WEnn der vortreffliche / nunmehro ſelige / Ver - fertiger gegenwaͤrti - ger Poeſien in den Ge - dancken geſtanden / Buͤcher / abſonderlich Verſe zu ſchrei - ben / waͤre eine Sache / die Standes - Perſonen und Ritters-Leuten mehr nachtheilig als ruͤhmlich fiele / ſo haͤt - te die gelehrte Welt dieſes / was ihr itzt vor die Augen geleget wird / nicht zu erwarten gehabt / vielweniger wuͤrden deſſen Freyherrliche Nach - kommen es Ihnen vor eine ſonderba - re Ehre geſchaͤtzet haben / daß Ihres ſeligſten Herren Vaters geſegnetes Gedaͤchtniß / wie auf vielfaͤltige an -) (2dere /dere / alſo auch auf dieſe Art / bey der ſpaͤten Nachwelt fortgepflantzet wuͤrde. Sie haben aber beyderſeits die Sache beſſer verſtanden / und die Thorheit der Widriggeſinnten billich mit Ihrem allen in die Augen leuch - tenden Exempel / kraͤfftigſt widerle - get. Maſſen unſer ſeligſter Frey - Hr. von Abſchatz feſt geglaubet / die wenigen Neben-Stunden / da Ihm von ſeinen hochwichtigen zu Ihrer Kaͤyſerl Majeſtaͤt Dienſt und des Vaterlandes Heil zielenden Ver - richtungen / etwas Athem zu ſchoͤpf - fen erlaubt geweſen / koͤnten nicht beſ - ſer / als mit einer ſolchen Arbeit hin - gebracht werden / die von ſeiner aus - buͤndigen Gelehrſamkeit und mit ſel - biger genau verknuͤpfften Geſchick - ligkeit / ein gnugſames Zeugniß able - gen moͤchte. Und iſt kein Zweifel / daß er ſelbſt / wenn es die Ihm faſt angebohrne Beſcheidenheit / vermoͤgewel -welcher die eigene Geburten allemahl von Ihm mit einem weit ſchaͤrffern Auge / als frembde / angeſehen wor - den / und ſein fruͤhzeitiges Abſterben zugelaſſen haͤtte / mit ſolcher an das Tages-Licht getreten ſeyn wuͤrde. Haben alſo die Freyherrlichen Erben mit Ausfertigung dieſer Gedichte nichts anders gethan / als was dem Willen Ihres ſeligen Herrn Vaters gemaͤß geweſen. Unſer Schleſien hat ſich billich gluͤcklich zu ſchaͤtzen / daß es die ſchon oben beniemte irrige Meynung / mit dieſem lobwuͤrdigen Beyſpiel / von neuem abweiſen und zur Gnuͤge darthun kan / daß mit Feder und Papier umzugehen / oder einen wohlgeſezten Vers zu machen / keine Sache ſey / die denen / welchen / wie man ietzt zu reden pflegt / der De - gen angebohren / zum Schimpff oder Nachtheil gereiche. Wahrhafftig / wenn Potentaten / die drey - und viel -) (3fa -fache Kronen getragen / ihre Ergoͤtz - ligkeit nicht ſelten in der Poeſie ge - habt: Wenn in Purpur und mit Fuͤrſten-Huͤtten prangende hohe Haͤubter / wenn ſtreitbare Feld-Her - ren und durchtriebene Staats - Maͤnner die Hand zu Wercke gele - get / warum ſolten ſich denn Stan - des-Perſonen und Edelleute ſcheuen in ſo Majeſtaͤtiſche und erlauchte Fußſtapffen zu treten? Ich wil hier nicht in die alten Zeiten zuruͤcke ge - hen / und die Koͤnige aller Tichter / den heiligen David und ſeinen Nachfol - ger den weiſeſten Salomon auffuͤh - ren. Ich wil mich auch nicht mit den Provintzialiſchẽ Troubadours, unter denen Kaͤyſer Friedrich der Andere und verſchiedene Neapolitaniſche und Sicilianiſche Regenten oben an ſtehen / auffhalten / vielweniger mich auff den Frantzoͤſiſchen Koͤnig Carl den Neundten beruffen / welcher nichtalleinallein den Ronſard und andere Poe - ten hochgehalten / ſondern auch ſelbſt ein artiges Gedichte von der Vogel - Beitze geſchrieben / ſondern ich wil nur in das nechſt abgelauffene Jahr - Hundert einen Blick werffen / und aus ſehr vielen / etliche wenige / die mir gleich in die Augen fallen / vorſtel - len. Urbanus der Achte / Alexander der Siebende / und Clemens der Neundte konten ſich bey den uner - maͤßlichen Sorgen / mit welchen die Paͤpſtliche Wuͤrde begleitet wird / dennoch ſo viel abmuͤßigen / und die von Ihnen / bey ruhigen Stunden / auffgeſetzte ſo Lateiniſche als Welſche Verſe uͤberſehen. Entbloͤdeten ſich auch nicht ſelbige / ſo wol unter ver - decktem als eigenem Nahmen her - aus zu geben. Kaͤyſer Ferdinand der Dritte war ein herrlicher Welſcher Poet / und itziger unuͤber - windlichſter Kaͤyſer giebt / wie in an - dern Kuͤnſten und Wiſſenſchafften /) (4alſoalſo auch hierinnen dem Glorwuͤr - digſten Herrn Vater gar nichts nach. Carl der Neundte Koͤnig in Schweden hat ſeine eigne Lebens - Beſchreibung Reimweiſe verfertiget. Johann Philipp der kluge Churfuͤrſt von Mayntz verewigte ſich durch ei - ne Teutſche / Poetiſche / nicht uͤbel ge - rathene Uberſetzung der Davidiſchen Lob-Geſaͤnge. Ein gleiches thaten in Lateiniſcher Sprache / Landgraff Moritz / in Teutſcher aber / Landgraff Ludwig von Heſſen-Caſſel und Darmſtadt. Ertz-Hertzog Leopold Wilhelm von Oeſterreich / Hertzog Auguſtus zu Braunſchweig und deſſen Durchlauchtigſte Herren Soͤhne / Hertzog Wilhelm von Sach - ſen-Weimar / der Cardinal Richelieu, der Aeltere Fuͤrſt Montecuculi, Carl Freyherr von Gyllenhielm, oben be - niemten Carls des Neundten Schwe - diſchen Koͤniges natuͤrlicher Sohn /undund viel andere Fuͤrſten / Grafen und Herren / ſonderlich in Spanien / Welſchland / und Franckreich / hielten die Poeſie vor eine Ihrer edelſten Zeit - Verkuͤrtzungen. In unſerm Va - terlande haben ſich die von Bibran / Logau / Schweinitz / Geꝛſtorff / nebenſt mehrern ihres gleichen / mit ihren Geiſt - und Weltlichen Gedichten / ei - nen unſterblichen Nahmen gemacht. Nunmehr gewinnet es faſt das An - ſehen / als ſolte unſer Preißwuͤrdig - ſter Freyherr von Abſchatz den Rei - hen ſchlieſſen / weil / wie ſich ietzt leider! die Zeiten anlaſſen / man die uͤberfluͤſ - ſigen Stunden / lieber zu andern / als gelehrten Ergoͤtzligkeiten anwenden will. Weßwegen der geneigte Leſer ſeine Arbeit um ſo viel hoͤher ſchaͤ - tzen / und wie einen theuren Balſam in Gold und Alabaſter verwahren mag. Ich habe nicht noͤthig / mich bey jeglichem dieſer Poetiſchen Wer -) (5ckeckeabſondeꝛlich zu veꝛweilẽ / doch muß ich von dem getreuen Schaͤffer mit Wahrheit dieſes vermelden / daß eine durch eben dergleichen Arbeit der Welt gnugſam bekannt gewordene vornehme und hochverſtaͤndige Per - ſon mehr als einmal aufrichtig geur - theilet / des Freyherrn von Abſchatz Paſtor Fido waͤre vor ein Meiſter - ſtuͤck aller Uberſetzungen / ſonderlich in den Choͤren / zu halten. Wie Er denn auch / als er eine lange Zeit / nur geſchrieben / in den Haͤnden vertrau - ter Freunde herum gegangen / und nachmahls / durch den Abdruck etli - cher weniger Copeyen / nicht viel ge - meiner worden / von allen Liebhabern der Ticht-Kunſt ſolchen Beyfall be - kommen / daß man / ſo gar aus dem eu - ſerſten Norden / Nachfrage deswegen gehalten. Welches denn unſern ſe - ligen Freyherrn dahin bewogen / daß er ihn von neuem vor die Hand ge -nom -nommen / und in einen weit vollkom - menern Stand geſetzet. In wel - chem er ſich auch itzt vor die Augen des geneigten Leſers ſtellen / und deſ - ſen vernuͤnfftiges Urtheil erwarten darff. Wer des Adimari Welſche Sonnette geleſen / wird ſich uͤber dem Nachdruck / den Ihnen der ſeel. Frey - Hr. von Abſchatz in unſrer Mutter - ſprache eingefloͤſſet / billich verwun - dern. Was die uͤbrigen Poeſien an - belanget / ſo geſtehet man gantz gern / daß unſer Hoͤchſt-ſchaͤtzbarer Frey - herr von dem ſeeligen Lohenſtein / mit dem Er Lebenszeit gantz vertraulich umgegangen / den Tittel der Him̄el - Schluͤſſel entlehnet / ſonſt aber wird man wohl wenig oder gar nichts ge - borgtes in ſelbigen antreffen. Der geneigte Leſer bediene ſich demnach dieſer koͤſtlichen Fruͤchte zu ſeinem Vergnuͤgen. Solte Ihm aber un - terweilen etwas noch herbe oder un -voll -vollkommen vorkommen / ſo beliebe Er zu erwegen / daß ſie gleichſam von der Hand des Todes allzufruͤh abge - brochen / und alſo derjenigen Lieblig - keit beraubet worden / die Sie von der lezten Uberſehung des Urhebers er - warten koͤnnen. Wohl - und rechtge - ſinnte Gemuͤtter werden dieſe aus dem Grabe des ſeligſten Frey-Herrn hervorſchieſſende Blumen / niemals durch ein unzeitiges Splitterrichten / in Dornen oder Neſſeln verwandeln; Mißguͤnſtige aber moͤgen ſich vorſe - hen / daß ſie / wenn ſie etwas deroglei - chen ins Werck richten wolten / ſich nicht zu erſt darein ſtechen oder ver - brennen / und als denn von unpar - theyiſchen ausgelacht wer - den doͤrfften.
C. G.
Des Wohl-ſeligen Herrn Baron von Abſchatz bey ſeinem Teutſch-redenden treuen Schaͤf - fer des Guarini, aus Ablancourts Vorrede des uͤberſezten Taciti, p. 5.
DAs groſſe Unrecht / was man einer Copey (und ſo auch einer Comparation) thun kan / iſt / ſie neben dem Grund-Gemaͤhlde zu weiſen / indem ſie gegen demſelben alle Zierligkeit verlie - ret / und der Natur ſelbſten zwey einander gantz aͤhnliche und gleiche Sachen vorzuſtellen ſelten gelingen will.
5VOn Joſeph / dem Egyptiſchen Landes-Beſtell - ten / hat deſſen Parentator, der heilige Geiſt / in der Pauliniſchen Lob-Rede an die Hebraͤ - er / diß einige / als etwas Ungemeines ange - mercket: Daß er durch den Glauben geredet von dem Auszuge der Kinder Iſrael / da er ſterben ſollen / und Befehl gethan von ſeinen Gebeinen.
Welche ſonderbare Merckwuͤrdigkeit ihren Grund hatte in der Moſaiſchen Vorſtellung des Eydes / den dieſer Patri - arche bey ſeinem Tode von den Kindern Iſrael genommen und geſaget: Wenn euch GOtt wird heimſuchen / ſo fuͤhret meine Gebeine von dannen. Wie denn auſſer allem Zweifel auch diß leztere Begehren von hoͤchſt-gedachtem heiligen Lob - Redner hergefloſſen / als welcher wuſte / was an dem ſonſt gantz vollkommenen Joſeph vornehmlich ſolle geprieſen wer - den. Denn / wie alle ſeine Vaͤter / ſo war er verſichert durch den Glauben / daß er dermahleins am erſten Oſter-Tage Reuen Teſtamentes mit dem aufferweckten Meßia im gelob - ten Lande ſolte lebendig und gen Himmel eingeholet wer - den. Darum verlangte er / allerlobwuͤrdigſt / daß ſeine Gebeine von dannen gefuͤhret / und im Lande der Verheiſſung beerdi - get wuͤrden.
Es iſt keine unedle Sorgfalt / auch in der Aſche noch leben / und im Grabe eine Sicherheit vor ſein Todten-Geruͤppe ha - ben wollen. Zumahl / wo man ſich im Glauben die gewiſſe Aufferweckung von den Todten zu verkuͤndigen weiß. Deß - wegen wurde nunmehro dieſe beeydete Verordnung denen wehmuͤttigen Bruͤdern zu einem hoch-bedencklichen Geheim - niß; ſo / daß uͤber 145. Jahr deſſen unvergeßliche Beobach - tung noch in vollem Andencken lebete / als der Heer-Fuͤhrer Iſraelis / unbeſorgt / wie alles Volck dem Egyptiſchen Ge - raͤthe und andern Koſtbarkeiten zueilete und ſie mit nahm /(A) 3nur6Freyherrlich-Abſchatziſchesnur allein ſich die Sorge des Gehorſams und Erfuͤllung des Eydes der Vaͤter an den Gebeinen Joſephs vorbehielte.
Iſt doch auch der auffrichtige Gehorſam danckbarer Nach - kommen eine wahre Urſache derer iederzeit Ehren-werth ge - haltenen Reliquien der Heiligen / in welchem Reſpect wir ſie billich vor inviolables Heiligthuͤmer achten. Solte ie - mand die praͤchtige Ausfuͤhrung und Begleitung des Leich - nam Joſephs von 600000. Mann der Iſraeliten geſehen haben / und die itzige Fuͤrſtliche Beyſetzung derer Bruͤder nach dem Tode ihres Erhalters und allgemeinen Vaters ſich vorbilden koͤnnen / ſo bin ich verſichert / er werde nicht zu ſagen wiſſen / welche unter beyden der andern was nachgegeben. Denn jene fuͤhreten ſeine Gebeine von dañen mit ungemeiner devotion, dieſe aber ſalbeten ihn / und legten ihn in eine Lade in Egypten mit vortrefflicher Ehre; honoris ſupremitate, wie man vor Zeiten bey hohen Leichen-Beſtattungen zu reden pflegte.
Wer weiß es nicht / was die Egyptiſche Nation mit ihren Todten vor ſtoltze Ceremonien gehalten / da ſie vornehmlich auff ein praͤchtiges Begraͤbniß alle das Ihrige / wenig aber auff einige Commoditaͤt artiger Wohnungen im Leben gewen - det. Weßwegen zu erachten / es werde auch dieſe Funeration ſo ſtill nicht geſchehen ſeyn / als mit wenigen Worten ſie be - ſchrieben worden. Die Alten geben Nachricht: Man haͤtte den viel Wochen lang koſtbar balſamirten Leichnam mit ſchoͤ - nen Tuͤchern und theuren Zierrathen eingewickelt / in einem trefflichen Sarge auf ein erhabenes Caſtrum Doloris uñ dem gantzen Lande zur allgemeinen Klage vor Augen geleget.
Nach Vollendung deſſen habe man die amomirte Mumie des Hochverdienten Mannes erhoben / und ſie in Fuͤrſtlicher Para - de biß in das Koͤnigliche Schatz-Hauß begleitet. Denn ſo haͤtten es die Egyptiſchen Gelehrten vor gutt befunden; weil ſie wiſſen wolten / daß / ſo bald man dieſen Leichnam wuͤrde aus dem Lande folgen laſſen / eine ſo groſſe Finſterniß geſche - hen muͤſſe / dabey einer den andern / auch bey angezuͤndetemLich -7Ehren-Gedaͤchtniß.Lichte / nicht ſehen wuͤrde; Gewiß genug von Joſeph / ihrem allgemeinen Lehr-Meiſter / alſo unterrichtet / deme die ſichere Erklaͤrung ſolcher zukuͤnfftigen Warheit nicht verborgen ſeyn konte.
Schade / daß keine zuverlaͤßige Nachricht zu finden / wenn und wie dem ſo vortrefflichen Joſeph ſeine holdreiche Ge - mahlin / die Aſſenath / im Tode vor - oder nachgegangen ſey. Denn ob wohl die Schrifften heutiger Hebraͤer und die Ver - faſſung des lezten Willens der Soͤhne Jacob / ingleichen die alte Geſchicht von der Aſſenath / welche von der Hebraͤiſchen / Griechiſchen / Lateiniſchen endlich zur Teutſchen Sprache kommen / hiervon was melden wollen / ſo iſts doch ohne ſon - dern Grund. Auch wenn in der lezten vorgegeben wird / ſie habe laͤngſt vor Joſeph / im 20. Jahr ihrer Ehe / als ſie 41 / Joſeph 50 / Manaſſe 19 / Ephraim 18. Lebens-Jahre errei - chet gehabt / Abſchied von dieſer Welt genommen / ſo erweckt dennoch Moſes bey der erzehlten adoption der Soͤhne Jo - ſephs an dem Krancken-Bette Jacobs vielmehr die Gedan - cken / daß Aſſenath damahls im 56. Jahr des Alters Joſeph noch lebhafft und nicht ohne Hoffnung erfolgenden Ehe - Segens moͤge geweſen ſeyn. Dannenher zu glauben ſtehet / weil zumahl ihr Nahme ſo viel als eine Aerztin bedeutet / ſie ſey von GOtt dem hoch-bemuͤhten Abrech zu einer anmutti - gen Pflegerin gegeben / und ſo lange gegoͤnnet worden / biß er ſich ihrer im 110. jaͤhrigen Alter und lezten Schwachheit am meiſten bedienen koͤnnen. Solte auch was anders zu Jo - ſephs groſſem Leid-Weſen ſo zeitig erfolget ſeyn / wuͤrde deſ - ſen dis heilige Hiſtorie / wie anderer kleinern Zufaͤlle der wunderlichen Wege GOttes an ihm / nicht vergeſſen haben.
Die gelehrte Anmerckung eines beruͤhmten Niederlaͤnders vermuthet / daß die Haupt-Urſache der hohen Vergoͤtterung Joſephs / nach ſeinem Tode in Egypten / daher gekommen / weil die Heliopolitaniſchen Prieſter und Fuͤrſten / ihrer nahen Verwandtin / der verwittibten Aſſenath / und dero beyden Fuͤrſtlichen Printzen / Ephraim und Manaſſe / zur Conſola - tion nach der Religioſitaͤt des Landes / die beyden bekandten Statuen zu On oder Sonnen-Stadt / und Memphis auffge - richtet / deren eine der Sonne / die andere dem Mond heilig /(A) 4und8Freyherrlich-Abſchatziſchesund mit dem Nahmen Mneus und Apis, oder Oſiris gezeich - net geweſen / und haͤtte man dadurch gedachte beyde hohe Perſonen / welche dergeſtalt einander nur kuͤrtzlich uͤberlebt haben muͤſten / in dergleichen Symbolis, zweyer an beyden Orten erhoͤheten goͤldnen / und unter dieſem Volck hoͤchſt-ge - ehrteſten Rinder; oder / wie andere wollen / eines Stiers und etlicher Kornaͤhren / zum Andencken des erklaͤrten Traums Pharao / allerdings ewig vergoͤttern wollen.
Alleine / was braucht es ſolcher muͤhſamen Unterſuchun - gen? Ich dencke hier an die Worte eines zu itziger Zeit be - kandten Altdorffiſchen Philologi, da er ſein Urtheil uͤber al - lerley dergleichen aus den Juͤdiſchen Scribenten zuſammen getragene Dinge ſezte: Quilibet horum è tenebris Ægyptia - cis lucem eruere ſategit. Dienet uns zur Nachricht. War - um wollen wir im dunckeln ſolcherley Muthmaſſungen irren / da uns bey gegenwaͤrtigem Frey-Herrlichen Actu darum ſo viel auffgeſteckte Licht-Kertzen in die Augen ſtrahlen / damit man dieſe beyden vor uns zugleich ſtehenden Todten-Laden zu einem unfehlbaren Zeugniſſe annehme / Joſeph und Aſſe - nath ſeyn allerdings zugleich auff einmahl geſtorben und be - graben worden.
Wer ſiehet allhier nicht den Abrech unter unſern Landes - Vaͤtern / den Sophnat Pahaneach dieſes Fuͤrſtenthums? Weyland den Hoch-Wohl-gebohrnen Herrn / Herrn Hanns Aßmann / Frey-Herrn von Abſchatz / auf Wuͤr - bitz / Nieder-Goͤlſchan / Baͤrſchdorff / Petſchkendorff und Lederoſe / des Fuͤrſtenthums Liegnitz hoch-ver - dienten Landes-Beſtellten / und bey denen Zuſammen - Kunfften der Hochloͤblichen Herren Herren Fuͤrſten und Staͤnde in Breßlau Ordinär-Deputirten? Und iſt das nicht die wohlthaͤtige Gemahlin und ungemeine Pflege - rin unſeres Liegnitziſchen Herren Landes-Beſtelleten / die Me - dica unſers muͤhſamen Joſephs / weyland die Hoch-Wohl - gebohrne Frau / Frau Anna / Freyin von Abſchatz / ge - bohrne von Hund / Frau auff Wuͤrbitz / Nieder-Goͤl - ſchau / Baͤrſchdorff / Petſchkendorff und Lederoſe?
Wenn ich eigentlich ſagen ſoll / wohin ich mit dieſer Ver - gleichung ziele / ſo iſt es der ſchrifftlich hinterlaſſene Eyd vonden9Ehren-Gedaͤchtniß.den Gebeinen dieſes unſers Liegnitziſchen Joſephs: Dem -” nach iſt mein Wille / wenn der treue GOtt meine Seele nach” ſeinem gnaͤdigen Willen und Wohlgefallen aus ihrer irrdi -” ſchen Huͤtte abfodern / und wie ich in glaͤubigem Vertrauen” auff ſeine grundloſe Barmhertzigkeit / und das vollguͤltige” Verdienſt meines einigen Erloͤſers und Heylandes JEſu” Chriſti / ſo er auch an mir nicht wird laſſen verlohren ſeyn /” feſtiglich hoffe / in ſein himmliſches Reich zu ſeiner Gnaden -” Hand auffnehmen wird / daß mein verblichener Coͤrper mit” einem gewoͤhnlichen Sterbe-Hemde und ſchwartz-raſchenem” langen Rocke bekleidet / in einem doppelten / und zwar den” oberſten Eichenen Sarg mit folgenden Spruͤchen; oben” auff dem Deckel: HErr / ich warte auff dein Heyl; auff” der einen Seite: Ich bin die Aufferſtehung und das Leben;” auff der andern Seiten: Ich lebe und ihr ſollt auch leben;” zu den Haubten: Hier ruhet und erwartet der ſeligen Er -” ſcheinung unſers HErrn JEſu Chriſti / der weyland Wohl -” gebohrne Herr Hanns Aßmann / Frey-Herr von Ab -” ſchatz der juͤngere / des Fuͤrſtenthums Liegnitz geweſener” Landes-Beſtellter; zu den Fuͤſſen: Im HErrn verſchieden /” den Tag / das Jahr und Alter bezeichnet: Ohne alle andere” Pracht und Zierrath / zur Hoffnung der Freudenreichen Auf -” erſtehung / eingelegt werden ſoll.” Und waͤre mir erlaubt die Trauer-Decken von beyden Leichen-Kaſten abzuziehen / ſo wolte ich in Gegenwart ſo hoher Zeugen gar zuverſichtlich erweiſen / daß dieſes lezte Begehren / vorgeſchriebener Maſ - ſen / und an dem Sarge der neben-ſtehenden wohlſeligen Frauen Gemahlin in gebundnen Reym-Zeilen / auff einerley Art ſey erfuͤllet worden.
Mir wuͤrde auch gantz leicht zu behaubten ſeyn / daß des Egyptiſchen Joſephs und Aſſenath Saͤrge eben mit derglei - chen Inſcriptionibus auff dem damahligen Trauer-Geruͤſte geſtanden. Denn das war der heiligen Patriarchen ge - woͤhnlicher Leichen-Text / welchen Moſes gleichſam an den Sarg des Vater Iſraels angeſchrieben / bey Erzehlung deſ - ſen Todes / nemlich: HERR ich warte auff dein Heyl. Und ſo redete ſelbter im Tode / wie er von ſeinen Geiſt-vollen Ahnen unterrichtet war / deſſen er auch bey ſeinen Nachkom -(A) 5men10Freyherrlich-Abſchatziſchesmen zu gleicher Glaubens-Folge ſich verſahe. Um was war es ihnen allen ſonſt zu thun / als um die Aufferſtehung und das Leben? Weßwegen ſie in Canaan durchaus ver - langten begraben zu werden.
Nachdem aber hiervon ein mehrers ſoll geredet werden / ſo ſey es indeſſen genug / wenn wir wiſſen / daß /
Was hier zu ſehen iſt / und wir zu leſen haben / Heiſt: Joſeph wird zugleich mit Aſſenath begra - ben.
Hoch-geſchaͤzte Anweſende. Ihre vornehme Beglei - tung und Hoch-anſehnliche Gegenwart machet dißmahl die - ſen Raum unſers GOttes-Hauſes zu einem Caſtro Doloris. Dieſe Solennien locken nicht nur die Hoch-leidtragende Trauer-Verſammlung / ſondern auch unſere geſammte Stadt und das loͤbliche Fuͤrſtenthum herzu / mit Thraͤnen zu erfah - ren / was fuͤr einen Riß der HErr unter uns gethan. Unſer Iſrael wird furchtſam / was nun nach Joſephs Tode erfol - gen werde. Und ſo beweinen wir dieſen Fall durch die an hieſiger Staͤtte angeſtimmten Klage-Lieder. Unſere Stadt und Vaterland erzehlet gar wenig ſolche Begebenheiten / darum iſt auch gegenwaͤrtig ſchmertzliches Vorhaben ein um ſo vielmehr extra-ordinäires Leid-Weſen.
Wer mitleidig iſt / der wolle zu ſeiner Conſolation an die - ſem Trauer-Geruͤſte
Zwey Saͤrge auff einmahl ſehen und in ſelbigen zwey ver - ehlichte im Tode unzertrennte Hertzen / iſt was Rares / welches wohl viel tauſend Ehe-Hertzen wuͤnſchen / aber ſo gluͤckſelig nicht erlangen koͤnnen. Die Eheliche / oder auch ſonſt vertraute Freundſchafft / qualmet zwar insgemein mit Salomo: Wo mein Schatz iſt / da ſey auch mein Hertze! A - ber es muͤſſen nur Abſchatziſche Hertzen ſeyn / an denen ſolches erfuͤllet wird. Und ob ein dem David in[ getreuer] Liebe / als wie angetreueter Ithai / ſich verſchweren wolte / ſo wahr der HErr lebe / und ſein Herr Koͤnig / an welchem Orte ſein Herr Koͤnig ſeyn werde / es gerathe zum Tode oder zum Leben / da wolle er / deſſen Knecht / auch ſeyn / ſo muß es doch darum nichtgeſche -11Ehren-Gedaͤchtniß.geſchehen. Ihrer viel muͤſſen es vor ein Gluͤcke ſchaͤtzen / wenn ſie nur noch an die Seite ihrer Ehe-Gatten / oder in ein Grab dermahleins mit ihren Geliebten gelangen koͤnnen; wo ſie geſtorben / auch ſterben / und wo ſie begraben worden / auch begraben werden moͤgen / wie Davids / des Koͤniges / Elter-Mutter wuͤnſchete / ob ſie es ſchon ſo bald erfuͤllet zu werden nicht hoffen doͤrffen. Aber zugleich auff ſanfftem Todes-Bette / natuͤrlichem Lauffe nach / ſterben / und zugleich ordentlich und herrlich begraben werden / iſt uͤber alle Rari - taͤten.
Wir werden deßwegen dem zu Ende gehenden itzigem Se - culo ein ſonderbares Merck-Zeichen beyſuͤgen / maſſen ſolcher Faͤlle auff dieſe Zeit / zumahl in unſerm Lande / meines Wiſ - ſens / gar wenig anzutreffen ſind. Unſerer Polniſchen Nach - barn einer zu Frauen-Stadt / herberget in ſeinen Trauer - Binden ein einiges Exempel von zwey alten Ehe-Genoſſen / die ſich Chriſtlich zu erblaſſen unterredet / Sterbe-Kleider an - gezogen / neben einander niedergeleget / und Anno 1613. auff einmahl verſchieden. Der Fuͤrſtliche Superintendens zum Brieg / bey den Zeiten damahligen Piaſtaͤiſchen Landes-Fuͤr - ſtens / Hertzog Georgii / Roͤm. Kaͤyſerl. Majeſt. geheimten Raths / Caͤmmerers und Oberſten Haubtmanns des Her - zogthums Ober - und Nieder-Schleſien / meldet in der Leich - Predigt hochgedachten Hertzogs / daß ſelbter von ſeiner Fuͤrſtlichen Frau Gemahlin / als er ſie bey ihrem Sterbe - Bette beſuchet / gebeten worden / ihr eine Bitte / die ſie an ihn thun wuͤrde / nicht zu verſagen / alsdenn wolle ſie deſto williger ſterben; und da der Wehmutt-volle Hertzog mit ja geant - wortet / wofern die Bitte zu gewaͤhren in ſeinem Vermoͤgen ſtuͤnde; ſo habe ſie ſich ausgelaſſen: Sie begehre / daß Ihro Liebden mit ihr ſterben wolten. Worauff abermahlige Ant - wort erfolget / er ſey bereit mit Deroſelbten zu ſterben / wenn es GOttes Wille auch alſo ſey. Und muͤſſe man ſich verwun - dern / daß innerhalb 8. Wochen Anno 1664. beyde Fuͤrſtliche Perſonen abgeredeter Maſſen einander im Tode gefolget. Vor 12. Jahren am 8. Junii / Anno 1687. machte der in hieſi - gen Fuͤrſtenthuͤmern hoch-renom̃irte Kaͤyſer - und Koͤnigliche Rittmeiſter / Herr Conrad von Sack und Damßdorff Herrzu12Freyherrlich-Abſchatziſcheszu Kaufung und dem Koͤnigl. Pfand-Schillinge Altenburg / ein gleichmaͤßiges Valet durch einen geſchwinden Tod im 74. Jahr ſeines Alters / deſſen Ehren-volle Ehe-Liebſte / Frau An - na gebohrne von Zedlitz / ſolche angenehmſte Schickung GOt - tes / da ſie ſchon 14. Tage gekrancket / mit dieſen Worten bewill - kommete: Ich dancke GOtt / der mein Gebet erhoͤret und mich ſehen laſſen / wie mein Ehe-Herr geſtorben / dem ich / mei - nem ſteten Wunſche nach / bald folgen will. Deſſen ſie auch nach 27. Stunden gluͤckſeligſt gewaͤhret wurde. Und nun liegen izt in Liegnitz / zu unſerer unverſehenen Ehre derglei - chen Seltenheiten vor Augen. Wir zeichnen uns billich den 22. Aprilis vor den Wohl-ſeligen Herrn Baron mit dem nota bene Davids: Des Gerechten werde nimmermehr vergeſ - ſen / und den 24. folgenden Tag zum Andencken der himmliſch - erfreueten Frauen Baroneſſe mit dem Aſteriſco Daniels: Sie leuchte / wie die Sterne immer und ewiglich.
Wird iemand forthin im Plutarcho von der bey denen E - gyptiern bekandten und vielleicht biß an Joſephs Zeiten al - ternden Geſellſchafft τῶν συναποϑνησκόντων, der mit einander Sterbenden / leſen / der vergeſſe unſers Liegnitziſchen / ſo gar dem Egyptiſchen Joſeph und Aſſenath nach-ahnenden raren Exempels nicht. Hingegen verzeihen uns alle Nationen / welche iemahls was Ungemeines bey ſich geruͤhmet / daß wir dißmahl ihre wunderwuͤrdige Raritaͤten nur obenhin anſe - hen. Selbſten die admirablen Erfinder der kuͤnſtlichen Sel - tenheiten in Londen / zu Paris / und wo ſie ſonſten leben; der gelehrte Caſſin, hocherfahrne Hevel, weitberuͤhmte Loͤwen - bock / Boyle in Londen / Gverike zu Magdeburg / Papin in Marpurg / Meretto, Kunckel / duͤncken uns nichts Rares zu haben vor uns. Denn ſo uͤbergroß die Kunſt iſt ſelig zu ſter - ben / vor allen Kuͤnſten / um ſo vielmehr æſtimiren wir das Gluͤck ehelich-unzertrennt und ſelig zu ſterben.
Als der in Leiden uͤber dem gewiß ungewoͤhnlich ſchoͤnen Abſchiede der unvergleichlichen Maria / Koͤnigin in Groß - Britannien / mitleidende Spanheim / deßwegen ſeine Klag - Rede hielte / wuſte er / wie hochermeldte Regentin mit ihrem allerliebſten Herrn Gemahl ſich zulezt unterredet haͤtte / und da ſie keine Rechnung laͤngeꝛ mit ſelbtem zu leben / vielwenigerzu -13Ehren-Gedaͤchtniß.zugleich mit ihm ins Grab geleget zu werden / ſich machen doͤrffen / endlich dieſe großmuͤttige Worte gebrauchet: Vale, mi Gvilielme, ac vive intemerati noſtri conjugii memor, do - nec Te mihi, aut me Tibi, ſors Tua reddiderit. Nec plane mo - rior, dum utriusque noſtrum totam imaginem poſſides. Tu unus, erisque vivus mihi tumulus quovis Mauſolæo, quavis mole ſanctior & honoratior. Iſt ein Zeugniß / daß diß all - gemeine Final auch die Groſſen in der Welt ſich muͤſſen gefal - len laſſen / wenn es zum Scheiden koͤmmt / wie ſehr ſie einan - der lieben. Aber weit gluͤckſeliger waren unſere Abſchied - nehmenden Abſchatziſchen Ehe - und Ewig-vertrauten. Der unverſehene Hingang des durch den Schlag-Fluß erſtumme - ten / und nur noch mit den Angſt-vollen Augen redenden Herrn Barons, zu dem Krancken-Bette der Frau Gemahlin / war / als wie wenn der Todte einen Sterbenden beſuchen / und die Troſtloſe dem Erſchrockenen Mutt einreden ſolte. Die tieff-geholten Seuffzer / und die damahls ein wenig bewegte Hand gaben zu verſtehen / daß die hoͤchſt-elende Frau Baro - neſſe zu gleicher Freude und baldigen Genieſſung ewiger Ruhe invitiret wuͤrde / welches ſie auch mit ſehr beweglichen Worten zu ruͤhmen wuſte. Deſſen allen wir / die ſolches wehmuͤttig angeſehen / uns ewig erinnern werden.
Es konte doch auch dergleichen Tugendvolle Ehe-Frau nun nicht mehr leben / denn das Leben wurde ihr mit ihrem ſterbenden Ehe-Herrn genommen. Und daß ſelbter ſeiner Tod-ſchwachen Frau Gemahlin biß hieher in Liegnitz nach - gezogen / war die Urſache / weil er wuſte / daß wenn ſie ſterbe / er zuvor in ihr ſterben muͤſſe. Sie war ſeine andere Seele / denn ſie liebte ihn / ſo viel ihr moͤglich war / und das war die Flamme / womit ſeine in ihr lebende Seele genaͤhret wurde. Alles / was an ihr war / muſte zu ſeiner Pflege dienen / darum konte ſie ihn nicht alleine laſſen. Sie hatte ihre Strahlen der Ehre und Gluͤckſeligkeit von ſeiner Sonne / darum erblaſ - ſete ſie / als er verbliche / und verlohr ihr Alles bey dem Ver - luſte ſeines Lebens. So / wie ſie ehemahls in Rauſſe bey er - ſter Vermaͤhlung geſprochen hatte: Ich will mit dieſem Manne / alſo redete ſie biß ins Grab.
Indi -14Freyherrlich-AbſchatziſchesIhr beyden anſehnlichen Archen / Ihr ſeyd Joſephs und Aſ - ſenath! gantz Iſrael begleitet euch heute mit unzehlbarer Frequentz aus Egypten ins gelobte Land. Und ob wohl vor Zeiten Rubens Sarg / Judaͤ Kaſten und anderer Vaͤter Leichen-Behaͤltniſſe / iegliches bey ſeinem Stamm auch mit fortgefuͤhret wurden / ſo blieb doch Joſeph die Ehre alleine / neben der Lade des HErrn begleitet zu werden. Wovon die Juͤdiſchen Religions-Buͤcher melden: Es waͤre die Lade der goͤttlichen Majeſtaͤt und Joſephs neben einander daher ge - tragen worden / und wenn Fremde / die da im Volck des HErrn immer ab - und zugieugen / gefraget / was diß vor Ka - ſten waͤren / haͤtte man ihnen geſaget / ſie waͤren GOttes und Joſephs / und daß man ſolches thue / geſchehe / weil GOtt in ſeiner Lade dasjenige ſchrifftlich liegen haͤtte / was er uns in der Welt zu thun befohlen; und in der andern ſey auffgeho - ben ein Mann / der /[ zu] einem raren Exempel / das / was GOtt dorten befohlen / Lebenslang in acht genommen.
Ich weiß nicht / welcher unter dieſen beyden vor unſern Au - gen-ſtehenden Saͤrgen vor eine Lade des HErrn zu achten ſey. Beyde Hertzen der Wohlſeligen liegen unzertrennt beyſammen / als in einem Sarge / und in beyden Saͤrgen ru - het auch zugleich der mit ihren Hertzen biß ins Grab durch den Glauben vereinigte HErr der Herrligkeit: Darum ſind ſie ohne Zweifel wuͤrdig / als Laden GOttes / neben einander getragen zu werden. Sehen doch auch alle unſere Saͤrge alſo aus. Wer mit ſeinem Goel ſchlaffen gehet / der lieget gewiß ſo gutt als Aarons-Rutte und die Manna-Gelte / ſelb - ſten an der Seite des Gnaden-Stuls / und reiſet auch den Ge - beinen nach / mit Chriſto in Abrahams Erbtheil durch das einſame Land dieſer irrdiſchen Wuͤſten.
Allergluͤckſeligſtes Paar / im Leben / im Grabe / im Him - mel! von GOtt alſo zuſammen gefuͤget / damit ſie auch durch den Tod nicht moͤchten geſchieden werden. Raro felicitatis domeſticæ exemplo, ut, qui concorditer vixerant, eodem mo - mento ad Deum migrarent, ne alter ſuperſtes alterum lu -gere15Ehren-Gedaͤchtniß.gere cogeretur, wie Thuanus von Alberti, Marchionis Bran - deb. und ſeiner etliche Stunden nachfolgenden Gemahlin Tode geredet. Sie haben nun erfahren / was morte ſociata mori heiſſe / nach Senecæ Meynung / und wie gluͤckſelig das Grab der Verliebten / τῶν φιλ〈…〉〈…〉 ντων, zweyer unter den edelſten Roͤmern / zu achten geweſen. Quodque ubi idem eſt & maxi - mus & honeſtiſſimus amor, aliquando præſtet morte jungi, quam vita diſtrahi. Von ihnen ruͤhmet der Roͤmiſche Ora - tor mit Recht: Omnia præclara, omnia rara. Sie haͤtten kei - ne erwuͤnſchtere Gelegenheit finden moͤgen / ſich noch einmahl irrdiſch zu vermaͤhlen und in das Ehe-Bette eines gluͤckſeli - gen Todes zuſammen zu liegen / als eben zu itziger Zeit / welche durch das hoͤchſt-begluͤckte Koͤnigliche Beylager Dero Aller - Durchlauchtigſten Majeſtaͤten / unſers Allergnaͤdigſten Teutſchen Joſephs / mit deſſen Allererwehlteſten Amalia admirabel gemachet / und zugleich unſer Vaterland / beyder Koͤniglichen Majeſtaͤten allerunterthaͤnigſtes Erb-Land / zu verwunderungs-vollen Gluͤckwuͤnſchungen geleitet wird. Sie bleiben wohl unvergeßlich in unſerm Andencken / und diejeni - gen / an welchen auch die zukuͤnfftigen Secula was Rares uͤ - berlebt / erlebt und geſehen haben werden.
Wolten ſie nur / Hochgeſchaͤzte Anweſende / erlauben / daß ich dieſe Leichen-Tuͤcher abnehme / ſo wuͤrden ſie zu noch mehrer Vergnuͤgung alſofort auch
Was Rechtes leſen.
Die Geiſt-vollen Inſcriptiones auff beyden Saͤrgen / eines Theils in der Mund-Art des heiligen Geiſtes / andern Theils in eben ſolcher / doch mit Poetiſchen Worten / vorgeſchrieben / ſind Merckmahle des hohen Joſephiſchen Geiſtes unſerer ſelig Verblichenen. Dero vieljaͤhrige Lebens-Experientz ſie zu ſolchen Chriſten gemachet / die von ungemeiner Extra - ction waren. Was andere nur aus Allermanns Ciſternen heilſamer Erinnerungen und geiſtlicher Troͤſtungen ſchoͤpf - fen / das ſucheten ſie ſelbſten bey der Quelle des goͤttlichen Mundes / mit beſtaͤndiger Anruffung / daß der HERR des Himmels ihnen den Reichthum ſeiner Erkaͤntniß geben wol - le. Und ſo denn koſteten ſie an den Saͤfften goͤttlicher Weiß -heit16Freyherrlich-Abſchatziſchesheit ſo lange / biß ſie die Seel-erquickenden Kraͤffte ſelbſten ſchmecketen / welche ihrer Kehle ſuͤſſe wurden. Es war ihnen angebohren ans Sterben immer zugedencken / darum funden ſie unter allen Bibliſchen Todes-Ergoͤtzligkeiten / vornehmlich den zu ſeinen Vaͤtern ſich verſammlenden Vater Joſeph / und mercketen ſich deſſen Todes-Seuffzer: HErr / ich warte auff dein Heyl. So leſen wir auff der Decke dieſer beyden Saͤrge. Koͤnte wohl ein inhafftirter Joſeph was Großmuͤt - tigers an die Thuͤr ſeines Gefaͤngniſſes geſchrieben haben / womit er ſo wohl ein Bekaͤntniß von der Religion ſeiner Vaͤ - ter / als auch ein Zeugniß ſeines itzigen Vertrauens zu GOtt / auffweiſen wollen? Und ein von Geburt an in Suͤnden biß in den Tod gefeſſelter Chriſt ſtellet ſich diß Memoriale billig an die Thuͤre ſeines Lebens / und ſaget mit groſſem Geiſte: HErr / ich warte.
Unſere Geiſt-volle Sterbenden wolten hiermit zeigen / was ſie von ihrem Grabe hielten / an deſſen Thuͤr ſie ſolche Worte anzeichneten / meynende / diß ſey das Warte-Zimmer / darin - nen es niemanden zu lang werden koͤnne / zu verziehen / biß die Stunde komme / auffzuſtehen vom Schlaff / wenn die Nacht vergangen und der Tag des ewigen Heyls herbey kommen.
Im Alten Teſtamente war der Glaube an Chriſtum nichts anders als ein Warten auff das Heyl GOttes / den Schilo, der da ſelig machen konte. Ob gleich ihre Hoffnung ſich biß ins Grab verzog / ſo wurde dennoch ſolch Glaubens-volles Warten ihnen gerechnet zur Gerechtigkeit. Sie ſagten: Ob mich der HErr gleich toͤdten wuͤrde / will ich dennoch auff ihn hoffen. Darum der Sohn GOttes auch deſiderium gentium, und die Glaͤubigen / Wartende auff den Troſt Iſra - els / genennet wurden.
Die jenigen / welche Joſephs und Aſſenaths Leichen-Kaſten wollen geſehen haben / melden / daß oben auff dem gantz ver - goͤldeten Deckel der Hebraͤiſche Nahme GOttes Jehova ge - ſchrieben / und noch andere Egyptiſche Kenn-Zeichen heiliger Bilder-Schrifften angemercket geweſen / die auff folgenden Sinn ausgegangen: Der / der da war / der da iſt / und der da ſeyn wird / mache durch ſeine goͤttliche Krafft dieſe Abgeſtor -benen17Ehren-Gedaͤchtniß.benen ſelig. Welches allerdings mit dem hernach dem Moſi in Midian geoffenbarten Nahmen des HErrn / des ſeligma - chenden Schilo, uͤberein koͤmmt.
Solche heilſame Uberſchrifften zieren unſere Grabes-Thuͤ - ren / wenn es heiſſet: HErr / ich warte. Denn darum ſind wir allda mit Leib und Seel annoch in ſtatu mortis, im Lande der Todten / wie der prophetiſche Evangeliſt des Alten Teſta - ments; oder auch unter der Herrſchafft des Todes / wie der Heyden-Lehrer weiſſaget. Wir warten im Grabe / ob wohl der Seelen nach allbereit in prima ſtola der Seligkeit / den - noch auch auff unſers Leibes Erloͤſung / und werden von GOtt getroͤſtet / eine kleine Zeit Gedult zu haben / biß daß vollend herzu kommen moͤgen unſere Mitknechte und Bruͤder / wie dem Theologo bey Offenbarung des fuͤnfften Siegels gezei - get wurde. Die vollkommene / endliche und ewige Seligkeit iſt dem gantzen Menſchen und nicht allein der Seelen verheiſ - ſen. Selbte Seligkeit iſt das hoͤchſte Gutt des Menſchen / welches alle Begierde und Verlangen ſtillet / daß / wer es hat / nichts anders mehr begehren kan. Nun haben die Seelen noch nicht alles Gutte / ſondern noch viel im Verlangen. Ob ſie gleich ſchon ſelig / ſo haben ſie doch noch nicht das voͤllige Ende der Verheiſſungen GOttes / da ſie nicht allein / ſondern auch die Leiber zugleich gekroͤnet werden / und das Angeſicht GOttes anſchauen ſollen. Welche aber GOtt von Ange - ſicht zu Angeſicht ſchauen / die haben alles in allem / lehret des HErrn Apoſtel. Darum heiſſet es von denen abgeſchiede - nen / aber annoch wartenden Seelen: Wir ſind zwar ſchon GOttes Kinder und allbereit ſelig / aber es iſt noch nicht er - ſchienen / was wir ſeyn werden. Das wiſſen wir aber / wenn es erſcheinen wird / (oder wie der Syriſche Dollmetſcher es giebet / wenn er ſelbſt erſcheinen wird /) daß wir ihm gleich ſeyn werden: Denn wir werden ihn ſehen / wie er iſt. Es iſt billig / ſchrieb ſchon vor 800. Jahren ein andaͤchtiger Mann / daß die / ſo in Leib und Seele GOtt gedienet / auch zugleich an Leib und Seele die Gnaden-Belohnung empfan - gen. Darum ſollen wir die Vollkommenheit erſt in der Auf - ferſtehung erlangen. Eben wie / wenn die Soͤhne vom Felde(B) kom -18Freyherrlich-Abſchatziſcheskommen und zu ihrem Vater ſagen: Wir haben gearbeitet heute / haben des Tages Laſt und Hitze getragen / es iſt Zeit / daß du uns erquickeſt: Und der Vater ihnen antwortet / ge - duldet euch noch ein wenig / biß alle eure Bruͤder zuſammen kommen / welche gleicher Weiſe arbeiten / ſo ſollet ihr mit ih - nen gantz voͤllig eſſen und ſatt werden.
Diß heiſt / ich warte. Aber was vor ein Heyl? Darauff antworten die zu beyden Seiten der Saͤrge angezeichnete Schrifft-Spruͤche / in welchen der auch im Grabe uns zu bey - den Seiten kraͤfftig bewahrende Seligmacher ſelbſten redet: Ich bin die Aufferſtehung und das Leben. Ingleichen: Ich lebe / und ihr ſolt auch leben.
Wer hierinnen den Balſam der Gebeine Joſephs und Aſ - ſenath nicht reucht / womit ſie im Glauben perfumiret ſind / der muß nicht voͤllig unterrichtet ſeyn in goͤttlicher Weißheit. Hier iſt eben das Heyl / auff das er wartet / ausfuͤhrlich ge - machet. Der Ich / der da iſt / der da war / und der da ſeyn wird. Der JEſus Chriſtus / welcher iſt der Anfang und der Erſtgebohrne von den Todten / in welchem alle lebendig ge - macht werden / gleich wie ſie in Adam alle ſterben: Der iſt ſchon izt unſerer Haut und Gebeine / Adern und Fleiſches / Bewahrer / Aufferwecker / Lebendigmacher. Er wird uns aus der Erden aufferwecken / und wir werden mit dieſer Haut umgeben werden. Er bewahret alle unſere Gebeine / daß deren nicht eines zerbrochen wird. Und dieſe Gebeine wer - den wiederum zuſammen kommen / ein iegliches zu ſeinem Gebeine / und werden Adern und Fleiſch drauff wachſen / und mit Haut uͤberzogen werden / und der Wind des HErrn wird darein blaſen / daß ſie lebendig werden. Wie ehemahls deſ - ſen Vorbild im Prophetiſchen Geſichte gezeiget wurde.
Uns wundert nun nicht / warum Joſeph ſo ſorgfaͤltig vor ſeine Gebeine geweſen / daß ſie dermahleins mit von dannen gefuͤhret wuͤrden ins Land der Verheiſſung; es war ihm um den in kuͤnfftigen Zeiten beruͤhmten Joſephs Nahmen zu thun. Denn das Heyl der Welt ſolte ſeinen Auffenthalt in dem Hauſe eines Joſephs und ſeine Ruhe in dem Grabe einesJo -19Ehren-Gedaͤchtniß.Joſephs finden. Was iſts anders / was heutiges Tages zu Jeruſalem ſo viel curioͤſe Chriſten mit groſſer Andacht beſu - chen / und mit vielen Præſenten beehren / als das Grab / ob nicht des Egyptiſchen / dennoch / zu mehrer Verwunderung / eines recht glaͤubigen Joſephs. Wie mancher groſſer Fuͤrſt hat ſich gluͤckſelig geſchaͤtzet / nur die Steine von dieſem Fels zu kuͤſſen ſelbten Grabes / welches Joſeph erbauet / JESUS aber der Sohn GOttes und Mariaͤ / zum Grabe und Ort ſeiner Aufferſtehung im Tod und Leben erwehlet hat. Und wer war der Aufferweckte anders / als ein Joſeph / der da ſag - te / wie jener ehemahls: Gehet hin zu meinen Bruͤdern und ſagt / ich lebe. Einerley Geſchichte / nur zu unterſchiedenen Zeiten iſt es / wenn die erſchrockenen Bruͤder die Stimme ih - res Erloͤſers hoͤren: Ich lebe / und ihr ſolt auch leben. Bey - de Nahmen / JEſus und Joſeph / haben faſt einerley Nach - druck / und ihren Hebraͤiſchen Urſprung aus der Wurtzel des Heyls. Darum waren ſie Heylande / jener im Vorbilde / ſeines Volckes; dieſer in Vollkommenheit / der gantzen Welt. Und ſo unmoͤglich es jenem war / da er in Egypten zu Ehren kam / ſeiner Bruͤder in ſchweren Zeiten zu vergeſſen / ſondern er nahm ſie zu ſich / und gab ihnen das beſte Land ein; eben ſo wenig kan es dieſer uͤber ſein Hertze bringen / unſer in dem Tode nicht zu gedencken. Wir ſprechen:
Er wird mich doch zu ſeinem Preiß Auffnehmen in das Paradeiß / Des klopff ich in die Haͤnde.
Was meynen ſie / Hochzuehrende / wenn die Poſteritaͤt dieſe Saͤrge in ihrer Grufft dermahleinſt zu ſehen bekoͤmmt? Wird ſie nicht ſagen: Sie ſind Joſephs. Wer JEſum / die Aufferſtehung zur Rechten und das Leben zur lincken Hand hat / der ruhet wie Joſeph in Joſephs Grabe. Ich uͤberlaſſe hoͤheren Perſonen / welche mit unſerm wohlſeligen Herrn Landes-Beſtellten vertraulich gelebet / das Urtheil von dero raren Qualitaͤten und vortrefflichen Meriten. Weil ich a - ber die Gnade hatte / bey deſſen und Frau Gemahlin lezten Kranckheit und Tode als Beicht-Vater auffzuwarten / ſo kan(B) 2ich20Freyherrlich-Abſchatziſchesich nun mit Rechte vor dem Angeſichte GOttes auch ruͤhmen / was ich Loͤbliches geſehen und gehoͤret. Da war eine um - ſtaͤndliche Buſſe und offenhertzige Bereitung zu einem ſeli - gen Ende / auffrichtige Verſoͤhnung mit allen Beleidigten / zuverſichtlicher Glaube an JEſum Chriſtum den Erloͤſer der Welt / ungezweifelte Hoffnung der Aufferweckung zum ewi - gen Leben / und daher eine freudige Begierde auffgeloͤſet zu werden. Es hinderte den bißher wohlverſuchten Herrn Ba - ron der unverſehene Schlag-Fluß / und die daher entſtandene Sprachloſigkeit nicht / ſein Heyl um ſo viel eyfriger im Her - zen zu ergreiffen / und ſich mit ſeinem Erloͤſer in Buſſe und Glauben innigſt zu unterreden. Wie denn / was zu ſagen keine Moͤgligkeit war / die Augen-Wincke beſtaͤtigen / und die ſtets gefaltenen Haͤnde allen Umſtehenden deutlich erklaͤren muſten. So ſchlieff er auch ein. Was dagegen die anfaͤng - lich hochbeſtuͤrzte / noch vor Abends zum Tode diſponirte / fol - gends in Gebet und GOtt-ergebenſter Gedult / nach genoſſe - nem allertheureſten Pfande der Vergebung ihrer Suͤnden und Verſicherung goͤttlicher Gnade in dem heiligen Abend - mahl / wohlvernuͤnfftig erblaſſende Frau Baroneſſe vor er - wuͤnſchte Bezeugungen eines allerſeligſten Endes mercken laſſen / iſt nicht auszuruͤhmen.
Ich bin / vermoͤge goͤttlichen Wortes / allzugewiß / daß die zun Haubten nun auch leſens-wuͤrdige Zeilen nicht anders / denn gantz wahr ſind. Nemlich: Es ruhen allhier und erwarten der ſeligen Erſcheinung unſers HErrn JE - ſu Chriſti / der weiland Wohlgebohrne Herr Hanns Aßmann / Frey-Herr von Abſchatz der Juͤngere / des Fuͤrſtenthums Liegnitz geweſener Landes-Beſtellter: So auch die weiland Wohlgebohrne Frau Anna / Frey - in von Abſchatz / gebohrne von Hund; denn alles diß iſt von Joſeph und Aſſenath / nach dero hohen Geſchlechte und Amte geredet.
Mir ſolte es keine ſondere Muͤhe machen / zu erweiſen / daß die Nahmen Joſeph und Aſſenath unſerm Frey-Herrlichen Nahmen gantz gleiche lauten. Ich wolte Abrech, Ab oderApis21Ehren-Gedaͤchtniß.Apis und Iſis, welches ſo viel ſeyn ſoll / als Iſcha (mit derglei - chen Worten wurden ermeldte hohe Perſonen in Egypten tituliret /) in Hebraͤiſchen Buchſtaben zuſammen ſetzen / und gehoͤriger maßen eintheilen / ſo ſolte mir das Wort Abſchatz gar fuͤglich heraus kommen / und die Aehnligkeit mit dem Hebraͤiſchen Joſeph und Aſſenath um ſo viel bekandter wer - den. Wer weiß auch / wie unſere alten Teutſchen den Nah - men Abſchatz vor Zeiten moͤgen ausgeſprochen haben / und wie ſie zu ſelbter derivation gekommen? Maßen bekandt / daß diß Geſchlechte ſchon vor fuͤnfftehalb hundert Jahren bey damahliger allhieſigen Tartariſchen Schlacht und bey unſern alleraͤltiſten Landes-Fuͤrſten in hoher Æſtim geweſen. Es geben auch beyderſeits Wappen ſo wohl derer von Ab - ſchatz / als auch derer von Hund / zu vermutten / daß dieſe Familien vielleicht / wie damahls gewoͤhnlich / mit Boleslao aus Polen / oder alſofort mit Hedwig der Frommen aus Meranien und Italien / dem alten Helden-Lande / ehemahls in dieſe Gegenden transferiret worden. Will mir auch hier - mit die Gnade ausbitten / vorzutragen / ob nicht ſie beyder - ſeits / Hoch-anſehnliche Familien / ſo gar den Joſeph in Egy - pten zu ihrem Anherrn belieben wolten. Selbter erzehlet in ſeinem bekandten Teſtamente / wie die Iſmaeliten / als er unter ſie verkaufft geweſen / ihn gemeiniglich ihren Schatz ge - nennet / welchen Nahmen er hernach wohl behalten und A - pis oder Abrech, der Schatz Egyptens / gleich als wie / kurtz ausgeſprochen / Abſchatz genennet worden. Und wird von Gelehrten ein gewiſſer Arabiſcher Scribent angefuͤhret / wel - cher meldet / Joſeph habe zum Koͤnig Pharao geſaget: Setze mich uͤber den Schatz des Landes; und ſo bald ſolches geſche - hen / habe man ihn deßwegen Apis, id eſt Bos, und quaſi opti - mum Agricolam, den beſten Haußhalter und den Schatz - Meiſter genennet / bey Leben; nach dem Tode aber / Serapis oder Sarapis (der Fuͤrſt Apis) auch wohl Sorapis (den Kaſten Apis) von den Schatz-Kaſten und Korn-Haͤuſern des Lan - des. Denn alle Gluͤckſeligkeit und Schaͤtze Egypti eigneten ſie dieſem Joſeph zu / aus welchem Nahmen Joſeph auch kurtz / und nach Egyptiſcher Mund-Art geredet / das Wort A -(B) 3pis22Freyherrlich-Abſchatziſchespis herflieſſen ſoll. Ita Joſephi nomen immutarunt in ſacris, ut auguſtius videretur Numen, ſagen die / ſo von der Egyptier Abgoͤttereyen geſchrieben. Andere / welche ihn Oſiris nen - neten / hatten ihr Abſehen auff ſein Amt und ſagten / er ſey der Egyptier Mund und Auge / Os und Iris, geweſen / wie ſie ſol - che Worte erklaͤren. Man hatte ſonſt vorhin ſchon in dieſem Lande zu Heliopolis den Mneus, das Bild eines Stiers / den ſie auch Oſiris nenneten / und den Mizraim / des Chams andern Sohn / welcher vor Zeiten unter ihnen beruͤhmt geweſen / be - deutete; Joſeph aber zu Memphis und ſein Bild hieß man itzo Apis oder Oſiris den Juͤngern / gleich als wie die Inſcri - ption des Sarges allhier von Abſchatz dem Juͤngern redet. Und wofern heutiger Gelehrten Muttmaſſung richtig iſt / daß von Pharao / nach der Hebraͤiſchen Sprache / der Nahme Ba - ro, ein Freyherr / ſeinen Urſprung habe / ſo klingts ſehr wohl / wenn Joſeph / als wie Pharao geehret / und daher in Egypten ohne Zweifel ſo gut / als: der Baron Abſchatz / genennet worden.
