Reiſeberichte haben einen groͤßern Werth, wenn ſie ſobald als moͤglich dem Leſer uͤber - geben werden. Um dieſes zu bewerkſtelligen, mußte der Verfaſſer aus ſeinem Tagebuche einen kurzen Auszug machen, der, ohne An - ſpruch auf den Titel einer Reiſebeſchreibung machen zu wollen, dennoch vielleicht Manches enthaͤlt, was nicht allein den Europaͤer, ſon - dern auch wol die Bewohner des oͤſtlichen Theils der vereinigten Staaten intereſſirt, und woraus Alle, die dorthin ihr Augen - merk etwa zu richten geſonnen ſeyn ſollten, einigen Nutzen ziehen moͤgen.
IVDer Verfaſſer iſt Landwirth, und der Leſer wird daher vorzuͤglich auch nur ſolche Ge - genſtaͤnde beobachtet finden, welche in die Landwirthſchaft uͤberhaupt einſchlagen. Bei allem aber, was er hiemit der Nachſicht des Publikums uͤbergibt, iſt Wahrheit ſein erſtes Beſtreben geweſen.
Wahrhafte und gruͤndliche Beſchreibungen uͤber die vereinigten Staaten uͤberhaupt oder einzelne Provinzen derſelben, an Ort und Stelle gemacht, muͤſſen fuͤr Europaͤer, welche zur Abſicht haben, in jenem großen Feſtlande ſich niederlaſſen zu wollen, einen uͤberaus gro - ßen Werth haben. Man irrt ſich aber, wenn man von den Einwohnern irgend einer Provinz ſichere Nachrichten erwarten zu koͤnnen glaubt. Nur ſelten iſt ihnen ganz zu trauen; denn gemeiniglich erhaͤlt man von allen andern Staaten eine ſchlechte Beſchreibung, in dem ſie nur allein die Fruchtbarkeit und Schoͤn - heit desjenigen Staats zu ruͤhmen wiſſen, welchen ſie ſelbſt bewohnen. Wie koͤnnte esV auch bei der Unermeßlichkeit des großen Ge - biets anders ſeyn! — Ueber die oͤſtlichen Staaten iſt es zwar leichter, ſowohl durch die vorhandenen Beſchreibungen, als durch die von den Einwohnern einzuziehenden Nachrich - ten, ſich einige gruͤndliche Kenntniſſe zu ver - ſchaffen; aber hier ſind auch fuͤr den Ein - wanderer die Erreichung ſeiner Zwecke bei weitem nicht ſo leicht, als in den weſtlicher liegenden Staaten des großen Binnenlandes. Wenn er dort durch Wegraͤumung undurch - dringlicher Waͤlder mit unbeſchreiblicher Muͤhe ſich erſt ſeinen Acker urbar machen muß: ſo braucht er hier in den herrlichen Wieſen am Sangoͤmo nur den Pflug anzuſetzen, um in demſelben Jahre ſchon eine Aerndte zu haben, welche ſeine kuͤhnſten Erwartun - gen uͤbertrifft.
Herr von Gagern hat uns in der Schrift: Der Deutſche in Nord-Ame - rika, neulich einige intereſſante Nachrichten getiefert; aber nachdem, was man in Ame -VI rika von dem Herrn von Fuͤrſtenwer - ther erfaͤhrt, iſt derſelbe fuͤrerſt noch nicht Willens, die weſtlichen Staaten zu bereiſen, daher auch durch ihn bis dahin uͤber dieſe Gegenden noch nichts Ausfuͤhrliches zu er - warten ſteht.
Birkbeck’s Reiſe (1817) gibt zwar mancherlei ſehr gute und wahre Nachrichten; aber dieſe gehen nicht weiter, als bis zu den erſten ſuͤdlich belegenen Wieſen des Illinois - Staats, und doch werden dieſe von den wei - ter noͤrdlich belegenen, ſowohl an Fruchtbar - keit als auch in Hinſicht des geſundern Cli - ma’s, bei weitem uͤbertroffen.
Darby’s Emigrant’s Guide. Newyork 1818 gibt zwar von den weſtlichen Staa - ten ſehr ſchaͤtzenswerthe Nachrichten; aber ſie beruͤhren bloß die ſuͤdlichen Theile derſelben und gehen nicht weiter als bis zum Jahre 1817.
The Navigator. Pittsbourg 1818. 10teVII Aufl. liefert gleichfalls manche intereſſante Nachrichten uͤber dieſe Gegenden; aber auch dieſe gehen nicht weiter als bis zum Jahre 1817.
Die Beſchreibung der Laͤndereien, welche die Soldaten im Illinois - Staate erhalten haben, von N. B. von Zandt, Sekretaͤr des General-Land - Office in Waſhington (1818), enthalten faſt von allen oben angefuͤhrten Schriften die beſten Auszuͤge; aber damals war es auch noch nicht moͤglich, uͤber alle jene Laͤnder etwas Beſſeres und Gruͤndlicheres zu liefern, weil ſie ſich damals noch im Beſitze der In - dianer befanden. Erſt in der letzten Haͤlfte dieſes Sommers wurde der Vertrag abgeſchloſſen, nach welchem die Indianer alle jene zwi - ſchen dem Illinois und Wabaſch, im Norden des Illinois-Staats belegene Gegenden ge - raͤumt haben. In dieſem Bezirk ſind alle Laͤndereien am Sangoͤmo und Onapiſchqua - ſippi mit eingeſchloſſen, welche durch ihreVIII Schoͤnheit, Fruchtbarkeit und ihr geſundes Clima Jedermann bezaubern. Dieſe erhielten erſt ſeit dem letzten Kriege mit den India - nern (1814), wo die Amerikaner zum Erſten - male dieſe Gegenden betraten, im ganzen Umfange der vereinigten Staaten den aus - gezeichnetſten Ruf.
Da der Verfaſſer dieſer Reiſebemerkungen kuͤnftig in jenen Gegenden des Illinois - Staats wohnen wird: ſo hofft er ſich in den Stand geſetzt zu ſehen, alsdann aus - fuͤhrlichere Nachrichten uͤber dieſen intereſſanten Theil von Nord-Amerika liefern zu koͤnnen.
Am Bord des Schiffes la jeune Corinne im November 1819.
Der Verfaſſer.
Heute Mittag ſind wir hier, nach einer ſehr lang - weiligen Reiſe von 80 Tagen, von Bremen gluͤck - lich und geſund angelangt.
Wir beſtiegen in Bremen am 29ſten Maͤrz das Amerikaniſche Schiff Plato, vom Capitain Gardner gefuͤhrt, mußten aber, widriger Winde halber, bis zum 7ten April in der Weſer-Muͤn - dung verweilen, worauf wir den ganzen Weg hieher faſt beſtaͤndig mit widrigen Winden, Sturm und abwechſelnder Windſtille zu kaͤmpfen hatten, ſo daß dieſe Reiſe zu den langſamſten, welche ſeit langen Jahren von Bremen aus hieher ge - macht worden ſind, gezaͤhlt werden kann. Unſer Capitain verſicherte: er habe ſeit den 42 Jahren, waͤhrend er die See befahre, nie eine langweiligere Reiſe gemacht, wo ihm Wind und Wetter ſo zu - wider geweſen waͤren. Gewoͤhnlich erfordern die Ueberfahrten von Bremen oder Hamburg nach den oͤſtlichen Seehaͤfen der vereinigten Staaten eine14Zeit von 45, 40, 35, 30, oft nur von 25 bis 22 Tagen.
Jedem, welcher eine lange Seereiſe zu unter - nehmen gedenkt, iſt vorzuͤglich anzurathen:
Medizin iſt gewoͤhnlich auf dem Schiffe zu haben, doch ſelten gut, und der Reiſende wird wohl thun, ſich mit einigen Kleinigkeiten der Art, als: Coͤllniſch Waſſer, Liquor, Pfeffermuͤnzwaſſer ff. zu verſorgen. Auch rathe ich Allen, welche zur Verſtopfung geneigt ſind, entweder einige Nah - rungsmittel, welche dagegen wirken, z. B. ge - trocknetes Obſt ff. oder aber dahin wirkende Me - dizin und eine Kliſtierſpruͤtze, mit an Bord zu nehmen. Die beſtaͤndige Nahrung der Salzſpei - ſen und des harten Schiffsbrodtes macht ſehr zur Verſtopfung geneigt, beſonders da es dabei an hin - laͤnglicher Bewegung des Koͤrpers fehlt.
Die Seekrankheit iſt nur bei einigen Perſo - nen von Bedeutung, und laͤngerer als gewoͤhnlicher5 Dauer. Man befolge aber dabei ja nicht die Rathſchlaͤge der Seefahrer, wenn ſie das Trinken von Seewaſſer, gewaltſames Eſſen ohne Appetit ff. empfehlen. Ein Glas guter alter Wein und eine Taſſe Thee im Anfange der Krankheit ſind die beſten Mittel. Dabei eſſe man nach Maaß - gabe des Appetits, und bleibe, ſo viel als moͤg - lich, auf dem Verdecke, um der friſchen und ge - ſunden Seeluft zu genießen. Uebrigens wird man finden, daß man auf der See ſich gewoͤhnlich ſehr wohl befindet.
Der Capitain, ſo wie alle Seeleute, ſind, mit wenigen Ausnahmen, meiſtentheils Leute, welche von feiner Lebensart nichts wiſſen; der Reiſende darf daher nichts von der Art erwarten. Er thut wohl, ſich mit Buͤchern, muſikaliſchen Inſtru - menten ff. zu verſehen, damit er im Stande iſt, ſich ſelbſt zu unterhalten. Doch muß ich bemer - ken, daß wir in dieſer Art ſehr gluͤcklich waren, indem nicht nur der Capitain, ſondern auch die Offiziere unſers Schiffs ſehr humane und gebildete Leute waren.
Alle Capitaine pflegen es ungern zu ſehen, wenn man ſich mit dem Matroſen am Steuerru - der unterhaͤlt, und ſie haben darin Recht, indem ein ſolcher jederzeit auf ſein Geſchaͤft genau zu achten hat. Ueberhaupt halten die Amerikaner6 auf die ſtrengſte Ordnung. In die Cajuͤte darf ſonſt Niemand als die Offiziere und der Auf - waͤrter kommen. Sie ſehen es daher auch nicht gern, daß der Cajuͤten-Paſſagier ſich viel mit dem uͤbrigen Schiffsvolke und den Paſſagieren unterm Verdecke zu ſchaffen macht. Fuͤr den Cajuͤten - Paſſagier iſt auch vorzugsweiſe der Spazierplatz uͤber der Cajuͤte und zwar der an der Windſeite, als der angenehmere, beſtimmt, indem es dort durch die Neigung des Schiffs ebener iſt. Bei naſſem Wetter wird es oft ſchwer, auf dem Ver - decke herum zu gehen, ohne auszugleiten; man kann jedoch dieſem Uebel abhelfen, wenn man ſich etwas Theer unter die Schuhſolen ſtreichen laͤßt.
Wollen arme Leute die Reiſe nach Ame - rika unternehmen: ſo haben ſie noch viel groͤßere Vorſicht anzuwenden noͤthig; denn es iſt bekannt genug, wie dieſe oft hart und betruͤgeriſch behan - delt werden. Am beſten thun ſie, wenn ſie ſich in eine moͤglichſt große Geſellſchaft vereinigen, und Jemanden, der ihr Zutrauen beſitzt und dieſem Geſchaͤfte gewachſen iſt, zu ihrem Fuͤhrer waͤhlen.
Was die Gefaͤhrlichkeit einer Seereiſe in An - ſehung des Untergangs des Schiffs ff. betrifft: ſo kann man dreiſt annehmen, daß ſie nicht groͤßer als jede andere Reiſe zu Lande ſey. Unſer alter Capitain verſicherte uns, daß er ſeit 42 Jahren7 waͤhrend er den Ocean als Capitain nach allen Richtungen befahren, nur einen einzigen Mann verloren habe, und zwar ſey dieſer in einer fin - ſtern ſtuͤrmiſchen Nacht von den Maſten in die See gefallen und nicht zu retten geweſen. Wenn man dieſes wirklich auffallende Gluͤck zum Maaß - ſtabe einer Berechnung nehmen wollte, ſo wuͤrde es ſich leicht finden, daß das Reiſen mit der Poſt, zumal in Deutſchland, bei weitem gefaͤhrlicher ſey. Wie koͤnnten auch ſonſt die Aſſecuranz-Geſell - ſchaften beſtehen, die Schiff und Guͤter auf dem - ſelben zu 2½ pCt. verſichern; denn, wenn von 250 Schiffen nur eins derſelben verloren ginge, ſo wuͤrde es ſchon eine Unmoͤglichkeit ſeyn, daß ſolche Verſicherungs-Geſellſchaften ferner wuͤrden beſtehen koͤnnen.
Als wir am 25ten Mai in der Naͤhe der Bank von New-Foundland ankamen, ſahen wir mehrere große Eisberge, von Groͤnland herabkommend, den bei weitem waͤrmern Gewaͤſſern des Golfſtroms entgegenſchwimmen, wo dieſe ungeheuern Eis - maſſen ihre endliche Aufloͤſung finden. Doch ſol - len ſie auch zuweilen, jedoch ſelten, den Golf - ſtrom durchſtreichen, und bis an die Weſtindiſchen Inſeln gerathen. Ihre Naͤhe wird ſchon durch eine aͤußerſt ſtrenge Kaͤlte empfunden, noch ehe man ſie ſelbſt zu Geſichte bekommt.
8Den 4ten Jun. ſahen wir im 42° N Br. und 60° der Laͤnge von Greenwich das Dampfſchiff Savannah von Savannah, gefuͤhrt vom Capi - tain Rogers, beſtimmt nach Liverpool und St. Petersburg. *)Im December 1819 iſt dieſes Dampfſchiff innerhalb 50 Tagen von St. Petersburg in Savannah wieder eingetroffen.Es iſt dieſes das erſte Schiff der Art; welches den Ocean durchſchneidet. Seine Ruder-Raͤder befinden ſich an den Seiten des Schiffs, und koͤnnen nach Belieben aufgezogen, auch ganz ins Schiff genommen werden. Der Capitain Rogers verſicherte uns: er koͤnne bei Windſtille 10 Engl. Meilen, und bei widrigen Winden 6 Engl. Meilen in einer Stunde zuruͤck - legen.
Am 14ten Jun. erblickten wir zuerſt die Kuͤ - ſten von Amerika, und fuhren in die Cheſapeak - bai ein. Hier ſahen wir 3 Dampfſchiffe, wovon das eine von Norfolk in Virginien, das andere von Annapolis, und das dritte von Philadelphia, alle drei ſaͤmmtlich nach Baltimore ihre Beſtim - mung hatten.
Am 16ten Jun. gegen Mittag erreichten wir endlich den Hafen von Baltimore und ſtiegen ans Land. — Schwerlich kann ſich der Landbewohner9 eine klare Vorſtellung von der Freude machen, welche der Reiſende empfindet, wenn er, nach ei - ner langwierigen 80taͤgigen Seereiſe, das feſte Land wieder betritt.
