PRIMS Full-text transcription (HTML)
[1]
Was heißt und zu welchem Ende ſtudiert man Univerſalgeſchichte?
Eine Akademiſche Antrittsrede
Jena,in der Akademiſchen Buchhandlung. 1789.
[2][3]

Was heißt und zu welchem Ende ſtudiert man Univerſalgeſchichte? Eine akademiſche Antrittsrede.

Erfreuend und ehrenvoll iſt mir der Auftrag, meine h. H. H., an Ihrer Seite kuͤnftig ein Feld zu durch - wandern, das dem denkenden Betrachter ſo viele Ge - genſtaͤnde des Unterrichts, dem thaͤtigen Weltmann ſo herrliche Muſter zur Nachahmung, dem Philoſophen ſo wichtige Aufſchluͤſſe, und jedem ohne Unterſchied ſo reiche Quellen des edelſten Vergnuͤgens eroͤfnet. Das große weite Feld der allgemeinen Geſchichte, der An - blick ſo vieler vortrefflichen jungen Maͤnner, die eine edle Wißbegierde um mich her verſammelt, und in deren Mitte ſchon manches wirkſame Genie fuͤr das kommende Zeitalter aufbluͤht, macht mir meine Pflicht zum Vergnuͤgen, laͤßt mich aber auch die Strenge und Wichtigkeit derſelben in ihrem ganzen Umfang empfin - den. Je groͤßer das Geſchenk iſt, das ich Ihnen zu uͤbergeben habe und was hat der Menſch dem Men - ſchen groͤßeres zu geben, als Wahrheit? deſtomehr muß ich Sorge tragen, daß ſich der Werth deſſelben un -A 2ter4ter meiner Hand nicht verringere. Je lebendiger und reiner ihr Geiſt in dieſer gluͤcklichſten Epoche ſeines Wir - kens empfaͤngt, und je raſcher ſich ihre jugendlichen Ge - fuͤhle entflammen, deſto mehr Aufforderung fuͤr mich, zu verhuͤten, daß ſich dieſer Enthuſiasmus, den die Wahrheit allein das Recht hat zu erwecken, an Betrug und Taͤuſchung nicht unwuͤrdig verſchwende.

Fruchtbar und weit umfaſſend iſt das Gebiet der Ge - ſchichte; in ihrem Kreiſe liegt die ganze moraliſche Welt. Durch alle Zuſtaͤnde, die der Menſch erlebte, durch alle abwechſelnde Geſtalten der Meinung, durch ſeine Thor - heit und ſeine Weisheit, ſeine Verſchlimmerung und ſeine Veredlung, begleitet ſie ihn, von allem was er ſich nahm und gab, muß ſie Rechenſchaft ablegen. Es iſt keiner unter Ihnen allen, dem Geſchichte nicht etwas wichtiges zu ſagen haͤtte; alle noch ſo verſchiedenen Bah - nen Ihrer kuͤnftigen Beſtimmung verknuͤpfen ſich ir - gendwo mit derſelben; aber Eine Beſtimmung theilen Sie alle auf gleiche Weiſe mit einander, diejenige, wel - che Sie auf die Welt mitbrachten ſich als Menſchen auszubilden und zu dem Menſchen eben redet die Geſchichte.

Ehe ich es aber unternehmen kann, meine H. H., Ihre Erwartungen von dieſem Gegenſtande Ihres Fleiſ - ſes genauer zu beſtimmen, und die Verbindung anzu - geben, worin derſelbe mit dem eigentlichen Zweck Ihrer ſo verſchiedenen Studien ſteht, wird es nicht uͤberfluͤßig ſeyn, mich uͤber dieſen Zweck Ihrer Stu -dien5dien ſelbſt vorher mit Ihnen einzuverſtehen. Eine vor - laͤufige Berichtigung dieſer Frage, welche mir paſſend und wuͤrdig genug ſcheint, unſre kuͤnftige akademiſche Verbindung zu eroͤfnen, wird mich in den Stand ſetzen, Ihre Aufmerkſamkeit ſo gleich auf die wuͤrdigſte Seite der Weltgeſchichte hinzuweiſen.

Anders iſt der Studierplan, den ſich der Brodge - lehrte, anders derjenige, den der philoſophiſche Kopf ſich vorzeichnet. Jener, dem es bey ſeinem Fleiß ein - zig und allein darum zu thun iſt, die Bedingungen zu erfuͤllen, unter denen er zu einem Amte faͤhig und der Vortheile deſſelben theilhaftig werden kann, der nur darum die Kraͤfte ſeines Geiſtes in Bewegung ſetzt, um dadurch ſeinen ſinnlichen Zuſtand zu verbeſſern und ei - ne kleinliche Ruhmſucht zu befriedigen, ein ſolcher wird beym Eintritt in ſeine akademiſche Laufbahn keine wichtigere Angelegenheit haben, als die Wiſſenſchaften, die er Brodſtudien nennt, von allen uͤbrigen, die den Geiſt nur als Geiſt vergnuͤgen, auf das ſorgfaͤltigſte abzuſondern. Alle Zeit, die er dieſen letztern widmete, wuͤrde er ſeinem kuͤnftigen Berufe zu entziehen glauben, und ſich dieſen Raub nie vergeben. Seinen ganzen Fleiß wird er nach den Foderungen einrichten, die von dem kuͤnftigen Herrn ſeines Schickſals an ihn gemacht werden, und alles gethan zu haben glauben, wenn er ſich faͤhig gemacht hat, dieſe Inſtanz nicht zu fuͤrchten. Hat er ſeinen Kurſus durchlaufen und das Ziel ſeiner Wuͤnſche erreicht, ſo entlaͤßt er ſeine Fuͤhrerinnen A 3denn6denn wozu noch weiter ſie bemuͤhen? Seine groͤßte Angelegenheit iſt jetzt, die zuſammen gehaͤuften Ge - daͤchtnißſchaͤtze zur Schau zu tragen, und ja zu verhuͤ - ten, daß ſie in ihrem Werthe nicht ſinken. Jede Er - weiterung ſeiner Brodwiſſenſchaft beunruhigt ihn, weil ſie ihm neue Arbeit zuſendet, oder die vergangene un - nuͤtz macht; jede wichtige Neuerung ſchreckt ihn auf, denn ſie zerbricht die alte Schulform, die er ſich ſo muͤh - ſam zu eigen machte, ſie ſetzt ihn in Gefahr, die ganze Arbeit ſeines vorigen Lebens zu verlieren. Wer hat uͤber Reformatoren mehr geſchrieen, als der Haufe der Brodgelehrten? Wer haͤlt den Fortgang nuͤtzlicher Re - volutionen im Reich des Wiſſens mehr auf, als eben dieſe? Jedes Licht, das durch ein gluͤckliches Genie, in welcher Wiſſenſchaft es ſey, angezuͤndet wird, macht ihre Duͤrftigkeit ſichtbar; ſie fechten mit Erbitterung, mit Heimtuͤcke, mit Verzweiflung, weil ſie bey dem Schulſyſtem, das ſie vertheidigen, zugleich fuͤr ihr gan - zes Daſeyn fechten. Darum kein unverſoͤhnlicherer Feind, kein neidiſcherer Amtsgehuͤlfe, kein bereitwilligerer Ke - tzermacher, als der Brodgelehrte. Je weniger ſeine Kenntniſſe durch ſich ſelbſt ihn belohnen, deſto groͤßere Vergeltung heiſcht er von außen; fuͤr das Verdienſt der Handarbeiter und das Verdienſt der Geiſter hat er nur Einen Maaßſtab, die Muͤhe. Darum hoͤrt man nie - mand uͤber Undank mehr klagen, als den Brodgelehr - ten; nicht bey ſeinen Gedankenſchaͤtzen ſucht er ſeinen Lohn, ſeinen Lohn erwartet er von fremder Anerken - nung, von Ehrenſtellen, von Verſorgung. Schlaͤgtihm7ihm dieſes fehl, wer iſt ungluͤcklicher als der Brodge - lehrte? Er hat umſonſt gelebt, gewacht, gearbeitet; er hat umſonſt nach Wahrheit geforſcht, wenn ſich Wahr - heit, fuͤr ihn nicht in Gold, in Zeitungslob, in Fuͤr - ſtengunſt verwandelt.

