LUISE
[2][3]Mach’ auf, edeler Greis! Wer klopfet da? Freund’ und Bekannte. Leiſe klopfet der Freund. Aber du höreteſt nicht. Still! ihr weckt mir die Mädchen! Sie lieben uns. Sollen ſie aufſtehn Spät in der Nacht? Aufſtehn, und die Geliebten empfahn. Welche denn? Kennſt du den Pfarrer von Grünau? Was! und Luiſe? Auch ihr Mann. Und wo bleibt Müt - terchen? Mütterchen auch. [4]Mädchen, heraus! mit dem ſchönſten be - wirtet ſie! Alter, nur Obdach, Und ein freundlich Geſicht. Trauteſie, kommt! denn es friert!
Drauſsen in dunkeler Kühle der zwo breitblättrigen Linden, Welche, die tägliche Stub’ an der Mit - tagsſeite beſchattend, Über das moſige Dach hinſäuſelten, ſchmauſte behaglich Im Schlafrocke der Pfarrer am ſteinernen Tiſch auf dem Seſſel, Den vor dem Winterkamin ſein alter künſtlicher Hausknecht8LUISEHeimlich geſchnizt, und mit Weiſs und glänzendem Grüne bemalet. Sorglos ſaſs nun der Greis, von Geliebten umringt, und erfreute Mit lehrreichem Geſpräche ſein Herz, und mancher Erzählung. Küchlein in frohem Gedräng’ und das Perlhuhn pickten der Jungfrau Brot aus der Hand; weil ferne der trozi - ge Hahn mit den Weibern Harrte des Wurfs, und die trippelnde Taub’ und der kollernde Puter. Nachbarlich dort im Schatten des blüten - doldigen Flieders Nagte des Feſtmahls Knochen Packan, und murrete ſeitwärts Gegen die laurende Kaz’, und ſchnappte ſich ſumſende Fliegen. 9ERSTE IDYLLEAber Mama, ſanftlächelnd der wohlbe - kannten Erzählung, Zupfte geheim Luiſen, die neben ihr ſaſs, an dem Ermel, Neigt’ ihr nahe das Haupt, und begann mit leiſem Gefliſter: Gehen wir noch in den Wald, mein Töchterchen? Oder gefällt dirſ, Weil die Sonne ſo brennt, in der Geis - blattlaub’ an dem Bache Deine Geburt zu feiren? Du blickſt ja ſo ſcheu, und errötheſt. Hold erſtaunt antwortete drauf das roſige Mägdlein: Nicht in der Laube, Mama! Das Geis - blatt duftet des Abends Viel zu ſtreng’, und zumal mit der Lilien und der Reſeda10LUISEDufte vermiſcht; auch ſchwärmen die Mücken ſo wild an dem Bache. Lieblich ſcheint ja die Sonn’, und am waldigen Ufer iſt Kühlung. Und zu dem Pfarrer begann die alte verſtändige Hausfrau: Väterchen, danken wir Gott? Luiſe be - gehrt den Geburtstag Lieber im Wald’, als unten am Bach in der Laube zu feiern. Lieblich ſcheint ja die Sonn’, und am wal - digen Ufer iſt Kühlung. Jetzo mein Rath. Herr Walter, der klei - ne Graf und Luiſe Gehn voran, und wählen den Ort, und ſuchen uns Brennholz. O der Beſuch auf dem Schloſs! Mit Ama - lia wäre der Gang doch11ERSTE IDYLLE. Luſtiger! Aber wir beiden Gemächlichen fahren den Richtweg Über den See; der Verwalter, das wiſſen wir, leihet uns gerne Seinen Kahn. Doch wünſcht’ ich, daſs unſer Papa noch ein wenig Schlummerte. Mittagsſchlaf iſt die ange - nehmſte Erquickung Alter Leut’ im Sommer, zumal in der Blüte der Bohnen. Drauf antworteteſt du, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau: Hört er, mein Sohn, wie ſie waltet, die Herſcherin? Aber ich muſs ſchon Folgſam ſein; denn es gilt den Geburts - tag meiner Luiſe. Kinder, wir beten zu Gott dem unend - lichen! Betet mit Ehrfurcht. 12LUISEDieſes geſagt, entblöſste der redliche Vater die Scheitel, Glänzend kahl, und umringt von ſchnee - weis prangendem Haare, Senkte den Blick demütig, und ſprach, mit gefalteten Händen: Lieber Gott, der du alles, was lebt, mit Freud’ und Erquickung Sättigeſt, höre den Dank, den deine Kin - der dir ſtammeln. Wir ſind Staub. O beſchirme, wenns frommt, in dem Leben der Prüfung Uns vor Trübſal und Noth, wie vor üp - pigem Stolz und Leichtſinn; Bis wir bewährt aus dem Staube zu dei - ner Herrlichkeit eingehn. Meine Kinder, ich wünſch’ euch eine ge - ſegnete Mahlzeit. 13ERSTE IDYLLEAlſo der Greis; da nahten ſie all’, und küſsten den Mund ihm Dankend; es küſst’ ihn umarmend die roſenwangige Tochter; Dann an die Wang’ ihm geſchmiegt, lieb - koſte ſie. Aber mit Inbrunſt Herzte der Greis ſein freundliches Kind, auf dem Schooſse ſie wiegend. Beid’ an der Hand nun faſſend die Fremd - linge, ſagte die Mutter: Seid ihr auch ſatt, ihr Lieben? Nur Baurenkoſt war es freilich, Und kein gräflicher Schmaus; doch hoffen wir, Freunde des Hauſes Werden die That mit dem Willen ent - ſchuldigen. Trinken wir jetzt noch Kaffe hier? Vornehme genieſsen ihn gleich nach der Mahlzeit. 14LUISEIhr antwortete drauf der edle beſchei - dene Walter: Herzlich danken wir, liebe Mama, für die ſchöne Bewirtung. Machen Sie Karl nicht roth. Gut ſein iſt beſſer, denn vornehm. Säſse bei ſolchem Mahle der Ländlich - keit ſelbſt auch der Kaiſer, Unter dem Schatten der Bäum’, in ſo trau - licher lieber Geſellſchaft; Und er ſehnte ſich ekel zur Koſt der fran - zöſiſchen Köche Und zum Gezier der Höflinge heim; ſo verdient’ er zu hungern! Wenn Mama es erlaubt, ſo gehen wir gleich nach dem Walde; Und wann der Kahn anlandet, dann ko - chen wir alle geſchäftig15ERSTE IDYLLEUnter dem hangenden Grün weiſsſtämmi - ger Birken den Kaffe. Karl verbittet den Kaffe ſich ganz; er macht ihm nur Wallung. Aber es ſchalt der Vater, und rief die eifernden Worte: Ei mit der ungereimten Entſchuldigung! War denn der Reisbrei Angebrannt? und der Wein auf dem Reis - brei nüchtern und kahnig? Waren nicht jung die Erbſen und friſch, und wie Zucker die Wurzeln? Und was fehlte dem Schinken, der Gän - ſebruſt und dem Hering? Was dem gebratenen Lamm, und dem kühlenden röthlichgeſprengten Kopfſalat? War der Eſſig nicht ſcharf, und balſamiſch das Nuſsöl? 16LUISENicht weinſauer die Kirſche Dernat, nicht ſüſs die Morelle? Nicht die Butter wie Kern, nicht zart die rothen Radieschen? Was? und das kräftige Brot, ſo locker und weiſs! Es iſt ſchändlich Wenn man Gottes Gaben aus Höflichkeit alſo verachtet! Lieber Sohn, da nehm’ er die Dirn’ am Arm, und dann hurtig Fort in den Wald! Komm her, mein Müt - terchen, daſs ich dich küſſe! Ihm antwortete drauf die alte verſtän - dige Hausfrau: Schilt nicht, lieber Papa! man ſagt ja wohl ſo ein Wörtchen. Schlummre nun kühl und ruhig im Käm - merlein. Jungfer Suſanna17ERSTE IDYLLEHat mit Pfeffer und Milch die Fliegen getränkt, auch das Mäuschen Heut in die Falle gelockt, und den Alkov fleiſsig gelüftet. Jene ſprachs, und führte den lieben Gemahl in die Kammer, Legt’ ihm die Kiſſen zurecht, und ver - ſchloſs die dunkle Gardine; Während die Magd des Mahles Geräth und die feſtlichen Gläſer Eintrug, ſamt dem Gedeck von ſchönge - webetem Drillich. Raſch nun wandelte Hans mit dem Auf - trag zu dem Verwalter, Wegen des Kahns, den er neu zum Fi - ſchen gebaut, und zur Luſtfahrt; Und willfährig entlieſs der Verwalter ihn. Aber die JungfrauB18LUISEGing, von Karl begleitet, am Arm des beſcheidenen Jünglings, Fröhlich einher den Weg um die Waſſer - mühl’ in das Seethal. Weiſs war ihr Sommergewand mit roſen - farbenen Schleifen; Seidener Flor umwallte verrätheriſch Bu - ſen und Schultern, Vorn mit der knoſpenden Roſe geſchmückt; ihr freundliches Antliz Schirmte, gekränzt mit Tremſen, der fein - geflochtene Strohut. Unter ihm ringelte ſanft in den Wind das bräunliche Haupthaar, Glänzend im Licht, nachläſſig vom roſi - gen Bande gefeſſelt. Zart und rundlich und ſchlank, aus der Klappe des ſämiſchen Handſchuhs19ERSTE IDYLLEBlickend, kühlt’ ihr die Rechte mit grü - nem Fächer das Antliz; Aber die Linke ruht’ in des Jünglinges Arm, und es ſpielten Ihm in der Hand die warmen und nied - lichen Finger des Mägdleins. Wonne durchſtrömt’ ihm das Herz, er athmete bang’, und ſprachlos Drückt’ er die kleine Hand, mit bebenden Fingern durchfaltend. Alſo wandelten beide durch Gras und blühende Kräuter, Langſam; heiſere Grillen umſchwirrten ſie; und wie erblödet Sannen ſie, flohn den begegnenden Blick, und redeten wenig. Als ſie nunmehr, oft ſeufzend, das ſchwü - lere Thal durchwandert,20LUISEUnten am Zaun, wo die Quell’ aus dem Sandberg roth und moraſtig Zwiſchen binſigen Hügeln und Schafthalm träger hinabfloſs; Jezt an der leitenden Hand des Jünglin - ges hüpfte die Jungfrau Furchtſam über die Steine, gelegt für die Schritte des Wandrers, Trat auf den Steg, und hob das eine Füſs - chen mit Vorſicht Über den hohen Zaun; enthüllt bis zur Blume des Zwickels, Ordnete ſcheu das Gewand, und ſchwang wie ein Reh ſich hinüber. Dann durch Haſelgebüſch den ausgereg - neten Pfad auf Stiegen ſie, welcher ſich ſchräg’ hinbog um den alternden Ahorn. 21ERSTE IDYLLEDort nun begann tiefathmend das roſen - wangige Mägdlein: Stehn wir ein wenig ſtill? Mir klopfet das Herz! Wie erfriſchend Über den See die Kühlung heraufweht! Und wie die Gegend Ringsum lacht! Da hinab langſtreifige, dunkel und hellgrün Wallende Korngefilde, mit farbigen Blu - men geſprenkelt! O wie es wühlt, weitſchauernd mit grünli - chem Dampf durch den Rocken! Dort das Dorf im Gebüſch, ſo ſtolz und freundlich gelagert Am herſchlängelnden Bach, und der Thurm mit blinkendem Seiger! Oben das weiſse Schloſs in Kaſtanien Vorn auf der Wieſe22LUISERöthliche Küh’; und der blaue gebogene See mit der Waldung! Dort die Schober des Heus, dort Mähen - de! Aber wir ſelbſt hier, Von Buchweizen umblüht, im Geſumſ’ eintragender Bienen! Schaut doch umher, ihr Kinder, und freuet euch! Hören Sie, Beſter: Heute bringt uns Mama groſsmächtige ſpaniſche Erdbeern; Wohl ſo ſüſs, wie mir deucht, ſind Feld - erdbeern, und balſamiſch. Kommen Sie dort in den Buſch; da ſtehen ſie, röther wie Scharlach. Alſo Luiſ’, ablenkend zum ſonnigen Thal des Gebüſches, Rechts, wo die Hecke das Feld einfrie - digte. Hurtig vor ihnen23ERSTE IDYLLEHüpfte der Knab’, und verlieſs das grün - liche Himmelspferdchen, Das mit glänzenden Schwingen auf Far - renkraut ſich geſezet. Stehn blieb jezo Luiſ’, und ſprach mit vertraulichem Fliſtern, Nah’ an des Jünglinges Wange geneigt ihr blühendes Antliz: Sehn Sie, er folgt dem Geruche der Erd - beern. Lieber, die Hand mir Nicht ſo gedrückt! Er möchte den Herrn Hofmeiſter belauſchen. Aber dem Jünglinge wallte das Herz vor banger Entzückung, Als ihr roſiger Mund mit ätheriſchem Odem die Wang’ ihm Warm anhaucht’; und er wandte ſich ſanft und küſste das Mägdlein. 24LUISELeiſe bebt’ ihr die Lipp’, und wandte ſich; aber ihr Antliz Lächelte, hold verſchämt, wie ein Früh - lingsmorgen erröthend. Und ſie entſchlüpfte dem Arm, und brach ein unſcheinbares Blümchen Seitwärts, ſtand in Gedanken, und ſchaut’ es an, wie bewundernd. Plözlich erſcholl im Gebüſche die ru - fende Stimme des Knaben: Kommt doch, und pflückt Erdbeern! Hier ſtehen ſie, röther wie Scharlach! Jubeln wollen wir alle vor Luſt, wenn wir unſeren Vorrath Auch in die Kumm’ ausſchütten! Da wird der Vater ſich wundern! Felderdbeern, die pflanzte der liebe Gott; und um vieles25ERSTE IDYLLESchmecken ſie köſtlicher noch, in Milch mit Zucker beſtreuet! Jene kamen und ſahn die geſchwolle - nen Beeren, die ringsum Feuerroth und gedrängt am Sonnenſtral aus den Kräutern Schimmerten; und ihr Gedüft durchath - mete würzig die Gegend. Freudig rief und erſtaunt der edle be - ſcheidene Walter: Wunderbar! es erhebt ſich künſtlicher Gärten der Reiche, Welche die Frucht ihm zinſen aus jegli - chem Sonnenbezirke, Fröhnend in Zwang; und dem Armen be - reitete Gott in der Wildnis, Ohne ſein Thun, Fruchtgärten voll heil - ſamer Blumen und Kräuter:26LUISEArbeitlos dann ſammelt das Kind, und ſammelt der Greis ein. Aber es fehlt ein Geſchirr für die ſaftige Reife der Beeren. Pflücken wir dort Huflattig, mein Karl, und die Blätter im Tuche Tragen wir locker geknüpft? Noch dien - licher, wenn ich der Haſel Sauber die Rind’ abſtreift’, und mit äſti - gem Pflocke zuſammen Heftete. Oder erſinnt mein Karl noch ein anderes Mittel? Zürnend gab ihm darauf der feurige Knabe die Antwort: Iſt das Ernſt, Herr Walter: den Buſch, der die Zweige herabhängt, Von Nuſstrauben beſchwert, im fröhlich - ſten Wuchſe zu ſchinden? 