So wenig man auch bisher Urſache gehabt hat, uͤber den Mangel gelehrter Compendien der Rechtsge - ſchichte zu klagen, ſo glaube ich doch nicht, daß irgend jemand, der mit die - ſem hier allenfalls zufrieden waͤre, den Verfaſſer blos deswegen tadeln wird, weil andere Buͤcher ſchon eben daſſelbe enthielten. Die zweyerley Arten von Rechtsgeſchichten, die ich kenne, wei - chen im Plane weſentlich von der gegen - waͤrtigen ab.
Die meiſten beſchaͤfftigen ſich, wie die von Heineccius, Bach, Selchow u. a. nur mit der Geſchichte der Quel - len und der Rechtsgelehrten, ſie laſſen alſo gerade den Punkt hinweg, welchen ich uͤberhaupt, und beſonders in Ruͤckſicht auf meine uͤbrigen Collegien, fuͤr den allerwichtigſten halte, naͤhmlich die Ge - ſchichte der Lehren ſelbſt.
Dieſe letztere haben erſt zwey Schrift - ſteller mit der Geſchichte der Quellen) (ver -Vorrede.verbunden, Herr Profeſſor Reite - meier in Frankfurt, und ganz neuer - lich Herr Profeſſor Tafinger in Erlan - gen. Aber ſie breiten ſich uͤber alle Theile der Rechtsgelehrſamkeit aus; ſie ſagen alſo ſchon deswegen ſehr vieles, was ich nicht ſagen wollte, und als bloſ - ſer Civiliſt auch nicht ſagen durfte, ſie uͤbergehen aber nicht weniger Detail, das ich zu uͤbergehen mir nicht getraute, wenn meine Zuhoͤrer mit der Geſchichte des Roͤmiſchen Rechts hinlaͤnglich be - kannt werden ſollten.
Von dieſer war es meine Abſicht im Collegium alles vorzutragen, was muͤnd - lich vorgetragen zu werden verdient, und im Lehrbuche auf alles dieſes, theils vorlaͤufig, theils bey der Wiederholung, aufmerkſam zu machen. Zum Nach - ſchlagen ſoll dieſes Compendium nicht ſeyn; dazu empfehle ich einmahl fuͤr al - lemahl das Bachiſche, und deswegen habe ich es auch fuͤr ſehr uͤberfluͤſſig ge - halten, Citaten abzuſchreiben, oder mich in Fragen einzulaſſen, die in Be - ziehung auf das Ganze doch nur Micro -logieVorrede.logie geweſen waͤren, ſo angenehm auch ihre Eroͤrterung ſeyn mag.
Eine Zugabe zu der Geſchichte des Roͤmiſchen Rechts iſt hier die kurze Ge - ſchichte der ganzen Rechtsgelehrſamkeit im heutigen Europa, und dieſe endigt ſich natuͤrlich mit einer Ueberſicht der jetzigen Art zu ſtudieren. Aus beyden, ſowohl aus der juriſtiſchen Litterairge - ſchichte, als auch aus der Encyclopaͤdie und Methodologie, kann man eigene Collegien machen, die vielleicht nuͤtzlicher ſind, als manche andere. So lange dieß aber gar nicht oder ſelten ge - ſchieht, ſo iſt es doch unleugbar ſchon Gewinn, auch nur einige muͤndliche Anleitung zum eigenen Studium dieſer Faͤcher zu erhalten.
Man hat mir geſagt, daß in bey - den Theilen des Buchs gar manche Stelle fuͤr Juriſten noch zur Zeit viel zu freymuͤthig ſey, daß ich von Juſti - nian und von Leyſer lange nicht mit genug Ehrfurcht geredet habe. Theils kann ich mir aber nicht vorſtellen, daß die Juriſten die Wahrheit weniger er -) (2tra -Vorrede.tragen ſollten, als die Theologen, bey denen es doch ſchon lange keine Suͤnde mehr iſt, Kirchenvaͤter und Verfaſſer von ſymboliſchen Buͤchern ſo ungenirt zu beurtheilen, wie andere Menſchen; theils wenn es wahr waͤre, daß uns jetzt die Theologen auch hierin beſchaͤ - men, ſo wuͤßte ich doch kein anderes Mittel, als mit aller moͤglichen Reſigna - tion mich darein zu ergeben, weil ich ſonſt nicht nur gegen meine Ueberzeu - gung ſprechen, ſondern auch noch die groͤßte Gefahr laufen muͤßte, es ganz umſonſt zu thun. Es wird mir niemand zumuthen, daß ich die Geſchichte Ju - ſtinians mit Jam noua progenies &c. anfangen ſollte, wer je geleſen hat, oder ſich erinnert, was faſt alle neueren Hiſtoriker von dem Kaiſer unſerer Com - pilatoren ſagen. Einige dieſer Aeuße - rungen ſtehen woͤrtlich hier abgedruckt, und ſchon gegen dieſe, die gewiß nicht die ſtaͤrkſten ſind, wuͤrde das Beywort: der große Juſtinian ſeltſam abſtechen.
Goͤttingen im December 1789.
§. 1.Da die Rechtswiſſenſchaft ſich nicht blos mit Geſetzen, ſondern uͤberhaupt mit Zwangsrechten und Zwangspflichten, ſie moͤ - gen aus ausdruͤcklichen Geſetzen, oder aus Gewohnheit, oder Raiſonnement entſtanden ſeyn, beſchaͤftigt; ſo iſt die Geſchichte des Rechts auch nicht blos die Erzaͤhlung der Ver - aͤnderungen, die ſich mit den ausdruͤcklichen Geſetzen zugetragen haben.
Es ſind vorzuͤglich drey Punkte, die in der Rechtsgeſchichte verbunden werden koͤn - nen:
Eine ſolche Rechtsgeſchichte kann in der Jurisprudenz gerade eben ſo nuͤtzlich werden, als die Kirchengeſchichte und die Geſchichte der Dogmen in der Theologie es iſt. Ohne ſie laͤßt ſich durchaus kein gruͤndliches Stu - dium gedenken, aber man kann ſie voͤllig ent - behren, wenn man nur das lernen will, was ſich unmittelbar in der Praxis anwenden laͤßt.
Von den in Deutſchland geltenden Rech - ten iſt die Geſchichte keines einzigen ſo bear - beitet, und eines juriſtiſchen Vortrags ſo be - duͤrftig, als die des Roͤmiſchen Rechts. Denn die Urheber des Canoniſchen und Deutſchen Rechts hatten entweder gar kein Rechtsſy - ſtem, oder blos das Roͤmiſche gelernt. Oh - nehin wird ja auch noch jetzt die meiſte und die erſte Zeit der academiſchen Jahre auf die - ſes Recht verwendet, und da man die Rechts - geſchichte nicht ohne Grund unter die Anfangs - Collegien rechnet, da man uͤber die Geſchich -te3Vorbereitung.te des Deutſchen Staatsrechts ein eigenes Collegium, die Reichshiſtorie, hoͤrt, da auch die Geſchichte des Kirchenrechts in Verbin - dung mit den wichtigſten Lehren deſſelben be - ſonders vorgetragen werden wird: ſo iſt hier der erſte Theil, die Geſchichte des Roͤmiſchen Rechts in ſeinem Vaterlande (Conſtantinopel als Neu-Rom mit dazu gerechnet) ausfuͤhr - licher, als der zweyte, der die Geſchichte der Rechtsgelehrſamkeit von Juſtinian an bis auf unſere Zeiten enthaͤlt.
Jo. Aug. Bach hiſtoria jurisprudentiae Ro - manae iſt bey weitem das Hauptwerk, ob er gleich noch oͤfter und oft auch in wichtigern Dingen von Brunquell, der ſonſt als Re - pertorium verſchiedener Vorſtellungsarten ſehr brauchbar iſt, und von Heineccius haͤtte ab - gehen koͤnnen und ſollen.
A 2Ter -4Theil I. bis Juſtinian.Terraſſon hiſtoire de la jurisprudence Romaine iſt nicht im Geiſte der alten groſſen franzoͤſiſchen Civiliſten geſchrieben.
Chriſtian Thomaſius de naevis jurispruden - tiae Romanae characteriſirt ſich ſchon durch den Titel.
Ed. Gibbon’s hiſtoriſche Ueberſicht des Roͤmiſchen Rechts ſoll auch Nicht-Ju - riſten mit den wichtigſten Ideen auf eine an - genehme Art bekannt machen.
Das Fragment von Pomponius I. 2. fr. 2. hat, unter Juſtinian und ſeit Juſtinian, eben die Schickſale gehabt, wie viele andere, d. h. es iſt falſch excerpirt und falſch erklaͤrt wor - den. Wer aber ſeinen eigenen Weg ſucht, der wird mit Vergnuͤgen ſehen, daß Pompo - nius richtig verſtanden oft eben das ſagt, was ſich ſchon ohnehin ergab.
Einzele Beytraͤge liefern faſt alle juriſti - ſchen und nicht juriſtiſchen Claſſiker. Von den letztern ſind natuͤrlich diejenigen die glaub - wuͤrdigſten, die in den aͤltern Zeiten nicht am meiſten wiſſen wollen, alſo Tacitus mehr als Dionys von Halicarnaß und Plutarch.
Daß hiſtoriſche Ausſpruͤche von Juſtinian keine Geſetze ſind, giebt man jetzt allgemeinzu.5Theil I. bis Juſtinian.zu. Aber weit noͤthiger iſt noch in der Rechts - geſchichte die Warnung: nicht alles Revolu - tionenweiſe vorgehen zu laſſen.
Die 1300 Jahre von Roms Erbauung, bis auf unſer Corpus Juris laſſen ſich fuͤr die Rechtsgeſchichte ziemlich bequem in vier bey - nahe gleich lange Abſchnitte vertheilen:
I. Anfang — II. Erweiterung — III. hoͤchſter Flor — und IV. Verfall des Roͤ - miſchen Staats, der Roͤmiſchen Litteratur und des Roͤmiſchen Rechts.
I. Der Staat ziemlich roh und klein, die Verfaſſung gemiſcht aus Monarchie (bis 250), Erb-Ariſtocratie und Democratie, — das Recht unausgebildet.
II. Der Staat groͤſſer und maͤchtiger, die Verfaſſung gemiſcht aus Erb-Ariſtocra -A 3tie6Theil I. bis Juſtinian.tie und Democratie, nachher aus Wahl-Ari - ſtocratie. Das Recht auf geſchriebene Haupt - punkte gegruͤndet, verbeſſert und practiſch ge - lernt.
III. Der Staat weltherrſchend und hoch cultivirt, die Verfaſſung geht von der Re - publik zur Deſpotie, durch vielfache Abwechs - lungen voruͤbergehender Tyranney, und blei - bender gemaͤßigten Monarchie uͤber, die Jurisprudenz wird von den Claſſikern wiſſen - ſchaftlich und philoſophiſch bearbeitet.
IV. Der Staat zerſtuͤckt und aus ſeinem Urlande verdraͤngt, die Verfaſſung ſogar uͤber Meynungen deſpotiſch, die Jurisprudenz durch Launen der Deſpoten und durch das er - ſchwerte mechaniſche Studium zerruͤttet.
Rom entſtand aus Trojanern, mit denen ſich alte Einwohner des Landes vermiſch - ten. Vielleicht legten dieſe ſchon den Grund zur Stadt, die aber erſt unter Romulus (400 Jahre nach Troja) durch die Aufnah - me vieler Fremden ſich betraͤchtlich vergroͤſſer - te. Es waren zum Theil Exulanten, aber darum nicht gerade Verbrecher, und zum Theil Haͤupter von ganzen Staͤmmen *.
Sehr natuͤrlich war alſo Erb-Adel, aus welchem damahls allein der Senat beſtand, und das Verhaͤltniß der Clienten zu einem Patron. Auch gehoͤrte es zur Grundverfaſ -A 4ſung8Theil I. bis Juſtinian.ſung des Staats, daß er ſich nicht blos durch die Geburt, ſondern auch durch Aufnahme der Fremden, beſonders der Kriegsgefange - nen, wenn dieſe erſt eingewoͤhnt ſeyn wuͤrden, vermehren ſollte. Aber eben deswegen paßt die Unveraͤuſſerlichkeit der Grundſtuͤcke hier nicht, und eben ſo wenig die vielen Verord - nungen uͤber das Privatrecht, die Romulus gemacht haben ſoll. Im Gegentheil laͤßt ſich einiges daraus erklaͤren, daß man annimmt, im Hausrechte habe es jeder gehalten, wie vorher auch, einer ſo, der andere anders.
Eine Eintheilung des ganzen Volks muß - te ſchon wegen der beſtaͤndigen Kriege ge - macht werden; wahrſcheinlich war dies eben die in 30 Curien, wornach das Volk uͤber einen Antrag ſich erklaͤrte, dieſer mochte ein ſo genanntes Geſetz, oder einen anderen Be - fehl betreffen: lex curiata. Es kann ſeyn, daß man erſt in der Folge, da der Staat ſich vergroͤſſerte, und da die comitia curiata eine bloße Ceremonie wurden, die Stadt auch in tribus eintheilte. Wenigſtens benutzte man dieſe Eintheilung wohl nicht fruͤher.
Waͤhrend der friedlichen Regierung des zweyten Koͤnigs Numa wurden genauere re - ligieuſe Gebraͤuche, Meynungen und Perſo - nen erfunden, oder vielmehr nach dem Bey - ſpiele anderer Voͤlker eingefuͤhrt. Wenig - ſtens ſpaͤtherhin waren beſonders die Auſpi - cien und das Collegium der Auguren, ein weſentlicher Beſtandtheil der ganzen Staats - verfaſſung.
