PRIMS Full-text transcription (HTML)
[I]
Handbuch der Entwickelungsgeschichte des Menschen
mit vergleichender Rücksicht der Entwickelung der Säugethiere und Vögel.
Berlin,bei August Rücker. 1835.
[II][III]

Seinen hochgeehrten Lehrern, Gönnern und Freunden, dem Herrn C. G. Nees von Esenbeck, Doctor der Medizin und Philosophie; Professor der Botanik und Direc - tor des botanischen Gartens der Universität zu Breslau; Präsidenten der Kaiserlichen Leopoldinisch-Carolinischen Akademie der Naturforscher und Aerzte; Mitgliede vieler Akademieen und gelehrten Gesellschaften und Ritter mehrerer hohen Orden, und dem Herrn Joh. Ev. Purkinje, Doctor der Medizin und Philosophie; Professor der Physiologie und Pathologie an der Universität zu Breslau; Mitgliede der Kaiserlichen Leopoldinisch-Carolinischen Akademie der Naturforscher und Aerzte, der Akademie der Wissenschaften zu Berlin, der Academie royale de Médecine zu Paris und vieler gelehrten Gesellschaften, aus Achtung, Dankbarkeit und Liebe der Verfasser.

[IV][V]

Vorrede.

Ueber Entwickelungsgeschichte in gegenwärtiger Zeit zu schreiben, bedarf kaum einer Entschuldigung, da diese Rich - tung anatomisch-physiologischer Forschung nicht nur in un - seren Tagen sorgfältiger, als früher verfolgt, sondern auch jeder höheren Betrachtung und Anschauung der Natur als genetisches Moment zum Grunde gelegt wird. Es wäre da - her überflüssig, hier über die Wichtigkeit und den Einfluſs solcher Untersuchungen noch Worte verlieren zu wollen, da mit Recht vorausgesetzt werden kann, daſs das Wesentliche hiervon schon allgemein bekannt und anerkannt sey. Der Verfasser, dem von sich und der Richtung seiner Studien zu reden, in der Vorrede allein gegönnt ist, hält es daher für zweckmäſsiger, sich über die Entstehung vorliegender Schrift und den in ihr herrschenden Geist auszusprechen, um so den Standpunkt zu bezeichnen, von welchem aus er beurtheilt und gerichtet zu werden wünscht.

Schon von Anfang seiner medizinisch-physiologischen Studien im Jahre 1829 faſste derselbe eine innige Vorliebe zu der Lehre der Entwickelungsgeschichte, mit welcher er theils durch die Vorträge seiner geehrten Lehrer, theils durch die hierüber erschienenen Schriften, vorzüglich Deutscher Physiologen, theils auch durch eigene häufige Untersuchung von Embryonen der Wirbelthiere vertraut wurde. NachdemVIVorrede.er sich so zu diesem eben so schwierigen, als genuſsreichen Felde Bahn gebrochen, muſste es sich ihm fast von selbst ergeben, daſs, wenn einerseits die Entwickelung der Organe durch den glücklichen Fleiſs vieler Gelehrten ziemlich aufge - hellt worden, die der Gewebe nicht nur stiefmütterlich be - handelt, sondern so gut, als gar nicht bearbeitet sey. Da - durch, daſs Heusingers System der Histiologie*)Der Ausdruck Histologie, der bisher allgemein gebraucht wurde, ist unrichtig. Ἱστός heiſst der Webestuhl und kommt nur bei Dichtern (ἱστόν ὑφαίνειν Homer) und späteren Prosaisten und auch hier sehr sel - ten, in der Bedeutung von Gewebe vor. Das Letztere heiſst richtiger ἱστίον. unvollendet blieb, war auch die Hoffnung geschwunden, daſs wir von diesem geachteten Naturforscher eine Histiogenie erhalten würden. Mit Ausnahme der Entwickelungsgeschichte der Blutflüssigkeit und der Blutkörperchen, welche jedoch eben - falls mangelhaft bearbeitet worden, fanden sich nur sehr wenige Data, die zu einer wissenschaftlichen Darstellung benutzt werden konnten. Es war daher für das jugendliche Gemüth des Vf. die Idee lockend genug, so ein neues Feld physiologischer Wissenschaft, die Histiogenie, zu schaffen. Aber bald zeigte sich der Schwierigkeiten groſse Fülle. Denn wenn es schon einen Aufwand von mehr, als mittel - mäſsigen Kräften erfordert, um die Entwickelung der Organe zu verfolgen, so stöſst man nicht selten bei der Beobachtung der Gewebeentwickelung auf Dinge, welche die Grenzen unserer Sinne weit hinter sich lassen. Zuvörderst muſs man hier durchaus an frischen Präparaten arbeiten, oder solche Untersuchungen wenigstens der Beobachtung an Früchten, die in Weingeist aufbewahrt worden, vorausschicken; dann ist es unerläſslich, eben so starke, als klare Vergröſserungen anzuwenden, da die schwachen, welche bei der Entwicke - lung der Organe so gute Dienste leisten, hier gar nicht zuVIIVorrede.gebrauchen sind. Ueberdieſs muſs auch die Form der aus - gebildeten Gewebe sicher constatirt werden, bevor man ihrer Entstehung nachzuspüren unternimmt. Die strengste Selbst - kritik, Miſstrauen gegen jedes nur ein Mal oder undeutlich Beobachtete darf den Naturforscher zwar überall, aber vor Allem auf diesem dornigten Wege nie verlassen.

Durch diese Schwierigkeiten nicht nur nicht abgeschreckt, sondern vielmehr angespornt und zur Ausdauer angeregt, ver - folgte der Vf. seine Untersuchungen drei Jahre lang, ohne vor 1832 etwas zu veröffentlichen. Zu Ende dieses Jahres gab er seine: historiae evolutionis systematis muscularis prolusio heraus eine kleine Schrift, die, wiewohl sie ihm heute gar nicht mehr genügt, doch eine durchaus günstige Aufnahme zu finden das Glück hatte. Vielfache Untersuchun - gen wurden noch später gemacht, und da es bei der Menge von Früchten, welche dem Vf. zu Gebote standen, niemals an Materiale fehlte, so wuchs natürlich der Stoff während eines fünfjährigen Zeitraumes fast täglich angestellter Unter - suchungen bedeutend an. Nothwendiger Weise wurden nicht bloſs die Gewebe, sondern auch die Organe in das Gebiet der Forschung mit hineingezogen, und so dürfte es wohl keinen Theil des Körpers geben, dessen Evolution der Vf. nicht aus eigener Erfahrung mehr oder minder vollständig kennen gelernt hat. Auf diese Weise vermochte er natür - lich vieles Bekannte zu bestätigen und nicht wenig des Neuen hinzuzufügen, wiewohl er selbst die Lücken, die er lassen muſste, am Wenigsten verkennt.

In jedem Zweige der Physiologie muſs man bei dem jetzigen Stande der Wissenschaft sich nicht mit der Unter - suchung einzelner Klassen oder gar Genera oder Species von Pflanzen oder Thieren begnügen, sondern, sey es compara - tiv, sey es ergänzend, auf eine gröſsere oder geringere Zahl oder die Gesammtheit der vegetabilischen oder animalischenVIIIVorrede.Organismen Rücksicht nehmen. Wenn daher auch ein ein - zelnes Wesen, wie z. B. der Mensch vorzüglich bei Behand - lung eines Gegenstandes berücksichtigt wird, so darf doch die Darstellung seiner Verhältnisse nicht ausschlieſslich das Object der Beobachtung und jede Rücksicht auf die übrige Thierwelt zurückgewiesen seyn. In dieser Idee arbeitete schon der groſse Haller seine Elementa physiologiae aus; in dieser Idee sind in neuerer Zeit mehrere Schriften über allgemeine und specielle Physiologie erschienen, welche ei - nen bleibenden Werth in der Geschichte der Wissenschaf - ten haben werden. Ist aber dieses schon bei der Darstellung der Erscheinungen des Lebens, der Bedeutung und Function der Organe, der Formen der Gewebe der Fall, so tritt das - selbe Requisit in dem Gebiete der Entwickelungsgeschichte mit weit gröſserer Nothwendigkeit hervor, da hier noch der Umstand dazu nöthigt, daſs viele in dem Menschen völ - lig unbekannte Verhältnisse aus der Geschichte der Thiere ergänzt oder erläutert werden müssen. So wie Vivisectionen nur an diesen anzustellen sind und nichts desto weniger auch über dieselben Functionen in dem Menschen den ge - nügendsten Auſsschluſs geben, so ist dieses nicht minder in der Entwickelungsgeschichte der Fall. Denn wenn auch die Voraussetzung bestimmt ungegründet, ja falsch ist, daſs in dem Menschen der Entwickelungsproceſs der Organe ge - nau derselbe, wie in den Säugethieren sey, so läſst sich doch mit Recht annehmen und durch genaue Beobachtung ist es von vielen Theilen sogar schon erwiesen daſs analoge Processe in beiden Statt finden und daſs das Individuelle und Specielle Verschiedenheiten, das Generelle Gleichheiten erzeuge. Es ist zwar von höchstem Interesse, das Erstere so genau, als möglich kennen zu lernen; allein der Mensch wird in eben dieser Beziehung immer am Wenigsten voll - ständig zu erforschen seyn, da zu vielen Experimenten undIXVorrede.Untersuchungen der Art sein Organismus völlig unzugänglich ist. Wir mögen noch so weit vorschreiten; hier werden stets Lücken übrig bleiben, welche nur die Geschichte der Säugethiere und Vögel auszufüllen vermag.

Als die deskriptive Anatomie noch allein den Menschen als Hauptziel vor Augen hatte und nur ein mehr oder min - der vollständiges Verzeichniſs der einzelnen, unseren Orga - nismus constituirenden Theile gab, als man auf diese Weise nur nach gesonderten Einzelnheiten strebte und lieber in die - ser Beziehung auf das Kleinlichste einging, denn einen - heren und innigeren Zusammenhang mit der Thierwelt und deren Organisation überhaupt zu suchen sich bemühte, fehlte auch in der Entwickelungsgeschichte das Bedürfniſs, über den Menschen hinaus genauere Forschungen anzustellen. Wie man im Allgemeinen bei dem Erwachsenen alle Höcker, Ecken, Kanten u. dgl. eines Knochen kennen zu lernen und mit gröſst möglicher Breite bis in’s Kleinste zu beschreiben strebte, war man auch im Allgemeinen zufrie - den gestellt, wenn man wuſste, daſs dem Menschen Cho - rion, Amnion, Nabelblase, Nabelstrang u. dgl. mit ihren be - stimmten Eigenthümlichkeiten zukommen. In diesem Sinne haben Danz, Lucä u. A. ihre Darstellungen bearbeitet. Nur bei Wenigen tauchte die Idee eines allgemeineren Standpunk - tes auf, wurde aber bald theils durch Mangel an Realien, theils durch die widerstrebende Gewalt der Zeit unterdrückt. Abgesehen davon, daſs so jeder wissenschaftliche Werth der Entwickelungsgeschichte verloren ging, hatte es auch noch den Nachtheil, daſs reelle Beobachtungen falsch gedeutet und von unkundigeren Nachfolgern falsch gemacht wurden. Auch die reinste Empirie kann durch unrichtige Wahrnehmungen verfälscht werden. Denn sie kommt ja erst durch das Glas des Beobachters in die Augen der Mitwelt. Ja wie oft ist nicht schon die Erfahrung gemacht worden, daſs sonst ru -XVorrede.hige und bedächtige Forscher sahen, was sie sehen wollten oder gewissen subjectiven Ideen nachsehen muſsten, daſs von ihnen allgemeine Sätze und Schlüsse nach ungegründeten Ana - logieen und Factis aufgestellt wurden, und so Gelehrte, die reine Empiriker zu seyn glaubten, in Hypothesen geriethen, die an Unrichtigkeit denen excentrischer Köpfe oft gleich waren, an Genialität dagegen ihnen um Vieles nachstanden.

Indem der Vf. diese Fehler zu vermeiden sich nach Kräften bemüht hat, muſs er es andern zu beurtheilen überlassen, ob und in wie fern ihm dieses geglückt sey oder nicht. Da er es aber für nothwendig gefunden, wesentliche Theile der Geschichte der Thierwelt mit in seinen Plan zu ziehen, so hat er dieses nicht ohne Principien, sondern von folgenden Grundsätzen geleitet gethan.

Unbedingt ist die Klasse der Vögel das Centrum, um welches sich alle Beobachtungen über Entwickelungsge - schichte drehen, nicht innerer Gründe halber, sondern we - gen äuſserer uns zu Gebote stehender Umstände. In keiner Thierklasse haben wir es so sehr in unserer Gewalt, Em - bryonen verschiedener Stadien zu erlangen, als in dieser. Nirgends können wir unsere Untersuchungen so sehr ver - vielfältigen, als hier. Daher begann auch Fabrizius ab Aqua - pendente seine Beobachtungen an dem bebrüteten Hühnchen: an diesem setzten Harvey und Malpighi ihre Forschungen fort; an ihm machte Wolff seine wichtigen Entdeckungen über Entstehung des Darmkanales, des Blutes, der Extremi - täten und der Nieren, so wie in neuerer Zeit der Embryo des Hühnchens es war, durch dessen Studium Döllinger und seine Schüler die Entwickelungsgeschichte als Wissen - schaft bleibend begründet haben. Der Vogel ist also in die - ser Rücksicht Ausgangspunkt für alle folgenden Untersuchun - gen und Norm und Basis, auf welche vereinzelte Facta der Entwickelung der Säugethiere und des Menschen zurückzu -XIVorrede.führen sind. Da jedoch vermöge seiner ganzen Organisation das Säugethier dem Menschen ähnlicher ist, als der Vogel, so muſs sich natürlich dasselbe Verhältniſs auch in der Ent - wickelung reflectiren. Und wenn daher auch die Geschichte des Vogelembryo der Boden ist, auf dem wir einherschrei - ten, so ist die des Säugethierfötus das leitende Gestirn, wel - ches uns erst Sicherheit auf unserer Bahn der Entwickelung des Menschen verspricht.

Es ist daher in dem vorliegenden Werke die kurze Ge - schichte des Vogels an den passenden Stellen immer vorausge - schickt worden. Wenn der Vf. hierbei sich gröſstentheils der Bär’schen Relationen bedient, so geschieht dieses nicht deshalb, weil er diese Dinge aus eigener Anschauung nicht kennt, sondern weil er es für billig hält, dem, der zuerst das Wahre einer Sache beschrieben, genau zu folgen und nicht mit Sachen, die man nach Anderen gesehen, als sei - nen Entdeckungen zu wirthschaften, weil man nur zu dem Bekannten kleine oder kleinliche Zusätze zu machen ver - mochte.

Ein in unseren Tagen zu physiologischen Untersuchun - gen unentbehrliches Hülfsmittel ist das Mikroscop. Die Zei - ten sind vorüber, wo man mikroscopische Beobachtungen wegen Fehler der Untersuchenden verdächtig zu machen sich bemühte. Das Mikroscop hat jetzt dieselbe Auctorität, wie die astronomischen Vergröſserungsinstrumente, wiewohl man durch diese eben so gut die Gebäude der Menäen, als durch jenes die präexistirende Gestalt des Menschen in seinen Saa - menthierchen zu sehen geglaubt hat. Geduld und Uebung macht hier wie dort gleich sicher, und es dürfte in beiden Fällen wohl ohne Zweifel jede Differenz der Beobachtung weniger von dem Instrumente, als dem Forscher selbst ab - hängen. Die Gegenstände, mit denen wir uns hier be - schäftigen, entgehen zum Theil, wie die frühesten RudimenteXIIVorrede.der Organe, dem unbewaffneten Auge, und doch zeigt die groſse Uebereinstimmung, welche die Erfahrungen eines Bär, Burdach, Rathke, Huschke, Joh. Müller, Carus, E. H. We - ber, Ehrenberg, R. Wagner u. A. unter einander darbieten, welcher Grad von Sicherheit und Bestimmtheit auf diesem Felde zu erreichen sey. Irrthümer kommen in allen mensch - lichen Bestrebungen vor, und deshalb, weil sie hier nicht fehlen, kann am Wenigsten die ganze Methode verdächtig gemacht werden.

Eine andere der neuesten Zeit angehörende und noch in ihrer Kindheit befindliche Richtung ist die, die Mathema - tik der organischen Natur kennen zu lernen. Man hat aber hier zwei untergeordnete Disciplinen: 1. Die Auseinander - setzung der räumlichen Stellungs - und Formenverhältnisse der Theile der organischen Wesen eine Lehre, die im Pflanzenreiche Schimper begründet und Alexander Braun, Bischoff, Fürnrohr und Andere fortgeführt haben. Daſs diese Gesetze auch auf die Thiere ihre Anwendung finden, hat der Vf. bald nach dem Erscheinen des Schimperschen Auf - satzes öffentlich ausgesprochen und Agassiz in neuester Zeit in einigen Beispielen nachgewiesen. 2. Die Gröſsenverhält - nisse der kleineren und kleinsten Theile der Körper, die Mi - krometrie. Diese, welche nur von Wenigen, wie Prevost und Dumas, R. Wagner besonders behandelt und von E. H. Weber, Ehrenberg, Joh. Müller, Berres und dem Vf. vor - züglich bei ihren neuesten Untersuchungen berücksichtigt worden, wird gewiſs zu wichtigen allgemeinen Resultaten führen und binnen Kurzem so sehr an Umfang und Inhalt gewinnen, daſs sie als eine durchaus gesonderte Disciplin wird angesehen werden müssen. Der Vf. enthält sich hier aller weiteren Ausführung, da schon mehreres Treffliche hierüber in der neuesten Zeit gesagt worden. Er kann nur die Bemerkung nicht unterdrücken, daſs, wiewohl erXIIIVorrede.seine Messungen nicht zu häufen sich bemühte, die Zahl derselben bei der Menge der zu bestimmenden Gegenstände in die Hunderte lief. Doch glaubt er anderseits, daſs die aus seinen Messungen gezognen Resultate den Leser für die un - angenehme und trockene Aufführung der Zahlen zum Theil entschädigen werden.

Nicht mit Unrecht könnte Mancher Abbildungen zu vor - liegendem Werke verlangen. Allein aus folgenden Gründen sind sie hier gänzlich ausgeschlossen worden. Die Entwik - kelungsgeschichte der Thiere kann nie durch bloſse Abbil - dungen genügend erläutert werden. Ueberhaupt wird man, wie in allen Naturwissenschaften, so besonders in diesem Theile derselben aus bloſsen Büchern am Wenigsten lernen. Einige Kupfer nützen hier gar Nichts und können den Un - kundigen zwar blenden, aber den Wiſsbegierigen nie befrie - digen. Ein groſser Atlas würde aber vorliegende Schrift, welche der Vf. in jeder Rücksicht so leicht zugänglich als möglich zu machen gesucht hat, zu sehr im Preise erhöhen.

Was die Literatur betrifft, so hat er Alles, was ihm zu Gebote stand, mit möglichster Sorgfalt benutzt und nur die Bücher angeführt, die er selbst gelesen. Er ist aber hierin möglichst genau verfahren, weil er die Ansicht hat, daſs das bloſse Nennen des Namens eines Schriftstellers oder eines Bu - ches zu gar Nichts führt. Jedem Leser muſs es möglich seyn, nachzusehen, wie sich ein bestimmter Autor über eine Sache ausspricht, ob ihn der citirende Schriftsteller richtig verstanden u. dgl. Daher ist der specielle Beleg des Citates ganz und gar un - erläſslich. Was die Wahl der Schriften betrifft, so hat der Vf. besonders deutsche zu nennen sich bemüht, und lieber die Citate von ausführlichen und richtigen Auszügen aus auslän - dischen Sachen, als von diesen selbst aus dem Grunde ange - führt, weil jene dem Leser im Allgemeinen weit leichter zugäng - lich sind. Er hat gewissenhaft das Fremde anzuerkennen sichXIVVorrede.bemüht, nicht, wie dieses von egoistischen und verblendeten Gelehrten lächerlicher Weise so oft geschieht, seine eigenen Sachen vor ähnlichen Beobachtungen Anderer prahlerisch hervorgehoben oder diese gar gänzlich verschwiegen, um selbst desto mehr zu glänzen. Eben so wenig hat er in sei - ner Sprache affektirt, um sich den Schein von Originalität (denn Originalität selbst besteht wahrlich in diesem die Wissenschaft nicht um ein Haar breit fördernden Prunke eben so wenig, als in irgend einem manierirten Wesen in der Kunst) anzueignen. Jedoch hofft er, wenn ihm Eines oder das Andere von fremden Arbeiten völlig entgangen seyn sollte, bei der so groſsen Menge der zu benutzenden Schrif - ten Entschuldigung zu finden. Daſs er Unbedeutendes oder rein Theoretisches, auf keiner Erfahrung Basirtes übergan gen, dürfte ihm nicht zum Vorwurfe gereichen.

Breslau im März 1835.

Der Vf.

[XV]

Uebersicht des Inhalts.

  • Seite
  • Erster Abschnitt. Von dem Eie1
  • I. Das unbefruchtete, in dem Eierstocke enthaltene Ei3
  • Ei des Vogels3
  • Dotterhaut5
  • Dotter5
  • Anlage der Keimhaut6
  • Ei der Säugethiere9
  • Die äuſsere Haut15
  • Flüssiger Inhalt des Folliculus Graafianus15
  • Die Scheibe16
  • Das Eichen17
  • Tabellarische Uebersicht der angestellten mikrometrischen Mes - sungen der Theile des Folliculus und des Eichens in verschie - denen Säugethieren und dem Menschen22
  • Verhältniſs des ausgebildeten Eies des Vogels zu dem ausgebil - deten Ei der Säugethiere25
  • II. Das Ei von dem Momente seiner Lostrennung von dem Eierstocke bis zu seiner Fixirung in dem Frucht - hälter zur Entwickelung der Frucht28
  • Ausgang des Eies aus dem Eierstocke28
  • Versuche über die ersten Folgen der Conception32
  • Zeichen der geschehenen Befruchtung39
  • Flimmerbewegung42
  • III. Das Ei während der Fruchtentwickelung42
  • A. Die von dem Fruchtbehälter ausgeschiedenen Membranen und Flüssigkeiten44
  • XVI
  • Seite
  • a. Anwesenheit der decidua47
  • 1. In dem Thierreiche überhaupt47
  • 2. In dem Menschen insbesondere50
  • α. Ihre Existenz überhaupt50
  • β. Ihre Existenz in den verschiedenen Monaten der Schwangerschaft53
  • b. Aeuſsere und innere Conformation der decidua vera und reflexa53
  • c. Gewebe der hinfälligen Häute60
  • d. Verbindung der hinfälligen Häute mit den Nachbarthei - len und unter einander selbst62
  • e. Entstehung der hinfälligen Häute62
  • α. Entstehung der decidua vera63
  • β. Entstehung der reflexa65
  • Theorie über diese Erscheinung66
  • f. Schwinden der hinfälligen Häute70
  • g. Bedeutung und Nutzen der decidua und ihres Conten - tums71
  • h. Synonymik der Membranae deciduae72
  • Rückblick auf diese Materie75
  • B. Die von dem Eileiter wahrscheinlich gebildeten Häute und Stoffe des Eies oder die eigenthümliche Eihaut nebst dem Stoffe, welcher in den Eiern der Säugethiere dem Eiweiſse analog ist79
  • C. Die Eitheile, welche mit dem Embryonalkörper in Verbin - dung stehen und von denen das neue Individuum ausgeht, oder die selbst erst durch die Bildung des Letztern oder von ihm erzeugt werden93
  • a. Die Nabelblase94
  • b. Das Amnion111
  • c. Die Allantois und die mit ihrer Existenz nothwendig verbundenen Membranen und Gebilde des Eies, wie das Endochorion, die mittlere Haut, die Placenta und der Nabelstrang115
  • Anhang. I. Ueber Pockels Vesicula erythroides und dessen Theorie der frühesten Formation des menschlichen Eies und Embryo überhaupt134
  • II. Ueber kranke, durch Abortus abgegangene Eier136
  • Zweiter Abschnitt. Von dem Embryo141
  • Embryo und Nahrung143
  • XVII
  • Seite
  • Unterschiede der Keimhaut147
  • Sonderungen der Keimhaut149
  • I. Seröses Blatt154
  • Erste Momente der Bildung des neuen Individuums154
  • A. Gehirn und Rückenmark nebst deren häutigen Umhüllungen160
  • Höhlen des Gehirns und Rückenmarks179
  • Nervensubstanz183
  • Anhang. Höhere Sinnesorgane185
  • 1. Auge186
  • 2. Ohr205
  • B. Peripherischer Theil des serösen Blattes217
  • A. Oberes Centralrohr219
  • Schädel und Wirbelsäule219
  • 1. Schädel225
  • a. Stirnbein225
  • b. Scheitelbein226
  • c. Grundbein227
  • d. Schläfenbein229
  • e. Siebbein231
  • 2. Wirbelkörper231
  • B. Unteres Knochenrohr235
  • 1. Die Knochen des Gesichtes235
  • a. Die Pflugschaar236
  • b. Die Nasenbeine236
  • c. Die Muschelbeine237
  • d. Die Thränenbeine237
  • e. Die Jochbeine237
  • f. Die Oberkieferbeine238
  • g. Die Gaumenbeine239
  • h. Der Unterkieferknochen240
  • 2. Rippen und Brustbein241
  • Anhang. C. Extremitätengürtel243
  • 1. Schlüsselbein250
  • 2. Schulterblatt250
  • 3. Oberarmbein251
  • 4. Ulna und Radius252
  • 5. Handwurzelknochen252
  • 6. Mittelhandknochen253
  • 7. Phalangen des Daumens und der Finger253
  • 8. Schaambeine254
  • 9. Sitzbein254
  • 10. Darmbein254
  • XVIII
  • Seite
  • 11. Oberschenkelknochen255
  • 12. Tibia und Fibula256
  • 13. Fuſswurzelknochen256
  • 14. Mittelfuſsknochen257
  • 15. Phalangen der Zehen257
  • Knorpelskelett258
  • Ligamente265
  • D. Muskeln, Sehnen und Schleimgewebe266
  • Anhang. Rumpfnerven270
  • E. Haut nebst den accessorischen Gebilden und der von der Peripherie des serösen Blattes ausgehende Hüllen - theil des Embryo271
  • 1. Fettpolster271
  • 2. Lederhaut272
  • 3. Der malpighische Schleim273
  • 4. Die Oberhaut273
  • II. Gefäſsblatt278
  • Entstehung des Blutes und der Blutgefäſse278
  • a. Die Blutflüssigkeit291
  • b. Die Blutkörperchen293
  • c. Die Blutbahnen298
  • 1. Die Dottergefäſse304
  • 2. Die Embryonalgefäſsverbreitung306
  • d. Körpergefäſse330
  • Anhang. Geschlechts - und Harnorgane352
  • Geschichte der Wolff’schen Körper356
  • A. Die Wolff’schen Körper bei Säugethieren und dem Menschen, besonders nach ihrer Structur in den ver - schiedenen Perioden der Entwickelung376
  • B. Geschichte der keimbereitenden und ausführenden Ge - schlechtsorgane bis zu der Zeit, wo die Verschieden - heit des Geschlechtes mehr unmittelbar in die Augen fallende Differenzen bedingt386
  • C. Keimbereitende und ausführende Geschlechtstheile bei den weiblichen Früchten389
  • D. Keimbereitende und ausführende Geschlechtstheile bei den männlichen Früchten391
  • E. Erste Entstehung der Nieren nebst den Ureteren und den Nebennieren408
  • F. Entwickelungsgeschichte der mittleren Sphäre der Harn - und Geschlechtsorgane416
  • G. Entwickelungsgeschichte der äuſseren Sphäre der Harn - und Geschlechtsorgane.
  • XIX
  • Seite
  • a. Bei dem männlichen Geschlechte419
  • b. Bei dem weiblichen Geschlechte422
  • III. Schleimblatt426
  • 1. Primäre Metamorphose des Schleimblattes. Darmrohr und Gekröse427
  • Zwerchfell469
  • Sympathischer Nerv470
  • 2. Secundäre Metamorphosen des Schleimblattes474
  • A. Einfurchungsbildungen475
  • a. Nase476
  • b. Mund481
  • Zähne482
  • c. After488
  • d. Kiemenspalten und Kiemenbogen488
  • Anhang. Zungenbein493
  • B. Ausstülpungsbildungen. a. Das Lungensystem495
  • Anhang. 1. Schilddrüse506
  • 2. Thymus506
  • b. Leber514
  • Anhang. Milz520
  • c. Speicheldrüsen521
  • Gröſsenverhältnisse der Theile der Drüsen543
  • Anhang. Lymphsystem und lymphatische Drüsen546
  • d. Allantois548
  • Aeuſseres des Embryo549
  • Tabellarische Uebersicht der Metamorphosen des Eies562
  • Dritter Abschnitt. Fragmente zu einer künftigen Gesetz - lehre der individuellen Entwickelung. I. Nothwendiger Gegensatz zwischen Idealismus und Realis - mus. Tendenz der Zeit565
  • II. Allgemeine Begriffe. Uridee. Metamorphose582
  • III. Wissenschaftliche Bearbeitung der Thierwelt. Bedeutung der Organe der Thiere587
  • IV. Entwickelung des individuellen Thieres590
  • V. Metamorphosengang der individuellen Entwickelung595
  • VI. Specielle Darstellung der Gesetze der individuellen Entwik - kelung. Wirbellose und Wirbellthiere598
  • XX
  • Seite
  • VII. Genese der Organe612
  • VIII. Entstehung der Organtheile und Gewebe624
  • IX. Functionen der Organe651
  • Nachträge, welche die wichtigsten über Entwickelungsgeschichte während des Drucks der vorliegenden Schrift bekannt gemachten Beobachtungen enthalten653
[XXI]

Verbesserungen.

  • S. 12 Z. 17 v. o. statt Cruikschank lies Cruikshank.
  • 17 6 undurchsichtig l. undurchsichtig ist.
  • 42 4 v. u. 1825 l. 1835.
  • 44 13 v. o. Zum Eie l. 1. Zum Eie.
  • 48 13 Ilsis l. Isis.
  • 50 20 Eichen l. Folliculi.
  • 51 18 inr echt l. in recht.
  • 64 24 zwar α. l. zwar.
  • 69 13 sehsten l. sechsten.
  • 76 18 Huuptsache l. Hauptsache.
  • 79 13 Höhe l. Höhle.
  • 87 5 die l. das.
  • 93 89 v. u. werden seyn l. seyn werden.
  • 94 16 v. o. desselben l. derselben.
  • 105 1 v. u. ena ve l. vena e.
  • 126 18 Batrachier l. Amphibien.
  • 147 8 v. o. welches l. welche.
  • 148 11 welcher l. welchen.
  • 207 17 von mir l. vor mir.
  • 240 20 Clarikel l. Clavikel.
  • 240 4 v. u. Miſsverständniſs l. Miſsverhältniſs.
  • 248 17 Biegung l. Biegung ein.
  • 304 5 gegen l. von.
  • 331 13 v. o. eben l. oben.
  • 351 13 Gene l. Genese.
  • 352 16 unpoëtischen.
  • 383 20 0,006160 l. 0,005160.
  • 389 19 0,00385 l. 0,003850.
  • 392 13 0,91650 l. 0,091650.
  • 409 14 v. u. 0,408400 l. 0,070840.
  • 445 15 Anfang l. Anfangsdarm.
  • 454 8 v. o. Wirsugianus l. Wirsungianus.
  • 476 3 hier l. dort.
[XXII]
[1]

Erster Abschnitt. Von dem Eie.

1[2]
Und in der That kann es ein sichereres und edleres Mittel geben, um sich die klarsten Einsichten über die Function und Bedeutung einzelner Theile und über das harmonische Ineinandergreifen des[ganzen] Organis - mus zu verschaffen, als die bildende Natur von dem Augenblicke an zu belauschen, wo sie ihre Schöpfung beginnt, und ihr unermüdet zu folgen, bis sie ihr Werk vollendet einer höheren Bestimmung übergiebt? Je - doch leicht ist der Wunsch und schwer ist die That! Wohl ist es wahr, es ist des Geistes kühnstes Wagestück in das Heiligthum der Na - tur zu dringen, und nirgends in dem weiten Reiche menschlicher For - schungen grünt herrlicher die lohnende Palme, als hier allein die Wege dorthin sind dunkel und vielfach verschlungen und wenig betreten ist der wahre Pfad. Deshalb hüte sich Jeder, statt des Goldes unreines, mit Schlacken vermengtes Metall zu Tage zu fördern, und dieser War - nung, die ich mir selbst in meinen Untersuchungen über diesen Gegen - stand zurief, stets eingedenk, will ich den Versuch beginnen.
(H. Fr. Kilian über den Kreislauf des Blutes in dem Kinde, welches noch nicht geathmet hat. 1826. 4. S. 40. )
[3]

Das unbefruchtete, in dem Eierstocke enthaltene Ei.

Das Ei der höheren Thiere enthält vor der Befruchtung, während es in dem Eierstocke sich befindet, folgende verschiedene Theile, welche theils in der Zeit, wo in Folge der Conception das Ei den Eierstock verläſst, sich verändern oder vergehen, theils aber beharren.

  • 1) Eine äuſsere, das Ei umschlieſsende und begrenzende Haut, die Dotterhaut.
  • 2) Einen mehr oder minder flüssigen Inhalt, den Dotter.
  • 3) Eine mehr oder minder weit über die Oberfläche des Dotters und unter der Dotterhaut verbreitete, eigenthümliche Lage von Körnern, die Keimanlage.
  • 4) Ein durchsichtiges, in der Mitte der Keimanlage eingebet - tetes, an der inneren Oberfläche der Dotterhaut anliegendes und mit einer wasserhellen Lymphe gefülltes Bläschen, das Keimbläs - chen, das nach seinem Entdecker auch das Purkinje’sche Bläschen genannt wird.
  • Auſserdem empfängt das Ei noch von dem Eierstocke selbst
  • 5) eine durch eine körnige Lage und zähen Stoff zu einer membranartigen Ausbreitung mit einander verbundene Schicht, in welcher die Blutgefäſse liegen und
  • 6) eine von der Substanz oder dem Stratum des Eierstockes ausgehende Hülle, eine meistens körnerhaltige, zähe, derbe und dichte Haut.

Zur Basis der Untersuchung möge der am genauesten ge - kannte Eierstock der Vögel dienen, um das von diesem Berich - tete dann als Anhaltspunkt für die Säugethiere und den Men -1*4I. Das unbefruchtete, im Eierstock enthaltene Ei.schen benutzen zu können. Wir folgen aber in diesem Punkte den Untersuchungen von Purkinje (Symbolae ad ovi avium hi - storiam ante incubationem. Wratisl. 1825. ed alt. Lips. 1830. 4), welche wir nach eigenen, zum Theil mit dem Verfasser ge - meinschaftlich angestellten neueren Beobachtungen nur zu be - stätigen und in sehr Wenigem zu erweitern vermögen.

Untersucht man die kleinsten Eier des Ovarium eines Vo - gels, z. B. des Haushuhnes, so findet man dieselben von ziem - lich bestimmt sphärischer Form und graulich weiſser Farbe. Die äuſsere, sie umschlieſsende Membran so wie die Lamelle der Blut - gefäſse ist sehr schwer von der Dotterhaut zu trennen, und ge - lingt dies auch, so nimmt man nichts als ein feinkörniges dun - keles Wesen, welches den ganzen Inhalt des Eichens constituirt, wahr. Durch Zerpressen zwischen zwei Glasplatten kann man aber die vollkommen durchsichtige und scheinbar strukturlose Dotterhaut von dem Inhalte des Eichens trennen. Dieser letz - tere besteht aus einer flüssigen Masse, welche eine ungemein groſse Anzahl sehr kleiner, bestimmt runder Körperchen enthält. Die Gröſse dieser durchsichtigen Körperchen ist so gering, daſs sie die der Brownschen[Moleküle] nur um Weniges übertrifft. Auch zeigen diese Körnchen, wie Gruithuisen schon beobachtet hat (s. unten im zweiten Abschnitte die Genese des Blutes) und wir selbst bestätigen können, sehr oft Brownsche Molekularbe - wegung. In gröſseren Eichen hat sich nun die, die Körnchen verbindende, homogene, durchsichtige Masse vermehrt und eine ölartige Consistenz angenommen. Dieses zeigt sich einerseits da - durch, daſs die Flüssigkeit einen höheren Grad von Tenacität er - langt hat und einzelne runde Tropfen in ihr, wie Oel - oder Fett - tropfen, erscheinen, anderseits aber dadurch, daſs sowohl diese isolirten Kugeln als das ganze Ei selbst eine immer mehr satu - rirt gelbe Farbe erhalten. Man nennt dann gewöhnlich dieses Contentum des Eies Dotter. Betrachten wir aber das hier Statt findende Verhältniſs genauer, so sehen wir, daſs der Dotter des Vogels einerseits aus der primären, sehr kleinkörnigen Masse, an - derseits aus einem öligten Stoffe besteht. Dieses hellt uns aber über den Zustand der Eier, der Säugethiere so wie der niederen Wirbelthiere auf. Bei den Letzteren sind nämlich diese beiden Massen nicht, wie bei dem Vogel, mit einander vermengt, sondern mehr oder minder geschieden. So finden sich in dem Eie der5Ei des Vogels.Fische, sowohl vor als während der Befruchtung und Entwicke - lung des Embryo, eine körnerhaltige zähe Masse, welche man im Allgemeinen den Dotter nennt, und ein oder mehrere isolirte Oeltropfen, welche hier während der ganzen Evolutionsgeschichte eine wichtige Rolle spielen, wie Cavolini, Carus, Rathke u. A. schon beobachtet haben und wir selbst an einem anderen Orte ausführ - lich auseinander zu setzen uns bemühen werden. In dem Eie der Batrachier finden sich in einer äuſserst körnerreichen flüssigen Masse einzelne Oeltropfen eingeschlossen. Ebenso hat man dieses auch bei den Ophidiern und Cheloniern beobachtet. Ueber die Säugethiere und den Menschen wird bald ausführlich gesprochen werden.

Auſser dem Dotter und der Dotterhaut sind in etwas gröſse - ren Eichen des Ovarium der Vögel noch das Keimbläschen und die Keimanlage zu unterscheiden, so daſs alle oben genann - ten Theile des Eies überhaupt schon mit Deutlichkeit dann isolirt dargestellt werden können. Der Durchmesser der kleinsten Ei - chen, in[welchen] uns dieses möglich war, betrug Linie. Da - her wir nun von diesen bis zu den gröſsten, d. h. in dem Mo - mente befindlichen, in welchem sich das Ei von dem Eierstocke löst, um in den Eileiter zu gelangen, die einzelnen Theile durch - gehen wollen.

1) Die Dotterhaut ist eine durchsichtige, structurlose Mem - bran, welche zwar in vielen Fällen an ihrer inneren Oberfläche eine Schicht sehr dünner, zarter Kügelchen zeigt, die aber, wie wir bald sehen werden, ihr selbst wahrscheinlich nicht angehört. Sie umschlieſst genau das aus dem Parenchym des Eierstockes gelöste Eichen und vergröſsert sich gleichmäſsig mit dem Eie selbst, so lange dieses in oder an dem Eierstocke sich befindet. Nirgends läſst sich an ihr die Spur einer Nath oder Narbe wahr - nehmen. Sie stellt vielmehr einen überall geschlossenen, conti - nuirlichen Sack dar und conformirt sich in ihrer äuſseren Gestalt ganz nach der des Eies überhaupt und des Dotters insbesondere. Sie ist daher in kleinen Eiern von rundlicher oder länglicher Ge - stalt, in gröſseren dagegen immer von bestimmt runder Form. Nur äuſserst selten sind in ihr schwache Spuren von Fäden wahr - zunehmen.

2) Der Dotter ist in dem vorgerückten Stadium der Ausbil - dung eine gelbe, flüssige Masse von ziemlich zäher Consistenz und6I. Das unbefruchtete, im Eierstocke enthaltene Ei.enthält in frischem Zustande eine Menge gröſserer oder kleinerer gelber Kugeln von bestimmt runder Form und vollkommener Durchsichtigkeit. Neben diesen Kugeln finden sich in ihm eine Menge kleinerer Kügelchen zerstreut, welche, wie wir gesehen haben, der Bildung der wahren Dotterkugeln in ihrer zeitlichen Genese vorangehen, in früherer Zeit aber sich in relativ gröſse - rer Menge vorfinden, als späterhin. Durch Einwirkung der höhe - ren Temperatur, des Weingeistes u. dgl. wird der Dotter in eine feste, bröckelige Masse verwandelt, welche in ihren einzelnen Theilen eine nicht ganz unregelmäſsige Begrenzung zeigt, wiewohl ihr die mathematisch bestimmte Form von Crystallen abgeht.

Macht man mit einer scharfen Scheere Querschnitte des Dot - ters, so sieht man, daſs in der Mitte desselben sich eine Substanz befinde, welche von der wahren Dottersubstanz wesentlich ab - weicht. Sie giebt sich dann als einen mehr oder minder bestimmt runden, begrenzten Kreis zu erkennen, und Purkinje (l. c. p. 7.) schloſs aus der Conformation dieser Kreise, daſs diese Masse in einem Kanale des Dotters verlaufe, welcher von der Narbe aus - gehend zuerst ziemlich eng nach der Mitte des Dotters hinab - steigt, hier aber eine blasig erweiterte Form annimmt. In der zweiten Auflage (l. c. p. 8.) hat er jedoch diese früher geäuſserte Ansicht in Zweifel gezogen. Wiewohl bei der flüssigen Masse des Dotters über die Form, welche der in dem Centrum befind - liche Stoff in dem Dotter annehme, eine sichere Entscheidung kaum möglich ist, so scheint doch so viel gewiſs zu sein, daſs innerhalb des Dotters eine ihm heterogene Substanz überhaupt enthalten sey, die nach Purkinje (l. c. p. 7. 8. ) aus einer Menge Kügelchen besteht, welche gröſser als die Eiweiſskügelchen sind. In dem gekochten Eie ist dieser Stoff von milchweiſser Farbe und einem etwas salzigen Geschmacke. Ob aber der Raum, in dem diese Substanz enthalten und welcher in frisch gelegten Eiern am deutlichsten zu erkennen ist, die von Purkinje (l. c. tab. I. Fig. 16 18) angegebene Gestalt oder die etwas verän - dert von Burdach (Die Physiologie als Erfahrungswissenschaft. Bd. 2. 1828. 8. tab. II. Fig. 1.) und Karl Ernst v. Bär (Ueber Entwickelungsgeschichte der Thiere. Beobachtung und Reflexion. 1828. 4. tab. III. Fig. 2.) gezeichnete Form habe, dürfte wohl nie mit aller Gewiſsheit bestimmt werden können.

3) Die Anlage der Keimhaut. In dem Eie des Huhnes,7Ei des Vogels.welches in seiner Entwickelung so weit vorgerückt ist, daſs es den Eierstock verläſst und in den Eileiter eintritt, sieht man schon durch die Dotterhaut hindurch einen graulich weiſsen, cir - culären Fleck, welcher von frühen Zeiten her unter dem Na - men der Narbe, Macula oder Cicatricula bekannt ist. Zer - reiſst man nun das Ei und durchsucht alsdann den Inhalt dessel - ben genau, so findet man die Narbe als eine graulich weiſse Scheibe, welche in der ganzen Peripherie dicht, körnig und un - durchsichtig ist, in der Mitte dagegen einen hellen, körnerlosen und vollkommen durchsichtigen Punkt zeigt. Diese Beobachtung wurde schon von Fabrizius ab Aquapendente, Harvey u. A. ge - macht und von sehr vielen Naturforschern mit Leichtigkeit wie - derholt. Purkinje, welcher die Untersuchungen über das unbe - brütete Ei des Vogels im Jahre 1825 wiederum aufnahm, war so glücklich, das Verhältniſs dieses durchsichtigen, körnerlosen Punktes in ein helleres Licht zu setzen. Er fand nämlich (l. c. p. 5.), daſs, wenn er die dunkele, körnige Masse mit einem Röhrchen aufsog, ein vollkommen durchsichtiges, mit einer hellen Lymphe gefülltes Bläschen zurückblieb, welches eine bestimmt kugelrunde Gestalt hatte, aber von äuſserster Zartheit war, so daſs es sehr leicht riſs und zerrann. Da er dieses Bläschen, wel - ches spätere Naturforscher auch nach seinem Entdecker das Pur - kinje’sche Bläschen genannt haben, in den Eiern des Eierstockes vorfand, nicht aber in denjenigen zu sehen vermochte, welche schon in den Eileiter getreten waren, so belegte er dasselbe mit dem Namen des Keimbläschens. Dieses Keimbläschen ist in der Körnerschicht der Narbe eingebettet, so daſs diese rings um das - selbe eine Vertiefung bildet, welche aber, von oben angesehen, als ein das Bläschen umgebender, runder Kreis erscheint (s. die Abbildung bei Purkinje l. c. tab. X. Fig. 5.). Mit seiner nach auſsen gekehrten Oberfläche berührt es die Innenfläche der Dot - terhaut (Purkinje l. c. tab. I. Fig. 8.), ohne mit ihr auf organi - sche Weise verwachsen zu sein. Die Scheibe, welche dasselbe zunächst umgiebt, besteht aus vielen kleinen, dicht an einander liegenden und durch einen durchsichtigen, zähen Stoff mit einan - der verbundenen Körnchen, welche auf den ersten Blick in Form einer rundlichen oder länglich runden Scheibe begrenzt zu seyn scheinen. Allein durch Beobachtung dieser Scheibe vermittelst applanatischer Linsen innerhalb des unverletzten Eies wird es8I. Das unbefruchtete, im Eierstocke enthaltene Ei.wahrscheinlich, daſs die an der Innenfläche der Dotterhaut dicht anliegende Körnerschicht eine Fortsetzung dieser Scheibe sey, welche dann, zwischen Dotterhaut und Dotter gelegen, den letz - teren überall umfaſste und einschlösse. Die Körnerhaut, der ver - dichtete Theil derselben, die sogenannte Narbe und das Keimbläs - chen constituiren diejenigen Theile des Eies, welche unmittelbar in die Uranlage des Embryo, die sogenannte Keimhaut, überge - hen. Wir wollen daher die Gesammtheit der genannten Theile mit dem Namen der Keimanlage belegen und an dieser 1) die Körnerschicht unterhalb der Dotterhaut, 2) die Narbe oder den verdickten Theil dieser Haut und 3) das Keimbläschen unterscheiden.

Wenn die genannten drei, die Keimanlage constituirenden Theile in gröſseren Eiern des Eierstockes leicht darzustellen sind, so ist anderseits ihre Erkenntniſs in den kleinsten Eichen des Ovarium mit fast unendlichen Schwierigkeiten verbunden. Denn das kleine, zarte Keimbläschen platzt bei jeder noch so vorsich - tigen Manipulation; die der Dotterhaut anliegende Körnerschicht läſst sich kaum von dem Inhalte des Eichens, welcher noch gar keine Dotterkugeln zeigt, mit Bestimmtheit unterscheiden, beson - ders da die Verdickung derselben in der Nähe der Narbe noch gänzlich mangelt oder sehr unbedeutend ist. Merkwürdig ist aber das sicher constatirte Factum, daſs das Keimbläschen in den kleinsten Eiern, aus welchen es dargestellt werden kann, relativ am gröſsten ist und selbst absolut ein im Ganzen nur unbedeu - tend geringeres Volumen hat, als wenn das Ei in dem Eierstocke den höchsten Grad seiner Ausbildung erreicht hat. Purkinje fand (Art. Ei in dem Berliner encyklopädischen Wörterbuche 1834. 8. ) bei einer Reihe angestellter micrometrischer Messungen folgende Gröſsen.

Durchmesser in Wiener Linien:

9Ei der Säugethiere.

Man sieht also aus diesen Gröſsenverhältnissen, daſs das Keimbläschen sich durchaus nicht in gleichem Maaſse vergröſsert, als das Ei wächst, d. h. vorzüglich der Dotter an Volumen zu - nimmt, sondern daſs es früher schon gröſser verhältniſsmäſsig ge - bildet sey, als der Dotter und der äuſsere Umfang des Eies über - haupt. Anders dagegen verhält es sich mit der Narbe oder der verdichteten, das Keimbläschen umgebenden Scheibe. Diese fehlt oder ist noch überaus zart, wenn das Keimbläschen schon eine bedeutende Gröſse und seine bestimmte Gestalt erreicht hat. Nur allmählig wird die Masse rings um das Bläschen dichter, so daſs einerseits erst in 2 Linien groſsen Eiern die Scheibe als ein weiſser Fleck schon mit bloſsem Auge auf dem Dotter gesehen werden kann, anderseits dann erst das Keimbläschen in einer Ver - tiefung dieser Scheibe wie eingebettet liegt. Die dünne, an der Dotterhaut anliegende Schicht, welche wahrscheinlich eine ver - dünnte Fortsetzung der Scheibe ist, läſst sich schon dann mit ei - niger Bestimmtheit erkennen, wenn das Keimbläschen sicher wahr - genommen zu werden vermag.

Dieses wäre das Wichtigste aus der Geschichte des Eies des Vogels, so lange es sich in dem Eierstocke befindet, von dem er - sten Momente seiner Entstehung bis zu der Zeit, wo es aus dem Stratum und der innerhalb desselben liegenden Gefäſslamelle her - austritt, um in den Eileiter zu gelangen. Wir muſsten diese Aus - einandersetzung vorausschicken, um die in dem Eierstocke der Säugethiere und des Menschen vorkommenden Phänomene zu verste - hen und richtig würdigen zu können. Jener bestehet nämlich aus dem Bauchfellüberzuge, einem mehr oder minder faserigen Gefüge (Stroma von Baer) und Blutgefäſsen. In dieser Substanz liegen eine gröſsere oder geringere Menge runder oder rundlicher Bläs - chen eingeschlossen, deren Gröſse in den verschiedenen Thieren sowohl, als in den einzelnen Theilen desselben Eierstockes durch - aus verschieden ist. Obgleich man diese Gebilde des Eierstockes vor Regner de Graaf schon kannte, so hat dieser doch das Ver - dienst, zuerst mit Evidenz nachgewiesen zu haben, daſs nach je - der Befruchtung, entsprechend der Zahl der zukünftigen Embryo - nen diese Bläschen platzen, ihren Inhalt entleeren und sich dann in eine[fleischige], gelbe oder röthliche Masse verwandeln. Man nannte daher diese Gebilde Vesiculae Graafianae oder genauer, da Graaf sich selbst an mehreren Orten dieses Ausdruckes bedient,10I. Das unbefruchtete, im Eierstocke enthaltene Ei.Folliculi Graafiani. Die Analogie mit dem Eierstocke der Vögel war auf diese Weise gewissermaaſsen constatirt; denn es war nachgewiesen, daſs auch bei den Säugethieren dasjenige Organ, welches man bald nach dem Vorgange älterer Schriftsteller testes muliebres, bald nach Stenon Ovaria nannte, gleich dem Eierstocke der Vögel nach der Befruchtung eine gewisse Zahl von Eichen in die Tuben entlasse. Am nächsten lag nun zu behaupten, daſs die Folliculi Graafiani selbst diese Eichen wären, wie auch in dem Eierstocke der Vögel der Dotter ein sehr bedeutendes Vo - lumen erlangt, ehe er in den Eileiter eintritt. Allein Regner de Graaf selbst hatte bei einer Reihe von Versuchen über die ersten Effecte der Befruchtung bei Kaninchen gefunden, daſs die Eichen in den ersten Tagen nach der Conception, so lange sie in den Tuben oder in den Gebärmutterhörnern enthalten waren, um vie - les kleiner, als die Folliculi seyen, besonders da diese unmittelbar nach einem fruchtbaren Beischlafe noch bedeutend an Volumen zunehmen (de mulierum Organis Cap. xvi. in Opp. omn. 1677. 8. p. 396 411.). Er war also zu dem negativen Resultate un - mittelbar gekommen, daſs die Folliculi des Eierstockes selbst die in den Uterus übergehenden Eichen nicht seyn könnten. Sie platzten aber an ihrem erhabensten Punkte, entleerten ihren In - halt, enthielten daher in der ersten Zeit eine Höhlung in ihrer Mitte und verwandelten sich allmählig, indem diese Höhlung sich anfüllte, in die corpora lutea. Die nächste Frage muſste nun seyn, ob die Folliculi in sich das bei Weitem kleinere Eichen enthalten oder nur einen Saft ergieſsen, welcher in den Tuben erst von einer Membran umschlossen würde und so die Eiform annähme. Regner de Graaf war der richtigen Lösung dieser Frage, daſs der Folliculus das schon geformte und in einer Mem - bran eingeschlossene Eichen enthalte, sehr nahe, wiewohl er diese Antwort eher erschloſs, als durch unmittelbare Beobachtung un - terstützte. An einigen Stellen spricht er sich genauer hierüber aus. Bei Gelegenheit der Untersuchung eines Kaninchens 3 Tage nach der Befruchtung heiſst es (l. c. p. 401.): Unde liquet, ova jamjam e testibus exclusa aliis adhuc in testibus haerentibus decuplo minora esse, quod eatinus contingere nobis videtur, quatenus scilicet in testibus existentia adhuc aliam materiam complectuntur, illam scilicet, ex qua glandulosa folliculorum substantiaprovenit. Deutlicher vielleicht noch dürfte eine andere11Ei der Säugethiere.Aeuſserung desselben Schriftstellers auf das wahre Verhältniſs des Eies der Säugethiere zu dem Folliculus hindeuten, wo es heiſst (l. c. p. 399.): In altero (sc. ovario cuniculi) quattuor immuta - tos folliculos reperimus, quibus dissectis materiam quasi glandu - losam offendimus, in cujus medio exigua cavitas erat, in qua, quum nullum notabilem liquorem comperiremus, suspicari coe - pimus, num limpida eorum substantia, quae propriis membra - nis obvolvitur, disrupta vel expulsa foret. Wenn aus die - sen Worten noch nicht mit aller Gewiſsheit erhellt, daſs nach Reg - ner de Graafs Ueberzeugung das Eichen in dem Folliculus schon in rundlicher Form und mit einer eigenthümlichen Membran versehen existire, so kann man dieses aus einer anderen Aeuſserung (l. c. p. 410.) leicht ersehen. Man bemerkt aber zugleich, daſs er, da ihm das wahre Eichen unbekannt war und er die innere Haut des Folliculus nebst dessen Inhalt für dasselbe hielt, anderseits aber die ungemeine Kleinheit der Eier in den Tuben genau kannte, zu der Annahme kam, das Eichen der Säugethiere verkleinere sich nach der Conception auf Kosten der übrigen Masse des Fol - liculus, welche später in den gelben Körper übergehe; denn das zweite aus seinen Beobachtungen erschlossene allgemeine Resul - tat (l. c. p. 410.) ist: Quod ova intra spatium duorum vel trium dierum ad magnitudinem cerasi nigri majoris non excrescant quoniam illa masculino semine irrorata, per tres dies in cu - niculis et in aliis animalibus, quae diutius uterum gerunt, per aliquot septimanas in testibus immorentur, in iisque sensim magis et magis diminuantur, donec decuplo quam ante coitum minora per crassiusculam eorum membranem expellantur et ab oviductibus excepta ad uterum deducantur. Um es also kurz zusammenzufassen, so scheint Graafs Fundamentalansicht die zu seyn, daſs das in dem Folliculus enthaltene Eichen zuerst sehr groſs sey und der inneren Haut des Folliculus dicht anliege; während der zwi - schen dem Momente der Conception und dem Austritte des Eichens aus dem Eierstocke fallenden Zeit aber bedeutend an Gröſse ver - liere. Wie aus dem Folgenden von selbst sich ergeben wird, hat also Gr. nicht sowohl das wahre Eichen der Säugethiere in dem unbefruchteten Zustande innerhalb des Ovarium gekannt, als aus seinem befruch - teten Zustande erschlossen. Es wurde von ihm das flüssige Con - tentum des Folliculus für das Ovulum gehalten. Da vor der Bil - dung der Corpora lutea statt der Flüssigkeit ein fester Stoff in12I. Das unbefruchtete, im Eierstocke enthaltene Ei.dem Folliculus an der Peripherie erscheint, wurde er hierdurch ohne Zweifel zu seiner eben so sonderbaren, als unrichtigen An - sicht verleitet. Die Nachfolger Graaf’s schritten in diesem Dinge eher rückwärts, als vorwärts. Die Idee, daſs der Folliculus schon innerhalb des Eierstockes das Eichen in sich enthalte, wurde im - mer mehr verlassen, und vorzüglich war es die Auctorität Hal - lers (Elem. physiol. viii. p. 43.), welche fast alle Naturforscher zu der Annahme bewog, daſs der Folliculus kein Bläschen, son - dern eine freie Flüssigkeit in die Tuben ergieſse, die hier erst eine eigene Membran erhalte und die Eiform annehme. Haighton, welcher ein Jahrhundert nach Regner de Graaf die Versuche über die ersten Wirkungen der Befruchtung bei Kaninchen wiederholte, führt zwar als historische Meinung die Annahme eines Eichens innerhalb des Folliculus an (Reils Archiv III. S. 69.), entscheidet sich aber für Hallers Ansicht, daſs die Substanz, welche sich aus dem Folliculus ergieſse, das Eichen erst constituire (l. c. S. 72.). Schon näher trat Cruikschank (Reil’s Archiv III. S. 74 94.) der Wahrheit der Sache. Wiewohl sich nirgend eine Spur fin - det, daſs er das Eichen innerhalb des Folliculus in dem unbe - fruchteten Eierstocke gesehen habe, so spricht er doch von dem schon in dem Ovarium gebildeten Eichen als einer bekannten und constatirten Sache (l. c. S. 75. 90. 92.). Ja es ist wohl als ge - wiſs anzunehmen, daſs er dasselbe in dem Momente, wo es den Folliculus sprengen und in die Tuben übergehen wollte, zu beob - achten Gelegenheit hatte. Denn in seinem siebzehnten Versuche heiſst es (l. c. S. 84.): Drei Tage nach der Befruchtung öff - nete ich ein anderes Weibchen. Die hervorstehenden Theile der Corpora lutea waren sehr durchsichtig, ehe man die Gebärmutter anrührte. Der vorliegende Theil, glaube ich, ist das Ei, das an der Spitze des Corpus luteum steht u. s. w. Die ausgezeich - neten, über die ersten Folgen der Conception an Kaninchen und Hunden angestellten Versuche und gemachten Beobachtungen von Prevost und Dumas (Annales des sciences naturelles Tom. III. 1824. p. 113 138. Froriep’s Notizen Jan. 1825. No. 188. S. 177 186.) lieferten nicht bloſs die Bestätigung der schon von Graaf gemachten Erfahrungen über die ungemeine Kleinheit der Eier in den ersten Tagen nach deren Eintritte in die Tuben und den Uterus, sondern diese vorzüglichen Naturforscher sprachen sich mit folgenden Worten deutlich genug für die Existenz des Ei -13Ei der Säugethiere.chens innerhalb des Folliculus aus, da sie dasselbe sogar zweimal hier gesehen hatten: Très probablement, heiſst es bei ihnen (l. c. p. 135.): les vésicules ou les oeufs de l’ovaire contien - nent dans leur interieur les petits ovules des cornes, qui s’y[trouvent] environnés d’un liquide destiné peut-être à faciliter leur arrioée dans l’utérus. Il nous est sourvenu deux fois en ouvrant des vésicules très-avancées de rencontrer dans leur intérieur un petit corps sphérique d’un millimeter de diamètre. Mais il differait des ovules, que nous observions dans les cornes par sa transparence, qui était beancoup moindre. Das nächste Bedürfniſs war nun, die Verhält - nisse des schon gesehenen Eichens innerhalb des Folliculus im nicht geschwängerten Zustande aufzuhellen, und den nächsten Schritt hierzu that ein deutscher Naturforscher, Karl Ernst v. Bär (de ovi mammalium et hominis genesi Lips. 1827. 4. und Commentar zu dieser Schrift in Heusingers Zeitschrift II. S. 125 194.). Er sah nämlich schon mit bloſsen Augen in den Folliculis des Hundes (de ovi genesi p. 12.) kleine weiſse Flecke, welche mit Hilfe einer Sonde weiter geschoben wer - den konnten. Als er diese unter dem Microscope untersuchte, fand er den in den Tuben gefundenen überaus ähnliche Eichen. Sie hatten einen Durchmesser von 1 / 30 1 / 20, einige sogar nur ei - nen Diameter von 1 / 50 Pariser Linie, waren von einem Körnerringe (discus proligerus von Baer) umgeben oder in eine Art von Ver - tiefung der Körnermasse (cumulus) wie eingesenkt oder eingebet - tet. Die Untersuchung der Folliculi anderer Säugethiere, wie der Kuh, des Schweines, des Schaafes, des Kaninchens u. dgl. und des Menschen zeigte dasselbe Bläschen des Folliculus. Seine Be - deutung als Eichen der Säugethiere ergab sich von selbst. Allein es entstand nun eine neue gleich wichtige Frage. Entspricht nämlich das in dem Folliculus enthaltene Eichen dem Eie des Vogels in dem Ovarium, wie verhält es sich mit dem Keimbläs - chen der Säugethiere? v. Bär, welcher dieses in den unbefruch - teten Eiern aller wirbellosen und Wirbel-Thiere gesehen hatte (l. c. p. 27.), glaubte, daſs das von ihm gesehene Eichen dem Keim - bläschen der übrigen Thierwelt entspreche (l. c. p. 19.), und schrieb ihm so eine ambigue Bedeutung zu, indem er einerseits das Eichen als den Dotter, d. h. ein peristirendes, anderseits als das Keimbläschen, d. h. ein vergängliches Gebilde, ansah. Es war41[14]I. Das unbefruchtete, im Eierstocke enthaltene Ei.also auf diese Weise zwar die Existenz des Eichens der Säuge - thiere innerhalb des Eierstockes über allen Zweifel erhoben; allein die Analogie mit dem Vogel fehlte noch gänzlich oder muſste durch Raisonnement ersetzt werden. Seiler (die Gebärmutter und das Ei des Menschen 1832. Fol. p. 36.) bestätigte das von Bär Gesehene, ohne etwas wesentlich Neues hinzuzufügen. Coste und Delpech, welche in neuester Zeit über die erste Entwickelung der Thiere geschrieben haben, lieſsen sich zwar durch ungenü - gende Theoreme zu manchen Irrthümern verleiten, haben jedoch das entschiedene Verdienst, die vollkommene Analogie des Säuge - thiereies mit dem Vogeleie bestimmt ausgesprochen zu haben. Wiewohl sie über das Keimbläschen, wie wir weiter unten noch ausführlich zeigen werden, ganz falsche Begriffe haben, so behaup - ten sie doch in dem unbefruchteten Eie des Kaninchens an der Oberfläche des Dotters und in der Dicke der Keimhaut selbst ein kleines Bläschen von solcher Dünne und Durchsichtigkeit ent - deckt zu haben, daſs es einem Seifenbläschen völlig ähnlich sah (Froriep’s Notizen Novemb. 1833. No. 830. S. 243.). Dieses sey das wahre in dem Eie des Kaninchens enthaltene Keimbläschen. Dieses merkwürdige Resultat bewog mich selbst, von Neuem über das schon gekannte Ei des Folliculus Untersuchungen anzustel - len. Ich war so glücklich, das Keimbläschen in allen Säugethie - ren aufzufinden und mich über die Verhältnisse desselben so - wohl zu dem Eichen als dem Folliculus der Säugethiere vollstän - dig zu belehren. Meine hierüber gemachten Erfahrungen nebst den dazu gehörenden Abbildungen sind in der Schrift von Bern - hardt symbolae ad ovi mammalium historiam ante praegnatio - nem. Wratisl. 1834. 4. enthalten. Eine kurze Auseinandersetzung des hierher Gehörenden dürfte an der rechten Stelle seyn, beson - ders da ich nur nach eigenen, möglichst vorurtheilsfreien Erfah - rungen berichte.

In dem Eierstocke jeden Säugethieres finden sich eine grö - ſsere oder geringere Menge runder heller Bläschen, die sogenann - ten Folliculi Graafiani, deren gröſster Theil gegen die Oberfläche des Organes hin gelagert ist. Ihre Gröſse ist sowohl in den ver - schiedenen Thieren, als in demselben Eierstocke desselben Thieres sehr verschieden, da die älteren bald nur 4 5 Mal, wie in Ka - ninchen, Hunden, Katzen, bald 8 10 Mal wie in dem Menschen, bald 10 20 Mal wie in den Wiederkäuern, bald 30 50 Mal15Ei der Säugethiere.und noch mehr wie in dem Schweine gröſser sind, als die jün - geren, abgesehen davon, daſs die durch die Befruchtung auf - geregten noch an Volumen zunehmen. Sie werden, wenn sie der Oberfläche dicht anliegen, von dem Bauchfelle allein, wenn aber nicht, von diesem und dem faserigen Gewebe des Eierstockes ein - geschlossen und dicht von einem Blutgefäſsnetze, das eine kör - nigte Membran zwischen sich hat, umgeben. Sie selbst sind über - all geschlossen, ohne Spur von Fortsätzen, aber genau mit der Substanz des Eierstockes verbunden, so daſs es meist nicht ganz leicht wird, den Folliculus frei, ohne Zerreiſsung von allen Sei - ten heraus zu präpariren. Der Folliculus selbst aber besteht in jedem Säugethiere und dem Menschen aus folgenden Theilen:

1. Der äuſseren Haut. Sie ist sehr zart und innig mit den umschlieſsenden Lagen, welche dem Eierstocke noch angehören, verbunden, so daſs sie nur durch Hilfe der Maceration, wie auch v. Bär (l. c. p. 16.) schon gefunden hatte, in bedeutenderer Con - tinuität getrennt dargestellt werden kann. An ihrer Innenfläche liegt eine Schicht ziemlich dichter kleiner Körner, welche viel - leicht eine eigene Haut ausmachen; doch ist dieses hier noch schwerer zu bestimmen, als an der Innenfläche der Dotterhaut des Vogels. Einen Unterschied der Dicke jener äuſseren, umhül - lenden Membran an irgend einer Stelle des Folliculus ist nicht wahrzunehmen; denn die scheinbar gröſsere Dünne gegen die nach der Bauchhöhle hingekehrte Oberfläche hängt von dem Ue - berzuge des Eierstockes, nicht von der Membran des Folliculus selbst ab. In kleineren Folliculis aber ist sie verhältniſsmäſsig be - deutend stärker als in gröſseren.

2. Der flüssige Inhalt des Folliculus Graafianus ist eine mit sehr vielen kleinen Körnchen versehene Masse, welche von sehr fluider Consistenz und graulich oder sehr schwach gelblich weiſs aussehend ist. Er füllt immer im frischen Zustande genau die Höhlung des Folliculus aus, so daſs dieser überall eine pralle, runde Form hat und scheint sich seiner Natur nach dem Eiweiſse zu nähern, da er, wie v. Bär (l. c. p. 17.) bemerkt, durch höhere Temperatur oder Einwirkung des Weingeistes zu einer weiſsen, albuminösen Masse gerinnt. Die Flüssigkeit ist nicht überall gleichmäſsig, sondern die Körnchen sind an manchen Stellen, be - sonders gegen die Peripherie hin dichter zusammengehäuft, so daſs man, vorzüglich in den zwischen zwei Glasplatten sanft ge -16I. Das unbefruchtete, im Eierstocke enthaltene Ei.preſsten Folliculis, dunkele mehr oder minder verbreitete Inseln sieht. Bei dem Kaninchen und zum Theil auch der Katze, dem Schweine sind diese Inseln von bestimmt runder Form und lie - gen in ziemlich regelmäſsigen Zwischenräumen, so daſs das Ganze hierdurch eine Art von chagrinirtem Ansehen erhält oder unter stärkeren Vergröſserungen den merenchymatischen Zellen der Pflanzen entfernt ähnlich sieht. Diese Erscheinung hat aber in Folgendem seinen Grund. Es finden sich nämlich, wie v. Bär (l. c. p. 16.) angiebt, bei allen Säugethieren in dem Inhalte des Folliculus Oeltropfen, welche wir selbst besonders deutlich in der Kuh, der Katze und dem Kaninchen wahrzunehmen Gelegenheit hatten. Bei dem Letzteren nun ist die Zahl dieser hellen voll - kommen durchsichtigen structurlosen Tropfen sehr bedeutend. Jeder von ihnen aber wird in seiner Peripherie von einer Menge dicht aneinander liegender Körnchen des Folliculus umgeben, so daſs, da diese peripherischen Anhäufungen aneinanderstoſsen, man entfernt an das Zellgewebe der Pflanzen erinnert wird. Jede solche Körnchenanhäufung erscheint bei unverletztem Folliculus als eine dunkele, beinahe schwarze Insel. In den älteren Folli - culis, deren Inhalt sich natürlich in gröſserer Quantität vorfindet, hat sich die Flüssigkeit in bedeutenderem Grade, als der Körn - chengehalt vermehrt. Die Farbe ist eher etwas heller, als dunkeler.

3. Die Scheibe. Mit dieser Benennung bezeichnen wir den - jenigen Theil des Folliculus, welchen von Bär, der das Eichen für ein Analogon des Keimbläschens der Vögel hält, discus pro - ligerus und cumulus nennt (l. c. p. 17.). Es ist dieses nämlich eine mehr oder minder kreisrunde Scheibe, welche das Eichen rings - um umgiebt. Ihre Gröſse correspondirt so ziemlich der des Ei - chens, welches auf oder in ihrer Mitte ruht. Ihr Gefüge besteht aus einer Menge nahe an einander liegender Körner, welche mehr oder minder durchsichtig sind und dem Ganzen ein mehr oder minder graulich weiſses oder gelblich graues Ansehen verleihen. Ihre Dicke und Undurchsichtigkeit ist verschieden. Bei der Katze und dem Hunde ist sie so bedeutend, daſs die Scheibe schon als ein graulich weiſser Fleck in den Folliculis innerhalb des Eierstockes gesehen werden kann. Bei dem Kaninchen ist dieses einem in der Nähe scharf sehenden Auge ebenfalls möglich, nicht aber bei den Wiederkäuern, dem Schweine und dem Men -schen,17Ei der Säugethiere.schen, wo die Scheibe nur unter dem Vergröſserungsglase wahr - genommen wird. Ob sie mit irgend einem Theile des Folliculus continuirlich und membranartig zusammenhänge oder nicht, läſst sich bei den meisten Thieren mit Gewiſsheit nicht entscheiden, da einerseits die Wand des Foll[i]culus zu dick und undurchsich - tig, anderseits nach dem Aufschlitzen desselben die Scheibe, ohne Zusammenhang mit irgend einem anderen Theile des Folliculus auſser dem Eichen, frei in der Flüssigkeit herumschwimmt. Nur bei dem Kaninchen zeigt es sich deutlich, daſs sie von den oben beschriebenen Inseln rings herum umgeben wird, und selbst nach Entfernung derselben aus dem Folliculus bleibt oft ein mehr oder minder breiter Ring um die Scheibe, welcher aus durchsich - tigen, mit Körnermasse umgebenen Kügelchen besteht. Es erhellt daher, daſs die Scheibe, so wie man sie auſserhalb des Follicu - lus unter dem Microscope sieht, ein zerrissenes und durch die Behandlung verletztes Gebilde sey. Der Körncheninhalt des Fol - liculus liegt wahrscheinlich der Innenfläche der äuſseren Haut desselben mehr oder minder dicht an und verdickt sich nur in der Circumferenz des Eichens zur Scheibe. Daher hat diese letz - tere für sich nie eine bestimmt runde, äuſsere Peripherie, wie es nothwendig der Fall seyn müſste, wenn sie ein für sich bestehen - der, isolirter Theil des Folliculus wäre.

4. Der wichtigste Theil des Folliculus ist das Eichen. Es liegt als ein vollkommen sphärischer, kleiner Körper in der Mitte der Scheibe, mehr oder minder tief eingesenkt, dicht unter der Oberfläche der eigenthümlichen Haut des Folliculus. Mit seiner nach auſsen gerichteten Oberfläche berührt es in der Regel die Innenfläche der Membran des Folliculus, ohne jedoch mit ihr or - ganisch verwachsen zu seyn. Unter seiner Unterfläche aber geht die Scheibe fort, während es in dem Umkreise freier zu seyn scheint, da die Vertiefung, welche die Scheibe für das Eichen bildet, gröſser ist, als dieses selbst, und daher zwischen ihm und der flächenartigen Ausbreitung der Scheibe ein circulärer Raum entsteht, welcher wahrscheinlich von einer durchsichtigen Flüssig - keit ausgefüllt ist. Nirgend sieht man die Spur eines Fortsatzes, durch welche das Eichen an irgend einem Theile befestigt oder aufgehängt wäre. An der Innenfläche der Membran des Follicu - lus liegt es auch nur lose an, während es auf eine dichtere oder innigere Weise mit der Scheibe wahrscheinlich durch die zähe,218I. Das unbefruchtete, im Eierstocke enthaltene Ei.den Raum zwischen beiden ausfüllende, helle Flüssigkeit verbun - den ist; denn nie habe ich das Eichen ohne mehr oder minder deutliche Spuren der Scheibe wahrnehmen können. Nur ist sie um so schmäler, zarter und durchsichtiger, je jünger der Follicu - lus. Merkwürdig ist es, daſs das Eichen durchaus nicht in glei - chem Maaſse mit dem Folliculus wächst. In kleinen Folliculis ist es, gleich dem Keimbläschen in dem Eie des Vogels, verhältniſsmäſsig sehr groſs, während es in älteren relativ um vieles kleiner, absolut da - gegen bedeutend gröſser gefunden wird. Die Belege hierzu geben die weiter unten gelieferten micrometrischen Messungen. Ueberhaupt werden wir auf diesen Punkt noch ein Mal zurückkommen.

