PRIMS Full-text transcription (HTML)
[I]
UEBER DIE LAUTGESETZE.
GEGEN DIE JUNGGRAMMATIKER.
[figure]
BERLIN,VERLAG VON ROBERT OPPENHEIM.1885.
[II][III]

Dem Junggrammatiker Gustav Meyer freundnachbarlichst zugeeignet.

[IV][V]
  • A. Leskien, Die Declination im Slavisch-Litauischen und Germanischen. Leipzig 1876. S. XXVIII
  • H. Osthoff₁ und K. Brugman, Morphologische Untersuchungen auf dem Gebiete der indogermanischen Sprachen. I. Th. Leipzig 1878. Vorwort.
  • A. Bezzenberger, Besprechung der vorgenannten Schrift in den Gött. Gel. Anz. vom 21. u. 28. Mai 1879.
  • H. Collitz, desgleichen im Anz. f. d. Alt. u. d. Litt. V. Bd. Berlin 1879.
  • K. Brugman2 in Kuhn's Zeitschr. XXIV, 4 ff. Berlin 1879.
  • A. Brückner im Archiv für slav. Philol. III, 240 ff. Berlin 1879.
  • H. Paul₁ in Paul und Braune's Beitr. z. G. d. d. Spr. u. Lit. VI, 1 ff. Halle 1879.
  • H. Osthoff2, Das physiologische und psychologische Moment in der sprachlichen Formenbildung. [Samml. gemeinv. wiss. Vortr. Heft 327.] Berlin 1879.
  • L. Tobler₁, Über die Anwendung des Begriffes von Gesetzen auf die Sprache. [Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. III. Bd. Leipzig 1879.]
  • F. Misteli, Lautgesetz und Analogie. [Zeitschr. f. Völkerpsych. u. Sprachw. XI. u. XII. Bd. Berlin 1880.]
  • B. Delbrück₁, Einleitung in das Sprachstudium. Leipzig 1880. 2Zweite Auflage. Leipzig 1884.
  • H. Paul2, Principien der Sprachgeschichte. Halle 1880.
  • L. Tobler2, Besprechung der vorgenannten Schrift in Behaghel's und Neumann's Literaturblatt vom April 1881.
  • G. I. Ascoli, Una lettera glottologica S. 7 ff. [Rivista di filol. e d'istr. class. X. Bd. Torino 1881.]
  • F. D'Ovidio, D'un recente libro di Delbrück S. 43 ff. [ebenda.]
  • J. Schmidt₁, in Kuhn's Zeitschr. XXVI, 329 ff. Berlin 1883.
  • Н. Крушевскій, Очеркъ Науки о языкъ. Казань 1883.
  • F. Masing, Lautgesetz und Analogie in der Methode der vergleichenden Sprachwissenschaft. Petersburg 1883.
  • W. Wundt, Logik II, 500. 550 ff. Stuttgart 1883.
  • M. Bloomfield, On the Probability of the Existence of Phonetic Law. [American Journal of Philology. V. Bd. Baltimore 1884.]
  • [VI]
  • F. Müller, Sind die Lautgesetze Naturgesetze? [Techmer's Zeitschr. I. Bd. Leipzig 1884.]
  • G. Körting, Encyklopädie und Methodologie der romanischen Philologie II, 43 ff. Heilbronn 1884.
  • F. Neumann in der Zeitschr. f. rom. Philol. VIII, 363 f. Halle 1884.
  • G. Curtius, Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig 1885.
  • J. Schmidt2, Besprechung der vorgenannten Schrift in der Deutschen Litteraturzeitung vom 7. März 1885.
  • K. Brugmann3, Zum heutigen Stand der Sprachwissenschaft. Strassburg 1885.
  • B. Delbrück3, Die neueste Sprachforschung. Betrachtungen über Georg Curtius 'Schrift Z. Kr. d. n. Sprachf. Leipzig 1885.
  • P. Merlo, Cenni sullo stato presente della grammatica ariana istorica e preistorica a proposito di un libro di G. Curtius. [Rivista di filol. e d'istr. class. XIV. Bd. Torino 1885.]
[1]

Der einzige Satz den die sog. junggrammatische Schule als ihr ausschliessliches Eigenthum betrachten darf, ist der von der ausnahmslosen Wirkung der Lautgesetze. Er tritt auch in Schriften auf welche weniger für die Adepten als für die Lehrlinge und Laien bestimmt sind, und zwar trotz des lebhaf - testen dagegen erhobenen Widerspruches, ja zum Theil ohne jeden Hinweis auf ihn. Immerhin würde ich dem von gewisser Seite gemachten Vorschlag die Streitaxt bis auf Weiteres zu vergraben, bereitwillig Folge leisten, wenn sich zwei Parteien mit ganz ein - heitlichen Bekenntnissformeln gegenüberstünden, es also nur eines Wortes zur Kennzeichnung des eigenen Standpunktes bedürfte. Dies ist nicht der Fall: die - selbe Sache wird auf ziemlich verschiedene Weise ver - fochten; die Discussion bewegt sich meist nicht in strengen Geleisen, sondern verliert sich gern in Special - fragen der indogermanischen Sprachgeschichte; Manche scheinen da wo es nur eine Alternative zwischen Ja und Nein gibt, eine Vermittelung für möglich zu halten, Manche schwanken, Manche schweigen. Wieder - holte gelegentliche Ausserungen stellen vielleicht gegen die Gefahr eines falschen Verdachtes nicht hinlänglich sicher, und so möge man es mir nicht verdenken dass ich meinerseits die von allem Anfang an stark em -Schuchardt, Über die Lautgesetze. 12pfundene Abneigung gegen das junggrammatische Prin - cip nun endlich zum Ausdruck bringe. Das Meiste was ich sage, ist freilich schon gesagt worden, und theilweise gewiss besser; indessen hoffe ich durch schematische Kürze und Hervorhebung einiger mehr oder minder unbeachtet gebliebenen Punkte auch auf die Stellungnahme Anderer in dieser allerwichtigsten Angelegenheit einen fördernden Einfluss auszuüben. Die vorangesetzte Liste von Schriften und Stellen ist nach keinem bestimmten Grundsatz angefertigt wor - den; sie umfasst nur das was ich bei meiner Arbeit gerade zu Händen gehabt habe.

Die Natur des vorliegenden Satzes schliesst, wie dies von junggrammatischer Seite selbst zugestanden wird, die inductive Beweisführung aus. Die bis - herigen Versuche einer deductiven aber betrachte ich als misslungen; sie leiden an starken, mannig - fachen Unterschiebungen: man fasst minimale Diffe - renzen als Nullen, Übergänge als Gegensätze, Empi - risches als Apriorisches, Complicirtes als Einfaches. Dass nun bei dem deductiven Charakter der folgenden Darstellung die hie und da vorgebrachten Beispiele nur den Dienst der Veranschaulichung leisten, das zu bemerken ist vielleicht nicht überflüssig; die Wider - legung seitens der Gegner müsste sich nicht auf die einzelne Thatsache, sondern auf die allgemeine Mög - lichkeit beziehen.

In dem Urtheil: die Lautgesetze wirken aus - nahmslos , ruft sowohl das Subject wie das Prä - dicat gewichtige Bedenken hervor.

Wenn Wundt hier ein logisches Postulat erblickt, so rührt dies daher dass er den Ausdruck Laut - gesetze schon im juuggrammatischen Sinne nimmt,3 während doch so viel gesagt sein soll wie: was man bisher als Lautgesetze bezeichnet hat, das sind wirk - liche, d. h. ausnahmslose Gesetze, im Sinne der Natur - gesetze . Mehr empfiehlt sich daher die Formulirung: der Lautwandel geht nach ausnahmslosen Gesetzen vor sich . Jene Zusammenfassung der Lautgesetze mit den Naturgesetzen, auf welche man sich zuerst soviel zu Gute that, wurde später, besonders nach der vortrefflichen, leider nicht allgemein gewürdigten Dar - stellung Tobler₁'s von den Führern wieder aufgegeben. Wenn Andere, wie Körting, sie noch beibehalten, so erscheint mir dies durchaus consequent; durch die - selben Umstände durch welche die Ähnlichkeit der Lautgesetze mit den Naturgesetzen, wird auch ihre Ausnahmslosigkeit hinfällig. Der Ausdruck Laut - gesetze ist noch in einer anderen Hinsicht unzweck - mässig. Obwohl ich ihn hier immer, dem allgemeinen Gebrauche folgend, von Gesetzen des Lautwandels ver - stehe, so kann man ihn mit gleichem oder mit grös - serem Rechte auf solche des Lautbestandes beziehen. Das thut Kruszewski, und zwar spricht er diesen, den statischen Gesetzen Absolutheit zu; in Bezug auf die anderen, die dynamischen erscheinen mir seine Äus - serungen nicht völlig übereinstimmend.

Das Wort Ausnahme drückt ein ganz äusser - liches Verhältniss aus, schliesst keinen Hinweis auf die wirkenden Kräfte in sich; man macht darum über - haupt und besonders im gegebenen Falle zwischen scheinbaren und wirklichen Ausnahmen einen unbe - gründeten Unterschied. Die Ausnahmen von welchen bei der Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze abgesehen werden soll, bestehen in der Kreuzung mit anderen Lautgesetzen, in der dialektischen Mischung und in1*4der Einwirkung begrifflicher Associationen. Von diesen drei Factoren erheischt der erste für unseren Zweck keine nähere Prüfung, der zweite wird eine solche gelegentlich der örtlichen Begrenztheit finden, der dritte sofort. Er steht im Vordergrund der jung - grammatischen Ausführungen, man bringt ihn geradezu in Antithese zu der lautlichen Gesetzmässigkeit, als den psychologischen "zum physiologischen Factor.

