PRIMS Full-text transcription (HTML)
Theophron, oder der erfahrne Rathgeber fuͤr die unerfahrne Jugend,
Ein Vermaͤchtniß fuͤr ſeine geweſenen Pflegeſoͤhne, und fuͤr alle erwachsnere junge Leute, welche Gebrauch davon machen wollen.
Inter opus monitusque maduere genae, Et patriae tremuere manus. (Ouidius. )
Zweiter Theil.
Hamburg1783bei Karl Ernſt Bohn.

III. Merkwuͤrdige Lebensregeln aus des Grafen von Cheſterfield Briefen an ſeinen Sohn, in einem zwekmaͤßigen Auszuge und mit noͤthigen Abaͤnderungen.

A 2[4][5]

Der Wunſch, daß alle Menſchen ſich gefaͤllig gegen uns beweiſen moͤgen, iſt algemein; eben ſo algemein ſolte auch das Beſtreben ſein, ſich andern gefaͤllig zu machen. Dis liegt mit in dem großen Grundgeſez aller Moralitaͤt: thue andern, was du wuͤnſcheſt, daß man dir thue. Zwar gibt es wirklich einige hoͤhere, aber keine liebens - wuͤrdigere Pflichten der Sittenlehre; und ich glaube ſie ohne Bedenken an die Spize derjenigen Tugenden ſezen zu duͤrfen, die Cicero die mil - dern virtutes leniores nent.

Ein wohlwollendes, fuͤhlendes Herz uͤbt dieſe Pflicht mit Vergnuͤgen aus, und erwekt damit zugleich Vergnuͤgen bei andern. Aber die Großen, die Reichen, die Maͤchtigen der Erde ſpenden oft ihre Gunſtbezeugungen ihren geringern Bruͤdern, ſo wie ihre uͤbrigen Brokken den Hunden; weder Menſch noch Hund weiß ihnen Dank dafuͤr.

Es iſt kein Wunder, wenn Gunſtbezeugungen, Wohlthaten, und ſelbſt Almoſen, die man ſo un - verbindlich ausſpendet, auch wenig oder gar nicht erkant werden. Denn Dankbarkeit iſt fuͤr vieleA 3Menſchen6Menſchen eine Buͤrde; ſie moͤgen nur zu gern ſich davon losmachen, oder wenigſtens ſie ſich erleichtern, ſo viel ſie koͤnnen.

Die Manier alſo, mit welcher wir Dienſte oder Wohlthaten erweiſen, iſt in Anſehung der Wirkung auf den Empfaͤnger eben ſo wichtig, als die Sache ſelbſt. Wofern du demnach Gelegen - heit haſt, dir andre verbindlich zu machen, ſo huͤte dich, daß du nicht dieſe Verbindlichkeit durch eine ſtolze Patronenmine, oder durch ein kaltes unfreundliches Betragen wieder aufhebſt: denn dieſes erſtikt die Erkentlichkeit in der Geburt. Menſchlichkeit treibt uns, Religion fodert uns auf, die Pflichten der Sittenlehre verbinden uns, das Elend und die Leiden unſrer Mitgeſchoͤpfe zu mildern, ſo viel wir koͤnnen; aber dis iſt noch nicht alles: denn wenn unſer Herz wirklich von Liebe und Wohlwollen durchdrungen iſt, ſo wer - den wir gern auch zu ihrer Zufriedenheit, und zu ihrem Vergnuͤgen ſo viel beitragen, als nur immer auf eine unſchuldige Weiſe geſchehen kan. Laß uns alſo nicht nur Wohlthaten um uns her werfen, ſondern auch Blumen ſtreuen, fuͤr unſreReiſe -7Reiſegefaͤhrten auf den rauhen Wegen dieſes muͤh - ſeeligen Erdenlebens.

Es gibt Leute, (und beſonders in dieſem Lande nur zu viel) welche, ohne die mindeſte ſichtbare Spur von Bosheit und ſchlechter Gemuͤthsart, doch dem Anſchein nach ganz und gar gleichguͤltig ſind, und nie den geringſten Wunſch aͤuſſern, an - dern zu gefallen, ſo wie ſie hingegen auch nie mit Abſicht jemand beleidigen. Ob das Traͤgheit, Nachlaͤßigkeit, Unachtſamkeit, ob es duͤſtres, melancholiſches Temperament, ob es Kraͤnklich - keit, Niedergeſchlagenheit, oder ob es ein ge - heimer, muͤrriſcher Stolz ſei, der aus dem Be - wußtſein einer eingebildeten Freiheit und Unab - haͤngigkeit entſpringt, wage ich nicht, zu entſchei - den; denn es gibt gar zu mannigfaltige Bewe - gungen in dem Herzen des Menſchen, und eben ſo ſonderbare Irthuͤmer in ſeinem Kopfe.

Was indes auch die Urſache davon ſein mag, ſo iſt gewiß, daß die Neutralitaͤt, welche die Folge davon iſt, ſolche Leute (wie jede Neutralitaͤt immer thut) veraͤchtlich und zu bloßen Nullen in der Geſelſchaft macht. Ganz gewiß wuͤrden ſieA 4aus8aus ihrer Traͤgheit erwachen, wenn ſie einmahl eine ernſthafte Ueberlegung uͤber den unendlich mannigfaltigen Nuzen anſtellen wolten, den das Beſtreben zu gefallen ihnen gewaͤhren wuͤrde.

Dieſer Nuzen aber iſt, duͤnkt mich, von ſelbſt klar, und braucht keines Beweiſes. Ich werde mich daher auch nicht dabei aufhalten; ein Wink daruͤber mag genug ſein. Derjenige, welcher ſich unablaͤßig beſtrebt, zu gefallen, leihet ſein vielleicht nur kleines Kapital von Verdienſt auf hohe Zinſen aus. Welchen Gewin wird nun nicht erſt aͤchtes Verdienſt unausbleiblich bringen, wenn es auch noch in dieſem Schmuk erſcheint! Mit Freuden wuͤrde ein kluger Wucherer auf ſo betraͤchtliche Zinſen und gegen eine ſolche Sicherheit ſeinen lezten Schilling austhun.

Derjenige, welcher die Kunſt verſteht, ſich Liebe zu erwerben, macht ſich beinahe ſo viel Freunde, als er Bekantſchaften macht; Freunde nemlich, im gangbaren Sin des Worts; nicht eben ſolche innige Herzensfreunde, als Pylades und Oreſtes, Nifus und Euryalus, u. ſ. w. einan -9einander waren; indes jederman wird ihm wohl - wollen, wird geneigt ſein, ihm Dienſte zu er - weiſen, ſo lange es ohne Aufopferung ſeines eignen Vortheils geſchehen kan.

Hoͤflichkeit iſt die Haupterforderniß in der Kunſt zu gefallen; ſie iſt die Frucht der Gutmuͤ - thigkeit und des geſunden Verſtandes: aber gibt der Hoͤflichkeit Glanz und feine Lebensart Zierde. Man erwirbt ſie ſich nur durch Umgang und die ſorgfaͤltigſte Aufmerkſamkeit auf das Betragen der Leute in guten Geſelſchaften. Ein ehrlicher Landman oder Fuchsjaͤger kan eben ſo wohl hoͤflich ſein wollen, als der feinſte Hofman; aber bei den erſten wird die Manier alles verderben; bei dem Manne von Lebensart hingegen giebt die Manier allem, was er ſagt oder thut, ſo viel Schmuk und Wuͤrde, daß oft Muͤnze von ſchlechtem Gehalt um des ſchoͤnen Gepraͤges willen gangbar wird. Auch hier kan man mit allem Rechte ſagen: ma - teriem ſuperat opus.

A 5Hoͤflich -10

Hoͤflichkeit iſt oft mit einem zeremonioͤſen We - ſen begleitet, welches durch Lebensart zwar gemil - dert, aber nicht ganz zur Seite geſezt werden darf. Ein gewiſſer Grad von Zeremonie iſt ein unent - behrliches Auſſenwerk fuͤr die guten Sitten, ſo wie fuͤr die Religion: ſie haͤlt den Muthwillen und den Vorwiz in gehoͤriger Entfernung, und der verſtaͤndigere und geſittetere Theil der Men - ſchen dringt demohngeachtet durch dieſe Vormauer leicht hindurch. Wir leſen in dem Maͤhrchen von der Tonne, daß Peter von Pomp und Zeremonie zu viel, Jakob zu wenig hatte; Martins Betra - gen hingegen ſcheint ein nachahmungswuͤrdiges Muſter in Anſehung des Gottesdienſtes ſo wohl als der guten Sitten zu ſein, und eben dieſe Mit - telſtraße betreten Verſtand und Lebensart.

Die Mittel zu gefallen, mein Lieber, veraͤn - dern ſich, nach Zeit, Ort und Perſonen. Es gibt indes eine algemeine Regel, die jederman kent. Sie heißt: Bemuͤhe dich zu gefallen, und du wirſt ſicher, wenigſtens in einem gewiſſen Grade, gefallen. Zeige, daß dirs darum zuthun11thun iſt, dir Freunde zu machen, ſo haſt du die Eigenliebe der Leute ins Spiel gezogen, und an ihr haſt du eine maͤchtige Fuͤrſprecherin. Dazu ge - hoͤrt aber, wie faſt zu jedem andern Dinge, Auf - merkſamkeit, oder eigentlicher zu reden, das, was die Franzoſen les attentions genant haben. Ich empfehle dir alſo die ſorgfaͤltigſte, genaueſte Auf - merkſamkeit auf die Umſtaͤnde der Zeit, des Orts, und der Perſon, denn ohne dieſe laͤufſt du Gefahr, zu beleidigen, wo deine Abſicht war, zu gefallen: denn die Menſchen verzeihen in Dingen, welche unmittelbar ihre eigne Perſon betreffen, keinen Verſtoß und keine Unachtſamkeit.

(Die beſtaͤndige Ausuͤbung dieſer ſogenanten attentions iſt ein nothwendiger Theil der Kunſt zu gefallen. Sie nimt mehr ein, und ruͤhrt ſtaͤr - ker, als Dinge von weit groͤßrer Wichtigkeit. Zur Volbringung der Pflichten des geſelligen Lebens iſt jeder gehalten; dergleichen Aufmerkſamkeiten aber ſind freiwillige Handlungen, willige Opfer der Wohlanſtaͤndigkeit und Gutherzigkeit, und werden als ſolche aufgenommen, behalten, und erwiedert. Beſonders haben Frauenzimmer einRecht12Recht darauf; und jede Unterlaſſung in dieſem Stuͤkke iſt voͤllig ungeſittet.)

(Hier haſt du ein Beiſpiel von dergleichen Auf - merkſamkeiten. Man beobachte z. E. die kleinen Fertigkeiten, das Wohlgefallen, die Abneigung, den Geſchmak derer, die man einnehmen wil, und bemuͤhe ſich alsdan, ihnen das Gefaͤllige zu ver - ſchaffen, und ſie vor dem Mißfaͤlligen zu verwah - ren, indem man ihnen auf eine hoͤfliche Art zu verſtehen gibt, man haͤtte bemerkt, es gefiele ih - nen das und das Gerichte, das und das Zimmer, daher haͤtte man es bereit gehalten; oder im Gegentheile, man haͤtte bemerkt, das und das Gerichte, die und die Perſon waͤren ihnen zuwi - der, daher haͤtte man Sorge getragen, ſie wegzu - laſſen. Die Aufmerkſamkeit auf ſolche Kleinig - keiten ſchmeichelt, wie geſagt, der Eigenliebe mehr, als groͤßere Dinge; denn ſie bringt die Leute auf die Meinung, als waͤren ſie faſt das einzige Augen - merk unſrer Gedanken und unſrer Sorgfalt.)

In Geſelſchaft zerſtreut zu ſein, iſt unverzeih - lich, denn es beweiſt, daß man ſie verachte, undiſt13iſt oben drein eben ſo laͤcherlich als beleidigend. Es iſt wenig Unterſchied zwiſchen einem Todten und einem Zerſtreuten, und dieſer Unterſchied iſt noch dazu ganz zum Vortheil des erſtern; denn jederman weiß, daß ſeine Unempfindlichkeit nicht wilkuͤhrlich iſt. Es gibt ſo gar Leute, welche ab - geſchmakt genug ſind, Zerſtreuung zu affektiren; ſie glauben nemlich, das ſei ein Merkmal von Tiefſin und hoher Weisheit; aber ſie irren ſich gewaltig; denn Zerſtreuung, (das weiß jeder) zeugt, wenn ſie natuͤrlich iſt, von einer großen Schwaͤche der Sele; und wird ſie gar affektirt, ſo iſt ſie eine Narheit vom erſten Range.

(Aber ſie komme nun auch, woher ſie wolle, ſo iſt gewiß, daß der Zerſtreute ein unangenehmer Geſelſchafter iſt. Er laͤßt es an allen gewoͤhnlichen Pflichten der Hoͤflichkeit fehlen; er ſcheint heute diejenigen nicht mehr zu kennen, mit denen er geſtern vertraut umging. Er nimt keinen Theil an der alge - meinen Unterredung, ſondern unterbricht ſie viel - mehr von Zeit zu Zeit mit einem ploͤzlichen Einfalle, als ob er vom Traume erwachte. Das iſt ein ſicheres Merkmal eines Gemuͤths, das entweder ſo ſchwachiſt,14iſt, daß es nicht mehr als eine Sache auf einmahl faſſen kan, oder ſo leidenſchaftlich geruͤhrt, daß man vermuthen muß, es wuͤrde von großen und wich - tigen Dingen eingenommen und hingeriſſen. Iſaak Newton, Locke und vielleicht ſeit der Schoͤpfung der Welt, noch fuͤnf bis ſechs andre, moͤgen wegen der tiefſinnigen Gedanken, welche die Unterſuchung der Wahrheit erforderte, auf dieſe Zerſtreuung ein Recht gehabt haben. Wenn aber ein junger Menſch, zumahl ein Weltman, der keine ſolche Verhinderungen fuͤr ſich anzufuͤhren hat, dieſes Recht auf Zerſtreuung in Geſelſchaft fodern und ausuͤben wolte: ſo ſolte man ſeine Abweſenheit des Geiſtes durch eine immerwaͤhrende Aus - ſchließung aus aller Geſelſchaft, in eine wirkliche Abweſenheit, auch dem Koͤrper nach, verwandeln.)

(So nichtsbedeutend auch eine Geſelſchaft ſein mag, ſo zeige ihr doch nicht, ſo lange du darinne biſt, daß du ſie dafuͤr haͤltſt; ſondern nim viel - mehr ihren Ton an; bequeme dich in einigem Grade nach ihrer Schwaͤche, anſtat deine Ver - achtung fuͤr ſie zu aͤußern! Nichts koͤnnen die Leute weniger ertragen oder verzeihen, als Ver -achtung;15achtung; und angethanes Unrecht wird eher ver - geſſen, als Beſchimpfung. Wilſt du daher lieber gefallen als beleidigen, wilſt du lieber wohl als uͤbel von dir geredet haben, wilſt du lieber geliebt als gehaßt ſein: ſo bedenke fein, daß du beſtaͤndig diejenige Aufmerkſamkeit haben mußt, die jedes Menſchen kleiner Eitelkeit ſchmeichelt, und deren Abweſenheit, indem ſie ſeinen Stolz kraͤnkt, nie - mahls ermangelt, ſeine Rachgier, wenigſtens ſeine Ungunſt, rege zu machen.)

(Zum Beiſpiel! Die meiſten Leute, ich koͤnte ſagen, alle, haben ihre Schwachheiten, ihre be - ſondre Abneigung oder ihr beſonderes Wohlge - fallen in Anſehung dieſer oder jener Dinge. Wol - teſt du alſo einen Menſchen wegen ſeiner Abnei - gung vor Kazen oder Kaͤſe (und dieſe iſt ſehr ge - woͤhnlich) auslachen, oder ſie aus Muthwillen oder Nachlaͤſſigkeit ihm in den Weg kommen laſſen, wenn du es doch verhuͤten koͤnteſt: ſo wuͤrd er im erſten Falle ſich fuͤr beleidigt, im zweiten fuͤr geringgeſchaͤzt halten, und beides ahnden. Hin - gegen deine Sorgfalt, ihm das, was ihm gefaͤlt, zu verſchaffen, und das, was er haßt, von ihmzu16zu entfernen, gibt ihm zu erkennen, daß er wenig - ſtens ein Gegenſtand deiner Aufmerkſamkeit ſei, ſchmeichelt ſeiner Eitelkeit, und macht ihn mehr zu deinem Freunde, als ein wichtiger Dienſt ge - than haben koͤnte.)

Der weiſe Man iſt weit entfernt, die Sin - nen, die er hat, ungebraucht zu laſſen; er moͤgte ſie lieber vervielfaͤltigen, um alles auf einmahl ſehen und hoͤren zu koͤnnen, was in Geſelſchaft geſagt oder gethan wird.

Sei alſo aufmerkſam auf jeden kleinſten Vor - fal in der Geſelſchaft worin du biſt; habe, wie man zu ſagen pflegt, deine Augen und Ohren im - mer bei der Hand. Es iſt eine ſehr naͤrriſche und doch ſo gemeine Ausflucht: in der That, ich dachte nicht daran oder: ich dachte gerade zu der Zeit an ganz etwas anders. Die ſchiklichſte Antwort auf ſolche ſinreiche Entſchuldigungen, und die keine weitere Ausrede zulaͤßt, iſt: Warum dachtet ihr nicht daran? Ihr wart doch gegenwaͤrtig, als man das ſagte, oder that. Ja! aber, (moͤg’t ihr ſagen) ich dachte an etwas ganz anders. Wenndas17das iſt, warum wart ihr nicht an einem ganz an - dern Orte, der dem wichtigen andern Dinge, woran ihr gerade dachtet, angemeſſen geweſen waͤre? Vielleicht werdet ihr ſagen: die Geſelſchaft war ſo einfaͤltig, daß ſie eure Aufmerkſamkeit nicht verdiente. Aber glaube mir, mein Lieber, das iſt das Geſchwaͤz eines noch einfaͤltigen Menſchen; denn der Man von Verſtande weiß wohl, daß keine Geſelſchaft ſo einfaͤltig iſt, die man nicht bei gehoͤriger Aufmerkſamkeit auf eine oder die andre Weiſe fuͤr ſich nuͤzlich machen koͤnte.

(Derjenige iſt weder zu Geſchaͤften noch zu Vergnuͤgungen tuͤchtig, der nicht ſeine Aufmerkſam - keit auf die jedesmalige gegenwaͤrtige Sache len - ken, und in gewißer Maaße dieſe Zeit uͤber alle andre Gedanken aus ſeiner Sele verbannen kan. Wenn jemand auf einem Balle, bei Tiſche, oder bei einer Luſtreiſe auf die Aufloͤſung einer Aufgabe aus dem Euklid daͤchte: ſo wuͤrd er gar ein ſchlechter Geſelſchafter ſein, und unter den andern nur geringes Anſehen erlangen. Daͤcht er dage - gen, wenn er in ſeinem Kabinette der AufgabeTheophron 2. Th. Bnachſint,18nachſint, an die Menuet, ſo wuͤrd er, deucht mich, einen armſeeligen Mathematiker abgeben.)

(Es iſt den Tag uͤber Zeit genug fuͤr alles, wenn du nur eine Sache auf einmahl thuſt; wilſt du aber zwei Dinge zugleich vornehmen, ſo iſt in dem ganzen Jahre nicht Zeit genug. Der hollaͤndiſche Penſionaͤr von Witt verwaltete die ganzen Geſchaͤfte der Republik, und hatte doch noch Zeit genug uͤbrig, Abends in Geſelſchaft zu gehen, und da zu ſpei - ſen. Als man ihn nun fragte: wo er doch moͤg - licher Weiſe Zeit hernaͤhme, ſo viele Geſchaͤfte zu verrichten, und ſich doch auch des Abends zu belu - ſtigen? gab er zur Antwort: nichts waͤre leichter; man duͤrfte nur immer ein Ding auf einmahl thun, und nichts auf morgen verſchieben, das heute koͤnte verrichte werden.)

(Dieſe ſtandhafte, von Zerſtreuung entfernte Aufmerkſamkeit auf eine einzige Sache iſt ein ſiche - res Merkmal eines erhabnen Geiſtes; ſo wie dagegen Uebereilung, Verwirrung und Unruhe untriegliche Zeichen eines ſchwachen und albernen Verſtandes ſind. Lieſeſt du den Horaz, ſo merke auf die Richtigkeit ſeiner Gedanken, die gluͤcklicheWahl19Wahl ſeiner Ausdruͤcke, die Schoͤnheit ſeiner Dichtkunſt; denke aber nicht zugleich an Puffen - dorfs Schrift von dem Menſchen und dem Buͤrger; und lieſeſt du den Puffendorf, ſo denke nicht an die Frau von St. Germain; noch auch an den Puffendorf, wenn du mit der Frau von St. Germain redeſt.)

(Was du nur thuſt, das thue zu ſeinem End - zwekke! Thue es voͤllig, und nicht obenhin! Dringe bis unten auf den Grund der Dinge! Ein halb gethanes oder halb gewußtes Ding wird, mei - nes Erachtens, gar nicht gethan, gar nicht gewußt. Ja, es iſt noch ſchlimmer; denn es fuͤhrt oft fehl.)

(Kaum gibt es einen Ort, oder eine Geſelſchaft, wo du nicht Wiſſenſchaft erlangen kanſt, wenn du wilſt. Faſt jeder weiß etwas, und redet gerne von dem, was er weiß. Suche, ſo wirſt du finden; in dieſer Welt ſowohl, als in der kuͤnftigen. Be - ſieh alles, forſche nach allem! Deine Neugier und deine gethanen Fragen kanſt du durch die Art entſchuldigen mit der du ſie thuſt. Denn bei den meiſten Dingen komt es großentheils auf die Art und Weiſe an. Du kanſt zum Beiſpiel ſprechen,B 2ich20ich beſorge zwar, daß ich ihnen mit meinen Fra - gen beſchwerlich falle; niemand aber kan mich ſo gut belehren als Sie; oder etwas der - gleichen.)

Deine Aufmerkſamkeit muß aber (und das kan ſie, ſo bald du wilſt) eine gewiſſe Geſchmei - digkeit haben, das iſt, du mußt ſie augenbliklich von einem Gegenſtande auf den andern, von einer Perſon auf die andere, ſo wie ſie vorkommen, richten koͤnnen. Bedenke, daß du ohne eine ſolche Aufmerkſamkeit nie geſchikt biſt, in guter Geſel - ſchaft, oder nur in Geſelſchaft uͤberhaupt zu leben, und das beſte was du in dieſem Falle thun koͤnteſt, waͤre, ein Kartheuſer zu werden.

Wenn du zum erſtenmahl dich in einer Geſel - ſchaft zeigſt, oder von andern eingefuͤhrt wirſt, ſo thue dein Aeuſſerſtes, daß der erſte Eindruk, den du machſt, ſo vortheilhaft, als moͤglich ſei. Was du dazu thun kanſt, beſteht in Dingen, welche gruͤndlich denkende Leute Kleinigkeiten zu nennen pflegen, nemlich in der Mine, der Kleidung, der Anrede. Hier, rathe ich dir, flehe die Grazienum21um Beiſtand an. Selbſt der an ſich geringfuͤgige Umſtand, die Kleidung iſt keine Kleinigkeit bei ſolchen Gelegenheiten.

Sei du weder der erſte, noch der lezte in der Mode. Kleide dich ſo gut, als Leute von deinem Range gewoͤhnlich thun, und lieber etwas beſſer, als ſchlechter; und biſt du einmahl gekleidet, ſo laß auch nicht merken, daß du weißt, du habeſt ein Kleid an; vielmehr ſei jede deiner Bewegun - gen ſo leicht und ungezwungen, als wenn du in deinem Schlafrok waͤrſt. Nur ein Geck ſchaͤzt ſich nach ſeinem Kleide; aber auch der Man von Ver - ſtande wird ſeinen Anzug nicht vernachlaͤſſigen, wenigſtens in ſeiner Jugend nicht. Der aͤrgſte Gek, den ich je geſehen, war zugleich der groͤßte Schlotterer; denn das affektierte Sonderbare in der Kleidung, auf der einen oder der andern Seite, macht eben den Gekken aus; und doch wird jeder - man den alzuzierlich gekleideten Gekken noch dem ſchlotterichten vorziehen.

(Die meiſten der hieſigen jungen Kerle geben durch ihre Kleidung eine oder die andre Denkungs -B 3art22art zu erkennen. Einige ſtellen ſich fuͤrchterlich an, tragen einen großen Hut mit einer gewaltigen Schleife, einen ungeheuren Degen, eine kurze Weſte und ſchwarze Halsbinde. Ich wuͤrde in Verſuchung gerathen, mir wider ſie Wache zu meiner Vertheidigung geben zu laſſen, wenn ich nicht uͤberzeugt waͤre, daß es ſanftmuͤthige Eſel in Loͤwenhaͤuten ſind.)

(Andre gehen in braunen Kitteln, ledernen Ho - ſen, fuͤhren große eichene Pruͤgel in der Hand, haben keine Schleife am Hute, keinen Puder in den Haaren, und thun es den Stalknechten, Kutſchern und Bauertoͤlpeln in ihrem Aeußerli - chen ſo gut nach, daß ich nicht im geringſten zwei - fle, ſie werden ihnen auch innerlich gleich ſein.)

(Ein verſtaͤndiger Man vermeidet alles Beſon - dre in ſeiner Kleidung. Er iſt ſauber um ſeiner ſelbſt willen; das uͤbrige alles geſchieht wegen andrer Leute. Er kleidet ſich eben ſo gut und auf die nemliche Art, als andre verſtaͤndige Leute ſei - nes Standes an dem Orte, wo er iſt. Kleidet er ſich beſſer, um es ihnen zuvorzuthun, ſo iſt er ein Gek; kleidet er ſich ſchlechter, ſo iſt er auf eineunver -23unverzeihliche Art nachlaͤſſig. Unter beiden wolt ich doch lieber, daß ſich ein junger Kerl eher zu gut, als zu ſchlecht kleidete. Das Uebermaaß auf dieſer Seite wird wegfallen, wenn ein wenig Alter und Betrachtung hinzukomt. Iſt er aber nachlaͤſſig im zwanzigſten Jahre, ſo wird er eine Sau im vierzigſten ſein, und im funfzigſten gar ſtinken.)

Dein Eintrit in die Geſelſchaft ſei beſcheiden, doch ohne alle Schuͤchternheit oder Bloͤdigkeit, dreiſt, ohne Unverſchaͤmtheit, frei von Verlegen - heit, als wenn du in deinem eignen Zimmer waͤ - reſt. Es iſt ſchwer, ſich dieſe gluͤkliche Faſſung zu verſchaffen; ſie erfodert daher die groͤßte Auf - merkſamkeit; es iſt nicht wohl moͤglich, ſie ſich anders, als durch langen Umgang mit der Welt und fleißige Beſuchung der beſten Geſelſchaften zu erwerben.

Wenn ein junger Man ohne Kentniß der Welt zum erſten male in eine Geſelſchaft vorneh - mer Leute trit, wo die meiſten von hoͤherm Range ſind, als er: ſo iſt er entweder vor unzeitigerB 4Schaam,24Schaam, wie vernichtet, oder, wenn er ſich er - mannet, und nun glaubt, ſich bis zu einer be - ſcheidnen Dreiſtigkeit hinaufgearbeitet zu haben, verfaͤlt er in Unverſchaͤmtheit, und wird abge - ſchmakt; er beleidigt, indem er zu gefallen dachte. Trage alſo immer, ſo viel du kanſt, dieſes air de douceur an dir, welches allemahl einen vortheil - haften Eindruck macht, wofern es nicht in ein ſchales Laͤcheln, oder in ein hoͤhniſches Grinzen ausartet.

(Die Menſchen werden mehr durch den Schein beherſcht, als durch die Wirklichkeit. Es iſt daher nicht genug, ſanfte, duldſame und milde Geſinnungen im Herzen zu haben; man muß das innerliche Daſein derſelben auch durch ſein Aeuſſer - liches an den Tag zu legen ſuchen. Wenige Leute haben Scharfſichtigkeit genug, mehr als das Aeuſſerliche zu entdekken, noch Aufmerkſamkeit genug, mehr zu beobachten, noch Sorgfalt genug, mehr zu unterſuchen. Ihre Begriffe nehmen ſie von der Oberflaͤche; tiefer dringen ſie nicht. Sie loben den, als den ſanfteſten, gutartigſten Men - ſchen, der das einnehmendſte aͤuſſerliche Bezeigenhat,25hat, wiewohl ſie vielleicht nur einmahl in ſeiner Geſelſchaft geweſen ſind. Sanftmuth in der Mie - ne, in dem Tone, in den Geſichtszuͤgen, richtet die Sache anfangs allein aus; und ohne weitere Unterſuchung, vielleicht gar bei entgegengeſezten Eigenſchaften, wird ein Menſch, der dieſes Aeuſ - ſerliche beſizt, bis auf weitere Bekantſchaft, fuͤr den Sanftmuͤthigſten, Beſcheidenſten und Gutar - tigſten unter der Sonne ausgerufen.)

(Dieſe Sanftmuth iſt nicht ſo leicht zu beſchrei - ben, als zu empfinden. Sie iſt die zuſammen - geſezte Wirkung von verſchiedenen Dingen, von Gefaͤlligkeit, Biegſamkeit der Sitten, die jedoch nicht in knechtiſches Weſen ausartet; von einem Anſehen von Milde in der Miene, der Gebehrde, dem Ausdrukke; einem Anſehn, das ſich immer gleich bleibt, man mag nun mit demjenigen, mit welchem man umgeht, einſtimmig denken oder nicht.)

(Beobachte ſorgfaͤltig die, welche dieſes Sanfte an ſich haben, das dich und andere bezaubert; ſo wird dir dein eigner guter Verſtand die verſchie - denen Theile, woraus es zuſammengeſezt iſt, baldB 5ent -26entdekken helfen. Beſonders mußt du dieſes Sanfte anzunehmen wiſſen, wenn du genoͤthigt biſt, etwas von dir Verlangtes abzuſchlagen, oder etwas vorzubringen, das an ſich ſelbſt den Zu - hoͤrern nicht angenehm ſein kan. Alsdan iſt es noͤthig, eine ekelhafte Pille zu vergolden.)

(Dieſes ſanfte, einnehmende und zugleich frei - muͤthige Weſen iſt der große Vorzug derer, welche jung in gute Geſelſchaft eingefuͤhrt, und zeitig gewoͤhnt wurden, mit Hoͤhern umzugehen. Wie viele habe ich geſehen, die, nachdem ſie die voͤllige Wohlthat einer klaſſiſchen Erziehung, beides auf niedrigen und hohen Schulen, genoſſen hatten, wenn ſie dem Koͤnige vorgeſtelt wurden, nicht wußten, ob ſie auf dem Kopfe oder auf den Fuͤßen ſtanden! Redete der Koͤnig zu ihnen, ſo verſanken ſie gleichſam in Nichts. Sie zitterten, ſuchten die Haͤnde in die Taſche zu ſtekken, konten ſie nicht hineinbringen, ließen den Hut fallen, ſchaͤm - ten ſich, ihn wieder aufzuheben, und kurz, ſie verſezten ſich in jede Stellung, nur nicht in die rechte, das iſt, in die ungezwungne und natuͤrliche.)

Das27

(Das Kenzeichen eines wohlerzognen Menſchen iſt, gegen Geringere ohne Uebermuth, gegen Hoͤ - here mit ungezwungner Ehrerbietung zu reden. Er ſpricht unbeſorgt mit Koͤnigen, ſcherzt mit Frauenzimmern vom erſten Range mit Vertrau - lichkeit, Munterkeit, zugleich aber auch mit Ehrerbietung, und ſchwazt mit ſeines Gleichen, er ſei mit ihnen bekant oder nicht, von algemei - nen, jedoch nicht ganz albernen Materien, ohne die geringſte Unruhe des Gemuͤths, und ohne un - ſchikliche Stellung des Leibes. Weder jenes noch dieſer koͤnnen ſich mit Vortheile zeigen, als wenn ſie volkommen ungezwungen ſind.)

