Römer.
Senatoren.
Volsker.
Feldherren.
Nun ſtille! ſtille!! — Schon beginnt die Weihe. Die Flamme lodert. Heilig iſt es hier — Und heilig ſey das Wort!
Ihr guten Laren, freundliche Beſchützer Des Marciſchen Geſchlechts, Und dieſes Hauſes! Seyd wachſam! — Höret! Wir rufen laut um Hülfe! Denn großes Unglück droht dem Haus.
O großes Unglück droht dem Haus! Die Feinde wüthen! Ihr hobet Ihn; Sie wollen ihn verderben Den Hochgeſinnten, Des Königs Ancus großen Enkel, Der Ahnen Stolz, und eure Freude, Coriolan!
Ihr hört die Flehenden! Nicht wird vom Jammerruf’, Und wilder Weheklage, Der Opferherd erzittern; Denn mächtig ſeyd ihr, Laren, Seyd wachſam! Und liebt das Haus!
Ich weih’ euch ſüßen Duft. O ſeht, die Flamme kniſtert! Heil uns! ſie ſchlägt empor! So hebe hoch als Sieger Sich über Feindeswuth Der Herrliche!
Ich nahe mit des Liber Gabe. 7Sie ſchäumet in der Opferſchale, Die köſtliche, Die treu ich eurem Dienſt bewahre. Ich ſchütt’ es hin — das heil’ge Naß.
Das Opfer iſt vollbracht! O nehmt es gnädig auf! Und wachet, ſchützet, hört! Wir fleh’n um Hülfe!!
Verlaßt uns, Kinder; ſeht! die Mutter trauert.
Drey Stunden ſind es, daß Coriolan Schon vor dem Volksgerichte ſteht. Mir pocht Das Herz mit Ungeſtüm herauf. Die Angſt Verzehret mich. Ach! ſolls denn ewig währen?
Die Sonne ſinket —
Nun, ſo wird es bald Sich enden.
Denke dir das Schlimmſte, Tochter! 8Auf! waffne dich mit Kraft. Verbannt das Volk Dir den Gemahl — Volumnia, du mußt Es tragen als ein römiſch Weib — mit Stärke; Denn du biſt Mutter! — Dulde Mutter! — ſteh’ Als Säule rettend für die Kinder da, Wenn ihren Tritten nun der Boden weicht, Und ängſtlich ſie — die Schwachen, dich umklammern. So ſtand ich einſt für meinen Marcius! — Nun beugt den Nacken mir der Jahre Laſt; — Doch hebt ſich muthig noch mein Geiſt empor. Ja raubt mir Rom des Alters Troſt und Stab, Den einz’gen, vielgeliebten Sohn; und fällt Auch dieſer höchſte Schmerz mich wüthend an: Ich tret’ in Kampf mit meinem Schmerz, — ich ſiege! O Großes kann der Menſch, der Großes will!
Nein, Mutter! nein! noch hoff’ ich — laß mich hoffen.
Die Feinde wüthen, und die Freunde weichen.
So mögen ihm die Götter gnädig ſeyn.
Sie müſſen helfen — Sie! Er hilft ſich nicht, Verdirbt ſich ſelbſt. Du ſahſt, Volumnia: Nicht trauernd, wie’s dem Angeklagten ziemt, Er zog zum Forum hin mit kühnem Blick’ Und ſtolzem Gang, im ſchönſten Feſtgewande. Dort pocht er auf ſein Recht, und höhnt das Volk. 9Wie’s ihm der Zorn in wilder Bruſt gebietet, So donnert er! — — Ja, wenn ein einzig Wort Ihn um das Vaterland, und um die Seinen, Um mich ihn brächte — ha! doch ſtürmt’s heraus! Wenn dann die Wuth des wildergrimmten Pöbels Aufbrauſt, und tobt, und heult — dann hebt er ſich Ein Fels im Meer, und triumphirt, und fühlt Sich groß! — Zu rauh iſt dieſes Mannes Art. — So war er ſtets, als Knabe, Jüngling, Mann! — So ſtürzt er ſich zum Abgrund! — O ihr Götter! Wie ſchwinden meine Mutterfreuden hin!
Doch preiſt dich jede Mutter hochbeglückt. Der Eltern Lohn iſt ihrer Kinder Liebe. Wie Er dich liebt — wo hat noch je ein Sohn Die Mutter ſo geliebt? — Soll ich dich erſt An jenen ſchönen Freudentag erinnern, Als der Bezwinger von Corioli, Der Sieger in der Schlacht vor Antium, Mit Ehrenkränzen feſtlich ausgeſchmücket, Dir freudetrunken in die Arme flog? — In allen Straßen, wo der Held ſich zeigte, Ertönte Jubel und Triumphgeſchrey. » Coriolan! Coriolan!! « — begrüßten Die Bürger Roms zum erſten Mal den Helden. Er — horchet dieſem Jubel nicht, er eilt Zu ſeinen Laren, ſieht die Gattin nicht, Die Kinder nicht, nur dich! nur dich allein! 10Und nieder wirft er ſich vor dir, und legt Die Kränze hin zu deinen Füßen; — jetzt Die Hände, jetzt das theure Haupt dir küſſend. — O damahls haſt auch du geweint, ihn lang’ Umarmt, und deinen lieben Sohn genannt. — — Wie? hörſt du nicht noch immer dieſen Ton, Den Ton der Kindlichkeit, mit dem er rief: » O Mutter! Mutter!! glücklich bin ich nun! » Nun ſind mir dieſe Kränze doppelt werth, » Da ich ſie dir zu Füßen legen kann! « —
Es rührte mich und ſehr. Doch bin ich auch Des Dankes werth. Er iſt mir Vieles ſchuldig!
Wer alſo dankt, iſt wohl ein edler Mann!
Du wendeſt, Tochter, ſonderbar mein Wort. Unedel iſt er freylich nicht, und kann’s nicht ſeyn; Er iſt mein Sohn.
Vergib!
Für ihn, durch ihn Hab’ ich gelebt. Bey aller Rauhheit iſt Er gut, — und groß iſt er, mein Sohn, — zu Hauſ’, Im Felde groß! — Ich habe nicht umſonſt Gelebt! — — Nur daß ſein Stolz zum Übermuth,11 Zur Härte ſeine Strenge wächſt, — ſieh, Tochter! — Vertheid’gen möcht’ ich ihn; — ich kann es nicht.
Was er von Andern fordert, leget er Sich doppelt auf; ſtets gegen ſich am ſtrengſten. Und bleibt er im Entſchluß unbeugſam, feſt — Er ſteht für das, was er als Recht erkennt.
Oft iſt es bloß das kalte trockne Wort, Wenn Leidenſchaft den tiefern Grund des Recht’s Vor ſeinem Aug’ in dichte Nebel hüllt. Er will den heil’gen Bau der Republik, Aus dem der Ahnherrn Geiſt ſich uns verkündet, Mit ſtarker Hand den Enkeln noch erhalten; Und Ehre, Dank gebühret ihm dafür. Jedoch zum Beſten Aller ward der Bau Vollführt. — Das hat er nicht bedacht, als er — Mich ſchaudert — jüngſt den ſchwarzen Vor - ſchlag that: » Es ſollte der Senat durch Hungersnoth » Den ſtarren Sinn des wilden Volks bezähmen. « O damahls wich der Ahnen Geiſt von ihm; Da kannt’ ich meinen Sohn nicht mehr!
Es war Ein ſchnelles Wort, in Leidenſchaft geſprochen. Vielleicht bereut es ſchon ſein edles Herz;12 Allein, du weißt, er nimmt das ſchnellſte Wort, Einmal entflohen — nimmermehr zurück —
Verdirbt ſich ehe ſelbſt, und uns und Rom! Wie ich voraus es ſagte, ſo geſchieht’s. Der Herrſchſucht der Tribunen bahnet Er Den Weg. — Im Innern jauchzen die Verräther, Daß der gefürchtete Coriolan Die längſterwünſchte Blöße gab. — Schon ſchreyen Sie über Tyranney. Nicht ihm allein, Es gilt die Klage dem Senat’, und allen, Die Rom als Edle noch verehrt. Gen dieſe Erfüllen ſie mit Gift des Bürgers Herz, Das leicht entzündbare. Wie ſchnell es wirkt! Blind fällt das Volk Verräthern in die Arme, Und wähnt zu herrſchen; — fühlt die Feſſeln nicht, An welchen der Tribun es nach ſich zieht. Ach, armes Volk! Ein wilder Kampf beginnt. Bald liegt der Staat durch Bürgerzwiſt zerriſſen. — Das kann ein Wort, in Leidenſchaft geſprochen! Wie ich voraus es ſagte, ſo geſchieht’s.
Er haſſet jedes Joch, noch mehr — gemeines, Und zeigt ihn offen, dieſen Haß! Es wohnt In Heldenſeelen kleine Vorſicht nicht.
Noch ein Gedanke ſchreckt mich — ein Gedanke!! Ich rang mit ihm ſchon manche lange Nacht. —13 Noch wilder ſpricht und handelt Marcius, Seit er vergebens um das Conſulat, Trotz ſeiner Siege, bey den Bürgern warb. — Wenn er aus Rache ſo gehandelt hätte — — —? Dann wehe mir! Ich wüßt’ ihn lieber todt!
O Mutter! nein! du ſiehſt zu ſchwarz! o nein!! Sein Stolz verſchmäht, an Niedern ſich zu rächen.
Die Rache wirkt verborgen. — Gutes Kind! Wer ſagt von jeder Handlung ſich den Grund? Eh dieſer dem Bewußtſeyn noch erſcheint, Hat ihn die Eigenliebe ſchon verkleidet, Die liſtig, ſchnell, die heimlich wirkt und ſchafft; Und wenn der Edelſte ſein innres Herz Auf Einmal nackt und ungeſchmückt erblickte; Und fände dann von mancher großen That Den kleinen Grund — im Wallen ſeines Bluts, In Ehrſucht, Laune, Zufall, wo nicht gar Im ſchlauen Spiel des niedern Eigennutzes — Verſinken würd’ er in ſein Nichts, vor Scham Vergehen —
Mutter, dies Geſpräch — es taugt Für meine Stimmung nicht.
So ſoll ich all’14 Den Gram in dieſen engen Raum verſchließen? Auch das! Im Leiden bin ich ja geübt.
Ich nicht! Ich trag’ es ſchwerer! Mutter, klage! Ich klage gern mit dir! Ein gleiches Loos Verbindet uns.
Ha, jetzt — man pocht.
Er iſt Es nicht.
Nein — unſer Freund, Minutius.
Coriolan nicht hier?
Sieg oder Tod?
Wie fiel das Loos?
O ſprich, Minutius! — — — Du ſchweigſt — du wendeſt dich — O wehe mir! Was frag’ ich noch?
Er iſt aus Rom verbannt.
So ſey dann Rom verwünſcht, das ihn verbannt!
Volumnia, nun gilt’s! Nun zeige dich Als würd’ge Gattin deines großen Mann’s!
Ich weine nicht — ich bin — ſieh her — ich bin Gefaßt — Und alles will ich hören — alles — Und all’ mein Weh durch keinen Laut erleichtern — Hier mag es wüthen! hier!
Unglückliche! —
So ſprich, Minutius! ſo ſprich! Wir hören —
Von zwey und zwanzig Tribus ſtimmten zehn Für ihn. Der Ausſchlag zweyer Stimmen nur Bewirkte die Verweiſung.
Hörſt du wohl? Zwey Stimmen nur! Das tröſtet mich. Gewiß Er trägt nicht lange der Verbannung Loos. Ihn rufet Rom bereuend bald zurück. Nicht wahr, Minutius?
Man wird ihn bald16 Vermiſſen. Denn die Volsker ziehn heran Mit ſtarker Heeresmacht.
Wer ſteht entgegen? Die Conſuln, Furius und Nautius, Für die noch keine Thaten zeugen. — Siegt Der Volsker — und — er dürfte ſiegen — dann Ergrimmt das Volk, das irrgeführte — Dann fragt es den Tribun: » Wo iſt der Held, » Der Stolz des Vaterlands, der Feinde Schrecken? » Coriolan, wo iſt er nun? « Gewiß! Er zieht einſt bey dem Thore herrlich ein, Durch das er als Verbannter Rom verläßt.
Du willſt mich tröſten, gute Mutter — Dank!
Erzähle, Freund, uns Alles und genau!
Beklommen ſprach der ſchwache Furius Von all’ dem Segen viel, der vom Senat Sich zu dem Volk’ in reichem Maaß ergießt, Und daß auf Einigkeit der Stände nur Die Republik ſich ewig dauernd gründe; Und als ein Pfand der neugeknüpften Eintracht, Die nun Senat und Volk umſchlingen ſoll, Erflehte Gnade für Coriolan Vom Volk der Conſul Roms! — Die Väter knirſchten.
Vetu -Was ſprach mein Sohn?
Er ſchwieg — doch las man deutlich An Stellung, Mienen, Blick ſein hohes Wort: » Ich will nicht Gnade — will Gerechtigkeit! — « Jetzt reißt ſich ein Tribun ergrimmt hervor, Ihr kennt ihn — Decius — und Läſterungen Entſprudeln geifernd ſeinem Mund’ — O laßt Davon mich ſchweigen.
Und mein Marcius?
Der lächelt nur. — Das Volk erzürnt. Sogleich Bemerkt es der Tribun. Mit ſchlauer Wuth Ruft er herab: » Seht hin, wie der Tyrann » Noch lächelt, eure Macht verwegen höhnt! « Und nun — in Einem Schrey erbrüllt das Volk — » Tyrann! « erbrüllt’s, daß die Tribunen ſelbſt Erblaſſen. — Nicht Coriolan! Der wirft Die Toga ſchnell hinweg, und reißt entzwey Die Tunica, und zeigt mit Hoheit hin Auf ſeine Narben, ſeines Ruhmes Maale! Jetzt vor dem Donner ſeiner Stimme ſchweigt Das Volk. — Er ruft: » Da ſeht, Quiriten! ſeht » Die Wunden! Blut für euch entquoll daraus! » Da ſeht der Kränze Zahl! Ein jeder preiſt » Die Rettung eines Bürgerlebens! — Wahr! B18» Ich, der Tyrann, ich habe wild gewüthet, » Nicht gegen euch, doch gegen mich! « — — Und nun Umdrängt ihn ſchützend eine Schar von Bürgern, Die Vater ihn, die ihn Erretter! nennen, Und auf den Knieen zu dem Volke fleh’n, Ihr Leben für ihn hinzunehmen, das Sie ihm nur dankten. — — Welch’ ein Anblick war’s!
Und dieſe Tyger konnten ihn verbannen!
Jetzt ſchwieg das Volk. Man ſah, es ſchämte ſich, Daß es vor ſein Gericht den Edlen zog. Ja, hätte der Tribun nun abgeſtimmt, Er wäre frey vom Forum weggezogen; Er ſtünde froh nun hier — Ihr weintet nicht. Doch viel zu gut war Decius gefaßt; Er wagt den letzten wohlbedachten Angriff — Nicht wie ein Mann, nein, wie der Mörder ficht, Mit heimlichen, mit giftbenetzten Waffen.
Das ſiehſt du, Jupiter, und donnerſt nicht!
Als jüngſt der Feinde Macht vor Antium Nach Rom ſich hob; den Conſuln noch das Volk Mit wildem Trotz den Kriegesdienſt verſagte, Da rief Coriolan die Edlen ſchnell Um ſich, an Vaterland, an Pflicht ſie mahnend,19 Und zog mit dieſer treuen kleinen Schar Dem Feind entgegen, kam, und ſah, und ſiegte! — Sie glänzt einſt nicht die letzte, dieſe That, Im Strahlenkranz, den ihm die Nachwelt gönnt. Doch dieſe That, ſie iſt’s, von deren Höhe Der Feind den Helden in den Abgrund ſtürzt, Mit Hohngelächter!
Fluch dem Decius!
Ihr wißt, er gab die Beute jenen Tapfern, Die Rom mit ihm beſchützten, nicht der Menge, Die ſich beſchützen ließ, — und billig war’s.
Er iſt gerecht! So rühmt ihn ſelbſt der Feind.
Nicht alſo ſieht die That ein Decius! Er ruft: » Euch Allen kam die Beute zu, » Er nahm ſie euch: O glaubet mir, es weiß » Der kluge Mann ſie beſſer anzuwenden. » Mit eurem Gute kauft er ſich die Söldner, » Durch deren Waffen er die hohe Roma » Gebeugt als Sklavin noch vor ſeinen Füßen » Zu ſehen träumt. Doch ſeyd nur unbekümmert, » Ihr Bürger Roms! Umſonſt iſt ſein Bemüh’n; » Denn die Tribunen wachen! «
Ha, Verläumder!
Coriolan verſtummt. Die Klage traf Ihn unerwartet —
Nein! — Verachtung ſchloß Des Edlen Mund! Ich kenne meinen Sohn! Der Hohe fiel, doch blieb er ſeiner werth.
Das ſoll die Mutter und die Gattin tröſten. Lebt wohl indeß! Bald komm’ ich wieder! Bald! Verſammelt hielt der Conſul noch das Volk: Ich muß das Weitre hören. Lebet wohl! Nun Muth, Volumnia! Laß dich, die Jüng’re, Vom Alter nicht beſchämen — Sey nun ſtark!
Wie leicht ſich eine kalte Lehre gibt! — Ich leide nicht allein — o meine Kinder! — Die Kinder des Verhaßten ſind verhaßt — Wer ſchützt ſie mir?
Die Götter!
Sie, die doch Den großen Vater fallen ließen! — Ach21 Wo weilt er nun? Wenn er in erſter Wuth Die Stadt verlaſſen hätte — wir den Troſt Des Abſchieds ſelbſt entbehren ſollten — Schrecklich!
Nun hält ihn wohl Sulpitius zurück — Du weißt, er gießet gerne Freud’ und Leid In des erfahrnen Greiſes treue Bruſt.
Ha — hörſt du nicht?
Geräuſch!
Und Stimmen Vieler.
Lebt wohl, ihr Freunde! Dank! Vergeßt mich nicht!
Er iſt’s!
Er iſt’s! Gefaßt!
O Jupiter!
Nur ruhig!
Sohn! mein Sohn!
Coriolan!
O wehe dir und mir, Coriolan!
Nur ſtille, bitt’ ich! — Denn des Lärmens hätt’ Ich ſchon genug. Was nützet hier Geſchrey? Nur ruhig! Gönnt mir Ruh’!
Coriolan!
