scherz von der andern Seite nur verwundend fuͤr mich war, den Reſt des Tages verdarb. Ich hatte nun ſchnell und gruͤndlich gelernt, daß es Regungen gebe, die man, um ſicher zu ſein, ganz fuͤr ſich bewah¬ ren und gegen niemand aͤußern muͤſſe. Die Erfahrung21 wurde von andrer Seite her durch Eindruͤcke verſtaͤrkt, wo Nachdenken und Schweigen vereint die Folge waren. —
In meine fruͤhere Kindheit faͤllt auch ein Beſuch im Kloſter zu St. Barbara-Garten in Rheinberg, wo meines Vaters Schweſter Eleonora Nonne war. Dieſes fuͤr adelige Fraͤulein beſtimmte Kloſter war ihr durch die Gunſt des Hofes eroͤffnet worden, wiewohl ſie keine Ahnenprobe ablegen konnte, und leicht entſchloß ſich die jugendlich Unerfahrne zum dargebotenen Seligkeitswege. Schon als Novize jedoch ſoll ſie ihren Entſchluß bereut haben, den ſie aber dennoch, aus Scham und Rath¬ loſigkeit, unwiderruflich ausfuͤhrte. Wir fanden ſie noch jugendlich ſchoͤn, freundlich vornehmen Weſens, gefaßt und leidlich zufrieden. Sie ſpielte die Orgel vorzuͤglich gut, zeichnete und ſchrieb vortrefflich gut, und wußte ſich auch außer ihrem geiſtlichen Berufe ſo wuͤrdig als angenehm zu beſchaͤftigen. Mein Vater, den ſie Herr Bruder und Sie nannte, ſprach mit ihr allein, fragte genau nach ihrem Zuſtande, und erbot ſich, ihr aus dem Kloſter herauszuhelfen, ſobald ſie es verlange; er machte ſich anheiſchig, dieſes, wenn nicht im Guten, wie er hoffte, auch mit Liſt und Gewalt durchzuſetzen, und fuͤr ſolchen aͤußerſten Fall gewaͤhrte die Naͤhe der preußiſchen Graͤnze die beſte Zuflucht und Sicherheit. Das Anerbieten wurde indeß mit Dank abgelehnt, die Tante hatte ſich in ihr Verhaͤltniß gefunden, und wußte ein anderes ſich weder vorzuſtellen noch zu wuͤnſchen.
22Dies alles wurde mir natuͤrlich erſt ſpaͤterhin er¬ zaͤhlt; damals erfuͤllte mich nur der Eindruck der ſchoͤnen Raͤume, die gute Bewirthung und froͤhliche Beſuchge¬ ſellſchaft, die ſich von mehreren Seiten zahlreich einge¬ funden hatte, ſo wie die einladenden Spielplaͤtze in Hof und Garten, wo man den ſchoͤnſten Nachmittag im Freien genoß. Ein ſchauerlicher Reiz von Ernſt und Abgeſchloſſenheit, worauf doch manches in dem Kloſter¬ weſen deutete, ſo wie einzelne Worte von Mitleid und Bedauern, die ich fuͤr die armen Nonnen hatte aͤußern gehoͤrt, machten mir doch am Abend die Ruͤckfahrt ganz lieb.
Das Geſchick der guten Tante erfuhr ſpaͤterhin noch die trauervollſte Wendung. Sie erblindete, und ihre Geiſteskraͤfte wurden ſchwach. Sei es, daß ihrem Zu¬ ſtande an ſich eine ſtrenge Behandlung in den Augen der uͤbrigen Nonnen gemaͤß duͤnkte, ſei es, daß eine aus fruͤherer Abneigung gegen das Kloſter jetzt wieder¬ erwachende Unzufriedenheit ſich in Aeußerungen zeigte, die man als widerſpenſtige beſtrafen zu duͤrfen glaubte, genug die Ungluͤckliche wurde von den Schweſtern grau¬ ſam in ein abgelegenes, dunkles, faſt unterirdiſches Gemach verſtoßen, wo ſie in troſtloſer Einſamkeit unter den haͤrteſten Entbehrungen viele Jahre zubrachte. Ihr juͤngerer Bruder, als Profeſſor in Koͤln lebend, wollte ſie mehrmals beſuchen, konnte aber nie bis zu ihr drin¬ gen, wie ſehr er auch darauf beſtand, ſie wenigſtens zu23 ſehen. Nachdem aber die Franzoſen jene Laͤnder als Sieger beſetzt hatten, nahm er die Gelegenheit wahr, und eines Tages, von franzoͤſiſchen Beamten und Gen¬ darmen begleitet, forderte er unvermuthet im Namen der Obrigkeit augenblicklichen Einlaß, der nun nicht zu verweigern war; die Nonnen fanden keine Friſt zu irgend einer Vorbereitung, man draͤngte ſie, und folgte ihnen auf dem Fuße, und ſo mußten ſie ungemildert den jammervollſten Anblick offenbaren. Auf bloßer Erde ſaß die Unſelige ohne alle Bekleidung; kein Gewand, kein Stroh, weder Tiſch noch Stuhl, nur die nothduͤrf¬ tigſten Gefaͤße! Man brachte ihr zu eſſen, die Nonnen boten ihr zwar Loͤffel und Gabel dringend an, ſie aber achtete nicht darauf, ſondern nahm die Speiſen eilig mit den Fingern, ſchon laͤngſt jener Werkzeuge entwoͤhnt, wie ſich jetzt deutlich ergab, ſo gern die harten Schwe¬ ſtern es verbergen wollten. Als der Bruder ſie anre¬ dete, erkannte ſie ſogleich ſeine Stimme, weinte, be¬ jammerte ihren Zuſtand, wollte aber niemand anklagen, und wuͤnſchte nur, es moͤchte ihr fortan etwas beſſer gehen. Sie war allerdings ſchwachſinnig und abge¬ ſtumpft, wer weiß ob nicht zumeiſt in Folge der langen ſo ſchrecklich hingebrachten Leidensjahre, aber durchaus nicht raſend, wodurch allein ſolche Einkerkerung und Entbloͤßung noch waͤre ſcheinbar zu begruͤnden geweſen; ihre Freundlichkeit und Sanftmuth, im Gegentheil, blie¬ ben ſich durch alle Folgezeit unveraͤndert gleich, und24 Werke der Andacht und frommer Milde fortdauernd ihre troͤſtliche Beſchaͤftigung. So lebte ſie zu Koͤln in einer Stiftung, wohin ſie auf Koſten des Kloſters verſetzt worden war, noch viele Jahre in ſchwachem doch leidli¬ chen Zuſtande, ſtill und ſanft, erfreut durch den oͤftern Beſuch des Bruders und der Frau und Kinder deſſel¬ ben, mit denen ſie ſich zwar wenig aber doch gern unterhielt, und ſtarb eines ſeligen Endes verſichert um das Jahr 1814 in hohem Alter.
Berlin, 1803. 1804.
Selten moͤgen einem Menſchen ſo begluͤckte Lebensauen ſich ausbreiten, als mir der Zeitraum darbot, in wel¬ chen ich, vom Ende des Maimonats bis tief in den Sommer hinab, mit allen Kraͤften und Entzuͤckungen der Jugend jetzt einging! Durch mein Verhaͤltniß fand ich mich grade nur in ſo weit gebunden, um Anhalt und Maß fuͤr das hoͤchſte Freiheitsgefuͤhl zu haben, meine Pflichten bezeugten mir nur meine Selbſtſtaͤndigkeit, ich genoß zum erſtenmal die Vollempfindung des perſoͤn¬ lichen Daſtehens und Geltens. Was ich war, dachte, urtheilte, wuͤnſchte und that, rechnete mir niemand mit fremder Vorſchrift in der Hand nach, ſuchte niemand durch aͤußere Ruͤckſichten und Zwecke beengend nieder¬ zuhalten; meine Eigenſchaften, die bisher gleichſam hin¬ ter ihrem Ertrag und ihrer Leiſtung hatten zuruͤckſtehen muͤſſen, konnten nun als ſie ſelbſt hervortreten, mein eignes ungeſtoͤrtes Weſen durfte mir Quell und Spie¬26 gel jedes Antriebs und jeder Handlung ſein. Dieſes Gefuͤhl haͤtte in jedem Fall das Ergebniß meiner ver¬ aͤnderten Lebensſtellung ſein koͤnnen, daß ihm aber durch eine Dauer von Monaten eine nur ſtets geſteigerte Ge¬ waͤhrung entſprach, war die Folge des gluͤcklichſten Zu¬ ſtroͤmens von Beguͤnſtigungen, wie ſie nicht oft ſich vereinigen wollen!
Ich muß zuerſt als eines wunderbaren Reizes, der in taͤglich erneutem Werthe ſich als unſchaͤtzbar erwies, der Lokalitaͤt gedenken, welche nicht gluͤcklicher ſein konnte. Schloßartige Wohnung, weit uͤber das Beduͤrfniß hin¬ aus geraͤumig und vielfach, im Innern mit allem Behoͤr einer behaglichen, theils hollaͤndiſchen, theils engliſchen Lebensart verſehen, erhob ſich, auch fuͤr den aͤußern Anblick bedeutend und geſchmackvoll, zwiſchen tiefem Vorhof und ausgedehntem Garten. Von der Straße zuruͤckgezogen wandte ſich das ganze Leben des Hauſes um ſo entſchiedener nach der Gartenſeite hin. Schattige Gaͤnge, Raſenplaͤtze, hochſtaͤmmige Baͤume und mannig¬ faches Gebuͤſch, Blumenbeete, Obſt - und Kuͤchenpflan¬ zungen, zuletzt ein Pavillon zwiſchen Treibhaͤuſern, gaben dem weiten Raume in ſinniger Anordnung die heiterſte Mannigfaltigkeit, und dieſer gruͤnende und bluͤhende Bezirk gab jedem Tag und jedem Augenblicke die nahe, offne und lockende Gelegenheit zu dem reinſten Genuſſe, welcher das Herz erfreuen kann, zu dem Genuſſe der Jugend und des Sommers in ihrem ſchoͤnſten Verein.
27Waͤhrend der erſten Zeit ſchlief ich nach dem Gar¬ ten hinaus, in einem Saale, der als phyſikaliſches Ka¬ binet diente. Mit dem fruͤhſten Tage, vom Glanze der bewegten Wipfel, von den Stimmen der Voͤgel, dem erquickenden Morgenhauche getroffen, ſtand ich lebens¬ froh auf, eilte in das thauige Gruͤn, fruͤhſtuͤckte dort oder am offenen Fenſter des Bibliothekzimmers, und hatte mit wechſelndem Entzuͤcken ſchon viel geluſtwandelt und geleſen, wenn nach und nach das uͤbrige Haus erſchien, und die Geſchaͤfte und Pflichten des Tages ſich mahnend einſtellten. — Faſt kein Tag verging ohne Geſellſchaft, theils in der Stadt, theils auf dem Lande. Graf Alexander zur Lippe, Profeſſor Darbes, Graf Caſa-Valencia von der ſpaniſchen Geſandtſchaft, die herrliche Saͤngerin Marchetti-Fantozzi nebſt dem italiaͤ¬ niſchen Dichter Filiſtri, lernte ich in dieſem Kreiſe kennen, auch dem damals jugendlichen und geiſtesregen Adam Muͤller und der von ihm gefuͤhrten Madame San¬ der, die als ſchoͤne Frau durch den Ruf mir ſchon be¬ kannt war, begegnete ich hier zuerſt, nicht ohne wech¬ ſelſeitige Anziehung. — Graf Alexander zur Lippe, edel, zartſinnig, gebildeten und ſtrebenden Geiſtes, aber auch wirrkoͤpfig, einbilderiſch und abſchweifend, lebte in em¬ pfindſamſter Seelenſchwingung, und verbreitete Ruͤhrung und Innigkeit um ſich her, die aber bei leiſen Anlaͤſſen wunderlich aus der unbefriedigten Spannung auch in Schaͤrfe und Saͤure umſchlugen, womit er ſich und28 Andre dann nicht wenig quaͤlte, bis man ihn wieder, was nicht ſchwer wurde, auf Scherz und Laune zuruͤck¬ brachte. In erhabenen Freundſchaften lebte er mit edlen Frauen; einen abweſenden Freund, Herrn von Brockes, fuͤhrte er bei jeder Gelegenheit zaͤrtlichſt im Munde; auch mit mir tauſchte er jetzt Haͤndedruck und Ver¬ trauensworte, und durchflocht meine Neigungen und ſeine; die Leidenſchaft, zu welcher eine jugendliche Schoͤne ihn entflammt hatte, verbarg er keineswegs, wenn auch die letztere ſelbſt als ein zartes Geheimniß verſchwiegen blieb.