Huͤte dich ſorgfaͤltig, mein Lieber, vor der Sucht zu demonſtriren und zu disputiren, welche manche Leute mit in die Geſelſchaft bringen, und ſich wohl gar noch etwas darauf einbilden. Gehſt du in deiner Meinung von andern ab, ſo behaupte ſie mit Beſcheidenheit, Kaltbluͤtigkeit, und Sanft - muth; werde nie hizig, vertheidige dich nie mit Geſchrei. Findeſt du, daß dein Gegner anfaͤngt, in Hize zu gerathen, ſo mache dem Streite durchirgend28irgend einen feinen Scherz ein Ende. Denn das kanſt du fuͤr ausgemacht annehmen: wenn die beiden beſten Freunde mit Hize uͤber eine noch ſo kleine, noch ſo unbedeutende Sache ſtreiten, ſo entfernen ſich ihre Herzen wenigſtens fuͤr dieſen Augenblik von einander. Ueberhaupt ſind Strei - tigkeiten, ſie moͤgen betreffen, was ſie wollen, eine Art von Zweikampf des Verſtandes, und koͤnnen nicht anders als zum Nachtheil der einen oder der andern der ſtreitenden Parteien endigen.

(Entſcheidende Ausſpruͤche ſind bei jungen Leu - ten dem Wohlſtande zuwider. Sie ſolten ſelten das Anſehen haben, als behaupteten ſie etwas, und dabei allezeit mildernde Ausdruͤkke brauchen; als, wenn es mir erlaubt iſt, ſo zu ſagen; ich wuͤrde vielmehr glauben, wenn ich mich unter - ſtehen darf, mich zu erklaͤren; Worte, welche die Art und Weiſe lindern, den Gruͤnden aber kei - neswegs Eintrag thun. Leute von mehr Alter und Erfahrung erwarten dieſen Grad von Achtung, und ſind dazu berechtigt.)

Doch bin ich auch auf der andern Seite weit entfernt dir zuzumuthen, daß du allem, was duin29in Geſelſchaft ſagen hoͤrſt, deinen Beifal gebeſt. Ein ſolcher Beifal wuͤrde niedertraͤchtig, und in einigen Faͤllen ein Verbrechen ſein. Tadle alſo mit Nachſicht, und belehre mit Sanftmuth. Es iſt unmoͤglich, daß ein Man von Verſtande den Narren nicht verachte, und daß ein Man von Ehre den Schurken nicht verabſcheue; aber ſo viel mußt du uͤber dich ſelbſt erhalten, daß du weder das eine noch das andere in ſeinem vollen Maaße aͤußerſt. Ich beſorge, es ſind ihrer zu viel, als daß mans mit ihnen aufnehmen koͤnte; ihre An - zahl macht, daß man ſie fuͤrchten muß, obgleich man ſie nie ehren kan. Sie haͤngen gewoͤhnlich an einander, weil ſie einer des andern zu ſehr beduͤrfen. Sei hoͤflich, aber zuruͤckhaltend gegen ſie; thue uͤbrigens, als wenn ſie gar nicht da waͤ - ren. Wage es nicht, einen Narren ablaufen zu laſſen, wie ſeinwollende Wizlinge gemeiniglich thun, und ſtoß nicht den Schurken unnoͤthiger weiſe vor den Kopf; ſondern habe lieber mit bei - den ſo wenig zu ſchaffen, als moͤglich, und denke immer daran, daß derjenige, welcher mit einem Schurken oder Narren Freundſchaft macht, gewißetwas30etwas Boͤſes im Sinne, oder gar ſchon veruͤbt hat und nun zu verſtekken ſucht.

Ein junger Man, vornemlich bei ſeinem er - ſten Eintrit in die Welt, wird gewoͤhnlich nach der Geſelſchaft beurtheilt, mit der er umgeht, und dieſe Art zu urtheilen iſt voͤllig ſicher. Denn wenn es gleich anfangs nicht ganz von ihm ab - haͤngt, zu den beſten Geſelſchaften Zutrit zu fin - den, ſo hat er es doch ganz in ſeiner Gewalt, ſchlechte Geſelſchaft zu vermeiden.

Vielleicht fragſt du: welches ſind die Merk - male der guten und der ſchlechten Geſelſchaft? und ich wil ſie dir angeben, ſo gut ich kan, denn es iſt aͤuſſerſt wichtig fuͤr dich, ſie unterſcheiden zu koͤnnen.

Gute Geſelſchaft beſteht aus Leuten von einem gewiſſen Anſehen (ich meine nicht, aus Leuten von vornehmer Geburt), die dem groͤßten Theile nach, fuͤr Leute von Verſtande und geſittetem Karakter gehalten werden, kurz aus Leuten, denen man algemein den Namen guter Geſelſchaft zugeſteht. Es iſt moͤglich, vielleicht gar wahrſcheinlich, daßin31in eine ſolche Geſelſchaft ſich auch ein oder zwei Narren einſchleichen oder ein paar Schurken ſich eindraͤngen, die einen, um den Ruf von ein wenig Menſchenverſtand, die andern, um einen gemein - hin ſogenanten ehrlichen Namen zu erhaſchen. Indes vbi plura nitent, mußt du, wie Horaz, dich nicht an einige Flekken ſtoßen.

(Verlaß dich uͤbrigens darauf, du wirſt bis hinauf oder bis hinunter zu der Geſelſchaft ſteigen, mit der du umgehſt! Nach dieſer werden die Leute von dir urtheilen, und zwar nicht mit Unrecht. Das ſpaniſche Sprichwort hat ſeinen guten Grund: ſage mir, mit wem du umgehſt, ſo wil ich dir ſagen, wer du biſt. )

(Es ſei daher deine Sorge, wo du nur biſt, in diejenige Geſelſchaft jedes Orts zu kommen, die jeder naͤchſt ſeiner eignen fuͤr die beſte haͤlt. Das iſt die beſte Erklaͤrung, die ich dir von der guten Geſelſchaft geben kan.)

(Jedoch auch hier iſt Behutſamkeit noͤthig, aus deren Ermangelung viele junge Leute ſelbſt in guter Geſelſchaft ungluͤklich geworden ſind. Sie beſteht, wie ich bereits angemerkt habe, aus einergroßen32großen Mannigfaltigkeit von Weltleuten, deren Gemuͤthsarten und Grundſaͤze zwar verſchieden ſind; deren Sitten aber ſo ziemlich uͤberein - kommen. Trit ein junger Menſch, der in der Welt neu iſt, zuerſt in dieſe Geſelſchaft, ſo thut er ganz recht, wenn er den Entſchluß faßt, ſich in allem, was zu dem Aeußerlichen gehoͤrt, nach ihr zu richten, und ſie nachzuahmen. Nun hat er aber oft den albernen Ausdruk, vornehme Laſter und Modelaſter, gehoͤrt. Er findet in jener Geſelſchaft Leute, welche ſchimmern, und durchgaͤngig bewundert und geſchaͤzt werden; zu - gleich bemerkt er, daß dieſe Leute Hurenjaͤger, Trunkenbolde oder Spieler ſind; daher nimt er ihre Laſter an, haͤlt ihre Fehler irrig fuͤr Volkom - menheiten, und glaubt, ſie haͤtten ihr modiſches Bezeigen und ihren Schimmer ſolchen vornehmen Laſtern zu danken.)

(Allein gerade das Gegentheil! Dieſe Leute haben ſich ihren Ruf durch ihre Geiſtesgaben, ihre Gelehrſamkeit, ihr geſittetes Weſen und andre wahre Volkommenheiten erworben; und werden durch ſolche vornehme, modiſche Laſter inder33der Meinung aller Vernuͤnftigen, und mit der Zeit auch in ihrer eignen, nur entehrt und ernie - drigt. Ein Hurenjaͤger beim Speichelfluſſe oder ohne Naſe iſt ja wohl eine recht artige, aller Nachahmung wuͤrdige Perſon! Ein Trunkenbold, der den am Tage hineingeſchuͤtteten Wein Abends von ſich ſpeit, und den ganzen folgenden Tag hindurch von Kopfweh betaͤubt wird, iſt ja wohl ein ſchoͤnes Muſter zur Nachahmung! Ein Spie - ler, der ſich das Haar ausrauft, Fluͤche und Got - teslaͤſterungen ausſtoͤßt, weil er mehr verlohren hat, als er beſizt; iſt ja wohl eine recht liebens - wuͤrdige Perſon!)

(Nein, das ſind alles Zuſaͤze, und zwar ſtarke, die niemahls einen Karakter ſchmuͤkken koͤnnen, ſondern allezeit den beſten herabſezen werden. Zum Beweiſe davon nim an, es ſei ein Menſch, der keine Geiſtesgaben oder andre gute Eigenſchaften beſizt, ein Hurenjaͤger, Trunkenbold oder Spieler. Wie werden ihn Leute von aller Art betrachten? Als das veraͤchtlichſte, laſterhafteſte Thier. Es iſt alſo offenbar, daß bei ſolchen vermiſchtenTheophron 2. Th. CKarak -34Karakteren der gute Theil blos macht, daß man den Boͤſen verzeiht, aber nicht billigt.)

(Ich wil hoffen und glauben, daß du keine Laſter an dir haben wirſt. Solteſt du aber zum Ungluͤkke einige an dir haben, ſo bitte ich dich wenigſtens, mit den deinigen zufrieden zu ſein, und nicht noch andrer Leute ihre dazu anzunehmen. Ich bin uͤberzeugt, die Annehmung fremder Laſter hat zehnmahl mehr junge Leute ins Verderben geſtuͤrzt, als natuͤrliche Neigungen.)

(Da ich kein Bedenken trage, meine begangnen Fehler zu bekennen, wenn ich denke, daß dieſes Bekentniß dir Nuzen bringen kan; ſo wil ich geſtehen, daß ich bei meiner erſten Beziehung der hohen Schule trank und rauchte, ungeachtet ich eine Abneigung vor Wein und Tabak hatte, blos weil ich glaubte, das ließe vornehm, und wuͤrde machen, daß ich wie ein Mann ausſaͤhe.)

(Als ich auf Reiſen ging, kam ich zuerſt nach dem Haag, wo das Spiel ſtark Mode war, und wo ich viele Leute von großem Range und Anſehn ſpielen ſah. Ich war damahls jung und einfaͤltig genug, zu glauben, das Spielen waͤre eine ihrerVolkom -35Volkommenheiten. Da ich nun nach Volkom - menheiten trachtete, nahm ich das Spielen fuͤr einen nothwendigen Schrit dazu. Solchergeſtalt erwarb ich mir irriger Weiſe die Fertigkeit eines Laſters, das, weit entfernt, meine Gemuͤthsart zu ſchmuͤkken, ihr, wie ich mir bewußt bin, zu einem großen Schandflekke gereicht hat.)

(So ahme denn mit Unterſcheidung und Ur - theilskraft die wahren Volkommenheiten der guten Geſelſchaft nach, darin du kommen kanſt! Lerne ihr ihr geſittetes Weſen, ihr Bezeigen, ihre Anrede, die ungezwungne, wohllaſſende Wendung ihrer Unterredung ab! Merke aber, ſo ſchimmernd ſie auch ſein mag, ſind doch ihre Laſter, wenn ſie anders welche hat, eben ſo viele Flekken, die du eben ſo wenig nachahmen mußt, als du dir eine durch Kunſt veranſtaltete Warze auf das Geſicht ſezen wuͤrdeſt, darum weil ein ſchoͤn gebildeter Menſch ſo ungluͤklich waͤre, eine natuͤrliche auf dem ſeinigen zu haben. Denke vielmehr, wie viel ſchoͤner er ohne ſie geweſen ſein wuͤrde!)

(Nachdem ich ſolchergeſtalt einige meiner Ver - gehungen geſtanden habe, wil ich dir nun auchC 2ein36ein wenig von meiner guten Seite zeigen: Wo ich nur war, da bemuͤhte ich mich ſtets, in die beſte Geſelſchaft zu kommen; und es gluͤkte mir insgemein. Darin gefiel ich einigermaßen, in - dem ich ein Verlangen zu gefallen zeigte. Ich trug Sorge, niemahls zerſtreut zu ſein, ſondern gab vielmehr auf alles Achtung, was in der Ge - ſelſchaft geſagt, gethan oder auch nur geſehen wurde. Ich ließ es auch nie an der kleinſten Hoͤf - lichkeit fehlen, und war niemahls wetterwendiſch. Dieſe Dinge, nicht aber meine Vergehungen, machten mich beliebt.)

Schlechte Geſelſchaft iſt die, der nicht jeder - man den Namen der guten zugeſtehen kan: aber es gibt auch hier, ſo wie bei der guten, verſchiedene Grade; und es iſt unmoͤglich zu vermeiden, daß du im taͤglichen Leben nicht dan und wan in ſchlechte Geſelſchaft gerathen ſolteſt; aber reiß dich los von ihr, ſo bald und ſo gut du kanſt. Einige ſolche Klubs ſind ſo verderblich und ſo ſchaͤndlich, daß nach einem zweimaligen Beſuch derſelben du ſchon am Verſtande und Herzen un -fehlbar37fehlbar verlezt ſein wuͤrdeſt. Dahin gehoͤren die Zuſammenkuͤnfte der Zaͤnker, Schlaͤger, falſchen Spieler, Betruͤger und der Niedertraͤchtigen, die im Weine und mit dem andern Geſchlechte aus - ſchweifen, der Geſelſchaft der Narren nicht zu gedenken. Huͤte dich aber auch im Gegentheil, gegen dis Geſindel zu deklamiren und zu predigen, wie ein Kapuziner, ſo lange du jung biſt. Das jugendliche Alter hat noch nicht den Beruf des Reformators der Moralitaͤt und der Sitten. Er - halte deine eignen Sitten rein und unbeflekt, und uͤberlaß Leute dieſes Gelichters dem gerechten Un - willen oder der Verachtung der Guten.

Es gibt eine dritte Art von Geſelſchaft, welche, wenn gleich nicht ſo ſchaͤndlich, doch unter der Wuͤrde eines verſtaͤndigen Mannes iſt, ich meine nemlich die Geſelſchaft gemeiner Leute. Junge Leute von Stande und Geburt verfallen bei ihrem erſten Eintrit in die Welt aus einer gewiſſen Schuͤch - ternheit, unzeitigen Scham und Traͤgheit, die ſchwer abzulegen iſt, leicht dahin, ſolche Geſel - ſchaften zu lieben. Wenn du nur ein Jahr lang dahineingeraͤthſt, ſo wirſt du dich nimmer darausC 3empor -38emporheben koͤnnen, wirſt immer ſo unbekant und unbedeutend bleiben, als ſie ſelbſt ſind.

Eitelkeit iſt gleichfals eine große Verſuchung, ſich zu ſolchen Geſelſchaften zu halten; denn der Man von Stande iſt ſicher, daß er die erſte Perſon in der Geſelſchaft iſt, und daß er bewun - dert und geſchmeichelt wird, obgleich er vielleicht der groͤßte Narr darin iſt. Glaube aber nicht, ich meine, wenn ich von gemeinen Leuten rede, Leute von niedriger Geburt; denn Geburt achte ich fuͤr gar nichts, und ich hoffe, du denkſt hierin, wie ich: ſondern ich meine mit dieſem Ausdruk unbekante, unbedeutende Leute, ungekant und un - geſehn von dem feinern Theile der Welt, Leute, die durch kein Verdienſt oder Talent ſich auszeichnen, als durch das, den ganzen Abend hindurch beim Kruge zu ſizen; denn Trinken iſt gemeiniglich die ganze thoͤrigte und unanſtaͤndige Beſchaͤftigung ſolcher Leute.

Noch gibt es eine andere Art von Geſelſchaf - ten, die ich dir uͤberhaupt zu vermeiden rathe, ob es gleich unſchaͤdlich ſein mag, ſie dan und wan einmahl zu ſehen; ich meine die Geſelſchaft derPoſſen -39Poſſenreiſſer, Wizlinge, Harlekins, Nachaͤffer und luſtigen Bruͤder, welche alle gemeiniglich die ſeichteſten Koͤpfe von der Welt ſind. Wenn du einmahl aus bloßer Neugierde in ſolch eine Geſel - ſchaft gehſt, ſo kom nicht als ein ſtrenger Philo - ſoph mit der Mine der Verachtung fuͤr ihre unedle Luſtigkeit hinein, ſondern begnuͤge dich damit, eine der geringern Rollen unter ihnen zu ſpielen. Werde mit keiner unter den ſpielenden Perſonen vertraut; denn das wuͤrde ſie zu Anſpruͤchen auf dich berechtigen, die du mit guter Art weder be - friedigen, noch abweiſen kanſt. Nenne keinen von ihnen bei ihren Vornamen: Hans, Franz u. ſ. w. ſondern ſei hoͤflich gegen ſie, und rufe ein wenig mehr Zeremonie zu Huͤlfe als mit deines Gleichen; dis iſt das einzige wirkſame Mittel, ſolche vor - wizige und muthwillige Burſchen in gehoͤriger Entfernung zu erhalten.

Schlechte Geſelſchaft iſt leichter beſchrieben, als gute; denn alles ſchlechte iſt jederman beim erſten Anblik auffallend, und wer wird jemahls Narheit, Schurkerei, Zuͤgelloſigkeit mit Wiz,C 4Ehre40Ehre und Wohlanſtaͤndigkeit verwechſeln! In der guten Geſelſchaft gibt es gleichfals Grade, von der blos guten bis zur beſten; blos gut heißt noch nicht eben lobenswuͤrdig, ſondern nur, wo - wider ſich nichts einwenden laͤßt. Strebe nach der beſten; aber welches iſt die beſte? Ich halte dafuͤr, es iſt eine ſolche Geſelſchaft von Mansper - ſonen oder Frauenzimmern, oder auch von beiden zugleich, wo gebildete feine Sitten und Wohlan - ſtaͤndigkeit mit einem hohen Grade von Recht - ſchaffenheit verbunden ſind.

Geſittete Frauenzimmer gehoͤren unter die noth - wendigen Ingredienzen guter Geſelſchaft. Die Auf - merkſamkeit, welche man ihnen bezeigt, (ein Tribut, den jeder wohlerzogne Man ihnen gern bezahlt,) dient dazu, den Ton der Wohlanſtaͤndigkeit zu unterhalten, und macht die gute Lebensart zur Ge - wohnheit; dahingegen Maͤnner, welche unter ſich in Geſelſchaften, ungemildert von dem ſanfteren Geſchlechte leben, leicht ſorglos, nachlaͤſſig und rauh gegen einander werden. In Geſelſchaft iſt der Man, er ſei, wer er wolle, dem Frauenzim - mer untergeordnet; er darf ſich ihm nicht anders,als41als mit Ehrerbietung naͤhern. Eine ſolche ehrer - bietige Aufmerkſamkeit gegen das andre Geſchlecht, welche weder unter der Wuͤrde des unſrigen iſt, noch irgend einem ſchadet, iſt zu unſerm guten Fortkommen in der Welt unentbehrlich. Denn jeder junge Man erhaͤlt, bei ſeinem Eintrit in die Welt, das Gepraͤge ſeines Werths fuͤr die Geſel - ſchaft von dem Frauenzimmer. Suche ſie alſo mit der ſorgfaͤltigſten Aufmerkſamkeit, und mit der feinſten Hoͤflichkeit zu deinem Vortheil einzu - nehmen. Ich habe oft genug erlebt, daß ihr Ausſpruch eine Muͤnze von ſchlechtem Gehalt guͤltig und gangbar machte; welchen Glanz wird nun nicht aͤchtes Schroot und Korn dadurch er - halten! Frauenzimmer, (obſchon man ihnen ſonſt Verſtand beilegt) haben alle, mehr oder weniger, Schwaͤche, Eigenſin, Grillen, Launen, und vor - nemlich Eitelkeit: gib ihnen nach, ſo viel du ohne Niedertraͤchtigkeit oder Verlezung irgend einer deiner Pflichten kanſt, und opfere deine eignen kleinen Launen den ihrigen auf.

Junge Leute unſers Geſchlechts verfallen leicht dahin, ihr Mißfallen, wo nicht gar AbſcheuC 5und42und Verachtung fuͤr alte und haͤßliche Frauens - perſonen merken zu laſſen; das iſt aber ungerecht und unverſtaͤndig zugleich. Denn wir ſind dem ganzen Geſchlechte ohne Ausnahme ehrerbietige Hoͤflichkeit ſchuldig; und wie koͤnten Mangel an Schoͤnheit und Jugend jemahls eine gerechte Ur - ſache zur Verachtung ſein? Laß es uͤberhaupt eine beſtaͤndige Regel ſein, niemahls die Verach - tung merken zu laſſen, die du oft und mit Recht gegen ein menſchliches Weſen empfinden wirſt; denn das vergibt man dir nimmer. Jede Beleidigung wird eher verziehen, als Spot und Verachtung.

(Uebrigens muß man mit Frauenzimmern als mit Leuten reden, die unter den Mansperſonen, aber uͤber den Kindern ſind. Sprichſt du zu ihnen zu tiefſinnig, ſo machſt du ſie nur verwirt, und verlierſt deine Muͤhe; ſprichſt du zu ihnen zu taͤndelhaft, ſo werden ſie die Verachtung inne, und entruͤſten ſich daruͤber. Der eigentliche Ton gegen ſie iſt der, den die Franzoſen entregent nennen, und der iſt auch wirklich die hoͤfliche Sprache guter Geſelſchaft.)

(Laß43

(Laß mich dir jezt die vorzuͤglichſten Regeln bekant machen, nach denen du dein geſelſchaftli - ches Betragen einrichten mußt, wenn du Beifal und Wohlwollen zu erwerben wuͤnſcheſt.)

(Nim zuvoͤrderſt alle Munterkeit und Luſtig - keit, aber ſo wenig Unbeſonnenheit der Jugend, als du kanſt, mit dir in die Geſelſchaften! Die erſtern werden bezaubern; die leztere wird oft, wiewohl unſchuldiger Weiſe, unverſoͤhnlich belei - digen. Forſche nach der Geſelſchaft Gemuͤths - arten und Umſtaͤnden, noch ehe du dem Raum gibſt, was deine Einbildungskraft dich antreiben kan zu ſagen! In allen Geſelſchaften gibt es mehr verkehrte, als richtige Koͤpfe, und viel mehrere, die Tadel verdienen, als ſolcher, welche ihn ertra - gen koͤnnen. Solteſt du daher weitlaͤuftig zum Lobe irgend einer Tugend reden, an der es eini - gen in der Geſelſchaft offenbar fehlte, oder wider irgend ein Laſter eifern, mit dem andre offenbar behaftet waͤren: ſo werden deine Betrachtungen, wenn ſie gleich algemein und ohne alle Anwendung vorgebracht worden ſind, dennoch, weil ſie ſichleicht44leicht anwenden laſſen, fuͤr perſoͤnliche und auf ſolche Leute abgezielte gehalten werden.)

(Bei dieſer Anmerkung kan ich nicht umhin, dich zu erinnern, daß du auch ſelbſt nicht argwoͤh - niſch und aͤrgerlich ſein, noch annehmen darfſt, als waͤren manche Reden auf dich abgeſehen, darum, weil ſie es ſein koͤnnen. Die Sitten wohlerzog - ner Leute ſtellen den, der ſie ſich zu eigen gemacht hat, vor ſolchen ſeitwaͤrts gethanen niedrigen An - griffen ſicher. Wenn aber zufalsweiſe eine ge - ſchwaͤzige Frauensperſon, oder ein unverſchaͤmter Gek ſich etwas dieſer Art verlauten laͤßt: ſo iſt es beſſer, ſich zu ſtellen, als merkte man es nicht, als darauf zu antworten.)

(Huͤte dich ſorgfaͤltig, von deinen oder Anderer haͤuslichen Angelegenheiten zu reden. Die deini - gen gehen andere nichts an, und ſind ihnen lang - weilig; die ihrigen gehen dich nichts an. Die Materie iſt verfaͤnglich; denn es laͤßt ſich wetten, daß du den einen oder den andern an ſeinem ſchmerzhaften Orte treffen wirſt. In dieſem Falle darf man dem guten Scheine nicht trauen, wel -cher45cher dem wahren Verhaͤltniß zwiſchen Maͤnnern und Weibern, Aeltern und Kindern, einem Freunde und dem andern, insgemein ſehr zuwider iſt, daß man bei der beſten Abſicht von der Welt oft unan - genehme Fehler begeht.)

(Merke, daß in den meiſten vermiſchten Ge - ſelſchaften Wiz, Laune und Scherz blos an den Ort gebunden ſind! Sie kommen auf dem und jenem Boden fort, laſſen ſich aber nicht leicht verpflanzen. Jede Geſelſchaft iſt in beſondern Umſtaͤnden, und hat ihre beſondre Sprache. Das kan in derſelben Anlaß zu Wiz und Luſtigkeit ge - ben, wuͤrde aber in jeder andern mat und un - ſchmakhaft ſcheinen, und laͤßt ſich daher nicht wie - derholen. Nichts macht, daß man einfaͤltiger ausſieht, als eine von der Geſelſchaft nicht ver - ſtandene oder nicht gebilligte Scherzrede. Findet man nun tiefes Stilſchweigen, indem man alge - meinen Beifal erwartet, oder was noch aͤrger iſt, wird man erſucht, das Wizige ſeiner Reden zu erklaͤren: ſo laͤßt ſich der ungeſchikte, verlegneZuſtand,46Zuſtand, worin man ſich alsdan befindet, eher denken, als beſchreiben.)

(Doch auf das Wiederholen zu kommen! Huͤte dich ſehr, das, was du in der einen Geſelſchaft gehoͤrt haſt, (ich meine hier nicht die bloßen Scherzreden) in einer andern zu wiederholen! Dinge, die dem Anſehen nach gleichguͤltig ſind, koͤnnen, wenn ſie weiter kommen, viel wichtigere Folgen haben, als du denken ſolteſt. Zudem gibt es in der Geſelſchaft ein algemeines, ſtilſchweigend angenommenes, Vertrauen, kraft deſſen jeder gehalten iſt, nichts aus derſelben auszuplaudern, wenn ihm gleich nicht ausdruͤklich Verſchwiegen - heit anbefohlen wird. Ein Ausplauderer dieſer Art wird ſich ganz ſicher in tauſend Zaͤnkereien und abgenoͤthigte Erklaͤrungen verwikkeln, und wohin er nur koͤmt, da wird man ihn ſchuͤchtern und unluſtig aufnehmen.)

(Du wirſt in den meiſten guten Geſelſchaften Leute finden, die ihren Plaz durch ein ſehr ver - aͤchtliches Recht behaupten. Wir nennen einen ſolchen eine gute Haut, die Franzoſen nennen ihnun47un bon diable. Die wahre Beſchaffenheit iſt, daß es Leute ohne Geiſtesgaben und Einbildungs - kraft ſind, die keinen eigenen Willen haben, und daher bereit ſind, alles was in der Geſelſchaft geſagt und gethan wird, gutzuheißen oder ihm beizutreten, mit gleicher Munterkeit den tugend - hafteſten oder laſterhafteſten, weiſeſten oder ein - faͤltigſten Entwurf anzunehmen, der nur von dem groͤßern Theile der Geſelſchaft in Anſchlag gebracht wird. Dieſe thoͤrichte, oft laſterhafte, Gefaͤllig - keit ruͤhrt blos vom Mangel eigener Verdien - ſte her.)

(Ich hoffe, du wirſt deinen Plaz in der Ge - ſelſchaft aus einem edlern Grunde, und zwar (du kanſt doch hoffentlich ein Wortſpiel ertragen) mit dem Kopfe behaupten. Habe deinen eigenen Willen und deine eigene Meinung, und bleibe ſtandhaft dabei, aber mit aufgeraͤumtem Weſen, mit Wohlanſtaͤndigkeit und Hoͤflichkeit! Denn du biſt izt noch nicht alt genug, um vorpredigen oder tadeln zu duͤrfen.)

(Alle andre Arten von Gefaͤlligkeit ſind in guter Geſelſchaft nicht nur untadelhaft, ſondernauch48auch nothwendig. Sich das Anſehen zu geben, als naͤhme man die kleinen Schwachheiten, Fehler und Laͤcherlichkeiten der Geſelſchaft gar nicht wahr, das iſt nicht nur erlaubt, ſondern auch gewiſſer maßen eine Pflicht der Hoͤflichkeit. Thuſt du es, ſo wird man mit dir zufrieden ſein; thuſt du es nicht, ſo wird man ſich gewiß von dir nicht beſſern laſſen.)

(Du wirſt in jeder Gruppe von Geſelſchaft zwo Hauptfiguren finden, das artige Frauenzim - mer und den artigen Herrn, die ſchlechterdings, in Anſehung des Wizes, der Sprache, der Mode, des Geſchmaks, derſelben Geſelſchaft Geſeze vor - ſchreiben. Bei einem maͤßigen Antheile an Scharf - ſin wirſt du, noch ehe du eine halbe Stunde in der Geſelſchaft geweſen biſt, dieſe beiden Haupt - figuren leicht entdekken; ſowohl aus der Ehrfurcht, die du der ganzen Geſelſchaft ihnen erweiſen ſieheſt, als auch aus der ungezwungenen, ſorgloſen, hei - tern Miene, die ihnen das Bewußtſein ihrer Macht gibt. In dieſem Falle, ſo wie in jedem andern, ziele allezeit auf das hoͤchſte; wende dich an dieſeHaupt -49Hauptperſonen, gleich bemuͤht, ihnen zu gefallen, und von ihnen zu lernen. Das Aufſuchen des nicht zu erhaltenden philoſophiſchen Steins hat tauſend nuͤzliche Entdekkungen veranlaßt, die auſ - ſerdem niemahls waͤren gemacht worden.)

(Was die Franzoſen mit Recht edle Sitten nennen, das laͤßt ſich blos in den allerbeſten Ge - ſelſchaften erlangen. Sie ſind die unterſcheiden - den Kenzeichen volkommener Weltleute. Die von niedriger Erziehung nehmen ſie niemahls in einem ſolchen Grade an, daß nicht ein oder der andre Theil des urſpruͤnglichen Poͤbelhaften durchſchim - mern ſolte. Edle Sitten verbieten eben ſo ſehr uͤbermuͤthige Verachtung, als niedrige Eiferſucht.)

(Schlechterzogene Leute in guten Umſtaͤnden, ſchoͤnen Kleidern und Kutſchen, aͤuſſern uͤbermuͤ - thige Verachtung gegen alle, die ſich nicht eben ſo ſchoͤne Kleider und Kutſchen anſchaffen koͤnnen, und nicht, wie ſie ſich ausdruͤkken, ſo viel Geld in der Taſche haben. Auf der andern Seite nagt ſie der Neid. Sie koͤnnen ſich nicht enthalten, ihn gegen diejenigen blikken zu laſſen, von denenTheophron 2. Th. Dſie50ſie in irgend einem dieſer Stuͤkke uͤbertroffen wer - den, die doch bei weitem keine ſichere Kenzeichen des Verdienſtes ſind. Ferner beſorgen ſie, man moͤgte ſie verachten; daher ſind ſie uͤberaus arg - woͤhniſch und aͤrgerlich. Sie ſind begierig und hizig in Kleinigkeiten; darum, weil Kleinigkeiten anfangs ihre wichtigen Angelegenheiten waren. Edle Sitten enthalten in ſich gerade das Wider - ſpiel von allem dieſem. Erlerne ſie fruͤhzeitig! Du kanſt dir ſie nicht zu ſehr gelaͤufig und zur Fertigkeit machen.)

(Ich ſage nichts von dem Tragen und der Geſchiklichkeit des Leibes, ſondern uͤberlaſſe das der Sorge deines Tanzmeiſters und deiner eignen Aufmerkſamkeit auf die beſten Muſter. Merke dir jedoch, daß es Dinge von Wichtigkeit ſind.)

(Rede oft; niemahls aber lange! Gefaͤlſt du in ſolchem Falle nicht, ſo biſt du wenigſtens ſicher, daß du deine Zuhoͤrer nicht ermuͤdeſt. Be - zahle deine eigne Rechnung, bewirthe aber nicht die ganze Geſelſchaft! Das Leztere geziemet ſich nur in hoͤchſt ſeltenen Faͤllen, weil in den meiſtenandern51andern die Leute nicht bewirthet ſein wollen, ſon - dern jeder voͤllig uͤberzeugt iſt, daß er ſelbſt be - zahlen kan.)

(Geſchichte erzaͤhle ſelten, und ſchlechterdings niemahls, als wenn ſie uͤberaus artig und ſehr kurz ſind. Jeden unerheblichen Umſtand laß weg, und huͤte dich vor Ausſchweifungen! Seine Zu - flucht oft zu Erzaͤhlungen nehmen, das verraͤth einen großen Mangel an Einbildungskraft.)

(Faſſe niemanden beim Knopfe oder bei der Hand, damit er dich aushoͤren ſol! Denn ſind die Leute nicht willig, dich zu hoͤren, ſo mußt du lieber deine Zunge halten, als ſie. Die meiſten großen Schwaͤzer ſuchen ſich irgend einen ungluͤk - lichen Man in der Geſelſchaft, (insgemein den, von dem ſie merken, daß er am ſtilſten iſt) oder den naͤchſten Nachbar aus, dem ſie ins Ohr reden, oder wenigſtens leiſe ein beſtaͤndiges Geſchwaͤze zufluͤſtern koͤnnen. Das iſt nun uͤberaus unge - zogen, und gewiſſermaaßen ein Betrug; denn die Unterredung iſt ein der ganzen Geſelſchaft ge - meinſchaftliches Gut.)