27ERSTE IDYLLEStehn denn am Sumpf nicht Binſen genug? Wie bald iſt ein kleines Körbchen gemacht, wenn einer den Grif nur tüchtig gelernt hat? Ernſthaft that, ihm erwiedernd, der edle beſcheidene Walter: Das hat Schick und Geſtalt! O wie gut, wenn zween ſich berathen! Hurtig hinab, und das Körbchen beſchleu - niget! Hier an der Haſel Ruhn wir indeſs friedfertig, die voll groſs - traubiger Nüſſe Überwölbt ihr Gezweig’; auch pflücken wir nichts von den Erdbeern, Auſser ein paar zur Erfriſchung für un - ſere liebe Gefährtin. Kaum geſagt, da enteilte zum binſigen Sumpfe der Knabe;28LUISEWährend ſich jene vertraut in der Haſel umſchattende Wölbung Lagerten. Stolz nun kam er herauf mit dem Körbchen gewandelt. Alle ſie pflückten darein die ſaftigen Bee - ren auf Nuſslaub, In wetteifernder Haſt, und oft mit den ſchöneren pralend, Naſchten dabei, und boten Geſchenk; denn ſie hatten die Auswahl. Hoch nun ſtrozte der Korb, und hing am Arme des Knaben. Als ſie nun wieder den Pfad hinwan - delten, hörten ſie abwärts Durch das Thal den Geſang des ſiebzig - jährigen Webers, Der, zum Weben zu ſchwach, bei Kir - chenmuſik und Gelagen29ERSTE IDYLLEKräftig den Brummbaſs ſtrich, wie der Or - ganiſt ihn gelehret. Selbſtgelehrt auch ſtellt’ er der gnädigen Gräfin die Schloſsuhr; Auch bereitet’ er künſtlich aus Spillbaum allerlei Löffel, Kellen, wacholderne Querl’, und Vogel - bauer, und Schaufeln, Zündenden Schwamm, Waſchklöpfel, und hölzerne Schuhe dem Marſchland. Doch war der Sommer ihm mild, dann ſammelt’ er Beeren des Feldes Für die benachbarte Stadt, auch Schlehn und Nüſſ’ und Hambutten, Flieder, Kamillen und Kreſs, Maililien, Pilz’ und Morcheln. Aber zum Jünglinge ſprach die roſenwan - gige Jungfrau:30LUISELieber, da ſucht auch der Alte ſich Erd - beern. Wollen wir hingehn? Eilender gingen ſie beid’, und fanden ihn, tragend den bunten, Mächtigen Henkeltopf, halbvoll der erle - ſenen Erdbeern. Grüſsend nahte dem Greis der edle be - ſcheidene Walter: Guten Tag! So fleiſsig? O ſezt doch, Vater, die Müz’ auf! Scheltet ihr auch? Wir haben uns ſelbſt Erdbeeren in eurem Garten gepflückt; heut gilts den Geburts - tag unſrer Luiſe. Nehmt dies wenige, Vater, und trinkt der Jungfer Geſundheit. Alſo ſprach der Jüngling, und wandte ſich. Aber der Alte31ERSTE IDYLLESegnete beiden nach, und es bebte die Thrän’ an den Wimpern. Jenem drückt’ im Gehen die roſenwangige Jungfrau Schweigend die Hand; und ſobald ſie des dichteren Thales Umſchattung Barg, begegnete willig ihr Mund dem Kuſſe des Jünglings. Als ſie, das Linſenfeld und die bärtige Gerſte durchwandelnd, Jezo dem Hügel am See ſich näherten, welcher mit dunkeln Tannen und hangendem Grün weiſsſtäm - miger Birken gekränzt war; Blickte zum buſchigen Ufer Luiſ’ hinhor - chend, und ſagte: Still! es tönte mir dumpf, wie ein Ru - derſchlag, von dem Ufer! 32LUISEAber der fröhliche Karl, der voranlief, wandte ſich rufend: Hurtig! da ſeh’ ich den Kahn! Nun gleitet er hinter das Schilfrohr! Und mit geflügelten Schritten enteilten ſie; kühlender Seewind Hauchte zurück das Gewand, das die trip - pelnden Füſse des Mägdleins Rauſchend umwallt’, und es weht’ ihr ge - ringeltes Haar von den Schultern. Laut nun rief und winkt’ aus dem ſchwe - benden Kahne der Pfarrer: Ehrbar, Kinder, und ſacht! Ihr lauft ja ſo raſch, wie die Hühnlein Über den Hof, wenn die Magd an der Hausthür Futter umherſtreut! Töchterchen, geh vorſichtig, und ſtrauchle mir nicht an den Wurzeln! 33ERSTE IDYLLEAthmend harrten ſie nun, bis der rau - ſchende Kahn an dem Ufer Landete; und Willkommen erſcholls, will - kommen im Grünen! Hinten hemmte der Knecht, an der Erl’ im Waſſer ſich haltend. Aber geſtüzt von der Hand des Jünglin - ges traten die Eltern Über den wankenden Bord, auf den Sand voll Kieſel und Muſcheln, Wellig geformt von der Flut, und umhüpft mit gehügeltem Seeſchaum. Schmeichelnd küſste den Greis die blü - hende Tochter, und fragte: Väterchen kömmt ja ſo frühe vom Schlaf? Hat der häſsliche Kater Wieder gemaut? ein Hühnchen beim Eier - legen gekakelt? C34LUISEOder Suſanna zu laut mit dem Waffelei - ſen geklappert? Drauf antworteteſt du, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau: Weder gemaut hat ein Kater, mein Kind, noch ein Hühnchen gekakelt, Oder Suſanna zu laut mit dem Waffelei - ſen geklappert. Unſer Geſpräch, und die Freude, mein Töchterchen, deines Geburtstags Machte mein Herz unruhig. Wohlauf nun, Feuer gezündet! Flink, und Kaffe gekocht! Die lieben Kinder ſind durſtig! Jener ſprach’s; da gebot die alte ver - ſtändige Hausfrau: Hans, an den blühenden Genſt das Ge - päck, und Feuer gezündet;35ERSTE IDYLLEDaſs uns nicht anwehe der Rauch. Hier, denk’ ich, am Vorland Lagern wir uns im Schatten der alten Familienbuche, Die vorlängſt uns bekennt mit ſchon aus - wachſenden Namen. Hier iſt ſanft die Kühlung, und weich der Raſen wie Polſter; Und im Geräuſche der Well’ und des Schilf - rohrs, labt uns die Ausſicht Über den See nach dem Dorf und den Krümmungen fruchtbarer Ufer. Sammelt nun Holz, ihr Kinder! Wer fiſchen will, ſcheue kein Waſſer! Alſo die Frau; und den Hügel ereilten ſie, welcher mit dunkeln Tannen und hangendem Grün weiſsſtäm - miger Birken gekränzt war,36LUISEFanden Kien und Reiſer, und ſammelten; dann zu dem Buchhain Eilten ſie, links im Thal, wo der Äſt’ ein unendlicher Abfall Unter Laub und Geſträuch rings moderte. Aber der Hausknecht Fing die ſprühenden Funken des Stals in ſchwammigen Zunder, Faſst’ ihn in trockenes Laub, und ſchwang mit Gewalt, bis dem dickern Qualm aufleuchtendes Feuer entloderte; häufte geſchickt dann Reiſer und Kien, daſs die Flamme, des Harzes froh, durch den Holzſtoſs Knatterte, finſteren Rauch ſeitwärts auf - dampfend zum Himmel. Jezt wo der Wind in die Glut einſauſete, ſtellt’ er den Dreifuſs37ERSTE IDYLLESamt dem verſchloſſenen Keſſel, gefüllt mit der Quelle des Gartens. Wehend umleckt’ ihn die Loh’, und es brauſt’ ausſiedend der Keſſel. Aber das Mütterchen goſs in die bräun - liche Kanne den Kaffe Aus der papierenen Tute, gemengt mit klärendem Hirſchhorn, Strömte die Quelle darauf, und ſtellt’ auf Kohlen die Kanne, Hingekniet, bis ſteigend die farbige Blaſe geplazt war. Schleunig anjezt rief jene, das Haupt um die Achſel gewendet: Seze die Taſſen zurecht, mein Töch - terchen; gleich iſt der Kaffe Gar. Die Geſellſchaft nimt mit unſerem täglichen Steinzeug38LUISEWohl im Grünen vorlieb, und ungetrich - tertem Kaffe. Vater verbot Umſtänd’; und dem Weibe geziemt der Gehorſam. Sprachs; und die Tochter enthüllt’ aus dem Deckelkorbe die Taſſen, Auch die Flaſche mit Rahm, und die ble - cherne Doſe voll Zucker, Ordnend umher auf dem Raſen; und jezt, da ſie alles durchwühlet, Neigte das blühende Mädchen ſich hold, und lächelte ſchalkhaft: Nehmen Sie mirs nicht übel, Mama hat die Löffel vergeſſen. Sprachs; da lachten ſie all’, auch lachte die gütige Mutter, Welche die dampfende Kanne dahertrug. Aber der Jüngling39ERSTE IDYLLEEilte zur nahen Birk’, und ſchnitt von den hangenden Zweiglein Schöngeglättete Stäb’, und vertheilte ſie rings der Geſellſchaft. Freundlich reichte Luiſe dem lieben Papa und dem Jüngling Pfeifen dar, und Toback in der fleckigen Hülle des Seehunds. Und ſie lagerten ſich im ſchattigen Graſ’: an des Vaters Rechte der Knab’ und Mama, die den klaren Trank in die Taſſen Rühmend goſs; und zur Linken die ſchöne Luiſ’ und der Jüngling. Zwar ſie koſtete ſelten des Kaffees; aber gefällig Trank ſie heut ein wenig, und ruſſiſchen Thee mit dem Kleinen. 40LUISELiebreich ſprach der Vater, die roſige Wang’ ihr ſtreichelnd: Kind, dir brennt ja die Wange wie Glut! Zwar iſt es nicht übel Anzuſehn; doch nim mir, mein Töchter - chen, wegen der Zugluft Etwas mehr um den Hals. Man erkältet ſich leicht in der Hize. Jenem küſste die Hand und erwiederte freundlich die Tochter: Zugluft heiſst die Kühlung, die ſanft durch Erlen des Ufers Athmet, und kaum ein Band mir bewegt? Wir gingen ja langſam, Ruhten auch oft im Schatten. Ich bin nur ſo fröhlich, mein Vater! Drauf antworteteſt du, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau:41ERSTE IDYLLEJa, du geliebte Tochter, ich bin auch fröhlich! ſo fröhlich, Als die ſingenden Vögel im Wald hier, oder das Eichhorn, Welches die luftigen Zweige durchhüpft, um die Jungen im Lager! Achzehn Jahr ſind es heute, da ſchenkte mir Gott mein geliebtes, Jezt mein einziges Kind, ſo verſtändig und fromm und gehorſam! Wie doch die Zeiten entfliehn! Zehn kommende Jahre, wie weithin Dehnt ſich der Raum vor uns! und wie ſchwindet er, wenn wir zurückſehn! Geſtern erſt geſchah es, ſo deucht es mir, als ich im Garten Ging, und Blätter zerpflückt’, und betete; bis nun mit Einmal42LUISEFröhlich die Botſchaft kam: Ein Töch - terchen iſt uns gebohren! Manches beſchied ſeitdem der Allmäch - tige, gutes und böſes. Auch das Böſe war gut! denn Seine Gnad’ iſt unendlich! Weiſst du, Frau, wie es einſt nach lan - ger Dürre geregnet, Und ich, Luiſ’ auf dem Arme, mit dir in der Friſche des Gartens Athmend ging; wie das Kind nach dem Regenbogen emporgrif, Und mich küſste: Papa! da regnet es Blu - men vom Himmel! Streut die der liebe Gott, damit wir Kin - der ſie ſammeln? — Ja, vollblühende Segen und himmliſche ſtreuet der Vater,43ERSTE IDYLLEWelcher den Bogen der Huld ausſpanne - te: Blumen und Früchte! Daſs wir mit Dank einſammeln und Fröh - lichkeit! Denk’ ich des Vaters, O dann erhebt ſich mein Herz, und ſchwillt von regerer Inbrunſt Gegen unſere Brüder, die rings die Erde bewohnen: Zwar verſchieden an Kraft und Verſtand; doch alle des Vaters Liebe Kindlein, wie wir! von einerlei Brüſten genähret! Und nicht lange, ſo geht in der Dämme - rung eins nach dem andern Müde zur Ruh, von dem Vater im küh - len Lager geſegnet, Hört ſüſsträumend der Winde Geräuſch und des tropfenden Regens,44LUISESchläft, und erwachet geſtärkt und verſtän - diger. Kinder, wir freun uns Alle vereint, wenn Gottes verklärterer Morgen uns aufweckt! „ Dann erfahren auch wir wahrhaft, daſs Gott die Perſon nicht „ Anſieht; ſondern in allerlei Volk, wer ihn fürchtet und recht thut, „ Der iſt ihm angenehm! “— O Himmels - wonne! wir freun uns, Alle, die Gutes gethan nach Kraft und redlicher Einſicht, Und die zu höherer Kraft vorleuchteten: freun uns mit Petrus, Moſes, Konfuz und Homer, dem lieben - den, und Zoroaſter, Und, der für Wahrheit ſtarb, mit Sokra - tes, auch mit dem edeln45ERSTE IDYLLEMendelsſohn! Der hätte den Göttlichen nimmer gekreuzigt! Ihm antwortete drauf der edle beſchei - dene Walter: Traurig nur, wenn ein Kind, das der bil - denden Rede des Vaters Kundiger ſchon aufmerkt, mit Verſtänd - nis, oder mit Ahndung, Sich das erwähltere dünkt, das einzige! wenn es die Brüder, Die um Sokrates einſt der Menſchlichkeit Höhen erſtrebet, Neidiſch entehrt in der Gruft; und die jüngeren, welche noch lallen, Oder des Vaters Worte ſich ſelbſt aus - deuten, voll Hochmut Schilt und martert und würgt! Man er - zählte mir neulich ein Mährlein. 