Einen neuen Mitſtrebenden entdeckte und gewann ich in einem jungen Manne, der in dieſem Hauſe von Kind¬ heit an lebte, wie ein Sohn gehalten wurde, und auf dem Komtoir beſchaͤftigt war, aber ſich außer den be¬ ſtimmten Zeiten wenig ſehen ließ, und uͤberhaupt in ſeiner ſchweigſamen Stille ſich kaum bemerkbar machte, obgleich er fuͤr durchaus klug und kundig galt. Eines Tages fuͤhrte zufaͤlliges Geſpraͤch uns naͤher zuſammen, wir vertieften uns in Betrachtungen des Lebens und der Poeſie, ſeine Verſchloſſenheit hielt gegen meine an¬ dringende Waͤrme nicht aus, er bekannte mir, daß auch er dichte, und wollte mir ſeine Erzeugniſſe nicht vor¬ enthalten. Seine Gedichte waren klar und empfindungs¬ voll; ſie entzuͤckten mich; und als ich den Andern meine gemachte Entdeckung mittheilen, ihnen die Verſe wieder¬ holt vorleſen durfte, wollte man das Wunder kaum29 glauben; vereinigte ſich aber bald in Lob und Beach¬ tung des aus ſeinem bisherigen Inkognito hervorge¬ tretenen Dichters, und ich genoß die reinſte Freude, in Wilhelm Neumann einen ſo wuͤrdigen als faͤhigen Freund erworben zu haben. Daß er eine Neigung im Herzen hegte, war nicht aus ſeinen Gedichten allein zu ge¬ wahren; ſeine Gewoͤhnung zu ſchweigen ließ jedoch kei¬ nen naͤheren Aufſchluß erfolgen, erſt ein Jahr ſpaͤter wurde dieſer mir durch ungluͤckliche Umſtaͤnde enthuͤllt; inzwiſchen war die ganze Gemuͤths - und Geiſtesſtim¬ mung von dieſer innern Waͤrme belebt und erhoͤht.
Neues Zuſtroͤmen erfolgte zu dieſen ſchon anſchwel¬ lenden poetiſchen und ſentimentalen Fluthen durch die Bekanntſchaft, die mir nach einiger Zeit in Charlotten¬ burg mit einem preußiſchen Offizier zu Theil wurde, der, auf die erſten leiſen, gleichſam freimaureriſchen Zeichen einer ſolchen Bruͤderſchaft, ebenfalls ganz un¬ vermuthet ſich mir als Dichter enthuͤllte, und zwar als einer von der ſeltſamſten Art, die groͤßtentheils ſchon darin begruͤndet lag, daß dieſer deutſche Dichter eigent¬ lich ein Franzoſe war. Herr von Chamiſſo hatte als Knabe mit ſeinen Aeltern die Heimath beim Ausbruche der Revolution verlaſſen, war als Emigrirter nach Ber¬ lin gekommen, hier bei der verwittweten Koͤnigin als Page und darauf als Offizier im Infanterieregiment von Goͤtz angeſtellt worden, und in dieſem Verhaͤltniſſe ge¬ blieben, waͤhrend ſeine Familie, gleich den meiſten andern30 Emigrirten, denen es geſtattet war, begierig das Vater¬ land wieder aufgeſucht hatte. Den Franzoſen konnte Chamiſſo in keinem Zuge verlaͤugnen. Sprache, Be¬ wußtſein, Sinnesart, Memoiren und Wendungen, alles erinnerte an ſeine Herkunft, nur war ſein ganzes Weſen dabei mit einer beſondern, ſeinen Landsleuten ſonſt nicht grade eignen Ungeſchicklichkeit behaftet, die doch viele Gewandtheiten und Fertigkeiten gar nicht ausſchloß, ſondern ihnen nur etwas Wunderliches zugeſellte, wor¬ aus denn allerlei hervorging, was er ſelbſt oder Andre als Unfall oder Uebelſtand zu tragen hatten. Seine langen Beine, die knappe Uniform, der Hut und Degen, der Zopf, der Stock und die Handſchuhe, alles konnte ihm unvermuthet Aergerniß machen; am meiſten aber und ſichtbarſten kaͤmpfte er mit der Sprache, die er unter gewaltigen Anſtrengungen mit einer Art von Meiſter¬ ſchaft und Gelaͤufigkeit radebrechte, welches er auch in der Folge zum Theil beibehalten mußte. Er hatte deutſche Lieder und Elegieen gedichtet, ſogar einen Fauſt in Jamben angefangen, und ich hoͤrte mit Staunen und Bewunderung, was er davon mit ſeiner zerquetſchenden Ausſprache, in einer Thuͤr ſtehend, und den Durchgang hemmend, mir aus dem Gedaͤchtniß herſagte. Auch dieſer Poeſie wurde ich ſogleich ein ruͤhmender Verbreiter, und alsbald des Dichters, der ſich als der bravſte Kerl von der Welt zu erkennen gab, vertrauter Herzens¬ bruder. Die deutſche Bildung und Sprache waren der31 Gegenſtand ſeiner tiefſten Verehrung und Sehnſucht, und unſre Beſtrebungen in dieſem Gebiete arbeiteten ſeitdem im foͤrderlichſten Verein. War aber ſein Geiſt durchaus den Deutſchen zugewandt, ſo hatte doch in ſeinem Herzen eine ſchoͤne Landsmaͤnnin den Vorzug behalten, welche durch Schickſale hierher verſchlagen war; ſie vereinte mit tiefer Schoͤnheit eine ſeltne Bildung, wie ſie denn Engliſch und Italiaͤniſch vollkommen ſprach, und eben ſo den Shakſpeare und Taſſo wie ihren Racine las. Ihre Auszeichnung und Lage deutete auf hoͤhere, doch ungluͤckliche Verwickelungen, deren Geheimniß aber, aller Forſchungen ungeachtet, ſtets bewahrt geblieben.
Unſer verſtaͤrkter Bund gerieth nun in thaͤtige Be¬ wegung, wir bereicherten durch Austauſch unſre Gefuͤhle und Anſichten, theilten einander unſre Schriftſteller mit, und ſuchten uns gemeinſchaftlich zur Hoͤhe der Littera¬ tur emporzuheben. Ich begann Klopſtock, Voß und Wieland weniger feſtzuhalten, wiewohl ich ſie nicht auf¬ gab, ſondern ihren ſchon mißkannten Werth noch mit Gluͤck behauptete, ſelbſt einmal gegen Adam Muͤller, der mir auch Hoͤlty, Salis und andre ſolche noch ein¬ raͤumen mußte. Dagegen ſtieg Schiller maͤchtig empor, und alle uͤberragte mehr und mehr Goethe, deſſen Schriften, und beſonders Wilhelm Meiſter, unſre Haupt¬ buͤcher wurden. Die Paradoxen des Athenaͤums und die Spruͤche des Novalis fuͤhrte hauptſaͤchlich Lippe bei uns ein, die Gedichte von Wilhelm Schlegel las ich32 ſtill und laut zu vielenmalen. Neumann hatte ſich man¬ ches von Tieck erſehen; Schleiermacher wurde genannt, ich erhielt ſeine Monologen zum Geſchenk, und dieſer ſtrenge, aber ſchwungvoll ausgedruͤckte wiſſenſchaftliche Inhalt wurde mit dem lyriſch-ſentimentalen des Hoͤl¬ derlin’ſchen Hyperion als gleichartige Erquickung von uns Duͤrſtenden genoſſen. Wir hatten Alle erſtaunlich viel zu lernen, und nicht bloß nach innen, ſondern auch nach außen hin zu lernen, um unſrem geiſtigen Erſchauen die erforderliche Unterlage zu geben, und dieſes Lernen konnte fuͤr uns nur aus fortwaͤhrendem Erleben und Betreiben hervorgehen. Wir ſahen einander bei allen Gelegenheiten; jeder ſonſt gleichguͤltige Beſuch, jede Fahrt uͤber Land, jedes Geſchaͤft wurde uns bedeutend und fruchtbar, und wir waren weit entfernt, dieſe Bildungs¬ ſchule unangenehm zu finden, ſo ſehr wir deren Maͤn¬ gel in Betreff der wuͤnſchenswerthen gelehrten Kennt¬ niſſe und Uebungen einſahen. Die Geſellſchaft gewann durch dieſe geiſtige Bewegung zuſehends an Leben und Reiz, und die Spruͤche des paradoxen Ernſtes, die Ein¬ faͤlle der Laune und des Witzes fielen ſo reichlich ab, daß wir anfingen, ſie in ein kleines, zu dieſem Zwecke gehaltenes blaues Heft zu ſammeln, wo beſonders die wunderlichen und oft ungemein treffenden Schlagworte Lippe’s ſich anhaͤuften. Die Frauen behaupteten in dieſem Treiben ihre Stelle, und waren ihm nach Kraͤf¬ ten foͤrderlich, wiewohl ſchon mitunter einige Regungen33 zuckten, die wegen des Weitergehens bedenklich machen konnten, denn eine der erſten Wirkungen unſrer wett¬ eifernden Thaͤtigkeit mußte ſein, daß wir gewahr wur¬ den, wir ſeien bisher, wie in der Litteratur, ſo auch im Leben, allzu zahm und billig geweſen, und nun annahmen, wir duͤrften vieles keck als gemein und ge¬ ring verwerfen, was wir bisher geachtet, und muͤßten uns, um nicht als geduldige Haſenfuͤße zu gelten, als ſtoͤßige Boͤcke gebaͤrden. Die Schlegel’ſchen Geſinnun¬ gen und Beiſpiele hatten viel Verfuͤhreriſches fuͤr junge Leute, welchen, bei ſchon befeſtigter Bildung, ihre ab¬ getragenen Unarten als etwas doch vielleicht Geniales zum nochmaligen Wiederanprobiren noch nicht zu entfernt lagen. Aber wir hielten, gutgeartet und brav, uns bei allen Lockungen doch beſcheiden genug. —
In dieſe chaotiſche Gaͤhrung, aus der ſich nach Zu¬ fall und ohne Ziel und Ordnung alles neu geſtalten ſollte, fiel uns zum Gluͤck bald ein ſtaͤrkeres Licht der Autoritaͤt, durch welche, neben ſo vielem Schwankenden und Verworrenen, auch wieder Feſtigkeit und Zuſammen¬ hang vor Augen ſtand. Ich lernte naͤmlich Fichte’n kennen. Eine Dame, die ich oͤfters beſuchte, lud mich mit ihm zuſammen in ihre Loge, um die Braut von Meſſina zu ſehen. Spaͤterhin ſahen wir ebenſo die Eugenie von Goethe. Mit Ehrfurcht huldigte ich dem tiefen Geiſt und großen Karakter, mit Freimuͤthigkeit forderte und beſtritt ich ſeine Ausſpruͤche, ſoweit meineII. 334Kraͤfte reichten. Er ließ mich freundlich gewaͤhren, und beſchied mich wohlwollend in ſeine Wohnung. Hier ſah ich einen Weiſen, deſſen Handlungen mit ſeinen Worten und Lehren Eins waren, und der vom Lichte der Ge¬ danken wie von ſittlicher Wuͤrde ſtrahlte. Willig gab er mir Beduͤrftigen ſeine leitenden Rathſchlaͤge, ließ ſich auf das Einzelne meiner Lage und meiner Studien mit mir ein, empfahl mir dringend das klaſſiſche Alterthum, ſagte mir gradezu, ich muͤſſe vollſtaͤndiger die Roͤmer und gruͤndlich die Griechen kennen lernen, zeigte mir Ziel und Weg, gebot ſtrengen Wandel und eiſernen Fleiß, und wies mich dagegen fuͤr jetzt noch von aller Bemuͤhung mit eigentlicher Philoſophie entſchieden zuruͤck. Ich glaubte einen goͤttlichen Mann vor mir zu ſehen, wenn er ſo ſprach, die Gradheit und Redlichkeit leuch¬ teten ihm aus den Augen, und liebevolle Guͤte beglei¬ tete ſeinen erhabenen Ernſt. Wenn ſeinen Ermahnungen ganz nachzuleben auch weder mein Sinn noch ſelbſt die Gelegenheit erlaubte, ſo blieb doch dies Vorbild tief in meiner Seele, und ich nahm von Zeit zu Zeit immer meine Zuflucht zu dem herrlichen Mann, der dann jedesmal mit Nachſicht und Kraͤftigung meinem guten Willen beiſtand. Auch Chamiſſo machte ſeine Bekannt¬ ſchaft und erfuhr gleiche Einwirkung von ihm, die andern Freunde nicht minder, und fuͤr uns Alle blieb fortan uͤber allem truͤben irren Gewoge des Lebens dieſer Stern in hellem Glanze leuchtend und leitend, zu dem wir35 zuverſichtlich emporblickten, um uns zum Rechten und Wahren zu vereinigen und zu ſtaͤrken. — —
Fuͤr mich gab es in meinen Verhaͤltniſſen fortwaͤhrend Ertrag genug, um von dem, was ſich Widriges und Laͤſtiges andraͤngte, mich nicht gaͤnzlich befangen zu laſſen. Eine Fahrt nach Potsdam ließ uns heitre geſellige Freude an dieſem ſchoͤnen Orte genießen, und ich wurde mit dieſem denkwuͤrdigen Aufenthalt eines großen Koͤnigs umſtaͤndlich bekannt. Ich ſah Fichte'n von Zeit zu Zeit, und immer mit nachhaltiger Herzſtaͤrkung. Mit den juͤngern Freunden ging der poetiſche Verkehr lebhaft fort, und unſre Poeſie athmete nicht blos in unſern Gedichten, ſie war das Element, in welchem wir lebten. Mit Chamiſſo knuͤpften ſich die Bande ſtets feſter. Da¬ gegen war mit Lippe mehrmals Gefahr voͤlliger Ent¬ zweiung, er nahm alles uͤbel, auch die Erwiederung deſſen, was er doch ſelbſt eben veruͤbt hatte, und einſt ging er in duͤſtrer Wuth grimmig von mir weg, weil ich ihm den ſchlechten Spaß, daß er mir den Knoten der Halsbinde im Geſpraͤch neckend geloͤſt hatte, nicht ohne die gleiche Vergeltung hingehen ließ; da er dann ſchmerzlich bei Chamiſſo klagte, daß ich ihn haͤtte erwuͤrgen wollen, bis dieſer von mir den Anlaß erfuhr, und mit mir daruͤber lachte, ja ſogar einige heroiſche Verſe da¬ ruͤber lieferte. Dergleichen beguͤtigte ſich doch auf der Stelle wieder, und ſolche Vorfaͤlle und Begegniſſe trugen3 *36unſrem Zuſammenleben nur eine ſtaͤrkere Unterlage von Geſchehenem und Verarbeitetem zu.