D 2(Auf52

(Auf der andern Seite aber, wenn ſolche un - barmherzige Schwaͤzer dich ergreifen, hoͤre ſie mit Geduld, und wenigſtens anſcheinender Aufmerk - ſamkeit aus, wenn es Leute ſind, die verdienen, daß man ſie ſich verbindlich macht. Nichts aber wird ſie mehr verbinden, als geduldiges Zuhoͤren; ſo wie dagegen nichts ſie mehr verdrießen wuͤrde, als wenn man ſie entweder mitten in ihren Reden ſizen ließe, oder ſeine Ungeduld uͤber die Plage aͤußerte, die man ausſteht. Nim vielmehr den Ton deiner Geſelſchaft an, als daß du ihn ange - ben ſolteſt! Haſt du Geiſtesgaben, ſo wirſt du ſie bei jeder Materie mehr oder weniger zeigen. Haſt du keine, ſo thuſt du beſſer, du redeſt ganz ein - faͤltig von andrer Leute Materien, als daß du ſelbſt welche aufbringen ſolteſt.)

(Vor allen Dingen, und bei allen Gelegen - heiten, huͤte dich, wo moͤglich, von dir ſelbſt zu reden! Unſrer Herzen natuͤrliche Hoffart und Ei - telkeit iſt ſo groß, daß ſie bei aller Gelegenheit, ſelbſt bei Leuten von dem beſten Karakter, unterallen53allen den mancherlei Geſtalten der Eigenliebe, ausbricht.)

(Biſt du aber genoͤthigt, hiſtoriſch etwas von dir zu erwaͤhnen, ſo huͤte dich, daß du dir kein Wort entfallen laſſeſt, das mittelbar oder unmittelbar ſo ausgelegt werden kan, als gingeſt du auf Bei - fal aus! Deine Gemuͤthsart ſei welche ſie wolle, ſo wird ſie bekant werden, aber niemand wird ſie auf dein Wort annehmen. Bilde dir nicht ein, daß alles, was du ſelbſt ſagen kanſt, deine Fehler uͤberfirniſſen, oder deinen Volkommenheiten Glanz zuſezen werde! Vielmehr kan und wird es neun mahl unter zehn die erſtern mehr hervorſtechen laſſen, und die leztern verdunkeln.)

(Schweigſt du von dir ſelbſt, ſo wird weder Misgunſt, noch Unwillen, noch Spot den Bei - fal, den du wirklich verdienſt, hindern oder ver - ringern. Haͤltſt du dir aber deine eigne Lobrede, bei welcher Gelegenheit, unter welcher Geſtalt, und ſo ſchlau verdekt es auch ſein mag: ſo werden alle ſich wider dich vereinigen, und der nemliche Endzwek, nach dem du ſtrebſt, wird dir fehl ſchlagen.)

D 3(Sorge54

(Sorge dafuͤr, niemahls ein finſteres, geheim - nisvolles Anſehen zu haben! Das iſt nicht nur eine wenig liebenswuͤrdige, ſondern auch verdaͤch - tige, Gemuͤthsart. Komſt du andern geheim - nißvol vor, ſo werden ſie es wirklich gegen dich ſein, und du wirſt nichts erfahren. Die groͤßte Geſchiklichkeit iſt, ein offnes, freimuͤthiges An - ſehen bei einer klugen Zuruͤkhaltung zu haben; verſteht ſich, wenn man ſich unter Leuten be - findet, bei denen Zuruͤkhaltung noͤthig iſt.)

(Sieh allezeit den Leuten, mit denen du redeſt, in das Angeſicht! Thut man das nicht, ſo bilden ſie ſich ein, es zeige ein boͤſes Gewiſſen an. Zu - gleich verlierſt du dabei den Vortheil, auf ihrem Geſichte zu bemerken, welchen Eindruk deine Rede auf ſie macht. Um der Leute wahre Geſinnungen zu erfahren, traue ich vielmehr meinen Augen als meinen Ohren. Denn ſie koͤnnen ſagen, was ſie wollen, das ich hoͤren ſol; koͤnnen aber ſelten ver - meiden, das durch ihre Mienen zu verrathen, was ich, ihrer Meinung nach, nicht wiſſen ſol.)

Mit55

(Mit Willen nim keine aͤrgerliche Geſchichte an, noch breite ſie weiter aus! Denn obſchon andrer Verunglimpfung auf einen Augenblik den boshaften Stolz unſrer Herzen befriedigen kan, ſo wird doch kaltbluͤtige Betrachtung aus einem ſol - chen Betragen ſehr nachtheilige Folgerungen zie - hen; und im Falle der Verlaͤumdung ſowohl als im Falle des Raubs wird der Hehler allezeit fuͤr ſo ſchlim gehalten, als der Stehler.)

(Ich darf dich, duͤnkt mich, nicht erſt ermah - nen, deine Unterredung nach denen Leuten einzu - richten, mit denen du umgehſt. Denn ich ver - muthe, du wuͤrdeſt, auch ohne dieſe Warnung, nicht von der nemlichen Materie und auf die nemliche Art gegen einen Staatsminiſter, einen Biſchof, einen Philoſophen, einen Hauptman und ein Frauenzimmer reden. Ein Weltman muß, wie das Kamaͤleon, im Stande ſein, jede verſchiedne Farbe anzunehmen. Das iſt keines - wegs eine laſterhafte oder niedertraͤgtige, ſondern nothwendige Gefaͤlligkeit; denn ſie bezieht ſich blos auf das Bezeigen, nicht auf die Grundſaͤze.)

D 4(Nur56

(Nur noch ein Wort wil ich vom Schwoͤren ſagen; das iſt aber, wie ich hoffe und glaube, mehr, als noͤthig iſt. Du wirſt zuweilen in gu - ter Geſelſchaft Leute ihre Reden, zur Verſchoͤne - rung, wie ſie glauben, mit Schwuͤren durchſpikken ſehen. Aber du mußt auch anmerken, daß, die das thun, niemahls ſolche ſind, die in einigem Grade dazu beitragen, dieſer Geſelſchaft die Be - nennung einer guten zu verdienen. Es ſind alle - zeit geringere Leute, oder von ſchlechter Erziehung. Denn dieſe Gewohnheit, außerdem daß man keine Verſuchung zu derſelben anzufuͤhren hat, iſt eben ſo einfaͤltig und unedel, als gotlos. Genug hievon!)

Wenn du nicht ſo viel Gewalt uͤber dich haſt, deine Launen zu unterdruͤkken, (doch ich hoffe, du wirſt dieſe Gewalt haben, und jedes vernuͤnf - tige Geſchoͤpf kan ſie haben,) ſo gehe wenigſtens nie in Geſelſchaft, ſo lange der Paroxismus einer uͤblen Laune waͤhrt. Stat, daß in ſolchen Au - genblikken eine Geſelſchaft dich vergnuͤgen ſolte, wirſt du ihr mißfallen, wirſt ihr anſtoͤſſig wer - den, und nie ſo gute Freunde darin zuruͤklaſſen,als57als du fandeſt. So oft du alſo an dir ſelbſt merkſt, daß du auf dem Wege biſt, muͤrriſch, widerſprechend und ſtarkoͤpfig zu werden, ſo verſuche ja nicht, dich auſſer deinen vier Waͤnden davon zu heilen: denn das wuͤrde vergeblich ſein. Bleib zu Hauſe, laß deine boͤſe Laune ausgaͤhren und ſich durcharbeiten. Froͤhlichkeit und gute Laune ſind unter allen Eigenſchaften eines guten Geſel - ſchafters die beliebteſten; denn, ob ſie gleich nicht immer Gutmuͤthigkeit und feine Lebensart zu Ge - faͤhrten haben, ſo reichen ſie doch hin, die Rolle der leztern recht gut zu ſpielen, und das iſt alles, was in vermiſchter Geſelſchaft verlangt wird. Mit dieſer Froͤhlichkeit und guten Laune meine ich aber nicht etwa die laͤrmende Luſtigkeit und das ſchallende Gelaͤchter, woran man allemahl den Poͤbel und ſchlecht erzogne Leute ſicher erkent; denn die Froͤhlichkeit dieſer Art Menſchen gleicht einem Sturm. Merke dir, mein Lieber, der Poͤbel lacht oft uͤberlaut, laͤchelt aber niemahls, indes wohl - erzogne Leute oft laͤcheln, aber ſeltener aus vollen Bakken lachen. Ein wiziger Einfal erregt nie uͤber - lautes Lachen; er gefaͤlt der Sele, aber er verzertD 5keine58keine Geſichtsmuſkel. Eine auffallende Unge - reimtheit, eine handgreifliche Unbeſonnenheit, ein drollichter Fehler im Sprechen und dergleichen Dinge mehr, die man gewoͤhnlich komiſch nent, koͤnnen unter wohlerzognen Leuten wohl ein La - chen, aber nie ein uͤberlautes oder anhaltendes Gelaͤchter erwekken.

(Man ſagt mir, du haͤtteſt viel Lebhaftig - keit. Dieſe wird dich nicht hindern, in guter Geſelſchaft zu gefallen, ſondern vielmehr dir dazu nuͤzlich ſein, wenn ſie durch Wohlanſtaͤn - digkeit gemaͤßigt, und von Annehmlichkeiten begleitet wird. Aber ich nehme auch an, daß es eine Lebhaftigkeit des Geiſtes ſein ſol, nicht eine aus der Leibesbeſchaffenheit herruͤhrende Un - ruhe. Die allerunannehmlichſte Verbindung, die ich nur kenne, iſt die von ſtarken Lebensgeiſtern mit einem froſtigen Verſtande. Ein ſolcher Kerl iſt auf eine beſchwerliche Art thaͤtig, auf eine nichtswuͤrdige Art geſchaͤftig, auf eine thoͤrigte Art lebhaft. Er ſchwazt viel, und denkt wenig; lacht deſto mehr, je weniger er Urſache hat. Hinge -59Hingegen iſt, meiner Meinung nach, ein muntrer, lebhafter Geiſt bei einer kaltbluͤtigen Leibesbeſchaf - fenheit das Volkommenſte in der menſchlichen Natur.)

Man hat den Jachzorn eine voruͤbergehende Raſerei genant: eine Raſerei iſt er in der That; aber die Anfaͤlle davon kommen bei jachzornigen Leuten ſo oft wieder, daß man ihn eine fortwaͤh - rende Raſerei nennen koͤnte. Solteſt du etwa, welches Gott verhuͤten wolle, einen ungluͤklichen Hang dazu bei dir wahrnehmen: ſo laß es dein beſtaͤndiges Beſtreben ſein, ihn zu unterdruͤkken oder wenigſtens zu ſchwaͤchen. Merkſt du, daß dein Zorn aufbrauſen wil, ſo ſprich nicht mit der Perſon, die ihn erregt, und antworte ihr nicht, ſondern warte, bis du fuͤhlſt, daß der Zorn ſich legt, und dan ſprich mit Bedacht. Ich habe viel Leute gekant, welche eben durch die Schnel - ligkeit ihrer Zunge unwilkuͤhrlich in Affekt hinge - riſſen wurden. Ich wil dir ein kleines, vielleicht in deinen Augen laͤcherliches Mittel, den Ausbruch der Leidenſchaft zuruͤkzuhalten, angeben, wovon ichmich60mich ſelbſt erinnere, den Nuzen erfahren zu haben. Thue alles, was du thuſt, im Takte der Menuet; rede, denke, bewege dich immer in dieſem Zeit - maaß, gleichentfernt von dem traͤge fortſchlei - chenden und dem uͤbereiltgeſchwinden Takte. Bei dieſer Bewegung wirſt du immer einige Augen - blikke gewinnen, vorauszudenken, und die Gra - zien werden begleiten koͤnnen, was du ſagſt oder thuſt; denn dieſe Goͤttinnen werden nie weder laufend, noch kriechend vorgeſtelt. Bemerke ein - mahl einen Menſchen im Augenblik der Leiden - ſchaft; ſiehe an ſeine funkelnden Augen, ſein gluͤ - hendes Geſicht, ſeine zitternden Glieder, ſeine von Wuth ſtammelnde Zunge, und dan frage dich ganz kaltbluͤtig: ob du um irgend einen Preis ſolch eine Beſtie in menſchlicher Geſtalt ſein moͤgteſt? Solche Geſchoͤpfe ſind gehaßt und gefuͤrchtet in allen Geſelſchaften, wo ſie frei herumlaufen; niemand befaßt ſich mit ihnen, weil niemand in die verdrießliche Nothwendigkeit geſezt ſein mag, entweder ihnen den Hals zu brechen, oder ſich von ihnen den Hals brechen zu laſſen. Bemuͤhe dich dagegen, dir uͤberal eineruhige,61ruhige, kaltbluͤtige Feſtigkeit eigen zu machen; die Vortheile davon ſind unzaͤhlbar, und es wuͤrde zu weitlaͤuftig ſein, ſie dir vorzurechnen. Durch Sorgfalt und Ueberlegung kan man ſich zu dieſer gluͤklichen Faſſung gewoͤhnen; koͤnte man das nicht, ſo waͤre wahrlich die Vernunft, welche den Menſchen vom Thiere unterſcheidet, uns ohne Zwek gegeben. Auch kan das einen Beweis hievon abgeben: ich habe nie einen Quaͤker in Affekt geſehen, und ich beſinne mich kaum, von einem gehoͤrt zu haben. In Wahr - heit, es herſcht in dieſer Sekte eine ſo genaue Beobachtung des Wohlſtandes und eine ſo lie - benswuͤrdige Einfalt, als ich noch bei keiner an - dern gefunden habe.

(Wer ſich nicht ſelbſt genug in ſeiner Gewalt hat, um unangenehme Dinge ohne ſichtbare Merk - male des Zorns oder Veraͤnderung der Miene, ingleichen angenehme ohne ploͤzliche Ausbruͤche der Freude und Aufheiterung des Geſichts anzu - hoͤren, der ſteht in der Gewalt jedes liſtigen Betruͤgers oder unverſchaͤmten Gekken. Der erſte wird ihn mit Abſicht reizen, oder ihm ſchmei -cheln,62cheln, um behutſame Worte oder Blikke auf; u - haſchen, wodurch er leicht die Geheimniſſe ſeines Herzens entdekken wird, woruͤber man den Schluͤſ - ſel ſelbſt behalten, und keinem andern anvertrauen ſolte. Der leztere wird durch ſein ungereimtes Weſen ohne Abſicht die nemlichen Entdekkungen veranlaſſen, die ſich andre Leute zu Nuze machen werden.)

Ich kan nicht umhin, dir einmahl uͤber das andere den Rath eines der weiſeſten Alten aufs ernſtlichſte zu empfehlen, nemlich dieſen: den Grazien taͤglich mit großer Verehrung zu opfern. Du wirſt leicht einſehen, was er damit ſagen wolte. Wenn ſie uns guͤnſtig ſind, ſo kleiden ſie alles in gefaͤlligen Schmuk, und gewinnen alle Herzen fuͤr uns. Aber haͤngt es von uns ab, uns ihre Gunſt zu erwerben? Ja, mein Lieber, wenigſtens bis auf einen gewiſſen Grad, und zwar durch Aufmerkſamkeit und ſorgfaͤltige Beob - achtung unſrer ſelbſt, und durch taͤgliches Stu - dium der Kunſt, ſich gefaͤllig zu machen.

Es63

Es gibt Grazien der Seele, ſo wie des Koͤr - pers; die erſtern geben dem Gedanken und dem Ausdruk, die leztern den Bewegungen, Stel - lungen und der ganzen Art ſich zu zeigen eine gefaͤllige Geſtalt. Es hat ſie vielleicht nie ein Menſch alle auf einmahl beſeſſen; ein ſolcher wuͤrde zu gluͤklich ſein. Wenn du aber auf die einnehmenden und gefaͤlligen Manieren, die dir an andern am meiſten gefallen, ſorgfaͤltig merkſt, ſo wirſt du leicht den Schluß machen, was an - dern an dir gefallen koͤnne; du wirſt den groͤßten Theil dieſer Goͤttinnen auf deine Seite bringen, wirſt dich der Mehrheit der Stimmen verſichern, und fuͤr einen liebenswuͤrdigen jungen Man er - klaͤrt werden. Es gibt Leute, welche Moliere’s Prezieuſe ſehr richtig, obgleich ſehr affektirt, die Antipoden der Grazien nent; wenn die Natur dieſe ungluͤklichen Leute mißfaͤllig, plump und widrig gebildet hat, ſo muß man Mitleid mit ihnen haben, und nicht ſie tadeln oder gar be - lachen. Aber die Natur hat wirklich wenig Menſchen ſo ſehr enterbt.

(Man64

(Man kan ſich die verſchiedentliche Wirkung der nemlichen gethanen oder geſagten Dinge, nachdem als ſie mit oder ohne Grazien, oder aͤuſſerliche Annehmlichkeiten ſind, nicht genug vor - ſtellen. Sie bahnen den Weg zum Herzen. Nun hat aber das Herz ſo ſtarken Einfluß auf den Verſtand, daß es gar wohl der Muͤhe werth iſt, es auf unſre Seite zu bringen. Die ſaͤmtliche Frauenzimmerwelt wird faſt durch nichts anders geleitet; es hat auch bei Maͤnnern, und ſelbſt den geſchikteſten, ſo viel zu ſagen, daß es in jedem Streite mit dem Verſtande insgemein den Sieg davon traͤgt. Herr von Rochefoucault ſagt in ſeinen Sittenſpruͤchen, der Verſtand wird oft vom Herzen zum beſten gehabt. Haͤtt er anſtat oft, geſagt, faſt allezeit; ſo waͤr er der Wahrheit naͤher gekommen.)

(Innerliches Verdienſt allein wird es nicht ausmachen. Es gewint dir zwar die algemeine Hochachtung aller, nicht aber die beſondre Nei - gung, das iſt, das Herz eines einzigen.)

(Um die Neigung einer beſondern Perſon zu gewinnen, mußt du, außer und nebſt deinemalgemei -65algemeinen Verdienſte, noch ein beſonderes um dieſelbe Perſon haben, durch angebotene oder ge - leiſtete Dienſte, durch Ausdruͤkke der Achtung und Hochſchaͤzung, durch Gefaͤlligkeit und Auf - merkſamkeit fuͤr ſie, u. ſ. w. Die annehmliche Art, alle dieſe Dinge zu thun, bahnt ihnen den Weg zum Herzen, erleichtert ihre Wirkungen, oder ſtelt ſie vielmehr ſicher.)

(Bedenke, vermoͤge deiner eignen Beobach - tung, welchen ſchlimmen Eindruk ungeſchikte An - rede, ſchmuziger Aufzug, unangenehme Ausſpra - che, als Stottern, Murmeln und Monotonie, fahrlaͤßiges Bezeigen u. ſ. w. an einem Fremden beim erſten Anblikke auf dich machen, und wie ſehr ſie dich wider ihn einnehmen, ob du gleich wiſſen kanſt, daß er innerlich Verſtand und Verdienſte beſizt. Bedenke dagegen, wie ſehr das Gegentheil von allen dieſen Dingen dich auf den erſten Anblik zum Beſten derer einnimt, die ſie an ſich haben! Du wuͤnſcheſt, alle gute Eigen - ſchaften an ihnen zu finden; geſchieht das nicht, ſo wird deine Erwartung gewiſſermaaßen ver - eitelt.)

Theophron 2. Th. E(Tau -66

(Tauſend kleine Dinge, die ſich nicht beſon - ders erklaͤren laſſen, treffen zuſammen, um die Grazien, das ich weis nicht was auszumachen, das allezeit gefaͤlt. Schoͤne Geſtalt, artige Be - wegung, ein gehoͤriger Grad von Kleidung, eine harmoniſche Stimme, etwas offenes und heiteres in der Miene, deutliche und gehoͤrig abgewechſelte Art der Ausſprache; dieſe und viele andere Dinge ſind nothwendige Theile von dem zuſammengeſezten ich weis nicht was, das jederman fuͤhlt, nie - mand aber beſchreiben kan.)

(Beobachte daher ſorgfaͤltig, was dir an an - dern gefaͤlt oder misfaͤlt, und glaube feſt, daß uͤberhaupt die nemlichen Dinge an dir auch ihnen gefallen oder misfallen werden!)

(Große Geiſtesgaben und große Tugenden werden dir, wenn du anders welche haſt, der Menſchen Ehrerbietung und Bewunderung zu - wege bringen. Allein die kleinern Gaben, die Tugenden von der mildern Art, muͤſſen dir ihre Liebe erwerben. Erhalten die erſten nicht von den lezten Beiſtand und Zierde, ſo werden ſie zwar Lob abnoͤthigen, zugleich aber Furcht undNeid67Neid rege machen; zwei Regungen, die ſich ſchlech - terdings nicht mit Zuneigung und Liebe vertragen.)

(Caͤſar hatte alle die großen Laſter, und Cato alle die großen Tugenden an ſich, die nur Menſchen haben koͤnnen. Allein Caͤſar hatte zu - gleich die Tugenden von der mildern Art, daran es dem Cato fehlte, die ihn ſelbſt bei ſeinen Fein - den beliebt machten, und ihm der Menſchen Her - zen troz ihrer Vernunft geroannen. Cato war nicht einmahl bei ſeinen Freunden beliebt, ungeach - tet der Hochachtung und Ehrerbietung, die ſie ſeinen Tugenden nicht verſagen konten. Ich bin geneigt, zu glauben, wenn Caͤſarn dieſe mil - dern Tugenden gefehlt haͤtten, Cato aber ſie be - ſeſſen haͤtte: ſo wuͤrde der erſte nicht Roͤms Frei - heiten angegriffen haben, wenigſtens nicht mit Erfolge, und der lezte koͤnte ſie beſchuͤzt haben.)

(Addiſon ſagt in ſeinem Trauerſpiele Cato von Caͤſarn, und zwar, wie ich glaube, mit Recht: verwuͤnſcht ſollen ſeine Tugenden ſein! Sie haben ſein Vaterland in Verderben ge - ſtuͤrzt. Er meint darunter die kleinern, aberE 2einneh -68einnehmenden Tugenden der Freundlichkeit, Ge - ſpraͤchigkeit, Gefaͤlligkeit und des aufgeraͤumten Weſens.)

(Die Wiſſenſchaft eines Gelehrten, die Herz - haftigkeit eines Helden und die Tugend eines Stoikers werden zwar bewundert werden. Iſt aber die Wiſſenſchaft mit Uebermuth, die Herz - haftigkeit mit Troz, die Tugend mit unbiegſamer Strenge verbunden, ſo wird man den Man nie - mahls lieben.)

(Karls des zwoͤlften von Schweden Hel - denmuth wenn anders ſeine thieriſche Herzhaf - tigkeit dieſen Namen verdient ward durchgaͤngig bewundert, er ſelbſt aber niemahls geliebt. Hin - gegen Heinrich der vierte von Frankreich, der eben ſo große Herzhaftigkeit beſaß, und weit laͤn - ger in Kriege verwikkelt war, ward wegen ſeiner geringern geſelligen Tugenden durchgaͤngig geliebt.)

(Die uͤbermuͤthige Hoͤflichkeit eines Stolzen iſt, wo moͤglich, noch anſtoͤßiger, als ſeine Unhoͤflich - keit ſein koͤnte. Denn er gibt durch ſein Bezeigen zu erkennen, daß er ſie fuͤr bloße Herablaſſung von ſeiner Seite haͤlt, und ſeine Guͤte allein demandern69andern das verwilligt, was er zu fodern kein Recht haͤtte. Er gibt ſeinen Schuz, anſtat ſeiner Freund - ſchaft, durch ein gnaͤdiges Kopfnikken, anſtat ei - ner gewoͤhnlichen Verbeugung, zu erkennen; und deutet vielmehr ſeine Genehmhaltung an, daß der andre mit ihm gehen, ſizen, eſſen, oder trinken koͤnne, als ſeine Einladung, daß er es thun ſolle.)

(Die zaͤhe Freigebigkeit eines auf ſein Geld ſtolzen Mannes beſchimpft die Duͤrftigkeit, der ſie zuweilen abhilft. Er ſorgt dafuͤr, daß der andre ſein Ungluͤk und den Unterſchied zwiſchen ihrer beider Zuſtande empfinden muß, und gibt zu verſtehen, beides waͤre mit Recht verdient, des andern Armuth durch ſeine Thorheit, ſein eigner Wohlſtand durch ſeine Weisheit.)

(Der uͤbermuͤthige Pedant theilt nicht ſeine Wiſſenſchaft mit, ſondern ruft ſie aus. Er gibt ſie einem nicht, ſondern dringt ſie auf. Er iſt, wo moͤglich, begieriger, andern ihre Unwiſſenheit, als ſeine eigne Gelehrſamkeit zu zeigen.)

(Ein ſolches Verhalten pflegt nicht nur in den beſondern von mir angefuͤhrten Umſtaͤnden, ſon - dern auch in allen andern, den kleinen Stolz undE 3die70die Eitelkeit zu empoͤren, die jeder in ſeinem Her - zen hat, und in uns die Dankbarkeit fuͤr erhaltne Gunſt zu ſchwaͤchen, indem ſie uns an den Be - weggrund erinnert, der ſie hervorbrachte, und an das Bezeigen, mit dem ſie begleitet war.)

(Dieſe Fehler weiſen auf die ihnen entgegen - geſezten Volkommenheiten, und dein eigner ge - ſunder Verſtand wird dir ſie natuͤrlicher Weiſe anzeigen.)

Wenn Gott dir Wiz gibt, mein Lieber, wel - ches ich nicht ſehr wuͤnſche, wofern er dir nicht ein gleiches Maaß von Urtheilskraft gibt, um den Wiz in Ordnung zu halten ſo trage ihn wie dein Schwert in der Scheide, und blize nicht damit zum Schrekken der Geſelſchaft umher. Wenn du wahren Wiz haſt, ſo wird er willig und von ſelbſt fließen, und du wirſt ihn nicht er - zwingen duͤrfen. Denn hier iſt die Regel des Evangeliums umgekehrt wahr: ſuchet, und ihr werdet nicht finden.

Wiz iſt ein ſchimmerndes Talent, das jederman bewundert: die meiſten ſtreben darnach, alle fuͤrch -ten71ten es, und wenige lieben es, auſſer an ſich ſelbſt. Wer ein großes Maaß von Wiz an andern er - tragen wil, muß ſelbſt ein betraͤgtliches Maaß da - von beſizen. Wenn der Wiz ſich durch Satire aͤuſſert, ſo iſt er eine boͤsartige Krankheit der Sele. Zwar darf ſich der Wiz allerdings in Satire kleiden; aber Satire iſt nicht immer Wiz, wie manche ſich faͤlſchlich einbilden. Ein Man von Wiz findet tauſend beſſere Gelegenheiten, ihn zu zeigen.

Enthalte dich demnach der Satire aufs ſorg - faͤltigſte, ſolte ſie auch keine Perſon in der Ge - ſelſchaft beſonders treffen. Sie gefaͤlt auf einen Augenblik vermoͤge der geheimen Tuͤkke des menſch - lichen Herzens; indes, ſo bald man einige Ueber - legung anſtelt, ſezt ſie alles in Schrekken. Ein jeder denkt, die Reihe werde naͤchſtens auch an ihn kommen; und ſtat dir verpflichtet zu ſein fuͤr das, was du von ihm nicht ſagſt, wird er dich haſſen, wegen deſſen, was du vielleicht einmahl ſagen koͤnteſt. Furcht und Haß ſind die beiden naͤchſten Nachbarn. Je mehr Wiz du haſt, deſto mehr Gutherzigkeit und Hoͤflichkeit mußt du zei -E 4gen,72gen, damit man geneigt ſei, dir deine Ueberlegen - heit zu verzeihen; denn das iſt nichts leichtes. Lerne dich in die Sphaͤre der Geſelſchaft ein - ſchraͤnken, worin du biſt. Stimme in den Ton derſelben ein, ſuche ihn vorzuͤglich gut zu treffen, aber nie nim dir die Freiheit, den Ton anzugeben. Eine gute Geſelſchaft ertraͤgt eben ſo wenig einen Diktator, als eine freie Republik.

Vielleicht fraͤgſt du, und mit Recht, wie du wiſſen koͤnneſt, ob du Wiz habeſt oder nicht, da Eigenliebe und Eitelkeit, von denen kein Menſch auf Erden voͤllig frei iſt, uns ſo leicht blenden? Die beſte Antwort, die ich dir hierauf geben kan, iſt dieſe: Traue nicht deinem eignen Urtheil, denn es taͤuſcht dich; auch traue nicht deinen Ohren, denn du wirſt immer den Weirauch der Schmei - chelei gern verſchlukken, wenn du irgend verdienſt, daß man dir raͤuchere; ſondern traue blos deinen Augen, und lies, wenn du in guter Geſelſchaft biſt, in den Geſichtern der Anweſenden, ob ſie das, was du ſagſt, billigen oder misbilligen. Gib auch ſorgfaͤltig darauf Acht, ob du von guten Geſelſchaften geſucht wirſt, ob man dich bittet,ob73ob man in dich dringt, ihr Mitglied zu ſein. Und doch iſt ſelbſt alles dis noch nicht hinreichend, dir die voͤllige Gewißheit zu geben, daß du Wiz habeſt. Laß dich alſo dadurch nicht verleiten, deinen Wiz in Bonsmots, Epigrammen und ſpizigen Antworten, Schlag auf Schlag, den Leuten an den Kopf zu werfen.

Scheine nie mehr, ſondern lieber weniger Wiz zu haben, als du haſt. Ein weiſer Man weiß mit ſeinem Wiz ſo wie mit ſeinen Einkuͤnften hauszuhalten. Begnuͤge dich mit ſchlichtem Ver - ſtande und richtigem Urtheil, welche in die Laͤnge allemahl zum Vortheil deſſen einnehmen, der ſie hat. Komt Wiz oben ein in den Kauf, heiß ihn wilkommen, aber lade ihn nicht ein. Laß dir dieſe Wahrheit immer gegenwaͤrtig ſein: haſt du Wiz, ſo wird man dich bewundern; aber nichts als richtiger Verſtand und gute moraliſche Eigen - ſchaften machen dich beliebt. Sie gleichen den Altagskleidern. Wiz hingegen iſt fuͤr die Gala - tage, wo die Leute ſich zeigen, um begaft zu werden.

E 5Es74

Es gibt eine Art geringern Wizes, wel - cher ſtark gebraucht, und noch mehr gemisbraucht wird; ich meine die Spoͤtterei. Sie gehoͤrt unter die ungluͤklichſten und gefaͤhrlichſten Waffen, wenn ſie in ungeſchikte Haͤnde komt; und es iſt weit ſicherer, ſich gar nicht damit zu befaſſen, als damit zu ſpielen; und doch ſpielt faſt jeder - man alle Tage damit, ob man gleich alle Tage die Beiſpiele von Zaͤnkereten und Erbitterungen vor Augen hat, die dadurch veranlaßt werden. In der That ſezt jede Spoͤtterei voraus, daß der Spottende ſich uͤber den Verſpotteten hinwegſezt, und ſchon die Vermuthung einer ſolchen Begeg - nung iſt jederman unertraͤglich, wenn man gleich andre zuweilen nicht ungern darunter leiden ſieht.

Oft iſt eine Spoͤtterei anfangs ganz unſchul - dig und harmlos und beleidigt niemand; aber ſie endet ſelten, ohne beleidigend zu werden: denn dis komt blos auf den Verſpotteten an. Wenn dieſer ſich nicht laͤnger vertheidigen kan, ſo verfaͤlt er in Grobheiten, und wenn er es kan, ſo vergißt ſich ſein Gegner, den es verdrießt, daß der Pfeil auf ihn zuruͤk pralt. Dis iſt eine Art von Pruͤ -fung75fung des Wizes, wo niemand gern ſeine Schwaͤ - chen ſehen laͤßt.