46LUISEEinsmals kam ein Todter aus Mainz an die Pforte des Himmels, Poltert’ und rief: Macht auf! Da ſchaute der heilige Petrus Aus der leiſe geöfneten Thür’, und fragte: Wer biſt du? Trozig erwiederte jener, den Ablaſszettel erhebend: Ich? ein katholiſcher Chriſt, des allein heilbringenden Glaubens! Seze dich dort auf die Bank! antwortete Petrus verſchlieſsend. Hierauf kam ein Todter aus Zürch an die Pforte des Himmels, Poltert’ und rief: Macht auf! Wer biſt du? fragte der Jünger. Ich? ein kalviniſcher Chriſt, des allein heilbringenden Glaubens! 47ERSTE IDYLLE.Dort auf die Bank! rief Petrus. Da kam auch ein Todter aus Hamburg, Poltert’ und rief: Macht auf! Wer biſt du? fragte der Jünger. Ich? ein lutheriſcher Chriſt, des allein heilbringenden Glaubens! Dort auf die Bank! rief Petrus. Nun ſaſsen ſie, ſchauten bewundernd Sonnen und Mond’ und Stern’ in harmo - niſchem Tanz, und vernahmen Harfentön’ und Geſäng’, und athmeten Düfte des Himmels; Und ihr Herz ward entzückt zum hellen Geſang: „ Wir gläuben „ All’ an Einen Gott! “— Da mit Einmal ſprangen die Flügel Rauſchend auf, daſs umher von des Him - mels Glanze der Äther48LUISELeuchtete. Petrus erſchien, und ſprach mit freundlichem Lächeln: Habt ihr euch nun beſonnen, ihr thörich - ten Kinder? So kommt denn! Alſo redeten jen’ im vertraulichen Wechſelgeſpräche, Unter dem heiteren Blau des allumfaſſen - den Himmels; Gottes lebende Wind’ umwehten ſie. Aber der Alte Senkte den Blick tiefſinnig, und ſaſs in ſtarrer Betäubung, Wie wenn er predigen ſollte, das Herz voll Worte des Himmels; Ernſt nun bewegt’ er das Haupt; ihm drang die Thrän’ aus den Wimpern. Alle ſchwiegen zugleich, und ſahn auf ihn mit Bewundrung. 49ERSTE IDYLLEJezo begann der Vater, und ſprach zu der roſigen Jungfrau: Singe den neuen Geſang, mein Töch - terchen, welchen im Frühling Unſer Freund in Eutin hier dichtete. Heimlich entſchlich er Durch das Gehölz; ihr gingt mit der freundlichen Erneſtine Rufend umher, du ſelbſt und Amalia, bis ihr ihn fandet. Jener ſprachs; da begann mit ſteigen - der Röthe die Jungfrau Sanft den Geſang; ihn verſtärkte, mit Macht einſtimmend, der Vater. D50LUISEBlickt auf, wie hehr das lichte Blau Hoch über uns ſich wölbet! Wie fern den grünen Glanz der Au Die Butterblume gelbet! Um uns im Sonnenſcheine wehn Der Buchen zarte Blätter; Aus tauſend Kehlen ſchallt, wie ſchön! Vielſtimmiges Geſchmetter! Ringsum an Bäumen und Gebüſch Entſchwellen junge Triebe! Hier ſchattets kühl! Hier athmet friſch, Und trinkt den Geiſt der Liebe! Wir beben dir, der Liebe Geiſt, In dieſer Auferſtehung, Wie wenn du einſt vom Tod’ erneuſt Zu ſeliger Erhöhung! 51ERSTE IDYLLEAus allen Völkern rauſchen dann Verklärte Millionen, Die brüderlich geſellt fortan Den neuen Stern bewohnen! Durch Farb’ und Glauben nicht getrennt, An Sinn und Thaten höher, Sind Ihm, den ſelbſt kein Jubel nennt, Die Brudervölker näher! Schon hier vereint in Lieb’ und Recht Sei aller Welt Gewimmel! Wir ſind ja Eines Staubs Geſchlecht, Bedeckt von Einem Himmel! Wir ſpielen all’ im Sonnenſchein, Vergnügt gemeiner Gabe; Wir ruhn, und ſteigen, groſs und klein, Geſtärkt aus unſerm Grabe! 52LUISEAus allen Völkern ſchall’ empor Geſang zum Ungenannten: Wie jedes ſich den Dienſt erkohr, Wie ſeinen Gottgeſandten! Gern hört der Vater Aller ſo Sich vielfach angelallet, Wie hier im jungen Laube froh Der Waldgeſang erſchallet! Alſo ſangen ſie beid’; und der Wald war Tempel der Gottheit; Edeler fühlten ſich all’ und menſchlicher. Aber die Jungfrau Eilte, vom Siz aufſtehend, und mühte ſich huſtend am Feuer, Daſs ſie des Vaters Pfeif’ anzündete, welche dem Greiſe53ERSTE IDYLLESchon in der heftigen Red’ erloſchen war; reichte ſie jezt ihm Brennend, und ſpuckte viel, und macht’ ein krauſes Geſichtchen. Lächelnd dankte Papa, und küſste das roſige Mägdlein; Und ſie lagerte ſich. Da begann die ver - ſtändige Hausfrau: Kinder, der Kaffe wird kalt; ihr pre - diget immer und ewig! Habt ihr auch Rahm und Zucker genug? Rührt um mit den Löffeln! Als ſie nunmehr im Grünen mit Kaffe und Thee ſich gelabet; Schenkte Mama auch dem Knechte, der pfeifend ging an dem Ufer. Anfangs ſtreubt’ er ſich, etwas beſchämt, und nahm es doch endlich. 54LUISEJezo wandelten ſie, von längeren Schat - ten begleitet, Auf den duftenden Hügel: wo ſchlankere Birken zum Himmel Säuſelten, Tannenſaat ſich erhob mit gelb - lichem Jahrwuchs, Und Wacholdergeſträuch um die Hünen - gräber der Vorwelt Wuchernd kroch, und ſtechender Hulſt mit glänzenden Blättern. Einzeln rauſchten umher auch Maſtbäum’ unter den Wolken, Oſtwärts alle gebeugt von des ſiebenund - vierzigſten Jahres Winterorkan. Sie umſchauten die weit - hin lachende Landſchaft, Plauderten viel, und ſangen empfundene Lieder von Stolberg,55ERSTE IDYLLEBürger und Hagedorn, von Claudius, Gleim und Jacobi; Sangen: „ O wunderſchön iſt Gottes Er - de! “mit Hölty, Welcher den Tod anlacht’, und beklagten dich, redlicher Jüngling! Unter den wandelnden ſprach die alte verſtändige Hausfrau: Kinderchen, merkt, wie die Sonne hin - abſinkt, faſt zu den Wipfeln Jenes Walds, und vom Dorfe die Betglock’ über den See ſummt! Thau weiſſagt das Gewölk, das duftige: welcher den Kräutern Wachsthum bringt, doch leicht den gela - gerten Menſchen Erkältung! Unſer Papa iſt alt, und das Jüngferchen kleidet ſich immer56LUISELuftig und kühl; das Ei will klüger ja ſein, wie die Henne! Kommt denn, und ſchmauſt, ihr Lieben; die Feldluft reizet den Hunger. Sprachs, und führt’ in das Thal; nicht ungern folgten die andern. Als ſie den blumigen Raſen des weitum - ſchattenden Buchbaums Jezo erreicht; da eilten Mama und die freundliche Tochter Schnell zu dem Kahn am Ufer, und brach - ten im zierlichen Tiſchkorb Feines Gedeck, Eſslöffel und engliſche Meſſer und Gabeln; Brachten das Zuckergeſchirr von violigem Glaſe, mit Silber Zierlich gefaſst, wie ein Korb, ein Ge - ſchenk der gnädigen Gräfin;57ERSTE IDYLLEBrachten die reinlichen Teller von Stein - gut, ſpaniſche Erdbeern Auf eiförmiger Schüſſel, und fette Milch in geſtülpter Porzellanener Kumme, geformt wie ein purpurner Kohlkopf, Welche mit wärmendem Punſch und Bi - ſchof füllte der Vater, Wann ein Freund ihn beſucht’ in den ſau - ſenden Tagen des Winters; Brachten mit Eppich umlegt die Bach - krebſ’, ähnlich den Hummern, Auch zween kalte gebratne Kapaun’, um - hüllt vor den Fliegen; Brachten dann hochgehäuft vielrautige bräunliche Waffeln, Auch die duftende Frucht der grünge - ſtreiften Melone,58LUISEGelbe gezeichnete Butter in bläulicher Doſ’, auf dem Deckel Lag ein käuendes Rind zum Handgrif; lieblichen Schafkäſ’ Und holländiſchen Käſ’, und einen gewal - tigen Rettig Für Papa; auch Kirſchen und roth’ und weiſse Johannsbeern. Aber die Jungfrau neigte ſich hold, und ſprach zur Geſellſchaft: Friſch heran, ihr Kinder, und lagert euch unter dem Baume, Froh wie der Schnitter im Feld’ und die Binderin! Seid auch ſo gütig, Unſer ländliches Mahl zu entſchuldigen. Schilt nicht, du alter Lieber Papa! denn heut am Geburtstag’ hab’ ich Erlaubnis,59ERSTE IDYLLERecht unartig zu ſein; und du trinkſt doch meine Geſundheit! Mutter, du böſe Mutter, du haſt den Wein ja vergeſſen! Ihr antwortete drauf die alte verſtän - dige Hausfrau: Mädchen, du biſt mutwillig! Ein Glück, daſs der Dirne Geburtstag Einmal im Jahre nur kömmt; ſonſt wüch - ſen die Bäum’ in den Himmel! Siehe, der ehrliche Hans hat Milch und Wein uns bedachtſam Abgekühlt im Schilfe des Sees; da bringt er den Korb ſchon. Alſo Mama; und es nahte der redliche Hans mit dem Weinkorb, Ehrbar, zuckte den Hut, und redete zu der Geſellſchaft:60LUISEHeute fürwahr ein prächtiger Tag! Gott ſegne die Mahlzeit! Eilig den Korb ausleerend, erwiederte jenem der Pfarrer: Hans, du bringſt ja die Meng’ Herz - ſtärkungen! Schaue dein Antheil, Blank wie Gold an der Sonne! Doch trink auch der Tochter Geſundheit! Aber der Kleine ſprang zu dem Mai - buſch, wo er die Erdbeern Heimlich verſteckt, und ſtellte den duf - tenden Korb auf den Teppich, Von dem bedeckenden Laub’ ihn entledi - gend. Vater und Mutter Freuten und wunderten ſich, und lächel - ten ſeiner Erzählung, Lobten den Korb, und prieſen die ſaftige Röthe der Erdbeern. 61ERSTE IDYLLEAlſo ſchmauſeten jen’, in behaglicher Ruhe vereinigt, Auf dem blumigen Raſen des weitum - ſchattenden Buchbaums. Tiefer ſank nun die Sonn’, und ergoſs vielfarbige Schimmer Durch das hangende Laub, oft nöthi - gend, weiter zu rücken. Kaum noch wankte das Rohr, und der See ward glatt wie ein Spiegel. Raſtlos tönte der Heimen Geſchwirr, und Vögelein ſangen; Fernher rief der Kibiz, der Kukuk nahe; vom Kornfeld Lockte die ſtreifende Wachtel, die Rin - geltaub’ in dem Ulmbaum Gurrt’, und es krächzte der Rak mit him - melblauem Gefieder. 62LUISEFeierlich öſnete jezt mit dem Pfropfen - zieher der Vater Eine Flaſch’, und vertheilte zum Nachtiſch goldenen Steinwein: Den ihm die gnädige Gräfin zur Stärkung ſeiner Geſundheit Sendete, als ſie im Lenz heimkehrt’ in ihr grünendes Landgut Aus der Stadt; doch lang’ unentſiegelt ſtand er im Keller, Aufgeſpart für der lieben und einzigen Tochter Geburtstag. Hiermit füllte die Gläſer der Greis, und ſprach zur Geſellſchaft: Angeklingt! denn es gilt die Geſund - heit unſrer Luiſe! Sprachs; und es klangen die Gläſer mit hellem Gekling’ an einander. 63ERSTE IDYLLENur des Jünglinges Glas verſtimmte den Klang mit taubem Puf; da ſchüttelte zürnend der Vater das Haupt, und bedräut’ ihn: Tauſendmal hab’ ich ihn, Sohn, an die Erzuntugend erinnert! Klappt nicht immer ſein Glas wie ein ſpaltiger Topf, und des neuern Dichterſchwarms ungeſchlifner Hexame - ter, welcher daherplumpt Ohne Takt und Muſik, zum Ärgernis? Kann er nicht anders, Oder gefällt es ihm nicht? Ein jegliches Ding hat doch Regeln! Kein Vernünftiger faſst an den oberen Kelch, wenn er anklingt; Nein, an den Fuſs! Dann klingts, wie Har - monikaklang in den Glückwunſch! 