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Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Fuͤnften Bandes zweites Stuͤck.

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Fortsetzung der Revision der drei ersten Baͤnde dieses Magazins.

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Da es der gegenwaͤrtigen Natur und Beschaffenheit unserer Seele, ein Vorhersehungsvermoͤgen derselben, oder, wie es Andere[ genennt] haben, eine vim divinatoriam, anzunehmen, durchaus zuwider ist; so fragt sichs nun aber: ob unsere Ahndungen nicht vielleicht auf eine andere Art erklaͤrbar sind? Koͤnnen wir nicht vielleicht Ahndungen durch Huͤlfe außer uns vorhandener Geister haben, und was lassen sich fuͤr reelle psychologische Gruͤnde fuͤr diese Meinung anfuͤhren? Jch antworte: keine! wenigstens gewiß keine wahrscheinliche, keine gegruͤndete.

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Alle neue Begriffe und Empfindungen, welche wir bekommen und in uns wahrnehmen, gruͤnden sich natuͤrlicherweise auf Selbstbeobachtung, Selbstdenken; oder auf den Unterricht von Andern, vermoͤge symbolischer Zeichen, sie moͤgen nun in eigentlicher Wortsprache, in Gesichtsausdruͤcken oder Gesten bestehen. Es ist bisher noch kein Weg entdeckt worden, und es wird auch wohl nie ein solcher entdeckt werden, wie uns andere Menschen ohne symbolische Zeichen ihre Gedanken und Empfindungen mittheilen koͤnnen. Selbst bei den oft so schnellen und uͤberraschenden Gefuͤhlen der Sympathie, wo eine Seele in die andere uͤberzugehen, in ihr zu leben und zu empfinden, mit ihr durch einen unsichtbaren, unerklaͤrlichen Einfluß verbunden zu seyn scheint, muͤssen entweder wuͤrkliche Gegenstaͤnde, wuͤrkliche Zeichen oder eingebildete vorhanden seyn, die auf eine symbolische Art zu unserm Herzen reden.

Aber, koͤnnte man sagen, jene Mittheilung neuer Jdeen zwischen uns und hoͤhern uns umgebenden Genien, ist doch moͤglich. Vielleicht wuͤrken diese auf eine unsichtbare Weise, fuͤr welche unsere Seele einen geheimen Sinn hat, wenn sie gleich die Beruͤhrung, die Bewegung dieses Sinnes nicht erklaͤren, noch den individuell auf sie wuͤrkenden Geist angeben kann, jene Vorgefuͤhle der Zukunft in uns, die so viele Menschen gehabt zu haben vorgeben; jene Begriffe und Vorhersehun -3 gen, die in dem vorhergehenden Seelenzustande keinen Grund hatten?

Dieses vielleicht waͤre nun freilich eine sehr leichte undbequeme Art, den Ahndungen einen gewissen Credit zu verschaffen, wenn es nur auch schon ausgemacht waͤre: ob unsere Seele einen einzigen Begriff ohne symbolische Erkenntniß oder Selbstdenken, und ein Vorgefuͤhl von einer durchaus zufaͤlligen Sache durch ein anderes geistiges Wesen außer ihr haben koͤnnte. Zwei Hindernisse, die jener Erklaͤrungsart der Ahndungen vornehmlich im Wege liegen.

Wir moͤgen nehmlich denken, was wir wollen, das denken wir uns in Verbindung mit einem gewissen, entweder durch den Gebrauch schon bestimmten, oder auch willkuͤrlichen symbolischen Zeichen, in Verbindung mit einem gewissen Worte, oder wie die Taub - undStummgebornen, unter einer gewißen Gesichtsmiene, einer koͤrperlichen Bewegung. Ohne diese Einrichtung unserer Natur, (das Reden mag nun entweder, wie Einige geglaubt haben, schon fuͤr den einzelnen Menschen Beduͤrfniß, oder Convention, Beduͤrfniß des gesellschaftlichen Lebens seyn,) wuͤrde es uns erstaunlich schwer fallen, deutliche Begriffe zu bekommen, am langsamsten wuͤrden sich aber vollends abstracte Jdeen in uns entwickeln koͤnnen.

Wir stellen uns bei dem erstaunlich schnellen Wechsel unserer sinnlichen und abstracten Vorstel -4 lungen freylich jenes symbolische Zeichen nicht immer deutlich vor, wir denken sogar oft uͤber eine Sache fort, deren Benennung wir ganz verloren haben; allein dieses widerlegt die Nothwendigkeit einer symbolischen Erkenntniß gar nicht. Jm ersten Fall, wo sich oft Jdeen gegen Jdeen auf einmahl vertauschen, in einander aufloͤsen, und ohne daß wir den Grad ihrer Weile, die jede Vorstellung haben muß, fuͤhlen koͤnnten, unbegreiflich geschwind mit einander abwechseln, stellt sich die menschliche Seele wuͤrklich jedes einzelne Wort nur in der moͤglichst groͤßten Schnelligkeit vor; denn wir bemerken es den Augenblick, wenn uns in dem schnellen Fluge unserer Gedanken ein Wort fehlt, und es hat Redner gegeben, die durch den Verlust eines einzigen Wortes bei der schnellen Folge ihrer Gedanken so verwirrt wurden, daß sie den ganzen Faden nicht wiederfinden konnten.

Jm zweiten Fall, wo die menschliche Seele uͤber eine Sache fortdenkt, ohne ihre Benennung behalten zu haben, behaͤlt sie doch allemahl eine sehr lebhafte und gleichsam aͤngstliche Erinnerung, daß es fuͤr jene Sache einen wuͤrklich symbolischen Ausdruck giebt; aber wie sehr geneigt sie sich fuͤhlt, diesen Ausdruck wieder zu erhaschen, wie sie sich bemuͤht, auf seine Spur zu kommen, oft auf einmahl alle andere Gedanken abbricht und auf das verlorne Wort denkt, wird ein jeder aus eigener Erfahrung wissen. Verliert sie vollends mehrere Worte auf5[ einmahl;] so geraͤth sie in den Zustand der Verwirrung, und ich kann es mir sehr gut denken, wie einige Menschen melancholisch werden konnten, weil ihr Gedaͤchtniß mitten im Reden ihnen nicht jedesmahl die Worte, welche sie suchten, herbeischafte.

Wenn nun die menschliche Seele ohne symbolische Zeichen durchaus keine neuen Begriffe von Andern außer uns erhalten kann, wenn dazu entweder Eindruͤcke auf unsere Gesichtsnerven, auf unser Gefuͤhl, oder Worte fuͤr unser Gehoͤr unumgaͤnglich nothwendig sind; so ist es nun auch unbegreiflich, wie ein außer uns befindlicher Genius, weder durch Geberdensprache; denn wie sollte die ein unsichtbares Wesen machen koͤnnen? noch durch Worte; denn wie kann ein solcher Geist wuͤrklich reden? neue Begriffe und sogar Vorgefuͤhle der Zukunft in uns erregen koͤnnte.

Nicht durch Zeichen und Wortsprache, koͤnnte man mir sagen; diese ist ja auch nicht das einzige Vehiculum, wodurch neue Begriffe von andern außer uns befindlichen Wesen in unsere Seele geschoben werden koͤnnen. Koͤnnen nicht außer uns daseyende Geister mit unserer Seele einen gewissen andern, uns bisher noch unbekannten Communicationsweg haben; koͤnnen sie nicht eine Sprache mit uns reden, wozu sie keine Gesichts - und Gehoͤrsnerven noͤthig haben, und zeigen nicht manche schnell in uns entstandene herzerhebende, unerwartete Gedanken und Gefuͤhle sehr wahrschein -6 lich, daß wir sie von andern geistigen Wesen außer uns bekommen haben muͤssen?

Und dieses sind die Hauptgruͤnde, womit man die Hypothese von der Einwuͤrkung anderer Geister auf uns unterstuͤtzt? Jch erstaune, wenn ich sogar oft von Philosophen diese und keine andere Argumente fuͤr jene Grille angefuͤhrt finde, und ich kann ohnmoͤglich glauben, daß sie hiebei uͤber die Natur der menschlichen Seele ernsthaft nachgedacht haben koͤnnen. Ob es irgend einmahl einen andern Communicationsweg zwischen uns und andern Geistern, auf einer viel hoͤhern Stufe unserer Entwickelung, als symbolische Sprache, geben kann, will ich hier nicht bestreiten; ob mir gleich diese symbolische Sprache fuͤr jedwede Mittheilung unserer Begriffe auch in der Ewigkeit sehr nothwendig scheint; aber in der gegenwaͤrtigen Epoche unseres Daseyns und unseres Denkens ist durchaus kein anderes Vehiculum einer gegenseitigen Mittheilung der Begriffe vermoͤge der bekannten Natur unserer Seele gedenkbar, als symbolische Zeichen, weil wir durchaus ohne diese Zeichen nicht deutlich und zusammenhaͤngend denken koͤnnen, wenn wir einmahl eine Sprache gelernt haben.

Jene schnell in uns entstandenen herzerhebenden, unerwarteten Gedanken und Gefuͤhle, welche die Andacht so gern vom Himmel herableiten moͤchte, beweisen auch nichts, und koͤnnen gewiß sehr natuͤrlich erklaͤrt werden, wenn man die Umstaͤnde7 und die Anstrengung der Einbildungskraft genau kennt, wodurch jene Gedanken und Gefuͤhle erzeugt und beguͤnstigt werden. Man muß den Menschen, die Natur seiner Seele, die Art und Weise, wie sich in ihm Begriffe entwickeln und Gefuͤhle hervorbringen, gar nicht kennen, wenn man annehmen kann, daß irgend etwas Unnatuͤrliches darin vorgehen koͤnne. Die Unwissenheit und Schwaͤrmerei hat unendlich oft den seltsamsten Bizarrerien in Gedanken und Empfindungen den Namen goͤttlicher Wuͤrkungen gegeben, und die menschliche Eitelkeit, welche so gern einen hoͤhern Umgang mit unsichtbaren Geistern traͤumt; oder ihn auch nur affectirt, hat diesen Traͤumereien ein widerrechtliches Privilegium der Wahrheit gegeben, ohne einen andern Richter dabei zu Rathe zu ziehen, welcher doch allein der Lehrer aller Wahrheit seyn muͤßte, nehmlich die gesunde Vernunft.

Aber gesetzt, wir wollten einmahl obigen unpsychologischen Satz von der Communication unsichtbarer Geister, welchen so viele gescheidte Koͤpfe, freilich zum Erstaunen des gesunden Menschenverstandes, geglaubt haben, annehmen; so entsteht hierbei wieder die sehr schwierig zu beantwortende Frage: wie koͤnnen wir von hoͤhern Geistern in blos zufaͤlligen Begebenheiten unseres Lebens Unterricht erhalten, da sie zufaͤllige Dinge, so wenig wie wir wissen koͤnnen, oder wenn es uͤberhaupt nichts Zufaͤlliges giebt, wie8 ist es denkbar, daß ein eingeschraͤnkter Geist, (denn dies sind auch die weit uͤber uns erhabnern Wesen ) das ganze Universum so uͤberschauen koͤnne, daß er das Nothwendige, uns aber zufaͤllig scheinende, uns dennoch entdecken koͤnne?

Es laͤßt sich nicht denken, daß ein eingeschraͤnkter Geist das ganze Universum uͤbersieht, und folglich muͤssen ihm noch unzaͤhlig viele Dinge zufaͤllig scheinen, und er kann auf keine andere Art etwas Kuͤnftiges vorhersehen, als in so fern er das Vergangene mit dem Gegenwaͤrtigen vergleicht und daraus auf irgend eine individuelle Begebenheit einen Schluß macht, so wie der Mensch etwas vorhersieht.

Daß ein Mensch, der seinen Weg ganz von ohngefaͤhr vor einem Gebuͤsch vorbei nimmt, auf die zufaͤlligste Weise von der Welt durch eine Kugel, welche nach einem Wild abgeschossen wurde, sein Leben verliert; daß ein Anderer durch eine unerwartete Unordnung des Bluts im Tanze todt zur Erde faͤllt; daß ein voͤllig gesunder Mensch uͤbermorgen sterben wird; daß meine Schicksale des Lebens diese, und keine andere Wendung nehmen konnten, da es fuͤr die Vorstellungskraft eines endlichen Geistes unendlich viel andere Wendungen geben kann, alle dergleichen wuͤrklich zufaͤllige Begebenheiten koͤnnen wir von keinem endlichen Geiste entdeckt werden, weil er sie selbst nicht weiß.

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Doch ich muß noch einen Einwurf beruͤhren, welchen man gegen meinen letztern Satz von der Unmoͤglichkeit, daß uns Geister zufaͤllige Begebenheiten bekannt machen koͤnnten, anfuͤhren duͤrfte. Wie koͤnnte man sagen, wenn nun jene Geister, was gar nicht unwahrscheinlich ist, die Ursachen von gewissen uns zufaͤllig scheinenden und bevorstehenden Begebenheiten auf eine natuͤrliche Art vorherwissen, die wir nicht kennen? Wie, wenn sie uns vermoͤge ihrer Schnelligkeit Nachrichten in einem und dem nehmlichen Augenblick von andern Orten bringen koͤnnten, wenn sie Schwedenburgen sagten: daß es eben jetzt in Stockholm oder Copenhagen brenne, wenn sie einer Frau von R r, die behauptete, daß eben jetzt ihr Sohn in einer Bataille blieb, diese Botschaft als Zeugen jener Begebenheit schnell uͤberbrachten?

Das ließe sich nun freilich hoͤren, (obgleich eine solche Ahndung, ein solches Vorhersehen nicht mehr Ahndung, Vorhersehen waͤre); allein, ich frage mit Recht hier wieder: wie brachten denn jene Geister solche Nachrichten, wie theilten sie dieselben mit, da wir von Andern in unserer gegenwaͤrtigen Existenz ohne symbolische Zeichen nichts Neues erfahren koͤnnen? Jch frage weiter: ist denn die angenommene Schnelligkeit der Geister, (die man oft so unphilosophisch aus der Schnelligkeit unserer Gedanken hat beweisen und damit vergleichen wollen) womit sie uns von fernher Begebenheiten be -10 kannt machen, schon erwiesen? und was ich billig haͤtte zuerst fragen sollen: giebt es denn wuͤrklich uns umgebende Genien uͤberhaupt? Kann ich eine Hypothese, (die Ahndungen) mit einer andern Hypothese (uns umgebende Geister) beweisen, und darf ich nicht an der ganzen Sache zweifeln, so lange ich keine andere, als solche Gruͤnde fuͤr sie habe?

Jch komme zum letzten Zufluchtsorte derer, welche an Ahndungen und Vorgefuͤhle des Zukuͤnftigen glauben. Die Gottheit, sagen sie, kann vermoͤge ihrer Allmacht neue Jdeen in uns erwecken; sie kann uns also auch, freilich auf eine unbegreifliche Art, zukuͤnftige Dinge bekannt machen und vorhersagen. Auch diesen Satz kann man nicht so geradezu annehmen. Man hat sich von jeher sehr schiefe und unrichtige Begriffe von der goͤttlichen Allmacht ertraͤumt, man hat sich sogar nicht gescheut zu sagen: daß Gott auch das Sonderbarste, das Widernatuͤrlichste, das, was gar nicht in der Natur der Dinge gegruͤndet ist, wuͤrklich machen koͤnne. Welch eine Gottheit! Gott macht nach den reinen Vernunftbegriffen, die wir von seinen Eigenschaften haben, nichts wuͤrklich, kann nichts wuͤrklich machen, was nicht in dem ewigen Wesen der Dinge gegruͤndet ist. Dieses Wesen kann er nicht aͤndern, er kann also auch nicht machen, daß meine Seele Begriffe empfaͤngt, die nicht in der Natur, in dem Wesen ihrer individuellen Denk -11 kraft gegruͤndet sind, und wider die Art und Weise streiten, wie ich nach den Anordnungen der Natur Begriffe in mir aufnehme, und, so lange ich nach eben diesen Anordnungen der Natur nicht einem ewigen Wirrwarr meiner Vorstellungen unterworfen seyn soll, in mir aufnehmen muß.

Und endlich, woran soll ich denn diese neuen durch die Gottheit in mir gewuͤrkte Begriffe und Gefuͤhle erkennen?

a) Jn der unerwarteten Schnelligkeit, mit welcher sie, ohne in einem vorhergehenden Seelenzustande zu liegen, entstehen? Nimmermehr! die bloße Schnelligkeit einer Jdee, eines Gefuͤhls kann kein Beweis ihres goͤttlichen Ursprungs seyn. Alsdann muͤßten unseremeisten Vorstellungen und Gefuͤhle einen goͤttlichen Ursprung haben, und die lebhaften, schnellen Empfindungen der einfaͤltigsten Schwaͤrmer waͤren denn am ersten die Kinder einer goͤttlichen Kraft. Aber wer will nun auch bestimmen, daß, und ob eine solche lebhafte schnelle Jdee nicht in einem vorhergehenden Seelenzustande gegruͤndet gewesen sey? Wer vermag alle die innern Veranlassungen unserer Denkkraft, unserer dunkeln Gefuͤhle, unserer Organisation anzugeben, welche auf eine geheime Art bei solchen Vorstellungen, aber auf eine sehr natuͤrliche Weise gewuͤrkt haben, die in keiner der vorhergehenden Modificationen unseres Geistes gegruͤndet zu seyn schienen, und wer kann es denn laͤugnen,12 daß unsere eigene Geisteskraft oft ganz mit den vorhergehenden Zustaͤnden des Denkens[ heterogene] Begriffe gleichsam aus sich selbst hervorbringt.

b) Aus dem bangen oder hervorhebenden Gefuͤhle welches sie begleitet? Auch nicht! Denn wie kann ich wissen, ob jenes bange herzerhebende Gefuͤhl nicht blos eine Wuͤrkung meiner Einbildungskraft, meines dicken oder lebhaften Bluts, meiner gegenwaͤrtigen versteckten Gemuͤthslage sey, zumahl da es ausgemacht, daß jene bangen und herzerhebenden Gefuͤhle fast immer koͤrperlichen Ursprungs sind.

c) An dem damit verbundenen deutlichen Bewußtseyn, daß dies oder jenes wuͤrklich eintreffen werde? Gewiß nicht! Denn jenes Bewußtseyn kann durch bloße Bilder der Phantasie seine Staͤrke und Lebhaftigkeit erhalten haben, und wie viele hundert Faͤlle giebt es nicht, wo die Menschen etwas ganz positiv vorherzusehen glaubten, was nicht eintraf. Wo blieb also bei dergleichen Faͤllen der getraͤumte Credit eines angenommenen goͤttlichen Einflusses?

Man gehe alle Kennzeichen menschlicher Begriffe und Vorstellungsarten durch, und man wird kein einziges finden, von dem ich mit Gewißheit sagen koͤnnte: daß es einen goͤttlichen Ursprung eines in uns entstandenen besondern Gefuͤhls oder einer solchen Jdee deutlich anzeige. Solange es also dergleichen sichere Criterien eines uns13 durch goͤttlichen Einfluß mitgetheilten Begriffs oder Gefuͤhls nicht giebt; sind wir auch auf keine Weise befugt, den Ursprung der Ahndungen Gott zuzuschreiben, hier nicht zu gedenken, daß diese ihre Entstehungsart der Weisheit und Guͤte unseres Urhebers schnurgerade entgegenstehen wuͤrde; zumahl da nicht selten die Ahndungen die unbedeutendsten Kleinigkeiten betreffen.

Nun will ich die noch ruͤckstaͤndigen Beitraͤge uͤber Ahndungen und Visionen kuͤrzlich durchgehen, welche in den drei ersten Baͤnden dieses Magazins vorkommen.

Seite 20 (dritten Bandes drittes Stuͤck) kommt ein Beitrag vor, welcher ahnendes Vorgefuͤhl der Krankheit uͤberschrieben, und von einem sehr glaubwuͤrdigen Manne eingeschickt ist. Wer mit Aufmerksamkeit den ganzen Aufsatz durchlieset, wird leicht bemerken, daß alles, was der Herr Verfasser von sich erzaͤhlt hat, sehrnatuͤrlich zugegangen ist. Er hat vor kurzem seine Mutter begraben, er kommt auf den Kirchhof in der Stadt, wo er im Winterquartier liegt, und kann sich da unter einem empfindlichen Schauer nicht des Gedankens erwehren: sollte auch wohl auf diesen Kirchhof dir dein Grab bestimmt seyn? » Es erwachte damit das Andenken an meine verstorbene Mutter etc. « Dieser bloße vermuthliche Gedanke: solltest du wohl dein Grab hierfinden, kann doch wohl eigentlich kein ahnen -14 des Vorgefuͤhl einer Krankheit genennt werden, er lag ganz natuͤrlich in der Seele eines ernsthaften Mannes, der erst kuͤrzlich seine geliebte Mutter begraben hatte, dessen Gemuͤth noch voll von wehmuͤthigen Empfindungen ist; endlich ein Gedanke, der gewoͤhnlich vielen Menschen einzufallen pflegt, wenn sie sich auf einem Kirchhofe befinden, wie ich aus eigener Erfahrung weiß; aber jenes Vorgefuͤhl traf ja doch beinahe ein; der Verfasser wird wuͤrklich krank. Dies war wieder sehrnatuͤrlich. Er wird in ein Lazareth gerufen, und ein starker Qualm schlaͤgt ihm daraus entgegen, als ihm die Lazarethstube geoͤffnet wird. Da ist ja die natuͤrlichste Ursach seiner Krankheit, die ohne jenes angegebene Vorgefuͤhl eben so natuͤrlich entstanden seyn wuͤrde, weil er von den giftigen Duͤnsten der Krankenstube angesteckt wurde, und auch gleich anfangs einen Schauder dabeiempfand.

Sonderbarer scheint mir das in eben diesem Beitrage vorkommende Beispiel von einem Vorgefuͤhl der Gesundheit zu seyn. Weil nehmlich der Verfasser gegen den Sonntag hin, wo er predigen soll, immer kraͤnker wird; so bittet er einen andern Prediger, seine Stelle zu vertreten. Dieser schlaͤgt es ihm ab. Sein Wirth will dem Commandeur des Regiments seine Krankheit anzeigen, weil er unmoͤglich predigen koͤnne; allein der Verfasser will es nicht zugeben. Es dringt sich ihm der Gedanke mit groͤßter Lebhaftigkeit auf: nein! du mußt15 predigen; predigst du nicht, so kommst du nicht von deiner Krankheit auf; predigst du aber, so sey von deiner gewissen Genesung versichert! etc. Er predigt auch wuͤrklich, so schwach er uͤbrigens ist, eine ganze halbe Stunde, und den nehmlichen Nachmittag sieht er Flecken auf seinen Haͤnden, faͤllt in ein vier Wochen langes Delirium, und wird endlich wieder gesund. Jch glaube, daß der Herr Verfasser es auch geworden seyn wuͤrde, wenn er obigen Gedanken nicht so fest in seine Seele gefaßt haͤtte, welcher wahrscheinlich halb durch den Verdruß, daß sein College ihm die Predigt abschlug, und daß er durchaus nicht die Kirchenparade abgestellt haben wollte, und halb durch die schon kraͤnkelnde Phantasie, und wer weiß, durch welche andere innere Gruͤnde des Gemuͤths seine Lebhaftigkeit erhielt. Es laͤßt sich auch annehmen, daß manchmahl kranke Leute durch eine lebhafte Vorstellung ihrer Genesung gesund werden koͤnnen, wie oft Gesunde aus Einbildung krank werden.

Seite 106 in eben diesem Stuͤcke kommt sogar eine Vision vor, die, wenn sie auch aus des vortrefflichen Pfeffels eigenen Munde kommt, doch hoͤchst unglaublich ist.

Der blinde Pfeffel und sein Bruder gehen mit einem Freunde auf einem mit Baͤumen besetzten Platze oͤfters spaziren. Sie bemerken, daß der Geistliche (ihr Freund) immer nur bis auf einen16 gewissen Fleck geht, und dann wieder umkehrt. Sie gehen weiter, er nie. Sie befragen ihn nach der Ursach, er weigert sich lange, herauszuruͤcken; endlich gesteht er, daß auf dem Flecke, wo er umkehrte, eine weiße, lange, hagere Menschenfigur staͤnde, die ihn verhinderte, weiter zu gehen. Die Pfeffels merken sich den Platz, lassen nachgraben, und finden etliche Fuß tief im Boden ein Todtengerippe. Sie lassen es wegbringen, scharren das Loch wieder zu, gehen mit dem Pfarrer dort wieder spaziren, und nun sieht der Pfarrer die Gestalt nicht mehr.

So unwahrscheinlich die ganze Erzaͤhlung ist, so wuͤnschten wir doch uͤber das ganze erzaͤhlte Factum eine naͤhere Auskunft zu bekommen, da der Pfarrer ein rechtschaffener und aufgeklaͤrter Geistlicher genannt wird, und der liebenswuͤrdige aufgeklaͤrte Pfeffel es selbst erzaͤhlt haben soll.

4C. F. Pockels.

(Die Fortsetzung folgt.)

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Zur Seelenkrankheitskunde

1. Auszug aus M. 5Adam Berndseigener Lebensbeschreibung. 6Fortsetzung. (Siehe das vorhergehende Stuͤck.)

Jch uͤbergehe eine Menge von Begebenheiten in dem Leben dieses sonderbaren Mannes, welches den reichhaltigsten Stof zu einem psychologischen Romane in sich enthaͤlt. Sehr viele Zufaͤlle seines Lebens, so sonderbar sie auch immer seyn moͤgen, haben eigentlich keinen Bezug, wenigstens keinen sichtbaren, auf seinen ausserordentlichen Gemuͤthszustand, und gehoͤren daher auch nicht in dieses Magazin.