Der Karakter eines Spoͤtters iſt algemein gefuͤrchtet und am meiſten gehaßt. Ich weiß aus Erfahrung, daß man in der Welt die Ungerechtig - keiten eines ſchlechtdenkenden Menſchen weit eher verzeiht, als die Spotreden eines Wizlings; jener greift unſre Freiheit und unſer Eigenthum an, dieſer hingegen beleidigt und kraͤnkt den geheimen Stolz, von welchem keines Menſchen Herz frei iſt. Ich gebe zu, daß es eine gewiſſe Art Spot gibt, welcher nicht nur nicht beleidigend, ſondern ſo gar ſchmeichelhaft iſt, z. E. wenn man in einer feinen Ironie Leute ſolcher Fehler beſchuldiget, wovon jederman weiß, daß ſie ſie nicht haben, und ihnen alſo damit die entgegengeſezten Tugen - den beilegt. Du kanſt ganz ſicher Ariſtides einen Schurken, oder ein ſehr ſchoͤnes Frauenzimmer heßlich nennen. Aber daß ja der Karakter des Mannes oder die Schoͤnheit des Frauenzimmers nicht im geringſten zweifelhaft ſei. Allein dieſe Art von Spot erfodert eine ſehr leichte und zu - gleich feſte Hand, um Gebrauch davon zu machen. Iſt76Iſt er nur ein wenig zu ſtark, ſo wird er leicht fuͤr eine Beleidigung, und iſt er zu ſuͤß, fuͤr et - was Anzuͤgliches aufgenommen, und das iſt ein ſehr verhaßtes Ding.

(Alle die verbrauchten, wenigſtens eben ſo oft falſchen als wahren Spoͤttereien uͤber Nazionen und Berufsarten uͤberhaupt, ſind die armſeelige Zuflucht von Leuten, die ſelbſt weder Wiz noch Erfindungskraft haben, ſondern durch erborgten Flitterſtaat in Geſelſchaften zu ſchimmern ſuchen. Ich bringe ſtets ſolche unverſchaͤmte Maulaffen aus der Faſſung, indem ich uͤberaus ernſthaft ausſehe, wenn ſie erwarten, daß ich uͤber ihren Spaß lachen ſol; oder indem ich ſage, gut, und weiter? gleichſam als ob ſie noch nicht fertig waͤren, und das Sinreiche erſt noch kommen ſolte. Das macht ſie verlegen; denn ſie haben keine Huͤlfsmittel in ſich ſelbſt, ſondern nur eine ge - ſchloſſene Anzahl von Scherzreden, um ſich damit zu behelfen.)

(Leute von Geiſt werden zu ſolchen elenden Huͤlfsmitteln nicht getrieben, ſondern verachten ſie auf das aͤußerſte. Sie finden ſchikliche Mate -rien77rien genug zu nuͤzlicher oder muntrer Unterhaltung. Sie koͤnnen wizig ſein, ohne Satire und ver - brauchte Scherze, und ernſthaft, ohne albern zu ſein. Die Beſuchung feiner und wirklich geiſt - reicher Geſelſchaften thut dieſem Muthwillen Einhalt; die nothwendige Wohlanſtaͤndigkeit und Vorſicht, die ſich blos daſelbſt erlernen laͤßt, ver - beſſert ſolche Unverſchaͤmtheiten.)

Noch gibt es eine andre Art von ich darf wohl nicht ſagen Wiz, ſondern Luftigkeit und Spaßmacherei, ich meine das Nachaͤffen. Der gluͤklichſte Nachaͤffer auf der Welt iſt allemahl der abgeſchmakteſte Kerl, und der Affe iſt ihm unend - lich uͤberlegen. Sein Geſchaͤft iſt, natuͤrliche Maͤngel und Gebrechen laͤcherlich zu machen, die man keinem Menſchen zum Fehler anrechnen kan, und durch deren Nachahmung er ſich ſelbſt jedes - mahl eben ſo widrig und anſtoͤßig macht, als diejenigen, denen er nachaͤfft. Aber ich mag nicht weiter von dieſen Geſchoͤpfen reden, die bloß die niedrigſte Klaſſe von Menſchen beluſtigen koͤnnen.

Es78

Es gibt eine andere Klaſſe menſchlicher Ge - ſchoͤpfe, Hanswurſte genant, deren Geſchaͤft iſt, die Geſelſchaft uͤbermaͤßig lachen zu machen. Das gluͤkt ihnen ſicher allemahl, ſo oft die Geſelſchaft aus lauter Narren beſteht; aber ſie ſind auch eben ſo ſehr betroffen, wenn ſie ſehen, daß ſie einem verſtaͤndigen Manne auch nicht die Veraͤnderung einer einzigen Geſichtsmuſkel abgewinnen koͤnnen. Dis iſt ein hoͤchſtveraͤchtlicher Karakter, und wird ſelbſt von denen nie geſchaͤzt, die albern genug ſind, ſich von ihnen ergoͤzen zu laſſen.

Begnuͤge du dich ſelbſt mit geſundem, rich - tigem Verſtande und guten Sitten, und gib Wiz oben drein in den Kauf, wo er an ſeiner Stelle ſteht und nicht beleidigt. Geſunder Verſtand wird dir Achtung, gute Sitten werden dir Liebe er - werben; der Wiz wird uͤber beides einen Glanz verbreiten. In welcher Geſelſchaft du dich auch befinden, an welchen Vergnuͤgungen du Theil nehmen magſt, ſo trage Sorge, daß du eine ge - wiſſe perſoͤnliche Wuͤrde beibehalteſt; ich meine im geringſten nicht damit einen Stolz auf Geburt und Rang, denn das wuͤrde gar zu albern ſein;ſondern79ſondern ich meine eine Wuͤrde des Karakters. Er - halte alſo den Karakter deiner Rechtſchaffenheit und Ehre unbeflekt, und ſogar unverdaͤchtig.

Wenn es irgend einen rechtmaͤßigen und ſchik - lichen Gegenſtand des Spottes gibt, ſo ſcheint es der Eingebildete zu ſein, weil er ſich die gemein - ſchaftlichen Rechte aller Menſchen anmaßt. Der volkommenſte Fantaſt, den ich je geſehen, war ein Man von ausnehmendem Wiz, aber eben dieſer Wiz, deſſen er ſich zu ſehr bewußt war, blies und blaͤhte ihn dergeſtalt auf, daß er fuͤr keine Geſelſchaft mehr taugte; denn uͤberal wolte er ſeinen Thron aufſchlagen, und den geſunden Verſtand verdrengen.

Spot ſcheint die beſte Art der Zuͤchtigung fuͤr dieſe Suͤnder zu ſein; aber wiſſe, es gehoͤrt viel Vorſichtigkeit und Geſchiklichkeit dazu, ſie zu gebrauchen, ſonſt moͤgteſt du einen Mohren wa - ſchen, wie man ſagt, und dan fiele das Gelaͤchter auf dich. Das ſicherſte iſt, daß man ſich um ſie ganz und gar nicht bekuͤmmere, und ſie aus - reden laſſe.

Es80

Es gibt auf der andern Seite manche und vielleicht mehrere, welche durch ihre Bloͤdigkeit und unzeitige Scham ſehr verlieren, die ſie weit unter dem, was ſie wirklich ſind, erniedrigt. Bloͤdigkeit haͤlt man uͤberal fuͤr Dumheit, ob ſie es gleich meiſtentheils nicht iſt, ſondern blos aus Mangel an Erziehung und Umgang in guten Ge - ſelſchaften herruͤhret. Addiſon war der bloͤdeſte und ungeſchikteſte Man, den ich je geſehen, und das war kein Wunder; denn er war bis zum fuͤnf und zwanzigſten Jahr in den Zellen zu Oxford eingemauert geweſen. La Bruyere ſagt, und es iſt viel Wahrheit darin: Qu’on ne vauc dans ce monde, que ce que l’on veut valoir, denn in dieſem Stuͤk haben die Menſchen viel Nachſicht, und ſchaͤzen uns beinahe ganz nach dem Werth, den wir ſelbſt uns beilegen, es ſei denn, daß er gar zu uͤbertrieben waͤre.

Ich wuͤnſchte, du haͤtteſt eine kalte unerſchrok - kene Dreiſtigkeit, begleitet mit wahrer Beſcheiden - heit, ſo daß man dich niemahls verzagt, aber auch niemahls vorwizig ſaͤhe. Furchtſame und ungeſchikte Leute, die nicht gewohnt geweſen, guteGeſel -81Geſelſchaft bei ſich zu haben, ſind entweder auf eine laͤcherliche Weiſe bloͤde, oder auf eine abge - ſchmakte Weiſe unverſchaͤmt. Ich habe Leute geſehen, die aus bloͤßer Verſchaͤmtheit, unver - ſchaͤmt wurden, indem ſie eine vernuͤnftige Drei - ſtigkeit zeigen und etwas aus ſich erzwingen wolten, was ſie fuͤr anſtaͤndige Freiheit ohne Verlegenheit hielten. Ein furchtſamer ſchuͤchterner Man verſinkt in guter Geſelſchaft, vornemlich in Geſelſchaft der Vornehmern, ganz in Nichts; er weiß nicht mehr, was er ſagt oder thut, und es iſt ein laͤcherlicher Anblik, Seel und Leib in ſolcher Unruhe und Verwirrung zu ſehen. Vor beiden Fehlern ver - wahre dich, und ſuche dir Bewuſtſein deiner ſelbſt, Ruhe und Feſtigkeit zu erhalten. Sprich mit dem Koͤnige eben ſo frei von Schuͤchternheit, obgleich mit mehr Ehrerbietung, als wenn du mit deines Gleichen ſpraͤcheſt. Das iſt der unterſchei - dende Karakter des feinen Weltmans.

Das Mittel, ſich dieſe Faſſung eigen zu ma - chen, iſt, daß ein junger Man fleißig, ſo viel Ge - walt es ihm anfangs auch koſten mag, mit ſeinen Obern und mit Frauenzimmern von Stande um -Theophron 2. Th. Fgehe,82gehe, ſtat, zu niedrigen oder gar ſchlechten Ge - ſelſchaften, wie manche junge Leute thun, ſeine Zuflucht zu nehmen, damit er nur den Zwang der guten Lebensart vermeide. Ich geſtehe, es iſt oft ſchwer, um nicht zu ſagen, unmoͤglich, fuͤr einen jungen Man bei ſeinem Eintrit in die Welt, ſo lange er die Art und Weiſe ſich darin zu betra - gen noch nicht kent, nicht auſſer Faſſung und etwas verlegen zu ſein, wenn er unter Leute komt, die die ſogenante beſte Geſelſchaft ausmachen. Er ſieht, daß aller Augen auf ihn geheftet ſind, und wenn ſie etwa lachen, ſo haͤlt er es fuͤr ausgemacht, es gelte ihm. Dieſe Schuͤchternheit iſt nicht zu tadeln, weil ſie oft aus lobenswuͤrdigen Urſachen herruͤhrt, nemlich aus einem beſcheidnen Mis - trauen gegen ſich ſelbſt und aus dem Bewuſtſein, daß er die Sitte einer guten Geſelſchaft noch nicht kenne. Wofern er aber nur bei einer wohlanſtaͤn - digen Beſcheidenheit beharret, ſo wird er finden, daß alle Leute von eben ſo gutem Herzen als fei - nen Sitten, ihm anfangs unter die Arme greifen werden, ſtat uͤber ihn zu lachen; und dan wird ein wenig Umgang mit der Welt und ſorgfaͤl -tige83tige Beobachtung ihn bald mit allem dem bekant machen, was zur guten Lebensart gehoͤrt.

Das iſt das Kenzeichen niedriger und ſchlech - ter Geſelſchaften, welche gewoͤhnlich aus Spaß - machern und Wizlingen beſtehn, uͤber Leute zu lachen, und ſie in Verwirrung zu ſezen, oder, wie es in ihrer Sprache heißt, einen ehrlichen, beſchei - denen jungen Kerl die Schule paſſiren zu laſſen.

Wer daran verzweifelt, daß er gefallen werde, wird niemahls gefallen; wer ſich einbilden kan, er werde immer und uͤberal gefallen, wohin er auch komme, iſt ein Fantaſt, wer aber zu gefallen hoft und darnach ſtrebt, wird ſelten ſeines Zweks verfehlen.

(Gemeine, poͤbelhafte Art zu denken, zu han - deln oder zu reden, ſezt eine niedrige Erziehung und Gewohnheit eines niedrigen Umgangs voraus. Junge Leute nehmen ſie in der Schule oder unter dem Geſinde an, mit dem ſie zu oft umgehen. Die mancherlei Arten des niedrigen Weſens ſind unendlich. Ich kan mir nicht anmaßen, ſie alleF 2anzu -84anzugeben. Doch wil ich einige Beiſpiele anfuͤh - ren, nach denen du auf das uͤbrige ſchließen kanſt.)

(Ein Menſch von niedriger Denkungsart iſt aͤrgerlich und argwoͤhniſch, hizig und ungeſtuͤm bei Kleinigkeiten. Er argwohnt, er wuͤrde ver - achtet, glaubt, daß man ihn bei allem meint, was geſagt wird. Lacht die Geſelſchaft, ſo glaubt er feſt, ſie lache uͤber ihn. Er wird zornig und muͤrriſch, ſagt Unhoͤflichkeiten, und zieht ſich ſchlimme Haͤndel zu, indem er, ſeines Erachtens, gehoͤrige Herzhaftigkeit zeigt, und ſein Recht behauptet.)

(Ein wohlgeſitteter Menſch ſezt nicht voraus, daß er das einzige oder vornehmſte Augenmerk der Gedanken, Mienen oder Reden der Geſel - ſchaft waͤre. Er argwohnt nicht, daß man ihn verachte oder verlache, wofern er ſich nicht bewußt iſt, daß er es verdient. Iſt die Geſelſchaft, was doch ſelten geſchieht, ſo ungereimt oder ungezogen, eins von beiden zu thun, ſo kehrt er ſich nicht daran, wenn nicht die Beleidigung ſo grob und deutlich iſt, daß ſie Genugthuung von einer an - dern Art verdient. Da er uͤber Kleinigkeitenhinweg85hinweg iſt, aͤußert er ihrentwegen weder Heftigkeit noch Hize; und wo von ihnen die Rede iſt, laͤßt er ſich lieber alles gefallen, als daß er zanken ſolte.)

(Das Geſpraͤch eines gemeinen Menſchen verraͤth allezeit ſtark ſeine niedrige Erziehung und Geſelſchaft. Es handelt vornehmlich von ſeinen haͤuslichen Angelegenheiten, ſeinem Geſinde, der vortreflichen Ordnung, die er in ſeinem Hauſe haͤlt, und von den kleinen Begebenheiten in der Nachbarſchaft. Das alles traͤgt er mit großem Nachdrukke als wichtige Dinge vor. Er iſt ein geſchwaͤziges Weib in maͤnlicher Geſtalt.)

(Das zweite unterſcheidende Kenzeichen nie - driger Erziehung und Geſelſchaft iſt poͤbelhafte Sprache. Ein geſitteter Man vermeidet nichts ſorgfaͤltiger, als dieſe. Sprichwoͤrter und ver - brauchte Ausdruͤkke ſind die Blumen der Bered - ſamkeit eines gemeinen Mannes. Wenn er ſagen wil, die Leute waͤren in ihrem Geſchmakke ver - ſchieden, ſo unterſtuͤzt und ſchmuͤkt er dieſe Mei - nung durch das gute alte Sprichwort, wie er es ehrerbictiger Weiſe nent, des einen Koſt iſt des andern Gift. Wil jemand wizig uͤber ihnF 3ſein,86ſein, wie er es nent, ſo gibt er ihm, nach ſeinem Ausdrukke, wieder etwas auf den Pelz. Er hat ſtets ſeine Leibwoͤrter auf einige Zeit, die er, weil er ſie oft gebraucht, insgemein misbraucht; als gewaltig zornig, gewaltig guͤtig, gewal - tig ſchoͤn, gewaltig haͤßlich. Selbſt ſeine Aus - ſprache ſchiklicher Woͤrter iſt verkehrt. Er mengt gezwungner Weiſe harte Woͤrter zum Zierrath ein, und verſtuͤmmelt ſie gemeiniglich, ſo wie eine ge - lehrte Frauensperſon.)

(Ein geſitteter Man nimt niemahls ſeine Zuflucht zu Sprichwoͤrtern und gemeinen Aus - ſpruͤchen; gebraucht weder Leibwoͤrter, noch harte Woͤrter, ſondern traͤgt große Sorge, richtig nach der Sprachlehre zu reden, und die Woͤrter gehoͤrig auszuſprechen, das iſt, nach dem Gebrauche der beſten Geſelſchaften.)

(Ungeſchikte Anrede, unangenehme Stellun - gen und Handlungen, und ein gewiſſes linkes Weſen, wenn ich ſo ſagen darf, zeugen deutlich von niedriger Erziehung und Geſelſchaft. Denn es iſt unmoͤglich, anzunehmen, es haͤtte jemand gute Geſelſchaft beſucht, und ihr nicht wenigſtensetwas87etwas von ihren Mienen und Bewegungen abge - lernt. Ein neugeworbner unterſcheidet ſich im Regimente durch ſein ungeſchiktes Weſen. Er muͤßte aber unbeſchreiblich dum ſein, wenn er nicht in einem oder zween Monaten wenigſtens die gemeinen Handuͤbungen vornehmen, und wie ein Soldat ausſehen koͤnte.)

(Selbſt die Kleider eines geſitteten Mannes ſind einem Menſchen von niedrigem Weſen eine beſchwerliche Laſt. Er weiß nicht, was er mit ſeinem Hute anfangen ſol, wenn er ihm nicht auf dem Kopfe ſteht. Sein Stok, wenn er zum Un - gluͤk einen fuͤhrt, iſt in beſtaͤndigem Kriege mit jeder Schale Thee oder Kaffee, die er trinkt; erſt zerſtoͤßt er ſie, alsdan faͤlt er mit ihr auf die Erde. Sein Degen iſt blos ſeinen eignen Beinen fuͤrch - terlich, die ihn vielleicht geſchwind genug jedem andern Degen aus dem Wege bringen wuͤrden, außer dem ſeinigen. Seine Kleider ſtehen ihm ſo ſchlecht, und thun ihm ſo vielen Zwang an, daß er vielmehr ihr Gefangner, als ihr Eigenthuͤmer, zu ſein ſcheint. In Geſelſchaft trit er ſo auf, wie ein armer Suͤnder vor Gerichte. SeineF 4bloße88bloße Miene verurtheilt ihn ſchon. Geſittete Leute werden ſich eben ſo wenig zu ihm, als Leute von gutem Rufe zu jenem halten. Dieſe Abweiſung treibt und erniedrigt ihn in ſchlechte Geſelſchaft; ein Schlund, aus welchem, nach einem gewiſſen Alter, kein Menſch wieder empor gekommen iſt.)

Ich weiß, mein Lieber, daß du von Natur edel und wohlwollend biſt; das iſt freilich die Hauptſache, aber doch noch nicht alles. Du mußt es auch zu ſein ſcheinen. Ich meine nicht, du muͤſſeſt damit pralen; aber ſchaͤme dich nicht, wie manche junge Leute thun, Geſinnungen der Menſchlichkeit und des Wohlwollens, die du wirklich fuͤhlſt, auch zu geſtehen. Ich habe ver - ſchiedene junge Leute gekant, welche fuͤr Leute von Muth und Herzhaftigkeit angeſehen ſein wolten, und deswegen eine Haͤrte und Fuͤhlloſig - keit affektierten, die ſie in der That nicht hatten; ſie ſprachen nie anders als in entſcheidendem und drohendem Tone; ſie waren alle Augenblik bereit, Haͤlſe zu brechen, Leute zum Fenſter hinaus zu werfen, ihnen die Ohren abzuſchneiden, u. ſ. w. und89und dieſe ſaubern Reden bekraͤftigten ſie mit eben ſo albernen als fuͤrchterlichen Fluͤchen; alles das um fuͤr Leute von Muth gehalten zu werden. Ein ungeheurer Irthum! und der ſie in folgen - des Dilemma verwikkelt: wenn das ihr Ernſt iſt, was ſie ſagen, ſo ſind ſie Beſtien; wo nicht, ſo ſind ſie Narren, daß ſie’s ſagen. Und doch iſt dieſer Karakter unter jungen Leuten ſehr gemein. Vermeide ſorgfaͤltig dieſe Seuche, und begnuͤge dich mit einer ruhigen, ſanften, und doch feſten Entſchloſſenheit, wenn du voͤllig uͤberzeugt biſt, daß du Recht haſt; denn dis iſt wahrer Muth.

Was man in der Welt gemeiniglich einen Man oder ein Weib vol Muth und Feuer nent, ſind die abſcheulichſten und veraͤchtlichſten Ge - ſchoͤpfe unter der Sonne. Sie ſind ſtarkoͤpfigt, zaͤnkiſch, neidiſch, ſie beleidigen ohne Urſach, und vertheidigen ſich ohne Verſtand. Ein Man dieſes Gelichters gebraucht bei der geringſten Veranlaſ - ſung ſein Schwert, und ein Weib ſogleich ihre Zunge; und es iſt ſchwer zu ſagen, welches von beiden das ſchaͤdlichſte Werkzeug ſei.

F 5Es90

Es iſt in manchen Geſelſchaften etwas ſehr gewoͤhnliches, den Ton der Verlaͤumdung anzu - ſtimmen; einige thun es, um die Tuͤkke ihres Herzens zu befriedigen; andere glauben, ſie zeigen damit ihren Wiz. Ich hoffe, du wirſt nie dieſen Ton annehmen. Sieh vielmehr allemahl die Sache von der vortheilhaften Seite an, und ohne gerade zu und auf eine beleidigende Weiſe zu wi - derſprechen, zeige, daß du an der Wahrheit der Sache zweifelſt; ſtelle die Unzuverlaͤſſigkeit der meiſten Erzaͤhlungen vor, wo wenigſtens Privat - haß ſich ſo leicht ins Spiel miſcht. Dieſe Red - lichkeit und Maͤſſigung wird der ganzen, obgleich nicht ſo redlichgeſinten Geſelſchaft gefallen, unge - achtet es eine Art von feinem Widerſpruch gegen ihre unguͤnſtigen Behauptungen iſt; weil ſie hof - fen, wenn ſie einmahl die Reihe trift, auch einen ſolchen Fuͤrſprecher an dir zu finden.

Es gibt noch eine andere Art von beleidigen - dem Betragen, welches man oft in Geſelſchaften wahrnimt; nemlich es beſteht darin, daß man einen Fingerzeig giebt oder ein Wort hinwirft,das91das nur eine oder zwei Perſonen in der Geſel - ſchaft auf ſich anwenden und fuͤhlen koͤnnen, welche alſo beide dadurch in Verlegenheit geſezt und um ſo vielmehr gekraͤnkt werden, weil ſie nicht gern merken laſſen wollen, daß ſie den ge - gebnen Fingerzeig auf ſich anwenden. Wache alſo uͤber dich, daß du nie etwas ſageſt, was entweder die ganze Geſelſchaft, oder eine einzelne Perſon in derſelben vernuͤnftiger oder wahr - ſcheinlicherweiſe uͤbel aufnehmen koͤnne, und er - innere dich des franzoͤſiſchen Sprichworts: qu’il ne faut pas parler de corde dans la maiſon d’un pendu.

Gutmuͤthigkeit gefaͤlt algemein, ſelbſt denen, die ſie nicht haben, und es iſt nicht moͤglich, lie - benswuͤrdig zu ſein, ohne gutmuͤthig zu ſein und zu ſcheinen.

Ich habe dir, mein Lieber, mehr als einmahl Aufmerkſamkeit empfohlen, und ich werde noch oft auf dieſe Materie zuruͤkkommen, denn ſie iſt eben ſo unerſchoͤpflich, als ſie wichtig iſt.

Richte92

Richte deine Aufmerkſamkeit und deinen Blik auf jeden, der mit dir ſpricht; und ſcheine nie zerſtreut oder im Traume zu ſein, als wenn du ihn gar nicht hoͤrteſt; denn das iſt der offenbarſte Beweis von Verachtung, und folglich aͤußerſt anſtoͤßig. Wahr iſt es, du wirſt durch dieſe Regel zuweilen genoͤthiget ſein, auf Dinge zu merken, die keines Menſchen Aufmerkſamkeit verdienen; allein dis iſt ein nothwendiges Opfer, das man den guten Sitten in Geſelſchaften brin - gen muß. Eben ſo nothwendig iſt die genaueſte Aufmerkſamkeit auf Zeit, Ort und Karakter der Menſchen. Ein Bonmot in der einen Geſel - ſchaft hoͤrt auf es in der andern zu ſein, und wird wohl gar eine Beleidigung. Scherze nie mit Leuten, die du gerade in dem Augenblik nach - denkend und ernſthaft findeſt; ſpiele aber auch nicht den Sittenlehrer in Geſelſchaften, wo Scherz und Froͤhlichkeit herſchen.

Manche Leute kommen in Geſelſchaft ganz vol von dem, was ſie in derſelben zu ſagen ge - denken, ohne die geringſte Ruͤkſicht auf die An - weſenden, und weil ſie ſich einmahl bis an denHals93Hals volgepfropft haben, ſo wollen ſie ſich nun auch entladen, es koſte, was es wolle. Ich habe einen Man gekant, der eine Geſchichte von einer Flinte wußte, die er fuͤr artig hielt, und gut zu erzaͤhlen glaubte. Er verſuchte ein Mittel nach dem andern, das Geſpraͤch auf Flinten zu lenken; allein er verfehlte ſeinen Zwek. Ploͤzlich ſprang er auf von ſeinem Stuhle, und rief: er habe einen Flintenſchuß gehoͤrt; weil aber die Geſel - ſchaft ihn verſicherte, man habe nichts dergleichen gehoͤrt, ſo ſagte er: nun, es kan ſein, daß ich mich geirt habe; aber weil wir doch einmahl von Flinten ſprechen, und nun erzaͤhlte er zum groͤßten Verdruß der Geſelſchaft ſeine Geſchichte.

Werde, ſo weit als Ehre und Unſchuld es er - lauben, allen alles, und du wirſt dir viel Freunde machen. Sei auch zuvorkommend, und ſage oder thue dasjenige, wovon du zum voraus weißt, daß es den Leuten am angenehmſten ſein werde, ehe ſie noch einen Wunſch daruͤber merken laſſen oder es erwarten.

Ich wuͤrde nicht fertig werden, wenn ich alle die unzaͤhlbaren Gelegenheiten nahmhaft machenwolte,94wolte, die ein junger Man hat, ſich gefaͤllig zu machen, wofern er ſie nur gebrauchen wil: dein geſunder Verſtand wird ſie dich leicht finden laſ - ſen, und dein gutes Herz und ſelbſt dein Vortheil wird dich antreiben, ſie zu nuzen. Vor allen Dingen iſt viel Aufmerkſamkeit auf Zeiten und Umſtaͤnde noͤthig. Bei Tiſche z. B. ſprich oft, aber niemahls lange hinter einander, denn das alberne Getuͤmmel der Bedienten und das oft noch einfaͤltigere Geſpraͤch der Gaͤſte, welches groͤßtentheils auf Kuͤchen - und Kellerwaare hin - auslaͤuft, vertraͤgt keine Abhandlung oder zuſam - menhaͤngende Erzaͤhlung.

Mahlzeiten ſind und waren von je her die Erholungsſtunden fuͤr die Sele, und daher der ungezwungnen Froͤhlichkeit und geſelligen Freude geheiligt. Bequeme dich nach dieſem Gebrauch, und zahle deinen Antheil von froͤhlicher Laune; aber laß dich nicht durch die ſo haͤufigen Beiſpiele zur Unmaͤſſigkeit im Eſſen oder im Trinken ver - leiten; die erſtere hat Dumheit und die leztere gar Tolheit zur unvermeidlichen Folge.

Unter -95

Unterſuche bei allem, was du ſagen wilſt, ob es auch zur Sache dient. Gehſt du mit Vor - nehmern um, ſo vergiß nicht, ſo ungezwungen und vertraulich du auch mit ihnen ſein magſt, und ſein mußt, den Reſpekt, den du ihnen ſchul - dig biſt. Im Umgange mit deines Gleichen beobachte eine ungezwungne Vertraulichkeit, und doch zugleich alle Hoͤflichkeit und Wohlanſtaͤndig - keit. Aber aus zu großer Vertraulichkeit ent - ſteht, nach dem alten Sprichwort, oft Verach - tung und manchmahl auch Zaͤnkerei. Ich kenne nichts ſchwerers im gemeinen Umgange, als der Vertraulichkeit die gehoͤrigen Grenzen zu ſezen: zu wenig davon iſt ungeſellige Formalitaͤt; zu viel zerſtoͤret wiederum alle Annehmlichkeiten des geſelligen Umgangs. Die beſte Regel, die ich uͤber den Gebrauch der Vertraulichkeit geben kan iſt dieſe: ſei nie vertrauter mit einem andern, als du ertragen und ſelbſt wuͤnſchen moͤgteſt, daß er mit dir waͤre. Vermeide aber auch jene un - freundliche Zuruͤkhaltung und Kaͤlte, welche ge - meiniglich das Schild der Liſt oder der Dekmantel der Dumheit iſt. Es iſt eine weiſe Maxime derItaliaͤner:96Italiaͤner: il volto ſciolto, i penſieri ſtretti, d. i. dein Geſicht ſei offen, aber deine Gedanken verſchloßen. *)Gegen ſolche nemlich, deren Freundſchaft du noch nicht bewaͤhrt gefunden haſt.

Gegen Leute von niederm Range zeige mehr ein herzliches Wohlwollen als eine zu geſuchte Hoͤflichkeit; denn dadurch wuͤrdeſt du den Ver - dacht erregten, als ſpotteteſt du ihrer.

Zum Beiſpiel gegen einen Man vom Lande muß deine Hoͤflichkeit gar ſehr verſchieden von derjenigen ſein, die du gegen einen Man aus der großen Welt beobachteſt. Wenn du den erſten em - pfaͤngſt, thue es auf eine herzliche und lieber ein wenig baͤuriſche Weiſe, damit ſeine Schuͤchtern - heit ihn nicht verlegen mache.

Sei aufmerkſam, ſelbſt in der Geſelſchaft der Narren; denn ob ſie gleich Narren ſind, ſo koͤn - nen ſie doch wohl einmahl etwas fallen laſſen oder wiederholen, was deine Aufmerkſamkeit verdient, und dir nuͤzlich werden kan. Sage nie das beſte, was du aufbringen kanſt, in ihrer Geſelſchaft; denn ſie wuͤrden dich nicht verſtehen, und wohlgar97gar glauben, du wolleſt ſie aufziehen, wie ſie das gewoͤhnlich nennen: ſondern ſprich nichts als den ſchlichteſten geſunden Menſchenverſtand und ſehr ernſthaft; denn man darf mit dieſem Volke nicht ſcherzen. Ueberhaupt mit Aufmerkſamkeit und dem, was die Franzoſen les attentions nennen, wirſt du gewiß uͤberal gefallen, und ohne das eben ſo gewiß uͤberal anſtoßen.

Vermeide, mein liebſter Freund, mit aͤußerſter Sorgfalt alle Affektazion an Leib und Sele. Es iſt eine eben ſo wahre als bekante Bemerkung, daß niemand dadurch laͤcherlich wird, daß er das iſt, was er wirklich iſt; ſondern dadurch, daß er etwas zu ſein affektiert, was er nicht iſt. Kein Menſch iſt toͤlpiſch von Natur, ſondern er wirds erſt, wenn er affektiert, artig zu ſein. Ich habe ſo manchen Man gekant, dem es an geſundem Verſtande nicht fehlte, und der doch uͤberal fuͤr einen Narren gehalten ward, weil er einen Grad von Wiz erzwingen wolte, den ihm der Himmel verſagt hatte. Der Landman iſt nichts weniger als toͤlpiſch und ungeſchikt, wenn er ſeinen PflugTheophron 2. Th. Ghand -98handhabt; aber er wuͤrde ſich hoͤchſtlaͤcherlich machen, wenn er dabei die Mine und die feinen Manieren des Weltmans affektiren wolte. Du haſt tanzen gelernt; aber das geſchah nicht, damit du tanzen koͤnteſt, ſondern es geſchah, um deinen Minen und Bewegungen diejenige Grazie wieder - zugeben, die ſie gehabt haben wuͤrden, wenn die Natur ſich in ihnen haͤtte entwikkeln koͤnnen, und ſie nicht durch ſchlimme Beiſpiele und durch un - geſchikte Nachahmung andrer jungen Leute waͤren verdreht worden.

Natur kan entwikkelt und ausgebildet werden am Koͤrper ſo wie an der Sele, aber ſie kan nicht durch die Kunſt vertilgt werden; und alle Bemuͤ - hungen dieſer Art ſind abgeſchmakt, und dienen blos dazu, einen ergiebigen Stof zum Lachen zu gewaͤhren. Deine Sele und dein Koͤrper muͤſſen ganz frei von Zwang ſein, wenn ſie einen gefaͤl - ligen Eindruk machen ſollen; jede Affektazion aber iſt ein ſo gewaltiger Zwang, daß keiner dabei mit Anſtand handeln, oder auf eine gefaͤllige Weiſe unterhalten kan. Glaubſt du wohl, daß deine Bewegungen mehr Leichtigkeit und Grazie habenwuͤrden,99wuͤrden, wenn du das Kleid eines andern truͤgeſt, der viel ſchlanker und groͤßer waͤre, als du? Gewißlich nicht. Eben ſo iſt es mit der Sele, wenn du einen Karakter affektierſt, der dir nicht anſteht, und zu dem die Natur dich nie beſtimte.