64LUISELächelnd erwiederte drauf der edle beſcheidene Walter: Nicht ſo gezürnt, mein Vater! Das roſen - wangige Mägdlein Blickte mit ſchelmiſchem Auge mich an; da vergaſs ich die Regel. Sprachs; da droht’ ihm Luiſe mit auf - gehobenem Finger, Feuerroth; und ſie lachten des hold er - röthenden Mägdleins. Aber ſie that nachläſſig, und ſchnellt’ auf den Knaben den Kirſchkern. Hans indeſs, dem die Mutter ein klei - neres Tuch an den Maibuſch Hingedeckt, und es reichlich mit Trank und Speiſe belaſtet, Schenkte ſein Glas voll Weines, und trat vergnügt zur Geſellſchaft,65ERSTE IDYLLELangſam, nicht in das Gras den edelen Trank zu verſchütten. Als er genaht, da neigt’ er das Haupt, und redete alſo: Nun mit Verlaub! ich trinke des Jüng - ferchens werthe Geſundheit! Rückwärts gebeugt dann trank er, und lächelte. Als er den lezten Tropfen geſchlürft, da ſchwenkt’ er ſein Glas, und redete wieder: Segne der liebe Gott das Jüngferchen! Hab’ ich ſo manchmal Doch als lallendes Kind auf meinem Arm ſie geſchaukelt, Daſs ſie im Spiegel ihr Bild anlächelte! Schmuck war ſie immer, Und wie ein Engel ſo fromm! Ihr Bräu - tigam preiſe ſich glücklich! E66LUISESchalkhaft ſagte darauf die rosenwan - gige Jungfrau: Hänſelchen, willſt du mich frein? Ich hab’ in der Kiſte ſo manchen Blanken Thaler geſpart: mein Patenge - ſchenk, und mein Weihnacht! Auch verſteh’ ich die Nadel zur Noth, und die Knütte verſteh’ ich, Brot zu backen, zu braun, und ein Leib - gericht zu bereiten! Aber es redete drein die alte verſtän - dige Hausfrau: Traue du nicht der Spötterin, Hans! Zwar ſtattlich von Gliedern Iſt ſie dir, aber zu faul, und die ſeidenen Händchen zu vornehm. Geh nur, und rüſte den Kahn zu der Ab - fahrt. Denn wo mir recht iſt,67ERSTE IDYLLEFeuchtet der Raſen bereits. Wohl ſagt’ ich es! Laſst uns denn aufſtehn; Oder wir haben zum Lohn vom Geburts - tag’ Huſten und Schnupfen. Schmauſt die Kirſchen im Kahn, ihr Kin - derchen, und die Johannsbeern. Alſo ſprach ſie, und trieb; und ſie fol - geten alle gehorſam, Trugen des Mahles Geräth in den räumi - gen Kahn des Verwalters, Traten dann ſelber hinein; und der Knecht ſtieſs ab von dem Ufer. Fernher glimmten wie Gold die Fenſter der Kirch’ und des Schloſſes, Welche die Sonn’ abſinkend beleuchtete; rings an den Ufern Hingen Gebüſch’ und Saaten, von röthli - chem Scheine beduftet,68LUISEUmgekehrt in der Flut, und zitterten über zerſtreutem Glanzgewölk, und die Heerd’, und die ſingende Magd bei der Milchkuh. Langſam ruderte Hans am Geſtad’ hin; jezt um ein Röhricht, Und braunkolbiges Ried; Seelilien jezo durchgleitend, Gelb von Blumen und weiſs, breitblätte - rig; jezo den Vorgrund, Wo hell Muſchel und Kies aufſchimmer - ten. Häufig ermahnt’ er, Wann Luiſ’ im wankenden Kahn an den Jüngling ſich anſchloſs. Aber es freute ſich Karl der ſchreienden Waſſervögel Über dem Holm, und des Hechts, der be - glänzt vom Abend emporſprang;69ERSTE IDYLLEAuch wie des Ruders gebrochenes Bild in der ſanften Umwallung Schlängelte; laut dann ruft’ er dem Wie - derhall in des Hügels Ödem Gemäur, liebkoſt’ ihm und ſchalt, und lachte der Antwort. Heiter und ſtill war allen das Herz, wie die ſpiegelnde Welle; Während der Vater vergnügt ſein ruhiges Abendpfeifchen Raucht’, und ein Wort einſprach, von Ge - lehrſamkeit, und von der Zeitung. Oft noch zuckte Luiſ’, an den Jüngling gelehnt, und drückt’ ihm Ängſtlich die Hand. Da begann die alte verſtändige Hausfrau: Wie das närriſche Mädchen ſich an - ſtellt! Iſt denn der Kahn nicht70LUISEGroſs und breit? Sei ruhig, mein Töch - terchen, oder ich wiege. Sonſt ſo keck und verwegen, wenns gilt, in die Bäume zu klettern, Über die Graben zu ſpringen, und hoch in der Luft ſich zu ſchaukeln, Oder auch gleiten zu gehn mit Amalia, welche dir gleich iſt, Auf dem gefrorenen Bach und der Gleit - bahn, recht wie die Kinder! Schlag’ ein Tuch um den Hals, dies ſei - dene, das ich dir mitnahm. Kühl iſts doch auf dem Waſſer, und Vor - ſicht reuete niemand. Drauf antworteteſt du, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau: Sei nicht bange, mein Kind, und verhülle dich. Beſſer iſt beſſer,71ERSTE IDYLLEWenn auch das junge Blut noch freudi - ger hüpft in den Adern. Gott ſei Dank für den herlichen Tag, und den herlichen Abend, Der uns morgende Heitre verkündiget! Eben ſo heiter Meld’ uns den ewigen Morgen der Abend unſeres Lebens! Matt ſchon glüht’ im Weſten die Glut; ein Stern nach dem andern Trat aus dem Glanz, mit Silber die dun - kele Bläue durchfunkelnd. Als der rauſchende Kahn an der krüppli - chen Eiche des Ufers Landete. Lieblicher Duft umhauchte ſie; aber ſie eilten Durch die geſchorene Wieſ’ und wellige Schwade des Heues;72LUISEUnd es erhob Luiſe den Saum des wei - ſsen Gewandes, Zeigend den Unterrock und ſchimmernde Strümpf’ in der Dämmrung. So im Geröchel des Sumpfs und dem ein - ſamen Surren des Käfers, Längs dem grenzenden Walle, mit Dorn umwachſen und Haſeln, Gingen ſie, wo noch zirpte die Grill’, und im Kraute der bläulich Flimmernde Glühwurm lag. Nun ſtiegen ſie über das Gatter, Kamen ins Dorf, und grüſsten die ſtille Schaar vor den Häuſern, Und des Verwalters Knecht, der die klin - gende Senſ’ auf dem Ambos Hümmernd ſchärft’, um morgen die graſi - ge Wieſe zu mähen. 73ERSTE IDYLLEAbendlich pickte die Uhr, und ſchnob die Eul’ in dem Kirchthurm; Und ſie empfing an der Pforte der Hund mit freundlichem Wedeln.
Roſig ſtralt’ in die Fenſter des Mais auf - glühender Morgen; Daſs ihr ſcheibiges Bild mit der Pfirſiche wankendem Laube Glomm an der Wand, und hellte des Al - kovs grüne Gardinen, Wo dich, redlicher Greis, umſchwebeten Träume der Ahndung. Durch den Schimmer geweckt, und den Schlag des Kanarienvogels,78LUISERieb er froh die Augen ſich wach, und faltete betend Seine Hände zu Gott, der neue Kraft und Geſundheit Ihm geſchenkt zu Pflicht und Beruf, und in nächtlicher Stille Väterlich abgewandt von den Seinigen Feuer und Diebſtahl. Jezo empor ſich hebend am Bettquaſt, dreht’ er ſich langſam Um, und ſtreckte die Hand, ſein Erneſtin - chen zu wecken. Aber die Stätte war leer. Da riſs er den rauſchenden Vorhang Auf, und ſah durch die gläſerne Thür’ in der Stube den Theetiſch Hingeſtellt, und geſchmückt mit geriefel - ten dresdener Taſſen:79ZWEITE IDYLLEWelche die häusliche Frau vornehmeren Gäſten nur anbot, Etwa dem Probſt beim Kirchenbeſuch, und der gnädigen Gräfin, Und wenn ihr Hochzeitfeſt ſie erfreuete, und ein Geburtstag. Auch das ſilberne Kaffegeſchirr, der gnä - digen Gräfin Patengeſchenk, mit der Doſ’ und den ſchöngewundenen Löffeln, Blinkt’ im röthlichen Glanz hochfeierlich; und in der Küche Hört’ er der knatternden Flamme Geſauſ’ und des ſiedenden Keſſels. Zweimal zog er den Ring, daſs hell in der Küche das Glöcklein Klingelte. Siehe da kam, im ehrbaren Schmucke der Hausfrau,80LUISETrippelnd die alte Mama, und ſprach, die Lippen ihm küſſend: Väterchen, wachſt du ſchon? Da ich aufſtand, ſchliefſt du ſo ruhig; Und ſo lieſ’ entſchlüpft’ ich dem Bett’; in der Hand die Pantoffeln, Ging ich auf Socken hinaus, und ſchloſs den Drücker mit Vorſicht. Siehe, die Augen wie klar! Doch warte nur! gegen den Hahnſchrei Haſt du ſchon wieder im Traum mit ge - brochener Stimme gepredigt, Auch geweint. So viel ich verſtand, war die Red’ an dem Trautiſch. Freundlich die Hand ihr drückend, be - gann der redliche Pfarrer: Richtig! getraut ward eben. Mein Text war: Willſt du mit dieſem81ZWEITE IDYLLEManne ziehn? und die Bilder des Weg - ziehns machten mich traurig. Aber ſo innig es kränkt, ein ſolches Kind zu entlaſſen; Wohnete nicht die Wittwe das Gnaden - jahr in dem Pfarrhaus, Allzuſehr einengend die Kinderchen; oder ihr Weiber Hättet nur erſt aus dem Rohen gefertiget alle die Ausſteur, Linnen und Schränk’ und Betten, und anderen Trödel der Wirtſchaft, Was wohl Kind und Enkel nicht auf - braucht! heute fürwahr noch Wollt’ ich ſie traun, und ſagen: Seid frucht - bar, Kinder, und mehrt euch! Zeuch in Frieden, o Tochter, und ſei die Krone des Mannes;F82LUISEDenn ein tugendſam Weib iſt edler, denn köſtliche Perlen! Thu ihm liebes dein Lebenlang, und nim - mer kein leides, Bis euch ſcheide der Tod! — Nun, Müt - terchen, nicht ſo ernſthaft! Sieh mich an! Wir ſelber verlieſsen ja Vater und Mutter. Hurtig den Schlafrock her, den feſtlichen neuen von Dammaſt; Auch die Müze von feinem Batiſt! denn ich muſs ja geſchmückt ſein, Wann der Bräutigam kömmt von Seldorf, jenes berühmten Hochfreiherrlichen Guts hochwohlehrwür - diger Paſtor! Horch! da blies ja die Poſt, und raſſelte über den Steindamm! 83ZWEITE IDYLLELächelnd erwiederte drauf die alte verſtändige Hausfrau: Männchen, das war in der Küche; Su - ſanna windet ihr Garn ab. Sprachs, und trat zur Kommode, der blankgebonten von Nuſsbaum, Welche die Prieſterbeſchen, die Ober - hemd’ und die Ermel Ihres Gemahls einſchloſs, und die ſteif - gefalteten Kragen, Ihm ein Gräul! auch den ſchönen und weitbewunderten Taufſchmuck, Und die flitternden Kronen, gewünſcht von den Bräuten des Dorfes. Jezo fand ſie die Müz’, und reichte ſie. Dann zu dem Schranke Ging ſie, den Schlafrock holend von blauem wollenem Dammaſt;84LUISEÜber die Lehn’ ihn breitend des Arm - ſtuhls, ſagte ſie alſo: Dehne dich noch ein wenig, mein Vä - terchen; denn zur Geſundheit Dienet es, ſaget der Arzt. Dann zieh mir die weicheren Strümpf’ an, Welche Luiſe geſtrickt aus Lämmerwolle des Marſchlands; Daſs nicht kalte der Fuſs; es iſt noch kühlig des Morgens. Auch dies ſeidene Tuch verehr’ ich dir, welches Luiſe Sonntags trug um den Hals, und dir ſchon lange beſtimmte. Lieſeſt du erſt ein wenig im Bett’? ein Kapittel der Bibel, Dort auf der kleinen Riole zur Seite dir; oder ein Leibbuch85ZWEITE IDYLLEJener Zeit, da noch Menſchen wie Waſh - ington lebten und Franklin; Oder den alten Homer, der ſo natürlich und gut iſt? Daſs du es warm mittheilſt bei dem Früh - ſtück? Unſere Poſt hat Zeit! Des Verwalters Georg, der die Pferde bewacht in der Koppel, Meldet es, wann er das Blaſen des Poſt - horns über dem Waſſer Hört; dann ſchwingt ſich der Weg noch weit herum nach dem Dorfe. Dort am Wald’ iſt ein Echo; da bläſt der fröhliche Poſtknecht Gerne ſein Morgenlied, und den Marſch des Fürſten von Deſſau. So, wohlmeinendes Sinnes, ermahnte ſie. Aber der Pfarrer86LUISEHörete nicht; auf ſtand er, und redete, raſch ſich bekleidend: Mutter, wer kann nun leſen! Ich bin unruhig und luſtig! Wahrlich, er muſs bald kommen! Georg hat etwa geſchlummert, Oder auch ſelber ein Stück auf der Feld - ſchalmei ſich gedudelt. Stehet doch feſt der Sand, da es regnete! Weiſet die Uhr nicht Funfzig Minuten auf fünf? O wie oft dann las ich die Zeitung! Hurtig das Becken gereicht, und das Hand - tuch! Glüht mir das Antliz Nicht, als hätt’ ich in Eifer geprediget, oder mit Walter Über Europa geſchwazt und Amerika, jenes im Dunkel,87ZWEITE IDYLLEDies im tagenden Lichte der Menſchlich - keit! Öfne das Fenſter! Friſche Luft iſt dem Menſchen ſo noth, wie dem Fiſche das Waſſer, Oder dem Geiſt frei denken, ſo weit ein Gedanke den Flug hebt, Nicht durch Bann und Gewalt zu den folgſamen Thieren entwürdigt; Ah! wie der labende Duft da hereinweht! und wie der Garten Blühet und blüht, von des Thaus vielfar - bigen Tropfen umfunkelt! Schau die Morell’, und die Pflaum’, und dort an der Planke den kleinen Apfelbaum, wie gedrängt er die röthli - chen Knöpfchen entfaltet! Und den gewaltigen Rieſen, den ſchnee - weiſs prangenden Birnbaum! 88LUISEDas iſt Segen vom Herrn! Fürwahr, wie die Bienen und Vögel, Möchte man ſchwelgen im Duft: Herr Gott, dich loben wir! ſingend! Aber die Braut, wo bleibt ſie? die ſonſt mit dem Hahne mir aufſteht, Und mir am Pult den Kaffe beſorgt! Nichts hört’ ich noch trippeln Über mir! Ganz gewiſs, ſie verſchläft des Bräutigams Ankunft! Ihm antwortete drauf die alte verſtän - dige Hausfrau: Mann, wie du reden kannſt! Sie verſchläft des Bräutigams Ankunft? Unſere raſche Luiſe? Gewiſs, ſie ſteht vor dem Spiegel, Kleidet ſich, ordnet ihr Haar in ſchlau erkünſtelter Einfalt,89ZWEITE IDYLLEOrdnet die Lillaſchleifen, das ſeidene Tuch, und den friſchen Blumenſirauſs, holdlächelnd, und gern noch ſchöner ſich machend. Oder ſie ſchlich in den Garten hinab, und beſchaut die Aurikeln, Unruhvoll, und roth im Geſicht, wie die Gluten des Himmels; Blickt oft über den Zaun, und hört die Nachtigall ſchmettern Unten am Bach, und hört, o mit klopfen - dem Herzen! das Poſthorn. Holla, wie lermt Packan! Unfehlbar wird es Georg ſein. Kaum war geredet das Wort; da klin - gelt’ es raſch, und Suſanna Öfnete; plözlich erſchien im Reiſemantel der Eidam. 