PRIMS Full-text transcription (HTML)
[1]
Die verhaͤngnißvolle Gabel.
Ein Luſtſpiel in 5 Akten
Stuttgart und Tuͤbingenin der J. G. Cotta'ſchen Buchhandlung. 1826.
[2]
Χαίρων εὔ τελέσειας ὁδὸν μεγάλου διὰ πόντου, Καί σε Ποσειδάων χάρμα φίλοις ἀγάγου!
[3]

Die verhaͤngnißvolle Gabel.

1826.

[4]

    Perſonen.

  • Damon, Schultheiß von Arkadien.
  • Mopſus, ein Schaͤfer.
  • Schmuhl, ein Jude und Chorus der Comoͤdie.
  • Sirmio, Amtsdiener.
  • Der Wirth zur Gabel.
  • Phyllis, des Mopſus Gattin.
  • Salome, ein Geſpenſt.
[5]

Erſter Akt.

Haus des Schultheißen.
Damon, Phyllis, Sirmio.
Damon.

Ortsrichter bin genannt ich in Arkadien, Und werde ſtreng handhaben die Gerechtigkeit: Was weiß Sie Naͤheres uͤber das Entwendete?

Phyllis.

Es war ein altes, zinnernes Service, o Herr! Doch unſrer Wirthſchaft unentbehrlich Eigenthum. Ihr wißt, es ſind vier Jahre nun, ſeit welchen ich Den Mopſus, der ein Schaͤfer iſt, heirathete. Es ward ein Dutzend Kinderchen von uns erzeugt, Da Gott mich viermal ſegnete mit Drillingen. Daß ich Geſchirr verbrauche, viel und mancher Art, Was auf den Tiſch kommt oder anderweitigem Gebrauch beſtimmt iſt, werdet ihr begreifen, Herr! Darum bedien 'ich unzerbrechlichen Metalls Statt irdner Waaren ſtets mich oder Porcellans.

Damon.

Zur Sache, Frau! Wir leben in Arkadien, Und kennen kaum, dem bloßen Namen nach, das Wort Umſchweif, das nur als einen techniſchen Begriff Der deutſchen Trauerſpiele wir von dort entlehnt. Laßt uns zur Sache kommen!

6
Phyllis.

Ja, wir muͤſſen auch Zur Sache kommen; aber zur geſtohlenen.

Damon.

Wann ward's entwendet?

Phyllis.

Heute Nacht.

Damon.

Von wem und wie?

Phyllis.

Durch einen Diebſtahl, doch von wem, iſt unbekannt.

Damon.

Hat man Verdacht?

Phyllis.

Ob man Verdacht hat, weiß ich nicht. Wir haben allerdings Verdacht.

Damon.

Auf wen jedoch?

Phyllis.

Auf einen Juden, welcher geſtern ſchacherte Mit meinem Manne, waͤhrend ich im Hofe war, Und unſre Ferkel fuͤtterte. Des Abends nun Fand ich die ganze Tafel abgeraͤumt, es blieb Nur eine Gabel uͤbrig, weil die Zaͤhne juſt Mein Mann mit ihr, da jener ſtahl, ſich ſtocherte.

Damon.

Nur eine Gabel? Aber weilt der Jude noch Hier in Arkadiens ſchaͤferlichem Paradies?

Phyllis.

Er geht umher und handelt alte Schachteln ein.

7
Damon
(zu Sirmio).

Man ſuch 'ihn auf! Ein Schilling werd' auf ſeinen Kopf Hiermit geſetzt!

Sirmio.

Wohl! Doch den Schilling werd 'ich ihm Wo anders hin verſetzen, wenn ich ihn entdeckt.

(ab.)
Damon, Phyllis.
Damon.

Doch ſage Sie, weswegen denn Ihr Bettgenoß Den ſchlauen Dieb am Stehlen nicht verhinderte, Wenn er, wie Sie behauptete, zugegen war?

Phyllis.

Er war zugegen, aber blos als koͤrperlich, Sein Geiſt befand ſich anderwaͤrts, er machte juſt Die Reiſe nach der guten Hoffnung Vorgebirg.

Damon.

Wie kam er dorthin?

Phyllis.

Wißt Ihr, was Ideen ſind?

Damon.

Wie ſollt 'ich nicht?

Phyllis.

Auch ſolche, die man fixe nennt

Damon.

Zwar ſchaͤtz 'ich mehr die Dukaten, die man Fuͤchſe nennt, Doch auch von jenen weiß ich.

Phyllis.

Dieſes iſt der Fall Mit meinem Mopſus, welcher auf dem Vorgebirg8 Der guten Hoffnung mit der Zeit ein Rittergut Zu kaufen wuͤnſcht, und Alles dieſem Zweck erſpart.

Damon.

Wie kam er darauf?

Phyllis.

Durch Ideenverbindungen, Die oft Verſchiedenart'ges an einander reih'n, Da juſt ich guter Hoffnung war, und niederkam Am Tag, wo vierzig Ritter im Kalender ſtehn.

Damon.

Das gaͤbe recht den deutſchen Pſychologen Stoff. Doch gehe Sie zu Hauſe jetzt, beſtohlne Frau! Den Juden will ich fahen laſſen, ſpaͤterhin Werd 'ich Sie wieder hercitiren.

Phyllis.

Doch bedenkt Daß wir zu vierzehn Maͤulern Eine Gabel nur Im Hauſe haben!

Damon.

Unterdeſſen koͤnnt ihr ja Mit den Fingern eſſen!

Phyllis.

Und trinken aus dem Fingerhut, Wie ein Canarienvogel? Denn es fehlen uns Die Becher.

Damon.

Trinkt, wie Diogenes, aus hohler Hand, Aus hohler Hand zu trinken iſt naturgemaͤß.

Phyllis.

Das leuchtet ein, Herr Schultheiß! Darum macht man auch,9 Wenn man ein Trinkgeld fordert, eine hohle Hand. Ich danke fuͤr den guten Rath, geſtrenger Herr!

(ab.)
Damon.

Ich imponire, ſeh 'ich wohl, dem Bauernvolk Durch meine ſchwer erworbene Gelehrſamkeit, Fuͤr die ich in Leipzig manchen Scheffel Schweiß geſchwitzt. Ich koͤnnte ſelbſt ankaufen mir ein Rittergut, Wenn ich verhandeln koͤnnte den Arkadiern Die Excerptenſtoͤße, welche dort ich angehaͤuft. Doch nicht mit Duͤnger waͤgen ſie ſie hier mir auf, Und ſelbſt die Kaͤſehaͤndler ſind mit Druckpapier Auf lange Zeit vom Dresdner Liederkranz verſorgt, Der, wie ich hoͤre, reißende Geſchaͤfte macht; Doch waͤr' er klug, er machte blos zerreißende. Da kommt der Jude; doch ich will von fern zuerſt Ausſpaͤhen ſeinen aͤußerlichen Habitus, Und ob er lange Finger oder kurze hat?

Damon, Sirmio, Schmuhl.
Sirmio.

Nur den Schnappſack aufgebunden! oder, Herr! ich ſchlage d'rein, Und mein Stock auf Seinem Ruͤcken lehr 'Ihm dann das Mein und Dein!

Schmuhl.

Laß Er los mich! Ich gehoͤre nicht zum Schacherjudenpack.

Sirmio.

Auch die beſten Juden ſchachern: nur herab den Bettelſack!

Schmuhl.

Laß Er mich, ich bin ein großer Aſtronom und Negromant, Der Natur geheime Kraͤfte ſind mir alle wohlbekannt.

10
Sirmio.

Ja, das will ich glauben, jeder diebiſche, geheime Kniff.

Schmuhl.

Sey Er nicht ſo grob, erheb 'Er Seine Seele zum Begriff!

Sirmio.

Moſes ſagt: Du ſollſt nicht ſtehlen, oder du empfaͤngſt den Lohn!

Schmuhl.

War das Moſes aus Aegypten oder Moſes Mendelſohn?

Sirmio.

Foppt Er mich?

Damon.

Des Juden Stimme hab 'ich irgendwo gehoͤrt.

Sirmio.

Nur herunter mit dem Schnappſack!

Schmuhl.

Laß Er ziehn mich ungeſtoͤrt!

Sirmio.

Was iſt d'rin? Es klirrt und klappert?

Schmuhl.

Talismane mancher Art, Raritaͤten, die auf Reiſen ich geſammelt und erſpart: Ein'ge Wiener Leckerbiſſen, Katechismen aus Turin, Aus Morea Griechenſchaͤdel, und Scholaſtik aus Berlin.

Sirmio.

Alle dieſe Dinge waͤren keinen halben Batzen werth, Nimmer glaub 'ich, daß ein Jude ſich mit ſolchem Zeug beſchwert. Zwar die Leckerei'n begreif' ich: der nur iſt ein großer Mann, Der vom Himmel nichts erbittet außer was man eſſen kann! Von den Katechismen ſchweig 'ich: denn der Glaube gilt fuͤr blind, Und die Pfaffen necke keiner, weil ſie unverſoͤhnlich ſind. Aber ſag' Er, was mit Seinen Griechenſchaͤdeln ſoll geſchehn?

11
Schmuhl.

Doſen laſſ 'ich aus den Knochen fuͤr die Diplomaten drehn.

Sirmio.

Aber die ſcholaſt'ſchen Phraſen?

Schmuhl.

Sag 'ich jungen Leuten her, Die ſie woͤrtlich wiederholen, weil ihr Hirn gedankenleer: Manche, denen nichts das Leben lehrte, ſetzen ſich in Kopf, Sie begriffen Erd' und Himmel, wenn von Worten voll ihr Kropf.

Damon.

Nein! Ich halte mich nicht laͤnger. Biſt du nicht der Jude Schmuhl?

Schmuhl.

Aufzuwarten.

Damon.

O der Freude! Sirmio, bring 'Er einen Stuhl! Kennſt du mich noch?

Schmuhl.

Mein Gedaͤchtniß iſt verworren und verſtoͤrt.

Damon.

Damon aus Arkadien bin ich, der in Leipzig Jus gehoͤrt!

Schmuhl.

Waͤr 'es moͤglich? Find' ich einen akademiſchen Cumpan?

Damon.

Geh 'Er Sirmio! Dieſer war es nicht, die Sach' iſt abgethan.

(Sirmio ab.)

Laß dich tauſendmal umarmen! Lege weg den Sack und Hut!

Schmuhl
(bei Seite).

Oefters vor Gerichte ſtand ich, ſelten lief es ab ſo gut.

Damon.

Nun geſteh mir im Vertrauen, ob du der Entwender biſt?

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Schmuhl.

Altes Zinn und Eiſen braucht 'ich; denn ich bin ein Alchymiſt, Und ſo hoff' ich, daß man mich der Kleinigkeiten nicht beraubt.

Damon.

O der Wiſſenſchaft iſt Alles, was ſie foͤrdern kann, erlaubt! Dieſe Bauersleute nuͤtzen ihr Geraͤth zu niederm Zweck: Iſt ein Teller blos vorhanden, um zu ſchneiden drauf den Speck? Ward der Pfanne kein genetiſch hoͤherer Beruf beſcheert, Als um Brei darin zu kochen, iſt ſie kaum des Stehlens werth!

Schmuhl.

Ja, du biſt der Alte! Du benimmſt mir eine große Laſt.

Damon.

Aber eine Gabel haſt du doch vergeſſen in der Haſt.

Schmuhl.

Wenn du es erlaubſt, ſo geh 'ich auf ein Andermal darum, Und ich ſchenke dieſe Gabel dir voraus als Pretium.

Damon.

Guͤt'ger Freund! Doch nun erzaͤhle, wie es dir bisher erging!

Schmuhl.

Noch in Leipzig

Damon.

Theures Leipzig, wo ich oͤfters Grillen fing! Zwar in den Collegien hatten Langeweile wir genug. Aber ſonderlich bei Gottſched.

Schmuhl.

Jetzo hat man ſie bei Krug.

Damon.

Leipzig ſoll mir Keiner ſchimpfen!

Schmuhl.

Brave Leute fand ich dort.

13
Damon.

Ja, die Sachſen ſollen leben! Aber fahre weiter fort.

Schmuhl.

Noch in Leipzig ergab ich mich ganz, wie du weißt, Schwarz - kuͤnſten und chemiſchen Studien, Und der Chiromantie und der Pyromantie und der Negroman - tie des Agrippa; D'rauf las ich fuͤr mich Pfaff's Aſtrologie, und in Goͤttingen trieb ich Punktirkunſt; Doch trieb ich es nur insgeheim, weil dort ſchon ein denkender Menſch ein Phantaſt heißt. Laut ruͤhmen ſie ſich in derſelbigen Stadt, daß nie die Natur - philoſophen Bei ihnen gediehn, ja, daß ein Poet, wie Buͤrger, vor Hun - ger beinah ſtarb.

Die Vorigen. Sirmio.
Sirmio
(bei Seite).

Aufreizt mich der Sinn, zu belauſchen das Paar, nicht laͤnger bezaͤhm 'ich die Neugier. Was mag nun wohl an den Herrn Schultheiß der fatale He - braͤer verſchachern? Und es ſtachen ihm doch aus dem Schnappſack vor die geſtohle - nen Meſſer und Gabeln.

Schmuhl.

Als einſt bei Nacht ich im Mondſchein ſaß auf der Pleſſe ro - mantiſchen Truͤmmern, Und ein Zephyr ſtrich durch's Buchengezweig, und uͤber die Felder der Eb'ne; Da erſchien mir ein Geiſt, den lang 'ich citirt, Inhaber betraͤchtlicher Schaͤtze,14 Der Salome hieß, denn es war das Geſpenſt von einer arka - diſchen Ahnfrau! Sie begann, und ich ſelbſt, aufhorcht' ich genau, denn ſie redete wieneriſch Hochdeutſch: Du vergeudeſt die Zeit durch Goldmacherei, ſtatt wirkliche Schaͤtze zu heben! In Arkadien liegt ein betraͤchtliches Geld drei Schuh tief un - ter der Erde; Und fragſt du mich, wo? antwort 'ich, es liegt verſchloſſen in eiſerner Kiſte, In des Mopſus Hof, der Schaͤfer und Schaf, juſt unter dem hoͤlzernen Hundſtall.

Sirmio.

O erfreuliche Poſt! Ich eile davon, um zuerſt zu ertheilen die Nachricht.

(ab.)
Schmuhl.