Der Zufluß von Fremden veranlaßte ſchon den fuͤnften Koͤnig Tarquinius I. neue Senatoren oder Patricier aufzunehmen. Aber erſt ſein Nachfolger Servius Tullius richte - te eine Art, die Stimmen zu ſammeln ein, wobey der Einfluß jedes Einzelen nicht von ſeiner Geburt, ſondern von ſeinem jedesmah - ligen Vermoͤgen, alſo davon, was er mit dem Staate zu erhalten oder zu verlieren hat - te, abhing: comitia centuriata nach dem cen - ſus. Nun waren alſo nicht mehr blos die Patricier von den Plebejern, ſondern auch die Reichern von den Aermern, in der Staats - verfaſſung getrennt.
Die Vertreibung der Koͤnige war nicht ſowohl unmittelbar wichtig, denn jeder Con - ſul war Koͤnig, und auch von den Koͤnigen hatte man wahrſcheinlich ſollen an das Volk provociren duͤrfen, wie nun auch von den Con - ſuln erlaubt ward. Aber die Gewalt des Senats und des Volks mußte nicht nur ge - ſichert, ſondern vermehrt werden, als die Stelle des Oberhaupts gar nicht mehr erblich, und alle Jahre abwechſelnd ward, und jeder Conſul einen Collegen hatte. Den Nachtheil, welcher aus dieſer allmaͤhlichen, aber unaus - bleiblichen, Schwaͤchung der Gewalt des er - ſten Staatsbedienten, fuͤr dringende Faͤlle zu befuͤrchten war, verhuͤtete man durch das Recht des Conſuls, ſich uͤber die Geſetze weg - zuſetzen *, und durch das Recht, einen Dicta - tor zu ernennen.
Das Verfahren der Glaͤubiger gegen ih - re Schuldner war zwar bey einem Volke, das Sklaverey aber keine Armenanſtalten hatte, nichts weniger als auſſerordentlich, aber doch gerade bey einem kleinen, rohen und kriege - riſchen Staate ſehr druͤckend. Die Einfaͤlle der Feinde, die faſt allgemeine Pflicht aller Buͤrger zu Felde zu ziehen, und die natuͤrlich hohen Zinſen machten es oft unvermeidlich nexus zu werden, und das Schickſal eines nexus hing ganz von ſeinem Glaͤubiger, oder allenfalls noch vom Conſul ab. Selbſt die Tribunen, welche ſich der aͤrmere Theil des Volks erzwang, waren nur in einzelen Faͤllen unmittelbare Huͤlfe, aber ihre Verſammlun - gen des Volks nach Tribus * wurden dem Adel und den Reichen gefaͤhrlich, und veran - laßten die Abfaſſung eines großen Grundge - ſetzes.
Auſſer dem Drucke der Erb-Ariſtocraten wirkte vielleicht auch das Beyſpiel der culti -vir -12Theil I. bis Juſtinian.virtern griechiſchen Staaten in Unter-Italien, daß man in Rom darauf beſtand, die Haupt - ſache von der ganzen Verfaſſung einmahl zur Sprache und zur Gewißheit zu bringen. Daß Geſandte nach Athen geſchickt wurden, iſt nicht glaublich, und warum die aus den Erb - Ariſtocraten gewaͤhlten Decemviren zugleich die einzige und unumſchraͤnkte Obrigkeit ſeyn ſollten, ſieht man nicht wohl, da ſie doch bloße legislatores im Roͤmiſchen Sinne des Worts waren, und alles von dem Gutfinden des verſammelten Volkes abhing. So wur - den zu Ende des erſten Jahrs zehn Tafeln genehmigt. Fuͤr das zweyte Jahr wurden neue Decemviren, und unter dieſen auch Ple - bejer, ernannt, aber der geſetzwidrige Aus - ſpruch des Appius Claudius hatte die Fol - ge, daß wieder Conſuln die Verſammlung hielten, worin das große Grundgeſetz der 12 Tafeln ſeine volle Kraft bekam.
Die zwoͤlf Tafeln waren kein Geſetzbuch, wie man in unſern Tagen Geſetzbuͤcher macht, um beſtrittene wiſſenſchaftliche Saͤtze, durch einen Machtſpruch von oben herab, zu be - ſtimmen. Die Fragmente, wie ſie der juͤn - gere Godefroi * zuſammengeſtellt hat, ent - halten, aus ſehr natuͤrlichen Urſachen, beywei -13Periode 1. Quellen.weitem nicht alles, was vom Staatsrechte in den 12 Tafeln vorgekommen ſeyn muß, ſondern viel vollſtaͤndiger die erſten und groͤb - ſten Grundſaͤtze des Privatrechts. Einen großen Theil der ganzen, an ſich ſehr maͤßi - gen, Urkunde nahm die Lehre von Verbrechen und von Polizey-Sachen ein. Es waren uͤbrigens nicht lauter neue Verordnungen, ſondern es kam auch vieles, aber nicht gera - de alles, Alte auch in die zwoͤlf Tafeln, weil man durch Vergleichung mit dem Griechiſchen Rechte, das Hermodorus erklaͤrte, darauf aufmerkſam geworden war.
Die erſte Tafel handelt von der Art, wie eine Sache vor den Staatsbedienten, der hier praetor heißt, gebracht werden ſoll,
die zweyte vom Verfahren vor dem Pri - vatmanne, den der Staatsbediente ernennt, und ſchwerlich auch vom Diebſtahle,
die dritte von den Rechten gegen Schuld - ner,
die vie[rt]e von der Ehe und vaͤterlichen Gewalt,
die14Theil I. bis Juſtinian.die fuͤnfte von Erbſchaft und Vormund - ſchaft,
die ſechste vom Eigenthume,
die ſiebende von Verbrechen,
die achte von der Polizey, beſonders bey Grundſtuͤcken,
die neunte von den Staatsbedienten,
die zehnde von religieuſen Gebraͤuchen,
die elfte und zwoͤlfte ſind Ergaͤnzungen.
Wenn man das ganze Recht in publicum und priuatum eintheilt, ſo gehoͤrt die Lehre von der Religion und von Verbrechen unſtreitig zu erſterm, bey welchem man auf die hoͤchſte Gewalt uͤberhaupt, und auf ihre einzelen Gegenſtaͤnde ſehen kann.
I. Ius publicum.
A. Staatsrecht, oder Grundgeſetze.
Die hoͤchſte Gewalt war beym Senate und beym Volke.
Der15Periode 1. Syſtem.Der Senat beſtand aus lauter Erb-Ari - ſtocraten §. 9. und 12. die nicht einmahl durch Heyrathen ſich mit den Plebejern, ihren Clienten verbinden durften; an ſeiner Spitze waren die zwey Conſuln, welche Quaͤſtoren unter ſich hatten, oder ein Dictator mit dem magi - ſter equitum. Die Conſuln ernannte das Volk, den Dictator ein Conſul. — Die Gewalt des Oberhaupts vom Senate begriff die Rechte, welche ehemahls der Koͤnig ge - habt hatte, und welche in der Folge zum Theil fuͤr den Cenſor und den Praͤtor abgeſondert wurden. Aber eingeſchraͤnkt war ſie der Re - gel nach durch interceſſio paris poteſtatis, pro - vocatio an das Volk oder die Tribunen, die Auſpicien und die invidia, vor welcher der kuͤnftige Privat-Mann ſich fuͤrchten mußte. — Jeder erwachſene Patricier ſcheint Senator geweſen zu ſeyn. Die Volkstribunen hatten keine Stimme als ihr Veto.
Das Volk verſammelte ſich nach Centu - rien, oder nach Curien oder nach Tribus.
Comitia centuriata §. 12. hielt der Chef des Senats mit Auſpicien §. 11. theils um uͤber irgend einen Antrag §. 10. ſtimmen zu laſſen, theils zur Wahl neuer Conſuln, wo -bey16Theil I. bis Juſtinian.bey die centuria praerogativa, die wenigſtens zum Theil durch das Loos beſtimmt ward, immer den Ausſchlag gab.
Comitia curiata waren wohl ſchon eine Antiquitaͤt, und 30 Lictoren ſtellten das Volk vor.
Comitia tributa wurden von den unver - letzlichen Volkstribunen gehalten, ohne Au - ſpicien, theils uͤber irgend einen Antrag, theils um neue Tribunen zu waͤhlen. An die - ſen Comitien nahmen die Patricier keinen An - theil, es war alſo nicht populus ſondern nur plebs beyſammen.
Das Ius ferendi legem (verſchieden von Geſetzgebung weil lex nicht immer ein Geſetz, und ferre legem nicht ein Geſetz geben heißt) hatten nur die obrigkeitlichen Perſonen, die Volksverſammlungen halten durften. Der Regel nach ſollte die Sache ſchon im Senate vorgekommen ſeyn. — Der Ausdruck pri - vilegia ne irroganto iſt mit der Verordnung wie uͤber das caput (Leben, Freyheit, Buͤr - gerrecht und Familie) eines Buͤrgers votirt werden ſollte, nicht leicht zu vereinigen.
Die Rechte gegen Auswaͤrtige verwalte - ten die Oberhaͤupter, der Senat und das Volk.
B. Regierungsgeſetze, oder Staats-Polizey - Recht.
1. Recht der Aemter und Wuͤrden. Je - ne ertheilte bald das Volk, bald ein vom Volke gewaͤhltes Oberhaupt. Die Wuͤrden, den Erb-Adel, ertheilte, aber ſelten, der Senat.
2. Abgaben wurden nach dem Cenſus von Senat und Volk aufgelegt.
3. Die Religion war mit dem Staate innigſt verbunden. Ueber die Begraͤbniſſe hatte man Aufwandsgeſetze, und die Wei - hung einer im Proceſſe ſtehenden Sache ward mit doppeltem Erſatze beſtraft.
4. Militair. Vielleicht waren die aͤrmern Buͤrger ſchon damahls von den fuͤr ſie ſo druͤckenden Dienſten frey.
5. Die Civil-Juſtiz adminiſtrirte (jus dicebat) der Praͤtor d. h. damahls der Con - ſul, oder der Dictator, alſo der erſte Mann im Staate. Eben deswegen konnte dieſer ſich aber nicht mit der genauern Auseinanderſet - zung einzeler Proceſſe beſchaͤftigen, ſondern nur die Sache einleiten und Thaͤtlichkeiten verhindern. Sehr natuͤrlich war es auch, daß der Particulier, dem er die naͤhere Unter - ſuchung auftrug, bald das ganze Urtheil ſchonBvor -18Theil I. bis Juſtinian.vorgeſchrieben erhielt (judex), bald aber ei - ne ausgedehntere Vollmacht (arbiter), je nachdem es naͤhmlich, bey dem ganzen Pro - ceſſe, auf den Beweis einer einzelen That - ſache ankam, oder nicht. Uebrigens beruhte die jurisdictio ſehr viel auf Willkuͤhr, der 12 Tafeln ungeachtet, welche nur die aller - erſten Grundſaͤtze enthielten.
C. Strafgeſetze.
Das Verfahren gegen Verbrecher war wohl anders im Kriege, als im Frieden, und wahrſcheinlich nahm ſich im Nothfalle der Conſul der Sache an, auch wenn kein accuſator ſondern nur ein index da war, alſo es hatte wohl zuweilen Inquiſition ex officio (nach dem unlateiniſchen heutigen Ausdrucke) Statt. — Die hoͤchſte Inſtanz war beym verſammelten Volke.
Die Verbrechen, welche als Angelegen - heit des ganzen Staats betrachtet wurden, mußten dieſen auch ziemlich unmittelbar ange - hen: Hochverrath, Conſpiration, Feuer - anlegen, Ermordung eines Buͤrgers, gericht - licher Meyneid, Zauberey, Schaden an Ge - traide, Untreue des Patrons, Pasquill, und zuweilen Entwendung. Sonſt war esGeiſt19Periode 1. Syſtem.Geiſt des Roͤmiſchen Rechts, daß von einer ſtrafbaren Handlung derjenige Vortheil hat - te, dem dadurch geſchadet werden ſollte.
Als Strafen kommen mannichfaltige Hinrichtungen, und Schlaͤge vor; ſie ſind nach dem Alter und auch darnach verſchieden, ob der Verbrecher ein Buͤrger oder ein Skla - ve war.
II. Privatrecht.
Wenn es auf die Vorſtellung des ganzen Roͤmiſchen Privatrechtsſyſtems ankommt, ſo laͤßt ſich vermuthen, daß der Plan der juri - ſtiſchen Claſſiker der beſte ſeyn werde.
A. Perſonen-Recht, oder Verhaͤltniſſe der Menſchen gegen einander, die ſich geden - ken ließen, wenn nichts als Menſchen in der Welt waͤren, ohne Ruͤckſicht auf Mein und Dein.
Dieſe Verhaͤltniſſe waren alle, wie ſie bey einer rohen Nation immer ſind, ſich aͤhn - lich und ſehr ſtrenge, ſo daß ſie beynahe alle fuͤr Theile des Vermoͤgens galten.
1. Herrn und Sklaven. Der Sklave hatte, ſo viel man weiß, gar keine RechteB 2ge -20Theil I. bis Juſtinian.gegen ſeinen Herrn, aber dieſer baute mit ihm das Feld und lief oft Gefahr, auch Skla - ve zu werden. Nicht blos die Kinder einer Sklavinn, ſondern alle Kriegsgefangene und manche verarmte Buͤrger wurden Sklaven.
