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VII. Beſchluß der Abhandlung uͤber naive und ſentimentaliſche Dichter, nebſt einigen Bemerkungen einen charakteriſtiſchen Unterſchied unter den Menſchen betreffend.

Ueber das Verhaͤltniß beyder Dichtungsarten zu einan - der und zu dem poetiſchen Ideale iſt in den vorhergehen - den Unterſuchungen folgendes feſtgeſetzt worden.

Dem naiven Dichter hat die Natur die Gunſt erzeigt, immer als eine ungetheilte Einheit zu wirken, in jedem Moment ein ſelbſtſtaͤndiges und vollendetes Ganze zu ſeyn und die Menſchheit, ihrem vollen Gehalt nach, in der Wirklichkeit darzuſtellen. Dem ſentimentaliſchen hat ſie die Macht verliehen oder vielmehr einen lebendigen Trieb eingepraͤgt, jene Einheit, die durch Abſtraktion in ihm aufgehoben worden, aus ſich ſelbſt wieder herzuſtel - len, die Menſchheit in ſich vollſtaͤndig zu machen, und aus einem beſchraͤnkten Zuſtand zu einem unendlichen76VII. Ueber naiveuͤberzugehen. *Fuͤr den wiſſenſchaftlich pruͤfenden Leſer bemerke ich, daß beyde Empfindungsweiſen, in ihrem hoͤchſten Begriff ge - dacht, ſich wie die erſte und dritte Kategorie zu einander verhalten, indem die letztere immer dadurch entſteht, daß man die erſtere mit ihrem geraden Gegentheil verbindet. Das Gegentheil der naiven Empfindung iſt nehmlich der reflektierende Verſtand, und die ſentimentaliſche Stimmung iſt das Reſultat des Beſtrebens, auch unter den Be - dingungen der Reflexion die naive Empfindung, dem Innhalt nach, wieder herzuſtellen. Dieß wuͤrde durch das erfuͤllte Ideal geſchehen, in welchem die Kunſt der Natur wieder begegnet. Geht man jene drey Begriffe nach den Kategorien durch, ſo wird man die Natur und die ihr entſprechende naive Stimmung immer in der erſten, die Kunſt als Aufhebung der Natur durch den frey wirken - den Verſtand immer in der zweyten, endlich das Ideal in welchem die vollendete Kunſt zur Natur zuruͤckkehrt, in der dritten Kategorie antreffen.Der menſchlichen Natur ihren voͤlligen Ausdruck zu geben iſt aber die gemeinſchaftliche Aufgabe beyder, und ohne das wuͤrden ſie gar nicht Dichter heiſ - ſen koͤnnen; aber der naive Dichter hat vor dem ſenti - mentaliſchen immer die ſinnliche Realitaͤt voraus, indem er dasjenige als eine wirkliche Thatſache ausfuͤhrt, was der andere nur zu erreichen ſtrebt. Und das iſt es auch, was jeder bey ſich erfaͤhrt, wenn er ſich beym Genuſſe naiver Dichtungen beobachtet. Er fuͤhlt alle Kraͤfte ſeiner Menſchheit in einem ſolchen Augenblick thaͤtig, er bedarf77und ſentimentaliſche Dichter.nichts, er iſt ein Ganzes in ſich ſelbſt; ohne etwas in ſeinem Gefuͤhl zu unterſcheiden, freut er ſich zugleich ſei - ner geiſtigen Thaͤtigkeit und ſeines ſinnlichen Lebens. Ei - ne ganz andre Stimmung iſt es, in die ihn der ſentimen - taliſche Dichter verſetzt. Hier fuͤhlt er bloß einen leben - digen Trieb, die Harmonie in ſich zu erzeugen, welche er dort wirklich empfand, ein Ganzes aus ſich zu machen, die Menſchheit in ſich zu einem vollendeten Ausdruck zu bringen. Daher iſt hier das Gemuͤth in Bewegung, es iſt angeſpannt, es ſchwankt zwiſchen ſtreitenden Gefuͤh - len; da es dort ruhig, aufgeloͤßt, einig mit ſich ſelbſt und vollkommen befriedigt iſt.

Aber wenn es der naive Dichter dem ſentimentaliſchen auf der einen Seite an Realitaͤt abgewinnt, und dasje - nige zur wirklichen Exiſtenz bringt, wornach dieſer nur einen lebendigen Trieb erwecken kann, ſo hat letzterer wie - der den großen Vortheil uͤber den erſtern, daß er dem Trieb einen groͤßeren Gegenſtand zu geben im Stand iſt, als jener geleiſtet hat und leiſten konnte. Alle Wirklichkeit, wiſſen wir, bleibt hinter dem Ideale zu - ruͤck; alles exiſtierende hat ſeine Schranken, aber der Gedanke iſt grenzenlos. Durch dieſe Einſchraͤnkung, der alles ſinnliche unterworfen iſt, leidet alſo auch der naive Dichter, da hingegen die unbedingte Freyheit des Ideen - vermoͤgens dem ſentimentaliſchen zu ſtatten kommt. Je - ner erfuͤllt zwar alſo ſeine Aufgabe, aber die Aufgabe ſelbſt iſt etwas begrenztes; dieſer erfuͤllt zwar die ſeinige nicht ganz, aber die Aufgabe iſt ein unendliches. Auch78VII. Ueber naivehieruͤber kann einen jeden ſeine eigne Erfahrung belehren. Von dem naiven Dichter wendet man ſich mit Leichtigkeit und Luſt zu der lebendigen Gegenwart; der ſentimentaliſche wird immer, auf einige Augenblicke, fuͤr das wirkliche Leben verſtimmen. Das macht, unſer Gemuͤth iſt hier durch das Unendliche der Idee gleichſam uͤber ſeinen na - tuͤrlichen Durchmeſſer ausgedehnt worden, daß nichts vorhandenes es mehr ausfuͤllen kann. Wir verſinken lie - ber betrachtend in uns ſelbſt, wo wir fuͤr den aufgeregten Trieb in der Ideenwelt Nahrung finden; anſtatt daß wir dort aus uns heraus nach ſinnlichen Gegenſtaͤnden ſtre - ben. Die ſentimentaliſche Dichtung iſt die Geburt der Abgezogenheit und Stille, und dazu ladet ſie auch ein: Die naive iſt das Kind des Lebens, und in das Leben fuͤhrt ſie auch zuruͤck.

Ich habe die naive Dichtung eine Gunſt der Na - tur genannt, um zu erinnern, daß die Reflexion keinen Antheil daran habe. Ein gluͤcklicher Wurf iſt ſie; keiner Verbeßerung beduͤrftig, wenn er gelingt, aber auch keiner faͤhig, wenn er verfehlt wird. In der Empfindung iſt das ganze Werk des naiven Genies abſolviert; hier ligt ſeine Staͤrke und ſeine Grenze. Hat es alſo nicht gleich dichteriſch d. h. nicht gleich vollkommen menſchlich em - pfunden, ſo kann dieſer Mangel durch keine Kunſt mehr nachgehohlt werden. Die Critik kann ihm nur zu einer Einſicht des Fehlers verhelfen, aber ſie kann keine Schoͤnheit an deſſen Stelle ſetzen. Durch ſeine Natur muß das naive Genie alles thun, durch ſeine Freyheit79und ſentimentaliſche Dichter.vermag es wenig; und es wird ſeinen Begriff erfuͤllen, ſobald nur die Natur in ihm nach einer innern Nothwen - digkeit wirkt. Nun iſt zwar alles nothwendig, was durch Natur geſchieht, und das iſt auch jedes noch ſo verun - gluͤckte Produckt des naiven Genies, von welchem nichts mehr entfernt iſt als Willkuͤhrlichkeit; aber ein andres iſt die Noͤthigung des Augenblicks, ein andres die innre Nothwendigkeit des Ganzen. Als ein Ganzes betrachtet iſt die Natur ſelbſtſtaͤndig und unendlich; in jeder einzel - nen Wirkung hingegen iſt ſie beduͤrftig und beſchraͤnkt. Dieſes gilt daher auch von der Natur des Dichters. Auch der gluͤcklichſte Moment, in welchem ſich derſelbe befinden mag, iſt von einem vorhergehenden abhaͤngig; es kann ihm daher auch nur eine bedingte Nothwendigkeit beyge - legt werden. Nun ergeht aber die Aufgabe an den Dich - ter, einen einzelnen Zuſtand dem menſchlichen Ganzen gleich zu machen, folglich ihn abſolut und nothwendig auf ſich ſelbſt zu gruͤnden. Aus dem Moment der Begei - ſterung muß alſo jede Spur eines zeitlichen Beduͤrfniſſes entfernt bleiben, und der Gegenſtand ſelbſt, ſo beſchraͤnkt er auch ſey, darf den Dichter nicht beſchraͤnken. Man begreift wohl, daß dieſes nur in ſoferne moͤglich iſt, als der Dichter ſchon eine abſolute Freyheit und Fuͤlle des Vermoͤgens zu dem Gegenſtande mitbringt, und als er geuͤbt iſt, alles mit ſeiner ganzen Menſchheit zu umfaßen. Dieſe Uebung kann er aber nur durch die Welt erhalten, in der er lebt, und von der er unmittelbar beruͤhrt wird. Das naive Genie ſteht alſo in einer Abhaͤngigkeit von der80VII. Ueber naiveErfahrung, welche das ſentimentaliſche nicht kennet. Die - ſes wiſſen wir, faͤngt ſeine Operation erſt da an, wo je - nes die ſeinige beſchließt; ſeine Staͤrke beſteht darinn, einen mangelhaften Gegenſtand aus ſich ſelbſt her - aus zu ergaͤnzen, und ſich durch eigene Macht aus einem begrenzten Zuſtand in einen Zuſtand der Freyheit zu ver - ſetzen. Das naive Dichtergenie bedarf alſo eines Bey - ſtandes von auſſen, da das ſentimentaliſche ſich aus ſich ſelbſt naͤhrt und reinigt; es muß eine formreiche Natur, eine dichteriſche Welt, eine naive Menſchheit um ſich her erblicken, da es ſchon in der Sinnenempfindung ſein Werk zu vollenden hat. Fehlt ihm nun dieſer Beyſtand von auſſen, ſieht es ſich von einem geiſtloſen Stoff um - geben, ſo kann nur zweyerley geſchehen. Es tritt ent - weder, wenn die Gattung bey ihm uͤberwiegend iſt, aus ſeiner Art, und wird ſentimentaliſch, um nur dichteriſch zu ſeyn, oder, wenn der Artcharakter die Obermacht be - haͤlt, es tritt aus ſeiner Gattung, und wird gemeine Natur, um nur Natur zu bleiben. Das erſte duͤrfte der Fall mit den vornehmſten ſentimentaliſchen Dichtern in der alten roͤmiſchen Welt und in neueren Zeiten ſeyn. In einem andern Weltalter gebohren, unter einem an - dern Himmel verpflanzt, wuͤrden ſie, die uns jetzt durch Ideen ruͤhren, durch individuelle Wahrheit und naive Schoͤnheit bezaubert haben. Vor dem zweyten moͤchte ſich ſchwerlich ein Dichter vollkommen ſchuͤtzen koͤnnen, der in einer gemeinen Welt die Natur nicht verlaſſen kann.