Und Salome fuhr, nach kurzem Verzug, im Geſpraͤch fort folgendermaßen: Doch huͤte dich auch vor dem tuͤckiſchen Schatz, weil ihm un - ſuͤhnbare Blutſchuld Anhaftet und er mir ein Erbtheil iſt von meinem ermordeten Ehherrn, Den ich, ſein Weib, in die andere Welt, unſchuldiger Weiſe, gefoͤrdert. Von Kindheit auf, wie noch jetzt als Geiſt, fuͤhlt 'ich brech - pulvrigen Abſcheu Vor Spinnen, und floh dieß haͤßliche Thier noch mehr als Laſter und Suͤnde. Als Abends ich einſt mit meinem Gemahl, dem behaglichen, ſaß an der Tafel,15 Spann ploͤtzlich, weh! ſich ein ſolches Gethuͤm von der Decke herab in den Mund mir: Ich ſchrie, wie am Spieß, das erraͤthſt du, doch nicht, was nun mein Ehegemahl that? Er erſchrak und ſtach ſich die Gabel in Schlund, da er juſt Kartoffelſalat . So ſtarb er und mir blieb ſtets in der Bruſt ein grauſam nagender Vorwurf, Obgleich nach ihm drei Maͤnner ich noch heirathete, mich zu betaͤuben. Doch hinderlich ging's mir ſtets und betruͤbt, ſeit jenem erbaͤrmlichen Unfall: Wenn ich am Putztiſch mich ſchminkte,[vergaß] ich gemeinig - lich eine der Backen; Wenn ich emſig und ſchnell Naͤhnadeln ſodann einfaͤdelte, fand ich das Oeh<r>nicht; Wenn ich mahlte Kaffee, gleich ſprangen ſofort zur Muͤhle heraus mir die Bohnen; Wenn ich beim Backwerk aufſtreute den Zimmt, ſo ergriff ich die Buͤchſe mit Streuſand; Wenn im Freien ich ſaß, hob immer den Fuß bei mir ein piſſender Mops auf. Kurz, Alles mißlang und das Beſte mißrieth, durch ſichtliche Rache der Vorſicht; Auch muß ich dafuͤr nun todt umgehn, vielleicht bis meines Geſchlechtes, Das viel Ungluͤck in der Gabel ererbt, letzt aͤußerſter Sproſſe verſchieden. Aber mein Urſohn, weh, weh, weh mir! hat zwoͤlf paus - backige Kinder. 16 O greuliche Brut! Frau Salome ſprach's, mit manchem Da Capo von Weh mir! Du hebe den Schatz, ſo befahl ſie zuletzt, mir helfe der lei - dige Satan! Sie verſchwand und es wich der Nachtflor ſchon, tief ſanken zu Thale die Nebel, Aber ich ließ nach Arkadien mich einſchreiben im Goͤttinger Poſthaus. Zwar ward ich dafuͤr vom Poſtperſonal, als tollhauswuͤrdig, verſpottet; Doch dacht 'ich, es ſcheint ein vorzuͤglicher Mann ſtets laͤ - cherlich nuͤchternen Gecken.

Damon.

So kamſt du hieher?

Schmuhl.

So kam ich hieher; doch nicht ohn 'alle Beſchwerde: Denn in Oeſtreich ließ mich Niemand durch, im Wahn, ich huͤlfe den Griechen; Ich ſprach, nicht gilt's mir Gefecht noch Kampf, mir gilt's nur leidigen Mammon; Doch glaubten ſie feſt, ich wollte dahier mein Blut ver - ſpritzen der Freiheit. Nun[h]ilf mir, o Freund, zu erbeuten den Schatz, und das Uebrige laß mich behalten!

Damon.

Das findet ſich, Freund! Wir ziehen uns leicht durch Liſt aus dieſer Geſchichte. Doch laß uns hinein ins Tafelgemach, auf Leipzigs oder auf Gottſcheds17 Wohlſeyn und Gedeihn ausleeren ein Glas und beſingen die Rebe von Chios.

Schmuhl.

Zwar Gottſched ſtarb, man bewahrt nur noch in Germanien ſeine Peruͤcke, Doch geht ſie allda von Kopfe zu Kopf, ihr duͤrfen wir bringen ein Vivat!

Damon.

Wer traͤgt ſie denn jetzt?

Schmuhl.

Das haͤlt man geheim; doch wie es dem Midas ergangen, So ergeht's auch hier, und ich fuͤrchte beinah, daß irgend ein Badergeſelle In ein Binſengebuͤſch an der Elſter und Spree ſanft liſpele: Dieſem und Jenem Umtrottelt das Haupt, bis faſt ans Knie, die Alongen - peruͤcke von Gottſched.

Damon.

Nun gehn wir hinein!

Schmuhl.

Ich folge ſogleich, ich liebe die ſuͤd - lichen Weine.

(Damon ab. Schmuhl wirft Mantel und Bart weg, und erſcheint als Chorus, indem er bis an den Rand des Thea - ters vortritt.)

Wißt ihr etwa, liebe Chriſten, was man Parabaſe heißt, Und was hier der Dichter ſeiner Akte jedem angeſchweißt? Sollt 'es Keiner wiſſen, jetzo kann es lernen jeder Thor: Dieß iſt eine Parabaſe, was ich eben trage vor. Die verhaͤngnißvolle Gabel. 218Scheint ſie euch geſchwaͤtzig, laßt ſie; denn es iſt ein alter Brauch, Gerne plaudern ja die Baſen, und die Parabaſen auch. Doch ſie wiſſen, daß in Deutſchland, wo nur Gaͤnſe wer - den fett, Nichts die Bretter darf betreten, was nicht hat vor'm Kopf ein Brett; Wiſſen alſo, daß ich nie vor euch ſie recitiren darf, Darum ſind ſie um ſo kecker, um ſo mehr beſtimmt und ſcharf. Ja, ſie wagen euch zu tadeln, wie ihr ſeyd mit Sack und Pack, Euer ungewiſſes Urtheil, euern ledernen Geſchmack! Mittelmaͤß'gem klatſcht ihr Beifall, duldet das Erhabne blos, Und verbannet faſt ſchon Alles, was nicht ganz gedankenlos. Ja, in einer Stadt des Nordens, die ſo manches Uebels Quell, Gibt man Clauren's Albernheiten und verbietet Schiller's Tell! Schreibe nur, o Freund, das beſte, das gediegenſte Ge - dicht, Biet 'es aber nie der Buͤhne, denn das Beſte will ſie nicht. O verſtuͤndet ihr, von bloßen Redensarten uͤberhaͤuft, Geiſtigern Genuß zu ſchluͤrfen, der aus ew'gen Rhythmen traͤuft! O ihr wuͤrdet bald empfinden, daß man lieber hoͤrt von dort, Wo ihr jetzt das Leerſte hoͤret, ein mit Sinn begabtes Wort! Aber hoff' ich, daß ihr jemals an ein Luſtſpiel euch gewoͤhnt,19 Das ein freies Spiel des Geiſtes, das der Zeit Gebrechen hoͤhnt? Nun zu euch, ihr Buͤhnendichter, ſprech 'ich, wend' ich mich fortan: Wollt ihr etwas Großes leiſten, ſetzet euer Leben dran! Keiner gehe, wenn er einen Lorber tragen will davon, Morgens zur Kanzlei mit Akten, Abends auf den Helikon: Dem ergibt die Kunſt ſich voͤllig, der ſich voͤllig ihr er - gibt, Der den Hunger wen'ger fuͤrchtet, als er ſeine Freiheit liebt. Die Geburt verleiht Talente, ruͤhmt ihr euch, ſo ſey es ja Doch die Kunſt gehoͤrt dem Leben, ſie zu lernen ſeyd ihr da! Muͤndig ſey, wer ſpricht vor Allen; wird er's nie, ſo ſprech 'er nie, Denn was iſt ein Dichter ohne jene tiefe Harmonie, Welche dem berauſchten Hoͤrer, deſſen Ohr und Sinn ſie fuͤllt, Eines reingeſtimmten Buſens innerſte Muſik enthuͤllt? Selten zeigt ſich Einer, welchem jeder Puls wie Feuer ſchlaͤgt, Weil ihn die Natur als ihren Liebling auf den Haͤnden traͤgt: Soll's auch Dieſem nicht mißlingen, hab' er viel und tief gedacht, Aber ferne von Scholaſtik, die die Welt zur Formel macht! Waͤre mit ſo leichten Griffen zu entraͤthſeln die Natur, Haͤtte ſie auf euch gewartet, ihr zu kommen auf die Spur? Auch das Beſte, was ihr bildet, iſt ein ewiger Verſuch,20 Nur wenn Kunſt es adelt, bleibt es ſtereotyp im Zei - tenbuch. Schoͤnheit iſt das Weltgeheimniß, das uns lockt in Bild und Wort, Wollt ihr ſie dem Leben rauben, zieht mit ihr die Liebe fort: Was noch athmet zuckt vor Abſcheu, Alles ſinkt in Nacht und Graus, Und des Himmels Lampen loͤſchen mit dem letzten Dichter aus!

[21]

Zweiter Akt.

Platz vor dem Hauſe des Mopſus.
Mopſus.

Wer kann ſich frei erhalten von Verſuchungen, Und waͤr 'er in Arkadien auch, von Wuͤnſchen frei? Wenn Einer ſich in einen Zobelpelz verliebt, Zieht's ihn aus freien Stuͤcken nach Sibirien. Durch mein Geluſt veroͤd' ich dieß Elyſium, Wie den Heroen bibliſcher Sylbenſtecherei Das Paradies zur Wuͤſte wird durch eignen Wuſt. Vergebens ſagt die Phyllis, meine Frau, zu mir: Geneuß das Leben, ſpare nicht fuͤr's Rittergut, Das doch ja blos an der Hoffnung Vorgebirge liegt! Was frommte dir nach einem halben Saͤculum Beſtaͤndiger Entbehrungen ein Rittergut, Wenn dir in ſchlaffer Hoſe knackt das morſche Knie? Du ſollteſt lieber idylliſch an des kuͤhlen Quells Kryſtallnen Fluthen liegen mit dem Dudelſack! Doch ich entgegne meiner Frau gewoͤhniglich: Sey weniger fruchtbar, oder ich ſende deine Brut Ins Findelhaus, wie Rouſſeau, der Erzieher, that Mit ſeines Weibs Emilen und Emilien, Wovon vielleicht noch Manche lebt und unbewußt Ueber ihres Rabenvaters Heloiſe gaͤhnt.

22
Mopſus, Phyllis.
Phyllis.

Ich weiß, du haſt erſpartes Geld, du beſinnſt dich ja Bei jedem Heller, den du in den Haͤnden drehſt, Um in die Taſche wieder ihn zuruͤckzuthun. Gib nur ſo viel, daß Teller ich und ein Beſteck Fuͤr unſre Wirthſchaft kaufen kann.

Mopſus.

Wir haben ja Die Gabel noch.

Phyllis.

Das iſt was Rechtes!

Mopſus.

So? Es iſt Ein altes Erbſtuͤck einer Ururgroßmama.

Phyllis.

Was ſeufzeſt du?

Mopſus.

Dieſelbige ſoll einen Schatz Verſcharret haben, einer alten Schrift gemaͤß, Die ich als Kind geleſen; doch vergebens grub Ich nach in Hof und Garten, ich entdeckte nichts.

Phyllis.

So haſt du keine Wuͤnſchelruthen angewandt?

Mopſus.

Sie kleckten nicht, ſie ſenken nach Metall ſich blos: Vielleicht beſteht in Diamanten dieſer Schatz.

Phyllis.

Vielleicht im Aberglauben blos, wer weiß, worin? Doch gib das Geld her, wenigſtens das noͤthigſte!

23
Mopſus.

Geld iſt ja nicht das Noͤthigſte, das Waſſer iſt's. Was waͤren ohne Waſſer wir? Bedenke nur! Wo naͤhme denn die Kleriſei zur Faſtenzeit Die Karpfen her? Wie wuͤrde der Kaffee gekocht? Wie kaͤmen unſre Schiffe nach Amerika? Fouqué's Undine, wo geriethe dieſe hin? Die Enten muͤßten ganz verzweifeln! Ja, was waͤr's Mit unſern Waͤſcherfrauen, den natuͤrlichen, Und auch den metaphyſiſchen, wie Krug und Fries? Trink Waſſer, Schatz! Ich werde nach den Schafen ſehn.

(ab.)
Phyllis.

Der Grobian! Wenn unſer Schultheiß nur den Dieb Indeß entdeckt! Ich ſollte wieder fragen gehn.

Phyllis, Sirmio.
Sirmio.

O Gluͤck, allein zu treffen dich, du Theuerſte, Du meines Herzens erſte Liebe! Heute gilt's Ein wichtiges eleuſiſches Myſterium.

Phyllis.

Was fluͤſtert Er von Laͤuſen und von Miſt herum? Mein Mopſus iſt auf's Feld gegangen. Sprech 'Er laut!

Sirmio.

Heut zeige mir, daß unſre Seelen wahlverwandt.

Phyllis.

O ja, ſo weit es moͤglich meiner Ehepflicht.

Sirmio.

O weiter noch! O weiter noch um Einiges!

24
Phyllis.

Was mir an Ihm gefallen koͤnnte, wuͤßt 'ich nicht.

Sirmio.

O ho! Ein huͤbſcher Burſche glaub 'ich doch zu ſeyn.

Phyllis.

Wo iſt an Ihm was Huͤbſches, laß Er hoͤren, Freund!

Sirmio.

Die rothen Haare deuten auf ein Feuerherz.

Phyllis.

O geh 'Er mit ſymboliſchen Beziehungen!

Sirmio.

Des feuchten Auges ſchwaͤrmeriſcher Liebesblick.

Phyllis.

Nach jeder Schuͤrze ſchielen ſolche Blicke gern.

Sirmio.

Auf uͤppiger Unterlippe brennt Schoͤnheitsgefuͤhl.

Phyllis.

Brenneſſeln alſo waͤren ſeine Lippen? Pfui!

Sirmio.

Die robuſte Hand vermaͤnnlichet den Haͤndedruck.

Phyllis.

Ich ziehe die weichen Haͤnde vor. Was Anderes!

Sirmio.

Im hohlen Ruͤcken ſpiegelt ſich der ſtolze Gang.

Phyllis.

Die hohlen Spiegel lieb 'ich nicht. Was Anderes!

Sirmio.

Der Bauch

Phyllis.

Er Unverſchaͤmteſter in der Chriſtenheit! Den untern Theil begehr 'ich nicht.

25
Sirmio.

Warum denn nicht? Der untre Theil des Koͤrpers iſt des obern Halt: Das nenn 'ich Freundſchaft, welche bis zum Nabel geht, Allein der Blick der Liebe ſinkt verſchaͤmt herab.

Phyllis.

Schon gut! Ich aber halte mir die Ohren zu.

Sirmio.

Noch einen Vorſchlag, Theuerſte! Wir koͤnnten wohl Zuſammen durchgehn heute Nacht, mitſammt dem Geld.

Phyllis.

Mit welchem Geld?

Sirmio.

Das iſt ja mein Myſterium: In Euerm Hof befindet ſich ein alter Schatz.

Phyllis.

Ein alter Schatz? Waͤr's moͤglich? Haͤtte Mopſus Recht? Allein er grub den ganzen Hof umſonſt herum.

Sirmio.

Weil er den Hundſtall wegzuthun vielleicht vergaß, Denn der verhuͤllt der Eiſenkiſte Heiligthum. Wenn ich ſie finde, Vielgeliebte, gehſt du durch?

Phyllis.

Durch Feu'r und Waſſer geh 'ich, wie Pamina that, Und laſſe meinem Gatten hier die Kinderchen.

Sirmio.

Ich geh 'hinein und grabe. Halte den Mopſus hier Zuruͤck, wenn heim er kehren ſollte, daß er mich Im Hofe nicht ertappe, ja den Schatz zugleich Entdecke, jenen koͤſtlichen, der morgen fruͤh Durch Nacht und Nebel uns begleiten ſoll.

26
Phyllis.

Nur fort! Ich warte hier; doch nimm vor'm Hunde dich in Acht!

(Sirmio ab.)
Phyllis.