Beklagenswerther Menſch, der mit dem edelſten aller Werkzeuge, mit Wiſſenſchaft und Kunſt, nichts hoͤheres will und ausrichtet, als der Tagloͤhner mit dem ſchlechteſten! der im Reiche der vollkommenſten Frey - heit eine Sclavenſeele mit ſich herum traͤgt! Noch beklagenswerther aber iſt der junge Mann von Genie, deſſen natuͤrlich ſchoͤner Gang durch ſchaͤdliche Lehren und Muſter auf dieſen traurigen Abweg verlenkt wird, der ſich uͤberreden ließ, fuͤr ſeinen kuͤnftigen Beruf mit dieſer kuͤmmerlichen Genauigkeit zu ſammeln. Bald wird ſeine Berufswiſſenſchaft als ein Stuͤckwerk ihn an - ekeln; Wuͤnſche werden in ihm aufwachen, die ſie nicht zu befriedigen vermag, ſein Genie wird ſich gegen ſei - ne Beſtimmung auflehnen. Als Bruchſtuͤck erſcheint ihm jetzt alles was er thut, er ſieht keinen Zweck ſei - nes Wirkens, und doch kann er Zweckloſigkeit nicht er - tragen. Das Muͤhſelige, das Geringfuͤgige in ſeinen Berufsgeſchaͤften druͤckt ihn zu Boden, weil er ihm den frohen Muth nicht entgegen ſetzen kann, der nur die helle Einſicht, nur die geahndete Vollendung begleitet. Er fuͤhlt ſich abgeſchnitten, herausgeriſſen aus dem Zu - ſammenhang der Dinge, weil er unterlaſſen hat, ſeine Thaͤtigkeit an das große Ganze der Welt anzuſchließen. A 4Dem8Dem Rechtsgelehrten entleidet ſeine Rechtswiſſenſchaft, ſobald der Schimmer beſſerer Kultur ihre Bloͤßen ihm beleuchtet, anſtatt daß er jetzt ſtreben ſollte, ein neuer Schoͤpfer derſelben zu ſeyn, und den entdeckten Man - gel aus innerer Fuͤlle zu verbeſſern. Der Arzt entzwey - het ſich mit ſeinem Beruf, ſobald ihm wichtige Fehl - ſchlaͤge die Unzuverlaͤßigkeit ſeiner Syſteme zeigen; der Theolog verliert die Achtung fuͤr den Seinigen, ſo - bald ſein Glaube an die Unfehlbarkeit ſeines Lehrgebaͤu - des wankt.

Wie ganz anders verhaͤlt ſich der philoſophiſche Kopf! Eben ſo ſorgfaͤltig, als der Brodgelehrte ſeine Wiſſenſchaft von allen uͤbrigen abſondert, be - ſtrebt ſich jener, ihr Gebiet zu erweitern, und ihren Bund mit den uͤbrigen wieder herzuſtellen herzu - ſtellen, ſage ich, denn nur der abſtrahirende Verſtand hat jene Grenzen gemacht, hat jene Wiſſenſchaften von einander geſchieden. Wo der Brodgelehrte trennt, vereinigt der philoſophiſche Geiſt. Fruͤhe hat er ſich uͤberzeugt, daß im Gebiete des Verſtandes, wie in der Sinnenwelt, alles in einander greife, und ſein reger Trieb nach Uebereinſtimmung kann ſich mit Bruchſtuͤ - cken nicht begnuͤgen. Alle ſeine Beſtrebungen ſind auf Vollendung ſeines Wiſſens gerichtet; ſeine edle Unge - duld kann nicht ruhen, bis alle ſeine Begriffe zu einem harmoniſchen Ganzen ſich geordnet haben, bis er im Mittelpunkt ſeiner Kunſt, ſeiner Wiſſenſchaft ſteht, und von hier aus ihr Gebiet mit befriedigtem Blick uͤber -ſchauet.9ſchauet. Neue Entdeckungen im Kreiſe ſeiner Thaͤtig - keit, die den Brodgelehrten niederſchlagen, entzuͤcken den philoſophiſchen Geiſt. Vielleicht fuͤllen ſie eine Luͤcke, die das werdende Ganze ſeiner Begriffe noch verunſtaltet hatte, oder ſetzen den lezten noch fehlenden Stein an ſein Ideengebaͤude, der es vollendet. Soll - ten ſie es aber auch zertruͤmmern, ſollte eine neue Ge - dankenreyhe, eine neue Naturerſcheinung, ein neu ent - decktes Geſetz in der Koͤrperwelt, den ganzen Bau ſeiner Wiſſenſchaft umſtuͤrzen: ſo hat er die Wahrheit im - mer mehr geliebt als ſein Syſtem, und gerne wird er die alte mangelhafte Form mit einer neuern und ſchoͤnern vertauſchen. Ja, wenn kein Streich von auſſen ſein Ideengebaͤude erſchuͤttert, ſo iſt er ſelbſt, von einem ewig wirkſamen Trieb nach Verbeſſerung gezwungen, er ſelbſt iſt der Erſte, der es unbefriedigt aus einander legt, um es vollkommener wieder herzu - ſtellen. Durch immer neue und immer ſchoͤnere Ge - danken-Formen ſchreitet der philoſophiſche Geiſt zu hoͤ - herer Vortreflichkeit fort, wenn der Brodgelehrte, in ewigem Geiſtesſtillſtand, das unfruchtbare Einerley ſeiner Schulbegriffe huͤtet.