Die wirkliche Natur nehmlich; aber von dieſer81und ſentimentaliſche Dichter.kann die wahre Natur, die das Subjekt naiver Dich - tungen iſt, nicht ſorgfaͤltig genug unterſchieden werden. Wirkliche Natur exiſtiert uͤberall, aber wahre Natur iſt deſto ſeltener, denn dazu gehoͤrt eine innere Nothwendig - keit des Daſeyns. Wirkliche Natur iſt jeder, noch ſo ge - meine Ausbruch der Leidenſchaft, er mag auch wahre Natur ſeyn, aber eine wahre menſchliche iſt er nicht; denn dieſe erfodert einen Antheil des ſelbſtſtaͤndigen Ver - moͤgens an jeder Aeuſſerung, deſſen Ausdruck jedesmal Wuͤrde iſt. Wirkliche menſchliche Natur iſt jede morali - ſche Niedertraͤchtigkeit, aber wahre menſchliche Natur iſt ſie hoffentlich nicht; denn dieſe kann nie anders als edel ſeyn. Es iſt nicht zu uͤberſehen, zu welchen Abgeſchmakt - heiten dieſe Verwechslung wirklicher Natur mit wahrer menſchlicher Natur in der Critik wie in der Ausuͤbung verleitet hat: welche Trivialitaͤten man in der Poeſie geſtattet, ja lobpreißt, weil ſie leider! wirkliche Natur ſind: wie man ſich freuet, Karrikaturen, die einen ſchon aus der wirklichen Welt herausaͤngſtigen, in der dichteri - ſchen ſorgfaͤltig aufbewahrt, und nach dem Leben konter - feyt zu ſehen. Freylich darf der Dichter auch die ſchlechte Natur nachahmen und bey dem ſatyriſchen bringt dieſes ja der Begriff ſchon mit ſich: aber in dieſem Fall muß ſeine eigne ſchoͤne Natur den Gegenſtand uͤbertragen, und der gemeine Stoff den Nachahmer nicht mit ſich zu Boden ziehen. Iſt nur Er ſelbſt, in dem Moment we - nigſtens wo er ſchildert, wahre menſchliche Natur, ſo hat es nichts zu ſagen, was er uns ſchildert: aber auchDie Horen. 1796. 1ſtes St. 682VII. Ueber naiveſchlechterdings nur von einem ſolchen koͤnnen wir ein treues Gemaͤhlde der Wirklichkeit vertragen. Wehe uns Leſern; wenn die Fratze ſich in der Fratze ſpiegelt; wenn die Geißel der Satyre in die Haͤnde desjenigen faͤllt, dem die Natur eine viel ernſtlichere Peitſche zu fuͤhren be - ſtimmte; wenn Menſchen, die, entbloͤßt von allem, was man poetiſchen Geiſt nennt, nur das Affentalent gemei - ner Nachahmung beſitzen, es auf Koſten unſers Geſchmacks graͤulich und ſchrecklich uͤben!

Aber ſelbſt dem wahrhaft naiven Dichter, ſagte ich, kann die gemeine Natur gefaͤhrlich werden; denn endlich iſt jene ſchoͤne Zuſammenſtimmung zwiſchen Empfinden und Denken, welche den Charakter deſſelben ausmacht, doch nur eine Idee, die in der Wirklichkeit nie ganz erreicht wird, und auch bey den gluͤcklichſten Genies aus dieſer Klaſſe wird die Empfaͤnglichkeit die Selbſtthaͤtigkeit immer um etwas uͤberwiegen. Die Empfaͤnglichkeit aber iſt immer mehr oder weniger von dem aͤuſſern Eindruck abhaͤngig, und nur eine anhaltende Regſamkeit des pro - duktiven Vermoͤgens, welche von der menſchlichen Natur nicht zu erwarten iſt, wuͤrde verhindern koͤnnen, daß der Stoff nicht zuweilen eine blinde Gewalt uͤber die Em - pfaͤnglichkeit ausuͤbte. So oft aber dieß der Fall iſt wird aus einem dichteriſchen Gefuͤhl ein gemeines. *Wie ſehr der naive Dichter von ſeinem Objekt abhaͤnge, und wie viel, ja wie alles auf ſein Empfinden ankomme, daruͤber kann uns die alte Dichtkunſt die beßten Belege geben. So weit die Natur in ihnen und außer ihnen ſchoͤn iſt, ſind es

83und ſentimentaliſche Dichter.

Kein Genie aus der naiven Klaſſe, von Homet biß auf Bodmer herab, hat dieſe Klippe ganz vermieden;*auch die Dichtungen der Alten; wird hingegen die Natur gemein, ſo iſt auch der Geiſt aus ihren Dichtungen gewichen. Jeder Leſer von feinem Gefuͤhl muß z. B. bey ihren Schil - derungen der weiblichen Natur, des Verhaͤltniſſes zwiſchen beyden Geſchlechtern und der Liebe insbeſondere eine gewiße Leerheit und einen Ueberdruß empfinden, den alle Wahrheit und Naivetaͤt in der Darſtellung nicht verbannen kann. Oh - ne der Schwaͤrmerey das Wort zu reden, welche freylich die Natur nicht veredelt ſondern verlaͤßt, wird man hoffentlich annehmen duͤrfen, daß die Natur in Ruͤkſicht auf jenes Ver - haͤltniß der Geſchlechter und den Affekt der Liebe eines ed - leren Charakters faͤhig iſt, als ihr die Alten gegeben haben; auch kennt man die zufaͤlligen Umſtaͤnde, welche der Ver - edlung jener Empfindungen bey ihnen im Wege ſtanden. Daß es Beſchraͤnktheit, nicht innere Nothwendigkeit war, was die Alten hierinn auf einer niedrigern Stuffe feſt hielt, lehrt das Beyſpiel neuerer Poeten, welche ſoviel weiter ge - gangen ſind, als ihre Vorgaͤnger, ohne doch die Natur zu uͤbertreten. Die Rede iſt hier nicht von dem, was ſentimen - taliſche Dichter aus dieſem Gegenſtande zu machen gewußt haben, denn dieſe gehen uͤber die Natur hinaus in das idea - liſche und ihr Beyſpiel kann alſo gegen die Alten nichts be - weiſen; bloß davon iſt die Rede, wie der nehmliche Gegen - ſtand von wahrhaft naiven Dichtern, wie er z. B. in der Sakontala, in den Minneſaͤngern, in manchen Rit - terromanen und Ritterepopeen, wie er von Sha -84VII. Ueber naiveaber freylich iſt ſie denen am gefaͤhrlichſten, die ſich einer gemeinen Natur von auſſen zu erwehren haben, oder die durch Mangel an Diſciplin von innen verwildert ſind. Jenes iſt Schuld, daß ſelbſt gebildete Schriftſteller nicht immer von Plattheiten frey bleiben, und dieſes verhin - derte ſchon manches herrliche Talent, ſich des Platzes zu bemaͤchtigen, zu dem die Natur es berufen hatte. Der Komoͤdiendichter, deſſen Genie ſich am meiſten von dem wirklichen Leben naͤhrt, iſt eben daher auch am meiſten der Plattheit ausgeſetzt, wie auch das Beyſpiel des Ariſtophanes und Plautus, und faſt aller der ſpaͤtern Dichter lehret, die in die Fußtapfen derſelben getreten ſind. Wie tief laͤßt uns nicht der erhabene Shakeſpeare zuweilen ſinken, mit welchen Triviali - taͤten quaͤlen uns nicht Lope de Vega, Moliere, Regnard, Goldoni, in welchen Schlamm zieht uns nicht Holberg hinab. Schlegel, einer der geiſtreich -*keſpeare, von Fielding und mehrern andern, ſelbſt deutſchen Poeten behandelt iſt. Hier waͤre nun fuͤr die Al - ten der Fall geweſen, einen von auſſen zu rohen Stoff von innen heraus, durch das Subjekt, zu vergeiſtigen, den poe - tiſchen Gehalt, der der aͤuſſern Empfindung gemangelt hat - te, durch Reflexion nachzuhohlen, die Natur durch die Idee zu ergaͤnzen, mit einem Wort, durch eine ſentimen - taliſche Operation aus einem beſchraͤnkten Objekt ein unend - liches zu machen. Aber es waren naive, nicht ſentimenta - liſche Dichtergenies; ihr Werk war alſo mit der aͤußern Em - pfindung geendigt.85und ſentimentaliſche Dichter.ſten Dichter unſers Vaterlands, an deſſen Genie es nicht lag, daß er nicht unter den erſten in dieſer Gattung glaͤnzt, Gellert, ein wahrhaft naiver Dichter, ſo wie auch Rabener, Leſſing ſelbſt, wenn ich ihn anders hier nennen darf, Leſſing der gebildete Zoͤgling der Critik, und ein ſo wachſamer Richter ſeiner ſelbſt wie buͤßen ſie nicht alle, mehr oder weniger, den geiſtloſen Charak - ter der Natur, die ſie zum Stoff ihrer Satyre erwaͤhlten. Von den neueſten Schriftſtellern in dieſer Gattung nenne ich keinen, da ich keinen ausnehmen kann.

Und nicht genug, daß der naive Dichtergeiſt in Ge - fahr iſt, ſich einer gemeinen Wirklichkeit allzuſehr zu naͤ - hern durch die Leichtigkeit, mit der er ſich aͤuſert, und durch eben dieſe groͤßere Annaͤherung an das wirkliche Leben macht er noch dem gemeinen Nachahmer Muth, ſich im poetiſchen Felde zu verſuchen. Die ſentimentali - ſche Poeſie, wiewohl von einer andern Seite gefaͤhrlich genug, wie ich hernach zeigen werde, haͤlt wenigſtens dieſes Volk in Entfernung, weil es nicht jedermanns Sache iſt, ſich zu Ideen zu erheben; die naive Poeſie aber bringt es auf den Glauben, als wenn ſchon die bloße Empfindung, der bloße Humor, die bloße Nachahmung wirklicher Natur den Dichter ausmache. Nichts aber iſt widerwaͤrtiger, als wenn der platte Charakter ſich einfal - len laͤßt, liebenswuͤrdig und naiv ſeyn zu wollen; er, der ſich in alle Huͤllen der Kunſt ſtecken ſollte, um ſeine eckelhafte Natur zu verbergen. Daher denn auch die un - ſaͤglichen Platituden, welche ſich die Deutſchen unter dem86VII. Ueber naiveTitel von naiven und ſcherzhaften Liedern vorſingen laſ - ſen, und an denen ſie ſich bey einer wohlbeſetzten Tafel ganz unendlich zu beluſtigen pflegen. Unter dem Freybrief der Laune, der Empfindung dultet man dieſe Armſelig - keiten aber einer Laune, einer Empfindung, die man nicht ſorgfaͤltig genug verbannen kann. Die Muſen an der Pleiſſe bilden hier beſonders einen eigenen klaͤgli - chen Chor, und ihnen wird von den Camoͤnen an der Leine und Elbe in nicht beſſern Akkorden geantwortet. *Dieſe guten Freunde haben es ſehr uͤbel aufgenommen, was ein Recenſent in der A. L. Z. vor etlichen Jahren an den Buͤrger’ſchen Gedichten getadelt hat; und der Inngrimm, womit ſie wider dieſen Stachel lecken, ſcheint zu erkennen zu geben, daß ſie mit der Sache jenes Dichters ihre eigene zu verfechten glauben. Aber darinn irren ſie ſich ſehr. Jene Ruͤge konnte bloß einem wahren Dichtergenie gelten, das von der Natur reichlich ausgeſtattet war, aber verſaͤumt hatte, durch eigne Kultur jenes ſeltene Geſchenk auszubil - den. Ein ſolches Individuum durfte und mußte man un - ter den hoͤchſten Maaßſtab der Kunſt ſtellen, weil es Kraft in ſich hatte, demſelben ſobald es ernſtlich wollte genug zu thun; aber es waͤre laͤcherlich und grauſam zugleich, auf aͤhnliche Art mit Leuten zu verfahren, an welche die Natur nicht gedacht hat, und die mit jedem Produkt, das ſie zu Markte bringen, ein vollguͤltiges Testimonium paupertatis aufweiſen.So inſipid dieſe Scherze ſind, ſo klaͤglich laͤßt ſich der Affekt auf unſern tragiſchen Buͤhnen hoͤren, welcher, an -87und ſentimentaliſche Dichter.ſtatt die wahre Natur nachzuahmen, nur den geiſtloſen und unedeln Ausdruck der wirklichen erreicht; ſo daß es uns nach einem ſolchen Thraͤnenmahle gerade zu Muth iſt, als wenn wir einen Beſuch in Spitaͤlern abgelegt oder Salzmanns menſchliches Elend geleſen haͤtten. Noch viel ſchlimmer ſteht es um die ſatyriſche Dichtkunſt, und um den komiſchen Roman insbeſondre, die ſchon ih - rer Natur nach dem gemeinen Leben ſo nahe liegen, und daher billig, wie jeder Grenzpoſten, gerade in den beßten Haͤnden ſeyn ſollten. Derjenige hat wahrlich den wenig - ſten Beruf der Mahler ſeiner Zeit zu werden, der das Geſchoͤpf und die Karrikatur derſelben iſt; aber da es etwas ſo leichtes iſt, irgend einen luſtigen Charakter, waͤr es auch nur einen dicken Mann unter ſeiner Bekanntſchaft aufzujagen, und die Fratze mit einer gro - ben Feder auf dem Papier abzureiſſen, ſo fuͤhlen zuweilen auch die geſchworenen Feinde alles poetiſchen Geiſtes den Kitzel, in dieſem Fache zu ſtuͤmpern, und einen Zirkel von wuͤrdigen Freunden mit der ſchoͤnen Geburt zu ergoͤ - zen. Ein rein geſtimmtes Gefuͤhl freylich wird nie in Ge - fahr ſeyn, dieſe Erzeugniße einer gemeinen Natur mit den geiſtreichen Fruͤchten des naiven Genies zu verwech - ſeln; aber an dieſer reinen Stimmung des Gefuͤhls fehlt es eben, und in den meiſten Faͤllen will man bloß ein Beduͤrfniß befriedigt haben, ohne daß der Geiſt eine Fo - derung machte. Der ſo falſch verſtandene, wiewohl an ſich wahre Begriff, daß man ſich bey Werken des ſchoͤnen Geiſtes erhohle, traͤgt das ſeinige redlich zu dieſer88VII. Ueber naiveNachſicht bey; wenn man es anders Nachſicht nennen kann, wo nichts hoͤheres geahnet wird, und der Leſer wie der Schriftſteller auf gleiche Art ihre Rechnung finden. Die gemeine Natur nehmlich, wenn ſie angeſpannt wor - den, kann ſich nur in der Leerheit erhohlen, und ſelbſt ein hoher Grad von Verſtand, wenn er nicht von einer gleichmaͤßigen Kultur der Empfindungen unterſtuͤtzt iſt, ruht von ſeinem Geſchaͤfte nur in einem geiſtloſen Sin - nengenuß aus.