Und keinen Vorwurf, Mutter; hörſt du? — keinen! Ich wäre nicht geſtimmt, ihn anzuhören — Ich müßte bitter werden — Dieſes Mal Bezwinge dich! Ich ſehe wohl — man weiß Hier Alles ſchon — Wer war der ſchnelle Bothe?
Minutius war hier.
Da reden ſie
23Und eifrig ſchnell! Doch wo ſie reden ſollten, Dort, wo’s zu reden gilt, verſtummt ihr Mund! O welche Freunde! — Freundſchaft iſt ein Schall! Und lachen muß ich —
Marcius! Du wirſt Aus Unmuth ungerecht.
Sieh, Mutter, ſieh! Das ärgert mich! Was ich auch immer rede, Sogleich begegnet mir dein Widerſpruch! — Kein Knabe bin ich mehr — ich bin ein Mann, Der ſelbſt ſich lenkt, und wohl zu lenken weiß! Bedenk’ es doch! — ich muß darum dich bitten. — — Wie geht’s den Knaben?
Gut.
Ich ſage, ſchlimm — Die Armen ſind nun Waiſen, denn ihr Vater — Vertrieben wird er!
O!
Jetzt ſteht ihr da, Und ſchweiget! — Nun? — So bin ich ſelbſt zu Hauſe Mit meinem Unmuth ganz allein! allein!!
Es iſt nicht ſchön, daß du mit unſerm Schmerz Dein Spiel nur treibſt. O nein! es iſt nicht ſchön.
Es kocht in mir! — Volumnia! Die Hand! O du verſtehſt mich ſchnell — Doch unſre Mutter — Noch blickt ſie ſtarr zur Erde hin, erfreut Mit keinem Worte mich — Sie zürnet wohl —?
Du Guter! deinem Unglück ſinn’ ich nach.
Wer ſaget dir, daß ich unglücklich bin? Ich bin es nicht! — Ich ſollte mich erniedern, Und ſollte kriechen, feig’ um Gnade fleh’n, — Das wollten Sie! Sie haben nicht geſiegt. Ich ſiegte, ich! und mich erfreut der Sieg. Daß ich, wie dieſe Väter, vor der Macht Der Volksaufwiegler bebte? Nimmermehr! Wie konnten ſie’s nur träumen? Ha! Noch ſteh 'Ich aufrecht da, und ungebeugt, bin noch Coriolan! Das hebt mich hoch empor! Wenn einſt ich meinen Geiſt, mich ſelbſt verläugne, Dann nennt mich elend — dann — und eher nicht! — Was ſchüttelſt du ſo wehmuthsvoll dein Haupt? Ich habe recht gethan!
Nicht heutigen, Du büßeſt alten Fehl!
Nein, ſag’ ich, nein! Ich habe recht gethan — Es reut mich nicht. Da ſchweiget der Senat, wenn der Tribun Auf Volksgunſt ſich den hohen Thron erbaut — Und thut, als wär’ er blind — Nun immerhin, So mögen einſt die Väter ſich befragen, Was die verbrämte Tunica bedeute —?! Es kommt dahin und bald. Das ſollt’ ich ſehn? — Ich tauge nicht zu dieſem Regiment, Und beſſer iſt’s — ich geh’.
Und ſtürze ſo Die Kinder, Gattin, Mutter in’s Verderben!
Sich gleich zu bleiben, iſt dem Manne Pflicht. — An Jenen denkt, den wir von Rom vertrieben. Er war ein großer Geiſt, und nützte Rom, Und hob es ſehr. Allein, er übte Willkühr! Und Willkühr haß’ ich, übe ſie wer immer — Drum mußt’ er fort! — Den Großen hab’ ich nicht Geduldet; und ich ſollte den Sicin Ertragen? — nein — verachten müßt’ ich mich!
Du zielſt auf den Tribun und triffſt das Volk! Wer tadelt deinen Zweck? — Allein, die Art —
Ja wohl! O hätt’ ich Mährchen doch geſchwätzt26 Im Tone des Agrippa, wär’ ich nur In weiche Thränen weibiſch hingeſchmolzen, Wie dein Valerius; dann hätte mich Dein Lob erfreut. Ich aber ſage dir, Es hätte weg der königliche Ahnherr Dann Ancus Marcius den Blick gewendet Von ſeinem Enkel — dem Entarteten!
Du haſt vergeſſen, Sohn, mit wem du ſprichſt —
Mit meiner Mutter, die nicht fordern kann, Daß ich mich ihrer unwerth zeigen ſoll!
Zu viel!
Ich wiederhol’ es!
Schweige!
Ha! — —
Nun ja, ſo wie du willſt. — Ich werde ſchweigen — Ihr ſchweiget auch. — Dann iſt es hier, recht ſo Wie ſich’s geziemet, wie im Grabe ſtill.
Nehmt Ihr mich auf, ihr Laren! Ihr verkennt Mich nicht.
Coriolan!
Was willſt du, Gute?
Ich theile deinen Schmerz.
Er iſt nicht klein!
Daß mich der Feind verfolgt, der Freund verräth, — Ich war darauf gefaßt. Allein, die Mutter Verkennet mich. Das hab’ ich nicht erwartet!
Weh mir!
Volumnia, warum verhüllt Die Mutter ihr Geſicht?
Damit der Sohn Nicht ihre Thränen ſehe!
Wie, du meynſt — Sie weine! — Nein, die Hohe weinet nicht — O weine nicht! Jetzt, Mutter, jetzt — ich darf Nicht weich jetzt werden. — Nein! Ich möchte ſteh’n Verderben ſendend im Gewühl der Schlacht, Und ſchreyend ſtürmen in die Feindesſcharen,28 Verhauchen ſo die Wuth, die mich verzehrt. Dein Weinen ſchnürt noch enger mir die Bruſt; Ich kann es nicht ertragen — — Mutter! höre! Hab’ ich ſo rauh mit dir geſprochen? — Sieh — Es riß mich fort — du kennſt ja deinen Sohn! — — — Wie einſt dem Knaben, gib mir nun Verweiſe, Gelaſſen will ich bleiben, nichts entgegnen — Nur brich dein Schweigen — mach’ es kurz — vergib!
Komm an mein Herz!
So heilt die Wunde bald, Die du mir ſchlugſt.
Hier fand ich immer Troſt!
O nehmt mich auf in dieſen ſchönen Bund!
Sieh da! Minutius, mein treuer Freund!
Ach ſeht mich nicht ſo freundlich an! Ich komme Als Unglücksbothe.
Recht! Du haſt zur Bothſchaft Die wahre Schwelle dir gefunden. Sprich!
Der Volsker liegt ſechs Stunden nur von Rom. Sein Heer iſt furchtbar. Treulos hat ſich ſchon Der Äquer Macht mit ihm vereint, und heimlich So mancher Stamm bundbrüchiger Lateiner.
Da ſteh’ ich nun die Hand gebunden — muß Es ſeh’n, wie man die hohe Roma höhnt!
Circeji, Bola, Labici, ja Pedum Und Corbio, all’ dieſe Städte fielen Mehr durch Verrath, als unter Waffenmacht. Jetzt naht der Feind Corioli!
Beym Mars! Der Volsker nimmt es nicht! Der nicht! Noch lebt Coriolan. Ich eile fort; ſogleich — Fort nach Corioli! Die Stadt iſt nicht Verlaſſen — Schützen will ich ſie den Römern, Auch ohne Römer ſchütz’ ich ſie! — — Mein Plan Iſt ſchon gefaßt, mein Plan iſt gut! Es freut der Volsker ſich zu früh.
Halt ein! — —30 O hörte doch den Helden nun das Volk! Kaum ſieht er in Gefahr das Vaterland, So hat er all’ das Unrecht ſchon verſchmerzt, Das ihm für ſein Verdienſt zum Lohne ward!
Du mahnſt zur Unzeit mich daran!
Doch, Freund! — — Der Conſul ſendet mich mit einer Bothſchaft — O daß ich ſie verſchweigen dürfte!
Sprich!
Coriolan, dir ward ein hoher Geiſt — Drum zürne nicht — verachte nur die Schar, Die den Tribunen bloß zum Spiele dient. Es ſchwor das Volk — denn Decius geboth’s — Nicht eher woll’ es zu den Waffen greifen, Bis du von Rom dich wegbegeben haſt, Und ſollte ſiegend ſich der Volsker Heer Den Thoren nahen! — Sprich! was wirſt du thun? — Der Conſul, — ſelbſt Sulpitius, — ſie rathen —
Ich könnte geh’n, eh man mich gehen heißt! Ein kluger Rath, fürwahr! Den muß man wohl Befolgen. Sag’ — ich gehe!
Wehe mir! So ſchnell! O weh mir!
Ich Elende!
O klagt und jammert nicht! Ihr ſehet doch — Ich trag’ es ruhig — Und — was iſt’s denn auch? — Ich war ein Bürger hier, und bin’s nicht mehr. Nicht mehr?? — — — Ihr ſeyd mir Zeugen, große Götter! Ich habe mich nicht losgeſagt, ich nicht! Sie ſtoßen mich hinaus, ſie haſſen mich!
Verblendet iſt das Volk!
Wenn Sie mich haſſen? — Mein Haß — er trifft! — er tödtet!! Wie, wer gibt Mir Unrecht, wenn ich laut nun rufe — Ja! Ich haſſe ſie!! —
Mein Sohn!
Ich haſſe ſie!! — Und wenn ich hier nun bleiben wollte? Ha! [D]〈…〉〈…〉[w]ill ich ſeh’n, der mit Gewalt auf mich Z〈…〉〈…〉 d〈…〉〈…〉 ingen wagt — wer wagt’s?
Coriolan, Bezähme dich! Sieh her — die Gattin und Die Mutter — ſie vergeh’n!
Ha, glaube mir, Es wäre beſſer faſt, ich bliebe — Wenn Ich wieder komme — Ja! ich komme wieder! — — Was träumt’ ich da?
O furchtbar iſt er, furchtbar!
Was ſinneſt du? Es ängſtet mich dein Blick.
Der Volsker vor Corioli, und ich Verbannt, verſtoßen, und kein Römer mehr! Ich bin doch noch Coriolan? Ich bin’s! Ich bleib’s! — Vergaßt ihr das? — Das haſt Du ſchlecht gemacht, verfluchter Decius! Ihn treffe Fluch! Mich nicht! Er bringet mich Dahin! Ich muß!
Jetzt weh dir, Vaterland!
Wo denkſt du hin, Minutius? Es ſchlägt Sein Herz für’s Vaterland. — Coriolan!! — Wie? hörſt du nicht, mein guter Marcius? Mein Sohn!!
Corio -Nun, Mutter, nun? was willſt du mir? Was jammerſt du?
Mit mir, mein Sohn! Hierher! Heb’ auf den Blick! Hier hanget noch ein Kranz!
Ja ſo!
Und dieſer Kranz, er preiſet laut Den Retter unſers Vaterlandes!
Nein! Herab mit ihm! herab! — Er iſt verdorrt! Ein Druck der Hand — Hier liegt der Staub!
Ihr Götter!
Daß ich dich nie geboren hätte! — Höre! Wenn du das Vaterland verräthſt, — dann fluch’ Ich dir!
Halt ein! Ihr tödtet mich!
Was ſprichſt
C34Du da vom Vaterland? — Ich habe ja Kein Vaterland! Auch du, Veturia, Du hatteſt einen Sohn — Der hier — er iſt Ein Andrer — fluch ihm nur!
Ihr Laren, hört! Beſchützt mein Haus! Lebt wohl!
Ich zieh mit dir!
Wohin?
Coriolan! Erbarmung! ach Die Kinder!
Sorge ja für ſie! Leb’ wohl!
Halt ein! du brichſt mein Herz! O wehe, Mutter!
Sie ſinkt!
Dein Weib!
Mein Weib!!
Das thateſt du!
Ich nicht!
Ha, Grauſamer!
Sie lebt! zur Rache!
Ihm nach, Minutius! — Volumnia! Geliebtes Kind!
O laß mich ſterben!
Kind! Was würde dann aus mir?
O Jupiter!
Da kommt auch Lucumo! Nun iſt die Kraft Der edlen Volsker hier verſammelt. Keiner Der Feldherren fehlt. Noch früher als die Sonne Kam mein Befehl, der eure Ruhe ſtörte. Ich dank’ euch, Brüder!
Danke nicht! Du biſt Der Herrſcher, wir gehorchen. Nie gedeiht Das Kriegeswerk, wenn unterwürfig nicht Dem Einen Alle folgen. Sprich nur, Feldherr;37 Willſt du zum ernſten Kampf nun unſern Arm? Haſt du zu klugem Rath uns her berufen? Wir ſind zum Rath und Kampf dir ſtets bereit.
O dächte jeder ſo wie du, mein Freund! Dann wär’ es ſüß, zu herrſchen. Doch es drückt, Wie träges Bley, der Würde Laſt mich nieder, Wenn oft durch Zank und Streit die ſchönſte That Mißlingt!
Die Meeresſtille nicht, der Sturm Bedarf des Steuermanns.
Doch muß beym Sturm Ein jeder helfen, und mit aller Kraft! Seyd einig, Brüder! hört, was uns der Feldherr Aus tiefbewegter Bruſt nun ſagen will.
Wir ſiegen! Nie noch drang der Volsker Macht So ſchnell auf Feindesboden vor! Allein Der Kriegesgott, der unbeſtändige, Zieht bald vor dieſem, bald vor jenem her, Und Niemand ſoll auf ſeinen Schutz vertrauen. So denk’ ich; — frag’ euch nun, ob wir, noch ferner Das Vaterland dem Ungefähr vertrauend, Austoben laſſen wilde Kriegeswuth — Wo nicht, ob wir als Sieger jenen Ölzweig Dem Feinde reichen, den das ſtolze Rom38 Nur zum Verderben den Beſiegten gibt! — Nun laßt den Sturm in eurem Buſen ſchweigen; Im Kampfe leuchte Haß, die Ruh’ im Rathe.
Ihr Führer, hört! Nicht will ich euren Schluß Verzögern. Eines ſend’ ich nur voraus. Wenn feige Friedensbothſchaft ihr beſchließet, Mich wählt ja nicht zum Bothen!
Sorge nicht! Im Rathe ſitzt noch Mancher, dem, wie dir, Mit Kraft das Wort von heißer Lippe ſtrömt! Aus dieſen wähle Tullus ſich den Bothen!
Er wähle mich!
O träfe dich das Loos, Daß du mit mir die gleiche Schmach erführeſt. Ihr wißt es alle! Schnöde hat man mich Behandelt! Warten ließ mich der Senat Drey Tage lang, — und, als man mich berief, Ich reden wollte — ſchweigen mußt’ ich da! » Wenn einſt auf Roms Gebiet kein Volsker mehr » Die Lanze ſchwänge, ſollt’ ich wieder kommen; » Eh gönne Rom dem Feinde nie Gehör. «
Sie ſind beſiegt, ſie werden milder ſprechen!
Du kannſt dich irren.
Nun, ſo bleibt es ein Verſuch, und Alles ſteht, wie vor.
Mag ſeyn, Daß du ſo denkſt. Ich aber ſollte meynen, Ein edles Volk, das doch die Volsker ſind, Sey mehr gekränkt durch den Verluſt der Ehre, Als durch verlornes Heer und Land! — So denk’ Ich Lucumo! Doch Andre denken anders!
Man iſt bey dir des Übermuths gewohnt!
Der hält die höh’re That für Übermuth, Dem bang’ ein ſeiges Herz im Buſen ſchlägt.
Das wagſt du mir zu ſagen? Ja, ſo ſchmäht Er jeden, der Verläumder, ungeſtraft! Ich denk’ es nicht zu dulden. — Höre, Feldherr: Entweder bändigſt du die Stachelzunge Des frechen Mannes, oder ſey gefaßt, Daß ich zurück mit meinen Völkern ziehe. Mich lockte Kriegesruhm zu dir in’s Feld, Doch Schmähung wird der heißen Arbeit Lohn.
Verſöhnt euch, Brüder! Denkt, daß unſer Zwiſt Den Römern ſtets gewiſſen Sieg bereitet.
Seyd einig! Wie erreicht ihr ſonſt das Ziel? 40Noch winkt es nur aus weiter Ferne her. Wohl iſt es gut, daß ihr euch, Volsker, fühlt, Allein den Sieg genießt als Nüchterne, Verſteigt euch träumend in die Wolken nicht. Vergeſſet nie, was noch zu thun verbleibt. — Wir ſiegten zwar, doch über Haufen nur. Noch kam die Kraft von Rom uns nicht entgegen; Sie wird nun bald erſcheinen. Ziehet dann Einher vor ihr mit Macht Coriolan, Der Schreckliche, — wer weiß, ob nicht der Muth Den Völkern ſinkt? Vor ſeinem Namen bebt Der Krieger, denkt beſorgt an Rettung nur, Und nicht an Sieg — wer hat es nicht bemerket?
Kein Wunder auch, da ſelbſt der Volsker Feldherr Von ihm ſo tönend ſpricht. O führte Mars Mir dieſen Halbgott Einmal nur und bald Entgegen, — färben ſollte ſich mein Schwerdt Sogleich mit ſeinem Blut’, auf daß ihr ſähet, Wie gar nicht furchtbar dieſes Schreckbild ſey, Vor dem ihr feig’ erſtarret. O der Schande!
Du ſchmähſt den Feind; die niedre Zuflucht laß Den kleinen Seelen. Nie gewähret ſie Gewinn. Wie? über einen ſchwachen Feind Zu ſiegen, bringt’s wohl Ruhm? — doch, fällſt du hin — Dann ſchändet doppelt dich die Niederlage.
Und wer iſt dieſer Mann, den du ſo ſchmähſt? Ich habe viele Kriege mitgekämpft, Der Helden viele hab’ ich angeſtaunt, Der Unſrigen ſowohl, als auch der Römer. Allein, mit ihm ſoll keiner ſich vergleichen; Auch du nicht, Freund, ſo tapfer du dich rühmſt. Noch ſeh’ ich ihn, den Furchtbarwüthenden, Wie er, dem Titan gleich, der den Olymp Erſtürmt, den Felſen von Corioli Aufklimmt, Verderben, Tod um ſich verbreitend; Daß vor dem Wehgeheul, vor Siegsgeſchrey Das Echo von den Bergen wiederhallt! Wie er ſodann, den Unſern auf dem Rücken, Einſtürmet in das offne Thor der Stadt, Der Wunden nicht, und nicht des Blutes achtend; Mit Donnerruf’ den Muth der Seinen weckt, Bis nach der Römer Heer gedrungen iſt, Und ſeiner Macht die hohe Stadt ſich neigt!