Um die genauere Structur des Eichens selbst kennen zu ler - nen, muſs man dasselbe mit der Scheibe von dem übrigen Inhalte des Folliculus möglichst trennen und zwischen zwei Glasplatten unter dem Compressorium leise zusammendrücken. Zu diesem Verfahren ist aber vor Allem Geduld, Ruhe und einige manuelle Fertigkeit nöthig, da das Eichen selbst sehr leicht, und noch leich - ter das in ihm enthaltene, sehr zarte Keimbläschen platzt. Um dieses in dem Eie der Säugethiere aufzufinden, hatten sowohl Purkinje, als ich schon viele vergebliche Versuche gemacht, die aber deshalb unglücklich ausfielen, weil wir sie an Eiern derje - nigen Thiere, nämlich der Wiederkäuer und des Schweines, an - stellten, bei denen das Keimbläschen überaus zart und nur dann mit Bestimmtheit zu erkennen ist, wenn man es in anderen Säu - gethiereiern schon gesehen hat. In neuester Zeit, wo ich, aufge - regt durch Coste’s Angaben, dieses Feld von Untersuchungen wie - derum vornahm, entdeckte ich zuerst das Keimbläschen in dem Eichen der Katze, wo es stark und ziemlich fest ist. Daher ich auch Jedem, welcher sich von der Existenz dieses wichtigen Ge - bildes bei Säugethieren überzeugen will, rathe, die Katze zuerst vorzunehmen. Seit dieser Zeit ist es mir fast nie miſsglückt, das Keimbläschen aus den Eiern aller Säugethiere, die ich unter - suchte, darzustellen, z. B. des Hundes, des Kaninchens, des Eich - hörnchens, des Schaafes, der Kuh, des Maulwurfes, der Ratte u. dgl. Auch kann ich Purkinje als Auctorität hier anführen, der es bei allen genannten Thieren ebenfalls gesehen hat. Es ist also als Erfahrungssatz fest begründet, daſs auch das in dem Follicu - lus Graafianus enthaltene Eichen der Säugethiere im Eierstocke sein Keimbläschen habe, welches ganz unter denselben Verhält -19Ei der Säugethiere.nissen in ihm enthalten ist, als das Keimbläschen in den Eiern der übrigen Thiere, insbesondere des Vogels. Die Abbildung des - selben s. in Bernhardt’s oben angeführter Dissertation. tab. I. Fig. I IV. VII. X. XVI. XIX.

Nur bei dem Menschen gelingt es äuſserer Verhältnisse hal - ber sehr selten, dasselbe wahrzunehmen. Da in der Regel die menschlichen Leichen, ehe sie zu Untersuchungen vorge - nommen werden, einen Tag und länger gelegen haben, so hat während dieser Zeit innerhalb des Folliculus schon der erste An - fang der Fäulniſs und der Maceration[begonnen]. Man erkennt dieses auch leicht an dem Eichen. Sein Inhalt ist in der Regel trübe, ohne regelmäſsige Anordnung; keine Spur des Keimbläs - chens kann mehr wahrgenommen werden und selbst die äuſsere Peripherie des Eichens erscheint doppelt, indem auſser dem den Körncheninhalt umgebenden Kreise noch ein sehr zarter gröſserer Kreis um diesen sichtbar ist. So müssen wir offen bekennen, daſs es uns unter sehr vielen Untersuchungen nur zwei Mal geglückt ist, das Keimbläschen des Menschen mit aller Bestimmtheit zu beobachten.

An dem Eichen der Säugethiere selbst lassen sich folgende vier Theile unterscheiden: 1. Eine äuſsere Haut, 2. eine unter derselben liegende Körnerlage, 3. ein vollkommen durchsichtiger, halbflüssiger Inhalt und 4. das Keimbläschen. Wir wollen nun das Wichtigste, was über diese Theile anzumerken ist, der Reihe nach durchgehen.

1. Die Membran des Eichens. Sie ist immer einfach, zeigt im frischen Zustande nie eine Spur von Trennung in mehrere Lamellen, hat keine Körnchen und läſst keine Faserung irgend einer Art in sich wahrnehmen. Ihre Durchsichtigkeit scheint durch eine ins Gelbliche leicht spielende Färbung etwas einzubü - ſsen. Ihre Dicke fand ich stets an allen Theilen des Umkreises gleich. In dem Eichhörnchen z. B. betrug sie überall 0,000455. Durch Pressen des Eichens zwischen zwei Glasplatten wird diese Haut als ein mehr oder minder breiter, das Ei umgebender Ring sichtbar. Wird jedoch der Druck weiter fortgesetzt, so platzt die Membran und das Contentum flieſst sogleich heraus. Bei den Nagern geschieht dieses immer später, als bei den Wiederkäuern, dem Schweine und dem Menschen. Hat sich aber dieses ereignet, so ist die durchsichtige Membran nur an dem Schattenkreise, den sie wirft, oder bei gedämpftem Lichte zu erkennen.

2*20I, Das unbefruchtete, im Eierstocke enthaltene Ei.

2. Unter der äuſseren Membran des Eies befindet sich eine Lage bestimmt[runder], sehr kleiner Körner, welche das Ei voll - kommen, mit Ausnahme der Region des Keimbläschens, ausfüllt. Meist sind sie in der Peripherie des Letzteren sparsamer oder fehlen ganz. Nie finden sie sich aber da, wo das Keimbläschen an der Innenfläche der Membran des Eies anliegt. Nur in äuſserst seltnen Fällen habe ich die Körnchen von gleicher Gröſse gese - hen. Am meisten verhältniſsmäſsig traf sich dieses noch bei dem Kaninchen, Eichhörnchen, dem Schweine und dem Menschen. Aber selbst bei diesen sieht man sie häufig genug in demselben Eichen bald so klein, daſs sie sich kaum von den Brownschen[Molekülen] unterscheiden, bald um 10 mal und mehr gröſser, als diese. So hatten z. B. in dem Eichen der Katze die gröſsten Körnchen einen Durchmesser von 0,000202 P. Z., kleinere dage - gen schon einen Diameter von 0,000076 P. Z., während die kleinsten von einer nicht mehr meſsbaren Gröſse waren. Eine andere wichtige Frage ist aber die, ob diese Körnerlage eine ei - genthümliche Membran bilde oder nicht. Bei der Kleinheit des Gegenstandes und einer so überaus groſsen Zartheit der ihn con - stituirenden Theile muſs jede Antwort hier nur behutsam gegeben werden. Nie ist es uns freilich gelungen, einzelne Stücke einer solchen Körnerhaut darzustellen. Allein die Bestimmtheit, mit welcher sie immer dicht an der Peripherie liegen, während sie nie in dem inneren flüssigen Inhalte gefunden werden, die mehr oder minder definite Grenze, welche sie in der Gegend der An - heftungsstelle des Keimbläschens finden, läſst sich wohl mit der Annahme vereinigen, daſs ein dichterer Stoff als der bald zu be - schreibende flüssige Inhalt die Körner verbinde und auf diese Weise eine sehr zarte und weiche Membran bilde. Wenn aber Coste in diesen Körnern einerseits das eben Gesagte, an - derseits Aehnlichkeit mit den ausgebildeten Dotterkugeln des Vogels findet, so kann sich die Analogie wohl nur auf die circuläre Form und die vollkommene Durchsichtigkeit beziehen. In allen übrigen Eigenschaften weichen sie von einander ab.

3. In dem Centrum des Eichens, also gröſstentheils in der eben betrachteten Körnerlage eingeschlossen, liegt ein vollkommen durchsichtiger, wasserheller, halbflüssiger und zäher Stoff, welcher nach Zerreiſsung der Membran des Eichens zum Theil langsamer, als die Körnerschicht herausflieſst. Er scheint durch Maceration21Ei der Säugethiere.von seiner Zähigkeit zu verlieren und überhaupt leicht flüssiger zu werden.

4. Das Keimbläschen liegt immer dicht unter der Oberfläche der Membran des Eichens und wird meistens von der Körnerlage zum Theil umfaſst. Ueber seine Existenz kann kein Zweifel mehr seyn, da ich es theils allein, theils in Gemeinschaft mit Purkinje, Bernhardt u. A. wohl mehr als 60 mal an den Eichen der ver - schiedensten Säugethiere beobachtet; ja, einige Exemplare von Wiederkäuern ausgenommen, in keinem bisjetzt untersuchten Ei - chen vergeblieh gesucht habe. Seine Auffindung ist aber nicht so ganz leicht. Daſs es nur durch Compression des Eichens sicht - bar gemacht werden könne, haben wir schon oben bemerkt. Allein man muſs es lernen, das richtige Maaſs zu beobachten; denn ist der Druck zu schwach, so sieht man nichts, wenig - stens das Bläschen nicht mit Bestimmtheit; drückt man aber zu stark, so platzt das äuſserst zarte Keimbläschen, noch ehe die Continuität der äuſseren Membran des Eies gestört ist, gerade so wie in kleineren Eiern der Vögel das Keimbläschen in der Regel früher platzt, als die Dotterhaut reiſst. Nur äuſserst selten findet in dem Eichen der Säugethiere das Gegentheil Statt, daſs das Keimbläschen frei und unverletzt aus dem zerrissenen Ovulum hervortritt. Ich habe diese Erscheinung bis jetzt nur dreimal zu sehen Gelegenheit gehabt und auch in Bernhardt’s oben angeführ - ter Dissertation gezeichnet. Denjenigen, welchen es möglich ist, empfehle ich auſserdem noch den Gebrauch aplanatischer Ocu - lare. Mit diesen Hilfsmitteln ausgerüstet dürfte bei einiger Ge - schicklichkeit und Uebung in Untersuchungen der Art das Keim - bläschen kaum entgehen können. Es ist, ganz wie in dem Vo - geleie, ein vollkommen durchsichtiges Bläschen von kugelrunder oder schwach länglich runder Form, und besteht aus einer vollkommen durchsichtigen, homogenen Membran, und einem eben so durchsichtigen, durchaus körner - und farblosen Inhalte, der zwar selbst von zäher Consistenz, aber lange nicht so zähe, als die in dem Centrum des Eichens enthaltene, durchsichtige Flüssigkeit ist. Gelingt es in seltenen Fällen, das Keimbläschen auſserhalb der Höhle des Eichens zu isoliren, so kann man es durch weitere Pressung sprengen und so Hülle und Contentum auch hier von einander sondern. Die relative Gröſse des Keimbläschens bleibt immer, wie es scheint, fast dieselbe. Die absolute dagegen rich -22I. Das unbefruchtete, im Eierstocke enthaltene Ei.tet sich nach der absoluten Gröſse des Eichens. So fand ich es bei Kaninchen, wo die Eichen verhältniſsmäſsig kleiner sind, als bei den Raubthieren, auf entsprechende Weise auch kleiner.

Was nun aber die Gröſsenverhältnisse der Theile des Folli - culus und des Eichens in den Säugethieren und dem Menschen betrifft, so habe ich folgende, mit einem feinen Schraubenmicro - meter angestellte Messungen ausgewählt, um zu sicheren Resulta - ten über diesen wichtigen Gegenstand zu gelaugen:

Tabellarische Uebersicht der von mir angestellten micrometrischen Messungen der Theile des Folliculus und des Eichens in verschiedenen[Säugethieren] und dem Menschen.

(Das Maaſs ist nach Pariser Zollen bestimmt.)

Durchmesser des Keimbläschens. Eichens.

I. Vespertilio murinus.

Der Durchmesser des Keimbläschens des in No. 2 befindli - chen Eichens betrug: 0,001821.

II. Hund.

Der Durchmesser der das Eichen No. 1. umgebenden hellen Flüs - sigkeit, die es von der Scheibe trennt, betrug: 0,008096.

III. Eichhörnchen.

Der Durchmesser der Membran des Eichens in No. 1. betrug: 0,000450.

Der Durchmesser des Keimbläschens desselben Eichens be - trug: 0,001133.

Durchmesser des Folliculus. des Ovulum.

IV. Maulwurf.

23Ei der Säugethiere.

IV. Maulwurf.

Bei einem Durchmesser des Eichens von 0,004650 betrug das Keimbläschen 0,001012. Bei einem Durchmesser des Eichens 0,005060 betrug der des Keimbläschens 0,001568 P. Z.

V. Kaninchen.

VI. Schwein.

Hier betrug bei einem Durchmesser des Eichens von 0,005060 der des Keimbläschens 0,003340.

VII. Kuh.

Bei einem Eichen von 0,004857 Durchmesser betrug der Dia - meter des Keimbläschens 0,002125.

VIII. Schaaf.

Bei einem Eichen von 0,006274 war der Durchmesser des Keimbläschens 0,003945.

IX. Katze.

Der Durchmesser des Eichens 0,004857 bis 0,004350.

Der halbe Durchmesser der Scheibe, welche das Eichen um - giebt, im Mittel 0,003946.

Der Durchmesser der in dieser Scheibe enthaltenen Kügel[-]chen 0,000202 bis 0,000076.

Durchmesser des Keimbläschens 0,001520 bis 0,001416.

24I. Das unbefruchtete, im Eierstocke enthaltene Ei.

X. Mensch.

Bei einem Durchmesser der Scheibe von 0,005566 betrug der des Eichens 0,002934 und der des darin enthaltenen Keim - bläschens 0,001820.

Bei einem anderen Eichen von 0,003137 Diameter betrug der des Keimbläschens 0,001922.

Aus diesen Messungen lassen sich folgende Resultate mit Be - stimmtheit entnehmen:

1. Wie es schon der bloſse äuſsere Anblick lehrt, ist die absolute Gröſse des Folliculi weit gröſseren Variationen unterwor - fen, als die der Eichen.

2. Das Eichen ist im Verhältniſs zu dem Folliculus um so gröſser, je jünger und kleiner derselbe ist.

3. Das Keimbläschen befolgt in den Säugethieren und dem Menschen nicht dieselben Gröſsenverhältnisse, wie in dem Vogel, wo es sich zur Dotterkugel in dieser Beziehung eben so verhält, wie das Säugethiereichen zu seinem Folliculus. Es scheint viel - mehr, wie wir dieses bei den Embryona[l]theilen noch häufig zu sehen Gelegenheit haben werden, in einer gewissen bestimmten Gröſse angelegt zu seyn und im Ganzen nur wenig nach seinen Altersverhältnissen zu variiren.

4. Die Gröſse der in dem Eie der Säugethiere enthaltenen Kugeln differirt um sehr vieles von der der Dotterkugeln des Vogels, nähert sich aber mehr oder minder den kleinen, zwischen den groſsen Dotterkugeln befindlichen Körperchen.

Mehrere andere, das Speciellere betreffende Resultate der obi - gen Messungen s. in Bernhardt’s oben angeführter Dissertation Cap. VI. p. 30 32.

Nachdem wir nun auf diese Weise ohne alle Nebenbemer - kung, ohne alle Tendenz der Analogisirung die bloſs von Ande - ren und uns gesehenen und aufgefundenen Facta beschrieben ha - ben, müssen wir es zunächst übernehmen, die Bedeutung der ge - nannten Theile festzusetzen. Diese würde sich mit aller Bestimmt - heit aussprechen lassen, wenn man eine genügende und vollstän - dige Analyse der Eichen besäſse, die bald nach ihrem Austritte aus dem Ovarium in dem Anfange der Tuben gefunden wurden. So lange uns aber eine solche mangelt, müssen noch manche, bald zu erwähnende Lücken nothwendig übrig bleiben. Doch vermag schon die genaueste Kenntniſs der in den Folliculis ent -25Ei der Säugethiere.haltenen Eichen und der Theile derselben einen nicht ganz geringen Grad von Sicherheit in diesem Gebiete zu verschaffen.

K. E. v. Bär wurde, wie wir wohl ohne Anmaſsung behaup - ten können, bei seinen Deutungen dadurch verwirrt, daſs er das wahre in dem Eichen der Säugethiere enthaltene Keimbläschen nicht kannte, dieses daher mit dem Eichen selbstidentificirte und die das Eichen umgebende, in dem Folliculus enthaltene Scheibe für die Keimanlage hielt. Man sieht es aber seinen Arbeiten nur zu sehr an, wie wenig er sich heraus zu finden vermochte. Denn obgleich er mehrere Annahmen als möglich setzt, so vermag er doch keine einzige mit Bestimmtheit durchzuführen, und ist daher nicht im Stande, die Cardinalfrage, ob das Ei der Säugethiere dem des Vogels vor der Befruchtung analog sey oder nicht, genügend zu beantworten. Wenn wir es nun versuchen, nach unserer voll - ständigeren Erfahrung über diesen Punkt Auskunft zu geben, so dürfte es am zweckmäſsigsten seyn, den Vergleich zwischen bei - den Thierklassen so sorgfältig als möglich zu verfolgen.

Das ausgebildete Ei des Vogels stimmt nur in wenigen Punk - ten mit dem ausgebildeten Eichen der Säugethiere überein, diffe - rirt dagegen in den meisten Stücken:

1. Die äuſsere umschlieſsende Membran oder die Dotterhaut ist bei beiden ohne alle wahrnehmbare innere Structur, höchstens in dem Vogel mit verwirrten, unregelmäſsig gelagerten selte - nen und schwer sichtbaren Fasern versehen. Nirgend wird sie auf organische Weise durch einen besonderen Fortsatz u. dgl. mit den Nachbartheilen verbunden, sondern bildet eine in sich voll - kommen geschlossene, begrenzte Kugel.

2. Der gröſste Theil des Inhaltes des unbefruchteten Eies oder der Dotter des Vogels besteht aus drei verschiedenen Thei - len: a. aus groſsen, ölartigen, gelben oder ge[l]blichen Dotterkugeln, b. aus sehr kleinen, zwischenden Dotterkugeln eingestreueten Kügel - chen und c. aus einer durchsichtigen, hellen Flüssigkeit, in welcher sowohl die Dotterkugeln, als die kleineren Kügelchen sich befin - den. Von diesen in dem erwachsenen und dem Austritte nahen Eie des Vogels vorkommenden Theilen finden sich in dem Eie der Säugethiere und des Menschen folgende Analoga: a. die helle durchsichtige Flüssigkeit, welche hier eine mehr öligte Consistenz zu haben scheint. b. Körperchen, welche zum Theil von gleicher Gröſse, wie die kleineren Körperchen des Vogeldotters, zum Theil26I. Das unbefruchtete, im Eierstocke enthaltene Ei.etwas gröſser als diese sind. Dagegen fehlt hier jede Spur von gröſseren, öligten Dotterkugeln.

3. In der Centralhöhle des Dotters der Vögel findet sich eine eigene halbflüssige Masse. Eine ölartige, vollkommen durch - sichtige Flüssigkeit kommt auch in dem Centrum des Eichens der Säugethiere[auf] gleiche Weise vor. Nur ist die Central - höhle in diesem bei Weitem nicht so bestimmt begrenzt, ja, wie es scheint, überhaupt nicht sicher begrenzt und von der körnigten Masse geschieden.

4. Das Keimbläschen findet sich sowohl in dem Eie der Vögel, als in dem der Säugethiere als ein helles durchsichtiges, überaus zartes Bläschen, welches aus einer structurlosen, äuſse - ren Haut und einem gleichförmigen, körnerlosen, flüssigen Inhalte besteht. Allein bei den Vögeln ist es in die Scheibe eingesenkt, ganz so, wie das Eichen der Säugethiere in die Scheibe des Fol - liculus eingesenkt ist. In der letzteren dagegen wird ein, im Ganzen kleiner Theil von dem körnerhaltigen Contentum bedeckt. Auch ist das Keimbläschen der Vögel im Verhältniſs zu dem Dot - ter weit kleiner, als das Keimbläschen der Säugethiere im Ver - hältniſs zu seinem Eichen.

Hierzu kommt noch, daſs das Vogelei nur von den Hüllen und der Substanz des Eierstockes umschlossen wird, während das Ei - chen der Säugethiere in dem Folliculus und zwar in dessen Scheibe eingebettet liegt.

Aus diesem Allen können wir mit Bestimmtheit den Schluſs ziehen, daſs das Eichen des Säugethieres dem ausgebildeten Eie des Vogels ganz und gar unähnlich ist. Zu einem fast direct ent - gegengesetzten Ausspruche aber führt uns die Vergleichung des ausgebildeten Eies der Säugethiere mit dem frühen oder ersten Zustande des Vogeleies. Wie wir schon oben zum Theil gesehen haben, ist das Ei des Vogels in dem ersten Stadium der Entwicke - lung von graulich weiſser Farbe und besteht aus einer völlig durchsichtigen, faserlosen Dotterhaut, kleineren Kügelchen ohne alle Spur wahrer groſser Dotterkugeln und einer vorzüglich in dem Centrum angehäuften, völlig durchsichtigen, flüssigen Masse, die zugleich die einzelnen in dem Eie enthaltenen Körperchen mit einander verbindet. Das Keimbläschen ist im Verhältniſs zu dem Eichen um Vieles gröſser, als späterhin, während alle Spur einer Einbettung desselben in die Scheibe, so wie diese überhaupt,27Ei der Säugethiere.gänzlich mangelt. Paſst diese Beschreibung nicht Wort für Wort auch auf das Eichen der Säugethiere? Die Gleichheit ergiebt sich hier ganz und gar von selbst, und wir sprechen daher den durch sichere Beobachtung constatirten Satz aus:

Das Ei der Säugethiere gleicht vollkommen dem unausge - bildeten Eie des Vogels, unterscheidet sich aber von die - sem, sobald die wahren Dotterkugeln in ihm erschienen sind, wesentlich.

Es versteht sich aber von selbst, daſs hier von vollkomme - ner Identität nicht die Rede seyn kann, da schon die Verschie - denheiten der Individualitäten der Säugethiere und Vögel eine solche unmöglich machen. So variiren z. B. die in dem Eichen der Säugethiere enthaltenen Körperchen weit mehr, als die in den frühesten Formen des Vogeleies enthaltenen. Daſs aber die Natur bei der Bildung der beiden Eiformen die oben bezeichnete Uridee befolgt habe, leidet keinen Zweifel.

Wenn es sich nun so ergeben hat, daſs das Eichen der Säu - gethiere gleichsam ein unausgebildetes oder in dem frühesten Sta - dium der Entwickelung befindliches Vogelei sey, so steht dieses mit der ganzen Evolution des Säugethieres in vollkommener Ue - bereinstimmung. Wir werden es in der Folge sehen, daſs und weshalb der Dotter der Vögel eine so bedeutende, der der Säu - gethiere eine mehr untergeordnete Rolle spiele. Die so unge - heure Differenz der Ausbildung desselben Organes in den beiden verschiedenen Thierklassen findet durch unsere Darstellung seine erste, sichere, morphologische Begründung, indem wir nachgewie - sen haben, daſs das Eichen der Säugethiere auf einer Stufe der Ausbildung stehen bleibt, welche der Dotter des Vogels von ziemlich früher Zeit an überschreitet und hinter sich läſst.

Dagegen zeigt sich in den Säugethieren und dem Menschen eine eigenthümliche, in keiner anderen Thierklasse vorkommende Formation, nämlich die, daſs das wahre Eichen in einem anderen eiförmigen Körper, dem Folliculus, eingeschlossen ist. Die Func - tion dieses Theiles ist in der That räthselhaft. Doch könnte man seine Bedeutung vielleicht darin suchen, daſs bei den Säu - gethieren die Idee der inneren Brütung so weit ausgedehnt wird, daſs selbst das Eichen in dem Eierstocke in einer der Mutter an - gehörenden Bildung besonders eingeschlossen und aufbewahrt werde. Denn daſs der Folliculus und sein Contentum von sehr28II. Das Ei v. d. Momente s. Lostrennung v. Eierstocke.bedeutendem Einflusse nach der Conception und dem Austritte des Eichens aus dem Ovarium sey, läſst sich nach dem, was wir über die Bildung der gelben Körper anführen werden, kaum er - warten. Eben so wenig kann die Scheibe, in welcher das Ei - chen eingesenkt ist, eine so hohe Bedeutung für die Folgezeit haben. Vgl. unten über die Bildung der Corpora lutea.

II. Das Ei von dem Momente seiner Lostrennung von dem Eierstocke bis zu seiner Fixirung in dem Fruchthälter zur Entwickelung der Frucht.

Die Geschichte des Vogeleies soll uns auch hier zur Basis dienen, auf die wir das bei den Säugethieren Gefundene beziehen können. Wir folgen in diesem Punkte wiederum gröſstentheils den Beobachtungen von Purkinje, welcher am vollständigsten diese Reihe von Erscheinungen durchforscht hat. Wenn das Ei des Eierstockes eine bestimmte Gröſse erlangt hat, aber noch aus der Dotterhaut, dem Dotter, der Scheibe und dem Keimbläschen be - besteht, so beginnt es sich von dem Ovarium abzulösen, um in den Eileiter zn gelangen. Hierbei zeigt sich aber eine doppelte Veränderung: 1) die Haut, welche dem Eierstocke angehört, an ihrer Innenfläche mit Blutgefäſsen überzogen ist und die äuſsere Hülle des innerhalb des Ovarium befindlichen Eies ausmacht, reiſst an einer bestimmten Stelle, um das Ei frei herauszulassen. Diese Stelle (Purkinje l. c. p. 9.) ist schon bei kleineren Eiern durch ein verändertes Aussehen charakterisirt. Sie wird nun im - mer dünner und feiner und so allmählig bald aufgelöst. Der ent - gegengesetzte Theil des Eies hat sich aber unterdessen bedeutend verlängert, so daſs das dem[Austritte] nahe Ei am meisten von dem Eierstocke herabhängt. 2) Das Keimbläschen (l. c. p. 5.) wird unsichtbar. Es platzt wahrscheinlich und ergieſst seine Flüs - sigkeit zunächst in die Scheibe. Man sieht es daher nicht mit Unrecht als ein Analogon des Samens, als eine Art von weibli - chen Samen, an. Die Scheibe, welche früher da, wo das Keim - bläschen liegt, einen durchsichtigen Punkt zeigte, hat jetzt an dieser Stelle einen weiſsen Kern (l. a. p. 15.) Auf diese Weise vorbereitet tritt nun das Ei in den Eileiter, während die dem Eier - stocke angehörende, blutgefäſsreiche Hülle an diesem sitzen bleibt. 29Ausgang des Eies aus dem Eierstocke.Es wird aber durch die Contractionen des Eileiters, welcher eine wahre ausgebildete, muskulöse Structur zu dieser Zeit hat, fort - getrieben und erhält während dieses Durchganges neue, es um - hüllende Gebilde, wie das Eiweiſs, die Chalazen, die Eischaa - lenhaut und die Eischaale. Zuerst gelangt es in den Anfangstheil des Eileiters (l. c. p. 15.), welcher durch Längenfalten der Schleimhaut bezeichnet ist. Hier umgiebt eine abgesonderte, sehr zarte Eiweiſslage dasselbe, welche es vollkommen bedeckt, oben und unten aber, d. h. da, wo die durch das Ei bewirkte Aus - dehnung des Eileiters aufhört, einen sehr weichen Knoten dar - stellt, von dem sich ein Strang fortsetzt, der von den Falten der Schleimhaut des Oviductus dicht umschlossen wird. Der durch die peristaltische Bewegung des Eileiters erzeugte Fortgang des Eies geschieht nun in spiraligem Laufe, und das Eiweiſs, wel - ches immer unmittelbar an der Stelle abgesondert wird, wo das Ei liegt, nimmt daher auch diese Spiralrichtung an. Hiervon kann man sich unmittelbar überzeugen, wenn man ein aus diesen Thei - len des Oviductes genommenes Ei in kaltes Wasser legt, wo das erhärtete Eiweiſs in Form spiraliger Blätter erscheint und ab - gezogen zu werden vermag. Die Fäden an den beiden Enden des Eies drehen sich nun ebenfalls spiralig um ihre Axe und stellen so die gewundenen Organe des ausgebildeten Eies dar, welche man Chalazen nennt (l. c. p. 16). Allein diese zeigen dichtere gewun - dene Fäden, welche dadurch entstehen, daſs die allererste Eiweiſs - lage, welche sich um das Ei, sobald es in den Eileiter getreten ist, bildet, erhärtet und eine membranartige Gestalt annimmt. Diese Membran, welche die Dotterhaut zunnächst umgiebt und besonders von Du - trochet genauer berücksichtigt wurde, verdichtet sich immer mehr, wird der Dotterhaut ähnlicher und stellt so die Fortsetzung der Chalazenstränge dar. Diese Darstellung der Genese der Chalazen hat im Ganzen nach eigenen Erfahrungen Berthold (Isis 1829. S. 408.) bestätigt. Wenn nun so das Ei durch den Eileiter bis zu einer bestimmten Stelle, welche mit dem Namen des Isthmus be - legt wird, deren Schleimhaut sich auch bestimmt von der des vorgehenden Theiles des Oviductes unterscheidet und auch auf der Innenfläche durch eine circuläre Grenzlinie bezeichnet, vor - geschritten ist, so ist es von einer dicken gleichartigen Eiweiſs - schicht umgeben und an seinen beiden Enden mit den Chalazen versehen. In dem Isthmus d. h. in der Abtheilung des Eileiters30II. Das Ei v. d. Momente d. Lostrennung v. Eierstocke.von der genannten marquirten Stelle bis zu dem Anfange des sogenannten Uterus wird die Eischaalenhaut rings um das Eiweiſs gebildet. Da der Isthmus eine verengte Stelle des Eileiters ist, so wird (l. c. p. 21.) derselbe, sobald das Ei in ihn eintritt, durch dieses so ausgedehnt, daſs alle Falten der Schleimhaut schwin - den. Dieses trägt wahrscheinlich, wenigstens zum Theil, mit da - zu bei, daſs hier nun eine dünnere, aber membranösere Lage, die Eischaalenhaut, abgesondert wird. Diese findet sich auch nur so - weit auf dem Eie, als es eben in den Isthmus eingedrungen, wel - ches mit dem spitzen Ende immer zuerst geschieht. Purkinje, der zu seinen früheren Versuchen mehr, als 30 Hennen auf - geopfert hatte, fand nie ein Ei vollkommen in dem Isthmus, son - dern nur zum Theil in demselben, zum Theil schon aus demsel - ben herausgetreten. In neuester Zeit waren wir beide so glück - lich, ein Ei gerade in dem Isthmus zu finden und uns daher über die Art und Weise der Entstehung der Eischaalenhaut belehren zu können. In dem oberen Theile des Isthmus entsteht nämlich die faserige Lage der Eischaalenhaut, welche die Natur gleichsam zusammenspinnt. Es finden sich isolirte Fäden, von denen jeder wahrscheinlich das Sekret einer Schleimdrüse des Isthmus ist, welche immer häufiger und mit einander inniger verbunden sind, je tiefer die Stelle des Isthmus, in welcher sie liegen. An dem unteren Theile dagegen findet sich auſser dieser Faserlage noch eine Lage von Körnern, welche als eigenthümliches Sekret hin - zukommt. Auſserdem entsteht wahrscheinlich der in dem Eie sich findende Luftraum in dem Isthmus, und zwar dort, wo unmittelbar unter der Strictur desselben sich eine Stelle befindet, in welcher die Falten der Schleimhaut unterbrochen sind (l. c. p. 21.). Aus dem Isthmus gelangt das Ei in den oberen Theil des Uterus, wo die Kalkschaale dadurch entsteht, daſs sich zuerst einzelne, polygone Kalkablagerungen finden, welche sich immer vermehren, bis sie eine dichte Hülle bilden (l. c. p. 22.). Durch den unteren Theil des Uterus und die Scheide wird das Ei her - ausgetrieben oder gelegt. Nach dieser Darstellung, welche ein - zig und allein auf Beobachtungen beruht, nimmt die Mündung des Trichters das Ei auf. Das erste Viertel des Eileiters sondert die Membrana Dutrochetii und die ersten Rudimente der Cha - lazen ab, der übrige Theil bis zu dem Isthmus das Eiweiſs, der obere Theil des Isthmus die faserige, der untere die körnige Lage31Ausgang des Eies aus dem Eierstocke.der Eischaalenhaut, der gröſste Theil des Uterus endlich die Ei - schaale, während die Scheide zur Expulsion des Eies bestimmt ist. Das auf diese Weise geborene Vogelei besteht, wenn es frisch und normal ist, aus folgenden Theilen: 1. der Eischaale, 2. der Eischaalenhaut oder Schaalenhaut, 3. dem Eiweiſse. Man hat drei Abtheilungen in dem Eiweiſse unterschieden und zwar a. eine dünne flüssige Schicht unmittelbar unter der Schaalenhaut, b. eine dickere zähere Schicht zwischen der dünneren Schicht und der Dotteroberfläche und c. einen noch dichteren Theil in der Nähe und um die Chalazen. Was diesen Letzteren betrifft, so dürfte er kaum als eigenthümlich anzunehmen seyn. Die er - stere dagegen entsteht erst nach der Bildung der Schaale und formirt sich durch[Verflüssigung] der äuſseren Schicht des sonst gleich zähen Eiweiſses (Purkinje l. c. p. 20.). 4. Den Chalazen, 5. der Dotterhaut, 6. dem Dotter, 7. der in dem Centrum dessel - ben enthaltenen Masse und 8. der Scheibe, Keimanlage, Keimhaut (bei dem Beginne der Brütung) oder nach älterer Benennung dem Hahnentritte. Dieser besteht jedoch, wie es sich in der Folge deutlich erweiset, aus zwei Körnchenlagen, der oberen, der wah - ren Keimhaut und einer unteren, welche auf dem Dotter sitzen bleibt, von untergeordneter Bedeutung zu seyn scheint und bald wahrscheinlich resorbirt wird.

Wenn wir nun zu der Periode des Eilebens der Säugethiere übergehen, welche der eben abgehandelten in dem Vogeleie zum Theil oder gänzlich entspricht, so halten wir es für zweckmäſsi - ger, da man hier zur Zeit nur aus vereinzelten und gröſstentheils unvollständigen Erfahrungen Schlüsse ziehen kann, zuvörderst die hierher gehörenden Beobachtungen historisch nach ihren speciellen Momenten anzuführen und dann erst das aus ihnen sowohl, als der Analogie der übrigen Thiere, besonders des Vogels sich Er - gebende auseinander zu setzen. In das hier zu betrachtende Ge - biet gehören aber die Bemühungen derjenigen Naturforscher, welche die ersten Folgen der Conception und die befruchteten Eier in den frühen Zuständen kennen lernen wollten, wo sie entweder in dem Austritte aus dem Eierstocke oder in ihrem Durchgange durch die Tuben begriffen oder zwar schon in der Gebärmutter angelangt, dort aber nicht fixirt und mit der Innenfläche des Fruchthälters in genaue Berührung getreten sind. Die hierher zu rechnenden Schriftsteller sind folgende:

32II. Das Ei v. d. Momente d. Lostrennung v. Eierstocke.

1. Regner de Graaf hat über die ersten Folgen der Concep - tion eine Reihe von Versuchen angestellt, welche von wenigen Nachfolgern erreicht und von keinem, man kann wohl sagen, über - troffen worden sind. (Opera omnia. L. B. 1677. 8. p. 396 411.). Die Resultate seiner Erfahrungen sind kürzlich folgende: a. Eine halbe Stunde nach der Begattung hatten sich die Eichen im Eierstocke noch nicht verändert, höchstens nur etwas an Durchsichtigkeit verloren. In den Hörnern des Fruchthälters war keine Spur von Saamen wahrzunehmen. Dagegen waren sie et - was mehr, als in dem unbefruchteten Zustande, geröthet. b. Nach sechs Stunden waren die Folliculi röther und enthielten eine zähe, durchsichtige Flüssigkeit. Von dem Saamen war aber in den Hörnen keine Spur zu entdecken. c. Nach 24 Stunden wa - ren in dem einen Eierstocke drei, in dem anderen fünf Folliculi dunkel, undurchsichtig und schwach röthlich gefärbt. An ihrer Oberfläche ragte wie eine kleine Warze hervor. Aufgeschnitten zeigten sie eine geringe Quantität einer durchsichtigen Flüssig - keit und in der Peripherie eine dicke, röthliche Masse. d. Nach 27 Stunden umfaſste jedes trichterförmige Ende der Tuben den Eierstock. Aehnliche Wärzchen, wie in dem vorigen Eie, rag - ten mitten auf der Oberfläche der Folliculi hervor. Bei dem Zerdrücken dieser letzteren entleerte sich zuerst eine durchsich - tige und dann eine röthliche, dichtere Flüssigkeit. Eier fanden sich nicht in den Hörnern, aber diese letzteren waren sehr blut - reich und ihre Schleimhaut sehr aufgelockert. e. Nach 48 Stun - den ragten die Wärzchen auf den Folliculis noch mehr hervor und durch sie entleerten sich bei dem Drucke eine mäſsige Quan - tität einer eiweiſsartigen Flüssigkeit. Die übrige röthliche Sub - stanz der Folliculi aber war jetzt schon dicker geworden und ging daher nicht mehr so leicht als früher durch die Oeffnung hinaus. f. Nach 52 Stunden fand sich in den Folliculis eine drü - sigte Masse, in deren Mitte eine Höhlung ohne Flüssigkeit ent - halten war. Eichen dagegen fand G. weder hier noch in den Tuben (hat sie jedoch hier ohne Zweifel übersehen). g. Nach 72 Stunden umfaſste der Trichter die Eierstöcke ringsherum sehr genau. Die auf den Folliculis befindlichen Wärzchen hatten in der Mitte ein kleines Loch und enthielten in dem Innern eine leere Höhlung. Die äuſserst kleinen, aus den Folliculis herausge - tretenen Eichen fanden sich nun in den Tuben und bestandenaus33Ausgang des Eies aus dem Eierstocke.aus zwei in einander eingeschlossenen, kugelförmigen Membranen, nach deren Zerreiſsung eine äuſserst durchsichtige Flüssigkeit her - vortrat. h. Nach vier Tagen fanden sich die Eichen in den Tu - ben noch weiter vorgerückt und jedes enthielt noch deutlicher ein in ihnen eingeschlossenes Bläschen. i. In fünftägigen Eiern war diese innere, blasenförmige Haut noch mehr kenntlich. k. Nach sechs bis sieben Tagen hatten die Eichen sehr bedeutend an Um - fang zugenommen, ohne daſs jedoch Graaf einen Embryo zu er - kennen im Stande gewesen wäre. Eben so verunglückten, wie dieses später Prevost, Dumas u. v. Bär ebenfalls vielfach erfahren haben, auch de Graaf Eichen von dem achten Tage, weil sie ei - nerseits fest an der Innenfläche des Uterus schon angeheftet, an - derseits so äuſserst zart sind, daſs sie bei der geringsten Verlet - zung reiſsen. l. In einigen Eiern von neun Tagen zeigte sich der Embryo als ein schwaches Wölkchen. Deutlich dagegen sah Graaf den in seiner Ausbildung schon weit vorgeschrittenen Embryo in 10tägigen Eiern. Hätte Regner de Graaf bei diesen Untersu - chungen sich des Microscopes bedient, so wäre schon vor mehr, als 150 Jahren die Wissenschaft mit Resultaten bereichert wor - den, die wir leider heute noch vermissen.

2. Ein in der Wissenschaft, wie im Leben gleich häufiges Phänomen zeigte sich auch bei den vortrefflichen, von Regner de Graaf unternommenen Arbeiten über die ersten Wirkungen der Conception. Weil man nicht mit solcher Umsicht, Mühe und Gründlichkeit, wie es dieser ausgezeichnete Naturforscher gethan, die Erscheinungen selbst verfolgt hatte, glaubte man nicht an die Richtigkeit seiner Darstellung, von der man sich nothwendiger Weise hätte überzeugen müssen, wenn man nur mit gleicher Em - sigkeit, wie er selbst, geforscht hätte. Aber der eigene Feh - ler machte das eigene Auge blind und lieſs durch das Bessere des Anderen nicht seinen Irrthum erkennen, sondern einen Fehl - tritt desselben erblicken. Und so wurde durch die Auctori - täten eines Vallisneri, Kuhlemann, Haller u. A. die Wahrheit, daſs das Eichen aus dem Folliculus in die Tuben gelange, unter - drückt und an ihre Stelle die falsche Behauptung gesetzt, daſs aus dem Eierstocke in die Tuben eine bloſse Flüssigkeit ohne Hülle ergossen werde oder daſs, wie Osiander noch im Anfange des neunzehnten Jahrhunderts behauptete, die Eierstöcke bei der Conception gar nicht in Affection kämen. Es war daher recht334II. Das Ei v. d. Momente s. Lostrennung v. Eierstocke.verdienstlich, daſs Crnikschank (Reils Arch. III. S. 74 100.) die Graaf’schen Versuche wiederholte und bestätigte, wenn er auch keine wesentlich neuen Resultate hinzuzufügen vermochte, ja durch manche Irrthümer sogar den Gegenstand entstellte. So will er schon (Versuch II. S. 78.) zwei Stunden nach der Begattung die Oeffnungen in den Folliculis gesehen haben, welches sicher unrich - tig ist. Denn er selbst fand (Vers. XXV. S. 88.) zugleich nach zwei und ein halb Tagen noch keine Oeffnungen in den Folliculis. Dagegen beobachtete er nach zwei Tagen und 22 Stunden (Vers. XXVIII. S. 89.) schon sehr kleine Eichen in den Tuben, die mit drei Häuten versehen gewesen seyn sollen, welche er mit den Halonen des Vogeleies vergleicht. Drei Tage nach der Begattung suchte er in einem Falle (Vers. III. S. 78.) vergeblich die Eichen in den Tuben, wiewohl die Folliculi an der Spitze ein Loch hat - ten; in einem anderen Falle (Vers. XVII. S. 84.) fanden sich die Eichen noch in den Spitzen der Folliculi; in einem dritten (Vers. XXIII. S. 87.) machte die innere Haut einen Fleck in der Mitte des in den Tuben befindlichen Eichens (ob erstes Rudiment des Embryo?). In einem vierten Falle (Vers. XXVI. S. 88.) endlich schienen die aus der Nähe des Endes der Muttertrompeten ge - nommenen Eichen aus drei Häuten zu bestehen. Am vierten Tage (Vers. XX. S. 85. 86. ) waren die Eichen an der Spitze wie eingedrückt ohne deutliche Oeffnung. Auch konnte er keine Ei - chen in den Tuben auffinden. Nach Tagen (Vers. XXIV. S. 87.) konnten die Eichen in den Trompeten gesehen wer - den, obwohl man in den Folliculis keine Mündung (mehr) be - merkte. Am Ende des vierten Tages (Vers. XIX. S. 85.) fand er die Eichen in der Nähe der Mündung der Tuben angehäuft. Die innere Membran des Eichens lag der anderen näher an. Wie - wohl Cruikschank in einem Falle (Versuch IV. S. 79.) fünf Tage nach der Befruchtung keine Eichen in den Tuben oder Gebärmut - terhörnern aufgefunden hatte, so hingen diese doch in einem an - deren Falle (Vers. XV. S. 83.) locker in der Gebärmutter. Noch deutlicher zeigte sich dieses nach sechs Tagen (Vers. IX. S. 81.) Die Eichen enthielten deutlich eine Blase in ihrem Inneren und hatten an einer bestimmten Stelle einen Fleck. Am siebenten Tage (Vers. XII. S. 82.) war ein gallertartiger Stoff dicht unter - halb des Eichens (Eiweiſs des Säugethiereies s. unten), nicht aber die Spur eines Embryo zu erkennen. Nach sieben und ein halb Ta -35Ausgang des Eies aus dem Eierstocke.gen (Vers. XXI. S. 86.) fingen die Eichen an, sich in der Gebär - mutter anzuheften, während nach acht Tagen (Vers. V. S. 79.) die Frucht mit Hilfe des Weingeistes schon den bloſsen Augen sicht - bar wurde.

3. Prevost und Dumas haben in neuerer Zeit eine Reihe mühsamer und genauer Versuche über die ersten Wirkungen der Conception bei Kaninchen und Hunden geliefert (Annales des sciences naturelles Vol. III. p. 113 133. Frorieps Notizen No. 188. S. 177 186). Vier und zwanzig Stunden nach der Befruchtung fanden sie weder bei Hunden noch bei Kaninchen irgend eine Veränderung in dem Eierstocke. Es zeigte sich da - gegen lebhafte Bewegung der Saamenthierchen innerhalb der Tu - ben (l. c. p. 119.). Ebenso fand es sich nach zwei Tagen. Nur hatten die Folliculi eine bedeutendere Gröſse erlangt und der Mittelpunkt ihrer Oberfläche war durchsichtiger geworden (p. 121.). Noch gröſser aber, bisweilen von 7 8 Millimeter im Durchmesser, waren die Folliculi bei Hunden nach drei bis vier Tagen. Nach 6 7 Tagen öffneten sich die Bläschen, so daſs sie dann eine Mündung an ihrer Oberfläche zeigten (p. 122.) Ein anderes Mal fanden sie nach acht Tagen (p. 123.) Eichen in den Tuben und auſserdem auf dem Momente des Platzens befindliche Folliculi. Die Ersteren hatten ½ 2 Millimeter im Durchmesser, eine ellipsoidische Form und bestanden aus einer einfachen und durchsichtigen Haut und einer hellen Flüssigkeit. An dem oberen Theile des Eichens befand sich ein flockiges Schildchen, welches viel dichter und mit sehr vielen, kleinen, warzenartigen Erhabenheiten versehen war, und an dessen einem Ende man einen weiſsen, dun - kelen, runden Fleck, ähnlich einer Narbe, wahrnahm (p. 125.). Nach zwölf Tagen sind die in den Hörnern des Fruchthälters an - zutreffenden Eichen noch kleiner, als die Folliculi des Eierstok - kes, und zwar um so mehr, je näher sie dem Ovarium liegen. Der Embryo ist dann sehr schön und deutlich wahrzunehmen (p. 127.). In späteren Eiern sieht man ihre beiden Extremitäten hörnerartig längs der Axe der Hörner der Gebärmutter verlän - gert, selten aber nur nach einer Seite hin ein solches Horn aus - gehen. Das Ei ist, mit Ausnahme derjenigen Stelle, an welcher der Fötus sich findet, durchaus glatt (p. 129.). Wenn bei dem Hunde die Eichen an dem achten Tage in die Tuben eintreten, so geschieht dieses bei dem Kaninchen am dritten und achttägige3*36II. Das Ei v. d. Momente s. Lostrennung v. Eierstocke.Kanincheneier sind auf der Stufe der Ausbildung, auf welcher sich wenigstens 13tägige Hundeeier befinden (p. 131. 132.).

4. Karl Ernst von Bär (de ovi mamalium et hominis ge - nesi 1827. 4. und Heusingers Zeitschrift II. S. 125. fgg. ) hat eine Reihe hierhergehörender Beobachtungen, vorzüglich an Hun - den, angestellt. So hatte er (de ovi genesi p. 7.) oft Gelegen - heit, eine halbe Linie im Durchmesser haltende Eichen zu beob - achten. Diese waren vollkommen durchsichtig und lagen ganz frei in der Höhlung des Fruchthälters. Bei der Untersuchung unter dem Microscope ergab es sich, daſs sie von nicht ganz run - der, sondern etwas länglicher Form waren (p. 8.). Anfangs schie - nen sie nur eine einfache Haut zu haben. In weniger, als einer Minute trennte sich aber die innere Membran von den beiden Enden her von der äuſseren los, so daſs ein gebogener leerer Raum zwischen beiden entstand. Diese Trennung schritt bis auf einen hestimmten Punkt, an welchem sie verbunden blieben, im - mer fort. Allmählig collabirte so die innere und später auch die äuſsere Haut des Eies. Die äuſsere Haut (p. 9.) ist halb durch - sichtig und mit kleinen warzigen Erhabenheiten versehen und scheint aus zwei Lamellen zu bestehen. An der inneren Haut befinden sich eine Menge kleiner, runder Ringe, welche in ihrer Mitte durchsichtig sind. Diese Ringe aber bestehen, wie eine stärkere Vergröſserung zeigt, aus vielen, einander nicht berühren - den, im Kreise gestellten Körnchen. Auſserdem zeigt sich ein noch weit gröſserer, dunkeler, runder Fleck, die Keimhaut (blastoderma), die schon mit bloſsem Auge als ein weiſses Pünkt - chen gesehen werden kann, von der inneren Haut des Eies et - was absteht und mit einem äuſserst zarten Hofe umgeben ist. Andere Eier des Hundes von Linie im Durchmesser waren we - niger durchsichtig und mehr rundlich, als die eben beschriebenen. Sie hatten ebenfalls zwei Häute, von denen die äuſsere aber die Körnchen (oder Wärzchen) kaum erkennen lieſs, die innere da - gegen aus Körnchenhaufen bestehende, kleine Flecke zeigte. Die Keimhaut war dicker und nicht eben, wie in dem vorigen Fal - le, sondern hügelig. An der Mündung der Tube fand sich in dem - selben Fruchthälter frei ein sehr kleines, weiſses Körnchen, welches unter dem Microscope einen dunkelen Kern mit einem hellen Ringe zeigte. Ob dieses ein eben aus der Tube gefallenes Eichen war? (p. 11.) v. Bär untersuchte deshalb in den Tuben37Ausgang des Eies aus dem Eierstocke.befindliche Eichen des Hundes. Sie waren etwas kleiner, als die - ses Körperchen und erschienen als kleine, gelblich weiſse Punkte von 1 / 15 Linie im Durchmesser. In der Mitte fand sich hier ein dunkeler Kern, welcher selbst aus vielen Körnern bestand und eine granulirte Oberfläche hatte. Diesen Kern umgab ein enger, durchsichtiger Zwischenraum und eine mit Körnchen versehene Peripherie, deren Membran kaum sichtbar war.

5. Coste (Frorieps Notizen Novemb. 1833. No. 830. S. 241 244.) hat in der neuesten Zeit Einiges über seine Erfahrungen mitgetheilt. Nach ihm sind bei dem Kaninchen die Eier schon zwei Tage nach der Befruchtung in den Oviduct eingedrungen und zeigen sich dann noch den in den Folliculis eingeschlossenen Bläschen vollkommen ähnlich. Nach vier Tagen sind sie schon in den Hörnern des Fruchthälters, jedoch hier noch frei und be - weglich, von einer Linie im Durchmesser. Man soll das Keim - bläschen und die Dotterhaut noch erkennen, während der Dotter in Verhältniſs zu dem Wachsthume des Keimbläschens absorbirt sey. Nach fünf Tagen befestigen sich die Eier in dem Frucht - hälter und haben zwei Linien im Durchmesser. Ihre Dotterhaut ist nun mehr gewachsen, als das von ihr eingeschlossene Keim - bläschen, welches nur ungefähr den dritten Theil derselben ein - nimmt, an der Anheftungstelle des Eies an dem Uterus in einem Punkte ihr anhängt und hier einen wolkenartig getrübten, run - den oder elliptischen Fleck zeigt.

Endlich müssen wir noch die Fälle anreihen, in welchen man Eichen des Menschen in den Tuben gefunden haben will. Schon John Burs (the anatomy of the gravid uterus I. 1799. 8. p. 10. Burdachs Physiologie II. S. 40.) soll eine Beobachtung der Art gemacht haben. In neuester Zeit hat Seiler (die Gebärmut - ter und das Ei des Menschen. 1832. Fol. S. 9. 10. ) einen Fall be - schrieben, in welchem sich in der Muttertrompete ein mit gelb - lich weiſser Flüssigkeit gefüllter und an der Oberfläche mit einem eine Linie langen Korn versehener, zottiger Körper fand, den der Verf., nur durch sehr schwache Gründe unterstützt, für ein Eichen hält. Dasselbe läſst sich von einem anderen Falle sagen (l. c. S. 11.), welcher eine beginnende Tubenschwangerschaft gewesen seyn soll.

Wenn wir es nun unternehmen den fortlaufenden Hergang der ersten Erscheinungen, welche in dem Säugethiereie nach der38II. Das Ei v. d. Momente s. Lostrennung v. Eierstocke.Befruchtung sich ereignen, der Reihe nach anzudeuten, so dürfen wir es nicht unterlassen, darauf aufmerksam zu machen, daſs trotz der eben angeführten vielfachen Bemühungen der Gegenstand nicht nur nicht erschöpft, sondern noch äuſserst lückenhaft und dunkel ist, daſs die Berichte in manchen wesentlichen Punkten einander widersprechen und daſs die microscopische Untersuchung der zarten Eichen noch nicht vollständig genug unternommen worden ist. Wie in dem Eie des Vogels haben wir in dem Eichen der Säugethiere Dotterhaut, Dotter, Keimbläschen und später vielleicht auch Keim - anlage. Alle diese Theile constituiren das in dem Folliculus ent - haltene Eichen, welches in Folge der Conception in die Tuben gelangt. Unmittelbar nach der Befruchtung wird der Zufluſs des Blutes zu den Eierstöcken gröſser, die Folliculi schwellen bedeutend an, während einerseits die gefäſsreiche Hülle derselben verbunden mit der äuſseren Lage des Balges zu einer röthli - chen, dichten Masse wuchert. Das Eichen tritt immer mehr an die Oberfläche hervor, die Stelle der Höhle des Folliculus, an welcher es anliegt, scheint verdünnt oder zum Theil resorbirt zu werden und so geht, nachdem der Eierstock von den turgescirenden Tuben umfaſst worden, das Eichen in dieselben über. Nach Coste soll nun hier das Keimbläschen nicht platzen, sondern persistiren, ja sogar mit fernerem Wachsthume sich vergröſsern. Wir müssen aber in diese Angabe noch Zweifel setzen. Denn zuvörderst spricht, wie wir bestimmt nach unseren Untersuchungen behaupten kön - nen, die Analogie aller übrigen Thiere, der wirbellosen sowohl, als der Fische, Amphibien und Vögel dagegen, wo immer das Keimbläschen vor der Entwickelung des Embryo platzt. Auch dürfte es dann sicher nicht v. Bär u. A. entgangen seyn, wenn es mit Vergröſserung des Eies auch zuerst an Volumen bedeutend zunähme. Zugleich hält offenbar Coste, wie wir weiter unten sehen werden, noch an der von Rolando durchgeführten Idee fest, daſs selbst der Hühnerembryo sich auf einem Bläschen entwickele, eine Angabe, deren Irrthümlichkeit von selbst einleuchtet. Der Analogie mit dem Vogel und den übrigen Wirbelthieren nach sollte sich nun Eiweiſs und Schaalenhaut um das Ei bilden, be - vor sich dasselbe in dem Fruchthälter fixirt. Das Eiweiſs, wel - ches auch dem Säugethiereie nicht fehlt, entsteht höchst wahr - scheinlich während des Durchganges durch die Tuben. Zum Theil spricht schon das enorme Anschwellen der Eier bei dem39Bildung der gelben Körper.Durchgange durch die Fallopischen Röhren dafür. Eine Andeu - tung von Chalazen aber könnte man vielleicht in den von Pre - vost und Dumas gefundenen, seitlichen Verlängerungen sehr zar - ter Eier des Hundes finden. Eben so ist auch zu vermuthen, daſs die Schaalenhaut oder das Chorion in den Tuben erst ent - stehe, ganz wie die Schaalenhaut des Vogels in dem Isthmus erst gebildet wird. Zwar glaubt v. Bär (Heusinger’s Zeitschr. II. S. 177.), daſs die äuſsere Membran des in dem Folliculus enthalte - nen Eichens zum Chorion werde. Allein einerseits widerstrebt dieses aller Analogie, da überdieſs sich dann, wie er auch behaup - tet (l. c. p. 23.), die Dotterhaut in den Tuben erst bilden müſste, anderseits war eine andere, äuſsere Membran von ihm selbst nur nach der Maceration deutlich wahrgenommen worden (p. 11.) eine Erscheinung, die sich an Hühnereiern, welche noch keine Schaalenhaut haben, ebenfalls wiederholt. Auch wäre es von In - teresse zu bestimmen, ob zur Sekretion dieser verschiedenen Ge - bilde auch verschiedene Conformationen der Schleimhaut in den Tuben sich vorfinden.

Wenn nun das Eichen aus dem Folliculus herausgetreten ist, so wuchert nach v. Bär (l. c. p. 20. 21. ) und z. Th. nach Regner de Graaf die innere Lage des Folliculus zu dem sogenannten Cor - pus luteum. Der Anfang hierzu geschieht schon, während das Eichen in dem Folliculus noch enthalten ist. Sobald jenes aber diesen verlassen, ist der gröſste Theil des Letzteren mit einer röthlichen, fleischigten Masse gefüllt. Nur in der Mitte unter der Oeff - nung findet sich eine leere oder eine mit einer albuminösen Masse ausgefüllte Höhle, die bei dem Menschen am gröſsten zu seyn scheint (l. c. p. 22.) Nun schlieſst sich, wie es scheint, zuvör - derst die Mündung, während später die Höhle immer kleiner wird, bis sie endlich ganz schwindet. So finden sich dann in dem Eierstocke mehr oder minder groſse, gelbe, röthliche oder bläuliche Körper, welche unter dem Namen der Corpora lutea bekannt sind.

Diese fälschlich sogenannten gelben Körper (denn in den verschiedenen Thieren haben sie constante, verschiedene Farben) werden mit Recht in jetziger Zeit allgemein als das sicherste Zeichen eines zerstörten Folliculus und herausgetretenen Eichen, also der geschehenen Befruchtung angesehen. Obgleich ihre[Bil - dung] und Entstehung schon von früheren Beobachtern richtig an -40II. Das Ei v. d. Momente s. Lostrennung v. Eierstocke.gegeben worden ist, so habe ich doch nach eigenen an Kaninchen angestellten Untersuchungen manche, nicht unwichtige Punkte hinzuzufügen. Hier ist aber der Proceſs folgender. In Folge der Conception entsteht eine bedeutende Congestion des Blutes nach den Eierstöcken überhaupt und einzelnen Folliculis ins Besondere. Diese werden von Netzen feiner Blutgefäſse durchzogen und neh - men an Volumen zu, wiewohl nur die gröſsten Folliculi von die - sem Processe ergriffen zu werden scheinen. Mit dem Beginne dieser Veränderung aber zeigt sich von der Innenfläche der Mem - bran des Folliculus aus eine röthliche, fleischigte Masse, welche den ganzen Umkreis derselben mit Ausnahme der Stelle einnimmt, wo das Eichen sich befindet, also mit Ausnahme des höchsten, nur von dem Bauchfelle überzogenen Punktes. [Hierdurch] wird nun zwar die Menge der in dem Folliculus enthaltenen Flüssig - keit nothwendig vermindert. Allein sie nimmt nicht in gleichem Maaſse mit dem Erscheinen der röthlichen Masse ab, wird daher relativ reichlicher und sammelt sich nothwendig gegen die nur von dem Bauchfelle überzogene Seite hin an. Auf diese Art wird dieser nur von dem Peritoneum bedeckte Theil des Folliculus hervorgedrängt, indem einerseits die immer zunehmende, röthliche Masse und die in relativer Quantität zu groſse Flüssigkeit des Folli - culus anderseits wie eine Vis a tergo wirkt. Das Eichen selbst ge - langt an die äuſserste Spitze der nur von dem Bauchfelle bedeckten Stelle. Diese wird immer dünner und zuletzt durchbohrt, so daſs das Eichen herausschlüpft, während es nur von sehr wenigem oder gar keinem, flüssigen Inhalte des Folliculus umgeben ist. An der Stelle des früheren Folliculus aber findet sich dann eine fleischigte Masse, welche in ihrem Innern eine kleine Höhlung hat, die durch eine Art von Ausführungsgang sich nach auſsen öffnet (s. die Ab - bildung bei Bernhardt l. c. Fig. 29.). Nun wird die äuſsere Oeff - nung durch eine kleine, hervorragende Warze geschlossen, die sich anfangs noch etwas zu vergröſsern scheint, später aber, wäh - rend die Höhle im Innern von fleischigter Masse ausgefüllt wird, sich verkleinert und zuletzt ganz schwindet, so daſs dann endlich das Corpus luteum ein kugliches, gleichförmiges Gebilde dar - stellt.

Vergleichen wir die Processe, durch welche die Natur den Austritt der Eier aus dem Ovarium der Vögel und der Säuge - thiere bewirkt, so sehen wir leicht, wie sie durch äuſsere Ver -41Erste Veränderungen d. inneren Geschlechtstheile etc.hältnisse gezwungen wird, dieselben Effecte auf verschiedenen Wegen hervorzubringen. Bei den Vögeln geschieht dieses durch einfache Vergröſserung des Eies überhaupt und des Dotters ins Besondere. Da dieses aber bei den Säugethieren nicht angeht, so benutzt sie die erste Bildung der gelben Körper und das Con - tentum des Folliculus, um so vermöge einer Vis a tergo den - selben Endzweck zu erreichen. Doch wirken in beiden Fällen auſser der mechanischen Kraft noch die vitalen Kräfte, da das Peri - toneum und die Membran des Folliculus an der Austrittsstelle des Eichens nicht bloſs mechanisch reiſst, sondern mehr auf or - ganische Weise resorbirt wird.

Aus dem eben dargestellten Hergange der Bildung der Cor - pora lutea erhellt deutlich, daſs das Contentum des Folliculus unmittelbar nach der Befruchtung von höchst untergeordnetem, vielleicht von gar keinem Einflusse sey. Eben so kann die Scheibe des Folliculus, in welchem das Eichen eingebettet liegt, durchaus nicht als Keimanlage gedeutet werden. Denn 1. frägt es sich noch sehr, ob sie noch mit in die Tuben gelange oder nicht. Für das Letztere scheinen meine eigenen Erfahrungen zu spre - chen, wiewohl sie es nicht mit aller nothwendigen Evidenz be - weisen. 2. Kann die Keimanlage nur innerhalb, nicht auſserhalb des Eies liegen. Unmittelbar vermag aber die Scheibe auf keine Art in das Eichen zu gelangen. Es scheint daher fast gewiſs zu seyn, daſs die Säugethiere vor der Befruchtung keine Keimscheibe, sondern ein bloſses Keimbläschen besitzen. Ganz dasselbe ist auch bei dem Vogeleie in den frühesten Stadien seiner Entwik - kelung innerhalb des Eierstockes der Fall.

Nach geschehener Conception zeigen sich aber auch an dem Fruchthälter und den Tuben gewisse Veränderungen, welche theils eine Folge der allgemein erhöheten Thätigkeit dieser Or - gane, theils eigenthümliche Lebensprocesse derselben sind. Zu - vörderst turgescirt das ganze System der inneren Geschlechts - theile. Manche Stellen desselben, wie z. B. das Orificium uteri u. dgl., werden fast schwarz von der Menge des enthaltenen Blu - tes. Die Tuben und die Hörner der Gebärmutter dehnen sich aus und die Enden der ersteren umfassen den Eierstock. Wäh - rend nun die Eichen sich zu ihrem Austritte aus den Folliculis vorbereiten, durch die Tuben hindurchgehen und sich in dem Uterus fixiren ein Proceſs, der bei dem Menschen 12 1442III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.Tage zu dauern scheint, finden sich in dem Fruchthälter manche veränderte Erscheinungen und Sekretionsprodukte. In dem Uterus der Säugethiere erheben sich die Falten und Zöttchen auf eigen - thümliche Weise, wie weiter unten noch ausführlich auseinander gesetzt werden wird, und eine bedeutende Menge von Schleim wird an der Innenfläche des Fruchthälters abgesondert. Auch bei dem Menschen geht ohne Zweifel etwas Analoges vor sich. So fan - den Home und Bauer (Meck. Arch. IV. S. 279.), angeblich 8 Tage nach der Befruchtung, eine Lage ausgeschwitzter Lymphe auf der Innenfläche des Uterus, welche ziemlich lange Fasern bildete. John Burns (Reils Arch. VIII. S. 380 382.) und später K. E. v. Bär (Untersuchungen über die Gefäſsverbindung zwischen Mutter und Frucht. S. 24.) haben Aehnliches beobachtet. Eduard Weber (s. Hilde - brandts Anatomie, besorgt v. E. H. Weber. IV. S. 466.) fand 7 Tage nach der Conception die innere Lage des Uterus sehr geröthet, mit einer blasseren, weicheren, ½ 1 Linie dicken Lage bedeckt, welche aus sehr vielen kleinen, senkrecht stehenden Cylindern bestand, die durch eine schleimigte Membran mit einander verbunden wa - ren. Alle Cylinderchen endigten mit einem runden, nicht ange - schwollenen Ende. Manche von ihnen aber hatten eine Länge von 2 3 Linien, indem die Lage, wo dieses der Fall war, Fal - ten bildete. Einiges hierher Gehörende s. unten bei Beschreibung der Decidua.

Endlich wären hier die merkwürdigen Flimmerbewegungen zu erwähnen, welche Purkinje und ich an der Schleimhaut des Eileiters der Amphibien, Vögel und Säugethiere entdeckt haben. Da jedoch dieses Phänomen der ausgebildeten Schleimhaut der Genitalien in allen Stadien ihres Lebens und auſserdem der der Respirationsorgane angehört, so kann hier dasselbe nicht ausführ - lich und besonders berücksichtigt werden. Ich verweise deshalb auf die vorläufige Nachricht, die wir von dieser Entdeckung in Joh. Müllers Archiv. Bd. I. Hft. 5. S. 391 400 gegeben haben und auf unsere Schrift: de phaenomeno generali motus vibra - torii. Wratisl. 1825. 4.

III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.

Wir kommen zu einer Periode des Eilebens, welche seit den ältesten Zeiten der beobachtenden Anatomie und Physiologie viel -43III. Das Ei während der Fruchten[t]wickelung.fach untersucht worden ist und daher eine so groſse Menge von Be - schreibungen aufzuweisen hat, wie kein anderer Theil der Entwik - kelungsgeschichte. Wenn uns diese vielfachen Bemühungen eine Anzahl besonderer und einzelner Data geliefert haben, deren Ueber - sicht durch ihre Menge fast unübersehbar wird, so zeigt es sich nirgends deutlicher als hier, wie wenig wir solide Bereicherungen der Wissenschaft von isolirten und vereinzelten Beobachtungen zu erhalten im Stande sind, wie sehr der menschliche Geist strauchelt, sobald er die Entwickelung eines Organes, Organtheiles oder Ge - webes nicht durch Beobachtung vollständig verfolgt, sondern ent - weder durch Hypothesen ausschmückt oder die Lücken nach Ana - logien, Inductionen oder gar willkührlichen Principien ergänzt, sobald er das Untaugliche für Taugliches hält oder ausgiebt, und von krankhaften, degenerirten Produkten auf gesunde, die er gar nicht oder wenigstens nicht vollständig kennt, sich Schlüsse er - laubt kurz sobald er Wege einschlägt, welche von denen der wahren und ächten Naturerkenntniſs sich entfernen. Freilich vereinigen sich hier auch eine Reihe der gröſsten Schwierigkeiten und Hindernisse mit einander. Die Beobachtung selbst ist nur schwer mit aller nothwendigen Sicherheit zu machen; noch schwie - riger ist es, die Gegenstände zu erreichen und selbst hierunter ist die bei Weitem gröſste Menge krankhaft verändert. Was man an Abortus gefunden, kann nur dann erst mit Sicherheit benutzt werden, wenn man Leichname genau untersucht hat von Frauen, welche in den ersten Monaten der Schwangerschaft gestorben sind. Sonst wird die Beobachtung unsicher und in Vielem noth - wendiger Weise unrichtig. Da aber der bei Weitem gröſste Theil der bisher bekannten Erfahrungen, welche hierher gehören, von der oben bezeichneten Art sind, so sieht man leicht ein, wie sie bei aller Richtigkeit und Treue der Beobachtung, bei aller Bürg - schaft durch groſse und ausgezeichnete Auctoritäten sowohl, als durch vielfache Bestätigung der verschiedenen Observationen, ihrer Natur nach von untergeordneter Bedeutung seyn, und jenen Er - fahrungen nachstehen müssen, welche aus den Untersuchungen der Leichen Schwangerer entnommen sind. Aber auch bei den Re - lationen dieser finden sich, wie wir bald sehen werden, noch Widersprüche in Menge. Ueberhaupt ist es auf diesem Gebiete der Entwickelungsgeschichte eine Hauptschwierigkeit, die Ueber - sicht des durch die Literatur Gegebenen zu erhalten. Bei44III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.manchen Dingen ist Vollständigkeit zu erreichen, fast durchaus ein Ding der Unmöglichkeit, wenn man nicht etwa ein ganzes, voluminöses Werk über die Literatur eines einzelnen Gegenstan - des zu liefern Lust hätte. Die Wissenschaft aber würde durch eine solche Darstellung im Ganzen wenig gewinnen. Es würde nur ein neuer Beleg dafür seyn, wie sehr für uns das Reich der Möglichkeiten geöffnet ist, sobald das der Wirklichkeiten fehlt. Unsere Absicht kann nur seyn, Alles unter Hauptpunkte zusam - menzufassen und das Unwesentliche und Untergeordnete mehr an - zudeuten, als auszuführen.

In dem Eie der Säugethiere und des Menschen kommen aber drei verschiedene Verhältnisse während der Entwickelungszeit der Frucht in Betracht. Es giebt nämlich, zum Eie gehörende Theile, welche mittelbar oder unmittelbar durch die Thätigkeit des Fruchthälters erzeugt werden, 2) Theile welche dem Eie ei - genthümlich angehören und der Individualität des Embryo nur auf mittelbare Weise dienen und 3) Theile, welche entweder un - mittelbar in den Embryo übergehen und sich mit ihm verbinden, oder deren Formation von ihm ausgeht, sey es nun, daſs er ein abgegrenzter Theil von ihnen ist oder daſs eine Produktion von ihm diese Eitheile constituirt. Nach den genannten Momenten wollen wir die hierher[gehörenden] Objecte nun einzeln durchgehen.

A. Die von dem Fruchthälter ausgeschiedenen Membranen und Flüssigkeiten.

Wir hatten es oben gesehen, wie sich in Folge der Befruch - tung Gestalt und innere Oberfläche des Uterus umändern. Er bleibt[aber] nicht bloſs bei diesen Veränderungen stehen, sondern es bildet sich auch eine membranförmige Ausscheidung vor der Ankunft des Eies in der Höhle der Gebärmutter. Diese Bildung einer Haut, welche man Membrana decidua nennt, ist das Pro - dukt der erhöhten Thätigkeit des Uterus in Folge der geschehe - nen Befruchtung oder irgend einer bestimmten Reizung der Ge - schlechtstheile überhaupt. Sie entsteht nicht bloſs früher, als das Eichen in die Cavität der Gebärmutter gelangt, sondern findet sich in manchen Verhältnissen ohne daſs überhaupt ein Eichen in dem Uterus enthalten ist. a. Bei Unfruchtbarkeit soll nicht selten eine bloſse decidua ohne Ei abgehen (Burdach’s Physiol. II. S. 74.), wie Denman, Evrat und Andere beobachtet haben. 45V. d. Fruchthälter ausgesch. Membranen u. Flüssigk.Doch bedürfen alle Fälle dieser Art der sorgfältigsten Prüfung, ob nicht das überaus kleine Eichen in oder an der decidua ent - halten sey. So war dieses wenigstens bei einer leicht concipiren[-]den Frau, von welcher scheinbar eine bloſse decidua abging, der Fall und wurde erst dann entdeckt, als das Eichen schon durch Oeffnung der decidua zerstört worden war. (Vgl. J. Güntz de conceptione tubaria Lips. 1831. 4. p. 25. 26. ) b. Wir haben es oben gesehen daſs wir noch keinen, mit aller nothwendigen Gewiſsheit constatirten Fall haben, in welchem während einer vollkommen gesunden und normalen Schwangerschaft ein mensch - liches Eichen in den Tuben gefunden worden und besitzen daher keine unter diese Kategorie gehörende anatomische Untersuchung des Uterus. Dagegen kennen wir mehrere Fälle, in welchen bei etwas abnormen, hierher zu rechnenden Produktionen der Fruchthäl - ter anatomirt worden ist. Hierher gehören die Erfahrungen von J. Hunter, Ev. Home und Bauer, Seiler u. A., wo sich eine ge - rinnbare, pulpöse Masse auf der inneren Oberfläche des Uterus vorfand. Auch will Velpeau (Heusinger’s Zeitschrift für die or - ganische Physik Bd. 2. S. 69.) 5 Wochen nach der Empfängniſs ein Eichen, welches halb in der Tube, halb in dem Uterus steckte, gefunden haben, während in der Gebärmutter selbst als eine Am - pulle von der Gröſse eines Eies, die mit röthlicher Flüssigkeit gefüllt war, die decidua beobachtet werden konnte. Bei einer sechs - bis siebenwöchentlichen Schwangerschaft (Embryologie, p. 5.) fand er wesentlich dasselbe. Nur befand sich das Eichen schon in dem Grunde der Gebärmutter und war etwas adhärirt. So erwähnt schon W. Hunter (anatom. Beschreib. des schwang. Ute - rus S. 81.) zweier Fälle, in welchen der Fruchthälter kurz nach der Schwängerung untersucht wurde und wo sich innerhalb des - selben kein Ei, doch aber eine schon vollkommen gebildete deci - dua vorfand. c. In den bei Weitem meisten Fällen von Extrau - terinalschwangerschaften, wo das Ei sich entweder in dem Eier - stocke, den Tuben oder der Bauchhöhle befindet, hat man eine decidua innerhalb der Gebärmutter gesehen. Hierfür zeugen die Beobachtungen der beiden Hunter (Medic. Comment. of Edinb. Vol. 4. p. 429. Anatomie des schwangeren Uterus übers. von Froriep 1802. 8. S. 82.), Böhmer (Obs. anat. var. fasc. I. p. 27. fasc. 2. p. 14.), Romieu, Clarke, Heim, J. Fr. Meckel (Mek - kels pathol. Anat. Bd. 2. Abth. I. 1816. 8. S. 163), C. F. Czihak46III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.(de graviditate extrauterina Heidelberg. 1824. 4. p. 8. et 19), Carus (zur Schwangerschaft und Geburt Abthl. 2. p. 172), Heu - singer (Zeitschr. für die org. Physik Bd. 1. p. 337), Menière (Froriep’s Notiz. No. 312. p. 55), C. W. Stoll (diss. illustrans graviditalis tubariae casum, praeside Emmert. Tubing. 1819. 4. p. 5. 6 ), J. Güntz (de conceptione tubaria Lips. 1831. 4. p. 11. et p. 15. fig. 2. b) u. A. Nach J. Fr. Meckels pathol. Anat. (l. c. S. 163.) soll in der unter Ph. Fr. Meckel’s Aufsicht erschie - nenen Dissertation von Weinknecht, de conceptione extraute - rina. Hal. 1781. 4., auch die Bildung der decidua bei Schwan - gerschaft auſserhalb der Gebärmutter erwähnt werden. Doch finde ich nirgends einen bestimmten Ausspruch, höchstens einige allgemeine und unbestimmte Andeutungen davon in der genann - ten Schrift (p. 5. et 9). Die neuesten Beobachtungen haben aber wiederum die Allgemeinheit dieses Factums zweifelhaft gemacht. So vermiſste sie Lee in dem Uterus einer Frau, welche im neun - ten Monate der Schwangerschaft gestorben war, und Velpeau fand die hinfällige Haut unter drei hierher gehörenden Fällen nur ein Mal (Vgl. Alf. A. M. Velpeau embryologie ou ovologie humaine. Paris. 1833. Fol. p. 9). d. Wenn bei einem zweigehörnten Ute - rus die eine Hälfte concipirt hat, so findet sich auch in der lee - ren Hälfte der Gebärmutter eine Membrana decidua. So sahen es Hunter, J. Fr. Meckel (pathol. Anat. Bd. I. S. 684.), A. Floer - ken (de superfoetatione. 1830. 4. p. 3.) u. A. In dem Falle von Purcell, dessen Meckel (l. c.) schon Erwähnung thut und den Clift und Lee von Neuem untersucht haben, fanden diese letzteren keine Spur der decidua. (Vgl. Velpeau Embryologie p. 9.) Jedoch hat anderseits Lee in neuester Zeit eine Beobach - tung bekannt gemacht, nach welcher in einem Uterus bicornis ein Ei in dem rechten Horne gefunden wurde, in dem linken Horne dagegen sich eine decidua zeigte, welche gegen den Mut - termund blind endigte, an der Einmündung der linken Tube aber eine kleine Oeffnung hatte (S. Medico-chirurg. transact. 1832. Pabst’s mediz. Zeit. 1834. S. 303. 304). Es scheint also aus al - len diesen Beobachtungen wenigstens so viel zu folgen, daſs die Bildung der decidua nicht von dem Eie ausgehe, sondern das Pro - dukt einer eigenthümlichen Thätigkeitsäuſserung der Gebärmutter sey, daſs sie schon existire, wenn das Eichen in den Tuben an - lange und durch dieses dann auf secundäre Weise die Verände -47V. d. Fruchthälter ausgesch. Membranen u. Flüssigk.rungen eingehe, welche wir bald näher zu betrachten Gelegen - heit haben werden.

