PRIMS Full-text transcription (HTML)
Lehrbuch der Rechtsgeſchichte bis auf unſre Zeiten,
Berlin,bey Auguſt Mylius1790.

Vorrede.

So wenig man auch bisher Urſache gehabt hat, uͤber den Mangel gelehrter Compendien der Rechtsge - ſchichte zu klagen, ſo glaube ich doch nicht, daß irgend jemand, der mit die - ſem hier allenfalls zufrieden waͤre, den Verfaſſer blos deswegen tadeln wird, weil andere Buͤcher ſchon eben daſſelbe enthielten. Die zweyerley Arten von Rechtsgeſchichten, die ich kenne, wei - chen im Plane weſentlich von der gegen - waͤrtigen ab.

Die meiſten beſchaͤfftigen ſich, wie die von Heineccius, Bach, Selchow u. a. nur mit der Geſchichte der Quel - len und der Rechtsgelehrten, ſie laſſen alſo gerade den Punkt hinweg, welchen ich uͤberhaupt, und beſonders in Ruͤckſicht auf meine uͤbrigen Collegien, fuͤr den allerwichtigſten halte, naͤhmlich die Ge - ſchichte der Lehren ſelbſt.

Dieſe letztere haben erſt zwey Schrift - ſteller mit der Geſchichte der Quellen) (ver -Vorrede.verbunden, Herr Profeſſor Reite - meier in Frankfurt, und ganz neuer - lich Herr Profeſſor Tafinger in Erlan - gen. Aber ſie breiten ſich uͤber alle Theile der Rechtsgelehrſamkeit aus; ſie ſagen alſo ſchon deswegen ſehr vieles, was ich nicht ſagen wollte, und als bloſ - ſer Civiliſt auch nicht ſagen durfte, ſie uͤbergehen aber nicht weniger Detail, das ich zu uͤbergehen mir nicht getraute, wenn meine Zuhoͤrer mit der Geſchichte des Roͤmiſchen Rechts hinlaͤnglich be - kannt werden ſollten.

Von dieſer war es meine Abſicht im Collegium alles vorzutragen, was muͤnd - lich vorgetragen zu werden verdient, und im Lehrbuche auf alles dieſes, theils vorlaͤufig, theils bey der Wiederholung, aufmerkſam zu machen. Zum Nach - ſchlagen ſoll dieſes Compendium nicht ſeyn; dazu empfehle ich einmahl fuͤr al - lemahl das Bachiſche, und deswegen habe ich es auch fuͤr ſehr uͤberfluͤſſig ge - halten, Citaten abzuſchreiben, oder mich in Fragen einzulaſſen, die in Be - ziehung auf das Ganze doch nur Micro -logieVorrede.logie geweſen waͤren, ſo angenehm auch ihre Eroͤrterung ſeyn mag.

Eine Zugabe zu der Geſchichte des Roͤmiſchen Rechts iſt hier die kurze Ge - ſchichte der ganzen Rechtsgelehrſamkeit im heutigen Europa, und dieſe endigt ſich natuͤrlich mit einer Ueberſicht der jetzigen Art zu ſtudieren. Aus beyden, ſowohl aus der juriſtiſchen Litterairge - ſchichte, als auch aus der Encyclopaͤdie und Methodologie, kann man eigene Collegien machen, die vielleicht nuͤtzlicher ſind, als manche andere. So lange dieß aber gar nicht oder ſelten ge - ſchieht, ſo iſt es doch unleugbar ſchon Gewinn, auch nur einige muͤndliche Anleitung zum eigenen Studium dieſer Faͤcher zu erhalten.

Man hat mir geſagt, daß in bey - den Theilen des Buchs gar manche Stelle fuͤr Juriſten noch zur Zeit viel zu freymuͤthig ſey, daß ich von Juſti - nian und von Leyſer lange nicht mit genug Ehrfurcht geredet habe. Theils kann ich mir aber nicht vorſtellen, daß die Juriſten die Wahrheit weniger er -) (2tra -Vorrede.tragen ſollten, als die Theologen, bey denen es doch ſchon lange keine Suͤnde mehr iſt, Kirchenvaͤter und Verfaſſer von ſymboliſchen Buͤchern ſo ungenirt zu beurtheilen, wie andere Menſchen; theils wenn es wahr waͤre, daß uns jetzt die Theologen auch hierin beſchaͤ - men, ſo wuͤßte ich doch kein anderes Mittel, als mit aller moͤglichen Reſigna - tion mich darein zu ergeben, weil ich ſonſt nicht nur gegen meine Ueberzeu - gung ſprechen, ſondern auch noch die groͤßte Gefahr laufen muͤßte, es ganz umſonſt zu thun. Es wird mir niemand zumuthen, daß ich die Geſchichte Ju - ſtinians mit Jam noua progenies &c. anfangen ſollte, wer je geleſen hat, oder ſich erinnert, was faſt alle neueren Hiſtoriker von dem Kaiſer unſerer Com - pilatoren ſagen. Einige dieſer Aeuße - rungen ſtehen woͤrtlich hier abgedruckt, und ſchon gegen dieſe, die gewiß nicht die ſtaͤrkſten ſind, wuͤrde das Beywort: der große Juſtinian ſeltſam abſtechen.

Goͤttingen im December 1789.

§. 1.
[1]

§. 1.

Da die Rechtswiſſenſchaft ſich nicht blos mit Geſetzen, ſondern uͤberhaupt mit Zwangsrechten und Zwangspflichten, ſie moͤ - gen aus ausdruͤcklichen Geſetzen, oder aus Gewohnheit, oder Raiſonnement entſtanden ſeyn, beſchaͤftigt; ſo iſt die Geſchichte des Rechts auch nicht blos die Erzaͤhlung der Ver - aͤnderungen, die ſich mit den ausdruͤcklichen Geſetzen zugetragen haben.

§. 2.

Es ſind vorzuͤglich drey Punkte, die in der Rechtsgeſchichte verbunden werden koͤn - nen:

  • 1. Geſchichte der Quellen des Rechts, von wem und wie Veraͤnderungen bewirkt wor - den ſind, wohin natuͤrlich auch die Geſchich - te des Staats ſelbſt gehoͤrt, ſoweit ſie auf das Recht Einfluß hat; gleichſam das Aeuſſerliche der Rechtsgeſchichte;
A2.2Vorbereitung.
  • 2. Geſchichte des Rechtsſyſtems, Inhalt der Quellen ſyſtematiſch geordnet.
  • 3. Geſchichte des Studiums, der Bearbei - tung durch Rechtsgelehrte.

§. 3.

Eine ſolche Rechtsgeſchichte kann in der Jurisprudenz gerade eben ſo nuͤtzlich werden, als die Kirchengeſchichte und die Geſchichte der Dogmen in der Theologie es iſt. Ohne ſie laͤßt ſich durchaus kein gruͤndliches Stu - dium gedenken, aber man kann ſie voͤllig ent - behren, wenn man nur das lernen will, was ſich unmittelbar in der Praxis anwenden laͤßt.

§. 4.

Von den in Deutſchland geltenden Rech - ten iſt die Geſchichte keines einzigen ſo bear - beitet, und eines juriſtiſchen Vortrags ſo be - duͤrftig, als die des Roͤmiſchen Rechts. Denn die Urheber des Canoniſchen und Deutſchen Rechts hatten entweder gar kein Rechtsſy - ſtem, oder blos das Roͤmiſche gelernt. Oh - nehin wird ja auch noch jetzt die meiſte und die erſte Zeit der academiſchen Jahre auf die - ſes Recht verwendet, und da man die Rechts - geſchichte nicht ohne Grund unter die Anfangs - Collegien rechnet, da man uͤber die Geſchich -te3Vorbereitung.te des Deutſchen Staatsrechts ein eigenes Collegium, die Reichshiſtorie, hoͤrt, da auch die Geſchichte des Kirchenrechts in Verbin - dung mit den wichtigſten Lehren deſſelben be - ſonders vorgetragen werden wird: ſo iſt hier der erſte Theil, die Geſchichte des Roͤmiſchen Rechts in ſeinem Vaterlande (Conſtantinopel als Neu-Rom mit dazu gerechnet) ausfuͤhr - licher, als der zweyte, der die Geſchichte der Rechtsgelehrſamkeit von Juſtinian an bis auf unſere Zeiten enthaͤlt.

Erſter Theil. Geſchichte des Roͤmiſchen Rechts im Roͤmiſchen Staate.

§. 5.

Jo. Aug. Bach hiſtoria jurisprudentiae Ro - manae iſt bey weitem das Hauptwerk, ob er gleich noch oͤfter und oft auch in wichtigern Dingen von Brunquell, der ſonſt als Re - pertorium verſchiedener Vorſtellungsarten ſehr brauchbar iſt, und von Heineccius haͤtte ab - gehen koͤnnen und ſollen.

A 2Ter -4Theil I. bis Juſtinian.

Terraſſon hiſtoire de la jurisprudence Romaine iſt nicht im Geiſte der alten groſſen franzoͤſiſchen Civiliſten geſchrieben.

Chriſtian Thomaſius de naevis jurispruden - tiae Romanae characteriſirt ſich ſchon durch den Titel.

Ed. Gibbon’s hiſtoriſche Ueberſicht des Roͤmiſchen Rechts ſoll auch Nicht-Ju - riſten mit den wichtigſten Ideen auf eine an - genehme Art bekannt machen.

§. 6.

Das Fragment von Pomponius I. 2. fr. 2. hat, unter Juſtinian und ſeit Juſtinian, eben die Schickſale gehabt, wie viele andere, d. h. es iſt falſch excerpirt und falſch erklaͤrt wor - den. Wer aber ſeinen eigenen Weg ſucht, der wird mit Vergnuͤgen ſehen, daß Pompo - nius richtig verſtanden oft eben das ſagt, was ſich ſchon ohnehin ergab.

Einzele Beytraͤge liefern faſt alle juriſti - ſchen und nicht juriſtiſchen Claſſiker. Von den letztern ſind natuͤrlich diejenigen die glaub - wuͤrdigſten, die in den aͤltern Zeiten nicht am meiſten wiſſen wollen, alſo Tacitus mehr als Dionys von Halicarnaß und Plutarch.

Daß hiſtoriſche Ausſpruͤche von Juſtinian keine Geſetze ſind, giebt man jetzt allgemeinzu.5Theil I. bis Juſtinian.zu. Aber weit noͤthiger iſt noch in der Rechts - geſchichte die Warnung: nicht alles Revolu - tionenweiſe vorgehen zu laſſen.

§. 7.

Die 1300 Jahre von Roms Erbauung, bis auf unſer Corpus Juris laſſen ſich fuͤr die Rechtsgeſchichte ziemlich bequem in vier bey - nahe gleich lange Abſchnitte vertheilen:

I. Anfang II. Erweiterung III. hoͤchſter Flor und IV. Verfall des Roͤ - miſchen Staats, der Roͤmiſchen Litteratur und des Roͤmiſchen Rechts.

I. Der Staat ziemlich roh und klein, die Verfaſſung gemiſcht aus Monarchie (bis 250), Erb-Ariſtocratie und Democratie, das Recht unausgebildet.

II. Der Staat groͤſſer und maͤchtiger, die Verfaſſung gemiſcht aus Erb-Ariſtocra -A 3tie6Theil I. bis Juſtinian.tie und Democratie, nachher aus Wahl-Ari - ſtocratie. Das Recht auf geſchriebene Haupt - punkte gegruͤndet, verbeſſert und practiſch ge - lernt.

III. Der Staat weltherrſchend und hoch cultivirt, die Verfaſſung geht von der Re - publik zur Deſpotie, durch vielfache Abwechs - lungen voruͤbergehender Tyranney, und blei - bender gemaͤßigten Monarchie uͤber, die Jurisprudenz wird von den Claſſikern wiſſen - ſchaftlich und philoſophiſch bearbeitet.

IV. Der Staat zerſtuͤckt und aus ſeinem Urlande verdraͤngt, die Verfaſſung ſogar uͤber Meynungen deſpotiſch, die Jurisprudenz durch Launen der Deſpoten und durch das er - ſchwerte mechaniſche Studium zerruͤttet.

Erſte7

Erſte Periode, von der Erbauung Roms bis auf die 12 Tafeln.

Quellen des Rechts.

§. 8.

Rom entſtand aus Trojanern, mit denen ſich alte Einwohner des Landes vermiſch - ten. Vielleicht legten dieſe ſchon den Grund zur Stadt, die aber erſt unter Romulus (400 Jahre nach Troja) durch die Aufnah - me vieler Fremden ſich betraͤchtlich vergroͤſſer - te. Es waren zum Theil Exulanten, aber darum nicht gerade Verbrecher, und zum Theil Haͤupter von ganzen Staͤmmen *.

*Tacit. Ann. IV. 65. dux gentis Etruſcae ſedem eam acceperat. Svet. in Tib. I. Romam recens conditam cum magna clientum manu commigravit.
*

§. 9.

Sehr natuͤrlich war alſo Erb-Adel, aus welchem damahls allein der Senat beſtand, und das Verhaͤltniß der Clienten zu einem Patron. Auch gehoͤrte es zur Grundverfaſ -A 4ſung8Theil I. bis Juſtinian.ſung des Staats, daß er ſich nicht blos durch die Geburt, ſondern auch durch Aufnahme der Fremden, beſonders der Kriegsgefange - nen, wenn dieſe erſt eingewoͤhnt ſeyn wuͤrden, vermehren ſollte. Aber eben deswegen paßt die Unveraͤuſſerlichkeit der Grundſtuͤcke hier nicht, und eben ſo wenig die vielen Verord - nungen uͤber das Privatrecht, die Romulus gemacht haben ſoll. Im Gegentheil laͤßt ſich einiges daraus erklaͤren, daß man annimmt, im Hausrechte habe es jeder gehalten, wie vorher auch, einer ſo, der andere anders.

§. 10.

Eine Eintheilung des ganzen Volks muß - te ſchon wegen der beſtaͤndigen Kriege ge - macht werden; wahrſcheinlich war dies eben die in 30 Curien, wornach das Volk uͤber einen Antrag ſich erklaͤrte, dieſer mochte ein ſo genanntes Geſetz, oder einen anderen Be - fehl betreffen: lex curiata. Es kann ſeyn, daß man erſt in der Folge, da der Staat ſich vergroͤſſerte, und da die comitia curiata eine bloße Ceremonie wurden, die Stadt auch in tribus eintheilte. Wenigſtens benutzte man dieſe Eintheilung wohl nicht fruͤher.

§. 11.9Periode 1. Quellen.

§. 11.

Waͤhrend der friedlichen Regierung des zweyten Koͤnigs Numa wurden genauere re - ligieuſe Gebraͤuche, Meynungen und Perſo - nen erfunden, oder vielmehr nach dem Bey - ſpiele anderer Voͤlker eingefuͤhrt. Wenig - ſtens ſpaͤtherhin waren beſonders die Auſpi - cien und das Collegium der Auguren, ein weſentlicher Beſtandtheil der ganzen Staats - verfaſſung.

§. 12.

Der Zufluß von Fremden veranlaßte ſchon den fuͤnften Koͤnig Tarquinius I. neue Senatoren oder Patricier aufzunehmen. Aber erſt ſein Nachfolger Servius Tullius richte - te eine Art, die Stimmen zu ſammeln ein, wobey der Einfluß jedes Einzelen nicht von ſeiner Geburt, ſondern von ſeinem jedesmah - ligen Vermoͤgen, alſo davon, was er mit dem Staate zu erhalten oder zu verlieren hat - te, abhing: comitia centuriata nach dem cen - ſus. Nun waren alſo nicht mehr blos die Patricier von den Plebejern, ſondern auch die Reichern von den Aermern, in der Staats - verfaſſung getrennt.

A 5§. 13.10Theil I. bis Juſtinian.

§. 13.

Die Vertreibung der Koͤnige war nicht ſowohl unmittelbar wichtig, denn jeder Con - ſul war Koͤnig, und auch von den Koͤnigen hatte man wahrſcheinlich ſollen an das Volk provociren duͤrfen, wie nun auch von den Con - ſuln erlaubt ward. Aber die Gewalt des Senats und des Volks mußte nicht nur ge - ſichert, ſondern vermehrt werden, als die Stelle des Oberhaupts gar nicht mehr erblich, und alle Jahre abwechſelnd ward, und jeder Conſul einen Collegen hatte. Den Nachtheil, welcher aus dieſer allmaͤhlichen, aber unaus - bleiblichen, Schwaͤchung der Gewalt des er - ſten Staatsbedienten, fuͤr dringende Faͤlle zu befuͤrchten war, verhuͤtete man durch das Recht des Conſuls, ſich uͤber die Geſetze weg - zuſetzen *, und durch das Recht, einen Dicta - tor zu ernennen.

*Illis ſalus reip. ſuprema lex eſto. Cic. de Leg. III. Auf dieſen ſo ſehr mißverſtande - nen Satz gruͤndete ſich der Ausſpruch des Senats, nun ſey dieſer Nothfall vorhan - den: Videant Conſules ne quid detrimenti capiat respublica. Der Senat allein konnte den Conſuln kein neues Recht uͤber das Volk geben, aber die invidia (ich weiß kein deut - ſches Wort fuͤr dieſen Begriff, den wir in Deutſchland nicht haben) der Conſuln war kleiner, wenn ſie den Senat fuͤr ſich anfuͤh - ren konnten.
*
§. 14.11Periode 1. Quellen.

§. 14.

Das Verfahren der Glaͤubiger gegen ih - re Schuldner war zwar bey einem Volke, das Sklaverey aber keine Armenanſtalten hatte, nichts weniger als auſſerordentlich, aber doch gerade bey einem kleinen, rohen und kriege - riſchen Staate ſehr druͤckend. Die Einfaͤlle der Feinde, die faſt allgemeine Pflicht aller Buͤrger zu Felde zu ziehen, und die natuͤrlich hohen Zinſen machten es oft unvermeidlich nexus zu werden, und das Schickſal eines nexus hing ganz von ſeinem Glaͤubiger, oder allenfalls noch vom Conſul ab. Selbſt die Tribunen, welche ſich der aͤrmere Theil des Volks erzwang, waren nur in einzelen Faͤllen unmittelbare Huͤlfe, aber ihre Verſammlun - gen des Volks nach Tribus * wurden dem Adel und den Reichen gefaͤhrlich, und veran - laßten die Abfaſſung eines großen Grundge - ſetzes.

*Die Eintheilung in Curien, die auch, wie dieſe anfangs, nur nach den Koͤpfen war, ſcheint in Verfall gerathen zu ſeyn, da man ſie nicht auf die tribus ruſticae ausdehnte, und eine Curie ein zu kleiner Theil des Volks geweſen waͤre.
*

§. 15.

Auſſer dem Drucke der Erb-Ariſtocraten wirkte vielleicht auch das Beyſpiel der culti -vir -12Theil I. bis Juſtinian.virtern griechiſchen Staaten in Unter-Italien, daß man in Rom darauf beſtand, die Haupt - ſache von der ganzen Verfaſſung einmahl zur Sprache und zur Gewißheit zu bringen. Daß Geſandte nach Athen geſchickt wurden, iſt nicht glaublich, und warum die aus den Erb - Ariſtocraten gewaͤhlten Decemviren zugleich die einzige und unumſchraͤnkte Obrigkeit ſeyn ſollten, ſieht man nicht wohl, da ſie doch bloße legislatores im Roͤmiſchen Sinne des Worts waren, und alles von dem Gutfinden des verſammelten Volkes abhing. So wur - den zu Ende des erſten Jahrs zehn Tafeln genehmigt. Fuͤr das zweyte Jahr wurden neue Decemviren, und unter dieſen auch Ple - bejer, ernannt, aber der geſetzwidrige Aus - ſpruch des Appius Claudius hatte die Fol - ge, daß wieder Conſuln die Verſammlung hielten, worin das große Grundgeſetz der 12 Tafeln ſeine volle Kraft bekam.

§. 16.

Die zwoͤlf Tafeln waren kein Geſetzbuch, wie man in unſern Tagen Geſetzbuͤcher macht, um beſtrittene wiſſenſchaftliche Saͤtze, durch einen Machtſpruch von oben herab, zu be - ſtimmen. Die Fragmente, wie ſie der juͤn - gere Godefroi * zuſammengeſtellt hat, ent - halten, aus ſehr natuͤrlichen Urſachen, beywei -13Periode 1. Quellen.weitem nicht alles, was vom Staatsrechte in den 12 Tafeln vorgekommen ſeyn muß, ſondern viel vollſtaͤndiger die erſten und groͤb - ſten Grundſaͤtze des Privatrechts. Einen großen Theil der ganzen, an ſich ſehr maͤßi - gen, Urkunde nahm die Lehre von Verbrechen und von Polizey-Sachen ein. Es waren uͤbrigens nicht lauter neue Verordnungen, ſondern es kam auch vieles, aber nicht gera - de alles, Alte auch in die zwoͤlf Tafeln, weil man durch Vergleichung mit dem Griechiſchen Rechte, das Hermodorus erklaͤrte, darauf aufmerkſam geworden war.

*Fontes quatuor juris civilis auctore Jacobo Gothofredo.
*

§. 17.

Die erſte Tafel handelt von der Art, wie eine Sache vor den Staatsbedienten, der hier praetor heißt, gebracht werden ſoll,

die zweyte vom Verfahren vor dem Pri - vatmanne, den der Staatsbediente ernennt, und ſchwerlich auch vom Diebſtahle,

die dritte von den Rechten gegen Schuld - ner,

die vie[rt]e von der Ehe und vaͤterlichen Gewalt,

die14Theil I. bis Juſtinian.

die fuͤnfte von Erbſchaft und Vormund - ſchaft,

die ſechste vom Eigenthume,

die ſiebende von Verbrechen,

die achte von der Polizey, beſonders bey Grundſtuͤcken,

die neunte von den Staatsbedienten,

die zehnde von religieuſen Gebraͤuchen,

die elfte und zwoͤlfte ſind Ergaͤnzungen.

Syſtem des Rechts am Ende dieſer Periode.

§. 18.

Wenn man das ganze Recht in publicum und priuatum eintheilt, ſo gehoͤrt die Lehre von der Religion und von Verbrechen unſtreitig zu erſterm, bey welchem man auf die hoͤchſte Gewalt uͤberhaupt, und auf ihre einzelen Gegenſtaͤnde ſehen kann.

§. 19.

I. Ius publicum.

A. Staatsrecht, oder Grundgeſetze.

Die hoͤchſte Gewalt war beym Senate und beym Volke.

Der15Periode 1. Syſtem.

Der Senat beſtand aus lauter Erb-Ari - ſtocraten §. 9. und 12. die nicht einmahl durch Heyrathen ſich mit den Plebejern, ihren Clienten verbinden durften; an ſeiner Spitze waren die zwey Conſuln, welche Quaͤſtoren unter ſich hatten, oder ein Dictator mit dem magi - ſter equitum. Die Conſuln ernannte das Volk, den Dictator ein Conſul. Die Gewalt des Oberhaupts vom Senate begriff die Rechte, welche ehemahls der Koͤnig ge - habt hatte, und welche in der Folge zum Theil fuͤr den Cenſor und den Praͤtor abgeſondert wurden. Aber eingeſchraͤnkt war ſie der Re - gel nach durch interceſſio paris poteſtatis, pro - vocatio an das Volk oder die Tribunen, die Auſpicien und die invidia, vor welcher der kuͤnftige Privat-Mann ſich fuͤrchten mußte. Jeder erwachſene Patricier ſcheint Senator geweſen zu ſeyn. Die Volkstribunen hatten keine Stimme als ihr Veto.

§. 20.

Das Volk verſammelte ſich nach Centu - rien, oder nach Curien oder nach Tribus.

Comitia centuriata §. 12. hielt der Chef des Senats mit Auſpicien §. 11. theils um uͤber irgend einen Antrag §. 10. ſtimmen zu laſſen, theils zur Wahl neuer Conſuln, wo -bey16Theil I. bis Juſtinian.bey die centuria praerogativa, die wenigſtens zum Theil durch das Loos beſtimmt ward, immer den Ausſchlag gab.

Comitia curiata waren wohl ſchon eine Antiquitaͤt, und 30 Lictoren ſtellten das Volk vor.

Comitia tributa wurden von den unver - letzlichen Volkstribunen gehalten, ohne Au - ſpicien, theils uͤber irgend einen Antrag, theils um neue Tribunen zu waͤhlen. An die - ſen Comitien nahmen die Patricier keinen An - theil, es war alſo nicht populus ſondern nur plebs beyſammen.

§. 21.

Das Ius ferendi legem (verſchieden von Geſetzgebung weil lex nicht immer ein Geſetz, und ferre legem nicht ein Geſetz geben heißt) hatten nur die obrigkeitlichen Perſonen, die Volksverſammlungen halten durften. Der Regel nach ſollte die Sache ſchon im Senate vorgekommen ſeyn. Der Ausdruck pri - vilegia ne irroganto iſt mit der Verordnung wie uͤber das caput (Leben, Freyheit, Buͤr - gerrecht und Familie) eines Buͤrgers votirt werden ſollte, nicht leicht zu vereinigen.

Die Rechte gegen Auswaͤrtige verwalte - ten die Oberhaͤupter, der Senat und das Volk.

§. 22.17Periode 1. Syſtem.

§. 22.

B. Regierungsgeſetze, oder Staats-Polizey - Recht.

1. Recht der Aemter und Wuͤrden. Je - ne ertheilte bald das Volk, bald ein vom Volke gewaͤhltes Oberhaupt. Die Wuͤrden, den Erb-Adel, ertheilte, aber ſelten, der Senat.

2. Abgaben wurden nach dem Cenſus von Senat und Volk aufgelegt.

3. Die Religion war mit dem Staate innigſt verbunden. Ueber die Begraͤbniſſe hatte man Aufwandsgeſetze, und die Wei - hung einer im Proceſſe ſtehenden Sache ward mit doppeltem Erſatze beſtraft.

4. Militair. Vielleicht waren die aͤrmern Buͤrger ſchon damahls von den fuͤr ſie ſo druͤckenden Dienſten frey.

5. Die Civil-Juſtiz adminiſtrirte (jus dicebat) der Praͤtor d. h. damahls der Con - ſul, oder der Dictator, alſo der erſte Mann im Staate. Eben deswegen konnte dieſer ſich aber nicht mit der genauern Auseinanderſet - zung einzeler Proceſſe beſchaͤftigen, ſondern nur die Sache einleiten und Thaͤtlichkeiten verhindern. Sehr natuͤrlich war es auch, daß der Particulier, dem er die naͤhere Unter - ſuchung auftrug, bald das ganze Urtheil ſchonBvor -18Theil I. bis Juſtinian.vorgeſchrieben erhielt (judex), bald aber ei - ne ausgedehntere Vollmacht (arbiter), je nachdem es naͤhmlich, bey dem ganzen Pro - ceſſe, auf den Beweis einer einzelen That - ſache ankam, oder nicht. Uebrigens beruhte die jurisdictio ſehr viel auf Willkuͤhr, der 12 Tafeln ungeachtet, welche nur die aller - erſten Grundſaͤtze enthielten.

§. 23.

C. Strafgeſetze.

Das Verfahren gegen Verbrecher war wohl anders im Kriege, als im Frieden, und wahrſcheinlich nahm ſich im Nothfalle der Conſul der Sache an, auch wenn kein accuſator ſondern nur ein index da war, alſo es hatte wohl zuweilen Inquiſition ex officio (nach dem unlateiniſchen heutigen Ausdrucke) Statt. Die hoͤchſte Inſtanz war beym verſammelten Volke.

Die Verbrechen, welche als Angelegen - heit des ganzen Staats betrachtet wurden, mußten dieſen auch ziemlich unmittelbar ange - hen: Hochverrath, Conſpiration, Feuer - anlegen, Ermordung eines Buͤrgers, gericht - licher Meyneid, Zauberey, Schaden an Ge - traide, Untreue des Patrons, Pasquill, und zuweilen Entwendung. Sonſt war esGeiſt19Periode 1. Syſtem.Geiſt des Roͤmiſchen Rechts, daß von einer ſtrafbaren Handlung derjenige Vortheil hat - te, dem dadurch geſchadet werden ſollte.

Als Strafen kommen mannichfaltige Hinrichtungen, und Schlaͤge vor; ſie ſind nach dem Alter und auch darnach verſchieden, ob der Verbrecher ein Buͤrger oder ein Skla - ve war.

§. 24.

II. Privatrecht.

Wenn es auf die Vorſtellung des ganzen Roͤmiſchen Privatrechtsſyſtems ankommt, ſo laͤßt ſich vermuthen, daß der Plan der juri - ſtiſchen Claſſiker der beſte ſeyn werde.

A. Perſonen-Recht, oder Verhaͤltniſſe der Menſchen gegen einander, die ſich geden - ken ließen, wenn nichts als Menſchen in der Welt waͤren, ohne Ruͤckſicht auf Mein und Dein.

Dieſe Verhaͤltniſſe waren alle, wie ſie bey einer rohen Nation immer ſind, ſich aͤhn - lich und ſehr ſtrenge, ſo daß ſie beynahe alle fuͤr Theile des Vermoͤgens galten.

§. 25.

1. Herrn und Sklaven. Der Sklave hatte, ſo viel man weiß, gar keine RechteB 2ge -20Theil I. bis Juſtinian.gegen ſeinen Herrn, aber dieſer baute mit ihm das Feld und lief oft Gefahr, auch Skla - ve zu werden. Nicht blos die Kinder einer Sklavinn, ſondern alle Kriegsgefangene und manche verarmte Buͤrger wurden Sklaven.

Der Sklave ward frey, wenn ſein Herr es zugab, daß ihn das Oberhaupt des Staats fuͤr frey erklaͤrte: manumiſſio per vindictam, oder wenn der Herr ihn in das Verzeichniß der Buͤrger eintragen ließ: per cenſum, oder wenn er ihm im Teſtamente die Freyheit er - theilte. Die Freygelaſſenen hatten noch alle gleiche Rechte, ſie wurden plebejiſche Buͤrger, aber der Patron konnte Ehrfurcht, und in ei - nigen Faͤllen ihre Verlaſſenſchaft fordern.

§. 26.

2. Vaͤterliche Gewalt. Sie war beyna - he unumſchraͤnkt, und das dreymahlige Ver - kaufen (tres emancipationes), wodurch ſie aufhoͤrte, war noch kein Spiel, wie manche glauben, die ſich nicht aus unſern Sitten heraus, in die Lage des armen Roͤmiſchen Staats (§. 14.) hineindenken koͤnnen, und die nicht wiſſen, daß ein in Rom verkaufter Roͤ - mer immer nur verpfaͤndet war, und wieder ausgeloͤst werden konnte. Man ward Vater durch die eheliche Geburt, aber eben ſo gutdurch21Periode 1. Syſtem.durch Adoption, bey welcher der Souverain nur gefragt werden mußte (arrogatio) wenn ein Familienhaupt weniger werden ſollte.

Daß die vaͤterliche Gewalt nicht aufhoͤrte, wenn gleich der Sohn heyrathete, war in Rom gerade ſo wie in jedem Staate, wo es keine Handwerker ſondern nur Ackerbauer giebt.

§. 27.

3. Ehe. Es gab wohl noch keine andere, als die, wodurch die Frau eine Tochter, alſo beynahe eine Sklavinn, des Mannes ward: per conventionem in manum mariti. Aber die Feyerlichkeiten dieſer Ehe waren verſchie - den, je nachdem religieuſe Gebraͤuche (con - farreatio) oder ein bloßer Kauf (cöemptio) vorging, oder die Frau gar nur, wie anderes bewegliche Eigenthum, durch jaͤhrigen Beſitz erworben ward. Von einer dos war noch keine Rede, aber hoͤchſt wahrſcheinlich von verbotenen Graden. Die Erb-Ariſtocraten verbanden ſich weder mit Freygelaſſenen noch mit andern Plebejern.

Die Scheidung hing vom Manne ab, ſie war zwar lange nicht ſo haͤufig wie nach - her, aber doch ſchwehrlich unerhoͤrt.

B 3§. 28.22Theil I. bis Juſtinian.

§. 28.

4. Tutel. Auch dieſes Recht war nicht blos zum Beſten des Schutzbeduͤrftigen. Es erſtreckte ſich wohl ſchon damahls nicht blos uͤber Unmuͤndige, und unter dem Nahmen cura uͤber Wahnſinnige, und erklaͤrte Ver - ſchwender, ſondern auch uͤber das ganze weib - liche Geſchlecht, ſo oft dieſe Perſonen keinen Vater und keinen Ehemann hatten. Es kommt nur Tutel aus einem Teſtamente des Vaters, und kraft der Verwandſchaft vor, wohin zwar auch Freylaſſung, aber nicht ge - meinſchaftliche Herkunft durch Weibsperſonen, gehoͤrte, und das Recht des erſten Staats - bedienten einen Vormund zu ernennen war noch unbeſtimmt.

Die Tutel wegen des Alters hoͤrte mit der Pubertaͤt voͤllig auf, fuͤr welche man aber noch keine allgemeine Regel hatte.

§. 29.

B. Sachen-Recht, oder Mein und Dein, und was dazu gehoͤrt.

1. Jus in rem. Viele Sachen konnten kein Theil eines Privatvermoͤgens werden, weil ſie einem Gotte gewidmet (ſacrae), oder ſonſt unverletzlich (ſanctae), oder ein Begraͤb - niß (religioſae) waren, oder auch nur weilſie23Periode 1. Syſtem.ſie dem ganzen Staate gehoͤrten. Sonſt war aber die Claſſe der Sachen in ſo ferne groß, weil auch die Verhaͤltniſſe aus dem Perſonen - Rechte wenigſtens zu den unkoͤrperlichen Sa - chen gehoͤrten.

Das ſtrenge Recht des Eigenthuͤmers, ſeine Sache von jedem, auch dem durch kein Verſprechen und durch keine von ihm zuge - fuͤgte Beleidigung verbindlich gemachten, In - haber zuruͤckzufordern, war wie billig bey den Roͤmern ſehr eingeſchraͤnkt. Ein ſolches buͤr - gerliches Eigenthum (dominium quiritarium) erlangte man an koͤrperliche Sachen und an Rechte auf Grundſtuͤcke, nur auf folgende Arten, wenn man die Wirkung vom jus per - ſonarum und die Verlaſſenſchaften wegrech - net:

  • 1. mancipatio, oder mancipium, Uebergabe vor 6 Buͤrgern gegen wirkliche oder fingir - te Zuwaͤgung des Kaufpreißes; dadurch hoͤrte das Recht des wahren Eigenthuͤmers nicht auf, aber der, welcher emancipirte, mußte den durch die Eviction erlittenen Schaden doppelt erſetzen,
  • 2. ceſſio in jure, addictio durch das Ober - haupt des Staats,
  • 3. adjudicatio Ausſpruch des von ihm er - nannten Theilungs-Commiſſairs,
B 44. vſus24Theil I. bis Juſtinian.
  • 4. vſus oder vſucapio, ununterbrochener Be - ſitz einer beweglichen Sache binnen einem Jahre, einer unbeweglichen binnen zweyen, wenn eine der vorigen Arten nicht mit dem wahren Eigenthuͤmer vollzogen worden war, oder wenn man die Sache auf der Jagd, oder im Kriege, oder durch ſimple Uebergabe ex juſta cauſa praecedente, da wo Mancipation noͤthig geweſen waͤre, er - halten hatte. Die vindicatio einer res fun - gibilis war alſo nach allem dieſen ſehr ſchwer.

Das Recht des Pfandglaͤubigers war noch einerley mit dem widerruflichen Eigenthume, fiducia.

Jedes jus in rem ging verloren, theils durch Abtretung, theils durch Verlaſſung, theils dadurch, daß die Sache ganz aus dem commercium kam.

§. 30.

2. Jus in perſonam obligatam. Dies war natuͤrlich um ſo wichtiger, je ſeltener das jus in rem zureichte. Die obligatio ging vor ſich entweder durch eine rechtmaͤßige oder durch eine unrechtmaͤßige Handlung.

a. Obligatio ex contractu. Die Entſte - hung eines unwiderruflichen Zwangsrechtsauf25Periode 1. Syſtem.auf alles, was je ein Anderer zugeſagt hat, iſt im Natur-Rechte ſo ſchwer zu beweiſen, daß man es nicht fuͤr unnatuͤrlich oder fuͤr ein Zeichen eines treuloſen National-Characters halten ſollte, wenn die Roͤmer, ſo wie faſt alle andern Voͤlker, zu einer Verabredung, wodurch jemand ein Zwangsrecht nicht etwa blos zu modificiren oder aufzuheben, ſondern ganz erſt von neuem zu gruͤnden ſuchte, noch entweder eine foͤrmliche Anfrage an den Ver - ſprecher, oder aber einen wirklichen Verluſt des Andern, der ſchon etwas gethan oder ge - geben hatte, erforderten. Der Satz: ex nu - dis pactis non oritur actio ſed exceptio waͤre einer ſehr klugen Geſetzgebung wuͤrdig, wenn ſich ſolche Dinge durch Geſetze machen ließen, und nicht faſt immer von ſelbſt machten.

Real-Contracte waren: mutuum bey ei - ner verbrauchbaren Sache mit hoͤchſtens 8⅓ ProCent (vſura vnciaria), commodatum, depoſitum und pignus, und alle ungenannten Contracte, als zu deren Weſen ein ſchon vollendetes Geben oder Thun gehoͤrt.

Ob alle andere Contracte durch eine Sti - pulation geſchloſſen wurden, oder ob Kauf fuͤr Geld, Miethe, Societaͤt und Mandat ſchon damahls ausgenommen waren, laͤßt ſich nicht beſtimmen.

B 5§. 31.26Theil I. bis Juſtinian.

§. 31.

b. Obligatio ex delicto. Sie ging faſt immer auf mehrfachen Erſatz und ſie konnte darauf gehen, weil in einem Lande, wo Skla - verey Statt findet, auch der aͤrmſte Verbre - cher an ſeinem eigenen Koͤrper ein Capital hat. Sehr viele unerlaubte Handlungen wurden gar nicht ſo angeſehen, als ob der Staat un - mittelbar dabey intereſſirt ſey, es war bloß Sache des Beleidigten, der daruͤber Verab - redungen traf, welche er wollte. So bey Dieb - ſtahl und Raub, (furtum) Verwundung u. ſ. w. Noxia eines filiusfam. oder Sklaven und pauperies eines Thiers.

§. 32.

3. Verlaſſenſchaften. Letzter Wille und geſetzliche Erbfolge waren ſich ſo entgegenge - ſtellt, daß letztere nicht Statt fand, ſo bald im mindeſten etwas giltig diſponirt war. Da - her der Grundſatz: Nemo poteſt pro parte teſtatus, pro parte inteſtatus decedere, weil ſchon nach den Worten der XII Tafeln die Inteſtaterbfolge bloß ſubſidiariſch war. Uebrigens iſt von keinem Erbrechte die Rede, wenn nicht ein Hausvater geſtorben iſt.

a. Teſtamente. Ueber ihre Form war gar nichts verordnet, und man weiß nicht, obnoch27Periode 1. Syſtem.noch jetzt in comitiis calatis nach Curien, und in procinctu ein Teſtament gemacht ward. Aber die Form, welche noch bis auf die ſpaͤthe - ſten Zeiten, freylich kaum mehr erkennbar ſich erhielt, hatte zur Grundlage einen wider - ruflichen Erbvertrag, eine Auflaſſung des ganzen Vermoͤgens an den Erben, oder bald nachher an einen Dritten. Der Inhalt des Teſtaments ſcheint ganz von der Willkuͤhr des Teſtirers abgehangen zu haben, Enter - bung und Uebergehung der Kinder ſo gut, als Tutel der Schutzbeduͤrftigen, die er in ſeiner Gewalt hatte, Legate, und Freylaſſungen.

§. 33.

b. Geſetzliche Beſtimmung wenn keine in - dividuelle da war. Erſt der heres ſuus, im Gegenſatze deſſen, der aus der Familie ſeines leiblichen Vaters in eine andere uͤber gegangen war, auch wohl deſſen, der ſchon beym Leben des Vaters fuͤr ſich Vermoͤgen erworben hat - te. Vermuthlich ſah man ſchon damahls hierin nicht auf die Naͤhe des Grades, aber wohl auf die unmittelbare vaͤterliche Gewalt. Sobald kein ſuus vorhanden war, kam es darauf an, ob der Verſtorbene einſt ſelbſt ein Sklave geweſen war, oder etwa nur ſeine Voraͤltern. In jenem Falle ſuccedirte der Patron, in dieſem, ſo wie wenn gar keineSkla -28Theil I. bis Juſtinian.Sklaverey vorkam, der naͤchſte Agnate, oder die von derſelben gens.

§. 34.

Die Hypotheſe, daß das weibliche Ge - ſchlecht noch gar nicht geerbt habe, erklaͤrt vollkommen, warum alle Verwandten durch Weibsperſonen, alle Cognaten, nicht erbten, warum ſo ſehr lange das weibliche Geſchlecht in der Erbfolge dem maͤnnlichen nicht ganz gleich war, warum die Roͤmerinnen ſich da - mahls noch zur ſtrengen Ehe entſchloſſen, und warum von einer Erblaſſerinn gar nichts vor - kommt. Nimmt man noch die ganze Lage des weiblichen Geſchlechts bey einem kriegeri - ſchen und uncultivirten Volke dazu, ſo ſcheint es dagegen nichts zu beweiſen, daß 700 Jah - re ſpaͤther die Claſſiker ſagen, der Unterſchied zwiſchen agnatus und agnata ſtehe nicht in den 12 Tafeln, und daß ein Griechiſcher Kaiſer im Mittelalter ſich ruͤhmt, er habe eine un - natuͤrliche und beynahe ſuͤndliche Ungleichheit abgeſchaft, die auch die 12 Tafeln nicht ge - kannt haͤtten.

§. 35.

Unter mehrern Erben waren die Activ - und Paſſivſchulden durch bloße Rechnung ver - theilt, das uͤbrige Vermoͤgen durch 3 arbitrifami -29Periode 1. Syſtem.familiae erciſcundae. Wer das Meiſte er - hielt mußte auch die gottesdienſtlichen Gebraͤu - che uͤbernehmen, die der Verſtorbene beobach - tet hatte.

§. 36.

C. Proceß.

Es iſt ſchon oben erinnert worden, daß bey eben dem Manne, der auf ein Jahr lang gewaͤhlt worden war, um die Armee zu fuͤh - ren, und das Oberhaupt des ganzen Staates zu ſeyn, auch die Streitigkeiten aus dem Pri - vatrechte angebracht werden mußten. Das Roͤmiſche Recht kennt, ſchon in dieſen Zeiten, die Selbſthuͤlfe ſo wenig, als moͤglich. Ge - gen dieſen Satz beweißt es gar nichts, daß jeder Klaͤger den Beklagten auffordern durf - te, mit ihm vor den Regenten (in jus) zu gehen, und daß er ihn im Weigerungs-Falle, mit dem Beyſtande oder in Gegenwart ande - rer Glieder der geſetzgebenden Gewalt, ſogar dazu zwingen konnte, ohne erſt eine einſeitige Anzeige davon gemacht, und dadurch einen Befehl erhalten zu haben. Der Staat war noch klein und die Schreibkunſt ſelten, alſo perſoͤnliches Erſcheinen faſt unumgaͤnglich noͤ - thig, oder wenigſtens nicht laͤſtig. Der Con - ſul entſchied den Beſitz bis zu Austrag der Sache (vindicias dabat) bey Realklagen undbey30Theil I. bis Juſtinian.bey Streitigkeiten uͤber Freyheit oder Sklave - rey. Aber wer den Beſïtz widerrechtlich er - langt hatte, ſollte die Fruͤchte doppelt erſetzen, oft ward auch unter den Partheyen eine andere Strafe, etwa wie unſere Succumbenzgelder, aber, wie immer, zum Vortheil des Gegners durch Stipulation (ſtipulatio Praetoria) be - ſtimmt. Nun reducirte ſich alſo auch die Real - klage auf eine obligatio, und bey allen perſoͤn - lichen Klagen, die nicht offenbar ungerecht waren, gab der Conſul einen Richter, dem er, je nachdem die Parrheyen ſich gegen einander erklaͤrt hatten (litis conteſtatio) eine Vor - ſchrift ertheilte, worauf es hauptſaͤchlich an - komme, und wie auf jedem Fall geſprochen werden muͤſſe (actio). Dabey waren denn bald zum Beſten des Beklagten, bald aber auch des Klaͤgers * noch modificirende Clau - ſeln (exceptio, praeſcriptio).

*Cic. de Oratore I. 37. vetus atque vſitata exceptio quod petitoris cauſa comparatum eſſe non intelligebat.
*

§. 37.

Nun war der Gegenſtand des Proceſſes res litigioſa, die bey Strafe des doppelten Erſatzes nicht geweiht werden durfte, und nun hing es von den Partheyen ab, ob die Sache gleich vorgenommen werden ſollte, oderob31Periode 1. Studium.ob ſie ſich uͤber Termine verglichen (vadimo - nium). Der Auftrag des Particuliers war zu Ende, ſobald er geſprochen hatte, die Exe - cution war wieder eine Sache des Regenten, dem man gerade ſo viel und nicht mehr uͤber - ließ, als man ihm uͤberlaſſen mußte.

Studium des Rechts.

§. 38.

In dieſer ganzen Periode war zwar Juſtiz in Rom, aber noch keine Jurisprudenz. Man dachte ſo wenig daran, Begriffe und Grundſaͤtze aufzuſuchen und wiſſenſchaftlich zu bearbeiten, nach welchen ein rechtſchaffener und vernuͤnftiger Conſul oder Richter handeln muͤſſe, als man uͤberhaupt an gelehrte Logik oder Moral dachte. Es gab eben ſo wenig Juriſten in Rom, als es bey andern rohen Voͤlkern Juriſten giebt.

Ob Papirius bald nach Vertreibung der Koͤnige alle ihre Geſetze, oder nur die Regeln fuͤr den Gottesdienſt geſammelt, ob er dieſe Sammlung geſchrieben, oder nur muͤndlich durch Tradition fortgepflanzt habe, iſt ſehr beſtritten.

Zwey -32Theil I. bis Juſtinian.

Zweyte Periode, von den zwoͤlf Tafeln bis auf Cicero von 300 bis 650.

Quellen des Rechts.

§. 39.

Ueber die Beſtrafung der Verbrechen, uͤber die Polizey, und uͤber das Privatrecht hatte man nun einige Beſtimmungen mehr, und mancher Punkt der alten Staatsverfaſ - ſung und des alten Privatrechts war nun ge - gen Zweifel und Widerſpruͤche geſichert. Aber die Erb-Ariſtocratie, von jeher die verhaßte - ſte Regierungsform, ward darum den Roͤ - mern nicht angenehmer, ſie mußte im Gegen - theil immer druͤckender werden, da die Zahl der Ariſtocraten vielleicht an ſich, aber ganz gewiß im Verhaͤltniſſe zu den Plebejern, wo - hin alle Freygelaſſenen gehoͤrten, immer ab - nahm; da der Unterſchied immer mehr ver - altete, und ſehr leicht der Nachkoͤmmling ei - nes der angeſehenſten Gefaͤhrten des Romu - lus aͤrmer ſeyn konnte, als mancher, der Ple - bejer ward und Plebejer blieb, weil die Erb -Ariſto -33Periode 2. Quellen.Ariſtocraten zu viel Stolz oder zu wenig Klug - heit beſaßen, um ihre Parthie oft genug durch neue Mitglieder zu verſtaͤrken. Die Plebejer hatten nun ihre Anfuͤhrer, deren ganzes In - tereſſe auf der Demuͤthigung des Erb-Adels beruhte; oft war auch ein Patriciſcher Conſul edel oder niedertraͤchtig genug, ihre Forde - rungen zu beguͤnſtigen. Kein Wunder alſo, daß der Zuſatz von Democratie in der Ver - faſſung immer ſtaͤrker ward, und daß die Ariſtocratie wenigſtens aufhoͤrte, geſetzmaͤßig erbliche Ariſtocratie zu ſeyn.

§. 40.