Wenn ſich das dichtende Genie uͤber alle zufaͤlli - gen Schranken, welche von jedem beſtimmten Zu - ſtande unzertrennlich ſind, mit freyer Selbſtthaͤtigkeit muß erheben koͤnnen, um die menſchliche Natur in ih - rem abſoluten Vermoͤgen zu erreichen, ſo darf es ſich doch auf der andern Seite nicht uͤber die nothwendigen Schranken hinwegſetzen, welche der Begriff einer menſch - lichen Natur mit ſich bringt; denn das Abſolute aber nur innerhalb der Menſchheit iſt ſeine Aufgabe und ſeine Sphaͤre. Wir haben geſehen, daß das naive Genie zwar nicht in Gefahr iſt, dieſe Sphaͤre zu uͤberſchreiten, wohl aber ſie nicht ganz zu erfuͤllen, wenn es einer aͤuſſern Nothwendigkeit oder dem zufaͤlligen Beduͤrfniß des Augenblicks zu ſehr auf Unkoſten der innern Noth - wendigkeit Raum giebt. Das ſentimentaliſche Genie hingegen iſt der Gefahr ausgeſetzt, uͤber dem Beſtreben, alle Schranken von ihr zu entfernen, die menſchliche Na - tur ganz und gar aufzuheben, und ſich nicht bloß, was es darf und ſoll, uͤber jede beſtimmte und begrenzte Wirk -89und ſentimentaliſche Dichter.lichkeit hinweg zu der abſoluten Moͤglichkeit zu erheben oder zu idealiſiren, ſondern uͤber die Moͤglichkeit ſelbſt noch hinauszugehen oder zu ſchwaͤrmen. Dieſer Fehler der Ueberſpannung iſt eben ſo in der ſpecifi - ſchen Eigenthuͤmlichkeit ſeines Verfahrens wie der ent - gegengeſetzte der Schlaffheit, in der eigenthuͤmlichen Handlungsweiſe des naiven gegruͤndet. Das naive Genie nehmlich laͤßt die Natur in ſich unumſchraͤnkt walten, und da die Natur, in ihren einzelnen zeitlichen Aeuſſe - rungen immer abhaͤngig und beduͤrftig iſt, ſo wird das naive Gefuͤhl nicht immer exaltiert genug bleiben, um den zufaͤlligen Beſtimmungen des Augenblicks widerſtehen zu koͤnnen. Das ſentimentaliſche Genie hingegen verlaͤßt die Wirklichkeit, um zu Ideen aufzuſteigen und mit freyer Selbſtthaͤtigkeit ſeinen Stoff zu beherrſchen; da aber die Vernunft ihrem Geſetze nach immer zum Unbedingten ſtrebt, ſo wird das ſentimentaliſche Genie nicht immer nuͤchtern genug bleiben, um ſich ununterbrochen und gleichfoͤrmig innerhalb der Bedingungen zu halten, welche der Begriff einer menſchlichen Natur mit ſich fuͤhrt, und an welche die Vernunft auch in ihrem freyeſten Wirken hier immer gebunden bleiben muß. Dieſes koͤnnte nur durch einen verhaͤltnißmaͤßigen Grad von Empfaͤnglichkeit geſchehen, welche aber in dem ſentimentaliſchen Dichter - geiſte von der Selbſtthaͤtigkeit eben ſo ſehr uͤberwogen wird, als ſie in dem Naiven die Selbſtthaͤtigkeit uͤber - wiegt. Wenn man daher an den Schoͤpfungen des nai - ven Genies zuweilen den Geiſt vermißt, ſo wird man90VII. Ueber naivebey den Geburten des ſentimentaliſchen oft vergebens nach dem Gegenſtande fragen. Beyde werden alſo, wie - wohl auf ganz entgegengeſetzte Weiſe in den Fehler der Leerheit verfallen; denn ein Gegenſtand ohne Geiſt und ein Geiſtesſpiel ohne Gegenſtand ſind beyde ein Nichts in dem aͤſthetiſchen Urtheil.

Alle Dichter, welche ihren Stoff zu einſeitig aus der Gedankenwelt ſchoͤpfen, und mehr durch eine innre Ideen - fuͤlle als durch den Drang der Empfindung zum poetiſchen Bilden getrieben werden, ſind mehr oder weniger in Ge - fahr, auf dieſen Abweg zu gerathen. Die Vernunft zieht bey ihren Schoͤpfungen die Grenzen der Sinnenwelt viel zu wenig zu Rath und der Gedanke wird immer wei - ter getrieben, als die Erfahrung ihm folgen kann. Wird er aber ſo weit getrieben, daß ihm nicht nur keine be - ſtimmte Erfahrung mehr entſprechen kann, (denn bis da - hin darf und muß das Idealſchoͤne gehen) ſondern daß er den Bedingungen aller moͤglichen Erfahrung uͤberhaupt widerſtreitet, und daß folglich um ihn wirklich zu machen, die menſchliche Natur ganz und gar verlaſſen werden muͤßte, dann iſt es nicht mehr ein poetiſcher, ſondern ein uͤberſpannter Gedanke: vorausgeſetzt nehmlich, daß er ſich als darſtellbar und dichteriſch angekuͤndiget habe; denn hat er dieſes nicht, ſo iſt es ſchon genug, wenn er ſich nur nicht ſelbſt widerſpricht. Widerſpricht er ſich ſelbſt, ſo iſt er nicht mehr Ueberſpannung, ſondern Un - ſinn; denn was uͤberhaupt nicht iſt, das kann auch ſein Maaß nicht uͤberſchreiten. Kuͤndigt er ſich aber gar91und ſentimentaliſche Dichter.nicht als ein Objekt fuͤr die Einbildungskraft an, ſo iſt er eben ſo wenig Ueberſpannung; denn das bloße Denken iſt grenzenlos und was keine Grenze hat, kann auch keine uͤberſchreiten. Ueberſpannt kann alſo nur dasjenige genannt werden, was zwar nicht die logiſche aber die ſinnliche Wahrheit verletzt, und auf dieſe doch Anſpruch macht. Wenn daher ein Dichter den ungluͤcklichen Ein - fall hat, Naturen, die ſchlechthin uͤbermenſchlich ſind, und auch nicht anders vorgeſtellt werden duͤrfen, zum Stoff ſeiner Schilderung zu erwaͤhlen, ſo kann er ſich vor dem Ueberſpannten nur dadurch ſicher ſtellen, daß er das Poetiſche aufgiebt und es gar nicht einmal unter - nimmt, ſeinen Gegenſtand durch die Einbildungskraft ausfuͤhren zu laſſen. Denn thaͤte er dieſes, ſo wuͤrde entweder dieſe ihre Grenzen auf den Gegenſtand uͤbertra - gen, und aus einem abſoluten Objekt ein beſchraͤnktes menſchliches machen (was z. B. alle griechiſchen Gott - heiten ſind und auch ſeyn ſollen); oder der Gegenſtand wuͤrde der Einbildungskraft ihre Grenzen nehmen, d. h. er wuͤrde ſie aufheben, worinn eben das Ueberſpannte beſteht.