Alle Angaben, welche wir über die Verhältnisse der Mem - brana decidua besitzen, sind nicht, wie es bei anderen vollständig beobachteten und durch alle Momente verfolgten Naturgegenstän - den der Fall ist, bloſse Relationen von Erfahrungen. Man sieht es fast sämmtlichen Darstellungen an, daſs eine gewisse Theorie, die subjective Annahme eines gewissen Vorgangs auch die besten Naturforscher leitete, weil Alle statt der einzelnen Beobachtung zusammengestellte Entwickelungsvorgänge zu liefern sich bemüh - ten. Wenn es daher auch keinen Punkt in der Geschichte der decidua giebt, über den Alle einig wären, so läſst sich doch bei Vielen wenigstens eine gewisse Parallele zwischen ihren einzel - nen consequenten Behauptungen keinesweges verkennen. Wir wollen es daher versuchen die Hauptpunkte unter gewissen Ru - briken abzuhandeln. Einige bei dieser Methode ebenfalls noth - wendige Wiederholungen muſs die Natur des Gegenstandes selbst entschuldigen.

a. Anwesenheit der decidua.

1. In dem Thierreiche überhaupt.

Nach dem eben Gesagten müssen wir die Idee festhalten, daſs die Membrana decidua ein Sekret der Gebärmutter und kein primärer Theil des Eies sey. Sie kann daher vollständig nur in der Klasse der Säugethiere vorkommen, wo sie, wir Bur - dach (Physiol. II. S. 72. fgg. ) sagt, einen Theil des Genistes ver - tritt. Mertens (Meck. Arch. 1827. 6. 315. ) hat deſshalb gewiſs Un - recht, wenn er sie in dem bebrüteten Hühnereie sucht. Dutro - chet (Meck. Arch. V. S. 570.) vergleicht die hinfällige Haut mit der Schaalenhaut auf eine nicht minder willkührliche, als einsei - tige Weise. Was aber die Berichte über die Existenz der deci - dua in der Klasse der Säugethiere betrifft, so lassen sich die hierüber bekannt gewordenen Ansichten unter folgende Rubriken bringen. a. Einige hatten die als dicke Membran bei dem Men - schen vorkommende, hinfällige Haut kennen gelernt und such - ten eine Hülle von gleicher Qualität in der Klasse der Säu - gethiere, die sie aber hier entweder gar nicht oder nur in den dem Menschen am nächsten stehenden Thieren beobachteten. So schrieb J. Hunter (Bemerkungen über die thierische[Ökonomie]84[48]III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.übersetzt von Scheller 1802. 8. S. 198.) eine decidua nur dem Affen - und Menschengeschlechte zu. Oken (S. s. und Kieser’s Beiträge zur vergleichenden Zoologie Anatomie und Physiologie Bd. I. Hft. I. S. 9.) hatte zuerst in dem Uterus von Schweinen, in welchem Junge enthalten waren, denen nur drei Wochen zur Reife fehlten, eine zarte durchsichtige und farblose Membran gefunden, welche sich nur durch Einblasen erheben lieſs und in einzelnen Stücken zu trennen war. Er glaubte aber mit Recht (p. 10.), daſs dieses durchaus nicht der decidua des Menschen gleich wäre. Durch die Anatomie von Hunde-Embryonen und ihrer Eitheile kam er alsdann zu dem Schlusse (l. c. Hft. 2. p. 2) daſs die innere oder Gefäſshaut des Uterus fehle und an ihrer Stelle eine decidua sich bilde. Späterhin (Ilsis XX. p. 371.) wiederholte er dieselbe Behauptung mit dem Unterschiede, daſs die decidua vera allen Säugethieren zukäme; die reflexa dagegen nur dem Menschen eigenthümlich sey. Auch Samuel (de ovorum mammalium ve - lamentis. Wirceburgi p. 18.) läugnet auf diese Weise ihre Exi - stenz bei den Säugethieren. b. Andere gingen von der Idee aus, daſs ein gallertartiger, mehr oder minder fester Stoff, welcher sich zwischen der inneren Oberfläche des Uterus und dem Chorion in der Klasse der Säugethiere findet, der Membrana decidua entspräche und daſs auf diese Weise die hinfällige Haut allen Säugethieren allgemein zukomme. So hat schon Needham (disquisitio anato - mica de formato foetu. Lond. 1667. 8. p. 177.) aus dem Schweine eine Masse eigenthümlicher Art beschrieben, welche von Einigen als decidua gedeutet wird. Eben so berichtet von ihr aus den Säugethieren in’s Besondere aber aus der Kuh mit mehr oder minder Ausführlichkeit Stalpart van der Wiel (S. Lob - stein über die Ernährung des Fötus übers. von Kestner. Halle 1804. 8. S. 14.). Wenn die äuſsere Haut, von welcher Haller (Elem. physiol. VIII. p. 185) spricht und für die er den angeblich alten Namen Chorion beibehält, die decidua in der That ist, welches sich wenigstens nicht mit Evidenz erweisen läſst, so findet sie sich nach seinem Zeugnisse bei allen Säugethieren, selbst denen, wel - che keine höher gebildete Placenta haben, wie z. B. dem Schweine. Lobstein (l. c. S. 14.) hat sie bei der Kuh und dem Schaafe als eine weiche, breiartige Masse gefunden und ihre Gefäſse (S. 15.) durch Injectionen dargestellt. Bojanus spricht einerseits bei der Beschreibung sehr zarter Hundeembryonen gar nicht von der de -cidua,49V. d. Fruchthälter ausgeseh. Membranen u. Flüssigk.cidua, sondern nur von zwei Lamellen des Chorion, anderseits erwähnt er der hinfälligen Haut, als einer rothen, zottigen und schwammigten Membran (Nov. Acta. Acad. Leopold. Carol. N. C. Vol. X. p. 141.). Nach Dutrochets Untersuchungen (Meck. Arch. V. S. 565.) ist sie bei dem Schaafe eine gefäſslose Haut, welche durch Maceration in Schuppen abfällt. In einer Menge anderer Säugethiere haben sie Emmert (Meck. Arch. IV. S. 185.), Breschet (Mém. de l’ácad. roy. de medecine. Vol. II. p. 36. III. u. a. v. a. O.), Velpeau (Embryologie p. 8.) u. A. gesehen. Der Letztere spricht sich dahin mit Bestimmtheit aus, daſs die Ca - duca reflexa nur dem Menschen zukomme. c. Endlich gehen Einige in ihren Untersuchungen von den Thieren aus und erlau - ben sich von diesen Schlüsse über die Verhältnisse der decidua bei dem Menschen. So hatten wir schon oben gesehen, daſs Oken auf diese Weise verfuhr. Jörg (die Zeugung S. 18. fgg. und Meissner anidmadvers. nonnullae ad doctrinam de se - cundinis et superfoetatione. Lips. 1819. 4. p. 2. fgg. ) sah die gefäſsreiche innere Oberfläche des Fruchthälters für die decidua bei den Thieren an, hält sie daher zum Theil consequent mit der pla - centa materna für identisch und läugnet die Anwesenheit einer decidua reflexa in dem Menschen. v. Bär (Untersuchungen über die Gefäſsverbindung zwischen Mutter und Frucht. Leipz. 1828. Fol. p. 24.) spricht sich, nachdem er die Veränderungen der inneren Oberfläche der Gebärmutter beschrieben, geradezu für Okens Ansicht aus, daſs decidua und Schleimhaut der Gebär - mutter eines und dasselbe seyen. Endlich ist hier noch die auf Irrthümern beruhende, abentheuerliche Ansicht von Coste (Revue medic. Février. 1834. p. 285.) zu erwähnen. Nach ihm ist die sogenannte Caduca eine Art von Eiweiſs, ähnlich dem der - gel. Es existirt noch nicht in dem Uterus bei der Ankunft des Eies und bildet später um dasselbe eine homogene Masse, welche aus mehreren Lagen besteht. Nur an der Stelle des Embryo (tache embryonaire) ist es dünn und durchsichtig. Offenbar wird hier nur das schon längst durch Cuvier und Bär gekannte Eiweiſs des Säugethiereies beschrieben. Wir selbst glauben nach unseren Beobachtungen folgendes hierüber festsetzen zu können. Da ohne Zweifel die decidua ein Product der Thätigkeit der Gebärmutter und nicht des Eies ist, so läſst es sich schon im Voraus erwar - ten, daſs nur bei denjenigen Thieren diese Haut den hohen Grad450III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.ihrer Bildung erreichen werde, in welchen der Uterus eine - here, selbstständigere Form erlangt hat. Daher sehen wir sie so sehr in Form einer bestimmten und dichten Membran in dem Menschen und nächst diesem nach Hunters Erfahrung auch in dem Affen ausgebildet. Bei den übrigen, bis jetzt hierauf untersuchten Säugethieren, wo der Uterus oder die Stelle, in welcher das Ei sich entwickelt, in seiner Ausbildung zwischen Tuben und Gebär - mutterkörper die Mitte hält, kann die decidua nicht jenen hohen Grad von Bildung erreichen, den sie in dem Menschen und dem Affen hat. Allein hier kommt noch ein anderes für diese Mem - bran ungünstiges Verhältniſs hinzu. Bei dem Schweine nämlich, welches, wie von Bär schon erwiesen, eine über das ganze Ei sich ausdehnende Placenta hat, muſs die decidua um so unkennt - licher werden, je mehr die Zotten des Chorion sich zwischen die Zottenfalten der inneren Oberfläche des Uterus hineinbilden. Aber auch abgesehen davon, daſs man hier nur in frühester Zeit der Entwickelung ein schleimiges, keinesweges membranöses Wesen sieht, welches mit einigem Grunde für die decidua ausgegeben werden könnte, ist es selbst in frühester Zeit kurz nach dem Platzen der Eichen noch überaus gering. Wenigstens fand ich in einem frisch untersuchten Falle seine Quantität sehr unbedeu - tend. Anders ist es in dieser Rücksicht schon in der Klasse der Wiederkäuer. Vor der Bildung der Kotyledonen ist hier eine gallertartige Schicht zu beobachten, welche das ganze Ei zu über - ziehen scheint. Späterhin findet sich eine ähnliche gelatinöse Masse in den einzelnen Kotyledonen zwischen Mutter und Frucht - antheil, welche Harvey schon kannte und die mit der decidua des Menschen vielleicht auf entfernte Weise in Vergleich gebracht werden könnte. Ueber das Ei der Raubthiere fehlen mir in die - ser Beziehung eigene Beobachtungen in hinreichender Menge

2. In dem Menschen ins Besondere.
α. Ihre Existenz überhaupt.

Man hat mit vielem Aufwande von Gelehrsamkeit und Scharf - sinn zu ermitteln gesucht, welcher Naturforscher zuerst die hin - fällige Haut gesehen habe. Unter denjenigen, welche dieses zu enthüllen sich bemüheten, sind vor Allen Lobstein (l. c. S. 10. 11. ) und in neuester Zeit Velpeau (Embryologie p. 1. 2. ), vor - züglich aber Breschet (Mem. de l’ácad roy. Vol. II. p. 3 93.) 51V. d. Fruchthälter ausgesch. Membranen u. Flüssigk.zu nennen. So sehr dieses Bestreben auch zur Begründung un - serer literarischen Kenntnisse beitragen kann, so stehen ihm doch zwei Hindernisse entgegen, welche den Werth solcher Bemühun - gen um nicht Weniges beeinträchtigen. Denn erstlich liegt es in der Natur der Sache, daſs Dinge, wie die decidua, sehr leicht gesehen werden, besonders da sie nicht selten theilweise oder ganz an den durch Abortus entfernten Eiern haftet, ja, z. B. nach Bischoff (Beiträge zur Lehre von den Eihüllen des mensch - lichen Fötus. 1834. 8. S. 21.) selbst an dem ausgetragenen Eie nie fehlt. Es handelt sich daher hier nicht darum, wer sie über - haupt gesehen, sondern die Hauptfrage bleibt vielmehr die, wer sie zuerst vollständig und richtig gesehen, in allen ihren Verhält - nissen beobachtet und erkannt habe. Zweitens muſs man beden - ken, daſs alle älteren Beschreibungen von Eihäuten in gewissem Grade für uns unverständlich, wenigstens nicht ganz sicher zu deuten sind, da zu jener Zeit Mancher gerade die Genauigkeit in der Anatomie darin zu finden glaubte, ein Organ oder einen Or - gantheil[in recht] viele Membranen, und seyen diese noch so sehr er - künstelt, zu zerfällen. Auch wechseln die Ausdrücke auf die freieste Weise, so daſs schon zu der Zeit des Erscheinens der älteren Werke der Undeutlichkeiten genug existirten. Einen Beleg zu dem Ge - sagten kann uns die Angabe des ersten Entdeckers der decidua geben. Nach Lobstein (l. c. p. 10.) und Breschet (l. c. p. 4.) soll Aretäus von Cappadocien zuerst die decidua erwähnen, wäh - rend er nach Velpeau (Embryologie p. 1.) keinen Begriff davon hatte. Das Wahre ist aber hier dieses, daſs der genannte Schrift - steller nur von zwei Membranen spricht, von denen die eine in - niger an dem Uterus hafte, die andere mehr zu dem Eie selbst gehöre. Nur um der Vollständigkeit zu gnügen, fügen wir Eini - ges über die ältesten Schriftsteller nach Breschets Angaben (l. c. p. 3. 93. ) hinzu, bemerken aber ausdrücklich, daſs meistens hier nur von Wahrscheinlichkeit, nicht aber von Gewiſsheit die Rede seyn kann. Nach Breschet kannte Aretaeus Cappadox zuerst die de - cidua. Arantius dagegen spricht nur von einer nicht einfachen Substanz. Fabrizius ab Aquapendente unterscheidet zwei Lagen, nämlich eine schwärzliche, dem Leber - oder Milzparenchym ähn - liche und eine andere, weiſse und schleimige. Fallopius war die decidua bekannt; nicht aber Vesal und Spigel. Dagegen kannte sie Harvey, während Ruysch nur das Chorion beschreibt. Hobo -4*52III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.ken nennt Chorion, Amnion und Allantois und deutet[vielleicht] nur an einer Stelle auf die decidua hin. Rouhault kannte sie wahrscheinlich von dem Menschen. Eben so Haller und Stalpart van der Wiel, welcher Letztere sie für eine Fortsetzung des Cho - rion ausgiebt. Albinus hat nur undeutliche Begriffe von ihr und bei Böhmer kommt sie unter dem Namen substantia Fibro-spon - giosa vor (Breschet l. c. p. 3 14.). Aus unserer Lecture dage - gen glauben wir entnehmen zu können, daſs Ruysch und Albinus die Haut wenigstens theilweise gekannt haben. W. Hunter hat unstreitig das groſse Verdienst, ihre Existenz als gesondertes Ge - bilde nicht nur ausgesprochen, sondern auch zuerst mit Sicherheit dargethan zu haben, daſs die hinfällige Haut aus zwei in einan - der gesackten Membranen bestehe, von denen er die äuſsere wahre hinfällige Haut, Membrana decidua vera, die innere umgeschla - gene, hinfällige Haut, Membrana decidua reflexa, nannte. (Ana - tomie des schwangeren Uterus übers. von Froriep. S. 78.). Durch diese Arbeit auf diese Membran gelenkt, bestätigten fast alle Ana - tomen die Angaben des englischen Naturforschers. Nur Jörg (l. c. S. 21.), Samuel (l. c. p. 61.), Maygrier (bei Breschet l. c. p. 63.) u. A., so wie Seiler nach einer früheren Darstellung (Pie - rers anatomisch-physiologisches Realwörterbuch Bd. II. Leipz. 1818. S. 459.) läugneten die Reflexa. Maygrier (bei Breschet l. c. p. 63.) hielt die von Hunter beschriebene decidua für die äu - ſserste Lamelle des Chorion, eine Ansicht, welche vor W. Hun - ters Darstellung in der Hallerschen Schule besonders verbreitet war und die in neuester Zeit bei Granville (Froriep jun. in Cas - per’s Wochenschrift 1834. S. 373.) wiederkehrt. Osiander da - gegen unterschied zwischen der Membrana decidua vera oder seiner Membrana mucosa und Membrana decidua reflexa oder seiner Membrana crassa noch ein drittes Blatt als so - genannte Membrana cribrosa. Endlich hat Dutrochet (s. Velpeau Embryologie p. 2.) die Anwesenheit der decidua gänz - lich geläugnet, während Chaussier unter seinem epichorion ca - duca vera und reflexa begreift (bei Breschet p 40.). Durch Bojanus (Isis 18. 21. S. 268.) wurde, wie später genauer noch dargestellt werden soll, die Annahme eines dritten eigenen Blattes, welches Manche vor ihm schon geahndet hatten, wahrscheinlich ge - macht und für dasselbe der Namen decidua serotina vorgeschla - gen. Dieser Name wurde von den meisten späteren auch ange -53V. d. Fruchthälter ausgesch. Membranen u. Flüssigk.nommen so wie die Existenz einer solchen Lamelle zum Theil bestätigt.

β. Ihre Existenz in den verschiedenen Monaten der Schwangerschaft.

W. Hunter (l. c. p. S. 75.) sprach sich für ihre Existenz während der ganzen Schwangerschaft aus und gab die Methode an, durch welche man sich von ihr an der Nachgeburt überzeu - gen könne. Dasselbe bestätigten Metzger (bei Danz Grundriſs der Zergliederungskunde des ungeborenen Kindes I. 1792. 8. S. 22.), Lobstein (l. c. S. 8.) Velpeau (Embryologie p. 6.), Bischoff (l. c. p. 21.) und noch viele Andere. R. Wagner (Meckels Arch. 1830. S. 88.) beschrieb die decidua noch aus dem Fruchthälter einer Frau, welche in dem siebenten Schwangerschaftsmonate verstor - ben war. Eben so fand er sie in einem Uterus aus dem dritten Monate der Schwangerschaft (S. 85.) in einem sehr hohen Grade von Ausbildung. Nach Moreau (bei Breschet p. 33.) ist die de - cidua um so mehr entwickelt, je näher die Frucht dem dritten Monate sich befindet. Nach Meckel (Menschliche Anatomie IV. S. 699.) ist sie in den früheren Schwangerschaftsperioden locke - rer mit der Gebärmutter verbunden, als später. Auch wird sie mit der Zeit dünner und auf ihrer Innenfläche glätter. Das Letz - tere ergiebt sich auch aus den Erfahrungen von Hunter, Lobstein, Moreau, Burdach, Breschet, Velpeau u. A.

b. Aeuſsere und innere Conformation der decidua vera und reflexa.

Da die wahre hinfällige Haut ein Product der Schleimhaut des Uterus oder gar wie Einige, jedoch mit Unrecht, glauben, ein Theil dieser Schleimhaut selbst ist, so wird sie natürlich in ihrer äuſseren Gestaltung auch die Form der inneren Cavität des Uterus nachahmen. Es kommen aber zwei Fragen, welche von den Schriftstellern auf das Verschiedenste beantwortet worden sind, hierbei in Betracht, nämlich 1. Wie verhält sich die äuſsere Be - grenzung der decidua vera an drei Mündungen des Uterus, d. h. an den Einmündungen der Trompeten und dem Gebärmutter - munde?[und] 2. Ist die decidua vera ein überall geschlossner Sack oder nicht? Die Antworten, welche doch bloſse Resultate einfacher Untersuchungen seyn sollen, fallen hier nach den verschie -54III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.denen Schriftstellern so verschieden aus, daſs sich Facta nur mit einigem Grade von Wahrscheinlichkeit annehmen, nicht mit Ge - wiſsheit bestimmen lassen. Nach W. Hunter (anatomische Be - schreibung des schwangeren Uterus S. 73.) ist der Theil der de - cidua, welcher sich in der Nähe des Gebärmutterhalses befindet, sehr dünn und mit wenigen sichtbaren Gefäſsen versehen. Gegen die placenta zu wird sie dicker und trennt sich in zwei Lamel - len, welche beide Flächen des mütterlichen Antheiles der Pla - centa überziehen. An jungen Eiern von einigen Wochen (S. 77.) erstreckt sich die wahre decidua bis zu dem Anfange des Gebär - mutterhalses und eine kleine Strecke in den Anfang der fallopi - schen Röhren hinein. Nach Lobstein aber (l. c. S. 5.) sitzt sie im fünften Monate der Schwangerschaft fester an der inneren Mündung des Halses der Gebärmutter an. Nach Sandifort dage - gen soll die decidua an den Mündungen der Trompeten und dem Muttermunde fehlen. (Bei Breschet p. 22.), worin Krummacher (Diss. sist. observ. quasdam anat. circa velamenta ovi hu - mani. Duisb. 1790. bei Breschet p. 24.) mit ihm übereinkommt. Nach Meckel (menschliche Anatomie IV. S. 701.) reicht sie nie bis über den inneren Muttermund. Der Hals der Gebärmutter aber wird durch einen gallertartigen Pfropfen verschlossen. Sie soll sich nach J. Hunters Angabe besonders in die Trompete der Seite fortsetzen, in deren Eierstock der gelbe Körper sich finde, während Tiedemann (Anatomie der kopflosen Miſsgeburten 1814. Fol. p. IV. ) die Fortsätze in die Tuben überhaupt bestätigt. Ca - rus (Zur Schwangerschaft und Geburt 2. Bdchen S. 6.) glaubt, daſs sie in den Muttermund und die fallopischen Röhren eindringe, während sie nach Burdach (Physiol. II. S. 73.) an den Tuben oder in den Hals des Uterus sich eine kleine Strecke fortsetzt, an der letzteren Stelle aber überhaupt dünner, lockerer und mit weniger Gefäſsen versehen ist. Auch Adelon nimmt (Phyolsiogie de l’homme. Vol. IV. Paris. 1824. 8. p. 136.), wie er angiebt, nach den bestätigenden Erfahrungen von Krummacher und Du - trochet diese Fortsätze an. Das von Heusinger (Zeitschr. für org. Physik II. S. 514.) untersuchte Ei zeigte die Fortsätze in die Tuben, wie sie Carus (l. c. tab. I. Fig. II. ) abgebildet hatte; am Gebärmutterhalse aber fand sich hier sowohl, als auch in anderen Fällen die Substanz der hinfälligen Haut zwar zarter und wei - cher, doch ohne Spur von wahren Oeffnungen. R. Wagner (Meck. 55V. d. Fruchthälter ausgesch. Membranen u. Flüssigk.Arch. S. 86.) sah in einer dreimonatlichen Schwangerschaft an der inneren Fläche der decidua kleine Grübchen von einigen kreisförmigen Fältchen umgeben, welche Grübchen den Mündungs - stellen der Trompeten entsprachen. Einige Linien von dem Mut - termunde dagegen entsprang jederseits ein länglich runder Lappen, welche zusammen den Eingang des Muttermundes verschlossen. Die decidua war hier dicht an die innere Fläche der Gebärmutter geheftet und ihre Oeffnung nur durch diese Lappen verstopft. In einem Fruchthälter aus dem siebenten Monate fand er (S. 89.) an der Mündungsstelle des linken Eileiters eine ähnliche Grube, wie in dem vorigen Falle; an der Muttermundsöffnung dagegen war die hinfällige Haut entschieden offen. In den Abbildungen des von Joh. Müller und Bock (de membrana decidua Hunteri. Bonnae 1831. 4. Fig. I III. ) untersuchten Eies kann man die in den Gebärmutterhals gehende Verlängerung der decidua deut - lich erkennen. Von Fortsätzen in die Tuben ist jedoch keine Spur[angedeutet]. Seiler (die Gebärmutter und das Ei des Men - schen in den ersten Schwangerschaftsmonaten. Dresden. 1832. Fol. p. 30.) glaubt, seiner unten noch näher zu erörternden Theorie consequent, daſs die Mündungen der Trompeten und des Gebär - mutterhalses frei seyen, daſs sich nur in dem oberen Theile des Collum uteri ein gallertartiges Gerinsel finde. Nach der Bildung der decidua reflexa und der ferneren[Ausbildung] der decidua vera werde diese freie Communication aufgehoben. Nach Bre - schet (Mém. de l’ácad. roy. de Medec. Vol. II. p. 97.) finden sich zwar die Verlängerungen in die Tuben, sie sind aber keine bloſse Fortsätze der decidua, und eben so wenig (wogegen sich schon Burdach (Physiol. II. S. 73.) ausgesprochen), wie Dutrochet glaubte, ein Analogon der Chalazen, sondern sie sind vielmehr im - mer solid. Nach dem Munde der Gebärmutter aber (p. 98.) geht kein solcher Fortsatz, sondern jener wird durch einen eigenen Gallert - pfropf geschlossen. Wahrscheinlich dienen alle diese Anhänge zur Fixirung der decidua. Velpeau (Heusinger’s Zeitschrift. II. S. 68.) giebt an, daſs die decidua zuweilen Fortsätze in den Gebär - mutterhals und die Trompeten schicke. Wir selbst haben alle drei Fortsätze in dem fünften Monate deutlich gesehen. An den Tuben waren es längliche, gracile gallertartige Massen ohne Höh - lung, die aber so dicht an der decidua hingen, daſs sie bei dem Abziehen derselben leicht aus der Höhlung der Trompeten her -56III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.ausgezogen werden konnten und in ihrem Zusammenhange mit der decidua vera blieben. In dem Halse der Gebärmutter fand sich ein einfacher, dicker, gallertartiger Pfropf, welcher ohne allen innigen Zusammenhang mit der decidua vera war und bei der Trennung dieser an seiner Stelle sitzen blieb. Diesem schreibt R. Wagner (Isis 1832. S. 785.) eine eigenthümliche Organisa - tion zu. Eine zweite, bei Weitem wichtigere Frage ist die, ob die decidua immer oder nur zu einer bestimmten Zeit Oeff - nungen habe oder einen von allen Seiten geschlossenen Sack bilde. Die Antworten der Schriftsteller fallen hier so verschie - den aus, daſs selbst Einige, wie R. Wagner, zu dem Resultate zu gelangen glaubten, daſs die Natur hier in verschiedenen Fällen ver - schiedene mögliche Verhältnisse wirklich realisirt habe. Nach Bock (l. c. p. 10.) findet sich in den Abbildungen und Darstel - lungen von Blancard, Heister, Madai, D. Chr. Burdach keine Spur eines Loches. So wahr dieses auch ist, so muſs man doch an - derseits bedenken, daſs die meisten dieser Abbildungen noch ziem - lich roh und unvollkommen sind, daſs sie gröſstentheils durch Abortus entfernte Eier betreffen, bei denen die Entscheidung bei Weitem schwieriger und unsicherer ist, als bei der Untersuchung des ganzen Fruchthälters, daſs man endlich nur zu leicht Punkte, auf die man noch nicht aufmerksam geworden, übersieht. W. Hunter (anatomische Beschreibung des schwangeren Uterus. S. 77.) beschreibt im Allgemeinen die kleinen Oeffnungen der in die Tu - ben sich hineinerstreckenden Fortsätze und fand in einem schwan - geren Uterus von zwei Wochen (?) die decidua im Anfange des Gebärmutterhalses so fein, wie die Retina, aber ohne Löcher. In späteren Perioden der Schwangerschaft scheint sich jedoch die decidua vera zu trennen und so hier eine wahre Oeffnung zu haben. Auſserdem stellt er (anatomia uteri gravidi tab. XXXIV. ) alle drei Oeffnungen aus mehreren Eiern dar. J. Hun - ter soll nach Meckels Angabe (menschliche Anatomie IV. S. 701.) dieses Factum dahin berichtigt haben, daſs man sie schon im er - sten Monate verschlossen finde. Nach Breschets Bericht (l. c. p. 17.) ist nach J. Hunter die decidua an der hinteren Fläche der Gebärmutter gegen die Tuben hin dichter und hängt hier auch fester an. Nach Sandifort (Obs. anat. pathol. L. B. 1777. lib. 2. cap. 1. p. 5. bei Breschet p. 22.) fehlt die decidua vera an den Trompetenmündungen und an dem Muttermunde. Krumma -57V. d. Fruchthälter ausgesch. Membranen u. Flüssigk.cher (l. c. bei Breschet p. 24.) und Burns (Hunter’s anat. Be - schreib. d. Uterus S. 80. 81. ) stimmten in ihrer Annahme und Beschreibung der Oeffnungen mit W. Hunter überein. Blumen - bach (institutiones physiologicae ed. II. 1798. 8. p. 438.) läſst die Membrana decidua vera s. crassa an den drei Mündungs - stellen durchbohrt seyn und deutet in seiner Abbildung (tab. IV. Fig. I.) die eine Oeffnung an der Mündungsstelle der Trompete an. Nach A. C. Reuſs (obs. circa structuram vasorum in placenta humana. Tubing. 1784. p. 53. bei Danz l. c. I. S. 21.) soll die ganze decidua vera zuweilen unbeschädigt bei der Geburt ab - gehen, die drei Oeffnungen zeigen und sich hierdurch von der reflexa unterscheiden. Lobstein (über die Ernährung des Fötus übers. von Kestner S. 6.) hat die drei Oeffnungen der hinfälligen Haut nie gefunden, giebt jedoch zu, daſs sie in der ersten Zeit der Schwangerschaft existiren können. An der inneren Mündung des Halses der Gebärmutter sitzt die decidua aber so fest, daſs sie nur mit Zerreiſsung von ihm losgetrennt werden kann. Gardieu läugnet die drei Löcher der decidua gänzlich. Eben so wenig konnte Tiedemann (l. c. p. IV. ) die Oeffnungen an den Tuben finden, bestätigte aber die Oeffnung an dem Muttermunde. Mo - reau (essai sur la disposition de la membrane caduque, sa formation et ses usages par F. S. Moreau. Paris 1814. p. 12. Bei Burdach Physiol. S. 73. bei Breschet l. c. p. 32.), Samuel (l. c. p. 16.), Rosenmüller (s. Bock. l. c. p. 11. 12. ) konnten alle drei Oeffnungen gar nicht sehen. Meckel (menschliche Anatomie IV. S. 701.) glaubt, ganz, wie es scheint, durch fremde Erfahrun - gen geleitet, daſs nach dem ersten Monate die Mündung an dem Halse der Gebärmutter, nach dem zweiten dagegen auch die an den Tuben schwinde. Bojanus (Isis 1821. S. 268.) spricht von den Oeffnungen an den Trompetenmündungen als etwas Bekann - tem und Constatirtem, wiewohl er sie in seiner schematischen Abbildung nicht dargestellt hat. Nach Carus (l. c. II. S. 6.) ist die decidua nach dem Muttermunde hin offen und würde es auch an den beiden Trompeten ebenfalls seyn, wenn sie nicht bei dem Eindringen in die Tuben zusammengedrückt würde. Pockels (Isis 1825. tab. XIII. Fig. 2.) bildet, dem Halse der Gebärmutter ent - sprechend, eine groſse und an den Tuben zwei kleine Oeffnungen ab. Gegen die Existenz von Oeffnungen erklärt sich Adelon (physiologie de l’homme IV. p. 136.) und erkennt gar keine58III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.Oeffnung an, während nach Heusinger (Zeitschrift für die organ. Physik II. S. 514.) an den Mündungen der Tuben[durchaus] keine existirt, die decidua dagegen an dem Gebärmutterhalse immer zarter wird, so daſs sie hier äuſserst leicht zerreiſst. Nach unten aber befindet sich (dslb. Zeitschr. Bd. 1. S. 465.) ein gallertarti - ger Pfropf, welcher die Mündung der Gebärmutter schlieſst. Burdach (Physiol. II. S. 73.) sah deutlich, wie die Mündungen der Tuben von der decidua verschlossen wurden; in der Nähe des Muttermundes dagegen ist sie nur dünner, lockerer und weniger gefäſsreich. R. Wag - ner, welcher der irrthümlichen Ansicht ist, daſs John Hunter die Oeff - nungen der decidua genau beschrieben habe (Meck. Arch. 1830. S. 76.), folgert aus der Reihe der ihm bekannten Beobachtungen (S. 100.), daſs die hinfällige Haut entweder eine überall geschlossene Blase darstelle oder daſs sie nach unten und an einer oder an allen bei - den Trompetenmündungen offen sey. Daſs Seiler in Consequenz seiner Ansicht der decidua überhaupt drei Oeffnungen annimmt, welche später geschlossen werden, haben wir oben schon ange - führt. Velpeau (Heusinger’s Zeitschrift II. S. 69.) hielt in einem früheren Berichte die Oeffnungen für zufällig, läugnet sie dagegen in seinem neuesten Werke (Embryologie p. 3.) in dem normalen und natürlichen Zustande gänzlich. Die Verlängerungen, welche nach Breschet (l. c. p. 98.) sich nur in die Tuben (bisweilen so - gar nur in eine, was jedoch wahrscheinlich nur zufällig ist) er - strecken, sind hier stets geschlossen. Der Muttermund wird durch den Gallertpfropf noch besonders verschlossen.

Fassen wir nun kürzlich die vielfach abweichenden Angaben der Schriftsteller über die Oeffnungen der decidua zusammen, so erhalten wir folgende Rubriken:

1. Diejenigen, denen decidua nichts ist, als die aufgelockerte Schleimhaut der Gebärmutter, müssen natürlich ursprünglich drei Oeffnungen annehmen. Hierher gehören besonders Oken, Bär, Raspail, Seiler u. A.

2. Die drei Mündungen lassen sich durch Beobachtung nach - weisen. W. Hunter, Burns, Sandifort, Krummacher, Blumenbach, Reuſs, Bojanus, Pockels.

3. Die drei Mündungen existiren; sie haben jedoch nur eine temporäre Existenz. John Hunter, Lobstein (nach seiner Ver - muthung), Meckel (nach literarischen Angaben). Seiler u. A.

59V. d. Fruchthälter ausgesch. Membranen u. Flüssigk.

4. Es existirt nur eine Mündung an dem Muttermunde; an den Tuben dagegen fehlt jede Oeffnung. Tiedemann, Carus.

5. Es findet sich in dem unverletzten Zustande gar keine Oeffnung. An der dem Mutterhalse entsprechenden Stelle aber ist die decidua überaus dünn, so daſs sie ohne Zerreiſsung nicht getrennt werden kann. Heusinger, Burdach.

6. Alle drei Löcher wurden nicht gefunden. Lobstein (nach seinen Beobachtungen),[Gardieu], Moreau, Samuel, Rosenmüller, Adelon, Breschet, Velpeau.

7. Man kann alle möglichen Modificationen annehmen, da die Verhältnisse variiren. R. Wagner.

W. Hunter hat nicht bloſs das Verdienst, die Aufmerksam - keit der Naturforscher auf die bisweilen auch nach ihm genannte, hinfällige Haut gelenkt, sondern auch die fixe Unterscheidung zwischen den beiden Theilen, der caduca vera und reflexa auf - gestellt zu haben (anatomische Beschreibung des schwangeren Uterus. S. 78.). Nach ihm haben die meisten Anatomen und Phy - siologen diese beiden Lagen anerkannt. Osiander unterschied zwischen ihnen noch eine dritte unter dem Namen der Membrana cribrosa, während Jörg, Samuel, Seiler (nach einer früheren Dar - stellung) u. A. die reflexa gänzlich läugnen, E. v. Siebold, Chaussier u. A. decidua vera und reflexa nicht hinlänglich von einander unterscheiden. Endlich muſs derjenige Theil der Natur - forscher, welcher der bald zu erörternden Einstülpungstheorie huldigt, noch eine dritte Membran, die sogenannte decidua se - rotina annehmen, von der weiter unten noch ausführlicher ge - handelt werden soll.

Innerhalb der decidua oder späterhin zwischen decidua vera und decidua reflexa ist eine Höhle befindlich, welche im Verlaufe der Schwangerschaft immer kleiner wird, indem sie[end - lich] dadurch schwindet, daſs die beiden deciduae sich dicht an einander legen oder mit einander verwachsen. Dadurch, daſs W. Hunter (anat. Beschreib. des schwang. Uterus S. 79.) die allmäh - lige Verwachsung der beiden deciduae angiebt, setzt er natürlich die Existenz einer in frühester Zeit zwischen beiden sich finden - den Höhlung voraus. Burns (s. Heusingers Zeitschrift II. S. 515.) beschrieb nach ihm bestimmt diese Höhle, so wie überhaupt jeder von selbst darauf kommen muſste, welcher sich auf eine genaue und gründliche Weise das Verhältniſs zwischen caduca vera60III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.und reflexa vorstellte, wie Bojanus, Meckel u. A. Eben so lieſse sich schon im Voraus erwarten, daſs eine Flüssigkeit innerhalb dieser Höhlung enthalten sey, da eine solche sich immer da zeigt, wo zwei Membranen sich in mehr oder minder innigem Con - tact befinden, ohne mit einander zu verwachsen. So gehören vielleicht die von Lobstein wahrgenommenen Filamente (l. c. p. 8.) und Osianders Membrana cribrosa hierher. Das Verdienst der näheren Beobachtung und Beschreibung dieser Flüssigkeit aber eigenet sich Breschet zu. Er belegt sie mit einem eigenen Namen,[nämlich] dem der hydroperione. Sie ist nach ihm in der ersten Zeit klar, farblos, schleimigt oder etwas eiweiſsartig, später dagegen etwas milchigt. Bisweilen ist sie einer schwachen Emulsion ähn - lich, mit etwas Schleim verbunden und von einer schwach rosen - rothen Farbe. Heusinger (Zeitsch. für org. Physik II. S. 515.) fand in der Höhlung zwischen den beiden hinfälligen Häuten statt einer lymphatischen Feuchtigkeit Blut. Nach Velpeau (Embryo - logie p. 4.) dagegen ist die Flüssigkeit klar, in der Regel röth - lich und dem Eiweiſse nicht unähnlich.

c. Gewebe der hinfälligen Häute.

Auch hierüber finden sich in den Angaben der Anatomen fast alle, nur irgend möglichen Widersprüche. Nach W. Hunter (l. c. S. 73.) selbst ist sie zwar dicker und[durchsichtiger], als die anderen Eihäute, sie hat aber ein bei Weitem zarteres Ge - webe und ist mit vielen Gefäſsen versehen. Die äuſsere Fläche der decidua zeigt viele Flocken, ihre innere dagegen ist glatt. Dadurch aber, daſs die Flocken im Laufe der Entwickelung schwin - den, wird später der Unterschied zwischen äuſserer und innerer Fläche der hinfälligen Haut minder scharf marquirt. Die deci - dua reflexa (S. 79.) ist überaus dünn und zart, ja sie wird wäh - rend des Verfolges der Schwangerschaft immer zarter. An ihrem Verbindungswinkel mit der decidua vera finden sich in ihr sehr viele, kleine Löcher. Diese von ihm zuerst gegebene Structur - lehre ist genauer und brauchbarer, als die seiner Vorgänger, wel - che gröſstentheils entartete und durch Abortus entfernte Eier vor sich hatten. Mayer und Danz (l. c. I. S. 20) beschreiben die caduca vera als ein dicke, schleimigte Haut, welche von locke - rem Gefüge und mit vielen Gefäſsen versehen ist; die reflexa dagegen (S. 27.) ist nach ihnen eine dunkelweiſse, zellenförmige,61V. d. Fruchthälter ausgesch. Membranen u. Flüssigk.fein durchlöcherte, zum Theil durchsichtige Haut, welche nach Metzger aus den allerfeinsten Gefäſsen besteht. Nach Lobstein (l. c. S. 4.) ist sie um so dicker, je jünger das Ei, und gleicht dann geronnenem Blute, das mehrere Male gewaschen eine Ent - zündungshaut von gelblicher Farbe darstellt. So erscheint sie zu Anfange des zweiten Monates der Schwangerschaft. Späterhin zeigt sich eine um einen Punkt versammelte Menge Flocken auf der mütterlichen Seite, um den Mutterkuchen zu bilden. An den übrigen Stellen finden sich nur kleine, von Gefäſsen herrührende Unebenheiten. Mit bloſsem Auge betrachtet scheint die caduca von vielen, schief durch ihre Substanz hindurchgehenden Löchern durchbohrt zu seyn; unter Vergröſserung sieht man eine Menge paralleler Erhöhungen, welche Vertiefungen verschiedener Gröſse zwischen sich lassen. Die mütterliche Seite ist viel höckeriger, als die kindliche. Die Gefäſse der hinfälligen Haut (S. 12.) lassen sich sehr leicht in dem ganz frischen Zustande beobachten u. sind Fortsetzungen der Gebärmuttergefäſse. Nach Moreau (bei Brechet p. 33.) zeigt die hinfällige Haut, gegen das Licht gehalten, viele schief durch ihre Substanz hindurchgehende Oeffnungen. Nach dem dritten Mo - nate der Schwangerschaft wird sie dünner, nimmt im vierten und fünften Monate ein zelliges, grauliches Ansehen an, wird im sech - sten röthlich und hat sich im siebenten Monate in wahres Zell - gewebe verwandelt. Meckel (Menschliche Anatomie IV. S. 699.) vergleicht sie ihrem Wesen und ihrer gelblichen Farbe nach mit dem geronnenen Faserstoff, Heusinger (Zeitschr. für die org. Phy - sik. II. S. 515.) mit einem homogenen, weichen, leicht zerreiſsli - chen Zellstoff, welcher maschenförmige Oeffnungen zwischen sich läſst. Die Beschreibung von R. Wagner (Meck. Arch. 1830. S. 82.) stimmt mit der von Lobstein überein, so wie Burdach (l. c. S. 73.) den[Vergleich] des Letzteren mit der ausgewaschenen Speckhaut wiederholt. Güntz (l. c. p. 21.) hat die Gefäſse der decidua selbst injicirt und E. H. Weber (Hildebr. Anat. IV. S. 486.) genau beschrieben. Breschet’s Beschreibung (l. c. p. 99.) stimmt mit dem, was Lobstein und Moreau hierüber gesagt haben, überein. Nur bemerkt er noch, daſs die schief durchgehenden Oeffnungen sich in der decidua schon vor der Ankunft des Ei - chens in den Uterus und bei Extrauterinalschwangerschaften fin - den. Velpeau (Embyologie. p. 5.) vertheidigt die früher schon ausgesprochene Ansicht (s. Heusingers Zeitschr. II. S. 70.), daſs62III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.die decidua ohne Organisation sey. Sie ist nicht unorganisch, sondern unorganisirt, wie der Zahnschmelz, der Schleim u. dgl. Sie ist ohne Blutgefäſse, ohne bestimmte Fasern, vielmehr eine einfache Lage eines ausgeschwitzten Stoffes. Endlich hat Bischoff (l. c. S. 23.) die Gefäſse der decidua an der eben aus dem Ute - rus ausgestoſsenen Nachgeburt nicht nur mit Blut gefüllt gesehen, sondern auch mit Quecksilber und anderen Massen injicirt.

d. Verbindung der hinfälligen Häute mit den Nachbar - theilen und unter einander selbst.

Daſs die Membrana decidua vera sich genauer an die Ge - bärmutter, die decidua reflexa sich genauer an das Ei anschlieſse, erhellt aus allen über diese Häute angestellten Untersuchungen. Zwischen beiden aber bleibt ein Zwischenraum, der um so gröſser ist, je jünger das Ei, und welcher durch Breschet’s Hydroperione ausgefüllt wird. Was nun die Adhärenz an die Gebärmutter be - trifft, so schlieſst sich die decidua nach Breschet (l. c. p. 99) genau an die innere Oberfläche des Uterus an. Nach W. Hunter Lobstein, Burdach u. A. ist dieses inniger an dem Halse, nach J. Hunter an dem Grunde der Gebärmutter der Fall. Nach Meckel ist in früherer Zeit die Verbindung weit lockerer, als später. Eben so heftet sich die decidua vera inniger an das Chorion, so daſs nach Velpeau (Embryologie. p. 3) die Entfernung des Eies ohne Zerreiſsung der hierher gehörenden Membranen nur in der vierten bis sechsten Woche möglich ist. Was aber die Ver - wachsung der beiden deciduae mit einander betrifft, so setzt sie Lobstein (l. c. S. 8.) spätestens in den fünften bis sechsten, Mo - reau (bei Breschet l. c. p. 35) in den sechsten und R. Wagner (l. c. S. 96.) in das Ende des zweiten oder den Anfang des drit - ten Monates, Breschet (l. c. p. 109.) in den dritten und Velpeau (l. c. p. 68.) in den vierten Monat der Schwangerschaft. Zur wahren Verwachsung selbst kommt es nie, sondern beide Blätter liegen dicht und auf innige Weise an einander geleimt.

e. Entstehung der hinfälligen Häute.

Auf die mannigfaltigste Art ist die Entstehung der beiden hinfälligen Häute von den Schriftstellern gedacht und gelehrt worden. Wenn man einen Versuch machen will, in dieses Chaos von Meinungen und Widersprüchen eine systematische Ordnung63V. d. Fruchthälter ausgesch. Membranen u. Flüssigk.zu bringen, so muſs man zwar einerseits nothwendiger Weise die Entstehung der decidua vera und reflexa unter gewissen Haupt - ansichten für sich betrachten, bei jedem einzelnen Schriftsteller aber auch nachsehen, wie er sich den Zusammenhang beider Häute gedacht, wie er es sich vorgestellt habe, ob die eine aus der an - deren, innerhalb der anderen oder unabhängig von der anderen sich bilde. Wir werden daher hier am Zweckmäſsigsten verfah - ren, wenn wir die Genese jeder der beiden deciduae gesondert nach den verschiedenen Ansichten der Schriftsteller[abhandeln], bei Gelegenheit der reflexa aber, welche die zweite[Abtheilung] füllt, zugleich auf die Ansicht der Verfasser von der Entstehung der decidua vera und ihren nothwendigen Zusammenhang der - selben mit der reflexa Rücksicht nehmen. Eine bloſs chronolo - gische Ordnung würde die hier ohnedies nicht ganz leichte Ueber - sicht nur noch mehr verwirren.

α. Entstehung der decidua vera.

Zuvörderst frägt es sich: Ist die decidua vera ein eigen - thümliches und selbstständiges Gebilde oder nur ein Theilorga - nismus des Uterus, welcher einen höheren Grad von Selbststän - digkeit erreicht. Die Antworten der Anatomen und Physiologen fallen hier sehr verschieden aus. 1. Sie ist kein selbständiges Gebilde, sondern die aufgelockerte, ganz oder theilweise meta - morphosirte Schleimhaut der Gebärmutter. Gegen diese Ansicht, welche Sabatier u. A. schon im vorigen Jahrhunderte vorgetragen, haben sich Danz, Lobstein u. A. erklärt. Als eine Modification derselben ist die von Burns (bei Burdach Physiol. II. S. 74.) an - zusehen, daſs die decidua durch Hervorsprossen der Gefäſse des Fruchthälters entstehe. Zu demselben Resultate, daſs die decidua nur die locker gewordene und zuletzt losgestoſsene Schleimhaut der Gebärmutter sey, kamen, wie schon oben berichtet wurde, Oken und v. Bär durch die Untersuchung der Säugethiere, wo sich eine einfache, mehr gelatinöse, als bestimmt membranöse Masse findet, welche vielleicht der decidua entspricht, da die innere Fläche des Fruchthälters überhaupt einen hohen Grad von Ausbil - dung erlangt, um die verschiedenen Formen der Placenta darzu - stellen. Dieses letztere Moment scheint Jörg bei seiner, oben schon berührten Ansicht geleitet zu haben. Dasselbe Princip scheint auch Raspail (Repert. d’anat. VI. bei Breschet p. 76. 77.) 64III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.zu bestimmen, wenn er die Meinung ausspricht, daſs die decidua die höher ausgebildete Schleimhaut des Uterus sey, da er gleich - sam zur Bestättigung am Schlusse des Hundes[und] der Katze er - wähnt, in welchen die Gefäſse sehr lange Zeit persistirten. Seiler endlich (die Gebärmutter und das Ei des Menschen S. 28.) scheint nur durch Beobachtung am Menschen zu seinem hierher gehören - den Ausspruche gekommen zu seyn. Nach ihm lockert sich die Schleimhaut in Folge der Befruchtung auf, ihre Blutgefäſse wer - den ausgedehnt und ihr Zusammenhang mit der Faser - und Ge - fäſssubstanz geringer. 2. Die decidua ist eine eigenthümliche Bildung und zwar die einzige eigenthümliche Formation des Frucht - hälters selbst in seinem Innern. Zu dieser die Paradoxie auf das Weiteste treibenden Ansicht kam Chaussier (bei Breschet S. 38 40.). Er nimmt keine Schleimhaut auf der inneren Fläche der Gebärmutter an. Bisweilen aber finde man[auf] ihr eine durch - sichtige und weiche Lage, welche durch Maceration oder Tren - nung entfernt werden könne und immer eine einfache aus dem Faserstoffe des Blutes bestehende (couenneuse) Concretion sey. Sie bilde sich, wie jede andere Pseudomembran in Folge einer höheren Reizung, aus der inneren Fläche des Uterus und faſse, als sein sogenanntes Epichorion, die Caduca vera und reflexa in sich. 3. Die decidua vera besteht als ein eigenthümliches Gebilde innerhalb des Fruchthälters und zunächst innerhalb der Schleimhaut desselben und zwar α. diese Schleimhaut scheidet sie nach der Analogie anderer[entzündeter] Häute, wie z. B. der trachea, in Form plastischer Exfudationen aus. W. Hunter (anat. Beschreib. des schwang. Uterus S. 80.) vergleicht schon die decidua mit der Schicht coagulabler Lymphe, welche sich auf entzündeten Oberflächen bildet. Denn beide seyen zart, markig und von gelblich weiſser Farbe und hätten sehr viele Blutgefäſse. Auch dadurch, daſs die Gefäſse des Uterus sich nach der Befruch - tung sehr füllten, sey eine gewisse Aehnlichkeit mit einem ent - zündlichen Zustande vorhanden. Doch finde der Unterschied Statt, daſs die durch Entzündung entstandene Membran sich nach und nach in eine feste, aus Zellstoff bestehende Haut verwandele, die decidua aber immer ein eigenthümliches Gebilde bleibe. Seine Nachfolger übersahen diesen Unterschied und so nannten Danz (l. c. I. S. 18.), Blumenbach (institutiones physiol. ed. II. p. 437.), E. Siebold (bei Breschet S. 30.) u. A., sie geradezu einedurch65V. d. Fruchthälter ausgesch. Membranen u. Flüssigk.durch Entzündung der[Oberfläche] ausgeschiedene Schicht plastischer Lymphe. Die Thätigkeit, durch welche die hinfällige Haut entsteht, ist geradezu eine entzündliche. Lobstein (l. c. p. 20.) geht zwar ebenfalls in den Hunterschen Vergleich der Entzündung ein und sucht ihn noch durch neue Beweise zu unterstützen, kommt jedoch auf eine andere dagegen sprechende Differenz, als Hunter selbst, daſs nämlich die falschen Membranen in verschiedenen Individuen von ungleicher, die Caduca aber immer von gleichartiger Beschaffenheit sey. Wenn daher eine Analogie der Genese derselben mit der der Entzündungshäute Statt finde, so sey doch noch etwas Eigenthüm - liches und auf besondere Weise Gesetzliches in ihrer Entstehung (S. 21.). Aehnlich scheint die Meinung von R. Wagner (l. c. S. 90. 91. ) zu seyn, daſs die durch die Begattung entstehende Auf - regung der Gebärmutter, ein mit der Entzündung zu vergleichen - der Zustand, die hinfällige Haut erzeuge, so wie die Ansicht Bocks (l. c. p. 21.), welche er durch die in den falschen Membranen nachgewiesenen Blut - und Lymphgefäſse zu unterstützen sucht. 4. Lobstein’s der unmittelbaren Beobachtung entnommene Ansicht führt zu dem höheren Gesichtspunkte daſs die decidua das Pro - duct einer eigenthümlichen Thätigkeit der Gebärmutter sey, die aber mehr oder minder entfernte Analoga in anderen Prozessen, wie z. B. in dem der Entzündung, habe. Zu dieser geläuterten Auf - fassung bekennen sich noch auſser ihm Einige, welche schon un - ter der vorigen Abtheilung angeführt wurden, Burdach (Physiol. II. S. 74 -), E. H. Weber (Hildebr. Anat. IV. S. 486), Breschet (l. c. p. 95), Bischoff (l. c. S. 13.) u. A. Velpeau (Embryologie p. 6.) dagegen bemüht sich sogar durch Verschiedenheit der hi - stiologischen Charaktere den Unterschied zwischen decidua und plastischen Membranen nachzuweisen. Das Unrichtige seiner Mei - nung ist schon oben angeführt worden.

β. Entstehung der Reflexa.

Wir müssen hier, wie überall, zwei wesentlich verschiedene Dinge von einander unterscheiden, nämlich reelle Beobachtung und Theorie der Erklärung. Thatsache ist es, daſs innerhalb der decidua vera und zwischen dieser und dem Chorion eine andere Membran eingeschlossen ist, welche das Ei von allen Seiten um - giebt, und welche decidua reflexa genannt wird. An der Um - gebung der Placenta stoſsen wahre und umgeschlagene hinfällige Haut566III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.zusammen und auf dem kindlichen Antheile der Placenta, dem so - genannten Fruchtkuchen, läſst sich mit mehr oder minder Deutlich - keit ein hautartiges Gebilde erkennen, welches mit den hinfälli - gen Häuten in unmittelbarer Verbindung steht. Wiewohl diese Thatsachen, wie Alles in den Berichten über die decidua, nicht von Allen zugestanden werden, so können wir sie doch voraus - setzen, weil sie sich sowohl in jedem Eie nachweisen lassen, als auch von den meisten Naturforschern, so wie uns selbst, wenigstens übereinstimmend gefunden worden sind. Daſs nun die äuſsere[dieser][beideu][Häute] ein in der Gebärmutter, unabhängig von der Ankunft des Eies in dieselbe, sich erzeugendes Product sey, ist oben schon durch eine Reihe von Erfahrungen nachgewiesen worden und dürfte heute wohl[überhaupt] von keinem Physiologen bezweifelt werden. Es bleibt also nur zu erklären übrig, wie die innere Haut, Hunters decidua reflexa, entstehe, und was es mit dem häutigen Gebilde auf dem Fruchtkuchen für ein Bewandniſs habe. William Hun - ter selbst (anatom. Beschreib. d. schwang. Uterus S. 78.) giebt nur an, daſs die decidua sich an dem Rande des Mutterkuchens in zwei Lamellen theile und daſs (S. 79.) an dieser Stelle ein Verbindungswinkel sich finde. In seiner Abbildung (anatomia uteri gravidi tab. XXXIV) muſste sich also das Verhältniſs so darstellen, als ob die decidua reflexa in die Höhlung der deci - dua vera hineingestülpt sey. Eine wahre Theorie der Entstehung der decidua hat er aber nicht geliefert. In späteren Bearbeitungen dieses Theiles der Physiologie finden wir erst Begründungen der Art, welche sich unter folgende Hauptpunkte zusammenfassen lassen:

1. Die beiden deciduae entstehen in verschiedenen Orga - nen. Mayer (catal. mus. anat. Bonnens. p. 21. bei Bock l. c. p. 29 und Müllers Arch. für die Anatomie, Physiologie und wis - senschaftliche Medicin 1834. Hft. I. S. 5.) hat, geleitet durch die Beobachtung, daſs bei Tubenschwangerschaft sich auch eine deci - dua um das Ei finde, die Vermuthung aufgestellt, daſs die de - cidua vera dem Uterus angehöre, die decidua reflexa aber sich in den Tuben bilde. Wenn dieses erwiesen wäre, so würde sie in dieser Rücksicht der Eischaale, mit welcher sie auch biswei - len verglichen worden, analog seyn, die sich auch in dem un - teren Theile des Eileiters der Vögel bildet. Doch können noch viele gegründete Zweifel dagegen erhoben werden.

2. Die beiden deciduae entstehen in demselben Organe, dem Fruchthälter. Sie sind aber völlig gesonderte Gebilde und zwar:

67V. d. Fruchthälter ausgesch. Membranen u. Flüssigk.

a. Von verschiedenem Ursprunge und Werthe. Die decidua vera ist kein neues Gebilde, sondern die aufgelockerte und me - tamorphosirte Gebärmutterschleimhaut, von welcher dann die re - flexa um das Ei herum abgeschieden wird. Seiler (die Gebär - mutter und das Ei des Menschen S. 30.) spricht diese mit seiner Ansicht von der wahren hinfälligen Haut in völliger Consequenz stehende Vorstellung am deutlichsten aus.

b. Von verschiedenem zeitlichen Ursprunge. Joh. Müller (s. Arch. Hft. 1. S. 6.) stellt die Vorstellung zur Prüfung auf, daſs das Exsudat der decidua vera vor dem Eintritte des Eies in den Uterus entstehe, daſs aber das einmal schon organisirte Exsudat eben bei dem Eintritte des Eies ein neues Exsudat um die Eintrittsstelle von jenem bilde.

c. Nicht bloſs von verschiedenem zeitlichen, sondern auch von verschiedenem örtlichen Ursprunge. Nach Breschet (l. c. p. 103.) hat das Eichen während seines Durchganges durch die Tube sich mit einer plastischen Masse umgeben und gelangt, wenn es in den Uterus gekommen, in die Substanz der hinfälligen Haut selbst. Durch die Vergröſserung nun entsteht auf diese Weise eine hinfällige Haut an dem Eichen selbst, die decidua reflexa, ohne daſs die decidua vera an irgend einer Stelle umgestülpt oder die innere Schleimhaut des Uterus an irgend einem Ort ent - blöſst worden wäre. Diese Theorie bildet den unmittelbaren Uebergang zu den folgenden Ansichten.

4. Die Theorien der Propulsion und Einsaat. Die decidua reflexa entsteht dadurch, daſs das Eichen einen Theil der deci - dua vera vor sich hertreibt. Sie findet sich auf folgende Weise modificirt.

a. Die Vorstellung von J. Burns. Nach ihm (Hunter ana - tom. Beschreib. d. schwang. Uterus S. 80. 81. ) besteht die deci - dua aus zwei Lamellen. Die äuſsere ist an den Mündungen der Trompeten und dem Gebärmutterhalse offen. Die innere Lamelle ist überall geschlossen, erstreckt sich an den Oeffnungsstellen über die äuſsere Lamelle hinaus und verschlieſst auf diese Weise die Lük - ken der äuſseren Schicht. Das Eichen wird nun durch die innere Lamelle gleichsam aufgehalten, wenn es in den Uterus kommt, treibt diese vor sich her und stellt so die decidua reflexa dar. Zuletzt endlich, im dritten Monate, kommen beide Lamellen in innige Berührung.

5*68III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.

b. Die Vorstellung von Meckel. Dieser glaubt (menschliche Anatomie IV. S. 702.) daſs das Eichen in die weiche und lockere Substanz der decidua dringe, die dadurch entstandene Lücke sich wiederum schlieſse und das Eichen[nun] innerhalb der Substanz der hinfälligen Haut sich weiter entwickele.

c. Die Vorstellung von Carus. Sie ist ähnlich, fast iden - tisch mit der von Meckel und besteht in Folgendem (Zur Schwan - gerschaft Bd. 2. S. 7.). Das Eichen dringt in die weiche deci - dua und ist von ihrer Substanz überall umgeben. Die nach in - nen liegende Schicht der decidua wird nun vorwärts gedrängt und durch Vergröſserung zur reflexa, während die Eintrittsstelle des Eichens verwächst und die Lücke sich schlieſst. Dieser Mei - nung pflichtet auch Heusinger (Zeitschr. für org. Physik II. S. 514.) bei.

5. Die Theorie der Einstülpung. Wenn man die decidua für eine überall geschlossene Membran ansieht, welche in dieser Qualität früher gebildet ist, als das Eichen in den Uterus eintritt, so kann dieses, sobald es sich durch keine entstehende Oeffnung in die Cavität derselben einen Weg zu bahnen vermag, nur zwi - schen der äuſseren Oberfläche der decidua und der inneren des Uterus in den Fruchthälter eintreten und muſs bei seiner weite - ren Vergröſserung die losgelöste Lamelle der decidua vor sich hertreiben und nicht sowohl in die Höhlung der decidua vera ein - dringen, als diese verengen und so sich seinen eigenen Raum schaffen. An der Stelle, wo es auf diese Weise die decidua vera ein - stülpte, muſs nothwendiger Weise eine Lücke entstehen, die, wenn sie ausgefüllt wird, entweder durch eine Verlängerung der deci - dua oder durch eine neu entstehende Membran sich ersetzt. Diese Einstülpungstheorie ist also unter den oben angegebenen Annah - men eine von selbst sich ergebende Folge, und wenn auch Hunter ihr schon sehr nahe war, indem er die beiden deciduae mit der Einsackung des Herzbeutels verglich und vielleicht nur durch die von ihm aufgestellte Angabe der drei Oeffnungen von ihrer voll - ständigen Durchführung abgehalten wurde, so hat Lobstein merk - würdiger Weise, indem er die Mündungen läugnete, diese Durch - führung ganz auſser Acht gelassen. Von späteren Schriftstellern haben sich vorzüglich folgende zu ihr bekannt:

a. F. J. Moreau (Essai sur la disposition de la membrane caducque, sa formation et ses usages Paris 1814. bei Bre -69V. d. Fruchthälter ausgesch. Membranen u. Flüssigk.schet l. c. p. 33. 34. ) läſst das Ei zwischen die innere Oberfläche des Uterus und die decidua gelangen und so an dieser Stelle die decidua vera zur reflexa sich einstülpen. Die dadurch in der decidua entstandene Lücke füllt sich durch eine eiweiſsartige Substanz, welche sich in die decidua fortsetzt, mit ihr aber nicht identisch ist, weil sie später entsteht und besondere, ihr eigen - thümliche Veränderungen eingeht. Sie fehlt in den ersten Tagen nach dem Eintritte des Eies, entwickelt sich erst zu Ende des ersten Monates, wird im Verlaufe des zweiten dicker, als die de - cidua selbst, im dritten Monate dagegen durchsichtiger, um die Gebärmuttergefäſse in die Placenta zu lassen, nimmt im vierten Monate ein grauliches, zellulöses Ansehen an und scheint sich zwischen die Lappen der Placenta einzusenken. Im sehsten Mo - nate wird sie röthlich und im siebenten in wahres Zellgewebe umgewandelt.

b. Bojanus (Isis 1821. S. 268.) scheint, weniger durch Beob - achtung, als durch die Consequenz der Theorie geleitet, zuerst unter den Deutschen die Idee der Einstülpung ausgesprochen zu haben, wiewohl er merkwürdiger Weise die Existenz der Oeff - nungen in der hinfälligen Haut als bekannt und erwiesen voraus - setzt. Er stellt die Umstülpung durch eine ziemlich gute, sche - matische Abbildung dar und schlägt für die Membran, welche die Oeffnung der decidua wiederum schlieſst, den Namen der deci - dua serotina vor, welche Bezeichnung auch von den meisten Nachfolgern angenommen wurde.

c. Burdach (Physiologie II. S. 76. 77. ) bestättigt die Theorie der Einstülpung und bemerkt, daſs er sogar eigene Präparate habe, in welchen die durch die Einstülpung entstandene Lücke noch offen ist. Die Ausfüllung derselben entsteht durch Sekretion des durch die Einstülpung entblöſsten Theiles des Fruchthälters und bezeich - net das Rudiment des Mutterkuchens. Die Einstülpung selbst er - folgt in der dritten Woche der Schwangerschaft.

d. R. Wagner (Meck. Arch. S. 94.) stimmt in seiner Ueber - zeugung mit der von den Vorgängern gegebenen Darstellungs - weise überein.

[e]. S. Bock (l. c. p. 30.) glaubt aus seinem durch Abortus abgegangenen Eie einen genügenden Beweis für die Einstülpung liefern zu können, da das Ei in einer Grube der decidua einge - senkt war. Zugleich folgert er daraus, daſs die Umbiegungsstelle70III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.nicht an den Tuben, sondern innerhalb des Körpers der Gebärmut[-]ter selbst stattfinde.

f. Velpeau (Heusingers Zeitschr. II. S. 68. Embryologie p. 4 6.) berichtet, nachdem er einige, im Ganzen nicht haltbare Gründe, wie z. B. den fixen Sitz der Placenta, für die Einstül - pungstheorie angeführt, daſs er mehrere Mal die Einstülpung selbst zu beobachten Gelegenheit gehabt hätte. So fand er fünf Wo - chen nach der Conception den Uterus durch eine Blase von der Gröſse eines gewöhnlichen Eies ausgedehnt. Diese war mit ei - ner durchsichtigen und schwach rosenfarbigen Flüssigkeit gefüllt und durch ein Eichen niedergedrückt, das zur Hälfte noch in der entsprechenden Tube saſs. Sechs bis sieben Wochen nach der Empfängniſs fand er die caduca eben so. Nur entsprach die Stelle der Niederdrückung durch das Eichen nicht der Mündung der Tube, sondern dem Grunde der Gebärmutter, wo es auch schon schwach adhärirte. Aehnliche Verhältnisse hatte er oft an 25 bis 50tägigen, durch Abortus abgegangenen Eiern zu sehen Gelegenheit.

Anhangsweise mögen der Vollständigkeit halber hier noch die sonderbaren Vorstellungen von Roux (bei Burdach l. c. S. 76.) und Alessandrini (Meckels Arch. V. S. 606.) angeführt werden, daſs die decidua reflexa ein Product der Zotten des Chorion sey.

f. Schwinden der hinfälligen Häute.

Da manches hierher Gehörende schon unter den vorhergehen - den Rubriken berührt worden ist, so werden wir hier nur die noch fehlenden Rückstände nachholen. Nach W. Hunter (l. c. S. 79.) wird die decidua, wenn vera und reflexa verschmolzen sind, nicht nur nicht dicker, sondern dünner. Dieses hat darin seinen Grund, daſs die reflexa ohnehin sehr dünn ist und durch ihr Hinzutreten die Dicke nicht sehr zu vermehren vermag, die vera aber mit zunehmender Schwangerschaftszeit immer an Dicke abnimmt. Lobstein (l. c. S. 8.) fand die reflexa im fünften Mo - nate so fein, daſs sie durchsichtig war und an manchen Stellen durchlöchert zu seyn schien. Späterhin dagegen ist sie als geson - dertes Blatt nicht mehr deutlich zu unterscheiden. Hierin stim - men die meisten Beobachter auch überein, so wie auch in dem Punkte, daſs die aus beiden wiederum verschmolzene hinfällige Haut bis zur Geburt verharrt und dann theils mit der Placenta, theils mit den Lochien ausgestoſsen wird. Carus (l. c. S. 9.) ist71V. d. Fruchthälter ausgesch. Membranen u. Flüssigk.der Meinung, daſs die decidua auf folgende merkwürdige Weise schwinde. Die Flocken des Chorion drängen sich in diese hinein und es entstehen daher in ihr eine Menge Gruben, welche der ganzen Membran ein maschenförmiges Ansehen geben. Indem diese sich nun vergröſsern, verwandelt sich die reflexa in ein das Chorion locker umgebendes Zellgewebe. Heusinger (s. Zeit - schr. II. S. 517.) erklärt sich jedoch gegen diese Ansicht, weil die Löcher oder Maschen sich nicht bloſs in der zurückgeschla - genen, sondern auch in der wahren hinfälligen Haut finden. Auch läugnet er eine von Carus beschriebene und abgebildete Höhlung zwischen Chorion und decidua.

g. Bedeutung und Nutzen der decidua und ihres[Contentums].

Man hat theils willkührlich, theils durch gewisse Analogieen geleitet, die decidua mit manchen Theilen anderer Thierklassen, als der Säugethiere und des Menschen, verglichen, ohne jedoch durch specielle Analogisirung zu sehr wichtigen Resultaten ge - kommen zu seyn. So verglich sie, wenigstens der Lage nach richtig, Cuvier (Meck. Arch. V. S. 592.) mit der Eischaale und minder consequent Dutrochet (Meck. Arch. S. 585.) mit der Ei - schaalenhaut, während Mertens (Meck. Arch. 1827. S. 315.) sogar in den während der Entwickelung des Hühnchens innerhalb der Eischaalenhaut entstehenden Lamellen ein Analogon derselben fin - den will. Burdach (Physiol. II. S. 63.), der die bestimmten zur Entwickelung der Frucht vorbereiteten und tauglichen Lagerstätten der Eier unter der Bezeichnu[n]g der Geniste umfasset, rechnet die caduca der Säugethiere ebenfalls hierher (S. 77.) und sucht sie insofern nicht mit diesem oder jenem Gebilde eines Vogels oder eines anderen Thieres in Vergleich zu bringen, sondern un - ter einen allgemeinen Gesichtspunkt unterzuordnen. Nach Bre - schet (l. c. p. 113.) kommen den hierher zu rechnenden Theilen folgende Functionen zu. 1. Die caduca selbst verschlieſst die Höhlung des Uterus von allen Seiten, hindert so den Ausfluſs der in ihr enthaltenen Flüssigkeit und wird ein intermediärer Kör - per zwischen Ei und Uterus. Ihre Membranen sollen das Ei auf - nehmen,[und] dieses findet in ihnen nicht bloſs einen Anhaltspunkt, sondern einen tauglichen Mittelkörper, um mit dem Fruchthälter in Wechselwirkung zu treten. Die caduca selbst aber tritt72III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.wahrscheinlich keine Stoffe an den Uterus ab. Der hier Statt findende Stoffwechsel gründet sich auf Erscheinungen, welche denen der Endosmose und der Exosmose gleich sind. 2. Die in der caduca enthaltene Flüssigkeit, die hydroperione, trägt zur allmähligen Ausdehnung des Uterus in der ersten Zeit bei, be - schützt das zarte Eichen bei etwa eintretenden Zusammenziehun - gen der Gebärmutter und dient zur ersten Nahrung desselben so - wohl, als des Embryo, da Nabelstrang, Allantois u. dergl. in der ersten Zeit entweder gar nicht oder nur höchst rudimentär existiren. Gegen diese, freilich zum Theil unerwiesenen Resultate hat Velpeau (in der Einleitung zu s. Embryologie) Widersprüche, doch nicht ohne sichtbare Leidenschaftlichkeit, erhoben, indem er theils die Priorität mancher Sätze für sich zu erweisen sucht (Embryologie. Introduction. p. XIV. ), wie z. B., daſs die ca - duca schon unmittelbar nach der Befruchtung in dem Fruchthäl - ter entstehe, daſs sie von allen Seiten geschlossen sey, daſs sie eine Flüssigkeit enthalte u. dgl., theils aber auch die Richtigkeit mancher Behauptungen geradezu läugnet. So entsteht nach ihm (p. XIV. ) die placenta weit später, als die beiden Blätter der caduca sich an einander legen und die zwischen ihnen enthal - tene Flüssigkeit geschwunden ist. So haben die Säugethiere nicht, wie Breschet glaubt, eine dem Menschen analoge, doppelte caduca und eine hydroperione, sondern eine einfache hinfällige Haut ohne dazwischen befindliche Flüssigkeit. Velpeau (Embryo - logie p. 8.) glaubt nicht, daſs die decidua und die in ihr ent - haltene Flüssigkeit zur Ernährung des Embryo diene, sondern daſs sie nur dem Eichen bei seiner Ankunft in den Fruchthälter einen fixen Anhaltpunkt gäbe und so den Ort der künftigen Pla - centa bestimme.

h. Synonymik der Membranae deciduae.