Aber glaube ja nicht etwa, daß hieraus folge, du muͤſſeſt deinen ganzen Karakter vor jedermans Augen darlegen, eben weil es dein natuͤrlicher Karakter iſt. Nein; in dem beſten Karakter muß viel unterdruͤkt, und viel verſtekt werden. Du mußt die Natur nie zwingen wollen; aber es iſt auch durchaus nicht noͤthig, dich jedes mahl und gegen jederman ganz zu zeigen, wie du biſt.

Zuruͤkhaltung, dieſe ſichre und zuverlaͤßige Fuͤhrerin durch das menſchliche Leben, muß dir zu Huͤlfe kommen; Zuruͤkhaltung, dieſe unent - behrliche Gefaͤhrtin der Vernunft, und nuͤzliche Waͤchterin des Wizes und der Einbildungskraft. Dieſe Zuruͤkhaltung lehrt uns das Zwekmaͤßige, das Anſtaͤndige beurtheilen, lehrt uns zu rechter Zeit aufhoͤren, und mit ihr komt ein Man von mittelmaͤßigem Verſtande weiter, als ein anderer mit den glaͤnzendſten Talenten ohne ſie. Sie iſtG 2ein100ein ander Wort fuͤr Beurtheilungskraft, obgleich nicht voͤllig einerlei mit ihr. Beurtheilungskraft wird nicht bei allen Gelegenheiten erfodert, aber Zuruͤkhaltung uͤberal.

Du mußt nie einen beſondern Krakter affek - tiren oder annehmen; das wuͤrde dir nie anſte - hen, ſondern hoͤchſtwahrſcheinlich dich zum Ge - laͤchter machen; uͤberlaß es vielmehr deinem Betragen, deinen Tugenden, deinen Sitten und Manieren, deinen Karakter feſtzuſezen. Zuruͤk - haltung wird dich lehren, deine Aufmerkſamkeit in einem vorzuͤglichen Grade auf deine Sitten zu wenden.

Ich wuͤnſchte noch ein beſtimteres Wort fuͤr das was ich ſagen wil. Ich meine damit eigent - lich das, was Cicero das decorum nent.

Indem wir uͤber Worte ſprechen, faͤlt mir eine andere noͤthige Regel ein. Studire deine Mutterſprache mit mehrerem Fleiß, als die mei - ſten Leute thun; erwirb dir die Fertigkeit, dich richtig und angenehm in derſelben auszudruͤkken; denn nichts iſt widriger, als einen Menſchen ausden101den geſitteten Staͤnden in allen Barbarismen, Soloͤzismen, und poͤbelhaften Ausdruͤkken eines Stalknechts reden zu hoͤren. Vermeide aber auch eine zu ſteife und geſuchte Genauigkeit, insbeſon - dere das, was die Frauenzimmer hochtrabende Worte nennen, ſo lange es gangbare eben ſo tref - fende Ausdruͤkke gibt. Die Franzoſen machen die Kunſt gut zu erzaͤhlen zu ihrem Studium; nur verfallen ſie ſo leicht dahin, daß ſie zu viel erzaͤh - len, und mit einer zu geſuchten Zierlichkeit. Aber nicht blos deine Worte, ſondern auch deine Ausſprache und der Ton deiner Stimme muͤſſen annehmlich ſein.

(Was iſt wohl die beſtaͤndige und richtige An - merkung uͤber alle Schauſpieler auf der Buͤhne? Nicht wahr, dieſe, daß die, welche den meiſten Verſtand haben, allezeit am beſten reden, wenn ſie auch zufalsweiſe nicht eben die beſten Stimmen haben ſolten? Sie werden deutlich, vernehmlich und mit gehoͤrigem Nachdrukke reden, ihre Stim - men moͤgen ſo ſchlecht ſein, als ſie wollen. Haͤtte Roſcius haſtig und unannehmlich geſprochen, und den Mund zu vol genommen: ſo bin ich gutG 3dafuͤr,102dafuͤr, Cicero haͤtte ihn nicht der Rede werth geachtet, die er zu ſeinem Vortheile hielt. Die Worte ſind uns verliehen, unſre Gedanken da - durch mitzutheilen. Es iſt unbegreiflich unge - reimt, ſie auf ſolche Art auszuſtoßen, daß die Leute ſie entweder nicht verſtehen, oder nicht zu verſtehen begehren. Ich ſage dir aufrichtig, daß ich nach deiner annehmlichen oder unannehmlichen Ausſprache von deinen Geiſtesgaben urtheilen werde. Haſt du welche, ſo wirſt du eher nicht ruhen, bis daß du eine Fertigkeit erlangt haſt, hoͤchſt annehmlich zu reden. Denn ich behaupte, daß das in deiner Macht ſteht.)

(Du wirſt deinen Fuͤhrer bitten, daß er dich taͤglich ihm laut vorleſen laſſe, und dich, ſo oft du zu geſchwind lieſeſt, die gehoͤrigen Unterſchei - dungszeichen nicht beobachteſt, oder einen falſchen Nachdruk auf ein Wort legeſt, unterbreche und verbeſſere. Du wirſt Sorge tragen, die Zaͤhne beim Reden von einander zu thun, jedes Wort deutlich auszuſprechen, und jeden deiner Freunde zu bitten, dich zu erinnern und anzuhalten, wenn du jemahls auf das haſtige, unverſtaͤndliche Ge -murmele103murmele verfaͤlſt. Du wirſt ſogar allein laut leſen, deine Ausſprache nach deinem Gehoͤre ſtim - men, und anfangs langſamer leſen, als du noͤthig haͤtteſt, um dir die ſchaͤndliche Unart abzugewoͤh - nen, geſchwinder zu reden, als du ſolteſt. Kurz, wenn du anders recht denkſt, wirſt du es zu dei - nem Geſchaͤfte, zu deiner Sorge und zu deinem Vergnuͤgen machen, wohl zu reden.)

Die drei vornehmſten Gemeinoͤrter des Ge - ſpraͤchs ſind, Religion, Staatsangelegenheiten, Neuigkeiten. Alle Menſchen glauben ſich auf die beiden erſten volkommen zu verſtehen, obgleich ſie ſie nie ſtudiert haben, und es begegnet ihnen daher leicht, daß ſie eben ſo entſcheidend als unwiſſend und folglich mit Hize daruͤber ſprechen. Religion iſt aber ganz und gar keine ſchikliche Materie des Geſpraͤchs fuͤr eine vermiſchte Geſelſchaft; uͤber ſie ſolte man blos unter wenigen, die ſie ſtudiert haben, zu gegenſeitiger Belehrung ſprechen. Sie iſt ein zu großer und ehrwuͤrdiger Gegenſtand, um eine gewoͤhnliche Geſpraͤchsmaterie werden zu koͤnnen. Miſche dich alſo nicht weiter in ein Ge -G 4ſpraͤch104ſpraͤch uͤber ſie, als um deine algemeine Duldung gegen alle Irthuͤmer in derſelben zu aͤuſſern, wo - fern man ſich Gewiſſenshalber dazu verpflichtet glaubt: denn jederman hat eben daſſelbe Recht, wie du, ſo und nicht anders zu denken, als er wirk - lich denkt; und in der That kan er auch nicht umhin, ſich die Dinge ſo vorzuſtellen, wie ſie ſich ihm zeigen.

Staatsangelegenheiten liegen ſchon mehr in jedermans Sphaͤre: und da ein jeder glaubt, daß auch ſein Privatintereſſe mehr oder weniger darin verwikkelt iſt, ſo traͤgt auch niemand Bedenken, im entſcheidenden Tone daruͤber zu ſprechen, ſelbſt die Damen nicht, obgleich man hierin mehr den Strom ihrer Beredſamkeit als die Gruͤndlichkeit ihrer Gedanken bewundern muß. Du kanſt un - moͤglich vermeiden, in ſolche Geſpraͤche verwikkelt zu werden, denn es werden kaum andre gefuͤhrt; aber ſprich wenigſtens kaltbluͤtig daruͤber und mit vieler luſtigen Laune, und ſo bald du findeſt, daß die Geſelſchaft aus Patriotismus in Hize geraͤth und laut wird, ſo ſei blos ein ruhiger Zuhoͤrer, es ſei denn, daß du ſie mit irgend einem angeneh - men Scherz unterbrechen und den guten Ton wie -derher -105derherſtellen kanſt. Ich kan nicht umhin, hiebei anzumerken, daß nichts auf der Welt ſo geſchikt iſt, verdrießliche und verwirte Haͤndel kurz abzu - ſchneiden oder ihnen auszuweichen, als ein froͤh - licher und artiger Scherz. Ich habe das durch lange Erfahrung beſtaͤtigt gefunden. Doch muß ein ſolcher Scherz nicht zu weit getrieben werden und in Bitterkeit ausarten; er muß leicht und gefaͤllig und doch nicht frivol ſein; verſtaͤndig, aber nicht ſpruchreich; kurz er muß ein gewiſſes Etwas haben, was jederman fuͤhlen, aber nie - mand beſchreiben kan.

Ueberhaupt, mein Lieber, glaub ich, daß der - jenige, der nicht groͤßtentheils gefaͤlt, fuͤr die Geſelſchaft ſo gut als erſtorben iſt, und daß ein jeder, der ſich anhaltend beſtrebt zu gefallen, we - nigſtens in einem gewiſſen Grade gefallen wird.

Die Kentniß der Menſchen iſt eine ſehr nuͤzliche fuͤr jederman, aber eine hoͤchſtnothwen - dige fuͤr dich, der du zu einer geſchaͤftigen, oͤffent - lichen Lebensart beſtimt biſt. Du wirſt mit allerlei Gemuͤthern zu ſchaffen bekommen; daherG 5ſolteſt106ſolteſt du ſie durchaus kennen lernen, um ſie ge - ſchikt zu lenken. Dieſe Wiſſenſchaft laͤßt ſich nicht ſiſtematiſch erlernen; du mußt dir ſie durch eigne Erfahrung und Beobachtung erwerben. Ich wil dir ſolche Winke geben, die ich fuͤr nuͤzliche Wege - ſeulen bei deiner vorhabenden Reiſe halte.

Ich habe dir oft geſagt, und es iſt ſehr wahr, wir duͤrfen in Anſehung der Menſchen keine al - gemeinen Folgerungen aus gewiſſen beſondern Grundſaͤzen ziehen, wiewohl ſie, uͤberhaupt ge - nommen, richtig ſind. Wir duͤrfen z. B. nicht annehmen, weil der Menſch ein vernuͤnftiges Thier iſt, werde er auch allezeit vernuͤnftig han - deln, oder, weil er die und die herſchende Leiden - ſchaft hat, ſo werde er immer und regelmaͤßig derſelben gemaͤß verfahren.

Nein, wir ſind zuſammengeſezte Maſchinen; und wiewohl wir eine Haupttriebfeder haben, die das Ganze in Bewegung ſezt, haben wir doch auch viele kleine Raͤder, die ihrer Seits dieſe Bewegung verzoͤgern, beſchleunigen und zuweilen gar ihr Einhalt thun.

Laßt107

Laßt uns das an Beiſpielen ſehen! Ich nehme an, der Ehrgeiz ſei die herſchende Leiden - ſchaft eines Staatsminiſters, wie er es denn ins - gemein iſt; ich nehme auch an, daß dieſer Mini - ſter ein geſchikter ſei. Wird er denn darum den Gegenſtand dieſer herſchenden Leidenſchaft unver - aͤuderlich verfolgen?

Kan ich ſicher ſein, er werde ſo und ſo han - deln, darum, weil er es ſolte? Nichts weniger! Krankheit oder Niedergeſchlagenheit koͤnnen dieſe herſchende Leidenſchaft daͤmpfen; Launen und muͤrriſches Weſen koͤnnen daruͤber ſiegen, auch niedrigere Leidenſchaften koͤnnen ſie zuweilen uͤber - fallen und unterdruͤkken.

Iſt z. E. dieſer ehrgeizige Staatsman zugleich geizig, ſo kan ein ſich ploͤzlich zeigender großer Gewin das ganze Werk ſeines Ehrgeizes unter - graben. Iſt er zornig, ſo kan Widerſpruch und Reizung, (die zuweilen vielleicht gar aus liſtigem Vorſaze koͤmt,) haſtige, unbeſonnene Ausdruͤkke oder Handlungen hervorlokken, die ſeinen Haupt - entzwek vernichten. Iſt er eitel und der Schmei - chelei ausgeſezt, ſo kan ein ſchlauer, ſchmeichelnderGuͤnſt -108Guͤnſtling ihn fehlfuͤhren, und die Traͤgheit ſelbſt ihn zu gewiſſen Zeiten bewegen, daß er die noth - wendigen Schritte nach der Hoͤhe, auf die er gern kommen moͤgte, verabſaͤumt oder unterlaͤßt.

Es gibt zwo widerſprechende Leidenſchaften, die jedoch, wie Man und Frau, einander oft be - gleiten, aber auch, wie ſo mancher Man und ſo manche Frau, einander insgemein nur hindern. Ich meine den Geiz und den Ehrgeiz. Der erſte iſt oft die wahre Urſache des lezten, und alsdan die herſchende Leidenſchaft.

Das ſcheint er beim Kardinal Mazarin ge - weſen zu ſein, der, um nur zu pluͤndern, alles that, ſich zu allem verſtand, und alles verzieh. Er liebte und ſuchte die Macht, gleich einem Wu - cherer, darum weil ſie Gewin mit ſich fuͤhrt. Wer blos nach dem ehrgeizigen Theile der Ge - muͤthsart dieſes Mannes ſeine Meinung gefaßt, oder ſeine Maaßregeln genommen haͤtte, der wuͤrde ſich oft betrogen gefunden haben. Einige, die das bemerkt hatten, machten dadurch ihr Gluͤk, daß ſie ſich von ihm beim Spiele betruͤgen ließen.

Hinge -109

Hingegen Kardinal Richelieus herſchende Lei - denſchaft ſcheint der Ehrgeiz, und ſein unermeß - licher Reichthum blos die natuͤrliche Folge von deſſen Befriedigung geweſen zu ſein. Gleichwohl zweifle ich nicht, daß der Ehrgeiz zuweilen beim Mazarin, und wieder der Geiz beim Richelieu geherſcht habe.

Der lezte, im Vorbeigehn gedacht, iſt ein ſo ſtarker Beweis des Widerſprechenden der menſch - lichen Natur, daß ich nicht umhin kan, anzufuͤh - ren, daß er, indem er ſeinen Koͤnig und ſein Va - terland regierte, und gewiſſermaßen der Schieds - richter des Schikſals von ganz Europa war, groͤſ - ſere Eiferſucht gegen des Corneille ausgebreiteten Ruf, als gegen die Macht Spaniens, hegte; und es ihm lieber war, fuͤr das, was er nicht war, fuͤr den groͤßten Dichter gehalten zu werden, als fuͤr das, was er gewiß war, fuͤr den groͤßten Staatsman in Europa. Die Staatsangelegen - heiten mußten ruhen, indem er auf Kritiken uͤber den Cid ſan.

Solte man das wohl fuͤr moͤglich halten, wenn man nicht wuͤßte, daß es wahr iſt?

Sind110

Sind ſchon die Menſchen alle von gleicher Zu - ſammenſezung, ſo haben doch in jedem einzelnen die mannichfaltigen Theile ein ſo verſchiedentliches Verhaͤltniß, daß ihrer nicht zween voͤllig gleich ſind, und nicht einer zu allen Zeiten ſich ſelbſt gleich iſt. Der Kluͤgſte wird zuweilen etwas ſchwachſinniges vornehmen, der Stolzeſte etwas niedriges, der Ehrlichſte etwas boͤſes, und der Gotloſeſte etwas gutes.

Studiere demnach die einzelnen Perſonen; und wenn du, wie du ſolſt, die ſtaͤrkſten Zuͤge von ihrer herſchenden Leidenſchaft entlehnſt, ſo verſpare das lezte Ausmahlen, bis daß du die Wirkungsart ihrer geringern Neigungen, Begier - den und Launen beobachtet und entdekt haſt!

Eines Menſchen algemeine Denkungsart kan die von dem ehrlichſten Man von der Welt ſein. Dawider ſtreite nicht; man wuͤrde dich fuͤr nei - diſch oder boͤsartig halten. Zugleich aber nim nicht dieſe Ehrlichkeit in ſolchem Grade auf Treue und Glauben an, daß du dein Leben, dein Gluͤk oder deinen guten Nahmen in ſeine Macht ſtelteſt! Zergliedere erſt dieſen ehrlichen Man, ſo wirſt duim111im Stande ſein, zu urtheilen, in wie weit du ihm mit Sicherheit trauen darfſt, oder nicht.

Frauenzimmer ſind einander viel aͤhnlicher, als Mansleute. Sie haben insgemein nur zwei Leidenſchaften, Eitelkeit und Liebe. Das ſind ihre algemeinen Kenzeichen. Eine Agrippine kan ſie dem Ehrgeize, oder eine Meſſaline der Geilheit aufopfern. Dieſe Beiſpiele aber ſind ſelten; ge - woͤhnlicher Weiſe zielt alles, was ſie ſagen oder thun, auf Befriedigung der beiden erſtgenanten Hauptleidenſchaften ab. Die kleinſte Rede oder Handlung, die ſich moͤglicher Weiſe als Gering - ſchaͤzung oder Verachtung auslegen laͤßt, iſt ihnen unverzeihlich, und wird niemahls von ihnen ver - geſſen werden.

Die Mansperſonen ſind in dem Stuͤkke eben - fals zaͤrtlich, und werden eher Unrecht als Be - ſchimpfung vergeben. Einige ſind argwoͤhniſcher, als andre; einige ſind allezeit verkehrten Sins; alle aber haben einen ſolchen Antheil von Eitelkeit, daß ſie ſich durch die mindeſte Spur von Gering - ſchaͤzung und Verachtung beleidigt finden. Nicht jeder macht Anſpruch darauf, ein Dichter, Ma -thematiker112thematiker oder Statsman zu ſein, und dafuͤr gehalten zu werden. Jeder aber macht Anſpruch auf gemeinen Verſtand, und wil ſeinen Plaz in der Geſelſchaft mit gewoͤhnlichem Anſtande ein - nehmen. Daher vergibt er nicht leicht die Nach - laͤßigkeiten, Sorgloſigkeiten und Geringſchaͤzun - gen, die dieſe beiden Anſpruͤche in Zweifel zu ziehen, oder ſie ihm ganz abzulaͤugnen ſcheinen.

Die Menſchen uͤberhaupt vertragen es eher, wenn man ſie an ihre Laſter und Verbrechen, als wenn man ſie an ihre kleinen Fehler und Schwach - heiten erinnert. Die erſten rechtfertigen oder entſchuldigen ſie, ihrer Meinung nach, in gewiſſer Maaße durch ſtarke Leidenſchaften, Verfuͤhrung und Kunſtgriffe andrer. Sich aber ſeine kleinen Fehler und Schwachheiten vorhalten zu laſſen, das ſezt eine Schwaͤche des Geiſtes voraus, die fuͤr die von unſrer Natur unzertrenbare Eigenliebe und Eitelkeit zu kraͤnkend iſt.

Zieh diejenigen in Verdacht, die irgend eine Tugend auf beſonders gezwungne Art annehmen,ſie113ſie uͤber alle andre erheben, und gewiſſermaßen zu verſtehen geben, daß ſie ſie einzig und allein beſaͤßen. Ich ſage, ziehe ſie in Verdacht, denn ſie ſind insgemein Betruͤger; aber glaube nicht feſt, daß ſie es allezeit ſind! Denn zuweilen habe ich Heilige gekant, die wirklich from, Praler, die wirklich tapfer, Verbeſſerer der Sitten, die wirk - lich ehrlich, und Sproͤde, die wirklich keuſch waren. Dringe ſelbſt, ſo tief du kanſt, in die geheimen Gaͤnge deines Herzens, und nim niemahls blind - lings eines Menſchen Karakter auf den gemei - nen Ruf an, der zwar insgemein in den großen Zuͤgen richtig, allezeit aber in den beſondern Um - ſtaͤnden irrig iſt.

Steh auf deiner Hut vor denen, die dir bei einer geringen Bekantſchaft ihre unverlangte und unverdiente Freundſchaft aufdringen! Denn ver - muthlich ſchmeicheln ſie dir nur um ihres eignen Vortheils willen. Zugleich aber weiſe ſie, dieſer algemeinen Vorausſezung halben, nicht mit Un - hoͤflichkeit ab!

Theophron 2. Th. HUnter -114

Unterſuche ferner, und ſieh zu, ob ſolche un - erwartete Anerbietungen aus einem warmen Her - zen und einfaͤltigen Kopfe, oder aus einem ver - ſchlagenen Kopfe und kalten Herzen kommen. Denn Betrug und Thorheit haben oft die nemli - chen Merkmale. Im erſten Falle hat es keine Gefahr, wenn man ſie fuͤr ſo viel annimt, als ſie werth ſind. Im leztern kan es nuͤzlich ſein, wenn man ſich das Anſehen gibt, als naͤhme man ſie an, indem man gleichwohl bei ſich ſelbſt beſchließt, ganz und gar nicht darauf zu rechnen, ſondern vielmehr gegen den, der ſie thut, mit verdoppelter Vorſicht auf ſeiner Hut zu ſein.

Es gibt unter jungen Leuten, die ſich blos zu gemeinſchaftlichen Vergnuͤgungen zuſammenge - ſellen, eine Unmaͤßigkeit in der Freundſchaft, die ſehr oft uͤble Folgen hat. Eine Anzahl warmer Herzen und unerfahrner Koͤpfe, durch die Froͤh - lichkeit des Gaſtmahls, und vielleicht durch ein wenig zu viel Wein erhizt, geloben an, und mei - nen es zu der Zeit in vollem Ernſt, fuͤr einander ewige Freundſchaft zu hegen, und ſchuͤtten unbe -ſonnener115ſonnener Weiſe gegenſeitig ihre ganze Sele ohne die mindeſte Zuruͤkhaltung aus. Dieſe Vertrau - lichkeiten werden hernach eben ſo unbeſonnen wie - derholt, als ſie Anfangs errichtet wurden; oder aber es zerſtoͤren neue Vergnuͤgungen und neue Oerter dieſe uͤbelbefeſtigten Freundſchaften; alsdan wird von ſolcher uͤbereilten Vertraulichkeit oft ſehr uͤbler Gebrauch gemacht.

Spiele du deine Rolle unter jungen Geſel - ſelſchaftern beſſer. Thue es ihnen, wenn du kanſt, in aller der unſchuldigen Luſtigkeit und Froͤhlich - keit, die der Jugend wohl laͤßt, zuvor! Aber deine ernſthaften Abſichten verſchweige! Dieſe vertraue nur einem einzigen gepruͤften Freunde, der erfahr - ner iſt, als du, und von dem es, weil er eine von der deinigen ganz verſchiedne Lebensart einſchlaͤgt, nicht wahrſcheinlich iſt, daß er deinen Mitbuler abgeben werde. Denn das wolte ich dir nicht rathen, dich ſo ſehr auf die menſchliche Helden - tugend zu verlaſſen, daß du hoffen oder glauben ſolteſt, dein Mitwerber wuͤrde jemahls in der ſtreitigen Sache dein Freund ſein.

H 2In116

In die Augen fallende, bunt gefaͤrbte und voͤllig beſtimte Gemuͤthsarten zu erkennen, dazu bedarf man geringe Kentniß und Erfahrung der Welt. Es ſind deren wenige, und ſie kuͤndigen ſich ſogleich an. Allein die unmerklichen Schat - tierungen, die nur ſchwach fortſchreitende Stuffen - folge zwiſchen Tugend und Laſter, Verſtand und Thorheit, Staͤrke und Schwaͤche, (daraus aber ſind die meiſten Karaktere zuſammengeſezt) zu unterſcheiden, dazu gehoͤrt einige Erfahrung, viele Beobachtung und ſcharfe Aufmerkſamkeit.

Die meiſten Leute thun in den nemlichen Faͤllen die nemlichen Dinge; nur mit dieſem wich - tigen Unterſchiede, auf dem der Erfolg insgemein beruht, daß, wer die Welt ſtudiert hat, weiß, wan ſie zu rechter Zeit und am rechten Orte an - zubringen ſind. Ein ſolcher hat die Gemuͤthsarten zergliedert, mit denen er zu thun hat, und richtet ſeine Anrede, ſeine Gruͤnde, ihnen gemaͤß ein. Ein Man aber von gemeinem guten Verſtande, wie man es nent, der blos bei ſich ſelbſt nachge - dacht, nicht mit den Menſchen gehandelt hat, bringt alles zu unrechter Zeit, an unrechtem Ortean,117an, laͤuft eilfertig und toͤlpiſch auf das Ziel zu, und faͤlt unterwegs auf die Naſe.

Bei den gewoͤhnlichen Sitten des geſelligen Lebens weiß jeder von geſundem Verſtande die Anfangsgruͤnde der Hoͤflichkeit, die Mittel, nicht zu beleidigen, und wuͤnſcht ſogar, zu gefallen. Hat er nun wirkliches Verdienſt, ſo wird er in guter Geſelſchaft aufgenommen und geduldet wer - den. Das iſt aber bei weitem noch nicht genug. Denn nimt man ihn gleich auf, ſo wird man ſich doch nicht nach ihm ſehnen; wird er gleich nicht anſtoͤßig, ſo wird er doch auch nicht geliebt; wie bei einer kleinen, nichtsbedeutenden, neutralen Macht, an welche groͤſſere angrenzen, wird nie - mand weder ihn fuͤrchten, noch ſeine Gunſt ſuchen, hingegen wird nach der Reihe einer nach dem an - dern ihn anfallen, ſobald es ihr Vortheil mit ſich bringt. Eine ſehr veraͤchtliche Lage!

Wer hingegen die mancherlei Wirkungsarten des Herzens und des Kopfs erfahren und ſorg - faͤltig beobachtet hat; wer aus einer Schattierung den ganzen Fortgang der Farbe herleiten kan; wer zu gehoͤriger Zeit alle die verſchiednen Mittel,H 3den118Verſtand zu uͤberreden, und das Herz einzuneh - men, anzuwenden weiß, der kan und wird zwar Feinde, wird aber und muß auch Freunde haben; man kan ſich zwar ihm widerſezen, er wird aber auch unterſtuͤzt werden; ſeine Geiſtesgaben koͤnnen bei einigen Eiferſucht erregen, ſein einnehmendes Weſen aber wird ihn bei noch mehrern beliebt machen; er wird betraͤchtlich ſein, und dafuͤr an - geſehen werden.

Einen ſolchen Man zu bilden, ihn zugleich ehrwuͤrdig und liebenswerth zu machen, muͤſſen viele verſchiedne Eigenſchaften zuſammentreffen, und die geringſte muß mit der groͤßten verbunden werden; dieſe wuͤrde ohne jene nichts helfen, jene wuͤrde ohne dieſe nichts werth ſein.

Gelehrſamkeit wird durch Leſung von Buͤchern erworben; allein die viel nothwendigere Gelehr - ſamkeit, die Kentniß der Welt, laͤßt ſich blos erlangen, wenn man Menſchen liest, und alle ihre verſchiednen Ausgaben ſtudiert. Insgemein haͤlt man in jeder Sprache viele Woͤrter fuͤr gleich - bedeutend; die aber die Sprache aufmerkſam un - terſuchen, werden finden, daß ſie es nicht ſind; ſiewerden119werden zwiſchen allen den Woͤrtern, die man ge - woͤhnlicher Weiſe gleichbedeutend neut, einen kleinen Unterſchied entdekken. Das eine hat im - mer mehr Nachdruk, Umfang, Feinheit, als das andre. So iſt es auch mit den Menſchen. Ueber - haupt ſind ſie alle einander gleich; aber nicht zwei von ihnen ſind es voͤllig. Die ſie nicht ſorg - faͤltig beobachtet haben, verkennen ſie beſtaͤndig, bemerken nicht die Schattierung, den ſtufenweiſen Abfal derjenigen Gemuͤthsarten, die ſich aͤhnlich ſcheinen, ohne es zu ſein. Geſelſchaft, mannich - faltige Geſelſchaft, iſt fuͤr dieſe Wiſſenſchaft die einzige Schule.

Welt haben iſt, meiner Meinung nach, ein ſehr richtiger, gluͤklicher Ausdruk davon, wenn man Geſchiklichkeit und gutes Bezeigen hat, und ſich in allen Geſelſchaften gehoͤrig aufzufuͤhren weiß. Es faßt mit Wahrheit in ſich, daß ein Menſch, der dieſe Volkommenheiten nicht beſizt, nicht zur Welt gehoͤrt. Ohne ſie ſind die beſten Gaben unwirkſam, Hoͤflichkeit iſt ungereimt, und Frei - heit anſtoͤßig.

H 4Ein120

Ein großer, in ſeiner Zelle zu Oxford oder Cambridge verroſtender, Gottesgelehrte wird vortrefliche Schluͤſſe uͤber des Menſchen Natur vor - bringen; er wird Kopf, Herz, Vernunft, Willen, Leidenſchaften, Sinne, Empfindungen und alle die Unterabtheilungen der menſchlichen Geiſtes - kraͤfte ſcharf zergliedern; gleichwohl kent er un - gluͤklicher Weiſe den Menſchen nicht; denn er hat nicht mit ihm gelebt; er weiß nichts von allen den mancherlei Arten, Fertigkeiten, Vorurtheilen und Geſchmak, die ſtets auf ihn Einfluß haben, und oft ihn beſtimmen. Er betrachtet den Men - ſchen wie die Farben auf Sir Iſaak Newtons Prisma, wo nur die Hauptfarben zu ſehen ſind. Ein erfahrner Faͤrber hingegen kent alle ihre man - nichfaltigen Schattierungen und Stuffenfolgen, nebſt der Wirkung ihrer Miſchungen. Wenige ſind von einfacher, beſtimter Farbe, die meiſten vermiſcht und ſchattiert, und wechſeln nach den verſchiednen Lagen eben ſo ſehr ab, wie ſpielende Seidenfarben nach dem verſchiedentlichen Lichte.

Das alles weiß ein Man, der Welt hat, aus eigner Erfahrung und Beobachtung. Dereinge -121eingebildete, einſiedleriſche Philoſoph weiß es aus eigner Theorie nicht. Seine Ausuͤbung iſt un - ſchiklich und ungereimt. Er handelt eben ſo ungeſchikt, als derjenige tanzen wuͤrde, der nie - mahls andre haͤtte tanzen ſehen, noch bei einem Tanzmeiſter gelernt, hingegen die Noten ſtudiert haͤtte, in denen izt die Taͤnze, ſo wie die Melo - dien, niedergeſchrieben werden.

Beobachte du die Anrede, das gefaͤllige Weſen und die Sitten derer, die Welt haben, und ahme ſie nach! Sieh zu, durch welche Mittel ſie zuerſt guͤnſtige Eindruͤkke machen, und hernach vermeh - ren! Dieſe Eindruͤkke ſind weit oͤfter kleinen Ur - ſachen, als einem innern Verdienſte zuzuſchreiben. Verdienſt iſt nicht ſo fluͤchtiger Art, und thut keine ſo ſchleunige Wirkung.

Eine gewiſſe Wuͤrde der Sitten iſt unum - gaͤnglich nothwendig, um ſelbſt der ſchaͤzbarſten Perſon entweder Ehre zu verſchaffen, oder zu verdienen.

Ungeſchlifner Scherz, Fauſtbalgerei, haͤufiges, lautes Gelaͤchter, Poſſenſpiele und eine Gemein -H 5machung122machung ohne Unterſchied wird ſowohl Verdienſt, als Wiſſenſchaft bis zu einem Grade von Verach - tung erniedrigen. Sie machen hoͤchſtens einen luſtigen Spasvogel aus; ein luſtiger Spasvogel aber iſt noch niemahls eine ehrenvolle Perſon geweſen. Gemeinmachung ohn Unterſchied be - leidigt entweder hoͤhere, oder macht uns ihnen unterwuͤrfig, zu Jaherrn und Belachern ihrer Einfaͤlle. Geringern gibt ſie gerechte, aber be - ſchwerliche und unſchikliche Anſpruͤche auf Gleich - heit. Ein Spasvogel iſt nahe mit einem Schalks - narren verwandt; und keiner von beiden hat die geringſte Verwandſchaft mit wahrem Wize.