Das kannſt du wiſſen, denn du warſt dabey!
Ich ſah’s!
Und wurdeſt — glaub’ ich — auch gefangen?
Gefangen, ja; noch mehr, durch ihn befreyt. 42Ich ſag’ es offen, was du hämiſch deuteſt. Verblutend fiel ich hin auf meinen Schild, Da fand er mich, und ließ mir Pflege reichen. Und als Cominius, der Römerfeldherr, Die Beute thürmen ließ, vor unſrer Stadt, Von allem Reichthum jeden zehnten Theil Dem Marcius beſtimmte, — ſieh, da trat Der Mächtige hervor, und rief zum Heer: » Was ſoll mir Erz und Gold?! Gebt mir ein Pferd! » Laßt mir Volturio! « Und als das Heer Lautjauchzend ihn » Coriolan « begrüßte: Da nahm er meine Hand, ſo wie ein Gott, Und rief: » Er war mein Gaſtfreund, er ſey frey! « — So wurd’ ich frey! Ihm dank’ ich es, dem Edlen!
Und du kannſt dulden, Feldherr, daß man hier Durch Feindeslob den Kriegesrath verhöhne??
Wer Edles an dem Feinde noch verehrt, Der zeiget ſelbſt ein edles offnes Herz!
Viel beſſer wär’s, du zögſt dich ganz zurück, Da du dem Feinde dich verpflichtet haſt.
Das wiederhole nicht!
Die Läſtrung ſoll Dich reuen! Schmähet man die Feldherrn ſo?
Laßt mir die Sorge! Denn — bin ich gleich alt, Noch hab’ ich Kraft, Verläumder zu beſtrafen.
Volturio, ſey ruhig! Lucumo, Bedenke, wen die Stachelrede traf! Bemeiſtre deinen Zorn, und ſey gerecht. Vor jedes Volskers Blicke lieget klar Des wackern Greiſes ſchöner Lebenslauf, Mit Ruhm bekrönt, des Danks der Enkel werth.
— Es wägt der Zorn die ſchnellen Worte nicht. Doch Eifer war es für das Vaterland, Der jene bittre Rede mir entriß; Und ſo vergibt ſie gern ein edler Mann, Für den Volturio — mit Recht ſich rühmt.
Sieh da, Tribun! was führt ſchon jetzt dich her?
Der Dienſt! Ich hatte früh mich aufgemacht, Umging die Wachen, nahm das Looſungswort Den Völkern ab, und alles war in Ordnung! Doch als ich nun bey’m erſten Thore weilte, Erſchien vor ihm ein Römer, — unbewaffnet, Das Haupt im Regenmantel tief verhüllt. Von allen Wachen ſtarrten rings umher44 Sogleich entgegen ſeiner Bruſt die Speere. Doch unerſchrocken ſtand er da — gebot! » Zum Feldherrn führt mich hin, zum Attus Tullus! « Und ſonſt kein Wort, ſo ſehr man auf ihn drang. Ich ließ ihn vor dem Zelte.
Sahſt du recht? Ein Römer wär’s?
Und zwar der Edlen einer! Als dieſen zeiget ihn der feſte Gang, Mit dem er ſtolz und kühn den Boden tritt; Noch mehr die Miene, die weithin gebietet. Sein ganzes Weſen ſtrahlt von hoher Größe; — Sein Auge blitzt! Ha, nirgends ſah ich noch Solch’ einen göttergleichen Mann!
Was dünkt Euch, Feldherrn?
Sonderbar! Will Rom ſich fügen, Und ſendet zum Vertrag den Friedensbothen?
Er hätte dann als ſolcher ſich gemeldet. Geh, Marcus; ruf’ ihn her. Ich bin begierig. Tribun! mit Anſtand; hörſt du?
Ja, mein Feldherr!
Ha! ſeh’ ich recht?
Coriolan!
Er iſt’s!
Ihr irrt euch nicht. Der bin ich, den ihr meynt; Ich bin Coriolan!
Verfluchter, falle!
Zurück!
O laß dein Schwerdt in Ruh’! Ich bin Euch nicht mehr furchtbar!
Ha, Verwegener!
Was ſuchſt du, Römer, unter Volskern?
Höret! Ich war ein Römer, bin’s nicht mehr. Ich habe46 Nicht ſelbſt mich losgeſagt. — Sie trieben mich Hieher. Verbannt bin ich — Sie treffe Fluch!
O welche Schmach!
Ha, Knabe, nichts von Schmach, Daß du nicht ſchnell das flücht’ge Wort bereueſt. Sie werden mich, nie werd’ ich ſie vermiſſen, So lang’ ein Hauch die Glieder mir belebt!
Dein Wort war gut gemeynt, doch ſchlecht gewählt.
Ihr mächt’gen Völkerführer, edle Volsker! Es zucket euer Blick von mir hinweg! Ich kann’s nicht tadeln; denn, bey’m blut’gen Mars, Mein Anblick wecket euch ein gräßlich Bild! Oft ſtand ich Männerwürgend unter euch! Der fluchet mir, dem Mörder ſeines Vaters, Und der beweint den Sohn, den ich erſchlug! Nur unter euren Leichen fand ich Raſt, Wo ihr mich ſaht, da ſaht ihr auch den Tod! Doch blicket her, ihr edlen Völkerführer, So ſehr auch euer Herz von mir ſich wendet, O blicket her! Entblößen will ich nun Die Bruſt; ſie iſt der tiefen Wunden voll, Von euch geſchlagen, und für Sie empfangen; Für Sie! — Sie ſind ein undankbares Volk! 47Ich wies mich Ihnen auch, ſo wie ich bin Für Sie zerſchlagen hier — und hier — und Sie — Sie ſahen’s kalt! — und doch entfloß ſo heiß Mein Blut — es kam aus treuem Herzen, — — — o, Mein Herz, es glühte für das Vaterland! Die Feinde wußten’s und ihr, Volsker, auch; Sie ſchienen’s nicht zu wiſſen, nein, Sie nicht! Sie haſſen mich, und ſchelten mich Tyrann! O hätten dieſe Wunden doch nur Stimme, Um aufzuſchreyen zum Olymp um Rache, Daß dann ergrimmt der Donnerer den Blitz Hinſchleuderte auf der Verfluchten Haupt!
Wenn Römer ſo mit ihren Helden handeln, Was darf der Feind von Ihnen ſich erwarten?
Sehr wohl bemerkt! Kein Wort vom Frieden mehr!
Was ruf’ ich doch der Götter Beyſtand an? Hat dieſer Arm nicht Kraft? Erloſch mir etwa Mit meinem Bürgerrecht der Muth? O nein! Beym Mars! Ha, büßen ſoll’s die niedre Brut, Und ſchwer! ſonſt wagte ſie’s wohl gar zu ſagen, Wenn man von mir und meinen Thaten ſpricht: » Als Römer war er groß — für ſich allein » Iſt er ein ſchlechter Mann « — Gefehlt! das duld’ Ich nicht! eh duld’ ich alles! Ha — dies Feuer! —48 Verzehren ſoll’s mich nicht! Ausbrechen will’s! Ausbrechen ſoll’s!
Nun Glück und Heil den Volskern!
— — Ermüdet nicht auf mich zu ſchaun, ihr Volsker! Denn einen Anblick will ich euch bereiten, Daß ihr vor Götterwonne ſchauern ſollt, Wenn ihr mich haßt, den Schrecken eurer Heere. Wer menſchlich für mich fühlt, der ſehe zu, Daß ihm das Herz vor Mitleid nicht zerſpringe. Coriolan hat nie gefleht, noch nie! — Hinab, du ſtolzes Herz! — Nun ſehet, Volsker, Ich werfe flehend mich zur Erde nieder, Umfaſſe nun den heiligen Altar! — — Ha Rache! blut’ge Rache gönnt mir, Volsker; Wo nicht — wohlan — hier iſt mein Herz! durchbohrt’s!
Coriolan! Steh’ auf! Nimm meine Hand! Den Volsker ehret dein Vertraun! Steh’ auf!
Biſt du der Tullus, den ich ſchmähend oft In heißer Schlacht aufrief zu Kampf’ und Tod?
Ich bin der Volsker Feldherr, der nunmehr An ſich nicht denket, nur an’s Vaterland! Nimm meine Hand, und richte dich empor!
Corio -Bey’m Jupiter, du biſt ein edler Mann! Vertrauend faß’ ich deine Heldenhand.
Dadurch, daß du dich nun den Volskern ſchenkſt, Gibſt du weit mehr, als du genommen haſt. Volturio! — Sieh deinen Freund — Er iſt Auch meiner! Glücklich möge dir die Freundſchaft Bald jeden Argwohn aus der Bruſt verbannen. Ihr, Brüder, folget mir in jenes Zelt.
O mein Volturio! dich haben Götter Zur guten Vorbedeutung mir geſendet, Denn mehr als je bedarf ich nun des Freundes.
Ich kann mich kaum vor Wonne faſſen, Freund! Du biſt nun unter uns, der Unſern einer!
Was ſageſt du? Ich möchte dich nicht täuſchen: Ich bin Coriolan, und bin mit euch, Doch nicht der Euren einer, — zwar wie ihr Ein Römerfeind, doch datum noch kein Volsker. Könnt’ ich ein Volsker ſeyn, wie ich vorher Ein Römer war! — — Das iſt’s gerade. — Nun,D50Die Zeit kann viel! Und dann, euch gilt es gleich; Ich will mir Rache ſchaffen, die euch nützt. Das hält uns nun verbunden — Das genügt; Doch beſſer, wäre beſſer —!
Laß mich hoffen, Du ſähſt in mir den Freund, nicht bloß den Volsker.
Ich ſagte ja, daß deiner ich bedürfe. Es thut dem Fremdling wohl, ſich an ein Herz Zu ſchließen, das ihn liebt und ehrt! — Und ehrt! Das iſt der Punkt: ob du mich noch ſo ehrſt, So ehren kannſt, wie vor.
Welch’ eine Frage!
Sie kam aus meines Herzens tiefſter Tiefe! Der Menſch vollbringt nur ſelten, was er will, Thut meiſtens, was er muß! — Ob das, was ich Nun muß, du Recht benenneſt oder Unrecht? Das iſt die Frage. Sieh, du mußt nicht glauben, Daß ich darum dich tadle, wenn dein Herz Des Unrechts mich beſchuldigt. O mein Freund! Weiß ich doch ſelber kaum, woran ich bin. Mich jagt ein wilder Sturm — ich fühl’ es wohl!
Wie, Freund? Den Feinden feindlich zu begegnen — wer Vermag’s zu tadeln?
Ja, ſo ſag’ ich auch!
Sie haben dich von jeder Bürgerpflicht Nun gänzlich losgezählt.
Nicht wahr?
Du mahnſt Sie nur an ſchuld’gen Dank!
Volturio! Du haſt mich neu belebt. Das ſagt’ ich mir, Als ich vor eurem Lager zweifelnd ſtand. Ich will ſie ganz aus meinem Herzen reißen, Auch ihren Namen, den ſie nur entehren. Steh mir zur Seite, Freund! Beſchleicht mich wieder Ein düſtrer Augenblick, ſo ſprich mir zu. Du wirſt es ſehn. Nicht lange werd’ ich’s dulden, Daß mich, wie einen ihrer blöden Sklaven, Gewohnheit an dem Gängelbande leite. Ich reiße los — dann iſt mir wieder wohl.
Coriolan! vernimm, was dieſer Rath Der Volskerfeldherrn nun mit mir beſchloß. D 252Ein jeder ehret deine Kriegserfahrung, Und deine Tugend, deinen Heldenmuth; Drum wünſchet jeder, dieſen Herrſcherſtab Sogleich in deiner tapfern Hand zu ſehen. So lange noch der Krieg das Heer der Volsker Im Felde hält, wird jeder, auch der Beſte, Dir unterwürfig ſeyn. Dein weiſer Wille Iſt ihr Geſetz — Du herrſcheſt unumſchränkt. — Ich aber lege meine Würde nieder, Die oft mich drückte, ſelten mich erfreute, Und bin entzückt, in ſtärkern Händen ſie Zu wiſſen. Heil dem Vaterland! So ruf’ Ich nun. Mein Herz erfreuet ſich! Ich ſehe Das ſtolze Rom gebeuget! Heil den Volskern! Und Heil auch dir! Du ziehſt bald im Triumph Als Sieger ein in unſrer Väter Stadt. Wenn alles freudig jauchzt, dann hebet mich Mein ſtilles Selbſtgefühl; dann denk’ ich mir: Dem Edlern weichen, iſt ein ſeltner Ruhm! — Und ſo entſteig’ ich nun dem Tribunal, Und nahe dir, mein Feldherr, mein Gebieter! — So wie ich, deine Rechte nun ergreifend, Dir ehrfurchtsvoll Gehorſam angelobe, Sieh, ſo gelobt ein jeder!
Wir geloben!
Und nun erfreue, Feldherr, deinen Rath! 53Erhebe dich zum Tribunal, und nimm Den alten Herrſcherſtab als Völkerhirte!
Ihr Volsker, hört! Ich nehme dieſen Stab, Und ruf’ euch zu: Erfreuet euch! wir ſiegen!! — Doch allſogleich entfallen laß’ ich ihn, Wenn euer edler Tullus nicht mit mir Der Herrſchaft Laſt und Ruhm, nach gleichem Maß, Nach gleichen Rechten, theilt.
Getheilte Herrſchaft Gedeihet nie. Der Volsker will ſie nicht.
Und ich nicht euren Stab, bey’m Herkules! Stellt mich in’s Glied und gebt mir Schwerdt und Spieß! Macht, wenn ihr wollt, mich zum Centurio! Gebrauchet meinen Rath, wie’s euch beliebt, — Wenn meiner Rache nur ein Opfer fällt, Von Römerleichen, durch mein Schwerdt gehäuft!
Wohlan, ſo theilet unter euch das Heer. Wir ſechs verbleiben bey des Tullus Fahnen — Ihr ſchließt euch an den Marcius. So werden Sich gleicher Macht dann beyde Feldherrn freuen.
So thut! Der Eintracht ſeyd ihr ja verſichert.
O ſäume nicht, mein edler Tullus! komm! —
Wohlan, es ſey! Ich füge mich dem Rufe!
Nun holt den Prieſter mit der Eydesformel; Die Feldherrn müſſen ihren Bund beſchwören.
Ich gab mein Wort. Das wird euch doch genügen? Wer zweifelt noch? Ich ſtehe meinem Worte. Ein jeder weiß es, jeder, Freund und Feind! O zweifelt nicht! Nicht gerne möcht’ ich mir Von euch das Schlechte denken. Wahrlich nicht! Doch müßt’ ich. Denn, wer Andern nie vertraut, Dem ſchlägt wohl ſelbſt ein treulos Herz im Buſen.
Der Sprache war der Volsker nie gewohnt.
Er wird ſich dran gewöhnen, du zuerſt! Beym Herkules! wo du dich noch erkühnſt Vorlaut und frech den Feldherrn einzureden, So fällt uns durch das Beil ſogleich dein Haupt! Darum kein Wort! An Untergebenen Bin ich der Frechheit nicht gewohnt. Das duld’ Ich nicht!
Verdammt!
Aruntius! Der zähmt Mit Kraft des ſtolzen Mannes Übermuth!
Wohl gut, ſo lernt er ſchweigen, der Verhaßte!
Coriolan! Daß jeder dir vertraut, Beweiſt der Ort, auf dem du herrſchend ſtehſt. Doch alte Sitte heiſcht den Bundeseyd, Der du gefällig wohl dich fügen könnteſt.
So ruft den Prieſter her!
Hier naht er ſchon.
Sind eure Hände rein, ſo tretet feyernd Vor den Altar, und ruft die Götter an!
O Jupiter, du beſter, größter, höre!
Ihr Götter zu der Volsker Schutze, höret!
Ihr Mächtigen, ſeyd dieſes Bundes Zeugen! O ſeyd uns nah! Wir rufen euch!
Wir rufen!
Ein enges Bündniß hat nun hier geſchloſſen Der Völkerführer Attus Tullus mit Coriolan. So wie’s beſchloſſen ward Hier unter ihnen ohne Trug und Falſch, So mag es feſt und ewiglich beſtehen, Bis ſie der Tod entbindet.
Es beſtehe!
Und es gedeihe dieſer feſte Bund Dem ganzen Volk der Volsker und auch ihnen, Zum Heile, Glück und Segen!
Er gedeihe!
Sie rufen euch, ihr Untergötter, auf, Die ihr den Meineyd furchtbar rächt!
Wir rufen!
Und wer den nun beſchwornen heil’gen Bund Der erſte bricht, — es ſey nun offenbar, Es ſey verborgen, mittelſt arger Liſt, — Den ſtraft, ihr Götter, und er falle hin! Er falle hin, ſo wie das Opferthier Des Opfers Streichen fällt!
Er falle hin!
Gedenkt nun eures Bunds! gedenkt des Schwurs!
Heil dem Coriolan! dem Tullus Heil!
Es iſt geſcheh’n!
So düſter, Marcius!
Haſt du den Eyd gehört, Volturio? Ein jeder Eyd iſt furchtbar. Dieſer aber Hat mich im Innerſten erſchüttert. Ja, Der Prieſter drohte dumpf: » bis ſie der Tod » Entbindet « war’s nicht ſo? » bis mich der Tod » Entbindet! « Ich zur Antwort: » Es beſtele! « Bis in den Tod? — — Das kann noch lang währen!
Wie? Hat dich Rom auf ewig nicht verbannt?
So mag dann ewig meine Rache ſeyn! He, Waffen her! Zum Aufbruch gebt das Zeichen! Und nehmt den Eyd den Kriegern ab. He Waffen!
Wohin beordern wir das Heer?
Hin nach Corioli — wir ſtürmen, und es fällt!
Und dann?
Sogleich vor Rom!
Lavinium?
Bleibt eingeſchloſſen liegen. Nur vor Rom, Eh ſie vom erſten Schrecken ſich erholen. Der Schnelle ſiegt! Das merkt euch, Völkerführer!
Und was hernach, wenn wir vor Rom dann liegen?
Dann ſind wir Sieger, und befehlen ihnen, Herauszugeben all’ das Land, was einſt Der Vols[k]er war, und nun der Römer iſt.
Und wenn ſie ſich nicht beugen?
Ha! Sie müſſen!
Und wenn der ſtolze Römer ſich nicht beugt?
Er muß! Denn, Stolz gen Stolz! Wir weichen nicht!
Und bleiben müßig liegen?