Kein gerechterer Beurtheiler fremden Verdienſts als der philoſophiſche Kopf. Scharfſichtig und erfin - deriſch genug, um jede Thaͤtigkeit zu nutzen, iſt er auch billig genug, den Urheber auch der kleinſten zu ehren. Fuͤr ihn arbeiten alle Koͤpfe alle Koͤpfe ar - beiten gegen den Brodgelehrten. Jener weiß allesA 5was10was um ihn geſchiehet und gedacht wird, in ſein Ei - genthum zu verwandeln zwiſchen denkenden Koͤpfen gilt eine innige Gemeinſchaft aller Guͤter des Geiſtes; was Einer im Reiche der Wahrheit erwirbt, hat er Allen erworben Der Brodgelehrte verzaͤunet ſich gegen alle ſeine Nachbarn, denen er neidiſch Licht und Sonne mißgoͤnnt, und bewacht mit Sorge die baufaͤllige Schranke, die ihn nur ſchwach gegen die ſiegende Ver - nunft vertheidigt. Zu allem was der Brodgelehrte unternimmt, muß er Reiz und Aufmunterung von auſſen her borgen: der philoſophiſche Geiſt findet in ſeinem Gegenſtand, in ſeinem Fleiße ſelbſt, Reiz und Belohnung. Wie viel begeiſterter kan er ſein Werk angreiffen, wieviel lebendiger wird ſein Eifer, wieviel ausdaurender ſein Muth und ſeine Thaͤtigkeit ſeyn, da bey ihm die Arbeit ſich durch die Arbeit verjuͤnget. Das Kleine ſelbſt gewinnt Groͤße unter ſeiner ſchoͤpfe - riſchen Hand, da er dabey immer das Große im Auge hat, dem es dienet, wenn der Brodgelehrte in dem Großen ſelbſt nur das Kleine ſieht. Nicht was er treibt, ſondern wie er das, was er treibt, behandelt, unterſcheidet den philoſophiſchen Geiſt. Wo er auch ſtehe und wirke, er ſteht immer im Mittelpunkt des Ganzen; und ſo weit ihn auch das Objekt ſeines Wirkens von ſeinen uͤbrigen Bruͤdern entferne, er iſt ihnen verwandt und nahe durch einen harmoniſch wir - kenden Verſtand, er begegnet ihnen wo alle helle Koͤpfe einander finden. Soll ich dieſe Schilderung noch wei - ter fortfuͤhren, m. H. H. oder darf ich hoffen, daß esbe -11bereits bey Ihnen entſchieden ſey, welches von den beyden Gemaͤhlden, die ich Ihnen hier vorgehalten habe, Sie Sich zum Muſter nehmen wollen? Von der Wahl, die Sie zwiſchen beyden getroffen haben, haͤngt es ab, ob Ihnen das Studium der Univerſalge - ſchichte empfohlen oder erlaßen werden kann. Mit dem Zweyten allein habe ich es zu thun; denn bey dem Beſtreben, ſich dem Erſten nuͤtzlich zu machen, moͤchte ſich die Wiſſenſchaft ſelbſt allzuweit von ihrem hoͤhern Entzweck entfernen, und einen kleinen Gewinn mit einem zu großen Opfer erkaufen.

Ueber den Geſichtspunkt mit Ihnen einig, aus wel - chem der Werth einer Wiſſenſchaft zu beſtimmen iſt, kann ich mich dem Begriff der Univerſalgeſchichte ſelbſt, dem Gegenſtand der heutigen Vorleſung, naͤhern.

Die Entdeckungen, welche unſre europaͤiſchen See - fahrer in fernen Meeren und auf entlegenen Kuͤſten ge - macht haben, geben uns ein eben ſo lehrreiches als un - terhaltendes Schauſpiel. Sie zeigen uns Voͤlkerſchaf - ten, die auf den mannichfaltigſten Stuffen der Bildung um uns herum gelagert ſind, wie Kinder verſchiednen Alters um einen Erwachſenen herum ſtehen, und durch ihr Beyſpiel ihm in Erinnerung bringen, was er ſelbſt vormals geweſen, und wovon er ausgegangen iſt. Eine weiſe Hand ſcheint uns dieſe rohen Voͤlkerſtaͤmme bis auf den Zeitpunkt aufgeſpart zu haben, wo wir in un - ſrer eignen Kultur weit genug wuͤrden fortgeſchritten ſeyn, um von dieſer Entdeckung eine nuͤtzliche Anwen -dung12dung auf uns ſelbſt zu machen, und den verlohrnen An - fang unſers Geſchlechts aus dieſem Spiegel wieder her - zuſtellen. Wie beſchaͤmend und traurig aber iſt das Bild, das uns dieſe Voͤlker von unſerer Kindheit geben! und doch iſt es nicht einmahl die erſte Stuffe mehr, auf der wir ſie erblicken. Der Menſch fieng noch veraͤcht - licher an. Wir finden jene doch ſchon als Voͤlker, als politiſche Koͤrper: aber der Menſch mußte ſich erſt durch eine auſſerordentliche Anſtrengung zur Geſellſchaft er - heben.

Was erzaͤhlen uns die Reiſebeſchreiber nun von dies - ſen Wilden? Manche fanden ſie ohne Bekanntſchaft mit den unentbehrlichſten Kuͤnſten, ohne das Eiſen, ohne den Pflug, einige ſogar ohne den Beſitz des Feuers. Manche rangen noch mit wilden Thieren um Speiſe und Wohnung, bey vielen hatte ſich die Sprache noch kaum von thieriſchen Toͤnen zu verſtaͤndlichen Zeichen erhoben. Hier war nicht einmal das ſo einfache Band der Ehe, dort noch keine Kenntniß des Eigenthums; hier konnte die ſchlaffe Seele noch nicht einmal eine Er - fahrung feſt halten, die ſie doch taͤglich wiederhohlte; ſorglos ſah man den Wilden das Lager hingeben, wor - auf er heute ſchlief, weil ihm nicht einfiel, daß er mor - gen wieder ſchlafen wuͤrde. Krieg hingegen war bey allen, und das Fleiſch des uͤberwundenen Feindes nicht ſelten der Preis des Sieges. Bey andern, die mit meh - rern Gemaͤchlichkeiten des Lebens vertraut, ſchon eine hoͤhere Stuffe der Bildung erſtiegen hatten, zeigtenKnecht -13Knechtſchaft und Deſpotismus ein ſchauderhaftes Bild. Dort ſah man einen Deſpoten Afrikas ſeine Unterthanen fuͤr einen Schluck Brandwein verhandeln: hier wur - den ſie auf ſeinem Grab abgeſchlachtet, ihm in der Un - terwelt zu dienen. Dort wirft ſich die fromme Einfalt vor einen laͤcherlichen Fetiſch, und hier vor einem grau - ſenvollen Scheuſal nieder; in ſeinen Goͤttern mahlt ſich der Menſch. So tief ihn dort Sclaverey, Dummheit und Aberglauben niederbeugen, ſo elend iſt er hier durch das andre Extrem geſetzloſer Freyheit. Immer zum Angriff und zur Vertheidigung geruͤſtet, von jedem Ge - raͤuſch aufgeſcheucht, reckt der Wilde ſein ſcheues Ohr in die Wuͤſte; Feind heißt ihm alles was neu iſt, und wehe dem Fremdling den das Ungewitter an ſeine Kuͤſte ſchleudert! Kein wirthlicher Heerd wird ihm rauchen, kein ſuͤßes Gaſtrecht ihn erfreuen. Aber ſelbſt da, wo ſich der Menſch von einer feindſeligen Einſamkeit zur Geſellſchaft, von der Noth zum Wohlleben, von der Furcht zu der Freude erhebt wie abenteuerlich und ungeheuer zeigt er ſich unſern Augen! Sein roher Geſchmack ſucht Froͤhlichkeit in der Betaͤubung, Schoͤn - heit in der Verzerrung, Ruhm in der Uebertreibung; Entſetzen erweckt uns ſelbſt ſeine Tugend, und das was er ſeine Gluͤckſeligkeit nennt, kann uns nur Ekel oder Mitleid erregen.

So waren wir. Nicht viel beſſer fanden uns Caͤ - ſar und Tacitus vor achtzehn hundert Jahren.

Was ſind wir jetzt? Laſſen Sie mich einen Au - genblick bey dem Zeitalter ſtille ſtehen, worinn wir le -ben14ben, bey der gegenwaͤrtigen Geſtalt der Welt, die wir bewohnen.

