PRIMS Full-text transcription (HTML)
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TROJANISCHE ALTERTHÜMER.
[II][III]
TROJANISCHE ALTERTHÜMER.
BERICHT über DIE AUSGRABUNGEN IN TROJA.
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LEIPZIG:IN COMMISSION BEIF. A. BROCKHAUS.1874.
[IV][V]

EINLEITUNG.

Das vorliegende Werk ist eine Art von Tagebuch meiner Ausgrabungen in Troja, denn alle Aufsätze, woraus es besteht, sind, wie die Lebhaftigkeit der Schil - derungen es beweist, an Ort und Stelle, beim Fort - schreiten der Arbeiten, von mir niedergeschrieben.

Wenn meine Aufsätze hin und wieder Widersprüche enthalten, so hoffe ich, dass man mir diese zugute halten wird, wenn man berücksichtigt, dass ich hier eine neue Welt für die Archäologie aufgedeckt, dass man bisjetzt noch nie oder nur höchst wenige solcher Sachen gefun - den, wie ich sie zu Tausenden ans Licht gebracht, dass mir daher alles fremd und räthselhaft erschien, und ich somit oft Vermuthungen wagte, die ich bei reiflicher Ueberlegung wieder umwerfen musste, bis ich endlich zur gründlichen Einsicht gelangte und auf viele that - sächliche Beweise gegründete Schlüsse ziehen konnte.

Eine meiner grössten Schwierigkeiten ist es aber gewesen, die enorme Schuttaufhäufung in Troja mit der Chronologie in Einverständniss zu bringen, und ist mir dies trotz langem Forschen und Grübeln nur theilweise gelungen. Nach Herodot (VII, 43): kam Xerxes bei seinem Zuge durch Troas vor seinem Einfall in Griechen -VIeinleitung.land (also im Jahre 480 v. Chr.) am Skamander an und stieg zu Priam’s Pergamos hinauf, weil er das Verlangen hatte, diese Burg zu sehen; und nachdem er sie gesehen und sich nach ihren Schicksalen erkundigt hatte, opferte er der ilischen Minerva 1000 Rinder, und die Magier brachten den Manen der Helden Trankopfer dar .

Aus dieser Stelle geht stillschweigend hervor, dass damals eine griechische Colonie schon seit langer Zeit die Stadt innehatte, und nach dem Zeugnisse Strabo’s (XIII, 1, 42) erbaute dieselbe Ilium unter der Herrschaft der Lydier. Da nun der Anfang der lydischen Herr - schaft auf 797 v. Chr. festgestellt wird und die Ilier bei der Ankunft des Xerxes, im Jahre 480 v. Chr., dort längst vollkommen eingerichtet gewesen zu sein scheinen, so darf man wol annehmen, dass ihre Niederlassung in Troja ungefähr 700 Jahre v. Chr. erfolgt ist. Die Haus - mauern hellenischer Architektur, von grossen Steinen ohne Cement, sowie die Ueberbleibsel des griechischen Hausgeräths, reichen aber in den Ausgrabungen auf der platten Fläche des Berges nie tiefer als 2 Meter.

Da ich in Ilium keine spätern Inschriften als vom 2. Jahrhundert n. Chr. und keine Medaillen später als Constans II. und Constantin II., von diesen beiden Kaisern aber sowie von Constantin I., dem Grossen, sehr viele finde, so ist bestimmt anzunehmen, dass schon vor der Zeit des letztern, der bekanntlich anfänglich dort Con - stantinopel zu bauen beabsichtigte, die Stadt in Verfall kam, jedoch ungefähr bis zum Ende der Regierung Constans II., sage bis 361 n. Chr., ein bewohnter Ort blieb. Aber die Schuttaufhäufung in dieser langen Pe - riode von 1061 Jahren beträgt nur 2 Meter, währendVIIeinleitung.man unterhalb derselben noch 12 Meter oder 40 Fuss, und auf vielen Stellen gar 14 Meter oder 46½ Fuss tief zu graben hat, ehe man den Urboden erreicht, der aus einem Muschelkalkfelsen besteht. Diese gewaltige, 40 bis 46½ Fuss dicke Schuttdecke, welche von den vier verschiedenen Völkern herrührt, die, das eine nach dem andern, den Berg vor Ankunft der griechischen Colonie, also vor 700 v. Chr., bewohnt haben, ist ein unermess - lich reiches Füllhorn der merkwürdigsten, bisher nie gesehenen Terracottas und anderer Gegenstände, die nicht die entfernteste Aehnlichkeit mit den Erzeugnissen hellenischer Kunst haben. Die Frage drängt sich nun auf: ob nicht diese enorme Trümmermasse vielleicht von einem andern Orte hierher gebracht worden ist, um den Berg zu erhöhen? Eine solche Hypothese ist, wie sich jeder Besucher meiner Excavationen auf den ersten Blick überzeugen kann, ganz unmöglich, weil man in allen Schuttschichten, vom Felsen in 14 und 16 Meter (46 bis 53½ Fuss) Tiefe ab bis zu 4 Meter unter der Oberfläche fortwährend Reste gemauerter Wände sieht, die auf starken Fundamenten ruhen und von wirklichen Häusern herrühren, und ausserdem, weil alle die zahl - reichen grossen Wein -, Wasser - und Leichenurnen, de - nen man begegnet, aufrecht stehen. Die Frage ist dann: aber wie viele Jahrhunderte sind erforderlich gewesen, um von den Trümmern der vorgriechischen Haushaltun - gen eine Schuttdecke von 40 bis 46½ Fuss Dicke zu bilden, wenn zur Formirung der obersten, der griechi - schen Schuttdecke, von 2 Meter oder Fuss Dicke, 1061 Jahre erforderlich waren? Ich habe in meinen dreijährigen Ausgrabungen in den Tiefen Trojas täglichVIIIeinleitung.und stündlich Gelegenheit gehabt, mich zu überzeugen, dass wir uns, nach dem Massstabe unserer eigenen oder der altgriechischen Lebensweise, von dem Leben und Treiben der vier Völker, welche das eine nach dem andern vor der Zeit der griechischen Ansiedelung die - sen Berg bewohnt haben, gar keinen Begriff machen können; es muss heilloss bei ihnen zugegangen sein, denn sonst könnte man nicht in beständiger unregel - mässiger Reihenfolge auf den verschütteten Resten des einen Hauses die Wände eines andern finden; und eben weil wir uns keinen Begriff davon machen können, wie diese Nationen gewirthschaftet und welche Calamitäten sie zu ertragen gehabt haben, können wir unmöglich nach der Dicke ihrer Trümmer die Dauer ihrer Existenz auch nur annähernd berechnen. Höchst merkwürdig, aber durch die fortwährenden Calamitäten, welche diese Stadt befallen haben, vollkommen erklärlich ist es, dass bei allen vier Völkern die Civilisation stets abgenommen hat; die Terracotten, welche fortwährende décadence zeigen, lassen keinen Zweifel darüber.

Die erste Ansiedelung dieses Berges scheint jeden - falls von längster Dauer gewesen zu sein, denn ihre Trümmer bedecken den Felsen bis zu einer Höhe von 4 und 6 Meter. Ihre Häuser und Festungsmauern waren von grossen und kleinen, mit Erde verbundenen Steinen gebaut, und sieht man mehrfach Reste davon in meinen Ausgrabungen. Ich glaubte im vorigen Jahre, diese Ansiedler seien identisch mit den von Homer besunge - nen Trojanern, weil ich bei ihnen Bruchstücke des Dop - pelbechers, des homerischen δέπας ἀμφικύπελλον gefunden zu haben vermeinte. Bei genauer Prüfung hat es sichIXeinleitung.aber herausgestellt, dass diese Bruchstücke von einfachen Bechern mit hohlem Fuss herrühren, der nie als zweiter Becher gebraucht sein kann. Ueberdies glaube ich in meinen diesjährigen Aufsätzen hinreichend bewiesen zu haben, dass Aristoteles (Hist. anim., IX, 40) irrthümlich dem homerischen δέπας ἀμφικύπελλον die Gestalt einer Bienenzelle gibt, dass man von jeher diesen Becher fälschlich als Doppelbecher aufgefasst hat, und dass er nichts anderes bedeuten kann als: Becher mit einem Henkel an jeder Seite, wie solche in den Trümmer - schichten der ersten Ansiedelung dieses Berges niemals, dagegen in jenen des folgenden Volkes in grossen Massen, auch bei den beiden spätern Nationen, die hier der griechischen Colonie vorausgegangen sind, vielfach vorkommen. Der grosse, 600 Gramm wiegende goldene Becher mit zwei Henkeln, den ich im königlichen Schatze, in Meter Tiefe, in den Trümmerschichten des zweiten Volkes fand, lässt in dieser Hinsicht keinen Zweifel übrig.

Die Terracotten, welche ich in 14 Meter Tiefe auf dem Urboden fand, sind alle so ausgezeichneter Qualität, wie sie in keiner der höhern Schichten vorkommen; sie sind glänzend schwarz, roth oder braun, und haben ein - geschnittene, mit einer weissen Masse gefüllte Verzie - rungen; die Schalen haben an zwei Seiten horizontale Röhren, die Vasen haben meistentheils an jeder Seite zwei senkrechte Röhren zum Aufhängen mit Schnüren; von bemaltem Terracotta fand ich nur ein Bruchstück.

Alles was sich über die ersten Ansiedler sagen lässt, ist, dass sie arischen Stammes waren; dies be - weisen zur Genüge die in ihren Trümmerschichten, sowolXeinleitung.auf den Topfscherben als auf den kleinen merkwürdigen durchbohrten Terracottas in Gestalt des Vulkans und des Carrousels vorkommenden arischen religiösen Sym - bole, unter welchen man auch das

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sieht.

Meine diesjährigen Ausgrabungen haben zur Genüge bewiesen, dass die zweite Nation, die auf diesem Berge, auf den 4 bis 6 Meter oder 13 bis 20 Fuss hohen Trümmern der ersten Ansiedler, eine Stadt erbaute, die von Homer besungenen Trojaner waren, deren Schuttschichten in 7 bis 10 Meter oder 23⅓ bis 33⅓ Fuss unter der Oberfläche sind. Diese trojanischen Trümmerschichten, welche ohne Ausnahme das Gepräge grosser Glut tragen, bestehen hauptsächlich aus rother Holzasche und bedecken bis 3 Meter hoch Iliums grossen Thurm, das doppelte Skaeische Thor und die grosse Ringmauer, deren Bau Homer dem Neptun und dem Apollo zuschreibt, und be - weisen, dass die Stadt durch eine furchtbare Feuers - brunst zu Grunde ging. Wie gross die Glut gewesen ist, zeigen auch die grossen Steinplatten des vom dop - pelten Skaeischen Thor zur Ebene hinunterführenden Weges; denn als ich diesen Weg vor einigen Monaten blosslegte, sahen alle Steinplatten so unversehrt aus, als wenn sie erst kürzlich gelegt worden wären; nachdem sie aber einige Tage der Luft ausgesetzt gewesen waren, fingen, auf einer Strecke von 3 Meter, die Platten des obern Theils des Wegs, welcher der Glut ausgesetzt gewesen war, an wegzubröckeln und sind jetzt beinahe schon verschwunden, während diejenigen des untern Theils des Wegs, welcher vom Feuer unberührt geblie - ben war, durchaus unversehrt geblieben sind und un - verwüstlich zu sein scheinen. Ein weiteres Zeugniss vonXIeinleitung.der furchtbaren Katastrophe gibt eine ½ bis 3 Centi - meter dicke Schlackenschicht von geschmolzenem Blei - und Kupfererz, die sich in bis 9 Meter Tiefe fast durch den ganzen Berg ausdehnt. Dass Troja nach blutigem Kampfe vom Feinde zerstört wurde, dafür zeugen die vielen Menschenknochen, die ich in diesen Schuttschichten fand, und vor allen Dingen die in den Tiefen des Minervatempels gefundenen Gerippe mit Helmen; denn, wie wir aus Homer wissen, wurden alle Leichname verbrannt und die Asche in Urnen beigesetzt, deren ich eine gewaltige Menge in allen vorgriechischen Schuttschichten dieses Berges fand. Ferner lässt keinen Zweifel über die Zerstörung der Stadt durch Feindes Hand der von mir auf der grossen Ringmauer neben dem königlichen Palast, in Meter Tiefe und mit bis 2 Meter rothem trojanischen Schutt und einer post - trojanischen, 6 Meter hohen Festungsmauer bedeckt ge - fundene Schatz, den wahrscheinlich jemand von der - niglichen Familie während der Zerstörung versucht hat zu retten, aber gezwungen worden ist, auf der Ring - mauer zurückzulassen.

Auf die Angaben der Ilias vertrauend, an deren Ge - nauigkeit ich wie ans Evangelium glaubte, meinte ich His - sarlik, der Berg den ich seit drei Jahren durchwühlt habe, sei die Pergamos der Stadt, Troja müsse wenigstens 50000 Ein - wohner gehabt und seine Baustelle müsse sich bis über die ganze Baustelle des Ilium der griechischen Colonie hinaus ausgedehnt haben, dessen Plan im Massstabe von $$\frac{2787}{10000}$$ Millimeter per Meter ich auf Tafel 213 gebe. Dessen unge - achtet wollte ich die Sache genau untersuchen und glaubte dies nicht besser thun zu können, als durch Anlegung vonXIIeinleitung.Brunnen. Behutsam fing ich daher an, an den äussersten Enden des griechischen Ilium Brunnen zu graben, die aber bis zum Urboden nur Hauswände oder Mauern, sowie Bruchstücke von Töpferwaare aus griechischer Zeit, und keine Spur von den Trümmern der vorhergehenden Völker zum Vorschein brachten. Ich rückte daher dieser ver - meinten Pergamos mit dem Graben von Brunnen all - mählich näher, ohne bessern Erfolg, und da nun endlich gar sieben Brunnen, die ich unmittelbar am Fusse dieses Berges bis zum Felsen grub, nur griechisches Mauerwerk und nur griechische Topfscherben zum Vorschein brach - ten, so trete ich jetzt aufs entschiedenste mit der Be - hauptung hervor: dass sich Troja auf die kleine Fläche dieses Berges beschränkt hat, dass seine Baustelle genau angegeben ist durch seine von mir auf vielen Stellen blossgelegte grosse Ringmauer; dass die Stadt keine Akropolis hatte und die Pergamos eine reine Erfindung Homer’s ist; ferner dass Trojas Baustelle in posttroja - nischer Zeit bis zur griechischen Ansiedelung nur um so viel zugenommen hat, als der Berg durch den hinun - tergeworfenen Schutt gewachsen ist, dass aber dem Ilium der griechischen Colonie sogleich bei dessen Gründung eine grosse Ausdehnung gegeben wurde.

Wenn man sich aber einerseits hinsichtlich der Grösse Trojas getäuscht sieht, so muss man doch ande - rerseits eine hohe Genugthuung in der nunmehr erlang - ten Gewissheit empfinden, dass es wirklich ein Troja gab, dass dies Troja dem grössten Theile nach von mir ans Licht gebracht ist, und dass die Ilias wenn auch in übertriebenem Massstabe diese Stadt und die That - sache ihres tragischen Endes besingt. Homer ist aberXIIIeinleitung.nun einmal kein Historiker, sondern ein epischer Dichter, und muss man ihm die Uebertreibungen zugute halten.

Da Homer die Topographie und die Witterungsver - hältnisse der Troade so genau kennt, so leidet es wol keinen Zweifel, dass er selbst Troja besucht hat; da er aber lange nach dessen Untergang kam und die Bau - stelle Trojas sogleich bei der Katastrophe durch die Trümmer der zerstörten Stadt tief im Schutt begraben und seit Jahrhunderten durch eine neue Stadt überbaut worden war, so konnte er weder Iliums grossen Thurm, noch das Skaeische Thor, noch die grosse Ringmauer, noch den Palast des Priamos sehen, denn, wie jeder Besucher der Troade sich in meinen Excavationen über - zeugen kann, lastete auf allen diesen Denkmälern un - sterblichen Ruhms, schon allein von Trojas Trümmern und rother Asche, eine Decke von bis 3 Meter oder 5 bis 10 Fuss Dicke, und diese Schuttaufhäufung muss bis Homer’s Besuch noch sehr bedeutend zugenommen haben. Homer stellte keine Excavationen an, um jene Denkmäler ans Licht zu bringen; er kannte sie aber aus der Ueberlieferung, denn seit Jahrhunderten war Trojas tragisches Ende im Munde aller Sänger, und das Interesse, was sich daran knüpfte, war so gross, dass, wie meine Ausgrabungen erwiesen haben, die Tradition selbst in vielen Einzel - heiten genau die Wahrheit berichtete; so z. B. das Vor - handensein des Skaeischen Thors in Iliums grossem Thurm; der stete Gebrauch des Skaeischen Thors im Plural, weil dasselbe als doppelt geschildert worden sein muss, und in der That hat es sich als doppelt heraus - gestellt. Nach den Versen der Ilias, XX, 307 308 scheint es mir jetzt höchst wahrscheinlich, dass derXIVeinleitung.König von Troja zur Zeit von Homer’s Besuch sein Ge - schlecht in gerader Linie von Aeneas abzustammen vorgab.

Weil nun Homer Iliums grossen Thurm und das Skaeische Thor nicht sah, sich nicht denken konnte, dass diese Bauten tief unter seinen Füssen begraben ruhten, sich auch wol nach den damals bestehenden Gesängen Troja als sehr gross vorstellen mochte und es vielleicht noch grösser zu schildern wünschte, so ist es nicht zu verwundern, wenn er Hektor vom Palast in der Pergamos heruntersteigen und die Stadt durcheilen lässt, um ans Skaeische Thor zu gelangen, während dieses in der Wirklichkeit, ebenso wie Iliums grosser Thurm, in welchem es sich befindet, unmittelbar vor dem königlichen Hause ist. Dass dies Haus wirklich des Königs Haus ist, das scheint durch seine Grösse, durch die Dicke seiner steinernen Mauern, im Gegensatze zu den übrigen fast ausschliesslich von ungebrannten Ziegeln erbauten Häu - sern der Stadt, durch seine imposante Lage auf einem künstlichen Hügel unmittelbar vor oder neben dem Skaeischen Thor, dem grossen Thurm und der grossen Ringmauer, ferner durch die darin gefundenen vielen herrlichen Sachen, namentlich durch die ungeheuere, königlich geschmückte Vase mit dem Bilde der eulen - köpfigen ilischen Schutzgöttin Minerva, weiter, und vor allen Dingen, durch den unmittelbar neben demselben gefundenen reichen Schatz hervorzugehen. Ich kann na - türlich nicht beweisen, dass der Name des Königs, des Besitzers des Schatzes, wirklich Priamus war, ich nenne ihn aber so, weil er mit diesem Namen von Homer und von der ganzen Tradition genannt wurde. Alles wasXVeinleitung.ich beweisen kann, ist, dass der Palast dieses Besitzers des Schatzes, dieses letzten trojanischen Königs, gleichzeitig mit dem Skaeischen Thor, der grossen Ringmauer und dem grossen Thurm in der grossen Katastrophe unter - gegangen ist, welche die ganze Stadt verheerte. Ich beweise durch jene und 3 Meter hohen rothen und gelben calcinirten trojanischen Trümmermassen, womit alle diese Bauten bedeckt wurden und eingehüllt blie - ben, und durch die vielen posttrojanischen Bauten, die wiederum auf diesen calcinirten Trümmermassen errich - tet wurden, dass weder der Palast des Schatzinhabers noch das Skaeische Thor, noch die grosse Ringmauer, noch Iliums grosser Thurm jemals wieder ans Tageslicht gekommen sind. Eine Stadt, deren König einen solchen Schatz besass, war für damalige Verhältnisse unermess - lich reich, und weil Troja reich war, so war es mächtig, hatte viele Unterthanen und erhielt Hülfstruppen von allen Seiten.

Ich schrieb im vorigen Jahre den Bau von Iliums grossem Thurm den ersten Ansiedlern dieses Berges zu, bin jedoch längst zur festen Ueberzeugung gekom - men, dass er vom zweiten Volk, den Trojanern, herrührt, da er auf der Nordseite nur innerhalb der trojanischen Trümmerschichten und 5 bis 6 Meter oberhalb des Ur - bodens wirkliches Mauerwerk hat. Ich habe in meinen Briefen wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass die von mir auf dem Thurm gefundenen Terracotten nur jenen aus 11 bis 14 Meter Tiefe zur Seite gestellt wer - den können. Dies gilt aber nur für die Schönheit des Thons und die Eleganz der Gefässe, keineswegs aber für die Typen derselben, die wie man sich im AtlasXVIeinleitung.dieses Werks überzeugen kann durchaus verschieden sind von denen der Thongefässe der ersten Ansiedler.

Man glaubte bisher, das Vorfinden von steinernen Werkzeugen bezeichne die Steinperiode; meine Ausgra - bungen hier in Troja stellen jedoch diese Meinung als durchaus irrig heraus; denn sehr häufig finde ich schon gleich unterhalb der Trümmerschichten der griechischen Colonie, d. h. schon in 2 Meter Tiefe, steinerne Werk - zeuge, die von 4 Meter Tiefe abwärts in sehr grossen Massen vorkommen, jedoch in den trojanischen Trüm - merschichten, in 7 bis 10 Meter unterhalb der Ober - fläche, im allgemeinen viel besser gearbeitet sind. Ich mache ganz besonders darauf aufmerksam, dass ich lei - der bei Anfertigung des vorstehenden Werks in den mir jetzt unbegreiflichen Irrthum verfallen bin, jene herrlich geschliffenen Waffen und Werkzeuge, die meistentheils von Diorit, aber oft auch von sehr hartem durchsichtigen grünen Stein sind, wie ich solche auf Tafel 17, No. 503, 504; Tafel 21, No. 580; Tafel 23, No. 613; Tafel 22, No. 593 bis 598 und Tafel 24, No. 648 bis 653 abgebildet habe, Keile zu nennen. Wie sich jeder überzeugen kann, sind es aber keine Keile, son - dern Beile oder Aexte, und die meisten derselben wer - den als Streitäxte gebraucht worden sein; ja viele schei - nen, nach ihrer Form zu urtheilen, sich ausgezeichnet als Lanzen zu eignen und mögen als solche benutzt worden sein. Ich habe viele Hunderte davon gesammelt. Gleichzeitig aber mit den Tausenden von steinernen Werkzeugen finde ich auch viele kupferne, und beweisen die viel vorkommenden Formsteine von Glimmerschiefer zum Giessen von kupfernen Waffen und Werkzeugen,XVIIeinleitung.sowie die vielen kleinen Schmelztiegel und roh ge - machten kleinen Näpfe, Löffel und Trichter zum Füllen der Formen, dass dies Metall viel gebraucht wurde, wo - rüber ausserdem die erwähnte Schicht von Kupfer - und Bleischlacken in bis 9 Meter Tiefe keinen Zweifel lässt. Zu bemerken ist, dass alle vorkommenden kupfer - nen Gegenstände von reinem Kupfer sind, ohne jegliche Beimischung eines andern Metalls. Ja, der Schatz des Königs enthielt davon einen Schild mit grossem Nabel, eine grosse Kasserole, einen Kessel oder Vase, eine lange Platte mit in der Feuersbrunst daraufgeschmol - zener silberner Vase, viele Bruchstücke anderer Vasen, wovon eine mit zwei Röhren an jeder Seite zum Auf - hängen mit Schnüren; eine andere mit krummen, sehr künstlichen Griffen an den Seiten und einer wahrschein - lich am obern Theil befestigt gewesenen krummen Röhre sehr niedlicher Form, dreizehn Lanzen, vierzehn jener hier häufig vorkommenden, anderswo aber noch niemals gefundenen Waffen, die nach einem Ende spitz aber stumpf, nach dem andern in eine breite Schneide auslaufen; ich hielt sie früher für Lanzen, bin aber jetzt zur Ueberzeugung gekommen, dass sie nur als Streitäxte gebraucht sein können, obwol sie kein Loch in der Mitte haben. Ich fand dort weiter sieben grosse zweischnei - dige Dolchmesser, ein gewöhnliches Messer sowie einen grossen Schlüssel, der wahrscheinlich zu der hölzernen Kiste gehört hat, in welcher man versucht hat, den Schatz zu retten. Da alle Gegenstände des Schatzes dicht zusammengepackt waren und einen viereckigen Raum einnahmen, so kann es wol keinem Zweifel unter - liegen, dass sie in einer hölzernen Kiste enthalten waren. Schliemann, Troja. bXVIIIeinleitung.Ausser dem bereits vorhin erwähnten grossen goldenen Becher, welcher gegossen ist und dessen beide gewal - tigen, hohlen Griffe darangeschmiedet sind, fand ich im Schatze eine 403 Gramm wiegende kugelrunde goldene Flasche, einen 226 Gramm wiegenden einfachen goldenen Becher; einen kleinen Becher von 70 Gramm, der nicht von reinem Golde ist, und sind die drei letztern Gegen - stände mit dem Hammer getrieben (σφυρήλατα); ferner 60 herrliche goldene Ohrringe, worunter vier beinahe in Korbform, mit prachtvollen, von fünf oder sechs Kettchen mit Idolen der eulenköpfigen Schutzgöttin gebildeten Gehängen, und sechs goldene Armbänder, wovon drei geschlossen sind und zu beweisen scheinen, dass die Hände der Trojanerinnen viel kleiner gewesen sein müssen als die jetzigen Frauenhände, denn ein jetziges Mädchen von 10 Jahren würde Mühe haben, ihre Hand durchzustecken; auch die Oeffnung der drei nicht ge - schlossenen Armbänder, welche doppelt sind, beweist, dass sie von Frauen mit ungemein kleinen Händen getragen sind. Weiter fand ich im Schatze ein golde - nes Stirnband (ἄμπυξ) und zwei wundervolle goldene Diademe (κρήδεμνα), wovon das eine sechzehn herunter - hängende Kettchen mit Idolen der ilischen Schutzgöttin und 74 andere mit Baumblättern verzierte Kettchen hat; das zweite Diadem hat 61 herunterhängende Kettchen mit Idolen derselben Göttin. Ich fand weiter im Schatze nicht weniger als 8750 kleine, kunstvoll gearbeitete durchbohrte Gegenstände von Gold, wie Cylinder, aus - gezackte Scheibchen, Kugeln, Prismen, Würfel, mit einer Röhre zum Aufziehen versehene Baumblätter, ein - fache, doppelte oder dreifache Ringe mit durchgehen -XIXeinleitung.dem Loch an zwei Seiten, Stücke ganz in Form kleiner Glockenzungen, Knöpfe mit einer Oese, sowie Doppel - knöpfe, die aber nicht wie unsere Hemdknöpfe, zusam - mengeschmiedet, sondern einfach zusammengesteckt sind, denn aus der Höhlung des einen kleinen Knopfes steht eine kleine Röhre (αὐλίσκος), aus der des andern eine Stange (ἔμβολον) hervor, und steckt man letztere in die erstere, um den Doppelknopf herzustellen. Auf mehr als einem Drittel dieser kleinen Gegenstände sieht man eingeschnittene Verzierungen von acht oder sechzehn Rillen, die oft so fein gemacht sind, dass man nur mit - tels einer Lupe im Stande ist, sie zu unterscheiden und ihre grosse Symmetrie zu bewundern. Diese 8750 kleinen goldenen Gegenstände dienten wahrscheinlich theils an Halsschnüren, theils an Schmucksachen auf Leder. Der Schatz enthielt ferner sechs an einem Ende abgerundete an dem andern in Form des Halbmondes ausgeschnittene Klingen von allerreinstem Silber, deren Gewicht leider ne - ben den Abbildungen Tafel 200 nicht genau angegeben ist; sie wiegen 171, 173, 174, 183 und 190 Gramm; nur zwei der Stücke haben genau dasselbe Gewicht von 174 Gramm; ferner einen silbernen Becher und drei grosse silberne Vasen; auf einer derselben ist viel Kupfer, auf einer an - dern das Bruchstück einer kleinern silbernen Vase in der Feuersbrunst festgeschmolzen. Der Schatz enthielt ferner zwei kleinere äusserst kunstvoll gearbeitete sil - berne Vasen mit Deckeln, in Form von langen phry - gischen Hüten, und hat die eine an jeder Seite ein, die andere an jeder Seite zwei Röhrchen für die Schnüre zum Aufhängen. Es gehört höchst wahrscheinlich auch noch zum Schatz eine acht Tage vor dessen Entdeckungb*XXeinleitung.daneben gefundene grosse silberne Vase, in welcher ich einen grossen herrlichen Becher fand, der, wie sich jetzt herausgestellt hat, von Elektron ist und nicht von Silber, wie ich irrthümlich im vorletzten Aufsatze dieses Buchs berichtet habe. Auch vier silberne Schalen (φιάλαι) enthielt der Schatz, denn die eine derselben fand ich mit den andern Gegenständen zusammen, die drei übri - gen einige Tage später am Abhange der grossen Ring - mauer, etwa 1 Meter unterhalb des Schatzes. Der durch seine vielen wichtigen Entdeckungen und Schriften be - rühmte Professor der Chemie Landerer in Athen, welcher auch alle silbernen Sachen des Schatzes genau untersucht hat, findet die beiden kleinen Vasen von ganz reinem Silber, während die vier grossen Vasen, der kleine Becher und die vier Schalen 95 Procent Silber und 5 Procent Kupfer enthalten, welches, wie er sagt, beigemischt ist, um dem Silber grössere Härte zu geben und es mit dem Hammer treiben zu können.

Dieser in grosser Tiefe, in den Ruinen der für mythisch angesehenen Stadt Troja von mir entdeckte grosse Schatz des für mythisch gehaltenen Königs Priamos aus dem mythischen heroischen Zeitalter, ist jedenfalls eine in der Archäologie einzig dastehende Entdeckung grossen Reichthums, grosser Civilisation und grossen Kunstsinns in einer der Erfindung der Bronze vorhergehenden Zeit, in einer Zeit, wo man Waffen und Werkzeuge von reinem Kupfer gleichzeitig mit gewaltigen Massen steinerner Waffen und Werk - zeuge anwandte. Dieser Schatz lässt auch keinen Zweifel, dass Homer wirklich dergleichen goldene und silberne Sachen gesehen haben muss, wie er fortwährendXXIeinleitung.beschreibt; in jeder Beziehung ist er von unermesslichem Werth für die Wissenschaft und wird jahrhundertelang der Gegenstand eingehender Forschungen bleiben.

Leider finde ich auf keinem der Gegenstände des Schatzes eine Inschrift, auch kein anderes religiöses Symbol als die an den beiden Diademen (κρήδεμνα) und an den vier Ohrgehängen prangenden 100 Idole der homerischen ϑεὰ γλαυκῶπις Ἀϑήνη , welche uns aber den unumstösslichen Beweis geben: dass der Schatz der Stadt und dem Zeitalter angehören, welche Homer be - singt.

Indessen fehlte die Schriftsprache zu jener Zeit nicht, und fand ich z. B. in 8 Meter Tiefe, im könig - lichen Palast, die auf Tafel 188, No. 3273 abgebildete Vase mit einer Inschrift, und mache ich ganz be - sonders darauf aufmerksam, dass von den in derselben vorkommenden Schriftzügen der dem griechischen P ähnliche Buchstabe auch schon in der Inschrift auf dem aus 7 Meter Tiefe stammenden Petschaft, Tafel 19, No. 555, der zweite und dritte Buchstabe, links von diesem, auf dem ebenfalls aus 7 Meter Tiefe stammenden, Tafel 13, No. 432 abgebildeten kleinen Vulkan von Terracotta, auch der dritte Buchstabe auf den aus 3 Meter Tiefe stammenden beiden kleinen Trichtern von Terracotta, Tafel 171, No. 3292 und 3295, vorkommt. Ich fand fer - ner im königlichen Palast die auf Tafel 190, No. 3474 abgebildete ausgezeichnet eingravirte Inschrift, finde hier aber nur ein Schriftzeichen, welches einem Buchstaben der Inschrift des erwähnten Petschafts ähnlich ist. Mein geehrter Freund, der grosse Indiologe Herr Emile Burnouf, vermuthet, dass alle diese Schriftzeichen einem sehr altenXXIIeinleitung.gräco-asiatischen Localalphabete angehören. Professor H. Brunn in München schreibt mir, dass er diese In - schriften dem Professor Haug gezeigt und dieser auf Verwandtschaft und Zusammenhang mit dem Phöni - zischen hingewiesen habe (von dem allerdings das grie - chische Alphabet abhängig ist), und ferner auf gewisse Analogien mit der Inschrift der Erztafel, die zu Idalion auf Cypern gefunden und jetzt im Cabinet des médailles zu Paris ist. Professor Brunn fügt hinzu, dass Beziehun - gen der trojanischen Funde zu Cypern in keiner Weise auffallen, sondern sich vielmehr sehr wohl mit Homer vertragen würden; dass jedenfalls auf diese Beziehungen ein Hauptaugenmerk zu richten ist, da nach seiner Meinung Cypern die Wiege der griechischen Kunst, oder sozusagen der Kessel ist, in dem asiatische, ägyp - tische, griechische Ingredienzen zusammengebraut wur - den, aus denen sich später die griechische Kunst ab - klärte.

Herrliche Töpferwaare, und besonders grosse und kleine Becher mit zwei Henkeln oder mit einem Griff von unten in Form einer Krone, Vasen mit Röhren an den Seiten und in gleicher Richtung mit Löchern im Munde zum Aufhängen mit Schnüren, ferner alle andern Arten von Hausgeräth finde ich in diesen trojanischen Trümmerschichten in grosser Abondanz, auch eine schön verzierte knöcherne Flöte, mehrere Theile von andern Flöten und das herrlich verzierte elfenbeinene Stück einer Leier mit nur vier Saiten, welches man auf Tafel 98, No. 2044 sieht.

Ebenso wie die ersten Ansiedler dieser heiligen Stätte waren auch die Trojaner von arischer Rasse,XXIIIeinleitung.denn ich finde bei ihnen in gewaltigen Massen die mit eingeschnittenen arischen religiösen Symbolen bedeckten kleinen Stücke Terracotta in Gestalt des Vulkans und des Carrousels.

Das Baumaterial der Trojaner ist verschiedener Art; mit seltener Ausnahme bestehen alle von mir ans Licht gebrachten Hauswände nur aus ungebrannten, an der Sonne getrockneten Ziegeln, von denen durch die Glut der Feuersbrunst eine Art von wirklich gebrannten Ziegeln geworden ist; der königliche Palast aber, sowie zwei kleine Bauten in den Tiefen des Minervatempels, Iliums grosser Thurm, das Skaeische Thor und die grosse Ringmauer bestehen dagegen aus mit Erde ver - einigten, meistens unbehauenen Steinen, deren weniger rauhe Seite nach aussen gekehrt ist, sodass die Wände ein ziemlich glattes Ansehen haben.

Ich glaubte im vorigen Jahre, bei Aufdeckung von Iliums grossem Thurm, dass derselbe einst höher gewesen sein müsse als er jetzt ist, nämlich 6 Meter oder 20 Fuss; seine glatt gemauerte Fläche neben dem Skaeischen Thor, sowie die weiterhin auf demselben be - findlichen Bänke, nicht Ruinen, wie ich früher glaubte, beweisen aber, dass er nie höher gewesen sein kann. Ganz besonders mache ich darauf aufmerksam, dass das Mauerwerk des Skaeischen Thors bei dessen Aufdeckung noch so merkwürdig neu aussah, als ob es erst ganz kürzlich errichtet worden wäre. Bestimmt hat es mäch - tige hölzerne Vertheidigungswerke, und wahrscheinlich auch einen hölzernen Thurm oberhalb der Thorflügel gehabt, denn sonst ist es mir unerklärlich, wie der Ein - gang zum Thor 10 Fuss hoch mit jener rothen troja -XXIVeinleitung.nischen Holzasche verschüttet, und namentlich wie dort, von andern Bauten entfernt, die Glut so gross hat sein können, dass selbst die dicken Steinplatten davon zer - stört worden sind.

Homer (Ilias, V, 638 642) spricht von einer dem trojanischen Krieg vorhergegangenen Zerstörung Trojas durch Hercules, und wird es uns ewig ein Räthsel blei - ben, ob sich diese durch die Ueberlieferung bis zu seiner Zeit erhaltene Kunde wirklich auf das Ilium des Priamos oder auf die demselben vorausgegangene uralte Stadt der ersten Ansiedelung bezieht.

Für die Chronologie Trojas haben wir nur die all - gemeine Annahme des Alterthums, dass der trojanische Krieg ungefähr 1200 Jahre v. Chr. stattgefunden hat, und die Angabe Homer’s (Ilias, XX, 215 237), dass der erste trojanische König, Dardanos, Dardania gründete, welche Stadt ich mit Virgil und Euripides mit Ilium für synonym halte, und dass sie nach ihm von seinem Sohn Erichthonios, dann von seinem Enkel Tros, von seinem Urenkel Ilos, sowie von dessen Sohn Laomedon und Enkel Priamos beherrscht wurde. Wenn wir jedem dieser sechs Könige auch eine lange Regierung von 33 Jahren zugestehen, so bringen wir doch die Gründung der Stadt nur kaum auf 1400 Jahre v. Chr., also nur auf 700 Jahre vor der griechischen Colonie.

Die Baustelle Trojas, welche zur Zeit der Gründung der Stadt 10 Meter unterhalb der jetzigen Oberfläche war, war nach der Zerstörung nur 7 Meter unterhalb derselben, als Ilium von einem andern Volke arischen Stammes wieder aufgebaut ward; ich finde nämlich in den Trümmerschichten dieses Volks, die von 7 bis 4 Me -XXVeinleitung.ter unter der jetzigen Oberfläche reichen, die nämlichen Stücke Terracotta mit religiösen Symbolen.

Da ich bei jedem Gegenstand in den photographi - schen Tafeln des Atlas genau die Tiefe vermerkt habe, in welcher er gefunden worden ist, so kann man leicht die von diesem Volke stammenden Sachen herausfinden. Die Töpferwaaren dieser Nation haben Aehnlichkeit mit denen der Trojaner, sind aber schlechter und gröber, und es kommen viele neue Typen vor; fast alle Vasen haben auch hier eine Röhre an jeder Seite zum Auf - hängen mit Schnüren. Ich fand hier, in 5 Meter Tiefe, das steinerne Stück einer Leier mit sechs Saiten, und in 4 Meter Tiefe das schön verzierte elfenbeinene Stück einer andern von sieben Saiten. Man findet beide Stücke in den photographirten Tafeln des Atlas dar - gestellt.

Die Architektur dieses Volks war, wie man aus den vielen von mir aufgedeckten Hauswänden ersieht, durch - gehends von kleinen mit Erde vereinigten Steinen; je - doch sieht man auch auf zwei Stellen in den Tiefen des Minervatempels eine Mauer von an der Sonne ge - trockneten Ziegeln, die dieser Nation anzugehören schei - nen. Die Häuser derselben waren kleiner, und in den - selben war weniger Holz verwandt, als in denen der Trojaner, denn obwol die aufeinanderruhenden Haus - reste mehrfache grosse Convulsionen beurkunden, so findet man hier doch viel weniger verkohlte Trümmer als beim vorhergehenden Volke; ja diese Schuttschichten haben meistentheils ein graues oder schwarzes Ansehen, und sieht man in denselben Millionen kleiner Muschel - schalen, Knochen, Fischgräten u. s. w. Merkwürdig istXXVIeinleitung.es, dass sich in diesen Trümmerschichten gewisse Typen von Terracottas nur genau in derselben Tiefe finden, und dass so z. B. die herrlichen schwarzen Becher in Form von Sanduhren und mit zwei grossen Henkeln nur auf 6 Meter Tiefe beschränkt sind.

In den beiden ersten Jahren meiner Ausgrabungen fand ich in 4 bis 7 Meter Tiefe fast gar kein Kupfer und glaubte schon, Metall sei bei diesem Volke selten oder gar nicht bekannt gewesen. In diesem Jahre je - doch fand ich auch in diesen Trümmerschichten viele kupferne Nägel, auch einige Messer und Streitäxte und Formsteine von Glimmerschiefer zum Giessen derselben und anderer Waffen und Werkzeuge. Immerhin muss Kupfer bei dieser Nation selten gewesen sein, denn steinerne Werkzeuge, wie Messer von Silex, Hämmer und Beile von Diorit u. s. w., kommen zu Tausenden vor.

Dem Anscheine nach verschwand auch dies Volk gleichzeitig mit der Zerstörung der Stadt, denn nicht nur finde ich von 4 Meter Tiefe aufwärts bis 2 Meter Tiefe viele neue Typen von Terracotta-Gefässen, sondern ich finde auch keine Reste von Hauswänden mehr; ja selbst die einzelnen Steine fehlen fast gänzlich. Jeden - falls wurde die Stadt sogleich nach der Zerstörung aus Holz wieder aufgebaut von einem verwandten Volk arischen Stammes, denn die kleinen, mit arischen reli - giösen Symbolen geschmückten Terracottas, obwol häu - fig mit neuen Typen, kommen auch in diesen Schutt - schichten vielfältig vor. Es kommen zwar auch in diesen Tiefen Festungsmauern vor, aber diese waren schon von dem vorhergehenden Volk gebaut, wie z. B. die in 7 Meter Tiefe und bis 2 Meter oberhalb des SchatzesXXVIIeinleitung.gegründete 6 Meter hohe Mauer, welche bis 1 Meter unter der Oberfläche reicht. Das hölzerne Ilium war dem Anscheine nach noch weniger glücklich als die steinerne Stadt seiner Vorgänger, denn wie es die zahl - reichen calcinirten Trümmerschichten beweisen, wurde es vielfältig durch Feuer verheert. Ob diese Feuers - brünste zufällig ausbrachen oder durch Feindes Hand angelegt wurden, das muss uns ewig ein Räthsel blei - ben; soviel ist aber gewiss und aus den aus diesen Tie - fen stammenden Terracottas ersichtlich, dass die von Anfang an geringe Civilisation des Volks bei den fort - währenden Verheerungen seiner Stadt immer mehr ver - krüppelte. Ich finde bei dieser Nation Lanzen, Streit - äxte sowie Werkzeuge von reinem Kupfer und Form - steine zum Giessen derselben; auch eine Menge kupfer - ner Nägel, die aber gleich wie bei allen vorhergehen - den Völkern, die diesen Berg bewohnt haben zu lang und dünn sind, um zum Festschlagen in Holz verwandt worden zu sein, und jedenfalls als Brustnadeln gebraucht sein müssen; dass dem so ist, scheinen auch zwei solcher kupferner Nägel zu beweisen, an deren oberm Theil ich Reihen von durchbohrten Perlen von Gold oder Elektron festgeschmiedet fand. Diese beiden kupfernen Nägel wurden zwar unmittelbar unter der Oberfläche gefunden, müssen aber jedenfalls der vorgriechischen Zeit ange - hören.

Steinerne Werkzeuge, wie z. B. Hämmer und herr - lich geschliffene Beile und Streitäxte von Diorit, kom - men auch bei diesem Volke in 4 bis 2 Meter Tiefe vor, aber bedeutend weniger als bei dem vorhergehenden.

Als die Oberfläche des Bergs um 2 Meter niedrigerXXVIIIeinleitung.war als sie jetzt ist, wurde Ilium von einer griechischen Colonie aufgebaut, und haben wir bereits versucht, nachzuweisen, dass diese Niederlassung ungefähr um 700 v. Chr. erfolgt sein muss. Von nun an findet man Reste hellenischer Hauswände von ohne Cement zusam - mengelegten grossen behauenen Steinen; von ungefähr 1 Meter unter der Oberfläche aufwärts auch Trümmer von Bauten, deren Steine mit Cement oder Kalk ver - bunden sind. Kupferne Medaillen Iliums aus der römi - schen Kaiserzeit von Augustus bis Constans II. und Constantin II. sowie ältere ilische Münzen mit dem Bilde der Minerva und Medaillen von Alexandria Troas kom - men in grosser Menge vor, auch einige Münzen von Tenedos, Ophrynium und Sigeion, einzeln bis 1 Meter, aber grösstentheils in weniger als 50 Centimeter unter der Oberfläche. Ich habe einmal irrthümlich bemerkt, dass hier auch byzantinische Münzen nahe an der Ober - fläche vorkommen. Aus späterer Zeit als Constans II. und Constantin II. habe ich hier aber in meinen drei - jährigen Ausgrabungen nicht eine einzige Medaille ge - funden, ausser zwei schlechten Münzen eines byzantini - schen Klosters, die von Schäfern verloren sein mögen; und da hier jede Spur von byzantinischem Mauerwerk oder byzantinischer Töpferwaare durchaus fehlt, so ist als bestimmt anzunehmen, dass das Ilium der griechi - schen Colonie gegen Mitte des 4. Jahrhunderts n. Chr. untergegangen und nie wieder ein Dorf, geschweige denn eine Stadt auf seiner Baustelle errichtet worden ist. Die in meinem Aufsatz vom 1. März 1873 von mir erwähnte, aus mit Cement vereinigten korinthischen Säulen bestehende Mauer, die ich aus dem MittelalterXXIXeinleitung.zu stammen glaubte, muss jedenfalls aus der Zeit Con - stantin’s I. oder Constans II. stammen, als der Minerva - tempel durch den frommen Eifer der ersten Christen zerstört wurde.

Von den Mauern und Festungswerken dieser grie - chischen Colonie sind hauptsächlich nur die anscheinlich von Lysimachos erbauten erhalten geblieben, und sieht man von denselben auf Tafel 109, gleich links, eine Bastion, sowie auf Tafel 112 eine Mauer. Aus älterer Zeit, und wahrscheinlich vom Anfang der griechischen Colonie, stammt der untere, hervorstehende Theil der Thurmmauer, die man auf Tafel 212 in dem Einschnitt auf jener Seite des Skaeischen Thors sieht. Grosse po - litische Convulsionen oder Katastrophen scheinen fortan wenig oder gar nicht mehr vorgekommen zu sein, denn die Schuttaufhäufung beträgt während der langen Dauer der griechischen Colonie, sage während 10½ Jahrhun - derten, nur 2 Meter.

Merkwürdigerweise finde ich in diesen griechischen Trümmerschichten äusserst wenig Metall; ein halbes Dutzend sichelförmiger Messer, eine zweischneidige Axt, ein paar Dutzend Nägel, ein Becher, ein paar Lanzen und Pfeile u. s. w. sind so ziemlich alles was ich fand; ich beschrieb diese Gegenstände in meinen Aufsätzen und im Katalog als von Kupfer; wie sich aber bei näherer Untersuchung herausgestellt hat, sind sie von Bronze, und kommt reines Kupfer in der griechischen Colonie nicht mehr vor. Von Eisen fand ich nur ganz nahe an der Oberfläche einen Schlüssel merkwürdiger Form und ein paar Pfeile und Nägel. Wie wir aus Homer wissen, hatten auch die Trojaner Eisen, ja sogar das von ihmXXXeinleitung.κύαονς genannte Metall, welches man schon im Alter - thum durch χάλυψ (Stahl) übersetzte. Ich betheuere aber, weder bei den Trojanern, noch bei irgendeinem der andern der griechischen Colonie voraufgegangenen Völker, die diesen Berg bewohnt haben, auch nur eine Spur von diesen Metallen gefunden zu haben. Es mögen aber immerhin eiserne und stählerne Geräthschaften da - gewesen sein; ja ich glaube ganz bestimmt, dass sie dagewesen sind, sie sind aber spurlos verloren gegan - gen; denn bekanntlich zersetzt sich Eisen und Stahl viel leichter als Kupfer. Von Zinn, dessen Homer so viel - fältig erwähnt, fand ich natürlich keine Spur, denn dies Metall zersetzt sich bekanntlich mit grosser Schnelligkeit, selbst wenn es an einem trockenen Orte liegt. Blei kam bei allen Völkern vor, die diesen Berg bewohnt haben, bei den Völkern vor der griechischen Ansiedelung aber hauptsächlich nur in Klumpen, in Form von Halbku - geln. Nur erst in der griechischen Colonie finde ich es in allgemeinem Gebrauch, und sogar als Verbindungs - mittel von Bausteinen angewandt. Nach der Grösse der Baustelle des Iliums der griechischen Colonie zu urthei - len, deren Plan ich auf Tafel 213 gebe, mag dasselbe 100000 Einwohner gehabt haben und muss in seiner Blütezeit sehr reich gewesen sein, und die plastische Kunst muss hier einen hohen Grad von Vollkommenheit erreicht haben. Die mit den Trümmerhaufen grossarti - ger Bauten bedeckte Baustelle ist nämlich mit Bruch - stücken von ausgezeichneten Sculpturen übersäet, und der hier in den Tiefen des Apollotempels von mir ent - deckte und jetzt meinen Garten in Athen zierende 2 Meter lange, 86 Centimeter hohe herrliche Triglyphen -XXXIeinleitung.block mit einer Metope, welche den Phöbus Apollo mit den vier Rossen der Sonne darstellt, ist eins der er - habensten Meisterwerke, welche uns aus der Blütezeit der griechischen Kunst erhalten sind. In der Beschrei - bung, welche ich sogleich nach der Entdeckung dieses Kunstschatzes in meinem Aufsatz vom 18. Juni 1872 machte, bemerkte ich, dass dies Kunstwerk aus der Zeit des Lysimachos, sage ungefähr vom Jahre 306 v. Chr. stammen müsse. Ich schickte einen Gips - abguss davon an das Museum für Gipsabgüsse in München, und schreibt mir der Vorsteher desselben, Professor H. Brunn, welcher jedenfalls eine der grössten Autoritäten der Welt für die plastischen Kunstwerke des Alterthums ist, wie folgt darüber: Selbst Photo - graphien reichen doch zur Beurtheilung plastischer Werke nie ganz aus, und hat mir auch hier erst der Abguss die volle Gewissheit gegeben, dass dieses Werk weit günstiger beurtheilt werden muss, als es in der archäologischen Zeitung geschehen ist. Ich wage nicht, üher die Triglyphen bestimmt abzusprechen: die Ge - schichte des dorischen Stils nach der Zeit des Parthenon und der Propyläen liegt noch durchaus im argen, doch lässt sich der gerade Abschnitt der Cannele gewiss in vorrömischer Zeit nachweisen. Von äussern Kriterien bleibt so zunächst der Strahlenkranz. Nach den Unter - suchungen von Stephani (Nimbus und Strahlenkranz) kommt derselbe erst etwa in der Zeit Alexander’s des Grossen vor. Für die specielle Form, lange und kurze Strahlen, haben wir die von Curtius angeführten Münzen Alexander’s I. von Epirus und von Keos, resp. Karthaea. Das jüngste Beispiel, welches ich bisjetzt gefunden, bie -XXXIIeinleitung.tet die Unterweltsvase von Canosa im hiesigen Museum, die spätestens in das 2. Jahrhundert v. Chr. gehört; so wären also für das Relief die äussersten Termini etwa Ende des 4. und Mitte des 2. Jahrhunderts. Künstlerisch zeigt die Composition die grössten Fein - heiten in der Lösung eines schwierigen Problems. Das Viergespann soll sich nämlich nicht in der Relieffläche bewegen, sondern so erscheinen, als ob es in halber Wendung aus derselben herauskomme. Das ist beson - ders dadurch erreicht, dass der rechte Hinterschenkel des Pferdes im Vordergrunde stark zurückgedrängt ist, während der linke Fuss vorschreitet, dass ausserdem dieses Pferd in leiser Verkürzung gebildet ist, dass die Fläche jenes Schenkels tiefer liegt als die obere Fläche der Triglyphen, die Fläche des Vorderbuges und des Halses dagegen etwas höher, während der Kopf, um das Gesetz des griechischen Reliefstils zu wahren, wieder mit der Grundfläche ziemlich parallel steht. Darum fehlt auch jede Andeutung eines Wagens, der durch das vordere Pferd verdeckt zu denken ist. Dann ist auch die Stellung des Gottes, dem Kopfe einiger - massen folgend, halb nach vorne gewendet, und nur um auch hier die Stellung mit dem Reliefgesetz in Conflict zn bringen, ist der Arm wieder stark nach innen ge - wendet. Wenn man sodann in dem Uebergreifen des Kopfes auf die obere Leiste des Triglyphs eine In - correctheit hat sehen wollen, so finde ich darin einen besonders glücklichen Gedanken, der wol an die freilich wieder verschiedene Auffassung am Parthenongiebel er - innern darf, wo Helios nur erst mit Kopf und Schultern aus dem Wagen des Oceans auftaucht. Hier brichtXXXIIIeinleitung.Helios sozusagen aus den Pforten des Tags hervor und überstrahlt mit seinem Glanze das All. Das sind Fein - heiten, wie sie nur der griechischen Kunst in ihrer vollen Kraft eigen sind. Die Ausführung entspricht durchaus dem Verdienst der Ideen, und so stehe ich nicht an, das Relief näher an den Anfang als an den Schluss des oben begrenzten Zeitraums zu setzen. Wenn Sie daher auch aus andern Gründen an die Zeit des Lysimachos denken, so habe ich dagegen von archäologischer Seite durchaus keine Einwendung zu machen, freue mich viel - mehr, unsern Monumentenschatz mit einem Originalwerk aus jener Zeit bereichert zu sehen.

Ich bewies vorhin die Verwandtschaft der vier ver - schiedenen Völker, welche die Baustelle Trojas vor An - kunft der griechischen Colonie bewohnt haben, durch die bei allen massenweise vorkommenden kleinen Terra - cotta-Vulkane und - Carrousele und durch die Aehnlich - keit der auf denselben eingravirten arischen religiösen Symbole. Ich beweise diese Verwandtschaft ferner und vor allen Dingen durch die plastische Darstellung der Minerva, der Schutzgöttin Iliums, mit einem Eulengesicht, denn diese Darstellung ist allen vier Völkern eigen, welche hier der griechischen Colonie vorausgegangen sind. Sogleich unter den Trümmer - schichten der letztern, in 2 Meter Tiefe, fand ich dies Eulengesicht mit einer Art von Helm auf Terracotta - Bechern, die auch in allen folgenden Schuttschichten, bis in 12 Meter Tiefe, vorkommen und sich bis in 9 Meter Tiefe sehr häufig finden. Diese Becher mögen auch, wie mein gelehrter Freund Emile Burnouf meint, nur als Deckel der gleichzeitig mit ihnen vorkommendenSchliemann, Troja. cXXXIVeinleitung.Vasen mit zwei emporstehenden Flügeln, zwei Frauen - brüsten und einem grossen Schamtheil gedient haben, denn sie passen vollkommen auf dieselben. Ich fand gleichzeitig von 3 Meter Tiefe abwärts in allen Trüm - merschichten bis zu 10 Meter Tiefe Vasen mit Eulen - gesichtern, zwei emporstehenden Flügeln (nicht Armen, wie ich früher meinte), zwei grossen Frauenbrüsten und einem sehr grossen Schamtheil, und sogar, in 6 Meter Tiefe, eine Vase, auf welcher der Schamtheil mit einem Kreuze und vier Nägeln verziert ist (s. Tafel 54). Ich fand selbst in 14 Meter Tiefe den obern Theil einer Vase (Tafel 102) und die Scherbe einer Schüssel (Tafel 27, No. 734) mit Eulengesichtern geschmückt. Ausserdem fanden sich von 2 Meter Tiefe abwärts in allen Schuttschichten bis zum Urboden bis 18½ Centimeter lange und bis 12 Centimeter breite Idole von sehr feinem Marmor, von Knochen, von Glimmer - schiefer, von Schiefer oder selbst von ganz ordinärem Kalkstein; auf sehr vielen derselben sieht man ein Eulengesicht, und auf einigen ausserdem sogar Frauen - haar auf der Stirn eingravirt; auf vielen sieht man auch einen Frauengürtel eingeschnitten. Da ich auf mehrern Idolen ohne eingeschnittenen Eulenkopf diesen mit rother oder schwarzer Farbe dargestellt finde, so vermuthe ich, dass ein Gleiches einst mit allen Idolen der Fall war, auf welchen die Kennzeichen der Eule jetzt fehlen, und dass auf diesen die Farbe im Laufe der Jahrtausende durch die Feuchtigkeit verloren gegangen ist. Auf mehrern Idolen von Marmor oder Knochen sind die Flügel an den Seiten angedeutet. Ich fand aber auch den ver - steinerten Wirbelknochen eines antediluvianischen Thiers,XXXVeinleitung.auf welchem die Trojaner einen grossen Eulenkopf aus - geschnitten haben. Ferner fanden sich in 3, 4, 6, 7, 8, 9 und 14 Meter Tiefe zwölf Idole von Terracotta, und sind, nur mit einer Ausnahme, auf allen Eulengesichter; die meisten haben auch zwei Frauenbrüste und auf der Rückseite angedeutetes langes Frauenhaar. Eins dieser eulenköpfigen Idole ist in Form eines Gefässes und hat an jeder Seite einen Schlauch in Gestalt eines kleinern Gefässes; der vordere Körper der Göttin bis zum Halse ist bedeckt mit einem langen Schilde, und auf der Rück - seite sieht man das Frauenhaar, auf Art der Karyatiden in der Akropolis in Athen, lang herunterhängen. Auch auf mehrern dieser Idole von Terracotta sind Flügel angedeutet.

Diese auf Bechern, Vasen und Idolen vielfältig vor - kommenden Eulengesichter mit Frauengestalt können nur eine Göttin darstellen, und diese Göttin kann nur Minerva, die Schutzgöttin Trojas, sein um so mehr als sie Homer fortwährend ϑεα γλαυκῶπις Ἀϑήνη nennt; denn γλαυκῶπις ist von den Gelehrten aller Jahrhun - derte falsch übersetzt, und bedeutet nicht mit feurigen oder funkelnden Augen , sondern es bedeutet mit Eulengesicht . Die natürliche Schlussfolgerung ist, erstens, dass es dem Homer vollkommen bekannt war, dass Minerva mit dem Eulengesicht Iliums Schutzgöttin war; zweitens, dass der Ort, in dessen Tiefen ich seit drei Jahren wühle, die Stätte sein muss ubi Troja fuit ; und drittens, dass bei fortschreitender Civilisation Pallas Athene ein menschliches Gesicht erhielt und aus ihrem frühern Eulenkopf ihr Lieblingsvogel, die Eule, gemachtc*XXXVIeinleitung.wurde, welche als solcher dem Homer ganz unbe - kannt ist.

Es kommen in 4 bis 9 Meter Tiefe auch einige Vasen und Becher mit einem Menschengesicht vor, welches aber vieles von der Eule hat.

Da ich keine Spur des Eulengesichts in den Trüm - merschichten der griechischen Colonie finde, so ist mit Bestimmtheit anzunehmen, dass diese schon weiter in der Cultur fortgeschritten war als die Ilier, deren Stadt sie in Besitz nahm, und dass sie schon die Vorstellung der Schutzgöttin mit menschlichem Gesicht mit nach Troja brachte.

Was die mehrerwähnten, mit arischen religiösen Symbolen geschmückten runden durchbohrten Stücke Terracotta in Gestalt des Carrousels oder des Vulkans betrifft, so ist es immerhin möglich, dass ihre ursprüng - liche Form die des Rades gewesen ist, denn in dieser Gestalt kommen sie mehrfach auf dem Urboden, in 14 und 16 Meter Tiefe vor. In den höhern Schuttschichten ist zwar bei diesen Stücken die Form des Rades selten, aber die durch Einschnitte bewirkte Darstellung des in Bewegung befindlichen Rades kommt doch noch sehr häufig vor. Trotz allen Forschens und Grübelns ist es mir noch nicht gelungen, zur Einsicht zu kommen: zu welchem Zweck diese äusserst interessanten Gegenstände gebraucht worden sind, die, wie sich jetzt beim Aus - graben des Minervatempels herausgestellt hat, nur bei den der griechischen Colonie vorangegangenen Völkern mit arischen symbolischen Zeichen geschmückt worden sind, in der griechischen Ansiedelung aber nur noch ein - zeln, auch in abweichender Form und ganz ohne einge -XXXVIIeinleitung.schnittene Verzierungen vorkommen und durch die run - den und viel grössern zweimal durchbohrten Stücke Terracotta ersetzt werden, welche hin und wieder eine Art von Stempel tragen.

Durch die Güte meines geehrten Freundes, des Professors Giuseppe G. Bianconi in Bologna, erhielt ich die Zeichnungen von zehn solchen, sich im Museum von Modena befindenden, runden Stücken Terracotta in der Form des Carrousels und des Vulkans, welche in den Terramares der dortigen Gegend, in den Pfahlbauten aus der Steinzeit, gefunden sind. Zu meinem grössten Erstaunen sehe ich darunter sechs mit den nämlichen eingeschnittenen Verzierungen, die ich auf den Stücken gleicher Gestalt hier in Troja finde. Drei derselben haben im Kreise um die Centralsonne ein dreifaches Kreuz, welches, wie ich bemüht gewesen bin in meinem sechsten Aufsatz ausführlich auseinanderzusetzen, als Bild der beiden Hölzer unserer arischen Urväter zur Hervorbringung des heiligen Feuers, ein Symbol höchster Wichtigkeit war; das vierte stellt eine solche Feuermaschine mit fünf Enden dar, und werden die In - dologen vielleicht finden, dass einer der Stäbe das pra - mantha genannte Stück Holz darstellt, womit das Feuer durch Reibung hervorgebracht wurde und von dem die Griechen in späterer Zeit den Prometheus machten, den sie das Feuer vom Himmel stehlen liessen. Das fünfte zeigt eine etwas verschiedene Form der Feuermaschine unserer Urväter, und das sechste hat zwölf Kreise um die Centralsonne. Wahrscheinlich sind dies die im Rigveda so oft vorkommenden zwölf Stationen der Sonne, welche personificirt sind durch die zwölf Adityas,XXXVIIIeinleitung.Söhne des Adity (des Untheilbaren oder des unendlichen Raumes), und die zwölf Zeichen des Thierkreises dar - stellen.

Derselbe Freund schickte mir auch die Zeichnungen von achtzehn solchen, aus den Gräbern des Kirchhofs von Villanova stammenden und im Museum des Grafen Gozzadini in Bologna befindlichen runden Stücken Terra - cotta. Da der Graf in einem der Gräber ein aes rude gefunden hat, so glaubt er, dass, so wie dies, so auch der Kirchhof, aus der Zeit des Königs Numa stamme und somit aus circa 700 v. Chr. G. de Mortillet (Le Signe de la Croix, S. 88 89) hingegen schreibt dem Kirchhof ein viel grösseres Alter zu. Jedenfalls aber haben funfzehn der vorliegenden achtzehn Zeichnungen, im Vergleich zu den zehn im Museum von Modena, sowie auch im Vergleich mit meinen hier in Troja gefundenen kleinen Carrousels, Vulkanen und Rädern, ein modernes Aus - sehen, denn nicht nur die Verzierungen, sondern auch die Form der Stücke sind viel mehr gekünstelt. Nur drei der achtzehn Stücke zeigen eine Gestalt und Ver - zierungen, wie sie auch hier in Troja vorkommen. Alle drei haben die Form des Carrousels; das eine hat sieben Sonnen im Kreise um die Centralsonne; das zweite hat zwei Kreuze, deren eins durch vier Sterne, das andere durch vier Striche gebildet wird. Das dritte hat fünf fünffache Dreiecke und fünf Sterne im Kreise um den Mittelpunkt. Der Vergleich dieser achtzehn Stücke mit den trojanischen bringt mich zur Ueberzeugung, dass Graf Gozzadini recht hat, wenn er dem Kirchhof von Villanova kein höheres Alter als 700 v. Chr. zuschreibt.

Ausser den mit religiösen Symbolen verziertenXXXIXeinleitung.Stücken kommen aber auch in Troja Tausende von Terracottas ähnlicher, aber meistens mehr gedehnter Form vor, die gar keine Verzierungen haben; in 3 Me - ter Tiefe kommen sie auch in Gestalt des Kegels vor. Früher fand ich in 3 Meter Tiefe solche Stücke auch von blauem oder grünem Stein, die ich in letzter Zeit aber auch in 7 bis 10 Meter Tiefe häufig antraf. Unter den unverzierten Terracottas dieser Art finde ich einige, aber kaum mehr als 2 Procent, die einige Abnutzung zeigen und am Spinnrad gebraucht sein mögen. Die mit Einschnitten verzierten Stücke dagegen zeigen nie - mals irgendwelche Abnutzung, und die auf denselben eingravirten symbolischen Zeichen sind mit einer weissen Thonerde ausgefüllt, damit sie mehr in die Augen fallen. Diese weisse Thonerde hätte beim Gebrauch der Stücke am Spinnrad oder als Münze sogleich verloren gehen müssen. Als Amulete können die Stücke ihrer Grösse und Schwere wegen nicht getragen worden sein. Ich muss daher glauben, dass sie als Opfergaben angewandt oder als Idole der Sonne angebetet wurden, deren Bild man im Mittelpunkt sieht. Wie es leider bei der Grösse meiner Ausgrabungen, bei der Eile, mit welcher dieselben betrieben wurden, und bei der Härte des Schuttes nicht anders möglich war, kam bei weitem der grössere Theil der von mir in den Tiefen Iliums gefundenen Terracotta-Gefässe in mehr oder weniger zerbrochenem Zustande heraus. Ich habe aber alles, was nur irgend reparirt werden konnte, mittels Schel - lack und Gips wiederhergestellt, und tritt letzterer in den Photographien hervor. Ueberall wo von einem Theile etwas abgebrochen war und fehlte, habe ich den -XLeinleitung.selben nach dem Modell anderer heil herausgekommener Gefässe derselben Art restaurirt; wo mir aber ein solches Modell entbrach, oder wo ich die geringste Un - gewissheit hatte, da habe ich die Restauration ganz unterlassen.

Die Stadt Ilium, auf deren Baustelle ich seit mehr als drei Jahren gegraben habe, gab sich für die Nachfol - gerin von Troja aus, und da im ganzen Alterthum der Glaube an die Identität seiner Baustelle mit jener der alten Stadt des Priamos fest begründet war und niemand daran gezweifelt hat, so ist es gewiss, dass die gesammte Tradition diese Identität bestätigte. Endlich erhob sich dagegen Strabo, der jedoch, wie er selbst sagt, die Ebene von Troja niemals besucht hatte und sich auf die von Eigennutz eingegebenen Berichte des Demetrios von Skepsis verliess. Nach Strabo (XIII, 1, S. 122, Tauchn. Ausg. ) behauptete dieser Demetrius, seine Ge - burtsstadt, Skepsis, sei die Residenz des Aeneas gewe - sen, und beneidete Ilium um die Ehre, die Hauptstadt des trojanischen Reichs geworden zu sein. Deshalb sprach er die Ansicht aus: in Ilium und Umgegend sei für die grossen Thaten der Ilias nicht Raum genug, und das ganze Terrain, welches die Stadt vom Meere trennte, sei angeschwemmtes Land und habe sich erst nach dem trojanischen Kriege gebildet. Als einen andern Beweis, dass die Stelle der beiden Städte nicht dieselbe sein könnte, führt er an: Achilles und Hektor seien dreimal um Troja gelaufen, während man um Ilium nicht herum - laufen könnte διὰ τὴν συνεχῆ ῥάχην , wegen des fort - laufenden Bergrückens. Aus allen diesen Gründen müsse man das alte Troja an die Stelle von Ἰλιέων κώμη,XLIeinleitung.30 Stadien von Ilium und 42 Stadien von der Küste, verlegen, obwol er allerdings zugestehen muss, dass sich nicht die geringste Spur davon erhalten habe (Strabo, XIII, 1, S. 99).

Strabo würde gewiss bei dem ihn kennzeichnenden richtigen Urtheil alle diese irrthümlichen Behauptungen des Demetrios von Skepsis verworfen haben, wenn er selbst die Ebene von Troja besucht hätte, da sie sich leicht widerlegen lassen.

Ich bemerke zunächst, dass man um die Baustelle von Troja sehr bequem herumlaufen kann, ferner, dass die Entfernung von Ilium, in gerader Linie bis zur Küste, 6 Kilometer, dagegen in gerader nordwestlicher Linie bis zum Vorgebirge von Sigeum (oder Sigeion) 7 Kilometer beträgt, welches die Tradition noch zu Strabo’s Zeit als die Stelle des griechischen Lagers be - zeichnete. Strabo sagt nämlich (XIII, 1, S. 103): Nächst Rhoeteum sieht man die zerstörte Stadt Sigeum, den Hafen der Achäer, das achäische Lager und den Sumpf oder See, Stomalimne genannt, und die Mündung des Skamanders.

Auf der Baustelle von Ἰλιέων κώμη habe ich im November 1871 Ausgrabungen gemacht, deren Resultat die Theorie des Demetrios von Skepsis vollkommen um - wirft, denn überall fand ich den Urboden in weniger als ½ Meter Tiefe, und die auf einer Seite der Baustelle weit fortlaufende Anhöhe, welche die Trümmer einer grossen Stadtmauer zu bergen scheint, enthält nur rei - nen Kornsand ohne jegliche Beimischung von Schutt.

Im J. 1788 n. Chr. besuchte Lechevalier die Ebene von Troja und war so begeistert für die Theorie, das DorfXLIIeinleitung.Bunarbaschi und die Anhöhen hinter demselben als die Lage des homerischen Troja anzusehen, dass er es ver - schmähte, die Baustelle von Ilium aufzusuchen, wie aus seinem Werke: « Voyage de la Troade », (3e éd., Paris 1802), sowie aus der demselben beigefügten Karte zu ersehen ist auf welcher er höchst lächerlicherweise diese uralte Stadt Ilium Novum nennt und auf jene Seite des Ska - manders, neben Kumkalé, nahe am Meer, und 6 Kilo - meter von ihrer wirklichen Baustelle versetzt. Diese Theorie, dass Trojas Baustelle nur auf der des Dorfs Bunarbaschi und auf den Anhöhen hinter derselben zu suchen sei, wurde auch von den Nachstehenden festgehal - ten: Rennel, Observations on the topography of the Plain of Troy , (London 1814); P. W. Forchhammer im Journal of the Royal Geographical Society , vol XII, 1842; Mau - duit, Découvertes dans la Troade (Paris et Londres 1840); Welcker, Kleine Schriften ; Texier; Choiseul Gouffrier, Voyage pittores que de la Grèce (1820); M. G. Nikolaïdes (Paris 1867); Ernst Curtius in seiner im November 1872 in Berlin gehaltenen Rede nach seiner Reise nach der Troade und Ephesus, in Gesellschaft der Professoren Adler und Müllenhoff und des Doctors Hirschfeldt. Wie ich aber in meinem Werke: Ithaque, le Péloponnèse et Troie (Paris 1869), ausführlich auseinandergesetzt habe, ist diese Theorie in all und jeglicher Hinsicht in voll - kommenstem Widerspruch mit allen Angaben der Ilias; auch haben meine Nachgrabungen in Bunarbaschi er - wiesen, dass dort nie eine Stadt gestanden hat, denn ich finde dort überall in weniger als ½ Meter Tiefe, und meistentheils schon unmittelbar an der Oberfläche reinen Urboden. Ebenso habe ich durch meine ExcavationenXLIIIeinleitung.auf den Höhen hinter diesem Dorf, wo ich überall nur reinen Urboden und nirgends in mehr als 1 Meter Tiefe den Fels fand, nachgewiesen, dass dort nie menschliche Wohnungen gewesen sind. Dies bestätigt auch, überall wo die Erde fehlt, die bald spitze, bald abrupte und stets ganz anomale Form der Felsen. Eine halbe Stunde hinter Bunarbaschi ist allerdings die auf zwei Seiten von Abgründen und von den andern Seiten von den Trümmern einer Ringmauer umgebene Baustelle einer ganz kleinen Stadt, welche ich für Skamandria hielt und so auf meiner Karte der Ebene von Troja nannte. Eine der in den Trümmern des Minervatempels des Iliums der griechischen Colonie gefundenen Inschriften lässt mich jedoch jetzt mit Bestimmtheit vermuthen, dass es nicht die Baustelle von Skamandria, sondern die von Gergis war. Auch ist dort die Schuttaufhäufung nur höchst unbedeutend, und sieht man nicht nur in der kleinen Akropolis, sondern auch auf der Baustelle der kleinen Stadt auf gar vielen Stellen den nackten Fels herausgucken. Ausserdem findet man dort überall, wo Schuttaufhäufung ist, hellenische Topfscherben, und aus - schliesslich hellenische Topfscherben bis zum Urboden. Da die Archäologie den ältesten dieser Scherben höchstens 500 bis 600 Jahre v. Chr. zugestehen kann, so können auch die Mauern der kleinen Stadt, welche man denen von Mykene an Alter gleichzustellen pflegte, keinenfallsälter sein als alleräusserst 500 bis 600 Jahre v. Chr.

Unmittelbar vor dieser kleinen Stadt sind drei Hel - dengräber, wovon man eins dem Priamos, ein anderes dem Hektor zuschrieb, weil es ganz von kleinen Steinen erbaut war. Dies letztere Grab ist im October 1872XLIVeinleitung.von Sir John Lubbock ausgegraben, der nur bemalte hellenische Topfscherben darin fand, denen man ein Alter von äusserst 300 Jahren v. Chr. zugestehen kann, und geben uns somit diese Scherben auch das Alter des Grabes.

Der verstorbene Consul J. G. von Hahn, welcher im Mai 1864 in seinen grössern Ausgrabungen in der Akropolis von Gergis bis zum Urboden dieselben und nur ganz dieselben hellenischen Topfscherben aufdeckte, die ich dort in meinen kleinern Excavationen fand, schreibt in seiner Broschüre Die Ausgrabungen des Homerischen Pergamos : Trotz eifrigen Suchens konn - ten meine Gefährten und ich auf dem weit gedehn - ten nördlichen Abhang des Balidagh vom Fusse der Akropole (von Gergis) bis zu den Quellen von Bunar - baschi ausser den drei Heldengräbern nicht ein einziges Kennzeichen entdecken, welches auf eine frühere mensch - liche Niederlassung hinwiese, nicht einmal antike Topf - scherben und Ziegeltrümmer, die nie fehlenden und da - her unumgänglichen Zeugen einer antiken Niederlassung. Kein Säulen - oder sonstiges Baustück, kein alter Quader, kein in den gewachsenen Felsen eingehauenes Quader - bett, keine künstliche Ebenung desselben; überall der naturwüchsige, von keiner Menschenhand berührte Boden.

Diese irrige Theorie, Troja auf die Höhen von Bu - narbaschi zu verlegen, hätte auch niemals aufkommen können, hätten die genannten Vertheidiger derselben die paar Stunden, welche sie auf den Höhen von Bu - narbaschi und in Bunarbaschi selbst zugebracht haben,XLVeinleitung.dazu benutzt, wenn auch nur von einem einzigen Ar - beiter, kleine Löcher graben zu lassen.

Clarke und Barker Webb, Paris 1844, stellen die Theorie auf: Troja hätte auf den Hügeln von Chiblak oder Tschiplak gelegen. Leider aber haben auch sie sich nicht die Mühe gemacht, dort nachzugraben, denn sonst würden sie sich mit gar leichter Mühe überzeugt haben, dass alle Hügel in und um Chiblak, bis zur Ringmauer von Ilium, nur reinen Urboden enthalten.

H. N. Ulrichs (Rheinisches Museum, Neue Folge, III, S. 573 608) stellt die Theorie auf: Troja habe auf den Hügeln von Atzik-kioï, welches ich auf meiner Karte Eski Akschi köi nenne, gelegen. Ich habe aber auch diese Hügel untersucht und gefunden, dass sie aus reinem Urboden bestehen. Ich habe bei dieser Untersuchung einen Spaten gehabt, aber ein Taschenmesser würde hingereicht haben.

Ich begreife gar nicht, wie es nur möglich ist, dass man die Lösung des grossen Räthsels ubi Troia fuit , welche doch die ganze civilisirte Welt aufs höchste in - teressirt, von jeher so leichtfertig hat behandeln können, und sich, nach einem Besuch von ein paar Stunden in der Ebene von Troja, zu Hause hinzusetzen und volumi - nöse Werke zu schreiben, um eine Theorie zu verthei - digen, deren Nichtigkeit man eingesehen hätte, wenn man auch nur eine einzige Stunde hätte nachgraben lassen.

Ich kann zu meiner Freude rühmend Doctor Wilhelm Büchner (Jahresbericht über das Gymnasium Fridericia - num, Schwerin 1871 und 1872), Doctor G. von Eckenbrecher (im Rheinischen Museum, Neue Folge 2. Jahrg., S. 1 fg.) XLVIeinleitung.und C. Mac Laren (Dissertation on the Topography of the Trojan War, Edinburgh, 1822) erwähnen, welche, obwol sie keine Ausgrabungen gemacht haben, doch in ihren ausgezeichneten Abhandlungen durch viele unwi - derlegbare Beweise darthun, dass die Baustelle von Ilium, wo ich seit mehr als drei Jahren gegraben habe, mit allen Angaben der Ilias für die Lage Trojas über - einstimmt, und nur dort und nirgends anderswo die alte Stadt zu suchen sei.

Auch gedenke ich mit dankbarer Rührung des lei - der nun schon seit fünf Jahren seinem unermüdlichen Streben erlegenen grossen deutschen Gelehrten Julius Braun, des Verfechters der Theorie, dass das homerische Troja nur auf der Baustelle von Ilium in den Tiefen des Berges Hissarlik, wo ich seit drei Jahren gegraben habe, zu suchen sei, und dessen ausgezeichnetes Werk: Die Geschichte der Kunst in ihrem Entwickelungsgang , ich allen, welche sich für das Wahre, das Schöne und das Erhabene interessiren, aufs angelegentlichste empfehle.

Ebenso kann ich nicht umhin, dankbar meines ge - ehrten Freundes, des berühmten Sanskritgelehrten und unermüdlichen Forschers Emile Burnouf, des Directors der französischen Schule in Athen zu erwähnen, welcher mir persönlich und durch seine vielen vortrefflichen Werke, und namentlich durch sein im vorigen Jahre erschienenes vorzügliches Werk: La Science des - ligions , mehrere Anleitungen gegeben hat, die mich in den Stand gesetzt haben, viele der trojanischen symbo - lischen Zeichen zu entziffern.

Ich gedenke ferner mit Dankgefühl meines verehr -XLVIIeinleitung.ten Freundes, des gelehrtesten Griechen, den ich je das Vergnügen gehabt habe zu kennen, des Professors Stephanos Koumanoudes in Athen, der mich stets mit seinem gediegenen Rath unterstützte, wenn ich dessen bedurfte.

Ebenso gedenke ich hier mit herzlichem Danke der mir während meiner langen Ausgrabungen von meinem geehrten Freunde, dem griechischen Consul Herrn G. Dokos in den Dardanellen, erwiesenen vielen Gefäl - ligkeiten.

Ich mache ganz besonders darauf aufmerksam, dass sich in der Umgegend von Troja noch bis zum heutigen Tage mehrere Typen der uralten Töpferwaare erhalten haben, welche ich in meinen Ausgrabungen zwischen 3 und 10 Meter Tiefe fand. So z. B. sieht man in den Töpferläden in den Dardanellen eine ungeheuere Menge von Gefässen mit langem aufrecht stehenden Hals und zwei Frauenbrüsten, sowie Massen anderer in Gestalt von Thieren. Trotz ihrer Vergoldungen und andern Verzierungen sind diese Gefässe zwar weder hinsichtlich Qualität noch Eleganz der Form in Vergleich zu brin - gen mit den ilischen Terracottas, ja nicht einmal mit je - nen aus 3 Meter Tiefe, sie geben aber dennoch den merkwürdigen Beweis, dass sich trotz vielfältiger poli - tischer Umwälzungen gewisse Typen von Terracottas über 3000 Jahre lang in einer Gegend fortpflanzen können.

So weit geschrieben, bin ich nach langer, reiflicher Ueberlegung zur festen Ueberzeugung gekommen, dass alle jene hier in 3 bis 10 Meter, und besonders in den trojanischen Schuttschichten in 7 bis 10 Meter TiefeXLVIIIeinleitung.in grosser Zahl vorkommenden Gefässe, welche ganz die Form der Glocke und unten eine Krone haben, so - dass sie nur auf die Mündung hingesetzt werden kön - nen, und die ich bisher als Becher beschrieb, nothwen - digerweise auch, und vielleicht sogar ausschliesslich als Deckel der hier so vielfältig vorkommenden grossen Terracotta-Vasen gebraucht sind, die einen glatten Hals und auf jeder Seite zwei ohrenförmige Verzierungen haben, zwischen denen zwei gewaltige Flügel angebracht sind, welche, da sie eine Höhlung haben, auch scharf auslaufen, nie als Griffe gedient haben können, um so mehr als zwischen den ohrenförmigen Verzierungen auf jeder Seite ein kleiner Henkel ist. Da nun letzterer einem Eulenschnabel ähnlich ist, um so mehr als man ihn zwischen den Ornamenten in Form von Ohren sieht, so hat man ohne Zweifel beabsichtigt, somit auf jeder Seite der Vasen das Bild der Eule mit emporgehobenen Flügeln darzustellen, welchem der herrliche, mit einer Krone versehene Deckel ein erhabenes Ansehen gibt. Ich gebe auf Tafel 217 die Photographie der grössten von dieser Art Vasen, welche vor einigen Tagen im könig - lichen Hause, in bis 9 Meter Tiefe, gefunden wurde, und welcher ich einen neben derselben entdeckten glockenförmigen Deckel mit Krone aufgesetzt habe, der zu ihr gehört zu haben scheint.

Ich mache auch auf den Druckfehler, S. 10, auf - merksam, wo es ɜΚΤΩΡ ІΛІЕΩΝ anstatt ϶ΚΤΟΡ ІΛІЕΩΝ heisst.

Alle photographirten Tafeln des zu diesem Werke gehörenden Atlas sind vom Photographen Panagos Th. Zaphyropoulos in Athen gemacht.