Das kommt mir doch gerade recht. Der Sirmio Iſt ein gewandter Junge! Meinem Geizigen Laſſ 'ich die ſechs Paar Drillingsbruͤder, wie die zwoͤlf Geſtirn' im Thierkreis. Alle zwoͤlf beiſammen ſind Die rechte Zahl, indeſſen man im Trauerſpiel Nur fuͤnfe braucht; doch freilich wird das fuͤnfte blos Als Stier bei den Hoͤrnern hergezogen; waͤhrend doch Der Dichter ſelbſt das fuͤnfte waͤr 'als Waſſermann: Auch iſt Elvire keine Jungfrau, denk' ich mir. Allein wohin laſſ 'ich herab mich, und warum Verleih' ich einer Albernheit Unſterblichkeit? Da kommt mein Mann. Er will doch nicht ins Haus hinein? Pſt! Mopſus!

Phyllis, Mopſus.
Mopſus.

Nun?

Phyllis.

Erzaͤhle von den Schafen was, Und bleib 'im Freien!

Mopſus.

Keineswegs! Ich geh 'hinein.

Phyllis.

Bleib, Herzensmann! Erzaͤhle von den Schafen was!

Mopſus.

Was ſoll ich denn erzaͤhlen?

27
Phyllis.

Von den Schafen was! Mir faͤllt vor Angſt nichts Beſſ'res ein Bleib, Herzens - mann!

Mopſus.

Ich will ins Haus.

Phyllis.

Die Stuben werden aufgefegt, Du kommſt vom Felde und beſchmutzeſt Alles!

Mopſus.

Nun, ich will Die Schuhe wegthun.

Phyllis.

Warte doch!

Mopſus.

Warum denn das?

Phyllis.

Die Kinder ſchlafen, morde nicht den ſuͤßen Schlaf! Sonſt wird der Rittergutsherr auf dem Vorgebirg Der guten Hoffnung nicht mehr ſchlafen. Glaube mir!

Mopſus.

So will ich auf den Zehen ſchleichen. Laß mich doch!

Phyllis.

O bleib! Die Scham verbietet dir hineinzugehn, Weil unſre Viehmagd eben ein Klyſtier bekommt.

Mopſus.

So halt 'ich zu die Augen oder blinzle blos.

(ab.)
Phyllis.

O du Weltunheil! O du Schickſalstag! Er enteilt, er entdeckt mir das Geld, er entdeckt Mir den lieblichen Wicht! 28Und er zaust mir den Wicht und erobert das Geld, Er ergreift, der Barbar, mit der Rechten den Schopf Des Geliebten, o weh! und die Linke durchwuͤhlt Habgierig indeß die Dukaten!

Ha! Soll ich vielleicht ihm goͤnnen das Gluͤck? Aufopfern zugleich den metallenen und Rothlockigen Schatz? Das geſchieht niemals! das geſchieht niemals! Eh kehre zuruͤck und verderbe die Welt Die titaniſche Brut, die unendliche Nacht, Und das uranfaͤngliche Chaos!

Wie errett 'ich das Geld dem Geliebten und mir? Es durchzuckt das Gemuͤth mir ein Graunvorſatz, Ein entſetzlicher Wunſch! O Medea, du ſchwebſt mir beſtaͤndig im Geiſt, Du erſtachſt herzhaft dein Schlangengezuͤcht, Dann ſchwangſt du dich frei in die Wolken empor, Auf drachenbeſpannter Kaleſche!

Doch Judith war noch kecker als du! Denn es ging ja mit ihr Holofernes zu Bett, Und ſie hatte den Sack In Bereitſchaft ſchon fuͤr den Kopf des Gemahls. Ich darf doch wohl, wie mich duͤnkt, fuͤr's Geld Und den Sirmio thun, was Judith's Muth Fuͤr bloße Hebraͤer gethan hat?

Nur Sirmio darf nichts wiſſen davon, Denn es iſt ſein Herz noch kindiſch und weich, Aber mein Ehherr29 Soll heut mir des Nachts mit Tod abgehn! Und der Hausahnfrau zweizinkiger Dolch Durchbohre des Manns unerſaͤttliche Bruſt, Gleich einer gebratenen Gansbruſt!

Phyllis, Mopſus mit Sirmio.
Mopſus.

Dir fuͤhr 'ich den Dieb bei den Ohren heraus; denn du biſt ſeine Genoſſin! Doch im Haus, Gottlob! ſteht unverſehrt die gewichtige Rieſenſchatulle.

Sirmio.

Was ſcheltet ihr mich? [Ihr] habt mir ja doch zu verdanken die ganze Beſcheerung.

Mopſus.

Geh heim, Gaudieb! Ich verdanke dir nichts! Mir dank's, wenn ich nicht in der Zornwuth Dir die Fauſt anleg 'ans glatte Geſicht, und den Stock an die zierlichen Schenkel!

Phyllis
(leiſe).

Geh, Sirmio, geh! denn es bleibt ja dabei, und du kommſt fruͤh morgens und holſt mich.

Sirmio.

Ach, aber das Geld!

Phyllis.

Wir entwenden es ſchon. Laß mich nur ſorgen und komm brav!

Sirmio.

So geſcheh's!

Phyllis.

So geſcheh's!

30
Mopſus.

Was fluͤſtert ihr noch?

Phyllis.

Geh, Sirmio, laß mir den Brummbaͤr!

Sirmio.

Ich nehm's mit ihm auf!

Phyllis.

Geh!

Mopſus.

Soll ich dem Herrn mit dem Flegel die Beine befluͤgeln?

Phyllis.

Geh!

Sirmio.

Hab 'ich doch ſchon, an den Sohlen zumal, als Amts - merkurius Fluͤgel!

(Zur Phyllis.)

Wir ſprechen uns noch; denn ich fuͤhre mit mir heut Abend heruͤber den Schultheiß, Dann muß er mich ja doch dulden, der Mops, wir aber beſprechen das Weitre.

(ab.)
Mopſus.

Xantippe, hinein!

Phyllis.

Bin ich das, gieß 'ich auf den Schaͤdel herab dir, du weißt was?

(ab.)
Mopſus.

Abtruͤnniges Weib! O ich moͤchte vor Wuth umbiegen die Pole des Himmels: Phraſeologie, die im Kopf mir blieb aus einem Tragoͤdien - ruͤhrei! 31Doch denk 'ich indeß an den Schatz, durchſtroͤmt mein Herz unſaͤgliche Wolluſt! Nur Schade, daß rings das Behaͤltniß feſt zu iſt, nicht Riegel noch Oeffnung, Noch Vorlegſchloß ſieht man und es iſt hermetiſch verſchloſ - ſen die Kiſte; Aus ſchwerem Metall aneinandergefuͤgt, ſchlitzt keiner ſo leicht ihr den Bauch auf. Doch hoff' ich noch Rath. O waͤr 'ich bereits, wo mir ſtets hinwinket die Hoffnung! Was haͤlt mich zuruͤck in des Reichthums Schoos, da den koͤſtlichen Schatz ich beſitze? Soll hier ich etwa durchbringen das Geld mit den Kindern und meiner Gemahlin, Statt dort mir ein Gut zu erhandeln und dort zu beſchlie - ßen in Ruhe das Leben? Soll hier ich dafuͤr ankaufen Geraͤth', Breinapf, Reibeiſen, Kaffeezeug, Und Putz fuͤr die Frau, Stecknadeln und Schawls, Tanz - ſchuhe, geflitterten Unſinn? Ja, waͤchst das Gezuͤcht mir heran, ſo bedarf's noch Schul - geld ſammt Abcbuch, Und zuletzt noch was, wenn gelehrter ſie ſind, man nennt's Cornelius Nepos, Fuͤr die Kinder ein Schreck; wir kannten doch blos, da wir ſelbſt jung waren, den Wauwau. Anwandelt mich Wuth und Zerſtoͤrungstrieb, wenn ich mir vorſtelle den Aufwand! Waͤr's Unrecht wohl ans herrliche Ziel, wie ein Held, uͤber Leichen zu ſchreiten? 32Zwar Helden auch trifft ein entſetzliches[L]oos, Napoleon ſtarb in Verbannung, Und der Schiller'ſche Held, der ermordete, geht jetzt uͤber die Bretter als Yngurd, Zu beweiſen der Welt, was Hamlet ſagt, daß Helden gekne - teter Lehm ſind. Dieß ſchrecke mich nicht! Auch kommt mir in Sinn, was eine Zigeunerin ſagte, Nachdem ſie zuvor in die Hand mir geſehn, in die Karten und ihren Kaffeeſatz: Wenn du nicht umbringſt dein Ehegeſpons, Elender, ſo bringt es dich ſelbſt um. Ich verſtand nichts mehr, was weiter ſie ſprach; doch glaub 'ich, ſie wollte mir ſagen: Wenn du nicht umbringſt dein Ehegeſpons, Elender, ſo bringt es dich ſelbſt um Kapital und Prozent. Ja, thut ſie mir das, dann bringt ſie mich ſicherlich ſelbſt um.

Mopſus, Schmuhl (verkleidet).
Schmuhl.

Herr! Euch aufzuwarten wagt ein junger Mann von vielem Geiſt. Welcher um der guten Hoffnung Vorgebirg herumgereist.

Mopſus.

Welche Freude! Seyd willkommen! Seyd gereist ihr rings herum?

Schmuhl.

Rings herum, doch ſtets vergebens, wie das deutſche Publikum, Das auf ſeinen Schaugeruͤſten einen Loͤwen hofft zu ſchau'n, Aber faſt nur ſchaͤb'ge Kater ſchleichen ſieht und hoͤrt miau'n.

33
Mopſus.

Innig freut mich's, da man ſelten ſolche Reiſewunder trifft!

Schmuhl.

Ach wer haͤtte nicht zuweilen jenes Vorgebirg umſchifft? Ja, vor allen faͤhrt die Liebe dieſen Klippenweg vorbei, Aber unter ihren Fuͤßen geht der morſche Kahn entzwei!

Mopſus.

Darf ich wohl um Euren Namen mich erkundigen, Musje?

Schmuhl.

Robinſon der juͤngre heiß 'ich, den ſie nennen Cruſoe.

Mopſus.

Wie? Ihr lebtet noch? Ihr ſetzt mich wirklich in Verwunderung.

Schmuhl.

Da ich ſtets bei Kindern lebte, blieb ich etwas laͤnger jung.

Mopſus.

O erzaͤhlt von jenem Vorgebirg, das meiner Wuͤnſche Thron! Das was ſich auf Eurer Inſel zugetragen, weiß ich ſchon. Zwar es iſt des braven Ritters Erd - und Voͤlkerkunde hier, Doch unbrauchbar wird ſie durch das reimeriſche Loͤſchpapier. O verſetzt mich in das ſchoͤne Land, das all mein Sinn begehrt, Wenn ein Adam auch, wie ich bin, keines Paradieſes werth! Setzen ja die Jambenſchmierer, deren Vers den Vers zerſtoͤrt, Den Spondaͤus oft an Stellen, wo er gar nicht hingehoͤrt!

Schmuhl.

Auf jenem Gebirg, wo die Hoffnung wohnt, iſt's ganz wie im Land der Schlaraffen, Und der Boden wie Sammt, und der Himmel wie Glas, und die Wolken wie Flocken von Purpur. Und die Sonne, wie lacht ſie in Klarheit ſtets! Doch breitet ſich ſchattige WoͤlbungDie verhaͤngnißvolle Gabel. 334Von Baume zu Baum, von Gebuͤſch zu Gebuͤſch, und es neigt ſich Roſe zu Roſe. Stets knoſpet's im Laub, und es wimmel<n>darin Papagaien und bunte Faſane, Stolz wandelt der Pfau durch ſilbernen Sand und ſchlaͤgt gold - augige Raͤder, Und es taucht ſich der Schwan und der Colibri ſchlaͤft im Kelche der flammigen Tulpe, Und der Harzbaum wuͤrzt die geſchwaͤngerte Luft und der feine Geruch der Jasmine. Nicht Fliegen erblickſt du noch Raupengezuͤcht noch Unkraut, denn es vertritt hier Kirſchlorber den Platz des bedornten Geſtraͤuchs, Stechpalme die Stelle der Diſtel. Und der Springquell fuͤllt, in beſtaͤndigem Scherz, alabaſterne Becken mit Goldſchaum: Dort kuͤhlt ſich im Bade der Jungfrau'n Leib, und der Juͤng - linge goͤttliche Nacktheit: Hyacinthenes Haar umwuchert das Haupt und des Nackens unſterbliche Bildung. Es verkuͤndet der Wuchs kein irdiſches Maß und die Haltung ſchwebet in Anmuth. Sanft plaͤtſchert um ſie die melodiſche Fluth und es hebt ſich Floͤtengeſaͤuſel, Vom Winde verweht, der leiſ 'im Gefolg balſamiſcher Duͤfte daherzieht, Und er ſchuͤttelt vom Aſt, im Vorbeigehn mild, den vergol - deten Ball der Orange, Und die kuͤhlende Frucht der Granate mit ihr, fuͤr kuͤnftig Durſtende ſorgend. 35Dort quaͤlt kein Schmerz, und die bitterſte Pein iſt dort wie Seufzer der Liebe; Dort lehnt ſich der Freund an die Schulter des Freunds, nie bange vor einſtiger Trennung, Und der Efeu miſcht ſein ewiges Blatt in die wallenden Locken der Dichter; Als Luͤge nur gilt dort Alter und Tod, das Unmoͤgliche nen - nen ſie wirklich.

Mopſus.

Das leuchtet mir ein; doch findet man dort auch Speciesthaler und Maxdors?

Schmuhl.

Wohl! Alles genug, und die Kieſel im Bach ſind blos Hollaͤn - der Dukaten.

Mopſus.

O ich reiſe vielleicht noch morgen dahin, und ich bitt 'Euch, mich zu begleiten!

Schmuhl.

Verbindlichen Dank! Doch habt Ihr denn auch fuͤr die Fahrt hinlaͤngliches Zehrgeld?

Mopſus.

Kommt Zeit, kommt Rath.

Schmuhl.

Bis morgen jedoch ſchlaͤgt wenige Zeit von der Thurmuhr.

Mopſus.

Fuͤr's Geld ſorg 'ich. Doch jetzt lebt wohl, Herr Cruſoe, weil ich hinein muß.

Schmuhl.

So vergoͤnnt, daß ich mit eingehe, damit ich im Haus Euch leiſte Geſellſchaft.

36
Mopſus.

Schon bin ich verſehn, denn ich habe darin zwoͤlf Kinder und eine Gemahlin. Lebt wohl!

(ab.)
Schmuhl.

Lebt wohl! Was haͤlt er mich denn von der Schwelle zuruͤcke, der Schafpelz? Wie verſchafft er ſich dann das benoͤthigte Geld, die gewaltige Reiſe zu machen? Waͤr's denkbar, daß er den Schatz mir entdeckt? Unglaublich! haͤtte die Ahnfrau Von Goͤttingen her mich citirt, um hier es zugleich zu ver - trauen dem Mopſus? Wenn die Nacht einbricht, will nochmals hier ſpioniren ich, ob ich den Eingang Ins Haus, in den Hof frei finde, ſodann geht's uͤber den leidigen Hundſtall; Jetzt muß ich indeß ein gewiſſes Geſchaͤft noch abthun hier in der Eile.

(hervortretend.)

