Die Wahrheit, die wir alle nöthig haben, die uns als Menschen glücklich macht, ward von der weisen Hand, die sie uns zugedacht, nur leicht verdeckt, nicht tief vergraben.
Kein Geschäft ist nach dem Geständnis - se aller Zeitalter einmüthiger für eine Ver - muthungskunst (ars conjecturalis) erklärt worden, als die Arzneikunst; keine kann sich daher einer prüfenden Untersuchung, ob sie Grund habe, weniger entziehen, als sie, auf welcher das theuerste GutaIIim Erdenleben, Menschengesundheit sich stützt.
Ich rechne mirs zur Ehre, in neuern Zeiten der einzige gewesen zu seyn, wel - cher eine ernstliche, redliche Revision der - selben angestellt, und die Folgen seiner Ueberzeugung theils in namenlosen, theils in namentlichen Schriften dem Auge der Welt vorgelegt hat.
Bei diesen Untersuchungen fand ich den Weg zur Wahrheit, den ich allein ge - hen mußte, sehr weit von der allgemeinen Heerstraße der ärztlichen Obſervanz abge - legen. Ie weiter ich von Wahrheit zu Wahrheit vorschritt, destomehr entfernten sich meine Sätze, deren keinen ich ohne Erfahrungsüberzeugung gelten ließ, vonIII dem alten Gebäude, was aus Meinungen zusammengesetzt, sich nur noch durch Meinungen erhielt.
Die Resultate meiner Ueberzeugungen liegen in diesem Buche.
Es wird sich zeigen, ob Aerzte, die es redlich mit ihrem Gewissen und der Menschheit meinen, nun noch ferner dem heillosen Gewebe der Vermuthungen und Willkürlichkeiten anhängen, oder der heil - bringenden Wahrheit die Augen öfnen können.
Soviel warne ich im Voraus, daß In - dolenz, Gemächlichkeit und Starrsinn vom Dienste am Altare der Wahrheit aus - schließt, und nur Unbefangenheit und unermüdeter Eifer zur heiligsten allera 2IVmenschlichen Arbeiten fähigt, zur Aus - übung der wahren Heilkunde. Der Heil - künstler in diesem Geiste aber schließt sich unmittelbar an die Gottheit, an den Wel - tenschöpfer an, dessen Menschen er erhal - ten hilft, und dessen Beifall sein Herz dreimahl beseligt.
Man kurirte bisher die Krankheiten der Menschen nicht rationell, nicht nach feststehenden Gründen, sondern nach sehr verschiednen Heilzwecken, unter andern auch nach der palliativen Regel: contraria contrariis curentur.
Im Gegentheile hievon lag die Wahr - heit, der ächte Heilweg, zu welchem ich in diesem Werke die Anleitung gebe: wähle, um sanft, schnell und dauerhaft zu heilen, in jedem Krankheitsfalle eine Arznei, wel - che ein ähnliches Leiden (ὅμοιον πάϑος) vor sich erregen kann, als sie heilen soll (simi - lia similibus curentur)! Diesen homöopathi - schen Heilweg lehrte bisher niemand. Ist es aber die Wahrheit, die diesen Weg vorschreibt, so läßt sich erwarten, daß,VI gesetzt sie wäre auch Jahrtausende nicht geachtet worden, sich dennoch Spuren von ihr, der Unsterblichen, in allen Zeit - altern werden auffinden lassen. Und so ist es auch. In allen Zeitaltern sind die Kran - ken, welche wirklich, schnell, dauerhaft und sichtbar durch Arzneien, — nicht durch ein großes andres Ereigniß, nicht durch den Selbstverlauf der akuten Krankheit, nicht durch die Länge der Zeit, nicht durch das allmählige Uebergewicht der Energie des Körpers, u. s. w. gesund wurden, blos durch die homöopathische Wirkung eines Arzneimittels genesen, ob - gleich ohne Wissen des Arztes.
Selbst bei den (— seltnen —) wirkli - chen Heilungen mit vielerlei zusammen ge - mischten Arzneien, findet man hie und da, daß das stark vorwirkende Mittel von der homöopathischen Art war.
Doch noch auffallend überzeugender findet man dieß, wo die Aerzte, wider die Observanz, zuweilen mit einem einfachen Mittel die Heilung schnell zu Stande brach - ten. Da siehet man, zum Erstaunen, daß es durch eine Arznei (nach Art der in die -VII sem Werke vorgetragenen homöopathischen Heilgesetze) geschah, die geeignet war, ein ähnliches Leiden zu erzeugen; ob sie gleich was sie da thaten, selbst nicht wußten, und es in einem Anfalle von Vergessenheit der gegentheiligen Lehren ihrer Schule thaten.
Hier einige Beispiele:
Schon Hippocrates heilte (ἐπιδημιῶν, lib. 4.) die Cholera, die sich durch nichts stillen lassen wollte, einzig durch Weiß - nieswurzel, welche doch vor sich Cho - lera erregt, wie Forestus, Lentilius, Rei - mann, Ettmüller und mehrere Andre sahen.
Das englische Schweißfieber, was im Iahre 1485 zuerst erschien, und anfäng - lich, wie Willis versichert, von 100 Perso - nen 99 tödete, konnte nicht eher gebändigt werden, bis man den Kranken Schweiß erregende Mittel zu geben lernte. Von der Zeit an starben nur Wenige, wie Sennert be - merkt.
Darmsaiten in die gesunde Harnröhre gelegt, erregen allemahl einen Schleimab - fluß, und eben deshalb heilen sie so oft alte Nachtripper.
VIIIEin jahrelanger, den Tod drohender Bauchfluß, wo alle andre Arzneien ganz ohne Erfolg waren, ward, wie Fischer zu seiner (nicht meiner) Verwunderung wahr - nahm, von einem ungelehrten Kurirer mit einem Purgirmittel schnell und dauer - haft gehoben.
Murray, statt aller andern Zeugen, und die tägliche Erfahrung zählt unter die Symptomen, welche der Gebrauch des Ta - baks hervorbringt, vorzüglich Schwindel, Uebelkeit und Aengstlichkeit. Und ge - rade Schwindel, Uebelkeit und Aengst - lichkeit waren es, von denen sich Diemer - broek durch Tabakrauchen befreiete, wenn er unter der ärztlichen Behandlung der epi - demischen Krankheiten in Holland von die - sen Beschwerden befallen ward. — Chomel, Grant und Marrigues sahen vom starken Ge - brauche des Tabaks Konvulsionen ent - stehen, und lange vor ihnen hatte Zacutus der Portugiese in dem aus dem Safte des Tabakskrautes bereiteten Sirupe ein sehr heilbringendes Mittel in vielen Fällen von Epilepsie gefunden.
IXDie schädlichen Wirkungen, welche einige Schriftsteller, und unter ihnen Geor - gi vom Genusse des Fliegenschwam - mes bei den Kamtschadalen anmerken, Zittern, Konvulsionen, Fallsucht, wurden wohlthätig unter den Händen Whistling’s, der sich des Fliegenschwammes mit Erfolge gegen Konvulsionen mit Zit - tern begleitet, und unter Bernhardt’s Hän - den, der sich desselben hülfreich in Fall - suchten bediente.
Die bei Murray zu findende Wahrneh - mung, daß Anies-Oel von Purganzen erregtes Leibweh stillt, setzt uns nicht in Verwunderung, wenn wir wissen, daß J. B. Albrecht Magenschmerzen und P. Forest heftige Koliken vom Anies-Oele be - obachtet hatten.
Wenn Fr. Hoffmann die Schafgarbe in mehrern Blutflüssen rühmte, Stahl, Buchwald, und Löseke sie im übermäßigen Flusse der Goldader sehr dienlich fan - den, die Breslauer Sammlungen Heilungen des Blutspeiens durch Schafgarbe anfüh - ren, und Thomasius bei Haller sie mit Glück in Mutterblutflüssen anwendete, so be -X ziehen sich diese Heilungen offenbar auf die ursprüngliche Neigung dieses Krautes, vor sich Blutflüsse und Blutharnen, wie Fr. Hoffmann beobachtete, und eigenthüm - lich Nasenbluten zu erzeugen, wie Boecler von demselben wahrnahm.
Scovolo, nächst Andern, heilte schmerz - haften Abgang eiterigen Harns mit der Bä - rentraube, welche dieses nicht vermocht hätte, wenn sie nicht vor sich schon Harn - brennen mit Abgang eines schleimigen Urins erzeugen könnte, wie wirklich Sau - vages von der Bärentraube entstehen sah.
Der jezt so sehr vernachlässigte Fle - ckenschierling hat homöopathisch nicht selten schwierige Krankheiten geheilt, wie die Schriften der besten Aerzte bezeugen. Wenn er nun, wie Baylies erfuhr, vor sich Engbrüstigkeit, nach Stoerck verkürztes, keuchendes Athemholen, nach Lange hef - tigen Husten, abermahl nach Stoerck ei - nen trocknen Husten, nach einer andern Beobachtung von ihm sehr gewaltsamen Husten, und nach noch einer andern, einen nächtlichen Husten, nach Lan - deutte aber Kurzäthmigkeit und eineXI Art nächtlichen Keuchhusten vor sich erzeugen kann, so wird es leicht begreif - lich, wie er unter Boulard’s Augen ein nächtliches Asthma, und bei Stoerck ei - nen konvulsivischen Husten nach unter - drückter Krätze, bei Viventius einen hart - näckigen Husten, und eine Art Keuch - husten unter Butter’s, Armstrong’s, Len - tin’s und Ranoe’s Erfahrungen hat glücklich heilen können. — Die Heilung einer Harnwinde durch Schierling bei Stoerck wird erklärlich aus der Strangurie, welche Lange und Ehrhardt von eben dieſem Krau - te haben entstehen sehen. — Hat Stoerck einen schwarzen Staar damit bezwungen, so ward dieß durch die natürliche Eigen - schaft des Schierlings möglich, vermöge welcher er (nach Amatus dem Portugiesen) plötzliche Blindheit, (nach Baylies und Andree) Gesichtsverdunkelung und (nach Gatacker) Gesichtsschwäche schon von selbst zu erzeugen pflegt.
Wenn es auch die vielen Erfahrungen von Stoerck, Marges, Planchon, du Monceau, F. Ch. Juncker, Schinz, Ehrmann und Ande - rer nicht versicherten, daß die Herbst -XII zeitlose eine Art Wassersucht geheilt habe, so würde diese Kraft schon aus ihrer Eigenschaft, verminderte Absonderung eines feuerrothen Urins mit stetem Harndrange vor sich zu erregen (wie nächst Stoerck auch de Berge sah) leicht zu erwarten seyn. — Sehr sichtbar aber ist das von Göritz durch die Zeitlose geheilte hypochondrische Asthma, und die von Stoerck durch sie gehobene Engbrüstig - keit mit einer Brustwassersucht (wie es schien) verbunden, in der Tendenz dieser Wurzel, Schweräthmigkeit und Asthma vor sich hervorzubringen, gegründet, der - gleichen de Berge von ihr wahrnahm.
Muralto sah, was man noch täglich se - hen kann, daß die Ialappe außer Bauchweh auch eine große Unruhe und Umherwerfen zuwege bringt und, ganz begreiflich für jeden denkenden Arzt, fließt aus dieser ihrer Tendenz, jene wohlthätige Kraft derselben, kleinen Kindern in Leib - weh, Unruhe und Schreien oft zu helfen und ihnen einen ruhigen Schlaf zu ver - schaffen, wie G. W. Wedel ihr mit Recht nachrühmt.
XIIIBekanntlich (wie auch Murray, Hillary und Spielmann zum Ueberflusse bezeugen) machen die Sensblätter eine Art Leib - schmerzen und bringen das Blut in Wal - lung (die gewöhnliche Ursache der Schlaf - losigkeit) und eben dieser ihrer natürli - chen Eigenschaft wegen, konnte Detharding heftige Kolikschmerzen mit ihnen he - ben und den Kranken die unruhigen Näch - te benehmen.