Aber auch an wichtigen Gegenſtaͤnden konnt’ ich meine Betrachtung in dieſer Zeit uͤben. Unerwartet fand ich mich mit der Freimaurerei beſchaͤftigt. Ich hatte gehoͤrt, daß Fichte, nachdem er weder bei den Gelehrten noch beim großen Publikum hatte durchdrin¬ gen koͤnnen, zu dem Verſuche gekommen war, ſeine Lehre dem Freimaurerorden zur Pflege und Ausbreitung zu uͤbergeben, und dieſem ſelbſt dadurch eine neue Weihe zu verſchaffen. Der Gedanke, dieſe geheimnißvolle Ge¬ ſellſchaft, die ſich in ihrer eignen Geſchichte und Bedeu¬ tung laͤngſt nicht mehr zurecht zu finden ſchien, und deßhalb nach Umſtaͤnden, bald abentheuerlicher Sehnſucht, bald menſchenfreundlichen Allgemeinheiten ihre weite Form und bequeme Maſſe leihen mußte, dieſen in allen Welt¬ theilen wirkſamen Bund von Verbruͤderten zu einem Organ der Philoſophie zu machen, die Stufen ſeiner Weihe nach dem Lichte der Wiſſenſchaft beſtimmen zu laſſen, und gleichſam ein Pythagoraͤiſches Inſtitut in unſrer Zeit wieder hervorzurufen, ein ſolcher Gedanke hatte allerdings etwas Großes und Lockendes, womit grade ein Fichte die hoffnungsvollſten Ausſichten ver¬ binden durfte. Freilich war die Sache gleich bei der erſten Beruͤhrung voͤllig geſcheitert, und es zeigte ſich, daß man uͤber die Faͤhigkeit des Ordens wie uͤber die Stimmung der Mitglieder durchaus falſch geurtheilt hatte,37 und daß die Zwecke, Gewohnheiten, Liebhabereien und Kaͤmpfe der Loge auf tauſend Meilen von der Wiſſen¬ ſchaftlehre abſtanden. Aber daß Fichte auch nur einen Augenblick hatte glauben koͤnnen, hier feſten Grund zu finden, gereichte noch immer bei uns der Maurerei zum Ruhme, und durfte das Intereſſe naͤhren, mit welchem gelegentlich die Geheimniſſe zur Sprache kamen, uͤber die man am liebſten doch perſoͤnlich zu erfahren wuͤnſchte, wie es damit beſchaffen und was eigentlich daran ſei. Meine Aufmerkſamkeit war durch obige Erwaͤhnung wieder auf die Freimaurerei gewandt, und ich aͤußerte wohl einmal die Ungeduld, noch nicht das in Preußen geſetzlich erforderte fuͤnfundzwanzigſte Lebensjahr erreicht zu haben, um zu dieſen Myſterien zutrittfaͤhig zu ſein.
Dies war nicht unbeachtet geblieben. Profeſſor Darbes, ein nicht ungeſchickter Portraitmahler, vorzuͤg¬ lich aber als heitrer und kundiger Lebemann geſchaͤtzt und geſucht, war in der Berliner Geſellſchaftswelt ſehr ausgebreitet; ſeine Kunſt, ſein unterhaltender Humor, ſeine gewandte Sprechfertigkeit, und beſonders auch die Freimaurerei, welche er von Grund aus zu kennen und mit Eifer zu treiben im Rufe ſtand, gaben ihm in den vornehmſten wie in den mittlern Kreiſen leichten Zutritt und ein gewiſſes Anſehn. In Kopenhagen geboren, von katholiſchen Aeltern ſtammend, die ihn zum geiſt¬ lichen Stande beſtimmt hatten, aber bald verwaiſt und fruͤh in die Weltſchule gekommen, hatte er ſich in38 St. Petersburg und Riga, wo er am meiſten gelebt, fran¬ zoͤſiſche Denkweiſe, Bildung und Betragen, wie ſie in der vornehmen Geſelligkeit andrer Nationen wiederzu¬ finden waren, und ebenſo den vollkommen freien Ge¬ brauch der franzoͤſiſchen Sprache, gluͤcklich angeeignet; die Freimaurerei fuͤgte ſo vielen Leichtfertigkeiten einen gewiſſen Ernſt und feierlichen Hintergrund bei, wodurch die ganze Perſoͤnlichkeit eine vortheilhafte Bildung erhielt. Man konnte ihn fuͤr einen Abbé halten, fuͤr einen klugen und ausgearbeiteten, dem das Geiſtliche nur ein Mittel zum Weltlichen iſt. Er war ein kleiner, blonder, raſcher Mann, auf magern aber breit und feſt geſtellten Beinen mit zuruͤckgebogener Haltung einen etwas haͤngenden Leib und ein zugeſpitztes kahles Haupt tragend, von ſtrenggehaltener Miene, die ſich aber jeden Augenblick in die poſſenhafteſte Grimaſſe verziehen konnte, aus grauen lebhaften Augen feſt und keck umherblickend, dabei ſtets bereit zu reden und vorzutragen, ſei es, daß er Geſchichten erzaͤhlte, oder Lebensmaximen dozirte, oder auch, indem er die Geſellſchaft anredete, bald Ein¬ zelne heranzog, bald wieder allein ſprach, die wunder¬ lichſten Poſſen mehr auffuͤhrte als vortrug, und dies alles mit einem Sprudel von Humor und Gebaͤrden begleitete. Die Aufmerkſamkeit der Hoͤrer fehlte ihm nie, ihres Lachens war er gewiß, und ihr Beifall ent¬ ging ihm ſelten. Seine Hauptmaxime war, man muͤſſe es gut haben und froͤhlich ſein, und indem er ſich faſt39 zum Narren der Geſellſchaft machte, bezeigte er den groͤßten Abſcheu, der Narr des gemeinen Lebens zu ſein. Er hatte den Uebermuth, den vornehmen Leuten an ihrer reichbeſetzten Tafel mit heftiger Beredſamkeit begreiflich zu machen, daß er ja nur deßhalb zu ihnen komme, weil er ſich gerne hoͤren laſſe, und lieber bei ihnen Kapaunen und Champagner genieße, als fuͤr ſich allein magres Rindfleiſch und Weißbier. Seine betrieb¬ ſame Klugheit erſtreckte ſich auf hundert kleine Erfin¬ dungen und Vortheile, die er hoͤchlich anpries, und in allen kleinen Verlegenheiten des Lebens war er uner¬ ſchoͤpflich an Auskunft und Huͤlfsmitteln. Mit Stolz ruͤhmte er, daß ich weiß nicht welcher geiſtreiche Mini¬ ſter von ihm geſagt: „ C'est un grand homme dans les petites choses! “ Eben ſo wußte er ſich viel damit, daß er ſeine Dienſtfertigkeit ſtreng auf ſolche Faͤlle be¬ ſchraͤnke, wo dieſelbe als letzte Zuflucht in Anſpruch genommen werde, nur wenn man bei allen andern Freunden ſchon vergebens geweſen, dann erſt ſolle man zu ihm kommen, und dann ließ er ſich auch keine Muͤhe und Anſtrengung verdrießen. Von ſeinen Sonderbar¬ keiten und Einfaͤllen waͤre noch viel zu erzaͤhlen, der Stoff beduͤrfte aber eines Diderot, um nach allen Seiten gebuͤhrend ausgebildet zu werden. Denn neben dem oberflaͤchlichen Weltgetriebe war ihm eine tiefere Richtung nicht abzuſprechen, und im Grunde ſeines Weſens wohnte die menſchenfreundlichſte Gutmuͤthigkeit, rechtliche Ge¬40 ſinnung, und wahrhafte Tugenden der Geſelligkeit. Er hatte Zeiten der tiefſten Schwermuth, in denen er ſich aber nicht ſehen ließ, ſondern einſame Spaziergaͤnge machte, oder ſich auf ſein Zimmer verſchloß. Als ſeine Einkuͤnfte ſchwaͤcher wurden, ſchraͤnkte er ſich mit vielem Gleichmuth ein, ging zum Beiſpiel in das groͤbſte Tuch gekleidet, und zeigte ſich ſo mit Behagen in den Saͤlen der Reichen und Vornehmen, von denen er jede Geld¬ huͤlfe ſtolz verſchmaͤhte. Bei den Eindruͤcken, die ich von dem Manne ſo lange Jahre in der Seele trug, war es mir keine geringe Freude, als ich vor einiger Zeit ſeinen Namen unerwartet in des Architekten Wein¬ brenner Selbſtbiographie vorkommen fand, begleitet von Erzaͤhlungen und Zuͤgen, worin ich ihn ganz wieder¬ erkenne. Auch freut es mich, in Weinbrenners Buche die guten Eigenſchaften des Mannes, bei anfangs zwei¬ deutiger Erſcheinung, durch den Verfolg in helles Licht geſetzt zu ſehen.