Wir haben schon im Vorhergehenden gesehen, welch eine Menge der schrecklichsten Bilder seine Phantasie durchlaufen mußte, ehe sich seine geaͤngstete Seele wieder etwas erhohlen konnte, und wir haben ihn endlich bei einer voͤllig ruhigen Gemuͤthsstimmung verlassen; aber auch diesmahl war sie eigentlich nur eine Meeresstille, worauf einige Zeit18 nachher wieder fuͤrchterliche Stuͤrme folgten. Ehe wir dahin kommen, mag uns der Verfasser eine sonderbare an sich selbst gemachte Erfahrung erzaͤhlen, die mir sehr ungewoͤhnlich zu seyn scheint.

» Um selbige Zeit, (1707) ehe ich aus Breslau wieder abreisete, (wohin er aus Leipzig, um eine Probepredigt zu thun, gegangen war) begegnete mir ein seltsamer Casus, der zwar vielen laͤcherlich scheinen moͤchte, der mich aber in solche Verwunderung gesetzt, und zu so vielem weitern Nachsinnen Gelegenheit gegeben, daß ich mich gar nicht schaͤme, denselben hier zu erzaͤhlen. Jch rauchte einst des Abends vor Tische, da ich aus der Kaͤlte, so maͤßig war, wiederum nach Hause und in mein Quartier kommen war, eine Pfeife Tobak. Jch hatte kaum etliche Zuͤge gethan, so fing mich alles im Munde, Zahnfleisch, Gaumen, Zunge, in Summa, so weit sich der Rauch, den man in den Mund ziehet, erstrecket, auf eine ungewoͤhnliche, ja, ich moͤchte bald sagen, auf eine unbeschreibliche Weise an zu titilliren. Je laͤnger ich rauchte, je mehr nahm diese angenehme und suͤße beissende Empfindung zu, daß ich nicht wußte, wie mir geschah, noch was ich denken sollte. Jch uͤberlegte, was ich etwa gegessen haͤtte, ich forschte bei meinem Bruder nach, wer mir den Tobak gehohlt, und bei wem er waͤre gehohlt worden; ich konnte aber nicht entdecken, was ich als eine Ursache solcher delicieusen Empfindung haͤtte ansehen moͤgen. Mein Lebtage hat mein Mund19 keine solche Freude und Wollust gehabt, als diesesmahl, was ich auch gegessen und getrunken. Jch habe in der Jugend ein und das anderemahl Tobak[ ore vinoso] geraucht, welches auch annehmlich schmeckt; doch dies ist so was schlechtes, daß ich mich aͤrgere, daß ich eine Vergleichung damit anstellen will. Jch legte die Pfeife weg, ich nahm sie wieder, der scharfe durchdringende Geschmack blieb einmahl wie das andre. Jch bin versichert, wenn dergleichen alle Tobaksbruͤder bei ihrem Tobakrauchen empfaͤnden, was ich damahls empfand, sie rauchten sich dara zu[ Schanden,] oder staͤchen und hieben sich daruͤber zu Tode. Bei der folgenden Pfeife aber, die ich ansteckte, hatte die Herrlichkeit ein Ende. Dieselbe schmeckte wie Numer 7, davon die Elle einen Dreier kommt, und dergleichen ich noch zu rauchen pflege «.

» Jch hatte meine Reflexion daruͤber. Wenn Gott wollte, dachte ich, so koͤnnte er leicht Materie und aͤusserliche Objecte finden, alle Gliedmaßen unseres Leibes, sie moͤchten stehen wo sie wollten, auf eine solche Weise zu bewegen, daß die groͤßte Wollust daraus entstehen muͤßte. Die Wollust kommt in der Welt dem Schmerz nicht gleich, den wir Menschen in Gliedern oft fuͤhlen. Ein Huͤhnerauge ist ein geringes Ding, und was kann das nicht vor Pein machen, wenn es zu toben anfaͤngt! Was soll ich von Zahnschmerzen sagen, welche ich oft in so großem Maße gehabt, daß ich nicht davor schla -20 fen, noch des Tages etwas davor verrichten koͤnnen! Habe ich aber jemahls in Zaͤhen oder in Zaͤhnen solche Wollust empfunden, die dem Schmerze gleich gewesen, so ich in denselben ausgestanden? Sollte aber derjenige Theil des Leibes, so des Schmerzens faͤhig, nicht durch eine andere Bewegung eben so gut eines gleichen Grades der Wollust faͤhig seyn? Es scheint, daß Gott weise Ursachen gehabt, daß er die Wolluͤste des Leibes nicht so groß und so viel, als die Schmerzen desselben in der Welt gemacht, weil die Menschen sonst ihr Herz noch hundertmahl mehr, als jetzund geschiehet, an die Welt und an die Erquickungen, die wir mit den Thieren gemein haben, haͤngen duͤrften. Wer weiß, was geschehen seyn wuͤrde, wenn die Menschen im Stande der Unschuld geblieben waͤren? Und wer weiß, was Gott einst im Himmel thun wird? Ob nicht daselbst alle Glieder des verklaͤrten Leibes oͤfters dermaßen werden bewegt werden, daß die groͤßten und suͤßesten Empfindungen daraus entstehen werden. Sollten die vielen sinnlichen Kraͤfte und Faͤhigkeiten, so hier der Seele wesentlich gewesen, im Himmel aufhoͤren, und nicht vielmehr auf einen hoͤhern Grad gesetzt werden? Sollte das Vergnuͤgen des Leibes im Himmel einmahl nicht eben so groß seyn, als hier auf Erden der Schmerz gewesen? « *)*) Jn Absicht dieser Fragen laͤßt sich freilich nichts mit Gewißheit bestimmen; aber so viel kann doch wohl nicht gelaͤugnet werden, daß in der menschlichen Maschine noch eine viel groͤßere Anzahl von Anlagen zu sinnlichen Vergnuͤgungen verborgen liege, als wir jetzt genießen. Das Gefuͤhl, als der ausgebreitetste Sinn, ist noch unendlich vieler Verfeinerungen und Empfindungen faͤhig, die wir erst einmahl in Zukunft werden kennen lernen; vielleicht liegt in jedem Theilchen unserer Maschine eine eben so große Anlage, an demselben ein sinnliches Vergnuͤgen, als einen sinnlichen Schmerz zu empfinden, und es laͤßt sich gar wohl denken, daß unser Leib einmal so verfeinert werden kann, daß die ihn umstroͤmende Materie des Aethers einen unaufhoͤrlichen angenehmen Kitzel an den Endfaͤden der Nerven hervorzubringen im Stande ist. Man weiß von den Tuͤrken, daß sie bei ihren verliebten Zusammenkuͤnften einen hohen Grad der Wollust darein setzen, wenn sie sich einander die Fußsolen leise mit den Zaͤhen beruͤhren koͤnnen. Freilich mag die Natur wichtige Absichten gehabt haben, warum sie uns nicht uͤberall so empfindlich fuͤr das Vergnuͤgen, als fuͤr den Schmerz gemacht hat. Wir wuͤrden ganz allein fuͤr das erstere[ leben,] ohne an eine hoͤhere Bestimmung unsrer Natur zu edeln Handlungen und an die Ausbildung unseres Geistes zu denken.

21

Nach hundert mißlungenen Versuchen, ein Amt zu bekommen, wird Berend endlich 1711 zum Prediger an der Peterskirche zu Leipzig erwaͤhlt, welches Amt er bis 1728 bekleidete, in welchem Jahre er wegen seines Buchs (Einfluß der goͤttlichen Wahrheiten in den Willen und in das ganze Leben des Menschen, Helmst. und Leipz. 1728) seine Predigerstelle niederlegen mußte.

22

Seine Predigten fanden bald einen erstaunlichen Beifall. Er sagt: daß oft uͤber 40 Kutschen vor der Kirche gehalten, wenn er gepredigt habe, und daß seine Vortraͤge von den vornehmsten und angesehendsten Leuten haͤufig besucht worden waͤren, und woran sein neuer, zum Theil dogmatisch moralischer Lehrvortrag mit Ursache gewesen sey. Er erhielt von Vielen sehr reichliche Geschenke, und war der geistliche Rathgeber einer Menge von vornehmen Familien, die ihn wie ihren Vater liebten. Allein dieses Gluͤck dauerte nicht sehr lange. Die Geistlichen, neidisch auf seinen Ruhm, fingen ihn zu verfolgen an, und jeder kleine Fehler wurde, ihn anzuschwaͤrzen, genutzt. Man zog ihn oͤffentlich in den Predigten durch, und suchte seine Zuhoͤrer zu bereden, daß er Dinge vortruͤge, die sich nicht auf die Kanzel schickten. Zu diesem Amtsleiden gesellten sich nun aber auch bald seine neuen Leibes - und Gemuͤthsunruhen. Sein Koͤrper wurde auf einmahl wieder so schwach, daß er mit einer Art Hoͤllenangst die Kanzel bestieg, indem er eine bestaͤndige Neigung zum Vomiren in sich fuͤhlte, welche Neigung in ihm auch jedesmahl rege wurde, wenn er Menschen erblickte, die ihres Verstandes beraubt waren. » Das Bild eines thoͤrigten Menschen, sagt er, oder auch eines Patienten, der im Fieber raset und seltsame Dinge redet, druͤckt sich so tief in mein Gehirne, daß ich es etliche Tage nicht herausbringen kann, und immer eodem modo agiren will «. 23(Es ist bekannt, daß die Tollheit so wie ein Fieber nervenschwache Leute anzustecken im Stande ist.)

Die Leiden, welche der ungluͤckliche Berend von 1715 1720 an Leib und Seele ausgestanden hat, sind erstaunlich, die kleinste Veranlassung war im Stande ihn Tagelang mit den schrecklichsten Bildern der Phantasie zu foltern; so wurde er einmahl aufs heftigste von einer Todesfurcht angegriffen, weil er seinen Huth hatte ins Wasser fallen lassen, welches er fuͤr eine Vorbedeutung seines nahen Endes hielt. Doch er mag seinen ungluͤcklichen Zustand selbst schildern.

» Der groͤßte Sturm meiner Anfechtung kam 14 Tage vor Ostern (1717) uͤber mich, welcher einer der groͤßten in meinem Leben gewesen. Freitags vor Judica war ein Bußtag, und Sonntags darauf sollte ich das Capitel von dem Propheten Elia in der Vesper erklaͤren, da er in der Hoͤhle vor Furcht sich verkrochen. Gott bescherte mir bei dem Meditiren darauf allerhand schoͤne Porismata und Gedanken, so daß ich mich recht auf dieses Capitel freuete, und Gott bath, daß er doch seinen Seegen zu dessen Erklaͤrung geben wolle. Sonntags nach Tische meditirte ich noch ein wenig auf die Predigt, bis um 2 Uhr, da der Gottesdienst angehet. Jch weiß nicht mehr, ob ich zu Hause, ehe ich ausging, vergessen noch einmahl auf den Pot de Chambre zu gehen, oder ob bei dem langen Liede: Jst Gott fuͤr mich, so trete etc. sich schon so viel Wasser wiederum24 gesammlet: (gewiß ist es, daß ich nicht durch unmaͤßiges Essen und Trinken daran Schuld gewesen, weil ich mein[ ordentliches] Maas hatte, so oft ich predigte.) Kurz, ich hatte kaum das Capitel zu erklaͤren angefangen, so konnte ich mich auf etwas, das ich sagen wollte, nicht bald besinnen, und in dem ich mich stark anstrenge und das Gedaͤchtniß forcire, so merke ich, daß mein Urin fort will, und dies mit einem solchen starken Nisu und Treiben, daß ich den Augenblick in die groͤßte Furcht gesetzt wurde, und je mehr ich fuͤrchtete, daß es geschehen moͤchte, je mehr wuchs die Noth. Jch konnte nicht laͤnger auf der Kanzel stehen, sondern suchte mich durch Niedersetzen zu helfen; aber auch dieses half nicht, sondern es incommodirte mich dieser unvermuthete Zufall so unmaͤßig, daß ich mit dem Capitel uͤber Hals uͤber Kopf eilte, die wichtigsten Dinge nur fluͤchtig und obenhin beruͤhrte, so daß ich in drei Viertelstunden schon damit fertig war, und also den ganzen Brei verschuͤttete, oder das ganze Capitel mehr verderbte, als erklaͤrte. Jedermann wollte wissen, was mir zugestoßen, ich sagte aber niemanden das geringste davon, zwang mich auch nach der Predigt, und stand unsaͤgliche Angst bei dem Seegensprechen aus, in der gaͤnzlichen Meinung, es wuͤrde mir vor dem Altar noch begegnen, was ich auf der Kanzel befuͤrchtet hatte. Denn waͤre ich, sobald ich von der Kanzel kam, auf die Seite gegangen, so wuͤrde jedermann haben errathen koͤn -25 nen, was mich oben auf der Kanzel und unter der Predigt geplagt haͤtte. Ein beherzter Prediger wuͤrde sich aus einem solchen seltsamen Zufalle nichts gemacht haben, aber bei mir armen furchtsamen Thiere, der dazumahl ohnedem in lauter Nacht und Finsterniß, ohne Trost und Empfindung der Gnade Gottes hinging, war es ein Grund zu erschrecklichen Gemuͤthsplagen, so darauf folgten «.

» Gegen Abend uͤberfiel mich ungewoͤhnliche Angst wegen des Zukuͤnftigen, und wie es seyn wuͤrde, wenn ich wieder wuͤrde predigen muͤssen. Jch sann nach, und stellte mir lebendig vor, was das fuͤr eine Schande seyn wuͤrde, daferne mir auf der Kanzel dasjenige widerfuͤhre, dem ich diesesmahl noch mit Noth und Kummer entgangen. Dies stuͤrmte in meinem Gemuͤthe, daß mir bruͤhheiß im Kopfe wurde. Wollte ich mich in der Verlaͤugnung uͤben, und Ehre und Gnade vor nichts halten und alles Gott anheim stellen, es moͤchte mir gehen, wie es wollte; so wollte das hitzige verbrandte und melancholische Gebluͤte nichts davon annehmen. Und in solcher furchtsamen Einbildung wurde ich noch mehr gestaͤrkt, da ich in folgenden Tagen, so oft ich unter die Leute ging, von neuem mit der Begierde, Urin zu lassen, geplagt wurde. Jch ging zu einer Leiche, und ich war mit derselben kaum bis zum Paulino gekommen, so mußte ich Ausreiß geben, anstatt, daß ich bis vor das Thor haͤtte mitgehen sollen «.

26

» Doch das war nur Scherz und Spiel gegen die grausamern Anfaͤlle des Satans*)*) Die Neigung der Menschen zum Wunderbaren; das ihnen unerklaͤrlich scheinende an gewissen unmoralischen Phaͤnomenen ihres Herzens und ihrer Leidenschaften; ein mißverstandener Werth der Tugend und Gottesfurcht, den sie durch den Kampf mit hoͤhern boͤsen Wesen zu erlangen scheint; vornehmlich aber auch eine finstere Gemuͤthsstimmung feurig denkender[ Religioͤsen] und andern phantasie-kranken Menschen haben von jeher das Jhrige dazu beigetragen, die Lehre vom Daseyn und den Wirkungen eines boͤsen Geistes in Schutz zu nehmen, und trotz aller Vernunftgruͤnde dagegen, auszubreiten. Es ist hier der Ort nicht, von der Schaͤdlichkeit einer Lehre zu reden, die so sehr den weisen Planen der Gottheit widerspricht und bei einer genauen Beleuchtung der menschlichen Natur ihren ganzen getraͤumten Werth verlieren muß; aber sonderbar kommt es mir vor, daß der Verfasser anderemahle seine Gemuͤthsplagen den Wuͤrkungen seiner verschrobenen Einbildung zuschreibt, und diesesmahl sie Anfaͤlle des Satans nennt.10P. und des Fleisches, welche gleich darauf folgten. Weil ich wegen solcher Bekuͤmmerniß in feurige Hitze des Haupts gerieth, und keinen Schlaf in meine Augen bringen konnte, so wurde der Kopf hoͤchst schwach, und bei dieser großen Hitze des Haupts entstund nun das anderemahl in meinem Leben im Gehirne schnell das Bild von der Selbstberaubung meines Lebens,27 und darauf die Einbildung und Furcht, das zu thun, wovor ich den groͤßten Abscheu hatte. Die Einbildung war insonderheit gerichtet auf den zukuͤnftigen Sonnabend, als den Sonnabend vor Palmarum, wenn ich Sonntags drauf wuͤrde predigen sollen. Diese Gedanken setzten mir heftig zu, und ließen mich die ganze Woche zu keiner Ruhe kommen. Die ersten Anfaͤlle geschahen gleich Montags nach dem Sonntag Judica, denen ich zwar durch einen Spazirgang in freier Luft zu begegnen suchte; allein derselbe lief gar ungluͤcklich fuͤr mich ab, so daß das Uebel dadurch mehr vergroͤßert, als vermindert wurde. Jch ging nach Linkel (ein Dorf bei Leipzig) fruͤh um 9 Uhr, wo ich vor diesem mehrmahl gewesen war. Jn tiefen Gedanken nahm ich den Weg durch den Hof des Wirthshauses, indem ich aber aus Unachtsamkeit mich nicht nach dem Hunde im Hofe und dessen Huͤtte umsehe; so gehe ich, um den boͤsen Weg zu vermeiden, hart bei derselben vorbei, und werde unversehends vom Hunde, der aus der Huͤtten sprang, angefallen, daß ich nicht anders meinte, ich muͤßte vor Schrecken des Todes seyn. Alle Glieder im Leibe zitterten und bebten mir, und bekam noch ein neues Uebel dazu, mit welchem ich auch sonst oͤfters genug war geplagt worden, nehmlich Spasmos und innerliche Convulsionen, mit welchen ich den ganzen Tag und im Heimwege zu ringen hatte. Der Palmsonntag kam immer naͤher, auf welchem das Fest Mariaͤ Verkuͤndigung einfiel, just28 wie anno 1704, und die Furcht nahm zusehends zu. Jch hatte mit Kummer und Noth kaum eine Sciagraphie statt der Predigt verfertigen koͤnnen, in welcher ich die Vernunft zur Quelle des gottlosen Lebens gemacht. Nach derselben sollte ich nun predigen, und konnte sie vor Angst nicht[ memoriter] durchgehen. Sonnabends Abends war die Noth am hoͤchsten, ehe ich schlafen ging. Jch wollte nach Tische das Licht putzen, ich putzte es aus Versehen aus; uͤber eine Weile wollte ich das andere putzen, es ging mir aber eben so. Aus dergleichen Dingen, so natuͤrliche Ursachen sie auch haben, machen melancholische Leute zur Stunde der Versuchung lauter Omina und Vorbedeutungen. Die erschrecklichsten Gedanken kamen Heerweise und schlugen und stuͤrmten im Gemuͤthe. Es schien schon, als ob die Fenster vom starken Winde (des ankommenden boͤsen[ Feindes]) anfingen zu beben, so daß ich nicht laͤnger aufbleiben, sondern zu Bette gehen und Gotte auf Gnade und Ungnade mich ergeben, und wie jener denken mußte: komm ich um, so komm ich um! Esth. 4,[ v.]6. «

» Weil diese Anfechtung der ersten anno 1704 ganz aͤhnlich war, so war noch der Charfreitag vor der Thuͤre, vor welchem Tage mir noch baͤnger war, als vor dem Palmsonntage. Jch that Montags nach Palmarum einen neuen Spazirgang nach Wahren (einem Dorfe bei Leipzig auf dem Wege nach Halle. ) um zu sehen, ob derselbige gluͤcklicher seyn wuͤrde, als der vor acht Tagen, und um der29 neuen Angst zu steuren, welche sich die vorige Nacht, da ich vom Schlafe erwacht, bei mir wieder eingefunden. Allein der Spazirgang war nicht viel anders, nur daß die Angst nicht so groß, wie zu Hause war. Auf dem Wege nach Wahren war mein Leib und Haupt so schwach, daß mich ein Becker, der mit Getreide in die Muͤhle fuhr, aufladen und mitnehmen mußte. Der Fuhrmann war weit genug von dem Flusse entfernt, und doch durfte ich den Fluß nicht mit meinen Augen ansehen, denn das Bild von Ersaͤufen war so lebendig in mir, und so groß, daß mir von wegen der lebendigen Vorstellung, die wider meinen Willen und mit Gewalt in mir entstand, im Leibe uͤbel wurde, dahero ich meistens den Kopf zur rechten Seite halten und ins freie Feld hinaussehen mußte; ob ich gleich wenig Lust zum Wasser hatte, und dasselbe so sehr als eine Katze scheuete. Am gruͤnen Donnerstage hatte ich anno 1704 durch eine Predigt einigen Trost und Staͤrkung ins Herz bekommen, und der gegenwaͤrtige gruͤne Donnerstag war auch schier so beschaffen. Als ich nach der Kirche nach Hause kam, von Angst und Furcht ganz ausgemergelt, warf ich mich auf die Knie und dachte: ich will nicht eher aufstehen, bis mich Gott erhoͤrt. Jch redete mit Gott und schuͤttete mein ganzes Herz aus. Vertrauen und Hoffnung wuchs zugleich im Gebet, und die Furcht wich großentheils aus dem Herzen. Jch stand aber doch zu bald vom Beten auf, denn30 ich haͤtte noch laͤnger sollen anhalten und inbruͤnstiger werden. Nach der Zeit, weil ich doch noch zwei Jahr mit dergleichen und andern großen Leibes - und Gemuͤthsplagen zu ringen hatte, habe ich vielfaͤltig bei mir gesprochen: wenn du doch an diesem gruͤnen Donnerstage laͤnger im Gebet haͤttest angehalten, du wuͤrdest den Teufel, deine Furcht und alle deine sowohl damalige als gegenwaͤrtige Uebel aus deiner Seele hinweggebetet haben! «

Der Charfreitag, wovor sich der arme[ Bernd] so erschrecklich furchte, weil er die nehmliche Seelenangst an dem nehmlichen Tage und vor mehrern Jahren erwartete, ging gluͤcklicher voruͤber, als er geglaubt hatte; aber seine hypochondrischen Zufaͤlle ließen deswegen noch nicht nach. Er brauchte allerlei leibliche und geistliche Mittel sich zu helfen, und sang unter andern oft das Lied: Herr Jesu Christ, ich schrei zu dir aus hochbetruͤbter Seelen! wodurch seine Angst natuͤrlicherweise noch mehr befoͤrdert werden mußte. Es folgt noch ein langes Register seiner melancholischen Grillen, die ich nicht alle nennen kann, und wovon ich nur zum Beschluß noch einige ausheben will, die zunaͤchst durch seine Suspension vom Amte veranlaßt wurden.

» Jch schrieb, faͤhrt der Verfasser fort, anno 1728 einen Tractat: Einfluß der goͤttlichen Wahrheiten in den Willen und in das Leben der Menschen, nicht als ob ich unser Religionssystem vor so arg und boͤse angesehen, als ob man bei demselben31 nicht koͤnne selig werden, und als ob es dem Worte Gottes zuwider waͤre; sondern weil es so schwer zu verstehen vor gemeine Leute, und wegen des vielfaͤltigen Mißverstandes auch die edelsten Wahrheiten desselben bei viel tausend Menschen zum Mißbrauche und zur fleischlichen Sicherheit ausschlagen; so hielt ich davor, ich waͤre nach meiner Einsicht verbunden, ein solches System zu erwaͤhlen und bekannt zu machen, bei welchem die Uebung der Gottseligkeit nach meinem Erachten nicht so viel Gefahr liefe, ja ich war so sehr eingenommen mit der Einbildung, daß ich Gewissens halber solches zu thun verbunden waͤre, daß ich auch die erschrecklichen Plagen, so ich in vorhergehenden Jahren, insonderheit anno 1717 ausgestanden, meinem Stillsitzen und Stillschweigen zuschrieb, und daß ich aus Menschenfurcht bisher solche noͤthige Wahrheiten und Einrichtung unserer christlichen Lehrpuncte unterdruͤckt haͤtte. «

Die Herausgabe dieses Buchs war die Ursache von den schrecklichen Ausbruͤchen seiner Hypochondrie, woruͤber er sich selbst stark genug in folgenden Worten ausdruͤckt: » Und wenn ich alle wunderbare Erhaltungen zusammennehme, so ehemahls in der Welt geschehen, so kann ich solche kaum mit den vergleichen, daß ich bei solchen Troublen, so mir zugezogen, und worin vielleicht ein starkes Gemuͤthe nur seine Lust suchen wuͤrde, bei aller meiner vielen Furcht, Sorge, Angst, schlaflosen Naͤchten, Rathen und Widerrathen, Drohungen und Aufrichtungen32 der[ Leute,] und unsaͤglichen Kampf und Streit im Gemuͤthe, der vom 13ten Jul. an bis beinahe ans Ende des Jahrs gewaͤhrt, nicht meines Verstandes beraubt worden. «

» Zwar hat es mir in meinem Leben bei aller der Furcht, die ich mir hie und da beigelegt und zugeschrieben, nicht an Herz und Muth gefehlt, so oft und so lange ich nur mit der Krankheit des[ Milzes] und der Melancholie verschont geblieben. So lange mich nur diese Uebel nicht plagten; so erschrack ich vor keinem Menschen und vor keinem Feinde, ja ich konnte sogar wider denselben allen meinen noͤthigen Zorn und Eifer auslassen, ohne mein Gemuͤth sonderlich in Unruh zu setzen. Jch will nicht sagen, daß ich auch viele und große Sorge uͤber mich nehmen und weit aussehende Projecte machen konnte, ohne daß mir solches eine Pein oder Muͤhe verursacht haͤtte. Jch war auch den Winter durch frisch, gesund, stark, muthig und beherzt gewesen, und erschrack keinesweges vor allen den Verdruͤßlichkeiten, die ich mir von meinem Buche vorherprophezeite. Allein, da es nach Ostern kam und die Fruͤhlingshitze anging, so merkte ich, daß ich schon wiederum weder des Morgens noch gegen Abend in Buͤchern lesen konnte, welche eine große Aufmerksamkeit auf die Sache erfoderten. Die Lebensgeister liefen so schnelle, daß ich das Buch in kurzem mußte wieder hinlegen. Um ein Leichtes flohe ich in meiner Einbildung und in Gedanken zum Fenster hinunter bei33 aller Ruhe, bei aller Gemuͤthsstille, so daß ich mich vom Fenster hinwegsetzen und weiter davon im Lesen entfernen mußte «.