Gleich zu Anfang dieſer Periode mußten die Erb-Ariſtocraten zugeben, daß ein Schluß, den die Plebejer auch ohne ſie gefaßt haͤtten (plebisſcitum) nicht etwa eine lex, ein Antrag an das Volk, ſeyn und heißen, ſon - dern voͤllig eben ſo kraͤftig ſeyn ſollte, als eine andere lex. Da man dies oͤfters, und noch zu Ende des fuͤnften Jahrhunderts, wiederhol - te, und da man doch nicht ſieht, daß die Tri - bunen mit ihren Volksverſammlungen ohne Patricier und ohne Auſpicien, alles durchge - ſetzt haͤtten, was allein den Patriciern unan - genehm war, ſo iſt es ſchwehr zu entſcheiden, welche Einſchraͤnkungen den Worten nach, oder doch dem Herkommen nach, ſich bey die -Cſem34Theil I. bis Juſtinian.ſem neuen Grundſatze fanden; und man darf hier, ſo wie bey andern oft wiederholten Ge - ſetzen, zweifeln, ob nicht manche Verordnung uͤber einen einzelen Fall fuͤr eine ganz allge - meine Regel gehalten worden ſey.

§. 41.

Ein Sieg uͤber die Erb-Ariſtocratie er - leichterte immer den andern, und nachdem einmahl die Ehe eines Plebejers mit der Toch - ter eines Patriciers erlaubt war, ſo konnte das ausſchließende Recht des Adels, zu den erſten Staatsbedienungen, ſich nicht mehr lange erhalten. Aber auch dieſe Veraͤnde - rung ging Stufenweiſe, und wer das Ende des vierten Jahrhunderts (387) zur Epoche machen will, weil da endlich das Conſulat ein Monopol zu ſeyn aufhoͤrte, der ſollte doch nicht vergeſſen, daß die Cenſoren, der Praͤ - tor, die Pontifen und die Auguren noch laͤn - gere Zeit blos aus den alten Familien gewaͤhlt werden durften.

§. 42.

Die Entſtehung neuer Regenten-Aemter war eine nothwendige Folge von der Ver - groͤßerung des Staats, wenn gleich die Pa - tricier ſehr gerne ſolche Gelegenheiten benutz - ten, um ſich fuͤr dieſe oder jene Aufopferungwe -35Periode 2. Quellen.wenigſtens eine Zeitlang zu entſchaͤdigen. Be - ſonders wichtig waren die Aemter, welchen man theils die Compoſition der regierenden Corps, die Verpachtung der oͤffentlichen Ein - kuͤnfte (vectigalia, nicht gerade der Zoͤlle) an reiche Roͤmer, die keine Senatoren waren (equites), und die nicht juſtizmaͤßige Beſtra - fung ſchlechter Buͤrger, theils die Verhuͤtung von Gewaltthaͤtigkeiten bey Rechtsſachen uͤber - trug. Die neuen Regenten, welche in jenen Stuͤcken an die Stelle der Conſuln traten, hießen von einem ihrer Geſchaͤfte Cenſoren, und der untergeordnete College der Oberhaͤup - ter des Staats fuͤr letzteres behielt den allge - meinen Nahmen eines Praͤtors, nur mit dem Zuſatze vrbanus, weil ſeine Beſtimmung war, in der Stadt zu bleiben, wenn die Conſuln an die Grenze zoͤgen.

§. 43.

Unter den Cenſoren muß man ſich nicht bloße Sittenrichter denken; ſie hatten das Recht Senatoren zu ernennen (legere), und da der Aemter noch ſo wenige waren, welche Sitz und Stimme im Senat gegeben haͤtten, ſo war ihre Wahl um ſo weniger eingeſchraͤnkt. Sie formirten die Centurien, und ſie muͤſſen ſelbſt die Tribus formirt haben, weil im ſechsten Jahrhunderte ein Cenſor vielleicht dieC 2Haͤlf -36Theil I. bis Juſtinian.Haͤlfte aller Buͤrger in vier Tribus zuſam - menſteckte, die vorher durch alle 35 vertheilt geweſen waren a). Die Gewalt der Cenſo - ren war ſehr groß, denn noch zu Cicero’s Zeiten ſtießen ſie einen geweſenen Conſul aus dem Senate, und ſehr fruͤh dachte man dar - auf, ihren Deſpotismus unſchaͤdlich zu machen.

a)Cic. de Oratore I. 9.
a)

§. 44.

Der neue Praͤtor war ſo wenig, als die Conſuln ſelbſt, ein Richter wie die unſrigen; nicht einmahl auf jurisdictio war er einge - ſchraͤnkt, er konnte in allen Stuͤcken Gehuͤlfe und Stellvertreter der Conſuln ſeyn, aber die Conſuln hatten auch ihre jurisdictio nicht verloren, ob ſie gleich ſeltener Gebrauch da - von machten. Als der Staat ſich vergroͤßer - te, ward noch ein Regent (praetor) gewaͤhlt, der hauptſaͤchlich außerhalb der Stadt ge - braucht werden ſollte (peregrinus) a). In der Folge hatte man noch mehr Gouverneure noͤthig, am Ende dieſer Periode waren es ſechs, und weil die peinlichen Gerichte ſich mehr ausgebildet hatten, ſo war es eine weiſe Einrichtung, daß jeder Buͤrger, indem er einer entfernten Provinz ihren Regenten waͤhl - te, nicht wiſſen konnte, ob dieſer nicht durchdas37Periode 2. Quellen.das Loos praetor vrbanus uͤber ihn ſelbſt wer - den, oder welches Criminaldepartement er bekommen wuͤrde. Entweder die jurisdictio oder eine quaeſtio beſchaͤftigte jeden Praͤtor ein Jahr lang in der Stadt, ehe er in ſein Gouvernement abreiſen durfte.

a)I. 2. fr. 2. §. 27. qui vrbanus ap - pellatus eſt quod in vrbe jus redderet. §. 28. non ſufficiente eo Praetore, quod multa turba etiam peregrinorum in civita - tem veniret: creatus eſt et alius Practor, qui peregrinus appellatus eſt, ab eo quod plerumque inter peregrinos jus dicebat. Gewoͤhnlich verſteht man in civitatem wie wenn es hieße in vrbem. Indeſſen iſt frey - lich ein eigenes Gaſtgericht der Analogie nicht ganz zuwider, und in der Folge we - nigſtens kommt ein eigener Praͤtor vor, cui inter cives et peregrinos jurisdictio evene - rat. Tac. Ann. I. 15.
a)

§. 45.

Die neuen, Anfangs blos Patriciſchen Aedilen (curules, im Gegenſatze derjenigen, welche ſchon vorher Subalternen der Tribu - nen geweſen waren) hatten die Polizey unter ſich, und dazu gehoͤrte auch die koſtbare Ehre, oͤffentliche Schauſpiele zu beſorgen. Die Zahl der Quaͤſtoren, die man nicht mit den Quaͤ - ſitoren oder Inquiſitoren verwechſeln muß, und die von jeher Adjutanten der GeneraleC 3ge -38Theil I. bis Juſtinian.geweſen waren, vermehrte ſich, und einigen war das aerarium (nicht blos der Schatz, ſondern auch das Archiv) anvertraut.

Die Volkstribunen bekamen Sitz und Stimme im Senate, und mußten nachher aus den plebejiſchen Senatoren gewaͤhlt wer - den.

§. 46.

Die theils voruͤbergehenden theils weni - ger bedeutenden Aemter der tribuni militum conſulari poteſtate, und der Triumviri capi - tales, monetales u. ſ. w. intereſſiren bey der Rechtsgeſchichte weniger, als die Privatper - ſonen, aus welchen die Criminal und Civilge - richte beſetzt wurden. In peinlichen Sachen wurden die Urtheiler aus Decurien ausgeſucht, in welche anfangs nur Senatoren, nachher gegen das Ende dieſer Periode auch equi - tes kamen. Ueber Civilproceſſe, bey welchen mehr Rechtsſaͤtze, als nur einzele Thatſachen, oder als der Beſitz, ſtreitig waren, erkannten Gerichte, die der Praͤtor oder ein Decemvir litibus judicandis aus dem Corps der 105 Centumviri beſtellte, oder dirigirte (conſi - lium, haſta centumviralis). Es iſt aber in dieſer ganzen Lehre noch vieles dunkel.

§. 47.39Periode 2. Quellen.

§. 47.

Die meiſten der bisher erzaͤhlten Veraͤn - derungen gingen durch feyerliche Volksſchluͤſ - ſe (leges); es iſt alſo kein Wunder, wenn Livius oder Tacitus von einer ungeheuern Menge leges ſprechen, die ſeit den zwoͤlf Ta - feln bis auf ihre Zeit gemacht worden ſeyen. Aber beynahe unbegreiflich iſt es, wie man ſolche Stellen anfuͤhren kann, um zu bewei - ſen: erſt ein Griechiſcher Kaiſer im Mittelalter habe das Roͤmiſche Privatrecht, ein Chaos zur Zeit der ſchoͤnſten Bluͤthe der Litteratur, in Ordnung bringen muͤſſen. Eine kurze chro - nologiſche Ueberſicht aller Volksſchluͤſſe, die man in dieſer Periode aufuͤhrt, kann am be - ſten zeigen, wie wenig man ſich in den Volksverſammlungen mit juriſtiſchen Lehrſaͤt - zen abgab, und eben dieſe Ueberſicht kann vielleicht zur naͤhern Kenntniß des Staats manchen Beytrag liefern.

§. 48.

Aus dem vierten Jahrhunderte kommen folgende leges vor: 1. allgemeine Verbind - lichkeit der Plebisſciten, 2. Verbot je einen Regenten von der Provocation zu befreyen, 3. Unverletzlichkeit (ſanctio) der Tribunen, Aedilen, judices, decemviri, dadurch, daßC 4der40Theil I. bis Juſtinian.der Verbrecher ſacer ſeyn ſollte, 4. Le - bensſtrafe gegen jeden, der die Ernennung der Tribunen hindern wuͤrde, 5. ſie ſol - len zehen, und lauter Plebejer ſeyn, 6. Pa - tricier und Plebejer duͤrfen ſich heyrathen, 7. die Gewalt der Cenſoren waͤhrt nur Jahre, 8. gegen den ambitus, 9. Ein - ſchraͤnkung der mulctae dictio, 10. nie - mand ſoll uͤber 500 jugera beſitzen, 11. gegen den Wucher, eine vermuthlich nur tem - poraire Verordnung, 12. Zulaſſung der Plebejer zu der Stelle eines decemvir ſacro - rum, 13. zum Conſulat 387, 14. Rechte des praetor vrbanus, 15. das erſte Strafgeſetz gegen unerlaubte Mittel einer von den Regenten des Staats zu wer - den, 16. Zinſen zu 8⅓ Procent beſtaͤtigt, 17. Abgabe zu 5 Procent von manumittirten Sklaven, 18. Verbot bey Lebensſtrafe keine Volksverſammlung in der Entfernung von Rom zu halten.

§. 49.

Aus dem fuͤnften Jahrhunderte: 1. tem - poraire Anſtalten zur Erleichterung der Schuldner, 2. uneingeſchraͤnkte Aufnah - me in den Senat, 3. vſurae ſemiunciariae und Termine, alſo vielleicht nur voruͤberge - hend, 4. keine Militairperſon ſoll will -kuͤhr -41Periode 2. Quellen.kuͤhrlich verabſchiedet werden, und wer ein - mahl tribunus militum geweſen iſt, darf nicht als Subaltern dienen, 5. Zinſen ganz verboten, 6. niemand darf zwey Re - gentenſtellen zu gleicher Zeit, 7. niemand dieſelbe Stelle binnen zehn Jahren zweymahl begleiten, 8. beyde Conſuln duͤrfen Plebe - jer ſeyn, 9. die allgemein verbindliche Kraft der Plebisſciten beſtaͤtigt, 10. eine lex centuriata muß der Senat vorlaͤufig gut heißen, ſie mag ausfallen wie ſie will, 11. einer von beyden Cenſoren ſoll ein Plebejer ſeyn, 12. das Privatgefaͤngniß der Schuld - ner hat, der Regel nach, nur noch bey einer obligatio ex delicto Statt, 13. der prae - tor vrbanus mit Zuziehung der Tribunen, die aber diesmahl nicht alle uͤbereinzuſtimmen noͤthig haben, darf Tutoren ernennen: lex Ati - lia, 14. kein Tempel oder Altar ſoll ohne Einwilligung des Senats und der Pluralitaͤt der Tribunen geweiht werden, 15. Zahl der Pontifen und Auguren vermehrt, und Zulaſſung der Plebejer zu dieſen Wuͤrden, 16. wer an das Volk provocirt, darf nicht hingerichtet werden: lex Valeria, eingeſchraͤnkt durch die Mutinybill, 17. allgemeine Ver - bindlichkeit der Plebisſciten zum letzten mahle erneuert, 18. Jurisdiction an nundinis verordnet, 19. die Unabhaͤngigkeit der Co -C 5mitien42Theil I. bis Juſtinian.mitien vom Senate erneuert, 20. uͤber die Zahl der Quaͤſtoren und ihre Geſchaͤfte (provinciae), 21. niemand darf zum zweyten mahle Cenſor werden, 22. der Praͤtor ſoll Leute, die zwar puberes ſind, aber das 25ſte Jahr noch nicht zuruͤckgelegt haben, gegen nachtheilige Verbindungen in integrum reſtituiren: lex Laetoria.

§. 50.

Im ſechsten Jahrhunderte, alſo waͤhrend der Puniſchen Kriege und waͤhrend der ſchoͤn - ſten und am Ende ſchon welkenden Bluͤthe des Freyſtaats: 1. uͤber die Veſtalinnen, 2. (vielleicht) Aenderungen an den 12 Ta - feln: lex Aebutia, 3. gegen Knaben - ſchaͤnderey, 4. (vielleicht) uͤber die Se - natsverſammlungen, 5. ein Aufwands - geſetz, 6. gegen den Seehandel der Se - natoren und ihrer Soͤhne, 7. gegen den Luxus der Roͤmerinnen: lex Oppia, 8. gegen die heimlichen Geſchenke: lex Cincia, die nicht imperfecta war, 9. gegen die vſucapio rei furtivae wiederholt, 10. kein Roͤmer darf mehr hingerichtet, oder mit ſklaviſchen Strafen belegt werden: lex Por - tia, 11. Ausdehnung der Wuchergeſetze auf ſocii und Latini, 12. gegen den am - bitus, 13. ein Aufwandsgeſetz, 14. uͤber43Periode 2. Quellen.uͤber den Erſatz widerrechtlicher, auch aus Un - vorſichtigkeit zugefuͤgten, Beſchaͤdigungen: lex Aquilia, de damno injuria dato, 15. uͤber das erforderliche Alter zu einer Regentenſtel - le, 16. Entfernung der Nicht-Roͤmer aus der Stadt, 17. kein Roͤmer darf ir - gend einem Frauenzimmer, auch ſeiner ein - zigen Tochter nicht, eine Erbſchaft oder ein ſehr betraͤchtliches Legat im Teſtamente zu - wenden: lex Voconia, 18. uͤber Grenz - ſtreitigkeiten, 19. ein Aufwandsgeſetz, 20. gegen den ambitus, 21. uͤber die Au - ſpicien, 22. uͤber die Tage, an welchen dem Volke ein Antrag gemacht werden duͤrfe.

§. 51.

Aus der erſten Haͤlfte des ſiebenten Jahr - hunderts, wo der Staat ſich einer Revolu - tion ſchon unaufhaltſam naͤherte: 1. gegen Erpreſſungen der Gouverneure (de pecuniis repetundis), 2. gegen den Luxus, 3. wer in Staatsangelegenheiten abweſend iſt, darf nicht angeklagt werden, 4. geheime Stimmen oder Ballotiren (lex tabellaria) bey Wahlen, 5. bey peinlichen Gerichten, Hochverrath ausgenommen, 6. bey jedem Antrage an das Volk, 7. eine annalis, 8. die Tribunen erhalten Sitz und Stimme im Senate, 9. Heimweiſung der Nicht -Roͤ -44Theil I. bis Juſtinian.Roͤmer, 10. eine agraria (ſo wie die fol - genden acht, von Gracchus), 11. Straſ - ſenbau auf Koſten des Staats, 12. eine frumentaria, 13. Kleidung der Buͤrger im Kriege auf Koſten des Staats, 14. uͤber das caput eines Roͤmers ſoll nicht an - ders, als auf Befehl des Volks gerichtet wer - den, 15. die centuria praerogativa ſoll aus allen Claſſen herausgeloost werden, 16. kein Senator ſondern nur Ritter ſollten in Criminalgerichten ſitzen, 17. die De - partemens ſollen beſtimmt werden, noch vor der Wahl der neuen Regenten, 18. ge - gen Complotte in Proceſſen, 19. Rechte der Generale gegen die Einwohner des Latium gemildert, 20. zwoͤlf neue Colonien, jede von 3000 Hausvaͤtern, 21. vectigal nach - gelaſſen, 22. gegen den ambitus, 23. gegen den Luxus, 24. Einfuͤhrung wilder Thiere zu Schauſpielen erlaubt, 25. de inceſtu, 26. Ballotiren auch bey Hoch - verrath, 27. eine agraria, 28. Be - ſetzung der Gerichte aus Senatoren und Rit - tern, 29. de pecuniis repetundis, 30. ſacerdotes aus den Plebejern.

§. 52.

In dieſe Periode gehoͤren noch folgende, die ſich nicht chronologiſch genau beſtimmenlaſ -45Periode 2. Quellen.laſſen: 1. Niemand ſoll bey dem Volke dar - auf antragen, daß man ihn ſelbſt, oder ſeine Collegen, zu Commiſſarien ernennen moͤchte, 2. die ſcribae ſollen keinen Handel treiben, 3. (vielleicht) Cornelia teſtamentaria, das Te - ſtament des Roͤmers, der in der Kriegsge - fangenſchaft, als Sklave ſtarb, ſoll gelten, 4. Fabia de plagiariis, 5. Furia teſta - mentaria, Einſchraͤnkung eines Legats auf 1000 aſſes, doch mit Ausnahmen, 6. Remmia de calumniatoribus gegen Chicanen in Criminalſachen, 7. gegen Hazardſpie - le, 8. de furtis, mehrere agrariae, frumentariae, viariae, militares und trium - phales.

§. 53.

Es war ſehr weitlaͤuftig und ſogar ge - faͤhrlich, den Souverain, das heißt, alle Roͤmer zu verſammeln und ihnen Antraͤge zu thun. Die Sache ſollte doch wenigſtens vor - her von dem Corps, das aus den einſichts - vollſten Buͤrgern beſtand, und deſſen Mey - nung, zumahl beym Votiren nach Centurien, faſt immer durchging, vom Senate, uͤberlegt und genehmigt werden. Aber eben dieſer Senat hatte auch die Beſorgung ſehr vieler Regierungsgeſchaͤfte, uͤber welche faſt gar kein Volksſchluß vorhanden war, und ſchon hiertritt46Theil I. bis Juſtinian.tritt der Satz ein, den wir bald noch mehr brauchen werden: daß jeder, der im einzelen Falle nach ſeiner Einſicht handeln darf, auch um ſo mehr das unſtreitige Recht hat, zum voraus zu erklaͤren, wie er handeln werde. Alle hoͤhere magiſtratus waren Mitglieder des Senats, ſeine Schluͤſſe verbanden ſie al - ſo, ſchon wie die Schluͤſſe und Verabredun - gen jedes Corps den verbinden, der ſie hat machen helfen, und ſobald kein Tribun ſich widerſetzte, ſo haͤtte es ein ſehr verdaͤchtiges Anſehen gehabt, wenn etwa ein Conſul oder Praͤtor gegen ein Senatus-Conſult gehandelt haͤtte, blos deswegen, weil an der Foͤrmlich - keit etwas fehle, weil es nicht von der Ver - ſammlung beſtaͤtigt worden ſey, die es hoͤchſt wahrſcheinlich ohne allen Anſtand beſtaͤtigt haͤtte. Es iſt alſo wohl kein Zweifel, daß auch Senatsſchluͤſſe eine Quelle des Roͤmi - ſchen Staats - und Privatrechts ſchon zu die - ſer Zeit waren, da Cicero a) dies ausdruͤck - lich ſagt, da Pomponius b) es als eine Veraͤnderung erzaͤhlt, die lange vor Auguſt ſich zugetragen habe, und da die entgegenge - ſetzte Meynung nur auf einem groben Miß - verſtande deſſen beruht, was mit den Ma - giſtratswahlen unter Tiber vorging. Frey - lich kounte der Senat einſeitig keine Grundge - ſetze machen, und freylich hielt er es hoͤchſtſel -47Periode 2. Quellen.ſelten fuͤr noͤthig, Saͤtze des Privatrechts zu beſtimmen. Die Senatus-Conſulte, die Bach, der Vater der beſſern Meynung, anfuͤhrt, ſind faſt alle Regierungsgeſetze, aber die le - ges, die keine Grundgeſetze waren, enthielten ja auch faſt alle nur einzele Verordnungen zum gemeinen Beſten, und nicht blos Saͤtze des Privatrechts, wobey es nur auf Gewißheit angekommen waͤre.

a)Cic. Top. ad Trebat. 5. ſi quis jus ci - vile dicat id eſſe, quod in legibus, ſenatus - conſultis, rebus judicatis, juris peritorum auctoritate, more, aequitate conſiſtat.
a)
b)I. 2. fr. 2. §. 9. Deinde quia[difficile] plebs convenire coepit, populus multo dif - ficilius in tanta turba hominum: neceſſitas ipſa curam reip. ad ſenatum deduxit. Ita coepit ſenatus ſe interponere, et quidquid conſtituiſſet obſervabatur, idque jus appel - labatur ſenatusconſultum. §. 10. Eodem tempore die edicta magiſtratuum und erſt §. 11. Noviſſime der erſte Auguſt.
b)

§. 54.

Saͤtze des reinen Civilrechts, bey welchen dem Staate nichts daran liegt wie ſie ſind, ſondern nur daß ſie ſind, bey welchen das Hauptverdienſt Gleichfoͤrmigkeit und Zutrauen zu dieſer Gleichfoͤrmigkeit iſt, kann der Sou - perain ruhig ihrer natuͤrlichen und wiſſenſchaft -lichen48Theil I. bis Juſtinian.lichen Bildung uͤberlaſſen, ohne deswegen ſich ſelbſt, oder ein ganzes Corps von ſeinen Stellvertretern, in Bewegung zu ſetzen. Es iſt immer ſchon Gewinn, wenn nur Gewalt - thaͤtigkeiten dadurch verhindert werden, daß ein unpartheyiſcher, zum voraus durch die Stimmen der Buͤrger ernannter, Dritter da iſt, an den man ſich wenden kann, und deſſen Einſicht mehr phyſiſchen Nachdruck hat, als die Einſicht der Partheyen. Dieſer Dritte braucht gar keine beſondre Inſtruction; es iſt nur noͤthig, daß uͤber die ganze Anſtalt, als Regierungs-Sache, das wichtigſte verabredet oder feſtgeſetzt werde, z. B. wie man den Gegner zwingen koͤnne, ſich vor der Obrig - keit zu ſtellen (de in jus vocando), ob die Obrigkeit ſelbſt unterſuchen, oder einem Pri - vatmanne die Unterſuchung auftragen duͤrfe oder muͤſſe u. ſ. w. Entſtehen Regierungs - geſetze, Verordnungen, die Einfluß auf die Civiljuſtiz haben, ſo muß der Richter dieſe befolgen; aber dies ſind nur einzele Modifi - cationen, die Regel bleibt immer aequitas, das was die Nation fuͤr Recht und Unrecht haͤlt a), dieſe Meynung mag ſich beſtimmt haben, wie ſie will, nur daß ſie ſich ſehr ſel - ten durch einen feyerlichen Volksſchluß bilden wird. Selbſt dazu, daß ein Volksſchluß ſie beſtaͤtigt, gehoͤrt eine beſondre Veranlaſſung,wie49Periode 2. Quellen.wie die, durch welche bey den Roͤmern die 12 Tafeln entſtanden. Dieſe beſtimmten nur die allererſten Grundſaͤtze, z. B. ſie ſagten, es ſollte nach Teſtamenten geſprochen werden, aber wie der Praͤtor dies thun wuͤrde, was zu einem Teſtamente gehoͤre u. ſ. w., war dem Menſchenverſtande deſſen uͤberlaſſen, dem ja noch viel wichtigere Dinge, die Anfuͤhrung im Kriege und die perſoͤnliche Repraͤſentation des Souverains in hundert andern Faͤllen anvertraut war. Im Nothfalle halfen auch hier die Tribunen. Da die Billigkeit des Praͤtors im einzelen Falle entſchied, ſo war es noch weniger zweifelhaft, daß er zum vor - aus ſeine Grundſaͤtze bekannt machen, und ſich darnach richten duͤrfe. Die Zeit und die naͤhere Veranlaſſung zu dieſer Anſtalt, iſt unbekannt; aber es laͤßt ſich vermuthen, daß es nicht ſehr fruͤh geſchah, weil es Mißtrauen und Cultur vorausſetzt, und daß der Praͤtor ſich dadurch gegen Vorwuͤrfe von Partheylich - keit ſichern wollte b). So entſtand das jus honorarium.

a)Cic. de Or. I. 34. Sit ergo in jure civili finis hic, legitimae atque vſitatae in rebus cauſisque civium aequabilitatis conſervatio.
a)
b)I. 2. fr. 2. §. 10. Eodem tempore et ma - giſtratus jura reddebant, et vt ſcirent cives quod jus de quaque cauſa quisque dicturus eſſet, ſeque praemuniret, edicta proponebant,Dquae50Theil I. bis Juſtinian.quae edicta praetorum jus honorarium con - ſtituerunt.
b)

§. 55.

Dieſe Bekanntmachung hatte den allge - meinen Nahmen aller Bekanntmachungen: edictum, und geſchah, wie alle, durch Aus - ruf und Ausſtellung (in albo proponere). Sie unterſchied ſich aber von andern durch den Nahmen ordinarium und weil ſie immer zu Anfang des Jahrs erfolgte. Vor Cicero kennt man keine Lex daruͤber, und das Sena - tus-Conſult von 580 iſt unaͤcht. Aber na - tuͤrlich war es, daß der Nachfolger alles bey - behielt, was er nicht glaubte viel beſſer ma - chen zu koͤnnen, (edictum tralalitium) und natuͤrlich war es ferner, daß das neuere Recht mehr galt, als das Alte a), und daß man anfing, nicht mehr die zwoͤlf Tafeln ſondern das Edict bey dem ganzen Studium zum Grunde zu legen.

a)I. 1. fr. 7. (Papinian.) §. 1. Jus praeto - rium eſt, quod praetores introduxerunt ad - juvandi vel ſupplendi vel corrigendi juris civilis gratia propter vtilitatem publicam. fr. 8. (Marcian. ) nam et ipſum jus hono - rarium viva vox eſt juris civilis. Etwa eine Proceßordnung. Der Praͤtor befiehlt nicht, er ſagt nur was er thun werde: dabo, ſer - vabo, Praetor pollicetur.
a)
§. 56.51Periode 2. Quellen.

§. 56.

Dies find nicht die Ideen der Leute, wel - che zum Grundſatze in der ganzen Rechtswiſ - ſenſchaft annehmen, man muͤſſe nicht nur nie gegen foͤrmliche Vefehle und Verordnungen, ſondern auch immer nach ihnen entſcheiden, hoͤchſtens koͤnne noch das Natur-Recht aus - helfen, weil dies Verordnungen Gottes ent - halte, die ſich zu den Geſetzen jedes einzelen Staats verhalten, wie Reichsgeſetze zu Lan - desgeſetzen. Da ſie ſahen, daß im praͤtori - ſchen Rechte nicht blos Lexe und allgemeines Naturrecht enthalten ſey, und da ſie wiſſen, daß der Praͤtor nicht das Recht hatte, Grund - Regierungs - und Strafgeſetze zu machen, ſo bleibt ihnen kein anderer Ausweg als alle Praͤtoren fuͤr meyneidige Betruͤger a), und alle Nicht-Praͤtoren, auch die, welche ſelbſt es geweſen waren, und auch die Rechtsgelehr - ten, fuͤr die einfaͤltigſten Kinder zu halten, die man glauben machen konnte was man wollte, ſobald man der Sache einen neuen Nahmen gab, oder eine Fiction brauchte, oder mit Exceptionen und Reſtitutionen ſie blendete. Noch ſcharfſinnigere Koͤpfe bemer - ken, daß eigentlich nur die Plebejer betrogen wurden, obgleich die 30 erſten, alſo die ein - zigen blos patriciſchen, Praͤtoren ſchwerlich ſchon ein edictum ordinarium gehabt haben,D 2und52Theil I. bis Juſtinian.und obgleich nicht eine einzige Aenderung des neuern oder praͤtoriſchen Rechts die Patricier vorzuͤglich beguͤnſtigt; oder ſie ſprechen vom Verfalle der alten Tugend, der die alten Ge - ſetze verhaßt machte.

a)Alle Praͤtoren gaben Edicte, wenn ſie an - ders jurisdictio hatten; nicht Einer wollte ſich dadurch beym Volke empfehlen, daß er keines machte. Die ſchlechten Leute unter ihnen brauchten gerade das Edict, und ſogar alte vergeſſene Volksſchluͤſſe, zum Vorwan - de. So Verres mit der lex Voconia.
a)

§. 57.

Doch dies moͤchte alles noch ſo hingehen, das Edict des Praͤtors moͤchte als Gewohn - heitsrecht, und als eine ſtillſchweigend geneh - migte Lex eine Quelle des Privatrechts ſeyn, aber wie in aller Welt laͤßt es ſich erklaͤren, daß die Meynungen, die Begriffe und Grund - ſaͤtze der Rechtsgelehrten, Einfluß auf die Wiſſenſchaft gehabt haben, daß ſie eine vier - te Quelle des Roͤmiſchen Rechts ausmachen, die noch gar vorzugsweiſe jus civile heißt? Koͤnnen denn Particuliers Geſetze geben? Die Geſetzgebers-Patente, die Auguſt auszu - theilen anfing, ſind ſpaͤther, aber die juri - ſtiſchen Kirchenverſammlungen im Tempel Apolls (diſputatio fori) gehoͤren hierher,und53Periode 2. Quellen.nnd wenn es mit dieſen auch nicht richtig waͤ - re, ſo iſt ja doch bey jeder lex eine interpreta - tio moͤglich und noͤthig. Alſo Ausleger der Geſetze waren die Rechtsgelehrten, freylich gewaltthaͤtige Ausleger, daran war aber wie - der die Tyranney der ErbAriſtocraten Schuld. Hierher rechnet man die Einrichtung mit dies faſti und nefaſti, ſo wie die Foͤrmlichkeiten bey allen wichtigern Rechtshandlungen. Es war aber wohl ohne alle herrſchſuͤchtigen Abſichten der Vornehmen ſehr natuͤrlich, daß ſich gewiſſe hergebrachte Gebraͤuche (ſolenni - tates) bildeten; es war ſehr vortheilhaft, und bey den unbezahlten Rechtsgelehrten ganz un - ſchaͤdlich, daß niemand einen Proceß anfing, ohne einen Mann von Einſichten, zu dem er Zutrauen hatte und haben mußte, vorher zu fragen; es war unumgaͤnglich noͤthig, wenn ein einzeler Mann mit der jurisdictio in allen Sachen unter Roͤmern fertig werden ſollte, daß man ihm den Punkt, worauf es ankam, ſo kurz als moͤglich vortrug; und endlich brachte es die ganze Lage des Staats, deſſen reichſte Buͤrger in der Stadt, die blos wohl - habenden in Municipien und die Aermſten wieder in der Stadt lebten, mit ſich, daß man weder die vom Mittelſtande noch die Aermſten fragte; jene hatten keine Erfah - rung, und dieſe waren meiſt gebohrne Aus -D 3laͤn -54Theil I. bis Juſtinian.laͤnder. Nimmt man noch einen gewiſſen Grad von Pedanterey und Steifheit dazu, der in dem guten National-Character, der an ſtrenge Kriegszucht gewoͤhnten, nicht durch Induſtrie abgeſchliffenen Roͤmer lag, ſo kann es wohl nicht ſchwer ſeyn, die Entſtehung der legis actiones zu begreifen, man mag dieſe mit actus legitimi a) fuͤr gleichbedeutend hal - ten, oder auf das, was im jus vorgenom - men werden mußte, einſchraͤnken.

a)In einem andern Sinne wird actio legis ſehr haͤufig fuͤr das Recht genommen (wie jurisdictio, teſtamenti factio) gewiſſe Hand - lungen zu autoriſiren, oder etwas anzuord - nen, was eine Lex von gewiſſen Regenten angeordnet haben will. Es fragt ſich als - dann: ob ein magiſtratus gerade dieſe oder jene legis actio habe. Briſſon ſel. antiqu. IV. 20. Wer legis actio dem actus legi - timus zu ſehr entgegenſetzt, der ſcheint lege und judicio agere zu verwechſeln, was die Alten unterſcheiden Vlpian. XI. §. 27. und die actio, die der Praͤtor gibt, fuͤr ei - nerley zu halten, mit dem, was man bey ihm ſelbſt braucht.
a)
Syſtem55Periode 2. Syſtem.

Syſtem des Rechts am Ende dieſer Periode.

§. 58.

I. Staatsrecht.

A. Grundgeſetze, oder eigentliches Staats - Recht.

Die hoͤchſte Gewalt hatte das Volk, das nun die Cenſoren componirten, und wozu nicht mehr alle freye Hausvaͤter im Staate gehoͤrten, ſondern nur die eigentlichen Buͤrger, im Gegenſatze von ſocii und nomen Latinum. Die allgemeine Verbindlichkeit der democrati - ſchen Volksſchluͤſſe war in dieſer Periode wie - derholt anerkannt worden, ſo wie uͤber die Form neuer Antraͤge, z. B. die promulgatio per trinundinum und uͤber das Ballotiren, mehrere Lexe vorkommen.

Der Senat oder der wichtigſte Theil des Volks hatte an ſeinen Rechten verloren, weil er immer zum voraus einwilligen mußte (in incertum comitiorum eventum auctor fiebat). Aber er hatte gewonnen, ſo wie das Volk immer groͤßer, alſo deſſen VerſammlungenD 4im -56Theil I. bis Juſtinian.immer weitlaͤuftiger, wurden. Die Tribunen waren nun ordentliche Senatoren, und wenn ſie nicht widerſprachen, ſo trug man eine Sa - che dem Volke oft gar nicht vor. Aber alles konnte vorgetragen und vom Volke geaͤndert werden, auch die auswaͤrtigen Angelegenhei - ten nicht ausgenommen. Noch wichtiger war aber die Veraͤnderung, daß nun der Se - nat kein Corps von Erb-Ariſtocraten mehr war; neben den Patriciern ſaßen nun laͤngſt auch Plebejer, und unter dieſen waren ſchon nobiles und novi homines getrennt. Die Senators-Wuͤrde hing von den Cenſoren ab.

§. 59.

Die Oberhaͤupter des Volks und des Senats, alſo ihre Stellvertreter, ſo lange das Corps nicht verſammelt war, ſind: zwey Conſuln (oder ein Dictator und ein magiſter equitum) zwey Cenſoren, 6 Praͤtoren, 2 ae - diles curules (Oberaufſeher der Polizey, die ſich durch Schauſpiele empfehlen mußten) mehrere Quaͤſtoren und 10 Tribunen.

§. 60.

B. Regierungsgeſetze.

  • 1. Die Aemter beſetzte das Volk, oder der vom Volke Gewaͤhlte. Die Patricier hat -ten57Periode 2. Syſtem.ten hier faſt gar keine Vorrechte mehr. Im Militair war eine Art von Anciennetaͤt.
  • 2. Die Einkuͤnfte beruhten auf den Abga - ben der agri vectigales in den Colonien, und auf den Steuern, Zoͤllen u. ſ. w. aus den Provinzen. Die Cenſoren verpachte - ten ſie an equites. Die Einwohner der Stadt waren nun frey von Abgaben.
  • 3. Die Religion hatte ſich faſt gar nicht ge - aͤndert.
  • 4. Beym Militair erhielten die Buͤrger Sold und Kleidung, aber ganz Arme nahm man, der Regel nach, nicht in Dienſte. Roͤ - mer und Nicht-Roͤmer waren bey dem Heere nun ſehr verſchieden.
  • 5. Fuͤr die buͤrgerliche Juſtiz, ſowohl juris - dictio als legis actio waren in der Stadt zwey Praͤtoren, vrbanus und peregrinus, und in den Provinzen die Gouverneurs. Als Ausnahme auch der Conſul ſelbſt.

Der Praͤtor, der ſelten ein eigentlicher Rechtsgelehrter war, und von dem es al - lein abhing, ob er Rechtsgelehrte in ſein conſilium nehmen, und ihren Rath befol - gen wollte, entſchied uͤber den Beſitz und leitete den Proceß ein. Die Unterſuchung der ſtreitigen Thatſachen hatte ein Parti -D 5culier.58Theil I. bis Juſtinian.culier. Aber wo weder der bloße Beſitz, noch das Factum, ſondern die Rechtsfrage ſtreitig war, da wandte man ſich an die centumviri und decemviri litibus judican - dis.

Vervielfaͤltigung der Inſtanzen, dieſes hoͤchſt unvollkommene Mittel gegen eine andre Unvollkommenheit, kannte man in Rom noch wenig. Die appellatio tribuno - rum war gar nicht unſre Appellation, ſon - dern das was in jedem Staate ſeyn muß.

§. 61.

C. Strafgeſetze.

  • 1. Die Strafgewalt war ganz getrennt von jurisdictio, ſobald man die Sache criminal behandelte; aber viele Vergehen gaben noch blos dem Beſchaͤdigten ein Recht. Bey Criminalſachen kam es auf imperium an, und Sherif war der kuͤnftige Gouver - neur, den das Loos gerade dieſer Art von Verbrechen getroffen hatte (cui ea quae - ſtio obvenerat). Die Geſchwohrnen (ju - dices) waren zahlreich genug, um als Re - praͤſentanten des Souverains angeſehen zu werden; ſie entſchieden alſo nicht blos uͤber das Factum, ſondern ſie begnadigten auch. Jede lex uͤber ein judicium publicum be -ſtimm -59Periode 2. Syſtem.ſtimmte die Zahl, den Stand und die Ver - werfung der Richter. Der Regel nach mußte ein Anklaͤger auftreten, und wenn dieſer fuͤr einen Calumnianten erklaͤrt ward, ſo beſtrafte man ihn. Aber non probaſti und calumniatus es waren immer verſchie - den. In außerordentlichen Faͤllen nahm ſich der Souverain ſelbſt, oder der Senat, oder der Conſul, oder der commandirende General der Beſtrafung eines Verbrechens an. Wenigſtens waren die Cenſoren zur Ergaͤnzung der Strafgewalt da.
  • 2. Die Verbrechen waren nun auch noch außer den vorigen: ambitus, nefanda venus und pecuniae repetundae.
  • 3. Als Strafen waren die Lebensſtrafen ge - gen Roͤmer ſeit der lex Porcia abgeſchaft, und eine Hinrichtung more majorum war ſehr ſelten. Der Verbrecher, der waͤh - rend des Proceſſes nie ins Gefaͤngniß ge - worfen ward, hatte das Recht, jeder Stra - fe durch freywillige Verbannung zu entge - hen, und er behielt ſein ganzes Vermoͤgen, wenn nicht lis aeſtimabatur und dadurch ein Theil abging.
§. 62.60Theil I. bis Juſtinian.

§. 62.

II. Privatrecht.

Meynung der Nation von dem, was Recht und Unrecht ſey unter ihren einzelen Gliedern.

A. Jus perſonarum. Dieſe Verhaͤltniſſe hatten ſich mehr entwickelt, und die Abſtu - fung unter ihnen war nun merklicher.

1. Herren und Sklaven. Dieſes Ver - haͤltniß war, dem Rechte nach, daſſelbe ge - blieben, aber in der That bey dem ſteigenden Luxus, der Menge und dem geringen Preiße der Sklaven haͤrter geworden. Ergaſtula.

Sklave ward das Kind einer Sklavinn und der Kriegsgefangene, aber nicht mehr der Schuldner und noch nicht der Verbre - cher.

Der Sklave ward frey durch einen Aus - ſpruch des magiſtratus, durch den Cenſus und durch das Teſtament ſeines Herren. Eine ſimple Erklaͤrung des letztern befreyte ihn nur von ſklaviſchen Arbeiten.

Die Freygelaſſenen hatten noch alle, die vollen Rechte eines Roͤmers in Privatſachen: jus Quiritium. Aber in Anſehung der Tri - bus, der Mißheyrathen und der Regierungs - ſtellen, waren ſie geringer, und ihr Patron hatte Succeſſions-Rechte, Geſchenke und meiſtauch61Periode 2. Syſtem.auch beſtimmte Dienſte zu fordern, daher vielleicht ſchon jetzt die aſſignatio libertorum.

§. 63.

2. Vaͤter und Kinder. Den Rechten nach war dieſes Verhaͤltniß noch ganz das alte, aber wahrer Verkauf war nun wohl ſo ſelten, als Hinrichtung. Das Vermoͤgen des Sohnes gehoͤrte noch ganz ohne Unter - ſchied dem Vater.

Man erlangte die vaͤterliche Gewalt noch wie vorher durch eine Roͤmiſche Ehe, und durch Adoption und Arrogation, aber noch nicht durch Legitimation. Alumni kommen noch nicht vor.

Die vaͤterliche Gewalt waͤhrte Zeitlebens, wenn nicht eine Emancipation, jetzt eine bloße Ceremonie, ſie endigte; obgleich die natuͤrliche Veranlaſſung zu der langen Dauer aufgehoͤrt hatte.

§. 64.

3. Mann und Frau. Die alte ſtrenge Ehe mußte ſeltener werden, da keine Frauens - perſon, die eigenes Vermoͤgen hat, bey ver - derbten Sitten ſich leicht entſchlieſſen wird, beynahe die Sklavinn ihres Mannes zu ſeyn. Die Rechte der Ehe wurden nun verabredet,es62Theil I. bis Juſtinian.es hing von der Frau ab, wie viel von dem Ihrigen ſie dem Manne anvertrauen wollte (dotem dicere). Faſt in jeder Familie wa - ren zweyerley Guͤter, weil man beynahe dar - auf rechnen konnte, daß dieſe Verbindung nicht lebenslaͤnglich ſeyn wuͤrde. Die Ehe zur linken Hand (concubinatus) war noch nicht ausgebildet.

Bey dem Anfange der laxen Ehe waren gar keine Feyerlichkeiten noͤthig.

Eben ſo war die Scheidung eine bloße Privat-Sache. Nicht ſelten war nun von Entwendungen (res amotae) und Schenkun - gen waͤhrend der Ehe, die Rede.

§. 65.

4. Vormund und Schutzbeduͤrftige. Auch hier hatte das weibliche Geſchlecht nun mehr Freyheit. Zwar bey ſehr wichtigen Handlun - gen brauchte jede Frau, die nicht filiafamilias ihres Vaters oder ihres Mannes war, die feyerliche Einwilligung (auctoritas) ihres Tu - tors. Aber oft hatte ſie das Recht, ihn ab - zudanken und einen gefaͤlligern anzunehmen.

Zu der Ernennung im Teſtamente, oder in den 12 Tafeln ſelbſt, welche man nicht nur auf Agnaten, ſondern auch auf Patronen zog, kam noch die in Gemaͤßheit der lexAtilia63Periode 2. Syſtem.Atilia vom Praͤtor und den Tribunen, und die blos Praͤtoriſche, wenn der Tutor gegen ſeinen Pflegbefohlnen Parthie war. Die ex - cuſationes hatten ſich noch nicht ausgebildet; aber die ſtipulatio rem pupilli ſaluam fore war ſchon gewoͤhnlich.

Das Ende der Tutel war die Roͤmiſche Wehrhaftmachung (toga virilis) bey Manns - perſonen, doch konnte noch nachher bis nach zuruͤckgelegtem 25ſten Jahre durch die lex Laetoria leicht geholfen werden. Die Rech - nung legte der Tutor nicht jaͤhrlich, ſondern nach der pubertas ab. Die Tutel der Frauensperſonen konnte durch Ceſſion uͤber - gehen.

§. 66.

B. Jus rerum.

1. Jus in rem. Die Eintheilungen der Sachen waren noch dieſelben, der Unterſchied zwiſchen res mancipii und nec mancipii hatte ſich nun ganz ausgebildet, und traf noch we - niger, als vorher, mit unbeweglich und be - weglich zuſammen, weil auch Grundſtuͤcke res nec mancipii waren, ſobald ſie in einer Pro - vinz lagen. Agri vectigales oder poſſes - ſiones exiſtirten nun, aber durchaus keine Familienguͤter.

Die64Theil I. bis Juſtinian.

Die Erwerbung des harten Rechts gegen jeden Dritten, des Roͤmiſchen Eigenthums (dominium civile, Quiritarium) erforderte bey den wichtigſten Sachen (res mancipii) eine Publicitaͤt, die aus feyerlicher Uebergabe vor einem dazu erbetenen Ausſchuſſe des Volks, aus Ceſſion vor dem Praͤtor, aus adjudica - tio, oder aus langem Beſitze entſtand. Nur bey einer res nec mancipii war jede traditio ex cauſa praecedente hinreichend. In allen andern Faͤllen, vielleicht donatio ausgenom - men, bekam man fuͤrs Erſte (bis die vſuca - pio verfloſſen war), nur das Recht, was ei - nige Lehrer des Naturrechts allein ſich ge - trauen, aus allgemeinen Gruͤnden zu bewei - ſen, (dominium naturale oder bonitarium). Von den Servituten wurden Wegegerechtig - keiten und Graͤben (ſervitutes praediorum ru - ſticorum) als res mancipii angeſehen, die andern gaben kein Recht gegen jeden Beſitzer. Der vſusfructus verbrauchbarer Dinge fand noch nicht Statt. Das Pfandrecht war auch kein Recht, das der Glaͤubiger gegen einen Dritten verfolgen konnte, wenn es nicht als Verkauf mit ausbedungenem Wiederkaufe (emancipatio mit fiducia) eingekleidet war.

§. 67.65Periode 2. Syſtem.

§. 67.

Die Klagen, womit man ſein Eigenthum verfolgte, waren ſo verſchieden, als das Ei - genthum ſelbſt. Aus dem Roͤmiſchen Eigen - thum klagte man gegen jeden Dritten, es war hauptſaͤchlich um den Beſitz zu thun, (rei vindicatio) uͤber deſſen Rechtmaͤßigkeit nachher ein neuer Proceß entſtand, wenn der Beklagte den vierfachen Erſatz der Nutzun - gen, oder was ſonſt in der ſtipulatio Praeto - ria enthalten war, forderte. Hingegen aus dem natuͤrlichen Eigenthume entſtand, viel - leicht ſchon jetzt, eine Klage nach dem neuern Rechte, eine actio die doch in rem ging, aber nur gegen denjenigen dritten Beſitzer, der noch weniger Recht hatte, als der Klaͤger, mithin nicht gegen den, welchem die Sache mancipirt worden war. Wem ſeine Sa - che evincirt d. h. gerichtlich abgeſprochen ward, der hielt ſich an ſeinen auctor, und ſehr ge - woͤhnlich machte ſich dieſer, gleich bey der Ver - aͤußerung, zum doppelten Erſatze verbindlich (duplae ſtipulatio). Wenn der Roͤmiſche Eigenthuͤmer die Sache von demjenigen vin - diciren wollte, auf welchen er ſelbſt das natuͤr - liche Eigenthum gebracht hatte, ſo ſtand ihm exceptio rei venditae et traditae im Wege, nach der Regel: Quem de evictione tenet actio, hunc agentem repellit exceptio. InEdie -66Theil I. bis Juſtinian.dieſem Falle ward ſein jus in rem unbrauch - bar, ohne erloſchen zu ſeyn, denn kein ande - rer hatte es bekommen, und die Sache war nicht herrnlos.

§. 68.

2. Jus in perſonam oder ex obligatione. In Anſehung derjenigen Menſchen, welche blos in Ruͤckſicht auf einen Dritten, ihren Herrn oder Vater in Betracht kamen, galten folgende Regeln: 1. der Sklave und der fi - liusfam. koͤnnen dem Herrn und Vater alle moͤgliche Rechte erwerben. 2. Sie machen ihn aber nur ſo weit verbindlich, als ihr pe - culium reicht, (de peculio und tributoria) wenn nicht ſein allgemeiner oder beſonderer Befehl, oder ſein Nutzen bewieſen wird (quod juſſu, exercitoria und inſtitoria, und de in rem verſo), oder er wegen eines Verbrechens derſelben, wenigſtens zur noxae datio genoͤ - thigt werden kann.

Eine obligatio macht ſich:

  • a. ex contractu, wenn zu der Uebereinkunft beyder Theile noch eine cauſa kommt: res, verba und litterae; ausgenommen bey vier Geſchaͤften, wo dies nicht weſentlich iſt, ſondern der bloße Conſens zureicht.
Con -67Periode 2. Syſtem.