Die Durchlauchte Aſſenath war eine Tochter von der aͤl - teſten Familie des Egyptiſchen Adels / und glaube ich / aus dem Hauſe Anubis, der ein einiger Sohn war des Typhon und der Nephte, welche des Oſiris und Iſis Bruder und Schweſter ge - nennet wurden. Und ſtehet dahin / ob ſie nicht den Nahmen Aſna, das iſt / ſchoͤn / wie die Araber ſagen / oder Egyptiſch Aſſenath, und nach Flavii Joſephi Berichte / Aſanete, von da - her bekommen. Wiewohl insgemein Aſnat ſo viel als eine Heylandin und Aerztin / oder Aſſe neit auff Egyptiſch / die Aerztin Minerva heiſſet. Von dieſem Anherren Anubis wiſ - ſen die Alten / daß er dem Oſiris, ſeinem Vetter im Kriege gedienet / und einen Hund zum Waffen-Zeichen / zuweilen auch einen Helm von Hundes-Fellen getragen. Daher ſein Bild im Tempel zu Heliopel den Kopff eines Hundes wieſe / und vielleicht darum / weil es der damahligen Prieſterlichen und Fuͤrſtlichen Familie Anherrn bedeutete / ſehr werth geachtet wurde. Die uhralte Familie derer von Hund / woraus un - ſere gegenwaͤrtige Liegnitziſche Aſna oder Anna von Hund entſproſſen / hat derogeſtalt in der Vermaͤhlung mit demvor -23Ehren-Gedaͤchtniß.vortrefflichen Herrn Baron von Abſchatz es unvergleichlich wohl getroffen / und wider Verhoffen eine gluͤckliche Combi - nation der alleraͤlteſten Adelichen Haͤuſer erlebet / denen es demnach Lebenslang biß ins Grab nicht anders als ihren gleichaͤhnlichen Uhr-Anherren in Egypten wohl ergehen koͤnnen.
Den hohen Ambts-Nahmen ertheilte man dem Joſeph in Conſeſſu aller Elteſten des Landes und der damahligen Koͤniglichen Regierung / als Pharao ihn Sophnath Pahane - ach nennete: Einen ſolchen Mann / der hiemit beſtellet” wuͤrde / dem gantzen Lande heimlich und oͤffentlich mit Rath” und That an der Hand zu ſtehen. Der im Rahmen aller” die Pflicht auff ſich nahm / vornehmlich vor die Koͤnigliche” Majeſtaͤt / als auch des geſammten Landes Wohlfarth und” Auffnehmen beſtem Vermoͤgen nach zu wachen. Die theuer” erworbenen Freyheiten / Recht und Gerechtigkeiten / gutte” Gewonheit und Verfaſſungen wohl zu obſerviren / der Lan -” des Acten ſich beſtens zu erkundigen / und denen Publicis” und des allgemeinen Vaterlandes Angelegenheiten / die vor -” nehmlich zu Memphis befoͤrdert wurden / inſonderheit bey -” zuwohnen; mit denen Herren Officirern fleißig zu commu -” niciren / und allemahl zu wichtigen Angelegenheiten ſein” Guttachten mit beyzufuͤgen. Er ſolle / mit einem Worte /” des Landes Mund und Hand ſeyn / die proponenda ad deli -” berandum vorzulegen / und die Concluſa eigentlich zu pro -” tocolliren; in Summa / index & doctor abditorum zu wer -” den.
Wer zuruͤcke ſiehet / was unſer Wohlſeliger Herr von Ab - ſchatz Anno 1679. den 15. Martii in oͤffentlicher Landes-Ver - ſammlung / vermoͤge wohlerworbener Privilegien, per libera vota vor einen anſehnlichen Characterem verdienet; wie nach Ihr. Kaͤyſerl. und Koͤnigl. Majeſtaͤt unſeres Allerdurch - lauchtigſten Erb-Herrens erfolgeten allergnaͤdigſten Confir - mation er von daran biß an ſein Ende ſich iederzeit loͤblich und hoͤchſt nuͤtzlich auffgefuͤhret / wird ihn anders nicht als ei - nen rechtſchaffenen Sophnath Pahaneach ehren muͤſſen. Der(B) 4es24Freyherrlich-Abſchatziſcheses gewiß ſo ſehr / als jener Egyptiſche meritiret / daß ihm das Ebenbild eines admirablen Apidis auffgerichtet werde. Es ſey denn / daß wir die beyden Wapen derer von Abſchatz und von Hund an ſtatt aller Ehren-Bilder erhoͤhen wolten / in welchen zu mahl / nach Egyptiſcher Art / zwey Thier-Bilder zu erſehen ſind. In jenem der Hals und Kopff eines Elend - Thieres / in dieſem ein weiſſer Hund mit gelbem Hals-Ban - de. Eines iſt Joſephs Wapen / womit er beyde ſeine Soͤhne und dero Nachkommen beehrete / als er zu ihnen ſagte bey ih - rer Geburt: Der HErr hat mich laſſen wachſen im Lande meines Elendes. Das andere iſt der Familie von Anubis und Aſſenath / welche die Ehre hatte unter ihres Volcks Ge - lehrten / daß man ihr Wapen / den Hund / mit an den Ster - nen-Himmel ſezte / und ſolchen Sirium oder geſtirnten Hund gemeiniglich Iſis, eben ſo / wie Aſſenath im Tempel tituliret wurde / zu nennen pflegte.
Ich ſetze dieſem allen noch bey ein Bild von neuerer Er - findung / und laſſe einen lebendigen Adler von dieſem Caſtro doloris, nach Art der edlen Roͤmer in Campo Martio bey den Leichen-Ehren wohlverdienter Leute in die Hoͤhe fliegen / die apotheoſin vorzubilden / und die Seelen beyder unter unſerm hoch-begluͤcktem Roͤmiſchen Adler biß daher wohlvergnuͤgten und wohlgeſchaͤzten Frey-Herrlichen Todten hinauff zu allen Himmels-Buͤrgern zu tragen. Chriſtlich zu reden: GOtt breite ſeine Gnaden-Fittigen uͤber Unſers Roͤmiſchen Adlers Schutz-Fluͤgeln aus auff uns und dieſe allhier-ruhenden Frey-Herrlichen Gebeine / erquicke aber auch beyde Seelen da / wo Joſeph und Aſſenath himmliſch ergoͤtzet werden! Denn dahin ſind ſie ungezweifelt durch die Bothen GOttes begleitet worden / am verfloſſenen 22. und 24. April. iedes - mahl des Morgens / da ſie einerſeits 53. Jahr / anderer Sei - ten 48. Jahr meiſtens uͤberlebet hatten.
Solches leſen wir nun vollends zu den Fuͤſſen beyder Frey - herrlichen Saͤrge / und dabey allerruͤhmlichſt / daß ſie alſo im HErrn verſchieden.
Hoch -25Ehren-Gedaͤchtniß.Hoch-Anſehnliche Verſammlung; zu dero Conſola - tion wird auſſer allem Zweifel nichts ferneres zu erſinnen ſeyn uͤber das einige / daß Ihre Selig-Todten im HErrn verſchieden: Nichts Vergnuͤgteres / als daß ſie mit einan - der auff einmahl im Leben begluͤckt und im Tode ſelig ge - worden. Sie begleiten / Hochzuehrende Vaͤter des Lan - des / ihren Lobwuͤrdigen Herrn Landes-Beſtellten / an dem ſie gewiß was Rares und was Rechtes verlohren. Ich rede mit dero Erlaubniß: Sie haben an dem wohlſeligen Herrn Baron einen Joſeph und hiermit zugleich einen Ertz-Vater dieſes Landes zu bethauren: Einen Oſiris, den Mund und das Auge ihres hochanſehnlichen Collegii. Sie ſind aller - dings aͤlter / als dieſer ihr Bruder / den ſie aber dennoch nie - mahls anders unter ſich / als wie einen Joſeph gehalten; wie einen Abrech, welchem man viel Ehren-Bezeugungen ſchul - dig ſey; wie einen Sophnath Pahaneach, der des gantzen Lan - des heimlicher Rath / nach Lutheri Verdeutſchung / geweſen. Wolte GOtt / daß ich ſagen doͤrffte: Joſeph lebet noch! Viel - leicht wuͤrde unſer Allergnaͤdigſter Landes-Vater es ſo gerne vernehmen / als ehmahln Joſephs Vater. Doch / er lebe in Dero allerſeits hochgeneigtem Andencken / und in deſ - ſen gluͤckſeligem Herrn Succeſſore.
Allerge-Ehrteſte Herren Soͤhne / Frau Tochter und Herr Eydam / meine Gnaͤdige Patronen, ſie ſind ſelbſt Fleiſch von dieſem Fleiſch / Bein von dieſen Beinen / Joſephs und Aſſenath Kinder. Der Allmaͤchtige GOtt bewahre ih - nen dieſen Ruhm biß an der Welt Ende! Sie ſind wie Ma - naſſe und Ephraim: Darum laſſe GOTT allen Segen Jo - ſephs uͤber ſie traͤuffeln / wie ſolchen der Koͤnigliche Adoptivus, Moſes / in Egypten ausgeſprochen: Ihr Land liege im Se - gen des HErrn / daß um ſie her ſeyn edle Fruͤchte vom Him - mel / vom Thau und von der Tieffe / die hunten liegt! Edle Fruͤchte von der Sonnen und edle reiffe Fruͤchte des Mon - den / und edle Fruͤchte von der Erden und was drinnen iſt. Die Genade des / der in dem Puſch wohnet / komme auff das Haubt Joſeph / und auff den Scheitel ſeiner Kinder! Seine Herrligkeit iſt wie ein erſtgebohrner Ochſe / (das iſt / Oſiris,) (B) 5und26Freyherrlich-Abſchatziſchesund ſeine Hoͤrner wie Einhorns - (oder auch Elends -) Hoͤr - ner! Ich verſichere / daß derogleichen Segens-Worte die lez - ten Gedancken ihres wohlſeligen Herrn Vaters und Frauen Mutter uͤber ſie geweſen. Unter allen wohlbedachten Reden ſahe man das liebreiche Andencken an ſie allerſeits / und das ruͤhmliche Auffnehmen in muͤtterliche Gnade aus Mund und Augen reichlich hervor quellen. Die lezten Seuffzer waren die / welche ihr andaͤchtiger Poet und Herr Vater vor ſich und ſeine Nachkommen ſelbſten auffgezeichnet hatte. Der extreme Wunſch dieſer: daß ihre Kinder GOTT und dem Kaͤyſer treu verbleiben wolten. Sie ſind / gnaͤdige Her - ren und Gnaͤdige Frau / aus uhralten Geſchlechtern und Chriſtlichem Gebluͤtte / und darinnen am gluͤckſeligſten / daß ſie zweyer hoch-meritireten Herren Landes-Beſtelleten Lieg - nitziſchen Fuͤrſtenthumes / ihres Herrn Vatern und Groß - Herrn Vatern / und dannenhero vieler gegen dem Ertz-Her - zoglichen Hauſe Oeſterreich / und weiland Piaſtaͤiſchen Fuͤrſt - lichen Landen / geleiſteter unterthaͤnigſten Dienſte / ihrer Vorfahren / gluͤcklich-gerathene Erben ſind. Sie imitiren ſchon / wie bekandt / derogleichen loͤbliche Anfuͤhrer / darum wird die Nach-Welt ſagen / daß Joſephs und Aſſenath Ge - beine in ihnen zu unvergeßlicher Verwahrung auffgehaben bleiben.
Die Hoch-ſchaͤtzbaren Traner-Verwandten / der hoch-geliebte Herr Bruder / tieff-leidtragende Frau Schweſtern / hoch-bekuͤmmerte Herren und Frauen Vettern / hertz-vertraute Herren Schwaͤger und Frauen Schwaͤgerinnen werden beklagen / daß ſie was Ra - res an der ungemein-lieblichen Converſation, und was Rech - tes an einem ſo hochverdientem Bruder und theuren Schwe - ſter verlohren. Beliebt es ihnen / ſo leſe ich noch einmahl zu dero Gemuͤtts-Auffrichtung die vor Augen ſtehenden Sarg - Schrifften. Woraus ſie erſehen koͤnnen / daß Schleſien und ihre vornehme Haͤuſer einen recht frommen Cavallier und gewiſſenhafften Politicum; eine biß ins Sterbe-Bette ihnen treu / und GOtt biß in den Tod ergebene Freundin / geliebet. Sie werden beyfallen / daß der ſelige Herr Baron ein einſigerBe -27Ehren-Gedaͤchtniß.Beter fuͤr ſie alle bey GOtt und Menſchen geweſen; deſſen ſchrifftlich in ſehr devoter Poëſi verfaßte Lebens-Hiſtorie und die an hohen Orten bey irrdiſchen Majeſtaͤten ihrent wegen vorgetragene Special-Angelegenheiten hiervon zur Gnuͤge zeugen. Laſſen ſie ſich die Wege des HErrn an ihren beyden Todten nun auch gefallen / und beſchauen den gerechten Rath - Schluß ihres GOttes in glaͤubiger Gelaſſenheit / indenck des Wahl-Spruches unſers ſeligen Herrn Landes-Beſtell - ten:
Viel ſehn und uͤber nichts ſich wundern / iſt mein Schluß.
Das iſt: viel Wunder-Wege GOttes ſehen an den Seini - gen / aber dabey GOtt vertrauen / iſt was Vortreffliches. Er - leben ſie dermahleinſt ihre lezte Hinfahrt / ſo dencken ſie an Joſeph und Aſſenath / und bitten von GOtt / daß er derglei - chen ſelige und gluͤckſelige Todes-Begebenheiten ſie auch wol - le empfinden laſſen.
Unſer Vaterland hat gnugſame Urſache einen ſo raren Patrioten zu bejammern / von welchem es in vielen Stuͤcken hieß / wie dorten Pharao ſagte: Omnis populus ad os tuum oſculabitur. So war es auch / ſo lange er lebete. Wer hat in dieſen Gegenden unſern vollkommenen Staats-Mann ge - kennet / der deſſen Mund / ich wolte ſagen / die fertigſten Con - ſilia nicht gekuͤſſet haͤtte. Und wie weiland faſt in der gan - tzen Welt / alſo rieff man in dieſem Lande immerfort: Ite ad Joſephum. Ich glaube / unſer Fuͤrſtenthum wuͤrde Schatzes genung in ihren Schatz-Kaſten gehabt haben / wenn es dieſen ſeinen Abſchatz nur behalten moͤgen: Denn es war eitel Segen / was dieſer Joſeph vorhatte. Nachdem aber der ge - rechte GOtt es nun ſehr aͤndern wollen / muͤſſen wir uns in Gedult vergnuͤgen an der Ehrenwerthen Verwahrung ſeiner Gebeine und danckbaren Vergeltung in deſſen Nachkom - men.
Gluͤckſeliges Gottes-Hauß! welches heute den Nah - men eines Koͤniglichen Schatz-Hauſes verdienet / nachdem gantz Liegnitz ſeinen Abſchatz in Joſephs und Aſſenath Ge - beinen allhier zur Verwahrung uͤbergiebet. Dieſe Leichen -Ka -28Freyherrlich-AbſchatziſchesKaſten werden zwar ungezeichnet kenntlich bleiben unter viel tauſenden: Doch / damit nichts fehle / wollen wir uns muͤhen / mit einer auslaͤndiſchen Feder aus folgender von dem Egy - ptiſchen Abſchatz auff unſern Liegnitziſchen Joſeph ſich ſchi - ckenden Grab-Schrifft / ſo viel noͤthig in den vor uns liegen - den Leichen-Stein einzuaͤtzen:
HABET HIC LOCULUS, VIATOR, THE - SAURUM MAXIMUM, NEC ODOR, QUEM SENTIS, EX AROMATIBUS EST, NE FORTE NESCIAS: SED EX VIRTUTIBUS EXI - MIIS, QUIBUS EFFLORESCIT, QUÆQUE CONCERTANT INTER SE, IN HARMONI - AM ODORUM SINGULAREM. FRAGRAT HIC ADMIRABILIS CASTITAS CUM AMA - BILI ÆTATIS FLORE, AC VULTUS, TOTI - USQUE CORPORIS DIGNITATE. HIC LA - TET, QUI EXIMIIS ANIMI CORPORISQUE DOTIBUS, MELIUS, QUAM NARDO, MYR - RHA, CASIA, OPOBALSAMO CONDITUS EST. QUI ANIMI MODERATIONEM, IMO DEMISSIONEM, IN IPSO PENE VERTICE RERUM HUMANARUM TENUIT. QUI DI - DICIT, DOCUITQUE INJURIAS NON Æ - QUARE SED OBRUERE BENEFICIIS, IRA - SCI ET NON PECCARE: AFFLICTIONEM CONSOLATIONE TEMPERARE. QUI PO - TUIT INTER SACRILEGOS IMPIORUM RI - TUS, ET FORTUNÆ BLANDIENTIS CON - STANTEM FLATUM, VERAM ET INTE - GRAM RETINERE PIETATEM ADVERSUS
DE -29Ehren-Gedaͤchtniß.DEUM. HIC, UT VERBO EXPEDIAM, JOSE - PHUS EST PATRIARCHA. ILLÆ MAGNI JACOBI DELICIÆ, ILLUD INFERIORUM PA - TRIARCHARUM DECUS, ILLUD COLUMEN ET FIRMAMENTUM POPULI DEI, ‒ ‒ IL - LE CONSULTUS, ET INTERPRES SECRE - TORUM DEI, ‒ ‒ IN ÆGYPTO MOR - TUUS, HOCCE LOCULO CONDITUS ANNO MUNDI M M CCC XCIX ‒ ‒ IN CHANANITIDEM TRANSLATUS, DENI - QUE ‒ ‒ CUM CHRISTO, UT PIE CRE - DITUR, RESURGENS, CUM IPSO GEMINA ORNATUS STOLA, BREVEM HUJUS ÆVI GLORIAM ÆTERNA COMMUTAVIT. ‒ ‒
Welches alles der ſelige Herr Landes-Beſtellte nicht weit - laͤufftiger verdeutſchet und auff ſich appliciret haben wolte / als wie er ſelbſten ſeinen Lebens-Lauff kurtz gefaſſet:
Es iſt der beſte Ruhm auff kurtzer Grab-Schrifft le - ſen: Der iſt im Vaterland ein ehrlich Mann geweſen.
Ehe wir von ſammen gehen / wird vonnoͤthen ſeyn / nach Egyptiſcher Weiſe / eine papierene Rolle mit nachſinnlichen Bildern bemahlet / in gegenwaͤrtige Saͤrge beyzulegen / da - mit auch die Poſterität leſen moͤge / mit was vor einer Leichen - Pracht wir unſern Joſeph und Aſſenath beſtattet haben. Denn ſie ſchrieben gar eigentlich auff / wieviel vornehme Goͤt - ter man hinter der Leiche hergetragen / und wie hoch man hierdurch das Andencken der Verſtorbenen im gantzen Lande geprieſen habe. Sie ſind ſelbſten / Gnaͤdige / Hoch - ſchaͤtzbare Anweſende / dieſes Landes Goͤtter und Goͤttin - nen. Dero hochanſehliche Gegenwart hat unſere Frey -Herr -30Freyherrlich-AbſchatziſchesHerrliche Feſtivität ſehr ſplendide, und die hohe Æſtim von den Meriten unſerer Wohlſeligen ſehr groß gemacht / worfuͤr ihnen / im Nahmen des Hoch-leidtragenden Freyherrlichen Hauſes unvergeßlicher Preiß und verbundenſter Danck hier - mit abgeſtattet wird. Die beyzulegende Rolle ſind ihrer aller hohe und vornehme Nahmen / Geſchlechter / Aembter und Qualitäten / an denen die Nach-Welt ſehen wird / wie diß gantze Land vom Hohen / biß zum Niedrigen unſern hoch - verdienten Herrn Landes-Beſtelleten und deſſen hochgeſchaͤzte Frau Gemahlin im Tode beklaget und begleitet haben wollen.
Hiermit verehrete das tugendhaffte Anden - cken ſeines im Leben werth-geſchaͤzten Herrn Collegen Carl Siegmund von Mauſchwitz / Landes-Elteſter.
Ach35Ehren-Gedaͤchtniß.Dieſes wenige ſchrieb zum geſegneten Anden - cken ſeines alten nunmehr wohlſeligen / von Jugend auff von Liegnitz / Breßlau / Straßburg und Leiden her / auch hernach im Vaterlande / biß zum Ausgange ſeines Ruhmwuͤrdigen Lebens-Wandels / treu - erkandten Hertzen-Freundes George Hermann von Schweinitz / Auff Ober - und Nieder-Kran / Kaͤyſerl. und Koͤ - niglicher Liegnitziſcher Land-Hof-Richter.
Hanns Chriſtoph von Schweinitz und Kran / auff Friedersdorff und Leu - be / Chur-Saͤchſiſcher Cammer-Herr.
Dieſes ſchrieb ſeinen ſeligſten Hochwerthe - ſten Freunden zu ſchuldigſtem Andencken / den Betruͤbten aber zu einem Troſte mit wehmuͤttiger Feder Hanns Siegmund von Liedlau.
Mit dieſen wenigen Zeilen wolte des vor - trefflichen Frey-Herrn von Abſchatz Aſche verehren / auch ſeine Herren Landes-Leute zu gleichmaͤßiger Tugend auffmuntern Chriſtian Anton Knorr von Roſenroht.
Hanns Friedrich von Kreckwitz.
Carl Ludwig von Kottwitz.
Chriſtoph Gotthard von Kreckwitz.
D. O. M. S. QUibus Animi Dotibus, ſeu acquiſitis, ſeu acquirendis, per aſpera Viarum Impedimenta, Conatu laborioſum, proſperum Eventu peragere cogitas Iter, Dum, commorandi relictis omnibus Diverſoriis, ad habitandi pervenias æternum Domicilium, in præcelsâ Deſideriis tuis extructum Patriâ, Genere ſublimis, Indole ſagax Peregrinator? Eruditionis, an Virtutis, an utriusque Cultor? Cultor utriusque ſincerus? Talis erat, cujus ad Reliquias per me Literis mutis loquentes, ſi pro Regula juſtum capis Exemplum, Imit atoribus æquandum paucis, pauciſſimis ſuperandum Æmulatoribus, tuis præfigendum magis Cogitationibus, quam Pedibus, de Gloria ſecurus, pro Conſcientia, pro Patria, dexterrimum finies Curſum. Hoc enim ſub Marmore jacet ILLUSTRIS HEROS, cujus ex Cineribus Fama quô verior, quô clarior, eô jucundior, eô penetrabilior in Æſtimationis Admir ationem ſurgit, JOHANNES ASMANNUS ABSCHATZIUS, DOMO antiquiſſima KOSKAVIUS,(D) 4LI -56Freyherrlich-AbſchatziſchesLIBER SILESIÆ BARO, Wirwicii, Lederhoſii, Petſchkendorfii, ſuperioris Bersdorfii, & inferioris Gelſchavii Dominus: Quem ſupra multos ſuſpiciendum Sæculo ſuo, Proſapia Generoſum, Eruditio Ingenioſum, Virtus Nobilem oſtendit: Magnorum, partim Equitum, partim Dynaſtarum, ſi Paternam reſpicias Originem, Romniciorum, Kreidelwiciorum, Schleiſcerorum, Kitliciorum, Falckenhayniorum, Dohnanorum, Rechenbergiorum: Et, ſi Maternum inquiras Ortum, Kaniciorum, Kotwiciorum, Koſerorum, Skoppiorum, Rauchauptiorum, Spillerorum, Seidewiciorum, Bergerorum SANGVINI acceptos retulit Natales. Sua quoque, non Avorum tantum, Dignitate commemorabiles Progenitores. Celebrem Scientiâ Equitem, JOHANNEM ASMANNUM ABSCHATZIUM Koskavii, Boſtelvicii & Zobelii Dominum, in Lignicenſium Ducatu PROVINCIALEM ORATOREM: Eminentem VIRTUTE MATRONAM, MARGARETAM KANICIAM, STIRPE URSCAVIAM,In -57Ehren-Gedaͤchtniß.Intra Wolavienſium Ducatum clara, Beneficio Naturæ Primo, novo SILESIÆ COMMODO, nactus, Anno M. DC. XLVI. Die IV. Februarii, in Lucem prodibat. Triſte poſt lætum experiri Fatum Divina juſſus Providentia, quinquennis Patrem, tredecennis Matrem amittebat, optimos Educationis optimæ Directores: Cui ne quid deeſſet, vigil Cognatorum præſtabat Pietas. A teneris perſuaſus, eſſe quidem aliquid, ſplendere prominentibus Stemmatis Honoribus, & hæreditariis, & vetuſtis: At eſſe multo plus, quô perſona in præcipuis conſpicua uno, ſupra cæteros, quamvis & fortes & felices Armis, in Equeſtris Ordinis Scena & ſuavius, & utilius peragi poteſt, promicare junctis Recto Juſtóque Literis. Regimini Populorum ſalutari ſervientibus, Hoſtium declinantibus, dirigentibus Civium in Utilitates communes Arma. Propenſior ideo Amator liberalibus devovebat Ingenium Studiis,(D) 5Omni -58Freyherrlich-AbſchatziſchesOmnium capax, inter Initia humanioribus, cæterorum aut Fundamentis, aut Ornamentis: Duces in florente Lignicenſium Lyceo ſecutus tam doctos, quam fidos, Maxime Chriſtianum Primkium, & Theophilum Pitiſcum. Ad ſolida Incrementa progreſſus. Anno M. DC LXVI. natale ſolum egreſſus, majoribus Officinam Conatibus prius Argentinenſem Alſatorum, poſtea Lugdunenſem Batavorum, eligebat Academiam, totus ibi addictus ponderoſioribus Diſciplinis, commoda Rerum Publicarum Gubernacula æquo formantibus Temperamento: JUDICEM, CONSILIARIUM, LEGATUM, aut efficientibus, aut condecorantibus præcellentem: Jura colebat potiſſimum Naturalia, & quæ vocantur, ad privatorum diſcrimen, Publica, ſuo applicanda Scopo, civilibus illuſtrata Monitis, notabilibus corroborata Hiſtoriis, perpetuâ intentus diligentiâ in amplius Eruditionis Supplementum. Rerum Cognitioni additurus Peritiam Hominum, ſpectabiles Belgarum, Gallorum, Italorum Provinciascurio -59Ehren-Gedaͤchtniß.curioſus, non tam Ædificiorum, Munimentorum, Montium, quam Lingvarum, Morum, Inſtitutorum Obſervætor, triennio perluſtrabat. Singularibus abundans Notitiis, multiplicibus confirmatior Experimentis, feliciter in Sileſiam reverſus, Lignicenſem Provincialium Ordinem Nobiliſſimis Speciminibus in amorem honoremque ſui peculiarem magis magisque trahebat. Horum conſentientibus omnium Suffragiis, In Conſiliorum Curarumque Partem aſſumebatur intra Lignicenſem Ducatum SYNDICUS PROVINCIALIS. Poſt illa conſpectioribus Induſtriæ, Fidei, Solertiæ Documentis, Ad opportunas Negotiorum graviſſimorum Occaſiones, In Rerum proſperarum Stabilimentum, aſperarum Lenimentum editis, Publicis Statuum Sileſiæ Conventibus Ordinarius conſtituebatur Aſſeſſor. Bis Redituum Provincialium Præfecturæ dabatur Vicarius:Bis60Freyherrlich-AbſchatziſchesBis ad IMPERATOREM INVICTISSIMUM LEOPOLDUM De Magni Momenti Cauſis, quarum prior ad Lignicenſem Ducatum, Poſterior ad Univerſam Sileſiam ſpectabat, exquiſitus mittebatur Nuncius. Eas Dexteritate ſummâ, mirâ Prudentiâ in communis Salutis optatiſſimum & Firmamentum, & Præſidium expediebat. Pondere ſimul, ſimul Copia Meritorum, per multorum annorum Viciſſitudines, amabilis apud Exteros, apud Sileſios etiam venerabilis, In rariſſimæ Virtutis evidentiſſimum Præmium, CÆSARIS AUGUSTI Manu Potentiſſima, Clementiſſimo Affectu, Magnitudinem Equitis in Baronis Faſtigium evectam perenni Gentis ſuæ Gloria recipiebat. Hac Dignitatis acceſſione priſtinam Comitatis Gratiam eô minus amittebat, quô magis rejiciebat ventoſum Sæculi Genium, cujus non Voluntatem Ratio, ſed Rationem Voluntas regit, ſtatim cum Titulis Animos mutantem:Illos61Ehren-Gedaͤchtniß.Illos in Celſiora produci gaudentem, hos in Deteriora ſubverti patientem. Validus & acuto, & recto Judicio, quicquid fas nobis aut præcipit, aut permittit, ſatis capiebat: Deditus & compoſito, & æquo Deſiderio, ultra Juſtitiam, ultra Decentiam nihil affectabat. Ingeniorum ſupra modum Celeritati, ut Confidentium, ſic Indulgentium Præcipites in Devia Sententias, à fixo Mentis ſuæ Statu alienas, modeſtus emendare ſolitus Cenſor, Ipſe, quô Tardior, eô Circumſpectior, eô Nervoſior erat in Conſiliis: Semper, quo plus Maturitatis admiſerunt, eô plus Conſtantiæ nutrientibus, tantô plus & in Receſſu, & in Succeſſu habentibus. Strenuus, ut Pietatis, ita Juſtitiæ Cuſtos, ſua devotus reddebat Deo, quantum poterat, &, quantum debebat, Hominibus. Defatigatas Meditationibus ſeverioribus Cogitationes Amœnioribus Exercitationibus, ad Virorum Maximorum, etiam Principum, Imitationem,Per62Freyherrlich-AbſchatziſchesPer ſucciſivas recreaturus horas, Poëtam agebat, mox Latinum, mox Germanicum, Pium, Doctum, Pulcbrum: Innoxium ratus ingenui Pectoris Oblectamentum, quod Illuſtribus minime dignum Capitibus vel Invidia, vel Ignorantia judicat. In publicorum Augmentorum Parte privatas Tori Curas reponebat. Ideo Generis ſui propagandi memor electam Stirpe ſimillima Virginem ANNAM, Generoſo Patre, WOLFIO CASPARO HUNDIO, EQUITE SILESIO, veteris Grotkavii Domô, Rauſſii, Wiltſchgii, & Petſchkendorfii Domino, Cæſareo Pedeſtris Cohortis Capitaneo, intra Lignicenſem Ducatum Provincialium Seniore: Glorioſo Majorum Stemmate, Paterno quidem Kechriciis, Rotkirchiis, Schindeliis, Schafgotſchiis, Kaniciis, Puſchiis, Nimptſchiis: Materno autem Rechenbergiis, Bockiis, Schlauſtorniis, Leubeliis, Reimniciis, Mulheimiis, Raynauliis Cohærentem,Nu -63Ehren-Gedaͤchtniß.Nuptiali Pacto, in perpetuam Sortis utriusque Sociam Anno M. DC. LXIX. Die III. Decembris, ſibi conjungebat. Ex ea Præmiſſis ad cæleſtem Beatitudinem Filiis duobus, una Filia, in Poſſeſſionum, maxime Virtutum & Paternarum, & Maternarum Hæreditatem, ampliore ſurgentis Nominis non tam Incremento, quam Ornamento, poſteris transmittendam reliquit Illuſtres Barones Liberos, WOLFIUM ASMANNUM ABSCHATZIUM, & Ingenii felicis Dotibus, & multiplicis Scientiæ Studiis, eminente Familia dignis, ad Utilitates communes inſtructiſſimum, Celſiſſimi HOLSATORUM DUCIS Plœnenſis Aulicum CUBICULARIUM: HENRICUM WENCESLAUM ABSCHATZIUM, JOHANNEM CASPARUM ABSCHATZIUM, ſpem Exſpectationis magnam ſemper majoribus Indiciis & confirmantes, & provehentes: Illuſtrem Dominam ANNAM MAGDALENAM L. B. ABSCHATZIAM,Illu -64Freyherrlich-AbſchatziſchesIlluſtri Domino MAXIMILIANO L. B. SCHLICHTINGIO, Schwuſenorum & Tſchwirtſchiorum Toparchæ in Matrimonium aſſumtam. Ita fœcundum, perennibus Fidei mutuæ Documentis, continuis mutuæ Charitatis Certaminibus Amabilius, incertum, an Honorabilius, Conjugium, ad mutuum in Votis Deſiderium, intra Dierum trium Spatium, præpropero utriusque Disceſſit finiebatur. Ægram integerrimus Fœderis ſemel initi, ſemper obſervandi Cultor, Gelſchavio Lignicium in Recuperandæ Valetudinis Præſidium transtulerat. Tum Ipſe, non Corpore quidem, Animô tamen æger, mox Animi convertens in Corporis Morbum, prævium repentinæ Mortis Nuntium, ſubitum Apoplexiæ Fatum ſentiebat. Hoc65Ehren-Gedaͤchtniß.Hoc ad Superos evocatus, poſt Uxoris unicê ſuavis Amplexum, Anno Chriſti M. DC XCIX. Ætatis LIII. Die XXII. Aprilis, firma in Deum Fiducia lætus præibat. Eum, cui per Annos XXX. in Terris adhæſerat, in Cœlos abeuntem, cum non eadem Horâ comitari poſſet, poſt Dierum non niſi duorum Intercapedinem, Pari ſequebatur Exceſſu, optimi Conjugis, cujus Eruditioni, non Virtuti, cedebat, appetentiſſima Vidua. Quo, Viator, hæc proſequeris Judicio? Ad veram in Cœlis Patriam unum monſtrat omnibus Iter Chriſtiana Pietas: Ad ſolidam in Terris Gloriam Fœminis unam, geminam Viris commendat Viam Virtus rara Fœminis, Viris etiam rara Eruditio.
(E)Bey66Freyherrlich-AbſchatziſchesDes Frey-Herrl. Hauſes Unterthaͤniger Diener Chriſtian Gryphius.
DAs groſſe Amt eines Koͤniges laͤſſet ſich durch einen Menſchen nicht verwalten / ſondern es muͤſſen damit viel Reyhen der Diener beſtellet werden: Dieſe aber hal - ten des Landes Heyl fuͤr ihr eintziges Au - gen-Merck / und vermaͤhlen ihre Gedancken nur mit der Wohlfarth der Unterthanen. Zwar iſt von vielen Rathgebern der erwuͤnſchte Ausſchlag der Sache ſo wenig / als von vielen Aerzten die unfehlbare Geneſung eines Krancken zu hoffen. Sintemahl Franck - reich durch kluge Veranſtaltung eines vortrefflichen Staats - Mannes ſo ſehr ſich vergroͤſſert hat / daß es / wie ehemahls die einkoͤpffigte Herrſchafft der Roͤmer / ſeiner eigenen Ge - walt uͤberlegen iſt / und ihm nichts ſo ſehr / als das Maaß ſeiner Kraͤfften gebricht. Jedoch iſt dieſes mehr von den Staats-Geſchaͤfften eines Reiches / als von Verwaltung der Laͤnder zu verſtehen. Dieſe haben ihre Statthalter und Landes-Haubt-Leute / die uͤber das Auffnehmen des gemei - nen Weſens das Guttachten der Staͤnde bey denen einer Monarchie hoͤchſt-vortraͤglichen Zuſammenkuͤnfften verneh - men / und auff dem Lande und in Staͤdten heilſame Geſetze und gutte Ordnungen erhalten. Weil aber auch hier die Menge derſelben den Rathſchlaͤgen nicht weniger / als im Kriege viele Bunds-Genoſſen einander nur hinderlich ſind / und die abgegebenen Stimmen auff den Land-Taͤgen insge - mein nur pflegen gezehlet / nicht gewogen zu werden; ſo iſt in iedem Erb-Fuͤrſtenthum des Hertzogthumes Schleſien noch ein engerer Rath der Landes-Eltiſten und Landes-Be - ſtellten verordnet / die ihre Meynungen nach dem Willen Unſers allergnaͤdigſten Kaͤyſers und Herrn auff den Zweck der Landes-Haubtmannſchafft und Regierung richten / die Glieder mit dem Koͤnige / und jene unter ſich ſelbſt verknuͤpf - fen helffen. Dieſelben ſind nun die Saͤulen der Ritter -(E) 5ſchafft /74Freyherrlich-Abſchatziſchesſchafft / die Pfeiler des allgemeinen Wohlſtandes / die Lichter des Vaterlandes / die / indem ſie andern leuchten / ſich ſelber verzehren. In Betrachtung deſſen koͤnnen ſie mit allem Rechte eine Lampe im Sinn-Bilde fuͤhren mit den Beywor - ten: Andern / nicht Mir. Ein preißwuͤrdiges Beyſpiel ſtel - let uns fuͤr Augen der weyland Hoch - und Wohlgebohr - ne Herr / Herr Hanns Aßmann / Frey-Herr von Ab - ſchatz und Koßkan / Erb-Herr auff Nieder-Goͤlſchau / Wuͤrbitz / Petſchkendorff / Ober-Baͤrſchdorff und Le - deroſe / des Fuͤrſtenthums Liegnitz hochverdienter Landes-Beſtellter / und bey den Zuſammenkuͤnfften der hochloͤblichen Herren / Herren Fuͤrſten und Staͤnde in Schleſien Ordinar-Abgeordnete / ꝛc.
Die glaͤntzende Lampe dieſes lobwuͤrdigſten Todten hat ſo viel Licht / als die Geſtirne des Himmels Strahlen von ſich geworffen / alſo / daß es ſchwer zu unterſcheiden iſt / ob ſie mehr dem Nechſten / dem Fuͤrſtenthum / oder ihrem Schoͤpffer ge - leuchtet habe. Als er aus einem gleichſam angebohrnen Triebe zur Weißheit auff hohen und andern Schulen den Kern der herrlichſten Wiſſenſchafften ſich zugeleget hatte / reizte ihn ſein feuriger Geiſt / fruchtbare Reiſen in entlegene Laͤnder zu thun. Auff dieſen aber hat er ſeine Sitten ſo wenig mit Laſtern / als der ſtrenge Rhodan ſeinen Strom mit dem Waſſer des Lemanniſchen Sees vermiſchen laſſen / und bey ſeiner gluͤcklichen Ruͤckkunfft zeigte er alſobald / daß ſein Gemuͤtte nunmehr die rechte Vollkommenheit / wie et - liche Pflantzen auff fremden Beete / erlanget habe: Maßen er kurtz darauff einem ieden den auskommentlichen Vorrath ſeines ungemeinen Verſtandes dergeſtalt offenbarte / daß viele nach der Morgen-Roͤthe dieſer auffgehenden Klug - heit mit begierigen Augen ſich umſahen. Denn der Ver - ſtand iſt die andere Tugend / die edlen Gemuͤttern nebſt der Tapfferkeit Ruhm und Anſehen erwirbet; ja dieſe hat je - ner noch immer den Vortheil abgerennet. Die Erfahrung lehret auch zur Gnuͤge / daß wohin die Tapfferkeit ſich nicht erſtrecket / doch der Witz gelangen kan / und daß die Klugheit Ludwig des XI. den an Heeres-Macht viel ſtaͤrckern und kuͤh - nen Carl von Burgund ins Netze gebracht habe. Wer un -ſern75Ehren-Gedaͤchtniß.ſern fuͤrtrefflichen Frey-Herrn von Abſchatz zu ſeinem Rath - geber erkieſete / iſt niemahls von ihm unvergnuͤgt / wie von dem wohlthaͤtigen Titus niemand unbegabt / weggegangen: Die Bekuͤmmerten wuſte er zu troͤſten / verworrene Sachen zu verrichten / und iedweder erlangte in ſeinem Hauſe viel ge - wiſſer / als die Griechen bey dem zweydeutigen Apollo zu Delphis / und Ammoniſchen Jupiter / richtigen Beſcheid. Hier - bey fiel er niemanden mit verdruͤßlichen Minen beſchwerlich / ſondern begegnete allen mit einer groſſen Beſcheidenheit. Denn er wuſte wohl / daß / wie ein Edelgeſtein den rechten Glantz der Fauſt des polirenden Meiſters zu dancken hat / ſo auch die Ubermaſſe des Verſtandes von der Demutt ihren voͤlligen Werth bekomme. Die Hohen ſuchte er mit gezie - mender Ehrerbittigkeit zu empfangen / gutte Freunde mit aller erſinnlichen Vergnuͤgung / und der koͤſtlichſten Wuͤrtze erbaulicher Reden zu unterhalten / und die Niedrigen durch freundliches Zureden ſich verbindlich zu machen. Die Freundligkeit aber ſaß nicht nur auff der Zunge / worunter die meiſten ſo viel Galle / wie die Nattern Gifft / zu hegen pfle - gen / ſondern ſie war auch im Hertzen feſte gewurtzelt. Was der Mund ſprach / billigte das Hertze; und was das Hertze beſchloſſen / verſicherte der Mund. Die Schmincke der Heucheley / welche die Zeit eben ſo wohl von falſchen Wor - ten / als heßlichen Antlitzen abwiſchet / war ihm ſo unbekandt / wie die Crocodile in Spanien; ungeachtet die itzige Welt niemanden fuͤr klug halten will / der ſich nicht ſo offt zu ver - ſtellen / wie der Monde ſich zu aͤndern / weiß. In ſeinem redlichem Gemuͤtte war weniger Falſchheit / als in einem wohlgereinigten Magen Galle zu finden; und wiewohl er keines Menſchen Unterfangen beurtheilte / vielweniger ie - manden mit ſchelen Augen anſahe / konte er doch der Miß - gunſt / welche auch den beſten Tugenden nachzutreten pflegt / nicht entgehen; die aber ſeine Großmuͤttigkeit nicht hoͤher / als das Summen einer unverſchaͤmten Fliege zu achten ge - wohnt war. Denn hohe Gemuͤtter muͤſſen ſich ſo wenig den Neid; als die Liljen die um ſie wachſenden Diſteln auff - halten laſſen / ihren geraden Halß gegen den Himmel und zu ruhmbaren Thaten auszuſtrecken. Und weil die Ge -muͤtts -76Freyherrlich-Abſchatziſchesmuͤtts-Regungen ſich ſelber in ihren Schrancken nicht hal - ten / und der denſelben nachhaͤngende Menſch ſo geſchwinde durch ſie von dem Stule der Tugend / als Phaeton von dem Wagen der Sonnen geriſſen wird / ſo brauchte er allezeit den Zuͤgel der Vernunfft / und legte ſeinen Begierden ein Kapzaum an / daß ſie ſich durch ſolch vernuͤnfftiges Anhalten wie die Elephanten von einem Mohr muſten regieren laſſen. Sonderlich wuſte die kluge Vernunfft des ſeligen Frey - Herrn von Abſchatz Zorn und Rache zu bemeiſtern / weil ſelbte allzu deutliche Verraͤther der groͤſten Gemuͤtts - Schwachheit ſind / und loͤſchte daher alle Beleidigung mit dem Schwamme der ewigen Vergeſſenheit aus / und that auch denen wohl / welche ihm gleich ein ſauer Geſichte mach - ten: Worinnen er ihm ſelbſt das groſſe Auge der Welt zu einem Muſter vorſtellete / welches nicht nur denen ſie anbe - tenden Perſen / ſondern auch den ſie verfluchenden Mohren ihr guͤttiges Licht mittheilet. Bey ſolcher angebohrnen und durch eigene Bemuͤhung zugenommenen Geſchicklig - keit kam ihm auch die Wirthſchafft nicht aus dem Geſichte / welcher er ſich auff ſeinen Guͤttern aller Orten mit beyden Haͤnden annahm. Sein Thun maͤßigte mit groſſer Spar - ſamkeit die Verſchwendung vieler andern / und ſtand um das Auffnehmen der Anverwandten Haͤuſer ſo ſehr / als fuͤr das Wachsthum ſeines eigenen beſtaͤndigſt in Sorgen / alſo / daß ihn iedermann nach dem mehrmahls erwogenen Aus - ſpruche der geſcheiten Lacedaͤmonier dem gemeinen Weſen fuͤrzuſtehen faͤhig ſchaͤzte. Und dieſer kraͤfftige Magnet ſeiner Tugenden zog der Staͤnde Gewogenheit dermaſſen an ſich / daß ihm im Jahr 1679. durch freye Wahl auff oͤffentlichem Land-Tage das wichtige Amt eines Landes-Beſtellten mit der Ordinar-Abſendung nach Breßlau anvertrauet / und ſeine Perſon von der iztregierenden Kaͤyſerlichen und Koͤ - niglichen Majeſtaͤt allergnaͤdigſt beſtaͤttiget worden.
Nun ſahe man auch die hell-leuchtende Lampe unſers hoch - ſchaͤtzbaren Frey-Herrn von Abſchatz zu des Vaterlandes Dienſten brennen / und ſeinen ausbuͤndigen Verſtand durch Erfahrung vollkommen werden. Denn wer aus Buͤchern allein die Weißheit begreiffen will / pflegt nur Blumen ohneFruͤch -77Ehren-Gedaͤchtniß.Fruͤchte gleich einem wilden Baume zu tragen. Unterſchie - dene haben auch wohl ſtattliche Gaben / aber keine Gelegen - heit gehabt ſolche anzugewaͤhren / wie die jenigen / die zwar die beſten Fruͤchte zu Marckte / aber wegen Mangel der Kaͤuffer nicht an Mann bringen koͤnnen: Hingegen andern hat es nicht an Gelegenheit / ſondern am Geſchicke / ſich ihrer zu bedienen / gefehlet. Ihm ſpielete das Gluͤcke die Gele - genheit / vor das Vaterland ruͤhmlichſt zu ſorgen / ſelbſt in die Hand / und ſeine Faͤhigkeit hat ſich niemahls beſſer / als zu Dienſten unſers Allerdurchlauchtigſten Landes-Fuͤrſten bey den hochanſehnlichen Verſammlungen des Hertzogthums Schleſien gewieſen. Ob er nun gleich die vornehmſten Eh - ren-Stellen beſtritten / wuſte er doch dabey ſich alſo auffzu - fuͤhren / daß niemand einigen Schatten der Einbildung bey ihm zu ſpuͤren vermochte. Denn nur die niedrigen Gemuͤt - ter blehen ſich nach Art der Blaſe-Baͤlge vom Winde des Gluͤckes auff / groſſe aber fuͤhlen / wie die oberſten Sterne / kei - ne Veraͤnderung. In ſolchen Aemtern hat man unſern theuren Frey-Herrn von Abſchatz nie mit den Ameiſen muͤſ - ſig / vielmehr aber an dem Ruder der Muͤhſamkeit ſchwitzen geſehen. Die Rathſchlaͤge der Haͤubter des Landes uͤber - legte er nach der Scharffſinnigkeit ſeines Verſtandes uͤber - aus vorſichtig: Denn er hatte wohl gelernet / daß ein An - ſchlag von gar zu groſſer Hitze ſo wenig / als die durch uͤbrige Waͤrme reiff-gewordenen Aepffel taugen; was aber ſein kluger Kopff wohl bedacht / wuſte ſeine Hand mit einem hur - tigen Eyfer geſchwinde ins Werck zu ſetzen. Er war ihr Janus / der mit zweyen Antlitzern vor - und ruͤckwerts ſahe / das Gegenwaͤrtige erwog / das Zukuͤnfftige betrachtete / und das Vergangene nicht aus dem Gemuͤtte ließ; ihr Pharus / auff den ſie ſich bey duͤſterer Nacht verlaſſen konten; ihr Atlas / dem die Laſt alleine auff ſeinen Schultern lag. Er begieng niemahls einigen Fehler / weder aus Schwachheit / noch aus Vorſatz; ſeine Auffrichtigkeit ließ ihn nieman - den / ſeine Vorſichtigkeit aber ſich niemanden betruͤgen. Die Geſchickligkeit unſers ruhmwuͤrdigen Frey-Herrn von Ab - ſchatz faͤdmete die Geſchaͤffte mit einer beſondern Art ein /und78Freyherrlich-Abſchatziſchesund ſein Verſtand uͤberſah alle Tieffen der Dinge. Die Nothwendigkeiten des Fuͤrſtenthums trug ſeine Pflicht / wenn es die allgemeinen Angelegenheiten des Landes nicht verhinderten / mit unermuͤdetem Fleiſſe dem koͤniglichen Amte fuͤr / und konte offtermahls die Nacht von dem Tage nicht unterſcheiden. Dieſen Geſchaͤfften ſezte er alles / wie einem emſigen Staats-Manne oblieget / ſeine Wirthſchaff - ten / Kinder und ſich ſelbſten nach. In Verwaltung der Einnahme und Ausgabe der allerunterthaͤnigſten Verwilli - gungen iſt die Auffachtſamkeit unſers vollkommenen Herrn Landes-Beſtellten bey zweymahligem Abgange des Ober - Steuer-Einnehmers allen Zufaͤllen als ein hundert-aͤugich - ter Argus zuvor kommen / und hat den Staͤnden nebſt den Elteſten des Landes das theure Kleinod der Treue bey den gewoͤhnlichen Landes-Raytungen ohne Eigen-Nutz auffge - opffert. Wolten die wohlhergebrachten Gewohn - und Frey - heiten des Fuͤrſtenthums beſtritten werden / ſo ſprach er mit ruͤhmlichen Eyfer der Warheit das Wort / wie Themiſto - cles zu Athen / und ließ dieſelben ſo wenig / als ſeinen Aug - Apffel verletzen. Bey denen unumgaͤnglichen Beſchwe - rungen und neuen Anlagen / ohne welche die Ruhe Schleſi - ens nicht zu erhalten geweſen / legte er die Kraͤffte des Lan - des auff eine / und das Vermoͤgen der Staͤdte auff die ande - re Waagſchale / und ſuchte unter beyden immer eine Gleich - heit zu treffen. Ja wenn auch irgends einem und dem an - dern Theile ein mehrers zugewachſen / bemuͤhete ſich unſer hochſeliger Frey-Herr als ein kluger Arzt dem Leibe ſo zu helffen / daß kein Glied deswegen verlezt / viel weniger abge - ſchnitten wurde: Gab alſo einen Pfeiler ab / der die Grund - Saͤule des Regimentes / die Eintracht ſtuͤzte. Die groͤſte Probe ſeiner Klugheit war die Verſchwiegenheit / die Seele aller politiſchen Handlungen / von welcher alle Verrichtun - gen den Nachdruck / wie vom Gluͤcke den Ausſchlag bekom - men: Weswegen er die anvertrauten Geheimniſſe in ſeinem Munde verfaulen ließ / welcher doch / wenn es Zeit zu reden war / nicht weniger Geruch / als Biſam und Ambra von ſich gab. Die durchdringenden Worte der Gelehrten / und ausden79Ehren-Gedaͤchtniß.den ſcharffſinnigen Teutſchen Gedichten bekandte Feder vermochten bey den oͤffentlichen Land-Taͤgen die Gemuͤtter der Anweſenden mit lauter Geiſt und lebendiger Regung zu erfuͤllen; und welches eine von ſeinen vornehmſten Verrich - tungen war / hat ſeine beredte Zunge dem großmaͤchtigſten Leopold bey zweymahliger Abſendung nach dem Kaͤyſerli - chem Hofe die gemeine Wohlfarth des Vaterlandes beweg - lichſt fuͤrgetragen. Diß alles aber / was von der ſtets-bren - nenden Lampe unſers hochverdienten Frey-Herrn von Ab - ſchatz gemeldet worden / iſt nur ein Schatten zu nennen von dem Lichte / welches er GOtt zu Ehren auffgeſtecket hat. Seine erſte Gedancken ließ er von Jugend auff den Himmel ſeyn / welchen die Tſchineſen mit dem erſten Buchſtaben ih - res Alphabetes mahlen / und er betrachtete dieſe ſelige Ge - gend ſo fleißig / als Prometheus den Lauff der Geſtirne / al - ſo / daß es das Anſehen hatte / als waͤre er wie Anaxagoras nur alleine gebohren / den Himmel anzuſchauen. Denn es war ihm mehr als zu wohl bewuſt / daß Witz und kluges Nach - ſinnen gleich wie Regen und Sonnenſchein von der Freyge - bigkeit deſſelben herkomme. Die Magnet-Nadel kan ſich ſo ſehr nicht nach dem Nordiſchen Angel-Sterne / noch die Sonnen-Wende ſo ſehr nach dem gleichen Nahmen-fuͤhren - den Geſtirne lencken / als ſein Hertze zu GOtt gerichtet war. Zwar muß heute zu Tage die GOttesfurcht den Laſtern / wie der Glantz bunten Schlangen zum Deckel ihres Gifftes die - nen; allein / wie das Gemuͤtte unſers ſeligen Frey-Herrn nichts wuſte von Falſchheit / ſo war ſeiner Seelen auch das ſcheinheilige Weſen gantz unbekandt. Denn boͤſe Menſchen dienen weniger zu Pfeilern des Landes / als faule Hoͤltzer zu Saͤulen eines Gebaͤues: Daher machten ihm Tempel und Altar die groͤſten Sorgen / und er bewieß ſein Chriſtenthum vielfaͤltig durch das wohlriechende Raͤuchwerck des Gebe - tes / pflegte ſo offt mit GOtt / als Menſchen / wie Carl der Fuͤnffte zu reden / und vereinbarte ſich durch Glauben und Andacht unzertrennlich mit dem ewigen Worte. Alle ſaure Schleen des Ungluͤcks im Leben / und die zwey leztern Zufaͤlle vor ſeinem Tode uͤberwand er mit groſſer Gedult / biß er andem80Freyherrlich-Abſchatziſches Ehren-Ged.dem Orte / wo vormahls die Centner-Laſt ſeines Amtes bey 20. Jahren ſeine Schultern am meiſten gedrucket hatte / der Sterbligkeit entbunden ward.
So iſt nun das Licht verzehret / und die Lampe verloſchen / die zu GOttes Ehren und des Vaterlandes Nutzen vielfaͤl - tig geleuchtet hat. Iſt das Bildniß unſers hochſeligen Frey - Herrn von Abſchatz in keinem auff des Landes Unkoſten ge - ſtiffteten Tempel / wie der wohlverdienten Tſchineſer ver - goͤttert / auff keinen ſilbernen Schau-Pfenning nach dem Beyſpiel der vornehmen Roͤmer gepraͤget worden; ſiehet man im Grabe keine von dem unverbrennlichen Steine zu - bereitete Lampe brennen; ſo glaͤntzet doch die himmliſche Seele unter den ewig-leuchtenden Ampeln / wie der Monde unter den kleinen Sternen / ja noch ſieben mahl heller / und der abgezehrte Leib wird in der dunckeln Grufft nicht weni - ger / als das unbelebte Holtz / wenn es zu verfaulen beginnet / im Finſtern noch einen Schein von ſich geben. Die treuen Verdienſte werden die unausloͤſchliche Lampe des Nach - Ruhms erhalten / und die Worte / welche zu Rom unter des L. Brutus Saͤule geſchrieben worden / in dem Ge - daͤchtniß-Tempel vieler redlichen Patrioten erſchallen: Wolte GOtt! er lebte noch!
An den Wohlgebornen Ritter und Herrn / Herrn Hanß Lhriſtoph von Schweinitz / auff Friedersdorff / Wieſenthal / Leybe / Churfuͤrſtl. Saͤchſiſchen Caͤmmerer / Als Alten Schul - und Reiſe-Freund.
WEnn der Teutſche treue Schaͤffer in der Wel ſo gluͤcklich als der Welſche / ſo darff ihn ſeine Vortritts nicht gereuen. Gvarini iſt in die Fußſtapffe des Taſſo getreten / und ihm weit zuvor kommen. Ma hat den Amintas zeitlich bey ſeite gelegt / und Mirtill hingegen bleibt bey faſt hundertjaͤhrigem Alter noch heu tiges Tages unter ſeinen Lands-Leuten beliebt; ein Gluͤck ſo zu mahl bey der itzigen neubegierigen Welt in einer ſi immer veraͤndernden Sprach - und Schreibens-Art we nig ſeines gleichen wiederfaͤhret. Er hat inmitteſt alle hand Sprachen gelernet / und ſich an unterſchiedliche Orten auff unſere Teutſche gelegt / biß er endlich auch di Oder-Trifften beſucht / und die in Schleſien gewoͤhnlich Mund-Art an ſich genommen. Zwey Lands-Leute da ſelbſt haben ihn ohn vorhergehende Vernehmung unte ſich auff zweyerley Weiſe ausgekleidet / und auffgefuͤhret Man moͤchte die eine Tracht genauer auff den Italiaͤni ſchen Schnitt gerichtet / die andere nach Frantzoͤſiſche Stich gefertigt / und nicht ſo gedrang anliegend nennen Alſo bleibt dem Leſer die Freyheit ſich an beyden zu erlu ſtigen / und / was ſeiner Neigung am beſten anſtehet / zu e wehlen. Weil auch ein dritter Schleſier aus beſondere Wohlwollen / was die andern beyde uͤberſehen oder m Fleiß unterlaſſen / nachgeholet / und dieſes Schaͤffers Hi ten-Taſche / auff daß er bald zu Anfangs beſſer in die Au gen leuchte / mit einer dem Welſchen Muſter genau un zierlich nachgemachten Gold-Schnur oder Borte g ſchmuͤcket; ſo hat er ihm auch allhier damit zu erſcheine iedoch erwehnten Freund (ich will ſagen den gelehrte Uberſetzer des Vor-Redners) dabey ausdruͤcklich zu me den die Freyheit genommen; ihm aber iſt genung zu ze gen / daß doch noch auff der Welt lebe mehr als Ein treuer Schaͤffe
ES opfferten die Arcadier ihrer Goͤttin Diana jaͤhrlich eine Jungfrau des Landes / dadurch den ergrimmeten Zorn und die ſchweren Straffen der Goͤtter abzuwenden / aller - maſſen ihnen ſolches ein gewiſſer Ausſpruch derſelben an die Hand gegeben hatte: Von welchen ſie auch ferner auf gethane Frage / wenn ſolches Ubel ein Ende nehmen wuͤrde / alſo beant - wortet waren:
Durch dieſe Weiſſagung ward Montan / ein Prieſter der Dia - a und Nachkoͤmmling des vergoͤtterten Hercules bewogen / s dahin einzurichten / daß Amarillis / eine der edelſten Land - Nympffen und einige Tochter des von dem Pan herſtammen - en Titirus ſeinem Sohne Sylvio oͤffentlich verlobet ward: Die Hochzeit aber / ohnerachtet beyderſeits Vaͤter inſtaͤndig arauff drungen / konte noch nicht vor ſich gehen / weil der kuͤh - e und allein in die Jagt verliebte Braͤutigam ſich keiner an - ern Liebe theilhafftig machen wolte. Indeſſen war ein ande - er Schaͤffer Mirtillo ein vermeynter Sohn des Carino / (wel - er in Arcadien gebohren / aber lange Zeit in Elis gewohnet atte /) in die verlobte Amarillis ſterblich verliebt / auch von r in der Stille geliebet / ob ſie gleich ſolches aus Furcht des eſetzes / welches die Untreue der Weiber mit der Straffe des odes belegte / nicht entdecken durffte. Dieſes gab der in den irtillo verliebten und wegen ſeiner die Amarillis eyferſuͤch - g haſſenden Coriſca Gelegenheit ihr zu ſchaden / und (aus offnung nach dem Tode ihrer Mit-Buhlerin die beſtaͤndige reue dieſes Schaͤffers zu uͤberwinden /) die ungluͤckſeligen ebhaber durch ihre Liſt in gantz andern Gedancken / als ihnen rnach zugemeſſen worden / in eine Hoͤle zu bringen / darinnen von dem Satyro betroffen / angeklaget / und durch die Prie - er gefangen worden: Worauff Amarillis ihre Unſchuld nicht weiſen kan / und zu dem Tode verdammet wird: MirtilloA 3aber /6aber / unangeſehen er an der Amarillis Verbrechen nicht zwei felt / auch nach eben demſelben Geſetze ſeines Ortes keine Straf fe zu leiden hatte / entſchlieſſet ſich dennoch / der durch die Geſetze vergoͤnneten Freyheit nach vor ſie zu ſterben. Als er nun auff ſolche Weiſe von dem Prieſter Montano ſeinem obliegendem Amte gemaͤß zum Tode gefuͤhret wird / koͤmmet Carino ihn ſu chende darzu / und findet ihn in ſo unverhofftem erbaͤrmlichen Zuſtande. Alſo ihn nicht minder als ſein eigenes Kind lie bende bemuͤhet er ſich ihn von dem Tode zu erretten / und zu be weiſen / daß er als ein Auslaͤnder vor eine andere eingebohrn Perſon nicht geopffert werden koͤnne / und entdecket dadurch unvermutheter Weiſe / daß dieſer ſein Mirtillo des Prieſter Montano leiblicher Sohn ſey. Indem ſich ermeldter ſei rechter Vater ſchmertzlich betruͤbet / daß er an ſeinem eigene Gebluͤtte das grauſame Geſetze ausuͤben ſolle / lehret ihn de blinde Wahrſager Tirenio das Oracul recht verſtehen / nac deſſen Innhalt dieſes Opffer nicht zu ſchlachten / ſondern nun mehr das Elend des betruͤbten Arcadiens zu gewuͤnſchtem En de kommen / und alſo die goͤttliche Amarillis dem gleichfall goͤttlichem Mirtillo / als dem rechten treuen Schaͤffer / zu ve maͤhlen ſey.