Ganz nahe lag es dem sonst scharfsin - nigen Stoerck, einzusehen, daß der beim Gebrauch der Diptamwurzel von ihm selbst bemerkte Nachtheil, zuweilen eine Leukorrhöe zähen Schleims mit Blut - striemen vermischt, zu erzeugen, eben die Kraft sei, wodurch er mit dieser Wurzel ei - nen langwierigen weißen Fluß be - zwang.
Eben so wenig durfte es Stoerck auffal - len, wenn er mit der Brenn-Waldre - be eine Art langwierigen, feuchten, fres - senden, allgemeinen Krätzausschlags heilte, da er selbst von diesem Kraute wahrgenommen hatte, daß es krätzigeXIV Pusteln über den ganzen Körper vor sich schon erzeugen könne.
Aus eben dem Grunde, aus welchem von Auflegung der Wolfsmilch blos auf den Unterleib unter Scopoli’s Augen Was - sergeschwulst des ganzen Körpers er - folgte, konnten auch in den ältern Zeiten eine Menge Aerzte und gemeine Leute eine Art Wassersucht mit Wolfsmilch heilen, wie Herrmann und Boecler anführen.
Wenn nach Murray die Euphrasie das Triefauge und Augenentzündung geheilet hat, wodurch vermochte sie dieß sonst, als durch ihre (von Lobelius, Bonnet und S. Paulli beobachtete) Eigenschaft, vor sich schon eine Art Augenentzündung erzeugen zu können?
Nach Lange’s braunschweigischer Haus - mittelpraxis hat sich die Muskatnuß sehr hülfreich in hysterischer Ohnmacht erwiesen; doch wohl aus keinem natürli - chern Grunde, als weil sie in großer Gabe (bei Cullen) ein Verschwinden der Sinne und allgemeine Unempfindlichkeit bei gesunden Personen zu erregen fähig ist!
XVBoecler und Linné bezeugen, daß der Faulbeer-Kreuzdorn beim innern Gebrauche eine Art Wassersucht heile. Der Grund hievon liegt ganz nahe; Schwenck - feld sah durch äußere Auflegung der innern Rinde dieses Strauchs von selbst eine Art Wassersucht entstehen.
Die uralte Wahl des Rosenwassers zum äußerlichen Gebrauche bei Augen - entzündungen scheint stillschweigend ei - ne Heilkraft dieser Blumenblätter in Oph - thalmien anzuerkennen. Es könnte aber doch vielleicht nur Aberglaube seyn, wenn sie nicht auch ihrer eigenthümlichen Natur nach die Eigenschaft besäßen, vor sich ei - ne Art Augenentzündung bei gesunden Menschen zu erzeugen; und diese Kraft besitzen sie wirklich, wie Echtius und Lede - lius bezeugen, von ihnen wahrgenommen zu haben.
Wenn der Rhus radicans nach Rossi ge - neigt ist, den Körper allmählig mit Pu - steln zu überziehn, so sieht ein verstän - diger Mann leicht ein, wie er homöopa - thisch den Herpes bei Dufresnoy und van Mons heilen konnte.
XVIWas zwingt den Rhus toxicodendron, bei Alderson und Darwin, Lähmung der un - tern Gliedmasen mit Verstandes - schwäche begleitet, zu heilen, wenn es nicht die deutlich zu Tage liegende eigen - thümliche Kraft dieses Strauchs thut, gänz - liche Abspannung der Muskelkräfte mit einer zu sterben fürchtenden Verstan - desverwirrung vor sich erzeugen zu kön - nen, wie Zadig sah?
Hat das Bittersüß, wie Haller bei Vicat versichert, von Verkältung ent - standnen Husten geheilt, so kam es ein - zig daher, weil es bei feucht kalter Luft vorzüglich geneigt ist, mancherlei Verkäl - tungsbeschwerden hervorzubringen, wie Carrere und de Haen beobachteten. — Er - sterer Arzt sah beim Gebrauche des Bitter - süßes eine Rauhheit der Zunge entste - hen, und eben dieser Eigenschaft wegen war es vermögend, Schrunden der Zunge zu heilen, wie Haller bei Vicat anführt. — Dem Carrere verdanken wir die Beobach - tung, daß Bittersüß eine Art Leucorrhöe vor sich erregt. Hieraus hätte man schon im voraus schließen können, daß diesesXVII Kraut eine ähnliche Art Leucorrhöe mit Gewißheit heilen müsse; die Bestätigung aber hievon, daß es dergleichen auch wirk - lich heile, haben die Erfahrungen von Rahn, Carrere und Durande gelehrt. — Vergeb - lich würde man den innern Grund, warum gerade Bittersüß so wirksam eine Art Flechten und Herpes (unter den Augen eines Carrere, Fouquet und Poupart) geheilt hat, in dem Reiche der Vermuthungen auf - suchen, da er uns von der einfachen Natur so nahe gelegt worden ist, nämlich: das Bittersüß erregt von selbst eine Art Flech - ten, und Carrere sah von seinem Gebrauche einen Herpes zwei Wochen hindurch sich über den ganzen Körper verbreiten, und bei andrer Gelegenheit Flechten auf den Händen davon entstehen.
Vom Schwarznachtschatten sah Rucker eine Geschwulst des ganzen Kör - pers entstehen und Gatacker konnte deshalb eine Art Wassersucht mit diesem Kraute (homöopathisch) heilen.
Eine andre Art Wassersucht konn - ten Boerhaave, Sydenham und Radcliff mit Schwarzholder heilen, eben weil, wiebXVIIIHaller berichtet, der Schwarzholder schon bei äußerer Auflegung Oedem erzeugt.
De Haen, Sarcone und Pringle huldig - ten der Wahrheit und Erfahrung, da sie freimüthig gestanden, den Seitenstich mit Squille geheilt zu haben, mit einer Wur - zel, die das, hier blos schmeidigende, ab - spannende und kühlende Mittel verlangen - de System ihrer großen Schärfe wegen durchaus widerrathen mußte; er wich den - noch der Squille und zwar nach dem ho - möopathischen Naturgesetze, indem schon J. C. Wagner (obs. clin. Lub. 1737.) von der freien Wirkung der Meerzwiebel eine Art Pleuritis entstehen sah.
Nach Gaterau’s Beobachtung hat der Gebrauch des Taxus einen heftigen Hu - sten verursacht, und blos deshalb konnte er bei Perry (Journ. de Med. 1790.) Husten heilen.
Die Eigenschaft des Terbenthin - Oels (nach Stedman), eine Harnverhal - tung, eine Art Wassersucht und Nieren - schmerzen erzeugen zu können, gab die - sem ätherischen Oele die homöopathische Heilkraft, hie und da eine Wassersucht,XIX und hie und da eine Art Hüftweh zu he - ben, worüber uns Home, Herz, Thilenius, Cheyne und Andre die Belege liefern.
Der chinesische Thee ist seiner Na - tur nach nichts als ein Arzneimittel. Man findet in den Nov. Act. N. C. und bei Lettsom zusammenziehenden Magenkrampf von Thee erzeugt, auch erwähnt letzterer eines drückenden Magenschmerzes davon, eine Tendenz die das Lob, welches Buchan dem Thee bei Hebung der Cardialgie der Schwangern ertheilt, hinlänglich motivirt. — Nach mehrern Beobachtungen (von Geof - froy, von Tode und von James bei Lettsom) hat er nicht selten Zuckungen und Fall - sucht hervorgebracht und in dieser Eigen - schaft stillt er die bei Masern und Pocken gewöhnlichen Konvulsionen (Eph. N. C. dec. III. a. I. obs. 1618.) —; so wie er auch ein vorzügliches homöopathisches Heilmittel in der Ermüdung von Strappazen (Lett - som) abgiebt, ebenfalls einzig durch seine, allgemeine Schwäche erzeugende Kraft, welche von Lettsom, Whytt und Murray beobachtet worden ist — und eben dahin scheint auch seine von Lettsom be -b 2XXmerkte, Schläfrigkeit erzeugende Eigen - schaft zu gehören, vermöge deren die Chi - nesen die Schlafsucht in Krankheiten (Herrmann) mit Thee heilen.
Die durch Viele (Dan. Crüger, Ray, Kellner, Kaaw, Boerhave u. s. w.) vom Ge - nusse des Stechapfels beobachtete Wirkung, wunderliche Phantasien und Konvulsionen zu erregen, setzte die Aerz - te in Stand, die Dämonie (monströse Phantasien in Begleitung von krampfhaften Gliederbewegungen) mit Stechapfel (Ve - ckoskrift, IV. ) zu heilen, — so wie eine von Quecksilberdampf und eine andre von Schreck entstandne Art Veitstanz von Si - drèn mit diesem Kraute geheilt ward, oder eigentlich mittelst seiner Eigenschaft, schon vor sich dergleichen unwillkührliche Gliederbewegungen erzeugen zu kön - nen, wie man von Kaaw, Boerhave und Lob - stein beobachtet findet. — Weil auch der Stechapfel nach vielen Wahrnehmungen (auch denen von P. Schenck) sehr schnell alle Besinnung und Rückerinnerung weg - nimmt, so ist er auch fähig, Gedächt - nißschwäche (nach Sauvages und Schinz) zuXXI heben, — und eben so konnte auch Schmalz eine mit Manie abwechselnde Melancho - lie mit diesem Kraute heilen, weil es, wie a Costa erzählt, solche alternirende Ge - müthsverwirrungen auch vor sich zu er - zeugen im Stande ist.
Percival, Stahl und Quarin beobachte - ten Magendrücken, Morton, Friborg, Bauer und Quarin Erbrechen und Durch - fall, Morton und Dan. Crüger Ohnmachten, und viele Andre einen großen Schwäche - zustand, Thomson, Richard, Stahl und C. E. Fischer eine Art Gelbsucht, Quarin und Fi - scher Bitterkeit des Mundes, und meh - rere Andre harte Anspannung des Unter - leibes vom Gebrauche der Chinarinde, und eben diese vereinigten Zustände sind es, bei deren ursprünglichen Gegenwart in Wechselfiebern Torti und Cleghorn so an - gelegentlich auf den alleinigen Gebrauch der Chinarinde dringen, — so wie die ge - segnete Anwendung derselben in dem er - schöpften Zustande, der Unverdaulich - keit und Anorexie nach akuten, beson - ders mit Blutlassen und erschöpfenden Aus - leerungsmitteln behandelten Fiebern blosXXII auf der (von Cleghorn, Friborg, Crüger, Rom - berg, Stahl, Thomson u. A.) beobachteten Eigenschaft dieser Rinde, ein ungemeines Sinken der Kräfte, erschlafften Zu - stand Leibes und der Seele, Unver - daulichkeit und Anorexie zu erregen, beruhet.
Außer Piso, Huck und Meyer haben noch eine Menge andrer Aerzte die Durch - fall stillende Kraft der Ipecacuanhe aner - kannt. Wie könnte sie aber einige Arten Durchfall so kräftig stillen, wenn sie nicht selbst, wie bekannt (Murray) vor sich Pur - giren zu erregen geeignet wäre? — Wie könnte sie mehrere Blutflüsse stillen (Bagliv, Barbeirac, Gianella, Dalberg, Ber - gius u. A.), wenn sie nicht selbst Blutflüs - se zu erzeugen (Murray, Geoffroy) im Stande wäre? — Wie könnte sie in Engbrüstig - keit und besonders in der krampfhaften Engbrüstigkeit (Akenside, Meyer, Bang) so hülfreich seyn, wenn sie nicht, auch ohne Ausleerungen zu erregen, schon vor sich de Tendenz besäße, Engbrüstigkeit überhaupt, und krampfhafte Engbrü - stigkeit insbesondre zu verursachen?XXIII dergleichen Murray (pract. Bibl. III. ), Geoffroy und Scott von dieser Wurzel beobachteten. Kann es deutlichere Winke geben, daß wir die Arzneien nach ihren krankmachenden Wirkungen zur Heilung der Krankheiten anwenden sollen?