Jm Sommer 1728 wird der Verfasser seines Buchs wegen vorgeladen, und von da fangen sich seine neuen Leiden an. » Jch sahe auf einmahl wieder erbaͤrmlich aus, faͤhrt er fort; ich verlor allen Appetit zum Essen, ich wagte es nicht mehr aus meinem Fenster im zweiten Stocke herauszusehen, und ich ließ den Vorsteher durch meinen Kuͤster ersuchen, er moͤchte mich doch ins Waisenhaus oder sonst in Sicherheit und Verwahrung bringen, denn es vergingen mir alle Gedanken, und muͤßte befuͤrchten, wann ich meines Verstandes sollte beraubt werden, das zu thun, wovor ich in meinem Leben jederzeit den groͤßten Abscheu gehabt (nehmlich sich umzubringen). Jch legte Schloͤsser vor meine Fenster, damit ich nicht etwa die Nacht herausspringen moͤchte. Es quaͤlte mein Gemuͤth, daß ich durch Mißtrauen von Gott abgefallen. Es schmiß, warf und polterte in meiner Kammer, oder zum wenigsten in meiner Jmagination, daß mir Angst und bange wurde. Endlich faßte ich einen andern Entschluß, und dachte: ehe ich soll in solcher unbeschreiblichen Seelenangst auf meinem Lager liegen, so will ich lieber alles aufmachen, Schloͤsser und alles wegthun, es gehe, wie Gott wolle «.

» Jch wurde von meinem Amte suspendirt, und hundertterlei fuͤrchterliche Nachrichten wurden mir34 nun in den Kopf gesetzt. Man gab mir den Rath, daß ich mich aus dem Lande machte, es wuͤrde uͤbel um meinen Kopf stehen, man wuͤrde aus meiner Sache einen Criminalproceß machen, mich in Verhaft nehmen u.s.w. Jch fing also an zu sorgen und zu uͤberlegen: was thust du, bleibst du, oder entweichest du? Was dieser Pro - und Contrastreit mich ausgemergelt und matt gemacht, kann ich nicht beschreiben, und muß mich bis diese Stunde noch wundern, daß ich beim Leben und bei Verstande geblieben. Und da ich endlich schluͤssig wurde fortzugehen, wohin wenden, welchen Ort erlesen, und was vor Mittel und Wege sollte ich dazu ergreifen? Wie sollte ich meine Sachen fortbringen? Sollte ich alles stehen und liegen lassen? Wie sollte ich alles so veranstalten, daß man es mir weder in meinem Hause anmerkte, noch auch diejenigen erfuͤhren, von denen ich in dem thoͤrigten Wahn stand, daß sie einen fluͤchtigen Jesuiten arretiren und ihm nachsetzen wuͤrden, wenn er ohne ihr Vorbewußt davonginge. Das machte mir oft das Haupt so wuͤste, daß ich kaum manchmahl noch fuͤhlte, daß ich noch einen Kopf haͤtte, oder als wenn Heu und Haͤckerling im Kopfe waͤre. Jch schob es immer von einer Zeit zur andern auf, und da es endlich mein ganzer Ernst war, so wurde ich zwei - bis dreimahl daran gehindert.

Die Zeit der Verhoͤrung ruͤckte mit der Michaeliswoche heran, und da haͤtte ich mich freilich35 auf dieselbe praͤpariren sollen; allein ich praͤparirte mich vielmehr auf meinen bevorstehenden Tod, weil ich wegen erschoͤpfter Kraͤfte des Leibes und Gemuͤths in der gaͤnzlichen Meinung stand, daß mich Gott diesmahl aus der Welt abhohlen werde; obgleich die Einbildung, von der Obrigkeit hingerichtet zu werden, bei mir vergangen war. Allein sie wurde bald darauf wieder in mir rege, da der Praͤsident des Consistorii in mein Suspensionsprotocoll die Worte mit einfließen lassen, daß ich Zeit genug habe mich auf meinen Tod, der gewiß nicht mehr ferne seyn koͤnne, zu praͤpariren.

Um dieselbe Zeit, da ich mich also auf den Tod bereitete, geschahe eben das, was ich oben gemeldet, daß ich mich auf die Gedanken bringen ließ, als wenn ich durch die Hand des Scharfrichters wuͤrde sterben muͤssen. Es war ohnedem vorher schon durch Einbildung des Todes wegen großer Leibesschwachheit mein Gewissen wegen aller Suͤnden, so ich jemahls begangen, wie bei Leuten, so da meinen, daß sie sterben werden, oft zu geschehen pflegt, dermaßen aufgewacht, so daß alle meine geringsten Fehler und andere Missethaten in der hoͤchsten Groͤße mir vorkamen, und es nicht anders war, als ob ich erst jetzt von neuem Buße thaͤte. Ein recht merkwuͤrdiger Umstand, den ich hier nicht kann vergessen mit anzufuͤhren, war dieser: Hatte ich auf etliche Tage wegen Betruͤbniß meiner Suͤnden kaum schlafen koͤnnen; so fing ich endlich an, Gottes36 Gerichte vor hoͤchst gerecht, und auch den Tod durch die Hand der Obrigkeit vor hoͤchst billig zu erkennen: Jch unterwarf mich dermaßen Gottes Willen, und war so bereit und willig, solchen zu leiden, daß ich die eine Nacht vor Freuden davor nicht schlafen konnte. Jch hatte mir auch schon die Lieder in Gedanken bestimmt, die man mir beim Hinausfuͤhren singen sollte; v.g. Herzlich lieb hab ich dich o Herr! etc. Mit Fried und Freud ich fahr dahin etc. Herr, nur laß in Frieden etc. Jnsonderheit war ich bekuͤmmert, ob sie mir auch zu Gefallen eine Aenderung treffen und das Lied: Nun bitten wir den heil'gen Geist etc., welches man sonst nach der Execution singet, vor der Execution zu meinem Troste und Erquickung wuͤrden singen lassen.

Wie ich schon eines guten Theils meines Verstandes also mochte beraubt seyn; so kam dieses noch dazu, daß ich einen Traum, der mir oftmahls getraͤumet, beinahe mit der That, die ich doch nur im Traume begangen, confundirt haͤtte. Jch war zweimahl in meinem Leben in Jena anno 1708 und 1711 gewesen, und habe mit keinem Menschen ein boͤses Wort geredet, vielweniger mich mit demselben in Zank oder Duell eingelassen, und doch hat[ mir] nach der Zeit um ein Leichtes getraͤumet, als ob ich da einen Purschen im Duell erstochen, und als ob man mich aufsuche, so daß ich im Traume immer in Angst gewesen, entdeckt und erhascht zu werden. 37Wenn einem ein Traum vielmahl*)*) Diese Erfahrung ist sehr richtig, und Einige haben daher Veranlassung genommen, zu glauben, daß wir vielleicht immer traͤumten, und daß wir unsere Traͤume fuͤr Wahrheiten hielten, weil wir sie vom Wachen nicht unterscheiden koͤnnten.12P. traͤumt, obschon zuweilen unterschiedenen Zeiten; so kanns geschehen, daß man auf die letzte, insonderheit, wenn man in andere Noth und Angst geraͤth, sich kaum mehr zu besinnen weiß, ob es wahrhaftig geschehen, oder ob es nur ein Traum gewesen «.

Jch uͤbergehe die uͤbrigen Begebenheiten seines Lebens. Er resignirte von seinem Amte, da er uͤberall neue Hindernisse zu seiner Wiedereinsetzung fand, und brachte die uͤbrige Zeit seines Lebens mit Buͤcherschreiben zu.

Der vornehmste Grund aller jener Erscheinungen, welche13Berndan sich beobachtet und beschrieben hat, lag ohnstreitig in einer Schwaͤche seiner Nerven, woruͤber er oft geklagt, und diese Schwaͤche kam ohnstreitig von den jugendlichen Ausschweifungen her, die er fruͤhzeitig begangen, und die er nicht mit Namen nennen wollte. Die Folgen dieser Ausschweifungen zeigen sich oft schon sehr fruͤh, oft auch spaͤter in bangen Empfindungen des Unterleibes, die hernach in eine hartnaͤckige Hypochondrie, wie bei unserm[ Bernd,] ausarten. Die Einbildung ge -38 raͤth dadurch sehr leicht in eine Unordnung, und stellt dem Hypochondristen alles in einem schwarzen Lichte vor, weil er einen bestaͤndigen dumpfen Schmerz in sich fuͤhlt, den er zwar betaͤuben, aber nicht ganz unterdruͤcken kann. Der Hypochondrist thut daher beinahe nichts, wobei er nicht etwas[ Übels] besorgen sollte, und seine Vermuthungen draͤngen sich ihm so stark auf, daß er oft das blos vermuthete Uebel fuͤr ein schon wuͤrkliches haͤlt, und als ein schon wuͤrkliches empfindet. Eine Miene, eine halbgehoͤrte Nachricht, ein leise gesprochenes Wort kann ihn schon in die groͤßten Unruhen versetzen, und er wird sich aus Furchtsamkeit geneigt fuͤhlen, Dinge fuͤr ungluͤckliche Vorbedeutungen zu halten, die ganz natuͤrlich zugehen, und deren natuͤrlichen Zusammenhang er selbst weiß. Jn der That scheint mir fast ein jeder Hypochondrist an der Graͤnze der Verruͤcktheit zu stehen, und man hat Erfahrungen genug, daß der gaͤnzliche Ueberschritt zur wuͤrklichen Verirrung des Verstandes sehr leicht geschehe.

Bei aller Furchtsamkeit und Angst bemerkt man doch auch oft an Hypochondristen eine unerwartete Kuͤhnheit und Entschlossenheit der Seele, die man ihnen nicht zutrauen sollte. Nach langen traurigen Empfindungen hebt sich alsdann ihr Herz gleichsam durch einen eigenen elastischen Jnstinct empor und schuͤttelt das Joch einige Zeit von sich, wovon es vorher gedruͤckt wurde. Es ist aber nicht immer39 die Kraft der Vernunft und des Nachdenkens, welche ihm hier beisteht, denn gemeiniglich curiren die staͤrksten Vernunftgruͤnde den Hypochondristen am allerwenigsten; sondern er fuͤhlt auf einmahl, ohne sein Zuthun, oft einen Trieb sich zu freuen,[ der] seinen Schmerz und seine Bangigkeit betaͤubt und auf einige Zeit seine ganze Seele umstimmt, davon in Bernds Lebensbeschreibung auch Beispiele vorkommen.

Die menschliche Seele ist nehmlich keines bestaͤndigen Gefuͤhls der[ Widerwaͤrtigkeit] faͤhig, sie veraͤndert gern ihre Gemuͤthslage, wenn sie lange genug von einerlei Jdeenherrschaft abgehaͤngt hatte, und setzt sich gleichsam wieder in Freiheit. Dies sind die Augenblicke des Aufjauchzens und des frohen Herzklopfens, welches die Hypochondristen nicht selten in ihren schwachen Stunden empfinden, und die jene frommen Religioͤsen, die meist Hypochondristen sind, ausserordentliche Wuͤrkungen der goͤttlichen Gnade, freilich mit großem Unrecht, genennt haben, weil sie sich ganz deutlich aus der Natur unserer Seele und Jmagination erklaͤren lassen. Jch empfehle meinen hypochondrischen und unhypochondrischen Lesern, welche uͤber die Milzkrankheit etwas Vortreffliches lesen wollen, die Betrachtungen des Herrn D. Platners in Leipzig, welche er seiner Uebersetzung des Versuchs uͤber die Verrichtungen und Krankheiten des menschlichen Verstandes (von J. F. Duͤ four) uͤber die Hypochondrie beygefuͤgt hat.

14P.

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2. Noch ein Beitrag zu dem Leben eines reichen jungen Mannes, welcher das Stehlen und Geldborgen nicht lassen konnte15 (Siehe das vorhergehende Stuͤck.)

Der Hang dieses Menschen zum Stehlen und Geldleihen war auf keine Weise einzuschraͤnken, ob man gleich alle Mittel dagegen versucht hat. Er hielt eine Menge Stockschlaͤge aus, wenn man ihn damit wegen seines Bettelns bestrafte, und in dem nehmlichen Augenblick sprach er wieder einen Voruͤbergehenden um Geld an, oder bestahl seine Nachbarn. Man versuchte endlich das strengste Mittel fuͤr ihn, und er mußte fuͤr jedes Vergehen der Art eine Geldsumme erlegen. Er that dies jedesmahl mit einem unaussprechlichen Kampfe, und gestand oft, daß kein Mensch eine Jdee von der schmerzhaften Empfindung haben koͤnne, die er alsdenn in sich wahrnehme, wann er, anstatt etwas zu erhalten, seinen heftigen Wunsch noch oben drein mit seinem eigenen Gelde bezahlen muͤßte, und doch war auch dieses fuͤr ihn aͤußerst gewaltsame Mittel nicht stark genug, seine Geldbegierde zu maͤßigen. Er wurde von dieser Begierde so sehr verfolgt, daß er oft Meilen-weit ging, um in fremden Oertern41 Geld und Brod einzubetteln. Peina (eine Stadt im Hildesheimschen) war fuͤr[ ihn] vornehmlich ein wichtiger Ort, weil er von den vielen hier wohnenden Catholiken viele Gaben als ein herumstreichender Bettler erhielt. Um sich das Ansehn eines Bettlers zu geben, wandte er gemeiniglich seinen Rock um, so daß das Unterfutter zu oben lag, und schlug die Krempen seines Huths herunter. Er wußte die Fremden trefflich durch sein Wehklagen zu hintergehen, nannte sich gemeiniglich einen armen Kranken, der sich nichts verdienen koͤnne, keinen Anverwandten habe, und von den Juristen um das Seinige gebracht worden sey. Sein blasses hageres Gesicht kam ihm hierbei vortrefflich zu statten, und seine weinerliche Sprache floͤßte schon Mitleiden ein. Oft lief er Tage lang in den Haͤusern der Stadt umher, und bath sich von dem Gesinde die uͤbrig gebliebenen Knochen der Mahlzeit oder eine Tasse Caffe aus, nahm jede Brodrinde mit vielem Dank an; warf aber auch das Erbettelte manchmahl wieder weg, wenn er nur seine Begierde, etwas zu erbetteln, gestillt hatte.

Mit Anfange des jetztlaufenden Jahrs wurde der arme Mensch merklich kraͤnker, als er bisher gewesen war. Sein Koͤrper war nach und nach ganz zusammengeschrumpft, es hatte ihm schon seit einiger Zeit Muͤhe gemacht, zu Fuße zu gehen, und er merkte bald selbst, daß er nicht mehr lange wuͤrde leben koͤnnen. Er sprach ganz ruhig von seinem be -42 vorstehenden Tode, und gab noch eine besondere Probe von Gewissenhaftigkeit und Gedaͤchtnißstaͤrke von sich, die man bei seinem zerruͤtteten Nervensystem kaum vermuthen konnte. Es fiel ihm nehmlich in seiner Krankheit ein, daß er noch vielen Menschen etwas schuldig sey, was er ihnen vor mehrern Jahren abgeborgt habe. Er nannte gegen 50 verschiedene Personen nach ihren Staͤnden und Namen, von welchen er vor vielen Jahren Kleinigkeiten an Geld, zu 1 16 Gr., auch wohl nur wenige Pfennige und andere Sachen geliehen hatte, und befahl, daß diesen Leuten alles bei Heller und Pfennigen wiedererstattet werden moͤchte, weil er sonst nicht ruhig sterben koͤnne. Einen großen Theil seines Vermoͤgens vermachte er an die Armen, und erwartete nun seinen Tod.

Eines Tages lag er beinahe ganz sprachlos und entkraͤftet auf seinem Krankenlager, als ein Bekannter in die Stube trat und sich nach seinem Befinden erkundigte. Auf einmahl schien wieder einiges Leben in den ausgemergelten Koͤrper des Kranken zu kommen, und man bemerkte, daß er einigemahl seine kraftlose Hand auszustrecken suchte, die aber vor Mattigkeit sogleich wieder aufs Bette zuruͤcksank. Man verstand es gleich, was der Kranke von dem Angekommenen verlange, er wollte nehmlich noch zuletzt etwas Geld haben, man fragte ihn daher: ob er sein Verlangen nicht mit Worten ausdruͤcken koͤnne? Nun strengte der arme Mensch noch43 einmahl alle seine Kraͤfte an, oͤffnete muͤhsam seinen Mund, und langsam lallte er noch die Worte: leihen Sie mir einen Groschen!

So unwiderstehlich war sein Hang zum Gelde, daß er auch selbst durch die Macht der Krankheit und durch die Annaͤherung des Todes nicht unterdruͤckt werden konnte. Endlich starb er wuͤrklich im Januar an der Krankheit der Ruͤckgradsduͤrre, die unheilbar gewesen war.

Jch will nun noch einige Umstaͤnde in meiner Erzaͤhlung uͤber diesen sonderbaren Menschen nachholen, wovon ich, als ich den ersten Aufsatz im vorhergehenden Stuͤcke mittheilte, noch keine Nachricht hatte, und die es noch mehr aufschließen, wie jener unwiderstehliche Hang zum Stehlen und Geldleihen und uͤberhaupt zum Betruͤgen in ihm nach und nach entstanden seyn mag.

Er hatte anfangs studiren sollen, und wahrscheinlich waͤre ein vortrefflicher Kopf aus ihm geworden, wenn seine Eltern ihn nicht auf einmahl fuͤr einen andern Stand bestimmt haͤtten, und sein Koͤrper nicht durch heimliche Ausschweifungen, die er im hoͤchsten Uebermaße und fast taͤglich bei aller dagegen gebrauchten Vorsicht ausuͤbte, zu sehr geschwaͤcht worden waͤre. Er wurde also zum Kaufmann bestimmt, und er fand bald an diesem Stande Behagen. Nicht lange vor seinem Tode gestand er noch, daß er eigentlich in diesem Stande sich das Betruͤgen angewoͤhnt habe, woraus hernach seine44 Begierde, Geld einzusammeln und zu stehlen, entstanden sey. Er erzaͤhlte noch mit einer Art innigen Wohlgefallens eine Menge von Kunstgriffen, welche die Materialienhaͤndler gebrauchten, um ihre Waaren theils zu empfehlen, theils auch weniger zu geben, als sie fuͤrs Geld geben muͤßten. Er hatte fruͤhzeitig ein Vergnuͤgen daran gefunden, wie jene allerlei Sachen unter das Gewuͤrz, unter Rosinen und Mandeln zu mischen pflegen, um ihnen desto groͤßeres Gewicht auf der Wage zu geben; eben so hatte er auch bald das Anfeuchten gewisser Waaren, um sie desto schwerer zu machen, gelernt, und war in dem schnellen Abwiegen derselben, um den Kaͤufer zu hintergehen, ein rechter Meister geworden. Dazu war nun noch der Wunsch gekommen, immer recht viel Geld in dem Kaufmannstisch einstecken zu koͤnnen, und mit diesem Wunsche war nach und nach ein Anderer in ihm groß geworden, fuͤr sich selbst etwas einsammeln zu koͤnnen. Weil er als Ladenjunge mehr kleine als große Muͤnze einzustreichen bekam: so war seine Phantasie auch vornehmlich an jener haͤngen geblieben, und er foderte selten jemanden mehr als einen Groschen ab, handelte bei seinem Borgen auch wohl bis auf einzelne Pfennige herunter. Dieses Abdingen und Handeln hatte er wiederum in dem Kaufmannsladen gelernt, und so war eigentlich dieser, wobei aber die im vorhergehenden Stuͤck erzaͤhlten Umstaͤnde mit dazugenommen werden muͤssen, die Schuld seines Geitzes45 geworden, den er hernach nie wieder ablegen konnte. Von den Talenten seines Kopfs habe ich schon oben gesprochen. Er hatte eine leichte Gabe, wenn er wollte, witzig zu seyn, und besaß eine nicht gemeine Galanterie gegen das andere Geschlecht, dem er oft sehr feine Schmeicheleien zu sagen wußte. Er las sehr fleißig in englischen und franzoͤsischen Buͤchern, und hatte die erstere Sprache in einer Zeit von vier Wochen durch Huͤlfe eines Lexicons allein gelernt. Die Buͤcher, die er las, suchte er uͤbrigens zusammenzuborgen, wo er sie finden und bekommen konnte.

Als ich das letztemahl mit ihm sprach, sagte er mir mit einer laͤchelnden Miene, daß seine Geschichte beinahe vor einiger Zeit in die Seelenkunde gekommen waͤre, wohin sie sein Pflegvater, nebst seiner Silhouette habe einschicken wollen, welches letztere er sich aber verbeten habe. Uebrigens aber schien es ihm doch ein Vergnuͤgen zu machen, wenn ich ihm sagte: daß erwohl noch einmahl ohne Silhouette ein Plaͤtzchen in diesem Magazin finden koͤnne.

Mir ist noch ein anderes aͤhnliches Beispiel von einem Hange zum Stehlen bekannt, den man beinahe fuͤr angeboren halten koͤnnte. Eine Frau zu D hatte ihrem Mann schon oft heimlich etwas Geld weggenommen. Sie versucht diese Dieberei eines Tages bei der Abwesenheit des Mannes wieder, und ist eben beschaͤftigt einen Griff in die Casse46 desselben zu thun, als er unversehends dazu kommt. Die Frau, welche schwanger war, sank vor Schrecken zur Erde, und gebahr nicht lange darauf einen Sohn, welcher von fruͤhester Kindheit an im Stehlen sein groͤßtes Vergnuͤgen fand. Er konnte sichs durchaus nicht abgewoͤhnen, und gestand oft, daß er es fortsetzen wuͤrde, wenn man auch hundert Galgen fuͤr ihn aufrichten sollte. Einen versteckten Hang zum Stehlen kann man bei erstaunlich viel Menschen annehmen, der sogleich ausbrechen wuͤrde, so bald die Societaͤt ihm keine Graͤnzen mehr setzen wuͤrde. Jm Stande der Natur ist dieser Hang bei allen wilden Nationen offenbar, und die Kinder der Zigeuner sowohl als[ ihre] Eltern sind merkwuͤrdige Beispiele davon. Als unter der Regierung Friedrich Wilhelms I. im Brandenburgischen die Kinder der Zigeuner, um diese auszurotten, ihren Eltern weggenommen und in die Schulen gesteckt wurden, geschah es sehr oft, daß sie ihren Lehrern und Vorgesetzten Huͤhner und Gaͤnse todtschlugen, und dann ihre Beute, welche sie nicht verstecken konnten, mit dem Gestaͤndniß selbst vorzeigten: daß sie das Huͤhner - und Gaͤnse stehlen ohnmoͤglich lassen koͤnnten. Sehr begreiflich ists, daß dieser Hang durch die taͤglichen Beispiele von Diebereien von Kindheit an bei ihnen sehr vermehrt werden mußte.

47

3. Gewalt der Liebe.

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Folgende tragische Geschichte giebt uns ein neues Beispiel, wie aͤusserst schaͤdlich und gefaͤhrlich eine verstohlene Liebe fuͤr junge Leute werden kann; aber auch ein Beispiel, wie behutsam Eltern verfahren muͤssen, um ihre Kinder nicht zu Verheirathungen zu zwingen, wogegen dieser ihr Herz spricht.

N ein alter rechtschaffener Landgeistlicher in W , einem saͤchsischen Doͤrfchen, ohnweit M , hatte viele Jahre hindurch mit seiner Gattinn und einzigen Tochter die stillen Freuden des hoͤchsten haͤuslichen Gluͤcks genossen, eines Gluͤcks, welches immer haͤufiger in den ruhigen Huͤtten des Landmannes, als in den Haͤusern der verwoͤhnten Staͤdter zu wohnen pflegt. Sich selbst genug, und mit den rauschenden Vergnuͤgungen der großen Welt unbekannt, vertrieben sich Eltern und Tochter die Tage ihres Lebens auf die angenehmste Art. Die letztere besorgte mit ihrer Mutter gemeinschaftlich die Haushaltung, und beide waren gleich eifrig und zaͤrtlich bemuͤht, dem guten Hausvater die etwas schweren Lasten seines Amts durch jede Art der zuvorkommenden Theilnehmung und Liebe zu erleichtern. Lorchen, so hieß die Tochter, war im eigentlichen Verstande das Kind seines Herzens, er war48 unruhig, wenn er sie in einigen Stunden nicht gesehen hatte, und sie war daher gemeiniglich seine getreue Begleiterin, wenn er auf sein Filial oder auf seine Aecker ging.

Lorchen war schon achtzehn Jahr alt, aber noch nie hatte sie etwas von den Unruhen einer Leidenschaft gelitten, welche in der großen Welt so fruͤhzeitig aufzukeimen pflegt, von der Liebe, und ihre Grundsaͤtze waren viel zu edel, als daß ihre Eltern je die Verwirrungen ihres Herzens haͤtten fuͤrchten duͤrfen, wodurch sie und ihr Kind auf immer ungluͤcklich wurden. Man hoͤre den Verlauf folgender Geschichte, die, so sehr sie auch einem Roman gleicht, doch eine wahrhafte Geschichte ist und bleibt.