Wie kommt es, liebes Publicum, daß du die groͤßten Geiſter So oft verkennſt, und ſtets verbannſt die ſonſt beruͤhmten Meiſter? So iſt bei dir der Kotzebue in Mißkredit gekommen, Der ſonſt doch ganz allein beinah die Bretter eingenommen: Du klatſchteſt ſeinen Herrn und Frau'n, du liebteſt ſeine Spaͤße, Er war dein Leib - und Herzpoet, der dir allein gemaͤße: Was galten dir vor dem Apoll die Muſen alle neune? Auf jeder Buͤhne fand man ihn, ja faſt in jeder Scheune:37 Deß ruͤhmt kein andrer Dichter ſich, drum weigert ihm nicht laͤnger Als deutſchem Sophokles den Kranz, als nationellſtem Saͤnger! Er ſchmierte wie man Stiefel ſchmiert, vergebt mir dieſe Trope, Und war ein Held an Fruchtbarkeit wie Calderon und Lope. In Verſen ſchrieb er ſelten zwar; doch konnt 'euch das nicht ſtoͤren: Ihr ſeyd ja Menſchen, wollt ihr denn der Goͤtter Sprache hoͤren? Er ſprach wie ihr, das war euch recht; er nahm, um euch zu ſchonen, Aus eurem eignen Kreiſe ſich die fadeſten Perſonen. Auch habt ihr euren Kotzebue nicht ganz und gar verlaſſen, Zwar ſtarb er euch, doch blieben euch des Edlen Hinterſaſſen: Der Advokat in Weiſſenfels, und aͤhnliche Geſichter, Die klein wie er als Menſchen ſind und groß wie er als Dichter! Wir ſehen einen ſolchen Knirbs nach Lorbeerzweigen ſchielen, Weil er geborgt ein Trauerſpiel aus zehen Trauerſpielen, Indeß er euch nur Scheußliches und Niegeſcheh'nes zollte, Das man, und waͤr' es auch geſchehn, mit Nacht bedecken ſollte! Was ſind nun ſolche Koryphaͤ'n moderner Dithyramben, Als Kotzebue's im Domino, ſtaffirt in lahme Jamben? Gern haͤtt 'ich Manches woͤrtlich euch aus ihnen nachgewieſen, Doch ihre Verſe ſind zu ſchlecht, ſie paſſen nicht zu dieſen. Wie Mancher duͤnkt ſich Virtuos und ſchlaͤgt gewalt'ge Triller, Der blos als leere Phraſe driſcht, was Goethe ſprach und Schiller:38 Wenn die ſich auch nur deß bedient, was Andre ſchon er - worben, So ſtuͤnden wir bei Ramler noch, der laͤngſt in Gott ver - ſtorben! Wen die Natur zum Dichter ſchuf, dem lehrt ſie auch zu paaren Das Schoͤne mit dem Kraͤftigen, das Neue mit dem Wahren; Dem leiht ſie Phantaſie und Witz in uͤppiger Verbindung, Und einen quellenreichen Strom unendlicher Empfindung; Ihm dient, was hoch und niedrig iſt, das Naͤchſte wie das Fernſte, Im leichten Spiel ergoͤtzt er uns, und reißt uns hin im Ernſte; Sein Geiſt, des Proteus Ebenbild, iſt tauſendfach gelaunet, Und lockt der Sprache Zierden ab, daß alle Welt erſtaunet! Er fuͤrchtet keinen neid'ſchen Feind und keinen tuͤck'ſchen Spoͤtter, Und vor dem Tode bangt ihm nicht, als einem Freund der Goͤtter: Er weiß, daß nach Aeonen noch, was ſein Gemuͤth erſtrebet, Im Mund verliebter Juͤnglinge, geliebter Maͤdchen lebet; Indeß der Zeit Pedanten laͤngſt, verwahrt in Bibliotheken, Vor Staub und Schmutz vermoderten, als wurmige Schar - teken.

[39]

Dritter Akt.

Hof im Hauſe des Mopſus.
Phyllis
(allein).

Schon daͤmmert es rings und der Venusſtern Tritt aus dem Gewoͤlk in die Nacht glorreich; Zwar Sirmio fehlt und der Schultheiß fehlt, Doch brennt in der Bruſt die Begierde mir ſtets Nach Blut und Verderb, und der Fluchtvorſatz. Wie ertrug ich ſo lang, was dieſer Gemahl Aufs Herz mir gelegt, ſolch vielfach Leid? In der Brautnacht ſchon, was that mir der Wicht? Ich trug, wie bekannt, ringsfließendes Haar, Wie ein Bandwurm lang, wie der Ruß kohlſchwarz: In der Brautnacht nun, als ſchnarchend ich lag, Scheert mir der Barbar das Gelocke vom Kopf, Und er gibt's zum Verkauf in der Fruͤhe ſogleich An den naͤchſten Peruͤckenverfert'ger!

Mit den Kindern ſodann, was denkt er zu thun? Denk 'ich's, uͤberlaͤuft mich die Ganshaut kalt! Denn er will ja die zwoͤlf Kernjungen mir als Karl Witte's erziehn, zu gelehrten Genie's. 40Mit denen, die juſt drei Jahr alt ſind, Treibt er den Euklid und die Regel de Tri, Ja, Einem, der kaum noch den Fallhut traͤgt, Lehrt er das Geſetz vom beſchleunigten Fall, Und mit Einem, der noch in die Windel hofirt, Liest er im Virgil der Harpy'n Unart. Kurz alle gedenkt er nach Deutſchland einſt Zu verhandeln, um dort Profeſſores zu ſeyn Im ſechsten bereits oder ſiebenten Jahr, Als zwoͤlf Karl Witte die juͤngſten!

Phyllis, Mopſus.
Mopſus.

Deklamirſt du hier im Hofe? Geh hinein zu deinen Kindern!

Phyllis.

Hier im Mondenſchein zu ſchwaͤrmen, ſoll mich kein Ge - mahl verhindern.

Mopſus.

Doch es hindert dich der Bullenbeißer, und vom Dach der Kater.

Phyllis.

Dennoch will ich deklamiren; denn die Welt iſt ein Theater.

Mopſus.

Aber das Theater ſelber, iſt es zur Tuͤrkei geworden, Denn, wo ſonſt Heroen ſchritten, tummeln ſich Barbaren - horden?

Phyllis.

Stille, ſtille! lerne lieber nach des Poͤbels Pfeife tanzen, Und verehre tief im Staube den Geſchmack der Intendanzen!

Mopſus.

Freilich! Intendanten machen ſich das Schlechteſte zu Nutze, Denn das Gute hilft ſich ſelber, das entzieht ſich ihrem Schutze.

41
Phyllis.

Demnach aber darf das Gute deutſche Bretter nie beſteigen?

Mopſus.

Nie, wofern es reich und kraͤftig, uͤberlegen, keck und eigen.

Phyllis.

Wehrt denn dieſem Volk zuweilen nicht ein Fuͤrſt herab vom Throne?

Mopſus.

Schmeichler nahn ſich ihm als Flecken, truͤben den Brillant der Krone: Ein Poet ſtolzirt in Waffen, iſt des Helikons Beſtuͤrmer, Aber Manche kriechen aufwaͤrts, wie gekruͤmmte Regen - wuͤrmer, Und das Publikum, das alte Hoͤckerweib, entbloͤßt von Zaͤhnen, Schließt ſogleich den Mund zum Bravo, wenn er Miene macht zum Gaͤhnen.

Phyllis.

Auf die neuern Dramaturgen waͤre ſonach nichts zu halten?

Mopſus.

Das vernein 'ich. Gutes mag ſich, doch mir unbewußt, ge - ſtalten: Ja, ich koͤnnte ſelbſt citiren ein'ge ſchoͤne, neu're Data: Kam nicht Herzog Ernſt aus Schwaben? Kam nicht aus Burgund Renata!

Phyllis.

Kommt nicht eben hier der Schultheiß?

Mopſus.

Noch ſo ſpat, was kann er wollen?

42
Die Vorigen, Damon, Sirmio.
Damon.

Nichts als einen nachbarlichen, freundlichen Beſuch euch zollen. Auch verſichr 'ich: Jener Jude, den des Diebſtahls ihr be - zuͤchtigt, Iſt als Ehrlichſter von allen Kindern Iſraels beruͤchtigt.

Mopſus.

Kennt ihr nicht das alte Sprichwort, daß der Hehler wie der Stehler?

Damon.

Glaubt mir, Mopſus, Dieberei iſt jenes Juden kleinſter Fehler.

Phyllis.

Nun, wer hat es denn geſtohlen?

Sirmio.

Stille, Phyllis, mir zu Liebe!

Damon.

Soll ich meine Meinung ſagen, waren Elſtern eure Diebe.

Mopſus.

Elſtern! Was fuͤr Maͤhrchen! Soll ich Elſtern vor Gericht verklagen?

Damon.

Hat nicht auch Roſſini's Elſter ein Beſteck davongetragen?

Phyllis.

Ei Roſſini!

Damon.

Ja, ich koͤnnt 'euch einen neuern Fall entdecken, Der, als Trauerſpiel behandelt, tauſend Seufzer wuͤrde wecken.

Phyllis.

O erzaͤhlt! Ich leſe taͤglich Meißners Kriminalgeſchichten.

43
Mopſus.

Mitternacht iſt nah, da hoͤrt man Ammenmaͤhrchen gern berichten.

Damon.

In Arkadien war ein Kuhhirt, welcher hieß Anaximander, Er und ſeine Gattin ſchliefen eines Abends bei einander; Aber neben ihr, ſo war es ihr Gebrauch, auf einem Tiſchchen Lag ihr Ehering und eine Predigt, oder ſonſt ein Wiſchchen. Offen ſtanden alle Fenſter, da es Sommer war, und freier Luͤftete des Zephyrs Athem der Gardinen gruͤne Schleier; Aber mit dem Zephyr kam ein Elſterchen herbeigeflogen, Dieſes wurde durch des Ringes gelben Schimmer angezogen, Flog ans Tiſchchen, ſah die Predigt, nahm jedoch den Ring alleine, Trug ihn fort und ließ ihn wieder fallen auf dem Ra - benſteine. Weil's vom Schickſal war beſchloſſen, daß es ſo geſchehen ſollte, Sieht ihn dort der Knecht des Henkers, welcher eben raͤ - dern wollte, Steckt ihn an die Hand; doch achtet er nicht weiter dieſes Dinges. Des Anaximanders Gattin merkte den Verluſt des Ringes Schon am andern Tag, verſchweigt es aber weislich ihrem Gatten, Weil ſie hofft, der Zufall werd 'ihr ihn gewiß zuruͤcker - ſtatten. Doch im Stall Anaximanders, dieſes duͤrft ihr nicht ver - geſſen, Da's die Quinteſſenz von Allem, war ein Ochs krepirt in - deſſen:44 Nach dem Fallknecht ſchickte Jener, daß er weg den Ochſen bringe, Und begegnet an des Knechtes Finger ſeinem Eheringe. Zwar er ſchweigt: doch kann er ſeine Wuth nur kurze Zeit verſchließen. Kennt ihr Eiferſucht? Was wollt' er machen, als das Weib erſchießen? Er erſchießt es auch, begraͤbt es heimlich, aller Welt ver - borgen, Und vermaͤhlt mit einer andern Gattin ſich am andern Morgen. Dieſe ward ihm aber wirklich ungetreu, ſie war umrungen Von Bewerbern, und erſah ſich einen allerliebſten Jungen Zur Geſellſchaft. Dieſer wollte ſeiner Liebſten was verehren, Und er fing ein Elſtermaͤnnchen, dem er wollte ſprechen lehren. Dieß gelang, es ſprach, worauf er's ſeiner Herzenskoͤn'gin ſendet; Aber ach! Es war der Vogel, welcher einſt den Ring ent - wendet. Leider konnt 'er jetzo ſprechen! Er berichtet unbefangen Dem Anaximander Alles, wie es mit dem Ring ergangen, Dieſer fuͤhlt ſich, wie begreiflich, ganz von Reu' und Leid zerriſſen, Malt ſich das Schaffot poetiſch, faſelt von Gewiſſensbiſſen, Klagt ſich ſelbſt an, wird gerichtet auf demſelben Rabenſteine, Und es raͤdert auch derſelbe Henkersknecht ihm Arm 'und Beine! Auch das Weib, das ungetreue, ſtarb an Champignons ver - giftet, Und die Elſter fiel in Wahnſinn, weil ſie all dieß angeſtiftet.

45
Sirmio.

O der herrlichen Verwicklung!

Phyllis.

Waͤr 'es doch ſchon auf den Brettern!

Sirmio.

Aufgeſtutzt mit Modefloskeln!

Phyllis.

Und durchwebt mit Donnerwettern!

Sirmio.

Welche wunderbare Fuͤgung!

Phyllis.

Und der Rabenſtein, mir ſchaudert!

Mopſus.

Doch der Jude ſcheint mir auch ein Elſtermaͤnnchen, wel - ches plaudert.

Damon.

Plaudert, aber nie geſtohlen!

Phyllis
(zu Sirmio).

Siehſt du nicht, wie Damon immer Nach dem Hundſtall ſchielt hinuͤber?

Sirmio.

Steht der Schatz bereits im Zimmer?

Phyllis.

Wohlverwahrt, doch uneroͤffnet.

Sirmio.

Morgen loͤſen wir die Siegel.

Phyllis.

Komm nur puͤnktlich!

Sirmio.

Mit dem Fruͤhſten.

46
Phyllis.

Offen ſtehen Schloß und Riegel. Aber bring 'auch einen Karr'n mit, um den Kaſten auf - zuladen!

Sirmio.

Ja doch!

Damon.

Gute Nacht, ihr Leute!

Phyllis.

Ich empfehle mich zu Gnaden.

(Damon und Sirmio ab, von Mopſus begleitet.)
Phyllis.

Nun ſchleuß dich, o Herz, dem Mitleid zu! Weil ſchon des Gehegs Nachtwaͤchter die Zeit Der entſetzlichen That im Dorfe poſaunt, Und der Schwengel ſich ſchon Zwoͤlfmal in der Glocke des Thurms regt.

Mopſus
(zuruͤckkommend).

Nur hinein! Nur hinein! Was willſt du noch hier? Bald folg 'ich dir nach. Unheimlicher laͤßt Sich die Nacht jetzt an. Nur hinein ins Haus!

Phyllis
(bei Seite).

Jetzt geh 'ich h[in]ein, Bald kehr 'ich zuruͤck mit der Gabel.

(ab.)
Mopſus.

Wie es pfeift in der Luft, wie ſo ploͤtzlich ſich das geſtirnte Gewoͤlbe verfinſtert! Ein Gewitter iſt nah, und im Wachſen der Sturm, und es haͤuft ſich Gewoͤlk an Gewoͤlke;47 Laut bloͤckt mir das Vieh in den Stallungen rings, und der Kater miaut und der Hund bellt. Was deutet mir das? Und wie leg 'ich's aus? Gibt's Ah - nungen oder was gibt's denn? Wenn die Scheere, die faͤllt, in den Boden ſich ſpießt, ſo be - hauptet man, daß es Beſuch gibt; Das verſchuͤttete Salz, anzeigt es Verdruß, und am Lichte der Raͤuber ein Brieflein; Wenn man Schafen begegnet, bedeutet's ein Gluͤck, wenn man Schweinen begegnet, ein Unheil; Fuͤhlt Einer ſich krank und er ſoll abziehn, ſieht Nachts er die Bahre vorbeiziehn; Wird einer gekoͤpft, ein Verbrecher, ſo zuckt vorher an der Mauer das Richtſchwert. Was deutet[m]ir nun dieß Hundegebell? Iſt's mein Tod oder der Phyllis?

Mopſus, Phyllis.
Phyllis.

Sacht ſchleich 'ich heran; doch treff' ich ihn wohl? Wo ſteht er? Ich ſehe ja keinen Stich hier in der Nacht, wie ſoll ich ihm denn beibringen den Stich mit der Gabel?

Mopſus.

Es rumort in der Luft und der Donner beginnt.