Und nachdem inzwiſchen der Silvio die ihm aus Liebe fo gende Dorinda ſtatt[eines] vermeynten Wildes verwundet daruͤber ſeine gewohnte Haͤrtigkeit in hertzliches Mitleide und bruͤnſtige Liebe verwandelt / auch ihre von erſten gefaͤhrli geſchaͤzte Wunde ſich zu gewuͤnſchter Beſſerung angelaſſen / ſ heyrathet er dieſelbige Dorinda / wie Mirtillo Amarille Coriſca ſolch derſelben unverhofftes Gluͤcke ſehend und dar ber in ſich gehend / bittet und erlanget von ihnen Verzeihung ſich entſchluͤſſende / der Welt Urlaub zu geben / und forthin ei beſſeres Leben zu fuͤhren.
Der Schau-Platz iſt in Arcadien.
HAt euch ein alt Geſchrey / daß niemand nahm in acht / Und dem man noch nicht Glauben giebet / Von einem Fluß ein Wunder beygebracht; Wie er ſo hefftig ſey verliebet: Daß ſeine heiſſe Bach Durchs Meeres Eingeweid und durch der Erde Schooß / (Wie iſt die Macht der Liebe doch ſo groß!) Der fluͤcht’gen Arethuſ’ in Trinacris drang nach; Wo unter Etnens Klufft Der Rieſe / der vom Blitz erlegt iſt / und ſelbſt blitzet / Der Rache Feuer in die Lufft Und gegen den verhaßten Himmel ſpritzet? Derſelbe Fluß bin ich: Ihr habt von mir gehoͤrt / nun aber ſeht ihr mich. Meynt euren Augen ihr nicht Glauben zuzuſtellen? Schaut: Ich veraͤndere den vorgewohnten Lauff / Ich kieß ein fremdes Meer / und halte nun die Wellen Des Koͤniges der Fluͤſſe auff. Hier mach ich freudig mich herbey / Wo es mich recht beduͤnckt / ſeh ich hier einen Strand / Wie weyland war mein ſchoͤn und freyes Vaterland / Daß izt iſt Magd und Wuͤſteney. Ja / Mutter / ja du biſts / Alfeus kennet dich / Ach! ſo erkenne doch / Arcadien / auch mich. Mich / dein ſo lieb und hochberuͤhmtes Kind! Ich ſeh’ es ja / diß ſeyn die ſchoͤnen Waͤlder Und die zur Zeit ſo wohlbekandten Felder / Wo Tugend ihre Wieg’ und auch ihr Grab-Mahl findt. D[ie]9Die guͤldne Zeit verkroch in dieſem Winckel ſich / Als ſie der Welt und Menſchen ſich entſchlug / Die eiſern ſind / voll Laſter und Betrug. Allhier ergezt die Freyheit mich / Die ohne Neid und ohne Maße bluͤhet / Die ein entwafnet Friedens-Bild In Sicherheit beſizt / ſich ohne Wache ſiehet. Der Unſchuld und der Tugend Schild War dieſes Volckes Wall / der beſſer konte tauren / Als Thebens ſtarcke Mauren / Die von beſeeltem Stein hat Orpheus aufgefuͤhrt. Wenn auch gleich Grichenland vom Kriege ward geruͤhrt / Arcadien in Brand gerieth / Sein kriegriſch Volck zu waffnen war bemuͤht / So blieb doch dieſes edle Theil Der Voͤlcker Zuflucht / Schirm und Heyl / Man hoͤrte nichts von dem Geraͤuſch und Raſen / Wenn Feind und Freund gleich ließ Trompeten blaſen. So ſehr nun Megara / und Patra / und Corinth / Micen und Sparta war begierig obzuſiegen / So eyfrig war diß holde Volck geſinnt / Das an der Bruſt dem Himmel ſchien zu liegen / Sich zu verwahren in der Ruh. Wenn jene dort verſchanzten ihre Staͤdte / Schrieb dieſes ſein Geluͤck der Himmels-Feſtung zu: Die Waffen kaͤmpfften dort / hier aber das Gebete. Kan dieſes Volckes Nahm und Tracht Gleich Schaͤffern auch verglichen werden / War doch ihr Thun und die Geberden Nicht groben Hirten nachgemacht. Denn einer war aufs eyfrigſte befliſſen / Die Heimligkeiten der Natur In Himmel / Erde / Meer und in der Luft zu wiſſen. Ein andrer folgte nach des fluͤchtgen Wildes Spur / Ein andrer paßte auff Ein Wald-Schwein mit mehr Ruhm / und Baͤren umzu - bringen. A 5Der10Der uͤbte ſich zu ſchnellem Lauff / Und jener wolte ſeyn unzwingbar in dem Ringen. Der warff gekuͤgelt Bley mit Riemen nach den Scheiben / Ein andrer ſchoß auf das geſteckte Ziel / Ja jeden ſahe man nach ſeiner Neigung treiben Ein angenehmes Spiel. Doch war der meiſten gantzes Leben Den heilgen Muſen ſtets ergeben / Der Buhlſchafft die man vor fuͤr ſo ſehr edel hielt / Nun aber wenig bringt und gilt. Wer aber hat nach ſo geraumer Zeit Arcadien hieher verſetzet / Wo Dora und der Po das fette Land benetzet? Was ſeh’ ich? dieſes iſt der Sitz der Einſamkeit / Und diß das Heiligthum der alten Eryeinen: Dort thuͤrmt der Tempel ſich empor In welchem ſich ließ Cinthia bedienen. Wie wunderſeltzam kommt mir dieſes alles vor? Was fuͤr ein groſſer Mutt / fuͤr Tugend muß den regen / Der ein gantz Land verſezt / und Voͤlcker kan verlegen? O groſſes Koͤnigs-Kind / An der die Jahre jung nur ſind / Die an Verſtande ſchon laͤngſt worden iſt zur Frauen / Du laͤſt durch deines Anſehns Krafft Durch deines Stammes Eigenſchafft / Durchlauchtſte Catharin / izt mich diß Wunder ſchauen Denn dieſes Vorrecht hat dein hoch Gebluͤtt allein: Daß neue Welten Ihm gebohren worden ſeyn. Doch alle dieſe Wunderwercke Sind von Geburts-Art euch gemein / Und ſchlechte Thaten eurer Staͤrcke. Wie in dem Meer / im Himmel und auff Erden / Lebhaffte Seelen / Graß / Gebluͤme / Laub und Kraut / Der Sonne / wenn ſie fruͤh aus Thetis Bette ſchaut / Zu Lieb und Luſt gezeuget werden; So / wenn Sie / maͤchtge Sonn / ihr Haubt hebt in die Hoͤh / Aus dem durch Ihr groß Hauß erhoͤhten Abende /Sieht11Sieht man an allen Enden Ihr Landſchafften bluͤhn / und Reich aufſteigen / Die Erde nichts als Palmen zeigen / Und Sieges-Zeichen gehn herfuͤr. Sie / Heldin / iſt es nun / fuͤr der mein Haubt ſich neiget / Die von dem Herrſcher iſt gezeuget / Dem / wenn uns gleich die Nacht bethaut / Die Sonne doch nicht untergehet; Des groſſen Fuͤrſten holde Braut / Dem wegen Tugend und Verſtandes Der Himmel hat die Aufſicht dieſes Landes / Und ſeiner Mauren anvertraut. Allein Italien darff mehr Nicht ſein Gebirg und felſichtes Gefilde / Denn ſie beſchuͤzt es noch ſo ſehr; Statt groſſer Alpen dient ihr groſſer Geiſt zum Schilde. Sie wird bey kriegriſcher Gefahr Fuͤr ein unzwingbar Bollwerck ſtehen / Das Kriegsvolck aber ſie erhoͤhen Zum Friedens-Tempel und Altar / In welchem aber ſie allein Wird eine neue Gottheit ſeyn. So lebet nun viel lange Zeit / Ihr groſſen Seelen ihr / in Eintracht und Vergnuͤgen! Die Welt hofft viel Gluͤckſeligkeit Von eurem Buͤndniſſe zu kriegen. Zu dieſer Hoffnung muß ihr ſteten Anlaß geben Ihr eingebuͤßtes Reich mit ſo viel Koͤnigs-Staͤben / Wenn ſie nach Morgenland ihr traurig Antlitz kehrt; O Feld! das / groſſer Carl / alleine dein iſt werth! Indem die Thaten deiner groſſen Ahnen Als Stuffen dir den Weg zur Folge bahnen. Diß Land und eure Nahmen ſind Hoch-herrlich / wie’s Gebluͤtt / ja Sitten und Gedancken / Laͤſt ſich wie euer Geiſt nicht ſperren ein in Schrancken / So kan von Euch nun ruͤhrn kein niedrig Werck noch Kind. Weil ich nun Euch von eitel guͤldnen Kronen /Mit12Mit denen Euch’s Verhaͤngniß wird belohnen / Treuhertzig ſage wahr: Ach / ſo verſchmaͤht mein kleines Opffer nicht / Das auf dem Pindus Euch mein reines Hertze flicht Aus Blumen und der Felder Haar / Durch der neun Jungfern Hand / die ſingende das Leben / Trotz Tod und Eitelkeit / den Wohlverdienten geben. Verſchmaͤht der Himmel doch nicht Sachen / Die gleich geringes Armut ſind. Wird nun ein holder Gnaden-Wind Von eurem Himmel mich mehr reg und geiſtig machen / So wird die Harffe / die allein Von zarter Liebe ſingt / von Hochzeit und von Wiegen / Verwandelt in Trompeten ſeyn / Und Ihren Schall erhoͤhn von euren Waff - und Siegen.
Erſter13Beht die ihr habt das Wild an engem Ort umſtellt / Und gebt das Zeichen zu der Jagt / Laßt eurer rauhen Hoͤrner Klang Die Augen / welche noch nicht wachen / Der lauten Stimme Feld-Geſang Die faulen Hertzen munter machen! Iſt iemand / dem die Jagt, die kuͤhne Jagt / gefaͤllt / Iſt wo ein Schaͤffer / der mit Luſt Die unverzagte Bruſt Auf Fang der wilden Thiere wagt / Der finde ſich herbey / und eile mit dahin Wo zwar ein enger Raum / doch weiter Kreiß Zu weiſen unſre Tapfferkeit / Das Schrecken unſrer Waͤlder / Den Schaden unſrer Felder / Das Ungeheuer unſrer Zeit / Von dem das Land ſo viel mit ſeinem Schaden weiß / Das Wunder-groſſe Schwein mit Tuͤchern ließ umziehn. Geht / Jaͤger / geht und rufft herfuͤr / Durch ein Holla / Durch ein Sa ſa Der traͤgen Morgenroͤthe Zier! Wir / Linco / wollen gehn die Goͤtter anzuruffen / So koͤnnen wir der Jagt ein gluͤcklich Ende hoffen. Ein gutter Anfang iſt ſo viel als halb gethan; Und von des Himmels Gunſt faͤngt man am beſten an.
Ich lobe / Silvio / daß man die Goͤtter ehrt / Gleich wie uns unſre Pflicht / und ihr Gebieten lehrt; Doch / daß man den / der ſie bedient / Sich zu beſchwehren nicht erkuͤhnt. Des Tempels Huͤtter ſind noch nicht erwacht / Wie von dem Schatten ich des Berges nehm in acht.
Du / deſſen Augen noch der Schlaff genommen ein / Denckſt alle muͤſſen faul und deines gleichen ſeyn.
O Silvio / warum gab dir des Himmels GunſtIn14GUARINIIn deiner beſten Zeit im Fruͤhling deiner Jahre So liebliche Geſtalt / ſo wohlgemachten Leib / Wenn du ihn vor der Zeit wilt bringen zu der Bahre / Und man dir den Gebrauch der Kraͤffte weiſt umſunſt? Koͤnnt ich an deine ſtatt erlangen Die Bluͤthe der belebten Wangen / Ich ſuchte mir fuͤrwahr weit andern Zeitvertreib. Ich wolte bald Adee den oͤden Waͤldern geben / Auf einer andern Jagt in Luſt und Freude leben / Im Schatten Sommers-Zeit / im Winter beym Camin Die Jahre wohl begluͤckt und ruhig bringen hin.
Dergleichen Rath hab ich niemahls gehoͤrt von dir / Wie kommſt du mir itzund ſo gar veraͤndert fuͤr?
Der Sinn veraͤndert ſich mit Zeit und Sachen. Waͤr ich als Silvio / ſo wolt ichs ſicher machen.
Und ich / an Linco ſtatt geſetzt / thaͤt auch ſo viel: Als Silvio / das Widerſpiel.
O junges Hertze voll von Unbedachtſamkeit / Was ſucheſt du ein Wild und mit Gefahr ſo weit / Daß du doch naͤher kanſt erlangen Mit weniger Gefahr und leichter Muͤhe fangen.
Schertz oder Ernſt?
Ja Ernſt.
So nah?
Als du dir biſt.
Wo iſt der Ort?
In dir: Da wohnt die Grauſamkeit / die dir das Hertze friſt.
Du kamſt mir nicht umſonſt voll Traum und Schlaffes fuͤr.
Ein alſo ſchoͤnes Bild / ein ſolches Engel-Kind / Mit welchem Roſ’ und Schwan nicht zu vergleichen ſind / Nach welchem unter uns die reichſten Schaͤffer trachten / Und trachten ohne Frucht / will dir der Goͤtter Schluß Der Menſchen Will und Gunſt mit milden Haͤnden ſchen - cken. Du kanſt fie heute noch ohn Thraͤnen und Verdruß / (O Gluͤcke / deſſen du nicht wuͤrdig biſt zu achten!) In deinen Armen ſehn; und du wilt dich bedencken / Wilt dein Geluͤcke fliehn? ſoll ich nicht von dir ſagen / Du muſt ein ſtaͤhlern Hertz und wilde Sinnen tragen?
Iſts eine Grauſamkeit in nichts verliebt zu ſeyn /So15treuer Schaͤffer.So muß die Grauſamkeit mit Tugend ſtimmen ein: Stimmt ſie der Tugend bey / ſo kan mich nimmer reuen Daß ſie gewohnt in mir: Mich ſoll vielmehr erfreuen Daß ich durch ihre Macht der Liebe Macht bekaͤmpfft / Die wilder iſt als ſie.
Wie haſt du diß gedaͤmpfft Was du niemals verſucht?
Durch nicht verſuchen.
Ach / ſolteſt du einmal nur aus Erfahrung wiſſen Welch ein Vergnuͤgen ſey beſitzen was man liebt / Was Hertz um Hertz und Lieb um Gegen-Liebe giebt / Du wuͤrdeſt nicht ſo ſehr auff deine Freyheit pochen / Und von der Warheit ſelbſt gezwungen ſagen muͤſſen: Ach ſuͤſſes Leben voller Luſt / Warum haſt du ſo ſpaͤt beſeligt meine Bruſt! Laß tummes Kind das Wild im wuͤſten Walde ſeyn / Und raͤume deine Schoos den ſuͤſſen Flammen ein.
Mein Linco / muͤhe dich nicht weiter mich zu quaͤlen. Ich ſage noch einmahl was ich ſo viel geſagt: Ein Wild das mir mein Hund Melampus hat erjagt / Will ich mir tauſendmal vor tauſend Weiber waͤhlen. Es genieſſe ſolcher Freuden wer ſich mit vergnuͤgen kan: Ich vor meinen Theil empfinde weder Luſt noch Wolluſt dran.
Und was ſoll dir denn gefallen / wenn dir dieſes nicht ge - faͤllt / Was vor tauſend andern Stuͤcken Freude giebt der gan - tzen Welt? Glaͤube mir / O Sohn / du wirſt diß zu ſeiner Zeit empfin - den / Wenn die Zeit verlauffen iſt und die trocknen Kraͤffte ſchwinden. Liebe will einmahl mit brennen / Es ſey zeitlich oder ſpat / Laſſen ihre Macht erkennen. Glaube dem der in der That / Glaube dem der als ein Greiß Solches aus Erfahrung weiß. Es iſt kein aͤrgre Qual / kein herbrer Schmertzen nicht / Als wenn den alten Leib der Liebe Kuͤtzel ſticht. Wenn16GUARINIWenn ſich das wilde Fleiſch ie mehr und mehr ergrimmt / So oft des Artztes Hand zum faulen Schaden kuͤmmt. Bey jungen Hertzen heilt die Liebe ſelbſt den Stich / Begierde bringt dir Pein / die Hoffnung troͤſtet dich. Verletzet gleich auff eine Zeit ihr Pfeil / So macht er doch zulezt geſund und heil. Wirſt aber du hernach verliebt / Wenn dir der Jahre Laſt die muͤden Achſeln druͤckt / Der matte Ruͤcken ſich in krumme Bogen buͤckt / Wenn eigner Mangel mehr als fremde Schuld betruͤbt / Der Glieder todte Krafft kein voll Vergnuͤgen giebt / Da geht die Marter an / die dich zu Grabe ſchickt. Ungluͤcklich iſt der Wunden Pein Wenn ſie muß ohne Pflaſter ſeyn; Ungluͤcklicher wenn herbe Gall und Gifft Mit dieſem Pflaſter ſelbſt in Schaden trifft. Ach / ziehe dir nicht zu den Mangel grauer Haare / Weil noch dein Alter bluͤht im Lentzen gruͤner Jahre. Wiltu zu lieben Bißhin verſchieben / Wird das Vergnuͤgen noch ſo klein / Noch einſt ſo groß der Schmertzen ſeyn. Drum laß den Thieren Wald und Haͤyn Und raͤume deine Bruſt den keuſchen Flammen ein.
Als wenn man anders nicht gluͤckſelig koͤnte leben / Man habe denn den Sinn der tollen Lieb ergeben.
Silvio / ſieh’ mit mir an die beliebte Maͤyen-Zeit / Da die wieder-junge Welt ſich bebluͤmet und verneut / Wenn dein Aug’ izt ſolte ſchauen Sonder Blumen / Laub und Kraut / Huͤgel / Wald und Aue Wuͤrdeſt du nicht voller Schrecken mit beſtuͤrtztem Mund ſagen: Erd und Himmel ſey erſtorben / die Natur verſchwaͤche ſich Denck auf dich: Gleiches Schrecken wirſt du muͤſſen uͤber dein Verfahre tragen. O Sohn / der Himmel pflanzt uns ein den Jahren gleich Sinnen. Gleich17treuer Schaͤffer.Gleich wie ſich Liebe nicht und Alter ſchicken kuͤnnen / So / wer der reinen Brunſt entzieht die friſchen Glieder / Der iſt des Himmels Schluß und der Natur zu wider. Schau um dich / Silvio / was ſchoͤnes dieſe Welt / Was lieblichs dieſer Kreiß in ſeinen Armen haͤlt / Das iſt der Liebe Werck. Der Himmel iſt verliebt / Man ſiehet / wie ſich Erd und Meer im Lieben uͤbt. Der helle Stern / der dort die Morgenroͤth anſaget / Die Venus / die am fruͤhen Himmel glaͤnzt / Mit klarem Schein ihr ſtoltzes Haubt bekraͤnzt / Fuͤhlt ſelbſt das ſuͤſſe Gifft / womit ſie andre plaget: Und izt koͤmmt ſie vielleicht von ihres Liebſten Bette / Verlaͤſſt Gradivens angenehme Schoß / In welcher ſie verſtohlner Luſt genoß: Schau / wie ſie Strahlen ſchieſſt / wie ſie noch winckt und lacht. Es fuͤhlen ihre Macht Die Thiere durch den Wald / und lieben in die Wette. Die kalte See loͤſcht nicht die heiſſen Flammen aus / Dadurch die feuchte Schneck entzuͤndt ihr Waſſer-Hauß. Die Liebe dringt zu Wallfiſch und Delphin Durch Wind und Wellen hin. Die Nachtigall / die hier ſo lieblich ſingt / Und ſich durch geilen Flug von Aſt zu Aſte ſchwingt / Wuͤrd’ ohne Zweiffel / wenn ſie koͤnte / ſagen: Ich brenne vom Triebe Entzuͤndeter Liebe: Ich bin / mein Verlangen / Von Liebe gefangen. Auch hoͤret ſie ihr Lieb in ſeiner Sprache klagen / Und ſtimmet ihr / von dem wir Zeugen ſeyn / Mit angenehmer Antwort ein. Das Vieh in Staͤllen macht nach ſeiner Art bekandt Bey ſeines gleichen ſeinen Brandt. Der Thiere Fuͤrſt der Leu erſeufftzet / daß der Wald Von Liebe / nicht von Zorn / mit Schrecken widerſchallt. Mit kurtzem: Alles liebt / nur Silvio will nicht / Mit Himmel / Erd und See zu lieben ſeyn verpflicht. BLaß /18GUARINILaß / tummes Kind / hinfort den Thieren Wald und Haͤyn / Und raͤume deine Bruſt den keuſchen Flammen ein.
Hat dich mein Vater mir darum gegeben bey / Daß mir dein graues Haar ein ſchnoͤder Fuͤhrer ſey Zu weicher Zaͤrtligkeit / der Peſt der Helden-Geiſter? Gedenck an dich / und mich / mein kluger Hofe-Meiſter.
Ich bin ein Menſch / dem Himmel Danck / kein Kind / Und menſchlich mehr / als du vielleicht / geſinnt; Du biſt / (und ſollt es ſeyn) ein Menſch; ich trage dir / Was menſchlich und was recht / mit rechten Worten fuͤr. Du / ſchaue zu / wiltu nach Menſchen-Art nicht leben / Nicht eh’ ein tummes Vieh als einen Gott zu geben.
Mein Ur-Ahn Hercules / der groſſe Wunder-Zwinger / Waͤr’ izt nicht ſo bekannt / ſein Nahme viel geringer / Haͤtt er der ſtrengen Liebe Macht Nicht erſtlich unter ſich gebracht.
Schauſtu / Blinder / wie dir Licht Und Verſtand allhier gebricht. Waͤreſt du wol izt bey Leben / wenn er nicht aus reinem Bette / Wenn er nicht aus ſuͤſſen Flammen dein Geſchlecht erzielet haͤtte? Stritt’ er gluͤcklich / zwang er Wunder: Liebe hatt ihr Theil daran. Weiſtu nicht was er zu Liebe ſeiner Omfale gethan? Er entbloͤßte nicht allein von der Leuenhaut den Leib / Kroch in einen Frauen-Rock / ließ ſich ſchmuͤcken als ein Weib; Vor den Brauch beknornter Keule ward die kuͤhne Helden - Hand Zu dem unbewehrten Rocken / zu der Spindel angewandt. Diß iſt ſeiner Arbeit Lohn / ihre Schooß ein Port der Glieder / Die er voller Muͤdigkeit legt in ihren Armen nieder / Durch die Seufftzer holt ſein Leib den verlohrnen Athem ein / Ihrer Kuͤſſe Nectar-Safft muß ſein kraͤfftig Labſal ſeyn. Gleich wie mit edlem Stahl vermiſcht ein ſpruͤdes Eiſen Sich pfleget mehr geſchickt zum Brauche zu erweiſen / So / wenn den wilden Sinn der Liebe Feuer zaͤhmt /Iſt19treuer Schaͤffer.Iſt er zu edlem Thun und Wercken mehr bequemt. Wiltu dem Hercules nun wuͤrdig folgen nach / Und ja nicht meiden Wald und Haͤyn / Verachten voller Mutt der Jagten Ungemach / So laß doch Liebe bey dir ein. Halt Amarillen werth / die dir die Goͤtter ſchencken. Biſtu Dorinden feind / ich kan dich nicht verdencken / Wenn dein getreuer Sinn haͤlt Glauben ſeiner Braut.
Wie? meiner Braut?
Die dir iſt gleichſam als ver - traut. O frecher Juͤngling / ſiehe zu und reitze nicht Die Goͤtter wider dich durch Brechung deiner Pflicht.
Die Freyheit iſt des Himmels Gutt; Der liebet nicht gezwungnen Mutt.
Und rufft dich nicht der Himmel ſelbſt hierzu / Dein eigner Ruhm / des Landes Heil und Ruh?
Die Goͤtter werden gleich um diß in Sorgen ſitzen / Und unſers Landes Heil auf zwey Perſonen ſtuͤtzen. Mein Linco / weder die noch jene liebt mein Hertz! Ich bin zur Jagt und nicht zur Buhlerey gebohren: Du brauche deiner Ruh zum Frauen-Dienſt erkohren.
Treibt ſo dein rauher Sinn aus meinen Worten Schertz? Koͤmmſt du von Goͤttern her? mir will nicht ein / Daß du des Himmels-Kind / daß du ein Menſch kanſt ſeyn; Und hat dich ja ein Weib in ihrer Schooß getragen / So kan ich ſicher ſagen: Du ſeyſt mit Gift von tollem Zorn und von Megaͤrens Schlangen Nicht mit Citherens ſuͤſſer Koſt und Freundligkeit em - pfangen.
Amarillis Ruhm der Erden / Schoͤnes Wunder unſrer Zeit / Kind an Sitten und Geberden Voll beliebter Freundligkeit /B 2Schnee20GUARINISchnee und Purpur kan nicht prangen Wie die Roſen deiner Wangen. Aber / ach / die harten Sinnen Kennen reine Liebe nicht / Sind unmoͤglich zu gewinnen Durch getreuer Dienſte Pflicht / Laſſen eh Mirtillen ſterben / Als die mindſte Gunſt erwerben. Nun wolan! weil meine Schmertzen Stets verborgen ſollen ſeyn / Will ich ſie mit ſtillem Hertzen Samt dem Coͤrper ſencken ein: Aber Berg und Thal / als Zeugen / Werden meine Pein nicht ſchweigen. Dieſes tunckeln Waldes Schaten / Wo ſo offt dein Nahme ſchallt / Wird dein wildes Thun verrathen / Meine ſterbende Geſtalt Und die Meng’ erlittner Qualen Aller Welt vor Augen mahlen. Dieſer Brunn wird vor mich weinen / Meine Noth beſeufzt der Wind. Wenn die Augen nimmer ſcheinen Und der Lebens-Faden ſchwindt. Iſt ſonſt alles ſtumm auff Erden / Soll mein Tod doch redend werden.
Mirtill / der Liebe Gift iſt nimmer ohne Pein; Doch aͤrger nie / als wenn man ſeine Macht haͤlt ein. Gleich wie ein wildes Pferd den harten Zaum veracht Und ſich ie mehr und mehr zu ſeinem Meiſter macht / So wenn der Furcht Gebiß verliebte Zungen hemmt / So wird der Seele Glutt gemehret / nicht gedaͤmmt / Biß endlich mit Gewalt der ſtarcke Schaum bricht aus / Und voller Flammen ſteht das Hertz / der Seelen Hauß. Indem du doch den Brand nicht wuſteſt zu verhaͤlen / So ſolteſtu beyzeit mir / deinem Freund / erzaͤhlen / Was deine Kranckheit ſey. Wie oft hab ich geſagt:Schaut /21treuer Schaͤffer.Schaut / wie Mirtillo ſich mit ſtillem Feuer plagt.
Ich habe mich geplagt um dich nicht zu beſchweren. Mein Schweigen ſolte noch auff dieſe Stunde waͤhren / Wenn mich die groſſe Noth nicht haͤtte kuͤhn gemacht. Es wird mir hier und dar ein Ruff vor Ohren bracht / (Ein Ruff / der mir das Blutt in Adern macht er kalten /) Daß Amarillis ſoll mit naͤchſten Hochzeit halten; Wenn aber / und mit wem / da weiß ich nichts davon / Und darff mich weiter auch zu fragen nicht erkuͤhnen / Mein Vorwitz doͤrffte ſonſt zu fremdem Argwohn dienen / Ein trauriger Bericht ſeyn meiner Sorge Lohn. Ich weiß / Ergaſto / wohl (die Liebe blendt mich nicht) Daß meine Sinnen hier ſind was zu hoch gericht / Daß ein ſo armer Knecht / ein Schaͤffer meines gleichen / Nicht ſo ein edles Bild / dem tauſend andre weichen / Die dieſes Land ernaͤhrt / zur Braut erwarten kan. Ich klage mein Geſtirn und ſeine Boßheit an / Daß mir die Unluſt nur und keine Luſt will guͤnnen / Mich heiſſet meine Pein vergebens lieb gewinnen. Doch weil es ie ſo war im Himmel angeſchrieben / Daß ich mein Leben nicht / mein Sterben ſolte lieben / So wolt ich noch ſo lieb und unerſchrocken ſterben / Wenn meiner Feindin Gnad ich ſterbend koͤnnt erwerben: Mein Auge ſolte ſich mit Thraͤnen nicht befeuchten / Wenn ihre Sonnen mir zum Tode wolten leuchten / Die Lippen ſolten nicht in Ungedult ausbrechen / Wenn mir ihr ſuͤſſer Mund das Urtheil wolte ſprechen. Mein einig Wuͤnſchen iſt / noch einſt gehoͤrt zu ſeyn / Eh ſie ſich ehlich ſchlieſt in fremden Armen ein. Haſtu mich lieb / mein Freund / als wie ich dich / Erbarmt dich mein; O du mein andres Ich / So ſey bemuͤht mir ſo viel zu erlangen / Laß mich von dir den letzten Troſt empfangen. Verlangen deiner Liebe werth Und Troſt dem Sterbenden zu guͤnnen: Nur zu erlangen hoch beſchwert Und wohlbedachtſam zu beſinnen! Wie wuͤrd es Ihr der Aermſten gehn / wenn Vater oder Schwaͤher wuͤſten /Daß22GUARINIDaß ſie zu hoͤren fremden Mund ſich haͤtte laſſen ie g luͤſten / Und darum flieht ſie dich / den ſie vielleicht im Hertze liebt / Ob ſie dir gleich aus Furcht bißher davon kein Zeiche giebt. Das Frauenzimmer iſt verliebter weder wir / Nur ſchlauer als der Mann / zu bergen die Begier. Und / liebte ſie dich gleich / was koͤnte ſie ſonſt machen / Als dich Mi[r]tillo fliehn / bey ſo geſtallten Sachen. Wer nicht kan helffen hoͤrt umſunft: Wo bleiben andern ſchaden kan Iſt weg zu eilen eine Gunſt. Wer zeitlich laͤſſt aus Haͤnden fahren / Was er nicht lange kan bewahren / Hat Recht und handelt wohl daran.
Ach! waͤre diß gewiß / mit Freuden wolt ich ſagen: O viel begluͤckte Pein! O angenehme Plagen! Doch ſage mir / Ergaſt / wie dieſer Schaͤffer heiſt Dem ſich der Sternen Schluß ſo hoch geneigt erweiſt.
Kennſtu nicht Silvien / des Prieſters einigs Kind / Dem wenig izt an Ruhm und Reichthum gleiche ſind. Der muntern Jugend Blum und unſrer Schaͤffer Preiß / Von dem Arcadien ſo viel zu ſagen weiß? Diß iſt der Braͤutigam von deiner Amarillen.
O Menſch / dem Himel / Erd und Menſchen ſtehn zu willen Der ſchon die reiffe Frucht des ſpaten Herbſtes ſieht / Weil noch der fruͤhe Lentz auff ſeinen Wangen bluͤht! Ich neide dich nicht um dein Wohlergehn: Ich klage nur mein Ubelſtehn.
Auch haſtu ihm nicht Urſach Neid zu tragen / Vielmehr ſein Ungluͤck zu beklagen /
Wie ſo?
Weil er nicht liebt.
Nicht liebet und kan leben? Nicht annimmt / was er kan ohn alle Muͤh erheben / Wenn andre Tag und Nacht darum in Sorgen ſchweben? Nicht brennet angeflammt von zweyer Sonnen Lichte / Und hat ein Hertz im Leib / hat Augen im Geſichte? Wie23treuer Schaͤffer.Wiewohl / wenn ſich das meine recht bedenckt / Es blieb kein Feuer mehr vor andre Hertzen / Als ihrer Augen helle Kertzen / Als ihre Glutt in meine Bruſt geſenckt. Wie aber / daß man giebt ſolch Kleinod in die Hand / Bey der es ohne Danck und uͤbel angewandt?
Weil unſer Heyl geſetzt der Himmel auff diß Paar. Iſt dir noch unbekannt / wie bey uns iedes Jahr Das unbefleckte Blutt von einer Nimphe dient Zum Opffer / welches uns Dianens Zorn verſuͤhnt?
Das hab ich nie gehoͤrt / als noch ein Gaſt im Lande Und Freund der Einſamkeit bey meinem Ungluͤcks-Stande. Wo aber ruͤhrt diß her?
Mit kurtzem ſoll mein Mund Die traurige Geſchicht ausfuͤhrlich machen kund / Die nicht den Menſch allein / die ſelbſt die feſten Eichen Und einen harten Felß zu Thraͤnen koͤnt erweichen. Als noch das Prieſterthum kam in der Jugend Hand / So fuͤhrt ein edler Hirt / Amintas / dieſen Stand / Lucrina trug davon die Freyheit ſeiner Sinnen / Von auſſen wunder-ſchoͤn und wunder-falſch von innen / Nahm ſeinen Dienſt wol auf / zum mindſten auf den Schein / Biß ſich ein andrer drang zu ſeiner Seiten ein. Kaum ließ ſich Ruſtieus ein ſchlechter Hirte finden / (Schaut wie ſo leichtlich kan der Weiber Treue ſchwinden!) Und gab Ihr einen Blick / es ſtarb die alte Gunſt Bey vollen Flammen aus / und wich der neuen Brunſt. Amintas / eh’ er drum zu eyfern konte kommen / Ward ihm Gelegenheit ſie mehr zu ſehn benommen. Man lachte ſeiner Pein: ob ſolches wehe that Urtheile / wer mit dir die Lieb erfahren hat.
O weh! kein aͤrger Schmertz iſt auff der Welt zu finden / Als ſeiner Liebe Frucht auff falſchen Sinn zu gruͤnden.
Als alles Klagen nun umſonſt gieng dem verlohrnen Her - tzen nach / So wand er den betruͤbten Sinn zur groſſen Zinthia / und ſprach: Zinthia / wo dir die heilige Hand Jemahl gefaͤlliges Opffer gebrannt /B 4Wo24GUARINIWo ich dir iemahl mit heiligem Hertzen Habe geraͤuchert geweyhete Kertzen / Straffe durch Meineyd verraͤthriſcher Hand Weiblicher Treue zuriſſenes Band. Diana hoͤrte zu voll Zorn und voll Erbarmen / Faſſt ihren Bogen an mit den ergrimmten Armen / Schoß in Arcadiens des armen Landes Schooß Uns fremde Todes-Pfeil in groſſer Menge loß. Es ſturben unbeweint / ohn Huͤlffe / Jung und Alt Ohn Unterſcheid der Zeit / der Kraͤffte / der Geſtalt. Die Mittel waren ſchwach / das Gegen-Gifft umſunſt / Das Fliehen war zu ſpat / vergebens alle Kunſt. Offt fiel der Arzt im Werck auff ſeines Krancken Bette / Und wie man vor gelebt / ſo ſtarb man in die Wette. Der Himmel kont allein der Sache finden Rath / Den man auch ſeinen Schluß uns zu entdecken bat. Die Antwort folgt alsbald / die zwar genungſam klar Doch grauſam uͤberaus und voller Schrecken war: Es wuͤrde Zinthia nicht weiter ſich ergrimmen / Wenn ſie das falſche Blutt Lucrinens ſaͤhe ſchwimmen / Selbſt durch Amintas Hand getragen auffs Altar. Doch waͤre ſie befreyt / wenn aus der Schaͤffer Schaar / Die dieſes Land gezeugt / ſie einer retten wolte. Lucrina die gedacht / daß vor ſie ſterben ſolte Ihr neu-geliebter Hirt / als ſie umſonſt geſchrien / Geweinet und geklagt / ward oͤffentlich dahin Gefuͤhret zum Altar: Sie beugte zu den Fuͤſſen / Die ihr ſo lange Zeit vergebens nachgehn muͤſſen / Mit Zittern ihren Fuß / ſezt auff die Knie nieder Die unbeholffne Laſt der Ohnmachts-vollen Glieder / Starb allbereit vor Furcht / erwartet aller bleich Von der erzoͤrnten Hand den Streich. Amintas unverzagt griff an ſein heilges Eiſen / Der Wangen Roͤthe muſt der Sinnen Feuer weiſen / Er wandte ſich zu Ihr / und ſprach ſie ſeufftzend an: Dein Elend weiſet dir izt / was du haſt gethan: Wen du geliebet haſt / und wen du haſt verlaſſen / Kanſtu im Augenſchein aus dieſem Streiche faſſen. So25treuer Schaͤffer.So ſaget er / und ſtieß den blancken Stahl mit Luſt Biß an das Hefft in ſeine Bruſt / Fiel auff die Prieſter ſelbſt und Opffer gantz verblutt. Schau / was das arme Weib bey dieſem Schau-Spiel thut: Sie erſtlich gantz erſtarrt weiß von ihr ſelber nicht / Weiß nicht / ob ſie der Schmertz / ob ſie das Schwerd durch - ſticht. So bald ſie ſich erholt / ſagt ſie mit vollem Weinen: Amintas / treue Seel und kuͤhner Geiſt Liebhaber / deſſen reine Brunſt zu langſam muß erſcheinen. Du / deſſen Tod mir hat das Leben und den Tod gebracht / Weil dich begeben ein Verbrechen heiſt / Schau / wie ich diß zu buͤſſen bin bedacht / Und meine Seele will mit dir in Ewigkeit vereinen. Hiermit zog ſie das Eiſen / das noch warm Von dem ſo lieben Blutte war aus ſeiner offnen Seite / Durchſtach damit die zarte Schoß / fiel in Amintas Arm / Der noch den Stoß vielleicht ſo wohl als ſie empfand. Und ein ſolch Ende nahm das Paar verliebter Leute / Die Lieb und Falſchheit bracht in dieſen Jammer-Stand.
O Schaͤffer / welchen zwar in ſeiner Brunſt Der Himmel zornig angeblickt / Doch auch geneigter Sternen-Gunſt So wohl und ſo beruͤhmt zu ſterben hat begluͤckt! Was aber folgt im Lande drauff? Hoͤrt euer Ubel und der Goͤttin Eyfer auff?
Ihr Zorn ward linder / nicht geſtillt; Als Hecate zwoͤlff mahl ihr Silber ausgefuͤllt Kam eine neue Peſt und ſtaͤrcker denn zuvor / Man fragte noch ein mahl zu Rath der Goͤtter Chor / Die Antwort war: Das Blutt des Landes zu erſparen Soll kuͤnfftig iedes Jahr der Goͤttin Opffer ſeyn Ein Weib von drey mahl fuͤnff und unter zwantzig Jahren. Auch ſetzte ſie ein Recht mit Blutt geſchrieben ein / Daß / wenn man ſiehet an die Neigung ihrer Sinnen / Nicht leicht ein Frauen-Bild wird voͤllig halten kuͤnnen: Wenn Jungfrau oder Frau beflecket ihre Treu / Daß ſie ohn Unterſcheid des Todes ſchuldig ſey. B 5Dem26GUARINIDem Ubel dieſer Noth ſucht unſer Prieſter Rath / Wie uns der Himmel ſelbſt zu naͤchſt entdecket hat: Es wird / was euch betruͤbt / nicht eh’ ſein End erlangen / Biß Liebe zwey verbindt von goͤttlichem Geſchlechte / Und durch geuͤbte Treu ein Schaͤffer bringt zu rechte Den Irrthum / den vorlaͤugſt ein falſches Weib begangen. Nun zaͤhlt das gantze Land nicht andern Himmel-Saamen / Denn die verlobten Zwey. Montanus Vaͤter kamen Vom ſtarcken Herkules / der Braut vom groſſen Pan / Und ward bißher niemahl kein Paar getroffen an / Das ehlich koͤnte ſeyn. Drum hat auff diß Verbinden Sein Hoffen unſer Land Urſache gnug zu gruͤnden. Folgt gleich nicht alles bald / was uns verſprochen iſt / Iſt doch der Anfang hier / den Uber-Reſt beſchliſt Verhaͤngniß und die Zeit in ihren Abgrund ein / Und wird die Frucht ein mahl von dieſer Hochzeit ſeyn.
Armſeliger Mirtill / muß denn dein armes Hertze / Das ſchon dem Tod im Rachen liegt / Von ſo viel Feinden ſeyn bekriegt / Die ſeine Hencker ſeyn! War Venus Schwefel-Kertze / War Liebe nicht genung / daß auch zu deinen Plagen Verhaͤngnis muß die Waffen tragen?
Mirtill / die Liebe wird genaͤhrt Von Thraͤnen / ſonder ſatt zu werden; Das eigne Hertze wird verzehrt / Sie fallen ohne Frucht zur Erden. Komm laß uns weiter gehn / ich ſpare keinen Fleiß / Wo ich dir einen Dienſt damit zu leiſten weiß. Iſts moͤglich / ſoll ſie dir noch heute hoͤren zu; Du goͤnn indeß den muͤden Sinnen Ruh. Es dient nicht / wie du denckſt / der heiſſen[ Seuffzer] Lufft / Zu kuͤhlen deine Bruſt von Flammen angeſtecket / Sie ſind vielmehr ein Sturm entriſſen aus der holen Grufft / Der in die Aſche blaͤſt und neuen Brand erwecket / Die ſonſten heitre Stirn in dicke Wolcken zwingt / Stets Nebel neuer Noth und Thraͤnen-Regen bringt.
WEr hat iemahls mit mir empfunden gleiche Schmer - tzen? Wer hat ſo wunderlich gelitten und geliebt? Es ſtreiten Lieb und Haß vermiſcht in meinem Hertzen / Daß ſtets des einen Tod dem andern Leben giebt / Nicht weiß ich auff was Art. Schau ich Mirtillen an Von dem beliebten Haubt biß zu den leichten Fuͤſſen / Der glatten Wangen Zier / der hellen Augen Schein / Die Glieder / welche ſich ſo wohl zu ſchicken wiſſen / Den Mund / der ſo beredt mit Worten ſpielen kan / Der edlen Sitten Art / ſein freyes Thun und Laſſen / So dringet ſich die Lieb’ in meinem Hertzen ein / Und macht den duͤrren Sinn ein ſolches Feuer faſſen / Daß alle Neigung ſonſt zu uͤberwinden ſcheint: Stell ich mir aber fuͤr die felſen-harte Sinnen / Die meinen Reitzungen noch widerſtehen kuͤnnen / Und wie er andre mehr / als mich / mit Liebe meynt / Wie er (im fall ich ſoll die Warheit von mir ſagen /) Der von ſo vielen ſonſt geehrten Glieder Pracht / Die von ſo vielen ſonſt verlangte Gunſt veracht / So fang ich ſolchen Haß an gegen ihn zu tragen / Daß mir unmoͤglich ſcheint der Liebe Glutt zu fangen. Bald denck ich bey mir ſelbſt: Ach koͤnt ich meinen Schatz Mirtillen / meine Luſt / zum Eigenthum erlangen / Daß keine fremde Brunſt mehr in ihm finde Platz / Coriſca ſolte ſich vor andern gluͤcklich preiſen. Denn wird ein ſuͤſſer Zwang in meiner Bruſt geſpuͤrt / Der mich Mirtillen nach durch Feld und Waͤlder fuͤhrt / Der mir giebt an die Hand / ihm meine Brunſt zu weiſen Und mein Vergnuͤgen / Ehr und Pflicht zu ſetzen fuͤr / Denn brennet in mir ſelbſt ſo hefftige Begier / Daß ich den ſtoltzen Leib wolt ihm zu Fuͤſſen neigen Und ihm als einem GOtt in Demuth Ehr erzeigen. Bald wacht mein Eyfer auff / ſagt: Ein verſtocktes Hertze / Ein unbemenſchter Sinn / der andre lieben kan /Und28GUARINIUnd dich hergegen flieht? Der deiner Augen Kertze Der deine Schoͤnheit ſchaut mit ſtarren Augen an / Und nicht entzuͤndet wird; der ſich vor deinen Strahlen So zu beſchuͤtzen weiß / daß er nicht alſobald Vor Liebe ſiecht und ſtirbt? Und ich / gewohnt zu prahlen Mit vielen / derer Haubt in klaͤglicher Geſtalt Zu meinen Fuͤſſen liegt und heiſſe Thraͤnen ſchwizt / Soll mein ſieghafftes Haubt zu ſeinen Fuͤſſen biegen? Ach! Erd und Himmel ſoll viel eh’ in Aſche liegen / Als dieſes wird geſchehn. Denn wird mein Sinn erhizt / Erzuͤrnet wider ihn / erzuͤrnet wider mich / Daß ich ihn hab’ iemahls geſchaut mit ſuͤſſen Augen / Daß mir ſo tolle Brunſt iemahls zu Sinne kam: Denn iſt mir meine Glutt und des Verraͤthers Nahm Als wie der Tod verhaßt: Denn wuͤnſch ich meinen Feind Die aͤrmſte Creatur / die Sonn und Mond beſcheint / Und / koͤnte ſeyn mein Blick ein ſcharffer Schlangen-Stich / Mit Luſt wolt ich das Blutt aus ſeinen Adern ſaugen. So plagt mich Lieb’ und Haß / Verachten und Verlangen. Ich / die ich doch bißher ſo manchen Sinn gefangen / Die ich ſo mancher Seel ein Hencker pflag zu ſeyn / Lern’ itzo an mir ſelbſt erkennen ihre Pein. Ich / die ich ſo viel Zeit nach Wuͤrden in der Stadt Geehret und bedient doch immer frey geblieben / Der manch vornehmes Blutt vergebens nachgetracht / Manch reicher Buͤrgers-Sohn umſonſt Geſchencke bracht / Soll itzund auff dem Land unedle Schaͤffer lieben / Wo Betteley den Sitz und Grobheit Wohnung hat? O unbegluͤcktes Menſch / wie wuͤrd’ es dir ergehn / Wenn du izt ſolteſt bloß von andern Buhlern ſtehn? Wie wolteſt du die Luſt der heiſſen Regung buͤſſen / Und vor den Kuͤtzel-Trieb der Liebe Mittel wiſſen? Auff meine Koſten mag die Nach-Welt heut erfahren / Daß ſtets ein Buhler ſey zu halten auff die Noth. Wie uͤbel thut ein Weib / die bey den beſten Jahren Von einer Hand empfaͤngt ihr ſparſam Tage-Brod! Coriſca wird gewiß niemahls ſo naͤrriſch ſeyn / In ſolche Dienſtbarkeit den Sinn zu laſſen ein. Was29treuer Schaͤffer.Was iſt Beſtaͤndigkeit? Was iſt geruͤhmte Treu? Ein Maͤhr / das Eyferſucht hat auff die Bahn gebracht / Das bloͤder Maͤnner Hirn zu einer Tugend macht / Damit es ein Tyrann der jungen Einfalt ſey. Die Treue / welche man in Frauen Sinnen ſpuͤret / (Wo eine lebt / wie ich nicht weiß / die ſolche fuͤhret /) Flieſt von der Tugend nicht / ruͤhrt von dem Mangel her / Den ſie nicht aͤndern kan. Wenn ihre Koͤcher leer Von Liebes-Pfeilen ſind / die Augen ſchlaͤffrig ſpielen / Die Wangen den Verluſt der Purpur-Farbe fuͤhlen / Die abgenuͤzte Haut mit Runtzeln ſich bezieht / Der ausgekuͤßte Mund nicht mehr von Roſen bluͤht / Denn muß ſie wohl vorlieb mit einem Buhler nehmen / Wenn andre ſich forthin ſie zu bedienen ſchaͤmen Und ihrer muͤde ſind. Ein Weib / ein ſchoͤnes Weib / Der eine muntre Schaar giebt ſuͤſſen Zeitvertreib / Im fall ſie andre laͤſt / ſperrt ſich zu einem ein / Und giebt die Freyheit hin / ſcheint keine Frau zu ſeyn /[ Und] / iſt ſie eine Frau / ſo hat ſie nicht Verſtand. Was hilfft dich deine Zier / im fall ſie unbekandt Und unverehrt allein zu eines Dienſten ſteht? Je mehr die zarte Hand von Hand zu Hande geht / Je mehr der ſuͤſſe Blick kan zwingen edle Sinnen / Die ihrer wuͤrdig ſeyn / ie mehr wird ihre Macht / Der ſo manch Helden-Geiſt nicht widerſtehen kuͤnnen / Und ihrer Tugend Ruhm durch alle Welt gebracht. Der ſchoͤnen Frauen Ehr iſt ihrer Buhler Zahl / Ihr Schimpff / wenn einer ſie bedienet auff einmahl. So ſieht man in der Stadt die klugen Frauen leben / Die mit Verſtand und Stand uns Beyfall koͤnnen geben. Nicht hoͤren / wenn man will mit ſie von Liebe ſprechen / Abſchlagen eine Gunſt / iſt Thorheit und Verbrechen. Was einer nicht kan thun / verrichten endlich viel: Der eine wart ihr auff / wenn ſie ſich weiſen will; Der andre haͤlt ſie aus mit Kramen und Geſchencken; Vor andre kan ſie ſonſt ein ander Amt erdencken. Offt wecket dieſer auff des andren todte Brunſt / Durch Eyſer gegen ihm; offt hat der eine Gunſt /Da -30GUARINIDamit man ſeine Nach am andern kan veruͤben / Und was dergleichen mehr in Staͤdten wird getrieben / Da ich an Jahren jung von kluger Meiſterin Die ſchlaue Liebes-Kunſt gelehret worden bin. Liebhaber muͤſſen wir / pflag ſie mir offt zu ſagen / Gebrauchen / als ein Kleid; viel haben / eines tragen / Und oͤffters wechſeln um. Gemeinſchafft bringt Verdruß / Aus welchem endlich Haß[und] Feindſchafft folgen muß. Ein Weib / ein tolles Weib / kan aͤrgers nichts beginnen / Als wenn ſie ihrer laͤſt den Buhler ſatt gewinnen: Laß ihn / als ungeacht / bey dir von ferne ſtehn / Niemahls zu viel vergnuͤgt und ecklend von dir gehn. So hab’ ichs ſtets gemacht: Ich liebe ſie bey Schocken / Such alle nach und nach mit Hoffnung an zu locken: Den druͤckt die weiche Hand / dem giebt der linde Stoß Des Fuſſes guten Troſt / den heiſt das Auge kommen / Und jenen rufft der Mund / den Beſten faßt die Schoß. Das Hertze wird nicht leicht von einem eingenommen. Nicht weiß ich / wie ich mich dißmahl hab uͤberſehn / Daß ſich Mirtillo hat mit Liſt darein gefundeu; Wie mir ſo unverhofft der Poſſen ſey geſchehn / Daß ich / gleich andern muß empfinden tieffe Wunden. Ich ſeuffz’ / und welches mich am meiſten ſchmerzt / umſunſt / Ich brauche gegen ihn vergebens Macht und Kunſt / Ich ſtehle bey der Nacht den Gliedern ihre Ruh / Mir ſchlieſt kein ſuͤſſer Schlaff die muͤden Augen zu / Mich druͤckt das leichte Bett / ich ſeuffze nach dem Morgen Der Hoffnung meiner Pein / dem Troſt verliebter Sorgen. Ich ſuche durch den Wald / auff was vor Bahn gegangen Mein Leben und mein Tod / mein feindliches Verlangen. Was aber werd ich thun? Soll bitten dieſer Mund? Diß wird ihm durch den Haß und Eyfer nicht vergunnt. Soll ich ſein Auge fliehn? Das will die Liebe nicht. Was ſoll ich denn nun thun? Wer giebet mir Bericht? Ich will durch gutte Wort’ ihm erſt das Hertze ruͤhren / Ihn / die Verliebte nicht / die Liebe laſſen ſpuͤren. Nuͤtzt dieſes nicht / ſo ſoll Betrug das andre ſeyn / Stimmt ſeine Wuͤrckung nicht mit meinem Hoffen ein /So31treuer Schaͤffer.So ſoll mein Eyfer ſich zu rechter Rache ſparen. Will er die Liebe nicht / er ſoll den Haß erfahren. Die Amarillis ſoll der ſchnoͤden Gunſt gereuen / Die ſie in ihm erweckt: Es ſoll ſich iede ſcheuen Vor meinem Grimm / das Land mit Schrecken ſehen an / Was ein verſchmaͤhtes Weib vor Dinge richten kan.
ICh weiß / Montan / daß dein Verſtand Weit uͤber meinen geht / doch aber iſt bekandt / Wie Goͤtter-Spruͤche ſind ſo uͤbel zu ergruͤnden / Wie Menſchen Witz ſo ſchwer kan rechte Deutung finden / Biß ihn der Ausgang lehrt die vor verfehlte Bahn. Sie ſind dem Meſſer gleich / das zum Gebrauch iſt nuͤtze Dem / der die Schale faßt; ergriffen bey der Spitze Viel eher lebend Fleiſch als todtes faͤllet an. Daß Amarillis ſoll / wie du mir redeſt ein / Zum Heyl Arcadiens beſtimmt vom Himmel ſeyn / Iſt mir / als Vater / wohl vor allen andern lieb. Doch / wenn ich weiter ſeh’ auff beygefuͤgte Zeichen / So wollen ſie ſich ſchlecht mit unſrer Hoffnung gleichen. Soll das benennte Paar durch ſuͤſſer Flammen Trieb Zuſammen ſeyn verknuͤpfft / warum will ſeiner Braut Der wilde Braͤutigam ſo wenig Sorge tragen? Was auff des Himmels Schluß hat ſeinen Grund gebaut / Find wenig Hindernis: Was ſich zu ſtoͤhren wagen Geluͤck und Menſchen-Sinn / kan das Verhaͤngnis nicht Vor Vater geben an. Hat dieſes eingeſchrieben In ſein Demantnes Buch / daß meine Tochter ſoll Heyrathen deinen Sohn / ſo muß er nicht ſo wohl Zum Jagen ſeyn geneigt / als zu dem ſuͤſſen Lieben.
Giebſt du nicht / Titirus / auff ſeine Jugend acht / Daß er kaum achtzehn Jahr hat hinter ſich gebracht? Laß nur noch wenig Zeit verſchwinden / Die Liebe wird ihn ſchon zu ihrer Straffe finden. Die Liebe / die er traͤgt zun Hunden / nicht zu Frauen?
Was kan man ſchicklichers vor ſolche Jahre ſchauen?
Vor Jahre / die Natur zur Liebe fuͤhret an?
Zu Liebe / die man nicht vollkommen nennen kan.
Sie bluͤhet iederzeit / doch meiſt im fruͤhen Lentzen.
Wo Bluͤchen ohne Frucht ihr gelbes Haupt bekraͤntzen.
Weiſt ſich die Blume nur / wird auch die Frucht wohl kom̄en Doch hab ich meinen Weg / Montan / nicht hergenommen / (Es wuͤrde ſolches auch nicht recht noch rathſam ſeyn /) Mich in Geſchwaͤtz und Streit mit dir zu laſſen ein. Ich habe nur allein in Freundſchafft diß zu bitten / Daß du bedencken wollſt / ich hab’ ein einigs Kind / Und / wenn ich ſagen darff / ein Kind von gutten Sitten / Um welches ihrer viel bey mir bemuͤhet ſind.
Mein Freund / wolt uns gleich nicht des Himmels Vorb - deuten / Und unſer aller Heyl zu ſolcher Hochzeit leiten: So trieb uns doch darzu die ſchon verſprochne Treu: Wer dieſe brechen wolt / erzuͤrnt hiermit auffs neu Die annoch uͤber uns erhizte Goͤttligkeit / Stuͤrzt unſer armes Land in neues Hertzeleid. Im fall mich aber nicht betruͤgen meine Sinnen / Und Prieſter was vom Rath der Goͤtter wiſſen kuͤnnen / So / deucht mich / koͤmmt es ſelbſt von dem Verhaͤngniß her / Daß zu der Sache ſich der Anfang weiſt ſo ſchwer: Doch wird ſie mit der Zeit ihr gluͤcklich Ziel erreichen / Und / (hoffe nur getroſt) all’ unſer Sorge weichen. Den Sinn beſtaͤrcket mir ein Traum vergangner Nacht / Der mir das Hertze voll erfreuter Hoffnung macht.
Die Traͤume ſind wohl Traͤum’: Jedoch was kam dir vor
Dich wird wohl / glaͤnb’ ich / noch die ſchwere Nacht gedenckē Als Ladons ſtoltze Flutt ihr Ufer uͤberſtiegen / Und unſer gantzes Land bedraͤute zu ertraͤncken. Wo vor manch Feder-Kind zu Neſte pflag zu fliegen / Schwam um den Weyden-Zweig ein Hecht und Aal empon Die Menſchen und das Vieh / die Staͤlle ſamt den Heerden Die muſten hin und her des Waſſers Beute werden. In eben dieſer Nacht / in dieſer Nacht voll Schrecken / Verlohr ich einen Schatz / mir lieber als das Leben / Mein damahls einigs Kind mit Windeln noch umgeben. Es33treuer Schaͤffer.Es kont uns nicht die Noth ſo bald vom Schlaffe wecken / Als ihn der ſtrenge Strom mit ſich hinweg gefuͤhrt. Kein Mittel ließ uns Nacht und Schrecken kommen ein / Dadurch wir ihm ſo bald behuͤlfflich koͤnnen ſeyn. Man hat die Wiege ſelbſt im Suchen nie geſpuͤrt / So / daß ich ſeither dem hab’ allezeit ermeſſen / Es habe Wieg und Kind ein Wirbel eingefreſſen.
Nichts anders freylich iſt hierinne zu vermutten. Itzunder kanſt du recht von deinen Kindern ſagen / Zwey Soͤhn hat meine Frau und keinen mir getragen / Den einen vor den Wald / den andern vor die Flutten.