Nein! wir ſtürmen!
Und was hernach, wenn Rom erobert iſt?
Und was hernach? — Und was hernach?? — Wer denkt Daran? Ich mag daran nicht denken — — jetzt Noch nicht! — Auch wär’s nicht gut, ich dächte nur Daran. — Nach Rache dürſt’ ich! Rache will ich! Mag dann erfolgen, was da will. Wer weiß, Was folgt? Wer weiß es? — Wußt’ ich’s wohl, daß ich Mich unter euch je finden würde? Doch Geſchah’s! Mit meinem Willen nicht, das dürft Ihr glauben!
Sonderbar, und doch geſchah’s!
Wie, Marcius? bereuſt du ſchon den Bund?
Bereuen? ha! Die Reue foltre den Verbrecher. Nein! Auf meiner Seite ſteht Das Recht! Nicht wahr, Volturio? — He, Waffen! Daß auf dem Helme furchtbar, weithindrohend, Der Buſch ſich hebe! Ha, ſie ſollen ſeh’n, Wo Jener ſteht, der das Verderben ſendet!
Hier ſind die Waffen!
Gebt ſie her! Nur ſchnell!
Ein andres Schwerdt. Das tauget nicht zum Stich! — Du biſt noch jung!
Doch floß mir altes Blut!
Und ſchon Tribun!
Und erſt Tribun! ſo ruft Der Krieger, ſeit mir Pedum fiel!
Wie, Freund! Haſt du wohl Muth?
Das fragt mich außer dir Beym Heere Niemand! Laß erſt einen Tag An deiner Seite, Feldherr, mich verkämpfen; Er ſoll dir Antwort auf die Frage ſeyn!
Hier meine Hand! Sey mein Legat! — Den Helm!
Beym Mars! Nie ſollſt du deine Wahl bereu’n!
Zehntauſend zählet ihr an Schleuderern! Die Hälfte wird zu dem Gepäck verwieſen. 61Beym erſten Angriff ſtürzen ſie zurück, Und bringen oft den Phalanx ſelbſt zum Weichen. Ja, ſo verlort ihr manchen blut’gen Tag!
Wie ſteh’n wir dann der großen Übermacht?
Durch euch! durch mich! durch Muth und Kraft und Stärke! Durch Schleud’rer ſiegt man nicht!! — Wie ihr ſo ſchwer Euch überzeugt, daß nicht die todte Zahl, Daß nur der Krieger Muth, der Führer Weisheit Dem Heere Kraft, der Kraft den Sieg verleihe! Es bleibt dabey. Der Schleudrer zieht zurück. Du wachſt darauf; Legat!
Sehr wohl, mein Feldherr!
Und nun mein Schwerdt! Gezogen iſt’s!! — — — Kein Gott Bringt es zur Scheide mehr zurück. Bald wird’s Vom Römerblute dampfen! Auf, ihr Volsker! Mit Muth an’s blut’ge Werk! Euch naht der Sieg! Entfeſſelt nun den Haß in eurer Bruſt! Das Looſungswort iſt Rache! fort!
Verderben! Rache!
Heil dem Coriolan!
He, Marcus! Marcus! Nun vor die Stadt! Den Krieger ſtellt zum Marſch! Wir brechen weiter auf, und ſteh’n vor Rom, Eh ſich in’s Meer die Sonne ſenket.
Gnade!
Was heult ihr da? Euch wird kein Leid geſcheh’n! In ſeine Wohnung jeder! Fort nun alle! —
Noch eines, Marcus!
Was befiehlt der Feldherr?
Laß ehe noch die Krieger Nahrung nehmen. Reich’ ihnen Wein, daß ſich ihr Herz erfreue; Dann fort nach Rom.
Der Krieger wünſchet Ruhe! Nur einen Tag! Er iſt ermattet.
Wie? Du träumſt! Ein ſiegend Heer ermattet? Sage, Der Feldherr kenne beſſer ſeine Krieger, Und wiſſe, daß nach Kampf ſie dürſten.
Wohl!
Heil dem Coriolan! dem Sieger Heil!
So recht! Laßt euer Siegsgeſchrey empor Zum Himmel ſchallen. O nun bin ich glücklich! In jeder Ader wirbelt mir die Luſt. Triumph! Die ſüße Rache naht!
Triumph! Triumph!
Triumph!
Und niemand ruft dem Tullus! Auch er iſt Sieger, wie Coriolan!
Dem Tullus Heil! Heil dem Coriolan!
Dem Tullus Heil! — Laßt mich herab, ihr Brüder!
Komm, edler Attus Tullus, und beſteige Mit mir das Tribunal.
Du höre, Freund! Vom Thore bis hieher zum Feldherrnſitz Stell’ in zwey Reihen mir die Krieger an, Mit vorgeſtrecktem Speer, — daß Roms Ge - ſandte Sogleich die Furcht befalle, wie ſie nahen. — — Der Römer ſoll noch zittern, ſag’ ich euch! Auf offnem Platze wollen wir ſie hören, Die Flehenden, die erſt ſo trotzig waren. Ihr, Volskerfeldherrn, bleibt um mich verſammelt! Es ſoll ein Feſt für hohe Götter ſeyn. — — O könnt’ ich ſie noch länger warten laſſen!
Att.Die Sonne ſteht ſchon hoch — Es dringt die Zeit!
Sie waren da, noch eh der Sturm begann.
Die Götter lohnen dir das Wort, mein Freund! Noch eh der Sturm begann? Sie waren Zeugen? O das iſt gut! iſt herrlich! Eh der Sturm Begann!! Volturio! Jetzt laß ſie vor! Das gibt mir nun die wahre Stimmung! Laß Sie vor.
An dieſer ernſten Stunde hangt Der Volsker Heil!
Und meine Rache! — Beydes Vereint ſich glücklich! Unbeſorgt, ihr Bruder! Denn eh’ entführtet ihr der Hölle Schlund Den Cerberus, als meiner feſten Bruſt Den eiſernen Entſchluß.
Hier nah’n ſie ſchon!
Roms Edelſte — ja ſelbſt der Pontifex! Sie müſſen ſehr ſich fürchten — Seht nur hin!
Von Rom Geſandte hör’ ich? — Nun, ſo ſtumm?! Macht kurz und ſchnell! Denn koſtbar iſt die Zeit!
Coriolan!
So heiß’ ich ja! Zwar nicht, Wie vor, durch Römergunſt; doch heiß’ ich ſo. — Was wollt ihr dem Coriolan?
Wir ſind Geſandt —
Wenn Frieden zu vermitteln, hört! Nicht eher weicht der Volsker aus dem Felde, Bis Rom all’ jenes Land, und mit dem Land Zurück die hochgethürmten Städte gibt, Die nur Gewalt den Volskern vorenthält. Einſt war der Volsker ſchwach, der Römer ſtark — Nun iſt das Gegentheil, wie ihr es ſeht. Drum möget ihr euch fügen; ja nicht zandern, Die Rettung auf dem ſchmalen Wege zu Ereilen, der noch offen ſteht. Sonſt dürfte Sich dieſer auch verſchließen, und ihr würdet67 Umher vergebens nach dem Retter ſchau’n, Wenn ich mich lagre vor den Thoren Roms. So ſagt dem Volk’ und ſagt es den Tribunen: Es naht den Mauern ſich Coriolan, Coriolan, der jeden Fleck wohl kennt, Wo Rom verwundbar iſt, und ihn auch trifft! Drum eilt, damit nicht ſchneller als der Bothe Der Schrecken meiner Gegenwart ſie noch Befalle. Schweigt und geht! All’ euer Reden Erſchüttert nur die Luft. Geht, ſag’ ich! eilt!
Coriolan! Das Völkerrecht gebietet, Geſandte zu vernehmen. Selbſt Barbaren Verehren dieſes Recht —
Wie? darf der Römer Von Rechten ſprechen? er, der ſie ſo frech Verhöhnt? — Ich ſeh’s an mir, wie dieſer Pöbel Das Recht verehret.
Laßt uns geh’n!
Ein Wort! — — Was ich nun Rauhes ſprach, das galt nur Rom, Nicht euch. Denn manchen Edlen ſeh’ ich hier, Dem ich zu Lieb’ und Dank verpflichtet bin. Vor allen dich, Minutius, du Treuer! Und dich, Sulpitius, Verehrungswerther! E 268Kann ich euch nützen — ſprecht — ich will es gerne. Nur Frieden fordert nicht, ſonſt fordert alles.
Ihn zu vermitteln ſind wir auch nicht hier. Es reichet Rom zum Bunde nicht die Hand, So lange Roms Gebiet der Feind entweiht. — Du haſt wohl ſchnell den Römerſinn verlernt, Sonſt wüßteſt du, daß in dem Felde nie, Nur vor den Vätern ſich der Flehende Den Frieden als Geſchenk erwarten darf.
Ha, Tullus, dieſer Trotz!
Coriolan Wird dieſen Trotz von ſelbſt zu beugen wiſſen.
Ihr Freunde! zürnt dem wackern Manne nicht. Er hat ein gut Gedächtniß, und ihr wißt, — So ſtand’s in Rom, wie er ſich wohl erinnert; So ſtand’s! — Er füget ſich nur ſchwer darein, Daß nichts mehr gelten ſoll das Ehedem.
Was wollt ihr noch, wenn ihr nicht Frieden wollt?
Dir ſagen, daß die heil’ge Roma nun Nicht ob der oft beſiegten Volskerſchar, Auch nicht aus Furcht vor deiner Waffenmacht, Ob dem Verrath des eignen Sohns allein69 Ihr hohes Haupt in tiefe Trauer hülle; Weil keine Thräne dieſe Schande löſcht, Mit der du grauſam ihren Ruhm befleckſt. Sie rufet dich durch uns zur Pflicht zurück. Verhöre doch der Mutter Stimme nicht!
Hinausgeſtoßen hat ſie mich mit Schmach Als einen Fremden, nicht als einen Sohn! Wie ſie mich nicht als ihren Sohn erkannte, Erkenn’ ich ſie auch nicht als meine Mutter — Sie hat von aller Pflicht mich losgezählt.
O mein Coriolan! — als Römer nicht, Ich ſpreche nun zu dir als Freund ein Wort. Vergebt mir’s, Brüder! ach! mich drängt das Herz. — Mein Marcius! die Väter lehrten uns: » Den Freunden Gutes thun, den Feinden Böſes « Das ſey ein heiliges Naturgeſetz; So üb’ es Menſch gen Menſch und Volk gen Volk, Und unter unvernünft’gen Thieren ſelbſt Manch edleres Geſchlecht. Wer wurdeſt du, Mein Marcius! daß du ſo ganz auszogſt Der heil’gen Menſchheit tiefſte Weſenheit, Um nun der blinden Wuth den Zügel frey Zu laſſen, unbekümmert, wen ſie treffe, Ob es der Freund, ob es der Feind wohl ſey? Denn, ſage mir, Coriolan! was hat Der Väter hohe Schar an dir verbrochen,70 Daß du ſie feindlich überfällſt? — Fürwahr! Sie ſtanden dir zur Seite jederzeit, Und nicht gebilligt haben ſie das Urtheil, Durch das du nun dein Vaterland entbehrſt. Wie drohet deine Rache wohl mit Recht Dem ganzen Volk? O nein, beym Herkules! Denn nur zwey Stimmen haben dich verbannt, Zehn Tribus ſprachen dich ja frey. Und höre! Wenn Haß allein dem Haß mit Recht begegnet, So dürften Wen’ge nur das Urtheil büßen. Es blicket mitleidsvoll der große Mann Von ſeiner Höh’ auf das Geſchlecht der Menſchen: Wie es, ein Sklave blinder Leidenſchaft, Ein ſichrer Raub des Irrthums, ſchnell beſchließt, — Was es dann bald und lange Zeit bereuet. O Marcius! o großer Mann ſo hebe Auf deine Höhe dich, und ſchau’ und ſage: Iſt’s nicht ein trunknes, aufgereiztes Volk, Dem du ſo zürneſt? — Wahrlich! Mitleid würde Der Ehre mehr dir bringen, als die Rachgier. Drum gönn’ uns Stillſtand, laß die Waffen ruh’n. Du wirſt es ſeh’n, vom Taumel ſchon erwacht Ruft ehrenvoll dich bald das Volk zurück.
Beym Jupiter! Wär’s nicht Minutius, Der all’ die ſchlauen Worte künſtlich webte, Den Sprecher müßt’ als meinen Todfeind ich Vernichten! Wie ein Opferthier, gedenkt71 Ihr ja mich hinzuſchleppen zum Altar. Ich ſoll nach Rom? Das Volk beruft mich wieder?. Ich glaub’s, weil Angſt nun ſeine Kehle ſchnürt. Was ſoll ich dort? Die Macht der Volkstribunen Staubleckend auch verehren, mich erniedern? Ihr mögt das thun! mir muthet’s ja nicht zu! Wer ſchützet mich, wenn ſie nun wieder wüthen, Roms Bürger alle gegen Einen Mann? Hat der Senat mir wohl den Schild gereicht? Ich focht für ihn, und ſtand zuletzt allein! Wenn der Senat nicht wollte, wie’s mir ſcheint — So trifft gerecht ihn meine Rache, wie Das Volk. Und ſchämen ſich die Väter nicht, Die Ohnmacht zu bekennen, die ſie drückt, So ſey vertilgt das wilde Regiment, Das Schändliche, wo nur der Schlechte herrſcht, Der Gute kriechen ſoll! — Hinweg mit ihm! Es ſteht ein Schandpfahl für die Menſchheit da! — » Die Freunde lieben und die Feinde haſſen « Ich denke ſo, wie du, Minutius; Ich haſſe ſie, die unrecht mich verfolgten, Und liebe dieſe Volsker, wie mich ſelbſt, Die mich, den Feind, gleich einem Gott’ empfingen. Die That ſoll Ihnen meinen Dank beweiſen! — Ihr wißt nun freylich nicht, was danken heißt!
Wie Dolche ſchneiden dieſe ſcharfen Worte Mein blutend Herz von deinem Herzen los! 72O Marcius! Wohl war es ehmals anders, Da wir beyſammen ſaßen an den Gräbern Der großen Väter, ihrer Thaten froh, Den Bund beſchloſſen, ihrer werth zu ſeyn! — O dieſer Gräber! O der ſchönen Stunde! Als auf du dich erhobſt, entflammt, begeiſtert. — Mit glüh’ndem Aug’, mit aufgeſchwollner Bruſt, Das Antlitz gen das Capitol gewandt, Sprachſt du das heilige, das hohe Wort: » Gegründet hat der Ahnen Geiſt und Kraft » Das Vaterland! Doch hoch und höher heb’ » Es ſich durch ihrer Enkel Heldenmuth, » Bis zu den Sternen heb’ es ſich empor! » Mich hört der Donnerer am Capitol! « — Dann drückteſt du ſo heiß mich an die Bruſt, Wir riefen Hand in Hand, und Blick auf Blick: » Lang’ lebe Rom! « — Seitdem war unſer Gruß: » Lang’ lebe Rom! « — Das hätteſt du vergeſſen? — — Wohl iſt es ſo, da du, der Volsker Feldherr, Als Feind dich nahſt der Stadt, dem Capitol! O wo geriethſt du hin, mein Marcius?
Fluch und Verderben treffe ſie! die ſo Mich mit Gewalt aus dieſen Träumen riſſen! — Minutius, du biſt ein ſchlechter Redner, Du fachſt der Rache Glut noch heller auf!
O wo geriethſt du hin, mein Marcius? 73Soll ich dich glücklich preiſen? Zwar dich ziert Die Hoheit nun, und dieſe Herrſchermacht — Doch glücklich biſt du nicht — Schon wähnſt du dich Im Rachetaumel der Erobrer Roms — Schnell wird und bald der Römer ſich ermannen, Und trotzen der Gefahr, — durch die Gefahr Vereinigt, durch die Eintracht ſtark. — Wenn dann, Wie ſonſt, der Volsker nach der Heymath flieht, — O Marcius, wie ſorg’ ich, daß du dann Das Leben dir noch retteſt! — Fallen wirſt Du hin durch Volskerhand, auf fremdem Boden; Von Ihnen und den Deinen unbetrauert; Und ſchnell verlöſchen wird dein hoher Name! — Ihn nennt der Enkel nicht! — und nennt er ihn, So flucht er dir im Grabe noch. O Freund! Bedenke dies, und baue nicht dein Alles Auf falſches Glück und loſe Volskerfreundſchaft!
Die Volsker ſchmähe nicht! Sonſt möchte dich Geſandtſchaftsrecht nicht ſchützen; ha, du dürfteſt Mit Schand’ und Schmach bedeckt nach Hauſe ziehn.
O laßt ihn ſchwätzen — hört! — er ſpricht vom Glück! — Ihr habt mit mir all’ euer Glück verbannt. Es gelte der Verſuch — Bey’m Mars! noch immer Bezwang mein Muth das Glück! Mir muß es folgen!
So laß uns denken, du biſt Sieger. Wie? 74Kann dieſer Sieg dich, Marcius, erfreuen? Dann wäre dreyfach ja dein Herz umpanzert! Dich kann nicht ſolcher Sieg erfreu’n! — Weh dir! Wenn laut die Weiber heulen und die Kinder, Die Tempel fallen, und die Götter weichen, Und Rom verſinkt; — o dann! vom Brand umleuchtet, Dort auf den Trümmern der gefallnen Stadt Wachſt du vom Taumel auf. — Verlöſchen wird Der Rache Glut; — an ihrer Stelle wüthet Die finſtre Reu, die ſchwarze Selbſtverachtung. Du fluchſt dir ſelbſt! Die Bürger fluchen mit! Weh dir, Coriolan!
Nein, weh dir ſelbſt! — Du wagſt es noch, durch falſche Rednerkünſte Die Seele mir zu trüben? — Faß dich kurz. Denn länger hör’ ich nicht!
So muß ich dann — Ich muß das Fürchterliche dir verkünden! O welch’ ein Auftrag!! — Höre, Marcius! Dein Weib und deine Kinder, deine Mutter — Ach deine Mutter!
Ha!
Gedenke doch Der edlen Mutter, mein Coriolan!
Was ſoll’s mit meiner Mutter? nun, was ſoll’s??
So höre — deine Mutter — O ihr Götter! Mich würgt das Wort — Es ſpricht nun Rom aus mir. — Sie iſt das Pfand für unſre Sicherheit!
Ha! wie? O meine Mutter!