Man muß die uͤberſpannte Empfindung von dem Ueberſpannten in der Darſtellung unterſcheiden; nur von der erſten iſt hier die Rede. Das Objekt der Empfin - dung kann unnatuͤrlich ſeyn, aber ſie ſelbſt iſt Natur, und muß daher auch die Sprache derſelben fuͤhren. Wenn alſo das Ueberſpannte in der Empfindung aus Waͤrme des Herzens und einer wahrhaft dichteriſchen Anlage92VII. Ueber naivefließen kann, ſo zeugt das Ueberſpannte in der Darſtel - lung jederzeit von einem kalten Herzen und ſehr oft von einem poetiſchen Unvermoͤgen. Es iſt alſo kein Fehler, vor welchem das ſentimentaliſche Dichtergenie gewarnt werden muͤßte, ſondern der bloß dem unberufenen Nach - ahmer deſſelben drohet, daher er auch die Begleitung des Platten, Geiſtloſen, ja des Niedrigen keineswegs verſchmaͤht. Die uͤberſpannte Empfindung iſt gar nicht ohne Wahrheit, und als wirkliche Empfindung muß ſie auch nothwendig einen realen Gegenſtand haben. Sie laͤßt daher auch, weil ſie Natur iſt, einen einfachen Aus - druck zu, und wird vom Herzen kommend auch das Herz nicht verfehlen. Aber da ihr Gegenſtand nicht aus der Natur geſchoͤpft, ſondern durch den Verſtand einſeitig und kuͤnſtlich hervorgebracht iſt, ſo hat er auch bloß lo - giſche Realitaͤt, und die Empfindung iſt alſo nicht rein menſchlich. Es iſt keine Taͤuſchung, was Heloiſe fuͤr Abelard, was Petrarch fuͤr ſeine Laura, was S. Preux fuͤr ſeine Julie, was Werther fuͤr ſeine Lotte fuͤhlt, und was Agathon, Phanias, Peregri - nus Proteus (den Wielandiſchen meyne ich) fuͤr ihre Ideale empfinden; die Empfindung iſt wahr, nur der Gegenſtand iſt ein gemachter und liegt auſſerhalb der menſchlichen Natur. Haͤtte ſich ihr Gefuͤhl bloß an die ſinnliche Wahrheit der Gegenſtaͤnde gehalten, ſo wuͤrde es jenen Schwung nicht haben nehmen koͤnnen; hingegen wuͤrde ein bloß willkuͤhrliches Spiel der Phantaſie ohne allen innern Gehalt auch nicht im Stande geweſen ſeyn,93und ſentimentaliſche Dichter.das Herz zu bewegen, denn das Herz wird nur durch Vernunft bewegt. Dieſe Ueberſpannung verdient alſo Zurechtweiſung, nicht Verachtung, und wer daruͤber ſpottet, mag ſich wohl pruͤfen, ob er nicht vielleicht aus Herzloſigkeit ſo klug, aus Vernunftmangel ſo verſtaͤndig iſt. So iſt auch die uͤberſpannte Zaͤrtlichkeit im Punkt der Galanterie und der Ehre, welche die Ritterromane, beſonders die ſpaniſchen charakteriſiert, ſo iſt die ſkrupu - loſe, bis zur Koſtbarkeit getriebene Delikateſſe in den franzoͤſiſchen und engliſchen ſentimentaliſchen Romanen (von der beſten Gattung) nicht nur ſubjektiv wahr, ſon - dern auch in objektiver Ruͤckſicht nicht gehaltlos; es ſind aͤchte Empfindungen, die wirklich eine moraliſche Quelle haben, und die nur darum verwerflich ſind, weil ſie die Grenzen menſchlicher Wahrheit uͤberſchreiten. Ohne jene moraliſche Realitaͤt wie waͤre es moͤglich, daß ſie mit ſolcher Staͤrke und Innigkeit koͤnnten mitgetheilt wer - den, wie doch die Erfahrung lehrt. Daſſelbe gilt auch von der moraliſchen und religioͤſen Schwaͤrmerey, und von der exaltierten Freyheits - und Vaterlandsliebe. Da die Gegenſtaͤnde dieſer Empfindungen immer Ideen ſind und in der aͤuſſern Erfahrung nicht erſcheinen, (denn was z. B. den politiſchen Enthuſiaſten bewegt, iſt nicht was er ſiehet, ſondern was er denkt) ſo hat die ſelbſtthaͤtige Einbildungskraft eine gefaͤhrliche Freyheit und kann nicht, wie in andern Faͤllen, durch die ſinnliche Gegenwart ih - res Objekts in ihre Grenzen zuruͤckgewieſen werden. Aber weder der Menſch uͤberhaupt noch der Dichter insbeſondre94VII. Ueber naivedarf ſich der Geſetzgebung der Natur anders entziehen, als um ſich unter die entgegengeſetzte der Vernunft zu begeben; nur fuͤr das Ideal darf er die Wirklichkeit ver - laſſen, denn an einem von dieſen beyden Ankern muß die Freyheit beveſtiget ſeyn. Aber der Weg von der Er - fahrung zum Ideale iſt ſo weit, und dazwiſchen liegt die Phantaſie mit ihrer zuͤgelloſen Willkuͤhr. Es iſt daher unvermeidlich, daß der Menſch uͤberhaupt wie der Dich - ter insbeſondere, wenn er ſich durch die Freyheit ſeines Verſtandes aus der Herrſchaft der Gefuͤhle begiebt, ohne durch Geſetze der Vernunft dazu getrieben zu werden, d. h. wenn er die Natur aus bloßer Freyheit verlaͤßt, ſolang ohne Geſetz iſt, mithin der Phantaſterey zum Raube dahingegeben wird.

Daß ſowohl ganze Voͤlker als einzelne Menſchen, welche der ſichern Fuͤhrung der Natur ſich entzogen ha - ben, ſich wirklich in dieſem Falle befinden, lehrt die Er - fahrung, und eben dieſe ſtellt auch Beyſpiele genug von einer aͤhnlichen Verirrung in der Dichtkunſt auf. Weil der aͤchte ſentimentaliſche Dichtungstrieb, um ſich zum idealen zu erheben, uͤber die Grenzen wirklicher Natur hinausgehen muß, ſo geht der unaͤchte uͤber jede Grenze uͤberhaupt hinaus, und uͤberredet ſich, als wenn ſchon das wilde Spiel der Imagination die poetiſche Begeiſte - rung ausmache. Dem wahrhaften Dichtergenie, welches die Wirklichkeit nur um der Idee willen verlaͤſſet, kann dieſes nie oder doch nur in Momenten begegnen, wo es ſich ſelbſt verloren hat; da es hingegen durch ſeine Natur95und ſentimentaliſche Dichter.ſelbſt zu einer uͤberſpannten Empfindungsweiſe verfuͤhrt werden kann. Es kann aber durch ſein Beyſpiel andre zur Phantaſterey verfuͤhren, weil Leſer von reger Phan - taſie und ſchwachem Verſtand ihm nur die Freyheiten ab - ſehen, die es ſich gegen die wirkliche Natur herausnimmt, ohne ihm bis zu ſeiner hohen innern Nothwendigkeit fol - gen zu koͤnnen. Es geht dem ſentimentaliſchen Genie hier, wie wir bey dem naiven geſehen haben. Weil dieſes durch ſeine Natur alles ausfuͤhrte, was es thut, ſo will der gemeine Nachahmer an ſeiner eigenen Natur keine ſchlechtere Fuͤhrerinn haben. Meiſterſtuͤcke aus der naiven Gattung werden daher gewoͤhnlich die platteſten und ſchmutzigſten Abdruͤcke gemeiner Natur, und Haupt - werke aus der ſentimentaliſchen ein zahlreiches Heer phan - taſtiſcher Produktionen zu ihrem Gefolge haben, wie die - ſes in der Litteratur eines jeden Volks leichtlich nachzu - weiſen iſt.

Es ſind in Ruͤckſicht auf Poeſie zwey Grundſaͤtze im Gebrauch, die an ſich voͤllig richtig ſind, aber in der Be - deutung, worinn man ſie gewoͤhnlich nimmt, einander gerade aufheben. Von dem erſten, daß die Dichtkunſt zum Vergnuͤgen und zur Erhohlung diene iſt ſchon oben geſagt worden, daß er der Leerheit und Platituͤde in poe - tiſchen Darſtellungen nicht wenig guͤnſtig ſey; durch den andern Grundſatz daß ſie zur moraliſchen Veredlung des Menſchen diene wird das Ueberſpannte in Schutz genommen. Es iſt nicht uͤberfluͤßig beyde Principien, welche man ſo haͤufig im Munde fuͤhrt, oft ſo ganz un -96VII. Ueber naiverichtig auslegt und ſo ungeſchickt anwendet, etwas naͤher zu beleuchten.

Wir nennen Erhohlung den Uebergang von einem ge - waltſamen Zuſtand zu demjenigen, der uns natuͤrlich iſt. Es kommt mithin hier alles darauf an, worin wir unſern natuͤrlichen Zuſtand ſetzen, und was wir unter einem ge - waltſamen verſtehen. Setzen wir jenen lediglich in ein ungebundenes Spiel unſrer phyſiſchen Kraͤfte und in eine Befreyung von jedem Zwang, ſo iſt jede Vernunftthaͤtig - keit, weil jede einen Widerſtand gegen die Sinnlichkeit ausuͤbt, eine Gewalt, die uns geſchieht, und Geiſtesru - he mit ſinnlicher Bewegung verbunden, iſt das eigentli - che Ideal der Erhohlung. Setzen wir hingegen unſern natuͤrlichen Zuſtand in ein unbegrenztes Vermoͤgen zu je - der menſchlichen Aeuſſerung und in die Faͤhigkeit uͤber alle unſre Kraͤfte mit gleicher Freyheit diſponiren zu koͤnnen, ſo iſt jede Trennung und Vereinzelung dieſer Kraͤfte ein gewaltſamer Zuſtand, und das Ideal der Erhohlung iſt die Wiederherſtellung unſeres Naturganzen nach ein - ſeitigen Spannungen. Das erſte Ideal wird alſo ledig - lich durch das Beduͤrfniß der ſinnlichen Natur, das zweyte wird durch die Selbſtſtaͤndigkeit der menſchli - chen aufgegeben. Welche von dieſen beyden Arten der Erhohlung die Dichtkunſt gewaͤhren duͤrfe und muͤſſe, moͤchte in der Theorie wohl keine Frage ſeyn; denn nie - mand wird gerne das Anſehen haben wollen, als ob er das Ideal der Menſchheit dem Ideale der Thierheit nach - zuſetzen verſucht ſeyn koͤnne. Nichts deſtoweniger ſind die97und ſentimentaliſche Dichter.Foderungen, welche man im wirklichen Leben an poetiſche Werke zu machen pflegt, vorzugsweiſe von dem ſinnlichen Ideal hergenommen, und in den meiſten Faͤllen wird nach dieſem zwar nicht die Achtung beſtimmt, die man dieſen Werken erweißt, aber doch die Neigung entſchie - den und der Liebling gewaͤhlt. Der Geiſteszuſtand der mehreſten Menſchen iſt auf Einer Seite anſpannende und erſchoͤpfende Arbeit, auf der andern erſchlaffender Ge - nuß. Jene aber, wiſſen wir, macht das ſinnliche Be - duͤrfniß nach Geiſtes Ruhe und nach einem Stillſtand des Wirkens ungleich dringender als das moraliſche Beduͤrf - niß nach Harmonie und nach einer abſoluten Freyheit des Wirkens, weil vor allen Dingen erſt die Natur befrie - diget ſeyn muß, ehe der Geiſt eine Foderung machen kann; dieſer bindet und laͤhmt die moraliſchen Triebe ſelbſt, welche jene Foderung aufwerfen mußten. Nichts iſt da - her der Empfaͤnglichkeit fuͤr das wahre Schoͤne nachthei - liger als dieſe beyden nur allzugewoͤhnlichen Gemuͤthsſtim - mungen unter den Menſchen, und es erklaͤrt ſich daraus, warum ſo gar wenige, ſelbſt von den Beßern ja den Beß - ten, in aeſthetiſchen Dingen ein Urtheil haben. Die Schoͤnheit iſt das Produkt der Zuſammenſtimmung zwi - ſchen dem Geiſt und den Sinnen, es ſpricht zu allen Ver - moͤgen des Menſchen zugleich, und kann daher nur unter der Vorausſetzung eines vollſtaͤndigen und freyen Ge - brauchs aller ſeiner Kraͤfte empfunden und gewuͤrdiget werden. Einen offenen Sinn, ein erweitertes Herz, ei - nen friſchen und ungeſchwaͤchten Geiſt muß man dazuDie Horen. 1796. 1ſtes St. 798VII. Ueber naivemitbringen, ſeine ganze Natur muß man beyſammen ha - ben; welches keineswegs der Fall derjenigen iſt, die durch abſtraktes Denken in ſich ſelbſt getheilt, durch kleinliche Geſchaͤftsformeln eingeenget, durch anſtrengendes Aufmer - ken ermattet ſind. Dieſe verlangen zwar nach einem ſinn - lichen Stoff, aber nicht um das Spiel der Denkkraͤfte daran fortzuſetzen, ſondern um es einzuſtellen. Sie wol - len frey ſeyn, aber nur von einer Laſt, die ihre Traͤgheit ermuͤdete, nicht von einer Schranke, die ihre Thaͤtigkeit hemmte.

Darf man ſich alſo noch uͤber das Gluͤk der Mittel - maͤßigkeit und Leerheit in aeſthetiſchen Dingen, und uͤber die Rache der ſchwachen Geiſter an dem wahren und ener - giſchen Schoͤnen verwundern? Auf Erhohlung rechneten ſie bey dieſem, aber auf eine Erhohlung nach ihrem Be - duͤrfniß und nach ihrem armen Begriff, und mit Verdruß entdecken ſie, daß ihnen jetzt erſt eine Kraftaͤuſerung zu - gemuthet wird, zu der ihnen auch in ihrem beßten Mo - ment das Vermoͤgen fehlen moͤchte. Dort hingegen ſind ſie willkommen, wie ſie ſind, denn ſo wenig Kraft ſie auch mitbringen, ſo brauchen ſie doch noch viel weniger, um den Geiſt ihres Schriftſtellers auszuſchoͤpfen. Der Laſt des Denkens ſind ſie hier auf einmal entledigt, und die losgeſpannte Natur darf ſich im ſeligen Genuß des Nichts, auf dem weichen Polſter der Platituͤde pfle - gen. In dem Tempel Thaliens und Melpomenens, ſo wie er bey uns beſtellt iſt, thront die geliebte Goͤttinn, empfaͤngt in ihrem weiten Schooß den ſtumpfſinnigen99und ſentimentaliſche Dichter.Gelehrten und den erſchoͤpften Geſchaͤftsmann, und wiegt den Geiſt in einen magnetiſchen Schlaf, indem ſie die erſtarrten Sinne erwaͤrmt, und die Einbildungskraft in einer ſuͤßen Bewegung ſchaukelt.