Die Frage nach der äusseren Beziehung, dem Rangverhältniss der beiden Factoren zueinander hat schon Tobler2 aufgeworfen und die Schwierig - keiten der Beantwortung mit feinstem Verständniss dargethan. Es besteht zunächst die Möglichkeit der Unterordnung: der eine Factor ist der constitutive oder normale, der andere der störende oder anomale. Man hat dann als den letzteren den psychologischen gedacht. Allein wenn man sich hierbei auf den äusseren Anschein beruft, so frägt es sich ob nicht Fälle nach - zuweisen sind Tobler2 weiss Nichts davon in denen grosse analogische Gruppen durch vereinzelte Wirkungen von Lautgesetzen beeinträchtigt erscheinen. Im Spanischen und Portugiesischen gehen sämmtliche alten Participien auf - udo jetzt auf - ido aus; konnte nicht eines oder das andere aus rein lautlichem Grunde bleiben, etwa sabudo wegen des dem u verwandten b? Und haben nicht vielleicht wirklich solche mecha - nischen Ursachen im Verlauf dieses Processes einen retardirenden Einfluss geübt? Zu dergleichen beson - deren Betrachtungen tritt nun noch das allgemeine Bedenken den Eingriff einer Art Caprice in eine feste Ordnung zuzugeben, und so werden wir von allen Seiten zu der Erkenntniss gedrängt dass Gesetzmässig - keit dem psychologischen wie dem physiologischen5 Sprachprincip innewohnt, mit anderen Worten, dass beide zu coordiniren sind. Die Peripherieen ihrer Machtkreise durchschneiden sich vielfach; welches über das andere siegt, das hängt von den jedesmaligen Um - ständen ab. Zur vollständigen Lösung des Problems fehlt indessen noch Eines. Tobler2 weist darauf hin dass heterogene Kräfte sich nicht ausgleichen, ja eigentlich überhaupt einander nirgends berühren kön - nen . Es wird kaum von vornherein die Heterogenität von Kräften sich bestimmen lassen; sie ergibt sich eben erst aus der absoluten Getrenntheit ihrer Wir - kungen. Der Wille vermag im eigenen Körper sub - stantielle Veränderungen nicht zu hemmen, wohl aber Reflexbewegungen, und das erklärt sich daraus dass diese weiter nichts als mechanisch gewordene Willens - handlungen sind. Der Fall der uns beschäftigt, ist ein ähnlicher. Wo die rein physiologische Ursache einer Lautvertretung ausser Zweifel steht, als eigen - thümliche Gestaltung, als natürlicher oder künstlicher Defect der Sprachwerkzeuge, da sind analogische Aus - nahmen unmöglich; wo wir daher solche finden, da haben wir den Gedanken an rein physiologische Wir - kungen aufzugeben. Der psychologische Charakter des einen der sich durchkreuzenden Factoren bezeugt gerade den gleichartigen Charakter des anderen; hat das etwa schon G. Curtius gemeint, wenn er Studien z. gr. u. lat. Gr. IX, 232 (1876) sagt: Unter allen Umständen muss aber die Analogie bewirkende Macht der ihrem Einfluss unterliegenden sehr ähnlich sehen ?

So verschwimmt die Antithese vor unseren Augen, und das Problematische der äusseren Beziehung zwischen den beiden Factoren klärt sich auf, indem wir ihre innere Beziehung richtig erfassen. Mancher vor -6 bereitende Schritt ist in dieser Richtung geschehen. Obwohl Osthoff2 auf's Schroffste das physiologische und psychologische Moment in der formalen Sprach - bildung gegeneinander hielt, so war doch schon in den Morphologischen Untersuchungen das Mitwir - ken psychischer Factoren beim Lautwandel bemerkt worden. Misteli deckte die Widersprüche auf in die sich hierbei Osthoff₁ und Brugmann₁ verwickelt hat - ten, aber auch seiner Vertheilung lautgeschichtlicher Processe zwischen Physiologie und Psychologie kann ich deswegen nicht beistimmen weil sie von einem opportunistischen Gesichtspunkt aus vorgenommen ist, der dann in der Schlussbetrachtung noch stärker her - vortritt. Das Schwanken der Junggrammatiker hat sich in die Darstellung von Wundt verpflanzt, der ja von ihnen besonders belehrt worden zu sein scheint. Wenn er zuerst neben den physiologischen Bedingungen des Lautwechsels tiefer liegende psychologische Mo - tive, die wahrscheinlich sogar die ursprünglicheren sind , nicht verkannt wissen will, so spricht er später nur von dem Einfluss physiologischer Factoren bei den Lautveränderungen; das führt ihn dazu, nachdem er behauptet hat dass die Sprache von Naturbedin - gungen nicht in wesentlich anderer Weise als andere historische Entwickelungen abhängig sei, gleich darauf von einem naturgesetzlichen Charakter zu reden, dem sich freilich die verschiedenen Gebiete des sprach - lichen Lebens keineswegs in gleichem Grade fügen . Der Unterschied in der Charakterisirung welchen dabei Wundt zwischen dem Gegenstand und der Me - thodik der Sprachwissenschaft macht, leuchtet mir nicht ein. Mit Erstaunen lese ich bei Brugmann3 dass unter denen die sich Leskien anschlossen, bis zum7 Erscheinen des Curtius'schen Buches auch die psy - chische Natur der Lautgesetze festgestanden habe; er hat dabei vor Allem seinen Mitarbeiter Osthoff2 ver - gessen, und zudem dass die von diesem in so weitem Umfang angenommene Unfähigkeit der Sprachwerk - zeuge zur Hervorbringung gewisser Laute in geringem Umfang wirklich existirt. Ich habe es eben schon ausgesprochen dass diejenigen Lautgesetze welche durch die Analogie gestört werden können, psycho - logisch bedingt sind; dies bestätigt sich nun dadurch dass zwischen den Erscheinungen der beiden Kate - gorieen keine Kluft, sondern ein Übergang wahrnehm - bar ist, der sich etwa in folgender Reihe romanischer Beispiele andeuten lässt: conte = comite, dunque = nunc, treatro = theatro, eglino amano = egli amano, non grieve ma lieve = non grave magis leve. Es werden nicht nur unmittelbar folgende, sondern auch entferntere lautliche Vorstellungen anticipirt, und wiederum be - ruhen die Analogiebildungen zum grossen Theil nicht bloss auf einer ideellen, sondern auf einer thatsäch - lichen Nebeneinanderstellung von Wörtern; insofern können wir sie als eine höhere Ordnung von Assi - milationen auffassen. Anderseits lassen sich nicht selten Erscheinungen bei denen durchaus keine be - grifflichen Beziehungen im Spiele sind, auf ideelle Nebeneinanderstellung zurückführen, und da können wir von einer niedrigeren Ordnung von Analogie - bildungen reden. So begünstigt die Häufigkeit ge - wisser Lautcomplexe die Neubildung identischer (z. B. = ie in ital. pièta), oder die Häufigkeit eines ge - wissen Lautwandels wird zur Allgemeinheit. Ich habe vor langen Jahren den Gedanken geäussert dass im Italienischen (und im Romanischen überhaupt) ie, uo8 = vulgärlat. ē̜, ō̜ ursprünglich, wie noch jetzt in man - chen Dialekten, an ein folgendes i oder u gebunden war: vieni, buonu, buoni. Zunächst würde es durch begriffliche Analogie ausgedehnt worden sein: viene, buona, dann aber auch ohne eine solche: pietra, ruota, und Formen wie bene, bove (Plur. buoi), nove (gegenüber nuovo) würden eben die letzten uneroberten Plätze bedeuten. Ich weiss nicht ob meine Annahme von einer rein lautlichen Analogie etwas ganz Neues ist; aus Bloomfield's Citat zu schliessen, scheint Easton in einem mir nicht bekannten Artikel zu ähn - lichem Ergebniss gekommen zu sein. Ich bin jeden - falls weit davon entfernt einen neuen Gegensatz auf - zustellen, nachdem ich die Überzeugung von der Un - haltbarkeit des früheren gewonnen habe; es wird sich innerhalb der Gesammtheit der Analogieerscheinungen die Thätigkeit begrifflicher Associationen kaum mit Sicherheit begrenzen lassen. In den Sprachen in wel - chen jetzt alle Wörter auf der ersten Silbe betont sind, war es ursprünglich nur die Mehrzahl, insofern die erste Silbe auch die bedeutungsvollste war; hat nun die Mehrzahl in Bausch und Bogen auf die Minder - zahl gewirkt, oder hat der Fortschritt ganz allmählich, immer nur zwischen begrifflich verwandten Wörtern stattgefunden? Zuweilen ist die begriffliche Beziehung eine so allgemeine dass man sie leicht übersieht; Manche pflegen z. B. die mehreren Sprachen gemein - same Verwandlung jedes tönenden Auslautes in den entsprechenden tonlosen als ein reines Lautgesetz zu betrachten, während es als solches nur vor tonlosem Anlaut gelten kann, und die Verallgemeinerung auf der Bedeutungsidentität beruht. Über das Einzelne mögen Zweifel noch obwalten; aber im Ganzen sollte9 man doch die Einheitlichkeit des Sprachlebens zu - geben, es sich nicht als den Widerstreit eines Ormuzd und Ahriman vorstellen.