Lucumo! Volturio! Hinaus! Nach Rom! Laßt ſchmettern Zum Aufbruch, daß des Himmels Axe kracht! Verflucht ſey Rom, und ich, und alle! O!! Mach’ Ordnung, Tullus! ich, — ich kann es nicht! O meine Mutter! o!!
Verſchling’ mich, Erde! Nimm mich in deinen Schooß!
Das hat gewirkt!
Mit mir, Volturio! Ihr ziehet ab! Du ordneſt die Beſatzung in der Stadt, Mein Lucumo! Nur ſchnell! Ich warte deiner, Coriolan!
Noch hier? Verwegne, fort! Glaubt ihr — ich ſey nun ſchon gebeugt? Ihr Thoren! Vor euern Mauern ſollt ihr bald mit Schrecken Das Gegentheil erfahren. Eilt nach Rom Und ſagt dem Volk, das ſich an Weibern rächt, Ich komme nach! Sie ſollen ja ſich hüten, Der hochgeehrten Mutter nur ein Haar Zu krümmen! Wenn ſie’s wagten! — ha, beym Pluto! So wie ein Tiger will ich auf ſie fallen, Und Blut ſoll fließen — bis die Tiber ſchwillt! So lang’ in Rom ſich noch ein Leben regt, Soll Blut mir fließen, — und der Brand von Rom Mir wochenlang zur grauſen Arbeit leuchten, Bis das Geſchlecht vertilgt iſt ganz und gar! Hinweg! ſogleich! Nur fort! Sonſt mord’ ich euch!
Noch wartet! Kennſt du mich, Coriolan?
Du biſt der Oberpontiſex, doch mir Verhaßt, wie alle!
Fürchte du die Götter!
Das muß ich wohl, ſonſt lägſt du todt ſchon da!
Die hohen Götter warnen dich durch mich!
Sie warnen mich? — wovor?
Dein Fall iſt nah!
Roms Fall noch näher! Fallen ſoll’s und wird’s, Durch meine Macht!
Ein Blitz des Jupiter, Und deine Macht zerfällt in nicht’gen Staub. Ruf’ ihn nicht auf, den Donnerer! Er zürnt!
Ich ruf’ ihn auf, um Rache gegen euch!
Dem Tempelſtürmer wird ſie nicht gewährt. Zieh’ dich zurück, Coriolan!
Nun ſchweige!
Ein gottverlaßner Mann, das biſt du nun!
Du frommer Pontifex! Du warſt es doch, Der jene beyden Götterknaben ſah, Die meinen Sieg vor Antium, in Rom78 Verkündeten. Da ſcholl dein Ruf: » Hoch ſey » Das Marciſche Geſchlecht geprieſen, hoch! » Von ihm entſtammt der Götterdienſt durch Numa » Und Ancus Marcius. Dafür nun krönt » Der Götter Huld den Cajus Marcius » Mit Sieg! Er iſt ein gottgeliebter Mann! « So riefſt du; — nun ſoll’s anders ſeyn? O nein! Die Götter zürnen euch, daß ihr den Enkel Des Tempelgründers Ancus Marcius, Dem Vaterland’, den Laren frech entriſſet. Fürwahr! ſie ſind aus Rom mit mit gezogen, Und eure Tempel ſtehen leer. Die Götter Beſtrafen Undank, ſteh’n der Unſchuld bey! Ich fühle mich von ihrer Gegenwart Umweht! — Ha, ſchaudert! denn ſie ſind mit mir! Mein iſt der Sieg, und eure Kraft gelähmt! Ihr fleht vergebens zu dem Himmel auf! — Und nun kein Wort mehr Pontifex, und geh!
Sulpitius! Sulpitius!
Biſt du’s,79 Coriolan, der ruft? — Mir ſcheint es, nach Der Stimme. Schwach iſt ſchon mein Augenlicht.
Ich bin’s!
Halt’ mich nicht auf, Coriolan! Weit iſt der Weg, und zögernd nur mein Schritt; Ich bin ſchon alt. — Was kannſt du mir noch wollen?
Du kamſt ſo weit zu mir, mein Freund und Lehrer! Nicht ohne Abſchied zieh’ von mir hinweg; — Wer weiß, wann wir uns wieder ſehen?
Niemals! Wenn Jupiter des Greiſes Fleh’n erhört. Was ſoll ein Abſchied unter uns? Ich dächte — Wir beyde wären ſchon getrennt.
Daß ich Auch nur ein Wort gen dich verlieren konnte! Dein Schweigen ſagte mir ſchon alles. Ja, Du biſt nun kalt und fühllos.
Fühllos? Kalt? So wie ein Greis nun fühlt. — Coriolan, Die Götter ſchützen dich vor hohem Alter, Du wirſt als Greis ſehr elend werden. — — — Kalt? — —80 Nicht ganz ſo, wie du meynen magſt. Nun freylich — Es ſammelt nicht mehr für den Einzelnen Mein Mitgefühl in einen Brennpunkt ſich; Es gießet weit umher die Strahlen aus. — Hier war’s, auf dieſem Fleck. Da dacht’ ich viel Und fühlte viel! — Du dort — du ſprachſt von dir, Und immer nur von dir! Indeſſen zog Der ganzen Menſchheit traurig Loos vorbey Vor meiner bangen Seele. — Laß mich fort! Denn kaum ereilen werd’ ich noch die Brüder.
Ich laſſe ſicher dich begleiten. Sprich Mir nur ein freundlich Wort!
Ein wahres Wort Iſt beſſer, als ein freundliches. Ich dachte: Ein elend Weſen iſt und bleibt der Menſch! Erſt iſt er jung, und fühlet ſeine Kraft: Da will er herriſch wirken, mächtig ſchaffen; — Und wenn’s gelingt, ſo fühlet er ſich groß, Mißlingt es ihm, ſo fühlt er ſich vernichtet. Der Thor bedenket nicht, daß ſeine Kraft, Die Einzelne, — verſchlungen wird im Meer Von Millionen andrer wilder Kräfte, Die wirbelnd ſich auf jedem Punkt des Alls Und immer ſtreitend ſich begegnen; daß Es Zufall iſt, und nichts als Zufall, wenn Die Wog’ ihn heute hebt, und morgen ſinken läßt. Das81Das denkt er nicht, der Thor! iſt heute ſtolz, Und morgen fühlt er ſich vernichtet! Beydes Mit Unrecht, denk’ ich; — denn er iſt doch nur Ein Ball, geſchleudert aus des Schickſals Hand!
Was ſoll mir das?
Dann wird er alt, und ſicht Mit tiefem Gram: — er hat den Weg verfehlt!! Nichts iſt gewiſſer: Herrſchen ſoll der Menſch; Doch das Gebiet der unumſchränkten Macht, Wo er ſich alles dankt, und nichts den Andern, — Es liegt in ihm, es iſt die eigne Bruſt! Hier iſt die wahre Welt für ſeine Herrſcherluſt! Wem das Bewußtſeyn lohnt: » Was ich auch that; » Doch wollt’ ich ſtets, was Recht iſt « — deſſen Glück Iſt nicht des Zufalls Sklave; ſeine Größe Hebt ihn empor auf Flügeln zu den Göttern — Mit ihnen iſt er froh und unabhängig! — Ob auch Erfolg und Abſicht ſich vereinen, Was kümmert’s ihn? Er hat ſein Glück in ſich! Und laßt den Weltenbau mit ihm verſinken, Sein Wille hält und ſteht und ſinket nicht! Laßt unter Weltentrümmer ihn begraben, Sein Wille ſchwingt ſich unbezwungen auf! — — So denkt man, wird man alt — dann iſt’s zu ſpät!
Weil ſolche Größe nie ein Menſch erreicht, Und nie erreichen kann; — du alter Träumer!
Die Götter ſtrafen dich, du rauher Mann, Daß du das Ideal der Menſchengröße, Den feſten Glauben, der mich hielt und hob, Im Buſen mir erſchüttern willſt! O wehe Der Menſchheit, wenn ich träumte! — doch, es war Ein langer Traum. — — Ich ſtand in meiner Kraft, Da rief ich ſchon vertrauend auf zum Himmel: » Ihr Götter! zeiget mir den feſten Mann, » Der nur, was Recht iſt, will! « Ich ſchaute rings Umher mit Seelenangſt, und ſchauend — wurd’ Ich alt. Da führte deine Mutter dich, Den Vaterloſen hin zu mir. Du warſt Ein Knabe, ſchön und hoffnungsvoll. Oft, wann Ich dich auf meinen Knieen ſchaukelte, So rief ich flehend alle Götter an: » Was ich nicht ward, das laſſet dieſen werden! « Als du dich hobſt empor nun ſchon ein Mann, Und auf dem Lebensmeer ein kluger Schiffer Zum Leitſtern dir die hehre Tugend nahmſt, Und all’ die ſchroffen Klippen weiſe miedeſt, An denen ſchwäch’re Geiſter bald zerſchellen: Wie — kleines Kleben an dem Augenblick, Und niedrer Eigennutz, und bleiche Furcht, Und bange Rückſicht, enge Eitelkeit —83 Da freute ſich mein Herz; — und, ſo du fehlteſt, Der Abſicht nicht, ich ſchrieb’s dem Irrthum zu. Ja, wenn ein Zweifel noch an Menſchenwerth In trüber Nacht die Seele mir durchfuhr, Da dacht’ ich nur an dich! » Sieh da « — ſo dacht’ ich — » Er will, was Recht iſt, immer, will es feſt! « Und dankend goß ich Opfertrank den Göttern!
Umarme mich! O mein Sulpitius!
Laß ab von mir! Du haſt mich nur getäuſcht! Du biſt nicht beſſer, als die andern alle, — Die nemlich, die ich kenne. Beßre gibt’s! Die ſind mir nicht begegnet, doch — ſie ſind! Dort, im Elyſium, erkenn’ ich ſie, Die ſchon verſammelt ſind, und die noch folgen. Ich hoffe — bald! — Du biſt ein kleiner Menſch!
Nicht Einmal noch das Wort!
Du droheſt? — Sieh, Mein Haar iſt grau — Ich fürchte nichts — Und haſt Du denn mich Armen nicht getäuſcht? Du haſt! Du hätteſt an des Vaterlandes Wohl, Von jedem Eigennutze frey, gebaut? O ja! das zeigt ſich nun! — Weil deine Schöpfung Dem Herren nicht mehr fröhnet, dem du ſelbſt Ein Sklave dienſt, dem ungezähmten Ehrgeiz, —F 284So reißeſt du ſie ein. Du haſt nur Dir Gebaut, nur Dir!! Du biſt ein kleiner Menſch!
Schweig’, Alter; wärſt du jung, du hätteſt ſchon Des kleinen Menſchen Kraft an dir erfahren.
Wer ſpricht von Kraft? Ich ſprach von Größe! Wie? Iſt Ein’s die rohe Kraft und Menſchengröße? O nein! Denn ſelbſt die Kraft des Herkules, Die hocherhabne, heilige! — ſie mußte Sich läutern laſſen in der Feuerfluth, Eh ſie zum Götterſitz’ hinauf ſich ſchwang!
Genug, Sulpitius, der weiſen Worte! Du willſt: ich ſoll die Waffen niederlegen, Zum Dank die guten Volsker nun verlaſſen, Und auch vertrieben noch ein Römer ſeyn. — Gezogen iſt das Schwerdt, und bleibt gezogen! Ja, flöſſe Weisheit ſelbſt aus deinem Munde, Und könnte jedes deiner Worte mir Mit Donnerhall das Innerſte durchſchüttern — Es geht nicht an, es iſt und bleibt unmöglich; Ich gab mein Wort! Wortbrüchig werd’ ich nicht!
Wer hieß dich denn, das Wort den Volskern geben?
Ihr hießet’s mich!
O ſage, deine Rachgier! Dann ſprichſt du wahr.
Doch iſt es nun gegeben, Es iſt. — Was willſt du nun, du weiſer Mann?
Du haſt dich ſelbſt zum Abgrund hingeſtellt, Und ſuchſt nun Rettung.
Ha, wer ſagt dir das?
Mag ſeyn, daß ich mich irre; doch du ſcheinſt Mir tief bewegt. — O mein Coriolan! Mein altes Herz iſt ſo gewohnt, für dich Zu ſchlagen, daß es nun den Geiſt beſticht, Das Bild von dir nur etwas zu verſchönern. Sieh her — ich zittre — Nein! du gabſt kein Wort.
Ja, Alter, ja; ich gab mein Wort — es gilt!
Und dieſes Wort, wozu?
Das ſeht ihr ja, Ihr fühlt es ja!
Doch dieſes Wort, du gabſt Vielleicht es mit vorſichtiger Beſchränkung —?
Nein, unbeſchränkt und unbedingt.
So haſt Du doch dem Bündniß eine Zeit beſtimmt?
Ja wohl, und eine ſchöne lange Zeit — Bis mich der Tod entbindet, währt der Bund.
Unmöglich! Sohn, du willſt bis in den Tod Den Stahl in’s Herz des Vaterlandes bohren?
Hör’, ungeſtümer Frager, nun auch dies — Dann ſchweige; keine Frage mehr! Mein Wort Iſt heilig, feſt. Ich hab’ es hochbeſchworen!
Weh mir! Wo iſt mein Knabe? Komm hieher! Schnell führe mich hinweg! — Am beſten wär’s, Du führteſt mich in’s Grab!
Sulpitius, Du Grauſamer! verflucht ſey deine Weisheit!
O weh mir altem tiefgebeugtem Mann!
So heule nicht, und gib mir Rath, du Weiſer!
Wenn du das Bündniß hältſt, dann flucht der Enkel Dir, dem Verräther ſeines Vaterlands.
Und brech’ ich das beſchworne heil’ge Wort?
Es ſchlägt dann keine wackre Männerhand Mehr in die deine, brichſt du heil’gen Eyd!
O deine Weisheit bringt mich noch zum Wahnſinn.
— Da ſteht nun deine Menſchenwürde, Sohn, An einem Abgrund’ — es iſt grauſenvoll!
Iſt grauſenvoll!
Coriolan! Mein Gohn! Liebſt du die Tugend?
Nun?
Ich meyne ſo,88 Daß dir ein einz’ger ſchöner Augenblick, Der dir das edle Selbſtgefühl gewönne, Mehr als ein ganzes Leben gelten würde? — —
Du Fürchterlicher, ha! was ſinneſt du?
Was nur der edle hohe Menſch vermag! Sieht der, er könne lebend länger nicht Die Pflicht erfüllen, und die Ehre retten, — Dann bleibt ihm Eines nur noch übrig —
Sterben!
Du haſt nun ſelbſt das ernſte Wort geſagt.
Herein! Herein! Bey’m Anblick dieſes Capitols Brauſt wild mein Innres in Empörung auf! Was wird aus mir? Wenn das ſo währte? Ha, Verwünſchter Greis! O wärſt du nie gekommen! — Was ſprach er vom Verrath? — Ein leeres Wort Soll mich verwirren? mich? — Was iſt der Mann, Wenn eines Schwachen ängſtliches Geſchwätz Den feſten Sinn aus ſeinen Angeln hebt?! Nur Muth! Wohlan! Nur Muth! — » Verrath! Verräther!! « Wer ruft mir das ſo gräßlich? Ha! wer ruft?? Du lügſt! ich achte nicht der Lüge! Nein! Im offnen Kampfe ſteh’ ich meinem Feind. — — — Es hatte mich betäubt. — — Schon war das Schwerdt Gezückt. — Wie hätte dieſer Decius90 Gejauchzt?! er und ſein Pöbel! Jubelt nicht! Entgegen blitzen ſoll euch dieſes Schwerdt; Ihr beugt euch meinem Willen — beugt euch ſchnell — Denn wenn ihr trotzt — Erſt euch! Erſt euch! dann mich! — — Wer kömmt? Ha, Marcus!
Sprich! Wie ging’s Bey’m Marſch’?
In Ordnung — nach dem Auftrag, Feldherr. Die Güter, die den Edlen Roms gehören, Von Brand und Plündrung blieben ſie verſchont.
Und murrten nicht die Krieger —
Nein! ſie denken Auf Kampf und Sturm und Sieg, auf Beute nicht. — O was vermag ein einz’ger großer Mann! Es ſagen unſre Feldherrn ſich beſchämt: » Ein neues Heer hat ſich der Held erſchaffen « Der Krieger liebt, vergöttert, fürchtet dich, Und einer ruft frohlockend zu dem Andern:91 » Nun geht’s zum Sieg! Er hat den Sieg zur Seite! « — O wie verehr’ ich dich, mein großer Feldherr!
Ich liebe nicht, wenn man ſo wortreich iſt.
Daß ſich Gefühl in Worte hüllen muß, Durch die ſein Weſen zweifelhaft nur ſchimmert, Nicht frey hinüberſtrömt von Bruſt zu Bruſt! Ich wortreich? ich? — und finde keine Worte, Für jenen Dank, der ganz mein Herz durchglüht. Ich bin Legat. Es lohnt dies Amt den Mann; Der Kräfte viele heiſcht es, und gewähret Ein ſchönes Spiel der freyern Wirkſamkeit. Doch iſt es nicht das Amt, was mich entzückt. Ich bin ernannt durch dich! Coriolan Hat mich ernannt!! Das iſt’s, was mein Bewußtſeyn So mächtig hebt! — Als mir dein Wort erſcholl — Da ſchwang ich auf der Freude kühnem Fittig Mich hoch empor zur Seligkeit der Götter! Das kann ich dir nicht lohnen — Könnt’ ich nur Den Todespfeil, auf dich gezielt, im Flug’ Auffangen mit der treuen Bruſt, — ihr Götter, Mir wäre wohl; — zwar hätt’ ich nicht gelohnt — Gethan doch — was zu thun mir übrig bleibt —
So danket mir ein Volsker — Guter Marcus, Wie mich dein Dank erfreuet und betrübt! 92O dieſe Römer! — Marcus! Hilf mir nun Die Römer danken lehren.
Ha, bey’m Mars! Sieg oder Tod iſt jedes Kriegers Looſung. Der Anblick Roms verjüngt der Müden Kraft. Sie wollen nichts von Ruhe hören, wollen Auch dieſe Nacht in Arbeit ganz verwachen, Daß morgen ſchon die ſtolzen Katapulten Den Tod hinſchleudern auf die Mauern Roms!
Wie ſagſt du! — nein — ſie ſind zu raſch. — Sie ſollen ruh’n — die ganze Nacht — ich will’s —
Sie baten ſelbſt um den Befehl zur Arbeit.
Fort! widerrufe den Befehl! Sogleich!
Doch, da der Krieger ſelbſt ſich willig zeigt —
Ich will, ſie ſollen ruh’n; das iſt genug.