Der Sklave ward frey, wenn ſein Herr es zugab, daß ihn das Oberhaupt des Staats fuͤr frey erklaͤrte: manumiſſio per vindictam, oder wenn der Herr ihn in das Verzeichniß der Buͤrger eintragen ließ: per cenſum, oder wenn er ihm im Teſtamente die Freyheit er - theilte. Die Freygelaſſenen hatten noch alle gleiche Rechte, ſie wurden plebejiſche Buͤrger, aber der Patron konnte Ehrfurcht, und in ei - nigen Faͤllen ihre Verlaſſenſchaft fordern.
2. Vaͤterliche Gewalt. Sie war beyna - he unumſchraͤnkt, und das dreymahlige Ver - kaufen (tres emancipationes), wodurch ſie aufhoͤrte, war noch kein Spiel, wie manche glauben, die ſich nicht aus unſern Sitten heraus, in die Lage des armen Roͤmiſchen Staats (§. 14.) hineindenken koͤnnen, und die nicht wiſſen, daß ein in Rom verkaufter Roͤ - mer immer nur verpfaͤndet war, und wieder ausgeloͤst werden konnte. — Man ward Vater durch die eheliche Geburt, aber eben ſo gutdurch21Periode 1. Syſtem.durch Adoption, bey welcher der Souverain nur gefragt werden mußte (arrogatio) wenn ein Familienhaupt weniger werden ſollte.
Daß die vaͤterliche Gewalt nicht aufhoͤrte, wenn gleich der Sohn heyrathete, war in Rom gerade ſo wie in jedem Staate, wo es keine Handwerker ſondern nur Ackerbauer giebt.
3. Ehe. Es gab wohl noch keine andere, als die, wodurch die Frau eine Tochter, alſo beynahe eine Sklavinn, des Mannes ward: per conventionem in manum mariti. Aber die Feyerlichkeiten dieſer Ehe waren verſchie - den, je nachdem religieuſe Gebraͤuche (con - farreatio) oder ein bloßer Kauf (cöemptio) vorging, oder die Frau gar nur, wie anderes bewegliche Eigenthum, durch jaͤhrigen Beſitz erworben ward. Von einer dos war noch keine Rede, aber hoͤchſt wahrſcheinlich von verbotenen Graden. Die Erb-Ariſtocraten verbanden ſich weder mit Freygelaſſenen noch mit andern Plebejern.
Die Scheidung hing vom Manne ab, ſie war zwar lange nicht ſo haͤufig wie nach - her, aber doch ſchwehrlich unerhoͤrt.
4. Tutel. Auch dieſes Recht war nicht blos zum Beſten des Schutzbeduͤrftigen. Es erſtreckte ſich wohl ſchon damahls nicht blos uͤber Unmuͤndige, und unter dem Nahmen cura uͤber Wahnſinnige, und erklaͤrte Ver - ſchwender, ſondern auch uͤber das ganze weib - liche Geſchlecht, ſo oft dieſe Perſonen keinen Vater und keinen Ehemann hatten. Es kommt nur Tutel aus einem Teſtamente des Vaters, und kraft der Verwandſchaft vor, wohin zwar auch Freylaſſung, aber nicht ge - meinſchaftliche Herkunft durch Weibsperſonen, gehoͤrte, und das Recht des erſten Staats - bedienten einen Vormund zu ernennen war noch unbeſtimmt.
Die Tutel wegen des Alters hoͤrte mit der Pubertaͤt voͤllig auf, fuͤr welche man aber noch keine allgemeine Regel hatte.
B. Sachen-Recht, oder Mein und Dein, und was dazu gehoͤrt.
1. Jus in rem. Viele Sachen konnten kein Theil eines Privatvermoͤgens werden, weil ſie einem Gotte gewidmet (ſacrae), oder ſonſt unverletzlich (ſanctae), oder ein Begraͤb - niß (religioſae) waren, oder auch nur weilſie23Periode 1. Syſtem.ſie dem ganzen Staate gehoͤrten. Sonſt war aber die Claſſe der Sachen in ſo ferne groß, weil auch die Verhaͤltniſſe aus dem Perſonen - Rechte wenigſtens zu den unkoͤrperlichen Sa - chen gehoͤrten.
Das ſtrenge Recht des Eigenthuͤmers, ſeine Sache von jedem, auch dem durch kein Verſprechen und durch keine von ihm zuge - fuͤgte Beleidigung verbindlich gemachten, In - haber zuruͤckzufordern, war wie billig bey den Roͤmern ſehr eingeſchraͤnkt. Ein ſolches buͤr - gerliches Eigenthum (dominium quiritarium) erlangte man an koͤrperliche Sachen und an Rechte auf Grundſtuͤcke, nur auf folgende Arten, wenn man die Wirkung vom jus per - ſonarum und die Verlaſſenſchaften wegrech - net:
Das Recht des Pfandglaͤubigers war noch einerley mit dem widerruflichen Eigenthume, fiducia.
Jedes jus in rem ging verloren, theils durch Abtretung, theils durch Verlaſſung, theils dadurch, daß die Sache ganz aus dem commercium kam.
2. Jus in perſonam obligatam. Dies war natuͤrlich um ſo wichtiger, je ſeltener das jus in rem zureichte. Die obligatio ging vor ſich entweder durch eine rechtmaͤßige oder durch eine unrechtmaͤßige Handlung.
a. Obligatio ex contractu. Die Entſte - hung eines unwiderruflichen Zwangsrechtsauf25Periode 1. Syſtem.auf alles, was je ein Anderer zugeſagt hat, iſt im Natur-Rechte ſo ſchwer zu beweiſen, daß man es nicht fuͤr unnatuͤrlich oder fuͤr ein Zeichen eines treuloſen National-Characters halten ſollte, wenn die Roͤmer, ſo wie faſt alle andern Voͤlker, zu einer Verabredung, wodurch jemand ein Zwangsrecht nicht etwa blos zu modificiren oder aufzuheben, ſondern ganz erſt von neuem zu gruͤnden ſuchte, noch entweder eine foͤrmliche Anfrage an den Ver - ſprecher, oder aber einen wirklichen Verluſt des Andern, der ſchon etwas gethan oder ge - geben hatte, erforderten. Der Satz: ex nu - dis pactis non oritur actio ſed exceptio waͤre einer ſehr klugen Geſetzgebung wuͤrdig, wenn ſich ſolche Dinge durch Geſetze machen ließen, und nicht faſt immer von ſelbſt machten.
Real-Contracte waren: mutuum bey ei - ner verbrauchbaren Sache mit hoͤchſtens 8⅓ ProCent (vſura vnciaria), commodatum, depoſitum und pignus, und alle ungenannten Contracte, als zu deren Weſen ein ſchon vollendetes Geben oder Thun gehoͤrt.
Ob alle andere Contracte durch eine Sti - pulation geſchloſſen wurden, oder ob Kauf fuͤr Geld, Miethe, Societaͤt und Mandat ſchon damahls ausgenommen waren, laͤßt ſich nicht beſtimmen.
b. Obligatio ex delicto. Sie ging faſt immer auf mehrfachen Erſatz und ſie konnte darauf gehen, weil in einem Lande, wo Skla - verey Statt findet, auch der aͤrmſte Verbre - cher an ſeinem eigenen Koͤrper ein Capital hat. Sehr viele unerlaubte Handlungen wurden gar nicht ſo angeſehen, als ob der Staat un - mittelbar dabey intereſſirt ſey, es war bloß Sache des Beleidigten, der daruͤber Verab - redungen traf, welche er wollte. So bey Dieb - ſtahl und Raub, (furtum) Verwundung u. ſ. w. Noxia eines filiusfam. oder Sklaven und pauperies eines Thiers.
3. Verlaſſenſchaften. Letzter Wille und geſetzliche Erbfolge waren ſich ſo entgegenge - ſtellt, daß letztere nicht Statt fand, ſo bald im mindeſten etwas giltig diſponirt war. Da - her der Grundſatz: Nemo poteſt pro parte teſtatus, pro parte inteſtatus decedere, weil ſchon nach den Worten der XII Tafeln die Inteſtaterbfolge bloß ſubſidiariſch war. — Uebrigens iſt von keinem Erbrechte die Rede, wenn nicht ein Hausvater geſtorben iſt.
a. Teſtamente. Ueber ihre Form war gar nichts verordnet, und man weiß nicht, obnoch27Periode 1. Syſtem.noch jetzt in comitiis calatis nach Curien, und in procinctu ein Teſtament gemacht ward. Aber die Form, welche noch bis auf die ſpaͤthe - ſten Zeiten, freylich kaum mehr erkennbar ſich erhielt, hatte zur Grundlage einen wider - ruflichen Erbvertrag, eine Auflaſſung des ganzen Vermoͤgens an den Erben, oder bald nachher an einen Dritten. Der Inhalt des Teſtaments ſcheint ganz von der Willkuͤhr des Teſtirers abgehangen zu haben, Enter - bung und Uebergehung der Kinder ſo gut, als Tutel der Schutzbeduͤrftigen, die er in ſeiner Gewalt hatte, Legate, und Freylaſſungen.
b. Geſetzliche Beſtimmung wenn keine in - dividuelle da war. Erſt der heres ſuus, im Gegenſatze deſſen, der aus der Familie ſeines leiblichen Vaters in eine andere uͤber gegangen war, auch wohl deſſen, der ſchon beym Leben des Vaters fuͤr ſich Vermoͤgen erworben hat - te. Vermuthlich ſah man ſchon damahls hierin nicht auf die Naͤhe des Grades, aber wohl auf die unmittelbare vaͤterliche Gewalt. — Sobald kein ſuus vorhanden war, kam es darauf an, ob der Verſtorbene einſt ſelbſt ein Sklave geweſen war, oder etwa nur ſeine Voraͤltern. In jenem Falle ſuccedirte der Patron, in dieſem, ſo wie wenn gar keineSkla -28Theil I. bis Juſtinian.Sklaverey vorkam, der naͤchſte Agnate, oder die von derſelben gens.
Die Hypotheſe, daß das weibliche Ge - ſchlecht noch gar nicht geerbt habe, erklaͤrt vollkommen, warum alle Verwandten durch Weibsperſonen, alle Cognaten, nicht erbten, warum ſo ſehr lange das weibliche Geſchlecht in der Erbfolge dem maͤnnlichen nicht ganz gleich war, warum die Roͤmerinnen ſich da - mahls noch zur ſtrengen Ehe entſchloſſen, und warum von einer Erblaſſerinn gar nichts vor - kommt. Nimmt man noch die ganze Lage des weiblichen Geſchlechts bey einem kriegeri - ſchen und uncultivirten Volke dazu, ſo ſcheint es dagegen nichts zu beweiſen, daß 700 Jah - re ſpaͤther die Claſſiker ſagen, der Unterſchied zwiſchen agnatus und agnata ſtehe nicht in den 12 Tafeln, und daß ein Griechiſcher Kaiſer im Mittelalter ſich ruͤhmt, er habe eine un - natuͤrliche und beynahe ſuͤndliche Ungleichheit abgeſchaft, die auch die 12 Tafeln nicht ge - kannt haͤtten.
Unter mehrern Erben waren die Activ - und Paſſivſchulden durch bloße Rechnung ver - theilt, das uͤbrige Vermoͤgen durch 3 arbitrifami -29Periode 1. Syſtem.familiae erciſcundae. Wer das Meiſte er - hielt mußte auch die gottesdienſtlichen Gebraͤu - che uͤbernehmen, die der Verſtorbene beobach - tet hatte.
C. Proceß.
Es iſt ſchon oben erinnert worden, daß bey eben dem Manne, der auf ein Jahr lang gewaͤhlt worden war, um die Armee zu fuͤh - ren, und das Oberhaupt des ganzen Staates zu ſeyn, auch die Streitigkeiten aus dem Pri - vatrechte angebracht werden mußten. Das Roͤmiſche Recht kennt, ſchon in dieſen Zeiten, die Selbſthuͤlfe ſo wenig, als moͤglich. Ge - gen dieſen Satz beweißt es gar nichts, daß jeder Klaͤger den Beklagten auffordern durf - te, mit ihm vor den Regenten (in jus) zu gehen, und daß er ihn im Weigerungs-Falle, mit dem Beyſtande oder in Gegenwart ande - rer Glieder der geſetzgebenden Gewalt, ſogar dazu zwingen konnte, ohne erſt eine einſeitige Anzeige davon gemacht, und dadurch einen Befehl erhalten zu haben. Der Staat war noch klein und die Schreibkunſt ſelten, alſo perſoͤnliches Erſcheinen faſt unumgaͤnglich noͤ - thig, oder wenigſtens nicht laͤſtig. Der Con - ſul entſchied den Beſitz bis zu Austrag der Sache (vindicias dabat) bey Realklagen undbey30Theil I. bis Juſtinian.bey Streitigkeiten uͤber Freyheit oder Sklave - rey. Aber wer den Beſïtz widerrechtlich er - langt hatte, ſollte die Fruͤchte doppelt erſetzen, oft ward auch unter den Partheyen eine andere Strafe, etwa wie unſere Succumbenzgelder, aber, wie immer, zum Vortheil des Gegners durch Stipulation (ſtipulatio Praetoria) be - ſtimmt. Nun reducirte ſich alſo auch die Real - klage auf eine obligatio, und bey allen perſoͤn - lichen Klagen, die nicht offenbar ungerecht waren, gab der Conſul einen Richter, dem er, je nachdem die Parrheyen ſich gegen einander erklaͤrt hatten (litis conteſtatio) eine Vor - ſchrift ertheilte, worauf es hauptſaͤchlich an - komme, und wie auf jedem Fall geſprochen werden muͤſſe (actio). Dabey waren denn bald zum Beſten des Beklagten, bald aber auch des Klaͤgers * noch modificirende Clau - ſeln (exceptio, praeſcriptio).