Die Stadt Baltimore iſt ſehr regelmaͤßig ge - bauet. Die Straßen ſind mit Trottoirs von Backſteinen fuͤr die Fußgaͤnger verſehen; aber dennoch kann man das Ganze keinesweges ſchoͤn finden, weil die vielen kleinen Haͤuſer einen uͤbeln Eindruck machen. Mit Einſchluß der Vorſtaͤdte hat Baltimore 6 Engl. Meilen*)Vier und eine halbe Engl. Meilen machen eine Deutſche. im Umfange, gegen 75,000 Einwohner, und uͤber 40 Kirchen. Vor 50 Jahren war es noch ein unbedeutender Ort von 50 bis 60 Haͤuſern. Man iſt jetzt be - ſchaͤftigt, die Stadt noch durch Erbauung einer Boͤrſe, einer katholiſchen Kirche, und eines fuͤr den unſterblichen Waſhington beſtimmten Mo - numents zu verſchoͤnern. Dieſes Denkmal be - ſteht aus einem bis jetzt 140 Fuß hohen Obelisk von Penſylvaniſchem Marmor, inwendig mit ei - ner Wendeltreppe verſehen. Es ſoll die Hoͤhe von 180 Fuß erhalten, und ſodann des Generals Waſhington Bildſaͤule zu Pferde, 15 Fuß11 hoch, aus Carariſchem Marmor in Italien ver - fertigt, auf ſeinem Gipfel tragen. Wir trafen bei dieſem Denkmal, an welchem ununterbrochen gearbeitet wird, einen Deutſchen Maurer an, deſ - ſen Großvater bereits in Amerika geboren war; dennoch ſprach der Mann ſehr gutes Deutſch. Die Bemerkung des Herrn von Fuͤrſtenwer - ther, daß die Deutſchen nach und nach ihre Sprache verlernen ſollen, leidet alſo doch auch ihre Ausnahmen. Bei den reichen Kaufleuten hieſelbſt findet man jedoch dieſe Bemerkung im Allgemei - nen beſtaͤtigt. So ſprechen z. B. die ſaͤmmtlichen Kinder des Herrn Chr. Meyer faſt kein Deut - ſches Wort, und die Gattin des braven Kaufmanns Herrn Schroͤder, welche das Deutſche recht gut verſteht und daher es auch wol ſprechen wird, ſprach mit mir Engliſch, worauf ich ihr Deutſch antwortete. Wir konnten uns auf dieſe Art recht gut unterhalten.
Der Tag nach unſerer Ankunft war ein Sonntag. Wir beſuchten die Deutſche Kirche, um Gott, dem Herrn der Welten, unſern innig - ſten Dank fuͤr die gluͤcklich zuruͤckgelegte Seereiſe darzubringen. Wie erbauete es uns, hier, ſo weit vom Vaterlande, eine ſo zahlreiche Verſammlung von Landsleuten in nachahmungswuͤrdiger Stille und Andacht beiſammen zu finden. Der Predi -12 ger, Herr Becker, hielt eine herrliche Rede uͤber die Worte: Herr, ich liebe die Staͤtte deines Hauſes ff. Geſang und Vortrag waren herzerhebend. Erſterer war nicht jenes unmaͤßige Abſchreien veralteter Verſe, wie man es in Deutſchland noch ſo vielfaͤltig findet; ſondern gut gedichtete Verſe wurden von der ganzen Gemeine mit Sinn fuͤr die Melodie und mit inniger Er - bauung in melodiſchem Einklange geſungen. — Uebrigens wird der Sonntag in allen oͤſtlichen Staaten von Amerika ſehr ſtreng und ruhig ge - feiert; alle Kauflaͤden ſind geſchloſſen; Muſik darf nicht einmal in Privathaͤuſern, geſchweige denn ſonſt oͤffentliche Luſtbarkeiten, als: Schauſpiel, Tanz u. dgl. an einem Sonntage Statt finden.
Nachmittags fuͤhrte uns Herr Wichelhau - ſen, deſſen zuvorkommende freundliche Aufnahme wir nicht genug ruͤhmen koͤnnen, zu dem 1½ Engl. Meilen von der Stadt entlegenen Landſitze des Herrn Schroͤder, eines gebornen Hamburgers, welchen derſelbe, aus Vorliebe fuͤr ſeine ehemalige Vaterſtadt, Wandsbeck genannt hat. Mit Recht kann derſelbe ſo heißen; denn er iſt fuͤr Baltimore eben das und noch mehr, als was Wandsbeck fuͤr Hamburg iſt. Die ganze Anlage verraͤth durch Pracht und ſchoͤne Einrichtungen, der Garten durch ſeine herrlichen Gewaͤchſe und13 Bildſaͤulen, einen Mann von Wohlhabenheit, und einen tiefen Kenner der Natur und Kunſt.
Geſtern fuhr ich mit der Poſt nach Wa - ſhington. — Die hieſigen Poſten ſind ſehr gut, die Wagen haͤngen in Federn, und auf jeder Station wurden vier egale muthige Englaͤnder vor - geſpannt. Um 5 Uhr Morgens fuhr der Wagen aus Baltimore ab; auf der erſten Station wurde gefruͤhſtuͤckt, und um 12 Uhr Mittags waren wir in Waſhington angelangt, — eine Entfernung von 42 Engl. Meilen. —
In Waſhington iſt das See-Arſenal ſe - henswerth. Das neuerbauete Kriegsſchiff Co - lumbus von 80 Kanonen war bereits vom Sta - pel gelaſſen. Der Koͤrper dieſes ſchoͤn gebaueten Schiffs iſt 250 Fuß lang, 52 Fuß breit, und 42 Fuß hoch. Die Maſten ſollen 180 Fuß Hoͤhe er - halten, und jeder Anker wiegt 6667 Pfund. In dem Werkhauſe befindet ſich eine Dampfmaſchine mit der Kraft von 13 Pferden, welche eine Saͤ - gemuͤhle und eine Drehbank treibt. Mitten auf dem großen Platze des Arſenals ſteht das Monu - ment zum Andenken der bei Tripolis gefallenen Seehelden. Vom Hauſe des Praͤſidenten fuͤhrt eine Pappelallee, I Engl. Meile lang zum Capitol.
Das Capitol iſt noch nicht ganz vollendet. Oben von der Kuppel dieſes Prachtgebaͤudes hat14 man eine herrliche Ausſicht auf die Stadt und den Potomak. Dieſer Fluß iſt einer der ſchoͤnſten im oͤſtlichen Theile der vereinigten Staaten. Nach Alexandrien fuͤhrt eine 1¾ Engl. Meilen lange Bruͤcke uͤber denſelben, in deren Mitte eine Zug - bruͤcke angebracht iſt, um Schiffe durchzulaſſen.
Ich hatte die Ehre, den Secretair der ver - einigten Staaten, Herrn J. Q. Adams zu ſpre - chen. Dieſer wuͤrdige Beamtete des maͤchtigen Frei - ſtaats gab mir mit vieler Zuvorkommenheit alle Aufſchluͤſſe uͤber Gegenſtaͤnde, die mich zu meinem Zwecke fuͤhren konnten; auch uͤbergab er mir ein Empfehlungsſchreiben an einen ſeiner Freunde Herrn Kook*)Herr Kook wurde ſpäterhin mit großer Stimmenmehrheit zum Repräſentanten für den Illinois-Staat beim Congreſſe erwählt. in Kaskaskia. Vorzuͤglich in - tereſſant war es mir, von ihm zu hoͤren, daß der Canal, welcher Neuyork mit den Seen in Verbindung ſetzt, in kurzer Zeit beendigt, die Seen aber in der Folge durch einen Canal von 12 Meilen mit dem Illinois-Fluſſe leicht ver - bunden, und alsdann die Schiffahrt von Neuyork nach Neu-Orleans durch das ganze große Innere von Nordamerika vollendet ſeyn werde. Hiedurch muͤſſe alsdann der Staat von Illinois, als einer15 der wichtigſten in den Freiſtaaten hervorgehen Dagegen zweifelte er nicht, daß die Conſtitution von Miſſouri die Beibehaltung der Negerſclaven erlauben werde.
Der Praͤſident Monroe war abweſend. Er bereiſet die ſuͤdlichen Provinzen der Freiſtaaten.
Die Umgegend um Waſhington, ſo wie der ganze Strich Landes von da bis Baltimore hat durchaus unfruchtbaren Boden; doch ſieht man dann und wann auf dieſem Wege einige recht huͤbſche große Landguͤter.
Am 25ten Morgens 5 Uhr fuhren wir mit der Poſt von Baltimore ab. Das Reiſen mit der Poſt hat hier viele Vorzuͤge, aber auch viele Unannehmlichkeiten. Man kommt ſchnell weiter. Die Zeit und der Ort des Fruͤhſtuͤcks, des Mit - tagseſſens ſind beſtimmt und halten die Reiſe wenig auf. Der Preis iſt fuͤr jede 10 Engl. Meilen etwa 1 Dollar; Trinkgelder ff. ſind gar nicht uͤblich. Dagegen ſind die Wagen und Wege tie - fer ins Land hinein oft ſchlecht, und die erſtern, der vielen Reiſenden und ihrer Bagage wegen, ſehr beengt. Die Poſten werden von Privatper - ſonen gehalten, und Jeder, dem es beliebt, kann ohne Umſtaͤnde die Erlaubniß der Regierung dazu erhalten. Dieß mindert oft den Preis; doch muß der Reiſende dahin ſehen, daß er nicht an ein Poſtbureau geraͤth, bei welchem nur bis zu einem gewiſſen Orte die Poſtlinie (wie es hier genannt wird) durchgefuͤhrt iſt. Es ging uns gleich an - fangs ſo. In Baltimore verſicherte uns der Poſt - offiziant, daß wir von Haͤgerstown gleich weiter fahren wuͤrden. Das war aber nicht der Fall. Als wir Abends in Haͤgerstown angekommen wa -17 ren, mußten wir zu unſerm Leidweſen erfahren, daß die Poſt, die uns bis hieher gefoͤrdert hatte, eine ganz neue Anlage ſey, und nicht weiter als bis hieher fahre. Wir mußten daher zwei Tage hier verweilen; jedoch benutzten wir dieſe Zeit dazu, uns auf dem Lande etwas umzuſehen.
Die Amerikaniſchen Landg[ü]〈…〉〈…〉er haben im All - gemeinen wenig und ſehr ſchlechte Gebaͤude. Ein kleines erbaͤrmliches Haͤuschen, von uͤber einander gelegten Balken erbauet, beherbergt oft den Be - ſitzer von 1000 Acres Landes. Mag es auch ſeyn, daß er oft reich iſt; es iſt ſo die Mode des Landes. Dieſes Haͤuschen enthaͤlt oft nur ein einziges Zimmer, welches die Kuͤche, die Wohn - ſtube und Schlafkammer einer zahlreichen Familie ausmacht. Doch keine Regel ohne Ausnahme! Es gibt auch Landguͤter mit großen und praͤchti - gen Gebaͤuden. Auch die Gebaͤude zum Haus - halt ſind von weit geringerer Beſchaffenheit, als es in Europa faſt durchgehends der Fall iſt. Das Korn wird meiſtentheils im Freien gedroſchen, das Vieh geht Sommer und Winter draußen umher; alles dieſes macht die in Deutſchland dazu erfor - derlichen Gebaͤude hier entbehrlich. Alle Kornfel - der ſind eingehegt, um ſie gegen das frei herum - gehende Vieh zu beſchuͤtzen. Dieſe Einhegung wird in dieſem holzreichen Lande hoͤchſt einfach und218zweckmaͤßig eingerichtet. Man legt 10½ Fuß lange Holzſcheite in beſtaͤndigen ſtumpfen Winkeln, oder im Zickzack, uͤber einander. Durch das Vorſtehen der ſtumpfen Winkel uͤber die gerade Linie wird es moͤglich, 7 bis 9 Scheite ſo uͤber einander zu ſchichten, daß kein Vieh durchzudringen vermag.
Die Fruͤchte, womit wir die Felder bebauet fanden, waren Mais, Weizen, Roggen, Gerſte, Hafer, Klee, Timotheusgras, Kartoffeln, auch wol etwas Flachs. Das Hornvieh, ſo wie die Pferde, haben ein gutes Anſehen. Man war hier bereits mit dem Maͤhen des Roggens beſchaͤftigt, und der Weizen war an vielen Stellen der Reife ſehr nahe.
Haͤgerstown wurde vor 30 Jahren ange - legt. Die Einwohner ſind meiſtens Deutſche. In den drei Kirchen der Stadt wird der Gottesdienſt Deutſch und Engliſch gehalten. Es wird hier ei - ne Deutſche Zeitung und ein Deutſcher Kalender ſehr gut gedruckt. In Penſylvanien werden jaͤhr - lich uͤberhaupt gegen 60,000 Deutſche Kalender gedruckt und verbraucht. In der Zeitung wurde ein nuͤtzliches Handbuch fuͤr Deutſche empfohlen, worin die geſetzlich vorgeſchriebenen Formeln bin - dender Urkunden in unſerer Sprache enthalten ſeyen, mit der Bemerkung: daß ſolche alsdann19 eben die Guͤltigkeit haͤtten, als wenn ſie in Eng - liſcher Sprache abgefaßt waͤren.
Es macht auf den Europaͤer einen angeneh - men Eindruck, hier Jedermann nach einer und derſelben Mode gekleidet zu ſehen. Des Sonntags, wo Alles im groͤßten Staate iſt, glaubt man ſich in einem Lande zu befinden, wo Jedermann reich und wohlhabend iſt. Der Schnitt des Kleides ei - ner Dienſtmagd iſt von dem der reichen Kauf - mannsfrau um nichts verſchieden. Die reichern Stoffe geben den einzigen Unterſchied.
In drei Tagen ſind wir uͤber die Alleghany - Gebirge hieher — man kann ſagen — geflogen. Mor - gens 2 Uhr in die Poſtkutſche, ½ Stunde zum Fruͤhſtuͤck, eben ſo lange und nicht laͤnger zum Mittagseſſen, alle 10 — 12 Engliſche Meilen 4 friſche muthige Pferde, welche in 4 Minuten ge - wechſelt ſind, — ſo ward man bis Abends 10 oder 11 Uhr in der uͤbervollen unbequemen Poſt - kutſche im Fluge fortgeſchleudert. Wird es dun - kel, ſo zuͤndet man eine oben auf der Poſtkutſche befindliche Laterne an.
Schon am erſten Tage, als wir Haͤgerstown verließen, kamen wir uͤber die blauen Berge, wel - che mit dieſen Thaͤlern abwechſeln. Die Gegend wurde wilder, und wenige bebauete Plaͤtze fanden ſich. Doch ſelbſt auf dem Alleghany fehlen ſie nie ganz, und Wirthshaͤuſer findet man auch in hinreichender Anzahl. Auf dem hoͤchſten Gipfel des Alleghany ſtand Mittags den 28ſten Jun. der Thermometer auf 95° Fahrenheit; es war dabei eine druͤckende Hitze. Gegen Abend ſtieg ein Ge - witter auf, welches uns einen herrlichen Anblick gewaͤhrte. Ueber die Gebirge hin rollte der Don -21 ner fuͤrchterlich; flammende Blitze beleuchteten in kurzen Zwiſchenraͤumen die hohen Berge und tie - fen Thaͤler. In letztern ſchwaͤrmten unzaͤhlbare Feuerwuͤrmchen in der Luft wie Funken umher. In unſerer Naͤhe wurden uns die praͤchtigen Waldbaͤume am Ufer des Potomak, den man hier paſſirt, durch das Licht unſerer Laterne, welche einen ſehr kleinen Kreis um uns her erleuchtete, ſichtbar.
Am zweiten Abend erreichten wir Bronsville am Monohella. Dieſer Fluß vereinigt ſich zu Pittsburg mit dem Alleghany und beide bilden von hier an den Ohio. *)Wird ausgeſprochen: Oheio.An der Straße, welche kuͤnftig die Hauptverbindung der weſtlichen Staa - ten mit den oͤſtlichen ſeyn ſoll, wird fleißig gear - beitet; doch fehlt auch noch Vieles, um ſolche in eine Chauſſee umzuwandeln. Sie geht von Wa - ſhington uͤber das Gebirge nach Wheeling am Ohio, in einer Strecke von 298 Engliſchen Meilen fort.
Am 29ſten Jun. kamen wir hier ſehr ſpaͤt an. Das Reiſen im Poſtwagen waren wir nun herz - lich muͤde, und zu Waſſer den Ohio hinab zu fahren, hatten wir auch keine Luſt, vorzuͤglich des22 niedrigen Waſſers wegen. Ich kaufte daher ein Pferd und einen kleinen Wagen, worin wir mit Bequemlichkeit unſere Reiſe weiter fortzuſetzen hoften.
Alle Nachrichten verſichern, daß gewoͤhnlich der Preis der Pferde am Ohio, und vorzuͤglich zu Pittsburg gering ſey. Dießmal fanden wir das nicht, im Gegentheil war Alles hier theurer als in Baltimore. Ueberhaupt wuͤrden wir weit beſſer gethan haben, in Baltimore Wagen und Pferde zu kaufen, und ſo die Reiſe uͤber das Gebirge zu machen.