Wenn ein Naturforscher zum ersten Mal von der Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze hört, so wird er wahrscheinlich an immer und überall geltende Laut - gesetze denken. Solche sind ja bei den gleichen Grund - bedingungen aller Sprachthätigkeit nicht nur möglich, man sollte sie geradezu erwarten. Warum hält der Lautwandel nicht wenigstens im grossen Ganzen die - selbe Richtung ein, sodass z. B. aus der Tenuis die Media, aus dem Diphthongen der Monophthong, aber nicht umgekehrt, entstehen kann? Verständigt man nun jenen Laien darüber dass dergleichen allgemeine Lautgesetze noch nicht entdeckt sind, dass vielmehr allen bisher ermittelten Lautgesetzen eine verhältniss - mässig enge räumliche und zeitliche Begrenztheit eignet, so wird er hier jene absolute Nothwendigkeit vermissen welche stets als Voraussetzung ausnahms - loser Gesetze erscheint. Die räumliche und zeitliche Relativität der Lautgesetze ist nicht einmal eine ein - fache, sondern eine complicirte. Wenn z. B. innerhalb A und B das Gesetz (r) a, innerhalb C und D: (r) b, anderseits innerhalb A: (s) a, innerhalb B und C: (s) b, innerhalb D: (s) c herrscht, so umschliessen sich die Grenzlinien der Lautgesetze für die beiden verschie - denen Elemente nicht nur, sie schneiden sich auch; die Beziehung der Lautgesetze zu ihrer äusseren Ausdehnung trägt den Charakter einer wechseln - den und zufälligen. In der That liegt hier die schwächste Position der Junggrammatiker, hier sind sie am Ener - gischsten angegriffen worden, hier wird ihre Abwehr zum langsamen Rückzug.

10

Die Lautgesetze wirken ausnahmslos innerhalb desselben Dialektes. In dem Ausdruck ein und derselbe Dialekt steckt eine Unklarheit; wir wissen nicht ob wir ihn a priori oder a posteriori zu fassen haben (ob wir z. B. sagen sollen: im Dialekt von Neapel, in dem von Rom, in dem von Florenz u. s. w. ist lat. k vor e und i zu geworden oder: = ke, i herrscht in der Sprache von ganz Süd - und Mittel - italien ). Das Letztere empfiehlt der damit verbundene Ausdruck ein und dieselbe Periode , welcher nur so genommen werden kann; das Erstere aber die prin - cipielle Erwägung, und so pflegt man denn in der That hier unter Dialekt eine ganz einheitliche Sprach - gemeinschaft zu verstehen. Allein gibt es die? Selbst Delbrück steigt, um eine wirkliche Einheitlichkeit zu finden, innerhalb deren die Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze gelte, zur Individualsprache herab und zwar zu deren Momentandurchschnitt. Ob diese Be - schränkung des junggrammatischen Satzes nicht eigent - lich ihn aufhebt, oder wenigstens seinen praktischen Werth, das will ich nicht weiter untersuchen (Tobler₁ schon hatte gesagt: je enger die Kreise werden, um so mehr nähern sie sich dem Individuellen, welches niemals von Gesetzen erschöpft werden kann ); mir aber geschieht nicht einmal damit genüge, mir scheint nicht einmal in, diesem Falle nothwendige Einheitlich - keit erweislich. So weit directe Beobachtung an uns selbst oder an Anderen reicht, ist die Aussprache des Individuums von Schwankungen nie frei, worunter ich natürlich keine in strenger Gemässheit der Zeit - folge auftretenden Veränderungen begreife. Mit dieser endlosen Sprachspaltung geht endlose Sprachmischung Hand in Hand. Die Beeinflussung des einen Dialektes11 durch den anderen, welche den Junggrammatikern zufolge eine Störung der ausnahmslosen Lautgesetze bewirkt, und die Ausgleichung der Individualsprachen, welche denselben Junggrammatikern zufolge ausnahms - lose Lautgesetze erst ermöglicht, diese Processe von conträrer Wirkung sind im Wesen gleich, sie sind nur verschiedene Mischungsstufen. Man sieht aber nicht ein warum sich aus dem beständigen Widerstreit der centrifugalen und der centripetalen Kraft ein so voll - ständiger Ausgleich ergeben sollte dass keine Diffe - renzen übrig blieben. Ganz minimale werden aller - dings von den Junggrammatikern zugestanden, aber nicht in Rechnung gebracht, und damit wird in meh - rerer Hinsicht ein starker Fehler begangen. Zunächst steht die Existenz auch noch so kleiner Differenzen der Unmöglichkeit von Differenzen entgegen, und diese wird hier gefordert. Denn der junggrammatische Satz bedeutet doch nicht dass die Lautgesetze thatsächlich etwa die einen aus diesem, die anderen aus jenem Grunde keine Ausnahmen haben, sondern dass sie der Natur der Sache nach keine haben können. Paul2 entfernt sich betreffs dieses Punktes von der strengen Observanz; er sagt es sei nicht schwer die Nothwen - digkeit dieser Consequenz [d. h. der der Lautgesetze] darzuthun oder, genauer genommen, allerdings nur die Einschränkung der Abweichungen von solcher Con - sequenz auf so enge Grenzen dass unser Unterschei - dungsvermögen nicht mehr ausreicht . Das hier Gleichgesetzte ist für mich etwas durchaus Verschie - denes; Lautgesetze die sich beinahe mit der Con - sequenz von Naturkräften geltend machen hat ja auch G. Curtius (Grundzüge 81) eingeräumt. Sehen wir davon ab dass die Annahme von der Unmerk -12 lichkeit der Differenzen lediglich eine subjective; zieht man denn nicht auch sonst bei der Erörterung der sprachgeschichtlichen Principien das unendlich Kleine in Rechnung? Man wird antworten: ja, insofern eine Cumulation desselben statt findet. Nun gut, hier haben wir uns von einer entsprechenden Wahrnehmung bestimmen zu lassen. Die minimalen Differenzen um die sich der Streit dreht, stellen nur die unterste von verschiedenen Reihen immer stärkerer Differenzen zwischen immer grösseren Sprachgenossenschaften dar, und diese Verbindung verleiht ihnen einen reellen Werth. Auch Paul2 betont dass Artunterschiede und individuelle Unterschiede nicht dem Wesen, son - dern nur dem Grade nach verschieden sind , und so hat denn Alles was von dem Verhältniss zwischen Dialekten irgend welcher Stufe gilt, auch von dem zwischen Individualsprachen zu gelten, natürlich in höchster Beschränkung oder höchster Steigerung. Be - sonders noch in folgender Hinsicht. Ein Latitwandel findet sich oft über ein sehr weites Gebiet hin, d. h. in einer Reihe zusammenhängender Dialekte; hat er sich in jedem von diesen spontan ausgebildet? Nein, sondern er hat sich, wie wir in vielen Fällen geschicht - lich verfolgen können, strahlenförmig von einem Punkte ausgebreitet. Warum soll nun ein Lautwandel in jeder der Individualsprachen welche einen Dialekt aus - machen, spontan entstanden sein? Wiederum ist es Paul2 welcher hier restringirt; nicht allen Individuen einer Gruppe, nur der Majorität weist er die Spon - taneität zu. Wenn er für andere Sprachveränderungen diese Majorität zwar als das Regelmässige, doch nicht als das schlechterdings Nothwendige betrachtet, so weiss ich nicht warum man in Bezug auf den Laut -13 wandel nicht ebensoweit gehen sollte. So sagt auch Delbrück₁2 dass die Veränderungen in der Aus - sprache bei dem Einzelnen beginnen und sich von da zu den Mehreren und den Vielen durch Nachahmung von Seiten dieser fortpflanzen . Merlo stellt die Möglichkeit individueller Initiative sehr schlagend dar. Es kann nun, den Junggrammatikern zufolge, zwischen den einzelnen Gliedern einer Verkehrsgenossenschaft nur hinsichtlich des Tempos in welchem der Laut - wandel sich vollzieht, eine Verschiedenheit existiren; niemals soll ein klaffender Gegensatz hervortreten. Als deutlich ausgeprägter und somit auch zum Be - wusstsein kommender Gegensatz , sagt Brugmann3, können Altes und Neues nur so nebeneinander be - stehen dass sie durch verschiedene Sprachgenossen - schaften vertreten werden, zwischen denen der Ver - kehr viel weniger intensiv ist als innerhalb jeder einzelnen. Wie vereinigt sich damit Brugmann2's frühere Annahme von Mutter - und Tochterformen innerhalb desselben Dialektes, ja bei denselben Indi - dividuen? Das Alte und Neue erscheint aber inner - halb eines Dialektes nicht bloss nach dem Alter, son - dern auch nach Geschlecht, Bildung, Temperament, kurz in der verschiedenartigsten Weise vertheilt. Rücksichtlich der Art und Weise wie sich ein Laut - wandel von Individuum auf Individuum, von Genossen - schaft auf Genossenschaft überträgt, scheint auch die Auffassung ziemlich auseinander zu gehen. Ich gestehe dass ich hier keineswegs das ausschliessliche Spiel un - bewusster Thätigkeit erblicke; wenn ich mit F. Müller die Lautgesetze nicht schlechtweg mit den Gesetzen der Modetrachten vergleichen will, so scheinen sie mir doch in grossem Umfang Sache der Mode, d. h. der14 bewussten oder doch halbbewussten Nachahmung zu sein. Da Schmidt2 der Meinung ist es herrsche, F. Müller ausgenommen, allgemeines Einverständniss darüber dass sämmtliche Lautveränderungen sich ohne Bewusstsein der Sprechenden vollziehen, keine Moden sind, welche der Einzelne nach Belieben mitmachen oder ablehnen kann , so stehen hier einige gegen - theilige Zeugnisse. Th. Benfey sagt (Gött. Nachr. 1877 S. 556): diese Aussprache fing an Autorität zu er - langen, für richtig und schön zu gelten und ward in Folge davon auch von Individuen und Complexen an - genommen denen die Nöthigung welche sie herbei - geführt hatte, ganz fremd gewesen sein konnte , nimmt jedoch an (S. 557) dass die Sprechenden von der Umwandelung gar kein Bewusstsein hatten ; Bezzenberger: der Lautwandel kann sich auch mit Bewusstsein entwickeln nach der Aussprache jenes einen oder jener wenigen richten sich aus Grün - den des Geschmacks mehrere ; Collitz: die laut - liche Umwandelung gefällt denen welchen sie auf - gefallen ist, sie wird Mode, sei es dass man ihr aus Bequemlichkeit, aus ästhetischen Rücksichten oder aus irgend einem anderen Grunde folgt; aber man folgt ihr nicht unbewusst ; Delbrück₁2 führt neben der Be - quemlichkeit auch den ästhetischen Trieb als Grund des Lautwandels an, er erwähnt (2) eine gewisse Art zu sprechen, welche sich verbreite, weil es so Mode ist und gefällt , sieht aber als unzweifelhaft an dass alle (oder doch fast alle) diese Akte unbewusst voll - zogen werden , und dieser unbewusste Vollzug wird wiederum von ihm (3) unter den Argumenten zu Gunsten der Gesetzmässigkeit des Lautwandels vorgebracht. Ich werde daher wohl nicht fehl gehen, wenn ich mit15 dem Antheil den das Bewusstsein meines Erachtens am Lautwandel hat, die Ausnahmslosigkeit der Laut - gesetze für unvereinbar halte. Welchen Einfluss übt nicht die Schule selbst da wo der öffentliche Unter - richt die bescheidenste Rolle spielt? Wie weit ver - breitet ist nicht unter den Ungebildeten das Bedürfniss gebildet, unter den Provincialen das hauptstädtisch zu reden? Rückt nicht im Militärschritt das Berliner j für g immer tiefer und breiter nach Mitteldeutsch - land vor? Dass in Frankreich und Deutschland (gut - turales) ϱ an Stelle von (dentalem) r seit langer Zeit mehr und mehr in Mode kommt, ersehen wir aus M. Trautmann's detaillirten Mitteilungen in der Anglia III, 214 ff. (1880); vorher war gerade ϱ = r von Brugmann2 als Beispiel für die blinde , d. h. unbewusste Wirkung der Lautgesetze erwähnt worden. Beiläufig erlaube ich mir eine Frage: Schmidt₁ hat später auch von blind wirkenden Lautgesetzen ge - sprochen, wie kommt gerade Brugmann3, dazu zu sagen dieser Ausdruck sei ihm bisher zweideutig gewesen? Modischer, d. h. also mehr oder weniger bewusster oder vielleicht besser gesagt willkürlicher Lautwandel hat vielfach Neuerungen im Gefolge; er kann fälsch - liche Anwendung erfahren, kann selbst um eine Stufe gesteigert werden, kann parallelen Lautwandel her - vorrufen. Wenn endlich, wie sich ja historisch belegen lässt, irgend eine Lauteigenthümlichkeit einer wirklich tonangebenden Persönlichkeit, eines Fürsten, Höflings, Schauspielers in deren Kreis freiwillig copirt oder die eines Lehrers von diesem seinen Schülern aufge - zwungen wird, so lässt sich auch die Möglichkeit nicht bestreiten dass der Ursprung eines Lautwan - dels ein willkürlicher sei. Individueller Lautwandel16 wenigstens kann ohne Weiteres ein willkürlicher sein, und aus diesem Grunde schon hilft es Nichts mit Delbrück die Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze auf die Individualsprache einzuschränken. Kurz, ich pflichte Bloomfield durchaus bei, wenn er in Whit - ney's Sinn mit Bezug auf unsere Frage bemerkt: the word » inviolable « or » infallible « in matters of gram - mar is always to be deprecated, if for no other reason than the one that the conscious will of any language - user undeniably stands above phonetic facts .