Und warum wollte man den gemeinen Koͤpfen nicht nachſehen, was ſelbſt den Beßten oft genug zu begegnen pflegt. Der Nachlaß, welchen die Natur nach jeder an - haltenden Spannung fodert und ſich auch ungefodert nimmt, (und nur fuͤr ſolche Momente pflegt man den Genuß ſchoͤner Werke aufzuſparen) iſt der aeſthetiſchen Urtheilskraft ſo wenig guͤnſtig, daß unter den eigentlich beſchaͤftigten Klaſſen nur aͤuſerſt wenige ſeyn werden, die in Sachen des Geſchmacks mit Sicherheit und, worauf hier ſo viel ankommt, mit Gleichfoͤrmigkeit urtheilen koͤn - nen. Nichts iſt gewoͤhnlicher als daß ſich die Gelehrten, den gebildeten Weltleuten gegenuͤber, in Urtheilen uͤber die Schoͤnheit die laͤcherlichſten Bloͤßen geben, und daß beſonders die Kunſtrichter von Handwerk der Spott aller Kenner ſind. Ihr verwahrloßtes, bald uͤberſpanntes bald rohes Gefuͤhl leitet ſie in den mehreſten Faͤllen falſch, und wenn ſie auch zu Vertheidigung deſſelben in der Theorie etwas aufgegriffen haben, ſo koͤnnen ſie daraus nur techniſche (die Zweckmaͤßigkeit eines Werks betreffende) nicht aber aeſthetiſche Urtheile bilden, welche immer das Ganze umfaſſen muͤſſen, und bey denen alſo die Empfindung entſcheiden muß. Wenn ſie endlich nur gut - willig auf die letztern Verzicht leiſten und es bey den er - ſtern bewenden laſſen wollten, ſo moͤchten ſie immer noch100VII. Ueber naiveNutzen genug ſtiften, da der Dichter in ſeiner Begeiſte - rung und der empfindende Leſer im Moment des Genuſ - ſes das Einzelne gar leicht vernachlaͤßigen. Ein deſto laͤ - cherlicheres Schauſpiel iſt es aber, wenn dieſe rohen Naturen, die es mit aller peinlichen Arbeit an ſich ſelbſt hoͤchſtens zu Ausbildung einer einzelnen Fertigkeit brin - gen, ihr duͤrftiges Individuum zum Repraͤſentanten des allgemeinen Gefuͤhls aufſtellen, und im Schweiß ihres Angeſichts uͤber das Schoͤne richten.

Dem Begriff der Erhohlung, welche die Poeſie zu gewaͤhren habe, werden, wie wir geſehen, gewoͤhnlich viel zu enge Grenzen geſetzt, weil man ihn zu einſeitig auf das bloße Beduͤrfniß der Sinnlichkeit zu beziehen pflegt. Gerade umgekehrt wird dem Begriff der Veredlung, welche der Dichter beabſichten ſoll, gewoͤhnlich ein viel zu weiter Umfang gegeben, weil man ihn zu einſeitig nach der bloßen Idee beſtimmt.

Der Idee nach geht nehmlich die Veredlung immer ins Unendliche, weil die Vernunft in ihren Foderungen ſich an die nothwendigen Schranken der Sinnenwelt nicht bindet, und nicht eher als bey dem abſolut Vollkommenen ſtille ſteht. Nichts, woruͤber ſich noch etwas hoͤheres den - ken laͤßt, kann ihr Genuͤge leiſten; vor ihrem ſtrengen Gerichte entſchuldigt kein Beduͤrfniß der endlichen Na - tur: ſie erkennt keine andern Grenzen an, als des Ge - dankens, und an dieſem wiſſen wir, daß er ſich uͤber alle Grenzen der Zeit und des Raumes ſchwingt. Ein ſolches Ideal der Veredlung, welches die Vernunft in ihrer rei -101und ſentimentaliſche Dichter.nen Geſetzgebung vorzeichnet darf ſich alſo der Dichter eben ſo wenig als jenes niedrige Ideal der Erhohlung, welches die Sinnlichkeit aufſtellt, zum Zwecke ſetzen, da er die Menſchheit zwar von allen zufaͤlligen Schranken befreyen ſoll, aber ohne ihren Begriff aufzuheben und ihre nothwendigen Grenzen zu verruͤcken. Was er uͤber dieſe Linien hinaus ſich erlaubt, iſt Ueberſpannung, und zu dieſer eben wird er nur allzuleicht durch einen falſch verſtandenen Begriff von Veredlung verleitet. Aber das ſchlimme iſt, daß er ſich ſelbſt zu dem wahren Ideal menſchlicher Veredlung nicht wohl erheben kann, ohne noch einige Schritte uͤber daſſelbe hinaus zu gerathen. Um nehmlich dahin zu gelangen, muß er die Wirklichkeit ver - laſſen, denn er kann es, wie jedes Ideal, nur aus in - nern und moraliſchen Quellen ſchoͤpfen. Nicht in der Welt die ihn umgiebt und im Geraͤuſch des handelnden Lebens, in ſeinem Herzen nur trift er es an, und nur in der Stille einſamer Betrachtung findet er ſein Herz. Aber dieſe Abgezogenheit vom Leben wird nicht immer bloß die zufaͤlligen ſie wird oͤfters auch die nothwen - digen und unuͤberwindlichen Schranken der Menſchheit aus ſeinen Augen ruͤcken, und indem er die reine Form ſucht, wird er in Gefahr ſeyn, allen Gehalt zu verlieren. Die Vernunft wird ihr Geſchaͤft viel zu abgeſondert von der Erfahrung treiben, und was der contemplative Geiſt auf dem ruhigen Wege des Denkens aufgefunden, wird der handelnde Menſch auf dem drangvollen Wege des Le - bens nicht in Erfuͤllung bringen koͤnnen. So bringt ge -102VII. Ueber naivewoͤhnlich eben das den Schwaͤrmer hervor, was allein im Stande war, den Weiſen zu bilden, und der Vorzug des letztern moͤchte wohl weniger darinn beſtehen, daß er das erſte nicht geworden, als darinn, daß er es nicht geblieben iſt.

Da es alſo weder dem arbeitenden Theile der Men - ſchen uͤberlaſſen werden darf, den Begriff der Erhohlung nach ſeinem Beduͤrfniß, noch dem contemplativen Theile, den Begriff der Veredlung nach ſeinen Speculationen zu beſtimmen, wenn jener Begriff nicht zu phyſiſch und der Poeſie zu unwuͤrdig, dieſer nicht zu hyperphyſiſch und der Poeſie zu uͤberſchwenglich ausfallen ſoll dieſe beyden Begriffe aber, wie die Erfahrung lehrt, das allgemeine Urtheil uͤber Poeſie und poetiſche Werke regieren, ſo muͤſſen wir uns, um ſie auslegen zu laſſen, nach einer Klaſſe von Menſchen umſehen, welche ohne zu arbeiten thaͤtig iſt, und idealiſiren kann, ohne zu ſchwaͤrmen; welche alle Realitaͤten des Lebens mit den wenigſtmoͤgli - chen Schranken deſſelben in ſich vereiniget, und vom Strome der Begebenheiten getragen wird, ohne der Raub deſſelben zu werden. Nur eine ſolche Klaſſe kann das ſchoͤne Ganze menſchlicher Natur, welches durch jede Ar - beit augenblicklich, und durch ein arbeitendes Leben an - haltend zerſtoͤrt wird, aufbewahren, und in allem was rein menſchlich iſt durch ihre Gefuͤhle dem allgemeinen Urtheil Geſetze geben. Ob eine ſolche Klaſſe wirklich exi - ſtiere, oder vielmehr ob diejenige, welche unter aͤhnlichen aͤuſern Verhaͤltniſſen wirklich exiſtiert, dieſem Begriffe103und ſentimentaliſche Dichter.auch im innern entſpreche, iſt eine andre Frage, mit der ich hier nichts zu ſchaffen habe. Entſpricht ſie demſelben nicht, ſo hat ſie bloß ſich ſelbſt anzuklagen, da die ent - gegengeſetzte arbeitende Klaſſe wenigſtens die Genugthuung hat, ſich als ein Opfer ihres Berufs zu betrachten. In einer ſolchen Volksklaſſe (die ich aber hier bloß als Idee aufſtelle, und keineswegs als ein Faktum bezeichnet ha - ben will) wuͤrde ſich der naive Charakter mit dem ſenti - mentaliſchen alſo vereinigen, daß jeder den andern vor ſeinem Extreme bewahrte, und indem der erſte das Ge - muͤth vor Ueberſpannung ſchuͤtzte, der andere es vor Er - ſchlaffung ſicher ſtellte. Denn endlich muͤſſen wir es doch geſtehen, daß weder der naive noch der ſentimentaliſche Charakter fuͤr ſich allein betrachtet, das Ideal ſchoͤner Menſchlichkeit ganz erſchoͤpfen, das nur aus der innigen Verbindung beyder hervorgehen kann.

Zwar ſolange man beyde Charaktere biß zum dich - teriſchen exaltiert, wie wir ſie auch bißher betrachtet haben, verliert ſich vieles von den ihnen adhaͤrierenden Schranken und auch ihr Gegenſatz wird immer weniger merklich, in einem je hoͤhern Grad ſie poetiſch werden; denn die poetiſche Stimmung iſt ein ſelbſtſtaͤndiges Gan - ze, in welchem alle Unterſchiede und alle Maͤngel ver - ſchwinden. Aber eben darum, weil es nur der Begriff des poetiſchen iſt, in welchem beyde Empfindungsarten zuſammentreffen koͤnnen, ſo wird ihre gegenſeitige Ver - ſchiedenheit und Beduͤrftigkeit in demſelben Grade merk - licher, als ſie den poetiſchen Charakter ablegen; und dieß104VII. Ueber naiveiſt der Fall im gemeinen Leben. Je tiefer ſie zu dieſem herabſteigen, deſto mehr verlieren ſie von ihrem generiſchen Charakter der ſie einander naͤher bringt, biß zuletzt in ihren Karrikaturen nur der Artcharakter uͤbrig bleibt, der ſie einander entgegen ſetzt.

Dieſes fuͤhrt mich auf einen ſehr merkwuͤrdigen pſy - chologiſchen Antagonism unter den Menſchen in einem ſich kultivierenden Jahrhundert: einen Antagonism, der, weil er radikal und in der innern Gemuͤthsform gegruͤndet iſt, eine ſchlimmere Trennung unter den Menſchen an - richtet, als der zufaͤllige Streit der Intereſſen je hervor - bringen koͤnnte; der dem Kuͤnſtler und Dichter alle Hof - nung benimmt, allgemein zu gefallen und zu ruͤhren, was doch ſeine Aufgabe iſt, der es dem Philoſophen auch wenn er alles gethan hat, unmoͤglich macht, allgemein zu uͤberzeugen, was doch der Begriff einer Philoſophie mit ſich bringt, der es endlich dem Menſchen im praktiſchen Leben niemals vergoͤnnen wird, ſeine Handlungsweiſe all - gemein gebilliget zu ſehen: kurz einen Gegenſatz, welcher Schuld iſt, daß kein Werk des Geiſtes und keine Hand - lung des Herzens bey Einer Klaſſe ein entſcheidendes Gluͤck machen kann, ohne eben dadurch bey der andern ſich einen Verdammungsſpruch zuzuziehen. Dieſer Ge - genſatz iſt ohne Zweifel ſo alt, als der Anfang der Kul - tur und duͤrfte vor dem Ende derſelben ſchwerlich anders als in einzelnen ſeltenen Subjekten, deren es hoffentlich immer gab und immer geben wird, beygelegt werden; aber obgleich zu ſeinen Wirkungen auch dieſe gehoͤrt, daß105und ſentimentaliſche Dichter.er jeden Verſuch zu ſeiner Beylegung vereitelt, weil kein Theil dahin zu bringen iſt, einen Mangel auf ſeiner Seite und eine Realitaͤt auf der andern einzugeſtehen, ſo iſt es doch immer Gewinn genug, eine ſo wichtige Trennung bis zu ihrer letzten Quelle zu verfolgen, und dadurch den eigentlichen Punkt des Streits wenigſtens auf eine ein - fachere Formel zu bringen.