Oberhalb Wheeling iſt die Straße kuͤnſtlich in Felſen gehauen. An der einen Seite iſt der Abgrund beinahe funfzig Fuß hoch aufgemauert, an der andern aber der Felſen 60 Fuß tief nieder - gehauen. Von dieſer Stelle ab hat man eine der herrlichſten Ausſichten i. das Thal, welches der kleine Fluß Wheeling bildet, ſo wie auf die Stadt ſelbſt und den Ohio. Am Fuße dieſer Anhoͤhe befindet ſich eine reiche Steinkohlenmine.
Der Ohio iſt bei hohem Waſſer oft 40 Fuß hoͤher als jetzt. Dann koͤnnen Schiffe von 3 — 400 Tonnen hinab in den Meerbuſen von Mexiko gehen, und es ſind ſchon Seefahrzeuge in Pitts - burg gebauet worden, welche wirklich den Fluß hinab in See gegangen ſind. Dampfſchiffe koͤn -23 nen jetzt auch nicht einmal hinaufkommen, weil der Fluß ſo ungewoͤhnlich niedrig iſt. Es wurde hier eben ein neues Dampfſchiff gebauet. Wir ſahen hier den erſten Weinberg; tiefer im Lande ſollen mehrere Anlagen der Art ſich befinden.
Ueber die brennende Quelle zu Kenowha in Virginien liefert die Haͤgerstowner Deutſche Zeitung folgende Beſchreibung:
Der Herr Dr. Eoff in Wheeling erzaͤhlte mir uͤber die Art, wie dieſe Quelle entdeckt wor - den ſey, Folgendes: Vor etwa 30 Jahren befan - den ſich 8 Baͤren-Jaͤger in jener Gegend. Ei - nes Abends hoͤrte einer von ihnen ein Gebrauſe, und fand beim Scheine des Mondes eine kochen - de Quelle; er naͤherte ſich behutſam, unterſuchte mit großer Vorſicht das Waſſer, fand es aber zu ſeinem Erſtaunen ganz kalt. Als er ſeinen Be - gleitern dieſes erzaͤhlte, waren alle begierig, dieſe wundervolle Quelle zu ſehen. Sie kamen an Ort und Stelle an, als der Mond ſchon untergegan - gen war. Um nun die Quelle leichter zu finden, zuͤndeten ſie ein Feuer an, um ſodann mit einem Feuerbrande die Quelle zu ſuchen. Kaum hatten ſie einige Zeit auf der Erde herumgeleuchtet, als der Feuerbrand die brennbare Luft der Quelle be - ruͤhrte und die erſchrockenen Baͤren-Jaͤger auf einmal in Feuer huͤllte. Vom Schrecken ergriffen fielen ſie betaͤubt zur Erde; aber die Flamme be - ſchraͤnkte ſich bald bloß auf die Oberflaͤche der25 Quelle. Einer dieſer Menſchen, ein Methodiſt, war uͤber dieſe Begebenheit vorzuͤglich heftig er - ſchrocken. Er fing zu beten an, und ſagte zu den Uebrigen: es ſey unzweifelhaft der juͤngſte Tag nun vor der Thuͤr; die Erde werde durch dieſes Feuer, welches ſie ſelbſt angezuͤndet hatten, nun verzehrt werden. Dieſe Vorſtellung ergriff nun auch die Uebrigen. Sie bemuͤhten ſich daher auf alle Weiſe das Feuer zu loͤſchen, aber alle Ver - ſuche und angewandte Muͤhe waren fruchtlos. We - der durch das Aufgießen von Waſſer, noch durch das Aufwerfen von Erde, noch durch das Zudek - ken mit ihren Kleidern konnte der gefaͤhrliche Brand geloͤſcht werden. Mehrere Stunden hatten ſie ſo vergebens gearbeitet, und durch das viele Wuͤhlen in der Quelle waren ihre Kraͤfte bereits ſehr geſchwaͤcht. Jetzt gerieth Einer auf den Ein - fall, mit ſeinem großen Huthe das Feuer auszu - wehen. Da ſich zu gleicher Zeit ein friſcher Wind erhoben hatte; ſo gelang dieſer Verſuch und die Flamme erloſch.
Zwei Meilen oberhalb dieſer Quelle befinden ſich die beruͤhmten Bergwerke von Kenowha. Das Salzwaſſer wird auf folgende Art gewonnen: Der obere Boden beſteht aus 10 — 15 Fuß ho - hem Sande und Schlamm; in dieſen wird ein ausgehoͤhlter Sycamore-Stamm bis auf den26 unterliegenden Felſen eingelaſſen. Dieſer Cylinder wird gereinigt, und auf dem Felſen wohl verkuͤt - tet, damit weder Sand noch Schlamm ein - dringen kann. Alsdann wird in den Felſen ein 2½ bis 3 Zoll weites Loch gebohrt, oft zur Tiefe von 150 — 200 Fuß.
Man trifft oft auf Adern von wildem Waſ - ſer, welches auf folgende Art abgehalten wird: Hat man das Salzwaſſer gefunden; ſo treibt man eine zinnerne Roͤhre in das Loch, bis auf die Ader des Salzwaſſers, und verkuͤttet ſolche gleich - falls oben auf dem Felſen, um das Eindringen alles fremden Waſſers abzuhalten. Das Salz - waſſer ſprudelt im Anfange oft 20 Fuß hoch in die Luft, und wird nachgehends durch Pumpen in die Siedekeſſel geſchafft. Es iſt ſo ſalzhaltig, daß 90 Gallonen oft ein Buͤſchel Salz geben, da andere Salinen oft erſt von 500 Gallonen ein Buͤſchel gewinnen. Es werden auf dieſem Salzwerke jaͤhrlich uͤber 200,000 Buͤſchel Salz verfertigt.
Eben ſo merkwuͤrdig als die brennende Quelle iſt die Oelquelle, welche 100 Meilen oberhalb Pittsburg in den Alleghany faͤllt. Bei ihrem Urſprunge ſchwimmt eine ſolche Menge Oel auf der Oberflaͤche des Waſſers, daß eine Perſon des Tages leicht einige Gallanen davon einſammeln kann. Dieſes Oel wird bei rheumatiſchen Schmer -27 zen mit großem Vortheile durch Einreibungen an - gewandt. Das Waſſer der Quelle ſelbſt wirkt, getrunken, als eine gelinde Abfuͤhrung. Im Han - del geht es unter dem Namen Seneca-Oel, und wird von Pittsburg jaͤhrlich ſehr vieles davon verſandt.
Von Wheeling fuhren wir am 2ten Jul. mit unſerm kleinen Wagen weiter. So wie man den Ohio paſſirt hat, geht der Weg eine Weile im Flußthale hin. Hier hat Alles das Anſehen der uͤppigſten Fruchtbarkeit. Vorzuͤglich ſetzen die rieſenhaften Sycamore-Baͤume (Plantanus oc - cidentalis L.) den Reiſenden in Erſtaunen. Ihr gewoͤhnlicher Durchmeſſer iſt 4 Fuß; doch gibt es weit groͤßere, ſogar bis 60 Fuß im Umfange. In Sciota-County, auf dem Guthe des Hrn. Muͤl - ler, findet ſich ſogar eine hohle Sycamore, in wel - cher am 26ten Jun. 1808 dreizehn Reiter her - umreiten konnten, und das Pferd des vierzehnten war zu ſcheu, ſonſt haͤtte es auch noch Platz genug gefunden in dieſem Ungeheuer von hohlem Bau - me. *)S. the Navigator. p. 29.
Wenn man das Thal des Ohio verlaſſen hat, wird die Gegend ſehr huͤgelicht, und iſt nicht ſonderlich fruchtbar; aber dennoch findet man herr - liche Weizenfelder und ſchoͤnes Hornvieh. Mehrere Heerden fettes Vieh von Kentuky (oft 100 —29 150 Stuͤck an der Zahl) begegneten uns; man - che darunter konnten an 1000 Pfund ſchwer ſeyn.
Faſt jeden Tag trafen wir auf einige unſerer Landesleute. In einer kleinen Stadt Waſhing - ton logirten wir bei einem Wirthe, deſſen Groß - vater aus Deutſchland heruͤbergekommen war. Da er die Ueberfahrt nicht an den Schiffer be - zahlen konnte, ſo mußte er 3 Jahre dienen, und doch hinterließ er bei ſeinem Tode jedem ſeiner 7 Kinder 200 Acker Land (ohngefaͤhr 300 Mor - gen Calenbergiſch.)
In dem Wirthshauſe zu Cambridge fanden wir einen jungen Burſchen aus dem Wuͤrtember - giſchen, welcher auch fuͤr die Ueberfahrt diente. Ich ſuchte Gelegenheit mit ihm allein zu reden; er verſicherte mich, er ſey mit ſeiner Lage wohl zufrieden, denn er werde als ein Glied der Fa - milie behandel[t.]Er war hier bereits 1½ Jahre.
Ohnweit Zainsville fanden wir einen Deut - ſchen Pflanzer, welcher 3 Jahre zuvor hieher ge - zogen war, fuͤr das in Wald und Wildniß be - ſtehende Land 8 Dollars p. Acre bezahlt, und nun ſchon herrliche Weizenfelder hatte, wo er 25 bis 30 Buͤſchel (à 60 — 70 Pf.) p. Acre aͤrndtete. Sein Großvater war aus Deutſchland gekommen, und lebte noch, 96 Jahr alt. Man bemerkt uͤberhaupt, daß die hieher gekommenen30 Deutſchen gemeiniglich ein hohes Alter erreichen; die Kinder werden dagegen hier, durch das viele Kaffetrinken, gleich in der Jugend verdorben.
Unter den vielen kleinen Staͤdten, welche wir paſſirten, zeichnet ſich Zainsville am Mus - kingum vortheilhaft aus. Am Muskingum liegen oberhalb Zainsville, die Deutſchen Staͤdte Gnadenhuͤtten und Schoͤnbrunn.
Am Jonathanfluſſe ſahen wir am 4ten Jul. Abends 9 Uhr zuerſt den Cometen. Er ging in Nordweſt nach 9¾ Uhr unter.
Bei der großen Neigung der Amerikaner zum Reiſen fehlt es weder auf den Straßen noch in den vielen Gaſthaͤuſern an Geſellſchaft. Sehr angenehm aber iſt es, an einem Sonntage einen Zug wohlgekleideter Reiter und Reiterinnen nach der Kirche eilen zu ſehen. Hier haͤlt der Zug bei einer aͤrmlichen Huͤtte an, und, ſiehe da! es tritt ein elegantes Paar aus derſelben, beſteigt die ſchon wartenden Pferde, und ſchließt ſich dem ſtattlichen Zuge an. Jetzt blickt die Sonne her - vor, und im Nu ſind die niedlichen gruͤnen Son - nenſchirme ausgebreitet, um die Schoͤnen wider die Sonnenſtrahlen zu ſchuͤtzen.
Am 5ten Mittags kamen wir in New-Lan - kaſter (120 Meilen von Wheeling und 416 Meilen von Waſhington entfernt) an. Dieſe31 Stadt iſt eine Pflanzſtadt von Lankaſter in Pen - ſylvanien. Faſt alle Einwohner ſind Deutſche. Wir logirten bei Herrn Steinmann, welcher noch vor 6 Jahren hier fuͤr ſeine Ueberfahrt 3 Jahre dienen mußte, und jetzt ein Vermoͤgen beſitzt, was auf 20,000 Dollars geſchaͤtzt wird. — Eine Meile noͤrdlich von New-Lankaſter iſt ein etwa 400 Fuß uͤber die Ebene erhabener Fels, von welchem man eine reizende Ausſicht auf die Stadt und Umge - gend hat. Oben, dicht am jaͤhen Felſenabhange, iſt ein Stein durchhoͤhlt, wo, der Sage nach, die Indianer vormals ihre Hirſchfelle bereiteten, indem ſie unter dem 12 Zoll weiten Loche ein Feuer anzuͤndeten und oberhalb deſſelben die Felle raͤucherten.
New-Lankaſter hat viele huͤbſche Haͤuſer. Vorzuͤglich zeichnet ſich das Gerichtshaus (Court - Houſe) in der Mitte der Stadt, auf einem freien Platze aus. Inwendig beſteht es aus einem großen Gewoͤlbe, in deſſen Mitte ſich der Sitz der Sherifs, an den Seiten die Baͤnke fuͤr die Geſchwornen, dann fuͤr die Advokaten, und endlich die Sitze und Gallerie fuͤr die Zuhoͤrer befinden. Oben ſind die Zimmer, wo die Geſchwornen, nach verhandelter Sache, bei verſchloſſenen Thuͤren ihr Urtheil faͤllen.
Die Impfung der Schutzblattern wird von den Amerikanern gewiſſenhafter als in Deutſch -32 land betrieben. Das Geſetz beſtimmt, daß jedes Kind vor Erreichung des dritten Jahrs geimpft ſeyn ſoll. Aber die Einwohner laſſen die Kinder viel fruͤher impfen. Der Preis fuͤr die Impfung eines Kindes iſt ½ Dollar.
Am 6ten des Abends verließen wir New - Lankaſter und ſetzten unſere Reiſe auf Chiliko - the (75 Meilen von New-Lankaſter) weiter fort. Da ich in Neu-Lankaſter ein Pferd gekauft hatte: ſo trennte ich mich hier von meinem Reiſegefaͤhr - ten, dem Herrn Hollmann, indem er uͤber Limstone, ich uͤber Cincinnati die Richtung nahm.
Von New-Lankaſter nach Chilikothe kommt man durch ſehr große Waldſtriche, welche von Land - ſpeculanten erkauft ſind, und nun ſo hoch im Preiſe gehalten werden, daß ſolche unbebauet blei - ben. In dieſen Waͤldern fand ich verſchiedene ſehr hohe Waldroſen-Stauden in voller Bluͤthe, welche in der Nachbarſchaft des wilden Wein - ſtocks einen lieblichen Anblick gewaͤhren. Der Weinſtock waͤchſt faſt durch alle Theile der vereinig - ten Staaten wild, oft in rieſenhafter Staͤrke. Ich ſah Reben, welche auf dem Stamme 1½ Fuß Durchmeſſer hielten, und die Gipfel der hoͤchſten Eichen mit ihren Blaͤttern und Ranken bedeckten.
334In dieſen unermeßlichen Waͤldern findet man folgende Waldbaͤume:
Als ſichere Zeichen eines ſehr reichen Bodens gelten Annona triloba (pawpaw); fraxinus quadrangularis (blue ash); prunus virginiana (cherry); Juglans nigra (black walnut); Quercus alba, macrocorpa et tinctoria (whi - te, overcap and black oak); Gleditsia (la - cust). — Dagegen quercus obtusiloba (post - oak) ein ſicheres Zeichen eines feuchten aͤrmeren Bodens iſt.
Chilikothe am großen Sciota, iſt eine der bedeutendſten Staͤdte im Staate von Ohio. Gleich hinter dieſer Stadt fangen die Waͤlder wiederum an; doch fehlt es nicht an Pflanzungen, obgleich es dem Anſiedler hier ſehr ſchwer wird, ſich in den dicken Wald hineinzuarbeiten. Zuerſt hauet man den groͤßten Theil der Baͤume nieder, ſo daß etwa alle 10 — 20 Schritt einer ſtehen bleibt. Dieſen wird bloß rund um den Stamm herum die Borke abgehauen, damit ſie abſterben. In der Folge werden ſie als Feuerungsbedarf nach und nach aus den Feldern genommen. Alsdann werden die gefaͤllten Baͤume von dem Platze weg - gebracht, der Boden mit einem Pfluge ohne Raͤder aufgebrochen und mit Mais beſtellt. Hierauf wird der Platz auf die naͤmliche Art eingehegt, wie oben beſchrieben worden.