Contractus reales ſind: mutuum (mit den vielen Zeitgeſetzen uͤber den Zinsfuß) com - modatum, depoſitum und pignus. In die - ſen drey letzten Faͤllen fordert der Eigenthuͤ - mer auch ſeine Sache mit einer perſoͤnlichen Klage, weil der Beweis leichter iſt, und das ganze jus in rem eigentlich nur zur Aushuͤlfe erfordert wird, wenn der Gegner nicht beſon - ders verbindlich gemacht iſt. Ferner ge - hoͤren hierher alle innominati, wobey aber der, welcher allein ſeine Verbindlichkeit er - fuͤllt hat, eben ſowohl die Sache zuruͤckfor - dern, als die Erfuͤllung des Andern betreiben kann (condictio ob cauſam datorum, und actio praeſcriptis verbis).

Contractus verbales, d. h. ſolche, wobey nothwendig geſprochen werden muß, ſind: dictio dotis, und ſtipulatio worauf die pro - miſſio nicht gerade in continenti folgen darf. Eine Art davon iſt fidejuſſio, noch ohne Un - terſchied des Geſchlechts, und noch ohne be - neficia.

Was zum contractus litteralis gehoͤrt ha - be, koͤnnen wir kaum errathen, denn die Schriftſteller, welche von ihm als einer bloßen novatio ſprechen, lebten zu einer Zeit, wo die Roͤmiſchen Banknoten eine bloße Antiquitaͤt waren.

E 2Als68Theil I. bis Juſtinian.

Als Contractus conſenſuales, oder bey welchen das ganze Geſchaͤft verbindlich iſt, ſobald beyde Theile einig ſind, kommen jetzt ſchon vor: Kauf mit den Polizeybeſtimmun - gen aus dem aedilitium edictum auf redhibi - tio und quanti minoris, Miethe und Pacht, mandatum (vor Gericht noch ſelten) und ſo - cietas beſonders fuͤr die Finanzen.

§. 69.

  • b. ex delicto, noch wie vorher, nur mit der Ausdehnung durch lex Aquilia auf Beſchaͤ - digungen und Verwundungen aus Unvor - ſichtigkeit, daß der Beleidigende nie mehr Sklave des Andern ward, wie vorher bey Dieben geſchehen konnte, und daß Be - ſchimpfungen nicht mehr nach der alten laͤngſt unbrauchbaren Taxe verguͤtet wur - den. Raub ſcheint noch zum furtum ge - hoͤrt zu haben.
  • c. ex variis cauſarum figuris. Auf eine ob - ligatio, die ſich einem Contracte naͤhert, geht condictio indebiti, actio teſtamenta - ria, tutelae, negotiorum geſtorum u. a. Mehr Aehnlichkeit mit einem delictum hat actio de effuſis et dejectis, de receptis, quadrupedaria, noxalis u. ſ. w. Pacta praetoria und legitima waren noch ſehrſel -69Periode 2. Syſtem.ſelten, doch klagte man vielleicht ſchon aus einem conſtitutum, und ſogar aus einer pollicitatio an eine Gemeinde.

Jede obligatio erloͤſcht durch ſolutio, compenſatio, acceptilatio oder mutuus dis - ſenſus und novatio, beſonders expromiſſio. Sie erloͤſcht ipſo jure oder durch eine exceptio.

§. 70.

3. Succeſſion vorzuͤglich Verlaſſenſchaf - ten, obgleich auch von einem noch Lebenden das ganze jus in rem, jus in perſonam und debitum ex obligatione auf einen Andern uͤbergehen konnte, bey der arrogatio, con - ventio in manum und ſectio bonorum. Bey einem Verſtorbenen, der aber nun nicht ge - rade ein maͤnnliches Familienhaupt mehr ſeyn mußte, kommt vor:

a. die allgemeine Succeſſion in alle ſeine Rechte. Hier ſtoͤßt das Edict des Praͤtors mit dem alten Syſteme am auffallendſten zu - ſammen, und nach der gewoͤhnlichen Mey - nung ſagt man: der Unterſchied zwiſchen bo - norum poſſeſſor und heres liege blos im Nah - men, mit dem der Praͤtor ſein illegales Verfahren masquirte, und man gibt keine Regel, was in der Colliſion vorgegangen ſey, Civil - oder Praͤtoriſches Erbrecht. Aber es war ein weſentlicher Unterſchied in der Er -E 3klaͤ -70Theil I. bis Juſtinian.klaͤrung; denn nach dem Civilrecht war dar - uͤber gar nichts beſtimmt, den Fall ausge - nommen, wo der Erblaſſer ſelbſt dies cretio - nis verordnet hatte. Nach dem neuern Rech - te wird jedem Praͤtendenten eine Zeit ge - ſetzt, innerhalb welcher er ſich bey dem Praͤtor melden mußte (agnoſcere bonorum poſſeſſionem) weil in den meiſten Faͤllen ſein ganzes Recht, in den uͤbrigen wenigſtens mancher Vortheil davon abhing, daß kein Anderer ihm zuvorkam, oder an ſeine Stelle trat. Es iſt die dreiſteſte Behauptung, die ſich nur gedenken laͤßt, zu ſagen: die bono - rum poſſeſſio habe nur ſolche Perſonen ange - gangen, die nach dem Civilrechte unfaͤhig ge - weſen ſeyen. Durchaus niemand konnte je wirklicher Erbe werden, fuͤr den der Praͤtor nicht geſorgt hatte; durchaus niemand konn - te Erbe werden, wenn der Praͤtor ihm in ſeinem Edicte einen andern vorzog; aber wenn dieſer Andere zugleich Erbe nach dem alten Rechte war, ſo konnte er das Vermoͤ - gen bekommen, ungeachtet nicht er, ſondern der, welcher im Edicte nach ihm kam, die bonorum poſſeſſio wirklich geſucht hatte. Jede bonorum poſſeſſio war unwirkſam, ſine re, die ein Erbe nach altem Rechte wuͤrde haben hindern koͤnnen, ſobald er ſich gemel - det haͤtte.

§. 71.71Periode 2. Syſtem.

§. 71.

Die Ordnung des Edicts iſt alſo die wah - re Regel:

1. contra tabulas fuͤr einen ſuus oder emancipatus, der im Teſtamente ſtillſchwei - gend uͤbergangen war. Der ſuus war Civil - Erbe, der emancipatus nicht; dieſer durfte alſo nicht, wie jener, die bonorum poſſeſſio verſaͤumen. Wer ausdruͤcklich enterbt war, focht das Teſtament mit der querela inoffi - cioſi an, uͤber welche die centumviri erkann - ten. Auf jeden Fall war der Emancipirte ſchuldig, wenn er die Nachtheile der Eman - cipation nicht dulden wollte, auch die Vorthei - le aufzugeben, und ſeinen Bruder an allem, was er ſich erworben hatte, Theil nehmen zu laſſen (Collatio).

2. ſecundum tabulas, auch wenn keine mancipatio familiae vorgegangen war, ſo - bald ſich ſo viele Siegel fanden, als das Ge - ſetz, man weiß nicht welches? erforderte. Ein ſolches Teſtament konnte nur ein Roͤmer, ein paterfamilias pubes machen, oder eine Roͤmerinn mit Zuziehung ihres Tutor’s. Auf die lex Voconia, alſo auf das Geſchlecht des Erben, ſah man nicht mehr.

3. ab inteſtato.

Vnde liberi, wie contra tabulas.

E 4Vnde72Theil I. bis Juſtinian.

Vnde legitimi, welche die 12 Tafeln fuͤr ſich hatten, alſo ſuus noch einmahl, agnatus proximus aber ſchwerlich gentiles. Jede ca - pitis deminutio hob dieſes Erbrecht auf, und von der alten Ausſchließung der Frauensper - ſonen war noch das Ueberbleibſel, daß keine agnata zugelaſſen ward, die nicht conſangui - nea geweſen waͤre. Ohne conventio in ma - num beerbten auf dieſe Art ſelbſt Muͤtter und Kinder einander nicht.

Vnde cognati alle Blutsverwandte, ohne Ruͤckſicht auf capitis deminutio, der Naͤchſte, der ſich melden wollte. Die Naͤhe hing, bild - lich zu reden, blos davon ab, wie kurz der Weg von einer Perſon zur andern war; ob er ſteil ſey oder nicht, machte nichts aus.

Vnde vir et vxor, bey der laxen und kurzen Ehe.

§. 72.

War der Verſtorbene ein Freygelaſſener, ſo hatte ſein Patron jetzt mehr Rechte, als nach den 12 Tafeln, und ſelbſt die Cognaten und der Patron des Patrons wurden zuge - laſſen.

Die bonorum poſſeſſio, in quam quis mittitur, entweder ventris nomine oder ex edicto Carboniano, gehoͤrt in den Proceß.

Die73Periode 2. Syſtem.

Die laͤſtigen ſacra gingen noch auf den Erben uͤber; als ein Ausweg dagegen kom - men ſenes coëmptionales vor, die man noch nicht erklaͤren kann. Sonſt war die An - tretung einer Erbſchaft noch immer gar ſehr be - denklich, weil der Erbe auch diejenigen Schul - den bezahlen mußte, wozu das Vermoͤgen nicht hinreichte. Daher die weitlaͤuftigen Lehren von der Annahme, der Subſtitution u. ſ. w.

Erbvertraͤge kannte das Roͤmiſche Recht auch jetzt noch nicht. Man hielt ein Rechts - geſchaͤft fuͤr aͤußerſt unſchicklich, das ſo offen - bar nur darauf gegangen waͤre, den jetzigen guten Willen eines Roͤmers zu benutzen, zu machen, daß er dieſen nicht aͤndern koͤnnte, auch wenn man ihn weit nicht mehr verdiene.

§. 73.

b. Andere Verordnungen hingen davon ab, daß das Teſtament ganz foͤrmlich gemacht war, und daß ſich ein Erbe dazu fand. Co - dicilli waren noch bloße Billets, und was der Generoſitaͤt des Erben uͤberlaſſen war (fidei commiſſum) darauf konnte man nicht klagen. Außer den Befehlen uͤber die Tutel, auch des weiblichen Geſchlechts, und außer den Manumiſſionen enthielt ein Teſtament gewoͤhnlich auch Legate, und ſo lange das RechtE 5noch74Theil I. bis Juſtinian.noch nicht weitlaͤuftig war, ſo lange blieb man ſehr genau bey den Ausdruͤcken:

per vindicationem das Recht zu vin - diciren, das Roͤmiſche ſtrenge Eigenthum, konnte der Teſtirer nur geben, wenn er es ſelbſt gehabt hatte.

ſinendi modo dieſer Ausdruck begriff auch die Sachen des Erben und erforderte kein Roͤmiſches Eigenthum.

per damnationem ein jus in perſo - nam gegen ſeinen Erben konnte der Teſtirer auf alle moͤglichen Dinge und auf Handlungen geben.

per praeceptionem was einer der Miterben voraus haben ſollte.

Das legatum per damnationem war in ſo ferne dem Legatar weniger vortheilhaft, weil er nur eine Forderung gegen den Erben dadurch erhielt; aber vortheilhafter war es wegen ſeines weiten Umfangs, und weil zwey verſchiedene Legatarien dieſelbe Summe oder dieſelbe Sache jeder ganz fordern, aber nicht beyde zugleich jeder ganz vindiciren oder wegnehmen konnten.

§. 74.75Periode 2. Syſtem.

§. 74.

C. Proceß.

Die Vorladung geſchah noch ohne den Staatsbedienten zu fragen, ausgenommen wo venia noͤthig war. Einen Andern ſtatt ſeiner zu ſchicken hatte noch Schwierigkeiten, der procurator war wohl meiſt der Inten - dant.

Was in der Folge actio praejudicialis und realis hieß, war meiſt noch keine actio, ſondern vindiciae, wobey der Praͤtor ſelbſt den Beſitz beſtimmte, doch ſo daß der, wel - cher ihn erhielt, ſeinem Gegner, durch eine ſti - pulatio praetoria, Succumbenzgelder verſpre - chen mußte. Daraus entſtand denn, wie aus jeder obligatio, eine actio perſonalis oder ei - ne wahre actio, eine Inſtruction, die der Praͤ - tor einem oder mehrern Particuliers gab, mit Clauſeln (exceptiones oder praeſcriptio - nes). Jede reſtitutio in integrum, durch die allein ſchon der Praͤtor einen Vorwand gehabt haͤtte, ganz willkuͤhrlich zu verfahren, und jedes interdictum ertheilte er ebenfalls ſelbſt (decernebat). Uebrigens waren die ſo genannten actiones perpetuae es noch wirk - lich, doch muß man an die Dauer der Klage ex contractu Italico ſich erinnern, und die praetoriae gingen wohl ſchon alle von einemJah -76Theil I. bis Juſtinian.Jahre in das andere, von einem Praͤtor auf ſeinen Nachfolger, uͤber.

Die Execution beſorgte auf jeden Fall der Praͤtor, und dahin gehoͤrt pignora capere, mittere in poſſeſſionem ex primo et ſecundo decreto und addicere, weil das beneficium ceſſionis bonorum noch ein beneficium war.

Bey dem Praͤtor, bey dem judex und bey den Centumviren ward alles muͤndlich ver - handelt. Der Sachwalter (orator, patronus) war meiſt kein Rechtsgelehrter, und oft ſo - gar vornehmer, als der Praͤtor ſelbſt, ſo wie oft auch bey uns der, welcher Gruͤnde vortraͤgt was man thun ſolle, vornehmer iſt, als der welcher die Entſchließung darnach faßt. Advocatus hieß ein Juriſt, den man perſoͤnlich fuͤr ſeine Meynung aufuͤhrte.

§. 75.

Es laͤßt ſich durchaus nicht erklaͤren, wie der Praͤtor, der nicht jeden Tag ſeine Tribuͤne beſteigen durfte, und auch nicht im - mer wollte, wenn er durfte, der Praͤtor, der noch oft durch Senatsgeſchaͤfte abgehalten ward, doch Zeit fand, alle Proceſſe unter Roͤmern einzuleiten. Es laͤßt ſich ſelbſt da - durch nicht erklaͤren, daß ihm dieſe Einlei - tung durch die vorhergehenden Anfragen beyRechts -77Periode 2. Syſtem.Rechtsgelehrten ſehr erleichtert wurden. Aber da man einmahl wußte, der Praͤtor wuͤrde einen judex in einer Sache geben, ſo gehoͤrte eben nicht viel Maͤßigung von beyden Seiten dazu, daß ſich die Partheyen lieber ſelbſt ihren Richter waͤhlten, als es auf den Zufall ankommen ließen, wer ihr Richter werden ſollte. Sehr viele Proceſſe wurden alſo abgethan, ohne daß der Praͤtor damit ſich beſchaͤftigte, und da er keine Sporteln dabey verlor oder gewann, ſo be - guͤnſtigte er die Compromiſſe, die Unterwer - fung unter einen Schiedsrichter mit einer conventionellen Strafe (compromiſſa pecu - nia) auch dadurch, indem er den, der das arbitrium uͤbernommen hatte, zwang einen Ausſpruch zu thun (de receptis).

Studium des Rechts.

§. 76.

Um die Geſchichte der Rechtsgelehrſamkeit bey den Roͤmern vernuͤnftiger zu finden, als wenn man von nichts als Tyranney der Ariſtocraten ſpricht, muß man den Character der Nation nicht vergeſſen, bey welchem eine gewiſſe Pedanterey unumgaͤnglich noͤthig war,um78Theil I. bis Juſtinian.um irgend Grundſaͤtze gegen die Schaaren von Auslaͤndern, die der Staat von jeher aufgenommen hatte und noch immer aufnahm, zu behaupten. Man muß die Lage und Cul - tur nicht vergeſſen, mit welcher in dieſer Pe - riode die weſentliche Veraͤnderung vorging, daß nun auch abſichtlicher und ſchriftlicher Un - terricht an die Stelle der bloßen Erfahrung trat *. Bey jener ward eine groͤßere Verbrei - tung unvermeidlich, da bey dieſer auch Kennt - niſſe in Familien beynahe erblich hatten ſeyn koͤnnen. Man muß endlich den Sturz der Erb-Ariſtocratie nicht vergeſſen, der dieſe Periode auszeichnet. Alsdann wird es ſehr begreiflich, wie zur Zeit der 12 Tafeln der gemeine Mann, der Plebejer, von den Vor - nehmen, die noch das Monopol aller Kennt - niſſe hatten, von den Pontifen, von den Pa - triciern, auch im Civilrechte abhing, theils wegen des religieuſen Unterſchieds von dies faſti und nefaſti, theils wegen der erheblich - ſten Rechtsgeſchaͤfte (actiones legis), die man, ohne die aͤußerſte Verwirrung, nicht jeden zum Roͤmer gewordenen Auslaͤnder nach ſei - ner vaͤterlichen Sitte vornehmen laſſen konn - te. Es wird begreiflich, warum dieſe Ab - haͤugigkeit nicht druͤckender oder gefaͤhrlicher war, als das Patriciat uͤberhaupt, warum man ſie aber, ſo wie dieſes, in der Folge un -ange -79Periode 2. Studium.angenehmer fuͤhlte, und warum die Bekannt - machung des Calenders und einiger Formula - re zu Contracten, Teſtamenten, Klagen u. ſ. w. (jus Flavianum um 450.) ſo wichtig war. Man wird begreifen, daß Cicero nicht von Hieroglyphen verſtanden ſeyn wollte, die man nachher erfunden habe, und daß, wenn er von abſichtlichen Dunkelheiten und Formalitaͤten ſpricht, dies nur fuͤr ſein Ta - lent beweist, jede Sache ſo vorzuſtellen, wie er ſie gerade brauchte. Die Notariatskunſt mußte weitlaͤuftiger und mannichfaltiger wer - den, wie ſich die Sitten verfeinerten und das Verkehr zunahm. Aelius Catus konnte um 550. der erſte ſeyn, der noch mehr Formula - re niederſchrieb, ſo wie jetzt uͤberhaupt das Buͤcherſchreiben in Rom anfing; aber darum waren die Rechtsgelehrten um nichts entbehr - licher, es entſtanden ganz unabſichtlich immer neue Clauſeln (leges, actiones **, formulae,) und man mag ſchreiben ſo viel man will, ſo wird doch nicht jeder Laye ein Juriſt.

*Vortrefliche Bemerkungen uͤber die Wichtig - keit dieſes ſo klein ſcheinenden Umſtands ſiehe bey Mendelsſohn uͤber rel. Macht und Judenthum, II. S. 60 u. f.
*
**Zum Beweiſe, daß actio auch fuͤr ein Con - tracts-Formular gebraucht ward, iſt die Stelle bey Varro R. R. II. 5. 11. hinrei - chend wo die leges Manilianae, die gewißkeine80Theil I. bis Juſtinian.keine Klagen waren, actiones heißen. Eben ſo waren die actiones Hoſtilianae bey Cic. de Or. I. 57. Formulare zu Teſtamenten. Erneſti hat dies in der clau. Cic. bemerkt, aber nicht benutzt. Beydes iſt ſehr oft ſein Fall.
**

§. 77.

Merkwuͤrdiger als das erſte Buch uͤber Civilrecht iſt vielleicht die Veraͤnderung um 500, da zuerſt ein Plebejer, der alſo keine eigentlichen Clienten hatte, der aber Conſul und ſiegreicher Feldherr geweſen war, Tib. Coruncanius anfing, jedem ſeiner Mitbuͤrger Belehrungen uͤber Rechtsſachen zu geben (publice jus profeſſus eſt). Natuͤrlich ließ dieſer Plebejer leichter andere Plebejer, die ſich bilden wollten, zuhoͤren, als die Ariſto - craten vorher gethan hatten, und natuͤrlich brauchte auch nicht mehr jeder Plebejer einen Patron aus den Ariſtocraten, weil man eben ſo leicht und eben ſo nuͤtzlich an jeden Juris - conſultus ſich wenden konnte, da dieſe an oͤffentlichen Orten (in transverſo foro ambu - lantes) oder zu Hauſe (in ſolio ſedentes) im - mer ſehr gerne ſich fragen ließen, um ſich da - durch faſt eben ſo viele Glieder des Souverains verbindlich zu machen, als wenn ſie im Krie - ge, oder als Redner ſich hervorthaten. Fuͤr Rechtspflege und Rechtsgelehrſamkeit hatte dies die gluͤcklichſten Folgen, und es iſt einerder81Periode 2. Studium.der Nachtheile der monarchiſchen Verfaſſung, daß es ſich bey uns ſo ſehr geaͤndert hat.

§. 78.

Bey den einzelen Beſchaͤftigungen der Ju - riſten: reſpondere, ſcribere, cavere (denn poſtulare und judicare gehoͤrte, vielleicht zum Gluͤcke, noch nicht dazu) war der Anfragen - de (conſultor) entweder die Parthey, oder der Redner, oder der Richter, oder ſelbſt der Praͤtor. Daß der Jurisconſultus meiſt nur entſchied, ohne uͤber ſeine Gruͤnde eine Diſſertation zu halten, daß er den Menſchen - verſtand brauchte oder extenſive erklaͤrte, was offenbar ſo erklaͤrt werden mußte, daß ſeine Antwort nicht eigentlich verband, aber doch von Gewichte war, daß auch bey dieſer Wiſ - ſenſchaft, wie bey jeder noch nicht gefeſſelten, verſchiedene Meynungen und Streitigkeiten vorkamen, dies alles verſteht ſich wohl ziem - lich von ſelbſt. Das Notariatsweſen war noch nicht von den edlern Arbeiten getrennt, und es erſtreckte ſich auch auf das, was eine Parthey nach der alten nicht unvernuͤnftigen Sitte muͤndlich herſagen mußte.

§. 79.

Die Art zu ſtudieren war noch nicht wiſ - ſenſchaftlich, denn die Bekanntſchaft mit derFgrie -82Theil I. bis Juſtinian.griechiſchen Litteratur machten die Roͤmer uͤberhaupt erſt kurz vor dem Ende dieſer Pe - riode. Anfangs lernte man die 12 Tafeln auswendig, nachher ſtudirte man nur das Edict des Praͤtors, weil die 12 Tafeln nun ſchon gar zu ſehr ſchienen, ſich von ſelbſt zu verſtehen. Auch das Auswendiglernen der Formulare war eine Hauptſache; dies geſchah, indem der junge Rechtsgelehrte zuſah und es ſich merkte, wie der alte Jurisconſultus ſeine Beſcheide und ſeinen Rath gab. Es war die einzige Wiſſenſchaft, die man lernte, denn in der Beredſamkeit ward noch wenig nach Regeln unterrichtet, und hoͤchſtens tha - ten es griechiſche Rhetoren; hingegen hier lernte man von den erſten Staatsmaͤnnern. Die meiſten Juriſten dieſer Periode hatten wenigſtens ein Jahr lang das Volk regiert, von deſſen Gnade ſo mancher Koͤnig abhing. Waͤre dies nicht geweſen, ſo waͤre die Kunſt gewiß zu ſchulgerecht und ſpitzfindig geworden, zu einer Zeit wo man ſeine Begriffe noch ſo wenig durch Lectuͤre erweiterte.

§. 80.

Uebrigens dachte man nicht daran, einen Jurisconſultus zu fragen, wenn von der Ver - faſſung, der Religion (jus pontificium und augurale) oder von Beſtrafung der Verbre -chen83Periode 2. Studium.chen die Rede war; oder vielmehr man dach - te nicht daran, daß ein Jurisconſultus dies beſſer wiſſe, als ein anderer Staatsmann. Privatrecht, eigentliches jus civile, war al - lein ihr Monopol, obgleich ſchon damahls es Juriſten gab, die behaupteten, das Civilrecht ſey zu allen Dingen nuͤtze. In dieſem glaͤnz - ten um 450. Appius Claudius Coecus, der erſte, der Formulare aufſchrieb, bekannt durch Flavius und Pyrrhus, um 500. Coruncanius, um 550. S. Aelius Catus deſſen tripertita die zwoͤlf Tafeln, eine Erklaͤ - rung davon, und ein Formularbuch enthiel - ten, Cato Cenſor, der Rechtsfaͤlle mit den Nahmen der Partheyen herausgab, und ſein Sohn, dem man die bekannte Regel zu - ſchreibt, nach 600. die 3 großen Juriſten P. Mucius Scaevola, Junius Brutus und Ma - nilius, ein Scaevola von welchem Cicero lernte, und der Redner Craſſus.

  • Pompon. § 35. Juris civilis ſcientiam pluri - mi et maximi viri profeſſi ſunt: ſed qui eorum maximae dignationis apud populum Romanum fuerunt, eorum in praeſentia ratio habenda eſt, vt appareat a quibus et a qualibus haec jura orta et tradita ſint.
F 2Dritte84Theil I. bis Juſtinian.

Dritte Periode, von Cicero bis auf Alexander Sever von 650 bis 1000, oder von 100 vor Chriſtus bis 250 nach Chriſtus.

Quellen des Rechts.

§. 81.

Die ungeheure Ausdehnung, welche der Staat theils ſchon zu Ende der Perio - de hatte, theils zu Anfang der gegenwaͤrti - gen erhielt, war allein ſchon hinlaͤnglich, ei - ne Revolution zur Monarchie erſt nothwendig zu machen, und dann wirklich hervorzubrin - gen. Eben daraus entſtand, und eben dahin wirkte, die Cultur und das Sittenverderbniß, denn ein Freyſtaat muß, ſich ſelbſt uͤberlaſſen, zu Grunde gehen, ſobald ſeine vornehmſten Glieder eine Menge Beduͤrfniſſe und Vergnuͤ - gungen kennen, welche von dem Flore des Staats und von der Achtung ihrer Mitbuͤr - ger ganz unabhaͤngig ſind.

In der erſten Haͤlfte des ſiebenten Jahr - hunderts wurden in Rom gewaltſame Ver -ſuche85Periode 3. Quellen.ſuche gemacht, dem großen und uͤppigen Frey - ſtaate ſeine vorige Tugend wieder zu geben; aber in der zweyten Haͤlfte eben dieſes Jahr - hunderts gelangen die noch gewaltſamern Verſuche weit beſſer, welche einzele Große machten, ſelbſt Monarchen oder Deſpoten des Volks zu werden, das Monarchen wuͤnſchen und anfangs Deſpoten bekommen mußte.

Sulla erhielt durch eine foͤrmliche lex die deſpotiſche Gewalt, aber ſo wie man oft mehr thut, als man thun darf, ſo darf man auch oft mehr thun, als man thun mag oder kann. Sulla’s Dictatur ging voruͤber, ohne daß der Staat wieder frey geworden waͤre. Nur kaͤmpften jetzt wieder mehrere Partheyen ge - gen einander, aber die Coalition zwiſchen Pompejus und Caͤſar gab dem Staate zwey Herren, bis endlich Caͤſar durch den buͤrgerlichen Krieg der Einzige ward. Nach ſeinem Tode waͤre die Wiederherſtellung der Republik doch nicht mehr, als ein ſchoͤner Traum geweſen, wenn auch Anton ſeinen Dictator, ſeinen Koͤnig, nicht uͤberlebt, und den Senat nicht genoͤthigt haͤtte, ihm den jungen Caͤſar Octavian entgegenzuſetzen. Dieſer war als triumvir reipublicae ordinan - dae weit mehr Deſpot, als nach der Schlacht bey Actium.

F 3§. 82.86Theil I. bis Juſtinian.

§. 82.

Daß in dieſem Zeitraume da die Demo - cratie in Monarchie durch ſolche Gaͤhrungen uͤberging, mehr Antraͤge an das Volk ge - macht und genehmigt wurden, als in irgend einem andern, iſt ſehr natuͤrlich, denn gerade dies war der Beweggrund zu jedem buͤrgerli - chen Kriege, daß man im Stande ſeyn woll - te, das Staatsrecht und die einzelen Anſtal - ten nach Willkuͤhr und ohne Widerſpruch zu aͤndern, und nach jedem buͤrgerlichen Kriege mußte dem Sittenverderbniſſe, das er ver - mehrt, der Zerruͤttung, die er hervorge - bracht hatte, durch Strafgeſetze und durch Verordnungen zum Beſten der verarmten Buͤrger einigermaßen abgeholfen werden. So wichtig ſolche leges fuͤr die politiſche Geſchich - te dieſer Zeiten ſind, ſo ruhig kann man doch in der Rechtsgeſchichte faſt alle diejenigen uͤbergehen, die gleich nachher abgeſchaft, oder durch die Monarchie unbedeutend wurden. Alſo ſelbſt die Revolution die mit dem Tribu - nate vorging, gehoͤrt nicht hierher, und die erſte lex majeſtatis wird nur durch die Be - merkung intereſſant, wie entfernt dieſer Be - griff damahls noch von dem war, was ihn nachher ſo ſehr ausgezeichnet hat. Drey Strafgeſetze von Sulla: Cornelia de ſica - riis, de falſo und de injuriis kommen nochin87Periode 3. Quellen.in unſern Fragmenten claſſiſcher Juriſten vor, und es kann ſeyn, daß die bekannte fictio le - gis Corneliae im zweyten voruͤbergehend er - waͤhnt war. Spaͤther, und nicht von Sulla iſt eine Cornelia, welche die Praͤtoren an ihr Edict bindet, aber alles, was ſie gewiß ver - ordnet, ſcheint ſich ſchon von ſelbſt verſtanden zu haben. Von der lex Pompeja de parrici - diis wiſſen wir auch nur, daß ſie die letzte uͤber dieſen Gegenſtand war, aber nicht wel - che neue Beſtimmungen ſie enthielt. Die lex Scribonia uͤber den Straßenbau iſt wahrſchein - lich dieſelbe, welche, auch wieder im Vorbey - gehen, die vſucapio ſervitutum verbot. Caͤ - ſar’s Strafgeſetze zeichnen ſich durch die Ein - ziehung wenigſtens eines Theils vom Vermoͤ - gen der Verbrecher aus, eine Neuerung, die bey den ſeltenen Todesſtrafen eben ſo vernuͤnf - tig war, als ſie in der Folge unnoͤthig hart geworden iſt. Die Patricier, welche durch die lex Caſſia gemacht wurden, erhielten faſt nur einen hoͤhern Titel. Die lex Falcidia iſt ei - ne von den wenigen, die faſt reines Privatrecht enthielten, ſie ſollte blos den letzten Willen des Roͤmers ſichern, der Vermoͤgen hinter - ließ, aber durch Legate es ganz oder beynahe erſchoͤpft hatte. Eben die politiſche Abſicht, wie bey der Furia und Voconia war hier wohl nicht mehr. Die lex Julia et Titia erſtreckteF 4die88Theil I. bis Juſtinian.die Sorgfalt des Staats, fuͤr Schutzbeduͤrf - tige ohne Tutoren, auch auf die Provinzen.

Der wichtigſte Senatsſchluß in dem An - fange dieſer Periode war die Abſchaffung der Dictatur. Welche Stellen in das Edict zu - erſt eingeruͤckt wurden, welche Saͤtze des Pri - vatrechts ſich jetzt gerade ausbildeten,[wiſſen] wir nicht.

§. 83.

Daß Caͤſar Octavian in der ununter - brochenen Reihe der Monarchen der Erſte ward, daran hatte der Zufall vielleicht den meiſten Antheil. Haͤtte er die Schlacht bey Actium nicht um 42 Jahre uͤberlebt, oder waͤre er unter andern Umſtaͤnden geſtorben, ſo wuͤrde jetzt ſchwerlich daruͤber geſtritten werden, in welchem Jahre denn eigentlich, und durch welche Begebenheit Rom aufgehoͤrt habe, eine Democratie zu ſeyn. Man wuͤrde nicht ſo aͤngſtlich die Epoche ſuchen, von wel - cher an Octavs Herrſchaft geſetzlich geworden ſey. Man wuͤrde bemerken, daß ſein Nah - me Auguſt (729, der einzige neue und aus - ſchließende Titel der Monarchen Roms, dazu kaum weniger hinreichte, als irgend eine an - dere einzele Bewilligung des Senats. Aber weil das Kind am Leben blieb, ſo moͤchte man nun gerne die Minute wiſſen, in der eszuerſt89Periode 3. Quellen.zuerſt lebte: weil durch die Laͤnge der Zeit und die vielen beguͤnſtigenden Umſtaͤnde die lebenslaͤngliche hoͤchſte Gewalt der Auguſte ſo rechtmaͤßig ward, als die hoͤchſte Gewalt der meiſten Regenten uͤber ein Volk, das nicht immer Regenten hatte; ſo will man wenig - ſtens das Jahr wiſſen, in welchem die Ge - walt des erſten Auguſts anfing, rechtmaͤßig zu ſeyn, oder dafuͤr gehalten zu werden. Bach der die lex regia in das Jahr 727 ſetzt, und doch geſteht, daß der Nahme viel juͤnger ſey, ſcheint darin zu fehlen, daß er glaubt Tribo - nians Zeugniß beweiſe, ſobald Tribonian keine Abſicht, die Unwahrheit zu ſagen, ge - habt habe, daß er bey der Einwilligung des Senats und Volks gerade an foͤrmliche Schluͤſſe denkt, daß er den alten Sinn von imperium vergißt, und daß er imperium und cuncta principibus ſolita unterſcheidet, die bey Tacitus nicht verſchieden ſind. Mancher mag auch bey der poteſtas leges, quas vellet, ferendi gar an die geſetzgebende Gewalt ge - dacht haben. Die ſogenannte lex regia zu Gunſten Veſpaſians iſt ein Senatsſchluß, und uͤbertraͤgt lauter einzele Rechte zugleich, welche Octav, Tiber und Claudius nach und nach erhalten hatten.

F 5§. 84.90Theil I. bis Juſtinian.

§. 84.

So viel iſt gewiß, der erſte Auguſt be - kam, oder eigentlich behielt noch vom Trium - virate her, ein ganz uneingeſchraͤnktes Mili - tair-Commando uͤber ſeine 44 Legionen Ve - teranen, er bekam oder behielt es ſelbſt in Rom, wo er ſeine Garde hatte, und der gan - ze Senat legte den militairiſchen Eyd ab. Jeder Senator hatte von jeher Dienſte neh - men muͤſſen, und nun war im ganzen Staate nur ein imperator, nur ein General, der nicht von einem andern abhing. Bey Au - guſts Tode konnte kein Senator gedient ha - ben, als unter ihm, und warum haͤtte man den Dienſt verlaſſen ſollen, da man daſſelbe, als Urlaub, eben ſo leicht haben konnte? Man erneuerte den Eyd jedem neuen Augu - ſte; man erneuerte ihn ſo oft derſelbe Auguſt alle 5 oder alle 10 Jahre ſein Commando aus der Urſache niederlegte, weil ehemahls faſt keine Gewalt laͤnger als ein Jahr gedauert hatte.

Der erſte Auguſt bekam, oder eigentlich behielt noch vom Triumvirate her, das ober - ſte Gouvernement uͤber alle Provinzen, und daß er die Haͤlfte davon dem Senate oder dem Volke uͤberließ, war eine Großmuth, die ihn nicht viel koſten konnte. Seine Caſſe(fis -91Periode 3. Quellen.(fiscus) hatte natuͤrlich mehr Ausgaben, und brauchte mehr Zufluͤſſe, als die Caſſe irgend eines andern Roͤmers, aber ſie war noch nicht daſſelbe mit der Staats-Caſſe (aera - rium), und auch noch nicht wichtiger, als dieſes.

Sehr fruͤh hatte er als Cenſor das Recht bekommen, den Senat, ſeinen Reichsrath zu formiren, und eben ſo erhielt er wie Caͤſar die tribunitia poteſtas, weil er als Patricier nicht Tribun ſeyn konnte.

Der Staat war nun unſtreitig keine Re - publik mehr, aber die meiſten deutſchen Schriftſteller ſollten doch an die Verfaſſung ihres Vaterlandes und an die Rechte ihres gnaͤdigſten Herrn denken, ehe ſie ſo republi - caniſch ſchon den erſten Auguſt einen Deſpo - ten nennen, und den deſpotiſchen Staat doch noch nachher mehr als einmahl erſt deſpotiſch werden laſſen.

§. 85.

Die Regierungsform, die unter Auguſt ſich bildete, erhielt ſich meiſt bis in das dritte Jahrhundert, wo militairiſcher Deſpotismus und die orientaliſchen Sitten ſie verdraͤngten, noch ehe Conſtantin die ſeinige einfuͤhrte.

Die92Theil I. bis Juſtinian.

Die alten magiſtratus blieben, nicht weil Auguſt die Roͤmer wollte glauben machen, es ſey noch ganz die alte Verfaſſung, ſondern weil er keinen Grund hatte, alles zu aͤndern. Selbſt die Wahl derſelben (comitia) ließ er dem Volke, und obgleich ſeine Empfehlung eben ſo viel vermochte, als ſeines Groß - Oncle’s Empfehlung vermocht hatte, ſo uͤber - ließ er doch auch manches dem guten Willen des Volks, bey dem jeder Candidat ſich noch wie ehemahls beliebt machen mußte a). Je wichtiger die Rechte einer Stelle geweſen wa - ren, deſto mehr verlor ſie durch den Monar - chen b).

Die Conſuln wurden nun faſt immer noch waͤhrend des Jahrs, das von ihnen den Nah - men hatte, durch ſuffecti abgeloͤst; wohl nicht deswegen weil Auguſt ſich fuͤrchtete, je - mand, deſſen Wahl er dirigirt hatte, ein Jahr lang im Senate praͤſidiren zu laſſen, ſondern weil er deſto mehr Gnadenbezeugun - gen austheilen konnte; eben dadurch entſtan - den ja auch die bloßen ornamenta conſularia. Uebrigens hatten jetzt die Conſuln mehr Zeit, ihre jurisdictio und legis actio auszuuͤben.

Schon weniger ſanken die Praͤtoren, weil ſie nicht ſo hoch ſtanden. Ihrer wurden meiſt zwoͤlf ernannt, und zur jurisdictio und quae - ſtio bekamen ſie auch das aerarium.

Die93Periode 3. Quellen.

Die Cenſoren waren nicht mehr dazu da, den Senat zu formiren; dies that Auguſt ſelbſt.

Die Volkstribunen behielten ihre Rech - te c), aber dieſe gegen den Willen des Mo - narchen auszuuͤben war freylich nicht rathſam.

Die erſte Wuͤrde fuͤr junge Vornehme war Vigintiviratus, wozu auch die Decemvi - ri litibus judicandis gehoͤrten. Die decuriae judicum machte Auguſt.

a)Tac. Ann. I. 15. Etſi potiſſima arbitrio principis, quaedam tamen ſtudiis tribuum fiebant. Largitionibus ac precibus ſordi - dis .
a)
b)Tac. Ann. IV. 6. ſua conſulibus, ſua prae - toribus ſpecies: minorum quoque magiſtra - tuum exercita poteſtas.
b)
c)Tac. Hiſt. IV. 9. tribunus pl. interceſſit. Ann. XVI. 27. ſe interceſſurum SCto: nam tribunus plebis erat. Plin. I. Ep. 23. IX. Ep. 13.
c)

§. 86.

Die neuen Chargen waren noͤthig, ſo bald mehr fuͤr die oͤffentliche Ruhe und Sicherheit geſorgt werden ſollte, als in der Republik moͤglich geweſen war. Sie entſtanden meiſt in den buͤrgerlichen Kriegen, der Auguſt er - nannte dazu, und es war nun keine Gefahr mehr dabey, ſie auf Lebenszeit zu ertheilen.

Der94Theil I. bis Juſtinian.

Der Gonverneur der Hauptſtadt (prae - fectus vrbi) immer ein ehemahliger Conſul, hatte eine Gewalt in Polizey-Sachen, die ſich ſogar auf Criminal-Unterſuchungen er - weiterte, worin er mit den Praͤtoren und dem Senate, der nun auch ein Criminalgericht ward, concurrirte.

Die Commandeurs der Garde (praefecti praetorio) waren urſpruͤnglich nur zwey equi - tes. Aber Tiber’s Favorit Sejan war ei - ner von dieſen Officieren; dieſer Umſtand fing an, die Gewalt der Praͤfecten zu ver - groͤßern, und je mehr der Staat ſich in der Folge zum militairiſchen Deſpotismus neigte, deſto wichtiger waren die Garderegimenter, und deſto natuͤrlicher war es, ihren Chef als Premier-Miniſter anzuſehen. Papinian, Ulptan und Paulus erhielten dieſe gefaͤhrli - che Stelle.

Minder wichtig ſind der neue praefectus vigilum, praefectus annonae, und die Adju - tanten des Auguſts Quaeſtores candidati prin - cipis.

In den Provinzen waren entweder noch Proconſules im Nahmen des Volks, oder Legati im Nahmen des Auguſts. Neben beyden Arten von Gouverneurs war noch ein Intendant: procurator. Egypten hatte Au -guſt95Periode 3. Quellen.guſt erſt erobert, dahin ſchickte er keinen Se - nator, ſondern nur einen praefectus Auguſta - lis, und fuͤr die ehemahlige Reſidenz den ju - ridicus Alexandrinus.

§. 87.

Daß der Auguſt eben ſo viele Rechte hat - te, als irgend ein magiſtratus, daß er juris - dictio ausuͤben konnte, und daß er dabey, wie ein anderer magiſtratus, den Rath ſeiner Freunde oder anderer Maͤnner von Anſehen ſich ausbat (conſilium woraus nachher ein foͤrmlicheres conſiſtorium und auditorium principis ſich bildete) iſt wohl ſehr natuͤrlich. Und eben ſo wenig braucht es eine eigene lex regia um zu erklaͤren, wie es kam, daß ſeine Urtheile, ſeine Cabinetsſchreiben, ſeine In - ſtructionen und ſeine Bekanntmachungen (de - creta, reſcripta, mandata, edicta) ſo viel und mehr noch galten, als aͤhnliche Dinge von Seiten eines Oberhaupts der Republik ſchon ehemahls gegolten hatten. Aber es gehoͤrten Jahrhunderte dazu, ehe ſolche con - ſtitutiones principis die einzige neue Rechts - quelle wurden, und noch mehr Jahrhunderte, ehe man behauptete, jede conſtitutio ſey eine Rechtsquelle, ſobald ſie dies ſeyn koͤnne. Daß die conſtitutiones erſt unter Hadrian an - gefangen haben, weil im Codex keine aͤltereſtehen,96Theil I. bis Juſtinian.ſtehen, folgt gerade eben ſo, wie wenn man aus Cicero’s Briefen beweiſen wollte, in Rom habe man vorher keine Briefe geſchrie - ben.

Aber ausgelernte Politiker waren die Auguſte, denn daß ſie keine conſtitutiones machten, haͤlt ein Compendienſchreiber fuͤr Po - litik, wenn der andere eine noch groͤßere darin ſieht, daß ſie welche machten, und gerade ihre haͤrteſten Aenderungen ſo einkleideten. Wer keinen ſo uͤbermaͤßig feinen politiſchen Tact hat, der kann etwa glauben, Auguſt habe viele Veraͤnderungen gemacht, weil er lange regierte, und weil er uͤber ein cultivirtes und verdorbenes Volk regierte; er habe den Geiſt der Monarchie zuweilen befolgt, ſo wie ihn die meiſten Monarchen befolgen, d. h. ohne es deutlich zu wiſſen; vor das Volk ſeyen die wichtigſten neuen Verordnungen ge - bracht worden, und nicht blos die angenehm - ſten, ſo wie man von jeher die wichtigſten Verordnungen vor das Volk gebracht habe, ohne deswegen gar keine andere zu machen.

§. 88.

Die Volksſchluͤſſe unter Auguſt ſind fuͤr uns, beſonders wegen der vielen Commenta - re, welche im zweyten Jahrhundert daruͤberge -97Periode 3. Quellen.geſchrieben wurden, merkwuͤrdig, weil wir aus dieſen Commentaren noch ſo herrliche Bruchſtuͤcke haben. Hierher gehoͤrt die lex Julia de adulteriis wodurch die Anklage wegen Verfuͤhrung, und nicht wegen Ehebruchs im heutigen Sinne, ſo beſtimmt ward, wie die alten Strafgeſetze jede einzele Art von Ankla - ge beſtimmten. Die Untreue eines Ehemanns war kein adulterium, aber jede Verfuͤhrung einer Ehefrau, oder einer vidua, im Roͤmi - ſchen Sinne, oder eines freyen Knaben konn - te, nur von keiner Weibsperſon, zur Unter - ſuchung gebracht werden. Die Perſonen, welchen Selbſtrache zuſtand, der Ehemann und der Vater, hatten auch ein vorzuͤgliches Klag-Recht, und dieſes war in ſo ferne aus - ſchlieſſend, daß dem Ehemanne erſt ein leno - cinium bewieſen werden mußte. Die Natur des Verbrechens machte haͤusliche Zeugen, alſo Anſtalten fuͤr ihre Wahrhaftigkeit noͤthig. Die Strafe beſtand in Verbannung auf eine Inſel, die jetzt ſehr gewoͤhnlich ward, und der publicatio (nicht Confiſcation) eines Theils vom Vermoͤgen. Vielleicht um letzte - res immer anwendbar zu machen, verbot daſ - ſelbe Geſetz die Veraͤußerung eines fundus dotalis, die uͤberhaupt mit der Sorge fuͤr die Befoͤrderung der Ehen damahls beſſer be -Gſtand,98Theil I. bis Juſtinian.ſtand, als die neuern Privilegien mit dem Geiſte des chriſtlichen Rechts.

§. 89.

Die lex Aelia Sentia athmete den aͤchten Geiſt der Monarchie, im Gegenſatze des al - les gleichmachenden Deſpotismus. Den Fall der Republik hatten die Heere freygelaſſener Sklaven, unter denen ſo viele ſchlechte Men - ſchen Roͤmer wurden, gewiß beſchleunigt. Jetzt ſollte ein vinctus und propter noxam tor - tus nur ein dedititius werden, ein Sklave unter 30 Jahren nur nach vorgaͤngiger Un - terſuchung die Rechte eines Roͤmers erhal - ten, die Kinder der aͤrgern Hand folgen, ein Herr unter 20 Jahren nicht ohne Unter - ſuchung, ein Banqueroutier nicht anders, als um einen Erben zu haben, durch den ſein Teſtament beſtehe, manumittiren, die Freylaſſungen auf Speculation kein Patronat - recht geben, ein Freygelaſſener die Rechte ſeines vorigen Herrn nicht verkuͤrzen. Außer - dem ward das Strafrecht des Patrons be - ſtimmt, und fuͤr den Unterhalt der armen Frey - gelaſſenen geſorgt.

Die lex Julia de viceſima hereditatum war eine Abgabe zu 5 ProCent auf den Fuß unſerer Lach-Erbengelder, zum Beſten derneu -99Periode 3. Quellen.neuerrichteten Kriegs-Caſſe, aus der nun ſo große Armeen, ohne Proſcriptionen, unterhal - ten werden mußten.

Die lex Fuſia Caninia beſtimmte die An - zahl der Sklaven, die in einem Teſtamente freygelaſſen werden durften, nach Verhaͤltniß derjenigen, welche der Herr hatte, ſehr weiſe und ſorgfaͤltig.

§. 90.

Die lex Julia et Papia Poppaea de mari - tandis ordinibus und de caducis iſt bey wei - tem die wichtigſte unter allen, welche Quellen des Rechts zur Zeit der Claſſiker waren, und die, welche ſich Auguſt am meiſten angelegen ſeyn ließ. Sie betraf die zwey Hauptgegen - ſtaͤnde ſeiner Regenten-Sorgfalt: Bevoͤlke - rung und Einnahme fuͤr die Kriegs-Caſſe. Deswegen hielt ihn auch der mißlungene erſte Verſuch nicht ab, ſie von neuem einzubringen, und die Unzufriedenheit ſeiner Unterthanen veranlaßte nur Modificationen, aber durchaus nicht die Abſchaffung, dieſes Volksſchluſſes. Die einzelen Verordnungen haben Godefroi, Ramos, und Heineccius aus den vielen Bruchſtuͤcken von Commentaren der Claſſiker geſammelt und geordnet. Ihre Werke enthal - ten herrliche Materialien fuͤr einen kuͤnftigen philoſophiſchen Bearbeiter.

G 2Je -100Theil I. bis Juſtinian.

Jeder Roͤmer, der das 60ſte, und jede Roͤ - merinn, die das 50ſte Jahr noch nicht zuruͤck - gelegt hat, ſoll heyrathen, ſonſt trifft ihn die Strafe der Eheloſigkeit, ausgenommen wenn er zu jung oder unvermoͤgend, oder nicht blos zum Scheine verlobt iſt. Aber die Strafe der Eheloſigkeit bleibt, wenn die Ehe ſchimpflich iſt, und dies geſchieht leich - ter bey Senatoren und Senatormaͤßigen, als bey andern. Wo keine Ehe Statt findet, da iſt Ehe zur linken Hand (concubinatus) er - laubt, ſonſt nicht. Eine Freygelaſſene darf ihren Patron weder als Frau noch als concu - bina wider ſeinen Willen verlaſſen. Heyrathet ſie mit ſeiner Erlaubniß, ſo iſt ſie von allen verſprochenen Dienſten frey.