Dieſer Mann erſuchte mich eines Nachmittags in Charlottenburg, wo er einige Zeit wohnte, ihm auf ſein Zimmer zu folgen, wo er geheim und vertraut mit mir zu reden habe. Wir ſetzten uns auf das Sopha, den Thuͤren gegenuͤber, die er weit offen ſtehen ließ, denn ſo, ſagte er, nicht durch Zuſchließen, ſichre man ſich am beſten gegen alles Lauſchen, indem man die Thuͤren des Vorzimmers im Auge habe, und jeden Kommenden gleich in der Ferne wahrnehme. „ Sie41 ſprachen neulich, ſo hob er an, von der Freimaurerei, und wuͤnſchten von ihren Geheimniſſen naͤher unterrichtet zu ſein. Ich kann Ihre foͤrmliche Aufnahme in den Orden nicht bewirken, weil hier das obrigkeitliche Verbot nicht zu umgehen iſt, und dann bin ich auch ſelbſt ohne Einfluß und Verbindung mit den hieſigen Logen, ſeit¬ dem die Feßler’ſche Spaltung, von der neulich die Rede war, ſein und mein Ausſcheiden zur Folge hatte. Allein ich kann dennoch Ihren Wunſch erfuͤllen. Hoͤren Sie mir zu! Seit langer Zeit ſchon fuͤhlen wir, die wir hoͤher im Orden ſtehen und tiefer eingeweiht ſind, daß ſeine Grundlagen veraͤndert werden muͤſſen. Die großen Geheimniſſe und der furchtbare Eid, ſie zu verſchweigen, kamen uns laͤngſt als veraltet vor, wir entbanden uns dieſer Feſſeln, und berechtigten uns gegenſeitig, mit dem Inhalte wie mit der Form der Sache im Intereſſe derſelben nach eignem freien Urtheil zu ſchalten. Was als weſentlich der Maurerei noch inwohnt oder mit Wahrheit ihr beigelegt werden kann, hat mit ihrer jetzigen Beſchaffenheit nur noch ſchwachen Zuſammen¬ hang. Man iſt nicht Maurer, weil man in die Loge aufgenommen worden, man kann es in hoͤherem, und ſelbſt von der Loge anerkannten Sinne, auch außerhalb derſelben ſein. Ich finde bei Ihnen alle Eigenſchaften, die Ihnen Anſpruch geben, dem Orden anzugehoͤren, und ich will, wenn es Ihnen genehm iſt, Sie in den¬ ſelben vollſtaͤndig einweihen. “ Dieſer Rede, die ich42 mit Dank und Eifer annahm, folgten weitlaͤufige Mit¬ theilungen aus der Geſchichte und uͤber die gegenwaͤr¬ tigen Verhaͤltniſſe der Freimaurerei, uͤber ihre Gebraͤuche, Einrichtungen, und andre Aeußerlichkeiten. Mir wurde empfohlen, der Sache weiter nachzudenken, und gegen niemand ein Wort davon zu reden. Dieſe Belehrungen wiederholten ſich, wobei meine Erwartung doch im Ganzen wenig befriedigt wurde; weder der eigentliche Urſprung der Geſellſchaft noch ihre beſtimmten Zwecke wollten recht hervortreten, die Zeichen und Worte und Ceremonien erſchienen als iſolirte Alterthuͤmer, deren Bedeutung in dem Schwall modernen Auslegens und Hinzumiſchens ganz untergegangen; das Vorhandene wurde groͤßtentheils als gemein und verwerflich vorge¬ ſtellt, das Beſſere als erſt in Kuͤnftigem zu hoffen. Und bei allen dieſen Gebrechen und Scheinſamkeiten ſollte das freimaureriſche Treiben uͤberhaupt doch in hoͤchſtem Werthe ſtehen, und die Neigung des ausge¬ ſtoßenen und abtruͤnnigen Bruders hielt, der Einſicht entgegen, an demjenigen feſt, was durch ſo lange Jahre die richtigſte und vertrauteſte Lebensgewoͤhnung, der Gegenſtand ſo vieler Thaͤtigkeit und die Quelle ſo mannigfachen Ertrages geweſen war! Aus dieſem Zwieſpalt der Zuneigung und des Widerwillens kam Darbes nicht heraus, wie ein Liebhaber, der die un¬ getreue Geliebte zugleich ſchelten und doch noch preiſen moͤchte, und in dem Mißgefuͤhle, welches ſich einſtellte,43 wenn ich dergleichen Widerſpruch nicht mitmachen konnte, fanden auch unſre Lehrſtunden nach und nach ihre Stockung. Mir aber war der Blick in ein weites Feld menſchlicher Thaͤtigkeiten und Beziehungen eroͤffnet worden, in die lockendſten Fluren der Begeiſterung und der Schwaͤrmerei, deren Eintritt mir nur als gleich¬ zeitige Enttaͤuſchung gewaͤhrt wurde, wie ſie wohl ſelten einem jungen Manne an ſolcher Schwelle vorausgege¬ ben wird.
Von einer andern Seite her ſollte nicht minder ein Streifen der Welthaͤndel aus ihren dunklen Wirrgaͤngen mich einen Augenblick hell anſchimmern. Ein engliſcher Jude Lewis Goldſmith, damals geruͤhmt als Verfaſſer freimuͤthiger politiſchen Schriften, dann als Herausgeber des zu Paris in engliſcher Sprache erſcheinenden Tage¬ blattes Argus bekannt, und ſpaͤter als Urheber der luͤgenhaften Schmaͤhſchrift uͤber den Hof von Saint - Cloud beruͤchtigt, kam waͤhrend des Sommers 1803 nach Berlin, und ſprach als alter Bekannter in unſerm Hauſe ein. Er ſchien mit Geld uͤberfluͤſſig verſehen und in großem Behagen zu leben, von den politiſchen Verhaͤltniſſen und Perſonen wußte er viel Merkwuͤr¬ diges mitzutheilen, und fuͤr den Erſten Konſul Bona¬ parte nahm er heftig Parthie, doch ſichtlich weniger aus Ueberzeugung als aus Prahlerei und Vortheil, denn er verhehlte nicht, daß er ſein Gluͤck auf jenen Mann geſtellt habe, und noch weniger, daß ſein Gluͤck44 in Wohlleben beſtehe. Seine Munterkeit gefiel ſich im Anſtoͤßigen und im Schadenfrohen, und ſo ſehr uns Andern dies widrig war, ſo ſehr unterhielt es den Hausherrn, dem der kecke Ton des Geſellen faſt nicht weniger imponirte, als die Sendung, auf welcher der¬ ſelbe jetzt begriffen war, und die er ihm als altem guten Freunde nicht hatte verhehlen wollen. Er befand ſich naͤmlich auf einer Reiſe nach Warſchau, mit ge¬ heimen Auftraͤgen Bonaparte’s und großen Vollmachten und Kreditbriefen verſehen, um den dort wohnenden franzoͤſiſchen Kronpraͤtendenten, nachherigen Koͤnig Lud¬ wig den Achtzehnten, zu verſuchen, ob er gegen große Geldvortheile, die ihm Bonaparte anbieten ließ, zu deſſen Gunſten auf die Krone von Frankreich wuͤrde verzichten wollen. Gleich nach der Abreiſe des Gold¬ ſmith vertraute mir der Hausherr dies Geheimniß, wo¬ durch er, zur Berichtigung meines geringſchaͤtzigen Ur¬ theils, ſeinen Freund mir recht hoch zu ſtellen meinte. In der That war die Sache bedeutend, und ſehr ge¬ heim; ſie gab einen fruͤhzeitigen Blick in die damals noch ſorgſam verhuͤllten Plane des Erſten Konſuls, und man hat ſpaͤter den Vorgang laͤugnen wollen. Der Mann kam nach einiger Zeit von Warſchau zuruͤck, ich ſah ihn auch dann wieder, aber nur fluͤchtig, ſeine mißmuthige Eile ließ genug errathen, daß er keinen Erfolg gehabt, wie denn auch ſeine eigne Ausſage be¬ ſtaͤtigte. Mir war in meiner damaligen Stimmung45 nichts gleichguͤltiger, als die politiſchen Angelegenheiten, ein Gedicht war mir wichtiger, als der ganze Staat, ein Ereigniß im Kreiſe unſrer Herzens - und Geiſtes¬ beſchaͤftigung bedeutender, als alle Schlachten und Friedensſchluͤſſe: aber gleichwohl war mir das nahe Vorbeigehen einer ſo beziehungsreichen Staatsſache zu merkwuͤrdig, als daß ich nicht vielfach daruͤber nachge¬ dacht und ein fruͤhes Vorbild fuͤr viele ſpaͤtere Erfah¬ rungen darin aufgefaßt haͤtte. —
Ein Staatsmann beſſerer Art und hoͤherer Ordnung wurde mir in dem portugieſiſchen Geſchaͤftstraͤger Pin¬ heiro-Ferreira vertraulich bekannt. Aeußerſt klein und ſchmaͤchtig von Geſtalt, faſt nur ein Knaͤbchen von Anſehn, ſo daß man von ihm ſagte, er ſei ein Kuͤchlein uͤber der Sparlampe ausgebruͤtet, wußte er doch durch gemeſſenes und feines Betragen, und durch einen ſchoͤnen Ernſt, wie er Suͤdlaͤndern oͤfters eigen iſt, einen wirk¬ ſamen Eindruck von Wuͤrde zu geben, und um ſich her Achtung zu gebieten. Ich weiß nicht, wodurch eigent¬ lich ſeine Zuneigung mir gewonnen wurde, allein er ſchenkte ſie mir in hohem Grade, und ſprach viel mit mir uͤber deutſche Dichter, denen er anhaltenden Fleiß widmete, ſo wie er mir auch von portugieſiſcher Litte¬ ratur vieles erzaͤhlte, und beſonders den Dichter Dinis anruͤhmte, von dem er Verſe mit Begeiſterung her¬ ſagte. Auch uͤber Homer und Homeriſche Mythologie nahm er unſre deutſchen Einſichten, ſo weit ich ſie mit¬46 theilen konnte, begierig auf, und bezeigte nur einiges Mißtrauen gegen das, was unmittelbar von den Schlegel herruͤhrte. Er machte mir kein Geheimniß von ſeiner politiſchen Lage, und ich erſchrack zu hoͤren, daß er ein Gefangener der Inquiſition geweſen, und vom ſichren Tode nur durch den großmuͤthigen Freiſinn des Prinz - Regenten von Portugal gerettet worden, der ihm eine diplomatiſche Anſtellung im Auslande zum Schutz ge¬ geben, welchen im Inlande dauernd ihm zu gewaͤhren alle ſeine Macht nicht ausgereicht haben wuͤrde. Die erlittenen Drangſale hatten ihm ein truͤbes Gewoͤlk auf der Seele zuruͤckgelaſſen, das ihn doch noch hinderte, auch den zarteren Gefuͤhlen ihr Recht zu geben. Denn das unſcheinbare Maͤnnchen hatte ſchon von Portugal einen huͤbſchen Knaben mitgebracht, der auf fruͤhere Verbindungen deutete; in Berlin aber durfte er ſich der Aufmerkſamkeit zweier Damen zu gleicher Zeit erfreuen, die gleichſam um ihn wetteiferten. Er hei¬ rathete ſpaͤter die eine derſelben und nahm ſie mit nach Braſilien, wo er zwanzig Jahre ſpaͤter als Miniſter der auswaͤrtigen Angelegenheiten, und darauf als ſolcher in Portugal ſelbſt, eine wichtige Rolle ſpielte, und den gemaͤßigten Konſtitutionellen angehoͤrte, bis die Umge¬ ſtaltung der Dinge ihn ſeinen Aufenthalt in Paris neh¬ men ließ. Ich las ſeinen Namen in den Zeitungen nie ohne innigen Antheil, und begruͤßte ihn fernhin47 mit Worten ſeines Lieblingsdichters Dinis, die er mir in mein Stammbuch geſchrieben hatte. —