Nun war der Gegenſtand des Proceſſes res litigioſa, die bey Strafe des doppelten Erſatzes nicht geweiht werden durfte, und nun hing es von den Partheyen ab, ob die Sache gleich vorgenommen werden ſollte, oderob31Periode 1. Studium.ob ſie ſich uͤber Termine verglichen (vadimo - nium). Der Auftrag des Particuliers war zu Ende, ſobald er geſprochen hatte, die Exe - cution war wieder eine Sache des Regenten, dem man gerade ſo viel und nicht mehr uͤber - ließ, als man ihm uͤberlaſſen mußte.
In dieſer ganzen Periode war zwar Juſtiz in Rom, aber noch keine Jurisprudenz. Man dachte ſo wenig daran, Begriffe und Grundſaͤtze aufzuſuchen und wiſſenſchaftlich zu bearbeiten, nach welchen ein rechtſchaffener und vernuͤnftiger Conſul oder Richter handeln muͤſſe, als man uͤberhaupt an gelehrte Logik oder Moral dachte. Es gab eben ſo wenig Juriſten in Rom, als es bey andern rohen Voͤlkern Juriſten giebt.
Ob Papirius bald nach Vertreibung der Koͤnige alle ihre Geſetze, oder nur die Regeln fuͤr den Gottesdienſt geſammelt, ob er dieſe Sammlung geſchrieben, oder nur muͤndlich durch Tradition fortgepflanzt habe, iſt ſehr beſtritten.
Ueber die Beſtrafung der Verbrechen, uͤber die Polizey, und uͤber das Privatrecht hatte man nun einige Beſtimmungen mehr, und mancher Punkt der alten Staatsverfaſ - ſung und des alten Privatrechts war nun ge - gen Zweifel und Widerſpruͤche geſichert. Aber die Erb-Ariſtocratie, von jeher die verhaßte - ſte Regierungsform, ward darum den Roͤ - mern nicht angenehmer, ſie mußte im Gegen - theil immer druͤckender werden, da die Zahl der Ariſtocraten vielleicht an ſich, aber ganz gewiß im Verhaͤltniſſe zu den Plebejern, wo - hin alle Freygelaſſenen gehoͤrten, immer ab - nahm; da der Unterſchied immer mehr ver - altete, und ſehr leicht der Nachkoͤmmling ei - nes der angeſehenſten Gefaͤhrten des Romu - lus aͤrmer ſeyn konnte, als mancher, der Ple - bejer ward und Plebejer blieb, weil die Erb -Ariſto -33Periode 2. Quellen.Ariſtocraten zu viel Stolz oder zu wenig Klug - heit beſaßen, um ihre Parthie oft genug durch neue Mitglieder zu verſtaͤrken. Die Plebejer hatten nun ihre Anfuͤhrer, deren ganzes In - tereſſe auf der Demuͤthigung des Erb-Adels beruhte; oft war auch ein Patriciſcher Conſul edel oder niedertraͤchtig genug, ihre Forde - rungen zu beguͤnſtigen. Kein Wunder alſo, daß der Zuſatz von Democratie in der Ver - faſſung immer ſtaͤrker ward, und daß die Ariſtocratie wenigſtens aufhoͤrte, geſetzmaͤßig erbliche Ariſtocratie zu ſeyn.
Gleich zu Anfang dieſer Periode mußten die Erb-Ariſtocraten zugeben, daß ein Schluß, den die Plebejer auch ohne ſie gefaßt haͤtten (plebisſcitum) nicht etwa eine lex, — ein Antrag an das Volk, ſeyn und heißen, ſon - dern voͤllig eben ſo kraͤftig ſeyn ſollte, als eine andere lex. Da man dies oͤfters, und noch zu Ende des fuͤnften Jahrhunderts, wiederhol - te, und da man doch nicht ſieht, daß die Tri - bunen mit ihren Volksverſammlungen ohne Patricier und ohne Auſpicien, alles durchge - ſetzt haͤtten, was allein den Patriciern unan - genehm war, ſo iſt es ſchwehr zu entſcheiden, welche Einſchraͤnkungen den Worten nach, oder doch dem Herkommen nach, ſich bey die -Cſem34Theil I. bis Juſtinian.ſem neuen Grundſatze fanden; und man darf hier, ſo wie bey andern oft wiederholten Ge - ſetzen, zweifeln, ob nicht manche Verordnung uͤber einen einzelen Fall fuͤr eine ganz allge - meine Regel gehalten worden ſey.
Ein Sieg uͤber die Erb-Ariſtocratie er - leichterte immer den andern, und nachdem einmahl die Ehe eines Plebejers mit der Toch - ter eines Patriciers erlaubt war, ſo konnte das ausſchließende Recht des Adels, zu den erſten Staatsbedienungen, ſich nicht mehr lange erhalten. Aber auch dieſe Veraͤnde - rung ging Stufenweiſe, und wer das Ende des vierten Jahrhunderts (387) zur Epoche machen will, weil da endlich das Conſulat ein Monopol zu ſeyn aufhoͤrte, der ſollte doch nicht vergeſſen, daß die Cenſoren, der Praͤ - tor, die Pontifen und die Auguren noch laͤn - gere Zeit blos aus den alten Familien gewaͤhlt werden durften.
Die Entſtehung neuer Regenten-Aemter war eine nothwendige Folge von der Ver - groͤßerung des Staats, wenn gleich die Pa - tricier ſehr gerne ſolche Gelegenheiten benutz - ten, um ſich fuͤr dieſe oder jene Aufopferungwe -35Periode 2. Quellen.wenigſtens eine Zeitlang zu entſchaͤdigen. Be - ſonders wichtig waren die Aemter, welchen man theils die Compoſition der regierenden Corps, die Verpachtung der oͤffentlichen Ein - kuͤnfte (vectigalia, nicht gerade der Zoͤlle) an reiche Roͤmer, die keine Senatoren waren (equites), und die nicht juſtizmaͤßige Beſtra - fung ſchlechter Buͤrger, theils die Verhuͤtung von Gewaltthaͤtigkeiten bey Rechtsſachen uͤber - trug. Die neuen Regenten, welche in jenen Stuͤcken an die Stelle der Conſuln traten, hießen von einem ihrer Geſchaͤfte Cenſoren, und der untergeordnete College der Oberhaͤup - ter des Staats fuͤr letzteres behielt den allge - meinen Nahmen eines Praͤtors, nur mit dem Zuſatze vrbanus, weil ſeine Beſtimmung war, in der Stadt zu bleiben, wenn die Conſuln an die Grenze zoͤgen.
Unter den Cenſoren muß man ſich nicht bloße Sittenrichter denken; ſie hatten das Recht Senatoren zu ernennen (legere), und da der Aemter noch ſo wenige waren, welche Sitz und Stimme im Senat gegeben haͤtten, ſo war ihre Wahl um ſo weniger eingeſchraͤnkt. Sie formirten die Centurien, und ſie muͤſſen ſelbſt die Tribus formirt haben, weil im ſechsten Jahrhunderte ein Cenſor vielleicht dieC 2Haͤlf -36Theil I. bis Juſtinian.Haͤlfte aller Buͤrger in vier Tribus zuſam - menſteckte, die vorher durch alle 35 vertheilt geweſen waren a). Die Gewalt der Cenſo - ren war ſehr groß, denn noch zu Cicero’s Zeiten ſtießen ſie einen geweſenen Conſul aus dem Senate, und ſehr fruͤh dachte man dar - auf, ihren Deſpotismus unſchaͤdlich zu machen.
Der neue Praͤtor war ſo wenig, als die Conſuln ſelbſt, ein Richter wie die unſrigen; nicht einmahl auf jurisdictio war er einge - ſchraͤnkt, er konnte in allen Stuͤcken Gehuͤlfe und Stellvertreter der Conſuln ſeyn, aber die Conſuln hatten auch ihre jurisdictio nicht verloren, ob ſie gleich ſeltener Gebrauch da - von machten. Als der Staat ſich vergroͤßer - te, ward noch ein Regent (praetor) gewaͤhlt, der hauptſaͤchlich außerhalb der Stadt ge - braucht werden ſollte (peregrinus) a). In der Folge hatte man noch mehr Gouverneure noͤthig, am Ende dieſer Periode waren es ſechs, und weil die peinlichen Gerichte ſich mehr ausgebildet hatten, ſo war es eine weiſe Einrichtung, daß jeder Buͤrger, indem er einer entfernten Provinz ihren Regenten waͤhl - te, nicht wiſſen konnte, ob dieſer nicht durchdas37Periode 2. Quellen.das Loos praetor vrbanus uͤber ihn ſelbſt wer - den, oder welches Criminaldepartement er bekommen wuͤrde. Entweder die jurisdictio oder eine quaeſtio beſchaͤftigte jeden Praͤtor ein Jahr lang in der Stadt, ehe er in ſein Gouvernement abreiſen durfte.
Die neuen, Anfangs blos Patriciſchen Aedilen (curules, im Gegenſatze derjenigen, welche ſchon vorher Subalternen der Tribu - nen geweſen waren) hatten die Polizey unter ſich, und dazu gehoͤrte auch die koſtbare Ehre, oͤffentliche Schauſpiele zu beſorgen. Die Zahl der Quaͤſtoren, die man nicht mit den Quaͤ - ſitoren oder Inquiſitoren verwechſeln muß, und die von jeher Adjutanten der GeneraleC 3ge -38Theil I. bis Juſtinian.geweſen waren, vermehrte ſich, und einigen war das aerarium (nicht blos der Schatz, ſondern auch das Archiv) anvertraut.
Die Volkstribunen bekamen Sitz und Stimme im Senate, und mußten nachher aus den plebejiſchen Senatoren gewaͤhlt wer - den.
Die theils voruͤbergehenden theils weni - ger bedeutenden Aemter der tribuni militum conſulari poteſtate, und der Triumviri capi - tales, monetales u. ſ. w. intereſſiren bey der Rechtsgeſchichte weniger, als die Privatper - ſonen, aus welchen die Criminal und Civilge - richte beſetzt wurden. In peinlichen Sachen wurden die Urtheiler aus Decurien ausgeſucht, in welche anfangs nur Senatoren, nachher gegen das Ende dieſer Periode auch equi - tes kamen. Ueber Civilproceſſe, bey welchen mehr Rechtsſaͤtze, als nur einzele Thatſachen, oder als der Beſitz, ſtreitig waren, erkannten Gerichte, die der Praͤtor oder ein Decemvir litibus judicandis aus dem Corps der 105 Centumviri beſtellte, oder dirigirte (conſi - lium, haſta centumviralis). Es iſt aber in dieſer ganzen Lehre noch vieles dunkel.
Die meiſten der bisher erzaͤhlten Veraͤn - derungen gingen durch feyerliche Volksſchluͤſ - ſe (leges); es iſt alſo kein Wunder, wenn Livius oder Tacitus von einer ungeheuern Menge leges ſprechen, die ſeit den zwoͤlf Ta - feln bis auf ihre Zeit gemacht worden ſeyen. Aber beynahe unbegreiflich iſt es, wie man ſolche Stellen anfuͤhren kann, um zu bewei - ſen: erſt ein Griechiſcher Kaiſer im Mittelalter habe das Roͤmiſche Privatrecht, — ein Chaos zur Zeit der ſchoͤnſten Bluͤthe der Litteratur, — in Ordnung bringen muͤſſen. Eine kurze chro - nologiſche Ueberſicht aller Volksſchluͤſſe, die man in dieſer Periode aufuͤhrt, kann am be - ſten zeigen, wie wenig man ſich in den Volksverſammlungen mit juriſtiſchen Lehrſaͤt - zen abgab, und eben dieſe Ueberſicht kann vielleicht zur naͤhern Kenntniß des Staats manchen Beytrag liefern.
Aus dem vierten Jahrhunderte kommen folgende leges vor: 1. allgemeine Verbind - lichkeit der Plebisſciten, — 2. Verbot je einen Regenten von der Provocation zu befreyen, — 3. Unverletzlichkeit (ſanctio) der Tribunen, Aedilen, judices, decemviri, dadurch, daßC 4der40Theil I. bis Juſtinian.der Verbrecher ſacer ſeyn ſollte, — 4. Le - bensſtrafe gegen jeden, der die Ernennung der Tribunen hindern wuͤrde, — 5. ſie ſol - len zehen, und lauter Plebejer ſeyn, — 6. Pa - tricier und Plebejer duͤrfen ſich heyrathen, — 7. die Gewalt der Cenſoren waͤhrt nur 1½ Jahre, — 8. gegen den ambitus, — 9. Ein - ſchraͤnkung der mulctae dictio, — 10. nie - mand ſoll uͤber 500 jugera beſitzen, — 11. gegen den Wucher, eine vermuthlich nur tem - poraire Verordnung, — 12. Zulaſſung der Plebejer zu der Stelle eines decemvir ſacro - rum, — 13. zum Conſulat 387, — 14. Rechte des praetor vrbanus, — 15. das erſte Strafgeſetz gegen unerlaubte Mittel einer von den Regenten des Staats zu wer - den, — 16. Zinſen zu 8⅓ Procent beſtaͤtigt, — 17. Abgabe zu 5 Procent von manumittirten Sklaven, — 18. Verbot bey Lebensſtrafe keine Volksverſammlung in der Entfernung von Rom zu halten.