XLIXeinleitung.

Mein mehrerwähnter Freund, der Professor der Chemie, Herr Landerer in Athen, welcher auch die Farbe der trojanischen Alterthümer genau untersucht hat, schreibt mir wie folgt: Was erstens die Gefässe selbst anbelangt, so sind solche theils auf der Thon-Drehscheibe, theils aus freier Hand geformt. Je nach Vorkommen des Thons sind selbe in ihrer Grundfarbe voneinander verschieden; es finden sich solche aus schwarzem, tief - braunem, rothem, gelblichem und aschgrauem Thon ver - fertigt. Alle diese Thonsorten, die die trojanischen Töpfer zu diesen ihren Gefässen verwendeten, bestehen aus eisenoxydhaltigem, silicathaltigem Thon (argile sili - ceuse ferrugineuse), und je nach der stärkern oder schwächern Brennmethode wurde das im Thon enthal - tene Eisenoxyd mehr oder weniger oxydirt, und mithin ist die schwarze, braune, rothe, gelbe und graue Farbe durch die Oxydation des Eisens zu erklären. Die schöne schwarze Glasur der auf dem Urboden in 14 Meter Tiefe gefundenen Gefässe enthält kein Bleioxyd und besteht aus Kohlenschwarz, das mit dem Thon zu - sammenschmolz und in dessen Poren eindrang. Dies lässt sich erklären durch das Einstellen der Thongefässe in schlecht ziehende Brennöfen, in denen harzreiches Holz gebrannt wurde und einen starken Rauch gab, der sich in Form des feinsten Pulvers auf die Gefässe nie - derschlug und mit einbrannte. Möglich ist es übrigens, jedoch keineswegs wahrscheinlich, dass man sich eines schwarzen Peches oder Asphaltes, der in Terpentinöl aufgelöst wurde, oder des flüssigen Peches bediente und damit die Gefässe übertünchte. Durch das Brennen derselben wurde ebenfalls Kohlenschwarz gebildet, dasSchliemann, Troja. dLeinleitung.in spätern Zeiten Atramentum indelebile des Apelles ge - nannt wurde. Auf diese Weise gab man den helleni - schen Terracottas ihre Farbe und Glasur.

Die weisse Farbe, womit die auf den trojanischen Terracottas mittels eines spitzen Gegenstandes einge - grabenen Verzierungen ausgefüllt sind, ist nichts weiter als reine weisse Thonerde. Ebenso ist die Malerei auf der Topfscherbe No. 722 auf Tafel 27 mit weissem und mit schwarzem kohlenhaltigen Thon gemacht. Die glänzend rothe Farbe der grossen δέπα ἀμφικύπελλα ist keine eigenthümliche Farbe, sondern blosses Eisen - oxyd, welches ein Bestandtheil des Thons ist, aus dem die Becher gefertigt wurden. Bei manchem der glän - zend gelben trojanischen Gefässe finde ich, dass sie aus grauem Thon gefertigt und mit einer gelben Thonmasse, die eisenoxydhaltig ist, überstrichen, darauf mit einem jener in Troja vielfältig vorkommenden geschliffenen Stücke Diorit geglättet und dann gebrannt worden sind.

Die in meinem zweiten Aufsatze besprochenen, vor der Baustelle von Ἰλιέων κώμη gelegenen grossen Sümpfe sind jetzt längst ausgetrocknet und haben dem Land - gute Thymbria (früher Batak) 240 Acres reichen Landes gegeben. Wie zu erwarten war, hat sich in denselben keine Quelle heissen Wassers und nur drei Quellen kalten Wassers gefunden.

Auf Tafel 161 unter No. 3092 findet man eine trojanische Vase mit einer herumlaufenden Reihe von Zeichen, die ich für symbolisch hielt und daher nicht noch besonders zur Reproduction durch Photo - graphie abzeichnen liess. Da jedoch mein gelehrter Freund Herr Emile Burnouf der Meinung ist, dass es[LI]

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LIIeinleitung.eine wirkliche Inschrift mit chinesischen Schriftzeichen ist, so gebe ich sie hier nach seiner Zeichnung wie auf vorhergehender Seite.

Herr Burnouf erklärt sie wie folgt:

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puisse

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(la) terre

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faire germer

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dix

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labours

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dix

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[figure]
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dix dix dix mille

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pièces d’étoffes

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Er fügt hinzu: Les caractères du petit vase ne sont ni grecs, ni sanscrits, ni phéniciens, ni, ni, ni ils sont parfaitement lisibles en chinois!!! Ce vase peut être venu en Troade de l’Asie septentrional, dont tout le Nord était touranien.

Sollte es sich bestätigen, dass dies chinesische Schrift ist, dann wird man auf den Tafeln des Atlasses dieses Werkes noch manche Inschriften finden, denn ähnliche Zeichen wie die vorstehenden kommen na - mentlich auf den durchbohrten Terracottas in Form des Vulkans und des Carrousels öfter vor.

Da ich von den türkischen Zeitungen auf eine so schmähliche Weise angegriffen werde, dass ich wider den Wortlaut des mir gegebenen Fermans gehandelt und anstatt den Schatz mit der türkischen Regierung zu theilen, ihn für mich behalten habe, so sehe ich mich genöthigt, hier in kurzen Worten auseinanderzusetzen,LIIIeinleitung.wie ich das vollste Recht dazu habe. Nur um Safvet Pascha, den frühern Minister für Volksaufklärung, zu schonen, gab ich in meinem ersten Aufsatz an, er habe es auf meine Bitten, im Interesse der Wissenschaft, durchgesetzt, dass der den beiden Türken in Kum-kalé gehörige Theil von Hissarlik von der Regierung ange - kauft wurde. Der Wahrheit gemäss verhält sich aber die Sache wie folgt. Seit meinen Ausgrabungen hier im Anfang April 1870. war ich unablässig bemüht, dies Feld zu kaufen, und gelang es mir endlich, nachdem ich dreimal eigens dazu nach Koum-kalé gereist war, die beiden Eigenthümer auf 1000 Frs. herabzustimmen. Ich ging alsdann im December 1870 zu Safvet Pascha nach Konstantinopel, sagte ihm, dass es mir nach achtmonat - lichen[vergeblichen] Bemühungen endlich gelungen wäre, die Hauptstelle von Troja zu 1000 Frs. zu behan - deln, und ich den Ankauf abschliessen würde, sobald er mir die Erlaubniss ertheilen würde, das Feld auszugraben. Er wusste nichts von Troja oder Homer; ich setzte es ihm aber in der Kürze auseinander und sagte, dass ich dort Alterthümer von unermesslichem Werth für die Wissenschaft zu finden hoffte. Er meinte aber, ich würde dort viel Gold finden, liess sich daher alle Détails von mir geben und ersuchte mich, nach acht Tagen wie - derzukommen. Als ich aber wiederkam, hörte ich zu meinem Schrecken von ihm, dass er bereits die beiden Eigenthümer gezwungen habe, ihm das Feld zu 600 Frs. zu verkaufen, dass ich daher graben könne, aber alles, was ich fände, an ihn abgeben müsse. Ich setzte ihm daher in den derbsten Worten das Gehässige und Er - bärmliche seiner Handlungsweise auseinander und er -LIVeinleitung.klärte, dass ich infolge dessen nichts mit ihm zu thun haben und gar nicht graben wolle.

Er liess mir aber darauf durch den damaligen ameri - kanischen Gesandten Herrn Wyne Mac Veagh wiederholt anbieten, die Excavationen zu machen und ihm nur die Hälfte der gefundenen Sachen zu geben, und ging ich, auf Zureden des letztern, darauf ein, aber nur unter der Bedingung, dass ich das Recht habe, meine Hälfte von der Türkei auszuführen. Dies mir zuerkannte Recht wurde aber im April 1872 durch ein ministerielles Decret widerrufen, worin gesagt war, dass ich nichts von meiner Hälfte der gefundenen Alterthümer ausführen dürfe, wohl aber das Recht habe, dieselben in der Türkei zu verkaufen. Durch diese neue Verordnung hatte aber die türkische Regierung unser schriftliches Ueberein - kommen im vollsten Sinne des Worts gebrochen und mich jeglicher Verpflichtung entbunden. Ich habe mich infolge dessen auch nicht im geringsten mehr an das ohne meine Schuld aufgehobene Uebereinkommen ge - kehrt, habe alles Werthvolle, was ich fand, für mich behalten und somit für die Wissenschaft gerettet, und wird mir die ganze gebildete Welt Beifall klatschen, dass ich es so gemacht habe. Die gefundenen troja - nischen Alterthümer, und namentlich der Schatz, über - steigen bei weitem meine sanguinsten Erwartungen und geben mir volle[Entschädigung] für den mir von Safvet Pascha gespielten erbärmlichen Streich, sowie für die fortwährende unangenehme Gegenwart eines tür - kischen Wächters bei meinen Ausgrabungen, dem ich gezwungen war, täglich Frs. zu zahlen.

Durchaus nicht, weil ich es als meine Pflicht ansah,LVeinleitung.sondern lediglich um mein freundliches Entgegenkommen zu zeigen, habe ich dem Museum in Konstantinopel sieben grosse, bis 2 Meter hohe trojanische Vasen und vier Säcke mit steinernen Werkzeugen geschickt, und bin somit der einzige Wohlthäter geworden, den dies Museum je gehabt hat; denn zwar werden sämmt - liche Fermane mit der ausdrücklichen Bedingung er - theilt, die Hälfte der zu findenden Alterthümer ans Mu - seum zu geben, aber noch niemals hat letzteres von ir - gendjemand irgendetwas davon erhalten; denn da es nichts weniger als öffentlich ist und selbst gar oft dem Director desselben von der Schildwache der Eintritt verweigert wird, so weiss jeder, dass die dahin geschick - ten Alterthümer auf ewig für die Wissenschaft verloren gehen.

Ich mache ganz besonders darauf aufmerksam, dass infolge der Reduction der Pläne auf Tafel 213, 214, 215 und 216 durch Photographie der auf denselben verzeich - nete Massstab bedeutend verringert wird, und dass der - selbe jetzt für den Plan von Ilium, Tafel 213, auf $$\frac{2787}{10000}$$ Millimeter per Meter; für den Plan meiner Ausgrabun - gen Tafel 214 auf $$\frac{8}{10}$$ Millimeter per Meter; für den Plan des alten Troja Tafel 215 auf $$\frac{9}{10}$$ Millimeter per Meter; und für den Plan des Skaeischen Thors und des grossen Thurms Tafel 216 auf 3 $$\frac{4}{10}$$ Millimeter per Meter zu be - rechnen ist.

Der grosse Indologe Max Müller in Oxford schreibt mir soeben hinsichtlich der eulenköpfigen trojanischen Schutzgöttin: Under all circumstances, the owl headedLVIeinleitung.idol cannot be made to explain the idea of the goddess. The ideal conception and the naming of the goddess came first, and in that name, the owl’s head, whatever it may mean, is figurative or ideal. In the idol the figu - rative intention is forgotten, just as the sun is represented with a golden hand, whereas the ideal conception of « golden handed » was « spreading his golden rays ». An owl-headed deity was most likely intended for a deity of the morning or the Dämmerung, the owl light; to change it into a human figure with an owl’s head was the work of a later and more materializing age.

Ich bin vollkommen hiermit einverstanden. Es geht aber daraus hervor, dass die Trojaner, oder wenigstens die ersten Ansiedler dieses Berges, griechisch sprachen, denn wenn sie aus dem idealen Begriff, den sie von ihrer Schutzgöttin hatten, deren Beinamen γλαυκῶπις nahmen und in späterer Zeit aus diesem eine Frauenge - stalt mit Eulengesicht machten, so mussten sie nothge - drungen verstehen, dass γλαῦξ Eule und ὠπή Gesicht heisst. Dass aber diese Umwandlung viele Jahrhunderte und wahrscheinlich über 1000 Jahre vor Homer’s Zeit vor sich gegangen ist, dafür zeugen die selbst in 14 Me - ter Tiefe, in der untersten Trümmerschicht der Vorgän - ger der Trojaner, auf Vasen und sogar in Monogrammen vorkommenden Eulenköpfe.

Noch muss ich darauf aufmerksam machen, dass ich bei Nachsehen meiner trojanischen Sammlung, aus 2 Me - ter Tiefe stammend, 70 sehr hübsche glänzend schwarze oder rothe Terracottas mit oder ohne eingeschnittene Verzierungen finde, welche sowol in Qualität als FormLVIIeinleitung.nicht die geringste Aehnlichkeit weder mit der griechi - schen noch mit der vorhistorischen Töpferwaare haben. Es scheint somit, dass gerade vor Ankunft der griechi - schen Colonie noch ein anderes Volk eine kurze Zeit lang diesen Berg bewohnt hat. Man erkennt diese Töpferwaare in den Photographien an den beiden lan - gen, spitz zulaufenden Henkeln der grossen cannelirten und meist mit drei oder vier kleinen Hörnern versehenen Tassen.

Dr. Heinrich Schliemann.

[LVIII][LIX]

INHALT.

  • Seite
  • EinleitungV
  • I. Auf dem Berge Hissarlik (in der Ebene von Troja), 18. October 18711
  • II. Auf dem Berge Hissarlik, 26. October 18719
  • III. Auf dem Berge Hissarlik, 3. November 187121
  • IV. Auf dem Berge Hissarlik, 18. November 187128
  • V. Auf dem Berge Hissarlik, 24. November 187137
  • VI. Auf dem Berge Hissarlik, 5. April 187245
  • VII. Auf dem Berge Hissarlik, 25. April 187259
  • VIII. Auf dem Berge Hissarlik, 11. Mai 187276
  • IX. Auf dem Berge Hissarlik, 23. Mai 187286
  • X. Auf dem Berge Hissarlik, 18. Juni 187299
  • XI. Auf dem Berge Hissarlik, 13. Juli 1872139
  • XII. Pergamos von Troja, 4. August 1872157
  • XIII. Pergamos von Troja, 14. August 1872171
  • XIV. Athen, 28. September 1872179
  • XV. Pergamos von Troja, 22. Februar 1873184
  • XVI. Pergamos von Troja, 1. März 1873194
  • XVII. Pergamos von Troja 15. März 1873211
  • XVIII. Pergamos von Troja, 22. März 1873224
  • XIX. Pergamos von Troja, 29. März 1873231
  • XX. Pergamos von Troja, 5. April 1873243
  • XXI. Pergamos von Troja, 16. April 1873253
  • XXII. Pergamos von Troja, 10. Mai 1873268
  • XXIII. Troja, 17. Juni 1873288
[LX][1]

I.

In meinem 1869 publicirten Werke Ithaque, le Pélo - ponnèse et Troie 1Deutsche Uebersetzung: Ithaka, der Peloponnes und Troja. Archäo - logische Forschungen . (Leipzig, Giesecke u. Devrient 1869.) habe ich mich bemüht, sowohl durch das Resultat meiner eigenen Ausgrabungen, als durch die Angaben der Ilias zu beweisen, dass das ho - merische Troja unmöglicherweise auf den Höhen von Bunarbaschi gelegen haben kann, wohin es die meisten Archäologen verlegen. Gleichzeitig habe ich dahin ge - strebt darzuthun, dass Troja’s Baustelle nothwendiger - weise identisch sein muss mit der Baustelle der Stadt, die im ganzen Alterthum, und bis zu ihrem gänzlichen Untergang am Ende des 8. oder im Anfange des 9. Jahr - hundert n. Chr., Ilium hiess und erst 1000 Jahre nach ihrem Verschwinden sage im Jahr 1788 n. Chr. Ilium Novum getauft wurde durch Lechevalier, welcher, wie es sein Werk Voyage de la Troade (3e éd. Paris 1802) beweist, nie sein Ilium Novum besucht haben kann, denn er versetzt es auf seiner Karte auf jene Seite des Skamanders neben Kum-Kalé, und somit 6 Kilometer von dem richtigen Orte.

Schliemann, Troja. 12die baustelte iliums.

Die Baustelle Iliums ist auf einem durchschnittlich 24 Meter oder 80 Fuss über der Ebene erhabenen Plateau, welches nach Norden sehr steil abfällt. Seine Nordwestecke wird durch einen noch um 8 Meter höheren Hügel gebildet, welcher nach den beifolgen - den Plänen 215 Meter breit und 300 Meter lang ist, und sich durch seine imposante Lage und natürliche Befestigungen ganz besonders zur Akropolis der Stadt zu eignen scheint; auch habe ich seit meinem ersten Besuch nie daran gezweifelt, in den Tiefen dieses Berges die Pergamos des Priamos zu finden. In einer Ausgrabung, die ich an der Nordwestecke desselben im April 1870 machte, fand ich, unter anderm, in 5 Meter Tiefe Mauern von 2 Meter Dicke, die, wie sich jetzt herausgestellt hat, zu einem Bollwerk aus der Zeit des Lysimachus gehören. Ich konnte jene Aus - grabungen leider damals nicht fortsetzen, weil die Eigen - thümer des bezüglichen Feldes, zwei Türken in Kum - Kalé, welche auf demselben ihre Schafhürden hatten, mir die Erlaubniss, weiter zu graben, nur unter der Be - dingung geben wollten, dass ich ihnen sogleich eine Entschädigung von 12000 Piastern zahle und mich ausser - dem gerichtlich verpflichte, nach Beendigung meiner Ausgrabungen alles sorgfältig wieder zu verschütten. Da mir dies natürlich nicht passend erschien und die beiden Besitzer mir das Feld zu keinem Preise verkaufen wollten, so wandte ich mich an Se. Exc. Safvet-Pascha, den Minister für Volksaufklärung, der es auf meine Bitten im Interesse der Wissenschaft durchsetzte, dass vom Ministerium des Innern dem Statthalter der Hohen Pforte im Archipelagus und in den Dardanellen, Achmed -3die erlangung des fermans.Pascha, der Befehl ertheilt wurde, das Feld durch Sach - kundige abschätzen zu lassen und die Eigenthümer zu zwingen, dasselbe zum Taxpreis an die Regierung zu verkaufen, die es somit für 3000 Piaster erstand.

Behufs Erlangung des zur Fortsetzung meiner Aus - grabungen nöthigen Fermans stiess ich aber auf neue grosse Schwierigkeiten, indem die türkische Regierung für ihr neuerdings in Konstantinopel errichtetes Museum alte Kunstschätze sammeln lässt, infolge dessen kaiser - liche Erlaubnisse für Ausgrabungen nicht mehr ertheilt werden. Was ich aber trotz dreimaliger Reisen nach Konstantinopel nicht erreichen konnte, erreichte ich endlich auf Verwendung meines geehrten Freundes, des interimistischen Geschäftsträgers der Vereinigten Staaten von Amerika bei der Hohen Pforte, Herrn John P. Brown, des Verfassers des ausgezeichneten Werkes Ancient and Modern Constantinople (London, Stevens Brothers, Henrietta Street, Covent Garden, 1868), und am 27. v. M. kam ich mit meinem Ferman in den Dar - danellen an, stiess aber dort wiederum auf Schwierig - keiten, und diesmal von seiten des vorerwähnten Ach - med-Pascha, der die Lage des von mir zu erforschenden Feldes nicht genau genug in jenem Document bezeichnet zu finden glaubte, und nicht eher seine Erlaubniss zu den Ausgrabungen ertheilen wollte, als bis er vom Grossvezier nähere Aufklärung erhalten haben würde. Wegen des inzwischen eingetretenen Ministerwechsels würde wahrscheinlich eine lange Zeit darüber hinge - gangen sein, ehe diese Sache in Ordnung gekommen wäre, hätte Herr Brown nicht die glückliche Idee ge - habt, sich an Se. Exc. Kiamil-Pascha, den neuen Mi -1*4der anfang der grossen excavationen.nister für Volksaufklärung, zu wenden, welcher ein leb - haftes Interesse für die Wissenschaft hegt, und auf dessen Verwendung beim Grossvezier an Achmed-Pascha so - gleich der verlangte Aufschluss gegeben wurde. Darüber waren aber wieder 13 Tage vergangen, und erst am 10. October abends konnte ich mit meiner Frau von den Dardanellen nach der acht Stunden davon entfernten Ebene von Troja abreisen. Da ich laut des Fermans von einem türkischen Beamten überwacht werden muss, dessen Gehalt ich während der Zeit meiner Ausgra - bungen zu entrichten habe, so wurde mir von Achmed - Pascha der zweite Secretär seiner Justizkanzlei, ein Ar - menier Namens Georgios Sarkis, mitgegeben, dem ich täglich 23 Piaster bezahle.

Ich fing endlich am Mittwoch, 11. d. M., meine Aus - grabungen mit 8 Arbeitern wieder an, konnte aber deren Zahl schon am folgenden Tage auf 35 und am 13. d. M. auf 74 Mann erhöhen, deren jeder täglich 9 Piaster (1 Frc. 80 Cent.) erhält. Da ich leider nur acht Schieb - karren von Frankreich mitgebracht habe und dieselben hier nicht zu haben sind, in der ganzen Umgegend auch nicht gemacht werden können, so muss ich zur Fort - schaffung des Schuttes 52 Körbe zu Hülfe nehmen. Diese Arbeit geht aber, da der Schutt eine weite Strecke geschleppt werden muss, nur langsam vor sich und ist sehr ermüdend. Ich wende daher auch vier Karren an, die von Ochsen gezogen werden und deren jeder täglich 20 Piaster kostet. Ich arbeite mit grosser Energie und scheue keine Kosten, um womöglich noch vor den Winterregen, die jeden Augenblick eintreten können, auf den Urboden zu kommen, und somit endlich das5der berg hissarlik.grosse Räthsel zu lösen, ob, wie ich gerade bestimmt glaube, der Berg Hissarlik die Burg von Troja ist.

Wenn es Thatsache ist, dass Berge, die aus blosser Erde bestehen und beackert werden, allmählich ganz verschwinden, und wenn so z. B. der Wartsberg bei dem Dorfe Ankershagen in Mecklenburg, den ich einst als Kind für den höchsten Berg der Welt hielt, in 40 Jahren ganz zu Grunde gegangen ist, so ist es ebensowohl Thatsache, dass Hügel, auf denen im Laufe von Jahr - tausenden fortwährend neue Gebäude auf den Trümmern der frühern Bauten errichtet werden, sehr bedeutend an Umfang und Höhe gewinnen. Dafür liefert der Berg Hissarlik den schlagendsten Beweis. Wie bereits er - wähnt, liegt derselbe am Nordwestende der Baustelle von Ilium, welche durch die von Lysimachus erbauten, noch auf vielen Stellen sichtbaren Ringmauern genau bezeichnet ist. Ausser der imposanten Lage dieses Berges innerhalb des Stadtbezirks scheint auch sein jetziger türki - scher Name Hissarlik (Festung oder Akropolis, von dem aus dem Arabischen ins Türkische übergegangenen Worte〈…〉〈…〉, von der Wurzel〈…〉〈…〉, einschliessen) zur Genüge zu beweisen, dass dies Ilium’s Pergamos, und dass es daher nach Herodot (VII, 43) hier war, wo (im Jahre 480 v. Chr.) Xerxes der ilischen Minerva 1000 Rinder opferte, dass es hier war, wo Alexander der Grosse seine Waffenrüstung im Tempel der Göttin aufhing, dagegen einige vom Trojanischen Kriege her in dem - selben geweihte Waffen mitnahm und ebenfalls der ilischen Minerva opferte (Strabo XIII, 1, 8; Arrian I, 11; Plutarch, Leben Alexander’s des Grossen , VIII). 6die schwierigkeiten der ausgrabungen.Ich vermuthete, dass dieser Tempel, der Stolz der Ilier, auf dem höchsten Punkte des Berges gestanden haben muss, und entschloss mich daher, diese Stelle bis zum Urboden auszugraben. Um nun gleichzeitig die urältesten Festungsmauern der Pergamos zum Vorschein zu bringen und auch genau bestimmen zu können, um wieviel der Berg seit Errichtung jener Mauern durch den hinunter - geworfenen Schutt an Breite zugenommen hat, legte ich, 20 Meter von meinen vorjährigen Arbeiten entfernt, von der steilen Nordseite genau nach Süden und bis über die höchste Bergfläche hinausgehend, einen unge - heuern Einschnitt an, welcher so breit ist, dass er das ganze Gebäude umfasst, dessen Fundamente von grossen behauenen Steinen, nur 1 bis 3 Fuss unter der Erde, ich schon im vorigen Jahre blossgelegt hatte. Nach genauer Messung beträgt die Länge dieses Gebäudes, welches aus den ersten Jahrhunderten v. Chr. zu stam - men scheint, 17 Meter 90 Centimeter und seine Breite 13 Meter 25 Centimeter. Ich habe natürlich alle diese Fundamente wegräumen lassen, da sie innerhalb meines Einschnitts von keinem Nutzen sind und nur hindern würden.

Die Schwierigkeiten der Ausgrabungen in einer Wildniss wie dieser, wo es an allem gebricht, sind un - geheuer, und dieselben wachsen mit jedem Tage, da wegen des Bergabhangs der Einschnitt um so länger wird, je tiefer ich grabe, und daher die Fortschaffung des Schutts an Schwierigkeit zunimmt; letzterer kann auch nicht vom Abhang geradeaus geworfen werden, denn er wäre dann ja fortwährend von neuem wieder wegzuräumen, und muss daher in einiger Entfernung7die fortschaffung der schuttmassen.rechts und links von der Mündung des Einschnitts auf die schroffe Bergseite geschüttet werden. Auch macht das Herausholen und Fortschaffen der Massen unge - heurer Steinblöcke, die uns fortwährend in den Weg kommen, grosse Mühe und verursacht gar viel Zeitver - lust, da in dem Augenblick, wo ein grosser Steinblock bis an den Rand des Abhangs gewälzt ist, immer alle meine Leute ihre Arbeiten verlassen und hineilen, um Augenzeugen zu sein, wie die gewaltigen Lasten mit donnerndem Getöse den steilen Pfad hinunterrollen und sich erst in einiger Entfernung in der Ebene festlegen. Auch bin ich, da ich allein allem vorstehe, in der abso - luten Unmöglichkeit, jedem meiner Arbeiter die richtige Beschäftigung zu geben und zu überwachen, dass jeder seine Schuldigkeit thut. Dann müssen auch, behufs der Fortschaffung des Schutts, die Seitenausgänge in Ord - nung gehalten werden, was sehr zeitraubend ist, da deren Senkung mit jedem Schritt, den wir tiefer gehen, bedeutend modificirt werden muss.

Ungeachtet aller dieser Hindernisse aber schreitet die Arbeit doch rasch vorwärts, und ich würde, wenn ich nur einen Monat ununterbrochen fortarbeiten könnte, trotz der ungeheuern Breite des Einschnitts, schon be - stimmt eine Tiefe von 10 Meter erreichen.

Die bisjetzt aufgefundenen Medaillen sind sämmtlich von Kupfer und meistentheils von Alexandria-Troas; dann auch von Ilium aus den ersten Jahrhunderten vor und nach Chr.

Meine liebe Frau, eine Athenienserin, die für Homer schwärmt und die Ilias fast ganz auswendig weiss, wohnt den Ausgrabungen von früh bis spät bei. Von8chinin als präservativ.unserer Lebensweise in dieser Einöde, wo es an allem fehlt und wo wir als Präservativ gegen die pestilen - zialen Sumpffieber alle Morgen vier Gran Chinin ein - nehmen müssen, will ich gar nicht sprechen. Meine Arbeiter sind alle Griechen vom benachbarten Dorfe Renkoï; nur am Sonntag, wo die Griechen nicht arbeiten, nehme ich türkische Arbeiter. Mein Diener Nikolaos Zaphyros von Renkoï, dem ich täglich 30 Piaster zahlen muss, ist mir unentbehrlich zur Zahlung des Tage - lohns, da er jeden Arbeiter kennt und ehrlich ist; leider aber leistet er mir bei den Arbeiten keine Hülfe, indem er weder die Gabe des Commandos noch die geringste Sachkenntniss hat.

Begreiflich fehlt es mir hier ganz an Zeit und ist es mir nur möglich gewesen, Vorstehendes zu schreiben, weil es heute stark regnet und daher nicht gearbeitet werden kann. Bei nächstem Regenwetter werde ich über den Fortgang meiner Ausgrabungen weiter be - richten.

9münzen nur bis 1 meter tiefe.

II.

Seit meinem Berichte vom 18. d. habe ich die Aus - grabungen mit durchschnittlich 80 Arbeitern mit aller - grösster Energie fortgesetzt und heute eine mittlere Tiefe von 4 Meter erreicht. In 2 Meter Tiefe fand ich einen mit einem sehr grossen Stein verdeckten und mit Schutt gefüllten Brunnen, dessen Tiefe ich noch nicht habe ermitteln können und der aus römischer Zeit stammt, wie aus dem Cement hervorgeht, mit welchem die Steine zusammengefügt sind. Trümmer von Gebäuden, die aus behauenen, mit oder ohne Cement zusammengefügten Steinen bestehen, finde ich nur bis 2 Meter Tiefe. In den Schuttschichten zwischen 2 und 4 Meter Tiefe finde ich fast gar keine Steine und die grossen Steinblöcke kommen zu meiner Freude gar nicht mehr vor. Me - daillen von Ilium vom 1. und 2. Jahrhundert vor und den beiden ersten Jahrhunderten nach Christo, sowie Münzen von Alexandria-Troas und Sigeion, deren Alter ich nicht anzugeben weiss, fand ich fast nur dicht an der Oberfläche und nur in einzelnen Fällen in einer Tiefe von 1 Meter; bei weitem die meisten ilischen Münzen tragen die Bilder der Minerva, Faustina der ältern, von10merkwürdige stücke terracotta.Marcus Aurelius, von Faustina der jüngern, von Com - modus oder von Crispina, und fand ich eine mit der Aufschrift: ΦΑΥΣΤΙΝΑ ɜΚΤΩΡ ІΛІЕΩΝ. Bis 2 Meter Tiefe fand ich, gleichwie bei meiner vorjährigen Aus - grabung in diesem Berge, eine ungeheure Menge runder, rother, gelber, grauer nnd schwarzer Stücke Terracotta mit zwei Löchern ohne Aufschrift, jedoch oft mit einer Art Töpferstempel versehen. Auf keinem dieser Stücke kann ich in den Löchern oder sonst wo die geringste Spur von Abnutzung durch häuslichen Gebrauch ent - decken, und vermuthe ich daher, dass sie als Exvotos zum Aufhängen in den Tempeln gedient haben. Auf den meisten derjenigen, die einen Stempel haben, sehe ich in letzterm einen Altar und darüber eine Biene oder Fliege mit ausgebreiteten Flügeln; auf andern ist ein Stier, ein Schwan, ein Kind oder zwei Pferde. Merk - würdigerweise verschwinden diese Stücke mit einemmal in einer Tiefe von 2 Meter, und ich finde von da ab - wärts anstatt derselben bald kugelrunde Stücke, ganz in der Form der deutschen Brummkreisel, bald Stücke in Form von Halbkugeln, bald andere in der Gestalt von Kegeln, Carrouselen oder feuerspeienden Bergen; sie sind von 1 ½ bis 6 Centimeter hoch und breit und haben in allen Formen ein Loch quer durch die Mitte; fast alle haben auf einer Seite die verschiedenartigsten Ver - zierungen im Kreise um das im Mittelpunkt befindliche Loch. Mit Ausnahme weniger, in 3 Meter Tiefe vor - kommender Stücke von blauem Stein, die 1 ½ Centi - meter hoch und 2 ½ Centimeter breit sind, sind alle von Terracotta, und man sieht deutlich, dass die Verzie - rungen eingravirt sind, als der Thon noch weich war;11haifischknöchel und muscheln.viele sind von so ausgezeichnetem und so hart ge - branntem schwarzen Thon, dass ich zuerst glaubte, sie seien von Stein und den Irrthum erst nach genauer Untersuchung einsah. In der jetzt erreichten Tiefe finde ich auch sehr viele jener zierlichen runden Knöchel, die das Rückgrat des Haifisches bilden und von denen man bekanntlich Spazierstöcke macht. Das Vorhandensein dieser Knöchel scheint zu beweisen, dass es im hohen Alterthum in diesen Meeren Haifische gab, die jetzt hier nicht mehr vorkommen. Auch fand ich heute, auf einem Bruchstück grober Thonarbeit, einen Menschen - kopf mit grossen hervorstehenden Augen, langer Nase und ganz kleinem Munde dargestellt, der entschieden phönizischer Arbeit zu sein scheint.

Fortwährend kommt dabei eine ungeheure Menge Muscheln zum Vorschein, und es scheint fast, dass die alten Bewohner von Ilium grosse Liebhaber dieser Schal - thiere gewesen sind. Austerschalen kommen auch vor, aber nur selten; dagegen sehr viele Knochen und Topf - scherben. Bis zu der jetzt erreichten Tiefe scheinen alle Gebäude, die im Laufe von Jahrtausenden auf dem Berge gestanden haben und deren jedes deutlich durch eine Schicht calcinirter Trümmer angegeben ist, durch Feuersbrünste zerstört worden zu sein. Jedenfalls ist dies die Ursache, dass ich nicht auch andere Gegen - stände, und besonders dass ich nicht mehr irdene Ge - fässe finde. Was ich bisjetzt davon unversehrt gefunden habe, sind ganz kleine Töpfe grober Arbeit; übrigens beweisen die Topfscherben, dass es selbst im Zeitab - schnitt der Trümmer in 4 Meter Tiefe schon gutes Küchengeschirr gab.

12entdeckte inschriften.

In dem vorerwähnten viereckigen Gebäude fand ich, in 1 ½ Meter Tiefe, eine 65 Centimeter lange, oben 35, unten 39 Centimeter breite Marmorplatte mit nach - stehender Inschrift, die ich im Anhange, auf Tafel 28, in verkleinertem Masstabe, aber in natürlicher Form darstelle:

Ἐπειδὴ Διαφένης Πολλέως Τημνίτης, διατρίβων παρὰ τῷ βασιλεῖ, φίλος ὢν καὶ εὔνους διατελεῖ τῷ δήμῳ, χρείας παρεχόμενος προϑύμως εἰς ἄν τις αὐτὸν παρακαλῇ, δεδό - χϑαι τῇ βουλῇ καὶ τῷ δήμῳ ἐπαινέσαι μὲν αὐτὸν ἐπὶ τούτοις, παρακαλεῖν δὲ καὶ εἰς τὸ λοιπον εἶναι φιλότιμον εἰς τὰ τοῦ δήμου συμφέροντα, δεδόσϑαι δὲ αὐτῷ πολιτείαν, προξενίαν, ἔγκτησιν, ἀτέλειαν ὧγ καὶ οἱ πολῖται ἀτελεῖς εἰσι καὶ ἔφοδον ἐπὶ τὴν βουλὴν πρώτῳ μετὰ τὰ ἱερὰ καἰ ἄφιξιν καὶ ἐμ πολέμῳ καὶ ἐν εἰρήυῃ ἀσυλεί καὶ ἀστονδεί· ἀναγράψαι δὲ τὰ δεδο - μένα αὐτῷ ταῦτα εἰς στήλην καὶ (ἀνα) ϑεῖναι ε (ἰς ....

Der König, von dem in dieser Inschrift die Rede ist, muss einer der Pergamener sein, und nach dem Charakter der Schrift glaube ich dieselbe dem 3. Jahr - hundert v. Chr. zuschreiben zu müssen.

In ungefähr gleicher Tiefe fand ich neben dem Ge - bäude eine zweite Marmorplatte von 42 Centimeter Länge und 34 Centimeter Breite, die ich ebenfalls im Anhange auf Tafel 29 in natürlicher Form wiedergebe; sie lautet:

Ἰλιεῖς ἔδοσαν Μενελάῳ Ἀῤῥαβαίου Ἀϑηναίῳ εὐεργέτῃ γενομένῳ αὐτῶν καὶ περὶ τὴν ἐλευϑερίαν ἀνδρὶ ἀγαϑῷ γενο - μένῳ προξενίαν καὶ εὐεργεσίαν.

Diese zweite Inschrift scheint, nach der Form der Buchstaben zu urtheilen, aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. Ἀῤῥαβαῖος kommt hier zuerst als ein attischer Name vor.

13die prachtvolle aussicht von hissarlik.

Ich fand ferner in gleicher Tiefe, ebenfalls neben den Fundamenten des mehrerwähnten Gebäudes, eine dritte 38 Centimeter lange, 36 Centimeter breite Mar - morplatte, die ich gleichfalls im Anhang auf Tafel 29 in ihrer natürlichen Form vorstelle und deren In - halt ist:

Μηνόφιλος Γλαυρίου εἶπεν· ἐπειδὴ πλείονες τῶν πολιτῶν ἐπελϑόντες ἐπὶ τὴν βουλῄν φασιν Χαιρέαν τὸν τεταγμένον ἐπ̕ Ἀβύδου εὔνουν τε εἶναι τῇ πόλει καὶ ἐνίοις πρεσβευομένοις ὑπὸ τοῦ δήμου πρὸς αὐτὸν βουλόμενον τῇ πόλει χαρίξεσϑαι τὴν πᾶσαν σπουδὴν καὶ πρόνοιαν ποεῖσϑαι καὶ τοῖς συναν - τῶσιν αὐτῷ τῶν πολιτῶν φιλανϑρώπως προσφέρεσϑαι, ἵνα οὖν καὶ δῆμος φαίνηται τὴν καϑήκουσαν χάριν ἀποδιδοὺς τοῖς προαιρουμένοις τὴν πό (λιν) ....... δεδόχϑαι

Diese dritte Inschrift scheint ebenfalls aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. zu sein.

Es ist wahrscheinlich, dass das Gebäude, in und bei welchem ich diese drei Inschriften gefunden habe, das Rathhaus von Ilium gewesen ist; keinesfalls scheint es ein Tempel gewesen zu sein.

Die Aussicht vom Berge Hissarlik ist eine überaus prachtvolle: vor mir die herrliche trojanische Ebene, die sich seit dem neulichen Gewitterregen von neuem mit Gras und gelben Butterblumen bedeckt hat, und in einer Stunde Entfernung im Nord-Nord-Westen vom Hellespont begrenzt wird. Die Halbinsel von Gallipoli läuft hier in eine Spitze aus, die mit einem Leuchtthurm versehen ist. Links davon ist die Insel Imbros, über welche man den jetzt mit Schnee bedeckten Ida der Insel Samothraki sieht, und etwas mehr nach Westen bemerkt man auf der macedonischen Halbinsel den mit14die heldengräber der ebene von troja.Klöstern bedeckten berühmten Berg Athos oder Monte - Santo, an dessen nordwestlicher Seite man noch jetzt die Spuren jenes grossen Schiffskanals sieht, den, nach Herodot (VII, 22 23), Xerxes dort graben liess, um die stürmische Umfahrt des Caps Athos zu vermeiden.

Wieder zur trojanischen Ebene zurückkehrend, sieht man am rechten Ende derselben, auf einem Ausläufer des Vorgebirges von Rhöteum, den Grabhügel des Ajax, am Fusse des gegenüberliegenden Vorgebirges von Sigeion den des Patroklos, und auf einem Ausläufer desselben das Denkmal des Achilleus; links von letzterm, auf jenem Vorgebirge selbst, das Dorf Jenischahir. Von dort wird die zwei Stunden breite Ebene gegen Westen durch das im Durchschnitt 40 Meter hohe Ufer des Aegeischen Meeres begrenzt, auf dem man zuerst den Grabhügel des Festus, des vertrauten Freundes von Caracalla, sieht, den dieser Kaiser (nach Herodian, IV) bei seinem Besuch in Ilium vergiften liess, um das von Homer (Ilias, XXIII) beschriebene Leichenbegängniss nachahmen zu können, welches Achilleus seinem Freunde Patroklos weihte. Dann folgt auf derselben Küste ein, Udjek-Tépé genannter, 24 Meter hoher Grabhügel, welcher von den meisten Archäologen als der des Greises Aesyetes angesehen wird, von dem aus Polites, im Ver - trauen auf die Schnelligkeit seiner Füsse (Ilias II, 791 794), spähte, wann das griechische Heer von den Schiffen hervorstürmen würde. Die Entfernung dieses Hügels vom griechischen Lager am Hellespont ist aber volle 3 ½ Stunden, während man auf einen Abstand von einer Viertelstunde keinen Menschen sehen kann. Ferner brauchte Polites in einer Entfernung von 3 ½ Stunden15thymbria.keine schnellen Füsse zu haben, um zu entkommen. Kurz, nach jener Stelle der Ilias kann man unmöglicher - weise jenes Grab mit dem des Aesyetes identificiren, mag man nun das alte Troja auf die Höhen von Bunar - baschi oder nach Ilium, wo ich grabe, verlegen. Zwi - schen den beiden letztgenannten Grabhügeln sieht man über das hohe Ufer des Aegeischen Meeres die Insel Tenedos hervorragen. Gegen Süden erblickt man die trojanische Ebene, die sich noch zwei Stunden weit bis zu den Anhöhen von Bunarbaschi ausdehnt, über welche der mit ewigem Schnee bedeckte Gargarus des Ida - gebirges, von welchem Jupiter den Kämpfen der Tro - janer und Griechen zusah, majestätisch emporragt. Eine halbe Stunde links von Bunarbaschi liegt das meinem geehrten Freunde, dem Herrn Frederik Calvert, gehö - rige, 5000 Acres grosse schöne Landgut Batak, welcher Name jetzt in Thymbria umgewandelt ist. Es verdient aber diesen Namen aus mehr als einem Grunde, denn nicht nur wird es vom Flusse Thymbrios (jetzt Kemer) durch - strömt, sondern es umfasst auch die ganze Baustelle der alten Stadt Thymbria mit ihrem Tempel des Apollo, in dessen Trümmern des Besitzers Bruder, Herr Frank Calvert, der durch seine archäologischen Forschungen bekannt ist, Nachgrabungen gemacht und mehrere werthvolle Inschriften gefunden hat, unter anderm auch ein Inventarverzeichniss des Tempels. Dieses Landgut umfasst ferner auch die dem Anschein nach stellenweise von Ringmauern umgebene Baustelle einer alten Stadt, welche mit Topfscherben bedeckt ist und so sehr mit Strabo’s Angaben hinsichtlich Lage, Abstand u. s. w. übereinstimmt, dass es jedenfalls dessen Ἰλιέων κώμη sein16thymbria.muss, wohin er, der Theorie des Demetrios von Skepsis folgend, das homerische Troja verlegt. Am Fusse des Hügels, der diese Baustelle trägt, ist merkwürdigerweise eine Quelle heissen und eine andere kalten Wassers. Diese Quellen haben, da ihr Abzugsgraben, wahrschein - lich seit Jahrhunderten, durch eine eingestürzte Brücke verstopft war, einen 240 Acres grossen Sumpf gebildet, dessen Ausdünstungen viel zur Verpestung der herr - lichen Ebene beitragen. Der wunderbare Umstand, dass diese Quellen unmittelbar vor der Baustelle von Ἰλιέων κώμη liegen und ihre Lage so ganz mit der der beiden Quellen heissen und kalten Wassers übereinstimmt, die vor dem alten Troja sich befanden und in denen die trojanischen Frauen ihre Wäsche wuschen, gibt Herrn Frederik Calvert die Ueberzeugung, dass Demetrios von Skepsis und Strabo recht haben und dass er die wirk - liche Baustelle des alten Ilium besitzt. Um 240 Acres reichen Landes zu gewinnen und die Gegend zugleich gesünder zu machen, hat Herr Calvert jetzt, namentlich auch im Interesse der Wissenschaft, den Abzugsgraben wieder aufgraben lassen und glaubt, da der Fall bedeutend ist und von dort bis zum Hellespont, auf einem Abstand von drei Stunden Wegs, wenigstens 16 Meter beträgt, bestimmt bis zum nächsten Sommer den ganzen Sumpf auszu - trocknen und die beiden Quellen, die jetzt fünf Fuss unter Wasser sind, ans Licht zu bringen. Vergebens habe ich mich bemüht, Herrn Calvert von seinem Glauben abzubringen, indem ich ihn zu überzeugen suchte, dass nach der Ilias (II, 123 130) Troja wenigstens 50000 Ein - wohner gehabt haben muss, während seine Baustelle kaum gross genug ist für 10000; ferner, dass die17chanaï tépé.Entfernung von Ἰλιέων κώμη bis zum Hellespont ganz im Widerspruch steht mit den Angaben Homer’s, denn die griechischen Truppen drangen ja an einem Tage zweimal fechtend vom Lager bis zur Stadt vor und kehrten zweimal fechtend zurück. Der Abstand der Stadt von den Schiffen kann daher nach meiner Mei - nung höchstens eine Stunde gewesen sein. Herr Calvert antwortet mir darauf, dass die ganze Ebene von Troja Alluvialboden sei und dass zur Zeit des Trojanischen Krieges seine Baustelle dem Hellespont näher gelegen haben müsse. Ich bin aber schon vor drei Jahren, in meinem Werke Ithaque, le Péloponnèse et Troie , be - müht gewesen, zu beweisen, dass die Ebene von Troja entschieden kein Alluvialboden sei.

Eine andere Merkwürdigkeit jenes Landguts ist der dicht beim Tempel des Apollo gelegene Chanaï Tépé , ein 10 Meter hoher, runder Hügel, der an der Basis 66 Meter im Durchmesser hat. Er wurde früher für einen natürlichen Hügel angesehen, bis Herr Frank Calvert im Jahre 1856 einen Einschnitt machte und auf einem 5 Meter hohen platten Felsen einen von einer 2 Meter hohen Mauer umgebenen Kreis fand. Der ganze innere Raum bis zum Rande der Ringmauer war an - gefüllt mit calcinirten Knochen, die von den Chirurgen der englischen Flotte als Menschenknochen erkannt wurden. Im Mittelpunkte fand Herr Calvert das Skelet eines Menschen. Das Ganze war mit 3 Meter Erde bedeckt.

Die trojanische Ebene wird von Südost nach Nord - west durchströmt vom Skamander, der 35 Minuten Wegs vom Hissarlik entfernt ist, und dessen Bett ich durch dieSchliemann, Troja. 218das uralte bett des skamander.an seinen Ufern befindliche, ununterbrochene Reihe von Bäumen von hier aus erkenne. Zwischen dem Skamander und Hissarlik, nur 15 Minuten Wegs von letzterm entfernt, wird die Ebene ferner durchschnitten vom Flusse Kalifatli-Asmak, der aus den Sümpfen von Batak (Thymbria) entspringt, und nur im Spätherbst, Winter und Frühjahr fliessendes Wasser hat, in den heissen Sommermonaten aber, bis Ende October, aus einer un - unterbrochenen Reihe tiefer Pfützen besteht. Dieser Strom hat, selbst bei den lange anhaltenden starken Winterregen, im Verhältniss zu seinem herrlichen, un - geheuer breiten Flussbett nur ein sehr geringfügiges Quantum Wasser, ja nie soviel, um auch nur den zehn - ten Theil seines Bettes in der Breite zu bedecken. Ich glaube daher mit Bestimmtheit, dass sein gewaltiges Bett einst das Bett des Skamander war; ich glaube dies um so mehr, als noch heute der Simoïs sich eine Viertelstunde Weges nördlich vor Ilium, wo ich grabe, in den Kalifatli-Asmak ergiesst. Indem man dies Fluss - bett, welches man bis zum Hellespont, nahe beim Cap von Rhöteum, sieht, mit dem uralten Flussbett des Ska - mander identificirt, beseitigt man die andernfalls ganz unüberwindlichen Schwierigkeiten der Homerischen To - pographie der Ebene von Troja; denn hätte der Ska - mander zur Zeit des Trojanischen Krieges sein jetziges Bett gehabt, so wäre er durch das griechische Lager geflossen und Homer hätte vielfach Gelegenheit gehabt, diesen wichtigen Umstand anzuführen. Da er aber nie eines Flusses im Lager erwähnt, so konnte auch keiner da sein. Ausserdem bleibt der Simoïs jetzt eine halbe Stunde Weges vom Skamander entfernt, während19das uralte bett des skamander.Homer vielfältig den Zusammenfluss dieser beiden Ströme vor Ilium erwähnt, und die meisten Schlachten auf dem Felde zwischen Troja, dem Skamander und dem Simoïs stattfanden. Bei seinem Zusammenfluss mit dem Kalifatli-Asmak, dessen ungeheures Bett jedenfalls einst dem Skamander gehört haben muss, hat der Simoïs ein besonders grosses und tiefes Bett, welches ohne Zweifel noch genau dasselbe ist, welches dieser Strom zur Zeit des Trojanischen Krieges hatte.

Der Kalifatli-Asmak wendet sich zwar jetzt nach seinem Zusammenfluss mit dem Simoïs, beim Dorfe Kumköi, nach Nordwesten und fliesst unweit des jetzigen Bettes des Skamander in drei kleinen Armen ins Meer; er hat aber von diesem Dorfe ab ein ganz enges Bett, welches augenscheinlich neuer Bildung ist. Sein altes Bett dagegen, welches das uralte Bett des Skamander ist und eine ungeheure Breite hat, geht von Kumköi direct nach Norden; es hat jetzt nur das Wasser des kleinen, Intépé-Asmak genannten Flüsschens, über das ich später ausführlich berichte, und mündet, wie gesagt, nahe beim Cap von Rhöteum in den Hellespont.

Der Skamander ist nicht plötzlich, sondern ganz allmählich, wahrscheinlich in Zwischenräumen von vielen Jahrhunderten, in sein jetziges Bett getreten, denn zwischen diesem und seinem uralten Bett sieht man noch drei ungeheure Flussbetten, die ebenfalls in den Hellespont münden, kein Wasser haben und nothwen - digerweise das eine nach dem andern vom Skamander gebildet sein müssen, denn es ist hier kein anderer Strom, der sie hätte bilden können.

Nach Nordnordost übersehe ich eine zweite, über2*20die trümmer von ophrynium.eine halbe Stunde breite und 1 ½ Stunden lange, vom Simoïs durchströmte und Chalil-Owasi genannte Ebene, die bis zum Berge reicht, auf dem man die mächtigen Trümmer der alten Stadt Ophrynium sieht. Die dort gefundenen Münzen lassen keinen Zweifel darüber. Dort, dicht beim Simoïs, war Hektor’s Grab und ein ihm ge - geweihter Hain (Lykophron’s Kassandra, Virgil’s Aeneïs III, 302 305, Strabo XIII, 1).

21die steinernen werkzeuge.

III.

Meine letzten Mittheilungen waren vom 26. v. M., und ich habe seitdem, durchschnittlich mit 80 Arbeitern, eifrig fortgearbeitet. Leider aber gingen mir drei Tage verloren, denn am Sonntag, an dem die Griechen nicht arbeiten, konnte ich keine türkischen Arbeiter bekommen, weil die Türken jetzt ihre Saaten bestellen, und zwei Tage wurde ich durch starkes Regenwetter abgehalten.

Zu meinem allergrössten Erstaunen kam ich Montag, 30. v. M., plötzlich in eine Schicht Schutt, in der ich eine ungeheure Menge Werkzeuge von sehr hartem schwarzen Stein (Diorit), aber ganz primitiver Form, fand. Am folgenden Tage dagegen wurde nicht ein ein - ziges steinernes Instrument gefunden, anstatt dessen ein kleines Stück gedrehten Silberdrahts und viel zerbro - chenes Töpfergeschirr zierlicher Arbeit, unter anderm das Bruchstück eines Bechers mit einem Eulenkopf. Ich dachte daher schon, ich sei wieder in die Trümmer - schicht eines civilisirten Volks gekommen und die stei - nernen Werkzeuge des vorigen Tags rührten von der Invasion eines Barbarenvolks her, dessen Herrschaft nur von kurzer Dauer gewesen. [Ich] hatte mich aber geirrt,22die steinernen werkzeuge.denn am Mittwoch kam die Steinperiode in noch viel vollerm Masse wieder zum Vorschein und dauerte auch gestern den ganzen Tag fort. Heute kann leider, eines starken Gewitterregens wegen, nicht gearbeitet werden.

Vieles mir ganz Unerklärliche finde ich in dieser Steinperiode, und ich halte es daher für nöthig, alles so umständlich als möglich darzustellen, hoffend, dass der eine oder der andere meiner geehrten Collegen im Stande sein wird, über die mir dunkeln Punkte Auf - klärung zu geben.

Erstens erstaune ich, dass ich hier auf der höchsten Stelle des Berges, wo doch nach allem Vermuthen die vornehmsten Gebäude gestanden haben müssen, schon in 4 ½ Meter Tiefe auf die Steinperiode stiess, während ich bei meinem nur 20 Meter davon entfernten vorjäh - rigen tiefern Graben in 5 Meter Tiefe, wie bereits er - wähnt, eine 2 Meter dicke Mauer fand, die durchaus nicht uralt ist, und dort keine Spur von der Stein - periode entdeckte, obgleich ich jene Ausgrabung bis zu einer Tiefe von 8 Meter brachte. Dies ist wol nicht anders zu erklären, als dass der Berg auf jener Stelle, wo die Mauer ist, sehr niedrig gewesen sein muss, und dass diese niedrige Stelle allmählich durch Schutt aufgehäuft worden ist.

Ferner verstehe ich nicht, wie es möglich ist, dass ich in der gegenwärtigen Schicht auf der ganzen Länge meiner Ausgrabung, die jetzt wenigstens 56 Meter be - tragen muss, und bis zur Mündung derselben, das ist bis zum steilen Abhang, steinerne Werkzeuge finde, die doch offenbar beweisen, dass die steile Seite des Berges auf jener Stelle seit der Steinperiode nicht durch von23die steinernen werkzeuge.oben hinuntergeworfenen Schutt zugenommen haben kann.

Dann weiss ich mir auch nicht zu erklären, wie es möglich ist, dass ich Sachen finde, die doch augen - scheinlich im Gebrauche der rohen Menschen der Stein - periode gewesen sein müssen, die aber mit den ihnen zu Gebote stehenden groben steinernen Werkzeugen nie angefertigt werden konnten. Dahin gehören nun vor - nehmlich die in grossen Massen vorkommenden irdenen Gefässe, die zwar ohne alle Verzierungen, auch nicht fein, doch aber ausgezeichnet gearbeitet sind. Keins dieser Gefässe ist auf dem Töpferrade gedreht, und dennoch scheint es mir, dass man sie nicht anfertigen konnte, ohne eine Art von Maschinen zu benutzen, diese waren aber mit den groben steinernen Werkzeugen der Epoche nicht herzustellen.

Dann erstaune ich über die in dieser Steinperiode mehr als je zuvor vorkommenden runden Stücke mit einem Loch in der Mitte, die bald die Form von Brumm - kreiseln oder Carrouselen, bald die von feuerspeienden Bergen haben, und in dieser letztern Gestalt, im klei - nen, die auffallendste Aehnlichkeit besitzen mit den riesenmässigen Grabhügeln dieser Gegend, die deswegen, auch weil in einem derselben (dem Chanaï-Tépé) stei - nerne Werkzeuge gefunden wurden, wahrscheinlich der Steinperiode angehören und somit vielleicht Jahrtausende älter sind als der Trojanische Krieg. In 3 Meter Tiefe kam eins dieser Stücke von sehr feinem Marmor vor, alle übrigen waren von ausgezeichnetem, sehr hart gebranntem Thon; fast alle haben Verzierungen, welche augen - scheinlich eingeritzt, sind, als der Thon noch ungebrannt24die kleinen vulkane und carousele.war, und die in gar vielen Fällen mit einer weissen Masse ausgefüllt sind, damit sie mehr ins Auge fallen. Wahrscheinlich waren einst die Verzierungen auf allen diesen Stücken mit jener weissen Masse angefüllt, denn auf vielen, auf denen sie jetzt fehlt, sehe ich wenigstens Spuren davon. Auf einigen der Stücke von sehr hartem schwarzen Thon, auf welchen dieselben fehlten, hat man versucht, sie noch zu machen, als der Thon schon gebrannt war, und, durch die Lupe betrachtet, lassen die gemachten Einschnitte keinen Zweifel darüber, dass sie mittels eines Feuersteins mühsam eingeritzt wurden.

Die Frage drängt sich nun auf: Wozu wurden diese Stücke gebraucht? Unmöglich können sie beim Spinnen oder Weben oder gar als Gewichte an Fischernetzen benutzt worden sein, denn dazu sind sie viel zu fein und zierlich gemacht; auch habe ich bisjetzt noch auf keinem eine Spur davon entdecken können, dass es bei irgendeiner Handarbeit gebraucht sein könnte. Wenn ich nun weiter die vollkommene Aehnlichkeit der meisten dieser Stücke mit der Form der Heldengräber erwäge, so muss ich glauben, dass sie, gleichwie jene mit zwei Löchern, die nur bis 2 Meter Tiefe vorkamen, als Exvotos gebraucht wurden.

Dann finde ich zu meinem Erstaunen mehrfach den Priapus; bald ist derselbe ganz der Natur getreu von Stein oder Terracotta gemacht, bald in der Form der oben abgerundeten Säule (ganz wie ich ihn in den Tempeln in Indien sah, aber hier nur 10 Centimeter lang) dargestellt; einmal fand ich ihn auch in einem nur 3 Centimeter langen Säulchen von herrlichem schwarzen, weissgestreiften und schön polirten Marmor, der hier in25gefässe mit eulenköpfen.der ganzen Gegend nicht vorkommt. Ich zweifle daher nicht im geringsten daran, dass dieses trojanische Volk der Steinperiode den Priapus göttlich verehrt und, zu den indogermanischen Völkerstämmen gehörend, diese Religion schon von Baktrien mitgebracht hat, denn in Indien wird der Gott der Erzeugung und der Zerstörung bekanntlich in dieser Form dargestellt und angebetet. Es ist ausserdem wahrscheinlich, dass diese alten Tro - janer die Vorfahren des grossen hellenischen Volks sind; denn ich fand bereits mehrfach auf Bechern und Vasen von Terracotta den Kopf der Eule dargestellt, welche muthmasslich die Ur-Urgrossmutter des athenischen Vogels der Pallas-Athene ist.

Ausser dem erwähnten kleinen Stück Silberdraht und zwei kupfernen Nägeln habe ich bisjetzt in den Schichten der Steinperiode keine Spur von Metall ge - funden.

Gleichwie in den obern Schichten finde ich auch in jenen der Steinperiode viele Eberzähne, die ohne Aus - nahme in letzterer alle zugespitzt sind und als Werk - zeuge gedient haben. Unbegreiflich ist es mir, wie die Männer der Steinperiode mit ihren unvollkommenen Waffen wilde Schweine zu erlegen im Stande waren. Ihre Lanzen sind zwar gleich fast allen andern Waffen und Werkzeugen aus sehr hartem schwarzen oder grünen Stein, aber doch so stumpf, dass eine wahre Riesenkraft dazu gehören muss, um damit einen Eber zu tödten. Hämmer und Aexte kommen in allen Grössen in grossen Massen vor. Ebenso finde ich sehr viele Ge - wichte von Granit, auch viele Handmühlen von Lava, die aus zwei etwa 1 Fuss langen, von einer Seite ovalen,26die gefundenen gegenstände.von der andern flachen Stücken bestehen, zwischen denen das Getreide zermalmt wurde. Manchmal sind diese Mühlsteine auch von Granit. Messer kommen in sehr grossen Massen vor; alle sind von Flintstein, einige in der Form von Messerklingen, andere bei weitem die grössere Zahl sind auf einer oder auf beiden Seiten gleichwie Sägen ausgezackt. Nadeln und Pfriemen von Knochen kommen häufig vor, manchmal auch kleine knöcherne Löffel. Die primitiven, aus ausgehöhlten Baumstämmen bestehenden Kähne, wie ich sie viel in Ceylon sah, finde ich hier oft in Miniatur aus Terracotta gebildet, und vermuthe ich, dass diese kleinen Ge - fässe als Salz - oder Pfefferfässer gedient haben mögen. Ich finde ebenfalls viele, 10 Centimeter lange, Cen - timeter breite Schleifsteine, bald von Thon, bald von grünem oder schwarzem Schiefer; ferner viele runde flache Steine von 5 Centimeter im Durchmesser, die auf einer Seite roth gefärbt sind, auch viele Hun - derte von runden Terracottas gleicher Grösse und Ge - stalt, mit einem Loch in der Mitte, die augenscheinlich aus Topfscherben hergestellt sind und an Spindeln gebraucht sein mögen. Es kommen auch flache stei - nerne Mörser vor.

Ich fand auch in meinen Ausgrabungen eine Haus - wand aus der Steinperiode, welche aus Steinen, die durch Lehm verbunden sind, besteht, gleichwie die Bauten auf den Inseln Therassia und Thera (Santorin), die unter drei zusammen 68 Fuss hohen Schichten vulkanischer Asche entdeckt wurden.

Meine Ansprüche sind höchst bescheiden; plastische Kunstwerke zu finden hoffe ich nicht. Der einzige Zweck27zweck der ausgrabungen.meiner Ausgrabungen war ja von Anfang nur, Troja aufzufinden, über dessen Baustelle von hundert Gelehrten hundert Werke geschrieben worden sind, die aber noch niemals jemand versucht hat durch Ausgrabungen ans Licht zu bringen. Wenn mir nun dies nicht gelingen sollte, dann würde ich doch überaus zufrieden sein, wenn es mir nur gelänge, durch meine Arbeiten bis in das tiefste Dunkel der vorhistorischen Zeit vorzudringen und die Wissenschaft zu bereichern durch die Auf - deckung einiger interessanten Seiten aus der urältesten Geschichte des grossen hellenischen Volks. Die Auffin - dung der Steinperiode, anstatt mich zu entmuthigen, hat mich daher nur noch begieriger gemacht, bis zu der Stelle vorzudringen, die von den ersten hierher gekom - menen Menschen betreten worden ist, und ich will bis dahin gelangen, sollte ich selbst noch 50 Fuss zu graben haben.

28kupferne waffen und werkzeuge.

IV.

Seit meinem Bericht vom 3. d. M. habe ich meine Ausgrabungen mit grösstem Eifer fortgesetzt, und ob - wol dieselben bald durch Regen, bald durch griechische Festtage unterbrochen wurden, habe ich, ungeachtet der fortwährend wachsenden Schwierigkeiten im Fortschaffen des Schuttes, jetzt eine durchschnittliche Tiefe von 10 Meter oder etwa 33 englische Fuss erreicht. Vieles mir Unerklärliche ist mir seitdem klar geworden, und ich muss vor allen Dingen den in meinem letzten Be - richt begangenen Irrthum berichtigen, als sei ich in die Steinperiode gekommen. Ich war irregeleitet durch die kolossale Masse von steinernen Werkzeugen aller Art, die täglich ausgegraben wurden, und durch die Ab - wesenheit jeder Spur von Metall, ausser zwei kupfernen Nägeln, von denen ich glaubte, dass sie auf irgend - eine Weise von einer obern in die tiefere Schicht der Steinperiode gekommen sein müssten. Aber schon seit dem 6. d. M. kommen nicht nur viele Nägel, sondern auch Messer, Lanzen und Streitäxte von Kupfer zum Vorschein, die so zierlich gearbeitet sind, dass nur ein civilisirtes Volk sie hat machen können. Ich muss daher29höhere civilisation in der tiefe.nicht nur widerrufen, dass ich schon auf die Steinperiode gerathen sei, sondern ich kann nicht einmal zugeben, dass ich die Bronzeperiode erreicht habe, denn die Werkzeuge und Waffen, die ich finde, sind zu schön gearbeitet. Uebrigens muss ich auf die Thatsache auf - merksam machen, dass ich, je tiefer ich von 7 Meter abwärts grabe, desto mehr Spuren höherer Civilisation finde. In einer Tiefe von 4 bis 7 Meter waren die stei - nernen Werkzeuge und Waffen grober Art; die Messer von Flintstein, meistentheils in der Form von kleinen Sägen und selten in der von Klingen; es kam aber eine sehr grosse Masse scharfer Stücke Silex vor, die ebenfalls als Messer gedient haben müssen. Seitdem aber sind die steinernen Werkzeuge, als Hämmer und Beile, viel besser gearbeitet; es kommt noch eine Menge von Silexmessern in der Form von Sägen vor, aber dieselben sind viel besser gemacht als die der höhern Schichten; es kommen unterhalb 7 Meter Tiefe auch bisweilen zweischneidige Messerklingen von vulkanischem Glase vor, die so scharf sind, dass man sich damit rasiren könnte. Es finden sich ausserdem in diesen Tiefen, wie gesagt, wieder Waffen und Massen von Nägeln, Mes - sern und Werkzeugen von Kupfer. Was aber mehr noch als alles andere zu beweisen scheint, dass ich nie die Steinperiode erreichte und bei tieferm Graben aus den 4 bis 7 Meter tief liegenden Schuttschichten roher Völker wieder in die civilisirterer Nationen überging, bei denen sogar die Buchstabenschrift im Gebrauch war, das sind zwei Inschriften, wovon die eine in Meter Tiefe gefundene phönizisch zu sein scheint, aber nur aus etwa fünf Buchstaben besteht, die mit einem spitzen30zweck der merkwürdigen terracottas.Instrument auf einem von einer Seite weissgefärbten Scheibchen von Terracotta eingeritzt sind, welches blos 6 Centimeter im Durchmesser hat. Jedenfalls sind die Buchstaben in der weissen Farbe sehr deutlich hervor - getreten, diese ist aber dem grössten Theil nach ver - schwunden und somit sind zwei der fünf Schriftzüge nicht klar zu sehen. Ich hoffe aber, dass die Inschrift dennoch zu entziffern sein wird.

Die andere Inschrift fand ich in Meter Tiefe auf einem jener kleinen runden Stücke von Terracotta mit einem Loch durch die Mitte, die von 2 Meter Tiefe abwärts in der Form des Brummkreisels, des Carrousels und des Vulkans in ungeheuern Massen vorkommen. Ich sprach bereits die Meinung aus, sie möchten als Exvotos gebraucht worden sein, und möchte jetzt die Frage aufstellen: ob sie nicht vielleicht gar Götzenbilder waren, und namentlich, ob jene in der Form des Vul - kans nicht den Hephaistos vorstellen? Diesen Gedanken gibt mir vornehmlich die grosse Aehnlichkeit dieser Stücke mit den kolossalen Grabhügeln der trojanischen Ebene, welche die Asche der durch Hephaistos ver - brannten Leichname der Helden bedecken. Jedenfalls lassen die beinahe an allen diesen Stücken angebrachten Verzierungen, auf die man namentlich bei jenen von ungeheuer hart gebrannter Terracotta grosse Mühe ver - wendet zu haben scheint, sowie die weisse Masse, womit diese Verzierungen ausgefüllt wurden, damit sie mehr ins Auge fallen sollten, keinen Zweifel darüber, dass sie zu wichtigen Zwecken gedient haben. Auf einem dieser kleinen Stücke von Terracotta, in der Form des Carrousels, fand ich die vorerwähnte zweite Inschrift,31die sonderbaren schriftzüge.welche im Anhange, Taf. 2, No. 61, genau abgebildet ist; sie ist so herrlich eingravirt, dass man erstaunt, wie solches in Terracotta möglich war. Da die Schrift ganz um das kleine Carrousel herumgeht und dieses auf der einen Seite so geformt ist wie auf der andern so ist es mir, bei meiner vollkommenen Unkenntniss der Sprache, unmöglich zu wissen, weder mit welchem Buch - staben sie anfängt, noch welcher der obere oder der untere Theil derselben ist. Auf einem gewöhnlichen Stein fand ich gleichzeitig den Schriftzug:

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. Unend - lich sollte es mich freuen, wenn jemand fähig wäre, diese Inschriften zu lesen, und somit im Stande, Auf - klärung zu geben über den Gebrauch dieser sonder - baren Stücke, über das Volk, welches sie anfertigte, und über die Epoche, in der ich in und Meter Tiefe war.

Wie ich zur Zeit der Abfassung meines letzten Auf - satzes steinerne und nur steinerne Werkzeuge und Waffen herauskommen sah und somit glauben musste, ich sei in die Schuttschichten der Völker der Steinperiode vor - gedrungen, da fürchtete ich wirklich schon, dass der eigentliche Zweck meiner Ausgrabungen, hier die Per - gamos des Priamos zu finden, verfehlt sei, dass ich schon in die Epoche lange vor dem Trojanischen Kriege vor - gedrungen, und dass die riesenmässigen Grabhügel der Ebene von Troja vielleicht Jahrtausende älter seien als die Thaten des Achilleus.

Da ich aber mehr und immer mehr Spuren von Civilisation finde, je tiefer ich grabe, so bin ich jetzt vollkommen überzeugt, dass ich noch nicht bis zum Zeit - alter des Trojanischen Kriegs vorgedrungen bin, und32viele gefässe mit eulenköpfen.ich bin jetzt hoffnungsreicher als je zuvor, bei tieferm Graben hier die Stätte von Troja zu finden; denn wenn es jemals ein Troja gab und mein Glaube daran steht fest so kann es nur hier auf der Baustelle von Ilium gewesen sein. Ich glaube, durch meine Ausgrabungen von 1868 auf den Höhen von Bunarbaschi die Unmög - lichkeit nachgewiesen zu haben, dass dort jemals eine Stadt oder auch nur ein Dorf stand, ausgenommen am äussersten Ende von Balidak, wo Consul Hahn Ausgra - bungen gemacht hat, wo aber wegen des durch die Abgründe beschränkten Raums nur ein Städtchen von höchstens 2000 Einwohnern gestanden haben kann. Auf der Baustelle von Ἰλιέων κώμη, wohin Strabo, der nie selbst die Ebene von Troja besuchte, nach der Theorie des Demetrius von Skepsis das alte Troja verlegt und worüber ich in meinem Bericht vom 26. v. M. sprach, lasse ich vom Dienstag dem 21. d. M. an zehn Arbeiter graben, um einen Theil der Ringmauer blosslegen zu lassen, die durch eine niedrige, weit fortlaufende An - höhe angegeben zu sein scheint. Ich thue dies aber lediglich im Interesse der Wissenschaft und weit von dem Gedanken entfernt, dort Troja zu finden.

Noch muss ich hinsichtlich der runden Stücke Terra - cotta hinzufügen, dass nach 7 Meter Tiefe jene in der Form des Vulkans weniger vorkommen und fast alle in der Gestalt des Carrousels sind. Auch hören mit dieser Tiefe die Idole des Vischnu, in der Form des Priapus, ganz auf. Ich finde aber noch sehr häufig nach 7 Meter Tiefe den Kopf der Eule an den irdenen Gefässen, die, obwol nur einfarbig und ohne alle Verzierungen, bei aller ihrer Einfachheit elegant sind und eleganter und33die merkwürdigen becher.feiner werden, je tiefer ich grabe. Besonders hervorzu - heben habe ich die feuerrothen Becher, die bald in der Form einer Glocke mit einer Art Krone von unten, bald in der von ungeheuern Champagnergläsern mit zwei sehr grossen Henkeln vorkommen, und in beiden Formen nicht auf den untern Theil, wie unsere jetzigen Becher, sondern nur auf den obern Theil gestellt werden konnten, gerade wie man es mit einer Glocke zu thun gezwungen sein würde, wenn man sich der - selben als Trinkgefäss bedienen wollte. Dann verdienen besondere Aufmerksamkeit die kleinen Töpfe mit drei Füsschen, sowie die grossen mit nach hinten gebogenem Halse; ferner die grössern Gefässe mit zwei Henkeln und zwei Griffen in Gestalt von emporgehobenen Armen, und endlich die sehr grossen, oft mehr als 1 Meter hohen und breiten Graburnen, die in solchen Massen vorkom - men, dass sie uns beim Arbeiten hindern, aber bisjetzt immer so zerbrochen waren, dass ich nicht im Stande war, auch nur eine davon zu retten. Es ist unmöglich zerbrochene Urnen wieder zusammenzuleimen, wenn der Thon eine Dicke von 4 und 5 Centimeter hat.

Von 6 Meter Tiefe ab bis zur jetzt erreichten Tiefe von 10 Meter kommen sehr viele 10 bis 12 Centimeter hohe, 8 bis 10 Centimeter breite und 4 Centimeter dicke Stücke Thon vor, die bald an der obern breiten, bald an der schmalen Seite ein durchgehendes Loch haben und als Gewichte gedient zu haben scheinen; von dem - selben Thon kommen auch oft Centimeter lange und Centimeter breite Cylinder vor. Die kolossale Masse steinerner Gewichte und Handmühlen von Lava, die fortwährend zum Vorschein kommt, gibt eine Idee vonSchliemann, Troja. 334die bauart der alten häuser.der Zahl der Haushaltungen, deren Trümmer ich täglich durchgrabe. Grosse Massen dieser Mühlen und anderer steinerner Werkzeuge lege ich den Bewunderern von Homer, welche die Ebene von Troja besuchen, zur Schau in die Nischen der Wände in meinen Ausgra - bungen.

In 8 bis 10 Meter Tiefe habe ich mehrfach Bruch - stücke einer 7 Centimeter breiten, 4⅓ Centimeter dicken Masse gefunden, die hart wie Stein inwendig eine harz - ähnliche Farbe, auswendig eine Art glänzender Glasur hat, und die offenbar künstlich angefertigt und in glü - hendem flüssigen Zustand in eine Form gegossen ist, denn von allen vier Seiten ist sie cannelirt. Ohne Zwei - fel finde ich in der Fortsetzung meiner Ausgrabungen Aufklärung darüber, wie diese Stücke, deren Länge ich noch nicht kenne, weil bisjetzt nur Bruchstücke vor - kamen, angefertigt sind und wozu sie gedient haben.

Die zahlreichen Hauswände, deren Trümmer ich täglich fortschaffe, sind von 4 bis 7 Meter Tiefe sämmt - lich von durch Lehm vereinigten gewöhnlichen, unbe - hauenen Steinen, und von 7 bis 10 Meter Tiefe von ungebrannten und nur in der Sonne getrockneten Zie - geln erbaut; die Fundamente und Thürschwellen dieser Ziegelhäuser bestehen aber aus so grossen Steinen, wie sie mir seit 2 Meter Tiefe nicht mehr vorgekommen sind.

Was endlich die Senkung der Wände meines grossen Einschnitts betrifft, so erlaubte mir die Beschaffenheit der Schuttschichten nur auf drei Stellen, jede von etwa 15 Meter Länge, dieselbe unter einem Winkel von 85 Graden zu machen; auf allen andern Stellen ist sie35die senkung der erdwände.unter einem Winkel von 67½ Graden. Um dies recht zu verstehen: es weichen meine 10 Meter hohen Wände von 85 Graden um nur 56 Centimeter, jene von 67½ Gra - den aber um Meter von der perpendiculären Rich - tung ab.

Es sollte mich sehr freuen, in meinen nächsten Mit - theilungen eine recht interessante Entdeckung berichten zu können.

Am 21. November. Der Platzregen, den wir gestern und vorgestern, auch heute morgen noch hatten, macht die Absendung dieses Berichts erst diesen Abend möglich; denn ich lebe hier in der Wildniss und acht Stunden vom nächsten Postbureau (von den Dar - danellen). Hoffentlich wird der Boden bis morgen früh hinlänglich ausgetrocknet sein, um weiter arbeiten zu können. Ich beabsichtige die Ausgrabungen jedenfalls bis zum Eintritt des Winters fortzusetzen und sie An - fang April wieder zu beginnen.

Die fortwährend warme feuchte Witterung erzeugt viel bösartiges Fieber, und es werden täglich meine Dienste als Arzt in Anspruch genommen. Glücklicher - weise habe ich einen grossen Vorrath von Chinin bei mir, und kann somit allen helfen. Da ich aber gar nichts von Medicin verstehe, so würde ich gewiss grobe Irr - thümer begehen, zum Glück jedoch erinnerte ich mich, dass mich einmal, als ich an einem von Nicaragua stammenden Sumpffieber am Tode lag, der ausgezeich - nete deutsche Arzt Tellkampf in New-York mit einer Dosis von 64 Gran Chinin rettete. Ich gebe daher hier immer ein gleiches Quantum, aber nur in verzweifelten Fällen in einer Dosis, gewöhnlich in vier Dosen3*36meine dienste als arzt.von 16 Gran. Auch werde ich täglich belästigt, nicht nur an Menschen, sondern auch an Kamelen, Eseln und Pferden Wunden auszuheilen, und es ist mir dies bis - jetzt noch in allen Fällen durch Arnicatinctur gelungen. Auch habe ich bisher noch alle Fieberkranken, die sich an mich wandten, geheilt. Bedankt aber hat sich bis heute noch niemand bei mir. In der That scheint die Dankbarkeit nicht zu den Tugenden der jetzigen Tro - janer zu gehören.

37die ruinen von troja.

V.

Seit meinem Bericht vom 18. und 21. d. M. habe ich, trotz des fortwährenden Regenwetters, noch drei Tage gearbeitet; leider aber sehe ich mich jetzt gezwungen, die Ausgrabungen für den Winter einzustellen, um sie erst am 1. April 1872 wieder fortzusetzen. Es ist nicht wahrscheinlich, dass hier der Winter vor Mitte Decem - ber eintritt, und ich hätte, ungeachtet des Regens, gar zu gern bis dahin fortgearbeitet, besonders da ich jetzt ganz bestimmt glaube, schon in den Ruinen von Troja zu sein. Seit vorgestern morgen nämlich finde ich auf der ganzen Ausdehnung meiner Excavationen fast nichts als grosse, theils behauene, theils unbehauene Steine, und es kommen darunter gewaltige Blöcke vor. So z. B. habe ich diesen Morgen mit 65 Arbeitern drei Stunden lang daran gearbeitet, eine einzige Thürschwelle mittels Taue und Rollen fortzuschaffen.

Die beiden grossen Seitenwege bin ich genöthigt gewesen, schon bei 7 Meter Tiefe ganz aufzugeben, und habe seitdem allen Schutt und alle kleinen Steine in Körben und Schiebkarren durch den grossen Ausgangs - kanal bringen und an dessen Ende auf Seitenwegen vom38das sonderbare töpfchen.steilen Bergabhange werfen lassen. Dieser Ausgangs - kanal aber, dessen Wände 67½ Grad Senkung haben, ist bei der jetzigen Tiefe von mehr als 10 Meter für die Fortschaffung solcher ungeheuern Blöcke nicht mehr breit genug und muss vor allen Dingen um wenigstens 4 Meter breiter gemacht werden. Dies ist aber eine riesige Arbeit, die ich bei dem täglichen Regen nicht mehr vor dem nahen Winter anzufangen wage.

Wegen der vielen grossen Steine wurde vorgestern und gestern von Terracotten nichts gefunden. Heute in der letzten Stunde aber fand ich ein nur Centi - meter hohes Töpfchen mit drei Füssen; der ganze obere Theil ist in der Form eines Globus und in fünf grosse und fünf kleine Felder getheilt, die regelmässig unter - einander abwechseln; alle grossen Felder sind mit ein - geprägten Sternchen angefüllt. Der Mund oder die Oeffnung hat nur 9 Millimeter im Durchmesser. Ich vermuthe, dieses kleine wunderbare trojanische Gefäss hat den Damen als Behälter für wohlriechendes Oel ge - dient, welches bekanntlich beim Bad angewandt wurde. Als Lampe kann es nicht gedient haben, denn Homer, der ja 200 Jahre nach der Zerstörung von Troja lebte, kennt noch keine Lampen. Auch fand ich diesen Morgen zwei kupferne Pfeilspitzen und einen jener kleinen Vul - kane von Terracotta, die seit einigen Tagen seltener geworden waren. Ferner ein Centimeter langes und ebenso breites Bleiplättchen mit dem Schriftzuge

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in der Mitte und einem Loch an einer Ecke, was keinen Zweifel lässt, dass das Plättchen zum Aufhängen ge - dient hat.

Obgleich das Wort γράφειν nur zweimal im Homer39ausgrabungen in ἸΛΙΕΩΝ ΚΩΜΗ.vorkommt und beidemal auch nur einritzen bedeutet, so bin ich dennoch fest überzeugt, dass im alten Troja die Buchstabenschrift bekannt war, und ich hege die bestimmteste Hoffnung, im nächsten Frühjahr durch In - schriften und durch andere Monumente, die keinem Zweifel unterliegen können, zu beweisen, dass ich die Trümmer des lange theoretisch aufgesuchten Troja end - lich praktisch, in 33 Fuss Tiefe, seit vorgestern aufzu - decken angefangen habe. Von allem, was ich finde, werde ich natürlich die getreueste und sorgfältigste Be - schreibung geben.

Meine Ausgrabungen von Ἰλιέων κώμη sind, wie übrigens nicht anders zu erwarten war, entschieden un - günstig für Strabo und Demetrius von Skepsis ausge - fallen, denn die kleine, weit fortlaufende, steile Anhöhe enthält keine Spur von Mauer und besteht aus grobem Sand ohne die geringste Beimischung von Schutt. Auch glaube ich, gegen die Behauptung des Besitzers von Thymbria, meines geehrten Freundes Herrn Frederik Calvert, nicht an die Existenz einer heissen Quelle am Fusse der Anhöhe von Ἰλιέων κώμη, denn mit einem Thermometer in der Hand habe ich jetzt den ganzen Sumpf untersucht und finde nirgends, weder im stehenden noch im fliessenden Wasser, den geringsten Temperatur - unterschied. Kalte Quellen gibt es dort jedenfalls mehr als eine, aber erst nach völliger Austrocknung des Sumpfes, welcher jetzt aus schwimmenden Inseln be - steht, wird es möglich sein, die Zahl derselben anzu - geben.