Vielleichte wird durch Gunſt des Himmels deſſen Leben Mir den Verſtorbnen auch mit Wucher wieder geben. Der Hoffnung ſtarcker Grund laͤſt uns in Schanden nicht. Izt hoͤre weiter an / was dich mein Traum bericht: Es war die Stunde gleich / da zwiſchen Tag und Nacht Das annoch ſchwache Licht der Morgen-Roͤthe Pracht Mit tuncklen Farben zeigt / als mir die ſuͤſſe Ruh / (Ein fremder Gaſt bey mir / den dieſer Heyrath Sorgen Gezwungen wach zu ſeyn biß an den lichten Morgen /) Schloß durch gelinden Schlaff die muͤden Augen zu; Bald traͤumte mir / ich ſaͤß im Schatten einer Linden / (Ich wolte noch den Ort auff dieſe Stunde finden /) Und ſtellte bey Alfeens Bach Den Fiſchen mit dem Angel nach / Da ſtund im Waſſer auff ein Mann von Jahren alt / Dem noch ein Silber-Strom aus Bart und Haaren floß / Den gantz entbloͤſten Leib mit Tropffen uͤbergoß. Er nahte ſich zu mir mit freundlicher Geſtalt / Gab mir ein nacktes Kind aus ſeinen Armen / Daß durch ſein Weinen mich bewegte zum Erbarmen / Und ſprach: Diß iſt dein Sohn / den huͤtte dich zu toͤdten: Mit dieſem taucht er ſich ins Waſſer / und verſchwand. Bald ward der Himmel ſchwartz / die Winde riſſen loß / Es draͤuten Wolck uñ Sturm mit ſchweren Waſſeꝛs-Noͤthen / Es ſchaurte mich die Haut / Ich faßte voller Furcht das Kind in meine Schoß / Schrie / daͤucht mich / uͤberlaut:CSo34GUARINISo giebt mir eine Stund und raubt mir dieſes Pfand! Hierauff ward wieder klar das hohe Wolcken-Hauß / Es fielen haͤuffig in den Fluß In Aſch und leichten Staub zermalmte Donner-Keil / Es zitterte der Linde feſter Fuß / Ließ dieſen Schall mit heiſerm Rauſchen aus: Arcadien wird noch erlangen Gluͤck und Heyl. Und diß iſt mir ſo tieff im Sinne blieben kleben / Daß ich noch dieſe Stund es ſeh vor Augen ſchweben. Vornehmlich ſeh’ ich noch des Alten Ebenbild / Der mich ſo wohl beſchenckt / lebendig vor mir ſtehn / Bin auch deswegen hier in Tempel hin zu gehn / Zu beten / daß mein Traum von Goͤttern werd erfuͤllt / Und Willens anzuſehn durch heilger Opffer Zeichen / Was vor ein Ende noch mein Anſchlag wird erreichen.
Die Traͤume ſind vielmehr der eitlen Hoffnung Schatten / Als Spiegel / unſer Gluͤck und Ungluͤck zu errathen / Sind falſche Bilder / ſo die Nacht Auff der Gedancken Grund-Riß macht.
Nicht allemahl ſchlaͤfft unſer Geiſt / Wenn gleich die Augen ſind geſchloſſen / Der ſich am meiſten unverdroſſen Und hoch zu ſteigen fertig weiſt / Wenn ihn die eingeſchlaͤfften Sinnen Nicht hindern / noch bethoͤren kuͤnnen.
In Summa / mir und dir ſind unbekandte Sachen / Was das Verhaͤngniß will mit unſern Kindern machen; Diß aber iſt bekandt / daß Silvio diß flieht / Worzu ihn die Natur / und unſer Wille zieht; Mein’ Amarillis ſoll zur Treue ſeyn verbunden / Hat keine Gegen-Treu und Liebe noch empfunden / Lebt dienſtbar ohne Lohn. Diß weiß ich nicht zu ſagen / Ob ſie der Liebe Glutt auch in geheim mag plagen. Viel leiden wegen ihr / und will mir uͤbel ein / Daß ſie nicht fuͤhlen ſoll auch ſelbſt ein Theil der Schmertzen Mit denen ſie bißher plagt ſo viel Junger Hertzen / Auch koͤmmt mir fremde vor / daß ihrer Augen Schein Nicht mehr ſo munter blickt / daß ihre zarte WangenNicht35treuer Schaͤffer.Nicht alſo freudig mehr mit friſchem Glantze prangen / Daß alles / wie vorhin / nicht an ihr lebt und lacht / Und ſie ihr keine Luſt von freyen Stuͤcken macht. Es iſt ein groſſer Schimpff ein guttes Kind zu aͤffen Mit Heyrath / welche man hernach nicht denckt zu treffen. Gleichwie die edle Roſ’ im Mittel bunter Auen / Der unlaͤngſt noch ein gruͤner Flor ſich um die zarte Stirne wandt / Und ſie verſchloſſen hielt / die fremd und unbekandt Im Schleyer brauner Nacht auff ihrer Mutter Schoß Der ſtillen Ruh genoß / So bald ſich laͤſt ein Strahl der Morgen-Sonne ſchauen / Sich fuͤhlet / und entdeckt mit inniglicher Luſt Den gegen ſie gerichten Blicken / Die Balſam-volle Schoß und Bruſt / Die ein gelinder Thau mit Perlen muß beſticken / Darauff ſo manches Honig-Kind Die Zucker-ſuͤſſe Speiſe findt; Wird aber ſie alsdenn nicht zeitlich abgebrochen / Und laͤſt man ſie die Glutt der Mittags-Hitze kochen / So ſtirbt ſie mit der Sonnen ab / Der Strauch auff dem ſie ſtund / iſt Bahre / Sarg und Grab; Der todte Leib weiſt faſt kein Zeichen / Das einer Roſe ſey zu gleichen; So eine Jungfrau auch / weil noch der Mutter Pflege Sie eingeſchloſſen haͤlt in Schrancken keuſcher Pflicht / Weiß ihr unſchuldig Hertz von keiner Liebe nicht / Unwiſſenheit und Furcht ſteht ihrer Luſt im Wege. Doch / wenn ein kuͤhner Blick in ſie verliebter Sinnen Ihr in die Augen leuchtt / wenn ſie die Seuffzer hoͤrt / Als ſtumme Zeugen ſuͤſſer Schmertzen / So wird durch falſches Gifft der Liebe ſie bethoͤrt / Und thut die Feſtung auff des vor geſperrten Hertzen / Laͤſt Liebe bey ihr ein. Haͤlt ihren Vorſatz innen Die angebohrne Scham / treibt ihren Schluß zuruͤcke Die Sorge ſtrenger Zucht / ſo ſchweigt das arme Kind / Verzehrt ſich in ſich ſelbſt mit brennendem Verlangen / Und / haͤlt das Feuer an / ſo ſtirbt der Glantz der Wangen /C 2Die36GUARINIDie Roſen fallen ab / die ungebrochen ſind / Die Zeit verlieret ſich / und mit der Zeit ihr Gluͤcke.
Sey / Titiro / getroſt / und plage dein Gemuͤtte Nicht mit der bloͤden Furcht. Wer freudig hofft / Dem hilfft des Himmels Gunſt: Wer furchtſam rufft / Bleibt droben unerhoͤrt. Es wird ja ſein Gebluͤtte / Wer fremden Samen laͤft in vollem Seegen ſtehn / In unſern Kindern auch nicht laſſen untergehn. Wir wollen uns itzund zugleich in Tempel finden / Dem Pan und Hercules mit Opffern uns verbinden. Geh / mein Dametas / hin / befiehl / daß von der Heerde Der ſchoͤnſte Farren mir herzu gefuͤhret werde.
Und mir laß einen Bock von Hauſe bringen hin / Damit ich meinen Pan zu ehren willens bin.
Es ſoll geſchehn. Die Goͤtter wollen geben / Daß dir / Montan / der Traum ſo gluͤcklich moͤge ſeyn / Als du dir bildeſt ein: Mich daͤucht / das Widerſpiel wird einſt vor Augen ſchweben
DEr rauhe Winter-Froſt / der heiſſen Sonne Brand / Der Hagel-Steine Laſt / der Wuͤrme nagend Heer / Der Netze truͤglich Garn / der falſchen Zweige Stand / Iſt Pflantzen / Blumen / Frucht und Wild nicht ſo gefaͤhr / Als einem Menſchen iſt der heiſſen Liebe Glutt / Die aus den Adern kreiſcht / der Seele Marck / das Blutt. Wer ſie zum erſten mahl ein Feuer pflag zu nennen / Muſt ihr boßhafftig Thun wohl aus dem Grunde kennen: Denn ſchau das Feuer an / ſein Glantz wird dich ergetzen; Doch greiff das Feuer an / ſein Brand wird dich verletzen. Es hat die weite Welt kein aͤrger Ungeheuer / Gefraͤßig als ein Thier / gebeißig als ein Eiſen / Geſchwinder als der Wind / wo’s ſeine Macht will weiſen / Giebt alle Staͤrcke nach / und weichet alle Macht. Nicht anders pflegt zu thun das innerliche Feuer: Beſchauſt du ſeinen Glantz / beſiehſt du ſeine PrachtIn37treuer Schaͤffer.In heller Augen Licht / in Flammen goͤldner Haare / Was ſcheinet dir es nicht vor angenehme Waare /
Wie freundlich ſpilt ſein Blitz mit Gold und Purpur-Strah -
Im fall ſich aber will dein Vorwitz naͤher wagen /
(len!
Und ihme Zeit vergoͤnnt ſich bey dir einzuſetzen / So darff kein Tyger-Thier auff dich die Zaͤhne wetzen / Es darff dir Libyen nicht Lew und Schlange tragen / Dein Hertze naͤhrt ihr auch. Es iſt mit ſeinen Qualen Des Pluto ſchwartzes Reich gelinder / weder ſie / Sie toͤdtet ohne Tod / macht ſterben / ſtirbt doch nie / Iſt Liebe / die doch nichts von Liebe wiſſen wil / Erbarmniß iſt ihr Feind / und Grauſamkeit ihr Spiel. Was aber hab’ ich auch der Liebe zuzuſchreiben / Was Menſchen nicht aus Lieb / aus Wahnwitz leiden muͤſſen. O falſcher Weiber-Sinn / auff dir muß billig bleiben Der Schimpff / den ſonſt die Liebe traͤgt. Die Liebe / die allein mit Honig pflegt zu fliſſen / Wird Galle neben dir; der Weg zu deinem Hertzen Wird ihr durch dich verlegt. Was iſt dein Zeitvertreib / dein Sorgen und dein Schertzen? Nicht die erwieſne Treu mit Treue zu begleiten / Ein Hertze / das dich liebt / mit Liebe zu beſtreiten / In Lieb’ und Leid mit Hertz und Hand zu ſeyn gepaart: Die Maͤngel der Natur mit Kunſt zu uͤbermeiſtern / Diß iſt dein falſches Thun / nach Vogelſtellers Art / Der Stirne rauhes Feld mit Gummi zu bekleiſtern / Aus deiner Haare Garn zu flechten falſche Schlingen / Die manch verliebtes Hertz um ſeine Freyheit bringen. Wem ſolte nicht vor Zorn die Seele zittern / Wenn er dich vor dem Spiegel ſieht / Wie ſich die leichte Fauſt bemuͤht Der Wangen todten Glantz mit Purpur zu erheben / Dem Schwartzen einen Schein mit Oel und Safft zu geben / Der Runtzeln hole Schoß mit Bleyweiß auszufuͤttern / Ein iedes Haar / ſo nicht am rechten Orte ſteht / (Und ſolte gleich ein Thraͤnen-fliſſen Der Haͤnde Fehler zahlen muͤſſen /) Durch fremden Werckzeug auszuziehn /C 3Und38GUARINIUnd was vor Eitelkeit da mehr zu Schwange geht. Doch gienge diß noch alles hin: Sehn wir die Sitten an / ſo finden wir desgleichen. Was um und an dir iſt hat falſchen Grund. Eroͤffnet ſich dein ſchlauer Mund / So iſt das Hertze weit davon. Die Seuffzer ſind ein leerer Thon / Die mit dem Rauch in leichte Lufft entweichen. Das Auge ſpielt mit abgerichten Blicken / Kan einen Strahl an wie viel Orte ſchicken. Du geheſt oder ſtehſt / du redeſt oder ſchweigeſt / Du blickeſt oder nicht / du weineſt oder lachſt / Du ſingeſt oder ſpringſt / du ſchlaͤffeſt oder wachſt / Du haſſeſt oder liebſt / ſo weiß ich / du betreugeſt; Am meiſten aber den / der dir am meiſten traut. Du traͤgeſt alle Schuld / ſo man der Liebe giebt: Doch traͤget ſie vielmehr / wer ſeine Hoffnung baut Auff deiner Falſchheit Eiß. Daß ich dich ie geliebt / Coriſca / falſches Weib / und mich verfuͤhren laſſen / Muß ich die Schuld izt ſelbſt auff meinen Ruͤcken faſſen. Du biſt von Argos mir zur Straffe / glaͤub ich / kommen / Wo alle Buͤberey hat ihren Sitz genommen. Doch weiſt du ſo geſchickt dein Hertze zu verſtellen Mit angemaßtem Schein ertichter Erbarkeit / Daß du dich ohne Scheu zu denen darffſt geſellen / Die unſer Laud erkennt vor Blumen dieſer Zeit Und unſrer Jugend Ruhm. Was hab’ ich ausgeſtanden! Was hab’ ich offt gethan aus Liebe gegen dir / Das mich izt ſchamrot macht! Ich werde klug mit Schanden Mit Schaden unterricht. Verliebte lernt von mir. Macht euch ein ſchoͤnes Weib nicht ſelbſt zum eiteln Goͤtzen; Sie wird euch ſonſten Koth / ſich eine Goͤttin ſchaͤtzen / Wird ihr vor lauter Ernſt und Warheit bilden ein / Was eure Heucheley pflegt von ihr auszuſchreyn. Was nuzt die Dienſtbarkeit / diß Bitten / dieſes Sehnen / Die Seuffzer ohne Zahl / die ungemeßnen Thraͤnen / Das Liegen zu den Knien / das Buͤcken zu der Erde / Als daß ihr ſtoltzer Sinn dadurch geſtaͤrcket werde? De -39treuer Schaͤffer.Dergleichen Waffen fuͤhr ein Ohnmacht-volles Kind / Und unbeherztes Weib: Wir / die wir Maͤnner ſind / Solln uns im Lieben auch als friſche Helden weiſen. Ich ließ mich auch bißher die eitle Hoffnung ſpeiſen / Man koͤnnt ein Frauen-Hertz durch ſolche Kunſt gewinnen; Mit Schaden werd ich izt gefuͤhrten Irrthums innen. Iſt einer Frauen Hertz ein harter Kieſel-Stein / So wirſt du ihn umſonſt mit heiſſen Thraͤnen netzen / Durch linder Seuffzer Hauch in Flammen wollen ſetzen; Dein kuͤhnes Hertze muß ein hartes Eiſen ſeyn / Verbergen ſeinen Brand biß zu gelegner Zeit / Und denn die heiſſe Glutt auff eignem Heerd entzuͤnden. Sie laſſen ſich zum Schein verſchaͤmt und furchtſam finden / Und ſuchen ihren Ruhm in ſcheuer Bloͤdigkeit / Die ſie doch biß in Tod an ihren Buhlern haſſen. Coriſca findet mich nicht weiter ſo verzagt: Mein Hertz hat aller Furcht und Demuth abgeſagt / Ich will auff andre Art hinfort mit ihr gebahren. Sie iſt mir nun zwey mahl aus meiner Hand entfahren; Ich will das ſchlaue Thier ins kuͤnfftig enger faſſen. Sie hat hier ihren Gang: Ich will bey dieſem Stein Ihr warten auff den Dienſt. Laͤufft ſie mir wieder ein / Wie will ich mich an ihr mit ſolchem Ernſte raͤchen! Wie will ich ſie in dieſe Neſſeln druͤcken / Wie will ich ihr das Haubt zu rechte ruͤcken / Biß ſie ermuͤdet wird mit ſchwacher Stimme ſprechen: Ach! Schuͤler ſehen auch zu lezte / wo ſie gehn / Und Liſt der Weiber kan die Laͤnge nicht beſtehn.
GEſetze / welches ſelbſt in Jovis Schoß geſchrieben / Durch deſſen ſuͤſſe Macht wir werden angetrieben Zu lieben unvermerckt ein unbekandtes Gutt / Durch deſſen linden Zwang das innerliche Blutt In Adern wird erhizt / offt / eh die bloͤden Sinnen / Was ſie darzu gereizt genugſam wiſſen kuͤnnen. Daß durch verborgnen Geiſt und ſeine Krafft erreget Der Erden ſchwangre Schoß / ſo manches Wunder traͤget /C 4Und40GUARINIUnd iedes was ihm gleich erzeuget koͤmmt von dir. Von dir entſpriſt / was uns die Sternen ſchreiben fuͤr / Woruͤber einer lacht / der andre traurig weinet / Was ein Geſchenck und Raub des leichten Gluͤckes ſcheinet. Iſt nun dein feſter Schluß / daß nach ſo mancher Plage Soll diß betruͤbte Land genieſſen gutter Tage / Wer hintertreibet denn / was du verordnet haſt? Schau einen harten Sinn / der keine Liebe faßt / Der von dem Himmel zwar den Urſprung hat genommen / Doch nicht dem Himmel will in ſeinen Willen kommen. Schau einen treuen Sinn ein keuſches Hertz beſtreiten / Das dein Befehl doch will zu andern Flammen leiten. Je mehr die Hoffnung ſchlaͤfft / ie mehr ſein Feuer wacht; Er liebt / was der mit Recht es ſolte thun / veracht. Pflegt ein Verhaͤngniß ſo das andre zu bekriegen? Solln Blinde / Lieb’ und Haß / der Sternen Licht beſiegen? O Himmel binde du / was noch getrennt / zuſammen / Entzuͤnde kaltes Eiß / und kuͤhle heiſſe Flammen / Daß nicht ihr eigen Will in unſern Schaden geht. Jedoch / wer weiß / was noch fuͤr Gluͤck hieraus entſteht! Vom Glantz der Sonne muß ein ſterblich Aug’ erblinden / Und Menſchen koͤnnen nicht des Him̄els Schluß ergruͤnden
DEm Himmel Danck / der mir dich endlich noch beſchert / Nachdem ich hier und dar dich nirgends angetroffen.
Was bringeſt du vor Poſt / die ſolches Eylens werth? Steht Leben oder Tod aus deiner Hand zu hoffen?
Das Letzte geb’ ich nicht / das Erſte will ich geben / Wiewohl es noch allein in Hoffnung ſteht / das Leben. Du muſt dir aber auch diß Leben ſelber goͤnnen / Dich ſelbſt und deinen Schmertz / eh’ andre / zwingen koͤnnen Nun aber hoͤre mich / warum ich zu dir kommen / Orminens Schweſter haſt du wohl in acht genommen / Die groſſe Jungfrau / die ſo munter um ſich blickt / Hat weiſſes Haar / und iſt mit Farbe wohl geſchmuͤckt.
Das wird Coriſca ſeyn / ſie iſt mir wohl bekannt; Ich bin auch etlich mahl mit ihr zu ſprechen kommen.
Schau / das Geluͤcke laufft dir ſelber in die Hand. Sie iſt nun eine Zeit bekandt mit Amarillen / Und hat / ich weiß nicht wie / ihr Hertz gantz eingenommen. Ich hab ihr im Vertraun entdecket deine Brunſt / Und was ſie dir dabey erzeigen kan vor Gunſt: Sie will / was du verlangſt / mit allem Fleiß erfuͤllen.
Ach / wie gluͤckſelig wird doch dein Mirtillo ſeyn / Wofern der Ausgang trifft mit ihrer Zuſag’ ein! Wie aber meynet ſie / daß ſolches kan geſchehen?
Da muß ſie erſt zuvor auff Zeit und Mittel ſehen / Und mehren Unterricht von deiner Liebe faſſen / Daß ſie der Nimphe Sinn genauer kan ergruͤnden / Damit ſie wiſſen kan / was gut zu thun und laſſen / Ob Bitten oder Liſt am beſten Stelle finden. Deßwegen ſucht ich dich / und wird vonnoͤthen ſeyn / Daß du mir den Verlauff erzehleſt deiner Pein.
Diß will ich gerne thun: Allein / diß Angedencken (Ach / allzu bitter dem / der ſonder Hoffnung liebt) Der abgewichnen Luſt wird mich auffs neue kraͤncken / Und den betruͤbten Geiſt in Traurigkeit verſencken; Wie eine Fackel durch Bewegung und den Wind / So wird der Seele Brand dadurch nur mehr entzuͤndt; Wie ein geruͤhrter Pfeil vergroͤſſert Wund und Schmertzen / So thu ich auch damit nur weher meinem Hertzen. Doch muß es ſeyn geſagt / ſo wirſt du von mir hoͤren / Wie Liebe pflegt mit eitler Hoffnung zu bethoͤren / Und wie ihr ſuͤſſer Stamm ſo herbe Fruͤchte giebt. Es uͤberwand numehr der lange Tag die Nacht / (Izt wird es jaͤhrig ſeyn) als im bebluͤmten Lentzen Man dieſer Nimphe Zier mein Elis ſah’ bekraͤntzen / Und ſie in unſer Land noch einen Fruͤhling bracht. Sie kam mit ihrer Mutter hin den Spielen zu gefallen / Die unſerm Jupiter zu Ehren gehen vor. Sie aber ſelbſten war das ſchoͤnſte Schau-Spiel unter allen. Ich dazumahl noch frey / ach / konte ſie kaum ſehen / So wars um mich geſchehen. C 5Es42GUARINIEs drang ihr erſter Blick durch meiner Augen Thor Biß an das Hertze durch / ſchrieb meiner Seelen ein / Mirtillo ſoll hinfort der Amarillis Diener ſeyn.
Ja / wer nicht ſelbſten hat der Liebe Macht gefuͤhlt / Glaubt nimmermehr / wie ſie mit unſern Sinnen ſpielt.
Schau / wie der ſchlauhe Gaſt die Einfalt macht verſchla gen / Und einen bloͤden Sinn lernt alle Kuͤhnheit wagen. Ich hielt mit meiner Baaſe Rath / die ſtets um Amarillen war / Ward alſobald von ihr vor Jungfrau angezogen / Den Leib umgab ihr beſter Rock / mein Haubt bezierte frem des Haar Und Blumen mancher Art / die Seite / Pfeil und Bogen. Sie unterrichte mich in abgefuͤhrten Blicken / Nach kluger Nimphen Art / im Reden und im Buͤcken: Sie lernte meinen Fuß verbrochne Schritte gehn / Den annoch glatten Mund in rechter Ordnung ſtehn. Und fuͤhrte mich hernach zur Amarillen hin: Die hatte gleich zu ſich mehr Nimphen laſſen holen; Wie man in Gaͤrten ſieht bey krichenden Violen Der Blumen Koͤnigin / die edle Roſe / bluͤhn / So ließ ſie ihre Zier vor allen andern blicken. Als ſie nun kurtze Zeit beyſammen zugebracht / Sprach eine von der Zahl: Sind wir nicht auch bedacht / Daß wir uns unſer Haubt mit Sieges-Kraͤntzen ſchmuͤcken? Ein jeder ſucht den Preiß der Spiele zu erſtreiten / Wir ſuchen keinen Ruhm bey ſolchen Freuden-Zeiten. Wir haben ja ſo wol die Waffen bey der Hand / Als ſolche die Natur den Maͤnnern zugewandt. Ihr Schweſtern / habt ihr Luſt / ſo wollen wir im Schertze Verſuchen unter uns / wie ſcharff die Waffen ſeyn / Dadurch wir mit der Zeit (ach / traͤte ſie bald ein!) Im Ernſt erlegen ſolln der Maͤnner freyes Hertze. Laſſet uns mit Kuͤſſen ſtreiten: die am beſten weiß zu kuͤſſen / Die von ihren ſuͤſſen Lippen laͤſt den beſten Honig fliſſen / Deren Haubt zum Sieges-Zeichen ſoll der bunte Krantz um - ſchliſſen. Sie43treuer Schaͤffer.Sie lachten alleſamt und lobten ſolchen Rath. Kein Zeichen dorffte man zum Streite geben laſſen / Man ſah ſich die mit der / und jen’ ein andre faſſen / Man konte nehmen ein / warum man ſie nicht bat / Biß dieſe / die den Kampff zum erſten angetragen / Auch ferner Ordnung gab / und anfieng vorzuſchlagen: Daß die den ſchoͤnſten Mund von ihrer Anzahl fuͤhrte / Derſelben Richter auch des Spiels zu ſeyn gebuͤhrte. Alle ſtimmten uͤberein / Amarillis ſolt es ſeyn / Amarillis / derer Zier Ihnen allen gienge fuͤr. Sie ſchlug mit Sittſamkeit die ſchoͤnen Augen nieder / Und weiſte gleichen Schmuck der Sinnen / wie der Glieder. Die Roſen keuſcher Scham bemahlten ihre Wangen / So wuͤrdig als der Mund die Kuͤſſe zu empfangen.
Wie hat dein Gluͤcke dich zu ſo gewuͤnſchter Zeit Verhuͤllet in das Frauen-Kleid?
Es ſtieg auff ihren Thron die ſchoͤne Richterin / Der Nimphen Schaar fand ſich dem Looße nach dahin / Bekuͤßte mit Begier die edlen Zucker-Klippen / Der Balſam-reichen Lippen. Die Reihe traff mich auch. Ach! daß ich koͤnt entdecken / Was mich ihr zarter Mund vor Suͤßigkeit ließ ſchmecken. Des Indianers Rohr / Himettens Bienen-Safft / Iſt gegen dieſem ohne Krafft.
O viel-begluͤckter Raub! O allzuſuͤſſer Kuß!
Ja ſuͤſſe / nicht vergnuͤgt / weil noch ermangeln muß Zu recht vollkommner Luſt das allerbeſte Stuͤcke: Was Liebe gab / kam nicht aus Liebe mir zuruͤcke.
Wie war dir aber denn / als du ſie ſolteſt kuͤſſen?
Ich fuͤhlte meine Seel auff dieſe Lippen flieſſen / Und ihrem ſchoͤnen Mund entgegen ziehn: Ich gieng in halber Ohnmacht hin / Weil meinen Gliedern war die Seel entgangen / Ein neues Leben zu empfangen. Die ernſte Freundligkeit erſchreckte meine Sinnen / Als ihrer Sonnen Glantz mir in die Augen ſchien /Die44GUARINIDie ſich erkuͤhnt durch Liſt und Diebſtal zu gewinnen / Was reiner Unſchuld Lohn und Labſal ſolte ſeyn. Doch durch ihr Laͤcheln kuͤhn gemacht / wagt ich mich in den Streit. Gleich wie man offt ein Honig-Kind In ſchoͤnſten Roſen-Blaͤttern findt: So ſteckte Liebreitz auch in ihrer Lippen Schoß. Als ihr gekuͤßter Mund ſich unbewegt verſchloß / So ſchmeckt ich nur allein die ſuͤſſe Liebligkeit: Als ſie mir aber auch entgegen kam mit Kuͤſſeu / Und den Corallnen Mund ſich ließ an meinen ſchliſſen Aus holder Hoͤffligkeit / (ach Augenblick / voll Luſt! Wie kan ich leben noch beraubet ſolcher Koſt?) Muſt ich in Marck und Bein der Liebe Stachel fuͤhlen. Ein ſuͤſſes Gifft fieng an um meine Bruſt zu ſpielen / Das Ambra / das ſie von ſich bließ / Erhielt mir noch das matte Leben / Sonſt haͤtt ich ihr durch einen Biß Den letzten Abſchieds-Kuß gegeben.
Was kan dem Hertzen nicht vor Pein Und Luſt die Liebe bilden ein!
Das Kuͤſſen war nun aus / man warte mit Verlangen / Wer von der Koͤnigin das Kleinod ſolt empfangen; Als Amarillis mir mit ihrer eignen Hand / Den auffgeſezten Krantz auff meine Scheitel band. Kein Sommer kan ſo ſehr die duͤrren Felder brennen / Wenn ſich der Sonnen Rad im heiſſen Loͤwen findt / Als von Begier und Luſt mein Hertze ward entzuͤndt / Mein Hertze / das beſiegt / nicht ſieghafft war zu nennen. Doch faſſt ich ſo viel Mutt den Krantz mir abzuheben / Und meiner Amarill in ihre Schooß zu geben / Sprach / Nimphe / dir gebuͤhrt der Lohn / Den ich trag unverdient davon. Der Zucker-Lippen Uberfluß Verſuͤßte meinen duͤrren Kuß. Sie ſchmuͤckte mit dem Krantz ihr Gold-gemengtes Haar / Mein Haubt mit dem / der vor des ihrgen Zierde war. Ich trag ihn noch allhier zum ſuͤſſen Angedencken /Ob45treuer Schaͤffer.Ob meine Hoffnung gleich / wie er / verdorrt und todt.
Armſeliger Mirtill / du biſt in deiner Noth Ein neuer Tantalus / den Durſt und Hunger kraͤncken. So langes Trauren folgt auff kurtz genoßne Freuden: Wer mit der Liebe ſchertzt / muß ſich im Ernſte leiden. Dein Diebſtahl ward zugleich belohnet und gebuͤſt. Ward aber ſie iemals auch innen ſolcher Liſt.
Das weiß ich nicht: die kurtze Zeit / Die ſie in Elis blieb / kont ich ohn Unterſcheid Der ſchoͤnen Augen Blick und Freundligkeit geniſſen. Mein Ungluͤck aber hat ſie mir zu bald entriſſen / Und alle Luſt zugleich: Ich folgt ihr in diß Land / Wo ich mein Leben ſucht / und mein Verderben fand. Als ſie mich erſt geſehn / entbrandt ihr das Geſicht / Es ſenckte ſich zur Erd ihr helles Augen-Licht / Die Fuͤſſe muͤhten ſich Mirtillen zu entweichen: Ach / ſagt ich alſobald / betruͤbte Todes-Zeichen! Indeſſen hatte ſich / betruͤbt ob meiner Flucht / Mein Vater eingelegt / und ward von mir beſucht / Genaß / und ſahe mich an ſeiner Stelle leiden: Mein abgefleiſchter Leib vergleichte ſich dem Schatten / Ich muſt ein halbes Jahr von Lieb und Fieber braten / Biß mich der Goͤtter Spruch durch ihn hieher beſcheiden. Ich ward am Leibe friſch / und kraͤncker am Gemuͤtte / Die Seele zehrt ſich ab / wie vormahls das Gebluͤtte.
Ein Wundernswerther Fall und wuͤrdig zu beweinen. Doch wer verzweiffelt iſt / dem kan kein beſſer Troſt er - ſcheinen / Als / daß er keinen Troſt verlanget oder hofft. Izt bring ich nu Coriſcen bey / was ich von dir vernom - men: Erwarte meiner bey dem Brunn / ich will bald zu dir kom - men.
Der Himmel / den ich offt vergebens angerufft / Begluͤcke deinen Gang / erſetze dir den Dienſt / Den ich nicht gelten kan / mit reichlichem Gewinſt.
OVielbegluͤckter Hund / du treuer Wald-Geſelle Des ſchoͤnen Silvio / ſein Sorgen / ſeine Luſt / Sein Schatz und Zeit-Vertreib / wie wuͤnſcht ich deine Stelle! Wie wolt ich ſo vergnuͤgt / wie du / Melampo / thuſt / Zu ſeinen Fuͤſſen ruhn / wie wolt ich ſo mit Freuden Den ſanfften Liebes-Schlag der zarten Hand erleiden! Die dich mit ſuͤſſer Koſt von eignem Munde ſpeiſt / Da ſie mein kranckes Hertz in tauſend Stuͤcke reiſt. Du muſt bey Tag und Nacht um deinen Herren ſeyn / Mir aber goͤnnt er nicht der hellen Augen Schein: Und was mich wohl auff dich am meiſten ſchmertzen muß / Sein rother Mund giebt dir ſo manchen ſuͤſſen Kuß / Daß / wenn ich einen nur davon erſchmecken ſolte / Ich mich auff Lebens-Zeit gluͤckſelig preiſen wolte. Nun / weil ich nicht mehr kan / will ich den Mund doch kuͤſſen / Der meines Liebſten Mund ſo offt beruͤhren muͤſſen: Ich will / was ich nicht ſelbſt vom Herren kan erheben / Doch deme / was er liebt / und ihm durch Wechſel geben. Nun / wo ein guter Stern dich fuͤhrt auff dieſe Spur / Daß du mich Aermſte ſolt zu deinem Herren bringen / So laß uns gehen hin / wohin dich die Natur / Und mich die Liebe fuͤhrt. Was hoͤr ich aber klingen? Das iſt ein Jaͤgerhorn.
Sa ſa / Melampo / ſa!
Rufft hier nicht Silvio / der ſchoͤne / ſeinem Hunde?
Sa ſa / Melampo / ſa!
Ach ja / die Stimme kommt von ſeinem ſchoͤnen Munde / Der Himmel ſchickt mir zu / nach was ich ausgegangen. Was Rath iſt hier zu faſſen? Ich will den Hund zu erſt verbergen laſſen. Vielleicht iſts ſeine Gunſt ein Mittel zu erlangen. Lupin!
Was ſoll ich thun?
Nimm dieſen Hund zu dir / Kreuch hinter jene Straͤuch / und gehe nicht herfuͤrBiß47treuer Schaͤffer.Biß du geruffen wirſt.
Es ſoll geſchehn.
Wo ſoll ich weiter hin die muͤden Fuͤſſe wenden / Da ich / mein liebſter Hund / dich wieder finden kan? Ich habe dich geſucht an ſo viel Enden / Und habe Berg und Thal durchlauffen / Bin voller Schweiß / und kan vor Muͤdigkeit kaum ſchnauf - fen. Verfluchet ſey das Wild / das du getroffen an. Doch / jene Schaͤfferin hat ihn vielleicht geſehn. Muß mich das Ungluͤck denn zu dieſer eben fuͤhren / Von der ich allezeit ſo viel Verdruß muß ſpuͤhren? Es muß vor dieſesmahl ſchon uͤberſtanden ſeyn. Mein ſchoͤnes Schaͤffer-Kind / iſt dir Nicht mein Melampo kommen fuͤr / Der von mir angehetzt Hat einem Rehe nachgeſetzt?
Heiſt du mich ſchoͤnes Kind? was koͤmmt dir ein? Was haſtu / Grauſamer / vor Freude / ſchoͤn zu nennen / Was deine Augen nicht vor ſchoͤn erkennen.
Schoͤn oder greulich / wie du wilt: Weiſt du mir nicht den Hund zu ſagen? Antworte mir hierauff / ſonſt muß ich weiter fragen.
Ach / Silvio / du faͤhrſt der treueſten Dorinde Wohl unbarmhertzig mit. Wer ſolte glauben kuͤnnen / Daß ein ſo zarter Leib ſo Eiſen harter Sinnen Behaͤltniß koͤnte ſeyn / wenn ich es nicht empfuͤnde? Du ſuchſt ein fluͤchtig Wild / durchkrichſt die oͤden Waͤlder / Steigſt uͤber Felß und Berg / durchrennſt die weiten Felder / Lauffſt einem Hunde nach / verbrenneſt dein Geſichte / Und macheſt vor der Zeit der Glieder Zier zu nichte. Ich lieb / ich ſuche dich / alleine gantz umſunſt / Du lauffeſt von mir weg und ſpotteſt meiner Brunſt. Ach ſuche / liebes Kind / nicht weiter fluͤchtig Wild / Erwaͤhle dir davor ein zahmes Jungfern-Bild / Ein Reh / daß ſich laͤſt ungejagt in deinen Armen fangen.
Ich bin / O Schaͤfferin / dem Hunde nachgegangen / Nicht daß ich hier bey dir die Zeit verlieren ſoll. Dorinde fahre wohl.
Bleib hier / mein ſuͤſſer Tod / bleib hier / mein einig Leben / Bleib hier / mein Silvio / ich will dir Nachricht geben / Wo dein Melampo ſey.
Du ſpotteſt mein.
Ach / ſchoͤner Engel / nein. Ich ſchwere bey der Glutt / die mich zu deinen Fuͤſſen ſezt / Ich weiß den Hund. Du haſt unlaͤngſt ein Reh gehezt.
So iſts; im dicken Wald hab ich die Spur nicht funden.
Es iſt in meiner Hand der Hund und auch das Reh.
Dorind / in deiner Hand?
Du hoͤrſts / und thut dir weh / Daß du mir ſolt mit etwas ſeyn verbunden.
Mein allerliebſtes Kind / gib mir doch Hund und Wild.
Bedencke / harter Sinn / wie weit ich ſey gebracht / Daß mich ein Hund bey dir zum lieben Kinde macht / Wenn meiner Klagen Meng umſonſt die Lufft erfuͤllt! Nun / allerliebſtes Hertz / ich will dir beydes geben / Wofern ich was davor zum Lohne kan erheben.
Gar recht: Ich will dich ſchon um deine Muͤh vergnuͤgen. (Bekomm ich nur den Hund / wie will ich ſie betruͤgen.)
Womit?
Du ſolt ein paar der guͤldnen Aepffel haben / Mit denen mich zulezt die Mutter ließ begaben.
An Aepffeln fehlt mirs nicht. Ich koͤnte dir ihr weiſen / Die man vor ſchoͤner und vor ſuͤſſer wuͤrde preiſen / Wenn nicht dein ſtoltzer Mund vor ſolchen Eckel truͤge.
Was wiltu / Nimphe / denn? ein Laͤmmchen? eine Ziege? Ich habe ſo viel Macht nicht bey des Vaters Heerde.
Der Laͤmmer acht ich nicht / die Ziege ſtinckt mich an / Wenn ich nicht deine Lieb’ und dich erlangen kan.
Begehreſtu ſonſt nichts?
Nichts auff der weiten Erde.
Da haſt du meine Gunſt und Liebe gantz und gar / Nun mache / liebe Nimph / auch deine Worte wahr.
Ach / Silvio / ach / daß du moͤchteſt wiſſen / Was vor ein edles Kleinod iſt / Mit welchem du ſo milde biſt / Und daß die Wort aus reinem Hertzen fluͤſſen!
Du pflegſt mir allezeit von Liebe viel zu ſagen / Und ich verſtehe nicht / was dieſes Lieben ſey. Du plageſt mich / ich ſoll doch Liebe zu dir tragen:Ich49treuer Schaͤffer.Ich liebe dich / ſo ſehr ich immer kan und weiß. Du klageſt uͤber mich / ich ſey ein hartes Eyß / Ein Hertze voller Stahl / voll Grimm und Tyranney. Ich weiß nicht was ich denn begeh vor Ubelthaten / Womit ich grauſam bin / noch wie dir ſteht zu rathen.
Armſelige / wo haſtu Huͤlff und Troſt zu hoffen / Wenn deinen Silvio kein Funcken noch getroffen Der heiſſen Liebes-Glutt? holdſelger Goͤtter-Sohn / Du brenneſt mich / biſt ſelber kalt / Zwingſt zu der Liebe mit Gewalt / Und fuͤhleſt nichts davon. Du ſchoͤnes Venus-Kind / haſt deiner Mutter Brand Und Pfeil in deiner Hand: Mein Hertze / leider! hat die Wunden Davon nur allzuſehr empfunden. Setz um die Schultern Fluͤgel ein / Du wirſt ein neu Cupido ſeyn. Doch muſtu auch ein neu und freundlich Hertz erwehlen / Sonſt wird dem Liebes-Gott die Liebe ſelber fehlen.
Du legſt mir Raͤtzel vor unmoͤglich zu ergruͤnden: Was iſt denn vor ein Ding die Lieb / und wo zu finden?
Such ich ſie in deinen Augen; Lieben iſt ein Paradeiß: Such’ ich ſie in meinem Hertzen; Lieben iſt ein Hoͤllen - Schweiß.
Nimph’ / es iſt genung geſchwaͤzt / ſchaffe mir den Hund herzu! Schaffe mir die Liebe vor / welche du mir zugeſagt. Wird man von dem Menſche nicht biß in bittern Tod ge - plagt. Haſtu ſie denn nicht bekommen? nimm ſie noch / und laß mir Ruh. Wer iſt der ſie widerhaͤlt? Mache mit / was dir gefaͤllt. Ach Hertzeleyd! ich ſaͤ’ in duͤrren Sand / Mein Reden / meine Muͤh iſt uͤbel angewandt. Was machſt / was denckeſtu? wie lange ſoll ich noch ver - ziehn? Untreuer Silvio / ſo bald du dein VerlangenDVon50GUARINIVon meinen Haͤnden wirſt empfangen / So bald wirſtu von mir mit Hohn-Gelaͤchter fliehn.
Nein / ſchoͤne Nimphe / nein.
Gib mir zuvor ein Pfand.
Was ſolls vor eines ſeyn
Ach / Silvio / ich ſag es nicht;
Warum?
Ich ſchaͤme mich.
Und wilt es dennoch nehmen?
Ich wuͤnſche / daß du mich verſtuͤndeſt / ungeſagt.
Was muß diß immer ſeyn? das Wort ſoll dich beſchaͤmen Die That wird ohne Scheu gewagt.
Verſprichſtu mirs / mein Licht / So will ichs machen kund.
Ja / wenn ichs kan erfahren
Ach / ſiehſtu mirs nicht an? begehrteſtus von mir / Ich wolte dir die Muͤh der Worte ſchon erſparen.
Du geheſt mir an Liſt und ſchlauer Klugheit fuͤr.
An Lieb’ und Treue weiß ich dir wohl vorzugehn. Ach / bin ich nicht betruͤbt!
Ich bin kein Rath-Herr nicht; wenn ich dich ſoll verſtehn So rede deutſch und klar.
Gib / was dir oͤffters giebt Die Mutter.
Einen Backenſtreich?
So / lohneſ mit Schlaͤgen Der / die dich betet an?
Mit ſolchen hat mir pflegen Die Mutter ſchoͤn zu thun.
So haſtu Luſt zu ſchertzen? Pflag ſie dich aber nicht bißweilen auch zu hertzen?
Nein / weder ſie / noch ſonſt iemand. So iſt ein Kuß das liebe Pfand? Du ſchweigeſt / und wirſt roth: nu wohl / es ſoll geſchehn; Nun laß mich vor das Reh und den Melampo ſehn.
Wiltu mir aber auch / was du verſprichſt / erfuͤllen?
Ja freylich; halt mir nur den Hund nicht laͤnger fuͤr.
Lupin herbey / Lupin / was machſtu? geh herzu!
Was? wer iſt da? wer rufft? izt komm ich gleich zu dir.
Muſtu dich denn ſo weit verſtecken?
Ich ſchlieff wohl nicht / Melampo ſchlieff / den kont ich nic erwecken.
Da haſtu deinen Hund / der freundlicher / als du / Sich den verachtten Arm umſchlieſſen ließ mit Willen / Der meinen Liebes-Schlag / mein Kuͤſſen nicht verachte /Und51treuer Schaͤffer.Und ſich dargegen mir mit Danck behaͤglich machte.
Nun iſt mir wohl / du treues Thier / Nachdem du wieder biſt bey mir. Melamp / ich nehme dich mit tauſend Kuͤſſen an. Haſtu dir irgends auch im Lauffen weh gethan? Laß deinen Fuß / laß deine Klauen / Ob du dich wo verwundet haſt / beſchauen.
Ach! daß ich nicht ſo viel / als er / genieſſen kan! Was wirſtu endlich noch / Dorinde / muͤſſen leiden / Wenn du den ſtummen Hund muſt um ſein Gluͤcke neyden? Lupin / geh auff die Jagt / ich folge bald.
Ich geh voran.
DEr Hund iſt unverlezt. Wo iſt nu das verſprochne Reh?
Wiltu es lebend oder todt?
Ich finde mich nicht drein. Wie kan es leben / wenns der Hund darnieder hat geriſſen?
Wenn er ihm aber nichts gethan.
So wirds ja leben muͤſſen?
Ja freylich lebt es noch.
Um ſo viel lieber wird mirs ſeyn.
Das Hertze thut ihm nur von einer Wunde weh.
Du ſpotteſt / oder traͤumſt. Wie kan es leben wenn der Hund Es an dem Hertzen hat verwundt?
Ach / harter Silvio! das krancke Neh bin ich. Du ſuchſt ein wildes Thier / und faͤngeſt leider! mich. Nimmſtu mich gnaͤdig auff / ſo werd ich frendig leben; Wo nicht / ſo wirſtu mich dem Tod in Rachen geben.
Iſt dieſes nun das Reh?
Diß und kein anders nicht. Warum verſtellet ſich dein ſchoͤnes Angeſicht? Iſt dir ein ſtummes Thier / iſt dir ein tummes Wild Denn lieber / als ein Menſch und zartes Jungfern-Bild?
Viel lieber / weder du / du abgeſchmackte Luͤgnerin / Der ich biß in den Tod gehaͤßig bin.
Grauſamer / iſt diß der Lohn /D 2Den52GUARINIDen ich tragen ſoll davon? Wiltu mir ſolchen Danck vor meine Treue geben? Ich ſchencke dir den Hund auffs neu / und mich darneben. Ich will dir alles Leid und zugefuͤgte Schmach / Kehrſtu nur wieder um / mit Freuden laſſen nach. Laß deiner Gegenwart mich Aermſte nur genieſſen / Melampo ſoll dir nicht wie ich zu folgen wiſſen. Wird dir der muͤde Schweiß von deiner Stirne ſeigen / So ſoll dich meine Hand / wie ſeine Zunge / treugen / Dein matter Leib ſoll ruhn an meiner weichen Bruſt / Der du nicht Ruhe goͤnnſt. Ich will mit hoͤchſter Luſt / Du magſt durch Fels und Wald durch Berg und Thaͤl jagen / Zu uͤberheben dich Gewehr und Wildbret tragen: Und wenn ſich dir kein Wild in Puͤſchen weiſen will / Soll dieſes Hertz allzeit zu deinen Dienſten ſtehn. Dorinde ſoll vor Wild und Waffentraͤger gehn / Dein Koͤcher iſt ihr Arm / die Bruſt der Pfeile Ziel. Was red’ ich aber / und zu wem? zu dem / der mich nicht hoͤr Der mein Erbitten mit der Flucht / an ſtatt der Antwor ehrt. Fleuch wie du wilt / du wirſt Dorinden nicht entfliehn: Sie wird dir nach ins Grab zu Stix und Lethe ziehn.
WIe ſchlaͤget mir das Gluͤck in meinen Vorſatz ein? Man hoͤret es die Welt mit Rechte Goͤttin heiſſen. Doch der / bey dem es ſoll gewuͤnſchte Gaͤſtin ſeyn / Muß ſich auch vor ſich ſelbſt zu ſeinem Dienſt befleiſſen / Muß ihm entgegen gehn / die Mittel bitten an / Bereiten einen Weg / auff den es treten kan. Dem Menſchen wird nicht leicht ein Gluͤcke fallen zu / Der ſein erwarten will in unbeſorgter Ruh. Haͤtt ich mich nicht mit Liſt und Fleiß zu Amarillen Vorlaͤngſten eingeliebt / ich wolte gerne ſehn / Wie ich ſo leicht und gut / als itzo kan geſchehn /Die53treuer Schaͤffer.Die abgefaßte Rach an ſelber wolt erfuͤllen. Ein andre / die durch ſie um ihren Liebſten kommen / Haͤtt’ einen andern Weg aus Thorheit vorgenommen / Sich ihrer Gegenwart mit allem Ernſt entbrochen / Mit Worten voller Gifft und Eyffer ſie beſtochen / Und naͤrriſch dran gethan. Man kan ſich beſſer huͤtten Vor offner Feinde Macht / als vor verborgnem Wuͤtten. An blinden Felſen wird das beſte Schiff zerſchellt. Der iſt kein harter Feind / der fich nicht freundlich ſtellt. Die Welt ſoll heute noch mit Furcht und Wunder ſchauen / Wie durch Coriſcens Hand ſoll werden angericht Ein Trauer-Spiel. Allein / ich bin ſo naͤrriſch nicht Ihr keine Liebe noch im Ernſte zuzutrauen: Viel andern moͤchte ſie wohl machen einen Dunſt; Mich uͤberredt ſie nicht / die ich in ſolcher Kunſt Vorlaͤngſten ausgelernt. Ein Kind von ſechzehn Jahren / Das noch der Maͤnner Liſt und Falſehheit nicht erfahren / Das noch nicht ſchwartz und weiß recht weiß zu unterſchei - den / Das von der Liebe muß den erſten Anſtoß leiden / Dem ein ſo wackrer Kerl ſo lange nachgegangen / Und / was am ſchlimmſten iſt / die Kuß um Kuß empfangen / Soll unbewegt und frey von aller Liebe ſeyn? Ein Thor iſt / welcher ihm dergleichen bildet ein. Der Himmel / ſeh ich / ſchickt ſie mir zum neuen Gluͤcke dar. Ich trete nach der Seit / und will mich ſtellen an / Als wuͤrd’ ich ihrer nicht gewahr / Daß ich ſie unvermerckt zuvor bethoͤren kan.
GEliebter Ort / begluͤckter Wald / Du Wohnung ſtiller Einſamkeit / Der Ruhe ſichrer Auffenthalt / Was find ich ſo mit Luſt mich wieder bey dir ein? Wenn mich der Sternen Schluß mein eigen lieſſe ſeyn / Und meinem Wunſche nach vollbringen meine Zeit /D 3Wie54GUARINIWie wolt ich ſo vergnuͤgt bey deinem edlen Schatten Die ſtoltz-beruͤhmte Pracht Eliſiens entrathen! ” Denn die Guͤtter dieſer Welt /” Wer die Warheit will bekennen /” Sind mehr boͤß als gutt zu nennen. ” Wem das Gluͤck an Gutt und Geld” Hat das meiſte zugeſchmiſſen /” Hat das mindſte zu genieſſen. ” Goͤldne Ketten feſſeln ihn /” Er beſizt nicht / wird beſeſſen /” Laͤßt ſich Furcht und Sorge freſſen:” Achtt er denn nicht den Gewinn /” So kan er auch kein Ergoͤtzen” Finden bey den ſtummen Schaͤtzen. ” Friſcher Jugend ſchoͤne Pracht /” Hohen Adel / ſtarcke Glieder /” Legt ein krancker Sinn darnieder. ” Wenn uns Erd und Himmel lacht /” Wenn uns Gluͤck und Sonne ſcheinen /” Muß doch offt das Hertze weinen. Gluͤcklich iſt das Schaͤffer-Kind / Welche mit vergnuͤgtem Willen / Ihre Glieder einzuhuͤllen / Einen Kuͤttel um ſich bindt / Arm iſt / doch nicht mehr verlanget / Und mit freyen Sinnen pranget. Welche reich durch ſich allein / Uberfluß im Mangel ſpuͤret / Keine Sorgen fuͤhlt und fuͤhret / Die bey Reichen uͤblich ſeyn / Arm iſt / doch mit allem pranget / Was ihr Hertze nicht verlanget. Was ihr die Natur geſchenckt / Wird durch deren Gunſt ernaͤhret / Wenig Geld um Schmuck verzehret / Und die Qvelle / die ſie traͤnckt / Iſt ihr Bad und Rath zum Prangen. Milch belebt die Milch der Wangen. W55treuer Schaͤffer.Wenn uns Krieg und Mangel draͤut / Wenn uns Furcht und Kummer worgen / Iſt ihr Armut ohne Sorgen. Wenn der Himmel Schloſſen ſtreut / Mitten unter Sturm und Blitzen Kan ihr’ Unſchuld ſicher ſitzen. Nur ein Kummer iſt ihr kund: Wenn die ihr vertraute Heerde Zu dem Klee der bunten Erde / Neigt begierig Bruſt und Mund / Sucht ihr Auge mit Verlangen Ihres Schaͤffers Mund und Wangen; Ihres Schaͤffers / den ihr nicht Freund und fremdes Aug’ erwehlet / Noch Verhaͤngniß zugezehlet / Deſſen muntres Augenlicht / Krauſes Haar und rothe Wangen Ungezwungne Gunſt erlangen. Wo die dicken Myrthen ſeyn / Kommen ſie vergnuͤgt zuſammen / Sie entdeckt ihm ihre Flammen / Schwaͤzt von ihrer ſuͤſſen Pein / Und erfaͤhrt mit hoͤchſter Freude / Daß er gleiches um ſie leide. O Leben / welches recht das Leben kan verſuͤſſen Und nicht bey Leben ſtirbt / koͤnt ich dein auch genuͤſſen! Allein Coriſca kommt. Willkommen / liebes Kind! Der Himmel gebe dir / was dir mein Hertze guͤnnt.
Wer rufft mich? werther Schatz / mein Augen-Troſt / mein Licht / Wo wiltu ſo allein die Reiſe nehmen zu?
Die Reiſe ſtund nicht weit: iſt allbereit verrichtt / Und gluͤcklich / weil ich dich ſo unverhofft gefunden.
Du findeſt / die bey dir findt ihre Luſt und Ruh / Die ſich zu ewiger Geſellſchafft dir verbunden. Und daß du ſolches glaubſt / ich dachte gleich an dich / Und ſagte bey mir ſelbſt: liebt Amarillis mich; Wie kan ſie ſo viel Zeit von mir entfernet leben? D 4In -56GUARINIIndem ſo will dich mir das Gluͤcke wieder geben. Allein / du liebeſt nicht Coriſcen / wie vorhin.
Wie ſo?
Was fragſtu noch? du biſt ja heute Braut.
Ich / Braut?
Ja / wie ich weiß / und haſt mirs nicht ver traut.
Wie kan ich / was mir ſelbſt nicht wiſſend / iſt entdecken?
Wiltu dich / Falſche / noch vor mir verſtecken?
Du ſpotteſt.
Du vielmehr.
Ach nein! entdecke mi Ob dir die Zeitung Ernſt.
Mein Schatz / ich ſchwe es dir. Weiſtu denn aber auch im Ernſte nichts davon?
Diß weiß ich wohl / daß ich vorlaͤngſt verſprochen bin / Nicht aber / daß ich ſoll ſo eilends Hochzeit machen. Wer hat es dich bericht?
Mein Bruder / der es ſcho Von vielen hat gehoͤrt / und dir ſinds fremde Sachen? Es ſcheint / als wolte dir die Zeitung nicht belieben /” Iſt diß wohl eine Poſt / ob der ſich zu betruͤben?
” Coriſc’ es iſt ein Werck von groſſer Wichtigkeit /” Und meiner Mutter Wort ſchallt noch in meinen Oh - ren /” Daß man den Hochzeit-Tag noch einmahl wird gebohren.
Gebohren noch einmahl zu mehr vergnuͤgter Zeit / Drum ſoll dir dieſer Tag zu lauter Luſt erſcheinen. Was klagſt / was ſenfftzeſtu? laß den Mirtillo weinen.
Mirtilln?
Er war dabey / als ich die Poſt bekam. Ich kan nicht ſagen / wie er voller Thraͤnen ſchwam. Er fiel in Ohnmacht hin / und waͤre ſo vergangen / Wenn er nicht haͤtte Huͤlff und Troſt von mir empfan - gen. Ich muſt ihm ſagen zu die Hochzeit zu vernichten. Und bin ich gleich ein Weib / ich traut es auszurichten.
Coriſca / wolteſtu dich deſſen unterſtehn / Und auff was Weiſe ſolt es dir von ſtatten gehn?
Gar leichte / wo mir nur dein Wille ſtimmet bey.
Im Fall ich hoffen kan / daß ſolches moͤglich ſey / Und du mir ſageſt zu / mich nimmer zu verrathen / Will ich dir meines Hertzens Grund Mit wenig Worten machen kund.
Die Falſchheit wolle mir der Himmel nicht verſtatten / Die Erde ſoll mich eh’ eroͤffnet ſchlingen ein / Als gegen dir mein Sinn veraͤndert ſeyn!
So wiſſe / liebes Kind / wenn ich bey mir betrachte / Was vor ein wilder Menſch mir ſey zum Mann erkohren / Der vor die Hunde / nicht vor Nimpffen / iſt gebohren. Wie er das tumme Wild verfolg’ und mich verachte / So muß ich unvergnuͤgt und halb verzweifelt leben: Doch aber fuͤrcht ich mich diß an den Tag zu geben / Theils / weil mir Scham und Zucht zu reden nicht verguͤnnt / Theils / weil mich ſchon ein Wort bey GOtt und Menſchen bindt. Wo aber du / die Furcht des Himmels unverlezt / Mein Leben / Ehr und Treu nicht in Gefahr geſezt / Ein Mittel finden kanſt diß ſchwere Band zu trennen / So will ich dich mein Heil und meinen Schutz-Gott nennen.
Beſeuffzeſt du dir das? Wer wolte dich verdencken? Wie offt hab’ ich geſagt: Man will das Kleinod ſchencken Dem / der es nicht erkennt: Man zwingt das arme Kind Zu lieben / wo es Haß vor Gegen-Liebe findt. Alleine / wenn ich dir die Warheit ſagen ſoll / Du ſieheſt allzuweit und ſieheſt doch nicht wohl. Warum redtſt du nicht / und ſagſt / wo dirs fehlt?
Ich ſchaͤme mich.
Das iſt eine groſſe Kranckheit! Lieber wolt ich an mir ſpuͤ - ren Froſt und Hitze / Krebs und Druͤſen / ja Verſtand und Witz verlieren / Als an dieſer halben Peſt wenig Tage liegen ſiech. Aber halt / du wirſt ſie ſchon mit der Zeit zuruͤcke legen. Es iſt um einmahl zu thun / daß du ſie bey Seite thuſt.
” Wahre Scham / die die Natur ließ in unſre Sinnen praͤgen” Wird vergebens unterdruͤckt. Jageſt du ſie aus der Bruſt /” So wird ſie zun Wangen ſteigen /” Und ihr keuſches Feuer zeigen.
” Wer kluͤglich ſeine Noth mit Schweigen will verbeiſſen /” Laͤſt endlich die Gedult mit Unvernunfft entreiſſen. D 5Haͤttſt58GUARINIHaͤttſt du mir deinen Sinn nur eher kund gegeben / Du koͤnteſt allbereit von dieſem Kummer ruhn. Nun wohl / du ſolt noch ſehn / was ich vermag zu thun. Kein beſſer Arzt vor dich koͤnt auff der Erde leben / Und der dir treuer waͤr / als ich / mein Kind. Allein / Wenn du nun wirſt erloͤſt vom boͤſen Manne ſeyn / Legſt du dir ja was Gutts zum Lieben wieder zu?
Auff dieſes wollen wir hernach mit gutter Ruh Und Muße ſeyn bedacht.
Fuͤrwahr / du kanſt Mirtillen Nicht laͤnger unrecht ſeyn: Sein hurtiger Verſtand / Sein auffrecht-treuer Sinn und Schoͤnheit iſt bekandt / Und du laͤſt ihn vergehn und ſterben deinet willen. Ach allzu Grauſame! du bringeſt ihn in Tod / Eh’ er dir kan ein Wort von ſeinem Schmertzen ſagen. Vergoͤnn ihm nur einmahl ſein Leiden dir zu klagen.
Ach wie viel beſſer waͤrs / er zwinge ſeine Sinnen / Und ſuchte nicht / was doch unmoͤglich / zu gewinnen.
Laß ihn doch dieſen Troſt vorm Tode noch genieſſen.
Er wuͤrde nur dadurch ein mehres leiden muͤſſen.
Da laß dich unbeſorgt; hat ers doch auszuſtehn.
Wie wuͤrd’ es aber mir / wenn mans erfuͤhre / gehn?
Du haſt geringen Mutt.
Genug / wenn ich dadurch kan Ehr und Blutt Erhalten ungefaͤhrt.
Wo du dir bildeſt ein / Dir ſteh’ hierinnen frey / mein Bitten abzuſchlagen / So werd ich auch hinfort ſo viel nicht nach dir fragen / Und wird mir gleich ſo viel / als dir / erlaubet ſeyn. Gehab dich wohl.
Bleib hier und hoͤre mich doch an
Kein Wort / eh du mir vor Verſprechen haſt gethan.
So ſag’ ich dir denn zu / zu hoͤren ſeine Klagen / Doch daß er auch bey mir nichts weiter doͤrffte wagen.
Nichts mehres ſucht er auch.
Und daß er ſey bericht / Ich wiſſe nichts davon.
Ich ſag ihm anders nicht.
Und daß ich / wenn ich will / und unverwehrt kan weichen.
So bald es dir gefaͤllt / und er gehoͤrt wird ſeyn.
Nur daß ers mache kurtz.
Auch dieſes geh’ ich ein.
Und daß er von mir ſteht / ſo weit mein Stab kan reichen.
Kanſt du denn nimmermehr der Sorgfalt Ende finden? Ich59treuer Schaͤffer.Ich will ihm iedes Glied biß auff die Zunge binden / Damit du ja vor ihm lebſt aller Furchten frey. Verlangſt du noch was mehr?
Nichts anders faͤllt mir bey.