37In dem kleinen Staͤdtchen Salem logirte ich zum erſtenmale bei einem Quaͤker. Es ſind dieß gute Leute, welche viel Moral zu haben ſcheinen. Geiſtige Getraͤnke trinken ſie nicht nur nicht, ſondern fuͤhren ſie auch nicht in ihren Haͤu - ſern; daher ſie auch, wenn ſie Wirthe ſind, ſich nicht der Schilder bedienen, ſondern bloß uͤber der Hausthuͤre die Aufſchrift fuͤhren: Entrete - ment. — Mein Mantelſack, worin ziemlich viel Geld ſich befand, wurde unachtſam auf die Haus - flur hingeworfen. Auf meine Erinnerung dage - gen ſagte man mir: ich moͤge nur ohne Sorgen ſeyn, er befaͤnde ſich da ganz ſicher. Ich fand dieß unbegreiflich, indem ich bemerkte, daß im ganzen Hauſe noch keine einzige Thuͤre war; aber dennoch war meine Sorge unnoͤthig; denn am andern Morgen fand ich Alles unverſehrt. Ei - nem Europaͤer muß es unbegreiflich vorkommen, daß hier noch nicht einmal ein Argwohn wegen Stehlens Statt findet; auf meiner ganzen Reiſe iſt mir — ich moͤchte ſagen bei der großen Sorg - loſigkeit — auch nicht fuͤr einen Cent,*)Der Dollar hat 100 Cents. entwen - det worden.
38In das Thal des kleinen Miami hat man, auf dem Wege von Salem nach Chilikothe, nach lange durchreiſten Waͤldern, ploͤtzlich eine ſehr uͤberraſchende Ausſicht. Von einer Anhoͤhe uͤber - ſieht man das angebauete Thal; im Vordergrunde ein medliches Landguth; im Hintergrunde den nicht unbedeutenden Fluß.
Vor Cincinnati wurde in einer Ziegelei der Thon durch einen Ochſen zerſtampft. Er war an eine Stachelwalze geſpannt, welche, im Mittel - punkte befeſtigt, durch ihre Umdrehungen den Thon zermalmte.
Cincinnati iſt die groͤßte und volkreichſte Stadt im Ohio-Staate. Sie iſt an eine auf - ſteigende Anhoͤhe am Ohio erbauet, jetzt gegen 20 Jahre alt und fuͤr dieſe kurze Zeit außerordentlich bevoͤlkert. Sie hat uͤber 400 Haͤuſer und zaͤhlt uͤber 3000 Einwohner. Ihr Handel iſt uͤberaus bluͤhend. Im Muſeo (wo uͤbrigens nichts ſonder - liches zu ſehen war) ſah ich eine lebendige Klap - perſchlange. Dieſes furchtbare Thier ſchien ſehr traͤge; nur durch vieles Zerren mit einem Stabe konnten wir ſie bewegen, ihre Klapper hoͤren zu laſſen.
Auf dem Ohio lagen 2 Dampfboͤte, welche jedoch des aͤußerſt niedrigen Waſſers wegen nicht weiter gehen konnten.
39Am 10ten Jul. ſetzte ich uͤber den Ohio, und betrat den Staat Kentuky, nahm meinen Weg nach Bigbon, beruͤhmt durch die vielen Mam - muth-Gebeine, welche man hier gefunden hat. Die gefundenen Zaͤhne von 3 — 11 Pf. Schwere ſind theils nach Beſchaffenheit der fleiſchfreſſenden (Carnivora), theils der grasfreſſenden (Grami - nivora) Thiere gebildet, ſo, daß zwei Geſchlech - ter dieſer ungeheuren Thiergattungen vormals hier exiſtirt haben muͤſſen. Nach Jeffersons Notes on Virginia erzaͤhlte ein Chef der Delaware-India - ner, daß ſie von ihren Vaͤtern Folgendes uͤber dieſe Thiere erfahren haͤtten: „ Vor alten Zeiten kam „ eine große Anzahl dieſer ſchrecklichen Thiere nach „ Bigbon, und begann unter den Baͤren, Hir - „ ſchen, Elenden, Buͤffeln und andern Thieren, „ welche zum Nutzen der Indianer erſchaffen waren, „ eine allgemeine Vertilgung, anzurichten. Der „ große Geiſt dort oben ſah herab, erblickte den „ Unfug und ergrimmte daruͤber dermaßen, daß er „ ſeinen Blitz an die Seite ſtellte, ſelbſt auf die „ Erde herabſtieg, ſich auf einen benachbarten Berg „ niederließ und zwar auf einen Felſen, wo man „ bis dieſen Augenblick noch ſeinen Sitz und den „ Abdruck ſeiner Fuͤße ſehen kann. Von hier aus „ ſchleuderte er ſeine Pfeile unter ſie und erſchlug „ ſie alle, ausgenommen den großen Bullen, welcher40 „ mit ſeiner Stirn die ankommenden Pfeile ab - „ wehrte, aber doch endlich einen verfehlte, wel - „ cher ihm die Seite verwundete, worauf er zur „ Seite ſprang, uͤber den Ohio, Wabaſch, Juinois „ und endlich uͤber die großen Seen ſetzte, allwo „ er bis den heutigen Tag noch lebt. “
Hier befindet ſich eine ſtarke Schwefel-Quelle, wo man bereits einige Einrichtungen zum Baden getroffen, auch ein ſehr großes Haus errichtet hat, um die Badegaͤſte zu beherbergen.
Noͤrdlich von Vevay auf der Seite von Kentuky befindet ſich das niedliche Landguth des Herrn Augiel, eines ſehr gaſtfreien und artigen Franzoſen. Er hat einen guten Weinberg und einen reichen Weinkeller, nur Schade, daß er durch Zuſatz von ſtarkem Spiritus und Zucker dem Weine eine Aehnlichkeit mit dem Madeira zu ge - ben ſucht; aber die Amerikaner lieben ſolche Art Weine. In ſeiner Nachbarſchaft lebt der be - ruͤhmte Revolutionsmann Lacannal. Ich be - ſuchte ihn, und wurde mit vieler Artigkeit von ihm aufgenommen. Welche Gedanken durchkreuz - ten meinen Kopf, als ich dieſen ſonſt ſo maͤchti - gen Mann in einer gewoͤhnlichen Americaniſchen Huͤtte antraf. Ich gab ihm auf irgend eine41 ſchickliche Art meine Verwunderung uͤber ſeine jetzige Lage zu erkennen; doch Lacannal ſagte, auf ſeine Buͤcher zeigend: hier iſt meine Unterhaltung; ich kann nach Frankreich zuruͤckkehren, aber ich wuͤnſche hier zu bleiben.
Von Herrn Augiel geht der Weg an den Ufern des Ohio hin. Hier hatte ich Gelegenheit, mich zu uͤberzeugen, daß der Fluß 40 Fuß hoch ſteigen koͤnne. Ich ſah naͤmlich an den Aeſten eines Baums, welcher 10 Fuß uͤber der jetzigen Waſſerflaͤche ſtand, in der Hoͤhe von mehr als 30 Fuß einen ungeheuern Baumſtamm aufgehangen, welchen die Gewaͤſſer des Ohio dorthin getragen hatten.
Gegen Vevay uͤber liegt ein kleines Staͤdt - chen Gent. Es war Abend, als ich in Vevay anlangte. Am andern Morgen beſuchte ich ſogleich einen der erſten hieſigen Anbauer, Herrn Mon - rot. Dieſer gute alte Schweizer, aus dem Pay de Veau, empfing mich mit aller Gaſtfreundſchaft. Sogleich ward der Tiſch mit dem hieſigen Weine beſetzt, und mit Vergnuͤgen trank ich mit dem freundlichen Alten ein Glaͤschen. Ich ſah es ihm an, daß er es gut meinte und gern den Reben - ſaft mittheilte. Dieſer Wein war rein; und war42 er gleich nicht von jener Guͤte, wie Deutſchland und Frankreich ihn hervorbringen; ſo war er doch in dieſem Lande ein herrliches Getraͤnk, welches dem Koͤrper außerorbentlich wohlthat, und beſſer als alle auslaͤndiſche Weine, welche ich hier auch oft gefunden habe. Monrot erzaͤhlte mir: als er, Betang und ein Dritter, deſſen Namen ich ver - geſſen habe, hier ankamen, beſtand ihre ganze Baarſchaft nur noch in 7 Dollars. Nun fingen ſie an, mit der groͤßten Anſtrengung den Boden zu bauen; aber, leider, zog ihnen dieſes, verbun - den mit dem Clima, Fieberkrankheiten zu, und Alle waren im erſten Jahre krank. Doch jetzt, nach 16 Jahren, ſind alle Schwierigkeiten uͤber - wunden. Sie haben ſchoͤne Haͤuſer von Backſtei - nen erbauet und mit guten Weinkellern verſehen; ihr Wein, kaum ausgegohren, wird ihnen, die Bouteille zu ½ Dollar, aus dem Hauſe geholt; kurz ſie befinden ſich in ſehr großer Wohlhabenheit. Die Rebe, welche ſie bis jetzt fuͤr den hieſigen Boden und Clima am angemeſſenſten gefunden haben, iſt die vom Vorgebuͤrge der guten Hoff - nung, welche dort den herrlichen Capwein liefert. Fuͤr dieſes Jahr verſprachen die Weingaͤrten einen guten Ertrag. Sie hatten im Durchſchnitt vom Acre Wein 80 bis 300 Dollars, vom Acre Weizen 15 — 25 Dollars, vom Acre Mays 2043 bis 30 Dollars jaͤhrliche Einnahme gehabt. Der Weinbau verdient alſo von jedem Landwirthe in dieſer Gegend betrieben zu werden, inſofern Lage und Clima es erlauben; denn die mehrere Arbeit koͤmmt gegen den hoͤhern Ertrag nicht in Betracht.
Von Vevay nach Louisville iſt der Weg am Ufer des Ohio herab ziemlich ſchlecht und wuͤrde zu Wagen nicht zu paſſiren ſeyn. Auch auf die - ſem Wege hieher traf ich oft auf Deutſche.
Beilaͤufig muß ich, der Wahrheit zur Steuer, bekennen, daß man bei einem von Englaͤndern ab - ſtammenden Amerikaner faſt ohne Ausnahme beſſer logirt, als bei Wirthen, die von Deutſchen ab - ſtammen. Bei Erſterm herrſcht faſt durchgehends die groͤßte Reinlichkeit und Ordnung. Die letz - tern haben zwar ihrer Voraͤltern Fleiß und Ar - beitſamkeit; aber auch oft ihre Sorgloſigkeit in jener Ruͤckſicht beibehalten. Doch von allen die - ſen Deutſchen, welche man hier trifft, kann man durchaus nicht auf die Nation den Schluß ma - chen. Gemeiniglich ſind es ja nur Menſchen aus der niedrigſten Volksklaſſe, welche von Deutſchland heruͤber kamen, um hier Ackerbau zu treiben.
Jefferſonsville, ein kleines niedliches Staͤdtchen am rechten Ufer des Ohio. Gegen - uͤber, etwas ſuͤdlicher, liegt Louisville, eine ziemlich bedeutende Stadt, welche einen lebhaften45 Handel nach Neu - Orleans treiht. Ich hatte da - ſelbſt mit Herrn Vetter und Comp. ein klei - nes Geldgeſchaͤft abzumachen, und war ihnen durch meine Freunde von Baltimore aus noch beſonders empfohlen worden. Zur Warnung jedes Reiſen - den, welcher in dieſem Lande Geldſachen abzu - thun hat, muß ich hier die Art und Weiſe er - zaͤhlen, wie die Herren Vetter und Comp. mit mir Fremdlinge in dieſem Lande verfuhren. Herr Vetter ſagte zu mir: „ Hier iſt Alles in Vincennes-Noten, welche Landoffices Geld ſind “Ich war damit ſehr zufrieden, und glaubte Wun - der, was ich fuͤr gute Papiere erhalten haͤtte. Als ich aber in Harmonie und an andern Orten von dieſen Noten Gebrauch machen wollte, weigerte man ſich, ſie anzunehmen, und machte mir bemerklich, daß ich hintergangen ſey, wenn mir dieſe Papiere fuͤr Vincennes-Noten gegeben worden waͤren. Die letztern waͤren allerdings ſehr gut; aber die mir gegebenen waͤren alle Branch - bank-Noten von Vincennes, welche nicht courant ſeyen.
Unterhalb Louisville ſind die ſogenannten Waſſerfaͤlle des Ohio (Falls of Ohio), Der Fluß draͤngt ſich mit großem Geraͤuſch und ſtarkem Gefaͤlle durch mehrere Felſen, welche jetzt bei dem ungewoͤhnlich niedrigen Waſſerſtande46 ſichtbar waren. Oberhalb des Falles iſt der Fluß breit und tief. Gegen Louisville, da, wo der Baͤrgrasfluß ſich mit dem Ohio vereinigt, beginnt der Fall, und in den 2 Meilen, bis zum Fuße des Falls, iſt das Gefaͤlle 22½ Fuß. Boote, und alle Arten von Fahrzeugen finden in Jefferſons - ville, ſo wie in Louisville erfahrne Lootſen, wel - che die Schiffe ſicher uͤber dieſen Fall fuͤhren. Bei ſehr hohem Waſſer iſt faſt gar keine Gefahr, in - dem alsdann die Felſen gegen 20 Fuß hoch mit Waſſer bedeckt ſind, und das Ganze mehr einem reiſſenden Strome als einem Falle gleichſieht.
Von Jeverſonsville fuͤhrt die große Straße nach Vincennes zuerſt auf Albani, einem klei - nen Staͤdtchen am Ohio. Der Gaſtwirth in der goldnen Glocke beſchaͤmt manchen Wirth erſter Klaſſe in Deutſchland durch Hoͤflichkeit, Reinlich - keit, Eleganz, und — was am Ende doch die Hauptſache bleibt — durch ſeltene Billigkeit.
Im Innern von Indiana findet man zu - weilen meilenlange Strecken, wo der Wald wahr - ſcheinlich durchs Feuer vertilgt iſt; doch ſind die Plaͤtze meiſtentheils ſchon wieder mit jungen Loh - den bedeckt. Uebrigens iſt dieſer Theil eben nicht ſehr fruchtbar und uͤberaus huͤgelich. Am 16ten Jul. ſah ich in einer kleinen Stadt Peola den erſten Hafer einfahren. Vier und funfzig47 Meilen dieſſeits Vincennes findet man eine Schwe - fel-Quelle, welche ſich ſchon in weiter Ferne durch einen ſtarten Schwefelgeruch zu erkennen gibt. Das Waſſer hat eine blauweiße Farbe.
Vincennes unterm 38° 43′ Nordbr. iſt am oͤſtlichen Ufer des großen Wabaſch, in einer etwas ſandigen Wieſe erbauet. Im Jahre 1775 legten die Franzoſen hier zuerſt einen Poſten an. Die Entfernung von hier bis zur Muͤndung des Wabaſch betraͤgt 150 Meilen.
Am Wabaſch finden ſich die vorzuͤglichſten Pflanzungen im Staate Indiana. Zu Fort Har - riſon, 262 Meilen von der Muͤndung des Fluſ - ſes, aͤrndtet der Capitain Hamilton (wie man mich verſicherte) jaͤhrlich uͤber 60,000 Buͤſchel Mais zu 60 — 70 Pf. pr. Buͤſchel. Der Fluß iſt bis Fort Quiatanon fuͤr Fahrzeuge ſchiff - bar, welche bis 3 Fuß im Waſſer gehen. Klei, nere Boͤte gehen noch 197 Meilen hoͤher, da, wo der Fluß nur 9 Meilen von Miami am See Erie entfernt iſt.