Wenn ich nun das Ergebniss meiner Ausgrabungen zusammenfasse, so fand ich nur nahe an der Oberfläche40die gefundenen gegenstände.und in seltenen Fällen bis zu einer Tiefe von 1 Meter Medaillen von Kupfer von Sigeion, Alexandria, Troas und Ilium letztere von den ersten Jahrhunderten v. und n. Chr.; ferner kleine lampenähnliche solide runde Stücke Terracotta mit zwei Löchern, die bis 2 Meter Tiefe in grossen Massen vorkommen, jedoch ausser dem Töpferstempel, in welchem man bald einen Altar mit einer Biene oder Fliege darüber, bald ein Kind mit vorgestreckten Händen, bald zwei Pferde, bald einen Stier oder einen Schwan sieht, keine Verzierungen haben. Nach dieser Tiefe hören sie mit einemmal auf. Statt der - selben fand ich in 2 bis 10 Meter Tiefe die vielbeschriebenen kleinen Vulkane, Brummkreisel oder Carrousele, die nur in 3 Meter Tiefe manchmal von blauem Stein, sonst aber immer von Terracotta vorkommen fast alle mit Ver - zierungen; in 2 Meter Tiefe unter der Erde einen römi - schen Brunnen, den ich bis zu einer Tiefe von mehr als 11 Meter ausgrub, der aber bis zur Ebene hinunter - zugehen scheint; in allen Tiefen viele Muscheln, Eber - zähne, Fischgräten; Haifischknochen aber nur in bis 4 Meter unter der Oberfläche. Die Trümmer der von behauenen, mit Cement oder Kalk verbundenen Steinen gebauten Häuser reichen selten tiefer als 1 Meter, und die Reste von Gebäuden, welche von grossen behauenen, ohne Verbindungsmittel zusammengelegten Steinen er - richtet waren, nie tiefer als 2 Meter; hierüber können sich die Besucher der Ebene von Troja in den Wänden meiner Einschnitte durch eigene Anschauung vergewis - sern. Von 2 bis 4 Meter Tiefe kommen wenig oder gar keine Steine vor, und scheinen die calcinirten Trümmer der zahllosen Schuttschichten zu beweisen, dass alle im41die gefundenen gegenstände.Laufe von Jahrhunderten dort vorhandenen Gebäude von Holz waren und durch Feuer zerstört worden sind; in - folge dessen fand ich bisjetzt in diesen Tiefen von guter Töpferwaare nur Bruchstücke, und kamen unversehrt nur kleine Töpfe gröbster Art heraus.

In 4 Meter Tiefe eine Topfscherbe mit einem Brust - bilde phönizischer Arbeit. Gleich darauf also in 4 bis Meter Tiefe eine ungeheure Masse steinerner Werkzeuge und Waffen von hartem schwarzen Stein, die bis 7 Meter Tiefe fortdauert; gleichzeitig mit ihr, aber bis 10 Meter Tiefe, elegante einfarbige Topfarbeit ohne jegliche Verzierung ausser dem Gesicht der Eule; kleine Töpfe und grössere Vasen mit drei Füsschen; ferner, aber nur bis 7 Meter Tiefe, der Priapus in na - türlicher Form von Terracotta und in Form der abge - rundeten Säule. Von 4 bis 7 Meter Tiefe sehr viele Messer von Flintstein, die meistens die Form von Sägen haben oder auch nur aus scharfen Stücken be - stehen, und nur selten in der Gestalt von Klingen sind. Bis zur gleichen Tiefe auch Nadeln und Löffelchen von Knochen sowie eine gewaltige Menge von Terracotta - Scheibchen mit einem Loch durch die Mitte. In 4 bis 7 Meter Tiefe nur zwei kupferne Nägel. Wie die zahl - reichen von mir in diesen Tiefen durchschnittenen Haus - wände beweisen, wovon sehr viele in den Erdwänden meiner Ausgrabungen sichtbar sind, waren die Häuser aus kleinen mit Erde verbundenen Steinen gebaut. Von 7 bis 10 Meter Tiefe sehr viele, manchmal bis 13 Centi - meter lange kupferne Nägel, einige elegant gearbeitete Lanzen und Streitäxte. Von 7 Meter Tiefe abwärts mehren sich, mit jedem Fuss Erde, den man tiefer gräbt,42die gefundenen gegenstände.die Spuren viel höherer Civilisation; steinerne Waffen kommen noch hie und da vor, sind aber herrlich ge - arbeitet. Es kommen viele kupferne Messer, aber auch ungeheuer viele Messer von Flintstein vor, welche indess ungleich besser gearbeitet sind als diejenigen der vorher - gehenden Schuttschichten; es kommen auch, obwol nicht häufig, sehr scharfe zweischneidige, 7 Centimeter lange Messerklingen von vulkanischem Glase vor. Töpfe und Vasen werden immer eleganter; auch fanden sich feuer - rothe Becher in der Form einer Glocke mit einer Krone von unten, oder riesigen Champagnergläsern ähnlich, mit zwei grossen Henkeln; sehr viele elegante Gefässe mit oder ohne drei Füsse mit Röhrchen an den Seiten und Löchern in gleicher Richtung im Munde, sodass sie nicht nur hingesetzt, sondern auch an Schnüren getragen werden konnten; auch viele ganz kleine Vasen mit drei Füsschen. Alle Terracottas haben eine glänzendrothe, gelbe, grüne oder schwarze Farbe; nur die ganz grossen Urnen sind farblos. Von 2 bis 10 Meter Tiefe gänzliche Abwesenheit von Malerei. In Meter Tiefe ein Terra - cotta-Scheibchen mit fünf Buchstaben, die ich für phö - nizische halte; in Meter eine jener vielbesprochenen Terracotten in Form eines Carrousels mit sechs Schrift - zügen. In gleicher Tiefe ein dem Anschein nach einer andern Sprache angehöriger Schriftzug auf einem Stein, und endlich in 10 Meter oder 33 englische Fuss Tiefe eine Bleiplatte mit einem Buchstaben.

Was nun die Bauart der Häuser betrifft, denen die Schuttschichten von 7 bis 10 Meter Tiefe angehören, so bestanden, wie man sich beim Anblick der Erdwände in meinen Ausgrabungen überzeugt, nur die Fundamente43die schwierigkeiten der ausgrabungen.und die Thürschwellen aus grossen Steinen, die Haus - wände dagegen aus ungebrannten und nur an der Sonne getrockneten Ziegelsteinen. In 10 Meter Tiefe finde ich wiederum die Bauart aus Steinen, aber in kolossalen Verhältnissen; die meisten Steine sind sehr gross, viele behauen, und es kommen sehr viele gewaltige Blöcke vor. Es scheint mir, dass ich in dieser Tiefe schon meh - rere Wände ans Licht gebracht habe, aber es ist mir leider bisjetzt noch nicht gelungen, zur Einsicht zu kom - men, wie dieselben eigentlich gebaut waren und welche Dicke sie hatten. Die Steine der Wände scheinen mir wie durch ein heftiges Erdbeben von einander getrennt; von einem Verbindungsmittel wie Lehm oder Kalk sehe ich bisjetzt keine Spur zwischen denselben.

Wie furchtbar die Schwierigkeiten der Ausgrabungen bei solchen Steinmassen sind, davon kann sich nur der einen Begriff machen, welcher der Sache mit beigewohnt und mit angesehen hat, wie lange es dauert und wie mühsam es ist besonders bei jetzigem Regenwetter erst um einen der vielen ungeheuern Blöcke herum die kleinern Steine herauszunehmen, darauf den Block zu untergraben, den Bock darunter zu bringen, ihn in die Höhe zu winden und durch den Schlamm des Ausgangs - kanals bis an den steilen Abhang zu wälzen!

Aber die Schwierigkeiten vermehren nur mein Ver - langen, das jetzt nach so vielen Täuschungen end - lich vor mir liegende grosse Ziel zu erreichen und zu beweisen, dass die Ilias auf Thatsachen beruht und dass der grossen griechischen Nation diese Krone ihres Ruhmes nicht genommen werden darf. Keine Mühe will ich sparen, keine Kosten will ich scheuen, dahin zu kommen.

44die zunahme des berges.

Noch muss ich auf die sonderbare Zunahme dieses Berges aufmerksam machen. Die grossen Quadersteine der Fundamente des Hauses auf dem Gipfel des Berges (in welchem ich die Inschrift fand, die aus dem 3. Jahr - hundert v. Chr. zu stammen scheint), welche seiner Zeit an der Oberfläche gewesen sein müssen, waren jetzt auf einigen Stellen nur 34 Centimeter, auf andern 1 Meter unter der Erde. Da aber die kolossalen Ruinen, die ich ganz bestimmt für die des alten Troja halte, in 10 Meter Tiefe liegen, so muss die Schuttaufhäufung auf dieser Stelle in den ersten 1000 Jahren über 30, in den letzten 2000 Jahren dagegen nur 1 bis 3 Fuss be - tragen haben.

Merkwürdigerweise hingegen hat die Dicke des Berges an der Nordseite, wo der steile Abhang ist, auf der Stelle, wo ich grabe, nicht im geringsten zugenom - men; denn nicht nur reichen die Trümmerschichten der unzähligen Haushaltungen immer bis zum äussersten Rande des Abhangs, sondern ich finde auch bis zu diesem Punkte immer dieselben Gegenstände, die ich in der - selben horizontalen Linie bis ans entgegengesetzte Ende meiner Ausgrabungen finde. Interessant ist es daher zu wissen, dass der Abhang des Berges an der Nordseite schon zur Zeit des Trojanischen Krieges genau ebenso steil war, wie er jetzt ist, nämlich dass er schon damals unter einem Winkel von 40 Graden aufstieg.

45die fortsetzung der ausgrabungen.

VI.

Mein letzter Bericht war vom 24. November v. J., und habe ich in Gesellschaft meiner Frau am 1. d. M., 6 Uhr morgens, bei herrlichem Wetter mit 100 grie - chischen Arbeitern aus den benachbarten Dörfern Renkoï, Kalifatli und Jenischahir die Ausgrabungen fortgesetzt. Herr John Latham aus Folkestone, der Director der vom Piräus nach Athen führenden Eisenbahn, welche unter seiner ausgezeichneten Verwaltung den Actionären eine jährliche Dividende von 30 Proc. gibt, hatte die Güte, mir als Unteraufseher seine beiden besten Arbeiter, Theodoros Makrys aus Mitylene und Spiridion Demetrios aus Athen, mitzugeben, deren jedem ich monatlich 150 Frcs zahle, während der Tagelohn der übrigen Ar - beiter nur 9 Piaster oder 1 Frc 80 Cent. ist. Wie früher zahle ich täglich 30 Piaster oder 6 Frcs an Nikolaos Zaphyros aus Renkoï, der mir durch seine Localkennt - nisse von grossem Nutzen ist und mir gleichzeitig als Kassirer, Aufwärter und Koch dient. Ausserdem hatte Herr Piat, der den Bau der Eisenbahn vom Piräus nach Lamia übernommen hat, die Güte, mir seinen Ingenieur Adolphe Laurent auf einen Monat zu überlassen, dem46die art der ausgrabungen. dafür 500 Frcs und die Reisekosten vergüte. Es sind aber ausserdem noch bedeutende Ausgaben zu bestreiten, sodass sich die Gesammtkosten meiner Ausgrabungen täglich auf nicht weniger als 300 Frcs belaufen.

Um nun auf all und jeden Fall die trojanische Frage in diesem Jahre gründlich zu lösen, lasse ich auf der unter einem Winkel von 40 Graden schroff aufstei - genden Nordseite dieses Berges, welcher 32 Meter senk - rechte Höhe hat und sich 40 Meter über dem Meere erhebt, ganz genau in einer senkrechten Tiefe von 14 Meter oder 46½ engl. Fuss eine ungeheure, hori - zontal durch den ganzen Berg laufende Plateforme1S. die Pläne Taf. 116 und Taf. 117. graben, welche eine Breite von 70 Meter oder 233 engl. Fuss hat und meinen im vorigen Jahre gemachten Ein - schnitt mit einschliesst. Herr Laurent berechnet die ab - zugrabende Schuttmasse auf 78545 Kubikmeter; dieselbe wird geringer, wenn ich den Urboden in weniger als 14 Meter Tiefe finden sollte, und sie wird grösser, wenn ich die Plateforme noch tiefer anlegen müsste, um ihn zu finden. Vor allen Dingen muss ich diesen Urboden erreichen, um genaue Forschungen anstellen zu können. Zur Erleichterung der Arbeiten lasse ich, nachdem ich den nördlichen Abhang der wegzuschaffenden Schutt - masse so behauen habe, dass er unten auf Meter senkrecht und darauf unter einem Winkel von 50 Graden ansteigt, fortwährend den Schutt auf solche Weise von der mächtigen Erdwand lösen, dass dies Winkelmass genau beibehalten wird. Auf diese Weise arbeite ich bestimmt dreimal rascher als früher, wo ich wegen der47die vielen schlangen. geringen Breite des Einschnitts gezwungen war, den - selben auf dem Gipfel des Berges sogleich in horizon - taler Richtung in seiner ganzen Länge zu graben. Bei aller Vorsicht bin ich jedoch nicht im Stande, meine Arbeiter noch mich selbst gegen die beim Abhacken der steilen Wand fortwährend herunterrollenden Steine zu schützen, und keiner von uns allen ist ohne mehrere Wunden an den Füssen.

In den ersten drei Tagen der Ausgrabungen kam beim Abgraben des Bergabhangs eine ungeheure Menge giftiger Schlangen zum Vorschein, und unter denselben besonders viele jener kleinen braunen, Ante - lion (Ἀντήλιον) genannten Schlangen, die kaum dicker sind als Regenwürmer, und die ihren Namen davon haben, dass der von ihnen Gebissene nur bis zum Sonnenuntergang lebt. Es scheint mir, als wenn ohne die vielen Tausende von Störchen, welche hier im Früh - ling und Sommer die Schlangen vertilgen, die Ebene von Troja wegen des Uebermasses von diesem Unge - ziefer gar nicht bewohnt werden könnte.

Ich verdanke der Güte meiner geehrten Freunde, der Herren J. Henry Schröder u. Comp. in London, die zum Losbrechen und Herabwälzen des Schutts nöthigen besten englischen Hacken und Schaufeln, auch 60 aus - gezeichnete englische Schiebkarren mit eisernen Rädern zur Fortschaffung desselben.

Augenscheinlich ist behufs Consolidirung der Bauten auf dem Gipfel des Hügels die ganze schroffe Nord - seite desselben mit einer Stützmauer bedeckt gewesen, denn auf mehrern Stellen finde ich die Reste davon. Diese Mauer ist aber nicht uralt, denn sie besteht aus48kreuze der verschiedenartigsten form. grossen mit Kalk und Cement verbundenen, meisten - theils behauenen Steinen von Muschelkalk. Die Mauer - reste sind mit nur sehr wenig Erde bedeckt; aber auf allen andern Stellen ist mehr oder weniger Humus, der am östlichen Ende der Plateforme sogar eine Tiefe von 2 und 3 Meter erreicht. Hinter demselben, sowie hinter den Mauerresten, ist der Schutt hart wie Stein und be - steht aus Haustrümmern, in welchen ich Beile aus Diorit, Schleudern aus Magneteisenstein, viele Messer von Flintstein, unzählige Handmühlsteine von Lava, eine grosse Menge kleiner Götzenbilder aus sehr feinem Marmor mit oder ohne Eulenkopf und Frauengürtel, Gewichte aus Thon in pyramidalischer Gestalt und mit mit einem Loch an der Spitze, oder aus Stein und in der Form von Kugeln, und endlich sehr viele jener in meinen vorjährigen Berichten vielbesprochenen kleinen Terracottas in der Form von Vulkanen und Carrouselen finde. Zwei solcher Stücke mit Kreuzen am untern Ende sind in den Terramares von Castione und Campeggine1Gabriel de Mortillet, Le Signe de la Croix avant le Christianisme gefunden und befinden sich im Museum von Parma. Viele dieser trojanischen Stücke, und besonders der - jenigen in der Form von Vulkanen, haben wie man in den Abbildungen Taf. 1 bis 13 im Anhange sieht Kreuze der verschiedenartigsten Darstellung, und be - sonders viel kommt die Form

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vor; auf sehr vielen sieht man auch das Zeichen , welches oft in ganzen Reihen im Kreise um den Mittelpunkt steht. Ich habe in meinen frühern Berichten gar nicht von diesen Kreuz - zeichen gesprochen, weil mir deren Bedeutung durchaus49kreuzformen; svastika. unbekannt war. Das

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kommt indess unter jenen in meinem Aufsatz vom 18. November v. J. angeführten, auf Taf. 2, No. 61 abgebildeten fünf Schriftzeichen vor.

Nachdem ich diesen Winter in Athen viele ausge - zeichnete Werke berühmter Gelehrten über indische Alterthumskunde gelesen habe, besonders Adalbert Kuhn, Die Herabkunft des Feuers ; Max Müller, Essays ; Emile Burnouf, La Science des Religions und Essai sur le Vêda , sowie mehrere Werke von Eugène Burnouf, sehe ich ein, dass diese Zeichen des Kreuzes auf den trojanischen Terracottas von höchster Wichtigkeit für die Wissenschaft sind, und halte es daher für nothwendig, näher darauf einzugehen, um so mehr, als ich jetzt im Stande bin zu beweisen, dass sowohl das

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als auch das , welches ich in Emile Burnouf’s Sanskrit-Lexikon unter der Benennung sva - stika und mit der Bedeutung: εὖ ἐστι oder als Zeichen guter Wünsche finde, schon Jahrtausende v. Chr. als allerbedeutungsvollste religiöse Symbole bei den Ur - vätern der arischen Stämme in Baktrien, in den Thälern des Oxus geltend waren, zur Zeit, als noch Germanen, Inder, Pelasger, Kelten, Perser, Slawen und Iranier eine einzige Nation ausmachten und eine einzige Sprache redeten. Ich erkenne nämlich auf den ersten Blick das svastika auf einem jener in der Zeitschrift für Eth - nologie, Organ der Berliner Gesellschaft für Anthropo - logie und Urgeschichte , 1871, Heft III, abgebildeten drei Topfböden, die auf der Bischofsinsel von Königs - walde am rechten Ufer der Oder entdeckt sind und zu sehr vielen gelehrten Discussionen Anlass gaben, wäh - rend niemand jenes höchst bedeutungsvolle religiöseSchliemann, Troja. 450kreuzformen; svastika. Symbol unserer Urväter darin erblickte. Ich sehe eine ganze Reihe solcher Svastikas rings um die berühmte Kanzel des heiligen Ambrosius in Mailand; ich sehe es tausendmal in den Katakomben in Rom. 1Emile Burnouf, La Science des Religions .Ich sehe dasselbe in drei Reihen, und somit sechzigmal wieder - holt, auf einer in Shropham in der Grafschaft Norfolk entdeckten und jetzt im British Museum befindlichen2A. W. Franks, Horae ferales , pl. 30, fig. 19. uralten keltischen Begräbnissurne. Ich sehe dasselbe auch auf mehreren korinthischen Vasen meiner eigenen Sammlung, sowie auf zwei im Besitz des Professors Rusopulos in Athen befindlichen uralten attischen Vasen, denen man ein Alter von wenigstens 1000 Jahren v. Chr. gibt. Ich sehe dasselbe ferner auf mehreren alten Münzen von Leukas, sowie zweimal in dem grossen Mosaïk im königlichen Schlossgarten in Athen. Der englische Geistliche, Wm. Brown Keer, welcher mich hier besuchte, versichert, dass er das unzähligemal in den ältesten Hindutempeln und besonders in jenen der Gaïna gesehen hat. Ich sehe im Ramayana, dass die Schiffe des Königs Rama, in welchen er auf seinem Eroberungszuge nach Indien und Ceylon seine Truppen über den Ganges setzte, das an ihren Schnäbeln trugen. Die Sanskritgelehrten geben diesem Helden - gedicht (Ramayana) ein Alter von wenigstens 800 Jahren v. Chr. und verlegen den Feldzug des Rama auf späte - stens 13 - oder 1400 Jahre v. Chr., denn, wie Herr Kiepert in seinem in der National-Zeitung publicirten sehr interessanten Artikel nachweist, sind die im zweiten Buch der Könige überlieferten Namen der unter König51svastika; feuererzeugung. Salomo’s Regierung von phönizischen Schiffen aus Ophir gebrachten Producte, wie z. B. Elfenbein, Pfauen, Affen, Spezereien, kaum veränderte Sanskritwörter, und man kann doch wohl mit Bestimmtheit annehmen, dass es wenigstens drei bis vier Jahrhunderte gewährt hat, in dem so ungeheuer grossen, dicht bevölkerten Indien die Sprache der Eroberer allgemein einzuführen, zumal da die Zahl derselben nicht gar gross gewesen sein kann; denn in den Hymnen des Rigveda, die noch vor dem Eroberungszug in der Heptopotamia geschrieben wurden, wird die arische Bevölkerung immer nur als geringfügig dargestellt.

Emile Burnouf sagt in seinem soeben erschienenen ausgezeichneten Werke La Science des Religions : Das stellt die beiden Stücke Holz vor, die vor den Opferaltären, behufs Erzeugung des heiligen Feuers (Agni), kreuzweise aufeinandergelegt und deren Enden unter rechtem Winkel umgebogen und mittels vier Nägel befestigt wurden (), damit dies Holzgerüst sich nicht drehen möge. Im Verbindungspunkt der beiden Hölzer war ein Grübchen, in welchem man ein drittes, Pra - mantha genanntes Stück Holz, welches die Form einer Lanze hatte, mittels eines Stricks von Kuhhaaren und Hanf drehte, bis sich durch die Reibung das Feuer ent - zündete. Der Vater des heiligen Feuers (Agni) ist Twastri, d. h. der göttliche Zimmermann, welcher den und den Pramantha anfertigte, durch deren Reibung das göttliche Kind erzeugt werden sollte. Aus dem Pramantha machten später die Griechen den Prometheus, den sie das Feuer vom Himmel stehlen liessen, um den aus Thon gebildeten Menschen den Feuerfunken der4*52agni; mâjâ. Seele einzupflanzen. Die Mutter des heiligen Feuers ist die göttliche Mâjâ, aus welcher der Name der Gottes - mutter, Maria, geworden ist. Mâjâ (Maria) stellt die zeugende Kraft in weiblicher Form vor; jedes göttliche Wesen hat seine Mâjâ. Kaum ist der schwache Feuer - funke dem mütterlichen Schose entsprungen, d. h. dem , welches auch die Mutter genannt wird und in dem vorzüglich die göttliche Mâjâ wohnt, so nimmt er (Agni) den Namen Kind an. Man findet im Rigveda Hymnen himmlischer Schönheit, um dies neugeborene schwache göttliche Geschöpf zu preisen. Man legt das kleine Kind auf Stroh, neben ihm ist die mystische Kuh, d. h. die fürs Opfer bestimmte Milch und Butter, vor ihm steht ein heiliger Priester des göttlichen Vâju, welcher den kleinen orientalischen Fächer, in der Form einer Fahne, bewegt, um des kleinen Kindes Leben, welches dem Aushauchen nahe ist, anzufachen. Von dort wird das kleine Kind auf den Altar gelegt, wo es durch den darauf gegossenen heiligen « Sôma » und die gereinigte Butter eine wunderbare Kraft empfängt, welche alle Begriffe der Anbeter übersteigt; des Kindes Glanz um - strahlt alles um sich her; die Engel (dêvâs) und die Menschen jubeln vor Freude und singen ihm zur Ehre Hymnen, indem sie sich aufs Angesicht werfen. Zu seiner Linken ist die aufgehende Sonne, zu seiner Rech - ten ist der Vollmond am Horizont, und beide scheinen vor dem Glanze des neugeborenen Gottes (des Agni) zu bleichen und ihn anzubeten. Wie ist nun aber diese Verklärung des Agni vor sich gegangen? In dem Augenblick, wo ein Priester den kleinen Gott auf den Altar legt, hat ein anderer ihm den heiligen Trank,53agni; messias. den geistigen « Sôma », aufs Haupt gegossen und gleich darauf hat er ihn gesalbt, indem er die Butter des hei - ligen Opfers über ihn ausbreitet. Durch diese Salbung erhält Agni den Namen Gesalbter akta χριστός; er ist durch die brennbaren Stoffe gewaltig gewachsen; ruhmreich schlägt er seine Flammen empor; er glänzt in einer Rauchwolke, welche wie eine Säule gen Himmel steigt, und sein Licht vereinigt sich mit dem Lichte der himmlischen Lichtkörper. Der Gott Agni, in seinem Glanze und seiner Herrlichkeit, offenbart den Menschen die verborgenen Dinge; er lehrt die Doctoren; er ist der Meister der Meister und erhält den Namen Jâta - vêdas, d. h. derjenige, dem die Weisheit angeboren ist. Alle Welt weiss, dass die Theorie von Christus viel älter ist als Jesus Christus: die Juden erwarteten seit langer Zeit den Messias; sie hatten ihn in gewissen historischen Persönlichkeiten, wie z. B. in der des Cyrus, zu erkennen geglaubt; Simon der Magier gab sich für den Messias aus; zur Zeit des Augustus war die Erwartung eines Messias in allen Herzen. Die Juden erkannten ihn nicht in Jesus und sie hatten recht, denn der Apostel Paulus und diejenigen, welche, wie Lukas, seine Lehre annah - men, verkündeten laut, dass der Christus nicht der Messias der Hebräer, sondern der Sohn des himmlischen Vaters sei. Auch war die Theorie von Christus, dem Sohne Gottes, in den Apokryphen von Alexandrien und Palästina und bei den durch arischen Einfluss zur Zeit der Gefangenschaft in Babylon entstandenen jüdi - schen Sekten vorherrschend. Diese Theorie war im Zend-Avesta (der heiligen Schrift der Perser) in ihrer idealen Form und in ihrer doppelten ihrer materiellen54ursprung der christuslegende. und ihrer metaphysischen Gestalt in den ältesten Hymnen der indischen Vedas. Aber die Verfasser dieser Hymnen bezeugen, dass die besagte Theorie von Christus, dem Sohne Gottes, schon seit undenklicher Zeit vor ihnen in einem grossen Nationalcultus symbolisirt worden ist, dessen Gründer, Ribhu, mit Orpheus identisch ist. Diese Tradition, welche die Griechen mit den Indern gemein haben, führt uns in jene uralte Zeit zurück, wo sich die Zweige des arischen Stammes noch nicht ge - trennt hatten und wo diese Familie noch vereint in den Thälern des Oxus wohnte. Daher kann man auch nur dort den Ursprung der Theorie von Christus, dem Sohne Gottes, suchen.

Wäre es möglich anzunehmen, dass eine so wunder - schöne Theorie, welche der ganzen Gottesverehrung einen so gewaltigen Zauber verleiht und welche mit wunderbarer Genauigkeit das Leben und die Gedanken der Menschen beurkundet, hätte in Asien 30 oder 40 Jahrhunderte einheimisch sein können, ohne eine Legende zum Vorschein zu bringen? Nein, im Gegentheil, alle Elemente der Legende von Christus finden sich im Rig - veda vor: seine Herkunft von Gott und Mensch, die wunderbare Conception seiner Mutter Mâjâ, sein Vater Twastri (der Zimmermann), seine Geburt vor Sonnen - aufgang in Verbindung mit wunderbaren Erscheinungen, seine Taufe im Wasser, die heilige Salbung (χρῖσις oder χρῖσμα), woraus sein Name entstanden ist, seine frühe Gelehrsamkeit, seine Verklärung, seine Wunder, seine Himmelfahrt und seine Vereinigung mit dem Vater im Himmel, damit er der Erlöser der Menschen werde.

Auf meine briefliche Anfrage bei Herrn E. Burnouf55feuererzeugung nach d. rigveda. wegen des andern, hundertfach auf den trojanischen Terracottas vorkommenden Symbols, des Kreuzes:

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, erwidert er mir: dass er aus den alten Scholiasten des Rigveda, aus der vergleichenden Philologie und aus den Monuments figurés ganz bestimmt weiss, dass auch Svastikas in dieser Form schon in den urältesten Zeiten zur Hervorbringung des heiligen Feuers ange - wandt worden sind. Er fügt hinzu, dass die Griechen eine lange Zeit hindurch Feuer durch Reibung erzeugten, und dass man die beiden untern, quer übereinander lie - genden Stücke Holz σταυρός genannt habe, welches Wort entweder von der Wurzel stṛi kommt, welche auf die Erde legen heisst und mit dem lateinischen ster - nere identisch ist, oder vom Sanskritwort stâvara , das fest, solide, unbeweglich bedeutet. Seitdem die Griechen andere Mittel zum Anzünden des Feuers hatten, ist das Wort σταυρός nur einfach für Kreuz gebraucht worden.

Adalbert Kuhn nennt in seinem gelehrten, höchst interessanten Werke: Die Herabkunft des Feuers , das immer nur araṇî und bemerkt p. 70: Den ein - fachen Naturmenschen musste jene Vorrichtung zur Er - zeugung des Feuers leicht an die Zeugung des Menschen erinnern, und dass dies in der That der Fall gewesen sei, sehen wir aus einem Liede des Rigveda, welches die Handlung der Feuerzeugung begleitet. Der Eingang (Rigveda III, 29, 1 3) lautet: Das ist das Drehholz, der Zeuger (penis) ist bereitet; bringt die Herrin des Stammes herbei, den Agni lasst uns quirlen nach altem Brauch. In den beiden Hölzern liegt der Jâtavêdas, wie in den Schwangern die wohlbewahrte Leibesfrucht; tagtäglich ist Agni zu preisen von den sorgsamen,56araṇi, manthana. opferspendenden Menschen. In die Dahingestreckte lass hinein (den Stab), der du dess kundig bist; sogleich empfängt sie, hat den Befruchtenden geboren; mit röth - licher Spitze leuchtend seine Bahn ward der Ilâsohn in dem trefflichen Holze geboren.

Derselbe Gelehrte gibt darauf, um zu zeigen, mit welcher peinlichen Sorgfalt man bei der Auswahl des Holzes für das , dem Mass der Stäbe, der Stelle der Reibung u. s. w. zu Werke ging, nachstehende Ueber - setzung von Kâtyâyana’s Karmapradîpa 1, 7, vs. 1 14: Ein Açvatha, welcher auf einer Çâmî entkeimt ist und auf reiner Erde seinen Ursprung hat, ein Zweig von dem, sei er ein nach Osten oder nach Norden ge - richteter, oder ein aufwärts gerichteter, ein solcher heisst Araṇi, und ein ebensolcher auch Uttarâraṇi; zum Câtram und zum Ovîlî wird ein markiges Holz empfohlen. Der seine Wurzel auf einer Çamî hat, heisst ein Çamî entkeimter; ist ein solcher nicht vorhanden, so möge man ohne Bedenken einen von einer Çamî entsprossenen nehmen. 24 Daumen die Länge, 6 die Breite, 4 die Höhe, das ist das überlieferte Mass der beiden Araṇî. Acht Finger sei der Pramantha, das Câtram sei 12 Finger und 12 sei auch die Ovîlî. Das ist das Manthana - Werkzeug. Ueberall, wo ein Mass von Daumen oder Fingern angegeben wird, lege man das Mass mit dem mittlern Gelenke auf. Von Kuhhaaren mit Hanf ver - mischt, dreifach gedreht und aus ganzen Fäden, eine Klafter an Mass sei das Leitseil, mit dem das Feuer hervorzureiben ist. Haupt, Augen, Ohren, Mund, der Hals als fünfter, die haben einen Daumen an Mass, die Brust besteht aus zweien, sagt man. Das Herz ist ein57araṇi, manthana. Daumen an Mass, dreidaumig wird der Bauch erwähnt, eindaumig, wisse man, sei die Hüfte, die Bastigegend (zwischen Schos und Nabel) zwei, und zwei das Guhyaka (pudendum). Die beiden Schenkel, Beine und Füsse werden der Reihe nach mit vier, drei und einem Daumen gemessen, das sind die von den der Opfer Kundigen überlieferten Glieder der Araṇi. Was das Guhya (pudendum) genannt wird, das heisst die Yôni (Ge - burtsstätte des Gottes), das Feuer, welches dort geboren wird, heisst segenbringend. Die aber an andern Stellen reiben, gerathen in Gefahr von Krankheit; jedoch gilt diese Beschränkung nur für das erste Manthana, nicht für die folgenden. Von der Uttarâraṇi genommen sei stets der Pramantha, denn wer einen andern als Mantha braucht, wird mit dem Fehler der Yônisaṃkara be - haftet. Eine nasse, löcherige, verkrümmte, eine mit Rissen versehene Araṇi und Uttarâraṇi ist den Opferern nicht heilsam. Adalbert Kuhn fügt hinzu: Wir sehen demnach hier den beiden Araṇî () vollständige Körper - bildung beigelegt und nach genauem Mass die Stelle bezeichnet, aus welcher Agni seinen Ursprung nehmen müsse; nur da entsprungen ist er heilbringend; an anderer Stelle emporlodernd bringt er sogar Krankheit ins Haus. Aus dieser Vorstellung erklärt es sich denn auch, dass man umgekehrt den Zeugungsact wie den der Feuerentzündung auffasste.

Ich habe es für nöthig gehalten, alles Vorstehende anzuführen, um zu beweisen, dass das und das

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seit den urältesten Zeiten die allerheiligsten reli - giösen Symbole unserer arischen Vorväter waren.

58gebrauch der symbole.

Wahrscheinlich werde ich in meinen gegenwärtigen Ausgrabungen bestimmten Aufschluss darüber finden, wozu die mit so bedeutungsvollen Symbolen geschmück - ten Stücke gebraucht wurden; bis dahin halte ich an meiner frühern Idee fest, dass sie entweder als Exvotos dienten oder wirkliche Götzenbilder des Hephaistos waren.

59empörung der arbeiter.

VII.

Seit meinem Bericht vom 5. d. M. habe ich die Ausgrabungen, mit durchschnittlich 120 Arbeitern, aufs eifrigste fortgesetzt. Leider aber gingen mir von diesen 20 Tagen sieben Tage durch Regenwetter und Feste und ein Tag durch Aufruhr meiner Leute verloren. Da ich nämlich bemerkt hatte, dass die Cigarretten das Ar - beiten erschweren, verbot ich das Rauchen. Es ge - lang mir indess nicht, die Sache sogleich durchzusetzen, und sah ich immer noch, dass heimlich geraucht wurde. Ich wollte jedoch nicht nachgeben und liess ausrufen, dass ich die Uebertreter sofort entfernen und nie wieder annehmen würde. Darüber erzürnt schrieen die Arbeiter vom Dorfe Renkoï ungefähr 70 an Zahl sie würden nicht weiter arbeiten, wenn es nicht jedem freigestellt wäre, soviel zu rauchen als er wolle, und verliessen die Plateforme, indem sie die Arbeiter aus den übrigen Dörfern durch Steinwürfe hinderten, weiter zu arbeiten. Die guten Leute hatten sich nämlich eingebildet, dass ich sofort nachgeben würde, da ich gar nicht ohne sie fertig werden und ausser ihnen nicht hinreichend Ar - beiter erhalten könne; dass ich überdies bei dem schönen60masse des schuttes. Wetter unmöglich den ganzen Tag still sitzen würde. Sie hatten sich aber geirrt, denn ich schickte sofort meinen Aufseher in die übrigen umliegenden Dörfer, und es gelang mir, zum Entsetzen der 70 Renkoïten, die die ganze Nacht vor meiner Thür gewartet hatten, ohne sie für den nächsten Morgen 120 Arbeiter zusam - menzubringen. Mein energisches Verfahren hat nun endlich die Renkoïten, von deren Frechheit ich hier bei meinen vorjährigen Ausgrabungen so viel zu leiden hatte, aufs tiefste gedemüthigt und auch auf alle meine jetzigen Arbeiter einen segensreichen Einfluss gehabt, sodass es mir möglich geworden ist, nach dem Aufruhr nicht nur das Nichtrauchen streng einzuführen, sondern auch die Arbeitszeit täglich um eine Stunde zu verlän - gern; denn anstatt wie früher von Uhr morgens bis Uhr abends lasse ich jetzt stets von 5 Uhr morgens bis 6 Uhr abends arbeiten. Ich gebe aber, wie früher, um 9 Uhr morgens eine halbe und um Uhr nach - mittags eine Stunde zum Essen und Rauchen.

Nach genauer Berechnung des Ingenieurs Herrn A. Laurent habe ich in den 17 Tagen, an welchen seit dem 1. d. M. gearbeitet wurde, 8500 Kubikmeter Schutt fortgeschafft; es kommen somit 500 Kubikmeter auf jeden Tag und etwas über 4 Kubikmeter täglich auf jeden Arbeiter.

Die Plateforme ist bereits 15 Meter in den Berg vorgerückt, aber zu meinem allergrössten Erstaunen habe ich bisjetzt den Urboden noch nicht erreicht. Meine, in meinem Bericht vom 24. November v. J. ausgespro - chene Meinung, dass die Dicke des Berges an der Nord - seite seit uralten Zeiten nicht zugenommen hat, fand ich61ascheschichten. auf dem ganzen westlichen Theil meiner Plateforme, auf einer Breite von 45 Meter, bestätigt; denn nur im östlichen Theil derselben, auf 25 Meter Breite, fand ich 2 und sogar 3 Meter Humus, und unter oder hinter demselben, bis 5 Meter Höhe über der Plateforme, stein - harten Schutt, der nur aus Holz - und Thierasche zu bestehen und von den der ilischen Minerva darge - brachten Opfern herzustammen scheint. Ich vermuthe daher mit Bestimmtheit, dass ich bei weiterm Vordringen auf dieser Stelle auf die Baustelle des uralten Tempels dieser Göttin stossen werde. Die Asche dieser Schutt - schichten hat ein so lehmartiges Aussehen, dass ich glauben würde, es sei der Urboden, wenn ich nicht häufig Knochen, Holzkohlen und kleine Muscheln, auch dann und wann Stückchen Ziegel darin fände. Die Muscheln sind unversehrt, was zur Genüge beweist, dass sie nicht der Glut ausgesetzt gewesen sein können. In diesen steinharten Ascheschichten fand ich, Meter oberhalb der Plateforme und 14 Meter vom Rande der - selben einen 20 Centimeter breiten und 18 Centimeter hohen Kanal von grünem Sandstein, der wahrscheinlich einst zur Ableitung des Bluts der Opferthiere gedient und nothwendigerweise einst auf den Abhang des Berges gemündet haben muss. Er beweist daher, dass des Berges Dicke auf dieser Stelle um volle 14 Meter zu - genommen hat, seitdem das Heiligthum, zu dem er ge - hört hat, zu Grunde gegangen ist.

Auf den übrigen 45 Meter der Plateforme finde ich überall, bis ungefähr 5 Meter Höhe, kolossale Massen grosser, oft mehr oder weniger behauener, meistens aber unbehauener Blöcke von Muschelkalkstein, die oft so62gebäudetrümmer; urnen. dicht aufeinanderliegen, dass sie das Ansehen wirklicher Mauern haben. Aber man findet gar bald, dass alle diese Steinmassen nothwendigerweise von grossartigen Gebäuden herrühren, die hier gestanden und durch eine furchtbare Katastrophe zu Grunde gegangen sein müssen. Die Gebäude können unmöglich von diesen Steinen ohne ein Verbindungsmittel gebaut worden sein, und vermuthe ich, dass es blosse Erde gewesen ist, denn von Kalk oder Cement finde ich keine Spur. Zwischen den ungeheuern Steinmassen sind mehr oder we - niger grosse Zwischenräume von sehr festem und oft steinhartem Schutt, in welchem sehr viele Knochen, Muscheln und Massen anderer Ueberbleibsel von Haus - haltungen vorkommen. Von interessanten Gegenständen irgendwelcher Art war aber in der ganzen 70 Meter langen, 5 Meter hohen Schuttwand, ausser einer kleinen herrlich gearbeiteten, aber vom Rost zerstörten silbernen Haar - oder Tuchnadel noch keine Spur gefunden, als heute in derselben, in 14 Meter senkrechter Tiefe, ein 8 Centimeter langes, 6 Centimeter breites schön geschlif - fenes Stück Glimmerschiefer mit Mulden zum Giessen von zwei Brustnadeln und zwei andern mir ganz unbe - kannten Schmucksachen alles höchst phantastischer Art gefunden wurde; ferner eine leider ganz zer - brochene Grab - oder Wasserurne mit Verzierungen in der Form von zwei flachen Kränzen, die ganz herum - gehen; es muss dieselbe eine Höhe von Meter und und eine Breite von wenigstens 70 Centimeter gehabt haben. In den beiden Kränzen ist eine ununterbrochene Reihe Keileindrücke, die auf den ersten Blick ent - schieden assyrische Keilinschriften zu sein scheinen. Bei63urnen mit kränzen; assyr. kunst. näherer Betrachtung aber findet man, dass es blosse Verzierungen sind. Die Scherben dieser Vase zeigen eine Dicke von Centimeter. Noch zwei andere, ganz zerbrochene, ungeheuere Wasser -, Wein - oder Leichen - urnen, mit Verzierungen in der Form von mehreren ganz herumlaufenden Kränzen, wurden am 22. und 23. d. M. in 6 bis 7 Meter über der Plateforme, also in 8 oder 7 Meter senkrechter Tiefe gefunden. Beide müssen über 2 Meter hoch gewesen sein und über 1 Meter im Durch - messer gehabt haben, denn die Scherben zeigen eine Dicke von 5 Centimeter. Die Kränze sind ebenfalls in Basrelief und zeigen theils ineinandergreifende doppelte Dreiecke mit Kreisen, theils Blumen, theils drei Reihen oder auch nur eine Reihe Kreise. Diese letztere Ver - zierung sieht man auch auf einem im Jahre 1810 von Lord Elgin in der Schatzkammer Agamemnon’s in Mykene ausgegrabenen Fries von grünem Stein, der jetzt im British Museum ist. Sowohl dieser Fries als obige in den Tiefen Iliums von mir entdeckten Urnen weisen entschieden assyrische Kunst auf, und kann ich sie nicht betrachten, ohne mit Wehmuth daran zu denken, mit welchen Freudenthränen und mit welchem Jubel - geschrei der grosse, unvergessliche deutsche Gelehrte Julius Braun, der leider vor drei Jahren seinen über - mässigen Anstrengungen erlegen ist, diese trojanischen Urnen begrüsst haben würde; denn er war nicht nur der grosse Verfechter der Theorie, dass das homerische Troja nur tief unter den Ruinen von Ilium gesucht werden dürfe, sondern er war auch der gewaltige Ver - theidiger der Doctrin, dass die plastischen Künste und ein Theil der Götterlehre von Aegypten und Assyrien64neue funde. nach Kleinasien und Griechenland gewandert sind, und er hat dies durch Tausende von unwiderlegbaren Be - weisstücken dargethan in seinem tiefgelehrten ausge - zeichneten Werke: Geschichte der Kunst in ihrem Ent - wickelungsgange , welches ich allen Lernbegierigen, die sich für Kunst und Wissenschaft interessiren, aufs angelegentlichste empfehle.

Sowohl die Urne in 14 Meter Tiefe als jene in 8 oder 7 Meter Tiefe, sowie auch alle früher von mir auf - gedeckten Leichenurnen und grossen Wasser - oder Weinbehälter standen aufrecht, was zur Genüge beweist, dass sich die kolossalen Schutt - und Trümmermassen an Ort und Stelle allmählich gebildet und nicht von an - derswo hierher geschleppt sein können, um den Berg zu erhöhen. Dies ist auch eine reine Unmöglichkeit hin - sichtlich der ungeheuern Massen behauener und unbe - hauener riesiger Steinblöcke, die oft ein Gewicht von 1 und 2 Tonnen haben.

In den Schuttschichten von 7 bis 10 Meter Tiefe fand ich zwei Klumpen Blei von runder gehöhlter Form, jeder wohl zwei Pfund wiegend, sehr viele verrostete kupferne Nägel, auch einige Messer und eine Lanze von Kupfer; ferner sehr viele kleinere und grössere Messer von weissem und braunem Silex in der Form von ein - und zweischneidigen Sägen; viele Schleifsteine von grü - nem und schwarzem Schiefer mit einem Loch an einem Ende, sowie verschiedene kleine Gegenstände von Elfen - bein; in allen Schichten von 4 bis 10 Meter Tiefe viele Hämmer, Beile und Keile von Diorit, welche aber ent - schieden in den Schichten von mehr als 7 Meter Tiefe viel besser gearbeitet sind als in den obern. Auch65idole mit eulengesichtern.kommen von 3 Meter unter der Oberfläche in allen Tiefen bis zu 10 Meter Tiefe viele platte Götzenbilder von sehr feinem Marmor vor; auf vielen derselben ist ein Eulengesicht und ein Frauengürtel mit Punkten; auf einem sind ausserdem noch zwei Frauenbrüste ein - gravirt. Die auffallende Aehnlichkeit dieser Eulenge - sichter mit den auf vielen Bechern und Vasen befind - lichen und mit einer Art von Helm bedeckten Eulen - köpfen bringt mich zur festen Ueberzeugung, dass alle Idole und alle behelmten Eulenköpfe auf den Bechern und Vasen eine Göttin, und zwar ein und dieselbe Göttin vorstellen müssen, um so mehr als ja sämmtliche Eulen - gesichtsvasen zwei Frauenbrüste und einen Bauchnabel, meistentheils auch zwei emporgehobene Arme haben; einmal sieht man auf dem Bauchnabel ein Kreuz mit vier Nägeln dargestellt. Die Becher mit Eulenköpfen haben dagegen nie Brüste oder Bauchnabel; jedoch ist an einigen derselben auf der Rückseite das lange Lockenhaar der Frau zu sehen.

Die wichtige Frage drängt sich nun auf, welche die Göttin sei, die hier so vielfältig, aber ganz allein auf den Idolen, Trinkbechern und Vasen vorkommt? Die Antwort ist: sie muss nothwendigerweise die Schutz - göttin von Troja, sie muss die ilische Minerva sein, und dies stimmt ja vollkommen mit der Angabe Homer’s, welcher sie fortwährend ϑεὰ γλαυκῶπις Ἀϑήνη , die Göttin Athene mit dem Eulengesicht, nennt. Das Beiwort γλαυκῶπις ist nämlich von den Gelehrten aller Zeiten falsch übersetzt, weil sie sich nicht denken konn - ten, dass man die Minerva mit einem Eulengesicht dar - gestellt hätte. Es besteht aber aus den beiden WortenSchliemann, Troja. 566bedeutung von ΓΛΑϒΚΩΠΙΣ und ΒΟΩΠΙΣ.γλαῦξ und ὠπή, und, wie ich durch eine ungeheure Masse von Beweisstücken in corpore darthue, ist nur die wörtliche Uebersetzung mit Eulengesicht möglich, die bisherige Uebersetzung mit blauen, feurigen oder funkelnden Augen aber durchaus falsch. Die natürliche Schlussfolgerung ist, dass, als bei fortschreitender Civi - lisation Minerva ein menschliches Gesicht erhielt, aus ihrem frühern Eulenkopf ihr Lieblingsvogel, die Eule, wurde, welche als solcher dem Homer unbekannt ist. Die fernere Schlussfolgerung ist, dass der Cultus der Minerva als Schutzgöttin von Troja dem Homer wohl - bekannt war, dass folglich ein Troja existirte und dass es auf der heiligen Stätte lag, deren Tiefen ich er - forsche.

Auf gleiche Weise wird man ohne allen Zweifel bei Nachgrabungen im Heraeon zwischen Argos und Mykene und auf der Baustelle des uralten Tempels der Juno auf Samos auf Idolen, Bechern und Vasen das Bild dieser Göttin mit einem Ochsenkopf finden; denn βοῶπις , das gewöhnliche Beiwort der Juno im Homer, kann ur - sprünglich nichts anderes bedeutet haben als mit Ochsengesicht . Da aber Homer das Beiwort βοῶπις auch einigemal für sterbliche Frauen anwendet, so ist es wahrscheinlich, dass man zu seiner Zeit es schon hässlich fand, Juno, die Frau des mächtigsten aller Götter, mit einem Ochsengesicht darzustellen, dass man daher schon angefangen hatte, sie mit Frauengesicht, aber mit Ochsenaugen, d. h. mit sehr grossen Augen, abzubilden, und dass folglich das im Sprachgebrauch befindliche und früher nur für die Juno mit der Bedeu -67vasen seltsamer gestalt; gesichtsurnen.tung mit Ochsengesicht angewandte Beiwort βοῶπις nur noch schlechthin mit grossen Augen bedeutete.

Von Töpferwaaren kam in den letzten Wochen viel vor, aber leider mehr als die Hälfte in zerbrochenem Zustande. Von Malerei auf Terracottas noch immer keine Spur; die meisten Gefässe haben eine einfache glänzend schwarze, gelbe, braune, und die ganz grossen Gefässe gewöhnlich gar keine Farbe. Teller ordinären Fabrikats habe ich bisjetzt nur in 8 bis 10 Meter Tiefe gefunden, und sind diese, wie man genau bemerken kann, auf dem Töpferrade gedreht; dagegen scheinen alle andern bisjetzt entdeckten Gefässe aus freier Hand gemacht zu sein; sie haben aber dennoch eine gewisse Eleganz und erregen die Bewunderung des Beschauers durch ihre seltsamen, höchst merkwürdigen Formen. Die Vasen mit langem zurückgebogenem Halse, schnabel - artigem, nach oben gebogenem Munde und hervor - stehendem Bauch, wovon zwei im British Museum, mehrere in Cypern gefundene im Museum in Konstan - tinopel und mehrere unter drei Schichten vulkanischer Asche in Thera und Therassia entdeckte in der fran - zösischen Schule in Athen sind, sollen wol jedenfalls Frauen bezeichnen, denn ich finde dieselben hier in 8 und 10 Meter Tiefe mit zwei und sogar mit drei Brüsten, und glaube daher auch, dass sie hier die ilische Schutzgöttin darstellen. Es kommen auch einige Becher und Vasen mit männlichen Gesichtern vor, in denen aber die Kennzeichen der Eule nie fehlen; auch haben die Vasen mit solchen Gesichtern stets zwei Frauenbrüste und Bauchnabel. Ich mache ganz besonders darauf aufmerksam, dass fast alle Vasen mit Eulengesichtern5*68das verfahren beim ausgraben.oder mit Menschengesichtern und den Kennzeichen der Eule zwei hoch emporstehende Arme haben, die als Griffe dienen, und dies bringt mich zu der Vermuthung, dass dies Nachahmungen des im uralten Tempel der ilischen Schutzgöttin aufgestellt gewesenen grossen Idols sind, welches also Eulengesicht, im übrigen Frauen - gestalt, und zwei neben dem Kopf hoch emporgehobene Arme gehabt haben muss. Sehr bemerkenswerth ist es, dass die meisten Töpfe und Vasen, die ich finde, zum Aufhängen an Schnüren dienten, wie es die beiden Löcher im Munde und die beiden Röhrchen oder Löcher in den Griffen an den Seiten der Gefässe beweisen.

Leider zerbrechen mir viele Terracottas beim Ab - brechen oder Herunterfallen des Schuttes; denn es gibt nur eine Weise, auf welche ich meine Arbeiter und mich selbst dagegen schützen kann, von den herunter - rollenden Steinen zermalmt oder verstümmelt zu werden, und die ist, dass ich die untersten 5 Meter (nicht Meter wie in den ersten fünf Tagen) senkrecht, den ganzen obern Theil der mächtigen Erdwand unter einem Winkel von 50 Grad halte und den senkrechten Theil immer durch Anlegen von Schornsteinen und Losbrechen mit grossen eisernen Hebeln in Stücken von 15 bis 30 Kubik - meter ablöse. Wenn ich dann den Schutt und die Steine auf dem obern Theil mit den Hackeisen losbrechen lasse, so fallen die Steine fast perpendikulär über die unterste senkrechte, 5 Meter hohe Wand weg, rollen daher höchstens einige Schritt, und es ist weniger Ge - fahr, dass jemand verletzt werden könnte. Auch habe ich auf diese Weise den Vortheil, dass der grösste Theil des Schuttes schon von selbst hinunterfällt und das, was69georgios photidas, der unteraufseher.liegen bleibt, mit leichter Mühe hinunter geschaufelt werden kann, während ich anfänglich die Hälfte der Zeit mit dem Hinunterschaffen des Schuttes verlor. Da aber beim Aushauen der Schornsteine und Abbrechen der riesigen Erdklötze immerhin eine gewisse Geschick - lichkeit und Vorsicht nöthig ist, so habe ich noch, als dritten Unteraufseher, mit 7 Frcs. Lohn per Tag, Geor - gios Photidas aus Paxos angenommen, der sieben Jahre als Bergmann in Australien gearbeitet und sich dort besonders mit dem Anlegen von Tunnels beschäftigt hat. Durchs Heimweh ins Vaterland zurückgetrieben, hat er sich, ohne selbst das tägliche Brot zu haben, in jugendlichem Leichtsinn und aus Patriotismus mit einer funfzehnjährigen armen Landsmännin verheirathet. Erst nach der Hochzeit ist er durch die Qual der häuslichen Sorgen zur Besinnung gekommen und, da er gehört hatte, dass ich hier grabe, so ist er auf gut Glück hier - her geeilt, um mir seine Dienste anzubieten. Da er mir von vornherein betheuerte, dass seine Anstellung bei mir eine Lebensfrage für ihn, seine Frau und ihre Nachkommenschaft sei, so habe ich ihn auch sofort acceptirt, um so mehr, als ich gerade einen solchen Minen -, Tunnel - und Brunnenbauer nothwendig ge - brauche. Er ist mir ausserdem an Sonn - und Festtagen von grossem Nutzen, indem er griechisch schreibt und somit im Stande ist, meine griechischen Aufsätze für die Zeitungen und gelehrten Gesellschaften im Orient zu copiren; denn nichts war mir bisher so unausstehlich, als meine langen Berichte über eine und dieselbe Sache dreimal auf griechisch niederzuschreiben, um so mehr, als ich mir die Zeit dazu vom Schlafe stehlen musste. 70lage der pergamos.Dagegen verlässt mich zu meinem Bedauern morgen früh der ausgezeichnete Ingenieur Adolphe Laurent, denn sein Monat ist um und er muss jetzt den Bau der Eisenbahn vom Piräus nach Lamia anfangen. Er hat mir aber einen guten Plan dieses Berges gemacht, den ich im Anhange Taf. 116 gebe. Ich habe jedoch demselben beizufügen, dass sich die Pergamos des Priamus nicht, wie aus dem Plan hervorzugehen scheint, auf diesen meistentheils künstlichen Hügel beschränkt haben kann, sondern dass sich dieselbe, wie ich schon vor vier Jahren in meinem Werke über Troja1 Ithaque, le Péloponnèse et Troie. darzuthun versucht habe, nothwendigerweise noch eine weite Strecke nach Süden hin übers hohe Plateau aus - gedehnt haben muss. Aber selbst wenn die Pergamos sich auf diesen Berg beschränkt haben sollte, so ist sie dennoch grösser gewesen als die Akropolis von Athen, denn diese hat nur 50126 Quadratmeter, während die Fläche des Berges 64500 Quadratmeter beträgt. Ich be - merke ferner, dass nach Herrn Laurent’s Messung die Bergfläche sich 14 Meter über meine Plateforme erhebt, und dass seine Höhenangaben von 11 Meter 79 Centi - meter Nord und 11 Meter 95 Centimeter Süd sich für die Punkte verstehen, wo der steile Abhang anfängt. Das auf dem Plan angegebene Haus mit drei Zimmern, sowie das Magazin mit Küche, habe ich erst jetzt bauen lassen, und kostet alles zusammen, inclusive Bedeckung mit wasserdichtem Filz, nur 1000 Frcs. denn das Holz ist hier billig und kauft man das Bret von 3 Meter71giftige schlangen; schlangenkraut.Länge, 25 Centimeter Breite und 1 Zoll Dicke für 2 Piaster oder 40 Centimes.

Wir finden bis 10 und 11 Meter Tiefe noch immer giftige Schlangen zwischen den Steinen, und ich sah mit Erstaunen bisher, dass meine Arbeiter diese Thiere mit den Händen ergreifen und mit ihnen herumspielen, ja sogar gestern, wie einer derselben zweimal von einer Natter gebissen wurde, ohne dass er sich daran kehrte. Als ich mein Entsetzen darüber zu erkennen gab, er - klärte er mir lachend, er selbst und alle seine Collegen hätten gewusst, dass es in diesem Berge viele Schlangen gäbe, und alle hätten daher einen Decoct von dem in hiesiger Gegend wachsenden Schlangenkraut getrunken, welcher den Biss der giftigen Schlangen unwirksam mache. Ich habe daher Ordre gegeben, mir auch von diesem Decoct zu bringen, damit auch ich unverletzbar werde. Ich möchte aber wol wissen, ob denn dieser Decoct auch den Biss der Brillencobra unschädlich macht, von welchem ich in Indien einen Menschen in einer halben Stunde sterben sah. Es würde in diesem Fall eine gute Speculation sein, das Schlangenkraut in Indien anzubauen.

Von den vielbesprochenen Terracottas in der Form des Vulkans und des Carrousels kommt bis 10 und 11 Meter Tiefe fortwährend eine ungeheure Menge zum Vorschein, und die meisten haben Verzierungen, die ich immer genau aufzeichne. Bei Vergleichung dieser Zeich - nungen finde ich jetzt, dass alle ohne Ausnahme in der Mitte die Sonne darstellen, und dass fast auf der Hälfte aller die übrigen Verzierungen entweder nur einfach die Strahlen derselben, oder die Strahlen mit Sternen72terracotten mit sonnendarstellungen.dazwischen oder am Rande herum, oder drei, vier, sechs, oder acht einfache, doppelte, dreifache und vierfache aufgehende Sonnen im Kreise am Rande herum, oder auch die Sonne in der Mitte des Kreuzes mit vier - geln zeigen, welches nach meinen Auseinandersetzungen im sechsten Aufsatz offenbar in allen Fällen nur das von einigen Sanskritgelehrten Araṇi , von andern Svastika genannte Gestell unserer arischen Urväter zur Erzeugung des heiligen Feuers (Agni) vorstellen kann. Die aufgehende Sonne musste bei unsern arischen Urvätern von grösster Heiligkeit sein, denn nach Max Müller ( Essays ) entstand aus ihr, nämlich aus ihrem Kampf gegen die Wolken, ein sehr grosser Theil der Götterwelt, welche später den Olymp bevölkerte. Auf einigen Stücken ist die Sonne von 40 oder 50 Stern - chen umgeben; ich fand auch eins, auf welchem sie in der Mitte von 32 Sternchen und drei

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dargestellt wird; ein anderes, wo die eine ganze Hälfte des Kreises von den Strahlen der wie immer in der Mitte befind - lichen Sonne ausgefüllt ist, während man in der andern Hälfte zwei

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und 18 Sternchen sieht, von denen zwei - mal drei, dem Schwert des Orion gleich, in einer Reihe stehen, und ein drittes mal sieht man selbst vier in einer Reihe. Wie mir Herr Emile Burnouf mittheilt, bedeuten in den persischen Keilinschriften die drei Punkte in einer Reihe immer königliche Majestät . Ich wage nicht zu beurtheilen, ob die drei Punkte hier eine gleiche Uebersetzung zulassen. Vielleicht weisen sie auf die Majestät des Sonnengottes und des aus dem

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erzeugten Agni hin. Auf einigen dieser Terracottas ist die Sonne sogar von vier

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umgeben, die wiederum durch ihre73lebensbaum; sômacultus.Stellung ein Kreuz um dieselbe bilden. Auf noch an - dern finde ich die Sonne im Mittelpunkt eines von vier Bäumen gebildeten Kreuzes, und jeder dieser Bäume hat drei oder vier grosse Blätter. Die Indologen werden vielleicht finden, dass auch diese Baumkreuze die Ge - rüste unserer Urväter zur Erzeugung des heiligen Feuers und ein mehrfach vorkommender fünfter Baum den Pramantha darstellt. Ich finde diesen selben Baum ausserdem noch mehrere mal, von Kreisen umgeben oder freistehend, auf kleinen Terracotta-Kegeln von 4 und 6 Centimeter im Durchmesser dargestellt, welche ausser - dem die verschiedenartigsten symbolischen Zeichen und eine Menge von Sonnen und Sternen haben; auf einer in 8 Meter Tiefe gefundenen Kugel steht ein solcher Baum von Sternen umgeben einem

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gegenüber, neben welchem sich eine Gruppe von neun Sternchen befindet. Ich wage daher die Vermuthung auszusprechen, dass dieser Baum der Lebensbaum ist, den man so vielfältig in den assyrischen Sculpturen sieht, und dass er iden - tisch ist mit dem heiligen Sômabaum, welcher nach Emile Burnouf, Max Müller, Adalbert Kuhn und Fr. Windischmann im Himmel wächst und dort von den Gandharvas bewacht wird, welche der ältesten arischen Periode angehören und später die Centauren der Griechen wurden. Indra, der Sonnengott, raubte in Falkengestalt vom Himmel diesen Sômabaum, aus dem das Unsterblichkeit verleihende Amrita (Ambrosia) träu - felt. Fr. Windischmann ( Abhandlungen der k. bayeri - schen Akademie der Wissenschaften , 1846, S. 127) hat die Existenz des Sômacultus als den Stämmen der Arier bereits vor ihrer Trennung gemeinsam nachge -74sômabaum; braun’s ansicht.wiesen und ihn daher mit Recht als aus urältester Tra - dition stammendes Erbgut bezeichnet. 1A. Kuhn, Herabkunft des Feuers .Julius Braun sagt ( Geschichte der Kunst , II, 380) über diesen Sômabaum: Hermes, der seltene Gast, wird mit Nektar und Ambrosia bewirthet. Das ist die Speise, deren die Götter bedürfen, um unsterblich zu bleiben. Mit dem ganzen Götterberg Olymp ist sie aus Innerasien nach Westen gerückt; denn die Wurzel dieser Vorstellung ist der Lebensbaum des urzoroastrischen Systems. Frucht und Saft dieses Lebensbaums machen unsterblich. Im hebräischen Paradies werden die Menschen davon fern gehalten, damit sie, die vom Baum der Erkenntniss genossen haben, nicht auch durch Unsterblichkeit vollends gottähnlich werden. Aber der künftige Messias Sosiosch in den Zendschriften wird allen Gläubigen da - von reichen und sie alle unsterblich machen. Diese Hoffnung sahen wir auf assyrischem Bildwerk, wo die geflügelten Genien mit Saftgefäss und Frucht vor dem heiligen Baum stehen, reichlich ausgesprochen. Der Baum ist dem Propheten Hom heilig oder ist selbst der Prophet Hom. Darum kann dieser Prophet sagen, es sei sein Leib und sein Saft, der von den Gläubigen genossen werde. Symbolische Nachbildung jenes künf - tigen, unsterblich machenden Genusses ist die irdische Abendmahlsfeier der Parsen, und ihr entstammt der christliche Gebrauch. Also die Götterspeise auf dem homerischen Olymp und die heiligen Symbole der christ - lichen Kirche dürften in ein und derselben Vorstellung ihre gemeinsame Wurzel haben.

75neue zeichnungen auf d. vulkanf. terracotten.

Soeben werden mir zwei jener sonderbaren kleinen Terracottas in der Form des Vulkans gebracht, auf deren einer drei Thiere mit Geweihen im Kreise um die Sonne eingravirt sind; auf dem andern bilden vier bisjetzt noch nicht vorgekommene Zeichen in der Form von grossen Kämmen mit langen Zähnen ein Kreuz um die Sonne; ich vermuthe, dass diese höchst merkwürdigen Hieroglyphen, in denen man auf den ersten Blick wirkliche Buchstaben zu erkennen glaubt, keinenfalls etwas anderes vorstellen können, als den Opferaltar mit den darauf lodernden Flammen. Ich zweifle übrigens nicht, dass ich in der Fortsetzung der Ausgrabungen dies Zeichen in Kammform mit andern Symbolen finden werde, die meine Vermuthung verge - wissern.

Ich bemerke noch, dass die guten Trojaner wol jedenfalls den Namen Ida, den sie dem Gebirge gaben, welches ich mit ewigem Schnee bedeckt im Südosten vor mir sehe, auf dem Zeus und Juno Hochzeit machten (Ilias XIV, 346 351) und von dem Zeus Ilium und die Schlachten in der Ebene von Troja überschaute, aus Baktrien mitgebracht haben; denn nach Max Müller ( Essays , II, 93) war Ida Frau von Dyaus (Zeus) und ihr Sohn Eros. Das dem Eros von der Sappho zuge - schriebene Aelternpaar, Himmel und Erde, ist mit diesen seinen vêdischen Aeltern identisch. Hercules heisst ἰδαῖος von seiner Sonnennatur und hat diesen Namen mit Apollo und Zeus gemeinsam.

Morgen fängt das griechische Osterfest an, welches leider sechs Tage dauert, wo nicht gearbeitet wird. Somit kann ich die Ausgrabungen erst am 1. Mai fortsetzen.

76wiederaufnahme der ausgrabungen.

VIII.

Seit meinem Bericht vom 25. v. M. habe ich der verschiedenen griechischen Feiertage wegen nur zehn Tage graben können, denn selbst der ärmste Grieche hiesiger Gegend arbeitet am Festtage nicht und könnte er 1000 Francs in einer Stunde verdienen, und türkische Arbeiter konnte ich nicht bekommen, weil dieselben jetzt mit ihren Feldarbeiten beschäftigt sind. Das Wetter war und ist für die Ausgrabungen sehr günstig, denn die Tageshitze übersteigt noch nicht 20 Grad Réaumur im Schatten, und ausserdem regnet es hier von Anfang Mai bis October nur bei Gewittern und selten mehr als eine halbe Stunde zur Zeit. Auch ist die Ebene von Troja jetzt noch gesund und fangen die berüchtigten trojanischen Fieber eigentlich erst im Juli an, nachdem die vielen stehenden Gewässer verdunstet sind und aus der Zersetzung der Millionen von todten Fröschen und aus dem durch die Sonnenglut gespaltenen Boden der ausgetrockneten Sümpfe die pestilenzialischen Miasmen entstehen. Somit haben meine Frau und ich noch sechs Wochen Zeit mit dem Einnehmen von Chinin als Vor - beugungsmittel gegen die Fieber.

77dicke der schuttschichten auf dem urboden.

Den mehr erwähnten römischen Brunnen habe ich bis zu einer Tiefe von 20 Meter vom Schutt geräumt und gefunden, dass er nur bis zu einer Tiefe von 16 Meter unter der Bergesfläche gemauert ist und dann in den Muschelkalkfels hineingeht, welcher den Urboden bildet. In diesen Fels habe ich vom Brunnen aus durch Georgios Photidas einen kleinen Tunnel graben lassen und somit jetzt die Gewissheit erlangt, dass der Boden auf dem nach Homer (Ilias XX, 215 218: κτίσσε δὲ Δαρδανίην· ἐπεὶ οὔπω Ἴλιος ἱρὴ ἐν πεδίῳ πεπόλιστο, πόλις μερόπων ἀνϑρώπων ἀλλ̕ ἔϑ̕ ὑπωρείας ᾤκεον πολυπίδακος Ἴδης ) der trojanische König Dardanos, der bis dahin mit sei - nem Volke am Fusse des quellenreichen Idagebirges gewohnt hatte, die Stadt Dardania (Troja) in der Ebene erbaute, mit einer Schuttdecke von 16 Meter oder 53½ engl. Fuss Dicke bedeckt ist. Hierbei muss ich daran erinnern, dass die Trümmer der hier ansässig gewesenen griechischen Colonie nur kaum bis 2 Meter Tiefe reichen, und dass folglich, wenn wir mit Strabo (XIII, 1, 43) die Gründung dieser Colonie unter lydischer Herrschaft, somit ums Jahr 700 v. Chr., annehmen und die Dauer der Regierung der sechs Könige (Dardanos, Erichthonios, Tros, Ilos, Laomedon und Priamos), welche nach Ilias XX, 215 337 Trojas Zerstörung vorangingen, auf 200 Jahre ansetzen, somit die Gründung der Stadt um 1400 v. Chr. muthmassen, die Schuttaufhäufung hier in den ersten 700 Jahren 14 Meter oder 46½ Fuss be - tragen haben muss.

Ich bin fest überzeugt, dass bei einem Blick auf meine Ausgrabungen jeder der noch übrigen Ver - theidiger der veralteten Theorie, Troja hinter der Ebene,78unmöglichkeit der bunarbaschi-theorie.auf den Höhen von Bunarbaschi zu suchen, sofort diese Theorie verdammen wird; denn die einst auf letztern gelegene Akropolis und Stadt, deren kleine Baustelle ja ganz genau durch die Trümmer der Ringmauern und durch Abgründe bezeichnet ist, reicht kaum hin für eine Bevölkerung von 2000 Seelen; auch ist die Schutt - aufhäufung dort nur äusserst geringfügig; man sieht sogar an vielen Stellen, in der Mitte der Akropolis, den nackten Fels herausgucken, und zwischen der Bau - stelle dieser kleinen Stadt und Bunarbaschi zeigt ja der bald spitz zulaufende, bald abrupte und überall ganz unebene Felsboden, dass niemals ein Dorf, geschweige denn eine Stadt darauf gestanden haben kann. Un - mittelbar oberhalb Bunarbaschi, überall wo nur irgend Erde ist, habe ich im August 1868 bis zum Skamander mit meinem Führer und fünf Arbeitern, in Abständen von 100 Meter zu 100 Meter, eine lange Reihe von Löchern gegraben, aber überall sogleich den Urboden und in ganz geringfügiger Tiefe den Fels gefunden, und nirgends eine Spur von Topfscherben oder andern Anzeichen, dass der Ort jemals von Menschen bewohnt gewesen sein könnte. Auch in Bunarbaschi selbst fand ich den Urboden in ½ Meter Tiefe. Auch würde, wenn Troja hinter der Ebene, auf den Höhen von Bunarbaschi, erbaut gewesen wäre, Homer (Ilias, XX, 216 218) nicht ausdrücklich gesagt haben, dass es vor seiner Gründung durch Dardanos noch nicht in der Ebene er - baut war.

Der Urboden von Hissarlik ist zwar keine 20 Meter höher als die Ebene unmittelbar am Fusse des Berges, aber jedenfalls ist auch die Ebene selbst, und besonders79etymologie des namens ΙΛΙΟΣ.der an den Berg grenzende Theil derselben, seit 31 Jahr - hunderten bedeutend gestiegen. Aber selbst wäre dies nicht der Fall, so würde dennoch das auf diesem weit in die Ebene hinauslaufenden Hügel erbaute Troja durch seine imposante hohe Lage die homerischen Beiwörter ὀφρυόεσσα, αἰπεινή und ἠνεμόεσσα verdienen, und beson - ders das letztere; denn mein grösstes Leiden hier ist der fortwährende Sturm, und kann es zu Homer’s Zeit unmöglich anders gewesen sein. Es wird wahrlich Zeit, dass die so ganz und gar mit allen Angaben der Ilias in vollkommenem Widerspruch stehende Bunarbaschi - Theorie jetzt endlich einmal aufhört; sie würde auch niemals aufgekommen sein, wenn ihre Verfechter an - statt eine Stunde einen ganzen Tag lang auf den Höhen von Bunarbaschi zugebracht und, wenn auch nur mit einem einzigen Arbeiter, dort Ausgrabungen ange - stellt hätten. Wie ich bereits in meinem letzten Auf - satz bemerkte, finde ich hier die Sonne im Mittelpunkt aller der unzähligen, mit Verzierungen versehenen, runden Stücke von Terracotta in der Form des Vulkans und des Carrousels dargestellt, und fand ich gestern sogar eins, worauf die im Centrum befindliche Sonne von fünf andern Sonnen, jede mit zwölf Strahlen, um - geben ist.

Ich weiss sehr wohl, dass man den Stadtnamen Ilium (Ἴλιος oder Ἴλιον) vom Sanskritworte vîlu, Festung, und Ἥλιος von einem verlorenen Masculinum zu Σελήνη, vielleicht von Σείριος, ableiten will, und doch drängt sich beim Anblick des vorerwähnten Stücks Terracotta mit den fünf Sonnen im Kreise um die Centralsonne unwillkürlich der Gedanke mir auf, dass hier tausend80etymologie des namens ΙΛΙΟΣ.und aber tausend mal wiederkehrende Sonnenbild müsse durchaus der Name der Stadt Troja, nämlich Ἴλιος sein, denn Ἴλιον kommt ja nur ein einziges mal im Homer (Ilias, XV, 71) vor, der sonst stets Ἴλιος sagt und dies Wort immer als Femininum gebraucht. Homer sagt zwar immer Ἠέλιος anstatt Ἥλιος, aber nach meiner An - sicht ist das Stammwort beider ἕλη oder εἵλη vom Verbum αἱρέω, dessen Aorist εἷλον ist. In Deutschland spricht man, nach der Erasmischen Aussprache, εἵλη zwar heilä und εἷλον heilon aus, aber im Neugriechischen spricht man εἵλη: ili , εἷλον: ilon und Ἥλιος: ilios aus; dass aber die Erasmische Aussprache grundfalsch und die neugriechische die richtige ist, dafür gibt es ja gar viele Beweise, und will ich von diesen nur anführen, dass alle griechischen Wörter, die in die russische Sprache übergegangen sind, als Russland vor 900 Jahren das Christenthum angenommen hat, ganz genau so auf rus - sisch ausgesprochen werden, als dies noch jetzt in Griechenland der Fall ist, und ausserdem, dass die Ent - zifferer der assyrischen Keilinschriften, ich glaube besonders J. Oppert in Paris, nachgewiesen haben, dass die in denselben aus der Zeit der Seleuciden vorkom - menden griechischen Namen genau nach neugriechischer Aussprache durch die Cuneiformschrift wiedergegeben sind. Wenn nun aber aus dem Worte εἵλη, ἕλη oder εἷλον, Ἠέλιος und Ἥλιος entstanden ist, so kann doch wohl durch die Gleichheit der Aussprache aus einem der erstern drei Worte in einer vorhomerischen Zeit Ἴλιος im Femininum für πόλις Ἡλίου oder Ἰλίου ent - standen sein mit der Bedeutung Sonnenburg , denn die früheste Bedeutung von πόλις ist jedenfalls Burg,81aruṇa.Festung oder Akropolis, wie z. B. Ilias, VI., 88, 257, 317; XXII. 383.

Obgleich ich wohl weiss, dass die Aegyptologen bis - jetzt keine Verwandtschaft zwischen der Hieroglyphen - und der Sanskritsprache gefunden haben, so kann ich doch nicht umhin hinzuzufügen, dass ich vor drei Jahren im Institut de France einem Vortrag des Vicomte de Rougé beiwohnte, welcher in einem Papyrus die Namen der gegen Rameses III. verbündeten Mächte, und unter diesen den Staat Arouna oder Aruna gefunden hatte, welchen er ohne Bedenken mit Ilium identificirte, da er meinte, letzteres Wort könne in der Hieroglyphensprache nur so wiedergegeben werden. Merkwürdigerweise aber heisst nach Max Müller (Essays, II, 324) und Adal - bert Kuhn (Herabkunft des Feuers, S. 59) das Sanskrit - wort Aruṇa: Wagenlenker der Sonne. Ich überlasse es den Aegyptologen und Sanskritgelehrten zu beurtheilen, ob und wieweit dies zur Bestätigung des Vorstehenden beitragen kann.

Obgleich ich seit den griechischen Ostern 1 Piaster mehr, also jetzt 10 Piaster oder 2 Frs. Tagelohn zahlen muss, so arbeite ich doch nun mit 130 Mann und hoffe bestimmt bis zum 1. October d. J. meine grosse Plate - forme, genau in der auf dem Plane angegebenen Breite, durch den ganzen Berg zu graben, denn während meine Frau und ich mit 85 Arbeitern auf der Plateforme an der Nordseite beschäftigt sind, arbeitet uns seit zehn Tagen Georgios Photidas mit 45 Mann auf einer zweiten Plate - forme von der Südseite entgegen. Leider aber ist die Senkung des Berges auf der Südseite so gering, dass wir, um Raum und Leichtigkeit zur Fortschaffung desSchliemann, Troja. 682bollwerk aus der zeit des lysimachos.Schuttes zu haben, gezwungen waren dieselbe in 5 Me - ter Tiefe unter der Bergfläche anzufangen; wir geben ihr aber eine Senkung von 14°, sodass sie schon in ungefähr 75 Meter Länge den Urboden erreichen muss. Auf dieser südlichen Plateforme hat Georgios Photidas das Commando ganz allein, denn er zeigt sich als ein sehr gewandter Ingenieur und arbeitet mittels seiner geschickt angelegten Seitenterrassen mit grosser Schnel - ligkeit vorwärts; er hat aber bisjetzt nur sehr leichte Trümmer fortzuschaffen und ist noch nicht auf jenen steinharten, zähen, feuchten Schutt gestossen, den ich auf meiner Plateforme in 10 bis 16 Meter Tiefe finde. Er hat heute ein herrliches, aus grossen schön behauenen Muschelkalksteinen und ohne Cement oder Kalk gebau - tes Bollwerk ans Licht gebracht, das mir aber nicht älter zu sein scheint als die Zeit des Lysimachos. Es ist uns zwar sehr im Wege, aber es ist zu schön und ehrwürdig, als dass ich wagen könnte Hand daran zu legen, und es soll erhalten bleiben. Man sieht es gleich links auf Tafel 109.

Auf dieser Südseite ist die Schuttaufhäufung aus griechischer Zeit viel bedeutender als an der Nordseite und auf der Bergfläche, und bisjetzt findet Georgias Photidas noch immer griechische Töpferarbeit und jene runden Stücke Terracotta mit zwei Löchern an einem Ende, welche in meinen bisherigen Ausgrabungen bereits in 2 Meter Tiefe ganz aufhörten. Die meisten dieser runden Stücke haben den bereits früher erwähnten Töpferstempel, welcher über einem Altar eine Fliege oder Biene mit ausgebreiteten Flügeln darstellt.

Auch der Plateforme an der Nordseite habe ich, um83ruinenschichten.die unsagliche Mühe zu sparen, dieselbe um 2 Meter niedriger zu machen und somit 3000 Kubikmeter Schutt davon wegzuräumen, auf eine Strecke von 20 Me - ter eine Senkung von 10° gegeben, sodass ich dort auf dem Urboden weiter arbeite. Dieser Urboden be - weist zur Genüge, dass alle jene gewaltigen Massen un - geheuerer, meistentheils mehr oder weniger behauener Steine, mit denen ich wie erwähnt in einer Tiefe von 10 bis 14 Meter fortwährend zu kämpfen hatte, von grossen Gebäuden herrühren, die im Laufe von Jahrhunderten das eine auf den Ruinen des andern er - richtet worden sind, denn es scheint mir nicht denkbar, dass selbst ein grosser Palast, wäre er auch sechs Stock - werke hoch, diese kolossalen Ruinen zurücklassen könnte, die, da sie bis zum Fels gehen, eine Höhe von 6 Metern haben.

Seit einigen Tagen haben diese Steinmassen nach - gelassen; wir finden aber fortwährend viele einzelne grosse Steinblöcke. Statt der Steinschichten haben wir aber jetzt auf der ganzen 70 Meter breiten Plateforme, bis 6 Meter Höhe, und somit in einer Tiefe von 10 bis 16 Meter, eine feuchte, steinharte Wand von mit klei - nen Muscheln, Knochen, Eberzähnen u. s. w. vermischter Asche, ganz wie jene, welche wir früher nur am öst - lichen Ende fanden, vor uns. Dieser Schutt ist so zähe, dass wir ohne Anlegung von Schornsteinen und Ab - brechung der Wände mittels ungeheuerer eiserner Hebel nie damit fertig werden könnten.

Die mit grösserer Tiefe zunehmenden Zeichen höherer Civilisation, auf welche ich wiederum in meinem letzten Bericht bei Gelegenheit der grossen Urne mit assyrischen6*84irdene doppelbecher und andere thongefässe.Verzierungen hinwies, dauern bis zum Urboden fort, und ich finde dicht über demselben eine grosse Menge Bruchstücke glänzend schwarzer, auch bisweilen rother und brauner, mit eingeschnittenen Verzierungen ge - schmückter Töpferarbeit so ausgezeichneter Qualität, wie sie mir bisjetzt selbst in den höchsten Schichten unter den Trümmern aus griechischer Zeit noch nie vor - gekommen ist. Auch fand ich mehrere Bruchstücke von Bechern, deren unterer Theil auch einen, obwol nicht grossen, Becher bildet, und ich zweifle daher nicht daran, dass es Bruchstücke von Doppelbechern (δέπας ἀμφικύ - πελλον) sind. Bei Homer scheinen zwar alle Doppel - becher von Gold oder Silber mit vergoldetem Rand zu sein (z. B. Ilias, XI, 633 635; Odyssee, XV, 116 und 446), doch zweifle ich nicht, dass es gleichzeitig auch irdene Doppelbecher gab.

Die übrigen Gefässe, wovon ich Bruchstücke fand, sind, wie zwei auf jeder Seite nebeneinander fortlaufende Röhren beweisen, zum Tragen an Schnüren bestimmt gewesen. Auch den Kopf einer glänzend schwarzen Kanne mit hintenüber gebogenem, schnabelartigem Munde fand ich auf dem Urboden, sowie ein Bruchstück eines weissbemalten, durch horizontal gezogene schwarze Streifen in zwei Fächer getheilten Gefässes; das obere Fach enthält wellenförmig gezogene schwarze Linien, welche wol Wasser vorstellen sollen, während das un - tere gefüllt ist mit einer Reihe pfeilartiger Verzierungen, die einen viereckigen, spitzzulaufenden Kopf haben, in dessen Mitte immer ein Punkt ist.

Von grossen Wasser - oder Leichenurnen fand ich in gleicher Tiefe Bruchstücke mit eingravirten Ver -85verschiedene terracotten. zierungen verschiedener Art, auch ein durch mehrere mit einer weissen Masse ausgefüllte Linien und vier Reihen Punkte ringsum verziertes viereckiges Stück von schwarz bemalter Terracotta, welches, wie die Form der obern und der untern Seite und zwei durchgehende Löcher zu beweisen scheinen, als Einsatz und Verzierung eines hölzernen Schmuckkästchens gedient haben muss; es ist mit so viel Symmetrie gemacht, und hat ein so feines Ansehen, dass ich zuerst dachte, es sei mit Elfenbein ausgelegtes Ebenholz. Eine Zeichnung dieses Stückes findet sich im Anhange Tafel 20.