Wer aus andern Gruͤnden, als wegen ſeines Verdienſtes oder ſeiner Sitten, in Geſelſchaften zugelaſſen oder geſucht wird, der wird niemahls darin geehrt, ſondern man bedient ſich ſeiner blos. Wir wollen den und den kommen laſſen, denn er ſingt ſchoͤn; wir wollen den und den zum Balle einladen, denn er tanzt ſchoͤn; wir wollen den und den zum Abendeſſen rufen, denn er ſcherzt und lacht beſtaͤndig; wir wollen den und den hohlen laſſen, denn er ſpielt alle Spiele hochmit,123mit, oder er kan gut zechen. Das ſind alles erniedrigende Unterſcheidungen, entehrende Vor - zuͤge, die allen Begrif von Hochſchaͤzung und Achtung ausſchließen. Wer nur wegen eines einzelnen Dings gerufen wird, der iſt blos daſ - ſelbe einzelne Ding; man betrachtet ihn niemahls auf einer andern Seite; folglich wird er niemahls geehrt, ſein Verdienſt ſei ſo groß, als es wolle.

Die Wuͤrde der Sitten, die ich dir empfehle, iſt nicht nur eben ſo verſchieden vom Hochmuthe, als wahre Herzhaftigkeit von Pralerei, oder wahrer Wiz von Schwaͤnken; ſondern vertraͤgt ſich auch ganz und gar nicht mit ihm. Denn nichts entehrt oder erniedrigt mehr, als Hoch - muth. Des Hochmuͤthigen Anſpruͤche nimt man oͤfter mit Gelaͤchter und Verachtung, als mit Unwillen auf, ſo wie man auslachender Weiſe Handelsleuten ein zu niedriges Gebot thut, die laͤcherlicher Weiſe zu viel fuͤr ihre Waaren fodern. Gibt aber jemand blos einen gerechten, billigen Preis an, da handeln wir nicht lange.

Nieder -124

Niedertraͤchtige Schmeichelei und ohne Unter - ſchied gegebener Beifal erniedrigt eben ſo ſehr, als Widerſpruch ohn Unterſchied und geraͤuſch - voller Streit verdrießlich faͤlt. Hingegen be - ſcheidne Behauptung ſeiner Meinung, und ge - faͤllige Beiſtimmung gegen andrer ihre, behaupten die Wuͤrde.

Niedrige, poͤbelhafte Ausdruͤkke, uͤbellaſſende Bewegung und Anrede erniedrigen, weil ſie ent - weder niedrige Denkungsart, oder niedrige Er - ziehung und niedrige Geſelſchaft verrathen.

Nichtswuͤrdige Neugier nach Kleinigkeiten, muͤhſame Aufmerkſamkeit auf geringfuͤgige Dinge, die weder das Nachſinnen von einem Augenblikke erfordern, noch verdienen, erniedrigen einen Men - ſchen. Man ſchließt daraus, und nicht mit Un - recht, er ſei groͤßerer Dinge unfaͤhig.

Ein gewiſſer Grad aͤußerlichen Ernſtes in Blikken und Bewegungen gibt Wuͤrde, ſchließt aber Wiz und anſtaͤndige Luſtigkeit nicht aus, dieallezeit125allezeit an ſich ſelbſt etwas Ernſthaftes haben. Beſtaͤndige Luſtigkeit auf dem Geſichte und un - ruhige Geſchaͤftigkeit des Leibes ſind ſtarke An - zeigen von Nichtswuͤrdigkeit. Wer ſich unruhig anſtelt, der zeigt, daß die vorhabende Sache fuͤr ihn zu groß iſt. Eilfertigkeit und unruhiges Weſen ſind ganz verſchiedne Dinge.

Ich habe blos einige von den Stuͤkken er - waͤhnt, welche Leute, die in andern Dingen ſchaͤz - bar genug ſind, in der Meinung der Welt ernie - drigen koͤnnen, und wirklich erniedrigen. Aber ich habe nichts von denen gedacht, die den ſitlichen Ruf herunter ſezen. Wer ſich geduldig hat ſchla - gen und ſtoßen laſſen, der kan eben ſo gut auf Herzhaftigkeit Anſpruch machen, als der, welcher mit Laſtern und Verbrechen beflekt iſt, auf Wuͤrde von irgend einer Art. Deine ſitliche Gemuͤths - beſchaffenheit muß daher nicht nur rein, ſondern auch, wie Caͤſars Frau, vom Argwohn frei bleiben. Der geringſte Flekken an derſelben iſt verderblich. Nichts entehrt und erniedrigt mehr; denn es erwekt und vereinigt Verachtung undAbſcheu.126Abſcheu. Demohngeachtet gibt es in der Welt elende Koͤpfe, die ſo gotlos ſind, alle Begriffe vom ſitlichen Guten und Boͤſen zu verlachen, zu behaupten, ſie ſchikten ſich blos an gewiſſe Oerter, hingen gaͤnzlich von den Gebraͤuchen und Moden verſchiedner Laͤnder ab.

Ja, es gibt, wo moͤglich, noch abgeſchmak - tere Koͤpfe; ich meine ſolche, die gezwungner Weiſe dergleichen ungereimte, ſchaͤndliche Begriffe predigen und fortpflanzen, ohne ſie ſelbſt zu glau - ben. Das ſind verteufelte Heuchler. Vermeide, ſo viel moͤglich, ſolcher Leute Geſelſchaft, die allen mit ihnen umgehenden einen Grad von Un - ehre und Schande zuziehen! Da du aber zuwei - len durch Zufal in ſolche Geſelſchaft gerathen kanſt, ſo trage große Sorge, daß keine Gefaͤlligkeit, kein aufgeraͤumtes Weſen, keine Hize feſtlicher Luſtig - keit, dir jemahls den Schein gebe, als ließeſt du ſolche ſchaͤndliche Lehren hingehen, weitweniger, als billigteſt du ſie, oder fieleſt ihnen bei!

Auf der andern Seite ſtreite nicht, und brauche nicht ernſthafte Gruͤnde in einer Materie, die ſo tief unter denſelben iſt! Laß es dabei bewenden,ſolchen127ſolchen Apoſteln zu ſagen: Du wuͤßteſt ſchon, ſie redeten nicht im Ernſte; du haͤtteſt von ihnen eine viel beſſere Meinung, als die ſie dir beibrin - gen wolten, und waͤrſt ſicher, ſie wuͤrden die Lehre, die ſie predigten, ſelbſt nicht ausuͤben. Insgeheim aber zeichne dir ſie aus, und meide ſie nachher auf immer!

Nichts iſt ſo zart, als dein ſitlicher guter Name, und an nichts muß dir mehr gelegen ſein, als denſelben rein zu erhalten. Solteſt du in Verdacht der Ungerechtigkeit, Bosheit, Treuloſigkeit und Luͤgen kommen, ſo werden alle Geiſtesgaben, alle Wiſſenſchaft von der Welt, dir niemahls Hoch - achtung, Freundſchaft oder Ehrerbietung ver - ſchaffen. Ein ſeltſames Zuſammentreffen von Umſtaͤnden hat zwar zuweilen ſehr boͤſe Menſchen zu hohen Aemtern befoͤrdert; aber ſie ſind auf eben die Art aufgeſtelt worden, wie Miſſethaͤter an einem Pranger, wo ihre Perſonen und Ver - brechen, weil ſie mehr dem Anblikke ausgeſezt ſind, nur um ſo viel mehr bekant, verabſcheut, beſchimpft und gemißhandelt werden.

Die128

Die einzige Schwierigkeit iſt, (ich bin aber ſicher, du haſt Verſtand genug dazu) zwiſchen den rechten und ſchiklichen Eigenſchaften und den mit ihnen verwandten Fehlern einen Unterſcheid zu machen. Denn es gibt nur eine Linie zwiſchen jeder Volkommenheit und ihrer benachbarten Un - volkommenheit.

Du mußt, zum Beiſpiele, uͤberaus artig und hoͤflich ſein, aber ohne das beſchwerliche, ſteife Weſen der Staatsgebraͤuche. Du mußt ehrer - bietig und zum Beifalgeben fertig, darum aber keinesweges knechtiſch, noch niedertraͤgtig ſein. Du mußt dich offenherzig bezeigen, jedoch ohne Schwazhaftigkeit; mußt zuruͤkhaltend ſein, jedoch ohne ein ſproͤdes Weſen anzunehmen. Du mußt deines Standes Wuͤrde behaupten, jedoch ohne den geringſten Stolz auf Herkunft oder Rang. Du mußt luſtig ſein, aber innerhalb aller Schran - ken der Anſtaͤndigkeit und Ehrerbietung; und ernſthaft, ohne gezwungne Anmaßung von Weis - heit, die dem Alter von zwanzig Jahren nicht anſteht. Du mußt weſentlich verſchwiegen ſein, nicht aber dunkel und geheimnißvol. Du mußtſtandhaft,129ſtandhaft, ſogar kuͤhn ſein, aber mit großer Beſcheidenheit.

Nichts hat ein junger Menſch bei ſeinem Ein - tritte in die Welt mehr zu fuͤrchten, und nichts ſolt er daher ſorgfaͤltiger zu vermeiden ſuchen, als daß man ihm nicht etwas Laͤcherliches anhaͤn - gen moͤgte. Das entehrt ihn bei dem vernuͤnftig - ſten Theile der Menſchen, bei den uͤbrigen aber ſtuͤrzt es ihn ganz und gar; und ich habe manchen gekant, der dadurch ungluͤklich geworden iſt, daß er ſich einen laͤcherlichen Beinahmen zuzog.

Um aller Welt willen wolte ich nicht, daß du dir einen Beinahmen zuziehen ſolteſt, wenn du nach England zuruͤkkomſt. Laſter und Verbrechen erregen Haß und Vorwuͤrfe, aber Fehler, Schwach - heiten und Unſchiklichkeiten, machen uns laͤcherlich. Nachaͤffende Leute machen ſie ſich zu Nuze, die, wiewohl ſie oft ſelbſt ſehr veraͤchtliche Schurken ſind, dennoch oft durch ihre Schwaͤnke beßre Leute veraͤchtlich machen. Die kleinen Fehler des Be - zeigens, der Ausſprache, Anrede, Miene, ſelbſt der Geſtalt, wiewohl hoͤchſt ungerechter Weiſe,Theophron 2. Th. Jwerden130werden Gegenſtaͤnde des Gelaͤchters, und Urſachen von Zunahmen.

Du kanſt dir nicht genug vorſtellen, welchen Kummer es mir, und welchen Nachtheil es dir verurſachen wuͤrde, wenn man dich, zum Unter - ſchiede von andern, den murmelnden Stan - hope, den zerſtreuten Stanhope, den un - gezognen Stanhope, den toͤlpiſchen, link - beinigten Stanhope nennen ſolte. Trage daher große Sorge, es außer die Gewalt des Gelaͤchters ſelbſt zu ſezen, dir eins ſolcher kurzweiligen Bei - woͤrter zu geben! Denn haſt du es einmahl, ſo haͤngt es dir an, wie ein vergiftetes Hemde.

Es gibt Leute, die ſich eine Art von Luͤgen er - lauben, die ſie fuͤr unſchuldig halten, und die es auch in einem gewiſſen Verſtande iſt; denn ſie ſchadet keinem, als ihnen ſelbſt. Dieſe Art Luͤgen iſt das unaͤchte Kind der Eitelkeit und Thorheit. Solche Leute geben ſich viel mit dem Wunder - baren ab. Iſt etwas Merkwuͤrdiges in einer Geſelſchaft oder an einem Orte gethan oder ge - ſagt worden, ſo ſind ſie alsbald gegenwaͤrtig ge -weſen,131weſen, und geben ſich fuͤr Augenzeugen davon aus. Sie ſelbſt haben Dinge gethan, die noch von keinem andern jemahls verſucht, oder volbracht worden ſind. Sie ſind ſtets die Helden ihrer eignen Maͤhrchen, und glauben dadurch Achtung oder wenigſtens gegenwaͤrtige Aufmerkſamkeit zu gewinnen. Alles jedoch, was ſie wirklich davon tragen, iſt Gelaͤchter und Verachtung, nebſt einem guten Theile von Mistrauen. Denn man muß natuͤrlicher Weiſe ſchließen: wer irgend eine Luͤge aus bloßer Eitelkeit vorbringt, der werde kein Bedenken tragen, eine noch groͤßere zu ſeinem Vortheile zu ſagen.

Haͤtt ich wirklich etwas ſo Außerordentliches geſehen, daß es faſt unglaublich waͤre: ſo wolt ich es lieber bei mir behalten, als jemandem eine Minute lang Anlaß geben, an meiner Wahrheits - liebe zu zweifeln. Es iſt ausgemacht, daß einem Frauenzimmer der Ruf der Keuſchheit nicht noth - wendiger iſt, als der Ruf der Wahrheitsliebe einem Manne.

Um Gottes willen halte gewiſſenhaft und eiferſuͤchtig uͤber der Reinigkeit deines ſitlichenJ 2guten132guten Namens! Erhalte ihn unbeflekt, unbe - ſcholten, ſo wird er in keinen Verdacht gezogen werden. Ueble Nachrede und Verlaͤumdung thun keinen wirklich ſchaͤdlichen Angrif, wo es nicht eine ſchwache Seite gibt. Sie vergroͤßern wohl, erſchaffen aber nicht.

Ich kenne in der That nichts laſterhafters, niedertraͤchtigers und zugleich laͤcherlichers als das Luͤgen. Es iſt entweder die Wirkung der Bos - heit, oder Feigheit, oder Eitelkeit, und verfehlt insgemein bei jeder dieſer Abſichten ſeinen Endzwek. Denn Luͤgen werden allezeit, fruͤher oder ſpaͤter, entdekt. Wenn ich eine boshafte Luͤge zum Scha - den des Vermoͤgens oder guten Nahmens eines Menſchen ſage: ſo kan ich ihm zwar eine Zeitlang ſchaden; ich kan jedoch ſicher ſein, daß ich zulezt am meiſten dabei leiden werde. Denn ſo bald man mich entdekt, (das wird aber gewiß geſchehen) verliere ich wegen des ſchaͤndlichen Verſuchs, den guten Nahmen eines andern zu beflekken, meinen eigenen, und was nur nachher zu deſſelben Men - ſchen Nachtheile geſagt wird, gilt, ſo wahr es auch ſein mag, fuͤr Verlaͤumdung.

Wenn133

Wenn ich luͤge, oder zweideutig rede, (denn das iſt das nemliche) um etwas, das ich gethan oder geſagt habe, zu entſchuldigen, und die Ge - fahr der Schande, die ich daher befuͤrchte, zu vermeiden: ſo verrathe ich zugleich beides, meine Furcht und Falſchheit, und anſtat der Gefahr der Schande zu entgehen, vermehre ich ſie nur. Ich zeige mich als den Niedertraͤchtigſten unter den Menſchen, und bin ſicher, auch ſo behandelt zu werden. Hat jemand das Ungluͤk, einen Irthum oder Fehler begangen zu haben; ſo findet ſich etwas Edles in der freimuͤthigen Bekennung deſ - ſelben. Dis iſt der einzige Weg, ihn wieder gut zu machen, und Verzeihung zu erhalten. Hin - gegen zweideutig reden, Ausfluͤchte ſuchen, und Kunſtgriffe gebrauchen, um einer gegenwaͤrtigen Gefahr oder Ungemaͤchlichkeit zu entgehen, iſt etwas ſo Niedriges, verraͤth ſo viele Feigherzig - keit, daß der, welcher ſo handelt, allezeit Stoͤße verdient, und oft auch ſie bekoͤmt.

Merke dir demnach fuͤr dein ganzes Leben, daß nichts als genaue Wahrheit dich ohne Verlezung des Gewiſſens und der Ehre durch die Welt brin -J 3gen134gen kan! Sie iſt nicht nur deine Pflicht, ſondern auch dein Vortheil. Zum Beweiſe davon kanſt du allezeit ſehen, daß die aͤrgſten Thoren auch die groͤßten Luͤgner ſind. Ich meines Orts urtheile nach jedes Menſchen Wahrhaftigkeit von dem Grade ſeines Verſtandes.

Jede Vortreflichkeit und jede Tugend hat irgend eine Untugend oder Schwachheit zur Verwandtin. Freigebigkeit artet oft in Verſchwendung aus, Sparſamkeit in Geiz, Herzhaftigkeit in uͤbereilte Hize, Behutſamkeit in Schuͤchternheit, und ſo weiter. Ich glaube daher, es erfodere mehr Be - hutſamkeit, unſre Tugenden gehoͤrig auszuͤuͤben, als die ihnen entgegenſtehenden Laſter zu vermeiden.

Das Laſter iſt in ſeinem wahren Geſichts - punkte ſo haͤßlich, daß es uns auf den erſten Blik anſtoͤßig wird, und ſchwerlich jemahls verfuͤhren wuͤrde, wenn es nicht, wenigſtens im Anfange, die Larve der Tugend truͤge. Tugend hingegen iſt ſo ſchoͤn, daß ſie auf den erſten Anblik bezaubert, nimt uns bei naͤherer Bekantſchaft immer ſtaͤrker ein, und wir halten dabei, ſo wie bei andernSchoͤn -135Schoͤnheiten, das Uebermaß fuͤr unmoͤglich. Da - her iſt hier Urtheilskraft noͤthig, um die Wirkun - gen einer vortreflichen Urſache zu maͤßigen und zu leiten.

Ich wil gegenwaͤrtig das Geſagte nicht auf eine beſondre Tugend, ſondern auf eine Vortref - lichkeit anwenden, die aus Mangel an Urtheils - kraft oft die Urſache laͤcherlicher und tadelhafter Wirkungen wird. Ich meine große Gelehrſam - keit, die, wenn nicht geſunde Urtheilskraft ſie begleitet, uns oft zu Irthum, Stolz und Pedan - terie verfuͤhrt. Da ich nun hoffe, du wirſt dieſe Vortreflichkeit kuͤnftig in ihrem aͤußerſten Um - fange beſizen: ſo werden dir die Winke, die dir meine Erfahrung hieruͤber an die Hand geben kan, wahrſcheinlicher Weiſe nicht unnuͤz ſein.

Einige auf ihr Wiſſen ſtolze Gelehrte reden blos, um zu entſcheiden, und geben Urtheile von ſich, von denen keine weitere Berufung gilt. Die Folge davon iſt, daß die Menſchen, durch die Beleidigung aufgebracht, und durch die Unter - druͤkkung beſchimpft, ſich empoͤren, und, um ſich der Tirannei zu entſchlagen, ſogar ein rechtmaͤßi -J 4ges136ges Anſehen in Zweifel ziehen. Je mehr du weißt, deſto beſcheidner ſolteſt du ſein; und, im Vorbei - gehn geſagt, dieſe Beſcheidenheit iſt der ſicherſte Weg, deine Eitelkeit zu befriedigen, ohngeachtet ich nicht hoffe, daß das dein Bewegungsgrund dazu ſein werde. Auch wo du deiner Meinung gewiß biſt, da ſcheine lieber zweifelhaft; thue Vorſtellungen, aber keine Ausſpruͤche; und wenn du andre uͤberzeugen wilſt, ſo ſtelle dich ſelbſt bereit - willig, von andern uͤberzeugt zu werden!

Noch andre, um ihre Gelehrſamkeit zu zeigen, oder auch vermoͤge der Vorurtheile ihrer Erziehung in der Schule, wo ſie nichts anders hoͤrten, reden allezeit von den Alten ſo, als waͤren ſie mehr noch als Menſchen, und von den Neuern, als waͤren ſie weniger. Sie fuͤhren ſtets einen oder zwei klaſſiſche Autoren in der Taſche. Sie halten ſich feſt an den alten geſunden Verſtand, leſen nichts von dem Gewaͤſche der neuern, und erweiſen haar - ſcharf, daß man ſeit den leztern ſiebzehn hundert Jahren in keiner Kunſt oder Wiſſenſchaft weiter gekommen iſt.

Nun137

Nun wolt ich zwar nicht, daß du deine Be - kantſchaft mit den Alten ablaͤugneteſt; weit weni - ger aber, daß du dich einer vorzuͤglichen Vertrau - lichkeit mit ihnen ruͤhmteſt. Rede von den Neuern ohne Verachtung, und von den Alten ohne Abgoͤtterei. Urtheile von ihnen allen nach ihren Verdienſten, nicht aber nach ihrer Zeit! Solteſt du von ungefaͤhr einen klaſſiſchen Autor von elzeviriſcher Ausgabe in der Taſche fuͤhren, ſo zeige ihn nicht vor, und rede nicht davon!

Einige große Gelehrte hohlen alle ihre Grund - ſaͤze, beides im oͤffentlichen und gemeinen Leben, aus dem her, was ſie aͤhnliche Faͤlle in den alten Schriftſtellern nennen; ohne zu bedenken, daß in Anſehung des erſten ſeit Erſchaffung der Welt niemahls zwei Faͤlle ſich gaͤnzlich gleich gewe - ſen ſind, und daß in Anſehung des zweiten nie - mahls von irgend einem Geſchichtſchreiber ein Fal mit allen ſeinen Umſtaͤnden ordentlich vorgeſtelt, oder auch nur gewußt worden iſt. Dieſe Umſtaͤnde muß man jedoch wiſſen, um richtig zu urtheilen.

Erwaͤge du den Fal ſelbſt mit den dabei befind - lichen Umſtaͤnden, und handle darnach, nicht aberJ 5nach138nach Ausſpruͤchen alter Dichter oder Geſchicht - ſchreiber! Nim, wenn du wilſt, aͤhnlich ſcheinende Faͤlle dazu, aber blos als Huͤlfsmittel, nicht als Wegweiſer!

Wir werden durch unſre Erziehung ſo ſtark von Vorurtheilen eingenommen, daß, ſo wie die Alten ihre Helden, alſo wir ihre Narren vergoͤt - tern, unter die ich, mit aller gehoͤrigen Achtung fuͤr das Alterthum geſprochen, den Leonidas und Curtius als zwei der vorzuͤglichſten ſeze. *)Eine und eben dieſelbe That kan ruhmwuͤrdiger Heroismus oder Narheit ſein, jenachdem die Bewegungsgruͤnde, welche dabei zum Grunde lagen, vernuͤnftig oder thoͤrigt waren. Wer darf ſich aber unterfangen, nach zwei, drei tauſend Jahren in der Sele eines Mannes leſen zu wollen, von dem die Geſchichte blos das, was er that, nicht das, was er dachte, aufbewahrt hat! C. Gleichwohl wuͤrde ein rechtſchafner Pedant in einer Rede an das Parlament, die von einer Auf - lage von zwei Pence auf das Pfund bei irgend einer oder der andern Waare haudelte, dieſe zwei Helden als Beiſpiele von dem aufſtellen, was wir fuͤr unſer Vaterland thun oder leiden ſolten.

Ich139

Ich habe dieſe Ungereimtheiten von Gelehrten ohne Urtheilskraft ſo weit treiben ſehen, daß es mich gar nicht wundern ſolte, wenn bei einem unſrer Kriege mit den Galliern irgend ein gelehr - ter Pedant den Vorſchlag thaͤte, man ſolte eine Anzahl Gaͤnſe im Tower halten, wegen des unendlichen Nuzens, den im aͤhnlichen Falle die Roͤmer von einer Heerde Gaͤnſe im Kapitol gehabt haͤtten. Dieſe Art zu ſchließen und zu reden wird ſtets einen armſeeligen Staatsman und kindiſchen Marktſchreier verrathen.

Noch gibt es eine andre Art von Gelehrten, die zwar weniger ſchulgerecht und ſtolz, aber nicht weniger ungereimt ſind. Das ſind die geſchwaͤ - zigen, ſchimmernden Pedanten, die ihr Geſpraͤch, ſelbſt mit Frauenzimmern, durch gluͤklich ange - brachte Stellen aus dem Griechiſchen oder Lateini - ſchen aufſtuzen, und ſich mit den Schriftſtellern in beiden Sprachen ſo gemein machen, daß ſie ihnen gewiſſe, eine beſondere Vertraulichkeit an - zeigende, Namen oder Beiwoͤrter geben; als, der Altvater Homer, der ſchlaue Vogel Horaz, Maro anſtat Virgil, und Naſo anſtat Ovid. Das140Das thun ihnen denn oft Gekken nach, die ganz und gar keine Gelehrſamkeit beſizen, ſondern nur einige Namen und Brokken alter Schriftſteller auswendig gelernt haben, mit denen ſie, geſchikt oder ungeſchikt, in allen Geſelſchaften um ſich werfen, in der Hofnung, fuͤr Gelehrte angeſehen zu werden.

Wilſt du daher die Beſchuldigung der Pedan - terie auf einer, den Verdacht der Unwiſſenheit aber auf der andern Seite vermeiden, ſo enthalte dich der gelehrten Pralerei! Rede die Sprache der Geſelſchaft, in der du biſt; rede ſie rein, nicht mit Woͤrtern aus einer andern durchſpikt! Gib dir nie - mahls das Anſehen, als waͤreſt du weiſer oder gelehr - ter, als die Anweſenden! Fuͤhre deine Gelehrſamkeit, ſo wie deine Repetieruhr, in der Taſche! Ziehe ſie nicht heraus, und laß ſie nicht ſchlagen, blos um zu zeigen, daß du eine haſt! Fragt man dich, um welche Zeit es iſt, ſo ſag es; ruf es aber nicht alle Stunden aus, wie ein Nachtwaͤchter! Das unverlangte Herausziehen der Uhr gibt zu erken - nen, daß du der Geſelſchaft muͤde biſt; die unver -langte141langte Auskramung der Wiſſenſchaft macht, daß die Geſelſchaft deiner muͤde wird.

Merke dir uͤberhaupt: die Gelehrſamkeit, ich meine die griechiſche und roͤmiſche, iſt ein ſehr nuͤzlicher und nothwendiger Zierrath, und ſie nicht wiſſen, wird bei einem Menſchen, der eine gelehrte Erziehung gehabt hat, fuͤr eine Schande gehalten. Vermeide aber ſorgfaͤltig die angefuͤhr - ten Irthuͤmer und Misbraͤuche, die ſie nur zu oft begleiten! Auch merke dir, daß große neuere Gelehrſamkeit viel noͤthiger iſt, als die alte, und daß es beſſer waͤre, du wuͤßteſt den gegenwaͤrti - gen, als den alten Zuſtand von Europa; wiewohl ich lieber ſaͤhe, du kenteſt beide.

Du biſt nun zu einem Alter gekommen, das der Ueberlegung faͤhig iſt, und ich hoffe, du wirſt das thun, was von wenigen in deinen Jahren geſchieht, das iſt, deine Zeit um deiner ſelbſt willen zur Aufſuchung der Wahrheit und einer geſunden Wiſſenſchaft anwenden. Ich wil geſtehen, (denn ich bin nicht abgeneigt, dir meine Geheimniſſe zu entdekken) daß es nicht ſeit vielen Jahren iſt, daich142ich mich erkuͤhnt habe, fuͤr mich ſelbſt zu den - ken. Bis auf das ſechszehnte oder ſiebzehnte Jahr hatte ich gar kein Nachdenken; und viele Jahre hernach bediente ich mich deſſen nicht, das ich hatte. Ich nahm die Begriffe der Buͤcher an, die ich las, oder der Geſelſchaft, die ich hielt, ohne zu unterſuchen, ob ſie richtig waͤren, oder nicht. Lieber wolt ich es auf einen leichten Ir - thum wagen, als mir Zeit und Muͤhe zur Unter - ſuchung der Wahrheit nehmen.

Solchergeſtalt ward ich, wie ich ſeitdem ge - funden habe, theils aus Faulheit, theils aus Zerſtreuung, theils aus uͤbel verſtandner Schaam, der Mode gemaͤße Begriffe zu verwerfen, durch Vorurtheile hingeriſſen, anſtat von der Vernunft geleitet zu werden. Anſtat Wahrheit aufzuſuchen, unterhielt ich ruhig den Irthum.

Seit ich mir aber die Muͤhe nahm, fuͤr mich ſelbſt zu denken, und das Herz faßte, zu geſte - hen, daß ich das thaͤte, kanſt du dir nicht vor - ſtellen, wie ſehr meine Begriffe von Dingen ſich geaͤndert haben, aus welchen verſchiednen Ge - ſichtspunkten ich ſie jezt betrachte, da ich ſie vorherblos143blos nach Leitung des Vorurtheils und Anſehens andrer betrachtete. Ja, es iſt moͤglich, daß ich noch viele Irthuͤmer beibehalten habe, die vermoͤge langer Fertigkeit vielleicht zu wirklichen Meinungen geworden ſind. Denn es iſt ſehr ſchwer, zei - tig erworbne und lange unterhaltene Fertigkeiten von den Ausſpruͤchen unſrer Vernunft und der Ueberlegung zu unterſcheiden.

Mein erſtes Vorurtheil (denn von Vorur - theilen der Kinder und Weiber, als da ſind Ko - bolde, Erſcheinungen, Traͤume, u. ſ. w. wil ich nicht reden) war meine klaſſiſche Schwaͤrmerei, mit der mich die Buͤcher, die ich las, und die Lehrer, die mir ſie erkaͤrten, anſtekten. Ich ward uͤberzengt, daß ſich ſeit den leztern funfzehn hun - dert Jahren kein geſunder Verſtand, keine gemeine Ehrlichkeit in der Welt geſunden haͤtte, ſondern daß ſie mit den alten griechiſchen und roͤmiſchen Reichen voͤllig erloſchen waͤren. Homer und Virgil konten keine Fehler haben, weil ſie al〈…〉〈…〉, Milton und Taſſo keine Verdienſte, weil ſie neu waren. Ich koͤnte in Anſehung der Alten beinah das geſagt haben, was Cicero, auf ſehr unge -reimte,144reimte, einem Philoſophen unanſtaͤndige Weiſe, in Anſehung des Plato ſagt, ich wil lieber mit ihm irren, als mit andern richtig denken. *)Cum quo errare malim, quam cum aliis recte ſentire.

Nunmehr hingegen habe ich, ohne auſſerordent - liche Anſtrengung des Verſtandes, ausfindig ge - macht, daß die Natur vor dreitauſend Jahren die nemliche war, die ſie izt iſt; daß die Menſchen nichts mehr als Menſchen waren, damahls ſo gut wie izt; daß zwar Gewohnheiten und Gebraͤuche oft abwechſeln, die menſchliche Natur aber ſtets die nemliche bleibt. Ich kan eben ſo wenig anneh - men, daß vor funfzehn hundert oder drei tauſend Jahren die Menſchen beſſer, tapfrer oder weiſer geweſen waͤren, als daß Thiere und Pflanzen da - mahls beſſer geweſen waͤren, als ſie izt ſind.

Ich getraue mir auch nunmehr, den Goͤnnern der Alten zum Troz, zu behaupten, daß Homers Held Achil zugleich ein wildes Thier und ein Schurke, folglich ſehr untauglich fuͤr die Rolle eines Helden im Heldengedichte war. Er trug ſo wenige Achtung fuͤr ſein Vaterland, daß er nichtzu145zu deſſen Vertheidigung fechten wolte, darum weil er mit dem Agamemnon um eine Hure ge - zankt hatte; und hernach, blos durch eigne Rach - gier angetrieben, ging er herum, und nahm den Leuten niedertraͤchtiger Weiſe das Leben, denn ſo wil ich es nennen, weil er ſich fuͤr unverlezt hielt. Bei aller ſeiner Unverlezlichkeit trug er gleichwohl die ſtaͤrkſte Ruͤſtung von der Welt. Das war aber, wie ich mir demuͤthig vorſtelle, ein gewaltiger Irthum. Denn ein Hufeiſen, an ſeine verwund - bare Ferſe geſchlagen, wuͤrde hinlaͤnglich gewe - ſen ſein.

Auf der andern Seite behaupte ich mit Dry - den, in aller Demuth gegen die Goͤnner der Neuern, daß der Teufel eigentlich der Held in Miltons Gedichte iſt. Der Entwurf, den jener anlegt, verfolgt, und zulezt ausfuͤhrt, iſt ja der Inhalt des Gedichts.

Aus allen dieſen Betrachtungen ziehe ich den unparteiiſchen Schluß, daß die Alten, grade ſo wie die Neuern, ihre Vorzuͤge und Fehler, ihre Tugenden und Laſter hatten. Pedanterie und gezierte Gelehrſamkeit entſcheiden deutlich zumTheophron 2. Th. KVor -146Vortheil der erſtern, Eitelkeit und Unwiſſenheit eben ſo eifrig zum Vortheil der leztern.