Ich füge diesem Abschnitt ein Nachwort bei. Sprachmischung nehme ich, wie gesagt, auch in - nerhalb der homogensten Verkehrsgenossenschaft an, Paul2 nur bei ethnischer Mischung, und diese sei etwas Exceptionelles. Auch gegen Letzteres lege ich Verwahrung ein. Einerseits pflegt in jedem grösseren Centrum die Bevölkerungsfluctuation eine solche zu sein dass man sie wohl als eine Mischung auch im engeren Sinne bezeichnen darf: und weit entfernt davon dass sich da keine Differenzen entwickeln können die als solche percipirt werden , prägen ab - liegende Mundarten der centralen ihre deutlichen Spuren auf, ja diese verliert zuweilen auf diesem Wege vollkommen ihren ursprünglichen Charakter (wie z. B. die Volkssprache Rom's heutzutage eine toskanische ist, was sie vor einem halben Jahrtausend keineswegs war). Besonders dürfen die nicht immer sehr starken jüdischen Bruchtheile städtischer Bevöl - kerungen ihrem sprachlichen Einfluss nach nicht unter - schätzt werden. Anderseits ist nicht einmal der Fall ein exceptioneller in welchem Paul2 allein Sprach - mischung annimmt, nämlich wo in Folge besonderer geschichtlicher Veranlassungen grössere Gruppen von17 ihrem Wohnsitz losgelöst und mit anderen zusammen - gewürfelt werden . Von der Bildung der romanischen Nationen an rückwärts bis zu den ersten Anfängen des römischen Volkes nehmen wir eine fast ununter - brochene Serie mannigfacher Mischungen wahr, deren nicht bloss die romanische, sondern auch die lateinische Grammatik eingedenk zu sein hat. Paul2 glaubt den Ausdruck Dialektmischung in Entlehnung eines Wortes aus einem fremden Dialekt verbessern zu müs - sen. Wir können uns allerdings fremde Wörter an - eignen, aber auch die fremde Sprechweise uns ganz geläufiger. Es ist eine bekannte Thatsache dass Deutsche bei intensivem Verkehr mit Juden leicht in's Jüdeln verfallen; wenn sich nun in Folge dessen die jüdische Aussprache eines aus jüdischem Munde be - sonders häufig gehörten Wortes, wie etwa Persent = Perzent bei einem Deutschen festsetzt, kann man da von einem Lehnwort reden? Und ebenso wenig sind Lehnwörter franz. haut, gâter, goupil, wenn sie nämlich wirklich in ihrem Anlaut durch deutsches hoch, wüsten, Wolf beeinflusst worden, also im Munde romanisirter Germanen entstanden sind; die Anlässe dieser Vor - gänge freilich sind dunkel, es müsste denn etwa bei dem letzten Worte die Jagdliebhaberei der Germanen massgebend gewesen sein (wie der Stadtrömer viel - leicht sein vulpes und lupus als ganze Wörter von irgend welchen jagdfreundlichen Italikern entlehnte).

Die Lautgesetze wirken ausnahmslos innerhalb derselben Periode. Es ist dies nur eine er - gänzende Bestimmung. Innerhalb erst nachträglich festzustellender zeitlicher Grenzen vollzieht sich ein Lautgesetz in der ganzen Ausdehnung der Sprach - genossenschaft und in der ganzen Ausdehnung desSchuchardt, Ueber die Lautgesetze. 218Sprachmaterials. Die Eichtigkeit des ersten Punktes habe ich soeben erörtert, die des zweiten werde ich sogleich erörtern. Hier nur ein Wort über die Ueber - gangsstadien im Allgemeinen. Dem Nachweis der - selben, mag er nun diesen oder jenen Fall betreffen, sucht man dadurch die Spitze abzubrechen dass man das Gesetz von der Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze für die Uebergangsstadien suspendirt. Das ist durch - aus unzulässig. Jedes Stadium der Sprache ist ein Uebergangsstadium, ein jedes ebenso normal wie irgend ein anderes; was vom Ganzen gilt, gilt auch vom Ein - zelnen. Ich darf mir nicht die Sprache als ein Neben - einander von fertigen und unfertigen Lautgesetzen denken; das hiesse in die natürliche Betrachtung teleologische Vorstellungen einmischen. Wenn auch ich von Uebergangsstadien rede, so nur in relativem Sinn, nur mit Bezug auf spätere schon feststehende Thatsachen; irgend ein gegenwärtiges Verhältniss als Uebergangsstadium zu bezeichnen, dazu haben wir kein Recht.

Wer meinen sollte dass bezüglich der äusseren Ausdehnung der Lautgesetze der Unterschied zwischen den Junggrammatikern und den Anderen mehr in der Darstellung als in der Erkenntniss liege, selbst der wird der folgenden Discussion über die innere Ausdehnung der Lautgesetze die praktische Be - deutung nicht absprechen.