Aus dem fuͤnften Jahrhunderte: 1. tem - poraire Anſtalten zur Erleichterung der Schuldner, — 2. uneingeſchraͤnkte Aufnah - me in den Senat, — 3. vſurae ſemiunciariae und Termine, alſo vielleicht nur voruͤberge - hend, — 4. keine Militairperſon ſoll will -kuͤhr -41Periode 2. Quellen.kuͤhrlich verabſchiedet werden, und wer ein - mahl tribunus militum geweſen iſt, darf nicht als Subaltern dienen, — 5. Zinſen ganz verboten, — 6. niemand darf zwey Re - gentenſtellen zu gleicher Zeit, — 7. niemand dieſelbe Stelle binnen zehn Jahren zweymahl begleiten, — 8. beyde Conſuln duͤrfen Plebe - jer ſeyn, — 9. die allgemein verbindliche Kraft der Plebisſciten beſtaͤtigt, — 10. eine lex centuriata muß der Senat vorlaͤufig gut heißen, ſie mag ausfallen wie ſie will, — 11. einer von beyden Cenſoren ſoll ein Plebejer ſeyn, — 12. das Privatgefaͤngniß der Schuld - ner hat, der Regel nach, nur noch bey einer obligatio ex delicto Statt, — 13. der prae - tor vrbanus mit Zuziehung der Tribunen, die aber diesmahl nicht alle uͤbereinzuſtimmen noͤthig haben, darf Tutoren ernennen: lex Ati - lia, — 14. kein Tempel oder Altar ſoll ohne Einwilligung des Senats und der Pluralitaͤt der Tribunen geweiht werden, — 15. Zahl der Pontifen und Auguren vermehrt, und Zulaſſung der Plebejer zu dieſen Wuͤrden, — 16. wer an das Volk provocirt, darf nicht hingerichtet werden: lex Valeria, eingeſchraͤnkt durch die Mutinybill, — 17. allgemeine Ver - bindlichkeit der Plebisſciten zum letzten mahle erneuert, — 18. Jurisdiction an nundinis verordnet, — 19. die Unabhaͤngigkeit der Co -C 5mitien42Theil I. bis Juſtinian.mitien vom Senate erneuert, — 20. uͤber die Zahl der Quaͤſtoren und ihre Geſchaͤfte (provinciae), — 21. niemand darf zum zweyten mahle Cenſor werden, — 22. der Praͤtor ſoll Leute, die zwar puberes ſind, aber das 25ſte Jahr noch nicht zuruͤckgelegt haben, gegen nachtheilige Verbindungen in integrum reſtituiren: lex Laetoria.
Im ſechsten Jahrhunderte, alſo waͤhrend der Puniſchen Kriege und waͤhrend der ſchoͤn - ſten und am Ende ſchon welkenden Bluͤthe des Freyſtaats: 1. uͤber die Veſtalinnen, — 2. (vielleicht) Aenderungen an den 12 Ta - feln: lex Aebutia, — 3. gegen Knaben - ſchaͤnderey, — 4. (vielleicht) uͤber die Se - natsverſammlungen, — 5. ein Aufwands - geſetz, — 6. gegen den Seehandel der Se - natoren und ihrer Soͤhne, — 7. gegen den Luxus der Roͤmerinnen: lex Oppia, — 8. gegen die heimlichen Geſchenke: lex Cincia, die nicht imperfecta war, — 9. gegen die vſucapio rei furtivae wiederholt, — 10. kein Roͤmer darf mehr hingerichtet, oder mit ſklaviſchen Strafen belegt werden: lex Por - tia, — 11. Ausdehnung der Wuchergeſetze auf ſocii und Latini, — 12. gegen den am - bitus, — 13. ein Aufwandsgeſetz, — 14. uͤber43Periode 2. Quellen.uͤber den Erſatz widerrechtlicher, auch aus Un - vorſichtigkeit zugefuͤgten, Beſchaͤdigungen: lex Aquilia, de damno injuria dato, — 15. uͤber das erforderliche Alter zu einer Regentenſtel - le, — 16. Entfernung der Nicht-Roͤmer aus der Stadt, — 17. kein Roͤmer darf ir - gend einem Frauenzimmer, auch ſeiner ein - zigen Tochter nicht, eine Erbſchaft oder ein ſehr betraͤchtliches Legat im Teſtamente zu - wenden: lex Voconia, — 18. uͤber Grenz - ſtreitigkeiten, — 19. ein Aufwandsgeſetz, — 20. gegen den ambitus, — 21. uͤber die Au - ſpicien, — 22. uͤber die Tage, an welchen dem Volke ein Antrag gemacht werden duͤrfe.
Aus der erſten Haͤlfte des ſiebenten Jahr - hunderts, wo der Staat ſich einer Revolu - tion ſchon unaufhaltſam naͤherte: 1. gegen Erpreſſungen der Gouverneure (de pecuniis repetundis), — 2. gegen den Luxus, — 3. wer in Staatsangelegenheiten abweſend iſt, darf nicht angeklagt werden, — 4. geheime Stimmen oder Ballotiren (lex tabellaria) bey Wahlen, — 5. bey peinlichen Gerichten, Hochverrath ausgenommen, — 6. bey jedem Antrage an das Volk, — 7. eine annalis, — 8. die Tribunen erhalten Sitz und Stimme im Senate, — 9. Heimweiſung der Nicht -Roͤ -44Theil I. bis Juſtinian.Roͤmer, — 10. eine agraria (ſo wie die fol - genden acht, von Gracchus), — 11. Straſ - ſenbau auf Koſten des Staats, — 12. eine frumentaria, — 13. Kleidung der Buͤrger im Kriege auf Koſten des Staats, — 14. uͤber das caput eines Roͤmers ſoll nicht an - ders, als auf Befehl des Volks gerichtet wer - den, — 15. die centuria praerogativa ſoll aus allen Claſſen herausgeloost werden, — 16. kein Senator ſondern nur Ritter ſollten in Criminalgerichten ſitzen, — 17. die De - partemens ſollen beſtimmt werden, noch vor der Wahl der neuen Regenten, — 18. ge - gen Complotte in Proceſſen, — 19. Rechte der Generale gegen die Einwohner des Latium gemildert, — 20. zwoͤlf neue Colonien, jede von 3000 Hausvaͤtern, — 21. vectigal nach - gelaſſen, — 22. gegen den ambitus, — 23. gegen den Luxus, — 24. Einfuͤhrung wilder Thiere zu Schauſpielen erlaubt, — 25. de inceſtu, — 26. Ballotiren auch bey Hoch - verrath, — 27. eine agraria, — 28. Be - ſetzung der Gerichte aus Senatoren und Rit - tern, — 29. de pecuniis repetundis, — 30. ſacerdotes aus den Plebejern.
In dieſe Periode gehoͤren noch folgende, die ſich nicht chronologiſch genau beſtimmenlaſ -45Periode 2. Quellen.laſſen: 1. Niemand ſoll bey dem Volke dar - auf antragen, daß man ihn ſelbſt, oder ſeine Collegen, zu Commiſſarien ernennen moͤchte, — 2. die ſcribae ſollen keinen Handel treiben, — 3. (vielleicht) Cornelia teſtamentaria, das Te - ſtament des Roͤmers, der in der Kriegsge - fangenſchaft, als Sklave ſtarb, ſoll gelten, — 4. Fabia de plagiariis, — 5. Furia teſta - mentaria, Einſchraͤnkung eines Legats auf 1000 aſſes, doch mit Ausnahmen, — 6. Remmia de calumniatoribus gegen Chicanen in Criminalſachen, — 7. gegen Hazardſpie - le, — 8. de furtis, — mehrere agrariae, frumentariae, viariae, militares und trium - phales.
Es war ſehr weitlaͤuftig und ſogar ge - faͤhrlich, den Souverain, das heißt, alle Roͤmer zu verſammeln und ihnen Antraͤge zu thun. Die Sache ſollte doch wenigſtens vor - her von dem Corps, das aus den einſichts - vollſten Buͤrgern beſtand, und deſſen Mey - nung, zumahl beym Votiren nach Centurien, faſt immer durchging, vom Senate, uͤberlegt und genehmigt werden. Aber eben dieſer Senat hatte auch die Beſorgung ſehr vieler Regierungsgeſchaͤfte, uͤber welche faſt gar kein Volksſchluß vorhanden war, und ſchon hiertritt46Theil I. bis Juſtinian.tritt der Satz ein, den wir bald noch mehr brauchen werden: daß jeder, der im einzelen Falle nach ſeiner Einſicht handeln darf, auch um ſo mehr das unſtreitige Recht hat, zum voraus zu erklaͤren, wie er handeln werde. Alle hoͤhere magiſtratus waren Mitglieder des Senats, ſeine Schluͤſſe verbanden ſie al - ſo, ſchon wie die Schluͤſſe und Verabredun - gen jedes Corps den verbinden, der ſie hat machen helfen, und ſobald kein Tribun ſich widerſetzte, ſo haͤtte es ein ſehr verdaͤchtiges Anſehen gehabt, wenn etwa ein Conſul oder Praͤtor gegen ein Senatus-Conſult gehandelt haͤtte, blos deswegen, weil an der Foͤrmlich - keit etwas fehle, weil es nicht von der Ver - ſammlung beſtaͤtigt worden ſey, die es hoͤchſt wahrſcheinlich ohne allen Anſtand beſtaͤtigt haͤtte. Es iſt alſo wohl kein Zweifel, daß auch Senatsſchluͤſſe eine Quelle des Roͤmi - ſchen Staats - und Privatrechts ſchon zu die - ſer Zeit waren, da Cicero a) dies ausdruͤck - lich ſagt, da Pomponius b) es als eine Veraͤnderung erzaͤhlt, die lange vor Auguſt ſich zugetragen habe, und da die entgegenge - ſetzte Meynung nur auf einem groben Miß - verſtande deſſen beruht, was mit den Ma - giſtratswahlen unter Tiber vorging. — Frey - lich kounte der Senat einſeitig keine Grundge - ſetze machen, und freylich hielt er es hoͤchſtſel -47Periode 2. Quellen.ſelten fuͤr noͤthig, Saͤtze des Privatrechts zu beſtimmen. Die Senatus-Conſulte, die Bach, der Vater der beſſern Meynung, anfuͤhrt, ſind faſt alle Regierungsgeſetze, aber die le - ges, die keine Grundgeſetze waren, enthielten ja auch faſt alle nur einzele Verordnungen zum gemeinen Beſten, und nicht blos Saͤtze des Privatrechts, wobey es nur auf Gewißheit angekommen waͤre.
Saͤtze des reinen Civilrechts, bey welchen dem Staate nichts daran liegt wie ſie ſind, ſondern nur daß ſie ſind, bey welchen das Hauptverdienſt Gleichfoͤrmigkeit und Zutrauen zu dieſer Gleichfoͤrmigkeit iſt, kann der Sou - perain ruhig ihrer natuͤrlichen und wiſſenſchaft -lichen48Theil I. bis Juſtinian.lichen Bildung uͤberlaſſen, ohne deswegen ſich ſelbſt, oder ein ganzes Corps von ſeinen Stellvertretern, in Bewegung zu ſetzen. Es iſt immer ſchon Gewinn, wenn nur Gewalt - thaͤtigkeiten dadurch verhindert werden, daß ein unpartheyiſcher, zum voraus durch die Stimmen der Buͤrger ernannter, Dritter da iſt, an den man ſich wenden kann, und deſſen Einſicht mehr phyſiſchen Nachdruck hat, als die Einſicht der Partheyen. Dieſer Dritte braucht gar keine beſondre Inſtruction; es iſt nur noͤthig, daß uͤber die ganze Anſtalt, als Regierungs-Sache, das wichtigſte verabredet oder feſtgeſetzt werde, z. B. wie man den Gegner zwingen koͤnne, ſich vor der Obrig - keit zu ſtellen (de in jus vocando), ob die Obrigkeit ſelbſt unterſuchen, oder einem Pri - vatmanne die Unterſuchung auftragen duͤrfe oder muͤſſe u. ſ. w. Entſtehen Regierungs - geſetze, Verordnungen, die Einfluß auf die Civiljuſtiz haben, ſo muß der Richter dieſe befolgen; aber dies ſind nur einzele Modifi - cationen, die Regel bleibt immer aequitas, das was die Nation fuͤr Recht und Unrecht haͤlt a), dieſe Meynung mag ſich beſtimmt haben, wie ſie will, nur daß ſie ſich ſehr ſel - ten durch einen feyerlichen Volksſchluß bilden wird. Selbſt dazu, daß ein Volksſchluß ſie beſtaͤtigt, gehoͤrt eine beſondre Veranlaſſung,wie49Periode 2. Quellen.wie die, durch welche bey den Roͤmern die 12 Tafeln entſtanden. Dieſe beſtimmten nur die allererſten Grundſaͤtze, z. B. ſie ſagten, es ſollte nach Teſtamenten geſprochen werden, aber wie der Praͤtor dies thun wuͤrde, was zu einem Teſtamente gehoͤre u. ſ. w., war dem Menſchenverſtande deſſen uͤberlaſſen, dem ja noch viel wichtigere Dinge, die Anfuͤhrung im Kriege und die perſoͤnliche Repraͤſentation des Souverains in hundert andern Faͤllen anvertraut war. Im Nothfalle halfen auch hier die Tribunen. — Da die Billigkeit des Praͤtors im einzelen Falle entſchied, ſo war es noch weniger zweifelhaft, daß er zum vor - aus ſeine Grundſaͤtze bekannt machen, und ſich darnach richten duͤrfe. Die Zeit und die naͤhere Veranlaſſung zu dieſer Anſtalt, iſt unbekannt; aber es laͤßt ſich vermuthen, daß es nicht ſehr fruͤh geſchah, weil es Mißtrauen und Cultur vorausſetzt, und daß der Praͤtor ſich dadurch gegen Vorwuͤrfe von Partheylich - keit ſichern wollte b). So entſtand das jus honorarium.