Am 18ten Jul. gegen 8 Uhr Abends kam ich in die Naͤhe von Harmonie. Die Thurm - uhr ſchlug 8 — ein erfreuliches Zeichen der Cul - tur fuͤr einen Reiſenden, welcher 800 Meilen zu - ruͤckgelegt hat, ohne einen Glockenſchlag gehoͤrt zu haben. Als ich n Wirthshauſe ankam, war es,48 als ob ich mitten in Deutſchland mich befaͤnde. Kleidung, Sprache, Sitten und Gebraͤuche — Alles iſt bei dieſen Coloniſten unveraͤndert geblie - ben. Man ſetzte mir einen Krug Bier vor, und ich erſtaunte nicht wenig, hier ein aufrichtiges, echtes Bamberger Bier zu finden. Fruͤh am an - dern Morgen wurde ich durch das lebhafte Ge - toͤs arbeitender Zimmerleute geweckt. Ich ging nach dem Fruͤhſtuͤck zu Hrn. Rapp, Vorſteher dieſer Colonie, welcher mir zuvoͤrderſt ſeinen Gar - ten zeigte, wo unter mehrern ſeltnen Gewaͤchſen ſich auch eine bluͤhende Paſſionsblume befand. Dann fuͤhrte er mich zu Hrn. Becker, und bat ihn, mir Alles Sehenswuͤrdige zu zeigen. Herr Becker iſt ein Mann von feiner Bildung und ſehr angenehmen Aeußern; er fuͤhrt die Aufſicht uͤber die Handlung. Wir gingen nun zuerſt die Wol - lenzeug-Manufaktur zu beſehen. Eine Dampf - maſchine, mit der Kraft von 30 Pferden, kratzet, kaͤmmet und reinigt die Wolle, liefert von ihr kleine Docken, welche auf der Spinnmaſchine durch ein Maͤdchen und vier Kinder ſehr egal und ſchnell (40 Faden auf jeden Zug) geſponnen wer - den. Das Weben, Scheeren u. ſ. w. geſchieht wieder durch die Dampfmaſchine, welche oben - drein noch eine Mahl - und eine Schleifmuͤhle treibt.
49Weit merkwuͤrdiger war jedoch fuͤr mich die Droͤſchmaſchine, welche ich als durchaus feh -[lerfrei] anerkennen mußte. Sie liefert in Zeit von einer Stunde 20 Buͤſchel Weizen (1300 Pfund), rein, wie irgend eine gute Kornmuͤhle ihn liefert, driſcht ganz rein aus, ſelbſt wenn die Frucht feucht iſt, (ſo droͤſchte man heute Morgen gleich vom Aerndtewagen den vom Thau ziemlich ange - feuchteten Weizen), und laͤßt das Stroh ganz, ſo daß es zum Futterſchneiden, ja auch wol zum Binden benutzt werden kann. In der Folge ſoll der Dampf auch dieſe Maſchine in Bewegung ſetzen, jetzt ſind 8 Pferde und, mit Einſchluß der Kinder, 20 Perſonen zur Arbeit erforderlich. Man ſpart ſchon jetzt Dreiviertel der Arbeit, Al - les ſehr gering angeſchlagen, ohne irgend fuͤr die Zeiterſparung etwas zu rechnen. Man war nicht geneigt, mir das Innere der Maſchine ausfuͤhr - lich zu zeigen; aber die Haupteinrichtung erfuhr ich doch. Die Welle, welche die Pferde herum - drehen, ſetzt erſtens eine Trommel, faſt wie die iſt, worin wir die Kartoffeln waſchen, m Be - wegung, und dieſe Trommel thut das Ausdroͤ - ſchen. Dann drehet ſie 2 Walzen gegen einan - der, (wie unſere Kartoffelmuͤhle), die Walzen laſſen einen Zwiſchenraum von 1½ Zoll, welche Oefnung gegen einen Tiſch gerichtet iſt, auf450welchen eine Perſon die Frucht, (jedesmal einen mittelmaͤßigen Arm voll), und zwar die Aehren jedesmal gegen die Maſchine gerichtet, ausbreitet. Die Walzen ziehen die Frucht ſchnell ein, und die Trommel ſchlaͤgt augenblicklich die Frucht rein aus. Das Stroh ſcheint nicht in die Trommel zu kommen, ſondern, zwiſchen ihr und den Wal - zen durch, tiefer hinab zu fallen, wo es durch den Wind, welcher zur Reinigung der Frucht dient, und durch eine Vorrichtung, welche wie unſere Schuͤttegabel wirkt, hinten hinausgewor - fen wird. Vorn erhaͤlt man das reine Korn und an der Seite den Kaf und das Echter - Korn, jedes allein. Letzteres iſt in nicht groͤßerer Men - ge als bei unſerer Art des Reinigens vorhanden; auch habe ich es nicht mit zur ausgedroſchenen Frucht gerechnet. In Hinſicht der Wirkung der Maſchine muß ich noch bemerken, daß ich die ganze Zeit gegenwaͤrtig geweſen bin und Alles genau beobachtet habe.
Die Branntweinbrennerei und Brauerei ſind ebenfalls ſehr gut eingerichtet. Die erſtere wuͤrde noch dadurch zu verbeſſern ſeyn, daß einige hoͤl - zerne Geraͤthe, worin Maiſche gekocht wird, von Kupfer angefertigt wuͤrden. Die Hauptvortheile ihrer Einrichtung beſtehen darin, daß durch ſie - dende Waſſerdaͤmpfe alles Deſtilliren geſchieht, wo -51 durch das Product an Qualitaͤt ſo ſehr gewinnt. Dieſe Art iſt auch in jedem Lande, wo der Bla - ſenzins nicht exiſtirt, die beſte.
Auch die Feldwirthſchaft von Harmonie un - terſcheidet ſich von der ihrer Nachbarn ſehr vor - theilhaft Hier goͤnnt man dem Boden, ob er es gleich nicht bedarf, zuweilen ein halbes Jahr Ruhe; man hat halbe Brache zu Weizen, um den Acker mehr zu reinigen. Winter-Gerſte wird mit großem Vortheil gebauet, und oft ſchon An - fangs Junius geaͤrndtet.
Die hieſigen Weinberge, etwa 8 — 10 Acres enthaltend, liefern einen guten Wein, der jedoch mit Zucker und Spiritus gemiſcht zu ſeyn ſcheint. Von dem Huͤgel dieſer Weinberge hat man eine herrliche Ausſicht auf den Fluß, die Stadt, auf die Gaͤrten und Felder herab.
Das ganze Beſitzthum der Harmoniten be - ſteht etwa in 20,000 Acres oder 30,000 Calen - berger Morgen. Die Stadt iſt im Viereck ange - legt, der oͤffentliche Platz, von der Kirche, Rapps Wohnhauſe, dem Kaufhauſe, der Schule und dem Gaſthauſe eingefaßt, ſo wie die ſehr breiten Straßen, ſind ſaͤmmtlich mit 2 Reihen Pappeln bepflanzt, welches dem Ganzen ein liebliches und freundliches Anſehen gibt, und man iſt jetzt mit der Erbauung ſehr niedlicher Wohnhaͤuſer fuͤr jede*52Familie beſchaͤftigt. Wenn dieſe Arbeit beendigt iſt, muß Harmonie die ſchoͤnſte Stadt des weſt - lichen Amerika ſeyn, indem Alles in der vollkom - menſten Symmetrie erbauet wird, welches in keiner andern Stadt moͤglich zu machen ſteht; denn dort bauet Jemand eine Huͤtte, waͤhrend ſein Nachbar vielleicht einen Pallaſt neben an bauet.
Ueber die religioͤſe Einrichtung dieſer Gemei - ne konnte ich nur unbeſtimmte Nachrichten erhal - ten. In der Kirche war ſo wenig ein Altar als andere Verzierungen zu finden; auf einer Erhoͤ - hung von etwa 3 Fuß befand ſich ein Sitz fuͤr Rapp, neben dieſem ein Pult, auf welchem die Bibel lag. An jedem Sonntage redet er hier zum Volke, und ſoll ſich zuweilen einen Propheten Gottes nennen. Dann werden geiſtliche Lieder mit Muſikbegleitung geſungen. In dem Noten - buche fand ich die Arie: „ In dieſen heiligen Hallen ꝛc. “aus der Oper die Zauberfloͤte von Mozart. Oft werden Sonntags feierliche Prozeſ - ſionen mit Muſik in die Fruchtfelder von Harmo - nie gehalten. Hier gibt es denn eine ſchoͤne Ge - legenheit fuͤr den Vater, (ſo nennen die Har - moniten den alten Rapp,) im Angeſichte aller herrlichen Fruͤchte des Fleißes und der Eintracht, ſeine Kinder zu fernerer Ausdauer und Einig - keit zu ermahnen.
53Es ſcheint zwar, als ob Kapp unumſchraͤnk - ter Dirigent des Ganzen ſey, und doch werden in einem ſogenannten Brudergerichte, welches aus den Vormuͤndern der Schmiede-Schuſter Sattler - und Zimmerleute-Geſellſchaft beſteht, alle wichtige Angelegenheiten in Berathung gezogen.
Der Hauptgrundſatz der Geſellſchaft beſteht, nach dem, was ich daruͤber theils von verſchiede - nen Gliedern der Gemeine, theils von Rapp ſelbſt erfahren habe, in Folgendem:
Man behauptet allgemein, Rapp habe, als die Geſellſchaft (jetzt 800 Seelen ſtark) vor 5 Jah - ren von Penſylvanien hieher zog, das unnatuͤrli - che Geſetz gegeben: alle Verheiratheten ſollten ſich innerhalb dreier Jahre der ehelichen Beiwohnung gaͤnzlich enthalten, um dadurch mehr Zeit und Haͤnde zur Arbeit zu erhalten, und es ſchien auch54 beinahe, als ob die Kinder meiſtens von einerlei Alter waͤren Rapp ſelbſt verſicherte mich, es ſeyen Verlaͤumdungen des Neides; er lehre nach Chriſto, und ermahne zur Moral und Bruderliebe.
Die Harmoniten haben in der That gute Nahrung, Kleidung und Alles, was ſie vermoͤge ihres Standes beduͤrfen, und, ſind ſie von der Wahrheit des obigen Grundſatzes uͤberzeugt, ſo muͤſſen es die gluͤcklichſten Menſchen der ganzen Chriſtenheit ſeyn. In ganz Amerika habe ich ſel - ten den Namen Harmonie nennen hoͤren, ohne zugleich die Deutſchen wegen ihres Fleißes, ihrer Ausdauer und ihrer Rechtlichkeit loben zu hoͤren. —
Gegen Mittag (29ſten Jul.) traf ich auf der ſogenannten Engliſchen Wieſe ein, wo die Englaͤnder Birkbeck und Flower ſeit 3 Jah - ren ſich angebauet haben. Dieſe Maͤnner, welche eines Theils keine durch Fruchtbarkeit ſich ſonder - lich auszeichnende Gegend gewaͤhlt haben, und andern Theils nur wenig Fleiß im Anbau des Landes zu zeigen ſcheinen, haben dennoch bereits eine ſolche Menge Menſchen an ſich gezogen, daß ſchon eine kleine Stadt, Neu-Albion erbauet, und, der ſehr unguͤnſtigen Localumſtaͤnde ohnerach - tet, dieſe Gegend bald ſehr bevoͤlkert ſeyn wird.
55Birbeck’s Notes on a Journay in Ame - rica etc. habe ich zwar jederzeit der Wahrheit gemaͤß beſtaͤtigt gefunden; aber in ſeinen Lettres From Illinois werden ſchon jedem unbefangenen Landwirthe die aufgeſtellten Berechnungen (S. 69 bis 73) nicht begruͤndet genug erſcheinen, ge - ſchweige einem ſolchen, welcher an Ort und Stelle in oͤkonomiſcher Hinſicht unterſuchte und pruͤfte, und weder von dem in den erſteren Jahren der Cultur beſonders nothwendig werdenden In - dianiſchen Korn (Mais) noch von Weizen, auch nicht einen einzigen Acre in den weiten Wieſen - laͤndern fand; da doch viele Hunderte derſelben in den Berechnungen aufgefuͤhrt ſind. Auch iſt mir keine einzige, fuͤr die Oekonomie ſo nothwen - dige, und in dieſem Clima fuͤr die Geſundheit ſo hoͤchſt heiſame Obſt - Anlage zu Geſichte gekom - men, da doch der Pfirſichbaum ſchon im dritten Jahre fruchttragend wird, und alſo ſchnell und leicht angezogen werden kann.
Es war nicht moͤglich, von hier aus direct uͤber den kleinen Wabaſch nach Kaskaskia zu ge langen. Daher ſah ich mich genoͤthigt, wiederum ſuͤdlich gegen den Zuſammenfluß des großen und kleinen Wabaſch meine Wanderungen fortzuſetzen, wohin ein ſehr ſchoͤner fahrbarer Weg auf Car - mi fuͤhrt. Dieſe Stadt liegt am kleinen Wabaſch56 etwa 30 Engliſche Meilen oberhalb ſeiner Vereini - gung mit dem großen Wabaſch. Sie treibt einen ziemlich lebhaften Handel mit Waaren, welche, des naͤhern und ſehr ſchoͤnen Weges wegen, von Shawaneetown meiſtens zu Lande hier an - kommen.
Ehe man Carmi erreicht, fuͤhrt der Weg durch mehrere ſehr gute angebauete Pflanzungen, wo das Auge durch die uͤppigſten Maisfelder er - goͤtzt wird. Hier iſt der Strich, wo im Jahre 1813 ein fuͤrchterlicher Orkan ſeine ſchrecklichen Verwuͤſtungen anrichtete. Der Weg fuͤhrt durch einen Wald, in welchem alle Baͤume etwa 7 — 10 Fuß uͤber der Erde wie Weiden umgedreht, und ihre Haͤupter oft in entgegengeſetzter Richtung zur Erde geworfen ſind. Auf dem Ohio ergriff dieſer Orkan ein Boot, und warf es weit vom Ufer ans Land. Er durchſtrich in einer Breite von 1 Engliſchen Meile beinahe das ganze feſte Land von Amerika in der Richtung von Weſten nach Oſten.
Nicht weit von Carmi laͤuft der Weg durch eine Wieſenflaͤche, (Big-Prairie) in welcher, wegen ihrer großen Fruchtbarkeit, ſich bereits eine ziemliche Anzahl Pflanzer niedergelaſſen haben.
Dieſer ſogenannten Prairien (Wieſenflaͤchen) finden ſich im Illinois - Staate ſehr viele, und57 man koͤnnte wol annehmen, daß ſie die Haͤlfte des ganzen Flaͤchenraums betragen moͤchten. Sie ſind, nach Beſchaffenheit ihrer Fruchtbarkeit, mit hoͤhern oder niedrigern Graͤſern und Stauden uͤp - pig bedeckt, und in der That, es kann fuͤr einen Fremden nichts Einladenders gedacht werden, als ſich hier niederzulaſſen, und in dieſer Fuͤlle der Natur zu leben und zu weben. Er braucht weiter nichts zu thun, als den Pflug in dieſen meiſtens ganz ebenen Wieſenflaͤchen nur ein mal anzuſetzen, und ſeine Aecker prangen von den reichſten Fruͤch - ten und den geſegnetſten Aerndten. Wie viel leich - ter iſt hier der Anfang eines Pflanzers, als in den dichten Waͤldern am Ohio und Indiana! Zum Beweiſe dieſes erlaube ich mir nur anzufuͤhren, daß von allen Laͤndereien, welche bis jetzt im Staate Illinois zum Verkauf geſtellt ſind, noch kein Plaͤtzchen unverkauft geblieben iſt, wo in fruchtbaren ebenen Wieſen nur gutes Waſſer und Waldgrund ſich beiſammen fand. Leider fehlt aber das gute Waſſer im ſuͤdlichen Theile nur zu ſehr; dabei haben die Fluͤſſe keinen ſtarken Abfluß, welches, vereint mit mehrem Nebenumſtaͤnden, jaͤhrlich viele Fieberkrankheiten zur Folge hat; aber man findet doch, daß dieſes Uebel in eben dem Maaße abnimmt, wie das Land nach und nach mehr an - gebauet wird. Eben ſo verſchwinden mit der zu -58 nehmenden Anbauung eine Menge anderer Uebel, als: die Fliegen, Muskiten u. ſ. w.
Die Fliegen werden in den Sommermo - naten Julius, Auguſt und September, in den großen Wieſen dem Reiſenden zu Pferde aͤußerſt laͤſtig; ja man behauptet ſogar, daß dieſe Inſekten bei großer Hitze in kurzer Zeit ein Pferd zu toͤdten im Stande ſeyen.