Die Zahl der Kinder gibt dem Conſul und jedem Candidaten ein Vorrecht; 3, 4 oder 5 Kinder am Leben befreyen von perſoͤnlichen Laſten. Eines oder mehrere macht den Lati - nus zum Roͤmer mit vollem Rechte, ver - ſchafft dem Freygelaſſenen einen allgemeinen Nachlaß der Dienſte, die ſein Patron zu for - dern hatte, und einem Frauenzimmer, ſelbſt einer Freygelaſſenen, die Unabhaͤngigkeit von ihrem Vormunde.

Ein Ehegatte kann von dem andern im - mer 1 / 10 erben, und jedes lebende Kind auseiner101Periode 3. Quellen.einer andern Ehe macht noch eines Zehntels faͤhig, eben ſo ein verſtorbenes Kind aus derſelben Ehe. Ferner kann immer zum lebenslaͤnglichen Genuß hinterlaſſen werden, und, ſind Kinder erzeugt, ſogar als Eigen - thum.

Eheleute koͤnnen alles von einander erben, wenn ſie noch zu jung ſind, oder ſehr lange verehelicht waren, oder als nahe Verwandte, oder wenn der Mann im Dienſte des Staats verreist, oder wenn aus dieſer Ehe ein Kind am Leben, oder als ſchon erwachſen geſtorben iſt u. ſ. w.

§. 91.

Wer Vater iſt kann von jedem Fremden alles erben; eben ſo eine Frau mit 3 oder 4 Kindern. Ein coelebs gar nichts, als von Verwandten, und wer in kinderloſer Ehe lebt, nur die Haͤlfte.

Die Bedingung und der Eyd nicht zu heyrathen ſchaden nichts. Der praetor vrbanus kann Aeltern zur Verheyrathung ih - rer Kinder zwingen.

Wer die Scheidung durch mehr oder min - der ſchlechte Auffuͤhrung veranlaßt hat, wird durch fruͤhere oder im Gegentheil durch ver - minderte Herausgabe der dos beſtraft.

G 3Je102Theil I. bis Juſtinian.

Je mehr ein Freygelaſſener Kinder hat, deſto weniger iſt er, auch bey einem anſehnli - chen Vermoͤgen (centenarius) durch das Sur - ceſſionsrecht des Patrons genirt. Durch Kinder wird die Patroninn einem Patron, die Tochter einem Sohne gleich.

Von dieſer lex kann diſpenſirt werden, man kann das jus liberorum erhalten, oder das Recht jemand zu heyrathen, den man ſonſt nicht heyrathen duͤrfte.

Wenn einer Perſon mehr hinterlaſſen iſt, als ſie nach dieſer lex erhalten kann, oder wenn eine Erbſchaft oder ein Legat anfangs giltig iſt, aber ohne daß der Teſtirer ſeinen Willen aͤndert, zur Zeit der Eroͤfnung des Teſtaments nicht mehr Statt findet, oder ausgeſchlagen wird, oder wegfaͤllt, weil man die Bedingung nicht erlebt hatte, oder weil man indignus wird, ſo kommt es darauf an, ob ſonſt der Erbe eines von den Kindern oder Aeltern des Erblaſſers iſt, oder auch nur uͤberhaupt Kinder habe, oder nicht. In die - ſem letzten Falle wird das Vermaͤchtniß oder der Antheil der Erbſchaft vom aerarium weg - genommen (caducum, in cauſa caduci, bo - num vacans) jedoch mit allen darauf haften - den Laſten. Hingegen jene privilegirten Per - ſonen haben jus antiquum in caducis.

Wer103Periode 3. Quellen.

Wer ein tacitum fideicommiſſum uͤber - nimmt, d. h. wer ſich dazu gebrauchen laͤßt, dieſe lex zu eludiren, der verliert auch was er ſelbſt aus dem Teſtamente haͤtte bekommen ſollen.

Wer ein caducum angibt, bekommt ei - nen Theil davon zur Belohnung.

§. 92.

Durch die lex Junia Velleja ward die Einſetzung eines noch nicht gebornen Kindes in manchen Faͤllen erlaubt, und in manchen fuͤr geſchehen angenommen. Aus einem te - ſtamentum ruptum fielen ja keine caduca ab.

Die lex Julia de vi publica ſchraͤnkte wahr - ſcheinlich die Roͤmiſche Mutinybill, nach wel - cher die lex Porcia bey der Armee wegfiel, ein, um die Provocation zu beguͤnſtigen.

Die lex Julia Majeſtatis ward ſchon unter Auguſt auch auf Pasquillanten angewendet durch welche ſehr vornehme Perſonen ange - griffen worden waren a).

a)Tac. Ann. I. 72. Primus Auguſtus cogni - tionem de famoſis libellis ſpecie legis ejus tractavit nicht Tiber.
a)
G 4§. 93.104Theil I. bis Juſtinian.

§. 93.

Auguſt ſetzte noch mehrere Antraͤge an das Volk durch, die Senatsſchluͤſſe waren noch nicht haͤufiger, als ſie, aber auch nicht ſelten. Die Volksverſammlungen mußten nach und nach unter den Kaiſern aufhoͤren, denn wozu dieſe Weitlaͤuftigkeit, wenn der Senat mit dem Monarchen einig war? Die Senatsſchluͤſſe mußten eben deswegen mehr emporkommen, es war das Corps, von wel - chem jeder Auguſt ſich ſeine Rechte ertheilen ließ, das Corps, das im Interregnum re - gierte, das Corps, welches den vorigen Kai - ſer zum Divus machen, aber auch alle ſeine Befehle vernichten konnte. Man muß wenig Schriftſteller dieſer Zeit geleſen haben, wenn man ein Senatus-Conſult immer nur fuͤr ei - nen masquirten Befehl des Auguſts halten will.

Das erſte Senatus-Conſult, welches ſei - nen Nahmen vom Conſul erhielt, war das Silanianum um die Ermordung des Herrn auch an denjenigen Sklaven zu raͤchen, die ſie nicht gehindert hatten. Es ward noch oft naͤher beſtimmt.

Unter Auguſts Edicten §. 87. ſind die merkwuͤrdigſten: Wer verdiene Soldat zu ſeyn, koͤnne nicht mit Recht enterbt werden,und105Periode 3. Quellen.und die Buͤrgſchaft einer Frau fuͤr ihren Mann ſey ſehr mißlich. Die Abolition der alten Eriminalſachen war nach den buͤrgerlichen Krie - gen ſehr weiſe.

Woͤhl ſchwerlich durch irgend einen aus - druͤcklichen Befehl, ſondern nach und nach durch beguͤnſtigende Umſtaͤnde und Herkom - men a) erhielten unter Auguſt die bloßen Bil - lets eines Verſtorbenen (codicilli) und ſeine bloßen Bitten (fidei commiſſa) eine verbin - dende Kraft. Bisher gehoͤrte zu der gering - ſten Verordnung ein foͤrmliches und durch keinen Zufall unkraͤftig gewordenes Teſtament, und manche Verordnung war doch gar nicht moͤglich. Die ganze Jurisprudenz hatte einen Hang, von der aͤngſtlichen Beobachtung der Foͤrmlichkeiten ſich zu entfernen, und wo der Staat keine Abſichten hatte, da ward man immer geneigter, jede Willensaͤußerung des Verſtorbenen gelten zu laſſen. Dies war der Geiſt der lex Junia Velleja, des SCtum Ne - ronianum, und der Beraͤnderung, daß derje - nige, zu deſſen Vortheil der Erbe einen Be - fehl erhalten hatte, ſich immer haͤufiger und immer gluͤcklicher an den Auguſt oder an einen Conſul wandte, um den Erben bey dieſen Umſtaͤnden zur Erfuͤllung ſeiner Pflicht zu zwingen.

G 5a)106Theil I. bis Juſtinian.
a)Inst. II. 23. §. 1. Quod quia juſtum vi - debatur et populare erat, paulatim conver - ſum eſt in aſſiduam jurisdictionem 25. pr. Cum et Labeo codicillos feciſſet, jam nemini dubium erat, quin codicilli jure optimo admitterentur.
a)

§. 94.

Man erzaͤhlt gewoͤhnlich noch eine Ein - richtung die Auguſt getroffen haben ſoll, und die man fuͤr einen aͤußerſt ſchlauen Kunſtgriff haͤlt, durch welchen er, ohne daß ein Menſch es gemerkt habe, Geſetzgeber geworden ſey. Das Recht, auf civiliſtiſche Anfragen zu ant - worten, habe von dem Auguſte geſucht und erhalten ſeyn muͤſſen, und dieſer habe es nur denjenigen ertheilt, deren Meynungen mehr monarchiſch als republicaniſch geweſen waͤren. Bis unter Hadrian ſey dieſe Nothwendigkeit eines kaiſerlichen Patents, um Jurisconſultus zu ſeyn, geblieben. Nach Andern ſchaff - te Auguſt nicht die Privat-Juriſten ab, ſondern er machte nur ſeine patentirten zu un - truͤglichen Orakeln aller Magiſtrate und aller Richter. Allein kein gleichzeitiger Geſchicht - ſchreiber bemerkt dieſe Veraͤnderung; in den Fragmenten der elaſſiſchen Civiliſten wird von einem reſponſum nie anders geſprochen, als man zur Zeit der Republik auch davon haͤtte ſprechen koͤnnen; man hat keine Spuhr imPri -107Periode 3. Quellen.Privatrechte von royaliſtiſchen Grundſaͤtzen; die Pflicht der Richter, einen Ausſpruch zu befolgen, erzaͤhlt blos Juſtinian, und ſelbſt dieſer nur vielleicht, und wenn man dieſe Idee nicht zu der Stelle des Pomponius mit - bringt, ſo ergibt ſich daraus nur ſo viel, daß ein gar nicht vornehmer Rechtsgelehrter, der ſogar erſt in ſeinem Alter Ritter ward, eine beſondre Aufmunterung oder Erlaubniß vom Auguſt erhielt, um deſto mehr Zutrauen bey dem Publicum zu finden. Es mag in der Folge ein ſehr gewoͤhnliches Compliment geweſen ſeyn, das auch Senatoren dem Au - guſte, ohnehin ihrem Chef, machten, wenn ſie bey ihm anfragten, ob er ſie zu dieſer Be - ſchaͤftigung geſchickt genug finde; aber daß ſelbſt ehemahlige Praͤtoren dies als eine Gna - de ſuchten, war, wie Hadrian ſagt, ſchon vor ihm ungewoͤhnlich, und ward alſo nicht erſt unter ihm uͤberfluͤſſig a).

a)I. 2. fr. 2. §. 47. Primus D. Auguſtus vt major juris auctoritas haberetur, conſti - tuit vt ex auctoritate ejus reſponderent, et ex illo tempore peti hoc pro beneficio coe - pit: et ideo optimus princeps Hadrianus cum ab eo viri praetorii peterent, vt ſibi liceat reſpondere, reſcripſit eis, hoc non peti ſed praeſtari ſolere. Ergo Sabino conceſſum eſt a Tiberio Caeſare vt populo reſponderet, qui in equeſtrem ordinem jamgran -108Theil I. bis Juſtinian.grandis natu et annorum fere quinquaginta receptus eſt.
a)

§. 95.

Die Gewalt Tiber’s war unſtreitig groͤſ - ſer und feſter, als die ſeines Vorgaͤngers, die Garde ward von den Buͤrgern abgeſon - dert und in weitlaͤuftige Caſernen (caſtra prae - toriana) zuſammengezogen, die Majeſtaͤts - verbrechen wurden viel haͤufiger; aber auch Tiber war nicht nur in der erſten Haͤlfte ſei - ner Regierung kein Deſpot, ſondern ſelbſt als ſein ſtolzer und finſterer Character, durch Sejans Einfluß und durch Sejans Treulo - ſigkeit, zur Grauſamkeit geſtimmt, und durch ein, ſogar in dieſen Zeiten, ſchaͤndliches Pri - vatleben verſchlechtet worden war, ſelbſt da blieb die Conſtitution, und mancher Senator freute ſich des Winkes, den etwa Tiber zum Todesurtheile uͤber beneidete Große gegeben hatte. Gleich nach dem Tode Auguſts wurden die Magiſtrats-Comitien dem Volke entzogen, und welche Rivalitaͤt der Kaiſer nicht entſchied, daruͤber cabalirte man nun nur im Senate. Auf die Verſammlungen uͤber neue Antraͤge an das Volk geht die Stelle in Tacitus gewiß nicht a), obgleich ſelbſt Bach ſie davon verſteht, der doch ſchon vorher Senatsſchluͤſſe, als Rechtsquellen,und109Periode 3. Quellen.und noch nachher Volksſchluͤſſe, als Rechts - quellen, ſo vortreflich bewieſen hat. Aber ſehr natuͤrlich war es wohl, daß man von den Verſammlungen des Volks immer mehr entwoͤhnt ward; eine lex war nur eine Cere - monie mehr als ein Senatsſchluß, und die Zeit, wenn dieſe zum letzten mahle mitge - macht worden ſeyn mag, iſt unwichtig und ungewiß.

a)Tac. Ann. I. 15.
a)

§. 96.

Als foͤrmlicher Volksſchluß kommt unter Tiber vor die lex Junia Norbana, um die Rechte derer zu beſtimmen, welche bisher durch eine Art von Manumiſſion nur von Sklavendienſten befreyt waren. Sie erhiel - ten beynahe ganz den Stand eines andern Latinus, und nur in Anſehung des Teſta - ments war der Latinus Junianus zuruͤckgeſetzt, aber auch ſie konnten jus Quiritium als Gna - de erhalten, oder, beſonders durch Beytraͤge zur Bevoͤlkerung, verdienen. Auch die lex Viſellia enthaͤlt eines dieſer Mittel. Eine lex uͤber den flamen Dialis intereſſirt uns nur wegen des offenbaren Unterſchieds von einem Senatsſchluſſe a).

a) Tac. 110Theil I. bis Juſtinian.
a)Tac. Ann. IV. 16. de roganda nova le - ge diſſeruit Caeſar Medendum ſenatus decreto aut lege placitum ſed lata lex.
a)

§. 97.

Die wichtigſten Senatsſchluͤſſe unter Ti - ber betreffen theils, wie das SC. Libonia - num und noch andere, eine Ausdehnung der lex Cornelia de falſis auf andre Urkunden, als Teſtamente, und auf falſche Zeugniſſe, theils eine Einſchraͤnkung des Rechts, ſich der lex Julia de adulteriis durch Angabe bey der Polizey zu entziehen, theils das peinliche Verfahren gegen Sklaven, die hierin voͤllig den Roͤmern gleich geſetzt wurden, theils die Friſt von 10 Tagen nach jedem Todesurthei - le, wie nach jedem andern Schluſſe des Se - nats, theils die Verantwortlichkeit der Gou - verneurs fuͤr ihre Gemahlinnen, theils die Befreyung eines kaiſerlichen Gouverneurs (legatus Caeſaris) von Anklagen, theils daß eine Ehe nach dem 60ſten und 50ſten Jahre nicht mehr die rechtlichen Vortheile der Ehe verſchaffen ſollte SC. Perſicianum. End - lich ward der quaſi vſusfructus durch ein Se - natus-Conſult beſtimmt. Erhebliche con - ſtitutiones kommen nicht vor.

§. 98.111Periode 3. Quellen.

§. 98.

Cajus Caͤſar war den groͤßten Theil ſei - ner kurzen Regierung hindurch wirklich ver - ruͤckt, und deswegen iſt weder ſein Project, dem Volke ſein Stimmrecht bey den Wahlen wieder zu geben, noch ſeine Verſicherung, keine Appellation anzunehmen, ſehr wichtig. Daß er der einzige Juriſt in ganz Rom wer - den wollte, darf man nicht fuͤr einen raſenden Einfall halten, ſo lange man ganz aͤhnliche Grundſaͤtze ſehr natuͤrlich findet oder gar be - wundert. Caligula ſah die Nothwendigkeit einer beſtaͤndigen Ergaͤnzung und Feſtſetzung des Rechts von oben herab .

§. 99.

Claudius war im Senate nicht ſo ver - aͤchtlich, als in ſeiner Familie. Er gab das erſte Beyſpiel eines Auguſts, der alles was ſein Vorgaͤnger gethan hatte, caſſiren ließ. Unter ihm ſtieg die Zahl der Praͤtoren auf 18, weil zwey fuͤr Fidei-Commiſſe in Rom hin - zukamen. Die Senatsſchluͤſſe unter ihm ſind: Largianum uͤber die Erbfolge in das Vermoͤ - gen eines Latinus, eines uͤber die aſſigna - tio libertorum, ein oft widerholtes ne aediſicia negotiationis cauſa diruerentur, ein Claudianum, daß ein Sachwalter, dernun112Theil I. bis Juſtinian.nun nicht mehr auf die Stimme ſeines Clien - ten rechnen konnte, dena ſeſtertia (etwa 500 Thaler) fuͤr einen Proceß annehmen duͤrfe, SC. Macedonianum, eines uͤber die Ehe mit des Bruders Tochter durch die letzte Vermaͤhlung des Auguſts veranlaßt, ſo wie vielleicht ein Claudianum, daß die Ehe eines Mannes uͤber 60 Jahre, wenn nur die Frau juͤnger ſey, Belohnung verdiene, noch ein Claudianum uͤber Ausſchweifungen mit einem fremden Sklaven, vielleicht auch uͤber den betruͤgeriſchen Verkauf eines freyen Menſchen, uͤber die Kraft der Ausſpruͤche eines kaiſerlichen Finanzbedienten (procurator Caeſaris), uͤber die Belohnungen der, we - gen des Getraides ſo wichtigen, Schiffarth, und das Vellejanum gegen alle interceſſiones mulierum. Vielleicht war die lex Claudia, welche allem Anſehen nach, die Vormund - ſchaft der Agnaten uͤber eine freygebohrne Roͤmerinn aufhob, auch nur ein Senatus - Conſult.

Durch Edicte gab er ausgeſetzten kranken Sklaven die Freyheit, und ſeinen Truppen das jus liberorum. Vielleicht war auch die Veraͤnderung mit dem Conſenſe des Curators bey der Arrogation, und das Vorrecht des peculium, wenn der fiſcus das Vermoͤgen wegnahm, ein Edict.

§. 100.113Periode 3. Quellen.

§. 100.

Nero hob durch ein Senatus-Conſult, das unter ſeinem Vater gemachte, uͤber die Bezahlung der Sachwalter, wieder auf, und eben ſo durch das Calviſianum die Rechte der ungleichen Ehe eines alten Mannes oder ei - ner alten Frau. Durch das Piſonianum ward das Silanianum ausgedehnt. Zu Ehren des Senats ſollte eine ungegruͤndete provocatio an ihn a privatis judicibus ſo gefaͤhrlich ſeyn, als eine appellatio an den Kaiſer. Das Tur - pillianum beſtrafte Chicanen und Praͤvarica - tionen. Das Trebellianum machte, daß[auch] der heres fideicommiſſarius Schulden uͤbernehmen mußte. Das Neronianum hob den Unterſchied in den Ausdruͤcken der Legate nur in ſo weit auf, als er unbillig ſcheinen konnte. Nero’s Edicte betreffen meiſt nur Polizey-Sachen.

§. 101.

Nachdem, etwa 100 Jahre nach der Schlacht bey Actium, der letzte Nachkomme Auguſts, um dem gegen ihn ausgeſproche - nen Todesurtheile zu entgehen, ſich ſelbſt entleibt hatte, entſtand der erſte buͤrgerliche Krieg in Rom, bey welchem niemand leugne - te, daß es nur darauf ankomme wer Mo -Hnarch114Theil I. bis Juſtinian.narch ſeyn ſollte. Mit Veſpaſian bekommt der Staat wieder eine regierende Familie. Die beyden erſten Flavier waren wuͤrdige Nachfolger Auguſts, unter dem Vater er - holte ſich der Schatz nach den verſchwenderi - ſchen und pluͤndernden Regierungen wieder, und der Bau des Capitols beweist, daß Veſpaſian nicht geizig war. Das SC. Pega - ſianum fuͤhrte das ein, was wir quarta Tre - bellianica nennen, der fideicommiſſarius ward einem legatarius partiarius gleichgeſetzt. Ein Plancianum beſtrafte die fideicommiſſa tacita. Ein anderes Plancianum ſorgte fuͤr die Aecht - heit eines nach der Scheidung gebohrnen Kin - des. Unter Titus ward die Vervielfaͤltigung einer Criminalanklage unter andern Nahmen verboten, und zur Unterſuchung des ſtatus eines Verſtorbenen ein Termin geſetzt. Dies wiederholte und beſtimmte man noch oft, eben ſo wie das Edict uͤber die Teſtamente der Militair-Perſonen.

§. 102.

Domitian iſt nicht ſowohl wegen des SC. Junianum gegen Betruͤgereyen in cauſis ingenuitatis, oder wegen ſeiner Edicte merk - wuͤrdig, als weil er nun bis auf Commodus, d. h. bis gegen das Ende des folgenden Jahr - hunderts der letzte ſchlechte Kaiſer war. Esfolgt115Periode 3. Quellen.folgt nun einer der ſchoͤnſten und ſeltenſten Anblicke in der Geſchichte, 5 Regenten hin - ter einander, welche gar nicht unumſchraͤnkt regieren, ob ſie gleich die Macht dazu, und das Beyſpiel mancher von ihren Vorgaͤngern fuͤr ſich gehabt haͤtten. Dies iſt der Zeit - raum wo das menſchliche Geſchlecht das Gluͤck einer ſanften und weiſen Staatsverwaltung im vollſten Maaße genoß, der Zeitraum, dem wir die letzte Ausbildung des Roͤmiſchen Rechts verdanken.

§. 103.

Von Nerva, dem Sohne und Enkel großer Rechtsgelehrten, kommt eine lex agra - ria vor, gegen Verfaͤlſchung der Grenzſteine, und ein Edict, wodurch das Teſtament uͤber das peculium caſtrenſe geſtattet ward.

Sein adoptirter Sohn Vlpius Trajanus war der letzte Auguſt, der ganz neue Pro - vinzen eroberte, und ſein Nahme blieb noch nach Jahrhunderten das hoͤchſte Ideal eines guͤtigen Monarchen. Unter ihm machte der Senat drey Schluͤſſe uͤber fideicommiſſa - riae libertates, einen uͤber fideicommiſſa civi - tati relicta, einen uͤber die ſubſidiariſche Klage gegen die Obrigkeit, welche einen Vormund ernannt hat, und wahrſcheinlich die lex Ve -H 2ctibu -116Theil I. bis Juſtinian.ctibulici uͤber die Manumiſſion durch eine Landſtadt. Vielleicht gehoͤren auch die un - gewiſſen Senatsſchluͤſſe gegen inſtitutiones captatoriae, und daß ein Pasquillaut inteſta - bilis ſeyn ſollte, hierher. Durch ein Edict wurden diejenigen gelinder beſtraft, die ſich freywillig angaben, daß ſie dem aerarium et - was ſchuldig ſeyen, die alſo das verhaßte Geſchlecht der Delatoren entbehrlich mach - ten, und das jus Quiritium, das ein La - tinus ohne Einwilligung ſeines Patrons als Gnade erhielt, ſollte dieſem nichts ſchaden. Wegen des teſtamentum militare kam von nun an eine eigene Stelle in alle Inſtructio - nen.

§. 104.

Eben ſo lange als Trajan regierte auch ſein angenommener Sohn Hadrian, der die neuen Eroberungen jenſeits des Euphrats freywillig verließ, und ſeine Thaͤtigkeit mehr in ſorgfaͤltiger perſoͤnlichen Aufſicht uͤber die Gouverneurs und uͤber die Profeſſoren, und in neuen Anſtalten im Innern des Staats aͤußerte. Er ernannte zuerſt einen eigenen advocatus fiſci, da ſchon Nerva einen prae - tor fiſcalis aufgeſtellt hatte. Italien, außer Rom, das ſonſt uͤber ſeine MunicipalObrig - keiten niemand hatte, als den Kaiſer undSe -117Periode 3. Quellen.Senat, theilte er unter vier Conſularen. Als ſchoͤner Geiſt war er der erſte Auguſt, deſſen Briefe in haͤuslichen und Regierungsangele - genheiten man ſammelte, und davon haben wir noch Ueberbleibſel im Doſitheus und im Codex. Aber daß er der erſte Kaiſer gewe - ſen ſey welcher voͤllig ſouverain und deſpotiſch regierte folgt daraus noch nicht, und wird im Gegentheil durch das den Senatoren ver - ſicherte Recht, von niemand, als von ihren Mitbruͤdern, gerichtet zu werden, durch die Achtung welche er dieſer Wuͤrde beſtaͤndig be - wies, durch den ganzen Ton ſeines Hofes, wo ein Secretaͤr aus dem Ritterſtande noch etwas neues war, durch das Verbot vom Senate an ihn zu appelliren, und viel - leicht am meiſten dadurch widerlegt, daß der Senat ſeinem Sohne und Nachfolger die Apotheoſe Hadrians wegen einzeler verhaß - ten Schritte ſo ſehr erſchwerte.

§. 105.

Hadrian ſoll als ein zweyter Numa eine allgemeine Geſetzgebung vollendet haben, die man den 12 Tafeln an die Seite ſetzt. Aus allen bisherigen Edicten habe er, ſagt man, dieſes neue Rechtsſyſtem ſammeln und aus - waͤhlen laſſen, um das Jahr 131 ſey dieſe Arbeit von Salvius Julianus zu Stande ge -H 3bracht118Theil I. bis Juſtinian.bracht worden, und von nun an haͤtten neue Rechtsſaͤtze nicht mehr vom Praͤtor ſondern nur vom Kaiſer beſtimmt werden duͤrfen. Allein Spartian, der ausfuͤhrliche Biograph Hadrians, weiß von dieſer, fuͤr ſo wichtig gehaltenen, Veraͤnderung nichts, und Eu - trop erwaͤhnt ſie nur bey Didius Julianus. Pomponius, der von Hadrian und Salv. Julianus ſpricht, vergißt das edictum perpe - tuum, und in den Fragmenten der ſpaͤthern Claſſiker iſt eine einzige gewiſſe Spuhr eines Zuſatzes, den Julian zum Edicte gemacht ha - be, XXXVII. 8. fr. 3. denn IV. 2. fr. 1. und XIII. 6. fr. 1. §. 1. koͤnnen gar wohl auf etwas anderes gehen. Und doch, wenn die Veraͤnderung ſo wichtig geweſen waͤre, wie oft wuͤrde ein ſpaͤtherer Claſſiker, der ei - nen fruͤhern citirte und widerlegte, ſich auf das Edict berufen haben, wie nur XLIX. 14. fr. 1. §. 1. geſchieht, und wie zum Gerichts - gebrauche ganz uͤberfluͤſſig waͤren dieſe fruͤ - hern Claſſiker, die wir ſogar in den Pandecten haben, geworden? Es kam gar nicht darauf an, aus mehreren vorhandenen Edicten (wenn man nicht einzele Stellen des Edicts edicta nennen will) eines zu machen, denn da ſchon zu Cicero’s Zeit der groͤßte Theil des Edicts laͤngſt hergebracht war, ſo konnten wohl unter den Auguſten ſchwerlich die Edicte der ver -ſchie -119Periode 3. Quellen.ſchiedenen Jahre merklich von einander ab - weichen, und der neue Praͤtor Julian nahm bey ſeinem Edicte wohl nur das ſeines unmit - telbaren Vorgaͤngers zu Huͤlfe, es war die neuſte Ausgabe, die natuͤrlich alles enthielt, was in den vorigen neues und brauchbares ſich fand. Die Beſtaͤtigung des Edicts durch den Kaiſer und Senat haͤngt vielleicht mit den vier Conſularen zuſammen, und perpe - tuum, wenn auch dieſes Beywort nicht blos den alten Gegenſatz von extraordinarium oder repentinum ausdruͤckte, waͤre alsdann von allen Orten, und nicht von ewigen Zeiten, zu verſtehen. Wenigſtens iſt es ganz unwi - derſprechlich bewieſen, daß Hadrian neue Zuſaͤtze der Magiſtrate nicht verbot, ſondern erwartete a). Von einem ganz neuen voll - ſtaͤndigen Rechtsſyſteme iſt gar keine Rede, da im Edicte keine Grund-Regierungs - oder Criminalgeſetze enthalten waren, ſondern bloßes Civilrecht, und auch dieſes bey weitem nicht vollſtaͤndig, ſondern mit ſehr haͤufiger Verweiſung auf die andern Rechtsquellen. Es war eine gar nicht ſehr weitlaͤuftige, kaum von neuem revidirte Proceßordnung.

Die Veraͤnderungen, welche man dieſem Edictum perpetuum zuſchreibt, ſind theils fruͤher, theils haben ſie andere Urſachen. So ſchrieb man ſchon vor Hadrian Commen -H 4tare120Theil I. bis Juſtinian.tare uͤber das Edict, ſo war es ſchon zu Ci - cero’s Zeit die naͤchſte Quelle des Privat - rechts. Daß die Secten ſich einander naͤher - ten, war eine Folge der eclectiſchen Lehrart, die ſich damahls auch in der Philoſophie aͤuſ - ſerte, und keine Folge der Arbeit Julians, denn in dieſer waren die meiſten Streitigkei - ten doch nicht entſchieden. Daß man in den folgenden Jahrhunderten ſich haͤufiger auf die Rechtsgelehrten nach Hadrian, als vor ihm, berief, war ſehr natuͤrlich; noch 100 Jahre lang waren die Claſſiker ihrer Lehrer werth, und in jeder Wiſſenſchaft muß, bey uͤbrigens gleichen Umſtaͤnden, derjenige Schriftſteller der brauchbarere ſeyn, der die Entdeckungen des andern benutzen und erwei - tern kann.

a)I. 17. conſt. 3. §. 18. Divus Hadrianus piae memoriae, quando ea quae a praetori - bus quotannis edicta fuerant, brevi com - plexus eſt libello, adſumpto ad id optimo Juliano, in oratione, quam in commune habuit in ſeniore Roma, hoc ipſum quoque ait: ut ſi quid praeter id quod jam ordina - rum eſt emerſerit, conveniens eos, qui in magiſtratu ſunt, illud conari decidere et re - medium imponere ſecundum eorum quae jam ordinata ſunt conſequentiam.
a)
§. 106.121Periode 3. Quellen.

§. 106.

Ob nun aber gleich was unter Hadrian geſchah, dieſem nach weit weniger wichtig iſt, als es den Schriftſtellern ſcheinen mußte, die bis auf dieſe Zeit das ganze Edict fuͤr ein Werk der Uſurpation halten, und obgleich kein eigenes edictum perpetuum provinciale und aedilitium gemacht ward, ſo verdiente doch die Ordnung des Edicts, wie es zuletzt war, ſorgfaͤltiger ſtudirt zu werden. Man ſollte ſich nicht mit Godefror’s Verſuche be - gnuͤgen, und das Project von He neccius haͤtte durch ſeinen Tod nicht auf ſo lange Zeit hin unterbrochen werden muͤſſen. Die Ord - nung iſt keine metaphyſiſchſyſtematiſche, ſon - dern die ganz ſimple und ſchon von den 12 Tafeln her jedem Praͤtor gelaͤufige, daß auf die allgemeinen Lehren von der jurisdictio die Contracte, dann Ehe, Vormundſchaft und Verlaſſenſchaften folgen, und endlich ein Anhang von Interdicten, Exceptionen und Cautionen den Beſchluß macht.

§. 107.

Neue Rechtsſaͤtze ließ Hadrian, wie an - dre Kaiſer, auch durch den Senat beſtimmen, oder er beſtimmte ſie ſelbſt. Von der erſten Art iſt eine Ergaͤnzung des Geſetzes uͤber ca -H 5duca,122Theil I. bis Juſtinian.duca, in Anſehung des Zuwachſes und der Zinſen einer Erbſchaft, das Tertullianum zum Beſten einer Mutter mit jus liberorum, deren Kinder nicht teſtirt hatten, und auch oft nicht teſtiren konnten, das Kind eines Latinus und einer Roͤmerinn ward ein Roͤ - mer, die Staͤdte konnten Legate erhalten. Unter ſeine merkwuͤrdigern conſtitutiones ge - hoͤrt das bekannte Edictum D. Hadriani, daß der Teſtaments-Erbe einſtweilen in Beſitz geſetzt werden ſoll, das Verbot Guͤter der Schiffbruͤchigen zu pluͤndern, die Strafen der relegati und deportati, die vor der Zeit wieder kaͤmen, das beneficium diviſionis unter Buͤrgen, der Zwoͤlftel fuͤr die Kin - der eines proſcriptus, das Recht des the - ſaurus, und die Sicherung der Sklaven vor willkuͤhrlicher Hinrichtung oder Mißhand - lung.

§. 108.

Die 22 Jahre der Regierung von Anto - ninus Pius waren ſo gluͤcklich, daß ſie zur Geſchichte wohl wenig Stoff lieferten, auch wenn unſre Nachrichten beſſer waͤren. Se - natus-Conſulte wurden unter ihm gewiß ge - macht, weil wir wiſſen, daß er die Rechte des Senats noch vermehrte. Aber wir ba - ben nur Edicte von ihm, eines uͤber die arro -gatio123Periode 3. Quellen.gatio eines Unmuͤndigen, eines wodurch un - ter nahen Verwandten, ſelbſt bey wichtigen Schenkungen, keine Foͤrmlichkeit erfordert ward, und eines, das alle legata poenae no - mine relicta verbot.

§. 109.

Marc Aurel, ſein adoptirter Sohn, war das erſte Beyſpiel eines Augnſts, der die hoͤchſte Wuͤrde voͤllig mit einem andern theil - te. Er und Lucius Verus heißen Divi fratres; eine Zeitlang regierte er nach des letztern Tode allein, und zuletzt nahm er ſei - nen unwuͤrdigen Sohn zum Mitregenten an. So viel Ehre als Marc Aurel der ſtoiſchen Philoſophie machte, hatte ſie nicht von allen ihren Zoͤglingen, wenigſtens wird es aus den Spoͤttereyen der Juriſten wahrſcheinlich, daß es nun am Hofe eben ſo gut philoſophiſche Scheinheilige gab, als es von jeher Henchler unter einem religieuſen Monarchen gegeben hat. Durch Senatsſchluͤſſe, die auf einen Antrag (ad orationem) des Auguſts erfolg - ten, ward Sicherheitsleiſtung auch bey ſol - chen Tutoren noͤthig, die eine Obrigkeit er - nannte, die Ferien wegen der wichtigſten Ge - ſchaͤfte des Landbaus wurden beſtimmt, zu einem Vergleiche uͤber Alimente gehoͤrte ge - richtliche Beſtaͤtigung, Sklaven durſte manuͤber -124Theil I. bis Juſtinian.uͤberall auch in den Landguͤtern des Auguſts oder eines Senators auſſuchen, eine Schuld wegen der Reparatur eines Hauſes erhielt eine ſtillſchweigende Hypothek, die Kin - der ſollten nun auch von ihrer Mutter ohne Teſtament erben (Orphitianum), und einige Mißheyrathen wurden null und nichtig. Durch ein Edict beſahl er allen Minderjaͤhrigen Curatoren zu geben, ſobald ihr Gegner darum bitte, auch wenn er gar keine beſondere Ur - ſachen anfuͤhre, er verordnete regelmaͤßige Geburtsregiſter, und befoͤrderte den beſtaͤn - digen Hang des Rechts, von dem, was nur einen hiſtoriſchen Grund hatte, abzuweichen. Seine Beſtrafung der Selbſthuͤlfe, die unter dem Nahmen des decretum D. Marci ſo be - kannt iſt, enthielt nichts neues.

§. 110.

Ueber 80 Jahre lang hatte der Roͤmiſche Staat das Gluͤck einer ununterbrochenen Rei - he vortrefflicher Regenten ſo genoſſen, wie wohl nie ein Reich in der Welt. Dieſes Gluͤck mußte aufhoͤren; es war in der Regel, daß es gerade bey einem zum Throne gebohr - nen Auguſte, eher als bey einem andern, aufhoͤrte, und wenn man vom Sohne Marc Aurels nicht erwartet haͤtte, daß er ein zwey - ter Nero ſeyn wuͤrde, ſo vergißt man, daß Commodus auch der Sohn von Fauſtina war.

§. 111.125Periode 3. Quellen.

§. 111.

Nach 12 Jahren einer, erſt aus Schwaͤ - che und dann aus Gewohnheit, grauſamen Regierung ward er ermordet, und nun muß - te wieder ein buͤrgerlicher Krieg entſcheiden wer Auguſt werden ſollte, denn von dem Stamm der Antonine war niemand mehr uͤbrig. Pertinar und Didius Julianus, der praefectus urbis und der reichſte Senator fallen beyde durch die Praͤtorianer. Septi - mius Severus uͤberwindet zwey Nebenbuler, tyranniſirt uͤber den Senat, der ihm abge - neigt geweſen war, und vernichtet die alte Garde. Von den Legionen aller Provinzen hebt er die tapferſten Veteranen aus, und ſie bilden die neue Garde von 50000 Mann, da die alte nur den vierten Theil ſo ſtark ge - weſen war. Er bereitete das Ungluͤck ſeiner Nachfolger durch ſeinen Grundſatz, nur den Truppen zu ſchmeicheln, nur ſie, durch Ge - ſchenke und ausſchweifende Nachſicht, fuͤr ſich zu gewinnen, vor. Es iſt weit richtiger, mit den Hiſtorikern bey ihm die Epoche des militairiſchen Deſpotismus zu ſetzen, als mit den heutigen Juriſten bey Auguſt oder Sa - drian. Auch ein Großvezir erſcheint jetzt; der neue praefectus praetorio bekam auch die Finanzen und die Juſtiz unter ſich, und die perſoͤnlichen Verhaͤltniſſe von Plautian hat -ten126Theil I. bis Juſtinian.ten Aehnlichkeit mit Sejan. Aber die ganze Verfaſſung von Algier war in Rom noch nicht; mit wenigen deutſchen Regenten, zu - mahl wenn ſie Juriſten waͤren, wie Septi - mius Severus es war, duͤrfte ein Juſtiz - Miniſter ſo frey ſprechen, als Paullus mit dieſem ſprach. Der vierte nach ihm war wie - der der Antonine wuͤrdig, aber dies war auch der letzte etwas anhaltende Schimmer der alten Freyheit. Neue Rechtsſaͤtze wur - den noch vom Senate beſchloſſen, ſo daß die Veraͤuſſerung der ſichern Grundſtuͤcke eines Minderjaͤbrigen nicht blos von ſeinem Vor - munde abhaͤngen ſollte; ſo das SC. ad ora - tionem Antonini, welches Schenkungen un - ter Eheleuten nicht verbot, ſondern vielmehr wieder etwas beguͤnſtigte.

§. 112.

Dieſer Antoninus Baſſianus, den die Nachwelt unter dem Nahmen Caracalla ver - abſcheut, ermordete ſeinen Bruder Geta, und ließ den Freund ſeines Vaters, ſeinen Vormund Papinian hinrichten. Durch bloße Edicte ertheilte er allen Freygebohrnen im ganzen Staate das Roͤmiſche Buͤrger - recht, um ſie einer Abgabe zu unterwerfen; ſetzte er die viceſima hereditatum auf die de - cima, und wandte er alle caduca aus demaera -127Periode 3. Quellen.aerarium ſeinem fiſcus zu. Die Inteſtaterb - folge ſchraͤnkte er auf diejenigen ein, welche von der decima frey ſeyen, aber man kennt die Form und den Inhalt dieſer Veraͤnderung nicht genug.

§. 113.

Macrin ſein Nachfolger wollte dem, mit dem Deſpotismus immer hoͤher ſieigenden, Anſehen kaiſerlicher Cabinetsſchreiben ſteuern; aber wenn alle reſcripta von Commodus und Caracalla ſo waren, wie die, welche von ih - nen noch uͤbrig ſind, ſo war ſeine Verbeſſe - rung ſehr unnoͤthig.

§. 114.

Der kurzen und unſinnigen Regierung ei - nes jungen Aſiatiſchen Prieſters, Elagaba - lus, eines entfernten Verwandten, und, wie er ſagte, eines Baſtards von Caracalla, verdanken wir es, daß ſie den Tugenden von Alexander Sever den Weg zum Throne bahnten. Ulpian war beynahe Vormund, und nach ihm Paullus erſter Miniſter dieſes vortrefflichen Regenten; des letzten, unter dem der Senat ſeine Rechte ausuͤbte, und des letzten, unter dem claſſiſche Juriſten lebten. Wahrſcheinlich gehoͤrt unter dieſe Regierung noch ein Senatsſchluß uͤber fugitivi, und ei -ner128Theil I. bis Juſtinian.ner uͤber die Adoption ex tribus maribus; vielleicht auch der, woraus die ſogenannte lex Julia Miſcella zum Theil beſtand. Ale - xander ward von den Soldaten 235 ermor - det, ſo wie vor ihm Ulpian.

Syſtem des Rechts gegen das Ende dieſer Periode.

(ſiehe Lehrbuch des Pandecten-Rechts.)

Studium des Rechts.

§. 115.

In dieſen vierthalb Jahrhunderten lebten alle wiſſenſchaftliche Bearbeiter des Roͤ - miſchen Rechts, alle die Staatsmaͤnner, durch deren Bemuͤhungen es mehr ausgebildet ward, als je das Recht irgend eines andern Volks ſich ausbildete, alle die Schriftſteller, (ſpaͤ - there Excerptenmacher ſind keine Ausnah - me) deren Bruchſtuͤcke man jetzt Geſetze nennt.

Der Aelteſte von ihnen iſt Cicero’s Leh - rer Mucius Scaevola, von dem die cautio Muciana den Nahmen hat.

Aqui -129Periode 3. Studium.

Aquilius Gallus erfand die Stipulation, wodurch jede Schuld ſich in eine Schuld ex ſtipulatione verwandeln ließ, er ſetzte zuerſt in die Contracte Clauſeln auf den Fall, daß ein Theil einen dolus malus begehe, und in ein Teſtament des Großvaters eine Verord - nung zum Beſten der nachgebohrnen Enkel (ſtipulatio Aquiliana, formulae doli mali Aquilianae, poſtumi Aquiliani).

§. 116.

Cicero ſelbſt war kein Jurisconſultus, aber ein Juriſt; die Stellen in ſeinen Reden koͤnnte er andern zu danken haben, und in ſeinen Buͤchern de leg bus ſpricht er von leges im Roͤmiſchen Sinne, d. h. meiſt nur von Grund-Regierungs - und Strafgeſetzen. Aber man ſieht, daß er ſtolz auf ſeine civiliſtiſchen Kenntniſſe war, in ſeinem Werke de oratore erfordert er ſie zum Ideale eines großen Red - ners; ſeine topica ad Trebatium ſollen einem großen Juriſten die erſten Grundſaͤtze der Logik mit Beyſpielen aus ſeiner eigenen Wiſ - ſenſchaft begreiflich machen, und das Syſtem des Civilrechts, das Cicero geſchrieben hat - te, rechnet man unter die vor Juſtinian mißlungenen Verſuche.

J§. 117.130Theil I. bis Juſtinian.

§. 117.

Der erſte Juriſt, dem Cicero ſelbſt das Lob der wiſſenſchaftlichen Bearbeitung gab, war Servius Sulpicius, und es iſt ein ſonder - barer Zufall, daß ſchon damahls die Juris - prudenz dem Gelehrten am meiſten verdaukte, der nicht von Jugend auf ſich ihr gewiedmet hatte, weil er ganz ungewoͤhnlich viele andre Kenntniſſe in der ganzen Litteratur mit ihr verband. Daß er ſehr oft von ſeinen Vor - gaͤngern, beſonders von Scaͤvola abwich, und daß er uͤber das Edictum commentirte, iſt beydes ſehr natuͤrlich, obgleich jenes nicht vor Auguſt, und dieſes erſt ſeit Hadrian Mode geworden ſeyn ſoll.

Unter ſeinen vielen Schuͤlern iſt der be - ruͤhmteſte Alfenus Varus, der zweyte Juriſt nach Scaͤvola, von welchem uns Juſtinion Fragmente gerettet hat, weil Paullus ihn epitomirte. Das Werk hieß Digeſta, ein nachher ſehr gewoͤhnlicher Titel fuͤr ausfuͤhr - liche Syſteme uͤber das Civilrecht.

Trebatius Teſta ward zwar nicht Conſul wie Alfenus, aber Auguſt fragte ihn in Rechts - ſachen um ſeinen Rath. Trebatius war ein Epicuraͤer und Stifter einer juriſtiſchen Schu - le, da er doch nach den Compendien weder zu jenem noch zu dieſem ein Recht hatte.

§. 118.131Periode 3. Studium.

§. 118.

Die Standhaftigkeit, die Cascellius im Triumvirate bewies, ſollte alle Juriſten be - ſchaͤmen, die jeden Deſpotismus befoͤrdert haben oder noch befoͤrdern. Nach denſelben Grundſaͤtzen, aber unter Umſtaͤnden, wo dieſe Grundſaͤtze nicht ſo unbedingtes Lob ver - dienten, handelte Antiſtius Labeo, der be - ruͤhmteſte von allen aͤltern Rechtsgelehrten. Seine republicaniſchen Geſinnungen zeigte er zuweilen noch weniger edel, als da er das Conſulat, welches Auguſt ihm anbot, aus - ſchlug, aber nicht gerade darin, daß er im Civilrechte kein Nachbeter war. Freylich po - litiſcher und litterariſcher Muth haͤngen zu - ſammen, aber Labeo haͤtte nach ſeiner An - haͤnglichkeit an die alte Verfaſſung, auch Neuerungen in ſeiner Wiſſenſchaft verwer - fen koͤnnen. Daß er es nicht that iſt Zufall, und daß ſein Nebenbuler um deſto mehr auf das ſtrenge Recht hielt erklaͤrt ſich natuͤrlicher daraus, daß er der Gegner von Labeo, als daß er ein Freund von Auguſt war. Noch weniger laͤßt ſich behaupten, Patriotismus und Gefuͤhl fuͤr Billigkeit ſey beſtaͤndig das Characteriſtiſche der Schuͤler Labeo’s gewe - ſen, und ihre Gegner haͤtten ſich immer durch Sclaverey und Haͤrte ausgezeichnet. Der naͤchſte Schuͤler von Labeo war derJ 2Ver -132Theil I. bis Juſtinian.Vertraute Cibers; von ſeinen beruͤhmte - ſten Gegnern kam einer erſt ſpaͤth nur in den Ritterſtand, und der andre war ein erklaͤr - ter Republicaner. Aber man ſtellt ſich die ganze Trennung der beyden Schulen viel zu gefaͤhrlich vor, von keinem einzigen Juriſten laͤßt es ſich auch nur aus ſeinen Fragmenten beweiſen, daß er zu der einen oder der an - dern Seite geſchwohren gehabt habe. Alle treffen eine Auswahl, lange vor der Zeit wo man erſt angefangen haben ſoll, eine Auswahl zu treffen. Schon dieß iſt ein Be - weis gegen ihre Nachbeterey, daß jede Schu - le nicht von ihrem erſten Stifter, ſondern von einem ſeiner Nachfolger benennt wird, und daß der Nahme ſich zuweilen aͤndert[.]Labeo’s Schuͤler hieſſen Proculejani, aber der wahre Sinn dieſes Worts iſt wohl nur: Proculus und die welche hierin ſeiner Mey - nung ſind. Daß in den Anmerkungen zum Hauptſchriftſteller der Gegenpartie oft ſeine harten Saͤtze naͤher beſtimmt werden, iſt ſehr natuͤrlich, weil ja die Commentatoren ſpaͤ - ther lebten, als der Verfaſſer des Textes, und weil das Roͤmiſche Recht, ſo wie jedes Recht in der Welt, einen Hang hatte, ſich vom bloß poſitiven zu entfernen, und der na - tuͤrlichen Billigkeit zu naͤhern. Aus La - beo’s Schriften haben wir Excerpten, viel -leicht133Periode 3. Studium.leicht deswegen weil aus ſeinen libri πειϑανων Javolenus, und aus ſeinen libri poſteriores Paullus einen Auszug gemacht hatte. Sei - ne libri praetoris vrbani waren entweder Rechtsfaͤlle, oder ein Commentar uͤber das Edict.

§. 119.