In 8 Meter Tiefe fand ich ein 4 Centimeter langes, mit einem Loch zum Aufhängen versehenes Petschaft von Terracotta, auf welchem man eine Menge Zeichen sieht, die dem alten Koppa ähnlich sind, wie es auf den korinthischen Münzen geprägt ist.

In 5 Meter Tiefe fand ich heute einen sehr hüb - schen Topf mit drei Füssen, der jedenfalls eine Frau, wahrscheinlich die ilische Minerva vorstellen soll, denn er hat zwei Brüste und einen Bauchnabel.

Die Schlangen scheinen durch die eingetretene warme Witterung aus ihrem Winterlager gelockt wor - den zu sein, denn seit zehn Tagen sah ich keine mehr.

Bei allen Beschwerden und Drangsalen in den Aus - grabungen hat man unter andern Annehmlichkeiten auch die, dass man niemals Zeit hat sich zu langweilen.

86mauern zur fortschaffung d. schuttes errichtet.

IX.

Seit meinem Berichte vom 11. d. M. hatten wir, heute mitgerechnet, leider wieder drei grosse und zwei kleine griechische Festtage, und ich habe somit eigent - lich nur sieben ordentliche Arbeitstage in diesen 12 Tagen gehabt. So arm die Leute sind und so gerne sie arbei - ten wollen, so sind sie doch nicht zu überreden, an den Feiertagen selbst der unbedeutendsten Heiligen zu ar - beiten, und μᾶς δέρνει ἅγιος (es schlägt uns der Heilige) ist die stete Antwort, die ich kriege, wenn ich die armen Leute zu bereden suche, gegen höhern Lohn von ihrem Aberglauben abzustehen.

Zur Beschleunigung der Arbeiten habe ich nun 5 und 6 Meter über der grossen Plateforme, am Ost - und am Westende derselben, Terrassen machen und behufs Fortschaffung des Schuttes in dieser Höhe Mauern von grossen Steinblöcken errichten und den Zwischenraum mit Schutt füllen lassen. Die kleinere Mauer schien mir nicht stark genug und ich hielt die Arbeiter ferne da - von; sie hielt auch den Druck nicht aus und stürzte ein, als sie kaum fertig war. Auf die grössere höhere Mauer war sehr viel Mühe verwandt, sie war ausschliesslich87gefahren bei den ausgrabungen. aus grossen, meistentheils behauenen Steinen erbaut, und alle, selbst Georgios Photidas, meinten, sie könne Jahrhunderte halten. Dennoch wollte ich am folgenden Tage einen Stützpfeiler von grossen Steinblöcken er - richten, um das Fallen der Mauer unmöglich zu machen, und waren sechs Mann damit beschäftigt, als sie plötzlich mit donnerndem Krachen einstürzte. Mein Schreck war entsetzlich, unbeschreiblich, denn ich glaubte, die sechs Menschen wären unter der Steinmasse begraben; zu meiner übergrossen Freude aber hörte ich sogleich, dass, wie durch ein Wunder, alle gerettet waren.

Bei aller Vorsicht sind und bleiben Ausgrabungen, wo man es mit Erdwänden von 53½ Fuss senkrechter Tiefe zu thun hat, immer sehr gefährlich. Das Schreien: guarda, guarda! nützt nicht immer, weil diese Worte fortwährend auf verschiedenen Stellen gerufen werden; viele Steine rollen auch von den steilen Erdwänden herab, ohne dass die Gräber es bemerken, und wenn ich den ganzen Tag lang die furchtbare Gefahr sehe, der wir alle ausgesetzt sind, so kann ich, wenn ich des Abends nach Hause komme, nicht umhin, Gott inbrünstig zu dan - ken für den grossen Segen, dass noch wieder ein Tag ohne Unglück hingegangen ist. Ich kann auch noch immer nicht ohne Entsetzen daran denken, was aus der Aufdeckung Iliums und was aus mir geworden wäre, wenn die sechs Mann von der fallenden Mauer zer - malmt worden wären; kein Geld und keine Versprechun - gen hätten mich dann retten können; die armen Witwen hätten mich in ihrer Verzweiflung zerrissen, denn das haben die trojanischen Frauen mit allen Griechinnen gemein, dass der Mann, mag er alt oder jung, reich88uraltes gebäude auf d. westlichen terrasse. oder arm sein, Alles bei ihnen ist und Himmel und Erde nur von secundärem Interesse für sie sind.

Auf der neu angelegten westlichen Terrasse, un - mittelbar neben meiner vorjährigen Ausgrabung, haben wir einen Theil eines grossen Gebäudes blossgelegt, dessen Wände eine Dicke von 1 Meter 90 Centimeter oder Fuss haben und aus mit Lehm verbundenen, grösstentheils behauenen Muschelsteinen bestehen, von denen keiner mehr als ½ Meter lang zu sein scheint und die so geschickt zusammengelegt sind, dass die Wand eine glatte Fläche bildet. Dies Haus ist in 6 Me - ter Tiefe auf einer Schicht gelber und brauner Asche und Trümmer gebaut, und der erhaltene Theil der Wände reicht bis 3 Meter unter des Berges Oberfläche. In dem Hause, soweit wir bis jetzt gegraben haben, fanden wir nur eine Vase mit zwei Brüsten nach vorne und einer Brust auf der Seite und eine Menge jener vielbesprochenen runden Terracottas in der Form des Vulkans und des Carrousels, welche sämmtlich fünf oder sechs vierfache aufgehende Sonnen im Kreis um die Central - sonne haben. Diese Gegenstände, die Tiefe von 6 Me - ter, sowie die beschriebene Bauart der Wände lassen keinen Zweifel darüber, dass das Haus Jahrhunderte vor der Gründung der griechischen Colonie gebaut wurde, deren Trümmer ja nur eine Tiefe von 2 Meter er - reichen. Ein grosses Interesse gewährt es mir, von der grossen Plateforme aus, also in einer senk - rechten Höhe von 33½ bis 43½ Fuss, dies uralte Ge - bäude, welches 1000 Jahre vor Christo errichtet sein mag, gleichsam in der Luft schweben zu sehen. Aber zu meinem Leidwesen muss es auf jeden Fall wegge -89die trümmerschichten unter dem gebäude. brochen werden, um tiefer graben zu können. Wie gesagt, ist unmittelbar unter diesem Hause eine Schicht von Trümmern und gelber und brauner Asche, und folgen darauf bis zur Terrasse noch vier andere Schichten von Asche und sonstigem Hausschutt, deren jede die Ueberbleibsel wenigstens eines Hauses reprä - sentirt. Unmittelbar über der Terrasse, somit 4 Me - ter unter den Fundamenten jenes uralten Hauses, finde ich eine von grossen Muschelkalksteinen erbaute Wand von 1 Meter 40 Centimeter Dicke, die ich erst in meinem nächsten Berichte beschreiben kann, denn ein grosser Theil des erwähnten Gebäudes und kolossale Massen von den obern Schuttschichten, auch eine 8 Meter dicke und 6 Meter hohe Erdwand von der Terrasse selbst müssen weggebrochen werden, ehe ich im Stande sein werde, einen Theil dieser Mauer blosszulegen und zu untersuchen, wie tief sie geht. Reicht sie bis zum Ur - boden oder auch nur annähernd dahin, dann will ich sie mit Ehrfurcht bewahren. Es ist aber doch eine wirk - lich merkwürdige Thatsache, dass dies die erste von grossen Steinen erbaute, wirkliche Mauer ist, die ich bisjetzt in 10 bis 16 Meter Tiefe fand, und ich kann dies in Betracht der kolossalen Masse der, besonders in 11 bis 16 Meter Tiefe, lose und unregelmässig zusam - menliegenden Steine nicht anders erklären, als dass die Häuser der Trojaner von durch Lehm verbundenen Muschelkalksteinen erbaut und daher leicht zerstörbar waren.

Wenn die Ausgrabungen durch kein Unglück gestört werden, dann hoffe ich jedenfalls in dieser Beziehung sehr bald interessante Entdeckungen zu machen.

90verziertes gefäss; terracotten mit thieren und sonne.

Leider habe ich seit 12 Tagen wenig von der un - tern festen Erdwand losbrechen können, da ich zur Vermeidung der Lebensgefahr mich ganz besonders mit der Anlegung und Vergrösserung der Seitenterrassen beschäftigen musste. Jetzt aber habe ich riesige eiserne Hebel von 3 Meter Länge und 16 Centimeter Um - fang angeschafft, und hoffe somit fortan die härtesten Erdwände, von 3 Meter Dicke, 20 Meter Breite und 5 bis 8 Meter Höhe, mittels Winden auf einmal nieder - brechen zu können. In dem Wenigen, was dieser Tage von der untern Erdwand losgebrochen ist, finde ich wieder - holt die unwiderlegbarsten Beweise höherer Civilisation, und will nur ein vor mir liegendes, in 15 Meter Tiefe gefundenes Bruchstück eines glänzend dunkel - grauen Gefässes erwähnen, welches wol 60 Centimeter im Durchmesser gehabt haben mag und auswendig und in - wendig Verzierungen zeigt, die in eingravirten horizon - talen und wellenförmigen Linien bestehen. Erstere, in Streifen von je fünf Linien, bilden drei Fächer, wovon das unterste mit acht, das folgende mit fünf wellenförmigen Linien geschmückt ist, welche wol die Meereswogen vorstellen sollen; von dem darauffolgenden Fach ist nichts erhalten; die Dicke des Thons ist genau Cen - timeter. Das Stück ist auf Tafel 26 abgebildet.

In meinem Berichte vom 25. v. M. erwähnte ich die Auffindung eines jener runden Stücke Terracotta, auf dem drei Thiere mit Geweihen im Kreise um die Cen - tralsonne eingravirt waren. Es sind seitdem noch vier dieser merkwürdigen Stücke mit ähnlichen Darstellungen vorgekommen. Auf dem einen, welches in 6 Meter Tiefe gefunden wurde, stehen nur zwei Thiere mit Ge -91terracotten mit thierbildern. weihen im Kreise um die Sonne, und sieht man am Ende jedes Geweihes, mit demselben zusammenhängend, ein höchst sonderbares, einem grossen Leuchter oder Weihrauchbecken ähnliches Zeichen, welches jedenfalls ein besonders wichtiges Symbol darstellt, denn es kommt hier mehrfach alleinstehend vor; die Abbildung dieser Terracotte ist Tafel 2, No. 35; aber eine ähnliche ist auf Tafel 9, No. 296. Auf einem anderen, Tafel 9, No. 298 dargestellten Stücke sieht man unten einen roh dargestellten Menschen, der zu beten scheint, denn er hat beide Arme gen Himmel gerichtet, derselbe erin - nert in dieser Stellung lebhaft an die Eulengesichts - vasen mit den beiden emporgehobenen Armen; links davon ist ein Thier mit nur zwei Füssen und zwei Bäu - men auf dem Rücken. Die Indologen werden vielleicht finden, dass dies den Falken vorstellen soll, in dessen Gestalt der Sonnengott den heiligen Sôma-Baum vom Himmel raubte. Dann folgen zwei Thiere mit zwei Hör - nern, wahrscheinlich Antilopen, die man so häufig auf den alten griechischen Vasen sieht und welche im Rigvêda immer den Wagen der Winde ziehen. Auf einer dritten, Tafel 9 unter No. 299 abgebildeten Terra - cotta, sieht man drei dieser Antilopen mit einer und zwei Reihen Sterne über dem Rücken, welche vielleicht den Himmel vorstellen sollen; dann fünf Feuermaschinen unse - rer arischen Urväter; dann ein Zeichen im Zickzack, wel - ches, wie ich schon früher erwähnt habe, nichts anderes als den Flammenaltar bedeuten kann. Auf dem vierten, Tafel 9, No. 288 abgezeichneten Stücke bilden vier Hasen, welche das Symbol des Mondes sind, ein Kreuz um die Sonne und stellen wol die vier Jahreszeiten dar.

92radförmige terrac. als symbole des sonnenwagens.

In 14 Meter Tiefe wurden heute zwei jener runden Stücke von herrlich glänzender schwarzer Terracotta ge - funden, die nur Centimeter hoch sind, aber 6 Centi - meter im Durchmesser haben und fünf dreifache aufge - hende Sonnen und fünf Sterne im Kreise um die Central - sonne darstellen. Alle diese Verzierungen, welche, wie immer, eingravirt sind, sind mit einer sehr feinen weissen Masse ausgefüllt. Beim Anblick dieser seltsamen Stücke, wovon eins Tafel 3, No. 70 dargestellt ist, und die ganz die Form des primitiven Wagenrades haben, drängte sich unwillkürlich der Gedanke mir auf, sie seien Symbole des Sonnenwagens, der bekanntlich im Rigvêda durch das Rad symbolisirt wird, und alle und jegliche in den höhern Schichten vorkommenden Stücke, deren Form zwar wegen grösserer Dicke von der des Rades etwas abweicht, aber doch immer noch grosse Aehnlich - keit mit demselben behält, könnten nichts anderes sein als entartete Darstellungen des Sonnenrades. Ich vermuthe dies um so mehr, als nicht nur die Sonne auf allen runden Terracottas im Mittelpunkt ist, sondern auch die - selbe fast immer umgeben ist von einem, zwei, drei, vier oder fünf Kreisen, welche die Naben des Rades vor - stellen mögen. In 16 Meter Tiefe wurde eine runde Terracotta, welche Tafel 8, No. 266 unter den Abbil - dungen vorkommt, gefunden, die kaum Centimeter im Durchmesser und ½ Centimeter Dicke hat; man sieht auf derselben 5 nabenähnliche Kreise um den Mittelpunkt und zwischen dem vierten und sechsten Kreise kleine schräg gezogene Strichelchen, die vielleicht die Drehung des Rades anzeigen sollen.

Bei dieser Gelegenheit zurückkommend auf die in93die zeichnungen d. terrac. von s. 29 keine buchstaben. meinem Berichte vom 18. November v. J. besprochene runde Terracotta, deren Abbildung Tafel 2, No. 61 ist, muss ich jetzt zu meinem Leidwesen die bestimmte Ueber - zeugung aussprechen, dass keine Buchstaben, sondern nur symbolische Zeichen darauf stehen, dass z. B. das obere Zeichen, welches man fast ganz so auf der Ter - racotta Tafel 9, No. 298 findet, durchau seinen Menschen in betender Stellung vorstellen muss, und dass die links folgenden drei Zeichen keinesfalls etwas anderes sein kön - nen als die Feuermaschine unserer arischen Vorväter, das wenig oder gar nicht veränderte

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(svastika). Das darauffolgende Zeichen, welches mit dem vierten und sechsten Zeichen zusammenhängt, finde ich auch, wenig - stens sehr annähernd, in dem Bilde Tafel 13, No. 432 wieder, aber ich wage noch nicht, eine Meinung darüber auszu - sprechen, was es bedeuten soll. Das sechste Zeichen (das fünfte von der betenden Figur) ist dem phönizischen Buch - staben Nun sehr ähnlich, kann aber nach meiner Mei - nung kein Buchstabe sein; denn wie wäre es nur möglich, einen einzelnen semitischen Buchstaben zwischen arischen religiösen Symbolen zu finden? Seine grosse Aehnlich - keit mit dem Zickzackzeichen Tafel 11, No. 356 und Ta - fel 4, No. 124 und 125, in welchem ich den Blitz erkenne, führt mich zur Vermuthung, dass es ebenfalls nur den Blitz vorstellen kann.

Alle die primitiven symbolischen Zeichen der ari - schen Rasse, die ich auf den trojanischen Terracottas finde und wovon ich die verschiedenen Arten in den Abbildungen im Anhange gebe, müssen Zeichen guter Bedeutung sein, denn wol nur solche konnte man auf diese hier zu Tausenden vorkommenden Thonstücke94formen aus glimmer - und chloritschiefer. setzen, in denen ich jetzt, wie gesagt, das Rad, das Symbol des Sonnenwagens, zu erkennen glaube. Den - noch aber erinnern diese symbolischen Zeichen lebhaft an die σήματα λυγρά und ϑυμοφϑόρα , welche der König Proitos von Tiryns dem Bellerophontes an seinen Schwiegervater in Lykien mitgab (Ilias, VI., 168 170): πέμπε δέ μιν Λυκίηνδε, πόρεν δ̕ ὅγε σήματα λυγρά, γράψας ἐν πίνακι πτυκτῷ ϑυμοφϑόρα πολλά, δεῖξαι δ̕ ἠνώγειν πενϑερῷ, ὄφρ̕ ἀπόλοιτο.

Hätte er ihm dagegen ein Glückszeichen, z. B. ein

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auf dem doppelten Täfelchen eingeritzt, so hätte dies bestimmt hingereicht, ihm die beste Aufnahme und Schutz zu sichern. Er gab ihm aber Todeszeichen mit, damit er getödtet werden sollte.

Die in meinem Berichte vom 18. November v. J. erwähn - ten, in Meter Tiefe auf einem Terracotta-Scheibchen gefundenen fünf Zeichen, die ich für phönizisch hielt, ha - ben sich leider nicht als solche herausgestellt, denn Herr Ernest Renan in Paris, dem ich das Scheibchen einsandte, erkennt nichts Phönizisches in den Zeichen und behaup - tet auch, dass ich nichts der Art in Troja würde finden können, da die Phönizier nicht die Gewohnheit hatten, auf Terracotta zu schreiben, und überdies, ausser der neuentdeckten Inschrift des Mesa, noch nie eine phö - nizische Inschrift gefunden sei, die über 500 Jahre vor Christo hinausginge.

Noch kann ich, in Bezug auf meine vorjährigen Ausgra - bungen, bemerken, dass ich jetzt viereckige, 15 und bis 27½ Centimeter lange, und bis 9 Centimeter dicke Stücke Glimmerschiefer und Chloritschiefer gefunden habe, welche auf allen vier Seiten, mehrere sogar95abwesenheit von kellern. auf sechs Seiten Formen oder Mulden zum Giessen von Waffen und Werkzeugen haben, und dass die in meinem Berichte vom 18. November v. J. erwähnten cannelirten Stücke nichts anderes sind als Bruchstücke ähnlicher Formsteine; das glänzende, glasurähnliche Aussehen er - hält dieser Schiefer, wie es scheint, durch blosses Po - liren.

Von Kellern, wie man sie in civilisirten Ländern hat, finde ich bisjetzt weder in den Trümmerschichten griechischer, noch in denen vorgriechischer Zeit die ge - ringste Spur; dieselben scheinen überall durch ir - dene Behälter ersetzt worden zu sein, von denen ich auf meiner südlichen Plateforme, in den Schuttschichten griechischer Zeit, bereits zehn Stück unversehrt heraus - grub, welche eine Höhe von 1 Meter 85 Centimeter bis 2 Me - ter und einen Durchmesser von 90 Centimeter bis 1 Meter 25 Centimeter haben, aber ohne Verzierungen sind. Sieben dieser πίϑοι schickte ich an das Museum in Konstantinopel.

In den Trümmerschichten vorgriechischer Zeit finde ich eine ungeheuere Menge solcher πίϑοι, jedoch gelang es mir bisjetzt nur zwei derselben aus 8 Meter Tiefe unversehrt herauszunehmen; dieselben haben eine Höhe von 1 Meter 10 Centimeter und einen Durchmesser von 68 Centimeter; es sind auf denselben nur unbedeu - tende Verzierungen.

Ich konnte in meinem letzten Bericht eine Vermin - derung der mir auf der grossen Plateforme den Weg sperrenden Steinmassen melden, muss aber heute leider wieder eine bedeutende Zunahme derselben berichten.

Ich habe jetzt, in kaum 300 Meter Abstand von meinem Hause, auf der Südseite, am Fusse der Hoch -96entdeckung der latomie. meine dienste als arzt. ebene von Ilium, gerade senkrecht unter dessen zertrümmerter Ringmauer, die von Lysimachos erbaut zu sein scheint, die Latomie entdeckt, aus der alle diese kolossalen Massen Muschelkalksteine stammen, welche von den Trojanern und ihren Nachfolgern bis nach Christo zum Bau ihrer Häuser und Mauern verwandt worden sind, die meinen Arbeitern und mir so unsaglich viel Angst, Mühe und Sorgen bereiten. Der Eingang der Latomie, die von den eingeborenen Griechen und Türken lagum (Mine oder Tunnel, vom ins türkische übergegangenen arabischen Worte〈…〉〈…〉) genannt wird, ist verschüttet, aber, wie man hier allgemein versichert, ist er noch vor 20 Jahren offen gewesen, und, wie meine Untersuchungen erwiesen haben, war er sehr gross. Die Stadt hat, wie eine kleine sich unterhalb der Latomie weit ausdehnende Anhöhe zu beweisen scheint, auf dieser Stelle doppelte Ringmauern gehabt, und dies war nöthig, weil sonst der Feind ohne weiteres in die unter der Stadtmauer befindliche La - tomie hätte dringen können, zu der der Eingang von aussen war.

Unglücklicherweise bin ich hier, ohne eine Idee von Arzneikunde zu haben, als Arzt berühmt geworden, weil das grosse Quantum Chinin und Tinctura Arnicae, welches ich mitgebracht habe und freigebig austheilte, im October und November v. J. hier alle Wunden und alle Fieberkranken heilte. Infolge dessen wird jetzt meine kostbare Zeit auf eine lästige Weise von Kranken in Anspruch genommen, die oft viele Meilen weit herkommen, um durch meine Medicin und meinen Rath zu genesen; denn in allen Dörfern hiesiger Gegend97krankenheilungen durch baden. ist der Priester der Gemeindearzt, und da er selbst keine Medicin besitzt, auch nichts davon versteht, und immer einen angeborenen Ekel gegen kaltes Wasser und alle Arten von Waschungen hat, so gebraucht er nie ein anderes Mittel als Aderlassen, welches natürlich die ar - men Leute zu Grunde richtet. Oft zeigen schon die Runzeln rechts und links neben den Lippen der 10 - und 12jährigen Kinder, dass der Pfaffe ihnen bereits mehr - mals Blut abgezapft hat. Ich hasse aber das Blutver - giessen und schwärme für Kaltwassercur; ich lasse daher niemand zur Ader und verordne fast bei allen Krank - heiten die Seebäder, die hier, ausser mir, der ich keine Zeit dazu habe, allen zu Gebote stehen. Meine Ver - ordnung dieser Bäder hat ein solches Vertrauen und sogar Enthusiasmus erweckt, dass selbst Frauen, welche zu sterben glaubten, wenn sie ihren Körper mit kaltem Wasser berührten, jetzt freudig ins Meer gehen und untertauchen. Unter andern wurde vor 14 Tagen ein 17jähriges Mädchen aus Neo-Chori zu mir gebracht; ihr Körper war mit Geschwüren bedeckt, besonders das Gesicht, und ein furchtbares Geschwür auf dem linken Auge hatte dasselbe geblendet; sie konnte kaum sprechen, nicht gehen oder stehen, hatte, wie ihre Mutter versicherte, gar keinen Appetit, ihre Brust war einge - fallen und sie hustete. Ich sah sogleich, dass nur durch furchtbares Aderlassen und daraus entstandenen Blut - mangel alle jene Leiden entsprungen waren, und fragte daher nicht ob, sondern nur wieviel mal ihr Blut ab - gezapft wäre. Die Antwort war, sie hätte sich erkältet gehabt und der Dorfpriester hätte ihr siebenmal in einem Monat zur Ader gelassen. Ich gab ihr einen Löffel vollSchliemann, Troja. 798krankenheilungen. Castoröl ein und verordnete täglich ein Seebad; ferner dass ihr Vater bei ihr, sobald sie zu Kräften gekommen sein würde, eine einfache passive Gymnastik, die ich genau beschrieb, anwenden solle, damit die Brust her - vortrete. Ich wurde gerührt, als dasselbe Mädchen heute früh plötzlich auf der Plateforme erschien, sich vor mir auf die Erde warf, meine schmuzigen Schuhe küsste und mit Freudenthränen meldete, schon das erste See - bad habe ihr Appetit gegeben, alle Geschwüre hätten sofort angefangen abzutrocknen und seien verschwunden, und nur mit dem linken Auge sähe sie noch nicht; sonst wäre sie vollkommen gesund, denn selbst der Husten hätte sich verloren. Natürlich kann ich das Auge nicht curiren; es scheint mir aber nur mit einer Haut über - zogen zu sein, und ich glaube, dass ein Augenarzt leicht diese Haut abziehen könnte. Das Mädchen hatte die drei Stunden Wegs von Neo-Chori zu Fuss gemacht, um sich bei mir zu bedanken, und kann ich bezeugen, dass dies das erste mal ist, wo man sich in der Ebene von Troja für geleistete ärztliche Dienste und gelieferte Arznei bei mir bedankt hätte; nur weiss ich nicht recht, ob es das Gefühl reiner Dankbarkeit war, welches das Mädchen zu mir trieb, oder die Hoffnung, ich möchte noch ein anderes Mittel wissen, das blinde Auge sehend zu machen.

Die Hitze hat hier seit einigen Tagen bedeutend zugenommen und das Thermometer zeigt den ganzen Tag 24 und 25 Grad Réaumur im Schatten.

99anlegung einer dritten plateforme.

X.

Seit meinem Berichte vom 23. v. M. habe ich mit Einwilligung meines geehrten Freundes, des Herrn Frank Calvert, und unter der Bedingung, die zu findenden Ge - genstände mit ihm zu theilen, auf dessen Hälfte dieses Berges unmittelbar neben meiner grossen Plateforme in 12 Meter senkrechter Tiefe unter der Bergfläche eine 31 Meter breite dritte Plateforme mit einer 34 Meter breiten obern Terrasse angelegt und lasse dort 70 Arbeiter graben, denn unmittelbar neben dem Rande des steilen nördlichen Abhangs finde ich auf dieser Stelle eine 34 Meter lange und 23 Meter breite vier - eckige Senkung des Bodens, welche nur durch Aus - grabungen entstanden sein kann, die schon vor Jahr - hunderten von den nach Säulen oder andern nur ir - gend als Grabmäler tauglichen Marmorblöcken suchen - den Türken gemacht sind; sämmtliche alte türkische Kirchhöfe in der Ebene von Troja und in deren Umge - bung, ja selbst bis hinter Alexandria Troas, haben nämlich Tausende von solchen Marmorblöcken, die alten Bauten entlehnt sind. Die unzähligen Stücke Marmor, womit die ganze Bergfläche des Herrn Frank Calvert bedeckt7*100triglyphenblock mit apollorelief. ist, lässt keinen Zweifel, dass das Feld, jedenfalls jener Theil desselben, wo die viereckige Senkung ist, von türkischen Marmorsuchern durchgraben ist.

Kaum war diese meine dritte Plateforme wagrecht in den Berg vorgerückt, so fand ich einen 2 Meter langen, 86 Centimeter hohen und auf einer Seite 55, auf der anderen 36 Centimeter dicken Triglyphenblock von parischem Marmor, der in der Mitte eine 88 Centimeter lange, 86Centimeter hohe Sculptur in Hautrelief hat, welche den Phoebus Apollo darstellt, der in langem, mit einem Gürtel versehenem Frauengewande auf vier unsterbliche, das Weltall durcheilende Rennpferde gelehnt ist. Von einem Wagen sieht man nichts. Ueber dem herrlichen, wallenden, ungetrennten, aber nicht langen Haupthaar des Gottes sieht man den Rand von ungefähr zwei Drittel der Sonnenscheibe mit zehn Strahlen von 6 Centimeter und zehn von 9 Centimeter Länge. Das Gesicht des Gottes ist sehr ausdrucksvoll und die Falten seines langen Ge - wandes sind so ausgezeichnet gearbeitet, dass sie leb - haft an die Meisterwerke im Tempel der Νίκη ἄπτερος in der Akropolis von Athen erinnern. Was aber besonders meine Bewunderung erregt, sind die vier Hengste, die wild vor sich hinblickend mit unendlicher Kraft das Weltall durchschnauben und deren Anatomie so genau beobachtet ist, dass ich aufrichtig bekenne, noch nie ein solches Meisterwerk gesehen zu haben. Rechts und links davon sind dorische Triglyphen; ein drittes Triglyph ist auf der linken, 55 Centimeter dicken Seite des Marmor - blocks dargestellt, während die rechte, 36 Centimeter dicke Seite unbearbeitet ist. Oben und unten im Block sind mit Blei befestigte Eisen, und in Betracht des101bedeutung und entstehungszeit des reliefs. Triglyphs der linken Seite vermuthe ich, dass diese Metope neben einer andern Sculptur, die auf der rech - ten Seite ebenfalls ein dorisches Triglyph hatte, die Propyläen des Tempels geschmückt hat.

Vor allem ist hier das Vorhandensein des Sonnen - gottes höchst merkwürdig, denn von einem Tempel der Sonne in Troja weiss Homer nichts, und die spätere Ge - schichte sagt uns kein Wort davon, dass es hier einen solchen gab. Das Bild des Phoebus Apollo beweist aber auch nicht, dass die Sculptur zu einem Tempel der Sonne gehört haben muss; sie kann nach meiner Meinung ebenso gut als Schmuck irgendeines andern Tempels gedient haben.

Bereits in meinem Aufsatze vom 11. Mai habe ich die Vermuthung gewagt, dass das Bild der Sonne, welches ich hier tausend und abertausend mal auf den runden Stücken Terracotta dargestellt finde, der Name oder das Sinnbild der Stadt, nämlich ῎Ιλιος sein müsse, und ich wage jetzt die Meinung auszusprechen, dass auf gleiche Weise dieser Sonnengott in weiblicher Gestalt als Symbol τῆς Ιλίου auf den Προπύλαια des Tempels der ilischen Minerva geglänzt hat. Ich hörte von einem gelehrten Freunde die Meinung aussprechen, dass dies Meisterwerk aus der Zeit zwischen Perikles und Alexan - der dem Grossen stamme, da die ausgestreckte Hand des Sonnengottes sehr ähnlich derjenigen des Phoebus Apollo auf den Münzen von Rhodos aus jener Epoche ist. Nach Strabo (XIII, 1) aber fand Alexander der Grosse bei seinem Besuche in Ilion einen winzigen Tempel (εὐτελῆ ναόν) der ilischen Minerva vor, und ein winziger Tempel kann wol solche Meisterwerke102muthmassliche lage d. spätern u. alten minervatempels. der plastischen Kunst nicht gehabt haben. Ausserdem sieht mir der Kopf des Sonnengottes so alexandrinisch aus, dass ich an der Geschichte festhalten und glauben muss, dass dies Kunstwerk aus der Zeit des Lysimachos stammt, der, nach Strabo, XIII, 1, nach Alexander’s des Grossen Tode hier den von diesem nach der Unterwer - fung des persischen Reichs der Stadt Ilion versproche - nen neuen Tempel der ilischen Minerva baute.

Dass ich nun das Kunstwerk auf dem steilen Ab - hange des Berges fand, während es doch nothwendiger - weise auf der entgegengesetzten Seite, über dem Ein - gang zum Tempel, gestanden haben muss, ist nur da - durch erklärlich, dass die Türken, welche hier Grab - säulen suchten, diese Sculptur verschmähten, weil sie lebendige Geschöpfe darstellt, deren Nachahmung sehr streng im Koran verboten ist.

Unter den Ruinen dieses Tempels hoffe ich die Trümmer jenes von Alexander dem Grossen hier vor - gefundenen winzigen Tempels zu finden. Es scheint mir jedoch nicht wahrscheinlich, dass ich in den Tiefen des letztern den alten trojanischen Tempel entdecke, in welchem Hekabe durch die Priesterin Theano ihr kostbarstes Gewand auf die Knie der Minerva legen liess (Ilias, VI, 302 304): Η δ̕ ἄρα πέπλον ἑλοῦσα Θεανὼ καλλιπάρῃος ϑῆκεν Ἀϑηναίης ἐπὶ γούνασιν ἠϋκόμοιο· εὐχομένη δ̕ ἠρᾶτο Διὸς κούρῃ μεγάλοιο (und die schönwangige Theano, das Gewand nehmend, legte es auf die Knie der schönlockigen Athene und betete inbrünstig zur Tochter des grossen Zeus). Nach dem aus der Asche von Opferthieren bestehenden steinfesten Schutt zu ur - theilen, der mir auf einer Strecke von 25 Meter am öst -103einsturz einer erdwand; gefahren dabei. lichen Ende meiner grossen Plateforme so unendlich viele Schwierigkeiten machte, kann die Baustelle des uralten Tempels unmöglich identisch sein mit der des von Lysimachos erbauten; sie muss durchaus etwas westlicher sein und etwa am westlichen Ende desselben anfangen.

Nach meinem Berichte vom 23. v. M. fing ich an, die steinfesten untern Erdwände mit jenen ungeheuern, bereits beschriebenen eisernen Hebeln loszubrechen. Es wollte mir jedoch nicht glücken, denn nachdem ich an einer durch Schornsteine und Minen wohlvorberei - teten, 5 Meter hohen, 5 Meter breiten und 3 Meter dicken Erdwand drei Stunden lang mit 40 Mann gear - beitet hatte, um sie mit den grossen Hebeln und Win - den loszubrechen, und dies nur mit der allergrössten Mühe gelungen, nachdem die dicksten Ketten mehrmals gerissen waren, fiel die nächste Erdwand ganz von selbst und begrub den Georgios Photidas und einen Arbeiter, welche mit dem Untergraben beschäftigt waren und sich durch untergestellte, 60 Centimeter hohe, 25 Centi - meter dicke Holzblöcke, die mit 8 Centimeter dicken Bretern bedeckt waren, vollkommen sicher geglaubt hatten. Wir alle glaubten natürlich, die beiden Menschen wären zermalmt unter der gewaltigen Stein - und Erd - masse von 75 Kubikmetern, welche die dicken Breter zersplittert hatte, und unser Schreck war entsetzlich. Aber ohne einen Augenblick zu verlieren, gingen wir an die Arbeit, die Unglücklichen herauszuholen. Kaum hatten wir damit angefangen, so hörten wir das Aech - zen beider unter der Erdlast, denn die Blöcke waren nur umgefallen und unterstützten noch, in der Länge104anlegung eines kanals längs des urbodens. liegend, einigermassen die Wölbung, sodass den Leuten etwas Luftraum zum Athemholen geblieben war. Die Rettung aber konnte, der in mehrere grosse Scheiben zerspaltenen Erdwand wegen, nicht ohne die grösste Gefahr geschehen, und mussten beide Männer mit Mes - sern herausgeschnitten werden; ich schnitt den Georgios Photidas mit meinem Taschenmesser heraus, der andere wurde von meinen Arbeitern herausgeschnitten.

Infolge dieses Ereignisses habe ich beschlossen, von der grossen Plateforme aus nur erst einen oben 30, unten 20 Meter breiten Durchstich den Urboden ent - lang durch den ganzen Berg zu machen und erst nach Vollendung desselben den übrigen Theil der grossen Plateforme durchzustechen; denn dann werde ich im Stande sein, zu beurtheilen, wie es am besten zu be - werkstelligen ist. Ich lasse diesen 30 Meter breiten Kanal in seiner ganzen Länge auf einmal in Angriff nehmen und hoffe ihn so in zwei Monaten fertig zu kriegen. Bei Grabung dieses Kanals fand ich, dass in 21 Meter Abstand vom Bergabhang der Urboden sich allmählich um 2 Meter hebt, und da der Durchstich nothwendigerweise dem Urboden folgen muss, so habe ich von der Stelle ab den Schutt wieder auf die grosse Plateforme werfen lassen und habe so auf derselben, bis zum Bergabhange, einen 20 Meter breiten, 2 Meter hohen Damm gebildet.

Wären es nicht die herrlichen Terracottas, die ich ausschliesslich auf dem Urboden und bis 2 Meter über demselben finde, dann würde ich beschwören, dass ich in 8 und genau bis 10 Meter Tiefe in den Trümmer - schichten des homerischen Troja bin, denn in dieser105gegenstände aus metall u. elfenbein.Tiefe fand ich im vorigen Jahre und finde ich in diesem Jahre tausend wunderbare Sachen, während ich in den untersten Schichten, deren Wegräumung mir so unsagliche Mühe kostet, verhältnissmässig nur wenig finde. Es kommen täglich einige jener runden Stücke sehr feiner Terracotta aus denselben hervor, und ist es merkwürdig, dass diejeni - gen, welche ganz ohne Verzierungen sind, immer in der ge - wöhnlichen Form und Grösse der kleinen Carrousele und Vulkane, diejenigen dagegen, welche Verzierungen ha - ben, fast alle flach und in der Form des Rades sind. Metall, wenigstens Gold, Silber und Kupfer, waren den Trojanern bekannt, denn ich fand ein kupfernes stark vergoldetes Messer, eine silberne Haarnadel und viele kupferne Nägel in 14 Meter, und mehrere 10 bis 16 Centi - meter lange kupferne Nägel in 16 Meter Tiefe. Kupferne Waffen und Werkzeuge müssen dagewesen sein, ich habe aber bisjetzt noch nichts davon gefunden; dagegen fand ich viele kleine Werkzeuge zum Stechen, auch eine Menge Nadeln von Elfenbein, sowie eine kleine Platte von Elfenbein, beinahe in der Form einer Spielkarte, mit sechs Sternchen oder kleinen Sonnen, auch, mit gleichen Verzierungen bedeckt, ein sonderbares Stück Elfenbein in der Form eines Brieffalters, und ein noch sonder - bareres in der Form eines äusserst niedlichen Dolches, die auf Tafel 25 dargestellt sind. Die Verzierungen dieses Dolches scheinen jedenfalls auf beiden Seiten die ilische Minerva mit dem Eulenkopf darzustellen. Es fanden sich auch einige Ringe von Elfenbein und Kupfer, sowie ein Paar Armbänder von letzterm Metall. Ein - und zweischneidige Messer in der Form von Sägen, und 5 Centimeter lang, von weissem Silex, fanden106handmühlen von lava; thongefässe.sich in Menge; ebenso viele 33 Centimeter lange und 17 Centimeter breite Handmühlen von Lava, in der Form eines in der Länge durchschnittenen Eies. Von Terracottas kam alles in ganz zerbrochenem Zustande heraus, jedoch habe ich von einer Menge Vasen und mehrern Töpfen alle oder fast alle Stücke, sodass ich sie wieder zusammensetzen kann. Besonders hervorzu - heben ist darunter ein grosser gelblicher Mischbecher von 34 Centimeter Höhe und 43 Centimeter Breite, welcher ausser einem Henkel drei grosse geringelte Rammhörner hat; dann eine schwarze unten runde Vase mit zwei Röhren zum Aufhängen an jeder Seite; eine schöne rothe Vase mit vier Henkeln und ein sehr feiner rother Becher; ferner ein höchst sonderbares rothes Gefäss in der Form von zwei Kannen mit langen, ganz aufrecht stehenden schnabelartigen Münden; die beiden Kannen hängen sowol in der Bauchwölbung als durch einen Henkel miteinander zusammen; ferner eine 24 Centimeter hohe glänzende schwarze Vase mit Röhrchen an den Seiten zum Aufhängen und sehr weitem Hals in der Form eines Schornsteins; der untere Theil der Vase ist verziert mit Zeichen in der Form von Blitzen, der obere mit Punkten. Nur von ein paar glänzend schwarzen trojanischen tiefen Tellern habe ich so ziem - lich alle Stücke, sodass ich sie wieder zusammensetzen kann; diese Teller sind sehr merkwürdig, denn sie haben an zwei Seiten am Rande lange horizontale Röhren zum Aufhängen an Schnüren; bei den grossen Schüsseln sind diese Röhren sehr gross. Von mehrern schwar - zen Doppelbechern habe ich Bruchstücke, aber nicht genug von einem, um ihn wiederherstellen zu können. 107qualität der terracotten.Leider haben die furchtbaren Steinlasten in den untersten Schichten alle Terracottas zerschlagen oder zerdrückt; aber alles, was ich von dieser herrlichen Töpferwaare habe retten können und wovon ich im Anhange Photo - graphien gebe, zeugt von Reichthum und Kunst, und man sieht auf den ersten Blick, dass ein Volk sie anfertigte, das ganz verschieden ist von dem, welchem die Schutt - schichten in 7 bis 10 Meter Tiefe angehören. Ich mache ganz besonders aufmerksam auf die grosse Aehnlichkeit in der Qualität der Terracotta der schwarzen trojani - schen Gefässe mit jener der Gefässe, die man in den etruskischen Gräbern findet; aber die Formen und Ver - zierungen derselben sind ganz verschieden; letztere sind hier immer auf der Terracotta eingeschnitten, als diese noch in weichem Zustande war. Die meisten trojanischen Terracottas sind unzerstörbar durch Nässe; einige der - selben aber sind durch die Feuchtigkeit mürbe gewor - den, und ich fand z. B. auf dem Urboden, in 15½ Meter Tiefe, in einem kleinen, durch drei Steine gebildeten und geschützten, 65 Centimeter langen, 45 Centimeter breiten Hauskirchhof zwei mit Leichenasche gefüllte Gefässe sehr merkwürdiger Form mit drei langen Füssen, die so sehr durch die Nässe gelitten hatten, dass ich sie trotz aller Mühe und Vorsicht nicht herausnehmen konnte, ohne sie ganz zu zerbrechen. Ich habe aber alle Stücke der beiden Gefässe gesammelt und kann sie daher wieder zusammensetzen. In dem einen derselben fand ich in der Leichenasche die Knochen eines Em - bryo von sechs Monaten, was mir nicht anders erklärlich ist, als dass die Mutter in ihrer Schwangerschaft gestor - ben und verbrannt sein muss, des Embryo Knochen108becher; werkzeuge von diorit u. a. aber durch die Hülle, die sie umgab, geschützt worden und unversehrt geblieben sind. Dennoch scheint mir die Erhaltung dieser kleinen Knochen wunderbar, denn der Mutter Gebeine waren zu Asche verbrannt, und es fanden sich nur noch kleine Bröckel von ihren Knochen. Ich habe des kleinen trojanischen Embryo Knochen aufs sorgfältigste herausgesucht, werde von einem geschickten Chirurgus das kleine Gerippe wiederher - stellen lassen und eine Photographie davon diesem Werke beifügen. Der berühmte Arzt Aretaios in Athen schreibt mir soeben, dass die Erhaltung der Knochen des Embryo nicht anders möglich ist, als dass die Mutter geboren hat und daran gestorben ist; dass man ihre Leiche verbrannt und zusammen mit ihrer Asche den unverbrannten Embryo in die Leichenurne gewor - fen hat, in welcher ich ihn fand.

Es kommen in den tiefsten Schuttschichten auch einfache schwarze, unsern Trinkgläsern ähnliche Becher vor; auch schwarze Becher mit einem Henkel von unten, sodass sie nur auf die Oeffnung gestellt werden kön - nen. Ich finde sonst noch auf dem Urboden Gewichte von Granit, deren genaues specifisches Gewicht ich auf einer besondern Tafel angeben werde; Hämmer und Beile, sowie sehr viele herrlich gearbeitete grosse und kleine Keile von Diorit; auch einige mal kleine schön geschliffene Werkzeuge in der Form von Keilen, von sehr schönem, durchsichtigem grünen Stein. Ausserdem erschei - nen Massen von durchschnittlich 5 Centimeter im Durch - messer habenden runden, schwarzen und rothen Terra - cotta-Scheibchen mit einem Loch in der Mitte; steinerne Scheiben (δίσκοι) von durchschnittlich 15 Centimeter im109idole aus marmor. grösse der gebäude.Durchmesser und mit einem Loch im Centrum, zum Werfen, ferner viele Idole von sehr feinem Marmor, welche allein eine Ausnahme machen von der hier allgemeinen Regel, dass mit zunehmender Tiefe alle Gegenstände besser gearbeitet sind. In der That sind die in den trojanischen Schuttschichten bis 2 und 4 Meter über dem Urboden, also in 12 bis 14 Meter Tiefe vorkommenden Idole, wie man aus deren Abbildungen im Anhange sehen kann, so roh gearbeitet, dass man glauben möchte, dies wären die allerersten Versuche eines rohen Volkes, eine Gottheit plastisch darzustellen. Nur ein verstüm - meltes Idol von Terracotta, welches ich Tafel 20, No. 562 abbilde, kam in diesen Trümmerschichten vor; alle übrigen sind von sehr feinem Marmor. Ich erwähne noch einen in 13 Meter Tiefe gefundenen Priapus von feinem Marmor.

Es kommen ferner in diesen Tiefen viele Thier - knochen, Eberzähne, kleine Muscheln, Büffel -, Bocks - und Rehhörner, sowie die Rückgratsknöchel des Hai - fisches vor.

Die Häuser und Paläste, in welchen die herrlichen Terracottas gebraucht wurden, waren gross und geräu - mig, denn zu ihnen gehören alle jene gewaltigen Massen grosser behauener und unbehauener Steine, welche 4 und 6 Meter hoch dieselben bedecken. Diese Häuser und Paläste waren leicht zerstörbar, denn die Steine waren nur mit Erde zusammengefügt, und als die Mauern fielen, wurde durch die gewaltigen Blöcke alles zerschmettert, was in den Häusern war. Das alte troja - nische Volk verschwand gleichzeitig mit der Zerstörung seiner Stadt, denn in keiner der folgenden Schutt -110spätere ansiedler, ihre bauart.schichten findet sich solche Bauart von grossen, durch Erde verbundenen Steinblöcken, in keiner sieht man in den Terracottas, mit Ausnahme der runden Stücke in der Form des Carrousels und des Vulkans, eine Aehn - lichkeit mit jener von Kunstsinn zeugenden ausgezeich - neten Töpferarbeit des Volkes von Priamos.

Auf der Baustelle der zerstörten Stadt erbauten neue Ansiedler verschiedener Civilisation, Sitten und Gewohnheiten sogleich wieder eine neue Stadt; aber nur die Fundamente ihrer Häuser bestanden aus mit Lehm zusammengefügten Steinen; alle Hauswände waren aus ungebrannten Ziegeln gebaut. Viele solcher Wände sieht man in 7 bis 10 Meter Tiefe in den Erdwänden meiner Ausgrabungen; sie sind dadurch erhalten ge - blieben, dass die Häuser ausbrannten und die unge - brannten Ziegel der Wände durch die Glut eine Art Ziegelkruste erhielten oder wirkliche gebrannte Ziegel wurden.

In meinem Aufsatze vom 23. v. M. sprach ich von einer in 10 Meter Tiefe gefundenen Mauer von Steinen, wovon ich hoffte, dass sie bis zum Urboden gehen würde; leider aber waren es blosse Fundamente eines Hauses der unmittelbaren Nachfolger der alten Trojaner, und gingen diese Fundamente nur ½ Meter tief.

Die vom alten Troja übriggebliebenen Mauerreste mussten natürlich von den neuen Ansiedlern, welche so ganz verschiedene Lebensweise und Bauart hatten, nie - dergebrochen werden, und somit ist es erklärlich, dass ich, mit Ausnahme einer kleinen Wand im nördlichen Eingange meines grossen Kanals, bisjetzt nicht im Stande bin, eine einzige Mauer des alten Troja aufzuweisen,111eingeschlossene kröten.und dass ich bis dahin der Wissenschaft nur wenige herrliche Urnen, Vasen, Töpfe, Teller, Schüsseln und nur einen Mischkrug, aber Tausende von Bruchstücken anderer ausgezeichneter Gefässe als trauernde Denk - mäler eines Volkes vorlegen kann, dessen Ruhm un - sterblich ist.

Ich kann die Beschreibung der untersten Schutt - schichten nicht schliessen, ohne zu erwähnen, dass ich zwischen den grossen Steinblöcken, in 12 bis 16 Meter Tiefe, zwei Kröten, auch in 12 Meter Tiefe eine kleine sehr giftige Schlange mit schildförmigem Kopfe fand. Letztere kann von oben dahin gelangt sein; dies ist aber unmöglich für die grossen Kröten, und müssen dieselben 3000 Jahre in diesen Tiefen zugebracht haben. Sehr interessant ist es, in den Ruinen Trojas lebende Geschöpfe aus der Zeit des Hector und der Andromache zu sehen, selbst wenn diese Geschöpfe nur Kröten sind.

Noch muss ich darauf aufmerksam machen, dass ich auch zweimal das

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auf Topfscherben fand, wovon die eine in 16, die andere in 14 Meter Tiefe entdeckt wurde. Die Trojaner waren daher arischer Rasse, wie es ausserdem die symbolischen Zeichen auf den runden Stücken Terracotta zur Genüge beweisen.

Die Existenz der Nation, welche den Trojanern folgte, war ebenfalls von langer Dauer, denn ihr ge - hören alle jene Schuttschichten in 10 bis 7 Meter Tiefe; sie war ebenfalls von arischer Abkunft, denn sie hatte unzählige arische religiöse Symbole; und ich glaube, von mehrern derselben nachgewiesen zu haben, dass sie schon unsern Vorvätern eigen waren zur Zeit als noch Germanen, Pelasger, Hindus, Perser, Kelten und112die den trojanern folgende nation; ihre spuren.Griechen eine Nation ausmachten und eine Sprache redeten. Vom Doppelbecher fand ich bei diesem Volke keine Spur, statt dessen aber jene sonderbaren Becher, die als Griff eine Krone von unten haben; dann jene glänzend rothen phantastischen Becher in der Form von ungeheuern Champagnergläsern mit zwei mäch - tigen Henkeln an den Seiten und Ründung von unten, sodass sie ebenfalls nur auf die Oeffnung hingesetzt werden können; dann jene kleinen, nur 10 bis 12 Centi - meter hohen Becher mit Eulengesichtern mit einer Art von Helm am untern Ende, der mit einem hohen Knopf oder Zopf versehen ist, welcher ohne Zweifel den Helm - busch bezeichnen soll und als Griff dient, sodass auch diese Becher nur auf den Mund gestellt werden können; ferner alle jene herrlich gebrannten Töpfer - waaren, wie z. B. 1 bis Meter hohe Leichen - oder Weinurnen von 50 Centimeter bis 1 Meter Durch - messer, kleinere Leichenurnen, Teller, Schüsseln, Vasen höchst phantastischer Form von 20 bis 25 Centimeter Höhe mit dem Eulengesicht der Schutzgöttin Trojas, zwei grossen Frauenbrüsten und Bauchnabel, sowie mit zwei neben dem Kopf emporgehobenen Armen, die als Griffe dienen; ferner alle jene Gefässe mit kurzem oder langem, hintenüber gebogenem, schnabelartigem Munde. Die meisten dieser Gefässe sind unten rund, sodass sie gar nicht hingestellt werden können, andere haben drei Füsse, noch andere sind unten platt; der Hals von manchen ist so weit hintenüber gebogen, dass sie Aehnlichkeit haben mit einer Gans oder einem Schwan. Dann gehören hierher alle jene kleinen und grossen kugelähnlichen oder eiförmigen Gefässe mit oder ohne Schornstein, die ein kurzes113priapus. rosa mystica.Röhrchen an jeder Seite und ein Loch in gleicher Richtung im Munde haben, wodurch die Schnüre zum Aufhängen gezogen wurden; viele haben ausserdem noch drei Füsse; alle sind einfarbig braun, gelb, roth oder schwarz; einige haben als Verzierung Reihen von Blättern oder Zweigen. Es kommen auch sehr sonder - bare Vasen in Thiergestalt mit drei Füssen vor, deren Oeffnung in dem aufwärts stehenden, sehr dicken Schwanze ist, der durch einen Griff oder Henkel mit dem Rücken verbunden ist; auf einer dieser letztern Vasen sind Verzierungen, die in drei eingravirten Streifen von je drei Linien bestehen. Ich fand früher den Priapus nur in 7 Meter Tiefe, kürzlich einen in 13 Meter Tiefe; ich finde ihn jetzt auch in 8 Meter, somit bei der Nation, von deren Ueberbleibseln ich jetzt spreche. Auch findet sich in diesen Trümmerschichten eine kolossale Masse jener runden Stücke Terracotta, die zwar durch ihre grössere Dicke von der Radform der Stücke auf dem Urboden etwas abweichen, auch nicht von so ausge - zeichnetem gebrannten Thon sind wie letztere, dagegen aber, wie man sich durch die beigefügten Zeichnungen überzeugen kann, mit ungemein schönen, sinnreichen symbolischen Zeichen geschmückt sind, unter denen der Sonnengott immer die hervorragendste Stellung ein - nimmt; aber auch das Feuerzeug unserer Urväter, der heilige Opferaltar mit lodernden Flammen, der heilige Lebens - und Sômabaum und die Rosa mystica kommen sehr häufig hier vor. Diese mystische Rose, die in den byzantinischen Sculpturen ungemein viel vorkommt und durch deren Namen bekanntlich in den katholischen Litanien (litaniae) die heilige Jung -Schliemann, Troja. 8114sonnendarstellungen auf terracotten.frau bezeichnet wird, ist ein bisjetzt leider noch nicht erklärtes uraltes arisches religiöses Symbol; es ist uralt, weil ich es jetzt hier in 7 bis 10 Meter Tiefe in den Schuttschichten der Nachfolger der Trojaner finde, die ein Alter von nahe 1200 Jahren vor Christo haben müssen. Das dem phönizischen Buchstaben Nun so ähnliche Zeichen fand ich in 8 Meter Tiefe sechzehnmal auf einer jener runden Terracottas dargestellt; diese Zeichen stehen nämlich in Gruppen von vier und bilden durch ihre Stellung ein Kreuz um die Sonne, oder, falls meine jetzt aufgestellte Vermuthung richtig ist, um die Nabe des den Sonnenwagen vorstellenden Rades. Das Bild dieses Stückes findet sich Tafel 4, No. 124. Ich finde das Symbol des Blitzes auch in allen höhern Schichten bis zu 3 Meter unter der Oberfläche. In allen Schuttschichten von 10 Meter bis ½ Meter Tiefe finde ich unzählige mal auf den runden Terracottas die Sonne mit ihren Strahlen, ganz so wie sie auf der bei der Ausgrabung des Tempels von mir gefundenen Metope auf dem Haupte des Sonnengottes dargestellt ist; noch viel öfter aber im Kreise von drei, vier, fünf, sechs oder acht doppelten, dreifachen oder vierfachen aufgehenden Sonnen und am allermeisten im Centrum von vier dreifachen aufgehenden Sonnen, die ein Kreuz um sie bilden; Hunderte von malen finde ich auch die Sonne von Sternen umgeben im Mittelpunkt eines doppelten oder dreifachen Kreuzes, welches an jedem der vier Enden einen grossen Punkt hat. Diese Punkte bezeichnen ver - muthlich die vier Nägel, womit das Holzgerüst zur Berei - tung des heiligen Feuers befestigt wurde. Es kommen auch, obwol seltener, in 10 bis 7 Meter Tiefe fünf mystische115sonne und sonnenwagen.Rosen im Kreise um die Sonne vor. Von den runden Stücken mit Zeichen, die sich möglicherweise nicht blos als Symbole, sondern als wirkliche Schriftzeichen her - ausstellen können, finde ich eins in 7 Meter Tiefe, von welchem ich Tafel 6, No. 208 die Abbildung gebe. Ich erwähne noch die in dieser Tiefe vorkommenden runden Stücke, auf welchen drei mystische Rosen und zwei Schweife von Sonnenstrahlen im Kreise um die Sonne stehen. Auch kamen in 9 Meter Tiefe mehrere runde Stücke vor, auf welchen 14 krumme, Windmühlenflügeln ähnliche Schweife von je drei Sonnenstrahlen nach allen Richtungen von der Sonne ausgehen, während die Fächer zwischen diesen Strahlenschweifen mit Sternen ausgefüllt sind. Diese Darstellung muss die Drehung des Rades, respective den Lauf des Sonnenwagens in den Himmeln bedeuten, falls meine vorhin gewagte Vermuthung richtig ist, dass die runden Stücke das Rad darstellen. Es kommt in gleicher Tiefe auch eins vor, auf dessen einer Seite drei mit Flammen bedeckte heilige Opferaltäre und eine Sterngruppe, auf der an - dern Seite drei solche Opferaltäre und ein Svastika ein Kreuz um die Sonne bilden; es finden sich auch ein - zelne mit nur vier gebogenen Strahlenschweifen, oder zwei

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und zwei Flammenaltären im Kreuz um die Sonne; auch kommt eins vor, auf welchem zwei Kreuze sich ge - genüberstehen und der ganze übrige Raum um die Sonne (oder um die Nabe des Rades) mit Sternen an - gefüllt ist. Alle in 10 bis 7 Meter Tiefe vorkommen - den Stücke sind von sehr hartem und die meisten von steinhartem, schwarzem oder rothem Thon, der sich im Vergleich zu dem der Stücke in den höhern Schichten8*116waffen und werkzeuge aus metall und stein.durch seine Feinheit auszeichnet. Es kommen in diesen Schichten auch einige dieser Stücke von Blei oder feinem Marmor vor, sie sind aber ohne Verzierungen.

In den Schuttschichten derselben Nation fand ich auch kupferne Streitäxte, Lanzen, Pfeile, Messer und Werkzeuge verschiedener Art, sowie viele Formen von Glimmer - und Chloritschiefer zum Giessen dieser und vieler anderer, mir theilweise ganz unbekannter Gegenstände. Petschafte von Terracotta mit Kreuzen und andern Verzierungen sind nicht diesen Schuttschichten allein eigen, sondern kommen von 10 Meter bis nur 1 Meter Tiefe vor. Ferner erscheinen auf einer Seite ovale, auf der andern platte Handmühlsteine von Lava und mitunter auch von Granit; grosse und kleine Hämmer, Keile, Kugeln mit einem Loch durch die Mitte, und Mörserkeulen von Diorit, Gewichte von Granit; Mörser und Scheiben mit einem Loch durch die Mitte zum Werfen, aus Granit und an - dern Steinarten. Schleudern von Magneteisenstein und grosse Massen von Messern in Gestalt von Sägen aus weissem und gelbem Silex, auch manchmal Messer von vulkanischem Glas und Lanzen von Diorit kommen bei diesem Volke vor, aber alle diese Werkzeuge sind besser gearbeitet als in den Schichten oberhalb 7 Me - ter Tiefe.

Es kommen in diesen Schuttschichten auch sehr viele Idole von sehr feinem Marmor vor, und auf vielen sieht man das Eulengesicht der ilischen Minerva, sowie ihren Gürtel eingravirt; auch kam in 8 Meter Tiefe ein Idol derselben Eulengesichtsgöttin von Terracotta vor; vier horizontale Striche am Halse scheinen ihre Rüstung anzudeuten; von ihren Armen ist nur einer117schmucksachen aus silber und elektron.erhalten und zwar in emporgehobener Stellung; zwei Li - nien, die von den Armen ausgehen und sich in der Gegend des Bauchnabels kreuzen, geben ihr ein kriegerisches Ansehen; zwei Punkte bezeichnen ihre Brüste; ihr langes Haar ist deutlich auf dem Hinterkopfe angedeutet.

In Meter Tiefe fand ich in der gelben Asche eines ausgebrannten Hauses einen grossen Klumpen dicken Draht, den ich für Kupferdraht hielt und daher gleichgültig auf meinen Tisch legte; als aber der Klumpen zufälligerweise heruntergeworfen wurde, zer - brach ein Silberdraht, der das Packet zusammengehal - ten hatte, und es kamen drei silberne Armbänder zum Vorschein, von denen eines einfach, das andere doppelt und das dritte dreifach ist; in letzterm ist ein sehr künst - licher Schmuck, auch ein Ohrring mit einem Blatt, das von sechs Drähten gebildet ist, und müssen diese Gegen - stände in der Feuersbrunst durch die Glut mit dem Armbande zusammengeschmolzen sein, denn so wie es jetzt ist wäre es unmöglich, es auf den Arm zu stecken. Es zeigte sich ferner in dem Klumpen ein sehr hübscher goldener Ohrring, der auf beiden Seiten drei Reihen von Sternchen hat. Es fanden sich ferner darin zwei Pa - ckete oder Bünde von Ohrringen verschiedener Form, die meisten sind von Silber und laufen in fünf Blätter aus. Zugleich waren aber auch darin enthalten mehrere Ohr - ringe gleicher Form von Elektron (ἤλεκτρον); von drei Ohr - ringen weiss ich ganz bestimmt, dass sie von diesem Metall sind, denn sie stehen hervor; es sind aber wahrscheinlich noch mehrere von Elektron in den beiden Bünden, die ich, aus Furcht die silbernen Ohrringe zu zerbrechen, die stark vom Rost gelitten haben, nicht zu lösen wage.

118werkzeuge, gewichte. dritte bewohnerschicht.

Nach Plinius H. N. 33, 23 und Pausanias 5, 12, 6 war Elektron eine künstliche Metallmischung aus vier Theilen Gold und einem Theil Silber. Auch sind die äl - testen lydischen Münzen von Elektron. Alle vorgenannten Ohrringe und Armbänder lasse ich für dieses Werk photographiren.

Es kommen in diesen Tiefen auch nicht selten Ku - geln von Serpentin oder Porphyr vor, die 5 Centimeter im Durchmesser und ein Loch durch die Mitte haben. Man findet ausserdem Löffel von Knochen oder Terra - cotta und grosse Massen von Werkzeugen aus Elfenbein und Knochen zum Stechen; auch fand ich ein sehr künstlich bearbeitetes Stück Ebenholz, welches jeden - falls zu einem musikalischen Saiteninstrument gehört hat. Ich erwähne noch die nicht blos in diesen Schutt - schichten, sondern auch bis 6 Meter Tiefe vorkommen - den 7 Centimeter langen, 6 breiten runden Stücke Terracotta mit einem in der Länge durchgehenden Loch, sowie die 7 bis 10 Centimeter breiten, unten platten, oben abgerundeten Stücke Terracotta mit zwei Löchern am Rande der breiten Fläche, oder mit nur einem oben von der Seite durchgehenden Loche. Alle diese Stücke haben vermuthlich als Gewichte gedient. In allen diesen Schutt - schichten kommen viele Rückgratsknöchel des Haifisches, Eberzähne, Rehhörner, und grosse Massen kleiner Meer - muscheln vor, wovon die Trojaner und ihre Nachfolger zu allen Zeiten grosse Liebhaber gewesen sein müssen.

Ich komme jetzt an die Schuttschichten in 7 bis 4 Meter Tiefe, welche augenscheinlich auch von einem Volke arischen Stammes herrühren, welches die auf Trojas Ruinen erbaute Stadt wieder einnahm, zerstörte119bauart. rohere werkzeuge und gefässe.und die Einwohner ausrottete, denn ich fand in diesen 3 Meter dicken Schichten keine Spur von Metall ausser zwei Nägeln und einem Stückchen Silberdraht, während die Bauart der Häuser eine gänzlich verschiedene ist. Hier nämlich finde ich wiederum alle Hauswände von mit Lehm zusammengesetzten kleinen Steinen, welche in den grössern Gebäuden mehr oder weniger behauen, in den kleinern aber ganz unbehauen sind. Die Be - sucher der Ebene von Troja sehen in den Erdwänden meiner Ausgrabungen, in 7 bis 4 Meter Tiefe, viele solcher grösserer und kleinerer Hauswände, unter an - dern auch Reste jener grossen, 1 Meter 90 Centimeter dicken Wände des von mir in meinem Aufsatze vom 23. v. M. erwähnten in 6 Meter Tiefe gegründeten Gebäudes, dessen Trümmer bis 3 Meter unter der Ober - fläche hinaufreichen; denn da ich, wie erwähnt, ausser der Tempelausgrabung vorläufig nur den oben 30 Meter breiten Kanal durch den Berg graben will, so hatte ich nicht nöthig, jenes Gebäude ganz wegzubrechen.

In diesen Schuttschichten (7 bis 4 Meter Tiefe) sind nicht nur sämmtliche steinerne Werkzeuge viel plumper gearbeitet, sondern auch alle Terracottas sind schlechter Qualität; dennoch aber kann ihnen bei aller ihrer Ein - fachheit eine gewisse Eleganz nicht abgesprochen wer - den, und ich bemerke besonders die dort vorkommenden sehr niedlichen, 10 Centimeter hohen rothen und 14 Centimeter hohen schwarzen Vasen in Form von Sand - uhren mit zwei grossen Henkeln; die Töpfchen in Form von Obertassen mit grossen Henkel; die grösseren Töpfe mit einem und zwei Henkeln, und vor allem die häufig vorkommenden Becher mit dem Eulengesichte der troja -120terracottakugeln mit symbolen.nischen Schutzgöttin, welche zwar jenen in 10 bis 7 Me - ter Tiefe an Grösse ungefähr gleichkommen, aber in der Ausführung bedeutend nachstehen.

Besonders merkwürdig sind in diesen Schichten die mit den mannichfaltigsten symbolischen Zeichen be - deckten Terracottakugeln, wovon ich zwei in 5 Meter Tiefe gefundene beschreiben will. Die Oberfläche der einen ist durch Linien in acht gleiche Theile getheilt, und sieht man in der einen Abtheilung eine Sonne mit zehn Strahlen, wovon nur vier gerade sind, während die übrigen alle religiöse Symbole vorzustellen scheinen. Ein Strahl ist in Form des phönizischen Nun und muss den Blitz bedeuten, ein anderer Strahl ist in Schlangenform, ein noch anderer in Form einer Drei, ein vierter hat die Ge - stalt eines mecklenburger Wegweisers und die beiden übrigen die Form von Angelhaken; neben der Sonne ist ein Stern. Im folgenden Fach ist ein Baum mit acht Zweigen, ein Viereck mit zwei Sternen, und ein Dreieck mit vier Sternen. Das dritte Feld enthält einen Baum mit zwölf Zweigen, einen Kreis mit einem Sterne und neben und über einem Strich zwölf Sterne, wovon der eine einen Punkt im Centrum hat. Vielleicht be - zeichnen diese zwölf Sternchen die zwölf Zeichen des Thierkreises, welche als die zwölf Stationen der Sonne im Rigvêda personificirt sind durch die zwölf Adityâs, Söhne der Aditi, des untheilbaren unendlichen Raumes. Das vierte Feld enthält einen Baum mit nur sechs Zweigen, ein Dreieck mit drei Abtheilungen, in deren einer ein Strich ist, und ferner zwei Vierecke. Das fünfte Feld hat wieder eine Sonne mit sechs krummen Strahlen und einem geraden Strahl. Das sechste Feld hat121waffen aus diorit. schleifsteine.fünf Abtheilungen: in der ersten sind fünf, in der andern vier, in der dritten sieben Sternchen, in der vierten ist ein Zeichen, welches der arabischen Zwei gleicht und drei Sterne, in der fünften ein einfaches Kreuz. Im siebenten Felde sieht man einen Baum mit zehn Zwei - gen. Im achten Felde ist eine schlangenförmige Figur und ein Stern. Auf der zweiten Kugel sieht man eine Sonne mit dreizehn geraden Strahlen; darauf sieht man zwi - schen zwei

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drei Gruppen von je drei Sternen und vier gerade Striche und endlich, unter der Sonne, drei gleiche Striche und drei Sterne. Diese beiden Kugeln sind Tafel 14, No. 450 und 451 abgebildet. Ganz mit Sternen bedeckte Terracottakugeln kommen auch in diesen Schuttschichten häufig vor; ferner eine ungeheuere Menge jener runden Terracottas in der Form des Car - rousels und des Vulkans, wovon mehr als die Hälfte mit den verschiedenartigsten symbolischen Zeichen ver - ziert sind. Auch kommen hier viele Waffen von Diorit und hartem, grünem Stein, sowie eine Menge Schleif - steine von schwarzem und grünem Schiefer mit einem Loch an einem Ende vor. Der Gebrauch dieser Schleif - steine ist mir nicht recht klar, da ich in diesen Tiefen (7 bis 4 Meter), wie gesagt, ausser den zwei Nägeln und dem Stückchen Silberdraht keine Spur von Metall fand. Es kamen jedoch ein paar Bruchstücke von Formen - steinen zum Giessen von Werkzeugen vor, und ist es daher wahrscheinlich, dass Kupfer bekannt war. Jeden - falls aber war es selten und theuer, denn sonst würde ich nicht die kolossalen Massen von steinernen Werk - zeugen gefunden haben.

Wie man aus den Abbildungen im Anhange er -122eulengesichtsvasen. priapus.sieht, kommen in diesen Tiefen viele sehr merk - würdige grosse Vasen vor, und unter denselben eine Menge schöner Urnen mit dem Eulengesicht der ilischen Minerva, ihren zwei Frauenbrüsten, Bauchnabel und bei - den neben dem Kopf emporgehobenen Armen. Auf einem der Bauchnabel ist ein Kreuz und vier Löcher, welche ohne Zweifel die vier Nägel bezeichnen sollen, womit unsere arischen Urväter die beiden kreuzweis gelegten Hölzer zur Erzeugung des heiligen Feuers be - festigten. Es finden sich auch in diesen Schichten viele jener rothen Becher in der Form von Champagner - gläsern mit zwei Henkeln, die aber, wie man aus den Abbildungen ersieht, mit jedem Meter, den man höher steigt, mehr ausarten, plumper, kleiner und schlechterer Qualität werden. Auch Becher mit Kronen von unten kommen viele vor, ebenso viele rothe Töpfchen mit drei Füssen und zwei Henkeln, sowie viele Hunderte von 10 bis 12 Centimeter hohen ungefärbten Töpfen mit einem Henkel. Von grossen plumpen Hämmern und andern Werkzeugen von Diorit gibt es hier eine kolossale Masse; auch fand sich ein Priapus von Diorit, der 32 Centimeter hoch und 20 Centimeter dick ist. Dieser Priapus war, da man die Sechs für eine Neun angesehen hatte, mit unter die Gegenstände aus 9 Meter Tiefe gekommen und ist somit aus Versehen auf Tafel 83, No. 1755 abgebildet; er stammt jedoch entschieden aus 6 Meter Tiefe.

Demselben Volke gehört ein von gut behauenen Steinen mittels Lehm gemauerter Brunnen, dessen Oeffnung in 4 Meter Tiefe ist und den ich beinahe bis zum Urboden abgetragen habe; man sieht noch eine123neue zerstörung iliums. gefässe d. folg. bewohnfr.Mauer dieses Brunnens links im nördlichen Eingang meines grossen Kanals.

Handmühlsteine von Lava finden sich auch in diesen Schuttschichten in ungeheuern Massen.

Eine neue Epoche in der Geschichte Iliums trat ein, als die Schuttaufhäufung dieses Berges die Höhe von 4 Meter unter seiner gegenwärtigen Oberfläche erreicht hatte, denn die Stadt wurde wiederum zerstört und die Einwohner getödtet oder vertrieben durch ein armseliges Volk, welches jedenfalls auch arischer Rasse gewesen sein muss, denn auf den runden Terracottas finde ich noch immer sehr viel den Lebensbaum, sowie das einfache und doppelte Kreuz mit den vier Nägeln. Die Form dieser Stücke artet aber in diesen Tiefen aus, sie wer - den gedehnter und spitzer zulaufend; es finden sich auch viele in der Form von 3 bis 4 Centimeter hohen Kegeln, die in den tiefern Schichten nie vorkommen; die meisten sind ohne Verzierung. Von Töpferwaaren kommt viel weniger vor, und ist hier alles noch viel kunstloser als in den vorhergehenden Schichten. Be - sondere Erwähnung verdient jedoch der in 4 Meter Tiefe gefundene, Tafel 41, No. 996 abgebildete, höchst phantasti - sche Trinkbecher, dessen Behälter eine auf drei Füsschen ruhende Röhre ist, aus der drei kleine Becher aufsteigen. Becher mit dem Eulengesicht der ilischen Minerva und einer Art Helm, wie Tafel 37, No. 307, Tafel 35, No. 872, 874 und 882, Tafel 33, No. 806, Tafel 32, No. 775 und 776, kommen noch häufig vor, sie werden aber immer kunst - loser. Ebenso arten die Becher in der Form von Cham - pagnergläsern immer mehr aus, werden immer kleiner und schlechter und sind in 2 Meter Tiefe (Tafel 32,124minervenidole. kupferwerkzeuge.No. 875 und 876) nur noch 13 Centimeter hoch, während sie in 10 Meter Tiefe eine Höhe von 32 Centimeter erreichten. Von grössern Vasen mit Frauenbrüsten, Bauchnabel und emporgehobenen Armen, kommen mehrere in 4 und eine in Meter Tiefe vor. Kleine rothe Vasen in der Form der Sanduhr mit einem Henkel kommen noch viel vor, und es fanden sich zwei selbst in 2 Meter Tiefe. Auch von kleinen ordinären Töpfen kommt in 4 und 3 Meter Tiefe eine sehr grosse Menge vor; dieselben hören aber in 2 Meter Tiefe fast ganz auf. In 4, 3 und sogar in Meter Tiefe fand ich auch sehr viele Idole der ilischen Minerva von feinem Marmor; auf mehrern ist der Euleṇkopf derselben und ihr Gürtel eingravirt.

Auch fand ich in 3 Meter Tiefe ein Idol von Terracotta, welches dieselbe Göttin mit dem Eulenge - sicht und zwei ungeheuern Augen darstellt; sie hat zwei Frauenbrüste und hinten lang herabhängendes Haar. Drei horizontale Linien am Halse scheinen die Rüstung anzudeuten. In 3 Meter Tiefe fand ich auch ein kleines herrliches Opferbecken von Terracotta mit drei Füssen, worin ein Svastika, ein Baum mit 24 Zwei - gen und eine Raupe eingravirt sind.

Das Kupfer war diesem Volke bekannt, denn ich finde hier kupferne Messer, Lanzen und Nägel. Die Form der letztern ist oft sonderbar, denn bald haben sie zwei Köpfe nebeneinander, bald gar keinen Kopf und nur zwei spitze Enden, sodass durch eine 2 Centi - meter lange Ueberbiegung des einen Endes eine Art Kopf gemacht werden musste. Steine kommen in diesen125griechische colonie auf dem boden iliums. Schichten fast gar nicht vor, und die Massen verkohlter Trümmer und Holzasche lassen keinen Zweifel darüber, dass alle Gebäude dieses Volks von Holz waren. Ich finde in diesen 2 Meter dicken Schichten zwar einige wenige Gewichte von Stein, auch ein paar Hand - mühlen von Lava, sonst aber keine steinernen Werk - zeuge, ausser Messern von Silex in der Form von Sägen, welche oft mit vieler Sorgfalt gemacht sind. So z. B. fand ich in 2 Meter Tiefe eine 12 Centimeter lange, 4 Centimeter breite Säge von Silex, die so ausgezeich - net gemacht war, dass ich anfänglich glaubte, es sei ein Kamm. Der obere Theil der Säge trug die deut - lichsten Merkmale, dass dieselbe in Holz eingefasst ge - wesen ist.

Mit dem Volke, dem diese Schuttschichten (von 4 bis 2 Meter Tiefe) angehören, hört die vorgriechische Zeit auf, denn von nun an sieht man viele Mauerreste hellenischer Bauart von ohne Verbindungsmittel zusam - mengelegten, schön behauenen Steinen, und in den allerobersten Schichten selbst die Ruinen von Haus - mauern, in welchen die Steine mit Kalk oder Cement zusammengefügt sind. Auch die schon hin und wieder in 2 Meter Tiefe vorkommenden bemalten und unbe - malten kunstvollen Terracottas lassen keinen Zweifel darüber, dass eine griechische Colonie sich Iliums be - mächtigt hat, als die Oberfläche dieses Berges noch 2 Meter niedriger war als jetzt. Es ist unmöglich, genau zu bestimmen, wann diese neue Colonisation stattgefunden hat; jedenfalls aber muss sie viel älter sein als der von Herodot (VII, 43) berichtete Besuch des Xerxes, welcher 480 v. Chr. stattfand. Nach126griech. terracotten gemischt mit den ältern typen. Strabo (XIII, 1. 42) wurde die Stadt unter lydischer Herrschaft gebaut, und mag dieses Ereigniss daher um circa 700 v. Chr. stattgefunden haben, denn den Anfang der lydischen Herrschaft hat man auf 797 v. Chr. fest - gestellt. Cannelirte Töpfe, denen die Archäologen ein Alter von 200 Jahren v. Chr. zuschreiben, kommen hier gleich unter der Oberfläche von ½ bis 1 Meter Tiefe vor. Keinesfalls scheint die griechische Colonie die Einwohner von Ilium ausgerottet zu haben, denn ich finde noch sehr viele vorgriechische Töpferwaare in 2 und sogar Meter Tiefe. Jedenfalls scheinen mir griechischen Fabrikats zu sein die runden, lampen - ähnlichen, einen Töpferstempel tragenden und mit zwei Löchern am Rande versehenen Stücke Terracotta, welche bis zu 2 Meter Tiefe vorkommen. Die run - den Stücke mit einem Loch durch die Mitte, ohne Ver - zierungen oder mit Verzierungen, welche die Sonne mit ihren Strahlen, oder die Sonne mit Sternen, oder vier ein Kreuz bildende, doppelte oder dreifache auf - gehende Sonnen, oder auch die Sonne in der Mitte eines einfachen oder doppelten Kreuzes darstellen, kommen in Menge bis zu 1 Meter Tiefe vor; aber in diesen höchsten Schichten ist die Qualität des Thons dieser runden Stücke eine sehr schlechte, und die symbolischen Zeichen sind sehr grob und kunstlos eingeschnitten. Ja, meine Frau, die für die Aufdeckung Iliums schwärmt und mir eifrig bei meinen Ausgrabungen hilft, fand in einer Excavation, welche sie mit ihren Dienstmädchen neben unserm Hause auf diesem Berge machte, diesel - ben runden Terracottas, mit und ohne Verzierungen, sogar bis ganz dicht unter der Oberfläche. Wie diese127griechische brunnen. aufrechtstehende pithoi. höchst merkwürdigen, mit den urältesten religiösen Symbolen der arischen Rasse verzierten Stücke bei den vier Völkern, welche das eine nach dem andern Ilium innehatten, und darauf sogar bei der civilisirten grie - chischen Colonie noch über 1000 Jahre in Anwendung bleiben konnten das ist für mich ein ebenso unlös - bares Räthsel, wie der Zweck, wozu sie gebraucht wurden. Wenn sie, wie ich jetzt vermuthe, das Rad darstellten, welches im Rigvêda das Symbol des Son - nenwagens ist, so wurden sie wol als Exvotos gebraucht, oder sie wurden auch als Idole des Sonnengottes, des Phoebus Apollo, angebetet. Aber wozu dann die ko - lossale Menge davon?

Der griechischen Colonie gehört natürlich jener mehr - fach erwähnte, von behauenen Steinen mit Cement aufge - mauerte Brunnen an, den ich hier im vorigen Jahre in 2 Meter Tiefe entdeckte; ferner natürlich alle jene unge - heuern Wasser - oder Weinurnen (πίϑοι), die ich in den höchsten Schichten finde. Ich finde diese kolossalen Behälter sowol, als auch alle in den tiefern und tiefsten Schichten vorkommenden grossen irdenen πίϑοι stets in aufrechter Stellung, und dies ist der beste Be - weis, wenn überhaupt noch ein Beweis nöthig wäre, dass die gewaltigen Schuttmassen nicht von einem an - dern Orte hierher gebracht sein können, sondern dass sie sich ganz allmählich im Laufe der Jahrtausende da - durch gebildet haben, dass die Eroberer und Zerstörer von Ilium, oder wenigstens die neuen Ansiedler nach der Eroberung und Zerstörung, nie dieselbe Civilisation und Gewohnheiten hatten, wie ihre Vorgänger; dass somit viele Jahrhunderte lang Häuser mit Wänden von unge -128folge der verschiedenen bauarten. brannten Ziegeln standen auf den 4 und 6 Meter dicken, gewaltigen Steinmassen der ungeheuern tro - janischen Gebäude; dass wieder jahrhundertelang Häuser von mit Lehm zusammengefügten Steinen auf die Trümmer der Lehmhäuser gesetzt wurden; dass auf dem Schutt dieser steinernen Häuser wieder eine lange Zeit hindurch hölzerne Häuser errichtet wurden, auf deren verkohlten Trümmern endlich die Bauten der griechischen Colonie gegründet wurden, die anfänglich aus grossen behauenen Steinen mit Kalk oder Cement bestanden. Auf diese Weise erscheint es nicht mehr wunderbar, dass diese Trümmermassen, welche jetzt den Urboden bedecken, eine Dicke von mindestens 14 und 16 Metern haben.