Vergib mir, Feldherr! — Doch du drangſt ſo ſehr Auf Eile, daß ich denken mußte —
Höre! Du, Marcus, biſt Legat, und haſt hier nichts Zu denken, zu vollziehen nur, was ich93 Befehle. — Geh! ich folge bald dir nach! Noch Eines, Marcus — Daß du heute dich Als wackern Kriegsmann mir, als Helden, zeigteſt, Das muß ich dir noch ſagen. — Geh, mein Marcus! — Dein ſchöner Dank — er lebt in meinem Herzen!
Wer ſtört mich nun ſchon wieder?
Guten Abend, Volturio!
Sag’ offen, Marcius, Beſchwert dich etwa meine Gegenwart?
Ich habe da noch Manches zu bedenken, Und Wichtiges. Es wirbelt mir der Kopf. Doch bleibe — beſſer iſt’s — ja bleibe!
Freund! Du ſcheinſt mir ſehr bewegt.
Bemerkſt du das? Kein Wunder, dächt’ ich. Vieles liegt auf mir
Nein, ſag’ ich, nein. Es hat mit aller Arbeit Zum Sturme bis auf morgen Zeit — — Und mor - gen? — — — — Wer weiß, erſcheinen nicht Geſandte noch Und nehmen unſern Frieden an?
Vielleicht.
Denn, wie du ſagſt, ſie rüſten ſich ja nicht, Und ſtehen müßig da.
Doch über Nacht?
Die Nacht ergeugt Gebilde, weckt die Furcht —
O dieſe Nacht, ſie wird recht ſchauervoll — —
Ich meyne, ſchlafen dürften dieſe Nacht Die Römer nicht.
Gewißlich nicht!
Und morgen?? Ich dächte doch, es kämen noch Geſandte!
Das wird die Zeit uns lehren —
Wenn ſie trotzen,95 Und Schweres auch! Es drückt mich faſt zu Boden. Der Zeitpunkt iſt nun wichtig.
Haſt du ſchon Den Mauern dich genähert?
Nein, noch nicht. Was ſoll ich dort? Ich kenne ja die Mauern.
Ich ging um einen großen Theil herum, Und fand mit Leuten alles vollbeſetzt, Die müßig ſchauen.
Müßig?
Ja. Man ſieht Noch nirgends Anſtalt zur Vertheidigung.
O das iſt gut!
Nur mit dem Sturm geeilt, So fällt die Stadt.
Für heut’ iſt Ruh’. Die Krieger Sind viel zu matt.
Sie ſind voll guten Muths. 96Ja wenn Sie trotzen, weh dann Ihnen — weh! Dann ſtürmen wir. — Ich muß dann ſtürmen — Nicht?
Nun freylich.
Sieh — du haſt zu viel geſagt. Ich müßte? — wie? wenn ich nicht wollte? ha, Dann möcht’ ich ſeh’n —
Allein ich will — das iſt’s! Darüber biſt du mit mir ein’s.
Wie immer.
Du biſt mein Freund, nicht wahr?
Mein Marcius!
So ſprich nicht immer ja! ſey offen, Freund! Denn zweifeln müßt’ ich ſonſt, ob du nicht gar Den bloßen Widerhall zurück mir gibſt. Nun brauch’ ich mehr, als bloßen Widerhall! Centurio!
Mein Feldherr!
Wenn GeſandteNoch97Noch etwa heut’ aus Rom ſich melden ſollten, Und wär’ es ſelbſt in tiefſter Nacht — ſie werden Sogleich mir vorgeführt. Geh’ zum Legaten, Und meld’ ihm den Befehl! Sogleich!!
Ich eile! — Es wünſcht ſich Lucumo bey dir Gehör.
Ich bin beſchäftigt.
Doch, er dringt darauf; Mit Bothſchaft ſendet ihn der Feldherr Tullus.
Dann laß ihn vor.
Dich grüßet Attus Tullus!
Ich ihn zurück. Was will der edle Tullus?
Es hat ihn ſonderbar befremdet, daß Der Krieger Arbeit unterbrochen wurde, Die doch die Laſt mit beſtem Willen tragen. Mein Feldherr meynet — Eile ſey hier nöthig.
Ich meyn’ es nicht, und heute Nacht iſt Ruh!
Und welche Gründe meld’ ich meinem Feldherrn?
Nur den, ich will!
Ob der ihm wohl genügt?
So füge bey: wenn’s ihm belieben ſollte, Den Grund von meinem Wollen zu erfahren, Dann möcht’ er ſelbſt erſcheinen, — oder mich Zu ſich berufen.
Weiters denket Tullus: Er würde wenigſtens den Theil des Heers, Der ihm gehorcht, zur Arbeit noch verhalten, Die deinen — könnten ruh’n.
Dann mag ſein Heer Allein auch ſtürmen! ſag’ ihm das.
Wenn alle Der gleiche Sinn und Muth, wie mich, beſeelte, Wir würden dieſen Ruhm mit dir nicht theilen, Und, ohn’ auf dich zu warten, ſtürmten wir Noch dieſe Nacht!
Nur zu! Nun immerhin! — Dein Auftrag iſt vollbracht! Was weilſt du noch?
Was haſt du jetzt gethan, mein Marcius? O dieſer Lucumo! du kennſt ihn nicht. Ein jedes heft’ge Wort, das dir entfuhr, Verwandelt ſich in ſeinem Mund zu Gift, Und fallen wird er’s laſſen — tropfenweiſe, Bis ſich des Tullus Herz gen dich entzünde; Denn immer war’s des Mannes eigne Luſt, Zu böſem Zwiſt die Führer aufzuregen.
Ich haſſe dieſen Lucumo. Er trotzet!
Die Götter mögen gnädig es verhüten, Daß du mit Attus Tullus dich entzweyſt; Dann weh den Volskern, wohl den Römern! Der Völker Eyd iſt unter euch getheilt. O ſtündeſt du allein nun an der Spitze Als unumſchränkter Feldherr, beſſer wär’s! So, biſt du nun gebunden — Unheil naht!
Volturio! biſt du mein Zeichendeuter,G 2100Daß du mir graunvoll Unheil rufſt? Doch, Freund! Du ſagſt ganz recht — es nahet Unheil — Ja Ich ahn’ es auch. Es iſt ſchon nah’ das Unheil!
Ich eile fort zum Tullus, will’s verſuchen, Ob ich des Sturmes Ausbruch wehren kann. Leb’ wohl, Coriolan!
Das Unheil naht!
Wie kann dich doch das bloße Wort erſchüttern? Leb’ wohl!
Ja ſo! Leb’ wohl, Volturio!
Wohl gut, daß er nun geht! Iſt auch ein Menſch! Ich haſſe jedes Menſchenantlitz, bin Mir ſelbſt ein Räthſel. — Ha, Coriolan! Iſt es dahin gekommen? Wie? ich ſoll Nun Worte wägen, Blicke hüten, ich Ein anders denken und ein anders ſprechen? — Das ſollt ich? Nein! das kann, das will ich nicht. — Centurio!
Es iſt ſchon ſpät, nicht wahr?
Die Sonne ſinkt.
Sieh doch, ob etwa Staub Sich hebet auf dem Weg’ von Rom.
Sogleich.
Wenn Rom ſich unter dem Geſetz’ nicht beugte, Und lieber fallen, als gehorchen wollte??? — — — So mag’s dann fallen — — Mein iſt nicht die Schuld! Wer hieß ſie meine Rache wecken? Mein Iſt nicht die Schuld! Sie können ſich noch retten, Und thun ſie’s nicht, nun dann, ſo falle Rom! Centurio! Centurio!!
Du ſiehſt Noch nichts?
Ich ſehe nichts.
Nur fort, und ſchau!
Verdammter Lueumo, du frecher Prahler! Wie? ſtürmen, ohne mich? — Doch wenn ich nun! Wenn ſie’s dann wagten — Und ich wollte dann — —102 Was will ich? — — Nehmt mir den Verſtand, ihr Götter! Das iſt mein letztes Glück.
Jetzt, Feldherr, Staub! Ein ganzer Zug!
Ich laß den Schild dir ganz Mit Gold belegen! Ha! ſie kommen. Nun Das wußt’ ich wohl! Jetzt iſt es wieder gut. — Was ſtauneſt du? Ich ſage dir — Es ſiegt Der Volsker — Rufe den Legaten her.
Hier kommt er ſelbſt!
Nur wieder fort, mein Marcus! Laß die Geſandten nur herein!
Wie, Feldherr?
Mir ſagte der Centurio, es nahe Von Rom ein Zug.
Ganz recht.
So ſind’s Geſandte, Drum eil’ entgegen, führe ſie herein!
Es hat ſich Rom von Weibern ganz entleert, Denn Weiber bilden dieſen Zug!
Verwünſcht! O heil’ge Scham, biſt nun auch du von Rom Vertrieben, da der Weiber zücht’ge Schar Ein feindlich Lager zu betreten wagt!
Und was gebieteſt du?
O frage nicht; Sie ſollen ungehört zurück. — Die Thoren! Ich wies die Väter ab, den Pontifex, Den Freund, ja ſelbſt Sulpitius — — Nun ſoll Der ſchwachen Weiber Wehgeheul mich rühren?!
Doch deine Mutter iſt dabey!
Unmöglich!
Als ſolche nannte mir ſich eine Frau — Ehrfurcht gebot ihr ernſtes hohes Weſen. Aus ihren Zügen ſpricht ein tiefer Gram.
Ach, all’ ihr Götter! meine gute Mutter! 104Was weilſt du noch, und führſt ſie nicht herein? Halt, Freund — ich eil’ ihr ſelbſt — doch nein — Nicht wahr, Es ziemt ſich nicht? — Sie kömmt zum Volskerfeldherrn, Geſandt von Rom. — Da muß ich Würde zeigen. Ich will ſie ſitzend hören. — Komm, mein Marcus! Herab mit dieſem Sitz vom Tribunal. Er iſt zu hoch. — Hierher! — — Centurio! Der Lictor zieht das Beil aus ſeinen Fascen, Und ſenkt ſie tief, wenn ſich die Frauen nah’n. Nun fort! — Ich bin bereit! He, Marcus! Marcus!! Laß mir die andern Weiber nicht herein. Jetzt fliege, Marcus, fliege!
Horch — — Noch nicht?
Wo iſt mein Sohn!
Sie iſt’s! O meine Mutter!
O wehe mir!
Wie, Mutter?
Marcius!
Auch du, Volumnia! o das iſt ſchön! Nun wär’ ich glücklich. Doch die Mutter zürnt.
In meine Arme, Sohn! Laß an dies Herz Dich drücken! Fühlſt du, wie es ſchlägt? Noch lieb’ Ich dich! — Ich ſollte nicht! Du biſt der Feind Des Vaterlands, ich ſollte dich nun haſſen. — Doch lieb’ ich dich — die Mutterliebe ſiegt! Verzeiht, ihr Götter! — ach, ich bin zu ſchwach! Noch kann ich ihn nicht haſſen, nein! noch nicht!
Ich habe mich mit Zittern hergewagt, Ich will zu dir für deine Kinder fleh’n!
Volumnia, Veturia, bleibt hier!
Ich gab mein Wort, zurückzukehren. Sohn, Noch bin ich Römerin!
Habt ihr das Wort Gegeben — ja — dann müßt ihr’s freylich halten. — Es gibt ſich leicht ein Wort, und hält ſich ſchwer. — O das iſt ſchlimm! — — — Ich ſchütz’ euch! — fürchtet nichts!
Du haſt mich ſehr gebeugt. Mußt’ ich’s erleben, Vor dir, dem Feinde meines Vaterlands, Als Flehende zu ſtehen, ungewiß, Ob Ehre meiner wartet oder Schmach? — Schon zeigt in Rom ein jeder auf mich hin Und ſchmäht — » O hätte Dieſe nicht geboren, » Wir ſtürben frey im freyen Vaterlande! « So ſchmähen ſie, ich muß es ſchweigend dulden. Ich tröſte mich, daß bald mein Ende naht. Sieh hin auf, Dieſe, denk’ an deine Kinder, Denn ſie erdulden, wenn du länger wütheſt, Der niedern Knechtſchaft unerträglich Joch!
O wär’ ich todt, mir wäre wahrlich beſſer!
Wenn Rom auch fällt, der Volsker wird euch ehren.
Mich hebt es nur, wenn mich der Römer ehrt!
Wie? hätt’ ich dir — o nein! ſo denkſt du nicht — Geboren dir zu Volskern deine Söhne?!
Ich bitt’ euch, höret mich gelaſſen an. — Erſt ſchlug ich vor, ihr möchtet bey mir bleiben — Allein, ihr gabt das Wort, und kehrt zurück. Ich bin ein Mann, und ſoll mein Wort nicht halten? Nichts gelten ſoll mein Handſchlag und mein Schwur? — Das fordert nicht. Ich kann mich nicht entehren.
Und ich von dir nichts fordern, Sohn, was dich Entehrt; denn ich entehre mich zugleich.
Laß dich zu niederm Flehen nicht herab! Denn wie ein Fels im Meer, ſo ſteht mein Wort! —
Und mag ſo ſtehn! Es ſcheint, du kennſt mich nicht.
O Marcius! Als der Matronen Schar Zu deiner Mutter kam, und bey dem Wohl Des Vaterlands, und bey den Göttern allen, Bey ihren theuren Enkeln, ſie beſchwor, Dich zu beſänft’gen; — o wie litt mein Herz! — Da hat ſie nicht ſogleich ihr Flehn erhöret, Und blieb erſt lange ſtumm und unentſchloſſen, Beſorgt für ihres theuren Sohnes Ehre. Sie, deine tiefgebeugte Mutter, zwang Zur Hoheit ſich; erwiederte der Schar: » Mit welchem Rechte kann ich meinem Sohn » Das Schwerdt entwinden? Soll er ſeinen Volskern, » Die herrlich ihn, einſt ihren Feind, erhoben, » Mit Undank lohnen, ſie verlaſſen? — Kann » Ich ihn zum Mitleid wohl für Rom bewegen? » Wo war da Mitleid, als ihn Rom verſtieß? » Verlaſſet mich — und ehret meine Trauer —! «
So ſprach ich, Sohn, und langſam wich ich nur. — That ich ſo recht, mein edler Marcius?
Veturia! o vielgeliebte Mutter! Die Götter wiſſen’s, daß ich Niemand, Von allen Menſchen Niemand, ſo verehre, Wie dich. Denn du biſt gut, und hochgeſinnt. Darum — es ſchmerzt mich tief — daß du vergebens Zu dieſer Bothſchaft dich entſchloſſen haſt.
Wie ſagſt du, Sohn? vergebens? Nein, vergebens Betrat ich nicht den dornenvollen Weg. Die hohen Götter mögen es verhüten. Ich kenne dich, mein edler Marcius! In erſter Wuth haſt du den Bund geſchloſſen, Der uns verderben ſoll.
Was Sie mir wünſchten, Das trifft nun Sie — Gerecht war meine Wuth! Gerecht iſt auch mein Bund! — Und halten will — Ich werd’ ihn halten! — Nichts erſchüttert mich!
Dann ſchlüge dir kein menſchlich Herz im Buſen! —
— Nein! unempfindlich biſt du nicht, mein Sohn! Du willſt mich täuſchen, mir in rauhe Worte Dein tieferes Gefühl verbergen? Mir? Warum das, Marcius? Wir waren ſonſt Vertraute — Laß die alte ſchöne Sitte109 Noch dauern zwiſchen uns — Geſteh’ es, Sohn: Als du das hohe Kapitol erſahſt, Da dachteſt du — » Es hat doch dieſe Stadt » Mich aufgenährt, zum Helden mich gebildet, » Mit Würden mich geziert, mit Ruhm bekränzt! « — Und als dein Blick auf jene Gräber fiel, Wohin dich oft die fromme Neigung zog, Da ſchauderte dein Innerſtes zurück, Bey dem Gedanken, daß der Fremden Fuß Nun bald das Heiligthum entweihen ſoll: Und bänger ſahſt du hin auf jene Tempel, Aus denen dir erzürnte Götter droh’n — Und enger zog ſich nun dein Herz zuſammen; Denn an die Kinder dachteſt du — die Armen! — Ihr Erbtheil iſt der Bürger Haß und Fluch!
O meine Kinder!
Sieh! dein treues Weib! Ein Bild des Jammers — einſt durch dich ſo glücklich! Und mich! Und mich!! Sieh deine Mutter! Ach Die ſehnlich ihrem Tod entgegen ſeufzet.
Was wühlſt du grauſam nun mein Innres auf? Das iſt nicht gut! Das macht mich elend, Mutter!
Wohl mir — du biſt bewegt! die Rache ſchmolz! 110Nun hält mit Demantbanden nur dein Wort An dieſe Volsker dich gefeſſelt — Sprich!
Wer hat dir meinen Buſen aufgethan? Du triumphirſt zu früh! O wahrlich, Mutter, So leicht verlöſchet nicht der Rache Glut In Männerbruſt, als ſich das Weib wohl denkt.
Ich dachte dich mir edler — zürne nicht!
Ha, Mutter! du biſt hart! — Ob mich das Wort, Ob mich die Rache zu den Mauern treibt, Eins gilt das Andre — Denn, bey’m Jupiter! Beugt Rom ſich unter meinen Willen nicht —
Wann hat ſich Rom dem Feinde je gebeugt?
Auch ſtand noch nie Coriolan vor Rom!
Noch wilder trotzet dir der Römergeiſt.
So werd’ ich unter Schutt und Trümmer ihn Begraben — Trotz gen Trotz — Wer ſiegt? Bey’m Herkules! ich gab kein eitles Wort.
Wie rauh, mein Sohn! So ſprich mit den Tribunen — Laß mir ein freundlich Bild von dieſer Stunde! —111 Ich hab’s um dich verdient — Die Götter wiſſen’s! Früh ſtarb dein Vater — doch — ich faßte Muth. So ſehr ſich das Gefühl der Mutter ſträubte, Ich nahm die ſchwere Vaterpflicht auf mich; Und ſiegend hob ich dich zum Mann empor. Wer hat den Bürgerſinn, den Heldenmuth In dir geweckt, genährt? Ich war es, Sohn — Ein ſchwaches Weib, durch Mutterliebe ſtark. Wie groß du biſt, du biſt es auch durch mich! Bedenke dies, und ſey nicht rauh, mein Sohn!
Er hat dir’s oft gedankt; er dankt dir’s noch!