Phyllis.

O haͤtt 'ich doch Anatomie noch Als ledig ſtudirt, nun wuͤßt' ich den Fleck, wo es ihn zu verwunden am beſten! 48Wo treff 'ich das Herz? Liegts links oder rechts, daß ich nicht in den Magen ihn ſtoße? Sein Magen verdaut ſo entſetzlich gut, daß er koͤnnte ver - dauen die Gabel.

Mopſus.

Nun geh 'ich hinein, wo die Phyllis traͤumt, und mach' ihr im Stillen den Garaus.

Phyllis.

Jetzt wendet er ſich, jetzt eil 'ich hinzu. Stirb, Graͤßlicher! Aber was iſt das?

(Blitz und Donnerſchlag. Salome erſcheint mit Gepolter und Flammen. Phyllis laͤßt die Gabel fallen und entflieht.)
Phyllis.

Ein Geſpenſt! Ein Geſpenſt! fort eil 'ich ins Haus! Wenn Gott will, frißt es den Mopſus.

(ab.)
Salome.

Ich rettete dich, mein Ururſohn! Heb 'auf vom Boden die Gabel!

Mopſus.

Dank beb 'ich dir zu. Wer biſt du, Geſtalt? Ein Geſchoͤpf, ſprich, oder ein Unding?

Salome.

Ein Geſchoͤpf, wie du ſelbſt, vormals theilhaft des verrin - nenden Sands in der Sanduhr, Jahrhunderte jetzt in entſetzlicher Haft, durch nie zu be - rechnenden Zeitlauf.

Mopſus.

Doch ſeh 'ich dich frei.

49
Salome.

Um zwoͤlf Uhr blos, jetzt blos, in der Mitte der Nacht blos. Doch wird mir auch dieß zur entſetzlichen Qual, denn die Nacht iſt ſchrecklich um die Zeit!

Mopſus.

Zwar hoͤrt 'ich das oft, doch glaubt' ich es nicht, ich hielt's fuͤr chimaͤriſchen Wahnſinn; Auch hielt ich mich nicht fuͤr ein Sonntagskind, denn ich bin ja geboren am Samſtag.

Salome.

Thut nichts, da der Sabbath als Sonntag gilt, wir fuͤh - ren den Judenkalender, Seitdem durch Geiſt uns Geiſter beſtach der beruͤchtigte Jude Spinoza.

Mopſus.

Was waͤlzt ſich denn in der Mitte der Nacht ſo Entſetzli - ches uͤber den Erdkreis?

Salome.

O gluͤckliches Auge des Menſchengeſchlechts, das nicht ins Dunkel der Nacht dringt! Doch erſcheint auch euch voll Grauen die Nacht, durch Ah - nung mehr als Gewißheit. O koͤnntet ihr ſchau'n in den Kern der Natur mit erleuchte - ten Augen um zwoͤlf Uhr! Da bewegt ſich die ſubtelluriſche Macht als Windsbraut unter der Erde, Und ſie weht als Dunſt von der Hoͤlle herauf, kohlſchwarz wie die Saͤule des Dampfboots. Das iſt's, was eben verheert die Natur, ſonſt haͤttet ihr ewiges Wachsthum:Die verhaͤngnißvolle Gabel. 450Von der Wurzel des Baums zum Gipfel empor ſteigt's auf als Gift der Zerſtoͤrung, Und es ſchleicht als Tod ins thieriſche Herz, und vermaͤhlt ſich menſchlichem Odem; Drum lebt auch laͤnger der Vogel als ihr, der weniger klebt an der Erde, Der ſeltener auch den entſetzlichen Dunſt aus hoͤherer Luft - region zieht. O koͤnnteſt du jetzt in der Mitte der Nacht durchſchweben Gefild und Gebirge! Aus Schluchten empor widerhallt das Geſtein vom Zaͤhnege - klapper der Hoͤlle, Und vernehmlich kraͤchzt aus Wipfel und Dach halbmenſch - liche Worte der Uhu, Denn es irrt die Natur, und vermiſcht graͤulvoll Labyrin - thiſches untereinander! Jetzt heben empor aus Quellen und Seen Meernixen ihr ſchilfiges Antlitz Und den ſchuppigen Leib, und ſtoͤren den Traum des Ermuͤ - deten, welcher am Bach ſchlaͤft; Und das Muͤhlrad peitſcht aufziſchenden Schaum in verdop - pelter Schnelle wie raſend. Und der Muͤhlknecht ſtuͤrzt in den Trichter hinab, wenn er juſt aufgießet das Korn jetzt. Auf dem Kirchhof ſtaͤubt die Gebeine herum lautſauſend ein wuͤthender Windſtoß, Und es knarren der Gruft Thuͤrangeln, es flammt, wie von Blitzen erleuchtet, die Grabſchrift, Und die Todten im Sarg, aufwachen ſie halb, und behorchen mit Schauder den Holzwurm. Hu, hu! Weh, weh! O Mitte der Nacht, du grauſige Stunde, huhu, hu!

51
Mopſus.

Ungluͤcklicher Geiſt!

Salome.

O waͤr 'ich erloͤst! Zu betrachten das menſchliche Daſeyn Iſt ſchrecklich, waͤhrend man Menſch noch iſt, iſt ſchreckli - cher einem der Geiſter: Die Geburt und der Tod, einander ſo nah, ſind blos durch Schmerzen geſchieden, Sind Schmerzen ſie ſelbſt. O trauriges Loos, wohl werth unſterblicher Thraͤnen, Wie ein Gott ſie geweint!

Mopſus.

Doch ſeyd ihr erloͤst, was thut ihr, luftige Geiſter?

Salome.

Wir tanzen den Reihn und beruͤhren im Flug mit ſchwe - benden Sohlen die Sterne.

Mopſus.

Was kann ich dir thun?

Salome.

Viel, viel, wenn du willſt; doch halt 'ich das Beſte geheim noch.

Mopſus.

Nein, ſprich, was ich ſoll?

Salome.

Was wollteſt du denn mit der Gabel beginnen, o Mopſus?

Mopſus.

Ich wollte damit auch Kinder und Weib dort unter die Sterne verſetzen; Doch tadelſt du das, ſo

52
Salome.

Genire dich nicht! thu was der Inſtinkt dir gebietet! Man metzelt in neuen Tragoͤdien auch ſchlechtweg, nach kurzer Verſuchung.

Mopſus.

Doch, wenn du befiehlſt

Salome.

O nein! wie geſagt, ich billige deine Begierden.

Mopſus.

Doch moͤcht 'ich dich noch ausfragen, warum

Salome.

Jetzt nicht, da verronnen die Zeit iſt: In den Kerker zuruͤck eilt jetzt mein Geiſt, und ſchmachtet ent - gegen der Freiheit: O Erloͤſungstag, wann ſeh 'ich entzuͤckt die Vergoldungen deiner Aurora?

(Sie verſchwindet.)
Mopſus.

Vortrefflicher Geiſt! Du erriethſt mich gleich, wohl kennſt du das menſchliche Herz recht. Nun koͤnnt 'ich vor Muth mein ganzes Geſchlecht, als waͤr's Pappdeckel, zerſtechen! O Gabel, du biſt in der Hand mir jetzt der plutoniſche, graͤß - liche Zweizack! Jetzt koͤnnt' ich mit dir, in titaniſcher Kraft, aufgabeln als Ku - gel den Erdball, Ihn laden, und dann todtſchießen mit ihm die geſtirnten Ar - meen des Himmels! Was hoͤr 'ich denn da?

53
Mopſus, Schmuhl
(der uͤber die Mauer ſteigt).
Schmuhl.

Wenn der Hund nicht bellt, ſo vollend 'ich den herrlichen Anſchlag.

Mopſus.

Was dringt fuͤr ein Ton durch Nebel und Nacht? Iſt denn ſchon wieder ein Geiſt hier?

Schmuhl.

Wer wandelt denn dort?

Mopſus.

He! He da, Geſpenſt! Gib Antwort! Wenn du ein Geiſt biſt, So verhindre mich nicht an der loͤblichen That, und laß den ge - fundenen Schatz mir!

Schmuhl.

Den gefundenen Schatz? O weh mir, weh!

Mopſus.

Gib Antwort, wenn du ein Geiſt biſt!

Schmuhl.

Auch ohne das, Freund! Wir kennen uns ja, als kuͤnftige Reiſegenoſſen.

Mopſus.

Wie? Cruſoe, du? Wie kamſt du herein in den Hof und eben um die Zeit?

Schmuhl.

Das Gewitter, du haſt es geſehen; es ſchlug mich ein Blitz ſchnurſtracks in den Hof her.

Mopſus.

Das wundert mich doch! Im Uebrigen kannſt du mich waͤhrend der Reiſe begleiten; Denn ich gehe noch heut und bedarf recht ſehr des erfahrenen Wandergefaͤhrten.

54
Schmuhl.

Aber laß uns jetzt eintreten ins Haus, ich helfe dir packen, Geliebter!

Mopſus.

O es iſt ſchon gepackt, nichts nehm 'ich mit mir, als eine Schatulle von Eiſen. Bleib hier nur im Hof, gleich kehr' ich zuruͤck, dann koͤnnen wir Alles beſprechen; Jetzt laß mich hinein, ich nehme nur noch von Weib und Kin - derchen Abſchied.

(ab.)
Schmuhl.

Abtruͤnniges Gluͤck! So muß ich mich denn mit der Haͤlfte des Schatzes begnuͤgen? O Geld! Was opfert das Menſchengeſchlecht nicht dir und dei - nem Beſitzthum? Dir wuchert der Filz, und der Saͤmann ſaͤt nur dir, es be - zieht der Soldat blos Die Parade fuͤr dich und exerzirt, und der Schreiber copirt, und es gucken Buhldirnen fuͤr dich zum Fenſter heraus, ja, Schornſteinfeger zum Schornſtein! Vor den Uebrigen ziehſt du das Judengemuͤth dir zu, wie ein Schiff der Magnetberg. Aber Eins verleihſt du, o himmliſches Geld, was Wenige, die dich beſitzen, Zu beſitzen verſtehn, zu genießen verſtehn, was iſt dieß Eine? die Freiheit.

(Er wirft den Mantel ab und tritt als Chorus an den Rand der Buͤhne. Der Himmel wird wieder hell und die Geſtirne treten hervor.)
55

O goldne Freiheit, der auch ich entſtamme, Die du den Aether, wie ein Zelt, entfalteſt, Die du, der Schoͤnheit und des Lebens Amme, Die Welt ernaͤhrſt und immer neu geſtalteſt; Veſtalin, die du des Gedankens Flamme Als ein Symbol der Ewigkeit verwalteſt: Laß uns den Blick zu dir zu heben wagen, Lehr 'uns die Wahrheit, die du kennſt, ertragen!

Du wollteſt guͤtig uns das Wort verleihen, Das als ein Funke deinem Herd entglommen, Du, die du gibſt ihm deine ſieben Weihen, Durch die's der Menſchen Herzen eingenommen, Die du es toͤnen laͤſſeſt und gedeihen Vom Rednerſtuhl, dem weltlichen und frommen: Leih 'auch den Genien dieſes heitern Ortes Den ſchoͤnſten Ausdruck des lebend'gen Wortes!

Wer hier zum Volke ſpricht in ſtolzen Toͤnen, Der ſey auch wuͤrdig vor dem Volk zu ſprechen; Entnervendes zu bieten ſtatt des Schoͤnen, Iſt an der Zeit ein Majeſtaͤtsverbrechen. Zeigt ihr der Vaͤter ſonſt'gen Ruhm den Soͤhnen, So ſucht, durch ſtille Groͤße zu beſtechen, Und wollt ihr treffen mit des Witzes Strale, Kredenz 'euch Anmuth erſt die Zauberſchale!

Doch laßt ihr ſtets euch voll Geduld beſchenken Mit allen Gattungen von Mißgebilden, Die hoͤchſt poſſirlich jedes Glied verrenken, Um zu gefallen euch, den Allzumilden;56 Doch hoffe Keiner ohne tiefes Denken Den ew'gen Stoff zur ew'gen Form zu bilden, Und ſchwierig iſt's, mit Wuͤrde ſich zu faſſen Auf einem Stuhl, den Schiller leer gelaſſen.

Lernt erſt das Edle kennen und erproben, Und ſcheiden lernt den Schwaͤtzer vom Propheten! Wie lange wollt ihr dieſe Reimer loben, Die fremdes Mehl, doch ohne Wuͤrze, kneten? Verlangt ihr Großes, hebt den Blick nach Oben, Denn nicht herunter ſteigen die Poeten, Und ſelten wird euch ſchmeicheln ihre Strenge: Die Kunſt iſt keine Dienerin der Menge.

Was frommt's dem Stuͤmper, einen Kranz zu tragen, Und wenn ihr braͤchtet ihn auf ſeidnem Kiſſen? Im Innern muß ihn blos die Sorge nagen, Ein ſo gemeines Haupt bekroͤnt zu wiſſen: Wer Schoͤnes bildet, kann dem Preis entſagen, Er kann ein Land, das ihn verkennt, vermiſſen: Wer Dichter iſt in ſeiner Seele Tiefen, Der fuͤhlt von Lorbern ſeine Schlaͤfe triefen!

Der Fruͤhling kommt, ihr koͤnnt es nicht verwehren; Die Luft erquickt, ihr koͤnnt ſie nicht verſchließen; Der Vogel ſingt, ihr koͤnnt ihn nicht belehren; Die Roſe bluͤht, es darf euch nicht verdrießen; Und naht ein Dichter, eure Luſt zu mehren, So lernt ihn auch im vollſten Maß genießen, Anſtatt ſein Thun beſtaͤndig zu verneinen: Was ſoll der Mond denn anders thun als ſcheinen?

[57]

Vierter Akt.

Vor dem Hauſe des Mopſus.
Mopſus.

Wie bin ich froh, daß meiner Frau Nachkommenſchaft, Sie ſelbſt mit ihr, geſegnet alles Zeitliche! Man wird doch vieler Sorgen mit den Kindern quitt, Auch gilt als Wuͤnſchenswertheſtes ein fruͤher Tod, Wie meine Kleinen fanden durch das Gaͤbelchen. Dann war das Weib ein Meiſterſtuͤck von Gottes Zorn: Waͤr 'ich in England, haͤtt' ich lange ſie verkauft, Was aber ſoll ich machen in Arkadien? Hier ſind die Frau'n ſtets uͤber oder unterm Preis. Falſch war ſie, das bezweifelt kaum ein Skeptiker: Nicht falſcher iſt das rege Flammenelement, Das liſtenreiche, taͤuſchende, verfaͤngliche, Salamanderkoͤrperbildungenernaͤhrende! Oft ſagt 'ich ihr, wenn Keiner juſt zugegen war: O haͤtteſt du mehr Guͤrtel als das Guͤrtelthier, Du loͤsteſt doch die ſaͤmmtlichen um Weniges! Und haͤtt' ich ſie verſchonen ſollen? Nimmermehr! Die Tugend großer Seelen iſt Gerechtigkeit. Doch fort ans Cap, und laſſen wir die Todten ruhn! Wo aber bleibt denn Cruſoe, der Kinderfreund?

58
Mopſus, Schmuhl.
Schmuhl.

Die Kutſche ſteht im naͤchſten Buſch bereit bereits, Und auch gepackt iſt Alles.

Mopſus.

Danke, Cruſoe! Doch faͤllt in dieſem Augenblick noch Eins mir bei: Du weißt doch, was die Polizei Steckbriefe nennt?