Eben so würde es nicht einzusehen seyn, wie die Ignatzbohne in einer Art Konvulsionen (Acta Berolin. Herrmann, Va - lentin) so wohlthätig hätte seyn können, wenn nicht bekannt wäre (Bergius, Camelli, Durius in Misc. N. C. Dec. III. ann. 9, 10.), daß sie selbst dergleichen hervorzubringen im Stande wäre.
Durch Stoß und Quetschungen be - schädigte Personen bekommen Seitenstiche, Brechreitz, krampfhafte, stechende und brennende Schmerzen in den Hypochon - dern mit Aengstlichkeit und Zittern beglei - tet, ein unwillkührliches Zusammenfahren wie von elektrischen Stößen wachend und im Schlafe, ein Kriebeln in den beschädig - ten Theilen, u. s. w. Da nun das Wohl - verleih eben diese Zustände erregen kann (de Meza, Vicat, Crichton, Collin, Aaskow, Stoll und J. Chr. Lange), so wird es leichtXXIV begreiflich, wie dieses Kraut die Zufälle von Quetschung und Fall, folglich die Quetschung selbst heilen kann, wie eine namenlose Menge von Aerzten und ganze Völkerschaften in Erfahrung gebracht ha - ben.
Wenn es mehrere Stufen und Arten von Hundswuth giebt, wie mehr als wahrscheinlich ist, so wird man wohl be - haupten können, daß die Belladonne eine Art Wasserscheu zu heilen vermö - gend sei, wie denn wirklich Münch, Buch - holz und Neimeke dergleichen mit ihr geheilt haben; auch leuchtet diese Heilkraft aus der eigenthümlichen Wirkungsart dieses Krautes hervor, mehrere Zufälle von Wasserscheu schon selbst erzeugen zu können, z. B. das vergebliche Haschen nach Schlaf, das ängstliche Athemholen, der ängstliche brennende Durst nach Ge - tränke, das die Person kaum erhält, als sie es schon wieder von sich stößt, mit ro - them Gesichte, stieren und funkelnden Augen (von welcher Arzneikrankheit durch Belladonne uns J. F. C. Grimm das Bild entwirft), während die einzelnen Züge die -XXV ses Zustandes von mehrern Beobachtern, namentlich das, Ersticken erregende Nie - derschlingen des Getränks bei übermäsigem Durste von El. Camerarius und Sauter, und überhaupt das Unvermögen zu schlucken von May, Lottinger, Sicelius, Buchave, d’ Her - mont, Manetti, Vicat und Cullen wiederho - let, von Andern aber die von diesem Krau - te entstandne, mit Furchtsamkeit abwech - selnde Begierde, nach den Umstehenden zu schnappen (Sauter, Dumoulin, Buchave, Mar - dorf) und umher zu spucken (Sauter), auch wohl zu entfliehen (Dumoulin, Eb. Gmelin, Buc’hoz) und die beständige Regsamkeit des Körpers (von Boucher, Eb. Gmelin, Sauter) noch hinzugesetzt werden, — alles Zufäl - le von Belladonne, welche vereinigt ein ziemlich treffendes Bild von der durch sie heilbaren Art Hydrophobie darstellen. Ob aber die Behandler der Wasserscheu mit Belladonne auf der einen Seite nicht oft die Gabe übertrieben, auf der andern Seite aber die der Belladonne entsprechende Art von Wasserscheu immer getroffen haben, will ich hier nicht entscheiden — da die häufig - sten Arten von Hundswuth mehr den durchXXVI Bilsenkraut erzeugbaren Zufällen äh - neln, und daher öfterer durch lezte - res heilbar seyn müssen. — — Die Belladonne heilte auch Arten von Manie und Melancholie (Evers, Schmucker, Schmalz und Münch Vater und Sohn) das ist, mit - telst ihrer Kraft, besondre Arten von Wahnsinn eigenthümlich zu erzeugen, dergleichen Rau, Glimm, Hasenest, May, Mardorf, Hoyer, Dillenius, u. A. aufgezeich - net haben. — Henning brauchte eine Men - ge vergeblicher Mittel gegen eine Amauro - sis mit vielfarbigen Flecken vor den Augen drei Monate lang, bis er aus Ver - dacht gegen etwanige Gicht, die der Kran - ke doch nicht hatte, endlich Belladonne gab und ihn damit schnell und ohne Be - schwerde heilte. Er würde es wohl gleich Anfangs gethan haben, wenn er gewußt hätte, daß Belladonne dieß homöopathisch thun muß, da sie selbst Amaurosis mit vielfarbigen Flecken vor den Augen erzeugt, wie Sauter sah.
Die von einigen Beobachtern (Blom, Planchon) zu Anfange der Wirkung des Bilsenkrautes bemerkte Schlaflosig -XXVII keit, welche gewöhnlich von Aengstlich - keit unterhalten wird, ist auffallend der einzige Grund der so großen Schlaf brin - genden Wirkung desselben in ähnlichen idiopathischen Agrypinen, die, nach Stoerck, jene (palliative) hypnotische Wir - kung des Opiums weit übertrifft. — Das Bilsenkraut hat Krämpfe, welche viel Aehn - lichkeit mit der Fallsucht hatten, auch wohl dafür gehalten worden sind (nach Stoerck, Collin und A.), gehoben, weil es der Fallsucht sehr ähnliche Zuckungen erregen kann (nach El. Camerarius, Chph. Seliger, Hünerwolf, A. Hamilton, Planchon, a Costa u. A.) — Nicht umsonst hat Greding von diesem Kraute einen trocknen krampf - haften Husten entstehen sehen; dieß sollte uns zeigen, daß er ein kräftiges Heil - mittel in einem ähnlichen Husten sei, wie auch Friccius, Rosenstein, Dubb und Stoerck wirklich erfahren haben. — In ge - wissen Arten von Wahnsinn hat Stoerck, Fothergill, Herwig und Ofterdinger das Bil - senkraut mit Erfolge gebraucht; doch wür - den noch weit mehrere Aerzte hierin glück - lich gewesen seyn, wenn sie keinen an -XXVIII dern Wahnsinn damit zu heilen unternom - men hätten, als das Bilsenkraut in seinen Primärwirkungen zu erzeugen vermag, nämlich jene Art stupider Sinnlosigkeit, wie sie Helmont, Wedel, J. G. Gmelin, la Serre, Hünerwolf, A. Hamilton, Kiernander, J. Stedman, Toppetti, J. Faber und Wendt vom Bilsenkraute haben erfolgen sehen. — Aus den von diesem Kraute erfahrnen Wir - kungen, die man bei obigen Beobachtern nachsehen kann, läßt sich das Bild des höchsten Grades von einer Art Hysterie zusammensetzen, und eben diese wird von ihm geheilt (J. A. P. Gesner, Stoerck). — Unmöglich hätte Schenckbecher einen zwan - zigjährigen Schwindel damit heben kön - nen, wenn das Bilsenkraut nicht so allge - mein und in so hohem Grade einen ähnli - chen Schwindel zu erzeugen, von Natur geeignet wäre, wie Hünerwolf, Blom, Na - vier, Planchon, Sloane, Stedman, Greding, Wepfer, Vicat, Bernigau bezeugen. — Die sechs gemischten Arzneistoffe, die Hecker in einer krampfhaften Verschließung der Augenlieder mit dem sichtbarsten Er - folge brauchte, wären vergeblich gewesen,XXIX war nicht das hier homöopathische Bilsen - kraut glücklicherweise drunter, welches nach Wepfer dasselbe Symptom am gesun - den Körper zu erregen pflegt.
Die Glieder - und Gelenkschmerzen, welche A. Richard (bei P. Schenck) vom Sturmhute in Erfahrung gebracht hat, sind von der Art, wie sie von vielen Aerz - ten, deren Namen Murray verzeichnet, mit Sturmhut geheilt worden sind; so daß der homöopathische Grund seiner Heilkraft deutlich in die Augen fällt.
Wie wäre es möglich, daß der Kam - pher in den sogenannten schleichenden Nervenfiebern mit verminderter Kör - perwärme, verminderter Empfindung und gesunkenen Kräften so ausnehmen - de Dienste leisten konnte, wie uns der Wahrheit liebende Huxham versichert, wenn der Kampher nicht in seiner Primärwirkung gerade einen solchen Zustand erzeug - te, wie Alexander, Cullen und Fr. Hoffmann von ihm sahen? — Die bis zur höchsten Schmerzhaftigkeit erhöhete Empfindlich - keit des Organismus mit Hitze verbunden in der Influenza hebt er deshalb zwarXXX schnell, aber nur palliativ, und seine Gaben müssen daher stets erhöhet und oft erneuert werden, wenn er dieser akuten Krankheit Meister werden soll. (§. 266.)
Feuriger Wein stillt oft, wie Murray bezeugt, eine lästige Erhitzung des Kör - pers und die allzu heftige Erregung des Pulses — offenbar homöopathisch! —. Ein fieberhaftes Delirium, wie eine ver - nunftlose Trunkenheit mit laut schnar - chendem Athem —, diese Krankheit, dem Zustande einer heftigen Berauschung von Weine ähnlich — heilte Rademacher in ei - ner einzigen Nacht blos mit Weintrinken. Wem fällt hier nicht die Macht des analo - gen Arzneireitzes (similia similibus) in die Augen?
Ein Zustand, dem Todeskampfe ähn - lich, von Konvulsionen ohne Bewustseyn, abwechselnd mit Anfällen von krampfhaf - tem und stoßweisem Athmen, welches auch schluchzend und röchelnd mit Todtenkälte des Gesichts und Körpers (Hände und Füße blaulich) und mit schwachem Pulse erfolg - te (ganz so, wie Schweickert und Andre die Zufälle vom Mohnsafte beobachteten)XXXI ward von Stütz vergeblich mit Laugensalz, nachgehends glücklich und schnell und dauerhaft durch Mohnsaft gehoben. Wer erkennt hier nicht das, unwissender Weise ausgeübte homöopathische Verfahren? — Eben diesen, so große Neigung zum fast unüberwindlichen Schlafe mit heftigem Schweiße und Delirien (nach Vicat, J C. Grimm und Andern) erregenden Mohnsaft fürchtete sich Osthoff in einem epidemi - schen Fieber, was dieselben Symptomen hatte, anzuwenden, weil das System (!) in dieser direkten Schwäche ihn zu geben ver - biete. Nur da er nach vergeblichem Ge - brauch aller bekannten Arzneien den Tod vor Augen sah, entschloß er sich, ihn auf gut Glück zu probiren, und, siehe! er war allgemein hülfreich (mußte es seyn, nach dem ewigen homöopathischen Heilge - setze!) — In einem Fieber, wo die Kran - ken sprachlos waren, die Augen offen, die Glieder starr, der Puls klein und aus - setzend, der Athem schwer mit Schnarchen und Röcheln und in Schlafsucht versunken — Zuständen, die der Mohnsaft ganz ähnlich zu bewirken vor sich vermag (wieXXXII de la Croix, Rademacher, Crumpe, Pyl, Vicat, Sauvages und viele Andre beobachtet haben) — da sah Hoffmann in Münster blos den Mohnsaft helfen (wie ganz natürlich!) — Nach langer Quaal mit einer Menge nicht passender Arzneien hob C. C. Matthäi eine hartnäckige Nervenkrankheit, deren Haupt - zeichen Unempfindlichkeit, Taubheit und Eingeschlafenheit in Armen, Schenkeln und am Unterleibe waren, mit Mohnsaft (der nach Stütz, J. Young und Andern, der - gleichen in vorzüglichem Grade vor sich erregen kann), wie jeder Nachdenkende sieht, blos homöopathisch. — Hufeland’s Heilung einer tagelangen Lethargie mit Mohnsaft, nach welchem andern Gesetze erfolgte sie, als nach dem bisher verkann - ten homöopathischen?