Bei jedem in der Folge noch zu betrachtenden häutigen Theile des Eies werden wir uns genöthigt sehen, verschiedene Benennungen anzugeben, unter welchen er von den Schriftstellern erwähnt oder näher beschrieben worden. Nirgends wird aber die Zahl der Namen so groſs ausfallen, als gerade bei den hinfälligen Häuten, wo vor Hunter ältere Naturforscher einzelne Stücke der - selben, meist nach abortirten Eiern, beschrieben und mit beson - deren Bezeichnungen belegt haben. Diese Versuche, eine Synony -73V. d. Fruchthälter ausgesch. Membranen u. Flüssigk.mik der caduca zu liefern, haben bisher vorzüglich Danz (l. c. I. S. 23. und 29.), Lobstein (l. c. S. 10. 11. ), Burdach (l. c. S. 72. und 75.), Bock (l. c. p. 9. und p. 24.), Breschet (l. c. p. 93. 94. ) und Velpeau (l. c. p. 18.) gemacht. Wenn wir in dieser Richtung fortzufahren uns bemühen, so wollen wir zugleich den Versuch machen, einerseits die Gründe der Benennungen mancher Schriftsteller anzudeuten, anderseits auf kritische Weise, wo es angeht, die älteren Namen zu bestimmen. Ohne über das bei Galen angeblich schon Vorkommende über die decidua etwas entscheiden zu können, wollen wir gleich zu Aretaeus Cappadox übergehen, welcher eine dichte, der inneren Oberfläche des Uterus adhärirende Haut beschreibt. Daſs die decidua in einem solchen häutigen Gebilde enthalten sey, leidet wohl keinen Zweifel. Ob er sie aber allein gemeint habe oder diese mit dem anliegen - den Chorion verschmolzen, ist eine andere kaum zu entscheidende Frage. Wenn in der Stelle von Arantius vielleicht nur durch sehr künstliche Auslegung eine schwache Spur der Kenntniſs der de - cidua gesucht werden kann, so hat sie offenbar Fabrizius ab Aquapendente, wie es scheint nach abortirten Eiern, als eine schwärzliche, dem Parenchym der Leber oder der Milz ähnliche, Fallopia als eine fleischige, leimähnliche und Harvey aus den Wiederkäuern als eine eiterähnliche, geronnene Masse beschrie - ben. Dagegen scheint Ruysch’s Epichorion mehr auf eine äuſsere Lamelle unseres heutigen Chorion zu passen. Hoboken’s vierte Hülle, deren Existenz er selbst noch nicht für völlig constatirt hält, scheint doch nur höchstens die decidua reflexa gewesen zu seyn. Stalpart van der Wiel kannte unsere Membran offen - bar, besonders an und auf der Placenta. Albinus und Böhmer kannten wenigstens Theile derselben an abortirten Eiern (s. bei Breschet l. c. p. 1 14.) Hallers Chorion ist die wahre deci - dua. Die ältere Synonymie, wie sie Danz (l. c. p, 23.) gegeben und Burdach, Breschet u. A. wiederholt haben, ist retiformis membrana chorii Hoboken, reticulum Rouhault, villosa mem - brana placentae Burton et Ruysch involucrum membrana - ceum Albinus, membrana filamentosa Wrisberg, Chorion Hal - ler, Chorion fungosum, flocculentum, filamentosum, lanugi - nosum, spongiosum, tomentosum, reticulatum Anderer, Chorion villosum Schaarschmidt, tunica flocculenta s. caduca Hun - teri Mayer, schwammiges Chorion, zottige oder hinfällige Hun -74III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.tersche Haut, umgestülpte zottige Haut, zottigte oder Huntersche Haut, zurückgeschlagene Aderhaut u. dgl. Denman nennt sie the connecting membrane of the ovum. Burns schlägt für die innere Lamelle der decidua den Namen decidua protrusa vor (s. oben S. 67. Vorstellung der Bildung der reflexa). Chaussier, welcher weniger genau unterscheidet, begreift unter seinem epi - chorion beide Lamellen der decidua. Jörg, welcher die deci - dua für die Schleimhaut des Uterus selbst hält, vermischt ihre Bezeichnung mit der des Mutterkuchens. Seiner allgemeinen Ansicht gemäſs nennt sie Burdach Nesthaut[und] Seiler, dem die decidua vera die Schleimhaut des Uterus selbst in einem Zu - stande höherer Entwickelung ist, Membrana uteri interna evo - luta, die reflexa dagegen als eine eigenthümliche, in dem Ute - rus erst um das Ei sich bildende Haut, Membrana ovi uterina. Velpeau belegt sie wegen ihrer angeblichen Structurlosigkeit mit dem Namen Membrane anhiste. Wir fassen nun nach der Ana - logie von Bock, Breschet[und] Velpeau alle Bezeichnungen über - sichtlich zusammen.

  • a. Benennung für die hinfällige Haut überhaupt, ehe durch W. Hunter ihre beiden Lamellen bekannt wurden.
    • Membrana retiformis Chorii Hoboken.
    • Reticulum Rouhault.
    • Villosa membrana placentae Burton, Ruysch.
    • Involucrum membranaceum Albinus.
    • Membrana filamentosa Roederer, Wrisberg.
    • Chorion Haller.
    • Membrana ovi exterior Ejusd.
    • Chorion fungosum, flocculentum, filamentosum, lanu - ginosum, spongiosum, tomentosum Al.
    • Chorion reticulatum, Müller, Stein.
    • Chorion villosum Schaarschmidt.
  • b. Benennungen, durch welche zwei Lamellen nicht unterschie - den oder von deren Verfassern die Distinction nicht einmal anerkannt wird.
    • The Connecting membrane of the ovum Denman.
    • Epichorion Chaussier.
    • Placenta uterina Joerg, Meissner.
    • Placenta succenturiata, subplacenta Al.
    • Epione Dutrochet.
    • 75
    • Nidamentum Burdach.
    • Perione Breschet.
    • Membrane anhiste Velpeau.
  • c. Besondere Benennungen der wahren hinfälligen Haut.
    • Membrana decidua vera W. Hunter et m. a.
    • Decidua externa Sandifort.
    • Caduca crassa Mayer.
    • Membrana mucosa Osiander.
    • Membrana ovi materna Meckel.
    • Mütterliche Eihaut oder Nesthaut Burdach.
    • Membrana uteri interna evoluta Seiler.
  • d. Besondere Benennungen der umgeschlagenen, hinfälligen Haut.
    • Membrana decidua reflexa W. Hunter et m. al.
    • Decidua protrusa (z. Th.) Burns.
    • Membrana adventitia Blumenbach.
    • Membrana crassa Osiander.
    • Eingestülpte Nesthaut Blumenbach.
    • Membrana ovi uterina Seiler.
  • e. Bezeichnungen für die in der Cavität der decidua enthaltene Masse.
    • Hydroperione Breschet.
    • Membrana cribrosa Osiander (?)
  • f. Benennung für das die Eintrittsstelle des Eies wiederum ver - schlieſsende Blatt (s. ob. Einstülpungstheorie.)
    • Decidua serotina Bojanus et m. al.
    • Secundäre Nesthaut Burdach.

Rückblick.

Es gehört wahrlich nicht zu den erfreulichsten Resultaten, wenn nach mühsamer Durchforschung alles dessen, was bisher über die hinfälligen Häute bekannt gemacht ist, zwar sehr vieles Materiale, in keinem Punkte aber die nöthige Gewiſsheit und Uebereinstimmung sich findet. Der wahre Naturforscher wird ein solches Flitterwesen lieber verwünschen, als begierig auffas - sen. Kein Factum ist ohne Widerspruch, nicht bloſs von Seiten der Theorie, sondern durch angeblich beobachtete und mit Sorg - falt verfolgte Erfahrungen. Das Ganze ist ein Labyrinth von den mannigfaltigsten Widersprüchen, der Sammelplatz von Angaben, deren Richtigkeit Jeder versichert, wiewohl sie nicht selten mit76III. Das Ei während der Fruchten[t]wickelung.Berichten gleich groſser oder noch gröſserer Auctoritäten im Ge - gensatze sind. Wenn man in anderen Theilen der Naturwissen - schaft durch geläuterte und genauere Beobachtungen sich des Bal - lastes der leichtsinnigen und oberflächlichen Erfahrungen, der will - kührlichen Hypothesen und einseitigen Theorieen entledigen kann, so ist hier eine scharfe Kritik fast unmöglich, weil Facta gegen Facta, Zeichnungen gegen Zeichnungen stehen. Es ist eine Ver - wirrung alles Möglichen. Gesunder und Kranker Zustand, ruhige Beobachtung und leichtfertige Erdichtung, bescheidener Zweifel und anmaſsendes Absprechen, Bekenntniſs der Unwissenheit und Affectation, daſs Alles erklärt sey diese widerstrebende Momente sind hier in einem Brennpunkte vereinigt, sollen ein Ganzes con - stituiren, das nicht eine in sich gährende Masse ist, sondern ein Knoten, der wohl nie entwirrt und gelöst, sondern durch eine Reihe consequenter und vorurtheilsfreier Beobachtungen eines Einzelnen wird zerhauen werden müssen. Die Gegenwart aber vermag dieses noch nicht, da ihr die nothwendigen objectiven Data in ihrer Vollständigkeit mangeln. Versuchen wir daher dasjenige, was wir durch Bekanntschaft mit dem gröſsten Theile der hierher gehörenden Literatur sowohl, als durch eigene Er - fahrung wissen, zusammen zu stellen. Die Darstellung wird frei - lich nur die subjective Idee eines Einzelnen seyn und kann, insofern ihr die[Hauptsache], die Vollständigkeit der Fakta, abgeht, auf all - gemeine Annahme keinen Anspruch machen. Sie ist aber nicht ohne Kritik entworfen und bei der wiederholten Durchsicht je - der Theorie geprüft worden, so daſs sie wenigstens um Gehör bitten darf, eine Vergünstigung, welche jedem Produkte zu Theil wird, sobald es[nur] das Bestreben zeigt, ein Problem aufzuhellen oder seine Lösung[vorzubereiten].

Wir wissen, daſs das Ei, um in sich die Frucht zu entwik - keln, bei den höheren Thieren seinen früheren Ort im gesunden Zustande verläſst. Die hierzu nothwendigen, bedingenden Vor - gänge finden sich sowohl in dem Eie selbst, als in dem dasselbe früher enthaltenden Organe, dem Eierstocke, so wie auch in den Theilen, durch welche es hindurch geht, bedingt. Die Säuge - thiere, welche ein besonderes Organ zur Aufnahme des Eies wäh - rend der Entwickelung der Frucht haben, nämlich den Fruchthäl - ter, zeigen in diesem bestimmte verbreitende und coincidirende Veränderungen. Um diese aber ihrem Wesen nach zu begreifen,77V. d. Fruchthälter ausgesch. Membranen u. Flüssigk.muſs man sich in Erinnerung bringen, daſs in dem Fruchthälter der Säugethiere die Schleimhaut auch im ungeschwängerten Zu - stande gröſstentheils leicht von der Muskelhaut zu trennen ist, daſs sie eine Menge von Falten hat, welche meistens parallel neben einander liegen, bisweilen auch netzförmig mit einander sich ver - binden. In dem Fruchthälter des Menschen ist die Schleimhaut so fest an die Muskelsubstanz der Gebärmutter angeheftet, daſs sie in nicht geschwängertem Zustande nur schwierig losgetrennt werden kann, ja mehrere hierdurch bewogen, jedoch mit Unrecht, ihre Existenz als gesondertes Gebilde überhaupt geläugnet haben. Und doch ist bei dem Menschen die Secretion um Vieles verhält - niſsmäſsig stärker und bestimmter als bei den Säugethieren. Diese Verschiedenheit der inneren Oberfläche des Fruchthälters aber zeigt sich auch deutlich genug in ihrem metamorphosirten Zu - stande nach der Befruchtung. Bei den Säugethieren wird die Schleimhaut aufgelockert, ihre Blutgefäſse entfalten sich, ihre Zot - tenfalten gewinnen an Gröſse und Ausbildung und es scheidet sich eine schleimige oder gallertartige Membran ab, welche sich vor der Ankunft des Eichens in den Hörnern des Fruchthälters schon findet, wie ich bei Schweinen mit Bestimmtheit zn beo - bachten Gelegenheit hatte. In dieser Beziehung wäre diese Mem - bran der decidua vera des Menschen zu vergleichen; allein mit weiterer Ausbildung des Eies tritt sie mehr in die Bedeutung der reflexa. Denn sobald sich die Flocken des Chorion zwischen die Zottenfalten hineinbilden, wird die Verbindung dieser mit der Schleimhaut des Uterus dichter. Die frühere ausgeschiedene ge - latinöse Lage erscheint alsdann inniger mit den Chorionflocken, als mit der Schleimhaut des Uterus verbunden. Es scheint also, als ob hier die Schleimhaut der Gebärmutter zwar eine Masse ausscheide, welche der Membrana decidua überhaupt analog sei, daſs aber in dem späteren Verlaufe der Entwickelung diese selbst in sofern die Stelle der decidua vera übernehme, als sie allein den Mutterkuchen (s. unten Placenta) constituirte, die ausgeschiedene Masse dagegen die Rolle der reflexa insofern spielte, als sie dann inniger mit den Flocken des Chorion, denn mit der Schleimhaut der Gebärmutter verbunden sey; ein Verhältniſs, das vielleicht in der decidua serotina oder an der Verbindungsstelle des Fruchtkuchens auch an dem Menschen wiederkehrt. Wie also in dem ungeschwängerten Zustande die Schleimhaut anato -78III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.misch mehr ausgebildet und geschieden, die Sekretion dagegen weniger reichlich und seltener ist, so bildet sich auch die Schleim - haut im Laufe der Schwangerschaft zu dem Mutterkuchen um, die Sekretion dagegen bleibt auf einer niederen Stufe der Aus - bildung stehen; denn sie wird nie wahrhaft membranartig und sinkt zu einem die Zotten nur verbindenden Gewebe hinab. An - ders dagegen ist das Ganze in dem Menschen, wo die anatomische Ausbildung der Schleimhaut zurücktritt, die Sekretion dagegen reichlicher, constant und an gewisse Zeitperioden gebunden ist. Wir wissen, daſs vor dem Eintritte des Eies in die Tuben sich auf der inneren Fläche der Gebärmutter kleine Zotten entwickeln, welche zwischen sich eine dichtere gelatinöse Masse erzeugen, die nach Ed. Webers Erfahrung auf ihrer Oberfläche zu einem zarten Häut - chen organisirt ist. Hier fehlt nun noch eine entscheidende Beo - bachtung, ob nämlich das Häutchen eine überall geschlossene Wandung schon darstelle oder nicht, wenn das Eichen in den Uterus eintritt. Ist das Erstere der Fall, so wäre die Einstül - pungstheorie freilich nothwendig. Allein mit Recht lassen sich noch mehrere Gründe gegen dieselbe erheben. So ist z. B. die reflexa gefäſslos, während die decidua gefäſsreich ist. So konnte noch Niemand einen längeren oder kürzeren Einstülpungs - canal, auſser an abortirten Eiern, mit aller nöthigen Bestimmtheit nachweisen. Wenn aber angegeben wird, daſs die Einstülpungs - stelle die der späteren Placenta sey, so spricht mehreres bestimmt dagegen, wie z. B. wie Breschet schon bemerkt, daſs die Affen eine dem Menschen ähnliche Organisation der decidua haben und zwei Placenten besitzen, daſs die Placenta aus dem gesammten Theile des flockigen Chorion entstehe, wie E. H. Weber gezeigt hat u. dgl. mehr. Von abortirten Eiern läſst sich keine sichere Entscheidung entnehmen und es wäre daher sehr zu wünschen, daſs Burdach und Velpeau, welche ihrer Angabe nach die Ein - stülpungstheorie selbst durch Präparate nachweisen können, nach diesen entnommene Zeichnungen veröffentlichten. Ist dagegen die Ausscheidung innerhalb der Gebärmutter noch nicht zu einer Membran organisirt, wenn das Eichen in die Cavität des Uterus anlangt, so ist dann die Theorie der Einsaat das Wahrscheinlich - ste. Nach dieser gelangte nämlich das Eichen in die gelatinöse Masse der Seite des Fruchthälters, durch dessen Tuben es gekom - men sey. Die ausgeschiedene Masse, welche einerseits die ganze79Die in dem Eileiter gebildeten Stoffe des Eies.innere Oberfläche des Fruchthälters bekleidet,[organi[sie]rte] sich hier zur decidua vera. Da aber auch durch dieselbe Masse das Eichen überall umkleidet wird, so würde sie hier durch einen analogen, aber etwas abweichenden Organisationsproceſs zur decidua re - flexa. Wenn nun später die Placenta entstände, so bildeten sich die Productionen des Fruchthälters in die decidua vera, die des Chorion dagegen in die decidua reflexa. Dieses ge - schieht aber wahrscheinlich da, wo das Eichen an der inneren Oberfläche des Uterus befestigt war. Welcher von diesen beiden Vorgängen in der Natur Statt finde, können einzig und allein künftige, glückliche Erfahrungen entscheiden Unterdeſs haben sich aber, wie ich aus eigener Beobachtung selbst bezeugen kann, neue Produkte zur Abschlieſsung der Höhe des Uterus gebildet. Zwei kleine gallertartige Pfröpfe verschlieſsen die Mündungen der Tuben. Sie hängen mit der decidua vera innig zusammen, sind solid und erstrecken sich im vierten Monat drei bis vier Linien lang in jeden Eileiter. An der Gebärmuttermündung dagegen haftet ein beinahe einen Zoll langer und dicker, die Mündung fast gänzlich verschlieſsender einfacher Gallertpfropf. Dieser er - scheint nicht bloſs in der Schwangerschaft. Ich habe ihn, nur natürlich weit kleiner, auch in solchen Leichen gefunden, welche kurz vor dem Tode an Nymphomanie gelitten hatten, wo auch soge - nannte Ovula Nabothi in der Regel vorkommen. Anfangs besteht natürlich zwischen decidua vera und reflexa eine Höhle, wel - che immer kleiner wird, je näher die beiden Häute an einander rük - ken, bis sie zuletzt ganz geschwunden ist, wenn die beiden de - ciduae in ihrem ganzen Umfange einander berühren. Ueber Bre - schet’s Hydroperione vermag ich nichts aus eigener Erfahrung zu berichten.

B. Die in dem Eileiter wahrscheinlich gebildeten Häute und Stoffe des Eies oder die eigenthümliche Eihaut nebst dem Stoffe, welcher in den Eiern der Säugethiere dem Eiweiſse analog ist.

Es ist schon oben bemerkt worden, daſs v. Bär (Heusingers Zeitschrift II. S. 176.) in der äuſsern Haut des Ovulum Graafia - num das künftige Chorion oder die zottige Haut des Eies sieht. Wir selbst dagegen haben die durch genauere Beobachtungen und triftige Gründe unterstützte Vermuthung ausgesprochen, daſs diese80III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.Membran sich erst um das Eichen bei seinem Eintritte oder Durchgange durch die Tuben bilde und das Ei selbst selbstständig begrenze. Wie dem auch sey, so scheint wenigstens so viel mit Gewiſsheit angenommen werden zu können, daſs die Eihaut oder das Chorion schon in seiner Grundlage formirt sey, wenn das Ei sich in der Gebärmutter oder deren Hörnern befindet, überhaupt aber sich fixirt, um in die weitere Ausbildung des Embryo ein - zugehen. Insofern diese Membran die äuſsere Begrenzung des Eies als eine besondere Individualität darstellt, dürfte der von Bär vorgeschlagene Namen Eihaut der Zweckmäſsigste seyn. Nach älteren Bezeichnungen nennt man sie auch Chorion. Doch hat man, wie wir bald sehen werden, mit diesem Namen manches andere, nicht hierher gehörende Gebilde belegt[und] so die in der ganzen Synonymik der Eihäute herrschende Abweichung auch hier eingeführt.

Die Eihaut oder das Chorion ist so leicht in den meisten Perioden der Schwangerschaft zu erkennen, ja ihre Zotten sind durch ihre zierliche Conformation kurz vor der[Bildung] der Pla - centa so auffallend, daſs es uns nicht wundern darf, wenn ihre erste Kenntniſs in das früheste Alterthum dieses Theiles der beo - bachtenden Naturwissenschaft hinabreicht. Galen nennt zwar schon ein Gebilde Chorion, versteht jedoch hierunter nicht insbesondere die Eihaut, sondern den Mutterkuchen oder die Nachgeburt über - haupt. Er unterscheidet aber doch zwei Lamellen seines Chorions (Danz l. c. I. p. 29.). Nach der von Haller gegebenen Synonymik (Elem. phys. VIII. p. 188. und 195.) heiſst diese Haut bei Need - ham, Diemerbroek, Bidloo, Harder, Simson, Littre, Fantonius Allan - tois, bei Ruysch, Pseudoallantois, bei Vieusseas secunda ovi mem - brana, bei Hoboken, Vernheyen, Peyer, Munniks, Pauli, Rouhault u. A. membrana ovi media, bei Pfister membrana tertia, bei Stal - part von der Wiel membrana cellulosa pituitae similis inter cho - rion et amnion. Doch ist es fast ganz unmöglich, bei Vielen der ge - nannten älteren Schriftsteller heute mit Gewiſsheit zu bestimmen, welche Dinge sie mit den eben genannten Namen bezeichnet ha - ben, da sie bei ihrer unvollständigen Kenntniſs der Eihüllen theils die Benennungen unrichtig wählten, theils künstliche Theilungen, theils abnorme Zustände, besonders an abortirten Eiern des Menschen, für angeblich richtige Beschreibungen auswählten. Auch sind die meisten Angaben im höchsten Grade unbestimmt, wie schon aus denwe -81Die in dem Eileiter gebildeten Stoffe des Eies.wenigen bei Velpeau (Embryologie p. 12.) zu findenden Citaten hinlänglich erhellt. Von neueren Benennungen gehören noch Chorion pellucidum sive laeve (Wrisberg de structura ovi in Collect. Comment. Vol. I. 1800. 8. p. 321.), dritte Eihaut (Ph. Fr. Meckel in Hallers Physiol. II. S. 870.), Membrana media (Haller elem. physiol. VIII. p. 194.), Chorion laeve (Schaar - schmidt bei Danz p. 30.), tunica vasculosa s. extima (bei Joh. Fr. Meckel Anat. IV. S. 703.), Aderhaut, mittlere, glatte Aderhaut, Le - derhaut und dgl. hierher. In den Arbeiten von Cuvier und Dutrochet herrscht, in Bezug auf die Benennung der einzelnen Eihäute, ein sol - cher Widerspruch und zum Theil eine so groſse Verwirrung, daſs sich mit Bestimmtheit durchaus nicht angeben läſst, was der Eine oder der Andere mit seinen Namen gemeint habe. Nach Dutrochet (Meckel. Arch. V. S. 585.) nennt Cuvier das Chorion rete vas - culosum vasorum umbilicalium, prima allantoidis lamina. Wahrscheinlich bezeichnet aber dieser groſse Naturforscher hier - mit das der Allantois angehörende Blatt, welches wir als soge - nanntes Endochorion bald kennen lernen werden und das sich in das wahre Chorion hineinbildet. Dutrochet selbst (Meck. Arch. V. S. 565.) glaubt durch Beobachtung eines 6,5‴ langen Schaafs - embryo zur Annahme folgender Hüllen gekommen zu seyn: 1. eine äuſsere, gefäſslose, durch Maceration in Schuppen abfallende Haut, Hunters decidua. 2. Eine gefäſsreiche, mit einer Oberhaut versehene Membran, das Chorion. 3. Eine gefäſslose, mit durch - sichtiger Flüssigkeit gefüllte Haut, die Allantois. 4. Eine mittlere, gefäſsreiche, Amnion und Nabelblase umgebende Haut, die mittlere Haut. 5. Das gefäſslose Amnion und 6. die Nabelblase. Nach unseren später noch anzuführenden Beobachtungen, glauben wir die Synomik hier auf folgende Weise feststellen zu können. 1. Seine hinfällige Haut und die Oberhaut seines Chorion entsprechen dem, was wir unten Exochorion nennen werden. 2. Sein gefäſsreicher Theil des Chorion und vielleicht seine mittlere Haut sind das so - genannte Endochorion. 3. Allantois, Amnion und Nabelblase sind richtig bestimmt und bezeichnet. Burdach (Physiol. II. 413.) nennt die ursprüngliche Eihaut, wie sie bei dem Eintritte des Eies in den Fruchthälter sich findet, Exochorion. An dieses legt sich im Laufe der Entwickelung das Gefäſsblatt einer anderen Haut an und bildet sich in dasselbe hinein. Dieses ist das Endocho - rion. Beide zusammen werden sehr häufig als Chorion überhaupt682III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.beschrieben. Da das Exochorion der Schaalenhaut der niederen Thierklassen entspricht, so nennt es v. Bär (Untersuch. über die Gefäſsverb. zwischen Mutter und Frucht S. 3.) geradezu Schaa - lenhaut.

Wir müssen, ehe wir an die Beschreibung des Chorion in den verschiedenen Stadien seiner Entwickelung gehen, darauf auf - merksam machen, daſs zu drei Perioden des Eilebens die Eihaut ganz verschiedene Charaktere zeigt, und daſs es daher unrichtig wäre, das in der einen Periode Beobachtete auf eine andere an - zuwenden. Die Zeitabschnitte sind folgende. 1. So lange die Eihaut bloſs Exochorion ist, das Endochorion sich noch nicht an dasselbe angelegt oder in dasselbe hineingebildet hat; 2. während der Genese der Placenta und 3. sobald das Amnion nicht mehr durch eine gröſsere Zwischenmasse von dem Chorion getrennt ist.

Die Eihaut oder das Exochorion, welches sich nach Velpeau (Heusingers Zeitschr. II. S. 74.) und v. Bär schon im Eierstocke gebildet finden soll, stellt eine runde, das Ei von allen Seiten umschlieſsende Blase dar, die nirgends geöffnet ist oder in den Körper des Embryo übergeht. Zwar hatte Velpeau (Heusingers Zeitschr. II. S. 73. Embryologie p. 18. 19. ) behauptet, daſs das Chorion eine Fortsetzung der[äuſseren] Haut der Frucht sey. Diese falsche Annahme ist aber von ihm selbst wiederum zurückge - nommen worden. Sobald das Eichen in den Uterus gelangt ist, tritt seine äuſsere Oberfläche mit der decidua, seine innere mit einer eigenthümlichen, unten noch näher zu beschreibenden Masse, später dem Endochorion und zuletzt mit der mittleren Haut in Berührung. Schon diejenige Membran, welche von Bär an dem Ei - chen vor seiner Fixirung im Uterus beobachtet und als künftiges Ex - ochorion gedeutet hat, zeigt kleine rundliche Erhabenheiten auf ihrer äuſseren Oberfläche. Diese verlängern sich nun, verästeln sich und werden zu denjenigen Gebilden, welche als die soge - nannten Zotten des Chorion bekannt sind. Sie erscheinen über - aus frühzeitig, bei Säugethieren sowohl, als bei dem Menschen, da sie das erste Produkt sind, welches eine innigere, contiguirliche Verbindung zwischen Fruchthälter und Ei bewirkt. Wie dieses geschehe, wie hierdurch dasjenige zu Stande komme, welches man im Allgemeinen Placenta nennt, werden wir unten, wo von dem Endochorion und von dem Gefäſsblatte des Embryo die Rede seyn wird, näher erörtern. Hier sollen nur die Veränderungen83Die in dem Eileiter gebildeten Stoffe des Eies.der Zotten des Chorion selbst näher beleuchtet werden. In frü - hester Zeit ist nach allen Beobachtern, wie Lobstein, Meckel, Velpeau u. A. das Chorion auf seiner ganzen Oberfläche mit Zot - ten besetzt. Doch findet sich auch an sehr kleinen Eiern nach E. H. Weber (Hildebr. Anat. IV. S. 492.) eine Stelle, welche glatt ist und auf welcher die Zotten weniger dicht stehen. Nach ihm wird dieser glatte Theil durch bedeutende Vergröſserung zu der gröſseren, glatten Hälfte des Chorion, während der dicht mit Zotten besetzte in die Bildung des Mutterkuchens eingeht. Nach den übrigen Schriftstellern aber, welche glauben, daſs im Anfange das ganze Chorion mit Zotten bedeckt sey, schwindet ein Theil derselben im Laufe der ferneren Entwickelung, während der übrig bleibende Theil zur Bildung der Placenta eingeht. Was nun aber die morphologischen Veränderungen der Zotten in dieser Bezie - hung betrifft, so hat sie besonders von Bär (Untersuchungen über die Gefäſsverb. etc. 1828. Fol.) an mehreren Säugethieren und Seiler (die Gebärmutter und das Ei des Menschen 1832. Fol.) so wie auch E. H. Weber (Hildebr. Anat. IV. ) an dem Menschen verfolgt. Nach K. E. v. Bär (l. c. S. 3.) sieht man drei und eine halbe Woche nach der Befruchtung auf dem Eie des Schweines Linie hohe Falten, welche er Zottenfalten des Eies nennt. Jede von diesen hat auf ihrem freien Rande kleine Erhabenheiten oder Zotten. Diese bedecken nicht bloſs den mittleren gefüllten Theil, sondern auch die leeren und zusammengefallenen Zipfel des Eies, welche noch nicht von der Allantois ausgedehnt und ausgefüllt werden. Diese Zottenfalten constituiren eine eigenthümliche Mem - bran, das wahre Exochorion. In fünfwöchentlichen Eiern (l. c. S. 5.) haben sich zwar die Zottenfalten erhoben, mehr aber noch die auf ihnen befindlichen Zotten, welche sich auch zu wöl - ben anfangen. Zugleich beginnen sich schon Verbindungsfältchen zu zeigen. Die beiden Enden des Eies dagegen haben keine Zot - tenfalten mehr, da diese hier allmählig abnehmen und dann plötz - lich mit einer deutlichen, weiſsen Narbe aufhören. Sie stellen auf diese Weise die sogenannten diverticula allantoidis dar. Nun bilden sich (S. 6.) die Zotten des Chorion in ansehnliche, dicke Zapfen um, welche in Querreihen bald vereinzelt, bald zusam - menhängend stehen. Chorion und Allantois aber, welche von zwei benachbarten Eiern einander berühren, stülpen sich in ein - ander ein. In dem Eie der Wiederkäuer fehlen die Zottenfalten6*84III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.(S. 13.). Die äuſserste Lage des Chorion aber wird hier dunkel, und man bemerkt in ihr kleine rundliche Erhebungen, welche in entsprechende Vertiefungen des Mutterkuchens passen. Die Er - höhungen vergröſsern sich und werden kolbig. Ihr dunkeler Ue - berzug fällt dann ab, so daſs die kleinen Kölbchen durchsichtig werden, während an ihrer Basis die dunkele Decke noch eine Zeit lang bleibt (S. 14.). Diese theilen sich später aber an dem hervorragenden Ende in mehrere Zipfel. Die Zipfel verlängern sich nun, theilen sich immer weiter (S. 16.) und verbinden sich zuletzt auf eine innige und ziemlich feste Weise mit den Mut - terkuchen. Auſserdem erheben sich (S. 19.) aus dem Chorion kleine Faltenhäufchen, ähnlich analogen, sternchenförmigen Gebil - den in dem Schweine, welche den Endigungen der Saugadern im Fruchthälter entsprechen sollen. Das Ei des Hundes (S. 20.) zu Ende der dritten Woche ist überall, mit Ausnahme der zugespitz - ten Enden, mit Zotten besetzt. Diese werden von den Zotten des Fruchthälters umfaſst und beide durch eine dichtere Masse noch inniger mit einander verbunden. Die Enden des Eies ver - lieren nun ihre Zotten, während in der Mitte ein zottentragender Gürtel übrig bleibt. Was den Menschen betrifft, so finden sich auf der äuſseren Fläche des Chorion in der frühesten Zeit nach Seiler (die Gebärmutter und das Ei etc. S. 31.) kleine, weiſse, nur durch das Microscop erkennbare Flocken, welche nach Velpeau (Embryologie p. 14.) bis zum Anfange des zweiten Monates nicht verästelt sind. Diese vergröſsern sich und nehmen, wie die über - einstimmenden Beobachtungen von Breschet, Raspail, Carus, Sei - ler, Velpeau u. A. zeigen, eine kolbige Gestalt an ihren Enden an. Zugleich verästeln sie sich dann baumförmig, ungefähr nach der Art, wie wir dieses an den äuſseren Kiemen der Salamander und Frösche zu sehen Gelegenheit haben, nur daſs sich weit mehr Neben - und Seitenzweige zeigen, als dort. Dabei sollen sie jedoch nach Velpeau ihre kolbigen Anschwellungen verlieren (l. c. p. 14. 15.). Diese Flocken, welche Seiler u. A. Saugflocken nennen, dienen nach ihm, wenn in ihnen Blutgefäſse erscheinen, diesen nur zur zellgewebigen Grundlage und werden (l. c. S. 32.) zum Theil zur Gefäſsbildung der Placenta verwendet, zum Theil da - gegen verkümmern sie, fallen ab und werden wahrscheinlich ein - gesogen, so daſs nun der zottenlose Theil des Chorions einen membranartigen Ueberzug von der decidua reflexa erhält. Nach85Die in dem Eileiter gebildeten Stoffe des Eies.E. H. Weber (Hildebr. Anat. IV. S. 496.) dagegen findet sich, wie schon oben berichtet wurde, auch an sehr kleinen Eiern eine glatte Stelle des Chorion, auf welcher die Zotten weniger dicht sind. Diese Stelle dehnt sich nun im dritten Monate mehr aus, und ihre Zotten stehen daher dann viel vereinzelter, als früher. Indem dieses[nun] auf dieselbe Weise während der ganzen Schwanger - schaftszeit fortgeht, entsteht so der gröſste, glatte Theil des Cho - rion. Nach Seiler (l. c. S. 32.) werden nun im dritten Monate die einzeln stehenden Gefäſsflocken zahlreicher und verweben sich dichter unter einander. Sie gruppiren sich zwar schon zu einzelnen Abtheilungen. Ihre Verbindung ist jedoch nur noch eine lockere Nebeneinanderlage. An der Stelle, wo sich die Pla - centa bildet, schwindet die decidua reflexa, während sich die Membrana decidua vera nicht nur in die äuſsere Platte des Chorion (der Placenta) hineinbildet, sondern auch mit ihm (mit ihr) auf das Genaueste verbunden ist. (Einiges hierher noch Ge - hörende s. unten, wo in dem zweiten Abschnitte von der Pla - centa gehandelt wird. ) Die innere Oberfläche des Chorion ist immer glatt, wie sich jeder leicht überzeugen kann, und auch die Angaben der meisten Beobachter übereinstimmen, wiewohl selbst J. Fr. Meckel (menschl. Anatomie IV. S. 703.) sagt, daſs das Chorion an seinen beiden Oherflächen Zotten habe. In den verschiedenen Entwickelungsperioden ist es zwar mit verschiedenen bald zu erörternden Stoffen und Theilen in mehr oder minder inniger Berührung, nie aber mit von ihm selbst ausgehenden Fort - sätzen auf der Innenfläche versehen. Abgesehen von den Zot - ten ist das Chorion nach Velpeau (Embryologie p. 16.) immer dünn und durchsichtig. Eine andere vielfach bestrittene und heute noch nicht entschiedene Frage ist die, ob dasselbe aus ei - nem oder aus mehreren Blättern bestehe. Zuvörderst ist es aber nothwendig, zu bemerken, daſs diese Frage, in ihrer Allgemein - heit hingestellt, im höchsten Grade ungenügend ist. Denn man muſs hier nothwendig unterscheiden, ob man nur das Exochorion oder das Chorion in dem Zustande meine, wenn das Gefäſsblatt der Allantois sich an dasselbe angelagert und in dasselbe hinein - gebildet, oder ob man die Zeit schon bezeichne, in welcher selbst das Schleimblatt der Allantois mit dem Chorion in Berührung getreten ist. Die Antwort muſs auch nach diesen drei wesent - lich verschiedenen Momenten durchaus verschieden ausfallen. 86III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.1. Von dem Exochorion an und für sich vermuthet von Bär (Ge - fäſsverb. S. 3.), daſs es aus zwei Blättern bestehe, von denen das äuſsere die Zotten constituire. Wenn sich auch Jeder leicht überzeugen kann, daſs die Zottenschicht, besonders bei zarten Eiern der Schweine, durch schnell erfolgende Maceration leicht abgeht, so konnten wir doch an frischen Chorionstücken unter dem Microscope keine zwei Lamellen durch lange Strecken tren - nen, selbst dann nicht, wenn wir in kohlensauerem Kali erhär - tete Stücke untersuchten, wodurch man sonst verschiedene La - mellen eines Theiles an feinen Durchschnitten äuſserst leicht zu erkennen vermag. 2. So lange noch die bald als Eiweiſs zu be - zeichnende Schicht sich zwischen Chorion und Allantois oder zwischen Chorion und Amnion zeigt, obgleich das Endochorion mit seinen Gefäſsen sich schon in das Exochorion hineingebildet hat, findet sich, wenigstens bei den von mir untersuchten Säu - gethieren, keine von dem Exochorion gesonderte Membran. Man erkennt aber an der Innenfläche des Chorion eine Schicht, die mit eigenthümlichen Körnchen versehen ist und die dem Endocho - rion offenbar angehört, da die Natur allgemein das schon von Haller ausgesprochene Gesetz zu beobachten scheint, daſs Gefäſse ohne stützende Membran nicht existiren. 3. Zu der Zeit, wo nach dem Schwinden des Eiweiſses Allantois oder Membrana media dicht an dem Chorion anliegen, lassen sich zwar leicht zwei Blätter von einander trennen. Man sieht aber bei einiger Aufmerksamkeit, daſs diese Blätter nicht einmal innig verwach - sen, sondern nur genau mit einander verbunden sind, und daſs die innere Lamelle einem fremden Eitheile angehört. Wir müs - sen uns daher dahin entscheiden, daſs jede Trennung des Chorion in mehrere Lamellen bei den Säugethieren sowohl, als bei dem Menschen entweder künstlich oder scheinbar sey. Das Letztere beruht darauf, daſs andere Eitheile sich genau an die Innenfläche der Eihaut anlagern oder in dieselbe hineinbilden. Wie wenig aber durch künstliche Trennung der Theile in Lamellen und Mem - branen der Wissenschaft genützt werde, dürften z. B. die vielfa - chen und nicht ohne Leidenschaftlichkeit geführten Streitigkei - ten über die verschiedenen Hüllen des Penis hinlänglich zu be - weisen im Stande seyn Verhandlungen, die heut zu Tage mit Recht fast ganz vergessen worden sind. Mit diesen Resultaten stimmt auch die Angabe von Velpeau (Embryologie p. 18.) über -87Die in dem Eileiter gebildeten Stoffe des Eies.ein, welcher das Chorion in mehr, als 400 Eiern zu untersuchen Gelegenheit hatte, und es zu vierzehn Tagen, drei Wochen, ei - nem und zwei Monaten immer einfach fand, während Granville (Joh. Müllers Arch. Hft. I. S. 7.) es aus zwei bis drei Blättern bestehen läſst, von denen die innere (Endochorion?) vasculös seyn soll. Wenn Joh. Müller (ebds. S. 7.) von der inneren Oberfläche eines Eies ein feines Blatt loszutrennen vermochte, so wird sich über diese Erfahrung erst etwas Genaueres bestimmen lassen, wenn die Periode, in welcher das Ei sich befindet, bekannt seyn wird. Eine andere an die eben besprochene sich zunächst an - schlieſsende Frage ist die, ob das Chorion mit Blutgefäſsen verse - hen sey oder nicht. Vielfach hat man über diesen Punkt gestritten und sich in den mannigfaltigsten Gegensätzen erschöpft, während sich, wenn man die genetischen Verhältnisse dieser Theile und ihren Charakter in Erwägung zieht, die Antwort von selbst fast ergiebt. Soll ein Eitheil Blutgefäſse haben, so kann er sie nur von der Mutter oder von dem Embryo erhalten. Daſs die Ge - fäſse des Uterus in keiner unmittelbaren Communication mit de - nen des Eies selbst oder des Kindes stehen, soll unten bei Gele - genheit der Placenta erwiesen werden. Ehe aber das Gefäſsblatt der Allantois das Exochorion erreicht und sich zum Theil in das - selbe hineingebildet hat, finden sich auſserhalb des Embryonal - körpers nur die Blutgefäſse des Gefäſshofes oder die Dotterblut - gefäſse. Von diesen geht fast kein Aestehen heraus zu irgend einem anderen Theile (s. unten), am wenigsten aber zum Chorion. Das Exochorion ist daher, wie die Eischaalenhaut der Vögel, an und für sich ohne Blutgefäſse. Es erhält dieselben aber dadurch, daſs das Endochorion in dasselbe sich hineinbildet, ja sein eige - nes Parenchym zum Theil verdrängt. Da nun aber bestimmt noch kein gesunder menschlicher Embryo beobachtet worden, in welchem die Allantois mit ihrem Gefäſsblatte das Exochorion noch nicht erreicht hatte, wie z. B. in dem von Bär (de ovo mammalium VIIa) gezeichneten Hundeembryo, so ist es na - türlich, daſs das frische Chorion der menschlichen, bis jetzt un - tersuchten Eier Blutgefäſse zeigen muſste. Das Exochorion hat auch hier ursprünglich und für sich keine Blutgefäſse, erhält sie aber secundär durch Hineinbilden des Endochorion in dasselbe. Es wäre eine eben so wenig interessante, als fruchtbringende Arbeit, alle über unseren Gegenstand geäuſserten Meinungen anzuführen. 88III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.Wir wollen daher das hierher Gehörende unter gewiſse Hauptru - briken bringen, um wiederum die Erfahrung zu machen, wie sehr der menschliche Geist sich bei dem besten Willen verirren kann, so - bald er den sicheren Weg der ruhigen und vorurtheilsfreien Beob - achtung verläſst oder aus einzelnen, abgerissenen Momenten auf das Ganze Schlüsse sich erlaubt. 1. Eine der gröſsten Verirrungen stellt die Behauptung dar, daſs die Zotten des Chorion selbst Blutgefäſse seyen. In Deutschland hat diese Verirrung, welche mit jedem wahren Begriffe von Blutgefäſsen in Widerspruch steht, nie sehr festen Fuſs gefaſst. Durch die Widerlegungen von Carus (Siebold Journ. 1827. S. 20.), Breschet, Raspail (Heusingers Zeitschr. Bd. II. ),[Velpeau] (l. c. p. 14.) u. A. dürfte sie überhaupt aus dem Gebiete der Wissenschaft entfernt seyn. 2. Daſs das Chorion Blutgefäſse enthalte, dürfte nach den Untersuchungen an Thieren dahin zu berichtigen seyn, daſs nur dem Endochorion diese Ge - fäſse angehören. Von den in den Flocken des Chorion, welche zu dem Fruchtkuchen eingehen, befindlichen Blutgefäſsen ist die - ser Ursprung wohl keinem Zweifel unterworfen. Allein es hatte wohl offenbar denselben Grund, wenn Joh. Müller (s. Arch. Hft. I. S. 6.) an einem Eie, welches noch keine Placenta hatte, die frisch untersuchten Nabelgefäſse deutlich bluthaltig von der Eintrittsstelle in das Chorion aus zwischen den Zotten desselben in einigem Umfange sich verbreiten sah. Denn die Hüftnabelge - fäſse gehören dem Endochorion an. Wenn übrigens derselbe Schriftsteller (l. c. p. 7.) behauptet, daſs es späterhin nicht ge - linge, auf der Oberfläche des Chorions selbst Gefäſse nachzuwei - sen, so spricht die Erfahrung von E. H. Weber (Hildebr. Anat. IV. S. 493.) zum Theil dagegen, nach welcher bei reifen Eiern zu dem nicht in den Fruchtkuchen eingehenden Theile des zotti - gen Chorion sehr enge Fortsetzungen der Nabelgefäſse verlaufen, während die völlig glatten Stellen ganz ohne sichtbare Blutge - fäſse sind. 3. Manche Schriftsteller wurden zu der Ansicht ver - leitet, daſs das Chorion des Menschen, wie man an vielen abor - tirten Eiern es sehen könne, blutgefäſslos sey. Allein da bei dem Menschen noch kein gesundes Ei beschrieben worden, in welchem noch Exochorion und Endochorion getrennt gewesen wären, so dürfte ein aus den bekannten Eiern gezogener Schluſs eben so unrichtig seyn. Man sieht dieses auch an der Methode, nach welcher die Schriftsteller ihre Behauptung darzuthun sich bemü -89Die in dem Eileiter gebildeten Stoffe des Eies.hen. So sollten z. B. nach Breschet und Raspail (Répert. génér. d’anat. et physiol. Tom. V. p. II. P. 380. in Heusinger’s Zeit - schr. II. S. 564.) die Gefäſse durch Aufbewahrung in Weingeist besonders deutlich werden, eine Behauptung, von deren Un - wahrheit sich Jeder leicht an irgend einem mit Blutgefäſsen ver - sehenen Theile überzeugen kann. Hieran schlieſst sich zunächst die Frage, ob Saugadern in den Flocken des Chorion vorhanden seyen oder nicht. Von den hierher gehörenden Erfahrungen von Fohmann wird noch weiter unten die Rede seyn. Auſser die - sem Naturforscher, welcher auf ihre Existenz nach gemachten Quecksilberinjectionen schlieſst, haben Einige, wie Schreger, Chaus - sier, Ribes u. A., sie hypothesisch angenommen oder verworfen. Eine Höhlung im Innern der Flocken, die von Vielen beschrieben wurde, konnten Manche, wie z. B. Seiler (l. c. p. 30.), nicht mit Bestimmtheit beobachten. Eben so wenig ist bis jetzt die von Mehreren gelehrte Existenz von Nerven bestätigt worden (S. un - ten Nabelstrang und Mutterkuchen). Uebereinstimmend nach allen Beobachtern bestehen die Zotten, wie sich auch Jeder leicht über - zeugen kann, aus einem durchsichtigen, viele, ziemlich groſse Körnchen enthaltenden Stoffe, welcher mit der Masse der Süſs - wasserpolypen, der Darmzotten u. dgl. einige entfernte Aehnlich - keit hat. Das Exochorion umschlieſst also nach allem bisher Gesagten, wie die Schaalenhaut der Vögel, das Ei vollständig, ist keine Fortsetzung irgend eines Theiles des Embryo und für sich ohne Blutgefäſse. Im Laufe der Entwickelung tritt als Pro - duction des Embryo das Endochorion an dasselbe, dessen Blutge - fäſse sich besonders an den Stellen des Fruchtkuchens in das Exo - chorion hineinbilden, so daſs aus diesen, dem Ursprunge sowohl, als ihrer Bedeutung nach verschiedenen Theilen ein mit Blutge - fäſsen versehenes Gebilde, das Chorion, entsteht.

Dicht an der inneren Oberfläche des Chorion liegt in dem Eie des Menschen in einer frühen Periode des Fruchtlebens ein eigenthümlicher, gallert - oder eiweiſsartiger Körper, dessen Exi - stenz von Vielen dargethan, dessen Bedeutung aber von Keinem mit Gewiſsheit festgestellt werden konnte. Schon Wrisberg (descr. anat. embryonis. 1764. 4. p. 5.) und W. Hunter (anatom. Beschreib. des schwang. Uterus S. 66. 67. ) sprechen von einer gallertartigen Substanz zwischen Chorion und Amnion. Lobstein, welcher sie in zwei Eiern vom zweiten und dritten Monate nicht90III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.finden konnte, etwas Aehnliches dagegen in Eiern von vier und fünf Monaten gesehen hatte, hielt die Anhäufung von Feuchtig - keit zwischen Chorion und Amnion für krankhaft (l. c. S. 34.). Kieser (Ursprung des Darmkanales aus der Vesicula umbilicalis 1810. 4. S. 30.) sah zwischen Chorion und Amnion eine röth - liche Flüssigkeit und in derselben eine Menge sie durchzie - hender, sehr feiner Fäden. Nach Pockels (Isis 1825. S. 1343.) enthält die Höhle des Chorions in frühester Zeit eine röthliche, durchsichtige Flüssigkeit von der Consistenz des Eiweiſses, welche ein zartes, farbloses Gewebe in verschiedenen Richtungen durch - streicht, so daſs eine Aehnlichkeit mit dem humor vitreus des Auges hierdurch entsteht. Joh. Müller (Meck. Arch. 1830. S. 422. 423. ) fand in einem Eie, dessen Embryo 7 / 12 Zoll lang war, zwischen Chorion und Amnion einen mit gallertartiger Substanz gefüllten Zwischenraum, so daſs eine Menge feiner, spinngeweb - artiger Fäden dieselbe durchzogen. Diese Fäden schienen an der inneren Fläche des Chorion ein sehr dünnes[,] häutiges Gewebe zu bilden. Jedoch war diese Gallerte bestimmt nicht in einem ei - genen häutigen Säckchen enthalten. An einem anderen Eie, des - sen Embryo 5 Linien lang war, fand er (l. c. S. 430.) eine reich - liche Quantität einer durchsichtigen Gallerte mit fadenartigem Gewebe, und eben so beobachtete er dasselbe in noch zwei an - deren jungen Eiern (l. c. S. 424.). Seiler (l. c. S. 20. 21. ) sah aus Eiern, die angeblich aus der dritten Schwangerschaftswoche waren, eine helle, eiweiſsartige Flüssigkeit ausflieſsen. Velpeau (Embryologie p. 49 53.) führt folgende, nach seiner Meinung hierher gehörende Erfahrungen an. 1. In einem ungefähr fünf - wöchentlichen, in Alkohol aufbewahrten Eie fand sich mitten in der Höhle des Chorion eine groſse Menge von Flocken. Eine durchsichtige und ungleiche Lage ähnlichen Stoffes hing an der innern[Oberfläche] des Chorion, welches keinen Embryo, kein Amnion, keine Nabelblase enthielt. An einem anderen Eie des - selben Alters fand sich dasselbe, nur daſs der Embryo noch nicht vollkommen zerstört war. 2. Ein Ei aus der sechsten bis sieben - ten Woche enthielt dieselben Flocken. Nur waren der Embryo und dessen Hüllen unversehrt. 3. An einem Eie aus dem ersten Mo - nate gingen nach Oeffnung des Chorion einige Tropfen einer durchsichtigen Flüssigkeit heraus. Es fand sich auſserdem inner - halb der Höhlung dieser Haut eine continuirliche, unregelmäſsige,91Die in dem Eileiter gebildeten Stoffe des Eies.poröse, zähe, netzförmig durchsponnene, röthliche, weiche und schwammige Lage, welche von der Nabelblase bestimmt ge - schieden war. 4. In einem ungefähr zwanzig Tage alten, drei Tage im Wasser aufbewahrten Eie fand sich der zwischen Cho - rion und Amnion befindliche Zwischenraum von einer schwam - migten, gelblichen, ins Rostfarbene fallenden Flüssigkeit erfüllt. Mitten in dieser Substanz lag das Amnion mit dem Embryo und die Nabelblase. Es bestand aus einer Menge verworrener Fila - mente oder Lamellen und stellte einen netzförmigen Bodensatz (Magma reticulé) dar. Beim Drucke traten einige Stückchen einer weiſsen, pulpösen Masse hervor. 5. In einem drei bis vier - wöchentlichen frischen Eie (Vgl. auch Heusinger’s Zeitschr. II. S. 82.) fand sich unmittelbar unter dem Chorion eine mattweiſse, sehr feine und, wie die Retina, leicht zerreiſsbare Lage. Sie hing durch viele, zarte, weiſse Fäden genau an der inneren Fläche des Chorion, und war mit einer grumösen, weiſsgelblichen Masse ge - füllt. Von ihrer Innenfläche entsprangen zahlreiche Fäden, La - mellen und Verlängerungen, welche sich nach allen möglichen Richtungen durchkreuzten. Diese Lamellen gingen zu einem an - deren, sehr feinen Blatte, welches unmittelbar die Oberfläche des Amnion und der Nabelblase nebst deren Stiele umgab. Die Flüs - sigkeit selbst bildete unter Wasser eine Menge weiſslicher Flok - ken. 6. An einem zwölftägigen Eie zeigten sich dieselben Cha - raktere. Die[Flüssigkeit] war nur weniger gleichartig und minder dunkel gefärbt. 7. In einem ungefähr sechswöchentlichen Eie fand sich in dem Zwischenraume zwischen Chorion und Amnion eine durchsichtige, mit einigen Flocken vermischte Flüssigkeit, welche dem Eiweiſs der Vögel vollkommen ähnlich war. Sie hing viel genauer an dem Amnion, als an dem Chorion. Am Nabelstrange schien sie noch durchsichtiger zu werden und sich mit der Whartonschen Sulze zu vereinigen. 8. An einem anderen et - was gröſseren Eie fand sich eine dichtere und etwas consisten - tere Lage, welche keine Flocken irgend einer Art enthielt, leich - ter von dem Chorion, als von dem Amnion sich trennen lieſs und sich mit dem die Nabelgefäſse umgebenden Zellgewebe zu ver - mischen schien. 9. In einem frischen, dreimonatlichen Eie fing diese gallertartige Lage an, undurchsichtiger zu werden und eine gelbliche oder grauliche Farbe anzunehmen. Der Placenta gegen - über betrug ihre Dicke noch mehr, als eine Linie. Die einzel -92III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.nen Lamellen waren nur schwer von einander zu trennen und die zwischen ihnen früher befindliche Serosität war geschwun - den. 10. In einem fünf - bis sechsmonatlichen Eie fand sich zwi - schen Chorion und Amnion nur eine sehr durchsichtige Lamelle, welche viel weicher und zarter, als in früheren Perioden war. Sie unterschied sich nicht von der gelatinösen Schicht, die man sehr häufig zwischen Chorion und Amnion an der Nachgeburt findet. Velpeau (l. c. p. 53.) schlieſst daher aus seinen Beob - achtungen, daſs sich von der fünften Woche bis zum Ende der Schwangerschaft zwischen Chorion und Amnion eine durchsich - tige, farblose oder graulich gelbe Schicht finde, welche ähnlich dem Glaskörper im Auge construirt ist. Ihre Dicke wird um so geringer, je mehr die anderen Membranen sich vergröſsern. Die Flüssigkeit dagegen steht in umgekehrtem Verhältnisse mit der Zeit der Schwangerschaft. Sie wird durchsichtiger und dünner und bildet zuletzt eine homogene, pulpöse Lage, welche häufig vor der Geburt des Kindes schon gänzlich schwindet. Mehrere Lamellen lagern sich an der äuſseren Oberfläche des Amnion, (ohne Zweifel identisch mit der von den Alten sogenannten Membrana Hobokenii) vorzüglich an der Wurzel des Nabelstranges. Selte - ner geschieht dasselbe am Chorion. Wenn nun die Existenz dieser Flüssigkeit auſser allen Zweifel gesetzt ist, so ist ihre Be - deutung doch noch keineswegs bestimmt. Vorläufig genüge zu bemerken, daſs Manche, wie Pockels, Joh. Müller u. A., dieselbe für ein Analogon des Eiweiſses, Andere dagegen, wie Velpeau, Seiler u. A., für die Allantois des Menschen halten. Wir müſs - ten der folgenden Darstellung vorgreifen, wenn wir hier schon die Gründe für die eine oder die andere Ansicht entwickeln wollten. Um daher nicht unverständlich zu seyn, verweisen wir dieses Thema auf den Theil des Abschnittes von dem Eie, welcher von der Allantois der Säugethiere und des Menschen handelt. Hier wollen wir nur noch theils nach v. Bär’s, theils nach eigener Erfah - rung die Beschreibung dessen hinzufügen, was in dem Eie unse - rer Haussäugethiere für ein Analogon des Eiweiſses der Vögel angesehen werden muſs.

Schon Cuvier (Meck. Arch. V. S. 580.) bemerkte bei dem Pferde, daſs die Nabelgefäſse bei ihrem Austritte aus dem Nabel - strange nach seinem Ausdrucke eine dicke, halb knorpelige Haut erhalten, welche sie überall bekleidet. Dieser Stoff, der nicht93Eitheile d. m. d. Embryonalkörper in Verbindung stehen.bloſs hier, sondern bei dem Schweine, dem Hunde, dem Kanin - chen u. a. Haussäugethieren in frühester Zeit der Entwickelung vorkommt, ist keine wahre Membran, sondern eine Masse von dich - ter, gallertartiger, halb knorpeliger Natur und findet sich besonders an der Stelle angehäuft, wo die Nabelgefäſse als Endochorion zu dem Exochorion treten. v. Bär, welcher (Untersuchungen über die Gefäſsverbindung etc. S. 4. 5. ) besonders das Ei der Hufthiere in dieser Beziehung genau beschreibt, hat zuerst auf bestimmte und speciellere Weise diesen im Eie der Säugethiere vorkommen - den Stoff für ein Analogon des Eiweiſses der Vögel erklärt. In seiner Lagerung dicht unter dem Chorion stimmt er mit dem Albumen des Vogeleies überein. Nur findet hier der Unterschied Statt, daſs das Endochorion, indem es sich genauer an das Exo - chorion anlegt und in dasselbe sich hineinbildet, mehr durch das Eiweiſs hindurchgeht, dieses also mehr unter und zwischen ihm zu liegen kömmt. Das Eiweiſs der Säugethiere besteht aus einem dichten, durchsichtigen und mit vielen Körnchen vermischten Stoffe, welcher nach v. Bär (l. c. S. 5.) begierig Wasser einsaugt, in kochendem Wasser und Weingeist gerinnt und weiſs wird. Er glaubt daher, daſs jener zuerst mehr der Natur des Eiweiſses und späterhin mehr der der Gallerte sich annähere.

C. Die Eitheile, welche mit dem Embryonalkörper in unmittelbarer Verbindung stehen und von denen das neue Individuum ausgeht, oder die selbst erst durch die Bildung desselben oder von ihm erzeugt werden.

Wir müssen uns selbst einer Inconsequenz zeihen, wenn wir hier diese Eitheile abhandeln, da sie integrirende Theile des Em - bryo sind, von ihm gröſstentheils ausgehen und an passenden Stellen des zweiten Abschnittes wiederum zu berühren werden seyn. Um aber einerseits eine übersichtliche Darstellung des gan - zen Eies zu liefern, haben wir es vorgezogen, hier auch von die - sen Eitheilen zu sprechen, auf welche wir an vielen Stellen des zweiten Abschnittes nothwendiger Weise wieder werden zurück - kommen müssen. Wenn nun so derselbe Gegenstand hier sowohl, als in der Geschichte des Embryo besprochen wird, so wird doch an beiden Orten seine Behandlung verschieden ausfallen. Denn hier kann es sich nur mehr darum handeln, wie diese Theile un -94III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.mittelbar am Eie zu dieser oder jener Periode erscheinen, welche Gestalt, Ausdehnung u. dgl. sie haben; dort dagegen, in welchem Zusammenhange der Form und Function sie mit dem Embryo stehen, von welchen Theilen desselben sie ausgehen, mit welchen sie in Verbindung, in Abhängigkeit u. s. w. sind. So liegt es zwar in der Natur der Sache, daſs hier Wiederholungen unver - meidlich sind, allein da bei der[zweifachen] Behandlung dasselbe Object unter zwei Gesichtspunkten angesehen wird, soll wenig - stens dadurch die Zahl derselben möglicherweise gemindert wer - den. Es zerfallen aber die hierher gehörenden Theile in drei Gebilde, welche entweder immer oder zu einer bestimmten Pe - riode des Fruchtlebens geschlossene Blasen darstellen und in ih - rem Inneren eine geringere oder gröſsere Quantität einer bestimm - ten Flüssigkeit enthalten und zwar a. Die Blase existirt schon vor der Entwickelung des Embryo und dieser entsteht aus einem Theile desselben, die Nabelblase. b. Die Blase entsteht aus den an den Embryo angrenzenden, hautförmigen Gebilden, welche sich schlieſsen und auf eine bestimmte unten noch zu erörternde Weise die Blasenform annehmen, das Amnion und c. Ein einfa - ches oder doppeltes blasenförmiges Organ, welches von dem Em - bryo aus, aus einem Theile desselben, dem Darmkanale, hervor - gestülpt wird, über die Frucht hinauswächst und so zwischen Chorion und Amnion tritt, die Allantois. Als Anhang dieses letz - teren Gebildes soll das Wichtigste über die Conformation des Mutterkuchens und des Nabelstranges abgehandelt werden.

a. Die Nabelblase.

Wir haben im Vorhergehenden zu zeigen uns bemüht, daſs das Eichen der Säugethiere schon von dem Eierstocke aus ein Bläschen darstelle, welches der Dotterkugel des Vogeleies[analog] sey, sich bei dem Durchgange durch die Tuben ungemein vergrö - ſsere, und entweder auf einem Theile seiner Oberfläche oder in seiner ganzen Peripherie ein Gebilde zeige, welches der Keim - haut der Vögel entspräche. Wir hatten dieses wichtige Bläs - chen bis zu seinem Eintritte in die Gebärmutter verfolgt, und müssen hier wieder dessen Geschichte[von] da fortsetzen, wo wir sie oben abgebrochen. Wenn nun dieses Bläschen, was kaum zu bezwei - feln ist, dem Dotter der Vögel entspricht, wenn der Embryo der Säugethiere sich auf analoge Weise entwickelt, als der der -95Eitheile d. m. d. Embryonalkörper in Verbindung stehen.gel, welches durch vielfache Untersuchung schon bestättigt wor - den, so dürfte es wohl erlaubt seyn, durch die Geschichte des Vogels auch hier die in der Geschichte der Säugethiere vorhan - denen Lücken zu completiren. So entsteht auch der Säugethier - embryo als eine Wucherung der Mitte der Keimhaut, welche sich von dem Dotter abschnürt und oder mehr oder minder ent - fernt. Bei dem Vogel bleibt die Distanz des Embryo von dem Dotter gering, so daſs der Verbindungsgang kurz ist. Bei den Säuge - thieren dagegen scheint diese Entfernung nicht bloſs sehr früh, sondern auch auf eine äuſserst energische Weise zu erfolgen. Der Communicationscanal zieht sich sehr lang aus, wird immer dünner und zuletzt fadenförmig. Da dieser Hergang sich schon in den ersten Wochen nach der Entwickelung der Frucht ereignet, so erscheint die Nabelblase in der Regel in secundärer Form, d. h. als eine Blase mit einem mehr oder minder langen, vollständig oder unvollständig zum Embryo hinlaufenden Stiele. Es finden sich aber noch mehrere Unterschiede zwischen der Nabelblase der Säugethiere und dem Dotter der Vögel. Diese letzteren Thiere, welche ihre Eier auſserhalb des mütterlichen Körpers brüten, müs - sen nothwendig eine gröſsere Quantität von Nahrungsstoffen in dem Eie haben, als die Säugethiere, deren Ei innerhalb des Mut - terkörpers seinen Embryo entwickelt und Stoffe für denselben fortwährend aus dem mütterlichen Organismus entnimmt. Daher ist auch der Dotter oder die Nabelblase bei den Säugethieren klein und unansehnlich, functionirt nur in der allerfrühesten Zeit des Fruchtlebens, wird als ein wenig nothwendiges oder wenig - stens bald unnöthiges Gebilde weit von dem Körper des Embryo abgestoſsen und schwindet zuletzt entweder ganz oder tritt auſser Verbindung mit der Frucht, während der Dotter der Vögel im Verlaufe der ganzen Entwickelungszeit von groſsem Umfange ist, eng an dem Embryonalkörper angeschlossen bleibt, ja zuletzt in denselben aufgenommen wird. Diese verschiedenen Verhält - nisse scheinen sogar bei den Säugethieren und den Vögeln eine Verschiedenheit der Lage der Nabelblase zu bedingen. Denn bei den Vögeln ist die Alles umschlieſsende Hülle die Eischaale und Eischaalenhaut, und es füllen einerseits Amnion und Allantois, ander - seits die Nabelblase den durch jene gebildeten Raum mehr gleich - mäſsig aus. In dem Eie der Säugethiere bildet das Chorion die äuſsere Umschlieſsung, und innerhalb derselben liegt bei den Mei -96III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.sten zunächst die fast das ganze Ei zuletzt umgebende Allantois und nächst dieser das Amnion. Zwischen diesen beiden Gebil - den und dem Chorion befindet sich die im Ganzen verhältniſs - mäſsig kleine Nabelblase. Die Lagerung ist also noch ziemlich leicht analog, wie bei dem Vogel, zu erkennen. Etwas abwei - chend aber scheint sie bei dem Menschen zu seyn. Denn hier findet man jene zwischen Chorion und Amnion oder, wo zwischen beiden der gallertartige, mit vielen Fäden durchzogene Stoff noch vorhanden ist, innerhalb dieses Letzteren. Allein dieser Schein trügt. Denn wenn man bedenkt, daſs das Amnion bei dem Menschen sich so weit ausdehnt, daſs es zuletzt das Chorion mittelbar oder fast unmittelbar berührt, daſs die Allantois, wenn auch nicht der glas - förmige Körper selbst, doch in ihm entfallen ist, und man dann den Stiel des Nabelbläschens zu der Stelle hingehen sieht, wo die Nabelgefäſse aus der Höhlung des Amnion hervortreten, so nimmt man leicht wahr, daſs die Lagerung der Nabelblase für sich durchaus dieselbe ist, wie in den Säugethieren und Vögeln, daſs nur die verschiedene Gröſse der Nebengebilde, wie des Am - nion und der Allantois, eine Verschiedenheit zu bedingen scheint, ohne in der That eine Differenz zu zeigen.