Schmuhl.

Viſitenkarten, die man an den Spiegel ſteckt?

Mopſus.

Nicht ganz. Genug, ich fuͤrchte dieſe Briefe ſehr, Und darf als Mopſus keineswegs die Reiſe thun, Auch reiſen Schaͤfer ſelten in Arkadien.

Schmuhl.

Dann mußt du dich verkleiden, ſcheint's.

Mopſus.

Als was jedoch?

Schmuhl.

Je nun, als Muſterreiter, wenn dir das gefaͤllt.

Mopſus.

Ich reite gar nicht, wenigſtens nicht muſterhaft.

Schmuhl.

Als Virtuos auf irgend einem Inſtrument.

Mopſus.

Ich blaſe keins, auf welchem man Concerte gibt.

Schmuhl.

Als Einer, der Gaſtrollen ſpielt, als Buͤhnenheld.

Mopſus.

Als Held, o Gott! Ich bin ja kaum drei Spannen lang.

59
Schmuhl.

Als reiſender Gelehrter willſt du nicht?

Mopſus.

O pfui!

Schmuhl.

Auch wohl als Handwerksburſche nicht?

Mopſus.

Ich fechte nicht.

Schmuhl.

So beſteig 'als Paſſagier den Hinrichs.

Mopſus.

Was iſt das?

Schmuhl.

Ein Obertollhausuͤberſchnappungsnarrenſchiff.

Mopſus.

Wo man den Fauſt ſcholaſtizirt? Da fahr 'ich nicht!

Schmuhl.

Nur Einer Art von Reiſenden gedenk 'ich noch.

Mopſus.

Die iſt?

Schmuhl.

Als eine Brittin.

Mopſus.

Wie?

Schmuhl.

Als engliſche Gemahlin eines reichen Lords. Ich ſpiele gern Den Kammerdiener.

Mopſus.

Allerdings das ſcheint mir klug! Ich waͤre dann aufs Sicherſte verkappt dabei,60 Und hinge ſtets den Schleier vor. Wo kriegen wir Den Lord jedoch?

Schmuhl.

Wir machen uͤberall bekannt, Daß er aus langer Weile juͤngſt geſtorben iſt.

Mopſus.

Doch was den Reichthum anbelangt, ſo weißt du ja, Daß ſtets die große Kiſte noch unaufgeſprengt.

Schmuhl.

Laß mich nur ſorgen! Was ich will, vermag ich auch. Den Mond vom Himmel zieh 'ich, wenn es mir beliebt, Als Negromant, und als ein zweiter Archimed Nehm' ich der Erde Hemigloben in die Hand!

Mopſus.

Die Hemigloben allenfalls, worauf man ſitzt.

Schmuhl.

Die ohnedem. Der ew'gen Sphaͤren Harmonie Sperr 'ich, wie ihr die Nachtigall, in Kaͤfige.

Mopſus.

Sprich doch von dir beſcheidener, o Cruſoe!

Schmuhl.

Ein großer Menſch ſpricht edel von der Welt und ſich, Ein kleiner klein und niedrig; aber das gefaͤllt, Das nennen dann die Niedrigſten Beſcheidenheit.

Mopſus.

Verſchone mit Sentenzen mich, o Cruſoe!

Schmuhl.

Genug! Ich oͤffne deinen Schatz, ich fuͤhr 'es aus, Und ſollten drohn mir alle Schauder der Natur, Der Tod von Baſel und der Neid von Weißenfels.

61
Mopſus.

Ich geh 'in irgend eine Troͤdelbude jetzt, Und ſchaffe mir die Kleider einer engliſchen Milady an.

Schmuhl.

Ich eile fort und kaufe Thee, Denn ohne Thee reist keine Lady.

Mopſus.

Wehe mir! Thee trinken muß ich? Kaufe doch zum wenigſten Wohlfeilen ein, Hollunderthee.

Schmuhl.

Der treibt den Schweiß.

Mopſus.

Was moͤgen erſt die andern treiben!

Schmuhl.

Schnell davon! Ich hoͤre Leute kommen.

(Beide ab.)
Damon (tritt auf).
Damon.

Wo der Schmuhl mir bleibt, Muß ich mich doch erkundigen. Wie leicht, daß ihn Der rohe Mopſus, wenn er ihn ertappt, entleibt! Wenn ich es wuͤnſchen koͤnnte, waͤr 'es etwa nur, Um beizuſitzen einem Kriminalprozeß, Was fuͤr die Menſchenkennerſchaft hoͤchſt foͤrderlich. War etwa Shakeſpear irgend Kriminaljuriſt, Da es heißt in den aͤſthetiſchen Compendien, Daß er ein Menſchenkenner war? Doch conterfei'n Ihn Andre wieder anders, und er mahlt ſich ſelbſt62 Als Einen, der die Naſe nicht in Alles ſteckt, Verſchloſſen, ſtill, zartfuͤhlend bis zum Eigenſinn, Und in ſich eine groͤßre Welt als außer ihm. Iſt das gegruͤndet, wuͤrd' ich, waͤr 'ich Praͤſident Von einer wiſſenſchaftlichen Akademie Aufſtellen als Preisfrage dieſen kurzen Satz: Wo nehmen denn die Dichter die Gedanken her? Viel weiß man, wenn man das nur weiß. Man ſchickte dann Compilatoren, Schwaͤtzer und Pedanten hin, Die voll von Mitleid auf Poeten niederſehn, Und ſich ſo viel auf ihre Sitzgelehrſamkeit Einbilden, um zu lernen, daß es außer dem Buchſtaben noch was Andres gibt in Gottes Welt. Allein, was fall' ich aus der Rolle? Sehn wir erſt Nach unſerm Schmuhl, o hieß 'es doch nach unſerm Schatz!

(Er geht ins Haus, Sirmio kommt von der andern Seite.)
Sirmio
(ſingend).

O wonnigliche Reiſeluſt, An dich gedenk 'ich fruͤh und ſpat! Der Sommer naht, der Sommer naht, Mai, Juni, Juli und Auguſt, Da quillt empor, Da ſchwillt empor Das Herz in jeder Bruſt.

Ein Thor, wer immer ſtille ſteht, Drum Lebewohl und reiſen wir! Ich lobe mir, ich lobe mir Die Liebe, die auf Reiſen geht! Drum ſaͤume nicht, Und traͤume nicht Wer meinen Wink verſteht!

63
Sirmio, Damon.
Sirmio.

Aus dem Hauſe ſtuͤrzt der Schultheiß? Was iſt das? Was iſt geſchehen?

Damon.

Jammer uͤber Jammer! Wehe! Wehe mir! Was mußt 'ich ſehen!

Sirmio.

Blutig iſt er, in den Haͤnden haͤlt er eine blut'ge Gabel.

Damon.

Ha! Das geht noch uͤber Kain, Kain ſchlug doch blos den Abel!

Sirmio.

Ei, warum ſo fruͤh, Herr Schultheiß, und aus welchem In - tereſſe

Damon.

Was fuͤr Unterſuchungskoſten! Was fuͤr Kriminalprozeſſe!

Sirmio.

Hoͤrt ihr mich denn nicht, Herr Schultheiß? Sagt mir nur, woher ſo fruͤhe?

Damon.

Eile ſelbſt hinein zum Mopſus, und erſpare[mi]r die Muͤhe!

(Sirmio ab.)
Damon.

Nein! Ich beb 'an allen Gliedern! Haͤtte Schmuhl mir das be - gangen? Einen Univerſitaͤtsfreund ſieht man doch nicht gern gehangen! Er, der in Moralcollegien ſchlummernd neben mir geſeſſen! Zwar, es kann der beſte Menſch ſich einen Augenblick vergeſſen! Doch in einigen Minuten hat er das wol nicht verbrochen, S<i>cher hat er an ſo Vielen ſtundenlang herumgeſtochen. Laͤßt er nicht ſich doch vertheid'gen? Bin ich denn umſonſt beleſen? 64Ließe ſich denn nicht behaupten, daß es blos ein Spaß geweſen? Daß die Kinder Wechſelbaͤlge, die zu toͤdten nur zur Ehre Kann gereichen? Dann auch ſind ja Gabeln keine Mordgewehre: Selbſt in Raupachs Trauerſpielen ſah man nie mit Gabeln ſpießen. Weiß man, ob ſich nicht die Kleinen etwa ſelbſt zur Ader ließen? Ob ſie nicht ſich duellirten, weil um's Butterbrod ſie ſchmollten? Ob ſie nicht Ideen hatten, und fuͤr dieſe ſterben wollten! Iſt denn auch der Tod ein Uebel? Iſt er wirklich ein Verderben? Ja, ſogar der beſte Menſch, was kann er Beſſ'res thun als ſterben?

Sirmio
(zuruͤckkehrend).

Weib und Kinder! Welch Entſetzen! O weswegen kam ich ſpaͤter Als der Raͤuber an, der Moͤrder? Wehe dir, verruchter Thaͤter!

Damon.

Ich der Thaͤter? Rast der Burſche?

Sirmio.

Wer denn ſonſt? Das moͤcht 'ich wiſſen! Seiner Geldbegierde wegen haben ſie ins Gras gebiſſen.

Damon.

Phyllis hatte falſche Zaͤhne, ja die Kinder faſt noch keine.

Sirmio.

Wie? Er ſpottet noch, Verruchter? Sah man eine Schuld wie Seine? Doch Er ſoll mir kahler werden, als ein Vogel in der Mauſe!

Damon.

Bin denn ich der Moͤrder, Gimpel?

Sirmio.

Nun, was that Er ſonſt im Hauſe? Haͤlt Er nicht die blut'ge Gabel noch in Haͤnden? Soll ich ſchweigen, Geb 'Er mir den Schatz, wo nicht, ſo geh' ich fort, es anzuzeigen.

65
Damon.

Weiß denn der nun auch vom Schatze? Sirmio, laß mich ziehn in Ruhe!

Sirmio.

Moͤrder! Moͤrder!

Damon.

Ei beileibe!

Sirmio.

Nun, wo hat Er denn die Truhe?

Damon.

Haͤtt 'ich ſie, wie gerne theilt' ich ſie mit dir aus alter Liebe!

Sirmio.

Moͤrder! Moͤrder!

Damon.

Ei beileibe!

Sirmio.

Moͤrder! Moͤrder! Diebe! Diebe!

(ab.)
Damon.

Daͤmoniſches Loos, das juſt jetzt mich, zur mißlichſten Stunde hiehertrieb! Wie errett 'ich mich nun? Wie wend' ich von mir den Verdacht, der allzuberedt ſpricht? Ich ergreife die Flucht! In der Naͤhe zumal iſt ja die arkadi - ſche Graͤnze. Ach, aber zu Fuß, und ohne Kredit, und ohne die noͤthige Baarſchaft, Wie friſt 'ich das Ding, das Leben genannt wird unter den Phyſiologen? Mit dem Dinge vielleicht, das bei Polizeidirektorien Betteln genannt wird? Die verhaͤngnißvolle Gabel. 566Wie romantiſch dacht 'ich mir doch vormals das gemuͤthliche Le - ben der Bettler! Wenn geſchaͤftslos ſie, durch Nichtsthun fett, Almoſen erzwin - gen vom Mitleid, Wenn ſie ſorglos ziehn in den Staͤdten umher, durch ſonnige Doͤrfer und Maͤrkte, Das Erhaſchte ſogleich aufzehren und nichts in den lumpigen Taſchen behalten, Stets leicht und vergnuͤgt und ſodann ausruhn im bluͤhenden Schatten der Linde, Und dabei, gleichſam wie ein ernſtes Geſchaͤft abfangen den huͤp - fenden Floh ſich! Aber jetzt daͤucht mich's ein beſchwerliches Loos, um Pfennige flehen mit Inbrunſt. Doch muß ich daran! ja, fort! fort! fort! Sonſt koͤpfen ſie ohne Verzug mich. Bin ich weg, dann moͤgen ſie ohne Verzug in effigie mich an den Galgen Feſtnageln, wo Stoff ich liefere dann fuͤr eine Tragoͤdie Deutſch - lands, Auf daß des Abſurden Abſurdeſtes auch ſelbſt fuͤhle, wie ſehr es abſurd iſt, Und ein Volk es bewundre, vor welchem zugleich Iphigenie ſteht und Pandora! Jetzt fort, denn man kommt!

(ab.)
Schmuhl (tritt auf).
Schmuhl.

He, Damon! he! Der nimmt ja gewaltigen Reißaus; Was hat er im Kopf? Doch ſey's, wie's ſey, mein Schaͤflein bring 'ich ins Trockne. 67Da kommt ja der Mopſus als Lady bereits, mit ſeinem entſetz - lichen Strohhut.

Schmuhl, Mopſus.
Mopſus.

Hier ſteh 'ich verkappt als brittiſches Weib; doch kommt mir das Engliſche hart an: Kein voller Accent, und ein Sprachwirrwarr, und ſtets ein - ſylbige Woͤrtlein: Nie koͤnnt' ich damit anapaͤſtiſchen Schwung in die raſchen Te - trameter zaubern; Da lob 'ich mir doch vielgliedrige, ja, weltkugelumſegelnde Worte. Dieß fuͤhrt mich zuruͤck auf unſere Fahrt. Hier hab' ich ein Rei - ſeverzeichniß, Marſchroute genannt, denn wir ziehn doch wohl durch Deutſch - lands beſte Provinzen, Und du wirſt mir dabei angeben, was mir Merkwuͤrdiges etwa zu ſchau'n iſt. Hier unten zuerſt am oͤſtlichſten Punkt ſteht Wien, Augarten und Prater.

Schmuhl.

Ein bewaͤſſertes Land, von Gelehrten bewohnt, die aber dem Griechiſchen abhold, Und ein Volksluſtſpiel, das luſtiger iſt, als ſ<>mmtliche deutſche Theater.

Mopſus.

Das dacht 'ich mir wohl. Nach Muͤnchen ſodann

Schmuhl.

Dort iſt jetzt Alles in Gaͤhrung: Wer weiß, was es gibt?

Mopſus.

Ueber Augsburg dann

68
Schmuhl.

Wo die Fugger zu Hauſe.

Mopſus.

Nach Stuttgart.

Schmuhl.

Von dorther dringt ein gemuͤthlicher Ton zartfuͤhlender, heimi - ſcher Lieder.

Mopſus.

Dann zieht ſich der Weg uͤber Onolzbach

Schmuhl.

Dort ſiehſt du das Uziſche Denkmal. Im ſelbigen Jahr, als Uz abſtarb, und zwar im herrlichen Weinmond, Ward dort uͤberdieß noch ein zweiter Poet hoͤchſt wuͤrdigen Ael - tern geboren: Doch loͤst er dem Uz ſein Schuhband kaum, und war ein ge - ringer Erſatz blos.

Mopſus.

Nach Dresden ſodann

Schmuhl.

Dort moͤcht 'ich, wenn dort nicht waͤ - ren ſo ſchoͤne Gemaͤlde, Auch gemalt nicht ſeyn.

Mopſus.

Dann leiden wir faſt Schiffbruch im berliniſchen Sandmeer.

Schmuhl.

Dort lehre man uns, wie man Sprache verdirbt, mit Schrau - ben ſie foltert und radbricht: Was geſchmacklos iſt, manirirt und geſucht, das ging vom ſuͤßen Berlin aus. 69Beduiniſche Kunſt, kritiſirende blos kommt fort im daſigen Klima, Und geſellt iſt ihr, in Geſchwiſterlichkeit deſpotiſche, feile Scho - laſtik. Doch werd 'auch dieſe ſpartaniſche Stadt durch Lob und Geſaͤnge verherrlicht, Denn des Volks Aufſchwung, in heroiſcher Zeit, der ging vom großen Berlin aus!