Hier iſt nun auch eines perſoͤnlichen Erſcheinens zu gedenken, deſſen erſter Eindruck mir in jener Zeit wurde. Eines Abends, da ich den zum Thee Verſammelten aus Wieland einiges vorlas, wurde Beſuch gemeldet, und bei dem Namen entſtand ſogleich die Art von Be¬ wegung, welche ſich der Erwartung von Ungewoͤhn¬ lichem und Guͤnſtigem verknuͤpft. Es war Rahel Levin — oder Robert, denn auch den letztern Namen fuͤhrte ſie ſchon damals. Oft ſchon hatte ich ſie nennen hoͤren, von den verſchiedenſten Seiten her, und immer mit einem ſo beſondern Reize der Bezeichnung, daß ich mir dabei nur das außerordentlichſte, mit keinem andern zu vergleichenden Weſen denken mußte. Was von ihr in¬ ſonderheit Lippe und Frau von Boye mir geſagt, deutete auf ein energiſches Zuſammenſein von Geiſt und Natur in urſpruͤnglichſter, reinſter Kraft und Form. Auch wenn man einigen Tadel gegen ſie verſuchte, mußte ich im Gegentheil oft das groͤbſte Lob daraus nehmen. Man hatte von einer gerade jetzt waltenden Leidenſchaft viel geſprochen, die, nach den Erzaͤhlungen, an Groͤße und Erhebung und Ungluͤck alles von Dichtern Beſun¬ gene uͤbertraf. Ich ſah in geſpannter Aufregung, den Andern zum Laͤcheln, dem nahen Eintritte der Ange¬ kuͤndigten entgegen. Es erſchien eine leichte, grazioͤſe Geſtalt, klein aber kraͤftig von Wuchs, von zarten und48 vollen Gliedern, Fuß und Hand auffallend klein; das Antlitz, von reichem, ſchwarzen Haar umfloſſen, ver¬ kuͤndete geiſtiges Uebergewicht, die ſchnellen und doch feſten dunklen Blicke ließen zweifeln, ob ſie mehr gaͤben oder aufnaͤhmen, ein leidender Ausdruck lieh den klaren Geſichtszuͤgen eine ſanfte Anmuth. Sie bewegte ſich in dunkler Bekleidung faſt ſchattenartig, aber frei und ſicher, und ihre Begruͤßung war ſo bequem als guͤtig. Was mich aber am uͤberraſchendſten traf, war die klang¬ volle, weiche, aus der innerſten Seele herauftoͤnende Stimme, und das wunderbarſte Sprechen, das mir noch vorgekommen war. In leichten, anſpruchsloſen Aeußerungen der eigenthuͤmlichſten Geiſtesart und Launen verbanden ſich Naivitaͤt und Witz, Schaͤrfe und Lieb¬ lichkeit, und allem war zugleich eine tiefe Wahrheit wie von Eiſen eingegoſſen, ſo daß auch der Staͤrkſte gleich fuͤhlte, an dem von ihr Ausgeſprochenen nicht ſo leicht etwas umbiegen oder abbrechen zu koͤnnen. Eine wohl¬ thaͤtige Waͤrme menſchlicher Guͤte und Theilnahme ließ hinwieder auch den Geringſten gern an dieſer Gegen¬ wart ſich erfreuen. Doch kam dies alles nur wie ſchnelle Sonnenblicke hervor, zum voͤlligen Entfalten und Verweilen war diesmal kein Raum. Kleine Necke¬ reien mit Graf Lippe, der kuͤrzlich bei ihr nicht war angenommen worden, und deßhalb boͤſe thun wollte, erſchoͤpften ſich bald; der ganze Beſuch war uͤberhaupt nur ſehr kurz, und ich wuͤßte mich eigentlich keines49 beſtimmten Wortes zu erinnern, in welchem etwas aus¬ gepraͤgt Geiſtreiches, Paradoxes oder Schlagendes ſich zur Bewahrung dargeboten haͤtte, aber die unwider¬ ſtehliche Einwirkung des ganzen Weſens empfand ich tief, und blieb davon ſo erfuͤllt, daß ich nach der bal¬ digen Entfernung des merkwuͤrdigen Beſuchs einzig von ihm reden und ihm nachſinnen mußte. Man ſcherzte daruͤber, und weil der Scherz faſt verdrießlich wurde, ſo trotzt 'ich ihm deſto eifriger durch Nieder¬ ſchreiben eines Sonetts, das den empfangenen Eindruck begeiſtert ſchildern wollte, und das ich die Dreiſtigkeit hatte, eben weil man ſie mir bezweifelte, am andern Tage verſiegelt abzuſchicken, ohne daß ich weiterhin etwas von der Sache gehoͤrt oder ihr nachgefragt haͤtte. Rahel Levin ſelbſt wiederzuſehen war mir darauf Jahre lang nicht beſchieden. Ihr Namen aber blieb mir als ein ungeſchwaͤchter Zauber in der Seele, nur ahnete ich auf keine Weiſe, daß mit jenem fruͤhen Begegnen und jenen vorlauten Zeilen ein erſter Ring gefuͤgt worden, an welchen viele folgende ſich anreihen und die entſcheidenſte Wendung und die dauernſte Vereini¬ gung meines Lebens geknuͤpft ſein ſollte. —
Alles und jedes mehrte nur immer unſre Gedichte, und ſie wuchſen bald allzu gedraͤngt, als daß ſie nicht endlich aus dem Pult unruhig an das Licht geſtrebt haͤtten. Der Gedanke des Druckenlaſſens ging mir und Chamiſſo'n ploͤtzlich auf, als wir am ſpaͤten AbendII. 450allein im Garten wandelten, wir vereinigten uns auf der Stelle zu gemeinſamer Ausfuͤhrung, zu welcher die Herausgabe eines Muſenalmanachs ſo bequem als anſtaͤndig erſchien. Wir theilten die Sache Neumann mit, der voll Eifer beitrat. Als wir aber unſre Vor¬ raͤthe naͤher unterſuchten, fanden wir das Meiſte wegen perſoͤnlicher Ruͤckſichten kaum mittheilbar, und da wir uͤberhaupt nur das Beſte liefern wollten, ſo fiel die Auswahl ſo klein aus, daß wir uns nach andern Zu¬ ſchuͤſſen umſehen mußten. Chamiſſo unternahm es auf Werbung auszugehen, und einige Freunde anzuſprechen, von deren poetiſchen Liebhabereien er ſchon Kenntniß hatte. Allein, noch ehe wir ſelbſt gedruckt waren, ſahen wir uns gleich zuerſt in Stolz und Macht des Richter¬ amts verſetzt, und mußten die erſten Beitraͤge, die uns angeboten wurden, des Druckes unwerth erklaͤren. Beſſer gelang es mit andern. Der damalige Referendarius beim Kammergericht, jetzige Kriminaldirektor Hitzig, uͤbergab willkommene Ueberſetzungen aus dem Spaniſchen, Engli¬ ſchen und Italiaͤniſchen nebſt ein paar eignen Stuͤcken unter ſeinem Vornamen Eduard; Ludwig Robert, Bruder von Rahel Levin, ſteuerte aus ſeinem Schatze reichlich bei; und Franz Theremin, Kandidat des Predigtamtes von der franzoͤſiſchen Kolonie, begluͤckte uns mit einigen Blaͤttern. Durch eine ungluͤckliche Nachgiebigkeit kam auch ein Gedicht von dem ſogenannten Naturdichter Gott¬ lieb Hiller hinein, das wir nachher hundertmal weg¬51 wuͤnſchten. Nun war ein leidliches Manuſcript bei¬ ſammen und geordnet, allein jetzt mußte damit ein Durchbruch bei irgend einem Verleger verſucht werden, und hier zeigten ſich große Schwierigkeiten. Chamiſſo’s und meine Bemuͤhungen bei Buchhaͤndlern, die wir kannten oder nicht kannten, ſchlugen ſaͤmmtlich fehl, man wagte nicht an der Vortrefflichkeit unſrer Gedichte zu zweifeln, aber man wollte Namen, die ſchon be¬ ruͤhmt und bekannt waͤren, und wir mußten voll In¬ grimm ſehen, daß man dafuͤr auch ſolche gelten ließ, uͤber die wir uns weit erhoben glaubten, und deren wir uns nur geſchaͤmt haͤtten. Endlich war nichts an¬ deres zu thun, wenn wir gedruckt ſein wollten, als es auf unſre Koſten zu werden, und es fand ſich ein guter Mann in Leipzig, der ſeine Firma dazu hergab. Chamiſſo war es eigentlich, der mit ſeinem Gelde das Unternehmen machte, und obgleich Neumann und ich einen Theil der Exemplare ihm abkauften, wird er doch, bei dem ſonſtigen geringen Abſatz, nicht ganz ohne Einbuße davon gekommen ſein. Genug, wir waren gedruckt, wir Alle zum erſtenmal, und das war keine Kleinigkeit! —
Von dem litterariſchen Werthe dieſer Jugendver¬ ſuche kann gar keine Rede mehr ſein; ganz unabhaͤngig von dieſem aber verknuͤpfte ſich fuͤr uns Theilnehmer ein unendlicher Lebensgewinn mit dieſem gruͤnen Buche, wie es von der Farbe ſeines Umſchlags fortan hieß. 4 ✷52Unſre Freundſchaft befeſtigte ſich durch dieſes gemein¬ ſame Auftreten, neue ſchloſſen ſich zahlreich an, ver¬ wandtes Streben und empfaͤnglicher Sinn nahm, wenn auch nur im Stillen, von uns Kunde, und in weiter Ferne und ſpaͤten Jahren begegneten uns noch werthe Wirkungen einer damals erregten guͤnſtigen Aufmerk¬ ſamkeit. Aber auch unmittelbar durften wir unſern Muth, unſre Zuverſicht und ſelbſt unſer Talent durch ein Erſcheinen erhoͤht fuͤhlen, das wir unter keines fremden Namens Gunſt und Schutz, ſondern als Neu¬ linge ſelbſtſtaͤndig in eigner Leitung gewagt. In den Stand eines Autors zu treten, waͤre es auch nur mit ſo geringen Mitteln, als die unſrigen damals, duͤrfte zu keiner Zeit, ſo lange nicht die litterariſchen Verhaͤltniſſe und ſelbſt die Sitten eine große Umwandlung erfahren, als etwas Gleichguͤltiges anzuſehen ſein. Die Ehre und der Reiz, welche damit verbunden ſind, ſchimmern lockend auch den Koͤnigen und Helden, und von allen Genuͤſſen, die dem Alter nach und nach abſterben, haͤlt dieſer am laͤngſten aus. Man denke daher, welch ein Schritt fuͤr uns Juͤnglinge dies war; wir empfingen damit eine neue Muͤndigkeit, die wir ſelbſt ausgaben; wir traten auf das Feld, wo die Kraͤnze lagen, und wenn wir Dichter zu ſein behaupteten, ſo mochte dies im aͤſthetiſchen Sinne noch ferner wie bisher bejaht oder verneint werden koͤnnen, im litterariſchen waren wir es aber einmal gewiß.
53Aufſehen genug bewirkten wir, in unſrem naͤchſten Kreiſe das außerordentlichſte; die Frauen beſonders wa¬ ren gereizt und geſchmeichelt, an dem Schmuck unſrer Dichtung, der jetzt erſt gefaßt worden, ſo nahen Theil zu haben. Ein aͤlterer Mann von Gewicht und Anſehn unter uns war faſt empfindlich, und pruͤfte ſich, ob er ſelber nicht auch zu dem Muſenalmanach haͤtte bei¬ tragen koͤnnen, er wollte ſich das gar nicht verneinen, und gab zu verſtehen, ſein ſchlummerndes Talent haͤtte wohl gleiche Aufmerkſamkeit, wie das der juͤngeren ver¬ dient. Kieſewetter, den ich noch von Zeit zu Zeit ſah, fand unter meinen Gedichten zwar die Ueberbleibſel deſſen, was er an mir geruͤhmt und gefoͤrdert hatte, allein zugleich ein Sonett von Friedrich Schlegel, und uͤberhaupt ſo viel Sonette, daß er mich geradezu fuͤr verloren gab. Bald kamen aber auch die oͤffentlichen Kritiken, einige Tagesblaͤtter gaben uns ein maͤßiges Lob, andre ſetzten uns tief hinab. Man wußte nicht recht, was man aus uns machen ſollte; die Hauptfrage, ob wir der neuen oder der alten Schule angehoͤrten? war nicht leicht zu entſcheiden, da wir keine Fahne tru¬ gen, und ſowohl fuͤr das eine wie fuͤr das andre ſich Zeichen fanden. Einige Schlegelianer ſahen das Alte fuͤr uͤberwiegend an, und geißelten uns tuͤchtig, indem ſie auch das, was zu dem Neuen ſtrebte, fuͤr verfehlt erklaͤrten. Am ſchlimmſten aber verfuhr Garlieb Mer¬ kel mit uns, der verrufene kleine Kritiker, der den54 Verſtand und Geſchmack gegen die neue Schule zu ver¬ fechten unternommen hatte, und in dieſem Kampfe das poſſierlichſte Schauſpiel und die traurigſten Bloͤßen gab. Doch galt er bei vielen Leuten noch als eine Stuͤtze der guten Litteratur, und weil er uns unbedingt fuͤr Juͤn¬ ger der neuen Schule erklaͤrte, ſo mußten wir es auch ſein, obgleich weder durch litterariſche Richtung noch durch perſoͤnliches Anſchließen irgend einer von uns bis jetzt dahin zu rechnen war, ſondern bei Einigen viel¬ mehr noch Abneigung und Widerwillen beſtand. Der Fall, daß ich Partheifarbe tragen ſollte, die mir fremd war, hat ſich in der Folge oft wiederholt, und wird ſich da immer einfinden, wo ein redlicher Sinn dem eignen Lichte folgt, ohne dieſes ſo ſtark leuchten laſſen zu koͤnnen, daß Andre ihm folgen; denn nichts will die Welt ſchwerer glauben, als daß man nicht ſein Heil in der Menge ſuche, und daher, wenn man nicht Dienſte austheilen kann, ſolche nehme.