Dieſe Bekanntmachung hatte den allge - meinen Nahmen aller Bekanntmachungen: edictum, und geſchah, wie alle, durch Aus - ruf und Ausſtellung (in albo proponere). Sie unterſchied ſich aber von andern durch den Nahmen ordinarium und weil ſie immer zu Anfang des Jahrs erfolgte. Vor Cicero kennt man keine Lex daruͤber, und das Sena - tus-Conſult von 580 iſt unaͤcht. Aber na - tuͤrlich war es, daß der Nachfolger alles bey - behielt, was er nicht glaubte viel beſſer ma - chen zu koͤnnen, (edictum tralalitium) und natuͤrlich war es ferner, daß das neuere Recht mehr galt, als das Alte a), und daß man anfing, nicht mehr die zwoͤlf Tafeln ſondern das Edict bey dem ganzen Studium zum Grunde zu legen.
Dies find nicht die Ideen der Leute, wel - che zum Grundſatze in der ganzen Rechtswiſ - ſenſchaft annehmen, man muͤſſe nicht nur nie gegen foͤrmliche Vefehle und Verordnungen, ſondern auch immer nach ihnen entſcheiden, hoͤchſtens koͤnne noch das Natur-Recht aus - helfen, weil dies Verordnungen Gottes ent - halte, die ſich zu den Geſetzen jedes einzelen Staats verhalten, wie Reichsgeſetze zu Lan - desgeſetzen. Da ſie ſahen, daß im praͤtori - ſchen Rechte nicht blos Lexe und allgemeines Naturrecht enthalten ſey, und da ſie wiſſen, daß der Praͤtor nicht das Recht hatte, Grund - Regierungs - und Strafgeſetze zu machen, ſo bleibt ihnen kein anderer Ausweg als alle Praͤtoren fuͤr meyneidige Betruͤger a), und alle Nicht-Praͤtoren, auch die, welche ſelbſt es geweſen waren, und auch die Rechtsgelehr - ten, fuͤr die einfaͤltigſten Kinder zu halten, die man glauben machen konnte was man wollte, ſobald man der Sache einen neuen Nahmen gab, oder eine Fiction brauchte, oder mit Exceptionen und Reſtitutionen ſie blendete. Noch ſcharfſinnigere Koͤpfe bemer - ken, daß eigentlich nur die Plebejer betrogen wurden, obgleich die 30 erſten, alſo die ein - zigen blos patriciſchen, Praͤtoren ſchwerlich ſchon ein edictum ordinarium gehabt haben,D 2und52Theil I. bis Juſtinian.und obgleich nicht eine einzige Aenderung des neuern oder praͤtoriſchen Rechts die Patricier vorzuͤglich beguͤnſtigt; oder ſie ſprechen vom Verfalle der alten Tugend, der die alten Ge - ſetze verhaßt machte.
Doch dies moͤchte alles noch ſo hingehen, das Edict des Praͤtors moͤchte als Gewohn - heitsrecht, und als eine ſtillſchweigend geneh - migte Lex eine Quelle des Privatrechts ſeyn, aber wie in aller Welt laͤßt es ſich erklaͤren, daß die Meynungen, die Begriffe und Grund - ſaͤtze der Rechtsgelehrten, Einfluß auf die Wiſſenſchaft gehabt haben, daß ſie eine vier - te Quelle des Roͤmiſchen Rechts ausmachen, die noch gar vorzugsweiſe jus civile heißt? Koͤnnen denn Particuliers Geſetze geben? Die Geſetzgebers-Patente, die Auguſt auszu - theilen anfing, ſind ſpaͤther, aber die juri - ſtiſchen Kirchenverſammlungen im Tempel Apolls (diſputatio fori) gehoͤren hierher,und53Periode 2. Quellen.nnd wenn es mit dieſen auch nicht richtig waͤ - re, ſo iſt ja doch bey jeder lex eine interpreta - tio moͤglich und noͤthig. Alſo Ausleger der Geſetze waren die Rechtsgelehrten, freylich gewaltthaͤtige Ausleger, daran war aber wie - der die Tyranney der ErbAriſtocraten Schuld. Hierher rechnet man die Einrichtung mit dies faſti und nefaſti, ſo wie die Foͤrmlichkeiten bey allen wichtigern Rechtshandlungen. — Es war aber wohl ohne alle herrſchſuͤchtigen Abſichten der Vornehmen ſehr natuͤrlich, daß ſich gewiſſe hergebrachte Gebraͤuche (ſolenni - tates) bildeten; es war ſehr vortheilhaft, und bey den unbezahlten Rechtsgelehrten ganz un - ſchaͤdlich, daß niemand einen Proceß anfing, ohne einen Mann von Einſichten, zu dem er Zutrauen hatte und haben mußte, vorher zu fragen; es war unumgaͤnglich noͤthig, wenn ein einzeler Mann mit der jurisdictio in allen Sachen unter Roͤmern fertig werden ſollte, daß man ihm den Punkt, worauf es ankam, ſo kurz als moͤglich vortrug; und endlich brachte es die ganze Lage des Staats, deſſen reichſte Buͤrger in der Stadt, die blos wohl - habenden in Municipien und die Aermſten wieder in der Stadt lebten, mit ſich, daß man weder die vom Mittelſtande noch die Aermſten fragte; jene hatten keine Erfah - rung, und dieſe waren meiſt gebohrne Aus -D 3laͤn -54Theil I. bis Juſtinian.laͤnder. — Nimmt man noch einen gewiſſen Grad von Pedanterey und Steifheit dazu, der in dem guten National-Character, der an ſtrenge Kriegszucht gewoͤhnten, nicht durch Induſtrie abgeſchliffenen Roͤmer lag, ſo kann es wohl nicht ſchwer ſeyn, die Entſtehung der legis actiones zu begreifen, man mag dieſe mit actus legitimi a) fuͤr gleichbedeutend hal - ten, oder auf das, was im jus vorgenom - men werden mußte, einſchraͤnken.
I. Staatsrecht.
A. Grundgeſetze, oder eigentliches Staats - Recht.
Die hoͤchſte Gewalt hatte das Volk, das nun die Cenſoren componirten, und wozu nicht mehr alle freye Hausvaͤter im Staate gehoͤrten, ſondern nur die eigentlichen Buͤrger, im Gegenſatze von ſocii und nomen Latinum. Die allgemeine Verbindlichkeit der democrati - ſchen Volksſchluͤſſe war in dieſer Periode wie - derholt anerkannt worden, ſo wie uͤber die Form neuer Antraͤge, z. B. die promulgatio per trinundinum und uͤber das Ballotiren, mehrere Lexe vorkommen.
Der Senat oder der wichtigſte Theil des Volks hatte an ſeinen Rechten verloren, weil er immer zum voraus einwilligen mußte (in incertum comitiorum eventum auctor fiebat). Aber er hatte gewonnen, ſo wie das Volk immer groͤßer, alſo deſſen VerſammlungenD 4im -56Theil I. bis Juſtinian.immer weitlaͤuftiger, wurden. Die Tribunen waren nun ordentliche Senatoren, und wenn ſie nicht widerſprachen, ſo trug man eine Sa - che dem Volke oft gar nicht vor. Aber alles konnte vorgetragen und vom Volke geaͤndert werden, auch die auswaͤrtigen Angelegenhei - ten nicht ausgenommen. — Noch wichtiger war aber die Veraͤnderung, daß nun der Se - nat kein Corps von Erb-Ariſtocraten mehr war; neben den Patriciern ſaßen nun laͤngſt auch Plebejer, und unter dieſen waren ſchon nobiles und novi homines getrennt. — Die Senators-Wuͤrde hing von den Cenſoren ab.
Die Oberhaͤupter des Volks und des Senats, alſo ihre Stellvertreter, ſo lange das Corps nicht verſammelt war, ſind: zwey Conſuln (oder ein Dictator und ein magiſter equitum) zwey Cenſoren, 6 Praͤtoren, 2 ae - diles curules (Oberaufſeher der Polizey, die ſich durch Schauſpiele empfehlen mußten) mehrere Quaͤſtoren und 10 Tribunen.
B. Regierungsgeſetze.
Der Praͤtor, der ſelten ein eigentlicher Rechtsgelehrter war, und von dem es al - lein abhing, ob er Rechtsgelehrte in ſein conſilium nehmen, und ihren Rath befol - gen wollte, entſchied uͤber den Beſitz und leitete den Proceß ein. Die Unterſuchung der ſtreitigen Thatſachen hatte ein Parti -D 5culier.58Theil I. bis Juſtinian.culier. Aber wo weder der bloße Beſitz, noch das Factum, ſondern die Rechtsfrage ſtreitig war, da wandte man ſich an die centumviri und decemviri litibus judican - dis.
Vervielfaͤltigung der Inſtanzen, dieſes hoͤchſt unvollkommene Mittel gegen eine andre Unvollkommenheit, kannte man in Rom noch wenig. Die appellatio tribuno - rum war gar nicht unſre Appellation, ſon - dern das was in jedem Staate ſeyn muß.
C. Strafgeſetze.
II. Privatrecht.
Meynung der Nation von dem, was Recht und Unrecht ſey unter ihren einzelen Gliedern.
A. Jus perſonarum. Dieſe Verhaͤltniſſe hatten ſich mehr entwickelt, und die Abſtu - fung unter ihnen war nun merklicher.
1. Herren und Sklaven. Dieſes Ver - haͤltniß war, dem Rechte nach, daſſelbe ge - blieben, aber in der That bey dem ſteigenden Luxus, der Menge und dem geringen Preiße der Sklaven haͤrter geworden. Ergaſtula.
Sklave ward das Kind einer Sklavinn und der Kriegsgefangene, aber nicht mehr der Schuldner und noch nicht der Verbre - cher.
Der Sklave ward frey durch einen Aus - ſpruch des magiſtratus, durch den Cenſus und durch das Teſtament ſeines Herren. Eine ſimple Erklaͤrung des letztern befreyte ihn nur von ſklaviſchen Arbeiten.
Die Freygelaſſenen hatten noch alle, die vollen Rechte eines Roͤmers in Privatſachen: jus Quiritium. Aber in Anſehung der Tri - bus, der Mißheyrathen und der Regierungs - ſtellen, waren ſie geringer, und ihr Patron hatte Succeſſions-Rechte, Geſchenke und meiſtauch61Periode 2. Syſtem.auch beſtimmte Dienſte zu fordern, daher vielleicht ſchon jetzt die aſſignatio libertorum.
2. Vaͤter und Kinder. Den Rechten nach war dieſes Verhaͤltniß noch ganz das alte, aber wahrer Verkauf war nun wohl ſo ſelten, als Hinrichtung. Das Vermoͤgen des Sohnes gehoͤrte noch ganz ohne Unter - ſchied dem Vater.
Man erlangte die vaͤterliche Gewalt noch wie vorher durch eine Roͤmiſche Ehe, und durch Adoption und Arrogation, aber noch nicht durch Legitimation. Alumni kommen noch nicht vor.
Die vaͤterliche Gewalt waͤhrte Zeitlebens, wenn nicht eine Emancipation, jetzt eine bloße Ceremonie, ſie endigte; obgleich die natuͤrliche Veranlaſſung zu der langen Dauer aufgehoͤrt hatte.
3. Mann und Frau. Die alte ſtrenge Ehe mußte ſeltener werden, da keine Frauens - perſon, die eigenes Vermoͤgen hat, bey ver - derbten Sitten ſich leicht entſchlieſſen wird, beynahe die Sklavinn ihres Mannes zu ſeyn. Die Rechte der Ehe wurden nun verabredet,es62Theil I. bis Juſtinian.es hing von der Frau ab, wie viel von dem Ihrigen ſie dem Manne anvertrauen wollte (dotem dicere). Faſt in jeder Familie wa - ren zweyerley Guͤter, weil man beynahe dar - auf rechnen konnte, daß dieſe Verbindung nicht lebenslaͤnglich ſeyn wuͤrde. Die Ehe zur linken Hand (concubinatus) war noch nicht ausgebildet.
Bey dem Anfange der laxen Ehe waren gar keine Feyerlichkeiten noͤthig.
Eben ſo war die Scheidung eine bloße Privat-Sache. Nicht ſelten war nun von Entwendungen (res amotae) und Schenkun - gen waͤhrend der Ehe, die Rede.
4. Vormund und Schutzbeduͤrftige. Auch hier hatte das weibliche Geſchlecht nun mehr Freyheit. Zwar bey ſehr wichtigen Handlun - gen brauchte jede Frau, die nicht filiafamilias ihres Vaters oder ihres Mannes war, die feyerliche Einwilligung (auctoritas) ihres Tu - tors. Aber oft hatte ſie das Recht, ihn ab - zudanken und einen gefaͤlligern anzunehmen.