Dadurch, daſs das kleine Nabelbläschen des Menschen früh - zeitig von dem Embryo entfernt und zwischen Chorion und Am - nion oder in der gallertartigen Substanz gleichsam versteckt wird, blieb seine Erkenntniſs natürlich weit länger verborgen, als die des Amnion und der anderen Gebilde. Ja man hielt es sogar eben seiner Kleinheit, seiner später isolirten Stellung wegen u. dgl. bisweilen für ein krankhaftes Product, welches in gesun - den Eiern nie vorkommen könne, und so wurde gerade das Wich - tigste, ohne dessen Daseyn keine Entwickelung des Embryo mög - lich ist, für etwas Unwesentliches und Accessorisches gehalten. Die Bestimmung, welcher Anatom die Nabelblase zuerst gese - hen und beschrieben habe, ist besonderer Schwierigkeit unter - worfen, da die früheren Naturforscher sie zum Theil mit der Al - lantois verwechselten oder dafür ausgaben, ihre Ausdrücke zu kurz, zu unbestimmt und oft zu undeutlich sind, als daſs sich mit Sicherheit aus ihnen etwas entnehmen lieſse. Oken hat in dieser Hinsicht, als ihm die freieste Benutzung der Göttingschen Bibliothek zu Gebote stand, Ausgezeichnetes geleistet (Beiträge zur vergl. Anatomie etc. Hft. 2.). Doch bedürfen manche seinerAn -97Eitheile d. m. d. Embryonalkörper in Verbindung stehen.Angaben einer nochmaligen Kritik. Nach ihm (l. c. S. 63.) soll, was den Menschen betrifft, Joh. Riolan, der Sohn, Einer der Er - sten gewesen seyn, welche im siebzehnten Jahrhundert die Na - belblase gekannt und beschrieben haben. Allein es scheint sich eben so wenig aus den Beschreibungen dieses Mannes, als aus der von Diemerbroek mit Bestimmtheit zu ergeben. Interessant ist es, daſs Hoboken, welcher von der Nabelblase so spricht, daſs man es kaum zu läugnen vermag, daſs er sie bei dem Menschen in der That gekannt habe, sie an Eiern gesehen, welche entweder ihre Ausbildung schon vollendet hatten oder derselben sehr nahe waren. So heiſst es in seiner Anatomia secundinae humanae repetita, aucta, roborata etc. Ultrajecti 1775. 8. p. 37. bei Gelegenheit der Beschreibung der Nachgeburt eines neugeborenen Mädchens: Hoc autem in Amnio singulare esse animadverti, quod viderem circa ejusce extremitatem quasi-glandulam aut potius granulum ovalis figurae, albicans, grano Canna - bino ferme aequali. Quod stadio examinandi actus aperui, sed inclusam inveni materiam quamdam albicantem, visco - sam, ramosamque induratam. Eine ähnliche Stelle findet sich, wie Oken schon bemerkt, l. c. p. 217. 218. Ob auch p. 354. von der Nabelblase die Rede sey, muſs ich sehr bezweifeln. Vielleicht ist sie aber tab. XXVI. E. roh abgebildet. Mehr zwei - felerregend sind die Angaben von Ruysch, wiewohl die Anschwel - lungen im Nabelstrange, welche viele hierher ziehen, gar nicht hierher gehören, Hydatiden sind und auch für nichts Anderes von dem genannten Anatomen erklärt wurden. Ein gleiches Ur - theil läſst sich über Diemerbroek fällen, den Lobstein (l. c. S. 60.) und Dzondi (supplementa ad anatomiam et physiologiam, potissimum comparatam 1806. 4. p. 19.) als den Entdecker der Nabelblase anführen, weil er angiebt, daſs er in drei abortirten Eiern ein Bläschen von der Gröſse einer Haselnuſs gesehen, wel - ches mit einer durchsichtigen Flüssigkeit gefüllt war (vgl. Vel - peau’s gleiche Ansicht hierüber Embryologie p. 33. 34.). Von Schurig’s Beschreibung (Embryologia. 1732. 4. p. 37. bei Oken l. c. S. 65.) läſst sich dasselbe behaupten. Nachdem nun Noort - wyk die Nabelblase schon gekannt, aber als Allantois beschrie - ben hatte, zeigte Albinus (acad. adnott. Leid. 1754. 4. lib. I. p. 74. 75. tab. I. fig. 12.) an einem siebenwöchentlichen Eie, daſs es ein eigenthümliches, mit einem Faden versehenes, zwi -798III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.schen Chorion und Amnion gelegenes Gebilde sey, an welchem sich zwei Blutgefäſse seiner Beschreibung nach finden. Böhmer und Madai (bei Oken l. c. S. 67.) verfielen in den alten Fehler, indem sie den Faden für den Urachus hielten. Dasselbe ist auch mit Boerhave (institutiones medicae 684. bei Velpeau l. c. p. 35.) der Fall. Eben so scheint Haller (Elem. physiol. VIII. p. 208. 209. ) noch nicht recht die Nabelblase von dem Harnsacke zu unterscheiden im Stande zu seyn. Wrisberg (descriptio ana - tom. embryonis 1764. 4. p. 19.) beschrieb nicht nur das Nabel - bläschen aus menschlichen Eiern aus dem dritten Monate genau, sondern lehrte auch zwei in den Nabelstrang und in die Bauch - höhle eindringende Fäden kennen, die sich nach seinen späteren Injectionen (Hallers Grundriſs der Physiol. übers. v. Leveling S. 799.) als Gefäſse charakterisirten. W. Hunter (anatomia uteri gravidi 1777. fol. tab. XXXIII. Fig. 5. 6. und tab. XXXIV. fig. 2.) bildete die Nabelblase aus 5 - und 8wöchentlichen Eiern ab und kannte ebenfalls die zu ihr aus dem Körper des Embryo gehenden Gefäſse. Zugleich bemerkte er (anat. Beschreib. d. schwang. Uterus S. 69.), daſs das Nabelbläschen bisweilen noch in reifen Nachgeburten sichtbar sey, daſs es dann auf der Innen - fläche der Placenta oder in der Nähe derselben sich finde, einen rundlichen, weiſsen Körper bilde und dann noch das Ansehen, wie in einem Eie von zwei bis drei Monaten, habe. Sandifort und van der Laar (s. Dzondi l. c. p. 21.) beschrieben ebenfalls unser Ge - bilde, und der Erstere belegte dasselbe mit dem Namen des pro - cessus infundibuliformis amnii. Eben so stellten es Sömme - ring (Icones embr. hum. 1799. fol. tab. 1. fig. 2.), Loder, Mayer u. A. theils durch Zeichnung, theils in Beschreibungen dar. Blu - menbach verglich es bestimmt mit dem Dotter der Vögel, und gleichzeitig stellte auch Sömmering dieselbe Ansicht auf (S. un - ten in der Abhandlung des Schleimblattes). Lobstein (über die Ernährung des Fötus S. 60. 61. ) beschrieb das Nabelbläschen nach eigener Anschauung aus einem Eie aus dem Ende des zweiten und einem Eie aus dem dritten bis vierten Monate, erklärte sich aber gegen die von Manchen seiner Vorgänger gemachte Parallele mit dem Dotter (S. 63.), weil er keine Gemeinschaft mit der Darmhöhle, wie dieses bei dem Dotter der Vögel der Fall ist, gefun - den habe, sondern kehrt vielmehr zu der alten Ansicht zurück, daſs die Nabelblase die Allantois des Menschen sey. Chaussier (bei Oken99Eitheile d. m. d. Embryonalkörper in Verbindung stehen.l. c. S. 70. 71. ) hatte schon im Jahre 1776. (Mem. de l’acud. de Dijon. 1782. 8. p. 186.) die zu der Nabelblase gehenden Gefäſse in einem 7 bis 8monatlichen Embryo gefunden, und zeigte 1802 (Bulletin des sciences par la soc. philom. de Paris 4. Tom. 3. No. 67. p. 148.) die injicirte Nabelgekrösarterie eines Neuge - borenen. An Embryonen von 30 60 Tagen waren ihm immer diese Gefäſse nebst dem Bläschen vorgekommen. In jungen Em - bryonen liegt es nach ihm mit Flüssigkeit gefüllt an der Inser - tion der Nabelschnur. In älteren Früchten dagegen sieht man es welk und leer als eine mit Blutgefäſsen versehene Haut am Rande der Placenta. Autenrieth (supplementa ad historiam embryonis humani 1797. 4. p. 9. 10. ) beschrieb es in zwei Eiern, wie Knorre angiebt. Wenn Oken (Beiträge zur verglei - chenden Zoologie, Anatomie und Physiologie 1806. u. 1807. 4. ) zu zeigen sich bemühte, daſs der Darmkanal aus der Nabelblase entstehe, so hatte dieser Ausdruck einerseits etwas Schiefes. An - derseits ist er aber auch den Beweis durch unmittelbare Beob - achtung schuldig geblieben. Doch hat das Werk für die Erkennt - niſs der Nabelblase vorzüglich zwei Verdienste, nämlich: 1. daſs bestimmt ausgesprochen wurde, daſs die Höhlungen der Nabel - blase und des Darmkanales in frühester Zeit in unmittelbarer Communikation stehen; 2. daſs eine Reichhaltigkeit, besonders der älteren Literatur, in seiner Schrift enthalten ist, wie in kei - nem ähnlichen, bis jetzt erschienenen Werke. Dzondi (l. c. p. 56.) beobachtete zweimal die Nabelblase. 1. In den Eihäuten ei - nes männlichen, ungefähr fünfmonatlichen Embryo zwischen Cho - rion und Amnion, ungefähr drei Zoll von der Insertion des Na - belstranges entfernt. Sie soll mit dem Chorion zusammengehan - gen, eine etwas trübe Flüssigkeit enthalten haben und mit einem Zoll langen, sehr zarten, an eine Protuberanz (?) sich anset - zenden Faden versehen gewesen seyn. 2. In einer anderen, et - was macerirten Placenta aus derselben Zeit der Schwangerschaft fand er ein mit trüber Flüssigkeit gefülltes Bläschen ohne Faden frei zwischen Chorion und Amnion. In der Nachgeburt reifer Früchte konnte er sich aber über ihre Existenz nicht vergewis - sern. Ueber die hierher gehörenden Erfahrungen von Kieser, Meckel, Emmert u. A. s. unten in dem zweiten Abschnitte die Dar - stellung des Schleimblattes. Nach Cuvier (Meck. Arch. V. S. 587.) soll die rundliche Nabelblase des Menschen bald im Nabel -7*100III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.strange, bald an seinem äuſseren Ende, bald etwas weiter ab und wahrscheinlich in einer Vertiefung der Allantois liegen. Obgleich nun auf diese Weise durch vielfache Untersuchungen die Existenz der Nabelblase auſser allen Zweifel gesetzt war, erklärte sie Osi - ander (Salzb. medizin. chirurg. Zeit. 1814. S. 173.) paradoxer Weise für ein krankhaftes und daher in normalen Eiern durch - aus fehlendes Gebilde, und lehrte Döllinger in seinen Vorlesun - gen (vgl. Samuel l. c. p. 82.), daſs sie kein beständiger Theil wäre. J. Fr. Meckel, welcher früher schon ausgezeichnete Un - tersuchungen über die Nabelblase und die mit ihr in Verbindung stehenden Embryonaltheile bekannt gemacht hatte, lieferte (mensch - liche[Anatomie] IV. S. 722 726.) eine Zusammenstellung frem - der sowohl als eigener Beobachtungen (über die letzteren s. un - ten Schleimblatt.). Samuel (l. c. p. 81.) gab zwar eine tabel - larische Zusammenstellung fremder und eigener Erfahrungen über die vesicula umbilicalis, bezweifelte aber (l. c. p. 72.) ihre Ana - logie mit dem Dotter des Vogels. C. A. Knorre (de vesicula umbilicali. Dorpati Livonorum 1822. 8. p. 17.) bemerkte, daſs er vier Mal das Nabelbläschen bei dem Menschen zu beobachten Gelegenheit gehabt und lieferte eine vergleichende Zusammen - stellung mit den Säugethieren und der Analoga in der Thier - welt überhaupt, auf welche Arbeit wir bald zurückkommen werden. Von Pockels (Isis 1825. S. 1344. fgg. ) irrthümli - cher Ansicht über das Wesen und die Veränderungen der Na - belblase werden wir unten, besonders bei Gelegenheit seiner Ve - sicula erythroides, ausführlich sprechen. In Burdachs geistrei - cher Zusammenstellung alles über die Nabelblase Bekannten (Phy - siol. II. S. 481 488.) bemerkt v. Bär (l. c. S. 484.), daſs er sich auch bei dem Menschen von der unmittelbaren Communica - tion der Höhlung des Nabelbläschens und des Darmkanales über - zeugt habe. Joh. Müller (Meck. Arch. 1830. S. 412 417.) be - schrieb das Nabelbläschen eines sehr zarten menschlichen Em - bryo, an welchem der Gang sich als eine unmittelbare Verlänge - rung zeigte. Der Gang selbst, den M. ductus omphalo-entericus nennt, schien hohl zu seyn. Nach einigen literarischen Citaten und eigenen Beobachtungen schlieſst er endlich auf die Identität des Nabelbläschens und des Dotters der Vögel. Derselbe Natur - forscher hat in neuester Zeit (s. Arch. 1834. Hft. S. 8.) die Be - schreibung eines sehr zarten menschlichen Embryo geliefert, wel -101Eitheile d. m. d. Embryonalkörper in Verbindung stehen.cher über das Verhältniſs des Darmes zur Nabelblase auſser allen Zweifel setzen soll. Der Embryo selbst ist Linien, der Na - belstrang Linien lang und das Nabelbläschen hat Linien im Durchmesser. Die Darmhöhle ist ein die Carina einnehmender Kanal, welcher ganz breit in das Nabelbläschen übergeht, so daſs an der Stelle des späteren Stieles nur eine geringe Einschnürung sich findet. Auch E. H. Weber (Hildebr. Anat. IV. S. 509 512.) und Seiler sprechen sich für die Analogie des Nabelbläschens und des Dotters im Vogel aus. Der Letztere (die Gebärmutter und das Ei des Menschen 1832. fol. S. 37.) fand zwar selbst bei den kleinsten Embryonen die Unterleibshöhle schon geschlossen und das Nabelbläschen wenigstens eine Linie davon entfernt, schlieſst aber aus der, besonders an Thieren, zu beobachtenden Rückbildung desselben, daſs es das Dotterbläschen sey, in welchem die ersten Bildungen der Frucht beginnen. Velpeau, welcher früher schon (s. Heusingers Zeitschrift II. S. 78 81.) wichtige Beobachtun - gen über das Nabelbläschen des Menschen bekannt gemacht hatte, liefert in seinem neuesten Werke (Embryologie p. 33 45.) eine Kritik mancher fremden Erfahrung sowohl, als auch eine voll - ständige Aufzählung seiner über diesen Gegenstand gemachten Beobachtungen. Er läugnet (l. c. p. 33 35.) mit vollem Rechte, daſs Diemerbroek, Ruysch u. A. die Vesicula umbilicalis ge - kannt haben, daſs das von Lobstein (l. c. fig. 1.) abgebildete Ei und Nabelbläschen gesund gewesen sey, und bemerkt, daſs über - haupt selbst die Abbildungen von Albinus, Wrisberg und Söm - mering noch Vieles zu wünschen übrig lassen. Nach seinen ei - genen Untersuchungen findet sich ein Bläschen der Art, wie es die genannten Naturforscher beschrieben haben, in der sechsten bis achten Woche der Entwickelung des Eies. An beinahe 200 Eiern aber, die noch vor dem Ende des dritten Monats waren, fand er (l. c. p. 39.) nur 30mal die Nabelblase in einem Zu - stande, welcher normal genannt werden konnte. 1. In einem einen Zoll im Durchmesser haltenden und mit der decidua ver - sehenen Eie fand sich innerhalb des Chorion eine ovale oder birnförmige Blase, welche sich unterhalb der Leber des Fötus endigte. Der Stiel schien sich an dem Ansatzpunkte gablich zu spalten und an der Wirbelsäule zu endigen. Zwei Gefäſse, wel - che sich auf der Nabelblase verzweigten, waren an ihm mit Deutlichkeit zu erkennen. Der in der Nabelblase enthaltene,102III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.sehr flüssige, schwach gelbliche Inhalt konnte längs der ganzen Länge des Stieles von dem Bauchende bis zu seiner Insertion in die Nabelblase mit Hilfe einer Nadel hin und her bewegt wer - den. 2. In einem noch jüngeren Eie war die Nabelblase von mehr kuglicher Form, und ihr kürzerer Stiel setzte sich an den Darm an. Durch Druck konnte die Flüssigkeit der Nabelblase in den Darm, nicht aber wiederum zurück befördert werden. 3. In einem anderen Eie lag die Nabelblase in der zwischen Cho - rion und Amnion befindlichen Gallerte, Velpeau’s sogenanntem netzförmigen Körper, und hatte nur eine Linie im Durchmesser. Ihr Stiel war ¼ Linie dick und ging eine Linie von dem unteren Theile des Bauches des Embryo entfernt in den Nabelstrang. 4. In einem sechs - bis siebenwöchentlichen Eie war die Nabel - blase abgeplattet, von gelber Farbe, von der Gröſse einer kleinen Linse und endigte sich mit einem 3 4 Linien langen, sehr feinen Stiele in dem Nabelstrange. Dasselbe fand sich auch in einem anderen Eie. Nur hatte hier die Nabelblase einen etwas gerin - geren Umfang. 5. In einem sechs - bis siebenwöchentlichen Eie hatte die rundliche, gelbe und abgeplattete Nabelblase einen 4 5 Linien langen Stiel. 6. In einem anderen Eie gleichen Alters war die Nabelblase an der inneren Oberfläche des Chorion angehef - tet. Ihr sehr feiner 5 6 Linien langer Stiel pflanzte sich erst in der Mitte der Länge des Nabelstranges in denselben ein, weil dieser letztere innerhalb des Chorion eine Strecke fortlief. 7. Die Nabelblase eines fünf - bis sechswöchentlichen Eichens hatte einen so feinen, 7 8 Linien langen Stiel, daſs seine Einpflanzung in den Nabelstrang nicht genau beobachtet werden konnte. 8. In einem ungefähr dreimonatlichen Eie fand sich frei zwischen Cho - rion und Amnion, einen Zoll von der Wurzel des Nabelstranges entfernt, die gelbe, eine Linie ungefähr im Durchmesser haltende Nabelblase. Der Stiel war überaus fein und konnte nur einige Linien weit in dem Strange der Nabelgefäſse verfolgt werden. 9. In einem wenigstens dreimonatlichen Eie fand sich die Nabel - blase viel stärker, als in den vorhergehenden Fällen, zwei Zoll von dem Nabelstrange entfernt. Ihr Stiel konnte 12 15 Linien weit verfolgt werden und ging dann in eine Art blutigen Strei - fens über. 10. Der Stiel der Nabelblase eines sieben - bis acht - wöchentlichen Eies konnte nicht mehr bis zur Wurzel des Na - belstranges verfolgt werden. 11. Mehrere Male fand V. die Na -103Eitheile d. m. d. Embryonalkörper in Verbindung stehen.belblase völlig frei in der unmittelbar von dem Chorion einge - schlossenen, eiweiſsartigen Flüssigkeit. 12. In einem fünf - bis sechsmonatlichen Eie, wo die Nabelblase fast vier Zoll vom Na - belstrange entfernt war, und in einem sechsmonatlichen Eie, wo diese Entfernung nur ungefähr drei Zoll betrug, verlor sich bald der äuſserst feine Stiel in der Dicke des Amnion. 13. In einem zwölftägigen Eie (?) war die Nabelblase mit Ausnahme ihres halb so groſsen Volumens wie in No. 2. beschaffen. Ihr sehr kurzer Stiel ging zu dem schon sehr deutlichen Leibe des Embryo. Sie selbst aber war in einem kleinen Punkte am Chorion befestigt. Velpeau glaubt (l. c. p. 41.) daher, daſs die Nabelblase ein kleiner, birnförmiger, runder oder rundlicher Sack ist, welcher 15 20 Tage nach der Befruchtung 2 4 Linien im Durchmes - ser hat. Wahrscheinlich ist sein Diameter in der dritten bis vierten Woche am gröſsten, verkleinert sich aber bestimmt nach dem ersten Monate. Sobald sie aber zur Gröſse eines Corian - dersaamens reducirt worden, wird sie platt und verringert ihren Durchmesser in einem sehr unbedeutenden Verhältnisse. Sie liegt immer zwischen Chorion und Amnion, und zwar bis 30 40 Tage nach der Befruchtung innerhalb der gallertartigen Feuchtig - keit. Selten liegt sie späterhin völlig frei, sondern in der Regel am Amnion oder an dem Chorion angeheftet, so daſs es dann den Anschein hat, als sey sie innerhalb der Lamellen einer dieser Membranen enthalten. Der Stiel der Nabelblase (p. 42.) ist bis zum Ende des ersten Monates 2 bis 6 Linien lang und oft ¼ Linie dick. Bei seinem Eintritte in das Bläschen dehnt er sich trichterförmig aus, nicht aber an der Bauchseite der Frucht. Un - zweifelhaft hängt er auch mit dem Darme continuirlich zusam - men. Nach dem ersten Monate verlängert er sich bis zu einem halben bis Zoll, wird aber viel feiner, indem er zugleich in den Nabelstrang eintritt und dort undeutlich wird oder schwin - det. Bis zum zwanzigsten Tage ist er unzweifelhaft hohl, so daſs man den Inhalt der Blase in ihn hineindrücken kann. Die Schlieſsung erfolgt wenigstens bestimmt vor der fünften Woche und scheint im Nabelringe zuerst vor sich zu gehen. Die Wan - dungen der Nabelblase sind glatt, wenn sie selbst voll ist; wenn dies aber nicht Statt findet, so sind sie gefaltet und zusammen - gefallen. Drei Häute aber, wie Dutrochet, correspondirend den Häuten des Darmkanales, angenommen, kommen nicht vor. Mit104III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.Deutlichkeit lassen sich die Nabelgekrösgefäſse, für welche V. den Namen Dottergekrösgefäſse oder Dottergefäſse vorschlägt, nicht bloſs auf dem Gange, sondern auch auf der Nabelblase ver - folgen. Sie kommen aber nicht, wie man gewöhnlich angiebt, von der arteria und vena mesaraica superior, sondern aus den untergeordneten Aesten der groſsen Unterleibsgefäſse, vorzüg - lich derer des Coecum. Die Natur der in der Vesicula umbili - calis enthaltenen Flüssigkeit ähnelt in Bezug auf ihren Oelgehalt der des Dotters im Vogeleie. Endlich erklärt sich auch Bischoff (l. c. S. 57.), freilich mehr nach theoretischen Gründen, als nach stringenten Erfahrungen, für die freie Communication der Nabel - blase mit dem Darme. Was nun die Formation der Nabelblase in der Klasse der Säugethiere anbetrifft, so werden wir im zwei - ten Abschnitte auf die wichtigen hierher gehörenden Erfahrungen von J. Fr. Meckel, Bojanus, v. Bär u. A. zurückkommen müs - sen, wenn von der Bildung des Darmkanales aus dem Schleim - blatte der Keimhaut die Rede seyn wird. Wir wollen daher hier nur einiges Ergänzende der Vollständigkeit wegen aufneh - men, um so theils durch das hier Gegebene, theils durch das weiter unten noch zu Berührende das Wichtigste der diesem Ge - genstande angehörenden Literatur vollständig zu liefern. Oken (Beiträge zur vergl. Zoologie etc. Hft. 2. S. 35. fgg. ) versuchte, unterstützt durch die sehr reichhaltige Göttingsche Bibliothek, eine vollständige Angabe der hierher gehörenden Literatur zu liefern. Wir würden auch unbedingt seine Angaben angenommen haben, wenn nicht zur Zeit des Erscheinens seiner Schrift die Natur der Nabelblase mit zu wenig Vollständigkeit gekannt gewe - sen wäre, als daſs sich nicht nothwendig eine Menge von Irr - thümern in seine Arbeit eingeschlichen hätten. Needham wird bei Gelegenheit der Nabelblase von Allen als derjenige genannt, welcher dieselbe im manchen Säugethieren zuerst gefunden und auch die Parallele derselben mit dem Dotter der Vögel zuerst aufgestellt habe. Es dürfte daher von Wichtigkeit seyn, zu untersuchen, in wiefern diese Aussprüche wahr sind oder ei - ner Berichtigung bedürfen. Daſs Needham die Nabelblase bei dem Hunde als seine sogenannte Tunica quarta beschrieben habe, leidet durchaus keinen Zweifel. Denn in seiner Schrift Disqui - sitio anatomica de formato foetu authore Gualthero Need - ham. Lond. 1667. 8. p. 65. heiſst es: Absoluta tandem Al -105Eitheiie d. m. d. Embryonalkörper in Verbindung stehen.lantoidis descriptione opportuna erit alterius quoque mem - branae mentio, quae eandem figura quidem repraesentat, usui tamen longe diverso destinatur. In canibus felibusque occurrit, sub cingulo sita, prope funiculi umbilicalis diva - ricationes; ubi vasa ab invicem discedere incipiunt et ver - sus placentam pergere. In longum extenditur in cavitate quadam in eum prorsus finem a membranis aliis illuc coe - untibus facta et utrimque ligamento cartilagineo albissimo et quasi fibula iisdem in sui extremitatibus alligatur. Quod caeteras partes, nusquam cavitatis suae parietibus arcte ad - haeret, sed fere libera pendet. In gestationis initio magna est et humoris plena, ut multo copiosius hic, quam in ce - teris membranis, simul sumtis conspiciatur. Venis arteriis - que frequentissime spargitur, quibus pcculiaribus ex mesen - terio oriundis donatur. Progressu autem temporis decrescit paullatim, donec succo omni absumpto membranulam cho - roideam in cerebro adeo accurate imitatur, ut exempla in - cautis imponere possit. Succus hic loci reservatus minime urina est, sed nobilissinum quid, quod foetui prioribus sep - timanis impenditur. Idque per vasa, ut dixi, peculiaria. l. c. p. 193. u. P. 195. heiſst es: Haec membrana (sc. quarta) ut prius dictum, figura quidem allantoides est, usu tamen longe alia, quam allantoides bubula aut ovilla. Humorem nempe in se generosissimum continet, qui in initio gestatio - nis copiosissimus est et liquorem amnii quantitate superat. Progressu temporis vasorum dictorum opera absumitur, ita ut sub finem tunica omnino vacua compareat. In cavitate autem sua recumbens venisque et arteriis copiose sparsa plexui choroidi simillima evadit. Auch stellt er (l. c. p. 66.) in dem Kaninchen die gefäſsreiche Haut unterhalb des Chorions mit der Nabelblase zusammen, wie es die meisten nach ihm eben - falls gethan haben (s. unten Schleimblatt). Was aber die Ver - gleichung der Nabelblase mit dem Dotter betrifft, so hat Need - ham nur die Gefäſse beider mit einander parallelisirt, den Inhalt der Nabelblase dagegen dem Eiweiſse der Vogeleier gleichgestellt, wie aus folgender, hierauf bezüglicher Stelle (l. c. p. 79. 80. ) deutlich erhellt. Ut cumque demum sit, de hisce animalibus certo dici potest, quod sint oviparis proxima, in quibus arteria et ena ve mesenterio prodeunt et peculiari humori106III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.inserviunt. Hoc tamen discrimine fit, quod vitellus, cujus ista sunt vasa, ultimo in loco absumitur, quum e contra li - quor hic caninus primus in nutritionem cedit et licet initio gestationis copiosus est, tamen ante partum prorsus evanes - cit et ne guttulam quidem in membrana relinquit; adeo, ut, si recte computemus, vasa vitellaribus respondeant. Humor vero contentus albumini tenuiori; nempe primus in embryo - nis alimentum facessit et tenellis ejusdem staminibus augen - dis ac roborandis inservit, donec robustior fiat et crassior succo digerendo aptior. Nächst Needham ist Regner de Graaf zu nennen, welcher die Nabelblase zwar nicht erkannt, sondern vielmehr dieselbe für das Amnion gehalten, aber die erste Entstehung des Embryo auf so deutliche Art für seine Zeit be - schrieben hat, daſs man unwillkührlich an den Dottersack der Vögel erinnert wird. Nachdem er (de mulierum organis in Opp. omn. 1677. 8. p. 363.) dargethan, daſs das Eichen des Ka - ninchen auſser seiner allgemeinen Hülle noch ein kleines Eichen in sich enthalte und dieses, wie es auch später von Cruikshank u. A. geschehen, als Amnion gedeutet hat, während es nach unse - rem heutigen Wissen unzweifelhaft Chorion und Nabelblase ist, sagt er (l. c. p. 364.): Dum ovum ad hunc modum gran - descit, in interiori ejus tunica Amnios dicta (der wahren Na - belblase) nubecula quaedam comparet, quae sensim crassior evadens mucosam materiem acquirit, in cujus medio primo punctum saliens, deinde rude embryonis corpusculum, ut in formis galba, conspicitur, quod in dies augendo majorem perfectionem nanciscitur. Daſs Graaf dagegen, wie Oken (l. c. S. 42.) angiebt, die Nabelblase für die Allantois gehalten, ist un - richtig. Was aber das nach Hallers Angabe (Elem. physiol. p. 190. 191. ) von Aldes, Stenon, Harder, Heucher, Zeller, Carper und Malpighi an dem Amnion der Kuh gesehene Gebilde gewesen, dürfte schwer zu bestimmen seyn. Nach Oken sollen Seve - rinus, Bartholinus, Trew, Aquapendente, Haller u. A. bei dem Hunde (l. c. S. 38.), Needham bei der Katze (l. c. S. 39.), Th. Bartholinus bei dem Löwen (l. c. p. 40.) u. dgl. m. die Vasa omphalo-mesaraica und Daubenton die Vesicula umbilicalis als Allantois bei dem Hunde (l. c. S. 37.), dem Hausmarder (l. c. S. 40.) und anderen Säugethieren, Haller als eine ihm nicht recht bekannte Blase bei dem Hunde (l. c. S. 39.), Needham bei der107Eitheile d. m. d. Embryonalkörper in Verbindung stehen.Katze (l. c. S. 39.), dem Kaninchen (S. 46.) und anderen Nagern beschrieben haben. Die in Cruikshanks Versuchen schon oben angeführte innere Blase ist ohne Zweifel die Nabelblase gewesen (s. oben). Eben so läſst sich, wie z. Thl. Dzondi (l. c. p. 59.) schon bemerkt, mit Bestimmtheit behaupten, daſs Lobstein, fuſsend auf Hallers Erfahrung, mit Unrecht die Blase, welche im Eie des Schaafes noch vor dem Erscheinen des Fötus vorkömmt, für die Allantois hält, sondern daſs sie die Nabelblase sey (üb. Ernährung des Fötus S. 73.). Der weitere Verfolg der Versuche spricht auch deutlich genug dafür. Oken (Beiträge etc. S. 37. u. a. v. a. O.) hat die Nabelblase des Hundes und Schweines und ihr Verhältniſs zu den Embryonen selbst, besonders dem Darmka - nale genau beschrieben und (tab. II. tab. III. fig. III. tab. IV. fig. I.) abgebildet. Dzondi (supplementa ad anatomiam etc. tab II. fig. I.) deutete wenigstens in seiner Abbildung eines jun - gen Eies des Schaafes die Nabelblase an. Wegen der in die Fol - gezeit fallenden Arbeiten der berühmtesten Deutschen müssen wir auf den Abschnitt von dem Embryo verweisen, wo bei Ge - legenheit des Ursprunges des Darmkanales von den Beobachtun - gen von J. Fr. Meckel, Emmert, Hochstätter, Bojanus u. A. aus - führlich gesprochen werden soll. Dutrochet beschrieb bei Gele - genheit der Eihüllen überhaupt die Nabelblase aus einer Reihe von Schaaffötus (Meck. Arch. V S. 566. 567. ) und lieferte rich - tige Bemerkungen (l. c. S. 568. 569. ) über die Lage und Bedeu - tung derselben. Die Arbeit von Cuvier (Mém. du Muséum Vol. III. p. 98 113. u. in Meck. Arch. V. S. 574 584.) ver - räth auch hier wie überall den weitblickenden Naturforscher. Nach ihm (l. c. p. 577.) hängt die Nabelblase, das Analogon des Dotters, bei allen Säugethieren durch Gefäſse mit dem Gekröse des Fötus und durch 1 2 Bänder, welche den Chalazen ent - sprechen sollen, mit dem Chorion zusammen liegt immer nebst der Allantois zwischen Chorion und Amnion, schwindet aber meistens lange vor der Geburt. Bei dem Hunde und der Katze ist (l. c. S. 579.) die Vesicula umbilicalis spindelförmig, wegen der Menge von Gefäſsen röthlich, mit gerunzelter äuſserer und zottiger, innerer Oberfläche versehen und bei dem Hunde mit ei - ner hellen, bei der Katze mit einer schleimigten, dotterähnlichen Flüssigkeit gefüllt. Sie beharrt während des ganzen Fruchtlebens, wächst jedoch weniger als die übrigen Eihüllen und wird zuletzt108III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.dreieckig. Bei dem Pferde (l. c. S. 180.) ist sie von länglicher Form, röthlich und runzlich, liegt ihrer ganzen Länge nach per - pendiculär zu dem Unterleibe des Fötus, verkleinert sich wäh - rend des Verlaufes der Entwickelung und schwindet vielleicht vor dem Ende des Fruchtlebens. Sie hat aber nur eine Chalaze und ist auch nur an einer Seite an dem Chorion befestigt. Ihre Gefäſse anastomosiren mit denen des Chorion. Bei dem Schweine liegt die Nabelblase schief gegen den Fötus; bei dem Menschen dagegen (l. c. S. 581.) bald in dem Nabelstrange, bald an seinem äuſseren Ende, bald etwas weiter ab und vermuthlich in einer Vertiefung der Allantois. Bei den Wiederkäuern schwinden Na - belblase und Nabelgekrösgefäſse verhältniſsmäſsig am schnellsten. Bei den Nagern dagegen ist die Nabelblase gröſser als die Allan - tois und bekleidet die innere Fläche des Chorion und die äuſsere der Allantois. Die Verbindung der Nabelblase mit dem Darme hat Cuvier (l. c. S. 583.) nicht, wie Oken behauptete, an dem Blinddarme, sondern oberhalb desselben gefunden. Seine Angaben über die Nabelblase hat Dutrochet (Meck. Arch. V. S. 586 592.) bei wiederholten Untersuchungen bestätigt gefunden. Alessan - drini (Meck. Arch. V. S. 613.) fand sie bei einem der Reife na - hen Eie des Seehundes klein und spindelförmig. Sie hing mit einem dicken cellulösen Strange an dem inneren Blatte des Cho - rion, mit einem anderen zelligen Strange am Nabelstrange. Dem ersten Bande gegenüber ging ein drittes kleineres Band zum Cho - rion. Auch gingen von der Oberfläche der Nabelblase zellgewe - bige Fäden zum Chorion, die vielleicht früher Blutgefäſse enthiel - ten. Die Nabelblase selbst enthielt eine halbe Unze einer weiſsen, geruchlosen, durchsichtigen, eiweiſsähnlichen Substanz und bestand aus einer festen, nach auſsen glatten, nach innen gerunzelten Membran. Die Nabelgekrösgefäſse waren im Nabelstrange sowohl als in dem Unterleibe völlig verschlossen. Doch glaubt er, daſs nur durch diese der Darmkanal mit der Nabelblase communicire. Knorre (de vesicula umbilicali. 1822. 8. ) hat zwar keine eige - nen Beobachtungen über die Nabelblase geliefert, aber sorgfältig Alles, was zu seiner Zeit existirte, gesammelt und Schlüsse daraus gezogen, welche für den damaligen Zustand der Entwickelungs - geschichte in jeder Rücksicht ausgezeichnet genannt werden müssen. So deutet er z. B. die von Cruikschank in zarten Ka - nincheneiern schon gefundene, innere Blase für die Nabelblase (l. 109Eitheile d. m. d. Embryonalkörper in Verbindung stehen.c. p. 42. 43. ) u. dgl. m. Die hierher gehörenden Beobachtungen anderer Naturforscher, besonders v. Bär’s, werden unten noch speciell berührt werden.

Fassen wir nun kürzlich das Wichtigste dessen, was uns die reichhaltige Literatur sowohl, als eigene Beobachtung gelehrt ha - ben, zusammen. Die Nabelblase entspricht dem Dottersacke der Vögel. Ihre Haut ist also Dotterhaut und ihr Contentum Dotter. Unterhalb der ersteren liegt die Keimhaut, aus welcher sich der Embryo entwickelt. Das Schleimblatt berührt auch hier, wie unten noch dargethan werden soll, den Dotter. Allein indem sich sein centraler Theil zu dem Darmrohre abschürt, fliehen sich gleichsam Nabelblase und Embryo, so daſs sich zwischen beiden ein mehr oder minder langer Stiel auszieht. Wenn auch die Nabelblase als der Dotter der Säugethiere bei Weitem kleiner ist, als der Dotter der Vögel ein Verhältniſs, welches offen - bar in der inneren Brütung des Säugethieres und der Conforma - tion seiner Genitalien seinen Grund hat so stimmen doch an - derseits die relativen Gröſsen vollkommen mit einander überein. So ist in allerfrühester Zeit der Embryo klein, selbst gegen den kleinen Dotter; ja dieses Verhältniſs nimmt nicht sogleich mit der Vergröſserung des Embryo ab, weil in der ersten Zeit der Entwickelung desselben auch die Nabelblase ihr Volumen ver - gröſsert. Da der Embryo zuerst unmittelbar auf dem Dotter auf - liegt, später dagegen sich immer weiter von ihm entfernt, so wird natürlich der Stiel der Nabelblase um so dicker seyn, je kürzer er ist und umgekehrt. Sobald aber die Vergröſserung der Nabelblase sowohl, als die Verlängerung ihres Stieles ihren höch - sten Grad erreicht hat, hört die unmittelbare[Function] des Säu - gethierdotters auf. Dies geschieht durch folgende Umstände. 1. Die Nabelblase wird welk. Ihre Wandungen fallen zusammen, weil das Contentum derselben geringer, besonders aber weniger flüssig wird. Doch selbst in dem ersten Stadium der rückgän - gigen Metamorphose geben sich die Charaktere des Dotters an der Nabelblase noch deutlich zu erkennen. So zeigt noch der Inhalt runde Körnchen, welche zwar ziemlich klein sind, durch ihre bestimmt runde Form aber und ihre vollkommene Durchsichtig - keit an die Dotterkugeln des Vogeleies erinnern. So zeigen die Wandungen der Nabelblase jene Erhabenheiten und Vertiefungen, welche Haller unter dem Namen der Vasa lutea aus dem Hüh -110III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.nereie beschrieb und von denen im zweiten Abschnitte bei Ge - legenheit der Genese des Blutes ausführlich die Rede seyn soll. So vertrocknet gleichsam der Inhalt der Nabelblase. Sie selbst aber persistirt entweder in diesem Zustande während des ganzen Fruchtlebens oder schwindet constant oder nur bisweilen vor dem Ende desselben. Daſs man häufig noch die Ueberreste der Na - belblase in den reifen Fruchthüllen des Menschen finde, ist eine nichts weniger, als neue Erfahrung. Denn derjenige, welcher zuerst die Nabelblase des Menschen genauer und deutlicher be - schrieben hat, Hoboken (s. oben S. 97.)[,] hatte sie an der reifen Nach - geburt beobachtet. Nach ihm aber haben Hunter, Sandifort u. A., und in neuester Zeit Mayer, Bischoff und wir selbst dieselbe Erfah - rung vielfach wiederholt. 2. Der Stiel der Nabelblase zeigt eben so wichtige Veränderungen, als diese selbst. Indem er immer dünner wird, schlieſst er sich, sobald der unmittelbare Einfluſs der Na - belblase auf den Embryo ihr höchstes Ziel erreicht hat. Diese Schlieſsung erfolgt, wie ich an Eiern des Schweines mit Be - stimmtheit zu verfolgen vermochte, von der Leibeswand des Em - bryo aus nach der Nabelblase hin. Ich hatte zwar noch keine Gelegenheit, einen Embryo dieses Säugethieres zu untersuchen, bei welchem ich den Inhalt der Nabelblase durch den Stiel in den Darmkanal überzuführen vermochte. Allein oft konnte ich bei ganz jungen Früchten das noch flüssige Contentum noch wei - ter, als die Hälfte des Ganges in diesen hineindrücken, während die Ausdehnung in welcher dieses möglich war mit dem Wachs - thume des Embryo immer abnahm und so der Strang eine immer kürzere Strecke von der Nabelblase aus hohl sich zeigte. 3. Auſser diesem mit dem Darmrohre communicirenden Stiele der Nabel - blase gehen noch die Vasa omphalo-mesaraica zu derselben. Man muſs aber diese durchaus von dem Gange selbst unterschei - den. Denn dieser letztere schwindet, nachdem er eine fadenför - mige Dünne erlangt hat, gröſstentheils oder gänzlich. Es scheint aber ein wenigstens für die Säugethiere allgemein geltendes Ge - setz zu seyn, daſs die Gefäſse der Nabelblase länger verharren, als der Gang, als wollte die Natur von dem Wenigen, welches die Vesicula umbilicalis enthält, sobald sie Nichts mehr durch unmittelbare Communication in den Embryo zu befördern vermag, mit Hülfe des Kreislaufes das Brauchbare überführen. Man muſs sich daher wohl hüten einen später an der Nabelblase erscheinen -111Eitheile d. m. d. Embryonalkörper in Verbindung stehen.den isolirten Faden, wie es Bischoff gethan (l. c. S. 57.), für das Rudiment des Ganges zu halten, so lange man sich nicht mit Be - stimmtheit davon überzeugt hat, daſs es nicht die Arteria oder Vena omphalo-mesenterica oder ein daran liegender Zellge - websfaden sey. Noch Mehreres über die Nabelblase ist in dem zweiten Abschnitte bei der Genese des Darmkanales enthalten.

b. Das Amnion.

Die innerste Eihaut, welche zugleich von dem Embryo ausgeht, ist die Schaafhaut, das von Empedokles schon so benannte (Vgl. Haller elem. physiol. VIII. p. 195.) Amnion, welches, um mich der Erklärung Regner de Graaf’s (Opp. omnia. p. 369.) zu bedie - nen, deshalb Amnion i. e. amiculum heiſst, quia amice foetum obvolvat. Diese Haut, welche bei Haller und Meckel die vierte Haut und bei Blumenbach die zweite eigenthümliche Haut ge - nannt wird, kann so leicht in dem Menschen sowohl, als in den Säugethieren wahrgenommen werden, daſs es ganz erklärlich ge - nannt werden muſs, wenn sie fast keinem, nur irgend genaueren Beobachter von den ältesten bis auf die neuesten Zeiten entgan - gen ist. Doch finden sich theils in Bezug auf ihre Genese, theils in Rücksicht ihrer Verbindung mit den anderen Eihäuten und der Frucht eine Menge ganz unrichtiger Ansichten. Wie man nämlich bei dem Hühnchen sehr leicht verfolgen kann, entsteht das Amnion (s. im zweiten Abschnitte) dadurch, daſs sich der centrale Theil der Keimhaut, der Embryo, einsenkt und der peri - pherische Antheil des serösen Blattes zuerst am Kopfe, dann am Schwanze und zuletzt an den Seiten über ihn hinwegschlägt. Es verbindet sich daher continuirlich mit den Bauchplatten und nach Schlieſsung derselben mit dem Nabel. Man pflegt auch diese Hülle des Embryo zum Unterschiede einer anderen, vor ihr er - scheinenden das wahre Amnion zu nennen, während jene das falsche Amnion heiſst (S. im zweiten Abschnitte am Schlusse des serösen Blattes.). Es wäre ermüdend, wenn wir die Literatur des Amnion vollständig durchgehen wollten, da der Natur der Sache nach die Differenz der Ansichten im Wesentlichen nicht so groſs und so mannigfach seyn kann. Daher wir nur einiges Wichtigere anzuführen uns begnügen. So wird das Amnion zwar oberflächlich, doch ohne wesentlichen Fehler von Galen u. a. äl - teren Aerzten beschrieben (S. Velpeau l. c. p. 23.) und von Al -112III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.len fast für eine durchsichtige, weiche und structurlose Haut ge - halten. Nur Manche, wie z. B. Burns, geben sie für ein Gewebe von Fasern aus und manche ältere Beobachter, wie Harvey, Graaf und selbst Haller (Elem. physiol. VIII. p. 191.), glaubten ein - mal Gefäſse in ihm wahrgenommen zu haben. So beschreibt auch Bischoff (l. c. S. 88. 89. ) an der inneren Fläche des Amnion eine dichte Schicht von kleinen Kügelchen, welche in dichten mehr oder minder isolirten Haufen beisammen stehen und sich leicht abschaben lassen sollen. Geschieht dieses letztere, so verbreiten diese Stellen ein mattes Ansehen und das Amnion selbst wird hierdurch an diesen Punkten glatter und durchsichtiger (Vgl. l. c. tab. II. fig. 5. 6.). Eine Trennung in verschiedene Lamellen wird nur von einigen älteren Schriftstellern z. B. Harvey und ohne genügende Erfahrung angenommen. Dagegen sind von Au - toren, welche mehr nach einzelnen, zum Theil ungenügenden Beo - bachtungen an Säugethieren und dem Menschen, als nach einer allgemeineren Ansicht Schlüsse machten, eigenthümliche Meinun - gen aufgestellt worden. So glaubte z. B. Pockels (Isis 1825. S[.]1342.) durch Beobachtung gefunden zu haben, daſs das Amnion zuerst eine völlig geschlossene Blase wäre, in welche sich der Embryo hineinsenkt. Allein abgesehen davon, daſs, wie Seiler und Velpeau mit Recht bemerken, Pockels Eier krank waren und daſs eine solche Entstehung des Amnion gegen alle Analogie mit den Säugethieren und Vögeln streitet, sieht man auch nicht recht ein, was aus dem innern, von dem Körper der Frucht unmittel - bar eingedrückten Theile des Embryo werden solle. Velpeau hat seine Ansicht über Genese des Amnion vielfach geändert. An einem etwa zwanzigtägigen Eie sah er (Heusinger’s Zeitschrift II. S. 75.) das Amnion Linie von dem Embryo getrennt, sich über den Nabelstrang schlagen und in die Epidermis des Embryo sich fortsetzen. Spätere Untersuchungen dagegen (l. c. S. 76.) lieſsen ihn sich für die Ansicht von Pockels bestimmen. In sei - ner neuesten Schrift (Embryologie p. 27.) spricht er die Ueber - zeugung aus, daſs Amnion und Epidermis sich vor dem er - sten Monate des Fruchtlebens nicht verbinden. Er glaubt auch gefunden zu haben, daſs während der ersten 14 Tage das Amnion nur mit dem Embryonaltheile des Nabelstranges, um den es sich scheidenförmig einstülpt, in unmittelbarer Verbindung stehe, daſs dieses Verhältniſs bis zur vollständigen Entwickelung der Bauch -platten113Eitheile d. m. d. Embryonalkörper in Verbindung stehen.platten fortdauere, und daſs selbst in der Folge die Continuität mit der Epidermis nur schwer nachzuweisen sey. So durchbohre also der Nabelstrang in der ersten Zeit das Amnion (p. 34.). Diejenigen, welche das Amnion schon in dem Eie vorgebildet glauben, haben, wie schon oben dargethan wurde, die Nabelblase und die Keimhaut mit demselben verwechselt. Ueber den zwischen Amnion und Chorion befindlichen Zwischenraum ist schon theils oben gesprochen worden, theils soll noch bei Gele - genheit der Allantois davon die Rede seyn. Er schwindet mit vorschreitender Entwickelung immer mehr, so daſs zuletzt zwi - schen innerer Fläche des Chorion und äuſserer des Amnion nur eine dünne Schicht übrig bleibt.

Zwischen Amnion und Embryo befindet sich eine Flüssigkeit, welche im Laufe der Entwickelung immer mehr an Quantität zunimmt, je näher das Amnion an das Chorion tritt. Diese Flüs - sigkeit ist schon vielfach untersucht und chemisch analysirt wor - den. Was das Letztere betrifft, so haben Kühn (Versuch einer Anthropochemie. 1824. 8. S. 133. 134. ), Berzelius (Lehrbuch der Thierchemie übers. von Wöhler. 1831. 8. S. 531 535.), Leopold Gmelin (Handbuch der theoretischen Chemie S. 1408 1409.), das Wichtigste von eigenen und fremden Erfahrungen zusammen - gestellt. Van der Bosch (Kühn l. c. S. 133.), der zuerst die Amnionflüssigkeit des Menschen genauer untersuchte, fand dieselbe in den ersten Monaten wasserhell oder leicht gelblich; John da - gegen (bei Gmelin l. c. S. 1408.) fand sie in einem zweimonatli - chen Eie röthlichweiſs, opalisirend und alkalisch. Sie bestand aus 99,58 Wasser und 0,42 thierischer Materie mit milchsauerem, phosphorsauerem, schwefelsauerem und salzsauerem Natron mit phosphorsauerem Kalk. Die meisten Analysen der Amnionflüs - sigkeit betreffen die späteren Stadien der Schwangerschaft oder ins Besondere die Zeit unmittelbar vor der Geburt. Hier fanden Vauquelin[und] Buniva (Gmelin l. c. S. 1408.) dieselbe von spec. [Gew. ]1,004 und aus 98,8 Wasser und 1,2 Eiweiſs, Natron, salz - sauerem Natron und phosphorsauerem Kalk bestehend. Nach John (Gmelin l. c. S. 1408.) ist sie sehr schwach weiſslich, opalisirend und dünnflüssig, wird durch Filtriren wasserhell, hat einen faden Geruch und ein spec. Gew. von 1,03, reagirt alkalisch und liefert bei dem Kochen sehr wenig geronnener Häute. Sie besteht aus 96,7 Wasser und 3,3 Mucus (Eiweiſs), Osmazom, in Wasser und8114III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.nicht in Weingeist löslicher Materie und freiem milchsaueren phosphorsaueren, schwefelsaueren und salzsaueren Natron und et - was Kali. Nach Brande (Kühn l. c. S. 134.) ist sie frisch durch - sichtig, trübt sich aber an der Luft und bildet einen weiſsen, flockigen Niederschlag. Im frischen Zustande färbt sie die Veil - chentinktur grün, wirkt aber nicht auf Lacmus. Dieses wird je - doch nach Kurzem schwach geröthet, weil sich bald Schwefel - wasserstoff entwickelt. Durch die Hitze werden trübe Flocken geronnenen Eiweiſses niedergeschlagen. Eben so entsteht durch Säuren ein Niederschlag, während Alkalien gar nicht einwirken. Im Ueberschuſs die letzteren zugesetzt, entwickelt sich Ammo - niak. Am elektrischen negativen Pole sammelt sich Eiweiſs und Natron, an dem positiven dagegen Salzsäure. Nach Frommherz und Gugert (Gmelin l. c. S. 1408. Berzelius l. c. S. 531.) ist der liquor amnii gelb, unklar, von fadem Geschmacke und Ge - ruche, reagirt vermöge seines Ammoniakgehaltes stark alkalisch und hinterläſst nach dem Verdampfen 3 % festen Rückstandes. Siedhitze und Alkohol erzeugen Coagula; starke bringt die Sal - peter - und die Salzsäure, schwache dagegen die Essigsäure her - vor. Kali causticum schlägt grauweiſse Flocken nieder. Durch Quecksilberchlorid entsteht ein bald sich rosenroth färbendes, durch Gallapfeltinctur ein gelbes Präcipitat. Es besteht aus Ei - weiſs, Käsestoff, Speichelstoff, Osmazom, Harnstoff, durch Kali fällbarer, sauerstoffhaltiger Materie, hydrothionsauerem und koh - lensauerem Ammonium, benzoesauerem, kohlensauerem, phosphor - sauerem und schwefelsauerem Natrum, phosphorsauerem und schwe - felsauerem Kalke und Spuren von Kalisalzen. Was nun die Amnionsflüssigkeit der Säugethiere betrifft, so enthält, nach Las - saigne (Gmelin l. c. S. 1409.) die der Stute etwas Eiweiſsstoff, Mucus, Osmazom, gelbe Materie, Chlorkalium, Chlornatrium, koh - lensaueres Natrum und phosphorsaueren Kalk. An dem liquor amnii der Kuh findet sich (Gmelin l. c. S. 1409. Berzelius l. c. S. 534.) in den ersten Monaten nach Prout und Dzondi Eiweiſs - stoff 0,26, Osmazom und milchsaueres Alkali 1,66, Milchzucker und in Weingeist nicht lösliche Salze 0,38 und Wasser 97,70, und in dem fünften bis achten Monat nach Lassaigne Eiweiſsstoff, Mucus (Speichelstoff? G.), gelbe der Galle ähnliche Materie, Chlor - kalium, Chlornatrium, kohlensaueres Natrum und phosphorsauerer Kalk.

115Eitheile d. m. d. Embryonalkörper in Verbindung stehen.

c. Die Allantois und die mit ihrer Existenz nothwen - dig verbundenen Membranen und Gebilde des Eies, wie das Endochorion, die mittlere Haut, die Placenta und der Nabelstrang.

Wir kommen zu einem Abschnitte der Lehre des Eies, wel - cher einerseits seiner Wichtigkeit wegen die Aufmerksamkeit fast aller Naturforscher, die sich je mit unserem Gegenstande beschäf - tigt haben, auf sich gezogen, anderseits aber mit so vielen Schwie - rigkeiten verbunden ist, daſs manche wesentliche Punkte trotz der Bemühungen so vieler Männer heute noch unerklärt sind. Um auf diesem verwickelten Felde eine möglichst klare Anschauung zu gewinnen, müssen wir daher auch den Gang des Vortrages auf eine eigenthümliche Weise einrichten, da wir sonst nothwen - dig zur Vermehrung der Verwirrung nur beitrügen. Wir werden aber zuvörderst a. die allgemeinen Verhältnisse, wie sich die Al - lantois und die mit ihrer Existenz zusammenhängenden Gebilde darstellen, als allgemeines Resultat vorausschicken, um so einen Anhaltpunkt für die specielleren Facta zu gewinnen. Der Beweis für jenes ist theils fremde Auctorität, theils später noch zu lie - fernde eigene Beobachtung. b. Wir werden kürzlich die wich - tigsten Beobachtungen über die Allantois der Thiere anreihen und c. dasjenige endlich anführen, was von dem Menschen in dieser Rücksicht zu sagen sey.

Einige Zeit nachdem der Darmkanal des Embryo sich als ein Rohr gebildet und abgeschlossen, entsteht an der vorderen Wandung des hintersten Theiles desselben eine Ausstülpung, die Allantois oder Harnhaut. Diese wächst bald über den Embryo hinaus, bis sie die innere Fläche des Chorion bei den Vögeln und den Säugethieren mittelbar oder unmittelbar erreicht. Dadurch aber, daſs die Bauchspalte sich bis auf die Nabelöffnung schlieſst, entstehen zwei Abtheilungen der Harnhaut, nämlich der dem Eie angehörende und der in dem Embryonalkörper befindliche Theil. Dieser letztere zerfällt allmählig in die nach hinten und unten gelegene Blase und den nach vorn und oben gerichteten Harn - strang oder Urachus. An und für sich ist die Allantois ohne Blutgefäſse. Es verlängern sich aber die Hüftnabelgefäſse, beson - ders über die nach dem Chorion hinsehende Fläche der Harnhaut. Diese Gefäſse, welche Burdach für ein eigenes Blatt ansieht (Phy -8*116III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.siologie II. S. 533.) und zum Theil als Endochorion bezeichnet, legen sich nun an das Chorion im Laufe der Entwickelung ge - nauer an, fliehen also, wenn eine Eiweiſsschicht zwischen Chorion und Amnion sich befindet, zum Theil die Allantois und gehen durch das Albumen hindurch. So an die Innenfläche des Cho - rion (Exochorion) gelangt bilden sie sich in diese hinein und stellen den Fruchtkuchen dar. Sie selbst dagegen liegen nebst dem Urachus, so weit sie von der Bauchöffnung des Embryo in dem Amnion vorlaufen, in einem eigenen Strange, welcher von dem Amnion, einer sulzigen Masse, dem Urachus, den Nabelgefä - ſsen gebildet wird und Nabelstrang, funiculus umbilicalis, heiſst. Wie sich dieses Alles in den verschiedenen Säugethieren und dem Menschen und in den einzelnen Epochen der Schwangerschaft verhalte, werden wir bald zu berichten Gelegenheit haben.

Die sehr vielen Beobachtungen, welche über die Allantois der Säugethiere existiren, sind sämmtlich, mit Ausnahme einer einzigen, aus einer Zeit der Schwangerschaft, in welcher die Harn - haut schon über den Embryonalkörper hinaus gewachsen ist und mehr oder minder schon den Raum zwischen Chorion und Amnion einnimmt. Die einzige Erfahrung, bei welcher dieses nicht der Fall ist, ist an sehr zarten Früchten des Hundes gemacht und gehört K. E. v. Bär an. Dieser sah bei 5 Linien langen Hunde - embryonen die Allantois in Form einer kleinen, bläschenförmigen Ausstülpung des hintersten Endes des Darmrohres, gerade so, wie man dasselbe an dem dritten bis vierten Tage während der Entwickelung des Hühnchens zu beobachten vermag. Reicher ist dagegen die Literatur desjenigen Zustandes, in welchem die Harn - haut mehr oder minder dicht an dem Chorion anliegt. Allein hier tritt eine andere, wiederum nicht mit Bestimmtheit immer zu lösende Schwierigkeit entgegen. Denn häufig genug werden mit dem Namen Allantois Exochorion, Endochorion oder andere schon durch die Natur oder künstlich getrennte Theile bezeich - net. Oft läſst sich auch nicht einmal mit Gewiſsheit bestimmen, was der Schriftsteller immer beschrieben, und mit der Benennung der Harnhaut belegt habe. Es würde aber eine eben so unin - teressante, als undankbare Arbeit seyn, alle vollständigen und unvollständigen Angaben über Allantois hier durchgehen und kritisch beleuchten zu wollen. Wir können in dieser Beziehung auf Oken (Beiträge etc.), Dzondi (supplementa[ etc. ]) u. dgl. verwei -117Eitheile d. m. d. Embryonalkörper in Verbindung stehen.sen und halten es dagegen für zweckmäſsiger auf einige Wenige Rücksicht zu nehmen, welche sich durch Reichhaltigkeit und Genauigkeit ihrer Untersuchungen auszeichnen. Vor Allen müs - sen wir hier von älteren Naturforschern Needham erwähnen. Dieser treffliche Beobachter hat in dem siebenten Kapitel seines Werkes de formato foetu 1667. 8., der Embryotomia compa - rata sive directio cultri das Resumé seiner vielfachen, über die Eihäute der Säugethiere angestellten Untersuchungen gegeben. Bei dem Schweine fand er (l. c. p. 178.) die Allantois selbst ge - fäſslos und konnte sie, obwohl sie mit ihren Divertikeln mit den Nachbareiern verwachsen war, doch vollständig isoliren und auf - blasen. Bei dem Pferde (l. c. p. 181.) drücken die Gefäſse des Endochorion Furchen in die Allantois, ohne einen Ast der Harn - haut selbst abzugeben. Jene geht rings um den Fötus herum und schlieſst eine dunkele, kleine Concremente enthaltende Flüs - sigkeit ein. Bei der Kuh (l. c. p. 185.) erstreckt sich die Allan - tois in beide Mutterhörner, wenn auch, wie es in der Regel der Fall ist, nur eine Frucht sich findet. Diesem stehen auch die übrigen Wiederkäuer ganz nahe. Bei dem Kaninchen (l. c. p. 192.) bildet die Allantois eine Pyramide, deren Basis an der Pla - centa sich befindet. Bei dem Hunde endlich (l. c. p. 196.) um - giebt die Allantois ebenfalls den ganzen Fötus. Haller (Elem. physiol. VIII. p. 204.) hat die Allantois in allen untersuchten Vierfüſsern gesehen; nur beschreibt er sie als eine aus zwei La - mellen bestehende und mit Blutgefäſsen versehene Haut und will sogar mehrere Male Lymphgefäſse in ihr beobachtet haben. Doch hat er oft das Nabelbläschen für die Allantois gehalten, worin sich an ihn, wie in der Beschreibung der Blutgefäſse, Lobstein innig anschlieſst (Ernährung des Fötus S. 65.). Oken (Beiträge zur Zoologie S. 25.) glaubte nach seinen Untersuchungen an Eiern des Schweines die Behauptung aufstellen zu müssen, daſs die diverticula allantoidis keine durch einen Riſs des Chorions hervortretende Fortsetzungen der Harnhaut, sondern eigenthüm - liche, durch eine Narbe mit der Allantois verwachsene Blasen seyen, eine Ansicht, die von späteren Schriftstellern, besonders von Samuel und v. Bär hinlänglich widerlegt ist. Bei Hunden (l. c. Hft. II. S. 7.) sah er die Harnhaut dicht von dem Chorion über - zogen. An den Enden des Eies dagegen vermochte er nicht zu unterscheiden, ob sich ein doppeltes Blatt, also Chorion und Al -118III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.lantois finde, oder nicht. Vollständiger waren schon die Unter - suchungen von Dzondi (supplementa ad anatomiam etc. p. 25 sqq.), wiewohl sie anderseits manche Irrthümer enthalten. So fand er (l. c. p. 26.) zuerst die Allantois als eine lange, cylin - drische, mit keinen Erhabenheiten und Vertiefungen versehene Haut, welche an den Enden sich abrundet und hier, wo die Di - vertikel oder die von ihm sogenannten Membranae excretoriae sich ansetzen, ein kleines Loch hat. Im Laufe der Entwickelung (l. c. p. 27.) wird sie breiter und länger und bekommt Erhaben - heiten und Vertiefungen. Was ihre Gröſsenverhältnisse in dieser Beziehung betrifft, so fand er sie (l. c. p. 28.) bei einem Fötus von 8 Linien 19 Zoll lang und ¾ bis Linie breit, bei einem von 1 Zoll 22 Zoll lang und eben so breit, bei einem von 5 Zoll 25 Zoll lang und 1 bis 2 Zoll breit, bei einem von Zoll 28 Zoll lang und eben so breit, bei einem 14 Zoll langen Fuſs lang und 3 5 Zoll breit, bei einem von 18 Zoll Fuſs lang und 3 6 Zoll breit, bei einem von 21 Zoll Fuſs lang und 3 7 Zoll breit, bei einem von Fuſs endlich 10½ Fuſs lang und an einigen Stellen 6, an anderen 15 Zoll breit. Ihre Lage in dem Fruchthälter (l. c. p. 31.) ist immer von der Art, daſs wenn das Thier einherschreitet, dieselbe über dem Amnion und dem Fötus sich befindet. Mit Ausnahme der Gefäſse des Exocho - rion fand er (l. c. p. 35. 36. ) durchaus keine Blutgefäſse in ihr und eben so wenig mehrere Lamellen. Die Divertikel der Harn - haut, welche er appendices s. membranae excretoriae nennt, sah er in den verschiedenen Eiern (l. c. p. 48.) 1 5 Zoll lang und 5 Linien bis beinahe zwei Zoll breit. Sie sind in der Re - gel zusammengefallen und enthalten nur ungefähr 1 2 Drachmen, ja zuletzt gar keine Flüssigkeit. In den früheren Schwanger - schaftsmonaten sind sie relativ gröſser, als später und von der Substanz des Chorion sowohl, als der Allantois verschieden. Von hier wenden wir uns an Cuvier, da die schätzbaren Untersuchun - gen von Emmert, Hochstetter, Meckel u. A. keine wesentlichen Differenzen von seinen über den gröſsten Theil der Säugethier - klassen angestellten Beobachtungen darbieten und Samuel (l. c. p. 35 37.) nur die Entstehung der Divertikel aus der Harnhaut von Neuem nachweiset. Nach Cuvier (Meck. Arch. V. S. 579.) ist die Allantois bei dem Hunde und der Katze eine die innere Fläche des Chorion bekleidende Membran, welche sich hernach119Eitheile d. m. d. Embryonalkörper in Verbindung stehen.umbiegt, um die zweite die Nabelblase und das Amnion einschlie - ſsende Haut zu bilden. Der Urachus tritt zu ihr aus einem sehr kurzen Nabelstrange. Die Nabelgefäſse verbreiten sich über die ganze Oberfläche der Harnhaut, also an der inneren Fläche des Chorion, an der äuſseren des Amnion. Die Maschen der Blutge - fäſse sind durch ein feines Zellgewebe verbunden. Bei dem Pferde (l. c. S. 580.) füllt sie den Raum zwischen Chorion und Amnion und ist dünn, fest und beinahe gefäſslos. Bei dem Schweine liegt sie neben dem Amnion und bildet, indem sie das Chorion durch - bohrt, die Divertikel oder die Anhänge. Bei den Wiederkäuern (l. c. S. 581.) erweitert sich der Urachus bei seinem Austritte aus dem Nabelstrange, biegt sich auf der einen Seite um und verwandelt sich in einen langen Darm, der sich an den beiden Enden des Chorion anheftet. Bei den Nagern ist die Nabelblase gröſser, als die Allantois. Diese ist klein, von flaschenförmiger Form und liegt mit ihrer Basis auf der Placenta. Die Ratten und Meerschweinchen haben eine dünnere Harnhaut, als die Ka - ninchen. Nach Burdach (Physiol. II. S. 531.) ist sie bei den Nagern klein, von birnförmiger Gestalt und in der Nabelscheide eingeschlossen; bei den Einhufern und Fleischfressern sackförmig, indem sie das Amnion bis auf eine kurze Stelle um den Nabel - strang einschlieſst, bei dem Schweine und den Wiederkäuern dagegen schlauch - oder darmförmig, indem sie von ihrem Gange nach und über das Kopf - und Schwanzende des Embryo hinaus - geht, das Chorion an seinen beiden Enden durchbohrt und die Divertikel darstellt. Von v. Bär’s Untersuchungen wird bald ausführlich die Rede seyn.

Nachdem wir nun so das Wichtigste aus der Geschichte der Allantois der Säugethiere angeführt und manche das Angeführte nur bestätigende oder minder interessante Beobachtung unterdrückt haben, bleiben uns nur noch zwei Punkte zu berücksichtigen übrig, nämlich 1. die Betrachtung der Flüssigkeit der Allantois, des Inhaltes derselben und 2. die Verhältnisse der sie bedecken - den Blutgefäſse, des Endochorion und ihre Relation zu Häuten und Gefäſsen des Fruchthälters oder die Geschichte der Placenta. Was den liquor allantoidis betrifft, so ist er von den Vögeln, dem Schweine, dem Pferde und den Wiederkäuern schon vielfachen Un - tersuchungen unterworfen worden. Bei Vögeln ist die Allantoisflüs - sigkeit nach Jacobson zuerst wasserhell, wird später gelblich und zähe120III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.und setzt weiſsliche Concretionen ab, welche fast nur aus Harn - säure bestehen. Diese nehmen gegen Ende der Brütung immer zu, so daſs zuletzt nur sie und eine zähe, eiweiſsstoffige Flüssig - keit übrig bleiben (Gmelins Chemie II. S. 1455.). Nach Dzondi (l. c. p. 39.) ist sie im Anfange vollkommen wasserhell, von süſslichem, fadigen Geschmacke. Sie wird im Laufe der Schwan - gerschaft gelblich und pflegt einen etwas eckelhaften Geruch an - zunehmen. Noch später dagegen wird sie gelbroth und zuletzt braunroth. Immer aber bleibt sie wäſsrig. In der Regel finden sich in ihr am Ende des Fruchtlebens weiſse, leicht zerreibbare Concretionen. Was ihre Quantität sowohl, als die der Amnion - flüssigkeit anlangt, so fand sich bei einem Fötus von dr. j Gewicht unc. j liq. allant. und dr. β liquor amnii, bei dr. ij Körperge - gewicht unc. j und dr. ij liq. allant. und dr. j. liquor amnii, bei unc. j dr. Körpergewicht unc. ij liq. allant. und unc. vij liq. amnii, bei unc. j dr. j Körpergewicht unc. j dr. iv liq. allant. und unc. v liq. amnii, bei unc. iv Körpergewicht unc. iv liq. allant. und unc. xiv liq. amnii, bei unc. viij Körpergewicht unc. viij. liq. allant. und unc. xxiv liq. amnii, bei unc. xxiv½ Körper - gewicht unc. xvij liq. allant. und unc. xxxxj liq. amnii, bei Pfd. ij unc. vj Körpergewicht Pfd. vj unc. ix liq. allant. und Pfd. ij unc. iij liq. amnii und bei xx Pfd. Körpergewicht vj Pfd. liq. allant und iij Pfd. liq. amnii. Was das specifische Gewicht der beiden Flüssigkeiten anlangt, so fand D. (l. c. p. 72.) bei unc. j Körpergewicht des Embryo das der Allantoisflüssigkeit 1,007 und das der Amnionflüssigkeit 0,982, bei unc. iv Körpergewicht das der ersteren 1,003½ und das der letzteren 1,000, bei unc. vj Kör - pergewicht 1,009 der ersteren und 1,007 der letzteren, bei unc. viij Körpergewicht 1,020 der ersteren und 1,011 der letzteren, bei unc. xxiv½ Körpergewicht 1,009 der ersteren und 1,003½ der letz - teren, bei unc. xxx Körpergewicht 1,029½ der ersteren und 1,028 der letzteren, bei Pfd. iv½ Körpergewicht 1,012 der ersteren und 1,002 der letzteren und bei Pfd. xx Körpergewicht 1,018 der er - steren und 1,011 der letzteren. Bei der Destillation im Wasser - bade (l. c. p. 74.) erhält man aus dem liquor allantoidis zuerst eine bräunliche, syrupartige Flüssigkeit von einem unangenehmen ammo - niakalischen Geruche, bei fortgesetzter Destillation eine der getrock - neten Blase ähnliche Masse, welche bei noch stärkerer Hitze auf - schwillt und einen Ammoniakgeruch verbreitet. 100 Theile Flüs -121Eitheile d. m. d. Embryonalkörper in Verbindung stehen.sigkeit geben 20 bis 25 Theile Rückstand. Mit salzsauerem Ba - ryt, kohlensauerem Kali entsteht ein weiſses, pulveriges oder flok - kiges Präzipitat; Alkohol erzeugt nach einigen Stunden ein wei - ſses, gelatinöses Sediment, Sublimatauflösung einen wolkigen, gelblichen, später pomeranzenfarbenen Niederschlag. Die Allantois - flüssigkeit der Stute enthält nach Lassaigne (Gmelin l. c. S. 1409.) Eiweiſsstoff, Osmazom, Mucus, Milchsäure, Chlorkalium und Chlor - natrium, phosphorsaueren Kalk, viel schwefelsaueres Kali und phosphorsauere Bittererde. Nach demselben Chemiker ist der li - quor allantoidis der Kuh im fünften bis achten Monate durch - sichtig, fahlgelb, von spec. Gew. 1,0072, von fadem, schwach sal - zigen Geschmack und sauer reagirend und besteht aus Eiweiſs - stoff, vielem Osmazom, Mucus, Allantoissäure, Milchsäure, salz - saurem Ammoniak, milchsaurem, phosphorsauerem, salzsaurem und vielem schwefelsaueren Natrum, phosphorsauerem Kalk und phosphorsaurer Bittererde. Dagegen ist die weiſse zähe Materie (Hippomanes), welche in der Allantoisflüssigkeit am Ende der Schwangerschaft schwimmt, aus wenig löslichem Eiweiſsstoff, vie - lem geronnenen Eiweiſsstoff und 27 % kleesauerem Kalk zusam - mengesetzt (Gmelin l. c. S. 1409. Vgl. Berzelius Thierchemie S. 535 537.). Ueber die Eigenthümlichkeiten der in dem liquor allantoidis vorkommenden Säure, der sogenannten Allantoissäure vgl. Gmelin l. c. S. 833. 834. und Berzelius l. c. S. 536.

Wollten wir alle Formen der Placenta, wie sie von jedem einzelnen Autor dargestellt werden, wiedergeben, so müſsten wir uns nothwendig eine Menge höchst unnützer und uninteressanter Wiederholungen zu Schulden kommen lassen, ohne dadurch die Wissenschaft zu fördern oder die Anschauung zu verdeutlichen. Um daher nicht in einen so thörichten Versuch zu gerathen, dürfte es zweckmäſsiger seyn, sich in dieser Beziehung an einen oder einige wenige Schriftsteller zu halten, welche den Gegen - stand auf eine naturgetreue Art darstellen und in möglichst voll - ständiger und übersichtlicher Weise erschöpfen. In Bezug auf die äuſsere Form der Placenten der wichtigsten Säugethierabthei - lungen dürfte Needham genügen. Dieser (de formato foetu 1667. 8. p. 177. fgg. ) geht das hierher Gehörende auf folgende Weise durch. 1. Das Schwein hat nach ihm (l. c. p. 178.) we - der Placenta noch Drüsen, sondern das weiche und poröse Cho - rion saugt, wie ein Schwamm, die durch die Fruchthältergefäſse122III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.dargebotenen Flüssigkeiten auf. 2. Diesem am Nächsten steht das Pferd (l. c. p. 180.), wo sich anfangs keine Spur von Drüsen oder Placenta findet, im Laufe der Schwangerschaft aber zer - streute Karunkeln entstehen und zuletzt das Chorion eine solche Dicke erreicht, daſs es in seiner Totalität eine Placenta darstellt. Bei der Kuh (l. c. p. 183.) hängen die kleinen zerstreuten Pla - centen an den Drüsen des Fruchthälters (Mutterkuchen) an, wo sie convex sind, während sie bei dem Schaafe und der Ziege, welche ganz dasselbe zeigen, eine concave Oberfläche (l. c. p. 186.) haben. Der Hirsch hat eine geringere Anzahl von Mutterkuchen, als die Kuh (l. c. p. 188.). Bei dem Kaninchen (l. c. p. 187.) werden die einzelnen Placenten durch einen drüsigten Körper an den Uterus befestigt. Im Hunde (l. c. p. 194.) umgiebt sie gürtelför - mig das Ei in seiner Mitte, ohne daſs eine Spur eines drüsigten Körpers (gesonderten Mutterkuchens) wahrzunehmen wäre. Das - selbe findet auch (l. c. p. 196.) bei der Katze und anderen Raub - thieren statt. Cuvier (Meck. Arch. K. S. 578.) fand, daſs bei dem Hunde und der Katze die gürtelförmig das Ei umschlieſsende Placenta an ihrer äuſseren Oberfläche mit vielen kleinen weichen Spitzen besetzt ist, welche in die Vertiefungen eines ähnlichen Gürtels an der Gebärmutter treten. Bei dem Pferde (l. c. S. 580.) ist die äuſsere Fläche des Chorion mit kleinen, rothen, die Stelle der Placenta vertretenden Körnchen besetzt. Bei dem Schweine bedeckt ebenfalls die Placenta das ganze Chorion, bil - det aber linsenförmige Höckerchen. Die Placenta des Kaninchens endlich (l. c. S. 582.) besteht aus zwei parallelen, durch eine Kreisfurche abgegränzten Kuchen, von welchen der äuſsere mehr weiſse der Gebärmutter, der innere rothe dem Fötus zugewandt ist. Nach Alessandrini (Meckels Arch. V. S. 607.) ist bei dem Seehunde die Placenta gürtelförmig, wie bei den Fleischfressern, platt, ungefähr einen Zoll dick und mit unregelmäſsigen, seichten Furchen besetzt. Endlich fand schon John Hunter (Bemerkungen über die thierische Oekonomie übers. von Scheller S. 205.) bei dem Affen eine Placenta, welche in zwei oblonge Körper getrennt zu seyn schien, die an ihren inneren Rändern vereinigt waren, an ihren äuſseren Enden dagegen in stumpfe Spitzen verliefen, welche wahrscheinlich gegen die Mündungen der Tuben gerichtet waren. Jeder dieser Lappen der Placenta bestand wiederum aus kleinern, mehr oder minder deutlichen und mit einander dicht123Eitheile d. m. d. Embryonalkörper in Verbindung stehen.vereinigten Läppchen. Die Substanz der Placenta glich sehr der des Menschen. Stellen wir nun, wie es z. Thl. schon Burdach (Physiol. II. S. 543.) gethan, die einzelnen Typen der Placenta - formation nach diesen nun aufgezählten Erfahrungen zusammen, so erhalten wir folgende Klassen: 1. Die ganze Oberfläche des Chorion vertritt die Stelle der Placenta. Es finden sich nur a. kleinere Höckerchen auf demselben als besonders ausgebildete Theile, Schwein und b. Es zeigen sich gröſsere Karunkeln, Pferd. 2. Auf der Innenfläche des Fruchthälters sowohl, als auf der Au - ſsenfläche des Chorion erscheinen eine Menge rundlicher Erhaben - heiten, welche sich gegenseitig an einander anlegen und eine Menge Placenten darstellen, Wiederkäuer. 3. Es entsteht ein einzelnes, eigens gesondertes Gebilde. a. Dieses umgiebt das Ei in seiner Mitte gürtelförmig, während sich färbende, meist grün - liche Materie zu den Seiten desselben ablagert, Hund. Katze. Seehund. b. Es ist eine einzelne Placenta, welche in mehrere gröſsere, mehr oder minder verbundene Lappen zerfällt, Nager. c. Es ist eine einzelne Placenta, welche aus zwei innig verbun - denen Abtheilungen besteht, Affen. v. Bär (Untersuchungen über die Gefäſsverbindung zwischen Mutter und Frucht in den Säuge - thieren. 1828. fol.) hat genauere Untersuchungen über einige Säugethierklassen bekannt gemacht, welche die Allantois, das En - dochorion, Exochorion und die Innenfläche des Fruchthälters be - treffen. Das Wichtigste, hierher Gehörende werden wir bald an - führen, während dasjenige aus der genannten Schrift, welches die Gefäſsverbindung zwischen Mutter und Frucht selbst betrifft, im zweiten Abschnitte bei Gelegenheit des Kreislaufes des Embryo benutzt werden soll. v. Bär fand (l. c. S. 2.) 1. bei dem Schweine in Eiern von mittlerer Ausbildung, wie die Innenfläche des Frucht - hälters, so die äuſsere Fläche des Chorion mit Ausnahme der durchsichtigen Enden desselben mit Zotten bedeckt. Zuerst (l. c. S. 3.) zeigen sich auf dem Eie seiner ganzen Länge nach quer - verlaufende, gekerbte Fältchen, während das Ei selbst an beiden Enden in meist ungleiche Zipfel ausläuft. Diese Zipfel haben alle Charaktere des Chorion selbst, sind mit gleichen Querfältchen besetzt, im Innern aber leer und zusammengefallen, da sie nicht von der Allantois ausgefüllt werden. Nur so weit, als die Allan - tois reicht, sieht man Blutgefäſse in dem Chorion. Diese gehö - ren also der Harnhaut und nicht der Eihaut an und sind durch124III. Das Ei während der Fruchten[t]wickelung.ein membranartiges Gewebe zu einer Haut, dem Endochorion, ver - bunden. Die Gefäſsstämme desselben schlieſsen sich nicht dicht an die Allantois an, sondern gehen durch das Eiweiſs (s. oben) zu dem Exochorion, in welches sie sich hineinbilden. Nun er - heben sich auf dem Eie die Zottenfalten und besonders die Zot - ten immer mehr. Jene nehmen allmählig nach den Enden zu ab und hören mit einer weiſsen Narbe, in welcher das Endochorion mit dem Exochorion genau verwachsen ist, auf. Hinter dieser fin - den sich nun die Anhänge, welche zwar zottenleer sind, aber auſser der durchsichtigen Allantois Blutgefäſse besitzen. Der Harnsack (l. c. S. 6.) durchreiſst daher bei seinem Wachsthume das Exo - chorion an seinen beiden Enden und stellt so die beiden Diverti - kel dar. Die Gefäſse der Anhänge sterben bald ab, so wie sie selbst, welche anfangs frei liegen, bald sich gegenseitig in ein - ander einstülpen. Diese Einstülpung betrifft zuerst nur die An - hänge, endlich aber, da sie im Laufe der Entwickelung immer fortgeht, auch einen mit Zotten versehenen Theil des Chorion. An den eingestülpten Stellen vergehen jedoch bald alle Blutgefä - ſse. Der Fruchtkuchen des Schweines reicht über die ganze Oberfläche des Eies, da die Zotten des Chorion an der ganzen Oberfläche in die Maschen des Uterus treten und die Gefäſse bei - der in die nächste, durch dünne häutige Gebilde vermittelte Be - rührung kommen. Er umgiebt also das ganze Ei (mit Ausnahme der eingestülpten Theile) gürtelförmig. 2. Das Ei der Wieder - käuer hat anfangs ein durchaus glattes Exochorion (l. c. S. 13.). Während die Allantois breiter als das Amnion ist, wird die ganze rechte Seite des Amnion mit dem Endochorion bedeckt, welches etwas über die obere Wölbung der Allantois hinauszugehen scheint. Daher ist später das Amnion, wenn die Allantois nur auf seiner rechten Seite liegt, mit einem Gefäſsnetze bedeckt, zu dem nur noch einige Gefäſse aus den Nabelgefäſsen unmittelbar auf der linken Seite treten. Die Anhänge des Eies sind hier noch länger und dünner, immer unter einander ungleich und ha - ben dieselbe Genese, wie in dem Schweine. Die Placenten ent - stehen aber auf folgende Weise (l. c. S. 14.): Schon vor der Befruchtung finden sich an zerstreuten Stellen der Innenfläche des Fruchthälters kreisrunde, flache Hervorragungen mit ziemlich tiefen Gruben. An den correspondirenden Stellen des Eies ent - steht ein Fleck, eine Verdickung des Exochorion, vorzüglich des125Eitheile d. m. d. Embryonalkörper in Verbindung stehen.äuſseren Blattes desselben, da es hier bestimmt zwei Lamellen hat. Man bemerkt bald kleine rundliche Erhebungen, welche in die Vertiefungen des Fruchthälters passen. Jene werden nun bald kolbig. Ihr dunkeler Ueberzug wird lose und fällt dann ab, während die kleinen Kolben durchsichtig werden und später durch ihren Blutinhalt sich röthen. Die Fruchtkuchen bilden sich nun immer inniger in und an die Produktionen des Fruchthäl - ters oder die Mutterkuchen (S. im zweiten Abschn. die Genese des Blutgefäſssystems.) 3. Das Ei des Hundes (l. c. S. 20.) hat in der dritten Woche die Gröſse eines Lercheneies und ist mit zwei spitz zulaufenden Enden versehen. Mit Ausnahme dieser beiden Enden ist es überall mit Zotten besetzt, welche zwischen die Zotten des Fruchthälters eingreifen. Die Allantois ist um diese Zeit noch im Hervorkeimen und, wie in dem Vogel, eine Ausstülpung des hinteren Endes des Darmrohres. Später werden die beiden Enden noch von dem Exochorion gebildet, während der rechts aus dem Leibe hervortretende Harnsack das Exocho - rion schon erreicht hat. Die Blutgefäſse des Endochorion biegen sich da, wo die Allantois das Exochorion erreicht, von derselben ab, verlaufen an der Innenfläche des Exochorion und werden so mit Ausnahme der beiden Enden durch eine eiweiſsartige Masse von der Harnhaut getrennt. Später zeigen sich die zottenlosen Enden (l. c. S. 21.) an der Grenze der zottentragenden Gürtel verengt und so, indem sie sich dann bedeutend ausdehnen, von pilzförmiger Gestalt. Das Exochorion war wahrscheinlich durch - rissen. Bei drei Zoll groſsen Früchten hat sich der Harnsack ganz innig mit der Innenfläche des Chorion und der Auſsenfläche des Amnion verbunden, da jede Spur des hier in geringer Menge vorhandenen Eiweiſses geschwunden ist. Mutter - und Fruchtku - chen waren aber schon auf innige Weise (s. d. zweiten Abschn.) mit einander verschmolzen.

Nach dieser aus den vielfachen Beobachtungen ausgewählten Darstellung des Wichtigsten, was von den Säugethieren in Be - zug auf unseren Gegenstand berichtet worden ist, kommen wir zu dem Endziele unserer Untersuchung, dem Menschen. Es frägt sich nun hier zuvörderst, welches Gebilde die Allantois oder die Harnhaut des menschlichen Embryo sey. Trotz der ungeheuren Menge von Beobachtungen, die an gesunden und kranken mensch - lichen Früchten angestellt wurden, hat doch Niemand die Harn -126III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.haut genetisch, d. h. als Ausstülpung des hinteren Endes des Darmrohres nachgewiesen, sondern immer durch mehr oder min - der subjective Gründe geleitet das Eine oder das Andere dafür gehal - ten. Es kann daher hier nicht von allseitig beobachteten und genü - gend verfolgten Factis, sondern nur von der Relation von Ansichten die Rede seyn, an welche höchstens die Analogie des aus der Geschichte der Vögel und der Säugethiere Bekannten einen kri - tischen Maaſsstab anzulegen vermag. Und so können wir im Voraus als Resultat eines solchen Verfahrens es anticipiren, daſs es bei dem jetzigen Stande der Wissenschaft möglich sey, zu be - stimmen, was die Allantois des Menschen nicht sey, nicht aber ir - gend ein Gebilde mit Sicherheit dafür zu halten oder über den Hergang etwas mehr, als Wahrscheinliches auszusagen. Man kann aber vorzüglich die vielen hier sich findenden Angaben un - ter folgende Rubriken bringen:

1. Mehrere Schriftsteller haben die Anwesenheit der Allan - tois in dem Menschen überhaupt geläugnet. So noch in neuester Zeit vorzüglich Pockels (Isis 1825. S. 1343.). Jedoch hat man hierbei den wichtigen Fehler begangen, daſs man über die Exi - stenz dessen, was man noch nicht beobachtet hat, abzusprechen wagte. Vielmehr ist es im höchsten Grade wahrscheinlich, daſs dieses Gebilde, welches bei einem Theile der Batrachier, allen - geln und den bisher untersuchten Säugethieren vorkömmt, bei dem Menschen, dessen Urachus ebenfalls nachgewiesen ist, auch vor - kommt. Künftige Erfahrungen werden diesen Punkt wohl ohne Zweifel bejahend mit aller nothwendigen Gewiſsheit be - antworten.