Atejus Capito war zuverlaͤſſig ein Freund Auguſts, der ihn zum Conſul machte, und ein Rival von Labeo, aber daß er auch ein niedertraͤchtiger Menſch geweſen ſey, wuͤr - de daraus noch nicht folgen, wenn man nicht naͤhere Nachrichten haͤtte, die ihm freylich keine Ehre machen.

Wichtiger als Aelius Gallus iſt Capi - to’s Schuͤler Maſurius Sabinus, zwar we - der durch ſeinen Reichthum, da er meiſt nur von dem Danke ſeiner Zuhoͤrer lebte, noch durch die Wuͤrde, die er bekleidete, denn er ward erſt ſehr ſpaͤth eques, und brauchte deswegen Cibers Empfehlung um als Iuris - conſultus Zutrauen zu finden; aber durch ſei - ne libri 3 de jure ciuili, deren Ordnung ſo viele andre Schriftſteller befolgt haben. Sein Syſtem war, die Rechte welche Verlaſſen - ſchaften angingen, ganz zu trennen und vor den andern, welche keinen Todesfall voraus - ſetzen, abzuhandeln. Auſſer dieſem Werke ſchrieb er auch uͤber das Edict.

J 3§. 120.134Theil I. bis Juſtinian.

§. 120.

Coccejus Nerua war von Labeo’s Par - tie, aber dieß hinderte ihn nicht Conſul und der ganz ausgezeichnete Vertraute Cibers zu werden. Sein Sohn gleiches Nahmens war der Vater des Kaiſers Nerva, und ſeine Schriften werden oft von Andern an - gefuͤhrt.

Von Proculus, einem Schuͤler des aͤl - tern Nerua hat eine eigene Schule den Nah - men, die alſo zuletzt die Schule Labeo’s war.

Eben dieſe Ehre, einer Schule den Nah - men zu geben, genoß auch Caſſius Longinus, von dem damahls wohl niemand gedacht haͤtte, daß man ihn einſt fuͤr einen ſehr mo - narchiſch geſinnten Rechtsgelehrten halten wuͤrde, weil er ein Zuhoͤrer von Maſurius Sabinus geweſen war.

Domitius Afer iſt mehr als Redner be - kannt, aber unter der Flaviſchen Familie ge - langten Coelius Sabinus und Pegaſus zu den hoͤchſten Wuͤrden, ohne daß jenem die An - haͤnglichkeit an Maſurius Sabinus geholfen, oder dieſem der Vorzug den er oft den Mey - nungen Labeo’s gab, geſchadet haͤtte.

§. 121.135Periode 3. Studium.

§. 121.

Unter Trajan lebte Juuentius Celſus, der Sohn, von welchem wir Fragmente aus ſeinen Digeſta haben, und deſſen Antwort an Domitius, als Motto zu mancher Preiß - fragenbeantwortung, zu empfehlen iſt.

Auch Neratius Priscus ſtand in ſehr groſ - ſem Anſehen, ſo daß ein Geruͤcht ihn ſogar zum Auguſt beſtimmte.

Aus einer Anecdote, die Plinius von Iauolenus Priscus erzaͤhlt, hat man ſo tri - umphirend bewieſen, der Verfaſſer ſo man - cher Stelle in den Pandecten ſey von jeher verruͤckt geweſen, daß mehr als ein Verthei - diger des Roͤmiſchen Rechts die ganze Stel - le verdrehen zu muͤſſen geglaubt hat.

Ariſto, den Plinius ſo ſehr lobt, muß auch den Fehler gehabt haben, die Ausſpruͤ - che keiner Partie fuͤr untruͤglich zu halten; wenigſtens ſchrieb er Anmerkungen, das heißt Berichtigungen zu Labeo, wie zu Sa - binus.

§. 122.

Dieß ſind die wichtigſten unter denjenigen Rechtsgelehrten, welche vor Hadrian leb - ten, welche alſo faſt ganz unbrauchbar haͤt - ten werden ſollen, wenn Hadrians Veraͤn - derung ſo wichtig geweſen waͤre, und welcheJ 4doch136Theil I. bis Juſtinian.doch verhaͤltnißmaͤßig eben ſo gangbar blie - ben, als die Erſten nach dem edictum per - petuum. Erſt denen, welche zwiſchen Ha - drian und Alexander lebten, wirft man vor, daß ſie Auslaͤnder geweſen ſeyen, und ſchlechtes Latein geſchrieben haͤtten, aber erſt an ihnen lobt man auch, daß ſie zwiſchen den Secten eine Mittelſtraße trafen. Jene Vorwuͤrfe ſind wohl ſo ungegruͤndet, als die - ſes Lob, denn auch von den bisher Ange - fuͤhrten verdienen viele oder gar alle den Nahmen Miſcelliones oder Herciscundi, den erſt wir und zwar Letztern aus einem au - genſcheinlichen Mißverſtaͤndniſſe, erfunden haben. Wenn nun viele Juriſten keine ge - bohrnen Italiaͤner waren, wenn man die Wor - te: vnde mihi origo eſt vom Geburtsorte verſteht, ſo beweist dieß doch weiter nichts, als was man ſchon lange weiß, naͤhmlich daß die Roͤmiſche Litteratur nun auch in die Provinzen verpflanzt war. Ueber das La - tein dieſer Schriftſteller haben wir das ganz beſtimmte Zeugniß eines voͤllig competenten und ſo unpartheyiſchen Richters, daß man gewoͤhnlich die Juriſten gegen ihn vertheidi - gen zu muͤſſen glaubt. Laurentius Valla ſagt von den Autoren der Pandecten: His[__]nihil eſt, mea ſententia, quod addi adimiue poſſe videatur non tam eloquentiae (quamqui -137Periode 3. Studium.quidem materia illa non magnopere pati - tur) quam Latinitatis atque elegantiae. Es laͤßt ſich auch ſehr wohl erklaͤren, warum ſie weit beſſer ſchrieben als ihre Zeitgenoſſen; ſie waren die erſten Koͤpfe, die angeſehenſten Staatsmaͤnner ihrer Nation, denn durch Kriegsruhm konnte man ſich unter den ruhi - gen Regierungen weniger auszeichnen, und Beredſamkeit, die Wiſſenſchaft, welche ſonſt der Jurisprudenz noch vorging, war nur im Freyſtaate ganz unentbehrlich geweſen. Die - ſe Maͤnner nun bearbeiteten einen Theil der Gelehrſamkeit, der allein das Latein zu ſei - ner Mutterſprache hatte, waͤhrend daß alle andere wenigſtens eben ſo gut aus Griechi - ſchen Werken ſtudiert werden konnten, und wenn ſchon damahls eine gewiſſe Anhaͤnglich - keit an das Alte zur Jurisprudenz gehoͤrte, ſo mußte gerade die Urſache, wegen welcher in unſern Zeiten die Rechtsgelehrten meiſt ſchlechter ſprechen, als ihre Zeitgenoſſen, bey einer Sprache, die im Sinken war, da - zu beytragen, daß die Juriſten beſſer ſchrie - ben, als ihre Zeitgenoſſen.

§. 123.

Saluius Julianus, der zweymahl das Con - ſulat bekleidete, war entweder ein Nachfol - ger der alten Decemviren, oder er war nurJ 5der138Theil I. bis Juſtinian.der letzte Praͤtor, der am Edicte etwas aͤn - derte. Er ſchrieb Digeſta daruͤber in 90 Buͤchern, und die Art, wie er oft von ſpaͤ - thern Schriftſtellern citirt wird, ſcheint nicht zu beweiſen, daß er als ihr Geſetzgeber an - geſehen worden ſey.

Von Aburnus Valens und Caecilius Afri - canus haben wir mehr Fragmente, als Nach - richten: Terentius Clemens und Junius Mau - ricianus ſchrieben uͤber die lex Julia & Papia Poppaea, Taruntenus Paternus, ſo wie nach - her Arrius Menander, uͤber das Kriegsrecht, Papirius Juſtus ſammelte die Entſcheidungen MarcAurels und ſeines Bruders. Sextus Pomponius iſt der Verfaſſer der erſten Rechts - geſchichte, aber keiner hat ſo lange auf das ganze juriſtiſche Studium ſo vielen Einfluß gehabt, als Cajus, nicht wegen ſeines δωδε - καδελτον uͤber die zwoͤlf Tafeln, ſondern we - gen ſeines kleinen Lehrbuchs, von welchem Juſtinian den Titel Inſtitutiones, den Plan und ſehr viele Stellen geborgt hat. Dieß iſt zu - gleich das erſte Werk wovon ſich noch ſehr betraͤchtliche Fragmente zwar auch nicht we - nig vermehrt und verbeſſert, aber doch nicht durch Juſtinian, erhalten haben.

§. 124.139Periode 3. Studium.

§. 124.

Voluſius Maecianus war der Lehrer Marc Aurels, und Ceruidius Scaeuola der Lehrer von Septimius Severus. Vlpius Marcel - lus wird fuͤr einen ſcharfen Proculejaner aus - gegeben, ein Umſtand der wenigſtens beweist, daß nicht alle Streitigkeiten durch das Edic - tum perpetuum beygelegt waren, wenn es anders eines Beweiſes fuͤr das bedarf, ohne was Juſtinian keine 50 Deciſiones gemacht haͤtte.

Aemilius Papinianus war der zweyte Großvezier, denn nach Plautian ward er Chef der neuen großen Garde, und nach dem Tode ſeines Freundes des Kaiſers Sep - timius Severus, Vormund Caracalla’s und Geta’s. Er hielt die Probe aus, in welcher Seneca untergelegen war, und er verdiente alſo auch von Seiten des Characters die Ehre, die ihm 200 Jahre nach ſeinem Tode widerfuhr, daß ſeine Stimme entſchei - dend ſeyn ſollte, und die Ehre, daß ange - hende Juriſten ſtolz darauf waren, ſich nach ihm zu nennen. Seine Grabſchrift iſt unaͤcht.

§. 125.

Tertullianus, Tryphoninus und die bey - den Saturnine, Venulejus und Claudius die beyde uͤber das peinliche Recht ſchrieben,Furi -140Theil I. bis Juſtinian.Furius Anthianus und Rutilius Maximus, intereſſiren uns alle weit weniger, als Do - mitius Vlpianus, denn von keinem Schrift - ſteller haben wir ſo viele Fragmente in den Pandecten, von keinem haben wir ein ſo großes gar nicht interpolirtes Werk, und keiner hat im Staate ſo lange eigentlich re - giert, als er. Ulpian war von einer Phoͤ - niciſchen Familie, wie Papinian, und viel - leicht trug bey beyden eine Verwandtſchaft mit der Gemahlinn von Septimius Seve - rus zu ihrem Gluͤcke bey. Ulpian ward erklaͤrter Premier Miniſter des 17jaͤhrigen Alexander Sever, aber in den Armen ſei - nes Kaiſers ward er von den Soldaten er - mordet, wie von nun an beynahe alle[tugend -] hafte Regenten. Er hatte ein Werk von 80 Buͤchern uͤber das Edict, eines von 50 ad Sabinum, eines von 20 ad leges, viele be - richtigende Anmerkungen ſelbſt zu Papi - nian, und viele Anweiſungen fuͤr einzele obrigkeitliche Stellen geſchrieben. Von ſei - nem liber ſingularis regularum haben wir Fragmente, die gewiß nicht von Anian oder Gojarich excerpirt, gewiß nicht von Si - chard ſondern von du Teil (Tilius) zuerſt herausgegeben worden ſind, mit dem ganz falſchen Titel: Tituli ex corpore Vlpiani XXIX. Cujas hat den Text verbeſſert,aber141Periode 3. Studium.aber auch Conjecturen gewagt, die erweis - lich falſch ſind, und in einigen Ausgaben, doch gar nicht von dem aͤchten Ulpian ge - trennt werden. Hoͤchſt wahrſcheinlich mach - te aus demſelben Werke ein griechiſcher Sprach - meiſter Doſitheus eine Ueberſetzung, von welcher ein Fragment unter dem Titel de juris ſpeciebus & manumiſſionibus zuerſt von Pithou und am beſten von Roͤver heraus - gegeben worden iſt.

§. 126.

Vielleicht iſt es bey einem Juriſten, der in allen damahls gangbaren Arten von civi - liſtiſchen Schriften ſich verſucht hat, nicht un - ſchicklich, dieſe Arten ſelbſt zuſammenzuſtel - len. Sammlungen von Rechtsfaͤllen, Ab - handlungen uͤber einzele Materien oder Com - mentare uͤber einen Volksſchluß intereſſiren uns nicht ſo ſehr, als die Ordnung der gan - zen Syſteme, wenigſtens uͤber das Privat - recht, denn man weiß kein Werk, worin auch zngleich alle Theile des ius publicum ab - gehandelt worden waͤren. Der Syſteme uͤber das Privatrecht waren drey: das aͤlteſie war dasjenige, welches aus dem Edicte kam, und welches nach dem Zwecke des Edicts hauptſaͤchlich auf das Verfahren vor dem Praͤtor ging. Proceß war der Anfang unddas142Theil I. bis Juſtinian.das Ende, an dieſen Faden ward alles an - geknuͤpft z. B. die ganze Lehre von legitimi heredes an das Edict vnde legitimi. Das zweyte Syſtem hatte Sabinus einge - fuͤhrt, die ganze erſte Haͤlfte betraf die Leh - ren, welche einen Todesfall vorausſetzen, aber hier war CivilRecht und Praͤtoriſches Recht getrennt. Die uͤbrigen Materien ſtan - den in einer Ordnung, wozu wir wenigſtens den Schluͤſſel nicht mehr haben, geſetzt auch, daß Sabinus nicht blos zufaͤllig erſt von Sclaverey und vaͤterlicher Gewalt, dann von einigen Contracten, der dos, der Tutel, den Vergehungen, nachher erſt vom Eigenthume und der Stipulation, endlich von den In - terdicten geredet, und zuletzt noch etwas vom ius publicum angehaͤngt haͤtte. Dieſe bey - den Syſteme ſind in unſern Pandecten com - binirt, das Erſte ſchlaͤgt vor, aber es iſt nicht das Einzige. Das dritte Syſtem, unſtreitig das genauſte, begriff nichts als Privatrecht, alſo ſelbſt das gerichtliche Ver - fahren nur ſehr unvollſtaͤndig, und ward, wie es ſcheint, nur bey kurzen Grundriſſen, wie wir ſagen wuͤrden nur bey Compendien, in der damahligen Sprache Inſtitutiones, li - bri Regularum u. ſ. w. befolgt. Hatten et - wa ſchon die Roͤmer die Idee, daß bey groͤſ - ſern Werken eine weniger metaphyſiſche Ord -nung143Periode 3. Studium.nung hinreiche,[wenn] nur jede einzele Ma - terie ungetrennt bleibe? Dieſes dritte Sy - ſtem iſt in unſern Inſtitutionen angenom - men, und einige Neuere haben geglaubt, daß ſich auch das Staatsrecht nicht anders vortragen laſſe, waͤhrend daß andere es noch lange nicht abgezirkelt genug finden. Be - kanntlich geht das ius perſonarum voraus, aber zu dieſem rechnete ein Schriftſteller bald mehr bald weniger von den Lehren, die ſchon Mein und Dein vorausſetzen, z. B. von der dos. Ob unter dem Nahmen res und actio - nes das ganze ius rerum vom Proceſſe, oder nur das ius in rem, wohin auch Verlaſſen - ſchaften gerechnet wurden, von dem ius in perſonam getrennt waren, iſt ſtreitig; je - nes hat die meiſten Stimmen, und dieſes die meiſten Gruͤnde fuͤr ſich.

§. 125.

Ulpians Zeitgenoſſe und Nachfolger, vielleicht auch ſein Rival war Julius Faullus, dem man es zum Fehler anrechnet, daß er auch von den beruͤhmteſten ſeiner Vorgaͤnger abzugehn ſich erlaubte. Wenn man die ein - zelen Buͤcher ſeiner Werke zuſammenzaͤhlt, ſo kommen bey 300 heraus, ein kurzer und ein ausfuͤhrlicherer Commentar uͤber das Edict, einer uͤber die leges, ein Auszug ausLabeo144Theil I. bis Juſtinian.Labeo, und 6 Buͤcher facta, oder Erzaͤh - lungen von Rechtsſachen, die im hoͤchſten Ge - richte, unter Direction des Kaiſers ſelbſt, unterſucht und entſchieden worden waren. Seine 5 Buͤcher receptae ſententiae ſchraͤnk - ten ſich auf ausgemachte Rechtsſaͤtze ein, und deswegen wurden ſie nachher allgemein als Entſcheidungs Norm vorgeſchrieben. Wir ha - ben noch Fragmente davon mit Gojarichs Paraphraſe, von Sichard, Cujas, Rit - tershuſen und Schulting bekannt gemacht.

§. 128.

Auch Calliſtratus, Aelius Marcianus, Florentinus, Licinius Rufinus, Aemilius Macer, und Herennius Modeſtinus, ein Schuͤler Ulpians, von welchem wir auch griechiſche Fragmente haben, lebten vor und unter Alexander, denn nach ſeiner Zeit kommt kein großer Rechtsgelehrter mehr vor. Die Urſache, dieſes Phaͤnomens hat man darin geſucht, daß nun die Auguſte ſo haͤu - fig die Stelle der Juriſten vertreten, und auf juriſtiſche Anfragen geantwortet haͤtten. Allein wenn es auch wahr waͤre, daß die Auguſte, welche ſo gerne neue Geſetze ga - ben, auch fuͤr Privatleute in einzelen Sa - chen ſich am zugaͤnglichſten zeigten, ſo koͤnn - te doch ein neuer oder gewoͤhnlicherer Weg,Beleh -145Periode 3. Studium.Belehrungen zu erhalten, ein Mann mehr, der jus reſpondirte, unmoͤglich andere Conſu - lenten entbehrlich gemacht haben. Der wah - re Grund des Verfalls liegt wohl eher darin, daß wirklich Papinian, Ulpian und Pau - lus ihre Wiſſenſchaft bis auf einen ſo hohen Grad der Vollkommenheit cultivirt hatten, von welchem ſie nun nach dem Verhaͤltniſſe zu andern Theilen der menſchlichen Erkennt - niß nicht mehr ſteigen konnte, ſondern von welchem ſie eben deswegen wieder ſinken muß - te. Der hoͤchſte moͤgliche Grad von Voll - kommenheit war erreicht, wenigſtens hat nie ein Volk ſein Privatrecht ſchoͤner ausgebil - det, und es iſt noch nicht im Reinen, ob die Vorzuͤge, worin viele Neuere die Claſſiker zu uͤbertreffen glauben, auch wahre Vorzuͤge ſind, ob es z. B. wirklich beſſer geweſen waͤ - re wenn der praefectus praetorio, als Chef der Geſetz Commiſſion, ſeine Meynung be - fohlen haͤtte, als da er ſie wie ein Privat - ſchriftſteller vortrug. Es fanden ſich wenig - ſtens in den zahlreichen civiliſtiſchen Schrif - ten ſo unzaͤhlige Faͤlle entſchieden, daß ſchwa - che Menſchen ſehr natuͤrlich glauben mußten, es komme nun nur darauf an, im Nachſchla - gen recht geuͤbt zu ſeyn, ſo koͤnne man das eigene Nachdenken und die Muͤhe, aus Grundſaͤtzen zu ſchließen gar wohl entbehren. KEnd -146Theil I. bis Juſtinian.Endlich beſchaͤfftigten ſich ſeit Conſtantin die thaͤtigſten und beſten Koͤpfe nicht mehr mit der Jurisprudenz ſondern mit der Theologie, denn dieſe ſchien ſich in dieſer und in jener Welt weit beſſer zu belohnen. Kurz man ſollte eigentlich eher fragen, wie es kam, daß das Roͤmiſche Recht noch ſo lange ſich bluͤ - hend erhielt, als warum es endlich, wie alle andre Wiſſenſchaften und Werke des Ge - ſchmacks, in dem undankbaren Boden, zu der Zeit da nur Biſchoͤfe und Verſchnittene Mi - niſter wurden, verwelkte. Viele guͤnſtige Umſtaͤnde hatten zuſammengewirkt, es noch bisher zu erhalten, faſt alle Umſtaͤnde tru - gen in der folgenden Periode dazu bey, es zu unterdruͤcken.

Vierte Periode, von Alexander Sever bis Juſtinian Jahr Roms 1000 1300, nach Chriſtus 250 550.

§. 129.

So elend die Quellen fuͤr dieſe Periode ſind, ſo angenehm iſt es unter denBear -147Periode 4. Quellen.Bearbeitern Gibbon’s hiſtory of the decline and Fall of the Roman empire und die be - ſten Werke uͤber die Kirchengeſchichte anfuͤh - ren zu koͤnnen.

Quellen des Rechts.

§. 130.

In den 50 erſten Jahren dieſer Periode wechſeln die Kaiſer ſo ſchnell, daß die - ſes allein hinreichend geweſen waͤre, man - ches in Verwirrung zu bringen, und doch waren uͤberdieß meiſt noch zu gleicher Zeit mehrere Auguſte neben einander und ſogar gegen einander. Die Regierung von Ma - ximin, den beyden Gordianen, und von Maximus und Balbinus ſind nur voruͤber - gehend, aber Gordian 3 regiert wieder vol - le ſechs Jahre. Nicht viel kuͤrzer, aber viel ſchlechter regiert, Philipp, der Roms zehn - tes Jubileum feyerte. Decius blieb bald gegen die Gothen, und nach dem ſchnellen Sturze von Gallus und ſeinen Collegen, ward zwar Valerian von Senate anerkannt, aber bey weitem nicht von allen Souverneuren. Ihrer warfen ſich ſo viele zu Kaiſern auf, daß man den Nahmen der 30 Tyrannen, was die Zahl betrifft nicht ganz ſo ungluͤck -K 2lich,148Theil I. bis Juſtinian.lich, wie in jeder andern Ruͤckſicht, auf ſie anwendete. Gallien ließ ſeinen Vater in der Perſiſchen Sclaverey ſterben, und re - gierte 7 Jahre allein, wie er 7 Jahre mit ihm regiert hatte. Auf Claudius folgte Aurelian, der Ueberwinder der Zenobia. Viel gelinder und menſchlicher, als er, wuͤr - de wohl Tacitus regiert haben; ihn erſetz - te Probus ziemlich, auf welchen, nachdem Carus und ſeine Soͤhne Carin und Nu - merian abgetreten waren, endlich wieder ei - ne bleibende Regierung folgte, die in man - cher Ruͤckſicht Epoche macht.

§. 131.

Diocletian naͤhmlich iſt der erſte Kaiſer, der orientaliſche Etiquette an ſeinem Hofe bleibend einfuͤhrte; er ließ die Praͤtorianer eingehen und erhob die Jouiani und Hercu - liani an ihre Stelle; er nahm nicht nur ei - nen Collegen in der Perſon Maximians, ſondern auch zwey Unterkaiſer und Thronfol - ger (Caeſares) Galerius und Conſtantius ab, und mit dieſen theilte er die Geſchaͤfte nach den Provinzen; er entfernte ſich von Rom, und waͤhrend daß er in Nicomedien reſidirte, erwaͤhlte ſein College Mayland; endlich gab er das erſte Beyſpiel eines Au - guſts, der die Krone ganz niederlegte. Se -verus149Periode 4. Quellen.verus und Maximin, Maxentius und Licinius regieren in mannichfaltigen Combi - nationen mit den vorigen Caͤſaren, mit dem Ex - Auguſte Maximian und mit dem, der endlich ſie alle uͤberlebt oder uͤberwindet, mit dem, durch welchen die chriſtliche Religion herrſchend und bald auch verfolgend wird, mit Conſtantin.

§. 132.

Wer weiß es nicht, daß er NeuRom, oder Conſtantinopel baute, in einer Lage die fuͤr die Hauptſtadt der Welt nicht beſſer ge - waͤhlt werden konnte, naͤher der Grenze, wel - che damahls, ſeitdem das Parthiſche Reich durch das Neu-Perſiſche geſtuͤrzt war, weit mehr ausgeſetzt ſchien, als die, von welcher die Sieger nachher einbrachen? Die Roͤmi - ſche Sprache und das Roͤmiſche Recht muß - ten darunter leiden, das Roͤmiſche Recht mußte nun ſchneller als ſonſt aufhoͤren, Roͤ - miſches Recht zu ſeyn, ſchneller als ſonſt mehr dem vermeynten Vernunftrechte ſich naͤhern, denn die Reſidenz war in einer Grie - chiſchen Provinz, die neue Religion, von nun an fuͤr den Kaiſer die Hauptſache, kam aus griechiſchen Provinzen. Der Senat in Rom verlor nun vollends allen Einfluß, ſie waren ja Heyden, und wenn Rom noch im -K 3mer150Theil I. bis Juſtinian.mer die groͤßte Stadt im Reiche war, ſo lag dieſe nun doch in einer Provinz, und gar nicht in der wichtigſten, ſondern in der, welche am meiſten entvoͤlkert, doch ihre Ein - wohner nicht naͤhren konnte. Der Senat in Conſtantinopel war folgſamer; faſt alle ſeine Mitglieder nahmen die Religion an, welche ohne die Lehre vom paſſiven Gehorſam ſich ſchwerlich ſo lange unter dem Drucke erhal - ten haͤtte, und welche Einbildungskraft ge - hoͤrte nicht dazu, dieſe[Verſammlung] fuͤr dieſelbe zu halten, deren erſte Bevollmaͤchtig - ten die Antonine hatten ſeyn wollen, oder gar fuͤr dieſelbe, welche ehemahls ſo manchen Koͤnig gemacht oder geſtuͤrzt hatte! Con - ſtantin behielt die Eintheilung des Staats bey, welche Diocletian gemacht hatte, aber jeder der Theile ſtand nur unter einem prae - fectus praetorio, dem ſogar das Commando der Truppen entzogen ward, um 30 kuͤnſti - ge Tyrannen unmoͤglich zu machen. Er er - nannte Patricier, als eine blos perſoͤnliche Wuͤrde, mit welcher zwar oft, aber nicht immer, auch ein Gouvernement verbunden war. Sein Hofſtaat glich immer mehr der Pracht eines orientaliſchen Deſpoten: der Intendant des erſten Auguſts war ein Frey - gelaſſener geweſen, jetzt ragte der quaeſtor palatii uͤber die meiſten Generale und Mini -ſter151Periode 4. Quellen.ſter hervor, und es waͤhrte nicht ſehr lange bis die Stelle des praepoſitus ſacri cubiculi zu den allererſten im Staate gehoͤrte. Eine Folge der Pracht die bey Hofe herrſchte, waren wohl die neuen Abgaben, deren eini - ge z. B. das aurum luſtrale die Induſtrie ſo gedruͤckt haben ſollen.

§. 133.

Erſt kurz vor ſeinem Tode nahm Conſtan - tin die Taufe an, und wenn man die Vor - urtheile ſeines Zeitalters und die Flecken ſei - nes Characters kennt, ſo muß man es aller - dings billigen, daß er recht ſicher gehen woll - te. Aber ſchon als Catechumen hatte er ei - ne neue Branche von Geſetzgebung entdeckt, womit alle ſeine Nachfolger ſich weit mehr und eifriger beſchaͤfftigten, als Auguſt ſich mit der Bevoͤlkerung und dem Flore des Reichs beſchaͤfftigt hatte. Es war nicht ge - nug, die chriſtliche Religion zur herrſchenden und bald beynahe zur einzigen zu machen; noch wichtiger war es feſtzuſetzen, welche Meynungen man haben muͤſſe, um bey der chriſtlichen Religion nicht noch mehr Gefahr zu laufen, als bey der heidniſchen. Einen Anhaͤnger der alten Gebraͤuche des Landes dultete man viel eher, als einen Ketzer, aber wer gerade unter dieſer Regierung das Recht,K 4ſei -152Theil I. bis Juſtinian.ſeine Gegner als Ketzer zu verfolgen genießen, wer in Hoffnung beſſerer Zeiten ſich von den ſogenannten Rechtglaͤubigen verfolgen laſſen ſollte, dieß entſchied nicht immer der Kaiſer fuͤr ſich, ſondern meiſt ein Senat von Biſchoͤfen, und kein Menſch ſtieß ſich daran, daß ſo was vorgeſchrieben ward, denn fuͤr ein entnervtes Zeitalter iſt freye wiſſenſchaft - liche Unterſuchung ſo laͤſtig in jedem Zweige der menſchlichen Erkenntniß, als fuͤr ein ſchwaches Individuum. Weit weniger wich - tig ſchienen nicht nur faſt dem ganzen Zeit - alter, ſondern waren auch ſchon allein des - wegen die nicht theologiſchen Gegenſtaͤnde der Regierung, und die Zweifel oder Streitig - keiten der Rechtsgelehrten. Dieſe entſchied der Kaiſer allein, und von nun an erſt iſt beynahe jede conſtitutio eine Verordnung, waͤhrend daß ſelbſt Diocletian faſt immer nur erklaͤrt hatte, was, ſeiner Einſicht nach, ohnehin Rechtens (manifeſti juris) ſey. Con - ſtantin verbot die alte Landesreligion, aber ohne ſie gleich auszurotten, er befahl die Fey - er des Sonntags, er geſtattete die Kirchen im Teſtamente zu bedenken, und in den Kir - chen Sclaven frey zu laſſen, er ſchraͤnkte den Concubinat ein, und ſuchte, durch die Vor - theile der vaͤterlichen Gewalt, zur Verwand - lung deſſelben in eine vollkommene Ehe zu be -wegen153Periode 4. Quellen.wegen. Die Fechterſpiele ſollten aufhoͤren, und die Einſchraͤnkung der Veraͤuſſerung von Pupillenguͤtern ward auf alle liegende Gruͤn - de, und ſelbſt auf koſtbare bewegliche Dinge ausgedehnt. Eine Folge und ein Beweis des Drucks durch die neuen Abgaben ſind die Verordnungen uͤber den Verkauf der neu - gebornen Kinder, uͤber das was dem Land - manne duͤrfe weggenommen werden, vielleicht auch uͤber die lex commiſſoria.

§. 134.

Die drey Soͤhne Conſtantins, Con - ſtantin, Conſtans und Conſtantius wer - den oft verwechſelt, und die Aehnlichkeit in ihren Nahmen iſt kaum groͤßer, als die Aehnlichkeit ihrer ſchwachen, argwoͤhniſchen und theologiſirenden Regierungen. Der letz - tere, der anfangs nur den Orient erhalten hatte, blieb allein uͤbrig, aber er war ein Arianer und verdient alſo kein Mitleiden, daß er auf dem Zuge gegen den Ueberwin - der der Deutſchen ſtarb. Die erneuerten Be - fehle gegen die alte Religion ſollen den Nah - men pagani veranlaßt haben, und die Stel - le von Conſtantius II. 58. conſt. 1. wird an - gefuͤhrt um die Epoche zu beſtimmen, von welcher an die genaue Beobachtung herge - brachter Ausdruͤcke unnoͤthig geworden ſey. K 5Aber154Theil I. bis Juſtinian.Aber wahrſcheinlich kam dieſe Zeile nur ge - legentlich vor, und der Kaiſer erinnerte ei - nen Gouverneur nur an das, was nach dem ganzen Geiſte des Zeitalters, zumahl in Aſien, ſich von ſelbſt zu verſtehen ſcheinen mußte.

§. 135.

Julian der Neffe Conſtantins war ein Gegner der chriſtlichen Religion, vielleicht weil es die Religion ſeiner Verfolger gewe - ſen war, vielleicht aus Eitelkeit, aber ge - wiß aus Aberglaube. Daß er ſeine Meynung ausbreiten wollte, kann niemand, ohne in - conſequent zu ſeyn, an ihm tadeln, wer die Verordnungen Conſtantins fuͤr die ſeinige lobt, und daß ſelbſt Julians, des gelehr - ten und tapfern Julians Meynung ſo un - vernuͤnftig war, iſt ein deutlicher Beweis, wie viel mehr das Zeitalter auf das Chri - ſtenthum, als dieſes auf jenes nachtheiligen Einfluß gehabt hatte. Julian konnte die Erfahrung nicht vollſtaͤndig machen wie we - nig ſich durch Befehle erzwingen laſſe, was in der gedruͤckten Kirche von ſelbſt entſtanden war, z. B. Armenanſtalten und Unterricht der Jugend; er blieb nicht ganz zwey Jahre nach dem Tode ſeines Vetters gegen die Perſer.

§. 136.155Periode 4. Quellen.

§. 136.

Die Familie Conſtantins war nun wie - der erloſchen, und Jovian ſtarb bald nach dem erſten Frieden, worin die Grenzen des Reichs verengt wurden. Valentinian I. und ſein Bruder Valens, dem Eutrop ein ſo naives Compliment macht, zeichnen ſich etwa durch ihre Grauſamkeit aus. Letzterer re - gierte mit ſeinen Neffen Gratian und Va - lentinian II. bis in der Schlacht bey Adria - nopel, die er gegen die Gothen verlor, die Kirche von dem Arianer befreyt ward, und bis Theodos den Thron beſtieg, um das Reich zu retten. Theodos, der zuletzt nach - dem er mehrere voruͤbergehende Gegenkaiſer uͤberwunden hatte, allein regierte, und ſeine Soͤhne zu Mitregenten annahm, Theodes, der orthodoxe und folgſame Verehrer der Bi - ſchoͤfe, verdient den Beynahmen des Großen in keiner Ruͤckſicht beſſer, als wenn man ihn mit ſeinen Nachfolgern vergleicht, denn eine ſolche Reihe der duͤrftigſten Regenten, die nun im Oriente den Feinden des Reichs die ſchoͤnſten Provinzen und Rom ſelbſt preiß geben ließen, eine ſolche Reihe von Re - genten, deren Nahmen nur dazu dienen wuͤr - de, die Zeitrechnung zu beſtimmen, wenn ihre Guͤnſtlinge nicht ſo viele Conſtitutionen uͤber Rechtsſaͤtze gemacht haͤtten, eineſolche156Theil I. bis Juſtinian.ſolche Reihe von Regenten, wo immer der Nachfolger noch ſchwaͤcher war, als ſein aͤuſ - ſerſt ſchwacher Vorgaͤnger, iſt ein ſelte - nes Schauſpiel in der Geſchichte.

§. 137.

Die Theilung des Reichs zwiſchen Ar - cadius und Honorius, zwiſchen dem Muͤn - del von Rufinus und dem von Stilicho iſt keine ſehr wichtige Epoche, denn getheilt ward ſchon vorher ſehr oft eben ſo, und ei - ne Theilung auf ewig war auch dieſe nicht. Auf Arcadius folgte ſein Sohn Theodos der Juͤngere, und dieſer konnte, als ſein Oheim, der Moͤrder Stilicho’s, den Ala - rich dafuͤr gezuͤchtigt hatte, ſtarb, ſeinen ei - genen Schwiegerſohn Valentian 3 zum Au - guſt im Occident machen. Beyde veranſtal - teten eine authentiſche Sammlung der Con - ſtitutionen der chriſtlichen Kaiſer d. h. der Kaiſer, deren Conſtitutionen nicht mehr meiſt nur Urtheile des hoͤchſten Richters waren. Die aͤltern ſtanden ſchon in zwey Sammlun - gen, (Codex Gregorianus und Hermogenia - nus) die wahrſcheinlich von Zeitgenoſſen Con - ſtantins gemacht worden waren, ohne hoͤ - hern Befehl, weil es keinen braucht um Ur - kunden zuſammen abzuſchreiben, die man bisher einzeln abgeſchrieben hat. Auch derCo -157Periode 4. Quellen.Codex Theodoſianus ſollte eine bloße Samm - lung ſeyn und die Compilatiren nahmen ſich nicht mehr Freyheit, als wohl jeder Compi - lator ſich erlaubt, der nicht alles in extenſo abſchreibt; ſie kuͤrzten ab, und machten aus einer conſtitutio ſo viele Stuͤcke als ſie glaubten zum bequemen ſyſtematiſchen Ordnen noͤthig zu haben. 438 ward dieſe Samm - lung in 16 Buͤchern fertig, wovon nur etwa das 2te bis 5te eben die Gegenſtaͤnde, wie das Praͤtoriſche Edict behandeln, ſie iſt ſtu - fenweiſe durch die Bemuͤhungen von Si - chard, du Teil und Cujas faſt ganz wieder hergeſtellt, und die Ausgabe, welche der juͤngere Godefroi ausarbeitete und Mar - ville beſorgte, Ritter aber noch mit Zu - ſaͤtzen bereicherte, iſt ganz ſo, wie ſie ſeyn mußte, um dieſe Quelle der Geſchichte und des Rechts fuͤr alle, die ſie brauchen wollen, recht brauchbar zu machen.

§. 138.

Durch den Codex Theodoſianus war nur eine Entſcheidungsquelle etwas be - richtigt, aber die Rechtsſaͤtze, die nicht auf Conſtitutionen beruhten, haͤtten noch wie vor - her wiſſenſchaftlich bewieſen werden ſollen, und wurden es durch bloßes Citiren, weil man ſchon damahls Autoritaͤten bequemerund158Theil I. bis Juſtinian.und ſicherer fand, als Gruͤnde. Ungluͤckli - cherweiſe wichen aber die Autoritaͤten oft von einander ab, wie dieß wohl bey allen Schrift - ſtellern uͤber Wiſſenſchaften der Fall ſeyn wird, und dann behauptete der Gegner auch ſehr oft, das Citat ſey vtelleicht unaͤcht, das Original gar zu alt, und durch die immer unwiſſendern Abſchreiber gar zu oft veraͤn - dert. Wahrſcheinlich hatten ſchon vorher - gehende Kaiſer hierauf Ruͤckſicht genommen, aber die wichtigſte Verordnung hieruͤber im Codex Theodoſianus I. 4. conſt. vn. iſt von Valentinian III. Fuͤnf Claſſiker: Papi - nian, Paulus, Cajus, Ulpian und Mo - deſtin ſollten citirt werden duͤrfen auf das Anſehen einer einzigen Handſchrift hin; hin - gegen die Schriftſteller, welche ſie anfuͤhren, gelten in andern Stellen nur, wenn mehre - re Handſchriften uͤbereinſtimmen. Unter die - ſen iſt Sabinus genannt ganz an der Seite von Julian. Wenn nun die Meynung jedes an - gefuͤhrten Claſſikers mit oder ohne Verglei - chung von Handſchriften klar iſt, und ſie wei - chen unter ſich von einander ab, ſo ſollen die receptae ſententiae von Paulus immer be - folgt werden, weil ſie nur ausgemachtes Recht enthalten; entſcheiden dieſe nicht ſo zaͤhlt man nicht die Stellen, ſondern die Au - toren, ihre Majoritaͤt entſcheidet, bey glei -chen159Periode 4. Quellen.chen Stimmen gibt Papinian den Aus - ſchlag; ſonſt ſteht es dem Richter frey, wel - cher Meynung er beytreten will,[nur] die No - ten von Ulpian oder Paulus uͤber Papi - nian gelten gar nicht a). Dieſer Verord - nung merkt man das fuͤnfte Jahrhundert an, ſie war eine Folge des tiefen Verfalls der Litteratur und des Roͤmiſchen Rechts, das, noch hundert Jahre weiter ins Mittelalter hinein, die hoͤchſte Stufe der Vollkommen - heit erreicht haben ſoll.

a)Papiniani, Pauli, Gaji, Vlpiani atque Modeſtini ſcripta vniuerſa firmamus ita, vt Gajum atque Paulum, Vlpianum & cae - teros comitetur auctoritas lectionis, quae ex omni opere recitatur. Eorum quoque ſcientiam, quorum tractatus atque ſenten - tias praedicti omnes ſuis operibus miscue - runt, ratam eſſe cenſemus, vt Scaeuolae, Sabini, Juliani atque Marcelli, omnium - que quos illi celebrarunt: Si tamen eorum libri propter antiquitatis incertum, codi - cum collatione firmentur. Vbi autem di - uerſae ſententiae proferuntur, potior nu - merus vincat auctorum: vel ſi numerus aequalis ſit, ejus partis praecedat auctori - tas, in qua excellentis ingenii vir Papi - nianus emineat, qui vt ſingulos vincit ita cedit duobus. Notas etiam Pauli atque Vlpiani in Papiniani corpus factas (ſicur dudum ſtatutum eſt) praecipimus infirmari. Vbi autem pares eorum ſententiae recitan - tur, quorum par cenſetur auctoritas, quodſequi160Theil I. bis Juſtinian.ſequi debeat eligat moderatio judicantis, Pauli quoque ſententias ſemper valere & caetera: (426).
a)

§. 139.

Von den beyden Kaiſern, deren Nah - men dieſe Verordnung traͤgt, von dem Kai - ſer Martian im Orient, von Majorian, Severus und Anthemius im Occident ſind auch Verordnungen vorhanden, welche in Ruͤckſicht auf den Codex Theodoſianus neu ſind, und Nouellae Conſtitutiones oder kurz Nouellae heißen. Die Kaiſer in Ravenna waren ein Spiel der Deutſchen, welche als Feinde oder als Miethſoldaten ſo lange die - jenigen abſetzten, welchen ſie ſelbſt oder der Griechiſche Hof die Krone gegeben hatten, bis endlich um 476 Odoaker der Meynung war, wenn er Koͤnig ſey, ſo brauche man keinen andern Kaiſer, als den in Conſtanti - nopel.

§. 140.

Alle abendlaͤndiſchen Provinzen, ſelbſt Italien nicht ausgenommen, das unter der Anfuͤhrung der Roͤmer die Welt ſich unter - worfen hatte, waren nun von Deutſchen ero - bert und wurden von Deutſchen regiert. Die Menſchen, welche nun bey einander wohnten machten den ſeltſamſten Contraſt; die alten Einwohner (Romani) hatten alle Stufen der Cultur durchlaufen und waren eben deswe -gen161Periode 4. Quellen.gen ſo entnervt, als je eine Nation geweſen iſt; die Eroberer (Barbari) brachten ihre al - te Tapferkeit, aber auch faſt ganz ihre alte Roheit und Unwiſſenheit mit. Unmoͤglich konnten ſo ſehr verſchiedene Menſchen in po - litiſcher und juriſtiſcher Ruͤckſicht einander gleich geſetzt werden, ehe die Zeit und der taͤgliche Umgang ſie veraͤhnlicht, die Roͤmer noch unwiſſender aber ſtaͤrker, die Barba - ren laſterhafter aber etwas cultivirter ge - macht hatte. Anfangs war es wenigſtens eben ſo weſentlich zu wiſſen, ob jemand ein Gothe oder ein Roͤmer ſey, als zu welchem Geſchlechte man gehoͤre; nachher wurden es zwey verſchiedene Staͤnde, die man ſich waͤhl - te wie man den geiſtlichen oder den weltlichen Stand ſich waͤhlt, der jure Romano viuens war nicht in allen Stuͤcken ſchlechter, als der jure Salico viuens, und am Ende amalga - mirte ſich das Recht, im ganzen Umfange des Worts, wie die Sprache, die Religion, und die Sitten. Von dieſen Beſtandthei - len bekam keiner das Uebergewicht ganz, es war ja auf der einen Seite zwar das Recht und die Sprache des Siegers, der herrſchen - den gluͤcklichen Nation, aber das Recht und die Sprache der Ueberwundenen war aus - gebildeter und geſchrieben, es war das Recht und die Sprache bey weitem des groͤßern,Lzahl -162Theil I. bis Juſtinian.zahlreichern einheimiſchen Theils der Mi - ſchung, und beydes war endlich der Reli - gion, welche die Sieger ſchon angenommen hatten oder doch gleich annahmen, viel gemaͤß - er.

§. 141.

Sehr natuͤrlich mußte das Roͤmiſche Recht, welches mit dem Deutſchen kaͤmpfte, dasjenige ſeyn, welches die Roͤmer zuletzt gehabt hatten, alſo die 3 Sammlungen von Conſtitutionen und die Schriften beſonders der ſpaͤthern Claſſiker. Aber wenn ſchon zu Anfang des fuͤnften Jahrhunderts, ſchon un - ter Valentinian III. der Verfall der Littera - tur eigene Maaßregeln noͤthig gemacht hatte, ſo konnte es nun wohl nicht anders kommen, als daß man unter einem Gothiſchen Koͤnige im ſechsten Jahrhundert das dringendſte Be - duͤrfniß fuͤhlte, die Quellen des Studiums reducirt, und die Sprache der Claſſiker durch Ueberſetzungen in damahls gangbares Latein erlaͤutert zu haben. Dazu gab Koͤnig Ala - rich in Toulouſe einem Gojaricus Comes den Auftrag, aber der arme Gojarich hat nicht nur die Ehre, ſeinem Auszuge den Nahmen zu geben, an den Canzler Anian verloren, ſondern kein Menſch denkt[auch] nur daran, vielleicht blos weil Gojarich ſelbſt nicht dar - an dachte, von ihm oder ſeinem Koͤnige zuruͤh -163Periode 4. Quellen.ruͤhmen, daß durch ſie ausgefuͤhrt worden ſey, was Cicero, Caͤſar und Pompejus ver - geblich gewuͤnſcht haͤtten, wie von ihren juͤn - gern Zeitgenoſſen Juſtinian und Tribonian beynahe in allen Compendien geruͤhmt wird. Es war daſſelbe Beduͤrfniß und man ſchlug denſelben Weg ein: auch Gojarich ſorgte fuͤr das Practiſche und nicht fuͤr die Gelehr - ſamkeit, auch er verbeſſerte die Claſſiker ſo gut er es verſtand. Daß er nicht ganz ſo viele vor ſich hatte, als Tribonian, ſetzt ihn noch nicht ſo ſehr zuruͤck, denn auch dieſer hatte wahrſcheinlich nicht alle, die er citirt, und ſonſt unterſcheidet ſich Gojarich nur durch die Interpretation, die wohl kein Feh - ler iſt, und durch die Sorgfalt, jeden Schrift - ſteller beyſammen zu liefern. Es iſt merk - wuͤrdig, aber ſehr erklaͤrbar, daß auch hier das gewoͤhnliche Compendium, die Inſtitu - tionen von Cajus, am meiſten verbeſſert oder doch veraͤndert wurden. Auf allen Fall verdient Gojarich wohl den Dank eines je - den, der nicht die Claſſiker uͤber Juſtinian ver - gißt; und wer weiß, ob wir nicht eher den Griechiſchen als den Gothiſchen Compilator miſſen koͤnnten, wenn letzterer ſo vollſtaͤndig, als jener, auf uns gekommen waͤre. Min - der wichtig iſt die Burgundiſche Sammlung,L 2wel -164Theil I. bis Juſtinian.welche von dem erſten Excerpte Papiani (Pa - piniani) responſa heißt.

  • Interpretatio ad C. Th. I. 4. conſt. vn. Scaeuola, Sabinus, Julianus atque Marcel - lus in ſuis corporibus non inueniuntur, ſed in praefatorum opere tenentur inſer - ti. Sed ex his omnibus juris conſulto - ribus, ex Gregoriano, Hermogeniano, Gajo, Papiano & Paulo quae neceſſaria cauſis praeſentium temporum videbantur, elegi - mus. Von Ulpian iſt gar keine Rede.

§. 142.

Waͤhrend der Revolutionen im ehemah - ligen abendlaͤndiſchen Reiche, und wahrſchein - lich eben deswegen, weil der Sturm dieſes traf, hatten die Kaiſer in Conſtantinopel Muße, juriſtiſche und theologiſche Geſetze zu machen. [Auf] Theodos II war Martian, der TitularGemahl Pulcheriens gefolgt; nach 6 Jahren kam Leo I. aus Thrazien an ſeine Stelle, der befahl, wer kein catho - liſcher Chriſt ſey, ſollte auch nicht advociren duͤrfen. Eben ſo lange, als er, d. h. 17 Jahre regierte Zeno, anfangs als College ſeines Sohns Leo’s II, dann 27 Jahre Anaſtas, deſſen Finanzen wenigſtens ſehr gut waren. Nach ſeinem Tode erkaufte mit fremden Gelde ein Thrazier Juſtin I. den Thron. Er hob die Geſetze gegen die Miß -hey -165Periode 4. Quellen.heyrathen auf, als ſeiner Schweſter Sohn, der ſein Nachfolger ward, im 40ſten Jah - re die Tochter eines der Leute bey der Thier - hetze ſich zur Gemahlinn erwaͤhlte. Dieß iſt Juſtinian unſer großer Geſetzgeber, von deſſen langer Regierung von 527 565 ſo viele Geſetze im CorpusJuris, und ſo viele Rechtsgelehrte, alles moͤgliche Gute ſagen, daß es kaum erlaubt iſt, an die abweichen - den Nachrichten gleichzeitiger Schriftſteller, und an das Urtheil der juriſtiſchen Ketzer und der nicht juriſtiſchen Hiſtoriker zu erinnern.