Es ist gewoͤhnlich, daß in Friedenszeiten in die saͤchsischen Doͤrfer eine gewiße Anzahl Reiter verlegt wird, welche von den Bauern fuͤr sich und ihre Pferde Unterhalt bekommen muͤssen. Oft sind es junge rasche Leute, die sich bei ihrem Muͤßiggange bis zum Uebermuthe pflegen, und vermoͤge ihres Kriegesrocks und ihres militaͤrischen Standes einen Eintritt in alle Bauerhoͤfe, und auch bei dem Prediger und Schulmeister haben. Ein solcher junger, rascher und zugleich schoͤner Mann wurde nach W verlegt, und es dauerte nicht lange, als er mit dem alten Prediger N Bekanntschaft machte. Der junge Reiter hatte mehr Bildung des Verstandes, als Leute seiner Art gemeiniglich zu haben pfle -49 gen, er gefiel dem Prediger taͤglich mehr, sie kamen oͤfter zusammen und unterhielten sich oft bis in die Nacht hinein von Kriegsgeschichten, davon jeder eine ziemliche Menge erzaͤhlen konnte.

Lorchen fand an der Gesellschaft des jungen Kriegers gleichfalls Behagen. Sie freute sich, wenn er kam, und war mißvergnuͤgt, wenn er ging. Sie liebte ihn schon gewissermaßen, ehe sie es noch selbst recht wußte; oft wurde sie roth, wenn er ihr freundlich die Hand both, und er ging nie weg, ohne daß sie ihn, bald wieder zu kommen, eingeladen haͤtte. Die Liebe thut Riesenschritte, wenn sie nur erst einen gewagt hat, und faͤngt denn vollends pfeilschnell zu laufen an, wenn sie in dem geliebten Gegenstande gleiche Empfindungen gewahr wird. Der junge Reiter konnte dem holden Maͤdchen nicht widerstehen, sein Herz war ohnedem zur Liebe geschaffen, und in kurzer Zeit hatten sich ihre Herzen laut fuͤr einander erklaͤrt, ohne daß die Eltern ein Wort davon erfuhren. Lorchen besorgte, daß ihre Eltern nicht mit ihrer Neigung zufrieden seyn wuͤrden, sie hatte nicht den Muth das Jnnere ihres Herzens zu zeigen, und sie beging dadurch das erstemahl einen fast unverzeihlichen Fehler des Mißtrauens gegen diejenigen, an welchen bisher ihr ganzes Herz gehangen hatte.

Da die Liebe der beiden jungen Leute unschuldig war, so verbanden sie sich unter einander zu einem Eheversprechen, welches von der ganzen Staͤrke ihrer zaͤrtlichen Empfindungen zeigte, und mehr als50 Liebe, den hoͤchsten Grad der Schwaͤrmerei zum Grunde hatte. Sie versprachen sich nehmlich zu heirathen, sobald er vom Reiter zum Wachtmeister avancirt waͤre; damit aber dies Versprechen desto fester und unumstoͤßlicher seyn moͤchte, wurde der fuͤrchterliche Vertrag zwischen Beiden gemacht: daß der den andern ermorden sollte, welcher zuerst seinen Eid der Treue brechen wuͤrde.

So standen die Sachen, als wider Vermuthen der Verliebten ein Advocat aus M bei dem alten Pfarrer N um die Hand seiner Tochter anhielt, und sie zu sehen wuͤnschte. Da der Pfarrer N das gute Auskommen des Advocaten, und ihn uͤberdies noch als einen rechtschaffenen Mann kannte; so trug er weiter gar kein Bedenken, jenem einen Besuch in seinem Hause zu verwilligen, und seiner Tochter selbst den Antrag zu thun, daß sie mit dem und dem Manne ihr Gluͤck machen koͤnne. Lorchen war wie vom Donner geruͤhrt. Ein Thraͤnenguß erfolgte auf ihr starres Erstaunen, sie fiel ihrem Vater in die Arme, und bath ihn um Gottes willen, sie mit einer Heirath zu verschonen, wogegen ihr Herz spraͤche. Der Freier kam, und Lorchen gerieth nun vollends in Verzweiflung, als sie ihn sahe. Sie weinte, ihres Eidschwures eingedenkt und von der Liebe gegen ihren heimlichen Braͤutigam gefoltert, Tag und Nacht, und bestuͤrmte die guten Eltern mit den fuͤrchterlichsten Klagen, denen sie ihr Geheimniß nicht zu entdecken wagte.

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Diese meinten, daß sie dem Eigensinne ihres Kindes einige Zeit lassen muͤßten, glaubten, es wuͤrde sich schon alles geben, und gaben von ihrer Seite dem Advocaten das foͤrmliche Jawort, voͤllig entschlossen, es zu halten, und alle Beweggruͤnde zu gebrauchen, ihre Tochter fuͤr ihn zu gewinnen. Die Beweggruͤnde wurden auch angewandt; allein das Maͤdchen blieb bei ihrem Vorsatz, und nun haͤtte man billig nicht weiter in sie dringen sollen, weil Eltern kein despotisches Recht uͤber die Herzen ihrer Kinder haben koͤnnen, was auch dafuͤr gesagt werden kann.

Allein des ewigen Widersetzens muͤde, entschlossen sie sich endlich Gewalt zu brauchen, und das arme Maͤdchen zu zwingen. Die Art, wie es geschehen, weiß ich nicht; aber sie muß von der Art gewesen seyn, daß endlich das Maͤdchen vor Verzweiflung nicht mehr wußte, was sie machen sollte, und in der Verwirrung ihrer Empfindungen dem Advocaten gleichfalls das Jawort gab. Es wurde Verlobung gehalten, der junge Reiter erfuhr die erschreckliche Nachricht und ließ sich von Stund an nicht mehr in dem Pfarrhause sehen. Sein Entschluß war vermoͤge seines Eides gefaßt, er konnte ohne sein Maͤdchen nicht leben, sie war ihm, wie er glaubte, ungetreu geworden, und seine Pistolen wurden geladen an sein Bette gehaͤngt, um bei erster Gelegenheit seinen moͤrderischen Vorsatz auszufuͤhren.

52

Einige Wochen vor der zu haltenden Hochzeit hatte man dem jungen Brautpaar zu Ehren auf dem Amthause zu W einen Ball gegeben. Der junge Reiter hatte sich des Abends heimlich unter die Zuschauer gemischt, hatte seine Geliebte tanzen gesehen, und dieser Anblick hatte die ganze Wuth seiner rachsuͤchtigen Liebe rege gemacht. Er rennte gleich einem tollen Menschen davon, nahm die geladenen Pistolen von seinem Bette, und erwartete an der Kirchhofsmauer das junge Brautpaar, welches den Weg dort vorbeipassiren mußte. Endlich kam auch die Ungluͤckliche mit ihrem Braͤutigam an der Hand an. Der Reiter trat hervor (es war dunkle Nacht) und bath seine Geliebte, daß er nur einen Augenblick mit ihr allein gehen duͤrfte. Sie wand sich von dem Arme ihres Braͤutigams loß, indem sie ihm zu verstehen gab, daß sie gleich wieder bei ihm seyn wuͤrde; aber sie kam nicht wieder, man hoͤrte in dem Augenblick einen Schuß, und todt lag das ungluͤckliche Maͤdchen zu den Fuͤßen ihres Moͤrders, als der Braͤutigam herzu lief. Nun bist du wieder mein! rief der Moͤrder aus, ich werde dich bald, bald wieder sehen, und mit den Worten verschwand er durch die Dunkelheit der Nacht beguͤnstigt, aber nicht um zu entfliehen, nein! er eilte von der ermordeten Geliebten gerades Wegs nach dem naͤchsten Gerichtsorte, gab sich selbst als Moͤrder des Maͤdchens an, und verlangte, daß man ihm so bald als moͤglich sein Recht geben und hin -53 richten moͤchte, welches auch nicht lange darauf geschah. Das Grab des Maͤdchens deckt ein Leichenstein, auf dem ein Herz, woraus Flammen emporsteigen und das von einem blutigen Pfeil durchbohrt wird, eingehauen, und noch bis diesen Tag zu W zu sehen ist.

D au.

19C. S. H.

4. Raserei aus Liebe und Todesfurcht.

20

Vor etwa 6 oder 7 Jahren kamen zwei Frauenzimmer nach Cassel, eine, die sich Madam Zouck nennen ließ, die andere war Madem. Raucour die beruͤhmte franzoͤsische Schauspielerinn. Die letztere war wuͤrklich eine vortreffliche Kuͤnstlerinn. Jch stand immer in dem Wahne, daß die franzoͤsischen Truppen von Komoͤdianten, die ich gesehen hatte, zwar wohl schlechter, als die große Pariser seyn; allein doch nur davon unterschieden waͤren, wie das Schlechtere von dem Bessern in einerlei Gattung. Als ich aber Mademois. Raucour spielen sah, merkte ich wohl, wie sehr ich mich geirret hatte. Alle andere Personen des Casselschen Theaters sahen ordentlich laͤcherlich gegen sie aus, so sehr stachen sie in ihrem Spiel ab. Keine Beschreibung54 kann einen Begriff davon machen, und nun gestehe ich gern, daß eine Nation, die ein Schauspiel besitzt, wo die Acteurs im Ganzen von gleicher Vollkommenheit sind, mit Recht darauf stolz seyn kann.

Dergleichen Talente besaß Madam Zouck nun gar nicht, und hatte weder an Gestalt noch am Geiste das geringste mit einer Lais oder einer Sappho Gleiches, mit denen sie nur wegen einiger moralischen Beschaffenheit etwas Aehnliches besaß. Diese Madam Zouck machte großen Aufwand, und endlich kaufte sie eine Meierei vor einem der Thore von Cassel, die der H ischen Familie dort gehoͤrte. Da wohnte sie eine Zeitlang, bis sie sich auf einmahl mit ihrer Begleiterinn aus Cassel wegmachte, ohne daß man recht wußte, wohin. Mademois. Raucour ging wuͤrklich nach Paris, wo sie den Schauplatz nach Berichtigung ihrer Angelegenheiten mit großem Beifall wieder bestiegen hat. Madam Zouck trieb ihr Wesen aber an andern Orten; man hoͤrte von einem Unfalle mit einem Sturz vom Pferde, den sie im Leipziger Lager gehabt haben sollte, bis sie endlich ganz unerwartet wieder nach Cassel kam, nachdem sie ein Moratorium wegen der zuruͤckgelassenen Schulden erhalten hatte.

Nicht lange darauf veranlaßte sie folgenden sehr seltsamen Zufall. Da sie die H-ische Meierei gekauft hatte, so blieb noch deßhalb eine Menge Sachen wegen der Bezahlung zu berichtigen. Dies machte, daß der Secretaͤr H , ein Sohn aus55 dieser Familie, oft dieserwegen zu ihr gehen mußte. Dieser, der an sich schon von verliebter Complexion war, konnte ein Frauenzimmer, dem noch manche Reste von ehemaligen Reitzen uͤbrig blieben, nicht so oft sehen, ohne sich heftig in sie zu verlieben. Man versichert, er habe sie heirathen wollen, und daß er ihr ein Geschenk mit einigen Juwelen in dieser Ruͤcksicht gemacht. Jn wie weit die Sache von ihrer Seite Ernst gewesen seyn mag, kann ich nicht sagen. Aber kurz, der allgemeine Ruf sagt: sie habe ihm kurz vor seinem Umfalle die Juwelen zuruͤckgeschickt, mit einem Billet, worinn sie ihm den ganzen Handel aufsagte.

Dies kraͤnkte ihn, als einen heftigen Liebhaber, sehr, und er lief zu ihr, um die Zuruͤckberufung dieses harten Urtheils zu bewuͤrken. Es beehrte aber ein sehr vornehmer Herr zu Cassel die Madam Zouck oft des Morgens mit einem Besuche, und so trug es sich zu, daß, da der Secretaͤr eben mit ihr in einem sehr lebhaften Gespraͤch uͤber seine Angelegenheiten begriffen war, dieser sehr vornehme Herr herein trat. Daruͤber ward der arme Mensch aͤußerst erschrocken, und eilt todtenblaß zum Zimmer hinaus. Draussen trifft er den Laͤufer des Herrn an, und bittet ihn hoͤchlich, seinem Herrn ja nicht zu sagen, wer er waͤre. Der Laͤufer antwortet ihm, daß ihm dies gar nichts helfen wuͤrde, weil ihn sein Herr schon hinlaͤnglich kenne. Darauf geraͤth er gaͤnzlich in Verwirrung, faͤllt56 dem Laͤufer zu Fuͤßen, bittet, er soll fuͤr ihn bei seinem Herrn um Gnade flehen, und was des Unsinnes mehr ist. Darauf laͤuft er in der heftigen Gemuͤthsbewegung nach Hause, laͤßt sich etliche Bouteillen der hitzigsten Weine geben, trinkt sie aus, und arbeitet dabei bis spaͤt in die Nacht hinein. Diese physischen und moralischen Angriffe konnten endlich Leib und Seele nicht mehr aushalten. Er wirft sich aufs Bette, schlaͤft ein, erwacht aber bald in der heftigsten Raserei, wobei er immer wechselsweise von seinem vermeintlichen Vergehen, von seiner Furcht, deßhalb am Leben gestraft zu werden, und von seiner Geliebten spricht, von der er stets das Schnupftuch fest in seinen Haͤnden gehalten haben soll. Nach etlichen Tagen legt sich die heftige Wuth, aber nicht die Raserei, sondern es verwandelte sich die Krankheit in eine voͤllige Hydrophobie, in der der ungluͤckliche Mann, ohne am Ende ein Wort zu sprechen, nach einem fuͤnf - bis sechstaͤgigen Krankenlager den Geist aufgegeben hat.

Dies ist die Geschichte, so wie ich sie von denglaubwuͤrdigsten Personen habe erfahren koͤnnen, da die ganze Stadt in der Zeit (es war ohngefaͤhr im November) davon voll war. Sollten einige Umstaͤnde der genauen Wahrheit nicht gemaͤß seyn, so will ich sehr wuͤnschen, daß man sie berichtige, denn die Geschichte verdient es, und ist in der That merkwuͤrdig. Jndem ich sie bekannt mache, glaube57 ich etwas zur psychologischen Kenntniß der Menschen beigetragen zu haben.

Der Mann, dem dieses begegnet ist, war uͤbrigens seiner koͤrperlichen Beschaffenheit nach ein kleiner ganz ausserordentlich dicker Mann. Sein Verstand war mittelmaͤßig, sein Character ganz gut und ehrlich, aber ein wenig zum Wohlleben und zum Genuß aller Vergnuͤgungen, und zwar nicht immer der von der feinern Art, geneigt. Jn allen diesen Ruͤcksichten schien er einer so starken Erschuͤtterung noch weniger ausgesetzt, als man es sonst von Tiefdenkenden wohl glaubt. Gewiß, wer den Mann gekannt hat, wird die Geschichte noch besonderer finden, als ich sie Jhnen beschreiben kann.

22 n.

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Zur Seelennaturkunde

1. Vermischte Gedanken uͤber Denkkraft und Sprache.

23

Die menschliche Seele denkt, wenn sie vergleicht. Durch das Gefuͤhl, daß sie dieses kann; daß sie in sich selbst Veraͤnderungen hervorzubringen vermag, kommt sie zum Bewußtseyn ihrer Existenz, und weil jenes Gefuͤhl von dem Standpuncte abhaͤngt, aus welchem sie die Welt betrachtet, ihrer individuellen Existenz. Sie verliert aber ihr eigenes Bewußtseyn, wenn sie nicht mehr Jdeen mit Jdeen vergleichen, folglich den Standpunct ihrer individuellen Existenz sich nicht mehr vorstellen kann.

Die Schnelligkeit und Richtigkeit ihrer Vergleichungskraft bestimmt die Grade ihres intellectuellen Werths, so wie auch ihrer einzelnen Denkvermoͤgen, des Witzes, Scharfsinnes, der moralischen Urtheilskraft und des von diesen allen abhaͤngenden Geschmacks.

So lange die Seele keine materiellen Jdeen mit einander vergleichen kann, folglich sich ihrer nicht59 bewußt ist, kann sie auch nichts von einander, selbst auf eine dunkele Art nicht von einander unterscheiden; folglich kann es auch keine angeborne Begriffe geben.

Hiemit laͤugnen wir aber gar nicht, daß die Seele schon eine Modification zum Denken mit auf die Welt bringe, auch schon vor der Geburt des Koͤrpers unzaͤhlige Vorstellungen; aber in einem andern Organe gehabt haben koͤnne.

Die ersten Grundbegriffe alles menschlichen Denkens, sind sinnliche Eindruͤcke auf unsere Organe. Es wird vielleicht nie entschieden werden, ob sie durch eine Art wuͤrklicher Jmpression, oder vermoͤge subtiler Schwingungen der Nerven der Seele bemerkbar werden. So fein auch jene Jmpressionen und Schwingungen angenommen werden, so wird es doch immer den Materialisten schwer werden, die Kraft des Denkens selbst daraus herzuleiten.

Anfangs weiß das Kind von jenen Grundbegriffen weiter nichts, als daß etwas in ihm dadurch veraͤndert wird, und in so fern ist es immer nur noch blos Thier. Das sich nach und nach entwickelnde Bewußtseyn ihrer Verhaͤltnisse, die erstlich von aussen durch die Verschiedenheit sinnlicher Objecte, und zweitens von innen durch die Grade des Denkgefuͤhls der Seele bemerkbar werden, macht hernach den großen Unterschied zwischen blos animalischer und animalisch-beseelter Natur aus.

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Ohne jene ersten sinnlichen Grundbegriffe laͤßt sich eben so wenig eine Aeußerung der menschlichen Denkkraft uͤberhaupt sowohl als insbesondere, als eine Zahl ohne Einheit denken. Sie sind die Faͤden, an welche sich alle folgende Vorstellungen bald auf eine naͤhere, bald eine entferntere Art anknuͤpfen, ohne daß die Seele einmahl darauf merkt. Aus diesem Anknuͤpfen unsrer Jdeen an jene ersten Grundbegriffe lassen sich viele Erscheinungen in der empirischen Psychologie erklaͤren, die anfangs widernatuͤrlich schienen.

Es giebt keine Jdee, welche isolirt in der Seele befindlich seyn koͤnnte, sondern sie steht allemahl mit mehrern in einem Zusammenhange, dieser Zusammenhang mag nun willkuͤrlich oder unwillkuͤrlich seyn. Aus der angenommenen Einfachheit der Vorstellung kann also nicht wohl auf die Einfachheit der menschlichen Seele geschlossen werden.

Die Art und Weise, wie Jdeen andere in uns erzeugen, ist unendlich verschieden; unterdessen liegen doch nur einige psychologische Gesetze zum Grunde, nach welchen jene Aufweckung der Jdeen durch andere geschehen muß, diese Gesetze sind im Wachen und Traume die nehmlichen und lassen sich unter folgende Classen der Association allgemein zusammenfassen. Jdeen erzeugen andere theils aͤhnliche, theils unaͤhnliche,

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1) wenn Gegenstaͤnde in Absicht des Orts, der Zeit, der Zahl, der Folge coexistiren.

2) Wenn, und so oft die Seele von Ursach auf Wuͤrkung und umgekehrt schließt, eben so vom Ganzen auf die Theile.

3) Vermoͤge des Contrasts.

Wenn es Zustaͤnde giebt, worin die Seele auf Jdeen faͤllt, die gar keinen Grund in den vorhergehenden haben, so liegt dies entweder an der gaͤnzlichen Neuheit der Objecte, die unsere Organe beruͤhren, oder an[ einem] innern Sprung unserer Jmagination, die von der kleinsten Aehnlichkeit oft ganz anders modificirt wird, oder auch[ an] einer eigenen Kraft der Seele aus sich Jdeen zu schaffen (die gar keinen Grund in andern Jdeen haben); obgleich diese Kraft noch nicht ganz erwiesen ist.

Wir denken uns eine Sache deutlich, wenn sich unsere Seele die Grade des Unterschiedes von andern Dingen gleichsam abzaͤhlt. Es gehoͤrt also zu jedem deutlichen Begriffe der Seele einige Zeit, die sie sich nimmt, jeneGrade sich nach einander vorzustellen, obgleich die Seele dieser Zeit wegen die Schnelligkeit ihrer Denkkraft nicht fuͤhlt, um so viel weniger, da die Sprache durch ein fuͤr die Sache bestimmtes hoͤrbares Wort die Seele schnell auf einen Punct zieht. Deutliche Begriffe sind eine angenehme Modifikation der menschlichen62 Seele, weil sie dabei sich am meisten der Kraft ihrer Selbstthaͤtigkeit bewußt ist; aber dies gilt nicht bei allen deutlichen Begriffen. Das innere Streben der Seele nach Licht, macht daß sie ihre Selbstthaͤtigkeit oft mehr fuͤhlt bei dunkeln Jdeen, als bei voͤllig deutlich gefaßten Begriffen. Wir moͤgen nicht immer eine abgeschnittene Graͤnze vor uns sehen. Daher die große Neigung zum Wunderbaren.

» Unser eigenes Gefuͤhl sagt es uns, daß wir nichtimmer denken; sondern, daß sich unsere Seele oft in dem Zustande einer gaͤnzlichen Unthaͤtigkeit befindet. Die Ohnmacht, der Schlaf, wenn wir nicht traͤumen, die muͤßige Gedankenlosigkeit des phlegmatischen Dummkopfs ist offenbar ein solcher Zustand des Nichtdenkens. Auch laͤßt sichs wohl nicht laͤugnen, daß die Seele des neugebornen Kindes, welche Aristoteles mit Recht eine tabula[ rasa] nennt, anfangs ein voͤllig gedankenloses Wesen sey, welches sich seiner und anderer Dinge noch gar nicht bewußt ist und bewußt seyn kann «.

Mit diesen Gruͤnden hat man den bekannten Satz des Cartesius: daß das Wesen unsrer Seele im Denken bestehe, zu widerlegen gesucht. Andere Philosophen, die die Wichtigkeit jener Gruͤnde fuͤr zu wichtig hielten, als daß sie dem Cartesius Recht geben koͤnnten, haben daher lieber das Wesen der Seele in eine Kraft, ein Vermoͤgen zum Denken, oder Vorstellungen zu haben, gesetzt,63 ohne eine neue dadurch entstandene Schwierigkeit zu heben, daß nehmlich eine Kraft als Kraft nie unwuͤrksam seyn kann, weil eben diese Unwuͤrksamkeit sie ja selbst aufheben wuͤrde. Wir koͤnnen uns unter der Kraft, welchen Grad der Wuͤrksamkeit, welche Einschraͤnkungen wir ihr auch immer geben moͤgen, doch einmahl nichts anders, als eine gewisse Tendenz zu Handlungen erklaͤren,[ als] eine nothwendige innere Wuͤrksamkeit denken. Sobald diese Tendenz aufgehoben ist, ist auch der Begriff von Kraft vernichtet, und sobald ich mir die Seele ohne jene Tendenz, ohne die damit verbundene nothwendige und innere Wuͤrksamkeit vorstellen will, wird meine Seele ein Nichts, indem ich nichts unterscheiden kann, weil ich das Wesen einer Kraft in meiner Vorstellung vernichtet habe. Das Gefuͤhl von Nichtwuͤrksamkeit meiner Seele kann also keinen richtigen Beweis gegen den Satz des Cartesius abgeben, und dies um so viel weniger, da aus andern unlaͤugbaren Erfahrungen gewiß ist, daß es oft in uns Vorstellungen giebt, deren sich unsere Seele nichtbewußt ist. Jch muß mich hieruͤber naͤher erklaͤren.

Die Erfahrung lehrt es ja, daß wir oft in einem Augenblick durch eine unwiderstehliche Kraft und Gewalt mitten aus einer scheinbaren Unthaͤtigkeit unserer Seele herausgerissen und gleichsam blindlings zum Handeln und Denken fortgetrieben werden, ohne daß wir eine deutliche Vorstellung64 von den einzelnen Motiven unseres Willens angeben konnten, obgleich dergleichen Motiven absolut vorhanden seyn muͤßten. Hinterher aber fanden wir bei einer genauern Untersuchung unseres Seelenzustandes, daß gewisse dunkle Bilder der Phantasie, eine geheime Wuͤrkung der Himmelsluft auf unsere Organe, eine versteckte Jdeenassociation unseres Geistes, oft auch eine schnelle Reihe solcher Vorstellungen, die durch Gewohnheit und Mangel der Neuheit uns unbemerkbar geworden waren, den Grund von hundert unerwarteten Modifikationen unserer Seele in sich enthielten. Manche Bilder unserer Einbildungskraft eilen bei gewissen heftigen Bewegungen des Bluts und der Lebensgeister mit einer solchen Schnelligkeit voruͤber, manche Gedanken werden so leise und in so unmerklichen Nuancen mit einander umgetauscht, daß sie in dem Augenblick, wenn sie, um mich so auszudruͤcken, unter den Focus unseres Bemerkungskreises kommen, von uns nicht erkannt oder auch augenblicklich wieder aus unserm Gedaͤchtnisse verwischt werden. Eben so handelt die Seele gemeiniglich bei der Wahl gleichguͤltiger Gegenstaͤnde, wo sie keine Gruͤnde, den einen mehr als den andern zu begehren, zu haben scheint, nach einer oder mehrern dunkeln Vorstellungen, ohne daß sie sich derselben bewußt ist; und eine Menge anderer Gefuͤhle, die in uns vorgehen, sind durchaus nichts anders als Folgen eines schnellen Syllogismus, den die Seele65 gemacht hat, wovon ich nur das physiognomische Gefuͤhl anfuͤhren will, das seinen Grund blos in der Vorstellungskraft der Seele haben kann. Ferner ist der Zustand, worinn unsere Seele voͤllig unthaͤtig zu seyn scheint, immer noch mit einigem Bewußtseyn dieser Unthaͤtigkeit selbst verbunden. Wir bemerken die Leere der Gedanken, die in uns herrscht, indem wir den jetzigen Zustand (das negative) mit einem vorhergehenden thaͤtigen (das positive) vergleichen; ob wir gleich wieder von diesen Vergleichungsideen kein eigenes individuelles Bewußtseyn haben. Wir haben ein inneres Zeitgefuͤhl von der Dauer jener Unthaͤtigkeit, und oft eine dunkle Vorstellung von der noch daurenden Laͤnge derselben. Es ist bekannt, daß sich viele Leute so gewoͤhnt haben, daß sie in der Minute aufwachen, in welcher sie es sich den Abend vorher vorgenommen hatten. Wenn auch gleich hier die Gewohnheit nach und nach in dem Koͤrper eine solche Disposition veranlassen kann, daß die Seele um eine bestimmte Zeit aufwachen muß; so war doch diese Gewohnheit anfangs selbst nichts anders als ein dunklesZaͤhlen der Augenblicke, welches die Seele waͤhrend des Schlafs, ohne alles Bewußtseyn, denn wir fuͤhlen ja nichts davon, vornahm.