Rave und Wedekind heilten schlimme Mutter-Blutflüsse mit Sadebaum, welcher wie jede freche Dirne weiß, Bär - mutter-Blutflüsse bei Gesunden er - zwingt. Wer will hier das Heilgesetz der Natur durch Aehnlichkeit, verkennen?
Wie könnte der Biesam im Millari - schen Asthma fast specifisch helfen, wennXXXIII er nicht vor sich selbst Paroxysmen von hustenloser, erstickender, krampfhaf - ter Zusammenschnürung der Brust zuwege bringen könnte? und dieß kann er, wie Fr. Hoffmann beobachtete.
Kann die Kuhpocke anders gegen Kindblattern schützen, als homöopathisch? sie, welche außer andern großen Aehnlich - keiten mit ihnen, und insbesondre ihrem im Ganzen nur einmahl möglichen Erscheinen am menschlichen Körper und der Tiefe ih - rer Narben, sogar auch Achseldrüsenge - schwülste, Augenentzündung und Konvul - sionen, wie die Menschenblattern erregt hat.
Bekanntlich ist Haruverhaltung mit Harnzwang eins der häufigsten und be - schwerlichsten Symptome der spani - schen Fliegen, wie zum Ueberflusse Joa. Camerarius, Baccius, van Hilden, Forest, J. Lanzoni, van der Wiel und Werlhoff bestä - tigen. Ein behutsamer innerer Gebrauch der Kanthariden mußte daher in ähnlichen schmerzhaften Dysurien durchaus ein hülfreiches und homöopathisches Hauptmit - tel seyn. Und so ist es auch. Außer fast allen griechischen Aerzten (deren KantharidecXXXIVdie sehr ähnliche Meloe des Wegwarts war) haben Fabr. ab Aquapendente, Capivac - cius, Th. Bartholin, Riedlin und Andre die schmerzhaftesten, ohne mechanische Hinderung entstandenen Ischurien mit Kanthariden geheilt. Selbst Huxham sah die vortrefflichsten Wirkungen davon in sol - chen Fällen; er rühmt sie sehr, und hätte sie gar gern gebraucht. Aber das System hielt ihn ab, wider seine Ueberzeugung! — Van Hilden hat in zwei verschiedenen Fällen Hüftweh von Kanthariden erfolgen sehn, und dieser ihnen eigenthümlichen krank - machenden Kraft hat man die vielen dauer - haften Heilungen von Hüftweh zu danken, welche Hollerius, Riedlin, Boerhaave, Tral - les, Tissot, Medicus, Tode und Andre aus ihren Erfahrungen anführen. — Doch kann wohl schwerlich ein stärkeres Beispiel von der Kraft der Arzneien, durch die Tendenz, ähnlich krank machen, und so homöopathisch Krankheiten heilen zu können, gefunden werden, als die Heilsamkeit (ganz kleiner Gaben) der Kanthariden im frischen ent - zündlichen Tripper selbst, wo sie Sachs von Lewenheim, Hannaeus, Bartholin, Lister,XXXV Mead und vor allen Werlhoff mit dem auffal - lendsten Erfolge anwendeten —, eine Heil - kraft, die die Kantharide dem Umstande verdankt, daß sie fast nach allen Beobach - tern schmerzhafte Ischurie, Harnbren - nen, ja selbst Entzündung der Harnröh - re (Wendt) und sogar bei blos äußerlicher Anwendung einen entzündungsartigen Tripper (Wichmann) vor sich selbst schon, zu erzeugen vermag.
Bei empfindlichen Personen erregt der innere Gebrauch des Schwefels nicht sel - ten Stuhlzwang, zuweilen sogar Erbre - chen, Leibweh und Stuhlzwang (Wal - ther) und aus eben diesem Grunde hat man (Med. N. z.) ruhrartige Zufälle und nach Werlhoff Stuhlzwang bei blinden Hämor - rhoiden, und nach Rave Hämorrhoidal - koliken mit demselben heilen können. — Bekanntlich erzeugt das Töplitzer Bad, so wie alle lauen und warmen Bäder, welche Schwefel in Wasserstoffgas aufgelöst enthalten, oft einen sogenannten Bade - ausschlag, welcher große Aehnlichkeit mit der Krätze hat, und eben deswegen heilen auch diese Bäder (homöopathisch), so wiec 2XXXVIder Schwefel selbst, die wahre Krätze der Wollarbeiter dauerhaft.
Die englischen Aerzte haben in den neu - ern Zeiten, in den Beddoesschen Schrif - ten und anderwärts, die Salpetersäure als ein sehr dienliches Mittel in dem Spei - chelflusse von Quecksilber und den daher entstandnen Mundgeschwüren befunden, welches diese Säure nicht hätte ausrichten können, wenn sie nicht schon vor sich, selbst wo sie auch nicht örtlich auf den Mund wirken konnte, und schon als Bad (Scott) gebraucht, die Eigenschaft besäße, Speichelfluß und Rachengeschwüre zu erzeugen, wie auch Aloyn, Kellie, Blair, Luke und Ferriar von ihr gesehen haben.
Fritze hat von einem Bade mit kausti - schem Kali geschwängert, eine Art Teta - nus erfolgen sehn, und Humbold hat die Reitzbarkeit der Muskeln durch zerflossenes Weinsteinsalz bis zum Tetanus zu erre - gen vermocht; kann eine einfachere und wahrere Quelle für die Heilkraft des (ätzen - den) Laugensalzes in jener Art von Te - tanus, wo es Stütz nebst Andern hülfreich fanden, nachgewiesen werden?
XXXVIIDer durch seine ungeheure Kraft, das Befinden des Menschen zu verändern, man weiß nicht, ob in verwegnen Händen mehr fürchterlich, als in der Hand des Weisen eher verehrungswürdig zu nennende Ar - senik würde im Gesichtskrebse nach Gui von Chauliac, nach Theodoric, nach Va - lescus von Taranta, nach Fallopius, nach Pe - net, nach Rönnov, (Cosme) und mehrern Neuern nicht so große Heilungen haben vollbringen können, wenn dieses Metall - oxyd nicht die homöopathische Kraft be - säße, schon vor sich sehr schmerzhaf - te, sehr schwer heilbare Knoten (nach Amatus dem Portugiesen) und tief eind in - gende, bösartige Geschwüre (nach Heim - reich und Knape) zu erzeugen. — Die Alten würden das, Arsenik enthaltende, soge - nannte magnetische Pflaster des Angelus Sa - la bei Pestbeulen und Karbunkeln nicht so einstimmig wohlthätig haben finden kön - nen, wenn der Arsenik nicht vor sich (wie Degner und Knape bezeugen) die Neigung besäße, schnell in Brand übergehende Entzündungsgeschwülste hervorzubrin - gen. — Der Arsenik bringt, nach denXXXVIII Wahrnehmungen Dan. Crüger’s und J. C. Grimm’s die meisten Zufälle einer bösarti - gen rothen Ruhr hervor; was Wunder, wenn ihn schon Galenus in Klystiren und Zacutus der Portugiese, Slevogt und Molitor innerlich als Heilmittel in einer Art ro - then Ruhr haben heilsam finden können? Und wo käme seine so tausendfach bestä - tigte (nur noch nicht behutsam genug ange - wendete) Heilkraft in einigen Arten von Wechselfieber her, die seit Jahrhunderten schon von Myrepsus, nachgehends von Sle - vogt, Molitor, Jacobi, J. C. Bernhardt, Jung - ken und Fowler nicht unzweideutig geprie - sen worden ist, wenn sie nicht in der eigen - thümlichen Fieber erregenden Kraft des Ar - seniks gegründet wäre, welche fast alle Beobachter der Nachtheile dieser metalli - schen Substanz, und insbesondre Amatus der Portugiese, Degner, Buchholz, Heun, und Knape deutlich bemerkten? — Ganz wohl läßt sich Alexander’n glauben, daß der Arsenik ein Hauptmittel in (einigen Ar - ten?) der Brustbräune sei, da schon Ot - to Tachenius und Guilbert Beklemmung des Athemholens, Greiselius fast erstickendeXXXIX Schweräthmigkeit, und vorzüglich Ma - jault ein beim Gehen plötzlich entste - hendes Asthma mit Sinken der Kräfte vom Arsenik wahrgenommen haben. —
Die Konvulsionen, welche nach Ramsay, Fabas bei Unzer, und Cosmier der Ge - nuß kupferner Dinge, und die wiederholten epileptischen Anfälle, welche eine ver - schluckte Kupfermünze unter Lazerme’s und der Kupfersalmiak unter Pfündel’s Augen er - regt haben, erklären dem nachdenkenden Arzte deutlich genug, woher die Heilung des Veitstanzes durch Kupfer, wovon R. Willan — und die vielen Heilungen ei - ner Art Fallsucht durch die Bereitungen eben dieses Metalls kamen, wovon Weiß - mann, Pasquallati, Duncan, Russel, Cullen und Andre so glückliche Erfahrungen auf - zeichneten.
Haben Poterius, Wepfer, Wedel, Fr. Hoffmann, R. A. Vogel, Thierry und Albrecht mit Zinn eine Art Schwindsucht, hekti - sches Fieber, langwierige Katarrhe und feuchte Engbrüstigkeit geheilt, so geschah es vermittelst der eigenthümlichen Kraft des Zinnes, eine Art Schwindsucht erzeugen zu können, welche schon J. E. Stahl beobachtet hatte. — Wie wäre es wohl möglich, daß Zinn, wie Geischläger berich -XL tet, Magenschmerzen heilen könnte, wenn es nicht vor sich schon dergleichen erregen könnte. Und das kann es, wie auch Gei - schläger selbst sah, und ehedem Stahl (mat. med. C. 6. p. 83).
Amelung’s Kur einer Art geschwüriger Lungensucht durch den innern Gebrauch des Bleies deutet auf die von Boerhaave beobachtete Tendenz dieses Metalls, selbst unter seiner äußern Auflegung eine Art Schwindsucht zu erzeugen. — Sollte die schädliche Kraft des Bleies, Ileus hervor zu bringen, wie Thunberg, Wilson, Luzu - riaga und Andre sahen, nicht diese schreck - liche Krankheit, wenn sie Menschen aus andern, unmechanischen Ursachen befällt, zu besiegen geschaffen worden seyn? Und wirklich heilte Angelus Sala durch innern (homöopathischen) Gebrauch dieses Metalles den Ileus und Agricola eine andre heftige Leibesverstopfung. — Wenn Otto Ta - chenius und Ettmüller ehemals hartnäckige hypochondrische Beschwerden mit Blei heilten; so erinnere man sich der diesem Metalle anerschaffnen Neigung, hypochon - drische Uebel vor sich zu erzeugen, wie in Luzuriaga’s Beschreibung seiner schädlichen Wirkungen zu sehen ist.