2. Viele ältere Beobachter, wie Graaf, Needham, Littre, Rouhault u. A. (S. J. Fr. Meckel menschl. Anat. IV. S. 727., Velpeau’s Embryologie p. 17. 18. ), glaubten die Allantois des Menschen beobachtet zu haben. Sie haben aber entweder irr - thümlicher Weise das Chorion dafür angesehen oder die Mem - brana media Hobokenii für die Harnhaut gehalten. Auf den letzteren Punkt werden wir bald zurückzukommen Gelegenheit haben.

3. Die Ansicht, daſs die Nabelblase des Menschen der Allan - tois der Säugethiere entspreche, hat Niemand eifriger vertheidigt, als Lobstein (über die Ernährung des Fötus übers. v. Küstner S. 65 80.). Seine Gründe dafür können unter zwei Rubriken ge -127Eitheile d. m. d. Embryonalkörper in Verbindung stehen.bracht werden. a. Gegenbeweise gegen die Analogie des Nabel - bläschens mit dem Dotter der Vögel. Er läugnet jede Höhlen - communikation des Nabelbläschens mit dem Darmkanale, welches, wie wir schon oben ausführlich auseinander gesetzt, unrichtig ist. b. Gründe für die Analogie der Allantois und der Nabelblase. Ge - leitet durch unvollständige und zum Theil irrthümliche Ansichten von Haller über den Urachus des Hühnchens (l. c. S. 64.) und auf eine willkührliche Weise die verschiedenen Formen der Harnhaut der Säugethiere mit einander verwechselnd (l. c. S. 65.) glaubt er aus der Beständigkeit beider Gebilde, der Allantois der Säugethiere und der Vesicula umbilicalis des Menschen, einen Schluſs auf ihre Identität herleiten zu können (l. c. S. 66.). Das Folgende der Auseinandersetzung ist ein Convolut von Miſsver - ständnissen und Irrthümern, welche theils aus eigenen, theils aus Hallers unvollständigen und unrichtig gedeuteten Beobachtungen hervorgegangen sind. Die Wiederlegung derselben folgt aus den vielen Widersprüchen und Unklarheiten, in welche sich die Auseinandersetzung verwickelt, von selbst und würde hier von eben so geringen Interesse, als an dem unrechten Orte seyn.

4. Zwischen Chorion und Amnion findet sich eine gelatinöse mit vielen Fäden durchzogene Masse, welche Einige entweder selbst für die Allantois, wie z. B. in neuester Zeit vorzüglich Velpeau, andere für das Contentum der Harnhaut angesehen ha - ben, während diese als eine äuſserst feine Lamelle an der Innen - fläche des Chorion und der Auſsenfläche des Amnion sich finde. Die Beschreibung dieser gallertartigen Masse haben wir schon oben am Schlusse der Geschichte des Chorion geliefert und schon beiläufig berichtet, daſs sie nach Pockels, Joh. Müller u. A. ein Analogon des Eiweiſses sey. Hier dürfte der Ort seyn, genauer zu bestimmen, welchem Gebilde des Eies der Säugethiere dieser Theil analog wäre und daraus zu folgern, ob man das Recht habe, sie für die Allantois des Menschen oder deren Contentum zu halten oder nicht. Wir haben es oben gesehen, daſs von Bär an der Innenfläche des Chorion sehr junger Säugethiereier eine gelatinöse Schicht gefunden hat, welche er für das Eiweiſs die - ser Eier hält und daſs wir selbst diese Erfahrung bestätigt gefun - den haben. Das Endochorion tritt mit dieser Masse in ein eigen - thümliches Verhältniſs. Da es von dem Exochorion angezogen die Allantois verläſst, so müssen die Gefäſsstämme desselben die128III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.Eiweiſsschicht durchlaufen, um zu dem Exochorion zu gelangen. Hiervon kann sich auch mit Leichtigkeit Jeder an jungen Eiern des Schweines überzeugen. Ist nun die gallertartige Masse zwi - schen Chorion und Amnion in dem Eie des Menschen ein Ana - logon dieser bei den Säugethieren vorkommenden Eiweiſsschicht, so müſsten auch hier diese Blutgefäſsstämme durch dieselbe hin - durchgehen, um zu dem Exochorion zu gelangen. Diese bisher rein theoretisch ausgesprochene Ansicht hat auch in der neuesten Zeit durch eine hierher gehörende, wirklich gemachte Beobachtung eine nicht geringe Stütze erhalten. Bischoff (Beiträge zur Lehre von den Eihüllen des menschlichen Fötus. 1834. 8. S. 75. 76. ) fand in Gemeinschaft mit Windischmann jun., Hergersberg und Nägelé jun., daſs in der gallertartigen Masse eine sehr groſse Menge von Blutgefäſsen sich befinden und durch die gallertartige Masse hindurch zu dem Chorion gehen. Dadurch scheint also die Indentität dieses Stoffes mit dem Eiweiſse der Säugethiereier fast jeden Zweifels überhoben zu seyn: Da er nun bis zum Ende der Entwickelung bleibt und nur im Laufe der Schwangerschaft eine veränderte, membranartige Gestalt annimmt, wie ältere Ana - tomen schon wuſsten und Samuel, Velpeau und Bischoff in neue - ster Zeit bestätigt haben, so wäre nur der Unterschied, daſs er bei dem Menschen, in einer sich metamorphosirenden Gestalt während des ganzen Fruchtlebens verharrte. Aber selbst bei den Säugethieren finden hier mannigfaltige Verschiedenheiten Statt. So fand schon v. Bär, daſs bei den Raubthieren die Eiweiſsschicht viel früher schwindet, als bei den Pachydermen und den Wie - derkäuern. Gegen die Identität der gallertartigen Masse mit der Allantois spricht aber der Umstand, daſs noch Keiner mit Bestimmtheit eine gesonderte, den spinnwebeartigen Körper ein - schlieſsende Haut, so wie eine offene Communication durch den Urachus mit der Harnblase nachgewiesen hat. Wenn zwar Vel - peau (l. c. p. 55.) durch einige Aehnlichkeit zwischen dem netz - förmigen Körper und dem Inhalte der Allantois seine Ansicht zu unterstützen sich bemüht, so muſs er auch anderseits selbst ein - gestehen, daſs[wesentliche], zum Theil noch gröſsere und wichti - gere Verschiedenheiten zwischen ihnen Statt finden.

5. Es soll zwischen Chorion und Amnion eine eigenthümliche Blase in frühester Zeit sich finden, welche späterhin im Laufe der Entwickelung in eine Membran sich umwandelt. Für dieseAn -129Eitheile d. m. d. Embryonalkörper in Verbindung stehen.Ansicht, welche von theoretischer Seite aus viel Wahrscheinli - ches hat, spricht die wichtige Auctorität von J. Fr. Meckel (Menschl. Anat. IV. S. 727.). Joh. Müller, welcher wahrscheinlich die bald zu erwähnende Vesicula erythroides oder ein anderes, vielleicht abnormes, blasenartiges Gebilde für die Allantois des Menschen hält, zieht auch Pockels Angabe hierher (Meck. Arch. 1830. S. 425.), wiewohl Pockels selbst die Anwesenheit der Harnhaut bei dem Men - schen läugnet (Isis 1825. S. 1342.). Endlich scheint auch E. H. We - ber (Hildebr. Anat. IV. S. 489.) dafür zu sprechen. Doch ist von Keinem der entscheidende Beweis der freien Communication mit der Harnblase geführt worden. Die Haut, welche nach Meckel der Ueberrest der Allantois seyn soll, ist wahrscheinlich der metamorphosirte gallertartige, glasförmige oder netzförmige Körper, die membrana media.

5. K. Fr. Burdach hat über die Allantois des Menschen eine eben so geistreiche, als scharfsinnige Ansicht[aufgestellt]. Nach ihm entsteht die Allantois, wie bei den übrigen Thieren, so auch bei dem Menschen, als eine Ausstülpung des Darmrohres und ist von birn - oder keulenförmiger Gestalt. Dadurch aber, daſs das En - dochorion sich vorzüglich ausbildet, schrumpft sie sehr zeitig ein und überschreitet nie die Länge des Nabelstranges. Das Endo - chorion soll daher nun als ein einfaches Blatt sich an das Exo - chorion anlegen und zuletzt eine einfache Blase bilden (Physiol. II. S. 531. 541.) (Vgl. die schematische Darstellung tab. IV. fig. 5.). Dieser Ansicht ganz nahe ist auch die von Joh. Müller (Meck. Arch. 1830. S. 426.), welcher einmal zwischen Chorion und Amnion dicht an dem Nabelstrange ein mit harter Materie ge - fülltes Bläschen sah. Vgl. auch Bischoff l. c. S. 78.

Das Produkt der an bestimmten Punkten erfolgten Ineinan - derbildung des Exochorion und Endochorion, so wie der möglichst innigen Contiguität dieses Theiles mit den bestimmten Produktio - nen des Fruchthälters ist die Placenta, während das strangförmige Gebilde zwischen dem Bauche des Embryo und der Placenta der Nabelstrang genannt wird. Wie sich die Placenta aus den Flok - ken des Chorion hervorbilde, ist schon oben bei diesem berichtet worden. Was die Blutgefäſse des Endochorion und des Fruchthäl - ters betrifft, so wird im zweiten Abschnitte von denselben bei Gele - genheit des Kreislaufes der Frucht ausführlich die Rede seyn. Wir haben daher hier nur Einiges über das Aeuſsere der Placenta an -9130III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.zuführen. Sie ist in dem ausgebildeten Zustande in der Regel eine länglich runde, 6 8 Zoll im Durchmesser haltende, kuchen - förmige Masse, welche aus einer gröſseren oder geringeren Menge mehr oder minder innig mit einander verbundener, runder Gebilde besteht, welche man nach Analogie der ähnlichen Formationen der Thiere Cotyledonen genannt hat. Eine weitere Fortbildung dieser normalen Form ist die in manchen Fällen vorkommende Zerfällung in zwei oder mehrere verbundene Theile, wie sie Wrisberg, Loder, Velpeau u. A. vielfach beobachtet haben. Auf ihrer dem Fruchthäl - ter zugekehrten Oberfläche findet sich eine Schicht einer halbwei - chen, membranartigen Masse, welche Einige für die decidua vera, Andere für die decidua scrotina halten. Man hat dieser Placenta auſser den ihr zukommenden Blutgefäſsen auch Saugadern und Nerven zugeschrieben. Doch haben sich die älteren Angaben hier - über nicht bestätigt, und gegen manche unten noch anzuführende Berichte aus der neuesten Zeit lassen sich gegründete Einwen - dungen machen. In dem Uterus sitzt die Placenta in der Regel in dem Muttergrunde und zwar meistens etwas nach rechts. Doch dürfte es keine Stelle an der inneren Oberfläche des Frucht - hälters geben, an welcher man sie nicht ansitzen gesehen hätte.

Der Nabelstrang ist dasjenige Gebilde, welches von dem Leibe der Frucht nach der Ausbildung der Placenta zu dieser als ein dicker, mehr oder minder langer Strang verläuft. Er ist kein einfacher Theil, sondern entsteht durch die Vereinigung der ver - schiedenartigsten Gebilde, wie bald die specielle Auseinandersez - zung seiner Theile lehren wird und im zweiten Abschnitte a. m. O. noch wird dargestellt werden müssen. Daher herrschen auch verschiedene Angaben über die Zeit seiner Entstehung, da die Periode, in welcher er seinen Anfang nimmt, d. h. wenn die Allantois hervortritt, das Endochorion aus dem Unterleibe des Embryo zu dem Exochorion sich begiebt und die Haut der Frucht zu dem Nabel sich abschnürt, bei den Säugethieren nur äuſserst selten und bei dem Menschen noch gar nicht beobachtet wor - den ist. Der Letztere scheint besonders frühzeitig dieses Stadium der Entwickelung zu durchlaufen. Denn so fand z. B. schon Velpeau (Embryologie p. 59.) bei den jüngsten Embryonen von 2 3 Wochen einen Nabelstrang, und Joh. Müller (s. Arch. S. 8.) sah ihn bei einem 34 Tage alten Eie schon Linie lang u. dgl. m. Wir haben folgende Momente an ihm zu berücksichtigen:

131Eitheile d. m. d. Embryonalkörper in Verbindung stehen.

1. Seine Einpflanzung in die Placenta. Diese ist in der Re - gel in der Mitte derselben. Doch kommen hier häufig Abwei - chungen vor, theils als bloſse sogenannte Varietäten, theils als rein pathologische Erscheinungen.

2. Sein Ausgang von dem Unterleibe des Embryo ist um so mehr nach hinten, je jünger das Ei ist. Erst im fünften bis sechsten Monate erreicht er mit dem weiteren Wachsthume der Unterbauchgegend die Mitte des Unterleibes.

3. Sein Länge. Velpeau (l. c. p. 59.) stellt es als allgemei - nes Gesetz auf, daſs der Nabelstrang eben so lang sey, als der Embryo selbst. Doch bedarf dieser Satz noch mannigfaltiger Einschränkung.

4. Seine Dicke ist in dem normalen Zustande gleichmäſsig. Doch findet man sehr häufig, besonders an abortirten Eiern, An - schwellungen in denselben, welche theils durch wassersüchtige Ausdehnungen, theils durch Verengerungen oder varicöse Erweite - rungen der Gefäſse, theils durch Verknotungen bedingt werden. Die Häufigkeit dieser Anschwellungen lieſs Velpeau (Archiv géné - rale tom. VI. p. 186.) anfangs auf die Vermuthung kommen, daſs diese Auftreibungen normal seyen und daſs die Nabelblase und der Harnsack bei dem Menschen in der Nabelschnur liegen. Doch hat er selbst später diese Ansicht als irrthümlich zurückgenommen, wiewohl Mehrere, wie wir oben gesehen haben, in Betreff der Allantois diese Meinung heute noch vertheidigen.

5. Seine Bestandtheile. Diese sind:

a. Eine äuſsere durchsichtige Hülle. Diese hängt continuir - lich einerseits mit dem Amnion, anderseits mit dem Embryo und zwar, wie es jetzt von theoretischer Seite sowohl, als durch Be - obachtung ausgemacht ist, mit der Haut des Embryo zusammen. Bei dem Menschen ist sie durchaus glatt, bei manchen Thieren aber, z. B. den Wiederkäuern, in späteren Perioden der Entwickelung mit kleinen, zerstreuten, weiſsen Granulationen besetzt.

b. Die Nabelgefäſse. Eine Vene und zwei Arterien, von denen die letzteren oder welche sämmtlich spiralig nur meist von links nach rechts gewunden sind. Ihnen sollen die eigen - thümliche Gefäſshaut und den Venen jede Spur von Klappen feh - len. Die Nabelarterien entspringen in späterer Zeit aus den Arteriis hypogastricis, während die Nabelvene zur Pfortader sich begiebt. Mehr über diese Gefäſse s. unten bei der Genese der Blutgefäſse.

9*132III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.

c. Ein weiſser, mehr oder minder deutlicher Faden, die Fort - setzung des in der Bauchhöhle des Embryo bis zur Nabelöffnung verlaufenden Urachus. So fand z. B. Wrisberg (descr. anat. embr. p. 23.), daſs dieser Faden bei einem Monat alten Fötus nach Verlauf von Zoll in dem Zellgewebe des Nabelstranges ver - schwand. W. Hunter und Cruikshank (S. d. Ersteren Anatomie des schwangeren Uterus übers. von Froriep S. 45.) konnten das feine Fädchen längs des ganzen Nabelstranges verfolgen.

d. Der Faden der Nabelblase. Ueber diesen s. die Lehre von der Nabelblase.

e. Eine gallertartige, die Theile verbindende Masse. Dieses unter dem Namen der Whartonschen Sulze bekanntes Gebilde hängt einerseits mit dem Schleimgewebe des Chorion und dem Eiweiſse, anderseits mit dem Schleimgewebe der Bauchdecken des Embryo zusammen, ist durchsichtig, halbflüssig und nie mit Fett versehen. Getrocknet und aufgeblasen stellt es ein schwammigtes Gewebe dar, ist bei dem Menschen in gröſserer Menge vorhanden, als bei den meisten Säugethieren und soll nach Burns (in Burdachs Physiol. II. S. 539.) gegen Ende des Fruchtlebens abnehmen.

Auſserdem soll nach mehreren Beobachtern der Nabelstrang noch enthalten:

a. Lymphgefäſse. Ohne durch Injection dieselben bestimmt nachweisen zu können, haben Schreger, Uttini, Michaelis u. A. ihre Existenz vertheidigt. Ueber diese sowohl, als über die von Fohmann in neuester Zeit verfertigten Injectionen s. im zweiten Abschnitte, wo von der Allantois als einer Ausstülpung des Darmkanales nochmals die Rede seyn wird.

b. Es sollen nach Home und Bauer, Chaussier, Ribes u. A. Nerven in dem Nabelstrange sich finden. Doch sprechen die vielfachen und genauen Untersuchungen von Meckel, Rieke, We - ber, Otto u. A. entschieden dagegen. Joh. Müller (L. Scheulen placentae humanae physiol. et pathol. Bonnae. 1833. 8. p. 10.) fand sogar, daſs die Aeste des Nervus sympathicus, welche die Arteria umbilicalis aus dem Becken oder die Vena umbilicalis aus der Leber begleiten, auf eine merkwürdige Weise an dem Nabel wie abgeschnitten sind.

Bevor der Fötus frei hervortritt, reiſsen bei der normalen Geburt die Eihäute und entleeren eine gröſsere oder geringere Quantität des liquor Amnii. Es ist aber nicht selten der Fall,133Eitheile d. m. d. Embryonalkörper in Verbindung stehen.daſs sich aus der Gebärmutter eine Menge Flüssigkeit ergieſst, ohne daſs das Amnion durchrissen ist, daſs dieses daher erst später berstet und seine Flüssigkeit entleert. Die Geburtshelfer und man - che Anatomen sehen dieses Wasser für ein Contentum der Harn - haut an und nennen es geradezu liquor Allantoidis. Abgesehen davon, daſs man dieses Gebilde und dessen Inhalt bei dem Men - schen noch nicht genau kennt, dürfte es kaum, wenn es selbst auf abnorme Weise bis zur Geburt verharrte, in solcher Quan - tität vorhanden seyn, in welcher die sogenannten falschen Wäs - ser oder der liquor Allantoidis erscheinen. Vielmehr glauben wir, daſs zwei krankhafte Zustände das Erscheinen der falschen Wässer vor dem Sprunge der Eihäute und des Amnion insbeson - dere bedingen können. 1. Wasseransammlung zwischen der Ge - bärmutterhöhle und dem Eie und 2. Wasseransammlung zwischen Chorion und Amnion. Unter die letztere Rubrik muſs der von Diemerbroek (S. E. H. Weber in Hildebrandts Anat. IV. S. 508.) beschriebene Fall gehören. Wie leicht aber abnorme Wasser - anhäufungen innerhalb des Eies entstehen können, werden wir bald anzumerken Gelegenheit haben.

Nach der Ausschlieſsung der Frucht werden Placenta, Nabel - strang und Eihäute als sogenannte Nachgeburt entfernt. Nur in den ersten drei bis vier Schwangerschaftsmonaten wird das über - all unverletzte Ei mit dem Embryo zugleich in der Regel ausge - stoſsen. Die Theile, welche in einer solchen Nachgeburt enthal - ten sind, sind folgende: 1. Mehr oder minder vollständige Reste der decidua vera, reflexa und serotina. 2. Chorion. 3. Die mittlere Schicht, der Ueberrest des glasförmigen Körpers, des Ei - weiſses. 4. Das Amnion. 5. Das Nabelbläschen (meistens) und 6. Pla - centa und Nabelstrang. Ueber diese alle Theile ist in dem Obigen schon hinlänglich gesprochen worden. Wir wollen hier nur noch Ei - niges über die Gewichtsverhältnisse der Nachgeburt nach Wrisbergs Erfahrungen (Commentat. Vol. I. p. 20 22.) nachholen. Er fand:

134Anhang zum ersten Abschnitt.

Anhang. I. Ueber Pockels Vesicula erythroides und dessen Theorie der frühesten Formation des mensch - lichen Eies und Embryo überhaupt.

Pockels wählte unter mehr, als 50 durch Abortus abgegan - genen Eiern vier aus, welche er für völlig normal hielt und aus denen er den allerfrühesten Zustand der Entwickelungsgeschichte des Menschen zu erkennen im Stande zu seyn glaubte (Isis 1825. S. 1342 1350.). Das Chorion liegt nach ihm in der decidua, ohne mit ihr durch Blutgefäſse verbunden zu seyn, und enthält zunächst eine röthliche, mit Fäden durchzogene, eiweiſsartige Flüssigkeit. In dieser letzteren befindet sich in den ersten 14 Tagen das Amnionbläschen von meist birnförmiger, bisweilen ku - gelrunder Gestalt, mit seinem Stiele an einer Stelle des Chorion befestigt. Der Embryo ist kaum 1 Linie groſs, weiſslich gelb, in der Mitte platt und zusammengedrückt, an beiden Enden dik - ker und von gallertartiger Consistenz. Er liegt bis zu dem zwölf - ten Tage nach der Befruchtung auſserhalb der Amnionhöhle mit seinem Rücken in einer flachen Grube desselben durch Zellge - webe etwa seit dem achten Tage locker befestigt. Mit fernerem Wachsthume senkt sich der Embryo tiefer in das Amnion hinein und bildet auf diese Weise eine Scheide aus dem Amnion an seiner Bauchseite. Um diese Zeit stehen zwei wichtige Gebilde mit dem Embryo in Verbindung: 1. Die Vesicula erythroides, ein bisher unbekanntes Organ des Eies. Sie ist eine plattge - drückte, länglich birnförmige Blase, deren breiteres Ende auf dem Amnion über den Embryonalkörper hinaus liegt, deren schmäleres Ende in die Bauchseite desselben mündet. In Eiern von 8 12 Tagen ist sie ungefähr dreimal so lang, als der Embryo; in der vierten Woche dagegen nicht mehr sichtbar. Sie ist durchschei - nend, milchweiſs. In ihren Wänden lassen sich im frischen Zu - stande eine Menge rother Kügelchen erkennen, welche sich in135I. Ueber Pockels Theorie etc.mehreren Linien gruppiren, die zuletzt zu einem doppelten Strange eingehen. Nach dem Eintritt des Embryo in die Amnionhöhle zeigt sich der Strang als ein in der Höhle der Vesicula ery - throides liegender doppelter Strang, welcher sich in der Mitte in zwei Kanäle theilt und so in die Bauchfläche des Embryo übergeht. In der dritten Woche wird nun bei dem Eintre - ten des Embryo in die Amnionhöhle die Vesicula erythroi - des in die Scheide des Amnion hineingezogen und so zur Nabel - schnur. Die Stränge wachsen in den Embryo hinein und die Höhle der Vesicula erythroides obliterirt von deren stumpfem Ende nach der Frucht hin. Am Bauche bleibt jedoch im norma - len Zustande eine kleine Höhle der Vesicula erythroides in der Nabelschnur bis zu dem Ende des dritten Monates zurück, welche mit dem Unterleibe communicirt und in welcher mehrere Darm - windungen später liegen. Die Vesicula umbilicalis ist ein ku - gelrundes Bläschen, etwas gröſser, als der Embryo und liegt über dem Kopfende desselben hinaus, locker auf dem Amnion befestigt. Es hat eine meist gelblich weiſse Farbe, ist mit einer klaren, in Weingeist sich nicht trübenden Flüssigkeit gefüllt und ohne deut - liche Blutgefäſse. Bis zur Entstehung der Nabelschnur nimmt sie mit dem Embryo gleichmäſsig an Gröſse zu, wächst aber, sobald sie eine Gröſse von zwei Linien erreicht hat, nicht mehr. Von ihr geht ein feiner 1 3 Linien langer Kanal dicht an dem Em - bryo in die Vesicula erythroides über. Später entfernt sie sich durch Verlängerung des Kanales immer mehr und wird zu einer runden, weiſsen Platte, welche zu Ende des dritten Monates bis - weilen noch sichtbar ist. Der feine Kanal bildet die sogenannten Vasa omphalo-mesenterica. Diese Theorie, welche zum Theil von E. H. Weber angenommen wurde, haben Seiler, Velpeau u. Bischoff mit Recht verworfen, weil sie sämmtliche von Pockels für normal ausgegebene Eier für krank hielten. Auch streitet sie zu sehr gegen die mit mehr Sicherheit erkannte Entwickelungs - geschichte der Thiere, als daſs sie insofern auf Annahme Anspruch machen dürfte. Wollte man jedoch auf eine weniger absprechende Weise über die Erfahrungen urtheilen, so lieſse sich vielleicht das Eine oder das Andere auf das durch die Evolutionsgeschichte des Vogels und der Säugethiere Constatirte reduciren, und so könnte man, in der Voraussetzung, daſs in Pockels Eiern das eine oder andere Gebilde gesund gewesen, die dem Embryo un -136Anhang zum ersten Abschnitt.mittelbar anliegende Platte des Amnion als seröse Hülle und die Vesicula erythroides, wie Joh. Müller schon gethan, als Allan - tois deuten. Mit Bestimmtheit läſst sich aber selbst über diese Punkte nicht entscheiden.

Anhang. II. Ueber kranke, durch Abortus abgegangene Eier.

Wiewohl es unserem Plane durchaus fremd ist, von patho - logischen Erscheinungen hier zu reden, so müssen wir doch ei - nige Worte über krankhaft verbildete Eier und Embryonen aus - sprechen, weil unbedingt die meisten frühzeitigen menschlichen Embryonen Produkten der Art entnommen sind. Fast alle durch Abortus abgegangene Eier sind krankhaft, und dieses fühlten manche Beobachter so sehr, daſs z. B. Samuel schon sagt (l. c. p. 7.): Vix fieri posse videtur, quin, quae sint ovorum attributa essentialia et quasi legalia, eruantur, et ab his se - jungantur accidentalia, praeternaturalia et morbosa. Die Mannigfaltigkeit ist hier so groſs, daſs der abnorme Zustand von einzelnen, mehr unbedeutenden Erscheinungen an dem Em - bryo bis zu dem Fehlen desselben mit völliger Degeneration der Eihäute sich durch Mittelstufen nachweisen läſst. Ja es dürfte nicht selten ganz unmöglich seyn, in den sogenannten Molen zu bestimmen, ob sie degenerirte Eier oder krankhafte, selbststän - dige Produkte sind. Das ganze hierher gehörende Gebiet von Erscheinungen hat, so interessant und wichtig es auch für die Physiologie sowohl, als für die Geburtshilfe ist, doch bisher eine fast stiefmütterliche Behandlung erfahren und muſs für die Zu - kunft einer vollständigen, genauen und umfassenden Bearbeitung entgegensehen, wiewohl in neuester Zeit schon Breschet u. Vel - peau mit mehr Ausführlichkeit, als es vor ihnen geschehen, dar - auf Rücksicht genommen haben. Die Degenerationen scheinen aber entweder von dem Embryo oder von den Eihäuten, oder von beiden zugleich auszugehen, sich auf einige Theile zu be - schränken oder alle zu ergreifen. In den meisten Fällen scheinen sie auch dadurch bedingt zu seyn, daſs der Embryo in dem Eie, sey es in Folge pathologischer Erscheinungen an ihm, oder aus137II. Ueber kranke, durch Abortus abgegangene Eier.anderen Ursachen abstirbt, die Eihäute dagegen in der Folge nicht der Regel nach fortwachsen, sondern fortwuchern und so biswei - len durch und durch veränderte Gebilde darstellen. Sucht man nach allgemeinen Gesichtspunkten, an welche man sich in diesem Labyrinthe von Erscheinungen zu halten hätte, so dürften sich etwa folgende ergeben:

1. Wahre Miſsbildungen. Wiewohl bei dem ersten Blicke diese die bei Weitem häufigsten zu seyn scheinen, so werden doch die bei erster oberflächlicher Untersuchung hierher zu rechnenden Fälle bei genauerer Prüfung unter die folgenden Rubriken zu bringen seyn.

2. Krankhafte Zustände der Eitheile. Hier lassen sich, wie es scheint, die vorkommenden Fälle auf zwei Hauptklassen redu - ciren, nämlich:

a. Verdickung, besonders der Eihäute, so daſs sie alle oder theilweise eine mehr oder minder dichte, feste, blutreiche, fleischigte Masse bilden, welche Ausdehnungen von Blutgefäſsen, Substanz - wucherungen in Form von Knollen und dgl. enthält, und

b. Wasseransammlungen. Der niedrigste Grad dürften bla - sige, mit Wasser gefüllte Ausdehnungen des Nabelstranges seyn. Nächstdem finden sich Wasseransammlungen zwischen der Ober - haut und dem Körper des Fötus, übermäſsig groſse Quantitäten von Flüssigkeit in der Höhle des Amnion, zwischen Amnion und Chorion u. dgl.

Nicht selten sieht man die äuſseren Eihäute verdickt und degenerirt, während in dem Innern Ansammlungen groſser Quan - titäten von Flüssigkeit sich finden.

c. Veränderungen durch Zersetzung, Fäulniſs, Auflösung u. dgl. Diese treffen besonders den Embryo und erzeugen For - men, die man nur zu leicht für wahre Monstra hält. Ja es fin - den sich nicht selten Gestalten, über die zur Zeit ein sicheres Urtheil noch nicht zu geben ist, da man den normalen frühesten Zustand noch nicht bestimmt und allseitig genug kennt.

Eine weitere Ausführung des hier nur leise Angedeuteten s. in dem von mir bearbeiteten Artikel Fötus in der Berliner Ency - klopädie der medizinischen Wissenschaften. Es dürfte zu den Seltenheiten gehören, wenn ein durch Abortus abgegangenes Ei die eine oder die andere der genannten Abnormitäten nicht ent - hielte oder noch neue Formen darböte. Das Ungenügende des -138Anhang zum ersten Abschnitt.sen, was wir darüber gesagt haben, fühlen wir nur zu gut und schlieſsen daher mit der dringenden Bitte, daſs irgend ein viel - fach beschäftigter Geburtshelfer, welcher in das Innere der Ent - wickelungsgeschichte der Thiere überhaupt eingeweiht ist, den Gegenstand aufnehme und vollständig und allseitig, wie er es verdient, behandele und durchführe.

Ei.

[139]

Zweiter Abschnitt. Von dem Embryo.

[140]
Eine systematische Physiologie ruht vorzüglich auf ihr (der Entwik - kelungsgeschichte) und kann, wenn sie nicht vollendeter ist, nimmer - mehr schnell vorrücken; denn sie giebt dem Philosophen den Stoff zur Aufführung eines festen Gebäudes des organischen Lebens. Man sollte daher in der Anatomie und Physiologie jetzt noch mehr, als es geschieht, in ihrem Sinne arbeiten d. h. man sollte jedes Organ, jeden Stoff und auch jede Thätigkeit nur immer mit der Frage untersuchen, wie sind sie entstanden.
(E. Huschke in Meckels Archiv Bd. VI. S. 1. )
[141]

Embryo heiſst ein individuelles, organisches Wesen in der Pe - riode seines Lebens, in welcher seine individuelle Existenz und die mit derselben verbundenen Metamorphosen der Stoff - und Gröſsenverhältnisse nicht nur durch die eigene Kraft, und die zur Darlegung derselben nothwendigen Gegenstände und Bedin - gungen der fremden, organischen oder anorganischen Auſsenwelt, sondern durch Beihilfe einer von einem gleichartigen, mütterlichen Körper excernirten, nicht bloſs hinzugeführten Productes, welches der in Folge der Befruchtung mit dem Triebe zur individuellen Ausbildung und zur selbstständigen Existenz versehenen Anlage Bildungsmaterie und entweder alle oder doch bei Weitem die meiste Nahrung giebt, realisirt werden. Durch diese freilich et - was weitläufige, aber, wie wir glauben, alles hierher Gehörende erschöpfende Begriffsbestimmung wird als Embryonalzustand alles dasjenige angesehen, bei welchem zur Existenz des (neugebildeten) Individuums die beiden nothwendigen Bedingungen, die eigene Kraft und die äuſseren Verhältnisse (im weitesten Sinne des Wor - tes Nahrung zu nennen), welche das Leben bestimmen, nicht hinreichen, um das Daseyn des Einzelwesens zu behaupten und den äuſseren und inneren Stoffwechsel zu unterhalten. Für diese Bestimmung bleibt es daher ganz gleichgültig, ob das neue thie - rische Wesen innerhalb des Fruchthälters, oder auſserhalb dessel - ben, wie man zu sagen pflegt, in gelegten Eiern, oder, wie unter den wirbellosen Thieren z. B. bei Oniscus, unter den Wirbelthieren bei dem Känguruh und vielleicht auch den Syngnathen und einigen tro - pischen Amphibien, in dem Inhalte oder Raume einer inneren oder äuſseren Bruthöhle enthalten sey. Anderseits ist aber die Nestbil - dung sobald das Nidamentum dem in keinem Eie mehr enthaltenen Jungen zum ersten Aufenthaltsorte dient, von dieser Begrenzung142Von dem Embryo.des Begriffes mit Recht ausgeschlossen, da hier an keine von der Mutter excernirte, sondern nur von ihr herbeigeführte oder von ihr äuſserlich dargereichte Nahrung gedacht werden kann.

So stellen sich in dem Embryo zwei verschiedene Seiten dar, erstlich die mit eigener Kraft versehene, individuelle, nicht mehr bloſs entwickelungsfähige, sondern sich entwickelnde Anlage, und zweitens die als Bildungs - und Ernährungsmaterie, von der Mutter ausgesonderte und entweder für längere Zeit aufgesparte oder während der ganzen Entwickelung oder eines Theiles der - selben dargereichte Nahrung. Die verschiedenen, hierdurch be - dingten Verhältnisse lassen sich unter folgende Rubriken bringen:

1. Es wird der excernirte (nicht bloſs secernirte, da der Embryo, wenn er auch in dem Mutterleibe sich befindet, für den Mutterkörper doch relativ äuſserlich ist) Stoff unmittelbar zur Bildung des Embryonalkörpers gänzlich verwandt; so daſs keine für eine spätere Zeit der Entwickelung bestimmte Nahrungsma - terie sich vorfindet, sondern diese von Anfang an oder während der ganzen Zeit der Entwickelung unausgesetzt immer abgeson - dert und sogleich unmittelbar nicht bloſs zu Embryonalstoffen, sondern auch zu Embryonaltheilen benutzt wird. Diese niedrigste Stufe der Bildung scheint bei den untersten Klassen der Thier - welt, den Infusorien und Polypen vorzukommen. Doch selbst da kann nach den neuesten Erfahrungen ihre Existenz mit Recht bezweifelt werden. Dagegen ist dieser Fall bei der Sprossenbil - dung der Pflanzen und der niederen Thiere durchaus realisirt.

2. Die Anlage hat schon bei dem ersten Momente ihrer Ausbildung eine gewisse Quantität von Nahrungsmaterie bei sich, welche sie während des Fötallebens verzehrt und in dem durch die eigene Kraft assimilirten Zustande zur Bildung der Organe verwendet. Hierher gehören die Eier im weitesten Sinne des Wortes, welche neben der Anlage Dotter, Eiweiſs oder diesen analoge Stoffe enthalten. Eine Abänderung hiervon ist

3. Der Fall, in welchem die Anlage während der Ausbil - dung und Entwickelung neue Nahrungsmaterie erhält, die sich entweder

  • a. in gewissen Häuten und Hüllen anhäuft, um dem bloſsen Entwickelungsleben äuſserlich zu dienen und nach Beendi - gung dieser Periode als nicht mehr tauglich ausgestoſsen oder im Laufe der Entwickelung aufgezehrt zu werden,143Embryo und Nahrung.doch ohne vorher erst in den Embryonalkörper als solche übergegangen zu seyn. Hierher gehören vorzüglich der Stoff im Eie der Säugethiere, welcher in früher Zeit von dem Chorion unmittelbar eingeschlossen wird (S. d. Abschnitt vom Eie), die Amnionflüssigkeit u. dgl. m.
  • b. Oder der secernirte Stoff wird zwar in Theile des Embryo - nalkörpers verwandelt, doch keinesweges in Organe, welche in ihrer Ausbildung beharren, sondern in Niederlagen von Nahrungsstoffen, welche entweder noch während des Em - bryonal - und Fötallebens oder einige Zeit nachher verbraucht werden. Deutliche hierher gehörende Beispiele sind die mannigfaltigen Fettablagerungen, besonders der in vielen Thieren eine so groſse Rolle spielende Fettkörper, so wie dieselben Ansammlungen unter der Haut der menschlichen Frucht, die lymphatischen Drüsen am Halse u. dgl. m.

4. Der excernirte Stoff umschlieſst ohne intermediäre Hülle oder Hüllen alle in dem Mutterkörper enthaltenen Embryonen, ohne in deren Körper unmittelbar einzugehen oder mit jedem einzelnen in einer besonderen Haut eingeschlossen zu seyn. Hier - her gehören die Ablagerungen in der Bruthöhle des Oniscus aquaticus (Rathke Abh. aus der Bildungs - und Entwickelungs - geschichte des Menschen und der Thiere. Th. I. 1832. S. 16.), des Blennius viviparus (desselben Werkes Th. II. 1833. S. 39.) u. s. w.

Individuum und Nahrung sind aber nicht immer so streng geschieden, als es dem ersten Anblicke nach scheinen dürfte. Viel - mehr metamorphosirt sich ein Theil der Fruchtanlage selbst sehr häufig in die bloſse Hülle der Nahrung und wird entweder erst spä - ter in den Embryonalkörper wieder hineingezogen oder geht in die - ser bloſsen Aeuſserlichkeit ganz unter. Immer ist es, wo dieses ge - schieht, der minder wichtige peripherische Theil der Fruchtanlage, nie der centrale derselben. Dieser letztere hat vielmehr stets die gröſste Tendenz zu individueller Ausbildung und in ihm entstehen die Hauptorgane des Wirbelthieres, die Centraltheile des Nerven - systems, Hirn und Rückenmark.

Diese beiden Seiten des Embryo, Nahrung und Fruchtanlage verhalten sich zu einander, wie mütterliches zu kindlichem Indi - viduum. Je weiter daher die Entwickelung des jungen, selbst - ständigen Einzelwesens vorschreitet, desto mehr überwältigt das144Von dem Embryo.neue Eigenleben den sich gegen dasselbe relativ passiv verhalten - den Stoff und eignet sich ihn an, bis am Ende des Fruchtlebens alle Spur oder ein groſser Theil desselben geschwunden ist. Im Gegentheile kann jedoch krankhaft, wie schon Meckel (Beiträge zur vergl. Anatomie I. S. 62.) bemerkt hat, eine zu groſse Ge - walt dieser Nahrungsstoffe das individuelle Wesen vernichten und so jede Entwickelung eines neuen Organismus hindern ein Punkt, den wir später noch berühren werden.

Die mannigfachen Metamorphosen der Fruchtanlage sind das Hauptobject der Entwickelungsgeschichte; die Veränderungen der Nahrung dagegen, wenn auch wichtig, doch von untergeordnetem Werthe. Wir werden daher die ersteren speciell ins Auge fas - sen und in möglichst gedrängter, aber vollständiger Darstellung behandeln, an schicklichen Orten dagegen die Variationen der Nahrung einzuschalten uns bemühen.

Die Keimhaut zeigt in der Reihe der Thierwelt mancherlei Verschiedenheiten. Ueber ihre Bedeutung, Lage und Gestalt in den Säugethieren ist das Nöthige schon in dem Abschnitt Ei ab - gehandelt worden. Bei den niederen Wirbelthieren ist sie ent - weder mehr oder minder scheibenförmig, so daſs sie nur einen Theil, und zwar meist den oberen, des Dotters bedeckt, oder kuglich, so daſs sie den ganzen Dotter umfasset und einschlieſst. Bei den Wirbellosen ist durch die Untersuchungen von Herold und Rathke noch ein drittes, der Zeit nach verschiedenes Ver - hältniſs bekannt geworden. Der Erstere fand nämlich bei den Spin - nen (Unters. üb. d. Bildungsgeschichte der wirbellosen Thiere im Eie. 1824. Fol.) und der Letztere bei dem Fluſskrebse (Unter - suchungen über die Bildung und Entwickelung des Fluſskrebses. 1829. Fol.), nicht aber bei den Onisciden (Abh. Thl. I. und II. ), daſs die Keimanlage, welche nur einen kleinen Theil des Dotters bedeckt, sich nebelartig über den Dotter beim Beginne der Ent - wickelung verbreitet und in einem neuen Acte der Bildung erst zu einer verhältniſsmäſsig kleinen, aber dichten Fruchtanlage con - densirt, von welcher letzteren dann die Bildung des neuen Indi - viduums ausgeht. Endlich soll bei manchen Thieren die Entste - hung des neuen Wesens ohne alle Fruchtanlage beginnen eine Behauptung, welche wahrscheinlich nur das Resultat un - serer bisher mangelhaften Kenntnisse, nicht vollständiger und um - sichtiger Beobachtung ist. Es geht hier gewiſs eben so, wieschon145Embryo und Nahrung.schon oben bei Gelegenheit des Keimbläschens gezeigt wurde, daſs die genaueste Untersuchung nur Analogieen, nie Ausnahmen nachweist.

Die Entwickelung des Embryo, d. h. die normale Ausbil - dung der Fruchtanlage, kann, wenn man sich nur an das sinnlich Wahrnehmbare und Erkennbare hält, von zwei Gesichtspunkten aus angesehen werden. Entweder hält man diese Naturerscheinung für die Folge der immer sich erneuernden Anlagerung von Bil - dungsstoffen an die Fruchtanlage überhaupt, welche durch die eigene Kraft des Embryo zn neuen Organen umgewandelt werden, so daſs durch diesen Hergang ein Zuwachs in allen drei körperlichen Dimensionen bedingt ist, in welchem Organ neben Organ, Ge - webe neben Gewebe zu liegen kommt. Oder man sieht die Fruchtanlage als in mehrere Blätter getheilt an, welche auf ver - schiedene Weise nach bestimmten Gesetzen sich falten, an Masse und Ausbildung zunehmen und so die einzelnen Körpertheile dar - stellen. Diese letztere Betrachtungsweise ist ein Product der neuesten Zeit und zuerst von Döllinger und dessen Schüler Pan - der angeregt, von K. E. von Bär, H. Rathke und K. F. Burdach aber zu einer Höhe der Ausbildung gebracht worden, welche in Con - sequenz der Durchführung gewiſs Nichts zn wünschen übrig läſst. Doch ist auch die Ansicht dieser Männer leider hier und da miſsverstanden, schief aufgefaſst und daher falsch beurtheilt wor - den. Bekanntlich trennen sie die Fruchtanlage der Wirbelthiere (denn bei den Wirbellosen stöſst man auf manche nicht unbedeu - tende Schwierigkeiten, die sich jedoch zum Theil, wie wir an einem anderen Orte zeigen werden, lösen lassen,) in drei Blätter. Nach oben und auſsen liegt das sogenannte seröse, nach unten und innen das Schleimblatt. Zwischen beiden bildet sich im Laufe der Entwickelung das Gefäſsblatt aus. Wahr ist es, daſs, wenn wir hier als Beweis der Gültigkeit der Annahmen die Möglichkeit, diese Schichten getrennt durch das Messer darzu - stellen, postuliren, diese fehlt. Allein wenn diese auch mangelt, so wird jeder vorurtheilsfreie Beobachter doch bald einsehen, daſs diese mehr idealen Abtheilungen der Natur entsprechen, daſs, wenn sie auch in die Beobachtung hineingelegt, sie doch keinesweges gegen die Beobachtung sind, vielmehr eine Klarheit der Uebersicht und der Darstellung zulassen, wie sie ohne ein solches Hilfsmittel auf keine Weise zu geben ist. Auch haben10146Von dem Embryo.die Letzteren der genannten Naturforscher zur Erläuterung ihrer Darstellungen nur ideale Zeichnungen meist[von] Durchschnitten geliefert und so den Charakter ihrer Arbeit schon hierdurch deutlich genug bezeichnet. Mit Unrecht wird ihnen aber in der neuesten Zeit der Vorwurf gemacht, als wollten sie aus bloſsen Faltungen der Blätter die Entstehung der Organe herleiten. Ihre Darstellungen beziehen sich nur auf Gestalt - und Lagerungsver - hältnisse der Theile; sie bemühen sich, naturgemäſse Gruppen von Organen und Systemen unter ein Formurbild im unentwickelten Zustande zu bringen und aus einem Urbilde entstehen zu lassen. An einen Versuch aber, das innere Wesen der Entstehung der Organe und Gewebe begreiflich machen zu wollen, wagen sie sich mit vollem Rechte von diesem Gesichtspunkte aus gar nicht. Ihr Bemühen ist daher im strengsten und wahrsten Sinne des Wortes morphologisch zu nennen d. h. das durch nüchterne Er - fahrung über Form und Lage der Theile beobachtete unter ideale, allgemeine Gesichtspunkte zu bringen, doch nicht die Natur nach bloſs subjectiven Ideen zu modeln, sondern diese letzteren aus den bekannten Realitäten zusammenzusetzen und erst nach ge - machter Erfahrung entstehen zu lassen. Indem wir aber für diese Richtung das Wort führen, müssen wir anderseits doch offen bekennen, daſs bisweilen selbst von diesen Männern Manches in die Beobachtung hineingelegt worden zu seyn scheint. Die Ent - wickelungsgeschichte der Sinne, der Respirationsorgane u. dgl. kann uns hier mehr, als ein Beispiel liefern. Es geht hier ge - rade so, wie mit der Bestimmung der Analogien und Bedeutun - gen der Organe, in welche ebenfalls so viele subjective Lieblings - ideen sich eingeschlichen haben, ohne daſs der Autor sie für et - was Anderes hielt, als für das Resultat einer rein objectiven Ver - gleichung und die Frucht einer neuen, aber wahreren Auffassung der Dinge.

Schon hier am Eingange der Darstellung kann die Annahme der blättrigen Spaltung der Fruchtanlage uns über einen Grund - unterschied zwischen den Wirbellosen und den Wirbelthieren Aufschluſs geben. Bekanntlich war die Bedeutung des Ganglien - stranges der Wirbellosen der Gegenstand fortwährenden Streites, indem Einige ihn dem Gangliensysteme, Andere dagegen dem Hirn - und Rückenmarkssysteme der Wirbelthiere gleichstellten und dann den Eingeweidenerven als das Analogon des Nervus sympa -147Unterschiede der Keimhaut.thicus ansahen. Die Lagenverhältnisse der Theile hatten sogar zu dem Ausspruche gebracht, daſs diese niederen Thiere nicht auf ihrer Bauch -, sondern auf ihrer Rückenfläche einhergingen. Durch Rathkes Untersuchungen ist in dieser Hinsicht sehr vieles Licht verbreitet worden. (Siehe vorzüglich den Abschnitt hierüber in seinem Werke über den Fluſskrebs. S. 77 91.) Bei den Wir - belthieren nämlich bildet sich Hirn - und Rückenmark an der äuſseren Seite des serösen Blattes, welches die Fleischschicht zum Theil centrisch umgiebt, während der Extremitätengürtel an das Rohr selbst sich lagert. Bei den Wirbellosen entsteht dagegen der Ganglienstrang an der inneren, dem Dotter näher liegenden Fläche des serösen Blattes, die Gliedmaſsen dagegen unmittelbar an der äuſseren Seite desselben. Man kann also, wenn man die sonst nur relativen Bezeichnungen von oben und unten hier ge - brauchen will, mit Burdach den Satz aussprechen: Das wirbel - lose Thier bildet sich unter dem Dotter, das Wirbelthier über dem Dotter. (Die Physiologie als Erfahrungswissenschaft II. S. 612. 613. ) v. Bär führt in seinen Corollarien (Ueber Ent - wickelungsgeschichte der Thiere. Beobachtung und Reflexion. 1828. 4. Thl. I. S. 245 247.) dieses Verhältniſs durch einen Vergleich noch deutlicher vor Augen. Die Entwickelung der Wirbelthiere kann nämlich nach ihm durch die Form einer ara - bischen Achte (8) versinnlicht werden, indem man den oberen Kreis als Durchschnitt des Rohres für die Centraltheile des Ner - vensystemes und deren sämmtliche Hüllen, den unteren dagegen als den der plastischen Organe ansieht. Diese Art der Entwik - kelung nennt er Evolutio bigemina (l. c. S. 164. fgg.). Die wirbellosen Thiere dagegen haben nur eine evolutio gemina d. h. ein einfaches in der Mittellinie sich schlieſsendes Rohr. Ihr Ty - pus wird daher durch die Hälfte der Acht repräsentirt, doch so, daſs an der unteren Vereinigungsstelle oder nach ihr hin die Cen - traltheile des Nerven - und Gefäſssystemes zu liegen kommen. Man muſs sich daher das für die Entwickelung der Wirbelthiere geltende Schema für die Wirbellosen halbirt und umgekehrt den - ken, wie es auch v. Bär bildlich dargestellt hat (l. c. tab. 3. fig. 8. Vgl. Rathke in Burdachs Phys. II. tab. I. fig. 1 4. Fluſskrebs tab. 3. fig. 1 8.). So ist nun die Verschiedenheit der Lage des Ganglienstranges zu der des ganzen Körpers überhaupt durch diese Urdifferenz der Entwickelung begründet. Auch die ganze10*148Von dem Embryo.Darstellung der Evolutionsgeschichte der Wirbelthiere muſs, wenn sie nicht bloſs eine trockene Aufzählung der verschiedenen Ent - wickelungszustände der Organe seyn, sondern die Rücksicht auf das Ganze immer im Auge behalten will, die Form und Lage der drei Blätter nothwendig in Betrachtung ziehen. Leider ist dies gerade bei der Untersuchung von Säugethierembryonen nur sehr wenig, von menschlichen dagegen noch gar nicht berück - sichtigt worden. Der Grund des Letzteren liegt theils darin, daſs man diese Distinction erst in der neuesten Zeit kennen gelernt, theils darin, daſs man nur in höchst seltenen Fällen Früchte zu untersuchen Gelegenheit hat, in welcher die verschieden entwik - kelten Theile der drei Blätter als Urtypen für die folgenden Zei - ten sich noch darstellen. Die aller Wahrscheinlichkeit nach in ge - wissen Grenzen richtige Analogie mit dem Vogelembryo kann und muſs auf diesem dunkelen Gebiete leiten.

Das seröse Blatt giebt den sogenannten animalen Orga - nen und Hilfsorganen ihre Entstehung d. h. Hirn, Rückenmark, Sinnen, Haut, Muskeln, Sehnen, Bändern, Knorpeln und Knochen; das Schleimblatt den vegetativen d. h. Darmkanal, Lungen, Leber, Milz, Pankreas u. a. Drüsen. Herz und Gefäſssystem entstehen aus dem Gefäſsblatte, wenn dieses als ein gesondertes Blatt an - zunehmen ist. Welchen Platz die Geschlechtstheile einnehmen, ob sie dem Schleim - oder dem Gefäſsblatte angehören, ist zur Zeit noch ungewiſs. Rathke hält es für wahrscheinlich, daſs sie aus dem Gefäſsblatte entstehen. Näheres hierüber siehe unten bei diesen selbst. Ehe wir nun die Metamorphosen der ein - zelnen Blätter gesondert durchgehen, müssen wir zuvor die Ver - änderungen, welche in Folge der Befruchtung in der Fruchtan - lage überhaupt sich ereignen, als die ersten Schritte zur Bildung eines neuen individuellen Wesens, kürzlich betrachten.

Die Wirkungen desjenigen, was wir nach der Analogie Cas - par Fr. Wolffs eigene oder wesentliche Kraft (vis essentialis) nennen, ist hier die Veränderung des als Urrudiment gegebenen Stoffes in die zur individuellen Ausbildung nöthigen Formen und Gestalten. Die gleichmäſsig aus Körnern und einem zähen Bindemit - tel bestehende und nur in der Dimension der Dicke etwas ungleiche Fruchtanlage sondert sich in verschiedene, sowohl dem Aeuſseren nach different gebildete, als der Masse nach mehr gleichmäſsig flüs - sige und gleichmäſsig feste Theile. Die Beobachtung dieses Urvor -149Sonderungen der Keimhaut.ganges ist am Vogelembryo am leichtesten wahrzunehmen und von Döllinger, Pander, Prevost und Dümas, Bär, Müller, Coste, Delpech u. A. verfolgt worden. Nach diesen Erfahrungen und eigener Anschauung läſst sich dieser Proceſs auf folgende Punkte reduciren:

1. Die Fruchtanlage sucht sich mehr zu individualisiren und von den sie umgebenden oder mit ihr verwachsenen Theilen zu sondern, wenn sie schon früher den nothwendigen Grad von Selbst - ständigkeit während der Ausbildung des Eies erlangt hat, oder, wo dieses noch nicht geschehen ist, vorher eine solche eigene Form zu erlangen. Das Erstere findet nach den bisherigen Er - fahrungen bei allen Wirbelthieren, das Letztere bei mehreren Wirbellosen Statt. So sah, wie schon angeführt worden, Herold bei den Eiern der Spinnen und Rathke bei denen des Fluſskreb - ses die Keimanlage in Folge des Beginnens der Entwickelung über die Oberfläche des Dotters sich zerstreuen und nach diesem Hergange zur mehr individuellen Fruchtanlage sich sammeln (Burdachs Physiol. II. S. 190. 192. Fluſskrebs S. 8 11.). Der Letztere fand dagegen nie etwas der Art bei Oniscus aquaticus (Abh. Thl. I. S. 5.), bei Daphnia, Lynceus und Cyclops (Abh. Thl. II. S. 87 94.). Bei Oniscus asellus (Abh. Thl. II. S. 72.) u. O. Armadillo (Abh. Thl. II. S. 83.) dagegen scheint der groſse äuſsere Theil der Keimhaut zu verschwinden und ist dann durch kein Mittel wiederherzustellen. In den Wirbelthieren dürfte eine solche Vorbereitung zur mehr individuellen Darstellung der Fruchtanlage keinesweges nothwendig seyn, da sie, so viel bis jetzt bekannt, in allen vier Klassen unmittelbar, wie sie in dem Eie vor dem ersten Acte der Entwickelung (nach dem Bersten und der Assimilation des Keimbläschens) enthalten ist, zur Son - derung von den umgebenden Theilen schreitet. Doch mag viel - leicht die von Prevost, Dümas und Bär bei Fröschen beschriebene Furchung des Eies (Ann. des sc. nat. Tom. 2. p. 102. Frorieps Notizen. Novemb. 1824. No. 176. S. 342. Burdachs Physiol. S. 223.), welche von der Fruchtanlage ausgehet, eine entfernte Ana - logie liefern. In neuester Zeit ist jene auch von Baumgärtner (über Nerven und Blut. 1830. 8. ), bei Fröschen (S. 27.), Kröten und Salamandern (S. 52.) gesehen worden. Auch wir können ihre Richtigkeit nach eigenen Erfahrungen bestätigen. Der Individualisationsproceſs geht in den Vögeln auf folgende Weise150Von dem Embryo.vor sich. Wenn nämlich früher Fruchtanlage und Dotter genau mit einander verbunden waren und an einander adhärirten, so wird jetzt die Trennung derselben schon leichter und in einem gröſseren Umkreise möglich. An der Peripherie jedoch bleibt in den ersten Stunden der Brütung immer noch bei dem Versuche, die Fruchtanlage von dem Dotter zu lösen, etwas von dem letz - teren an der ersteren hängen (Bär l. c. S. 9., bei Burdach Phys. S. 239.). Auch Panders Kern des Hahnentrittes oder z. Th. Bärs Keimhügel wird so von der dadurch mehr blattförmig werdenden Fruchtanlage immer mehr gesondert. Alle diese ersten und zar - testen Nüancen der selbstständigen Sonderung der Fruchtanlage treten so leicht ein, daſs sie nach unseren Erfahrungen sehr häufig schon bei nicht bebrüteten Eiern wahrzunehmen sind. Eine jede etwas höhere Temperatur, nicht bloſs die gewöhnliche Brutwärme (28 32°) vermag schon diese leisen Effekte hervorzubringen.

2. Die mehr gesonderte Fruchtanlage geht in ihren verschie - denen Dimensionen der Dicke (Tiefe), Breite und Länge verschie - dene Theilungen ein, welche der Zahl nach einander entsprechen und in ihren Bedeutungen gewisse Analogieen darbieten. Ganz zuerst tritt die Spaltung in der Dimension der Tiefe hervor, doch auch da nicht gleich vollständig, da das Mittelglied im Anfange ganz mangelt und einige Zeit darauf nur schwach angedeutet ist. Auf diese folgt nach einer kürzeren oder längeren Unterbrechung die der Breite mit gleichem Zurückbleiben des Mittelgliedes und zuletzt die der Länge mit zwar von Anfang an rudimentär ange - deutetem, doch noch nicht functionell auftretendem Mittelgliede. Bei der nun folgenden Betrachtung ist auſser eigenen, gröſstentheils bestätigenden Erfahrungen, v. Bärs Darstellung (l.[c]. S. 160 163.) bis auf einige kleine Veränderungen zu Grunde gelegt.

a. Die Keimhaut sondert sich in eine obere, dünnere, festere und eine untere, dickere, mit anderen Körnern versehene Schicht, welche freilich in der frühesten Zeit nie getrennt werden kön - nen; doch aber durch Vergleichung der Textur der beiden Sei - ten der Fruchtanlage oder durch Zerreiſsung derselben wahrzu - nehmen sind. Zu ersterer Untersuchung dürfte ein mit aplana - tischem Ocular versehenes Microscop sich am besten eignen; denn hierdurch nur geht ein diese Art von Beobachtung nur zu leicht verwirrendes Moment, der Blick in die Tiefe des Objectes, ver - loren. (S. unten die Genese des Blutes.) Die obere Schicht151Sonderungen der Keimhaut.nennen wir mit Pander das seröse, die untere das Schleimblatt. Zwischen beiden entsteht im Laufe der Entwickelung eine La - melle zarter Kügelchen, in welcher Blutgefäſse und Herz sich ausbilden. Man sieht zwar diese auch als ein gesondertes Blatt an und nennt sie allgemein das Gefäſsblatt. Doch lassen sich noch einige Gründe dagegen aufstellen.

b. Die Sonderung in der Dimension der Breite (Fläche) ist zuerst dadurch angedeutet, daſs der Embryo sich bestimmter von der ihn peripherisch umgebenden Dotteroberfläche trennt. Es bildet sich nämlich um ihn ein Ring, welcher nach v. Bär (l. c. S. 11.) nicht vollkommen kreisförmig ist, sondern aus zwei Bogenlinien besteht und nach vorn und hinten sich einbiegt, während eine den Embryo selbst umgebende kreisförmige Umgrenzung durch Helle und Durchsichtigkeit sich auszeichnet. Hierdurch entsteht zuerst nach der Mitte der Fruchtanlage (und des ersten Rudimen - tes des Embryo) der Fruchthof, nach auſsen zu und gegen die Peripherie hin der Dotterhof. Zwischen beiden bildet sich ein neuer Hof, gleichzeitig mit dem Gefäſsblatte, der Gefäſshof und eben so, wie dieses, zuerst als eine begrenzte Kügelchenschicht, später als der Raum der Gefäſsbildung.

c. Die Sonderung der Theile in der Dimension der Länge geht den beiden vorigen entsprechend eben so vor sich. Doch kann hier die Trennung weniger rein seyn, da die einzelnen Or - gane, wie es auch im ausgebildeten Zustande der Fall ist, keine bloſse Nebeneinanderlagerung in einer geraden Linie, sondern eine Ueberlagerung beobachten. Am meisten nach vorn (und zugleich nach oben) liegt das Gehirn, nach hinten (und zugleich nach un - ten) der Verdauungskanal. Zwischen beide und in die Mitte der - selben legt sich später das Herz. Doch wenn einerseits die pri - märe Darstellung des Darmkanal-Endes in der fovea cardiaca diese Ansicht zu bestätigen scheint, so wird sie doch durch die längs des ganzen Körpers verlaufende Anlage der Centraltheile des Nervensystemes, so wie durch die mehr nach oben und vorn rückende Einmündungsstelle der Verdauungsorgane und die Hin - einbildung der Fortsetzungen des Herzens (der Blutgefäſse) in die Organe nicht wenig getrübt. Stellen wir nun diese drei Arten von Spaltungen zusammen, so erhalten wir folgendes Schema:152Von dem Embryo.

Anm. In den Dimensionen der Dicke und Breite, zum Theil auch der Länge, kann man sich die Verhältnisse auch auf fol - gende Weise vergegenwärtigen. Man denke sich die Fruchtan - lage in der Dimension der Tiefe in drei Lagen, seröses Blatt, Gefäſsblatt und Schleimblatt gespalten. Diese Lamellen sind je - doch in der Flächen-Dimension von ungleicher Ausbreitung, und zwar von geringerer das innere seröse, von gröſserer das mittlere Gefäſs - und von gröſster das äuſsere Schleimblatt. Da jedes die - ser Blätter seinen Repräsentanten in einem Organsysteme hat, welches sich aus ihm hervorbildet, so müssen diese letzteren durch diese nothwendige Bedingung ihres Ursprunges übereinan - der gelagert seyn. Auſser dieser durch ihre verschiedene Entste - hung aus verschiedenen Blättern gegebene Differenz der Lage in der Dimension der Tiefe beobachten sie aber für sich eine ähn - liche Differenz in der Dimension der Länge und so kann zwar der Typus ihrer Ortsbestimmung als eine gerade Linie oder eine gerade Richtung angesehen werden, jedoch so nur, daſs diese an zwei Stellen getheilt ist und jeder Theil etwas nach unten abweicht. Man sieht daher leicht, daſs genau genommen die Sonderung in Blät - ter eine Trennung in Form der Linie (des durch Dicke der Frucht - anlage gefällten Perpendikels), die in Höfe eine solche in der Fläche und die in Organsysteme in Fläche und Linie zugleich d. h. eine wahrhaft körperliche Trennung bedingt. Wahrschein - lich geht auch so die Anordnung der Zeit nach in der Natur selbst im Eie vor sich.

3. Diese ersten Veränderungen der Fruchtanlage ziehen auch homogene Veränderungen des ganzen Eies und seiner einzelnen Theile nach sich.

a. Das aus dem Mutterkörper entfernte Ei saugt Flüssigkei - ten aus den umgebenden Medien an und giebt solche an diese wieder zurück, geht also, wenn man will, einen wahren Assimilations - und Respirationsproceſs ein. Die im Wasser sich entwickelnden Eier vergröſsern sich bedeutend und schwellen an, welche Volu - mensveränderung bis zu einem bestimmten Grade fortgeht und153Sonderungen der Keimhaut.ziemlich rasch vollendet wird. Sie correspondirt entweder mit den ersten Sonderungen der Fruchtanlage oder geht dieser noch voran. Die Beobachtungen Rathkes beim Fluſskrebse und Blen - nius, Prevosts, Dumas und Bärs bei Fröschen und Rusconis beim Salamander stimmen hierin überein. Eben so nehmen die in der Luft sich entwickelnden Eier Stoffe von dieser in sich auf. (S. Frorieps Notiz. Bd 3. 1822. S. 20. fgg.) Doch ist die dadurch entstandene äuſsere Veränderung, abgesehen von manchen ande - ren Hindernissen, wie die harte kalkige Schaale, hier weit weni - ger kenntlich, als im Wasser. Auch muſs später, wie Pfeils, Prouts und Schwanns (vgl. Frorieps Notizen. 1834. No. 896. S. 241 245.) Beobachtungen zeigen, das Ei mehr Stoffe an die äuſsere Luft abtreten, als von dieser empfangen, da es im Laufe der Entwickelung einen nicht ganz unbedeutenden Gewichts - verlust erleidet. Bei den Säugethieren ist die Stoffaufnahme in der ersten Zeit so bedeutend, daſs sie jedem Beobachter auffallen muſste. Die schon groſse Anschwellung des Eies bei seinem Durchgange durch den Eileiter wird im Uterus selbst noch so sehr vermehrt, daſs nach einer ungefähren Berechnung ein Ver - hältniſs, wie 1: 1240 dem kubischen Inhalte nach herauskommt.

b. Die Flüssigkeiten des Eies selbst beginnen ihre Metamor - phosenreihe, welche durch die ganze Zeit des Embryonenlebens und bisweilen sogar über diese hinaus sich fortsetzt. So wird nach Carus der Dotter der Mollusken mehr aufgelockert und zel - lig; der der Spinnen wird durchsichtiger und flüssiger; der der Onisciden verändert bisweilen nach Rathke Gestalt und Farbe. Der Dotter des Blennius viviparus vergröſsert sich nach Eben - demselben auf Kosten des ganz schwindenden Eiweiſses (Abh. Th. II. S. 7.). Dieses wird selbst zum Theil oder ganz aufge - zehrt, verändert seine mehr zähe Consistenz in die flüssigere Form; der Dotter wird weiſslich, dichter und öliger, wie wir dies bei der Entwickelung der Amphibien und Vögel täglich zu sehen Gelegenheit haben.

c. Es werden nun flüssige Stoffe in der Nähe der Fruchtanlage ausgeschieden. So sieht man bei Vögeln die Dotterhaut nebst einem Theile der Fruchtanlage durch eine darunter entstehende Flüssig - keit sich emporheben und unter der ersteren einen wäſsrigen Stoff sich ansammeln, welches Phänomen mit dem Schwinden des Ei - weiſses zusammenhängt, überhaupt mit dem Näherrücken des Dot -154Von dem Embryo. I. Seröses Blatt.ters an die Eischaale verbunden ist und zur Bildung der soge - nannten Halonen Veranlassung giebt. Nach Prevosts und Dumas Darstellung scheint derselbe Proceſs auch bei Säugethieren vor sich zu gehen.

Nich minder wird die Mischung der Fruchtanlage offenbar mit Umänderung ihrer Form verändert. Leider giebt es zur Zeit, um solche Metamorphosen zu erkennen, kein anderes Kriterium, als die schon beschriebenen Sonderungen in den drei körperlichen Dimensionen, bei denen die früher gleichmäſsig aus Körnern und einem zähen Bindemittel bestehende Fruchtanlage in verschiedene, dichtere und undurchsichtigere, flüssigere und durchsichtige Ab - theilungen zerfällt. Dieser Gegensatz der Consistenzgrade findet aber nicht bloſs im Anfange, sondern im Verlaufe der ganzen Ent - wickelungszeit Statt und jede histiologische Sonderung beruht auf dieser Urverwandlung des Festen in Flüssiges und des Flüssigen in Festes. Denn kein Theil wird unmittelbar so ausgesondert und abgesetzt, wie er im ausgebildeten Zustande, ja nur für eine Zeit functionell hervortretend gefunden wird, sondern muſs an dem Orte seiner Bestimmung selbst die genannten Cohäsionsverände - rungen unter den ihm eigenen Verschiedenheiten durchgehen.

Wir werden nun die Entwickelung eines jeden der drei Blät - ter der Keimhaut speciell betrachten und zuletzt erst, das Ganze des Embryo wieder ins Auge fassend, auf die Entwickelung des indivi - duellen Thieres überhaupt zurückkommen. Der Mensch wird na - türlich das Hauptobject unserer Darstellung werden. Allein da vorzüglich in früheren Stadien die Erfahrungen noch viel zu mangelhaft und in einem groſsen Theile widersprechend und un - richtig sind, wird häufig die Evolutionsgeschichte der Säugethiere zur Ausfüllung der Lücken benutzt werden müssen. Wo selbst diese nicht ausreicht, wie in der allerfrühesten Zeit der Entste - hung, ist die Entwickelungsgeschichte des Vogelembryo das Lei - tende und Ergänzende. Von den niederen, sowohl wirbellosen, als Wirbel-Thieren wird nur vorzüglich das zum Verständniſs und zur Erklärung der bei den höheren Thieren vorkommenden Er - scheinungen Nothwendige hier einen Platz finden.

I. Seröses Blatt.

Der Zeit nach ist es bei den verschiedenen Thieren verschie - den, ob die Fruchtanlage sich in einzelne Blätter sondert oder155Erste Momente der Bildung des neuen Individuums.die elementare Darstellung der Hauptsysteme des Körpers beginnt, oder ob die Urscheidung in der Dimension der Tiefe oder in der der Länge und Breite zuerst hervortritt. So scheint bei den Spinnen der Gegensatz von Kopf und Rumpf eben so früh, wo nicht früher angedeutet zu seyn, als die Urbildungen des serösen Blattes, d. h. die Extremitäten, die Leibeswand und der später erst sichtbare Ganglienstrang. Wenigstens läſst sich eine Sonde - rung in differente Blätter durch keine Beobachtung in diesem frü - hesten Zeitraume nachweisen. Der Urproceſs, welcher durch eine Metamorphose der Keimanlage in die Fruchtanlage eingeleitet worden, scheint sich auch insofern jetzt noch unmittelbar fortzu - setzen, als an den Stellen, wo später differente Körpertheile zu liegen kommen, in frühester Periode differente Massenanhäufungen abgelagert werden. Die ähnliche Gestalt der Theile bei dem Fluſskrebse, mehr noch in den Onisciden macht hier einen ähnli - chen Vorgang wahrscheinlich. Bei Fischen geht nach Rathke’s Be - obachtungen (in Burdachs Phys. II. S. 202. u. Abh. II. S. 10. 12. ), die wir aus Embryonen von Perca und Cyprinus bestätigen können, die Entstehung der Rückensaite der Spaltung der Frucht - anlage in Blätter voraus. Bei den Amphibien scheinen beide Processe gleichzeitig vorzugehen. In den Vögeln dagegen ist die Sonderung in Blätter früher, als die Entstehung der Rückensaite ja sogar des Primitivstreifens. Ueber die Säugethiere mangeln hier durchaus noch alle Beobachtungen.

Wie v. Bär zuerst dargestellt hat, bildet sich um die vier - zehnte Stunde der Bebrütung der von ihm sogenannte Primitiv - streifen, d. h. eine Masse von losen, mit einander zusammenhängen - den Kügelchen, welche in einer der Queraxe des Eies entsprechen - den Längenreihe gelagert sind. Dieser Streifen ist schon mit blo - ſsen Augen sichtbar, 1 Linien lang und etwas über die Ober - fläche, bis Linie, erhaben (Bär üb. Entw. Gesch. Th. I. S. 12. 13. 14. und in Burdachs Phys. II. S. 242. 243.). Die Deutung dieses Theiles ist sicher mit sehr vielen Schwierigkeiten verbun - den. v. Bär drückt sich hierüber nicht ganz bestimmt aus und nennt ihn Verläufer der Wirbelsäule. Allein man könnte ihn eben so gut Vorläufer des Nervensystemes heiſsen. Er ist über - haupt, wie auch Burdach und Bär an einem anderen Orte bemer - ken, die Uranlage von Hüllen des centralen Nervensystemes aller Art und von diesem selbst, eine Ansicht, welche, wie wir bald156Von dem Embryo. I. Seröses Blatt.sehen werden, der Erfolg der Entwickelung hinlänglich begrün - det. Eben dieser Streifen, so wie die bald zu nennende Rücken - saite sind auch von Bär und Burdach dazu benutzt worden, um gegen Serres, Bourdon u. A. zu zeigen, daſs die ersten Rudimente der Theile nicht zwei Hälften, sondern ein Ganzes wären, welches sich später erst in zwei gleiche, nur in der Lage entgegenge - setzte Hälften spalte. Allein solche Sätze sind überhaupt mehr der Gegenstand metaphysischen Witzes und können und werden nie durch Erfahrung und Beobachtung ins Reine gebracht wer - den, da diese nicht die Entstehung selbst, sondern nur einen ent - standenen Moment der Bildung zu belauschen vermag. So läſst sich eben so gut, wie die urplötzliche Entstehung eines solchen einfachen Streifens, der Fall denken, daſs von beiden Seiten die Kügelchen der Fruchtanlage sich erheben und zu dem Primitiv - streifen sich verbinden. Ueberhaupt werden wir bei vielen aus zwei symmetrischen Hälften bestehenden Organen noch oft zu se - hen Gelegenheit haben, daſs zuerst jede Hälfte auf ihrer Seite besonders sich bildet, diese in einer Mittellinie zusammen kommen und von Neuem symmetrisch sich theilen. Aus dem Gebiete der beobachtenden Anatomie und Physiologie müssen solche Aufgaben mit Recht entfernt bleiben.