Bei dem Lautwandel innerhalb desselben Dia - lektes werden alle einzelnen Fälle in denen die gleichen lautlichen Bedingungen vorliegen, gleichmässig behandelt. Hält man aber die Fälle in denen ein Laut überhaupt auftritt, vor und frägt welche darunter die gleichen lautlichen Bedingungen19 aufweisen, also gleichmässige Behandlung, d. h. Ver - harren oder Veränderung in den gleichen Laut for - dern, so wird die Antwort darauf ausbleiben. Da es eine Reihe von Kategorieen lautlicher Bedingungen gibt, wie Accent, Silbenstellung, Beschaffenheit des unmittelbar folgenden Lautes, des unmittelbar voraus - gehenden, des zweitfolgenden u. s. w., so besteht in jedem einzelnen Falle ein Bedingungscomplex; ver - gleichen wir die Bedingungscomplexe aller Fälle mit - einander so zeigt sich ein jeder von dem anderen ver - schieden, oder wir haben Homonyme, die ja aber zur Veranschaulichung lautgesetzlicher Wirkungen am Wenigsten geeignet sind. Es kommt also nur die partielle Gleichheit der Bedingungscomplexe in Be - tracht; aber aus welchen und wievielen Elementen muss sie bestehen um die partielle Verschiedenheit zu überwiegen, mit welchen Hülfsmitteln haben wir die wesentlichen Bedingungen von den accidentiellen oder die Bedingungen im strengeren Sinne des Wortes von den Nebenumständen zu sondern? Man, ist ge - zwungen einzugestehen dass die gleichen lautlichen Bedingungen immer erst aus jedem Lautgesetze selbst abstrahirt werden, dass ihre Verwendung als Prämisse unzulässig ist, dass sie überhaupt in der Definition von der Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze keinen Platz haben. Wollen wir auch von der Gleichheit der lautlichen Bedingungen zwischen allen einzelnen Fällen eines Lautgesetzes reden, zwischen allen ein - zelnen Lautgesetzen eines Dialektes finden wir sie durchaus nicht. Wir sehen z. B. dass innerhalb der Kategorie des unmittelbar folgenden Lautes (und zwar des auf einen Vocal folgenden Consonanten) die vier Liquiden sich in dieser Weise vertheilen: nach dem2*20einen Vocal l, r, n m, nach dem anderen l, r n, m, nach dem dritten l, r n m. Also die partielle Gleichheit erstreckt sich, über die Combi - nationen hinaus, auf die einzelnen Kategorieen: n wirkt in dem angeführten Beispiel einmal als dentale Liquida, dann als Nasal, endlich als dentaler Nasal. Nicht selten stossen wir auf Lautgesetze in denen selbst jene relative Einheitlichkeit der Bedingungen nicht nachgewiesen ist. Dergleichen wenig klaren Lautgesetzen lassen sich ganz klare Fälle spora - dischen Lautwandels gegenüberstellen. Betontes a ist im heutigen Schriftportugiesisch nur einmal zu o geworden, in fame = fome. Dem Einfluss eines fol - genden oder eines vorhergehenden Labialen ist nur unbetontes a ausgesetzt (z. B. vulgärport. fanforrice, charomela; s. J. Cornu Romania X, 340 f.); aber der Einfluss eines folgenden und der eines vorhergehenden zusammengenommen sind stark genug auch ein betontes a zu assimiliren, freilich nur in diesem häufigst ge - brauchten Wort (nicht in fava u. a. in mama nicht wegen der Reduplication). Ein Junggrammatiker würde freilich, ehe er soviel zugestünde, sich an ein fomentar oder fomite anklammern. Wegen eines ana - logen Verhältnisses vgl. franz. buvons für älteres be - vons, daneben devons. Der Satz gleiche Ursache, gleiche Wirkung (wir bezeichnen als Ursachen beim combinatorischen Lautwandel was streng genommen nur permanente Bedingungen sind) lässt sich hier nicht zu Gunsten der Lehre von der Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze heranziehen; es handelt sich ja um partiell Gleiches, in verschiedenem Masse partiell Gleiches. Der labiale Factor ist in den einzelnen Labialen nicht gleich stark vertreten, mehr z. B. in m als in b; bei21 der Labialisirung des benachbarten Vocals spielen daher eine ganze Reihe von accessorischen Bedingungen mit. Delbrück3 giebt die Existenz völlig vereinzelter Fälle von Lautwandel zu, die also nicht unter den Begriff des Gesetzes fallen ; wie verträgt sich das mit dem jung - grammatischen Satz dass aller Lautwandel ausnahms - losen Gesetzen unterliegt? Wir haben bisher bei unse - ren Erörterungen über die Gleichheit der lautlichen Be - dingungen einen bestimmten zeitlichen Durchschnitt der Sprache angenommen, es fragt sich nun: bleiben die laut - lichen Bedingungen eines Lautgesetzes, mögen sie wie immer beschaffen sein, im Laufe der Zeiten constant? Ich will darauf ohne Weiteres mit einem Beispiel ant - worten. Einem gallo-vulgärlat. (klassischlat. ā́ und ắ vor einfachem Consonanten) entspricht neufranz. e (bald offenes bald geschlossenes, doch ist dieser Unterschied hier unwesentlich), also chef, fève, pré, tel, mer, nez, ème, lène = caput, faba, prato, tale, mare, naso, amat, lana. Der folgende Consonant erscheint hier also ganz gleichgültig, nicht aber im Altfranzösischen (das sich noch in der heutigen Orthographie wiederspiegelt): chef u. s. w., jedoch áime, láine. Wenn nun vor m und n durch ai zu e geworden ist, kann dies nicht auch vor den anderen Consonanten geschehen sein? Und wenn man ursprünglich chaif, faive, tail, mair sagte, so ist wiederum für eine etwas jüngere Periode chaif, faive, tel, mer denkbar, sodass in Beziehung auf die Monophthonirung des aus a entstandenen ai ver - schiedene Bedingungsstufen vorliegen würden. An - dernfalls müssen wir verschiedene Lautgesetze anneh - men, sodass hinter der heutigen Gleichheit sich auf jeden Fall eine Verschiedenheit birgt. Wenn nun aus der Gegenüberstellung von Lautformenreihen die durch22 einen weiten dunkeln Zeitraum voneinander getrennt sind, ein Lautgesetz gewonnen wird, welche Bürgschaft ist dafür vorhanden dass es sich mit diesem nicht ähnlich verhält? Man betrachte auch eine beliebige Gruppe verwandter Mundarten; man wird sehen wie die Bedingungskreise der Lautgesetze sich von Ort zu Ort mannigfach verändern, man wird hier gleichsam die räumliche Projection zeitlicher Unterschiede erkennen. Der Annahme von einer Reihe verschiedener Gesetze widerspricht die Continuität und Wesenseinheit. Wie steht es aber dann mit der Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze? dürfen wir die Differenzen zwischen zwei Bedingungskreisen die gleichsam nur zeitlich-räum - liche Varianten eines einzigen sind, nicht von diesem oder jenem Standpunkte aus als Ausnahmen auffassen? Diese innere Erweiterung der Lautgesetze lässt sich bei der Annahme lautlicher Analogie leicht begreifen. Ich habe diesen Punkt oben schon berührt, indem ich das Vorhandensein eines Dualismus im Sprachleben bestritt; ich habe an einem Beispiele erläutert wie ein combinatorischer Lautwandel zu einem freien wird. Selbst der grösste Abstand zwischen den anfänglichen und den schliesslichen Grenzen braucht nicht zu be - fremden, sehen wir doch auch die begriffliche Ana - logie oft von engstbegrenztem Gebiete aus im weitesten Umfang wirken, wofür sich besonders in der Ge - schichte der romanischen Participien Belege finden. Ich halte es sogar nicht für unmöglich dass aus einer einzigen durch begriffliche Analogie hervorgerufenen Lautvertauschung ein ganzes Lautgesetz erwachse. Ich sage keineswegs dass der ursächliche Bedingungskreis vermittelst der lautlichen Analogie auf allen Seiten zugleich überschritten würde; der Lautwandel mag23 von Aehnlichem zu Aehnlichem tastend vorrücken, z. B. in der Verknüpfung mit einem anderen Laut - wandel, wie wenn etwa ein - ol - = - al - durch - or - = - ol - zu - or - = - ar - führt. In Gröber's Zeitschrift V, 319 habe ich behauptet dass wo s in jeder Stellung zu h geworden, diese Schwächung zuerst als eine com - binatorische aufgetreten sein muss. So mag die Brücke zwischen intervoc. h = s und anl. h = s sich in dem nach vocalischem Auslaut anl. h = s finden lassen (- aha -: - a ha -: - t ha -, also hier umgekehrt wie bei dem erwähnten Auslautsgesetz mit Verallgemeinerung vom tönenden auf den tonlosen Laut). Aber über diese Metamorphose der Lautgesetze, die meines Wissens noch nie zum Gegenstand allgemeiner Erörterung ge - macht worden ist, kann ich mich hier nicht weiter auslassen; um so nachdrücklicher soll es schliesslich geschehen. Auch auf dem Gebiete des mechanischen Lautwandels, um mich der junggrammatischen Termi - nologie zu bedienen, finde ich ganz Anderes als nur abgeschlossene in starre Formeln zu kleidende Pro - cesse, ich erblicke hier das bunte endlose Spiel un - gezählter Triebe, aus dem Einzelnes heller und stärker hervortritt.