XLIMan darf sich nicht wundern, daß Marcus (Magaz. II. 2.) eine Entzündung und Geschwulst der Zunge und des Ra - chens schnell und dauerhaft mit einem Mittel geheilt hat, welches nach der tägli - chen, tausendfachen Erfahrung aller Aerz - te ganz specifisch Entzündung der innern Theile des Mundes erzeugt (mit Queck - silber) welches dergleichen schon bei äußerer Auflegung (der merkurialischen Salben, Pflaster oder des Sublimats) auf die Haut des übrigen Körpers thut, wie Degner nebst Andern erfuhr. — Die Gemüthsstö - rung und die Herzensangst, welche, un - ter Andern, Hill vom Quecksilbergebrau - che wahrnahm, und die bekannte, fast specifische Tendenz dieses Metalls, Spei - chelfluß zu erregen, erklärt sehr einleuch - tend, wie W. Perfect eine mit Speichel - fluß abwechselnde Melancholie mit Quecksilber dauerhaft heilen konnte. — Woher kömmt des Quecksilbers guter Ruf in der häutigen Bräune? Warum war Seelig in Heilung der von Frieselfieber be - gleiteten bösartigen Bräune so glücklich mit Kalomel? Macht wohl irgend eine Arz - nei in der Welt vor sich eine schlimmere Bräune als Kalomel? — Heilte Sauter je - ne geschwürige Mundentzündung mitXLII Schwämmchen und Speichelflußgestan - ke durch Gurgeln mit Sublimatauflösung wohl anders als homöopathisch, das ist, durch eine ähnliche arzneiliche Krankheits - potenz? — Mehrerer Gemische von Arz - neien bediente sich Hecker in der caries von Pocken mit sichtbarem Erfolge; zum Glücke daß in allen diesen Mischungen Quecksilber mit befindlich war, von wel - chem nur allein dieß Uebel besiegt werden konnte, homöopathisch, da Quecksilber un - ter allen je bekannt gewordnen Arzneien, die einzige Potenz ist, welche Knochen - fraß specifisch selbst erzeugen kann, wie so viele übertriebne Merkurialkuren, auch unvenerische Kuren (Michaelis) bezeugen. Eben so wird auch dieses bei seinem lang - wierigen Gebrauche durch Erzeugung des Beinfraßes so fürchterliche Metall, ho - möopathisch höchst wohlthätig in Heilung der caries bei Verwundungen der Kno - chen, wovon uns Justus Schlegel, Joerdens und J. Matth. Müller (obs. med. chir. Dec. II. Cas. X.) sehr merkwürdige Beobachtungen geliefert haben.
Bei Lesung der Schriften über die me - dicinische Elektrisität muß man über die nahe Beziehung erstaunen, mit welcher die von ihr hie und da erzeugten Körperbe -XLIII schwerden und Krankheitszufälle den ganz ähnlichen Körperbeschwerden und Krank - heiten entsprechen, welche sie mit Glück und dauerhaft durch Homöopathie geheilt hat. Ich sage hier nichts von den Heilun - gen die sie schon als entgegengesetzt wir - kendes Arzneimittel*)Blos in der Nachwirkung sehr heftiger und unge - heurer elektrischen Schläge sind Anwandlung von Lähmung der Glieder, Gefühlsverlust, und Läh - mung der Gehör - und Seh-Nerven enthalten. bei neu entstand - nen Fällen von Gefühlsverlust, Schlagfluß, Lähmungen und schwarzem Staare bei voll - kräftigen Körpern zuweilen vollführte — da sie dergleichen auf diese opponirte Wei - se in chronischen alten Lähmungen und Amaurosen der Natur der Sache nach, nie auszurichten im Stande ist, so wenig als irgend ein andres Palliativ. Ich erwähne blos ihrer homöopathischen Wirkungen. Unzählig sind die Schriftsteller, welche in der Primärwirkung Beschleunigung des Pulses von der positiven Elektrisität wahrnahmen, vollständig fieberhafte An - fälle aber, blos durch Elektrisität erzeugt, sahen Sauvages, Delas und Barillon bei Ber - tholon. Diese ihre febrilische Tendenz war Ursache, daß Gardini, Wilkinson, Syme, und Wesley eine Art Tertianfieber einzig mitXLIV Elektrisität heilen konnten, Zetzel aber und Willermoz sogar Quartanfieber. — Sie er - regt, wie bekannt, eine den Zuckungen ähnliche Verkürzung der Muskeln, und de Sans konnte durch sie, so oft er wollte, so - gar anhaltende Konvulsionen am Arme ei - nes Mädchens erregen; und eben mittelst dieser konvulsivischen Tendenz konnten de Sans und Francklin (bei Sauvages) krankhafte Konvulsionen mit Elektrisität stillen. — Hamilton und de Haen sahen die Elektrisität rheumatische Schmerzen hervorbringen, und eben rhevematische Schmerzen sind es, welche unzählige Mahle schon von der Elek - trisität homöopathisch und dauerhaft geheilt worden sind, wie eine unnennbare Menge Aerzte und Naturforscher bezeugen. — Auch Hüftweh selbst, erregte die Elektrisität (Jallabert und Philos. Trans. Vol. 63.) und konnte also auch leicht das Hüftweh hei - len, wie Hiortberg, Lovet, Arrigoni, Dabou - eix, Mauduyt, Syme und Wesley durch ihre Erfahrungen bewährt haben. — Eine Men - ge Aerzte haben eine Art Augenentzün - dung durch Elektrisität gehoben, nämlich vermittelst eben der Tendenz derselben, wodurch sie selbst Augenentzündungen (nach Patrick, Dickson und Bertholon) erzeu - gen kann. — Buisson sah eine VerhärtungXLV der Brustdrüsen vom Blitze verschwinden und Mauduyt heilte verhärtete Halsdrü - sen mit Elektrisität; er hätte es nicht ver - mocht, wenn dieses Agens nicht schon vor sich im Stande wäre, Geschwülste der Halsdrüsen zu erzeugen, wie de Haen von ihr sah. — Fuschel heilte Aderkröpfe (va - rices) mit Elektrisität, welche diese Heil - kraft blos mittelst ihrer (von Jallabert be - obachteten) Eigenschaft, Venengeschwül - ste zu erregen, besitzt.
Der Galvanische Metallreitz, wel - cher schon vor sich (wie Ritter, Bischoff und Geiger vielfältig beobachteten) die Kraft be - sitzt, die Muskeln (der positive Pol die Strecke - der negative aber die Beuge-Mus - keln) zuverkürzen, konnte jene dreizehn - jährige Stummheit (Hufel. Journ. XXIV. ) wel - che in einer Steifigkeit der Zunge be - stand, in wenigen Tagen, in kleiner Gabe angewendet (mit einem einzigen Plattenpaa - re) leicht und vollständig heilen, da die Hei - lung durch Homöopathie geschah. — Der un - erträglich brennend stechende Schmerz, den der Galvanismus nach Schließung der Kette, wie bekannt, an jeder empfindlichen Stelle unsers Körpers hervorbringt, erklärt von selbst, wie vor einiger Zeit eine Art Gesichtsschmerz (tic douloureux) von ei -XLVI nem Arzte durch die Voltaische Säule ge - heilt werden konnte.
Starke Hitze eines akuten Fiebers mit 130 Pulsschlägen ward von einem heißen Bade von 100° Fahr. sehr gemildert und der Puls bis zu 110 Schlägen herabge - stimmt (Albers).
Und so finden sich noch mehrere Hei - lungen in allen Zeitaltern durch Arzneien von ähnlicher Krankheitspotenz als die zu heilende Krankheit war, schnell und dau - erhaft vollführt, deren Urheber ohne zu wissen, was sie thaten, selbst im Wi - derspruche mit den Lehren aller bisherigen Systeme, und wider ihren Willen, das wohlthätige Heilgesetz der Ho - möopathie faktisch bestätigen mußten, das sie scientiv anzuerkennen von ihren sym - bolischen Büchern gehindert wurden.
So hat auch sogar die Hausmittelpraxis der mit gesundem Beobachtungssinn be - gabten unärztlichen Klasse von Menschen diese Heilart als die sicherste und gründ - lichste in der Erfahrung befunden.
Auf frisch erfrorne Glieder legt man Schnee oder gefrornes Sauerkraut. — Eine mit kochender Brühe begossene Hand hält der erfahrne Koch in einiger Entfernung dem Feuer nahe, und achtet den anfänglichXLVII dadurch vermehrten Schmerz nicht, da er weiß, daß er hiemit in kurzer Zeit die ver - brannte Stelle zur gesunden, schmerzlosen Haut wieder herstellen kann; — andre verständige Nichtärzte legen auf die ver - brannte Stelle ein ähnliches, Brennen er - zeugendes Mittel, starken Weingeist oder Terbenthinöl, und stellen sich binnen ein Paar Stunden damit wieder her, während die kühlenden Salben, wie sie wissen, dieß in eben so viel Monaten oft nicht ausrich - ten. — Der alte kluge Schnitter wird, wenn er auch sonst keinen Brantwein trinkt, doch in dem Falle, wenn er in der Sommergluth sich bis zum hitzigen Fieber angestrengt hat, nicht kaltes Wasser (con - traria contrariis) trinken (er kennt das Nach - theilige dieses palliativen Verfahrens), son - dern einen mäßigen Schluck Branntwein; die Lehrerin der Wahrheit, Erfahrung, über - zeugte ihn von dem Vorzuge dieses homöo - pathischen Verfahrens.
Ia es gab sogar von Zeit zu Zeit Aerzte, welche ahneten, daß die Arzneien durch ihre Kraft, analoge Symptomen zu erregen, analoge Krankheitszustände heilen. So sagt Hippokrates, oder der Verfasser des Buchs πεϱὶ τόπων τὥν κὰτ̕ ἄνϑϱωπον (Basil. Frob. 1538. S. 72.) die merkwürdigen Worte: διὰ τὰ ὅμοιαXLVIII νȣσος γίνεται, ϰαὶ διὰ τὰ ὅμοια πϱοςφεϱόμενα ἐϰ νοσεύντων ὑγιαίνονται — διὰ τὸ ἐμέειν ἔμετος παύεται. — So haben auch nachgängige Aerz - te (außer dem, was Thomas Erastus in sei - nen Disputationen nur so als scholastische Thesis hinwirft) die Wahrheit der homöo - pathischen Heilart gefühlt. So sieht z. B. Boulduc ein (Mem. de l’ac. roy. 1710.), daß die purgirende Eigenschaft der Rhabarber die Ursache ihrer Durchfall stillenden Kraft sei; — Detharding erräth (Eph. N. C. Cent. 10. obs. 76), daß der Sensblätteraufguß Kolik bei Er - wachsenen stille, vermöge seiner analogen, Kolik erregenden Wirkung bei Gesunden —; und wenn Bertholon (Med. Elektr. II. S. 15, vergl. mit S. 282.) gesteht, daß die Elektrisität den - selben (höchst ähnlichen) Schmerz, den sie selbst errege, in Krankheiten abstumpfe und vernichte — und Thoury (memoire la à l’acad. de Caen), daß die positive Elektrisität an sich zwar den Puls beschleunige, aber wenn er krankhaft schon zu schnell sei, denselben langsamer mache — so scheinen beide die homöopathische Kausalverbindung dieser Erscheinungen mit Ueberzeugung anzuer - kennen.
So nahe war man zuweilen der Wahr - heit!
Der Arzt hat kein höheres Ziel, als kranke Menschen gesund zu machen, was man Heilen nennt.
Das höchste Ideal der Heilung ist schnelle, sanfte, dauerhafte Wiederher - stellung der Gesundheit, oder Hebung und Vernichtung der Krankheit in ihrem gan - zen Umfange auf dem kürzesten, zuverläs - sigsten, unnachtheiligsten Wege, nach deutlich einzusehenden Gründen. (ra - tionelle Heilkunde).