Kurze Zeit, nachdem der Primitivstreifen bestanden, erhebt sich zu jeder Seite desselben eine Falte oder eine Ansammlung dichterer, körnerhaltiger Masse, deren Höhe in verschiedenen Individuen variirt, doch aber häufig genug ½ Linie erreicht. v. Bär läſst sie dadurch entstehen, daſs die Körnchen des Primitiv - streifens auseinander weichen. Wir müssen dagegen diese dich - tere Masse aus mehr als einem Grunde für ein durchaus neues Produkt halten, während die Körnchen des Primitivstreifen wahr - scheinlich wieder in Flüssigkeit umgewandelt werden. Döllinger und Pander nannten diese bandartigen Theile Primitivfalten (Bei - träge zur Entwickelungsgeschichte des Hühnchens im Eie. 1817. fol. p. 9.), welche Bezeichnung aber durch die Entdeckung des Primi - tivstreifens unrichtig geworden ist. Bär schlägt daher für sie den Namen der Rückenplatten (über Entwick. gesch. S. 14.) oder Spinalplatten (in Burdachs Physiol. II. S. 244. 416. u. m. a. O.) vor. Gleichzeitig mit diesen oder bisweilen sogar noch etwas früher bildet sich nach unten zwischen den beiden Rückenplatten ein dunkeler Körnerstreif, die Rückensaite, welche aber nicht157Erste Momente der Bildung des neuen Individuums.unmittelbar mit den Spinalplatten zusammenhängt, sondern durch eine helle, vollkommen durchsichtige und körnerlose Flüssigkeit von ihnen getrennt ist. Von Bär glaubt in der Rückensaite ein Analogon der in manchen Knorpelfischen vorkommenden einfachen und gleichmäſsigen Knorpelsäule finden zu müssen und sieht sie daher als Rudiment der Wirbelsäule zum Theil an. Ob mit Recht oder nicht, lassen wir dahin gestellt. Doch können wir wohl dann fragen, welche Bedeutung hat die die Rückensaite umgebende durchsichtige, glashelle und feste Hülle, die sich bei Fischen nach unseren Beobachtungen in die Wirbelsäule umwan - delt? Wenn auch das äuſsere Ansehen der Rückensaite offenbar eine gewisse Aehnlichkeit mit einem Knorpel darbietet, so spricht doch die microscopische Untersuchung ihrer Structur entschieden dagegen. Ueberall wo sie vorkommt besteht sie aus einer äuſse - ren gleichmäſsigen, völlig durchsichtigen Hülle und mehr oder minder groſsen Kugeln, die immer sehr zahlreich und dicht an einander liegen. In den von ihnen gelassenen Zwischenräumen befindet sich eine gallertige, vollkommen durchsichtige Masse. Am gröſsten sind diese Kugeln bei Fischen und Amphibien, noch kleiner bei Vögeln und kleiner bei Säugethieren. Die über der Rückensaite befindliche Flüssigkeit ist aber mit Recht als Urru - diment des Centralnervensystemes anzusehen. Die Rückensaite verdickt sich bald knopfförmig und bildet nach Bär so die erste Grundlage des Schädels (über Entwickelungsgeschichte S. 16.). Die zwischen den Rückenplatten enthaltene Flüssigkeit vermehrt sich in gleichem Maaſse und so wird immer correspondirend Cen - tralnervensystem und Hülle zugleich angelegt und vergröſsert. Hirn - und Rückenmark sondern sich sehr früh und gleichzeitig mit Schädel und Wirbelsäule, und diese ganze Trennung steht mit der ersten Krümmung des Embryo, der Biegung der Rückenplat - ten in inniger Verbindung. Diese erste Periode der Entwicke - lung ist aber nicht bloſs bei Vögeln, sondern auch in den übri - gen Abtheilungen der Wirbelthiere mit Ausnahme des Menschen beobachtet worden. Rathke hat sie bei Fischen wahrgenommen, doch konnte er die Spinalplatten nicht mit Deutlichkeit unter - scheiden. Eben so wenig Bestimmtes findet sich hierüber in den Untersuchungen von Carus (Erläuterungstafeln zur vergl. Anat. 1831. Heft 3. tab. IV. ) über Cyprinus Dobula und von Prevost und Dumas (Frorieps Notizen 1831. No. 631. S. 225 232.) über158Von dem Embryo. I. Seröses Blatt.Mulus Gobio. Allein ihre Anwesenheit kann nach dem Verfolge der Bildung kaum in Zweifel gezogen werden. Den Primitiv - streifen haben Prevost und Dumas (Frorieps Notiz. 1824. Novemb. No. 176. S. 342. 343. ), so wie Bär (in Burdachs Physiologie S. 223.) bei Fröschen gesehen. Die ersteren haben ihn auch, so wie die Rückensaite abgebildet (l. c. fig. R V.). Bei den Vögeln ist, wie v. Bär selbst bemerkt, der Primitivstreifen schon von Pander (l. c. tab. 1. fig. 4. 5. tab. 2. fig. 2.) dargestellt worden. Auch können vielleicht einige Zeichnungen in Wolffs Abhandlung über Entstehung des Darmkanales hierher gezogen werden. Die von Prevost und Dumas dagegen gegebenen Abbildungen sind nicht ganz der Natur entsprechend. Deutlicher und richtiger sind ihre Zeichnungen aus dem Eie des Hundes (Frorieps Notizen Jan. 1825. No. 188. fig. 5. a. u. fig. 6. b.) und, wenn auch aus einer etwas späteren Zeit, aus dem des Kaninchens (ib. fig. 12.). Daſs dieser erste Proceſs der Bildung auf eine ganz ähnliche Weise auch bei dem Menschen vor sich gehe, dürfte eine mehr als bloſs wahrscheinliche Vermuthung seyn. Er mag in den Anfang der dritten oder das Ende der zweiten Woche fallen und, wie alle frühesten Zustände bei der Bildung des Menschen, sehr rasch vor - übergehen. Direkte Beobachtungen fehlen hier noch ganz und gar.

Wir haben schon bemerkt, daſs die Sonderung des Schädels von der Wirbelsäule und des Hirnes von dem Rückenmarke sehr früh und rasch eintritt. Die Bestimmung des Endes aber, wel - ches zum Kopfe sich umwandeln soll, ist durchaus nicht zufällig, sondern nur bei den zu dieser Zeit vielleicht noch vollkommen sphärischen Eiern der Säugethiere für uns weniger kenntlich. Im Vogeleie, wo die Längenaxe des Embryo in der kleineren Quer - axe des Eies liegt, wird das nach Rechts gelegene Ende, wenn man das stumpfe Ende des Eies als abgewandt, das spitze als sich zugewandt ansieht, zum Kopfe des neuen Individuums. Diese schon von Bär gemachte Beobachtung (üb. Entw. gesch. S. 12. und in Burdachs Physiol. S. 242.) haben wir immer bestätigt ge - funden und müssen jede Ausnahme hiervon als eine Miſsbildung, welche in schlechter Lage oder anderen äuſseren Hindernissen ihren Grund hat, ansehen. Das Kopfende sondert, verdickt und verbreitert sich immer mehr, während das Schwanzende noch im - mer mehr oder minder mit der übrigen körnerhaltigen Masse der Fruchtanlage verschwimmt. Diesen Zustand finden wir bei Pre -159Erste Momente der Bildung des neuen Individuums.vost und Dumas aus dem Kaninchen (l. c. fig. 12.) ziemlich na - turgetreu dargestellt. Bald aber tritt auch am hinteren Ende die Sonderung deutlicher hervor. Die Rückenplatten verdicken sich zwar auch hier, doch weniger als am vorderen Ende, dafür ver - breitert sich der durchsichtige Zwischenraum um so mehr und nimmt, während die ganze Andeutung des Embryo sich rasch ver - längert, eine rhombische Gestaltung an, wie sie am Vogelembryo von Wolff, Haller, Döllinger, Pander, Bär, Prevost und Dumas u. A. beschrieben und abgebildet worden. Bei Säugethieren ha - ben Meckel, Prevost u. Dumas u. A. denselben Zustand beobach - tet. Die Letztgenannten stellen ihn aus dem Hunde (l. c. fig. 7. 6. ) und aus dem Kaninchen (fig. 13.), doch nicht vollkommen natur - getreu, dar.

Unterdeſs gehen zwei wichtige Veränderungen in den Rük - kenplatten vor sich: 1. die Schlieſsung u. 2. die Krümmung der - selben. Die beiden Spinalplatten vergröſsern sich so, daſs ihre inneren Ränder näher rücken, zusammenstoſsen und sich verbin - den, so daſs nun ein geschlossenes Rohr (Anlage der Wirbelsäule und des Schädels nebst Decken) entsteht, welches eine abgeson - derte Flüssigkeit (Rudiment von Hirn und Rückenmark) enthält. Die Krümmung der Rückenplatten geschieht am vorderen Ende und bildet sich schnell aus, so daſs durch sie erst die Trennung von Schädel und Wirbelsäule, von Hirn und Rückenmark schär - fer marquirt wird. Nachgewiesen ist dieser Proceſs erst durch unmittelbare Beobachtung von v. Bär am Vogelembryo (üb. Entw. gesch. S. 16. in Burdachs Physiol. S. 246.). Durch den Erfolg dagegen ist auch dieser Vorgang bei Säugethieren documentirt. Ist nun die Bildung in dem serösen Theile der Fruchtanlage so weit vorgerückt, so folgt sowohl die Bildung der Centraltheile des Nervensystemes, als die ihrer Umhüllungen nebst dem noch nicht metamorphosirten Theile des serösen Blattes seiner eigenen, bestimmten Richtung. Beide müssen daher im Vortrage von nun an der Deutlichkeit wegen getrennt und besonders behandelt wer - den. Doch ist die Verbindung zwischen den Centraltheilen des Nervensystems und deren häutigen Hüllen zu innig, als daſs sie füglich von einander gesondert werden könnten. In die erste Ab - theilung gehört Hirn und Rückenmark nebst deren häutigen Hüllen, in die zweite Haut (äuſsere), Muskeln, Sehnen, Bänder, Knochen, Knorpel, Zellgewebe. Endlich muſs noch, wie dies später sich zei -160Von dem Embryo. I. Seröses Blatt.gen wird, als wahres Mittelglied zwischen diesen beiden Abtheilun - gen und zwar als Anhang der ersten, die Entwickelungsgeschichte der beiden höheren Sinnesorgane, des Auges und des Ohres, ab - gehandelt werden.

A. Gehirn und Rückenmark nebst deren häutigen Umhüllungen.

Die von den Rückenplatten und der Rückensaite eingeschlos - sene Flüssigkeit stellt das Urrudiment von Hirn und Rückenmark zu - gleich dar, und Burdach streitet daher mit Recht gegen die Ansicht, als sey das Hirn für einen aus dem Rückenmarke hervorgewach - senen Theil anzusehen. Der Gegensatz beider entsteht durch all - mählige Individualisation der nach gewissen polaren Contrasten sich hervorbildenden Organe. Anfangs ist die einfache Hirnblase dem einfachen Rückenmarksrohre entgegengesetzt. Bald jedoch beurkundet das Hirn durch weitere Ausbildung seine höhere Be - deutung. Der Kopf trennt sich durch die immer spitzer wer - dende Biegung, welche am Ende des ersten Tages bei dem Hüh - nerembryo eintritt. Bei den Säugethieren scheint sie sich der Zeit nach etwas später verhältniſsmäſsig zu bilden. Jedenfalls deutet diese Krümmung des Embryo auf die hohe Wichtigkeit des Hirnes überhaupt, so wie insbesondere auf einen gewiſs tief eingreifenden Proceſs, da sie in anderer Form auch im Schleim - blatte eben so auftritt, sich in der Folge mehrere Male wieder - holt und mit der Ausbildung von Organen oder Organtheilen im - mer auf das Innigste verbunden ist. Bald jedoch bilden sich beim Hühnerembryo nach Bär (l. c. S. 23. bei Burdach l. c. S. 252.) am Beginne des zweiten Tages statt der einfachen Hirn - zelle mehrere und zwar eine vordere, eine mittlere und eine hin - tere mit sinuösen Wandungen versehene Hirnzelle. Diese entste - hen nicht etwa dadurch, daſs die eine aus dem Innern der ande - ren hervorwächst, sondern dadurch, daſs die ganze Hirnblase sich in der Dimension der Länge verhältniſsmäſsig bedeutender, als in[] der Breite vergröſsert und späterhin von auſsen nach innen sich einschnürend diese Abtheilungen bildet. Die Sinuosität in den Wänden der hinteren Hirnzelle ist ein Stehenbleiben in der Mitte dieses Abschnürungsprocesses. Die drei Zellen entsprechen, wie der Verfolg der Ausbildung es lehrt, folgenden späteren Theilen: Die vorderste dem groſsen Gehirn, die mittlere den Vierhügeln und ihren Nachbartheilen und die hinterste dem ver -längerten161Gehirn und Rückenmark.längerten Marke und seinen Nachbartheilen. Auch ihr Contentum ist zuerst durchaus flüssig und durchsichtig. Später setzt sich eine mehr körnige Masse an der Peripherie an, während das In - nere flüssig bleibt. Man hat häufig Gelegenheit, die genannten Hirnzellen selbst an Embryonen der Säugethiere wahrzunehmen. Am schönsten hat sie von Bär aus dem Hunde (de ovi mamma - lium et hominis genesi. 1827. 4. fig. 7.), Rathke aus dem Schaafe (Meck. Arch. 1830. tab. I.), Joh. Müller (ibid. tab. XI. ) u. vor - züglich Burdach (de foetu humano adnott. acad. 1828. fol. fig. 1. 2. ) aus dem Menschen dargestellt. Doch sind in allen diesen Abbildungen die Begrenzungen derselben weit weniger scharf ausgedrückt, als sie in dem ganz frischen Fötus sich zeigen. Es werden aber diese durch jede Flüssigkeit, selbst das reine Was - ser nicht ausgenommen, undeutlicher, da die Hirnwände sehr bald an Durchsichtigkeit viel verlieren. Die einzelnen Zellen zeigen zwar bei den einzelnen Säugethieren kleine Verschieden - heiten der Form sowohl, als der zeitlichen Ausbildung, die je - doch so unbedeutend sind, daſs eine wichtigere Abweichung we - der unter einander, noch von dem Typus des Vogelembryo Statt findet. Bei dem Menschen fällt die erste Ausbildung der Hirn - zellen wahrscheinlich in die dritte Woche.

Eine andere Frage ist es, ob diese Hirnzellen in offener Ver - bindung mit einander stehen oder nicht. Schon aus der Natur ihrer Genese folgt es, durch eigene Untersuchung an durch - schnittenen Köpfen sehr junger Schaafembryone ist es gewiſs, daſs eine Communication in frühester Zeit Statt finde. Auch Tie - demann (Anatomie und Bildungsgeschichte des Gehirns. Nürnb. 1816. 4. S. 9.) hatte Aehnliches an drei menschlichen Embryo - nen aus dem Anfange des zweiten Monates zu sehen Gelegenheit. Die partielle Schlieſsung erfolgt aber bald, wenigstens zu einem groſsen Theile, beim Schweine und Schaafe und wahrscheinlich auch bei dem Menschen sehr früh in der Grenze zwischen Groſs - hirn - und Vierhügelblase. Abgesehen von dem Massenansatze im Innern wird diese Trennung durch eine von der um diese Zeit schon sehr festen basis cranii kommende Falte bewirkt. Ein ähnlicher, aber kleinerer Vorsprung bildet sich an der Grenze zwischen Vierhügelzelle und Zelle des verlängerten Markes noch vor Ablaufe des zweiten Monates. Man findet daher bei dem Menschen dann drei gesonderte, blasenartige Kugeln. Vier blasen -11162Von dem Embryo.förmige Körper dagegen, wie C. H. Weber sie gefunden hat (Meck. Arch. 1827. S. 227.), sind erst das Resultat einer weiter vorge - schrittenen Bildung. Die ferneren Metamorphosen dieser Theile müssen wir aber für jetzt wieder auf das Vogelhirn basiren, weil die bisherigen Untersuchungen an Säugethieren und dem Menschen nur Bruchstücke geliefert haben.

Frühzeitig tritt bei dem[Hühnchen] in den Centraltheilen des Nervensystemes eine Differenz zwischen Spinal - und Visceralseite ein, indem an der letzteren gröſsere Anhäufung soliderer Kügelchen - substanz und Faserung eher sich zeigt, als an der ersteren. So ge - schieht dies im Rückenmarke zuerst an der unteren Fläche und spä - ter erst an der oberen; im Gehirn dagegen schreitet die Bildung von der Basis nach oben vor sich. In ihr ist auch das frühere Ende der Rückensaite als bestimmendes Glied enthalten. Denn dieses ist nun bei der erfolgten Biegung und Krümmung des Schädels und Hirnes nach unten vorgerückt, und nach v. Bär finden wir bald an seiner Stelle Trichter und Hirnanhang (l. c. S. 30. in Burdachs Phys. II. S. 259.). Daher auch Burdach, welcher mit Recht den Nabel als Centrum der Fötuskrümmung ansieht, hypophysis und infundibulum als Centrum der Schädelkrümmung und der Hirn - bildung betrachtet (de foetu humano p. 3.). Von unten aus ge - schieht hier jede neue Ablagerung festerer Masse, also jede hi - stiologische, zum Theil auch morphologishe Sonderung, während von oben her durch Einfurchung die Trennung in zwei symme - trische Seitenhälften vollführt wird. So werden sehr früh die Hirnschenkel zwar schwach, doch kenntlich genug angedeutet (Bär l. c. S. 65. bei Burdach S. 295.). Seh - und Streifenhügel fehlen noch ganz. Der Sehnerve ist zwischen Groſshirn - und Vierhügelblase deutlich zu erkennen. Eben so bald auch der Riechnerve (Bär l. c. S. 65.) und wahrscheinlich der Hörnerve. Auch die untere Wand der Zelle des verlängerten Markes verdichtet sich rasch an der Basis und bildet, während ihre Oberfläche von einer äuſserst feinen Marklamelle bedeckt wird, den frühesten Zustand der vierten Hirnhöhle in ihrem Innern. Vor dieser Höhle breiten sich nun die Rückenmarksblätter (Visceralstränge, Urrudimente der strickförmigen Körper) zu einem rundlichen Blätt - chen jederseits aus, welche beide nach vorn und oben zusammen - stoſsen und die Rudimente des kleinen Gehirnes darstellen. (Bär l. c. S. 75. bei Burdach S. 306.) Auch die Vierhügel erhalten163Gehirn und Rückenmark.eine deutliche Höhlung im Inneren, welche v. Bär die sylvische Höh - lung nennt und die später zum Aquaeductus Sylvii gröſstentheils wird. Die Seitenventrikel bilden sich mit Seh -, Streifenhügel und Hemisphärenmasse hervor. Die Visceralstränge marquiren sich deutlicher, endigen sich zuerst nicht mehr, wie früher, am hin - teren, sondern am vorderen Ende des Trichters und scheinen sich bald nach den Seitenventrikeln hin umzuschlagen (v. Bär l. c. S. 76. bei Burdach S. 307.), wogegen jedoch Huschke’s Erfahrungen (Meck. Arch. 1832. S. 15.) sprechen dürften. Der zwischen kleinem Gehirn und Vierhügelblase befindliche Kanal wird länger und die Letztere verhältniſsmäſsig bedeutend vergröſsert. Das Hirn ist nun am meisten in sich gekrümmt, und mit dieser Krüm - mung haben sich die Stränge der Grundfläche mehr nach vorn hin verbreitet (Bär l. c. S. 85. 86. bei Burdach S. 317. 318.). Unterdeſs hat sich auch die Hülle vom Nervenmarke bestimmter gesondert, zuerst am Rückenmarke, dann am Gehirne. Jede frü - her durch eine bloſse Flüssigkeit begrenzte Spaltung der Nerven - masse wird durch Markplatten oder durch eine Fortsetzung der Gefäſshaut geschlossen. Seh - und Streifenhügel, Hirnanhang und andere Theile werden kenntlicher (Bär l. c. S. 103 105. bei Bur - dach S. 333 335.), bis das Vogelhirn überhaupt alle seine Theile der Zahl nach, wie im erwachsenen Zustande, der Form nach aber von diesem bedeutend abweichend enthält.

Vergleichen wir hiermit die Reihe der an den Säugethieren angestellten Beobachtungen, so ist J. F. Meckel d. j. zuerst zu nennen, da er die frühesten Formen des Gehirnes und Rücken - markes bei Kaninchen (Meckels deutsches Arch. I. S. 35.) und Schaafen (l. c. S. 43.), zum Theil auch dem Menschen (l. c. S. 76.) zu sehen Gelegenheit hatte. Leider aber fehlt jenen Beschrei - bungen und Abbildungen oft der wünschenswerthe Grad von Deutlichkeit, und wir werden daher von ihnen nur dasjenige her - vorheben, welches mit dem Vogelhirne und den Beobachtungen Anderer in Analogie steht. Mehr Licht kann dagegen die von Tiedemann mit musterhafter Genauigkeit aus einem siebenwö - chentlichen, 7 Linien langen (l. c. S. 11 15.) und von C. H. We - ber aus einem Linien langen (Meck. Arch. 1827. S. 227.) Embryo entnommene Beschreibung verbreiten. Auch bei den Säuge - thieren finden sich die genannten drei Hirnzellen, wie bei den Vögeln. Schon Harvey, welcher sie beim Vogel auch gesehen11*164Von dem Embryo.und als Groſshirn -, Augen und Kleinhirnblase gedeutet hatte (de generatione animal. Exerc. LVI. Ed. Amstelod. 1651. 12. p. 356.), sagt bei Beschreibung der zarten Embryonen des Damm - hirsches aus der Mitte des Novembers (l. c. exerc. LXIX. p. 447.): Caput ex tribus vesiculis sive globulis parvis imper - fecte compositum cernitur. In neuerer Zeit beobachtete sie Meckel am Kaninchen (l. c. tab. 1. fig. 1 3.), dem Schaafe (l. c. tab. 1. fig. 22 26.) und dem Menschen (l. c. tab. 2. fig. 1. 2. ), Tiedemann (l. c. tab. 1. fig. 2.) und E. H. Weber (l. c. tab. 3. fig. 5.) dem Menschen, Joh. Müller (Bildungsgeschichte der Genitalien. 1830. 4. tab. 3. fig. 1.) bei der Maus und bei dem Menschen (de ovo hum. atque embryone obs. anat. 1830. 4. p. 4. Meckels Arch. 1830. S. 431.) und wir selbst am Kaninchen, der Ratte, dem Schweine, dem Schaafe, dem Maulwurfe und zum Theil dem Menschen. Eben so setzt sich hier wie im Vogelhirne, die Masse von unten nach oben an. An der Basis erfolgt der erste Körnchenniederschlag und späterhin die erste Spur von Faserung. Hierauf beruht auch die von Meckel, Tiedemann und Weber an - gegebene frühe Entstehung der Hirnschenkel, da diese Männer den dichteren Stoff an der unteren Fläche zwischen Vierhügel - und Groſshirnblase mit diesem Namen belegen. Doch sey mir die Bemerkung hier erlaubt, daſs man bei der Deutung der Urru - dimente keines Theiles vorsichtiger seyn müsse, als der des Hirnes. Denn hier existiren offenbar schon früher die einzelnen Gebilde als äuſserst feine Nüancen der halbflüssigen Masse, bevor sie durch gröſsere Stoffanhäufung leichter der Beobachtung zugänglich sind. Dies zeigt vorzüglich die Bildung der einzelnen Hirntheile als Fortsetzungen der Visceralstränge, wie später noch bemerkt wer - den soll. Das centrale Nervensystem überhaupt sondert sich ohne Zweifel auch früher morphologisch, als histiologisch. Daher ist auch die Idee, als entstehe das Hirn - und Rückenmark aus dem Umschlagen gewisser Blätter (der Visceralstränge) durchaus man - gelhaft und unrichtig.

Die weitere Ausbildung der einzelnen Hirnblasen hängt, wie schon Meckel und Tiedemann, vorzüglich aber Burdach (Physiol. II. S. 424.) bemerkt haben, mit der Krümmung des Embryo über - haupt zusammen. Wie nämlich die Neigung der vordersten Hirn - blase gegen die Visceralwand hin abnimmt und die spitzwinkli - gere Einknickung des Kopfes mehr zu kreisförmigen Begrenzun -165Gehirn und Rückenmark.gen verflieſst, wird die erste Hirnzelle auch länger und bald durch eine von oben sich einsenkende Furche in zwei symmetrische Hälften getheilt. Durch gröſseren Massenansatz an der Basis wer - den die an der Stelle der späteren Hirnschenkel befindlichen Theile verlängert und mehr ausgebildet. Ihre Divergenz vermehrt sich, wie Schönlein (von der Hirnmetamorphose. 1816. 8. S. 60.) vermuthet, im Laufe der Entwickelung und sie rücken auch hier wahrscheinlich, wie bei den Vögeln, noch mehr gegen die Basis hinab, um den Trichter zu bilden. Tiedemann konnte diesen zwar im Anfange des zweiten und dritten Monates noch nicht finden, sah ihn aber, wie dieses Wrisberg schon bemerkt hatte (historia em - bryonis p. 25.), späterhin um so mehr vergröſsert und ausgebildet (l. c. S. 172.). Auch Meckel und Weber erwähnen in ihren Beschrei - bungen zeitiger Embryonen dieses Theiles durchaus nicht. Allein er entgeht um so leichter dem Beobachter, je mehr er in der um diese Zeit schon ziemlich festen Schädelbasis verborgen liegt und man muſs, um ihn zu erhalten, die knorpeligen Seitenwände erst entfernen, bevor er vollständig zu Gesichte kommen kann. Auf diese Weise habe ich ihn an einem Embryo aus dem An - fange des dritten Monates, so groſs wie ein Stecknadelknopf, ge - funden, wie Döllinger (Bildungsgeschichte des mensch. Gehirns. 1814. fol. p. 18.) ihn auch um diese Zeit gesehen hat, eine starke halbe Linie im Durchmesser haltend. Er war deutlich hohl, röthlich von Farbe und dem Hirne selbst näher, als im Erwach - senen. Seine Communicationsöffnung mit der dritten Hirnhöhle lieſs eine feine Borste bequem hindurch. Die Anhäufung solide - rer Stoffe tritt nun von da mehr nach vorn und bildet zuerst die Ganglien des groſsen Gehirnes, Seh - und Streifenhügel, welche gegen Ende des zweiten Monates schon bestimmt angedeutet sind. Zuerst sind die letzteren schmäler und kürzer, als die er - steren. Doch bald kehrt sich das Verhältniſs in das entgegenge - setzte um, während beide, nach Burdachs Angabe (Physiol. II. S. 429.) bis zum zehnten Monate, durch eine tiefe Furche ge - trennt bleiben. Eine gleiche Furche scheidet die beiden Sehner - venhügel von einander. Doch sind die Beobachtungen hierüber abweichend. Die Gebrüder Wenzel (de penitiori structura ce - rebri hominis et brutorum. 1812. fol. p. 311.) sahen sie nur zwei - und Döllinger (l. c. p. 5.) ein Mal schon im Fötus mit ein - ander verbunden, während Carus (Darstellung des Nervensyste -166Von dem Embryo.mes 1814. 4. S. 295.) den verwachsenen Zustand nur als Norm betrachtet und Meckel (deutsches Archiv. I. S. 380.) diesen Aus - spruch dahin berichtigt, daſs sie nur in frühester Zeit des Fötus - lebens getrennt seyen. Wir selbst haben sie zu Anfange des dritten Monates schon bestimmt verbunden gesehen. Eben so müssen wir mit Meckel (l. c. S. 381.) den Streit, ob die Sehhü - gel oder die nach Tiedemanns Vorschlag (l. c. S. 134.) Anschwel - lungen der Hirnschenkel zu nennenden Theile anfangs hohl seyen (Gall Anat. u. Phys. d. Nerv. syst. Bd. 1. S. 144.) oder nicht (Döllinger l. c. p. 5.), dahin berichtigen, daſs sie in der ersten Zeit (Ende des zweiten Monates) hohl, späterhin aber solid ge - funden werden, eine Bildung der Art bei Erwachsenen jedoch durch - aus als krankhaft angesehen werden müsse. Vermöge der zuerst noch sehr dünnen Wandungen des groſsen Gehirnes liegen diese Theile der äuſseren Oberfläche näher, als im erwachsenen Zu - stande. Vorzüglich kann dieses von der Richtung nach den bei - den Seitenflächen hin behauptet werden. Früher jedoch etwas zurückbleibend, später dagegen mit desto gröſserer Schnelligkeit legt sich bald eine Massenschicht um die innere Seite der Auſsen - fläche der vordersten Hirnblase herum, um die Hemisphären zu erzeugen. So entsteht Döllingers groſse Hirnwulst (l. c. p. 6.) und Burdachs fächerförmige Ausstrahlung (Physiol. II. S. 429. de foetu humano tab. I. fig. 3.), welche zum Theil die Grund - lage der Hemisphären bildet. Diese sind zuerst dünn, bedecken im Anfange nur die Streifenhügel und wachsen erst zu Ende des dritten Monates über die Sehhügel herüber. Mit fortschreitender Ausbildung nach allen Dimensionen überdecken sie vom vierten Monate an die Vierhügel immer mehr (Tiedemann l. c. tab. 1. fig. 6.), bis sie im sechsten Monate die vorderen Lappen des klei - nen Gehirnes erreichen (Burdach Physiol. II. S. 430.). Im vier - ten Monate zeigt sich die fossa Sylvii als eine kleine, noch ziemlich seichte Vertiefung. An der Oberfläche entstehen die Windungen nach Tiedemann (l. c. S. 141.) im vierten Monate, nach meinen Beobachtungen schon gegen Ende des dritten*)Hierfür zeugt auch schon die Erfahrung Wrisbergs (hist. embr. p. 21.), da sein Embryo No. II. nicht, wie er angiebt, der zehnten, son - dern, wie die Abbildung zeigt (tab. I. fig. 2.), der zwölften bis dreizehn - ten Woche angehört. als167Gehirn und Rückenmark.seichte Einschnitte, in welche Falten der Gefäſshaut sich einsen - ken. Da die harte Hirnhaut in dieser frühen Zeit fest mit der weichen Hirnmasse zusammenhängt, so bedarf es der gröſsten Vor - sicht bei der Trennung beider, um die ersten Spuren der sulci und gyri wahrzunehmen. Sie entstehen einzeln als schmale Einschnitte, sind zuerst ohne unmittelbaren Zusammenhang mit einander und liegen daher bis zum Anfange oder der Mitte des vierten Monates auf der Oberfläche der Hemisphären wie zer - streut. Bis zum siebenten Monate nehmen sie wenig, später aber mehr und rascher zu, so daſs sie im achten, spätestens zu An - fange des neunten Monates ihre völlige Ausbildung haben. Ob die primär gebildeten sulci wieder verwachsen und dann neue entste - hen, wie J. Fr. Meckel (Arch. I. p. 400.) will, oder nicht muſs ich dahin gestellt seyn lassen. Jedenfalls aber hat Almás (Paulus Balogh de F. Almás de evolutione et vita encephali. 1823. 8. p. 81.) Unrecht, wenn er behauptet, daſs dieses aller Analogie widerstreitet, da z. B. an den Nieren dasselbe Phänomen her - vortritt. Mit dem Beginne des dritten Monates wird der An - satz soliderer Masse in der Mittellinie der vorderen Hirnblase unterhalb der Einfurchung derselben stärker, und so zeigt sich am Ende desselben Monates eine noch verhältniſsmäſsig schmale Com - missur, welche in diesem noch weniger ausgebildeten Zustande ge - raume Zeit stehen bleibt und, ohne bedeutend gröſser oder dik - ker zu werden, mit den Hemisphären sich verlängert, bis sie im siebenten Monate auch die dritte Hirnhöhle vollkommen deckt. Sie documentirt sich aber schon früher durch ihre erkennbare Querfaserung als Fortsetzung und seitliche Umbiegung des vorde - ren Endes der Hirnschenkel, als Balken (Tiedemann S. 155. 156.). Das Gewölbe bildet sich nach Burdach (Physiol. II. S. 431.) gleichzeitig, nach Tiedemann (l. c. 163.) und meinen Untersuchun - gen etwas später als der Balken (Ende des dritten Monates). Zu - erst erscheinen zwei kleine schmale Leisten (crura fornicis an - terioria nach Tiedemann), welche später an einander stoſsen und verwachsen. Die Scheidewand zeigt sich im dritten Monate an ihrem untersten Theile zuerst (Tiedemann l. c. S. 165.); ihre Marklamellen bilden sich dagegen erst im fünften Monate voll - kommen aus (Burdach Physiol. II. S. 432.) und folgen überhaupt der Entwickelung und mehr horizontalen Lagerung des fornix. Die Entstehung einer geschlossenen Höhle (des Ventrikels) in den -168Von dem Embryo.selben fällt in den letzten Monat der Schwangerschaft, da bis dahin die beiden Lamellen unten nicht an einander liegen (Bur - dach Physiol. II. S. 432.). Doch beschreibt Döllinger (l. c. S. 12.) die Höhlung schon genau aus dem Fötusgehirne und bildet sie aus dem siebenten Monate ab (l. c. tab. 1. fig. 1. m.). Die Hirnschenkel nehmen anfangs immer noch verhältniſsmäſsig zu, werden im vierten Monate deutlich faserig (Tiedemann l. c. S. 149.) und erhalten dann eine von den Spinalsträngen kommende Verstärkung, die sie bedeckende Haube (Burdach l. c. S. 427.). Gegen Ende des Fötallebens sind diese Theile dichter und fester, als die übrige Hirnmasse. In Bezug auf die Entstehung der emi - nentiae candicantes hat Tiedemann offenbar seinen eigenen Be - obachtungen widersprechende Resultate angegeben. Er läſst sie nämlich gegen Ende des dritten Monates als eine einfache Erha - benheit sich bilden und erst gegen den siebenten Monat durch eine Längsfurche sich theilen (l. c. S. 162.). Nichtsdestoweniger beschreibt er schon dieselben als getrennte Körperchen aus der eilften Woche (l. c. S. 19.). Nach dem, was wir zu beobachten Gelegenheit hatten, ist ihre Entstehung mit der des grauen - gels innig verbunden. Es entsteht nämlich frühzeitig (noch vor der Mitte des dritten Monates) vor dem Trichter eine kleine Er - habenheit, welche sich bald in den grauen Hügel und zwei nach au - ſsen liegende, zierliche Fortsätze, die eminentiae candicantes, trennt. Diese liegen anfangs näher beisammen, sind jedoch schon früh durch einen ziemlich bedeutenden Zwischenraum getrennt und rücken erst gegen Ende des Fötuslebens wieder näher an einander. Die durch Fasern vollbrachte Verbindung mit der in - neren Seite der Sehhügel sah Tiedemann schon im vierten Mo - nate (l. c. S. 35. tab. II. fig. 4. g. g. m.). Nach ihm fehlt auch im zweiten und dritten Monate jede Spur des Ammonshornes (l. c. S. 169.). Doch kann man seine Urandeutung in der zwölften Woche schon wahrnehmen, wenn man die ganze Hemisphäre auf die unten noch zu beschreibende Weise entfaltet, wo es neben der später das abstreigende Horn von dem mittleren trennenden Masse als eine kleine Erhabenheit wahrzunehmen ist. Im vierten Monate bildet es eine deutlich hervorspringende Falte (Wenzel l. c. p. 139. 141. ), in welche sich eine Duplicatur der Gefäſshaut legt (Tiedemann l. c. S. 170.). Mit der Verlängerung und Ver - gröſserung des groſsen Gehirnes steigt es mehr abwärts, verbindet169Gehirn und Rückenmark.sich mit Fasern des Bogens und verharret so bis zum sie - benten oder achten Monate, wo der Eingang in die Falte durch die gröſser gewordenen Windungen verdeckt wird. Der pes hip - pocampi minor zeigt sich im vierten Monate als eine Falte der dünneren Hemisphären (l. c. S. 171.) und bleibt als Falte selbst im Erwachsenen (Wenzel l. c. p. 145.). Die Entstehung der Zirbel ist nach v. Bär (über Entwick. gesch. S. 130. bei Burdach S. 363.) beim Vogel folgende: Die Sehhügel sind in früherer Zeit durch eine feine Marklamelle verbunden, welche in die ur - sprüngliche Decke der dritten Hirnhöhle sich fortsetzt, im Laufe der Entwickelung hinten zur hinteren Commissur wird, nach oben aber sich erhebt und die Zirbel darstellt. Die letztere ist daher nach ihm die aufgehobene, obere Wand der dritten Hirnhöhle, wie der Trichter die hervorgetriebene untere Wand derselben war. Wahrscheinlich findet dasselbe auch bei den Säugethieren und dem Menschen Statt. J. F. Meckel hat eine gleiche Lamelle als Matrix der Zirbel beschrieben und nennt die hintere Commis - sur als Ueberbleibsel dieses von ihm sogenannten Hornstreifens, stria cornea. (Arch. I. S. 378. Aehnliches s. bei Döllinger l. c. S. 16. 17.). Tiedemann sah sie zuerst (l. c. S. 131.) im vierten, Gebrüder Wenzel dagegen (l. c. p. 313. 314. ) im fünften Monate. Ersterem erschien sie rundlich, plattgedrückt und mit einem Stiele versehen, welcher von den Sehhügeln herkam; den Letzte - ren wie ein kleiner Stecknadelknopf, sphärisch und blaſs. Serres (Anat. comparée du cerveau. 1827. 8. I. p. 118.) leitet ihre Ent - stehung aus der Vereinigung ihrer beiden Stiele her. In der Folge vergröſsert sie sich, bleibt immer sehr weich und enthält im Fötus nie Hirnsand, wie die[Beobachtungen] von J. und C. Wenzel (l. c. p. 315.), Döllinger (l. c. p. 18.) und Tiedemann (l. c. S. 132.) beweisen. Bei Neugeborenen dagegen hat ihn Söm - mering (in Noethig diss. de acerv. cerebr. recus. in Ludw. scr. neurol. min. Tom. II. p. 333.) gefunden, während J. u. C. Wenzel ihn erst im siebenten Lebensjahre beobachteten (l. c. p. 316.). Endlich glaubt der geistreiche Schönlein (l. c. S. 107.), daſs die Zirbel in der Klasse der Säugethiere und in dem Fötus des Menschen vorzüglich ausgebildet sey. So wird, sagt er, ihre Lebenssphäre von der Klasse der Säugethiere und den frühesten Perioden des menschlichen Fötuslebens umkränzt. Aus die - sen nun kürzlich dargestellten Metamorphosenveränderungen der170Von dem Embryo.ersten Hirnzelle sehen wir, daſs der Massenansatz sich von einem Punkte aus strahlig verbreitet. Dieser Punkt ist, wenn nicht der Trichter selbst, doch dessen Umgegend. Wir sahen, daſs der zum Trichter und Hirnanhang später sich umändernde Theil in frühester Zeit unverhältniſsmäſsig groſs ist. Ueber und vor, doch dicht neben ihn lagert sich zuerst Seh - und Streifenhügel, später in der Mitte Balken, Gewölbe und Scheidewand, während von innen nach auſsen und oben die groſse Hirnwulst sich umschlug, um die Hemisphären darzustellen. Nach unten endlich protube - rirte der Theil, welcher dem grauen Hügel und den Markkügel - chen den Ursprung gab.

Die zweite der oben bezeichneten Hirnzellen war die Vier - hügelblase. Sie lag an der gröſsten Krümmungsstelle des Kopfes und war auch zu der Zeit die längste. Allein auch auf sie hat die Veränderung der Biegung[wesentlichen] Einfluſs. Wie näm - lich die Kopfform weniger eingeknickt, als rund wird, bleibt ihre extensive Ausbildung verhältniſsmäſsig zurück, während das Wachsthum der vorderen Hirnzelle um Vieles bedeutender wird. In diesem Zustande stellt sie noch eine mit einer homogenen Flüssigkeit gefüllte Blase dar. Auch hier geht der Massenansatz von unten und der Mitte her nach auſsen und oben vor sich, so daſs beide Hälften sich zuerst von der Mittellinie entfernen, dann sich oben gegen einander neigen, einander erreichen und endlich verwachsen. So kann man es mit Bestimmtheit am Vogel - und Schaafsembryo verfolgen. Allein auch bei dem Menschen ist der Entwickelungsvorgang durchaus derselbe. So sind die beiden seitlichen Hälften im zweiten Monate noch nicht vereinigt (Meckel in s. Arch. I. S. 81. Tiedemann l. c. S. 115.), im dritten dage - gen stoſsen sie an einander, im vierten hat die Masse eine der Länge nach verlaufende Nath in der Mitte als Zeichen der ge - schehenen Vereinigung. (Tiedemann l. c. S. 116.) Um diese Zeit ist die Höhlung noch groſs und ungleich, welche aber in der Folge mit Vermehrung des Massenansatzes sich verkleinert, so daſs im siebenten Monate nur noch ein etwas breiter Ka - nal übrig ist, der, später sich noch mehr verengernd, zum Aquaeductus Sylvii wird. Diese neue Ablagerung festeren Stof - fes giebt aber auch hier zur Bildung mehrerer Theile Anlaſs. Unten nämlich haben hierdurch überhaupt die beiden mittleren Stränge der Medulla oblongata, die Olivarstränge, an Ausbildung171Gehirn und Rückenmark.zugenommen und setzen sich nun in die Vierhügel fort, um den Theil zu bilden, welchen Reil die Schleife nennt. (Tiedemann l. c. S. 117. 118.) Döllinger leitet die Entstehung der Vierhü - gel selbst, so wie der oberen Schenkel des kleinen Gehirnes und der Hirnklappe von einem Markblatte her (l. c. S. 17.), wleches nach der von ihm gegebenen Beschreibung (l. c. S. 16.) mit Mek - kels Hornstreifen zusammenfällt. Richtiger jedoch ist nach Meckels, Tiedemanns und meinen Erfahrungen folgende Entstehung dieser Gebilde. Zuerst theilt sich die Hügelblase in eine rechte und eine linke Hälfte durch eine von oben nach unten sich bildende Einfurchung (Ende des zweiten Monates) (cf. Meckels Arch. I. S. 372.), so daſs hierdurch ein Gebilde gegeben ist, welches man eher Zwei - als Vierhügel nennen kann (ib. S. 371.). Bald jedoch (Anfang oder spätetens Mitte des dritten Monates) bildet sich eine Querfurche, wodurch ein doppeltes Hügelpaar entsteht, zwischen welches eine Falte der Gefäſshaut sich einsenkt. (Tiedemann l. c. S. 118.) Der vordere Theil verdickt sich weit früher, als der hintere (Meckels Arch. I. S. 372.). Auch ist das vordere Vier - hügelpaar in früherer Zeit, wie bei den Wiederkäuern (Schön - lein l. c. S. 67. und der Gebrüder Treviranus verm. Schr. Bd. 3. 1820. 4. S. 72.), gröſser, als das hintere. Doch habe ich ein Mal in einem Embryo aus dem fünften Monate das Gegentheil zu se - hen Gelegenheit gehabt, was an Raubthierbildung erinnern würde. Die Breite dagegen ist vom vierten Monate an am hinteren Paare etwas gröſser, als am vorderen, was J. und C. Wenzel (l. c. p. 313.) an Neugeborenen erst sahen. Schon gegen Ende des dritten Monates gehen die beiden seitliehen Hälften etwas mehr ausein - ander. Später wird aber durch weitere Entwickelung des klei - nen Gehirnes, und der von demselben zu den Vierhügeln sich fortsetzenden Schenkel vorzüglich das hintere Paar auseinander getrieben (Meckel in s. Arch. I. S. 372.). Die freilich zweideu - tige Angabe bei Burdach (Physiol. II. S. 427.), daſs die Trennung in ein vorderes und ein hinteres Paar erst im siebenten Monate eintrete, ist jedenfalls unrichtig. Nach Girgensohns Beschreibung scheint diese Veränderung schon im dritten Monate vorzugehen (Meck. Arch. 1827. S. 366. tab. 6. fig. 4. i. i.). Wir selbst sa - hen im vierten Monate beide Paare nicht bloſs von einander ge - schieden, sondern ungefähr Linie von einander entfernt, so daſs auf dem Grunde dieser Zwischenraum durch die Decke der172Von dem Embryo.darunter liegenden Höhle ausgefüllt ward. Auch hier geht also der Massenansatz von unten und innen nach auſsen und oben vor sich. Ob aber an der Basis ein Unterschied von vorn und hin - ten Statt finde, ist durch Beobachtung noch nicht ermittelt.

Wir kommen nun zur dritten und hintersten Hirnzelle, näm - lich zu der des verlängerten Markes. An ihr ist die Einknickung am gröſsten und schon äuſserlich am Embryo durch den Nacken - höcker scharf marquirt. Auch haben wir in ihr schon eine Ten - denz zu gröſserer Abschnürung nicht bloſs von der Vierhügelblase und dem Rückenmarke, sondern in sich selbst durch Sinuosität ihrer Wandungen erkannt. Der Typus des Massenansatzes geht aber hier nicht so einfach vor sich, als in den beiden vorderen Hirnblasen, sondern hängt[von] dem Complexe folgender Verhält - nisse ab: 1. Die Visceralstränge des Rückenmarkes bilden ihre solideren Nervenparthieen früher, als die Spinalstränge. Diese hier die unmittelbare Fortsetzung des Rückenmarkes constituiren - den Theile behalten aber immer die Tendenz sich zur geschlosse - nen Röhrenform auszubilden. 2. Die als Centrum der Hirnbildung überhaupt ihre Gewalt geltend machende Gegend des Trichters, als früheres Schädelende der Rückensaite, bewirkt, daſs der An - satz dichterer Masse nicht, wie in der Groſshirnblase von hinten und unten nach vorn und oben oder, wie in der Vierhügelblase von unten nach oben, sondern von vorn nach hinten vor sich geht. Hierzu kommt noch 3. die nach den äuſseren Seiten hervorge - hende Ausbildung eines neuen wichtigen Theiles, des kleinen Ge - hirnes, welches aus der Blase des verlängerten Markes gegen die Vierhügelblase zu von unten und innen nach unten und auſsen und zuletzt nach oben und innen sich bildet. Bei diesem Allen sucht aber der Entwickelungsproceſs die aus dem Rückenmarke heraufkommenden Visceralstränge in ihrer Längendimension mit dem dem Gehirn eigenthümlichen, gegen die Mitte der Schädelbasis hin liegenden Centrum der Bildung nicht sowohl zu einem an - deren, mittleren dritten zu vereinigen, sondern beide Richtungen neben einander stehen zu lassen. Im Verbältniſs zum ganzen Gehirn ist das verlängerte Mark je früher, desto breiter. Die Massenanlage für das dreifache, in ihm vorkommende Strangpaar beginnt schon im zweiten Monate; die Sonderung in die einzel - nen Stränge dagegen wird erst verhältniſsmäſsig spät vollendet. Dahin ist auch Meckels Ausdruck (Arch. I. S. 356.), daſs die173Gehirn und Rückenmark.strickförmigen Körper früher, als Pyramiden - und Olivarstränge entstehen, zu berichtigen. Diese Visceralstränge, wie man sie bis zu ihrer völligen Trennung nennen könnte, gehen, wie man wegen des Mangels der Brücke auf das deutlichste im dritten Mo - nate verfolgen kann, zum Theil in die Hirnschenkel über, nachdem vorher eine partielle Kreuzung derselben Statt gefunden (Tiede - mann l. c. S. 95.). Diese ist im vierten Monate noch schöner darzustellen und, wie es der Natur der histiologischen Ausbildung gemäſs ist, zu der Zeit nicht durch Fasern, sondern durch Faser - bündel oder kleine Stränge bewirkt. Aber auch abgesehen hier - von ist die Kreuzungsstelle verhältniſsmäſsig breiter, als im Er - wachsenen. Zuerst sondern sich mit Ausbildung des kleinen Ge - hirnes die strickförmigen Körper von der Masse der Visceralstränge durch einen leichten Einschnitt (Meck. Arch. I. S. 356.). Die Pyramiden - und Olivarstränge werden nach Meckel im fünften (Arch. I. S. 357.), nach Tiedemann (l. c. S. 96.) im sechsten Monate deutlich geschieden. Jeder strickförmige Körper ist im siebenmonatlichen Fötus nach Döllinger (l. c. S. 23.) in drei flache Wülste getheilt, während die olivenförmigen ein mehr verlänger - tes Ansehen, schärfere Trennung und überhaupt gröſsere Deut - lichkeit, als bei dem Erwachsenen haben (l. c. S. 24.). Die verschiedenartigen Fortsetzungen der einzelnen Visceralstränge sind nur aus der Combination des Fötusgehirnes und des des Er - wachsenen zu erkennen, und so gehen die Pyramidenstränge (nicht vom ersten Anfang an, sondern sobald die histiologische Sonde - rung in Faserbündel begonnen), wie Tiedemann (l. c. S. 100.) schon bemerkt, in Seh -, Streifenhügel und groſse Hirnwulst, die Olivarstränge dagegen in die Vierhügel über. Als Fortsetzung der strickförmigen Körper ist aber endlich das kleine Gehirn an - zusehen. Denn diese (oder genauer gesagt, die Stelle derselben, d. h. die äuſsere Seite der Visceralstränge) verdicken sich im zweiten Monate und proliferiren so zwei schmale Leistchen (Tie - demann tab. 1. fig. 7. d. d.), welche, indem sie mehr nach oben gehen, die vierte Hirnhöhle bedecken und das Rudiment des klei - nen Gehirnes darstellen. Wahrscheinlich entstehen diese an dem vorderen eingeschnürten Theile des verlängerten Markes. Doch glückte es uns noch nicht, dies in der Natur vollständig zu ver - folgen. Diesen frühesten Zustand des kleinen Gehirnes haben v. Bär (über Entwgesch. S. 75. bei Burdach S. 306.) am Vogel,174Von dem Embryo.Meckel (Arch. I. S. 45.) am Schaafe und Tiedemann (l. c. S. 19. tab. 1. fig. 5. d. fig. 8. c. fig. 9. 10. 11. b.) am Menschen beschrieben. Die obere Zusammenwachsung bedeckt jedoch nur einen Theil der Rautengrube. Unablässig setzt sich nun solidere Masse an diese beiden Blätter von unten und innen nach oben und auſsen an, so daſs sie an den Seiten immer mehr kugelig anschwellen, während das Innere derselben bis zum Anfange des vierten Monates hohl d. h. mit Flüssigkeit gefüllt bleibt. So ist auch Carus (l. c. S. 285.) Beobachtung zu deuten, daſs die Mark - kerne oder Ciliarkörper im vierten Monate hohl und, was auch Tiedemann bestätigt (l. c. S. 104.), überaus gefäſsreich seyen. Das Letztere hat Serres zu dem schon von Burdach (Physiol. II. S. 424.) hinlänglich widerlegten Ausspruche verleitet, daſs das kleine Gehirn aus der Wirbelarterie entstehe. Im fünften Monate geht nun die Sonderung weiter vor sich, so daſs der im vierten schon angedeutete Unterschied von Wurm und Hemisphären kennt - licher wird. Die Einsenkung der Gefäſshaut und die dadurch bedingte Entstehung der Lappen ist schon etwas früher, zu An - fange des vierten Monates, gegeben. Im Inneren dagegen setzt sich immer reichlichere Markmasse an, so daſs die Höhlung stets kleiner wird und im sechsten oder siebenten Monate ganz ver - schwindet. Der mittlere Theil, der Wurm, bleibt gegen die He - misphären in der Entwickelung zurück und läſst erst im sieben - ten Monate nach Tiedemann (l. c. S. 106.) die von Reil in ihm beschriebenen Theile, das Knötchen, den Zapfen, die Pyramide und die kurzen Querbänder mit Deutlichkeit erkennen. Die Son - derung der Hemisphären in Lappen, Aeste und Zweige wird eben - falls vor dem achten Monate nicht vollendet. Die Markkerne selbst treiben (Tiedemann l. c. S. 106. 107. ), sobald sie angelegt sind, Fortsetzungen nach unten, welche einander begegnen und eine schmale, aber ziemlich breite Commissur darstellen. Diese verlängert sich, wird noch breiter und dicker und stellt so die Va - rolsbrücke, die ich im fünften Monate schon deutlich erkannte, dar. Im Laufe der Entwickelung legt sich auch an sie, wie an die übrigen Hirntheile, eine Schicht von Belegungsmasse von auſsen an. Wir haben so die Veränderungen der dritten Hirnzelle, so weit sie die Unterfläche und die aus ihr hervorgehenden Theile betreffen, betrachtet und müssen nun noch die Metamorphosen der Oberfläche durchgehen. Diese bleibt zu Anfange noch durch -175Gehirn und Rückenmark.sichtig, wird dagegen später (Anfang des dritten Monates) von einer dünnen Marklamelle, welche ohne Zweifel sich von unten nach oben gegen die Mitte herumschlägt, bedeckt, wodurch die dritte Hirnzelle schon für sich selbst zu einem geschlossenen Markrohre wird. Diesen Zustand hat Girgensohn (Meck. Arch. 1827. S. 362.) aus einem dreimonatlichen Embryo genau beschrie - ben. Die Markplatte ist nach vorn zu dicker und G. ist geneigt, den Ursprung der Varolsbrücke aus ihr herzuleiten, was uns je - doch kaum wahrscheinlich zu seyn scheint. Sie ist schon von Tiedemann (l. c. S. 108.) um dieselbe Zeit des Fötuslebens er - kannt und wohl mit mehr Recht als Reils vorderes Markseegel oder die groſse Hirnklappe gedeutet worden. Die untere Hirn - klappe dagegen läſst er aus dem nach unten umgeschlagenen Rande des kleinen Gehirnes entstehen. Die Ursprünge der Gehörnerven, die taeniolae cinereae der Gebrüder Wenzel oder Burdachs Hör - ganglien kommen (Tiedemann l. c. S. 113.) im vierten bis fünf - ten Monate zuerst als zwei kleine längliche Erhabenheiten zum Vorschein. Doch sah Wenzel (l. c. p. 184.) ihre ersten An - deutungen schon im dritten Monate. Die hinter ihnen liegenden weiſsen markigen Streifen dagegen konnten weder Wenzel (l. c. p. 189.) noch Tiedemann (l. c. p. 113.) vor der Geburt wahrneh - men. Die Massenanhäufung geht also hier ursprünglich von den Visceralsträngen aus, wird aber durch das am vorderen, der Gegend des Trichters näheren Ende entstehende kleine Gehirn wesentlich modificirt. Wir müssen daher, wenn wir auch nicht mit Burdach (de foetu humano p. 6.) die einzelnen hier im Er - wachsenen liegenden Theile als bestimmend aufzuzählen wagen, doch die hohe Wichtigkeit dieser in der Mitte der Schädelbasis überhaupt gelegenen Gegend anerkennen. Interessant ist noch eine Vergleichung des groſsen und des kleinen Gehirnes. Denn während hier die Ganglien späterer Entstehung sind, sind sie dort früher gegeben und wohl nur deshalb, weil sie dort in dem Ausgangspunkte der Bildung, in jeder Hemisphäre nach der Mitte des ganzen Gehirnes zu, liegen, während diese Stelle in dem klei - nen Gehirne der künftige Wurm einnimmt. Die dann seitlich gelagerte Markmasse kommt daher verhältniſsmäſsig viel später zur Ausbildung der deutlichste Beweis, wie sehr in der ersten Zeit jede Lagenveränderung, als das morphologische Verhältniſs, über alle histiologische Sonderung die Oberhand behauptet.

176Von dem Embryo.

Wir kommen nun zu dem zweiten Haupttheile des centra - len Nervensystemes, dem Rückenmarke. Schon oben hatten wir bemerkt, daſs die oberhalb der Rückensaite enthaltene Flüssig - keit Hirn und Rückenmark zugleich darstelle und daſs bald eine mehr oder minder runde oder längliche Anschwellung am oberen Ende die Verschiedenheit beider anlege, ohne daſs jedoch eine bestimmte Trennung zwischen ihnen anzunehmen gewesen wäre. Erst die Krümmung und Einknickung des Embryo und der da - durch entstandene Nackenhöcker hatte eine feste Grenzlinie zwi - schen beiden bestimmt. Wir müssen daher die Metamorphosen des unter dem Nackenhöcker gelegenen Theiles in Erwägung ziehen, wenn wir die Bildungs - und Entwickelungsgeschichte des Rückenmarkes betrachten wollen. Zuvor sey uns noch die Be - merkung erlaubt, daſs wir absichtlich dieser Darstellung die Evo - lutionsgeschichte des Gehirnes gegen die gebräuchliche Anordnung vorausschickten, weil es ganz ungegründet ist, wenn man glaubt, daſs das Hirn später entstehe, als das Rückenmark, oder daſs das erstere aus dem letzteren hervorwachse. In der Uranlage sind sie beide gegeben; denn diese ist centrales Nervensystem überhaupt. Bald scheidet dasselbe aber eine obere (Hirn) und eine un - tere Abtheilung (Rückenmark) aus sich heraus, da die voran - gegangene Verlängerung keineswegs allein das Kopfende, wie es nach jener Ansicht der Fall seyn müſste, sondern die ganze Aus - dehnung der Rückensaite und der Rückenplatten betraf. Wie es aber zur bestimmten Scheidung zwischen Hirn und Rückenmark gekommen, verfolgt jedes seinen eigenen Entwickelungsgang, das erstere in den Vögeln und Säugethieren um Vieles rascher, als das letztere. Daſs dieses aber in noch höherem Grade bei dem Menschen der Fall sey, ist aus folgenden Gründen wahrscheinlich: 1. prävalirt hier der Kopf, besonders der Schädeltheil, am meisten in der ganzen Thierreihe, selbst in den allerersten Monaten des Fötallebens; 2. geht die Thierähnlichkeit der Gesichtsbildung, wie Joh. Müller mit Recht bemerkt (de ovo atque embryone p. 5.), sehr früh verloren und 3. streitet, wie später erhellen soll, die Bildung der höheren Sinnesorgane durchaus für diese Ansicht. Zu der Zeit, wo der Nackenhöcker hervortritt, ist das Rücken - mark ein nach oben in die Zelle des verlängerten Markes sich öffnendes, nach unten aber geschlossenes, mehr oder minder scharf begrenztes Rohr, welches in seinem Innern eine helle, vollkommendurch -177Gehirn[und] Rückenmark.durchsichtige Flüssigkeit enthält. Will man jetzt schon conse - quent deuten, so muſs man die Wandung des Rohres für die Hülle, die Flüssigkeit dagegen für das Nervensystem erklären. Dieser Zustand findet sich bei dem Vogelembryo nach v. Bärs Angabe (über Entwickelungsgesch. S. 28., bei Burdach S. 257.) am zweiten Tage. Bei dem Menschen scheint er bis zum Ende des ersten oder höchstens dem Anfange des zweiten Monates zu dauern. (Tiedemann l. c. S. 84. Burdach de foetu p. 4.) Ab - gesehen von seiner Gestaltveränderung legt sich auch hier die dichtere Masse von unten und innen nach auſsen und später nach oben und innen an, wie wir dies schon am Gehirne zu sehen Gelegenheit hatten. So wird es nun erklärlich, wie Meckel auf die Vermuthung kommen konnte, daſs das Rückenmark aus einer einfachen oder doppelten Platte entstehe, welche sich nach oben und dann nach innen einrolle (Arch. I. S. 335.). Es wurde von ihm dieses zweite Stadium, welches er an Kaninchenembryonen vorzüglich wahrzunehmen Gelegenheit hatte, für die Urmetamor - phose gehalten. Man thäte ihm aber Unrecht, wenn man behaup - tete, daſs er die richtige Ansicht der Sache, wie sie vor ihm Carus schon dargestellt (l. c. S. 218. 19. ), nicht gekannt oder geläugnet hätte. Nur in der Deutung weichen beide ab und so dürfte der von Meckel gemachte Einspruch (l. c. S. 336 338.) mehr auf einen Wortstreit, als auf wahre Differenz des Objectes sich reduciren lassen. Auch hier werden die Visceralstränge frü - her, als die Spinalstränge mit solider Masse versehen; anfangs so - gar rascher verhältniſsmäſsig, als in dem Gehirne. Doch bleibt die Mittellinie die erste Zeit leer, wodurch der Schein einer Spalte an der Oberfläche entsteht. Die Faserung bildet sich an der Vor - derfläche, also auch an den Visceralsträngen, im vierten Monate deutlich aus und nimmt nicht blos hier, sondern auch an den Seiten rasch zu (Tiedemann l. c. S. 85.). Später, als die weiſse, soll die graue Substanz entstehen. Doch wurden beide von uns ein Mal schon zu Anfange des vierten Monates deutlich wahrge - nommen. Je jünger der Embryo ist, desto gröſser ist das Rük - kenmark im Verhältnisse zur Hirnmasse. Dies hängt aber, wie schon Tiedemann (l. c. S. 92.) nachgewiesen, nicht sowohl von einer absolut groſsen Ausbildung desselben, als von der verhältniſs - mäſsig in früberer Zeit bedeutenderen Kleinheit des Kopfes ab. Mit diesem in gleichem Maaſse kehrt das Verhältniſs allmählig in das12178Von dem Embryo.entgegengesetzte um. Als Wendepunkt desselben kann bei dem Men - schen der fünfte Monat angesehen werden. Im ersten Zustande ist die Urbildung des ganzen centralen Nervensystemes ein gleich brei - tes und dickes Rohr, welches sich bald von oben nach unten gleich - mäſsig zuspitzt. Dieser früheste Zustand ist zwar bei dem Menschen noch nicht gesehen worden. Man kann ihn aber leicht bei dem Vogel beobachten, wo ihn auch schon Wolff, Nicolai, Pander, Prevost und Dumas, Bär u. A. dargestellt haben. Bei Säugethieren haben ihn Prevost und Dumas am besten aus dem Kaninchen (Annales des sc. nat. Tom. III. pl. 5 7. Frorieps Notiz. Jan. 1825. No. 188. fig. 12.) und dem Hunde (ebds. fig. 5. a.) gezeichnet. Allein diese Bildung dauert nur sehr kurze Zeit und der Verdickung am Kopfende folgt bald eine ähnliche am Schwanzende, kurz nachdem die ersten Wirbelrudimente sich gezeigt haben. Die Anschwellung am hinteren Ende ist in frühester Zeit so groſs, ja bei dem Vogel oft gröſser, als die vordere und stellt eine mehr oder minder rhombische oder rhomboidische Begrenzung dar. Mit ihr wird auch das früher mehr in die Fruchtanlage verflie - ſsende Ende des Rückenmarkes und der Wirbelsäule schärfer ge - sondert und deutlicher marquirt. Der übrige, zwischen Kopf - und Endanschwellung gelegene Theil des Rückenmarkes bleibt sich durchaus gleich und wird eher, wie wir in der Folge noch sehen werden, durch die neben ihm sich bildenden Wirbelrudi - mente, als in sich selbst, bezeichnet. Erst nach der Bildung und Entwickelung der Extremitäten entstehen auch die Anschwellun - gen für die aus denselben heraustretenden Nerven. Die Nacken - anschwellung wird so im dritten Monate deutlicher und scheint durch gröſseren Massenansatz von auſsen her bedingt zu seyn. Daſs aber die rhomboidische Anschwellung nicht in dieser Be - deutung bloſs auftreten könne, erhellt sowohl aus ihrer Umbil - dung in den sinus rhomboidalis bei vielen Thieren, als aus der um die Zeit der Entwickelung der unteren Extremitäten sich um ein Bedeutendes vermehrenden Massenanhäufung an den äuſseren Seitenflächen, endlich noch daraus, daſs zur mittleren Zeit des Fötuslebens sie bisweilen sogar kleiner ist, als die obere An - schwellung. Doch läſst sich anderseits ein gewisser Zusammen - hang mit dem sinus nicht verkennen. Das untere Ende des Rückenmarkes hängt dagegen mit der Ausbildung der Nerven der unteren Extremitäten zusammen. Im dritten Monate füllt das179Höhlen des Hirnes und Rückenmarkes.Rückenmark den ganzen Wirbelkanal, ohne in eine Cauda equina auszugehen. Vom vierten Monate an werden die Lum - bar - und Sacralnerven stärker, als die übrigen Rückenmarksner - ven und in gleichem Verhältnisse mit ihnen bildet sich auch, wie Tiedemann (l. c. S. 91.) schon bemerkt, der Pferdeschweif hervor. Dadurch, daſs das Rückenmark selbst in seiner Längen - ausbildung stehen bleibt, rückt es später scheinbar nach dem Kopfe zurück und reicht so im siebenten Monate bis in den un - tersten, im neunten Monate bis in den obersten Lendenwirbel (Burdach Physiol. II. S. 422.). Endlich hat Tiedemann (l. c. S. 91.) die von Frotscher (Descriptio medullae spinalis ejusque nervorum. 1788. Fol. p. 7.) u. A. beschriebenen Knötchen, welche Andere wieder läugnen, im Fötus nie auffinden können. Auch hier übt die Krümmung wieder ihren gewohnten Einfluſs aus. Durch sie entsteht, wie schon angegeben worden, der Nak - kenhöcker, welcher die obere Grenze des Rückenmarkes bezeichnet; nach unten dagegen die Sacralbiegung, an welcher Stelle der frei - lich früher schon entstehende sinus rhomboidalis zu liegen kommt. Beide stehen mit dem Nabel als Centrum der Krümmung in wesentli - cher Beziehung. Die seitliche Umlegungsbiegung hat hier, wie auf das ganze seröse Blatt überhaupt, wenig Einfluſs, wirkt aber um so tiefer, wie später noch dargestellt werden soll, auf die Metamor - phosen des Schleimblattes ein.

Wir haben bisher absichtlich Nichts von den Höhlen des Gehirnes und Rückenmarkes erwähnt, um sie sämmtlich in ihrer Continuität darstellen zu können. Die anfangs vollkommen helle Flüssigkeit, welche das Rudiment des centralen Nervensystemes ausmacht, setzte nach auſsen dichtere Masse ab, während die in - nere scheinbare Höhlung mit Flüssigkeit gefüllt bleibt. So ent - stehen jene Höhlen, Kanäle und Spalten, welche wir bei allen Beobachtern verzeichnet finden. Allein obere Spalten, oberes Offenseyn derselben muſs man, wenn man consequent seyn will, durchaus verwerfen, weil die den Centraltheilen des Nervensy - stemes eben so gut angehörende Flüssigkeit zwischen den sich noch nicht berührenden Rändern der von unten heraufkommen - den Bildungsmasse liegt und jede Trennung vollkommen ausfüllt. Dasselbe läſst sich für die frühere Zeit von sämmtlichen Kanälen und Ventrikeln des Rückenmarkes und Gehirnes im Fötus sagen, welche nur mit Flüssigkeit gefüllte Räume oder Lücken zwischen12*180Von dem Embryo.der reichlicher abgesetzten, festeren Masse des Hirnes und Rük - kenmarkes sind. Man muſs daher den Anfang der Höhlenbildung als mit dem Acte der Scheidung in festere und flüssigere Masse zusammenfallend sich denken. Und so folgte die erste Spur der Höhlenbildung unmittelbar nach der Scheidung zwischen Hirn und Rückenmark. Diese ist der Uract der morphologischen, jene der der histiologischen Sonderung. Was nun die Form der Höh - lungen betrifft, so stellen sie zuerst eine die feste Bildungsmasse trennende, durch die ganze Länge des Centraltheils verlaufende Spalte dar, welche von unten nach oben und zum Theil in der Direktion von vorn nach hinten sich schlieſst und so sich in einen Kanal umwandelt. Die Schlieſsung geschieht zuerst am ganzen Rückenmarke mit Ausnahme des untersten Theiles, des sinus rhom - boidalis, dann an dem verlängerten Marke, den Vierhügeln, dem kleinen und groſsen Gehirne. Der Kanal hat aber an jeder seiner Wandungen keine ebenen Begrenzungen, sondern diese werden immer sowohl durch die Form des Organtheiles überhaupt, als auch das Verhältniſs der inneren Massenanlage insbesondere be - stimmt. So entstehen in dem Rhomboidalsinus[und] den Hirnzel - len blasenartige Erweiterungen, welche, sobald halbkugliche Aus - dehnungen sich bilden, auch in diese sich erstrecken und, wo die Hemisphären durch eine Mittelspalte getrennt sind, ebenfalls in zwei symmetrische Hälften geschieden erscheinen. Es ist also ihre Gröſse und Form ganz und gar von der Ausbildung und Ge - staltung soliderer Nervenmasse abhängig und wie die Krümmung des Embryo unmittelbar diese bestimmt, wird ihr Einfluſs auch mittelbar auf jene ausgedehnt. So wird der Nackenhöcker die Grenze zwischen dem Kanale des Rückenmarkes und den Kanä - len des Gehirnes. Die verschiedenen Stellen des Kanales erlei - den aber auch im Laufe der Entwickelung verschiedene Metamor - phosen, so daſs ein Theil von ihnen als vergängliche Fötalbildung später schwindet, ein Theil dagegen als constante Bildung auch im Erwachsenen fortbesteht. Am Rückenmarke bleibt der Kanal wahrscheinlich während des ganzen Fötuslebens offen, wiewohl er vom Anfange des vierten Monates an schon sehr eng ist, schlieſst sich dagegen nach der Geburt, so daſs der entgegenge - setzte Zustand bei Erwachsenen durchaus zu den Bildungshem - mungen zu rechnen ist. Die Schlieſsung geschieht aber so, daſs sich 1. die Masse, wie im Gehirn, allgemein von auſsen nach in181Höhlen des Hirnes und Rückenmarkes.nen anlegt, so daſs dadurch ein im Laufe des Fötallebens sich immer mehr verengender Kanal entsteht, zu welcher Verengerung auch 2. die durch eine in ihn sich einsenkende Falte der Gefäſs - haut vorzüglich begünstigte Ausscheidung der grauen Masse Vie - les beiträgt. Nur an den Extremitätenanschwellungen erweitert er sich etwas und hier ist es auch, wo er bei dem Erwachsenen noch am häufigsten gefunden wird. So verläuft er bis zum Nak - kenhöcker, wo er sich in die vierte Hirnhöhle fortsetzt. Der Uebergangspunkt ist an der Stelle des späteren Calamus scrip - torius. Die von Gall (Anat. et physiol etc. p. 51.) angegebe - nen, ohne unmittelbare Berührung mit der vierten Hirnhöhle durch pons Varolii und Hirnschenkel unter den Vierhügeln bis in die Sehhügel sich erstreckenden, angeblich als Fortsetzung des Rücken - markkanales erscheinenden Kanäle, hält Tiedemann (l. c. S. 88.) mit Recht für ein bloſses, durch Lufteinblasen erzeugtes Kunst - product. Der hinterste Theil des in das Hirn fortgesetzten Ka - nales wird in die vierte Hirnhöhle umgewandelt. Durch die im dritten Monate stärker hervortretende Ausbildung der Visceral - stränge, der Pyramidal - und Olivarkörper wird die ganze Me - dulla oblongata breiter und der hintere Uebergang der vierten Hirnhöhle in den Centralkanal zur Schreibfeder (Tiedemann l. c. S. 133.). Die vierte Hirnhöhle selbst entsteht ganz aus der Höh - lung der hinteren Hirnzelle, welche an Massenanhäufung in ihrer Oberfläche immer reicher und in ihrer Aushöhlung daher immer kleiner wird. Vermöge der seitlichen Ausbildung der Hemisphä - ren des kleinen Gehirnes setzt sich dieser Kanal, wie durch Sei - tenäste, in diese fort, so daſs in früher Zeit auch hier Ventrikel, und zwar an den Stellen der späteren Markkerne, gefunden wer - den. Der Hauptstamm des Kanales geht jedoch in die Vierhü - gelblase unmittelbar über. Dort wird er immer dünner und auch relativ kleiner, so daſs der gröſste Theil von ihm in den Aquae - ductus Sylvii sich umwandelt. Nicht so einfach scheinen aber die Metamorphosen der in der Groſshirnzelle sich bildenden Höhlungen zu seyn. Man muſs sich nämlich das Verhältniſs so denken, daſs der Hauptstamm sich zwar etwas gerade nach vorn fortsetzt, bald aber in zwei gabelförmig aus einander weichende gröſsere Aeste theilt, welche durch die sich bildenden seitlichen Groſshirnhälften, die Hemisphären, bestimmt werden. Der Grund dieser, wie es scheint, so sonderbaren Spaltung liegt in der frü -182Von dem Embryo.hen Spaltung der vordersten Hirnblase in zwei seitliche symme - trische Hälften einerseits, und in der sehr zeitigen Ausbildung der Groſshirnganglien und der sie umhüllenden Hirnwulst anderseits. Das vordere, blinde Ende des Kanales wird zur dritten Hirnhöhle, die gabelförmigen Aeste zu Seitenventrikeln. Daſs die letzteren in frühester Zeit nur eine Höhlung bilden, welche der Zwischenraum zwischen Hirnganglien und Hirnwulst ist, kann man an härteren Gehirnen aus dem dritten oder dem Anfange des vierten Mona - tes sehr leicht darstellen. Trennt man nämlich eine Hemisphäre los, so läſst sich mit einem Acte, wenn man dicht unter dem zukünftigen Balken seitlich eingeht, die ganze Hirnwulst, wie ein groſses, einem halbirten Ellipsoid ähnliches Markblatt ausbreiten, eine Beobachtung, welche bei dem Fötus offenbar so gut gelingt, weil bei ihm die im Erwachsenen so vielfach störenden, äuſseren und inneren (in die Ventrikel hineinragenden wulstartigen) Win - dungen fehlen. Von der Mitte des vierten Monates an zeigen sich bei dieser Ausbreitung immer mehr Ungleichheiten der Ober - fläche, welche so zuerst den vorderen Ventrikel von dem hinte - ren scheiden, den unteren aber noch geraume Zeit als bloſse Fort - setzung des hinteren erscheinen lassen. So wird die früher so weite Communication mit der dritten Hirnhöhle immer kleiner und enger, zur zukünftigen monroischen Oeffnung. Die dritte Hirnhöhle selbst hängt ganz und gar von dem Wachsthume der sie umgebenden Theile, des Trichters und Hirnanhanges, der Sehhü - gel, der Streifenhügel, des Balkens, der grauen Masse u. dgl. ab und verbindet sich auſser den Seitenventrikeln noch mit der vier - ten Hirnhöhle durch den Aquaeductus Sylvii (den Kanal der Vierhügelblase). Aus einer noch mehr ins Einzelne durchgeführ - ten Entwickelungsgeschichte von Hirn und Rückenmark würden folgende, schon aus dem hier Gegebenen erhellende Sätze ihre ferne - ren Belege finden: 1. Die Anlage der solideren Parthieen geschieht in einer Bogenlinie oder bei den Hemisphären in einer kreisähnlichen Linie von unten und innen nach oben und innen. 2. Sie bildet in ihrem Haupttypus zwei durchaus gleiche, nur umgekehrt ge - lagerte Hälften. 3. Sie läſst sich als ein Continuum durch das Ganze verfolgen. 4. Alles dasjenige, was wir in dem Hirne als einzelne Theile unterscheiden, sind entweder wahrhaft von An - fang an gesonderte Theile, wie vor Allem die Masse der Groſs - hirnganglien, oder einzelne Unebenheiten, nach innen hervorge -183Nervensubstanz.triebene Wülste und Windungen, wie der gröſste Theil der am groſsen Gehirne in den Ventrikeln distinguirten Gebilde, oder brückenartige Fortsätze, welche entweder das ganze Leben hin - durch oder nur während eines Theiles desselben wahre Commis - suren bilden. Eine wissenschaftliche Morphologie des Gehirnes muſs durchaus diese nur durch die Entwickelungsgeschichte aufzuhellenden Punkte ins Auge fassen, um nicht bloſs ein Aggre - gat von mannigfachen, zufälligen Theilen, sondern ein lebendiges Ganze des Hirnbaues darzustellen.