Wenn ſoll es nun geſchehn?
Das ſteht in deiner Macht. Ich will nur einen Gang vorhin nach Hauſe gehn / Zu forſchen / wie es denn muß um die Hochzeit ſtehn.
So gehe bald / mein Kind / und frage mit Bedacht Derſelben Sache nach / den Argwohn zu verhuͤtten. Doch hoͤre / was mir gleich vor Liſt zu Sinne faͤllt. Komm / wenn die Sonn itzund den Mittag hat beſchritten / Allein an dieſen Ort / der immer Schatten haͤlt: Du wirſt mich auch daſelbſt zu rechter Stunde finden / Nerinen neben mir / Aglauren und Filinden / Eliſ’ und Licoris wird ſich auch ſtellen ein / Die alle klug / mir treu und auch verſchwiegen ſeyn. Wir wollen / wie wir offt gethan / Das Spiel des Blinden fangen an. So glaͤubt Mirtill / wenn er uns bey dir wird gewahr / Du ſeyſt zu deiner Luſt / nicht ſeinet wegen dar.
Ja / das gefaͤllt mir wohl / nur daß ich ungern wolte / Daß iemand / auſſer uns / Mirtillen hoͤren ſolte. Verſtehſt du mich?
Gar recht / und du erinnerſt wohl. Doch ſey nur ohne Furcht: Es wird mir ſchon gelingen / Daß ich die Nimpffen werd auff eine Seite bringen / Und von dir fuͤhren weg / wenn er ſich weiſen ſoll. So geh nun / und vergiß auch dieſe nicht zu lieben / Die dir ihr treues Hertz erb-eigen hat verſchrieben.
Nachdem mein gantzes Hertz in ihrer Hand geblieben / Muß ich ſie ja / ſo viel ihr ſelbſt beliebet / lieben.
Was meynt ihr / ob ſie noch auff feſtem Fuſſe ſteht? Noch groͤßre Macht gehoͤrt vor ſolche Felſen-Sinnen. Ob meiner Worte Sturm gleich ohne Frucht abgeht / Mirtillen wird ſie doch nicht widerſtehen kuͤnnen. Ich hab es auch verſucht / wie einem jungen Blutte / Wen̄ der geliebt-veꝛliebte Buhl ihm ſchmeichelt / iſt zu Mutte. Bring’ ich es nur darzu / daß ihm das tumme Kind Einmahl geneigt Gehoͤre guͤnnt /Ich60GUARINIIch will ſie durch diß Spiel zu einem Spiele fuͤhren / Daruͤber ſie die Luſt zu Spielen wird verlieren. Sie ſuche / wie ſie will / verdeckter Worte Schatten / Ihr Reden und ihr Thun wird ſie mir doch verrathen / Ja ihres Hertzens tieffſter Grund Muß meiner Klugheit werden kund. Bin ich denn Meiſterin von ihren Heimligkeiten / Kan ich ſie ohne Muͤh nach meinem Willen leiten / Und alſo fuͤhren an / daß iederman gedenckt / Daß ſie die Liebe / nicht die Liſt / in ſolchen Unfall ſenckt.
Ach weh! Ich ſterb.
Ich leb.
Ach / Amarillis / halt / Komm / kehre wieder um: Man uͤbt an mir Gewalt.
Dein Ruffen iſt umſonſt / du muſt nur die Gefahr Vor dißmahl uͤberſtehn.
Ach! Ach! mein Haar!
Coriſe’ ich habe dir vorlaͤngſten auffgepaßt / Biß du dich nun ins Netz einmahl verworren haſt / Und Schweſter / wirſt dus wohl gewahr? Es iſt der Mantel nicht / es iſt das Haar.
Verfaͤhrſt du ſo mit mir?
Ja eben ja mit dir. Biſt du Coriſea nicht / die Meiſterin zu luͤgen / Gewohnt durch Worte-Blick und Wincken zu betruͤgen? Die Falſche / welche mich durch ſo viel Zeit und Weiſen Hat mit Verraͤtherey und Boßheit wuſt zu ſpeiſen?
Coriſca bin ich wohl / allein itzunder nicht / Beliebter Satiro / wie vor / dein Schatz und Licht.
Bin ich itzund beliebt? Nicht aber dazumahl / Als mich dem Coridon nachſezte deine Wahl.
Dich andern nachgeſezt? S. Hoͤrt alle Wunder an! Hoͤrt an die Einfalt / die kein Waſſer truͤben kan! Und / als ich dir den Rock der Daffne muſte holen / Als ich auff dein Geheiß der Cloris Schleyr geſtoh - len /Der61treuer Schaͤffer.Der Lilla Bogen dir zu Hauß und Hofe bracht / Die Stiefeln Silviens unſichtbar auch gemacht / Durch Diebſtal und Gefahr der Muͤhe Lohn zu heben / Der mir verſprochen war / und andern ward gegeben / Als du den ſchoͤnen Strauß / mit dem ich dich beſchenckt / Dem Pracher Niſus auffgehenckt / Als ich ſo manche Winter-Nacht Zu Liebe dir umſonſt gewacht / Schien ich dir / boͤſes Weib / auch ſo beliebt zu ſeyn? Nun wart’ / ich will dirs izt zum Tuͤgen traͤncken ein.
Du ſchleppeſt mich / wie man mit wildem Vieh’ verfaͤhrt.
Du biſt dergleichen Art / und wenig beſſers werth. Nun ſchuͤttle dich / ſo viel du kanſt / du wirſt mir nicht ent - reiſſen / Es wird nicht / wie vorhin / Betruͤgens mit dir heiſſen. Dein Kopff muß eher nicht auff ſeinem Rumpffe ſtehn / Als du mir dieſes mahl ſolt aus den Haͤnden gehn.
Laß mir doch ſo viel Zeit / daß ich dir meine Sachen Und Unſchuld nach Gebuͤhr ausfuͤhrlich koͤnne machen.
Nun rede.
Wie kan ich gefangen? Laß mich frey.
Meinſt du / daß Satirus ein ſolcher Jecke ſey?
Ich ſchwer auff meine Treu / ich will dir nicht entfliehn.
Wilſt du / treuloſes Weib / auff Treue dich beziehn? Darffſt du es gegen mir noch wagen / Mir viel von Treue vorzuſagen? Ich will dich um den Berg in eine Hoͤle fuͤhren / Wo nichts als Finſterniß und wilde Thiere wohnen / Wo dich die Sonne nicht / geſchweig’ ein Menſch / weiß aus - zuſpuͤren / Das andre ſag’ ich nicht / du wirſt es ſchon erfahren. Ich werde meine Luſt mit deiner Unluſt paaren / Und dich mit Schimpff und Spott / wie du verdient / beloh - nen.
Kanſt du denn Grauſamer / den Haaren / die dich bunden / Den Augen / welche du ſo lieblich haſt gefunden / Die dich ſo offt getroͤſt mit ihrem ſuͤſſen Blicke / Dem Haupte / welches dir war lieber / als dein Leben / Vor das du offtermahls das deine wolteſt geben /So62GUARINISo uͤbel fahren mit? Ach Himmel! Ach Geluͤcke! Auff wen hab’ ich gehofft? Wem iſt forthin zu trauen?
Boßhaffte / darffſt du noch auff deine Kuͤnſte bauen / Und mich durch Heucheley verſuchen zu bethoͤren?
Ach lieber Satirus / hoͤr’ auff erzuͤrnt zu ſeyn / Und ſchone / die dich will in tieffſter Demutt ehren / Du biſt kein Tiger nicht / dein Hertz kein Kieſel-Stein / Schaue mich zu deinen Fuͤſſen / wo ich dich beleidigt habe / Goͤldner Abgott meines Hertzens / bitt ich dirs mit Wehmut abe. Um der ſtarcken Helden-Schenckel / die die Hand mit Zitter faßt / Um der alten Liebe willen / die du vor getragen haſt / Um der Honig-Blicke willen / die von meinen Augen ronnen Deinen Sonnen / deinen Sternen izt betruͤbten Thraͤnen Bronnen / Um der bittern Zaͤhren willen / die mir auff den Wange ſtehn / Fleh’ und bitt ich / trag Erbarmnis meiner Angſt / und la mich gehn.
Die Falſche hat mich doch bewegt: Folgt’ ich der Neigun meiner Sinnen / Sie wuͤrde / meiner Treu / gewinneu. Allein ich glaͤub’ ihr nicht / ſie iſt zu abgefuͤhrt / Betreugt am meiſten / wo ſie meiſten Glauben ſpuͤrt. Die Demutt / die ſie weiſt / das Bitten / daß ſie treibt / Koͤmmt von Coriſcen her / die doch Coriſca bleibt. Wehrſt du dich noch?
O weh / mein Haubt! Ich bitte dich Steh doch ein wenig ſtill allhier / und hoͤre mich.
Du wilt mich nur umſonſt mit glatten Worten zwingen / Und zum Erbarmen durch erzwungne Thraͤnen bringen.
Holdſelger Satiro / will denn dein Zorn nicht ſchwinden? Soll mirs ſo uͤbel gehn?
Nur fort / du wirſts empfin den.
Iſt kein Erbarmen?
Nein.
So iſts dein gantzer Ernſt?
Es muß nicht anders ſeyn.
Ha! Limmel ohn Vernunfft! und Toͤlpel ohn Verſtand! Ha! Bock-Fuß! Eſels-Kopff / den Ochſen anverwandt / Du Schand-Fleck der Natur / in Warheit / wenn du denckſt / Coriſca ſey dir nicht mit Liebe zugethan / So thuſt du recht daran. Was liebte ſie an dir? Dein Ratten-Schwaͤntzen gleiches Haar? Der rauchen Ohren ſpitzigs Paar? Den Borſtengleichen Bart / der als ein Igel ſticht / Und wie ein Vogel-Neſt ſich in einander flicht? Die Goſche / welche du in tauſend Falten raͤnckſt / Die / als ein ſtinckend Aas / ein Grauen uns erregt / Die ſieben halbe Zaͤhn’ und zwantzig Licken traͤgt?
Verruchtes Weib / darffſt du mir ſolche Worte ſagen?
Dir eben.
Und ich ſoll dir nicht die Zung’ ausreiſſen?
Wo du mir naͤher koͤmmſt! Trotz / daß du es darffſt wa - gen!
Ein kahles Weib / in ſolchem Stand / Und noch darzu in dieſer Hand / Soll ſo vergallte Wort aus Eyfer um ſich ſchmeiſſen? Soll mich beſchimpffen? Wart ich will.
Was wilſt du thun?
Ich will dich lebendig aufffreſſen / als ein Huhn.
Ja / laß dir vor darzu die Zaͤhne ſetzen ein.
O Himmel! ſolcher Ubermuth ſoll ungerochen ſeyn? Jedoch ich will dir wohl das loſe Maul vertreiben. Komm fort.
Das laß ich bleiben.
Wilſt du nicht fort?
Das laß ich dir zu Trotze bleiben.
Du muſt / und wenn der Arm in Stuͤcken brechen muͤſte.
Ich muß nicht / wenn ich gleich den Kopff im Kampff ein - buͤſte.
Laß ſchen / ob dein Halß mehr ſtarck und feſte ſey / Als meiner Armen Paar. Du ſetzſt die Haͤnde bey: Die werden dir nicht viel behuͤlfflich koͤnnen ſeyn.
Wir wollens ſehn.
Nun wohl.
Zeuch ſtarck: Strick zu! brich Halß und Bein.
Ach weh! mein Kopff! mein Ruͤcken! meine Lenden! O meine Seiten! Weh! Ich kan mich kaum bewenden /Kaum64GUARINIKaum wieder richten auff. Und dennoch iſts gewiß / Daß ſie entlieff / und mir den Kopff im Stiche ließ. O unerhoͤrter Fall! Ihr Nimphen kommt herbey / Ihr Schaͤffer trett herzu / und ſeht die Zauberey. Coriſc’ iſt ohne Kopff lebendig durchgegangen. Wie leicht iſt dieſer Kopff / von Hoffarth auffgeblaſen / Wie ledig von Gehirn / und voll von tollem Raſen. Wie aber / daß kein Blutt nicht weiter fleuſt herfuͤr? Was ſeh’ ich? Oder traͤumet mir? Narr / lebt Coriſca ſonder Haubt? Du biſt des Haubtes / und der Sinnen ſelbſt beraubt. Du haſt dich wohl bedacht / haſt brave Wild gefangen. Schau nun / wie ſie dir hat die Naſe koͤnnen drehen / Als du dich haſt gemeynt am beſten vorzuſehen. Du Hexe / konte ſich dein Falſchſeyn nicht vergnuͤgen / Mit Augen / Hertze / Mund und Haͤnden zu betruͤgen; Biß auch ein falſch geborgtes Haar Der Treuentbloͤßten Stirne Deckel war. Kommt / Reimen-Schmiede / kommt / und ſeht das edle Gold / Das theure Seiden-Garn / das ihr ſo hoch erhebet. Faͤrbt eure Wangen an / bekennet eure Schuld / Und widerrufft das Lob / das ihr ihm ſaͤlſchlich gebet / Sagt / daß es ſey ein Koth von Faͤulnis aus geheckt / Von Zieg’ und Pferd entlehnt / von Leichen weggeraubt / Durch Hencker abgekuͤrtzt / bey Graͤbern auffgeklaubt / Womit ein ſtoltzes Weib die kahle Scheitel deckt: Sagt / daß Meduſens Kopff und die behaarten Schlan - gen Der blauen Furien mit mehrer Anmuth prangen. Verliebte Buhler / kommt / und ſeht die Schlingen an / Darinn ein ſchlaues Weib die Einfalt fangen kan / Die Faden / die ihr Strick’ und feſte Netze nennt / Und wo eu’r Hertze noch / als wie der Mund bekennt / Hier angefeſſelt liegt / ſo hohl ein ieder Ohn Thraͤnen / Sorg’ und Muͤh das Seine kuͤhnlich wieder. Doch / was verweil ich mich an allen Ecken / Coriſcens Schande zu entdecken? Der65treuer Schaͤffer.Der Berenicen Haar / das noch durch hellen Schein Den Kreiß der Sterne ziert / ſoll ſo beruͤhmt nicht ſeyn / Als diß und ſeine Frau durch meine Zung’ auff Erden Beruͤchtigt und beſchimpfft ſoll werden.
O ſchwere Miſſethat / ein Urſprung unſrer Plagen / Die durch verlezte Treu der Liebe Satzung brach! Wir muͤſſen noch daher den Zorn der Goͤtter tragen / Und furchtſam ſtehen aus der Straffen Ungemach. Das Land hat ſo viel Blutt und Thraͤnen muͤſſen ſchwi - tzen / Und kan noch heute nicht davor in Ruhe ſitzen. So wird die edle Treu / ein Schmuck der reinen Hertzen Und aller Tugend Brunn / dort oben hochgeacht; So will der Himmel ſelbſt / der mit viel tauſend Kertzen Und nimmer muͤdem Fleiß vor unſre Wohlfart wacht / Uns durch Gebet und Zwang zu ſuͤſſer Liebe leiten / Die eine Mutter iſt von allen Froͤligkeiten. ” Ihr Thoren / angeſteckt von der Begier zu haben /” Die ihr mit blaſſer Furcht an euren Kaſten klebt /” Darinn ein goͤldnes Aaß / eur Abgott / liegt begraben /” Und den Geſpenſtern gleich / um ſeine Ruhſtatt ſchwebt /” Was vor vergnuͤgte Luſt kan euren bloͤden Sinnen” Ein unbelebter Koth und todtes Weſen guͤnnen? ” Ein unempfindlich Gutt / unfaͤhig zu genieſſen” Der zugetheilten Huld / iſt keiner Liebe werth. ” Die wahre Liebe muß von Seel auff Seele flieſſen /” Wird von erzeigter Gunſt und Gegen-Gunſt genaͤhrt. ” Die Seele / die allein kan Liebe wieder geben /” Iſt wuͤrdig / daß ſie liebt / und Liebe ſoll erheben. Zwar ſuͤſſe ſchmecket uns das Kuͤſſen ſchoͤner Wangen / Das den Corallnen Mund an ihre Roſen ſchließt: Und gluͤcklich / wer ſo viel kan unverwehrt erlangen; Doch / wer begluͤckter Lieb’ ein Meiſter worden iſt / Wird ſagen / daß der Kuß nicht recht iſt angewendet / Dem die gekuͤßte Zier nicht Gegen-Kuͤſſe ſendet. EAch /66GUARINIAch / wenn man giebt und nimmt / verſagt und willig giebet / Corallen auff Rubin und Lipp’ auff Lippe ſezt / Wenn uns entgegen eilt das Muͤndchen / das man liebet / Mit Honigſuͤſſem Thau die duͤrre Seele nezt / Wenn Liebe wieder giebt / was Liebe von ſich ſchicket Und gleichen Wechſel haͤlt / wie wird der Geiſt entzuͤcket? Es kuͤſſe / wer da will / der Stirnen Alabaſter / Und ſchlaͤffre durch den Kuß die ſchoͤnen Augen ein / Der Schnee der zarten Hand / das glatte Marmel-Pflaſter Der wohlgewoͤlbten Bruſt mag ſein Vergnuͤgen ſeyn. Der Mund kan ſich allein im Kuͤſſen danckbar weiſen / Und den verliebten Geiſt mit Staͤrck’ und Nahrung ſpeiſen. Die Seelen die ſich ſelbſt verlangen zu begruͤſſen Ziehn ſich dem Munde zu / bekuͤſſen / was ſie kuͤßt / Bereden unter ſich / was ſie alleine wiſſen / Von dem ein ſtummer Zeug ihr ſtilles Rauſchen iſt / Verwechſeln ihren Geiſt / verdoppeln ihre Flammen / Und knuͤpffen ihre Lieb’ auff ewiglich zuſammen.
JUgend des verneuten Jahres / die den Erden-Kreiß ve juͤngt / Neue Blumen / neue Kraͤuter / und viel neue Lieben bringt / Gruͤner Lentz / du koͤmmſt wohl wieder / aber die begluͤckte Stunden Meiner vorgenoßnen Freuden / haben ſich nicht wieder fu den: Gruͤner Lentz / du koͤmmſt wohl wieder / aber bringſt mir nich mit dir / Als ein traurig Angedencken der verlohrnen Luſt und Zier. Du biſt wie vor dem beliebet / voller Wonne / voller Freude Ich verhaßt bey ſchoͤnen Augen / voller Schmertzen / voll Leiden. Bittre Suͤßigkeit der Liebe / welche ſchwerer iſt vermiſſen / Als von Anfang nicht genieſſen! Gluͤ67treuer Schaͤffer.Gluͤcklich waͤre ſie zu nennen / wenn ſie ſtetes Wohlſeyn goͤnnte / Oder man entwichner Guͤtter auch zugleich vergeſſen koͤnte. Doch woferne ſich mein Hoffen nicht wie ſonſten glaͤſern weiſt / Oder mein entbrennt Verlangen mich mit leerem Rauche ſpeiſt / Wo der Nachricht gutter Freunde voͤllig Gnuͤgen wird ge - ſchehn / Soll ich hier die ſchoͤne Sonne meiner truͤben Augen ſehn. Ihre zarte Fuͤſſe werden hier auff dieſen Blumen gehn / Und durch mein geaͤngſtigt Seuffzen angehalten ſtille ſtehn. Hier wird mein begierig Auge nach ſo langem Hunger leiden An dem himliſchen Geſichte die verſchmachte Seele weiden. Hier / allhier wird Amarillis gegen mir die Augen wenden / Harte Blicke / wo nicht ſuͤſſe / wilde / wo nicht milde / ſenden / Und dadurch nach meinem Wuͤnſchen / mein verhaßtes Leben enden. O gluͤcklicher und lang’ umſonſt gewuͤnſchter Tag / Wofern ich nach ſo vielen truͤben Stunden / Darinnen ſich mein thraͤnend Auge funden / Zwey Sonnen / mir geneigt erſcheinend ſehen mag! Hier aber ſoll ich ja / wie mir gedeutet an / Des Blinden Spielende die Amarillis finden: Wie wiederfaͤhrt mir denn / daß ich noch keinen Blinden Als meinen blinden Wunſch und Hoffnung finden kan Von fremder Hand bißher umſonſt geleitet. Hat wohl mein grauſames Geſchicke Vielleicht ein neues Ungeluͤcke Zu hemmen meine Luſt bereitet? Das lange Warten macht mein Hertze zittern / Die Seele beben und den Leib erſchuͤttern. Verliebtem Hertzen / dem ſein Hoffen bleibt zu ruͤcke / Wird ein verdruͤßlich Jahr aus iedem Augenblicke. Wer weiß / ob ich nicht auch zu langſam kommen bin / Und ſich Coriſca hier vergebens hat verweilt. Ich habe doch / ſo viel mir moͤglich / hergeeilt. Doch / waͤre dieſes wahr / ſo iſt mein Leben hin.
HIer iſt die Blinde ſchon zum Spiel geſchickt.
Ach Blick / der mich entzuͤckt!
Was ſaͤumet ihr?
Ach Wort / daß mich verwundt Zugleich / und wieder macht geſund!
Wo ſeyd ihr / die ihr wart ſo haſtig anzufangen? Und du Coriſca auch / wo biſt du hingegangen?
Izt kan man von der Liebe Blindheit ſagen / Und ſiehet ſie ein Band vorn Augen tragen.
Ihr / die ihr mir bißher gewieſen habt die Bahn / Und meine Hand gefuͤhrt / wenn jene kommen an / So muͤſt ihr mit mir weg von dieſen Straͤuchen gehn / Und mich / wo beſſer Raum / alleine laſſen ſtehn / Macht einen Kreiß um mich / und ſchließt mich mitten ein / So will ich ſehen / wer nach mir wird Blinde ſeyn.
Wie aber gehts mit mir? Ich ſehe nicht / wie ich mein Ziel Erreichen kan durch dieſes Spiel / Merck’ auch Coriſcen noch nicht hier. Der Himmel helffe mir.
Habt ihr euch nun einmahl / muthwillge Schweſtern / fun den? Fangt auch das Spiel nun an / dieweil ich bin verbunden.
Blinder Schuͤtz / ich glaͤube nicht / Daß dir Aug’ und Licht gebricht; Aber dieſe machſt du blind / Welche dir ergeben ſind. Ob du blind / ob ſehend biſt / So entgeh’ ich deiner Liſt / Und vermeide durch die Flucht / Was mich zu beſtricken ſucht. Ich hab’ einmahl ſchon gefuͤhlt / Wie gewiß dein Bogen zielt / Wie dein vorgeknuͤpfftes Band Nicht verhindert Pfeil und Hand. Nun mein Hertze wieder frey Worden iſt der Tyranney /So69treuer Schaͤffer.Solt ich wieder gehen ein / Muͤſt’ ich voller Thorheit ſeyn. Brauche Liſt / Gewalt und Kunſt / Dein Bemuͤhen iſt umſunſt. Deine Luſt / dein beſter Schertz Endet ſich mit Leid und Schmertz.
Ihr macht den Kreiß zu weit / wolt euch zu wenig wagen. Ihr moͤget wohl entfliehn / doch ſolt ihr mich vor ſchlagen. Ihr ſollet mir gewiß nicht allezeit entwerden.
Was ſeh’ ich? Wo bin ich? Im Himmel? Auff der Erden? Das Auge wird durch holden Blick erquickt / Das Ohre wird durch ſuͤſſen Klang entzuͤckt.
Falſches Kind / du ruffſt mir wohl / Daß ich mit dir ſpielen ſoll. Nun ich finde mich bereit Einzugehen in den Streit / Der geſchwinde Fuß entflieht / Wenn die Hand dich zopfft und zieht. Ich entreiſſe / wenn du denckſt / Daß du mich am beſten faͤngſt. Ich entweich’ / und trete zu / Goͤnn dir ſelber keine Ruh. Und du kehrſt dich mit Beſchwer Nur vergebens um mich her. Fuͤhlſt du / wer dich ſelber ſticht / Und erwiſcheſt mich noch nicht? Blinder Schuͤtze / lern hierbey / Daß ich freyer Sinnen ſey. Ich dachte / Licoris / ich haͤtte dich gefaßt; So hab’ ich (ſpotte nur und lache /) dieſen Aſt.
Waͤr ich an ſeiner Stell! Iſt nicht Coriſca dort Verborgen? Ja ſie iſts / und winckt mir immer fort.
Freyer Sinn macht leichten Fuß. Lockſt du mich durch einen Kuß? Soll das Wincken deiner Hand Werden meiner Armen Band? E 3Fal -70GUARINIFalſches Kind / voll Heucheley / Ziehſt du mich mit Liſt herbey? Suchſt du durch verheiſchne Luſt / Einzunehmen meine Bruſt? Nun ich komme wieder an: Schau / wie ich dich hetzen kan? Wie ich mich in einem Kreiß Um dich her zu wenden weiß. Ich bin hier und da bey dir / Und du greiffſt umſonſt nach mir. Blinder Schuͤtze lern hierbey / Daß ich freyer Sinnen ſey.
Daß du verdammter Strauch verbrennet muͤſſeſt werden. Eliſa / dacht ich dich nicht eigen zu erwiſchen.
Coriſca winckt noch mehr mit zornigen Geberden. Ob ich mich irgend ſoll zu dieſen Spielern miſchen?
Soll ich den gantzen Tag mein Spiel mit Baͤumen treiben?
Ich kan / wie gern ich will / nicht mehr verborgen bleiben. Du Feiger / greiff doch zu / Was ſtehſt / was ſinneſt du? Wartſt du biß ſie dir ſelbſt ins Maul gelauffen koͤmmt? Wilſt du nicht Jaͤger ſeyn / ſo ſey ſie Jaͤgerin. Fort / gib mir deinen Stab und gehe zu ihr hin.
Ach / daß mein Mutt ſo ſchlecht mit dem Verlangen ſtimmt! Wie wenig wagt ein Hertz / das doch ſo viel begehrt!
Macht / daß ihr noch einmahl zum Spiele wiederkehrt. Ich bin gantz muͤde ſchon. Ihr nehmet ſchlecht in acht / Was eure Hoͤffligkeit mir vor Vemuͤhung macht.
Schau / du kuͤhner Sieges-Held Dem die Welt zu Fuſſe faͤllt / Wie dirs dieſen Tag ergeht Und dein hoher Ruhm beſteht. Wie Minervens Vogel nicht Bey dem hellen Sonnen-Licht Sich der Feinde wehren kan / Die ihn ſpoͤttiſch greiffen an /Ob71treuer Schaͤffer.Ob er hackt und blaͤſt ſich auff / Geben jene wenig drauff: Alſo wird auch deine Macht Kuͤhnlich unter uns verlacht. Schau / es ruͤhrt dich / wer da kan / Izt von forn / izt hinten an / Stoͤſt und ſchlaͤgt dich / ſticht und zwickt / Und doch keine wird beruͤckt. Aber der Verluſt iſt auch Endlich aller Spiele brauch. Wer mit Liebe ſchertzen wil / Der verliert das lezte Spiel.
Aglaur ich habe dich / du wirſt mir wohl nicht loß.
Gewiß / haͤtt’ ich ihn nicht durch unverſehnen Stoß Ihr auff den Hals geſchipfft / er waͤr nicht hingegangen.
Du redeſt mir kein Wort. Biſt du es / oder nicht?
Hier liegt ſein Schaͤffer-Stab / ich gebe weiter acht / Was das verliebte Paar beyſammen macht.
Izt werd ich erſt / wers iſt / gewahr. Du biſts Coriſca / groß und ſonder Haar. Schau / wie mir ſo nach Wunſch geſchicht. Dich eben wolt’ ich fangen Und duͤchte klopffen aus / mein Muͤthchen abzukuͤhlen: Da haſt du einen Stoß / noch einen und auch den. Wie iſt dir? Biſt du ohne Maul? Nun / haſt du mich geblendt / laß mich auch wieder ſehn / Und mache bald mein Schatz / ſo geb’ ich dir darzu Den ſuͤßten Kuß den ich vermag. Was ſaͤumeſt du? Mich daͤucht / es zittern dir die Haͤnde? Biſt du muͤde? Gehts mit den Fingern nicht / verſuche mit dem Zahn. Wie biſt du doch ſo ungeſchickt und faul? Laß mich / es wird mir ſelbſt viel leichter gehen an. Mit wie viel Knoten haſtu / Loſe / mich verbunden? E 4Wenn72GUARINIWenn du wirſt Blinde ſeyn / will ich dirs auch nicht ſpa ren. Nun bin ich endlich frey. O weh! Was ſeh ich? Laß mich loß Verraͤther! Ich vergeh!
Mein Kind / gib dich zu Friede.
Laß mich / gebuͤhrts ſich / ſo den Nimphen mit zu fahren? Treuloſe Schaͤfferin / wo ſeyd ihr hin verſchwunden? Laß mich!
Ich laſſe dich.
Das iſt Coriſcens falſche Liſt / und meine Flucht der Lohn / Den deine Frechheit traͤgt davon.
Was fleuchſt du / Grauſame? Sieh’ mich auffs minſte ſter ben: Diß Eiſen in der Bruſt ſoll mir die Ruh’ erwerben.
Was thuſt du?
Was dich reut / daß dus nicht ſelber thuſt.
Ach weh / ich bin halb todt!
Und / wo ich ſoll allein Ein Opffer deiner ſchoͤnen Haͤnde ſeyn / Hier iſt der ſcharffe Stahl und die entbloͤßte Vruſt.
Du waͤreſt es wohl werth. Wer machet dich ſo kuͤhn?
Die Liebe.
Liebe giebt nichts unbeſcheidnes ein.
So glaube denn / daß ich verliebet muͤſſe ſeyn / Weil ich beſcheiden gnug bißher geweſen bin. Erwege / daß du mich zu erſt in Arm genommen / Und daß ich mich das minſte nicht erkuͤhnt / Worzu mir die Gelegenheit gedient / Daß ich mich der Vergnuͤgung ſelbſt beraubt / Die durchs Geſetz der Liebe war erlaubt / Und durch die Hoͤfligkeit bin um mein Gluͤcke kom - men.
Verweiſe mir nicht mehr / was ich als blind gethan.
Ach Nahme / den man mir am beſten geben kan!
Mit Bitten ohne Zwang / Liebkoſen ohn Betruͤgen / Nicht mit Gewalt und Liſt ſoll treue Liebe ſiegen.
Gleichwie ein wildes Thier / vom Hunger angetrieben / Den dicken Wald verlaͤßt / und was es findt / zureiſt: So / weil ſich nur allein von dir ernaͤhrt mein Geiſt / Und ihm dein ſuͤſſer Blick zur Speiß iſt auſſen blieben / Wenn ich den oͤden Puſch voll Hunger einſt verlaſſe /Dar73treuer Schaͤffer.Darinn ich ſo viel Zeit ungeſſen zugebracht / Und mir zum Unterhalt das einge Mittel faſſe / Was mir die hoͤchſte Noth vergoͤnnt und billich macht / Kanſtu mich denn darum / erzoͤrnte Nimphe / ſchelten? Die Schuld iſt ſelbſt an dir / wo deine Worte gelten. Wenn treu-verliebte nur mit Bitten ſtreiten ſollen / Und du mir nie dazu haſt Zeit vergoͤnnen wollen / So haſtu mir ja ſelbſt Gelegenheit benommen / Getreuer Liebe Ruhm und Gluͤcke zu bekommen.
Mirtillo / daͤchteſtu zu leben recht beſcheiden / So waͤre deine Pflicht / was vor dir flieht / zu meiden. Du weiſt / daß du um ſonſt nach meiner Liebe trachteſt. Was wiltu denn von mir?
Daß du mich nur einmahl Zu einer Linderung der innern Hertzens-Qual / Vor meinem Tode noch zu hoͤren wuͤrdig achteſt.
Das iſt bereits geſchehn. Drum geh im Frieden hin.
Ach / ſchoͤnſte Schaͤfferin! Was ich bißher geſagt von meinem Leid und Weh / Gleicht einem Tropffen nur der ungeheuren See. So hoͤre lachend doch / wo nicht mit Beyleid / an / Was dir mein ſterbend Mund zu gutter Lezte ſagen kan.
Dich deines Irthums / mich der Unruh / zu befreyn / Vergoͤnn ich dir Gehoͤr: Doch dieſes ſoll dabey von mir beduͤnget ſeyn: Sey kurtz / geh fort / und komm nicht mehr.
Ich ſoll auff dein Geheiſ’ in allzu enge Schrancken Mein Leiden ſchlieſſen ein / das keine Graͤntzen findt / Das ſelbſten uͤberſteigt die menſchlichen Gedancken / Sich an kein Maß noch Ziel und an kein Ende bindt. Daß ich dich lieb / und mehr als ſelbſt mein eigen Leben / Wo du es / Grauſame / bißhero nicht erkennt / So frage dieſen Wald / der wird dir Zeugnis geben / Wie offt ſein Wiederhall den ſuͤſſen Nahmen nennt / Sein ungezaͤhmtes Wild / ſein feſtes Holtz und Steine Zeugt / wie viel Waſſer ich aus meinen Augen weine. Was frag’ ich aber viel nach Zeugen meiner Liebe / Wenn deine Schoͤnheit prangt mit ſolchem Anmuths - Triebe? E 5Schau74GUARINISchau nur die Zierligkeit des heitern Himmels an / Und was der Erden-Bau beliebtes weiſen kan / Faß alles / was du ſiehſt / in engen Kreiß zuſammen / Und denn urtheile von dem Urſprung meiner Flammen. Denn / wie das Waſſer ſinckt / das Feuer auffwaͤrts ſteigt / Die leichte Lufft ſich ruͤhrt / die Erde ruhend ſteht / Der blau-gewoͤlbte Kreiß in ſeine Runde geht / So bin ich von Natur zu lieben dich geneigt. Du biſt mein Element / der Leitſtern meiner Sinnen / Wer den entzuͤckten Geiſt von dir zu trennen hofft / Wird eher Himmel / Erd und Feuer / Flutt und Lufft / Ja dieſe gantze Welt / als ihn verruͤcken kuͤnnen. Doch / daß ich auff dein Wort mein Leiden kuͤrtzlich klage / So ſag’ ich wenig / wenn ich / daß ich ſterbe / ſage / Und thu noch weniger / wenn meine Seel erwegt / Was ihr dein grauſam-ſeyn vor Straffen auffgelegt: Doch thu ich diß / was mir allein noch uͤbrig bleibt / Nachdem mein Sehmertz mir mehr zu leiden nicht erlaͤubt. Ach aber / Grauſame / wiltu / wenn ich begraben / Mit meinen Qualen auch zum mindſten Beyleid haben? Quelle vor dieſem verzuckerter Schmertzen / Engel / ach Leben / voll himmliſcher Zier / Wende doch / wende die blinckenden Kertzen Deiner liebreitzenden Augen zu mir. Laß ſie mich Sterbenden heiter erblicken / Meine verſchmachtende Geiſter erquicken. Habt ihr vor dieſem zum Leben geſchienen / Sonnen und Wonnen verſtrichener Zeit / Sollt ihr auch billig zum Tode mir dienen / Habt ihr mein Hertze zur Liebe geleitt / Sollt ihr auch billig / ihr flammenden Augen / Meine verrauchende Geiſter ansſaugen. Aber ihr geſtaͤhlten Sinnen laſſt noch kein Erbarmen ſehn / Hoͤrt mich ſonder Antwort klagen / werdet haͤrter durch mein Flehn. Armſeliger! red ich die ſtummen Felſen an? Wofern mich ie dein Mund nicht beſſer troͤſten kan / So ſprich auffs mindſte; ſtirb; es ſoll alsbald geſchehn. Ach75treuer Schaͤffer.Ach Lieb! iſt dieſes nicht Schmertz uͤber allen Schmertz / Daß ein ſo unempfindlich Hertz / Und welches meinen Tod ſo ſehr verlangt zu ſehn / Nicht durch ein einig Wort befoͤrdert meinen Tod / Auff daß der Tod nicht ſey ein Ende meiner Noth.
Haͤtt’ ich dir zuvorhin die Antwort zugeſagt / So haͤtteſtu mit Recht mein Schweigen angeklagt. Dein Reden wirfft mir vor ein wildes grauſam-ſeyn / Und ſucht das Widerſpiel bey mir zu fuͤhren ein: Wiſſ’ aber / daß mir nicht ſo ſuͤß in Ohren klingt Das unverdiente Lob der Schoͤnheit / die du preiſeſt / Als meiner Seele Luſt und keuſche Freude bringt / Die Tugend / die du mir als Tyranney verweiſeſt. Ich glaube / Grauſamkeit ſey ſonſten ſchwere Suͤnde / Doch Tugend / wenn ſie ſich bey Lieb ins Mittel finde: Was unbarmhertzig heiſſt / Zucht / Scham und Erbarkeit / Iſt ſchoͤner Frauen Schmuck und beſtes Ehrenkleid. Und / heiſſe Grauſamkeit im Lieben ein Verbrechen: Kanſtu die Amarill um ſolche Schuld beſprechen? War dieſes Grauſamkeit / als dein verwuͤrcktes Leben Aus lauter Beyleid dir zur Beute ward gegeben / Als du voll Unbedacht von ungezaͤhmten Lieben / Von toller Eitelkeit und Vorwitz angetrieben / In gleicher Frauen-Tracht zu keuſchen Nimphen kamſt / Durch dein von uͤppiger Begier entzuͤndtes Hertz Befleckteſt ihren reinen Schertz / Den / unverdienten Zoll von ihren Lippen nahmſt / Mit Kuͤſſen / die erdichtt und voller Unſchuld waren / Die deinen voller Liſt und Falſchheit dorffteſt paaren / Daß man noch ohne Scham davon nicht reden kan. Wiewohl der Himmel weiß / daß ich dich da nicht kannte / Und nachmals gegen dir in heiſſem Zorn entbrannte / Daß deine Liſt den Mund und nicht den Sinn bezwang / Und mir der Liebe Gifft nicht zu dem Hertzen drang. Und endlich ruͤhrteſtu doch nur die Lippen an. Mit Zwang gekuͤßter Mund darff nur den Kuß wegſpeyn / So wird er aller Schuld und Schande ſich befreyn. Was aber haͤtteſtu vor Lohn /Im76GUARINIIm Fall ich ſolche That die andern laſſen wiſſen / Des frevlen Diebſtahls bracht davon? Kein Orpheus ward iemahls ſo grauſamlich zuriſſen Von Weibern Thraciens / als wie ſie dich zerſtuͤcket haͤtten / Haͤtt’ ich nicht / die du izt ſo grauſam nennſt / dich wollen retten. Doch aber iſt ſie nicht ſo grauſam / als ſie ſoll: Denn / wagſtu izt ſo viel / und ſteheſt doch nicht wohl Verſichert ihrer Gunſt / was wuͤrde nicht geſchehn / Wenn ſie ſich mehr geneigt und freundlich ließe ſehn? Was ſie dir goͤnnen kan / haſtu bereits empfangen; Umſonſt iſts / daß du mehr begehreſt zu erlangen. Es iſt ein ſchlechter Rath / mit andern Beyleid fuͤhren / Dadurch man ſelber Gunſt und Beyleid muß verlieren. Biſtu in mich verliebt / wie du haſt ausgegeben / So lieb auch meine Ruh / mein Ehre / ja mein Leben. Du biſt von dem / das du begehrſt / zu weit entſezt / Das Himmel / Erd und Tod verhindert / wehrt und raͤcht / Am meiſten aber noch die Ehre widerfecht / Die iede reine Seel ihr beſtes Kleinod ſchaͤzt. Drum gib dich ſelbſt zur Ruh / und ficht auch mich nicht an. Fleuch weit / und biſtu klug / erhalte dich bey Leben. ” Denn ſich aus Ungedult dem Tod in Rachen geben” Iſt keine Helden-That: der wahren Tugend Bahn” Iſt diß zu meiden / was beliebt /” Im Fall es ſchadet und betruͤbt.
Kan auch der Menſch dem Tod entfliehn / Dem ſich izt will die Seel entziehn?
” Durch Tugend und Verſtand wird alle Noth bekriegt.
” Die Tugend richtet nichts / wo ſchon die Liebe ſiegt.
” Wer nicht kan was er will / muß wollen was er kan.
” Der Liebe feſter Schluß nimmt keine Richtſchnur an.
” Wer Feuer loͤſchen will / muß Holtz und Kohlen ſcheiden.
” Was man im Hertzen traͤgt / iſt uͤbel auszuſchneiden.
Man ſieht / wie alte Lieb in neuer Brunſt verglimmt.
Ja / wo ein andre Seel in dieſe Glieder kuͤmmt.
Die kalt-begraute Zeit wird doch die Glutt verzehren.
Den Coͤrper aber vor ins kalte Grab gewehren.
So ſtehet deiner Pein kein Mittel offen?
Kein Mittel / als den Tod / hab ich zu hoffen.
Den Tod? ſo hoͤre mich anizt / Und nimm ja dieſe Wort als ein Geſetze wahr: Es iſt mir wohl bekannt / daß bey verliebter Schaar Der Tod mehr auff der Zung als in dem Hertzen ſizt / Doch / wenn dich ja einmahl die Schwermut ſo bethoͤrte / Und deines Ungeluͤcks ein Ende ſuchen lehrte / So wiſſe / daß dein Tod nicht minder mich bekraͤnckte / Und meinen gutten Ruhm mit dir ins Grab verſenckte. Drum lebe / wo du mich noch liebeſt / geh nun hin / Und huͤtte dich fortan zu kommen / wo ich bin.
Ach / allzuſchwerer Spruch! wie kan ich ſterbend leben / Und meiner Noth und Pein ohn Tod ein Ende geben.
Mirtill / es iſt nun Zeit / daß man von hinnen eilt / Du haſt dich ohne diß ſchon allzuviel verweilt. Geh hin / und troͤſte dich / daß dieſe nicht zu zaͤhlen / Die ſich / ſo wohl als du / mit heiſſer Liebe quaͤlen. Es laͤſſt manch Hertze noch ſein Blutt in Thraͤnen fliſſen. Und wers empfindet / kan den Schmertz am beſten wiſſen.
Ich bins alleine nicht / der ungluͤckſelig liebt / Doch der alleine / der ein klaͤglich Beyſpiel giebt / Wie ein durchaͤchtes Hertz nicht ſterben noch geneſen kan.
Mirtillo / fort einmahl / und mach dich auff die Bahn.
Ach / bitteres Scheiden! Ach / toͤdtliches Leiden! Ich laſſe mein Licht / Und ſterbe doch nicht!
Muß Klagen / und Plagen Des Todes ertragen / Verlaſſe mein Licht Und ſterbe doch nicht!
Ein lebendes Sterben Zu neuem Verderben Belebet mein Hertz Zu ewigem Schmertz.
Mein78GUARINIMein Hoffen und Sehnen Begraͤbt ſich in Thraͤnen. Ich laſſe mein Licht / Und ſterbe doch nicht!
Mirtillo / meine Seel / im Fall du ſolteſt wiſſen / Wie dieſes Hertze ſey bewandt / Das grauſam von dir wird genannt / Du wuͤrdeſt mich vielmehr / als dich / beklagen muͤſſen. O Hertzen / die zu ſehr vor reine Liebe leiden / Was nuͤzt das lieben und geliebt ſeyn allen beyden? Warum erſteckt der Zorn des Himmels unſre Flammen / Die doch die Liebe ſelbſt entzuͤndt! Und woher kommts / daß Liebe bindt / Was das Verhaͤngniß doch trennt wiederum vonſammen? Gluͤckſelig iſt das Wild / dem die Natur im Lieben Kein anderes Geſetz / als Liebe / fuͤrgeſchrieben! Der Menſch / das edle Thier / muß mehrern Zwang erleiden / Und durch die Liebe ſtraffbar ſeyn. Geht ſuͤndigen ſo lieblich ein / Und ſoll man ſolche Luſt doch ſo mit Ernſte meiden / Iſt die Natur zu ſchwach / die dieſes Recht muß brechen / Iſt dieſes Recht zu ſcharff / das die Natur will ſchwaͤchen. Doch / wer das Sterben ſcheut / muß wenig Lieb empfinden. Wie freudig wolt ich ſeyn / wenn man verliebte Suͤnden Mit keiner andern Straff / als mit dem Tode / buͤßte! Nun aber ſtell ich dir / O unbefleckte Zucht / Die Lieb-entbrannten Luͤſte / Die biß anher in meiner Bruſt gekocht / Durch deine heilge Schaͤrff’ entaͤdert auffs Altar / Zu einem reinen Opffer dar. Und du / mein Hertz / Mirtill! verzeihe dieſer Armen Die ſich nur hart und ungeneigt Deßhalben gegen dich bezeigt / Weil ſie ſich deiner nicht ohn Suͤnde kan erbarmen. Ver -79treuer Schaͤffer.Verzeihe der / die dir wol feind In Worten und Geberden ſcheint / Doch dich im Hertzen mehr / als ſich / mit Liebe meynt. Und wo du wilt darum nach ſtrenger Rache ſtreben / Was kan dir beſſre Rach / als deine Schmertzen / geben? Denn / ſo du biſt mein Hertz / als wie du es doch biſt / Ob Erd und Himmel gleich darum erzuͤrnet iſt / Wenn deine Thraͤnen ſich in lange Stroͤhme ziehn / Und deiner Seufftzer Zahl beſtuͤrmt das Wolcken-Hauß / So fließt mein mildes Blutt mit ſolchen Thraͤnen hin / Mein Lebens-Athem raucht mit ſolchen Seufftzern aus / Und was du fuͤhlſt in deinem Hertzen / Sind deine nicht / ſind meine Schmertzen.
Verhoͤle mir nicht weiter deinen Brandt / Geliebtes Kind / durch falſcher Worte Schatten.
Ach Himmel / hilff! ich Aermſte bin verrathen!
Ich habe dein Anliegen laͤngſt erkannt; Ich habe laͤngſt geſagt / du biſt verliebt / Ob gleich dein Wort das Widerſpiel ausgiebt. Izt bin ich nun durch deinen eignen Mund / Mein Tauſend-Schatz / dir kommen auff den Grund. Und warum haſtu mirs nicht laͤngſt vertraut? Haſtu ſo ſchlecht auff meine Treu gebaut? Was wirſtu roth? die Lieb iſt eine Pein / Die durch die gantze Welt gemein.
Ich muß dir nur mein gantzes Hertze ſagen / Und thraͤnend uͤber meine Schwachheit klagen.
Nachdem ſie ohne diß iſt worden offenbahr.
Ich thoͤrichte / nehm izt aus eignem Beyſpiel wahr / Ein Hertz iſt viel zu ſchwach die Lieb in ſich zu zwingen / Die durch ſo manches Thor ins weite Feld kan dringen.
Wie kanſtu aber den Mirtill ſo grauſam plagen / Und dein ſelbſt eignes Hertz in ſtiller Glutt verbrennen?
Mitleiden kan man nicht vor Grauſamkeit erkennen.
Man ſieht kein ſuͤſſes Kraut vergaͤllte Fruͤchte tragen / Die Liebe zeugt nicht Haß. Was bringt vor Unterſcheid Mitleiden ohne Huͤlff / und harte Grauſamkeit?
Ach / Schweſter!
Seufftzen bringt das Hertze nicht zu Ruh / Und kommt den Weibern nur von ſchlechtem Mutte zu.
Coriſca / wuͤrd’ ich ich nicht viel unbarmhertzger ſeyn / Wenn ich ihm wolte Lieb’ ohn Hoffnung pflantzen ein?
Lieb’ ohne Hoffnung?
Ja / dir iſt ja unverborgen / Daß ich dem Silvio von Goͤttern bin beſtimmt / Und daß durch ihr Geheiß die Braut ums Leben kuͤmmt / Die ihre Treue bricht.
Haſtu ſonſt keine Sorgen? Wer iſt von uns / der nicht der Liebe Grundgeſetze Mehr als Dianens Schluß alt / hoch und herrlich ſchaͤtze.
Liebe wird mit uns gezeuget / Lagert ſich in unſre Bruſt / Wird von einer Milch geſaͤuget / Naͤhret ſich von einer Koſt / Waͤchſt uns mit der Jahre Lauff Ungemerckt zur Seiten auff.
Wenn der Jugend Fruͤhling bluͤhet / Und der Alten kluge Hand Bey der jungen Welt ſich muͤhet Zu erbauen den Verſtand / Leitet uns auch die Natur Auff der ſuͤſſen Liebe Spur.
Keinen Meiſter darff man hoͤren Zu begreiffen dieſe Kunſt; Eigne Neigung kan uns lehren / Was da ſey der Liebe Brunſt. Ihre ſtrengen Rechte ſeyn Unſrer Bruſt geſchrieben ein.
Wo ſie herrſcht / muß ihrem Willen Erd und Himmel gehen nach. Ihr Gebitten zuerfuͤllen / Scheut der Menſch kein Ungemach. Ihr81treuer Schaͤffer.Ihr Gehorſam zwingt die Noth / Machet ſuͤſſe Schmertz und Tod.
Wenn aber ich nach dem Geſetze kaͤm ums Leben / Die Liebe wuͤrde mirs nicht wieder geben.
Du giebſt ja gar zu wohl auff alle Sachen acht. Waͤrn alle Frauen ſo / Vergnuͤgen gute Nacht! Ich glaube / dieſes Recht geh nur die Einfalt an / Die ihre Liebe nicht mit Witz verfuͤhren kan / Die Klugen ſtrafft es nicht: wenn alle ſolten ſterben / Man wuͤrd’ in kurtzer Zeit viel ſtoltze Frauen miſſen. Stuͤrzt eine Naͤrrin ſich aus Thorheit ins Verderben / So widerfaͤhrt ihr recht; der Dieb muß billig buͤſſen / Der / was er hat geraubt / nicht wohl zu bergen weiß. Und will man von der Sach ein gleiches Urtheil faͤllen / Was iſt die Erbarkeit? ein Wahn / ein ſchlauer Fleiß Und kluge Wiſſenſchafft / ſich erbar anzuſtellen. So glaub’ ich; Mit mir mags nun halten / wer da will. Coriſca / diß ſind Wort / ich hab ein ander Ziel. Was mir nicht bleiben kan / das will ich nie begehren. Wer will dirs Naͤrrin wehren? Das Leben iſt zu kurtz / nur einen lieb zu haben / Die Maͤnner gegen uns zu karg mit ihren Gaben. Nicht weiß ich / ob dran Schuld ihr kaltes Hertze ſey / Ob ihrem Willen nicht die Kraͤffte ſtimmen bey. Und weiſtu nicht / daß man uns nur ſo lange liebet / Als noch das friſche Blutt den Wangen Farbe giebet. Zieht uns das Alter aus der Jugend Ober-Rock / So bleibt der krumme Leib ein leerer Bienen-Stock / Aus dem das friſche Naß / der Honig / iſt genommen / Von iederman veracht. Geh / laß die Maͤnner brummen Und unſern Wanckelmutt ausſchreyen bey der Welt / Sie wiſſen nicht / wie ſchlecht es iſt um uns beſtellt / Sie fuͤhlen nicht / wo uns die engen Schuhe druͤcken. Wir muͤſſen nehmen an / was uns die Sternen ſchicken / Und duͤrffen uns / wie ſie zu waͤhlen / nicht erkuͤhnen. Was vor ein Unterſcheid iſt zwiſchen uns und ihnen? Das Alter wird vor ſie zum beſten angewandt / Nimmt ihre Schoͤnheit ab / ſo waͤchſet der Verſtand:FGeht82GUARINIGeht uns die Jugend weg / mit deren Zier wir prangen / Offt ſtarcker Helden Sinn und kluge Manner fangen / So iſts um uns gethan. Was iſt ein altes Weib? Ein Gauckelſpiel der Welt / der Jugend Zeitvertreib / Ein’ Eul / um deren Haubt die leichten Voͤgel ſchertzen / Ein Ausbund aller Schmach / ein Auszug aller Schmertzen Drum / eh den zarten Leib gemeines Elend druͤckt / So brauche dich / mein Kind / wozu du biſt geſchickt / Genieſſe deiner Zeit. Was hilfft den ſtoltzen Leuen / Daß ſich vor ſeiner Macht die Thier im Walde ſcheuen / Im Fall er nimmer braucht der Klauen ſtarcke Krafft? Was hilfft den klugen Mann Verſtand und Wiſſenſchafft / Wenn er ſich deren nicht bedient zu rechter Zeit? Was nuͤzt dein Eigenthum / der Glieder Zierligkeit / Mit welchem die Natur uns Frauenvolck bedenckt / Wie ſie dem Leuen Muth / Verſtand dem Manne ſchenckt / Im Fall ſie freſſen ſoll der faulen Jahre Roſt. Gebrauche dich / mein Kind / gebrauche dich der Luſt / Weil noch der Roſen Glantz auff deinen Wangen bluͤhet. Die Jahre ſtreichen hin / die leichte Zeit entfliehet / Und kehrt nicht wieder um. Ihr kaltes Alter weiß Noch andern Zeitvertreib vor ihrer Glieder Eiß: Wir ſchlagen nimmer aus / wenn unſer Lentz vergangen. Ein altes Weib kan Lieb empfinden / nicht empfangen.
Du ſchwaͤtzeſt / glaub ich ſo / mein Hertze zu ergruͤnden. Kanſtu mir aber nicht ein leichtes Mittel finden / Die Eh mit Silvio und mir zu hintertreiben / Dabey auch Ehr und Zucht kan unverletzet bleiben / So hab ich dieſen Schluß / mich eh’ ins Grab zu ſtecken / Als meine Redligkeit und Treue zu beflecken.
Hab ich ein haͤrter Weib / als die / iemals geſehn? Nun wohl: Iſt diß dein Sinn? dein Wille ſoll geſchehn. Meinſtu / daß Silvio ſo ſehr der Treu / Als du der Erbarkeit / ergeben ſey?
Du machſt mich lachende. Will Silvio nichts lieben / Wie ſolt er Treu an dem / was er nicht liebt / veruͤben?
Nicht lieben? armes Kind / du biſt gar falſch bericht. Er ſchweigt / und weiß dabey der Liebe zu genieſſen. Das83treuer Schaͤffer.Das weiß ich. Traue du der Einfalt nicht; Am tieffſten ſiehet man die ſtillen Waſſer flieſſen. Verſtohlne Liebe flicht ſich nirgend feſter ein / Als wo verſtellte Scham kan ihre Decke ſeyn. So wiſſe / Schweſter / nun den Silvio verliebt / Wiewohl er ſeine Gunſt nicht dir zu ſchmecken giebt.
Wer muß die Goͤttin ſeyn / Frau iſt ſie nicht zu nennen / Durch die ſein wildes Hertz kan angeflammet brennen?
Nicht Goͤttin / auch nicht Frau empfaͤht / was dir verſagt.
Wer denn? was ſageſtu?
Liſetta / meine Magd.
Seht / wie er ſich ſo wohl hat wiſſen zu verſorgen?
Und weiſtu was er ihr zu Lieb erdenckt und wagt? Er ſtellt ſich alle Tag als zog’ er auff die Jagt.
Ja / das verdammte Horn erweckt mich alle Morgen.
Wenn nun die Mittags-Sonn am allerheißten ſcheint / Und andre in der Jagt am meiſten emſig ſeynd / So ſtiehlt er ſich mit Fleiß von ihnen weg / Und kommt allein durch unbekannten Steg Zu meinem Garten hin / zu klagen / was ihn quaͤlt / Daß ſie mir wieder denn der Laͤnge nach erzehlt. Nun hoͤre / was mir izt dabey zu Sinne faͤllt / Ja / was ich dir bereits zu Dienſten angeſtellt. Dir iſt ja wohl bewuſt / daß des Geſetzes Schluß / Dadurch dem Mann ein Weib getreu verbleiben muß / Die Maͤnner auch verbindt / und angeordnet hat / Wenn eine keuſche Braut auff falſcher Liebes-That Den Braͤutigam betrifft / ſie ſich nicht darff vermaͤhlen / Und einen andern Mann nach Willen mag erwaͤhlen.
Ich weiß / und denckt mich noch / daß ſo geſchehen ſey: Leucippa ward durch diß von Tigurinen frey / Die Egle vom Licot / Armilde von Thuringen.
Nun hoͤre / was ich dir noch weiter vorzubringen: Liſetta / auff mein Wort / hat die verliebte Seele Auff dieſen Tag zu ihr beſtellet in die Hoͤle / Dadurch er hoch vergnuͤgt mit Freuden und Verlangen Beſtimmter Stunde wartt. Da muſt du ihn nun fangen: Ich will dein Zeuge ſeyn / daß er durch leugnen nicht Dich uͤberſtreiten kan / ſo wirſtu deiner PflichtF 2Mit84GUARINIMit gutem Glimpffe loß.
Ja / das iſt wohl erdacht. Was haben wir noch mehr / das zu verrichten ſteht?
Was ich izt ſagen will. Gib du nur eigen acht. Du weiſt daß in den Berg dort eine Hoͤle geht: Sie iſt nicht weit / doch ziemlich lang / Hierinnen auff der rechten Hand Fuͤhrt noch ein ander kleiner Gang / Ich weiß nicht / ob durch Fleiß / ob von Natur gemacht / Bewachſen um und um / in holen Felß hinein / Empfaͤht durch ein verſtopfftes Loch von oben her des Tage Schein / Und iſt verſtohlner Lieb ein Haubt-bequemer Stand. Dahin verſtecke dich / eh jene kommen an / Liſette wird ſich bald zu ſolcher Hoͤl erheben / Ich will auff Silvien von weitem achtung geben / Ihn unvermerckt darinn erſchleichen / Und feſt erwiſchen / daß er nicht entreiſſen kan; Drauff will ich und Liſette ſchreyn / (Wie ich ihr ſchon gegeben ein.) Und du durch ſolches Zeichen Erinnert kommſt herzu / und ſageſt ihm den Kauff Nach uͤblicher Gewonheit auff. So gehen wir hernach zum Prieſter mit Liſetten: Und alſo kanſtu dich von dieſer Ehe retten.
Zu ſeinem Vater.
Ja. Was hat diß zu bedeuten? Gedenckſtu / daß Montan der Goͤtter Willen breche / Und um den Eigennutz gemeine Wohlfarth ſchwaͤche?
Mein treuer Leitſtern nein. Ich ſchlieſſe nu Vernunfft und Augen zu / Und laſſe mich nach deinem Willen leiten.
Allein / verziehe nicht / mein Kind: Geh bald hinein.
So bald der Tempel wird von mir beſuchet ſeyn. Denn ja uns Sterblichen kein Werck gelingen kan / Das nicht des Himmels Gunſt und Segen fuͤhret an.
Wo man die Andacht nur in reinem Hertzen hat / Vertritt iedweder Ort der heilgen Kirche Statt. Du haͤltſt dich ſelber auff.
Nein; Kirchen-gehen ſaͤu - met nicht. Die85treuer Schaͤffer.Die Zeit kommt wieder ein / die man ihm zum Gebet ab - bricht.
So gehe denn geſchwind / und ſey bald wieder hier. Nun / deucht mich / hab ich ſie auff rechten Weg gebracht / Wiewohl mir der Verzug noch etwas bange macht. Jedoch wer weiß wozu er mir auch dienen kan. Izt muß ich neue Liſt und Raͤncke ſpinnen an. Es hat ſich Coridon unlaͤngſt vergafft an mir / Ich will ihn als verliebt mit falſcher Hoffnung ſpeiſen / Statt mein / zur Amarill in jene Hoͤle weiſen / Und bald durch andern Weg Dianens Diener ſchicken / Das ungeſcheide Menſch im Netze zu beruͤcken. Man wird ſie Zweiffels-frey des Laſters ſchuldig achten Und dem Geſetze nach / ohn alle Gnade / ſchlachten. Iſt meine Feindin todt / hab ich gewonnen Spiel; Denn ich Mirtillens Gunſt gar leicht erhalten will / Die er mir bloß allein aus Liebe gegen ihr Bißher verweigert hat. Da kommt er gleich gegangen. Wie zu gelegner Zeit; Ich will ein wenig hoͤren / Weil Amarille noch die Goͤtter wird verehren / Wie ſein Gemuͤtte ſey? Komm / Liebe / gantz zu mir / Beſeele meinen Mund / belebe meine Wangen.