Ich kann es noch heute (1831), da achtundzwanzig Jahre ſeitdem verfloſſen ſind, mit tiefſter Wahrheit ebenſo wie damals betheuern, daß mir dieſe unguͤnſti¬ gen und zum Theil hoͤhniſchen Kritiken wenig Kummer machten, ſie empoͤrten mich eher, aber mich niederſchla¬ gen konnten ſie nicht. Der aͤchten Lebensquelle in mir war ich verſichert; daß ſie ſtroͤmte, war nicht meine Willkuͤr, ob meine Gedichte fuͤr ſich ſelbſt vor dem Publi¬ kum beſtehen konnten, oder nur zu dem Gedichte mei¬55 nes Lebens gehoͤren ſollten, das mußte ſich eben erwei¬ ſen, und wie ſehr ich das erſtere wuͤnſchen und hoffen mochte, ſo blieb doch das letztere auch noch ein gutes Loos. Auch wandten wir Freunde den Sinn von dem Publikum voͤllig ab, und ſuchten Gewinn und Luſt ein¬ zig im Innern unſres eignen Treibens, welches in ſich ſelbſt erhoben wurde, und auch von außen Zuwachs erfuhr.
Chamiſſo machte mich zuvoͤrderſt mit den Poeten des Almanachs, die mir perſoͤnlich noch fremd waren, be¬ kannt. Ich ſah Hitzig, Robert, und endlich auch The¬ remin, der mir ſogleich als ein hoͤherer Geiſt erſchien, und mich beſonders durch ſeine ſchoͤne, wohlklingende und edle Sprache einnahm. Was fuͤr Ideen wir aus¬ tauſchten, mit welchen Kenntniſſen wir einander gegen¬ ſeitig aushalfen, in was fuͤr Anſichten und Urtheilen wir uns abwechſelnd einigten und ſchieden, welche Ent¬ deckungen uns aufgingen, das ließe ſich fuͤr ſolche, die nicht Aehnliches erlebt haben, kaum darſtellen. Weil jeder den Tag uͤber ſeine Geſchaͤfte hatte, ſo verlegten wir unſre Zuſammenkunft auf den ſpaͤten Abend bis tief in die Nacht. Dieſe poetiſchen Thee's des gruͤnen Bu¬ ches, wie wir ſie nannten, weil daſſelbe die Grundlage und die Hauptbeziehung unſres Zuſammenkommens blieb, nahmen ihren Anfang ſehr einfach bei Hitzig, der vielen Raum hatte, und durch liebenswuͤrdigen Sinn und geſelligen Geiſt den anziehendſten Vereinigungspunkt56 bildete; und ſo gaben uns dieſe Zuſammenkuͤnfte durch innige Waͤrme der Freundſchaft und durch geiſtige Er¬ hebung ein reines Gluͤck zu koſten, welches die Nacht uns von den Sternen herabzurufen ſchien, im Gegen¬ ſatze des Tages, der die Verbundenen wieder in die mannigfachſten Geſchaͤfte einer Wirklichkeit zerſplitterte, die ſich auch noch von jenem geheimen Lichte moͤglichſt erhellen ſollte. Die ſpaͤteren Thee’s, die dann abwech¬ ſelnd auch bei Lippe, Robert und Theremin gehalten wurden, hatten ſchon die Einfachheit und Unſchuld der erſten nicht mehr, es draͤngten ſich ſchon mehr Anſpruͤche und Abſichten herzu. Auch hatte die Geſellſchaft ſchnell zugenommen. Ein ſinnvoller gutmuͤthiger Stubengenoſſe und nachheriger Schwager Hitzigs, von Uthmann, und ein liebenswuͤrdiger Schickſalsgefaͤhrte Chamiſſo’s, Graf von Lafoye, franzoͤſiſcher Emigrirter und preußiſcher Of¬ fizier wie er, und auch in Kenntniß und Uebung des Deutſchen ihm nachſtrebend, brachten dem urſpruͤnglichen Ton und Behagen keine Aenderung. Unruhiger, ver¬ ſchiedenartiger, belebter und zerriſſener wurden die Abende durch die Einfuͤhrung Koreff’s, eines jungen Arztes aus Breslau, der ſeine, Studien in Berlin vollendete, und ſeine univerſelle Genialitaͤt auch in Gedichten, uner¬ ſchoͤpflich aber in jeder Redeweiſe, in erhabenen, humo¬ riſtiſchen und poſſenhaften Ausbruͤchen, an den Tag legte; mit ihm gleichzeitig wurde auch Georg Reimer und darauf noch einige andre wirkliche oder angebliche57 Poeſiefreunde zu unſern Verſammlungen gezogen, wo nun die glaͤnzendſte Unterhaltung gepflegt wurde. In der Folge kehrte mehr Einfachheit und Innigkeit zuruͤck, die Geſellſchaft war kleiner, Koreff tiefer mit uns be¬ freundet und gefuͤhlvoll-ernſt in ſeinen Mittheilungen; meiſtens trafen wir bei Chamiſſo auf der Wache zuſam¬ men, wenn er ſie am Brandenburger oder Potsdammer Thore hatte, und zwiſchen militaͤriſchen Unterbrechungen hin verwachten wir halbe und ganze Naͤchte in Geſpraͤ¬ chen uͤber Poeſie oder Studien - und Lebensplanen, deren Ausfuͤhrung uns leider noch ferne lag.
Manches Aufmunternde kam uns waͤhrend dieſer Zeit noch von andern Orten zu. Zacharias Werner, Verfaſſer der Soͤhne des Thales, ſandte von Warſchau eine umſtaͤndliche Rezenſion unſres Almanachs an ſeinen Freund Hitzig mit einem begeiſterten Brief, er nahm jeden von uns einzeln vor, urtheilte mit verſchiedenen Modifikationen von jedem guͤnſtig, und belegte ſein Ur¬ theil durch angefuͤhrte Stellen; dies war ſo ſchmeichel¬ haft, als belehrend, und ſetzte uns in einige Bewegung, doch blieb die Rezenſion ungedruckt, weil wir den noͤthigen Betrieb nicht daran wandten. Auguſt Wilhelm Schlegel hatte ſich, ſo hoͤrten wir, aufmunternd fuͤr uns geaͤußert, und nahm als unzweifelhaft an, daß wir Juͤnger der neuen Schule ſeien, ſchon weil uns Merkel als Dahingehoͤrige geſchimpft hatte. Mit Bernhardi machten wir Bekanntſchaft, mit Winzer, der als Schrift¬58 ſteller Adolph Werden hieß, und damals einen ſtaͤrkern Schwung nehmen wollte, als er ausfuͤhren konnte. Auguſt Bode bezeigte von Weimar her ſeine Theilnahme fuͤr uns. Den groͤßten Werth aber behielt Fichte's Ur¬ theil, und daſſelbe war beſonders mir vortheilhaft, wie ich bei folgender Gelegenheit erfuhr. Als ich eines Tages die Treppe zu ihm hinauf ſtieg, hoͤrte ich hinter mir einen Offizier nach ihm fragen; wir wurden beide vorgelaſſen, und der Offizier uͤbergab einen Brief aus Warſchau von Mnioch. Es war ein Freund von Hitzig und Uthmann, und ſchon laͤngere Zeit von ihnen er¬ wartet. In dieſem rauhen Kriegshelden hatte ſich die ſchaͤumendſte poetiſche und philoſophiſche Begeiſterung angeſetzt, und trieb ihre Blaͤschen immerfort, bis zur groͤßten Berauſchung. Von Mnioch und Werner auf¬ gereizt, kam er nach Berlin, bloß um Fichte und Schle¬ gel zu hoͤren, und nebenher einige wilde Aufſaͤtze drucken zu laſſen, welche er wie Thaten behandelte, die fuͤr ihn und die Welt gleiche Wichtigkeit haͤtten. Er hat nachher im Kriege ſich ſehr brav gehalten, und dieſe Wirklichkeit ſcheint ihn von ſeinen Phantaſien geheilt zu haben. Damals aber mußte man ihm ſeinen guten Willen anrechnen, wie auch Fichte that. Dieſer nun fragte mich bei Gelegenheit dieſes Beſuchs, ob ich Mnioch kenne, welches ich verneinte. Aber aus ſeinen Schrif¬ ten wuͤrde ich ihn doch kennen, meinte jener, und als ich auch dies verneinte, und eine Art Befremden dar¬59 uͤber durch die Bemerkung beſeitigen wollte, daß ich erſt ſeit einigen Monaten freie Zeit habe, mich in der neueſten Litteratur umzuſehen, wunderte ſich Fichte und ſetzte unerwartet hinzu: „ Wenigſtens geſchafft haben Sie laͤnger, das ſieht man! “ Ein beſtimmtes Urtheil uͤber meine Gedichte, um welches ich jetzt ihn zu bitten wagte, wollte er weiter nicht geben, und meinte, es liege ſchon in dem vorigen; ſagte aber denn doch, er halte mich fuͤr den kunſtreichſten der Genoſſen, daß aber, um Dichter zu ſein, jetzt kleine lyriſche Stuͤcke nicht ausreichten, ſondern man muͤſſe ein groͤßeres Ganze, einen Roman, ein Epos oder ein Drama geliefert ha¬ ben. Das letztere nahm ich mir tief zu Herzen, dem erſtern Theil ſeines Spruches aber konnt 'ich im Innern nicht beiſtimmen, als hoͤchſtens in Betreff einiger pro¬ ſodiſchen Fertigkeit; fuͤr das Weſentliche der Poeſie ſetzt' ich Chamiſſo groͤßtentheils und Theremin unbedingt uͤber mich.
Da Auguſt Wilhelm Schlegel zum Winter aͤſthetiſche Vorleſungen ankuͤndigte, ſo ließen wir uns dieſe gute Gelegenheit nicht entgehen. Seine Ueberſicht der deut¬ ſchen Dichtkunſt in ihrer geſchichtlichen Entwicklung, und die Beiſpiele, die er aus fruͤheren Zeiten reichlich mit¬ theilte, waren mir von großem Nutzen. In den Wuſt von einzelnen Kenntniſſen und Anſichten, die ich nach Zufall aufgehaͤuft, kam mehr Ordnung und Zuſammen¬ hang, ich lernte auch fuͤr mein eignes Dichten feſtere60 Bahn betreten, und was zu vermeiden und zu erſtre¬ ben ſei, wurde mir klarer. Uebrigens muß ich geſtehen, daß Schlegel uns ſchon damals ſchien, mehr Talent als Geiſt zu haben, und wenn ihm auch Neumann und ich noch großes Zutrauen widmeten, ſo wollte er doch den Andern wenig mehr genuͤgen, und ſie ſprachen gering¬ ſchaͤtzig von ihm, welches ich ihnen als Uebermuth an¬ rechnete. Eine ſtarke Stuͤtze gab ihnen freilich das Ur¬ theil Fichte’s, der einmal unumwunden erklaͤrte, Tiefe fehle dem aͤltern Bruder und Klarheit dem juͤngern, ge¬ meinſam ſei ihnen beiden aber der Haß, welchen ſie allerdings gegen das Gemeine haͤtten, und die Eiferſucht, die ſie gegen das Hoͤhere empfinden, welches ſie ſelbſt doch weder zu ſein noch zu laͤugnen vermoͤchten, und daher aus Verzweiflung uͤbermaͤßig lobten, ſo ihn ſelbſt und Goethe’n. Unwillkommen ſchloſſen ſolche Aeußerun¬ gen mir das zerruͤttete Innere von litterariſchen Zuſtaͤn¬ den und Verhaͤltniſſen auf, die ich fuͤr die reinſten und eintraͤchtigſten gehalten hatte. Allein mir ſchien, daß auch der Eigenheit Fichte’s etwas nachzuſehen ſei, und ich wollte daher die Sachen nicht ſo ganz ſchlimm glau¬ ben, als er ſie ausſprach, und am wenigſten konnt’ ich den andern zugeſtehen, ihrerſeits ſo zu richten und zu verdammen, wie dies etwa Fichte thun durfte, weil er eben Fichte war.