Der menſchliche Fleiß hat ſie angebaut, und den widerſtrebenden Boden durch ſein Beharren und ſeine Geſchicklichkeit uͤberwunden. Dort hat er dem Meere Land abgewonnen, hier dem duͤrren Lande Stroͤme ge - geben. Zonen und Jahrszeiten hat der Menſch durch einander gemengt, und die weichlichen Gewaͤchſe des Orients zu ſeinem rauheren Himmel abgehaͤrtet. Wie er Europa nach Weſtindien und dem Suͤdmeere trug, hat er Aſien in Europa auferſtehen laſſen. Ein heitrer Himmel lacht jetzt uͤber Germaniens Waͤldern, welche die ſtarke Menſchenhand zerriß und dem Sonnenſtral aufthat, und in den Wellen des Rheins ſpiegeln ſich Aſiens Reben. An ſeinen Ufern erheben ſich volkreiche Staͤdte, die Genuß und Arbeit in munterm Leben durch - ſchwaͤrmen. Hier finden wir den Menſchen, in ſeines Er - werbes friedlichem Beſitz ſicher unter einer Million, ihn, dem ſonſt ein einziger Nachbar den Schlummer raubte. Die Gleichheit, die er durch ſeinen Eintritt in die Ge - ſellſchaft verlohr, hat er wieder gewonnen durch weiſe Geſetze. Von dem blinden Zwange des Zufalls und der Noth hat er ſich unter die ſanftere Herrſchaft der Vertraͤge gefluͤchtet, und die Freyheit des Raubthiers hingegeben, um die edlere Freyheit des Menſchen zu retten. Wohlthaͤtig haben ſich ſeine Sorgen getrennt, ſeine Thaͤtigkeiten vertheilt. Jetzt noͤthigt ihn das ge - bieteriſche Beduͤrfniß nicht mehr an die Pflugſchaar,[jetzt]15jetzt fordert ihn kein Feind mehr von dem Pflug auf das Schlachtfeld, Vaterland und Heerd zu vertheidigen. Mit dem Arme des Landmanns fuͤllt er ſeine Scheunen, mit den Waffen des Kriegers ſchuͤtzt er ſein Gebiet. Das Geſetz wacht uͤber ſein Eigenthum und ihm bleibt das unſchaͤtzbare Recht, ſich ſelbſt ſeine Pflicht auszuleſen.

Wie viele Schoͤpfungen der Kunſt, wie viele Wun - der des Fleiſſes, welches Licht in allen Feldern des Wiſ - ſens, ſeit dem der Menſch in der traurigen Selbſtver - theidigung ſeine Kraͤfte nicht mehr unnuͤtz verzehrt, ſeitdem es in ſeine Willkuͤhr geſtellt worden, ſich mit der Noth abzufinden, der er nie ganz entfliehen ſoll; ſeit - dem er das koſtbare Vorrecht errungen hat, uͤber ſeine Faͤhigkeit frey zu gebieten, und dem Ruf ſeines Ge - nius zu folgen! Welche rege Thaͤtigkeit uͤberall, ſeit - dem die vervielfaͤltigten Begierden dem Erfindungsgeiſt neue Fluͤgel gaben, und dem Fleiß neue Raͤume auf - thaten! Die Schranken ſind durchbrochen, welche[Staaten] und Nationen in feindſeligem Egoismus ab - ſonderten. Alle denkenden Koͤpfe verknuͤpft jetzt ein welt - buͤrgerliches Band, und alles Licht ſeines Jahrhunderts kann nunmehr den Geiſt eines neuern Galilei und Eras - mus beſcheinen.

Seitdem die Geſetze zu der Schwaͤche des Menſchen herunterſtiegen, kam der Menſch auch den Geſetzen ent - gegen. Mit ihnen iſt er ſanfter geworden, wie er mit ihnen verwilderte; ihren barbariſchen Strafen folgendie16die barbariſchen Verbrechen allmaͤhlig in die Vergeſſen - heit nach. Ein großer Schritt zur Veredlung iſt ge - ſchehen, daß die Geſetze tugendhaft ſind, wenn auch gleich noch nicht die Menſchen. Wo die Zwangspflich - ten von dem Menſchen ablaſſen, uͤbernehmen ihn die Sitten. Den keine Strafe ſchreckt und kein Gewiſſen zuͤgelt, halten jetzt die Geſetze des Anſtands und der Ehre in Schranken.

Wahr iſt es, auch in unſer Zeitalter haben ſich noch manche barbariſche Ueberreſte aus den vorigen ein - gedrungen, Geburten des Zufalls und der Gewalt, die das Zeitalter der Vernunft nicht haͤtte verewigen ſol - len. Aber wieviel Geſtalt hat der Verſtand des Men - ſchen auch dieſem barbariſchen Nachlaß der aͤltern und mittlern Jahrhunderte anerſchaffen! Wie unſchaͤdlich, ja wie nuͤtzlich hat er oft gemacht, was er umzuſtuͤr - tzen noch nicht wagen konnte! Auf dem rohen Grunde der Lehen-Anarchie fuͤhrte Teutſchland das Syſtem ſei - ner politiſchen und kirchlichen Freyheit auf. Das Schattenbild des roͤmiſchen Imperators, das ſich dies - ſeits der Apenninen erhalten, leiſtet der Welt jezt un - endlich mehr Gutes, als ſein ſchreckhaftes Urbild im alten Rom denn es haͤlt ein nuͤtzliches Staatsſyſtem durch Eintracht zuſammen: jenes druͤckte die thaͤtig - ſten Kraͤfte der Menſchheit in einer ſclaviſchen Ein - foͤrmigkeit darnieder. Selbſt unſre Religion ſo ſehr entſtellt durch die untreuen Haͤnde, durch welche ſie uns uͤberliefert worden wer kann in ihr den vere -deln -17delnden Einfluß der beſſern Philoſophie verkennen? Unſre Leibnitze und Locke machten ſich um das Dogma und um die Moral des Chriſtenthums eben ſo verdient, als der Pinſel eines Raphael und Cor - reggio um die heilige Geſchichte.

Endlich unſre Staaten mit welcher Innigkeit, mit welcher Kunſt ſind ſie einander verſchlungen! wie viel dauerhafter durch den wohlthaͤtigen Zwang der Noth als vormals durch die feyerlichſten Vertraͤge ver - bruͤdert! Den Frieden huͤtet jezt ein ewig geharniſch - ter Krieg, und die Selbſtliebe eines Staats ſezt ihn zum Waͤchter uͤber den Wohlſtand des andern. Die europaͤiſche Staatengeſellſchaft ſcheint in eine große Familie verwandelt. Die Hausgenoſſen koͤnnen ein - ander anfeinden, aber nicht mehr zerfleiſchen.

Welche entgegengeſezte Gemaͤhlde! Wer ſollte in dem verfeinerten Europaͤer des achtzehnten Jahrhun - derts nur einen fortgeſchrittnen Bruder des neuern Kanadiers, des alten Celten vermuthen? Alle dieſe Fertigkeiten, Kunſttriebe, Erfahrungen, alle dieſe Schoͤpfungen der Vernunft ſind im Raume von weni - gen Jahrtauſenden in dem Menſchen angepflanzt und entwickelt worden; alle dieſe Wunder der Kunſt, dieſe Rieſenwerke des Fleiſſes ſind aus ihm heraus gerufen worden. Was weckte jene zum Leben, was lockte die - ſe heraus? Welche Zuſtaͤnde durchwanderte der Menſch, bis er von jenem Aeuſſerſten zu dieſem Aeuſſerſten, vom ungeſelligen Hoͤhlenbewohner zum geiſtreichen Den -Bker,18ker, zum gebildeten Weltmann hinaufſtieg? Die allgemeine Weltgeſchichte giebt Antwort auf dieſe Frage.