Was du nun Wahres ſprachſt, o Mutter, oft Und in dem tiefſten Herzen hab’ ich mir’s Bedacht, und Unmuth hat mich dann ergriffen, Daß ich die Liebe dir nicht lohnen kann.
Du kannſt mir lohnen, jetzt, mein Marcius! Mein edler Sohn! du kannſt mir herrlich lohnen. So ward noch keine Mutter je geehrt, Wie du mich ehrſt, wenn du mein Flehn erfülleſt. Dann preiſt mich Rom als ſeine Retterin, Dann nennt der Enkel mich in ferner Zeit, Dann reicht dein Ahnherr Ancus Marcius Mir dankend im Elyſium die Hand — O guter Sohn! dann bin ich hochbeglückt!
Ha, welche Qual!
Ich weiß, du liebeſt mich. Laß nicht umſonſt mich flehen! — Glaubſt du wohl, Es ſchände dich, wenn du den Bitten weichſt? O nein! — denn ſelbſt der hohe Donnerer, Wenn er im Grimme jetzt den Blitz ſchon ſchwingt — Und nun die Bitten nah’n, — die trauernden — Es ſinkt ſein Arm, er ſchleudert nicht den Blitz; Und Er iſt Gott! und du doch nur ein Menſch!
Zu Göttern hebt durch Großmuth ſich der Menſch. Das denke, Marcius! Verzeih’n iſt göttlich.
Ihr wühlt mir ſchneidend in der wunden Bruſt — Ich kann nicht weichen, nein! mich hält der Eyd.
Nun ſchenkt, ihr Götter, meinen Worten Kraft! Nun wünſcht’ ich, daß mich alle Volsker hörten! Gewiß, ſie träten meinem Rathe bey, Sie ſelbſt, ſo fremd mir dieſe Volsker ſind. — Du gabſt dein Wort? Wozu? Doch wohl, das Heil Der Volsker feſt und dauerhaft zu gründen? Mir ſcheint es, Sohn, — du haſt den Weg verfehlt. — Nur jener Friede hält, der ohne Zwang Der Völker gleichen Vortheil feſt verknüpft. Erobern willſt du Rom, das doch mit Macht Der Götter viele ſchützen, und der Helden —? Erliegen dürfte der Gigantenmuth! —Selbſt113Selbſt wenn es fiele, fiel’s auf immer hin?? O nein! laß auch die Mauern Roms verſinken, — Die Römer ſinken nicht! Sie heben immer Und immer wieder aus dem Schutte Roms Das Haupt empor, und die Beſiegten füllen Der Sieger Herz mit Furcht. — O folge mir, Der Mutter! mach’ ein Ende dieſem Krieg, Dem unnatürlichen! — Zieh dich zurück — Vereine dann die Römer und die Volsker Durch gleichen Frieden — dir gewährt ihn Rom, Weil es ſein Unrecht gegen dich bereuet. So hebt durch dich der Volsker ſich empor, So wendeſt du von dir den grauſen Fluch, Der furchtbar über deinem Haupte ſchwebt.
Wenn Sie — doch nein — es wäre thöricht — Ha, Wie könnt’ ich dieſen Römern trauen? Nein!
Nur Stillſtand, Sohn! Und höret Rom die Stimme Der Billigkeit noch nicht, ſo kehre wieder; Dann führt der Volsker erſt gerechtern Krieg.
Zu ſpät, hat Rom dann ſeine Kraft erholt. O liebe Mutter! quäle mich nicht länger; Ich darf nicht weichen —
Komm, Volumnia! Und führe ſchnell mich weg, daß nicht ein FluchH114Noch über den Verräther mir entfahre. Ha ſtolzer, harter, unbeugſamer Mann!
So müſſen wir in’s Elend nun zurück!
Ach, all’ ihr Götter! welch’ ein ſaurer Gang!
Verhülle dich!
Nein, Tochter! Alle ſollen Die Thränen ſeh’n, die mir zum Dank mein Sohn Entpreßt. — Weh mir!
Halt, Mutter! noch ein Wort!
Iſt dieſes Wort für Rom nicht gut, ſo ſchweige!
Berede Rom, Geſandte mir zu ſchicken, Und morgen mit dem frühſten. — Wahrlich, Mutter, Zu zaudern iſt nicht mehr.
Was ſollen hier Geſandte?
Klug den Frieden nehmen, den Ich geben kann.
Dazu ſoll deine Mutter Das hohe Rom bewegen?
Ja!
Das hoffe nicht! Ich kann mein Vaterland zur Schande nicht Bereden. Nein! Es ſoll vor dir nicht kriechen; — Eh’ mög’ es fallen, ich mit ihm!
Ha, Mutter — Was bleibet Rom noch übrig? Noth gebietet, Um Frieden flehen müſſen ſie mir doch!
Nein, bey’m Quirin! Das nie!
Und bey’m Quirin! Rom fällt, daß man noch fragt, wo Rom einſt ſtand.
Wohlan, Unmenſchlicher, zerſtöre Rom!
So höre doch!
Kein Wort! Du ſprachſt mich nunH 2116Zum letzten Mal — Wenn du mich wieder ſiehſt, O wünſch’ es nicht — Entſetzen ſoll dich faſſen Zieh ein, als Sieger, in die Vaterſtadt! Ha triumphire nur, Entarteter! Ich fliege dir entgegen — wüthe! raſe! Hin will ich ſtürzen todt vor deinen Wagen, Daß deiner Pferde Huf mich treten ſoll!
O was beginneſt du?! O meine Mutter!!
Volumnia! Nun ſiegt des Mannes Herz! Ich ſeh’s! Hilf auf die Kniee mir! — Mein Sohn!
So reiß, mein Herz! Weh!
Liegen will ich hier, Die Füße flehend dir ſo lang’ umfaſſen, Bis ich vor Scham vergeh’.
Steh’ auf! Steh’ auf!! O wehe mir! O laßt mich los! Hinweg!
Mich reißt kein Menſch, kein Gott von dieſer Stelle.
— — Ihr habt geſiegt!
Geſiegt!!
O Dank dir, Guter!
Nun jauchze, Vaterland! ich jauchze mit!
Das iſt ein wildes Jauchzen, Mutter! durch Die Seele dringt’s! Und wenn du wüßteſt…? Nun, Es endet, wie es ſoll. Doch, liebe Mutter, Worüber freuſt du dich? Laß Rom ſich freuen! Für dich und uns iſt traurig dieſer Sieg!
Sprich deutlich, Marcius! Mein Blut erſtarrt! Beſorgſt du Böſes von den Volskern — ſprich!
Sollt’ ich wohl thöricht gar die Volsker fürchten? Vor ihren Schwerdtern beb’ ich nicht, deß ſeyd Verſichert — wenn ich ihre Blicke nur Ertragen könnte — Weh! Wie ſoll das enden? — — — — Volumnia! was ſchlingſt du dich um mich? Laß ab — — — Nur Eines bleibt mir übrig! Eines!! — Es wäre leicht dies Eine — doch — ihr Guten, Ihr macht es mir ſo ſchwer! — Ich bitt’ euch, eilet Nur ſtill und ſchnell! Ihr tödtet meinen Muth!
Weh uns! was ſinneſt du? Du ſprichſt ſo dunkel!
So wie die Sache, ſo das Wort. Ha, ſeht! ich bin Gefeſſelt! Löſen möcht’s ein Gott; ich kann’s Nur reißen. — Geht! es wird ſchon Nacht — ich bitte!
Wir trennen uns vielleicht auf lange Zeit; Ach, eile nicht ſo ſehr!
Darum gerade! Viel beſſer iſt’s! Denn Abſchied oder Tod, Der ſey willkommen, der am ſchnellſten endet.
Ein wahres Wort! Wohlan! So laß uns gehen!
Ach, Marcius!
Behalte mir die Kinder lieb!
Wie dich!
Viel mehr! — Du warſt zu gut, mein Weib! Oft war ich wild und rauh! Nun thut’s mir leid.
Du tödteſt mich!
Marciolus der Knabe Iſt auch ſo wild.
Doch, wie der Vater, — gut.
Er ſoll nicht werden, was ich bin; er ſoll Sich fügen lernen, — höreſt du?
Sehr wohl!
Sey hart mit ihm, brich ſeinen Willen ganz! Veturia! o wär’ es dir gelungen!
Der Knabe dankt dir’s einſt, wenn er als Mann Den Vater und ſein Schickſal reif bedenkt. Verſprich mir das!
Wohl, Marcius!
Jetzt bin Ich ruhig. — Sieh! Mein Vater ſtarb! Da blieb Die Mutter mir — doch welche Mutter!! — Wahrlich, Du haſt an ihr ein großes Muſter.
Sohn! Wir ſeh’n uns wieder!
Mutter, lange dürft’ Es währen. — Mutter, deine Hand! Sie hat Mich treu gepflegt! Die gute Hand! Laß mich Sie küſſen — ſo — Und auch die Augen, ach Die viele Nächte ſorgend für mich wachten! Sie ſind ſo mild! Wie? Thränen?? Liebſt du mich! So bange klopft dein Herz! O Mutter! Mutter!! Wie werd’ ich nun vergelten?
Reichlich, Sohn! Befreyeſt du mein Vaterland.
Ich werde!! So lebe wohl dann, Mutter! lebe wohl! — Volumnia — wo wir uns immer treffen, In meinem Herzen wirſt du Dank und Liebe Dir treu bewahret finden — Lebe wohl, Du gute Seele! — Lebe wohl!! — erhalte Den Kindern dich —
Mein Marcius!!!
O ſtille! Noch dieſen Ruß — und dieſen hier den Söhnen — — Nun ziehet ſchweigend aus dem Lager! Geht, O geht! Ihr fühlt ja ſelbſt — der Abſchied quält.
Wohlan! Ach!! Gute Nacht, mein Sohn!
Ich ſterbe!
Ja, gute Nacht zum ew’gen Schlaf! Mir iſt’s,121 Ich höre den Sulpitius — er ruft: » So ſtirb! « Ich bin allein. Der Augenblick Iſt günſtig. Muth! Nun Muth! Was klopfſt du Herz? Dem Tode beb’ ich nicht. Ich bebt’ ihm nie. Was ſäum’ ich noch? — Hinüber in das Land, Wo meiner ſchon die großen Ahnherren warten; Wo Ancus mich empfängt! Wo Ancus mich Empfängt! Ha wie? ſo düſter — weh — er ſieht Mich zürnend an — er weicht mir aus! — — So darf Ich nicht vor ihm erſcheinen — — Nein! ſo nicht! — Noch iſt’s zu früh! Ich muß noch dieſes Leben Einkerkern in die widerwill’ge Bruſt! — — —
O theurer Ancus, wenn ich dir einſt ſage — » Wahr iſt’s, vor Rom hab’ ich geführt — den Feind! — » Er ſteht nicht mehr vor Rom! Er floh hinweg! » Ich trieb ihn fort! O zürne nicht, mein Vater! « So reichſt du mir verzeihend doch die Hand! — Wohlan! ſey wieder Römer, Marcius! Erſt Rom befrey’n, und dann! — Mein Bund! Mein Eyd! — Wie grauſam mich die Wuth des Sturms122 Von Felſen weg zu ſchroffern Felſen treibt. Helft mir! o rettet mich, allmächt’ge Götter!
Wenn Tullus — er iſt klug — und fühlet menſchlich — — Nein! nicht Gewalt — die Überzeugung ſiege! Veturia! es gilt dein weiſer Rath! Ha ſo befrey’ ich Rom, ſo ſteht mein Wort, So tret’ ich noch als Sieger aus dem Kampf! —
Den Tod für den, der ſein Vexill verläßt — So lautet der Befehl! Verkünd’ ihn ſchnell! Nur fort! Sey wachſam! Ha, Volturio! Warum erſchienſt du dieſen Morgen nicht?
Man hat mich nicht berufen —
Sieh! er weiß Du fügſt dich leicht — ſo fand er’s nicht für nöthig — Doch Schade — daß der Anblick dir entging, Du hätteſt deinen Helden angeſtaunt.
Sprich deutlicher —
O herrlich war’s, zu ſehn! Dort ſtand er auf dem Tribunal, und hob Die Bruſt — recht ſchwer — wohl drei Mal, eh’ er ſprach, Und ſeine Lippen zuckten fieberhaft. Nicht vor - nicht rückwärts ſah er — nein, ſein Auge, Das ſonſt ſo frech hinausſchaut in die Welt, Das maß den Raum von dieſen wen’gen Stufen, Und als er mühſam endlich doch das Wort Dem heiſern Schlund entwürgte, bey’m Mercur! Der Mann, der ſonſt ſo wie ein Löwe brüllt, Der lispelte ſo leiſe, wie ein Knabe!
Was ſprach er, was?
Geſprochen hat er nichts, Gemurmelt nur. Es ſey mit Rom nun Stillſtand! Wir zögen uns zurück. Und dann vom Wohl Der Volsker und vom ſüßen Frieden Manches! Dann auch von ſeinem Wort, und ſeinem Dank! Woran er damals dachte, weiß ich nicht. Da ſaßen dann die Feldherrnbilder alle Blutroth vor Scham, daß ſie betrogen ſind. Ich hab’s vorausgeſagt — mir glaubte Niemand! Als er mit ſtolzem Trotz ſich weigerte, Das Bündniß zu beſchwören, wußt’ ich ſchon, Er ſinne nur Verrath. O der Verblendung! Es lag ſo deutlich da! Mir glaubte Niemand!
Wenn er als Mittler uns den Frieden ſchafft —
Wer Einmal mich verräth, dem trau’ ich nicht. Er Friedensmittler? — ihm den Frieden danken? — Wir, die der Eyd an Attus Tullus hält, Wir denken anders — Wollt ihr, ihm gehorchend, Auf will’gem Rücken eurer Schande Laſt Nach Hauſe tragen, daß man dort auf euch Hohnlachend deute — geht! wir bleiben hier Und wagen alles um den höhern Ruhm, Wenn wir ohn’ ihn das ſtolze Rom bezwingen.
Mit dem geſchwächten Heere —
Sieh, da kömmt Ein Paar zu dir, das in dein Lied, mein Freund, Gar herrlich ſtimmt: Aruntius und Porus. Sie ſind aus Feigheit, du durch Alter ſchwach. Mit dieſen ſprich — Mir regſt du nur die Galle!
Wir ſuchen deinen Feldherrn.
Wartet dann! Er folgt mir nach, will hier mit Tullus reden.
Du bleibſt ihm doch getreu?
Wie ihr dem Tullus!
Nenn’ uns den Namen nicht, wir haſſen ihn.
Es iſt ein großer ehrenwerther Name, Bey dem des Volskers Bruſt ſich ſtolzer hebt.
Doch dieſer Lucumo — der ihn beherrſcht — Wer könnt’ es dulden? — Als im Kriegesrath Wir für den Frieden ſprachen — gegen ihn, Da hat er feige Knaben uns geſcholten.
Und er gebot — wir ſollten ſchweigen — er! So ſchmäht’ er uns — und Tullus ſchwieg —
Sprich ſelbſt, Volturio, wer ſoll das dulden? — Sprich!
Was habt ihr vor?
Davon mit Marcius. Es dringt die Zeit — Leb’ wohl! Komm! Porus, komm! Wir wollen ihm die Knaben kennen lernen.
O Vaterland! du wirſt der Zwietracht Raub! Mein altes Auge ſieht dich nimmer glücklich!
Er will mich nochmals ſprechen —
Hör’ ihn nicht!
Ich will ihn hören — Lucumo! es ſcheint Mißmüthig ſchon der Krieger mir geſtimmt — Er ſchlägt die Augen nieder, ſpricht geheim. Kein Zweifel mehr — ihm ſinket ſchon der Muth. Mit dieſem Heere wollt ihr Rom erobern? Ein großes Wagſtück — Traurig dürft’ es enden.
Der Preis iſt groß und iſt des Wagens werth.
Wer wagen will, der ſetze nur ſein Wohl, Und nicht das Wohl des Vaterlands, auf’s Spiel!
Nun dann, — zum Volsker bin ich nicht geboren; Engbrüſtig iſt er — hangt am Augenblick. Gewinnen wir, wenn wir nach Hauſe zieh’n?
Jetzt iſt der Zeitpunkt da, durch gleichen Frieden Die Volsker mit den Römern zu verbinden. Und flieht er hin, wer führet ihn zurück?!
O Tullus! großer Held! Ein Rieſe hobſt Du dich dem ſtolzen Feinde gegenüber, Und da du ihm nunmehr zur Seite ſtehſt, So bückſt du bis zur Erde dich herab — Ermanne dich — wo bleibt dein hoher Sinn? Was du dir ſelbſt als Sieger nehmen kannſt, Willſt du dir als Geſchenk von Rom erbitten? Belohne das Vertrauen deiner Volsker! Heb’ auf den Schild, breit’ über uns ihn aus —
Was ich beſorge, ſagte dir der Freund — Der Feldherr ſteht, ſelbſt dann, vor ſeinen Kriegern, Wenn Ruhmbegierde ſie zum Abgrund treibt, Und ſchützt ſie noch, ſiegt oder ſtirbt mit ihnen.
Hier nahet der Verräther — Zuckt mir doch Das Schwerdt, wie ich ihn ſehe — Tullus — denk’ An deiner Volsker Ehre — Fort — er kömmt!
Was hat es zu bedeuten, edler Tullus! Daß129Daß noch dein Heer in träger Ruhe weilt? — Es wächſt der Tag heran — Ich hörte hier Noch keine Tuba zu dem Aufbruch tönen. Was ſoll die Zögerung?
Wer hat geſagt, Daß ich von Rom zu ziehen, mich entſchloß?
Ha, wie? Du bleibſt?
Vor Rom.
Nein, ſag’ ich, nein!
Ich bleibe, Marcius!
Ha, lächerlich! Was ihr da träumt. Ihr werdet Rom erobern? Ihr, Volsker, ohne mich? — Ich zürne nicht! Ich lache nur! Ihr, Volsker, ohne mich? Und Rom erobern? — Wagt es nicht!
Wir wagen’s!
Wie vor des Jägers Speer das ſcheue Wild, So ſeh’ ich ſchon die Volsker flieh’n.
Coriolan, du ſprachſt noch geſtern anders!
Im wilden Wahnſinn — ja! — Wer hieß euch denn Dem Raſenden vertrau’n? — Und daß ich raſ’te — Wer ſah es nicht? Wer nicht?? — Wie könnt’ ich ſonſt Die eigne Vaterſtadt belagern? Nein! So unnatürlich handelt nicht Vernunft. O glaube mir, wär’s Wahnſinn nicht geweſen, Mit dieſer Hand wollt’ ich das falſche Herz Mir aus dem Buſen reißen — Ja, das war’s! Ein Wahnſinn war’s — ich wußte nichts davon.