Meine Vorurtheile in der Religion hielten mit den klaſſiſchen gleichen Schrit. Es war eine Zeit, da ich es fuͤr unmoͤglich hielt, daß der ehr - lichſte Man von der Welt auſſer dem Schooße der engliſchen Kirche ſeelig werden koͤnte. Ich bedachte nicht, daß Meinungen nicht auf dem Willen beru - hen, daß es eben ſo natuͤrlich als zulaͤßig iſt, daß ein andrer in Meinungen von mir abgehe, als ich von ihm; daß wir, wenn wir beide aufrichtig ſind, auch beide ohne Tadel ſind, und folglich gegen - ſeitige Nachſicht fuͤr einander haben ſolten. Jezt hingegen ſehe ich deutlich ein, daß Irthuͤmer in Meinungen, ſo grob ſie auch ſein moͤgen, Mitlei - den verdienen, nicht aber Ahndung oder Gelaͤch - ter! Des Verſtandes Blindheit iſt eben ſo ſehr zu bedauren, als der Augen ihre; und es iſt weder Scherz noch Verſchuldung, wenn ſich ein Menſch in beiderlei Faͤllen von ſeinem Wege verirt. Die kriſtliche Liebe befielt uns, ihm, wenn wir koͤnnen, durch Gruͤnde oder Zureden zurecht zu helfen,zugleich147zugleich aber unterſagt ſie, ſein Ungluͤk entweder zu beſtrafen oder zu verlachen.

Jedes Menſchen Vernunft iſt ein Wegweiſer, und muß es ſein. Ich kan eben ſo gut fodern, daß jeder Menſch von meiner Laͤnge und Geſichts - farbe ſein, als daß er gerade ſo ſchließen ſolte, wie ich. Jeder Menſch ſucht Wahrheit; Gott allein aber weiß, wer ſie gefunden hat. Es iſt daher eben ſo ungerecht, die Leute wegen der verſchied - nen Meinungen, die ſie nach Ueberzeugung ihrer Vernunft zu hegen nicht umhin koͤnnen, zu ver - folgen, als es ungereimt iſt, ſie darum zu verla - chen. Wer luͤgenhaft redet oder handelt, der iſt ſtrafbar; nicht aber, wer ehrlich und aufrichtig die Luͤgen glaubt.

Die Vorurtheile, die ich nun zunaͤchſt annahm, waren die aus der galanten Welt. Da ich ent - ſchloſſen war, darin zu ſchimmern, ſo hielt ich die ſogenanten vornehmen Laſter fuͤr nothwendig. Ich hoͤrte ſie dafuͤr halten, und glaubte es ohne weitere Unterſuchung. Wenigſtens wuͤrd ich mich geſchaͤmt haben, es zu laͤugnen, um michK 2nicht148nicht dem Gelaͤchter derer auszuſtellen, die ich als Muſter artiger Herrn betrachtete.

Izt aber ſchaͤme ich mich nicht, ohne Scheu zu behaupten, daß dieſe faͤlſchlich ſo genanten vorneh - men Laſter blos ſo viele Schandflekken ſelbſt an einem Weltmanne und artigen Herrn ſind, und ihn ſelbſt in derer Meinung herunter ſezen, wel - chen er dadurch zu gefallen gedenkt. Dieſes Vor - urtheil geht ſo weit, daß ich Leute gekant habe, die, anſtat ihre wahren Laſter ſorgfaͤltig zu ver - bergen, ſogar noch auf ſolche Anſpruch machten, die ſie wirklich nicht an ſich hatten.

Gebrauche du und behaupte deine eigne Ver - nunft! Erwaͤge, unterſuche und zergliedere alles, um ein geſundes, reifes Urtheil zu faͤllen! Laß kein der oder der hat es geſagt deinen Verſtand betruͤgen, deine Handlungen fehlfuͤhren, oder dir Vorſchriften wegen deines Verhaltens geben! Sei fruͤhzeitig das, was du, wo du es nicht biſt, zu ſpaͤt geweſen zu ſein wuͤnſchen wirſt! Ziehe bei Zeiten deine Vernunft zu Rathe! Ich ſage nicht, daß ſie allezeit ein untrieglicher Richter ſein wird;denn149denn menſchliche Vernunft iſt nicht unfehlbar; aber ſie wird der am wenigſten irrende Wegweiſer ſein, dem du nur folgen kanſt. Buͤcher und Ge - ſpraͤche koͤnnen ihr beiſtehen. Folge jedoch keinen von beiden blindlings auf Treue und Glauben! Pruͤfe beide nach der beſten Richtſchnur, die uns Gott zu unſrer Leitung verliehen hat, der Vernunft!

Unter allen Bemuͤhungen lehne doch ja nicht, wie viele thun, die zu denken von dir ab! Vom großen Haufen der Menſchen laͤßt ſich kaum ſagen, daß er denkt. Und uͤberhaupt, glaube ich, iſt es beſſer, daß es ſo iſt. *)Bei der dermaligen Lage, worin dieſer große Haufe ſich befindet, freilich wohl! Sonſt iſt es, duͤnkt mich, Laͤſterung gegen den Schoͤpfer, zu behaupten, daß es fuͤr irgend eine Klaſſe ſeiner mit Vernunft begabten Geſchoͤpfe beſ - ſer ſei, dieſe Vernunft unangebaut und un - gebraucht zu laſſen, als ſie zu uͤben und an - zuwenden. C. Denn die gemeinen Vor - urtheile tragen mehr zur Ordnung und Ruhe bei, als die eigne beſondre Vernunft dieſer Leute, die ſo wenig ausgebildet und geuͤbt iſt, dazu beitra -K 3gen150gen wuͤrde. *)Aber daraus folgt mit nichten, daß man dieſe bisher ſo wenig ausgebildete und geuͤbte Ver - nunft, eben ſo roh und ungebildet laſſen muͤſſe, wenn man die Mittel zur Ausbildung in ſei - ner Gewalt hat. C. Wir haben in unſerm Lande viele ſolche nuͤzliche Vorurtheile, deren Abſtellung mir ſehr leid thun ſolte. **)Mir nicht; wenn nur kein anderes Vorur - theil, ſondern wirklich vernuͤnftige Einſicht an ihre Stelle geſezt wird. C. Die ehrliche Ueberzeu - gung der Proteſtanten, daß der Pabſt der Anti - kriſt und die babiloniſche Hure iſt, dient unſerm Lande zum kraͤftigern Verwahrungsmittel vor dem Pabſtthume, als alle von Chillingworth vorge - tragene triftige, unbeantwortliche Gruͤnde. ***)Eine wirklich erleuchtete Vernunft wuͤrde ein noch viel kraͤftigeres Verwahrungsmittel da - gegen ſein. C.

Das nichtige Maͤhrchen, daß der Praͤtendent in einer Waͤrmflaſche zur Koͤnigin waͤre ins Bette gebracht worden, dem es an Wahrſcheinlichkeit ſowohl als an Grunde fehlt, iſt der Sache der Ja - kobiten ſchaͤdlicher geweſen, als alles, was Lokkeund151und andre geſchrieben haben, um den Ungrund, die Ungereimtheit der Lehren vom unerloͤſchlichen Erbrechte und vom unbedingten leidenden Gehor - ſame darzuthun. Die einfaͤltige, ſtolze Einbildung, die man ſich hier in den Kopf geſezt hat, ein Eng - laͤnder koͤnte drei Franzoſen aus dem Felde ſchlagen, muntert gleichwohl einen Englaͤnder auf, und hat ihn zuweilen in den Stand geſezt, ihrer zween wirklich zu ſchlagen.

Ein Franzoſe wagt munter ſein Leben fuͤr die Ehre des Koͤnigs. Wolteſt du den Ge - genſtand verruͤkken, den man ihn gelehrt hat vor Augen zu haben, und ihm ſagen, es goͤlte das Beſte des Vaterlandes, ſo wuͤrd er vermuth - lich davon laufen.

Dergleichen grobe, an gewiſſe Oerter gebund - ne, Vorurtheile haben uͤber den großen Haufen der Menſchen die Oberhand, betruͤgen aber nicht ausgebildete, unterrichtete und nachdenkende Se - len. Hingegen gibt es eben ſo falſche, wenn gleich nicht ſo offenbar ungereimte, Vorurtheile, die Leute von hoͤherem, ausgebildetem Verſtande blos darum hegen, weil ſie ſich nicht die noͤthige MuͤheK 4zum152zum Unterſuchen geben, nicht die gehoͤrige Auf - merkſamkeit zum Nachforſchen, noch die zur Un - terſcheidung der Wahrheit erforderliche Scharfſich - tigkeit anwenden. Das ſind Vorurtheile, vor denen du dich durch maͤnliche Anſtrengung und Uebung deiner denkenden Kraft verwahren ſolſt.

Um nur ein Beiſpiel unter Tauſenden zu be - ruͤhren, die ich dir angeben koͤnte! Es iſt ein alge - meines, ſeit ſechzehnhundert Jahren fortgepflanz - tes Vorurtheil, Kuͤnſte und Wiſſenſchaften koͤnten unter einer unumſchraͤnkten Regierung nicht in bluͤhendem Stande ſein; der Geiſt muͤßte noth - wendig gefeſſelt werden, wo die Freiheit einge - ſchraͤnkt wird. *)Freilich, wenn man Kuͤnſte und Wiſſenſchaf - ten in der eingeſchraͤnkten Bedeutung nimt, worin der Verfaſſer ſie genommen hat, wie aus dem Folgenden erhellet, ſo mag dieſe Mei - nung ein Vorurtheil ſein; aber wenn man wahre Aufklaͤrung des menſchlichen Gei - ſtes uͤber diejenigen Gegenſtaͤnde, welche ihm die wichtigſten ſind, darunter verſteht: ſo iſt nichts gewiſſer, als daß der Despotis - mus, beſonders wenn er von Hierarchie begleitet wird, einer ſolchen Aufklaͤrung grade entgegenarbeitet. C.

Das153

Das klingt nun ſcheinbar, iſt aber in der That falſch. Handwerke zwar, als Feldbau, Manufacturen, u. ſ. f. werden herunter kommen, wenn wegen der Beſchaffenheit der Regierungs - art der Gewin und das Eigenthum unſicher ſind. Warum aber die unumſchraͤnkte Regierung das Genie eines Meßkuͤnſtlers, Sternkundigen, Dich - ters oder Redners feſſeln ſolte, das habe ich, ge - ſtehe ich gern, niemahls entdekken koͤnnen. *)Dieſes nun wohl freilich nicht; aber auch nicht den forſchenden Unterſuchungsgeiſt in religioͤſen, philoſophiſchen und ſolchen Ma - terien, welche die Rechte der Menſchheit betreffen? C. Sie kan zwar Dichtern und Rednern die Freiheit entziehen, gewiſſe Materien auf die Art, wie ſie wuͤnſchen wuͤrden, auszufuͤhren; laͤßt ihnen aber noch Materien genug zur Uebung des Genies uͤbrig, wenn ſie anders welches haben. Kan wohl ein Schriftſteller ſich mit Vernunft beſchweren, er waͤre gefeſſelt, wenn es ihm nicht frei ſteht, got - teslaͤſterliche, unzuͤchtige oder aufruͤhriſche Dinge herauszugeben? Das alles iſt ja in den freieſtenK 5Regie -154Regierungsarten, wenn es anders weiſe und wohl geordnete ſind, eben ſo ſehr verboten.

Das iſt nun gegenwaͤrtig die algemeine Klage der franzoͤſiſchen Schriftſteller; in der That aber nur der ſchlechten. Kein Wunder, ſprechen ſie, daß England ſo viele große Geiſter hervorbringt! Die Leute denken dort, wie ſie wollen, und geben das heraus, was ſie denken.

Ganz recht! Wer aber hindert denn ſie, zu denken, wie ſie wollen? *)Antwort: die Baſtille! dafern ſie unvor - ſichtig genug ſind, ihre Gedanken laut werden zu laſſen. C. Freilich, wenn ſie auf eine Art denken, die fuͤr alle Religion und Sitlichkeit verderblich iſt, oder Unruhen im Staat erregt; ſo wird gewiß eine unumſchraͤnkte Regie - rung ſie nachdruͤklicher von der Herausgebung ſol - cher Gedanken abhalten, oder ſie dafuͤr beſtrafen, als eine freie thun koͤnte. Wie kan das aber den Geiſt eines Heldendichters, Schauſpieldichters oder liriſchen Poeten feſſeln? Oder wie verderbt es die Kunſt eines Redners auf der Kanzel oder vor Gerichte?

Die155

Die vielen guten franzoͤſiſchen Schriftſteller, als Corneille, Racine, Boileau, la Fontaine, die dem goldnen roͤmiſchen Zeitalter den Preis ſtreitig zu machen ſchienen, bluͤhten unter der unumſchraͤnkten Herſchaft Ludwigs des vier - zehnten*)Aber unter eben dieſer Regierung bluͤheten auch Aberglaube und Fanatismus, mit allen ihren Folgen von Dumheit, Verfolgungs - ſucht und Grauſamkeit. C. . Selbſt die beruͤhmten Schrift - ſteller zu Auguſts Zeiten erlangten ihren Ruf nicht eher, als nachdem bereits dieſer grauſame, unwuͤrdige Kaiſer dem roͤmiſchen Volke die Feſſeln angelegt hatte.

Die Wiederherſtellung der Wiſſenſchaften war auch nicht einer freien Regierung zuzuſchreiben, ſondern der Aufmunterung und dem Schuze des Pabſtes Leo des zehnten, und Franz des erſten von Frankreich. Der lezte war ſo un - umſchraͤnkt, als ein Pabſt, der erſte ein ſo wil - kuͤhrlicher Fuͤrſt, als nur jemahls einer regiert hat.

Verſteh mich nicht unrecht, als wolt ich, indem ich blos ein Vorurtheil tadle, der wilkuͤhr -lichen156lichen Macht das Wort reden! Ich verabſcheue ſie von ganzer Sele, und betrachte ſie als eine grobe, boshafte Verlezung der natuͤrlichen Rechte der Menſchlichkeit.

Die gelehrte Pedanterie, vor der ich dich nun hinlaͤnglich gewarnt zu haben glaube, erinnert mich an eine andere, welche ich die Geſchaͤfts - pedanterie nennen moͤgte, und worauf junge Leute aus Stolz, weil ſie jung bei Geſchaͤften an - geſtelt werden, immer gern zu verfallen pflegen. Sie nehmen eine gedankenvolle Miene an, fuͤhren Klage uͤber die Laſt der Geſchaͤfte, geben geheimnis - volle Winke von ſich, und ſcheinen ſchwanger von Geheimniſſen zu ſein, ob ſie gleich in der That ſich keiner bewußt ſind.

Rede du vielmehr niemahls von Geſchaͤften, als gegen Leute, mit welchen du ſie zu verrichten haſt; und wenn du am meiſten zu verrichten haſt, ſo bemuͤhe dich, dir die Mine eines Muͤßigen zu geben!

Noch157

Noch muß ich dich vor einem ſehr gewoͤhn - lichen Fehler junger Leute warnen, der zwar die Sitten nicht unmittelbar betrift, aber doch nicht ſelten eben ſo traurige Folgen, als Bosheit und Laſter, hat. Das iſt die Verſchwendung.

Ein Thor verſchleudert ohne Ruhm und Vor - theil mehr, als ein Man von Verſtande mit bei - dem ausgibt. Der lezte wendet ſein Geld ſo an, wie ſeine Zeit; verthut nie einen Schilling von dem erſten, noch eine Minute von der andern, wenn es nicht fuͤr etwas iſt, das entweder ihm oder andern nuͤzt, oder vernuͤnftiger Weiſe ge - fallen kan.

Der Thor hingegen kauft, was er nicht braucht, und bezahlt das nicht, was er noͤthig hat. Er kan nicht den Reizungen eines Pup - penkrams widerſtehen. Tabaksdoſen, Uhren, Stokknoͤpfe, u. ſ. w. bringen ihn an den Bettel - ſtab. Seine Bedienten und die Handwerkslente rotten ſich mit ſeiner eignen Traͤgheit zuſammen, um ihn zu betruͤgen. In kurzer Zeit findet er ſich mit Erſtaunen unter allen den laͤcherlichen, uͤber -fluͤßigen158fluͤßigen Dingen in einem Mangel der wahren Nothwendigkeiten des Lebens.

Ohne Sorgfalt und Ordnung wird ſelbſt nicht das groͤßte Vermoͤgen, mit ihnen aber wird bei - nahe das kleinſte zur Beſtreitung alles noͤthigen Aufwandes hinreichen. So viel du kanſt, be - zahle alles baar, was du kaufſt, und huͤte dich, Rechnungen auflaufen zu laſſen! Zahle auch das Geld ſelbſt aus, nicht durch Bediente, die ſich entweder einen Schilling vom Pfunde ausbedin - gen, oder ein Geſchenk dafuͤr fodern, daß ſie, wie ſie zu ſagen pflegen, ein gutes Wort eingelegt haben. Wo du dir Rechnungen bringen laſſen mußt, zum Beiſpiele, wegen des Eſſens, der Kleider, u. ſ. f. da zahle ſie ordentlich jeden Monat ab, und zwar mit eignen Haͤnden! Kauf nicht, aus uͤbel verſtandner Wirthlichkeit, etwas, das du nicht brauchſt, darum, weil es wohlfeil iſt, noch auch aus einfaͤltigem Stolze darum, weil es theuer iſt!

Berechne in einem Buche alles, was du ein - nimſt und ausgibſt! Ich meine nicht, du ſolſt die Schillinge und halben Kronen berechnen, mitdenen159denen du die Miethkuͤſchen, Opern, u. ſ. w. be - zahlſt. Sie ſind der Zeit und Tinte nicht werth, die ſie koſten wuͤrden. Solche Kleinigkeiten uͤberlaß albernen Kerlen, denen es um einen Pfennig zu thun iſt! Merke dir, daß du in der Haushaltung ſowohl, als in allen andern Theilen des Lebens ge - hoͤrige Aufmerkſamkeit auf gehoͤrige Dinge wen - den, und gehoͤrige Verachtung gegen kleine hegen mußt. Eine ſtarke Sele ſieht die Dinge in ihrem wahren Verhaͤltniſſe, eine ſchwache aber durch ein Vergroͤßerungsglas, das aus dem Floh einen Ele - phanten macht, alle kleine Dinge vergroͤßert, große aber nicht faſſen kan. Ich habe geſehen, daß mancher fuͤr einen Geizhals gehalten wurde, weil er einen Pfennig ſparte, und um zween Stuͤber ſtrit, da er indeſſen ſich um ſein Vermoͤ - gen brachte, indem er mehr verthat, als er ein - nahm, und nicht auf wichtige Ausgaben Acht hatte, die uͤber ſeinen Verſtand gingen.

Das ſichre Kenzeichen eines geſunden, ſtarken Geiſtes iſt, in jeder Sache die feſtgeſezten Grenzen ausfindig zu machen, uͤber die disſeits und jen -ſeits160ſeits hinaus nichts weiter recht iſt*)Quos ultra citraque nequit conſiſtere rectum. . Sie wer - den durch eine ſehr zarte Linie bezeichnet, die blos guter Verſtand und Aufmerkſamkeit entdekken koͤn - nen, und die fuͤr gemeine Augen viel zu fein iſt. Bei den Sitten heißt dieſe Linie Wohlanſtaͤndig - keit; was daruͤber hinaus geht, iſt beſchwerliches Zeremonienwerk; was darunter zuruͤkbleibt, un - anſtaͤndige Nachlaͤßigkeit und Achtloſigkeit. In der Ausuͤbung iſt ſie die Scheidewand zwiſchen praleriſcher, puritaniſcher Strenge und einer la - ſterhaften Gelindigkeit. In der Religion trent ſie Aberglauben von Gotloſigkeit, und kurz, jede Tugend von der mit ihr verwandten Untugend oder Schwachheit.

Am meiſten huͤte dich vor der Verſchwen - dung deiner Zeit, beſonders derjenigen, welche deinen Studien oder deinen Geſchaͤften geheiliget ſein muß. In deinem Alter darfſt du dich nicht ſchaͤmen, denen, welche dich zu unzeitigen Luſt - barkeiten verfuͤhren wollen, zu ſagen: du muͤß - teſt um Entſchuldigung bitten; denn du waͤreſtgenoͤthigt,161genoͤthigt, dieſe Zeit mit deinem Hofmeiſter, Herrn Harte, zuzubringen; ich, dein Vater, wolt es ſo haben; und du duͤrfteſt nicht anders verfahren. Schieb nur die ganze Schuld auf mich; wiewohl ich uͤberzeugt bin, daß es eben ſowohl deine, als meine Neigung iſt. Solchen albernen muͤßigen Leuten, denen ihre Zeit zu lang wird, und die gern auch andre um die ihrige bringen wolten, darf man nicht erſt Gruͤnde vor - legen; damit wuͤrde man ihnen wirklich zu viel Ehre erweiſen. Die kuͤrzeſte, hoͤflichſte Antwort iſt die beſte. Ich kan nicht, ich darf nicht; nicht aber, ich wil nicht. Denn wolteſt du dich mit ihnen auf die Nothwendigkeit des Lernens und auf die Nuͤzlichkeit der Wiſſenſchaften einlaſſen, das gaͤbe blos Stof zu ihren einfaͤltigen Scherzreden, die du zwar, wie ich verlange, nicht achten, jedoch auch nicht veranlaſſen ſolſt.

Ich wil einmahl annehmen, du befaͤndeſt dich zu Rom, ſtudierteſt jeden Vormittag ſechs Stun - den nach einander mit Herrn Harte, braͤchteſt deine Abende in der beſten Geſelſchaft zu, beobach - teteſt deren Sitten, und bildeteſt dich nach ihnen. Theophron 2 Th. LFerner162Ferner wil ich eine Anzahl muͤßiger, herumſchlen - dernder, ungelehrter Englaͤnder annehmen, deren es insgemein dort einige gibt, die lediglich unter einander leben, in ihren Wohnungen zuſammen eſſen, trinken und ſpaͤt aufſizen, und wenn ſie betrunken ſind, Lerm und Haͤndel anfangen. Von dieſen artigen Kerlen wil ich einen herausheben, und dir ein Geſpraͤche zwiſchen dir und ihm liefern, ſo, wie ich wohl ſagen darf, daß es auf ſeiner Seite, und, wie ich hoffe, daß es auf der deini - gen lauten wird.

Er. Wollen Sie morgen zu mir zum Fruͤh - ſtuͤk kommen? Unſrer werden vier bis fuͤnf Lands - leute beiſammen ſein. Wir haben Wagen beſtelt, und wollen nach dem Fruͤhſtuͤkke eine Spazier - fahrt auf das Land vornehmen.

Du. Es thut mir ſehr leid, daß ich nicht kan. Ich muß mich den ganzen Vormittag zu Hauſe halten.

Er. Nun gut, ſo kommen wir, und fruͤh - ſtuͤkken bei Ihnen.

Du. Das kan auch nicht geſchehen. Ich bin bereits verſprochen.

Er. 163

Er. Nun, ſo mag es uͤbermorgen ſein.

Du. Ihnen die Wahrheit zu ſagen, ſo geht es an keinem Tage Vormittags an. Denn vor zwoͤlf Uhr gehe ich nicht aus, und halte auch keine Geſelſchaft zu Hauſe.

Er. Was den Teufel fangen Sie denn da bis Glokke zwoͤlf allein an?

Du. Ich bin nicht allein, Herr Harte iſt bei mir.

Er. Nun, was Teufel haben Sie denn mit ihm vor?

Du. Wir treiben zuſammen verſchiedne Stu - dien, und unterreden uns.

Er. Wahrhaftig, eine artige Zeitverkuͤrzung! Wollen Sie denn etwan ein Geiſtlicher werden?

Du. Nein! aber ich denke, ich muß meines Vaters Befehlen nachkommen.

Er. Wie! haſt du nicht mehr Wiz, als daß du dich um einen alten Kerl bekuͤmmerſt, der tau - ſend Meilen weit iſt?

Du. Wenn ich mich nicht um ſeine Befehle bekuͤmmerte, wuͤrd er ſich nicht um meine Wech - ſel bekuͤmmern.

L 2Er. 164

Er. Damit droht dir der alte Narr? Leute, die bedroht werden, leben deswegen doch lange. Kehre dich niemahls an Drohungen!

Du. Ich kan nicht ſagen, daß er mir in meinem Leben gedroht haͤtte. Mir deucht aber, ich thue am beſten, wenn ich ihn nicht aufbringe.

Er. Haha! Sie wuͤrden einen erbosten Brief von dem alten Kerl erhalten; und damit waͤr es alle.

Du. Sie kennen ihn gar nicht recht. Er thut allezeit mehr, als er ſagt. Er iſt, ſo viel ich mich entſinne, Zeit Lebens noch nicht gegen mich erbost geweſen. Solt ich ihn aber aufbringen, ſo bin ich ſicher, er wuͤrde mir niemahls vergeben. Er wuͤrde auf eine kaltbluͤtige Art unbeweglich ſein. Vergebens wuͤrde ich bitten und flehen, und mich todt ſchreiben.

Er. Nun, ſo iſt er ein alter Schurke; das iſt alles, was ich ſagen kan. Aber folgen Sie nicht auch fein from Ihrer Kindermuhme wie heißt ſie doch? Herrn Harte!

Du. Ich kan es nicht laͤugnen.

Er. 165

Er. So plagt er Sie alſo den ganzen ge - ſchlagnen Morgen mit Griechiſch, Latein, und Logik, und ſolchem Zeuge? Verwuͤnſcht! Ich habe auch ſo eine Kindermuhme; aber niemahls hab ich mit ihr in meinem Leben in ein Buch gegukt. Ich habe die ganze Woche nicht einmahl ihr Geſicht geſehen, und fragte den Teufel darnach, wenn ich es auch niemahls wieder ſehen ſolte.

Du. Mein Hofmeiſter verlangt nie etwas von mir, das nicht vernuͤnftig iſt, und zu meinem Beſten gereicht. Daher bin ich gern in ſeiner Geſelſchaft.

Er. Klingt ja, auf meine Ehre, recht ſpruch - reich und erbaulich! Auf dieſe Art wird man Sie fuͤr einen recht frommen jungen Menſchen halten.

Du. Nun, das wird eben kein großer Scha - de ſein.

Er. Wollen Sie denn alſo morgen auf den Abend zu uns kommen? Mit Ihnen werden un - ſrer zehn ſein. Ich habe gar vortreflichen Wein. Da wollen wir uns recht luſtig machen.

Du. Ich danke Ihnen recht ſehr. Aber ich bin morgen auf den ganzen Abend verſprochen. L 3Erſt166Erſt muß ich zum Kardinal Albani gehen; und darauf bei der venezianiſchen Geſandtin ſpeiſen.

Er. Wie zum Teufel koͤnnen Sie daran Ge - fallen finden, beſtaͤndig mit den Auslaͤndern um - zugehen? Ich ſeze keinen Fuß zu ihnen, mit allen ihren verdamten vielen Umſtaͤnden! Ich bin in ihrer Geſelſchaft unruhig, und, ich weiß nicht, wie es koͤmt, aber ich ſchaͤme mich.

Du. Ich ſchaͤme mich nicht, und fuͤrchte mich auch nicht. Ich bin ganz ruhig bei ihnen; und ſie ſind ruhig in meiner Geſelſchaft. Ich lerne ihre Sprache, und bemerke ihre Gemuͤthsarten, indem ich mit ihnen ſpreche. Das iſt ja wohl der Grund, warum wir auſſer Landes geſchikt wer - den. Nicht wahr?

Er. Ich haſſe die Geſelſchaft ſolcher ſitſamen Weiber, ſolcher Staatsdamen. Ich, meines Orts, weiß gar nicht, was ich zu ihnen ſagen ſol.

Du. Sind Sie denn jemahls mit ihnen umgegangen?

Er. Nein, umgegangen eben nicht. Aber ich bin doch zuweilen mit ihnen in Geſelſchaft gewe - ſen, wiewohl gar ſehr wider meinen Willen.

Du. 167

Du. Wenigſtens haben ſie Ihnen doch nicht geſchadet. Das iſt vermuthlich mehr, als Sie von denen Frauensleuten ſagen koͤnnen, mit wel - chen Sie umgehen.

Er. Ich geſtehe, das iſt wahr. Aber bei alle dem wolt ich lieber ein halbes Jahr lang mit meinem Wundarzte zu thun haben, als ein ganzes Jahr mit Ihren Staatsdamen.

Du. Sie wiſſen, der Geſchmak iſt verſchie - den; und jeder folgt immer gern ſeinem eignen.

Er. Richtig! Aber, Stanhope, du haſt einen verteufelt ſeltſamen Geſchmak. Den ganzen Vormittag biſt du bei deiner Kindermuhme, den ganzen Abend in Staatsgeſelſchaften, und den ganzen langen Tag fuͤrchteſt du dich vor dem alten Vater in England. Du biſt doch ein wunderli - cher Kerl. Ich fuͤrchte, man wird gar nichts aus dir machen koͤnnen.

Du. Das fuͤrchte ich wirklich auch.

Er. Nun, ſo mags ſein! Gute Nacht! Sie haben doch, hoffe ich, nichts dawider, wenn ich mich heute Abend wakker betrinke? Denn das wird gewiß zutreffen.

L 4Du. 168

Du. Nicht das geringſte; auch dawider nichts, wenn Sie ſich morgen wakker krank be - finden. Und das wird eben ſo gewiß zutreffen. Alſo gute Nacht!

Du wirſt bemerken, daß ich dir nicht die trif - tigen Gruͤnde in den Mund gelegt habe, die dir, wie ich ſicher weiß, bei ſolcher Gelegenheit beifal - len wuͤrden; als Pflicht und Liebe gegen mich, Achtung und Freundſchaft fuͤr Herrn Harte, Sorge fuͤr deinen eignen ſitlichen Ruf und fuͤr alle die Pflichten eines Menſchen, Sohns, Schuͤlers und Buͤrgers. Dieſe tuͤchtigen Gruͤnde wuͤrden gegen ſolche ſeichte Maulaffen nur weggeworfen ſein. Ueberhaupt uͤberlaß ſie ihrer Unwiſſenheit, ihren ſchmuzigen, ſchaͤndlichen Laſtern! Sie werden Wirkungen derſelben ſtrenge empfinden, wenn es zu ſpaͤt ſein wird. Ohne die troſtvolle Zuflucht der Ge - lehrſamkeit, und bei aller der Krankheit und den Schmerzen eines zu Grunde gerichteten Magens und faulenden Leichnams iſt das Alter, wenn ſie ja noch dazu kommen, ein unruhiges und ſchimpfliches. Das Laͤcherliche, das ſolche Kerle auf diejenigen zu bringen ſuchen, die ihnen nicht aͤhnlichſind,169ſind, iſt, nach der Meinung aller Verſtaͤndigen, die zuverlaͤßigſte Lobrede.

Ich predige dir izt nicht, wie ein alter Kerl, uͤber geiſtliche oder ſitliche Texte vor. Ich bin uͤberzeugt, der beſte Unterricht dieſer Art iſt dir entbehrlich. Sondern ich rathe dir blos als ein Freund, als ein Weltman, und als einer, der nicht haben wil, daß du alt in der Jugend wer - den, ſondern alle Vergnuͤgungen genießen ſolſt, auf welche die Vernunft weiſet, und fuͤr die der Anſtand gut ſagt. Ich nehme daher an, blos auf einige Zeit, (denn anders laͤßt es ſich gar nicht annehmen) es waͤren alle die Laſter dieſer liederlichen Burſche an ſich ſelbſt volkommen un - ſchuldig: ſo wuͤrden ſie doch immer die, welche ſie ausuͤben, herunterſezen und entehren, ihre Erhebung in der Welt durch Erniedrigung ihres Rufs hindern, ihnen niedrige Denkungsart, un - edle Sitten beibringen, die ſich gar nicht mit dem Anſehen vertragen, das ſie ſonſt in der geſitteten Geſelſchaft und in wichtigen Geſchaͤften erlan - gen koͤnten.

L 5Dieſe170

Dieſe Betrachtung wird, hoffe ich, nebſt dei - nem eignen geſunden Verſtande hinlaͤnglich ſein, dich wieder die Verfuͤhrungen, Einladungen, oder ruchloſen Ermahnungen (denn Verſuchungen kan ich ſie nicht nennen) ſolcher ungluͤklichen jungen Leute zu wafnen. Meide ſie aber nicht nur in der That, ſondern auch dem Scheine nach, wilſt du anders in guter Geſelſchaft wohl gelitten ſein. Denn man wird ſtets ſich ſcheuen, denjenigen auf - zunehmen, der von einem Orte koͤmt, wo die Peſt wuͤthet, ſolte er auch noch ſo geſund ausſehen.