§. 143.

Uprauda, ſo hieß er mit ſeinem erſten Nahmen, war der Sohn eines Illyriſchen Bauers, aber dieß hatte auf ſeine Erzie - hung keinen Einfluß. Vermuthlich ſorgte ſein Oheim, ſchon damahls einer der erſten Officiere, dafuͤr, daß Uprauda oder Ju - ſtinian alles lernte, was man damahls zu einem Gelehrten von Stande erforderte, und wahrſcheinlich las er eben ſo lehrbegierig theo - logiſche Polemiken, als er die Vorleſungen uͤber ſeinen Cajus anhoͤrte. Es that ihm wehe, wenn der Profeſſor ſich mit dem leidi - gen alten Rechte aufhielt, und im vſus mo - dernus ſagte, dieß ſey alles unbrauchbar; es that ihm wehe, auch wenn man es uͤber -L 3ſchlug,166Theil I. bis Juſtinian.ſchlug, denn wofuͤr ſtand es im Compendium, und warum machte man den alten Plunder nicht ganz entbehrlich? Wie er dieß auszu - fuͤhren ſuchte, als er Kaiſer ward, werden wir gleich ſehen, jetzt fuͤrs Erſte die nicht-juri - ſtiſchen Begebenheiten ſeiner Regierung.

§. 144.

Er ließ ſeiner Gemahlinn ſchwoͤhren, wie ſich ſelbſt, und wenn Theodora gleich, als Befoͤrderinn der Ketzerey, einen uͤblen Nahmen hat, ſo verdiente ihr Muth im Nika-Tumulte dieſe Belohnung; denn ſie war es, die den Kaiſer rettete, als er aus Furcht vor der zur Verzweiflung getriebenen gruͤnen Faction fliehen wollte. Dieß iſt frey - lich nicht die glaͤnzendſte Stelle in Juſtinians Leben und der ſchreckliche Druck mit Aufla - gen war noch trauriger, als Erdbeben und Peſt. Dagegen verewigte ſich aber auch der Kaiſer durch die noch jetzt bewunderte So - phienkirche, und durch eine Menge Feſtungen an der Grenze. Sein Gluͤck gegen auswaͤr - tige Feinde iſt faſt unerklaͤrbar, denn blin - des Gluͤck, ſelbſt nur im Auffinden mehrerer großen Feldherren hinter einander, muß man ſo ſelten als moͤglich annehmen, und Juſti - nian aͤrndete doch auch eben nicht was ganz vortreffliche Regenten vor ihm geſaͤet gehabthaͤt -167Periode 4. Quellen.haͤtten. Der elende Zuſtand der Staaten, die er erobern ließ, that freylich ſehr viel, denn Cosroes I oder Nushirvan erhielt doch in jedem Frieden Tribut, aber es waͤre un - gerecht daraus dem Kaiſer einen Vorwurf zu machen, der weder wenn er ſchlug, noch wenn er geſchlagen ward, ſich perſoͤnlich bey der Armee befand. An dem kurzen gluͤckli - chen Kriege gegen die Vandalen, und an dem hartnaͤckigen gegen die Oſtgothen, wodurch znm letzten mahle der Roͤmiſche Kaiſer Herr von Rom und Carthago ward, hatte Ju - ſtinian nicht einmahl allen den Antheil, welchen er, ſeiner Entfernung ungeachtet, haͤtte haben koͤnnen, und Beliſars uner - ſchoͤpfliches Talent, Huͤlfsquellen zu entdek - ken, ſeine raſtloſe Thaͤtigkeit, Rebellionen zu daͤmpfen, wuͤrde ſich weniger glaͤnzend aus - zeichnen, wenn er von ſeinem Hofe z. B. bey der Belagerung Roms durch die Gothen beſ - ſer unterſtuͤtzt, wenn die neue Eroberung durch habſuͤchtige Gouverneurs weniger miß - handelt worden waͤre. Schon im Novem - ber 533 konnte Juſtinian ſich Vandalicus nennen, aber Gothicus beruhte noch auf bloſ - ſen Projecten und Hoffnungen, und wie konn - te er ſchon damahls auch nur hoffen, daß nach zwanzig Jahren der Sieg bey Caſilinum,L 4den168Theil I. bis Juſtinian.den Narſes erfocht, ihm einiges Recht zu Francicus und Alemannicus geben wuͤrde?

§. 145.

Die Eroberungen der Generale Juſti - nians muͤßten ſeine Regierung fuͤr Hiſtori - ker wichtig machen, aber daß auch Perſo - nen, die von der Geſchichte ſonſt ſo wenig wiſſen, doch ſeinen Nahmen mit Ehrfurcht nennen, kommt daher, weil unter ihm die Sammlungen gemacht wurden, woraus wir jetzt das Roͤmiſche Recht am meiſten ſtudie - ren ſollten, und oft ganz allein, mit Zuruͤckſet - zung reinerer Quellen, ſtudieren. Eben die Urſachen naͤhmlich, welche Valentinians III. Citirgeſetz veranlaßt, und welche das Breuia - rium Alaricianum noͤthig gemacht hatten, wirkten noch jetzt: Verfall der Litteratur uͤberhaupt und des Roͤmiſchen Rechts insbe - ſondre, die Seltenheit der claſſiſchen Werke, und die Ungewißheit bey ihrer Anwendung, nach ſo vielen Conſtitutionen der Kaiſer ſeit Conſtantin, und bey dem Abſtande, den man in ſo vielfacher Ruͤckſicht zwiſchen der Lage des Volks, bey welchen dieſes Recht ſich gebildet hatte, und des Volks, welches nun darnach leben ſollte, findet. Die aͤltere ConſtitutionenSammlung war 200 Jahre, die neuere 100 Jahre alt; war es nicht eineIdee,169Periode 4. Quellen.Idee, die bey einiger Thaͤtigkeit mehr als einem Privatſchriftſteller haͤtte kommen ſol - len, aus dieſen Sammlungen das Brauch - bare, um dieſes bekuͤmmerte man ſich da - mahls doch allein, herauszuheben und durch die ſpaͤthern Verordnungen zu ergaͤnzen? Juſtinian war kaum 6 Monathe Kaiſer, als er zu einem ſolchen Werke den Befehl gab. Vier Patricier, vier der vornehmſten Juſtizbedienten und zwey Advocaten ſollten es verfertigen, unter dieſen hatte Tribonian nicht den erſten, ſondern den ſechsten Platz. Er, deſſen Nahmen ſo bekannt iſt, als der Nahme Juſtinians, vereinigte mit der Ge - lehrſamkeit eines Polyhiſtors, mit der ſchoͤn - ſten juriſtiſchen Bibliothek im ganzen Reiche, nicht nur die Gabe, bey ſeinen Herrn ſich be - liebt zu machen, ſondern, wenn dazu ſeine ganz unglaubliche Schmeicheley hingereicht haͤtte, auch die Kunſt, ſeine Mitbuͤrger durch Herablaſſung mit ſeiner niedertraͤchtigen Hab - ſucht beynahe auszuſoͤhnen, darin ganz das Gegentheil ſeines Collegen Johanns von Cappadocien, der zugleich mit ihm beym Nikatumult abgeſetzt werden mußte. Haͤtte Tribonians Entfernung laͤnger gewaͤhrt, ſo wuͤrden wir vielleicht weniger Verordnungen Juſtinians haben, die nicht blos aus Un -L 5wiſ -170Theil I. bis Juſtinian.wiſſenheit, ſondern ſelbſt abſichtlich zweydeu - tig und unbillig ſind.

§. 146.

Daß Juſtinian ſeinen Leuten erlaubte, nach Willkuͤhr an den Conſtitutionen der alten Kaiſer zu aͤndern, hielt er gewiß fuͤr den groͤßten Beweis, den er von ſeiner Sorgfalt, nicht dlos ſie zu ſammeln, ſondern auch zu verbeſſern, geben koͤnnte, und vielleicht wa - ren in ſeinem ganzen Reiche kaum zwey Ge - lehrte, denen die Conſtitutioneu auch ohne Ruͤckſicht auf das Practiſche intereſſant ge - ſchienen haͤtten. Wie ſchlecht wuͤrde aber der Hauptzweck Juſtinians, die Eintracht in der Lehre, der Vortheil, fuͤr welchen er weit mehr Sinn hatte, als fuͤr wiſſenſchaft - liche Unterſuchung, wie aͤußerſt ſchlecht wuͤr - de dieſer erreicht worden ſeyn, wenn nun den alten unveraͤnderten Editionen ihr gericht - licher Gebrauch geblieben waͤre? Dieſen ver - bot er dießmahl, und bey ſeinen nachherigen Sammlungen, wo immer dieſelben Gruͤnde eintraten; er drohte die Strafe der Falſarien jedem, der vor Gerichte von dem, was nicht von ihm ſelbſt edirt ſey, Notitz nehmen wuͤr - de, und er fuͤgte dadurch der Litteratur we - nigſtens mittelbar einen unerſetzlichen Scha - den zu. Es war gerade eben der Erfolg, wiewenn171Periode 4. Quellen.wenn er die aͤchten Schriften haͤtte verbren - nen laſſen, denn ſeine Zeitgenoſſen ſtudirten nun die Quellen auch nicht einmahl mehr fuͤr ſich, was ſie doch ohne Falſum thun durften.

§. 147.

In Zeit von einem Jahre war die Samm - lung von Conſtitutionen fertig, das Werk, welches der Kaiſer des Nahmens Codex Ju - ſtinianeus wuͤrdig hielt, weil noch nie ein Codex alles Brauchbare aus den Conſtitutio - nen vereinigt, und doch nur das Brauchbare, Nahmen und Datum allein waren eine Zu - gabe, enthalten haͤtte. Der Kaiſer mochte ſehen, daß eine ſolche Hercules-Arbeit im Grunde leichter ſey, als man glauben ſollte, znmahl da nie ein Schloſſer ihm die Freu - de verdarb; Er ſelbſt kam auf die Idee, oder Tribonian, der ſich bey der erſten Ar - beit ausgezeichnet haben muß, und der keine Leidenſchaft ſeines Herrn ſo gut benutzen konn - te, als dieſe Juriſtiſche, brachte ihn darauf, es ſey gar nichts unmoͤgliches, wenigſtens unter einer ſo augenſcheinlich vom Himmel geſegneten Regierung, auch die andern Ge - ſetze in einen ſolchen vermehrten und verbeſ - ſerten Auszug zu bringen. So ſehr war die Latinitaͤt und die Jurisprudenz geſunken, daß man nun ſchon laͤngſt auch das ein Geſetznann -172Theil I. bis Juſtinian.nannte, was doch in jeder Ruͤckſicht von ei - ner alten lex ſo weſentlich verſchieden war: ein Allegat aus einem claſſiſchen Juriſten. Aus dieſen koͤnnte man ein großes Geſetz machen, ohne Wiederholungen und ohne Wi - derſpruͤche, und dagegen muͤßten natuͤrlich die zwoͤlf Tafeln und das Edictum perpetuum wahre Kinderſpiele ſeyn. Aber Gehuͤlfen ge - hoͤrten dazu, und Zeit, und eine ausgedehn - te Vollmacht, Tribonian erhielt 16 Rechtsgelehrte, worunter 4 Profeſſoren, aber, eben nicht zum Ungluͤcke, keiner aus Rom, und auch nicht der geſchmackloſe Sylbenſte - cher Priscian, ſich befanden; er erhielt ei - ne Friſt von 10 Jahren und die Conſtitu - tion: Deo auctore, welche Valentinians Citirgeſetz, wenn es damahls noch galt, in Anſehung der Pluralitaͤt und der Vorrechte Papinians vernichtete. Die Arbeit ward frey - lich dadurch ungemein erleichtert, daß man nicht immer die Quellen ſelbſt, ſondern oft nur einen Epitomator z. B. Hermogenian excerpirte, in ſolchen Buͤchern fand man die Auszuͤge aus Claſſikern ſchon nach den Ma - terien zuſammengeſtellt, und vielleicht ſchon mit Weglaſſung mancher Antiquitaͤt. In - deſſen Juſtinians Leute hatten noch vieles zu aͤndern, und es iſt keine Eitelkeit des Kai - ſers, wenn er ſagt, es ſeyen multa & nu -me -137[173]Periode 4. Quellen.meratu non facilia nicht blos abgeſchrieben, ſondern auch nach beſter Einſicht corrigirt worden, es iſt aber auch keine leere Einbil - dung, wenn man von vielen Emblemen Tri - bonians ſpricht. Um davon uͤberzeugt zu ſeyn, darf man nur an die Muͤhe denken, welche Tribonians Gehuͤlfen ſich gaben und geben ſollten, alle Spuhren von dominium Quiritarium, und alle von den caduca zu ver - tilgen; man darf nur an die 50, mehr oder weniger, Deciſionen denken, wozu Juſti - nian durch ſeinen treuen Exquaͤſtor Gelegen - heit erhielt, ſo oft in den Schriften der Claſ - ſiker etwas aufſtieß, was durch eine recht prunkvolle[Conſtitution] entſchieden werden konnte. Die Ehre der kleinern Verbeſſerun - gen behielt Tribonian doch noch fuͤr ſich.

§. 148.

Dieſe Sammlung von Excerpten, die denn freylich manchmahl etwas enthielten, woran der Claſſiker, deſſen Nahmen gerade uͤber dieſer Stelle ſich findet, nicht gedacht hatte, obgleich auch das Werk und die Zahl des Buchs ausgedruͤckt ſind, ward ohngefaͤhr ſo wie die 12 Tafeln, wie das Edict und wie ſo mancher Commentar daruͤber geordnet, Erſt kam die Lehre vom Gerichtsweſen und Proceß, dann die Contracte, nachher Eheund174Theil I. bis Juſtinian.und Tutel, und auf die ganze Materie von Verlaſſenſchaften folgt die Theorie des Ei - genthums. Eine Art von Anhang enthaͤlt, noch vom Edicte her, die Stipulationen und Interdicte, und was dort nicht vorkam: das Criminalrecht und die Appellationsordnung. Dagegen waͤre nun nichts zu crinnern, denn theils braucht es keine metaphyſiſche Tabelle, theils laͤßt ſich dieſe allenfalls doch daraus machen. Aber Juſtinian begnuͤgte ſich nicht mit dem von ihm gleich anfangs gegebenen Befehle, es muͤßten gerade 50 Buͤcher wer - den, ſondern aus wichtigen Gruͤnden a) ver - theilte er dieſe wieder in 7 Theile, und um ſie einander gleich zu machen, ward hier und da eine Lehre untergeſteckt, ſo daß man jetzt noch allgemeiner uͤber die Ordnung dieſes Werkes klagt, als man ſie befolgt. Cujas lobt ſie zwar ſehr kraͤftig, aber was lobte Cujas nicht, wenn ſeine Gegner es tadelten oder beſſer machen wollten?

a)Conſt. Dedit nobis §. 1. ' idque non perperam neque ſine ratione, ſed ad nu - merorum naturam atque harmoniam res - picientes.
a)

§. 149.

Weder das Excerpirenlaſſen ſo vieler Schriften, noch die Entſcheidung ſo mancher Streitfrage von oben herab, genuͤgte demKai -175Periode 4. Quellen.Kaiſer deſſen Eitelkeit in jeder Regentenbe - ſchaͤfftigung Nahrung fand. Selbſt das Compendium fuͤr die erſten Anfaͤnger ſollte ſein Werk ſeyn, dieß war ſein Project, als man die ExcerptenSammlung anfing a), und noch ehe ſie vollendet war, fuͤhrte er es aus. Auch dieſe Arbeit dirigirte Tribo - nian; er hatte zwey Profeſſoren Theophi - lus, den Verfaſſer der griechiſchen Para - phraſe, und Dorotheus unter ſich. Die an - gehenden Juriſten ſollten nicht nur das Gluͤck haben, gleich im erſten Jahre uͤber eine con - ſtitutio, und nicht blos uͤber einen Claſſiker zu hoͤren, ſondern ob die Verfaſſer gleich bey jeder Lehre auch das alte Recht hiſtoriſch erzaͤhlten, weil ein altes Compendium zum Grunde lag, ſo ließen ſie doch dasjenige ganz weg, was gar keinen practiſchen Nutzen hat - te, weil ſie glaubten fuͤr den erſten Unter - richt tauge nur das Practiſche, weil nur das Practiſche ſchon an ſich intereſſire b). Waͤ - ren zur Zeit von Juſtinian keine Sklaven mehr geweſen, ſo wuͤrde von dieſen gewiß nichts in den Inſtitutionen ſtehen, den Fall ausgenommen, daß erſt der Kaiſer die Skla - verey abgeſchafft haͤtte, denn die Verſuchung von ſich ſelbſt zu ſprechen, machte ihn oft ſei - nem Grundſatze ein wenig ungetreu, und freylich am Ende ſeiner geſetzgeberiſchen Re -gie -176Theil I. bis Juſtinian.gierung war manches Antiquitaͤt, was im Jahre 533 practiſch war. Die Inſtitutio - nen ſind nach dem Plane der Claſſiker, der am meiſten ſyſtematiſch war, gearbeitet, aber ſie enthalten, den letzten Abſchnitt de publi - cis judiciis ausgenommen, nichts als Privat - recht, die Rechtsgeſchichte und das chriſtliche Kirchenrecht fehlt ganz, manche Lehre, welche im Syſteme des alten Recht gar nicht ent - behrt werden kann, iſt abſichtlich weggelaſſen, und manche, die noch immer ſehr practiſch war, iſt vergeſſen z. B. Transaction, Re - ſtitution, Eid, Zeugen, Urkunden, Appel - lation, Concurs, das SC. Vellejanum, das Meiſte von der dos, collatio bonorum, Zin - ſen, aedilitium edictum, Evictionsleiſtung u. ſ. w.

a)Conſt. Deo auctore §. 11. Ideo jubemus duobus iſtis codicibus omnia gubernari: uno conſtitutionum, altero juris enuclea - ti vel ſi quid aliud fuerit, a nobis promulgatum inſtitutionum vicem obtinens, vt rudis animus ſtudioſi ſimplicibus enu - tritus &c.
a)
b)VII. 25. eonſt. vn. per quod ani - mi juuenum, qui ad primam legum veni - unt audientiam, perterriti ex primis eorum cunabulis inutiles legis antiquae dispoſitio - nes accipiunt. Prooem. Inſt. §. 3, nihil inutile, nihilque perperam poſitum, ſed quod in ipſis rerum obtinet argumentis, ac - cipiant.
b)
§. 150.177Periode 4. Quellen.

§. 150.

Die Inſtitutionen wurden fruͤher fertig, als die Pandecten oder Digeſten, aber auch dieſe konnten ſchon 3 Jahre nachdem ſie an - gefangen worden waren, zugleich mit jenen confirmirt werden. Um die Wiſſenſchaft recht zu fixiren, oder um zu machen, daß ſie keine Wiſſenſchaft mehr ſey, verbot Ju - ſtinian alle Commentare, damit nicht wieder das Geſetz unter den Schriften der Gelehr - ten begraben werde. Er ſorgte fuͤr die Un - veraͤnderlichkeit ſeines Werks durch Befehle an alle Abſchreiber; indeſſen erfuhr er doch ſelbſt, daß es mit der ewigen Dauer aller menſchlichen Anſtalten nicht ſo leicht gehe, als mit ihrer Veraͤnderung. Der codex Ju - ſtinianeus war noch 529 ſo vortrefflich ge - weſen; ſchon 534 geſtand Juſtinian, daß erſt die zweyte Ausgabe, (Codex repetitae praelectionis) welche Tribonian, der nun auch Ex-Conſul heißt, Dorotheus, der zu ſeinerProfeſſur auch den Character und Rang als Quaͤſtor erhalten hatte, und drey Ad - vocaten, beſorgten, ganz vollſtaͤndig und fehlerlos ſey, und daß, wer die erſte Ausga - be anfuͤhre, auch als falſarius beſtraft werden muͤſſe, weil in derſelben viele Conſtitutioneu fehlten, manche, die er jetzt ſelbſt fuͤr uͤber - fluͤſſig halte, ſtuͤnden, und weil uͤberhauptMſie178Theil I. bis Juſtinian.ſie den Pandecten und Inſtitutionen oft wi - derſpreche.

§. 151.

Ungluͤcklicher Weiſe hat man aber ge - funden, daß ſelbſt die zweyte Ausgabe, die voͤllig mit den Pandecten und Inſtitutionen uͤbereinſtimmen ſollte, hier und da von ih - nen abweiche, und daß auch Inſtitutionen und Pandecten unter einander zuweilen unei - nig ſeyen. Mannichfaltige Regeln hat man aufgeſtellt, um zu beſtimmen, was vorgehe, wenn ein Regent bey der Abſicht daſſelbe zu ſagen, was er ſchon geſagt hat, aus menſch - licher Schwachheit gerade das Gegentheil er - klaͤrt. Juſtinian ſelbſt ſagt N. 89. C. 7. es ſtuͤnden Conſtitutionen im Codex blos we - gen der alten Proceſſe, und N. 158. C. 1. ſcheint er doch vorauszuſetzen, daß alles, was in derſelben Sammlung enthalten ſey, gleiche Kraft habe. So viel iſt wohl gewiß, daß eine Abhandlung uͤber die Rangordnung die - ſer drey Werke nicht das Mittel geweſen waͤ - re, bey Juſtinian ſich zu empfehlen, ſo we - nig als eine Abhandlung uͤber die Frage, ob nun alles lauter Geſetze ſeyen was er hat - te ſammeln laſſen.

§. 152.

Klar iſt die Abſicht zu aͤndern bey denje - nigen Verordnungen Juſtinians, welche ernach179Periode 4. Quellen.nach geſchloſſenem Corpus juris bekannt mach - te. Fuͤr ſeine Unterthanen waren dieſe un - ſtreitig von der groͤßten Wichtigkeit, denn erſt wenn keine neue Verordnung die Sache entſchied, galt das aͤltere in den drey Samm - lungen enthaltene Recht. Aber in Ruͤckſicht auf ihren innern Werth ſind die Novellen ſchlechter, als alles vorhergehende, nicht blos wegen ihrer aͤußerſt ſchwuͤlſtigen Spra - che, ſondern auch ſchon deswegen weil die feh - lerhaften Anſtalten darin nicht durch den Gebrauch und das Nachdenken mehrerer Jahrhunderte gepruͤft und abgeſchliffen wa - ren. Bey dieſen Umſtaͤnden kann man ſich daruͤber troͤſten, daß geſtritten wird ob alle 168 Novellen (nicht alle ſind von Juſtinian, und nicht alle von Juſtinian ſind darunter be - griffen) oder nur die 98 gloſſirten bey uns gelten; ob das griechiſche Original oder die elende, nur von Cujas gelobte Ueberſetzung vorgehe; und ob endlich in der Colliſion nicht die Novelle dem Auszuge daraus, welcher noch ſpaͤther im Mittelalter gemacht ward, weichen muͤſſe.

§. 153.

Es kann nun nicht ſchwer ſeyn zu beſtim - men, in welcher Ruͤckſicht das Juſtinianeiſche Rechtsbuch ein Meiſterſtuͤck des menſchlichen Verſtandes, und in welcher es ein warnen -M 2des180Theil I. bis Juſtinian.des Beyſpiel fuͤr alle, welche Geſetzbuͤcher machen wollen, genennt zu werden verdie - ne. Die eigenen Geſetze Juſtinians ſind viel - leicht am beſten dadurch characteriſirt, wenn man die Worte eines Kirchenhiſtorikers auch aus dieſen Theil ſeiner Regierung anwendet: Ein ſolcher halbgelehrter Theologe, wie der Kaiſer nothwendig ſeyn mußte, war eben daher von beyden Partheyen zu lenken, und aus Liebe zum Kirchenfrieden wurde er der Orthodoxie ſchaͤdlich, aus Eifer fuͤr Ortho - doxie dem Kirchenfrieden nachtheilig. Als halbgelehrter Juriſt waren ſeine zwey Zwecke Simplicitaͤt und Billigkeit: Bald opferte er dieſe jener, bald jene dieſer am unrechten Or - te auf.

Syſtem des Rechts am Ende dieſer Periode.

§. 154.

I. Ius publicum

A. Eigentliches StaatsRecht oder Grund: geſetze.

Der Staat voͤllig deſpotiſch in der Art wie die Kaiſerliche Wuͤrde erlangt ward, und in der Kraft jeder Willenserklaͤrung des Kai -ſers,181Periode 4. Syſtem.ſers, ſelbſt in Religions - und Rechts-Saͤt - zen. Die Religion war noch keine ſehr be - deutende Einſchraͤnkung; denn obgleich der Kaiſer in Glaubens-Sachen nur der Inte - rims-Repraͤſentant der Kirche und der Stell - vertreter der Concilien war, ſo hing es doch von ihm ab, dieſe zu verſammeln, und ſelbſt der Biſchof von Rom konnte noch, wie Vi - gilius erfuhr, vom Kaiſer mißhandelt wer - den. Der Senat war ein bloßer Gerichts - hof.

§. 155.

B. Staats Policey-Recht oder Regierungs - geſetze

1. Aemter. Im Senate, der in der hoͤchſten Inſtanz Rechtsſachen unterſuchte, um dem Kaiſer einen Antrag zu thun, votirte erſt der praefectus vrbi, dann alle Patricier, hernach die Conſulen, und zu - letzt alle uͤbrigen praefecti, magiſtri mili - tum und illuſtres. Das Conſulat war ſehr koſtbar, daher die Zeitrechnung nach den letzten vorhergehenden Conſulen. Un - ter Juſtinian erhielt zum letzten mahle ein Particulier dieſe theure und[unnuͤtze] Ehre. Bey Hofe der quaeſtor ſacri palatii, magiſtri libellorum u. ſ. w. In den Provinzen praeſides welche zwarM 4einen182Theil I. bis Juſtinian.einen fuͤrchterlichen Eid ablegen ſollten, daß ſie ihre Stelle nicht gekauft haͤtten, aber dieß ging nur auf außerordentliche Be - zahlung, nicht auf den gewoͤhnlichen ſelbſt geſetzlich beſtimmten Preiß. Sie mußten auch, und vielleicht war dieß die Haupt - ſache, fuͤr die Revenuͤen ſtehen, und hatten die allgemeine Gerichtbarkeit in der Pro - vinz und ſelbſt das Commando uͤber die Truppen; ihre Subalternen waͤhlten ſie ſich. 50 Tage nach niedergelegtem Amte konn - ten ſie in der Provinz vor ihrem Nach - folger belangt werden, ſo lange mußten ſie noch bleiben, denn waͤhrend ihrer Ge - walt war die Anklage ſogar nur ſelten er - laubt. Ihre Controle waren die Biſchoͤffe. Die Municipalobrigkeit in den Staͤdten hat - ten die decuriones, aber ihre Stelle war viel laͤſtiger, als man einſieht daß ſie haͤtte ſeyn muͤſſen.

§. 156.

2. Einkuͤnfte. Bey den Verſchwen - dungen Juſtinians ward nicht nur der Schatz, den Anaſtas geſammelt hatte, er - ſchoͤpft, ſondern es waren auch eine Menge neuer Quellen noͤthig. Abgaben der man - nichfaltigſten Art, ſogar das Aërion ein jaͤhrliches Praͤſent, das der praefectusprae -183Periode 4. Syſtem.praetorio dem Kaiſer machen, und wofuͤr er ſich wieder zu entſchaͤdigen ſuchen mußte, ein neuer Zoll im Haſen der Hauptſtadt, Monopolien, Reductionen bey Hofe und bey der Armee, ſelbſt die Municipal - Caſ - ſen fuͤr Poſten, Aerzte und Erleuchtung mußten dem Geldmangel abhelfen. Da - hin gehoͤrten auch die immer ſteigenden Privilegien des Fiscus im Privatrechte.

§. 157.

3. Religion. Dieß iſt ſo ſehr der LieblingsGegenſtand der Geſetzgebung Ju - ſtinians, daß ein Syſtem des Juſtinia - neiſchen Rechts, worin das ReligionsRecht ganz uͤbergaugen wird, wohl nicht vollſtaͤn - dig ſeyn kann.

In der Religion uͤberhaupt verbot Ju - ſtinian, wie ſchon ſeine Vorgaͤnger gethan hatten, alle Abweichungen von ſeiner eige - nen Meynung, und gar ſehr oft hat es auf Mein und Dein Einfluß, ob jemand ein Ketzer oder ein Rechtglaͤubiger ſey. Indeſ - ſen war Juſtinian nicht intoleranter, nur viel - leicht offenherziger, als manche andere: ſo ſagt er Nou. 144. er nehme die Bauern von einem Strafgeſetze gegen gewiſſe Ketzer aus idque non ipſorum gratia ſed propter con -M 4flitu -184Theil I. bis Juſtinian.ſtitutionem praediorum quae ab ipſis colun - tur, propterque reditus & tributa, quae ex - inde inferuntur publico. Die Sacra - mente ſollten nicht in Privathaͤuſern admini - ſtrirt werden, und uͤber die Betgaͤnge (lita - niae) machte er eine genaue Verordnung, wie ſie ſeyn muͤßten, um dem Himmel wohl zu gefallen.

Von den Perſonen, welche ſich mit der Religion beſchaͤfftigten wurden die Moͤnche, noch keine wohlthaͤtigen Benedictiner, nicht ſo eingeſchraͤnkt, wie es geſchehen muß, wenn man die Anhaͤufung des Vermoͤgens in der toden Hand hindern will. Das Kloſter be - erbte ſie, und zum Beſten des Kloſters erb - ten ſie noch immer fort: oft mußte man zur Strafe ins Kloſter gehen, und ein entlaufe - ner Moͤnch ward das zweytemahl zum Recru - ten genommen. Die Biſchoͤfe mußten aus den Geiſtlichen oder Moͤnchen gewaͤhlt wer - den, 35 Jahre alt und keine curiales ſeyn, auch keine Frau noch Kinder mehr haben. Die Wahl hing von der Gemeinde ab, we - nigſtens wurden die Vornehmſten noch zuge - zogen, aber Simonie war ſtreng verboten. Der Biſchof war von der vaͤterlichen Gewalt frey, er ſtand, ohne beſondre Ordre vom Hofe, nicht unter dem Gouverneur, vorihm185Periode 4. Syſtem.ihm mußten ſeine Geiſtlichen und Moͤnche, und durften auch andre Perſonen belangt werden (episcopalis audientia). Aber er durfte nur uͤber ſein voriges Vermoͤgen te - ſtiren, das Uebrige gehoͤrte der Kirche, er durfte nie uͤber ein Jahr abweſend ſeyn, oh - ne Urlaub vom Patriarchen nicht nach Hof kommen, ſeine jaͤhrliche Synode nicht unter - laſſen, kein Frauenzimmer bey ſich haben, keine Vormundſchaft uͤbernehmen, keinem Candidaten, der ihm vom Patron praͤſentirt ward, ohne Urſache die Ordination verwei - gern, ohne Unterſuchung niemand excommu - niciren u. ſ. w. Die Rechte und Pflichten der uͤbrigen Geiſtlichen ſind im Kleinen dieſen aͤhnlich. Sie duͤrfen nach der Ordination nicht mehr heyrathen.

Die der Religion gewidmeten Sachen, wohin auch das Vermoͤgen der Spithaͤler u. ſ. w. gehoͤrte, konnten nur in ſeltenen Faͤl - len, wegen Schulden und zu Werken der Barmherzigkeit, nur auf beſtimmte Art und nicht an beſtimmte Perſonen veraͤußert wer - den.

§. 158.

4. Das Militair hatte ſinken muͤſſen, denn die Zahl und das Anſehen der Moͤnche war geſtiegen, verlaufene Moͤnche wurden zum Dienſte gezwungen und dochM 5droht186Theil I. bis Juſtinian.droht Juſtinian zuweilen mit dem Abſchie - de. Die beſten Truppen waren die per - ſoͤnlich an einen Paſcha z. B. an Beli - ſar und nicht an den Kaiſer oder den Staat attachirten. Zu dem Militair kann man auch die vielen Arſenaͤle unter den ſcholae fabricenſium und dem magiſter offi - ciorum rechnen. Gegen die Erpreſſungen der Generale ſind Geſetze gemacht, von welchen es ungewiß iſt ob ſie dem Uebel ab - halfen, welche aber die Exiſtenz deſſelben ſicher beweiſen.

5. Die Gerichtbarkeit verwalteten nun im - mer die vom Hofe ernannten Perſonen, wel - che aber ihren Gehuͤlfen nicht ganz das uͤber - laſſen durften, was ehemahls der magiſtratus dem Judex uͤberlaſſen hatte. Die ver - ſchiedenen Inſtanzen, wovon der Kaiſer ſelbſt die letzte war, ſind nun voͤllig beſtimmt.

§. 159.

C. CriminalRecht oder Strafgeſetze.

Durch die argwoͤhniſchen und furchtſa - men Deſpoten war das CriminalRecht erſtau - nend hart geworden, und es erſtreckte ſich auf alles, was die Obrigkeit beſtrafen woll - te, ohne Ruͤckſicht ob ein Anklaͤger auftrat oder nicht. Juſtinian hat das Verdienſt hiermil -187Periode 4. Syſtem.mildere Grundſaͤtze befolgt zu haben, wenig - ſtens in Anſehung der ehemahligen Crimi - nalSubalternen (violentiae inhibitores) der Confiscation, und der Strafe des Diebſtahls. Manche ſeiner Novellen ſind wahre Bußpre - digten, ſo z. B. die gegen Blasphemie und Knabenſchaͤnderey. Ueberhaupt wurden die Vergehungen aus Wohlluſt hart beſtraft, der Ehebrecher ward hingerichtet, und die Selbſtrache des Ehemanns ging weiter als vorher. Caſtration ward verboten, aber die Caſtraten am Hofe blieben und mußten blei - ben. Ausſetzung der Kinder und muͤßiges Herumſtreichen ſind nun auch ein Gegenſtand der Strafgewalt.

§. 160.

II. Jus priuatum.

A. PerſonenRecht

1. Die Sclaverey, ſo wenig ſie auch zur chriſtlichen Religion paßte, war noch ziem - lich dieſelbe, wie unter den Antoninen. Man erwarb dieſes Recht auf das Kind der Sclavinn, auf den gefangenen Feind, auf den freyen Menſchen, der ſich um zu betruͤ - gen hatte verkaufen laſſen, aber nicht mehr auf die Liebhaberinn des Sclaven oder auf ein ausgeſetztes und aufgenommenes Kind, obgleich dieſes ſeine Schuld abverdienen muß - te. Man verlohr ſie durch Ausſetzung, zurStra -188Theil I. bis Juſtinian.Strafe daß man eine Bedingung nicht erfuͤll - te, zur Belohnung des Sclaven fuͤr Ver - dienſte, und durch Manumiſſion im Teſta - mente, wo nun die Einſchraͤnkungen wegfie - len, in der Kirche, und unter Particuliers. Alle Freygelaſſene waren ſich gleich, und al - le waren ſo gut wie Freygebohrne, bis auf das Verhaͤltniß zum Patron, welches nur etwas gemildert ward.

§. 161.

2. Die vaͤterliche Gewalt hatte unter den Deſpoten, die noch dazu eine neue Reli - gion befoͤrdern wollten, ſehr abgenommen, obgleich im Sachenrechte die Wirkungen z. B. die vnitas perſonae, die ſubſtitutio pupilla - ris blieben. Das Vermoͤgen des filius fa - milias war iſein Eigenthum, ſobald es nicht vom Vater herkam, und hoͤchſtens hatte die - ſer die Adminiſtration und die Nutznießung. Dem peculium caſtrenſe war nun auch das quaſi caſtrenſe gleich geſetzt. Man er - warb die vaͤterliche Gewalt auf Kinder aus einer rechtmaͤßigen Ehe, aber nicht einmahl auf naturales, ferner durch Arrogation beym Kaiſer, aber nicht immer durch Adoption bey der Obrigkeit, nicht wenn man ein Frau - enzimmer oder nur kein Aſcendente des Adop - tirten war, endlich Legitimation des Kindeseiner189Periode 4. Syſtem.einer Concubine indem man ihre Mutter hey - rathete, die Kinder zu curiales machte, oder indem der Kaiſer die Gnade erwies. Man verlohr ſie nun auch durch hohe Wuͤrden des Sohnes, ſobald dieſe von der Gefahr de - curio zu werden befreyten, durch Emancipa - tion bey dem Kaiſer oder der Obrigkeit, wo - bey nun erſt von Belohnung des Vaters und hoͤchſt wahrſcheinlich auch nun erſt von Ein - willigung des Sohnes die Rede ſeyn konn - te, nicht immer durch geſtattete Adop - tion und noch nie durch bloße Trennung des Haushaltes.

§. 162.

3. Die Ehe ward nach den mißverſtan - denen Religionsbegriffen nicht mehr beguͤn - ſtigt; an die Stelle der lex caducaria trat die Verordnung, daß wer zweymahl heyra - the nicht Biſchof werden koͤnne, und daß wer es thue, wenn er ſchon Kinder habe, auch ohne Ruͤckſicht auf das Trauerjahr, die freye Diſpoſition uͤber ſein eigenes Vermoͤgen zum Theil, und das Eigenthum an dem, was vom verſtorbenen Gatten herruͤhrte, ganz verlieren ſollte. Das Verhaͤltniß beyder Ehe - leute gegen einander war nun beynahe unauf - loͤslich, und doch behielt Juſtinian im Sa - chenrechte die Grundſaͤtze, welche bey der willkuͤhrlichen Scheidung conſequent geweſenwa -190Theil I. bis Juſtinian.waren, er uͤbertrieb die Beguͤnſtigung der dos ganz unvernuͤnftig, und nur in der Suc - ceſſion aͤnderte er ein wenig. Eine Ehe konnten nur freye Menſchen, und ſolche die die Pubertaͤt erreicht hatten, eingehen; die Unfaͤhigkeit zur Zeugung war nur bey einem Caſtraten ein Hinderniß. Einander durften nicht heyrathen der Tutor und ſeine Pupille, der Gonverneur und ſeine Provinzialinn, der[Taufzeuge][und] ſeine Pathe, Buͤrger und Nicht - Buͤrger, Chriſten und Juden, der Ehebrecher und ſeine Mitſchuldige, der Ent - fuͤhrer und die Entfuͤhrte, wohl aber Per - ſonen ungleichen Standes. Die verbotenen Grade waren noch faſt ganz die vorigen. Außer der Einwilligung eine Ehe ſchon jetzt einzugehen, denn Sponſalien geben kein Klagrecht, gehoͤrt zum Weſen der Ehe bey einem illuſtris, wenn er kein Auslaͤnder iſt, auch eine Eheſtiftung; aber die kirchliche Ce - remonie war noch willkuͤhrlich, ſo lange ſo - gar der Concubinat nicht verboten, ſondern von den Geſetzen bey der Succeſſion bemerkt ward. Die Trennung der Ehe erſchwer - te Juſtinian ſehr, ſelbſt mit Einwilligung beyder Theile erlaubte er ſie nur, wenn Ur - ſachen da waren, wegen welcher ohnehin der eine Ehegatte ſich, ohne daß der Andere ein Verbrechen begangen hatte, trennen durfte(bona191Periode 4. Syſtem.(bona gratia) d. h. wenn man ins Kloſter ge - hen wollte, wenn der Mann drey Jahre lang zum Beyſchlafe unfaͤhig geweſen war, wenn man von einem Gatten in der Gefangenſchaft 5 Jahre lang nichts hoͤrte, und wenn er ein Sklave ward. Die Urſachen, welche zu ei - ner Scheidung als Strafe berechtigten, ſuch - te Juſtinian genau zu beſtimmen, ohne im mindeſten zu ahnden, daß ſie ſich vielleicht nach der Natur des Gegenſtandes nicht ge - nau beſtimmen ließen. Zuletzt konnten bey - de wegen MajeſtaͤtsVerbrechen und Lebens - gefaͤhrlicher Nachſtellungen, die Frau auch noch wegen Ehebruchs, verdaͤchtigen Um - gangs mit Mannsperſonen bey Gaſtmaͤhlern und im Bade, wegen naͤchtlicher Abweſen - heit von Hauſe, und wegen der Beſuchung der oͤffentlichen Schauſpiele; der Mann aber wegen Debauchen mit oͤffentlichen Maͤdchen in Gegenwart der Frau, wegen Verkuppe - lung derſelben, weil er ſie eines Ehebruchs vorſaͤtzlich falſch anklagte, und weil er den Umgang mit einer fremden Ehefrau aller Warnungen ungeachtet, fortſetzte, verſtoßen werden. Der Verſtoßene verlor die dos oder die donatio propter nuptias, die Ehebreche - rinn noch weiter aus ihrem uͤbrigen Ver - moͤgen; der Mann, welcher ſeine Frau miß - handelte verlor ebenfalls ein ſolches Drittheil,ob192Theil I. bis Juſtinian.ob dieß gleich keine Urſache zur Scheidung mehr war. Der unſchuldige Ehegatte er - hielt entweder das Eigenthum oder die Nutz - nießung an dieſem Vermoͤgen.

§. 163.

4. Die Tutel war noch nicht viel mehr, als vorher, unter der Aufſicht der Obrigkeit; die Erlaubniß zur Veraͤußerung war bey al - len Immobilien noͤthig, aber jaͤhrliche Rech - nung und allgemeine Beſtaͤtigung kennt das Juſtinianeiſche Recht nicht. Ueber die An - wendung des baaren Geldes machte der Kai - ſer ein wunderliches Geſetz. Die feyerliche Einwilligung des Tutors (auctoritas) und die Tutel wegen des Geſchlechts waren Anti - quitaͤten. Der Anfang der Tutel beruhte noch auf drey Gruͤnden; ein Glaͤubiger oder Schuldner des Pupillen konnte nicht Vor - mund werden; Geiſtliche nie oder ſelten, aber nun ſogar die Mutter oder Großmutter der Pupillen, wenn nur jene nicht wieder heyrathet. Die Tutel endigte ſich mit der Pubertaͤt, und ob man bis ins 25te Jahr oder bis zur venia aetatis einen Curator hat - te, hing noch immer von dem Zufalle ab, daß man ihn ſelbſt oder daß ihn jemand der nicht traute, z. B. der geweſene tutor ſich ausbat.

§. 164.193Periode 4. Syſtem.

§. 164.

B. Sachenrecht

I. Jus in rem.

Von den verſchiedenen Eintheilungen der Sachen waren nun die res ſacrae nicht mehr ſo ganz von den uͤbrigen getrennt, als ehe - mahls. Der Unterſchied zwiſchen res man - cipii und nec mancipii hatte ſich verlieren muͤſſen, ſo wie ſich der Roͤmiſche Staat aus Italien in ehemahlige Provinzen hinzog. Die Stelle dieſes ſo weiſen Unterſchieds ward durch einzele Verordnungen, worin bewegli - che und unbewegliche Guͤter getrennt waren, ſchlecht erſetzt. Eine eigene Art von Guͤtern waren die verkaͤuflichen MilitairChargen (militiae).

§. 165.

1. Das Eigenthum war von einerley Art, und mit dem Unterſchiede zwiſchen do - minium bonitarium und Quiritarium verlo - ren auch die Erwerbungsarten ex jure gen - tium und ex jure ciuili ihre weſentliche Un - aͤhnlichkeit.

Man erwarb das Eigenthum noch im - mer durch occupatio, die nicht durch fiscali - ſche Grundſaͤtze eingeſchraͤnkt war, obgleich kein Jaͤger Juſtinians Entſcheidung uͤber Jagd - ſtreitigkeiten billigen wird, durch Beute noch wie vorher, durch die mancherley Arten vonNacceſ -194Theil I. bis Juſtinian.acceſſio, durch traditio ex cauſa praeceden - te, welche nun immer ſo gut war, als man - cipatio, durch vſucapio und longi temporis poſſeſſio wobey nun 3, 10 oder 20 Jahre, mit Ruͤckſicht auf den Aufenthalt beyder Par - theyen in verſchiedenen Gouvernements, feſt - geſetzt wurden, durch donatio, wobey keine obligatio praecedens iſt, aber ſtatt der man - cipatio erfordert Juſtinian bey wichtigen Schenkungen Inſinuation, durch Arten, die einen Todesfall vorausſetzen, denn SC. Claudianum und die adquiſitio per arroga - tionem fallen weg, durch einen rechtskraͤftigen Ausſpruch des Richters bey Theilungen oder Realklagen, oder auch unmittelbar durch ein Geſetz; eine Art, die Juſtinian mehr liebte, als man ſie ehemahls geliebt hatte. Man erwirbt das Eigenthum durch ſich ſelbſt oder durch die Perſonen, welche man in poteſtate hat, wenn nicht bey dem filiusfamilias das peculium es hindert.

Man verfolgt ſein Eigenthum durch rei vindicatio und publiciana in rem actio. Beyde[werden] noch verſchieden vorgetragen, aber zwiſchen beyden iſt im Proceſſe kein Un - terſchied mehr, und man erlangt durch er - ſtere nichts, was letztere nicht auch verſchaffte.

Man verliert ſein Eigenthum wenn man die Sache veraͤußert oder herrnlos macht. Die195Periode 4. Syſtem.Die Veraͤußerung der unbeweglichen Dotal - guͤter iſt eingeſchraͤnkt, obgleich der Ehe - mann noch Eigenthuͤmer heißt. Die Ver - aͤuſſerung der Pupillenguͤter und der Pfaͤn - der geht auch nach eigenen Regeln.

§. 166.

2. Die Servituten ſind nicht veraͤndert, als daß zu den weſentlich perſoͤnlichen auch eine eigene unter dem Nahmen habitatio kommt. Bey ihrer Erwerbung iſt der ge - ſetzliche vſusfructus aͤußerſt haͤufig; bey ih - rem Verluſte iſt confuſio und non vſus dem Rechte an eine fremde Sache eigen.

3. Das Pfandrecht entſteht aus dem RealContracte (pignus) aus der bloßen Ver - abredung (pactum hypothecae) und wieder ſehr haͤufig durch ausdruͤckliche Verordnun - gen. Juſtinian machte auch einige uͤber die Verpfaͤndung einer militia und der Grund - ſtuͤcke eines Bauern.

§. 167.

II. Jus in perſonam.

Es entſteht durch eine obligatio

1. aus einem Contract.

Die RealContracte, ſowohl die benannten als unbenannten, ſind noch wie vorher. Nur das mutuum erhielt neue Beſtimmungen we -N 2gen196Theil I. bis Juſtinian.gen der Zinſen, nach der Perſon des Capi - taliſten 4, 6, oder 8 ProCent, nach der gegebenen Sache aber und nach der uͤbernom - menen Gefahr zuweilen 12. Selbſt die ein - zeln bezahlten Zinſen duͤrfen das Capital nicht uͤberſteigen, aber ein einzeler Fall ward aus: genommen, weil es da annui reditus ſeyen. Das depoſitum ward vom Privatarreſte frey; beym pignus fiel lex commiſſoria weg. Der contractus innominatus ſuffragii characteri - ſirt den Hof zu Conſtantinopel. Von den VerbalContracten war weder dictio dotis noch jurata promiſſio operarum, aber, nicht voͤl - lig conſequent, die ſtipulatio noch uͤbrig. Bey der Buͤrgſchaft durch Stipulation (ſide - juſſio) machte Juſtinian durch das beneficium excuſſionis zur Regel, was vorher bey dem fidejuſſor indemnitatis nur als etwas beſon - deres Rechtens geweſen war. Das benefi - cium diuiſionis dehnte er auf alle correi aus. Das SC. Vellejanum, welches von jeher nicht blos auf Verbal - Contracte ging, ſchaͤrf - te er beſonders auf den Fall, daß der Ehe - mann den Vortheil von der interceſſio habe, und er dachte wohl nicht daran, daß man ſei - ne weiſe Sorgfalt einſt eludiren wuͤrde. An die Stelle des alten contractus litteralis kam ein neuer, der blos aus den Beſtim - mungen, wie lange exceptio non numerataepecu -197Periode 4. Syſtem.pecuniae Statt finde, entſtand. Die Conſenſual Contracte waren geblieben, nur hatte ſich, nach den Beduͤrfniſſen vorzuͤglich der Kirchen und Kloͤſter, zwiſchen dem Kaufe und der Pacht der contractus emphyteutica - rius ausgebildet, und ſelbſt der KaufCon - tract erforderte nun oft zu ſeinem Weſen ei - nen ſchriftlichen Aufſatz.

§. 168.

2. Aus einem Vergehen.

Auch dieſe Quelle der obligatio blieb un - veraͤndert, obgleich ſchon zu dem Criminal - Rechte dieſer Zeit einfacher Erſatz viel beſſer gepaßt haͤtte, als die PrivatPoͤnalklagen.