90LUISEAber vor Freude beſtürzt und Verwunde - rung, eilten die Eltern, Und: Willkommen, mein Sohn! willkom - men uns! riefen ſie herzlich, Feſt an die Bruſt ihn gedrückt, und Wang’ und Lippen ihm küſſend. Sorgſam eilt’ ihn Mama aus dem Reiſege - wand zu enthüllen, Nahm ihm den Hut, und ſtellte den kno - tigen Stab in den Winkel, Samt dem türkiſchen Rohr, das er mitge - bracht für den Vater. Thränend begannſt du anizt, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau: Gott ſei gelobt, mein Sohn, der groſse Dinge gethan hat, Und wie die Waſſerbäche das Herz der Gemeine gelenket;91ZWEITE IDYLLEDaſs ihn all’ einmütig erwähleten, Predi - ger Gottes Ihnen zu ſein, der Natur und der Menſch - lichkeit weiſer Verkünder, Die Abſchattungen ſind uns Endlichen, endloſer Gottheit! Üb’ er denn ſeinen Beruf mit Freudigkeit, ſtets wie Johannes Lehrend das groſse Gebot: „ Liebt, Kin - delein, liebt euch einander! “ Nicht durch eitelen Zank um Geheimnis, oder um Sazung, Nahen wir Gott; nur Liebe, des Endlos - liebenden Ausfluſs, Schaft uns Vertraun und Glauben zum Heil des geſendeten Helfers, Der ſein Wort mit dem Tode verſiegelte! Religion ſei92LUISEUns zum Gedeihn, und nicht unthätiger Religion wir! Solches aus Schrift und Vernunft einpre - digend, ſelber ein Beiſpiel, Leucht’ er zu irdiſchem Wohl und himm - liſchem! — Nun was ich ſagen Wollte: das Pfarrhaus, ſchreibt er, iſt hübſch, mit bequemen Gemächern; Aber das Obſt nur gemein, und der Kü - chengarten voll Unkraut. Was die Menſchen doch wunderlich ſind! Wie leicht iſt ein Fruchtbaum Hingepflanzt, der ſo reichlich die wenige Pflege belohnet! Glaubt er? ich löſe des Jahrs an hundert Thaler aus Backobſt, Und aus feinerem Obſt, aus Pſirſichen, Pflaumen und Äpfeln,93ZWEITE IDYLLEPflänzlingen auch, und Spargel, und Blu - menkohl und Melonen! Was? und den baaren Gewinn, wie erhöht ihn die Luſt, durch Beiſpiel, Rath und That, zum Fleiſse das willige Dorf zu ermuntern! Sohn, er ehrt mein Geſchenk: als Braut - ſchaz nehm’ er den Lüder! Freundlich die Wang’ ihm klopfend, be - gann die verſtändige Hausfrau: Vater, du kommſt auch ſogleich mit der Wirtſchaft! War es die Nacht kalt, Lieber Sohn? Wie verdrieſslich ſein Pre - digeramt ihn einſchränkt! Nachts fünf Meilen zu fahren durch Thau und kältende Nebel, Seiner Braut zum Beſuch, wie gewiſſen - haft! Konnte der Küſter94LUISEDoch zur Noth die Gemein’ aus dem red - lichen Brückner erbauen! Trinkt mein Sohn auch ein Gläschen fürs nüchterne? oder nur Kaffe? Ihr antwortete drauf der edle beſchei - dene Walter: Kaffe nur, liebe Mama. Mir iſt ſchaude - rig; war es die Nacht gleich Heiter und ſchwül, und lockte die Nach - tigall aus den Gebüſchen, Während am Rande der Mond blutroth in Gedüſt hinabglitt, Und vor dem Wetterleuchten die Pferd’ oft ſtuzten am Wagen. Doch als eben der Tag andämmerte, weht’ es empfindlich Über den See, bis die Sonne, mit liebli - chen Stralen ſich hebend,95ZWEITE IDYLLEGrünaus Dächer beſchien, den ſpizigen Thurm, und das Pfarrhaus. Langſam karrt’ indeſſen der unbarmher - zige Schwager Durch den Kies; denn ein wenig zu ſtark aus dem Glaſe vernüchtert, Nickt’ er beſtändig das Haupt; und zu - lezt noch tränkt’ er die Pferde. Auch der ſinnige Schäfer, der dort die ge - hürdeten Schafe Weidete, kroch nun erwacht aus dem bretternen Hüttchen auf Rädern; Und wie dem belfernden Fix er nachſah, über die Augen Deckend die Hand; laut rief er, und ja - gete ſcheltend den Hund weg: „ Gott zum Gruſs, Herr Walter! Wie gehts? Willkommen in Grünau! “96LUISERiefs, da er über die Brach’ anrennete, drückte die Hand mir Kraftvoll, fragete viel, und freute ſich, minder geſchlank mich Wiederzuſehn, und erzählte von Frau und Schafen und Kindern, Und von der neulichen Oſtermuſik, wo ich leider gefehlet. Kaum ging weiter der Zug; da begegnete ſingend der Jäger, Stuzt’, und begann auflachend: „ Aha! der liſtige Waidmann, „ Der uns das niedliche Reh wegbirſcht, die behende Luiſe! „ Ganz im Vertraun! wir ſandten ein ſchön Rehziemer dem Paſtor, „ Das ſich herübergewagt von der Zucht des eutiniſchen Landes! “97ZWEITE IDYLLEFern dann grüſste der Fiſcher vom Bach, und zeigt’ aus dem Kahne Einen gewaltigen Aal, der hell an der Sonne ſich umwand. Dicht am Dorfe begegneten noch auszie - hende Pflüger, Otto Rahn mit dem klugen Geſicht, und der jüngere Geldo, Gruſs und Geſpräch anbietend. Doch ſchnell auf dem raſſelnden Steindamm Flog ich vorbei, und enteilt’, abſpringend am Krug’, um den Kirchhof. Hier ein türkiſches Rohr, und ächter Vir - giniaknaſter, Lieber Papa, der wie Balſam emporwallt. Schaun Sie, das Rohr iſt Roſenholz, und der Kopf aus Siegelerde von Lemnos. G98LUISEJener ſprachs; und der Vater bewun - derte, freudig empfangend, Wie ſo lang und gerade der Schoſs des Roſengebüſches, Blank von bräunlichem Lack, aufſtieg mit der Mündung des Bernſteins. Laut nun erhobſt du die Stimm’, ehrwür - diger Pfarrer von Grünau: Welch ein Rohr! O gewiſs von dem Freund’ aus Konſtantinopel Mitgebracht! Wie gewaltig! Bei Maho - med! über die Scheitel Raget es! Aber, mein Sohn, zu der Pfeif’ Anzündung bedarf es Einer Cirkaſſerin wohl; und er raubet mir meine Luiſe! Auch in dem Lehnſtuhl muſs ich geſtreckt ausruhn, wie ein Mufti,99ZWEITE IDYLLEUnd ein Vezier im Kaftan auf damaſceni - ſchem Sofa! Raſch, den Virginiaknaſter geprüft! Weib, rufe Suſanna, Daſs ſie den Trank der Levant’ einbring’, und den brennenden Wachstock. Wecke mir auch die Luiſe! Das wittere ja der Probſt nicht, Daſs ein Prieſter die Lippen entweiht mit dem türkiſchen Gräuel! Drauf mit ängſtlicher Stimme begann der verlobete Jüngling: Liebe Mama, ob Luiſe nicht wohl iſt? Frühe ja pflegt ſie Aufzuſtehn, und Kaffe dem Väterchen einzuſchenken. Lächelnd erwiederte drauf die alte ver - ſtändige Hausfrau:100LUISEFaul, mein Sohn! Ich wette, ſie ſteckt noch tief in den Federn. Sprachs, und eilte hinaus, und rief der treuen Suſanna, Die an dem Brunnenſchwengel den tröp - felnden Eimer heraufzog: Hole die ſilberne Kann’, und ſpute dich, liebe Suſanna, Daſs du den Kaffe geklärt einbringſt, und den brennenden Wachsſtock. Nicht zu ſchwach, wie geſagt! der levan - tiſche haſst die Verdünnung. Seze die Kann’ auf Kohlen mit Vorſicht, wenn du ihn trichterſt. Flugs dann ſtich mir im Garten die neu - geſchoſſenen Spargel, Schneid’ auch jungen Spinat; wir nöthi - gen, denk’ ich, die Herſchaft. 101ZWEITE IDYLLEKäme nur Hedewig bald von den Milch - kühn, ohne zu plaudern; Daſs ſie ſogleich die Karauſchen und Hechtlein holte vom Fiſcher, Und mir die Laub’ ausharkt’ und den Gang! Leicht ordnet die Mahlzeit Heute Papa dorthin, wo der Quell von gelegeten Steinen Niederrauſcht in den Bach, und vorn die Kaſtanie blühet, Und noch glänzet das Laub des geboge - nen Erlenganges. Siehe, wie rennend der Hahn vom geſta - pelten Holz mit den Weibern Futter ertrozt, und die Enten vom Pfuhl, und die Glucke mit Küchlein! Habt doch Geduld! gleich bring’ ich euch Haber und Klei’ in der Wanne! 102LUISEAber was ſchimmerte da ſo geſchwind an dem Zaune vorüber? Schon ein Beſuch? Ja wahrlich! Amalia kommt mit dem Kleinen! Sprachs, und zur Pforte des Hofes ent - eilte ſie; unter dem Schauer Hüpfte Packan frohknurrend hervor; und ſie wehrte dem Schmeicheln. Alſo rief ſie entgegen, die alte verſtändige Hausfrau: Kinder, ſo früh in die Luft? O den - ken Sie! meine Luiſe Schläft noch feſt wie ein Dachs; und der Bräutigam iſt in der Stube! Treten Sie ein; ich wecke. Wie wird ſich das Töchterchen ſchämen! Alſo Mama; da klopft’ in die Händ’ Amalia lachend. 103ZWEITE IDYLLEAber ſie dämpfte die Stimm’, und redete, fröhliches Mutes: Ach unſchuldiges Ding! ſchlaflos an den Bräutigam denkend Lagſt du; da ſchwand der Gedank’ in des lieblichen Traumes Betäubung, Unter den Brautmelodieen der Nachtigall! Mütterchen, laſs mich! Leiſe mit Kuſs und Gelispel erweck’ ich ſie; und wenn ſie aufſtarrt: Schmücke dich, ſpott’ ich, mein Kind! dein Bräutigam harret mit Inbrunſt! Ihr mit drohendem Wink antwortete alſo die Mutter: Wo mir Amalia wagt, mein armes Kind zu verſpotten! Flink in die Stube hinein, und gegrüſst das junge Paſtörchen! 104LUISEDenn ihn gilt der Beſuch doch eigentlich. Nicht zu geſchäftig Liebgekoſt um den Walter, ich red’ im Ernſte, mein Mädchen; Daſs ſich die Braut an der Freundin nicht ärgere! Seid ihr vernünftig, Kinder, ſo kommt arglos auf ein Stück Rehbraten zu Mittag, Und auf ein freundlich Geſicht; ich werd’ auch die gnädige Gräfin Nöthigen. Dann mir gelacht nach Her - zensluſt, und geplaudert: Seis in der Laub’ am Bach, ſeis unter dem blühenden Birnbaum, Der beim leiſeſten Wind’ uns weiſs die Schüſſel beregnet. Aber, in aller Welt! was tragen Sie unter dem Mantel? 105ZWEITE IDYLLEUnd die geprieſene Gräfin Amalia sagte dagegen: Eya, wüſsten Sie das, mein Mütterchen; gerne vielleicht wohl Würde die Luſt mir gegönnt, die Luiſ’ aus dem Bette zu holen. Einen Talar voll Würde, zur Feſtſamarie, bring’ ich, Aus gewäſſertem Taft, und zwölf anſehn - liche Befchen. Anziehn ſoll er es heut’, um recht amts - mäſsig und ehrbar Auszuſehn. Nur Schad’ um die fehlende Prieſterperrüke, Und das gekräuſelte Rad! Gar lächerlich ſchreitet ein Neuling Unter dem langen Gewand’, und hebt den hindernden Saum auf. 106LUISESo die fröhliche Gräfin Amalia; ſchnell dann entflog ſie Leichteres Gangs in die Stube, wo ſchon mit dem Greiſe der Jüngling War in tiefem Geſpräch von Gelehrſam - keit, und von der Zeitung. Leiſe die Thür’ aufſchlieſsend, wie abge - wendet ſie ſtanden, Sprang ſie hinan, und grüſste den froh umſchauenden Jüngling. Aber das Mütterchen ſtieg die Treppe hinauf nach der Kammer, Wo die raſche Luiſe noch ſchlummerte; trat dann behutſam, Auf den Zehn ſich wägend, damit nicht knarrte der Boden. Und ſie erblickt’ im Bette die roſenwan - gige Tochter,107ZWEITE IDYLLEWelche ſich über der Deck’ in völligem Schmucke gelagert, Weiſs, wie den geſtrigen Tag, im röthen - den Glanz der Gardine. Jezo, wie ſanft ihr Kind aufathmete, ſtand ſie betrachtend, Neigte ſich, küſste die Wang’, und begann mit leiſem Gefliſter: Was? unartiges Kind, Langſchläſerin! träumſt du noch jezo, Daſs die Wangen dir glühn? und ſogar in völligem Anzug? Wahrlich allzu bequem! Hoch ſteht an dem Himmel die Sonne; Längſt auch zirpte die Schwalb’, und der Sauhirt tutet im Dorf um; Kinderchen, glaub’ ich ſogar, mit dem Frühſtück gehn in die Schule. 108LUISEMädchen, heraus! und muſtre die friſch entfalteten Blumen; Auch ob die Roſ’ in dem Topf am Mor - genſtral ſich geöfnet. Binde den thauigen Strauſs, und leg’ ihn behend’ in den Alkov; Daſs dein Vater ſich freu’ und wundere, wann er erwachet, Dann nach der Thäterin frag’, und, wie artig du ſeiſt, dir erzähle. Dein geperletes Hühnchen hat ſchon im Stalle gekakelt; Eil’, und ſuche das Ei, eh dirs abhole der Iltis. Aber du ſchläfſt mir, Dirne, mit duften - den Blumen im Zimmer! Schädlich ja ſind ſie dem Haupte, zumal die Muskathyacinthen! 109ZWEITE IDYLLEAlſo redete jene; da fuhr aus dem Schlafe die Jungfrau, Blickte verſtört umher, und ſeufzete tief aus dem Herzen. Jezo die glühende Wange dem Arm auf - ſtüzend, begann ſie: Biſt du’s, liebe Mama? O wie kam das? Hat denn der böſe Blumenduft mich betäubt? Ein Strauſs am offenen Fenſter, Meint’ ich, ſchadete nicht; und es ſind faſt lauter Aurikeln. Geſtern ſtörte die Schwül’ am Schlafe mich. Als nun der Wächter: Ein iſt die Glock’! ausrief; mit Verdruſs nun ſprang ich vom Lager, Kleidete mich, und ſahe die funkelnden Stern’ aus dem Fenſter,110LUISEVom anhauchenden Winde gekühlt, und die Gegend im Mondſchein: Wo der Nachtigall Lied ringsum wettei - fernd ertönte, Und der Geſang auf der Bleich’, und die einſame Flöte des Schäfers; Sahe des Thals grau ziehenden Duft, und des plätſchernden Baches Helle Flut, und den Himmel von Wetter - leuchten durchſchlängelt. Endlich nahte der Schlaf; und niederge - legt in den Kleidern, Schlummert’ ich ein allmählich, und hört’ im Traume noch immer Nachtigallengeſang, und der wehenden Linde Geſäuſel. Aber ein ſehr unruhiger Schlaf! O du beſte der Mütter,111ZWEITE IDYLLESage mir, ob an dem Walde Georg ſchon blaſen gehöret! Lag ich zu tief mit dem Haupte? Mir ſchlägt das Herz ſo gewaltig! Lächelnd erwiederte drauf die alte ver - ſtändige Hausfrau: Schlägt dir das liebe Herz, mein Töch - terchen? Klas hat die Zeitung Eben gebracht. Sie erzählt von Amerika, und von Gibraltar, Auch von dem Parlement, und der Reiſe des heiligen Vaters. Eiferig lieſt der Papa, und vergaſs, ſich die Pfeife zu ſtopfen. Auch iſt unten ein Brief an die Jungfrau Anna Luiſe; Walters Hand, wie ich glaube; doch geb’ ichs nicht für Gewiſsheit. 