Zu der Ernennung im Teſtamente, oder in den 12 Tafeln ſelbſt, welche man nicht nur auf Agnaten, ſondern auch auf Patronen zog, kam noch die in Gemaͤßheit der lexAtilia63Periode 2. Syſtem.Atilia vom Praͤtor und den Tribunen, und die blos Praͤtoriſche, wenn der Tutor gegen ſeinen Pflegbefohlnen Parthie war. Die ex - cuſationes hatten ſich noch nicht ausgebildet; aber die ſtipulatio rem pupilli ſaluam fore war ſchon gewoͤhnlich.
Das Ende der Tutel war die Roͤmiſche Wehrhaftmachung (toga virilis) bey Manns - perſonen, doch konnte noch nachher bis nach zuruͤckgelegtem 25ſten Jahre durch die lex Laetoria leicht geholfen werden. Die Rech - nung legte der Tutor nicht jaͤhrlich, ſondern nach der pubertas ab. — Die Tutel der Frauensperſonen konnte durch Ceſſion uͤber - gehen.
B. Jus rerum.
1. Jus in rem. Die Eintheilungen der Sachen waren noch dieſelben, der Unterſchied zwiſchen res mancipii und nec mancipii hatte ſich nun ganz ausgebildet, und traf noch we - niger, als vorher, mit unbeweglich und be - weglich zuſammen, weil auch Grundſtuͤcke res nec mancipii waren, ſobald ſie in einer Pro - vinz lagen. — Agri vectigales oder poſſes - ſiones exiſtirten nun, aber durchaus keine Familienguͤter.
Die64Theil I. bis Juſtinian.Die Erwerbung des harten Rechts gegen jeden Dritten, des Roͤmiſchen Eigenthums (dominium civile, Quiritarium) erforderte bey den wichtigſten Sachen (res mancipii) eine Publicitaͤt, die aus feyerlicher Uebergabe vor einem dazu erbetenen Ausſchuſſe des Volks, aus Ceſſion vor dem Praͤtor, aus adjudica - tio, oder aus langem Beſitze entſtand. Nur bey einer res nec mancipii war jede traditio ex cauſa praecedente hinreichend. In allen andern Faͤllen, vielleicht donatio ausgenom - men, bekam man fuͤrs Erſte (bis die vſuca - pio verfloſſen war), nur das Recht, was ei - nige Lehrer des Naturrechts allein ſich ge - trauen, aus allgemeinen Gruͤnden zu bewei - ſen, (dominium naturale oder bonitarium). Von den Servituten wurden Wegegerechtig - keiten und Graͤben (ſervitutes praediorum ru - ſticorum) als res mancipii angeſehen, die andern gaben kein Recht gegen jeden Beſitzer. Der vſusfructus verbrauchbarer Dinge fand noch nicht Statt. Das Pfandrecht war auch kein Recht, das der Glaͤubiger gegen einen Dritten verfolgen konnte, wenn es nicht als Verkauf mit ausbedungenem Wiederkaufe (emancipatio mit fiducia) eingekleidet war.
Die Klagen, womit man ſein Eigenthum verfolgte, waren ſo verſchieden, als das Ei - genthum ſelbſt. Aus dem Roͤmiſchen Eigen - thum klagte man gegen jeden Dritten, es war hauptſaͤchlich um den Beſitz zu thun, (rei vindicatio) uͤber deſſen Rechtmaͤßigkeit nachher ein neuer Proceß entſtand, wenn der Beklagte den vierfachen Erſatz der Nutzun - gen, oder was ſonſt in der ſtipulatio Praeto - ria enthalten war, forderte. Hingegen aus dem natuͤrlichen Eigenthume entſtand, viel - leicht ſchon jetzt, eine Klage nach dem neuern Rechte, eine actio die doch in rem ging, aber nur gegen denjenigen dritten Beſitzer, der noch weniger Recht hatte, als der Klaͤger, mithin nicht gegen den, welchem die Sache mancipirt worden war. — Wem ſeine Sa - che evincirt d. h. gerichtlich abgeſprochen ward, der hielt ſich an ſeinen auctor, und ſehr ge - woͤhnlich machte ſich dieſer, gleich bey der Ver - aͤußerung, zum doppelten Erſatze verbindlich (duplae ſtipulatio). Wenn der Roͤmiſche Eigenthuͤmer die Sache von demjenigen vin - diciren wollte, auf welchen er ſelbſt das natuͤr - liche Eigenthum gebracht hatte, ſo ſtand ihm exceptio rei venditae et traditae im Wege, nach der Regel: Quem de evictione tenet actio, hunc agentem repellit exceptio. InEdie -66Theil I. bis Juſtinian.dieſem Falle ward ſein jus in rem unbrauch - bar, ohne erloſchen zu ſeyn, denn kein ande - rer hatte es bekommen, und die Sache war nicht herrnlos.
2. Jus in perſonam oder ex obligatione. In Anſehung derjenigen Menſchen, welche blos in Ruͤckſicht auf einen Dritten, ihren Herrn oder Vater in Betracht kamen, galten folgende Regeln: 1. der Sklave und der fi - liusfam. koͤnnen dem Herrn und Vater alle moͤgliche Rechte erwerben. 2. Sie machen ihn aber nur ſo weit verbindlich, als ihr pe - culium reicht, (de peculio und tributoria) wenn nicht ſein allgemeiner oder beſonderer Befehl, oder ſein Nutzen bewieſen wird (quod juſſu, exercitoria und inſtitoria, und de in rem verſo), oder er wegen eines Verbrechens derſelben, wenigſtens zur noxae datio genoͤ - thigt werden kann.
Eine obligatio macht ſich:
Contractus reales ſind: mutuum (mit den vielen Zeitgeſetzen uͤber den Zinsfuß) com - modatum, depoſitum und pignus. In die - ſen drey letzten Faͤllen fordert der Eigenthuͤ - mer auch ſeine Sache mit einer perſoͤnlichen Klage, weil der Beweis leichter iſt, und das ganze jus in rem eigentlich nur zur Aushuͤlfe erfordert wird, wenn der Gegner nicht beſon - ders verbindlich gemacht iſt. — Ferner ge - hoͤren hierher alle innominati, wobey aber der, welcher allein ſeine Verbindlichkeit er - fuͤllt hat, eben ſowohl die Sache zuruͤckfor - dern, als die Erfuͤllung des Andern betreiben kann (condictio ob cauſam datorum, und actio praeſcriptis verbis).
Contractus verbales, d. h. ſolche, wobey nothwendig geſprochen werden muß, ſind: dictio dotis, und ſtipulatio worauf die pro - miſſio nicht gerade in continenti folgen darf. Eine Art davon iſt fidejuſſio, noch ohne Un - terſchied des Geſchlechts, und noch ohne be - neficia.
Was zum contractus litteralis gehoͤrt ha - be, koͤnnen wir kaum errathen, denn die Schriftſteller, welche von ihm als einer bloßen novatio ſprechen, lebten zu einer Zeit, wo die Roͤmiſchen Banknoten eine bloße Antiquitaͤt waren.
E 2Als68Theil I. bis Juſtinian.Als Contractus conſenſuales, oder bey welchen das ganze Geſchaͤft verbindlich iſt, ſobald beyde Theile einig ſind, kommen jetzt ſchon vor: Kauf mit den Polizeybeſtimmun - gen aus dem aedilitium edictum auf redhibi - tio und quanti minoris, Miethe und Pacht, mandatum (vor Gericht noch ſelten) und ſo - cietas beſonders fuͤr die Finanzen.
Jede obligatio erloͤſcht durch ſolutio, compenſatio, acceptilatio oder mutuus dis - ſenſus und novatio, beſonders expromiſſio. — Sie erloͤſcht ipſo jure oder durch eine exceptio.
3. Succeſſion vorzuͤglich Verlaſſenſchaf - ten, obgleich auch von einem noch Lebenden das ganze jus in rem, jus in perſonam und debitum ex obligatione auf einen Andern uͤbergehen konnte, bey der arrogatio, con - ventio in manum und ſectio bonorum. Bey einem Verſtorbenen, der aber nun nicht ge - rade ein maͤnnliches Familienhaupt mehr ſeyn mußte, kommt vor:
a. die allgemeine Succeſſion in alle ſeine Rechte. Hier ſtoͤßt das Edict des Praͤtors mit dem alten Syſteme am auffallendſten zu - ſammen, und nach der gewoͤhnlichen Mey - nung ſagt man: der Unterſchied zwiſchen bo - norum poſſeſſor und heres liege blos im Nah - men, mit dem der Praͤtor ſein illegales Verfahren masquirte, und man gibt keine Regel, was in der Colliſion vorgegangen ſey, Civil - oder Praͤtoriſches Erbrecht. Aber es war ein weſentlicher Unterſchied in der Er -E 3klaͤ -70Theil I. bis Juſtinian.klaͤrung; denn nach dem Civilrecht war dar - uͤber gar nichts beſtimmt, den Fall ausge - nommen, wo der Erblaſſer ſelbſt dies cretio - nis verordnet hatte. Nach dem neuern Rech - te wird jedem Praͤtendenten eine Zeit ge - ſetzt, innerhalb welcher er ſich bey dem Praͤtor melden mußte (agnoſcere bonorum poſſeſſionem) weil in den meiſten Faͤllen ſein ganzes Recht, in den uͤbrigen wenigſtens mancher Vortheil davon abhing, daß kein Anderer ihm zuvorkam, oder an ſeine Stelle trat. Es iſt die dreiſteſte Behauptung, die ſich nur gedenken laͤßt, zu ſagen: die bono - rum poſſeſſio habe nur ſolche Perſonen ange - gangen, die nach dem Civilrechte unfaͤhig ge - weſen ſeyen. Durchaus niemand konnte je wirklicher Erbe werden, fuͤr den der Praͤtor nicht geſorgt hatte; durchaus niemand konn - te Erbe werden, wenn der Praͤtor ihm in ſeinem Edicte einen andern vorzog; aber wenn dieſer Andere zugleich Erbe nach dem alten Rechte war, ſo konnte er das Vermoͤ - gen bekommen, ungeachtet nicht er, ſondern der, welcher im Edicte nach ihm kam, die bonorum poſſeſſio wirklich geſucht hatte. Jede bonorum poſſeſſio war unwirkſam, ſine re, die ein Erbe nach altem Rechte wuͤrde haben hindern koͤnnen, ſobald er ſich gemel - det haͤtte.
Die Ordnung des Edicts iſt alſo die wah - re Regel:
1. contra tabulas fuͤr einen ſuus oder emancipatus, der im Teſtamente ſtillſchwei - gend uͤbergangen war. Der ſuus war Civil - Erbe, der emancipatus nicht; dieſer durfte alſo nicht, wie jener, die bonorum poſſeſſio verſaͤumen. Wer ausdruͤcklich enterbt war, focht das Teſtament mit der querela inoffi - cioſi an, uͤber welche die centumviri erkann - ten. Auf jeden Fall war der Emancipirte ſchuldig, wenn er die Nachtheile der Eman - cipation nicht dulden wollte, auch die Vorthei - le aufzugeben, und ſeinen Bruder an allem, was er ſich erworben hatte, Theil nehmen zu laſſen (Collatio).
2. ſecundum tabulas, auch wenn keine mancipatio familiae vorgegangen war, ſo - bald ſich ſo viele Siegel fanden, als das Ge - ſetz, man weiß nicht welches? erforderte. Ein ſolches Teſtament konnte nur ein Roͤmer, ein paterfamilias pubes machen, oder eine Roͤmerinn mit Zuziehung ihres Tutor’s. Auf die lex Voconia, alſo auf das Geſchlecht des Erben, ſah man nicht mehr.
3. ab inteſtato.
Vnde liberi, wie contra tabulas.
E 4Vnde72Theil I. bis Juſtinian.Vnde legitimi, welche die 12 Tafeln fuͤr ſich hatten, alſo ſuus noch einmahl, agnatus proximus aber ſchwerlich gentiles. Jede ca - pitis deminutio hob dieſes Erbrecht auf, und von der alten Ausſchließung der Frauensper - ſonen war noch das Ueberbleibſel, daß keine agnata zugelaſſen ward, die nicht conſangui - nea geweſen waͤre. Ohne conventio in ma - num beerbten auf dieſe Art ſelbſt Muͤtter und Kinder einander nicht.
Vnde cognati alle Blutsverwandte, ohne Ruͤckſicht auf capitis deminutio, der Naͤchſte, der ſich melden wollte. Die Naͤhe hing, bild - lich zu reden, blos davon ab, wie kurz der Weg von einer Perſon zur andern war; ob er ſteil ſey oder nicht, machte nichts aus.
Vnde vir et vxor, bey der laxen und kurzen Ehe.
War der Verſtorbene ein Freygelaſſener, ſo hatte ſein Patron jetzt mehr Rechte, als nach den 12 Tafeln, und ſelbſt die Cognaten und der Patron des Patrons wurden zuge - laſſen.
Die bonorum poſſeſſio, in quam quis mittitur, entweder ventris nomine oder ex edicto Carboniano, gehoͤrt in den Proceß.
Die73Periode 2. Syſtem.Die laͤſtigen ſacra gingen noch auf den Erben uͤber; als ein Ausweg dagegen kom - men ſenes coëmptionales vor, die man noch nicht erklaͤren kann. — Sonſt war die An - tretung einer Erbſchaft noch immer gar ſehr be - denklich, weil der Erbe auch diejenigen Schul - den bezahlen mußte, wozu das Vermoͤgen nicht hinreichte. Daher die weitlaͤuftigen Lehren von der Annahme, der Subſtitution u. ſ. w.