Es gibt von dieſen Fliegen zweierlei Arten: die kleinen gruͤnen, und die großen Pfer - de-Bremſen. Die erſtern von der Groͤße der gemeinen Fliege, die zweite oft ſo groß als eine Horniſſe. Da ſie faſt immer nur den Kopf, Hals und die Bruſt des Pferdes anfallen: ſo genuͤgt eine Bedeckung von Leinwand, um dieſe Theile zu ſchuͤtzen. Gebraucht man noch außerdem die Vorſicht, groͤßtentheils vor Sonnen-Aufgang und nach Sonnen-Untergang zu reiſen: ſo iſt dieſes Uebel nur von geringer Bedeutung.
Was die Fliegen den Pferden ſind, das ſind die Muskiten dem Menſchen. Die Muskite iſt wol weiter nichts, als die Europaͤiſche Muͤcke; wenigſtens habe ich zwiſchen den Muskiten in den noͤrdlich vom Ohio belegenen Staaten und unſerer Muͤcke keinen Unterſchied gefunden. Ihr Biß iſt durchaus nicht ſchmerzhafter; ihre Groͤße, Geſtalt, und daß ſie nur an feuchten Orten und59 in der Nachtzeit ſich einſtellt; alles dieſes hat ſie mit jener gemein. In großer Menge findet ſie ſich an den niedrigen Ufern der Fluͤſſe und in un - angebaueten ſumpfigen Gegenden. Alles, was ich fruͤher uͤber dieſe Inſekten, ſo wie Alles, was ich uͤberhaupt fruͤherhin uͤber Amerika je gehoͤrt oder geleſen habe — es ſey Gutes oder Boͤſes — iſt meiſtens etwas uͤbertrieben.
Auf der andern Seite des kleinen Wabaſch findet man vielen Wald und wenigere Anpflan - zungen. Je naͤher man aber gegen Kaskaskia koͤmmt, deſto mehr vermehren ſich die Wieſen mit abwechſelnden Waͤldern, welche oft die nied - lichſten Anſichten bilden. Fehlte es hier nicht zu ſehr an Waſſer, ſo wuͤrden dieſe Gegenden zu den ſchoͤnſten und angenehmſten gerechnet werden koͤnnen.
Am andern Ufer des Kaskaskia (Oka), ei - nes hier ſehr bedeutenden Fluſſes, liegt die Stadt Kaskaskia, wo ſich gegenwaͤrtig der Sitz der Staats-Regierung befindet. Sie wurde ſchon vor laͤnger als 50 Jahren von den Canadiſchen Franzoſen angelegt und iſt eben nicht ſehr bedeu - tend; auch ſcheint ſie keine ganz geſunde Lage zu haben, indem ſie in dem Thalgrunde des Miſſiſ - ſippi (American botam) liegt, welcher durch - gehends als ſehr ungeſund bekannt iſt. Doch auch60 dieſes Uebel, welches von den Ueberſchwemmun - gen des Miſſiſſippi und dem feuchten Boden her - ruͤhrt, beſſert nach und nach die Zeit. Man hat bemerkt, daß von Jahr zu Jahr dieſes Thal theils mehr abtrocknet, theils auch gegenwaͤrtig vom Fluſſe nur ſelten, und nur an den niedern Stel - len uͤberſchwemmt wird. Seit 30 Jahren iſt Kaskaskia nicht mehr uͤberſchwemmt worden. — In der katholiſchen Kirche daſelbſt fand ich eine ziemlich zahlreiche Gemeine verſammelt. Des junge wohlgebildete Prediger erbauete in Franzoͤ - ſiſcher Sprache mit einer ſo ſeltenen Wohlredenheit und einer ſo ſchoͤnen Ausſprache, daß ich mich hoͤchlich daruͤber wunderte, weil mir dergleichen ganz unerwartet geweſen war.
Nachmittags hatte ich die Ehre, beim Herrn Gouverneur Bond zum Thee eingeladen zu wer - den, wo ich zum erſtenmale in der neuen Welt mich in eine Geſellſchaft vornehmer Damen ver - ſetzt ſah. Man bewies mir allgemein eine große Aufmerkſamkeit und zuvorkommende Guͤte. Das, was dem Fremden, mit der Landesſprache und den Sitten gewoͤhnlich zu wenig Vertrauten, ſehr angenehm zu Statten kommt, iſt die Verbannung aller ſogenannten Etiquette und unnoͤthigen Com - plimente aus hoͤhern und niedern Geſellſchaften. 61Der Amerikaner gruͤßt nie mit Abnehmung des Huthes, ſondern durch einen traulichen Haͤnde - druck. Man tritt zu den vornehmſten Perſonen mit bedecktem Haupte. Zum Eſſen und Trinken wird wenig oder gar nicht genoͤthigt; Jeder be - dient ſich der vorhandenen Speiſen und Getraͤnke nach Maaßgabe ſeines Appetits. Dennoch herrſcht in allen Geſellſchaften die groͤßte Ordnung und Wohlanſtaͤndigkeit, wobei den gegenwaͤrtigen Da - men eine hohe Achtung und Aufmerkſamkeit be - wieſen wird.
So wie in einem freien Staate der Unter - ſchied der Staͤnde nicht in Betracht kommt, ſo war dieß auch hier der Fall zwiſchen dem Gou - verneur und ſeinen Gaͤſten.
Ich machte von hier einen Spaziergang zu dem 1½ Engliſche Meilen entfernten Miſſiſſippi. Dieſer gewaltige Strom, der alle Gewaͤſſer des großen Innern von Nordamerika in ſeinem unge - heuern Bette ſammelt, war gegenwaͤrtig ſehr nie - drig; dennoch floͤßten mir ſeine ſchnell dahin flie - ßenden Waſſermaſſen Erſtaunen ein. Sein Waſ - ſer iſt truͤbe, und die Schoͤnheit des Stroms wird durch die vielen in ſeinem Bette hie und da hervorragenden Baumſtaͤmme ſehr vermindert. 62Dieſe Baͤume reißt der Strom bei hohen Waſſer - fluthen an ſeinen Ufern aus, und laͤßt ſie auf ſeichten Stellen ruhen, bis eine hoͤhere Waſſer - fluth ſie weiter befoͤrdert. Jedoch geſchieht es haͤufig, daß der Stamm mit ſeinen von Erde beſchwerten Wurzeln, im Boden des Fluſſes ſich ſenkend, haͤngen bleibt und feſtſchlaͤmmt; alsdann heben ſich die durch den Verluſt ihrer Zweige leichter gewordenen Schaͤfte uͤber die Oberflaͤche und ragen, als eingerammte Pfaͤhle, aus dem Waſſer hervor. Man hat noch vor Kurzem ein Beiſpiel gehabt, daß ein Stromaufwaͤrts gehen - des Dampfſchiff die gewaltſamen Wirkungen eines ſolchen, durch den Abbruch ſeines Hauptes zuge - ſpitzten Stammes in ſeinem Bauche erfuhr, und nach einiger Zeit ſinken mußte. Um dieſer Gefahr auszuweichen, faͤngt man jetzt an, die Dampf - ſchiffe mit einem doppelten Boden zu verſehen, damit, wenn der erſte durchbohrt wird, der zweite die gewuͤnſchte Sicherheit gewaͤhre. Jene, die Schif - fahrt unſicher und gefaͤhrlichmachenden Baumſtaͤm - me, nennen die Amerikaner Log’s oder Shnag’s.
Alle von den Franzoſen angelegten Staͤdte ha - ben gewoͤhnlich einen gemeinſchaftlichen Weideplatz, ſo wie mehrere gemeinſchaftliche Grundbeſitzungen. Auf dieſer Gemeinde-Weide vor Kaskaskia ſah63 ich, zum erſtenmal in Amerika, jenen ſchoͤnen gruͤnen Raſengrund, welchen Europa in ſo man - chen das Auge ergoͤtzenden Abſtufungen ſo lieblich darſtellt, und deſſen Daſeyn bekanntlich nur den Zaͤhnen des darauf weidenden Viehes zu verdan - ken iſt.
Von Kaskaskia ab faͤngt der ſogenannte Ame - rikaniſche Boden an, welcher das Thal des Miſ - ſiſſippi bildet. Gleich oberhalb Kaskaskia dehnt das Thal ſich bis an das Staͤdtchen Prairie des roches auf 7 Engliſche Meilen breit aus, und iſt oͤſtlich von ſteilen Felſenwaͤnden eingeſchloſſen, von welchen haͤufig die lieblichſten Quellen herab - ſprudeln. Der Fluß iſt ganz mit Wald bekraͤnzt; dann folgen bis zum Fuße der Felſen ebene Wie - ſen, deren Fruchtbarkeit alles uͤberſteigt, was man ſich in der Art denken kann.
Hier ſah ich Maisfelder, auf welchen ſeit 30 Jahren, und zwar niemals geduͤngt, Mais gebauet worden war. Sie ließen noch nichts zu wuͤnſchen uͤbrig, denn ihre Stauden prangten 15 Fuß hoch. Dieſer Boden beſteht aus ſehr fetti - gem ſchwarzen, mit Sand vermiſchten Schlamm, welcher mitunter fahl und, wegen des Ueberfluſſes von Humus, ſehr leicht iſt. Die Huͤgel uͤber den ſteilen Felſen ſind theils mit Wald, theils mit ſchoͤnem gruͤnen Raſen geziert. Hiedurch er - haͤlt das Thal eine ſehr einladende Einfaſſung, ſo wie es uͤberhaupt eine der reizendſten Gegenden des Illinois-Staats ausmacht.
65Oberhalb Krairie des roches verlieren ſich die ſteilen uͤberhaͤngenden Felſenwaͤnde in hohe Ra - ſen - und Waldhuͤgel. Auch hier ſah ich die Fort - ſetzung der Zerſtoͤrungen, welche der oben ſchon er - waͤhnte Sturmwind angerichtet, und ſeinen Weg bei Harriſonville uͤber den Miſſiſſippi genommen hatte. Doch ſchien ſeine Kraft hier nicht ſo ver - nichtend geweſen zu ſeyn, als am Wabaſch.
Wie vorſichtig der Fremde hier in der Wahl des Trinkwaſſers ſeyn muß, habe auch ich erfah - ren. Eines Abends verirrte ich mich vom Wege, und langte erſt ſpaͤt bei einem Pflanzer an, wel - cher mir, wie gewoͤhnlich, ſehr willig ein Nacht - lager in ſeiner Wohnung geſtattete. Das mir von ihm gereichte Waſſer ſchmeckte mir zwar nicht, aber ich mußte meinen Durſt damit zu loͤſchen ſuchen. Allein am andern Morgen wurde ich von einer heftigen Diarrhoͤe befallen. Es iſt daher ei - nem Reiſenden ſehr zu empfehlen, etwas ſtarken Branntwein und Zucker jederzeit bei ſich zu fuͤhren. Ein Achtel Branntwein mit 7 Achtel Waſſer und be - liebigem Zucker vermiſcht, gibt ein gutes geſundes Getraͤnk in dieſem Clima.
Am 27ten Jul. fuhr ich uͤber den Miſſiſſippi nach St. Louis, einer am rechten Ufer des Fluſſes auf einer hohen Bank belegenen Stadt, deren Unterlage aus Felſen beſteht. In dieſen566Steinen (Kalkſteinen) findet man hoͤchſt merkwuͤr - dige Abdruͤcke, z. B. vollkommene Eindruͤcke von Fuͤßen, Haͤnden, Bogen und Pfeilen der India - ner, ſo, daß man geneigt wird, zu glauben, dieſer Stein ſey in fruͤhern Zeiten eine ſo weiche Maſſe geweſen, daß er dergleichen Eindruͤcke habe annehmen koͤnnen, worauf denn durch Natur und Zeit dieſe haͤrtern Steinmaſſen gebildet worden ſeyen. — Ein ſolcher Stein befindet ſich zu Har - monie, wohin ihn die daſige Colonie, ſeiner Merkwuͤrdigkeit wegen, mit großen Koſten, 180 Engliſche Meilen weit, transportiren ließ.
Eine herrliche Quelle, welche aus dem Fel - ſenufer ſprudelt, verbunden mit der waldfreien erhabenen Gegend, war vermuthlich der Beweg - grund zur erſten Anlage von der Stadt St. Louis. Ihre Gruͤndung faͤllt in den Zeitraum, in welchem Philadelphia angelegt wurde. Erſt ſeitdem die Umgegend und die Muͤndung des Miſſiſſippi im Beſitz der vereinigten Staaten ſich befindet, iſt St. Louis auch erſt im Aufbluͤhen begriffen. Daher kann man dieſem wichtigen Platze ſein verhaͤltnißmaͤßiges hohes Alter nicht zum Vorwurfe machen. Gegenwaͤrtig wird, außer der bereits bewohnten Stadt, oben auf der Hoͤhe des Ufers die Stadt vergroͤßert, und dieſer Theil wird67 die fruͤhere Anlage, welche im erſten Zuſchnitte verdorben war, bald an Schoͤnheit uͤbertreffen. Man findet hier bereits verſchiedene ſehr huͤbſche Gebaͤude, und allenthalben iſt man mit Erbauung neuer Haͤuſer beſchaͤftigt; daher die vielen Saͤge - muͤhlen in der Nachbarſchaft, unter denen ſich auch Eine befindet, welche durch Dampf getrieben wird.
St. Louis liegt unterm 38°, 39′ noͤrdlicher Breite und mag leicht 4000 Einwohner zaͤhlen. Die Umgegend landeinwaͤrts iſt Wieſengrund, wel - cher jedoch nicht ſo fruchtbar iſt, als die Wieſen im Illinois-Staate gewoͤhnlich ſind. Dieſe Stadt iſt der Sitz der Territorial-Regierung des Miſ - ſouri-Territoriums. Der Antrag, zum Staate erhoben zu werden und ſich eine eigne Verfaſſung zu geben, fand beim Congreſſe Schwierigkeiten, indem der Congreß die Bedingung machen wollte, daß die Sclaverei im Staate von Miſſouri abgeſchaft werden ſolle. Jetzt findet man faſt taͤglich in den verſchiedenen Zeitungen Aufſaͤtze uͤber dieſen Ge - genſtand, deren Mehrzahl faſt immer gegen die Einfuͤhrung der Sclaverei im Miſſouri-Staate eifert. Ueberall wird uͤber die Moͤglichkeit, die Sclaverei, als ein anerkanntes großes Uebel, im gan - zen Umfange der Freiſtaaten abzuſchaffen, jetzt viel*68geſchrieben, ſo daß man allgemein wirklich die Hoff - nung faßt, auch die ſuͤdlichen Staaten bald von dieſer Plage befreiet zu ſehen. *)Die Miſſouri-Bill ging am 1ſten März 1820 im Hauſe der Repräſentanten nach mancherlei Debatten über die Sclaverei in jedem Gebiete durch, und das Miſſouri-Gebiet wurde den vereinigten Staaten einverleibt. Die Sclaverei oder unfrei - willige Dienſtbarkeit wurde nur in dem Sinne, als Beſtra - fung für Verbrechen, deren der Angeſchuldigte geſetzlich über - wieſen worden, zugeſtanden, in jedem andern Sinne aber auf immer verboten. Anm. d. Verl.
Das linke Ufer des Fluſſes iſt dem Einſtuͤr - zen und Wegſchwemmen ſehr ausgeſetzt, waͤhrend am rechten Ufer ſich Steine und Felſen befinden, welche die reißenden Wirkungen des Stroms ab - wehren. Dieſes Wegſpuͤlen des Ufers betraͤgt oft 10 — 20 Fuß in einem Jahre, ſo daß nicht ſel - ten ganze Pflanzungen dadurch verloren gehen. Zwei kleine Staͤdtchen, die Illinoisſtadt und Jak - ſonsville, welche St. Louis gegenuͤber erbauet ſind, laufen Gefahr, mit der Zeit gleichfalls im Miſſiſ - ſippi ihr Grab zu finden.
Im Allgemeinen kann man annehmen, daß alle Flußufer in Amerika ungeſunde Aufenthalts - oͤrter ſind, und vorzuͤglich die Ufer der groͤßern Fluͤſſe. In St. Louis findet man dieſes Jahr das kalte Fieber haͤufiger wie gewoͤhnlich. Man69 ſchreibt dieſes der großen Hitze dieſes Sommers zu, weil ſich alle Gattungen der Fieber in dieſem Jahre haͤufiger zeigen.