Aber es gibt eine andere Gattung von Ver - fuͤhrern, welche noch unweit gefaͤhrlicher iſt, als dieſe, weil ſie ſich von einer ſehr verbindlichen und einnehmenden Seite darzuſtellen pflegen. Das ſind die ſchoͤngekleideten und ſchoͤnredenden Abentheurer und Schmarozer*)Chevaliers d’induſtrie. , deren man in jeder großen Hauptſtadt, nirgends aber haͤufiger, als in Paris findet. Ich wil dir dieſe ſchaͤndliche Brut etwas deutlicher beſchreiben.

Da171

Da redet dich ein Herr Marquis oder ein Herr Ritter in einem ſchoͤnen, mit Spizen beſezten Rokke und niedlichen Aufzuge in der Komoͤdie oder an einem andern oͤffentlichen Orte an; gewint auf den erſten Anblik unendliche Achtung fuͤr dich; ſieht, daß du ein Fremder vom erſten Range biſt; bietet dir ſeine Dienſte an, und wuͤnſcht nichts eifriger, als dir, ſo viel nur in ſeinem geringen Vermoͤgen ſteht, zu den Annehmlichkeiten des Orts zu verhelfen. Er kent einige Frauenzimmer von Stande, die eine kleine, annehmliche Ge - ſelſchaft, eine kleine, allerliebſte Abendmahlzeit mit rechtſchafnen Leuten lieber haben, als den Tu - mult und die Zerſtreuung der großen Welt. Er wird mit dem groͤßten erſinlichen Vergnuͤgen die Ehre haben, dich bei dieſen vornehmen Damen einzufuͤhren.

Gut, wenn du nun dieſes freundliche Er - bieten annaͤhmſt, und mit ihm gingeſt, wuͤrdeſt du im dritten Stokwerke eine ſchoͤne, ge - ſchminkte, freche Hure finden, in einem verſchoſ - ſenen, aus der zweiten oder dritten Hand ge - kauften, ehemahls praͤchtigen Kleide in Geſel -ſchaft172ſchaft einiger ziemlich wohlgekleideten Gauner, die mit den Titeln Marquis, Graf und Ritter beehrt werden. Das Frauenzimmer empfaͤngt dich auf die hoͤflichſte, gefaͤlligſte Art. Wiewohl ſie die Eingezogenheit liebt, und die große Welt ſcheut, bekent ſie ſich doch dem Herrn Marquis fuͤr ver - bunden, daß er ihr einen ſo unſchaͤzbaren, unver - gleichlichen Bekanten, zugefuͤhrt hat, als dich. Ihre Beſorgniß iſt nur, wie ſie dir die Zeit kuͤrzen wil; denn in ihrem Hauſe geſtattete ſie niemahls, hoͤher als um ein franzoͤſiſches Pfund zu ſpielen. Koͤnteſt du dir aber bis zum Abend - eſſen ein ſolches niedriges Spiel gefallen laſſen, wohl gut!

Du ſezeſt dich denn zu dem kleinen Spiele nieder. Deine gute Geſelſchaft ſorgt dafuͤr, dich funfzehn bis ſechszehn franzoͤſiſche Pfund gewinnen zu laſſen, und nimt daher Gelegenheit, dein gutes Gluͤk und dein geſchiktes Spiel zu ruͤhmen. Nunmehr erſcheint das Abendeſſen; und ein Gutes iſt es, weil man ſich darauf ver - laͤßt, daß du dafuͤr bezahlen ſolſt. Die Mar - qutſin vertrit auf das artigſte die Stelle derWirthin,173Wirthin, ſchwazt von ſchoͤnen Geſinnungen und guten Sitten, durchſpikt das mit Kurzweile, und gibt dir Seitenblikke, die dir ſagen, du duͤrfteſt mit der Zeit nicht verzweifeln, ihr beſonderer Guͤnſtling zu werden.

Nach dem Abendeſſen wird zufalsweiſe von Pharao, Lanſquenet oder Quince Erwaͤh - nung gethan. Der Ritter thut den Vorſchlag, eins davon auf ein halbes Stuͤndchen zu ſpielen. Die Marquiſin ſchreit dawider, und ſchwoͤrt, ſie wird es nimmermehr zugeben. Doch laͤßt ſie ſich zulezt bewegen, weil man ihr verſichert, es ſol nur um eine Kleinigkeit geſpielt werden.

Nun iſt denn der erwuͤnſchte Augenblik ge - kommen. Das große Unternehmen hebt ſich an. Du wirſt wenigſtens um alles dein bares Geld betrogen; und bleibſt du ſpaͤte dort, ſo maust man dir vermuthlich Uhr und Tabaksdoſe, oder nimt dir wohl, groͤßerer Sicherheit halben, gar das Leben.

Das iſt, ich verſichere dich, keine uͤbertriebene, ſondern eine buchſtaͤbliche Beſchreibung deſſen, was in großen Hauptſtaͤdten rohen, unerfahrnenFremden174Fremden alle Tage begegnet. Merke dir, daß du alle dieſe hoͤflichen Herrn, die auf den erſten Anblik ſolchen Geſchmak an dir finden, ſehr froſtig aufnehmen mußt, und ſorge dafuͤr, daß du allezeit vorher verſprochen ſeiſt, ſie moͤgen dir vorſchlagen, was ſie nur wollen.

Du kanſt aber auch zuweilen in ſehr großen und guten Geſelſchaften an verſchlagne Leute kommen, die großes Verlangen tragen, folglich auch ſicher ſind, dir dein Geld abzugewinnen, ſo bald ſie dich nur zum Spielen bringen koͤnnen. Seze es daher als eine unveraͤnderliche Regel feſt, niemahls mit Mansleuten zu ſpielen, ſondern nur mit geſittetem Frauenzimmer, und zwar nie - drig, oder auch mit Mansperſonen und Frauen - zimmern vermiſcht.

Zugleich aber, wenn man dich noͤthigen wil, hoͤher zu ſpielen, als du Luſt haſt, ſchlage es nicht altklug und ſpruchreich aus, durch Anfuͤh - rung der Thorheit, das auf das Spiel zu ſezen, was doch jeder ungern verlieren wuͤrde, gegen das, deſſen Gewinn er nicht noͤthig hat; ſondern weiche ſolchen Einladungen nur luſtig und kurz -weilend175weilend aus. Sage, du wuͤrdeſt es vielleicht thun, wenn du ſicher voraus wuͤßteſt, daß du verlieren wuͤrdeſt; da du aber eben ſo gut gewin - nen koͤnteſt, ſo ſcheuteſt du dich vor der Be - ſchwerlichkeit des Reichthums, ſeit der Zeit, da du geſehen haͤtteſt, wie ſehr er dem armen Har - lekin zur Laſt gefallen waͤre, und du haͤtteſt daher beſchloſſen, es niemahls darauf zu wagen, des Tages uͤber zwei Piſtolen zu gewinnen. Dieſe leichte, ſcherzhafte Art, Einladungen zu Laſtern und Thorheit abzulehnen, ſchikt ſich beſſer fuͤr dein Alter, und richtet zugleich mehr aus, als ernſthafte philoſophiſche Weigerungen.

Einen jungen Menſchen, der keinen eignen Willen zu haben ſcheint, ſondern alles thut, was von ihm gefordert wird, nent man zwar einen gutherzigen, zugleich aber haͤlt man ihn auch fuͤr einen ſehr einfaͤltigen jungen Menſchen. Handle du weiſe, nach tuͤchtigen Grundſaͤzen, aus rich - tigen Bewegungsgruͤnden, behalte ſie aber fuͤr dich, und rede niemahls ſpruchreich! Ladet man dich zum Trinken ein, ſo ſprich: du wolteſt es zwar gern thun, koͤnteſt aber ſo wenig vertragen,daß176daß es nicht der Muͤhe werth waͤre, anzufangen. Auf dieſe oder eine aͤhnliche Weiſe wirſt du die laſterhaften Zumuthungen ſolcher Unholde ableh - nen, ohne in Gefahr zu gerathen, dich mit ihnen balgen zu muͤſſen.

Du haſt mich oft von Georgen reden hoͤren, dem Sohne meines verſtorbenen wuͤrdigen Freun - des, Sir Wilhelm F. Du weißt noch nicht die Schritte, die dieſen vormahls vielverſpre - chenden Juͤngling ins Verderben gefuͤhrt haben. Da ſie nun ſehr nuͤzliche Lehren fuͤr dich mit ſich fuͤhren: ſo glaube ich meine Warnung vor jeder Art von Verfuͤhrung und Ausſchweifung nicht ſchiklicher ſchließen zu koͤnnen, als wenn ich dir von dieſen Schritten eine kurze Beſchreibung mache.

Nachdem Georg von der Einſchraͤnkung der Schulzucht frei geworden war, betrat er auf der hohen Schule den Schauplaz des Muͤßig - gangs und der Zerſtreuung.

Als er zuerſt zu den jungen Mitgliedern ſeiner neuen Geſelſchaft kam, bemerkte er, daß eruͤberal177uͤberal mit der froſtigen Miene der Gleichguͤltig - keit, oder dem ſorgloſen Laͤcheln der Verachtung aufgenommen ward. Es fehlte ihm nicht ſo ſehr an Scharfſicht, daß ihm die Urſache, warum er ſo wenig galt, lange haͤtte unbekant bleiben ſollen. Ein Kopf, der durch nichts als das verſchoͤnert war, was ihm die Natur verliehen hatte, einige herabhaͤngende Haarlokken, ein Rok mit Borten, die voͤllig zwei Zol laͤnger waren, als es die Mode des Tages erfoderte, hatten ihn zum Gegenſtande einer uͤberaus großen Verachtung gemacht.

Er hatte dieſe Urſachen kaum entdekt, als er ſogleich Anſtalt traf, ſie aus dem Wege zu raͤu - men. Es ward ein Schneider vom beſten Ge - ſchmakke aufgeſucht; der brachte ein mit groͤßter Kunſt verfertigtes Kleid. Des Haaraufſezers Geſchiklichkeit ward verſchwenderiſch angewandt. Ihm gluͤhte das Herz, als er ſich ſo ausgeruͤſtet ſah, und mit hizigen Schritten eilt er nun zu ſei - nen Kameraden.

Ermuntert durch den lauten Beifal, der ihm nun an allen Orten, wohin er nur kam, entgegen ſtroͤmte, beſchloß er, ſich zum Anfuͤhrer im gutenTheophron 2. Th. MTon178Ton auf der hohen Schule aufzuwerfen. Bis dahin hatt er ſich mit geringfuͤgigen Luſtbarkeiten begnuͤgt, die aber unſchuldig, und dem Stande eines ſtudirenden Juͤnglings angemeſſen waren. Allein nunmehr erweiterten ſich ſeine Verbindun - gen, folglich auch ſeine Abſichten.

Um den Man voͤllig auszubilden, fand er, daß es noͤthig waͤre, ſich durch Thaten hervorzu - thun, die uͤber eines ſchwachen Schulknaben Kraͤfte hinausgingen. Alsbald ward er, ohne Antrieb der Leidenſchaft, ein Wolluͤſtling, ohne Liebe zum Weine, ein Trunkenbold.

Was war aber die Folge dieſer ploͤzlichen Ver - aͤnderung? An die Stelle unſchuldiger Luſtig - keit, und einer natuͤrlichen Heiterkeit trat erzwung - nes Laͤcheln und erkuͤnſtelter Leichtſin. Wiewohl ihm ſeine Auffuͤhrung leid war, hatt er doch nicht Standhaftigkeit genug, ſie zu beſſern. Mit Wi - derſtreben kehrt er zu Vergnuͤgungen zuruͤk, die er in ſeinem Herzen verabſcheute, um den zudrin - genden Gedanken Einhalt zu thun, und ſein ſit - liches Gefuͤhl immer mehr und mehr abzuſtumpfen. Erfahrung hatte ihm nunmehr ſchon genug vomLaſter179Laſter gezeigt, um ihm Abſcheu dagegen einzufloͤßen; auch banden ihn die Feſſeln der Gewohnheit noch nicht ſo feſt, daß er nicht haͤtte wieder zu ſeiner Freiheit gelangen koͤnnen. Das war aber auch der entſcheidende Zeitpunkt, da es noch moͤglich fuͤr ihn war, zuruͤkzutreten. Allein er ward verabſaͤumt.

Durch oͤftere Wiederholung ausgelaſſener Vergnuͤgungen began der ungluͤkliche Juͤngling jenes Mistrauen zu verlieren, das den Neuling im Laſter noch eine Zeitlang zu begleiten pflegt. Wenn er an ſeine anfaͤngliche Beſorgniß und Unruhe zuruͤkdachte, kont er nicht umhin, ſich uͤber ſein voriges kindiſches Weſen zu wundern. Die ſorg - loſe Luſtigkeit ſeiner Kammeraden, deren die mei - ſten viel aͤlter als er, und lange ſchon gegen die Schaamroͤthe der Sitſamkeit, gegen die Empfin - dungen der Unſchuld, Fremdlinge geworden waren, bewog ihn, auf der Thorheit Laufbahn fortzuge - hen; und bald that er es den aͤrgſten von der Geſelſchaft in allen Vorzuͤgen einer voͤlligen Lie - derlichkeit gleich.

M 2Wie180

Wie wahr iſt doch die Anmerkung, daß wir das Gute und das Boͤſe in unſerm verfloſſenen Leben nie richtiger beurtheilen, als wenn wir auf das Siechbette gelegt werden! Unſer junge Held ward von einem heftigen Fieber befallen, und man that den Ausſpruch, er waͤre dem Tode nahe. Nunmehr aͤußerte er unter haͤufigen Seufzern ein Gefuͤhl der Reue, graͤmte ſich uͤber die Thorheiten der Jugend, und beſchloß, wenn der Himmel ihm die Geſundheit wieder ſchenken ſolte, ſich der Maͤßigkeit und Tugend zu widmen.

Der Arzt machte Hofnung und es vergin - gen wenig Wochen, ſo war er, wie vorher, wieder bei Geſundheit und Staͤrke.

Hier gab es nun eine anderweitige Gelegen - heit, zu den gelaſſenen, unſchuldigen Vergnuͤgun - gen eines gelehrten Lebens, desjenigen, fuͤr das er beſtimt war, zuruͤkzukehren. Die Leidenſchaf - ten lagen im Schlafe, die Staͤrke der Gewohn - heit war uͤberwaͤltigt worden, und jede Anlokkung war in der Entfernung. Unſer junge Student ergrif den guͤnſtigen Augenblik, gluͤhte vom Ge - fuͤhle ſeiner eigenen Beſſerung, und kurz, er war gluͤklich.

An181

An Befolgung der Vorſchriften des Anſtandes laͤßt die luſtige Welt es ſelten fehlen. Die Bekan - ten des Geneſeten draͤngten ſich herzu, ihm ihre Gluͤkwuͤnſche abzuſtatten. Anfangs nahm ſie der Juͤngling mit der Froſtigkeit eines Menſchen auf, der alle ſeine Vergehungen ihrem Beiſpiele und ihrer Aufmunterung zuſchrieb. Nun ſahen ſie wohl, daß er es an der gewoͤhnlichen luſtigen Begruͤßung ermangeln ließe. Das ſchrieben ſie aber der Ermattung der kuͤrzlich uͤberſtandnen Krankheit zu. Sie wiederhohlten ihre Beſuche, und durch ihr Anhalten uͤbermocht, kehrte er wie - der zu ſeinen verlaſſenen Freunden zuruͤk.

Nunmehr ward ſein Herz wider den Angrif der innern Ueberzeugung unwiederbringlich abgehaͤrtet. Die jugendlichen Laſter, denen er bisher nachgehan - gen hatte, kamen ihm veraͤchtlich vor. Sein Genie, ſo großen Umfang es auch hatte, fand doch im kur - zen am Spieltiſche reichlichen Vorrath zur Beſchaͤf - tigung und Unterhaltung. Die ſchnel auf einander folgenden Hofnungen und Beſorgniſſe uͤbten ſein Gemuͤth ſo ſehr, und erwekten zur Zeit des Spie - lens ſo heftige Regungen, daß ihm in der Zwi -M 3ſchen182ſchenzeit, da ihn weder Karten noch Wuͤrfel beſchaͤftigten, das Leben ſelbſt unſchmakhaft und unertraͤglich ward.

Die Flaſche iſt das nie ermangelnde Huͤlfs - mittel ſolcher, die von der Langenweile genoͤthiget werden, die Kuͤnſte der Verſchwendung des ſchaͤz - barſten von allen Guͤtern, der Zeit, zu ſtudiren. Die Wuͤrfel zu ſchuͤtteln und den Pokal zu bekraͤn - zen, das war nunmehr Georgens ganze Beſchaͤf - tigung. Die erſtern ſchwaͤchten ſein Vermoͤgen; der leztere richtete ſeine Geſundheit zu Grunde.

Doch ich wuͤrde kein Ende finden, wenn ich die vielen Abwechslungen von Gluͤk und Ungluͤk, von Erhebung und Niederſenkung, denen der Ungluͤkliche ausgeſezt war, herzaͤhlen wolte. Es ſei genug, dir zu ſagen, daß der beklagenswuͤrdige Juͤngling ein mehr als hinreichendes Vermoͤgen verſpielte, das ihm im Alter Mittel verſchaft haben wuͤrde, in Frieden der Ruhe zu genießen; daß er eine Leibesbeſchaffenheit und Selenkraͤfte zu Grunde richtete, die ihn zum ſchaͤzbaren Mitgliede des Staats haͤtten machen koͤnnen; daß er ohne Achtung lebte, und unbedauert ſtarb.

Ich183

Ich ſchließe dieſen weitlaͤuftigen Unterricht mit einer Betrachtung, welche dich ermuntern wird, jede Vorſchrift, die ich dir gegeben habe, nach deinem beſten Vermoͤgen in Ausuͤbung zu bringen.

Bei allen Lehrgebaͤuden, es ſei in der Religion, Staatskunſt, Sittenlehre, oder in irgend einer andern Wiſſenſchaft, iſt allezeit Volkommenheit der vorgeſezte, wiewohl moͤglicher Weiſe nie zu errei - chende Endzwek. Bis jezt wenigſtens hat derſelbe noch von keinem Sterblichen erreicht werden koͤn - nen. Allein diejenigen, welche nach dieſem Ziele eifrig ſtreben, werden ihm ohnſtreitig naͤher kom - men, als die, welche aus Muthloſigkeit, Nach - laͤßigkeit und Traͤgheit, das, was durch Geſchik - lichkeit auszurichten waͤre, lieber dem Zufalle uͤberlaſſen wollen.

Dieſer Saz laͤßt ſich fuͤglich auch auf das ge - meine Leben anwenden. Diejenigen, welche nach Volkommenheit trachten, werden ihr unendlich naͤher kommen, als die verzagten, muthloſen Se - len, die alberner Weiſe bei ſich ſelbſt denken: volkommen iſt ja nun einmahl niemand; Vol -M 4 kommen -184 kommenheit iſt ja nun einmahl doch nicht zu er - reichen; der bloße Verſuch iſt ein Hirngeſpinſt. Ich mache es, ſo gut wie andre; warum ſolt ich mich bemuͤhen, das zu werden, was ich nicht werden kan, und nach dem gewoͤhnlichem Laufe der Dinge nicht zu werden brauche, nemlich volkommen?

Ich weiß ſicher, ich darf dir nicht erſt die Schwachheit und Thorheit dieſes Schluſſes aufdekken, wenn er anders den Nahmen eines Schluſſes verdient. Er wuͤrde uns ja von der Anwendung aller und jeder unſrer Kraͤfte abhalten, und ihr Einhalt thun. Ein Man von Verſtande und Muthe ſagt vielmehr zu ſich ſelbſt, wiewohl das Ziel der Volkommenheit, in Betrachtung der Unvolkommenheit unſrer Natur, nicht zu erreichen iſt, ſo ſol es doch an meiner Sorge, Bemuͤhung und Aufmerkſamkeit nicht fehlen, ihr ſo nahe als moͤglich zu kommen. Taͤglich wil ich mich ihr mehr naͤhern. Vielleicht kan ich ſie zulezt erreichen. Wenigſtens (und ich weiß ſicher, das ſteht in meiner Macht) wil ich nicht weit davon bleiben.

Denk -185

Denkſpruͤche.

Schikliche Verſchwiegenheit iſt verſtaͤndiger Leute einzige Heimlichkeit. Geheimniß - volles Weſen hingegen iſt die Verſchwiegenheit ſchwachſinniger oder argliſtiger Menſchen.

Wer nichts ſagt, oder wer alles ſagt, dem wird man ebenfals nichts ſagen.

Wenn ein Thor ein Geheimniß weiß, ſagt er es heraus, darum, weil er ein Thor iſt. Wenn ein Betruͤger eins weiß, ſagt er es da, wo es ſein Vortheil mit ſich bringt. Frauenzimmer aber und junge Leute ſind ſehr geneigt, alle Ge - heimniſſe, die ſie nur wiſſen, aus Eitelkeit aus - zuplaudern, blos um ſich etwas darauf zu gute zu thun, daß man ſie ihnen anvertraut hat. Traue du alſo in dieſem Stuͤkke keinem von beiden.

Unachtſamkeit auf das gegenwaͤrtige Geſchaͤft, es beſtehe worin es wolle, oder der Verſuch, zwei Dinge zugleich zu thun ſiehe da ein un - triegliches Kenzeichen kleiner, und thoͤrichter Selen!

Wer ſein Gemuͤth, ſeine Aufmerkſamkeit und Miene nicht in ſeiner Gewalt hat, der ſolte ſich gar nicht fuͤr einen Man von Geſchaͤften halten. M 5Der186Der ſchwachſinnigſte Menſch von der Welt kan ſich der Leidenſchaften des Weiſeſten zu Nuze ma - chen. Ein Menſch ohne Aufmerkſamkeit kan ſein Geſchaͤft nicht kennen, folglich auch nicht vol - bringen. Und wer ſeine Miene nicht in ſeiner Gewalt hat, der koͤnte eben ſo gut ſeine Gedanken herſagen, als er ſie herweiſet.

Muthig iſt jezt ein Modewort. Muthig handeln, muthig reden, bedeutet blos ſo viel als hizig handeln und unbeſonnen reden. Ein ver - ſtaͤndiger zeigt ſeinen Muth durch ſanfmuͤthige Worte und entſchloßne Handlungen; er iſt weder hizig noch ſchuͤchtern.

Wenn von ohngefaͤhr ein verſtaͤndiger Man in jenem unangenehmen Zuſtande iſt, da er ſich ſelbſt mehr als ein mahl fragen muß: was ſol ich thun? ſo wird er ſich antworten, nichts! Wenn ſeine Vernunft ihm keinen guten Weg zeigt, wenigſtens keinen, der weniger ſchlecht als der andre waͤre: ſo wird er ſtehen bleiben, und auf Licht warten. Eine kleine geſchaͤftige Sele faͤhrt auf alle Faͤlle fort, muß immer etwas vorhaben, und fuͤrchtet, gleich einem blinden Pferde, keine Gefahr, darum weil es keine ſieht. Allein ma[n][m] auch Langeweile auszuhalten wiſſen.

Ge -187

Geduld iſt eine ſehr noͤthige Eigenſchaft zu Geſchaͤften. Mancher Menſch haͤtte lieber, ihr hoͤrtet ſeine Erzaͤhlung an, als ihr bewilligtet ihm ſeine Bitte. Man muß ſich das Anſehen geben, als hoͤrte man die unbilligen Foderungen der Un - beſonnenen ohne Befremdung, die langweiligen Erzaͤhlungen der Albernen ohne Ungeduld an. Das iſt der geringſte Preis, den man fuͤr einen hervorragenden Stand bezahlen muß.

Es iſt allezeit gut, einen Betrug zu entdekken, und eine Thorheit inne werden; aber es iſt oft nicht gut, eine ſolche Entdekkung merken zu laſſen. Ein Man von Geſchaͤften ſolte ſtets die Augen offen haben, ſolte aber oft ſie geſchloſſen zu haben ſcheinen.

Ein junger Menſch, ſein Verdienſt ſei ſo groß, als es wolle, kan niemahls ſich ſelbſt allein in die Hoͤhe helfen; er muß ſich, wie Epheu um die Eiche, um irgend einen großen Man von Anſehen ſchlingen. Du mußt erſt einige Zeit dem Miniſter angehoͤren, ehe jemand dir angehoͤren wird. Un - verlezliche Treue gegen dieſen Miniſter, ſelbſt wenn er in Ungnade faͤlt, wird verdienſtlich ſein, und dich ſeinem Nachfolger empfehlen. Miniſter ha - ben Neigung fuͤr ihre Perſon lieber, als fuͤr ihre Parthei.

An188

An Hoͤfen und in der großen Welt uͤber - haupt ſind Verſchaͤmtheit und Schuͤchternheit an einer Seite eben ſo ſchaͤdlich, als Unverſchaͤmt - heit und hiziges Weſen an der andern. Stand - hafte Dreiſtigkeit, kaltbluͤtige Unerſchrokkenheit und beſcheidnes Aeuſſerliche, ſind die wahre, nothwendige Mittelſtraße.

Suche nie um etwas an, zu deſſen Erhaltung du wenig Wahrſcheinlichkeit ſieheſt. Denn wenn du unſchikliche, nicht zu erlangende Dinge begeh - reſt, gewoͤhneſt du die Miniſter daran, dir ſo oft eine abſchlaͤgige Antwort zu geben, daß es ihnen hernach leicht wird, dir auch die ſchiklichſten, ver - nuͤnftigſten Bitten zu verſagen. Es iſt zwar eine gemeine, aber ſehr uͤbel verſtandne, Regel am Hofe, um alles anzuhalten, damit man wenigſtens etwas bekomme. Wahr iſts, man bekomt dadurch etwas; dieſes Etwas aber iſt abſchlaͤgige Antwort und Gelaͤchter.

Es gibt eine Hofſprache, ein geringfuͤgiges, blos von Kleinigkeiten handelndes Geſchwaͤz, das mit vielen Worten wenig oder nichts ſagt. Thoren dient es anſtat deſſen, was ſie nicht ſagen koͤnnen, verſtaͤndigen Leuten anſtat deſſen, was ſie nichtſagen189ſagen wollen. Es iſt die eigentliche Sprache fuͤr Aufwartungen beim Aufſtehen und in Vorzim - mern; daher iſt es noͤthig, ſie inne zu haben.

Ein Menſch ſei, was er wil, ſo muß er hoͤflich und geſittet ſein. Dieſer Mantel bedekt eben ſo viele Thorheiten, als die kriſtliche Liebe Suͤnden. Ich kante einen Man von hohem Range, der in einem vornehmen Amte ſtand, ſehr geachtet und geehrt war, deſſen groͤßte Eigenſchaf - ten darin beſtanden, daß er ſtolz mit Demuth und albern mit Hoͤflichkeit war. *)Wie vielmehr wird alſo nicht derjenige ge - ſchaͤzt werden, der mit dieſem hoͤflichen und geſitteten Weſen wirkliche Beſcheidenheit und Verſtand verbindet? C.

Es iſt ſchwer, zu beſtimmen, wer der groͤßte Thor iſt, der die Wahrheit ganz, oder der gar keine ſagt.

Verſchiedenheit in Meinungen, ſelbſt in Klei - nigkeiten, entruͤſtet kleine Geiſter, zumahl wenn ſie von hohem Range ſind. Nun iſt es aber voͤllig eben ſo leicht, eines Vornehmen Koch oder Schneider zu loben, als ihn zu tadeln; das erſtere iſt vielmehr noch kuͤrzer; und Sachen dieſer Art verdienen eben ſo wenig, daß man uͤber ſie, als ſolche Leute, daß man mit ihnen ſtreite. Es iſtunmoͤg -190unmoͤglich, ſie zu unterrichten; hingegen ſehr leicht, ihnen zu misfallen.

Heiteres, ruhiges Geſicht und Betragen ſind bei Hofe, wie uͤberal, ſehr nuͤzlich. Thoren werden dadurch bewogen, dich blos darum fuͤr einen gut - herzigen Man, und Argliſtige, dich fuͤr einen Men - ſchen ohne Falſch zu halten.

Es gibt wohl Faͤlle, in denen einer ſein halbes Geheimniß herausſagen muß, um das uͤbrige zu verbergen; ſelten aber ſolche, da er es ganz ſagen muͤßte. Da iſt nun große Geſchiklichkeit noͤthig, um zu wiſſen, wie weit man gehen, und wo man inne halten ſol.

Eines Menſchen eignes geſittetes Weſen iſt ſeine groͤßte Sicherheit vor andrer uͤbeln Sitten. Niemand hat jemahls dem Herzoge von Marl - borough etwas unverſchaͤmtes geſagt. Niemand ſagte jemahls Sir Robert Walpolen etwas wirklich verbindliches, ohngeachtet man ihm viele Schmeicheleien ſagte.

Als zu Koͤnig Wilhelms Zeiten das alte be - ſchnittene Geld zur Umpraͤgung eingefodert ward, ſezten ſie, um das Beſchneiden zu verhuͤten, auf den Rand der Kronen die Worte, et decus ettuta -191tutamen. *)Sowohl zur Zierde als zum Schuz.Gerade das iſt der Fal mit der Artigkeit in den Sitten.

Die meiſten Kuͤnſte beduͤrfen zu ihrer Erlernung langen Fleiß. Hingegen die nuͤzlichſte von allen, die zu gefallen, erfodert blos das Verlangen darnach.

Es iſt zu vermuthen, daß ein Man von ge - meinem Verſtande, der nicht zu gefallen begehrt, gar nichts begehre; denn das muß er doch wiſſen, daß er, ohne zu gefallen, nichts erlangen kan.

Ernſte, finſtre, zuruͤkhaltende, geheimnißvolle Miene verſcheucht die Leute; hingegen ein gelaſ - ſenes ungezwungnes, und geſeztes Anſehen ladet ſie zum Vertrauen ein, und laͤßt keinen Raum zum Argwohn.

Der Herzog von Suͤlly merkt in ſeinen Denk - ſchriften ſehr richtig an: nichts haͤtte mehr zu ſeiner Erhebung geholfen, als jene kluge Spar - ſamkeit, die er von Jugend an beobachtet, und vermoͤge deren er ſtets eine Summe Geldes fuͤr dringende Nothfaͤlle vorraͤthig gehabt haͤtte. Es iſt ſchwer, der Sparſamkeit und der Freigebigkeit Grenzen anzuweiſen; indes der leidlichſte Irthum unter beiden iſt auf Seiten der Sparſamkeit. Die - ſer laͤßt ſich verbeſſern, der andre nicht.

Der192

Der Ruf der Freigebigkeit muß wohlfeil er - kauft werden. Er haͤngt nicht ſo ſehr von eines Menſchen Aufwande im Ganzen ab, als davon, daß er da, wo er geben muß, mit guter Art gibt. Wer, zum Beiſpiel, in Hamburg den Bedienten des Hauſes, worin man ihn zu Tiſch geladen, vierzehn Schillinge gaͤbe, der wuͤrde fuͤr geizig, und wer ihnen zwanzig gaͤbe, der wuͤrde fuͤr freigebig gehalten werden; daß alſo der Unterſchied dieſer beiden entgegengeſezten Benennungen auf ſechs Schillingen beruht. *)3 ggr. ſchwer Geld.Eines Mannes Ruf in die - ſem Stuͤkke haͤngt großentheils von der Ausſage ſeiner eignen und anderer Bedienten ab. Eine bloße Kleinigkeit uͤber den gewoͤhnlichen Lohn macht dieſe Ausſage zur guͤnſtigen.

Trage Sorge, deine Einrichtung in Anſehung deiner Einnahme und Ausgabe allezeit ſo gut zu treffen, daß du immer etwas fuͤr unerwartete Vorfaͤlle und zu einer klugen Freigebigkeit uͤbrig habeſt. Kaum vergeht im menſchlichen Leben ein Jahr, da nicht eine kleine Summe baares Geld zu großem Vortheile angelegt werden kan.

About this transcription

TextTheophron, oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend
Author Joachim Heinrich Campe
Extent201 images; 29542 tokens; 5943 types; 206737 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationTheophron, oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend Zweiter Theil Joachim Heinrich Campe. . BohnHamburg1783.

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Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz SBB-PK, B XXIV, 355-2 Rhttp://stabikat.de/DB=1/SET=12/TTL=1/CMD?ACT=SRCHA&IKT=1016&SRT=YOP&TRM=84996220X

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationFachtext; Pädagogik; Gebrauchsliteratur; Pädagogik; Belletristik; Kinderliteratur; core; ready; china

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  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:29:44Z
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Holding LibraryStaatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
ShelfmarkSBB-PK, B XXIV, 355-2 R
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