Erbvertraͤge kannte das Roͤmiſche Recht auch jetzt noch nicht. Man hielt ein Rechts - geſchaͤft fuͤr aͤußerſt unſchicklich, das ſo offen - bar nur darauf gegangen waͤre, den jetzigen guten Willen eines Roͤmers zu benutzen, zu machen, daß er dieſen nicht aͤndern koͤnnte, auch wenn man ihn weit nicht mehr verdiene.
b. Andere Verordnungen hingen davon ab, daß das Teſtament ganz foͤrmlich gemacht war, und daß ſich ein Erbe dazu fand. Co - dicilli waren noch bloße Billets, und was der Generoſitaͤt des Erben uͤberlaſſen war (fidei commiſſum) darauf konnte man nicht klagen. Außer den Befehlen uͤber die Tutel, auch des weiblichen Geſchlechts, und außer den Manumiſſionen enthielt ein Teſtament gewoͤhnlich auch Legate, und ſo lange das RechtE 5noch74Theil I. bis Juſtinian.noch nicht weitlaͤuftig war, ſo lange blieb man ſehr genau bey den Ausdruͤcken:
per vindicationem — das Recht zu vin - diciren, das Roͤmiſche ſtrenge Eigenthum, konnte der Teſtirer nur geben, wenn er es ſelbſt gehabt hatte.
ſinendi modo — dieſer Ausdruck begriff auch die Sachen des Erben und erforderte kein Roͤmiſches Eigenthum.
per damnationem — ein jus in perſo - nam gegen ſeinen Erben konnte der Teſtirer auf alle moͤglichen Dinge und auf Handlungen geben.
per praeceptionem — was einer der Miterben voraus haben ſollte.
Das legatum per damnationem war in ſo ferne dem Legatar weniger vortheilhaft, weil er nur eine Forderung gegen den Erben dadurch erhielt; aber vortheilhafter war es wegen ſeines weiten Umfangs, und weil zwey verſchiedene Legatarien dieſelbe Summe oder dieſelbe Sache jeder ganz fordern, aber nicht beyde zugleich jeder ganz vindiciren oder wegnehmen konnten.
C. Proceß.
Die Vorladung geſchah noch ohne den Staatsbedienten zu fragen, ausgenommen wo venia noͤthig war. Einen Andern ſtatt ſeiner zu ſchicken hatte noch Schwierigkeiten, der procurator war wohl meiſt der Inten - dant.
Was in der Folge actio praejudicialis und realis hieß, war meiſt noch keine actio, ſondern vindiciae, wobey der Praͤtor ſelbſt den Beſitz beſtimmte, doch ſo daß der, wel - cher ihn erhielt, ſeinem Gegner, durch eine ſti - pulatio praetoria, Succumbenzgelder verſpre - chen mußte. Daraus entſtand denn, wie aus jeder obligatio, eine actio perſonalis oder ei - ne wahre actio, eine Inſtruction, die der Praͤ - tor einem oder mehrern Particuliers gab, mit Clauſeln (exceptiones oder praeſcriptio - nes). Jede reſtitutio in integrum, durch die allein ſchon der Praͤtor einen Vorwand gehabt haͤtte, ganz willkuͤhrlich zu verfahren, und jedes interdictum ertheilte er ebenfalls ſelbſt (decernebat). Uebrigens waren die ſo genannten actiones perpetuae es noch wirk - lich, doch muß man an die Dauer der Klage ex contractu Italico ſich erinnern, und die praetoriae gingen wohl ſchon alle von einemJah -76Theil I. bis Juſtinian.Jahre in das andere, von einem Praͤtor auf ſeinen Nachfolger, uͤber.
Die Execution beſorgte auf jeden Fall der Praͤtor, und dahin gehoͤrt pignora capere, mittere in poſſeſſionem ex primo et ſecundo decreto und addicere, weil das beneficium ceſſionis bonorum noch ein beneficium war.
Bey dem Praͤtor, bey dem judex und bey den Centumviren ward alles muͤndlich ver - handelt. Der Sachwalter (orator, patronus) war meiſt kein Rechtsgelehrter, und oft ſo - gar vornehmer, als der Praͤtor ſelbſt, ſo wie oft auch bey uns der, welcher Gruͤnde vortraͤgt was man thun ſolle, vornehmer iſt, als der welcher die Entſchließung darnach faßt. Advocatus hieß ein Juriſt, den man perſoͤnlich fuͤr ſeine Meynung aufuͤhrte.
Es laͤßt ſich durchaus nicht erklaͤren, wie der Praͤtor, der nicht jeden Tag ſeine Tribuͤne beſteigen durfte, und auch nicht im - mer wollte, wenn er durfte, der Praͤtor, der noch oft durch Senatsgeſchaͤfte abgehalten ward, doch Zeit fand, alle Proceſſe unter Roͤmern einzuleiten. Es laͤßt ſich ſelbſt da - durch nicht erklaͤren, daß ihm dieſe Einlei - tung durch die vorhergehenden Anfragen beyRechts -77Periode 2. Syſtem.Rechtsgelehrten ſehr erleichtert wurden. Aber da man einmahl wußte, der Praͤtor wuͤrde einen judex in einer Sache geben, ſo gehoͤrte eben nicht viel Maͤßigung von beyden Seiten dazu, daß ſich die Partheyen lieber ſelbſt ihren Richter waͤhlten, als es auf den Zufall ankommen ließen, wer ihr Richter werden ſollte. Sehr viele Proceſſe wurden alſo abgethan, ohne daß der Praͤtor damit ſich beſchaͤftigte, und da er keine Sporteln dabey verlor oder gewann, ſo be - guͤnſtigte er die Compromiſſe, die Unterwer - fung unter einen Schiedsrichter mit einer conventionellen Strafe (compromiſſa pecu - nia) auch dadurch, indem er den, der das arbitrium uͤbernommen hatte, zwang einen Ausſpruch zu thun (de receptis).
Um die Geſchichte der Rechtsgelehrſamkeit bey den Roͤmern vernuͤnftiger zu finden, als wenn man von nichts als Tyranney der Ariſtocraten ſpricht, muß man den Character der Nation nicht vergeſſen, bey welchem eine gewiſſe Pedanterey unumgaͤnglich noͤthig war,um78Theil I. bis Juſtinian.um irgend Grundſaͤtze gegen die Schaaren von Auslaͤndern, die der Staat von jeher aufgenommen hatte und noch immer aufnahm, zu behaupten. Man muß die Lage und Cul - tur nicht vergeſſen, mit welcher in dieſer Pe - riode die weſentliche Veraͤnderung vorging, daß nun auch abſichtlicher und ſchriftlicher Un - terricht an die Stelle der bloßen Erfahrung trat *. Bey jener ward eine groͤßere Verbrei - tung unvermeidlich, da bey dieſer auch Kennt - niſſe in Familien beynahe erblich hatten ſeyn koͤnnen. Man muß endlich den Sturz der Erb-Ariſtocratie nicht vergeſſen, der dieſe Periode auszeichnet. Alsdann wird es ſehr begreiflich, wie zur Zeit der 12 Tafeln der gemeine Mann, der Plebejer, von den Vor - nehmen, die noch das Monopol aller Kennt - niſſe hatten, von den Pontifen, von den Pa - triciern, auch im Civilrechte abhing, theils wegen des religieuſen Unterſchieds von dies faſti und nefaſti, theils wegen der erheblich - ſten Rechtsgeſchaͤfte (actiones legis), die man, ohne die aͤußerſte Verwirrung, nicht jeden zum Roͤmer gewordenen Auslaͤnder nach ſei - ner vaͤterlichen Sitte vornehmen laſſen konn - te. Es wird begreiflich, warum dieſe Ab - haͤugigkeit nicht druͤckender oder gefaͤhrlicher war, als das Patriciat uͤberhaupt, warum man ſie aber, ſo wie dieſes, in der Folge un -ange -79Periode 2. Studium.angenehmer fuͤhlte, und warum die Bekannt - machung des Calenders und einiger Formula - re zu Contracten, Teſtamenten, Klagen u. ſ. w. (jus Flavianum um 450.) ſo wichtig war. Man wird begreifen, daß Cicero nicht von Hieroglyphen verſtanden ſeyn wollte, die man nachher erfunden habe, und daß, wenn er von abſichtlichen Dunkelheiten und Formalitaͤten ſpricht, dies nur fuͤr ſein Ta - lent beweist, jede Sache ſo vorzuſtellen, wie er ſie gerade brauchte. Die Notariatskunſt mußte weitlaͤuftiger und mannichfaltiger wer - den, wie ſich die Sitten verfeinerten und das Verkehr zunahm. Aelius Catus konnte um 550. der erſte ſeyn, der noch mehr Formula - re niederſchrieb, ſo wie jetzt uͤberhaupt das Buͤcherſchreiben in Rom anfing; aber darum waren die Rechtsgelehrten um nichts entbehr - licher, es entſtanden ganz unabſichtlich immer neue Clauſeln (leges, actiones **, formulae,) und man mag ſchreiben ſo viel man will, ſo wird doch nicht jeder Laye ein Juriſt.
Merkwuͤrdiger als das erſte Buch uͤber Civilrecht iſt vielleicht die Veraͤnderung um 500, da zuerſt ein Plebejer, der alſo keine eigentlichen Clienten hatte, der aber Conſul und ſiegreicher Feldherr geweſen war, Tib. Coruncanius anfing, jedem ſeiner Mitbuͤrger Belehrungen uͤber Rechtsſachen zu geben (publice jus profeſſus eſt). Natuͤrlich ließ dieſer Plebejer leichter andere Plebejer, die ſich bilden wollten, zuhoͤren, als die Ariſto - craten vorher gethan hatten, und natuͤrlich brauchte auch nicht mehr jeder Plebejer einen Patron aus den Ariſtocraten, weil man eben ſo leicht und eben ſo nuͤtzlich an jeden Juris - conſultus ſich wenden konnte, da dieſe an oͤffentlichen Orten (in transverſo foro ambu - lantes) oder zu Hauſe (in ſolio ſedentes) im - mer ſehr gerne ſich fragen ließen, um ſich da - durch faſt eben ſo viele Glieder des Souverains verbindlich zu machen, als wenn ſie im Krie - ge, oder als Redner ſich hervorthaten. Fuͤr Rechtspflege und Rechtsgelehrſamkeit hatte dies die gluͤcklichſten Folgen, und es iſt einerder81Periode 2. Studium.der Nachtheile der monarchiſchen Verfaſſung, daß es ſich bey uns ſo ſehr geaͤndert hat.
Bey den einzelen Beſchaͤftigungen der Ju - riſten: reſpondere, ſcribere, cavere (denn poſtulare und judicare gehoͤrte, vielleicht zum Gluͤcke, noch nicht dazu) war der Anfragen - de (conſultor) entweder die Parthey, oder der Redner, oder der Richter, oder ſelbſt der Praͤtor. Daß der Jurisconſultus meiſt nur entſchied, ohne uͤber ſeine Gruͤnde eine Diſſertation zu halten, daß er den Menſchen - verſtand brauchte oder extenſive erklaͤrte, was offenbar ſo erklaͤrt werden mußte, daß ſeine Antwort nicht eigentlich verband, aber doch von Gewichte war, daß auch bey dieſer Wiſ - ſenſchaft, wie bey jeder noch nicht gefeſſelten, verſchiedene Meynungen und Streitigkeiten vorkamen, dies alles verſteht ſich wohl ziem - lich von ſelbſt. Das Notariatsweſen war noch nicht von den edlern Arbeiten getrennt, und es erſtreckte ſich auch auf das, was eine Parthey nach der alten nicht unvernuͤnftigen Sitte muͤndlich herſagen mußte.
Die Art zu ſtudieren war noch nicht wiſ - ſenſchaftlich, denn die Bekanntſchaft mit derFgrie -82Theil I. bis Juſtinian.griechiſchen Litteratur machten die Roͤmer uͤberhaupt erſt kurz vor dem Ende dieſer Pe - riode. Anfangs lernte man die 12 Tafeln auswendig, nachher ſtudirte man nur das Edict des Praͤtors, weil die 12 Tafeln nun ſchon gar zu ſehr ſchienen, ſich von ſelbſt zu verſtehen. Auch das Auswendiglernen der Formulare war eine Hauptſache; dies geſchah, indem der junge Rechtsgelehrte zuſah und es ſich merkte, wie der alte Jurisconſultus ſeine Beſcheide und ſeinen Rath gab. Es war die einzige Wiſſenſchaft, die man lernte, denn in der Beredſamkeit ward noch wenig nach Regeln unterrichtet, und hoͤchſtens tha - ten es griechiſche Rhetoren; hingegen hier lernte man von den erſten Staatsmaͤnnern. Die meiſten Juriſten dieſer Periode hatten wenigſtens ein Jahr lang das Volk regiert, von deſſen Gnade ſo mancher Koͤnig abhing. Waͤre dies nicht geweſen, ſo waͤre die Kunſt gewiß zu ſchulgerecht und ſpitzfindig geworden, zu einer Zeit wo man ſeine Begriffe noch ſo wenig durch Lectuͤre erweiterte.
Uebrigens dachte man nicht daran, einen Jurisconſultus zu fragen, wenn von der Ver - faſſung, der Religion (jus pontificium und augurale) oder von Beſtrafung der Verbre -chen83Periode 2.