Ich benutze die Gelegenheit, um die Uebersetzung der Antwort beizufügen, die ich auf den von M. G. Ni - kolaïdes in No. 181 der griechischen Zeitung Ἐφημερὶς Συζητήσεων veröffentlichten Artikel gab, in welchem der Verfasser zu beweisen sucht, dass ich mir hier un - nütze Mühe gebe und dass Trojas Baustelle nicht hier, sondern auf den Höhen von Bunarbaschi sei:

Herr Nikolaïdes behauptet, dass Trojas Baustelle nicht durch Ausgrabungen oder andere Beweise, sondern nur durch die Ilias entdeckbar ist. Er hat recht, wenn er annimmt, dass Ilium nur ein Gedankenbild Homer’s sei, gleichwie die Vögelstadt nur ein Phantasiebild des Aristophanes war. Wenn er jedoch glaubt, dass es wirklich ein Troja gegeben hat, dann erscheint seine Behauptung höchst sonderbar. Er sagt darauf: das ho - merische Troja lag auf den Höhen von Bunarbaschi, denn am Fusse derselben sind die beiden Quellen, bei denen129widerlegung der ansicht des herrn nikolaïdes. Hektor getödtet wurde. Dies ist jedoch ein grosser Irr - thum, denn die Zahl der dort befindlichen Quellen ist vierzig und nicht zwei, was auch schon der türkische Name des Quellenortes « Kirkgiös » (40 Augen oder Quellen) zur Genüge beweist. Auch habe ich durch meine im Jahre 1868 auf den Höhen von Bunarbaschi gemach - ten Ausgrabungen, bei welchen ich immer bis auf den Urboden grub, hinlänglich nachgewiesen, dass dort nie ein Dorf, geschweige denn eine Stadt gestanden hat, und dies beweist auch die Gestalt der bald spitzen, bald steilen und stets ganz ungleichen Felsen. Am Ende der Höhen, in einer Entfernung von 17 Kilometer vom Hellespont, sieht man wirklich die Trümmer einer klei - nen Stadt, deren Baustelle jedoch dermassen unbedeu - tend ist, dass sie unmöglich mehr als 2000 Einwohner gehabt haben kann, während nach den Andeutungen der Ilias das Homerische Ilion über 50000 gehabt haben muss. Ausserdem ist diese kleine Stadt 4, die 40 Quellen aber Stunden weit vom Hellespont ent - fernt, und solche Entfernungen sind in vollkommenem Widerspruch mit den Angaben der Ilias, wonach das griechische Heer oft viermal an einem Tage kämpfend die Strecke zwischen dem Schiffslager und der Mauer von Troja zurücklegte.

Der Plan der Ebene von Troja des Herrn Nikolaï - des kann zu Irrthümern Anlass geben, denn er nennt Simoïs den Fluss, welcher den südöstlichen Theil der Ebene durchströmt, während dies der Thymbrius ist, wie Frank Calvert nachgewiesen hat; denn dieser fand bei seinen Ausgrabungen am Ufer jenes Flusses die Ruinen des Tempels des thymbrischen Apollo, worüber eineSchliemann, Troja. 9130widerlegung der ansicht des herrn nikolaïdes. lange, das Inventarium dieses Tempels enthaltende In - schrift nicht den geringsten Zweifel lässt. Dann finde ich auf der Karte des Herrn Nikolaïdes gar nicht den viel grössern Fluss Dumbrek-Su angegeben, welcher den nordöstlichen Theil der trojanischen Ebene durch - strömt, somit nahe bei der alten Stadt Ophrynion vorbeifliesst, wo das Grab Hektor’s und ein ihm ge - weihter Hain war (Strabo, XIII, 1. S. 103; Lycophron, Cassandra 1208). Im ganzen Alterthum wurde dieser Fluss Simoïs genannt, wie auch Virgil (Aeneïde, III, 302 305) beweist. Ebensowenig weiss die Karte des Herrn Nikolaïdes etwas von dem die trojanische Ebene von Süden nach Norden durchlaufenden Flusse Kalifatli - Asmak, der ein ungeheuer breites Bett hat, welches je - denfalls einst das Bett des Skamander gewesen sein muss und in welches, nördlich vor Ilion, sich noch jetzt der Simoïs ergiesst. Der Skamander hat mehrmals seinen Lauf verändert, wie es drei grosse Flussbetten beweisen, die man zwischen ihm und dem Bett des Kalifatli-Asmak sieht. Aber auch diese drei alten Fluss - betten kennt die Karte nicht.

Ganz im Widerspruch mit allen Traditionen des Alterthums erkennt die Karte das Grab des Achilles in dem kegelförmigen Grabhügel Intépé, der auf einem Hügel am Fusse des Vorgebirges von Rhoeteum steht und der von jeher als das Grab des Ajax angesehen worden ist. Bei einer 1788 geschehenen Nachgrabung in diesem Grabhügel hat man einen von Ziegeln er - bauten, gewölbten, 1 Meter 17 Centimeter hohen Gang gefunden, sowie die Ruinen eines kleinen Tempels. Nach Strabo (XIII, 1. S. 103) enthielt der Tempel die131widerlegung der ansicht des herrn nikolaïdes. Bildsäule des Ajax, welche Marcus Antonius fortnahm und der Cleopatra schenkte; Augustus gab sie den Einwohnern der nahe beim Grabe gelegenen Stadt Rhoeteum zurück. Nach Philostratus (Heroica, I) wurde der auf dem Grabe befindliche Tempel vom Kaiser Hadrian ausgebessert, und nach Plinius (V. 33) lag einst neben dem Grabe die Stadt Aianteion. Dagegen er - kannte das ganze Alterthum das Grab des Achilles in dem auf einer Anhöhe am Fusse des Vorgebirges von Sigeion, nahe am Hellespont gelegenen Grabhügel, und die Lage desselben entspricht vollkommen der Beschrei - bung Homer’s (Odyssee, XXIV, 80 81):

ἀμφ ̕ αὐτοῖσι δ̕ἔπειτα μέγαν καὶ ἀμύμονα τύμβον
χεύαμεν Ἀργείων ἱερὸς στρατὸς αἰχμητάων,
ἀκτῇ ἐπὶ προυχούσῃ, ἐπὶ πλατεῖ Ἑλλησπόντῳ,
ὥς κεν τηλεφανὴς ἐκ ποντόφιν ἀνδράσιν εἴη
τοῖς, οἳ νῦν γεγάασι, καὶ οἳ μετόπισϑεν ἔσονται.

(Wir heiliges Heer der speerwerfenden Argeier häuften darauf um diese [Knochen] ein grosses und lobenswerthes Grab am vorspringenden Ufer des breiten Hellespontos, da - mit es vom Meere aus sichtbar sei den Männern, die jetzt geboren sind und die künftig sein werden.) Das südlich, un - mittelbar neben diesem Grabe liegende, mit Topfscher - ben bedeckte Feld ist ohne Zweifel die Baustelle der alten Stadt Achilleion, welche nach Strabo (XIII, 1, S. 110) von den Mitylenern erbaut wurde, viele Jahre lang mit den, Sigeion besetzt haltenden, Atheniensern im Krieg war und, gleichzeitig mit Sigeion, durch Ilium zerstört wurde. Plinius (V, 33) bestätigt das Ver - schwinden von Achilleion. Die Ilier brachten hier9*132widerlegung der ansicht des herrn nikolaïdes. Todtenopfer, nicht nur auf dem Grabe des Achilleus, sondern auch auf den in der Nähe liegenden Gräbern des Patroklos und des Antilochos (Strabo, XIII, 1). Alexander der Grosse opferte hier im Tempel des Achill (Plutarch, Leben Alexanders des Grossen; Cicero, pro Archia, 10; Aelian V. H., 12, 7). Auch Caracalla brachte hier mit seinem Heere dem Achill Todten - opfer und stellte um das Grab herum Wettspiele an (Dio Cassius, LXXVII, 16). Homer sagt nie etwas von einem Fluss im griechischen Lager, welches vermuthlich das ganze Ufer zwischen dem Cap Sigeion und dem Ska - mander eingenommen hat, der damals das alte Bett des Kalifatli-Asmak hatte. Letzteres ist aber jedenfalls vom Dorfe Kum-Köi ab identisch mit dem grossen Bett des kleinen Stroms Intépé-Asmak, der beim Cap Rhoeteum in den Hellespont fliesst.

Herr Nikolaïdes führt ferner die Verse der Ilias (II, 811 815) an:

ἔστι δέ τις προπάροιϑε πόλιος αἰπεῖα κολώνη,
ἐν πεδίῳ ἀπάνευϑε, περίδρομος ἔνϑα καὶ ἔνϑα,
τὴν ἤτοι ἄνδρες Βατίειαν κικλήσκουσιν,
ἀϑάνατοι δέ τε σῆμα πολυσκάρϑμοιο Μυρίνης.
ἔνϑα τότε Τρῶές τε διέκριϑεν ἠδ̕ἐπίκουροι.

(Vor der Stadt, seitwärts in der Ebene, erhebt sich ein steiler, freistehender Hügel, den die Menschen Batieia, die Unsterblichen das Grab der gewandten Myrine nennen; dort stellten sich gesondert die Trojaner und ihre Verbündeten auf.) Herr Nikolaïdes folgert daraus, dass vor Ilium ein sehr grosser Hügel war, auf wel - chem sich das trojanische Heer von 50000 Mann in133widerlegung der ansicht des herrn nikolaïdes. Schlachtordnung aufstellte. Ich verstehe vorstehende Verse aber durchaus nicht so, dass der Hügel Batieia gross und geräumig war, noch dass 50000 Mann sich auf demselben in Schlachtordnung aufgestellt hätten. Im Gegentheil, wenn Homer das Wort « αἰπύς » für An - höhen gebraucht, dann versteht er immer « steil und hoch », und auf einem steilen und hohen Hügel konnten sich unmöglich 50000 Trojaner aufstellen. Auch sagt ja der Dichter ausdrücklich, dass der steile Hügel von den Göttern das Grab der gewandten Myrine genannt wird, während der dem Hügel von den Menschen[gege - bene] Name « Batieia » auch nur soviel heissen kann als: » Grab der Batieia ». Nach Apollodor (III, 12) war näm - lich Batieia die Tochter des trojanischen Königs Teukros, die den von Samothrakien eingewanderten Dardanos hei - rathete, welcher später König und der Erbauer von Troja wurde (Ilias, XX, 215 218). Die Myrine war eine der Amazonen, welche den Feldzug gegen Troja unternom - men hatten (Herodot, I, 27; Ilias, III, 189 190; Strabo, XIII, 3). Nie kann Homer haben glauben machen wollen, dass sich 50000 Krieger auf einem hohen und steilen Grabe aufstellten, auf dessen Spitze kaum zehn Mann stehen können; er hat nur den Ort angeben wollen, wo sich das trojanische Heer aufstellte; dasselbe stellte sich also um das Grab herum, oder neben dem - selben auf. Herr Nikolaïdes sagt weiter, dass sich ein solcher Hügel auch jetzt noch vor Bunarbaschi befinde, während vor Neu-Ilium durchaus kein Hügel oder eine Anhöhe sei. Ich antworte darauf, dass vor den Anhöhen von Bunarbaschi keines jener « σῆμα » von Homer be - nannten, kegelförmigen Heldengräber ist, dass aber ein134widerlegung der ansicht des herrn nikolaïdes. solches vor Hissarlik, wo ich grabe, gewesen sein muss; es ist aber verschwunden, wie alle nur aus Erde bestehenden Anhöhen, die cultivirt werden, zu Grunde gehen. So z. B. hat Herr Nikolaïdes während seines eintägigen Aufenthalts in der Ebene von Troja im Jahre 1867 noch in der Nähe des Skamander das grosse Grab des Antilochos gesehen, denn er spricht von demselben in seinem, in demselben Jahre veröffent - lichten Buche; auch ich habe dieses Grab noch im August 1868 gesehen; es hatte sich aber damals schon bedeutend verringert, denn man hatte gerade angefangen, es zu bebauen; jetzt ist es längst spurlos verschwunden. Herr Nikolaïdes sagt, dass ich in Neu-Ilium ausgrabe. Ich antworte, dass die Stadt, in deren Tiefen ich grabe, im ganzen Alterthum, ja, von ihrer Gründung bis zu ihrem Untergang, der ungefähr 800 Jahre n. Chr. stattgefunden haben soll, immer nur Ilium genannt worden ist, und dass es niemand jemals Neu-Ilium genannt hat, denn alle glaubten, dass die Stadt auf der Baustelle des homerischen Ilium stände und mit diesem identisch wäre. Der einzige, welcher je die Identität dieses Ilium mit der Stadt des Priamos be - zweifelt hat, war Demetrios von Skepsis, welcher be - hauptete, dass die alte berühmte Stadt auf der Baustelle des 30 Stadien südöstlich von hier gelegenen Dorfes der Ilier (Ἰλιέων κώμη) gestanden hätte; diese Ansicht theilte später auch Strabo, der übrigens, wie er selbst gesteht, nie die Ebene von Troja besucht hat; er nennt daher auch die Stadt « τὸ σημερινὸν Ἴλιον », im Gegensatze zum homerischen Ilium. Ich habe aber durch meine vor - jährigen Ausgrabungen auf der Baustelle von Ἰλιέων κώμη135widerlegung der ansicht des herrn nikolaïdes. dargethan, dass die sich auf einer Seite derselben weit ausdehnenden Anhöhen, welche die Ruinen grosser Stadtmauern zu enthalten schienen, nur reinen Urboden enthalten; auch fand ich überall, wo ich auf der Bau - stelle des alten Dorfes grub, immer den Urboden in ge - ringer Tiefe, und nirgends die geringste Spur, dass dort jemals eine Stadt gestanden hat. Demetrios von Skepsis und Strabo, der seine Theorie annahm, waren daher gewaltig im Irrthum. Die Stadt Ilium wurde erst un - gefähr 1000 Jahre nach ihrem völligen Untergang mit dem Namen Ilium Novum getauft; in der That, diese Taufe geschah erst im Jahre 1788 n. Chr. durch Lechevalier, den Gründer der Theorie, dass das home - rische Ilium auf den Höhen von Bunarbaschi gestanden habe. Unglücklicherweise aber, wie es sein Werk und seine Karte der Ebene von Troja beweisen, kannte Lechevalier nur vom Hörensagen die von ihm mit dem Namen Ilium Novum getaufte Stadt Ilium, niemals hat er sich die Mühe gegeben, selbst hierher zu kom - men, und hat so den höchst lächerlichen Irrthum begangen, sein Neu-Ilium 6 Kilometer von hier, jenseit des Skamander, bei Kumkalé, auf seine Karte zu setzen.

Ich erstaune, wie Herrn Nikolaïdes die Nachricht zugekommen ist, dass die Stadt, welche er Ilium Novum nennt, im 6. Jahrhundert v. Chr. von den Astypa - läern gegründet ist. Es scheint aber, dass er einfach im Strabo (XIII, 602) gelesen hat, dass die in Rhoeteum wohnenden Astypaläer am Simoïs die Stadt Polion er - bauten (welcher Name in Polisma überging), die, da sie nicht von der Natur befestigt war, bald zerstört wurde,136widerlegung der ansicht des herrn nikolaïdes. und dass er diese Mittheilung Strabo’s irrthümlich dahin abänderte, dass die Astypaläer im 6. Jahrhundert v. Chr. Ilium Novum gebaut hätten. Im darauffolgenden Satze sagt Strabo, dass die Stadt (Ilium) unter der Herrschaft der Lydier 797 v. Chr. anfing. Woher kann Herr Nikolaïdes die Kunde haben, dass der Bau der Stadt im 6. Jahrhundert stattgefunden hat?

Herr Nikolaïdes sagt weiter, dass Homer jedenfalls die Nachkommen des Aeneas in Troja hat herrschen sehen, indem er sonst nicht die prophetischen Worte:

νῦν δὲ δὴ Αἰνείαο βίη Τρώεσσιν ἀνα΄ξει
καὶ παίδων παῖδες, τοί κεν μετόπισϑε γένωνται

(Ilias, XX, 307 308. Ja bald werden über die Trojaner herrschen Aeneas und die Söhne seiner Söhne, und die, welche später geboren werden) dem Poseidon hätte in den Mund legen können. Auch ich war immer dersel - ben Ansicht, bis meine Ausgrabungen dieselbe als irrig erwiesen und über jeden Zweifel herausstellten, dass Troja von Grund aus zerstört und von einem andern Volke wieder aufgebaut wurde. Als weitern Beweis, dass das homerische Ilium auf den Höhen von Bunarbaschi lag, führt Herr Nikolaïdes an, dass die Trojaner einen Kundschafter auf dem Grabhügel des Aesyetes aufgestellt hatten, um zu erspähen, wann die Achäer aus den Schiffen hervorstürmen würden, und er meint, dass, des geringen Abstandes vom Hellespont wegen, dies Spähen überflüssig und widersinnig gewe - sen sein würde, wenn, wie ich sage, Troja auf der Bau - stelle von Ilium, welches Herr Nikolaïdes Ilium Novum nennt, gestanden hätte. Ich erstaune auch über diese137widerlegung der ansicht des herrn nikolaïdes. Bemerkung des Herrn Nikolaïdes, denn wie er aus seiner eigenen Karte der Ebene von Troja ersehen kann, ist die Entfernung von hier bis zum Hellespont 6 Kilometer oder Stunde Wegs, während kein menschliches Auge Menschen in einer Entfernung von 2 Kilometer erkennen kann, und noch viel weniger dies auf 6 Ki - lometer Abstand möglich ist. Herr Nikolaïdes indessen erkennt den Grabhügel des Aesyetes in dem 13 Kilometer oder Stunden Wegs vom Hellespont entfernten, Udjek-Tépé genannten Grabhügel. In einer solchen Entfernung aber erkennt das menschliche Auge kaum die grössten Schiffe, und niemals Menschen.

Ebenfalls durchaus falsch ist die Behauptung des Herrn Nikolaïdes, dass bei Hissarlik gar keine Quelle sei. Ein Unglück wäre es für mich, wenn dies wahr wäre, denn ich habe meinen 130 Arbeitern stets frisches Trink - wasser zu geben; aber, Gott sei Dank, dicht bei meinen Ausgrabungen, gerade unter den Trümmern der Stadt - mauer, sind zwei schöne Quellen, von denen die eine sogar doppelt ist. Auch ist irrig die Behauptung des Herrn Nikolaïdes, dass zwischen Hissarlik und dem Hellespont der Skamander weder fliesse noch jemals geflossen sei. Denn, wie gesagt, muss der Skamander einst das auf Herrn Nikolaïdes Karte vergessene, grosse, herrliche Bett des Kalifatli-Asmak innegehabt haben, welches unweit des Caps von Rhoeteum in den Helles - pont mündet.

Endlich ist durchaus falsch die Angabe des Herrn Nikolaïdes, dass der Berg Hissarlik, wo ich grabe, am äussersten Nordostende der Ebene von Troja liege; denn, wie jeder mit einem Blick auf die Karte sehen kann,138widerlegung der ansicht des herrn nikolaïdes. erstreckt sich die Ebene von Troja noch Stunde lang und ½ Stunde breit vom Berge Hissarlik mehr nach Nordosten, und sie endet erst am Fusse der Anhöhen von Renköi und der alten Stadt Ophrynium.

Begreiflicherweise habe ich bei meinen über - menschlichen Arbeiten nie einen Augenblick freie Zeit und kann unmöglich meine theuere Zeit mit eiteln Schwätzereien verlieren. Ich bitte daher Herrn Nikolaï - des nach Troja zu kommen, um sich mit eigenen Augen zu überzeugen, dass ich in der Widerlegung seiner falschen Angaben alles der reinsten Wahrheit gemäss so geschildert habe, wie ich es hier vor mir sehe.

139vermehrung der mittel zum ausgraben.

XI.

Mein letzter Bericht war vom 18. Juni. Da ich bei der Grösse meiner Ausgrabungen gar nicht im Stande bin, mit weniger als 120 Mann zu arbeiten, so habe ich, der Erntezeit wegen, schon seit dem 1. Juni den Tagelohn auf 12 Piaster erhöhen müs - sen, und würde selbst dadurch nicht im Stande ge - wesen sein, die nöthige Zahl von Leuten zusammenzu - bringen, hätte nicht Herr Max Müller, der würdige deutsche Consul in Gallipoli, die Güte gehabt, mir 40 Arbeiter von dort zu schicken. Infolge dessen habe ich selbst in der schwersten Erntezeit immer 120 bis 130 Arbeiter gehabt, und jetzt, wo die Ernte beendigt ist, habe ich beständig 150. Zur Erleich - terung der Arbeiten habe ich mir durch die Güte des englischen Consuls, Herrn Charles Cookson in Kon - stantinopel, 10 man-carts angeschafft, die von zwei Mann gezogen und von einem dritten geschoben werden. Derselbe hat ausserdem 20 Schiebkarren geschickt, so - dass ich jetzt mit 10 man-carts und 88 Schiebkarren arbeiten lasse. Ich halte aber ausserdem noch sechs Schuttwagen mit Pferden, wovon jeder 5 Frs. täglich140fortwährender wind; das stürmische ilium. kostet, und übersteigen somit die Gesammtkosten der Ausgrabungen täglich 400 Frs. Ausser Böcken, Ketten und Winden bestehen meine Werkzeuge aus 24 grossen eisernen Hebeln, 108 Spaten und 103 Hacken, alle besten englischen Fabrikats. Es wird von Son - nenaufgang bis Sonnenuntergang eifrig gearbeitet, denn ich habe drei tüchtige Aufseher, und meine Frau und ich sind stets bei den Arbeiten. Dennoch kann ich nicht rechnen, dass ich jetzt mehr als 300 Kubikmeter Schutt täglich fortschaffe, denn die Entfernung wird immer grösser und übersteigt an mehrern Stellen schon 80 Meter, und ausserdem ist auch der beständige Nordsturm, der uns den Staub fortwährend in die Augen treibt und uns blendet, bei den Arbeiten äusserst hin - derlich. Dieser immerwährende Sturm erklärt sich viel - leicht dadurch, dass zunächst das Meer von Marmara und dann das Schwarze Meer durch eine verhält - nissmässig so enge Wasserstrasse mit dem Aegäischen Meere verbunden sind. Da man aber solche fortwäh - rende Stürme sonst nirgends in der Welt kennt, so muss Homer in der Ebene von Troja gelebt haben, denn sonst könnte er seiner Ἴλιος nicht so oft das so treffende Beiwort ἠνεμόεσσα (das windige oder stür - mische) geben, welches er sonst keinem andern Orte gibt.

Wie bereits erwähnt, habe ich in 12 Meter senk - rechter Tiefe unter dem Berggipfel, auf der Baustelle des wahrscheinlich von Lysimachus gebauten Tempels, eine unten 31, oben 34 Meter breite Plateforme getrie - ben, die bereits eine Länge von 25 Meter erreicht hat. Aber zu meinem grössten Schrecken sehe ich, dass ich141terracotten; figur einer priesterin. sie um wenigstens 5 Meter zu hoch angelegt habe, denn ich bin trotz der grossen Tiefe und der grossen Ent - fernung vom Abhange des Berges noch immer in den Schutthaufen der griechischen Colonie, während ich sonst am nördlichen Abhange des Berges gewöhnlich schon in weniger als 2 Meter Tiefe die Trümmer des vorher - gehenden Volkes erreichte. Diese ganze Plateforme um 5 Meter tiefer zu graben, würde eine Riesenarbeit sein, für welche ich jetzt, der vorgerückten Jahreszeit wegen, nicht mehr die Geduld habe. Um aber jedenfalls bald - möglichst zu erforschen, was in den Tiefen dieses Tem - pels steckt, habe ich mich damit begnügt, genau 5 Me - ter unterhalb der Plateforme und in deren Mitte einen oben 8, unten 4 Meter breiten Einschnitt zu machen, welcher, da ich ihn gleichzeitig von unten und auf zwei Terrassen grabe, schnell fortschreitet.

Es sind seit der Entdeckung des Sonnengottes mit den vier Pferden viele Marmorblöcke mit Darstellungen von Sonnen und Blumen gefunden, jedoch keine Sculp - turen von Wichtigkeit. Von andern Gegenständen kam in dieser Tempelausgrabung bis heute sehr wenig zum Vorschein: nur wenige runde Stücke Terracotta mit der gewöhnlichen Verzierung der von drei, vier oder fünf dreifachen oder vierfachen aufgehenden Sonnen umgebenen Centralsonne; Messer von Silex in Form von Sägen, einige niedliche Terracotta-Figuren, worunter eine Priesterin mit sehr ausdrucksvollen assy - rischen Gesichtszügen, mit feuerrothem und grünem Ge - wande und mit rothem Tuch um den Kopf; auch ein kleiner Napf, dessen unteres Ende einen Mausekopf vorstellt. Die Maus war bekanntlich, als ein von Erd -142napf mit mausekopf; sonnensymbole. dünsten begeistertes Thier und als Symbol der Weis - sagung, dem Apollo geweiht. Auch soll nach Strabo (XIII, 613) Apollo den von Kreta ausgewanderten Teukrern durch Mäuse den Ort angezeigt haben, wo sie sich ansiedeln sollten. Der Napf mit dem Mause - kopf beweist aber ebenso wenig als die den Sonnen - gott mit vier Pferden darstellende Metope, dass der hier von Lysimachos gebaute Tempel dem Apollo ge - weiht war.

In meinen übrigen Ausgrabungen kam seit meinem letzten Bericht wiederum eine ungeheuere Menge runder Stücke Terracotta zum Vorschein, und darunter, in 4 bis 10 Meter Tiefe, besonders viele mit drei, vier oder fünf

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um die Centralsonne. Eins aus 7 Meter Tiefe, dessen Abbildung ich Tafel 9, No. 295 gebe, zeigt die Centralsonne umgeben von sechs Sonnen, durch de - ren jede ein

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geht; auf einem andern, in 10 Meter Tiefe gefundenen, hat die Centralsonne anstatt Strahlen 12 Bäume; auf einem dritten, aus 5 Meter Tiefe stammenden, hat die Sonne sieben Strahlen in der Form von Angelhaken, einen in Form einer Drei und zwei in Gestalt des phönizischen Buchstaben Nun, darauf folgen 12 Strahlenschweife, in deren jedem vier Sternchen sind; auf einem vierten Stück, welches ich in 5 Meter Tiefe fand, sieht man vier aufgehende Sonnen und einen Baum im Kreise um die Sonne. Sehr häufig finde ich zwischen den aufgehenden Sonnen drei oder vier auf die Centralsonne zugehende Reihen von je drei Punkten, die, wie bereits erwähnt, nach Herrn E. Burnouf in den persischen Keilinschriften königliche Majestät bedeuten. Bestimmt soll dieses143schwarze terracotten mit symbolen. Symbol auch hier den Sonnengott verherrlichen. Es kommen in 7 bis 10 Meter Tiefe auch runde Stücke Terracotta vor, auf denen die ganze Fläche um die Sonne mit Sternchen ausgefüllt ist und man ausserdem nur ein

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sieht.

In den letzten Tagen sind auch in den Schuttschich - ten des homerischen Iliums auf dem Urboden, in 14 und bis 11 Meter Tiefe, viele ausgezeichnet gearbeitete, runde, glänzend schwarze Stücke Terracotta gefunden; die meisten derselben sind viel platter als die in den höhern Schichten vorkommenden, und einem Rade ähnlich; manche haben die Gestalt von grossen platten Knöpfen; es kommen aber auch oft Stücke in der Form des Carrousels und des Vulkans vor, die sich nur durch die Feinheit der Terracotta und durch bes - sere Arbeit von denen in den höhern Trümmer - schichten unterscheiden. Die Verzierungen dieser ur - ältesten Stücke sind aber im allgemeinen viel einfacher als die der oberhalb 10 Meter Tiefe vorkommenden, und beschränken sich meistentheils auf die Darstellung der Sonne mit ihren Strahlen oder mit Sternen zwischen letztern, oder auf die Sonne in der Mitte eines ein - fachen Kreuzes oder in der Mitte von vier oder fünf doppelten oder dreifachen aufgehenden Sonnen. In 6 Meter Tiefe wurde abermals eine runde Terracotta in der Form eines Vulkans gefunden, auf dem drei Anti - lopen im Kreise um die Sonne dargestellt sind.

In einer Tiefe von 5 bis 8 Meter kommen viele Terracotta-Kugeln vor, deren Oberfläche oft in acht Felder abgetheilt ist; diese enthalten eine grosse Menge von entweder durch Kreise umschlossenen oder auch144gebrauch der terracottastücke. freistehenden kleinen Sonnen und Sternen; die meisten Kugeln sind aber ohne Abtheilungen und mit Sternen bedeckt; auf einigen sieht man auch das

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und den Lebensbaum, der, wie bereits erwähnt, auf einer aus 8 Meter Tiefe stammenden Kugel Sterne zwischen seinen Zweigen hat.

Unter den Tausenden und aber Tausenden der hier von der Oberfläche bis 14 und 16 Meter Tiefe, also vom Ende der griechischen Colonie bis zu den Trümmer - schichten der ersten Einwohner des homerischen Troja, vorkommenden runden Stücke Terracotta in Form des Vulkans, des Carrousels oder des Rades habe ich noch nicht ein einziges mit symbolischen Zeichen bedecktes gesehen, auf welchem ich die geringste Spur hätte ent - decken können, dass es zu irgendeinem häuslichen Gebrauch benutzt worden wäre; dagegen finde ich zwischen denen, welche ohne Verzierungen sind, einige wenige in der Form des Vulkans, vielleicht zwei unter hundert, deren oberer Theil deutliche Spuren der Ab - reibung und somit des Gebrauchs am Spinnrad oder in Webstühlen zeigen. Dass diese herrlichen, oft mit den feinsten, kunstvollsten eingravirten Zeichnungen bedeckten Stücke als Gewichte an Fischernetzen ge - dient haben sollten, daran ist nicht im entferntesten zu denken, denn abgesehen von allen andern dagegen - sprechenden Gründen, haben Stücke von Terracotta nicht die nöthige Schwere und werden natürlich beim Gebrauch im Wasser sogleich verdorben.

Herr E. Burnouf schreibt mir, dass diese höchst merkwürdigen Stücke entweder von den Trojanern und ihren Nachfolgern als Amulete getragen, oder bei145gebrauch der terracotten; lampen.ihnen als Münzen im Gebrauch gewesen sein müssen. Beides scheint mir aber unmöglich. Als Amulete sind sie viel zu gross und schwer, denn sie haben 3, 5 und selbst 6 Centimeter im Durchmesser und 1 bis 5 Centimeter Höhe; auch würde es ungemein unbequem sein, auch nur ein einziges dieser schweren Stücke um den Hals oder auf der Brust zu tragen. Der Gebrauch derselben als Münzen scheint mir wegen der religiösen symbo - lischen Zeichen nicht denkbar; auch müssten sie, als Münzen benutzt, durch den fortwährenden Austausch abgenutzt sein. Dann scheint gegen den Gebrauch als Münzen auch die weisse Masse zu sprechen, mit der die Verzierungen ausgefüllt sind und die bei dem fortwähren - den Wandern von Hand zu Hand gar bald hätte verschwin - den müssen; ferner der Umstand, dass sie auch in den Trümmerschichten der griechischen Colonie vorkommen, in denen ich viele kupferne, auch einige silberne Mün - zen von Ilium finde. Uebrigens sind letztere meistens aus der römischen Kaiserzeit, und ich kann nicht mit Bestimmtheit behaupten, dass sie über unsere Zeitrech - nung hinausgehen. Es finden sich indess Münzen von Sigeion, die wahrscheinlich aus dem 2. Jahrhundert vor Christo sind, denn diese Stadt war schon zu Strabo’s Zeit zerstört.

In 14 Meter Tiefe finde ich unter andern merk - würdigen Gegenständen kleine runde Näpfe, von nur Centimeter Durchmesser; einige derselben haben am Rande des Bodens herum vier Füsschen mit einem durchgehenden Loch, während sich ein fünftes Füsschen ohne Loch in der Mitte befindet. Andere Näpfe gleicher Grösse haben vier Füsschen, wovon nur zwei ein durch -Schliemann, Troja. 10146näpfchen, trichter, kahnförmige salzfässer.gehendes Loch haben. Ich vermuthe, dass alle diese Näpfchen, welche sowol hingestellt als aufgehängt werden konnten, den alten Trojanern als Lampen ge - dient haben. Bei keiner der drei folgenden Nationen finde ich eine Spur von Lampen, und erst in weniger als 1 Meter Tiefe griechische λύχνοι.

In 2 Meter Tiefe fand ich in den Trümmern eines Hauses eine grosse Masse von ganz kleinen, nur 2 Cen - timeter hohen und 1 Centimeter breiten Näpfchen mit ihren Deckelchen, deren Gebrauch mir unbekannt ist. In 4 bis 7 Meter Tiefe finde ich grobe, in 7 bis 10 Meter Tiefe feinere, und in 13 bis 14 Meter Tiefe sehr feine kleine flache Schälchen von 5 bis 8 Centimeter im Durchmesser, die zwei sich gegenüberstehende Löcher haben und deren Gebrauch mir vollends ein Räthsel ist. In allen diesen Tiefen finde ich auch 7 bis 8 Centimeter lange und am breiten Ende nur 3 bis Centimeter im Durchmesser habende Trichter, welche in den obern Schichten von sehr schlechtem Thon sind, aber allmählich mit zunehmender Tiefe besser werden und in 14 Meter Tiefe von sehr guter Terracotta sind. Höchst merkwürdig aber ist es, dass diese seltsame, ganz unpraktische Art von Trichtern, wovon ich mehrere photographiren lassen werde, sich in ganz unveränder - ter Gestalt von der Gründung der Stadt ab bei allen Völkern erhalten hat, die vor der griechischen Co - lonie Ilium bewohnt haben. Auch finde ich in 4 bis 7 Meter Tiefe grobe, 10 Centimeter lange, und in 7 bis 10 Meter Tiefe feingearbeitete, 4 bis 7 Centimeter lange Terracottas in der Form des primitiven, aus einem aus - gehöhlten Baumstamm bestehenden Kahns, welche als147glocke; schöner becher mit eulenkopf.Salz - oder Pfefferfässer gebraucht sein mögen; mehrere derselben habe ich mit flachen Deckeln gefunden. In den trojanischen Schuttschichten kommen diese Gefässe nicht vor. Miniaturvasen und Töpfe von 3 und 4 Centimeter Höhe kommen in allen Trümmerschichten von 3 bis 10 Meter Tiefe viel vor, und ich werde hun - dert von den bessern photographiren lassen; in 14 bis 16 Meter Tiefe kamen nur drei Miniaturtöpfe vor, unter denselben aber ist einer von nur Centimeter Höhe. In 5 Meter Tiefe fand sich ein ganz geschlossenes irdenes Gefäss mit einem Henkel von oben, welches als Glocke gebraucht zu sein scheint, denn es sind Stücke Metall darin, welche klingeln, wenn man schüttelt.

Von Bechern mit Eulenköpfen und Helm kamen seit meinem letzten Berichte zwei in 3 und , zwei in 5 und einer in 8 Meter Tiefe zum Vorschein. Erstere sind von schlechter Terracotta und kunst - los, jene von 5 Meter Tiefe sind schon viel feiner gear - beitet und von besserm Thon, während der Becher aus 8 Meter Tiefe so schön ist, dass man sagen möchte, er stelle das wirkliche Porträt der Göttin mit dem Eulengesicht dar. Von jenen herrlichen rothen Bechern in der Form grosser Champagnergläser, ohne Fuss und mit zwei ungeheuern Henkeln, wurden dieser Tage viele gefunden, darunter einer von 27 Centimeter Höhe; ich fand aber bereits einen von 32 Centimeter Höhe. Auch kamen in den letzten Tagen aus 8 bis 10 Meter Tiefe viele Töpfchen vor mit drei Füsschen mit Röhren an den Seiten und Löchern im Munde zum Aufhängen, und mit hübschen eingeschnittenen Verzie - rungen. Im ganzen genommen kamen in den letzten10*148vasen mit verzierungen; gemalte dose.Tagen aus allen Schuttschichten viele schöne Terra - cottas zum Vorschein.

Noch muss ich eine jener sehr niedlichen Vasen be - schreiben, die in 7 bis 10 Meter Tiefe häufig vorkom - men und entweder zwei geschlossene Henkel, oder an - statt derselben zwei Griffe mit durchgehenden Löchern und, in gleicher Richtung, zwei Löcher im Munde ha - ben, daher hingestellt oder mittels der durch die vier Löcher gezogenen Schnüre aufgehängt werden können. Sie haben in den meisten Fällen ringsherum Verzierungen, welche gewöhnlich oben und unten aus drei parallelen, horizontal herumlaufenden Strichen be - stehen, zwischen welchen sich 24 senkrechte, eben - falls parallel laufende Linien befinden; die durch letztere gebildeten Räume sind abwechselnd mit drei oder sechs Sternchen angefüllt. Es kommen auch, ob - wol selten, in 7 bis 10 Meter Tiefe Vasen mit keil - förmigen Verzierungen vor. Ich erinnere aber daran, dass alle Verzierungen, die hier von 10 bis 2 Meter Tiefe vorkommen, immer nur mehr oder weniger kunstvoll in die Terracottas eingravirt sind, als diese noch weich und un - gebrannt waren, dass alle Vasen immer nur eine ein - tönige Farbe haben, die ganz ordinären Töpfe aber in den meisten Fällen ungefärbt sind, und dass von Malerei in diesen Tiefen nie eine Spur vorkommt, mit Ausnahme einer sonderbaren, in 8 Meter Tiefe gefundenen Dose in Form einer Schachtel, welche drei Füsse und Löcher zum Aufhängen hat; dieselbe ist auf gelbem Grund auf allen Seiten mit rothen, gemalten Verzierungen ge - schmückt und trägt auf dem Deckel ein grosses

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oder ein diesem sehr ähnliches symbolisches Zeichen der149fälschungen der arbeiter.Maya, der Feuermaschine unserer arischen Urväter. Ihrer Merkwürdigkeit wegen werde ich diese Dose von allen Seiten photographiren lassen.

In den Schuttschichten der alten Trojaner, in 14 bis 16 Meter Tiefe, habe ich auch nur das eine, bereits früher beschriebene Bruchstück einer Vase mit wirk - licher Malerei gefunden, welches Tafel 27, No. 722 ab - gebildet ist; alle sonst in denselben vorkommenden Ge - fässe, selbst die runden Terracottastücke in der Gestalt des Rades, des Vulkans oder des Carrousels haben eine glänzend schwarze, rothe oder braune Farbe, und sind die Verzierungen kunstvoll eingeschnitten und mit einer weissen Masse ausgefüllt, damit sie mehr in die Augen fallen.

Da in den der dunkeln Nacht vorgriechischer Zeit angehörigen Trümmern jeder Gegenstand, der Spuren menschlichen Kunstsinns trägt, eine Seite der Geschichte für mich ist, so muss ich vor allen Dingen dafür sorgen, dass mir nichts entgeht, ich bezahle daher meinen Arbeitern ein Trinkgeld von 10 Paras (5 Centimes) für jeden Gegenstand, der den geringsten Werth für mich hat, also auch für jedes runde Stück Terracotta mit religiösen Symbolen. Und, wer sollte es glauben, ungeachtet der ungeheuern Masse derarti - ger vorkommender Stücke versuchen meine Arbeiter manchmal auf den unverzierten Stücken Verzierungen zu machen, um den Preis zu verdienen, und ist beson - ders die Sonne mit ihren Strahlen der Gegenstand ihres Kunstfleisses. Ich erkenne natürlich die gefälschten Symbole auf der Stelle, bestrafe auch die Fälscher immer mit einem Abzug von 2 Piastern vom Tagelohn,150die quellen an der nordseite iliums.aber bei dem fortwährenden Wechsel der Arbeiter wird die Fälschung doch noch immer von Zeit zu Zeit versucht.

Da ich bei meinen vielen Arbeiten nicht die Namen aller meiner Arbeiter im Gedächtniss behalten kann, so nenne ich sie je nach ihrem mehr oder weniger gottesfürch - tigen, militärischen oder gelehrten Aussehen: Derwisch, Mönch, Pilgrim, Corporal, Doctor, Schulmeister u. s. w. und kaum habe ich einen solchen Namen gegeben, so wird der gute Mann von allen bei demselben so genannt, solange er bei mir ist. Auf diese Weise habe ich viele Doctoren, von denen keiner lesen oder schreiben kann.

Gestern fand ich wieder in 13 Meter oder 43½ Fuss Tiefe, zwischen den Steinen des alten Troja, zwei Kröten, welche davonhüpften, sobald sie sich in Freiheit sahen.

Die Zahl der an der Nordseite von Ilium befind - lichen Quellen habe ich in meinem letzten Berichte noch nicht ganz genau angegeben. Ich habe jetzt alle Quellen selbst besucht, ihre Entfernung von meinen Ausgrabungen gemessen und kann Nachstehendes darü - ber mittheilen: Die erste gerade unter den Trümmern der alten Stadtmauer befindliche Quelle ist genau 365 Meter von meinen Ausgrabungen entfernt; ihr Wasser hat eine Temperatur von 16 Grad Celsius oder 12⅘ Grad Réaumur; sie hat eine 2 Meter hohe und 2 Meter 80 Centimeter breite Einfassung von mit Cement ver - bundenen grossen Steinen, und vor ihr stehen zwei steinerne Tröge zum Tränken des Viehes. Die zweite, ebenfalls noch unter den Ruinen der alten Stadtmauer befindliche Quelle ist genau 725 Meter von meinen Aus -151die quellen an der nordseite iliums.grabungen entfernt; sie hat eine ähnliche, 2 Meter 10 Centimeter hohe, 1 Meter 50 Centimeter breite Ein - fassung von grossen Steinen, und ebenfalls eine Tempe - ratur von 16 Grad Celsius; sie ist aber in Unordnung, und das Wasser läuft nicht mehr durch die steinerne Röhre der Einfassung, sondern auf der Erde, ehe es letztere erreicht. Die in meinem letzten Bericht er - wähnte doppelte Quelle ist genau 945 Meter von meinen Ausgrabungen entfernt; sie besteht aus zwei verschie - denen Quellen, die in einer 2 Meter 10 Centimeter hohen, 7 Meter breiten Einfassung von durch Cement verbundenen grossen Steinen durch zwei nebeneinander - liegende steinerne Röhren auslaufen und eine Tempera - tur von 17 Grad Celsius oder 13⅗ Grad Réaumur haben. Vor diesen beiden Quellen, von denen Tafel 107 eine Photographie gibt, stehen sechs steinerne Tröge, die so gestellt sind, dass der Ueberfluss des Wassers immer aus dem ersten Troge der Reihe nach durch alle an - dern läuft. Höchst wahrscheinlich sind dies die beiden von Homer (Ilias, XXII, 145 148) erwähnten Quellen, bei denen Hektor getödtet wurde, und wenn der Dichter die eine derselben als siedend heiss, die andere als eiskalt beschreibt, so kann dies wol nur metaphorisch zu verstehen sein; denn das Wasser dieser beiden Quellen läuft in den nahe davor fliessenden Simoïs, und durch diesen in den Kalifatli-Asmak, dessen ungeheueres Bett einst das des Skamander gewesen ist; letzterer aber entspringt be - kanntlich im Idagebirge aus einer heissen und einer kalten Quelle.

Ich bemerkte in meinem letzten Aufsatz, dass der152der lauf des dumbrek-su (simoïs).Dumbrek-Su (Simoïs) auch heute noch nördlich von Ilium in jenes ehemalige Bett des Skamander fliesst, und sagte nachher, dass ein Arm desselben beim Cap Rhoeteum ins Meer geht; dies bedarf einer Erklärung. Die Quellen des Simoïs sind acht Stunden von hier ent - fernt, und obgleich bis zum nahen Dorfe Chalil-Köi vier - mal Kanäle zum Treiben von Wassermühlen von ihm abgeleitet sind, so hat er doch bis zu jenem Dorfe, selbst im heissesten Sommer, in seinem grossen Fluss - bett immer einen Ueberfluss von Wasser. In Chalil-Köi aber theilt er sich in zwei Arme, von denen der eine, nachdem er eine Mühle getrieben hat, in nordwestlicher Richtung in die Ebene geht, ungeheuere Sümpfe bildet und sich in zwei Arme theilt, wovon der eine mit dem von Chalil-Köi in westlicher Richtung fliessenden Arme wieder zusammenfliesst und sich gleich darauf in den Kalifatli-Asmak, das frühere Bett des Skamanders, wirft. Der andere Arm aber des von Chalil-Köi in nordwest - licher Richtung fliessenden Simoïs wendet sich, nachdem er bei Kum-Köi durch einen künstlichen Kanal Zufluss vom Kalifatli-Asmak erhalten hat, ganz nach Norden und fliesst unter dem Namen Intépé-Asmak in einem gewaltig breiten Flussbett, welches jedenfalls früher dem Kalifatli-Asmak und im hohen Alterthum dem Skamander gehört hat, neben dem Intépé genannten Grabe des Ajax in den Hellespont. Ich mache darauf aufmerksam, dass der Name Ajax (Αἴας gen. Αἴαντος) selbst in diesem türkischen Namen wiederzuerkennen ist; Tépé heisst Hügel.

Auf den Artikel des Herrn Nikolaïdes zurückkom - mend, kann ich jetzt auch seine Behauptung widerlegen,153strabo und das grab des aesyetes.dass es bei Ilium, wo ich grabe, keinen Hügel gebe, den man für das von Homer (Ilias, II, 811 815) beschrie - bene Grabmal der Batieia oder der Amazone Myrine an - sehen könnte. Strabo (XIII, 1, S. 109) führt unter anderm, als Beweis gegen die Identität von Ilium und dem Ilium des Priamus, die Verse der Ilias (II, 791 794) an:

εἴσατο δὲ φϑογγὴν υἷϊ Πριάμοιο Πολίτῃ,
ὃς Τρώων σκοπὸς ἷζε ποδωκείῃσι πεποιϑώς,
τύμβῳ ἐπ̕ ἀκροτάτῳ Αἰσυήταο γέροντος,
δέγμενος, ὁππότε ναῦφιν ἀφορμηϑεῖεν Ἀχαιοί.

(Ihre Stimme glich der des Polites, des Sohnes des Priamos, welcher als Späher der Trojaner, seiner Schnellfüssigkeit vertrauend, auf dem Gipfel des Grabes des Greises Aesyetes sass, spähend, wann die Achäer von den Schiffen hervorstürmen würden). Strabo fügt hinzu: Wenn Troja auf der Baustelle des derzeitigen Ilium gestanden hätte, so würde Polites die Bewegun - gen der Griechen bei den Schiffen besser von der Höhe von Pergamos aus haben beobachten können als vom Grabmal des Aesyetes, welches auf dem Wege nach Alexandria Troas, 5 Stadien (925 Meter) von Ilium liegt.

Strabo hat durchaus darin recht, dass man das griechische Lager besser von der Höhe der Per - gamos hätte sehen müssen als von einem auf dem Wege nach Alexandria Troas, 5 Stadien von Ilium ge - legenen Grabe, denn Alexandria Troas liegt südwestlich von Ilium, und der Weg dahin, der durch die Furt des Skamander bei seinem Eintritt ins Thal genau bezeich -154das grabmal des aesyetes, der batieia.net ist, geht bis vor Bunarbaschi genau südlich, während der Hellespont und das Lager der Griechen nördlich von Ilium liegen. Nun sehe ich im Süden von Ilium, genau in der Richtung, in welcher die Strasse von Alexandria Troas gewesen sein muss, einen 10 Meter hohen Grabhügel vor mir, der 120 Meter im Umfange hat und nach meiner genauen Messung 930 Meter von der süd - lichen Stadtmauer entfernt ist. Nothwendigerweise muss daher dies das Grab sein, von welchem Strabo schreibt; offenbar aber ist er rücksichtlich der Identität dessel - ben mit dem Tumulus des Aesyetes durch Demetrios von Skepsis irregeführt worden, welcher durch die Lage dieses Grabes, in gerader Linie zwischen dem griechi - schen Lager und dem Dorfe der Ilier (Ἰλιέων κώμη), letzteres als die Baustelle von Troja nachweisen wollte. Der Grabhügel des Aesyetes ist vermuth - lich im jetzigen Dorfe Kum-Köi, unweit des Zusam - menflusses des Skamander und des Simoïs gewesen, denn noch heute sieht man dort die einige Meter hohen Reste eines Heldengrabes.

Das vor mir liegende Grab liegt vor Troja, aber seitwärts in der Ebene, und entspricht in dieser Lage vollkommen den Angaben, welche uns Homer (Ilias, II, 811 815) für die Lage des Grabes der Batieia oder der Amazone Myrine gibt: προπάροιϑε πόλιος und ἐν πεδίῳ ἀπάνευϑε . Dies Grab wird jetzt Pascha-Tépé genannt.

Eine Idee von der bedeutenden Bevölkerung Iliums zur Zeit des Lysimachos geben unter anderm die ungeheuern Dimensionen des von ihm gebauten Theaters, welches sich neben der Pergamos, wo ich155der krämer konstantinos kolobos.grabe, befindet und dessen Bühne eine Breite von 60 Meter hat.

Die Tageshitze von 32 Grad Celsius bemerkt man hier gar nicht infolge des fortwährenden Sturms, und die Nächte sind kühl und erfrischend.

Nächst dem unaufhörlichen, unerträglichen Sturm ist die hiesige ungeheuere Menge von Insekten und Unge - ziefer aller Art unsere grösste Plage; besondere Angst aber haben wir vor den Skorpionen und den sogenann - ten Vierzigfüsslern (Σαραντοπόδια), die oft von der Decke des Zimmers auf uns oder neben uns niederfallen und deren Biss tödlich sein soll.

Ich kann nicht schliessen, ohne einer höchst merk - würdigen Persönlichkeit, des Krämers Konstantinos Kolobos, in dem in der Ebene von Troja gelegenen Dorfe Neo-Chorion, zu erwähnen, welcher, obwol ohne Füsse geboren, dennoch im Kleinhandel, in einem arm - seligen Dorfe, ein bedeutendes Vermögen erworben hat. Aber sein Talent ist nicht allein auf den Handel beschränkt, es dehnt sich auch auf Sprachkenntniss aus, und obwol Kolobos mit den rohen, unwissenden Dorfjungen aufgewachsen ist und nie einen Lehrer gehabt hat, so ist es ihm dennoch durch Selbstunter - richt gelungen, sich die italienische und französi - sche Sprache so eigen zu machen, dass er beide fertig schreibt und spricht. Auch im Altgriechischen hat er es durch mehrmaliges Abschreiben und Aus - wendiglernen eines grossen etymologischen Lexikons und durch das Lesen aller Classiker zu einer be - wunderungswürdigen Fertigkeit gebracht, und weiss ganze Rhapsodien der Ilias auswendig. Wie jammer -156konstantinos kolobos.schade ist es, dass ein solches Genie ohne jeglichen Nutzen für die Welt in einem erbärmlichen Dorfe der Troade verkümmern muss in der steten Gesellschaft ganz roher, unwissender Menschen, die ihn alle mit Bewunderung begaffen, von denen ihn aber niemand versteht.

157auffindung einer mauer am abhange.

XII.

Bezug nehmend auf meinen Bericht vom 13. v. M. freut es mich jetzt melden zu können, dass ich bei der Ausgrabung in den Tiefen des Tempels, in einer Ent - fernung von 40 Meter vom Abhange des Berges und in einer senkrechten Tiefe von 10½ Meter, eine 2 Meter dicke und 3 Meter hohe Mauer fand, die aber, wie die Massen der vor ihr liegenden Steine zu beweisen schei - nen, einst viel höher gewesen ist. Diese Mauer besteht aus grossen, mit Erde zusammengesetzten Steinen, und wie die unter ihr schräg hinunterlaufenden Schutt - schichten beurkunden, wurde sie einst auf dem steilen Abhange des Berges gebaut. Somit hat, seitdem die Mauer errichtet worden ist, der Berg auf dieser Stelle durch die Schuttaufhäufung um 40 Meter an Ausdeh - nung und um 13½ Meter an Höhe zugenommen. Ich habe noch nicht ermitteln können, ob diese Mauer als Unterbau eines alten trojanischen Tempels gedient hat, oder ob sie zu der, wie Homer (Ilias, XII, 452 453) sagt, von Poseidon und Apoll gebauten Ringmauer gehört. Ist letzteres der Fall, so darf es nicht auffallen, dass sie nur 2 Meter dick und vielleicht nie höher als158terracotta-carrousele; sonnendarstellungen.5 Meter gewesen ist, denn ich erinnere daran, dass der Berg an der Nordseite steil abläuft, der Abhang be - sonders an dieser Stelle sehr jähe ist. Unterhalb der Mauer fand ich fünf jener kleinen herrlichen, glänzen - den, schwarzen, platten trojanischen Carrousele, die dem Rade so ähnlich sind und die man auf den ersten Blick von allen andern unterscheidet. Eins hat sechs Sonnen im Kreise um die Centralsonne; ein anderes vier Sterne, die ein Kreuz um die Sonne bilden; ein drittes drei doppelte aufgehende Sonnen im Kreise um die Centralsonne; ein viertes vier mit fünf Strichen ver - sehene aufgehende Sonnen, die ein Kreuz um die Sonne bilden; ein fünftes drei dreifache aufgehende Sonnen um die Sonne. Auch viele Scherben von schwarzen trojanischen Gefässen, die man durch ihre Feinheit und durch die an den Seiten befindlichen langen einfachen oder doppelten Röhren sogleich erkennt, fand ich unter der Mauer. Letztere geht von Westen nach Osten und sperrt mir somit den Weg ab, und hinter ihr kann ich den Schutt nicht herausholen ohne den Kanal bedeutend zu erweitern, was zwischen den ungeheuern Erdwänden eine Riesenarbeit ist. Meinen Kanal in horizontaler Linie fortführend, bin ich gerade 2 Meter unter diese Mauer gekommen. Sehr interessant ist es, aus dieser senkrechten Tiefe von 15½ Meter oder 51 Fuss 4 Zoll dies uralte trojanische Bauwerk in 13½ bis 10½ Meter Tiefe, und neben ihr die von Lysimachos gebaute Mauer fast unmittelbar an der Oberfläche und gleich - sam in der Luft schweben zu sehen.

Auf der Südseite des Berges, wo ich wegen der Geringfügigkeit der natürlichen Senkung meinen grossen159aufdeckung eines alten thurmes.Kanal mit einer Inclination von 14 Grad machen musste, entdeckte ich in einer Entfernung von 60 Meter vom Bergabhange einen 12 Meter oder 40 Fuss dicken Thurm, der mir ebenfalls den Weg sperrt und sehr lang zu sein scheint, und ich bin eifrig damit beschäf - tigt, rechts und links davon grosse Ausgrabungen zu machen, um ihn ganz ans Licht zu bringen, denn ausser dem gewaltigen Interesse, welches dieser Thurm für die Wissenschaft hat, muss ich auch nothgedrungen einen Kanal graben zum Abfluss des Winterregenwassers, welches sonst von meiner 60 Meter langen, stark ge - senkten Plateforme mit Ungestüm auf den Thurm stür - zen und denselben beschädigen würde. Ich habe ihn auf der Nord - und der Südseite auf die ganze Breite meines Kanals blossgelegt und mich überzeugt, dass er in 14 Meter oder 46½ Fuss senkrechter Tiefe auf den Felsen gebaut ist.

An die Nordseite des Thurmes lehnt sich eine 20 Meter breite, 5 Meter hohe Anhöhe von Kalkerde, welche augenscheinlich von dem Schutt gemacht ist, den man abzugraben hatte, um den Felsen für den Aufbau des Thurmes zu ebnen. Ich habe natürlich diese An - höhe durchstochen und mich überzeugt, dass die Nord - seite des Thurmes 5 Meter hoch über dem Felsen nicht gemauert ist, sondern aus grossen, lose übereinanderliegen - den Steinen besteht, und dass nur der obere, 1 Meter hohe Theil derselben aus wirklichem Mauerwerk besteht. Diese Anhöhe, die in Form eines Walles ist, diente also dazu, die Nordseite des Thurmes zu consolidiren und ohne Treppen ersteigbar zu machen. Die der Stadt und Ebene zugewandte Südseite des160beschaffenheit des thurmes.Thurmes besteht aus sehr solidem Mauerwerk von durch Erde verbundenen, theils behauenen, theils unbehauenen Muschelkalksteinen. Diese Südseite des Thurmes steigt unter einem Winkel von 75 Grad vom Felsen auf.

Wie ungeheuer die Schwierigkeiten sind, rechts und links vom Thurm 46½ Fuss tiefe Ausgrabungen zu machen, wo der Schutt über 80 Meter weit wegge - schleppt werden muss, davon kann sich nur derjenige eine Idee machen, der diesen Ausgrabungen beigewohnt hat. Da bei so grosser Entfernung die Arbeit für die Schiebkarren und man-carts sehr ermüdend ist, so sind mir die von Pferden gezogenen Schuttkarren, deren ich jetzt sieben halte, von sehr grossem Nutzen.

Wie der Thurm jetzt ist, ist er nur 6 Meter oder 20 Fuss hoch, indessen die Natur seiner Oberfläche und die Massen der an beiden Seiten liegenden Steine scheinen zu beweisen, dass er einst viel höher war. Aber die Erhaltung dessen, was übrig ist, haben wir nur Trojas Trümmern zu verdanken, welche den Thurm, so wie er jetzt ist, ganz und gar bedeckten. Wahr - scheinlich blieb aus Trojas Zerstörung viel mehr von ihm erhalten, und wurde der über die Trümmer der Stadt hervorragende Theil desselben von den Nachfolgern der Trojaner vernichtet, welche weder Mauern noch Festungswerke hatten. Der westliche Theil des Thurmes, soweit er bisjetzt blossgelegt ist, ist nur 37 bis 38 Meter von dem steilen west - lichen Abhang des Berges entfernt, und in Betracht der enormen Schuttaufhäufung glaube ich daher, dass der Thurm einst an der westlichen Kante der Akropolis gestanden hat, wo seine Lage höchst interessant und161bedeutung des thurmes.imposant war und man von ihm nicht nur die ganze trojanische Ebene, sondern auch das Meer mit den In - seln Tenedos, Imbros und Samothrake überschauen konnte. Es gab und gibt auf Trojas Baustelle keine erhabenere Lage als diese, und ich vermuthe daher, dass er Iliums grosser Thurm war, auf welchen Andromache stieg, weil sie gehört hatte, die Trojaner seien bedrängt und ge - waltig sei der Achäer Obmacht:

ἀλλ̛ ἐπὶ πύργον ἔβη μέγαν Ἰλίνυ οὕνεκ̕ ἄκουσεν τείρεσϑαι Τρῶας, μέγα δὲ κράτος εἶναι Ἀχαιῶν. ((Ilias, VI, 386 387). )

Nachdem dieser Thurm 31 Jahrhunderte lang tief unter dem Schutt begraben war und jahrtausendelang ein Volk nach dem andern seine Häuser und Paläste hoch über seinem Gipfel erbaut hatte, ist er jetzt wieder ans Licht gekommen und übersieht, wenn auch nicht die ganze Ebene, doch wenigstens den nördlichen Theil derselben und den Hellespont. Möge dies heilige, er - habene Denkmal von Griechenlands Heldenruhm fortan auf ewige Zeiten die Blicke der durch den Hellespont Fahrenden fesseln, möge es ein Wallfahrtsort werden für die wissbegierige Jugend aller künftigen Genera - tionen und sie begeistern für die Wissenschaft, beson - ders für die herrliche griechische Sprache und Litera - tur; möge es die Veranlassung werden zur baldigen vollständigen Aufdeckung von Trojas Ringmauern, die nothwendigerweise mit diesem Thurme, höchst wahrscheinlich auch mit der auf der Nordseite von mir blossgelegten Mauer in Verbindung stehen müssen und deren Aufdeckung jetzt sehr leicht ist.

Schliemann, Troja. 11162bauart iliums.

Die Kosten von Iliums Ausgrabung sind aber zu gross für Privatvermögen, und ich hoffe, es wird sich später eine Gesellschaft bilden, oder eine Regierung be - schliessen, meine Excavationen fortzusetzen, damit ich zur Ausgrabung der Akropolis von Mykenae schreiten kann. Fürs erste setze ich die Ausgrabungen auf eigene Kosten fort, werde mich aber künftighin auf die allmähliche Blosslegung der grossen Ringmauern beschränken, welche jedenfalls in grosser Tiefe unter der von Lysimachos erbauten Stadtmauer mehr oder weniger gut erhalten sind.

Ehe ich noch den geringsten Mauerrest von Ilium ge - sehen hatte, habe ich schon in meinen Aufsätzen wiederholt versichert, dass die ganze Stadt so gebaut war, wie es sich jetzt bei der Mauer und dem Thurm herausstellt, nämlich aus mit Erde verbundenen Steinen. Dass diese Bauart, wenn nicht älter, doch wenigstens ebenso alt ist wie die sogenannte cyklopische, das beweisen die auf gleiche Weise erbauten Mauern und Häuser in Thera (Santorin) und Therassia, welche bekanntlich unter drei Schichten vulkanischer Asche von 68 Fuss Dicke entdeckt sind. Letztere sind aber von einem wenigstens 3800 Fuss hoch gewesenen Centralvulkan ausgeworfen, der, wie man allgemein annimmt, spä - testens 1500 Jahre v. Chr. ins Meer versunken sein muss.

Auf der Baustelle des Tempels fand ich in 2 Meter Tiefe einen 1 Meter 57 Centimeter hohen, 80 Centi - meter breiten und ebenso dicken, ungefähr 50 Centner wiegenden Marmorblock mit nachstehender Inschrift:

163inschrift auf der baustelle des tempels.
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Der erste in dieser Inschrift vorkommende Name, wovon ΑΥ erhalten ist, ist wol ΑΥΛΟΣ; ΚΑΙΚΙΝΑΙ muss jedenfalls der Familienname sein und den lateinischen Ablativ andeuten. Ob der andere Name, wovon ΑΙΟΝ übrig ist, ΓΑΙΟΣ sein soll, wage ich nicht gewiss zu be - haupten, halte es aber für wahrscheinlich. Die Inschrift, welche ich demnach wie folgt lese, ist namentlich gegen das Ende in schlechtem Griechisch abgefasst: βουλὴ καὶ δῆμος Ἰλιέων ἐτίμησαν Αὖλον Κλαύδιον Καικινᾷ Γάϊον Κυζικηνὸν ἄρχοντα λογιστὴν ὑπὸ τοῦ ϑειοτάτου αὐτοκράτορος Καίσαρος Τίτου Αἰλίου Ἀδριανοῦ Ἀντωνίου Σεβαστοῦ εὐσε - βοῦς καὶ πολλὰ καὶ μεγάλα τῆ πόλει κατορϑώραντα καὶ πα - ράσχοντά τε τῇ λογιστείᾳ καὶ συνηγορίαος ἄνδρα πάσης τιμῆς ἅξιον ἀρετῆς ἕνεκεν καὶ εὐνοίρς τῆς πρὸς τὴν πόλιν.

Der in dieser Inschrift erwähnte Kaiser ist natür -11*164fussmarken auf dem inschriftblock.lich der im Jahre 138 n. Chr. zur Regierung gekom - mene und 161 verstorbene Antoninus Pius, und kann es nur irrthümlich sein, dass er hier Antonius genannt wird. Den Namen Hadrianus hat er von seinem Pflege - vater, dem Kaiser Hadrian, und den Namen Aelius von des letztern erstem Pflegesohn Aelius nach dessen Ab - leben angenommen.

Auf dem obern Ende dieses Marmorblocks sind zwei Fussmarken, die eine bedeutend vor der andern, von denen jede eine Länge von 39 Centimeter hat, dieselben lassen keinen Zweifel übrig, dass auf diesem Block die kolossale Bildsäule des in der Inschrift ge - priesenen Kyzikeners in der Stellung eines Redners stand. In der hintern Fussmarke sieht man ein vier - eckiges, Centimeter langes und breites Loch, in welches die eiserne Stange zur Befestigung der Statue gesteckt worden ist. Nach der Grösse der Fussmarken ist die Bildsäule über 8 Fuss hoch gewesen, und da der Mar - morblock, wie gesagt, 1 Meter 57 Centimeter oder Fuss hoch ist, so hatte das Ganze eine Höhe von mindestens 13¼ Fuss, und lässt sich daraus schliessen, dass der Tempel, in welchem dies Kunstwerk stand, sehr geräumig war.

Die Abgrabungen links und rechts vom Thurm müssen leider von oben geschehen, was langsamer geht, aber den Vortheil gewährt, noch einmal wieder mit grosser Genauigkeit constatiren zu können, in welchen Tiefen die verschiedenen Gegenstände vorkommen. Wenn im allgemeinen die Trümmer aus griechischer Zeit bis zu 2 Meter Tiefe reichen, so gibt es doch manche Stellen, wo die Ueberbleibsel aus vorgriechischer165tiefe der versch. culturschichten, münze von eläusa. Zeit schon in weniger als 1 Meter Tiefe anfangen, und ist dies östlich vom Thurm der Fall, wo ich schon 1 Meter unter der Oberfläche ein Petschaft von Thon mit einem Baum und zwei Sternen fand. In gleicher Tiefe fand ich dort ein gerades und drei krumme kupferne Messer, sowie ein grosses zweischneidiges Beil und mehrere andere Werkzeuge von gleichem Metall. Beinahe an der Oberfläche fand ich dort unter andern Münzen eine höchst merkwürdige und, wie ich glaube, noch nie vorgekommene Medaille, welche auf der einen Seite das Bild des Kaisers Commodus (hier ΚΟΜΟΔΟΣ geschrieben) hat; auf der andern steht eine gehar - nischte, mit zwei Lanzen bewaffnete Figur (wahrschein - lich Minerva) auf dem Vordertheil eines Schiffes, welches in einen meisterhaft gearbeiteten Gazellenkopf ausläuft; im Halbkreise um dasselbe steht das Wort ΕΛΑΙΟΥΣΙΩΝ. Die Medaille stammt daher von der zu Cilicien gehörigen, ganz kleinen Insel Eläusa, und stellt die merkwürdige Thatsache heraus, dass diese kleine, jetzt beinahe unbewohnte Insel im Alterthum so bevöl - kert war, dass sie ihre eigenen Münzen schlagen liess.

Die vielbesprochenen kleinen Vulkane und Carrou - sele von Terracotta mit einfachen und doppelten Kreu - zen mit den Marken der vier Nägel, oder mit drei, vier oder fünf doppelten aufgehenden Sonnen im Kreise um die Centralsonne, kommen östlich vom Thurm schon ganz dicht unter der Oberfläche, nämlich schon in 30 Cen - timeter Tiefe vor. In 1 Meter Tiefe fand ich dort einen kleinen Vulkan, auf dem die Rosa mystica mit ihren vier Blumenblättern ein Kreuz um die Sonne bildet. Schon in 2 Meter Tiefe entdeckte ich dort einen klei -166terracotten und gefässe um den thurm. nen, roh gearbeiteten Becher mit dem Eulengesicht der ilischen Schutzgöttin, sehr plumpe Trinkgefässe in der Gestalt von Champagnergläsern mit zwei Henkeln; in 3 Meter Tiefe kleine Schälchen mit drei Füsschen, die mit

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und Lebensbäumen verziert sind. Auch kamen dort schon in 3 Meter Tiefe kleine Terracotta-Vulkane und Carrousele mit

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vor, und sehr viele in 4 Meter Tiefe. In dieser letztern Tiefe fand ich in der Aus - grabung an der Westseite des Thurmes einen höchst sonderbaren, 20 Centimeter hohen Becher in der Form einer mecklenburger Plutensemmel, mit vier Absätzen, aber rund und mit zwei ungeheuern Henkeln versehen; er hat einen abgerundeten Fuss, sodass er nur auf den Mund hingestellt werden kann. Ebendaselbst fand ich eine merkwürdige Vase mit Röhrchen an den Seiten zum Aufhängen an Schnüren und mit einer kleinen Röhre im Bauch, sodass die in die Vase gegossene Flüssigkeit sogleich wieder herauslaufen muss. Vasen mit solchen Röhren im Bauch, aber ohne Röhren an den Seiten, sind sehr häufig. Ferner in 4 Meter Tiefe Becher in der Form von Champagnergläsern mit zwei grossen Henkeln, auch einen merkwürdigen kleinen Terra - cotta-Vulkan mit vier

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, dem Symbol des Blitzes, und zwei mit Flammen bedeckten Opferaltären. Mehrere solche Stücke mit höchst interessanten symbolischen Zeichen fand ich in 5 Meter Tiefe, darunter eins mit sehr fein eingravirtem Flammenaltar und Lebens - baum. In gleicher Schuttschicht eine kleine niedliche Vase mit drei Füsschen, zwei Henkeln und hübschen eingeschnittenen Verzierungen, endlich viele kleine Messer von Silex in Form von Sägen. In 6 Meter167terracotten und gefässe um den thurm. Tiefe wurde ein 23 Centimeter langes Gefäss gefunden, welches ganz die Gestalt eines Thieres hat; es hat drei Füsse, Schwanz und aufrecht stehenden Hals, der mit dem Rücken durch einen grossen Henkel ver - bunden ist. In 7 Meter Tiefe fand ich eine sehr hübsche Vase mit dem Eulenkopf der Schutzgöttin Trojas, ihren beiden Frauenbrüsten und Bauchnabel; sie hat ihre beiden Arme neben dem Kopfe emporgehoben, die als Griffe dienen. Diese Vase ist Tafel 65, No. 1440 abge - bildet. Aus gleicher Tiefe kam eine sonderbare knö - cherne Säge, aus 8 Meter Tiefe Idole mit dem Bilde der ilischen Minerva und ihrem Gürtel von sehr feinem Marmor, in gleicher Tiefe einige von den mehrerwähn - ten irdenen Trichtern, sowie mehrere mit eingeschnitte - nen Sternchen bedeckte Terracotta-Kugeln zum Vor - schein. Auch fand ich in 8 bis 11 Meter Tiefe in den letzten Tagen viele grosse Vasen und Gefässe verschiede - ner Form mit zwei, drei und vier Henkeln, ausserdem in 10 Meter Tiefe ein thierähnliches Gefäss mit drei Füssen und Schwanz; ein vom aufrecht stehenden Hals ausgehen - des Horn, welches als Henkel dient, verbindet den Kopf mit dem hintern Rücken; dies Gefäss sieht einer Locomotive nicht unähnlich und ist Tafel 91, No. 1893 abgebildet.

In 14 Meter Tiefe wurden vorgestern viele sehr in - teressante Sachen gefunden, z. B. der Tafel 102, No. 2276 abgebildete Hals einer glänzend rothen Vase mit Eulen - kopf, der ein paar ungeheuer grosse Augen hat; ein 22 Centimeter langes, 18 Centimeter hohes und 15 Cen - timeter dickes glänzend braunes Gefäss in der Form einer Sau, mit hervorstehendem, ausgezeichnet gemach - tem, aber geschlossenem Kopf und drei Füssen, die168gerippe einer frau, dabei gefundener schmuck. Oeffnung des Gefässes ist im Schwanze, der durch einen Henkel mit dem Rücken verbunden ist; das Gefäss ist Tafel 104, No. 2299 abgebildet; ferner eine Lanze und mehrere Werkzeuge, sowie viele Nägel von Kupfer und Nadeln von Elfenbein zum Sticken. In der Asche desselben augenscheinlich verbrannten Hauses fand ich ferner in 13 Meter Tiefe das ziemlich gut erhaltene Gerippe einer Frau, wovon ich so ziemlich alle Knochen gesam - melt zu haben glaube; der Schädel ist besonders gut conservirt, aber leider beim Graben zerschlagen; ich kann ihn jedoch leicht wieder zusammensetzen; der Mund ist etwas spitzzulaufend und zeigt gute, aber erstaunlich kleine Zähne. Neben dem Gerippe fand ich einen Fingerring, drei Ohrringe und eine Tuchnadel von reinem Golde. Letztere ist ganz einfach und hat einen runden Kopf; zwei der Ohrringe sind ganz pri - mitiver Art und bestehen aus einfachem, Millimeter dickem Golddraht; ebenso der dritte Ohrring, der aber viel feiner gearbeitet ist und in ein Blatt ausläuft, welches von sechs zusammengeschmiedeten Golddrähten gleicher Dicke gebildet wird. Der Fingerring ist von Millimeter dickem, dreifachem Golddraht. Alle diese Gegenstände tragen das Gepräge, dass sie grosser Glut ausgesetzt gewesen sind. Aber noch andere Schmuck - sachen muss die Trojanerin getragen haben, denn ich sammelte neben dem Gerippe mehrere nur 1 Millimeter grosse Goldperlen, sowie auch einen ganz dünnen ovalen Ring von nur 7 Millimeter Länge. Auch die Farbe der Knochen lässt keinen Zweifel darüber, dass die Dame, vom Feuer übereilt, lebendig verbrannt ist; überdiess sind mir hier ausser dem Gerippe des Embryo von169becher mit mannesgesicht, abwesenheit von säulen. sechs Monaten in der Vase auf dem Urboden noch nie in in irgendeiner der vorgriechischen Schuttschichten dieses Berges Menschengerippe vorgekommen. Wie wir aus Homer wissen, wurden alle Leichname verbrannt und die Asche in Urnen beigesetzt, deren ich eine grosse Menge in den Trümmerschichten aller Nationen fand, welche diese Anhöhe vor der griechischen Colonie bewohnt haben; aber die Knochen waren immer zu wirklicher Asche verbrannt, und höchstens habe ich dann und wann einen heilen Zahn, nie einen andern ganzen Knochen darin gefunden.

Im Schutt desselben trojanischen Hauses unweit des Gerippes fand ich das Bruchstück eines gelben Bechers mit sehr ausdrucksvollem Mannesgesicht; die Nase ist sehr lang und etwas gebogen. Ausserdem fand ich dort sieben jener runden Terracotten in Gestalt von flachen Carrousels, worunter eins von 6 Centimeter im Durchmesser, welches vollkommen die Form eines Rades hat; es hat im Kreise um die Nabe fünf aufgehende Sonnen; wie immer sind diese Verzie - rungen eingravirt und mit einer weissen Masse aus - gefüllt.

Von Säulen habe ich bisjetzt keine Spur in Troja gefunden, und wenn es daher wirklich Säulen gab, so müssen sie jedenfalls von Holz gewesen sein. Uebrigens findet sich das Wort κίων ja auch nie in der Ilias, und nur in der Odyssee. Einen hübsch geschnittenen sehr harten Kalkstein in der Form eines Halbkreises mit einem runden, 4 Centimeter tiefen Loch, fand ich in einem Hause in 12 Meter Tiefe und vermuthe, dass derselbe in einer Thür gedient haben mag.

170taufe des ortes als pergamos von troja .

Schliesslich schmeichle ich mir mit der Hoffnung, dass als Belohnung für meine riesenmässigen Kosten und alle meine Entbehrungen, Drangsale und Leiden in dieser Wildniss, vor allem aber für meine wichtigen Entdeckungen die civilisirte Welt mir das Recht zuer - kennt, diese heilige Stätte umzutaufen, und im Namen des göttlichen Homer taufe ich sie mit jenen Namen unsterblichen Ruhmes, welche das Herz eines jeden mit Freude und Enthusiasmus erfüllen; ich taufe sie mit den Namen Troja und Ilium , und ich nenne Pergamos von Troja die Akropolis, wo ich diese Zeilen schreibe.

171einstellung der arbeit. ausdehnung des thurmes.

XIII.

Seit meinem Bericht vom 4. d. M. habe ich die Excavationen mit aller Energie fortgesetzt, bin nun aber gezwungen, heute Abend die Arbeiten einzustellen, denn meine drei Aufseher und mein Bedienter, der auch mein Kassirer ist, haben das bösartige Sumpffieber, und meine Frau und ich sind so leidend, dass wir nicht im Stande sind, den ganzen Tag in der furchtbaren Sonnen - glut allein das Commando zu führen. Wir lassen daher unsere beiden hölzernen Häuser und alle unsere Ma - schinen und Werkzeuge hier unter der Aufsicht eines Wächters und kehren morgen nach Athen zurück.

Wie die Bewunderer Homer’s bei ihrem Besuch in der Pergamos von Troja finden werden, habe ich den Thurm auf der Südseite nicht nur auf die ganze Breite meines Kanals, bis auf den Felsen, auf dem er in 14 Meter oder 46½ Fuss Tiefe steht, freigelegt, sondern ihn auch durch meine Ausgrabungen nach Osten und Westen bedeutend weiter aufgedeckt, ohne ein Ende zu finden. Im Gegentheil finde ich auf seiner Ostseite, wo er 40 Fuss Breite hat und noch breiter zu werden scheint, die Ruinen einer zweiten Etage, wovon aber172auf dem thurm gefundene gegenstände. nur, soweit es bisjetzt zu beurtheilen ist, vier sich lang - ausdehnende Stufen erhalten sind. An der Westseite hat er nur 9 Meter oder 30 Fuss Breite und sendet von dort eine ungeheuere Mauer, deren Dicke ich noch nicht im Stande gewesen bin zu ermitteln, nach Norden. Wenn ich diese neuen Ausgrabungen nicht bis auf den Urboden und nur 11 Meter oder 36½ Fuss tief habe machen können, so ist die zerbrechliche Natur der Schutt - und Trümmerwände um den Thurm herum daran schuld, die, wie sich jeder überzeugen kann, aus rother Asche und aus durch die Glut verkalkten Steinen bestehen und jeden Augenblick einzustürzen und meine Arbeiter zu begraben drohten. Auf dem Thurm, und be - sonders in der auf demselben befindlichen langen ovalen Vertiefung und auf den Stufen der zweiten Etage, fand ich zwei kupferne trojanische Lanzen, mehrere Pfeil - spitzen in der primitiven Form von 3 und 5 Centimeter langen dicken Stiften, die am Ende der Pfeile befestigt wurden, auch eine Centimeter lange Pfeilspitze von Silex in der Form einer spitzzulaufenden, zweischneidi - digen Säge; dann mehrere kupferne und silberne Nägel mit rundem Kopf, dieselben mögen als Tuchnadeln gedient haben; ferner grosse Massen von Knochen, Massen von glänzenden rothen und schwarzen troja - nischen Topfscherben und eine Menge mehr oder we - niger gut erhaltener Vasen und Töpfe. Mehrere dersel - ben ist es mir gelungen in gutem Zustande herauszu - nehmen, und ist unter denselben eine hübsche, 25 Centi - meter hohe glänzend rothe Vase, die ich mit den Gräten eines Meerfisches angefüllt in einer grossen, leider ganz zerbrochenen Urne fand; diese Vase hat zwei kleine173auf dem thurm gefundene gegenstände. Henkel und auf zwei Seiten eine Verzierung in der Form des griechischen Lambda, aber mit kreisförmigen Enden; Vasen ähnlicher Form und mit ganz derselben Verzierung fand ich noch drei auf dem Thurme. Von derselben Form und sehr ähnlicher Verzierung kamen noch zwei Vasen in 8 und 6 Meter Tiefe vor. Dann fand ich auf dem Thurm ein höchst merkwürdiges Ge - fäss von 15 Centimeter Länge, welches ganz in der Form des Maulwurfs ist und drei Füsse hat. Es kann auch so hingestellt werden, dass die Schnauze des Thieres unten ist und als Fuss dient; die Oeffnung ist im Schwanze, den ein grosser Henkel mit dem Rücken verbindet, s. Tafel 114, No. 2317. Ich fand dort ferner eine 40 Centimeter hohe herrliche, glänzend schwarze trojanische Vase, die aber leider ganz zerschla - gen wurde; ich habe jedoch alle Stücke davon und kann sie daher wieder zusammensetzen, s. Tafel 95, No. 2006; ausserdem einen trojanischen Topf und ein kugelrundes Gefäss mit der vorerwähnten Verzierung eines abgerundeten Lambda. Ebenso rettete ich beinahe heil eine höchst interessante rothe, unten ganz abgerun - dete, 23 Centimeter hohe Kanne mit so sehr hintenüber gebogenem Halse, wie mir derartige Gefässe noch nie vorgekommen sind. Ich fand dort auch einen Priapus und ein sehr niedliches Vogelei von sehr feinem Marmor, viele kleine Terracotta-Vulkane mit den gewöhnlichen Symbolen von doppelten und dreifachen Kreuzen, sechs Sonnen, vier oder fünf doppelten oder dreifachen auf - gehenden Sonnen oder auch Sternen im Kreise um die Centralsonne; auch ein Stück, auf welchem vier

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ein Kreuz um die Sonne bilden und der übrige Raum mit174rechts und links vom thurm gefundene sachen. Sternen ausgefüllt ist. Auch einige kleine Gefässe mit Röhren zum Aufhängen an Schnüren wurden dort gefunden, sowie 25 sehr ordinäre irdene Teller, die vom Töpfer gedreht sind, während sonst alles aus der Hand, ohne Töpferrad, gemacht zu sein scheint; wol die Hälfte der Teller ist unversehrt herausge - kommen.

Beim Graben links und rechts vom Thurm wurden seit meinem letzten Bericht noch viele interessante Sachen gefunden; so z. B. kamen in 2 Meter Tiefe sehr niedliche, obwol ordinäre Gefässe mit Röhrchen an den Seiten und Löchern im Munde zum Aufhängen an Schnüren vor, die ich bisher nur in grösserer Tiefe fand; in 3 Meter Tiefe ein kleiner Becher mit dem Eulenge - sicht und Helm der ilischen Minerva, sehr guter Arbeit; auch in Meter Tiefe ein kleiner Terracotta-Vulkan mit drei Hirschen im Kreise um die Sonne. In 5 bis 6 Meter Tiefe fand ich eine sehr grosse Menge kleiner Messer in Form von Sägen aus Silex. In 10 Meter Tiefe fand ich ein sehr sonderbares Werkzeug von glänzend gelber Terracotta, dessen Abbildung ich Tafel 16, No. 485 gebe und dessen Gebrauch mir uner - klärlich ist; es ist fast in Gestalt eines Schildes und hat neben dem mit einem Baum verzierten Griff eine Höhlung zum Einstecken der Hand. Da es, wie gesagt, von Terracotta ist, so kann es natürlich nicht als Schild gedient haben.

Nachdem es hier seit vier Monaten nicht geregnet hatte, haben wir merkwürdigerweise gerade heute, nach Einstellung der Arbeiten, bei heftigem Gewitter eine Art von Wolkenbruch, und ich bedauere ungemein,175einstellung der arbeit; resultat. nicht im Stande gewesen zu sein, einen Kanal zur Ab - leitung des Regenwassers vom Thurm bis an den west - lichen Abhang des Berges zu graben. Aber der Ab - zugsgraben müsste eine Tiefe von 50 Fuss haben, und müsste seine Breite ebenfalls 50 Fuss sein, denn sonst würden seine aus verbrannten Trümmern und loser rother Asche bestehenden Wände einstürzen; es würde somit nöthig sein, 5000 Kubikmeter Schutt wegzuräumen, und eine solche Riesenarbeit kann ich jetzt nicht mehr unternehmen.