Sieht der Arzt deutlich ein, was an Krankheiten überhaupt und an jedem ein - zelnen Krankheitsfalle insbesondre zu hei -A 24len ist (Krankheitskenntniß, Kenntniß des Krankheitsbedürfnisses — Indika - tion —); sieht er deutlich ein, was an Arzneien überhaupt und an jeder Arznei insbesondre das Heilende ist (Kenntniß der Arzneikräfte) und weiß er nach deutli - chen Gründen das Heilende der Arzneien auf das an der jedesmahligen Krankheit zu Heilende so, daß Genesung erfolgen muß, anzupassen sowohl in Hinsicht der Angemessenheit der für den Fall nach ih - rer Wirkungsart geeignetsten Arznei (Wahl des Heilmittels — Indikat —) als in Hinsicht der genau erforderlichen Menge derselben (rechte Gabe) und der gehörigen Wiederholungszeit der Gabe — kennt er die Hindernisse der Genesung in jedem Falle und weiß sie hinwegzuräumen, da - mit die Herstellung von Dauer sei: so ver - steht er durchaus nach zureichen - den Gründen zu handeln und er ist ein rationeller Heilkünstler.
Er ist zugleich ein Gesundheit-Er - halter, wenn er die, Gesundheit störenden5 und Krankheit erzeugenden Dinge kennt, und sie von den gesunden Menschen abzu - halten weiß.
Es läßt sich denken, daß jede Krank - heit auf einer Veränderung im In - nern des menschlichen Organis - mus gegründet seyn müsse: diese wird je - doch blos nach dem, was die äußern Zei - chen davon verrathen, vom Verstande ge - ahnet; an sich erkennbar aber auf irgend eine Weise ist sie nicht.
Das unsichtbare, krankhaft Veränder - te im Innern und die merkbare Verän - derung des Befindens im Aeußern (Symp - tomen Inbegriff) machen zusammen aus, was man Krankheit nennt; beide sind die Krankheit selbst.
In den Arzneien muß ein heilen - des Princip vorhanden seyn; der Ver - stand ahnet es. Aber sein Wesen ist uns auf keine Weise erkennbar —; blos seine Aeußerungen und Wirkungen lassen sich in der Erfahrung abnehmen.
Der vorurtheillose Beobachter —, er kennt den Unwerth übersinnlicher Spe - kulationen, die sich in der Erfahrung nicht nachweisen lassen — nimmt, auch wenn er der scharfsinnigste ist, an jeder einzel -9 nen Krankheit nichts, als äußerlich durch die Sinne erkennbare Veränderungen des Befindens Leibes und der Seele, Krank - heitszufälle, Symptomen wahr, das ist, in die Beobachtung des Kranken über sich selbst, und des Arztes und der Um - stehenden über ihn fallende Abweichungen vom gesunden, ehemahligen Zustande des - selben. Alle diese wahrnehmbaren Zeichen bilden zusammen die Gestalt der Krank - heit.
Da an Krankheiten sonst nichts wahr - nehmbar ist, als diese; so müssen es auch einzig diese Symptomen seyn, durch welche die Krankheit Beziehung zur erfor - derlichen Arznei hat, wodurch sie Anfode - rung auf Hülfe macht und auf dieselbe hin - weisen kann —, so muß dieser Sympto - menkomplex, dieses nach außen re - flektirte Bild des innern Wesens der Krankheit das einzige seyn, wo - durch es — von Seiten der Krankheit — möglich ward, ein Heilmittel für sie aufzu - finden, das einzige, was die Wahl des10 angemessensten Heilmittels bestimmen kann.
Blos der Komplex aller Symptomen einer Krankheit repräsentirt diese Krank - heit in ihrem ganzen Umfange.
Es läßt sich nicht denken, auch durch keine Erfahrungen in der Welt nachwei - sen, daß nach Hebung aller Krankheits - symptomen (des ganzen Konvoluts der wahrnehmbaren Zufälle), etwas andres als Gesundheit übrig bliebe, übrig bleiben kön - ne, so daß die krankhafte Veränderung im Innern des Organismus ungetilgt geblieben wäre.
Die unsichtbare krankhafte Verände - rung im Innern und der Komplex der von außen wahrnehmbaren Symptomen sind hienach beide wechselseitig und nothwen - dig durch einander bedingt, beide bilden zusammen die Krankheit in ihrem Umfange, das ist, eine solche Einheit, daß leztere12 mit ersterer zugleich stehen und fallen, daß sie zugleich mit einander daseyn und zu - gleich mit einander verschwinden müssen, so daß, wer (was) im Stande ist, die Grup - pe der wahrnehmbaren Symptome hervor - zubringen, zugleich die dazu gehörige (von der äußern Krankheitserscheinung unzer - trennliche) innere krankhafte Veränderung im Körper erzeugt haben muß — sonst wäre die Erscheinung der Symptomen un - möglich —, und, folglich, wer (was) den Umfang der wahrnehmbaren Krankheits - zeichen hebt, auch zugleich die krankhafte Aenderung im Innern des Organismus ge - hoben haben muß — weil sich die Hebung der erstern ohne die Verschwindung der leztern nicht denken läßt.
Da nun in der Heilung durch Hin - wegnahme des ganzen Inbegriffs der wahr - nehmbaren Zeichen und Zufälle der Krank - heit zugleich die ihr zum Grunde liegende innere Veränderung — also jedesmahl das Total der Krankheit — gehoben wird, so folgt, daß der Heilkünstler blos den Inbe - griff der Symptomen hinwegzunehmen hat, um mit ihm zugleich die Veränderung im Innern — also das Total der Krankheit, die Krankheit selbst, zu heben, als worauf einzig das erhabne Ziel des rationellen Heil - künstlers beruhen kann; man müßte denn das Wesen der Heilkunde nicht in Her - stellung der Gesundheit, sondern in Er -14 grübelung der Veränderung im verborgnen Innern, d. i. in fruchtleeren Spekulationen suchen wollen.
Da nun, wenn man den Komplex der Symptomen ausnimmt, an Krankheiten sonst nichts durch Beobachtung Wahr - nehmbares auszufinden ist, wodurch sie ihr Hülfe-Bedürfniß ausdrücken könnten; so folgt, daß das einzige, was an Krank - heiten eine bedeutende Hinweisung (Indi - kation) auf ein zu wählendes Heilmittel geben könne, blos der Inbegriff aller wahr - nehmbaren Symptomen seyn muß.
Hinwiederum, da das heilende We - sen in Arzneien nicht an sich erkennbar ist, und in reinen Versuchen selbst vom scharfsinnigsten Beobachter an Arzneien sonst nichts, was sie zu Arzneien machte, wahrgenommen werden kann, als jene Kraft, im menschlichen Körper deutliche Veränderungen seines Befindens hervor zu bringen, besonders aber den gesunden Menschen umzustimmen, und mehrere, bestimmte Krankheitssymptomen in und an demselben zu erregen; so folgt, daß, wenn die Arzneien als Heilmittel wirken, sie ebenfalls nur durch diese Symptomenerre - gung ihr inneres Heilprincip an den Tag legen und ihr Heilvermögen in Ausübung bringen können, und wir uns also einzig an die krankhaften Zufälle, die die Arz - neien im gesunden Körper erzeugen (als die einzige Offenbarung ihrer inwohnenden Heiltendenz) zu halten haben, um zu be - stimmen, welche unter den einzelnen Arz - neien dem jedesmahligen Krankheitsfalle am angemessensten sei (sobald gefunden ist, worauf diese Angemessenheit beruht).
Da nun Krankheiten nichts aufzuwei - sen haben, was an ihnen hinwegzuneh - men sei, um sie in Gesundheit zu verwan - deln, als den Komplex ihrer Symptomen, und auch die Arzneien nichts Heilkräfti - ges aufweisen können, als ihre Neigung, Krankheits-Symptome zu erzeugen, so folgt, daß wenn Arzneien wirklich Heil - mittel zu werden, das ist, Krankheiten vernichten zu können im Stande sind, die - ses nur dadurch erfolgen kann, daß von gewissen Symptomen, die das Heilmittel erzeugen kann, gewisse Symptomen der Krankheit aufgehoben und vertilgt werden.
Fände man nun in der Erfahrung (wie man auch findet!), daß ein gegeb - nes Symptom einer Krankheit blos von demjenigen Arzneistoffe gehoben würde, welcher ein ähnliches unter seinen (im ge - sunden Körper von ihm erzeugten) Symp - tomen aufzuweisen hat, so würde es schon wahrscheinlich, daß diese Arznei durch ihre Tendenz, gleichartige Symptomen zuB 220erregen, fähig werde, an dieser Krankheit Symptomen gleicher Art zu tilgen.
Fände sichs dann ferner (wie sichs auch in der That findet!), daß diejenige Arznei, welche in ihrer Einwirkung auf den gesunden menschlichen Körper alle die Symptomen zu erkennen gegeben hat, die die zu heilende Krankheit in sich faßt, bei ihrem arzneilichen Gebrauche in derselben auch den ganzen Komplex der Krankheits - symptomen, die ganze gegenwärtige Krankheit aufhebe und in Gesundheit ver - wandle, so ließe sich nicht zweifeln, daß das Gesetz gefunden sei, nach welchem diese Arznei auf diese Krankheit heilbrin - gend gewirkt habe, das Gesetz: gleicharti - ge Symptomen dieser Arznei heben Symp - tomen gleicher Art in dieser gegebnen Krankheit auf.
Da sichs nun aber ohne Widerrede, und ohne den mindesten Zweifel übrig zu lassen, in Rücksicht jeder Arznei und21 jeder Krankheit in der Erfahrung findet, daß alle Arzneien die ihnen an Sympto - men konformen Krankheiten ohne Aus - nahme schnell, gründlich und dauerhaft heilen, so hindert uns nichts, festzu - setzen: „ das Heilvermögen der Arzneien beruht auf ihren, mit den der Krankheit überein kom - menden Symptomen, “oder mit andern Worten: „ jede Arznei, welche un - ter ihren, im gesunden menschli - chen Körper von ihr erzeugten Krankheitszufällen die meisten der in einer gegebnen Krankheit bemerkbaren Symptome aufwei - sen kann, vermag diese Krank - heit am schnellsten, gründlich - sten und dauerhaftesten zu hei - len. “
Dieses ewige allgemeine Naturgesetz, daß jede Krankheit durch die ihr ähnliche künstliche Krankheit, die das passende Heilmittel zu erzeugen Tendenz hat, ver - nichtet und geheilet wird, beruht auf dem22 Satze: daß immer nur eine einzige Krankheit im Körper bestehen kann, daher durchaus eine Krank - heit der andern weichen muß.
Der Organism erhält nämlich von je - der Krankheit eine besondre Stimmung; eine zweite andre Stimmung von einer neuen Krankheit kann er, seiner an un - wandelbare Einheits-Gesetze gebundnen Natur wegen, entweder überhaupt nicht annehmen, oder doch nicht, ohne die er - stere krankhafte Stimmung fahren zu las - sen; die neue krankhafte Stimmung müßte denn bei ihrer Unfähigkeit die ältere auf - zuheben, dem Organism allzu lange aufge - drungen werden, da dann beide verschmel - zen zu einer ebenfalls einzigen (dritten) Krankheit, die man mit dem Namen, kom -23 plicirte Krankheit belegt. Diese Sätze gründen sich auf folgende Thatsachen.
Eine chronische, im Körper schon vorhandne, natürliche Krankheit hält die Entstehung einer neuen chronischen Krankheit ab, außer wenn wenigstens die neue eine miasmatische oder endemische ist, deren Ansteckung der Körper fortwäh - rend geraume Zeit über ausgesetzt blieb. In diesem Falle, da beide gewöhnlich un - gleichartig sind, die neue folglich die alte nicht homöopathisch vernichten kann, wird entweder die ältere, wenn sie schwä - cher ist, von der neuen, so lange diese dau - ert, suspendirt (so verschwand, wie Schoepf sah, die Krätze, als der Scharbock eintrat, kam aber nach Heilung des Schar - bocks wieder hervor), oder es ver - schmelzen beide zusammen in eine so - genannte komplicirte Krankheit; wel - che denn aber immer nur eine einzige bil - det (einen Mittelzustand von beiden) und blos wie eine einfache zu behandeln und homöopathisch zu heilen ist nach dem To -24 tal des neu vereinigten Symptomenkom - plexes. — Von der Zeit der zweiten An - steckung an bis zur Verschmelzung beider in eine (dritte) einzige (komplicirte), schweigt die ältere.