Die Masse der sensiblen Substanz ist zuerst ganz und gar flüssig und durchsichtig und wird später an den Stellen, wo So - lidescenz der Bildung eintritt, mit Körnern vermischt, während sie in deren Umgebung noch flüssig bleibt. Diese Körner legen sich immer dichter an einander, vermehren sich also auch ihrer absoluten Zahl nach bedeutend und haben eine nicht ganz be - stimmt runde Form. Späterhin sieht man, wenn man die frische Hirnmasse zwischen zwei Glasplatten leise preſst, gewisse unbe - stimmte Fäden, die aus den genannten Kügelchen auf dieselbe Weise zusammengesetzt sind, wie die frühesten Muskelfäden (s. unten). Man muſs aber diese undeutlicheren und weniger selbst - ständigen, transitorischen Fäden wohl von den varicösen Fäden des Rückenmarkes unterscheiden, welche zu Ende des vorigen Jahr - hunderts Fontana (Viperngift. 1787. 4. tab. 4. fig. 11.) abgebildet und in neuester Zeit Ehrenberg (Poggendorfſs Annalen. 1833. No. 7. S. 449. fg. ), Krause (ebendaselbst 1834. No. 8.) und wir selbst (Joh. Müllers Arch. Bd. I. S. 401 409.) näher beschrie - ben haben. Denn diese letzteren Gebilde erscheinen nach mei - nen Untersuchungen sehr spät, kurz vor oder nach der Geburt. Während des allergröſsten Theils des Fötallebens fehlen sie gänz - lich und man sieht nur jene körnige Masse und die undeutlichen, durch sie und die verbindende Gallerte gebildeten Fäden. Des - senungeachtet giebt sich der Unterschied von grauer und weiſser Substanz deutlich genug frühzeitig zu erkennen; ja man kann beide schon an ihren verschiedenen Körnchen oder Körperchen von ein - ander unterscheiden, ehe die Farbendifferenz bestimmter hervortritt, wie ich an Früchten des Schweines besonders gefunden habe. Doch darf die Nervensubstanz zu solchen Untersuchungen nicht frü - her in Weingeist aufbewahrt gewesen seyn. In dem Menschen habe ich die Differenz in frischen Hirnen aus dem dritten Monate so184Von dem Embryo.deutlich erkannt, daſs ich nicht zu irren glaube, wenn ich den Anfang dieser Sonderung schon in den zweiten Monat des Frucht - lebens setze.

Die dichtere Schicht von Bildungsgewebe, welche die klare Flüssigkeit in frühester Zeit umgiebt, muſs als die erste Spur von häutigen Hüllen des Hirnes und Rückenmarkes gedeutet wer - den und so hat Tiedemann (l. c. S. 10.) eine deutlich zu tren - nende Hülle schon in der achten Woche gesehen. Anfangs scheint sie einfach zu seyn. Vielleicht geht aber auch hier ein völlig analoger Proceſs, wie in der Fruchtanlage überhaupt vor sich, d. h. eine Trennung in zwei Blätter, ein oberes und unteres. Das obere hieſse dura mater, das untere arachnoidea. Die letztere umhüllte in frühester Zeit (vor Entstehung des Gefäſsblattes) die flüssige Nervenmasse unmittelbar und schlösse alle scheinbaren Spalten der Oberfläche. Mit weiterer Ausbildung des Gefäſsblat - tes und gröſserer Hineinbildung der Gefäſse in die einzelnen Or - gane entstünde nun die pia mater oder die von Sömmering so - genannte Membrana vasculosa. Ueber das Letztere wird noch später Einiges gesagt werden. Die Gefäſshaut bleibt aber nicht bloſs an der äuſseren Fläche des Gehirnes, sondern senkt sich in die Furchen nach innen; ja jede Vertiefung, sie möge später zu Hirnwindung, Ventrikel oder was immer werden, enthält eine ihrer jedesmaligen Gröſse entsprechende Falte des Gefäſsblattes. Doch wäre es falsch zu behaupten, die Gefäſshaut bohre sich die Furche, als ginge von ersterer die Bildung der letzteren aus; vielmehr bedingt dieselbe Kraft, welche die Verlängerung der Falte erzeugt, auch die Vertiefung der Hirnmasse und beide ver - danken einer Thätigkeit ihre gleichzeitige Entstehung. Die Ausbildung des plexus Choroideus fällt in den dritten oder den Anfang des vierten Monates. Um diese Zeit läſst sich auch die Faserung der dura mater schon deutlich erkennen. Wie in der ersten Zeit durch den Nackenhöcker Rückenmark und Hirn, so wird bald durch eine Falte der Hirnhaut kleines Hirn und Medulla oblongata von den Vierhügeln und dem groſsen Gehirn geschieden. Dieses in Zukunft als tentorium cerebelli auftre - tende Gebilde sah Tiedemann (l. c. S. 12. 13. ) schon im zweiten Monate sehr ausgebildet. Auch ist diese Falte in früher Zeit fester, als jeder andere Theil des Hirnes und Rückenmarkes.

185Höhere Sinne.

Anhang. Höhere Sinnesorgane.

Als Anhang der Entwickelungsgeschichte des sensiblen Central - systemes muſs die Entstehung der höheren Sinnesorgane, des Auges und des Ohres abgehandelt werden. Sie gehören zwar später der peripherischen Schicht des serösen Blattes mehr an, ja scheinen so - gar in frühester Zeit den ersten Anfang von ihr aus zu nehmen, sind jedoch ihrer Natur und Bedeutung nach so innig mit dem Gehirn verbunden, daſs eine Trennung von ihm gewaltsam zu nennen wäre. Wesentlich dürfte freilich dasselbe auch von dem Geruchssinne gelten. Allein dieser greift nicht bloſs von dem centralen Theile des serösen Blattes in den peripherischen, son - dern zugleich in das Schleimblatt selbst über und hängt auch mit dem ganzen Systeme der Respirations - und Kopfverdauungsorgane so innig zusammen, daſs er passender bei Gelegenheit dieses ab - gehandelt werden kann. Ueberhaupt macht hier das Ueber - und Ineinandergreifen der Organe, welche verschiedenen Blättern der Fruchtanlage angehören, wesentliche Distinctionen nothwendig, wie wir bald auch bei dem peripherischen Theile des serösen Blattes in Beziehung der Kiemen z. B. dasselbe zu thun uns ge - nöthigt sehen werden.

Die höheren Sinnesorgane überhaupt sind, wie der Verfolg der Entwickelung nach den neuesten Beobachtungen zeigt, keine Pro - duktionen des centralen Theiles des serösen Blattes; denn Auge, Ohr und Nase stülpen sich nicht, wie v. Bär (üb. Entw. Gesch. S. 24. 30. u. 65. und bei Burdach S. 252. 260. u. 295.) u. Bur - dach (Physiol. II. S. 446.) glaubten, aus dem Gehirne hervor. Sie gehören vielmehr dem gröſsten Theil ihrer Gebilde nach der Leibeswand an und zwar den Visceralplatten des serösen Blattes allein oder vielleicht, wie vorzüglich bei den Organen des Ge - ruchs und Gehörs, diesen und dem Schleimblatte zugleich. Die Richtung ihrer Entwickelung entspricht auch durchaus ihren Func - tionen. Wie diese darin bestehen, daſs sie die äuſseren Eindrücke dem sensiblen Centralsystem zuführen, so drängen sie sich auch bei ihrer ersten Bildung von der dem Centralnervensysteme ent - gegengesetzten Seite nach diesem hin ein und entstehen als Gruben, welche in der Visceralseite des Fötus von unten nach oben, d. h. von der Darm - nach der Hirnseite fortschreiten. Dies bestä - tigt sich allgemein bei allen Sinnesorganen; nur muſs man nicht186Von dem Embryo.die Ausdrücke unten und oben wörtlich nehmen, sondern sich darunter überhaupt in allen in frühester Zeit so sehr schnell wechselnden Lagenverhältnissen den Gegensatz der sensibeln Cen - tralmasse gegen den mehr vegetativen Leib hierdurch ausgespro - chen denken. Daher bildet in diesem Sinne selbst das Auge durchaus keine Ausnahme, wenn es in seiner ersten Formation sich in der Richtung von vorn nach hinten gegen das vorderste Ende des centralen Nervensystems scheinbar begriffen zeigt.

Durch diese Einfurchungen entstehen Unebenheiten an der Unterseite der Schädelbasis, so wie bestimmte Distinktionen in dem Kopftheile des Leibes. Die wesentlichen Momente zur Ge - sichtsbildung sind hierdurch gegeben, und das Gesicht selbst ist nichts anderes, als die metamorphosirte, früheste, durch die Sin - nesorgane bestimmte und ihre Scheidungswand ausmachende Haut -, Fleisch - und Knochenschicht. Es gehört also gänzlich den Sin - nesorganen an, ist durchaus keine eigene, selbstständige Bildung, ragt mit keinem Theile in die Schädelhöhle hinein, legt sich über - haupt nur an die Schädelbasis an, drückt diese durch seine Ein - geweide, die einzelnen Sinnesorgane, ein und ist wenigstens seinem Knochengerüste nach ganz und gar von dem Schädelge - wölbe verschieden. Es wäre daher eine eigene Aufgabe, das Ver - hältniſs der Gesichtsknochen zu den Schädelknochen in diesem Sinne zu bestimmen und so ihre Bedeutung speciell durchzufüh - ren. Die Gründe für diese Ansicht sind aus der Entwickelungs - geschichte selbst entnommen.

I. Auge.

v. Bär (üb. Entw. gesch. S. 24. bei Burdach S. 242.) setzt die erste Entstehung des Auges bei dem Hühnchen in die drei - und dreiſsigste Stunde der Bebrütung. Huschke (Meck. Arch. 1832. S. 3.) beobachtete dagegen, daſs bei der Entstehung der Panderschen Primitivfalten oder der Bärschen Rückenplatten, also schon vor Ablauf des ersten Tages, das Urrudiment der Augen angelegt sey. Wir geben die Geschichte der frühesten Entwik - kelung nach seiner Darstellung (l. c. S. 1 20.). Bis zur vier - und zwanzigsten Stunde, wo nach ihm (nach v. Bär [über Entw. gesch. S. 18.] noch vor dem Ende des ersten Tages) die Rücken - platten sich schlieſsen, laufen diese parallel neben einander und haben eine von Bär (l. c. S. 19.) schon gekannte Erweiterung. 187Höhere Sinne. Auge.Vor dieser letzteren legen sie sich wieder an einander und bilden dann am vordersten Ende eine nach unten umgebogene Bucht oder Grube, welche von dem innern Rande der Rückenplatten umgeben wird und das einfache Urrudiment der beiden Augen darstellt (l. c. S. 3.). Die Grube wird jedoch bald dadurch in eine Blase verwandelt, daſs von den beiden Leisten der Rücken - platten eine feine Membran nach der Mittellinie zu wächst, wel - che die früher oben offene Bucht deckend schlieſst (l. c. S. 5.). Noch communicirt diese Augenhöhlung mit der Hirnblase durch eine Oeffnung. Bald aber zieht sich der hintere Rand der Au - genbucht nach der Mitte zu, während das vordere stumpfe Ende breiter wird, also vorderer und hinterer Augenbuchtrand näher kommen, oder vielmehr beide mehr parallel und gerade von au - ſsen nach innen verlaufen. Unterdessen drängt sich die vordere Hirnzelle zwischen die hinteren Theile der Augenbuchten mitten ein, und so erhält jede Hälfte des früher einfachen und das vor - derste Ende bildenden Augenrudiments eine mehr seitliche Lage, indem es schief von innen nach auſsen gedrängt wird. Die frü - her offene Communication wird hierdurch in zwei immer noch sehr weite Verbindungsöffnungen des Auges getheilt, welche bei fernerer Ausbildung des Organes sich immer mehr verkleinern. Denn der früher mit dem vordern Augenbuchtrande parallel lau - fende hintere Augenbuchtrand erhält eine nach vorn convex ge - bogene und, wie zum Theil der untere Augenbucht, schief von unten und innen nach oben und auſsen verlaufende Rich - tung. Gegen die Mitte zu dagegen neigt er sich vorzüglich nach dem untern Augenbucht hin, und so entsteht aus der frühern Communication der Spalt des Auges. Das Auge selbst erhält, wenn die beiden Buchten mit ihren Rücken an seiner Innenseite an einander stoſsen, eine birnförmige Figur, wie es auch Rathke bei Blennius viviparus in der ersten Zeit zum Theil gesehen zu haben scheint (vgl. zur Erläuterung des Gesagten Meck. Arch. 1832. tab. I. fig. 1. 4. 5. und Huschke de pectinis in oculo avium potestate. Jen. 1827. 4. tab. I. fig. 1.). Mit Entstehung der Nasen - und Mundhöhle, so wie mit Bildung des Oberkiefers und Intermaxillartheils (Schnabeltheils) rücken die Augäpfel im - mer weiter von einander. Die Spalte selbst bleibt noch eine Zeit lang, läuft dann unter der Nase weg und verbindet sich über dem Oberkiefer mit der der andern Seite, kömmt aber spä -188Von dem Embryo.ter aus der horizontalen in eine mehr schiefe Richtung. Von Ammon (Zeitschrift für Ophthalmologie Bd. III. 1833. S. 341. fgg. ) hat Einiges hiervon aus eigener Untersuchung bestätigt, zieht aber aus seinen Beobachtungen, welche nur bis zur Mitte des zweiten Tages zurückgehen (l. c. S. 355.), von Huschke abweichende Schlüsse, wie z. B., daſs beide Augen, obwohl sie in einer Höhle entstehen, doch nicht anfangs eine Cavität bilden, daſs sie schon bei ihrer ersten Formation eine seitliche Lage haben u. dgl. m. Seiler (über Cyklopie 1833. fol.) dagegen ist in der neuesten Zeit Huschke’s Ansicht völlig beigetreten. Wir selbst können nun eine cyklopenartige Miſsbildung eines sechs Tage alten Hühnerembryo hier hinzufügen und die Richtigkeit unserer Beobachtung durch die Auctoritäten von Purkinje und Retzius, welche den frischen Embryo sahen, unterstützen. Beide Augen waren zwar geschieden und an den Seiten des Kopfes ge - legen, liefen aber nach unten schmal zu. Die hierdurch entste - hende schmale Rinne verband beide mit einander und war selbst sowohl, als auch ein kreisförmiger Rand um die Krystalllinse her - um mit schwarzem Pigmente leicht angefüllt, während sich von einer wahren Spalte durchaus keine weitere Spur wahrnehmen lieſs. Die Form der Augen kam also genau mit derjenigen überein, welche Huschke (Meck. Arch. 1832. tab. I. fig. 5.) aus der ersten Hälfte des dritten Tages dargestellt hat. Was aber unsere Untersuchun - gen an dem bebrüteten Hühnchen betrifft, so haben wir trotz sehr vieler Beobachtungen und mehr als zwanzig entnommenen verschiedenen Zeichnungen einzelner Stadien noch keine über allen Zweifel erhobenen Resultate erhalten können. Es scheint uns daher zweckmäſsiger, die Bekanntmachung unserer Erfahrungen in dieser Beziehung für die Folgezeit aufzusparen.

Sobald die primäre Augenfurche sich geschlossen und in zwei Theile getheilt hat, ist die Bedingung zur weiteren Sonderung des bulbus gegeben. Aus den nun erfolgenden Metamorphosen der Wände dieser Blase entstehen Sclerotica, Chorioidea, Cor - nea, Iris, Uvea, Ciliarligament und vielleicht auch Ciliarkör - per nebst den zu diesen Häuten gehörigen, durchsichtigen Mem - branen, aus der Flüssigkeit dagegen Retina, Glaskörper, Hyaloi - dea und Zonula Zinni. Das Linsensystem scheint einen eigenen Ursprung zu haben.

Die allgemeine Form des Augapfels wird äuſserlich durch189Höhere Sinne. Auge.die Conformation der cornea und sclerotica bestimmt, sobald nur überhaupt Augapfel und Orbita deutlich von einander ge - schieden sind. Das Auge liegt nämlich in frühester Zeit mit sei - ner gröſsern vorderen Fläche frei, ohne daselbst von Augenlidern bedeckt oder einer Augenhöhle eingeschlossen zu seyn. Unter - sucht man daher das Auge eines sechs - bis achtwöchentlichen menschlichen Embryo, so erhebt es sich und mit sich wahrschein - lich eine feine Oberhautschicht über die Oberfläche des übrigen Kopfes, indem es von einem dunkeln in frühester Zeit nach unten mit einer Spalte versehenen, späterhin dagegen völlig geschlosse - nen schwarzen Kreise (dem Vorderrande der Chorioidea) und ei - nem kugligen, etwas hervorragenden, hellen Körper (dem gröſsten Theile der Vorderfläche der Linse) gebildet wird. Im Laufe we - niger Wochen (im Normale noch vor der eilften), haben die Augen sich durch die in diese Zeit fallende rasche Ausbildung des Gesichtes scheinbar mehr in die Orbita zurückgezogen. Genau genommen muſs man aber sagen, die Orbita sei über einen Theil der Augen hervorgewachsen. In dieser Zeit sondert sich das in der Augenhöhle enthaltene Bildungsgewebe in Muskeln u. Schleim - gewebe, während jede Spur von Fett anfangs fehlt. Irre ich mich nicht, was jedoch bei so schwierigen Untersuchungen leicht möglich ist, so entstehen bei dem Menschen die geraden Augen - muskeln früher, als die schiefen.

Die erste Form des Augapfels ist kugelähnlich, jedoch so, daſs der Längendurchmesser in der sechsten bis siebenten Woche nur wenig mehr, als die Hälfte des Querdurchmessers ausmacht. Aus der frühesten Entwickelungsgeschichte des Auges erhellt es aber, daſs der Sehnerve keinesweges genau in die Achse des Bul - bus sich einsenkt, sondern immer mehr nach innen, je jünger der Embryo ist. Hierdurch wird die gröſsere hintere Abtheilung des Augapfels, die Skleroticalpartie, in zwei ungleiche Hälften, eine innere und eine äuſsere, getheilt, die während des ganzen - tallebens dem Aeuſsern nach von einander differiren. Es vergrö - ſsert sich nämlich bald die Längenachse des Bulbus, so daſs in der eilften Woche derselbe eine fast sphärische Form angenom - men hat. Vom dritten Monate an richtet sich wegen der bald zu nennenden Skleroticalprotuberanz die imaginäre Längenachse des Auges schief von innen nach auſsen, und so übertrifft sie bald die Querachse des Bulbus, bis diese Differenz im achten190Von dem Embryo.Monat wieder schwindet (vgl. Brendel opuscula mathem. et me - dic. argum ed. Wrisberg 1769. 4. I. pag. 132.). Im Laufe der Entwickelung wird auch die Divergenz der Sehachse und imaginären Längenachse immer kleiner. Auch die anderen Krüm - mungsverhältnisse, wie sie vorzüglich Petit Chaussat und Krause bei dem Erwachsenen anzugeben versucht haben, ändern sich während des Fötallebens auf die mannigfaltigste Weise, deren Modificatio - nen wir bald bei den einzelnen Augentheilen anzugeben Gelegen - heit haben werden.

Eine andere ebenfalls bei äuſserer Ansicht des Bulbus schon auffallende Eigenthümlichkeit ist der Spalt des Auges. Nach Huschke’s oben gelieferter Darstellung ist er durch die früheste Genese des Organes bedingt; allein Spuren desselben dauern dann noch fort, wenn die äuſserste Haut, die Sclerotica, sich selbst schon vollkommen geschlossen hat. Man sieht nämlich noch ei - nige Zeit nachher in dem durch schwarzes Pigment gefärbten, äuſserlich erkennbaren Ringe der Chorioidea an ihrem untern und äuſsern Winkel eine schief von innen nach auſsen gehende farblose Leiste. Ueber die Existenz derselben bei allen Wirbel - thieren kann kein Zweifel mehr seyn, da sie bei ihnen Malpighi, Kuhlemann, Haller, Wrisberg, Autenrieth, Sömmering, Meckel, Emmert, Carus, Treviranus, Huschke, Bär, Ammon, Joh. Müller, Ge - scheidt und wir selbst wahrgenommen haben. Bei dem Men - schen, wo ihr Verschwinden in die seehste bis siebente Woche fällt, haben sie Huschke, Ammon, Joh. Müller, Gescheidt und wir gesehen. Viele Beobachter halten sie für eine wahre Spalte. Von Bär dagegen (l. c. S. 77. bei Burdach S. 508.) sah sie beim Hühnchen am vierten Tage als eine verdünnte Stelle der Netzhaut, über welcher am sechsten Tage noch (l. c. S. 106. bei Burdach S. 136.) der Chorioidea die Pigmentschicht fehlt. Für die nächste Zeit, nach welcher die harte Haut sich geschlossen hat, müssen wir nach eigener Untersuchung dem Letztern auch bei - stimmen. Die Ansicht Kiesers (de anamorphosi oculi 1804. 4. p. 64. und Okens und Kiesers Beiträge Hft. II. 1806. 4. S. 108.), daſs die Spalte auch die Iris trenne, ist wohl nur aus ei - ner miſsverstandenen Stelle Malpighis hervorgegangen, da Kieser selbst die Spalte nur in der Chorioidea gefunden hat (Beitr. S. 93. bis 97.). Auf einem ähnlichen Grunde mag die Angabe bei Meckel (Anat. IV. S. 116.) beruhen. Bei Fischen dagegen scheint191Höhere Sinne. Auge.die Spaltung entweder bis nach der Bildung der Iris zu verhar - ren oder wenigstens so tief einzugreifen, daſs ihr Narbenüberrest noch bei jungen Thieren deutlich, selbst an der Iris, zu sehen ist, wie Carus (Zoot. S. 282.) beim Wels, Huschke (Beitr. zur Anat. und Naturgesch. Bd. I. S. 55.) beim Karpfen und zum Theil Tre - viranus (Verm. Schr. III. S. 159.) beim Stör gefunden hat. Rathke dagegen (Abth. II. 1833. S. 27.) konnte beim Schleimfische keine Spalte wahrnehmen. Daſs ursprünglich die Spalte die Chorioi - dea treffe, erhellt daraus, daſs jene meist früher verschwindet, als die Iris erscheint. Walthers Ansicht (s. Journ. II. S. 591.), daſs die Spaltung die Entstehung des Auges aus zwei seitlichen Hälften beweise, ist durchaus ungegründet, da sie sowohl durch die neue - ren Data unmittelbar widerlegt wird, als auch, wie E. H. Weber (Hildebr. Anat. IV. S. 100.) richtig bemerkt, die Spalte sich dann oben und unten zugleich finden müſste. Den Streit dagegen, ob das Coloboma iridis eine bloſse Bildungshemmung sey (Joh. Müller in Ammons Zeitschr. Bd. I. Hft. 2.) oder auf einem über die Normalzeit sich erstreckenden Hiatus beruhe (v. Ammon in s. Zeitschr. Bd. I. Hft. 1. und Bd. II. Hft. 3. S. 409. Gescheidt de colobomate iridis p. 24.) halten wir nur für einen Wort - streit; denn am Ende sind doch auch bei andern Spaltungen, welche wir als Bildungshemmungen ansehen, wie Haasenscharte und Wolfsrachen, Hypospadie und dgl., später sich entwickelnde Theile von demselben abnormen Processe ergriffen, wie die im Normal in frühester Zeit getrennten Urtheile.

Die Augenhäute treten der Zeit nach verschieden auf; zuerst bildet sich das Rudiment von Sclerotica und Chorioidea nach auſsen und von Retina nach innen, späterhin die Cornea und zu - letzt die Iris. Es könnte aber nur verwirrend seyn, wenn wir nach dieser Anordnung die Häute des Augapfels abhandeln woll - ten. Die speciellen Data über ihre temporäre Entwickelung sol - len bei den einzelnen angegeben werden, und wir werden daher hier die Membranen nach der bei Beschreibung derselben aus dem Erwachsenen gewöhnlichen Reihe durchgehen.

Die Hornhaut entsteht bei dem Menschen vor der sechsten Woche als eine körnige Membran, welche zuerst der Oberfläche der Linse überaus nahe ist, ja sie vielleicht zum Theil berührt. Anfangs bildet sie eine theilweise Fortsetzung der Sclerotica ohne sichtbare Grenze zwischen beiden und ohne bemerkbare192Von dem Embryo.Structurveränderung. Bald jedoch wölbt sie sich mehr und bil - det eine im Verhältniſs zum Auge bedeutend hervorstehende Halbkugel, welche als dickwandiges Kugelsegment die vordere Fläche des Auges fast ganz begrenzt. Eine ähnliche conisch her - vorragende Wölbung der Hornhaut fanden Gescheidt (Ammons Zeitschr. II. 1832. S. 484. und Wimmer de hyperceratosi 1831. 4. p. 23.) und v. Ammon (Zeitschr. Bd. II. S. 513.). Sie ist in der zehnten bis zwölften Woche am stärksten. Um diese Zeit wird auch der Unterschied zwischen Sclerotica und Cornea deutlicher. Die letztere wird durchsichtiger, die erstere dagegen erhält einen mehr bläulichen Anstrich. Auch sieht man vom vierten Monate an die Hornhaut von der harten Haut durch eine Kreislinie begränzt, welche von Ammon (Zeitschr. Bd. II. S. 505.) schon im zweiten Monate bemerkt zu haben scheint. Die Convexität der Cornea wird im Verhältnisse zum übrigen Aug - apfel nun immer geringer, und diese früher in allen Theilen fast gleich dicke Membran verdünnt sich in der Mitte. Dennoch ist sie selbst bei dem Neugebornen, wie Brendel (l. c. p. 133.) schon wuſste, noch dicker verhältniſsmäſsig, als im Erwachsenen, wel - ches nach Meckel (Anat. IV. S. 112.) von einer Anhäufung röth - licher Flüssigkeit zwischen ihren Blättern herrühren soll. Die Membrana humoris aquei kann, wenigstens in einiger Continui - tät, nicht dargestellt werden (Vergl. Henle de membrana pupil - lari aliisque membranis oculi pellucentibus. Bonnae 1832. 4. p. 66.). Anfangs besteht das Gewebe der Hornhaut aus einem Aggregat von Körnchen, welche in der achten Woche 0,000608 p. Z. bis 0,000405 p. Z. im Durchmesser haben. Späterhin er - kennt man undeutliche und in einander gewirrte Fasern, deren Durchmesser zu Anfange des fünften Monates 0,000152 p. Z. be - trägt und zwischen welchen Kügelchen von 0,000354 im Durch - messer sich befinden. Lymphgefäſse, wie Arnold gesehen haben will, habe ich eben so wenig, als Joh. Müller (Physiol. I. Abth. I. S. 250. und 361.) und R. Wagner (Ammons Zeitschr. Bd. III. S. 277.) beobachten können.

Die harte Haut. Mit der Scheidung der Augengrube in Orbita und Bulbus ist ihre Existenz gegeben. Sie stellt von Anfang an eine körnige, dichte und ziemlich feste Membran dar, deren Kügelchen in der achten Woche 0,000304 p. Z. bis 0,000405 p. Z. im Durchmesser haben und welche später eine mehr fase -rige193Höhere Sinne. Auge.rige Structur erlangt, doch ohne daſs eine bestimmte Anordnung ihrer Fasern vorherrschend und deutlich wäre. Ihre Dicke va - riirt so sehr, daſs sich hierüber durchaus nichts Bestimmtes an - geben läſst. Die Entstehung ihres bläulichen Aussehens fällt in die Mitte des dritten Monates. Um dieselbe Zeit bildet sich auch die von v. Ammon (Isis 1829. S. 430, s. Zeitschr. II. S. 508. und de genesi et usu maculae luteae. 1830. 4. p. 10.) näher beschriebene protuberantia scleroticalis, d. h. eine durch den noch sehr starken Neigungswinkel der Bulbusaxe gegen die Sehaxe entstandene Hervorragung der harten Haut nach hinten und auſsen, welche immer weniger auffallend wird, je mehr der Sehnerve gegen die Mitte zu an die dem Erwachsenen eigen - thümliche Stelle rückt und die Axe des Auges seinem Diameter mehr gleich wird. So vermindert sie sich schon bei dem fünf - monatlichen Fötus (Ammon in s. Zeitschr. l. c. S. 513.) und noch mehr verhältniſsmäſsig in den folgenden Monaten. Diese Stelle der Sklerotica ist jedoch im zehnten Monate noch dünn und durchsichtig (Ammon l. c. S. 519.), wie überhaupt bei Neugebo - renen die ganze Sklerotica, im Verhältniſs zum Erwachsenen, von noch geringer Stärke gefunden wird. Vorzüglich aber ist dieses nach Diemerbroek und Zinn (s. d. descr. anat. oculi hu - mani ed Wrisberg. 1780. 4. p. 6.) gegen die Hornhaut zu der Fall, während J. F. Meckel (Anat. IV. S. 112.) mit Unrecht im Allgemeinen behauptet, daſs die Sklerotica des Fötus verhältniſs - mäſsig dicker sey, als die des Erwachsenen. Die Arnoldsche Arachnoidea (l. c., Salzb. Zeit. 1831. Bd. 3. S. 237. u. Ammons Zeitschr. II. S. 378.) ist, wie Arnold selbst bemerkt, bei Neuge - borenen leichter wahrzunehmen, als bei Erwachsenen.

Die Aderhaut. Um ihre Entstehung zu begreifen, muſs man vier Lagen in ihr unterscheiden: 1. Die äuſsere Gefäſslage, 2. die Substanzlage, 3. die Pigmentlage und 4. die als Ruyschiana bekannte Gefäſslage. Die Substanzlage scheint am frühesten von allen zu entstehen, und zwar als eine verhältniſsmäſsig feste und der Sklerotica genau anliegende Membran und kurz nach ihr oder mit ihr vielleicht zugleich die beiden Gefäſslagen. Leider konnte ich nur in Weingeist aufbewahrte menschliche Em - bryonen vor dem Ablaufe des zweiten Monates hierauf untersu - chen, und vermag daher gar nichts über die Gefäſsschichten aus dieser frühesten Zeit mit Bestimmtheit anzugeben. Die Substanz -13194Von dem Embryo.lage dagegen ist in der achten Woche bestimmt schon in ihrer ganzen Ausdehnung da und bildet, da zu der Zeit die Iris noch gänzlich mangelt, mit ihrem vordersten Ende den Pupillarring. Die Pigmentschicht entsteht nach meinen Beobachtungen an Men - schen, Säugethieren und Vögeln auf folgende Weise: Es setzen sich zuerst auf der inneren Oberfläche der Substanzlage einzelne runde, farblose und durchsichtige Körperchen ab, welche in frü - hester Zeit (bis zur zehnten Woche) bei dem Menschen 0,000355 P. Z. bis 0,000405 P. Z. im Durchmesser haben. Sie sind die zu - künftigen Pigmentkörperchen oder Pigmentbläschen. Bald jedoch entstehen an ihrer Peripherie Pigmentkügelchen von schwarzer Farbe, so daſs die ersteren in ihrer Mitte noch durchscheinend, an ihrem Umkreise aber dunkel und undurchsichtig sind. Diesen Zu - stand hat auſser mir offenbar schon v. Ammon (Zeitschr. II. S. 510.) und R. Wagner (ib. III. 3. 4. ) gesehen. Die Kügelchen sind von Anfang an so klein, daſs sie gar nicht mehr micrometrisch gemessen werden können und wahre Brownsche Körperchen zu nennen sind. Sie nehmen auch, sobald sie frei im Wasser schwimmen, eine so lebhafte Molekularbewegung an, wie, die Drüsenkörnchen vielleicht ausgenommen, kein Elementartheil des thierischen Körpers. Spä - terhin belegen sich die Pigmentkörperchen immer mehr mit schwarzen Farbekügelchen, und zwar so stark, daſs sie von allen Seiten von den letzteren eingehüllt und verdeckt und erst dann sichtbar werden, wenn man die Pigmentkügelchen durch Druck oder Abwaschen entfernt hat. Da die Pigmentbildung in der Cho - rioidea und Uvea während des gröſsten Theiles des Fötallebens ununterbrochen vor sich geht, so wiederholt sich derselbe Proceſs nur an verschiedenen Stellen in allen Schwangerschaftsmonaten. Nur scheinen die in späterer Zeit neu entstehenden Pigmentkör - perchen etwas kleiner zu seyn, als die früheren. So fand ich zu Ende des dritten Monates ihren Durchmesser 0,000254 P. Z. bis 0,000405 P. Z. und zu Ende des vierten 0,000235 P. Z. bis 0,000354 P. Z. Wie zuerst einzelne Pigmentkörperchen, nach Art der Blutgefäſse und Knochenkanäle, sich ablagern (s. unten), so bilden sich anfangs auch getrennte Pigmentflecke, welche später zu - sammenschmelzen. Die erste Pigmentbildung findet sich, wie schon Heusinger (Meck. Arch. VII. S. 404.) und v. Ammon (l. c. S. 510.) angeben, an dem vordersten Rande der Aderhaut und sie scheint von hier in der Richtung von vorn nach hinten fortzu -195Höhere Sinne. Auge.schreiten. Doch findet man kaum bei zwei gleich alten Früch - ten auch gleiche Stadien der Pigmentbildung. v. Ammon (Isis 1829. S. 430. 31. ) glaubte anfangs an der der protuberantia scle - roticalis entsprechenden Stelle eigenthümliche Falten gefunden zu haben, welche an den Kamm des Vogelauges erinnern sollten, erkannte aber späterhin (de macula lutea p. 11.), daſs diese nur Gefäſse seyen, die dicht mit schwarzem Pigmente überzogen sind und nach ihm zuerst von allen Gefäſsen der Aderhaut er - scheinen sollen. Die äuſsere Gefäſslage habe ich schon an ei - nem zehnwöchentlichen Embryo mit Bestimmtheit erkannt, wo die Aeste in zwei über einander liegenden Schichten parallel von hinten nach vorn verliefen. Das innere Gefäſsblatt, das wohl schon um dieselbe Zeit da ist, konnte ich noch nicht mit Deut - lichkeit wahrnehmen. Den Charakter der feinsten Blutgefäſsnetze der Ruyschiana hat Sömmering (Denkschriften d. Münch. Acad. Bd. VII. 1820. 4. tab. 1. fig. 2., copirt in Hildebr. Anat. besorgt von E. H. Weber Bd. I. 1830. 8. tab. 2. fig. 33. b.) meisterhaft dargestellt. Vgl. unsere Arbeit über die feinsten Blutgefäſse in Heckers Annalen. März. 1834.

Das Strahlenband habe ich schon in der Mitte des dritten Monates als einen verhältniſsmäſsig breiten Ring erkannt, in wel - chem ich bis zur Mitte des fünften Monates mir noch ganz räth - selhafte Fasern gefunden habe.

Die Iris entsteht unter den oben genannten Häuten am spä - testen, um die Mitte oder das Ende des dritten Monates, als eine schmale, von auſsen nach innen eindringende Lamelle, welche sich schnell ihrem Gewebe nach umändert und ihr granulirtes An - sehen verliert. Man sieht in ihr die Falten früher (Ende des dritten Monates), als die Fasern. Da sie mit ihrem äuſsersten Rande an die vorderste Begrenzung der Aderhaut und zum Theil an den Ciliarkörper stöſst, so erhält sie von diesen Punkten aus an der Hinterfläche ihre Pigmentlage. Doch scheint sich auch unabhängig von diesem Ansatze eine Absonderung von Farben - masse an dem Pupillarrande zu bilden und man sieht daher im vierten Monate sehr häufig die hintere Fläche der Regenbogen - haut von zwei Ringen umfaſst, zwischen denen ein farbloser kreis - förmiger Streif enthalten ist. Einiges hierher noch Gehörende s. unten bei der Pupillarmembran.

Aus der in der früheren Augengrube, der späteren Augen -13*196Von dem Embryo.blase enthaltenen Flüssigkeit entsteht zuvörderst die Retina ganz nach Analogie der Hirnbildung durch Ablagerung von Nerven - masse an den Seitenwänden. Ihre erste Formation fällt in eine sehr frühe Zeit. So erkannten sie schon v. Bär (üb. Entw. gesch. S. 65. bei Burdach S. 295.) bei dem Hühnchen am dritten Tage, v. Ammon (Zeitschr. II. S. 505.) bei dem Menschen in der sie - benten und wir selbst in der achten Woche. Sie umgiebt dann Glaskörper und Linse als eine dicke (wenigstens nach der Erhär - tung im Weingeiste), faltige Membran und erstreckt sich von der Eintrittsstelle des Sehnerven bis nach vorn zu dem Sehloche. Nach Huschke (de pectine p. 3. 4. und Isis 1831. S. 950.) ist sie an ihrem vorderen Rande sowohl, als an ihren Augenspalt - rändern bei dem Hühnchen umgeschlagen, welches Verhältniſs aber von v. Bär (l. c. S. 86. bei Burdach S. 319.) nicht gefun - den wurde und wir selbst mit Deutlichkeit noch nicht haben sehen können. Die in ihr enthaltenen Kügelchen berechnete ich in einem achtwöchentlichen menschlichen Embryo zu 0,000304 P. Z. im mittleren Durchmesser. In der zehnten Woche fand ich die Netz - haut noch dicker und konnte sie als eine becherförmige Halbku - gel von allen sie umgebenden Theilen trennen. Sie hatte eine ziemliche Anzahl sehr tiefer Falten, welche alle von dem Seh - nerven ausgingen. In den Vertiefungen war die Masse sehr dünn und zart, in den Zwischenräumen dagegen dicker und aufgewul - stet. Wie bedeutend ihre Stärke sey, zeigte die micrometrische Messung. Denn ich fand sie an den Diametralendpunkten des Augapfels 0,009082 P. Z. dick, während die Queraxe des Bulbus 0,072750 P. Z. betrug. Beide verhielten sich also zu einander, wie 1: 8, während sie sich im Erwachsenen wie 1: 25 bis 30 verhal - ten. Die Nervenkügelchen hatten 0,000254 P. Z. bis 0,000330 P. Z., im fünften Monate dagegen 0,000120 P. Z. bis 0,000380 P. Z. im Durchmesser. Der Diameter der Siebplatte betrug 0,003300 P. Z., verhielt sich also zu dem des Auges, wie 1: 22,2, während im Erwachsenen (nach D. W. Soemmering de oculorum sectione horizontali. 1818. fol. p. 79. und Treviranus Beitr. zur Anat. u. Physiol. der Sinneswerkzeuge. Hft. I. 1828. fol. S. 22. 23. ) das Verhältniſs wie 1: 13,5 ist. In der Folge verdünnt sich die Retina, die nach Erhärtung in Weingeist vorzüglich deutlichen Falten werden regelmäſsiger und concentriren sich in den letzten Schwangerschaftsmonaten zu den beiden vorzüglich, welche den197Höhere Sinne. Auge.späteren gelben Fleck umgeben. Die auch nach unseren an Erwachsenen angestellten Untersuchungen richtigere Ansicht Schneiders (das Ende der Nervenhaut. München 1827. 4. ), daſs die Retina erst kurz vor dem Rande der Linsenkapsel sich endige, kann vorzüglich leicht wegen der bedeutenden Dicke der Nervenhaut durch die Untersuchung von Fötusaugen aus dem zweiten bis vierten Monate bestätigt werden.

Der Glaskörper scheint eine Metamorphose der nicht mehr zur Bildung der Nervenhaut verwandten Flüssigkeit zu seyn. Ueber die Art seiner Entstehung ist man noch völlig im Dunke - len. Er ist, je jünger der Fötus, um so kleiner und man stellt sich die Art seiner Formumänderung am besten vor, wenn man sich ein Kugelsegment denkt, welches durch ein anderes sich ein - schiebendes Kugelsegment (die hintere Abtheilung der Linse) be - stimmt wird und in gleichem Verhältniſs des Wachsthumes sei - ner Durchmesser - (früheren Radial - späteren Diametralabschnitts -) länge auch seine Oberfläche in eine immer gröſsere Kugelsegments - fläche verwandelt. Er ist im frischen und normalen Zustande immer klar und durchsichtig und hat, indem die Crystalllinse sich nach vorn und mit sich die Arteria centralis zieht, im - tus eine wahre Area Martegiani, wie ich mich nach wiederhol - ten Untersuchungen wiederum überzeugt habe. Die tellerför - mige Grube ist, je jünger der Embryo, desto tiefer und gröſser.

Die Ciliarfortsätze entstehen nach v. Ammon (Zeitschr. II. S. 510.) durch Faltung der Chorioidea. Man sieht sie nach ihm zu - erst bei drei - bis viermonatlichen, die Ciliarkrone dagegen (l. c. S. 514.) erst bei fünfmonatlichen Früchten. v. Bär (l. c. S. 105. bei Burdach S. 336.) glaubt, daſs die Zonula aus der Me - tamorphose des Nervenblättchens entstehe, welches jedoch auf der Ansicht zu beruhen scheint, daſs die Retina nicht bis zu der Linsenkapsel reiche. Wir selbst konnten sie vor dem Anfange des fünften Monates mit Bestimmtheit nicht unterscheiden.

v. Ammon (Zeitschr. II. 446 59.) hat endlich in der neuesten Zeit auf eine häufig bei Embryonen vom vierten Monate an und bei Neugeborenen vorkommende rothe Färbung der Augenhäute und des Glaskörpers, während die Linse farblos bleibt, aufmerksam gemacht und wagt nicht zu entscheiden, ob die Erscheinung pathologisch oder normal sey. Die Farbe unterschied sich bestimmt von der schmut - zigen, welche die Augenhäute haben, wenn der Fötus in oder198Von dem Embryo.auſserhalb des Mutterleibes in Fäulniſs übergegangen ist, und soll, wie es scheint, mit dem Mangel der Arteria centralis verbun - den seyn.

Ohne Zweifel hat das Linsensystem seine eigene, besondere Genese, wenn auch der Hergang dieser Formation noch keines - wegs mit allen zu wünschenden Specialitäten gekannt ist. Die meisten Schriftsteller gaben über die Entstehung der Linse nichts Genaueres an und beschrieben sie nur als eine verhältniſsmäſsig sehr groſse und dichtere Eiweiſskugel, die v. Bär (l. c. S. 65. bei Bur - dach S. 295.) bei dem Hühnchen schon am dritten Tage und v. Ammon (Zeitschr. II. S. 505.) bei dem Menschen in der sieben - ten Woche deutlich erkannte. Huschke vermuthete früher (Beitr. S. 67.), daſs sie aus dem Grunde der Augenhöhle nach vorn her - vorwachse und dann von hinten nach vorn sich löse, fand aber nach einer Reihe späterer Untersuchungen (Isis 1831. S. 950. u. Meck. Arch. 1832. S. 17.), daſs die Linsenkapsel durch Einstül - pung der Integumente nach Art einer Hautdrüse entstehe. Es gräbt sich nämlich die schleierartige Hülle, welche die Augen - bucht zuerst schlieſst, von auſsen nach innen ein und stellt so die in frühester Zeit vorn noch ganz offene Linsenkapsel dar, welche allmählig sich verengt und abschnürt, so daſs man bis zu Ende des dritten Tages mit einem Pferdehaar hineindringen, spä - ter dagegen die Sehlieſsungsstelle als dunkeleren Punkt wahrneh - men kann. Das Letztere konnten v. Ammon und Gescheidt (Zeitschr. III. S. 358.) nicht finden. Jedenfalls deutet diese Beob - achtung aber auf ein auch durch andere Thatsachen unterstütztes merkwürdiges Verhältniſs bei erster Bildung der Linse hin, wel - ches sich bei Säugethieren vielleicht eher eruiren lassen wird, da bei ihnen die Linse in frühester Zeit um Vieles gröſser ist, als bei den Vögeln. So liegt nun die Linse in der bald darauf folgenden Bildungsperiode mit einem groſsen Theile frei und nur von einer sehr dünnen Integumentalschicht, der künftigen Hornhaut, bedeckt. Die Pupille wird einzig und allein von dem vorderen Ende der Chorioidea gebildet und die Linse selbst berührt fast unmittelbar die hintere Wand der Cornea. Sie wird nun von einem Gefäſsblatte, dem Kapselpupillarsacke, vollkommen umschlos - sen, welcher zum gröſsten Theile aus der durch den Glaskörper dringenden Arteria capsularis gebildet wird. Dieses Gefäſsblatt erleidet aber bald, sowohl durch die intercurrirende Iris, als durch199Höhere Sinne. Auge.das Entstehen einer wahren vorderen Augenkammer, bedeutende Veränderungen. Es verbindet sich nämlich zum Theil mit den Gefäſsen der Regenbogenhaut, so daſs nun seine vordere Wand mit dieser in eine innigere Gemeinschaft tritt. Da aber der frei liegende Theil der Linse immer kleiner wird, indem sie sich so - wohl von vorn nach hinten zurückzieht, als auch die Iris von auſsen nach innen gegen das Centrum ihrer Vorderfläche eindringt, so entsteht in dem Kapselpupillarsacke eine Art von Einschnü - rung, welche in der Pupille am gröſsten ist. Nach hinten dage - gen erweitert sich die Membran wieder, um dann die hintere Wand der hinteren Linsenkapselabtheilung zu umkleiden. So entsteht eine dreifache Differenz in dem Kapselpupillarsacke, näm - lich nach vorn die Membrana pupillaris, nach den Seiten die capsulo-pupillaris und hinten die gefäſsreiche hintere Linsenkap - selwand. Daher finden wir auch die Pupillarmembran bei Säu - gethieren der Linse um so näher und die capsulo-pupillaris um so kürzer, je jünger der Embryo ist. Daher schreitet auch das Wachsthum der Letzteren in gleichem Verhältnisse mit dem Zu - rücktreten der Linse und das der Einschnürung mit der Vergrö - ſserung der Iris in gleichem Grade fort, während die hintere ge - fäſsreiche Linsenkapselwand nur der Ausbildung und Gröſse der Linse und Linsenkapsel immer parallel läuft. So sieht man bei dem Menschen noch in der eilften Woche den Kaspelpupillarsack als ein Gefäſsblatt, welches die hintere Fläche der Linsenkapsel überzieht, sich an den Seitenrändern derselben umschlägt, einen groſsen Theil des äuſseren Umkreises der vorderen Fläche dersel - ben ringförmig bedeckt und nur einen kleinen Kreis der vorde - ren Linsenkapselwand frei läſst, welches vielleicht zu Ammons Angabe (Zeitschr. II. S. 511.) Anlaſs gegeben hat, daſs um diese Zeit die vordere Linsenkapselwand ganz fehle. Innerhalb die - ses Sackes bildet sich nun die gefäſslose Linsenkapsel fort. Von auſsen dagegen wird der Kapselpupillarsack wahrscheinlich eben - falls von einer gefäſslosen Membran umgeben, nämlich von der von mir zuerst beschriebenen Haut (Ammons Zeitschr. 1833. Hft. 3. u. 4.), welche ich nun auch in dem Auge menschlicher Embryonen aus der letzten Hälfte des dritten Monates gefunden und Purkinje gezeigt habe. Nach hinten zu dagegen liegt die gefäſsreiche hin - tere Linsenkapselwand bei einem injicirten menschlichen Embryo nicht frei, sondern von einer körnigen Membran bedeckt. In wel -200Von dem Embryo.chem Zusammenhange die erstere mit der letzteren stehe, habe ich noch nicht ermitteln können. Vielleicht ist die Huschkesche Einstülpung ein solcher Sack, in welchem sich die Linse und von ihr ausgehend die Linsenkapsel bildet, zwischen welche der Kapsel - pupillarsack als Gefäſsblatt sich einlegt und der wegen des inter - currirenden Wachsthumes der Iris mit seinem äuſsersten Rande an der hinteren Fläche der Regenbogenhaut mit seinem cylindri - schen Theile (Ausführungsgange) als die von mir beschriebene Membran und mit ihrem hintersten Theile als die die hintere ge - fäſsreiche Linsenkapselwand bedeckende Haut erscheint. Weitere Beobachtungen müssen hierüber noch bestimmten Aufschluſs ge - ben. Die von mir beschriebene Membran ist mit Körnchen dicht erfüllt und ziemlich dick. Eine darunter liegende, von Reich (de membrana pupillari 1833. 4. p. 37.) aufgefundene völlig durchsichtige und gefäſslose Haut konnte ich in dem menschli - chen Auge noch nicht sehen und zugleich mit der von mir be - schriebenen Membran überhaupt noch nicht in einem und demsel - ben Thierauge beobachten.

Die Pupillarhaut. Ueber ihren ersten Entdecker sind die Angaben verschieden. Nach W. Hunter (Medic. Comment. I. 1762. p. 63.) und Blumenbach (Instit. physiol. p. 208.) ist es wahrscheinlich Sandys. Auf dem Continente hat sie offenbar zuerst Wachendorff (Commerc. litt. Noric. 1740. p. 137.) im Jahre 1740 beschrieben und nach ihm und unabhängig von ihm Haller (Opp. min. I. 4. p. 529. 30. ) gesehen und abgehandelt. Albin (Acad. adnott. lib. 3. p. 92.) will sie zwar schon 1731 beobachtet und 1737 abgebildet haben, machte sie jedoch erst im Jahre 1754 bekannt (Acad. adnott. lib. I. p. 33.). Ueber ihre Struktur und ihren Zusammenhang sind die verschiedensten und unrichtigsten Angaben vorgebracht worden. Für eine Fortsetzung der Chorioidea halten sie Huschke (de pectine p. 9.) und ein Un - genannter (Ammons Zeitschr. II. S. 436.) und für eine solche der Iris Wachendorff (l. c.), Wrisberg (Commentat. Vol. I. 1800. 8. p. 11.), Troxler (Himly’s und Schmidt’s Bibliothek. Bd. I. St. 2. S. 54.), Kieser (s. u. Okens Beitr. Hft. 2. S. 105.), W. Spren - gel (Meck. Arch. V. S. 360.) u. A. Zinn (descr. oculi ed. Wrisberg p. 82. 83. ) und Haller (Opp. min. I. p. 530.) sprechen nur von Fortsetzungen der Blendungsgefäſse in die Pupillarhaut. Desgleichen, wie es scheint, in neuester Zeit v. Ammon (Zeit -201Höhere Sinne. Auge.schr. II. S. 517.). Daſs sie eine ganz eigene, für sich bestehende Haut sey, haben Ph. Fr. Meckel und Sömmering (Hallers Grundr. der Physiol., bearb. von Leveling. Thl. I. 1795. 8. S. 453.) im Jahre 1795. ausgesprochen. J. F. Meckel (Anat. IV. S. 114.) läſst sie aus dem inneren Rande der Iris entspringen. Nach Cloc - quet (Meck. Arch. IV. S. 636.), Meckel (l. c.) u. A. besteht sie aus zwei Lamellen, zwischen welche die Gefäſse sich ausbreiten. Rudolphi’s Untersuchungen (Abh. d. Berl. Akad. für 1816. 17. Berl. 1819. 4. S. 117. und Physiol. Bd. 2. Abthl. 1. 1823. 8. S. 178.) zeigten, daſs sie nur ein einfaches Blatt sey und an die Vorderfläche der Iris, etwas entfernt von dem Pupillarrande, sich ansetze, ein Verhältniſs, welches Henle (l. c. p. 2), Reich (l. c. p. 5.) und wir selbst (Ammons Zeitschr. III. Hft. 3 u. 4.) voll - kommen bestätigt gefunden haben. Die Zeit der gröſsten Aus - bildung der Pupillarmembran fällt ungefähr in den sechsten Mo - nat. Sie verschwindet vom Centrum aus nach der Peripherie hin (wo sie überhaupt dicker zu seyn scheint, als in der Mitte), wahrscheinlich im Normale gröſstentheils noch vor der Geburt, nach Zinn (l. c. p. 82.) und Haller (Elem. physiol. p. 373.) im siebenten, nach Wrisberg (l. c. p. 10.) J. F. Meckel (l. c. S. 115.), Rudolphi (l. c.), Mende (s. Held de membrana pupill. Gryphisrv. 1803. in Cuviers vergl. Anat. übers. v. Meckel II. S. 520.) im neunten Monate. Auf jeden Fall verlieren sich nach den Beo - bachtungen von Meckel, Ammon, Henle, Reich u. A. ihre Gefäſse noch vor der Geburt. Eine durchsichtige Membran aber, welche die Pupille vollkommen verschloſs, haben Jacob (Medic. -chir. transact. Vol. 12. P. 2. p. 487.) und Tiedemann (S. s. u. Tre - viranus Zeitschr. II. S. 336.) noch nach der Geburt wahrgenom - men und sehen dieses durchaus als Norm an. Gegen die Be - hauptung Blumenbachs und Clocquet’s, daſs durch das Zurück - weichen der Gefäſse der Pupillarmembran der Circulus vasorum iridis internus entstehe sind Henle (l. c. p. 4.) und Reich (l. c. p. 9.) mit Recht aufgetreten. Der Letztere behauptet (l. c. p. 10.), daſs jener von der Pupille um eben so viel, als der Ansatz von der Pupillarmembran entfernt sey. Abbildungen der Gefäſse der Membr. pupill. siehe vorzüglich bei Wrisberg l. c. fig. 2., Blu - menbach instit. physiol. tab. 2. fig. 2. Sömmering Abbild. des menschl. Auges. 1801. tab. 5. fig. 11. und Henle l. c. fig. 1. 2.

Die Kapselpupillarhaut. Diese hat, wie es scheint, W. 202Von dem Embryo.Hunter (l. c. p. 63.) zuerst entdeckt und beschrieben und Haller um dieselbe Zeit nach dessen Beobachtungen in seine Physiolo - gie (Elem. physiol. IV. p. 372.) aufgenommen. Walter (Send - schreiben über die Blutadern des Auges. 1778. 4. S. 17.) hat offenbar die Gefäſse dieser Haut gesehen und zum Theil abgebildet (tab. 3. fig. 3. b.), die Membran selbst aber übergangen. Wrisberg (l. c. p. 11.) hat ihre Anwesenheit mit Unrecht geläugnet und seine Auc - torität scheint der Grund gewesen zu seyn, weshalb alle ihm nachfolgenden Beobachter, mit Ausnahme von Bährends vielleicht, von ihr schwiegen, bis 1832 Joh. Müller sie unabhängig von diesen früheren Angaben von Neuem entdeckte, während Czermak ihre Gefäſse im Auge des Leoparden im Jahre 1829 schon gefunden hatte (S. Isis. 1832. S. 557.). So wurde sie dann in der neuesten Zeit von Henle und Reich beschrieben. Ein Ungenannter (Ammons Zeitschr. II. S. 430. fgg. ) und Arnold (ebds. III. Hft. 1.) haben die Richtigkeit dieser Haut in Zweifel gezogen. Wir selbst da - gegen (ebds. Hft. 3. und 4.) ihre Existenz vertheidigt. Auſserdem haben sie auch Retzius (Müllers Physiol. I. S. VII. ) und R. Wagner (Ammons Zeitschr. Hft. 3. und 4.) gefunden, und Rudolphi und Schlemm (Reich l. c. p. 14.) gesehen. Ihre Lage ist verschie - den. Je jünger der Fötus ist, über einen desto gröſseren Theil der Linsenkapsel breitet sie sich aus. Immer ist sie nach Maaſs - gabe der Pupillengröſse an dieser etwas verengt. Henle (l. c. p. 7.) läſst sie von dem vorderen Ende der Zonula beginnen und an dem Ansatzpunkte der Pupillarhaut, an der Iris, endigen. Ihre Gefäſse sind durchaus parallef, gerade von hinten nach vorn verlaufend und bilden wenige oder gar keine Anastomosen. (S. d. Abbild. bei Henle l. c. fig. 3. und 4.) In einem dreimonatli - chen, menschlichen Embryo fand ich das Minimum des Durchmes - sers jener Gefäſse 0,000665, das Medium 0,000814 P. Z. und das Summum 0,001013 P. Z. und in einem fünfmonatlichen das Mini - mum 0,000760 P. Z., das Medium 0,001165 P. Z. und das Summum 0,001571 P. Z. Die Haut selbst ist vollkommen durchsichtig, dünn, aber dabei verhältniſsmäſsig fest, und läſst selbst unter starker Vergröſserung keine gröſseren Körnchen unterscheiden.

Die hintere Linsenkapselwand wird ringsum von einem Ge - fäſsblatte umgeben, welches vorzüglich durch Ramificationen der Arteria capsularis entsteht und das in neuester Zeit Werneck (Salzb. Zeitschr. 1823. S. 115. fig. a. B.) und mit besonderer203Höhere Sinne. Auge.Treue und Schönheit Henle (l. c. fig. 6. e.) abgebildet haben. Schon ohne Injection findet man häufig in frischen Augen diese Gefäſse von Blut roth gefärbt. Ihren Durchmesser berechnete ich am Ende des dritten Monates im Minimum zu 0,000532 P. Z., im Medium. 0,000658 P. Z. und im Maximum 0,001202 P. Z. und am Ende des vierten Monates im Minimum 0,000608 P. Z., im Medium 0,001520 P. Z. und im Maximum 0,001723 P. Z. Man sieht hieraus, daſs im Allgemeinen im Kapselpupillarsacke die Gefäſse von hinten nach vorn schwächer werden. Nur die Pupillarmembran macht wegen des Hinzutrittes neuer Gefäſse aus der Iris hiervon eine Ausnahme an manchen Stellen. In der zehnten Woche beobachtete ich hinter dem Gefäſsblatte eine kör - nige, ziemlich dichte Membran, welche dem äuſseren Ansehen nach wenigstens, der oben beschriebenen, von der Capsulo-pu - pillaris nach auſsen gelegenen vollkommen glich.

Linse und Kapsel scheinen in ihrer frühesten Bildung gegen - seitig einander zu bedingen, da beide aus einer Flüssigkeit ent - stehen und, je jünger der Embryo, desto inniger mit einander verbunden sind. So sah ich in der achten Woche, wie in Hüh - nerembryonen vom fünften bis sechsten Tage, die ganze Linse noch aus den bald zu erwähnenden Körnchen bestehen, welche nach auſsen durch eine äuſserst zarte und durchsichtige, von ih - nen noch nicht streng geschiedene Membran begrenzt wurden. Ob nun zu dieser Zeit schon Faserung in dem Centrum der Linse vorhanden sey, oder nicht, wage ich nicht zu entscheiden. In der zehnten Woche dagegen habe ich sie in der dichteren, schon mit bloſsem Auge kenntlichen Centrallinsenkugel mit vollkomme - ner Deutlichkeit beobachtet. Die umgebende, lockerere Masse bestand aus einer groſsen Anzahl regelmäſsiger, runder, zierlicher Kugeln, wie ich sie in Ammons Zeitschr. II. Hft. 3. und 4. be - schrieben und abgebildet habe. Die Faserung verbreitet sich nun immer mehr gegen die Oberfläche hin, so daſs schon im An - fange des fünften Monates nur eine verhältniſsmäſsig eben so dünne Körnerschicht vorhanden ist, als bei dem Erwachsenen. Die Gröſse der Körner fand ich im vierten Monate 0,000253 P. Z. bis 0,000405 P. Z. und im fünften 0,000506 P. Z. Die Fa - sern der Linse selbst entstehen dadurch, daſs die Körnchen sich longitudinal richten, verflüssigen und verschmelzen und so sich in Fasern umwandeln, an deren Wandungen man im Anfange204Von dem Embryo.und selbst im Erwachsenen noch Spuren von Einschnürungen wahr - nimmt. Auſser diesen sieht man aber noch zwischen ihnen, besonders an den aneinander stoſsenden Seitenwänden je zweier Fäden sehr kleine Kügelchen von ungefähr 0,000102 P. Z. im Durchmesser. Die mittlere Dicke dieser Fasern fand ich an verschiedenen Linsen 0,000375 P. Z. Da die Faserbildung in der Linse von innen nach auſsen vorschreitet, so kann man selbst noch in älteren Linsen die verschiedenen Metamorphosenreihen wahrnehmen. Die von Walther u. A. beobachtete röthliche Farbe und Verdunkelung der Linse in früherer Zeit des Embryolebens können wir nicht als Norm ansehen, da wir sie nur in Früchten, welche längere Zeit vorher in oder auſserhalb des Mutterleibes abgestorben waren, wahrnehmen konnten. Die Linsenkapsel umgiebt die äuſserste Linsenschicht genau und hängt innig mit derselben zusammen. Wir haben sie nur immer geschlossen gesehen; von Ammon da - gegen vermuthet (Zeitschr. II. S. 511.), daſs sie im dritten Mo - nate vorn vielleicht geöffnet, bestimmt aber verdünnt sey. Auch habe ich sie selbst, sogar an ihrer vorderen Wand, an welcher früher schon Döllinger und in neuester Zeit Müller und Henle (l. c. p. 35. und Joh. Müllers Arch. I. S. 23.) zwei Mal Gefäſse gefunden haben, bis jetzt immer durchaus gefäſslos gesehen.

Mit der Entstehung der Orbita wird auch eine Quantität Bildungsgewebe abgelagert, welches zum gröſsten Theile für die Augenmuskeln bestimmt ist. Erst zu Anfange des vierten Monates können diese, wie Brendel (l. c. p. 132.) schon wuſste, einzeln un - terschieden werden, schreiten aber dann in ihrer Bildung rasch vorwärts. Die Recti scheinen früher zu entstehen, als die Obli - qui. Im Uebrigen ist ihre Bildung durchaus nicht von der der anderen Muskeln unterschieden. Die erste Entstehung der Conjunctiva fällt in den Anfang des dritten Monates. Die Thränendrüse ist in der letzten Hälfte des vierten Monates schon deutlich. Nach Burdach (Physiol. II. S. 461.) erscheint der Anfang des Thränenkanales bei dem ersten Auftreten der Augen - lieder als eine in die Mundnasenhöhle sich herabsenkende Haut - falte. Um dieselbe Zeit ist auch die Karunkel schon wahrzuneh - men. Die Augenlieder wachsen als zwei Hautfalten über den Bulbus und bedecken ihn nach v. Ammon (Zeitschr. II. S. 506.) gegen Ende des dritten oder zu Anfange des vierten Monates. Die Augenwimpern erscheinen frei erst um den sechsten Monat. 205Höhere Sinne. Ohr.Die erste Entstehung des Sehnerven ist schon oben bei der Genese der Augen erwähnt worden. Da die festere Masse sich auch bei ihm zuerst an die Peripherie ansetzt, so ist er anfangs hohl und man kann daher mit einer Borste im Anfange aus der Hirnblase in die Augapfelblase dringen. Die Sehnerven rücken immer näher zusammen, stoſsen nach von Bär (l. c. S. 105. bei Burdach S. 336.) am siebenten Tage an einander, so daſs sie dann an dem Vereinigungswinkel nur eine Oeffnung bilden, später je - doch über einander übergreifen (l. c. S. 119. 120. bei Burdach S. 352.) und so die Kreuzung darstellen. Da nach Huschke (Meck. Arch. 1832. S. 15.) die lanzettförmige Figur eine Rinne des noch hohlen Sehnerven ist, so stellt diese, der Nath der Rük - kenplatten gegenüber, das Chiasma dar.

2. Ohr.

Ist, wie wir gesehen haben, in der Entwickelungsgeschichte des Auges, trotz der zahlreichen und bedeutenden Arbeiten, noch manche fühlbare Lücke auszufüllen, so muſs in der des Ohres das Meiste fast durch allseitige Beobachtung festgesetzt werden. Alle älteren Angaben beschränken sich beinah nur auf die verknö - cherten oder der Verknöcherung nahen Gebilde des Gehörorganes, also auf einen Zustand, in welchem sie im Ganzen nur wenig von dem des Erwachsenen abweichen. J. F. Meckel, welcher sich viele Verdienste auch um diesen Theil der Entwickelungs - geschichte erworben, hat offenbar mehr für den äuſseren Theil des Gehörorganes gethan, als für den inneren. Desgleichen in neuerer Zeit vorzüglich Huschke und Rathke. Es findet sich deshalb nirgends so vieles Dunkele, anderseits aber auch eine so bedeutende Schwierigkeit der Untersuchung, als hier und wir ha - ben dieses selbst erfahren, als wir, um auf dem noch sparsam bebaueten Felde doch wenigstens einige Früchte zu erndten, eine nicht ganz geringe Zahl von Schaaf -, Kuh -, Schweine - und Men - schenembryonen zergliederten und dabei nicht bloſs die äuſseren Theile, sondern die bisher fast ganz vernachlässigten inneren zu berücksichtigen uns bemühten. Die Resultate unserer Beobach - tungen sollen dem Folgenden einverleibt werden.

Nach Huschke (Isis 1831. S. 951.) entsteht, analog dem Auge, auch das Ohr als eine Hautgrube, welche nach auſsen zu enger wird und so ebenfalls, gleich einer Drüse, einen Ausführungsgang206Von dem Embryo.hat. Ja wir können aus eigenen Erfahrungen sogar noch hinzufü - gen, daſs in allerfrühester Zeit beide Ohrgruben bestimmt mit einan - der communiciren. Die Oeffnung dieser Grube glaubt Huschke selbst bei dem Menschen gesehen zu haben. Bald jedoch tritt der Hör - nerve, wie am Auge der Sehnerve, hervor, und so entsteht jene Form, welche v. Bär (l. c. S. 31. bei Burdach S. 260.) beobach - tet hat. Nach ihm ragt der vordere Rand der Ohrhöhle (Ohr - grube) mehr vor, als der hintere. Dieser Theil wird, wie wir bald sehen werden, zum inneren Ohre, d. h. zu dem Labyrinthe und dessen accessorischen Gebilden. Das äuſsere Gehörorgan da - gegen, d h. Eustachische Trompete, Paukenhöhle, ein Theil der Gehörknöchelchen und äuſseres Ohr entstehen später, nachdem die Visceralplatten sich kreisförmig gegen einander gebogen, um die Rumpfwände des Halses darzustellen. So sind am Ohre zwei durchaus verschiedene Bildungshergänge zu unterscheiden, welche erst später zu einem Ganzen zusammentreten.

Ueber die Ausbildung des Labyrinthes besitzen wir noch gar keine Angaben. Das Folgende ist aus einer Reihe mühsamer Untersuchungen entnommen, welche ich an sehr kleinen Schaaf - embryonen vorzüglich angestellt habe. Das Labyrinth bildet eine durchaus von der übrigen membranösen und späterhin knorpeligen Substanz getrennte Masse, welche als ein länglich rundes Gebilde selbst dann noch isolirt hervorgezogen werden kann, wenn schon die Schnecke und zum Theil die Bogengänge existiren. In frü - hester Zeit stellt es einen einfachen länglichen Schlauch dar, welcher eine länglich runde Höhlung hat, die im Innern eine etwas unebene Oberfläche zeigt. Wir werden bald sehen, daſs dieses Rudiment vorzüglich als Vestibulum zu deuten sey. Kurz darauf jedoch verlängert sich das innere Ende der Höhlung und wird, indem es im Kreise eine Wendung zu machen beginnt, zu einer rundlichen Höhle. Indem nun so die roheste Grundlage der Schnecke entsteht, bilden sich die Windungen derselben auf fol - gende interessante Weise. Es wird nämlich die Wand der Schneckenblase, wenn man sich in die Höhle derselben versetzt denkt, von innen nach auſsen wie eingegraben und zwar zuerst nach der Richtung von dem Vestibulum aus gegen die Mitte der Schä - delbasis hin und dann weiter fort spiralig bis zum obersten Ende der Perpendikularaxe. Hierdurch entsteht 1. von auſsen die der Schneckenschaale ähnliche äuſsere Gestalt, indem die untere Win -207Höhere Sinne. Ohr.dung relativ tiefer eingegraben ist, als die obere und 2. im In - nern ein tief eingefurchter Halbkanal, dessen Wände mit ihren in - neren Rändern immer näher an einander rücken und indem sie end - lich zusammenstoſsen einen cylinder - oder vielmehr kegelförmigen Körper als Axe der Windung darstellen, welcher daher in frühester Zeit hohl ist und die Stelle des künftigen Modiolus einnimmt. Ob dieser bloſs durch diese secundäre Bildung entstehe, oder ob sich für ihn neue Knorpelmasse an die inneren Wände des Schneckenrohres ansetze, wage ich nicht zu entscheiden. So ist er nun aber zuerst eine Höhlung und läſst sich, sobald seine Auſsenwände eine etwas festere Consistenz erlangt haben, den Windungen gemäſs abreiſsen, so daſs, wenn man dann die oberste Windung trennt, nicht der ganze Modiolus folgt, sondern ein kreisförmiges Knorpelblatt in der Mitte der Basis der Schnecke sitzen bleibt. Die Schlieſsung der früheren Schneckenfurche zu dem späteren Schneckenrohre erfolgt bei dem Schaafe viel früher, als bei dem Schweine. Bei dem Kalbe hat das Rohr auch Huschke (Isis 1831. S. 951.) von mir beobachtet. Vorher jedoch noch wird das Vestibulum breiter und erhält dann eine mehr rundliche Form, da sein früherer innerer Theil zugleich zur Bildung der Schnecke eingegangen zu seyn scheint. Dessen ungeachtet übertrifft ihn die Schnecke bald an Gröſse und Umfang. Kurze Zeit, nachdem die erste Ausbildung der Schnecke begonnen, entstehen die Bogengänge und zwar zu - erst, wie es scheint, der hintere, als eine Aussackung des Vesti - bulum hinter und über dem eirunden Loche, welche sich von innen und unten, nach auſsen und oben verlängert, bogenförmig umbiegt und oberhalb des eirunden Loches wieder in den Vorhof eindringt. Nach ihm bildet sich der obere Bogengang auf ähn - liche Weise. Ueber den unteren wage ich nichts Näheres anzu - geben. Auch die Kanäle der Bogengänge sind im Anfange verhält - niſsmäſsig sehr breit, verschmälern sich zuerst an den Umbiegungs - stellen, von wo aus die Verschmälerung fortgeht und so zuletzt die Ampullen nur als Andeutungen ihrer früheren, relativ so be - deutenden Gröſse zurückläſst. Der Vorhof selbst hat hierdurch in seiner Längendimension noch mehr verloren, ist aber noch et - was breiter geworden und hat eine mehr trapezoidische Gestalt erlangt. Das eirunde Loch, welches früher minder deutlich war, wird immer kenntlicher und geht aus seiner zuerst runden Form in die längliche über. Alle diese Vorgänge aber ereignen sich208Von dem Embryo.sämmtlich zu einer Zeit, wo das ganze innere Gehörorgan noch eine weiche Knorpelmasse darstellt. Sie sind daher an Schaaffötus von sechs Linien bis zwei Zoll Länge aufzusuchen. Die späteren Stadien habe ich auch an etwas gröſseren Kuh - und Schweinefö - tus bestätigt gefunden. Von nun an schreitet das Labyrinth in sei - ner Ausbildung rasch vorwärts und erreicht bald seine vollkommene Gestalt. Am Schnellsten geschieht dieses vielleicht verhältniſsmäſsig bei dem Menschen. So sah es Meckel (Anat. IV. S. 48.) schon im dritten Monate morphologisch ausgebildet, eine Erfahrung, die zum Theil schon früher Valsalva, Cassebohm, Schelhammer u. A. gemacht hatten. Auch besteht nach ihm das häutige Labyrinth aus zwei Membranen, welche in einander geschoben und sonst durchaus nicht mit einander verbunden sind. Die innerste von diesen ist weiſs, durchsichtig, dünn, aber fest, ohne weder mit dem früheren Knorpel, noch dem späteren Knochen zusammenzu - hängen. Nach Breschet (Ann. des sc. nat. 1833. p. 119.) ist die - ses nur an den Stellen der Fall, wo Nervenfäden in dieselbe ein - gehen. Die äuſsere Haut ist nach innen glatt, nach auſsen rauh, scheint nach Meckel in früherer Zeit genauer an den Knorpel ge - heftet zu seyn, als später und verschwindet nach ihm (l. c. S. 48.) im siebenten Monate. Breschet (l. c. p. 129.) dagegen hat sie im zarteren Alter deutlicher gesehen, als in dem Erwachse - nen. Der Hörnerve, welcher die Höhle des einfachen Schlauches fast ganz ausfüllt, verliert späterhin etwas an Dicke und folgt, wie es scheint, den Aussackungen. So sieht man ihn als einen dicken weiſsen Strang den Windungen des Schneckenrohres fol - gen, keine bedeutenden Seitenfasern gegen die Wände hin abge - ben, sondern frei in ihm liegen. Vergeblich suchte ich an dieser Stelle nach Crystallen. Ich wage aber ihre Anwesenheit in frü - hester Zeit nicht zu läugnen. Dagegen sah ich in der Substanz der Flüssigkeit selbst eine sonderbare Eigenthümlichkeit. Sie ent - hielt nämlich eine Masse meist rundlicher, bisweilen auch mit geradlinigten Seitenflächen begabter Kügelchen von 0,000608 P. Z. bis 0,000810 P. Z. im Durchmesser, welche in ihrem Innern einen dunkelen Kern hatten und deutlich mit kleinen lanzettför - migen Schwänzchen versehen waren, so daſs eine entfernte Aehn - lichkeit mit Zerkarien hieraus entstand. Ist dieses etwa ein Ue - bergangsmoment der Histiogenie der Sinnesnerven? Die in dem Labyrinthe enthaltene Blainvillesche Vitrine sowohl, als auchdie209Höhere Sinne. Ohr.die Cotugnosche Feuchtigkeit sollen im Fötus von röthlicher Farbe seyn. Nach meinen Untersuchungen dagegen ist dieses in frühester Zeit bestimmt nicht der Fall, sondern beide sind hell und durchsichtig. Sie enthielten bei dem Schweine eine groſse Menge rundlicher oder nierenförmiger Körperchen von schwach ins Gelbliche spielender Farbe, welche in ihrer Mitte eine deut - liche Grube hatten, die von einem circulären Ringe umgeben war. Oft hingen mehrere von ihnen an einander nach Art einer gebo - genen Perlenschnur, oft nur zwei und so, daſs der Rand des einen in die Grube des anderen eingeschoben war. Ihre Gröſse betrug 0,000270 P. Z. im Durchschnitte. Ob dieses eigene Mo - leküle sind oder durch das Wasser des Labyrinthes nur verän - derte Blutkörperchen, welehe aus den auf dem Labyrinthe sich ausbreitenden und zerrissenen Gefäſsen austraten? Die Kalk - anhäufungen im häutigen Vestibulum, welche von Scarpa, Blainville u. A. schon gesehen waren, die Breschet aber (l. c. p. 186.) genauer beschrieben hat, sind von Huschke (Frorieps Notizen 1832. Febr. No. 707. S. 36.) auch in dem Neugeborenen als spieſsige Krystalle derselben Art, wie sie von ihm in der Vogelschnecke erkannt wurden, beobachtet worden. Bei ferneren Untersuchungen dage - gen fand er sie (Isis. 1833. Hft. 7. S. 676.) ein Mal in der Schnecke eines Kindes als achtseitige Säulen mit vierflächiger Zu - spitzung, d. h. in einer Crystallform, welche auf die des Arrago - nites reducirt werden kann. Sie sind jedoch nach seiner späteren An - gabe (Isis. 1834. Hft. I.) wahre Kalkspathkrystalle. Wir selbst haben ebenfalls rhombische Säulen mit vierflächiger auf die Sei - tenflächen aufgesetzter Zuspitzung in der Vestibulumvitrine eines drei Zoll langen Schweinefötus schon wahrgenommen. Endlich muſs ich hier noch Einiges über die Labyrinthknorpel selbst an - führen. Sie zeigen bei ihrem Ossificationsprocesse eine Gestalt - veränderung, welche von der unten ausführlicher zu beschreibenden der meisten übrigen Knorpel des Körpers wesentlich abweicht. Statt der gewöhnlichen Knorpelkörperchen (