DUrchkrochene Waͤlder und dunckele Gruͤffte / Bethraͤnete Matten / durchſeufftzete Luͤffte / Hoͤrt / was mir auffs neue vor Marter und Schmertz Durchaͤchtet mein kranckes mein ſterbendes Hertz. Ob meinem Betruͤbniß erfreuete Sinnen Hat / leider! mein Sterben nicht ſaͤttigen kuͤnnen / Sie heiſſen mich leben zu ewiger Noth / Und taͤglich empfinden unendlichen Tod. Ich will nicht / daß ich ihn zuvor geſehen / ſagen. Ich hoͤre / weiß nicht wen / in dieſer Gegend klagen. Biſtu es / mein Mirtill? Ach ja! waͤr ich ſo wohl ein Staub und todter Schatten.
Nun wohl / wie geht es dir? Iſt dir numehr gerathen / Nachdem du haſt geredt mit deiner Amarill?
Gleich wie der erdurſte Krancke Kommend zu verbotnem Trancke / Zwar den ſchwachen Magen fuͤllt / Doch die Hitze nicht beſtillt / Eh des Lebens Licht verloͤſcht / Als den ſtrengen Durſt abwaͤſcht; So ich / brennend von Verlangen Schoͤner Augen / ſchoͤner Wangen / Derer Hertz von Eiſe trifft / Schoͤpffe nichts als kalte Gifft / Welche zu dem Hertzen ſchlaͤgt / Immer neuen Brand erregt.
Der Liebe Glutt vermag nicht mehr in unſern Sinnen / Als wir ihr ſelber Staͤrck und Krafft darzu verguͤnnen. Gleich wie der wilde Baͤr erſt bildet mit der Zungen Die rohe Mißgeburt der ungeſtalten Jungen; So ſpriſſt von erſten auch die keimende Begier In voller Ohnmacht aus / die ein bethoͤrter Geiſt Mit ſuͤſſem Muͤßiggang und ſtillem Schweigen ſpeiſt / Mit Traͤumen unterhaͤlt: Dann kreucht die Lieb herfuͤr / Ein erſtlich kleines Kind voll Anmutt und Vergnuͤgen / Bey deme Freud und Luſt in einer Wiege liegen: Waͤchſt aber dieſes auff / durch Eigen-Luſt genaͤhrt / So ſchlaͤgt es aus der Art / bemeiſtert unſre Bruſt / Denn ſchmeckt wie Gall und Gifft die alte Liebes-Koſt / Wird durch die Zeit in Straff und Schwachheit umgekeh Plagt ſich die Seele dann mit einem Gegenſtande / Und hanget ſelbem an / wie eine Klett am Bande / So wird / was gutten Mutt und Wolluſt bringen ſoll / Zu Schwermutt / Pein und Angſt und ein betruͤbter Tod / Wo nicht der Aberwitz / das Ende ſolcher Noth. Drum / wer ſein Leben offt veraͤndert / handelt wohl.
Muß ich ungluͤckſelig leben / Will ich doch beſtaͤndig ſeyn / Und das Leben eh begeben / Als den Wechſel gehen ein;S87treuer Schaͤffer.Sie iſt unter allen Schmertzen Meine Seel und Hertz allein; Und zwey unterſchiedne Hertzen Koͤnnen nicht beyſammen ſeyn.
Armſeliger Schaͤffer / wie weiſtu ſo ſchlecht Zu brauchen der Liebe vergoͤnnetes Recht. Das fliehende Suchen / das ſuchende Jagen? Da wolt ich viel lieber das Sterben ertragen.
Gleich wie das edle Gold durch heiſſer Kohle Brand / So wird die reine Treu durch Ungluͤck auch erkannt. Unuͤberwindliche Beſtaͤndigkeit im Lieben Wird / ihre Macht durch Haß zu weiſen / angetrieben. Diß iſt mein ſuͤſſer Troſt allein In meiner uͤberhaͤufften Pein: Das Aechtzen und Lechtzen / die thraͤnende See / Verlaſſen und haſſen ich alles nicht achte / Ich leide / verderbe / ja ſterbe vor Weh / Die Seele zerfliſſe / das Hertze verſchmachte / Wenn dieſes mein Leben nur eher zerrinnt / Als meine demantene Treue verſchwindt. Denn beſſer iſts / Leben und Seele verlaſſen / Als falſche Gedancken und Aenderung faſſen.
Schoͤner Vorſatz! tapffre Sinnen! gleich den ungezaͤhm - ten Thieren / Gleich den unbelebten Felſen / welche kein Bewegnis ſpuͤreu. Es iſt kein’ aͤrgre Peſt / es iſt kein haͤrtrer Gifft / Als wenn der tolle Wahn der Treu auff Liebe trifft. Ungluͤcklich / wer ſich diß Geſpenſte laͤſſt bethoͤren / Gewohnt die ſuͤſſe Luſt der Liebe zu verſtoͤren. Und ſage mir / was haſtu vom beſtaͤndig-ſeyn? Was liebeſtu ſo treu an der / die dich veracht? Die Schoͤnheit? welche doch nicht dein. Die Freundligkeit? die dich nicht hilfft. Das Ernſt ſeyn? das dich ſeufftzen macht. Den Lohn? den du umſonſt verlangſt. Die Luſt? die nicht vor dich bereit. Wenn du dich um und um beſiehſt / was liebeſt du? dein Hertzeleid /F 4Dein88GUARINIDein Ungluͤck / deine Noth / Wer weiß nicht deinen eignen Tod? Und du biſt noch ſo tumm / und liebſt / was dich nicht liebt? Erhole dich / Mirtill / erkenne deine Gaben. Vielleichte wirſtu ſonſt an Liebſten Mangel haben? Vielleicht iſt keine ſonſt / die dir ihr Hertze giebt?
Es iſt mir ſuͤſſer Pein Um ihrentwegen leiden / Als unter tauſend Freuden Bey andern Nimphen ſeyn. Und laͤßt mich beſſre Zeit Der Himmel nicht erwerben / So mag vor mich erſterben Sonſt alle Froͤligkeit.
Solt ich durch andrer Gunſt Vergnuͤget koͤnnen leben / Und meinen Sinn erheben Zu neuer Liebes-Brunſt? Ich konte meine Pflicht Nicht brechen / wenn ich wolte; Und wenn ich koͤnnen ſolte / So wolt ich dennoch nicht.
Und ſolt es ie geſchehn / Daß eine Zeit das Kuͤnnen Und Wollen meiner Sinnen Veraͤndert moͤchte ſehn / Ruff ich den Himmel an / Mein Kuͤnnen und Begehren Dem Grabe zu gewaͤhren / Eh’ ichs erfuͤllen kan.
O eingenommner Sinn! giebſtu dein edles Blutt Denn einer Grauſamen / zum Spiel und Rauber-Gutt?
Wer nichts zu hoffen hat / hat nichts mehr / daß ihn reue.
Mirtill / betruͤg dich ſelber nicht. Du biſt vielleicht noch unbericht / Wie abhold ſie dir iſt. Wenn du nur ſolteſt wiſſen / Was ſie offt gegen mich vor Worte laͤſſet ſchieſſen.
Ach! dieſes alles ſind Siegs-Zeichen meiner Treue / Durch die ich Himmel / Erd’ und Sterne will bekriegen / Mein Leiden / ihren Zorn / Welt / Gluͤck und Tod beſiegen.
Was wuͤrde dieſer thun / wenn er erkennte / Wie ihr verliebtes Hertz um ſeinet wegen brennte? Mirtill / ich klage dich um deiner Schwachheit wegen. Doch ſage mir / haſt du auch ſonſt iemahls zu lieben pfle - gen?
Mein erſter Brand entſtund durch Amarillens Schein / Und Amarille ſoll mein letztes Feuer ſeyn.
So haſt du nichts bißher / ſo viel ich nehme wahr / Als Zorn und Bitterkeit der Liebe ſchmecken muͤſſen. Ach ſolteſtu einmahl auch ihre Luſt geniſſen Und koſten / was ſie reicht vor Suͤßigkeiten dar. Verſuch es ein wenig. Es iſt um ein Wagen. Ich weiß es / du wirſt mir beyſtimmen und ſagen:
Wie ſuͤſſe ſchmeckt der Biſſen / Den Gegen-Liebe wuͤrzt / Bey dem uns das Genuͤſſen In keinen Mangel ſtuͤrzt / Da wir ſo viel empfangen / Als unſre Seelen ſelbſt verlangen.
Wenn unter den Corallen Verdecktes Muſchel-Hauß Der heiſſen Seuffzer ſchallen Die Wette laͤſſet aus / Und mit verliebten Kuͤſſen Die Seelen laͤßt zuſammen fliſſen.
Sie ſagt: Mein Schatz / mein Leben / Dich hab’ ich auserkiſt / Dir hab’ ich uͤbergeben / Was um und an mir iſt / Was dein Geſichte ſchauet / Iſt dir zu Freud[ und] Luſt vertrauet.
Bin ich vor ſchoͤn zu ſchaͤtzen / So bin ichs nur vor dich /F 5Dein90GUARINIDein Auge zu ergoͤtzen / Schmuͤckt Haubt und Wangen ſich: In meinem wohnt das deine / In deinem Hertzen wohnt das meine.
Diß iſt ein Vorſchmack nur der ſuͤſſen Liebes-Luſt / Die nicht beſchreiben kan / wer ſie nicht ſelbſt gekoſt.
O tauſend mahl begluͤcktes Kind / Dem ſolche Freuden ſeyn verguͤnnt!
Mirtill / (ich haͤtte bald darzu geſagt / mein Leben.) Ein edles Nimphen-Blut / das keiner nach darff geben / Das deiner Gunſt ſo wohl als du der ihren werth / Von manchem Schaͤffers-Sohn umſonſt bißher begehrt / Mit Muͤh’ und Fleiß bedient / verehret dich allein / Laͤſt dich ihr einig Hertz und ihre Seele ſeyn. Mirtillo / biſt du klug / du wirſt ſie nicht verſchmaͤhn: Wie wir den Schatten ſtets dem Leibe folgen ſehn / So wird ſie iederzeit an deiner Seite gehn / Auff Wort / auff Blick und Winck dir zu Gebote ſtehn / Wird dich zu keiner Zeit / bey Tag und Nacht verlaſſen. Wiltu das Gluͤcke nicht mit beyden Haͤnden faſſen? Du haſt auff dieſer Welt ja keine ſuͤßre Luſt / Als die dich keine Zeit / Gefahr noch Seuffzen koſt. Die Freude / die bequem und wohlgelegen faͤllt / Ergoͤtzung / die dir ſelbſt koͤmmt in den Arm gelauffen / Vergnuͤgung / welche du nicht darffſt mit Muͤhe kauffen / Die deinem Schmacke nach allzeit bereite Speiſen / Die deiner Eſſens-Luſt ſich immer fertig weiſen / Ach die bezahlet ja kein Gold noch Schatz der Welt. Drum haſſe / Mirtillo / verlaſſe fort an Der fluͤchtigen Fuͤſſe verzweifelte Bahn / Umfaſſe dagegen ohn fernere Flucht / Was hertzlich und ſchmertzlich dein Lieben geſucht. Trau mir! ich will dich nicht mit eitler Hoffnung quaͤ - len. Es iſt mein gantzer Ernſt: Du haſt nur zu befehlen. Die deine Gunſt verlangt / iſt nicht ſo weit von hier. Wiltu / ſo findt ſie ſich den Augenblick zu dir.
Mein Hertz iſt ſolche Luſt zu ſchmecken nicht bereit.
Verſuch’ es nur ein mahl / Und denn ergib dich wieder der gewohnten Qual / Daß du auffs wenigſte kanſt aus Erfahrung wiſſen / Was bey der Liebe zu geniſſen.
Verderbtem Schmacke graut vor aller Suͤßigkeit.
So[t]hus auffs wenigſte dieſelbe zu erquicken / Die deiner Augen Glutt ſonſt wird zu Grabe ſchicken / Grauſamer / du weiſt ja auch / was es um die Armuthey Und das ſchwere Bettelgehn vor ein elend Leben ſey. Was nun dein verliebter Sinn ſelber wuͤnſchet zu erlangen / Laß die andern / ſo darnach hungert / auch von dir empfan - gen.
Wie / vermag ich wohl andern weg zu geben / Was ich nicht vor mich ſelber kan erheben? Kurtz: Ich bin einmahl entſchloſſen / treu zu leben und zu ſterben / Ohnerachtet ob ich Feindſchafft oder Liebe moͤg’ erwerben.
Ach blinder Ungluͤcks-Sohn! wem wirſtu treu erzeigen? Ich dachte zwar zu ſchweigen / Und dich bey ohne diß gehaͤuffter Pein Nicht mehr in Hertzeleid zu ſencken ein; Allein / du biſt zu ſehr verrathen und betrogen / Daß ichs nicht dulden kan / weil ich dir ſtets gewogen. Glaͤubſtu / daß Amarill aus Liebe keuſcher Zucht Und wahrer Froͤmmigkeit mit ungeſtuͤmer Flucht Und harter Grauſamkeit ſich deiner Lieb’ entbricht / So biſtu thoͤricht. Glaub’ es nicht / Der Platz iſt ſchon berennt / dir koͤmmt das Weinen zu / Wenn ſie mit andern lacht. Wie iſts? verſtummeſtu?
Ich weiß nicht ob mir heiß / ich weiß nicht ob mir kalt / Ich weiß nicht ob ich leb / ob ich geſtorben bin / Indem mein aͤngſtig Hertz in ſolchem Zweifel wallt. Drum bin ich ſo verſtarrt.
Wiltu iu Zweifel ziehn / Was ich dir beygebracht?
Hielt ichs vor eigen wahr / So ſtuͤrb’ ich alſobald.
Nein / leb’ und raͤche dich.
Ich glaub’ es aber nicht / und weiß / es kan nicht ſeyn.
Dein Mißtraun zwinget michNoch92GUARININoch weiter / was dich kraͤnckt / zu machen offenbar. Siehſtu die Hoͤle dort? diß iſt das tunckle Grab / Wo Amarillis Treu und Ehre leget ab / Da lacht man deiner Brunſt / da ſpott man deiner Pein / Da wuͤrtzt und zuckert man mit Schertz von deinem Leiden Des gluͤcklichen Mitbulers ſuͤſſe Freuden / Da iſt es / wo dein Schatz verbotner Liebe pflegt / Und einem groben Kerl ſich in die Armen legt. Nun ſeuffze / wein und ſey beſtaͤndig gegen ihr. Das iſt der Lohn dafuͤr.
Ach weh! ſo redſt du wahr / und darff ich mich drauff gruͤn - den?
Je mehr du forſcheſt nach / ie aͤrger wirſt dus finden.
Haſt du es denn geſehn? Ach Hertzeleid!
Nicht ich allein; auch du wirſts ſelber ſehn / Und eben heute kans geſchehn. Heut’ iſt der Tag / und diß iſt die beſtimmte Zeit. Wiltu in dieſen Hecken Dich eine kleine Zeit verſtecken / Du wirſt ſie unverlaͤngt ſehn in die Hoͤle krichen / Dem Buhler folgen nach.
So nah’ iſt mein Verderben?
Dort kommt ſie allbereit vom Tempel her geſchlichen. Mirtillo / ſiehſtu nicht / wie ihr verſtolner Fuß Durch ſeinen leiſen Tritt den Sinn verrathen muß / Der mit Betrug und Liſt der Liebe ſchwanger geht / Wie ſie bald um ſich ſieht / bald furchtſam ſtille ſteht / Bald weiter eilt: Erwart itzund was ferner wird geſchehn. Wir werden uns hernach wohl wieder ſehn.
Weil ich der Warheit nun ſo nahe kommen bin / Will ich mein Urtheil noch verſchieben biß dahin / Mit ſamt dem Schluß / ob ich ſoll leben oder ſterben.
Es fange ja der Menſch nichts ohn den Himmel an. Ich gieng zum Tempel hin mit Zweifel / Furcht und Schrecken /Von93treuer Schaͤffer.Von dar ich izt getroſt zuruͤcke kommen kan. Als ich mein rein Gebet in Andacht ließ erſchallen / So fuͤhlt ich neuen Mutt in meinem Hertzen wallen / Ein freudig-freyer Geiſt beſeelte meinen Sinn / Und ſprach mir gleichſam zu: Was fuͤrchtſtu dich? Geh wohlgemutt und ſicher hin. So will ich meinen Weg nun auch getroſt vollſtrecken / Und wuͤnſche noch einmahl: Der Himmel leite mich. Schoͤne Mutter ſuͤſſer Flammen / ach begnade diß dein Kind / Daß ſich izo deiner Huͤlffe duͤrfftig und benoͤthigt findt; Wo du iemahls ſuͤſſe Wunden / Und den Brand Deines Sohnes haſt empfunden / Reiche mir die Hand. Holde Goͤttin / Stern des Gluͤckes / zeige deinen Gnaden - Schein / Laß den Anſchlag meiner Liebe deiner Gunſt befohlen ſeyn / Fuͤhre bald des Schaͤffers Fuͤſſe An den Ort Da ich mich itzund verſchlieſſe / Dem verpfaͤndt mein Wort. Du / o angenehme Hoͤle / birg’ in deiner treuen Grufft Dieſe Dienerin der Liebe / goͤnn ihr / was ſie fuͤrcht und hofft / Daß ſie unter deinem Schatten Ruhen kan / Und was ſie ſucht / unverrathen Moͤge treffen an. Doch / was wart ich? Hier iſt niemand der mich ſehn und hoͤren kan. Koͤnte dir Mirtillo traumen / wo ich izt zu treffen an.
Mir traumet leider nicht; ich wache nur zu wohl / Und ſeh nur allzu viel. Ach waͤr ich blind / ach nie ge - bohren! Hat mich mein Unſtern denn zu laͤngerm Leben auserkohren /Daß94GUARINIDaß ich noch ſolches Leid vor Augen ſehen ſoll? Mirtillo / der du mehr denn alle Plagen Der Erde muſt ertragen / Ach zweifle weiter nicht an dem / was niemand leugnen kan. Dein eignes Auge hats geſehn / dein Ohr gehoͤret an. Ein ander hat / was du geliebt / Nicht durch das Recht / dadurch ein ieder um ſie kuͤmmt / Durch Liebe / die ſie dir alleine nimmt Und einem Fremden uͤbergiebt. So kan dich Grauſame denn nicht mein Tod verſohnen? Muſtu mich noch darzu beſchimpffen und verhoͤnen? Muß dieſer falſche Mund voll Trug und Unbeſtand / Der doch Mirtillens Kuß einmahl ſo gut befand / Den Nahmen / der dir izt verdruͤßlich beygefallen Und dein untreues Hertz im Leibe machet wallen / Damit er dir nicht mehr in deiner Bruſt / Als Zeuge der verſtolnen Luſt / Beſchwerlich koͤnne ſeyn / Zuvor von deinen Lippen ſpeyn. Was haͤlt dich auff Mirtill. Die / ſo dir gab das Leben / Hat dir es izt geraubt / und andern hingegeben / Und du Elender lebſt? Und du biſt noch nicht todt? Ach ſtirb Mirtillo / ſtirb / erſtirb auch deiner Noth. Stirb deinen Schmertzen ab / ſtirb ab von deinem Leiden / Wie du erſtorben biſt zu allem Gluͤck und Freuden. Dein Leben / deine Luſt / dein Hoffen iſt dahin / Darum du billich auch des Jammers End erlangſt: Befrey den muͤden Geiſt der ſchweren Todes-Angſt / Die dich zu groͤßrer Qual allein zu leben zwingt. Doch / ſoll ich auch vergehn / eh’ ich gerochen bin? Es ſterbe der zuvor / der mich zu ſterben dringt. Es weichen die bluttigen Schmertzen Der Rache des brennenden Hertzen / Dem flammenden Eyfer zum Streit Erbarmen und weibiſches Leid. Es muͤſſe dem wuͤttenden Leben Die Liebe zu ſterben nachgeben /Biß95treuer Schaͤffer.Biß Rache / bey Leben gethan / Mein Sterben befriedigen kan! Ich will die Todes-Luſt ſo lange noch verſchieben / Biß ich gerechte Rach am Feinde kan veruͤben / Und deſſen freches Hertz in eignem Blutte ſchwimmt / Der mir ohn meine Schuld das Hertz im Leibe nimmt. Diß Eiſen ſoll mein Blutt nicht ungerochen ſchmecken. Die Hand ſoll vor dem Zorn als dem Verzweifeln die - nen. Du / der du dich mein Gutt zu brauchen darffſt erkuͤh - nen / Du ſeyeſt wer du ſeyſt / mein Fall ſoll dich erſtecken / Ich will mich wieder her in dieſe Straͤuche ſetzen / Und wenn er ſich nunmehr wird zu der Hoͤle nahn / Will ich ihn unverhofft zur Seite fallen an / Ihm den geſpitzten Stahl durch ſeine Rippen jagen. Waͤr aber diß nicht auch vor Meuchel-Mord zu ſchaͤtzen. Und eine feige That / wenn ich von hinterwerts Mich ungewarnter Sach’ an ihm vergreiffen ſolte? So will ichs lieber denn auff mein Verzweifeln wagen / Ihn / wo er gleich nicht will / mit mir zu fechten zwingen / Damit in offnem Kampff ſich mein gerechter Schmertz Durch Kuͤnheit weiſen kan. Allein auch dieſes geht nicht an. Der Ort iſt allzu ſehr bekandt; Wie leichtlich findet ſich iemand Der unſern Streit verhindern wolte? Wie leichtlich moͤchte man auff deſſen Urſach dringen. Schweig’ ich / ſo ſetz ich mich vor unrecht in Verdacht; Erticht ich was / ſo mißt man mir nicht Glauben bey; Entdeck ich denn / was Schuld an ſolchem Kampffe ſey / So wird die Amarill in hoͤchſten Schimpff gebracht / Von der ich zwar itzund muß wenden meine Sinnen / Ihr dennoch aber auch nichts Boͤſes weiß zu guͤnnen. So ſterbe denn der freche Boͤſewicht / Der ihr die Ehr und mir das Leben bricht. Toͤdt ich ihn aber hier und bleibe gleich allein / Wird ſein vergoßnes Blutt doch mein Verraͤther ſeyn. Wie -96GUARINIWiewohl / hab’ ich mir Luſt das Leben zu verkuͤrtzen / Warum wolt’ ich mich nicht in Todes-Straffe ſtuͤrtzen? Ich fuͤrchte nur dabey die Urſach zu entdecken / Und ſie Undanckbare mit Schande zu beflecken. Drum wird es beſſer ſeyn / daß ich ihn in der Hoͤle Mit Liſt und mit Gewalt auffs beſt’ ich kan entſeele. Der Anſchlag iſt mir recht. Drum will ich allgemach Und leiſe gehn hinein / daß ich nicht werd entdeckt. Sie hat ſich Zweifels frey und ihren Worten nach Recht an geheimſten Ort gantz tieff hinein verſteckt: Ich will hier vornen bald zur Seite bleiben ſtehn / Biß daß es Zeit wird ſeyn ihm auff den Halß zu gehn. Denn ſoll der todte Feind zu ihren Fuͤſſen liegen / Damit ich meine Rach an beyden kan vergnuͤgen. Ich will ihm folgen nach mit unerſchrocknem Hertzen / Und Amarillens Fuß mit meinem Blutte faͤrben. Vielleicht wird unſer drey auff eine Stunde ſterben: Durchs Eiſen ich und er / und ſie von Reu und Schmer - tzen. Der Ort / darinnen ſie zu ſtiller Luſt gekehret ein / Wird denen beyden eine Grufft / Die ihre Gunſt / doch nicht mit gleichem Gluͤck / gehofft / Und / was mein Liebſtes iſt / ein Deckel ihrer Schande ſeyn. Nun ihr Fußſtapffen / die ich offt bey ihrer Flucht Mit ſonderm Fleiß umſonſt geſucht / Wie treff ich euch itzund ſo friſch und kentlich an? Was fuͤhret ihr mich izt vor eine ſchoͤne Bahn? Und dennoch folg’ ich euch / ſo lang’ ich Athem fuͤhr. Ach ja / Coriſca ja / nunmehro glaub’ ich dir.
Coriſcen glaͤubt der Menſch und folget ihrer Bahn? Ein Narr iſt / welcher nicht die Urſach rathen kan. Jedoch mein gutter Kerl / du muſt ein ſicher Pfand / Darauff du trauen wilt / ſchon haben in der Hand /Du97treuer Schaͤffer.Du muſt ſie mehr denn ich zu naͤchſt gefeſſelt haben / Da ſie den falſchen Kopff bey mir im Stiche liß. Was aber bindet ſie? Nichts anders wohl gewiß / Als ſchaͤndlicher Gewinn und uͤberhaͤuffte Gaben. Das unverſchaͤmte Thier hat ſich gewiß verkaufft / Und wird anizt den Lohn verbotner Wahr empfangen. Nun wohl! vielleicht hat dich der Himmel in die Erde Gefuͤhrt / daß du geſtrafft / und ich gerochen werde. Mirtillo ſagt / ſie ſey bereits hinein gegangen; So mache nun / daß dir das Gluͤcke nicht entlaufft / Erobere mit Liſt die vorgeſtoßne Beute / Verſtopffe dieſes Loch durch jenen groſſen Stein / Der wohl von innen nicht wird wegzubringen ſeyn. Denn geh zum Prieſter hin / gib ihre Miſſethat Als Klaͤger bey ihm an / und fuͤhre ſeine Leute Durch den gar wenigen bekandten Steg dahin / Wo dieſer Hoͤle Schlund den andern Ausgang hat / Damit ſie ſie zur Hafft und vor Gerichte zihn / Die Schaͤrffe der Geſetz und ihr verhaßt Verbrechen Wird ohne Zweifel ihr das Todes-Urtheil ſprechen. Denn mir iſt wohl bekandt / wie ſie mit falſchen Sinnen Dem Coridon vorlaͤngſt die Ehe zugeſagt / Der ſolche zu vollziehn ſich nie vor mir gewagt. Izt iſt die Zeit / da wir uns beyde raͤchen kuͤnnen. Drum ſaͤum ich weiter nicht / ich will von dieſer Eichen Abbrechen einen Aſt / den Stein damit zu heben. Der wird ſchon dienlich ſeyn. Wie ſchwer iſt / wie ſo feſte liegt der Stein? Hier will ich ſtaͤngen ein / daß er ſich loß muß geben. Der Nath war gut: Ich will ein Holtz hier unterſtreichen. Nun will ich druͤben auch ſo thun. Wie ſteuret er ſich an? Ich muß ein wenig ruhn. Es koͤmmt mich ſaurer an / als ich vorhin gedacht. Ich kan ihn nicht einmahl noch aus dem Lager treiben. Ich glaͤube daß die gantze Welt Hinein gezaubert iſt / die ihn ſo unbeweglich macht. Wo muß denn meine Krafft und alte Staͤrcke bleiben? Was habt ihr Sternen mir zum Poſſen angeſtellt? GNun98GUARININun wohl! du wirſt doch endlich weichen muͤſſen / Wie ſehrs Coriſcen gleich und alle Weiber mag verdruͤſſen. Vater Pan / du ſtarcker Pan / Welcher alles zwingen kan / Der du ſelbſt ein wildes Hertz haſt vergebens muͤſſen lie ben / Staͤrcke meine Glieder auch / hilff mir heben / hilff mir ſchie ben / Hilff mir Rache durch diß Weib vor verſchmaͤhtes Liebe uͤben. Nun itzo wird es gehn: Nun ſteht er / wie er ſolte. Nun faͤllt er vor das Loch / wie ich ihn haben wolte. Nunmehr iſt der Fuchs verwittert / daß er nicht entgehe kan: Nun will ich ihn auszuraͤuchern auch das Feuer legen an. Welche Luſt werd’ ich mir ſehen / wie ihm wird der Balck ver derben? Ach / daß alle boͤſe Weiber auch zugleiche moͤchten ſterben!
Wie groß / O Lieb / iſt deine Krafft / Die ſo viel Wunderwercke ſchafft / Die oͤffters die Natur bezwingt / Und alle Welt in Regung bringt? Welch wildes Volck / welch frecher Mutt Empfindt nicht deine Krafft und Glutt? Welch kluges Hertz / welch tieffer Geiſt Iſt / der uns deine Kraͤffte weiſt?
Betracht der forſchende Verſtand Der ungezaͤhmten Luͤſte Brand / Der ſich durch deine Hitz’ erregt / Offt wider Witz und Wohlſtand legt; So bildet er ihm ſicher ein / Du muſt ein irrdiſch Weſen ſeyn: Des ſchwachen Leibes Huͤtte ſey Die Wohnung deiner Tyranney.
Dochtreuer Schaͤffer.Doch ſiehet man hingegen an / Wie Tugend mit dir wuͤrcken kan / Und ſich durch deine Flamm erregt / Manch eingeſchlaͤffter Geiſt bewegt; Wie deiner Treue reines Licht Durch Wetter / Sturm und Naͤchte bricht / So ſpricht man dir zum Sitz und Ruh Das beſte Theil der Seele zu.
Man nennet dich ein Wunder-Feur Und uͤberirrdiſch Ungeheur / Klugmuͤttig / aber doch ein Kind / Mit Wiſſen tumm / mit Augen blind / Bey dem Verſtand und Sinnligkeit Vernunfft und die Begierde ſtreit / Und alles deſſen ungeacht / Verehret alles deine Macht.
Im fall mir aber iſt erlaubt Zu ſagen / was das Hertze glaubt / So ſag’ ich / daß noch dieſe Welt Ein groͤſſer Wunder in ſich haͤlt / Woruͤber ſich der Menſch entſezt / Was er vor wunderswuͤrdig ſchaͤzt / Das wird ja von dir anders nicht / Als durch ein ſchoͤnes Weib / verricht.
Geſchencke / das der Himmel bracht / Und der / der dich und ihn gemacht / Was haſtu alles nicht an dir / Das ſelbſt dem Himmel gehet fuͤr? Ein Auge traͤgt ſein groſſes Haubt / Das andrer Augen Licht entraubt. Sein Seuffz - und Reden wiederſchillt / Als wenn ein zornig Leue bruͤllt.
Dein linder Blitz der Sonnen Paar Erleuchtet / was vertunckelt war / Fuͤhrt wieder durch geneigten Schein Den Glantz der todten Hoffnung ein. G 2Wort /100GUARINIWort / Gang und Blick / Kunſt / Zier und Art Sind alſo wohl bey dir gepaart / Daß ſich mit dir der weite Kreiß Des Himmels nicht zu gleichen weiß.
Das ſtoltze Thier / der kuͤhne Mann / Dem ſonſten alles unterthan / Hat Urſach / wenn er deine Zier Und deren Urſprung ehrt in dir. Er herrſcht nicht / daß er kluͤger ſey / Daß dir mehr Ehre wachſe bey. Des Uberwinders Ruhm erhoͤht / Der ihm zu ſeinen Fuͤſſen ſteht.
Daß aber auch der Mann vergißt Durch dich / was menſchlich an ihm iſt / Weiſt iedem heute der Mirtill Ein Beyſpiel / ders nicht glaͤuben will. Diß fehlte noch zu deinem Preiß / Daß der / der nichts zu hoffen weiß / Dich biß an ſeines Lebens Schluß Doch Treu-beſtaͤndig lieben muß.
ICh war ſo bemuͤht vorhin Amarillen zu betruͤgen / Daß ich gar nicht hatte Zeit zu gedencken an mein Haar / Noch ein Mittel auszuſehn / wie ichs koͤnte wieder krie gen; Ob mir wohl / ſo liebes Pfand zu verlaſſen / ſchmertzlich war / Wuſt ich ſeinen groben Haͤnden doch nicht anders zu ent gehn. Sonſten gleicht ſein Hertze wohl einem auffgejagten Ha ſen / Aber ich / ein ſchwaches Weib / haͤtte doch von ſeinem Ra ſen Allerhand Verdruͤßligkeiten leichtlich muͤſſen uͤberſtehn. Ich101treuer Schaͤffer.Ich weiß / wie die Rache wuͤttet: Ich hab’ ihn allzeit betro - gen / Weil er Blutt in Adern hatte / wie ein Aegel / ausgeſogen; Itzund will er / daß ich ihn nicht wie vormahls liebe / klagen. Wenn ich ihn iemahls geliebt / haͤtt er Urſach was zu ſagen. Denn zu unbeliebten Dingen Laͤßt ſich keine Lieb’ erzwingen. Wie ein Kraut des Brauches wegen wird geſucht und ab - gepfluͤckt / Aber als ein faules Weſen weggeworffen und veracht / Wenn der Safft heraus gequetſcht; alſo Satir / gehts auch hier: Nun ich dich / wie einen Schwamm / redlich habe ausgedruͤckt / Und dein Fettes abgeſchoͤpfft / was hab ich zu thun mit dir? Nun anitzo will ich ſehn / was der Coridon gemacht / Ob er in der Hoͤle ſey. Aber was bedeutet diß? Wach ich? oder traͤumet mir? bin ich voll? hab’ ich den Stahr? Dieſes weiß ich ja gewiß / Daß der Eingang dieſer Hoͤle noch gar kuͤrtzlich offen war; Wie iſt er denn izt verſperret? Wie iſt denn der ſchwere Stein / Der ſo lange da gelegen / ſo geſchwind herunter kommen? Man hat ja kein Erd-Erſchuͤttern in der Gegend nicht ver - nommen. Moͤcht ich nur auffs mindſte wiſſen / ob die beyde drinnen ſeyn. Coridon wird nach Liſettens Worten laͤngſten hier ſeyn muͤſ - ſen. Nun! vielleicht iſt er ſchon drinnen / und Mirtill hat ſie ver - ſchloſſen. Liebe / die von Eyfer brennet / koͤnte wohl die gantze Welt / Schweige denn den Stein / verkehren. Wo er diß hat ange - ſtellt / So haͤtt er mir wohl nichts liebers auff der Welt erzeigen kuͤnnen. Ich will auff der andern Seiten ſchon der Warheit werden innen.
SO kennteſtu mich nicht?
Wie ſolte man Dorinden. Das liebe Maͤgdichen / in ſolchen Kleidern finden? Waͤr ich ein Hund ſo wohl / als ich vernuͤnfftig bin / Ich haͤtte dir gewiß den Kater wollen ziehn / Und durch zurißnen Peltz dich allzuwohl erkennen. Was ſeh’ ich?
Diß was Lieb’ und Ungluͤck wuͤrcken kan.
Ein zartes Weibes-Bild ſoll ich hier treffen an / Das noch vor kurtzer Zeit war bloß ein Kind zu nennen? Wie lang’ iſts / da ich dich noch trug auff meinen Haͤn - den? Wie lang’ iſts / da ich dir regierte Fuß und Mund / Als ich in Dienſten noch bey deinem Vater ſtund. Dich konte dazumahl ein rauſchend Blat erſchrecken / Du ſaheſt / wie ein ſchuͤchtern Reh / dich um auff allen En - den / Ein Laub-Froſch konte dir / ein Vogel / Furcht erwecken / Izt lauffeſtu ohn Sorgen mit Beſchwer In unbewohnten Puͤſchen hin und her / Und ſcheueſt weder Wild noch Hunde.
Was Liebe ſchon verlezt / acht keiner andern Wunde.
Ja freylich hats bey dir die Liebe weit gebracht / Die dich zum Manne / ja vielmehr zum Wolffe macht.
Hier / Linco / ſizt der Wolff / der mir das Hertze frißt.
Ein Wolff? der Silvius?
Ach ja! du haſts erra - then.
Drum weil er iſt ein Wolff / wiltu die Woͤlfin ſeyn. Weil dir die menſchliche Geſtalt nicht koͤmmt zu ſtatten / Denckſtu den Jaͤger ſelbſt zu fangen durch die Liſt. Wo aber haſtu denn die Kleider herbekommen?
Von meines Vaters Knecht Lupin / Wie du vernehmen wirſt. Ich gieng ſehr fruͤh dahin Mit Furchten und Begier / wo ich vorhin vernommen / Daß Silvio zur Jagt ſich wuͤrde finden ein. Als ich durch die Eichen kam / um die Gegend ohngefehr / Wo das ſilber-helle Quell von dem Huͤgel flieſt daher /Tra[ff]103treuer Schaͤffer.Traff ich den Melampus an / meines ſchoͤnen Jaͤgers Hund / Der ihm in der kuͤhlen Bach eingefriſcht den duͤrren Mund: Ich nun / die ich alles liebe / was dem Silvio gehoͤrt / Deren Hertze ſelbſt den Schatten ſeines ſchoͤnen Leibes ehrt / Schweige denn diß treue Thier / ſeine Liebe / ſeine Luſt / Lockt ihn zu mir / faßt ihn an / druͤckt ihn an die weiche Bruſt / Er gieng ohne Widerſtreben / wie ein frommes Lamm / mit mir: Indem ich ihn nun will wieder ſein - und meinem Herren bringen / Und durch ſo beliebt Geſchencke ſeine Gnad und Huld er - zwingen / Koͤmmt er ſelber ihn zu ſuchen / und verweilet ſich allhier. Es iſt nicht eben Noth weitlaͤufftig anzufuͤhren / Was zwiſchen uns gieng vor: Ich will nur diß gedencken / Nachdem mich Silvio auffs laͤngſte wollen kraͤncken Durch falſche Troͤſtungen und eitles Wortverlieren / Lieff mir der Grauſame mit dem gehofften ſuͤſſen Lohn Voll Zorn und Ungedult darvon.
O grauſam wilder Sinn! Was haſtu drauff gethan? Hat ſeine Falſchheit dich nicht auch zu Zorn bewegt?
Sein Kaltſeyn hat bey mir den Brand nur mehr erregt / Ich folgt ihm nach / und traff Lupinen wieder an / Den ich voran geſchickt / bald fiel mir ein / mich zu verkleiden / Damit von andern Hirten mich niemand koͤnt unterſcheiden / Und ich an Silvien mein’ Augen ſicher doͤrffte weyden.
Du biſt in Wolffs-Geſtalt geweſen auff der Jagt / Und blieben unverlezt? Gewiß genug gewagt.
Wundre dich hieruͤber nicht; was der Jaͤger ſoll genuͤſſen / Bleibt von Hunden nnzerriſſen. Ich ſtand bey der Hirten-Schaar / die die Netze zugetragen / Blickte mit bemuͤhten Augen auff die Jaͤger / nicht auffs Wild; Wenn die Hunde ſchlugen an / fieng mein Hertz auch an zu ſchlagen / Wenn mein Silvio ſich ruͤhrte / wars als ſolt ich zu ihm ſprin - gen /G 4Aber104GUARINIAber dieſe meine Freude ward in kurtzer Zeit geſtillt; Als man anfieng mit den Hunden auff das groſſe Thier zu dringen / Als es ſich zur Gegenwehre mit erzuͤrntem Schnauben ſtellte / Mit den ſchaͤumig-bluttgen Waffen Hund und Mann zu Boden faͤllte / Ach wie zagt’ ich? ach wie wuͤnſcht ich offt mein ungluͤckſe - ligs Leben / Zu Verſicher - und Befreyung meines Liebſten hinzugeben? Ach wie offt hatt ich im Willen in die Stallung einzuſtuͤrmen / Und mit meinem Leib / als Schilde / meinen Jaͤger zu beſchir - men. Ach wie offt ſagt ich bey mir: Schone doch der ſchoͤnen Bruſt / Schone doch der ſchoͤnen Schoß / meiner Augen Wonn’ und Luſt / Du ungeheures Thier. So ſeuffzt und wuͤnſcht’ ich ſtets / als er den Hund ließ gleiten / Im Harniſch ſeinen Feind begierig zu beſtreiten. Wie hertzhafft er ſich wieß / kan ich dir nicht beſchreiben: Er iſt wohl werth in Gunſt des Silvio zu bleiben: Wie ein Leue voller Zorn Bald das zugeſpizte Horn Des erzuͤrnten Puͤffels flieht / Bald ihn wieder reitzt und rizt / Biß er ſeinen Vortheil ſieht / Und ihm auff den Nacken ſizt / Mit den ſtarcken Tatzen haͤlt / Und entkraͤfft zu Boden faͤllt: So Melampus voller Mutt Reizt und flieht des Hauers Wutt / Bald entfernt / bald wieder nah / Treibt in einem Kreiß umher / Zwickt ihn hier und reizt ihn da / Aeffet ſeine Gegenwehr / Biß er ihm mit kluger Liſt Die Gelegenheit erkiſt:Den105treuer Schaͤffer.Denn faͤllt er die Ohren an / Schuͤttelt ihn und beiſt ſich ein / Daß er nicht entreiſſen kan / Und der Jaͤger Ziel muß ſeyn: Wie vergnuͤgt hierob / wie froh Wird mein ſchoͤner Silvio. Er ergreiffet voller Eil Seinen Bogen / waͤhlt den Pfeil / Rufft Dianen eyfrig zu: Goͤttin / dieſen Schuß ach ſegne du / So ſoll auch das beſte Theil vom Schwein Heute noch dein Opffer ſeyn / Spannt und trifft mit ſchnellem Flug In den lincken Foͤrder-Bug: Bald erliegt das grimme Thier / Ach wie leicht und wohl wird mir / Als mein Leben / mein Verlangen Der Gefahr nunmehr entgangen. O vielbegluͤcktes Thier / getoͤdtet durch die Hand / Die mich mit ſolcher Luſt verſezt in gleichen Stand!
Was machen ſie nun mit?
Das weiß ich nicht: Ich lieff vorhin / Damit mich niemand moͤcht in dieſer Kleidung treffen an. Doch bild ich mir wohl ein / daß ſie alsbald vor allen Dingen / Wie Silvio gelobt / das Haubt in Tempel werden bringen.
Wiltu dich aber nicht umkleiden?
Ja / ſo bald ich kan. Lupino hat mein Zeug und ſolte bey dem Brunn verzihn / Ich fand ihn aber nicht / mein Linco thu ſo wohl / Und ſuch ihn in dem Puſch: Er kan nicht ferne ſeyn. Er weiß / daß er auff mich der Gegend warten ſoll. Ich will mich unterdeß in jene Hecken / (Du ſiehſt ſie ja) zur lincken Hand verſtecken. Daſelbſten wart ich dein. Ich bin voll Muͤdigkeit und Schlaff / auch will ich nicht / Daß mich iemand zu Hauß in dieſen Kleidern ſicht.
Nun wohl / ich eile fort; geh nicht von hier / Biß daß ich wiederkommen bin zu dir.
Wißt ihr / ihr Hirten / wie unſer Held Der wuͤrdige Sohn des groſſen Montan / Nachfolgend dem Hercules ſeinem Uhr-Ahn / Heute hat das grimmige Schwein gefaͤllt / Die Felder des Schadens / das gantze Land Der Sorge befreyet / darinnen es ſtand? Wißt ihr / wie er ſich anizt bereit / Der Goͤttin Geluͤbde zu legen ab / Die ſeinem Beginnen Geluͤcke gab. Geht ihm entgegen mit Danckbarkeit / Ruͤhmt euren Wohlthaͤter mit vollem Mund / Ehrt euren Befreyer von Hertzen Grund. Ob wohl ein Tugend-vollkommener Sinn Nicht achtet der Ehre verfliegenden Thon / Iſt ſelbſten ſein beſter und eigener Lohn: So iſt doch dieſes allein der Gewinn / Diß bleibet allein der hoͤchſte Preiß / Den Erde der Tugend zu geben weiß.
O trauriger Fall! O ſchmertzliche Klag! Unheilſamer Streich! Ungluͤcklicher Tag! Verhaßte Begebniß!
Was mag diß ſeyn? Wen hoͤren wir da ſolch Leid ausſchreyn?
Feindſelige Sternen / Verſtoͤrer Unſerer Ruh / Trifft ſo mit eurem Vertroͤſten der Ausgang zu? Muſt’ unſre Hoffnung ſo bluͤhen und blincken / Nur deſto tieffer in Abgrund zu ſincken?
Iſt dieſes nicht Ergaſt? Es iſt der gutte Mann.
Was will ich aber den Himmel verklagen / Was will ich von Sternen und Verhaͤngniß viel ſagen? Ergaſto klage dich ſelber an: Du haſt das Stroh zum Feuer gelegt / Du haſt die toͤdtlichen Flammen erregt. Doch weiß der Himmel / daß ich nichts boͤſes gedacht / Und daß mich Erbarmen zu ſolchem Beginnen gebracht. Unſelig-verliebte! betruͤbtes Kind! Un -107treuer Schaͤffer.Ungluͤcklicher Vater / voll Jammerſtand! Bekuͤmmerter Schwaͤher / deß Freude verſchwindt! Von Goͤttern und Menſchen verlaſſenes Land! Unſelig / mit Schmertzen und Kummer verſtrickt / Was dieſes mein thraͤnendes Auge beblickt!
Hilff Himmel! ſage mir / was diß vor neuer Unfall iſt / Der auff uns alle trifft / und alles Elend in ſich ſchluͤßt! Er koͤmmt ohn diß daher / laſt ihn darum befragen. (Verhaͤngniß hoͤreſtu uns noch nicht auff zu plagen?) Sag’ uns / mein Freund Ergaſt / was dir vor Ungeluͤcke Die heiſſe Thraͤnen aus den truͤben Augen druͤcke?
Ich weine / lieben Freund’ / um mich und euch / Und um das gantze Land zugleich.
Ach weh! was ſageſt du?
Die Hoffnung von uns allen Ach leider! iſt nunmehr in Brunn gefallen.
Sprich klaͤrer.
Titirs einigs Kind / des alten Vaters Troſt und Stab / Der einig noch verhandne Zweig vom groſſen Wald-Gott Pan / Der uns zu unſerm Heyl bißher allein die Hoffnung gab / Die ſelbſt der Goͤtter Schluß verſprach dem Sohne des Montan / Die kluge Nimph / Amarille / das himmliſche Bild / Das Beyſpiel aller Erbarkeit / der Keuſchheit Blum und Schild / Ach die! das Hertze bricht mir / wenn ichs ſagen muß!
Iſt todt?
Nein / aber noch am Sterben.
Ach Ver - druß!
Ja diß iſt nicht genung / das aͤrgſt iſt noch dabey / Daß ſie im Schimpffe ſtirbt.
Daß Amarillis ſey Beſchimpfft? und wie?
Dieweil vor ohngefehr zwey Stunden Sie in verdaͤchtiger Geſellſchafft ward gefunden. Hier koͤnnet ihr ſie ſehn / wofern ihr wollt verzihn. Man wird ſie / meyn ich / bald in Tempel fuͤhren hin.
Schoͤnſte / doch ſchwereſte Tugend der Frauen / Keuſchheit / wie biſtu ſo ſeltſam zu ſchauen? Wer -108GUARINIWerden denn die nur mit Rechte vor zuͤchtig gepreiſet / Welchen zum Buhlen ſich keine Gelegenheit weiſet? O boͤſe Zeit! verderbte Sitten!
Gewiß man haͤtte faſt Urſache keiner mehr zu trauen / Nun dieſer Ausbund aller Zucht die Schrancken uͤberſchrit - ten.
Mein lieber Freund / laß dich die Muͤhe nicht beſchweren / Von allem / was geſchehn / uns Nachricht zu gewehren.
Das will ich thun: Ihr wißt / wie heut am fruͤhen Morgen Die Vaͤter beyderſeits in Tempel ſeyn gegangen / Zu ihrer Kinder Eh / auff die all ihre Sorgen Bißher gericht / die Gunſt der Goͤttin zu erlangen. Man ſchlachtete zugleich die Opffer / und befand Die Zeichen ſo gewuͤnſcht / ſo gutt das Eingeweyde / Die Flamme war ſo rein / nnd wieß ſo gleichen Brand / Als man iemahls geſehn / daß auch Tirenio Zu unſerm Prieſter ſprach: Montan / nun lebe froh / Diß iſt der Tag / an dem dein Sohn verliebt ſoll leben / Und / Titiro / dein Kind wird eine Braut abgeben; Bereite dich alsbald zum Hochzeit-Feſt und Freude. Weiſſager ohne Witz / und Haͤupter voller Wind! Und du Tirenio von inn - und auſſen blind! Wenn dein verirrter Mund vor Krantz und Hochzeit-Bette Der Amarille Band und Tod verkuͤndigt haͤtte / So moͤchtſtu ein Prophete ſeyn / Und deine Deutung treffen ein! Ein ieder war vergnuͤgt; die frohen Alten goſſen Vor Freuden Thraͤnen aus / und Titir gieng ſchon fort / Als ſich ein unverhofft Gethoͤn und Knall ließ hoͤren / Die Feuer-Flammen hin und her im Tempel ſchoſſen / Und uns des Himmels Zorn nur allzu klar entdeckten. Wie iederman erſchrack auff vorge gutte Zeichen / Wie einer hier / der ander dort Sich furchtſam und erſtarrt zur Erde niederſtreckten / Koͤnnt ihr / geliebten Schaͤffer / leicht erachten. Man ſah der Prieſter Schaar ins innre Chor entweichen / Mit Thraͤnen und Gebet die Goͤtter zu verehren / Wie wir hierauſſen auch zu thun gedachten. Bald109treuer Schaͤffer.Bald kam der Satir her / und wolt in Eil gehoͤret ſeyn Vom Prieſter / ich fuͤhrt’ ihn / wie meines Amtes iſt / hinein: Er ſprach / (wie wolt ein ſolches Maul wohl beſſre Zeitung bringen /) Ihr Vaͤter / wenn ihr ſeht / daß euch die Opffer nicht gelingen / Noch was ihr angezuͤndet habt / will reine Flammen fan - gen / So wiſſet / daß auch unrein iſt / was heute wird begangen / Daß Ericinens Hoͤl in ſich ein Laſter ſoll vergraben / Was die gerechten Goͤtter doch bereits entdecket haben / Daß da ein geil - und falſches Weib / zu wider den Geſetzen / Sich unterwindet Ehr und Treu in Unzucht zu verletzen. Laßt die Bedienten mit mir gehn / ſo will ich weiſen an / Wie man ſie beyd’ auff friſcher That ohn Muͤh erwiſchen kan. Bald / (wie ſich leider denn der Menſchen bloͤde Sinnen Nicht leicht in ſeltne Faͤll und ihr Verhaͤngniß finden kuͤnnen. Izt Hoffnung ohne Frucht / offt wieder eitle Furcht gewin - nen /) Erholte ſich der Vaͤter Mutt / und dachten ſie zu wiſſen / Warum die Opffer vor ſo uͤbel abgehn muͤſſen. Nicandern ward nebſt uns mit ihm zu gehn befohlen / Und das verbuhlte Paar gefaͤnglich einzuholen. Man gieng durch krummen Weg / biß in die Hoͤl hinein / Das ungluͤckſeelge Menſch / ich glaͤube / von dem Schein Der Fackeln unverhofft geblendet und erſchreckt / Verließ den kleinen Gang / darein ſie ſich verſteckt / Eilt auff den Ausgang zu / den / wie er gegen uns ge - meldt / Der ſchlimme Satir mit dem groſſen Stein verfaͤllt.
Was thaͤt derſelbe mehr?
Er hat ſich fortgemacht / Als er Nicandern nur auff rechten Weg gebracht. Ein ieder unter unſerm Hauffen Erſchrack / als man die Amarillis fand: Wir hatten ſie kaum unter unſer Hand / Als auch Mirtillo kam / weiß nicht woher / gelauffen. Er ſchob aus aller Macht den Spieß Mit dem er war verſehn / auff unſern Fuͤhrer zu / Und / haͤtt er ihn erreicht / er laͤge ſchon in Ruh. Allein /110GUARINIAllein / den Augenblick / indem er von ſich ſtieß / Trat jener auff die Seit / Ich weiß nicht / obs mit Fleiß / obs ohngefehr geſchach / Und alſo blieb der Todtſchlag nach. Der Stahl verwirrte ſich / ich weiß nicht wie / ins Kleid / Daß ihn Mirtillo nicht zu ruͤcke konte zihn / Und ſich auch muſte laſſen fangen.
Wie iſt man mit ihm umgegangen?
Man fuͤhrt’ ihn auch von ihr getrennt / in Tempel hin.
Warum?
Der Sache Grund genauer auszufragen; Wer weiß auch / ob man nicht vor ſtraffens-wuͤrdig ſchaͤzt / Als haͤtt’ er geiſtlich Recht und Prieſterthum verlezt / Daß er ſich an die Schaar der Kirchen-Diener doͤrffen wa - gen. Haͤtt’ ich zum mindſten nur den Aermſten troͤſten koͤnnen!
Warum geſchach es nicht?
Weil die Geſetze nicht ver - goͤnnen / Daß Unter-Diener mit Beklagten moͤgen ſprechen. Drum bin ich izt mit Fleiß von ihnen abgetreten / Durch einen andern Weg in Tempel hin zu eilen / Mit Seuffzen und Gebet des Himmels Zorn zu brechen / Und den bedeutten Sturm / wo moͤglich / zu zertheilen. Lebt wohl ihr lieben Freund / und helfft mir fleißig beten.
Wir wollens thun / ſo bald wir unſre Pflicht / Damit wir Silvien verbunden ſeyn / verricht. Ihr Goͤtter / laßt einmahl den langen Zorn doch ſchwin - den / Und euch mehr in Genad als Eyfer ewig finden!
Sieg-prangende Lorbern bekraͤntzet mein Haar / Umflechtet die Stirne mit gruͤnenden Zweigen: Heut hab’ ich erleget / was wider mich war: Mirtillo der wilde wird kuͤnfftig mein eigen. Heut hab ich im Schrancken der Liebe gekriegt / Mit Freuden gewonnen / mit Gluͤcke geſiegt. Heut111treuer Schaͤffer.Heut haben mir Himmel und Erde genuͤzt / Natuͤrliche Mittel und Kuͤnſte gedienet / Geluͤcke / Geſchicke die Waffen geſpizt / Verhaͤngnis und Zufall mein Wagen erkuͤhnet. Heut hab ich mit freundlich - und feindlicher Hand Mein Gluͤcke verſetzet in ruhigen Stand. Der ſchlimme Satir ſelbſt muſt wider ſeinen Willen / Unwiſſend / was mein Thun befoͤrdern kont / erfuͤllen. Welch Gluͤcke / daß Mirtill mir in die Augen kam / Und ſtatt des Coridons den Weg zur Hoͤle nahm Durch meine Liſt verfuͤhrt: Damit wird ihr Verbrechen Viel ſchwerer / und weit mehr der Warheit aͤhnlich ſeyn. Wird man Mirtillen ſchon zugleiche ziehen ein / Das Urtheil wird ihn doch in kurtzem ledig ſprechen / Weil nur die Suͤnderin die Straffe traͤgt allein. O gluͤckliches Siegen! Verliebtes Betruͤgen / Verſchmizte Liſt / erfreuliche Tuͤcke / Dir danck ich allein mein itzig Geluͤcke! Durch dich kan ich hoͤren Gepraͤnge der Ehren / Siegs-Zeichen erbaun / die Waffen durchdringen / Bemeiſtern das Gluͤck / die Sternen bezwingen. Was aber ſaͤum ich viel? Hier iſt nicht Zeit zu ſtehn. Entfernt iſt gutt vorn Schuß. Ich will bey ſeite gehn / Biß meine Feindin todt: Sie moͤchte von mir ſchwaͤtzen / Und ſich durch meine Schuld in Unſchuld wollen ſetzen. Der Prieſter doͤrffte ſich entſchluͤſſen / Der gantzen Sache Grund von mir zu wiſſen. Drum fleuch Coriſca / fleuch: Der ſezt ſich in Gefahr / Der auff dem ſchwachen Fuß der Luͤgen ſteht / Und nicht bey Zeiten aus dem Wege geht / Ich will diß beſſer nehmen wahr / Und mich in jener Hecken / Biß daß ich meine Zeit und Luſt erſeh / verſtecken. Gluͤckſelge Coriſca / wie geht dirs ſo wohl? Dort ſeh’ ich ſchon / was mich befriedigen ſoll.
Der muͤſt ein Hertz aus Stein / und wohl kein Hertze fuͤhren / Kein menſchliches Gebluͤtt in ſeinen Adern ſpuͤren / Dem dieſer Unfall nicht das Hertze ſolte ruͤhren. Ein zartes Jungfern-Bild gefangen anzuſchauen / Daß Witz und Schoͤnheit hub zu den geſtirnten Auen / Dem unſre Jugend wolt’ Altaͤr und Tempel bauen / Und ſehen / wie man ſie im Tempel wolle ſchlachten / Iſt eine Sache nicht ohn Wehmutt zu betrachten / Ob der ein Hertze moͤcht in heiſſen Zaͤhren ſchmachten: Wer aber weiter weiß / von wem ſie iſt geboren / Zu was der Goͤtter Schluß und Wille ſie erkoren / Und weſſen Sohn ſie hat die Ehe zugeſchworen; Wer ihm zu Sinne zieht / wie in ſo zarten Jahren / Die der Natur gemaͤß noch weit vom Sterben waren / Diß Kind die Bitterkeit des Todes ſoll erfahren; Wer ferner uͤberlegt / wie ſie ihr junges Leben / (Das Schoͤnheit / Ruhm / Verſtand und Adel hoch erhe - ben /) Mit Wiſſen und mit Schuld hat in Gefahr gegeben; Wer / ſag’ ich / diß erwegt / und laͤſt nicht Thraͤnen fluͤſſen / Kan ſich dabey befreyt von Schmertz und Bey-Leid wiſ - ſen / Der muß ein Tiger-Hertz in Menſchen-Glieder ſchluͤſſen.
Wenn ich an meiner Noth mich ſelber ſchuldig wuͤſte / Und ich ſie vor den Lohn allein der boͤſen Luͤſte / Geſchweige boͤſer That / mit dir erkennen muͤſte / So wuͤrd ich mich gewiß mit leichterm Mutt entſchluͤſ - ſen / Durch zugezognen Tod die ſchwere Schuld zu buͤſſen. Muͤſt’ ich mein ſuͤndlich Blutt mit Schanden gleich ver - gieſſen / So wuͤrde doch dadurch der Geiſt gereinigt werden / Und die Gerechtigkeit befoͤrdert auff der Erden / Das arme Land erloͤſt von Nemeſis Beſchwerden. Ich113treuer Schaͤffer.Ich koͤnte meinen Geiſt viel eh zu Friede ſtellen / Mir im Gewiſſen ſelbſt verdientes Urtheil faͤllen / Und meinen eignen Spruch des Richters zugeſellen; Denn wuͤrde die Begier zu leben ſelbſt erſterben / Mit ruhigem Gemuͤth ich eilen zum Verderben / Und bey der Goͤtter Schaar vielleicht was beſſers erben. So aber iſts zu ſchwer / daß ich ſo[jung] muß ſcheiden / Mein Hoffen / mein Geluͤck und meine Freunde meiden / Den herben Tod ſo bald und ohne Schuld erleiden.
Viel beſſer waͤr es wohl / wenn wir dir unrecht thaͤten / Als daß du ſelbſt zu nah dem Himmel biſt getreten; Denn jenes lieſſe ſich viel eh / als diß / verbeten. Man koͤnte leichter dir die Ehre wieder geben / Als das befleckte Land der Goͤtter Straff entheben / Die wegen alter Schuld annoch im Zorne ſchweben. Allein ich kan doch nicht / elendes Kind / erſehn / Von wem / als von dir ſelbſt / dir unrecht ſey geſchehn. Denn ſage mir / hat man dich nicht gefunden An einem Orte voll Verdacht? Mit dem / der dir durch Liebes-Brunſt verbunden? Was habt ihr da allein gemacht? Haſtu dem Silvio nicht ſchon dein Wort verſezt? Und haſtu denn durch diß die Treue nicht verlezt? Wie magſtu denn noch viel von deiner Unſchuld ſprechen?