112LUISEWieder begann liebkoſend die freund - liche ſchöne Luiſe: Wirklich ein Brief? Du lächelſt. O Müt - terchen, ſei nicht grauſam! Denke, was ſoll ich doch mit Amerika, oder Gibraltar, Oder dem Parlement, und der Reiſe des heiligen Vaters? Sage, du warſt auch Braut! o ſage mir, iſt er ſchon unten? Ihr antwortete drauf die alte verſtän - dige Hausfrau: Tochter, ich will dirs ſagen, auf Ehrlich - keit. Eben beſucht’ uns Einer im Reiſegewand’, und bracht’ ein türkiſches Rohr mit, Roſenholz, und den Kopf aus Siegelerde von Lemnos,113ZWEITE IDYLLEUnſerem Vater zur Luſt: ein wohlgearte - ter Jüngling, Hoch und ſchön von Geſtalt, der gar nicht prieſterlich ausſieht. Dieſer erkundigte ſich, wie Gebrauch iſt, nach der Geſundheit Unſerer lieben Mamſell; auch Amalia, welche hereintrat, Grüſst’ er, wie lange bekannt. Komm ſelber, mein Kind, und betracht’ ihn. Alſo Mama; und im Taumel entſprang dem Lager die Jungfrau, Schmiegte die Arm’ ihr feſt um den Hals, und mit feurigen Küſſen Unterbrach ſie die Red’, in dem Laut der Begeiſterung rufend: Mütterchen, freue dich doch! Du ſollſt auch die beſte Mama ſein! H114LUISESollſt auch die Braut aufpuzen, und tan - zen auf unſerer Hochzeit! Sollſt auch ſelber noch Braut, und Bräu - tigam werden der Vater! Hurtig hinab, ihn zu ſehen, den wohlge - arteten Jüngling! Ihr antwortete drauf die alte verſtän - dige Hausfrau: Mädchen, du biſt wahnſinnig! Zum Bräu - tigam geht man ehrbar, So wars Sitte vordem, mit niedergeſchla - genen Augen! Schwärmerin, willſt du auf Socken hinab - gehn? Ziehe die Schuh’ an! Und wie das Halstuch hängt! Fi, ſchäme dich, garſtige Dirne! Alſo ſchalt die Mama; und das Töch - terchen, lieblich erröthend,115ZWEITE IDYLLEHüllete ſchnell in die Seide den ſchön aufwallenden Buſen; Schnallte ſich dann, oft fehlend, mit zit - ternden Händen die Schuhe Feſt um die zierlichen Füſs’, und entei - lete. Bange vor Sehnſucht Flog ſie die Stufen hinab; und die Trep - penthüre ſich öfnend, Kreiſchte ſie auf; denn begrüſst von der wartenden Freundin Gelächter, Sank ſie, ach! in die Arme des überseli - gen Jünglings.
Wer den redlichen Pfarrer von Grünau neulich beſucht hat, Kennt die geräumige Stube, wo ſonſt ein thönernes Eſtrich Schreckt’, und ein luftiger groſser Kamien, rundſcheibige Fenſter, Blind vor Alter und Rauch, voll farbiger Wapen der Vorzeit, Auch altfränkiſche Thüren, und mancher beſchimmelte Wandſchrank. 120LUISEAber des frommen Greiſes Ermahnungen rührten das Kirchſpiel Endlich: da ward ſie gebaut zu edlerer Gäſte Bewirtung, Rings mit Tapeten geſchirmt, mit wär - menden Bohlen gepflaſtert, Einem zierlichen Ofen geſchmückt, und engliſchen Fenſtern, Nach dem Garten hinaus und des Sees hochwaldiger Krümmung. Wer ihn jezo beſucht, dem zeiget er ger - ne die Ausſicht, Jede Bequemlichkeit und Verſchönerung, ſchäzet des Baues Koſten, und rühmt die Häupter des Kirch - ſpiels. Rings an den Wänden Hangen die Bilder umher der Familie, je - des nach alter121DRITTE IDYLLESitte geſchmückt: die Männer mit aufge - ſchlagener Bibel; Und den Fraun in der Hand ein Röſelein oder ein Pfirſich. Hier, von der herbſtlichen Flur voll ſchimmerndes Mettengewebes Heimgekehrt, verweilten in Ruh die gnä - dige Gräfin, Und die geprieſene Tochter Amalia, Karl und der Jüngling, Welcher an Walters Statt ihn lehrete. Horchend umringten Dieſe das helle Klavier; denn der Bräuti - gam ſang in der Saiten Bebenden Ton, o Schulz, die Begeiſte - rung deines Geſanges. Oft auch miſchten Luiſ’ und Amalia fröh - lich die Stimmen122LUISEIn den Geſang; und den Baſs, wo es nö - thig war, brummte der Vater. Jezo kam aus der Küche die alte verſtän - dige Hausfrau, Nahte sich, klopfete ſanft auf Amaliens Schulter, und ſagte: Buch zu! Weiſs nicht die Jugend, man kuckt ſich blind in der Dämmrung? Und noch lange bedarf ſie der Äugelein. Reiche den Fruchtkorb, Liebes Kind, und ſchäle mit deinem ſil - bernen Meſſer. Gieb Amalien dort den geſprenkelten Gra - venſteiner, Welchen ſie liebt; auch denk’ ich, die Bergamott’ iſt nicht übel, Und die franzöſiſche Birne, die weiſse ſowohl wie die graue. 123DRITTE IDYLLESchön ſind die Trauben dies Jahr und die Pfirſiche, groſs und balſamiſch! Aber wiſchen Sie, Karl, den blauen Duft von den Pflaumen; Fühlen Sie ſolche heraus, die vom Steine los und am Stengel Runzelich sind: friſch hat ſie mein Hans von dem Baume geſchüttelt. Töchterchen, ſchaff’ auch Licht, und den grünen Schirm für die Gräfin. Denn ich darf doch hoffen, ſie gönnen uns ihre Geſellſchaft Heute bei Butterbrot; wir gebens ſo gut wir es haben. Jene ſprachs; ihr erwiederte drauf die geſellige Gräfin: Selber uns einzuladen, gedachten wir. Aber kein Aufwand! 124LUISEJezo redeteſt du, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau: Mutter, man teuſcht ſich leicht mit Er - wartungen; rede die Wahrheit. Butterbrot bedeutet ein Paar Kramsvögel und Droſſeln, Etwa mit Apfelmus; nach dem Sprich - wort muſs es dabei ſein. Ferner klatſcht’ in dem Zuber ein ſchwärz - liches Ding wie ein Sandart, Oder auch zween, wie mir dauchte; doch das iſt bloſse Vermutung. Aber für Karl erſcheinet ein irdener Napf mit Kartoffeln, Klar wie Kriſtall, in der Hülſ’, an Ge - ſchmack den Kaſtanien ähnlich, Aus holländiſcher Saat. Auch ein Marſch - käſ’ ohne Vergleichung125DRITTE IDYLLELadet den Durſt. Dann plötzlich erfreut uns der purpurne Kohlkopf, Unſer Freund! zur Ehre des Prieſterthu - mes mit Biſchof Angefüllt. O wie kommts? mir iſt heute ſo wohl und behaglich, Als wenn man irgend was gutes vollen - dete, oder auch vorher! Alſo der feurige Greis, und verſchob das ſamtene Käppchen, Welches die Glaz’ ihm hüllt’ in des hei - ligen Amtes Verwaltung, Wann er im grauenden Haar dir glich, mildredender Spener. Zwar die Gräfin begehrt’, und Amalia, töchterlich ſchmeichelnd, Daſs er die wärmende Müz’ aufſezt’ als Vater des Hauſes,126LUISEUnd ſich den Feſtſchlafrock anlegete; doch er verſagt’ es. Aber nachdem Luiſe das Obſt geſchält und genöthigt; Raſch enteilte ſie nun zum Schrank in der täglichen Stube, Nahm die ſilbernen Leuchter, und fügt’ auf jeden ein Wachslicht: Welche die häusliche Frau vornehmeren Gäſten nur anbot, Etwa dem Probſt beim Kirchenbeſuch, und der gnädigen Gräfin, Und wann ihr Hochzeitfest ſie erfreuete, und ein Geburtstag. Dieſe nahm ſie heraus, und die ſtälernen Schneuzen mit Federn, Eilete dann in die Küch’, und ſprach zu der treuen Suſanna:127DRITTE IDYLLEZünde die Lichter mir an, und trage ſie, liebe Suſanna, Flugs in die Stub’, auch bringe den grü - nen Schirm für die Gräfin. Ich nun ſteig’ in den Keller hinab, und hole zum Biſchof Rothen Wein, Pomeranzen, und unſeren purpurnen Kohlkopf. Zucker ſteht in der Kammer genug; und das übrige weiſst du. Ihr antwortete drauf die gefällige treue Suſanna: Gleich, mein Jüngferchen, gleich! Nur erſt die reinliche Schürze Bind’ ich vor; ſonſt könnte mich leicht auslachen die Herſchaft. Als nun Luiſ’ aus dem Keller empor - ſtieg, ſchwer belaſtet;128LUISEKam die fröhliche Gräfin Amalia hinter Suſanna Schnell aus der Thür’, und begann zu der rosenwangigen Jungfrau: Komm ein wenig hinauf in das Kämmer - lein! Dir ja geziemt nicht, Uns in der Küche das Mahl zu beſchleu - nigen, gute Luiſe! Schau, wie die Sichel des Mondes, die blank hinſchwebet wie Silber, Grad’ in die Fenſter dir blinkt; es plau - dert ſich lieblich im Mondſchein. Drinnen halten ſie Rath, den verödeten Garten in Seldorf Anzubaun. Trit leiſe; der Bräutigam möchte dir nachgehn. Jene ſprachs; da reichte die Braut der treuen Suſanna,129DRITTE IDYLLEWas ſie trug, in die Händ’ und ermahnte ſie. Jezo der Freundin Folgte ſie, leiſ’ auftretend, und ſchalt die knarrenden Stufen. Als ſie nunmehr eingingen zur traulichen Kammer im Mondſchein, Hand in Hand, wo ſie oft des gemeinſa - men Werks ſich gefreuet, Oder des geiſtigen Buchs, und des ſtille - ren Mädchengeſpräches; Jezo begann Luiſe, gewandt zu der trau - ten Geſpielin: Seze dich hier in den Seſſel, Amalia, wo ich ſo manchmal Neben dir ſaſs. Bald trennt uns die bit - tere Stunde des Abſchieds! Alſo ſprach wehmütig die Braut, und drückte die Hand ihr,I130LUISEInnig. Da trat an das Fenſter Amalia, blickte den Mond an, Und das Gewölk, das flüchtig mit wech - ſelndem Glanz ihn vorüber Wallete, jezt ihn enthüllt’, und dunkeler jezo dahinzog; Und wie der Wind auf dem Hofe das gelbe Laub von den Bäumen Wirbelte, wogt’ und zerſtreute, mit ſchau - erlichem Geraſſel: Sinnend ſtand ſie, und ſchwieg; und der Mond beglänzte die Thräne, Die auf roſiger Wang’ ihr zitterte. Aber ſie hielt ſich, Wandt’ ihr Geſicht ins Dunkel, und ſprach mit erzwungenem Leichtſinn: Rede, wie Bräuten geziemt, was fröh - liches, nicht von dem Abſchied,131DRITTE IDYLLETrautes Kind! und zumal am heiligen Pol - terabend, Da ſchon Kammer und Bette zur Hoch - zeitfeier geſchmückt iſt! Schad’ um die kleine Luiſe, das jugend - lich hüpfende Mägdlein, Daſs es ſo bald Hausmütterchen wird, und dem Manne gehorſam! Männer küſſen nicht mehr mit Beſchei - denheit, oder erröthend; Herriſch umarmt die Gattin der Herr Ge - mahl, und zerküſst ihr, Oft mit ſtechendem Kuſſe, die Wängelein, wann es ihm einfällt: Alles nach Pflicht und Geſez, und endlich muſs ſie noch wiegen. Sage, wie bogſt du den Nacken ſo willig ins Joch, da du ſchön biſt? 132LUISEDrohend erwiederte drauf die freund - liche ſchöne Luiſe: Spötterin, nicht ſo getrozt! Dir glühn die ſchelmiſchen Äuglein Nicht umſonſt; und ich fühle, wie mäch - tig es hier in dem warmen Wallenden Buſen dir pocht. Ein Jüng - ferchen ſtreubet ſich minder, Und ein anderes mehr; doch folgen ſie alle nicht ungern. Warum hülfe man doch ſo ämſiglich, um der Geſpielin Ihr hochzeitlich Gewand zu fertigen, oder den Brautkranz Froh, mit leiſem Geſang’ und Seufzerchen, und mit Gelächter? Aber du muſst doch ſehen, wie unſere ſchöne Beſezung133DRITTE IDYLLEVon natürlichem Mooſ’ und taftenen Pur - purroſen Auf dem ſchimmernden Atlas ſich aus - nimt. Heut in der Frühe Hab’ ich geheim vollendet, damit nicht Walter mich ſtörte. Alſo Luiſ’, und erhob das milchweiſs ſchimmernde Brautkleid Aus der Kommod’, und zeigt’ es am mat - teren Strale des Mondes. Lange beſah es entfaltend Amalia; jezo begann ſie: Kind, ich beneide die Pracht! Nun danke du meiner Erfindung! Aber wir ſollten doch ſehn, wie es aus - ſieht, wann dich der Vater Morgen bei uns antraut, in dem ſtattli - chen Ehrengewande. 