Man koͤnnte diese Betrachtungen noch durch viel mehrere Erfahrungsgruͤnde unterstuͤtzen, wenn es noͤthig waͤre, und ich will nur noch dies anfuͤhren. Unsere zusammengesetzten Vorstellungen, die wir ha -66 ben, uͤbersieht nach einer langen Uebung im Denken die Seele mit einem Blick, und hat ein deutliches Bewußtseyn derselben. Anfangs, wie die Seele sich dergleichen Begriffe zu machen anfing, mußte sie sich durchaus die[ einzelnen] Merkmahle der Begriffe einzeln vorstellen, sie mußte von den Theilen zu dem Ganzen schreiten. Nicht so handelt sie, wenn sie diese Begriffe schon oft wiederhohlt hat, wenn sie also mit einer groͤßern Schnelligkeit von den Vorstellungen einzelner Theile gleich zur completten Vorstellung des Ganzen uͤbergehen konnte; und doch muͤssen jedesmahl die Vorstellungen der einzelnen Theile vorhanden seyn, wenn auch die Seele daran gar nicht zu denken scheint. Denn man versuche es, und aͤndere einen dieser Theile, die Seele wird es gleich bemerken, und sich nun das Ganze auch anders vorstellen muͤssen.

Locke ist gar nicht fuͤr die Meinung: daß es in uns Vorstellungen ohne Bewußtseyn geben koͤnne. Jndem er die angebornen Wahrheiten bestreitet, giebt er zugleich uͤberhaupt zu verstehen, daß es keinen Eindruck in der Seele geben koͤnne, dessen sie sich nicht bewußt waͤre. Hier sind seine eigenen Worte.

[It's] seeming to me near a contradiction, to say, that there are truths imprinted on the soul, which it perceives or understands not; Imprinting, if it signify anything, being nothing else, but the making certain truths67 to be perceived. For to imprint any thing on the mind, without the mind's perceiving it, seems to me hardly intelligible To say a notion is[ imprinted] on the mind, and yet at the same time to say that the mind is ignorant of it, and never yet took notice of it, is to make this Impression nothing. No proposition can[ be] said to be in the mind, which it never yet knew, which it was never yet conscious of. Ess. of hum. Understanding B. I. Ch. II §. 5.

Wenn Locke darin auch voͤllig Recht hat, daß es keine angebornen Wahrheiten, wuͤrkliche mit der Seele zugleich entstandene χοιρας ερρθρας geben kann; so folgt daraus doch noch gar nicht, daß es uͤberhaupt gar keine Jmpressionen, keine Vorstellungen in der Seele geben kann, deren sie sich nicht bewußt ist. Die Wahrheiten, deren Existenz Locke als angeborne bestreitet, sind zum Theil metaphysische Saͤtze, die sich freilich ohne Nachdenken, ohne Bewußtseyn nicht in der Seele denken lassen, zumahl da ihre Begreiflichkeit sich auf eine schon bestimmte Wortsprache gruͤndet, von[ der] man ohnmoͤglich sagen kann, daß sie der Seele des Menschen auch angeboren waͤre; aber deswegen koͤnnen doch einzelne Vorstellungen und Eindruͤcke sich in unserer Seele befinden, ohne daß sie sich ihrer bewußt ist, und dergleichen Vorstellungen und Eindruͤcke giebts unendlich viele, die wirklich immer da sind, aber nicht68 eher in den Besinnungskreis des Menschen hervortreten, bis wir unsere Aufmerksamkeit auf sie richten. Ob, wie Bonnet behauptet, ein jeder jener Eindruͤcke[ eine] eigene Fieber des Koͤrpers noͤthig habe weiß ich nicht, kann Bonnet selbst nicht mit Gewißheit angeben.

Locke erklaͤrt sich uͤber den[ Cartesiusischen] Satz im 2ten Buch 1 Cap. des oben angefuͤhrten Buchs noch weiter. Jch gestehe es selbst, sagt er, daß ich eine von solchen ungeschickten Seelen besitze, welche es nicht selbst empfinden, daß sie stets mit Betrachtung der Begriffe beschaͤftigt sind, noch begreifen koͤnnen, daß die Seele nothwendig immer denken muͤsse. Die Empfindung der Begriffe ist, wie ich mir das Ding denke, der Seele eben das, was dem Leibe die Bewegung ist, nicht ihr Wesen, sondern eine von ihren Wuͤrkungen. Ob nun gleich das Denken als das eigentliche Seelengeschaͤft anzusehen ist; so hat man dennoch nicht noͤthig zu glauben, daß sie immer denke, stets wuͤrke. Dies ist vielleicht ein Vorzug des unendlichen Urhebers und Erhalters aller Dinge, der niemahls schlaͤft noch schlummert, und kommt[ keinem] endlichen Wesen zu, wenigstens nicht der Seele eines Menschen. Wir wissen es aus der Erfahrung mit Gewißheit, daß wir denken, und daraus machen wir den unfehlbaren Folgesatz, daß ein mit Denkkraft begabtes Ding in uns sey. Ob aber diese Substanz immerfort denkt oder nicht, davon koͤnnen wir nicht69 weiter versichert seyn, als es uns die Erfahrung lehrt. (Locke setzt hier, wie in andern Stellen, offenbar als schon erwiesen voraus, daß eine jede Vorstellung ein wuͤrkliches Bewußtseyn in sich schließen muͤsse.) Denn sagen, das wuͤrkliche Denken sey Wesen der Seele, und lasse sich von derselben nicht trennen, ist so viel als etwas, daruͤber noch gefragt wird, fuͤr gewiß setzen, und es nicht beweisen, welches doch geschehen muß, wenn es nicht ein an sich sonnenklarer Satz ist. (Man setzt ja aber auch den Satz ich nehme den strengen Cartesianer aus nicht als ein Axiom voraus, daß das Wesen der Seele im Denken bestehe, sondern man leitet ihn aus Vernunftbegriffen uͤber die Denkkraft des Geistes her, und nimmt an, daß eine Seele ein Nichts wird, sobald sie zu denken und zu empfinden aufhoͤrt.) Ob nun aber dieser Satz: die Seele denkt immer, ein an sich sonnenklarer Satz sey, dem jedermann Beifall giebt, sobald er ihn hoͤrt, daruͤber lasse ich alle Menschen in der ganzen Welt urtheilen. Jch zweifle, ob ich die ganze vergangene Nacht mit Jdeen beschaͤftigt gewesen bin, oder nicht. Da hier die Frage von einer geschehenen Sache ist; so ist es so viel, als sie fuͤr gewiß setzen, wenn man als einen Beweis davon einen uns angenommenen noch streitigen Satz anfuͤhrt. Auf solche Art kann jeder eine Sache beweisen. Jch darf nur voraussetzen, daß alle Uhren, so lange die Unruhe schlaͤgt, denken; so habe ich es zur Gnuͤge erwiesen, und es70 ist ausser allem Zweifel, daß sich meine Uhr vorige Nacht mit Gedanken beschaͤftigt hat. (Locke laͤßt sich hier durch ein Exemplum claudicans offenbar verfuͤhren, wer kann denn bei einer Maschine voraussetzen, daß sie denken kann, aber in Absicht der Seele kann und muß ich eine solche Denkkraft annehmen, weil sie sie wuͤrklich besitzt, und weil ein Geist ohne Kraft und Wuͤrkung doch durchaus ein leeres Nichts seyn muß.) Allein, wer sich nicht selbst betruͤgen will, der muß seinen angenommenen Satz auf einegeschehene Sache gruͤnden und die Wahrheit desselben durch die sinnliche Erfahrung beweisen, nicht aber die geschehene Sache glauben, weil sie seinem angenommenen Satze gemaͤß ist, das ist, weil er ihre Wahrheit voraussetzt.

Jch gebe es zu, daß die Seele bei einem Wachenden niemahls ohne Gedanken sey, weil dieses mit zum Wachen erfodert wird; ob sie aber im Schlafe, ohne Traͤume, denkt, ist eine andere Frage. Es ist schwer zu begreifen, daß man etwas denken, und sich dessen doch nicht bewußt seyn soll. Wenn die Seele in einem Schlafenden denkt, ohne sich dessen bewußt zu seyn; so frage ich, ob sie waͤhrend dieses Denkens Vergnuͤgen oder Verdruß empfindet, ob sie angenehmer oder unangenehmer Empfindungen faͤhig ist? Jch bin versichert, ein Mensch ist alles dessen so wenig faͤhig, als das Bette oder die Erde, worauf er liegt. Denn gluͤcklich oder un -71 gluͤcklich seyn, ohne daß man es weiß, scheint mir allerdings mit einander zu streiten. Jst es moͤglich, daß die Seele, so lange der Leib schlaͤft, ihre Gedanken, ihre Freuden oder Bekuͤmmernisse, ihr Vergnuͤgen oder ihren Verdruß fuͤr sich besonders[ haben] kann, ohne daß sich der Mensch dessen bewußt ist, so ist gewiß, daß der wachende Socrates und der schlafende Socrates nicht eben dieselbe Person ausmachen; sondern die Seele des Socrates, wenn er schlaͤft und wenn er wacht, sind zwei Personen, weil der wachende Socrates von der Gluͤckseligkeit oder von dem Verdruß seiner Seele keine Kenntniß hat, oder sich nicht darum bekuͤmmert. Seine Seele empfindet jene, und traͤgt diesen fuͤr sich allein, so lange er schlaͤft, ohne daß er etwas davon fuͤhlt. Es ist ihm daran nicht mehr gelegen, als an der Gluͤckseligkeit oder dem Elende eines Menschen in Jndien, den er nicht kennt. Denn nehmen wir von unsern Handlungen und Empfindungen, insonderheit von dem Vergnuͤgen und Verdruße alles Bewußtseyn weg; so werden wir schwerlich wissen, worin die persoͤnliche Einerleiheit (personal Identity. ) zu setzen sey. (Die bekannte Eintheilung unsrer Empfindungen in angenehme und unangenehme, und der daraus entspringenden Seelenzustaͤnde, Gluͤckseligkeit oder Ungluͤckseligkeit ist eine Eintheilung, die nicht erschoͤpfend genug ist. Es giebt unzaͤhlige Vorstellungen in uns, die nicht unter obige Rubrik gehoͤren, und von denen wir72 nicht angeben koͤnnen, ob sie wuͤrklich angenehm oder unangenehm sind, weil wir sie noch nicht deutlich genug uͤberschauen koͤnnen. Wir duͤrfen nur auf uns selbst Acht geben, und wir werden fast jeden Augenblick uͤberzeugt werden, daß uns unaufhoͤrlich eine Menge von Jdeen zustroͤmen, die wir nur bemerken, ohne einen angenehmen oder unangenehmen Eindruck derselben auf uns wahrzunehmen. Daß wir also im Denken des Schlafs auch entweder uns gluͤcklich oder ungluͤcklich fuͤhlen muͤßten, ist nicht psychologisch richtig. So wenig, wie uͤberhaupt Locke im Folgenden wird erweislich machen koͤnnen, daß wir im Schlafe nicht immer denken.)

Die Seele, sagen diese Leute, (nehmlich die[ Cartesianer]) denkt, so lange der Mensch im tiefen Schlaf liegt. Jndem sie denkt und empfindet; so ist sie ohne Zweifel sowohl der Gefuͤhle des Vergnuͤgens oder Schmerzes, als einiger andern faͤhig, und sie muß sich dessen, was sie empfindet, nothwendig bewußt seyn. Hat sie aber alle diese Gefuͤhle fuͤr sich besonders; so ist es klar, daß sich derselben ein Schlafender gar nicht bewußt ist. Wir wollen demnach setzen, es haͤtte sich die Seele des Castors im Schlaf aus seinem Koͤrper entfernt. Dies, was wir hier setzen, kann denjenigen nicht unmoͤglich vorkommen, welche so freigebig sind, daß sie allen andern Thieren ein Leben ohne eine denkende Seele zugestehen. Diese Leute koͤnnen es also nicht fuͤr etwas unmoͤgliches oder sich widersprechendes73 ansehen, daß der Koͤrper ohne Seele leben, oder die Seele ohne Koͤrper bestehen und denken, oder Empfindungen auch von Gluͤckseligkeit und dem Gegentheile haben kann. Wir wollen nun, sage ich, setzen, Castors Seele haͤtte sich waͤhrend des Schlafs vom Leibe abgesondert, um fuͤr sich allein zu denken. Wir wollen auch setzen, sie waͤhlte zum Schauplatz ihres Denkens den Koͤrper eines andern Menschen, z. B. des Pollux, der ohne eine Seele schlaͤft. Denn wenn des Castors Seele denken kann, indem er schlaͤft, wovon er doch nie etwas weiß, so ist nichts daran gelegen, was fuͤr einen Ort zum Denken er sich waͤhlt. Hier haben wir nun Koͤrper zweier Menschen, die nur eine Seele unter sich gemein haben, und von denen wir annehmen wollen, daß einer um den andern schlafe und wache, und daß die Seele in dem wachenden Menschen immer denke, wovon aber der andere, welcher im Schlafe liegt, niemahls etwas wisse, nie die geringste Empfindung habe. Jch frage also: ob nicht Castor und Pollux, da sie nur eine Seele unter sich gemein haben, die in dem einen denkt und empfindet, davon der andere nichts weiß noch sich darum bekuͤmmert, so wohl zwei unterschiedene Personen sind, als Castor und Hercules, oder als Socrates und Plato waren? Und ob der eine von ihnen nicht recht gluͤcklich, der andere hingegen sehr ungluͤcklich seyn kann. Eben so machen diejenigen aus eben der Ursache die Seele und den Menschen zu zwei Personen, welche vor -74 geben, die Seele denke fuͤr sich besonders, davon der Mensch sich nicht bewußt waͤre.

Vielleicht, faͤhrt Locke fort, wird man vorgeben, die Seele denke auch im tiefsten Schlafe; aber das Gedaͤchtniß behalte das Gedachte nicht. Allein es laͤßt sich schwer begreifen, daß die Seele eines Schlafenden diesen Augenblick mit Denken beschaͤftigt seyn, und sich doch nicht in dem naͤchsten Augenblicke, wenn er aufwacht, auf das geringste von allen solchen Gedanken besinnen kann. (Und ich behaupte, es laͤßt sich sehr leicht begreifen, weil mit dem wuͤrklichen Aufwachen zugleich eine Menge schwaͤcherer Vorstellungen, die wir waͤhrend des Schlafs gehabt haben, ausgeloͤscht werden koͤnnen, und weil wir an den Nachtwandlern tausend Handlungen, die sie waͤhrend des Schlafs vorgenommen haben, bemerken, davon sie beim Erwachen kein Wort wissen. Will Locke auch laͤugnen, daß die Seele dieses Menschen im Schlafe nicht wuͤrklich gedacht habe, oder kann sie vielleicht wuͤrklich zweckmaͤßige Handlungen bei dem Nachtwandler hervorbringen, ohne daß sie daran denkt? Nimmermehr! Es giebt Leute, die im Schlafe, ohne daß sie zu traͤumen scheinen, oder ohne daß sie sich des Traums hinterher bewußt sind, sehr vernehmlich reden, und wenn sie aufwachen, von Allem nichts wissen.) Dies bedarf eines bessern Beweises, als eine bloße Beziehung, wenn man es glau -75 ben soll. Denn wer kann es sich ohne weiteres Bemuͤhen, und nur weil man es sagt, einbilden, daß die meisten Menschen in ihrem ganzen Leben alle Tage etliche Stunden an etwas denken, sich aber, wenn sie auch mitten unter solchen Gedanken gefragt wuͤrden, ganz und gar auf nichts besinnen koͤnnten. Jch halte dafuͤr, die meisten Menschen bringen einen großen Theil ihres Schlafs ohne Traͤume zu. Jch habe einmahl einen Mann gekannt, der sich auf die Wissenschaften legte, und eben kein schlechtes Gedaͤchtniß hatte. Dieser erzaͤhlte mir, daß er niemahls getraͤumt haͤtte, als da ihn ein Fieber befallen, und ich glaube, man wird mehr dergleichen Beispiele antreffen.

Oft denken, und es nicht einen Augenblick behalten, ist ein vergebliches, unnuͤtzes Denken. Die Seele ist in einem solchen Zustande nicht viel besser als ein Spiegel, der bestaͤndig mancherlei Bilder oder Jdeen annimmt; aber keines behaͤlt. Sie verlieren sich und verschwinden wieder, und es bleiben keine Spuren davon zuruͤck. Der Spiegel wird durch solche Bilder niemahls vollkommner, noch die Seele durch solche Gedanken. Man wird mir vielleicht einwenden, bei einem Wachenden waͤren zugleich die Organe des Koͤrpers mit beschaͤftigt und wuͤrden mit zu seinem Denken gebraucht, auch das Gedaͤchtniß behielte solche Gedanken vermittelst der im Gehirn geschehenen Eindruͤcke, und der nach solchem Denken zuruͤckgelassenen Spuren; allein beim76 Denken der Seele, welches von einem Schlafenden jetzt wahrgenommen wuͤrde, haͤtte die Seele ihre Gedanken fuͤr sich allein, und ließe keine Eindruͤcke, und folglich kein Andenken solcher Gedanken nach sich, weil sie sich der Organe des Leibes nicht bediente. Ohne nun wieder anzufuͤhren, daß es ungereimt ist, wenn der Mensch zwo unterschiedene Personen ausmacht, welches aus dieser Meinung fließt, (und ich setze hinzu, welcher Gegenbeweis da Locke eigentlich nichts sagt, wie ich ein andermahl zeigen will) so antworte ich uͤberdem noch, daß es sich ganz vernuͤnftig schließen lasse, daß die Seele alle ohne Huͤlfe des Koͤrpers erlangte Begriffe auch behalten koͤnne, ohne des Koͤrpers dazu benoͤthigt zu seyn, oder es wird sonst die Seele, oder ein von seinem Koͤrper abgesonderter Geist von seinem Denken einen sehr geringen Vortheil haben. Kann die Seele sich nicht auf ihre eigene Gedanken besinnen, nicht zu ihrem Gebrauche aufbehalten, sich nicht ihrer vorigen Erfahrungen, Vernunftschluͤsse und Beobachtungen zu Nutze machen, was hilft ihr denn das Denken? (Dies beweist weiter nichts gegen die immer fortwuͤrkende Denkkraft der menschlichen Seele. Die Frage ist auch uͤberhaupt gar nicht, wozu ihr ein Denken oder Bewußtseyn noͤthig sey; sondern ob sie immer denkenkoͤnne, denken muͤsse. Es giebt ja ohnedem in der menschlichen Seele unzaͤhlige Vorstellungen, warum man nicht sagen kann, daß sie gerade einen gewißen77 Vortheil fuͤr unsern Geist in sich schloͤssen, der bemerkbar waͤre, genug wenn sie unsere Denkkraft in bestaͤndiger Wuͤrksamkeit erhalten, wohin auch jene gerechnet werden koͤnnen, deren wir uns nicht bewußt sind. Wenn Locke im Folgenden sagt: daß es schwer zu begreifen sey, daß unser unendlich weiser Schoͤpfer eine so vortreffliche Kraft, wie die denkende ist, eine Kraft, welche der Groͤße seines eigenen unbegreiflichen Wesens am naͤchsten kommt, geschaffen haben soll, damit sie auf eine so ungereimte und unnuͤtze Weise wenigstens den vierten Theil der Zeit mit Denken zubringen koͤnne; so laͤßt sichs wahrlich noch schwerer begreifen, wie Gott eine geistige Substanz habe schaffen koͤnnen, um den vierten Theil der Zeit ganz unthaͤtig zuzubringen. Eben so wenig kann Lockes Bemerkung gegen die bestaͤndige Wuͤrksamkeit der Denkkraft etwas beweisen, daß unsere Gedanken im Schlafe gemeiniglich verworren waͤren; genug, wenn wir nur immer denken, welches allein die Hauptfrage bei dieser ganzen Untersuchung bleibt.)

Diejenigen, welche es fuͤr so gewiß ausgeben, daß die Seele immer denkt, moͤchten doch auch zeigen, welches die Begriffe sind, die sich in der Seele eines Kindes entweder vor, oder gleich bei der Vereinigung mit dem Koͤrper finden, ehe sie noch einige durch die sinnliche Empfindung bekommt. (Diese Begriffe kann man freilich nicht individuell angeben; aber es ist hoͤchst wahrscheinlich, daß die Seele schon78[ in Embrio] Eindruͤcke annimmt, und vermoͤge dieser Eindruͤcke, obgleich noch auf eine sehr eingeschraͤnkte Art, wuͤrksam ist. Daß wir diese Eindruͤcke, welche den ersten Stof der Seele liefern, nicht behalten, ist sehr natuͤrlich, weil die Weiche des Gehirns und der Fiebern ihnen noch keine Dauer erlaubt.) Die Traͤume eines Schlafenden werden nach meiner Meinung alle aus Begriffen, die wir im Wachen gesammelt haben, zusammengesetzt. Hat die Seele ihre eigene Begriffe fuͤr sich, die nicht von der sinnlichen Empfindung oder der Reflexion herruͤhren, wie sie denn solche Begriffe haben muͤßte, wenn sie sich mit Gedanken beschaͤftigte, ehe sie von dem Koͤrper einige Eindruͤcke empfaͤngt; so ist es wohl etwas seltsames, daß sie bei ihrem geheimen Denken, welches so geheim ist, daß es der Mensch selbst nicht wahrnimmt, niemahls einige von solchen Begriffen den Augenblick, da der Mensch von seinem Traume erwacht, behalten kann. (Man hat bei der Behauptung einer bestaͤndigen Wuͤrksamkeit der menschlichen Denkkraft nicht noͤthig, angeborne Begriffe anzunehmen, wie hier Locke voraussetzt. Ein genaues Studium der menschlichen Seele lehrt uns, daß alle Veraͤnderungen unserer Vorstellungen und ihrer ersten[ Anfaͤnge] allein in der Erfahrung liegen, und wir setzen den Anfang der geistigen Thaͤtigkeit unserer Natur in den Punct unseres Daseyns hin, wenn die ersten Vorstellungen durch koͤrperliche Eindruͤcke in uns[ entstehen.]Die79 erste Vorstellung der Seele ist also, um mich so auszudruͤcken, der Anfangspunct ihres Lebens, ihrer Thaͤtigkeit, welche, wenn es Gott will, von diesem Puncte, von dieser ersten Vorstellung an bis in alle Ewigkeit hinaus dauern wird. Daß wir die erste Vorstellung nicht wissen, und viele tausend andere, die die erste Thaͤtigkeit der Seele bestimmen, ist kein Beweis, daß sie nicht da gewesen waͤren, so wenig ich behaupten kann, daß ich nicht getraͤumt haͤtte, weil ichs wieder vergessen habe.)

Wer kann es vernuͤnftig finden, faͤhrt Locke fort, daß die Seele waͤhrend des Schlafs sich in ihrer Einsamkeit so viel Stunden mit Gedanken beschaͤftigen soll, und gleichwohl niemahls keinen von den Begriffen antreffen kann, die sie nicht von der sinnlichen Empfindung, oder von dem Ueberdenken erborgt hat, und daß sie wenigstens keine andern, als nur solche behaͤlt, welche, da sie durch den Koͤrper veranlaßt worden, nothwendig einem Geiste nicht so natuͤrlich seyn muͤssen. (Locke meint in dieser etwas dunkeln Stelle, daß Begriffe, die uns eingepflanzt waͤren, von der Seele leichter bemerkt werden muͤßten, als die, welche wir erst durch den Koͤrper bekaͤmen, und gleichsam der Seele nicht so nahe, wie jene laͤgen.)

So weit Locke . Leibnitz hat ihn am kuͤrzesten durch seine Perceptio und Apperceptio zu widerlegen gesucht, ein Unterschied, der auch nach Erfahrungen offenbar in der Natur der menschlichen80 Seele gegruͤndet ist. Hier sind seine eigenen Worte uͤber die bestandige Wuͤrksamkeit der Seele.

Je tiens, que l'ame et même le corps n'est jamais sans action, et que l'ame n'est jamais sans quelques perception. Même en dormant on a quelque sentiment confus et sombre du lieu, ou l'on est, et d'autres choses. Mais quand l'expérience ne le confirmeroit pas, je crois, qu'il y en a demonstration. C'est à peu près, comme on ne sauroit prouver[ absolument] par les experiences, s'il n'y a point de vuide dans l'espace, et s'il n'y a point de repos dans la matière.

25P.

(Die Fortsetzung folgt.)