Als ich uͤber den Miſſiſſippi zuruͤckgekehrt war, und mich wieder im Staate Illinois befand, wen - dete ich mich aufwaͤrts, um dieſes Thal bis an die Muͤndung des Miſſouri hinauf zu bereiſen.
Einige Meilen von der Stadt Illinois fand ich die Muͤhle des Herrn Jarrot, eines Franzoſen, welche das Eigene in ihrer Einrichtung hat, daß die Waſſerraͤder liegend im Waſſer laufen und die Welle aufwaͤrts ſtehend drehen; es ſoll durch dieſe Erfindung, ſelbſt bei 7 — 10ſuͤßigem Stauwaſſer die Bewegung dieſer Raͤder nicht ge - hemmt werden.
Man findet in dieſem Thal mehrere kleine Staͤdte angelegt, welche aber nicht ſonderlich fort - kommen und zwar eben der ungeſunden Lage wegen. Z. B. St. Marie, gerade der Muͤndung des Miſſouri gegenuͤber, hat zwar 4 — 5 Haͤuſer, aber ohne einen einzigen Bewohner. Es iſt im hohen Grade zu bedauern, daß dieſe ſo fruchtbare und zum Handel ſo ſchoͤn gelegene Gegend ſo unge - ſund iſt. Aber jaͤhrlich wird der hin und wieder ſumpfige Boden immer feſter und trockner, und man darf ſich der Hoffnung uͤberlaſſen, daß auch hier die Zeit das Uebel heilen wird.
70In einer andern Stadt Namens Gibraltar, 3 Meilen hoͤher hinauf, fand ich ziemlich viel Ein - wohner und man war mit Bauen beſchaͤftigt. Mei - ne Krankheit hatte indeſſen zugenommen und war in voͤllige Diſſenterie ausgeartet; ich hatte mir in St. Louis ein Abfuͤhrungsmittel geben laſſen, aber die Krankheit ſchien dennoch nicht weichen zu wollen. Ich nahm nun deshalb etwas Opium und trank Reiswaſſer, worauf ſich das Uebel ſofort ver - minderte.
Von Gibraltar ſchlug ich den Weg nach Ed - wardsville ein. Man findet von hier ab bis auf die Thalhuͤgel (Bluffs) einige große Pflan - zungen, und, was mir noch erfreulicher war, Je - dermann war geſund und wohl.
Gegen Abend den 27ten Jul. erreichte ich Edwardsville, eine niedliche Stadt etwa 6 bis 7 Meilen von den Thalhuͤgeln des Miſſiſſippi, und 25 Meilen von St. Louis entfernt. Die frucht - bare Umgegend iſt herrlich mit Pflanzungen be - deckt, wo man die erſtaunliche Fruchtbarkeit des Bodens zu bewundern Gelegenheit hat. Ich fand den Mais (Indion-Korn) faſt durchgehends 12 bis 15 Fuß hoch. Diejenigen Gaͤrten, welche be - reits das Alter zu Obſtanlagen haben, prangen von volltragenden Pfirſichen und andern Obſtbaͤu - men. Die Pfirſiche iſt diejenige Obſtſorte, wel -71 che hier zur Verwunderung gut gedeihet. In 4 Jah - ren liefert der gelegte Pfirſichkern bereits Fruͤchte, und traͤgt nachher faſt ohne Ausnahme jedes Jahr ſo voll, daß ſeine Zweige geſtuͤtzt werden muͤſſen. Pfir - ſichbranntwein und getrockenete Pfirfichen ſind hier ſehr gewoͤhnlich. Dagegen habe ich in ganz Ame - rika den Zwetſchenbaum ſelten gefunden, außer in Harmonie; Aepfel dagegen gibt es in groͤßter Men - ge, vorzuͤglich in allen aͤltern Anlagen, und ich habe manche herrliche Sorten unter ihnen ange - troffen. Außerdem liefern die Gaͤrten Melonen, beſonders Waſſermelonen, in großer Menge und von ſeltner Groͤße; die letztern werden fuͤr eine ge - ſundere Speiſe gehalten als die erſtern. Daß hier auch alle uͤbrige Gartenfruͤchte gut gedeihen werden, laͤßt ſich aus dem Vorhergehenden erwarten; der Kuͤrbis erreicht zuweilen die rieſenmaͤßige Groͤße von 3 Fuß im Durchmeſſer. Braunen und rothen Kohl habe ich aber nirgends in Amerika angetroffen, auch ſcheint den Kartoffeln und vielen andern Ge - waͤchſen der Boden zu fett zu ſeyn. Die Kartof - feln duͤrfen z. B. nur erſt ſehr ſpaͤt, oft erſt im Julius gepflanzt werden; fruͤhgelegte gerathen faſt nie. Mais, Weizen und Hafer wachſen vortreff - lich; Gerſte und Roggen habe ich nicht gefunden.
Hier in Edwardsville traf ich mit meinem Reiſegefaͤhrten, Herrn Hollmann wiederum zu -72 ſammen, und es wird dem Leſer nicht unangenehm ſeyn, auch von ſeiner Reiſe einige Nachricht zu erhalten. Ich werde daher aus ſeinem Tagebuche einen kurzgegefaßten Auszug hier mittheilen.
Von Chilikothe wurde mir, ſagt Herr Hollmann, der Weg uͤber Limstone als der beſte fuͤr Wagen angerathen. Gleich hinter Chili - kothe wird die Gegend ſandig, ſteinig und bergig. In der kleinen Stadt Bembridge erwiederte mir der Wirth auf meine Frage: ob hier in der Nachbarſchaft auch Deutſche wohnten? „ er habe nie gehoͤrt, daß ein Deutſcher in dieſer Gegend ſich niedergelaſſen habe; “— kein uͤbles Compli - ment fuͤr meine Landsleute! — Die Gegend gleichet ſo ziemlich der Luͤneburger Heide, und da es in dieſem Lande ſo viele gute Laͤnderei gibt, ſo iſt es in der That zu bewundern, daß man hier in dieſer ſo ſchlechten Gegend noch ſo viele Pflanzun - gen findet. Es ſind aber dieſe Anbauer faſt lau - ter Irrlaͤnder, und zuweilen gerathen dieſe armen Leute durch die Betruͤgerei von Speculanten auf ſol - che ſchlechte Laͤnderei. Ein hieſiger Kaufmann kauft z. B. eine Menge Land in einer oͤffentlichen Ver - ſteigerung. Hierauf ſchreibt er ſeinen Correſpon - denten in Neuyork, Philadelphia ꝛc. zeigt ihnen die Nummern der Section an und ertheilt ihnen74 den Auftrag, ſolches an neuankommende Emigran - ten als gutes Land zu verkaufen. Dadurch er - haͤlt er gleich die ganze baare Summe fuͤr das erkaufte Land, wofuͤr er jedoch erſt im 5 Jahren das Ganze zu bezahlen hat. Dieſer Vortheil wuͤrde ſchon hinreichend ſeyn; aber der Kaͤufer muß auch in den meiſten Faͤllen noch 30 — 50 pCt. mehr dafuͤr bezahlen, als der Einkaufspreis dafuͤr ge - weſen war.
In Uniontown hatte ich einen beſondern Vorfall. Ich gerieth naͤmlich mit einem Menſchen ins Geſpraͤch, welcher bald darauf in Franzoͤſiſcher Sprache ſagte: er habe mir ein paar Worte unter vier Augen zu ſagen. Ich erfuͤllte ſeinen Wunſch, und, ſiehe da! er war ein Methodiſt, welcher mich zu bekehren die Abſicht hatte. Er ſchwatzte mir ſo Vieles von der einzigen Seligkeit und Inſpira - tion unſers Heilandes vor — daß mir angſt und bange wurde. Auch wurde er, wie es ſchien, bei dieſer Rede ſelbſt inſpirirt; denn er machte ver - ſchiedene convulſiviſche Gebaͤrden, und ſchien end - lich mir um den Hals fallen zu wollen. Ich ſagte ihm aber kalt und kurz: Alles, was er mir jetzt geſagt habe, ſey mir nicht recht deutlich, und es fehle mir an Zeit, mir es von ihm deutlich ma - chen zu laſſen. Hierauf ließ ich ihn ſtehen; the rascal! “ (der Schurke!) murmelte er hinter mir her.
75Von Uniontown fuͤhrt ein ziemlich ſchlechter Weg fortwaͤhrend nach Limstone. Die Ueber - raſchung iſt groß, wenn man das Ende des Waldes erreicht hat, wo man ſich auf einem hohen ſteilen Berge befindet, unter deſſen jaͤher Wand der Ohio dahinfließt, und auf deſſen anderm Ufer man eine Ebene voller Pflanzungen und Obſtgaͤrten, welche die Stadt Limstone umgeben, erblickt. In der unglaublichen kurzen Zeit von 3 Minuten wird man uͤber den ziemlich breiten Fluß geſetzt. Das Faͤhrſchiff iſt rund; in der Mitte iſt der Platz fuͤr 6 Pferde, welche die Maſchinerie in Bewe - gung ſetzen, die ein Ruderrad 14mal geſchwinder umdreht, als die Pferde gehen; daher die unglaub - liche Geſchwindigkeit dieſes Fahrzeugs. Es iſt mit einer Gallerie umgeben und hat einen Pavillon von 2 Etagen fuͤr die Paſſagiere; der untere Raum auf dem Deck iſt fuͤr Wagen und Pferde beſtimmt. Oben auf dem Pavillon findet der Ueberfahrende Zeitungen ꝛc. ; auch jede Art von Erfriſchung iſt am Bord zu haben. Hier in Limstone befindet ſich eine Dampfmuͤhle, welche taͤglich 160 Buͤſchel Weizen verarbeitet. Gegenwaͤrtig lagen 130,000 Tonnen Weizenmehl, welche nach Neu-Orleans verkauft waren, vorraͤthig; aber des niedrigen Waſ - ſerſtandes wegen noch nicht hatten abgefuͤhrt wer - den koͤnnen.
Lexington, die Hauptſtadt des Staates Kentuky, iſt von Maisville (Limstone) 120 Mei - len entfernt. Der Weg fuͤhrt durch die fruchtbar - ſten Gegenden, bereits allenthalben mit bluͤhenden Pflanzungen und recht huͤbſchen Landguͤthern be - ſetzt. Denkt man ſich hier in dieſe ſo herrlich ange - baueten Gegenden um 20 Jahre zuruͤck, wo noch alles Wald und Wildniß war, und nur hin und wieder ein Jaͤger ſich angeſiedelt hatte: ſo braucht man eben kein großer Prophet zu ſeyn, um vor - herſagen zu koͤnnen, was Ohio, Indiana, Illi - nois, kurz das geſammte weſtliche Amerika in wenigen Jahren ſeyn wird.
Die Stadt Lexington, obgleich erſt 20 Jahre alt, iſt die reichſte und ſchoͤnſte Stadt im weſtlichen Amerika. Ihre Umgebungen ſind mit herrlichen Landhaͤuſern wie uͤberſaͤet, deren einige auch Weinberge haben. Man iſt jetzt eben allent - halben mit der Weizenaͤrndte beſchaͤftigt. Alle Fruͤchte werden hier, wie im ganzen Lande, mit der Sichel geſchnitten. Weizen, Mais, Tabak, Hafer und Hanf ſind die gewoͤhnlichen Producte der hieſigen Landbauer. Dieſe Gegend war vor 20 Jahren, als man anfing ſich hier anzubauen,77 als eine der allerungeſundeſten verſchrieen, und zwar mit Recht; jetzt weiß man von keinen Krank - heiten mehr, und die Gegend gilt weit und breit umher fuͤr aͤußerſt geſund.
Louisville am Ohio entſprach meinen Er - wartungen keinesweges. Ich hatte mir dieſe Stadt groͤßer und ſchoͤner gedacht; auch ſoll der Aufent - halte daſelbſt ſehr ungeſund ſeyn. In einem Dampf - faͤhrſchiffe ſetzte ich von hier uͤber nach Neu-Al - bani im Indiana-Staate. Dieſe Stadt iſt erſt 4 Jahre alt und hat dennoch bereits 70 ziem - lich anſehnliche Haͤuſer.
An Geſellſchaft fehlt es einem Reiſenden in Amerika ſelten. Heute z. B. beſteht unſere Reiſe - Geſellſchaft aus 14 Perſonen, und ſo geht es faſt alle Tage.
Faſt mehrentheils durch Waͤlder fuͤhrt der Weg nach Vincennes. An Wirthshaͤuſern fehlt es auch in dieſen wilden Gegenden doch nicht, und oft iſt das Innere derſelben weit beſſer, als das Aeu - ßere verſprach; faſt allenthalben findet man Rein - lichkeit und gute Bedienung.
Vincennes iſt eine der bedeutendſten Staͤdte im Indiana-Staate, welche von Franzoſen zu - erſt angelegt wurde; man findet auch jetzt hier de - ren noch viele.
Am 11ten Jul. ſetzte ich, in Geſellſchaft von 10 Reiſenden zu Pferde, uͤber den Wabaſch, und betrat den Illinois-Staat.
Hat den Reiſenden von der Kuͤſte des at - landiſchen Meers her das ewige Reiſen in Waͤl - dern ermuͤdet: ſo glaubt er ſich in eine andere Weltgegend verſetzt, ſobald er uͤber den Wabaſch koͤmmt und jene großen Wieſenflaͤchen (Prairies) mit kleinen Holzrevieren abwechſelnd, vor ſeinen Augen ausgearbeitet ſieht. Doch dieſe iſt Eine der groͤßten und durch den Holzmangel zur Be - bauung eben nicht ſehr geeigneten Wieſen.
Nach einer 22 Meilen langen Reiſe, fort - waͤhrend durch dieſe Prairien, erreichten wir das Wirthshaus. Es war ganz mit Reiſenden ange - fuͤllt. Demohnachtet wurde Jeder genuͤgend be - dient, die Pferde gut in Acht genommen, und nur in Anſehung des Nachtlagers war die Be - quemlichkeit freilich nicht groß; Jeder mußte ſich auf dem Fußboden ſein Bette zubereiten ſo gut er konnte, und auch hier zeigt der Amerikaner ei - ne beſondere Unbefangenheit, welche Folge der edeln Freiheit iſt; Alles macht ſich ohne Umſtaͤnde und Complimente. Dieſe Art zu leben, welche79 mir Anfangs aͤußerſt fremd und unangenehm war, erhielt bald meinen ganzen Beifall; man fuͤhlt ſich nach und nach ſelbſt frei unter freien braven Menſchen. Der Character der Amerikaner, wel - cher mir anfangs ſo wenig zuſagen wollte, iſt dennoch im Ganzen gut; ſey es, daß die Ange - woͤhnung, mit ihnen zu leben, nach und nach mein Urtheil geaͤndert hat, oder daß das Volk ſelbſt hier wirklich beſſer als in den oͤſtlichen Staaten iſt.
Der Weg fuͤhrt durch Wieſen, wo man den ganzen Tag kein Haus, ja nicht einmal einen Baum antrift, in deſſen Schatten man vor der brennenden Sonnenhitze geſchuͤtzt, ausruhen koͤnnte. Hier waͤre der Platz, wo meine fleißigen Lands - leute, welche in dieſes Land einwandern, mit Leichtigkeit und ſchnell ein eintraͤgliches Eigenthum erwerben koͤnnten. Es wuͤrde ſehr vortheilhaft ſeyn, wenn mehrere wohlhabende Maͤnner, ſey es in Amerika oder Europa, eine Geſellſchaft bildeten, welche armen Landsleuten einen hinreichenden Vor - ſchuß machten, um hier eine Pflanzung zu er - richten. Wie manches theure Leben wuͤrde durch eine ſolche Vereinigung und zweckmaͤßige Maaß - regeln gerettet werden! Auch wuͤrde ein ſolcher in dieſem Staate, bei Fleiß und Thaͤtigkeit, in we - nigen Jahren das wohlhabende Haupt einer freien Buͤrgerfamilie werden. Wandert der Deutſche,80 der Europaͤer uͤberhaupt, ohne alle Kenntniß des Landes und der Sprache ꝛc. — wie es meiſtens der Fall iſt — nach Amerika: ſo kann man ſich eben nicht wundern, wenn derſelbe aller Orten betrogen wird, im Lande ſelbſt in ſchlechte Gegen - den und auf ſchlechte Laͤndereien geraͤth, wo er unter anſtrengenden Arbeiten einen guten Theil ſeines Lebens vertrauert, und wodurch er nicht ſelten Alles einbuͤßt.