Ungleich häufiger aber als die von selbst verschmelzenden (und sich so kom - plicirenden) natürlichen Krankheiten sind die künstlichen, wenn auf einen mit einem chronischen Uebel behafteten Körper25 langwierige, unpassende Kuren wirken, das ist, künstliche Krankheitspotenzen, welche durch keinen analogen Gegenreitz die alte Krankheit aufzuheben vermögen und sie nicht homöopathisch heilen kön - nen, sondern den Körper in einer dispara - ten Richtung geraume Zeit lang angreifen, und ihm so nach und nach eine andersar - tige innere Umstimmung, eine künstliche andersartige chronische Krankheit bei - bringen, die mit dem alten chronischen Ue - bel sich vereinigt und so ein neues mon - ströses Uebel, eine komplicirte Krank - heit bildet, oft von sehr empörender Art.
Wird hingegen einem mit einer chro - nischen Krankheit behafteten Körper eine neue, mehr lokale und deshalb weniger mit jener verschmelzbare Krankheit künst - lich aufgedrungen, welche keine Aehnlichkeit mit ersterer hat, folg - lich die ältere nicht homöopathisch heilen kann, so wird gewöhnlich die chronische natürliche Krankheit so lange suspen - dirt, als die künstliche unterhalten wird.
Ist schon eine alte chronische, entwe - der künstliche oder natürliche Krankheit im Körper, so wird von dieser, als der stär - kern, eine neue akute andersartige natürliche Krankheit, auch oft eine künst - lich aufgedrungene akute Krankheit vom Organism abgehalten.
Wird aber einem mit einem chroni - schen Uebel behafteten Körper eine neue akute Krankheit dennoch aufgedrungen, und leztere ist stärker, aber ungleich - artig, so schweigt die chronische Krank - heit nur so lange (wird suspendirt), als die akute ihren Verlauf hält und kömmt dann ungeändert wieder hervor.
Wird ein schon mit einer akuten Krankheit behafteter Körper mit einer neuen akuten, aber andersartigen Krankheit angesteckt, so weicht die eine, welche die schwächere ist, wird aber nicht vernich - tet, sondern blos so lange suspendirt, bis die stärkere ihren Lauf vollendet hat.
29Wird dagegen dem schon mit einer akuten Krankheit behafteten Organism die Ansteckung von einer andern akuten, aber30 gleichartigen Krankheit aufgedrungen, so hebt die stärkere die schwä - chere gänzlich auf und vertilgt sie homöopathisch.
Zwei akute zu einander in denselben Körper kommende Krankheiten verschmel - zen nicht mit einander; die etwa hievon angeführten Fälle sind nur scheinbar.
Eben so, wenn schon eine chronische Krankheit im Körper liegt, und es wird ihm eine sehr ähnliche akute Krankheit auf - gedrungen, so wird die chronische von der akuten gänzlich vernich - tet und homöopathisch geheilt.
Auf diesem uns von der Erfahrung auf - gestellten Gesetze der Menschennatur, daß Krankheiten blos von gleichartigen Krank - heiten vernichtet und geheilet werden, be - ruht das große homöopathische Heilgesetz: daß eine Krankheit blos von einer Arznei vernichtet und geheilet33 werden kann, welche eine gleich - artige und ähnliche Krankheit zu erzeugen geneigt ist — denn die Effekte der Arzneien vor sich sind nichts anders, als künstliche Krankheiten.
Die Tinktur von einer Unze China - rinde mit ein Paar Pfund Wasser gemischt und in Tag und Nacht allmählig ausgetrun - ken, bringt nicht weniger gewiß ein mehr - tägiges Chinafieber, und ein laues Fuß - bad von Arsenikauflösung oder eine auf den Haarkopf gestrichene Arseniksalbe nicht weniger gewiß ein wenigstens vierzehntä - giges Arsenikfieber zuwege, als der Aufenthalt in herbstlicher Sumpfluft ein gewöhnliches Wechselfieber zuwege bringt. Ein Gürtel von Merkurialpflaster um die Hüften gelegt*)Eine der ältesten Gebrauchsarten des Quecksilbers zu Anfange des sechszehnten Iahrhunderts. bringt wohl noch schneller und gewisser die Quecksilber - krankheit hervor, als das angelegte Hem - de von einem Krätzigen die Wollarbei -C34ter-Krätze hervorbringt. Ein kräftiger Hollunderblüthen-Aufguß, oder einige verschluckte Belladonnebeeren sind eben so gewiß krankmachende Potenzen, als eingeimpfter Kindblatterstoff, oder ein Viperbiß, oder ein Schreck, und jeder die - ser Einflüsse kann aus gleichem Grunde, als er Krankheits-Potenz ist, sobald er ei - ner schon im Körper vorhandnen ähnlichen Krankheit zu ihrer Vertreibung entgegen gesetzt wird, aus gleichem Grunde zur Ge - genkrankheitspotenz, zum Heilmittel wer - den, so daß alles was wir Arznei nennen, nichts anders als Krank - heit erregende Potenz, und alle wahre Heilmittel nichts anders als Potenzen sind, welche eine ähnliche Gegenkrankheit im Orga - nism künstlich zu erzeugen fähig und dadurch die ähnliche natürli - che Krankheit aufzuheben und zu vernichten im Stande sind.
Freilich wird, wenn wir nach den Re - geln der rationellen Heilkunde eine der zu35 kurirenden Krankheit möglichst angemes - sene Arznei gefunden haben und sie nun als Heilmittel anwenden, durch eine sol - che künstliche Krankheitspotenz dem schon kranken Organism eine neue Krankheit (Ge - genkrankheit) gewissermasen eingeimpft und, so zu sagen, aufgedrungen; aber, man muß gestehen, eine Gegenkrankheit von ungemeinen Vorzügen vor allen na - türlichen Gegenkrankheiten.
Die unsichtbaren Einflüsse, von wel - chen die gewöhnlichen Krankheiten des Menschenlebens erregt zu werden pfle - gen, sind uns allzu wenig bekannt, ste - hen auch allzu wenig in unsrer Gewalt, als daß wir durch sie Krankheiten bequem und nach Willkühr hervorbringen, sie meh - rern ältern Krankheiten als Heilmittel ent - gegen setzen, und so Gesundheit, wo es nöthig, damit wiederbringen könnten.
Selbst der zur Entfernung einiger Krankheiten einzuimpfenden Miasmen sind zu wenig, als daß man von ihnen auch nurC 236einen mäßig ausgedehnten Gebrauch als Heilmittel machen könnte.
Könnten wir auch wirklich mehrere natürliche Krankheiten durch Kunst und nach Willkühr veranstalten, so sind sie entweder der damit zu heilenden Krankheit nicht analog genug, folglich nicht hülf - reich, oder sie sind auch selbst von län - gerer Dauer, und wenn sie ja das ältere Uebel bezwungen hätten, so behaupten sie sich dagegen selbst oft noch geraume Zeit im Körper, verschwinden selten vor sich, und müssen gewöhnlich durch künstliche Hülfe wiederum gezwungen werden, zu entweichen.
Unendlich leichter hingegen, weit ge - wisser und mit ungemessener Auswahl kön - nen wir uns zum Heilzwecke jener Krank - heitspotenzen bedienen, die man gewöhn -37 lich Arzneien zu nennen pflegt; der durch sie zu erregenden Gegenkrankheit (welche die natürliche Krankheit, zu der wir ge - rufen werden, aufheben soll) können wir gemessene Stärke und Dauer geben, weil Maas und Gewicht ihrer Gaben in unsrer Gewalt steht, und da jede Arznei abwei - chend von jeder andern, und vor sich schon vielfach wirkt, so haben wir in der großen Menge der Arzneistoffe eine uner - meßliche Zahl künstlicher Krankheiten in unsrer Hand, die wir den im Laufe der Na - tur entstehenden Krankheiten und Gebre - chen der Menschenkinder mit treffender Wahl entgegen setzen und so Naturkrank - heit mit höchst ähnlicher, künstlich erreg - ter Gegenkrankheit schnell und sicher auf - heben und auslöschen können.
Da es nun weiter keinem Zweifel un - terworfen ist, daß die Krankheiten des Menschen blos in Gruppen gewisser beson - drer Symptomen bestehen, durch einen Arz - neistoff aber blos dadurch, daß dieser ähn -38 liche krankhafte Symptomen künstlich zu erzeugen vermag, vernichtet und in Ge - sundheit verwandelt werden (worauf der Vorgang aller ächten Heilung beruht), so wird sich das Heilgeschäft auf Beantwor - tung folgender Punkte beschränken:
Was den ersten Punkt betrifft, so kann die ungeheure Verschiedenheit und Menge der Krankheiten leicht verleiten, zu glauben, man könne ihre übergroße39 Mannigfaltigkeit unmöglich ins Gedächt - niß fassen und überschauen und sie da - her nicht heilen, wenn man keinen faß - lichen Ueberblick über das Total gewin - nen, und sie nicht in wenige Fächer von kleinem Umfange vertheilte, um die da in jedes einzelne Fach nach einigen gemein - samen Beziehungen und Aehnlichkeiten aufgestellten vielen und mancherlei Krank - heitsindividuen sämtlich überein, gleich - sam als eine einzige Krankheit, nach all - gemeinen Formen arzneilich behandeln, und sich so ihre Kur erleichtern zu kön - nen.
Die Krankheiten, Gebrechen und Siechthume sind aber so unendlich mannig - faltige Erscheinungen, daß eine brauch - bare Klassification derselben nicht einmahl möglich wäre, wenn auch eine solche ge - zwungene Zusammenfassung derselben in getrennte Fächer zur Heilabsicht erforder - lich zu seyn scheinen sollte.
Am meisten schien die Eintheilung in allgemeine und in Lokal-Krankheiten ge - feiert zu werden.
Der menschliche Organism ist aber im lebenden Zustande ein völlig geschlosse - nes Ganze, eine Einheit. Iede Empfin - dung, jede Kraftäußerung, jedes Mi - schungsverhältniß der Stoffe des einen Theils hängt mit der Empfindung, der Funktionen und dem Mischungsverhält - nisse der Stoffe aller übrigen Theile innig zusammen. Kein Theil kann leiden, ohne daß alle übrige zugleich — mehr oder weniger — mit leiden, mit verändert wer - den.
Diese lebendige Einheit verstattet nicht, daß an unserm Körper eine Krank - heit je blos örtlich, vollkommen und ab - solut örtlich bleibe, so lange das für lo - kal gehaltene Uebel noch an einem, vom übrigen Körper nicht völlig getrennten Theile sich befindet. Immer leidet der übrige Körper mehr oder weniger mit, und legt dieß Uebelbefinden durch dieses oder jenes Symptom an den Tag. Immer macht jede, selbst an ganz entfernten Orten an - gebrachte oder innerlich eingenommene kräftige Arznei auch auf diesen örtlich scheinenden Fehler einen ändernden Ein - druck und das für die Gesamtkrankheit (wovon das Lokalübel immer nur ein Theil, immer nur ein Symptom ist) specifisch pas - sende Heilmittel pflegt zugleich das, ob - schon ganz entfernt und isolirt scheinen - de Lokalübel selbst mit zu heilen.