Mopſus.

Dann ſchiffen wir uns bei Hamburg ein.

Schmuhl.

Nun geht's die veroͤdete See durch; Nur treib 'uns nicht ein verdrießlicher Wind nach meiner ermuͤ - denden Inſel.

Mopſus.

Hier find 'ich nur noch Sankt Helena's Strand.

Schmuhl.

Dort ſiehſt du die Stuͤrme des Weltmeers, Und feierlich klingt's, wenn die Fluth aufrauſcht, wie home - riſche Heldengeſaͤnge.

Mopſus.

Nun, Cruſoe, raſch in die Kutſche hinein!

Schmuhl.

Nur Eins noch will ich dich fragen: Was thun wir zuerſt an der Hoffnung Cap?

Mopſus.

Wir bauen ein neues Theater.

Schmuhl.

Und die Bauart ſey?

Mopſus.

Im doriſchen Styl.

70
Schmuhl.

Was ſetzen wir in die Metopen?

Mopſus.

Abbildungen wohl von den Affen des Cap's und die Schickſals - dichter dazwiſchen.

Schmuhl.

Jetzt weiß ich genug, ich folge dir nach.

Mopſus.

O waͤren wir uͤber der Graͤnze!

(ab.)
Schmuhl
(als Chorus).

Eh 'ich in den Wagen ſteige, bring' ich euch noch hier zu Fuß Unſres euch bekannten Dichters euch bereits bekannten Gruß! Merkt ihr endlich, liebe Chriſten, zwiſchen dieſem ſeinem Lied Und den ſonſtigen Comoͤdien einen kleinen Unterſchied? Merkt ihr endlich, daß es komiſch keineswegs ihm duͤnkt und fein, Euch Gemeines nur zu geben und zu geben es gemein? Nein! Was haͤßlich ſcheint und niedrig, und entbloͤßt von Halt und Norm, Werde zierlich wie das Schoͤne, durch des Geiſtes edle Form! Nichts von Allem, was das Leben euch vergiftet, fecht 'euch an, Alles taucht die Hand des Dichters in der Schoͤnheit Ocean! Nicht allein der Glauben iſt es, der die Welt beſiegen lehrt, Wißt, daß auch die Kunſt in Flammen das Vergaͤngliche ver - zehrt! Widerfahre denn auch unſerm Freunde Billigkeit und Recht: Seyd ihr taub, ſo hoͤre du ihn, ungeborenes Geſchlecht! Denn es werden gute Geiſter ſchweben uͤber ſeinem Wort, Wenn es geht von Mund zu Munde, wenn es wechſelt Ort um Ort! O wie manche Quaſidichter, (ſie zu nennen fehlt die Zeit,)71 Die man ihm als Muſter lobte, ließ er hinter ſich ſo weit! Gerne beugt er ſich der Stirne, die ein Zweig mit Recht umlaubt, Beugt vor Goethe's greiſen Schlaͤfen ein noch nicht bekraͤnztes Haupt; Doch vor Eingedrungnen, ſey'n ſie auch begabt mit Sinn und Witz, Die er nicht erkennt als Meiſter, ſpringt er nicht empor vom Sitz. Groͤßres wollt' er wohl vollenden; doch die Zeiten hindern es: Nur ein freies Volk iſt wuͤrdig eines Ariſtophanes. Zwar der Dichter freut ſich eines großgeſinnten Koͤnigs Gunſt, Doch Europa's Seufzer ſteigen um ihn her als Nebeldunſt! Da der Sonnenſtrahl der Freiheit ſeine Tage nicht erhellt, Gibt er, ſtatt des Weltenbildes, nur ein Bild des Bilds der Welt. Mag er wiſſen, was vom deutſchen Schaugeruͤſt man ſich ver - ſpricht, Wie es ſteht in deutſchen Landen, frage man Poeten nicht! Einem ſpaͤtern Meiſter uͤberlaͤßt er die beruͤhmte That, Volk und Maͤchtige zu geißeln, ein gefuͤrchtet Haupt im Staat. Zuͤrnt ihr ihm, wenn ſeine Feder, die die Buͤhne ſich als Stoff Auserkoren, von Satyre, wie die Reb 'im Lenze, troff? Der Begeiſterung Altaͤre ſind in Dampf gehuͤllt und Qualm, Und im Pantheon der Helden ſingen Pfuſcher ihren Pſalm: Wo Geſtalten ſchreiten ſollten, ſchwebeln Schatten, leer und hohl, Und der Dichter ſagt den Brettern ein entſchiednes Lebewohl! Wehe Jedem, der vertrauend unter ein Geſchlecht ſich miſcht, Welches heute klatſcht der Thorheit, und der Wahrheit morgen ziſcht;72 Ein Geſchlecht, das gern die Muͤhe, Großes zu verſtehn, er - ſpart, Ach, und dem den Sinn des Schoͤnen nie ein Gott geoffenbart! Das jedoch, mit dreiſter Stirne, Jeden gleich zu meiſtern denkt, Der der Kunſt ſein tiefſtes Sinnen, ja das Leben ſelbſt geſchenkt; Ein Geſchlecht, das ſtets zerriſſen, ſtets vom Halben halb er - faßt, Jede Seele, die als Ganzes ſich harmoniſch rundet, haßt! Goͤnne das Geſchick dem Dichter nur den Wunſch, fuͤr den er gluͤht, Bald ſich in ein Land zu fluͤchten, wo die Kunſt ſo reich gebluͤht, Bis zuletzt die deutſche Sprache ſeinen Ohren fremder toͤnt, Eine Sprache, die ſich ehmals unter ſeiner Hand verſchoͤnt: Ja, dann mag er ſterben, wie es ſchildert euch ein fruͤh'res Lied, Lanzenſtiche viel im Herzen, als der Dichtkunſt Winkelried!

[73]

Fuͤnfter Akt.

Saal im Gaſthof zur Gabel.
Der Wirth,
(allein).

Verdaͤchtig kommt mir dieſe fremde Lady vor, Die nie den Schleier luͤftet und ſo wenig ſpricht. Reich mag ſie ſeyn, nach Allem, was der Diener ſagt, Steinreich; doch eine Fledermaus an Haͤßlichkeit, Wenn nicht was Fuͤrchterlich'res noch dahinterſteckt, Man hat Exempel in der Zeit, daß Affen ſelbſt Auf Reiſen gingen, Urangutangs ihren Geiſt Ausbildeten und hie und da ſchriftſtellerten. Doch bergen Solche mit Bedacht ihr Angeſicht, Und bleiben ſtets, wie Recenſenten, anonym. Vielleicht auch iſt die Lady die beruͤchtigte Prinzeſſin mit dem Schweineruͤſſel, welche ſich Vormals in Deutſchland ſehen ließ, wiewohl man glaubt, Daß eine blos ſymboliſche Perſon ſie war, Des deutſchen Nationalgeſchmacks Verſinnlichung; Denn blos Gemeines nutzt ſich ab in der Hand des Volks, Wie wuͤrde gaͤng und gaͤbe das Erhabene? Auch faͤllt noch eine dritte Moͤglichkeit mir ein: Vielleicht, daß einſt der guten Lady Mutter ſich An Herrn von X verſehen hat, und hinter drein74 Ein Demagogenriechernashornsangeſicht Zur Welt gebracht, ein immerwaͤhrend ſchnuͤffelndes.

Wirth. Schmuhl.
Schmuhl.

Hat man der Lady Thee ſervirt?

Wirth.

Drei Kannen voll; Reicht's hin?

Schmuhl.

Es reicht. Doch zuͤndet jetzt die Lichter an.

Wirth.

Sogleich!

(ab)
Schmuhl.

Da ſteht der verwuͤnſchte Schatzbehaͤlter noch, Zwar uneroͤffnet, aber ſchwer wie Blei. Ich ließ Hier in den Vorſaal ſetzen ihn gefliſſentlich: Vielleicht gelingt mir's heute Nacht im Mondenſchein Ihn fortzuſchaffen, waͤhrend unſre Lady ſchnarcht.

Wirth
(zuruͤckkommend).

Die Dame ſitzt ja ſtets im Schleier. Iſt ſie ſchoͤn?

Schmuhl.

Nicht eben blendend.

Wirth.

Aber doch auffallend?

Schmuhl.

Ja, So ziemlich.

Wirth.

Das vermuth 'ich. Wird ſie reich geſchaͤtzt?

75
Schmuhl.

Was meint ihr, daß dem Poſtillon Trinkgeld ſie ga[b]?

Wirth.

Je nun, vielleicht daſſelbige was Gellert einſt, Um das Rhinoceros zu ſehen, eingeſteckt?

Schmuhl.

Ein Stuͤck Papier als unbegraͤnzten Wechſelbrief, Zahlbar fuͤr Jeden, und einige Beſitzungen Im Norden Groͤnlands.

Wirth.

Himmliſche Verſchwenderin! Den Goͤttern dank 'ich, daß ſie dich ins Haus gefuͤhrt!

Schmuhl.

Vielleicht, wenn etwa morgen ihr die Zeche macht, Gibt ſie zum Angedenken euch Auſtralien.

Wirth.

Wie konnte ſie ſo Vieles denn eruͤbrigen, Wofern ſie nicht aus fuͤrſtlichem Gebluͤte ſtammt?

Schmuhl.

Das fragt bei Rothſchilds, oder ſonſt in Iſrael. Ich lege nachgerade mich zu Bette jetzt.

(ab.)
Wirth.

Schlaft wohl! das nenn 'ich einmal eine Reiſende! Wenn aber dieſe Lady nicht ein Toͤchterchen Von einem Dalai Lama, ja, Großmogul, iſt, So will ich nicht der Speiſewirth zur Gabel ſeyn! Sie iſt vielleicht dieſelbe Tibetanerin, Von welcher neulich mitgetheilt ein Reiſender, Daß ſie die kuͤnft'ge Heldin eines Trauerſpiels Des Dichters waͤre, der die Schuld geſchneidert hat,76 Die Geſchichte war hoͤchſt tragiſch, ungefaͤhr wie folgt: Ein frommer Taſchenſpieler ging als Miſſionaͤr Nach Aſien und verliebte ſich mit Leidenſchaft In eine junge, tibetaniſche Perſon, Huͤbſch, reich, ein wahres Muſter von Vollkommenheit. Doch um ſie zu beſitzen, ſoll der Braͤutigam Den Glauben wechſeln, eine Sache, die vorerſt Ihm nur geringe Skrupel macht. Er dachte ſo: Da doch auf keine Weiſe ſich das Chriſtenthum Anheiſchig macht, in dieſer Welt die Herzen ſchon Zu begluͤcken, durch harmoniſche Befriedigung Des ganzen Menſchen, wie es das Heidenthum gethan, Da es hoͤchſt naiv jenſeitiges Gluͤck allein verſpricht, So reicht's ja hin, in der andern Welt ein Chriſt zu ſeyn, In dieſer blos ein Gluͤcklicher, was Jeder wuͤnſcht. So dachte dieſer Philoſoph und Proſelyt. Nun aber kam das Schwerſte, was er nicht beſtand: Er ſoll, um zu bewaͤhren ſich als Glaͤubiger, Verzehren eine Speiſe, die, bereits verdaut, Im Darm des Dalai Lama ſchon geweſen war. Er ſtutzt, er kommt auf keine Weiſe zum Entſchluß: Umſonſt beſchwoͤrt der Prieſter ihn, der Lama ſelbſt, Die Geliebte laͤßt ihn ihre Reize hoffend ſchau'n, Und bringt auf goldnem Teller ihm die Suͤßigkeit. Vergebens! Stets noch zaudert er, und kehrt ſich ab, Und Eckel frißt der Seele tiefſtes Mark ihm auf. (Wie wird der große Dichter dieſen großen Kampf Uns conterfei'n, den aͤrgſten, den ein Menſch gekaͤmpft, In einem wahren Meiſterſtuͤck von Monolog!) Beleidigt tritt die Tibetanerin zuletzt Von ihm zuruͤck, um einem Eingeborenen77 Die Hand zu reichen. Dieſer fuͤhrt ſie zum Altar. Der Miſſionaͤr verzweifelt, krampfhaft windet ſich Sein Innerſtes, von eiferſuͤchtiger Qual bewegt. Und horch! Auf einmal jubelt es im Tempel auf: Halt! Halt! Er hat gegeſſen das Geheiligte, Er iſt der Sieger ſeiner ſelbſt, bekroͤnet ihn! Doch ach, zu ſpaͤt! die Beiden waren ſchon vermaͤhlt. Welch eine Lage! Wehe! Welch ein tragiſches Geſchick fuͤr unſern Helden! Mit den Zaͤhnen knirſcht Er laut, und ſchlaͤgt die Stirne ſich, und flucht ſich ſelbſt, Umſonſt vollbracht' ich, heulet er, das Graͤßliche! O wehe, wehe, wehe, wenn die Pole ſich Beruͤhren, und des einen Pols Produkte durch Den andern Pol verſchlungen werden, wehe dann! Er ſpricht's, und nun, in jenen widerſinnigen, Hiatusreichen Halbtrochaͤ'n, die Jeder kennt, Wo bald ein Reim ſich findet, bald auch wieder nicht, Bricht unſer Miſſionarius den Geiſt heraus, Verſteht ſich, blos den Muͤllneriſchen, doch vermiſcht Mit eines Lama's heiligem Ingrediens.

Wirth, Damon.
Damon.

Seyd ihr der Wirth zur Gabel?

Wirth.

Ja, zu dienen, Herr!

Damon.

Kann ich ein Obdach finden hier, fuͤr dieſe Nacht?

Wirth.

Die Stuben zwar ſind ſchon beſetzt; doch wollt ihr hier Im Saale bleiben, ſchaff 'ich eine Streu herein!

78
Damon.

Ich ziehe vor, zu ſchlafen auf dem Kanapee.

Wirth.

Wie's euch beliebt. Doch bitt 'ich, ſchnarcht mir nicht zu laut! Hierneben ſchlaͤft die reichſte Lady von der Welt. Seht hier die Kiſte, welche voll von Louisd'ors, Doch iſt das nichts, verglichen mit dem Uebrigen! Zwar ganz geheuer iſt ſie nicht, den Schleier legt Sie nie von ſich, und ihre Mutter hat vielleicht Sich in Berlin, wie's haͤufig dort geſchieht, verſehn. Doch geht man leicht daruͤber weg, ein Billionaͤr Darf bis auf einen gewiſſen Grad unleidlich ſeyn. Doch ſeyd ihr muͤde, wie mir ſcheint, gehabt euch wohl, Und macht euch hier, ſo gut ihr koͤnnt, im Saal zurecht; Bis morgen raͤumt die Lady dort das Kabinet.

(ab.)
Damon.