Bei der Untersuchung uͤber den Ursprung der Sprache in psychologischer Ruͤcksicht, die schon so viele Koͤpfe beschaͤftigt hat, stoͤßt man sehr natuͤrlich auch auf die Frage: Wie die Menschen nach und nach abstracte, uͤbersinnliche Begriffe, allgemeine Empfindungen, und die darauf gegruͤndeten moralischen Vorstellungen haben durch Zeichen ausdruͤcken lernen?

So leicht und natuͤrlich es ist, die Anfaͤnge einer Wortsprache fuͤr hoͤrbare Gegenstaͤnde anzuge -81 ben, indem die Menschen das Hoͤrbare nur durch ihre eigene Stimme nachahmen durften, und so ziemlich allgemein man jetzt annimmt, daß das Hoͤrbare den Anfang aller Wortsprache veranlaßt hat; so schwierig ist aber doch auf der andern Seite die Untersuchung einer Zeichensprache fuͤr abstracte Jdeen, und das um so viel mehr, weil uns alle historische Data uͤber die Sache fehlen. Wir koͤnnen ohnmoͤglich wissen, wenn sich dieser und jener abstracte Begriff der menschlichen Seele so aufdrang, so nahe lag, daß sie fuͤr ihn ein Wort suchen mußte; nicht, unter welchen Umstaͤnden sie dieses Wort fand, und welche Verbindung es mit dem uͤbrigen Vorrathe schon vorhandener Woͤrter hatte. Aber demohnerachtet koͤnnen wir dem wahrscheinlichen Gange der menschlichen Seele in Erwerbung abstracter Zeichen nachspuͤren. Jedes Volk, das sich eine Sprache erfand, wird zwar, wie auch die unendliche Verschiedenheit der Sprachen lehrt, einen eigenen Weg hierbei genommen haben; aber alle muͤßten doch auch hierbei den Eindruͤcken der Sinnlichkeit und der Analogie gefolgt seyn, vermoͤge welcher jeder rohe Mensch uͤbersinnliche Gegenstaͤnde durch koͤrperliche[ ausdruͤcken] wird, die mit jenen nach seiner Empfindung eine Aehnlichkeit haben, und wovon ich weiter unten reden werde.

Ehe wir uns uͤberhaupt eine Sprache denken, muͤssen wir uns allemahl eine Societaͤt voraussetzen, ohne welche der Mensch gewiß stumm geblieben seyn82 wuͤrde. Er wuͤrde zwar vor Schmerz geschrien, und aus Freude gelacht haben; aber er wuͤrde kein Wort aus diesen Naturaccenten gebildet haben, am allerwenigsten fuͤr abstracte Jdeen. Die Societaͤt zwang ihm also die Sprache gleichsam auf.

Ueberhaupt lernte nun wohl der Mensch naͤchst den hoͤrbaren Gegenstaͤnden die Begriffe ausdruͤcken, welche ihm am allernaͤchsten lagen, und sich auf hoͤrbare Leidenschaften und Gemuͤtsbewegungen bezogen, und unter diesen vornehmlich Schmerz und Freude. Jener ist gewiß einer der ersten Lehrmeister der menschlichen Seele gewesen, und sie hat ihm ohnstreitig eine große Menge von Begriffen zu verdanken, die schon durch das natuͤrliche Aufsuchen der Mittel dagegen, durch die verschiedenen Arten des Schmerzes, und an so verschiedenen Theilen, und durch die mancherlei Leidenschaften, die er erregt, veranlaßt werden mußten. Die bloße Geberdensprache konnte bei manchen Voͤlkern lange hinreichen, den Schmerz auszudruͤcken; allein bei einiger Bildung der Seele mußte sie einen Drang in sich fuͤhlen, auf eine deutlichere Art sich Geschoͤpfen ausdruͤcken zu koͤnnen, welche mit ihr sympathisirten, und dies um so viel mehr, da sich der Schmerz von Natur hoͤrbar macht, und seine eigenen Modulationen hat. Dieses Hoͤrbarmachen besteht anfangs freilich nur in unarticulirten Toͤnen, in einem thierischen Geschrei; aber der unarticulirte Ton konnte, wenn er etwa sehrauffiel, von einem83 angesehenen Manne kam, die Autoritaͤt eines wuͤrklichen Sprachworts bekommen und behalten, gesetzt, wenn er auch nur einen Vocal gehabt haͤtte; ob sich gleich der Schmerz oft durch Toͤne ausdruͤckt, die mehr Vocale haben, als einen. Jene Autoritaͤt erhielt aber das Wort nach und nach durch Widerhohlung und Nachahmung desselben. Man gab sich dadurch zu verstehen, wie dieser und jener seinen Schmerz ausgedruͤckt habe, und weil man hernach einen bestimmten Begriff von einem individuellen Schmerz hatte; so widerhohlte jeder Leidende in dem kleinen gesellschaftlichen Cirkel, der ihn erfand, jenen Ton, und er wurde ein Wort, ein Ausdruck, und ein Merkmahl des Schmerzes, Nomen und Verbum zugleich, dessen Jnfinitiv lange ohne Zeit und Personen ausgedruckt wurde. Wahrscheinlich bildete endlich auch die Reflexion aus dem Naturlaute des Schmerzes das abstracte Wort fuͤr denselben, und nahm dazu die Vocale, welche bei dem Ausdruck des Leidenden immer wieder vorkamen, als Elemente des abstracten Worts. Das genaue Wie laͤßt sich freilich hier nicht ausmachen, und kein einziger der bekannten Schriftsteller, die uͤber den Ursprung der Sprache geschrieben haben, hat es gewagt, das alte und erste abstracte Urwort fuͤr den Schmerz, oder jeden andern abstracten Begriff anzugeben.

Condillac hat ohngefaͤhr diese Meinung vom Urspruͤnge der Sprachen (Essai sur l'origine des con -84 noissances humaines Vol. II.). Nach seiner Meinung waren die Toͤne der Leidenschaften, die uns thierisch-eigen sind, gleichsam die Wurzelwoͤrter der Sprache, und Condillac hat nicht ganz Unrecht; ob er freilich so wie andere nicht hat zeigen koͤnnen, wie sich aus den Naturlauten haben Woͤrter bilden koͤnnen. Herder, welcher ihn getadelt hat, ohne selbst eine bestimmte Erklaͤrung des ersten Ursprungs der Sprache anzugeben, meint, daß aus dem blos toͤnenden Ausdruck der thierischen Leidenschaft nimmermehr eine Sprache habe entstehen koͤnnen, (Siehe dessen Abhandlung uͤber den Ursprung der Sprache. Berl. 1772.) so wenig als die Thiere, welche ihre Leidenschaften auch durch Toͤne ausdruͤckten, deswegen zu einer Sprachfaͤhigkeit geschickt waͤren. Allein der Unterschied zwischen Menschen und Thier ist doch auch selbst in Absicht der Naturlaute der Leidenschaften sehr sichtbar. Der Mensch hat eine viel groͤßere Menge von Naturlauten vermoͤge der Modulation seiner Stimme in seiner Gewalt, als das Thier, und als Thier wuͤrde der Mensch auch gewiß nie eine Sprache zusammengesetzt haben; aber als Mensch konnte er anscheinliche Begriffe mit diesem und jenen Naturlaut verbinden und ihn zu einem Wortausdruck eines gewissen Gegenstandes, einer gewissen Empfindung machen. Freilich nach und nach, je nachdem die Reflexion mit in den Bau der Naturlaute durch weggelassene oder hinzugesetzte Silben einfloß. Eine85 Folge, die sehr natuͤrlich war, weil die menschliche Vernunft in den bloßen Naturlauten nicht Unterscheidung genug fand, um eine groͤßere Anzahl von Dingen auszudruͤcken. Sie fing die Woͤrter aus den Naturlauten eigentlich aus innern Denkinstinct zu bilden an.

Zwischen den Ausdruͤcken des koͤrperlichen - und Seelenschmerzes war anfangs wahrscheinlich kein Unterschied, weil beide sich fast auf einerlei Art in dem rohen Menschen ausdruͤcken. Vielleicht brauchte man einerlei Naturlaute in beiden Faͤllen; aber mit einer verschiedenen staͤrkern oder schwaͤchern Modulation der Stimme. Der koͤrperliche Schmerz ist heftiger und gemeiniglich wuͤthender als innere Traurigkeit des Gemuͤths, druͤckt sich kuͤhner und staͤrker aus, als diese, welche in mildern Toͤnen und in einer stillern Sprache des Gesichts klagt. Da aber auch dieser Unterschied nicht ganz zureicht, beide Arten von Schmerz deutlich zu unterscheiden; so wurde der Schmerzensausdruck, welcher einem Leidenden bei einer innern Bekuͤmmerniß entfuhr und etwas auffallendes an sich hatte, wahrscheinlich das Nomen oder Verbum fuͤr ein Seelenleiden, auch wohl gar der abstracte Ausdruck des Leidens uͤberhaupt; vielleicht auch durch einen Vorsatz oder Nachsatz einer Silbe, eines Vocals, das Wort fuͤr die Ursache des innerlichen Schmerzes. Doch ich habe schon oben gesagt, daß das eigentliche Wie hievon nicht angegeben werden kann.

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Die Toͤne, die durch Reflexion bestimmten Naturlaute des Schmerzes waͤren also nach meiner Meinung mit die ersten Stammwoͤrter im Lexico einer anfaͤnglichen Sprache gewesen. An sie mußten sich sehr natuͤrlich die anschließen, welche aus einer froͤlichen Gemuͤthsstimmung herruͤhrten. Toͤne des innern Freudengefuͤhls, des Wohlbehagens, der Liebe und Zaͤrtlichkeit. Ein neues Feld fuͤr die Entwickelung der ersten Sprache. Der Affect der Freude toͤnt anders, als der des Schmerzes, druͤckt sich am ganzen Koͤrper anders aus. Das Sprachbeduͤrfniß muß also auch aus dem Naturlaute desselben andere Nomina, andere Verba bilden, und unter diesen werden diejenigen wieder die ersten seyn, welche etwas sehr Auffallendes an sich hatten, eine gemeinschaftliche Nachahmung einer ganzen Gesellschaft verursachten, und durch das Ansehn der Person einige Autoritaͤt erhielten. Viele werden aber auch durch bloßen Zufall Nennwoͤrter der Sprache geworden seyn,[ der] uͤberhaupt keinen geringen Antheil an ihrer Ausbildung gehabt haben mag.

Die elterliche Liebe sowohl als die eheliche, die wir allerdings schon im rohen Zustande der Menschheit wider Rousseaus Meinung annehmen koͤnnen, ist gewiß eine sehr reiche Quelle von Woͤrtern gewesen; vorausgesetzt, daß wir den ersten Menschen als ein erwachsenes Geschoͤpf mit menschlichen Anlagen denken. Die Mutter muß einen Namen fuͤr ihr Kind haben, und sie giebt ihm ei -87 nen, um es von andern zu unterscheiden, und im Fall der Noth rufen zu koͤnnen. Diese ersten Nomina propria kamen wahrscheinlich zuerst von einer[ hervorstechenden] Eigenschaft des Gemuͤths, oder von einem besondern Umstande der Geburt des Kindes her. Aber die Mutter will es nicht blos nennen, sie will ihm seine Liebe zu erkennen geben, und bedient sich der Naturausdruͤcke der muͤtterlichen Zaͤrtlichkeit, welche eine ganz besondere Art der Naturlaute sind, und sich durch eine sanfte Milderung der Stimme auszeichnen. Sie giebt dem Kinde Namen von Gegenstaͤnden, die ihr sonst schon angenehm waren, sie fuͤhrt ihm Sachen, Thiere vor, und macht die Stimme[ derselben] nach, um sie zu unterscheiden, und erweitert dadurch nicht nur den Jdeenkreis des Kindes, sondern auch sein Sprachbeduͤrfniß.

Abstracte Woͤrter fuͤr alle dergleichen zaͤrtliche Empfindungen bildet die Seele wiederum durch Reflexion, so wie die fuͤr den uͤbrigen großen Theil abstracter Kenntnisse, deren Ursprung aber ohnmoͤglich individuell angegeben werden kann. Der allgemeine wahrscheinliche Weg, den die menschliche Seele hierbei nimmt, ist wohl der, daß sie wegen einer bemerkten Aehnlichkeit zwischen einzelnen und koͤrperlichen Gegenstaͤnden den Wortausdruck[ derselben] auf geistige hinuͤbertraͤgt, und also das Uebersinnliche anfangs selbst unter einem Bilde ausdruͤckt. Alle alte Sprachen wim -88 meln von dergleichen Bildern fuͤr abstracte Gegenstaͤnde. So wurde Gott wahrscheinlich unter dem bildlichen Ausdrucke des Donnerers, der Zorn unter dem eines rasenden Menschen, die Wachsamkeit unter einem Auge, die Liebe im Bilde der Umarmung, die Schnelligkeit mit einem Pfeil, oder schnell laufender Thiere u.s.w. vorgestellt. Der Ausdruck des Bildes wurde allgemeiner Ausdruck, ein abstractes Wort, welches freylich vielerlei Sinonime haben konnte; aber doch immer Allgemeinausdruck blieb.

26P.

(Die Fortsetzung folgt.)

2. Ueber den Einfluß der Finsterniß in unsere Vorstellungen und Empfindungen, nebst einigen Gedanken uͤber die Traͤume.

27

Gewisse Gedanken und Empfindungen der menschlichen Seele werden gemeiniglich erst dann in uns rege, wenn die ganze Natur um uns her finster und still wird. Ein aufmerksamer Beobachter seiner selbst kann leicht die Erfahrung machen, daß man, wenn uns Stille und Finstemiß umgeben, wenn unser Geist89 sich aus dem sichtbaren Schauplatze der Welt gleichsam in sich selbst zuruͤckzieht, oft ganz anders denkt und empfindet, als bei Tage; daß gerade alsdann und sonst vielleicht nie oft die sonderbarsten und laͤcherlichsten Mißgeburten von Gefuͤhlen und Begriffen in uns entstehen. So dunkel und verworren diese Begriffe und Gefuͤhle aber auch immer seyn moͤgen; so lebhaft wuͤrken sie doch gemeiniglich auf unsere Einbildungskraft, ja selbst auf unser Herz, und empoͤren sich nicht selten gegen die moralischen Grundsaͤtze unserer Natur.

» Jch fuͤrchte mich immer, sagte mir neulich ein rechtschaffener und gelehrter Mann, vor den Augenblicken, die vor dem Einschlafen hergehen. Gemeiniglich habe ich dann wider meinen Willen und ohne alle Veranlassung mit den unschicklichsten Gedanken zu kaͤmpfen, die meine Sittlichkeit und Tugend beleidigen, und sogar dann oft meine Seele mit ihren haͤßlichen Bildern durchkreutzen, wenn ich mein Gebet zu Gott richte. Nie fallen mir gewisse die Gottheit und goͤttliche Dinge entehrende Praͤdicate so deutlich ein, als wenn ich mich in mein Bette gelegt und das Licht ausgeloͤscht habe, und nie sehe ich die verfuͤhrerischesten Bilder der Sinnlichkeit mit allen ihren gefaͤlligen Reitzen so lebhaft vor mir herumtanzen, als wenn ich einschlafen will. Von diesen Augenblicken, fuhr er fort, haben vornehmlich junge Leute beiderlei Geschlechts sehr viel zu fuͤrchten. Jhre lebhafte Phantasie mahlt ihnen90 alsdann allerlei Scenen der Wollust mit den hellesten Farben ab, und sie haben dadurch oft schon lange ihre Unschuld verloren, wenn sie gleich noch aͤußerlich schamhaft erroͤthen koͤnnen «.

Die Beobachtung, daß Stille und Finsterniß der Nacht unserm Denken und Empfinden gleichsam eine andere Richtung geben koͤnnen, kommt mir in der That in mehr als einem Betracht merkwuͤrdig vor. Jch finde vornehmlich in ihr einen Grund mehr, wie und warum der menschliche Verstand auf die sonderbare und unphilosophische Lehre von den Einwuͤrkungen boͤser Geister auf unsern freien Willen gefallen ist, und warum sich die Einbildungskraft der Menschen diese Geister immer unter den fuͤrchterlichsten Gestalten gemahlt hat*)*) Der Teufel wird fast von allen Voͤlkern, die an ihn glauben, schwarz und in einer scheußlichen Gestalt gemahlt. Die Canadier haben ihn mit der rothen Farbe und mit einer ziemlich menschlichen Gestalt beehrt. Er erscheint oft in einem praͤchtigen Kleide auf ihren Baͤllen, und man wuͤrde ihn nicht erkennen, wenn er seine Krallen, die selbst durch seine Handschuhe hervorstechen etwas besser verbergen koͤnnte, und den Damen nicht so oft seine bewafnete Hand zu reichen pflegte.. Natuͤrlich mußte jene unnatuͤrliche Lehre immer entstehen, indem man sich den Ursprung gewisser unanstaͤndigen Gedanken und Empfindungen der menschlichen Seele deswegen nicht erklaͤren konnte, weil sie91 ohne alle Veranlassung von aussen und nicht selten ganz wider unsern Willen in uns entstanden waren. Die Gewalt, welche oft solche unwillkuͤrliche Bilder begleitet, und durch die Schwaͤche einer unvorbereiteten Vernunft noch sehr vermehrt werden muß, hat die Menschen von je her destomehr angetrieben boͤse Geister anzunehmen, die uns nach ihrem Gefallen lenken und regieren koͤnnten.

Jch will es versuchen, uͤber jenen Zustand der menschlichen Seele, in welchem sie durch den Einfluß der Dunkelheit auf ihre Begriffe so oft ganz besonders gestimmt, oder eigentlich verstimmt wird, einige Betrachtungen anzustellen; ob ich gleich den Ursprung einer jeden individuellen Vorstellung jener Art nicht angeben kann. Wenn sich gleich unsere Einbildungskraft nach gewissen psychologischen Gesetzen richten muß, und darnach bestimmt wird; so ist sie doch in jedem andern Menschen anders, und ihre Modificationen muͤssen bei jedem einzelnen Menschen nach tausend Localumstaͤnden abgemessen werden, wenn man ihre Wuͤrkungen in Ruͤcksicht einzelner Menschen erklaͤren will. Vielleicht wuͤrden wir viel groͤßere Schritte in der Seelenlehre thun, wenn uns mehrere aufgeklaͤrte Maͤnner richtige und wahrhafte Tagebuͤcher ihrer Einbildungskraft mit den jedesmaligen Localumstaͤnden einzelner[ Erscheinungen] derselben mittheilen wuͤrden. Doch zur Sache!

92

Wenn die Zeit des Schlafs herannahet, so bemerken wir deutlich, daß in unserm Koͤrper sowohl als in unsrer Seele mancherlei Veraͤnderungen vorgehen. Jener geraͤth durch den Druck des Bluts auf unser Gehirn in einer Art Erschlaffung, welche mit einem wohlthaͤtigen Gefuͤhl der Ruhe verbunden ist, das gleichsam alle unsere Sinne berauscht. Jn dieser Berauschung verrichten unsere Organe nur gleichsam noch die Dienste der Jnvaliden, sie stellen uns die Objecte nicht mehr deutlich, sondern verworren dar, und unsere Seele nimmt aus schwesterlicher Bekanntschaft mit dem Koͤrper an diesem Zustande Theil. Es erfolgt eine unwillkuͤrliche Verwirrung ihrer Jdeen, welche Haller nicht ganz unrichtig ein delirium nennt. Unsere Gedanken verlieren und verwischen sich nach einander. Einige bleiben zuletzt noch mit einem dunkeln Schimmer in uns zuruͤck, bis auch diese nach und nach verschwinden, und unsere Seele, sich ihrer gaͤnzlich unbewußt, in den Zustand des Schlafs sinkt.

Jn dieser Zwischenzeit zwischen Schlaf und Wachen bemerken wir nun gemeiniglich jene bizarren, bald laͤcherlichen und unanstaͤndigen, bald auch fuͤrchterlichen Bilder, welche unsere Seele durchkreutzen, und deren Ursprung noch ein Raͤthsel in der Psychologie zu seyn scheint. Bisweilen erinnern wir uns alsdann auf einmahl, ohne eine Jdeenassociation in uns wahrzunehmen, aus der man sich das Erinnern erklaͤren koͤnnte, Dinge, die wir laͤngst93 vergessen hatten; es fallen uns Scenen aus unserer Jugend ein, die wir mit einer erstaunlichen Puͤnctlichkeit gleichsam vor unsern Augen voruͤbergehen sehen; oder wir erblicken einen hell leuchtenden Gegenstand, eine abscheuliche, menschliche Gestalt, eine Leiche, einen Abgrund, ein reitzendes Frauenzimmer, einen laͤcherlichen Kontrast zwischen zwei Gegenstaͤnden; oder wir hoͤren einen deutlichen Glockenschall, ein Wort wird uns ins Ohr gerufen, u.s.w.

Besonders merkwuͤrdig sind in diesem Mittelzustande der menschlichen Seele manche Empfindungen unseres Herzens und Gewissens. Mit einer innern lebhaften Wehmuth erinnern wir uns dann oft eines Fehlers unserer Jugend, welcher waͤhrend daß wir wachten, keine solche unangenehme Empfindung in uns zu erregen pflegte; wir erroͤthen in der stillen Einsamkeit der Nacht bei gewissen Gedanken vor uns selber, wenn wir gleich den ganzen Tag uͤber von diesem Gefuͤhl verschont wurden. Ein andermahl uͤberrascht uns eine huͤpfende Freude, ohne daß wir wissen, woruͤber wir uns freuen; eine Bangigkeit, ohne daß wir wissen, woruͤber wir bange sind. Wieder ein andermahl verlieren wir uns mit unsern finstern Gedanken in einem endlosen Himmelsraum, in unendlichen Zahlen und Kreisen, ja manche Menschen fuͤhlen in jenen Augenblicken heftige Unruhen uͤber die Gewißheit ihres Glaubens, und werden von ungluͤcklichen Zweifeln uͤber die94 Fortdauer ihrer Natur gefoltert, davon ich naͤchstens ein merkwuͤrdiges Beispiel mittheilen will.

Alle diese besondern Modificationen unserer Seele sind nichts anders als Folgen unserer durch Dunkelheit und Finsterniß der Nacht lebhaft gewordenen Einbildungskraft. Diese Kraft unserer Seele wuͤrkt zwar im Wachen bestaͤndig fort, und es geht nichts in jener vor, woran sie nicht bald auf eine naͤhere, bald entferntere Art Antheil haben sollte; allein sie bekommt alsdann die Alleinherrschaft uͤber unsern Geist, wenn sich unsere Sinne schließen. Nun bleibt diesem nichts mehr uͤbrig, was ihn von aussen zerstreuen koͤnnte, und er muß sich nun, wenn ohnehin seine Jdeen durch das Herannahen des Schlafs verdunkelt werden, unwillkuͤrlich dem Spiel seiner Phantasie uͤberlassen, die jetzt ohne Aufsicht des Verstandes, die im Wachen gesammelten Bilder unter einander wirft, und, noch ehe wir einschlafen, den Stof zu tausendterlei Traͤumen bereitet.

Unser Gefuͤhl im Wachen lehrt es uns ja uͤberdem schon, daß eine Empfindung oder Vorstellung nicht in einem so hohen Grade lebhaft werden kann, so lange neben ihr eine Menge anderer heterogener Empfindungen entsteht, welches im Wachen offenbar geschieht. Unaufhoͤrlich stroͤmen uns neue Vorstellungen alsdann zu. So lange also ein solcher Wechsel, ein solches Zustroͤmen von immer neuen Jdeen und Empfindungen da ist, und unsere Seele95 also (ich verstehe in einem gesunden Zustande) ihre Aufmerksamkeit theilen muß, pflegt auch unsere Einbildungskraft noch in ihren Graͤnzen zu bleiben. Sie kann nicht nach ihren eigensinnigen Launen handeln, wenn sie zu oft, wie im Wachen, gestoͤrt wird; aber sie nimmt an Staͤrke (so wie alle Kraͤfte der Seele) erstaunlich zu, wenn sie allein handeln kann*)*) Blinde Leute haben daher einen sehr hohen Grad von Einbildungskraft, welcher bei ihnen gleichsam den Sinn des Gesichts ersetzt. Jch ging vor einiger Zeit mit einem Musicus, der in seinem vierten Jahre durch die Blattern blind geworden war, in einem Garten spatziren. Jch fragte ihn: ob er wohl eine deutliche Vorstellung von einem Baume, seinen Fruͤchten, von diesen und jenen Blumen habe? Jch erstaunte, wie ich ihn diese Gegenstaͤnde mit einer Richtigkeit beschreiben hoͤrte, als ob er sie vor sich saͤhe. Jch habe alles, sagte er mir, von meinem dritten bis vierten Jahre so erstaunlich lebhaft in der Seele behalten, daß mir mein wuͤrkliches Gesicht selbst keine deutlichern Vorstellungen wuͤrde geben koͤnnen. Welche Vorstellung, fuhr ich fort, ist Jhnen aber wohl nach Jhrem Gefuͤhl die allerlebhafteste, die Sie in sich wahrnehmen? ein freundliches Laͤcheln verbreitete sich uͤber sein ganzes Gesicht, er druͤckte mir die Hand recht innig und lebhaft, und rief laut aus: die Vorstellung eines Maͤdchens, eines Maͤdchens!.