Indem ich die Ausgrabungen für dieses Jahr ein - stelle, kann ich beim Rückblick auf die furchtbare Ge - fahr, der wir seit dem 1. April zwischen den riesigen Trümmerschichten fortwährend ausgesetzt waren, nicht umhin, Gott inbrünstig für die grosse Gnade zu danken, dass nicht nur niemand ums Leben gekommen, sondern dass sogar keiner von uns gefährlich verletzt wor - den ist.

Was nun das Resultat meiner Ausgrabungen be - trifft, so wird mir jeder zugestehen, dass ich ein grosses historisches Problem gelöst habe, und dass ich es gelöst habe durch die Entdeckung hoher Civilisation und Rie - senbauten auf dem Urboden, in den Tiefen einer alten Stadt, welche im ganzen Alterthum Ilium hiess und sich für die Nachfolgerin Trojas ausgab, und deren Baustelle von der ganzen damaligen civilisirten Welt als identisch mit der Baustelle des homerischen Ilium angesehen wurde. Die Lage dieser Stadt entspricht nicht nur in jeder Hinsicht vollkommen allen Angaben der Ilias, sondern auch allen jenen der uns durch spätere Autoren bekannten Traditionen, während es weder in der Ebene176baustelle trojas. von Troja noch in der Umgegend eine andere Stelle gibt, welche im entferntesten denselben angepasst werden könnte. Die Höhen von Bunarbaschi, als Baustelle Trojas angesehen, widersprechen in jeglicher Hinsicht allen Angaben Homer’s und der Tradition. Meine Aus - grabungen oberhalb Bunarbaschi sowie die Form der Felsen beweisen, dass jene Höhen bis zu den drei Hel - dengräbern nie von Menschen bewohnt sein können. Wie bereits früher erwähnt, findet man hinter jenen Gräbern die Trümmer einer ganz kleinen Stadt, deren an zwei Seiten durch die Trümmer einer Ringmauer und an den übrigen Seiten durch Abgründe umschlos - sene Baustelle so geringfügig ist, dass sie nur aller - höchstens 2000 Einwohner gehabt haben kann; die Ring - mauer ihrer kleinen Akropolis ist kaum 1 Fuss dick und deren Thor kaum 1 Meter breit, während dort die Schuttaufhäufung nicht der Rede werth ist und man auf vielen Stellen im Boden der Akropolis den nackten, platten Felsen sieht. Hier in Ilium dagegen sind die Verhältnisse ganz anders; hier ist die durch Lysimachos Ringmauern genau angegebene Baustelle der Stadt gross genug für eine Bevölkerung von über 100000 Seelen, und dass eine solche Einwohnerzahl wirklich da war, davon zeugt die 60 Meter oder 200 Fuss breite Scene des Theaters. Hier ist die von Lysimachos ge - baute Ringmauer 2 Meter dick, während in grosser Tiefe unter ihr die vom Thurm auslaufende Mauer eine fünfmal grössere Dicke zu haben scheint, und ge - wiss hat Homer den Bau von Trojas Mauern nur wegen ihrer kolossalen Proportionen dem Poseidon und Apollo zugeschrieben. Was nun gar die Schuttaufhäufung177grösse der trümmeranhäufung. anbetrifft, so gibt es hier in der Pergamos keine Stelle, wo dieselbe weniger betrüge als 14 Meter oder 46½ Fuss, und an vielen Stellen ist sie noch bedeutend grösser. So z. B. fand ich auf meiner grossen Plate - forme den Urboden erst in 16 Meter oder 53⅓ Fuss Tiefe, und in den Tiefen des Tempels, auf dem angren - zenden Felde des Herrn Frank Calvert, habe ich den - selben in 15½ Meter oder 51⅔ Fuss Tiefe noch nicht erreicht. Eine solche Trümmeranhäufung hat man bis - jetzt noch nirgends in der Welt gefunden, ausser hin und wieder in den kleinen Felsenthälern von Jerusalem, wo sie jedoch erst seit der Zerstörung der Stadt durch Titus angefangen hat, somit kaum mehr als 1800 Jahre alt ist, während hier in Troja die Ueberreste aus griechischer Zeit schon in ½, 1 oder 2 Meter Tiefe ganz aufhören und man von da bis zum Urboden in genauer Reihenfolge die gewaltigen Trümmerschichten von vier uralten Nationen findet.

Ebenso wage ich hinsichtlich der von mir ans Licht gebrachten mehr als hunderttausend Gegenstände, welche bei jenen uralten Völkern in Gebrauch gewesen sind, zu sagen, dass ich für die Archäologie eine neue Welt aufgedeckt habe; denn, um nur ein Beispiel an - zuführen, von jenen Rädern, Vulkanen oder Carrousels aus Terracotta mit den verschiedenartigsten arischen religiösen Symbolen habe ich hier viele Tausende ge - funden.

Wenn es, wie es scheint, weder bei den Trojanern noch bei irgendeiner der drei ihnen nachfolgenden Nationen eine Schriftsprache gab, so müssen uns, soweit es möglich ist, die von mir aufgefundenen monumentsSchliemann, Troja. 12178abbildungen der gefundenen alterthümer. figurés die Schriftsprache ersetzen. Da ich, wie bereits früher erwähnt, jeden den Tag über aufgefundenen Ge - genstand, und besonders die bildlichen Symbole mit grösster Genauigkeit am Abend in mein Tagebuch ab - zeichne, so ist es mir durch die Vergleichung der un - zähligen Symbole gelungen, einige derselben zu ent - ziffern, und ich hoffe, dass es meinen gelehrten Colle - gen gelingen wird, die übrigen zu erklären. Keines - falls soll der Wissenschaft irgend etwas von meinen Entdeckungen entgehen; jeder Gegenstand, der irgend - wie Interesse für die gelehrte Welt haben kann, soll photographirt oder von einem geschickten Zeichner ge - zeichnet und im Anhange dieses Werkes publicirt wer - den; bei jedem Gegenstand wird man genau die Tiefe verzeichnet finden, in welcher er von mir entdeckt wurde.

179rückkehr nach troja, treulosigkeit des wächters.

XIV.

Ich schrieb meinen letzten Aufsatz am 14. v. M., und reiste am 10. d. M. in Gesellschaft meiner Frau und des Landmessers Sisilas nach Troja zurück, um einen neuen Plan der Pergamos aufzunehmen, auf welchem alle meine Ausgrabungen sowie die Tiefe derselben und die von mir entdeckten Denkmäler unsterblichen Ruhmes aufs genaueste verzeichnet sind. Auch nahm ich von den Dardanellen den Photographen Siebrecht mit, um Photographien von meinen Ausgrabungen, von zwei der vier an der Nordseite von Ilium befindlichen Quellen, von Iliums grossem Thurm und Trojas Ebene, und dem Hellespont, von diesem Monument aus gesehen, aufzunehmen.

Mit Schrecken sah ich bei meiner Ankunft dort, dass der von mir zurückgelassene Wächter treulos ge - wesen und eine ungeheuere Menge grosser, aus meinen Ausgrabungen stammender behauener Steine wegge - schleppt war, aus denen ich an verschiedenen Stellen Mauern errichtet hatte, um zu verhindern, dass der Win - terregen den ausgeworfenen Schutt wegschlemme. Er entschuldigte sich damit, dass die Steine zu guten12*180beschädigung d. ausgrab. durch diebstahl u. regengüsse. Zwecken angewandt wären, nämlich zum Bau eines Glockenthurmes im christlichen Dorfe Yenischahir und zur Errichtung von Wohnhäusern im türkischen Dorfe Tschiplak, aber ich jagte ihn natürlich sogleich weg und nahm an seine Stelle einen mit einer Flinte be - waffneten Wächter, welcher den Ruf der Treue hat und durch seine körperliche Stärke den Steinräubern Respect einflössen wird. Was mich am meisten ärgerte, war, dass letztere sich sogar an das von mir, wie früher er - wähnt, auf der Südseite dieses Berges ans Licht ge - brachte herrliche Bollwerk aus der Zeit des Lysimachos gewagt und zwei grosse Steine aus demselben entwen - det hatten; bestimmt wäre diese Bastion ganz ver - schwunden, wenn ich auch nur eine Woche länger weggeblieben wäre.

Auch sehe ich mit Bedauern, dass der Regenschauer vom 14. August hingereicht hat, die grosse Oeffnung, welche ich auf der Südseite des grossen Thurmes ge - macht hatte, um ihn bis auf den Felsen, auf dem er ge - baut ist, blosszulegen, 2 Meter hoch mit Schutt zu füllen. Ich habe daher sogleich bei meiner Ankunft hier 20 Arbeiter angenommen, wovon zehn damit beschäftigt sind, die Südseite des Thurmes bis auf den Urboden zu reinigen, den Schutt wegzukarren und vor der grossen Oeffnung eine Mauer von grossen Steinblöcken zu bauen, durch welche nur das Regenwasser, nicht aber der von demselben fortgeschlemmte Schutt drin - gen kann.

Wie ich Gelegenheit gehabt habe mich zu über - zeugen, schadet das Regenwetter dem Thurme nicht, denn es verschwindet sogleich rechts und links von181stützmauer zur sicherung des abhanges. demselben in den losen Trümmerschichten. Von den übrigen zehn Arbeitern sind sechs damit beschäftigt, die von frevelhafter Hand zerstörten oder beschädigten Mauern wiederherzustellen, während die andern vier daran arbeiten, soviel als möglich von einer höchst merkwürdigen Mauer blosszulegen, die in 15½ Meter Tiefe und 40 Meter vom Rande des Berges auf der Baustelle des Tempels, genau 2 Meter unterhalb der dort von mir ans Licht gebrachten trojanischen Mauer unter einem Winkel von 40 Grad empor - steigt. Wie bereits früher bemerkt, beweisen die un - ter jener trojanischen Mauer schräg nach Norden hinunterlaufenden Schuttschichten, dass dieselbe einst auf dem steilen Abhange des Berges gebaut wor - den ist, und liefert uns hierfür einen fernern untrüg - lichen Beweis die 2 Meter unter ihr empor - steigende Stützmauer, welche keinen andern Zweck haben konnte, als den, das Erdreich des Bergabhanges zusammenzuhalten und hinlänglich zu befestigen, sodass ohne Gefahr Gebäude von gewaltigem Gewicht auf dem Gipfel errichtet werden konnten. Da ich aber hier bis - jetzt noch nie in den Trümmerschichten der vorgrie - chischen Zeit dergleichen Stützmauern zur Consolidirung des Bergabhanges fand, obgleich es, wie die riesigen 5 und 6 Meter hohen Massen ungeheuerer, mit verkohl - tem Schutt gemischter, behauener und unbehauener Steine beweisen, mit denen ich auf meiner grossen Plateforme zu kämpfen hatte, an grossartigen Gebäuden in der Pergamos von Troja nirgends gefehlt hat, so glaube ich ganz gewiss, die vorerwähnte Stützmauer ist dazu bestimmt gewesen, die Baustelle eines Tempels182die stützmauer bezeichnet die stelle des minervatempels. von grösster Heiligkeit zu befestigen. Ich glaube dies um so mehr, als die Stützmauer hier einen Bogen bildet und die ganze Nordostecke des Berges zu bekleiden scheint, welche das äusserste Ende der Pergamos war, und Homer’s Angabe über die Lage des Tempels der Minerva: ἐν πόλει ἄκρῃ (Ilias, VI, 297) vollkommen entspricht. Ich hege keinen Zweifel, dass ich, mit dieser Stützmauer emporsteigend, die Ruinen jenes uralten Tempels schon in weniger als 10 Meter Abstand finde. Aber um wei - ter zu graben, muss ich vor allen Dingen die mehrer - wähnte 3 Meter hohe und 2 Meter dicke trojanische Mauer einreissen und gewaltige Schuttmassen wegräu - men, und muss ich diese Arbeit bis zum 1. Februar ver - schieben, denn jetzt bin ich zu krank und müde dazu. Die Entdeckung des uralten Tempels der Minerva auf des Berges Nordostecke würde dann auch das grosse Räthsel lösen, woher die kolossale Schuttaufhäufung kommt, welche hier den Bergabhang mit einer stein - harten Kruste von 40 Meter Dicke bekleidet, und von der ich nicht nur bei dieser Ausgrabung, sondern auch auf den östlichen 25 Metern meiner grossen Plateforme so sehr viel zu leiden hatte. Man würde finden, dass diese riesige Kruste nur durch die Ueberbleibsel der der ilischen Minerva dargebrachten Opfer entstanden ist.

Ich hatte die Stützmauer bis zu meiner Abreise am 15. August gar nicht bemerkt, und bemerkte sie auch jetzt erst, weil der Regen zwei Steine davon ans Licht gebracht hatte. Sie ist aus 30 bis 66 Centimeter langen und breiten, mit Erde vereinigten Muschelkalksteinen gebaut und bekleidet höchst wahrscheinlich die ganze nordöstliche Bergecke von unten bis oben. Ich ver -183bauart des minervatempels, apollotempel. muthe, dass zu dem uralten Minervatempel der in meinem Aufsatz vom 25. April erwähnte Abzugskanal aus grünem Sandstein von 20 Centimeter Breite und 18 Centimeter Höhe gehört, den ich in einer Höhe von Meter über meiner grossen Plateforme und in einer Entfernung von 14 Meter vom Rande des Abhanges fand.

Der von mir gefundene Triglyphenblock mit dem Sonnengott und den vier Pferden beweist, dass der Tempel, den er geziert hat, in dorischem Stil gebaut war, und da der dorische Baustil bekanntlich der äl - teste ist, so hatte diesen ohne Zweifel auch der uralte Tempel der ilischen Minerva. Wir wissen aber aus der Ilias (VII, 83 und IV, 508), dass es in der Pergamos auch einen Tempel Apollo’s gab, und stand dieser ver - muthlich auf der Südostecke des Berges; denn am Fusse derselben sieht man in einer kleinen Ausgrabung eine aus herrlichen korinthischen Säulen mittels Cement zu - sammengesetzte Mauer. Wahrscheinlich gehören diese Säulen zu einem Apollotempel aus der Zeit des Lysi - machos. Bei der weitern Ausgrabung des Thurmes in östlicher Richtung hoffe ich die Baustelle dieses Tempels, und in den Tiefen derselben die Ruinen des uralten Apollotempels zu finden.

Falls es in Troja eine Schriftsprache gab, so werde ich wahrscheinlich Inschriften in den Ruinen der beiden Tempel finden. Ich bin aber in dieser Hinsicht nicht mehr sanguinisch, da ich bisher in den kolossalen Trüm - merschichten der vier Völker, welche der griechischen Colonie vorhergegangen sind, keine Spur von Schrift gefunden habe.

184wiederaufnahme der ausgrabungen; kälte.

XV.

Ich kehrte am 31. Januar mit meiner Frau hierher zurück, um die Ausgrabungen fortzusetzen, wurde aber bald durch griechische Festtage, bald durch furchtbare Gewitterregen, bald durch grimmige Kälte gestört und kann kaum rechnen, dass ich bis heute mehr als acht gute Arbeitstage gehabt habe. Ich hatte mir hier neben meinen beiden hölzernen Häusern letzten Herbst aus Steinen alter trojanischer Bauten ein Haus mit 60 Centimeter dicken Wänden bauen lassen, wurde aber gezwungen, dasselbe meinen Aufsehern zu überlassen, welche nicht hinlänglich mit Kleidern und Decken ver - sehen waren und daher bei der grossen Kälte umge - kommen sein würden. Meine arme Frau und ich haben infolge dessen viel leiden müssen, denn der eisige Nordsturm blies mit Ungestüm durch die Fugen unserer Breterwände, sodass wir nicht einmal im Stande waren, des Abends Licht anzuzünden; und obgleich wir Feuer im Kamin hatten, so zeigte dennoch das Thermometer 4 Grad Réaumur Kälte in den Stuben, und das Wasser gefror zu Klumpen neben dem Kamin. Den Tag über konnten wir die Kälte noch einigermassen ertragen,185aufseher, maler, mangel an arbeitern.indem wir in den Ausgrabungen mitarbeiteten, des Abends aber hatten wir weiter nichts als unsern Enthusiasmus für das grosse Werk der Aufdeckung Trojas, um uns zu erwärmen. Glücklicherweise aber dauerte die grosse Kälte nur vier Tage vom 16. bis 19. d. M. und haben wir seitdem herrliches Wetter.

Als Aufseher habe ich ausser Georgios Photidas, der auch während der vorjährigen Ausgrabungen bei mir war, den Schiffskapitän Georgios Barba Tsirogiannis aus Chalkis in Euböa, sowie einen Albanesen von Salamis, den ich aber wegen seiner Unbrauchbarkeit nächstens zurückschicke, indem ich mir dafür zwei andere Auf - seher vom Piräeus schicken lasse. Ein guter Aufseher ist mir nützlicher als zehn gewöhnliche Arbeiter, ich finde aber die Gabe des Commandos selten bei andern als bei Seeleuten.

Ich habe auch einen Maler mitgenommen, um die gefundenen Gegenstände immer sogleich mit chinesischer Tinte abzeichnen und die Zeichnungen in Athen durch Photographie vervielfältigen zu lassen. Auf diese Weise ist es mir aber nicht mehr möglich, wie früher die Ge - genstände jeder Tiefe auf besondern Tafeln zu geben; die in den verschiedenen Tiefen gefundenen Sachen sind jetzt durcheinandergemischt, jedoch ist bei einer jeden ausser der Nummer des Katalogs genau die Tiefe in Metern sowie das Grössenverhältniss angegeben.

Die Arbeiter sind gegenwärtig nicht so häufig zu haben als früher, denn ein hier anwesender Kaufmann aus Smyrna beschäftigt 150 Mann zum Aufsuchen einer hier γλυκόϱιζα genannten medicinischen Wurzel, aus welcher der Lakritzensaft bereitet wird, und sowol das Wort186ausgrabungen an der nordseite.Lakritze als das französische Wort lacorice sind jedenfalls nur Verderbungen von γλυκόϱιζα. Da nun die Leute bei dem smyrnaer Kaufmann das Land nach Flächenmass zu bestimmten Preisen durchgraben, so verdienen sie bei ihm täglich 12 bis 23 Piaster (2 Frs. 40 bis 4 Frs. 60 Cent.), während ich in den jetzigen kurzen Tagen nur 9 Piaster (1 Frs. 80 Cent.) zahlen kann, um nach Ostern 10 und nach dem 1. Juni 12 Piaster zu bewilligen. Da die Wurzel unweit Renkoï gegraben wird, so sind hauptsächlich Leute aus diesem Dorfe damit beschäftigt, und ich bin für meine Aus - grabungen auf die in und an der Ebene von Troja ge - legenen Dörfer Kalifatli, Yenischahir und Neo-Chori an - gewiesen, aus welchen ich bei trockenem Wetter von morgen ab auf 120 tägliche Arbeiter rechnen kann.

Ich habe die Stelle auf der Nordseite des Berges, wo mir, in einer Entfernung von 40 Meter vom Bergab - hange, in einer Tiefe von 15½ Meter, die 2 Meter unter - halb der trojanischen Mauer unter einem Winkel von 40 Grad aufsteigende Mauer von weissen Steinen die Baustelle des uralten Minervatempels zu bezeichnen scheint, von zwei Seiten gleichzeitig in fünf Terrassen in Angriff genommen und lasse den Schutt mit man - carts und Schiebkarren fortschaffen. Dieser Schutt be - steht in der nordöstlichen Ausgrabung, von der Ober - fläche bis zu 3 Meter Tiefe, aus mit schwarzer Erde ver - mengten Marmorsplittern, und finde ich darin gar viele grosse, herrlich sculptirte Marmorblöcke, welche offenbar von dem auf der Stelle befindlichen Tempel aus der Zeit des Lysimachos herrühren, aber durchaus weiter keinen Werth für die Wissenschaft haben. Die Fortschaffung187grosser zuwachs des berges durch schutt und asche.dieser Blöcke, deren Gewicht oft 2000 Kilogramm über - steigt, macht mir die grösste Schwierigkeit. Die Bau - stelle des Tempels ist zwar deutlich genug durch das Vorhandensein dieser grossen, dorischen Stil zeigenden Marmorblöcke angegeben, aber vom Heiligthum selbst findet sich kein Stein an seiner Stelle. Wie die 34 Me - ter lange, 23 Meter breite Senkung im Erdboden zu be - weisen scheint, ist der Ort schon vor Jahrhunderten von den nach passenden Grabsteinen suchenden Tür - ken durchwühlt, welche merkwürdigerweise auch alle Fundamente fortgenommen haben. Unterhalb dieser 3 Meter dicken Schuttdecke folgt eine unter einem Winkel von 50 bis 60 Grad ablaufende Aschenmasse, welche mit einer 40 Meter dicken Kruste an jener Stelle den durch die erwähnte Stützmauer genau bezeichneten einstigen Bergabhang bedeckt. Letzterer rundet sich hier nach Osten ab, und wie es sowol die sich nach jener Richtung umwendende Stützmauer, als die ober - halb derselben auch nach Osten ablaufenden Schutt - schichten beweisen, fing von diesem Punkte ebenfalls einst der östliche Bergabhang an, während der jetzige 80 Meter von demselben entfernt ist. Somit hat der Berg der Pergamos in östlicher Richtung um 80 Meter oder 264 Fuss an Dicke zugenommen, seitdem die Stütz - mauer gemacht ist. Ich glaube nicht, dass es einen zweiten Berg in der Welt gibt, dessen Zunahme im Laufe der Jahrtausende auch nur im entferntesten mit diesem kolossalen Zuwachs zu vergleichen wäre.

Ausser jenen kleinen runden Terracottas in Form von Vulkanen und Carrouselen mit den gewöhnlichen, viel vorkommenden und mehrfach beschriebenen Ver -188ausgrabungen an der ostseite der plateforme.zierungen und einigem mehr oder weniger zerbrochenen Topfgeschirr wurde bisjetzt nichts in dieser Ausgrabung gefunden. Die andere Ausgrabung, um die vermeinte Baustelle des uralten Minervatempels zu erreichen, ge - schieht am Ostende meiner grossen Plateforme, auf welche ich wiederum den grössten Theil des dort jetzt abgegrabenen Schuttes werfen lasse, weil mir dessen Fortschaffung ausserhalb derselben zu ungeheuere Schwierigkeiten machen würde. Ich habe dieser Aus - grabung nur vorläufig eine Breite von 13 Metern gege - ben, beabsichtige aber sie zu erweitern, sobald ich darin irgendeinen Nutzen für die Wissenschaft sehe. In der untern Terrasse dieser Ausgrabung finde ich die Fort - setzung jener trojanischen Mauer der mehr östlichen Ausgrabung. Diese Mauer hat hier nur eine Höhe von 1 Meter, aber die unter ihr liegenden Steine scheinen keinen Zweifel übrig zu lassen, dass sie einst viel höher gewesen ist. Merkwürdigerweise erkenne ich, und erkennt jeder Besucher der Troade mit mir, die Fortsetzung dieser Mauer auch an beiden Seiten meines grossen Durchstichs durch den ganzen Berg, links und rechts am Eingange desselben, in 12 Meter Tiefe. Wenn diese Mauer der Zeit vor dem trojanischen Kriege angehört, woran ich in Betracht ihrer grossen Tiefe nicht zweifeln darf, so beweisen doch jedenfalls die unter ihr befindlichen mächtigen Ruinen sowie das in dem grossen Durchstich in ½ Meter Tiefe gerade unter ihr liegende Pflaster von weissen Meersteinen, dass sie erst lange Zeit nach der ersten Zerstörung der Stadt gebaut sein muss. Aber der eigentliche Zweck dieser Mauer ist mir hier und weiterhin nach Westen189hippopotamos aus terracotta.ganz unerklärlich, indem dieselbe über und durch die Trümmer mächtiger Bauten errichtet ist.

Die Schuttschichten in dieser Ausgrabung liegen alle horizontal, was keinen Zweifel übrig lässt, dass sie sich im Laufe der Zeit allmählich aufgehäuft haben. Die Beschaffenheit derselben beweist, dass die meisten der hier gestandenen Häuser durch Feuersbrunst vernichtet sind. Es kommen aber auch hier mehrere dicke Schutt - schichten vor, in denen man Tausende von wohlerhalte - nen Muscheln sieht, und beweist die Erhaltung der letztern, dass erstere nicht von verbrannten Bauten her - rühren können.

Unter den in dieser Ausgrabung entdeckten interes - santen Gegenständen muss ich besonders hervorheben einen in 7 Meter Tiefe gefundenen glänzend rothen Hippo - potamos von Terracotta, dessen Bild ich auf Tafel 119 No. 2330 in Zweidrittelgrösse gebe; er ist hohl, hat eine Röhre an der linken Seite und mag daher als Ge - fäss gedient haben. Das Vorhandensein der Gestalt des Hippopotamos hier in 7 Meter Tiefe ist höchst merkwürdig, ja wunderbar, denn dies Thier kommt be - kanntlich nicht einmal in Oberägypten, und nur in den Flüssen des Innern von Afrika vor. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass es im Alterthume Hippopotamoi in Oberägypten gab, denn nach Herodot (II, 7) wurden sie in der ägyptischen Stadt Papremites als heilige Thiere verehrt. Jedenfalls muss daher Troja mit Aegypten in Handelsverbindung gestanden haben; aber selbst dann bleibt es ein Räthsel, wie das Thier hier so bekannt war, dass es in Thon, vollkommen der Natur getreu, nachgebildet werden konnte.

190marmoridole, vasen, terracotten.

Von Idolen von Marmor kamen in diesen wenigen Arbeitstagen erst acht vor, und davon nur zwei mit dem eingravirten Eulenkopf der ilischen Minerva. Von Vasen mit Eulengesicht, zwei Frauenbrüsten und zwei emporgehobenen Armen kam nur eine in 15 Meter Tiefe vor, sowie in 7 Meter Tiefe der obere Theil einer andern, auf dem noch der Stummel des einen Arms zu erkennen ist. In 3 Meter Tiefe finden sich zwei Vasen mit zwei Frauenbrüsten und einem ungeheuern Bauch - nabel, welche ohne allen Zweifel auch die Schutzgöttin Trojas darstellen sollen. Endlich von Bechern mit Eulengesicht und Helm fand sich erst einer in 1 Meter Tiefe, der einen doppelten Griff in Form einer Krone hat, und ein anderer mit einem einfachen Griff in 8 Meter Tiefe. Von den übrigen Terracotta-Gefässen gebe ich die Zeichnungen der noch nicht vorgekomme - nen Arten, und kann ich unter denselben besonders her - vorheben einen in 3 Meter Tiefe gefundenen, höchst merkwürdigen Becher in der Form eines Waldhorns mit drei Füssen, sowie das Gefäss No. 2368 auf Tafel 120, welches nur zwei Füsse und, wie es die abgebrochene Stelle an der rechten Seite beweist, mit einem andern Gefäss ganz gleicher Form und Art zusammengehangen hat; dies doppelte Gefäss hatte auf jeder Seite eine Röhre zum Aufhängen an Schnüren. Von dem übrigen Töpfergeschirr kann ich nur noch hervorheben die kleine merkwürdige Vase No. 2362 auf Tafel 120, welche drei lange Füsse, einen Henkel und zwei Griffe in Gestalt von Ohren hat.

Von den runden Stücken Terracotta in Form von Vulkanen und Carrouselen mit symbolischen Verzierun -191weibl. marmorstatue; ausgrab. a. d. südostecke d. akrop.gen kamen wie immer grosse Massen vor; ich verzeichne natürlich aber nur die Bilder der noch nicht dage - wesenen. Von Schleudern kamen vier vor; davon eine von Kupfer aus 15 Meter Tiefe; eine von Alabaster aus 7 Meter und zwei von Diorit aus 6 und 7 Meter Tiefe. In 4 Meter Tiefe fand sich ein herrlich verziertes flaches Stück Elfenbein, dessen Bild ich Tafel 122, No. 2435 gebe, und welches offenbar zu einem musikalischen Instrument gehört haben muss. Endlich kam aus 1 Meter Tiefe der Tafel 119, No. 2343 verzeichnete untere Theil einer mit grosser Meisterschaft gemachten weiblichen Statue von feinem Marmor, und ist es nicht unwahr - scheinlich, dass dieselbe Iliums Schutzgöttin darstellte, welche ja ihren Tempel in der Pergamos hatte.

Gleichzeitig mit diesen Ausgrabungen liess ich auch 22 Arbeiter an der Südostecke der Akropolis in nord - westlicher Richtung graben, um zu versuchen, von dieser Seite den grossen Thurm weiter blosszulegen, was mir von meinem grossen Durchstich aus durchaus unmöglich geworden ist. Da aber der Berg an dieser Stelle nur sehr allmähliche Senkung hat, so wurde ich gezwungen, den neuen Einschnitt mit einer bedeutenden Senkung anzulegen, welche das Herauskarren des Schuttes sehr erschwert, aber durchaus nothwendig ist, um die zur Erreichung des Thurmes nöthige Tiefe von 8 Meter er - langen zu können. Gleich im Anfang dieses Einschnittes stiess ich, 30 Centimeter unter der Oberfläche, auf zwei ungeheuere Mauern, deren jede 3 Meter oder 10 Fuss Dicke hat und wovon die erste aus dem Mittelalter zu stammen scheint und aus grossen durch Cement verbun - denen korinthischen Säulenblöcken und andern alten192aufdeckung zweier mauern; inschrift.Bauten entlehnten Marmorblöcken besteht. Die unmit - telbar darauffolgende zweite Mauer, welche jedenfalls zu der nach Strabo (XIII, 1, S. 100 und 101, Tauchnitz Ausgabe) von Lysimachos erbauten, 40 Stadien langen Stadtmauer gehören muss, besteht aus grossen schön behauenen Muschelkalksteinen, die ohne Verbindungs - mittel zusammengelegt sind und grossentheils ein Mono - gramm tragen. Da der Buchstabe nicht immer derselbe ist und auf einem Stein z. B. ein Σ, auf einem andern ein Υ oder ein Δ steht, so vermuthe ich, dass es die Initialen der verschiedenen Bauunternehmer sind. In der ersten fand ich eine 1 Meter 10 Centimeter lange, 30 Centi - meter dicke, 83 Centimeter breite Marmorplatte mit nach - stehender Inschrift:

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βουλὴ καὶ δῆμος
Γάïον Καίσαϱα τὸν υἱὸν τοῦ Σεβασ -
τοῦ τὸν συνγενῆ καὶ πατϱῶνα καὶ εὐ -
εϱγέτην τῆς πόλεως.

Der in dieser Inschrift Gepriesene kann keinesfalls der Kaiser Caligula sein, denn dann würde αὐτοκϱάτωϱ dastehen. Da aber dies Wort fehlt, so ist jedenfalls Caius Cäsar, der Sohn von Vipstanus (oder Vipsanius) Agrippa und Julia, der Tochter von Octavianus, gemeint. Er hatte einen Bruder Namens Lucius. Beide wurden von Augustus Octavianus adoptirt und erhielten durch diese Adoption den Titel υἱὸς τοῦ Σεβαστοῦ , beide193das verhalten der julier gegen ilium.waren von Augustus für das Staatsruder ausersehen. Cajus Cäsar, geboren im Jahre 20 v. Chr., wurde schon im Alter von drei Jahren adoptirt. Er nahm theil an den trojanischen Spielen, welche Augustus Octavianus bei der Einweihung des Tempels von Marcellus veranstaltete. Im Alter von 15 Jahren wurde er zum Consul und mit 19 Jahren zum Gou - verneur von Asien ernannt. Während seiner dortigen Ver - waltung kam er in Streit mit Phraates, dem Könige von Armenien, wurde verwundet und starb im Jahre 4 n. Chr. am 21. Februar, also im Alter von 24 Jahren. (Vellejus Paterculus, Histor., II, 102). Da er in der In - schrift der Verwandte, der Wohlthäter und der Patron von Ilium genannt wird, so ist er wahrscheinlich während seiner Administration öfter hierher gekommen und hat sich jedenfalls die Stadt sehr angelegen sein lassen und sie mit Wohlthaten überhäuft. Die Familie der Julier nämlich legte anfänglich ein grosses Gewicht darauf, von Iulos (oder Askanios), dem Sohn des Aeneas, abzu - stammen, und die Aeneïs des Virgil hatte bekanntlich einzig und allein den politischen Zweck, diese Ab - stammung zu beweisen und zu verherrlichen. Dadurch erklären sich die Wohlthaten, womit die Julier Ilium überhäuften, und ihr Hass gegen die Griechen, weil sie Troja zerstört und ausserdem weil sie die Partei des Marcus Antonius ergriffen hatten.

Der Wein, welcher hier im vorigen Jahre nur Piaster (25 Centimes) die Oka von zwei gewöhn - lichen Weinflaschen kostete, kostet jetzt 2 Piaster (40 Centimes) die Oka; er ist aber ganz ausgezeichneter Qualität und ich ziehe ihn jedem französischen Wein vor.

Schliemann, Troja. 13194blosslegung der stützmauer; muthmassl. tempelhügel.

XVI.

Schon seit Montag Morgen, 24. v. M., ist es mir gelungen, die Zahl meiner Arbeiter auf 158 zu brin - gen, und da wir diese Woche fortwährend herrliches Wetter hatten, so habe ich in diesen sechs Tagen etwas Tüchtiges leisten und ungeachtet der vielen Hindernisse und Schwierigkeiten, mit denen ich anfänglich zu kämpfen hatte, bisjetzt seit dem 1. Februar von der Baustelle des Tempels 8500 Kubikmeter Schutt fortschaffen können. Ich hatte somit heute endlich die Freude, einen grossen Theil jener aus grossen unbehauenen weissen Steinen bestehenden Stützmauer blosszulegen, welche einst die ganze Nordostecke des Bergabhanges bekleidete, während infolge des Zuwachses durch die im Laufe vieler Jahrhunderte hinuntergeworfene Asche der Opfer - thiere der jetzige Bergabhang nach Norden 40, nach Osten 80 Meter davon entfernt ist. Zu meinem Erstau - nen fand ich, dass diese Stützmauer bis 8 Meter unter die Oberfläche reicht und somit, da der Urboden sonst überall nur in 14 bis 16 Meter Tiefe unter der Ober - flache ist, am Nordostende der Pergamos einen isolirten Hügel von 6 bis 8 Meter Höhe bekleidet hat, auf195schutt eines kleinen tempels; fundgegenstände.welchem ohne Zweifel einst ein kleiner Tempel gestan - den hat. Von diesem Heiligthum aber fand ich nur rothe Holzasche mit glänzenden schwarzen trojanischen Topf - scherben vermischt und eine ungeheuere Menge un - behauener Steine, die einer furchtbaren Glut ausge - setzt gewesen zu sein scheinen; dagegen keine Spur von Sculptur, es muss das Gebäude daher sehr winzig gewesen sein. Ich habe die Stützmauer dieses Tempel - hügels auf eine Breite von 4 Meter durchbrochen, um den Boden zu untersuchen. Ich grub ihn Meter tief ab und fand, dass er aus reinem Urboden von grün - licher Farbe besteht. Auf der durch die Stützmauer angewiesenen Baustelle des kleinen uralten Tempels finde ich an zwei Stellen reinen Kornsand, der sehr tief zu gehen scheint, da ich beim Nachgraben bis in 2 Me - ter Tiefe das Ende desselben nicht erreichte. Ob dieser Hügel ganz oder nur theilweise aus Erde und Kornsand besteht, vermag ich nicht zu sagen, und unterlasse ich auch dies zu untersuchen, da deswegen aufs neue Tau - sende von Kubikmetern Schutt fortgeschafft werden müssten. In dem Schutt des Tempels wurden einige wenige aber höchst interessante Gegenstände gefun - den, z. B. das grösste bisjetzt vorgekommene mar - morne Idol von 13½ Centimeter Länge und 8 Centimeter Breite, dessen Bild ich auf Tafel 126, No. 2560 gebe; ferner der Topfdeckel No. 2555, welcher durch grob eingeschnittene Linien in zwölf Fächer abgetheilt ist, wovon zehn mit Sternchen, eins mit zwei Blitzen und eins mit sechs Strichen verziert sind. Es fand sich dort ein kleines Tafel 122, No. 2438 abgebildetes Idol von Terracotta mit dem Eulenkopf der ilischen Schutzgöttin,13*196vase mit eulengesicht u. a. einem Bauchnabel, zwei Armen und auf der Rückseite lang herunterhängendem Haupthaar, es ist aber so kunstlos gemacht, dass z. B. die Augen der Göttin oberhalb der Augenbrauen stehen. Auch fand ich im Schutt des Tempels eine Vase mit Eulengesicht, zwei Frauenbrüsten und einem grossen Bauchnabel; vom Gesicht ist aber nur ein Auge und ein Ohr erhalten. Ich mache ganz besonders darauf aufmerksam, dass so - wol auf allen Vasen mit Eulenköpfen, zwei Frauen - brüsten und Bauchnabel, als auch auf allen andern, die ohne Eulengesicht und nur mit zwei Frauenbrüsten und Bauchnabel verziert sind, letzterer immer zehnmal grösser ist als die Brüste. Ich vermuthe daher, dass der Bauchnabel irgend eine wichtige Bedeutung hatte, um so mehr als derselbe manchmal mit einem Kreuze und einmal sogar mit einem solchen und den Marken eines Nagels an jedem der vier Enden des Kreuzes ver - ziert ist. Es fanden sich ferner in den Trümmern des kleinen uralten Gebäudes einige hübsche Keile und eine Menge sehr grober klotziger Hämmer von Diorit; ferner eine Menge jener kleinen rothen und schwarzen runden Terracottas in der Form des Vulkans oder des Carrousels mit den gewöhnlichen Verzierungen von vier oder fünf

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oder drei, vier oder fünf dreifachen aufgehenden Sonnen im Kreise um die Centralsonne, oder mit andern höchst sonderbaren Verzierungen.

Es wurde auch in 7 und 8 Meter Tiefe eine Menge Vasen mit eingravirten Verzierungen und mit drei Füssen oder ohne Füsse, aber meistentheils mit Röhren an den Seiten und Löchern im Munde zum Aufhängen an Schnüren, gefunden; wiederum Trinkbecher, die aus197idol aus schwarzem stein; terracotta-schlangen.einer kreisförmigen Röhre bestehen und an einer Seite eine hervorragende Oeffnung zum Trinken haben; letz - tere ist immer durch einen Henkel mit der andern Seite der Röhre verbunden; ferner kleinere und grössere Töpfe mit ganz hintenüber gebogenem Munde; kleine Terracotta-Trichter; sehr merkwürdige kleine, nur bis 3 Centimeter lange Schleudern von Diorit. Der merk - würdigste aller bis heute in diesem Jahre gefundenen Gegenstände ist aber jedenfalls ein in 9 Meter Tiefe gefundenes Idol von sehr hartem schwarzen Stein, von Centimeter Länge und Breite. Kopf, Hände und Füsse sind in Form von Halbkugeln, und der Kopf ist nur dadurch kenntlich, dass mehrere unter demselben befindliche horizontal herumgehende Einschnitte Hals - schnüre zu bezeichnen scheinen. In der Mitte des Bauchs sieht man einen Nabel, welcher ebenso gross ist als der Kopf, aber nicht hervorsteht, wie dies bei den Vasen der Fall ist, sondern durch eine kreis - förmige Vertiefung bezeichnet ist. Die Rückseite des mittlern Körpers ist gewölbt und hat das Ansehen eines Schildes, sodass man bei Betrachtung des Idols unwillkür - lich daran denkt, dass es den Kriegsgott Mars darstellt.

Es kommen in 4 bis 7 Meter Tiefe auch Bruch - stücke von Terracotta-Schlangen vor, deren Köpfe manchmal mit Hörnern dargestellt sind. Letztere müssen durchaus ein uraltes bedeutungsvolles Symbol von höchster Wichtigkeit sein, denn noch jetzt herrscht hier der Aberglaube, dass Schlangenhörner durch blosse Berührung des menschlichen Körpers eine Menge Krankheiten und besonders Epilepsie heilen, ferner dass sie in Milch getaucht diese augenblicklich in Käse ver -198schlangenhörner; vasen, steinwerkzeuge.wandeln und dergleichen mehr. Wegen der vielen heil - samen und nützlichen Wirkungen, die man den Schlangen - hörnern beilegt, schreibt man ihnen einen ungeheuern Werth zu, und wurde bei meiner Rückkunft hier, Ende Januar, einer meiner vorjährigen Arbeiter von seinen neidischen Kameraden beschuldigt, er habe im vorigen Jahre in einer Urne in 16 Meter Tiefe ein paar Schlan - genhörner gefunden und entwendet. Alle meine Ver - sicherungen, dass es keine Schlangenhörner gebe, ver - mochten nicht, die guten Arbeiter zu überzeugen, und sie glauben heute noch, ihr Kamerad habe mir einen grossen Schatz gestohlen. Die nicht mit Hörnern ver - zierten Schlangenköpfe stellen meistentheils die giftige Aspis dar; sie haben über dem Maule eine Menge Punkte, und Kopf und Rücken sind durch Querstriche in Fächer abgetheilt, und diese sind mit Punkten ge - schmückt. Auf der entgegengesetzten Seite haben diese flachen Schlangenköpfe der Länge nach laufende, Frauenhaaren ähnliche Striche. Es kommen auch 4 Centi - meter hohe Kegel von Terracotta vor, welche drei nicht durchgehende Löcher haben. Von Terracotta-Vasen ohne Eulengesicht, aber mit zwei Frauenbrüsten und grossem Bauchnabel, sowie mit zwei kleinen aufrecht stehen - den Griffen in Form von Armen wurden dieser Tage noch mehrere in 1 und 2 Meter Tiefe gefunden. Werk - zeuge von Diorit und Wurfscheiben von Granit, auch mitunter von hartem Kalkstein kommen in allen Schutt - schichten unterhalb 4 Meter Tiefe in Menge vor. Häm - mer und Keile kommen sowol von Diorit als von grü - nem Steine vor und sind in den meisten Fällen sehr hübsch gearbeitet. Nicht alle steinernen Hämmer199kupferwaffen; ausgrabung a. d. südostecke d. pergamos.haben ein durchgehendes Loch; bei vielen sieht man nur eine ½ bis 1 Centimeter tiefe Höhlung auf beiden Seiten.

Von Metallen kam nur Kupfer vor; eine 14 Centi - meter lange kupferne Sichel wurde heute gefunden; von kupfernen Waffen wurden seit dem 1. v. M. nur erst zwei Lanzen in 7 und ein Pfeil in 4 Meter Tiefe gefun - den. Lange dünne kupferne Nägel mit rundem Kopf oder nur gebogener Spitze kommen in Menge vor, und finde ich deren jetzt auch mehrfach in 5 und 6 Meter Tiefe, wo ich bis dahin seit Anfang meiner Ausgrabun - gen im Jahre 1871 erst zwei Nägel gefunden hatte.

Den an der Südostecke der Pergamos angelegten Einschnitt zur Blosslegung des östlichen Theils des grossen Thurms habe ich jetzt bis zu meinem vorjähri - gen Einschnitt in einer Länge von 96 Meter und in einer Breite von 20 bis 24 Meter auf einmal in An - griff genommen, und geht die Arbeit sehr rasch, da diese Ausgrabung nahe am südlichen Bergabhange und daher der Schutt nicht weit zu karren ist. Ich habe acht Seitenwege zur Fortschaffung desselben an - gelegt. Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass es weit vortheilhafter ist, keine besondern Leute zum Beladen der Schiebkarren zu halten und jeden Arbeiter selbst seine Karre vollschaufeln zu lassen. Ebenso hat mir die Praxis gezeigt, dass beim Abbrechen der Erdwände mit den langen eisernen Hebeln mittels eines Bocks sehr viel kostbare Zeit verloren geht und dass es viel vortheilhafter und für die Arbeiter weniger gefahrvoll ist, die Erdwände immer unter einem Winkel von 55 Grad zu halten, nach Mass des Bedarfs abzugra -200wasserleitung; trümmer des minervatempels.ben und den Schutt mit 21 Centimeter breiten Hacken herunterzuharken. In dieser neuen Ausgrabung finde ich vier aus irdenen, 48 bis 57 Centimeter langen und 17 bis 30 Centimeter dicken Röhren zusammengesetzte Wasser - leitungen, in welchen das Wasser aus einer Entfernung von deutschen Meilen vom obern Thymbrius hergeleitet wurde. Letzterer heisst jetzt Kemar, vom griechischen Wort καμάϱα (Gewölbe), weil eine Wasserleitung aus römischer Zeit in grossen Bogen über seinen untern Lauf hinweg - geht, die einst Ilium mit Trinkwasser aus dem obern Theile des Flusses versorgte. Für die Pergamos aber waren besondere Wasserleitungen nöthig, da dieselbe höher liegt als die Stadt.

Ich finde in dieser Ausgrabung eine ungeheuere Menge sehr grosser, 1 bis 2 Meter hoher und 75 Centi - meter dicker irdener Weinbehälter (πίϑοι), sowie eine Menge Bruchstücke von korinthischen Säulen und andern herrlich sculptirten Marmorblöcken. Alle diese Marmor - blöcke müssen jedenfalls zu jenem grossartigen Gebäude gehört haben, dessen südliche Wand von 87,7 Meter Länge ich bereits aufgegraben habe. Dieselbe besteht aus mit vielem steinharten Cement zusammengesetzten kleinen Steinen und ruht auf grossen schönbehauenen Kalksteinen. Die Richtung dieser Wand und folglich des ganzen Gebäudes ist Ostsüdost halb Ost, und drei Inschriften, die ich in den Ruinen desselben fand und in deren einer gesagt ist, dass sie im ἱεϱόν , d. h. im Tempel aufgestellt wurde, lassen gar keinen Zweifel, dass dies der Tempel der ilischen Minerva, der πολιοῦχος ϑεά war, denn nur dieses Heiligthum konnte wegen seiner über alle andern Tempel hervorragenden Grösse201der minervatempel des lysimachos; inschriften.und Wichtigkeit schlechthin τὸ ἱεϱόν genannt werden. Auch stimmt ja die genau der aufgehenden Sonne zu - gewandte Lage des Gebäudes ganz genau mit der Lage des Παϱϑενών und aller übrigen Tempel der Minerva. Von Anfang an habe ich nach diesem wichtigen Heilig - thume gesucht, habe, um es zu finden, über 100000 Ku - bikmeter Schutt von den schönsten Stellen der Perga - mos weggeschleppt, und jetzt entdecke ich es gerade an jener Stelle, wo ich es am allerwenigsten erwartet hätte. Ich habe diesen wahrscheinlich von Lysimachos erbau - ten neuen Tempel gesucht, weil ich glaubte und glaube, dass ich in den Tiefen desselben die Trümmer des ur - ältesten Minervatempels und darin mehr als irgendwo anders Aufschluss über Troja finden werde. Von den erwähnten hier gefundenen Inschriften ist die eine auf einer 1 Meter 60 Centimeter langen, 45 Centimeter brei - ten und 15 Centimeter dicken Marmorplatte in Form eines Grabsteins geschrieben und lautet wie folgt:

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202inschrift aus dem minervatempel.
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203inschrift aus dem minervatempel.
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〈…〉〈…〉
204inschrift aus dem minervatempel.
〈…〉〈…〉
205inschrift aus dem minervatempel.
〈…〉〈…〉
206zeit der inschrift; die stadt gergis.

Diese Inschrift, deren hoher geschichtlicher Werth nicht zu verkennen ist, scheint jedenfalls, sowol nach dem Inhalt als nach der Form der Buchstaben zu ur - theilen, aus dem dritten Jahrhundert v. Chr. zu stammen, denn der darin vielfach vorkommende König Antiochus muss entweder Antiochus I. mit Beinamen Soter (281 bis 260 v. Chr.) oder Antiochus III., der Grosse (222 bis 186) sein. Zwar erzählt Polybios, der 210 oder 200 v. Chr. geboren ist und 122 v. Chr. starb, in seinem Werke, XXVIII, 1 und XXXI, 21 von einem zu seiner Zeit lebenden Meleagros, einem Gesandten des Antiochus Epiphanes, der von 174 bis 164 regierte, und wäre es immerhin möglich, dass dieser Meleagros späterhin auch Satrap der Satrapie des Hellesponts geworden wäre und in dieser Stellung den ersten Brief der Inschrift an die Ilier gerichtet hätte. Aber im ersten Brief des Antiochus an seinen Satrapen Meleagros stellt er es diesem frei, die 2000 Plethra Land dem Aristodikides von dem ans Gebiet von Gergis oder an das von Skepsis grenzenden Lande zuzutheilen. Die Stadt Gergis wurde aber nach Strabo (§ 616, siehe auch § 603 und 624 der Ausgabe von A. Forbiger) vom König Attalus I. von Pergamos, der von 241 bis 197 v. Chr. regierte, zerstört, welcher die Einwohner in die Nähe der Quellen des Kaïkos in Mysien verpflanzte. Diese Quellen liegen aber, wie auch Strabo (§ 616) selbst sagt, sehr weit vom Ida und somit auch von Ilium entfernt. 2000 Plethra Land in so weiter Ferne würden den Iliern von keinem Nutzen haben sein können; es ist daher nicht möglich, anzunehmen, dass in der Inschrift von dem bei den Quellen des Kaïkos aufblühenden neuen207lage von gergis; antiochus i. oder iii. Flecken Gergitha die Rede sein kann. Ich stimme jetzt ganz mit Frank Calvert (Archæological Journal, vol. XXI, 1864) und mit Consul von Hahn (Die Ausgrabungen auf der homerischen Pergamos, S. 24) überein, dass Gergis durch die Ruinen der kleinen Stadt und Akropolis am äussersten Ende der Höhen hinter Bunarbaschi bezeich - net wird, in welchen höchst merkwürdiger Weise noch bis vor kurzem die meisten Archäologen das homerische Troja erblickten. Diese Baustelle von Gergis, in ge - rader Linie zwischen Ilium und Skepsis, dessen Ruinen man weiterhin auf den Höhen des Ida sieht, ist ganz im Einklange mit der Inschrift. Livius (XXXV, 43) erzählt von dem Besuch Antiochus, III., des Grossen. Auch finde ich im Corpus Inscriptionum Graecarum , No. 3596, dass derselbe einen General Meleagros hatte, welcher später Satrap des Hellesponts geworden sein mag. Dagegen sagt Chishull in seinen Antiquitates Asiaticae , dass Antiochus I., Soter, auf einer Expedition gegen den König von Bithynien mit seiner Flotte bei der nahe bei Ilium gelegenen Stadt Sigeum anhielt und mit der Königin, die seine Frau und Schwester war, sowie mit den Grosswürdenträgern und Suite nach Ilium hinaufstieg. Ueber den glänzenden Empfang, der ihm hier bereitet wurde, ist zwar nichts Genaueres be - kannt, wohl aber der Empfang, der ihm in Sigeum zu - theil wurde. Die Sigeer überhäuften ihn mit knech - tischen Schmeicheleien, und nicht nur sandten sie ihm Gesandte entgegen, um ihn zu beglückwünschen, son - dern sie erliessen auch ein Senatsdecret, worin sie des Königs Handlungsweise bis zum Himmel erhoben und anordneten, dass öffentliche Gebete für sein und seiner208antiochus i. oder iii. ; der name aristodikides. Gemahlin Heil an die ilische Minerva, an Apollo (wel - cher für seinen Ahnen galt), an die Siegesgöttin und an andere Götter gerichtet würden; dass die Priesterin - nen und Priester, die Senatoren und alle Magistrats - personen der Stadt Kränze tragen und dass alle Bürger und alle sonst in Sigeum ansässigen oder nur zeitweilig dort wohnenden Fremden die Tugend und die Tapfer - keit des grossen Königs laut preisen sollten; ferner dass seine goldene Bildsäule zu Pferde im Tempel der Minerva in Sigeum auf einem Piedestal von weissem Marmor aufgestellt werden sollte, mit der Inschrift: Die Sigeer haben dem König Antiochus, dem Sohne des Seleucus, diese Bildsäule errichtet für seine dem Tem - pel bewiesene Frömmigkeit und weil er der Wohlthäter und der Retter des Volkes ist; diese Ehrenbezeigung soll in den Volksversammlungen und in den öffentlichen Spielen ausgerufen werden. Es ist mir aber in dieser Wildniss unmöglich zu ergründen, welchem alten Clas - siker diese Episode entlehnt ist.

Wahrscheinlich wurde dem Antiochus I. ein ähn - licher Empfang in Ilium bereitet, sodass er die Stadt in gutem Andenken behielt. Dass er wohlwollende Ge - sinnungen für die Ilier hegte, beweist auch die Inschrift No. 3595 im Corpus Inscriptionum Graecarum . Ob aber er oder Antiochus der Grosse in der Inschrift gemeint ist, wage ich nicht zu bestimmen.

Der in der Inschrift so vielfach erwähnte Aristodi - kides, der Assier, ist ganz unbekannt, und kommt dieser Name hier zum ersten mal vor. Auch der in der In - schrift mehrfach genannts Ort Petra ist durchaus unbe - kannt; derselbe muss hier in der Umgegend gelegen[209]zweite inschrift. haben, aber alle meine Anstrengungen, denselben in den jetzigen türkischen Namen der Ortschaften oder anderswie zu entdecken, sind fehlgeschlagen.

Die andere Inschrift lautet wie folgt:

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〈…〉〈…〉
Schliemann, Troja. 14210zeit der zweiten inschrift.

In der im Corpus Inscriptionum Graecarum unter No. 3604 angeführten Inschrift, welche anerkannterweise aus der Zeit des Augustus Octavianus stammt, wird Hipparchos als Mitglied der berathenden Versammlung der Ilier erwähnt, und da Zeile 13 derselbe Name in gleicher Eigenschaft vorkommt, so zögere ich nicht zu behaupten, dass die vorstehende Inschrift aus derselben Zeit herrührt.

211fortsetzung der ausgrabung am minervatempel.

XVII.

Seit meinem Bericht vom 1. d. M. habe ich bei herrlichem Wetter und einem Ueberfluss an Arbeitern die Ausgrabungen mit grossem Eifer fortgesetzt. Die Nächte sind kalt und das Thermometer fällt noch häufig gegen Morgen auf den Gefrierpunkt, während die Sonne am Tage schon anfängt lästig heiss zu werden und das Thermometer oft um Mittag 18 Grad Réaumur im Schatten zeigt. Die Blätter der Bäume fangen jetzt an hervorzubrechen, während die trojanische Ebene bereits mit Frühlingsblumen bedeckt ist. Schon seit 14 Tagen hört man das Quaken der Millionen von Fröschen in den umliegenden Sümpfen, und bereits seit acht Tagen sind die Störche zurückgekehrt. Zu den Unannehmlichkeiten des Lebens in dieser Wildniss gehört das entsetzliche Geschrei der in den Löchern der Wände meiner Ausgrabun - gen nistenden unzähligen Eulen; dies Geschrei hat etwas Geheimnissvolles und Grauenhaftes und ist besonders in der Nacht unerträglich.

Auf der Baustelle des Minervatempels habe ich die Ausgrabung mit grösster Energie fortgesetzt. Die Fundamente dieses Heiligthums erreichen nirgends mehr14*212tiefe der fundamente; reservoir der wasserleitungen. als 2 Meter, und gewöhnlich nur 1 Meter Tiefe; der Fussboden desselben, der aus grossen Sandsteinplatten besteht und auf doppelten Schichten grosser behauener Blöcke derselben Steinart ruht, ist oft nur mit 30 Centi - meter und nie mit mehr als 1 Meter Humus bedeckt; daraus erklärt sich der gänzliche Mangel an Sculp - turen. Denn was davon im und am Tempel war, konnte hier auf dem Berggipfel nicht in die Erde dringen, blieb viele Jahrhunderte lang auf der Oberfläche liegen und wurde durch religiösen Eifer oder Muthwillen zertrüm - mert. So, aber auch nur so erklärt sich die enorme Masse von Bruchstücken von Statuen, womit der ganze Berg bedeckt ist.

Von grossen, schwer zerstörbaren, sculptirten Mar - morblöcken, welche korinthischen Stil zeigen, finde ich dagegen eine grosse Menge, und verursacht mir deren Fortschaffung die allergrösste Mühe und vielen Zeit - verlust. Da sich der im vorigen Jahre theilweise von mir blossgelegte grosse Thurm in grosser Tiefe gerade unter dem Tempel hinzieht und ich denselben auf jeden Fall in seiner ganzen Ausdehnung blosszulegen wünsche, so lasse ich nur die Reste der nördlichen und südlichen Tempelmauern stehen und sonst alles wegbrechen, bis auf ein im Heiligthum befindliches 8 Meter 43 Centi - meter langes, 8 Meter breites Reservoir, welches aus grossen, schön behauenen, ohne Cement oder Kalk zu - sammengelegten Kalksteinen gebaut ist und dessen Wände eine Dicke von 2 Meter 46 Centimeter haben. In dies Reservoir münden die früher erwähnten vier Was - serleitungen. Ich lasse es stehen, um den Besuchern der Troade einen schwachen Begriff von der Mühe zu geben,213weitere ausgrabung des thurmes. welche ich habe, alle Steine eines 87 Meter 70 Centimeter langen, 22 Meter breiten Tempels fortzuschaffen. Aber noch viel schwieriger als die Fortschaffung der Steine ist die Fortschaffung des Schuttes, der, da die Ausgra - bung auf platter Erde geschieht, nur auf Seitenwegen zu bewerkstelligen ist, die desto steiler werden, je tiefer wir graben. Ich wünsche aber fortan nur den Gipfel der Thurmruine blosszulegen, denn ihn auch fernerhin bis auf den Urboden ans Licht zu bringen, dazu fehlt mir die Geduld. Dieser neue grosse Einschnitt braucht daher nur eine Tiefe von 8 Meter, und habe ich ihm am Westende eine Breite von 24 Meter gegeben. Ich hoffe somit, dass ich dort an der Nordseite in zwei oder drei Tagen das alte hochwichtige Monument er - reichen muss. Sobald dies der Fall ist, lasse ich zur leichtern Fortschaffung des Schuttes eine obere und eine untere Terrasse machen, und werde somit in weniger als einem Monat von heute an die ganze Ausgrabung des Thurmes bis zu seinem östlichen Ende vollenden können, welches ich bereits gestern in meinem mehrfach er - wähnten, an der Südostecke der Pergamos angelegten steilablaufenden Einschnitt erreicht und wovon ich eine Fläche von 4 Meter blossgelegt habe. Diese ans Licht gebrachte Ostseite des Thurmes läuft ab unter einem Winkel von 60 Grad, sie hatte das Ansehen einer alten Stützmauer, welche ich an der Nordseite der Per - gamos blossgelegt habe. Da ich nicht sogleich glaubte, dass es der Thurm sei, so liess ich die erste Steinschicht wegbrechen, fand aber darnach ein aus grossen Steinen mit Erde zusammengesetztes Mauerwerk. Infolge dessen habe ich die Arbeit in diesem Einschnitt ganz eingestellt. 214aufdeckung von mauern bei der ausgrabung des thurmes. Letzterer hatte bereits eine Länge von 34 Meter er - reicht und war trotz seiner geringen Breite eine meiner schwierigsten Arbeiten in Troja, denn, wie bereits er - wähnt, musste zuerst eine aus grossen Marmorblöcken und besonders aus korinthischen Säulen mit Kalk zu - sammengesetzte, aus dem Mittelalter stammende Mauer von 3 Meter Dicke, und darauf die von Lysimachos errichtete 3 Meter dicke Ringmauer von grossen be - hauenen Steinen durchbrochen, die grossen Säulen - blöcke den steilen Pfad hinangewälzt und wegge - schafft, die grossen behauenen Steine mit Hämmern zerschlagen und so in Schiebkarren entfernt werden. Auch mussten, wie die Besucher der Pergamos in den Wänden dieses Einschnitts sehen, zwei trojanische Mauern durchschnitten werden, wovon die erste 1 Meter 60 Centimeter, die zweite 3 Meter Dicke hat; beide be - stehen aus mit Erde zusammengesetzten Steinen. Die erste dieser Wände ist gerade unterhalb eines Theils der westlichen Wand des relativ modernen Minervatem - pels, und da sie nach meinem kleinen Taschenkompass genau nach Ostsüdost halb Ost zielt, so dachte ich zuerst, dass sie zu dem alten winzigen Tempel der ilischen Schutzgöttin gehören möchte, den Alexander der Grosse1Plutarch, Leben Alexander’s. hier vorfand. Es ist mir aber weiter nichts vorgekom - men, was dazu beitragen könnte, dies zu beweisen. Die zweite, 3 Meter dicke Mauer ist höchst interessant, denn sie besteht aus grossen unbehauenen Muschelkalksteinen, während man auf ihr eine Wand von kleinen mit Erde zusammengesetzten Steinen sieht, die offenbar einer viel215schutt, holzasche, gefässe, steinerne werkzeuge. spätern Zeit angehört, aber jedenfalls lange vor An - kunft der griechischen Colonie in Ilium errichtet sein muss. Aber selbst die untere Mauer von grossen Stei - nen ist erst gebaut, als sich vor Iliums Thurm schon eine Schuttaufhäufung von 6 Meter Höhe gebildet hatte; sie muss daher Jahrhunderte später gebaut sein als jener. Dieser Schutt besteht aus mit Knochen und kleinen Muscheln vermischter Asche, und wegen seiner Feuchtigkeit und Zähigkeit ist er ebenso schwer abzu - hacken, wie feuchter Kalkfels. Ich fand in demselben viele Scherben jener inwendig und auswendig glänzend rothen und schwarzen trojanischen Gefässe, sonst aber durchaus nichts von Interesse. Oberhalb des Thurmes, an der Ostseite der Pergamos ist nichts als gelbe Holz - asche und sehr viele Steine. Ueberhaupt finde ich bis zu der jetzt erreichten Tiefe von Meter unterhalb der Oberfläche, somit bis 3 Meter unterhalb der Fundamente des Minervatempels, nichts als gelbe Holz - asche, und in derselben eine kolossale Menge ungeheuerer, 1 bis 2 Meter langer, unten spitz zulaufender irdener Behälter (πίϑοι), die nicht nur als Wein - und Wasser - behälter, sondern auch als Keller zur Aufbewahrung von Speisen gedient haben müssen, da es keine ge - mauerten Keller gab.

Steinerne Werkzeuge, die ich mit Ausnahme von seltenen Silexmessern in meinen frühern Ausgrabun - gen erst von 4 Meter Tiefe abwärts fand, kommen hier in grossen Massen schon in 2 Meter Tiefe, somit unmittelbar unter dem Minervatempel vor; am meisten finden sich klotzige Hämmer von Diorit, je - doch hin und wieder auch sehr hübsch gearbeitete216keile von diorit und silex. Hämmer von demselben oder von grünem Stein; einige derselben haben ein auf beiden Seiten weites und in der Mitte enges Loch, und ich begreife nicht, wie ein Stiel darin hat befestigt werden können. Das von allen am besten gearbeitete Werkzeug ist immer der Keil, welcher von Diorit oder von hartem grünem Stein, einigemal auch von weissem Silex vorkommt und sich in allen Grössen von 2 bis 13 Centimeter Länge findet. Dies Werkzeug ist immer so ausgezeichnet gemacht und so sauber polirt, dass man wirklich erstaunt, wie es mit den elenden Mitteln der damaligen Welt mög - lich war, so etwas Ausgezeichnetes zu liefern, denn un - möglich würde es der beste jetzige Künstler mit den besten Werkzeugen besser machen können. Silexmesser, die ich im vorigen Jahre in so grossen Massen fand, kommen bisjetzt in dieser Ausgrabung nur selten vor. Da sonst überall steinerne Werkzeuge erst von 4 Me - ter Tiefe abwärts vorkommen, so ist es wahrscheinlich, dass die schon in 2 Meter Tiefe auf der Baustelle des Tempels in Massen vorkommenden steinernen Werk - zeuge aus dem Schutt herrühren, welchen man beim Bau des grossen Reservoirs aufgegraben hat, denn das - selbe scheint sehr tief zu gehen, und mögen seine Fun - damente vielleicht bis zum Thurm reichen.

Da ich im Tempel selbst ausschliesslich jene runden Stücke Terracotta ganz in der Form des Kegels und ohne Verzierung finde, dagegen unterhalb der Fundamente des Tempels grosse Massen davon in der Form des Vulkans und des Carrousels mit den verschie - denartigsten arischen Symbolen antreffe, so bin ich jetzt doch der Meinung, dass alle diejenigen, welche217formen, hammer aus knochen, münzen, nägel. solche arische Symbole tragen, von den Völkern herstammen müssen, welche hier der griechi - schen Ansiedelung vorausgegangen sind.

Von Formsteinen aus Glimmerschiefer habe ich erst zwei gefunden, wovon der eine auf sechs Seiten zum Giessen von Waffen und Werkzeugen, der andere zum Giessen von Nägeln ohne Kopf bestimmt ist und, ich weiss nicht zu welchem Zweck, zwei runde, nicht durchgehende Löcher hat.

Da ich von Werkzeugen spreche, so muss ich eines in 3 Meter Tiefe gefundenen sehr merkwürdigen Ham - mers aus Knochen erwähnen, welcher ganz mit einge - schnittenen Sternen bedeckt ist.

Von Idolen aus Marmor mit dem eingravirten Eulengesicht der ilischen Minerva und deren Gürtel mit Punkten kamen wiederum mehrere vor, auch ein sehr niedliches Marmoridol ohne Eulenkopf, aber mit zwei kleinen, horizontal ausgestreckten Armen. Von Terra - cottas mit Eulenköpfen kamen seit meinem letzten Be - richt nur zwei Becher vor.

Kupferne Münzen von Ilium und Alexandria-Troas, und römische von Augustus bis zu Konstantin dem Grossen, besonders von letzterm, finde ich sehr viele unmittelbar unter der Oberfläche und höchstens bis zu 1 Meter Tiefe. Eisen kommt gar nicht, nicht einmal im Tempel vor, dagegen viele kupferne Nägel, von denen ich aber an - fange zu glauben, dass sie gar nicht zum Einschlagen in Holz gebraucht sein können, denn dazu scheinen sie mir entschieden zu lang und dünn zu sein. Die ge - wöhnliche Länge der unterhalb 2 Meter Tiefe vorkom - menden Nägel ist nämlich 10 bis 16 Centimeter218kupferne nägel und deren bestimmung. bei nur ½ Centimeter Dicke, und ich glaube nicht ein - mal, dass es möglich sein würde, einen solchen Nagel in sehr weiches Holz zu treiben. Ausserdem haben ja die meisten Nägel gar keine, manche zwei Köpfe, und viele haben zwei spitze Enden, wovon das eine nur umgebogen ist, um einen Kopf zu bilden. Dicke kupferne Nägel, die zum Einschlagen in Holz tauglich wären, sind hier eine sehr grosse Seltenheit, und fand ich in zwei Jahren nur zwei davon. Ich finde mich daher veranlasst zu glauben, dass alle Nägel, die ich in den Schuttschichten der der griechischen Nation vorangegangenen Völker finde, nur als Tuch - oder Haarnadeln gebraucht worden sind. Was mich in die - ser Ueberzeugung bestärkt, ist ein 13 Centimeter langer kupferner Nagel mit Kopf gewöhnlicher Form und das Bruchstück eines ähnlichen Nagels, welche nur 3 Zoll unter der Oberfläche in einer Rinne gefunden wurden, die meine Leute zum Abfliessen des Regenwassers um ihre Rohrhütte gruben. An dem Kopfe des Nagels sieht man ein kleines Goldkügelchen, und darauf folgt in herabsteigender Richtung eine Reihe von achtzehn solcher Goldkügelchen. Neben dem Ende dieser Reihe fängt eine zweite Reihe von neun Goldkügelchen glei - cher Grösse an. Die Reihen von Kügelchen sind in Form von Halsschnüren und bekleiden den dritten Theil des ganzen Nagels. Das Bruchstück des andern Nagels ist noch merkwürdiger, denn es zeigt eine genau einen Bogen bildende Schnur von Kügelchen von jener be - reits früher erwähnten, im Alterthum ἤλεκτρον (Elektron) genannten Metallmischung von drei Theilen Gold und einem Theil Silber, und unter dem Bogen sieht man in219ausgrabung an der westseite des thurmes; griech. haus. horizontaler Richtung eine wahrscheinlich die Sehne vorstellen sollende Reihe von Goldkügelchen. An bei - den Nägeln sind die Kügelchen fest angeschmiedet. Ausserdem habe ich noch zu erwähnen, dass ja die häufig vorkommenden silbernen Nägel meistentheils von gleicher Form und Dicke wie die kupfernen sind und doch ganz bestimmt nie zum Einschlagen in Holz ver - wandt sein können.

Auf der Westseite des von mir im vorigen Jahre blossgelegten Theils des grossen Thurmes mache ich ebenfalls eine 14 Meter 30 Centimeter lange, 14 Meter 40 Centimeter breite Ausgrabung, um denselben auch nach dieser Seite hin weiter ans Licht zu bringen und zu sehen, wie Iliums Mauern mit ihm in Verbindung stehen. Es ist eine Reise um die Welt werth, diesen Thurm zu sehen, dessen Lage jedenfalls einst so hoch war, dass er nicht nur die Ebene, sondern auch das im Süden vor ihm gelegene Plateau beherrschte, während selbst sein Gipfel jetzt mehrere Meter tief unter dem Niveau des Plateau liegt. Es scheint hiernach, dass die Schuttaufhäufung auf der Baustelle der Stadt ebenso gross ist als in der Pergamos.

In der erwähnten westlichen Ausgrabung fand ich bis zu 2 Meter Tiefe die Ruinen eines sehr grossen Hauses aus griechischer Zeit, welches augenscheinlich einem reichen Manne gehört haben muss, denn die Fuss - böden der Zimmer bestehen aus grossen rothen, herrlich polirten Steinplatten. Ich fand darin zwei kleine, sehr hübsche Frauenköpfe von Terracotta, sowie zwei höchst merkwürdige Stücke von hartem, sprödem, glasähnlichem schwarzen Stein in der Form von Champignons, aber220fundgegenstände unter d. fundament d. griech. hauses. mit einer durch die Mitte gehenden Röhre. Der Kopf beider Stücke hat ähnliche Verzierungen, wie man auf den runden Terracottas in Gestalt des Carrousels und des Vulkans findet, und glaube ich daher, dass beide Stücke einer vorgriechischen Zeit angehören.

Unterhalb der Fundamente des griechischen Hauses fand ich in 3 und 4 Meter Tiefe viele jener kleinen Vulkane und Carrousels mit den gewöhnlichen Verzie - rungen von vier, fünf oder sechs doppelten oder drei - fachen aufgehenden Sonnen, von vier mit Flammen be - deckten Altären, von vier Rosae mysticae, von vier oder fünf

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im Kreise um die Centralsonne; auch fand sich in 3 Meter Tiefe eins dieser Stücke, auf dem man ein sehr grob und kunstlos eingravirtes Bild der ilischen Schutzgöttin mit dem Eulenkopf und ausgestreckten Armen sieht. Neben dieser Darstellung sieht man zwei Kreuze und an den vier Enden eines jeden die Marke der Nägel, womit die beiden kreuzweis gelegten Hölzer unserer arischen Urväter zum Anzünden des heiligen Feuers befestigt wurden. Ferner sieht man in demsel - ben Kreise mit dem Gottesbild zwei Symbole des Blitzes. Ein getreues Bild dieses Stücks findet man Tafel 132, No. 2613.

Unter dem in dieser Ausgrabung gefundenen Töpfer - geschirr, wovon ich die noch nicht vorgekommenen Formen in Abbildung gebe, verdient besondere Auf - merksamkeit eine Schüssel in Gestalt eines Helms mit einem runden Loch im Boden, die als eine Art von Trichter gedient haben mag.

Wie bereits früher erwähnt, muss der im Juli vori - gen Jahres von mir entdeckte herrliche, den Phöbus221ursprünglicher ort und schicksal der apollotriglyphe. Apollo mit den vier Pferden der Sonne darstellende Triglyphenblock, wie es die auf der linken Seite befind - liche Triglyphe beweist, über dem Eingang des Tempels, wahrscheinlich auf den Propylaen desselben ge - standen und einen andern Triglyphenblock gleicher Grösse an seiner rechten Seite gehabt haben. Es würde von höchstem Interesse für die Wissenschaft sein, wenn ich auch diesen zweiten Triglyphenblock fände, der, wie es mit dem andern Block geschehen, wahrscheinlich auch vom Gipfel des Berges den steilen Abhang hinun - tergeworfen ist. Ich sprach früher die Meinung aus, dass der von mir gerettete Triglyphenblock von den fanatischen Türken hinuntergeworfen sei, weil er le - bende Geschöpfe darstellt, deren Abbildung im Koran streng verboten ist. Aber dieser Ort ist seit Ende des 9. Jahrhunderts gar nicht bewohnt gewesen und die Feldarbeiter der entfernt liegenden türki - schen Dörfer können sich unmöglich die Mühe gemacht haben, aus blossem religiösen Eifer solche unge - heuere Lasten vom Berge zu wälzen. Ausserdem beweist die gute Erhaltung der Sculptur, dass sie unmöglich bis zur Invasion der Türken auf des Berges Gipfel ge - standen hat, und dies bringt mich zu der Vermuthung, dass sie schon mehr als 1000 Jahre früher, wahrschein - lich schon im 4. Jahrhundert n. Chr. von den ersten Christen hinuntergeworfen ist, deren Fanatismus gar keine Grenzen kannte und die bekanntlich alle schwer zu zerstörenden Sculpturen von heidnischen Gottheiten einfach von den Bergen warfen. Dass es sich so und nicht anders damit verhält, dafür spricht auch der Hu - mus von Meter Dicke, womit die Sculptur auf dem222der apollotempel; das theater. Abhange des Berges bedeckt war. Nach dem Massstabe der hiesigen Aufhäufung von Humus ist die Bildung einer solchen Humusdecke nicht in drei oder vier Jahr - hunderten möglich, und sind über 1000 Jahre dazu erfor - derlich gewesen.

Es ist nun ganz bestimmt, dass der einst an der Nord - seite befindliche dorische Tempel, in dessen Tiefen ich so lange beschäftigt gewesen bin, das Heiligthum des Apollo war und dass mein viel erwähnter dorischer Triglyphenblock diesem Apollotempel und keinem andern angehört hat, denn Iliums grosser Tempel, mit dem ich gegenwärtig beschäftigt bin, konnte, da er in der ange - führten grossen Inschrift nur einfach τὸ ἱερόν genannt wird, nur Iliums Schutzgöttin, der Minerva, geweiht sein.

Um nun zu versuchen, auch den zweiten Triglyphen - block zu finden, lasse ich vom Fusse des Berges ab, auf jener Stelle, wo der Phöbus Apollo gefunden wurde, auf eine Breite von 18 Meter seit gestern 25 Mann ar - beiten, um den leider dort im vorigen Jahre von mir auf den Bergabhang geworfenen Schutt wegzuräumen, der eine Schuttdecke von 7 Meter Dicke bildet, und um darauf, von unten herauf, die ganze steile Bergwand Meter tief abzugraben.

Auch werde ich, sobald ich überflüssige Arbeiter habe, 30 Mann dazu anwenden, um im Theater, dessen Scene, wie früher gesagt, eine Breite von 60 Meter hat, einen 10 Meter breiten, 45 Meter langen tiefen Einschnitt zu machen, denn in einem kleinen Graben, den ich vori - ges Jahr dort machte, fand ich viele Bruchstücke von zerschlagenen Statuen, und es ist doch immer möglich, dass dem Fanatismus der ersten Christen das eine oder223verwendung der steine zu neubauten in den dörfern. andere entgangen ist, was für die Wissenschaft von höchstem Interesse sein möchte.

Die vielen Tausende von Steinen, die ich aus den Tiefen Iliums wälze, haben den Bewohnern der umliegen - den Dörfer zu Bauten Veranlassung gegeben, die für die Bewohner der Wildniss grossartig zu nennen sind. So wird jetzt unter andern mit meinen ilischen Steinen eine Moschee und ein Minaret im elenden türkischen Dorfe Tschiplak, und ein Kirchthurm im christlichen Dorfe Yenischahir gebaut. Eine Menge mit Ochsen be - spannter zweiräderiger Karren steht immer bei meinen Ausgrabungen bereit, um die irgend brauchbaren Steine in Empfang zu nehmen, sobald ich sie auf die Berg - fläche geschafft habe, aber die Frömmigkeit der guten Leute geht nicht so weit, mir bei dieser furchtbaren Arbeit zu helfen und mich somit zu verhindern, die grossen, herrlich behauenen Blöcke zur bequemern Fortschaffung zu zerschlagen.

Obgleich der Frühling nur eben erst anfängt, so herrscht hier doch infolge des milden Winters schon viel bösartiges Fieber, und wird mein Vorrath von Chi - nin täglich von den armen Leuten der Umgegend stark in Anspruch genommen.

Den Tagelohn habe ich mich genöthigt gesehen, schon vor acht Tagen auf 10 Piaster oder 2 Frs. zu er - höhen.

224fortsetzung der ausgrabungen in vier terrassen.

XVIII.

Wir hatten auch diese Woche wieder fortwährend herrliches Wetter, und ich habe mit durchschnittlich 150 Arbeitern tüchtig fortgearbeitet. Auf der Nordseite der Ausgrabung, auf der Baustelle des Minervatempels, habe ich bereits eine Tiefe von 8 Meter erreicht und an einigen Stellen den Thurm blossgelegt. Das abzu - grabende Terrain ist jetzt in vier Terrassen abgetheilt, und lasse ich besonders auf der die Thurmfläche bil - denden untersten Terrasse mit grosser Energie arbeiten. Da aber die Pfade immer steiler und länger werden, so müssen die Schiebkarren jetzt schon auf halbem Wege anhalten und etwas ausruhen, und geht daher die Arbeit täglich langsamer. Dennoch hoffe ich den Thurm in östlicher Richtung in drei, auf der Westseite aber schon in einer und einer halben Woche in seiner ganzen Breite ans Licht zu bringen. Von dem Innern des Minerva - tempels bleibt nur das von grossen weissen Steinen ohne Cement gebaute Reservoir stehen, welches durch meine Abgrabung in wenigen Tagen 8 Meter über dem Thurm erhaben sein und sich sehr hübsch ausnehmen wird. Auf der Westseite des im vorigen Jahre blossgelegten Theils225löwenkopf, hexagon aus krystall. des grossen Thurmes werde ich erst nach Abgrabung der dort in Angriff genommenen Stelle beurtheilen können, in welcher Richtung die Mauern von ihm ab - laufen und wie ich weiter zu arbeiten habe. Der merk - würdigste der diese Woche gefundenen Gegenstände ist jedenfalls ein in 8 Meter Tiefe auf dem Thurm ent - deckter grosser Stockknopf von feinstem, reinstem Krystall, in Gestalt eines sehr schön gearbeiteten Löwenkopfes. Derselbe muss das σκῆπτρον eines Trojaners geziert haben, denn ich fand ihn zwischen jenen glänzend rothen und schwarzen Topfscherben, die, ausser auf der Thurm - fläche, nur in 11 bis 14 Meter Tiefe vorkommen. Nicht nur dieser Löwenkopf, sondern auch das fortwährende Vorkommen des Löwen in Gleichnissen der Ilias machen es höchst wahrscheinlich, dass es im hohen Alterthum in hie - siger Gegend Löwen gab; ja, Homer hätte unmöglich die Eigenschaften dieses Thieres so vortrefflich beschreiben können, hätte er nicht öfter Gelegenheit gehabt, die - selben zu beobachten, und seine geographischen Kennt - nisse der südlichen Länder sind zu gering, als dass zu vermuthen wäre, dass er sie besucht und dort die Ge - wohnheiten des Löwen genau kennen gelernt hätte. Unweit des Löwenkopfes fand ich ein herrlich geschlif - fenes Hexagon von reinstem Krystall, sowie eine kleine, nur 4 Centimeter lange und breite, Centimeter hohe Pyramide von sehr feinem, in hiesiger Gegend gar nicht vorkommendem, schwarz -, weiss - und blauge - ringeltem Marmor; das durch die Mitte der Pyramide gehende Loch ist mit Blei gefüllt.

Weiter fand ich auf dem Thurm ein sehr primitives, 19 Centimeter langes, Centimeter breites und 3 Cen -Schliemann, Troja. 15226minervaidol aus schiefer, kupfer - und steingeräthe. timeter dickes marmornes Idol, sowie eine sehr hübsche kupferne Lanze; ferner eine grosse Form von Glimmer - schiefer zum Giessen von zwölf verschiedenen Waffen und Werkzeugen, sowie eine schöne Schleuder von Magneteisenstein. In den höhern Schuttschichten, und zwar in 4 Meter Tiefe, war bestimmt der merkwürdigste Gegenstand ein bis dahin noch nie vorgekommenes Idol der trojanischen Schutzgöttin von Schiefer; es zeigt das Eulengesicht, zwei Brüste und Bauchnabel, auf der Rückseite lang herunterhängendes Haupthaar; zwei horizontale, durch kleine Querlinien verbundene Striche am Halse scheinen die Rüstung anzudeuten. Marmorne Idole ohne Eulengesicht, aber sonst ganz in derselben Gestalt wie die mit demselben verzierten, kommen in allen Schuttschichten zwischen 3 und 8 Me - ter Tiefe in Menge vor; ebenso lange, dünne kupferne Nägel mit rundem Kopf am dicken Ende, oder ohne Kopf und umgebogen, in denen ich jetzt nur Brust - oder Haarnadeln und keine wirklichen Nägel zum Ein - schlagen in Holz erkennen kann. Ich finde dieselben in dieser Ausgrabung auch in Menge in den Schutt - schichten zwischen 4 und 7 Meter Tiefe, und muss daher entschieden dem Volke, welchem diese Strata von Rui - nen zugehören, den Gebrauch von Kupfer zusprechen.