Und wenn ihr noch ſo ſchwer urtheilet mein Verbrechen / So weiß ich doch gewiß / daß wider der Geſetze Schluß Ich nicht geſuͤndigt hab / und unverſchuldet leiden muß.
Das Geſetze / welches uns die Natur und Neigung ſtellt / Haſtu wohl nicht uͤbertreten: Liebe / was dir wohl gefaͤllt. Aber diß nur allzu ſehr / womit uns der Himmel bindt / Und der Menſchen Schluß umſchraͤnckt: Liebe / was dir iſt verguͤnnt.
Boͤſe Menſchen auff der Erden / Und der Himmel ſelbſt muß an mir zum Suͤnder werden / Wo es anders iſt gewiß / daß von ſeinen Schluͤſſen Unſer Heil und Unheil ſoll auff der Welt entſpriſſen. Denn es muß ja nur allein Des Verhaͤngniß Wille ſeyn /HDaß114GUARINIDaß ich wegen fremder Miſſethaten Soll in bittern Tod gerathen.
Was ſageſtu? Halt mit dergleichen Worten an; Dein Eyſer wird izt nicht den Weg zum Himmel finden / Noch dein beaͤngſter Geiſt deſſelben Schluͤß ergruͤnden / Die ein andaͤchtig Hertz mit Muͤh erreichen kan. Was haſt du viel die Sternen anzuklagen? Wir Menſchen ſchmieden uns nur ſelbſten unſre Plagen.
Ich klage uͤber nichts / als mein erboſt Geſchicke / Und die vielmehr / die mich verfuͤhrt durch ihre Tuͤcke.
Verklage demnach dich / die du dich ſelbſt betrogen.
Ich ward in den Betrug von andern eingezogen.
Wer will betrogen ſeyn / darff den Betrug nicht klagen.
So ſchaͤzt ihr mich denn gar ſo unverſchaͤmt zu ſeyn?
Daß weiß ich nicht: Du muſt die eignen Thaten fragen.
Offt giebt ein reines Hertz unſchuldig boͤſen Schein.
Man kan die Wercke nur / und nicht das Hertze ſehn.
Durch Augen des Gemuͤths kan ſolches doch geſchehn.
Sie ſehen aber nichts / als durch der Sinnen Licht.
Die Sinnen irrn / wo nicht Vernunfft das Urtheil ſpricht.
Was findt Vernunfft vor Recht bey zweifelhaffter That?
So weiß ich doch das Recht / das mein Gewiſſen hat.
Wer hat dich in die Hoͤl / als du / zu gehn gezwaͤngt?
Mich hat Leichtglaͤubigkeit und Einfalt hingeſprengt.
Haſtu dem Buhler denn dein’ Ehre wolln vertrauen?
Der falſchen Freundin nur / (nicht ihm) und ihrem Triebe.
Der Freundin? deiner Luſt? der Reitzung kuͤhner Liebe?
Ach nein! Coriſcen / die mich ſo gefuͤhret ein.
Wie viel noch wuͤnſchen ſich ſo angefuͤhrt zu ſchauen?
Mirtill iſt ohne mein Bewuſt zur Hoͤle kommen.
Wie / und warum haſtu den Weg hinein genommen?
Genung / daß ich nicht ihm zu Lieb hinein gegangen.
Bringſtu nicht Urſach her / ſo biſtu ſchon gefangen.
Ihr koͤnnet nur bey ihm von meiner Unſchuld fragen.
Ja / weil er ſelbſten Theil an deiner Schuld getragen.
Von der / die mich betrog / werdt ihr der Warheit innen.
Man nimmt kein Zeugniß an von falſch-verſchreiten Sinnen
So bin ich einen Schwur zu legen ab bereit.
Der klare Schein verwirfft den angebotnen Eyd. Ich ſage dir vorher und ſonder Heucheley / Damit dein Hertz hernach nicht mehr verwirret ſey / Wenn dir nicht helffen kan der eitlen Hoffnung Dunſt In deiner hoͤchſten Noth; diß alles iſt umſonſt. Kein truͤbes Waſſer waͤſcht die angezognen Flecken / Kein ſchlimmes Hertz laͤſt ſich mit ſchoͤnen Worten decken. Wo ſchon die That verklagt ein Suͤnden-volles Leben / Muß all’ Entſchuldigung mehr Schwaͤrtz als Schmincke geben. Dir ſtand doch einmahl zu auff deiner Keuſchheit Pflicht Mehr Acht zu geben / als auff deiner Augen Licht / Als auff dein Leben ſelbſt. Was laͤſt du dir viel traͤumen / Und wilt durch Selbſt-Betrug die kurtze Zeit verſaͤumen?
So ſoll und muß ich denn? Ach! ſoll und muß ich ſterben? So muß ich ungehoͤrt und unbeſchuͤzt verderben? Ohn alles Hoffen? und von aller Welt verlaſſen? Beklagt / doch ohne Frucht? Ach! ſterben und erblaſſen.
Befriedige dein Hertz; und hat dein Unverſtand Zur Thorheit dich verfuͤhrt / ſo ſey doch nun gemutt / Beherzt und wohl getroſt zu uͤberſtehn Die Straffe / welcher du nicht kanſt entgehn. Laß Augen / Hertz und Sinn gen Himmel ſeyn gewand / Weil du vom Himmel haſt gezogen Geiſt und Blutt. ” Von Wurtzeln waͤchſt das Kraut / der Strom fließt von dem Brunnen:” Vom Himmel koͤmmt auff uns / was boͤß und gut / gerunnen. ” Was boͤß hier ſcheint / wo boͤß und gutts im Schwange geht /” Iſt oben gutt / wo nichts als gutts zu finden ſteht. Es kan mir Jupiter und unſre Goͤttin zeugen / Die mich vor ihrem Thron ſieht Knie und Hertze beugen / Wie leid mirs um dich ſey. Hat aber dich bißher mein Mund gegriffen an Mit Worten / druͤber dir das Hertze bricht entzwey / So wiſſe / daß ich als ein kluger Arzt gethan / Mitleidend / aber ſcharff; der mit geſpiztem Eiſen Den Grund der Wunde ſucht / wo ſie gefaͤhrlich ſcheint:H 2So116GUARINISo hab ichs auch mit dir im Hertzen gut gemeint / Dich auff den Weg der Buß’ und Großmutt wollen weiſen. Drum gib dich nun zu Fried / und widerſtreite nicht Dem / was der Himmel dir vorlaͤngſten ausgeſtellt.
O allzuharter Schluß / Der mich des Todes wuͤrdig nennt / Ob ihn die Erd / ob ihn der Himmel hat gefaͤllt. Jedoch / der Himmel nicht / der meine Unſchuld kennt / Was hilfft mich aber das / wenn ich doch ſterben muß? Das iſt ein ſaurer Gang! das gehet bitter ein / Nicander / ſterben / und nicht kranck / und ohne Schuld zu ſeyn! Ach! wo dich mein erbarmt / als wie dein Mund bericht / So eile nicht ſo ſehr mit mir. Verweile dich ein kleines noch allhier.
Wer ſich vorm Sterben fuͤrcht / ſtirbt ieden Augenblick. Was zeuchſtu laͤnger auff dein leztes Ungeluͤck? Die groͤßte Todes-Pein iſt an den Tod gedencken / Die Sinnen / eh er kommt / mit ſeinem Bildniß kraͤncken: Und wer ſchon ſterben ſoll / ie eher daß er ſtirbt / Je eher er dem Tod entgeht / und Ruh erwirbt.
Vielleicht erwarten wir noch daß ſich Rettung findt. Mein Vater / liebſter Vater / verlaßt ihr auch eur Kind? Verlaßt ihr euer einigs Kind in ſeinen letzten Noͤthen? Verſagt mir doch auffs mindſte nicht den lezten Abſchieds - Kuß / Ich weiß dennoch / der grimme Stahl wird unſer zwey ertoͤd - ten / Eur Blutt wird flieſſen weg durch euer Tochter Wunden. Ach / Vater-Nahme / den ich vor ſo huͤlffreich habe funden / Den ich niemahls umſonſt gerufft! Iſt diß die Hochzeit-Luſt / auff die ihr habt gehofft / Das mich der Morgen Braut / der Abend Leiche ſehen muß?
Ach aͤngſte dich nicht mehr: Was wiltu mit vergebnem Klagen Dich ſelbſt und andre plagen? Die Stund iſt nunmehr da / in Tempel dich zu fuͤhren / Und meine Pflicht laͤſt mich nicht laͤnger Zeit verlieren.
Nun gutte Nacht ihr Waͤlder! ihr lieben Waͤlder gutte Nacht! Nehmt an den letzten Seuffzer / den ich bey euch hervor ge - bracht / Biß mir ein grimmig Eiſen die abgematte Seel entreißt / Und euren Schatten wieder im Schatten ſucht mein kalter Geiſt: Denn / an den Ort der Qualen verdam̃t ihn keine Miſſethat / Bey reinen Geiſtern findet Schmertz und Verzweifeln keine Stat. Mirtillo / ach Mirtillo / wie ſo ungluͤcklich war der Tag / An dem ich dich geſehn / an dem ich dir zu erſt gefiel / Nun ich mein armes Leben / das ich kein Leben nennen mag / Soll deinet wegen ſchluͤſſen mit ſo elendem Trauer-Spiel. Ich ſoll verurtheilt ſteꝛben / als ſchuldig wegen deiner Brunſt / Da ich / ohn Schuld zu bleiben / dir nicht erzeigt die mindſte Gunſt. Ach / vor mich allzu hitzig / vor dich nur allzu lauer Sinn! Viel beſſer waͤrs geweſen / genieſſen oder gar zu fliehn. Ich muß nun einmahl ſterben / ohn alle Schuld / die mich be - ſchwaͤrtze / Ohn alle Frucht der Liebe / und leider! ohne dich / mein Hertze! Ich ſterbe. Ach Mirtill!
In Warheit ſie vergeht / Die Aermſte! kommt herzu / und helfft ſie wieder halten. O wunderlicher Fall! Uber des Mirtillo Nahmen ſieht man ſie erkalten. Lieb’ und Schmertzen koͤmmt bey ihr Dem geſchaͤrfften Eiſen fuͤr. O Ungluͤckſelige! Doch ſie iſt noch bey Leben: Ich fuͤhl ihr mattes Hertz ein zitternd Zeugniß geben: Laßt ſchauen / ob ſie noch zu retten ſteht / Tragt ſie zu jenem Quall / Und kuͤhlt ſie mit der friſchen Flutt. Ob ihr nicht beſſer waͤr / in ſtiller Ohnmacht zu vergehn / Als oͤffentlich hernach den ſchweren Streich zu uͤberſtehn? Doch / dem ſey wie ihm will / fahrt fort ihr beyzuſpringen / Und / was die gegenwaͤrtge Noth erheiſchet / zu voll bringen. Der Himmel kan allein urtheilen von zukuͤnfftgen Dingen.
Ojunger / doch beruͤhmter Held / In den das rechte Bild des Hereules gepraͤgt / Der ſo manch Ungeheur vor Zeiten hat erlegt.
O junger / doch beruͤhmter Held / Durch deſſen kuͤhne Hand der Hauer muſt erliegen / Den man im Leben ſchaͤzt unmoͤglich zu beſiegen / Schau hier den Kopff / ſchau hier das freche Haubt / Das gleichſam noch im Tode draͤut und ſchnaubt. Diß iſt der edle Raub / diß iſt das Sieges-Zeichen Des Helden / deſſen Ruhm wird biß zun Sternen reichen. Ihr Hirten feyrt den angenehmen Tag / Macht / daß ſein Ruhm ſtets hoͤher ſteigen mag / Biß er durchdringt die gantze Welt -
O junger / doch beruͤhmter Held / In dem das rechte Bild des Hercules gepraͤgt / Der ſo manch Ungeheur vor Zeiten hat erlegt.
O junger / doch beruͤhmter Held / Der du dein Leben ſelbſt vor andre wollen wagen / Diß iſt der rechte Weg der Tugend nachzujagen. Denn Schweiß und Fleiß geht allemahl voran / Eh man die Ehr’ und Tugend finden kan. Wer endlich ſuͤſſer Ruh und Ruhmes will genuͤſſen / Den muß die ſaure Muͤh und Unruh nicht verdruͤſſen: Wer dieſe ſcheut / bleibt in dem Thale ſtehn. Wer ſich bemuͤht durch Stock und Stein zu gehn / Erlangt der wahren Ruhe Zelt.
O junger / doch beruͤhmter Held / In den das rechte Bild des Hercules gepraͤgt / Der ſo manch Ungeheur vor Zeiten hat erlegt.
O junger / doch beruͤhmter Held / Durch deine Tapfferkeit kan man nun ſicher ſchauen Das angebaute Land / die unzerwuͤhlten Auen. Geh / Bauer / nimm mit Sicherheit den Zug / Und ſpann ihn vor den halb-verroſten Pflug /Streu119treuer Schaͤffer.Streu deinen Samen aus / erwarte reicher Fruͤchte / Kein Ruͤſſel wuͤhlet ſie / kein Fuß tritt ſie zu nichte. Du wirſt mit Luſt die Garben ſammlen ein / Und nicht wie vor um Brod bekuͤmmert ſeyn / Weil dein Verderber iſt gefaͤllt.
O junger / doch beruͤhmter Held / In den das rechte Bild des Hercules gepraͤgt / Der ſo manch Ungeheur vor Zeiten hat erlegt.
Der Himmel ſelbſten lacht zum Zeugniß deiner Ehren / Weiſſagend / wie dein Ruhm ſich mit der Zeit wird meh - ren. Alcidens Hand beſiegt ein ſolches Schwein / Doch muſt’ es erſt die dritte Probe ſeyn. Das wilde Thier iſt dir ein Spiel der zarten Jugend. Du legſt damit den Grund zur Tapfferkeit und Tugend. Was wird man ſehn vor Thaten deiner Hand / Wenn ſich noch mehr Vermoͤgen und Verſtand Dem kuͤhnen Hertzen zugeſellt?
O junger doch beruͤhmter Held / In den das rechte Bild des Hercules gepraͤgt / Der ſo manch Ungeheur vor Zeiten hat erlegt.
O junger / doch beruͤhmter Held / Du haſt die Gottesfurcht mit Tapfferkeit verbunden. Schau / groſſe Zinthia / hier hat ſich eingefunden Dein Silvio / bey dir zu legen ab / Was dir ſein Mund durch ein Geluͤbde gab. Schau wie das ſtoltze Haubt / bewehrt auff beyden Sei - ten / Scheint deiner Hoͤrner Glantz hochmuͤthig zu beſtrei - ten. Du haſt den Pfeil des Juͤnglings angefuͤhrt; Darum dir auch des Sieges Ruhm gebuͤhrt / Den er zu deinen Fuͤſſen ſtellt.
O junger / doch beruͤhmter Held / In dich iſt recht das Bild des Hercules gepraͤgt / Der ſo manch Wunder-Thier zu ſeiner Zeit erlegt.
ICh habe zwar bißher nicht glaubens-werth geacht / Was von Coriſcen mir der Satir beygebracht / Ich habe mich befuͤrcht / er moͤchte mich mit Luͤgen / Um die er unbeſorgt / anfuͤhren und betruͤgen. Es ſchien mir ungereimt / daß man ſie auff dem Ort / An den ſie mich beſtellt / wofern Liſettens Wort Mich recht berichtet hat / und faſt zu gleichen Stunden Solt haben / wie er ſagt / in geiler That gefunden. Wenn aber ich itzund die Warheit ſagen ſoll / Befremdet mich gar ſehr / und ſtimmet allzu wohl Diß zugeſtopffte Loch / der vorgewaͤltzte Stein Mit Seiner Nachricht uͤberein. Coriſc / ich habe wohl vorlaͤngſt etwas verſpuͤrt / Du wuͤrdeſt auff ſo viel Verſtoſſen endlich fallen. Denn dieſes iſt der Lohn bey ſchlimmen Weibern allen. Die Falſchheit / der Betrug / die Liſt / die du gefuͤhrt / Haͤtt’ uns vorlaͤngſten wohl den Ausgang weiſen kuͤnnen / Wenn uns die Liebe nicht verblendt Vernunfft und Sinnen Es iſt mir gut / daß ich ſo ſpaͤt bin angelangt. Mein Vater hielt mich auff / daß ich ihm nie gedanckt; Izt iſt es mein Geluͤck: Waͤr ich zu rechte kommen / Wie leichtlich irgend haͤtt’ ich Ungluͤck hier genommen. Was werd ich aber thun? Soll ich von Zorn entbrant Die Rache nehmen zu der Hand? Ich ehrte ſie dadurch: Und wenn wirs recht betrachten / Iſt ſie Mitleidens mehr / als Straffe / werth zu achten. Erbarmt dich derer denn / die dich betruͤgt? Nein / ſie betruͤgt ſich ſelbſt / indem ſie nicht vergnuͤgt Mit einem / welcher ſie beſtaͤndig hat geliebt / Sich einem ſchlechten Kerl und Fremdling uͤbergiebt / Der ſie in kurtzen wird mit gleicher Muͤntze zahlen / Und ihr an meine ſtatt die Rach’ ins Hertze mahlen. Doch hat ſie dich verhoͤnt: Vielmehr geehrt / und ich Bedeute mirs zum Ruhm. Denn wer verachtet mich? Ein Weib / das allezeit des rechten Urtheils fehlt /Das121treuer Schaͤffer.Das nie recht lieben nicht / noch recht geliebt kan ſeyn / Das ſich bethoͤren laͤſt durch einen blinden Schein / Das Beſte von ſich ſtoͤßt / und das Geringſte waͤhlt. Sag’ aber Coridon / wenn dich der Korb nicht beiſt / Kan denn nicht ſolch Verluſt erhitzen deinen Geiſt. Nein / ich verliere nichts / als was nicht mein geweſen / Erlange meine Ruh / und finde mein Geneſen. Iſt mein nun freyes Hertz gleich eines Weibs entladen / So falſcher Thorheit voll / was hab ich des vor Schaden? Und endlich / was verlier ich mehr / Als eitle Schoͤnheit ſonder Ehr / Ein Haubt / das keinen Witz nicht weiſt / Ein Hertze ſonder klugen Geiſt / Ein Thier / ſo keine Treue liebt / Das ein Geſpenſt der Liebe giebt / Ein Schatten / Leich’ und Todten-Schein / Das Morgen muß verweſt / voll Stanck und Faͤulnis ſeyn. Iſt dieſes wohl Verluſt? Iſts nicht Gewinn zu ſchaͤtzen? Und wenn Coriſca fehlt / wirds Noth um Weiber ſetzen? Wer weiß / wo meine Treu was beſſers traͤgt davon? Ihr aber kommt nicht leicht ein ander Coridon. Folgt ich dem Rathe nach / den Satir mir gegeben / Und klagte wider ſie / gebrochner Treue wegen / Ich koͤnnt ihr alſobald das Leichen-Zeichen legen / So aber iſt mein Hertz zu edel / daß ich mich Solt um ein falſches Weib viel kuͤmmern und bemuͤhn. Die Weiber moͤchten ſichs zn einem Ruhm anziehn / Wenn ſie durch Wanckelmuth den Maͤnnern einen Stich Ins Hertze braͤchten bey / wenn ſie die Ruh verſtoͤrten Der Seelen / welche ſich zu ſtrenger Rach empoͤrten. Drum mag Coriſca heut um meinet willen leben / Vielmehr noch aber nicht um meinet willen ſterben / Und annoch lebendig vor einen andern bleiben. Ihr Leben ſelbſten wird vor mich die Rache treiben. Sie leb’ ihr ſelbſt zur Schmach / die ihren Ruhm wird faͤr - ben / Leb’ ihrem neuen Schatz / den ich ihr leicht verguͤnne / Eh Beyleid gegen ihr / als Eyferſucht / gewinne.
OGoͤttin der bethoͤrten Welt / die in der Eitelkeit erſof - fen / An faulen Muͤßiggang gewohnt / mit blinden Aberwitz be - troffen / Dich mit beflecktem Hertzen ehrt / Altaͤr und Tempel vor dich baut / So man durch ſchnoͤdes Thun entweyht / Frey-Staͤdte deiner Laſter ſchaut / Die mit dem Nahmen deines Dienſts ihr unverſchaͤmtes Thun bedecket / Und in dem Schatten deiner Macht die Schwachheit ihres Geiſts verſtecket; Du Lehrerin der Uppigkeit / die du zu bergen deine Schmach Durch fremde Schuld der tollen Luſt den freyen Zuͤgel laͤſſeſt nach / Du ſtrenge Feindin der Vernunfft / du Meiſterin verſtolner Thaten / Verſtoͤrerin der Ruh / durch die die Welt in Krieg und Mord gerathen: Du Tochter ungeſtuͤmer See / ein Kind von gleicher wilden Art / Die durch der Hoffnung ſanffte Lufft den Menſchen anlockt zu der Fahrt / Bald aber drauff in ſeiner Bruſt ſo einen ſtarcken Sturm erreget / Entzwiſchen der Begier und Furcht das Schiff bald hin bald her verſchlaͤget / Daß dich der kluͤgſte Theil der Welt vielmehr die Ungluͤcks - Amme nennt / Als vor die Mutter ſuͤſſer Luſt / und Brunnquell reiner Lieb’ erkennt: In was vor Elend haſtu nun die zwey Verliebten eingeſen - cket? Woferne dir der Erden Kreiß nicht gantz vergeblich Opffer - ſchencket /Un123treuer Schaͤffer.Uñ deiner Staͤrcke Ruhm erhebt / ſo mache dieſe Nimphe frey / Daß ſie nicht deiner ſuͤſſen Gifft ein klaͤglich ſterbend Bey - ſpiel ſey. Gluͤckſelig iſt vor mich der Tag geweſen / An dem ich mir den keuſchen Dienſt Dianens ausgeleſen. Ich ehre dich allein / du Goͤttin reiner Hertzen / Dir iſt das beſte Theil der Seelen unterthan / Gleichwie dein helles Licht beſchaͤmen kan Den mindern Glantz der andern Himmels-Kertzen. Dein Dienſt iſt voller Ruhm / und ſicher vor Gefahr / Der unterworffen iſt die ungluͤckſelge Venus-Schaar. Wenn ihr Vertrauter muß von einem Schwein erliegen / So kan ein dir verpflichter Sinn dergleichen grimmes Thier beſiegen. O Bogen / mein ſiegreich Gewehr / den ich mit Luſt Und nie vergebens ſetz an meine Bruſt / Ihr Pfeile / Zeugen meiner Staͤrcke / Und Werckzeug meiner kuͤhnen Wercke / Laßt nun den ſchwachen Feind / die Liebe / kommen an / Mit weibiſchem Gewehr und ſchauen / was er kan. Laßt ſchaun / ob er / wie ihr / kan treffen und verletzen. Was aber will ich ihn der Ehre wuͤrdig ſchaͤtzen? Ich glaͤub / ich bin nicht klug / Daß ein ſo ſchwaches Kind mit euch im Streit ſoll gehn. Ich ſage / daß ers hoͤrt / und daß ers kan verſtehu; Mit ihm zu fechten iſt die Ruth allein genug; Widerhall. Genug. Wer unterſteht ſich da zu reden wider mich. O ſtummer Bube / ſpricht der Widerhall vor dich? Widerhall. Ich. Du kommſt mir eben recht: Alleine ſage mir / Biſtu Cupido ſelbſt? Red’ ich gewiß mit dir? Widerhall. Mit dir. Biſtu Zitherens Kind / die ihren Mann betrogen / Geliebet den Adon / die gantze Welt bethoͤrt? Widerhall. Ehrt. Wohl / Mavors Kebes-Weib / die alles gutte ſtoͤrt / Nach deren Ankunfft Gluͤck und Ruh iſt weggeflogen. Widerhall. Gelogen. Was124GUARINIWas ſoll ich in den Wind die Worte ſchicken hin? Biſtu ſo kuͤhn / ſo komm und ſchaue / wo ich bin. Widerhall. Ich bin. Du biſt ein Baſtard-Sohn / daß ſchwer’ ich hoch und theuer. Was aber zeugte dich denn vor ein Ungeheuer? Widerhall. Feuer. Vulcan wird doch umſonſt vor Vater angemeldt. Was aber fuͤhreſtu vor Titul auff der Welt? Widerhall. Held. Biſtu ein Held / wer muß dir unterworffen ſeyn? Ein Hertze / daß ſich ſenckt in alle Laſter ein? Widerhall. Rein. Du Siegs-Fuͤrſt / der du wilt von deinen Thaten ſprechen / Kanſtu auch ſtraffen die / die ſich an dir verbrechen? Widerhall. Raͤchen. Was wird vor Straffe denn den Hertzen vorgeſchrieben / Die gegen deiner Macht ſind widerſpenſtig blieben? Widerhall. Lieben. Wie wird es mir ergehn / der dein Gebot noch nie erkennt? Ob auch mein freyes Hertz durch deine Waffen wird berennt? Widerhall. Brennt. Wenn wird es denn geſchehn / daß man zu Sturme leute / Daß dieſes feſte Schloß ſich dir ergiebt zu Beute? Widerhall. Heute. Die Friſt iſt ziemlich kurtz / ich bin noch eben kalt. Gehts denn ſo eilends zu? Wenn fuͤhl’ ich die Gewalt? Widerhall. Bald. Du koͤmmſt mir ſeltzam vor. Wer aber oͤffnet dir das Thor? Widerhall. Dor. Dem Kinde bleibt das Wort halb auff der Zunge kleben. Wiltu Dorinden mir dadurch zu rathen geben? Widerhall. Eben. Da triffſtu eben recht / du unverſchaͤmter Dieb; Die hab ich / wie der Wolff die Schaffe / lieb. Widerhall. Lieb. Und wenn ich denn nicht will wie du / wer zwinget mich? Widerhall. Ich. Ja hinter ſich. Wo125treuer Schaͤffer.Wo nimmſtu Waffen her / wo ſoll der Bogen ſeyn? Taugt deiner wohl darzu? Soll ich dir meinen leihn? Widerhall. Leihn. Den geb ich ſchwerlich weg; und ſolt es dir geluͤcken / Du wuͤrdeſt dich nur ſelbſt daruͤber ziehn zu Stuͤcken. Widerhall. Ihn zu Stuͤcken. Iſt das Gewehr entzwey / ſo bleib’ ich wohl zur Ruh. Doch wer zubricht es wohl? was meyneſtu? Widerhall. Du. Da hoͤr ich / daß dir traͤumt / doch lieber / ſage mir / Wo wird ſolch Wunderwerck geſchehn von dir? Widerhall. Hier. O Thor / izt geh’ ich weg / dir zum Verdruͤß: Schau / wie dein Prophezeyn ſo ungewiß. Widerhall. Gewiß. Was koͤmmt mir aber dort in jenen Straͤuchen fuͤr? Mich daͤucht / ich ſehe da was graulechtes vor mir / Das einem Wolffe gleicht. Es wird nicht anders ſeyn. Es iſt gewiß der Wolff. O welch ein ſtarcker Gaſt! O zu der Jagt gluͤckſelger Tages-Schein! O Goͤttin / wie du mich ſo gar beguͤnſtigt haſt / Daß ich kan einen Tag zwey ſolche Thiere fangen? Was aber ſaͤum ich mich / und laß ihm Zeit zu fliehn? In deinem Nahmen / dem ich gantz ergeben bin / Will ich den beſten Pfeil aus meinen Koͤcher waͤhlen / Und ſeinen ſchnellen Flug in deine Gunſt befehlen. Trifft er / ſo ſoll die Haut in deinem Tempel hangen. So druͤck ich loß. Begluͤckter Schuß! Ich treffe / wo ich hin - gezielt. Ach haͤtt ich meinen Spieß / ihm noch den lezten Fang zu gebẽ / Eh’ er ſich wieder in den dicken Wald verſtielt. Iſt kein Gewehr ſonſt da / die Erde wird mir Waffen langen. Die Steine ſind ja hier auch trefflich ungemein / Daß ich kaum einen finden kan. Doch / was will ich nach Waffen fragen / Hab’ ich ihr doch noch ſelbſt den Koͤcher voll getragen. Die ſind gewiſſer als der Stein / Der Pfeil wird ihn ſchon bringen um das Leben. Was126GUARINIWas ſeh’ ich? Himmel hilff! was hab ich da gethan? Ach ungluͤckſelger Weydemann! Ein Hirt in einer Wolffes-Haut iſt da von dir verwundt. Ach Unfall! ach betruͤbter Tag! ach ungluͤckſelge Stund! Ach Menſchen-Jaͤger! ach / izt wird mir nimmer wohl. Mich daͤucht / daß ich darzu den Aermſten kennen ſoll / An deſſen Tod ich ſchuldig bin / Der Linco iſt bey ihm / der haͤlt und kuͤhlet ihn. O moͤrdlicher Pfeil / der Menſchen verſehrt! Geluͤbde zu lauterem Ungluͤck erhoͤrt! So bin ich nun befleckt von fremdem Blutt / Der ich vorhin mit ſolchem kuͤhnen Mutt Vor fremdes Heyl mein eigen Leben Entſchloſſen war dahin zu geben? Ach! daß ich auff die Jagt iemahls gegangen bin! Geh / frecher Jaͤger / geh’ und wirff die Waffen hin / Thu Pfeil und Bogen weg / befleckter Menſchen-Schuͤtze / Die dir doch nur allein zu Schimpff und Schaden nuͤtze. Geh’ und zerbrich! Da iſt der ungluͤckſelge Menſch / den du verlezt; Doch weit ſo ungluͤckſelig nicht als ich / Durch ſolche That in ſteten Haß und ewge Reu geſezt.
MEine Tochter / ruhe nur gantz auff meinen Armen Ungluͤckſelige Dorinde.
Ach Dorinde! ich bin todt!
Linco du mein ander Vater.
Ja ſie iſts. Ach Wort! ach Blick! Welcher einen harten Stein in der Erde moͤcht erbarmen.
Du biſt darzu auserſehn / mir zu leiſten Huͤlff und Treu. Als ich durch den erſten Gall mein zukuͤnfftig Ungeluͤck Auff die Welt gebracht beweinte / wareſtu dabey; Nun erlebeſtu und ſieheſt auch das Ende meiner Roth. Deine Armen / die mich offt in den Schlaff gewieget ein / Werden mir zum Sterben auch izt die lezte Ruhſtaͤtt ſeyn.
O Tochter / die ich mehr geliebt / als mein ſelbſt eigen Kind / Der Himmel weiß / was ich bey deiner Roth empfind. Ich127treuer Schaͤffer.Ich kan dir keinen Troſt zuſprechen: Das Hertze will mir / ſchweige denn die Wort’ im Munde brechen.
Ach / daß die Erde nicht zerſpringt / Und zu gerechter Rach in Abgrund mich verſchlingt!
Mitleidger Linco halt doch nur mit Gehn und Weinen inne: Denn jenes thut dem Leibe nur mehr weh / und diß dem Sinne.
Ach aͤrmſtes Kind / wie herben Lohn Traͤgt deine Lieb’ itzund darvon!
Getroſt Dorind’ / es wird der Schuß nicht toͤdtlich ſeyn.
Dorinde aber bald ihr ungluͤckſelges Leben Dem laͤngſt-gewuͤnſchten Tod in ſeine Klauen geben. Doch wuͤſt’ ich gerne noch vorhin / wer mich verwundt?
Laßt uns mehr vor die Wunde Sorge tragen / Als nach dem Thaͤter fragen. Denn von der Rache wird man nicht geſund.
Was machſtu hier? Was ſaͤumſtu dich? Wiltu noch ſo viel Hertze faſſen / Dich ſelber von ihr ſehn zu laſſen? Fleuch der zu rechter Rach’ entbrannten Augen-Schein / Fleuch der von rechtem Zorn geſchaͤrfften Worte Stich. Ach aber! Ich kan nicht entfliehn / Und laſſe mich / durch unbekandte Macht gehemmt / Die meinen Fuß verhaͤlt / den Geiſt beklemmt / Dem / was ich fliehen ſoll / nur immer naͤher Ziehn.
So ſoll ich denn mein Leben ſchlieſſen / Und nicht einmahl / wer mir daſſelbe raubet / wiſſen?
Das iſt der Silvio.
Ach! Silvio? Wie weiſtu diß?
Ich kenne ſeinen Pfeil nur leider! zu gewiß.
O angenehmer Tod! O ſuͤſſer Lebens-Schluß / Wo ich von Silvius beſchaͤdigt ſterben muß!
Da ſieheſtu ihn gleich in Stellung und Geberden / Dadurch er wider ſich muß Zeug’ und Klaͤger werden. Run / Silvio / der Himmel ſey gelobt / Nachdem du lange gnung mit deinem kuͤhnen Bogen / Mit deinem ſtoltzen Pfeil die Waͤlder haſt durchzogen / In frechem Ubermutt getobt /Iſt128GUARINIIſt dir ein Meiſter-Streich gelungen. Sage mir / Der du wie Silvio und nicht wie Linco wolteſt leben / Kan Linco oder Silvio den beſten Schuͤtzen geben? Haͤttſtu zur ſelben Zeit gefolgt dem alten Narren / So duͤrffteſt du dich izt nicht hintern Ohren ſcharren. Wo die Verwundte ſtirbt / ey mein / wie ſtehts mit dir? Du wirſt dich wohl darauff beruffen / Daß dieſe That aus Irrthum ſey geſchehn / Daß du dir eingebildt den Wolff zu ſehn / Und unter ſolcher Haut das Menſch im Strauch haſt trof - fen. Doch bleibet dir die Schuld der tollen Unvorſichtigkeit / Weil ſich faſt ieder Hirt in derogleichen Haͤute kleidt. So geht es Silvio / wer vor den Federn fleugt / Iſt zu dem Fall geneigt. Wer vor der rechten Zeit den Witz will laſſen blicken / Dem wird die Thorheit nur durch alle Fenſter guͤcken. Bildſtu dir / eitles Hertz / wohl unbedachtſam ein / Daß dieſes ohngefehr geſchehen ſolle ſeyn? So irreſt du gar weit. Ein ſolcher Wunder Fall / ſo ſeltnes Ungeluͤcke Begiebet ſich nicht leicht ohn himmliſches Geſchicke / Erkenneſtu noch nicht / wie deine Eitelkeit / Dein unertraͤgliches Verachten aller Liebe / Dein unbemenſchtes Hertz entfernt von allem Triebe Der guͤttigen Natur / dein Sinn mit Eiß umlegt / Den Himmei wider dich zu Nach und Zorn bewegt? Die Goͤtter wollen nicht auff Erden ihres gleichen / Die ſtrengſte Tugend muß vor ihnen Segel ſtreichen / Und mit der Demutt ſeyn geſellt. Wie kanſtu ſchweigen / Der du dich zu vorhin ſo trotzig pflagſt zu zeigen?
Silvio / laß Lincen reden: Er weiß nicht / Wie die Liebe dir Dorinden hat zum Eigenthum verpflicht / Wie du uͤber Tod und Leben bey ihr zu gebitten haſt. Wenn du mich geſchoſſen haſt / ſo haſtu / was dein / geſchoſ - ſen / So haſtu das Ziel getroffen / daß dein Boltzen laͤngſt ge - faßt /Un[d]129treuer Schaͤffer.Und die Haͤnde haben dieſes zu verwunden nachgeſetzt / Was der ſchoͤnen Augen Pfeile ſchon vorlaͤngſt in Tod ver - lezt / Silvio / da haſtu die / welche du ſo angefeindt: Schaue / wie ſie nun vor dir / deinem Wunſche nach / er - ſcheint / Du wolteſt ſie verwundt / (und ſolches iſt geſchehn) Du wolteſt ihren Tod / (und der iſt nahe) ſehn. Was wiltu mehr von ihr? was kan ſie dir mehr geben Als dieſe Hand voll Blutt / diß ausgekraͤnckte Leben? Ach / unempfindlichs Hertz / du glaubteſt vor die Wunde nicht / Die mir / durch dich / die Lieb im Hertzen zugericht; Verlaͤugneſtu auch die / die deine Hand geſchlagen? Du glaubtſt den Thraͤnen nicht / die aus den Augen floſſen / Und meiner Seele Blutt / als Stroͤme / von mir goſſen / Glaubſtu nun dieſem / daß aus meiner Seite rinnt? Ach aber / grauſames doch ſchoͤn und werthes Kind / Wofern die Hoͤfligkeit / die Tapfferkeit und Guͤtte Nicht gaͤutzlich auch bey dir erſtorben im Gemuͤtte / So ſchlag mir doch nicht ab / ſchlag mir nicht ab die letzte Bitte / Und laß ein Seufftzen nur bey meinem letzten Seufftzen ſchieſſen. Wie wuͤrde mir den Schmertz / wie wuͤrde mir den Tod ver - ſuͤſſen / Wenn nur dein ſchoͤner Mund noch einſten wolte ſagen Mitleidig und mit ſuͤſſer Stimm / eh ich von hier geſchie - den: Mein Hertze / fahr im Frieden. Dorinde / ſoll ich dich denn meine nennen / Die du nicht meine biſt / als nun ich dich verliere? Nun ich dich in den Tod mit meinen Haͤnden fuͤhre? Die du nicht meine warſt / als ich dich retten kunte. Ich will dich aber doch vor mein erkennen / Du ſolt dem Ungeluͤck zu Trotz die Meine ſeyn / Und wenn mein Unſtern dich mir nicht lebendig gunte / So wirſt und bleibſtu doch in meinem Tode mein. JAlls /130GUARINIAlls / was du an mir ſiehſt / iſt willig dich zu raͤchen: Was dir das Leben raubt / ſoll auch mein Leben brechen. Hat meine Grauſamkeit an dir veruͤbt die Suͤnden / Ich will auch nichts von dir / als Grauſamkeit / empfinden. Ich habe dich vorhin aus Ubermutt veracht; Izt will ich dieſen Leib zu deinen Fuͤſſen biegen / Will Ehrerbietungs-voll bey deinen Knien liegen / Und um Verzeihung / nicht ums Leben / halten an. Nimm dieſen Bogen hin / und brauche ſeine Macht / Verſuche dieſen Pfeil / wie ſcharff er treffen kan. Doch triff die Augen nicht / die mich verfuͤhrt / Triff auch die Haͤnde nicht / die dich beruͤhrt / Triff dieſe Bruſt vielmehr / diß Ungeheur der Welt / Das von dem ſtrengen Haß der Liebe gantz erkaͤlt. Durchſcheuß das Hertze / das dich ſo viel Thraͤnen koſt; Hier haſtu die entbloͤßte Bruſt.
Ach / Silvio / ſoll ich die Bruſt durchſchieſſen? Du haͤtteſt ſie mir nicht vorhero weiſen muͤſſen. O ſchoͤner Felß / ſo offt umſonſt benezt Mit einer See von mir vergoſſner Thraͤnen / So offt umſonſt beſtuͤrmet und durchaͤzt Von Well und Wind / von Seufftzen / Aechtzen / Sehnen / Iſts moͤglich / daß man Leben in dir ſpuͤrt? Und daß dein Eiß verborgne Flammen fuͤhrt? Iſts moͤglich; oder werd ich nur bethoͤrt durch falſchen Schein? Nun wohl / du magſt gleich linder Schnee / du magſt gleich feſter Marmor ſeyn / Ich will doch nicht / daß mich dein Alabaſter-Glantz ver - fuͤhre / Wie dein und meinen Herrn die Aehnligkeit von einem Thiere. Solt ich dich? ach! Cupido mag dich ſchieſſen / Du kanſt mir beſſer nicht / als durch die Liebe / buͤſſen. Geſegnet ſey der Tag / an dem ich Lieb empfunden! Geſegnet alles Leid und alle Marter-Stunden! Ich will euch izt zu Danck und nicht zu Rache ſeyn verbun - den. D[u]131treuer Schaͤffer.Du aber / werther Held / Beherrſcher deren / die du ehrſt / Ach / mache dich doch nicht / wie einen Knecht / ſo klein; Steh auff / und wo du ja forthin mir eigen zugehoͤrſt / So laß das erſte Pfand von deiner Folge ſeyn / Daß du dich von der Erde hebſt / Das andre / daß du dich zufrieden giebſt und lebſt. Der Himmel ſchick es nun mit mir Zum Leben oder zum Verderben / So lebt mein Hertz hinfort in dir / Und kan / weil du nur lebſt / nicht ſterben. Und ſo mein Tod ja nicht kan bleiben ungerochen / So ſtraffe man nur diß / was ſich an mir verbrochen. Der Bogen hats gethan / der ſoll die Straffe leiden.
O recht gerechter Spruch! O guͤttiges Entſcheiden!
So ſey es! daß dein Moͤrder-Holtz nicht ferner toͤdtlich ſey / Flecht ich die Sehne loß / und breche dich entzwey / Die Stuͤcke werff ich weg / und trete ſie mit Fuͤſſen. Ihr Pfeile / Bruͤder deß / der meine Seele wolt entaͤdern / Solt auch nicht laͤnger gantz in dieſem Koͤcher bleiben: Ich will euch alle Macht zum ſchaͤdlich-ſeyn vertreiben. Das Eiſen iſt hinweg / was helffen euch die Federn? Ach / Amor! ach / wie wahr wird nun dein Propheceyn / Daß mir der Widerhall entgegen muſte ſchreyn? Beherrſcher aller Welt / Bezwinger Felſen-harter Gei - ſter / Mein vormahls aͤrgſter Feind / izt meiner Sinnen Herr und Meiſter / Wofern du dieſen Sieg dir wilt zu nutze machen / So laß auch deinen Raub dem Tode nicht im Rachen / Dem Tode / der zugleich Dorinden will erlegen / Und Silvien von dir beſiegt Dorindens wegen / Der / wo ſie ſterben muß / dir ſelbſt wird abgewinnen / Und ſiegende den Ruhm des Sieges rauben kuͤnnen. So ſeyd ihr beyde wund? O gluͤckhafft-ſuͤſſe Wunden / Doch ſchmertzlich / wo vor ſie nicht Huͤlffe wird gefunden! Drum laſſt uns gehn und Rath zu ihrem Schaden pfle - gen. Ach / Linco / fuͤhre mich nicht ſo in meines Vatern Hauß /J 2Und132GUARINIUnd laß mich zuvorhin die Kleidung ziehen aus.
Und wiltu anderswo Denn bleiben / als bey deinem Silvio? Du ſolt mir dieſen Tag in meinem Haus / als Braut / Lebendig oder todt / noch werden anvertraut: Es ſoll mich weder Tod noch Leben von dir ſcheiden.
Seht / wie zu rechter Zeit die neue Lieb entglimmt / Als Amarillis gleich um Leben / Ehr und Heyrath kuͤmmt? O werth-erleſnes Paar / dem ſeinen reichen Segen Des milden Himmels Gunſt beliebe beyzulegen! Ihr Goͤtter / heilt und macht geſund / Was eur Verhaͤngniß ſelbſt verwundt / Rett eines / und erhalt das Leben allen beyden!
Wie matt bin ich! ich kan die Seite nicht mehr ruͤhren.
Mein Engel ſey getroſt / wir wollen dich ſchon tragen. Gib / Linco / mir die Hand.
Da iſt ſie.
Halte feſt. Wir wollen einen Sitz vor ſie bereiten / Sie ſoll uns eine liebe Laſt / wir ihre Saͤnffte ſeyn. Sie kan die Armen beyd’ um unſre Haͤlſe ſchlagen / So / hoff ich / wollen wir ſie gut nach Hauſe fuͤhren. Dorinde ſetze dich nun maͤhlich ein.
Ach weh! wie ſticht michs in der Seiten?
Mein Schaͤtzgen / ſetze dich nur huͤbſch gemaͤhlich nieder /
Izt / deucht mich / ſitz ich gutt.
Nun halt fein feſte wider / Und ſiehe / daß du nicht die Hand entgleiten laͤſt.
Geh ſteiff / und laß den Arm nicht wancken. Darff ichs ſagen? Diß heiſſt nicht einen Schweinskopff tragen.
Dorinde / ſage mir / ob dich der Pfeil ſehr ſticht?
Ja freylich / liebes Kind / allein in deinen Armen Acht ich das Stechen und das Sterben ſelber nicht.
Wo biſtu ſchoͤne Zeit von Gold / Da Milch die Speiſe war der jungen Welt / Der gruͤne Puſch an ſtatt der Wiegen / Da noch der fetten Heerde FruchtKon133treuer Schaͤffer.Kont in der Schos der Mutter liegen / Und nicht zur Speiſe ward geſucht; Da noch die Erde frey von Schuld Nicht fuͤrchte / Stahl noch Gifft / nicht kannte Gold noch Geld?
Gedancken voller Eitelkeit Befleckten damahls nicht den reinen Sinn / ein ſchnoͤder Geitz hielt ihn gefangen. Izt thut den bloͤden Hertzen weh / Nach theurem Koth ein ſorgſames Verlangen / Man ſtoͤrt die Ruhe fremder See / Kein reiches Land iſt uns ſo weit / Das kuͤhne Schiff wagt ſich durch Wind und Wel - len hin.
Der leren Titul eitle Pracht / Der Urſprung von Betrug und Heucheley / Den toller Wahnwitz Ehre nennet / Wornach der blinde Hochmutt rennet Mit Liſt / mit Sorgen und Verluſt / Was uns itzund zu Sclaven macht / Ubt unter ihnen nicht der Sinnen Tiranney.
Zu prangen mit Beſtaͤndigkeit / Um ſeiner Liebſten Gunſt was auszuſtehn / Der Treue ſtrenges Recht zu halten / Von dem die falſche Welt nichts weiß / Diß war bey den begluͤckten Alten Der edlen Seelen Ruhm und Preiß: Diß hieß bey unſrer Ahnen Zeit Durchs Thor der Erbarkeit den Weg der Ehren gehn.
Da ſah man in dem kuͤhlen Haͤyn Die frohen Schaͤffer / mit der Nimphen-Schaar Ohn Argwohn ſpielen oder ſchwaͤtzen / Das Hertze kam den Worten bey / Man konte ſein Geſicht ergoͤtzen / Von Eyfferſucht und Sorgen frey /J 3Weil134GUARINIWeil alle Geilheit fremde war / Und Mann und Liebſter noch ein Rahme pflag zu ſeyn.
Zwar jedem gab zu kuͤſſen dar Die freye Hoͤffligkeit den zarten Mund / Doch ſonder ihn befleckt zu wiſſen: Viel feſter war der Ehe Band / Viel ſuͤſſer das verliebte Kuͤſſen Bey keuſchem Mund und reiner Hand / Weil Mann und Frau geſichert war / Daß einem nur allein das Hertze blieb vergunt.
Verderbte Zeit / die du befleckſt Der Seelen Schmuck / der wahren Tugend Zier / Mit uͤberſchminckten Uppigkeiten / Den Durſt der heißen Luͤſte naͤhrſt / Bey Mangel der Gelegenheiten / Das Hertz in ſtiller Glutt verzehrſt / Biß du beqveme Zeit entdeckſt / Und die gehemmte Brunſt mit Wucher bricht herfuͤr.
Die Schlinge birgt offt Graß und Blum / Ein Blick voll Scham / ein Mund voll Gleißnerey / Muß ſchlipffrige Gedancken mahlen. Die Froͤmmigkeit beſteht im Schein / Das Leben in der Kunſt zu prahlen. Die Einfalt will betrogen ſeyn: Man achtets nicht / man ſchaͤzts vor Ruhm / Daß Lieb ein Diebſtahl / nur dabey verborgen ſey.
O wahre Ehr / O reine Zucht / Des Himmels Kind / der Erde groͤſter Schatz / Du hoͤchſtes Gutt der edlen Geiſter / Der Tugend Brunn und ſchoͤner Lohn / Der irrenden Begierden Meiſter / Der du beherrſcheſt Kron und Thron / Komm wieder / komm von deiner Flucht / Und mache dir im Land in unſern Hertzen Platz.
Laß deines hellen Glantzes Pracht / Laß deinen Strahl der von dem Himmel blizt /D135treuer Schaͤffer.Die blind-entſchlaffne Welt erwecken. Laß deiner Flammen heilge Glutt Manch ausgebrandtes Hertz entſtecken / Erhebe den entſuncknen Mutt / Und lehre / was die Tugend nuͤzt / Die / wenn die Laſter todt / im Tode lebend macht.
Wir hoffen: wer beſtaͤndig hofft / Erfaͤhrt wie ihm gewuͤnſchte Huͤlff erſcheint. Die Sonne geht wohl weſtlich nieder / Wenn ſie vollendet ihren Lauff / Doch ſtehet ſie des Morgens wieder Mit Gold-beflammten Strahlen auff. Wenn nun der Himmel ausgeweint / Scheint ſein Sapphirnes Blau durch die geklaͤhr - te Lufft.
ES iſt uͤberall gut wohnen / wo man Brodt zu eſſen hat; Und der Kunſt iſt iede Gegend an des Vaterlandes Statt.
Es iſt wahr / Uranio: Ich kans aus Erfahrung ſagen. Ich verließ in zarter Jugend meines lieben Vaters Hauß / Achte weder Pflug noch Heerde / ſondern wolte hoͤher aus / Selbſt zu wiſſen und zu ſehn / was ein ander muß erfragen; Und bin durch manch ſchoͤnes Land nun gezogen auff und nieder; Gelbes Haar nahm ich mit weg / graues bring ich itzund wieder. Es iſt doch ein ſuͤſſes Ding um das liebe Vaterland: Die Natur pflanzt unſern Siñen eine ſtarcke Neigung ein / Die nicht ſtirbet noch veraltet / zu dem Land / aus dem wir ſeyn. Wie der Eiſenſtein vom Schiffer gegen Oſt und Weſt ge - fuͤhrt Die verborgne Krafft und Liebe zu dem Nordſiern nicht verliehrt;J 4So136GUARINISo / wer in die Fremde reißt / ob er noch ſo weit gezogen / Ob er gleich ein fernes Land ihm zur Wohnung auserkiſt / Nimmt er doch die Neigung mit die ihm angebohren iſt / Die er mit der erſten Lufft mit der erſten Milch geſogen / Und vergiſſt des Ortes nicht / da man ihn in Windeln band. Liebſtes Land / Arcadien / das ich allen ziehe fuͤr / Das mein Fuß itzund betritt / aber mein Gemuͤtte kuͤſſt / Werthſte Mutter / wenn ich dich blind und unbewuſt be - gruͤſſt / Haͤtt’ ich dich doch kennen wolln / weil ich den verborgnen Zug Bald in meinem Hertzen fuͤhlt’ / und aus Liebe gegen dir Das vor Freud erregte Blutt mir in allen Adern ſchlug. Nun / mein Freund / der du bißher Haſt mit mir das Ungemach meiner Reiſe wollen leiden / Izt iſts recht / daß du dich auch theilhafft macheſt meiner Freuden.
Ich empfand wohl die Beſchwer / Aber izt nicht gleiche Luſt. Denn du biſt nun kommen an / Wo der muͤde Leib zugleich und das Hertze ruhen kan: Ich bin hie an fremdem Ort und entfernt von meiner Huͤtte Habe weit von meiner Armutt den ſo langen Weg gereiſet Da ſich zwar ein wenig Ruh vor die matten Glieder weiſet Aber ihr nicht faͤhig iſt zu genieſſen das Gemuͤtte / Wenn es oͤffters heim gedenckt / was ich hinter mir vergeſſen Und wie manche Meil ich denn wieder ſoll zuruͤcke meſſen. Ich weiß wohl nicht / wer mich ſonſt / auſſer du / bey dieſer Jahren Haͤtt aus meinem Eliß bracht / ohn die Urſach zu erfahren / Welche dich dazu beweget.
Lieber / iſt dir nicht bewuſt / Wie Mirtillo / den der Himmel mir geſchenckt zu Troſt un Luſt / Ohngefehr vor zweyen Monden / und was druͤber / auff de Rath Welchen mir die Goͤtter gaben / ſich hieher begeben hat / Seiner Kranckheit zu geneſen? Ich / der ich kaum leben ka Wenn ich ihn nicht um mich habe / lieff ſie bald noch ei mahl an /Un137treuer Schaͤffer.Und fragt um ſein Wiederkommen / Drauff ich dieſen Schluß vernommen: Kehr in Arcadien / dein altes Vaterland / Wofern du wilt Mirtilln und dich geluͤcklich machen: Der Himmel hat ihn dar beſtimmt zu groſſen Sachen. Mach aber dieſes Wort nicht eh als dort bekannt. Liebſter Freund / mein andres Ich / Der du boͤſ’ und gutte Stunden Stets mit mir zugleich empfunden / Ruh nur itzo und erquicke dich; Dein Gemaͤtte wird ſchon auch die gewuͤnſchte Ruh erlan - gen. Laͤſt mich hier des Himmels Gunſt / was ſie zugeſagt / em - pfangen / Soltu alle meines Gluͤcks / alle meiner Luſt geniſſen: Denn / wenn du waͤrſt unvergnuͤgt / wie koͤnt ich mich froͤlich wiſſen?
Alle Muͤhe deinetwegen / wenn dir nur ein Dienſt geſchicht / Acht ich ſchon genug belohnet: Aber / gib mir doch Bericht / Warum du dein Land verlaſſen / das dir doch ſo hertzlich lieb?
Bruder / das iſt halt geweſen der erhizten Jugend Trieb / Und Poetſche Phantaſey noch nicht reiff-gewordner Sinnen / Die an fremden Orten auch wolten Ehr und Ruhm ge - winnen. Denn es dauchte mich verſchmaͤhlich nur zu Hauſe ſeyn be - kandt / Meiner Ehrſucht war zu enge zu geringe dieſes Land / Da mir nichts / als meine Freunde / meine Bauren / zugehoͤrt. Ich begab mich hin nach Eliß / wo man jenen Helden ehrt / Den der gruͤne Lorber-Krantz und der Purpur reiner Tu - gend / Als den andern Phebus / ſchmuͤckt: dieſem weyht ich meine Jugend / Dieſem wolt ich Hertz und Hand / Spiel und Kiel ergeben wiſſen / Und hier haͤtt ich meine Zeit mit Vergnuͤgung koͤnnen ſchluͤſſen /J 5Haͤtt’138GUARINIHaͤtt’ ich mir genuͤgen laſſen / und mein Gluͤck ſo wohl er - kannt / So wohl wahrgenommen / als es mir der Himmel zuge - wandt. Wie ich nun hierauff nach Argos und Mizene kommen hin / Irdſche Gottheit angebetet / und ihr Sclave worden bin / Und was dieſe Dienſtbarkeit mir gemacht vor ſchweres Le - ben / Wuͤrde dir Verdruß zu hoͤrn / mir Beſchwer zu melden / geben. Diß ſag ich einig / daß ich Muͤh und Zeit verſpielt / Geſchrieben und geweint / geſchwizt und Froſt gefuͤhlt / Gelauffen und gerennt / geſtanden und gewacht / Gelitten und verſchmerzt / bald froͤlich / bald betruͤbt / Bald niedrig und bald hoch / bald groß / bald klein geacht / Gebraucht zu Schimpff und Ernſt / in allem ausgeuͤbt. Ich ſcheute keine Muͤh und keinerley Gefahr / Ich machte mich zu nichts / indem ich alles war / Vertauſcht Ort / Leben / Stand / Sinn / Sitten und das Haar / Mein Ungeluͤcke nicht; das ich zulezt erkannte / Und meine Seufftzer nach der vorgen Freyheit wandte. Nach ſo viel Ungemach ließ ich die ſtoltze Stadt / Die Hoheit / welche nichts als Elend in ſich hat / Begab mich zu der Ruh bey Piſa auff das Land / Allwo ich den Mirtill ſelbſt von der Goͤtter Hand Mir zu beſondrer Freud und Troſt geſchencket fand.
Tauſendmahl iſt der begluͤckt / der den Sinnen ſteckt ein Ziel / Und das Kleine nicht verliehrt / wenn er Groſſes ſuchen will.
Aber / wer haͤtt ihm gedacht bey den Großen immer klein / Wo man andre wachſen ſieht / und bey Reichen arm zu ſeyn? Ich vermeint’ in Herren-Schloͤſſern wohnte wahre Freund - ligkeit / Des verhandnen Uberfluſſes und der Hoheit ſchoͤnſtes Kleid; Aber / ach! das Widerſpiel hab ich / liebſter Freund / er - fahren / Leute / die dem Nahmen nach und mit Worten hoͤfflig waren / Aber mit den Wercken karg einem Freundſchafft zu er - weiſen /Leute /139treuer Schaͤffer.Leute / die mit guttem Aug’ und geneigter Hoffnung ſpeiſen / Leute / welche Blick und Wort wiſſen ſittſam vorzuſtellen / Aber unergruͤndlich ſind / wie des tieffen Meeres Wellen / Menſchen nur dem Anſehn nach / die ſich treue Diener nen - nen / Und im Hertzen gegen dir doch von Neyd und Rache bren - nen / Dieſes ſagen / jenes thun / hieher ſehn / und dorthin dencken / Wenn ſie dir am ſchoͤnſten thun / dein Geluͤck am meiſten kraͤncken. Was man im gemeinen Leben ſonſt vor Ehr und Tugend ſchaͤzt / Wird der unberichten Einfalt hier zum Maͤngel ausgeſezt. Warheit ſagen / ehrlich handeln / treulich lieben ohne Schein / Was man zuſagt redlich halten / rein von Hertz und Haͤn - den ſeyn / Wird vor eine Niedrigkeit des Gemuͤttes nur geacht / Als ein Mangel des Verſtands eine Zagheit ausgelacht. Zucker um das Maul zu ſchmieren / glatte Luͤgen auffzubin - den / Ausflucht wider alle Schluͤſſe / Gruͤnde widers Recht zu finden / Dem entziehn / und jenem geben / daß man auch ſein Theil behaͤlt / Keinen lieben / alle neyden / wachſen / wenn ein ander faͤllt / Seinen Eyffer zu bezeigen einen Nachbar geben an / Und ihm eine Grube graben / daß man druͤber ſpringen kan / Iſt der Ruhm der falſchen Leute. Nicht Verdienſt / nicht Tapfferkeit / Keine Scheue vor dem Alter / vor dem Stand / und den Ge - ſetzen / Keine Furcht vor Scham und Schande / keine Gutthat vor - ger Zeit / Keine vorbezeigte Liebe / keine Freundſchafft / noch Gebluͤtte / Nichts mit allem auff der Welt / was wir hoch und heilig ſchaͤtzen / Findt ſich / gegen dem nicht oͤffters ſolche Geld - und Ehrſucht wuͤtte. Bru -140GUARINIBruder / dencke nun wie ich / der ich rede wie ichs dencke / Der ich niemahls nicht gebraucht noch verſtanden ſolche Raͤncke / Und den Rathſchluß meines Hertzens laß’ auff meiner Stir - ne leſen / Ihren unvermutten Pfeilen ein gewiſſes Ziel geweſen.
Wer iſt auff dieſer Welt zu nennen recht begluͤckt / Wenn wahre Tugend ſtets vom Neyde wird gedruͤckt!