3. Ex variis cauſarum figuris.

Die quaſi ex contractu und quaſi ex de - licto blieben, eben ſo die ex pacto praeto - rio, und die aus Urtheilen und Befehlen. Die pollicitatio war nun auch bey der dos verbindlich, die pacta legitima wurden mit dem pactum de donando, und dem pactum de vſuris bey einem argentarius, vermehrt, und die obligationes immediatae ex lege wur - den auch haͤufiger, wie die juriſtiſchen Geſetze ſelbſt es wurden.

Auch ein jus in perſonam konnte man durch ſeinen Sklaven oder filiusfamilias er - werben: aber fuͤr ihre Verbindlichkeiten brauch -N 3te198Theil I. bis Juſtinian.te man, ſo wenig als vorher, immer zu ſte - hen.

Ein jus in perſonam erloͤſcht noch eben ſo wie nach dem Pandectenrechte, entweder ipſo jure oder durch eine exceptio; aber der Unterſchied war wegen des alten Proceſſes wichtig, und der alte Proceß hatte aufge - hoͤrt.

§. 169.

III. Verlaſſenſchaften.

Dieß iſt die einzige Art von ſucceſſio vni - verſalis welche Juſtinian abhandeln laͤßt, und man ſieht es wohl an der Menge Streit - fragen, welche man in dieſer Lehre hat, daß ſie ein Lieblingsgegenſtand ſeiner Geſetzge - bung war.

Die delatio und adquiſitio hereditatis gehen noch nach dem alten Rechte, nur daß keine cretio mehr vorkommt, und daß die bonorum poſſeſſio am Ende der Regierung Juſti - nians wohl ſchwerlich mehr eine, ihrer Form nach verſchiedene, Art Erbe zu werden war. Die transmiſſio der noch nicht acquirirten Erbſchaft iſt etwas erleichtert, aber lange nicht ſo ſehr, als nach der neuen, wirklich weiſen, Verordnung Juſtinians uͤber das beneficium inuentarii, nun ohne Nachtheil haͤtte geſchehen koͤnnen.

In199Periode 4. Syſtem.

In der Inteſtat Erbfolge wird das weib - liche Geſchlecht dem maͤnnlichen, und die Cog - naten werden den Agnaten voͤllig gleichgeſetzt. Die vaͤterliche Gewalt hat wenig Einfluß mehr, und die collatio, welche auch bey Te - ſtamenten Statt finden ſoll, bezieht ſich nicht mehr auf ſie. Alle Deſcendenten conferiren, aber nur dasjenige, was ſie von dem Ver - ſtorbenen erhalten haben. Uebrigens wird wahrſcheinlich nicht darauf geſehen, wo das Vermoͤgen dieſes Letztern herruͤhre. Juſti - nian vermuthet auch noch, daß jedermann ſeine Deſcendenten vor allen andern liebe; die Aſcendenten und vollbuͤrtigen Geſchwiſter ſtellt er zuſammen, und die halbbuͤrtigen Ge - ſchwiſter kommen nur vor den uͤbrigen Sei - tenverwandten. Aber die Frage, ob das Vorwegſterben ſchaden ſoll oder nicht, ob auf die Naͤhe des Grades der noch Lebenden, oder auf die Naͤhe derer, von welchen ſie abſtammen, zu ſehen ſey, hat Juſtinian gar nicht gleichfoͤrmig beantwortet. Bey Deſcen - denten bewirkt das Vorwegſterben gar nichts; bey Aſcendenten bewirkt ein entfernterer Grad Ausſchließung durch einen Naͤhern, aber nicht Ungleichheit der Theile nach der ungleichen Zahl der Großaͤltern; bey Bruͤdern macht das Vorwegſterben nicht, daß ihre Kinder ausgeſchloſſen werden, aber wohl ihre Enkel,N 4und200Theil I. bis Juſtinian.und ihre Kinder allein ſuccediren nach ihrer Anzahl, und nicht nach ihrer Abſtammung. Bey den uͤbrigen Seitenverwandten iſt gar kein Repraͤſentations Recht mehr. Der Ein - fluß der[L]egitimation iſt bey einer Art nicht wie bey der andern; uneheliche Geburt ſcha - det, der Regel nach, nur in Anſehung des Va - ters, und die Adoption verliert zuweilen durch Emancipation ihre Kraft. Das Erb - recht der Ehegatten iſt lange nicht ſo geaͤn - dert, als es die Unaufloͤslichkeit dieſer Ver - bindung zu verlangen ſcheint. Ein Frey - gelaſſener hat nach ſeinen Kindern nur den Patron zum Inteſtaterben.

§. 170.

Die letzten Willen werden, vielleicht aus Religionsabſichten, immer mehr beguͤnſtigt. Der Patron ſchraͤnkt dieſe Freyheit nur in Anſehung eines Drittheils, und nur bey ei - nem betraͤchtlichen Vermoͤgen, ein. Nahe Verwandte haben zwar[eine] groͤßere legitima, als vorher, bey welcher Verordnung nicht bedacht worden iſt daß 1 / 10 mehr ſey als 1 / 12; die Urſachen der Enterbung ſind genau, nach der Natur des Gegenſtandes, wo es auf Schaͤtzung der Moralitaͤt ankommt, wohl zu genau beſtimmt, und muͤſſen ausdruͤck - lich im Teſtamente benannt ſeyn; aber ſehrhaͤu -201Periode 4. Syſtem.haͤufig kann nur auf Ergaͤnzung des Pflicht - theils geklagt werden, und das ganze Te - ſtament ſoll deswegen, was die Legate be - trifft, ſeltener oder vielleicht nie ſeine Kraft verlieren. Die legitima viuentis, welche bey der inofficioſa donatio oder dos vorkommt, iſt wohl kein Vorzug des ſpaͤthern Rechts vor dem zur Zeit der Claſſiker. In An - ſehung der einzelen Verordnungen eines letz - ten Willens ſchien der Unterſchied zwiſchen Legaten und Fidei Commiſſen, und zwiſchen den Legaten nach den gebrauchten Ausdruͤk - ken und der Natur der vermachten Sache, ei - ne unnoͤthige Spitzfindigkeit. Juſtinian ſchaffte beydes ab, und in der Verordnung, worin er bey jedem Legate ſo freygebig mit dem ſtillſchweigenden Unterpfande iſt, und die Eigenthumsklage verſtattet, liegt die Ein - ſchraͤnkung nicht, womit man ſie verſteht, um ſie nicht hoͤchſt unvernuͤnftig zu finden. Den Abzug der quarta Falcidia kann der Erb - laſſer verbieten, eine Neuerung, die wegen der geringen Gefahr bey Antretung einer Erbſchaft, nicht inconſequent iſt.

§. 171.

C. Proceß.

Die vocatio in jus geſchah nun nie mehr ohne beſondern Befehl der Obrigkeit, alſowas202Theil I. bis Juſtinian.was vorher Ausnahme geweſen war, ward nun Regel. Der magiſtratus iſt nun auch Judex, denn der Judex pedaneus, welcher noch unter und nach Juſtinian vorkommt, iſt ein wahres Untergericht, von welchem an den, welcher ihn gegeben hat, appellirt wird, und deſſen Ernennung ganz von dieſem ab - haͤngt. Es fallen nun alſo eine Menge ge - nauer Beſtimmungen des Pandecten Rechts weg; jede vindicatio und ſelbſt jedes Inter - dict iſt nun eine actio, wie eine perſoͤnliche Klage, und wird im Weſentlichen eben ſo behandelt. Das Juſtinianeiſche Recht kennt noch keine Patrimonialgerichte, aber obgleich die relationes verboten wurden, und wohl nur dann erlaubt blieben, wenn man die Sa - che auf Ungewißheit in den Geſetzen reducir - te, ſo ſind dagegen die Hofcommiſſionen in Juſtizſachen deſto haͤufiger, und es wird ge - nau beſtimmt, wie von dieſen appellirt wer - den ſoll. Die Friſt von 10 Tagen zur Ap - pellation wird nun eingefuͤhrt. Sonſt unter - ſcheidet ſich der Proceß in dieſem Zeitraume durch die ungeheure Menge von Eiden, die jede Parthey und jeder Zeuge ſchwoͤren muß. Zum Zeugenbeweiſe ſind nicht immer zwey Perſonen genug, und bey Urkunden kommen nun Notarien vor. Des Schreibens iſt bey Proceſſen mehr als ſonſt, aber der muͤndli -che203Periode 4. Studium.che Vortrag bleibt doch daneben. Die togati oder ſcholaſtici ſind mehr unſern Advocaten als den ehemahligen Rednern aͤhnlich; die Procuratoren werden in vielen Faͤllen ſogar erfordert.

Studium des Rechts.

§. 172.

In dieſer Periode des Verfalls der Juris - prudenz ſind die drey juriſtiſchen Univer - ſitaͤten zu Rom, Conſtantinopel und Beryt merkwuͤrdig, denn aͤhnliche Anſtalten, von Hadrian an, waren vielleicht noch nicht ſo aus - gebildet. Daß Beryt bald nach Alexander Sever empor kommt, koͤnnte auf die Ver - muthung leiten, daß dieſer Kaiſer der Stif - ter von etwas ſey, was ſein Vaterland Sy - rien auszeichnet; aber ſchon vor ihm waren ja Papinian und Ulpian eben daher, und es ſcheinen alſo unbekannte kleine Umſtaͤnde zuſammengewirkt zu haben, um gerade dieſe Provinz zum Sitze der Jurisprudenz zu ma - chen.

Junge Juriſten fingen mit der Advoca - tur an, und gelangten noch immer, und faſt noch ausſchließender als vorher, zu Gouver -ne -204Theil I. bis Juſtinian.nements. Aber dieſe Aufmunterung konnte nicht laͤnger der einreiſſenden allgemeinen Varbarey widerſtehen, da jetzt Gelehrſam - keit zum roͤmiſchen Rechte weit noͤthiger war, als da man noch manches alle Tage ſah, was man jetzt nur aus Buͤchern lernen konn - te, und meiſt gar nicht lernte. Eine Men - ge Schriftſteller, mehr als ein Kaiſer, und ſelbſt Juſtinian bemerkt den elenden Zuſtand des ganzen Studiums. In ſeiner Conſtitu - tio de ratione & methodo jus docendi ad An - teceſſores beruft er ſich auf ihr eigenes Zeug - niß, ob man von ſo vielen juriſtiſchen Schrif - ten, die doch bisher lauter leges geweſen ſeyen, mehr als ſechs Buͤcher deutlich erklaͤrt habe, ob es nicht Sitte ſey, ſelbſt in dieſen vieles zu uͤberſchlagen, und ob von den uͤbri - gen Schriften ein Menſch etwas leſe, wenn nicht etwa gerade die Praxis darauf fuͤhre, oder wenn nicht ein Profeſſor Luſt habe, doch ein wenig mehr zu wiſſen, als ſeine Schuͤler a)?

a)§. 1. Et antea quidem, quemadmodum & Veſtra ſeit prudentia ex tanta legum mul - titudine, quae in librorum quidem duo mil - lia extendebatur, nihil aliud niſi ſex tantummodo libros & ipſos confuſos & jura vtilia in ſe perraro habentes a voce ma - giſtra ſtudioſi accipiebant, caeteris jam de - ſuetis jam omnibus inuis & tunc - tantummodo ex aliqua minima parte reci -tan -205Periode 4. Studium.tandis, quoties vel judiciorum vſus hoc fieri coegerit, vel ipſi magiſtri legum ali - quid ex his perlegere feſtinabatis, vt ſit vo - bis aliquid amplius discipulorum peritia.
a)

§. 173.

Dieſem klaͤglichen Zuſtande des juriſti - ſchen Studiums glaubte Juſtinian mit ei - nem mahle abzuhelfen, wie er ſo vielem durch eine einzige Verordnung abzuhelfen glaubte, nicht wenn er die alte Litteratur befoͤrderte, ſondern indem er ſie durch ſein Corpus juris entbehrlich machte, und den juriſtiſchen Cur - ſus von 5 Jahren darnach einrichtete. Im erſten Jahre ſollten die Studierenden uͤber ſeine Inſtitutionen (natuͤrlich uͤber den Text, denn das Compendienſchreiben war ja, aus Liebe zur Einigkeit im Glauben, unterſagt) und uͤber die 4 erſten Buͤcher ſeiner Excerp - tenſammlung (Prota) hoͤren, vor allen Din - gen aber ſollten ſie nicht Dupondii ſondern Juſtinianiſtae heißen. Im zweyten Jahre hoͤrten ſie, als Edictales, entweder das 5 te bis 11te Buch (de judiciis), oder das 12te bis 19te (de rebus), wie es die Reihe, die ſchon vorher eingefuͤhrt war, mit ſich bringe, und außerdem immer auch das 23te, 26te, 28te und 30te Buch (1 von den 3 de dotibus, 1 von den 2 de tutelis, 1 von den 2 de teſta - mentis, 1 von den 7 de legatis). Im drit -ten206Theil I. bis Juſtinian.ten Jahre kam nun das Penſum, welches im zweyten nicht geleſen worden war, und zu - dem das 20te, 21te und 22te Buch (de hy - pothecaria actione, de aedilitio edicto und de fructibus). Darin ſtuͤnde viel von Pa - pinian, ſie koͤnnten alſo immer hin ſich Pa - pinianiſten nennen, und das hergebrachte Feſt feyern, wenn gleich das Beſte aus dem ganzen Papinian in alle Buͤcher zerſtreut ſey. Im vierten Jahre hießen ſie lytae und hoͤrten nicht mehr uͤber den Paulus, ſon - dern uͤber die 10 Buͤcher, welche im zwey - ten Jahre[zuruͤckgeblieben] waren. Damit kamen ſie nun bis an das 37te Buch, das Uebrige, (die ganze Lehre von der bonorum poſſeſſio, von der Verjaͤhrung, das ganze Criminalrecht u. ſ. w.) koͤnnten ſie fuͤr ſich ſtudieren, wenn ſie nur im fuͤnften Jahre als Prolytae noch uͤber den Codex Conſti - tutionum hoͤrten, ſo koͤnne es nicht fehlen, ſie muͤßten juuenes perfecti & noſtro tempore non indigni werden. Und wirklich leidet das letztere keinen Zweifel.

Uebrigens ward Beryt durch ein Erdbe - ben zerſtoͤrt, hingegen ſorgte Juſtinian von neuem fuͤr die Juriſtenfacultaͤt in Rom.

§. 174.207Periode 4. Studium.

§. 174.

Die merkwuͤrdigern Rechtsgelehrten zwi - ſchen Alexander und Juſtinian ſind die bey - den Sammler von conſtitutiones, aber nicht einmahl ihr Nahme iſt außer Streit, ob ſie ſelbſt Gregorius oder Gregorianus, Hermo - genes oder Hermogenianus geheißen haben, und ihre Anhaͤnglichkeit an die alte Landesre - ligion iſt gar mit nichts bewieſen. Letzterer hatte auch in ſeinem Epitome den Compila - toren der Pandecten vorgearbeitet. Julius Aquila, von welchen wir einige Zeilen haben, gehoͤrt vielleicht auch in dieſe Periode, und mit mehr Gewißheit Aurelius Arcadius Cha - riſius, der Letzte welcher excerpirt ward Wich - tiger ſind zwey Werke ungenannter Verfaſſer, nicht wegen des Aufwands an Genie und Fleiß, den ſie gekoſtet haben moͤgen, als vielmehr deswegen, weil ſie uns unveraͤnderte Fragmente gerettet haben, von Werken, die leider nicht ganz gerettet worden ſind. Die collatio legum Moſaicarum & Romanarum iſt nichts weniger, als eine philoſophiſche Vergleichung des Geiſtes der Geſetze beyder Voͤlker, unter eine Stelle aus Moſes ſind blos Stellen aͤhnlichen Inhalts aus Claſſikern abgeſchrieben. Von Licinius Rufinus iſt die - ſe Compilation nicht, denn ſie enthaͤlt Ver - ordnungen chriſtlicher Kaiſer. Die erſte Aus -gabe208Theil I. bis Juſtinian.gabe hat Pithou beſorgt, und Schulting hat ſie, ſowohl als ein von Cujas bekannt gemachtes Stuͤck: Conſultatio veteris ICti de pactis, eigentlich eine kleine Sammlung mehrerer Gutachten, wie billig aufgenom - men.

§. 175.

Unter den Zeitgenoſſen Juſtinians ver - dienten hier alle diejenigen, welche am Cor - pus juris arbeiteten, genannt zu werden. Am meiſten zeichnet ſich aber noch außerdem Theo - philus aus, deſſen griechiſche Ueberſetzung der Inſtitutionen ſo frey iſt, und bey man - chen ſchaͤtzbaren Nachrichten doch auch ſo vie - le Fehler enthaͤlt, daß es lange zweifelhaft ſchien, ob dieß eben der Theophilus ſeyn koͤnne, der einer der Verfaſſer des lateini - ſchen Textes geweſen war. Die beſte Ausga - be hat man von Reiz. Von der Ueberſet - zung der Pandecten ſind nur Bruchſtuͤcke auf uns gekommen. Die Fragmente von Thalelaͤus und Stephanus hat Ruhn - ken edirt.

Des Verbots von Juſtinian ungeach - tet, konnte man ſich nicht mit dem bloßen Ueberſetzen und Citiren begnuͤgen; manche ſeiner Aenderungen mußte ſich erſt noch aus - bilden, und dazu waren Schriftſteller noͤthig, etwa wie Theodorus Hermopolites, undman -209Periode 4. Studium.mancher der noch in den Bibliotheken begra - ben liegt, oder wie Philoxenus, deſſen Gloſ - ſae Nomicae ein juriſtiſches Woͤrterbuch ſeyn ſollten. Die Epitome Nouellarum von Julia - nus Anteceſſor, welche lange Zeit die Stelle des Texts vertrat, iſt wohl erſt nach Juſti - nians Tode gemacht, aber was hindert uns als Anhang hier gleich die Schickſahle des Roͤmiſchen Rechts bis zum Umſturze des griechiſchen Kaiſerthums mitzunehmen, die uns doch nicht weiter, als wegen einiger Schrif - ten wichtig ſind? Hierher gehoͤrt nicht blos der Brachylogus legum, den Senkenberg drucken ließ, ſondern ſelbſt die Baſiliken, das neue Corpus juris, welches etwa 300 Jah - re nach Juſtinians Tode von Baſilius Mace - do angefangen, von ſeinem Sohne Leo So - phus zu Stande gebracht, und von Conſtan - tinus Porphyrogeneta revidirt ward. Aus den Inſtitutionen, Pandecten, dem Codex, und den vielen Novellen machte man ein ein - ziges Werk von 60 Buͤchern oder 6 Theilen, das zur Ergaͤnzung manches Titels, und noch mehr zur Bezaͤhmung der Emendatoren ge - dient hat, das aber auch wieder mißbraucht worden iſt, wenn man vergaß, daß die Ue - berſetzung gar nicht woͤrtlich ſeyn ſollte. Die Baſiliken ſind nach und nach gedruckt wor - den, die große Ausgabe von Fabrot ent -Ohaͤlt210Theil I. bis Juſtinian.haͤlt nur 41 Buͤcher vollſtaͤndig, dieſe hat Meermann noch mit 4 andern ergaͤnzt; aber von 15 ſind blos Auszuͤge uͤbrig. Die Novellen eben dieſes Kaiſers Leo ſtehen in vielen Ausgaben des Juſtinianeiſchen Cor - pus juris, und wenn es Rechtsgelehrte gibt, die dieß tadeln, ſo gibt es dagegen andere, welche behaupten, daß ſie in den Gerichten zum Theil angewendet wuͤrden. Auch von Leo iſt ἐκλογη των νομων, die nicht mit ſei - nes Vaters Procheiron verwechſelt werden duͤrfen. Den Baſiliken fehlt es nicht an Scholien, zumahl da fruͤhere Anmerkungen uͤber Juſtinians Compilationen dazu abge - ſchrieben ſind, aber den Scholiaſten fehlt es, ſo wie den Gloſſatoren, gar ſehr an den noͤ - thigen Kenntniſſen. Aehnliche Werke ſind die Gloſſae Baſilicorum und die Synopſis oder Ecloga Baſilicorum. In den letzten Zeiten des Griechiſchen Reichs kann man noch un - ter die Juriſten rechnen: Photius, den Ver - faſſer eines Nomocanon, woruͤber Balſa - mon eommentirte, Pſellus und Attaliata, die in Verſen ſchrieben, und Conſtantinus Harmenopulus aus dem 14ten Jahrhundert.

Zwey -211

Zweyter Theil. Geſchichte des Rechts im heutigen Europa.

§. 176.

Hier iſt die Geſchichte des Studiums ei - gentlich allein unſer Gegenſtand, und von den Quellen oder dem Syſteme, der nun erſt ſich bildenden nicht-Roͤmiſchen Rechte, ſoll nur ſo viel hier vorkommen, als fuͤr jene Abſicht unentbehrlich iſt. Alſo ſelbſt die Nachrichten von den aͤltern deutſchen Ge - ſetzbuͤchern, den Capitularien u. ſ. w. koͤnnen andern Theilen der Geſchichte uͤberlaſſen wer - den, weil ſie auf den heutigen Zuſtand der Jurisprudenz keinen directen Einfluß haben.

Bach verlaͤßt uns hier voͤllig, und Net - telbladt (Initia hiſtoriae litterariae juridicae uniuerſalis) kann ihn allein ſchon deswegen noch nicht erſetzen, weil es hier erſt darauf ankam, die Faͤcher zu machen, welche in Zukunft die pragmatiſchen Bemerkungen, welche ſich zum Theil aus Schmidts Ge -O 2ſchich -212Theil II. ſeit Juſtinian,ſchichte der Deutſchen, oder Spittlers Kir - chengeſchichte nehmen laſſen, enthalten ſollen.

§. 177.

Man koͤnnte folgende Perioden machen:

I. Geſchichte des Nichtroͤmiſchen Rechts bis zum Anfang des zwoͤlften Jahrhunderts d. h. bis zur Entſtehung der Univerſitaͤten, nm die Materialien zu kennen, welche man zu bearbeiten anfing, als das Roͤmiſche Recht wieder auflebte.

II. Geſchichte der Rechtsgelehrſamkeit bis ins 16te Jahrhundert, d. h. bis zur Wiederherſtellung der alten Litteratur. Wenn man Nahmen haben will: Zeitalter der Scholaſtiker und Gloſſatoren, von Irnerius und Gratian, bis Luther und Cujas.

III. Geſchichte der Rechtsgelehrſamkeit von der Reformation an bis auf unſre Zeiten.

Aber die letzte kuͤrzeſte Periode iſt, nach unſerer Abſicht, bey weitem die wichtigſte.

§. 178.

Das Roͤmiſche Recht erhielt ſich, wie wir geſehen haben, auch unter der Herrſchaft der Deutſchen, aber das Juſtinianeiſche Recht konnte ſich nicht erhalten, es haͤtte erſt muͤſ - ſen eingefuͤhrt werden, und dieß geſchah nur in Italien. Die Eroberungen der Longobar -den213bis auf unſere Zeiten.den verdraͤngten es hier nicht mehr, als die Eroberungen der Gothen das Theodoſia - niſche verdraͤngt hatten. Aber durch die bis ins 11te Jahrhundert immer ſteigende Bar - barey mußte ein ſo ausgebildetes, ſo viele Gelehrſamkeit erforderndes Recht faſt ganz unbrauchbar machen. Hingegen das Cano - niſche und Lehen Recht war gegenwaͤrtiges Beduͤrfniß.

Die chriſtliche Kirche, eine zum Bekennt - niß und zur Ausbreitung gewiſſer Lehrſaͤtze geſchloſſene, vom Staate gedruͤckte Geſell - ſchaft, war ein ſo ganz neues Phaͤnomen, daß ſehr bald eine Menge neuer Grundſaͤtze und Vorſchriften nothwendig werden mußte. Die Lehrſaͤtze ſelbſt, die Art ſie vorzutragen, die Perſonen, welche dazu beſtimmt wurden, die Annahme neuer Mitglieder, die Beſtra - fung der Gefallenen, die Ausſchließung der Unwuͤrdigen, alles dieſes waren Gegenſtaͤn - de, die ſchon deswegen weſentlichen Einfluß auf das Gluͤck ſo vieler Menſchen hatten, weil ſo viele dieſen Einfluß glaubten, und doch waren weder daruͤber, noch uͤber die Ehe - ſachen, welche ſehr bald, zum Theil natuͤr - lich zum Theil zufaͤllig, hieher gezogen wur - den, genug Beſtimmungen vorhanden. Auß - er der Bibel hielt man ſich an das, was die Lehrer der Gemeinden einer Provinz oder desO 3gan -214Theil II. ſeit Juſtinianganzen Reichs in ihren Verſammlungen (Sy - noden, Concilien) beſchloſſen hatten (Cano - nes); oder an die Belehrungen einzeler ehr - wuͤrdigen Biſchoͤfe, welche in ihren Decreta - len, ſo wie die Auguſte in ihren conſtitutio - nes anfangs ſelten etwas neues vorſchrieben, und noch ſeltener etwas neues vorſchreiben wollten. Solche Vorſchriften ſammelte man, um ſie allgemeiner brauchbar zu machen: ent - weder ſchrieb man einen bloßen Codex Ca - nonum, wie Dionys der Kleine, ein Zeit - genoſſe Juſtinians, oder man ſtellte in ei - nem Nomocanon auch die Geſetze des Re - genten daneben.

§. 179.

Je mehr die Geſellſchaft ſich bildete, de - ſto mehr entſtanden neue Fragen, deren Entſcheidungen das Canoniſche Recht aus - machen. Die Subordination der Biſchoͤfe unter die Erzbiſchoͤfe, der Erzbiſchoͤfe unter die Patriarchen, ward immer merklicher, und nach manchem Wechſel gluͤcklicher und un - gluͤcklicher Begebenheiten, erhob ſich der Pa - triarch von Rom zum Pabſte, zum Herrn der Kirche, und zum unabhaͤngigen Regen - ten. Wirkungen der Hierarchie waren Ap - pellationen und Abſetzungen, die Lehre von Legaten und dem Pallium. Als Benedict von Nurſia, auch ein Zeitgenoſſe Juſti -nians215bis auf unſere Zeiten.nians, das Moͤnchsweſen nach dem Occident verpflanzte, und zu einem der wohlthaͤtigſten Inſtitute umſchuf, fingen nach und nach die verſchiedenen Reformationen an, welche aus den erlangten Reichthuͤmern und dem einge - riſſenen Verfall der Kloſterzucht entſpran - gen, und wieder neue Reichthuͤmer und neuen Verfall nach ſich zogen: daher Exemptionen und Privilegien. Auch der Biſchof ſollte mit ſeinen Clerus ſo ordentlich, wie ein Abt mit ſeinen Moͤnchen, leben, Chrodegang von Metz gab das erſte Beyſpiel, das im Fraͤnkiſchen Reiche allgemein befolgt ward, aber bald fanden dieſe Canonici es beque - mer, ſich nicht wechſelſeitig zu geniren, und die Einkuͤnfte nur unter die aͤlteſten zu ver - theilen. Die Praͤbenden, ihre Verleihung und Reſignation, die Wahl der Biſchoͤfe waren ſo wie die Kirchenguͤter, beſonders die Zehnden, die Grenzen der Dioͤceſen und Parochien, das Patronatrecht u. ſ. w. Ge - genſtaͤnde genug, die erſt nach und nach ihre Regeln bekamen. Unter dieſen Regeln iſt die untergeſchobene Sammlung von Iſidor beſonders deswegen wichtig, weil ſie dazu beytrug, eine Quelle von Regeln, die Be - lehrungen der Paͤbſte, ſo viel ergiebiger und unverletzlicher zu machen. In der Maynzer Dioͤceſe fuͤhlte jemand ein Beduͤrfniß, mehr unter dem Pabſte, als unter dem Erzbiſcho -O 4fe216Theil II. ſeit Juſtinian,fe zu ſtehen, weil jener entfernt, und dieſer nahe war. Deswegen gab er ſich die Muͤhe, im Nahmen der aͤlteſten Biſchoͤfe von Rom Decretalen zu ſchreiben, und darin dieſe Saͤt - ze vorzutragen. Der Betrug war handgreif - lich, aber man ſollte ſich nicht wundern wie das Publicum ſo lange ſich taͤuſchen ließ: gibt es doch noch jetzt Gelehrte, die es frey - lich den Centuriatoren nachſagen, das ganze Werk ſey untergeſchoben, die es aber nicht ins 9te Jahrhundert ſetzen laſſen wollen, weil ja der Betruͤger in der Vorrede ganz deut - lich ſelbſt ſagt, es ſey ſchon im achten be - kannt geweſen!

§. 180.

Die Lehen waren eine Einrichtung im Mili - tair, die ſich nach und nach, bey den Eroberungen Roͤmiſcher Provinzen, zum Landeigenthum bil - dete, bey dem Verfalle des Heerbanns um ſo noͤ - thiger ward, und wo Erblichkeit nach und nach, und nicht durch eine einzele Verordnung Con - rads II., aufkam. Sie vermehrten ſich ins Un - endliche wegen der Afterlehen, und wegen der durch Aberglauben veranlaßten, oder durch das Beduͤrfniß nach einem maͤchtigen Beſchuͤtzer nothwendig gemachten Anerkennung eines Le - heusherrn uͤber Guͤter, die man ſchon beſaß. Ob das Lehnsſyſtem und die damit zuſammenhaͤn - genden Privatkriege ein ſo großes Ungluͤck wa -ren,217bis auf unſere Zeiten.ren, als wir glauben, oder ein ſo großes Gluͤck, als die damahligen Ritter glaubten, gehoͤrt nicht hierher, wo es nur darauf an - kommt, die vielen Fragen zu bemerken, aus deren hergebrachter Entſcheidung das Lehen - recht ſich bildete. Sie betrafen die Perſon eines tuͤchtigen Lehnfolgers, die Ausſchließung oder Zulaſſung der Toͤchter und Geiſtlichen, die Verwaltung des Lehens waͤhrend der Un - muͤndigkeit, die Belehnungen, damit der Herr ſeine Recruten oder der neue Herr ſeine Sol - daten kennen lernte, die Diſpoſition uͤber das Lehen, den Verluſt deſſelben wegen Felonie, die Pflicht zu dienen und das Mannengericht, weil immer auch die Anſtalt, um Streitigkei - ten auszumachen, eine Quelle von neuen wird.

§. 181.

Ueber das Lehnrecht ſchrieb man ſpaͤter, als uͤber das Canoniſche, weil jenes nicht ſo eigenthuͤmlich die Sache derer war, die al - lein leſen und ſchreiben konnten. Aber ehe eines von beyden, und ehe auch wieder das Roͤmiſche Recht, muͤndlich vorgetragen wer - den konnte, mußten Univerſitaͤten entſtehen, denn die bloßen Dom - und Kloſterſchulen wa - ren dazu nicht geſchickt. Das neue Inſtitut bildete ſich, wie die wichtigſten Inſtitute ſich bilden; aus kleinen unmerklichen Anfaͤngen,O 5wel -218Theil II. ſeit Juſtinian,welchen endlich der Geiſt des Zeitalters auf - half, welchen beſonders der Conſociations - geiſt ihre Form und Haltbarkeit gab. Als zu Anfange des zwoͤlften Jahrhunderts die weſtlichen Europaͤer ihren Verſtand zu Spe - culationen zu gebrauchen lernten, war eine Sucht zu diſputiren und zu ſubtiliſiren bey ihnen characteriſtiſch, weil dieſes uͤberhaupt eine nur der unterſten Stufen von Geiſtesbil - dung iſt. Sollte davon die Rechtsgelehrſam - keit ausgeſchloſſen bleiben, ſie die recht eigent - lich aus entgegengeſetzten Intereſſen und Mey - nungen entſteht? Aber wenn man uͤber Rechts - fragen ſpeculiren und ſtreiten wollte, ſo muß - te man erſt eine Entſcheidungsquelle haben, die den Gelehrten leichter bekannt, und an ſich mehr ausgebildet waͤre, als das bloße GewohnheitsRecht das nur die Schoͤffen wußten, und die Schoͤffen doch nicht docirten. Aeußerſt natuͤrlich fiel man alſo, zumahl da die Univerſitaͤt, welche neben der Pariſer ſich am meiſten hob, die zu Bologna in Ita - lien war, darauf, das alte, in Italien ent - ſtandene, in Italien ſo wenig und noch weni - ger als in andern Laͤndern je ganz vertilgte und unbekannte, ſondern von den Geiſtlichen von Zeit zu Zeit fuͤr ſich benutzte, Roͤmiſche Recht vorzutragen. Niemand dachte wohl daran, daß dieß mehr ein neues Recht ſey,als219bis auf unſere Zeiten.als man in der ſcholaſtiſchen Theologie eine Neuerung ſah; man war uͤberzeugt, es ge - ſchehe jetzt was von jeher haͤtte geſchehen ſol - len, und was ohne die allgemeine Unwiſſen - heit ſchon laͤngſt geſchehen ſeyn wuͤrde. Fuͤr die einzige Norm hielt niemand das Roͤmi - ſche Recht, aber in dem, was die Kirchen - ſchluͤſſe und die Gewohnheiten nicht deutlich anders entſchieden, in dem, wovon das Roͤ - miſche Recht doch offenbar die Quelle ſey wie z. B. von den Teſtamenten, in dem was das Roͤmiſche Recht gerade ſo beſtimme, wie ein ſcharfſinniger und unpartheyiſcher Dritte es von ſelbſt beſtimmt haͤtte, warum ſollte man es darin nicht als Regel gelten laſſen? Hatten es denn nicht die Roͤmiſchen Kaiſer gemacht, waren dieſe nicht die Oberherrn von Italien geweſen, und erkannte Italien nicht noch jetzt einen Roͤmiſchen Kaiſer?

§. 182.

Wenn dieſe natuͤrliche Zuſammenſtellung mehrerer Umſtaͤnde die Geſchichte vom Wie - deraufleben des Roͤmiſchen Rechts iſt, ſo kann man errathen, daß der groſſe Haufe ſic uͤberſehen, und dagegen eine ſchneidendere und Revolutionenartigere geſucht und gefun - den haben wird. So trug man ſich lange mit der Nachricht, unter Lothar 2. ſeyenzu220Theil II. ſeit Juſtinian,zu Amalphi die Pandecten, wohl gar das Original Juſtinians, entdeckt worden, und gleich habe der Kaiſer befohlen, uͤber ſie zu leſen und kein anderes Recht mehr zu gebrau - chen. Auch als dieſes Maͤhrchen unter an - dern von Calixt in ſeiner theologiſchen Mo - ral widerlegt war, vergaß man lange den ehrlichen Pepo, der in Bologna das Roͤ - miſche Recht erklaͤrte, noch ehe Irnerius aufhoͤrte, die artes uͤberhaupt zu lehren. Die Reiſe dieſes Letztern nach Conſtantinopel, der Streit uͤber das Wort as, die Aufmunte - rung von Seiten der Markgraͤfinn Mathil - de, alles dieſes ſind hoͤchſtens kleine Ancc - doten, durch die allein das Studium des Roͤ - miſchen Rechts nicht entſtanden, und ohne die es doch entſtanden waͤre. Die Fragmen - te eines unſtreitig unaͤchten Calendarium archigymnaſii Bononienſis beweiſen gar nichts, weder hier noch in der Geſchichte des Ca - noniſchen und Lehenrechts, und wir Deutſche waͤren doch faſt zu gutmuͤthig, wenn wir uns laͤnger auf eine Urkunde beriefen, die in Deutſchland ſo vortrefflich widerlegt, und von den neuſten Geſchichtſchreibern der Uni - verſitaͤt und der StadtBologna keiner Widerle - gung wuͤrdig gehalten worden iſt.

§. 184.221bis auf unſere Zeiten.

§. 183.

Die ſcholaſtiſchen Civiliſten, die ſogenann - ten Gloſſatoren, haben daſſelbe Schickſahl gehabt, wie die ſcholaſtiſchen Philoſophen nnd Theologen; ſie ſind oft von Leuten am meiſten verachtet worden, die nichts von ih - nen geleſen hatten, und um gar weniges beſ - ſer waren, als ſie. Jetzt iſt man darin ei - nig, daß es ihnen nicht an Scharfſinn und nicht an Fleiß fehlte, ſondern nur an Kennt - niß der uͤbrigen alten Litteratur und an Ge - ſchmack, ein nur, deſſen Wichtigkeit nicht uͤberall fuͤr gleich groß gehalten wird. In ihrem Corpus juris waren keine Griechiſche Novellen, ſondern eine lateiniſche elende, aber von Cujas gelobte Ueberſetzung ward um dieſe Zeit gemacht, und Auszuͤge daraus ſetzte zum Theil Irnerius ſelbſt unter die abgeaͤnderten Stellen im Codex, ſie hießen Authenticae, weil man die Novellen ſelbſt ſo nannte, und mit ihnen trug man auch ei - nige Verordnungen der Hohenſtaufiſchen Kai - ſer ein. Wenn uͤbrigens die Exemplare von den Sammlungen Juſtinians, deren ſich die Gloſſatoren bedienten, nicht gleichfoͤr - mig abgetheilt waren, ſo hatten ſie einen Grund mehr, nicht nach Zahlen ſondern nach Ueberſchriften und Anfangsworten zu citiren, eine Gewohnheit die dadurch verbeſſert wor -den222Theil II. ſeit Juſtinian,den iſt, daß man angefangen hat, die Zahlen damit zu verbinden, und die endlich ganz aufhoͤren wird, wenn es erſt allgemeiner Mo - de iſt, das Corpus juris nicht aͤngſtlicher zu citiren, als irgend ein anderes Buch, und mit Citaten aus dem Corpus juris nicht mehr Staat zu machen, als mit Citaten aus irgend einem andern Buche.

§. 184.

Zu eben der Zeit als Vorleſungen uͤber das Roͤmiſche Recht wieder anfingen, und die Buͤcher, welcher man ſich nach der Ab - ſicht Juſtinians dabey zu Compendien bedien - te, in die Gerichte brachten, zu eben der Zeit, alſo ſchwerlich ſchon aus Furcht vor den im Grunde doch eben nicht ſo gefaͤhrlichen Folgen, die das Kaiſerliche Recht fuͤr die Verfaſſung des Staats und der Kirche haben wuͤrde, ſondern wohl mehr aus Nachah - mung und weil dieſelbe Veranlaſſung auch hier war, entſtanden auch in Bologna Colle - gien uͤber das Canoniſche Recht. Der Leh - rer mußte ſich aber ſein Buch erſt ſelbſt com - piliren, und daher bekam hier das Compen - dium aus der erſten Haͤlfte des 12ten Jahr - hunderts beynahe ſo großes Anſehen, als die Compilationen Juſtinians. Grattan, kein Camaldulenſer und wohl auch kein Benedicti -ner223bis auf unſere Zeiten.uer Moͤnch, ſchrieb, nicht auf Anrathen Bernhards von Clairvaux ein Werk, das wahrſcheinlich nicht er ſelbſt Concordia dis - cordantium Canonum nannte, ſo paſſend auch der Nahme wenigſtens fuͤr ſeine Abſicht war, uͤber welches aber wahrſcheinlich er ſelbſt Vorleſungen hielt, ohne eine Erlaubniß des Pabſtes dazu zu gebrauchen. Dieß iſt das Decretum Gratiani, deſſen Lehrer, die De - cretiſten, doch durch die dem Pabſte angeneh - mere Decretaliſten nicht ganz verdraͤngt wur - den, obgleich im Anfange des 13ten Jahr - hunderts Gregor 9. durch ſeinen Tribonian Raymund von Pennaforte 5 Buͤcher Ex - travaganten ſammeln ließ, und Bonifaz 8 ſeinen nachher ſo genannten liber ſextus, ſo wie Clemens V ſeine Clementinen den Univer - ſitaͤten beſtens empfahl.

§. 185.

Nicht viel ſpaͤther, als Gratians Decret, wurden die libri feudorum aus fruͤhern Wer - ken uͤber das Longobardiſche LehenRecht com - pilirt, um ſie wenigſtens als vſus modernus der Lehre von der Emphytenſe zu erklaͤren. Sie bekamen ihre Stelle hinter dem Roͤmi - ſchen Rechte, als die 10te Sammlung von Novellen.

§. 186.224Theil II. ſeit Juſtinian.

§. 186.

Sehr natuͤrlich war es, daß die Grund - ſaͤtze des Roͤmiſchen, Canoniſchen und Longo - bardiſchen Rechts von allen denen angewen - det wurden, welche, vielleicht auch nur des - wegen, weil ſonſt ſo viel in Bologna zu ler - nen ſey, dahin reisten, dieſe Vorleſungen etwa mitnahmen, und an welchen nun geiſt - liche und weltliche Regenten die Leute gefun - den hatten, die ihre gegenſeitigen Anſpruͤche recht gelehrt vertheidigen konnten. Der aͤlteſte Ritter, der erfahrenſte Schoͤffe mochten noch ſo viel davon ſprechen, daß es von jeher nicht ſo geweſen ſey, wie der Italiaͤniſche Rechtslehrer oder Rechtsgelehrte ſage, daß es ſeyn muͤſſe, bey jedem Streite zogen ſie nothwendig den Kuͤrzern, ſie waren keine Gelehrte, ſie kannten die Diſputierkuͤnſte nicht, und wenn gar der Doctor ſie fragte, was denn zur conſuetudo gehoͤre, und wie ſie einen rechtskraͤftigen Beweis davon fuͤh - ren wollten, ſo konnten ſie ihm vollends nicht antworten. Ein Gluͤck war es noch fuͤr ſie, daß, damahls noch weniger als jetzt, im - mer das Recht behielt, deſſen Deduction nicht widerlegt worden war.

§. 187.225bis auf unſere Zeiten.

§. 187.

Sehr natuͤrlich war es auch, daß die Collegien-Hefte oder die ſchriftlichen Anmer - kungen eines gelehrten, oder fuͤr gelehrt ge - haltenen Profeſſors noch mehr galten, als der Text ſelbſt, zumahl als der Text des Roͤmiſchen Rechts, das ſo alt war, daß gar manches nicht mehr geradezu angewendet werden konnte. In der Gloſſe war immer der neuſte Gerichtsgebrauch, und wer Latein ſprach, wie dieſes Malo pro me gloſſam quam textum, quia ſubtilis ratio non ita intrat in caput iudicis ſicut gloſſa, der mußte ſchon deswegen mehr mit den Gloſſatoren, als mit den Claſſikern, ſympathiſiren, weil er jene allein verſtand. Daher kam es denn auch, daß der Gerichtsgebrauch oͤfter mit dem Ca - noniſchen Rechte uͤbereinſtimmte, es war das neuere Recht aus demſelben Zeitalter, und die Gloſſatoren konnten vom Pabſte, aber nicht von Juſtinian gefragt werden.

§. 188.

Noch ehe man im 14ten Jahrhundert auch in Deutſchland ſelbſt Univerſitaͤten be - kam, fing man an, deutſche Rechtsgewohn - heiten zu ſammeln, auch wieder vielleicht mehr aus Nachahmung, weil man nun haͤu - figer ſchrieb, als um dem einreißenden frem -Pden226Theil II. ſeit Juſtinian,den Rechte ſich entgegenzuſetzen. So ent - ſtanden im 13ten Jahrhundert der Sachſen - ſpiegel Epko’s von Repkow, und die bey - den unter dem nicht ganz richtigen Nahmen Schwabenſpiegel und Kaiſerrecht bekannten Werke. Wichtiger und zum Theil auch aͤl - ter ſind die Stadtrechte, denn hier ſammel - te nicht immer nur ein Privatmann was oh - nehin Rechtens war, ſondern man machte auch abſichtlich neue Beſtimmungen uͤber Ge - genſtaͤnde, die man vorher nicht gekannt hat - te, weil die Staͤdte ſich jetzt erſt recht hoben, ihr Verhaͤltniß zum Herzoge oder Biſchofe, ihr Privatrecht uͤber Zuͤnfte, Brauerey, Handlung u. ſ. w. nun erſt ſich bildete. Es war viel gewonnen, wenn eine Stadt von ihrem Herrn eben die Privilegien erhielt, die etwa Magdeburg hatte. Das Privat - recht nahm man als Zugabe mit, und frey - lich paßte es zu dieſer Verfaſſung; ſo ent - ſtanden die Oberhoͤfe, und ſo ward das Mag - deburgiſche Weichbild, das Soeſtiſche und Luͤbeckiſche Stadtrecht, das Muſter ſehr vie - ler andern. Die Rechtsgeſchichte der einze - len deutſchen Staaten iſt uͤbrigens noch ſo we - nig pragmatiſch bearbeitet, als die uͤbrige Geſchichte derſelben, und die Mannichfaltig - keit und Kleinheit dieſer Theile, welche daran Schuld iſt, hinderte auch ſo ſehr lange denVor -227bis auf unſere Zeiten.Vortrag des deutſchen Rechts auf Univerſi - taͤten.

§. 189.

Unſtreitig war der Mangel an einem academiſchen Vortrage des einheimiſchen Rechts, ein Hauptumſtand, um den fremden Rechten das Uebergewicht deſto leichter zu verſchaffen. Faſt ganz eben ſo ging es auch im uͤbrigen ſuͤdweſtlichen Europa. Aber ob die Einfuͤhrung eines alten, gelehrten Rechts ein Gluͤck oder ein Ungluͤck fuͤr uns war, laͤßt ſich ſo leicht nicht entſcheiden, als dieje - nigen wohl glauben, welche es ſtoͤßt, daß nicht jedermann ein Juriſt ſeyn kann, und welche den Vortheil fuͤr gering ſchaͤtzen, den die ganze alte Litteratur davon gehabt hat, daß doch bisher fuͤr eine ſehr zahlreiche Claſ - ſe unter den hoͤhern Staͤnden, das Latein ei - ne von den Sachen war, deren Nutzen man mit Haͤnden greifen konnte. Alles be - rechnet moͤchte es doch wohl nicht zu wuͤnſchen geweſen ſeyn, daß Friedrich III. das Roͤmi - ſche Recht verdraͤngt haͤtte, und Maximi - lian I. konnte immerhin dem Cammergerich - te befehlen, auch nach des Reichs und ge - meinen Rechten zu urtheilen, weder er noch die Staͤnde dachten daran, hier etwas neues zu verordnen, und die geſetzliche Kraft je - der einzelen Entſcheidung Juſtinians bliebP 2da -228Theil II. ſeit Juſtinian,damit doch noch unausgemacht. Eine Wiſ - ſenſchaft iſt noch nie durch einen Reichsſchluß, und nie durch eine Cabinets: Ordre, verbeſſert worden, ſo wenig als die Theologie durch ein Concilium. Der Geiſt des Zeitalters macht alle Befehle entweder unwirkſam oder entbehrlich.

§. 190.

Zu Ende des 15ten und zu Anfang des 16ten Jahrhunderts fing endlich die Gaͤh - rung an, welche ſchon vorher einzele Gelehr - te ſo ſehnlich gewuͤnſcht hatten. Nicht die Erfindung der Buchdruckerey allein, die ſchon 1499 ein ganzes Corpus iuris lieferte, nicht die fluͤchtigen Griechen allein, die die Baſiliken und andere juriſtiſche Schriften ih - rer Landsleute mitbrachten, waͤren im Stan - de geweſen, uns dem Ideale Valla’s naͤher zu bringen; aber tauſend kleinere Umſtaͤnde erweckten einen allgemeinern Eifer fuͤr die al - te Litteratur, die beſten Koͤpfe waren uͤberall auf der Seite der Humaniſten, und wenn ein Humaniſt an das Roͤmiſche Recht gerieth, ſo konnte es nicht fehlen, er mußte die Claſ - ſiker verehren, und uͤber die Gloſſatoren und Bartoliſten ſpotten.

Gewoͤhnlich ſetzt man die Epoche der beſ - ſern Jurisprudenz erſt bey Alciati, aber eswaͤre229bis auf unſere Zeiten.waͤre doch ungerecht, Maͤnner wie Zaſius und Haloander und die erſten Herausgeber der nicht durch Juſtinian auf uns gekomme - nen Fragmente Bouchard und Sichard, mit Martinus, Bulgarus, Azo, Accur - ſius, Barrolus, Baldus, Jaſon und den andern Verfaſſern der Gloſſe oder des Tractatus Tractatuum in eine Reihe zu ſtel - len. Beſonders Hofmann (Haloander) hat dieß nicht um uns verdient, der zuerſt die Pandecten mit Auswahl der Lesarten und ohne ſclaviſche Anhaͤnglichkeit, weder an ei - ne ſogenannte nirgends exiſtirende Vulgata, noch an das Manuſeript zu Florenz, edirte, und der zuerſt den griechiſchen Text der No - vellen mit einer beſſern Ueberſetzung drucken ließ.