Einen luſtigen Abend brachte uns die Auffuͤhrung von Roberts Ueberbildeten nach Moliere’s Précieuses61 ridicules, die er ſehr artig bearbeitet und den neueſten Thorheiten angepaßt hatte. Wir waren ſaͤmmtlich im Theater, und obwohl die Ausfaͤlle auf die neue Schule und beſonders das Laͤcherlichmachen der Sonettform und der Aſſonanzen im Alarcos uns zum Theil nicht behagten, ſo dachten wir doch ſchon partheiiſch genug, um daruͤber hinzuſehen und durch vereintes Klatſchen ſowohl das Einzelne wie das Ganze gegen Wind und Wetter durch¬ zubringen. Nach geendigtem Schauſpiel gingen wir zum Italiaͤner, ließen Punſch und ſuͤße Weine geben, und berauſchten uns mehr noch als in dieſen in unſern eige¬ nen Reden, Stegreifgedichten und theatraliſchen Auf¬ tritten. Ich zog im erhitzten Taumel Chamiſſo’s Degen, und als man mich entwaffnen wollte, wurde Lafoye an der Hand geritzt, gluͤcklicherweiſe nicht bedeutend, auch ging der Abend ungeſtoͤrt fort, bis tief in die Nacht, wovon mir weiter keine Erinnerung blieb, und ein paar wuͤſte Tage die ſtrafende Folge waren.
Der Winter war unter ſolchen Freuden und Fahr¬ ten verſtrichen und ein neuer Fruͤhling angebrochen. Unſrer Dichtergenoſſenſchaft aber drohte, nachdem ſie kaum ſich recht einzuleben angefangen, leider auch ſchon ein nahes Auseinandergehen. Hitzig wurde durch ſeine juriſtiſche Laufbahn von Berlin nach Warſchau entfuͤhrt, Theremin ſollte in Genf ſeine geiſtlichen Weihen empfan¬ gen, Koreff wollte nach Halle zuruͤckkehren um zu pro¬ moviren, Lafoye erhielt die Nachricht von dem Todesfall62 ſeines Vaters, und ſeine Mutter berief ihn dringend nach Caen, wo er fortan ihr zum Troſt immer verblei¬ ben ſollte. In dieſer Zeit grade ſchloſſen ſich aufs innigſte unſre Herzen aneinander, unſre Empfindungen, Vorſaͤtze und Geiſtesrichtungen entfalteten und erhoben ſich auf den Schwingen der gluͤhendſten Vereinbarung, unſer Vertrauen kannte keinen Ruͤckhalt, alles Aeußere lag zwiſchen uns wie vernichtet. Als Haupt und Mei¬ ſter unſres Bundes ſtand jetzt entſchieden Koreff da, welcher an Kenntniſſen und Geiſtesregſamkeit uns Alle uͤbertraf, und durch ſein tiefergriffenes Gemuͤth, in wel¬ chem eine hoffnungsvolle Leidenſchaft mehr und mehr aufwogte, und ihn weicher und lyriſcher ſtimmte, wie durch ſeine verſchwenderiſche Phantaſie uns hinriß und feſſelte. Was wir noch zu lernen hatten, war ihm laͤngſt erworben, er gab uns Anleitung und Rath, ſelbſt den erſten Unterricht, zum Beiſpiel im Griechiſchen, wollte er beſtreiten. Seine Liebe und ſein Willen fuͤr uns zeigten ſich graͤnzenlos. Beſonders mir galt ſeine Zuneigung und Aufmunterung. Er tadelte mich heftig, daß ich der Medizin entſagen wolle, er pries die goͤtt¬ liche Heilkunſt als den erhabenſten Beruf, er ſtellte ſie in das hellſte poetiſche Licht, und verſetzte ſie aus dem duͤrftigen Boden, auf welchem ich ſie nur kannte, in Mitte alles Ideenreichthums der Naturphiloſophie, die mir durch ihn zuerſt aufging, als auf ihr wahres Ge¬ biet, wo ſie als Koͤnigin ſchalte. Mit der Poeſie ließ63 er die Medizin Hand in Hand gehen, ein Sonett und ein Rezept waren in ſeiner Darſtellung nur verſchiedene Ausfluͤſſe derſelben Goͤttlichkeit. Genug, es war ihm ausgemacht, daß ich den Homer und Platon griechiſch leſen, aber daneben Schelling und Reil ſtudiren, und zugleich eigne Dichtungen hervorbringen muͤſſe. Seine Vorſtellungen waren lebhaft, eindringlich, bezaubernd, ſein eignes Beiſpiel wirkte verfuͤhreriſch, denn ſelten mag ſich in einem Menſchen ein ſolch angeborner Sinn und Geiſt fuͤr die Heilkunſt mit ſo zuſtimmend entwickelter allgemeinen Bildung vereinigen, wie in Koreff der Fall war, der auch als Student ſchon nach allen Weltſeiten hin ein gemachter Mann war, und als Arzt vielfach in Anſpruch genommen wurde. —
Im Fruͤhjahr 1804 ſah Berlin bedeutende littera¬ riſche Gaͤſte. Schillers Anweſenheit erregte große Be¬ wegung; nicht nur in allen Geſellſchaftskreiſen bemuͤhte man ſich um ihn, auch im Theater und auf der Straße vor ſeiner Wohnung ſchallte ihm der Jubel entgegen. Leider hab 'ich ihn nicht geſehen, ich war grade ver¬ ſtimmt, und mochte die Gelegenheit, die ich beſonders bei Fichte ſehr gut finden konnte, nicht aufſuchen. Ebenſo entging mir Frau von Staël, von der allgemein ge¬ ſprochen wurde, und die uns ſchneller, als ihre Abſicht war, wieder entſchwand, weil ſie die Nachricht von der lebensgefaͤhrlichen Krankheit ihres Vaters empfangen hatte. Sie entfuͤhrte Schlegel'n mit ſich nach der64 Schweiz, was wir nicht umhin konnten ihr zur Ehre zu rechnen, obgleich wir es ihm verdachten. Ungefaͤhr in dieſer Zeit kam auch Johann von Muͤller von Wien, um in Berlin eine hoͤchſt liberale Anſtellung zu genie¬ ßen, und der Geſchichtſchreiber Friedrich des Großen zu werden. Auch dieſe Erſcheinung machte Aufſehen, und der Name klang uns bedeutungsvoll entgegen, wenn auch wenigſtens mir der Mann ſelbſt damals noch nicht bekannt wurde. Noch ehe der Sommer kam, und be¬ vor die Freunde ſich dahin und dorthin nach ihrem Be¬ rufe zerſtreut hatten, ſchien auch fuͤr mich die Nothwen¬ digkeit eines Entſchluſſes zur Aenderung meiner Lage ſich dringender aufzuſtellen. Mir waren neue Lockungen, Entwuͤrfe und Ausſichten zum Studiren geworden, dann mußte ich mein bisheriges Verhaͤltniß als voͤllig unter¬ hoͤhlt erkennen, ich konnte meiner Arbeit auf dieſem Boden taͤglich weniger Frucht und Gedeihen verſprechen, auch ſeine Lebensbluͤthen fuͤr mich waren abgebluͤht.
Nach einigen Rathſchlaͤgen und Ueberlegen ſchied ich aus dem Hauſe, nicht ohne den innigſten Schmerz; denn die theuerſten Erinnerungen und die treuſte An¬ haͤnglichkeit hielten mich ihm auf immer verknuͤpft. Ich zog zu Chamiſſo, der mir gaſtliche Zuflucht angeboten hatte. In dieſer Zeit machte ich mit dem Grafen Caſa - Valencia naͤhere Bekanntſchaft. Wir laſen zuſammen deutſche und ſpaniſche Gedichte, ich erklaͤrte ihm jene, er mir dieſe. Er ſelbſt war ein gluͤcklicher Dichter,65 und oft ſchrieb er in meiner Gegenwart improviſirend artige Verſe hin, oder uͤberſetzte die eben geleſenen deutſchen in ſpaniſche, die Spinnerin von Goethe, und ein Lied von mir, waren ihm in Aſſonanzen, die ich noch bewahre, beſonders wohlgelungen. Zwei Baͤndchen ſeiner handſchriftlichen Gedichte, die er als Offizier im Felde mitfuͤhrte, hatte er durch einen Ueberfall in den Pyrenaͤen eingebuͤßt, aber da die Quelle ſeiner Lieder ihm nach Wunſch immer ſtroͤmte, ſo bekuͤmmerte jener Verluſt ihn wenig. Die ſpaniſche Litteratur kannte er gut, und als gruͤndlicher Sprachkenner wurde er dem Profeſſor Ideler bei ſeiner in Berlin erſchienenen vor¬ trefflichen Ausgabe des Don Quijote ſehr behuͤlflich. Er ſprach mir auch von Rahel Levin, die er oft ſah, und deren Witz und Art ihn lebhaft anregte; er konnte ihr Weſen nicht ganz begreifen, bewunderte aber deſſen Eigenheiten, indem er zugleich verſuchte, wiefern ſich ihnen widerſprechen ließe. Meinen eifrigen Wunſch, dort eingefuͤhrt zu werden, wollte er erfuͤllen, wir kamen aber zu ſchnell auseinander. Er wurde nach einiger Zeit vom Geſchaͤftstraͤger, welches er damals war, zum Geſandten befoͤrdert, und verließ Berlin noch vor dem Jahre 1806. In der ſpaniſchen Revo¬ lution nahm er, gleich den meiſten ſpaniſchen Diplo¬ maten, mehr gezwungen als willig, Parthei fuͤr Joſeph Bonaparte, gerieth ſpaͤter in’s Gedraͤnge und zog ſich nach Amerika, wo er das Ungluͤck hatte, in einer Volks¬II. 566bewegung zu Mejico das Opfer des Haſſes zu werden, der ihn als Vornehmen und als Altſpanier treffen mußte.