„ Was aber ſoll der Europaͤer uͤberhaupt — oder der fleißige Deutſche insbeſondere — thun, wenn er in ſeinem Vaterlande keine Ausſicht zu ſeinem Fortkommen weiter ſieht und nun ſein Heil in der neuen Welt zu ſuchen waͤhnt? Wie ſoll ers anfangen, ſo lange jene Geſellſchaft nicht exiſtirt, ſich vor den Prellereien zu huͤlen, die ſei - ner in Amerika warten? “—
Ich habe einen ziemlichen Theil des Ameri - kaniſchen Feſtlandes durchſtrichen, und glaube faͤ - hig zu ſeyn, einige Rathſchlaͤge daruͤber ertheilen zu koͤnnen.
Vorausgeſetzt, daß ein nicht ganz huͤlfloſer, von allen Mitteln Entbloͤßter, der Arbeit unge - wohnter Armer; und angenommen, daß ein thaͤ - tiger, ruͤſtiger, mit einigen Mitteln verſehener fleißiger Landmann dieſe Fragen thut: ſo glaube ich folgende Anſicht dem letztern hier aufſtellen zu81 koͤnnen. Geſetzt ein in Europa lebender Tagloͤh - ner oder Beſitzer einiger Grundſtuͤcke kann bei allem Fleiß und Streben nicht vorwaͤrts kommen, und er iſt mit ſich einig geworden, ſein Gluͤck in Ame - rika zu verſuchen: ſo kann das vernuͤnftiger Weiſe nicht anders geſchehen, als wenn er ſo viel Baar - ſchaften beſitzt, um die Reiſe bezahlen zu koͤnnen - und ſo viel uͤbrig behaͤlt, um dort ein Landſtuͤck ſich zu erwerben. Geſetzt nun ferner, ein ſol - cher machte in ſeinem Vaterlande ſeine Grund - ſtuͤcke, Moͤbeln, Vieh ꝛc. zu Gelde, und vermoͤchte davon 4 bis 500 Rthlr. zuſammenzubringen, ſo wuͤrde dieß im Mittel-Durchſchnitt etwa 300 Dollars betragen. Davon bedarf er
Nach Beſtreitung dieſer unvermeidlichen Aus - gaben behaͤlt er noch 100 Dollars uͤbrig, welche er zur Anſchaffung des nothwendigen Inventariums anwenden muß. Dann wird er aber, wenn er ſeinen Deutſchen Fleiß auch hier anwendet, nicht allein im Stande ſeyn, die uͤbrigen Dreiviertel fuͤr den Ankauf des Landes in 5 Jahren zu bezahlen, ſondern er wird auch ohne Zweifel noch einigen Ueberſchuß behalten koͤnnen. Nach 5 Jahren aber wird er nicht nur voͤlliger Beſitzer von 160 Acres freien Landes ſeyn, ſondern er wird auch im Be - ſitze eines bedeutenden Viehſtapels ſich befindem welcher ihm in dieſen Jahren, durch die reichen fetten Wieſen genaͤhrt, ohne alle Koſten zugewach - ſen ſeyn wird.
Stellt man nun eine Vergleichung an, was ein ſolcher Menſch innerhalb 6 Jahren in Europa erworben haben wuͤrde; ſo kann wol mit aller Sicherheit folgendes Reſultat angenommen werden:
In Europa vermochte er in den gluͤcklichſten beſten Jahren vielleicht kaum, oder vielmehr hoͤch - ſtens 50 Rthlr jaͤhrlich zuruͤckzulegen; (aber wie Viele gibt es nicht, welche nicht nur Nichts uͤbrig behalten, ſondern wol noch Gott danken, wenn ſie nur keine Schulden machen, und wer hat wol, unter den vorausgeſetzten Umſtaͤnden, ſolche 6 hin - tereinander folgende gluͤckliche Jahre erlebt? —83 Aber dieß angenommen, ſo wuͤrde ſich ſein effec - tives Vermoͤgen innerhalb 6 Jahren um 300 Rthlr. (oder 200 Dollars) vermehrt haben.
In Amerika ſieht es dagegen anders mit ihm aus. Dort hat er nach 5 Jahren ange - ſtrengten Fleißes (denn 1 Jahr muß auf die Ueberfahrt und die Vorbereitungen verwandt wer - den) wirklich
Zieht man von dieſen 1340 Dollars die aus Europa mitgenommenen 300 Doll. ab, ſo bleiben ihm 1040 Dollars, alſo ⅘ mehr als er in Euro - pa zu erwerben vermochte, uͤbrig. Daß der Acre Land nach 5 Jahren von 2 Dollars auf 4 Dollars ſteigt, iſt aber auch die allergeringſte Annahme, weil fuͤr die Gebaͤude, Befriedigung u. dgl. nichts gerechnet iſt; oft ſteigt der Acer in 5 Jahren auf 20 Dollars.
*84Noch iſt zu beruͤckſichtigen, daß er hier einer der freien Buͤrger des freieſten Staats iſt; ſeine Verhaͤltniſſe ſind durch die weiſeſten Geſetze auf das genaueſte beſtimmt; ihm und ſeinen Kindern ſteht der Weg zu den hoͤchſten Wuͤrden des Staats offen; nur Tugend, Verdienſt und Wuͤrdigkeit, nicht Geld oder Geburt, ſind die Mittel, um zu ihnen zu gelangen.
So weit meine Anſichten uͤber dieſen Gegen - ſtand. — — Ich fahre in meinen Reiſeberichten fort.
In der Mitte der oben erwaͤhnten, 24 Mei - len im Durchmeſſer enthaltenden Prairie, brach an meinem Wagen eine Achſe, wodurch ich in nicht geringe Verlegenheit gerieth. Die berittenen Reiſegeſellſchafter konnten mir nicht helfen und mußten mich verlaſſen; aber zwei Fußgaͤnger, wel - che von Baltimore her auf dieſe Art die Reiſe gemacht hatten, waren mir thaͤtige Helfer in der Noth. Sie gingen 3 Meilen wieder zuruͤck, um einen Baumſtamm zu holen, welchen wir dort am Wege liegen geſehen hatten. Mit vieler Muͤhe brachten wir alsdann den Wagen bis zum naͤch - ſten Hauſe. Dieſe braven Amerikaner vergalten mir Boͤſes mit Gutem; ſie waren bisher ſchon lange in unſerer Geſellſchaft geweſen, und bei der Durchfahrt eines Fluſſes hatte ich es ihnen nicht erlauben wollen, ſich auf meinen Wagen zu ſetzen.
85Als wir beim naͤchſten Wirthshauſe ankamen, hatten die uͤbrigen Reiſegefaͤhrten bereits einen Stellmacher herbei holen laſſen; und ſo war es mir, durch die menſchenfreundliche Beihuͤlfe mei - ner Reiſegefaͤhrten moͤglich, bereits am andern Morgen die Reiſe mit ihnen fortzuſetzen. Die Hitze wurde gegen Mittag ſo druͤckend, und die Fliegen ſo unertraͤglich, daß wir uns entſchließen mußten Halt zu machen; erſt gegen 6 Uhr Abends ſetzten wir unſere Reiſe weiter fort. In dieſen Prai - rien iſt das Reiſen zur Nachtzeit ſehr vorzuziehen. Den ſchoͤnen ebenen Weg kann man auch ohne Mondſchein finden, und die Pferde werden weder von der Hitze noch von den Fliegen geplagt.
Der Wirth in der naͤchſten Taberne empfing uns mit der Anrede: „ er betreibe die Wirthſchaft nur beizu, und verlange von ſeinen Gaͤſten, daß ſie ſich nach ihm richten muͤßten; wem das nicht anſtehe, der moͤge weiter reiſen. “ Die Reiſege - ſellſchaft fand dieſe Anrede des Wirths zwar ſehr ſonderbar, beſchloß jedoch, hier einzukehren, indem das naͤchſte Wirthhaus ſehr weit entfernt, Roß und Mann aber ſehr ermuͤdet waren. Nach ver - zehrtem Abendbrodt begann der Wirth mit ſeiner Familie zu beten und zu ſingen, daß uns muͤden Wanderern die Ohren gellten. Mancher der Rei - ſenden wuͤrde ſich dieſe Unterhaltung gern verbe -86 ten haben, wenn der Wirth ſich bei unſerm Ein - tritt nicht obgedachter Maaßen verwahrt gehabt haͤtte. Nach verrichtetem Gebet erzaͤhlte mir der Wirth, daß er in ſeiner Religionsuͤbung oft von Reiſenden geſtoͤrt und manchmal ſogar ſchaͤndlich verſpottet worden ſey, weshalb er ſich genoͤthigt geſehen habe, bei der Aufnahme von Gaͤſten jene Bedingung zu machen. Er war ein Quaͤker.
Am 23ten Jul. traf ich zu Ewardsville ein. Die vorzuͤglichſte Merkwuͤrdigkeit, welche mir hier aufſtieß, war das Lager der Kikapou-India - ner, welche ſich jetzt hier aufhielten, um mit den Bevollmaͤchtigten der vereinigten Staaten einen Vertrag abzuſchließen, wodurch ſie allen ihren Rech - ten und Anſpruͤchen auf die Laͤndereien am San - goͤmo, Onaquispaſippi und im ganzen Staate Illinois entſagten, ſolche an den Congreß abtraten und dann ſofort den Staat von Illinois raͤumten. Ihre Farbe iſt rothbraun, ihr Geſicht unregelmaͤßig, oft ſchauderhaft mit hellrother Farbe bemahlt, ihre Haupthaare ſind abgeſchoren bis auf einen Schopf auf dem Scheitel, und mit verſchiedenen Farben bemahlt. Bekleidet ſind nur ſehr wenige; im Sommer iſt eine wollene Decke, im Winter eine Buͤffelhaut ihre ganze Bedeckung. Zierrathen von Silber, als: Ringe um den Hals und Arme - auch Schilder vor der Bruſt getragen, ſcheinen bei ihnen ſehr beliebt zu ſeyn.
87In Edwardsville wurde mir geſagt, 4 Mei - len von da wohne ein Deutſcher Pflanzer Namens Barensbak (Baͤrensbach), welcher ein ſehr ſchoͤnes Landweſen beſitze; ich ſaͤumte nicht, ihn zu beſuchen, und zu meiner hoͤchſten Freude fand ich einen Braunſchweiger Landsmann in ihm. Sein Vater war fruͤherhin Ober-Salz-Inſpektor zu Salzgitter geweſen, und hatte das Guth gro - ßen Heerde im Fuͤrſtenthum Hildesheim in Pacht gehabt. Man mag ſich unſere gegenſeitige Freude ſelbſt denken! Wie bruͤderlich, wie innig wurde ich von dieſem meinem braven Landsmanne aufgenommen! wie groß war ſeine Freude, als er hoͤrte, daß ich in ſeiner Nachbarſchaft geboren ſey! In 19 Jahren hat er nichts aus ſeiner Vaͤter Heimath vernommen. Anfangs hatte er in Kentuky gewohnt, wo er auch noch 500 Acres Land beſaß; ſeit 9 Jahren wohnte er nun hier im Illinois-Staate, war Beſitzer von 800 Acres gu - ter Laͤnderei, 6 Pferden, 50 Stuͤck Hornvieh, 70 Schweinen und 40 Schaafen. In ſeinem Garten fand ich, außer vielem Gemuͤße ꝛc. eine Menge Pfirſchenbaͤume, welche zum Zerbrechen voller Fruͤchte hingen. Er fuͤhrte mich in ſeine Felder, wo ich denn Gelegenheit hatte, die Ueppigkeit des hieſigen Bodens zu bewundern. Der Mais war meiſtens 12 bis 15 Fuß hoch; Weizen und Hafer war be -88 reits eingeſcheuert. Der ſchwarze Boden ſcheint nur aus Dammerde, mit etwas Sand vermiſcht, zu beſtehen. Er hat gemeiniglich eine Tiefe von 4 — 6 Fuß, dann folgt gelber Lehm, zuweilen auch Kies.
Gleich nachdem ich mich in Edwardsville mit meinem Reiſegefaͤhrten wieder vereinigt hatte, be - ſuchten wir unſern Landsmann Baͤrensbach - um ihn zu erſuchen, daß er uns die Laͤndereien zeigen moͤchte, welche am 1ſten Auguſt d. J. im Landoffice zu Edwardsville oͤffentlich verſteigert werden ſollten. Er erfuͤllte unſern Wunſch nicht nur mit der groͤßten Bereitwilligkeit; ſondern wir verdanken dieſem braven Manne auch noch man - che andere nuͤtzliche Nachricht; ſeine gepruͤften Er - fahrungen und ſeine uns gegebenen Rathſchlaͤge haben wir jederzeit fuͤr uns ſehr heilſam gefunden. Er iſt in der ganzen Umgegend ſo ſehr geachtet, daß wir ſeinen Namen faſt niemals von den Einwoh - nern haben nennen hoͤren, ohne daß er mit großen Lobeserhebungen begleitet worden waͤre. Trotz ſeiner Abneigung gegen jeden oͤffentlichen Dienſt, hat man ihn doch zu dem wichtigen Amte eines Richters berufen.
Die 24 Townships, welche zum Verkauf kamen, liegen zwiſchen hier und Edwardsville, am Shoolkreek, Sugarkreek und Silberkreek. Es iſt viele ſehr gute Laͤnderei darunter, und wie wuͤr -90 den gewiß auf dieſer Auction Land gekauft ha - ben, wenn es moͤglich geweſen waͤre, in der Naͤhe von der nun erſt anzulegenden Stadt Vandalia etwas recht gutes zu erhalten.
Dieſe Stadt ſoll, laut der am Ende ange - fuͤgten Conſtitution des Illinois-Staats, der Sitz des Gouvernements ſeyn, und die Lots (Bauſtellen) werden am 6ten Sept. d. J. gleich - falls oͤffentlich verkauft werden. In der Umge - gend dieſer Stadt befindet ſich eine große Menge ſehr ſchoͤner Laͤnderei; aber Jedermann iſt voll des Lobes derjenigen, welche etwa 60 bis 80 Meilen nordwaͤrts am Fluſſe Sangoͤmo liegen. Die Indianer haben ihren Vertrag mit dem Con - greſſe abgeſchloſſen, und der letztere iſt nun im voͤlligen Beſitze dieſer ſo hochgeruͤhmten Landſtriche. Alles dieſes in Erwaͤgung gezogen, hielten wir es fuͤr gerathener, die Zeit abzuwarten, und beſchloſ - ſen, vorerſt uns in der Stadt Vandalia anzu - ſiedeln, und dann von hier aus zu ſeiner Zeit Land anzukaufen. Um indeß die Zwiſchenzeit ſo gut als moͤglich zu benutzen, fingen wir an, hier ein klei - nes Haus, nach Art der Amerikaner, von Balken, (welche aufeinander gelegt und an den Enden eingefalzt werden), zu erbauen. Sobald dieſer Bau ſo weit gediehen war, daß mein Reiſegefaͤhrte. ſolchen allein zu vollenden im Stande war, machte91 ich mich auf die Reiſe, um auch das Wunder - land am Sangoͤmo zu beſehen, ehe ich nach Eu - ropa zuruͤckkehrte. Am 27ſten Auguſt trat ich in Begleitung eines Wegweiſers dieſe kleine Reiſe an. Wir waren beide zu Pferde, und hatten un - ſere Mantelſaͤcke, ſo reichlich als moͤglich, mit Proviant fuͤr Mann und Roß angefuͤllt, weil auf dergleichen in jenen Gegenden nicht viel zu rech - nen iſt. Von Edwardsville fuͤhrt eine große ſehr befahrne Straße dorthin. Um dieſe zu erreichen, ritten wir von Vandalia aus uͤber den Shool - kreek und dann in den Wieſen nordwaͤrts. Wir ließen die Waͤlder der Quellen des