Die Ausflucht iſt ſo niedrig, als die That.
Sieh, Tullus! ſieh! Es bebt und zuckt an mir Nun jede Nerve, droht entzwey zu reißen. Und doch, ich halte nun die Wuth gefeſſelt, Bin ruhig, kalt, und will gelaſſen reden. So höre du mich auch nun ruhig an — Ich darf es fordern, Tullus —
Sprich, ich höre!
Wenn ich die Sorge nur im Herzen wälzte, Wie von den Thoren Roms ich eure Macht Entfernen könnte — Nun dann wahrlich, Tullus! Nicht würd’ ich hier in Worten mich erſchöpfen! Verſammelt hätt’ ich ſchon die Kriegesſchar, Die mir in Kampf und Tod zu folgen ſchwor. 131Jetzt ſtünd’ ich drohend da vor euerm Heer. Bey’m erſten Angriff ſähſt du deine Krieger, Die ſich zurück nach ihrer Heymath ſehnen, Bey meinen Fahnen dir entgegenſteh’n. — Nicht dieſen finſtern Blick — beſorge nichts! Unedel handelt nie Coriolan. Auch würde Rom mir dieſe That nicht danken; Es iſt ja wohl für euch ſich ſelbſt genug!
Soll ich die Schmähung auch gelaſſen hören? —
O nenne Schmähung nicht, was du doch ſelbſt Als wahr erkennſt. Vereinſt du dich mit mir, Und kehrſt mit mir zurück nach Antium, — O thu’s! Bey’m Heile deines Vaterlands Beſchwör’ ich dich! — dann ſtell’ ich zwiſchen euch Und Rom mich auf, als mächt’gen Friedensmittler. Mir macht’s zur Pflicht mein Wort, mein Eyd, mein Dank: Ich lebe nur für dieſe Pflicht noch, Tullus! Doch, bleibſt du hier — und folget dann dein Heer In ſchneller Flucht nur allzubald mir nach — Dann — ſchaudre, Tullus — haſt du ſelbſt zum Abgrund Aus Ruhmſucht hingeſtellt dein Vaterland — Wie mich, ergreift dich bald die Furie, Gefoltert zucket nur dein Leben fort, — Du fluchſt dir ſelbſt, daß ich aus deiner SchuldJ 2132Mein feſtes Wort, der Volsker Heil zu fördern, Zu löſen nicht vermochte!
Marcius! Nun gib mir Antwort auf die letzte Frage! Iſt Friede zwiſchen Rom und Antium: Wem folgeſt du, den Römern oder Volskern? —
Sehr wohl gefragt! Entſcheidend iſt die Frage! So höre mich, wie mich die Götter hören! — Nie ſieht mich Rom als ſeinen Bürger wieder.
So lebſt du dann ein Volsker unter uns?
Vorerſt genüge dir, was ich verſprach.
Doch lautet unſer Bund bis in den Tod!
So lautet er. Wohlan! bis in den Tod Soll auch der Bund in ſeiner Kraft beſtehn.
Und wenn einſt treulos Rom den Frieden bricht, Der Krieg ſich neu erhebt — was thuſt du dann?
Das frage du die Götter! Sie nur wiſſen’s.
Was beugeſt du mir aus? — Du biſt betroffen —133 Bald hätte mich dein glattes Wort getäuſcht. Nein! Undankbaren traue nur ein Thor.
Ha, widerrufe! Tullus! Tullus!! nein! Dir kam das harte Wort nicht aus der Seele — Undankbar ich? warum? — o hört’s, ihr Götter! Weil ich die Vaterſtadt nicht ſtürzen will! Bey’m Herkules! ein ſeltſam falſcher Schluß! O denke! — dieſe Römer haben mich Geſchmäht, beſchimpft, gehöhnt, verbannt, vertrieben, Der Kinder, Gattin, Mutter mich beraubt, — Und iſt ein Elend noch — nicht liegt’s an Ihnen, Daß ich es nicht erdulde — Nun, bey’m Pluto! Sie hätten volle Rache wohl verdient — Doch da ich mir nun Rache nehmen will — Da mahnt es mich an eine graue Schuld, An Leibespflege — Jugendunterricht — An Ehrenglanz und ſchön genoßnen Ruhm — So fällt das Racheſchwerdt mir aus der Hand! Die alte Schuld, an der ich reichlich zahlte, Sie mahnt mich noch — — Und Eure Güte, Volsker, Die noch in erſter friſcher Jugend blüht, Für die ich, leider, euch noch nichts vergalt, Die ſollt’ ich nun vergeſſen? — Nein, ſie drückt, Wie Centnerlaſt ſo drückt ſie mich, die Schuld! Es ſoll durch mich der Volsker ſich nun bald Des Bürgerrechts erfreu’n, vereint mit Rom. — Vertrau’ auf mich, und zieh’ mit mir hinweg!
Hier war allein der Ort, uns zu vergelten —!
Was wendeſt du, mein Tullus, dich von mir? O ſchäme dich der ſanftern Regung nicht. Du bleibſt ein Held, iſt auch dein Auge naß. — O ſtelle dich in meine Lage hin. Dich hätten nun die Bürger auch verbannt, Zum Lohn für deine Siege dich verbannt; — Von blinder Wuth, von Furien getrieben, Bedrohteſt du nun feindlich Antium: O bey den Göttern, edler Tullus! wenn Ein Gott vom Auge dir die Binde löſ’te — Du zögeſt dich von Antium zurück, Und hielten tauſend Schwüre dich gebunden. — Nun ſprich! — und, wenn du kannſt, verdamme mich!
Wie weit du Schuld an deinem Unglück trägſt, Die Götter wiſſen’s, die das Schickſal lenken; Ich richte nicht — ich fühl’ es tiefgerührt, Ich bin ein Menſch, kann ſo, wie jeder, fallen. Was nun das Vaterland von mir erheiſcht — Will ich mit meinen Treuen noch bedenken.
Hab’ ich umſonſt gefleht, du harter Mann? — Herab mit deinen Blitzen, Jupiter, Auf dieſes, dir verhaßte Haupt! — Herab!
Nun laß mich ruh’n an deinem Herzen, Freund!
Sieh hin! Aruntius und Porus nah’n.
Zu mir doch nicht?
Heil dir, Coriolan! Dir nahen Freunde, bringen Heil und Sieg!
Den bringt dem Tullus. Er bedarf des Siegs. Für mich ſeyd unbekümmert. Wie ihr wißt, Mein Weg iſt Antium.
Und auch der unſte!
Ich ſehe doch Aruntius und Porus, Die Kriegespflicht an Attus Tullus bindet?
Wir ſind’s!
So geht! Mit euch verkehr’ ich nichts.
Ha, ſtolzer Mann! verſchmähe nicht die Hülfe —
Wer ſchwatzt mir da von Hülfe — Sollt’ ich ſie Mir wohl bey euch erfragen? Nun, bey’m Mars! Dann müßt’ ich tief, ſehr tief gefallen ſeyn.
Nein! Laß uns nicht die kühne That bereuen, Die wir voll Muths für dich allein vollbrachten —
Die kühne That — von euch vollbracht — für mich?
Getrennet von des Tullus Heere zieh’n Schon unſre Krieger —
Ha!
Und jauchzen laut, Erfreu’n des Friedens ſich voraus, den ſie Von dir, ein doppelt werth Geſchenk, erwarten.
Verdammt!
Zwar ſtrebt der freche Lucumo, Vor Rom die wen’gen Krieger feſtzuhalten. Umſonſt! Sie ſtrömen ſchon den Unſern nach.
Volturio! Mir zuckt das Schwerdt! Die Elenden!
Schon ſind die Fahnen brüderlich vereint; Laß unſre Hände ſich nun auch vereinen.
Verräther, ha! o wie veracht’ ich euch!
Wir haben Rom befreyt, und ſo gebührt Von dir uns nicht Verachtung, ſondern Dank!
Wie? wähnet ihr, es bebe Rom vor euch, Das von den Mauern eure Gräber ſchon Mit ſicherm Blick’ bezeichnet! — O, ihr Thoren! Nur vor dem Römer faßt der Römer Furcht, — Ihr habt nicht Rom, ihr habt euch ſelbſt gerettet. Nicht um die Vaterſtadt war ich beſorgt, Es ſchlug mein Herz, den Bundeseyd zu löſen, Den ich dem Volsker ſchwor. — Darum, Verräther, Darum bezwang ich mich — und hielt das Schwerdt Zurück — das ſiegende; — Wie wären ſie, Die Volskerſchar, wie ſchnell vor mir geflohen! Doch zog ich nicht mein Schwerdt, das Wort be - denkend! Ich ließ zur Überredung mich herab! Da naht ihr nun mit tückiſchem Verrath, Als hätt’ ich buhlend euch zu mir gelockt —! Euch mögen Furien den Dank bezahlen, Den ihr von mir verdient! Ihr Elenden!
Wie ich dich wünſchte, Freund, ſo find’ ich dich!
Volturio! Verloſchen iſt mein Ruhm! Der Rache Becher hab’ ich nicht geleert, Dem Bunde treu, der Volsker Heil bedacht; Doch den Verräther nennt mich einſt die Nachwelt, Der Römer fluchet mir, mir flucht der Volsker — — Soll dies Gefühl zum Orcus mich begleiten, Dahin, wo dann kein Tod als Retter mir Erſcheint?! Kein Tod!! Vernichtet mich, ihr Götter!! O wehe! wehe mir! So end’ ich! wehe!
Kann Lob und Tadel einen Mann erſchüttern, Der im Bewußtſeyn ſtark und groß ſich fühlt? Bewußtſeyn folgt dir zu den Schatten nach — Dort würdigſt du mit Ruhe jenes Urtheil, Vom Irrthum nur, und Leidenſchaft erzeugt.
Volturio! Du ſprachſt ein wahres Wort. Es iſt des Nachruhms helle Flammenſäule Ein eitler Flitterglanz, an dem ein Knabe Sich nur ergötzen mag! Die nach ihm laufen, Und die ihn ſpenden — nun, bey’m Jupiter, Sind beyde ein erbärmliches Geſchlecht! Wer möchte drum ſich kümmern? Ha, die Menſchen! Zum Haſſe ſind ſie viel zu klein, man ſoll Sie bloß verachten. O wohl dem, der endlich139 Aus dieſer Steppe ſich den Ausweg bricht! — — Seyd ihr noch da? Hinweg! Zurück zum Tullus!
Vollbringen werden wir, was wir begonnen.
Nun ſo vollbringt’s! Doch höret, was ich ſage! Von meinem Heere haltet das Vexill Getrennt, das eure Haufen führt. Und daß Von dieſen Feigen keiner ſich zu nah An meine Krieger wage! Keiner! Höret, Nicht der Velit, nicht der Centurio! Bey’m Mars! ſo auf dem Marſch ich euch begegne, Den Vögeln leg’ ich euch zur Speiſe hin!
Komm, Porus — Sind wir nur in Antium, Dann ſoll er an die Stunde denken — Komm!
Coriolan!
Wer ruft?
Coriolan!
So tönt des Marcus Stimme.
Wie er fliegt! Er nahet athemlos.
Coriolan! O fliehe, flieh’, mein Feldherr!
Flieh’n? Du träumſt.
O bey den Göttern, weile nicht! Kaum iſt’s Noch Zeit! Volturio, dich liebt Er ja! Zieh’ mit Gewalt Ihn fort! Zum Heere fort! Nur ſchnell!
Erkläre doch — —
Jetzt iſt nicht Zeit.
Doch ich befehl’s!
Aruntius und Porus —
Von den Verräthern ſchweig’.
Ihr Beyſpiel zog Die Andern nach! Erbrauſend ſtrömt ſogleich141 Der Krieger Fluth zu deinen Fahnen hin! Bey’m Heer Empörung und Tumult! Vergebens, Daß Lucumo mit ſeinem Anhang droht! Der Aufſtand flammt, ſo weit das Auge reicht; Nichts zähmet ſeine Wuth. Der Volsker dringt Auf Tullus los, und fordert Heymath, Rückkehr, So laut, ſo ungeſtüm, daß Tullus weicht, Und ſchon zum Aufbruch den Befehl ertheilt.
So wich er den Verräthern! Ha, der Schande!
Bey deiner Mutter, deinen Kindern fleh’ — O ich beſchwöre dich! Hinweg von hier! Und vor dem Heere hebe dich mit Kraft! Die Krieger harren ſchon — Denn Lucumo, Er raſ’t — mit ihm die andern Feldherren —
Nun?
Ach, unter Flüchen ſchworen ſie dir Tod!
Mir Tod!
Ich flog voran. Sie ſtürzen nach! Nur wen’ge Treuen rief ich noch im Fluge —
Sie ſchworen mir den Tod! — O all’ ihr Götter,142 So haben ſie den grauſen Bund zerriſſen! Triumph! Nun athm’ ich auf! Den Göttern Dank!
Was dankeſt du den Göttern? Eile, Feldherr, Wenn du dein Leben liebſt.
Wie, Armer? Liebſt Du noch das Leben! Traue nicht! Bald kömmt Die düſtre Zeit, wo du’s verwünſchen wirſt! In goldnen Träumen wieget ſich der Jüngling! — Der Schein zerfließt — die Wirklichkeit iſt gräßlich! O traue nicht!
Sieh, ich umfaſſe dir Die Kniee flehend!
Höre, Marcus, höre! Was weineſt du? Iſt es ſo voll, dein Herz? — Steh auf, mein Freund! mein guter, edler Marcus! Unglücklicher! Auch dieſes Herz war voll, Für Römerglück und Römergröße ſchwoll’s! Es ſchloß auch ſelbſt die ſpäte Nachwelt ein, Und glühte mir ſo heiß, und pochte laut — — Da haben ſie’s mit Grimm zertreten! — Todt Iſt’s nun, und fühlt nicht mehr — iſt todt! — — Für euch Hatt’ ich kein Herz; doch meynt’ ich’s redlich! Allein, verbannt zu ſeyn, war ſtets mein Loos! 143Und wie ein Fremdling ſteh’ ich auf der Erde. Der Weg des Ruhms, der Pflicht, wird mir ver - ſchloſſen — Vergebens zehret meine Kraft ſich auf! Was weil’ ich noch? Die Welt iſt nicht für mich; Ich ſtoße ſie von mir!!
Coriolan! Du willſt dich ſelbſt in das Verderben ſtürzen?
Auf will ich mich in meine Heymath ſchwingen, Wo Ancus meiner harr’t! Bald bin ich frey!
An deine Mutter denke!
Grauſamer!
An deine Kinder, die verwaiſt, verlaſſen — — —
Willſt du mein Ende mir verbittern?
Feldherr, Sie nahen!
Laßt ſie kommen!
Fliehe, Feldherr, fliehe!
Es iſt zu ſpät! Umfaſſe den Altar!
Wenn ihr mich ſterbend hinzulegen denkt.
Jetzt gilt es! Muth! Volturio, hierher! Das Schwerdt gezogen!
Nun herbey, ihr Brüder!
Nur über meine Leiche geht der Weg Zu deinem Leben.
Ehr’t nun den Befehl, Den letzten! Fort! Zurück!
O Marcius!
Was ſoll ich? ..
Lerne nun, wie Männer ſterben.
Ha ſeht! Dort ſteht er! Eilet!
Corio -Lucumo, Heran!
Den ſtoß’ ich nieder, der ihm nah’t!
Stürmt ein!
Wer ſeinen Feldherrn liebt, zu mir!
Zurück! Zurück! Ich hab’ euch nicht berufen.
Jetzt, Freunde! Jetzt!!
Wer noch mit treuem Sinn Den Kriegeseyd erwägt, der höre mich, Den Oberfeldherrn! Nieder mit den Waffen! Ihn richtet nur die hohe Volksverſammlung. Wer wagt’s, die Hand in Bürgerblut zu tauchen?
O dränge, Tullus, dich nicht ſchützend vor! Erwartet hab’ ich ſehnlich dieſe Männer. K146Ich fände Schutz in mir, wenn ich ihn wollte!
Nicht mit den Blicken, mit dem Eiſen tödtet! Auf, Volsker, wüthet, ſtürmet auf mich ein! Ihr ſäumet noch? — — — — Wohlan! ſo hört mich nun!
Ich ruf’ ihn auf, den hohen Donnerer, Der Meyneyd ſtraft, und der mein Herz nun ſieht! Ich ruf’ ihn auf zum Zeugen meines Worts, Das ihr zu ſpät als wahr verehren werdet.
Ich dachte zwiſchen Rom und Antium Den Frieden wohl und dauerhaft zu gründen, Und hätt’ ich dann das ſchöne Werk vollbracht, So meine Pflicht erfüllt als Volskerfeldherr, — Hinſtürzen wollt’ ich in das eigne Schwerdt Als Bürger Roms; — ſo Rom verſöhnen — blutend, So von der Furcht befrey’n, den Sohn einſt wieder Als Feind zu ſehen vor dem Capitol! Das wollt’ ich! Anders denk’ ich nun, ihr Volsker! Zerriſſen iſt der Bund, durch euch! durch euch!! Triumph! Ich bin am Ziel! Triumph! Am Ziel! Entfeſſelt ſchwingt mein Geiſt ſich wieder auf! Noch halt’ ich Wort! O hört! Bis in den Tod So, ſchwor ich, ſoll der grauſe Bund beſteh’n! 147Ich halte Wort! Da ſehet Volsker!
Ah, Das traf!
Weh’ mir!
Was thatſt du, Marcius?
Aruntius und Porus treffe Fluch! Elender Lucumo! Er hat nicht Theil An dem Verrath. Er wies mit Hoheit ſie Zum Tullus und zur Pflicht zurück.
Mein Feldherr!
O wär’ ich dir gefolgt, Coriolan!
Brich auf von Rom — liebſt du dein Vaterland!
So mögen mir die Götter gnädig ſeyn! —
Rom iſt verſöhnt — O gerne ſterb’ ich! — — Ah! Es endet ſchnell. — Volturio! — die Hand! Leb’ wohl! — und grüße — mir — Sulpitius! Die Meinen tröſte! — Ha, wie heiß!!
Er ſtirbt!
O großer Held! Nimm deinen Marcus mit!
Wer ſagt nun noch, er war kein edler Mann? Volturio! nimm deines Freundes Leiche, Und ſtelle trauernd ſie den Seinen zu. Er hat nun Ruhe! Laßt zum Aufbruch blaſen!
CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
Fraktur
Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
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