Während die Junggrammatiker die Ausnahms - losigkeit der Lautgesetze von einer Gleichheit der lautlichen Bedingungen abhängig machen wie sie meines Erachtens überhaupt nicht besteht, halten sie die un - mittelbar gegebene Verschiedenheit der Wör - ter dabei für gleichgültig: bei dem Vollzug des Lautwandels ist nun gar nicht denkbar dass in ver - schiedenen Wörtern verschiedene Wege eingeschlagen werden (Brugmann3). Und zwar wird das folgender - massen begründet: Das Bewegungsgefühl bildet sich24 ja nicht für jedes einzelne Wort besonders, sondern überall wo in der Rede die gleichen Elemente wieder - kehren, wird ihre Erzeugung auch durch das gleiche Bewegungsgefühl geregelt. Verschiebt sich daher das Bewegungsgefühl durch das Aussprechen eines Ele - mentes in irgend einem Worte, so ist diese Verschie - bung auch massgebend für das nämliche Element in einem anderen Worte (Paul2). Ich halte das, wenig - stens in der absoluten Form wie es behauptet wird, für unrichtig; es übt hier Paul das schon von mancher Seite und soviel ich sehe gerade in dem Kapitel über den Lautwandel auch von ihm selbst gerügte Ver - fahren die Betrachtung des einzelnen Lautes von der des Wortes in dem er vorkommt, zu isoliren. Die Veränderung eines Lautes, sein Fortschreiten in einer bestimmten Richtung, wobei natürlich von der noth - wendigen Wirkung rein physiologischer Veränderungen abgesehen wird, besteht aus einer Summe der aller - kleinsten Verschiebungen, ist also von der Zahl seiner Wiederholungen abhängig. Wenn nun x z. B. 10000 Wiederholungen braucht um zu x1 zu werden, so sind doch diese Wiederholungen innerhalb der einzelnen Wörter zu zählen; ein x in 10000 verschiedenen Wörtern je einmal gesprochen würde nicht zu x1 wer - den. Dass nun ein Wort das 10000 Mal gesprochen worden ist, die Entwickelung des Lautes x zu x1 in einem erst 8000 Mal gesprochenen begünstigen mag u. s. w., das läugne ich nicht. Die grössere oder geringere Häufigkeit im Gebrauche der einzelnen Wör - ter welche ja bei den Analogiebildungen eine so her - vorragende Rolle spielt, ist auch für ihre lautliche Umgestaltung von hoher Wichtigkeit, nicht innerhalb kleinerer, wohl aber innerhalb bedeutender Differenzen. 25Sehr selten gebrauchte Wörter bleiben zurück, sehr häutig gebrauchte eilen voran; von beiden Seiten also bilden sich Ausnahmen von den Lautgesetzen. Es ist schon eine sehr alte Erfahrung dass in allen Sprachen gerade die allergewöhnlichsten Wörter, von denen man doch am Ersten Gehorsam gegen die Lautgesetze erwarten sollte, am Meisten Neigung zeigen sich von ihnen zu emancipiren, ja in Folge dessen der Deutung zuweilen ernstliche Schwierigkeiten bereiten (ich erinnere an die romanischen Wörter für gehen ); man hat sie mit der in raschem Um - lauf befindlichen Scheidemünze verglichen, welche bald ihr Gepräge einbüsst. Diese treffende Beobachtung hat man in neuerer Zeit nicht weiter verfolgt, ja man ignorirt sie meistens. Kruszewski hat allerdings ausdrücklich hierauf hingewiesen; aber seine Andeu - tungen befriedigen mich doch keineswegs. Er sagt: Wenn gosudaŕ zu sudaŕ und - schliesslich zu wird, babuška zu bauška, pravo zu pra, nasza mitość zu naszmość, naść, trzeba zu trza, podobno zu pono, czíoniek zu czíek, proszę pana zu pŭpana u. s. w., so müssen wir im Auge behalten dass diese Wörter in der Mehrzahl der Fälle rasch, ohne Accent, mit An - lehnung an andere Wörter gesprochen werden. Alle Sprachen liefern, besonders in Titeln und Begrüssungen, Beispiele ähnlicher Art; ich erinnere an magy. alá szolgáj = alátos szolgája, tejes oder téns = tekintetes, span. usted = vuestra merced, vulgärdeutsch g'Morgen u. s. w. In einigen Fällen liegt allerdings Enklisis oder Proklisis vor; aber die Tonlosigkeit reicht in - sofern nicht zur Erklärung aus als sich in den unbe - tonten Silben einheitlicher Wörter nicht immer die entsprechenden Veränderungen finden. Rum. ună wird26 zu , o; aber ein Ausfall des n zwischen diesen Vocalen ist sonst auch ausserhalb des Accentes uner - hört. In der Proklisis wird aus casa rom. cas (ca); aber ist etwa Synkope des vortonigen a lautgesetzlich? Weiter entsteht die Frage ob nicht jene Tonlosigkeit ebenfalls erst eine Folge des überhäufigen Gebrauches ist. Wenn ich g'Morgen für guten Morgen sage, so ist ja freilich das Adjectiv fast ganz um seine Be - deutung gekommen, aber doch nur in Folge der un - endlichen Wiederholung. In nicht anderem Lichte erscheint mir das Schicksal des lat. -rom. ille. Als letzte Ursache all solcher begrifflichen und lautlichen Schwächung muss ich nun aber die Ueberhäufigkeit um so mehr betrachten als dieselbe auch da wirkt wo keine Anlehnung an andere Wörter stattfindet. In guten Morgen wird nicht nur das erste, sondern auch das zweite Wort entstellt (g'Moin, g'Mõ u. s. w.). Wenn wir die Entwickelung der Sprache innerhalb kleinerer durch ganz bestimmte Interessen gebildeter Kreise verfolgen, so werden wir sehen dass gerade die aller - bedeutungsvollsten Wörter, insofern sie beständig wie - derkehren, lautlicher Veränderung am Stärksten aus - gesetzt sind. Man bemerke z. B. wie bei einem Spiele die Kürzung und auch die phantastische Umgestal - tung der termini technici beliebt ist; es scheint als ob neben der Bequemlichkeit noch ein anderer Trieb, die Abneigung gegen die Monotonie sich geltend mache. Man kann diese Beobachtung zum Experiment condensiren: man lasse Jemanden der nicht weiss wo - rauf es ankommt, ein Wort vielmal, 30, 50, 80 Mal hin - tereinander sagen, und man wird sehr starke Schwankun - gen der Aussprache wahrnehmen. Die Schrift gewährt für diese Gruppe von Erscheinungen ein Analogon:27 dieselben Zeichencomplexe werden, je nachdem sie in seltneren oder gewöhnlicheren oder genauer gesagt dem Schreiber und dem Empfänger weniger oder mehr ge - läufigen Wörtern auftreten, sorgfältiger oder flüchtiger dargestellt werden, und zwar auch unwillkürlich. Von Bequemlichkeit ist überall die Rede wo die Ursachen des Lautwandels in Erwägung gezogen werden; was ist nun natürlicher als dass man es sich da am Ersten bequem macht, wo in der Ueberhäufigkeit der stärkste Antrieb dazu liegt und die Gefahr des Missverständ - nisses am geringsten ist? Ich komme auf die oben erwähnte Erweiterung des Lautwandels h = s von der intervocalischen Position zur anlautenden zurück. Im Jakutischen Delbrück3 ist es der die Aufmerk - samkeit darauf lenkt findet sich neben inlautendem auch anlautendes intervocalisches s = h; in einem einzigen Fall ist anlautendes s schlechtweg zu h ge - worden, in suoch nein . Ist es nicht möglich dass von diesem "Worte aus anl. s = h sich auf weniger gewöhnliche ausdehne? Im Andalusischen wird im Allgemeinen nur vorconsonantisches s zu h; es scheint, wie ich (Gröber's Zeitschr. V, 319 f.) bemerkt habe, zunächst im Auslaut die Tendenz zu weiterer Anwen - dung aufzutauchen (loh amigos neben los amigos), dann aber auch no heñó, si heñó vorzukommen. Bei Be - jahung und Verneinung findet Manches statt was sonst nicht; so hört man vom Italiener nicht selten statt ein geflüstertes si oder bloss s, und der lautgesetzliche Schwund des n in span. -ital. no ist wenigstens mir noch nicht klar. Wo es sich nicht um indigenen, sondern um verpflanzten Lautwandel handelt, da wird umgekehrt gerade in den gewöhnlichsten Wörtern die alte Aussprache am Längsten bleiben. Kolosov (Замѣткн28 ο я. и н. II. въ области сѣверно-великорусскаго нарѣчія. Petersb. 1877) sieht die Verwandelung des ĕ in i als einen ursprünglichen allgemeinen Zug des nowgorod - schen Dialektes an; nun habe an manchen Orten e dieses i gänzlich verdrängt, an anderen werde dies nur von alten Leuten gewahrt, während den jungen Leuten chlib, sino u. s. w. lächerlich erscheine, hier wiederum finde sich ausnahmsweise i neben dem ge - wöhnlichen e (so chlib, aber seno u. s. w.), und dort das Umgekehrte. Dass in dem Worte für Brod sich der alte Laut hält, begreifen wir leicht; Anderes liegt nicht so zu Tage. Dialektische Mischung ist freilich nicht in Abrede zu stellen, aber ich weiss nicht wie sie hier, wo ja nicht einzelne Wörter entlehnt sind, als nur scheinbare Ausnahme von der lautlichen Gesetz - mässigkeit angesehen werden kann; es muss doch er - klärt werden warum in dem einen Worte der her - gebrachte, in dem anderen der neue Laut herrscht. Was bei einer solchen Mischung möglich ist, ist über - haupt möglich. Delbrück₁2 stimmt Brugmann2 darin vollkommen bei dass eine Lautbewegung nicht bei bestimmten Wörtern ihren Anfang nehme und dann auf andere Wörter übertragen werde, und setzt hinzu: dass es sich wirklich so verhält, dürfte nicht bloss die Erfahrung an Volksmundarten beweisen da - gegen sprechen die vorher angeführten Thatsachen , sondern auch die Ueberlegung dass nur unter der Voraussetzung einer gleichmässigen und consequenten Aussprache der Laute die Aneignung einer fremden Sprache erklärlich ist . Dieses Argument vermag ich nicht zu widerlegen, da ich es nicht verstehe. Dass sehr selten gebrauchte Wörter leicht eine alterthüm - liche Gestalt aufweisen, ist ebenfalls bekannt. Es fragt29 sich ob nicht innerhalb des gesammten Sprachmaterials mit Hinblick auf das Eintreten des Lautwandels noch andere Abstufungen denkbar sind. Delbrück₁2 hat die Möglichkeit angedeutet allerdings um sie zu - rückzuweisen dass jede Lautveränderung bei einem bestimmten Worte beginne und sich von diesem aus weiter fortsetze, also z. B. von einem Substantivum auf andere, von da auf Adjective und Participia, und so zum Verbum gelange . Könnte aber, die allmäh - liche Ausbreitung des Lautwandels zugegeben, nicht der Gedanke entstehen dass überhaupt die begriffliche Analogie nur in einzelnen Fällen den Lautgesetzen entgegen, im Allgemeinen vielmehr mit ihnen zusam - men arbeite?