Man gelangt am beßten zu dem wahren Begriff die - ſes Gegenſatzes, wenn man, wie ich eben bemerkte, ſowohl von dem naiven als von dem ſentimentaliſchen Charakter abſondert, was beyde poetiſches haben. Es bleibt alsdann von dem erſtern nichts uͤbrig, als, in Ruͤckſicht auf das theoretiſche, ein nuͤchterner Beobach - tungsgeiſt und eine feſte Anhaͤnglichkeit an das gleichfoͤr - mige Zeugniß der Sinne; in Ruͤckſicht auf das praktiſche eine reſignirte Unterwerfung unter die Nothwendigkeit (nicht aber unter die blinde Noͤthigung) der Natur: eine Ergebung alſo in das, was iſt und was ſeyn muß. Es bleibt von dem ſentimentaliſchen Charakter nichts uͤbrig, als (im theoretiſchen) ein unruhiger Speculationsgeiſt, der auf das Unbedingte in allen Erkenntniſſen dringt, im praktiſchen ein moraliſcher Rigorism, der auf dem Un - bedingten in Willenshandlungen beſtehet. Wer ſich zu der erſten Klaſſe zaͤhlt, kann ein Realiſt, und wer zur an - dern, ein Idealiſt genannt werden; bey welchen Namen man ſich aber weder an den guten noch ſchlimmen Sinn, den man in der Metaphyſik damit verbindet, erinnern darf. *Ich bemerke, um jeder Mißdeutung vorzubeugen, daß es

106VII. Ueber naive

Da der Realiſt durch die Nothwendigkeit der Natur ſich beſtimmen laͤßt, der Idealiſt durch die Nothwendig - keit der Vernunft ſich beſtimmt, ſo muß zwiſchen beyden daſſelbe Verhaͤltniß Statt finden, welches zwiſchen den Wirkungen der Natur und den Handlungen der Vernunft angetroffen wird. Die Natur, wiſſen wir, obgleich eine unendliche Groͤße im Ganzen, zeigt ſich in jeder einzelnen Wirkung abhaͤngig und beduͤrftig; nur in dem All ihrer Erſcheinungen druͤckt ſie einen ſelbſtſtaͤndigen großen Charakter aus. Alles individuelle in ihr iſt nur deßwegen, weil etwas anderes iſt; nichts ſpringt aus ſich ſelbſt, alles nur aus dem vorhergehenden Moment*bey dieſer Eintheilung ganz und gar nicht darauf abgeſehen iſt, eine Wahl zwiſchen beyden, folglich eine Beguͤnſtigung des Einen mit Ausſchließung des andern zu veranlaſſen. Ge - rade dieſe Ausſchließung, welche ſich in der Erfahrung findet, bekaͤmpfe ich; und das Reſultat der gegenwaͤrtigen Betrachtungen wird der Beweiß ſeyn, daß nur durch die vollkommen gleiche Einſchließung beyder dem Vernunft - begriffe der Menſchheit kann Genuͤge geleiſtet werden. Ue - brigens nehme ich beyde in ihrem wuͤrdigſten Sinn und in der ganzen Fuͤlle ihres Begriffs, der nur immer mit der Reinheit deſſelben, und mit Beybehaltung ihrer ſpecifiſchen Unterſchiede beſtehen kann. Auch wird es ſich zeigen, daß ein hoher Grad menſchlicher Wahrheit ſich mit beyden ver - traͤgt, und daß ihre Abweichungen von einander zwar im einzelnen, aber nicht im Ganzen, zwar der Form aber nicht dem Gehalt nach eine Veraͤnderung machen.107und ſentimentaliſche Dichter.hervor, um zu einem folgenden zu fuͤhren. Aber eben dieſe gegenſeitige Beziehung der Erſcheinungen auf einan - der ſichert einer jeden das Daſeyn durch das Daſeyn der andern, und von der Abhaͤngigkeit ihrer Wirkungen iſt die Staͤtigkeit und Nothwendigkeit derſelben unzertrenn - lich. Nichts iſt frey in der Natur aber auch nichts iſt willkuͤhrlich in derſelben.

Und gerade ſo zeigt ſich der Realiſt, ſowohl in ſei - nem Wiſſen als in ſeinem Thun. Auf alles, was bedingungsweiſe exiſtiert, erſtreckt ſich der Kreis ſeines Wiſſens und Wirkens, aber nie bringt er es auch weiter als zu bedingten Erkenntniſſen, und die Regeln, die er ſich aus einzelnen Erfahrungen bildet, gelten in ihrer ganzen Strenge genommen, auch nur Einmal; erhebt er die Regel des Augenblicks zu einem allgemeinen Geſetz, ſo wird er ſich unausbleiblich in Irrthum ſtuͤrzen. Will daher der Realiſt in ſeinem Wiſſen zu etwas unbedingten gelangen, ſo muß er es auf dem nehmlichen Wege ver - ſuchen, auf dem die Natur ein unendliches wird, nehm - lich auf dem Wege des Ganzen und in dem All der Er - fahrung. Da aber die Summe der Erfahrung nie voͤllig abgeſchloſſen wird, ſo iſt eine comparative Allgemeinheit das hoͤchſte, was der Realiſt in ſeinem Wiſſen erreicht. Auf die Wiederkehr aͤhnlicher Faͤlle baut er ſeine Einſicht, und wird daher richtig urtheilen in allem, was in der Ordnung iſt; in allem hingegen, was zum erſtenmal ſich darſtellt, kehrt ſeine Weißheit zu ihrem Anfang zuruͤck.

Was von dem Wiſſen des Realiſten gilt, das gilt108VII. Ueber naiveauch von ſeinem (moraliſchen) Handeln. Sein Charakter hat Moralitaͤt, aber dieſe liegt, ihrem reinen Begriffe nach, in keiner einzelnen That, nur in der ganzen Sum - me ſeines Lebens. In jedem beſondern Fall wird er durch aͤuſre Urſachen und durch aͤuſre Zwecke beſtimmt werden; nur daß jene Urſachen nicht zufaͤllig, jene Zwecke nicht augenblicklich ſind, ſondern aus dem Naturganzen ſub - jektiv fließen, und auf daſſelbe ſich objektiv beziehen. Die Antriebe ſeines Willens ſind alſo zwar in rigoriſtiſchem Sinne weder frey genug, noch moraliſch lauter genug, weil ſie etwas anders als den bloſſen Willen zu ihrer Ur - ſache und etwas anders als das bloſſe Geſetz zu ihrem Gegenſtand haben; aber es ſind eben ſo wenig blinde und materialiſtiſche Antriebe, weil dieſes andre das abſolute Ganze der Natur, folglich etwas ſelbſtſtaͤndiges und noth - wendiges iſt. So zeigt ſich der gemeine Menſchenverſtand, der vorzuͤgliche Antheil des Realiſten, durchgaͤngig im Denken und im Betragen. Aus dem einzelnen Falle ſchoͤpft er die Regel ſeines Urtheils, aus einer innern Empfin - dung die Regel ſeines Thuns; aber mit gluͤcklichem In - ſtinkt weiß er von beyden alles Momentane und Zufaͤllige zu ſcheiden. Bey dieſer Methode faͤhrt er im Ganzen vor - treflich und wird ſchwerlich einen bedeutenden Fehler ſich vorzuwerfen haben; nur auf Groͤße und Wuͤrde moͤchte er in keinem beſondern Fall Anſpruch machen koͤnnen. Dieſe iſt nur der Preiß der Selbſtſtaͤndigkeit und Freyheit, und davon ſehen wir in ſeinen einzelnen Handlungen zu we - nige Spuren.

109und ſentimentaliſche Dichter.

Ganz anders verhaͤlt es ſich mit dem Idealiſten, der aus ſich ſelbſt und aus der bloſſen Vernunft ſeine Erkennt - niſſe und Motive nimmt. Wenn die Natur in ihren ein - zelnen Wirkungen immer abhaͤngig und beſchraͤnkt er - ſcheint, ſo legt die Vernunft den Charakter der Selbſt - ſtaͤndigkeit und Vollendung gleich in jede einzelne Hand - lung. Aus ſich ſelbſt ſchoͤpft ſie alles, und auf ſich ſelbſt bezieht ſie alles. Was durch ſie geſchieht, geſchieht nur um ihrentwillen; eine abſolute Groͤße iſt jeder Begriff den ſie aufſtellt, und jeder Entſchluß den ſie beſtimmt. Und eben ſo zeigt ſich auch der Idealiſt, ſoweit er dieſen Nah - men mit Recht fuͤhrt, in ſeinem Wiſſen, wie in ſeinem Thun. Nicht mit Erkenntniſſen zufrieden, die bloß unter beſtimmten Vorausſetzungen guͤltig ſind, ſucht er biß zu Wahrheiten zu dringen, die nichts mehr vorausſetzen und die Vorausſetzung von allem andern ſind. Ihn befriedigt nur die philoſophiſche Einſicht, welche alles bedingte Wiſſen auf ein unbedingtes zuruͤckfuͤhrt, und an dem Nothwendigen in dem menſchlichen Geiſt alle Erfahrung beveſtiget; die Dinge, denen der Realiſt ſein Denken un - terwirft, muß Er Sich, ſeinem Denkvermoͤgen unter - werfen. Und er verfaͤhrt hierinn mit voͤlliger Befugniß, denn wenn die Geſetze des menſchlichen Geiſtes nicht auch zugleich die Weltgeſetze waͤren, wenn die Vernunft end - lich ſelbſt unter der Erfahrung ſtuͤnde, ſo wuͤrde auch keine Erfahrung moͤglich ſeyn.

Aber er kann es biß zu abſoluten Wahrheiten gebracht haben, und dennoch in ſeinen Kenntniſſen dadurch nicht110VII. Ueber naiveviel gefoͤrdert ſeyn. Denn alles freylich ſteht zuletzt unter nothwendigen und allgemeinen Geſetzen, aber nach zufaͤl - ligen und beſondern Regeln wird jedes einzelne regiert; und in der Natur iſt alles einzeln. Er kann alſo mit ſei - nem philoſophiſchen Wiſſen das Ganze beherrſchen, und fuͤr das Beſondre, fuͤr die Ausuͤbung, dadurch nichts gewon - nen haben: ja, indem er uͤberal auf die oberſten Gruͤnde dringt, durch die alles moͤglich wird, kann er die naͤch - ſten Gruͤnde, durch die alles wirklich wird, leicht ver - ſaͤumen; indem er uͤberal auf das Allgemeine ſein Au - genmerk richtet, welches die verſchiedenſten Faͤlle einan - der gleich macht, kann er leicht das beſondre vernachlaͤßi - gen, wodurch ſie ſich von einander unterſcheiden. Er wird alſo ſehr viel mit ſeinem Wiſſen umfaſſen koͤnnen, und vielleicht eben deßwegen wenig faſſen, und oft an Ein - ſicht verlieren, was er an Ueberſicht gewinnt. Daher kommt es daß, wenn der ſpeculative Verſtand den ge - meinen um ſeiner Beſchraͤnktheit willen verachtet, der gemeine Verſtand den ſpeculativen ſeiner Leerheit wegen verlacht; denn die Erkenntniſſe verlieren immer an beſtimmten Gehalt, was ſie an Umfang gewinnen.