So unermeßlich ungleich zeigt ſich uns das nemli - che Volk auf dem nemlichen Landſtriche, wenn wir es in verſchiedenen Zeitraͤumen anſchauen! Nicht weniger auffallend iſt der Unterſchied, den uns das gleichzeitige Geſchlecht, aber in verſchiedenen Laͤndern, darbie - tet. Welche Mannigfaltigkeit in Gebraͤuchen, Ver - faſſungen und Sitten! Welcher raſche Wechſel von Fin - ſterniß und Licht, von Anarchie und Ordnung, von Gluͤckſeligkeit und Elend, wenn wir den Menſchen auch nur in dem kleinen Welttheil Europa aufſuchen! Frey an der Themſe, und fuͤr dieſe Freyheit ſein eige - ner Schuldner; hier unbezwingbar zwiſchen ſeinen Al - pen, dort zwiſchen ſeinen Kunſtfluͤſſen und Suͤmpfen unuͤberwunden. An der Weichſel kraftlos und elend durch ſeine Zwietracht; jenſeits der Pyrenaͤen durch ſeine Ruhe kraftlos und elend. Wohlhabend und ge - ſegnet in Amſterdam ohne Aernte; duͤrftig und ungluͤck - lich an des Ebro unbenutztem Paradieſe. Hier zwey entlegene Voͤlker durch ein Weltmeer getrennt, und zu Nachbarn gemacht durch Beduͤrfniß, Kunſtfleiß und politiſche Bande; dort die Anwohner Eines Stroms durch eine andere Liturgie unermeßlich geſchieden! Was fuͤhrte Spaniens Macht uͤber den atlantiſchen Ocean in das Herz von Amerika, und nicht einmal uͤber den Tajo und Guadiana hinuͤber? Was erhielt in Italien und Teutſchland ſo viele Thronen, und ließ in Frankreichalle,19alle, bis auf Einen, verſchwinden? Die Univer - ſalgeſchichte loͤßt dieſe Frage.

Selbſt daß wir uns in dieſem Augenblick hier zu - ſammen fanden, uns mit dieſem Grade von National - kultur, mit dieſer Sprache, dieſen Sitten, dieſen buͤr - gerlichen Vortheilen, dieſem Maaß von Gewiſſensfrey - heit zuſammen fanden, iſt das Reſultat vielleicht aller vorhergegangenen Weltbegebenheiten: die ganze Welt - geſchichte wuͤrde wenigſtens noͤthig ſeyn, dieſes einzige Moment zu erklaͤren. Daß wir uns als Chriſten zu - ſammen fanden, mußte dieſe Religion, durch unzaͤhlige Revolutionen vorbereitet, aus dem Judenthum hervor - gehen, mußte ſie den roͤmiſchen Staat genau ſo finden, als ſie ihn fand, um ſich mit ſchnellem ſiegendem Lauf uͤber die Welt zu verbreiten und den Thron der Caͤſarn endlich ſelbſt zu beſteigen. Unſre rauhen Vorfahren in den thuͤringiſchen Waͤldern mußten der Uebermacht der Franken unterliegen, um ihren Glauben anzuneh - men. Durch ſeine wachſenden Reichthuͤmer, durch die Unwiſſenheit der Voͤlker und durch die Schwaͤche ihrer Beherrſcher mußte der Klerus verfuͤhrt und beguͤnſtigt werden, ſein Anſehen zu mißbrauchen, und ſeine ſtille Gewiſſensmacht in ein weltliches Schwerd umzu - wandeln. Die Hierarchie mußte in einem Gregor und Innozenz alle ihre Greuel auf das Menſchengeſchlecht ausleeren, damit das uͤberhandnehmende Sittenver - derbniß und des geiſtlichen Deſpotismus ſchreyendes Scandal einen unerſchrockenen Auguſtinermoͤnch auffor - dern konnte, das Zeichen zum Abfall zu geben, undB 2dem20dem roͤmiſchen Hierarchen eine Haͤlfte Europens zu ent - reiſſen, wenn wir uns als proteſtantiſche Chriſten hier verſammeln ſollten. Wenn dieß geſchehen ſollte, ſo mußten die Waffen unſrer Fuͤrſten Karln V. einen Religionsfrieden abnoͤthigen; ein Guſtav Adolf mußte den Bruch dieſes Friedens raͤchen, und ein neuer all - gemeiner Friede ihn auf ewig begruͤnden. Staͤdte muß - ten ſich in Italien und Teutſchland erheben, dem Fleiß ihre Thore oͤffnen, die Ketten der Leibeigenſchaft zer - brechen, unwiſſenden Tyrannen den Richterſtab aus den Haͤnden ringen, und durch eine kriegeriſche Hanſa ſich in Achtung ſetzen, wenn Gewerbe und Handel bluͤhen, und der Ueberfluß den Kuͤnſten der Freude rufen, wenn der Staat den nuͤtzlichen Landmann ehren, und in dem wohlthaͤtigen Mittelſtande, dem Schoͤpfer unſrer gan - zen Kultur, ein dauerhaftes Gluͤck fuͤr die Menſchheit heran reifen ſollte. Teutſchlands Kaiſer mußten ſich in Jahrhundertlangen Kaͤmpfen mit dem roͤmiſchen Stuhl, mit ihren Vaſallen, und mit eiferſuͤchtigen Nach - barn Europa ſich ſeines gefaͤhrlichen Ueberfluſſes in Aſiens Graͤbern entladen; und der trotzige Lehen-Adel in einem moͤrderiſchen Fauſtrecht, Roͤmerzuͤgen und hei - ligen Fahrten ſeinen Empoͤrungsgeiſt ausbluten: wenn das verworrene Chaos ſich ſondern, und die ſtreitenden Maͤchte des Staats in dem geſegneten Gleichgewicht ruhen ſollten, wovon unſre jetzige Muße der Preiß iſt. Wenn ſich unſer Geiſt aus der Unwiſſenheit herausrin - gen ſollte, worin geiſtlicher und weltlicher Zwang ihn gefeſſelt hielt: ſo mußte der lang erſtickte Keim der Ge -lehr -21lehrſamkeit unter ihren wuͤthendſten Verfolgern aufs neue hervorbrechen, und ein Al Mamun den Wiſſen - ſchaften den Raub verguͤten, den ein Omar an ihnen veruͤbt hatte. Das unertraͤgliche Elend der Barbarey mußte unſre Vorfahren von den blutigen Urtheilen Got - tes zu menſchlichen Richterſtuͤhlen treiben, verheerende Seuchen die verirrte Heilkunſt zur Betrachtung der Na - tur zuruͤckrufen, der Muͤßiggang der Moͤnche mußte fuͤr das Boͤſe, das ihre Werkthaͤtigkeit ſchuf, von ferne einen Erſatz zubereiten, und der profane Fleiß in den Kloͤſtern die zerruͤtteten Reſte des Auguſtiſchen Weltal - ters bis zu den Zeiten der Buchdruckerkunſt hinhalten. An griechiſchen und roͤmiſchen Muſtern mußte der nie - dergedruͤckte Geiſt nordiſcher Barbaren ſich aufrichten, und die Gelehrſamkeit einen Bund mit den Muſen und Grazien ſchließen, wann ſie einen Weg zu dem Her - zen finden, und den Nahmen einer Menſchenbilderin ſich verdienen ſollte. Aber haͤtte Griechenland wohl einen Thucydides, einen Plato, einen Ariſtoteles, haͤtte Rom einen Horaz, einen Cicero, einen Virgil und Li - vius gebohren, wenn dieſe beyden Staaten nicht zu der - jenigen Hoͤhe des politiſchen Wohlſtands emporgedrun - gen waͤren, welche ſie wirklich erſtiegen haben? Mit einem Wort wenn nicht ihre ganze Geſchichte vor - hergegangen waͤre? Wie viele Erfindungen, Entdeckun - gen, Staats - und Kirchenrevolutionen mußten zuſam - mentreffen, dieſen neuen, noch zarten Keimen von Wiſ - ſenſchaft und Kunſt, Wachsthum und Ausbreitung zu geben! Wie viele Kriege mußten gefuͤhrt, wie vieleB 3Buͤnd -22Buͤndniſſe geknuͤpft, zerriſſen und aufs neue geknuͤpft werden, um endlich Europa zu dem Friedensgrundſatz zu bringen, welcher allein den Staaten wie den Buͤr - gern vergoͤnnt, ihre Aufmerkſamkeit auf ſich ſelbſt zu richten, und ihre Kraͤfte zu einem verſtaͤndigen Zwecke zu verſammeln!