Die Lehre von der Ausnahmslosigkeit der Laut - gesetze lässt sich nach dem Gesagten ebensowenig auf deductivem wie auf inductivem Wege beweisen; wer ihr anhängt, muss sich zu ihr als einem Dogma be - kennen, und Dogma heisst sie beiläufig in G. Meyer's Nachruf an G. Curtius, ausdrücklich in Bloomfield's der Frage selbst gewidmeten Abhandlung. Nun können aber Dogmen nur vermittelst falscher Analogie in die Wissenschaft gelangen, und zwar wird das frucht - bare tertium comparationis in der Heilswirkung liegen. Herzhaft sagt in der That Bloomfield, und er meint nicht zu viel zu sagen, dass wenn die Lehre von der Unverletzlichkeit der Lautgesetze sich auch schliess - lich als falsch herausstellen sollte, diese Thatsache doch dem Werthe derselben als Methode keinen Ein - trag thun würde; denn sie habe sich als solche durch ihre Früchte bewährt. Die Beziehung richtiger Re - sultate auf möglicherweise falsche Prämissen wider - spricht dem wissenschaftlichen Denken. Ebenso unzu -30 lässig ist es ein wissenschaftliches Verfahren mit einem wissenschaftlichen Theorem ohne Weiteres zu identi - ficiren; aber hierin dürften sehr viele Sprachforscher, sei es mehr sei es weniger bewusst, mit Bloomfield übereinstimmen und sich nur insofern von ihm unter - scheiden dass die Trefflichkeit der Methode für sie jeden Zweifel an der Gültigkeit der Lehre ausschlösse. Ich kann aber nur so viel zugeben dass diese eine sehr absolute und einfache ist; darum eben lässt sich so bequem mit ihr operiren. Man sucht gern das in - fallibilistische Princip auf apagogische Weise zu er - härten. Paul₁ meint wer dasselbe verwerfe er er - kennt ihm allerdings nicht mehr als den Werth einer Hypothese zu , der verzichte damit überhaupt auf die Möglichkeit die Grammatik zum Range einer Wissenschaft zu erheben ". Nach Kruszewski stellen uns die Junggrammatiker vor die Notwendigkeit ausnahmslose Lautgesetze anzunehmen oder die Ab - wesenheit aller Lautgesetze einzuräumen . Dazu be - merke ich erstens dass das Abschreckungssystem in der Wissenschaft keinen Platz verdient, und sodann dass die aufgestellte Alternative auch wenn sie minder schroff formulirt wird, falsch ist. Ich möchte wissen wer von den vor - oder nichtjunggrammatischen Sprach - forschern, bis zu meiner Wenigkeit herab, den Laut - wandel als ein Chaos (ich finde diesen Ausdruck auch bei Kruszewski) angesehen und behandelt hätte. Dass Bloomfield für die Lautgesetze im weitesten Sinne von der Ausnahmslosigkeit will er ja Nichts wissen eine Lanze bricht, scheint mir höchst über - flüssig; freilich habe ich Easton's pessimistische Aus - führungen, auf die er sich bezieht, nicht gelesen. Der Grundirrthum bei ihm und bei den Anderen liegt31 recht tief, nämlich in der Voraussetzung als ob über - haupt irgend ein Gebiet wirklich existire oder doch sich annehmen lasse welches keinen Gesetzen unter - than sei. Wohl stuft sich innerhalb der verschiedenen Kategorieen von Erscheinungen die verknüpfende Regel - mässigkeit je nach der grösseren oder geringeren Com - plication der Bedingungen auf's Mannigfachste ab, vom Zufall des Hasardspiels bis zur festen Ordnung der mechanischen Welt. Immer muss eine allgemeine Betrachtung des Bodens auf dem wir arbeiten wollen, uns über die Regelmässigkeit belehren die wir zu er - warten haben. Der Hasardspieler der mit Berech - nungen sein Glück verfolgt, hat die eigentliche Natur des Spiels nicht erkannt. Wunderbarer dünkt es mich dass man die psychologischen Grundlagen des Laut - wandels, den gesellschaftlichen Charakter der Sprache, die fliessenden Grenzen ihrer räumlichen und zeitlichen Verschiedenheiten so deutlich wahrnehmen und dabei die Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze so bestimmt behaupten kann. Die Junggrammatiker verwechseln » il concetto semplicissimo di leggi con quello degli effetti complessi che si producono per molte leggi che cooperino e si consertino insieme variamente « (Merlo). Die oben aufgedeckten formalen Mängel des jung - grammatischen Dogmas gestatten mir es nicht die eigene Ansicht in contradictorischer Fassung ihm gegenüber zu stellen; ich werde nicht sagen: die Lautgesetze haben Ausnahmen . Heisst es aber: es gibt keinen sporadischen Lautwandel , dann werde ich mich positiv ausdrücken: es gibt sporadischen Lautwandel . Ja wenn ich gezwungen wäre den Be - griff Ausnahmslosigkeit in mein Bekenntniss aufzu - nehmen, so würde ich ihn eher als auf die Lautgesetze,32 auf das Vorkommen des sporadischen Lautwandels beziehen, in dem Sinne dass jeder Lautwandel in irgend einer Phase sporadisch ist. Will man den verschiedenen Standpunkt durchaus mit gegensätz - licher Ausdrucksweise charakterisiren, so mag man von absoluter und von relativer Gesetzmässigkeit reden.

Dass nun wir die wir dem unglücklicherweise einmal eingebürgerten Ausdruck Lautgesetze einen weiteren Sinn beilegen, in der Praxis, d. h. der speciellen der Wort - und Formerklärung darum nicht schlechter fahren, das darzuthun bleibt noch, freilich als überflüssiges gutes Werk. Man hat mit der in - fallibilistischen Lehre eine grössere Strenge in die wissenschaftliche Forschung einzuführen gemeint. Dabei ist man aber von einer falschen allgemeinen Ansicht ausgegangen; die Strenge kann nicht am Objecte, sondern nur am Subjecte sich äussern, nicht in der Aufstellung eines strengeren Gesetzes, sondern in der strengeren Beobachtung desjenigen ohne welches es keine Wissenschaft gibt und das wiederum für alle Wissenschaft ausreicht, des Causalitätsgesetzes. Diese strengere Beobachtung vollzieht sich nun im stetigen Fortschritt der Wissenschaft von selbst, diese vertauscht immer nur allmählich den beschreibenden Charakter mit dem erklärenden. Auch in der Sprachwissenschaft war man anfänglich zu sehr durch das Sammeln von Thatsachen in Anspruch genommen um in breiter Linie der Erforschung der Ursachen nachzugehen; aber einen vorläufigen Verzicht nach dieser Seite hin als eine Verläugnung des Princips von den verschie - denen Ursachen verschiedener Wirkungen anzusehen, das scheint mir eine gewaltsame Unterstellung. Uebri - gens muss uns auch heutzutage noch gestattet sein33 irgend welche Abweichung von einem anerkannten Lautgesetz zu verzeichnen und über die Ursache dieser Abweichung lieber zu schweigen als eine schlecht - begründete Vermuthung auszusprechen. Diejenigen Fehler gegen welche die Junggrammatiker so laut ihre Stimme erhoben haben, sind entweder längst überwundene, oder es sind Rückfälle von denen keine Wissenschaft frei ist und die wegen so mancher prak - tischen Verstösse der Junggrammatiker gegen ihre eigene Theorie gerade bei ihnen Entschuldigung ver - dienten, oder es sind überhaupt keine Fehler. Mir hingegen erscheint die Lehre von der Ausnahmslosig - keit der Lautgesetze als ein Hinderniss für die Wissen - schaft sich im Sinne des Causalitätsgesetzes fortzuent - wickeln. Die Lautgesetze werden in eine solche Höhe gehoben dass das Bedürfniss über sie hinauszudringen ein weit geringeres ist als wenn sie nur den Werth grosser Regelmässigkeiten besitzen. Und doch sind sie jedenfalls nur empirische Gesetze, und, wie auch Wundt betont, muss ihre Umwandelung in causale vollzogen werden. Ist es aber nicht eine merkwürdige Inconsequenz der Jung - grammatiker dass sie davon absehen die Lautgesetze selbst zu begreifen, jedoch die Ausnahmen durchaus be - griffen haben wollen? Und dass sie diese grossentheils in den Wirkungen begrifflicher Associationen suchen, und dabei andere Factoren, wie die Sprachmischung, vernachlässigen? Besonders gefährlich erscheint mir das mit Bezug auf romanische Mundarten wie sie in mittelalterlichen Handschriften überliefert sind. Kurz, die Aufstellung des junggrammatischen Princips be - deutet für mich keinen Umschwung in der Geschichte der Sprachwissenschaft, mit dem sie sicherer und rascher fortzuschreiten begonnen hätte; und ich denkeSchuchardt, Ueber die Lautgesetze. 334auch eine künftige Generation wird zwischen Ascoli's Saggi ladini und Osthoff's Tiefstufe im indogerma - nischen Vocalismus keinen solchen segensreichen Wendepunkt zu entdecken vermögen.