In der moraliſchen Beurtheilung wird man bey dem Idealiſten eine reinere Moralitaͤt in einzelnen, aber weit weniger moraliſche Gleichfoͤrmigkeit im Ganzen, finden. Da er nur in ſo fern Idealiſt heißt, als er aus reiner Vernunft ſeine Beſtimmungsgruͤnde nimmt, die Vernunft aber in jeder ihrer Aeuſerungen ſich abſolut beweißt, ſo tragen ſchon ſeine einzelnen Handlungen, ſobald ſie uͤber -111und ſentimentaliſche Dichter.haupt nur moraliſch ſind, den ganzen Charakter mora - liſcher Selbſtſtaͤndigkeit und Freyheit, und giebt es uͤber - haupt nur im wirklichen Leben eine wahrhaft ſittliche That, die es auch vor einem rigoriſtiſchen Urtheil bliebe, ſo kann ſie nur von dem Idealiſten ausgeuͤbt werden. Aber je reiner die Sittlichkeit ſeiner einzelnen Handlungen iſt, deſto zufaͤlliger iſt ſie auch; denn Staͤtigkeit und Noth - wendigkeit iſt zwar der Charakter der Natur aber nicht der Freyheit. Nicht zwar, als ob der Idealism mit der Sittlichkeit je in Streit gerathen koͤnnte, welches ſich widerſpricht; ſondern weil die menſchliche Natur eines conſequenten Idealism gar nicht faͤhig iſt. Wenn ſich der Realiſt, auch in ſeinem moraliſchen Handeln, ei - ner phyſiſchen Nothwendigkeit ruhig und gleichfoͤrmig unterordnet, ſo muß der Idealiſt einen Schwung neh - men, er muß augenblicklich ſeine Natur exaltieren, und er vermag nichts, als inſofern er begeiſtert iſt. Als - dann freylich vermag er auch deſto mehr, und ſein Betra - gen wird einen Charakter von Hoheit und Groͤße zeigen, den man in den Handlungen des Realiſten vergeblich ſucht. Aber das wirkliche Leben iſt keineswegs geſchickt, jene Begeiſterung in ihm zu wecken und noch viel weni - ger ſie gleichfoͤrmig zu naͤhren. Gegen das Abſolut - große, von dem er jedesmal ausgeht, macht das Abſolut - kleine des einzelnen Falles, auf den er es anzuwenden hat, einen gar zu ſtarken Abſatz. Weil ſein Wille der Form nach immer auf das Ganze gerichtet iſt, ſo will er ihn, der Materie nach, nicht auf Bruchſtuͤcke richten,112VII. Ueber naiveund doch ſind es mehrentheils nur geringfuͤgige Leiſtungen, wodurch er ſeine moraliſche Geſinnung beweiſen kann. So geſchieht es denn nicht ſelten, daß er uͤber dem un - begrenzten Ideale den begrenzten Fall der Anwendung uͤberſiehet, und von einem Maximum erfuͤllt, das Mini - mum verabſaͤumt, aus dem allein doch alles Große in der Wirklichkeit erwaͤchst.

Will man alſo dem Realiſten Gerechtigkeit wieder - fahren laſſen, ſo muß man ihn nach dem ganzen Zuſam - menhang ſeines Lebens richten; will man ſie dem Idea - liſten erweiſen, ſo muß man ſich an einzelne Aeuſſerun - gen deſſelben halten, aber man muß dieſe erſt heraus - waͤhlen. Das gemeine Urtheil, welches ſo gern nach dem einzelnen entſcheidet, wird daher uͤber dem Realiſten gleichguͤltig ſchweigen, weil ſeine einzelnen Lebensakte gleich wenig Stoff zum Lob und zum Tadel geben; uͤber den Idealiſten hingegen wird es immer Parthey ergreifen, und zwiſchen Verwerfung und Bewunderung ſich theilen, weil in dem einzelnen ſein Mangel und ſeine Staͤrke liegt.

Es iſt nicht zu vermeiden, daß bey einer ſo großen Abweichung in den Principien beyde Partheyen in ihren Urtheilen einander nicht oft gerade entgegengeſetzt ſeyn, und, wenn ſie ſelbſt in den Objekten und Reſultaten uͤber - eintraͤfen, nicht in den Gruͤnden auseinander ſeyn ſoll - ten. Der Realiſt wird fragen, wozu eine Sache gut ſey? und die Dinge nach dem, was ſie werth ſind, zu taxiren wiſſen: der Idealiſt wird fragen, ob ſie gut ſey? und die Dinge nach dem taxiren, was ſie wuͤrdig113und ſentimentaliſche Dichter.ſind. Von dem was ſeinen Werth und Zweck in ſich ſelbſt hat (das Ganze jedoch immer ausgenommen) weiß und haͤlt der Realiſt nicht viel; in Sachen des Geſchmacks wird er dem Vergnuͤgen, in Sachen der Moral wird er der Gluͤckſeligkeit das Wort reden, wenn er dieſe gleich nicht zur Bedingung des ſittlichen Handelns macht; auch in ſeiner Religion vergißt er ſeinen Vortheil nicht gern, nur daß er denſelben in dem Ideale des hoͤchſten Guts veredelt und heiligt. Was er liebt wird er zu begluͤcken, der Idealiſt wird es zu veredeln ſuchen. Wenn daher der Realiſt in ſeinen poetiſchen Tendenzen den Wohlſtand bezweckt, geſetzt daß es auch von der moraliſchen Selbſtſtaͤndigkeit des Volks etwas koſten ſollte, ſo wird der Idealiſt, ſelbſt auf Gefahr des Wohl - ſtandes, die Freyheit zu ſeinem Augenmerk machen. Unabhaͤngigkeit des Zuſtandes iſt jenem, Unabhaͤn - gigkeit von dem Zuſtand iſt dieſem das hoͤchſte Ziel, und dieſer charakteriſtiſche Unterſchied laͤßt ſich durch ihr beyderſeitiges Denken und Handeln verfolgen. Daher wird der Realiſt ſeine Zuneigung immer dadurch bewei - ſen, daß er giebt, der Idealiſt dadurch, daß er em - pfaͤngt; durch das, was er in ſeiner Großmuth auf - opfert, verraͤth jeder, was er am hoͤchſten ſchaͤtzt. Der Idealiſt wird die Maͤngel ſeines Syſtems mit ſeinem In - dividuum und ſeinem zeitlichen Zuſtand bezahlen, aber er achtet dieſes Opfer nicht; der Realiſt buͤßt die Maͤngel des ſeinigen mit ſeiner perſoͤnlichen Wuͤrde, aber er er - faͤhrt nichts von dieſem Opfer. Sein Syſtem bewaͤhrtDie Horen. 1796. 1ſtes St. 8114VII. Ueber naiveſich an allem, wovon er Kundſchaft hat, und wornach er ein Beduͤrfniß empfindet was bekuͤmmern ihn Guͤter, von denen er keine Ahnung und an die er keinen Glauben hat? Genug fuͤr ihn, er iſt im Beſitze, die Erde iſt ſein, und es iſt Licht in ſeinem Verſtande, und Zufriedenheit wohnt in ſeiner Bruſt. Der Idealiſt hat lange kein ſo gutes Schickſal. Nicht genug, daß er oft mit dem Gluͤcke zerfaͤllt, weil er verſaͤumte, den Moment zu ſeinem Freunde zu machen, er zerfaͤllt auch mit ſich ſelbſt, weder ſein Wiſſen, noch ſein Handeln kann ihm Genuͤge thun. Was er von ſich fodert, iſt ein Unendliches, aber be - ſchraͤnkt iſt alles, was er leiſtet. Dieſe Strenge, die er gegen ſich ſelbſt beweißt, verlaͤugnet er auch nicht in ſei - nem Betragen gegen andre. Er iſt zwar großmuͤthig, weil er ſich Andern gegenuͤber, ſeines Individuums we - niger erinnert, aber er iſt oͤfters unbillig, weil er das Individuum eben ſo leicht in andern uͤberſieht. Der Rea - liſt hingegen iſt weniger großmuͤthig, aber er iſt billiger, da er alle Dinge mehr in ihrer Begrenzung beur - theilt. Das Gemeine, ja ſelbſt das Niedrige im Denken und Handeln kann er verzeyhen, nur das Willkuͤhrliche, das Eccentriſche nicht; der Idealiſt hingegen iſt ein ge - ſchworner Feind alles Kleinlichen und Platten, und wird ſich ſelbſt mit dem Extravaganten und Ungeheuren ver - ſoͤhnen, wenn es nur von einem großen Vermoͤgen zeugt. Jener beweißt ſich als Menſchenfreund, ohne eben einen ſehr hohen Begriff von den Menſchen und der Menſchheit zu haben; dieſer denkt von der Menſchheit ſo groß, daß115und ſentimentaliſche Dichter.er daruͤber in Gefahr kommt, die Menſchen zu ver - achten.

Der Realiſt fuͤr ſich allein wuͤrde den Kreis der Menſchheit nie uͤber die Grenzen der Sinnenwelt hinaus erweitert, nie den menſchlichen Geiſt mit ſeiner ſelbſt - ſtaͤndigen Groͤße und Freyheit bekannt gemacht haben; alles Abſolute in der Menſchheit iſt ihm nur eine ſchoͤne Schimaͤre und der Glaube daran nicht viel beſſer als Schwaͤrmerey, weil er den Menſchen niemals in ſeinem reinen Vermoͤgen, immer nur in einem beſtimmten und, eben darum begrenzten Wirken erblickt. Aber der Idea - liſt fuͤr ſich allein wuͤrde eben ſo wenig die ſinnlichen Kraͤfte cultiviert und den Menſchen als Naturweſen ausgebildet haben, welches doch ein gleich weſentlicher Theil ſeiner Beſtimmung, und die Bedingung aller moraliſchen[Ver - edlung] iſt. Das Streben des Idealiſten geht viel zu ſehr uͤber das ſinnliche Leben und uͤber die Gegenwart hinaus; fuͤr das Ganze nur, fuͤr die Ewigkeit will er ſaͤen und pflanzen; und vergißt daruͤber, daß das Ganze nur der vollendete Kreis des Individuellen, daß die Ewig - keit nur eine Summe von Augenblicken iſt. Die Welt wie der Realiſt ſie um ſich herum bilden moͤchte, und wirklich bildet, iſt ein wohlangelegter Garten, worinn alles nuͤtzt, alles ſeine Stelle verdient, und was nicht Fruͤchte traͤgt verbannt iſt; die Welt unter den Haͤnden des Idealiſten iſt eine weniger benutzte aber in einem groͤßeren Charakter ausgefuͤhrte Natur. Jenem faͤllt es nicht ein, daß der Menſch noch zu etwas andern da ſeyn116VII. Ueber naivekoͤnne, als wohl und zufrieden zu leben; und daß er nur deßwegen Wurzeln ſchlagen ſoll, um ſeinen Stamm in die Hoͤhe zu treiben. Dieſer denkt nicht daran, daß er vor allen Dingen wohl leben muß, um gleichfoͤrmig gut und edel zu denken, und daß es auch um den Stamm gethan iſt, wenn die Wurzeln fehlen.