Ein sonderbares kupfernes Geräth, beinahe in Ge - stalt eines Pferdegebisses, aber mit zwei spitzen Haken, kam in 3 Meter Tiefe vor. Ausserdem fanden sich zwei etwas gekrümmte kupferne Messer in 4 bis 5 Meter Tiefe, sowie ein kleines, sehr feines Messer von Muschel - schale in Form einer Säge. Steinerne Werkzeuge kommen hier fortwährend in grosser Zahl in allen227steinwaffen und - geräthe, vasen. Schuttschichten zwischen 2 und 8 Meter Tiefe vor, während ich sie in meinen Ausgrabungen von 1871 und 1872 nur erst von 4 Meter Tiefe abwärts fand. Zwei schöne steinerne Lanzen, die eine von Diorit, die andere von hartem grünen Stein, wurden die eine in 6 Meter, die andere in Meter Tiefe gefunden; ich gebe die Zeichnungen derselben, sowie ich auch die Bilder aller andern Gegenstände gebe, die nur irgend Interesse für die Wissenschaft haben. Messer von Silex in Form von Sägen oder scharfen ein - oder zweischneidigen Klingen kamen in dieser Woche sehr viel vor, auch ein sehr hübsch geschnittenes Stück Glimmerschiefer mit durchgehendem Loch und Rinne von oben, das zur Be - festigung auf dem Feuerherd und als Stütze für die Drehung des Bratspiesses gedient haben mag.

Ich habe bemerkt, dass die Terracottas sich hier in grosser Zahl gewöhnlich erst in und unterhalb jener mit ungeheuern Massen kleiner Muschelschalen ge - mischten Schuttschichten finden, welche meistentheils in 4, aber manchmal erst in 6 Meter Tiefe anfangen. Es kommen aber auch hin und wieder oberhalb jener Muschelschichten schöne Terracottas zum Vorschein, und wurden so z. B. in dem grossen Einschnitt unmit - telbar vor meiner Thür, in 3 Meter Tiefe, mehrere grosse prachtvolle Gefässe gefunden, worunter eine höchst elegante schwarze Vase in Gestalt einer Suppen - terrine, und in Meter Tiefe zwei Mischkrüge, wovon der kleinere zwei, der grössere vier Henkel hat; letz - terer Mischkrug ist 60 Centimeter hoch und seine Mün - dung hat ebenso viel im Durchmesser. In 5 Meter Tiefe fand ich eine höchst sonderbare grosse Vase, welche15*228vasen, becher, terracottas. oben zwei grosse und an den Seiten zwei kleine Henkel hat. Verschiedene andere Vasen höchst merkwürdiger Form, deren getreue Abbildung ich gebe, kamen in 4 bis 8 Meter Tiefe vor, und will ich unter denselben nur hervorheben eine in 8 Meter Tiefe auf dem Thurm gefundene grosse, glänzend schwarze Vase mit zwei Frauenbrüsten und zwei Henkeln, neben denen man die Stummel der abgebrochenen, aufrecht stehenden Arme sieht, womit dies Gefäss verziert war. Der obere Theil desselben, welcher, wie die Arme und Brüste be - weisen, mit dem Eulenkopf der ilischen Minerva verziert war, fehlt leider. Auffallend ist es, dass diese Vase keinen Bauchnabel hat.

Von jenen grossen, glänzend rothen Bechern in Gestalt von grossen Champagnergläsern mit zwei un - geheuern Henkeln kamen in 6 bis 8 Meter Tiefe dieser Tage viele mehr oder weniger zerbrochene vor; darunter ein gewaltiger Becher von 40 Centimeter Länge, von dem ich alle Stücke sammeln konnte, sodass ich ihn wieder zusammensetzen kann.

Irdene Teller, wovon einzelne glänzend roth, aber die meisten ohne Farbe sind, kamen in 7 bis 8 Meter Tiefe zahlreich vor. In 6 Meter Tiefe fand sich eine Topfscherbe mit einem Kreuz, an dessen vier Enden Punkte sind, welche nur die Nägel bezeichnen können, womit es festgeschlagen wurde. Von kleinen Terra - cotta-Vulkanen und - Carrouselen mit arischen religiösen Symbolen kamen wiederum grosse Massen vor; von denen mit noch nicht dagewesenen Verzierungen gebe ich die Zeichnungen. Von Terracotta-Kugeln kamen dieser Tage drei vor, wovon zwei sehr merkwürdig229musikalische instrumente; hausmauern. sind; die Hemisphäre der einen enthält im Kreise herum neunzehn und in gerader Linie durch den Mit - telpunkt zehn, dem griechischen Buchstaben Rho ähn - liche Zeichen und viele Sternchen; die andere Hemi - sphäre ist ganz mit Sternchen ausgefüllt. Die zweite Kugel hat auf der einen Hälfte Halbmonde, auf der andern grosse Sterne.

Zu den merkwürdigen dieser Tage gefundenen Gegenständen gehört auch ein herrlich verziertes Stück Elfenbein aus 8 Meter Tiefe, welches fast die Gestalt einer Flöte hat und als eine solche gedient haben mag; ferner ein platter Knochen, der an einem Ende ein, am andern drei Löcher hat und jedenfalls zu einem musikalischen Instrument gehört zu haben scheint.

Hausmauern von mit blosser Erde zusammenge - setzten Steinen, die jedenfalls lange vor der griechi - schen Niederlassung gebaut sein müssen, sieht man hier bisweilen bis 1 Meter unter der Oberfläche em - porragen; ja, in dem grossen Einschnitt vor meinem Hause habe ich zwei solcher Wände von 2 Meter Dicke durchschnitten, welche hier eine Hausecke bil - deten und bis nur 30 Centimeter unter der Ober - fläche reichen; sie scheinen sehr tief zu gehen, und ich werde in meinem nächsten Briefe Genaues darüber berichten.

Obgleich die Pergamos, deren Tiefen ich auf - wühle, unmittelbar an die vom Simoïs gebildeten Sümpfe stösst, in denen man immer Hunderte von Störchen sieht, so wollen sich diese doch hier nicht niederlassen. Ich hatte auf meinem hölzernen230störche. Hause eine und auf dem steinernen zwei bequeme Ein - richtungen für Storchnester gemacht, aber während man in den umliegenden türkischen Dörfern manchmal zwölf Storchnester auf einem Dache sieht, will sich bei mir keiner anbauen, und muss es den Störchen in der Ἴλιος ἠνεμόεσσα zu kalt und stürmisch sein.

231vasenfund auf dem grossen thurm.

XIX.

Seit meinem Bericht vom 22. d. M. habe ich leider wenig oder gar keinen Fortschritt gemacht, denn die meisten Dorfleute bestellen in dieser Woche ihre Wein - berge, und ausserdem wurden wir fortwährend von einem entsetzlichen eisigen Nordsturm geplagt, der gestern und heute das Arbeiten ganz unmöglich machte.

Dennoch wurde in dieser Woche in 8 Meter Tiefe auf dem grossen Thurm eine grosse Menge herrlicher Vasen von höchst merkwürdiger Form gefunden, die zwar fast alle mehr oder weniger zerbrochen, aber leicht wiederherzustellen sind, da ich alle Stücke davon habe. Unter denselben verdient besondere Erwähnung eine glänzend schwarze Vase mit zwei grossen Frauenbrüsten, einem grossen Bauchnabel und zwei mächtigen, auf - recht stehenden Armen; ferner eine Vase von 84 Centi - meter Höhe, welche gut erhalten ist; ein grosser Misch - krug mit zwei Henkeln, sowie eine kleinere, unten runde Vase mit vier Henkeln von zwei verschiedenen Formen. Von diesen vier Vasen gebe ich die Pho - tographien. Von den übrigen grossen Gefässen kann ich leider keine Abbildungen liefern, da sie zu sehr232urne mit erhaltenem schädel. zerbrochen sind und ich sie erst in Athen wieder zu - sammenleimen lassen kann. Unter den kleinern Ge - fässen, deren Bilder ich gebe, verdient besondere Auf - merksamkeit ein glänzend schwarzer Becher mit einem Griff in Form einer Krone, sowie ein glänzend rother Becher mit einem sehr merkwürdigen Menschengesicht, in welchem aber die Züge der Eule nicht zu verkennen sind. Unter den übrigen Gegenständen, deren Zeich - nungen ich gebe, kann ich noch hervorheben eine kleine Goldplatte in Gestalt eines Pfeils, mit einem kleinen Loch am untern Ende; ferner eine Röhre von Elfenbein mit sehr sonderbaren Verzierungen, und end - lich einen wohlerhaltenen Schädel mit kleinen niedlichen Zähnen, den ich nebst einigen Knochen und vieler Leichenasche in einer 70 Centimeter hohen und breiten, leider zertrümmerten Vase in 8 Meter Tiefe auf dem Thurm fand. Dies ist das erste mal, dass ich so wohl - erhaltene Menschenknochen, und gar einen Schädel in einer Urne finde; Leichenurnen graben wir zwar täg - lich auf, aber die Körper sind immer vollends zu Asche verbrannt, und ausser dem früher beschriebenen Skelet eines Embryo in einer Vase von 15½ Meter Tiefe auf dem Urfels hatte ich bis dahin noch nie einen heilen Knochen in einer Leichenurne gefunden. Obige Vase, in der ich den Schädel fand, ist von jener vorzüglichen trojanischen Terracotta, die ich, ausser auf der Thurm - fläche, nur in 11 bis 14 und 16 Meter Tiefe finde; es muss der Schädel einer Trojanerin gehört haben, denn er ist zu zart, als dass er einem Mann gehört ha - ben könnte. In der Urne fand sich auch eine kupferne Haar - oder Tuchnadel. Ferner wurden auf dem Thurm233zwei marmoridole; griechische terracotta-scheiben. zwei marmorne Idole ohne Eulengesichter gefunden, wovon das eine 15¼, das andere 16¼ Centimeter lang ist. Kleinere Terracotta-Vulkane und - Carrousels mit symbolischen Verzierungen kamen in Massen vor, dar - unter aber zwölf noch nicht dagewesene Zeichnungen, deren Photographien ich gebe. Unter denselben ist ein Centimeter hohes, 3 Centimeter breites Stück in Form eines Hemdknopfes, mit dem nie fehlenden durchgehenden Loch und einer eingravirten Blume, deren vier Blätter ein Kreuz um den Mittelpunkt bilden; in dreien der Blätter sieht man sehr grosse Punkte, welche Sonnen oder Monde bezeichnen mögen; auf einem an - dern, in Form des Carrousels, sieht man im Kreise sechs abwechselnd mit der Spitze oder mit dem Fusse auf die im Mittelpunkt dargestellte Sonne zielende Bäume.

Ich habe bereits mehrfach die in der Mitte dicken, oft an einer Seite glatt abgeschnittenen und in dieser Gestalt der griechischen Lampe ähnlichen, 3 bis 5 Cen - timeter im Durchmesser haltenden Terracotta-Scheiben erwähnt, die stets an einer Seite mit zwei ganz kleinen durchgehenden Löchern und oft mit einem runden oder ovalen Töpferstempel versehen sind, in welchem man entweder einen Altar und eine Biene mit ausgebreiteten Flügeln, oder einen Schwan, einen Stier, Pferde, einen Menschen u. dgl. sieht. Ich habe dabei bemerkt, dass diese Scheiben jedenfalls von der griechischen Co - lonie herrühren müssen, denn ich finde sie gewöhnlich nur ganz nahe an der Oberfläche bis 1 Meter und in seltenen Fällen bis 2 Meter Tiefe, und ausserdem zeigen die mit grosser Feinheit gemachten, fast mikroskopischen234gleichartige scheibe von diorit; formsteine. Darstellungen im Stempel griechische Kunst. Die klei - nen Löcher an der Seite lassen kaum einen Zweifel, dass diese Stücke als Opfergaben zum Aufhängen in den Tempeln oder neben den Idolen gedient haben. Während diese Scheiben bisher nur von Terracotta vorgekommen waren, fand sich diese Woche eine solche in 1 Meter Tiefe von Diorit, mit zwei Löchern an einer Seite, die aber nicht durchgehen; wegen der Härte des Materials wird man es zu schwer gefunden haben, das - selbe zweimal zu durchbohren. Der Merkwürdigkeit halber gebe ich das Bild dieser Scheibe.

Es wurde dieser Tage wiederum in 8 Meter Tiefe auf dem Thurm ein 28 Centimeter langer Formstein von Glimmerschiefer gefunden, der auf fünf Seiten Formen zum Giessen von zwölf Lanzen, Messern und höchst sonderbaren Werkzeugen hat, deren Gebrauch mir ein Räthsel ist.

Die vielen hier vorkommenden Formsteine zum Giessen von Waffen, Messern und Werkzeugen beweisen zur Genüge, dass es in Troja viele kupferne Waffen, Messer und Werkzeuge gab. Es ist aber ganz natür - lich, dass ich verhältnissmässig nur wenig davon finde, denn die schlecht gewordenen kupfernen Geräthschaften konnten ja mit Leichtigkeit umgeschmolzen und umgegossen werden, und ist daher nicht einmal anzu - nehmen, dass ich hier andere finde, als die, welche im Schlachtgetümmel verloren gingen oder bei der Zer - störung der Stadt erhalten blieben. Dass ich hier unge - heuer viel mehr Silexmesser als kupferne Messer, und ungeheuer viel mehr steinerne Keile und Hämmer als solche von Kupfer finde, beweist somit durchaus nicht,235widerlegung der ansichten calvert’s. dass auch zur Zeit des trojanischen Kriegs mehr stei - nerne als kupferne Werkzeuge vorhanden waren. Steinerne Lanzen sind übrigens eine grosse Seltenheit, und fand ich in diesem Jahre nur zwei, von denen ich ge - wiss weiss, dass es Lanzen sind, und wovon die eine in , die andere in 6 Meter Tiefe vorkam.

Herr Frank Calvert in den Dardanellen, der mir durch den in 7 Meter Tiefe gefundenen Hippopotamos beweisen will, dass der Schutt in dieser Tiefe aus einer Zeit stammt, wo es in den Flüssen der Troade Hippo - potamoi gab, hat in seinem Artikel vom 25. Januar d. J. im Levant Herald die Meinung ausgesprochen, dass Homer nothwendigerweise steinerne Messer und Werk - zeuge erwähnt haben würde, wenn es solche in Troja gegeben hätte, und dass, da er keine erwähnt, auch keine dagewesen sein können; folglich dass keine der von mir durchgrabenen Trümmerschichten, worin stei - nerne Werkzeuge vorkommen, vom homerischen Troja herrühren könne, und schon die Schuttschicht, welche unmittelbar auf die bis 2 Meter Tiefe reichenden grie - chischen Trümmer folgt, um mehr als 1000 Jahr älter sein müsse als der trojanische Krieg.

Wenn Herr Calvert sich aber die Mühe gemacht hätte, im Homer nachzusehen, dann würde er gefunden haben, dass das Wort Hammer (ῥαιστήρ) nur ein einziges mal (Ilias, XVIII, 477) vorkommt, und zwar in der Hand des Hephaestos; es ist zwar nicht bemerkt, von welchem Material dieser Hammer war, jedoch kann der Gott des Feuers wol keinen andern als einen kupfernen gehabt haben. Ferner scheint Herr Calvert noch nie Messer von Silex gesehen zu haben, denn sonst würde er wissen,236widerlegung der ansichten calvert’s. dass dieselben nur bis , selten bis 3 Zoll lang sind und fast immer, ja mit seltener Ausnahme die Ge - stalt von Sägen haben; nur ein einziges mal ist mir hier eine solche Säge von 5 Zoll Länge vorgekommen.

Man findet im Homer nie eine Gelegenheit, bei welcher solche kleine Sägenmesser hätten vorkommen können, deren Gebrauch mir übrigens bisjetzt nicht recht klar ist. Die homerischen Helden tragen ihre kupfernen Messer neben dem Schwert, und gebrauchen sie gewöhnlich zum Schlachten der Opferthiere, wozu bis 3 Zoll lange Silexsägen natürlich nicht passen, wohl aber jene langen Schlachtmesser, deren Grösse uns genau durch die Formsteine, in denen sie gegossen wurden, angegeben ist. Ilias, XVIII, 597 sieht man auch den Hephaestos, auf dem Schilde des Achilles, Jünglinge mit goldenen Messern schmieden.

Herr Calvert findet darin, dass Homer weder stei - nerne Hämmer, noch die winzigen Silexsägen er - wähnt, einen Beweisgrund gegen die Identität von Hissarlik mit der Baustelle Trojas. Ich aber, und mit mir bestimmt alle Gelehrten und Bewunderer Homer’s, würde es wunderbar finden, wenn die homerischen Hel - den mit bis 3 Zoll langen Silexsägen bewaffnet er - schienen; denn ein Held kann, vorzüglich in epischen Gesängen, nur etwas Heldenmässiges tragen und thun. Braucht der homerische Held eine steinerne Waffe, so sucht er nicht erst in der Tasche nach einer bis 3 Zoll langen Silexsäge, sondern er nimmt den ersten besten riesigen Stein auf, den die beiden stärksten Männer des Volks nicht leicht von der Erde mit Hebeln auf den Wagen gewälzt hätten, er, der Held, aber trägt237widerlegung der ansichten calvert’s. ihn mit einer Hand und mit derselben Leichtigkeit, mit welcher der Hirt ein Widdervlies trägt, und wirft den Felsblock mit unendlicher Gewalt gegen das Thor der Feinde, zersplittert die Bohlen, zerschmettert die beiden Thorangeln und die Riegel, krachend springt das Thor auf und mit gewaltiger Wucht fällt der Stein ins feindliche Lager (Ilias, XII, 445 462). Ein ander - mal braucht ein anderer Held eine Steinwaffe, sucht ebenfalls nicht nach einer kleinen Silexsäge, son - dern er nimmt einen ungeheuern Block auf, welchen zwei Männer des Volks nicht würden haben tragen können, und schleudert ihn gegen seinen Gegner (Ilias, V, 302 310). Herrn Calvert’s Ausgrabungen in der Pergamos beschränkten sich auf zwei kleine Gräben, die auch jetzt noch vorhanden sind, und er bemerkt irr - thümlich, dass ich seine Ausgrabungen fortgesetzt habe. Wie meine Pläne der Pergamos beweisen, geschahen meine Ausgrabungen 1870, 1871 und bis Mitte Juni 1872 ausschliesslich[auf] der türkischen Hälfte der Per - gamos, und dann erst fing ich an, auf Herrn Calvert’s Felde die Baustelle des Apollotempels auszugraben, weil mir eine 34 Meter lange und 23 Meter breite Ver - tiefung des Bodens dieselbe verrieth; keineswegs gaben oder geben die zwei kleinen Gräben des genannten Freundes eine Ahnung vom Dasein eines solchen.

Nie habe ich, wie Herr Calvert berichtet, den Urfels in 67 Fuss Tiefe gefunden; ich fand denselben auf meiner grossen Plateforme 16 Meter oder 52¾ Fuss tief, sowie in meinem grossen Durchstich, im römischen Brunnen und auf der Südseite des Thurmes, in 14 Meter oder 46⅕ Fuss Tiefe. Auf Herrn Calvert’s Felde aber habe238widerlegung der ansichten calvert’s. ich den Urboden nur in jenem mehrfach beschriebenen, mit der uralten Stützmauer bedeckten Hügel entdeckt.

Weiter auf Herrn Calvert’s Artikel eingehend be - theuere ich, dass ich ausser jener von mir beschriebenen Mauer, die aus alten dem Minervatempel entlehnten korinthischen Säulen zusammengesetzt ist, hier nie auf byzantinische Trümmer gestossen bin, dass ich hier byzantinische Münzen nur immer einige Zoll unter der Bergfläche fand, und dass die Ruinen und der Schutt der griechischen Colonie, wie sich ja jeder in den Erdwänden meiner Ausgrabungen überzeugen kann, nur selten bis 2 Meter Tiefe gehen. Herrn Cal - vert’s Angabe, dass ich gleich unter diesen Trümmern steinerne Werkzeuge, durchbohrte Cylinder, Zerreibungs - mühlen und Massen von Muscheln finde, ist nicht richtig, denn in keiner meiner bisherigen Ausgrabungen fand ich diese Gegenstände in weniger als 4 Meter Tiefe, und wenn ich sie jetzt schon gleich unter den Funda - menten des Minervatempels finde, so erkläre ich dies dadurch, dass man bei Grabung der gewaltigen Grube für das Reservoir des Tempels den Schutt dazu benutzt hat, um die Baustelle des Heiligthums zu erhöhen. Irrig ist ferner Herrn Calvert’s Angabe, dass die grössern Knochen insgesammt zerbrochen sind, um das Mark herauszuholen; im Gegentheil, man findet hier selten zerbrochene Knochen. Weiter ist unrichtig die Angabe, dass ich hier kleine Bronzegegenstände, sowie Zie - rathen von Gold - und Silberfiligran finde. Noch nie habe ich hier Bronze, und immer nur Kupfer, noch nie habe ich hier Schmucksachen von Gold - oder Silber - filigran gefunden; die von mir in Zeichnung und Photo -239widerlegung der ansichten calvert’s. graphie gegebenen Schmucksachen sind von gediegenem Golde, Elektron, Silber oder Kupfer. Irrig ist auch die Angabe, dass ich hier auf den Gefässen bisweilen ein - gravirte Darstellungen von Fischgräten finde; allerdings finde ich oft Gefässe, die mit herumgehenden Reihen von keilförmigen Einschnitten verziert sind; diese letz - tern sind aber nie miteinander verbunden und haben daher auch durchaus keine Aehnlichkeit mit Fischgräten. Irrig ist ferner Herrn Calvert’s Angabe, dass es in den Tiefen dieses Berges Hausmauern aus roh übereinander - gelegten unbehauenen Steinen gebe; der Architekt ist noch nicht geboren, der aus solchen Steinen, ohne Ver - bindungsmittel, Hausmauern aufzuführen im Stande wäre. Die Wände aus Thon bestehen nicht, wie Herrn Calvert’s Angabe zu glauben veranlasst, aus einer Masse von Thon, sondern sie bestehen aus an der Sonne getrock - neten ungebrannten Ziegeln, und betheuere ich, auf solchen Wänden noch niemals, wie Herr Calvert irrthüm - lich angibt, die Eindrücke langen Schilfes, die auf An - wendung von Flechtwerk hindeuten, gesehen zu haben. Ebenso durchaus irrig ist des geehrten Freundes An - gabe, dass der Fussboden einiger solcher Häuser glasirt worden sei und dass die Regelmässigkeit des Nivellements und die Glätte dieser Fussböden darauf hinweisen, dass die Glasirung nicht das Ergebniss eines Zufalls gewesen sei; ferner, dass einer dieser glasirten Fussböden eine Länge von 20 Fuss hatte. Ich möchte viel darum geben, wenn dies wahr wäre, denn ein solches trojanisches Wunder würde Tausende von Wissbegierigen herbei - ziehen. Leider aber bestehen solche glasirte Fussböden nur in der Phantasie des Herrn Calvert. Ganz ebenso240widerlegung der ansichten calvert’s. durchaus irrig sind die Angaben, die dieser Freund vom grossen Thurm gibt, welchen er als aus zwei, unter einem spitzen Winkel zusammenlaufenden und 40 Fuss von, einander entfernten Mauern bestehend beschreibt, deren innerer Raum noch unerforscht sei. Nur die südliche Mauer dieses Gebäudes steigt unter einem Winkel von 75 Grad an; auf der Nordseite hat es, weil es durch den daran lehnenden 20 Meter breiten Wall hinlänglich befestigt war, nur oben eine kleine senkrechte Mauer von 1 Meter Höhe und Breite, während die unter einem Winkel von 15 Grad abfallende südliche Mauer 2 Meter Dicke hat; der ganze innere Raum zwischen den beiden Mauern besteht aus lose aufeinanderliegenden Steinen. Die senkrechte Höhe des Thurmes über dem Urfels ist nicht 15 Fuss, wie Herr Calvert sagt, sondern genau 6 Meter oder 20 Fuss. Die Terracotta-Scheiben mit zwei kleinen Löchern, welche ich nach Herrn Calvert’s Angabe hier in allen Tiefen finde, habe ich in der Wirklichkeit immer nur nahe an der Oberfläche bis 1 Meter, und in seltenen Fällen bis 2 Meter Tiefe ge - funden. Ich betheuere ferner, dass ich gar nichts weiss von grossen durchbohrten Cylindern, die mich Herr Calvert in grossen Massen, und oft mit halbem Durch - messer ganz im Thon der Mauern finden lässt. Ich habe hier nur durchbohrte Terracotta-Cylinder gefunden, wovon die grössten nur 4 Zoll lang waren, und niemals habe ich einen dieser Cylinder in einer Hausmauer ge - sehen.

Schliesslich muss ich mich durchaus gegen Herrn Calvert’s Behauptung auflehnen, als seien steinerne Werkzeuge, wenngleich sie in demselben Stratum mit241feuersgefahr. Gegenständen aus verschiedenen Metallen und mit herr - licher Töpferwaare zusammen gefunden werden, ein Beweis für uralte vorhistorische Zeiten. Kleine Messer und Sägen von Silex findet man z. B. viel in der Akro - polis von Athen, und scheinen dieselben bis zu einer sehr späten Zeit in Anwendung gewesen zu sein. Ein rohes vorhistorisches Volk konnte keinesfalls die schönen Terracottas anfertigen, die man hier sogleich unterhalb der Trümmer der griechischen Colonie findet, und noch viel weniger die von hohem Kunstsinn zeugende pracht - volle Töpferwaare, der man hier in grosser Tiefe be - gegnet.

Das Leben in dieser Wildniss ist nicht ohne Gefahr, und es hätte z. B. diese Nacht sehr wenig daran gefehlt, so wären meine Frau und ich, sowie der Aufseher Pho - tidas, welcher im Nebenzimmer schläft, lebendig ver - brannt. Wir hatten uns in der Schlafstube an der Nordseite des hölzernen Hauses, welches wir bewohnen, einen kleinen Kamin machen lassen und wegen der seit sechs Tagen wieder eingetretenen entsetzlichen Kälte täglich Feuer darin angezündet; aber die Steine des Kamins ruhten blos auf den Bretern des Fussbodens, welcher, sei es durch einen Riss in dem die Steine zu - sammenhaltenden Lehm oder sonst wie, Feuer gefasst hatte und auf einer Fläche von 2 Meter Länge und 1 Meter Breite brannte, als ich diesen Morgen um 3 Uhr zufällig aufwachte. Die Stube war mit dickem Qualm gefüllt und schon fing die nördliche Breterwand an zu brennen; wenige Secunden hätten hingereicht ein Loch hineinzubrennen, und dann wäre das ganze Haus in weniger als einer Minute aufgebrannt, denn ein furcht -Schliemann, Troja. 16242feuersgefahr. barer Nordsturm blies von dieser Seite. Trotz meines Schreckens verlor ich nicht die Geistesgegenwart, goss den Badeeimer auf die brennende Nordwand und that somit dem Feuer in dieser Richtung augenblicklichen Einhalt. Durch unser vereintes Geschrei wurde der in der Nebenstube schlafende Photidas geweckt, welcher die übrigen Aufseher aus dem steinernen Hause herbei - rief; in aller Eile wurden Schwerhämmer, eiserne Hebel und Hacken herbeigeholt; hier wurde der Fussboden zerschlagen, dort aufgebrochen und Massen von nasser Erde daraufgeworfen, um das Feuer zu löschen, denn Wasser fehlte gänzlich. Da aber die untern Balken an mehrern Stellen brannten, so dauerte es eine Viertel - stunde, bis wir des Feuers Herr werden konnten und jede Gefahr vorbei war.

243blosslegung eines hauses auf dem thurm.

XX.

Bei einem für die Arbeiter günstigen, kalten aber herrlichen Frühlingswetter habe ich diese Woche mit durchschnittlich 150 Arbeitern die Ausgrabungen mit grösstem Eifer und gutem Erfolge fortgesetzt.

Der interessanteste seit drei Jahren hier von mir entdeckte Gegenstand ist jedenfalls ein in dieser Woche in 7 und 8 Meter Tiefe auf dem grossen Thurm, gerade unterhalb des griechischen Minervatempels, ans Licht gebrachtes Haus, von dem bisjetzt acht Zimmer freigelegt sind. Die Wände desselben bestehen aus kleinen, mit Erde zusammengesetzten Steinen und schei - nen verschiedenen Zeitabschnitten anzugehören, denn während einige derselben unmittelbar auf den Steinen des Thurmes ruhen, sind andere erst gebaut als dieser schon mit 20 Centimeter, und in mehrern Fällen sogar als er schon mit 1 Meter Schutt bedeckt war. Auch zeigen diese Wände ganz verschiedene Dicke, denn die eine derselben ist 1 Meter 30 Centimeter, andere sind nur 65 Centimeter, und noch andere gar nur 50 Centi - meter dick. Mehrere dieser Wände haben eine Höhe von 3 Meter, und man sieht auf einigen derselben16*244beschaffenheit der wände u. s. w.; opferaltar. grosse Reste der gelb oder weiss bemalten Lehmbe - kleidung. Nur in einem grossen Zimmer, dessen Dimen - sionen aber nicht genau constatirt werden können, fand ich bisjetzt einen wirklichen Fussboden von unbehauenen Kalksteinen, deren glatte Seite auswärts gekehrt ist. Schwarze Brandstreifen am untern Ende der Wände in den übrigen, bisjetzt aufgegrabenen Zimmern lassen keinen Zweifel, dass der Fussboden derselben aus Holz war und durch Feuer zerstört wurde. In einem Zimmer sieht man eine, einen Halbkreis bildende, kohlschwarz gebrannte Wand. Alle bisjetzt ans Licht gebrachten Stuben, die nicht unmittelbar auf dem Thurm ruhen, habe ich bis zu demselben ausgegraben, und finde ohne Aus - nahme, dass der unter denselben befindliche Schutt aus rother oder gelber Asche und verbrannten Trümmern besteht. Oberhalb desselben, also in den Stuben selbst, fand ich, wie es die an den Wänden hängen gebliebenen vielen Ueberbleibsel beweisen, theils nur rothe oder gelbe Holzasche, die mit an der Sonne getrocknet gewe - senen und durch die Feuersbrunst gebrannten Ziegeln gemischt ist, theils nur schwarzen Schutt, der aus Resten von Haushaltungen entstanden und mit Massen kleiner Muscheln gemischt ist; in mehrern Stuben 7 bis 8 Fuss hohe rothe Krüge (πίϑοι), von denen ich einige in situ lasse; oberhalb des Hauses und bis zu den Fundamen - ten des Tempels nur rothe und gelbe Holzasche. Auf der Ostseite des Hauses ist ein Opferaltar sehr primi - tiver Art, der nach Nordwest bei West gewandt ist und aus einer 1 Meter 63 Centimeter langen, 1 Meter 65 Cen - timeter breiten Platte von Granitschiefer besteht, auf deren Ende ein 55 Centimeter hoher, 53 Centimeter245kanal; unterlage dieses altars. breiter Stein gleicher Art gestellt ist, dessen oberer Theil in Gestalt eines Halbmondes ausgeschnitten ist, wahrscheinlich um die Opferthiere darauf zu schlachten. 1 Meter 20 Centimeter unterhalb des Opferaltars sieht man einen aus grünen Schieferplatten gemachten Kanal, der wahrscheinlich zum Abfluss des Blutes gedient hat. Merkwürdigerweise aber steht dieser Altar nicht auf dem Thurme selbst, sondern 1 Meter oberhalb desselben auf an der Sonne getrockneten Ziegeln oder Erdklum - pen, welche durch eine Feuersbrunst wirklich gebrannt worden sind, aber doch durchaus keine Solidität haben. Von einer gewaltigen Schuttmasse gleicher Ziegel, so - wie rother und gelber Holzasche war der Altar umge - ben und bis zu einer Höhe von 3 Meter bedeckt. Ich lasse den Altar natürlich in situ, damit sich die Besucher der Troade durch die Beschaffenheit seines Piedestals und des Schuttes der Erdwand, neben welcher er steht, von der Richtigkeit aller dieser Angaben überzeugen können, die sonst zu fabelhaft klingen möchten. Die merkwürdige Unterlage dieses Opferaltars, der sonder - bare Schutt, in welchem er begraben war, die Erhaltung des augenscheinlich ausgebrannten grossen Hauses, des - sen in verschiedenen Zeitabschnitten gebaute Wände, endlich die Füllung der Räume desselben mit so verschiedenartigem Schutt und mit kolossalen πίϑοι alles dieses sind für mich Räthsel; ich beschränke mich daher nur darauf, die Thatsachen zu constatiren und enthalte mich, irgendeine Vermuthung auszusprechen. Oberhalb dieses Hauses, in der Südwestwand dieser Ausgrabung, sieht man die 1 Meter 65 Centimeter hohen, aus grossen weissen Kalksteinen bestehenden Reste der246keller mit vasen; gerippe von kriegern mit helmen. südlichen Wand des Minervatempels, welche bei der Grösse ihrer Ausdehnung ein höchst imposantes An - sehen haben, und wird dies noch erhöht durch das grosse Reservoir des Tempels, dessen 1 Meter 30 Centi - meter hohe Wände man gleich östlich vom Altare sieht. Oberhalb des uralten Hauses und unterhalb der südlichen Tempelwand sieht man den Rest eines kleinen, runden, 1 Meter 13 Centimeter im Durchmesser haben - den und 80 Centimeter hohen Kellers, welcher sich un - terhalb der Fundamente befindet und daher älter sein muss als der Tempel; er ist aus Kalk und Steinen ge - baut, aber die Innenseite ist mit einer Art Lack oder Firnis überzogen und hat ein glänzendes Ansehen. Die - ser kleine Keller war mit Scherben griechischer Terra - cotta gefüllt, unter welchen ich jedoch sechs kleine, fast unversehrte Vasen fand.

Wie das uralte Haus mit seinen kleinen Zimmern jetzt dasteht, hat es viel Aehnlichkeit mit einem pom - pejanischen Hause; es ist zwar mit solchem hinsichtlich Architektur und Ausschmückung gar nicht in Vergleich zu stellen, übertrifft es aber an Merkwürdigkeit.

Neben dem Hause, auch in den grössern Räumen desselben, fand ich eine grosse Masse von Menschen - knochen, aber bisjetzt erst zwei ganze Gerippe, welche Kriegern angehört haben müssen, denn sie wur - den in 7 Meter Tiefe mit kupfernen Helmen auf den Köpfen gefunden, und neben dem einen Gerippe fand sich eine grosse Lanze, die ich auf Tafel 135, No. 2727 abbilde. Der eine Schädel ist unbeschädigt, und werde ich die getreue Zeichnung desselben in den Tafeln geben; der andere ist etwas zerbrochen, ich hoffe247construction der kupfernen helme. ihn aber bald zusammenleimen und auch sein Bild ge - ben zu können. Beide Schädel sind gross, aber auffal - lend schmal. Unglücklicherweise wurden beide Helme zertrümmert; ich hoffe jedoch, den einen derselben in Athen wieder zusammensetzen zu können. Der obere Theil beider Helme, der in der Ilias so oft (z. B. III, 62; IV, 459; VI, 9; XIII, 132; XVI, 216) angeführte φάλος oder Bügel, in den der Helmbusch, λόφος ἵππουρις , einge - senkt war, ist aber wohlerhalten. In beiden Fällen besteht der φάλος aus zwei Stücken. Ich setzte die bei - den Stücke des zuerst gefundenen Helms so zusammen, wie sie mir zusammen zu gehören schienen, und bildete sie auf Tafel 134, No. 2682 ab; am Helm war, ich weiss nicht wie, auch der grosse kupferne Ring No. 2683 be - festigt. Als ich aber zwei Tage später den zweiten Helm fand, sah ich ein, dass ich die unter No. 2682 ab - gebildeten beiden Stücke verkehrt zusammengesetzt hatte und dass der untere Theil umgedreht werden müsse, denn an diesem Theil war der zweite Helm be - festigt, wie es die darangebliebenen Stücke zur Genüge beweisen. Ich bilde die auf diese Weise zusammenge - setzten obern Theile des zweiten Helms auf Tafel 142, No. 2791 ab. Durch die untern Stücke beider Helme geht ein kupferner Nagel, der einen runden Kopf hat und dessen anderes Ende einfach umgebogen ist. Hin - sichtlich der Stelle, wo der λόφος ἵππουρις eingesenkt und befestigt war, kann kein Zweifel obwalten, denn die oben im Bügel befindliche Oeffnung kann zu nichts anderm gedient haben. Auch beim zweiten Helm fand ich das Bruchstück eines ähnlichen kupfernen Ringes wie der am ersten Helm gefundene und unter No. 2683248terracotta-funde in den zimmern des hauses. abgebildete. In einigen Zimmern fand ich gar nichts von Terracottas, in andern dagegen eine kolossale Masse von herrlichen schwarzen, rothen und braunen Vasen, Töpfen und Kannen in allen Grössen und von höchst phantastischer Form; leider aber wurden beim Abhacken des festen Schuttes die meisten derselben zerschlagen, und ich kann sie erst später in Athen wieder zusammen - setzen. Somit kann ich auf den beifolgenden Tafeln nur die Zeichnungen derjenigen Terracottas geben, die ent - weder heil oder so wenig beschädigt herauskamen, dass ich sie hier sogleich wieder zusammenleimen konnte. Aus Furcht, den Leser zu ermüden, unterlasse ich hier die Beschreibung der einzelnen Vasen, denn man sieht deren Bilder in den Tafeln, auch habe ich sie, so gut es in kurzen Worten gehen wollte, im Katalog be - schrieben. Nur möchte ich hier die Schönheit der rothen Kannen mit hintenüber gebogenem Halse, zwei Ohren und drei Brüsten, sowie die mit eingeschnittenen Baumzweigen verzierten und mit drei Füssen und zwei kleinen und zwei grossen als Arme emporgehobenen Griffen versehenen, schwarzen oder rothen Vasen her - vorheben, wie ebenfalls die Terracotta-Becher, die hin und wieder auch in Form von Rheinweingläsern, auch ein - mal in Gestalt einer Suppenterrine mit zwei Henkeln vorkommen.

Die interessantesten und für die Wissenschaft wich - tigsten der in dieser Woche gefundenen Terracottas sind jedenfalls ein auf Tafel 134, No. 2673 und 2674 ab - gebildeter, in einer grossen rothen Urne in 8 Meter 20 Centimeter Tiefe gefundener herrlicher rother Becher mit dem Eulengesicht und dem Helm der ilischen Mi -249idole aus stein; terracotten mit symbolen. nerva, sowie zwei ebenfalls mit dem Eulenkopf der Schutzgöttin Trojas, aber ausserdem mit zwei Brüsten, grossem Bauchnabel und zwei emporgehobenen Armen verzierte Vasen, wovon die eine auf dem Thurm, die andere oberhalb desselben, in 4 Meter Tiefe gefun - den wurde.

Von sehr merkwürdigen Terracottas wurde ferner in 7 Meter Tiefe in einer der Stuben des unterirdischen Hauses ein Schmelztiegel mit vier Füssen gefunden, in welchem man noch etwas Kupfer sieht; ferner ein klei - ner, glänzend schwarzer Trichter. Auch fand ich in dem Hause, in 7 und 8 Meter Tiefe, mehrere Idole von ordi - närem Stein oder von Marmor; auch eins von Knochen, auf welchem man die beiden Arme der Göttin sieht; nur auf einem der marmornen Idole und auf einem derer von ordinärem Stein sieht man zwei Augen; nur ein Idol von ordinärem Stein mit grob eingeschnittenem Eulengesicht kam diese Woche in 4 Meter Tiefe vor. Zu bemerken ist, dass die Idole von ordinärem Stein immer sehr roh gearbeitet sind.

Von den kleinen Terracotta-Vulkanen und - Carrou - selen, mit und ohne symbolische Verzierungen, kamen auch diese Woche wieder 251 Stück zum Vorschein, darunter aber nur 31 mit noch nicht dagewesenen sym - bolischen Figuren, von denen ich daher die Abbildungen gebe. Mehrere der auf diesen Stücken eingravirten Verzierungen sind mit wirklich bewunderungswürdiger Feinheit ausgeführt, und namentlich diejenigen, welche auf einem glänzend schwarzen, radähnlichen Stück ein - geschnitten und so fein sind, dass ich sie nur durch eine Lupe erkennen konnte.

250teller, formen, silexmesser, kupfergeräth.

Von ordinären, vom Töpfer gedrehten Tellern ka - men wiederum sehr viele in 6 und 8 Meter Tiefe vor; in letzterer Tiefe, in dem vielerwähnten Hause, eine merkwürdige Schale, ganz in der Form der Unterschale eines Blumentopfes, die mit vier Dreiecken und zwei grossen Kreuzen verziert ist, wovon eins durch grosse Punkte, das andere durch Striche dargestellt ist. Mehrere merkwürdige Formsteine wurden diese Woche gefunden, darunter einer von grober Terracotta zum Giessen von acht kupfernen Stäben; die übrigen Form - steine waren von Glimmerschiefer, und war der eine zum Giessen eines Gegenstandes in Gestalt eines Pflan - zenblattes mit drei langen Stacheln auf jeder Seite bestimmt; der andere Formstein zeigt drei einförmige Furchen zum Giessen von oblongen Ringen. Von andern Formsteinen zum Giessen von Waffen und Werkzeugen kamen in dieser Woche nur Bruchstücke vor. Von kleinen Sägemessern aus Silex wurden in dieser Woche in 3 bis 8 Meter Tiefe 27 Stück gefunden, auch sechs sehr hübsche Messerklingen von schwarzem vulkanischen Glase, die so scharf sind, dass man sich damit rasiren kann; kupferne Messer dagegen kamen diese Woche gar nicht vor, dagegen vier kupferne Tuch - oder Haar - nadeln von 6 bis 13 Centimeter Länge, sowie dreizehn knöcherne Strick - oder Sticknadeln; auch sechzehn grosse Pfriemen von Hirschhorn, sowie viele zugespitzte Eberzähne. Unter den in dieser Woche gefundenen steinernen Werkzeugen waren zwei sehr hübsche Hämmer von Diorit, eine sehr niedlich durchbohrte und oben mit einer Rille versehene Stütze von Glim -251eigenthümliche terracotta-gegenstände. merschiefer zum Wenden des Bratspiesses und der - gleichen mehr.

Auf die Terracottas zurückkommend, muss ich hervorheben ein oben schmaler und dünner werdendes viereckiges Stück, welches oben auf der Vorderseite zwei ganz geringfügige Vertiefungen in Form von Augen hat und auf der einen Seite durchbohrt ist. Ich gebe die Abbildung dieses sonderbaren Gegenstandes, dessen Gebrauch mir unbekannt ist. Ich erwähne fer - ner einen in jenem Hause in 7 Meter Tiefe gefundenen sonderbaren Topf mit drei Füssen, zwei kleinen Ohren und einem Henkel, sowie die in demselben mehrfach vorkommenden niedlichen Tassen mit einem Henkel und drei Füssen. In 3 Meter Tiefe wurde eine kleine feuerrothe, glänzende Dose gefunden, deren untere Seite in zwei kleine, durchbohrte Griffe ausläuft und die Sonne mit ihren Strahlen darstellt. In der Mitte der Sonnenscheibe sieht man ein Kreuz, welches in vier kleine Kreise endet, und sollen diese wol die Köpfe der Nägel darstellen, womit die beiden kreuzweis ge - legten Stäbe zur Erzeugung des heiligen Feuers be - festigt wurden. In jedem der durch das Kreuz gebil - deten vier Räume sieht man ein

[figure]

, wovon eins mit Punkten dargestellt ist.

Auch fand sich wiederum eins jener kleinen, aus zwei zusammenhängenden Kugeln bestehenden, durch - bohrten Stücke Terracotta, die etwas Aehnlichkeit haben mit unsern Hemdknöpfen; der obere Theil des in Frage stehenden Stückes zeigt drei einfache aufgehende Sonnen und sechs Sterne, während der un -252terracotta-kugeln. tere drei doppelte aufgehende Sonnen und drei Sterne im Kreise um den Mittelpunkt darstellt.

Von Terracotta-Kugeln ist diese Woche nur eine vorgekommen, welche einen herumlaufenden, sägen - förmigen Streif und fünf kleine Streifen zeigt, die Sonnen oder Monde bezeichnen mögen.

253entdeckung einer strasse der pergamos.

XXI.

Seit meinem Bericht vom 5. d. M. habe ich durch - schnittlich 160 Arbeiter gehabt und viele wunderbare Dinge ans Licht gebracht, unter welchen ich besonders hervorheben kann eine unmittelbar neben meinem Hause in 9 Meter 20 Centimeter Tiefe im grossen Thurm ent - deckte, 5 Meter 20 Centimeter breite Strasse der Per - gamos, welche mit dicken, 1 Meter 18 Centimeter bis 1 Meter 50 Centimeter langen und 89 Centimeter bis 1 Meter 34 Centimeter breiten Steinplatten gepflastert ist. Dieselbe läuft genau in südwestlicher Richtung sehr steil nach der Ebene ab; ich habe aber bisjetzt nur erst eine Strecke von 10 Meter oder 33⅓ Fuss von ihr bloss - legen können. Sie führt ohne allen Zweifel zum Skäischen Thor, dessen Stelle durch ihre Richtung und durch die Bildung des Bodens genau an der Westseite am Fusse der Anhöhe bezeichnet zu sein scheint und nicht mehr als 150 Meter vom Thurm entfernt sein kann. Rechts und links an der Strasse ist eine 73 Centimeter breite, 3 Meter 40 Centimeter lange Einfassung. Die Senkung der Strasse ist so stark, dass, während sie auf der Nordostseite, soweit sie dort aufgedeckt ist, nur 9 Me -254muthmassliches bedeutendes gebäude oberhalb d. strasse. ter 20 Centimeter unter der Oberfläche des Berges ist, sie auf einen Abstand von 10 Meter schon in einer Tiefe von 11 Meter oder 37 Fuss liegt.

Diese herrlich gepflasterte Strasse führt mich zur Ver - muthung, dass ein vornehmes Gebäude sich in geringer Entfernung oberhalb derselben, an der Nordostseite, be - funden haben muss, und habe ich daher, als sie vor sieben Tagen entdeckt wurde, sofort 100 Mann an - gestellt, das nordöstlich vor derselben liegende Terrain in 24 Meter Länge, 24 Meter Breite und bis 10 Meter Tiefe abzugraben. Die Fortschaffung dieses 5760 Kubik - meter enthaltenden, ungeheuern Blocks von hartem Schutt und Steinen wird dadurch sehr erleichtert, dass derselbe an meinen grossen vorjährigen Einschnitt stösst, welcher vom nördlichen Bergabhang bis zum Thurm ganz horizontal geht und sich daher ausgezeich - net zur Anwendung der man-carts eignet. Um aus dieser Ausgrabung den grösstmöglichen Nutzen für die Wissenschaft ziehen zu können, lasse ich die Erd - wände senkrecht machen, wie ich es übrigens auch in fast allen meinen übrigen Einschnitten gethan habe. Da ich gleichzeitig von oben und von unten an der Fortschaffung dieses riesigen Erdklotzes arbeiten lasse, so hoffe ich bestimmt, in 20 Arbeitstagen damit fertig zu werden.

Es ist mir ungemein daran gelegen, dass die grossen Steinplatten des Thurmweges nicht von Christen oder Türken weggeschleppt werden, und um dies zu verhüten, habe ich das Gerücht verbreitet, Jesus Christus habe den König Priamos besucht und sei diesen Weg hinauf - gestiegen; um diesem Umstande noch mehr Gewicht255verschiedene mauern. beizulegen, habe ich ein grosses Christusbild an der Nordwestseite der Thurmstrasse in der Erdwand befestigt. Gegen die Angriffe der abergläubischen Christen dieser Ebene sind daher die Dallen vollkommen gesichert, und, wie ich hoffe, auch gegen die Habgier der Türken, denn wenngleich diese die Heiligenbilder verabscheuen, so flössen ihnen dieselben dennoch eine gewisse Furcht ein.

Neben dem Christusbilde sieht man in dieser Erd - wand drei höchst merkwürdige, übereinandergebaute Mauern aus kleinen Steinen mit Erde verbunden, welche in sehr verschiedenen Zeitabschnitten gebaut sind, wo - von aber selbst die oberste neueste, wie es das Material beweist, bedeutend älter sein muss als die Gründung der griechischen Colonie im Jahre 700 v. Chr. Diese oberste Mauer ist 1 Meter 50 Centimeter dick, in Meter Tiefe gebaut, und reicht bis 50 Centimeter unter der Oberfläche, was mir ganz unerklärlich ist; denn, da die Trümmer der griechischen Colonie bis zu einer Tiefe von 2 Meter gehen, so muss sie lange Jahrhunderte hoch aus der Erde emporgestanden haben; immerhin mag sie aber von der griechischen Colonie als Unterbau eines Gebäudes benutzt und auf diese Weise erhalten worden sein. Unter dieser Mauer findet man eine Erd - schicht von 30 Centimeter Dicke, und darauf folgt die zweite, um 30 Centimeter hervorstehende, 2 Meter hohe Mauer, welche wiederum auf einer andern, noch viel ältern Mauer ruht. Letztere läuft in schräger, mit dem Thurmwege parallel laufender Linie nach Süd - westen ab und liefert einen zweiten Beweis, dass die256festungsmauern d. versch. völker; vorgriech. häuser. Bergfläche, welche hier jetzt ganz horizontal ist, an diesem Orte nicht sehr steil nach der Ebene abfiel.

Meine früher ausgesprochene Meinung, dass nur die ersten Bewohner dieses Berges, welche den grossen Thurm erbauten, Mauern und Festungswerke hatten, erweist sich somit als irrig, denn diese drei, einst am Rande des Bergabhanges gebauten Mauern, sowie drei der Mauern, welche ich an der Südostseite des Ber - ges durchschnitten habe, können nur Festungsmauern sein, und offenbar gehören sie den verschiedenen Völ - kern an, die nach dem Untergang der ersten Nation diesen Ort bis zur Gründung der griechischen Colonie bewohnt haben.

Wie meine weitern Nachgrabungen gezeigt haben, geht vom grossen Thurm, gerade unterhalb des Minerva - tempels und in einem Abstande von 40 Meter von der erwähnten Strasse, in einer Tiefe von 8 Meter eine grosse Mauer nach Süden, und habe ich in dieser Richtung 2 Meter davon blossgelegt. Wie weit aber die Mauer nach Süden fortgeht, das ist ohne neue, rie - sige Ausgrabungen nicht zu bestimmen. Ebenso kann ich, ohne das merkwürdige vorgriechische Haus wegzu - brechen, unmöglich ihre Breite bestimmen. Es scheint mir auch, dass der Thurm hier aufhört, denn in meinen Nachgrabungen am Fusse jenes alten Hauses fand ich keine Spur mehr von demselben, aber statt dessen ur - alte Häuser, deren noch hier und da mit einem Lehm - überzuge und weisser Farbe bekleidete Wände sämmt - lich die Spuren einer furchtbaren Feuersbrunst tragen, welche so vollkommen alles, was in den Stuben war, zerstört hat, dass man nur dann und wann eine ver -257festungsmauer die trümmer durchziehend. kohlte Topfscherbe in der rothen Holzasche findet, wo - mit die Räume gefüllt sind. Merkwürdigerweise findet man unterhalb dieser uralten Häuser wiederum Haus - wände, die jedenfalls noch älter sein müssen und auch das Gepräge furchtbarer Glut tragen. In der That, das Labyrinth von uralten, übereinandergebau - ten Hausmauern, welches man hier in den Tiefen des von Lysimachus gebauten Minervatempels findet, ist einzig in der Welt und bietet dem Archäologen den reichsten Stoff zu seinen Forschungen. Was mir aber in diesem Labyrinth von Mauern am räthsel - haftesten ist, ist eine von Westnordwest nach Süd - südost dasselbe durchziehende, ebenfalls von Steinen mit Erde gebaute, oben 1 Meter 85 Centimeter, unten 3 Meter 70 Centimeter breite und Meter hohe Festungsmauer, welche nicht unmittelbar auf dem Ur - fels steht und erst gebaut ist, als sich auf diesem be - reits eine Humusschicht von ½ Meter Dicke gebildet hatte. Sie scheint daher etwas weniger alt zu sein als der grosse Thurm, der unmittelbar auf dem Urboden ruht.

Parallel laufend mit dieser Festungsmauer und nur 68 Centimeter davon entfernt sieht man in gleicher Tiefe eine nur 60 Centimeter hohe Mauer, gleichfalls aus mit Erde vereinigten Steinen erbaut. Die in grösster Tiefe bisjetzt von mir ausgegrabene Stube hat 3 Meter Höhe und 3 Meter 45 Centimeter Breite; sie mag aber höher gewesen sein; ihre Länge ist mir noch nicht be - kannt. In einem der Räume des obersten der un - terhalb des Minervatempels befindlichen Häuser aus vorgriechischer Zeit scheint eine Weinhandlung oderSchliemann, Troja. 17258alte weinhandlung oder bazar. ein Bazar gewesen zu sein, denn man sieht in demsel - ben neun gewaltige irdene Krüge (πίϑοι) verschiedener Form von 1 Meter 75 Centimeter Höhe und 1 Meter 48 Centimeter Dicke, deren Mündung eine Breite hat von 75 bis 90 Centimeter. Alle diese irdenen Behälter haben vier 10 Centimeter breite Henkel und der Thon derselben hat die enorme Dicke von 6 Centimeter. Auf der Südseite dieser πίϑοι fand ich eine 8 Meter breite, 3 Meter hohe Mauer von an der Sonne getrockneten Ziegeln, die durch eine Feuersbrunst zu wirklichen ge - brannten Ziegeln geworden sind. Diese Mauer, welche mir auch ein Festungswerk und sehr dick zu sein scheint, habe ich bis zur perpendikulären Linie der Fundamente des Minervatempels abgehauen.

Um zu verhüten, dass die uralten Hausmauern von frevelhafter Hand ruinirt werden, habe ich im obersten Hause unterhalb des Minervatempels das Bild der Gottesmutter aufgehängt.

Wegen des grossen Altarsteins, dessen oberer Theil einen Halbmond bildet, bin ich sehr besorgt, die Türken möchten ihn zum Bau des Minaret im Dorfe Tschiplak benutzen, ich werde ihn daher, ohne ihn von der Stelle zu rücken, behutsam spalten, sodass er zum Bau unbrauchbar wird. Dieser Stein sowol als sein Piedestal sind mit einer weissgefärbten Lehmkruste überzogen, welche auf letzterm Centimeter dick ist.

An der Südostseite der Pergamos habe ich die Ausgrabung fortgesetzt und gefunden, dass die grosse Mauer, welche ich für eine Fortsetzung des Thurmes hielt, zu einer grossen uralten Ringmauer gehört.

Auf der ganzen östlichen Seite des Thurmes wurde259funde in der ausgrabung nordöstl. v. d. thurmstrasse. seit meinem letzten Bericht an irgendwie interessanten Antiquitäten so gut wie gar nichts gefunden. Dage - gen aber wurde in der grossen neuen Ausgrabung nordöstlich von der Thurmstrasse eine grosse Masse höchst merkwürdiger Gegenstände entdeckt. Die Trümmer der griechischen Colonie reichen hier genau bis 2 Meter Tiefe, und ich fand in dieser Tiefe eine Topfscherbe mit gemalten ägyptischen Hieroglyphen, deren Abbildung ich gebe. Ich gebe ferner die Zeich - nungen von drei andern, in 3 Meter Tiefe gefundenen merkwürdigen Topfscherben, wovon die eine ein Eulen - gesicht, ein

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und die Marken der vier Nägel zum Fest - schlagen desselben, die zweite ein

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, bei dem jedes der vier Enden noch wieder in ein Viereck ausläuft und die dritte ein in Bewegung befindliches Rad darstellt. Ferner kam aus 2 Meter Tiefe ein Terracotta-Idol zum Vorschein mit Eulengesicht und hervorstehenden Armen, die abge - brochen und länger gewesen zu sein scheinen. Wie alle übrigen Idole ist auch dies in Menschengestalt und man sieht aus dem Kopfe den Eulenschnabel und die Eulen - augen kunstvoll dargestellt hervortreten; auf der Stirn sind Haare angedeutet und zwei Striche am Halse scheinen die Rüstung zu bezeichnen. In gleicher Tiefe fand ich den Boden einer Schüssel, welcher in Haut - relief zwei sich umarmende und küssende Jünglinge dar - stellt, die mit grösster Meisterschaft gemacht sind; ferner in Meter Tiefe den obern Theil einer Vase mit hübschem Eulenkopf; den Rand der Mündung bildet eine Art von Helm. In ½ Meter Tiefe fand sich ein hübscher Manneskopf von Terracotta; in 2 Meter Tiefe eine grie - chische Lampe mit einem 7 Centimeter langen Fuss und17*260eigenthümliche idole der minerva. in gleicher Tiefe sehr hübsche Vasen und Kannen sowie ein auf einer Seite abgeplattetes Stück Terracotta mit zwei durchgehenden Löchern und einem Stempel, worin man das sehr hübsche Brustbild einer Frau sieht; in 3 und 4 Meter Tiefe zwölf marmorne Idole ohne Eulengesicht, auf deren einem man vier horizon - tale Striche am Halse sieht; in 3 Meter Tiefe auch das Bruchstück einer Schlange mit zwei Hörnern; in 5 Meter Tiefe ein schön polirtes und zweimal durch - bohrtes Stück Diorit, in Form einer Glocke; in 5 Meter Tiefe eine Masse von schönen Terracotta-Vasen und Kannen, hübsch verzierte Stick - oder Stricknadeln von El - fenbein und ein sehr niedlicher, durchbohrter, 4 Centimeter langer und mit eingeschnittenen symbolischen Zeichen bedeckter Cylinder von Terracotta. Der merkwürdigste Gegenstand aus 5 Meter Tiefe ist aber ein vorn und hinten abgerundetes marmornes Idol der ilischen Mi - nerva mit einem Eulenkopf; die Augen sind sehr gross und schön, der Schnabel dagegen ist klein und kunst - los gemacht; am Halse ist ein Querstrich und oberhalb desselben zehn emporstehende Striche, die wol die Rüstung andeuten sollen; der ganze übrige Körper ist mit Strichen bedeckt, in denen, namentlich auf dem Rücken, die Vogelfedern unverkennbar sind; die sonder - bare Verzierung am Unterleib dieses Idols scheint zu beweisen, dass die auf dem Bauch der Vasen mit Eulen - gesichtern hervorstehende grosse kreisförmige Erhöhung nicht, wie ich früher glaubte, den Bauchnabel, sondern den Schamtheil der Göttin bezeichnet. Dies Idol ist, wie immer, in Menschengestalt.

In 6 Meter Tiefe fand ich zwei herrliche, glänzend261verschiedene idole, vase u. a. rothe Vasen, auf denen die ilische Minerva mit dem Eulen - kopf, einer Art von Helm, zwei emporgehobenen Armen, zwei Brüsten und der vorerwähnten grossen, kreisför - migen, hervorstehenden Erhöhung am Bauch, worin ich jetzt nur das pudendum erkennen kann, dargestellt ist. In gleicher Tiefe ein Idol gewöhnlicher Form von Knochen, sowie auf einem Griff von schwarzem Terracotta, welcher vermuthlich zu einem grossen Becher gehört hat, ein mit grosser Meisterschaft in Hautrelief dargestellter Ochsenkopf, der unwillkürlich an Homer’s βοῶπις πότνια Ἥρη erinnert. Unter vielen andern merkwürdigen Terracotta-Vasen fand ich in dieser Tiefe auch eine kleine, wirklich prachtvoll verzierte Vase, deren Ober - fläche in vierzehn abwechselnd aufeinanderfolgende grössere und kleinere Fächer getheilt ist; in jedem der grösseren Fächer sieht man drei Kreise von Sternchen und einen Stern im Mittelpunkt; in jedem der kleinern Fächer sind dreifache Zickzacklinien; diese Vase hat in den kleinen Griffen Röhrchen zum Aufhängen an einer Schnur. Weiter kam von merkwürdigen Gegenständen in dieser Tiefe eine 10½ Centimeter lange, 5 Centimeter breite Säge von Silex vor, sowie eins jener runden, an einer Seite abgeplatteten, zweimal durchbohrten Stücke Terracotta mit einem grossen Stempel, in welchem man einen Schwan und eine Antilope sieht. Ein ähnliches Stück, in dessen Stempel man den Kopf eines Kriegers mit Helm sieht, kam in 8 Meter Tiefe vor, und sind dies die beiden ersten Stücke dieser Art, welche ich bisjetzt in mehr als 2 Meter Tiefe gefunden habe.

In 7 Meter Tiefe fand ich einen kleinen Dreifuss mit hervorstehendem Eulengesicht, ferner einen hübschen262werkzeuge, urnen, idole, vasen, terracotten. rothen Terracotta-Becher mit dem Eulenkopf der ili - schen Minerva und ihrem Helm; ein Messer und ein langes Werkzeug von Kupfer; einen Centimeter langen, mit sehr kunstvoll eingeschnittenen symbolischen Zeichen verzierten Knochen, und unter andern höchst sonderbaren Terracottas den Griff eines Bechers mit einem Kreuz und den Marken der vier Nägel zum An - schlagen desselben; weiter das Bruchstück des obern Theils einer grossen Urne, welche mit drei herumgehen - den Streifen verziert ist, der obere und untere Streif besteht aus sonderbar ineinanderverwebten krummen Linien; der mittlere enthält kleine Kreise, in deren je - dem man ein Kreuz sieht.

In 8 Meter Tiefe fand sich ein marmornes Idol mit dem Eulenkopf der ilischen Schutzgöttin, sowie ein glänzend rothes Terracotta-Idol derselben, welches merkwürdiger - weise eine kleine, sehr niedliche Vase mit zwei Griffen auf dem Kopf trägt; das Eulengesicht dieses letztern Idols hat gewaltige Augen und ist sehr ausdrucksvoll. Von Terracotta-Vasen und Schüsseln wurde in dieser Tiefe besonders viel gefunden, jedoch kann ich nur von wenigen derselben die Zeichnungen geben, da die meisten in zerbrochenem Zustande herauskommen und ich diese erst in Athen wieder zusammenleimen lassen kann. Unter den unversehrt herausgekommenen Terra - cottas verdient nur besondere Bemerkung eine kleine Vase mit zwei Löchern im Munde zum Aufhängen an einer Schnur; im Kreise herum sieht man auf derselben herzförmige Figuren mit Kreuzen; ferner tassenförmige Töpfe mit grossem Henkel; andere Töpfchen in Form von Salznäpfchen und mehrere unten abgerundete Vasen mit263gewicht, vasen, schleudern, beile, terracotten. drei Füssen oder ohne Füsse; Kellen von Terracotta in Form von Tassenköpfen mit grossen Henkeln; dann ein grosser, sehr sonderbar gestalteter, 730 Gramm wiegen - der Topfdeckel von Terracotta mit Henkel. In gleicher Tiefe fand ich auch das Bruchstück einer glänzend rothen Vase, welches den weiblichen Geschlechtstheil in Haut - relief darstellt; ferner mehrere Werkzeuge von Kupfer.

In 9 Meter Tiefe wurde eine kupferne Lanze und ein Dutzend sehr grosser brauner und schwarzer Vasen gefunden, welche letztere aber ebenfalls fast alle so zer - brochen sind, dass ich nur ein paar derselben abzubilden im Stande bin. In derselben Tiefe fand sich ein hübscher, glänzend brauner Becher in Form eines Blu - mentopfes mit zwei grossen Henkeln. In 8 und 9 Meter Tiefe fand ich seit dem 5. d. M. elf schöne Schleudern von Magneteisenstein, sowie zwei von Porphyr. Von steinernen Werkzeugen wurde sehr wenig gefunden, nur zwei schöne Beile von Diorit in 9 und 10 Meter Tiefe. In letzterer Tiefe fand ich wiederum eine jener mehrfach beschriebenen Bürsten von Terracotta, sowie einige Vasen mit drei Füssen und Röhren an den Seiten zum Aufhängen.

Von den kleinen Carrousels und Vulkanen aus Terracotta sammelte ich in diesen elf Tagen 991 Stück, wovon 581 mit symbolischen Zeichen, darunter aber nur 79 Stück mit noch nicht dagewesenen Bildern, deren Zeichnungen ich daher gebe. Lange, dünne, kupferne Nägel mit abgerundeten Köpfen, die als Tuch - oder Haarnadeln gebraucht sein müssen, fanden sich in allen Tiefen. Von ausgezeichnet polirten Beilen aus Diorit fand ich in diesen elf Tagen 20 Stück.

264statue des metrodorus im minervatempel.

In 1 Meter Tiefe wurde gestern im Minervatempel neben ihrem 1 Meter 14 Centimeter langen und 53 Centimeter breiten, mit Inschrift versehenen Piedestal von schwar - zem Schiefer eine 1 Meter 20 Centimeter hohe männliche Statue von feinem weissen Marmor gefunden, welche, wie aus der Inschrift hervorgeht, von Pytheas aus Argos ge - macht und von den Iliern dem Metrodoros, dem Sohn des Themistagoras, zu Ehren errichtet ist und diesen darstellt. Der Geehrte hatte, wie es auch die Fussmarken des Piedestals beweisen, die Stellung eines Redners. Der Kopf und die Füsse fehlen leider.

Die Inschrift lautet wie folgt:

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und unten, auf derselben Seite des Piedestals, liest man:

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δῆμος Ἰλιείων
Μητρόδωρον ϑεμισταγόρου
ΙΙυϑέας Ἀργεῖος ἐποίησε

Es gab im Alterthum viele Männer mit Namen Metrodoros, aber nur zwei derselben waren besonders berühmt, und beide waren in Kleinasien gebürtig. Der eine, aus Lampsakos stammende, war Schüler des Epi - kuros (Strabo, XIII, 589), der andere, aus Skepsis ge - bürtige, war Philosoph, Redner und Staatsmann und stand in hohem Ansehen bei Mithridates VII., Eupator (Strabo, XIII, 609), der ihn später auf schauderhafte265der bildhauer pytheas; marmorplatte mit inschrift. Weise hinrichten liess (Plutarch, Leben des Lucullus). Der Name des Vaters dieses Metrodoros aus Skepsis ist nicht bekannt, und ob er Themistagoras oder anders geheissen hat, ist ungewiss; höchst wahrscheinlich aber ist der durch die Inschrift und die Bildsäule geehrte Metrodoros jener skepsische Redner, Philosoph und Staatsmann. Ueber den Bildhauer Pytheas aus Argos finde ich gar nichts. Nur ein Pytheas, ein Drechsler, wird ohne Angabe seiner Herkunft von Plinius, Hist. Nat. 33, 12 als ungefähr gleichzeitig mit Pompejus dem Grossen erwähnt; ein anderer Pytheas war Wand - maler und aus Achaia; es kann daher keiner von beiden der argivische Bildhauer sein, welcher die Statue anfer - tigte und seinen Namen auf deren Piedestal setzte. Es ist übrigens, wie mein gelehrter, hochgeehrter Freund Herr Professor Stephanos Kumanudes in Athen be - merkt, kein Wunder, dass der Name eines kleinen Bild - hauers vergessen wird, wenn die Namen so vieler grosser Könige verloren gehen.

Auf derselben Stelle des Minervatempels wurde auch das Bruchstück einer augenscheinlich sehr lang gewesenen Marmorplatte mit nachstehender Inschrift gefunden:

266inschrift.
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〈…〉〈…〉

Der in dieser Inschrift gepriesene Proconsul Caius Claudius Nero, der Sohn des Publius, verwaltete die Provinz Asien 674 bis 675 nach der Erbauung Roms, lebte daher zur Zeit des Redners Cicero und wird von267zeit der inschrift. diesem, in den Reden gegen Verres, I, 19, 50, erwähnt (Waddington, Fastes des provinces asiatiques de l’Empire Romain. Paris 1872, S. 43 44).

Die Poemanener (Ποιμανηνοί) sind die Bewohner der Festung Poemanenon südlich von Kyzikos (s. Pape - Benseler, Lexikon der Eigennamen).

Nach der Form und Dicke des Steines zu urtheilen, muss diese Inschrift sehr lang gewesen sein und über 70 Zeilen enthalten haben. Aber selbst das vorliegende Bruchstück derselben ist von geschichtlichem Werth, und von um so grösserm Interesse, als wir ganz bestimmt wissen, dass sie aus dem Jahre 80 v. Chr. stammt.

268ausgrabung im tumulus der batieia.

XXII.

Seit meinem Berichte vom 16. v. M. habe ich viele Unterbrechungen gehabt, denn die griechischen Ostern dauerten sechs Tage, auch nahm mir der Feiertag des heiligen Georg und die Nachfeier desselben mehrere Tage weg, sodass ich in dieser ganzen Zeit nur vierzehn eigentliche Arbeitstage hatte, an welchen ich aber mit durchschnittlich 150 Mann mit grosser Energie gearbei - tet habe.

Bei dem anhaltend schönen Wetter schlafen meine Arbeiter schon seit Anfang April nicht mehr, wie früher, in den umliegenden Dörfern, sondern unter freiem Himmel in den Ausgrabungen selbst, was mir sehr zu statten kommt, da ich sie jetzt immer gleich zur Hand habe. Ausserdem kommen mir jetzt die langen Tage sehr zu Hülfe und ich kann von Uhr morgens bis Uhr abends arbeiten lassen.

In dem nur eine halbe Stunde von der Pergamos ent - fernten, nach der Ilias (II, 811 815) von den Menschen das Grab der Batieia, von den Göttern das Grab der Myrine ge - nannten Tumulus liess ich von oben einen 3 Meter 30 Centimeter breiten, 5 Meter 60 Centimeter langen Schacht269tumulus der batieia; zeit seiner entstehung. graben und fand, dass die Humusschicht desselben kaum mehr als Centimeter dick ist und dass darauf stein - harte braune Erde folgt, die von Zeit zu Zeit mit kleinen Schichten Kalkerde abwechselt. In der braunen Erde fand ich eine Masse Bruchstücke von glänzend schwarzen, grünen und braunen Vasen derselben Art die ich hier in der Pergamos in 8 bis 10 Meter Tiefe finde, sowie viele Fragmente von πίϑοι; weiter entdeckte ich aber auch gar nichts und legte in Meter Tiefe den weissen Kalkfels bloss. Was mir am auffallendsten war, ist, dass ich nicht einmal Holzkohlen fand und viel weniger noch die Knochen des verbrannten Leichnams. Dass ich die Spuren des Scheiterhaufens, wenn solche wirk - lich vorhanden, sollte haben verfehlen können, ist bei der Grösse meines Einschnitts und dessen senkrechten Wän - den nicht denkbar.

Wenngleich nun der eigentliche Zweck dieser Aus - grabung verfehlt ist, so hat dieselbe doch das für die Wissenschaft wichtige Resultat gehabt, durch sämmt - liche darin gefundene Topfscherben mit einiger Gewiss - heit zu bestimmen, dass die Errichtung dieses Grabes aus jener Zeit datirt, wo die Oberfläche der Pergamos noch um 8 bis 10 Meter niedriger war als sie jetzt ist, und aus dieser Zeit stammt auch die bereits beschriebene, mit grossen Steinplatten gepflasterte Thurmstrasse, oberhalb welcher ich die Ausgrabungen mit grösstem Eifer be - trieben und heute beendigt habe. Dieselben haben zwei grosse Gebäude verschiedenen Alters ans Licht gefördert, wovon das neuere auf den Ruinen des ältern gebaut ist. Beide sind durch furchtbare Feuersbrünste zerstört, wovon die Wände deutliche Spuren tragen;270die ausgrabungen an der thurmstrasse. auch sind alle Räume beider Häuser mit schwarzer, rother und gelber Holzasche sowie mit verkohlten Trümmern gefüllt. Das neuere Haus ist errichtet worden, als die Ruinen des ältern Hauses vollkommen mit Asche und verbranntem Schutt bedeckt waren; man sieht dies daraus, dass die neuern Wände stets kreuz und quer über die ältern hinweggehen und nicht immer unmittelbar auf ihnen ruhen, sondern oft durch eine 2 und 3 Meter hohe calcinirte Trümmerschicht von ihnen getrennt sind. Sowol das untere als das obere Haus ist aus mit Erde verbundenen Steinen er - richtet, aber die Wände des untern sind viel dicker, auch solider gebaut als die des obern. Die Thurm - strasse konnte nur benutzt worden sein, als das ältere Haus noch bewohnt war, denn sie führt gerade in das - selbe hinein, und das neuere Gebäude wurde erst gebaut als die Strasse schon 3 Meter hoch mit den Trümmern des ältern bedeckt war.

Ich war fest überzeugt, dass diese herrliche, mit grossen Steinplatten gepflasterte Strasse von dem Haupt - gebäude der Pergamos ausgehen musste, und grub daher entschlossen weiter, um dies ans Licht zu bringen, bin jedoch zu meinem allergrössten Leidwesen gezwun - gen worden, zu diesem Zweck drei grosse Wände des neuern Hauses wegzubrechen. Meine Hoffnungen sind aber durch das Resultat weit übertroffen worden, denn ich fand nicht nur zwei grosse Thore, die 6 Meter 13 Centimeter voneinander abstehen, sondern auch die beiden grossen kupfernen Bolzen derselben, deren Ab - bildung ich gebe. Das erste Thor ist 3 Meter 76 Centi - meter breit und wird durch zwei Mauervorsprünge ge271ausgrabung an der thurmstrasse; das skaeische thor. bildet, wovon der eine 74, der andere 78 Centimeter hervorsteht; beide sind 1 Meter hoch und 1 Meter 14 Centimeter breit. An diesem ersten Thor hört die mit grossen Steinplatten gepflasterte Strasse auf und der Weg hat von dort bis zum zweiten Thor, welches 6 Me - ter 13 Centimeter weiter nordöstlich liegt, ein sehr un - ebenes Pflaster von grossen unbehauenen Steinen. Ver - muthlich ist das Pflaster durch die eingestürzten Mauern des ältern Hauses so ungleich geworden.

Das zweite Thor wird ebenfalls durch zwei Mauer - vorsprünge gebildet, die 60 Centimeter hoch, 96 Centi - meter breit sind und um 75 Centimeter hervorstehen.

Ich habe die Strasse bis 1 Meter 33 Centimeter nordöstlich vom zweiten Thore gereinigt, wage aber nicht es noch weiter zu thun, da dies nicht ohne fer - nere Abbrechung von Mauern des zweiten Hauses ge - schehen könnte, deren Erhaltung von höchstem Interesse für die Wissenschaft ist; denn wenn gleich dasselbe viel neuer sein muss als das untere, auf dessen Trümmern es ruht, so ist es doch, wie die darin gefundenen Terra - cottas und Idole mit Eulenköpfen sowie seine Tiefe von 6 bis 7 Meter unter der Oberfläche beweisen, Jahrhunderte vor der griechischen Niederlassung gebaut, deren Ueber - bleibsel nur eine Tiefe von 2 Meter erreichen, und ist jedenfalls älter als die homerischen Gesänge.

In meinem letzten Bericht sprach ich die gewisse Vermuthung aus, dass die im Südwesten schroff nach der Ebene ablaufende Thurmstrasse zum Skaeischen Thor führen müsse, welches nur höchstens 150 Meter entfernt sein könnte; ich wage aber jetzt die bestimmte Behaup -272grenze iliums nach der ebene zu. tung, dass das von mir ans Licht gebrachte grosse dop - pelte Thor nothwendigerweise das Skaeische Thor sein muss, denn in der in südwestlicher Richtung und in gerader Linie mit der Thurmstrasse von dem Fusse der Pergamos weit fortlaufenden Anhöhe, in welcher ich Iliums grosse Ringmauer und das Skaeische Thor vermuthet hatte, habe ich, nahe am Berge, einen 1 Meter 80 Centimeter breiten, 3 Meter 30 Centimeter langen Brunnen ge - graben. Ich fand in demselben ausschliesslich grie - chische Topfscherben, stiess schon in 2 Meter 35 Centi - meter Tiefe auf den Fels und überzeugte mich somit, dass das alte Troja sich nie so weit nach der Ebene zu erstreckt haben kann. Eine zweite, 3 Meter 50 Centi - meter lange, 2 Meter breite Ausgrabung, die ich um genau 135 Meter weiter in östlicher Richtung das Pla - teau hinauf machte, hatte ein ähnliches Resultat, denn ich stiess in 5 Meter Tiefe auf den Felsen und fand auch hier ausschliesslich hellenische Topfscherben, die ich in der Pergamos nur bis 2 Meter Tiefe antreffe, dagegen keine Spur von trojanischer Töpferwaare.

Dies beweist zur Genüge, dass sich die alte Stadt selbst bis zu diesem Punkte nie erstreckt haben kann und seine Baustelle sich noch weiter östlich an die Per - gamos angeschlossen haben muss. Ich bin jetzt damit beschäftigt, in dieser Richtung funfzehn weitere Brun - nen zu graben und hoffe, trotz der grossen Tiefe, bis zu welcher ich dieselben zu graben habe, dass es mir gelingen wird, die Topographie Trojas wenigstens eini - germassen festzustellen. Alle Brunnen lasse ich offen, damit sich jeder von der Wahrheit meiner Angaben überzeugen kann.

273das skaeische thor.

Inzwischen ist durch die beiden oben beschriebenen Brunnen bereits so viel für die Wissenschaft gewonnen, dass die von dem doppelten Thor und dem grossen Thurm schroff, unter einem Winkel von 65 Grad, in südwestlicher Richtung nach der Ebene ablaufende Strasse unmöglich zu einem zweiten Thor geführt haben kann, und dass daher das von mir blossgelegte doppelte Thor nothwendigerweise das Skaeische Thor gewesen sein muss; dasselbe ist ausgezeichnet erhalten, und fehlt kein Stein daran.

Also neben diesem doppelten Thor, auf Iliums grossem Thurm, am Rande des sehr schroffen westlichen Bergabhanges der Pergamos sassen Priamos, die sieben Stadtältesten, und Helene und hier fällt die herrlichste Scene der Ilias (III, 146 244) vor; von hier aus über - schaute die Gesellschaft die ganze Ebene und sah am Fusse der Pergamos die Heere der Trojaner und der Achäer nebeneinander, um den Vertrag abzuschliessen, den Krieg durch einen Zweikampf zwischen Paris und Menelaos entscheiden zu lassen.

Wenn Homer (Ilias, VI, 390 393) den Hektor von der Pergamos hinabsteigen und die Stadt durchstürmen lässt, um zum Skaeischen Thor zu gelangen, so kann dies einzig und allein daher kommen, dass letzteres, sowie die Strasse, die von demselben nach der Ebene hinunterführte, durch die Zerstörung Trojas mit 3 Meter hohen Schuttmassen bedeckt und nur durch die Tradition bekannt, die eigentliche Lage desselben aber unbe - kannt war.

Um den Leser nicht durch die ausführliche Be - schreibung des Skaeischen Thors zu ermüden, gebe ichSchliemann, Troja. 18274das haus des priamos. auf einer besonderen Tafel einen genaun Plan dessel - ben, aus welchem alle Details ersichtlich sind. Dies Thor, sowie das grosse uralte Gebäude, stehen auf je - nem bereits früher erwähnten, sich an die Nordseite des Thurmes anlehnenden Wall, der hier mehr als 24 Meter Dicke zu haben scheint und aus dem Schutt gemacht ist, den man bei der Erbauung des Thurmes vom Urbo - den abgehackt hat. Die Lage des Gebäudes unmit - telbar oberhalb des Thores auf einer künstlichen An - höhe, sowie die solide Bauart desselben lassen keinen Zweifel, dass es das vornehmste Gebäude Trojas, ja dass es das Haus des Priamos gewesen sein muss. Von dem blossgelegten Theile desselben lasse ich, so gut es gehen will, einen genauen Plan aufnehmen; ganz kann ich es jedoch nicht ans Licht bringen, denn dazu würde es nöthig sein, mein steinernes und mein hölzernes Haus abzubrechen, unter welche es sich hin erstreckt, und selbst wenn ich dies thäte, würde ich nicht im Stande sein, einen vollständigen Plan des Hauses aufzu - nehmen, solange ich nicht das auf demselben stehende Gebäude fortschaffe, wozu ich mich vorläufig nicht ent - schliessen kann.

Dass nun wirklich die Anhöhe, worauf das Haus des Priamos oberhalb des Skaeischen Thores steht, künstlich gemacht ist, davon kann sich jeder in meinem vorjährigen grossen Einschnitt überzeugen, welcher einen Theil dieser Anhöhe durchschneidet; man sieht in den Wänden dieses Einschnitts, vom Brunnen bis zum Thore, dass es reiner, aufgeschütteter, mit sel - tenen Topfscherben und Muscheln vermischter Urbo - den ist.

275fundgegenstände im hause des priamos.

Was nun die in diesen Häusern gefundenen Gegen - stände betrifft, so erwähne ich vor allem eine in 8 Meter Tiefe im Hause des Priamos von mir entdeckte, 62 Centimeter hohe, herrliche, glänzend braune Vase mit dem Bilde der Schutzgöttin Trojas, das heisst mit ihrem Eulenkopf, zwei Brüsten, einem durch Einschnitte dargestell - ten herrlichen Halsband, sehr breitem, prachtvoll gravir - tem Gürtel und andern sehr kunstvoll eingeschnittenen Verzierungen; Arme sind weder vorhanden noch angedeu - tet. Leider hatte diese wunderschöne Vase durch die Last der über ihr liegenden Steine gelitten, und obgleich ich selbst sie mit der grössten Sorgfalt mit einem Messer aus dem steinfesten Schutt unter den Steinen heraus - schnitt, so gelang dies doch nicht, ohne sie in Stücke zu zerbrechen. Ich habe aber alle Fragmente sorgsam gesammelt und nach Athen gesandt, um sie dort wieder zusammensetzen zu lassen, und sobald solches ge - schehen ist, werde ich ihre Abbildung in halber Grösse geben. Tafel 191.