Hier waͤr 'ich nun wohl vom Galgen befreit; doch hungrig und aͤrmer als Hiob! Wie werd' ich die Nacht, und den kommenden Tag, und die kommenden Tage verbringen? Nichts konnt 'ich mit mir fortnehmen, ja nicht einmal die gelehrten Excerpten, Die in Deutſchland kein Buchhaͤndler verſchmaͤht und verab - ſaͤumt haͤtte, das weiß ich: Was recht ſchwerfaͤllig und ledern erſcheint, das halten die Deutſchen fuͤr gruͤndlich, Denn dieſe Nation ſaalbadert ſo gern, ſaalbadert herab von der Kanzel, Saalbadert zu Haus, ſaalbadert ſodann vor Gericht, ſaal - badert im Schauſpiel;79 Drum ſind auch blos Saalbader in Gunſt bei ihr, Saal - bader in Achtung; Drum liest ſie nur dich, ſtatt Goethe und ſtatt Jean Paul, ſaalbadernder Clauren, Und blaͤttert, anſtatt in der Bibel, in euch, ſaalbadernde Stunden der Andacht! Ach, waͤhrend der Wirth mir erzaͤhlte, befiel mich im Her - zen die ſtaͤrkſte Verſuchung: O haͤtt' ich doch nur die geringſte Partie vom Rieſenver - moͤgen der Lady! Sie koͤnnte mir wohl abtreten ein Theil, nur ein Roͤllchen Dukaten als Zehrgeld: Es erfordert ja doch ein gerechtes Geſetz gleichmaͤßige Guͤ - tervertheilung! O koͤnnt 'ich doch nur aufſprengen dahier die gewaltige Kiſte von Eiſen! Aber das iſt ganz unmoͤglich, ſcheint's, da zu ſtark und feſt ſie verwahrt iſt. Mag ſeyn, daß drinnen im Schlafkabinet zur Seite der Lady die Boͤrſe Auf dem Nachttiſch liegt, die koͤnnt' ich ja wohl, ganz ohne Gefaͤhrde, ſtipitzen. Doch wuͤrde mir wach die Britannierin? Dann muͤßt 'ich verſtopfen den Mund ihr. Wie verhaͤngnißvoll, daß gerad' ich noch mithabe die Gabel des Mopſus! Nur ein Stich, ſo ſpaziert noch heute mir durch elyſaͤiſche Felder die Lady: Gluͤckſeliges Loos! Auch ſagte der Wirth, ſie waͤre vermuth - lich ein Scheuſal. Hat Herkules nicht von ſolchem Gethuͤm die geſaͤuberten Laͤnder befreit einſt? 80Und thu 'ich es auch, kann ſeyn, daß ſie mir auch Tempel errichten und Statuen. Nun will ich hinein, doch horch! mir ſcheint, daß eben die Lady heraus will.

Damon, Mopſus.
Mopſus.

Was fliehſt du mich, Schlaf? Ihr Ahnungen, ach! was legt ihr euch uͤber die Bruſt mir, Wie ein Alp, der feſt ſich die Klau'n einklemmt in den ath - menden Buſen des Maͤgdleins?

Damon.

Das wundert mich ſehr, daß ſie Maͤgdlein iſt annoch; doch ſagt ſie es ſelbſt ja.

Mopſus.

O mußte denn auch der Gaſthof juſt zur goldenen Gabel getauft ſeyn!

Damon.

Was fluͤſtert ſie da von der Gabel, ſie hat mich am Ende be - lauſcht, die Verſchmitzte.

Mopſus.

Abſcheulicher Traum, wie quaͤlteſt du mich! Ich ſah den le - bendigen Satan; Zwar Anfangs wand 'er den Ruͤcken mir zu; doch ploͤtzlich ſteckte den Kopf er Sich zwiſchen die Beine hindurch und beſah mich in dieſer entſetzlichen Stellung, Mit funkelndem Blick, und loderndem Bart, und feurigen Zaͤhnen im Rachen.

Damon.

Wenn ſie lange ſo fort vom Teufel erzaͤhlt, gleich faͤllt in die Hoſe das Herz mir.

81
Mopſus.

Dann ſah ich den Tod mit der Senſe vor mir, und er maͤhte mich unter die Bettſtatt.

Damon.

Jetzt ſiehſt du den Tod mit der Gabel vor dir, gib drein dich, oder du ſtirbſt doch!

Mopſus.

Wie wird mir, o Gott! Iſt's Damon nicht? Iſt's nicht mein Richter und Schultheiß? Mit der Gabel, o weh! Jetzt bin ich dahin, jetzt hat mir geſchlagen das Stuͤndlein!

Damon.

Was liſpelt ſie da?

Mopſus.

Stich zu! Stich zu! Gern ruf 'ich dem Leben Ade zu!

Damon.

Wie entſchloſſen! Das iſt kein weibiſches Weib, die iſt, wie Johanne, die Paͤpſtin.

Mopſus.

Stich zu! Stich zu!

Damon.

Ich getraue mich nicht, ſtich ſelbſt, hier haſt du die Gabel!

Mopſus.

Ja, ich ſterbe, ja, mich Arme druͤckt die Schuld und kneipt die Suͤnde, Meine Kinder ſtach ich ſelbſt ab, wie die Graͤfin Orlamuͤnde: Dieſe laͤßt als weiße Frau nun ihre Schluͤſſelbuͤndel kollern, Wenn ein Fleck ſich ſoll verdunkeln an der Sonne Hohenzollern!

Die verhaͤngnißvolle Gabel. 682
Damon.

Sagt 'ich's nicht? Man wird poetiſch auf des Lebens letzten Stadien.

Mopſus.

Sieh mich ſterben; aber wiſſe, daß ich Mopſus aus Arkadien!

(er erſticht ſich.)
Damon.

Iſt es moͤglich? Ja, die Stimme fiel mir auf, ich ruf 'um Rettung: Huͤlfe, Huͤlfe her!

Mopſus.

Vergebens! Dieß iſt des Geſchicks Ver - kettung, Nichts errettet mich.

Damon.

Mir iſt es blos zu thun um dein Vermaͤchtniß, Schenke mir vor ein'gen Zeugen deine Gelder zum Gedaͤchtniß! Huͤlfe! Huͤlfe!

Die Vorigen, Schmuhl, der Wirth, Dienerſchaft.
Schmuhl.

Nun, was gibt es?

Damon.

Mopſus hat ſich ſelbſt erſtochen.

Schmuhl.

Du hier, Damon?

Damon.

Schmuhl, und du hier?

Wirth.

Kommt die Hoheit in die Wochen?

83
Damon.

Nein, ſie ſtirbt, doch mir vermacht ſie dieſe maͤchtige Schatulle.

Wirth.

Solch ein Teſtament iſt wirklich eine wahre goldne Bulle.

Schmuhl.

Mir gehoͤrt die Kiſte, Mopſus!

Damon.

Daß der Boͤſe dich verderbe! Mir gehoͤrt ſie.

Mopſus.

Theilt euch beide bruͤderlich darein, ich ſterbe.

(er ſtirbt.)
Schmuhl.

Her die Kiſte!

Damon.

Her die Kiſte!

Wirth.

Was rumort denn drin im Kaſten? Horch, es kracht, es ſpringt der Deckel, wie emporgeſprengte Laſten!

(Der Deckel ſpringt auf, Salome erſcheint in einer Glorie.)
Damon.

Was? Ein Geiſt, anſtatt des Geldes? Schafft mir ſolche Schaͤtze weiter!

Schmuhl.

Das iſt Salome, doch jetzo ſcheint ſie ganz verklaͤrt und heiter.

Salome.

Ja, gekommen iſt die Stunde, dieſe Brut iſt ausgerottet, Und ihr ſeht den Geiſt erloͤſet, welcher nun der Bande ſpottet, Welcher, da dieß fratzenhafte, moͤrdriſche Geſchlecht bezwun - gen,84 Seinen Fittich ſtolz erhebet von der Erde Niederungen. Folget ſeinem Flug und laſſet unter euch der Sorgen jede, Und mit Adlerklau'n zum Himmel traͤgt er euch als Gany - mede! Wo die Schoͤnheit mit verſchaͤmtem Laͤcheln ſenkt den Blick, den ſuͤßen, Und von ſtaͤter Jugend traͤumet zu des ew'gen Vaters Fuͤßen; Wo ein holder Wonnetaumel ſpielt in alle Seelentriebe, Holder als ein menſchlich Auge, wenn es blickt den Blick der Liebe! Dort, wo Friede wohnet, moͤgt ihr ſeligen Geſaͤngen lauſchen; Aber lebet wohl, es fangen meine Fluͤgel an zu rauſchen!

(ſie verſchwindet.)
Damon.

Haſt du vom Galimathias dieſes Geiſts ein Wort ver - ſtanden?

Schmuhl.

Wenig gilt ein Wort im Leben, waͤre nur das Geld vor - handen!

Damon.

Duͤrfen Geiſter denn betruͤgen? Welch ein ſchaͤndliches Ver - fahren!

Schmuhl.

Freilich, doch die Menſchen koͤdert man ſo ſelten mit dem Wahren; Darum lenkt als Arzt der Dichter noch am erſten ihren Willen, Denn in Suͤßes eingewickelt reicht er die verhaßten Pillen.

Damon.

Wenigſtens zufrieden bin ich, daß ich vom Verdacht ge - reinigt,85 Und kein Sirmio mit einem peinlichen Prozeß mich peinigt; Alle ruf 'ich hier zu Zeugen wider eine ſolche Fabel! Aber im Archiv bewahren werd' ich dieſe Wundergabel. Jetzo geh 'ich nach Arkadien, wo ich meine Schweine maͤſte, Unterdeſſen Gott befohlen!

(ab mit den Uebrigen, die den Leichnam wegtragen.)
Schmuhl.

Nun beginnt, ihr Anapaͤſte!

(Er tritt vor.)

Sein Abſchiedswort thut euch durch mich der Comoͤdiendich - ter zu wiſſen, Der oftmals ſchon, im Laufe des Stuͤcks, vortrat aus ſei - nen Couliſſen! Ueberſeht huldreich die Gebrechen an ihm, laßt euch durchs Gute beſtechen! Man liebt ein Gedicht, wie den Freund man liebt, ihn ſelbſt mit jedem Gebrechen; Denn, wolltet ihr was abziehen von ihm, dann waͤr 'es derſelbe ja nicht mehr, Und ein Menſch, der nichts zu verzeihen vermag, nie ſeh' er ein Menſchengeſicht mehr! Wohl weiß der Poet, daß dieſes Gedicht ihm Tauſende werden verketzern, Ja, daß es vielleicht Niemanden gefaͤllt, als etwa den Dru - ckern und Setzern: Es verleidet ihm auch wohl ein Freund ſein Werk, und des Kritikers Laune verneint es, Und der Pfuſcher vermeint, er koͤnne das auch; doch irrt ſich der Gute, ſo ſcheint es. Durch Deutſchland iſt, die Latern 'in der Hand, nach Men - ſchen zu ſuchen ſo mißlich;86 Wohlwollen<de>triffſt du gewiß niemals, kurzſichtige Tadler gewißlich. Zwar moͤc<ht>e das Volk, aus eitler Begier, an poetiſchen Genien reich ſeyn, Doch ſollen ſie auch Bußprediger, ja, Betſchweſtern und Alles zugleich ſeyn! Doch, reic<h>ten ſie nichts als milchige Koſt, als ganz un - ſchuldige Speiſe, Dann waͤ<re>n ſie wohl viel weiſer als Gott, der Thoren ge - ſchaffen und Weiſe. Was Jed<em>geziemt, das uͤb 'er getroſt, mit dem Seinen beſcheide ſich Jeder: Im Son<ne>nſyſtem iſt Raum fuͤr mehr, als fuͤr des Zeloten Katheder! Wir ſche<l>ten es nicht, will Einer 'die Welt und die welt - lichen Dinge verpoͤnen, Doch w<e>r anſchaut die Gebilde der Kunſt, geh 'unter im Geiſte des Schoͤnen! Ein Ped<an>t, den nichts zu begeiſtern im Stand, armſelig ſteht er und einſam, Zwar hat er vielleicht mit den Thieren den Fleiß, doch nichts mit den Menſchen gemeinſam! Glaubt nicht, daß unſer Poet, der gern, was krank iſt, ſaͤhe geheilet, Mißguͤ<nſ>tigen Sinns Eingebungen folgt, wenn er auch Ohrfeigen vertheilet: Wer H<a>ß im Gemuͤth und Bosheit traͤgt und wer unlau - tere Regung, Dem<w>eigert die Kunſt jedweden Gehalt und die Grazie jede Bewegung. Wen k[]mmert es, was ein Poet urtheilt? Doch, zeigte ſich Einer empfindlich,87 Uebertreff 'er ihn auch, denn er macht ſich dadurch zu gedieg - neren Worten verbindlich. Doch, kommt er kutſchirt mit leichtem Gepaͤck und gekritzel - ter Stuͤmperdepeſche, Gleich ſchicke man ihn uͤber Schilda zuruͤck, in des Nicolai Kaleſche! Euch aber, zur Gunſt und zur Liebe geneigt, weiſſage der Dichter vertraulich Des Gedichts Vorzug, wie er ſelbſt es verſteht, denn er haͤlt es fuͤr huͤbſch und erbaulich: Ihr findet darin, bei ſonſtigem Spaß, auch Rath und nuͤtz - liche Lehre, Und Alles zum Trotz dem Verkehrten der Zeit und dem Trefflichen Alles zur Ehre. Ihr findet darin manch witziges Wort und manche gefaͤllige Wendung, Und erfindende Kraft und Leichtigkeit und eine gewiſſe Vollendung; Denn, wie ſich enthuͤllt jemaliger Zeit Volksthum in den epiſchen Liedern, So ſpiegelt es auch in Comoͤdien ſich, mit allen Gelenken und Gliedern; Drum hat der Poet euch Deutſchland ſelbſt, euch deutſche Gebrechen geſchildert, Doch hat er den Spott durch freundlichen Scherz, durch huͤpfende Verſe gemildert. Nicht wirkungslos bleibt dieſes Gedicht, das glaubt nur meiner Betheurung, Und der wahren Comoͤdie Sternbild ſteht im erfreulichen Licht der Erneu'rung. Der Aeſthetiker wird's, da es nun da iſt, als ganz alltaͤg - lich ermeſſen,88 Doch bitt' ich, ihr Herrn, des Columbus Ei nicht ganz und gar zu vergeſſen! Liebhaber jedoch, gern werden ſie es anhoͤren; und gern es in Lettern Anſchauen ſofort, auch wuͤrden ſie gern es vernehmen herab von den Brettern; Laut heiſchten ſie dann, mit Heroldsruf, nach Weiſe der alten Theſiden: Es erſcheine der Chor, es erſcheine der Chor des gelieb - ten Ariſtophaniden! Wie bedarf er des Ruhms und der Liebe ſo ſehr, im Be - wußtſeyn gaͤhrender Triebe, Ihm werde zum Ruhm der Befreundeten Gunſt; denn Ruhm iſt werdende Liebe. Nun ſey es genug! Stets reiht an die Zeit des muſikauf - wirbelnden Reigens Sich die Stunde des Ruh'ns und ich lege ſogleich an die Lippe den Finger des Schweigens; Denn die Zeit iſt um, nun ſchlendert nach Haus, doch ja nicht ruͤmpfet die Naſen, Und begnuͤgt euch huͤbſch mit dem Luſtſpiel ſelbſt, und den zierlichen Schlußparabaſen!

About this transcription

TextDie verhängnißvolle Gabel
Author August von Platen
Extent97 images; 13664 tokens; 4417 types; 91034 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationDie verhängnißvolle Gabel Ein Lustspiel in 5 Akten August von Platen. . 88 S. CottaStuttgartTübingen1826.

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Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz SBB-PK, 327650http://stabikat.de/DB=1/SET=12/TTL=1/CMD?ACT=SRCHA&IKT=1016&SRT=YOP&TRM=866263713

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Drama; Belletristik; Drama; core; ready; china

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

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  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
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