Selbſt in den alltaͤglichſten Verrichtungen des buͤr - gerlichen Lebens koͤnnen wir es nicht vermeiden, die Schuldner vergangener Jahrhunderte zu werden; die ungleichartigſten Perioden der Menſchheit ſteuern zu unſrer Kultur, wie die entlegendſten Welttheile zu un - ſerm Luxus. Die Kleider, die wir tragen, die Wuͤrze an unſern Speiſen und der Preis, um den wir ſie kau - fen, viele unſrer kraͤftigſten Heilmittel, und eben ſo viele neue Werkzeuge unſers Verderbens ſetzen ſie nicht einen Columbus voraus, der Amerika entdeckte, einen Vaſco de Gama, der die Spitze von Afrika um - ſchiffte?

Es zieht ſich alſo eine lange Kette von Begebenhei - ten von dem gegenwaͤrtigen Augenblicke bis zum An - fange des Menſchengeſchlechts hinauf, die wie Urſache und Wirkung in einander greifen. Ganz und vollzaͤh - lich uͤberſchauen kann ſie nur der unendliche Verſtand; dem Menſchen ſind engere Grenzen geſetzt. I. Unzaͤh - lig viele dieſer Ereigniſſe haben entweder keinen menſch - lichen Zeugen und Beobachter gefunden, oder ſie ſind durch kein Zeichen feſt gehalten worden. Dahin gehoͤ -ren23ren alle, die dem Menſchengeſchlechte ſelbſt und der Erfindung der Zeichen vorhergegangen ſind. Die Quelle aller Geſchichte iſt Tradition, und das Organ der Tra - dition iſt die Sprache. Die ganze Epoche vor der Spra - che, ſo folgenreich ſie auch fuͤr die Welt geweſen, iſt fuͤr die Weltgeſchichte verloren. II. Nachdem aber auch Sprache erfunden, und durch ſie die Moͤglichkeit vor - handen war, geſchehene Dinge auszudruͤcken und wei - ter mitzutheilen, ſo geſchah dieſe Mittheilung anfangs durch den unſichern und wandelbaren Weg der Sagen. Von Munde zu Munde pflanzte ſich eine ſolche Bege - benheit durch eine lange Folge von Geſchlechtern fort, und da ſie durch Media gieng, die veraͤndert werden und veraͤndern, ſo mußte ſie dieſe Veraͤnderungen mit erleiden. Die lebendige Tradition oder die muͤndliche Sage iſt daher eine ſehr unzuverlaͤßige Quelle fuͤr die Geſchichte, daher ſind alle Begebenheiten vor dem Ge - brauche der Schrift fuͤr die Weltgeſchichte ſo gut als verloren. III. Die Schrift iſt aber ſelbſt nicht unver - gaͤnglich; unzaͤhlich viele Denkmaͤler des Alterthums haben Zeit und Zufaͤlle zerſtoͤrt, und nur we - nige Truͤmmer haben ſich aus der Vorwelt in die Zei - ten der Buchdruckerkunſt gerettet. Bey weitem der groͤßre Theil iſt mit den Aufſchluͤſſen, die er uns ge - ben ſollte, fuͤr die Weltgeſchichte verloren. IV. Unter den wenigen endlich, welche die Zeit verſchonte, iſt die groͤßere Anzahl durch die Leidenſchaft, durch den Unver - ſtand, und oft ſelbſt durch das Genie ihrer BeſchreiberB 4verun -24verunſtaltet und unkennbar gemacht. Das Mistrauen erwacht bey dem aͤlteſten hiſtoriſchen Denkmal, und es verlaͤßt uns nicht einmal bey einer Chronik des heutigen Tages. Wenn wir uͤber eine Begebenheit, die ſich heute erſt, und unter Menſchen mit denen wir leben, und in der Stadt die wir bewohnen, ereignet, die Zeugen abhoͤren, und aus ihren widerſprechenden Berichten Muͤhe haben die Wahrheit zu entraͤthſeln: welchen Muth koͤnnen wir zu Nationen und Zeiten mitbringen, die durch Fremdartigkeit der Sitten weiter als durch ihre Jahrtauſende von uns entlegen ſind? Die klei - ne Summe von Begebenheiten, die nach allen bisher geſchehenen Abzuͤgen zuruͤckbleibt, iſt der Stoff der Ge - ſchichte in ihrem weiteſten Verſtande. Was und wie - viel von dieſem hiſtoriſchen Stoff gehoͤrt nun der Uni - verſalgeſchichte?

Aus der ganzen Summe dieſer Begebenheiten hebt der Univerſalhiſtoriker diejenigen heraus, welche auf die heutige Geſtalt der Welt und den Zuſtand der jetzt le - benden Generation einen weſentlichen, unwiderſprechli - chen und leicht zu verfolgenden Einfluß gehabt haben. Das Verhaͤltniß eines hiſtoriſchen Datums zu der heuti - gen Weltverfaſſung iſt es alſo, worauf geſehen werden muß, um Materialien fuͤr die Weltgeſchichte zu ſam - meln. Die Weltgeſchichte geht alſo von einem Prin - cip aus, das dem Anfang der Welt gerade entgegen - ſtehet. Die wirkliche Folge der Begebenheiten ſteigtvon25von dem Urſprung der Dinge zu ihrer neueſten Ord - nung herab, der Univerſalhiſtoriker ruͤckt von der neue - ſten Weltlage aufwaͤrts dem Urſprung der Dinge ent - gegen. Wenn er von dem laufenden Jahr und Jahr - hundert zu dem naͤchſt vorhergegangenen in Gedanken hinaufſteigt, und unter den Begebenheiten, die das Leztere ihm darbietet, diejenigen ſich merkt, welche den Aufſchluß uͤber die naͤchſtfolgenden enthalten wenn er dieſen Gang ſchrittweiſe fortgeſetzt hat bis zum An - fang nicht der Welt, denn dahin fuͤhrt ihn kein Wegweiſer bis zum Anfang der Denkmaͤler, dann ſteht es bey ihm, auf dem gemachten Weg umzukeh - ren, und an dem Leitfaden dieſer bezeichneten Fakten, ungehindert und leicht, vom Anfang der Denkmaͤler bis zu dem neueſten Zeitalter herunter zu ſteigen. Dies iſt die Weltgeſchichte, die wir haben, und die Ihnen wird vorgetragen werden.