§. 191.

Hingegen die peinliche Gerichtsordnung Carls V. verdiente nicht in einer hellern Pe - riode erwaͤhnt zu werden, auch wenn ſie chro - nologiſch nicht ſo ſehr entſchieden fruͤher waͤ - re, als der Einfluß der neuen Art die Wiſ - ſenſchaft zu behandeln. Sie ſollte die Schoͤſ - fen in Ordnung bringen, das heißt ihnen das, was gemeines Recht ſey, bekannt ma - chen, oder ihnen zeigen, wenn und wo ſie darnach anfragen muͤßten. Der Vorwurf iſt alſo wohl ſehr ungerecht, den man ihr we -P 3gen230Theil II. ſeit Juſtinian,gen ihrer Unbeſtimmtheit, in Anſehung der Strafen ſelbſt, gemacht hat, denn welche Proceßordnung enthaͤlt ein Rechtsſyſtem? und gewiß wuͤrde Johann von Schwar - zenberg ſich eben ſo ſehr wundern, wenn er hoͤrte, daß nun die Rechtsverſtaͤndigen ſelbſt jedes ſeiner Worte abwaͤgen, und gerne noch aus der Bambergiſchen Gerichtsordnung Be - lehrung ſchoͤpfen, ſo ſehr als Carl V. ſich wundern muͤßte, daß von allen ſeinen Anſtal - ten faſt keine ſich erhalten habe, als dieſe. Kann man die Haͤrte der Halsgerichtord - nung tadeln, da ſie ſo weiſe dem Einfluſſe anderer Sitten und anderer Meynungen Platz ließ? So wie die Rechtsverſtaͤndigen ſpraͤ - chen, ſo ſollte es Recht ſeyn, weſſen Schuld iſt es nun, wenn dieſe ſich nur mit Chi - canen zu helfen wiſſen, um die Faͤlle der poena extraordinaria recht haͤufig zu machen?

§. 192.

Es iſt ſchwer, die Menge der Rechtsge - lehrten, die wir aus der letzten Periode ſeit dem Winderaufleben der alten Litteratur ken - nen, ohne große Unbequemlichkeiten zu ord - nen. Weder das Vaterland, noch die Jahr - zahl, noch das Fach ſind ganz beſtimmte Cha - ractere, und am ſchwerſten muͤßte es ſeyn, ſie nach den Methoden zu ſtellen. Was iſtwich -231bis auf unſere Zeiten.wichtiger, der Ort der Geburt, oder der Ort wo man wirkt? Soll das erſte oder das letzte Lebensjahr entſcheiden, da oft eines ſo unwichtig als das andere iſt? Und wie we - nige Rechtsgelehrte waren von jeher ſo be - ſcheiden, nur ein Fach ſich zu waͤhlen, oder wie wenige ſo gluͤcklich, dieß zu duͤrfen?

Allenfalls kann man aus den Rechtsge - lehrten, die bis in die Mitte des ſiebzehnten Jahrhunderts gelebt haben, einen eigenen Abſchnitt machen, und weil dieß die Fran - zoͤſiſche Periode iſt, ſo nimmt man die ſpaͤ - thern Schriftſteller dieſer Nation auch mit. Die Periode der Hollaͤnder (im weiten Sin - ne) kann man auch bis auf unſre Zeiten her - abfuͤhren, nur muß man die deutſchen Rechts - gelehrten des 18ten Jahrhunderts trennen, die beſonders das Nicht - roͤmiſche Recht cul - tivirten. Fuͤr die Jetztlebenden muß ich es der Nachwelt uͤberlaſſen, eine eigene Epo - che anzunehmen.

§. 193.

Alciati verdient es an der Spitze der glaͤnzendſten Periode der Jurisprudenz zu ſte - hen, weil er ſchon fruͤh Gefahr lief, ein Maͤrtyrer ſeines Eifers zu werden. Bour - ges nahm ihn auf, die bluͤhendſte Univerſi - taͤt unter den bluͤhenden franzoͤſiſchen. Bu -232Theil II. ſeit Juſtinian, war mehr Humaniſt als Rechtsgelehrter, Ferret, auch ein nationaliſirter Franzoſe, iſt der Lehrer Govea’s, den Cujas ſo ſehr erhebt. Ant. Auguſtinus, Erzbiſchof von Tarragona that im Roͤmiſchen Rechte ſo viel als im Canoniſchen. Connan, Baron, Tiraqueau ſind nicht ſo merkwuͤrdig als Duaren, Alciati’s Nachfolger in Bourges, oder als Dumolin, der ſtolze Ausleger der einheimiſchen Provinzialrechte, oder der Me - taphyſiker Matth. Weſembek, deſſen Me - thode in Deutſchland mehr Nachfolger fand, als Baudouins hiſtoriſche Unterſuchungen uͤber Tribonians Fehler. Die beyden Cau - relli thaten mehr fuͤr das Florentiniſche, von ihnen ſo verehrte Manuſcript, als Le Con - te, den erſt ſeine Streitigkeiten zum Ge - lehrten machten. Unſre Landsleute Schnei - dewin, Gail und Mynſinger hatten Hot - man’s Kenntniſſe von der alten Litteratur nicht, ſie ſtellten aber auch keine Paradoxen auf, wie er.

§. 194.

So viele große Rechtsgelehrte hatte Cu - jas zu Zeitgenoſſen oder zu Vorgaͤngern, denn er ſtarb erſt 1590: der Ruhm gebuͤhrt ihm alſo nicht, daß er die beſſere Behandlungs - art der Wiſſenſchaft erſt eingefuͤhrt habe, und wenn er der groͤßte unter dem gelehrtenJuri -233bis auf unſere Zeiteu.Juriſten war, wenn man ſeine Thaͤtigkeit in Benutzung unbekannter Quellen ſo hoch an - rechnen will, ſo kann man es doch nicht lo - ben, daß er einem Robert, Hotmann, Doneau ſo heftig, und ſich ſelbſt, wie Me - rille gezeigt hat, ſo oft widerſprach, daß er ſo verwegen einendirte, und ein Syſtem fuͤr ein ſo unnuͤtzes Werk hielt. Auch Grego - rius von Toulouſe ſchrieb eines, aber weder dieſes noch Mercier’s Emendationen noch Loͤwenklau’s Ueberſetzungen noch ſelbſt Labitte’s Verzeichniß laſſen ſich mit Briſ - ſons unſterblichen Werken, beſonders dem Le - xicon vergleichen, das ſein gewaltſamer Tod unterbrach, ohne daß Tabor, oder Itter, oder Heineccius im Stande geweſen waͤren, es ganz zu vollenden. Jul. Pacius, Panzi - volli, Menochius, Mantica, Farina - cius lebten in Italien waͤhrend daß von Gif - fen an Conr. Rittershuſen in Altdorf ei - nen Schuͤler hatte, der nicht nur die No - vellen ſyſtematiſch erlaͤuterte, ſondern auch die Fragmente der zwoͤlf Tafeln und des Julius Paulus herausgab. Denys Godefroi, der Vater, iſt durch ſein Corpus iuris, mit den Noten aus den Gloſſatoren und ſeinen Lands - leuten, beruͤhmt. Es ward ſo oft nachge - druckt, daß man ſeine Lesart fuͤr die vul - gata haͤlt, ob er gleich die Abweichungen vonP 5der234Theil II. ſeit Juſtinian,der vulgata ſelbſt bemerkt. Die beyden Pi - thou bearbeiteten das Canoniſche Recht, und der aͤltere Bruder edirte die Collatio. Oiſel, Labbé, Maran, Gurhier, a Co - ſta, Herault, Anton Favre, der Praͤſi - dent in Savoyen (Peter, der Verfaſſer der ſemeſtria war es in Toulouſe) Merille ge - hoͤren alle zu dem zahlreichen Corps der großen franzoͤſiſchen Civiliſten, das noch recht wuͤr - dig mit Jacob Godefroi, dem Sohne (ein Genfer iſt in Deutſchland doch ein Franzoſe) und mit Fabrot aufhoͤrt. Selbſt der ſpitz - ſindige Galvani bewunderte ſie, und ſie ſtellte er ſeinen Landsleuten zum Muſter auf, obgleich Perez, Ramos del Manza - no, de Retes und der Commentator der Decretalen Gonzalez Tellez, durch ihre Ge - lehrſamkeit, auch Spanien Ehre machten.

§. 195.

Unter den neuern Franzoͤſiſchen Rechts - gelehrten verdienen Doujat, Domat, der in Deutſchland faſt gar nicht gekannte Ver - faſſer der loix civiles dans leur ordre natu - rel, des Handbuchs aller ſeiner Landsleute, die beyden Ferriere und Bouhier genannt zu werden. Das große Syſtem des Letztern wird nun wahrſcheinlich gedruckt. So lan - ge aber die Franzoͤſiſchen Univerſitaͤten dasblei -235bis auf unſere Zeiten.bleiben, was ſie jetzt ſind, ſo lange die ſonſt recht gut eingerichtete practiſche Bildung der jungen Rechtsgelehrten ſo ſehr die Hauptſa - che iſt, ſo lange wird man auch mehr auf das unmittelbar zu gebrauchende, als auf diejenigen Kenntniſſe ſehen, deren Vernachlaͤßi - gung ſich zwar unausbleiblich, aber erſt in der Folge, raͤcht. Es wird ein Verdienſt ſeyn, auch nur ſeinen Terraſſon zu ſtudieren.

§. 196.

In dieſer erſten Periode der neuern Ju - risprudenz gewann unſtreitig das Roͤmiſche Recht am meiſten durch die wieder aufleben - de alte Litteratur, und ob man gleich criti - ſche Reinigung des Textes vielleicht zu ſtark trieb, ſo vernachlaͤßigte man doch das Sy - ſtem nicht, man wuͤrde auch wohl in den Geiſt des Rechts eingedrungen ſeyn, wenn damahls ſchon ein Montesquieu auf den Geiſt des Rechts aufmerkſam gemacht haͤtte. Das Canoniſche Recht verlor durch die Reforma - tion ſehr viel von ſeinem Anſehen bey den Proteſtanten, und es wuͤrde auch in den Sachen, welche nicht durch Kirchenordnun - gen beſtimmt ſind, weit mehr verloren ha - ben, wenn man den Gerichtsgebrauch, der in das Canoniſche Recht gekommen iſt, nicht fuͤr eine bloße Folge des Canoniſchen Rechtsund236Theil II. ſeit Juſtinian,und fuͤr einen Beweis von dem Anſehen deſ - ſelben hielte. Das Corpus iuris Canonici ward durch die Correctores Romani revidirt, aber Lancellotti’s Inſtitutionen waren nicht ſo gluͤcklich als die von Tribonian verfertig - ten. Auch die neue Eintheilung des Lehen - rechts von Cujas kam nun zu ſpaͤth. Die Quellen des einheimiſchen Rechts wurden nun bekannter und es entſtanden immer neue, aber es war was unerhoͤrtes, wenn Godenius ſeinen Zuhoͤrern uͤber die Kaiſerwahl etwas vortrug vt discant aliquid de curſibus mun - di.

§. 197.

Die zweyte, Niederlaͤndiſche Periode mag mit Hugo Grotius anfangen, nicht wegen ſeines Werks uͤber das Hollaͤndiſche Recht, ſondern weil das Buch, worin er nur die Abſicht hatte, ungerechte Kriege zu verhindern, die Veranlaſſung zu einer neuen, nach und nach immer mehr[ausgebreiteten], Branche der Jurisprudenz geworden iſt. Nur freylich verſtand ſich Grotius nicht ge - nug auf das Demonſtriren, um die Geſchich - te entbehren zu koͤnnen. Groͤnewegen iſt dadurch bekannt, daß er ſehr leicht einzele Saͤtze des Roͤmiſchen Rechts fuͤr nicht ange - nommen hielt. Vinnius ſoll der erſte von den großen humaniſtiſchen Juriſten in Hol -land237bis auf unſere Zeitenland geweſen ſeyn, er verſetzte die nicht mehr ſchwache Pflanze in einen ſehr guͤnſtigen Bo - den. Um eben dieſe Zeit ſtritt Conring ge - gen die erdichtete Verordnung Lothars, ge - gen die Anwendbarkeit des Roͤmiſchen Staats - rechts in Deutſchland, und dafuͤr daß unſre Regenten das Roͤmiſche Recht aͤndern duͤrf - ten und ſollten. Er haͤtte voͤllig frey von Irrthuͤmern daruͤber ſeyn koͤunen, und waͤre doch fuͤr den großen Haufen lange nicht ſo wichtig geweſen, als Mevius, deſſen Bey - nahine fabricator praxeos jeden Juriſten vor ſklaviſcher Anhaͤnglichkeit an den Gerichts - gebrauch bewahren muß, oder als Brun - nemann, der das Anſehen Carpzov’s ſchwaͤchte, oder gar als die Compendien - ſchreiber Lauterbach und Struv. Der Plan des letzteren war gewiß zu einer Zeit, da man weder uͤber das germanicum noch uͤber das Criminalrecht hoͤrte, da die latei - niſche Sprache noch die Sprache aller Vor - leſungen war, und auf einer Herzoglich-Saͤch - ſiſchen Univerſitaͤt, ſo uͤbel nicht. Aber Struv, der die Unvollkommenheit ſeines Werks mit ſeinen uͤberhaͤuften Geſchaͤfften entſchuldigte, wuͤrde ſich gewiß freuen, wenn er wuͤßte, daß jetzt dieſes alles ſich geaͤndert habe, nur nicht der academiſche Gebrauch der iurispru - dentia Romano-Germanica. Wiſſenbachwar238Theil II. ſeit Juſtinian,war auch von Geburt ein Deutſcher, man nimmt ihm ſeine Meynung von dem Emble - men mehr uͤbel, als daß er die obligatio zum ius perſonarum rechnete. Sein Schuͤler Ulr. Huber ruͤhmte von ſich, daß er die ſterilen Unterſuchungen uͤber das alte Recht aufgegeben habe. Die poſitiones, woraus ſein Commentar erwuchs, waren wohl an - fangs auch nur einige Bogen, man ſieht darin, daß Grotius ſchon geſchrieben, und Pufendorf das Naturrecht ſchon zum eige - nen Collegium gemacht hatte. In den Haͤn - deln mit ſeiner Facultaͤt war Huber’s Geg - ner der viel juͤngere van Eck, deſſen Pan - decten Compendium doch wenigſtens beque - mer war, als Vorleſungen uͤber den Text ſelbſt. Die beyden Voer ſtehen in Holland noch in großem Anſehen und uͤber Boͤkel - manns Inſtitutionen liest man dort noch jetzt. Noodt, und ſein Vetter Schulting gehoͤren zu den verdienteſten Rechtsgelehrten, aber die Sammlung, wodurch der Nahme des Letz - tern mehr bekannt iſt, als durch ſeinen vor - trefflichen Beweis, daß die Jurisprudenz nicht bloße Speculation ſondern eine hiſtori - ſche Wiſſenſchaft ſey, und durch mehrere ihm ganz eigene Schriften, dieſe Sammlung muͤß - te jetzt ſehr leicht uͤbertroffen werden koͤnnen, weil man bey der Bearbeitung der Altenuͤber -239bis auf unſere Zeiten.uͤberhaupt jetzt manchen neuen Vortheil an - wendet. Brencmanns Wallfarth zu dem Florentiniſchen Manuſcripte wird wohl die letzte dieſer Art ſeyn. Weſtenberg war auch ein Deutſcher; d Arnaud lebte zu kurz, um je das Gewicht von Bynkershoek zu bekommen, der durch ſeinen Streit mit Pa - genſtecher ſich ſehr fruͤh, aber nicht ganz zu ſeinem Vortheile, bekannt machte, und der unter uns vielleicht deswegen ſo viel genannt wird, weil er ein Zeitgenoſſe unſerer Com - pendienſchreiber war. Wieling iſt einer der letzten großen Rechtsgelehrten in den Niederlanden, denn Meermann war meiſt nur Sammler, und aus Dank fuͤr manches ſchaͤtzbare ſpaniſche oder franzoͤſiſche Werk, darf man es nicht zu ſehr ruͤgen, daß bey weitem nicht alles, was er abdrucken ließ, den wahren Reichthum ſeines Schatzes vermehr - te, ſo wie man bey ſeiner Schrift, worin er die Lehre von den res mancipii zum Theil durch die Chemie erlaͤutert, und worin er, wie es ſcheint, gerade die Hauptſache uͤber - ſieht, nicht vergeſſen muß, daß es ſeine Doctordiſputation war, und daß eine ſolche doch ſelten ſo viel zuſammengetragene Mate - rialien liefert. Ruͤcker und Voorda wuͤrden durch ihre Emendationen beruͤhmter gewor -den240Theil II. ſeit Juſtinian,den ſeyn, wenn man jetzt dadurch ſo beruͤhmt wuͤrde, als ehemahls.

§. 198.

Im Roͤmiſchen Rechte iſt dieſe Periode von der vorhergehenden nicht ſehr unterſchie - den, wenigſtens nicht ſehr zu ihrem Vorthei - le, denn die Blicke auf das Ganze ſind bey den Hollaͤndern beynahe ſeltener, als bey den großen franzoͤſiſchen Civiliſten. Aber ein Vortheil war es immer, daß ſie blos Civi - liſten waren, und daß die Profeſſoren nicht durch Facultaͤtsarbeiten in ihren gelehrten Unterſuchungen geſtoͤhrt wurden. Die alte Literatur trieb man uͤberhaupt mit vielem Fleiße, obgleich oft mit wenig Geſchmack; und das Roͤmiſche Recht iſt ja doch nichts anders, als ein Theil der alten Litteratur.

In Deutſchland blieb alles ſo ziemlich wie vorher, es bildete ſich ein Gerichtsge - brauch, den die ſogenannten accuraten Ju - riſten erſt nachher aus den Schriften der Hol - laͤnder verbeſſerten; das Naturrecht ward eine eigene Diſciplin, und ſeit dem Weſtfaͤ - liſchen Frieden fehlte es nun gar nicht an Publiciſten, die die deutſche Freyheit gegen den Kaiſer muthig vertheidigten. Doch ge - wann dabey der Deſpotismus der Landes - herrn oͤfter, als die Freyheit der Untertha - nen.

§. 199.241bis auf unſere Zeiten.

§. 199.

Von den Rechtsgelehrten des achtzehn - ten Jahrhunderts ſind die franzoͤſiſchen und hollaͤndiſchen ſchon als Anhang zu ihren Lands - leuten erwaͤhnt, wenn man alſo von den Ita - liaͤnern den einzigen Gravina, vorzuͤglich wegen ſeiner Latinitaͤt, ausnimmt, ſo blei - ben nur Deutſche uͤbrig. Bey aller Aus - wahl, die hier um ſo noͤthiger iſt, je mehr wir noch die ganze Menge von Nahmen uͤberſehen, darf doch Schilter nicht vergeſ - ſen werden, der in ſo vielen Faͤchern Ver - dienſte hat, daß man es ihm verzeihen muß, wenn er die Ordnung des Roͤmiſchen Privat - rechts, aus metaphyſiſchen Gruͤnden, auch im Staatsrechte fuͤr die beſte hielt. Beyer iſt als der Erſte merkwaͤrdig, der uͤber das deut - ſche Privatrecht las, hingegen Samuel Strvk, der erſte von den Halliſchen Juri - ſten, trug das Deutſche Provinzialrecht als vſus modernus der Pandecten vor. Sein Sohn Joh. Samuel hat ihn nicht uͤbertrof - fen, wie Henrich Cocceji, der im Natur - rechte arbeitete, und das Deutſche Staats - recht in der aͤlteſten Geſchichte fand, von dem ſeinigen an Ruhme uͤbertroffen worden iſt. Ludovici verdankt ſeinen Ruf einem Pandecten-Compendium und einer Einlei - tung in die verſchiedenen Arten des Proceſſes. QVon242Theil II. ſeit Juſtinian,Von Lynker in Jena, dem heftigen Gegner der Halliſchen Profeſſoren, haben wir eine Biographie, worin nichts vergeſſen iſt, als was Schroͤckh bey ſeinem Leben des Thoma - ſius wiſſen wollte und nicht erfuhr, die Fra - ge: was der Mann fuͤr Einfluß auf ſeine Wiſſenſchaft gehabt habe. Bey dieſem letz - tern war ihre Beantwortung um ſo ſchwe - rer, da noch jetzt viele und wohl die meiſten anderer Meynung uͤber den Gerichtsgebrauch des Roͤmiſchen Rechts ſind, als er, ob es gleich auf der andern Seite nicht an ſolchen fehlt, die mit ihm uͤber die Annahme des Roͤmiſchen Rechts, das von jeher nichts ge - taugt habe, klagen, und die ſich mit einem Naturrecht behelfen wollen, das ſie erſt aus dem Roͤmiſchen bereichern. Uebrigens ſchraͤnk - te auch Thomaſius ſich bey weitem nicht auf ein beſtimmtes Fach ein, ſo wie auch Gund - ling nicht blos Publiciſt ſeyn wollte. Pfef - fingers Excerpte werden noch lange und oft die Stelle der Quellen ſelbſt vertreten muͤſſen, und Bergers Oeconomie wird noch lange und oft zum Muſter dienen. Griebner las zuerſt uͤber das Privatrecht der Fuͤrſten; Brunquell ſtarb zu fruͤh, um in Goͤttingen Schuͤler zu hinterlaſſen. Burcard Gott - helf Struv zeichnet ſich in der deutſchen Ge - ſchichte und dem Privatrechte der Fuͤrſtenaus,243bis auf unſere Zeiten.aus, aber durch ſeine Bibliothek werden ei - gene Werke uͤber die publiciſtiſche, civiliſti - ſche ꝛc. Litteratur, nichts weniger als entbehr - lich.

§. 200.

Ludolph in Wetzlar konnte durch ſeine Verdienſte um das CameralRecht lange nicht ſo beruͤhmt werden, als Heineccius, denn ſo viele Compendien als dieſer, ſchrieben wohl wenige ſeiner Zeitgenoſſen. Daß er ſich durch ſeinen Styl von den meiſten Juriſten vor - theilhaft unterſchied, leugnen ſelbſt diejenigen nicht, die doch auch ihn nicht zum Fuͤhrer haben moͤgen; daß er ganze Werke und vie - le einzele Ideen der Auslaͤnder in Circulation brachte, iſt ein eben ſo unbeſtrittenes Ver - dienſt. Hingegen ſeinen Antiquitaͤten wirft man vor, daß ſie aus Sigonius und Schul - ting compilirt, und in einer fuͤr dieſen Zweck, wie der appendix zeigt, ganz unſchicklichen Ordnung compilirt ſeyen. Daß der Unter - richt im alten Rechte aber viel nuͤtzlicher und leichter werde, wenn man einen beſtimmten Standpunkt, die Zeit der juriſtiſchen Claſ - ſiker waͤhle, hat ſein Nebenbuler auch nicht gefuͤhlt, ſonſt haͤtte man nicht uͤber ein Com - pendium der Rechtsalterthuͤmer, die Antiqui - taͤten fuͤr Humaniſten leſen koͤnnen. Ob Heineccius in ſeinen Inſtitutionen wohl ge -than244Theil II. ſeit Juſtinian,than habe, ſich der axiomatiſchen Methode zu bedienen, und ob er ſich ihrer ſo haͤtte bedienen ſollen, daruͤber iſt jetzt Streit zwi - ſchen denen, die uͤber den veraͤnderten, und denen, die uͤber den aͤchten Heineccius leſen. Er ſelbſt aͤnderte bey neuen Auflagen faſt nichts. Seine Pandecten haben weniger Gluͤck gemacht, und ſeine Rechtsgeſchichte iſt jetzt nur wegen Kitters berichtigender An - merkungen ſchaͤtzbar. Auch im germanicum mußte er, und zwar hier ohne ſeine Schuld, verdraͤngt werden, aber ſein Commentar uͤber die lex Julia & Papia Poppaea iſt noch nicht uͤbertroffen, ſo wie der uͤber das Edict noch nicht vollendet. Wernher hat ſein An - ſehen unter den Practikern beſſer behauptet, als Kreß das ſeinige im Criminalrecht, oder der Kanzler von Ludewig ſeine Hypothe - ſen in der Lehre von der deutſchen Staatsver - faſſung. Die Urkunden, die letzterer heraus - gab, ſind wohl ſein bleibendſtes Verdienſt, eben dieſes machte ſich auch von Meiern. Schaumburg ſchrieb ein PandectenCompen - dium, Hombergk uͤberſetzte die Novellen, Kopp ſtellte im Germanicum, Conradi im alten Roͤmiſchen Rechte, und Claproth im NaturRecht Unterſuchungen an. Der Kanz - ler J. H. Boͤhmer wuͤrde, wenn er auch nicht vor 85 Jahren das noch jetzt gangbarePan -245bis auf unſere Zeiten.PandectenCompendium geſchrieben haͤtte, nicht nur wegen ſeiner andern Schriften, als der gelehrteſte Canoniſt unter den Proteſtan - ten, ſondern auch wegen ſeiner Soͤhne un - vergeßlich ſeyn, von welchen hier aber nur Samuel Friedrich von Boͤhmer, der claſſiſche Schriftſteller im peinlichen Rechte, angefuͤhrt werden kann.

§. 201.

Es verdient eine eigene Unterſuchung, warum Auguſtin von Leyſer ſo beruͤhmt ge - worden iſt. Gewiß nicht durch ſeine juriſti - ſche Orthodoxie, denn ſo verwegen hat wohl noch niemand den Vorurtheilen oder den beſ - ſern Einſichten ſeines Zeitalters Hohn ge - ſprochen, als er; auch nicht durch ſeine Schuͤ - ler, denn wer den ganzen juriſtiſchen Curſus von Jahren bey ihm machte, der hatte von dem alten Rechte gar nichts gehoͤrt; viel - leicht eher dadurch, daß er ſo viele Anecdo - ten und ſo wenig civiliſtiſche Gelehrſamkeit hat, daß er ſich uͤber alle Theile der Juris - prudenz verbreitet, und daß der Index von Jenichen ſo vollſtaͤndig iſt. Glafey, Knor - re, Engau, und Wahl haben ſeinen Ruhm lange nicht erworben, aber Sam. v. Coc - ceji ward Preußiſcher Großkanzler, wenig - ſtens ſo lange er lebte mußten ſeine Controver -Q 3ſen246Theil II. ſeit Juſtinian,ſen ſo gut als ſeine Juſtizreformen gelobt werden. Otto iſt nicht blos als Sammler merkwuͤrdig, und eben dieſes gilt auch in ganz andern Faͤchern von Schmauß. Das gruͤndliche Studium des Roͤmiſchen Rechts haͤtte gewiß dabey gewonnen, wenn Bach nicht ſchon im 37ten Jahre geſtorben waͤre, von mancher Entdeckung wuͤrde er noch ſelbſt die natuͤrlichen Folgen fuͤr andere Saͤtze ge - ſehen haben; doch vielleicht haͤtten auch ihn practiſche Beſchaͤfftigungen der Gelehrſam - keit entzogen. Ritter, ſein wuͤrdiger Vor - gaͤnger im Streite gegen Heineccius, uͤber - lebte ihn noch lange. Solche Civiliſten wur - den nun immer ſeltener, Heumann, Jo - hann Jacob Maſcov, Scheid, Buri bearbeiteten das deutſche Staats - und Privat - Recht, und wenige verbanden damit ſo viel Kenntniß des alten Roͤmiſchen, als Grupen. Er widerlegte Senkenbergs Ideen vom ſo - genannten Kaiſerrechte, aber Cramer war in ſeiner Controvers fuͤr die Regredient-Erb - ſchaft weniger gluͤcklich, und ſelbſt ſeine Ver - ſuche, die Wolfiſche Lehrart in der Juris - prudenz einzufuͤhren, wuͤrden ihn nicht der Vergeſſenheit entreiſſen, wenn er nicht Ver - faſſer der Wetzlariſchen Nebenſtunden waͤre!

§. 202.247bis auf unſere Zeiten.

§. 202.

Um dieſe Zeit ſtarb Seyberth zu fruͤh, als daß er die Hoffnungen, wozu ſeine Thaͤ - tigkeit und ſein Eifer fuͤr die alte Litteratur berechtigte, haͤtte erfuͤllen koͤnnen. Den Nah - men Gebauers wird das hieſige Corpus iu - ris auf die Nachwelt bringen, aber Ayrer waͤre wohl vergeſſen worden, auch wenn er den Ruf zum Geſetzgeber Rußlands ange - nommen haͤtte. Riccius war im deutſchen Rechte ſo beruͤhmt, als Meiſter im peinli - chen, oder Guſtav Bernhard Becmann in den Pandecten. Dieſer eifrige Cruſianer, der nur deswegen durchaus nichts von der demonſtrativen Methode wiſſen wollte, weil ſie nicht die ſynthetiſche hieß, zeichnete ſich weit mehr durch muͤndlichen Unterricht, als durch Schriften aus. Auch der ange - fangene Commentar uͤber Boͤhmer beweißt, daß ſeine Staͤrke in Diſtinctionen und Tabel - len, uͤberhaupt in der aͤußerſten Genauigkeit des Details, und nicht in einer großen Ue - berſicht des Ganzen beruhte. Habernickel wuͤrde fuͤr Verbeſſerung des Studiums mehr geleiſtet haben, wenn er das academiſche Leben nicht ſo bald verlaſſen, wenn er den Sprachgebrauch der Claſſiker mehr ſtudirt, und nicht nur das Roͤmiſche Recht vom Nicht -roͤmi -248Theil II. ſeit Juſtinian,roͤmiſchen, ſondern auch in jenem die verſchie - denen Perioden abgeſondert haͤtte.

Aus dem neuſten Necrolog anderer Uni - verſitaͤten iſt in Jena Hellfeld merkwuͤrdig, weil er ein neues Compendium nach einem laͤngſt fuͤr fehlerhaft erkannten Plane ſchrieb; in Marburg Eſtor, in Tuͤbingen Hofmann, in Helmſtaͤdt Eiſenhard, und der volumi - neuſe Haͤberlin, und in Leipzig, wo wegen mancher LocalUrſachen die Roͤmiſche Juris - prudenz noch Freunde behalten mußte, als ſie ſonſt hier und da vergeſſen zu werden ſchien, Carl Ferd. Hommel, der alle Frag - mente der claſſiſchen Juriſten eigentlich nicht herausgab, ſondern herausgeben ließ. Jo - hann Jacob Moſer, der ſo viele Buͤcher geſchrieben, und ſo mancherley Schickſahle erfahren hat, macht im Staatsrechte, durch ſeine Freymuͤthigkeit, und durch die Tren - nung des Practiſchen vom bloß Gelehrten, Epoche.

§. 203.

Alle Juriſten ſind darin einig, daß die Rechtsgelehrſamkeit noch nie in dem Grade gebluͤht habe, wie in unſern Tagen. Von dem Roͤmiſchen Rechte wuͤrde man dieß nicht vermuthen, wenn man nur darauf ſaͤhe, wie viele und wie erhebliche civiliſtiſche Schriften in[Deutſchland] erſcheinen, oder wenn mandie249bis auf unſere Zeiten.die juriſtiſchen Diſſertationen auf den meiſten Univerſitaͤten laͤſe, die freylich meiſt von ei - ner traurigen Vernachlaͤßigung ſelbſt der Sprache, worin das Roͤmiſche Recht geſchrie - ben iſt, zeugen. Die neuen Geſetzbuͤcher ſind vielleicht auch ein Beweis, daß die ge - lehrte Kenntniß des Rechts in eben dem Maaße abgenommen hat, in welchem das Raiſonniren uͤber Rechtsſaͤtze allgemeiner ward, denn ſonſt haͤtte man kein Beduͤrfniß nach ihnen gefuͤhlt, und ſonſt wuͤrden ſie auch anders ausgefallen ſeyn. Selbſt dieß koͤnn - te eine nachtheilige Vermuthung bewirken, daß gerade das Roͤmiſche Recht von derjeni - gen Nation nicht bearbeitet wird, nach de - ren Beyſpiele die deutſche Litteratur ſich ſeit einem halben Jahrhundert am meiſten ge - bildet hat. Auf der andern Seite iſt es doch aber auch beynahe unmoͤglich, daß das Roͤmi - ſche Recht keinen Vortheil davon haben ſoll - te, wenn die alte Litteratur mit unendlich mehr Geſchmack unter uns getrieben wird, als ehemahls; wenn die Philoſophie frey von allem Sectengeiſte und ganz auf Beob - achtungen gegruͤndet iſt; und wenn man in der Geſchichte ſo viel pragmatiſchen Zuſam - menhang, und ſo pſychologiſche Entwicklung der Charactere findet, daß diejenigen geneigt ſeyn koͤnnen, ſie fuͤr einen Roman zu halten,Rdie250Theil II. ſeit Juſtinian,die nicht wiſſen, wie unermuͤdete Geſchichtfor - ſcher gerade auch unſre beſten Geſchichtſchrei - ber ſind, und daß oft die Zeile, die man nur fuͤr einen glaͤnzenden Einfall haͤlt, das Reſultat von zwanzig Urkunden iſt. Alles dieſes mußte nothwendig auch auf das Ci - vilrecht den gluͤcklichſten Einfluß haben, wenn man gleich den Weg, den Montesquieu zeigte, lange nur im Staats - und Criminal - Recht betrat, wo ſo viele gelehrte Data nicht noͤthig ſind, und wenn gleich Michaelis ſehr lange alle Juriſten beſchaͤmte.

§. 204.

Deſſen ungeachtet behaupten einigeSchrift - ſteller noch immer daß gerade das Civilrecht die Wiſſenſchaft ſey, die in unſern Zeiten durch die Begierde nach blos unmittelbar Practiſchen und Geldverdienſt Erzeugendem am meiſten zu ſinken, und am meiſten Koͤpfe zu verderben ſcheine, oder daß gerade die beſſern Koͤpfe, der Regel nach, den groͤß - ten Ekel daran haͤtten. Sie erinnern, daß dieß doppelt ſchaͤdlich ſey, einmahl weil in Deutſchland ſo viele politiſche Bedienungen, wo die Juſtiz gar nicht, oder doch nicht als Hauptſache vorkommt, mit Juriſten beſetzt wuͤrden, und dann weil ſelbſt in Civilproceſ - ſen ein Streit uͤber die Thatſachen und diever -251bis auf unſere Zeiten.vernuͤnftige Auslegung der Worte weit haͤu - figer vorkomme, als ein Streit uͤber Rechts - ſaͤtze, alſo oft ein wiſſenſchaftlich gebildeter Verſtand weit noͤthiger ſey, als Tabellen und Autoritaͤten. Sie gehen den ganzen ci - viliſtiſchen Curſus durch, die Antiquitaͤten enthalten ihrer Meynung nach zu vieles aus den Zeiten der Republik, das ſo ausfuͤhrlich wohl zur alten Litteratur uͤberhaupt, aber nicht gerade zunaͤchſt fuͤr die Jurisprudenz nuͤtz - lich ſey; die Rechtsgeſchichte iſt als bloße Geſchichte der Geſetze nicht wichtig genug, und wenn man die Geſchichte aller Rechte verbinde, ſo lerne man manches zu fruͤh, und von der Geſchichte des Roͤmiſchen Rechts zu wenig. Das InſtitutionenCollegium tadeln ſie deswegen, weil ſo vielerley Rechte darin vorkommen, und doch von keinen ein - zigen ein vollſtaͤndiges Syſtem, es ſey gar keine Grenzlinie zwiſchen dieſen Vorleſungen und dem Unterrichte, der die Ordnung der Pandecten befolge, ſogar altes Recht kom - me ja auch in dieſen letztern vor, z. B. die Lehre vom Proceſſe, weil Juſtinian darauf rechnete, daß neben ſeinen Inſtitutionen auch noch die vier erſten Buͤcher der Pandecten im erſten Jahre erklaͤrt werden ſollten. Dieſe Unordnung erſchwehre das Lernen außeror - dentlich, daher komme es, daß man ſo oftfuͤr252Theil II. ſeit Juſtinian,fuͤr noͤthig finde, daſſelbe Collegium von neu - em zu hoͤren, und am Ende noch aus dem ſogenannten kleinen Struv Troſt zu holen.

§. 205.

Der Erfolg muß lehren, ob dieſe Kla - gen gegruͤndet ſind, und ob ein Verſuch ei - nes civiliſtiſchen Curſus gelingen wird, wodurch man ihnen abzuhelfen ſucht. Dieſer Curſus beſteht aus drey oder vier einfachen Colle - gien, womit man alſo die gewoͤhnlichen In - ſtitutionen und Pandecten verbinden, und doch fuͤr die immer haͤufiger und unentbehr - licher werdenden andern Wiſſenſchaften noch Zeit gewinnen kann. Der erſte civiliſtiſche Unterricht wuͤrde das heutige Roͤmiſche Recht begreifen, alles was vom Roͤmiſchen Rechte anwendbar iſt, und alles Anwend - bare, was aus dem Roͤmiſchen Rechte kommt. Die Geſchichte und der Beweis jedes einzelen Satzes bleibt hier noch weg. Dieſen Vorle - ſungen zur Seite laͤuft die Rechtsgeſchichte nach dem Plane des gegenwaͤrtigen Lehrbuchs, alſo neben der Geſchichte der Quellen auch ei - ne hiſtoriſche Ueberſicht des Syſtems ſelbſt, zur Zeit der zwoͤlf Tafeln, Cicero’s und Ju - ſtinians. Das Syſtem zur Zeit der claſſi - ſchen Juriſten, aus deren Schriften die Pan - decten gezogen ſind, oder das Pandecten -Recht253bis auf unſere Zeiten.Recht verdient einen eigenen und ausfuͤhrli - chen Vortrag, und nun erſt koͤnnen exegeti - ſche Vorleſungen uͤber eine Chreſtoma - thie der wichtigſten Texte von Nutzen ſeyn, wenn man nicht mehr Gefahr laͤuft, einer Stelle einen ganz andern Sinn beyzulegen, als der iſt, den ſie nach der Verbindung mit dem ganzen Syſteme des Rechts hatte.

§. 206.

Das deutſche Staatsrecht wird jetzt auf allen beſſern Univerſitaͤten fuͤr unentbehrlich angeſehen, denn obgleich das Band, welches alle deutſche Staaten wieder zu einem Staa - te verbindet, immer loſer, alſo das Staats - recht des ganzen Reichs weniger wichtig wird; ſo verdient das Staatsrecht der einzelen Laͤn - der nur um ſo mehr ſtudiert zu werden, und bisher verbindet man noch beydes. Die Ge - genſtaͤnde ſind hier wieder die Regierungsge - walt uͤberhaupt, und ihre einzelen Rechte. Jene ſteht in den Laͤndern entweder einem erblichen oder gewaͤhlten, durch Landſtaͤnde eingeſchraͤnkten oder uneingeſchraͤnkten Mo - narchen, oder einem ariſtocratiſchen Corps, oder der ganzen Gemeine zu. Die Lehre von der Erbfolge in dieſen Monarchien iſt ein Haupt - ſtuͤck des ius priuatum principum, und die von der Wahl eines Monarchen oder ſeineskuͤnf -254Theil II. ſeit Juſtinian,kuͤnftigen Nachfolgers traͤgt man im ius Ca - nonicum vor. Deſto ausfuͤhrlicher iſt man bey dem Wahl-Monarchen uͤber das ganze Reich, ſeinem Thronfolger, ſeinen Vica - rien, und den langweiligen Deliberationen ſei - ner Staͤnde. Die einzelen Rechte: Aemter und Wuͤrden, Finanzrechte, (Steuern, Muͤnzen, Poſten) die Civil - und Criminal - juſtiz, und das Militair werden einzeln durch - gegangen, und das Verhaͤltniß zwiſchen der Reichsregierung und Landesregierung, dem Reichsregenten und den Reichsſtaͤnden, dem Landesregenten und den Landſtaͤnden gezeigt. Einiges davon kommt aber in dem Reichs - proceſſe vor. Eine Ruͤckſicht, die durch das ganze Staats-Recht großen Einfluß hat, iſt die Religion, das im Ganzen gleiche Ver - haͤltniß der Catholiken und Proteſtanten, welches in jedem einzelen Falle vom Normal - tage und Normaljahre abhaͤngt, und die Verfaſſung jeder Kirche fuͤr ſich, wo man bey den Proteſtanten zwiſchen dem Episco - pal - und dem CollegialSyſteme, bey den Ca - tholiken zwiſchen den Erzbiſchoͤfen auf der ei - nen, und dem Pabſte mit den Biſchoͤfen auf der andern Seite, waͤhlen kann.

§. 206.255bis auf unſere Zeiten.

§. 207.

Ein Collegium, deſſen Exiſtenz nicht aͤl - ter iſt, als der Anfang dieſes Jahrhunderts, auf welches alſo in den uͤbrigen noch nicht vie - le Ruͤckſicht genommen wird, und welches ſeinen verhaͤltnißmaͤßigen Umfang noch nicht erhalten hat, iſt das deutſche Privatrecht, theils das allgemeine ohne naͤhere Ruͤckſicht auf einen beſtimmten Theil von Deutſchland, theils das beſondere Landrecht der meiſten Studierenden gerade auf dieſer Univerſitaͤt. In dem SachenRechte ſind beſonders dieje - nigen Dinge wichtig, bey welchen Privat - Eigenthum und Landeshoheit collidiren, Fluͤſſe, Straßen, Waldungen, Bergwerke u. ſ. w.; von den uͤbrigen aber kommen theils neue Contracte (Lotterien, Leibrenten, Ster - bethaler u. a.) und neue Beſtimmungen der Roͤmiſchen (Abtrieb, gerichtliche Auflaſſung, Dienſtboten u. a.) theils auch beſonders neue Servituten, die Zwang Gerechtigkeiten, vor. Im PerſonenRechte machen die buͤrgerlichen Verhaͤltniſſe des Judigenats, des Adels, des BuͤrgerRechts und der mannichfaltigen Ar - ten von Bauern, eine Menge Rechtsſaͤtze noͤthig; in den Familienverhaͤltniſſen hat die Ehe, in ihrer Entſtehung, ihren Rechten und ihrer Trennung, vieles gar nicht Roͤmi - ſche; bey der aͤlterlichen Gewalt verdienendie256Theil II. ſeit Juſtinian,die unehelichen Kinder eine eigene Ruͤckſicht, und die Vormundſchaft geht mehr nach Reichs - und Landesgeſetzen, als nach dem Roͤmiſchen Rechte, aus welchem die Lage verſchiedener Religionsverwandten wohl auch nicht beur - theilt werden darf. In der Erbfolge erſchei - nen die Erbvertraͤge, neue Beſtimmungen uͤber Teſtamente und InteſtatErbrecht vor - zuͤglich den Ehegatten, und die Stammguͤ - ter. Im Proceſſe muß ſowohl die Gerichts - verfaſſung, als die Art des Verfahrens, hier gelehrt werden, wenn man ſie nicht hoͤchſt unſchicklich unter die Roͤmiſche miſchen will.

§. 208.

Das Lehenrecht iſt, ſo wie das Cano - niſche, noch immer im Beſitze, ein eigenes vollſtaͤndiges Collegium auszumachen. Ge - gen letzteres, unter welchem man jetzt Ca - tholiſches und Proteſtantiſches Kirchenrecht begreift, hat man erinnert, daß es fuͤr Ca - tholiken nicht befriedigend ſey, und daß Pro - teſtanten mehr Nutzen davon haben wuͤrden, wenn man es mit einem Unterrichte in der Kirchenhiſtorie verbaͤnde. Dieſe mehr hi - ſtoriſche Behandlung iſt auch fuͤr das Cri - minalrecht vorgeſchlagen worden, ſtatt daß es jetzt nur philoſophiſche Lehren uͤber die Moralitaͤt der menſchlichen Handlungen, ei -ne257bis auf unſere Zeiten.ne genaue Claſſification jedes Verbrechens, und den peinlichen Proceß enthaͤlt. [Characteriſtiſch] ſind fuͤr den neuſten Zuſtand der Rechtsgelehrſam - keit die vielen ſpeciellen Collegien, welche jaͤhrlich entſtehen, wovon mehrere ſich mit der Bildung kuͤnftiger Staatsmaͤnner beſchaͤfftigen, und die practiſchen Uebungen, welche ſich nicht mehr blos auf Proceßſchriften, oder auf bald concentrirte bald weitlaͤuftige Relationen in JuſtizSachen, ſon - dern auf alles, was je einem Geſchaͤfftsmanne vorkommt, erſtrecken ſollen.

§. 209.

Die Huͤlfswiſſenſchaften werden auf den beſſern deutſchen Univerſitaͤten jetzt eifriger getrieben, als je, und es iſt wohl nicht wahrſcheinlich, daß die Coexiſtenz nicht auch am Ende ſich in wahren Ein - fluß verwandeln ſollte. Den Einfluß der Philoſo - phie wuͤrde es gewiß erleichtern, wenn die ſchola - ſtiſche Methode, mit ihr den Anfang zu machen ſich noch mehr verloͤre, denn eine Logik, die nicht bloße Terminologie iſt, paßt wohl beſſer fuͤr Zuhoͤ - rer welche im Nachdenken ſchon mehr geuͤbt ſind. Auch das NaturRecht ſcheint dadurch, daß es recht practiſch werden ſollte, eine ganz falſche Stel - le erhalten zu haben. Seine wichtigſten Lehren, von den letzten Gruͤnden des Zwangsrechts und von den Rechten und Pflichten der hoͤchſten Gewalt, koͤnnen wohl, ſo wenig als die Politik, welche man ſehr ſchicklich damit verbindet zur Vorbereitung auf das RoͤmiſcheRecht dienen, und wenn man al - le Definitionen aus dieſem oder gar aus allen Theilen des poſitiven Rechts unter dem Nahmen des NaturRechts vorausſchicken will, ſo kann dieß einmahl den Nachtheil haben, daß man manches blos zufaͤllige fuͤr allgemein nothwendig haͤlt, undR 5dann258Theil II. ſeit Juſtinian, ꝛc.dann iſt es wohl vernuͤnftiger, Ordnung und Rai - ſonnement in das poſitive Recht ſelbſt zu bringen, als beydes abzuſondern. Man kann im Natur - Rechte viel gruͤndlicher beweiſen, wenn man nicht das ganze Roͤmiſche Recht darin beweiſen ſoll, und fuͤr den erſten Unterricht wird immer das Hiſtori - ſche leichter ſeyn, als das Abſtracte.

§. 210.

Keine Art von Kenntniſſen, die[zur] Ausbil - dung des Geiſtes beytraͤgt, iſt fuͤr die Jurispru - denz ganz gleichgiltig, und bey ſehr vielen Bedie - nungen wird der Unterricht uͤber Oeconomie und Cameralwiſſenſchaften ein ganz vorzuͤgliches Be - duͤrfniß. Aber ſo innig iſt doch mit dem Studi - um des Roͤmiſchen Rechts durchaus nichts ver - bunden, als Roͤmiſche Sprache, Geſchichte und Litteratur. Von dem Grade des Eifers, womit dieſe unter uns getrieben werden, haͤngt zuverlaͤſ - ſig die Stelle ab, welche uns die Nachwelt ein - mahl in der Litterairgeſchichte des Rechts einraͤu - men wird, und wer den Unterricht im Lateini - ſchen nur auf das ſchlechterdings unentbehrliche einſchraͤnkrn will, ſollte doch nie vergeſſen, daß wenigſtens fuͤr einen Juriſten recht ſehr viel La - kein ſchlechterdings unentbehrlich iſt.

Druckfehler und Verbeſſerungen.

  • S. 5. Z. 11. 13. 15. u. 17. ſtatt Jahr lies Jahre.
  • S. 47. Z. 13. iſt nach iuris peritorum auctoritate aus - gelaſſen edictis magiſtratuum.
  • S. 64. Z. 20. muß der Satz: die andern gaben kein Recht gegen jeden Beſitzer ausgeſtrichen werden. Es ergibt ſich ſchon aus dem vorhergehenden, daß er falſch iſt, denn das Roͤmiſche Eigenthum geht ja auch auf res nec mancipii.

About this transcription

TextLehrbuch der Rechtsgeschichte bis auf unsre Zeiten
Author Gustav Hugo
Extent273 images; 42906 tokens; 8719 types; 310354 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationLehrbuch der Rechtsgeschichte bis auf unsre Zeiten Gustav Hugo. . [3] Bl., 258 S. MyliusBerlin1790.

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  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
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