Aus eben dieser Alleinwuͤrksamkeit der Phantasie lassen sich nun vornehmlich die wolluͤstigen Bil -96 der erklaͤren, welche uns des Nachts beunruhigen und unsere Schamhaftigkeit beleidigen. Wenn der menschliche Koͤrper von den Arbeiten des Tages frei der Ruhe genießt, und die Seele mit ihrem Nachdenken sparsamer zu Werke geht, fuͤhrt die Einbildungskraft die Bilder der sinnlichen Beduͤrfnisse naͤher vor uns vorbei, einmahl, weil sie immer die oͤftern Vorstellungen der Seele in ihrem ruhigen Zustande zu seyn pflegen, und durch die Gewalt der Gewohnheit die staͤrksten geworden sind, und denn zweitens, weil durch die Entkleidung des menschlichen Koͤrpers, durch die weiche Lage auf dem Bette, und durch das Erinnern an verliebte naͤchtliche Zusammenkuͤnfte, vielleicht aus lange vergangenen Zeiten, unsere Phantasie sehr leicht und lebhaft gereitzt werden kann; sehr leicht, weil, wie ich schon gezeigt habe, sie nicht von sinnlichen Eindruͤcken des Nachts so oft gehindert wird; sehr lebhaft, weil sie sich, wenn unsere Augen geschlossen sind, gewisse Nudidaͤten viel deutlicher, als sonst, vorzustellen pflegt.

Etwas schwerer scheinen mir die Erklaͤrungsarten zu seyn, wie gewisse unanstaͤndige Praͤdicate uns gegen heilige Dinge, die wir doch schaͤtzen und lieben, einfallen, wenn wir unsere Augen schließen; woruͤber ich aber auch viel Leute habe klagen hoͤren, daß sie im voͤlligen Wachen damit geplagt waͤren. Jch vermuthe, daß Leuten, die sich dieser Gedanken nicht enthalten koͤnnen, und deren97 in[ Bernds] Lebensgeschichte, (siehe das vorhergehende Stuͤck) sonderbare Beispiele vorkommen, auf einmahl und ganz von ohngefaͤhr ein dergleichen unheiliger Gedanke sehr auffiel, indem sie ihn wuͤrklich von andern hoͤrten, z. B. ein Fluch gegen die Gottheit u.s.w.; oder indem Subject und Praͤdicat in ihrer Seele durch den Contrast zufaͤllig nebeneinandergestellt wurden. Wir sind diesen Empfindungen und Vorstellungen, welche das Gefuͤhl des Contrasts in uns erregt, auch in andern Stuͤcken unzaͤhlig oft unterworfen, und unsere Seele hat einen offenbaren Hang dem Contraste nachzugehen, daher ihn auch Hume als einen Verbindungsgrund unserer Jdeen annimmt*)*) Contrast or Contrariety is a connexion among Ideas: but it may, perhaps, be considered as a mixture of Causation and Resemblance. Where two objects are contrary, the one destroys tbe otber; that is, the cause of its annihilation, and the idea of the annihilation of an object, implies the idea of its[ formerformes] existence.Siehe Humes Versuch of the association of Ideas, worin noch manche andere herrliche Aufschluͤsse uͤber die Natur unserer Begriffe vorkommen..

Wir bemerken nehmlich eine Neigung und eine Leichtigkeit in uns, wenn wir uns eine Sache vorstellen, auch an ihr Oppositum zu denken,98 und diese Neigung hat ihren Ursprung ohnstreitig in der Erfahrung, indem wir nicht nur viel entgegengesetzte Dinge taͤglich um und neben uns wahrnehmen, sondern auch durch den Umgang mit andern, und durch die Natur der Sprache alle Augenblicke darauf hingefuͤhrt werden. Es kann uns also auch wohl sehr natuͤrlich ein unanstaͤndiges Praͤdicat zu einer heiligen Sache einfallen, welches ihr zwar selbst nicht eigen ist, welches wir ihr aber andichten, weil es als ein Oppositum unserer Neigung zum Contrast schmeichelt. Daß wir aber uns eines solchen Praͤdicats immer wieder so leicht erinnern, kommt wohl daher, weil es uns in seiner Verbindung mit einer heiligen Sache zu sehr auffaͤllt, und weil wir etwas Verbotenes dabei wahrzunehmen glauben, wozu alle Menschen eine Neigung haben. Haͤtte man immer diese Gruͤnde naͤher untersucht, so wuͤrde man nicht dergleichen Erscheinungen dem Teufel aufgeladen und eine Menge Menschen von den ungluͤcklichsten Gewissensunruhen leichte geheilt haben, die sich oft schon fuͤr verdammte Menschen hielten, weil sie jene unheiligen Gedanken nicht loswerden konnten.

Der Traum besteht in einer fortgesetzten Thaͤtigkeit unsrer Seele, wenn sich unsere Sinne geschlossen haben, und kann auf eine dreifache Art entstehen: 1) durch einen aͤußeren Anstoß, eine aͤußere Veraͤnderung unseres Koͤrpers; 2) durch eine innere99 Veraͤnderung desselben; 3) durch eine eigene Bewegung der Seelenkraft, ohne jene Veraͤnderungen des Koͤrpers, eben so, wie wir im Wachen unzaͤhlig oft Vorstellungen in uns wahrnehmen, welche alleinige Folgen unsrer Seelenkraft, ohne Eindruͤcke auf den Koͤrper sind.

Bei Traͤumen, die durch den aͤußern Eindruck gewisser Gegenstaͤnde auf unsern Koͤrper hervorgebracht werden, fuͤhlen wir nicht immer den Eindruck selbst, auch nicht immer in dem Organ, wo die Empfindung geschehen war, und endlich auch nicht immer gerade so, wie der Eindruck wuͤrcklich beschaffen war. Alles dies trifft auch bei den innern Veraͤnderungen des Koͤrpers zu, in so fern sie gewisse Traͤume veranlassen. Die Seele handelt in dem Augenblick, da sie im Schlafe etwas empfindet, so erstaunlich geschwind, daß sie nicht einmahl diese Empfindung zu bemerken scheint; sondern gleich zu neuen Jdeenreichen forteilt; wahrscheinlich vergißt sie in den mehresten Faͤllen gleich das Wo des sinnlichen Eindrucks, oder sie vergroͤßert und verkleinert nach Gefallen die Empfindung. Wir traͤumen z. B. daß wir einen ungeheuren Balken zwischen unsern Zaͤhen halten, hier hat die Seele das Wo ihrer Perception noch nicht vergessen; warum? das weiß ich nicht, genug sie hat es noch nicht vergessen. Endlich faͤngt uns der Balken zu stechen und zu druͤcken an, wir wachen auf, und finden, daß sich eine Feder des Bettes zwischen unsere100 Zaͤhen gedraͤngt hat. Doris hat einen Liebhaber, den sie inbruͤnstig liebt, sie geht mit den lebhaftesten Gedanken an ihn zu Bette, Joli ihr Hund liegt in ihren Armen, sie traͤumt, ihren Liebhaber bei sich zu haben, und druͤckt den armen Joli bei nahe zu Tode; in allen solchen Faͤllen setzt die Seele ihre Perception immer dahin, wo sie wuͤrklich entstand, nur daß sie andre Bilder mit der Empfindung vereinigt, und an diese Bilder, weil es andre Bilder sind, auch andre Empfindungen knuͤpft. Wir empfinden, sagt ich vorher, den sinnlichen Eindruck, der einen Traum veranlaßt, auch nicht immer in dem Organ, worauf oder worin er geschahe. Der Kitzel an einem Theile meiner Haut kann im Traume die Jdee in mir erwecken, daß ich eine Pastete esse, obgleich der Kitzel nicht unmittelbar auf meiner Zunge war. Der erste sinnliche Eindruck kann auch so schwach seyn, daß ihn die Seele uͤberhaupt nicht bemerken wuͤrde, wenn er nicht durch hinzugekommene andere Bewegungen in den Fibern endlich zur Seele gelangte. Ueberhaupt unterscheidet sich der Zustand des Wachenden auch dadurch von dem eines Traͤumenden, daß er den Ort der Empfindung angeben und dieser ihn nicht allemahl angeben kann, weil im Traum die Phantasie nicht eigentlich die Gegenstaͤnde, die von aussen auf uns wuͤrken, zu unterscheiden im Stande ist, und weil sich unsre Empfindungen alsdann leichte mit einander vermischen

101

Es fraͤgt sich, welche Art Traͤume die haͤufigsten sind, die, welche durch den Koͤrper, oder die, welche durch die Seelenkraft allein veranlaßt werden? Um dies genauer zu bestimmen, muͤßten wir den menschlichen Koͤrper wuͤrklich genauer kennen. Er kann tausend Gedanken und Empfindungen im Wachen sowohl als im Traum in uns veranlassen, ohne daß wir es wissen, daß er sie veranlaßt hat, und vielleicht giebt es keinen einzigen Traum, der nicht durch einen uns freilich oft unbekannten Einfluß des Koͤrpers aufs Gehirn veranlaßt wird, ob ich gleich nicht behaupten moͤchte, daß wir bei einer voͤlligen Gesundheit unsrer animalischen Maschine nicht traͤumen. Eben so schwer ist es nun auch zu beantworten, warum und wie die Seele bei ihren Traͤumen diesen und jenen Weg und keinen andern nimmt, warum sich die Jdeen so und nicht anders associirten?

Daß diese Association nach den bekannten Gesetzen der Einbildungskraft erfolge und erfolgen muͤsse, ist wohl nicht zu laͤugnen, und auch in dem verworrensten Traum giebt es noch einen Zusammenhang, wo eine Jdee an die andre gekettet ist, ob wir gleich darin bei den Wiederhohlungen desselben im Wachen ungeheure Luͤcken und Spruͤnge wahrzunehmen glauben*)*) Sonderbar ists mir immer vorgekommen, daß wir die Spruͤnge unsrer Phantasie waͤhrend des Traums selbst nicht zu bemerken scheinen, daß sie uns lange nicht so sehr, wie im Wachen, auffallen. So lange wir traͤumen, scheint alles einen sehr guten Zusammenhang zu haben, es kommt uns selten etwas unnatuͤrlich vor, ja das allerunnatuͤrlichste scheint uns oft etwas sehr gewohnliches und natuͤrliches zu seyn, woruͤber wir doch erstaunen, sobald wir aufwachen.. Vielleicht wuͤrden wir102 diese sonderbaren, oft sich widersprechenden Associationen genauer verfolgen koͤnnen, wenn wir immer mit der Grundidee des Traums bekannt waͤren, an welche sich der ganze Traum ankettet. Aber eigentlich wissen wir nie mit Gewißheit, von welcher Jdee der Traum ausgegangen ist und mit welchen Nebenvorstellungen, die hernach wieder Hauptvorstellungen wurden, er sich verbunden hat. Daß jeder Traum aber wuͤrklich von einer gewissen Grundidee ausgehen muͤsse, ist wohl nicht zu bezweifeln, und daß eben diese Jdee gemeiniglich eine Folge von einer Bewegung in unsern innern oder aͤußern Organen sey.

Manche Leute behaupten, daß sie nie traͤumen. Lessing gehoͤrte darunter. Allein ich glaube, daß sie ihre Traͤume ganz wieder vergessen, wenn sie aufwachen.

(Die Fortsetzung kuͤnftig.)

103

3. Ein Traum.

33

Der seel. Prof. Meier in Halle wurde eines Tages zu einem seiner Zuhoͤrer gerufen, welcher gefaͤhrlich krank war. Der Patient versicherte seinem Lehrer, daß er gewiß sterben wuͤrde, weil er daruͤber einen sonderbaren Traum gehabt habe, und er habe ihn (Meiern) vornehmlich deswegen zu sich kommen lassen, um ihm diesen Traum anzuvertrauen, welchen er selbst woͤrtlich aufgezeichnet und in sein Schreibpult verschlossen haͤtte. Er gab darauf Meiern den Schluͤssel dazu, und bath ihn, die in einem gewissen Kaͤstchen befindlichen Papiere nach seinem Tode zu sich zu nehmen, und wenn sein Traum eingetroffen sey, ihn der Welt bekannt zu machen.

Der Student starb auch wuͤrklich kurze Zeit darauf, wie er vorher gesagt hatte; Professor Meier oͤffnete das Schreibpult, und fand ein versiegeltes Paͤckchen, worinn denn folgender Traum des Verstorbenen aufgezeichnet war:

» Jch ging vor einiger Zeit auf dem hallischen schoͤnen Kirchhofe vor dem Galgthore spatziren. Die vielen vortrefflichen Leichensteine und Epitaphien gefielen mir ausserordentlich, ich besahe eins nach dem andern, las ihre Aufschriften, und wollte mich endlich entfernen, als ich auf einen Leichenstein stieß,104 welcher mir besonders auffiel. Jch las nehmlich mit groͤßtem Erstaunen meinen eigenen Vor - und Zunahmen darauf; aber noch bestuͤrzter wurde ich, als ich sogar den Tag meines Todes darauf angezeigt fand. (Es war auch wuͤrklich der Tag des Monats, in welchem der Student starb.) Es uͤberfiel mich eine unbeschreibliche Angst, ich fing am ganzen Leibe zu zittern und zu beben an. Nur das Jahr meines Todes war mir nicht deutlich genug, der Leichenstein war hie und da mit Moos bedeckt, und einer von diesen Moosklumpen saß gerade auf der vierten Ziffer der Jahrzahl. Meine Neugierde, so aͤngstlich sie mich auch machte, trieb mich an, vollends zu groͤßter Gewißheit zu gelangen, ich wollte das Moos wegkratzen, um auch die vierte Ziffer kennen zu lernen; aber in dem Augenblick erwachte ich «.

Der Student vermuthete, daß die mit Moos bewachsene Ziffer der Jahrzahl die gewesen sey, welche man eben damahls schrieb, als er krank wurde. Prof. Meier erzaͤhlte alsbald seinen Zuhoͤrern diesen Traum, welcher auf ihn selbst einen tiefen Eindruck gemacht hatte, ist aber, so viel ich weiß, noch nicht gedruckt worden. Jch habe die Erzaͤhlung aus des seel. Meiers eigenem Munde.

Halle den 2ten Nov. 1786.

35N .

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4. Ausserordentliches Gedaͤchtniß.

36

(Gentlem. Magazine. Febr. I751.)

Jm Jahr 1751 lebte in dem Flecken Elmton, nahe bei Chesterfield in Derbyshire ein Mann, Jedediah Buxton genannt, welcher damahls ohngefaͤhr 50 Jahr alt, und in seiner Jugend so sehr vernachlaͤßigt worden war, daß er nicht einmahl seinen Namen zu schreiben wußte. Nur das Einmahleins hatte er als ein Knabe gelernt, und dieses und sein Fleiß haben ihn in den Stand gesetzt, daß er allein durch Huͤlfe seines Gedaͤchtnisses, und zwar mit einer bewundernswuͤrdigen Geschwindigkeit 5 bis 6 Zahlen durch eben so viel andere multipliciren oder dividiren kann. Herr Hollaͤday fragte ihn einst: Wenn ein Feld 423 englische Ellen lang und 383 breit waͤre, wie groß die ganze Quadratflaͤche seyn wuͤrde? 162009 englische Ellen, war die Antwort nach zwei Minuten. Auf die Frage: wie viel Morgen besagtes Feld betragen wuͤrde? sagte er nach eilf Minuten: 33 Morgen, 1 Vorling, 35 Ruthen, 20 engl. Ellen und 1 / 4. Als er sagen sollte, wie viel Gerstenkoͤrner in einer Laͤnge von 8 Meilen liegen koͤnnten? antwortete er in1 und 1 / 2 Minute: 1520640. Um auszurechnen, wie vielmahl sich ein Kutschrad, 6 englische Ellen in der Peripherie, auf einem Wege106 von 204 Meilen umdrehen muͤßte, antwortete er nach 13 Minuten: 59840 mahl. Noch erstaunlicher sind folgende Beispiele von dem ausserordentlichen Gedaͤchtnisse des J. Buxton. Hr. Saxe traf ihn einmahl bei seiner Arbeit an (er war ein armer Tageloͤhner, der in Lumpen einherging) und legte ihm zur Probe die Frage vor: wie viel Cubiczoll ein Koͤrper haͤtte, dessen eine Seite 23145789, die andere 5642732, und die dritte 54965 englische Ellen in sich enthielten? Er sagte ihm ein einzigesmahl diese Zahlen deutlich nach einander vor, und Buxton fing in seinem Kopfe mitten unter seiner Arbeit und unter dem Geraͤusch von mehr als 100 Mitarbeitern zu rechnen an. Hr. Saxe hatte sich unterdessen entfernt, rechnete die Aufgabe mit der Feder aus, und kam ohngefaͤhr nach 5 Stunden wieder zuruͤck. Buxton sagte ihm: daß er mit seinem Exempel fertig sey, und fragte: von welchem Ende er die einzelnen Ziffern seiner Summe ansagen sollte? Saxe zog seine Schreibtafel heraus, und Buxton sagte ihm die in seinem Kopfe berechnete Summe von 28 Zahlen ohne den geringsten Fehler her.

Millionen, Millionen uͤber Millionen Tribes und Cramps u.s.w. (so nante er seine langen Reihen von Zahlen) waren ihm eben so gelaͤufig als Pfunde, Schillinge und Pence. Er erzaͤhlte dem Hrn. Hoͤlliday, daß er im Jahr 1725 ohngefaͤhr einen Monat lang von seinen Gedaͤchtnißrechnungen ganz107 verwirrt gewesen waͤre, und zuletzt 7 Stunden in einem tiefen Schlafe gelegen habe. Damahls haͤtte er nehmlich folgende Fragen beantworten sollen: wie viel Gerste, Wicken, Erbsen, Weitzen, Haber, Rocken, Bohnen, Linsen, ein Raum von 202680000360 Meilen, jede cubisch gerechnet, fassen koͤnnte? und wie viel Haare, jedes ein Zoll lang, diesen Raum fuͤllen wuͤrden? Er nahm die Breite von 48 Haaren fuͤr die Breite eines Zolles. Das Verhaͤltniß seiner Maaße, so wie er es ausgerechnet, war folgendes: Auf den koͤrperlichen Jnhalt eines Zolles gehen 200 Gersten - 300 Weitzen - 512 Rocken - 180 Haberkoͤrner, 40 Erbsen, 25 Bohnen, 80 Wicken, 100 Linsen, 2304 zolllange Haare. Hieraus schloß er folgende Groͤßen: in einer Cubicmeile sind enthalten 14 tausend 93 Millionen, 420 tausend und 936 Quarterr, 1 Scheffel,1 Metze, 1 Maaß, 3 Noͤßel und 5 1 / 4 Cubiczoll von einer Art Korn. Fuͤnftausend 451 Millionen, 776 tausend Ellen in einer Cubicmeile sind 254 Millionen Millionen, 358 tausend 61 Millionen und 56 tausend Zoll, und wenn ein jedes Haar einen Zoll lang ist und 2304 Haare einen Cubiczoll ausmachen; so gehen 586 tausend 40 Millionen Millionen 972 tausend 673 Millionen und 24 tausend auf eine Cubicmeile, waͤre aber ein Haar ebenso lang als es breit ist, so meinte er, es muͤßten 28 Tribes, 129 tausend 966 Millionen Millionen,108 688 tausend 305 Millionen und 152 tausend Haare den Raum einer Cubicmeile anfuͤllen.

Das Erstaunlichste, was wohl jemahls ein menschliches Gedaͤchtniß geleistet hat, besteht darin, daß Buxton folgende aus 39 Ziffern bestehende Zahl blos im Gedaͤchtnisse mit sich selbst multiplicirt hat.

725958238096074007868531656993638851106.

Nachdem er uͤber dieser ungeheuren Rechnung drittehalb Monate zugebracht hatte, gab er folgende aus 78 Ziffern bestehende Quadratzahl davon an:

527015363459557385673733542638591721213298966079307524904381389499251637423236.

Buxton ließ sich in seinen Gedaͤchtnißrechnungen durch nichts irre machen, und er fuhr darin waͤhrend des Sprechens und unter allerlei Geraͤusche fort. Man bemerkte auch bei ihm keinen Unterschied, er mochte lange oder kurze Exempel vor sich haben. Er fing den andern Tag, ohne sich zu irren, da wieder an, wo er den vorhergehenden aufgehoͤrt hatte, und so fuhr er so lange in seiner Gedaͤchtnißarbeit fort, bis er nach Wochen und Monaten fertig war, wenn die Rechnung so viel Zeit erfoderte. Eben so wenig machte es ihn irre, wenn er seine Rechnung abbrechen und lange Zeit liegen lassen mußte. Sie stand immer mit groͤßter Lebhaftigkeit vor seinen Augen, und er setzte sie oft nach Monaten von da, wo er aufgehoͤrt hatte, mit109 groͤßter Richtigkeit fort, und konnte die laͤngsten Zifferreihen, wie mans haben wollte, vor oder ruͤckwaͤrts hersagen. Er war im Stande, denen ihre Fehler sehr genau zu zeigen, die mit der Feder gerechnet hatten. Er ließ sich von zwei Personen ganz verschiedene Aufgaben unmittelbar hintereinander vorsagen, und gab nachher einem jeden die gehoͤrige Antwort, ohne sich im mindesten dabei zu verirren. Fand sich ja einmahl ein Fehler in seiner Antwort; so wiederhohlte er die ganze Rechnung und aͤnderte seinen Fehler selbst. Sein Gedaͤchtniß war ihm so getreu, daß er eine einmahl ausgerechnete Summe nach zwei Monaten noch voͤllig und ohne Anstoß wieder hersagen konnte.

5. Fortsetzung der Folge meines Lebens.

38

Nun Bruder! hab ich dich wieder. O der Wonne! daß ich dich wieder an meine Brust druͤcken konnte; wie suͤß war mir da das Leben! wie seelig, unaussprechlich seelig ergoß sich die Lust in meinen Busen, als ich an deiner Lippe hing, und ich die Freudenthraͤnen von deinen, und du die Freudenthraͤnen von meinen Wangen kuͤßtest. Der seligste Moment meines Lebens, und der eben da erschien, als der Kelch meines Leidens begann voll zu werden! 110Es war ein Tropfen Linderung herabgegossen von jenem, der noch mitten unter den schrecklichsten Erschuͤtterungen unsers Muthes uͤber uns wacht. Jch habe dich wieder, und erst gestern fuͤhlte ich in deinen Armen wieder Jene Seeligkeit mit verjuͤngtem Seelengenuß; doch du schiedest, um mir sie einst wieder zu goͤnnen. Empfange nun dieses Blatt, lies die Abwechselungen unseres beschiedenen Theils, und ich fahre fort an dieser angefangenen Materie.

Jch kam mit 10 Jahren, und du, Bruder! mit 11 Jahren nach Sp.. : Jch will ganz aufrichtig von der Seele sprechen. Wir sollten dort die sogenannten 5 untern Klassen studiren; du warst 2 Klassen uͤber mir. Als wir nun unsern Geburtsort verlassen mußten, so ward mir's immer dunkler in der Seele, je weiter wir uns davon entfernten. Daß wir uns nun Vater - und Mutter-los, von den Geschwistern und dem gewoͤhnten freudenvollen lieben Orte verbannt, von dem Orte, der uns so theuer wegen der vielen unschuldigen Vergnuͤgen war, die wir da im Umgange mit den kleinen Freunden und in unserm eigenen Hause genoßen, und nun auf immer missen muͤßten, uns in eine ganz unbekannte Lage uͤbersetzt und an einem fremden Ort uns selbst uͤberlassen, von Noth gedruͤckt, und zu ohnmaͤchtig sehen mußten, als uns in all' dieses sobald schicken zu koͤnnen: waren traurige Gedanken fuͤr mich, die meine ganze Seele beschaͤftigten; und wuͤrklich, das111 weißt du noch Bruder! wie floßen nicht die drei ersten Tage die Thraͤnen uͤber meine Wangen! wie klagte ich laut uͤber mein Schicksal! wie mußte ich eben so viele Naͤchte schlaflos mit Weinen und Jammern zubringen! und wie war ich so am ganzen Leibe krank! und gewiß, wenn du nicht bei mir gewesen waͤrest, oder dasselbe empfindliche Herz gehabt, mich eben den Kummer an deinem Gesichte haͤttest erblicken lassen; gewiß, die Krankheit waͤre so lange unheilbar geblieben, bis der Grund gehoben worden waͤre; es schmeckte mir kein Essen, keine Freude, kein Vergnuͤgen; abzehrend von Harm und den quaͤlendsten Empfindungen wuͤrde ich dem Tode entgegengegangen seyn.

Da aber konnten wir auch wuͤrklich fuͤhlen die Groͤße des Verlustes all' der vergangenen Kinderfreuden und den Werth der Kindheit vor all' dem kuͤnftigen Leben, dem ein so sichtbarer empfindlicher Kontrast folgte. Du weist Bruder, wie das finstre Schicksal da schon in der Bluͤthe uns traf. Mangel an den Nothwendigkeiten unsers Lebens machte uns muthlos, zum Theil auch Mangel an Buͤchern und stetes kummervolles Streben ein Mittel aufzufinden, benahm uns alle Lebensfreuden. Mit einem Worte: wir empfanden schon das Loos der Duͤrftigen in seinem ganzen Umfange, auf seiner ganzen empfindlichen Seite.

Wir lernten aber auch da schon Welt und Menschen kennen; wie sichtbar war uns nicht die Ver -112 schiedenheit des Menschenverhaͤltnisses vom Fuͤrsten bis zum Bettler! die vielen aufsteigenden Mittelgrade von dieser untersten Sprosse zu Jener obersten; wie sich Jeder, um sich den Weg durch dieses Leben zu erleichtern, Schaͤtze auf Unkosten und den Schweiß seines Bruders zu sammeln sucht; wie mancher so verdienstlos, durch so niedertraͤchtige, nichtsbedeutende Mittel sich uͤber den Verdienstvollen, uͤber den wuͤrdigen Stolz zu erheben sucht, und sich von ihm seinen Muͤßiggang bezahlen laͤßt.