Wenn in einem Syſtem etwas ausgelaſſen iſt, wor - nach doch ein dringendes und nicht zu umgehendes Be - duͤrfniß in der Natur ſich vorfindet, ſo iſt die Natur nur durch eine Inconſequenz gegen das Syſtem zu befriedi - gen. Einer ſolchen Inconſequenz machen auch hier beyde Theile ſich ſchuldig, und ſie beweißt, wenn es bis jetzt noch zweifelhaft geblieben ſeyn koͤnnte, zugleich die Ein - ſeitigkeit beyder Syſteme und den reichen Gehalt der menſchlichen Natur. Von dem Idealiſten brauch ich es nicht erſt insbeſondere[darzuthun], daß er nothwendig aus ſeinem Syſtem treten muß, ſobald er eine beſtimmte Wirkung bezweckt; denn alles beſtimmte Daſeyn ſteht unter zeitlichen Bedingungen und erfolgt nach empiriſchen Geſetzen. In Ruͤckſicht auf den Realiſten hingegen koͤnn - te es zweifelhafter ſcheinen, ob er nicht auch ſchon inner - halb ſeines Syſtems allen nothwendigen Foderungen der Menſchheit Genuͤge leiſten kann. Wenn man den Rea - liſten fragt: warum thuſt du was recht iſt und leideſt was nothwendig iſt? ſo wird er im Geiſt ſeines Syſtems darauf antworten: weil es die Natur ſo mit ſich bringt, weil es ſo ſeyn muß. Aber damit iſt die Frage noch kei - neswegs beantwortet, denn es iſt nicht davon die Rede,117und ſentimentaliſche Dichter.was die Natur mit ſich bringt, ſondern was der Menſch will, denn er kann ja auch nicht wollen, was ſeyn muß. Man wird ihn alſo wieder fragen koͤnnen: warum willſt du denn, was ſeyn muß? Warum unterwirft ſich dein freyer Wille dieſer Naturnothwendigkeit, da er ſich ihr eben ſo gut, (wenn gleich ohne Erfolg, von dem hier auch gar nicht die Rede iſt) entgegenſetzen koͤnnte, und ſich in Millionen deiner Bruͤder derſelben wirklich entge - genſetzt? Du kannſt nicht ſagen, weil alle andern Na - turweſen ſich derſelben unterwerfen, denn du allein haſt einen Willen, ja du fuͤhlſt, daß deine Unterwerfung eine freywillige ſeyn ſoll. Du unterwirfſt dich alſo, wenn es freywillig geſchieht, nicht der Naturnothwen - digkeit ſelbſt, ſondern der Idee derſelben; denn jene zwingt dich bloß blind, wie ſie den Wurm zwingt, dei - nem Willen aber kann ſie nichts anhaben, da du, ſelbſt von ihr zermalmt, einen andern Willen haben kannſt. Woher bringſt du aber jene Idee der Naturnothwendig - keit; aus der Erfahrung doch wohl nicht, die dir nur einzelne Naturwirkungen aber keine Natur (als Ganzes) und nur einzelne Wirklichkeiten aber keine Nothwendig - keit liefert. Du gehſt alſo uͤber die Natur hinaus, und beſtimmſt dich idealiſch, ſo oft du entweder moraliſch handeln oder nur nicht blind leiden willſt. Es iſt alſo offenbar, daß der Realiſt wuͤrdiger handelt, als er ſeiner Theorie nach zugiebt, ſo wie der Realiſt erhabener denkt, als er handelt. Ohne es ſich ſelbſt zu geſtehen, beweißt jener durch die ganze Haltung ſeines Lebens die118VII. Ueber naiveSelbſtſtaͤndigkeit, dieſer durch einzelne Handlungen die Beduͤrftigkeit der menſchlichen Natur.

Einem aufmerkſamen und partheyloſen Leſer werde ich nach der hier gegebenen Schilderung (deren Wahrheit auch derjenige eingeſtehen kann, der das Reſultat nicht annimmt) nicht erſt zu beweiſen brauchen, daß das Ideal menſchlicher Natur unter beyde vertheilt; von keinem aber voͤllig erreicht iſt. Erfahrung und Vernunft haben beyde ihre eigene Gerechtſame, und keine kann in das Gebiet der andern einen Eingriff thun, ohne entweder fuͤr den innern oder aͤuſſern Zuſtand des Menſchen ſchlimme Folgen anzurichten. Die Erfahrung allein kann uns lehren, was unter gewiſſen Bedingungen iſt, was un - ter beſtimmten Vorausſetzungen erfolgt, was zu be - ſtimmten Zwecken geſchehen muß. Die Vernunft allein kann uns hingegen lehren, was ohne alle Bedingung gilt, und was nothwendig ſeyn muß. Maſſen wir uns nun an, mit unſerer bloßen Vernunft uͤber das aͤußre Da - ſeyn der Dinge etwas ausmachen zu wollen, ſo treiben wir bloß ein leeres Spiel und das Reſultat wird auf Nichts hinauslaufen; denn alles Daſeyn ſteht unter Bedingun - gen und die Vernunft beſtimmt unbedingt. Laſſen wir aber ein zufaͤlliges Ereigniß uͤber dasjenige entſcheiden, was ſchon der bloße Begriff unſers eigenen Seyns mit ſich bringt, ſo machen wir uns ſelber zu einem leeren Spiele des Zufalls und unſre Perſoͤnlichkeit wird auf nichts hinauslaufen. In dem erſten Fall iſt es alſo um den Werth (den zeitlichen Gehalt) unſers Lebens, in119und ſentimentaliſche Dichter.dem zweyten um die Wuͤrde (den moraliſchen Gehalt) unſers Lebens gethan.

Zwar haben wir in der bißherigen Schilderung dem Realiſten einen moraliſchen Werth und dem Idealiſten einen Erfahrungsgehalt zugeſtanden, aber bloß inſofern beyde nicht ganz conſequent verfahren und die Natur in ihnen maͤchtiger wirkt als das Syſtem. Obgleich aber beyde gegen das Ideal vollkommener Menſchheit verlieren, ſo iſt zwiſchen beyden doch der wichtige Unterſchied, daß der Realiſt zwar dem Vernunftbegriff der Menſchheit in keinem einzelnen Falle Genuͤge leiſtet, dafuͤr aber dem Verſtandesbegriff derſelben auch niemals widerſpricht, der Idealiſt hingegen zwar in einzelnen Faͤllen dem hoͤchſten Begriff der Menſchheit naͤher kommt, dagegen aber nicht ſelten ſogar unter dem niedrigſten Begriffe derſelben blei - bet. Nun kommt es aber in der Praxis des Lebens weit mehr darauf an, daß das Ganze gleich foͤrmig menſch - lich gut als daß das Einzelne zufaͤllig goͤttlich ſey und wenn alſo der Idealiſt ein geſchikteres Subjekt iſt, uns von dem was der Menſchheit moͤglich iſt, einen großen Begriff zu erwecken und Achtung fuͤr ihre Beſtimmung einzufloͤßen, ſo kann nur der Realiſt ſie mit Staͤtigkeit in der Erfahrung ausfuͤhren, und die Gattung in ihren ewigen Grenzen erhalten. Jener iſt zwar ein edleres aber ein ungleich weniger vollkommenes Weſen; dieſer erſcheint zwar durchgaͤngig weniger edel, aber er iſt dagegen de - ſto vollkommener; denn das Edle liegt ſchon in dem Be - weis eines großen Vermoͤgens, aber das Vollkommene120VII. Ueber naiveliegt in der Haltung des Ganzen und in der wirklichen That.

Was von beyden Charakteren in ihrer beßten Bedeu - tung gilt, das wird noch merklicher in ihren beyderſeiti - gen Karrikaturen. Der wahre Realism iſt wohlthaͤ - tiger in ſeinen Wirkungen und nur weniger edel in ſeiner Quelle; der falſche iſt in ſeiner Quelle veraͤchtlich und in ſeinen Wirkungen nur etwas weniger verderblich. Der wahre Realiſt nehmlich unterwirft ſich zwar der Na - tur und ihrer Nothwendigkeit; aber der Natur als ei - nem Ganzen, aber ihrer ewigen und abſoluten Nothwen - digkeit nicht ihren blinden und augenblicklichen Noͤthi - gungen. Mit Freyheit umfaßt und befolgt er ihr Ge - ſetz, und immer wird er das individuelle dem allgemeinen unterordnen; daher kann es auch nicht fehlen, daß er mit dem aͤchten Idealiſten in dem endlichen Reſultat uͤber - einkommen wird, wie verſchieden auch der Weg iſt, wel - chen beyde dazu einſchlagen. Der gemeine Empiriker hin - gegen unterwirft ſich der Natur als einer Macht, und mit wahlloſer blinder Ergebung. Auf das Einzelne ſind ſeine Urtheile, ſeine Beſtrebungen beſchraͤnkt; er glaubt und begreift nur was er betaſtet, er ſchaͤtzt nur, was ihn ſinnlich verbeſſert. Er iſt daher auch weiter nichts, als was die aͤuſern Eindruͤcke zufaͤllig aus ihm machen wollen, ſeine Selbſtheit iſt unterdruͤckt, und als Menſch hat er abſolut keinen Werth und keine Wuͤrde. Aber als Sache iſt er noch immer etwas, er kann noch immer zu etwas gut ſeyn. Eben die Natur, der er ſich blindlings uͤber -121und ſentimentaliſche Dichter.liefert, laͤßt ihn nicht ganz ſinken; ihre ewigen Grenzen ſchuͤtzen ihn, ihre unerſchoͤpflichen Huͤlfsmittel retten ihn, ſobald er ſeine Freyheit nur ohne allen Vorbehalt aufgiebt. Obgleich er in dieſem Zuſtand von keinen Geſetzen weiß, ſo walten dieſe doch unerkannt uͤber ihm, und wie ſehr auch ſeine einzelnen Beſtrebungen mit dem Ganzen im Streit liegen moͤgen, ſo wird ſich dieſes doch unfehlbar dagegen zu behaupten wiſſen. Es giebt Menſchen genug, ja wohl ganze Voͤlker, die in dieſem veraͤchtlichen Zuſtande leben, die bloß durch die Gnade des Naturgeſetzes, ohne alle Selbſtheit beſtehen, und daher auch nur zu etwas gut ſind, aber daß ſie auch nur leben und beſtehen be - weißt, daß dieſer Zuſtand nicht ganz gehaltlos iſt.

Wenn dagegen ſchon der wahre Idealism in ſeinen Wirkungen unſicher und oͤfters gefaͤhrlich iſt, ſo iſt der falſche in den ſeinigen ſchrecklich. Der wahre Idealiſt verlaͤßt nur deßwegen die Natur und Erfahrung, weil er hier das unwandelbare und unbedingt nothwendige nicht findet, wornach die Vernunft ihn doch ſtreben heißt; der Phantaſt verlaͤßt die Natur aus bloßer Willkuͤhr, um dem Eigenſinne der Begierden und den Launen der Ein - bildungskraft deſto ungebundener nachgeben zu koͤnnen. Nicht in die Unabhaͤngigkeit von phyſiſchen Noͤthigungen, in die Losſprechung von moraliſchen ſetzt er ſeine Freyheit. Der Phantaſt verlaͤugnet alſo nicht bloß den menſchlichen er verlaͤugnet allen Charakter, er iſt voͤllig ohne Ge - ſetz, er iſt alſo gar nichts und dient auch zu gar nichts. Aber eben darum, weil die Phantaſterey keine Ausſchwei -122VIII. Der Loͤwe und die Kuh.fung der Natur ſondern der Freyheit iſt, alſo aus einer an ſich achtungswuͤrdigen Anlage entſpringt, die ins unend - liche perfektibel iſt, ſo fuͤhrt ſie auch zu einem unendli - chen Fall in eine bodenloſe Tiefe, und kann nur in einer voͤlligen Zerſtoͤrung ſich endigen.

About this transcription

TextÜber naive und sentimentalische Dichtung
Author Friedrich Schiller
Extent60 images; 10673 tokens; 2545 types; 75297 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic information Über naive und sentimentalische Dichtung. Beschluß der Abhandlung über naive und sentimentalische Dichter. Friedrich Schiller. . S. 75-122 CottaTübingen1796. Die Horen. Eine Monatsschrift 2 (1) pp. S. 75-122.

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Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz SBB-PK, Ac 6670<a>-5/6 Rhttp://stabikat.de/DB=1/SET=12/TTL=1/CMD?ACT=SRCHA&IKT=1016&SRT=YOP&TRM=418278393

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Fraktur

LanguageGerman
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