Von sehr merkwürdigen, in demselben Hause ge - fundenen Vasen erwähne ich sonst noch eine 30 Centi - meter hohe Vase mit zwei Henkeln und einem herum - gehenden Streifen von Keileinschnitten, über welchem man auf beiden Seiten eine sehr hoch hervorstehende, brillenförmige Verzierung sieht, die durch einen einge - schnittenen Baum mit einer Art von Halsband in Ver - bindung steht. Diese Vase hat auf jeder Seite einen ge - waltigen, gerade emporstehenden Flügel. Ferner mache ich noch besonders aufmerksam auf die in demselben Hause gefundene höchst merkwürdige Vase No. 3273 auf Tafel 168 auf welcher man wirkliche Schriftzüge im Kreise herum18*276fundgegenstände im hause des priamos. sieht; ein Stück der Vase und mit demselben ein Theil der Inschrift fehlt; um aber dem Leser alles, was davon übriggeblieben ist, genau vorlegen zu können, was auf dem Bilde unmöglich ist, gebe ich die Inschrift auch noch separat, und sollte es mich ungemein freuen, wenn jemand im Stande wäre, diese trojanische Schrift zu ent - ziffern und somit einiges Licht zu werfen auf das grosse Volk, von dem sie stammt, und die Epoche, welcher sie angehört. Ich mache ferner besonders aufmerksam auf Vase No. 3092, Tafel 161, auf der man auch auf den ersten Blick eine Reihe von Schriftzügen zu sehen glaubt; bei näherer Betrachtung aber scheint es doch keine Schrift, sondern nur symbolische Zeichen zu sein, da fast aus jeder Figur das Kreuz hervorleuchtet.

Weiter fand ich in demselben Hause drei glänzend rothe Vasen mit zwei Henkeln, einer hervorstehenden brillenförmigen Verzierung auf jeder Seite und zwei neben dem Halse emporstehenden, mächtigen Flügeln; ein halbes Dutzend Vasen verschiedener Grösse mit un - gewöhnlich langen Röhren an den Seiten und mit Löchern im Munde zum Aufhängen mit einer Schnur; eine sehr grosse glänzend schwarze Vase mit zwei Hen - keln und zwei Verzierungen in Form von grossen Ohren; auch eine kleinere Vase mit grossen durchbohrten Ohren für die Schnur zum Aufhängen; eine Vase mit drei Füssen, Röhren zum Aufhängen und herrlichen eingeschnittenen Verzierungen, nämlich zwei herumlaufenden Streifen mit Zickzacklinie und fünf am Halse herumgehenden Linien. Ferner fand sich eine unten abgerundete, mit durchbohrten Griffen versehene und ganz mit Punkten bedeckte Vase; auch zwei grosse Becher mit hübschen Eulenköpfen,277fundgegenstände im hause des priamos. wovon der eine besonders grosse Augen hat; weiter das vordere Bruchstück eines Gefässes mit einem Schafskopf; eine merkwürdige kleine, aber sehr breite Vase mit drei Füssen und langen Röhren zum Aufhän - gen an Schnüren, sowie eine sonderbare Terracotta - Lampe mit durchbohrtem Griff in Form eines Halb - mondes und zwei andern hervorstehenden, mit Röhren zum Aufhängen versehenen Griffen; eine rothe Kanne mit einem Henkel, ganz hintenüber gebogenem Halse, schnabelartigem Munde und zwei Augen; eine kleine mit Punkten bedeckte und mit zwei Henkeln und zwei ungeheuern aufrecht stehenden Ohren versehene Vase; eine Kanne mit zwei Frauenbrüsten; eine Vase mit dem Eulengesicht der ilischen Minerva, zwei Frauenbrüsten, grossem Pudendum und zwei aufrecht stehenden Armen, sowie der obere Theil einer andern Vase, auf welchem man unter dem Schnabel der trojanischen Schutzgöttin einen Mund sieht; auch eine grosse Vase mit zwei kleinen Frauenbrüsten und grossem Scham - theil; der obere Theil dieser Vase mit dem Eulenkopf ist aber abgebrochen und fehlt; eine Vase mit grossem, hohlem Fuss, sehr langen Röhren an den Sei - ten zum Aufhängen und zwei hervorstehenden brillen - förmigen Verzierungen. Unter den im Hause des Pria - mos gefundenen kleinern Terracottas hebe ich ganz besonders hervor ein nur 7 Centimeter langes Gefäss in Menschengestalt mit dem Eulenkopf der ilischen Mi - nerva und ungewöhnlich grossen Augen; zwei Striche an den Schläfen scheinen den Helm, drei horizontale Linien am Halse die Rüstung anzugeben; der Leib ist bedeckt mit einem 4 Centimeter langen, gewölbten Schilde,278fundgegenstände im hause des priamos. auf dem man zehn Reihen von Punkten sieht, welche wahrscheinlich die Köpfe der kleinen Nägel bezeichnen sollen, womit die πτύχες oder Schichten, deren im Schilde des Aias z. B. sieben aus Rindshaut und eine aus Kupfer war (Ilias, VII, 245 247) zusammengenietet waren. Die trojanische Schutzgöttin hält auf jeder Seite einen grossen Schlauch in Form einer Flasche, der mit horizontalen Linien verziert ist; das auf der Rückseite in einen langen Zopf vereinigte, beinahe bis an die Fersen herunterhängende Haupthaar der Göttin ist sehr hervortretend, mit Meisterschaft gemacht und erinnert ungemein an die diesem vollkommen ähnlichen Zöpfe der Karyatiden im Erechtheion der Akropolis von Athen. Nicht nur das Idol selbst, sondern auch die Schläuche, die es trägt, sind hohl, und müssen letztere durchaus eine symbolische Bedeutung haben. Ich fand ferner im Hause des Priamos vier marmorne und drei knöcherne Idole mit dem Eulenkopf der Schutzgöttin Trojas; von den letztern ist eins mit weisser Farbe be - malt. Auch zehn Idole von Marmor ohne Eulenkopf fand ich dort; ferner das Bruchstück eines Schwertes, sowie das einer Lanze, ein Messer und einige Werkzeuge von Kupfer, auch ein Dutzend langer dünner kupferner Nägel, die als Haar - oder Tuchnadeln gebraucht sein müssen; ausserdem ein Packet von fünf in der Feuers - brunst zusammengeschmolzenen kupfernen Tuchnadeln, von denen die eine zwei Köpfe, den einen über dem andern, hat, der untere Kopf ist ganz kugelrund. Auch einen durchbohrten, nur Centimeter langen Cylinder von blauem Feldspat fand ich dort, der auf Tafel 162, No. 3131 abgebildet und mit höchst merkwürdigen ein -279fundgegenstände im hause des priamos. gravirten symbolischen Zeichen ringsum verziert ist, Ferner entdeckte ich ebendaselbst den auf Tafel 158. No. 3064 abgebildeten marmornen Priapos; den höchst sonderbaren elfenbeinernen Gegenstand No. 3258 auf Tafel 166, welcher ein musikalisches Instrument sein muss; sechs Schleudern von Magneteisenstein, sowie die Pfeilspitze, Tafel 166, No. 3244; auch 210 Stück kleine, mit arischen religiösen Symbolen geschmückte Vulkane und Carrousele von Terracotta, unter de - nen ich 60 bisjetzt noch nicht vorgekommene Bilder sehe, die ich auf den Tafeln 162, 163, 165 und 166 dar - stelle; drei Terracotta-Kugeln mit symbolischen Zeichen, und ist darunter besonders merkwürdig die auf Tafel 164, No. 3193 dargestellte Kugel mit zehn roh eingravirten Eulengesichtern. Diese sind in der That so grob ge - zeichnet, dass ich gar nicht einmal Eulengesichter darin erkennen würde, wenn ich nicht eben so plump gemachte Darstellungen des Eulenkopfes dann und wann auf den Idolen fände. Ich fand dort auch sechs schön polirte Beile von Diorit, in der Art wie No. 3192 auf Tafel 162, sowie eins jener runden, auf beiden Seiten gewölbten, auf einer Seite am Rande abgeplatteten und zweimal durchbohrten Stücke Terracotta, dessen ganze platte Stelle von einem Stempel ausgefüllt ist, in welchem man einen Adler und einen Hirsch oder eine Antilope sieht; fer - ner vier jener vielbesprochenen und abgebildeten grossen rothen, unten abgerundeten Becher mit zwei gewaltigen Henkeln, die nur auf den Mund gestellt werden können. Diese vier Becher sind leider alle zerbrochen, und ich kann sie erst in Athen wieder zusammenleimen lassen. Ich wage jetzt entschieden die Behauptung,280bedeutung von ΔΕΠΑΣ ΑΜΦΙΚϒΠΕΛΛΟΝ. dass diese Becher, welche, wie aus meinen frühern Aufsätzen und Abbildungen bekannt, 13 bis 40 Cen - timeter Höhe haben, nothwendigerweise die home - rischen δέπα ἀμφικύπελλα sein müssen, und dass die bisherige Erklärung dieser Worte durch Doppel - becher mit einem gemeinschaftlichen Boden in der Mitte durchaus irrthümlich ist. Es scheint wirk - lich, dass diese falsche Uebersetzung einzig und allein von Aristoteles herrührt, denn wie aus seiner Hist. anim. , 9, 40 hervorgeht, gab es zu seiner Zeit solche Doppelbecher mit einem gemeinschaftlichen Bo - den in der Mitte, und soll in der That vor einer Reihe von Jahren ein solcher in Attika entdeckt und an das Museum in Kopenhagen verkauft worden sein. Aber im homerischen Troja gab es keine solche Becher, denn sonst würde ich sie gefunden haben. Wie bereits früher bemerkt, fand ich auf dem Urboden, in 14 bis 15½ Meter Tiefe, mehrere Mittelstücke von glänzend schwarzen Bechern, die ich damals für Bruchstücke von Doppelbechern hielt, weil sie auf beiden Seiten des Bodens eine Wölbung zeigten, aber die eine Wölbung war immer zu geringfügig im Vergleich zur andern und muss daher die des Becherfusses gewesen sein. Wenn δέπας ἀμφικύπελλον Doppelbecher bedeutete, dann müsste ἀμφιφορεύς Doppelurne heissen, was weder Ilias, XIII, 92, Odyssee, XXIV, 74, noch sonstwo im Homer möglich ist; auch ist noch nie jemand auf den Gedanken gekommen, es anders zu übersetzen, als Urne mit zwei Henkeln . Somit kann auch δέπας ἀμφικύπελλον nicht anders übersetzt werden, als Becher mit zwei Henkeln. Da ein wirklicher Doppelbecher doch nur von einer Seite281funde in d. neuern hause oberh. d. skaeischen thores. zur Zeit gefüllt sein kann, so würde es Homer keinenfalls fortwährend hervorgehoben haben, dass der gefüllt hin - gereichte Becher ein Doppelbecher war, denn es würde kein Sinn in dem Worte sein. Er wollte aber mit ἀμφι - κυπελλον hervorheben, dass der mit einem Henkel hinge - reichte, gefüllte Becher mit dem andern Henkel entge - gengenommen wurde, und liegt auf diese Weise erklärt viel Sinn in dem Worte.

Ich fand ferner im Hause des Priamos zwei grosse Bruchstücke einer grossen, durch eingravirte Verzierun - gen aufs herrlichste geschmückten, glänzend gelben Urne; dieselbe hat unter anderm mehrere herumlaufende Reihen von Kreisen, in deren jedem man ein dreifaches Kreuz sieht; die Eleganz des Gefässes wird noch erhöht durch die auch auf den breiten Henkeln befindlichen Kreise mit dreifachen Kreuzen. Es versteht sich von selbst, dass ich sowol von diesen Bruchstücken, als auch von jedem andern Gegenstande, der nur irgendwie In - teresse für die Wissenschaft haben könnte, eine genaue Zeichnung gebe.

Noch fand ich in dem Königshause einen 11½ Cen - timeter langen, von einem Gefäss abgebrochenen Griff in Gestalt einer Schlange.

In dem obern, neuern Hause oberhalb des Skaeischen Thors fand ich die unten spitz zulaufende, mit zwei Henkeln und brillenförmiger Verzierung ver - sehene Vase No. 3087 auf Tafel 161, den hübschen Eulenkopf No. 3082 und die herrliche, mit vier Henkeln und Deckel versehene Vase No. 3084, die Eulenkopfvase No. 3269, Tafel 167, die grosse Kanne No. 3088, die einen grossen und zwei kleine Henkel hat, und viele282ausgrab. zur entdeck. der festungswerke d. pergamos. andere Vasen und Kannen, deren Beschreibung ich un - terlasse, da sie schon oft vorgekommen sind. Von Idolen mit Eulengesicht fand ich dort nur das auf Tafel 166, No. 2355 abgebildete. Es fanden sich dort auch viele Bruchstücke jener grossen rothen Becher mit zwei Henkeln, in denen ich jetzt das homerische δέπας ἀμφικύπελλον erkenne.

Auf der grossen Plateforme an der Nordseite, wo ich in letzterer Zeit nur arbeiten liess, wenn ich über - flüssige Arbeiter hatte, lasse ich jetzt, da die Arbeit oberhalb des Skaeischen Thors vollendet ist, wiederum stark arbeiten; es kommen dort jetzt in 10 bis 6 Meter Tiefe mehrere Häuser, auch in den untern Schuttschichten, wie es scheint, eine grosse Festungsmauer zum Vorschein.

Da es höchst wichtig ist, auch zu wissen, was für Festungswerke die Pergamos zur Zeit des trojanischen Krieges an der West - und Nordwestseite hatte, und ich vom Skaeischen Thor zwar noch eine 3 Meter 40 Centi - meter dicke Mauer in westnordwestlicher Richtung fortgehen sehe, aber in der Unmöglichkeit bin, ihr von dieser Seite zu folgen, so habe ich schon vor acht Tagen an der Nordwestseite der Burg, an der Stelle, wo ich im April 1870 den ersten Einschnitt machte und die darum auch von meinen Leuten μάμμη τῶν ἀνασκαφῶν (die Grossmutter der Ausgrabungen) genannt wird, einen 10 Meter breiten, 43 Meter langen Graben angelegt, und da ich gleichzeitig den Schutt auf einer am Bergab - hange in 10½ Meter Tiefe angelegten kleinen Plate - forme und auf drei Galerien fortschaffe, der Abstand nicht gross ist, die Schiebkarren auf ebener Fläche gehen, ausserdem der Schutt hier sehr leicht ist und nur vom Abhange des Berges geworfen zu werden braucht, so283gegenstände von terracotta aus griechischer zeit. geht die Arbeit sehr schnell vorwärts. Auf der untern Plateforme stiess ich auf die aus grossen behauenen und ohne Verbindungsmittel zusammengelegten Kalksteinen erbaute Ringmauer des Lysimachos, die 4 Meter hoch, 3 Meter dick ist und mit deren Durchbrechung ich ge - rade fertig bin. Unmittelbar hinter derselben stosse ich auf eine ältere, aus grossen behauenen Steinen mit Erde zusammengesetzte Mauer von 2 Meter 70 Centi - meter Höhe und 1 Meter 80 Centimeter Dicke, die ich natürlich auch durchbreche. Sofort nach dieser zweiten Mauer folgt jene Mauer von grossen behauenen Steinen, die ich hier vor drei Jahren blosslegte und bisher für eine Bastion hielt; es ist aber wahrscheinlich, dass es sich als etwas anderes herausstellt, und ich werde in meinem Nächsten ausführlich darüber berichten. Augen - scheinlich ist diese Stelle der Pergamos im hohen Al - terthum viel niedriger gewesen, dies scheint nicht nur die Ringmauer, die nothwendigerweise einst bedeu - tend über die Oberfläche des Berges hervorgeragt hat, während sie jetzt mit 5 Meter Schutt bedeckt ist, son - dern auch die hier sehr tief gehenden Ueberbleibsel aus hellenischer Zeit zu beweisen. Es scheint in der That, dass man den Kehricht und Abfall von Wirth - schaften Jahrhundertelang hierher geworfen hat, um diese Stelle zu erhöhen. So ist es auch erklärlich, dass ich hier eine Masse kleiner interessanter Gegenstände aus griechischer Zeit finde, unter andern 24 Köpfe von Terracotta-Figuren, worunter 17 von grosser Schönheit, die ich in Abbildung gebe; auch sehr viele andere Bruchstücke solcher Statuetten, die von grosser Meisterschaft zeugen. Ich gebe ferner das Bild einer284reinigung der thurmfläche; keine zweite etage. Terracotta-Platte von 14 Centimeter Länge, auf welcher eine Frau dargestellt ist, sowie die Zeichnungen von acht kleinen, nur 5 Centimeter langen Terracotta-Platten, auf denen ich sehr sonderbare und mir ganz unbekannte Gegenstände in Hautrelief sehe. Ich bilde auch die hier gefundenen Bruchstücke einiger Gefässe von wunder - barer Arbeit, sowie zwei herrlich verzierte Lampen ab; weiter eine 7 Centimeter lange und breite bleierne Platte mit einem Schweinskopf in Basrelief, und ver - muthe, dass dies eine Münze gewesen sein mag. Auch ein 72 Centimeter langes Gefäss höchst phantastischer Form mit langem, ganz dünnem Fuss, langem dünnem Hals und zwei ungeheuern Henkeln wurde hier gefun - den, welches ich in ⅙-Grösse abbilde.

Auf der grossen Plateforme, in 4 Meter Tiefe, wurde der höchst merkwürdige Becher No. 3063 auf Tafel 158 gefunden, der einen Henkel und im hohlen Fuss vier einander gegenüberstehende ovale Löcher hat. Füsse von dieser Art Becher fand ich im vorigen Jahre mehrfach in 14 bis 15½ Meter Tiefe, aber bis - jetzt noch nie einen ganzen Pokal dieser Gestalt.

Da ich die Thurmfläche nicht mehr zur Fortschaffung des Schuttes nöthig habe, so habe ich sie jetzt ganz reinigen lassen und finde in der Mitte derselben eine 13 Meter 80 Centimeter lange, bis Meter breite und 90 Centimeter tiefe Senkung, die für die Bogen - schützen gebraucht sein mag. Es stellt sich jetzt heraus, dass das was ich im vorigen Jahre als Trümmer einer zweiten Etage des grossen Thurmes angesehen hatte, nur Bänke von mit Erde vereinigten Steinen sind, deren man drei in Stufenform hintereinander sieht. 285besuch in bunarbaschi und gergis. Ich erkenne hieraus, sowie aus den Mauern des Thurmes und jenen des Skaeischen Thores, dass der Thurm nie höher gewesen sein kann, als er jetzt ist.

Die Ausgrabungen auf der Nordseite von Herrn Frank Calvert’s Felde zur Auffindung von fernern Sculpturen habe ich schon vor längerer Zeit eingestellt, da ich mich nicht mehr mit ihm einigen kann.

Ich habe jetzt nur noch zwei Aufseher, denn den Georgios Photidas habe ich dringender Gründe wegen vor drei Wochen entlassen müssen.

Schliesslich bemerke ich noch, dass ich während des griechischen Osterfestes, in Gesellschaft meines geehrten Freundes, des Gerichtsrathes Schells aus Regensburg,[und] meiner Frau, Bunarbaschi und dessen Höhen besucht, dort in deren Gegenwart kleine Ausgrabungen ange - stellt und bewiesen habe, dass im Dorfe selbst die Schuttaufhäufung nur in den Höfen der Gebäude hier und da ½ Meter beträgt, dagegen auf und neben der Strasse ganz reiner Urboden ist; ferner dass auf der kleinen Baustelle von Gergis, am Ende der Höhen, die früher mit derjenigen Trojas für identisch angesehen wurde, überall der nackte Fels herausguckt und in der Schuttaufhäufung, die in der Stadt selbst nirgends ½ Meter und nur hier und da in der Akropolis etwas mehr beträgt, nur Topfscherben aus hellenischer Zeit, nämlich aus dem 3. und 5. Jahrhundert v. Chr. zu finden sind.

Noch habe ich hinzuzufügen, dass ich jetzt meine früher ausgesprochene Meinung, als sei Ilium bis zum 9. Jahrhundert n. Chr. bewohnt gewesen, durch - aus widerrufen und entschieden behaupten muss, dass seine Baustelle schon seit dem Ende des 4. Jahr -286in ilium keinerlei byzant. denkmäler. hunderts ganz verlassen und unbewohnt geblieben ist. Ich hatte mich irreführen lassen durch die Anga - ben meines geehrten Freundes, des Herrn Frank Calvert in den Dardanellen, welcher behauptete, es lägen Ur - kunden vor, dass der Ort bis ins 13. oder 14. Jahrhundert n. Chr. bewohnt gewesen sei. Solche Urkunden, falls sie wirklich existiren sollten, müssen sich nothwendigerweise auf Alexandria Troas, welches immer nur, und so auch im Neuen Testament, schlecht - hin Troas genannt wird, beziehen, denn dort findet man sogar an der Oberfläche riesige Massen byzantinischer Alterthümer, welche zu beweisen scheinen, dass die Stadt bis ins 14. Jahrhundert oder noch länger be - wohnt war. Hier in Ilium dagegen fehlt jegliche Spur byzantinischer Architektur, byzantinischer Sculptur oder byzantinischer Töpferwaare, und byzantinischer Mün - zen. Ich fand im ganzen nur zwei kupferne Medaillen von byzantinischen Klöstern, die von Schäfern verloren sein mögen. Münzen von Constantin dem Grossen und Constans II. kommen zu Hunderten vor, dagegen fehlen die Medaillen der spätern Kaiser gänzlich.

Als ich bisher nur in der Pergamos grabend keine Spur aus byzantinischer Zeit fand, glaubte ich, bloss die Burg sei in byzantinischer Zeit unbewohnt, das Stadtgebiet aber be - wohnt gewesen. Jedoch meine funfzehn Brunnen, die ich an den verschiedensten Stellen der Baustelle Iliums grabe, sowie die beiden bereits bis auf den Urboden gegrabe - nen Brunnen beweisen, wie sich ja jeder überzeugen kann, dass an und unter der Oberfläche keine Spur aus byzantinischer Zeit ist, ja dass, eine ganz dünne Humus - schicht abgerechnet, die übrigens nur an wenigen287unmöglichkeit der existenz eines byzant. ortes. Stellen besteht, die Trümmer aus griechischer Zeit bis an die Oberfläche reichen, und dass ich in mehrern Brunnen unmittelbar an der Oberfläche schon auf die Mauern der griechischen Häuser stosse.

Es ist unmöglich, dass eine byzantinische Stadt oder ein byzantinisches Dorf, ja auch nur ein einziges byzantinisches Haus auf diesem, die Ruinen einer ur - alten Stadt bergenden steinharten Boden gestanden haben kann, ohne die deutlichsten Spuren seiner Existenz zurückzulassen, denn hier wo es neun und zehn Monate im Jahre nur bei den seltenen Gewittern regnet, verwittern und vergehen die Erzeugnisse menschlichen Kunstfleisses nicht wie in Ländern, wo es häufig regnet; ja, die Bruchstücke von Sculpturen und Inschriften, die ich hier in der Pergamos und auf dem übrigen Stadtgebiete an der Oberfläche finde und die wenigstens 1500 Jahre lang unter freiem Himmel gelegen haben, sind noch fast ebenso frisch, als wenn sie gestern gemacht wären.

Als ich, mich auf die Angaben des Herrn Frank Calvert verlassend, dachte, dass Ilium noch lange unter byzantinischer Herrschaft bewohnt gewesen sei, da schrieb ich auch der byzantinischen Architektur jene aus korinthischen Säulen und Cement errichtete, 3 Me - ter dicke Mauer zu, deren Durchbrechung an der Süd - ostecke der Pergamos mir sehr viel Mühe gekostet hat. Jetzt aber muss ich glauben, dass der Minervatempel, von dem diese Säulen stammen, durch den frommen Eifer der ersten Christen schon unter Constantin dem Grossen oder spätestens unter Constantin II. zerstört und gleich - zeitig aus seinen Trümmern diese Mauer errichtet ist.

288fortsetzung der ausgrabung an der nordwestseite.

XXIII.

Seit meinem Bericht vom 10. v. M. bin ich beson - ders bemüht gewesen, die grosse Ausgrabung an der Nordwestseite des Berges zu beschleunigen, und habe zu diesem Zweck auch von der Westseite einen tiefen Einschnitt angelegt, in welchem ich leider in schräger Richtung auf die 4 Meter hohe, 3 Meter dicke Ring - mauer des Lysimachos stiess. Ich war somit gezwungen, von dieser eine doppelte Masse Steine herauszubrechen, um mir Eingang zu verschaffen, stiess aber darauf auf die Trümmer riesiger Bauten aus hellenischer und vor - hellenischer Zeit, sodass diese Ausgrabung nur lang - sam fortschreiten konnte. In einer Entfernung von 21 Meter vom Bergabhange stiess ich hier, in 6 Meter Tiefe, auf eine 1 Meter 50 Centimeter hohe, mit hervor - stehender Zinne gebaute alte Ringmauer, die nicht mit der vom Skaeischen Thor in westnordwestlicher Rich - tung fortlaufenden Mauer in Verbindung steht, auch wegen ihrer ganz verschiedenen Bauart und geringen Höhe aus nachtrojanischer Zeit stammen muss; jedenfalls aber ist sie viel älter als die griechische Colonie, weil sie aus Steinen und Erde gebaut ist und ich neben ihr mehrere marmorne Idole der ilischen Schutzgöttin fand. 289entdeckung des schatzes. Ich bin leider gezwungen worden, ein Meter langes Stück dieser Ringmauer wegzubrechen, um weiter ar - beiten zu können, habe aber noch ein Meter langes Stück vom aufgegrabenen Theil derselben stehen lassen, so dass man diese Mauer untersuchen kann. Hinter der - selben fand ich eine theils mit grossen Steinplatten, theils mit mehr oder weniger behauenen Steinen ge - pflasterte Fläche und darauf eine 6 Meter hohe, 1 Meter 80 Centimeter dicke Festungsmauer aus grossen Steinen und Erde, die unterhalb meines hölzernen Hauses, aber 2 Meter oberhalb der vom Skaeischen Thor weiter - gehenden trojanischen Ringmauer hinweggeht.

In der mit diesem Einschnitt in Verbindung stehen - den neuen, grossen Excavation an der Nordwestseite habe ich mich überzeugt, dass die im April 1870 von mir blossgelegte herrliche Mauer von grossen behauenen Steinen zu einem Thurm gehört, dessen unterer hervor - tretender Theil aus der ersten Zeit der griechischen Colonie stammen muss, während der obere Theil desselben aus der Zeit des Lysimachos zu sein scheint. Zu diesem Thurm ge - hört sowol die bereits in meinem letzten Berichte erwähnte, unmittelbar auf die Ringmauer des Lysimachos folgende, 2 Meter 70 Centimeter hohe, 1 Meter 80 Centimeter breite Mauer, als auch die 15 Meter davon entfernte Mauer von gleichen Dimensionen, die ich ebenfalls durchbrochen habe. Hinter der letztern legte ich in 8 bis 9 Meter Tiefe die vom Skaeischen Thor weiter gehende troja - nische Ringmauer bloss und stiess beim Weitergraben auf dieser Mauer und unmittelbar neben dem Hause des Priamos auf einen grossen kupfernen Gegenstand höchst merkwürdiger Form, der um so mehr meine Aufmerksam -Schliemann, Troja. 19290entdeckung des schatzes. keit auf sich zog, als ich hinter demselben Gold zu be - merken glaubte. Auf dem kupfernen Gegenstand ruhte eine bis Meter dicke steinfeste Schicht von rother Asche und calcinirten Trümmern, auf welcher die vorerwähnte 1 Meter 80 Centimeter dicke, 6 Meter hohe Festungsmauer lastete, die aus grossen Steinen und Erde bestand und aus der ersten Zeit nach der Zerstörung Trojas stammen muss. Um den Schatz der Habsucht meiner Arbeiter zu entziehen und ihn für die Wissenschaft zu retten, war die allergrösste Eile nöthig, und, obgleich es noch nicht Frühstückszeit war, so liess ich doch sogleich païdos (ein ins Türkische überge - gangenes Wort ungewisser Abkunft, welches hier an - statt ἀνάπαυσις oder Ruhezeit gebraucht wird) ausrufen, und während meine Arbeiter assen und ausruhten, schnitt ich den Schatz mit einem grossen Messer heraus was nicht ohne die allergrösste Kraftanstrengung und die furchtbarste Lebensgefahr möglich war, denn die grosse Festungsmauer, welche ich zu untergraben hatte, drohte jeden Augenblick auf mich einzustürzen. Aber der Anblick so vieler Gegenstände, von denen jeder einzelne einen unermesslichen Werth für die Wissenschaft hat, machte mich tollkühn und ich dachte an keine Gefahr. Die Fortschaffung des Schatzes wäre mir aber unmög - lich geworden ohne die Hülfe meiner lieben Frau, die immer bereit stand, die von mir herausgeschnittenen Gegenstände in ihren Shawl zu packen und fortzu - tragen. Der zuerst gefundene Gegenstand war ein grosses kupfernes Schild, ἀσπὶς ὀμφαλοειδής, in Form eines ovalen Präsentirtellers, in dessen Mitte sich ein von einer Rinne (αὔλαξ) umgebener Nabel befin -291der schatz des priamos. det; dieses Schild hat 50½ Centimeter Länge, ist ganz flach und von einem 4 Centimeter hohen Rande umgeben; der Nabel (ὀμφαλός) ist 6 Centimeter hoch und hat 11 Centimeter im Durchmesser; die um densel - ben befindliche Rinne hat 18 Centimeter im Durch - messer und ist 1 Centimeter tief. Der zweite Ge - genstand, den ich herauszog, war ein kupferner Kessel mit zwei horizontalen Henkeln, welcher uns je - denfalls das Bild des homerischen λέβης gibt; derselbe hat 42 Centimeter im Durchmesser und 14 Centimeter Höhe; der Boden ist flach und hat 20 Centimeter im Durchmesser. Der dritte Gegenstand war eine 1 Cen - timeter dicke, 16 Centimeter breite, 44 Centimeter lange kupferne Platte, welche einen 2 Millimeter hohen Rand hat; an einem Ende derselben sieht man zwei un - bewegliche Räder mit Achse. Diese Platte ist an zwei Stellen stark gebogen; jedoch glaube ich, dass diese Biegungen durch die Glut geschehen sind, welcher der Gegenstand in der Feuersbrunst ausgesetzt gewesen ist; auf demselben ist eine silberne Vase von 12 Centimeter Höhe und Breite festgeschmiedet, jedoch vermuthe ich, dass dies ebenfalls nur durch Zufall in der Feuersbrunst geschehen ist. Der vierte hervorgekommene Gegenstand war eine kupferne Vase von 14 Centimeter Höhe und 11 Centimeter im Durchmesser. Darauf folgte eine 15 Centimeter hohe, 14 Centimeter im Durchmesser haltende und 403 Gramm wiegende kugelrunde Flasche von reinstem Golde mit einer angefangenen, aber nicht voll - endeten Zickzackverzierung am Halse; ein 9 Centimeter hoher, Centimeter breiter, 226 Gramm schwerer Becher ebenfalls von reinstem Golde, sowie ein 9 Centi -19*292der schatz des priamos. meter hoher, 18¾ Centimeter langer, 18¼ Centimeter breiter, genau 600 Gramm wiegender Becher von reinstem Golde in Form eines Schiffes mit zwei grossen Henkeln; auf der einen Seite ist ein 7 Centimeter, auf der andern ein 3 Centimeter breiter Mund zum Trinken, und mag, wie mein geehrter Freund, der Professor Stephanos Kumanudes aus Athen bemerkt, derjenige, welcher den gefüllten Becher hinreichte, aus dem klei - nen Munde vorgetrunken haben, um als Ehrenbezeugung den Gast aus dem grossen Munde trinken zu lassen. Dies Gefäss hat einen nur um 2 Millimeter hervorstehen - den, Centimeter langen, 2 Centimeter breiten Fuss und ist auf jeden Fall das homerische δέπας ἀμφικύπελλον. Ich bleibe aber fest bei meiner Behaup - tung, dass auch alle jene hohen, glänzend rothen Becher in Form von Champagnergläsern mit zwei gewaltigen Henkeln δέπα ἀμφικύπελλα sind, und es wird auch diese Form von Gold dagewesen sein. Noch muss ich die für die Geschichte der Kunst sehr wichtige Bemerkung machen, dass vorgesagtes goldenes δέπας ἀμφικύπελλον gegossen ist und die grossen, nicht massiven Henkel darangeschmiedet sind. Dagegen ist der vorerwähnte einfache goldene Becher, sowie die goldene Flasche mit dem Hammer getrieben. Der Schatz enthält ferner einen kleinen, 70 Gramm wiegenden, 8 Centimeter hohen, Centimeter breiten Becher aus mit 20 % Silber versetztem Golde, dessen Fuss nur 2 Centimeter hoch und Centimeter breit, ausserdem nicht ganz gerade ist, sodass der Becher nur zum Hinstellen auf den Mund bestimmt zu sein scheint.

Ich fand dort ferner sechs mit dem Hammer getrie -293der schatz des priamos. bene Stücke allerreinsten Silbers in Form von grossen Klin - gen, deren eines Ende abgerundet, das andere in Gestalt eines Halbmondes ausgeschnitten ist. Die beiden grössern sind 21½ Centimeter lang und 5 Centimeter breit, und wiegt eins davon 190, das andere 183 Gramm. Die dar - auffolgenden zwei Stücke sind 18½ Centimeter lang und 4 Centimeter breit, und wiegt eins davon 174, das andere 173 Gramm; die beiden übrigen Stücke sind 17¼ Centi - meter lang und 3 Centimeter breit, und wiegt eins davon 173, das andere 171 Gramm. Höchst wahr - scheinlich sind dies die homerischen Talente (τά - λαντα), welche nur klein sein konnten, da z. B. Achilles (Ilias, XXIII, 269) als ersten Kampfpreis eine Frau, als zweiten ein Pferd, als dritten einen Kessel und als vierten zwei goldene Talente aufstellt. Ich fand dort ferner drei grosse silberne Vasen, wovon die grösste 21 Centimeter hoch, ist 20 Centimeter im Durchmesser und einen Henkel von 14 Centimeter Länge und 9 Cen - timeter Breite hat. Die zweite Vase ist 17½ Centimeter hoch und hat 15 Centimeter im Durchmesser; man sieht auf derselben den obern Theil einer andern silbernen Vase festgeschmolzen, von der nur Bruchstücke übrig - geblieben sind. Die dritte Vase ist 18 Centimeter hoch und hat 15½ Centimeter im Durchmesser; am Fusse der Vase ist viel Kupfer festgeschmolzen, welches in der Feuersbrunst von den kupfernen Sachen des Schatzes abge - träufelt sein muss. Alle drei Vasen sind unten kugelrund, und können daher nicht hingestellt werden ohne ange - lehnt zu werden. Auch fand ich dort einen Centi - meter hohen silbernen Becher, dessen Mund 10 Centi - meter im Durchmesser hat; ferner eine silberne Schale294der schatz des priamos. (φιάλη) von 14 Centimeter Durchmesser, sowie zwei kleine, ganz vorzüglich gearbeitete, prachtvolle silberne Vasen; die grössere derselben hat an jeder Seite zwei Röhrchen zum Aufhängen an Schnüren, ist, mit ihrem hutartigen Deckel, 20 Centimeter hoch und hat 9 Centimeter im Durchmesser im Bauch. Die kleinere, nur mit einem Röhrchen an jeder Seite zum Aufhängen an einer Schnur versehene silberne Vase, ist, mit ihrem Hute, 17 Centimeter hoch und 8 Centimeter breit. Theils auf, theils neben den goldenen und silbernen Sachen fand ich dreizehn kupferne Lanzen von 17½, 21, 21½, 23 und 32 Centimeter Länge und 4 bis 6 Centimeter Breite an der breitesten Stelle; in dem untern Ende derselben sieht man ein Loch, worin bei den meisten noch der Nagel oder Stift steckt, womit die Lanze in der hölzernen Stange befestigt war. Die trojanischen Lanzen waren somit ganz verschieden von den griechi - schen und römischen, denn bei diesen wurde der Lanzen - schaft in die Lanze, bei jenen die Lanze in den Schaft gesteckt. Ich fand dort ferner vierzehn jener hier häufig vorkommenden, anderswo aber noch niemals gefundenen kupfernen Waffen, die nach einem Ende hin zwar bei - nahe spitz aber stumpf, nach dem andern in eine breite Schneide auslaufen; ich hielt dieselben früher für eine besondere Art von Lanzen, bin aber jetzt nach reiflicher Ueberlegung zur Ueberzeugung gekommen, dass sie nur als Streitäxte gebraucht sein können; dieselben sind 16 bis 31 Centimeter lang, bis 2 Centimeter dick und 3 bis Centimeter breit, und wiegen die grössten der - selben 1365 Gramm. Weiter fand ich dort sieben grosse zweischneidige kupferne Dolchmesser, die einen295der schatz des priamos. 5 bis 7 Centimeter langen und am Ende unter rechtem Winkel umgebogenen Griff haben, der einst mit Holz eingefasst gewesen sein muss, denn wäre die Einfassung von Knochen gewesen, so würde sie noch jetzt ganz oder theilweise vorhanden sein. Der spitze Griff wurde in ein Stück Holz gesteckt, sodass das Ende Centi - meter lang hervorragte, und dies wurde einfach umge - bogen. Das grösste dieser Messer ist 27 Centimeter lang und an der breitesten Stelle Centimeter breit; von einem zweiten, welches Centimeter breit ist, ist die Spitze abgebrochen, es ist jetzt noch 22½ Centimeter lang, scheint aber 28 Centimeter lang gewesen zu sein. Ein dritter Dolch ist 22 Centimeter lang und misst an der breitesten Stelle Centimeter; ein vierter ist in der Feuersbrunst ganz zusammengerollt, scheint aber 28 Centimeter lang zu sein. Von dem fünften, sechsten und siebenten Dolchmesser sind nur 10 bis 13½ Centimeter lange Bruchstücke vorhanden. Ich glaube ausserdem in einem Packen von vier in der Feuersbrunst zusammengeschmolzenen Lanzen und Streitäxten noch ein Dolchmesser zu bemerken.

Von gewöhnlichen einschneidigen Messern fand sich im Schatze nur eins von 15½ Centimeter Länge. Auch fand ich dort das 22 Centimeter lange, 5 Centimeter breite Bruchstück eines Schwertes, sowie eine in eine Schneide auslaufende, 38 Centimeter lange, viereckige kupferne Stange, die jedenfalls auch als Waffe gedient zu haben scheint.

Da ich alle vorgenannten Gegenstände, einen vier - eckigen Haufen bildend, zusammen, oder ineinander - verpackt auf der Ringmauer fand, so scheint es ge -296der schatz des priamos. wiss, dass sie in einer hölzernen Kiste (φωριαμός) lagen, wie solche in der Ilias (XXIV, 228) im Pa - last des Priamos erwähnt werden; dies scheint um so gewisser, als ich unmittelbar neben den Gegenstän - den einen 10½ Centimeter langen kupfernen Schlüssel fand, dessen 5 Centimeter langer und breiter Bart die grösste Aehnlichkeit hat mit dem der grossen Kassen - schlüssel in den Banken. Merkwürdigerweise hat dieser Schlüssel einen hölzernen Griff gehabt; das wie bei den Dolchmessern unter rechtem Winkel umgebo - gene Ende des Schlüsselstiels lässt keinen Zweifel dar - über.

Vermuthlich hat jemand aus der Familie des Priamos den Schatz in aller Eile in die Kiste gepackt, diese fortgetragen, ohne Zeit zu haben, den Schlüssel heraus - zuziehen, ist aber auf der Mauer von Feindes Hand oder vom Feuer erreicht und hat die Kiste im Stich lassen müssen, die sogleich 1 Meter 50 oder 1 Meter 80 Centimeter hoch mit der rothen Asche und den Steinen des daneben stehenden königlichen Hauses überschüttet wurde. Viel - leicht gehörten dem Unglücklichen, welcher den Schatz zu retten versucht hat, die einige Tage früher in einem Raume des königlichen Hauses und unmittelbar neben dem Fundort des Schatzes entdeckten Gegenstände, nämlich ein Helm und eine 18 Centimeter hohe, 14 Centimeter breite dicke silberne Vase, in welcher ein eleganter, 11 Centimeter hoher, 9 Centimeter breiter Becher von Elektron steckte. Der Helm wurde zertrümmert, kann je - doch vielleicht wieder zusammengeleimt werden, da ich alle Stücke davon habe. Die beiden obern Theile (der φάλος) desselben sind unversehrt. Neben dem Helm fand297der schatz des priamos. ich, wie früher, eine 15 Centimeter lange gebo - gene kupferne Stange, die auf irgendeine Weise daran befestigt gewesen sein und zu irgendeinem Zwecke gedient haben muss. 1 Meter 50 und 1 Meter 80 Centimeter über dem Schatz bauten die Nachfolger der Trojaner eine 6 Meter hohe, 1 Meter 80 Centimeter dicke Festungsmauer von grossen behauenen und unbehauenen Steinen und Erde, die bis 1 Meter unter der Oberfläche des Berges reicht. Dass man den Schatz bei furchtbarer Lebensgefahr, in zitternder Angst zutammengepackt hat, davon zeugt unter anderm auch der Inhalt der grössten silbernen Vase, in welcher ich ganz unten zwei prachtvolle gol - dene Diadem (κρήδεμνα), ein Stirnband und vier herrliche, höchst kunstvoll gefertigte Ohrgehänge von Gold fand; darauf lagen 56 goldene Ohrringe höchst merkwürdiger Form und 8750 kleine goldene Ringe, durchbohrte Prismen und Würfel, goldene Knöpfe u. s. w., die offenbar von andern Schmuck - sachen herrühren; darauf folgten sechs goldene Arm - bänder, und ganz oben lagen die beiden kleinern gol - denen Becher.

Das eine Diadem ist 51 Centimeter lang und be - steht aus einer goldenen Kette, von welcher auf jeder Seite acht 39 Centimeter lange, ganz und gar mit kleinen goldenen Baumblättern belegte Ketten zur Be - deckung der Schläfe heruntergehen, und am Ende einer jeden dieser sechzehn Ketten hängt ein Centimeter langes goldenes Idol mit dem Eulenkopf der ilischen Schutzgöttin. Zwischen dieser Schläfenbedeckung sieht man die 74 ebenfalls mit goldenen Baumblättern beleg - ten, 10 Centimeter langen Kettchen der Stirnbedeckung,298der schatz des priamos. an deren jeder unten ein doppeltes, 2 Centimeter langes Baumblatt hängt.

Das zweite Diadem besteht aus einem 55 Centi - meter langen, 12 Millimeter breiten goldenen Stirnband, von dem zur Bedeckung der Schläfen an jeder Seite sieben, mit je elf viereckigen, mit einer Rille versehenen Blättern geschmückte Kettchen hängen, die durch vier Querkettchen miteinander verbunden sind und an deren jeder unten ein 25 Millimeter langes goldenes Idol der Schutzgöttin Trojas prangt. Die ganze Länge einer jeden Kette mit dem Idol beträgt 26 Centimeter; diese Idole haben fast Menschengestalt, in welcher aber der Eulenkopf mit den beiden grossen Augen nicht zu ver - kennen ist; ihre Breite an den Füssen ist 21 Millimeter. Zwischen diesem Schläfenschmuck hängen 47 mit vier - eckigen Blättchen verzierte Kettchen herab, an deren jedem ein 18 Millimeter hohes Idol der ilischen Schutz - göttin hängt; die Länge dieser Kettchen mit den Idolen ist nur 10 Centimeter.

Das Stirnband ist 46 Centimeter lang und 1 Centi - meter breit und hat an jedem Ende drei Durchbohrun - gen; es ist durch acht vierfache Reihen von Punkten in neun Fächer getheilt, in deren jedem man zwei grosse Punkte sieht, und eine ununterbrochene Reihe von Punkten ziert den ganzen Rand. Von den vier Ohrge - hängen sind nur zwei einander vollkommen gleich; von dem obern Theil derselben, der fast in Korbform und mit zwei Reihen Verzierungen in Form von Perlen ge - schmückt ist, hängen sechs mit drei kleinen viereckigen Cylindern versehene Kettchen herunter, an deren Enden man kleine Idole der Schutzgöttin Trojas sieht. Die299der schatz des priamos. Länge dieser beiden Ohrgehänge beträgt 9 Centimeter. Der obere Theil der beiden andern Ohrgehänge ist grösser und dicker, aber ebenfalls fast in Korbform, und hängen von demselben fünf ganz mit kleinen runden Blättchen bedeckte Kettchen herunter, an denen eben - falls kleine, aber imposantere Idole der ilischen Schutz - göttin befestigt sind; die Länge des einen dieser Ge - hänge ist 9 Centimeter, die des andern 8 Centimeter.

Von den sechs goldenen Armbändern sind zwei ganz einfach, geschlossen und von 4 Millimeter Dicke; ein drittes ist ebenfalls geschlossen, besteht aber aus einem verzierten Bande von 1 Millimeter Dicke[und] 7 Millimeter Breite; die drei übrigen sind doppelt und haben umgebogene, mit einem Kopf versehene Enden. Die Prinzessinnen, die diese Armbänder getragen haben, müssen eine ungemein kleine Hand gehabt haben, denn sie sind so klein, dass ein Mädchen von zehn Jahren Mühe haben würde, sie aufzustecken.

Die 56 übrigen goldenen Ohrringe sind von ver - schiedener Grösse, und scheinen drei derselben von den Prinzessinnen des königlichen Hauses auch als Finger - ringe gebraucht worden zu sein. Die Form keiner dieser Ohrringe hat irgendwie Aehnlichkeit mit den hellenischen, römischen, ägyptischen oder assyrischen Ohrringen; 20 derselben laufen in vier, zehn laufen in drei nebeneinanderliegende und zusammengeschmiedete Blätter aus und haben daher die grösste Aehnlichkeit mit den hier im vorigen Jahre von mir in 9 und 13 Meter Tiefe gefundenen Ohrringen von Gold oder Elektron. Achtzehn andere Ohrringe laufen in sechs Blätter aus, und man sieht im Anfange derselben zwei Knöpfchen,300der schatz des priamos. in der Mitte zwei Reihen von je fünf Knöpfchen und am Ende drei Knöpfchen. Zwei der grössten Ringe, die wegen der Dicke des Endes keinenfalls als Ohr - und nur als Fingerringe gebraucht zu sein scheinen, laufen in vier Blätter aus, und sieht man im Anfang derselben zwei, in der Mitte drei und am Ende wiederum zwei Knöpfchen. Von den übrigen Ohrringen haben zwei die Gestalt von drei, und vier die Gestalt von zwei neben - einanderliegenden, herrlich geschmückten Schlangen.

Auf die Ohrringe hatte man eine Menge anderer auf Fäden gezogener oder an Leder befestigter Schmuck - sachen in die grosse silberne Vase gelegt, denn auf und unter denselben fand ich, wie bereits erwähnt, 8750 kleine Gegenstände, nämlich Goldringe von nur 3 Millimeter im Durchmesser; glatte oder in Form von Sternchen ausgeschnittene, 4 Millimeter im Durchmesser habende, durchbohrte Würfel; Millimeter hohe, 3 Millimeter breite, der Länge nach mit acht oder sechzehn Einschnitten verzierte, goldene durchbohrte Prismen; 5 Millimeter lange, 4 Millimeter breite, der Länge nach mit einer Röhre zum Aufziehen versehene Baumblättchen; kleine, 9 Millimeter lange, auf einer Seite mit einem Knopf, auf der andern mit einem durchgehenden Loch ver - sehene Goldstangen; 5 Millimeter lange, Millimeter breite durchbohrte Prismen; nur 7 Millimeter im Durch - messer habende, zusammengeschmiedete, doppelte oder dreifache goldene Ringe mit durchgehendem Loch an zwei Seiten zum Aufziehen; 5 Millimeter hohe goldene Knöpfe, in deren Höhlung ein 3 Millimeter breiter Ring oder Oese zum Annähen ist; Millimeter lange goldene Doppelknöpfe, ganz in Gestalt unserer Hemd -301der schatz des priamos. knöpfe, die aber nicht zusammengeschmiedet, sondern zusammengesteckt sind, denn aus der Höhlung des einen Knopfes tritt eine 6 Millimeter lange Röhre (αὐλίσκος), aus der andern eine ebenso lange Stange (ἔμβολον) hervor, und steckt man einfach die Stange in die Röhre, um den Doppelknopf zu bilden. Diese Doppel - knöpfe können wol nur als Zierathen von ledernen Sachen, so z. B. an Schwert -, Schild - oder Messerge - henken (τελαμῶνες) gebraucht worden sein. Ich fand dort auch zwei goldene Cylinder von 3 Millimeter Dicke und 19 Millimeter Länge, sowie ein goldenes Stäbchen von 21 Millimeter Länge und bis 2 Millimeter Dicke; es hat an einem Ende ein durchgehendes Loch zum Aufhängen, an der andern Seite sechs herumgehende Einschnitte, welche dem Gegenstand das Ansehen einer Schraube geben; nur mittels einer Loupe erkennt man, dass es keine wirkliche Schraube ist.

Noch fand ich dort zwei Stücke Gold, wovon das eine , das andere Centimeter lang ist; jedes der - selben hat 21 Durchbohrungen.

Derjenige, welcher versucht hat, den Schatz zu retten, hat glücklicherweise die Geistesgegenwart ge - habt, die grosse silberne Vase mit den beschriebenen Kostbarkeiten aufrecht in die Kiste zu stellen, so - dass nicht eine Perle heraus gefallen und alles unver - sehrt geblieben ist.

Mein geehrter Freund, der durch seine Entdeckun - gen und Schriften bekannte Chemiker Landerer in Athen, welcher alle im Schatze enthaltenen kupfernen Gegenstände aufs genaueste untersucht und Bruchstücke davon analysirt hat, findet, dass alle, ohne jegliche Bei -302aufsuch. d. ringmauer; neuentd. zimmer im hause d. priam.mischung von Zinn oder Zink, aus reinem Kupfer be - stehen, welches, um es haltbarer zu machen, geschmiedet worden (σφυρήλατον) ist.

Da ich hoffte, hier weitere Schätze zu finden, auch wünschte, die trojanische Ringmauer, deren Bau Homer (Ilias, VII, 452 453) dem Neptun und dem Apollo zu - schreibt, bis ans Skaeische Thor ans Licht zu bringen, so habe ich die theilweise auf derselben lastende obere Mauer auf eine Strecke von 17½ Meter ganz weg ge - gebrochen. Die Besucher der Troade erkennen dieselbe aber noch, dem Skaeischen Thor gegenüber, in der nord - westlichen Erdwand. Auch habe ich noch den unge - heuern Erdklotz weggebrochen, welcher meinen westlichen und nordwestlichen Einschnitt vom grossen Thurm trennte, musste aber zu diesem Zweck mein grösseres hölzernes Haus wegbrechen, auch zur leichtern Fortschaffung des Schuttes das Skaeische Thor überbrücken. Das Resultat dieser neuen Ausgrabung ist für die Wissenschaft sehr lohnend gewesen, denn ich habe mehrere Wände, auch ein 6 Meter langes und breites Zimmer des königlichen Hauses aufdecken können, auf welchem keine Bauten aus späterer Zeit lasten. Unter den dort gefundenen Gegenständen hebe ich nur hervor eine auf einem vier - eckigen, oben mit zwei nicht durchgehenden Löchern und einem herumgehenden Einschnitt versehenen Stück rothen Schiefers befindliche, ausgezeichnet eingravirte Inschrift, von der aber weder mein gelehrter Freund, Herr Emile Burnouf, noch ich selbst zu sagen vermag, welcher Sprache sie angehört; ferner einige interessante Terracottas, worunter ein Gefäss ganz in Form eines modernen Fasses und mit einer Röhre in der Mitte zum303zerstreute theile des schatzes; griech. terracotta-köpfe.Eingiessen und Ablaufen der Flüssigkeit. Auch fanden sich auf der trojanischen Ringmauer, ½ Meter unterhalb der Stelle, wo der Schatz entdeckt war, drei silberne Schalen (φιάλαι), wovon zwei beim Abgraben des Schuttes zerschlagen wurden; dieselben können jedoch wieder zusammengesetzt werden, da ich alle Stücke davon habe. Diese Schalen scheinen jedenfalls zum Schatze gehört zu haben, und wenn derselbe sonst ganz von unsern Hackeisen verschont geblieben ist, so habe ich dies den erwähnten grossen kupfernen Geräthen zu verdanken, welche hervorstanden, sodass ich alles mit dem Messer aus dem harten Schutt herausschneiden konnte.

Wie ich jetzt sehe, war mein erwähnter, im April 1870 angelegter Einschnitt ganz an der richtigen Stelle gemacht, denn wenn ich ihn nur fortgesetzt hätte, so würde ich schon damals in einigen Wochen die merk - würdigsten Bauten Trojas, nämlich das Haus des Priamos, das Skaeische Thor, die grosse Ringmauer und Iliums grossen Thurm ans Licht gebracht haben, während ich, weil ich später diesen Einschnitt vernachlässigte, riesige Einschnitte von Osten nach Westen und von Norden nach Süden durch den ganzen Berg zu machen hatte, um sie zu finden.

In den obern Schichten der neuen nordwestlichen und westlichen Ausgrabungen wurde noch eine grosse Menge Köpfe von herrlichen Terracotta-Figuren aus bester hellenischer Zeit gefunden, und in 7 Meter Tiefe einige Idole, sowie der obere Theil einer Vase mit Eulengesicht und einem Deckel in Form eines Helmes. Solche Deckel, auf deren Rande man durch Einschnitte das Frauenhaar angedeutet sieht, kommen hier in allen304bestmmung der ausdehnung trojas.Schuttschichten zwischen 4 und 10 Meter Tiefe sehr häufig vor, und da sie zu Vasen mit Eulengesichtern gehören, so kann man sich nach der Zahl solcher Deckel einen Be - griff machen von der Menge der hier in Troja vorhandenge - wesenen Vasen mit dem Bilde der eulenköpfigen Minerva.

Aber Troja war nicht gross; ich habe im ganzen 20 Brunnen im Westen, Südwesten, Süden, Südosten und Osten der Pergamos, unmittelbar am Fusse dersel - ben oder in einiger Entfernung davon, auf dem Plateau des Ilion der griechischen Colonie bis zum Fels gegra - ben, und da ich in keinem derselben eine Spur, weder von trojanischen Topfscherben oder trojanischen Haus - mauern, und nur hellenische Topfscherben und helle - nische Hausmauern finde, da ferner der Berg der Per - gamos auf der dem Hellespont zugewandten Nordwest -, Nord - und Nordostseite sehr steil nach der Ebene ab - fällt, sodass in keiner dieser Richtungen die Ausdeh - nung der Stadt möglich war, so erkläre ich jetzt aufs entschiedenste, dass sich unmöglich die Stadt des Priamos nachirgend einer Seite hin über die uralte Bergfläche dieser Festung hinaus ausgedehnt haben kann, deren Umfang uns nach Süden und Südwesten durch den grossen Thurm und das Skaeische Thor, nach Nordwesten, Nordosten und Osten durch die trojanische Ringmauer angedeutet ist. An der Nordseite bestand dieselbe, da die Stadt von dieser Seite so stark von der Natur befestigt war, nur aus jenen, einen grossen Wall bildenden, lose aufeinandergelegten grossen Stein - blöcken, deren Fortschaffung mir im vorigen Jahre so ungeheuere Schwierigkeiten gemacht hat. Man erkennt diese Mauer aber auf den ersten Blick gleich rechts im305die ueberlieferung homer’s.nördlichen Eingang meines grossen, durch den ganzen Berg führenden Einschnitts.

Es thut mir ungemein leid, einen so kleinen Plan von Troja geben zu müssen, ja ich hätte gewünscht, ihn tausendmal grösser machen zu können; aber die Wahrheit geht mir über alles, und ich freue mich, durch meine dreijährigen Ausgrabungen, wenn auch nur in verklei - nertem Massstabe, das homerische Troja aufgedeckt und bewiesen zu haben, dass die Ilias auf wirkliche That - sachen basirt ist.

Homer ist ein epischer Dichter, und kein Historiker, und ist es ganz natürlich, dass er alles mit dichterischer Freiheit übertreibt; überdies sind die Ereignisse, die er schildert, so wunderbar, dass gar viele Gelehrte seit langer Zeit die Existenz Trojas in Zweifel gezogen und diese Stadt als ein blosses Phantasiebild des Poeten an - gesehen haben. Ich wage daher zu hoffen, dass die civilisirte Welt nicht nur nicht darüber entrüstet sein wird, dass die Stadt des Priamos sich kaum ein Zwanzigstel so gross herausstellt, als nach den Angaben der Ilias zu erwarten wäre, sondern im Gegentheil, dass sie mit Wonnegefühl und Begeisterung die Gewissheit entge - gennehmen wird, dass Ilium wirklich da war, dass es jetzt einem grossen Theil nach ans Licht gebracht ist, und dass Homer, wenn er auch vergrösserte, doch wirklich stattgefundene Ereignisse besingt. Ueberdies sollte man auch bedenken, dass die sich jetzt auf diesen kleinen Berg reducirende Baustelle von Troja doch noch ebenso gross oder grösser ist als die der Königsstadt Athen, welche auf die Akropolis beschränkt war, erst durch die von Theseus hinzugefügten zwölf Dörfer sich ausser -Schliemann, Troja. 20306grösse trojas ursprünglich und zu homer’s zeit.halb derselben ausdehnte und daher im Plural Ἀϑῆναι genannt wurde. Ebenso ist es wahrscheinlich auch mit der von Homer als goldreich beschriebenen Stadt Μυκῆναι geschehen, die (Ilias, IV, 52) auch im Singular vorkommt.

Aber das kleine Troja war für damalige Verhält - nisse unermesslich reich, denn ich finde hier einen Schatz von goldenen und silbernen Sachen, wie man ihn jetzt kaum in einem kaiserlichen Palast finden kann; und da die Stadt reich war, so war sie auch mächtig und herrschte über ein grosses Gebiet.

Trojas Häuser waren, wie aus der Dicke der Mauern und der kolossalen Schuttaufhäufung hervorgeht, alle sehr hoch und hatten mehrere Etagen; aber nehmen wir selbst dreistöckige und dicht nebeneinander - stehende Häuser an, so kann die Stadt doch nicht mehr als 5000 Einwohner gehabt und nicht über 500 Soldaten gestellt haben, aber sie mochte immerhin aus ihren Unter - thanen ein ansehnliches Heer zusammenbringen, und da sie reich und mächtig war, so bekam sie Hülfstruppen von allen Seiten.

Eine besondere Akropolis hatte Troja also nicht, dieselbe war aber für die grossen Thaten der Ilias nöthig, wurde daher von Homer hinzugedichtet und von ihm Pergamos genannt, ein Wort ganz unbekannter Abstammung.

Da ich in keinem meiner Brunnen Spuren der Töpferwaare der Nachfolger der Trojaner bis zur An - kunft der griechischen Colonie finde, so ist auch mit Bestimmtheit anzunehmen, dass sich Troja zu Homer’s Zeit nur um das Wenige vergrössert hatte, was durch307troja zur zeit homer’s.die Schuttaufhäufung bei der Zerstörung der Stadt hinzugekommen war. Homer kann nie Iliums grossen Thurm, die Ringmauer des Neptun und Apollo, das Skaeische Thor oder Priam’s Palast gesehen haben, denn alle diese Monumente waren tief im Schutt begraben, und er stellte keine Ausgrabungen an, um sie ans Licht zu bringen. Er kannte diese Denkmäler unsterblichen Ruhmes nur vom Hörensagen, denn des alten Troja tra - gisches Ende war noch in frischem Andenken, und bereits seit Jahrhunderten im Munde aller Sänger.

Tempel sind im Homer noch sehr selten, und wenn - gleich er hier einen Tempel der Minerva erwähnt, so ist, in Betracht der Kleinheit der Stadt, doch sehr zu bezweifeln, ob wirklich einer vorhanden war. Vermuth - lich hatte die Schutzgöttin damals nur noch erst jenen von mir aufgedeckten Opferaltar, dessen Halbmond - gestalt grosse Aehnlichkeit hat mit dem obern Theil des elfenbeinernen Idols No. 665 auf Tafel 25, sowie mit dem einen Ende der sechs Talanta des Schatzes.

Die Lage, Grösse und Tiefe aller meiner 20 Brunnen findet man auf meinem Plan des Ilion der griechischen Colonie aufs genaueste angegeben; ich unterlasse daher, diese Angaben hier zu wiederholen, um den Leser nicht zu ermüden. Ich füge ferner einen genauen Plan meiner Ausgrabungen, einen Plan der Stadt Troja zur Zeit der grossen Zerstörung und einen Plan des Skaeischen Thors und des grossen Thurmes von Ilium bei.

Das Skaeische Thor gibt uns das Alter des könig - lichen Gebäudes, vor dem es liegt, und der Töpfer - waare, welche man im letztern findet. Diese Töpfer - waare ist zwar besser als die hier im allgemeinen in20*308verhältniss der versch. trümmerschichten zueinannder.7 bis 10 Meter Tiefe vorkommende, aber sie ist dieser durchaus ähnlich, und gehören daher alle Trümmer - schichten dieser Tiefen dem trojanischen Volke an; diese Trümmerschichten bestehen aus rother, gelber, hin und wieder schwarzer Holzasche, und trägt jeder darin vorkommende Stein das Gepräge der furchtbaren Glut, welcher er ausgesetzt gewesen ist. In diesen Schutt - schichten kommen jene, in 13 bis 16 Meter Tiefe sich finden - den, glänzend schwarzen Teller und Schüsseln mit einer langen horizontalen Röhre an jeder Seite und Vasen mit zwei langen Röhren an jeder Seite gar nicht vor; auch ist die Qualität und Form der Gefässe in den un - tersten Schuttschichten so ganz und gar von jenen der Gefässe in 7 bis 10 Meter Tiefe verschieden, dass sie keinesfalls von demselben Volke herstammen können; sie sind aber jedenfalls von einer verwandten Nation arischer Rasse, da sie die kleinen, mit arischen religiösen Symbolen verzierten Vulkane und Carrousele, auch die Idole der ilischen Minerva mit den trojanischen Schutt - schichten gemein haben. Ich glaubte früher in jenem urältesten Volk die Trojaner zu erkennen, weil ich bei ihm Bruchstücke des δέπας ἀμφικύπελλον gefunden zu haben meinte, erkenne aber jetzt das Volk des Priamos in der darauffolgenden Nation, weil ich bei dieser das wirkliche δέπας αμφικύπελλον von Gold und Terracotta, sowie das Skäische Thor aufgefunden habe.

Wie mehrere Geologen, die mich hier besuchten, behaupten und wie auch der Ingenieur Adolphe Laurent bestätigt, der jetzt zu mir zurückgekehrt ist, um mir bei den letzten Arbeiten zu helfen, auch um neue Pläne309strabo’s ueberlieferung.aufzunehmen, rührt die sich in durchschnittlich 9 Meter Tiefe durch den grössten Theil des Berges ziehende Schlackenschicht von geschmolzenem Blei - und Kupfer - erz her, welches hier zur Zeit von Trojas Zerstörung in grossen Massen vorhanden gewesen sein muss.

Strabo sagt (XIII, § 599, Ausgabe Forbiger): Von der alten Stadt (Troja) hat sich keine Spur erhalten. Sehr natürlich, denn da die Städte ringsum zwar ver - wüstet, jedoch nicht ganz zerstört waren, sie aber von Grund aus geschleift war, so wurden alle Steine zur Wiederherstellung jener weggeführt. So soll wenigstens Archäanax aus Mitylene mit den Steinen von dort her Sigeum ummauert haben. Diese Angaben Strabo’s sind aber durchaus falsch, und ist die Sage des Alter - thums, als sei Troja von Grund aus geschleift, nur da - durch zu erklären, dass es, tief in kolossalen Massen von Holzasche und Steinen begraben, von einer neuen Stadt überbaut, und diese, wiederum zerstört, abermals von Gebäuden überbaut wurde, die ein gleiches Schicksal hatten, bis endlich die auf Troja lastende Schuttmasse 6 bis 8 Meter Dicke erreichte und auf dieser die Akropolis des Ilion der griechischen Colonie gegründet wurde.

Infolge meinr früheren irrigen Idee, dass Troja nur auf dem Urboden und ganz nahe darüber zu suchen sei, ist leider 1871 und 1872 ein grosser Theil der Stadt von mir zerstört worden, denn ich habe damals alle mir in den höhern Schuttschichten in den Weg kommenden Hauswände niedergebrochen. Sobald ich aber in diesem Jahre durch klare Beweise zur bestimm - ten Ueberzeugung gelangt war, dass Troja nicht auf dem Urboden, sondern in 7 bis 10 Meter Tiefe zu suchen310bauart der häuser.ist, habe ich in diesen Schuttschichten keine Hauswand mehr niedergebrochen, und sind auf diese Weise in meinen diesjährigen Ausgrabungen eine Menge von trojanischen Häusern ans Licht gekommen, die noch jahrhundertelang stehen und die Besucher der Troade überzeugen können, dass die Steine der trojanischen Bauten nie zum Bau anderer Städte benutzt sein können, denn sie sind meistentheils noch in situ, überdies sind sie klein, und findet man solche Steine zu Millionen auf allen Feldern der hiesigen Gegend.

Werthvolle Steine, wie die grossen Platten des vom Skaeischen Thor zur Ebene führenden Weges, sowie die grossen Steine der Ringmauer und des grossen Thurmes, sind nicht angerührt, und fehlt am Skaeischen Thor nicht ein einziger Stein. Ja, mit Ausnahme der von mir zer - störten Häuser würde man, wie in Pompejï, die Gerippe aller Häuser aufdecken können. Letztere müssen, wie bereits erwähnt, sehr hoch gewesen und in denselben sehr viel Holz verwandt sein, denn sonst könnte durch die Feuersbrunst nicht eine so gewaltige Masse Asche und Schutt erzeugt sein.

In meinen Ausgrabungen in 1871 und 1872 fand ich, in 7 bis 10 Meter Tiefe, nur Hauswände von an der Sonne getrockneten Ziegeln; wie man sich in den von mir aufgedeckten und erhaltenen Häusern überzeugen kann, kam diese Bauart auch in diesem Jahre fast ausschliesslich vor, nur die Bauten neben dem Skaeischen Thor, sowie einige Häuser in den Tiefen des Minervatempels sind von Steinen und Erde gemacht.

Wie aus meinem Plane der Baustelle Trojas er - sichtlich ist, habe ich zwei Drittel der ganzen Stadt311ausgrabung an der nordseite des berges.aufgegraben, und da ich den grossen Thurm, das Skaeische Thor, die trojanische Ringmauer, das könig - liche Haus, den Opferaltar der ilischen Minerva u. s. w. ans Licht gebracht, die vornehmsten Häuser und überhaupt den bestgelegenen Theil der Stadt auf - gedeckt und von allen Gegenständen des häuslichen Lebens und der Gottesverehrung der Trojaner eine überaus reiche Sammlung zusammengebracht habe, so ist es nicht denkbar, dass die Wissenschaft durch fernere Ausgrabungen noch etwas sollte gewinnen können. Sollten aber dennoch meine Ausgrabungen noch einmal fortgesetzt werden, dann bitte ich die Grabenden drin - gend, so wie ich es gemacht habe, den abzugrabenden Schutt vom Abhange des Berges werfen und nicht mit demselben meine, mit so ungeheuerer Mühe und grossen Kosten gemachten riesigen Einschnitte ausfüllen zu lassen, denn diese sind von hohem Werth für die Wis - senschaft, da man in denselben alle Schuttschichten, vom Urboden bis zur Oberfläche des Berges mit leichter Mühe untersuchen kann.

Ich habe jetzt auch an der Nordseite des Berges in 13 Meter Tiefe verschiedene Hauswände aufgedeckt, auch den Anfang jener bereits früher erwähnten merk - würdigen Festungsmauer, deren Fortsetzung man in dem Labyrinth von Hauswänden in den Tiefen des Minerva - tempels sieht. Auch habe ich an der Nordseite, ober - halb des Urbodens, einen Theil des früher erwähnten Pflasters von kleinen, runden, weissen Meersteinen ans Licht gebracht, und man sieht unterhalb desselben die verbrannten Trümmer eines dort früher befindlichen Gebäudes.

312neugefundene terracotten.

Von sehr merkwürdigen, seit meinem letzten Bericht gefundenen Terracottas erwähne ich noch zwei an der Nordseite in 7 bis 8 Meter Tiefe entdeckte Kannen, wovon jede zwei aufrecht nebeneinanderstehende Hälse hat, deren Henkel sich aber vereinigen; die eine der - selben hat auch neben den Münden oder Oeffnungen zwei kleine Erhöhungen, die wol Augen andeuten sollen. Von einer dritten Kanne dieser Art habe ich nur den obern Theil. Ich erwähne weiter einen in 4 Meter Tiefe gefundenen, höchst sonderbaren Becher, der aus einer auf drei Füsse gestützten und in zwei kleine und einen grossen Pokal auslaufenden Röhre besteht; der grössere Pokal ist durch einen Henkel mit der entge - gengesetzten Seite der Röhre verbunden; ferner aus gleicher Tiefe eine grosse, mit drei Füssen und zwei sehr hübschen Henkeln und Röhren zum Aufhängen versehene und mit Einschnitten verzierte Vase, auf deren einer Seite man eine kleine separate Vase hervorstehen sieht. Ebenfalls in 4 Meter Tiefe fand ich eine Vase mit zwei Frauenbrüsten, zwei grossen Henkeln und Buch - staben ähnlichen Einschnitten. Von höchst sonderbaren Terracottas erwähne ich ferner drei mit drei Reihen von Durchbohrungen versehene Töpfe mit gewöhnlichem Henkel an einer Seite und an der andern Seite mit drei Füssen, sowie drei auf allen Seiten ringsherum von un - ten bis oben mit Durchbohrungen versehene grosse Vasen, wovon ich zwei auf Tafel 217 abbilde; der Ge - brauch derselben ist mir ein Räthsel; sollten sie als Bienenkörbe gedient haben? Auch ein Gefäss in Ge - stalt eines Schweines mit vier Füssen, die aber kür - zer sind als der Bauch, sodass es nicht darauf hinge -313idole der minerva.stellt werden kann; der auf dem Rücken des Schweines angebrachte Hals des Gefässes ist durch einen Henkel mit dem Hintertheil verbunden. Ferner fand sich ein Topf in Gestalt eines Korbes mit einem über die Oeffnung gehenden Henkel und einer Röhre im Bauch zum Ab - laufen der Flüssigkeit. Auch zwei Trichter von Terra - cotta aus 3 Meter Tiefe, mit einem Schriftzug, der be - reits mehrfach auf den von mir abgebildeten Terracottas vorgekommen ist und daher wahrscheinlich zu entziffern sein wird; in Meter Tiefe eines jener runden, zweimal durchbohrten Stücke Terracotta mit einem Stempel, in welchem man ägyptische Hieroglyphen sieht, sowie ein Dutzend gleicher Stücke, in deren Stempeln man ein gekröntes Haupt, einen Vogel, einen Hunds - kopf, einen fliegenden Menschen oder einen Adler und einen Hirsch sieht; in 5 Meter Tiefe der Griff eines Bechers mit herrlich modellirtem Ochsenkopf, es stellt derselbe vermuthlich die βοῶπις πότνια Ἥρη vor, jedoch lässt sich dies nicht beweisen, da ich bis dahin noch kein Idol mit Ochsenkopf fand. Ebenso kann ich nicht beweisen, dass die hier häufig vorkommenden Stücke Terracotta in Form von Pferdeköpfen die Mutter der Juno, die Cybele oder Rhea darstellen sollen, wahr - scheinlich ist es aber, denn diese wurde bekanntlich in Phrygien mit einem Pferdekopf abgebildet. Terra - cotta-Idole der ilischen Minerva sind selten; mar - morne Bilder dieser Göttin kommen aber täglich vor; die meisten sind beinahe in Menschengestalt; es kommen aber auch häufig unbearbeitete, oblonge, platte Stücke Marmor vor, auf denen ihr Eulenkopf mehr oder weni - ger tief eingeschnitten ist, und oft ist er so fein einge -314münzen.ritzt, dass man eine Lupe zur Hülfe nehmen muss, um sich zu überzeugen, dass er auch wirklich vorhanden ist; mehrmals sind mir auch solche Stücke mit einem mit schwarzer Farbe darauf gemalten Eulenkopf vorge - kommen. Seitdem ich zu der Einsicht gekommen bin, dass diese Idole die trojanische Schutzgöttin darstellen, habe ich sie sorgfältig gesammelt, 1871 und 1872 müssen wir aber sieben Achtel aller marmornen Idole verloren gegangen sein, da ich damals noch keine Idee von ihrer Bedeutung hatte.

Bei Abgrabung der Stelle, wo mein hölzernes Haus gestanden hat, wurden in ¼ bis ½ Meter Tiefe achtzehn kupferne und zwei silberne Medaillen gefunden; die eine der letztern ist von Marcus Aurelius, die andere ist ein τετράδραχμον und stammt von der Insel Tenedos; auf der Vorderseite derselben sieht man rechts den Kopf des Jupiter, links den der Juno, beide haben einen gemeinschaftlichen Hals, wie die Köpfe des Janus. Der Kopf des Jupiter ist mit Lorberzweigen bekränzt, derjenige der Juno hat einen Kranz oder eine Krone. Auf der Rückseite zeigt die Münze am Rande herum einen Lorberkranz und in der Mitte ein grosses Doppelbeil, über welchem man das Wort ΤЕΝЕΔІΩΝ sieht; unten rechts vom Stiele des Doppelbeils sieht man einen geflügelten Eros, welcher einen schwer zu erkennenden Gegenstand emporhält, links eine Wein - traube und ein Monogramm, welches einem A ähnlich sieht.

Von den kupfernen Münzen sind fünf von Alexandria Troas, zwei von Ophrynium, eine von Tenedos, zwei von Abydos, eine von Dardania; zwei haben auf einer315inschriften.Seite das Brustbild der Julia Domna mit der Aufschrift ІΟΥΛІΑ ΣЕΒΑΣΤΗ; die eine davon hat auf der andern Seite die ganze Gestalt dieser Kaiserin mit der Aufschrift ІΛІЕΩΝ, und die andere das Bild des Hektor mit der Aufschrift ІΛІЕΩΝϵΚΤΩΡ. Die übrigen Me - daillen sind aus Ilion von älterer Zeit und haben auf der einen Seite das Brustbild der Minerva auf der an - dern die Aufschrift ІΛІЕΩΝ

Als ich Anfang April dieses Jahres den vom Skaeischen Thor nach der Ebene führenden, mit grossen Steinplatten gepflasterten Weg blosslegte, sahen letztere noch so neu aus, als wenn sie erst eben gehauen wären. Seitdem aber bröckeln, unter dem Einflusse der glühen - den Sonne, die Steinplatten des obern Theils des Weges, welche besonders von der Feuersbrunst gelitten haben, die Troja zerstörte, rasch weg, und werden dieselben vermuthlich in wenigen Jahren ganz verschwunden sein. Dagegen können die Platten der nordwestlichen Hälfte dieses Weges, welche weniger der Glut ausgesetzt ge - wesen sind, noch viele Jahrhunderte erhalten bleiben.

Unter meinem hölzernen Hause wurden, in ½ bis 1 Meter Tiefe, nachstehende Inschriften gefunden, nämlich:

316inschriften.
[figure]
〈…〉〈…〉
317inschriften.

Diese Inschrift enthält einen Contract für eine Ansiede - lung und gibt die Namen der zur Begründung dersel - ben auserwählten Männer; Σκαδρεῖς ist ein bisjetzt noch nie vorgekommenes, unbekanntes Wort.

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〈…〉〈…〉
318schluss der ausgrab. : empfehl. für künftig grabende.
〈…〉〈…〉

Indem ich heute die Ausgrabungen in Ilium auf immer einstelle, kann ich nicht umhin, Gott inbrünstig für den grossen Segen zu danken, dass trotz der furcht - baren Gefahr, der wir hier in den dreijährigen riesigen Excavationen, bei dem immerwährenden Sturm ausge - setzt gewesen sind, kein Unglück vorgefallen, niemand getödtet, ja sogar keiner gefährlich verletzt worden ist.

Schliesslich kann ich nicht umhin, allen denjenigen, welche früher oder später in der Ebene von Troja oder in der Umgegend Ausgrabungen zu machen wünschen, den Nikolaos Saphyros Jannakis aus dem benachbarten Dorf Renkoï aufs angelegentlichste zu empfehlen; der - selbe ist hier seit April 1870, während aller meiner Ausgrabungen, mein Bedienter, Koch und Kassirer ge - wesen, und ist besonders in letzterer Eigenschaft wegen seiner erprobten Treue, auch weil er den Namen und die Arbeitsfähigkeit eines jeden Arbeiters in der Troade kennt, ganz unübertrefflich, dazu ist er wegen seiner Grösse, seiner herculischen Stärke, seiner Gewandtheit und seiner gründlichen Kenntniss der türkischen Sprache ganz ausgezeichnet befähigt zur Beseitigung der hier bei den Ausgrabungen fortwährend auftauchenden Schwierigkeiten mit den türkischen Behörden. Ebenso kann ich meinen Aufseher Spiridion Demetrios aus Athen und den Kapitän Georgios Tsirogiannis aus Limne in319empfehlungen für künftig grabende.Euboea ganz besonders empfehlen, denn dieselben haben hier durch lange Erfahrung gelernt, wie riesige Schutt - massen am leichtesten fortzuschaffen sind, und sie haben ausserdem die Gabe des Commandos. Auch meinen talentvollen Maler Polychronios Lempesis aus Salamis, der hier alle Zeichnungen meines Werkes von Tafel 119 bis 190 gemacht hat, kann ich als ganz vor - züglich empfehlen. Endlich kann ich als ganz ausge - zeichnet hervorheben meinen Ingenieur Adolphe Laurent, welcher mir die ersten und die letzten Pläne angefer - tigt hat.

[320]

Da der jetzige Name des Simoïs, Dumbrek kein türkisches Wort ist, so will man darin eine Corruption des Namens Thymbrius erkennen, und somit beweisen, dass der am Fusse der Trümmer von Ophrynium vor - beifliessende, das nordöstliche Thal der Ebene von Troja durchströmende und sich vor Ilium in den Kalifatli - Asmak, das uralte Bett des Scamander, werfende Fluss der Thymbrius ist und unmöglich der Simoïs sein kann.

Ich erwidere darauf: dass kein Beispiel vorhanden ist, dass ein griechischer auf os endigender Name auf türkisch durch ein mit einem k endigendes Wort wiedergegeben wäre; ferner dass Dumbrek jedenfalls eine Corruption der beiden türkischen Worte〈…〉〈…〉〈…〉〈…〉, Don barek, sein muss. Don heisst Eis und barek drückt den Besitz oder die Wohnung aus; die beiden Worte würden daher soviel heissen, als Eis innehabend, und dürfte sich der Name dadurch erklären, dass die durch den Simoïs verursachten Ueberschwemmungen öfter bei der Winterkälte gefrieren und die ganze Nordost-Ebene eine Eisdecke bildet. Im ganzen Alterthum aber wurde dieser Fluss Simoïs genannt, denn nach Strabo (XIII, 1, S. 103) war auf einem Hügel zu Ophrynium das dem Hektor geweihte Wäldchen; nach Lykophron (Kassandra) war der Held in Ophrynium begraben, und nach Virgil (Aeneis, III, 302 305), welcher der gewis - senhafteste Ueberlieferer der Traditionen ist, war das Grab Hektor’s im Wäldchen nahe am Ufer des Simoïs.

Druck von F. A. Brockhaus in Leipzig.

[321]

Verzeichniss des specifischen Gewichts in Grammen der in den verschiedenen Tiefen in der Pergamos von Troja gefundenen Stücke Terracotta in Form von Cylindern, Kegeln, Pyramiden u. s. w., die dem Anscheine nach als Gewichte gebraucht sind.

[322]

Verzeichniss des specifischen Gewichts in Grammen der in den verschiedenen Tiefen der Pergamos von Troja gefundenen runden Steine, welche dem Anscheine nach als Gewichte gebraucht sind.

[323]

Herr Ernest Chantre, Unterdirector des Museums in Lyon, sendet mir soeben das Resultat der von dem berühmten Chemiker Herrn Damour in Lyon gemachten Analyse der trojanischen Waffen, wovon ich drei an - gebohrt und den Bohrstaub zur Untersuchung eingesandt hatte:

  • No. 1. Bohrstaub aus einer Streitaxt des Schatzes.

Analyse.

  • No. 2. Bohrstaub aus einer andern Streitaxt des Schatzes.

Analyse.

[324]
  • No. 3. Bohrstaub aus einer gewöhnlichen zweischnei - digen, in 1 Meter Tiefe und somit in den Trümmerschichten der griechischen Colonie ge - fundenen Axt.

Analyse.

  • No. 4. Bohrstaub aus einer äusserlich mit Grünspan bedeckten und inwendig eisenfarbigen troja - nischen Schleuder.

Analyse.

Athen, 1. Januar 1874.

Dr. H. Schliemann.

About this transcription

TextTrojanische Alterthümer
Author Heinrich Schliemann
Extent393 images; 83946 tokens; 10459 types; 565688 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationTrojanische Alterthümer Bericht über die Ausgrabungen in Troja Heinrich Schliemann. . LVII, 319 S. BrockhausLeipzig1874.

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