Die freie Zeit benutzt’ ich nach Herzensluſt. Wir ſahen auch den von Brockes und Lippe empfohlenen Heinrich von Kleiſt, einen liebenswuͤrdigen belebten jungen Mann, der ſich uns freundſchaftlich anſchloß, aber ſorgfaͤltig noch verhehlte, daß er ſchon als Dichter aufgetreten und Verfaſſer des Trauerſpiels „ Die Familie Schroffenſtein “ſei, und uͤberhaupt den Genius und die Kraft noch nicht verrieth, durch die er ſich nachher beruͤhmt gemacht, er gab ſich nur als einen antheil¬ vollen Strebenden, und ſchrieb mir in ſolchem Sinne in mein Stammbuch: „ Juͤnglinge lieben in einander das Hoͤchſte der Menſchheit, denn ſie lieben in ſich die ganze Ausbildung ihrer Naturen ſchon, um zwei oder drei gluͤcklicher Anlagen willen, die ſich eben entfernen. Wir aber wollen einander gut bleiben. Heinrich Kleiſt. “ Eine ſtaͤrkere Bewegung verurſachte Julius Klaproth unter uns, der von Halle ankam, und Briefe, Empfeh¬ lungen und Gedichte von Koreff an uns mitbrachte. Ein gemachter Gelehrter, der in ſeinem Fache, der chineſiſchen Sprachkunde, fuͤr einen Adler galt, oder zum wenigſten gelten wollte, der ganz friſch von Weimar, Jena und Halle kam, uͤberdies von Koreff uns geſendet war, und ſich unſren jungen, unreifen Sachen mit nachſichtsvoller Gleichſtellung anſchloß,67 mußte uns von außerordentlichſtem Reize ſein. Fuͤr ſeine orientaliſchen Studien und einige Poeſieen der neuen Schule bezeigte er vollen Ernſt und große Ach¬ tung, alle andere Gegenſtaͤnde behandelte er mit Scherz und Uebermuth. Poeſieen deklamirte er in Fuͤlle, und meiſt ging er aus dem urſpruͤnglichen Text in paro¬ direnden Humor und in die tollſten Stegreiffratzen uͤber. Wir gingen viel mit ihm, und brachten Tage und Naͤchte mit einander zu, im Thiergarten, beim Ita¬ liaͤner, bei ihm, bei uns, oft bei ganz geringer, zu¬ weilen bei uͤppiger Bewirthung. Er ſchien darauf aus¬ zugehen, alle Leute und Verhaͤltniſſe zu verhoͤhnen, und leiſtete darin alles, was geuͤbter Witz, muthwillige Ausgelaſſenheit und freche Dreiſtigkeit vermoͤgen. Aus kleinen Unfaͤllen machte er ſich nichts, gegen manche ſchuͤtzte ihn das Anſehn des beruͤhmten und geachteten Vaters, bei welchem er auch wohnte, andern wich er zu rechter Zeit durch Davonreiſen aus. Wir erlebten tauſend Spaß mit ihm, und ließen uns um deswillen auch manche Verlegenheit oder uͤble Nachrede gefallen, beſonders hielt ſich Neumann zu ihm, und war faſt ſein beſtaͤndiger Begleiter. Wir waren indeß ſo leicht nicht abzufinden, und auch eine ernſte und fruchtbare Seite mußte das Verhaͤltniß uns gewaͤhren; Klaproth konnte nicht umhin, uns mit der Lage und dem Inhalt ſeiner naͤheren Studien bekannt zu machen, und dies blieb nicht im Allgemeinen ſtehen, ſondern bildete ſich5 *68auch im Beſondern zu foͤrmlichen Unterrichtsſtunden im Perſiſchen aus, das er uns als leicht und gewinnreich anruͤhmte, und Chamiſſo draͤngte ihn ſogar zu den An¬ fangsgruͤnden des Chineſiſchen. So wenig dieſe Studien eigentlichen Grund bei uns hatten und ſo bald ſie auch abbrachen, lieferten ſie den Gewinn, fuͤr alle Folgezeit immer auf's neue ſchaͤtzbar, dieſe eigenthuͤmliche Welt einmal aus einem ihr ſelbſt angehoͤrigen, mit ihren eignen Mitteln errichteten Standpunkt auch nur von der Graͤnze naͤher angeſehen zu haben. Klaproth war auf dieſem Gebiete, wenn auch nicht ganz gruͤndlich und zuverlaͤſſig, doch noch am meiſten feſt und ſicher, in jeder andern Richtung durfte man ihm keinen Augen¬ blick trauen, er trieb mit Kenntniſſen wie mit Ver¬ ſprechungen Scherz, und ſeine lebhaften Thorheiten gingen ohne viel Bedenken auch in ſchlimme Wirklich¬ keit uͤber. Wenn er einen mahnenden Glaͤubiger in unſrer Gegenwart wegkomplimentirte, und dem Ver¬ troͤſteten, den kaum die Thuͤre entlaſſen hatte, feierlich den Homeriſchen Vers anwandte:
„ Jener hofft's! doch mit nichten gewaͤhrt ihm dieſes Kronion! “
oder wenn er die Akademie der Wiſſenſchaften, in deren Verſammlungsſaal er bei Gelegenheit, daß Hand¬ werker darin zu thun hatten, als muͤßiger Herum¬ ſtoͤrer einen Augenblick mit hereingedrungen war, da¬ durch verhoͤhnte, daß er einen alten Degen an Bind¬69 faden von der Decke des Zimmers auf den gruͤnen Tiſch herunterſchweben ließ, und auf dieſen dazu die Verſe aus Horaz mit dicker Kreide ſchrieb:
Destrictus ensis cui super impia Cervice pendet ...
ſo war dies allerdings nur poſſenhaft, und im Noth¬ fall bezahlte der Vater die Schulden, wußte auch den Zorn ſeiner akademiſchen Mitbuͤrger zu beſaͤnftigen. Aber es gab auch andre Faͤlle, wo die Tuͤcke wirklichen Schaden anrichtete, oder gar ernſtliche Strafe zur Folge haben konnte. —
Hamburg, 1804 – 1806.
Als willkommene Erſcheinung kam aus Berlin der verſpaͤtete aber noch endlich dem Drucke fertig entwun¬ dene zweite Jahrgang des Muſenalmanachs zu. Die Beitraͤge der fruͤhern Theilnehmer bezeugten ohne Zweifel manchen Fortſchritt, das Steigen unſers poetiſchen Ver¬ eins aber that ſich bedeutend in den neuen Theilneh¬ mern dar. Koreff, Karl von Raumer, Auguſta Klap¬ roth und Wolfart waren hinzugekommen, Theremin hatte ſeinen Namen genannt, unſern Stolz und Ruhm aber kroͤnte, daß Fichte ſelber mit vier Gedichten in unſrer Reihe ſtand. Der Almanach war diesmal in ordentlichen Verlag gegeben, es fehlte nicht an den Huͤlfsmitteln der Verbreitung, auch kam er in den70 Tagesblaͤttern genug zur Sprache, aber im Buchhandel konnte er, gleich dem vorigen, zu keinem Leben ge¬ langen. Seine Wirkung war dennoch in einem weiten Kreiſe nicht unbedeutend, und mehrte bei ſolchen Poe¬ tiſchgeſinnten, welche dem neuern Weſen ihren Sinn oder ihr Herz eroͤffnet hatten, unſer Anſehn und unſre Verhaͤltniſſe. —
Einige Bekanntſchaften von hoͤherer Anregung hatten inzwiſchen auch in meinem naͤchſten[Bereiche] ſich auf¬ gethan, und es kamen die poetiſchen und uͤberhaupt die litterariſchen Intereſſen bei Gelegenheit des gruͤnen Buͤchleins nur um ſo lebhafter zur Sprache. Am eifrigſten und hingegebenſten zeigte ſich Heinrich Julius, der nach einer in Berlin bei Feßler uͤberſtandenen Er¬ ziehung nun im vaͤterlichen Hauſe bequem ſeine Kennt¬ niſſe erweiterte, bis er zu ſeiner Zeit irgend einen Lebensentſchluß faſſen wuͤrde. Er ſtudirte ſpaͤter in Heidelberg Medizin und hat ſich in der Folge durch ſeine verdienſtlichen Arbeiten zur Verbeſſerung der Straf¬ anſtalten und Gefaͤngniſſe bekannt gemacht. —
Der bedeutendſte Mann, welchen ich in dieſer Zeit ſah, war ohne Zweifel Doctor Veit, ein aus Breslau gebuͤrtiger, in Hamburg anſaͤſſiger Arzt. Zwar verhielt er ſich zu meinen mediziniſchen Vorſtellungen noch pro¬ blematiſch; allein er hatte ſtrengwiſſenſchaftlichen Grund und Geiſt, und ſein tiefer, gebildeter Verſtand fuͤhrte ihn ſicher und feſt auch in Gebieten, die nicht gerade71 die ſeinigen waren. Ein Aufſatz von ihm uͤber Pascal, auch manche muͤndliche Eroͤrterungen, gaben mir einen hohen Begriff von ſeiner Einſicht, desgleichen mußte ich in ihm den Arzt dankbar verehren; gleichwohl ermaß ich ſeinen vollen Werth damals nicht, woran zum Theil ſeine ſcherzhafte und etwas mephiſtopheliſche Manier Schuld war, die ihn als Hausarzt am wenigſten kleidete, und ihm auch oft genug voͤllig verungluͤckte. Daß ich in ihm einen Jugendfreund Rahel’s zu ſchaͤtzen, und ſeine gehaltreichen, mit ihr gewechſelten Briefe einſt kennen lernen wuͤrde, lag in jener Zeit ungeahnet ver¬ borgen.
Ein helleres Licht ſtrahlte mir auf, als Friedrich Heinrich Jacobi im Februar 1805 zum Beſuch von Eutin nach Hamburg kam. Er ſtand im Begriff Hol¬ ſtein zu verlaſſen und ſich nach Muͤnchen zu begeben, wohin er als Mitglied der Akademie der Wiſſenſchaften mit anſehnlicher Beſoldung berufen war. Wollte ich den beruͤhmten Landsmann noch ſehen, der, ſchon ein Dreiundſechziger, aus dem noͤrdlichen Deutſchland ſich fuͤr immer entfernte, ſo durfte ich dieſe Gelegenheit nicht verſaͤumen. Mehr aber, als der Landsmann, reizte mich in ihm der mit Fichte in Verkehr ſtehende, der von Fichte im Leben Nicolai’s hoch anerkannte Geiſtgenoſſe, der Freund von Goethe, von Voß, von Jean Paul Richter und ſo vielen Andern. Ich faßte mir ein Herz und ging zu ihm. Mit ungemeiner Lie¬72 benswuͤrdigkeit nahm er mich auf, er hatte meinen Vater kaum, aber noch ſehr wohl meinen Großvater gekannt; meine Beziehung zu Fichte und mein Eifer fuͤr die neuere Poeſie regten ſein beſonderes Intereſſe und ich darf ſagen ſeine lebhafte Neugier auf, denn es war das erſtemal, daß ihm ein Juͤnger aus jenem Kreiſe perſoͤnlich vor Augen ſtand, und dieſes lebendige Beiſpiel gab ihm einen offnen Blick in dieſe Zuſtaͤnde und Geſinnungen, von denen ſo viel Abentheuerliches im Schwange ging, und in ſein eignes Verhaͤltniß zu denſelben, wie er denn kaum erwartet hatte, dort noch ſo gut zu ſtehen und ſo gerechnet zu werden, wie er an mir es erkennen mußte. Er fuͤhrte mich zu ſeinen beiden Schweſtern, in welchen mich die niederrheiniſche Natur ſtaͤrker anſprach, als in ihm, der in allgemeiner geiſtigen Bildung das Oertliche oder Provinzielle mehr uͤberwunden hatte. Da er bei Sievekings im Hauſe wohnte, wurde ich ſeinetwegen daſelbſt eingeladen, wo ich mich in einer großen gemiſchten Geſellſchaft von Herren und Damen fand, aber nicht ahnete, daß ich es war, auf den dieſe Verſammlung ihr Augenmerk vorzuͤglich richtete. Denn Jacobi hatte das Wunder erzaͤhlt, daß er unvermuthet einen Landsmann gefunden, der noch nicht lange von Berlin gekommen, und ein eifriger Schlegelianer ſei, und nun hatten es die Andern recht darauf angelegt, mich auf die Probe zu ſtellen. Jacobi redete mich uͤber Tiſch bei allgemeiner Stille73 mehrmals ſehr liebreich an, und gab mir Anlaß man¬ cherlei Urtheile zu aͤußern, weitere Geſpraͤche verknuͤpften ſich damit, und wiewohl alles in beſter Geſtalt und ohne eigentliches Gefecht ablief, ſo hatte das Ganze doch etwas von kriegeriſcher Demonſtration, bei welcher man die Truppen, die ſich ſchlagen koͤnnten, wenigſtens hin und her ruͤcken laͤßt. Mir fiel aber gar nichts bei der Sache auf, und mir ahnete nichts von der ge¬ faͤhrlichen Rolle, in die man mich geſtellt hatte. Ich war, freimuͤthig wie immer, und beſcheiden aus wahrer Achtung. Erſt viele Jahre nachher ſagte mir Perthes, der auch zugegen und im Geheimniß geweſen, daß man mich habe auf's Korn nehmen und zum Uebermuth ver¬ leiten wollen, da man denn nachher um ſo leichter mich wuͤrde in Verwirrung und in mir die Schlegel’ſche Schule zu einer Niederlage gebracht haben. Aber Perthes meinte, ich habe mich damals vortrefflich aus der Sache gezogen, mit ſolcher ſchicklichen Haltung und gemeſſenen Gewandtheit, daß man mir nichts anhaben gekonnt, ſondern mit Verwunderung mich habe gelten laſſen. Er fuͤgte hinzu, ich haͤtte ſchon damals meinen Beruf zum Diplomatiker voͤllig bewaͤhrt. Wenn ich dieſes Lob einmal annehmen ſoll, ſo traͤgt lediglich meine Unbefangenheit davon die Ehre, denn ich kann betheuern, daß ich weder Abſicht merkte noch hatte, und dieſe Wirkung einer Eigenſchaft, an deren Statt man meiſtentheils lieber Klugheit vorausſetzen will, habe74 ich noch oft zu meinem großen Vortheil, aber auch nicht ſelten zu meiner gaͤnzlichen Verkennung, erfahren muͤſſen.
Bei wiederholten Einladungen und vertraulichern Geſpraͤchen konnte ich Jacobi'n meine ganze Lage um¬ ſtaͤndlich aufdecken. Er bewieß mir vaͤterliches Wohl¬ wollen, verſprach in