» Das Thier erschien. Geh, friß dein Korn daheim und schweige! so sprach der Fuͤrst, und lies ihn ziehn; und so entstunden in dem Staate die weltlichen Kanonikate fuͤr Esel, die auf Polstern ruhn, und Sold beziehn, um nichts zu[ thun. «]

Pfeffel.

Wir sahen Menschen, wie sie bei all' ihrem Gold den leidenden Bruder haͤtten verschmachten sehen, so ganz ohne Ruͤhrung, seinem Elend, seinem Kummer und seinen Thraͤnen gleichguͤltig zusehen koͤnnen, ohne nur einen Tropfen Oel in seine Wunde zu gießen.

Es fehlte nicht viel, uns noch zu uͤberzeugen, daß unumschraͤnkte Habsucht und ein hartes Herz allgemeiner seyen, als ein vernuͤnftiges, weises113 Streben nach Guͤtern dieser Erde, als ein thaͤtiges Mitgefuͤhl; ja, daß Geitz, so wie an Abscheulichkeit, auch an Allgemeinheit alle Laster uͤbertreffen. Wir fuͤhlten unsere Noth und wir konnten am besten Beobachtungen uͤber Menschenliebe und uͤber das entgegengesetzte Laster anstellen; wir machten sie, und fanden, wie selten man die alles versuͤßende Wuͤrkungen der erstern, und hingegen wie herrschend die alles verbitternde Wuͤrkungen der letztern antreffe; wie wenige die Seelenwonne genießen, die eine zaͤrtliche, innige Theilnehmung an dem Leiden des Bruders gewaͤhrt; wie viele gefuͤhllos auf den Elenden herabblicken und dabei die stolze Prunke der verhaͤltnismaͤßigen Groͤße ihrer Gluͤcksumstaͤnde empfinden, ohne zu denken, daß eben so zufaͤllig ihr Verhaͤltniß auch Jenes seyn koͤnne, und daß ganz ohne Hinsicht auf Verdienste das Weltgluͤck ausgetheilet sei; ohne zu denken, daß Reichthum, Ansehen, aller aͤußerlicher Prunk nicht das wahre Gluͤck des Menschen ausmachen, sondern nur Befoͤrderungsmittel desselben seyn koͤnnen; Guͤter sinds, und wahre Guͤter, wenn sie in der Sphaͤre dieser Bestimmung wuͤrken; sobald der Mensch ihre Subordination vergißt, so verfehlt er den Zweck seines Daseyns, anstatt gluͤcklich wird er ungluͤcklich. Nur du, Liebe! bist wahres einziges Mittel zum allgemeinen Schoͤpfungszweck, aber mißkennt von vielen, zu fremd, als daß du unter ihren kontrastirenden, Gift-kochenden Leidenschaften koͤnntest Aufnahme114 finden, hast du nur wenige Edle inne. Laß uns, Bruder, laß uns immer diese allbegluͤckende Goͤttinn unsere Freundin seyn, so bist du mein Bruder, und Bruder aller Menschen, aller Wesen.

Jch erhohle mich aus einem Strome dahinreißender wonniglichen Gefuͤhle, und erinnere dich wieder, mein Lieber! an unser Sp ... Mein Lehrer war ein Hectikus, jaͤhzornig, und in der Strafe wußte er, wie es meistens geschieht, keine Maͤßigung, keine Zweckmaͤßigkeit zu beobachten. Er hatte eine haͤmisch-laͤchelnde Miene an sich; mit diesem haͤmischen Wesen, das mir Leidenschaft, Befriedigung eines gallsuͤchtigen Herzens verrieth, konnte er Haͤnde und Ruͤcken der armen Jungen blutig schlagen. Seine Schule schien mehr einem Zuchthause aͤhnlich, die junge Leute unempfindlich und abgehaͤrtet zu machen, als in sie ein gutes Herz und gemeinnuͤtzige Kenntnisse zu pflanzen; von der Lehrart und von der Auswahl der Lehrgegenstaͤnde will ich gar nichts melden; denn da herrschte noch der alte Schlendrian, der jetzt noch in den meisten katholischen Schulen uͤber die junge Koͤpfe forttirannisirt.

Da begegnete mir in der Schule manches, das ich als ungerecht ansahe, mit dem sich gleich mein natuͤrliches Gefuͤhl des Unrechtleidens verband, und mir manchen Thraͤnenguß verursachte, manchen115 freudenlosen Tag machte. Jn diesen Umstaͤnden, die eben so sehr auf meinen Geist, als auf meinen Koͤrper wuͤrkten, mußten nun auch verschiedene eben so traurige Folgen fuͤr mich gegruͤndet werden; ich wurde schuͤchtern, menschenscheu, zur Melancholie geneigt, auch wohl verstellt, tuͤckisch und muͤrrisch, welches Unheil in dem Character eines Menschen, welche Ausartung seines sittlichen Wesens, welche verderbende Angewoͤhnungen haben ihr Daseyn der vernunftlosen Behandlungsart eines Lehrers, dessen Unerfahrenheit und uͤbler Schullaune zu verdanken!

Das 2te Jahr bekam ich einen andern Lehrer, der sein Geschaͤft besser verstand, seine Schuͤler nicht so eigensinnig, sondern vernuͤnftiger behandelte; Er war freier von Partheilichkeit, von Vorurtheilen, minder anhaͤnglich an schulgerechte Meinungen; hatte eine angemessenere Lehrmethode, weniger uͤble Launen und Kathederstolz; Er brauchte nur selten koͤrperliche Strafen, und da mußte er wichtige Gruͤnde haben. Er ermunterte den Fleiß, machte die Traͤgheit zu Schande, hatte Nachsicht mit der Schwachheit; er ließ sich zu der Fassungskraft eines jeden herunter; sein aufgereimtes Wesen machte dem Traͤgen sowohl als dem Wißbegierigen die Schule angenehm. Jn seiner Gesellschaft verlor sich der Eigensinn und das muͤrrische Wesen, auch des starrsinnigsten Schuͤlers; besonders floͤßte er uns tolerante Gesinnungen ein, suchte uns den Re -116 ligionshaß zu benehmen, den man in den vorigen Jahren einsog, und der in einer Stadt, wie Sp.. ist, so nachtheilig und gefaͤhrlich seyn konnte. Diesen Lehrer hatte ich 2 Jahre, und da ich auch eines naͤhern Umganges mit ihm genoß, so ward ich wieder freier, offener, umgaͤnglicher und munterer, doch nicht so ganz aufgeraͤumt mehr, daß mich nicht zuweilen eine truͤbe Stunde uͤberfiel, eine Folge des vorigen Jahres. Dieser Mann fiel, wie ich nachher hoͤrte, in die unseelige Krankheit, Hypochondrie, und ist jetzt der ungluͤcklichste Mensch; dieser Mann, der immer von dem heitersten Gemuͤthe, von der besten Laune war, stuͤrzt nun auf einmahl in das entgegengesetzte Extrem, wo er sich uͤberall Verfolgungen und Scenen erdenkt, die nie existiren, wo er um sich her nichts als Gift und Dolche, sich auf allen Seiten von Feinden umrungen glaubt; er bildet sich ein: jeder Mensch suche ihn zu verderben; er hat daher nirgends eine bleibende Staͤtte, und da er ein Moͤnch ist, so wandert er von einem Kloster zum andern. Jndessen leidet er weder von seinen Mitbruͤdern noch von seinen Vorgesetzten eine Bedruͤckung oder harte Begegnung; man ist vielmehr gegen ihn aͤußerst gefaͤllig und nachgiebig; man sucht alles auf, ihn von seinem Jrrwahn zu uͤberfuͤhren; alle Bemuͤhung aber ist fruchtlos. Der offenbarste Kontrast zwischen 2 Extremen, ein Fall, der mir eben so unerklaͤrbar, als er contrastirend ist.

117

Nach diesem Lehrer, den ich nun 2 Jahre hatte, kamen wieder andere Lehrer zum Vorschein, die zugleich die alte Schulform wieder aufstellten; was soll nun aus dem Menschen werden, der sich unter so vielen Abwechselungen, die man mit seiner Bildung vornahm, und immer so entgegengesetzt waren, leidend wie ein Ball verhalten mußte? so gings mir. Was mußten nicht da fuͤr Schattirungen, fuͤr Mischungen des Characters entstehen? welcher Wirrwarr, und schiefe, unrichtige, unvollkommene Jdeen mußten das Gehirn durchkreutzen? Jst es ein Wunder, wenn so der Schwaͤrmer erzeugt wird? Soll daraus nicht erklaͤrbar seyn, was sich mit mir von dieser Zeit an zugetragen hat. Diese Veraͤnderung der Lehrer und der Schulform brachte wieder all' die traurigen Anfaͤlle jener ungluͤcklicher Characterstimmungen zuruͤck.

Aber oft, wenn das Schicksal schwer uͤber mir lag und meine Seele mit Kummer, Mißmuth und truͤbem Nachdenken erfuͤllte; wenn ich dann mir eine Bewegung machte, die auf etwas anderweitiges als auf den traurigen Pfad dieser alles verbitternden Gedanken fuͤhrte; dann ward mirs so wohl und leicht, und Friede herrschte in meiner Seele, und mit frohem Sinne unternahm ich jedes mir aufstoßende Geschaͤft, wobei mich nur suͤßes, gluͤckliches Wonnegefuͤhl begleitete.

118

Wenn ich dann nachforschte: warum ist dein Gemuͤth so heiter, so freudig? warum hat Froͤlichkeit die Wuͤrkungen deines Elendes, die du erst unmittelbar in ihrer Betrachtung so betruͤbt, so schmerzlich fandest, besiegt? dann both sich die Empfindung dar: du kanst ja noch deinem Leiden entgehen, du kannst die unselige Quelle deines Leidens fliehen, und so ihre Wuͤrkungen auf deine Empfindung verhindern, du kannst weggehen, den Ort, die Verbindung verlassen, die der Grund deines Kummers sind; und dann wallte in mir ein verworrenes Entschlossenheitsgefuͤhl auf, all' dieses zu thun, und diese unbekannte Entschlossenheit war die wohlthaͤtige Hand, die jenes behagliche Wesen eines erleichterten Schicksals, jene Wollust in meine auflebende Seele goß.

So war oͤfters mein Gemuͤthszustand auf den Schulen, und nur aͤußere Hindernisse, die damit verknuͤpft waren, hinderten die Wuͤrklichwerdung meines Vorsatzes. Oefters auch empfand ich diese erfrischende Wehungen in einem meiner letzten Verhaͤltnisse, von dem ich am Schlusse dieses Aufsatzes etwas erwaͤhnen werde; freylich wurden sie jetzt staͤrker und anhaltender, da sie meine nachherige Bestaͤtigung fanden, und ich ihnen durch meine Gruͤnde nachhalf.

Andaͤchtelei wurde nun der herrschende Ton bei dem Studenten in Sp.. ; ein Wesen, das119 Wahrheit und Rechtschaffenheit zerstoͤrt; ein Wesen, das Bosheit und Gift unter das Gewand der Heuchelei verbirgt; das alles Gute, alles Streben der Seele verstimmt, den Grund legt zum verdorbensten und gemeinschaͤdlichsten Menschen. Wo Andaͤchtelei[ herrscht], ist der gesunde Menschenverstand Suͤnde, und der Gebrauch desselben Ketzerei; da man sie als die Grundfeste, als das Wesentliche der Religion ansieht, so macht sie den rechtschaffensten Mann, den Mann, der Wahrheit lieb hat und sichs merken laͤßt, zum Ketzer, zu einem Gegenstand ihres Hasses, dessen Antheil Fluch und Scheiterhaufen sind.

Jn der Schule wurde das Herz mit Jntoleranz und Aberglauben erhitzt, der Kopf mit Dummheit und Seichtheit angefuͤllt; wie konnten sich andere als eben diese leidige Folgen in dem Character des Juͤnglings anlegen? Eine besondere Etiquette war's, am letzten aus der Kirche zu gehen. Da ich einstens eine Lobrede auf den h. Aloiß hoͤrte, so ward meine Einbildungskraft durch die ausschweifende Erhebungen der Tugenden dieses Heiligen so schwaͤrmerisch entzuͤndet, daß ich mir augenblicklich vornahm, ein eben so großer Heiliger zu werden, mir eben so Abbruch zu thun, mich eben so zu quaͤlen als Aloiß, und einstens faͤhig zu werden, Wunder zu wuͤrken, und gewiß eben diese Gabe Wunder zu wuͤrken war mir die schmeichelhafteste Aus -120 sicht, der hauptsaͤchlichste Antrieb zu diesem Entschluß; es war mein groͤßter Ernst, nicht eher nachzulassen, bis ich einmal Wunder wuͤrken koͤnnte, mit denen Gott immer so freigebig war*)*) freygebig gewesen seyn soll. Gott ist und kann nicht freigebig mit Begebenheiten seyn, die der ewigen Weisheit seiner Plane[ entgegen] stehen.41P. Jn dieser Absicht geiselte ich mich taͤglich dreimal, schlug mich bis aufs Blut; fastete strenge; vergoß ganze Thraͤnenstroͤme; seufzete unaufhoͤrlich; betete Tag und Nacht auf der Straße und zu Hause; legte bei der Nacht Steine oder Bretter unter mein Haupt; schlief auch wohl auf der Erde; gab mir alle Muͤhe, auch andere zu einem eben so heiligen Lebenswandel zu bekehren u.s.f. Dies dauerte einige Wochen, bis der Eifer von selbst erkaltete.

Mit jenen Jdeen, einstens ein Wundersmann zu werden, verband sich als Folge, Stolz und Jntoleranz. Was kann man nicht alles aus einem jungen Herzen modeln! welche unseelige Verstimmungen und Zerruͤttungen, die oͤfters so lange Zeit und durch so viele Muͤhe nicht koͤnnen wieder gut gemacht werden, gruͤnden Aberglauben und Vorurtheile! Fuͤr Religionsschwaͤrmerei steht besonders das junge Herz offen, wie ich ebenfalls schon ein Beispiel im 1ten Stuͤck des 4ten Bandes dieses Magazins geliefert habe.

121

Bestimmtere Zuͤge, die entweder minder interessant und bemerkbar oder zu wenig ausdaurend waren, sind theils fuͤr ihre Darstellung zu verwirrt oder obliterirt, als daß ich sie hier anfuͤhren sollte. So war also ohngefaͤhr mein Zustand, in dem immer eine Modification Ursach und Wuͤrkung war, die Zeit, als du bei mir warst, Bruder! und als N.. bei mir war, 5 Jahre durch; dein fluͤchtiger, leichtsinniger Character stimmte freilich nicht mit meinem schwermuͤthigen, truͤben, leutscheuen Geiste so ganz uͤberein; doch, wir waren 3 Jahre beisammen, und ich wuͤnschte, daß wir uns nie haͤtten trennen[ duͤrfen;] denn wir theilten mit warmem Herzen einander unser Leben und die fruͤhen, harten Schicksale desselben; und als du mich verließest, um zu B. Philosophie zu studiren, da wie blos fuͤhlte ich mich nun dem Wellenspiele uͤberlassen! wie erfuͤllte dein Verlust meine Gedanken mit Wehmuth und mein Leben mit Ueberdruß! Obschon ich wieder unsern N.. zu mir bekam, so warst du mir doch schon so alles geworden; du kanntest mein Verhaͤltniß, meine Beduͤrfnisse, und so innig war ich mit dir verbunden, daß ich in deinem Umgange von allem, was mich widriges umgab, die Haͤlfte nicht empfand; nun mußte ich allein die Buͤrde tragen, bis ich endlich nach B.. kam.

122

Da fuͤhlte ich nichts von Kummer, nichts von Ungluͤck; denn gluͤcklich war ich da, wenn ich Nahrung, Kleider hatte und mein Studium gut voranging. Eine gute Schuleinrichtung und Aufklaͤrung uͤberhaupt hatte in B.. schon ziemliche Fortschritte gemacht; Licht hatte schon allmaͤhlig die Finsterniß verscheucht, und Wahrheit uͤber Aberglauben, Sophysterei und Barbarei gesiegt.

Nun ging eine Veraͤnderung mit den haͤuslichen Umstaͤnden unserer Eltern vor, dabei ich das meiste zu thun hatte; ich mußte unter den rauhesten Winterstuͤrmen, ohne Schonung meines Koͤrpers, Reisen thun, die nicht nur ganze Tage, sondern noch manche Nacht mitnahmen; oft floh mit mir mein Pferd durch die oͤdesten Gegenden, durch Eisbaͤche und starre Waͤlder hin, wo ich nur noch den einzigen Gedanken zu meinem Trost hatte: du thust es fuͤr deine Eltern. Aber auch die Folgen davon waren, daß ich in eine toͤdtliche 6 Wochen-lange Krankheit fiel und gleich nach meiner Genesung ein Recitiv bekam; dieser Zustand dauerte wieder 8 Wochen; der Herr Geheimerath Frank, der sich durch seine medicinische Policei so viel Verdienste sammelte, rettete mich vom Tode.

Und hier faͤngt die Epoche meines Lebens an, die je den wichtigsten Einfluß auf dasselbe hatte;123[ die] so viele nachfolgende Scenen, die auf dem Schauplatz meines Jndividuums erschienen, bestimmte; die so vielen Aufschluß uͤber meinen Character, uͤber meine Selbsterkenntniß verbreitete; die der Grund so mancher physischen und moralischen Phaͤnomene in dem kleinen Bezirke meiner Existenz und meiner jetzigen bestimmten Jchheit ist.

Doch, Freunde der Wahrheit! verarget mir's nicht, wenn ich sage, ich muß schweigen; wenn ich sage, ich haͤtte die ganze Materie[ nicht angefangen,] wenn meine damalige Lage die jetzige gewesen waͤre; aber nun war ich gezwungen, wenigstens sie so weit fortzusetzen, um nicht ganz nutzenlos zu seyn. Und dich, Bruder! der du auch das weitere schon in Haͤnden hast, bitte ich, es zu verbergen, und um Mitternacht es mit einer[ Schaufel voll] schwarzer Erde zu bedecken. Jch bin ruhig, sei auch du ruhig, Bruder und lebe wohl, nimm den zaͤrtlichsten Bruderkuß von deinem ewig guten Bruder.

Wien am i7ten Januar 1787.

42J. L. A. Schlichting.

124

6. Liebe, die gegen den geliebten Gegenstand sehr bitter sein kann.

43

Es giebt wenige Menschen, die nicht zuweilen eine Neigung in sich fuͤhlen sollten, Andern etwas Bitteres zu sagen; nicht immer, um sie zu beunruhigen; sondern nur um es zu sagen, um ihren Witz zu zeigen und ihrer Galle freien Lauf zu lassen. Unsere uͤbele Laune ist dann gemeiniglich mit im Spiel, und wir folgen ihren Eindruͤcken zu schnell, als daß wir immer die Moralitaͤt eines Gedankens, einer Handlung genau erwaͤgen koͤnnten.

Die menschliche Seele besitzt einen gewissen Starrsinn, um ihre Endzwecke zu erreichen, und wir koͤnnen bei aller Gutmuͤthigkeit des Temperaments oft boshaft werden, um einen gewissen Endzweck zu erreichen. Wir wuͤnschen oft Andere zu aͤrgern, weil wir sonst keine Gelegenheit haben, ihnen unser Uebergewicht sowohl, als unser Mißfallen zu bezeugen; oft aber denken wir auch nur einen Andern in eine Art Zorn zu versetzen, um zu sehen, wie sich Jener dabei hat, und wie weit wir im Besitz seines Herzens gekommen sind.

Hier sind einige Facta aus meinem Leben.

125

Jch liebte eine meiner Freundinnen ganz ausserordentlich. Unausstehlich war mir daher jeder Gedanke an eine Untreue, die sie gegen mich begehen koͤnnte. Sie war verheurathet, ihr Mann war mein Freund und kannte meine Liebe gegen seine Frau; verrieth auch deswegen nie einen Widerwillen gegen mich. Jch konnte es ruhig mit ansehen, wenn sie ihren Mann kuͤßte; allein ich konnte es durchaus nicht vertragen, wenn ihr ein anderer Mann zu gefallen schien; und doch hatte es bisweilen das Ansehen so.

Jch wurde wuͤthend; aber meine Wuth war nicht blos ein maͤnnlicher Sturm; ich suchte meine Freundinn fuͤr ihre Coquetterie zu bestrafen, und ich konnte dies nicht besser thun, als wenn ich ihr Bitterkeiten sagte, die ihr weiches Herz durchaus nicht vertragen konnte. Jch spornte meine uͤble Laune gleichsam an, um ihr Galle zu erregen; redete von Weibern, die ihre ganze Seeligkeit darin setzten, Maͤnner an sich zu ziehen und ein Heer von Anbetern um sich zu haben; schilderte diese Weiber auf eine gehaͤssige Art, satyrisirte aufs bitterste auf die Coquetterie verheuratheter Weiber. Meine Freundinn verantwortete sich anfangs mit laͤchelnder Miene; nach und nach wurde sie ernsthaft, endlich sehr ernsthaft, und zuletzt funkelte ihr Auge von Wuth, davor ich mich aber gar nicht furchte, vielmehr war mirs lieb, daß ich sie so weit126 gebracht hatte, denn nun hatte ich nur noch einen Grad von Erboßtseyn bei ihr zu erreichen, wohin ichs bringen mußte, ehe ich ruhig werden konnte. Jch spitzte meine Pfeile noch feiner zu, sie hoͤrte endlich auf mir zu antworten, und ein Thraͤnenstrom stuͤrzte aus ihren Augen. Jch kann es keiner menschlichen Seele beschreiben, wie mir dann zu Muthe ward, wenn ich meine innigst geliebte Freundinn weinen sah. Himmel und Erde lag nun auf mir; jedes meiner Worte kam mir als die ungerechteste Suͤnde vor, und ich haͤtte in meinem Gefuͤhl, einem unschuldigen Weibe Unrecht gethan zu haben, vergehen moͤgen; was that ich nun? ich wurde der reuigste Suͤnder von der Welt, ich beschwur sie, mir zu vergeben, ich weinte selbst wie ein Kind, und kuͤßte ihr die Thraͤnen von den Wangen. Jn dem Augenblick haͤtte ich mein Leben fuͤr meine Freundinn lassen koͤnnen, wenn ich ihr dadurch meine innigste Reue zu bezeugen im Stande gewesen waͤre; zugleich empfand ich auch dabei eine solche seelige Wehmuth, wenn sie mir zu vergeben schien, und endlich wuͤrklich vergab, die ich mit keiner genossenen Gluͤckseligkeit des Lebens vergleichen kann. Jch erinnere mich, daß ich mehreremahl diese sonderbare Rolle mit ihr gespielt habe, und ich spielte sie wuͤrklich einmahl blos deswegen mit ihr, um das wehmuͤthige Gefuͤhl der Reue recht lebhaft zu empfinden und die Vergebung hinterher in ihrem Auge zu lesen. So ein widersprechendes127 Ding ist der Mensch, daß er oft die zu kraͤnken sucht, die er liebt! und ein so eigennuͤtziges Wesen, daß er sich bei aller Guthmuͤthigkeit oft an den Unruhen seiner Geliebtesten weiden kann. Ganz anders waren meine Empfindungen, wenn ich Leuten, die es verdienten, durch meine Satyre Pfeile ins Herz schoß; ich war zufrieden, wenn sie getroffen hatten, und war bereit noch spitzere abzuschießen, wenn sie mir bitter antworteten. Jch glaube, daß tausend Menschen gleiche Erfahrungen an sich gemacht haben werden.

O. in Franken.

45W.

128

Jnhalt

46

Seite

  • Fortsetzung der Revision der drei ersten Baͤnde dieses Magazins 1.
  • Zur Seelenkrankheitskunde.
    • 1. Auszug aus M. Adam[ Berends] eigener Lebensbeschreibung. Fortsetzung. 17.
    • 2. Noch ein Beitrag zu dem Leben eines reichen jungen Mannes, welcher das Stehlen und Geldborgen nicht lassen konnte. 40.
    • 3. Gewalt der Liebe, von47C. S. H.47.
    • 4. Raserei aus Liebe und Todesfurcht. 53.
  • Zur Seelennaturkunde.
    • 1. Vermischte Gedanken uͤber Denkkraft und Sprache. Fortsetzung. 58.
    • 2. Ueber den Einflußder Finsterniß in unsere Vorstellungen und Empfindungen, nebst einigen Gedanken uͤber die Traͤume. 88.
    • 3. Ein Traum von Hrn.48N.103.
    • 4. Ausserordentliches Gedaͤchtniß des Jebediah Buxton. 105.
    • 5. Fortsetzung der Folge meines Lebens, von49J. L. A. Schlichtingin Wien. 109.
    • 6. Liebe, die gegen den geliebten Gegenstand sehr bitter seyn kann. 124.

About this transcription

TextGnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde
Author[unknown]
Extent128 images; 25615 tokens; 5590 types; 172445 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Christof WingertszahnSheila DicksonGoethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-StiftungUniversity of GlasgowNote: Erstellung der Transkription nach DTA-RichtlinienNote: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2015-06-09T11:00:00Z Matthias BoenigDeutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu BerlinNote: Konvertierung nach DTA-Basisformat2015-06-09T11:00:00Z UB Uni-BielefeldNote: Bereitstellung der Bilddigitalisate2015-06-09T11:00:00Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationGnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde als ein Lesebuch für Gelehrte und Ungelehrte fünften Bandes zweites Stück Karl Philipp Moritz, Carl Friedrich Pockels, Salomon Maimon (eds.) . MyliusBerlin1787.

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Universitätsbibliothek Bielefeld UB Bielefeld, 2097611

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationFachtext; Psychologie; Wissenschaft; Psychologie; ready; dtae

Editorial statement

Editorial principles

Anmerkungen zur Transkription:Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.

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