134LUISESteht nicht dort am Fenſter ein Myrten - bäumchen zum Brautkranz? Lächelnd erwiederte drauf die roſen - wangige Jungfrau: Was du für Tand ausſinnſt, Mutwillige! Soll ich zulezt noch Mädchenhaft mit meiner Amalia spielen und albern? Krampe die Thüre nur zu; der Bräuti - gam möchte mir nachgehn. Sprachs, und nahm von dem Haupte den ſchöngeformeten Filzhut, Weiſs und ſamtener Weiche, mit bräun - lichen Zotten gerändet; Löſete dann ihr Kaſtanienhaar, das in glän - zenden Ringeln Über die Schulter ſich goſs, unentſtellt vom Staube des Mehles. 135DRITTE IDYLLEAber Amalia ſtand, und ſchlichtete ſanft ihr die Locken Mit weitzahnigem Kamm, und freute ſich ihres Geringels; Ordnete dann und flocht, nach der Sitte der attiſchen Jungfraun: So wie Praxiteles einſt und Phidias Mäd - chen des Himmels Bildeten, oder ſich ſelber die Muſ’ An - gelika mahlet: Alſo ſchuf ſie das lockre Geflecht, das, in Wellen ſich blähend, Mit nachläſſiger Schwingung zurück auf die Scheitel gerollt war. Aber des Nackens Weiſs’ umflatterte zar - tes Gekräuſel, Gleichſam entflohn; und vorn, um Hals und Schulter ſich windend,136LUISESchlängelten ihr zwo Locken hinab auf den wallenden Buſen. Jezo brach ſie Geſproſs von der Myrten - ſtaud’ an dem Fenſter, Band es ründend mit Seid’, und kränzte dich, edle der Jungfraun, Selber würdig des Kranzes, dich würdige! ſanft nun umſchlang ihn Welliges Haar ringsum, es verbarg ihn hinten die Flechte. Und Amalia neigte ſich hold, anredend die Jungfrau: Bräutchen, das Haupt iſt geſchmückt, wie den Grazien, und wie der Hebe, Wenn ſie im Frühlingstanz ſich vereini - gen um Afrodite. Jezt mit dem ſchönen Gewand’ umhülle dich. Aber zum Brautſchmuck137DRITTE IDYLLEStünden ein feineres Hemd und ſeidene Strümpfe nicht unrecht. Nickend erwiederte drauf das roſen - wangige Mägdlein: Groſsen Dank! ich trage mein Hemd, wie es wackeren Jungfraun Ziemt, beſtändig von feiner und ſelbſtge - ſponnener Leinwand! Schaue nur hier am Halſe! Wozu denn das ſaubere Spinnrad, Welches Papa mir geſchenkt, die zarte - ſten Flocken zu ſpinnen, Während er lieſt im Geſurr am heimlichen Winterabend, Oder Geſchichten erzählt! Dein Scherz mit den ſeidenen Strümpfen Ginge noch wohl, wenn dirs, Brautjüng - ferchen, alſo gelüſtet. 138LUISESprachs, und holte die Strümpf’, und die feſtlichen Schuhe von Atlas, Wandte ſich weg, und ſtreifte der Baum - woll’ helles Gewirk ab, Hüllete flugs in die Seide die zartgerün - deten Füſschen, Sittſam, nahete dann; und die ſilbernen Schnallen im Mondſchein Funkelten. Raſch nun warf ſie das leichte Gewand von der Schulter, Fein und olivengrün, umglänzt von ſtä - lernen Knöpfen, Über die Lehne des Stuhls; und nahm aus den Händen der Freundin Ihr hochzeitlich Gewand, mit Moos um - bordet und Rosen: Welches den lieblichen Wuchs nachah - mete, ſanft anſchlieſsend;139DRITTE IDYLLENicht mit der gaukelnden Mod’ unförm - lichem Wulſte die Hüften Laſtete. Eilig bedient von Amalia, ſchlüpf - te die Jungfrau In das Gewand; mit Gerieſel hinab zu den Ferſen entwallt’ es, Hell vom Monde beglänzt; und ſie ſchnürt’ es behend’ um den Buſen, Welcher, des Zwangs unwillig, ſich hob voll üppiger Jugend; Und wie ein flieſsender Duft umhüllt’ ihn der florene Schleier: Alſo ſchwebt in Nächten des Mais um die Scheibe des Mondes Oft ein dünnes Gewölk, den äuſseren Rand nur enthüllend. Aber Amalia küſste die Braut, und ſagte mit Inbrunſt:140LUISEDu holdſeliges Mädchen! Wie ſchlank und erhabenes Wuchſes Wandelt ſie, anmutsvoll, als ſchwebte ſie! Und o wie lieblich Dieſes Engelgeſicht, und die Roſenwange voll Unſchuld, Und dies glänzende Blau der Äugelein! Willſt du mich anſehn! Komm und ſchau in den Spiegel, und ſchä - me dich, daſs du ſo ſchön biſt! Trauteſte, nim das Gehenk, noch warm vom Buſen der Freundin, Zum Andenken von mir: mein Nam’ aus eigenem Haar iſt Vorne geſchränkt, und hinten die ſchön - geflochtene Locke: Daſs du, den Schmuck anlegend, auch fern dich meiner erinnerſt. 141DRITTE IDYLLESprachs, und band der Freundin das ſchöne Gehenk um den Nacken, Das, den goldenen Bord eirund mit Per - len umringet, Unter geſchlifnem Kriſtalle das Haar und den Namen beſchirmte. Und ſie umarmten einander, die zwo gleichherzigen Jungfraun, Heftig mit langem Kuſs, und gelobeten ewige Freundſchaft; Heiſs vordringende Zähren vermiſchten ſich. Aber mit einmal Klopfte der Bräutigam an, und aufzu - ſchlieſsen verſuchend, Rüttelt’ er. Siehe da ſprang Amalia ſchnell nach der Thüre Lachend, und krampte ſie auf; und der Bräutigam trat in die Kammer. 142LUISEJene nun faſste die Braut, wie ſie bebend ſtand und erröthend, Wild an der Hand, und ſtellte ſie dar dem erſtaunenden Jüngling. Jezo begann, ſich neigend, Amalia, fröh - liches Mutes: Bräutigam, ſo wird morgen Luiſ’ aus - ſehen im Brautſchmuck. Macht’ ich es recht? Aufmerkſam geſchaut, ob das Mädchen auch ſchön iſt! Jene ſprachs; doch der Bräutigam ſtand ſprachlos und verſtummend. So wie ein ländlicher Mann, dem das Herz mit ſüſser Entzückung Menſchlichkeit nährt’ und Natur, und der Kunſt nachahmende Schönheit, Fröhlich den Apfelbaum in voller Blüte betrachtet,143DRITTE IDYLLEWelchen er ſelber gepflanzt an der Lieb - lingsſtelle des Gartens; Lange freut’ er ſich ſchon, wie er knoſ - pete; plözlich entrief ihn Fern in die Stadt ein Geſchäft; doch den heimgekehrten Vollender Führt ſein Weib in den Garten, und zeigt ihm den blühenden Fruchtbaum, Der voll röthlicher Sträuſse, beglänzt vom Golde des Abends, Daſteht, ſchauernd im Weſt, und mit lieb - lichem Duft ihn umwehet; Staunend betrachtet er lang’, und umarmt die liebende Gattin: Alſo ſtaunt’ auch der Jüngling dem An - blick ſeiner geſchmückten Blühenden Braut; es empört’ ihm das Herz bangathmende Wolluſt. 144LUISEAber die Arm’ ausbreitend mit Innigkeit, ſank ihm die Jungfrau Schnell an die Bruſt; und die Seelen der Liebenden floſſen, von Himmels - Wonne berauſcht, im langen und beben - den Kuſs in einander. Endlich begann die schöne Luiſ’, auf - ſchauend zum Jüngling: Aber du haſt mich doch lieb, mein Bräu - tigam? Steht mir der Anzug Gut? und bin ich auch hübſch? Amalia hat mich verleitet! Alſo die Braut; da begann mit herzli - cher Stimme der Jüngling: Schön iſt meine Luiſ’, und hold, wie ein Engel des Himmels! Wende den ſchmachtenden Blick, du Her - liche! oder ich küſſe145DRITTE IDYLLEDir die Äugelein zu, die mir die Seele bezaubern! O du mein auf ewig! Nur wenige Stun - den, und ewig Sind wir vereint; und der Segen des red - lichſten unter den Vätern Folgt uns nach, und der Segen der red - lichſten unter den Müttern! Aber komm doch hinunter, du ſüſse Braut! Dein liebes Väterchen muſs ſich ja freun, und Müt - terchen, daſs du ſo ſchön biſt! Alſo ſprach der Jüngling, und ahndete nicht, was bevorſtand. Schnell dann am Arme gefaſst entführt’ er ſie, welche vergebens Schuz von Amalia flehte, mit ſanfter Ge - walt aus der Kammer. K146LUISEAls nun ſcherzend’ der fröhliche Zug die Treppe hinunter Polterte, eilt’ aus der Küche Mama zu ſehn, was da wäre. Voll Verwunderung rief die alte verſtän - dige Hausfrau: Seht doch in aller Welt! was mir das mutwillige Kinder Sind! Juchheien ſie nicht, wie die Vöge - lein, wann ſie im Frühling Neſter baun? Nur Geduld! du kömmſt noch früh aus dem Brautkranz Unter die Haube, mein Kind! Dann ſizt man ruhig, und brütet! Geht nun verſtändig hinein, Unartige! daſs ſich der Vater Freu’, und die gnädige Gräfin, wie ſchmuck das Töchterchen ausſieht,147DRITTE IDYLLEUnter dem Ehrenkranz! Der Bräutigam führe ſie ehrbar! Ihr antwortete drauf die roſenwangige Tochter: Schilt die Amalia doch, die Verführerin! Mutter, ſie taugt nicht! Aber das Mütterchen drehte den Grif von blinkendem Meſſing, Lieſs vor ſich die Kinder hineingehn, folgte dann selber. Plözlich entflog aus des Bräutigams Hand die blühende Jungfrau, Hüpfte hinan, und ſchlang ſich mit bei - den Armen dem Vater Feſt um den Hals, und küſste den Mund, und küſste die Wang’ ihm, Auch die Stirn’, und ruhte, mit unaus - ſprechlicher Regung,148LUISEHeiſs die Wang’ und bethränt, an der Wange des ſtaunenden Greiſes. Sprachlos drückte der Greis an das klop - fende Herz ſein geliebtes Töchterchen; laut nun rief er im ſtam - melnden Ton der Entzückung: Gottes Segen mit dir, holdſeliges, al - lerliebſtes Töchterchen; Gottes Segen auf dieſer Erd’ und im Himmel! Ich bin jung geweſen, und alt geworden’; und vielfach Hab’ ich Freude von Gott, und vielfach Kummer geſchmecket, Im abwechſelnden Leben, und Gott ge - danket für beides! Gerne will ich nunmehr mein graues Haupt zu den Vätern149DRITTE IDYLLENiederlegen ins Grab: denn meine Toch - ter iſt glücklich! Glücklich, weil ſie es weiſs, daſs unſer Gott, wie ein Vater, Seiner Kindelein pflegt, durch Freud’ und Kummer uns ſegnet! Wunderbar regt ſich mein Herz beim An - blick einer geſchmückten Jungen Braut, wie ſie hüpfend, in holder kindlicher Einfalt, An des Bräutigams Hand den Pfad durchs Leben beginnet: Alles zu tragen gefaſst in Einigkeit, was auch begegnet, Ihm mitfühlend die Luſt zu erhöhn, zu erleichtern die Unluſt, Und, wills Gott, von der Stirne den lezten Schweiſs ihm zu trocknen! 150LUISEEben ſo wallete mirs von Ahndungen, als nach der Hochzeit Ich mein jugendlich Weib heimführete. Freudig und ernſtvoll Zeigt’ ich ihr am Moore die Grenzſtein’ unſeres Feldes, Jezo den Kirchenthurm und die Wohnun - gen, jezo das Pfarrhaus, Wo uns beiden ſo manches bevorſtand, gutes und böſes! Du, mein einziges Kind! denn in Weh - muth denk’ ich der andern, Wann mein Gang zur Kirch’ an der blu - migen Gruft mich vorbeiführt! Bald, du Einzige! wirſt du auf jenem We - ge dahinziehn, Welchen ich kam; bald ſteht mir des Töch - terchens Kammer verödet,151DRITTE IDYLLEUnd des Töchterchens Stelle bei Tiſch; ich horche vergebens Ihrer Stimm’ in der Fern’, und ihrem kom - menden Fuſstritt. Wenn du mit deinem Mann auf jenem Wege dahinziehſt; Schluchzend werd’ ich und lange mit hei - ſsen Thränen dir nachſehn! Denn ich bin Menſch und Vater, und habe mein Töchterchen herzlich, Herzlich lieb! und mich liebt mein Töch - terchen eben ſo herzlich! Aber ich werde getroſt mein Haupt auf - heben zum Himmel, Trocknen mein Angeſicht, und, feſt die Hände gefaltet, Mich im Gebete vor Gott demütigen, der, wie ein Vater,152LUISESeiner Kindelein pflegt, durch Freud’ und Kummer uns ſegnet! Sein iſt auch das Gebot, des Liebenden: „ Vater und Mutter „ Soll verlaſſen der Menſch, daſs Mann und Weib ſich vereinen. “ Geh denn in Frieden, mein Kind; vergiſs dein Geſchlecht, und des Vaters Wohnungen; geh an der Hand des Jüng - linges, welcher von nun an Vater und Mutter dir iſt! Sei ihm ein fruchtbarer Weinſtock Um ſein Haus; die Kinder um euren Tiſch, wie des Ölbaums Spröſslinge! So wird geſegnet ein Mann, der dem Herrn vertrauet! Lieblich und ſchön ſein iſt nichts; ein gottesfürchtiges Ehweib153DRITTE IDYLLEBringet Lob und Segen! Denn bauet der Herr das Haus nicht, Dann arbeiten umſonſt die Bauenden! … Mutter, was ſagſt du? Soll ich ſie traun? Nicht beſſer ja iſt der morgende Tag uns! Alſo der Greis; laut weinte, die Händ’ auffaltend, die Mutter; Laut auch weinte Luiſ’, und barg an dem Vater das Antliz; Auch der Bräutigam weint’; es weint’ Ama - lia ſeitwärts. Selbſt die alternde Gräfin bezwang nicht länger die Thräne, Eingedenk des guten Gemahls, und wie viel ſie erduldet. Endlich begann aufſchluchzend die alte verſtändige Hausfrau:154LUISETraue ſie, Mann, im Namen des all - barmherzigen Vaters. Jezo erhob ſich vom Size der würdige Prediger Gottes, Feierlich; hieſs die Braut, wie ſie bebend ſtand und erröthend, Ihm zur Rechten ſich ſtellen, und links den ſtaunenden Jüngling; Wandte ſich