Weil die Weltgeſchichte von dem Reichthum und der Armuth an Quellen abhaͤngig iſt, ſo muͤſſen eben ſo viele Luͤcken in der Weltgeſchichte entſtehen, als es leere Strecken in der Ueberlieferung giebt. So gleich - foͤrmig, nothwendig und beſtimmt ſich die Weltveraͤn - derungen auseinander entwickeln, ſo unterbrochen und zufaͤllig werden ſie in der Geſchichte in einander gefuͤgt ſeyn. Es iſt daher zwiſchen dem Gange der Welt und dem Gange der Weltgeſchichte ein merkliches Mißverhaͤlt - niß ſichtbar. Jenen moͤchte man mit einem ununter - brochen fortfließenden Strom vergleichen, wovon aberB 5in26in der Weltgeſchichte nur hie und da eine Welle be - leuchtet wird. Da es ferner leicht geſchehen kann, daß der Zuſammenhang einer entfernten Weltbegeben - heit mit dem Zuſtand des laufenden Jahres fruͤher in die Augen faͤllt, als die Verbindung, worin ſie mit Ereigniſſen ſtehet, die ihr vorhergiengen oder gleichzei - tig waren: ſo iſt es ebenfalls unvermeidlich, daß Bege - benheiten, die ſich mit dem neueſten Zeitalter aufs ge - naueſte binden, in dem Zeitalter, dem ſie eigentlich angehoͤren nicht ſelten iſolirt erſcheinen. Ein Fak - tum dieſer Art waͤre z. B. der Urſprung des Chri - ſtenthums und beſonders der chriſtlichen Sittenlehre. Die chriſtliche Religion hat an der gegenwaͤrtigen Ge - ſtalt der Welt einen ſo vielfaͤltigen Antheil, daß ihre Erſcheinung das wichtigſte Faktum fuͤr die Weltge - ſchichte wird: aber weder in der Zeit, wo ſie ſich zeig - te, noch in dem Volke, bey dem ſie aufkam, liegt (aus Mangel der Quellen) ein befriedigender Erklaͤrungs - grund ihrer Erſcheinung.

So wuͤrde denn unſre Weltgeſchichte nie etwas an - ders als ein Aggregat von Bruchſtuͤcken werden, und nie den Nahmen einer Wiſſenſchaft verdienen. Jezt alſo kommt ihr der philoſophiſche Verſtand zu Huͤlfe, und, indem er dieſe Bruchſtuͤcke durch kuͤnſtliche Bin - dungsglieder verkettet, erhebt er das Aggregat zum Syſtem, zu einem vernunftmaͤßig zuſammenhaͤngenden Ganzen. Seine Beglaubigung dazu liegt in der Gleich -foͤrmig -27foͤrmigkeit und unveraͤnderlichen Einheit der Naturge - ſetze und des menſchlichen Gemuͤths, welche Einheit Urſache iſt, daß die Ereigniße des entfernteſten Alter - thums, unter dem Zuſammenfluß aͤhnlicher Umſtaͤnde von auſſen, in den neueſten Zeitlaͤuften wiederkehren; daß alſo von den neueſten Erſcheinungen, die im Kreis unſrer Beobachtung liegen, auf diejenigen, welche ſich in geſchichtloſen Zeiten verlieren, ruͤckwaͤrts ein Schluß gezogen und einiges Licht verbreitet werden kann. Die Methode, nach der Analogie zu ſchließen, iſt, wie uͤberall ſo auch in der Geſchichte ein maͤchtiges Huͤlfs - mittel: aber ſie muß durch einen erheblichen Zweck ge - rechtfertigt, und mit eben ſoviel Vorſicht als Beur - theilung in Ausuͤbung gebracht werden.

Nicht lange kann ſich der philoſophiſche Geiſt bey dem Stoffe der Weltgeſchichte verweilen, ſo wird ein neuer Trieb in ihm geſchaͤftig werden, der nach Ueber - einſtimmung ſtrebt der ihn unwiderſtehlich reizt, alles um ſich herum ſeiner eigenen vernuͤnftigen Natur zu aſſimiliren, und jede ihm vorkommende Erſcheinung zu der hoͤchſten Wirkung, die er erkannt, zum Gedan - ken zu erheben. Je oͤfter alſo und mit je gluͤcklicherm Erfolge er den Verſuch erneuert, das Vergangene mit dem Gegenwaͤrtigen zu verknuͤpfen: deſto mehr wird er geneigt, was er als Urſache und Wirkung in ein - ander greifen ſieht, als Mittel und Abſicht zu verbin - den. Eine Erſcheinung nach der andern faͤngt an, ſichdem28dem blinden Ohngefaͤhr, der geſetzloſen Freyheit zu entziehen, und ſich einem uͤbereinſtimmenden Ganzen (das freylich nur in ſeiner Vorſtellung vorhanden iſt) als ein paſſendes Glied anzureyhen. Bald faͤllt es ihm ſchwer, ſich zu uͤberreden, daß dieſe Folge von Erſcheinungen, die in ſeine Vorſtellung ſoviel Regel - maͤßigkeit und Abſicht annahm, dieſe Eigenſchaften in der Wirklichkeit verlaͤugne; es faͤllt ihm ſchwer, wieder unter die blinde Herrſchaft der Nothwendigkeit zu ge - ben, was unter dem geliehenen Lichte des Verſtandes angefangen hatte eine ſo heitre Geſtalt zu gewinnen. Er nimmt alſo dieſe Harmonie aus ſie ſelbſt heraus, und verpflanzt ſie auſſer ſich in die Ordnung der Dinge d. i. er bringt einen vernuͤnftigen Zweck in dem Gang der Welt, und ein teleologiſches Prinzip in die Welt - geſchichte. Mit dieſem durchwandert er ſie noch ein - mal, und haͤlt es pruͤfend gegen jede Erſcheinung, wel - che dieſer große Schauplatz ihm darbietet. Er ſieht es durch tauſend beyſtimmende Fakta beſtaͤtigt, und durch eben ſoviele andre widerlegt; aber ſo lange in der Reyhe der Weltveraͤnderungen noch wichtige Bindungs - glieder fehlen, ſo lange das Schickſal uͤber ſo viele Be - gebenheiten den letzten Aufſchluß noch zuruͤckhaͤlt, er - klaͤrt er die Frage fuͤr unentſchieden, und diejenige Meinung ſiegt, welche dem Verſtande die hoͤhere Be - friedigung, und dem Herzen die groͤßre Gluͤckſelig - keit anzubieten hat.

Es29

Es[bedarf] wohl keiner Erinnerung, daß eine Welt - geſchichte nach lezterm Plane in den ſpaͤteſten Zeiten erſt zu erwarten ſteht. Eine vorſchnelle Anwendung dieſes großen Maaßes koͤnnte den Geſchichtsforſcher leicht in Verſuchung fuͤhren, den Begebenheiten Ge - walt anzuthun, und dieſe gluͤckliche Epoche fuͤr die Weltgeſchichte immer weiter zu entfernen, indem er ſie beſchleunigen will. Aber nicht zu fruͤhe kann die Auf - merkſamkeit auf dieſe lichtvolle und doch ſo ſehr ver - nachlaͤßigte Seite der Weltgeſchichte gezogen werden, wodurch ſie ſich an den hoͤchſten Gegenſtand aller menſchlichen Beſtrebungen anſchließt. Schon der ſtille Hinblick auf dieſes, wenn auch nur moͤgliche, Ziel muß dem Fleiß des Forſchers einen belebenden Sporn und eine ſuͤße Erhohlung geben. Wichtig wird ihm auch die kleinſte Bemuͤhung ſeyn, wenn er ſich auf dem Wege ſieht, oder auch nur einen ſpaͤten Nachfolger darauf leitet, das Problem der Weltordnung aufzuloͤ - ſen, und dem hoͤchſten Geiſt in ſeiner ſchoͤnſten Wir - kung zu begegnen.