Eine zweite hoch aufgenommene Ein - theilung der Krankheiten in fieberhafte42 und fieberlose leidet gleiches Schicksal. Es fehlt sogar noch die Uebereinkunft, welche Charakterzüge und Symptomen in die Fieberdefinition aufgenommen werden sollen und können, und welche auszu - schließen sind, und es ist keine unter der großen Zahl der Fieber-Theorien und Defi - nitionen, welche nicht Zufälle in sich be - griffe, die auch in den fieberlosest geach - teten Krankheiten mehr oder weniger statt finden. In unmerklichen Abstufungen ge - hen die fieberhaftesten in die fieberlosesten über und zeigen, daß eine scharfe Tren - nung beider nur pathologisch, aber nicht naturgemäß ist.
An sich würde die Benahmung oder Klassifikation der unzählig ver - schiednen Krankheiten, wenn sie nur ei - nigermaßen richtig und vollständig mög - lich wäre, für den Arzt, als Naturhi - storiker, eben den Nutzen haben, den die Klassification andrer Naturerscheinun - gen und Naturkörper in der allgemeinen43 Naturgeschichte leistet, nämlich seine hi - storische Ansicht durch einen tabel - larischen Ueberblick zu erleichtern; aber für den Arzt als Heilkünstler hat sie gar keinen Nutzen, da die wahre Heil - kunde sich mit der flachen, einseitigen Aehnlichkeit mehrerer Krankheitsindivi - duen unter einander, die zur Zusammen - koppelung in Gattungen und Arten zu - reicht, nicht begnügen darf, sondern die vollständigste Ansicht jedes zu heilenden, individuellen Krankheitsfalles auffassen muß, ehe sie ein genau passendes Heilmit - tel wählen, das ist, den Namen der gründlichen und rationellen Heil - kunde verdienen kann.
Die Natur hat keine Benahmung oder Klassifikation der Krankheiten. Sie schafft einzelne Krankheiten, und will, daß der wahre Heilkünstler an seinem Men - schenbruder nicht die systematisch ver - einte Krankheitsgattung (eine Art von Ver - wechselung verschiedner Krankheiten mit -[w]erden zerschnitten und am gehörigen ort gebracht.44einander), sondern jedesmahl nur das In - dividuum seiner Krankheit individuell be - handeln soll; den therapevtischen Leisten aber, für die von Menschen blos in der Idee zusammengefügten Krankheitszünfte geschnitzt, verbietet sie, an die (weis - lich von ihr eigenartig geschaffe - nen) Krankheitsindividuen anzulegen, und so das göttliche Heilwerk zu verkrüppeln.
Wenn nun die Rationalität der Heil - kunde, wenn wo irgend, vorzüglich dar - inn besteht, daß sie alle systematische und andre Vorurtheile unterdrücke, wo mög - lich nie ohne Gründe handle, wo möglich nie einige sich darbietenden Gründe zum45 zweckmäsig Handeln vernachlässige, und sich möglichst an das Erkennbare der Din - ge halte; so wird vorzüglich die Be - rücksichtigung der Abweichung und Verschiedenheit der Krank - heiten (so wie der Arzneimittel), das ist, die sorgfältige Aufsu - chung der individuellen Zeichen der jedesmahligen Krankheit und die der individuellen Wirkungs - art jeder einzelnen Arznei den ra - tionellen, den gründlichen Arzt charakterisiren.
Blos der rationelle Heilkünstler wird, da jede Krankheits-Epidemie in der Welt (mit Ausnahme jener wenigen mit einem festständigen, unabänderlichen Miasma) von der andern, und selbst jeder einzelne Krankheitsfall epidemischer und sporadi - scher Art, am meisten aber jeder nicht zu einer solchen Kollektivkrankheit gehöri - ge Krankheitsfall von jedem andern ab - weicht —, auch jedes ihm zur Heilung46 angetragene Siechthum nach seiner indi - viduellen Verschiedenheit nehmen, wie es ist, und wenn er dessen Eigenheiten und alle seine Zeichen und Symptomen er - forscht hat (denn dazu sind sie, daß auf sie soll geachtet werden), auch nach sei - ner Individualität, d. i. nach der sich an ihm zeigenden Gruppe von Symptomen mit einem individuell passenden Heilmit - tel behandeln und sich durch ein so recht - liches und vorurtheilfreies, als rationelles Verfahren vor jeden andern Arzte auszeich - nen, der den Krankheitsfall gründlich aus - zuspähen nicht würdigt, sondern ihn, der Bequemlichkeit zu Gefallen, nach Gutdün - ken generalisirt, ihm seine systematische Vermuthung anheftet, und blos nach die - ser, seine Behandlung modelt.
Einige Krankheiten, welche einen eignen Ansteckungsstoff (ein eignes, sich ziemlich gleichbleibendes Miasm) zum Grunde haben, z. B. die levantische Pest, die Menschenpocken, die Masern, das äch -47 te glatte Scharlachfieber, die venerische Krankheit, die Wollarbeiterkrätze —, auch wohl die Hundswuth, der Keuchhusten, der Wichtelzopf u. s. w. erscheinen in ih - rem Charakter und Verlaufe so selbststän - dig, daß sie, wo sie sich zeigen, wie schon bekannte Individuen an ihren sich gleichbleibenden Zeichen immer kennbar bleiben. Man konnte ihnen daher, jeder einen eignen, Namen geben, und sich be - mühen für jede derselben eine feststän - dige Heilart, als Regel, einzuführen.
So mögen wohl noch einige andre Krankheiten, denen wir ein Miasm noch nicht nachweisen können, so wie jene an gewisse Gegenden und klimatische Verhält - nisse gebundene, nebst den hie und da endemischen: das herbstliche Sumpfwech - selfieber, das gelbe Fieber, der See-Schar - bock, der Pian, die Yaws, die Sibbens, die Pellagra u. s. w. auch sonst noch ei - nige wenige Krankheiten entweder aus ei - ner einzigen, sich gleichbleibenden Ursa -48 che, oder aus einem, öfterer sich vereini - genden Zusammenflusse mehrerer, be - stimmter Ursachen, die sich leicht auf eine bestimmte Art zusammen gesellen (wie z. B. bei der Knotengicht; auch wohl der häutigen Bräune und dem Millarischen Asthma der Fall seyn mag), entspringen, und wohl nicht viel weniger verdienen, jede ihren eignen Namen zu führen, da die Gruppe der Symptomen bei jeder der - selben, im Ganzen, sich doch ziemlich gleich bleibt, und daher einer eigenarti - gen, fast feststehenden Behandlung fähig ist.
Aber schon anders ist es mit einer Menge der übrigen Krankheiten, welche vermuthlich aus dem Zusammenflusse ei - niger sich nicht auf gleiche Art zur Erzeu - gung des Uebels verbindenden, krankma - chenden Ursachen entspringen, daher oft in mehrern wichtigen Symptomen von ein - ander abweichen, und deshalb nie über - ein mit denselben Mitteln ärztlich behan -49 delt werden können. Hieher gehören die sehr verschiednen Arten von Fallsucht, Katalepsie, Tetanus, Veitsdanz, Pleuritis, Lungensucht, Diabetes, Brustbräune, Ge - sichtsschmerz, Ruhr und andre Namen, welche die Schule oft wesentlich abwei - chenden, und nur durch ein Paar gemein - schaftliche Symptome einander ähnlichen Krankheitszuständen gab, um unter Vor - aussetzung ihrer Identität für sie eine gleichartige Kurbehandlung festsetzen zu können, deren sehr ungleicher Erfolg in der Erfahrung schon allein die supponirte Identität derselben widerlegt. Als Kollek - tivnamen mögen sie gelten, nur nicht als Eigennamen angeblich identischer Krank - heitszustände; denn dann verführen sie zu einer gleichförmigen, empirisch arzneili - chen Behandlung zum Verderben der Kran - ken.
Und so werden vollends in den übri - gen Krankheiten die Namen immer unei -D 252gentlicher, und ihre Verführung zur em - pirischen Behandlung immer gefährlicher, wenn sie eine noch größere Verschieden - heit von Krankheitszuständen unter sich begreifen, welche kaum mit ein Paar ähnlichen Symptomen sich einander, blos in der Entfernung, nähern, während die große Zahl ihrer übrigen Zufälle und Ei - genheiten sehr weit von einander abwei - chen. Die vieldeutigen Namen von kal - ten Fiebern, Gelbsucht, Wassersucht, Schwindsucht, Leukorrhöe, Hämorrhoi - den, Rheumatism, Schlagfluß, Krämpfe, Lähmung, Melancholie, Manie, u. s. w. mögen zu Beispielen dienen.
Wie könnte man auch nur mit einem Scheine von Rationalität jene höchst ver - schiednen Krankheitszustände, welche oft nur ein einziges Symptom mit einander54 gemein haben, unter generelle Namen zu - sammenziehen, und so für jeden eine gleich - artige arzneiliche Behandlung rechtfertigen wollen? Und soll die arzneiliche Behand - lung nicht gleichartig seyn, — wie sie es auch ohne Verderben des Kranken nicht seyn darf —; wozu der, gleiche Heilart voraus - setzende identische Namen? So misbräuch - lich, nutzlos und schädlich diese Namen al - so sind, so wenig dürfen sie je Einfluß auf die Kurart eines rationellen Heilkünstlers haben, welcher weiß, daß er die Krankhei - ten nicht nach der vagen Namensähnlich - keit eines einzelnen Symptoms, sondern nach dem ganzen Inbegriffe aller Zeichen des individuellen Zustandes jedes einzel - nen Kranken zu beurtheilen und zu heilen habe, dessen Leiden er genau auszuspähen die Pflicht hat, nie aber hypothetisch ver - muthen darf.
Selbst jene Volkskrankheiten, welche sich wohl auch bei jeder einzelnen Epidemie durch einen Ansteckungsstoff fortpflanzen mögen — die Menge jener soge -55 nannten (Spital-Kerker-Lager -) Faul-Gal - len-Nerven - und andrer herumgehenden Fieber sind sehr abweichend in ihrem je - desmahligen Verhalten und Verlaufe. Iede neue Epidemie derselben, z. B. des soge - nannten Faulfiebers, zeigt sich, weil je - der Epidemie ein abgeändertes Miasm zum Grunde lag, selbst in mehrern der auffal - lendsten Symptomen allen vorher gegan - genen Epidemien seines Namens so un - ähnlich, daß man alle logische Genauig - keit in Begriffen verleugnen müßte, wenn man diesen, von sich selbst so sehr ab - weichenden Seuchen den alten, oder über - haupt einen sehr eingeführten Namen ge - ben und sie mit den ehemaligen Epidemien gleicher Benennung überein, arzneilich be - handeln wollte, verführt durch den mis - bräuchlichen Namen.
Nur die einzelnen Fälle jeder solchen epidemischen oder sporadischen Seuche insbesondre, die man in dieser Rücksicht eine Kollektivkrankheit nennen möch -56 te, kann man bei der Heilung für ähnlich ansehen, und (mit Berücksichtigung der größern oder kleinern Verschiedenheiten jedes einzelnen Falles insbesondre) ähnlich behandeln.
Iede Epidemie begreift nämlich eine Menge einander sehr ähnlicher Krankheits - individuen in sich; die Epidemien selbst aber weichen sehr von einander ab, und können nicht mit einem ähnlichen oder gleichen Namen belegt, nicht unbesehens mit gleicher Arznei behandelt werden.
Diese, keines festständigen, speciel - len Namens fähigen Epidemien, welche bei jeder neuen Erscheinung im Volke in abge - änderter Form und mit einer veränderten Gruppe von Zeichen und Symptomen her - vortreten, werden, als Kollektiv - krankheiten, am füglichsten zu der un - geheuer großen Klasse aller übri - gen Krankheiten, Gebrechen, und57 Siechthume des menschlichen Körpers gerechnet, welche aus einem sehr verschied - nen Zusammenflusse ungleichartiger Ursa - chen und Potenzen, die an Zahl, Stärke und Art sich äußerst ungleich sind, ent - springen, — Einflüssen von unendlich ge - mischter Natur, aus welchen jene