drauf zu dem Jüngling, und ſprach mit erhobener Stimme: Lieber Sohn, ich frage vor Gott und dieſer Verſammlung. Wählt er mit ernſtem Bedacht zur ehli - chen Gattin die Jungfrau Anna Luiſe Blum? Verſpricht er, als chriſtlicher Ehmann, Freude mit ihr und Kummer, wie Gott es fügt, zu ertragen,155DRITTE IDYLLEUnd ſie nicht zu verlaſſen, bis Gott euch väterlich ſcheidet, Unter den Seligen euch zu vereinigen immer und ewig? Alſo der Greis; und Ja antwortete freudig der Jüngling. Drauf zu der blühenden Braut, die an - noch ihr thränendes Antliz Trocknete, wandt’ er die Red’, und ſprach mit erhobener Stimme: Tochter, ich frage dich auch vor Gott und dieſer Verſammlung. Wählſt du mit ernſtem Bedacht zum ehli - chen Gatten den Pfarrer Arnold Ludewig Walter? Verſprichſt du, als chriſtliches Ehweib, Freude mit ihm und Kummer, wie Gott es fügt, zu ertragen,156LUISEUnd ihn nicht zu verlaſſen, bis Gott euch väterlich ſcheidet, Unter den Seligen euch zu vereinigen immer und ewig? Alſo der Greis; und Ja antwortete leiſe die Jungfrau. Weiter redeteſt du, ehrwürdiger Pfarrer von Grünau: Kinder, gebt euch die Hand; die ge - wechſelten Ringe der Treue Habt ihr ſeit der Verlobung bereits in Liebe getragen. Jener ſprachs, und legt’ auf des Jüng - linges Hand und der Jungfrau Seine bebende Hand, und ſprach mit er - hobener Stimme: Kinder, ich ſegne hiemit als Diener des göttlichen Wortes,157DRITTE IDYLLESegne mit allen Segen des allbarmherzi - gen Gottes, Euren ehlichen Bund! Euch hat der Va - ter im Himmel Beide zuſammengefügt; kein Menſch ver - mag euch zu ſcheiden. Segn’ und behüt’ euch der Herr! der Herr erleuchte ſein Antliz Gnädig euch! es erhebe der Herr ſein Antliz, und geb’ euch Seinen Frieden alhier, und dort in Ewig - keit! Amen. Alſo rief er, und ſchloſs die erſchrok - kene Braut und den Jüngling Beide zugleich in die Arme, ſein Herz voll ſtürmiſcher Wehmut, Hielt ſie lange verſtummt, und herzte ſie. Aber die Mutter158LUISENahete jetzt, und im Laute der innigſten Rührung begann ſie: Väterchen, haſt du genug? Mir her! Sie gehören mir auch zu! Sprachs, und entriſs die Kinder dem Arm des liebenden Vaters; Und an die Bruſt ſie drückend mit Hef - tigkeit, eins nach dem andern, Küſste ſie Stirn’ und Wangen und Mund, ausrufend den Glückwunſch: Trauteſte, kommt an mein Herz! Gott ſegne dich, trauteſte Tochter! Trauteſter Sohn! Gott ſegn’ euch! der Stifter des heiligen Ehſtands! Wachſet und grünt, wie die Bäum’ an Waſſerbächen, und bringet Früchte zu ſeiner Zeit. Der gute Geber beſcher’ euch,159DRITTE IDYLLEWas euch frommt: im Glücke genügſame Herzen und Demut, Troſt und Geduld in der Noth, und Ei - nigkeit! Alles verſüſst ja Uns einmütiger Sinn, Hausfried’ und die liebe Geſundheit! Nehm’ er ſie hin, mein Sohn! Das Kind iſt ſanfter Gemütsart, Mein Augapfel! mein Herz! die Gefällig - keit ſelber, und Unſchuld! Die wohl keinen gekränkt, mit Vorſaz! Gott und den Menſchen Angenehm! Seid glücklich, und liebt; bis im ruhigen Alter Gott verhängt, daſs einer die Augen ſchlie - ſse dem andern! Sprachs, und bot die Tochter, im ro - ſigen Lichte der Unſchuld160LUISEJugendlich ſchön, zum Kuſſe dem überſe - ligen Jüngling. Jezo kam auch die Gräfin des Guts, glück - wünſchend dem Brautpaar, Herzlich und viel, und umarmte die hold liebkoſende Patin; Fröhlich kam auch ihr Karl; es kam ſein liebender Lehrer. Aber Amalia ſtand abwärts am Geſimſe des Fenſters, Trocknend das Aug’, und blickt’ in die mondumdämmerte Gegend, Starr und gedankenlos; und des Grams vordringende Schauer Zwang ſie zurück, tiefathmend. Heran nun hüpfte Luiſe, Faſste ſie wild an der Hand, und drohete, alſo beginnend:161DRITTE IDYLLEKomm doch, Glück mir zu wünſchen, Amalia! Schämſt du dich jezo, Daſs du mich alſo beliſtet? Geduld! wir ſprechen uns weiter! Sprachs; und Amalia lacht’ ein unauf - haltſam Gelächter, Thränen im Aug’; es lachte das Mägde - lein unter dem Brautkranz; Lachend umarmten ſich beid’, und ruhe - ten ſo an einander. Laut nun redeteſt du, ehrwürdiger Pfar - rer von Grünau: Werdet ihr bald auslachen, Amalia, und du Luiſe? Trefliche Mädchenkünſte: geweint und gelacht durch einander, Recht wie die Sonn’ im April! Leichtfer - tige, ſchien euch die TrauungL162LUISEWunderlich? Arme Luiſe, das hat dir ſchwerlich geahndet, Als du den Schmuck anlegteſt! Ein ander - mal ſcherzt mit dem Brautkranz! Richtig getraut, das biſt du, mein Töch - terchen! Wollte nunmehr dich Selber der Herr Generalſuperintendent aus den Formeln, Die dich verſtrickt, loswinden; getroſt antwortet’ ich alſo: Würdigſter Herr Generalſuperintendent, ich verharre Voll Ergebenheit ſtets Ihr ganz gehorſa - mer Diener; Aber ich nehme mir doch die Erlaubnis, Sie zu verſichern, Daſs nach meinem Erachten die Kinder - chen richtig getraut ſind. 163DRITTE IDYLLEJener ſprachs; da begann die gnädige Gräfin des Gutes: Kurz war und bündig die Trau; kein Kun - diger möchte ſie tadeln! Und aus dem Hochzeittage bei uns wird trockener Nachſchmaus! Aber der Bräutigam nahm die ſchöne, vor Freud’ und Beſtürzung Schwindelnde Braut an der Hand, und ſprach, zu dem Greiſe ſie führend: Einziger alter Papa! noch einmal kom - men die Kinder! Wir unartigen Leute vergaſsen den Dank für die Trauung, Die den Himmel auf Erden uns öfnete! Noch in Verwirrung Sind wir, dem Träumenden gleich, der mit Engelſchwingen zum Himmel164LUISEAuffliegt, oder den langen und ſehnlichen Wunſch nun vollendet Schaut, voll banger Begierde, mit dunke - ler Furcht des Erwachens. Aber zu froherem Schauen erwachen wir! Sein wir ſo glücklich, Als der redlichſte Vater es war, und die redlichſte Mutter! Jener ſprachs; und ſie ſchlangen den edelen Greis in die Arme Feſt; von Freude zugleich und Wehmut ſchwoll ihm die Seele. Aber die Jungfrau klopft’ ihm die Wang’, und ſchmeichelte kindlich: Vater, du böſer Vater! dein Töchter - chen ſo zu erſchrecken! War das recht? Ich komme ſo ganz un - ſchuldig und arglos,165DRITTE IDYLLEUnd vermut’ in der Welt nichts weniger, als die Hochzeit! Aber mit einmal geräth er in Zorn; und eh ich mich umſeh, Bin ich getraut! Du ſollteſt doch Scherz verſtehen, mein Vater! Jezo ging aus der Stube die alte ver - ſtändige Hausfrau, Nahm aus dem Schrank ein feines Gedeck, und ſah nach der Wanduhr, Eilete dann in die Küch’, und ſprach zu der treuen Suſanna: Decke den Tiſch, Suſanna; den Heerd indeſſen beſorgt wohl Hedewig. Seht einmal, wie geſchmückt iſt unſre Suſanna, Und mein ehrlicher Hans; auch Hedewig geht ja, wie Sonntags! 166LUISEWelch ein Puz wohl morgen zum Hoch - zeittanze hervorkommt! Lange den Tiegel vom Bord’, und, He - dewig, reiche die Butter; Daſs zum Senf ſie ſchmelze; der Sandart könnte wohl gar ſein. Flink mir die feſtlichen Gläſer geſpült, und das groſse des Vaters, Das ins helle Gekling’ einbummt, wie die Glocke vom Kirchthurm. Fülle die Schal’ in der Kammer mit Sülz - milch, welche die Gräfin Gerne mag, und den gläſernen Korb mit geſtoſsenem Zucker. Haſt du zum Apfelmus auch Kaneel ge - ſtoſsen im Mörſer? Gut, daſs der Haſ’ im Keller noch hing! Es wäre ja ſchimpflich,167DRITTE IDYLLEWenn wir mit Fiſchen allein und Vögel - chen dieſen Abend Feierten; und, ich ſchäme mich faſt, mit gebrühten Kartoffeln! Hans, nur tüchtig den Braten gedreht; heut Abend iſt Hochzeit! So wie ein Mann, der am Abend vom Feld’ heimkehrt in Gedanken, Heiter des Tagewerks, und die ſinkende Sonne betrachtend, Freudig erſchrickt, wenn hinter dem Ha - ſelgebüſch an dem Fuſsſteig Plözlich das freundliche Weib vorſpringt mit den jauchzenden Kindern: Alſo erſchrak auch Hans, da er plözlich das Wort von der Hochzeit Hörte der lieben Mamſell, die er oft auf den Armen geſchaukelt. 168LUISEHaſtiger dreht’ er den Wender, und re - dete, laut ausrufend: Herzensfrau, was ſagt ſie? Getraut iſt das Jüngferchen wirklich? Jezt in der Stube getraut? Das hätt’ ich nimmer vermutet! Als ſie vorher mit der Braut hinſchäker - ten: Spielt nur, ihr Leutlein! Dacht ich bei mir einfältig; es kälbert ſich wohl in der Jugend! Hüpft doch das Lamm auf der Weid’, und ſtampft das Füllen, und walzet! Aber wie ſteht der Jungfer das Hochzeit - kleid und der Brautkranz? Alſo Hans; und lächelnd zu Hedewig ſagte die Mutter: Wie ſie da gaſt, und die Augen vor gro - ſser Verwunderung aufſperrt! 169DRITTE IDYLLEPlagt dich ſo ſehr Neugierde; ſo laſs die Gläſer nur warten. Trage die Teller hinein, und meld’ es der guten Suſanna Sacht; dann frage die Braut, ob ſie nicht ein wenig herauskommt. Alſo gebot die Mutter; und Hedewig folgte nicht ungern, Trug die Teller hinein, und ziſchelte, was ſich ereignet, Sacht der Genoſſin ins Ohr; zur Braut, dann ſagte ſie heimlich: Jungfer, mich ſendet Mama, ob ſie nicht ein wenig hinauskommt. Aber die Braut, ausgehend mit Hedewig und mit Suſanna, Trat in die Küch’, und lieſs im flattern - den Scheine des Feuers170LUISEIhre ſchöne Geſtalt von Haupt zu Fuſse bewundern, Mit handſchlagendem Lob’, und lächelte Dank bei den Wünſchen. Alſo des ehrlichen Hans wohlmeinender kräftiger Glückwunſch: Jüngferchen, geb’ ihr Gott ein Gedeihn, als gölt’ es auf ewig! Segen die Füll’ in Boden und Fach, und die Bäume voll Obſtes, Halme ſo dicht und ſo hoch, mit nieder - hangenden Ähren, Glattes Vieh in die Ställ’, und friſch an - wachſende Jungen: Daſs, wer vorübergeht, es mit Luſt an - ſieht und Verwundrung! Aber zu allem ein Neſt rothbackiger wäh - liger Kinder,171DRITTE IDYLLEWie aus dem Teige gewälzt; und immer noch eins in der Wiege! Drauf begann zu der lieben Mama das blühende Mägdlein: Mütterchen, denke daran; mein guter Hans und die Jungfern Freuen ſich auch des Schmauſes, und klin - gen dabei, wie natürlich, Auf der wackeren Braut und des Bräuti - gams werthe Geſundheit. Freundlich erwiederte drauf die alte verſtändige Hausfrau: Kümmre dich nicht um Eier, mein Töch - terchen, eh ſie gelegt ſind! Aber der ehrliche Hans antwortete, laut ausrufend: Ja, wir wollen uns freun, und brav an - klingen und jubeln172LUISEAuf der wackeren Braut und des Bräuti - gams werthe Geſundheit! Meinen Pferden ſogar will ich heut die Krippe voll Haber Schütten, und unſere Kühe mit ungedro - ſchenen Garben Sättigen, auch Packan mit reichlichen Biſ - ſen verſorgen: Daſs wir all’ uns freuen am Ehrentage der Jungfer! Ihm antwortete drauf die freundliche ſchöne Luiſe: Hänſelchen, gieb mir die Hand; du biſt mein ehrlicher Alter! Alſo ſprach ſie bewegt; da ſchlug den erſchallenden Handſchlag Hans, und umſchloſs treuherzig die zarte Hand, und begann ſo:173DRITTE IDYLLEJungfer, ich bin nur ſchlecht und ge - mein, und verſtehe den Schick nicht; Aber ich wollt’ an das Ende der Welt durch Feuer und Waſſer Laufen für ſie! Gott lohn’ es dem Jüng - ferchen, daſs ſie ſo gut iſt! Kaum geſagt; da erſchien, ſein Mägde - lein ſuchend, der Jüngling, Trat in die Küchenthür’, und begann mit zürnendem Lächeln: Was hat Hans mit der Jungfer zu thun? Ein tröſtlicher Anblick! Ziemt es ſich, Hans, liebkoſend mit Hän - dedrücken und Äugeln Mir die Braut zu bethören, da wir nur eben getraut ſind? Ihm antwortete drauf die alte verſtän - dige Hausfrau:174LUISEHat er nimmer gehört, Herr Bräutigam, daſs man die Männer, Welche dem Heerde ſich nahn, mit der Küchenſchürze bekleidet? Hurtig hinein mit der Dirne! Sie bringt mir den Hans ſo in Aufruhr, Daſs der Haſ’ am Wender nicht immer geht, wie er ſollte. Aber du ordne den Tiſch, und ſpute dich, liebe Suſanna! Alſo gebot die Mama; und der Bräu