Die Geschichte dieses blendenden Sophismus, welcher weite Kreise in Verwirrung gebracht hat, ist bemerkenswerth. Er wurzelt in der früheren Ansicht welche die Sprache vom Menschen loslöste, ihr ein selbständiges Leben lieh und welche zuerst in roman - tisch-mystischer, dann in streng naturwissenschaftlicher Färbung auftrat. Die Lehre von der Ausnahmlosigkeit der Lautgesetze, welche wenn sie nicht thatsächlich von A. Schleicher herrührt, sicher ganz in seinem Sinne decretirt worden ist, ragt wie eine Antiquität aus jener Periode in die heutige herein, welche der Sprachwissenschaft den Charakter einer Geisteswissen - schaft zuerkennt, welche in der Sprache keinen natür - lichen Organismus, sondern ein sociales Product er - blickt. Sie befremdet am Meisten in Paul's Prin - cipien , wo er so tief in das Wesen der Sprache ein - gedrungen ist; freilich erscheint sie hier in sehr ge - mildertem Ausdruck. Ueberhaupt hat man von der Schroffheit mit der man zuerst behauptete, abgehen müssen, als man versuchte zu beweisen, und so lassen sich in den vielfachen Corollarien und Ausführungen zum junggrammatischen Lehrsatz nicht unschwer Wi - dersprüche zu diesem selbst entdecken. Seine beste Kritik würde daher vielleicht in der nackten Zu - sammenstellung der mannigfachen Fassungen liegen die er, trotz seiner Absolutheit, von Osthoff bis auf Delbrück erfahren hat. Seine weite Verbreitung ist kein Argument zu seinen Gunsten. Nur bei Wenigen ruht er auf spontaner Entwickelung oder gründlicher35 Nachprüfung; die Meisten haben sich ihn wegen der schon bemerkten methodischen Bequemlichkeit an - geeignet. Er passt sehr gut in die Richtung welche heutzutage die Wissenschaft auf das Handwerk hat. Das von W. Scherer treffend so genannte Mechani - siren der Methoden reducirt die Anforderungen an selbständiges Denken auf ein Minimum und ermög - licht so die Theilnahme einer ausserordentlichen Menge thatsächlich Unbefähigter an der wissenschaftlichen Arbeit.

Ich würde es sehr bedauern wenn ich da wo ich nur möglichst scharf und bestimmt habe sein wollen und, im Interesse der Sache selbst, es habe sein müssen, irgendwie verletzt hätte; ich würde das um so mehr bedauern als mich mannigfache freundschaftliche Bande wie auch die Widmung andeutet mit der jung - grammatischen Schule verknüpfen, und ich den Werth der von den Einzelnen vollbrachten Leistungen, eben nur vom speciell Junggrammatischen abgesehen, wärm - stens anerkenne. Pöbelhafte Angriffe welche noch die neuesten Annalen unserer Wissenschaft befleckt haben, scheinen Manche unter uns zu einer übertriebenen Zurückhaltung zu veranlassen. Die Versöhnlichkeit ist eine schöne Begleiterin der wissenschaftlichen For - schung, aber sie hat sich doch nur auf das Persön - liche, nicht auf das Sachliche zu beziehen. Man würde allgemein den tadeln welcher aus Versöhnlichkeit zwei Etymologieen die sich einander ausschliessen, mitein - ander verquicken oder zwischen ihnen unentschieden bleiben wollte; sollen denn da wo es sich um so weit - tragende Principien handelt, andere Rücksichten gelten, gleichsam als ob solche nicht mehr in das Gebiet der Wissenschaft, sondern in das der Willkür gehörten? 3*36Manche allerdings gibt es welche der Bedeutung der sprachwissenschaftlichen Principien nicht gerecht wer - den, welche deren wiederholte gründliche Durch - sprechung für überflüssig und ermüdend erklären. Ge - gen sie, also wenigstens in einem Bezug auf diese Streitfrage, gehe ich mit denjenigen von denen sie mich trennt, zusammen. Ich will nicht auf die Ver - schiedenheit der praktischen Consequenzen zurück - kommen welche zwischen den Junggrammatikern und uns Anderen bestehen; sie tritt vielleicht nur in be - schränktem Umfange zu Tage. Aber die Junggram - matiker geben ja nicht nur eine Vorschrift, sie be - haupten auch eine Thatsache, eine für das Sprach - leben im Allgemeinen höchst charakteristische. Ist es denn nun nicht an sich ganz gleichgültig ob rom. andare von adnare oder addare oder ambulare oder einem keltischen Verbalstamm herkommt, ob in diesem Dialekte l zu r und in jenem r zu l wird u. s. w.? Welchen Sinn haben alle die tausende ety - mologischer und morphologischer Correspondenzen, die tausende von Lautgesetzen, so lange sie isolirt bleiben, so lange sie nicht in höhere Ordnungen auf - gelöst werden? Sie dienen zum Theil und nur aus - hülfsweise der Aufhellung von Völkerverwandtschaften und culturellen Beziehungen; aber zunächst müssen sie doch innerhalb der Sprachwissenschaft selbst ver - arbeitet werden, in dem Einzelnen müssen wir das All - gemeine finden lernen, und demnach ist auch die Er - kenntniss einer Thatsache welche das ganze Sprach - leben beherrscht, von weit grösserer Wichtigkeit als die Erkenntniss irgend welcher besonderer Erscheinungs - formen.

Diese Frage nach dem Werthe der Principien37 hängt eng zusammen mit der nach der Stellung der Sprachwissenschaft im Kreise der Wissenschaften, und so sind denn auch beide von Brugmann3 unter einem Titel behandelt worden. Auch in Bezug auf die letztere stehe ich in vollkommenem Widerspruch zu ihm und glaube nicht dass die von ihm ersehnte Verständigung möglich sein wird, ehe wir uns nicht des Namens Philologie entäussert haben. Die Ein - theilung der Wissenschaften hat aus der Betrachtung der Dinge hervorzugehen, nicht aus der Definition von Namen, am wenigsten von Namen ursprünglich so un - bestimmten Sinnes und daher fortwährend so schwan - kender Deutung, die aus Zeiten stammen wo es fast noch keine Wissenschaft gab. Warum in aller Welt können wir uns nicht entschliessen nur von Sprach - wissenschaft, Litteraturwissenschaft, Culturwissenschaft zu sprechen? Was nun die Sache selbst anlangt, so meine ich dass immer Sprache und Sprache, mögen sie auch noch so weit auseinander liegen, in wissen - schaftlichem Sinn enger zusammengehören als Sprache und Litteratur, seien es auch die desselben Volkes. Die Identität der Forschungsmethode fällt schwerer in's Gewicht als der Zusammenhang heterogener Un - tersuchungsobjecte. Die Wechselbeziehung zwischen Sprachwissenschaft und Litteraturwissenschaft mag eine so lebhafte sein wie sie wolle; die eine spielt der anderen gegenüber immer nur die Rolle einer Hülfs - wissenschaft. Ich sehe mich vergebens auf anderen Gebieten nach einem Analogon für das um was unter Philologie verstanden werden soll. Fasst man etwa die Fauna und die Flora einer bestimmten Gegend in einer eigenen Disciplin zusammen? Wenn man jede der verschiedenen Philologieen als ein praktisches38 Studium, als eine Art Heimathskunde betrachten will, so habe ich Nichts dagegen. Das aber kann ich Brugmann3 nicht zugestehen dass z. B. die indoger - manische Sprachwissenschaft nicht ein Ausschnitt der allgemeinen Sprachwissenschaft, sondern der indoger - manischen Philologie sei. Die Grenzen der Sprach - gruppen zu wissenschaftlichen Hauptgrenzen zu er - heben halte ich für um so unthunlicher als Verwandt - schaft und Unverwandtschaft in zahlreichen Fällen noch gar nicht festgestellt, sondern selbst erst Unter - suchungsobjecte sind. Brugmann3, und die Meisten mit ihm, geben nicht viel auf Vergleichungen zwischen unverwandten Sprachen; und in gleichem Credit müssen folgerichtigerweise auch die Vergleichungen zwischen historisch nicht zusammenhängenden Erscheinungen in verwandten Sprachen stehen, wie deren Brugmann in seinem trefflichen Aufsatz Zur Frage nach den Verwandtschaftsverhältnissen der indogermanischen Sprachen (1883) aufgezählt hat. Ich hingegen halte solche Untersuchungen wie sie z. B. schon vor Jahr - zehnten A. Schleicher über den Zetacismus anstellte, für höchst erspriesslich; die Linguisten sollten, dem Beispiele der Naturforscher folgend, häufiger, irgend einer Erscheinung oder Erscheinungsgruppe zu lieb, Spaziergänge um die Welt machen. Es würde dabei auch auf das Besondere Licht fallen, vor Allem freilich auf das Allgemeine. Wenn aber, Brugmann3 zufolge, die Resultate welche die Vergleichungen zwischen Un - verwandtem abwerfen, nur der Principienwissenschaft zu Gute kämen, so würde das eben für mich nur eine Bestätigung ihres Werthes sein. Denn die Sonderung welche zwischen den einzelnen Sprachwissenschaften und der allgemeinen, der Principienwissenschaft gemacht39 wird, scheint mir am Allermindesten zu rechtfer - tigen. Jede von jenen geht in diese über, muss in ihr aufgehen, je mehr sich ihre Wissenschaftlichkeit selbst steigert, je mehr sie alles Empirische und Zu - fällige abstreift. Wir sollen bei der sorgfältigsten Einzeluntersuchung doch nie das Allgemeine und All - gemeinste aus den Augen verlieren, uns in die Wis - senschaft nur versenken um uns über sie zu erheben, ihr nur dienen um sie zu beherrschen.

Druck von C. H. Schulze & Co. in Gräfenhainichen.

About this transcription

TextUeber die Lautgesetze
Author Hugo Schuchardt
Extent56 images; 9412 tokens; 3084 types; 68504 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationUeber die Lautgesetze Gegen die Junggrammatiker Hugo Schuchardt. . VI, 39 S. OppenheimBerlin1885.

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SUB Göttingen Göttingen SUB, 8 LING I, 804https://opac.sub.uni-goettingen.de/DB=1/CMD?ACT=SRCHM&IKT0=54&TRM0=8%20LING%20I%2C%20804

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Antiqua

LanguageGerman
ClassificationFachtext; Sprachwissenschaft; Wissenschaft; Sprachwissenschaft; core; ready; china

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Publication information

Publisher
  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:34:45Z
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Holding LibrarySUB Göttingen
ShelfmarkGöttingen SUB, 8 LING I, 804
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