Und auf ſolche Art behandelt, M. H. H. wird Ihnen das Studium der Weltgeſchichte eine eben ſo anziehen - de als nuͤtzliche Beſchaͤftigung gewaͤhren. Licht wird ſie in Ihrem Verſtande, und eine wohlthaͤtige Begei - ſterung in ihrem Herzen entzuͤnden. Sie wird Ihren Geiſt von der gemeinen und kleinlichen Anſicht morali - ſcher Dinge entwoͤhnen, und, indem ſie vor IhrenAugen30Augen das große Gemaͤhlde der Zeiten und Voͤlker aus - einander breitet, wird ſie die vorſchnellen Entſcheidun - gen des Augenblicks, und die beſchraͤnkten Urtheile der Selbſtſucht verbeſſern. Indem ſie den Menſchen gewoͤhnt, ſich mit der ganzen Vergangenheit zuſammen zu faßen, und mit ſeinen Schluͤſſen in die ferne Zu - kunft voraus zu eilen: ſo verbirgt ſie die Grenzen von Geburt und Tod, die das Leben des Menſchen ſo eng und ſo druͤckend umſchlieſſen, ſo breitet ſie optiſch taͤuſchend ſein kurzes Daſeyn in einen unendli - chen Raum aus, und fuͤhrt das Individuum unver - merkt in die Gattung hinuͤber.

Der Menſch verwandelt ſich und flieht von der Buͤhne; ſeine Meynungen fliehen und verwandeln ſich mit ihm: die Geſchichte allein bleibt unausgeſetzt auf dem Schauplatz, eine unſterbliche Buͤrgerin aller Nationen und Zeiten. Wie der homeriſche Zeus ſieht ſie mit gleich heitern Blicke auf die blutigen Arbeiten des Kriegs, und auf die friedlichen Voͤlker herab, die ſich von der Milch ihrer Heerden ſchuldlos ernaͤhren. Wie regellos auch die Freyheit des Menſchen mit dem Weltlauf zu ſchalten ſcheine, ruhig ſieht ſie dem ver - worrenen Spiele zu: denn ihr weitreichender Blick entdeckt ſchon von ferne, wo dieſe regellos ſchweifen - de Freyheit am Bande der Nothwendigkeit geleitet wird. Was ſie dem ſtrafenden Gewiſſen eines Gregors und Cromwells geheim haͤlt, eilt ſie der Menſchheit zu of -fenba -31fenbaren: daß der ſelbſtſuͤchtige Menſch niedrige Zwecke zwar verfolgen kann, aber unbewußt vortrefliche befoͤrdert.[ " ]

Kein falſcher Schimmer wird ſie blenden, kein Vorurtheil der Zeit ſie dahinreiſſen, denn ſie erlebt das letzte Schickſal aller Dinge. Alles was aufhoͤrt, hat fuͤr ſie gleich kurz gedauert: ſie haͤlt den verdienten Olivenkranz friſch, und zerbricht den Obeliſken, den die Eitelkeit thuͤrmte. Indem ſie das feine Getriebe auseinander legt, wodurch die ſtille Hand der Natur ſchon ſeit dem Anfang der Welt die Kraͤfte des Men - ſchen planvoll entwickelt, und mit Genauigkeit andeu - tet, was in jedem Zeitraume fuͤr dieſen großen Natur - plan gewonnen worden iſt: ſo ſtellt ſie den wahren Maaßſtab fuͤr Gluͤckſeligkeit und Verdienſt wieder her, den der herrſchende Wahn in jedem Jahrhundert an - ders verfaͤlſchte. Sie heilt uns von der uͤbertriebenen Bewunderung des Alterthums, und von der kindi - ſchen Sehnſucht nach vergangenen Zeiten; und indem ſie uns auf unſre eigenen Beſitzungen aufmerkſam macht, laͤßt ſie uns die geprieſenen goldnen Zeiten Alexanders und Auguſts nicht zuruͤckwuͤnſchen.

Unſer menſchliches Jahrhundert herbey zu fuͤh - ren haben ſich ohne es zu wiſſen oder zu erzielen alle vorhergehenden Zeitalter angeſtrengt. Unſer ſind alle Schaͤtze, welche Fleiß und Genie, Vernunft und Erfahrung im langen Alter der Welt endlich heimge -bracht32bracht haben. Aus der Geſchichte erſt werden Sie lernen, einen Werth auf die Guͤter legen, denen Ge - wohnheit und unangefochtener Beſitz ſo gern unſre Dankbarkeit rauben: koſtbare theure Guͤter, an denen das Blut der Beſten und Edelſten klebt, die durch die ſchwere Arbeit ſo vieler Generationen haben errun - gen werden muͤſſen! Und welcher unter Ihnen, bey dem ſich ein heller Geiſt mit einem empfindenden Her - zen gattet, koͤnnte dieſer hohen Verpflichtung ein - gedenk ſeyn, ohne daß ſich ein ſtiller Wunſch in ihm regte, an das kommende Geſchlecht die Schuld zu entrichten, die er dem vergangenen nicht mehr abtra - gen kann? Ein edles Verlangen muß in uns entgluͤ - hen, zu dem reichen Vermaͤchtniß von Wahrheit, Sitt - lichkeit und Freyheit, das wir von der Vorwelt uͤberka - men und reich vermehrt an die Folgewelt wieder ab - geben muͤſſen, auch aus unſern Mitteln einen Bey - trag zu legen, und an dieſer unvergaͤnglichen Kette, die durch alle Menſchengeſchlechter ſich windet, unſer flie - hendes Daſeyn zu befeſtigen. Wie verſchieden auch die Beſtimmung ſey, die in der buͤrgerlichen Geſell - ſchaft Sie erwartet etwas dazu ſteuern koͤnnen Sie alle! Jedem Verdienſt iſt eine Bahn zur Unſterblichkeit aufgethan, zu der wahren Unſterblichkeit meyne ich, wo die That lebt und weiter eilt,[wenn] auch der Nah - me ihres Urhebers hinter ihr zuruͤckbleiben ſollte.

[33][34][35][36]

About this transcription

TextWas heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?
Author Friedrich Schiller
Extent38 images; 6219 tokens; 2336 types; 45827 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationWas heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? Eine Akademische Antrittsrede bey Eröfnung seiner Vorlesungen Friedrich Schiller. . 32 S. Akademische BuchhandlungJena1789.

Identification

SUB Göttingen Göttingen SUB, DD91 A 33386 RARAhttps://opac.sub.uni-goettingen.de/DB=1/CMD?ACT=SRCHM&IKT0=54&TRM0=DD91%20A%2033386%20RARA

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationFachtext; Historiographie; Wissenschaft; Historiographie; core; ready; mts

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Publication information

Publisher
  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-10T09:28:08Z
Identifiers
Availability

Distributed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial 3.0 Unported License.

Holding LibrarySUB Göttingen
ShelfmarkGöttingen SUB, DD91 A 33386 RARA
Bibliographic Record Catalogue link
Terms of use Images served by Deutsches Textarchiv. Access to digitized documents is granted strictly for non-commercial, educational, research, and private purposes only. Please contact the holding library for reproduction requests and other copy-specific information.