Haͤtt ich von der Zeit an / als ich mit Dienſten ward ge - bunden / So viel Gelegenheit zu ſchreiben / als zu weinen / funden / So wuͤrde meines Helden Ruhm vielleicht bey dem Achilles prangen / Und unſer Vaterland den andern Lorber-Krantz erlangen; So aber iſt itzund / da ieder Reimen macht / Die edle Tichter-Kunſt unfruchtbar und veracht. Ein luſtig Reſt ſamt gutter Lufft und Koſt Iſt der gelehrten Schwaͤne Luſt: Mit Sorgen ſteigt ſichs ſchwer auff des Parnaſſus Hoͤhen. Wer ſich nur immer zu mit dem Verhaͤngnis beiſt / Und manchem Sturm der Welt muß unter Augen gehen / Wird heiſer / ihm vergeht die Stimm’ / entfaͤllt der Geiſt. Es iſt nun aber Zeit Nachfrag’ um meinen Sohn zu thun: Wiewohl die Gegend ſich ſo ſehr veraͤndert hat / Daß ich kaum kennen kan und wiſſen / wo ich bin: Richts deſto minder wolln wir maͤhlich weiter ziehn. Ein Reiſe-Mann / der nur das Maul nicht laͤſt dahinden / Kan dennoch uͤberall zur Noth die Wege finden. Doch dir wird beſſer ſeyn / weils ohne diß ſchon ſpat Und du ſo muͤde biſt / im naͤchſten Wirths-Haus auszuruhn.
OTochter / was ſoll ich zu erſt an dir beweinen? Das Leben / das du haſt verwuͤrckt? die Ehre / die du haſt verlohren? Die Ehre muß es / leider / ſeyn /In -141treuer Schaͤffer.Indem du ſterblich zwar von mir / doch ehrlich / warſt ge - bohren / Und an des deinen ſtatt / ach! mein ſelbſt eigen Leben / Das nun mit Wehmutt ſieht den ſchweren Tag erſcheinen / An dem du Ehr und Leben muſt begeben. Montano / ach Montano! du allein Mit deinen falſchen und ſo uͤbel ausgelegten Spruͤchen / Mit deinem ſtoltzen Sohn / der ſtets die Lieb und ſie veracht / Haſtu mein armes Kind in ſolche Noth gebracht. Ach / wie viel eigner hat mein heutigs Reden eingetroffen / Als die Orackel / die dich ſo viel guttes hieſſen hoffen. Wie wahr befindet ſichs / daß Ehre Scham und Tugend Der Liebe ſey zu ſchwach / bey Hitze kuͤhner Jugend: Und daß ein Frauen-Bild / ſo noch allein und frey / Nicht wohl verwahret / und gar ſchwer zu huͤtten ſey.
Wofern er nicht vor Hertzeleyd verblichen / Wofern ihn nicht der Wind hat weggefuͤhrt / So ſolt ich ihn fortmehr ja haben ausgeſpuͤrt. Jedoch da / daͤucht mich / ſeh ich ihn gantz unverhofft. Betruͤbter Vater / dem ich lang umſonſt gerufft / Den ich zu weit geſucht und noch zu nahe funden. Was neues bring ich dir!
Von meiner Tochter Wun - den Und Tode Zweiffels ohn.
Nein / dieſes eben nicht; Doch kommt es nahe bey.
So iſt ſie noch nicht hinge - richt?
Sie lebt / und ſteht bey ihr / ob ſie will leben oder ſterben /
Geſegnet ſeyeſtu vor ſolche gutte Poſt / Die mich dem nahen Tod aus ſeinem Rachen zieht! Wie aber / daß man ſie dennoch nicht ledig ſieht / Wenn ſie bereits iſt frey geſprochen vom Verderben?
Dieweil ſie ſelber nicht zum Leben traͤget Luſt.
Nicht Luſt zum Leben? was vor Thorheit? was vor Noth Macht ihr das Leben ſo verdruͤßlich?
Eines andern Todt? Und bringeſtu ſie nicht zu anderem Entſchluͤſſen / So hat ſie ihren Sinn ſo feſte drauff geſezt / Daß man ſie nur umſonſt darvon zu nehmen iſt befliſſen?
Was halten wir uns auff? ſo laſſt uns zu ihr eilen.
Verzieh ein wenig noch: der Tempel iſt geſchloſſen / Und niemand darff hinein / (damit man nicht verlezt Das hohe Heiligthum) der nicht ein Prieſter ſey / Biß man das Opffer zubereit’t bringt aus der Sacriſtey.
Wenn aber ſie indeß aus Zweiffelmutt der Sinnen Zu Wercke richt ihr leidiges Beginnen?
Ach / nein / ſie kan nicht; denn ſie wird verwacht.
So ſage mir / indem wir uns allhier verweilen / Nur alles gleiche zu / was man mit ihr gemacht.
Als deine Tochter nun voll Unmutt / voller Scham / (Ach Blick / ob dem die Thraͤnen aus viel hundert Augen floſſen / Ob dem die Steine gleichſam ſelbſt geweint) vorn Prie - ſter kam / Ward ſie faſt unter eins verklagt / Und uͤberzeugt / und ihr das Urtheil angeſagt.
Ach / arme Tochter! und warum in ſolcher Haſtigkeit?
Weil die Entſchuldigung beſtund auff ſchwachen Gruͤn - den / Und man dem Augenſchein nicht konte widerſtreben / Auch eine Nimphe / die ihr Zeugnis ſolte geben / Nicht gegenwaͤrtig war / noch man ſie konte finden. Die Wunder-Zeichen auch verguͤnnten nicht mehr Zeit / Die man von dem Tag an / als des Amintas wegen Die Goͤttin ihren Zorn uns anfieng darzulegen / Und unſer armes Land empfand den ſchweren Fluch / So grauſam nicht geſehn. Die Goͤttin ſchwizte Blutt / die Erd erzitterte / Die heilge Hoͤl erſchuͤtterte / Mit traurigem Geheul und ſtinckendem Geruch. Die Prieſter machten ſich nun auff den Weg mit ihr / Als der Mirtillo brach herfuͤr / Und (hoͤre Wunder / was geſchehn!) Sich anbot durch ſein Sterben Ihr Gnad und Leben zu erwerben. Er ſchrey mit heller Stimm: Befreyet doch die Hand / Die man ſo unverdient mit dieſen Stricken band:Soll143treuer Schaͤffer.Soll ſie ein Opffer ſeyn / die nichts verbrochen hat / Dianens Eyffer zu beſtillen / So fuͤhrt mich zum Altar an ihre Statt / Damit ich ſterb ein Opffer meiner Amarillen.
O treuer Lieb’ und Großmutt edle That!
Nun hoͤr erſt Wunder an: Sie / von der Todes-Furcht vorher gantz eingenommen / Hat auff Mirtillens Wort gantz neuen Mutt bekommen / Antwortete ſo friſch / daß ichs kaum ſagen kan: Mirtillo / bildeſtu dir ein / Dein Sterben werde deren Leben ſeyn / Die in dir lebt? ach nein! Unbillichs Wunderwerck! ihr Prieſter / fort mit mir! Fort / fort / und bringt mich zum Altar. Was ſaͤumet ihr? Mirtillo ſprach: So viel Erbarmnis hab ich nie Gewuͤnſchet; kehre wieder um! dein grauſames Mitleiden Muß meiner Seelen beſtes Theil zu ſehr verletzen und durch - ſchneiden. Mir kommt das Sterben zu. Nur mir / (verſezte ſie) Der ſolches zuerkannt durch des Geſetzes Schluͤſſe: Und alſo ſtritten ſie zuſammen / Als ob das Leben Tod und Sterben Leben hiſſe. O edle Flammen! O tugendhafftes Paar / Das beſſers Gluͤcks auff Erden wuͤrdig war! Liebhaber / deren Ruhm ſo lang ihr lebt / auch lebet / Und lebend bleibt / wenn euch der Tod von hinnen hebet / Haͤtt ich ſo manche Stimm / haͤtt ich gleich ſo viel Zungen / Als bey geſtirnter Nacht der Himmel Augen traͤgt / Als Koͤrner Sand die See in ihrem Abgrund hegt / So wuͤrde doch eur Lob zur Gnuͤge nicht beſungen: Du groſſes Himmels-Kind / du Meiſterin der Ehren / Die von der Tugend Ruhm der Nachwelt giebt Bericht / Laß dir befohlen ſeyn die ſchoͤne Liebs-Geſchicht / Und ſchreibe ſie mit Gold in feſten Demant-Stein Zum Wunder aller Zeiten ein.
Das Ende moͤcht ich nun von dieſem Streiten hoͤren.
Der Schaͤffer uͤberwand. (O wunderlicher Krieg /Da144GUARINIDa von dem Lebenden der Tod erhielt den Sieg!) Der Prieſter ſprach zu ihr: Beſtill / O Rimphe / dich; Denn wer vor andre ſchon hat augebotten ſich / Kan / den Geſetzen nach / durch ſie nicht werden frey. Hierauff gab er Befehl / ſie alſo zu bewahren / Daß ihr durch eigne Hand nichts koͤnte widerfahren / Und alſo ſtund die Sach / als er dich ſuchen hieß.
Man ſage was man will / ſo bleibets doch gewiß:” Man wird bey klarer Bach’ die Auen /” Man wird die Waͤlder in den Gruͤnden” Eh’ ohne Blum und Blaͤtter finden /” Als ſchoͤne Maͤgdgen ſonder Liebe ſchauen. Wie aber wiſſen wir / wenns Zeit zu gehen ſey?
Diß koͤnnen wir allhier am beſten werden innen: Denn dieſes iſt der Ort / wie ich vernehmen kuͤnnen / An dem der gutte Menſch ſoll werden abgeſtochen.
Warum im Tempel nicht?
Wo einer was verbrochen / Da wird er auch geſtrafft.
So ſoll es in der Hoͤle ſeyn.
Ein Opffer muß geſchehn bey freyer Lufft und Himmels - Schein.
Wo haſtu das gelernt?
Der Ober-Diener ſagte mir. Er ſey berichtet von Tirenio dem Alten / Daß man es ehmals mit Lucrinen ſo gehalten. Nun iſt es Zeit zu gehn: dort kommet eben Die heilge Schaar herab: wir wollen uns von hier Durch dieſen andern Weg in Tempel hin begeben.
OTochter des Jupiters / Schweſter der blinckenden Sonne / Du Fuͤrſtin der Sterne / der braunen Nacht Leben und Wonne.
Du / deren lebhafftes und maͤßiges Licht Die Hitze des brennenden Zinthius bricht / Lufft / Waſſer und Erde zum wachſen bequemt /Mit145treuer Schaͤffer.Mit Thieren / mit Kraͤutern und Menſchen beſaͤmt: Gleich wie du befeuchteſt und kuͤhleſt das lechtzende Land / So kuͤhle / ſo loͤſche den Eyffer der zornigen Hand / Der uͤber Arcadiens Suͤnden ſo hefftig entbrand.
O Tochter des Jupiters / Schweſter der blinckenden Sonne / Fuͤrſtin der Sternen / der braunen Nacht Leben und Wonne.
Ihr Schaͤffer / und ihr meine Leute / Geht in dem Kreiß ein wenig auff die Seite / Und kommt / ohn mein Begehr / Nicht naͤher zu mir her. O kuͤhner Juͤngling / der du izt dein junges Blutt Zu Rettung fremdes Heyls giebſt hin / ſtirb wohlgemutt: Ein einig Augenblick / ein kurtzes Athem-ziehn / Daß der gemeine Wahn der furchtſamen Gemuͤtter Aus feiger Bloͤdigkeit / als waͤr es noch ſo bitter / Den Tod zu nennen pflegt / fuͤhrt deinen Geiſt dahin / Wo er / der Sterbligkeit entriſſen / Von keinem Tode mehr wird wiſſen. Wenn nun manch hundert Jahr wird hingelauffen ſeyn / Wenn ſchon der Zeiten Neyd manch Helden-Kind be - graben / Und eine neue Welt wird ausgelebet haben / Wenn ſchon zerbꝛochen wird manch ſtoltzer Leichen-Stein / Wird doch dein hoher Ruhm noch leben / Und wahrer Treu ein Beyſpiel geben. Weil aber du / dem Brauche nach / muſt ſchweigend auffge - opffert werden / So ſage / was du reden wilt / itzund / und knie drauff zur Erden.
Mein Vater / wie dich Mund und Hertze willig heiſt / Ob ich von deiner Hand gleich itzund ſoll erblaſſen / Ich will nun meinen Leib der Erd und Glutt verlaſſen / Der aber / die allzeit mein Leben war / den Geiſt. Ach aber / ſolte ſie auch / wie ſie draͤuet / ſterben / Was bliebe denn von mir befreyet vom Verderben? KWie146GUARINIWie ſuͤß und leicht iſt mir der Tod zu uͤberſtehn / Wenn diß nur mit mir ſtirbt / was ſterblich war an mir / Sie / meine Seele / nicht zugleich will untergehn. Wofern mein Liebes-Dienſt / den ich itzund erweiſe / Noch dieſen Liebes-Dienſt erwerben kan von dir / So ſorge nur vor Amarillen / Und muͤhet euch bey ihr die Sterbens-Luſt zu ſtillen / Damit ich deß gewiß zu beſſerm Leben reiſe. Was das Verhaͤngniß uͤber mich verhangen / Durch meinen Tod ſein Ende moͤg’ erlangen / Wenn ich nun habe mein betruͤbtes Leben Nach ſo viel tauſend Schmertzen / hingegeben / Wolle der Himmel der Seele vergoͤnnen / Daß ſie von ihrer Wohnung abgeriſſen Mit dem vereinigt moͤge leben koͤnnen / Was ſie bey Leben lieb - und meiden muͤſſen!
Wie gebrechlich ſind wir Menſchen! ich kan kaum die Thraͤnen zwingen. Lieber Sohn / gib dich zufrieden. Was du bittſt / will ich vollbringen. Ich ſchwere dirs bey meinem Haubt / und reiche dir die Hand / Als meines willigen Verſprechens Unterpfand.
Nun ſcheid’ ich vergnuͤget von hier: Nun komm ich mit Freuden zu dir. Amarille / mein Leben / empfange Mirtillen. Hemme dein Leiden / Empfange die Seele mit Freuden / Die dir dein ſterbender Schaͤffer / der Treue / beſcheiden / Der dich numehr zum lezten mit Nahmen begruͤßt / Darmit ſein Seufftzen / ſein Leben / ſein Reden beſchluͤßt / Die Knie zum Tode hinbeugt / Und fortan ewig ſtille ſchweigt.
Man ſaͤume nun nicht mehr. Ihr Prieſter ſteckt das Feu - er an / Und ſtreuet Raͤuchwerck auff / das in die Hoͤhe ſteigen kan.
O Tochter des Jupiters / Schweſter der blinckenden Sonne / Du Fuͤrſtin der Sternen / der braunen Nacht Leben und Wonne!
Iſt das Land denn ausgeſtorben / daß man keinen Men - ſchen findt? Ja / die Urſach iſt wohl eigen / daß ſie dort beyſammen ſind Und auff einem Hauffen ſtehn. Welch ein Anzahl Volck iſt das? Es muß wohl ein Opffer ſeyn / das von ihnen wird be - gangen.
Reiche mir das goͤldne Faß / Mit dem Bachus-Safft gefuͤllt.
Hier iſts zu em - pfangen.
O heilige Goͤttin / diß unbefleckte Blutt Erweiche den gegen uns verhaͤrteten Mutt / Wie dieſe Tropffen der Kohlen verglimmende Glutt. Nimm dieſes hin / und gib den Napp von Silber her.
Mein Vater / da iſt er.
Wie dieſe vergoſſene Flutt Verloͤſchet die wuͤttende Glutt / So werde dein Zorn / O Goͤttin / erſteckt / Den weibliche Falſchheit zum erſten erweckt.
Ja / das iſt ein Opffer-Feſt: doch ſeh ich kein Thier zum ſchlachten.
Alles iſt numehr gethan / was ich noͤthig kan erachten. Reichet mir das heilge Beil / Das das Land ſoll machen heil.
Irr ich / oder ſeh ich recht? dorten beugt ſich was zur Er - den / Das ſich einem Menſchen gleicht: ſolte der geopffert werden? K 2Lei -148GUARINILeider ja / es iſt ein Menſch / und der Prieſter hat die Hand Schon auff ſeinen Kopff gelegt. Armes Land / Sind ſo viel Jahre nun verſtrichen / Und iſt des Himmels Zorn noch nicht von dir gewichen?
O Tochter des Jupiters / Schweſter der blinckenden Sonne / Du Fuͤrſtin der Sternen / der braunen Nacht Leben und Wonne!
Hecate / du Raͤcherin / die du izt den Lohn der Suͤnden / Den ein einigs Paar verwuͤrckt / laͤſſt uns alleſamt em - pfinden / Weil wir auch zur Straffe reiff / und vor unſre Miſſethat Der gerechte Himmel laͤngſt ſolches ausgeſetzet hat; Nachdem dich das falſche Blutt der Lucrine nicht ver - ſuͤhnt / Noch die allzuſpaͤte Neu die Verzeihung hat verdient / So nimm nun diß willige / dieſes reine Opffer an / Welches ſich an Lieb und Treu dem Amintas gleichen kan / Welches izt vor deines Weyh-Tiſchs Fuͤſſen Wird die unbefleckte Seel ausguͤſſen.
O Tochter des Jupiters / Schweſter der blinckenden Sonne / Du Fuͤrſtin der Sternen / der braunen Nacht Leben und Wonne!
Welch ein Mitleiden faͤngt ſich an bey mir zu finden? Ein ungewohnt Erſtarrn will meine Sinnen binden / Das Hertze ſcheint zu ſchwer / die Hand zu ſchwach zu ſeyn / Das dargereichte Beil zum Hiebe zu erheben.
Wann ich den Menſch doch vor koͤnt im Geſichte ſchauen / Ich wolte mich hernach ja gerne weg begeben / Denn ich die Grauſamkeit nicht wuͤrde ſonder Grauen Und Wehmutt koͤnnen ſehn.
Wer weiß / ob man mit Recht Das Opffer ſchlachtet ab / wenn ihm der Sonnenſchein In das Geſichte ſchlaͤgt / und ob der Mangel nichtIn149treuer Schaͤffer.In mir des Leibes und Gemuͤttes Kraͤffte ſchwaͤcht. Mein / wende dich herum / und nach dem Berge zu. So / ſo / nun biſtu ſchon auff rechten Ort gericht.
Ach / was erblick ich? Iſt nicht das Mirtill / mein Sohn?
Izt kan ich.
Ja / er iſts.
Und haue.
Prie - ſter / was thuſt du?
O frevler Menſch / warum greiffſtu mit kuͤhner Hand Ans heilge Beil / und thuſt dem Opffer Widerſtand?
Mein Kind / ach ſoll ich dich in ſolchem Stand umfangen!
Verwegner / packe dich.
Haͤtt ich mir ſollen dencken / Daß ein ſo herber Blick mein Alter wuͤrde kraͤncken?
Geh hin / ſag ich: was ſchon den Goͤttern iſt geweyht / Darff von unreiner Hand nicht werden angeruͤhrt.
Auch ich bin ihnen lieb / den ſie hieher gefuͤhrt.
Nicander; hoͤr ihn an / und denn geh er von hier / Und laß uns ungeſtoͤrt.
Mein Prieſter / ſage mir / Eh man den jungen Menſch bringt um / was er begangen. Darum beſchwer ich dich bey deiner Goͤttin Thron.
In dieſer Nahmen weiß ich dir nichts abzuſchlagen / Was du mich fragſt: Was iſt dir aber dran gelegen?
Mehr / als du dir vielleicht einbildeſt noch zur Zeit.
Er hat vor andre ſich zu ſterben angetragen.
So ſtirbet er alle in um eines andern wegen; Ach / toͤdtet mich darvor / und ſchont der jungen Jahr: Ich will mein graues Haubt ja gern um ſeines geben.
Mein Freund du phantaſirſt: was kommt dich an?
Warum ſteht mir nicht frey was ihm vergoͤnnet war?
Weil du ein Fremder biſt.
Und wenn ich es nicht bin?
Es kan gleichwohl nicht ſeyn; denn wer einmahl ſein Leben Vor andre dargeſezt / wie dieſer hat gethan / Kan ſich durch fremden Tod dem Tode nicht entziehn. Wer biſt du aber denn / wenn du nicht wilt ein Fremder ſeyn? Es ſtimmt ja deine Tracht mit unſrer Landes-Art nicht ein.
Ich bin ein Landes-Kind.
Ich kan mich nicht be - ſinnen / Daß ich dich ie geſehn.
Ich bin dennoch von hinnen / Carin genennt / und Vater zu dem armen Suͤnder.
Mirtillens Vater? wie koͤmmſt du ſo ungelegen Vor dich und uns hieher? Eil alſobald von hier / Die vaͤterliche Lieb in dir Moͤcht in dem Opffer uns ein Hindernis erregen.
Ach / haͤtteſtu nur Kinder!
Ich hab ein einig Kind / und liebe das von Hertzen; Jedennoch wenn es hier ſein Leben muͤſte ſchluͤſſen / Wolt ich ſein junges Blutt / ſo frey als das / vergiſſen. Wer nicht den Eigennutz will aus dem Sinne ſchlagen / Vors Vaterlandes Heyl Gutt / Blutt und Leben wagen / Iſt auch nicht werth ein Amt und Ehren-Kleid zu tragen.
Laß mich ihn doch nur noch einmahl vor ſeinem Tode kuͤſſen.
Diß kan viel weniger geſchehn.
O du mein Fleiſch und Blutt / Kanſtu ſo ſtille ſeyn zu deines Vaters Schmertzen?
Mein Vater / gebt euch doch zufrieden.
Ach / wir Armen! Das Opffer iſt entweyht! Ihr Goͤtter / laſſets euch er - barmen!
Wie koͤnt’ ich das von euch empfangne Leben Mit beſſerm Nuhm / als izt geſchicht / begeben?
Ich dacht es wohl / wenn er des Vaters Wehmutt ſolte ſehn / So wuͤrd es um ſein Schweigen ſeyn geſchehn.
Ach / was hab ich gethan? Izt werd ich meines Irr - thums inne. Wie kam mir denn ſo bald der Schluß zu ſchweigen aus dem Sinne.
Je nun / was ſaͤumet man? Ihr Diener / fuͤhret ihn Bald zu der heilgen Grufft des Tempels wieder hin / Damit er noch einmahl ſein williges Geluͤbde thut /Den151treuer Schaͤffer.Denn bringt ihn wieder her / zugleich auch neuen Wein / Nen Waſſer / neue Glutt / und was ſonſt noͤthig moͤchte ſeyn. Nun fort / und foͤdert euch / daß wir noch fertig werden / Die Sonne neiget ſich mit aller Macht zur Erden.
Aber du / verwegner Greiß / haſt dem Himmel Danck zu ſagen / Daß du Vaters Nahmen fuͤhrſt. Nehme man nicht diß in acht / Sichre dich / dein Frevelmutt wuͤrde dir nicht Roſen tragen. Iſt dir fremde / wer ich ſey? kenneſtu nicht meine Macht / Daß ich uͤber Geiſt - und Weltlich in dem Lande Rich - ter bin?
Man kan ja mit Gnade ſuchen nicht mehr Straffen auff ſich ziehn.
Wer zu lange traͤgt Gedult / Reitzet nur zu mehrer Schuld. So wird mein Nachſehn auch von dir nur angewandt Zu mehrer Kuͤnheit: iſt dir aber nicht bekandt / Wenn den gerechten Zorn die Langmutt widerhaͤlt / Daß er wohl laͤngſamer doch deſto haͤrter faͤllt.
Großmuͤthger Sinnen Zorn gleicht keinem Sturme nicht / Der durch die Luͤffte pflegt ohn Unterſcheid zu raſen: Er iſt als wie ein Wind / der durch ſein gleiches Blaſen Des Menſchen Hertze ruͤhrt / und des Verſtandes Licht / Das gleichſam ſonſt verborgen ſteckt / Zu mancher ſchoͤnen That erweckt. Drum kan ich Gnade nicht / ſo laß mich Recht erlangen / Das ich von deinem Amt doch billich muß empfangen. Wer andern Leuten will Geſetz und Recht fuͤrſchreiben / Kan von demſelben auch nicht gar befreyet bleiben. Jemehr du haſt Gewalt und Recht dich zu erheben /K 4Je152GUARINIJe mehr biſt du verpflicht jedwedem Recht zu geben. Ich fodre diß von dir um mein - und deinet willen: Mit Ungerechtigkeit ertoͤdteſtu Mirtillen.
Mit Unrecht? lege mir diß aus.
Du haſt gemeldt / Daß keines Fremden Blutt zum ſchlachten tauglich ſey.
Ja freylich: dieſem ſtimmt der Schluß des Himmels bey.
Der iſt ein Fremdling / der zum Opffer war beſtellt.
Ein Fremder? Iſt er nicht dein Sohn?
Laß dir ge - nuͤgen / Und muͤhe dich nicht mehr Bericht hiervon zu kriegen.
Vielleicht weil du ihn nicht bey uns erzeuget haſt?
Wers meiſt’ erfahren will / wird offt das mindſte wiſſen.
Das Abſehn wird auffs Blutt / nicht auff den Ort ge - faſſt.
Weil ich ihn nicht gezeugt / kan ich ihn Fremdling gruͤſſen.
So iſt er denn dein Sohn / und nicht von dir ent - ſproſſen?
Weil er nicht von mir kam / auch nicht mein Kind zu nennen.
Haſtu nicht vor geſagt / er ſey von dir gebohren?
Vor Sohn kont ich ihn wohl / nicht vor mein Kind / er - kennen.
Du haſt vor groſſem Schmertz Vernunfft und Witz ver - lohren.
Verſtuͤnd ich nicht ſo viel / doͤrfft ich nicht ſo viel leiden.
Betruͤger oder Narr / eins biſtu von den beyden.
Die gleiche Warheit kan nicht mit Betrug umgehn.
Wie aber koͤnnen Sohn / nicht-Sohn / beyſammen ſtehn?
Was er nicht von Natur / hat er durch Gunſt genoſſen.
Iſt er dein Sohn / ſo kan er nicht ein Fremder ſeyn / Und iſt ers nicht / was haſtu dich zu miſchen ein? So Vater oder nicht kanſt du dich nicht verfuͤhren.
Wer gleich das Wort; muß nicht allzeit das Recht ver - liehren.
Den Glauben doch verliehrt / wer ihm ſelbſt widerſpricht.
Ich ſage noch einmahl / daß Unrecht hier geſchicht.
Auff mich und meinen Sohn mag dieſes Unrecht fallen.
Es wird dich deſſen reun.
Und dich vor andern allen / Wofern ich nicht mein Amt mit Ruh vor dir verrich - ten kan.
Ich ruffe Menſchen uͤber dich und Goͤtter an zu Zeugen.
Die Goͤtter / deren Opffer du den Schimpff haſt angethan.
Wenn du mich denn nicht hoͤren wilt / ſo kan ich doch nicht ſchweigen. Der Himmel hoͤre mich / es hoͤre mich die Erde / Die Goͤttin hoͤre mich allhier vor ihrem Thron / Daß der Mirtillo fremd und nicht mein eigen Sohn / Und daß das Opffer nicht / wie recht / beſtellet werde.
Ihr Goͤtter / macht mich von dem ungeſtuͤmmen Men - ſchen loß! Wer iſt ſein Vater denn.
Das weiß ich nicht zu ſagen: Nur diß / daß ichs nicht bin.
Wie giebſt du dich ſo bloß Durch wanckelhaffte Wort. Ich muß dich weiter fragen: Iſt er dir aber von Gebluͤtte ſonſt verwandt?
Auch dieſes nicht.
Wie haſt du ihn denn Sohn ge - nannt?
Weil ich ihn lange Zeit in meinem Hauß ernaͤhrt / Und / als mein eigen Kind / gehalten lieb und werth.
Haſtu ihn denn gekaufft? geraubt? woher genommen?
Von einem Fremden hab ich ihn geſchenckt bekommen / In Elis.
Und woher mocht ihn derſelbe haben?
Ich hatt’ ihn ihm verehrt.
Dein Wahnwitz rei - tzet mich Zu zuͤrnen / und zugleich zu lachen uͤber dich. So ſchenckt er wieder dir die ihm geſchenckten Gaben?
Ich gab ihm nur das Sein / und diß gab er mir wieder.
Und du / wo krigteſtu das Kind zum erſten her?
In einem Mirten-Strauch hatt’ ich es ohngefehr Bey des Alfeus Bach ſpatzierend auff und niederK 5Ge -154GUARINIGefunden kurtz zuvor: drum nennt ich es Mirtillen.
Mit was vor Maͤhrlein wirſtu uns die Ohren fuͤllen? Hegt euer Land kein Wild / das dieſe Frucht gefreſſen?
Die auffgeſchwellte Flutt durch ihres Stromes Macht / Hat ſie dahin und auff ein kleines Werder bracht / Darinnen ſie vorm Wild in Sicherheit geſeſſen.
Du ſchmuͤckſt die Luͤgen wohl. War die erzuͤrnte Flutt So gnaͤdig / daß ſie nicht das Kind ließ unterſincken? Sind eure Waͤſſer denn ſo fromm und gutt / Daß niemand drinnen kan ertrincken?
Die Wiege / drinn es lag / dient ihn vor einen Kahn / Darinn es mit Gepreſch umgeben / ſicher ſchwam / Biß daß es zum Geluͤck in dieſe Straͤuche kam / Und allda ſitzen blieb.
So lags in einer Wiege?
Nicht anders als ich ſag.
Ein eingewindelt Kind?
Ein ſchoͤnes Kind dazu.
Wie viels wohl Jahre ſind?
Es werden neunzehn Jahr / eracht ich / ſeyn verfloſſen / Zeit dem die Waͤſſer ſich ſo grauſamlich ergoſſen / Und damahls iſts geſchehn. Da ſiehſtu ob ich luͤge.
Ihr Goͤtter / was koͤmmt mich vor ein Entſetzen an! Was aber hatte der / von dem du ſagſt / vor Recht Zum Kinde? war es ſein?
Hiervon kan ich nicht Nachricht geben.
Iſt dir auch ſonſten nichts bekandt von ſeinem Thun und Leben?
Nichts anders.
Trauſt du ihn zu kennen?
War - um nicht? Es war ein breiter Mann von Leib und von Geſicht / In rechter Mittel-Groͤß / und trug ein ſchwartzes Haar / Hatt einen ſtarcken Bart und ſtachlicht Augenbranen.
Kommt her / ihr meine Knecht’ / Und Hirten.
Da ſind wir.
Nun ſchaue wem der Mann Von dem du haſt gemeldt / am meiſten gleichen kan.
Er doͤrffte mich gar bald an den / der mit dir redt / gemah - nen: Und eben dieſer iſts. Er iſt noch wie er war. Vor155treuer Schaͤffer.Vor zwantzig Jahren / hat kein Haͤrlein nicht verwandelt / Und ich bin aller weiß. Da ſieht man / wie die Zeit mit uns ſo ungleich handelt!
Geht wieder hin / ihr andern; Du / bleib hier / Damet / und ſage mir / Kennſtu wohl dieſen Greiß?
Mich deucht wohl / daß ich ihn vor dieſem auch geſehn / Weiß aber weder Zeit noch Stelle / wo’s geſchehn.
Ich will ihn deſſen bald erinnern.
Laß vor mich / Mein Freund / mit ihm was reden / und entferne dich Ein wenig.
Wie du ſchaffſt.
Antworte mir itzund Dametas / und verhalt mir nicht der Warheit rechten Grund.
Was wird diß Neues ſeyn?
Als ich dich ausgeſchickt dem Kinde nach zufragen / Das mir die Flutt mit ſammt der Wiege weg getragen / Und du zuruͤcke kamſt / haſtu mich nicht bericht / Du haͤtteſt ohne Frucht Die gantze Gegend um den Fluß durchſucht?
Herr / warum fragt ihr das?
Antworte. Sagſt du nicht / Du haͤtteſt nichts gefunden?
Ja. Wie kommt euch dieſes ein?
Was wars denn vor ein Kind / Das du in Elis dazumahl Dem Manne / der dich hier itzund erkennt / geſchencket?
Meynt ihr / daß einen alten Mann ein Ding ſo lange Zeit gedencket?
Er iſt doch auch nicht jung: wie kom̃ts daß er ſich drauff beſinnt?
Ihm traumt.
Wir wollens ſehn. Mein Fremd - ling / komm zu mir.
Hier bin ich.
O der Qual! Ach waͤreſtu / ſo weit der Pfeffer waͤchſt / von hier!
Iſt dieſes nicht der Mann / der dich beſchenckt ſoll haben?
Ja / eben dieſer iſts?
Was meyneſtu vor Gaben?
Erinnerſtu dich nicht / als du vom Tempel giengeſt / Darinnen du vorher der Goͤtter Spruch empfiengeſt / Und numehr wiederum nach Hauſe wolteſt ziehn / Wie ich dir dazumahl entgegen kommen bin; Wie ich dich ausgefragt / und wie du mich beſchieden; Wie ich dich zu mir heim gefuͤhrt; und wie du warſt zu - frieden / Daß ich das Kind behielt?
Was wilt du draus er - zwingen?
Mirtill iſt dieſes Kind / den ihr izt um wolt bringen.
O des Verhaͤngnis ſtrenge Macht!
Verſtelleſt du dich noch! Iſts wahr / was er hat vorge - bracht?
Ach / waͤr ich ſo wohl todt!
Das ſoll dir wider - fahren / Wofern du mir nicht wirſt die Warheit offenbahren. Warum denn gabſt du weg / was dir nicht zugehoͤrt?
Herr / fragt mich weiter nichts / laſſt euch an dem be - gnuͤgen.
Ja / deſto mehr verlangt mich Grund darvon zu kriegen. Haͤltſtu mich annoch auff? Wiltu denn gar verſtummen? Frag ich dich noch einmal / es ſoll dir ſchlecht bekommen.
Ich thaͤts / weil mich der Spruch des Jupiters gelehrt / Daß dem gefundnen Kinde / Dafern es kaͤm ins Vaterland / Zu ſterben von des Vaters Hand Gefahr entgegen ſtuͤnde.
Ja / das iſt wahr. Ich hab es auch gehoͤrt mit meinen Ohren.
Ach weh! Numehr iſt alles offenbar. Die gantze Sach iſt allzuklar. Es weiſt ſich / leider / heute / Was das Verhaͤngniß ſchloß / was mir der Traum be - deute.
Verlangſt du mehr Bericht?
Ich weiß nur all - zuviel. Was157treuer Schaͤffer.Was er nicht wuͤnſcht / erfaͤhrt / wer alles wiſſen will. Ach / haͤtt ich weniger gefragt / Du weniger gewuſt / und weniger geſagt! O Carin / Carin / Schau / wie ich itzund ſelbſt an deine Stelle kommen bin! Wie dein Schmertz der meine wird! dieſer iſt von mir gebohren. O des ungluͤckſelgen Vaters allzu ungluͤckſelger Sohn. Grauſam von der Flutt geraubet / grauſamer errett darvon / Daß du von dem Vater ſelbſt koͤnteſt auffgeopffert ſter - ben / Und die Erde / die dich trug / hier mit deinem Blutte faͤrben.
Biſtu des Mirtillo Vater? Wie denn iſt er von euch kommen?
Das vorhin gemeldte Waſſer hat ihn mit ſich wegge - nommen. Ich erhielt / was ich verlohr / an dem liebſten Kinde / Und verliehre nun / was ich au ihm wieder finde.
O Himmel / aus was hohem Rath haſtu Bißher geſpielt mit ſolchem Wunder-Faͤllen / Die ſich numehr in einem Nu Der Welt entdeckt vor Augen ſtellen! Was haſtu Großes mit uns vor? Gluͤck oder Ungeluͤcke? Was hoffen wir von dir / O himmliſches Geſchicke?
Ach / dieſes iſt mein Traum / mein Traum der mich be - trog / Der nur das Boͤſe traff / und in dem gutten log! Diß iſt die Bangſamkeit / das Zagen / das Erroͤthen / Diß iſt das Schauern / das mich uͤberlieff / Als ich das Beil ergriff. Da die Natur ſich ſelbſt erregt / Und uͤber ſolcher That zum Schrecken ward bewegt! Wie aber? denckſtu noch die Unthat fortzuſtellen?
Sonſt keinem iſt erlaubt das Opffer hier zu faͤllen. So ſoll der Vater denn ſein eigen Kind ertoͤdten?
Wie das Geſetz erheiſcht. Wen kan man davon ma[-]chen loß / Wenn der Amintas ſelbſt ſein treues Blutt darum ver[-]goß?
Boßhafftiges Geſchick / zu was vor Hertzens-Leide Haſtu mich hergebracht!
Damit wir an dem Mord Theil haͤtten alle Beyde. Du ſtuͤrtzeſt / was du ſachſt zu retten / ins Verderben / Ich ſuche deinen Sohn / und find und mache meinen ſter - ben.
Hat das Verhaͤngniß nu ſein Draͤuen wahr gemacht? O grauſamer Fall! Mirtillo / mein Leben / Iſt dieſes die Freude / die du mir ſolt geben? Iſt dieſes das Geluͤck / daß ich allhier Genieſſen ſolte von dir; Ach Sohn! ach Sohn! der du vorhin Von dieſem ungluͤckſelgem Alten Vor ſeines muͤden Alters Stab / Vor ſeiner Augen Troſt Und Hoffnung warſt gehalten / Izt / leider! ſenckſtu ihn Mit Weinen in das kalte Grab!
Laß mir die Thraͤnen / die ich muß um mein Gebluͤtte laſſen ſchuͤſſen / Ach aber / warum mein / Wenn ichs mit meinen Haͤnden ſoll vergieſſen! O ungluͤckſelige Geburt / warum biſtu von mir erzeugt? Warum biſtu zur Welt gebracht? war dir die Flutt dar - um geneigt / Daß izt dein Vater an dir grauſam koͤnte ſeyn? Unſterbliche Goͤtter / ohn deren hohen Rath Sich keine Welle des Meeres zu ruͤhren hat / Kein Luͤfftgen unter dem Himmel erregt / Kein Thier noch Zweigchen auff Erden bewegt / Was hab ich vor grauſame Suͤnden veruͤbt / Deßwegen euch mein Geſchlechte zu ſtraffen beliebt? Und hab ich geſuͤndigt / was hat mein Sohn gethan? War -159treuer Schaͤffer.Warum ſeht ihr nicht dieſen mit guͤttigen Augen an? Warum / O Jupiter / daß mich dein Eyffer nicht Durch Blitz und Flammen hingericht? Doch / ſparſt du deinen Strahl / Ich will das Eiſen doch nicht ſparen; Die Welt ſoll noch einmahl Des Amintas betruͤbtes Exempel erfahren / Und eher wird der Sohn des Vaters Leiche ſehn / Als durch des Vatern Hand ein Sohns-Mord ſoll ge - ſchehn. So ſtirb / Montano / ſtirb; das Sterben kommt dir heu - te zu / Und bringt dich von dem Elend zu der Ruh. Ihr Goͤtter / ich weiß nicht / ob der oberen ob der unteren Welt / Deren raſende Verzweiffelung mich uͤberfaͤllt / Schauet / ich bin / dieweil es euch ſo beliebt / Bereit zu erfuͤllen was mir euer Regen eingiebt. Ich wuͤnſche nichts / als das Sterben / begehre nichts / als das Leben zu ſchlieſſen: Ein traurigs Verlangen mein Blutt zu vergieſſen / Beduͤſtert die Sinnen / und blaͤſet mir ein: Es muß / es muß geſtorben ſeyn. Betruͤbter Vater / wie das groͤßre Licht Den Glantz des kleinern daͤmpfft und bricht: So muß mein Schmertz itzund bey deinem kleiner ſchei - nen. Fuͤrwahr / man hat dich wohl Urſache zu beweinen!
Eile doch / mein Sohn / doch ſo / daß ich ſicher folgen kan / Der du meinen Fuß / wie ich dein Gemuͤtte / fuͤhreſt an / Und wenn du zum Prieſter kommſt / bleibe vor ihm ſtille ſtehn.
Iſt nicht diß Tirenio / den ich ſeh vom Berge gehn /Wel -160GUARINIWelcher auff der Erde blind / alles in dem Himmel ſieht? Es muß etwas Großes ſeyn / das ihn aus dem Tempel zieht / Man hat ihn herauſſen ſonſt nicht geſehn in vielen Jah - ren.
Laſſe dich der Goͤtter Gunſt etwas gutts von ihm erfah - ren.
Vater / wie ſeh ich euch hier? wo denckt ihr euch hin zu machen?
Nur zu dir allein: denn ich ſuch und bringe neue Sachen.
Bringſt du nicht die Prieſter mit? Iſt das Opffer noch nicht rein? Iſt noch nicht auffs neu bereit / was darzu will noͤthig ſeyn?
Wie offt kan ein blindes Auge mehr / als was gutt ſieht / erblicken / Da die unverfuͤhrten Sinnen Alle Wuͤrckung brauchen kuͤnnen / Und kein aͤuſſerliches Weſen ihnen kan das Ziel verruͤcken. Einen unverhofften Fall / mein Montan / Muß man nicht nur oben hin ſehen an / Da man zwar den Menſch allein wuͤrcken ſieht / Aber ihn doch Gottes Schluß lenckt und zieht. Denn der Himmel laͤſſet uns ſeine Stimme ſelber hoͤren; Aber was uns oftermahls wunderlichs zu handen kuͤmmt / Und was das verblendte Volck vor ein blinden Fall auff - nimmt / Iſt ſonſt nichts als ſeine Sprach und das Thoͤnen ſeiner Ehren; Das das Ohr zwar nicht beruͤhrt / aber tieff ins Hertze geht / Und geluͤcklich iſt der Menſch / der die Sprache wohl ver - ſteht! Nicander wolte nun vom Tempel ſich erheben / Ich hielt ihn auff / weil gleich was neues ſich begeben / Daß / wenn ich es mit dem vergleichen will und paaren / Was dir zu einer Zeit faſt heut iſt widerfahren /Mit161treuer Schaͤffer.Mit ungewohnter Furcht und Hoffnung mich belegt / Und deſto mehr Begier zu wiſſen mir erregt.
Das / was du nicht verſtehſt / iſt mir nur / leider / zu bekannt. Iſt aber denn etwas / das nicht erreichet dein Verſtand?
Ja / koͤnt ein kluger Menſch aus eignem Willen prophe - ceyn / So wuͤrd’ es der Natur und nicht des Him̃els Gabe ſeyn. Ich fuͤhle wohl bey mir den Zweiffel meiner Sinnen / Daß das Verhaͤngnis noch die Warheit nicht giebt bloß / Und ſie verborgen haͤlt in ſeiner heilgen Schooß. Drum kam ich her / ob ich was moͤcht erforſchen kuͤnnen / Und nachzufꝛagen / was man denn vor einen Vater funden Zu dieſem Menſchen / der zum heilgen Opffer iſt gebunden.
Du kennſt ihn allzuwohl / wie wird dichs hernach ſchmer - tzen / Daß er dir ſo bekant und alſo lieb von Hertzen.
Ich lobe deine Froͤmmigkeit. Betruͤbte zu beklagen Iſt menſchlich. Aber ich muß dennoch weiter nach ihm fragen.
Izt ſeh’ ich / daß dir gantz vor dieſes mahl Der Himmel hat entzogen ſeinen Strahl: Der Vater / um den du befrageſt mich / Mit dem du reden wilt / bin leider ich!
Des Schaͤffers Vater / der vor andre ſterben will?
Deß / der durch ſeinen Tod / die / die ihn toͤdt’t / macht leben; Und den / von dem er lebt / fuͤhrt an des Lebens Ziel.
Iſt das gewiß?
Der Mann kan deſſen Zeugniß geben.
Was er gemeldt / iſt wahr.
Wer biſtu / der du redſt?
Ich bín Des Juͤnglings biß anher geglaubter Vater / der Carin. Iſt dieſes wohl der Sohn / den dir das Waſſer nahm?
Diß leider! iſt das Kind / das in der Nacht entſchwam. Und du / Montan / wilt dich deßwegen elend nennen! Was kan die Blindheit doch des irdſchen Sinns erkeñen? In was vor tieffe Nacht / in was vor Finſterniſſen Sind unſre Seelen eingeſenckt / Weñ nicht das Licht / von dem wir Licht entlehnen muͤſſen /LUns162GUARINIUns einen Strahl der Gnaden ſchenckt! Was wolt ihr Sterblichen auff eure Weißheit trutzen / Was kan euch euer Fleiß und klug Gehirne nutzen? Der Seele beſtes Theil / das Urtheil / der Verſtand Iſt nicht eur Eigenthum / es iſt des Himmels Pfand / Der ſolches nimmt und giebt Nachdem es ihm beliebt. Montan / von innen mehr / als ich von auſſen / blind / Welch Traum verwirret dich / welch Dunſt benebelt deinen Geiſt / Daß du nicht ſehen kanſt / wie du auff dieſen Tag / Wo anders dieſer Menſch warhafftig iſt dein Kind / Der Allergluͤcklichſt / und dem Himmel liebſter Vater ſeyſt / Der iemahls einen Sohn gezeuget haben mag? Schau das Geheimniß nun entdecket und erfuͤllt / Das das Verhaͤngnis ſo vor mir verborgen hilt; Schau den gluͤckſelgen Tag gewuͤnſcht mit ſo viel Sehnen / Erbeten und erſeuffzt mit ſo viel Blutt und Thraͤnen. Schau die erfreute Zeit / Darinnen ſich numehr endt unſer Hertzeleid. Wie iſt dir denn / Montan? beſinne dich doch wieder! Weiſt du allein nicht mehr / was uns die Goͤtter ſagten / Die wir zulezt um Rath in unſern Aengſten fragten / Mit dem ſich unſer gantzes Land getragen auff und nieder? Des Himmels Blitz hat dir bereits gantz unverhofft Gezeiget deinen Sohn. Hoͤrſtu itzund nicht an / Wie ſeine Stimme dich zu voller Freude rufft: Es wird / was euch betruͤbt / nicht eh ſein End erlangen: Biß Liebe zwey verbindt von goͤttlichem Geſchlechte / Und durch geuͤbte Treu (der Thraͤnen milde See Bricht mir vor Freuden aus / daß ich nicht reden kan;) Es wird / was euch betruͤbt / nicht eh’ Es wird / was euch betruͤbt / nicht eh ſein End erlangen: Biß Liebe zwey verbindt von goͤttlichem Geſchlechte / Und durch geuͤbte Treu ein Schaͤffer bringt zu rechte Den Irrthum / den vorlaͤngſt ein falſches Weib begangen. Nun iſt der Schaͤffer nicht / der itzund ſolte ſterben / Als dein leibeigen Kind / vom Goͤtter-Blutt entſproſſen;Und163treuer Schaͤffer.Und kommt die Nimphe nicht von Pans beruͤhmten Erben? Was hat / als Liebe / ſie verbunden und verſchloſſen? Dargegen Silvio nach ſeiner Eltern Willen Sich einig und allein verlobt mit Amarillen / Und Beyde ſich vielmehr gehaſſet / denn geliebt / Wie deß bißherge Zeit genugſam Zeugnis giebt. Und ſiehe weiter nach / ſo wird dir klar erſcheinen / Daß das Oracul nur Mirtillen muͤſſe meynen. Denn hat man auch geſehn / das einge Liebes-Treu Nach des Amintas Fall ſo groß geweſen ſey? Diß iſt der Schaͤffer / der Verzeihung wird erlangen Der Untreu / die vorlaͤngſt Lucrina hat begangen. Die wunder-ſeltne That macht mehr als Menſchen - Blutt Den uͤber unſer Land erzuͤrnten Himmel gutt. Erſtattet zur Genuͤg und bringet wieder ein / Was der Gerechtigkeit entzogen moͤchte ſeyn. Drum konte kaum ſein Fuß des Tempels Schwell erreichen / Zu wiederholen ſein Geluͤbd / als alle Zeichen / Die uns zuvor geſchreckt / auff einmahl ſich verlohren: Man ſah kein Blutt nicht mehr vom heilgen Bilde rinnen / Kein Beben fuͤhlte man / ward keines Stanckes innen / Ein ſuͤſſer Ruch und Schall erquickte Naſ’ und Ohren. Wenn ich ſo manche Seel als Wort / ihr Goͤtter / haͤtte / Und alle lobten euch und danckten in die Wette / So waͤre ſolches doch vor eure Gunſt zu ſchlecht: Doch ehret euch / ſo gutt er kan / eur treuer Knecht Mit tieff-gebognem Knie. Beherrſcher dieſer Erden / Die ihr mit wachem Aug ob unſrer Einfalt ſchwebt / Wie bin ich euch verpflicht / daß ich den Tag erlebt! Ich habe hundert Jahr nun hinter mich gebracht / Und was noch noch druͤber iſt; hab aber nie gewuſt / Was rechtes Leben ſey / auch ſolches nie geacht. Itzund bekomm ich erſt zum Leben rechte Luſt / Izt fang ich erſt recht an auffs neue jung zu werden. Was aber bring ich hier die Zeit mit Worten zu / Da doch vonnoͤthen iſt / daß man zur Sachen thu? Komm Junge / hilff mir auff / indem ich nicht alleinL 2Der164GUARINIDer ſchwachen Glieder kan zum Auffſtehn maͤchtig ſeyn.
Verwundrung und Freude beherrſchen meinen Sinn / Daß ich faſt keines zu weiſen nicht maͤchtig bin. Ich bin recht freudig / und fuͤhl es doch nicht! Spielt meine Vergnuͤgung zuweilen den Meiſter / So hemmt das Entſetzen doch wieder die Geiſter / Daß ich es nicht weiß zu geben ans Licht. O Wunderwerck / vor nie geſehen noch gehoͤrt! O unvergleichliche Genad und Himmels-Gunſt / Die unſre Schuldigkeit mit hoͤchſtem Danck verehrt! Begluͤckt Arcadien! O Land / als eines ſonſt Der Sonnen Glantz beſtralt / dem Himmel lieb und werth / Mir iſt ſo angenehm die Luſt / die dir beſchert / Daß ich die meinige daruͤber nicht ermeſſe / Daß ich die Wonn ob dem zweymahl gefundnem Kinde Nach doppeltem Verluſt mit Lauligkeit empfinde / Daß ich mein ſelbſt numehr von bitterm Hertzeleid Im Augenblick verſezt in hoͤchſte Froͤligkeit / Indem ich nur auff dich gedencke / gantz vergeſſe / Daß meine Freude bey der deinen ſo verſchwindt / Wie wenn ein Tropffen in die groͤſten Stroͤme rinnt. O ſchoͤner Traum; nicht Traum / vielmehr des Himmels Schein / Arcadien wird / wie du meldſt / noch ſchoͤne ſeyn.
Was ſaͤumeſtu Montan? kein Blutt darff numehr flieſſen / Es iſt itzund nicht Zeit zur Rache / Zorn und Buͤßen / Vielmehr zur Froͤligkeit / zur Gnade / Luſt und Liebe. Die Goͤttin will / daß man die Hochzeit nicht verſchiebe / Worauff das Land ohn dem gewartet hat. Wie lange / ſage mir / wird wohl der Tag noch wehren?
Ein Stuͤndgen / wenig mehr.
So iſt es ſchon ſo ſpat? Kommt / laßt uns alſo bald zum Tempel wiederkehren / Daß Amarillis und dein Sohn zur Trauung kommen / Und die Heimfuͤhrung auch bald werde vorgenommen / Weil dieſes Helden-Paar noch nach des Himmels Schluß Vor Sonnen Untergang Beylager halten muß. Nun Junge fuͤhre mich: Montano folge mir.
Wird aber auch / Tirenio / Geſetz und Recht von uns ge - brochen? Wenn ſie Mirtillen giebt das Wort / das ſie dem Silvio verſprochen.
Bekuͤmmert euch nicht drum / da iſt ſchon Rath dafuͤr; Es wird auch Silvien die Treu geſchworen ſeyn / Wo deines Knechtes Wort ſtimmt mit der Warheit ein / Daß dieſes Kind / das er mich anders nennen ließ / Vor dieſem Silvio mit rechtem Nahmen hieß.
Gar recht / izt faͤllt mirs ein; weil dieſer war verlohren / Hab ich den Nahmen noch einmahl zum Troſt erkohren.
Der Knoten iſt geloͤſt / der ſonſten ziemlich wichtig / Anitzo folgt mir nach / nu alle Sachen richtig.
Wir gehn zum Tempel nun / und der Mirtillo hat forthin Zwey Vaͤter / ich zwey Soͤhn / und einen Bruder der Carin.
Ihm will ich Vater-Hold / dir Bruder-Gunſt verſchreiben / Nach Pflicht und Schuldigkeit eur beyden Diener blei - ben. Und weil dein freundlich-ſeyn mir ſolchen Anlaß giebt / So laſſe meine Bitt auch weiter finden ſtatt / Und meinen Freund / der mich ſo weit begleitet hat / Ohn welchen ich mich nicht vergnuͤget koͤnte wiſſen / Der angefangnen Freud und deiner Gunſt genuͤſſen.
Ich ſeh ihn gerne / thu mit ihm was dir beliebt. Wie unterſchieden ſeyn doch die verborgnen Stege / Durch welche zu uns kommt vom Himmel Gluͤck und Segen Vom finſter-ſchluͤpffrigen und oͤffters krummen Wege / Durch den die Sinnen ſich hinauff zu ſchwingen pflegen!
SO fuͤhlte Silvio der harte Weydemann / Als ers am wenigſten gedacht / die Lieb im Hertzen / Die er ſo hoch verſchmaͤht? Was ward nun weiter draus? Wo kam Dorinde hin?
Wir trugen ſie ins Hauß? L 3Die166GUARINIDie Mutter Silviens nahm ſie mit Thraͤnen an / Ich weiß nicht ob vor Freud / ich weiß nicht ob vor Schmertzen. Lieb war ihr ihren Sohn verliebt verlobt zu ſehn / Leid aber / daß dabey das Ungluͤck war geſchehn / Daß ſie zwey Schnuͤrgen nun und keine ſicher haͤtte; Die eine waͤre todt / die andre laͤg im Bette.
Iſt Amarille todt?
Ich weiß wohl nicht recht eigen: Doch glaub ichs / und geh hin dem Prieſter anzuzeigen / Daß er an der verlohrnen ſtatt Bereits ein andre Tochter hat.
So iſt Dorinde nicht geſtorben?
Hat ſich wol: Sie lebt vergnuͤgt / als man iemanden finden ſoll.
War ſie nicht auff den Todt verwundt?
Ein neues Leben Haͤtt ihr des Silviens Erbarmnis koͤnnen geben / Geſchweige ſie zn heiln.
Wie ward ſie denn ſo bald geſund?
Du wirſt dein Wunder hoͤrn: Ich will dir alles machen kund. Es ſtunden Mann und Weib um der Verwundten La - ger her / Die Haͤnde warn bereit zu helffen / nur das Hertze ſchwer Doch ließ ſie ſich niemand als Silvien beruͤhren; Sie ſprach: Die Hand / die mich verlezt hat / heile mich So blieben wir allein / die Mutter / er und ich: Er muſte Wund-Arzt ſeyn / wir gaben alles an. Der kuͤhne Juͤngling ließ ſich unerſchrocken ſpuͤren / Nachdem er ſachte Kleid und Hemmet weg gethan / Wolt er den Pfeil ausziehn: Nicht weiß ich wies geſchach Daß ihm das falſche Rohr in ſeiner Hand zerbrach / Das Eiſen ſtecken blieb / da war nun Angſt verhanden: Durch keinen Handgriff nicht / mit keiner Art von Zangen Durch ſonſt kein Mittel war das Eiſen zu erlangen. Man ſolte / wie es ſchien / die Wunde groͤſſer ſchneiden / (Was haͤtte ſie dabey vor Schmertzen muͤſſen leiden!) Diß konte Silvio nicht uͤbers Hertze bringen / Und zu ſo harter Cur die treuen Haͤnde zwingen. D[ie]167treuer Schaͤffer.Die Liebe pflegt auch nicht durch Zang und Schnitt zu heilen Was ſie verwundet hat mit ihren linden Pfeilen. Wiewohl ſie feſte glaͤubt’ / es braͤcht ihr ſeine Pflege Der Schmertzen Linderung (o ſtarck Vertrann!) zu wege / Und alles mit Gedult von ihm haͤtt ausgeſtanden. Der Mutt entfiel ihm nicht / er fand bald andern Rath / Und ſprach: du muſt heraus und ohne groß Bemuͤhn; Wer dich hinein gebracht / weiß dich auch auszuziehn. Durch Artzney / welche mich die Jagt gelernet hat / Will ich auch heilen / was ich auff der Jagt verſehrt. Mir iſt ein Kraut bekant / gebraucht von wilden Ziegen / Wenn ſie den Pfeil nicht aus der Wunde koͤnnen kriegen: Sie habens uns / und ſie hats die Natur gelehrt. Es waͤchſt nicht weit von hier / wir wollens bald bekom̃en. Hiemit lieff er davon / wo ſolches Kraͤutig ſtand / Bracht einen groſſen Buſch mit ſich / den er gefunden / Nachdem er es zerknitſcht / den Safft heraus gewunden / Den Samen Eiſenkrauts / Centauren-Wurtz darzu ge - nommen / Und macht ein Pflaſter draus / mit dem er ſie verband. O wunderbare Krafft! bald ließ der Schmertzen nach / Es ſtillte ſich bey ihr des Blutts ergoßne Bach / In kurtzer Zeit zog ſich das Eiſen aus der Wunde / Das Maͤgdgen ward ſo friſch in einer Viertelſtunde / Als wenn ihr nichts gefehlt. Denn auch der Pfeil allein War in den holen Leib gegangen nebens Bein / Und weder Flechſe / Mauß noch Darm hat angeruͤhrt. Du ſageſt mir von Krafft des Krautes Wunderſtuͤcke / Und von dem Maͤgdigen noch groͤſſeres Geluͤcke. Was unter ihnen nun ſey weiter vorgegangen / Darff durch Erzehlung nicht erſt werden ausgefuͤhrt. Das iſt gewiß / man ſieht Dorinden nichts mehr an / Die izt ſchon / wie ſie will / die Seite brauchen kan. Allein mit alle dem ſo kommt mir dennoch fuͤr / Und du / Coriſca / glaubſt es Zweiffels ohn mit mir / Daß ſie noch einen Schuß von andrem Pfeil empfangen. Wie aber ſie nicht iſt von gleichen Waffen troffen /L 4So168GUARINISo ſind die Wunden auch bey ihr nicht einerley: Die eine ſchmertzet ſehr / die ander iſt gelinde / Die eine will / daß man zum heilen ſie verbinde / Die andre aber will ſtets ſeyn gehalten offen. Und er / der kuͤhne Menſch / hat ſich bey ſeinem Jagen Zum Schuͤſſen ſo gewoͤhnt / daß ers noch nicht vergißt / Und auch verliebt allzeit zum Schuß begierig iſt.
Dir wohnen immer noch die alten Schwencke bey.
Ach ja / Coriſca ja / das Hertz iſt noch wohl gutt / Muß gleich der alte Stock den Schnee am Wipffel tra - gen / Lebt in der Wurtzel doch / wie vor / der gruͤne Mutt. Iſt mit den Jahren gleich die beſte Krafft entgangen / So brennt in Adern doch das ſiedende Verlangen.
Nun Amarille todt / ſo muß ich weiter ſehn / Was dem Mirtillo ſey Lieb’ oder Leyd geſchehn.
OTag voll Wunderwerck / voll Luſt und Liebs-bezeugen O viel-begluͤcktes Land! O Himmel voller Geigen
Schau dorten geht Ergaſt. Der kommt mir gleich recht an.
Nun heute freue ſich / was ſich nur freuen kan. Es lache und krache die Erde / das himmliſche Feld / Es mache ſich luſtig Lufft / Feur und alle die Welt. Es dringe die Freude durch alle das hefftigſte Leiden / Und zwinge / was klaget und zaget / zu munteren Freuden
Wie luſtig iſt der Menſch!
Ihr viel-begluͤckten Hayne / Habt ihr geſtimmet ein mit unſerem Geweine / Seyd ihr mit klaͤglichem Geraͤuſche beygefallen Den Seufftzern / die man ließ in euren Gruͤnden ſchallen So freut euch auch mit uns / laſſt ſo viel Zungen klingen / Als Feder-Kinder je auff euren Aeſten ſingen / Als Zweige liſpelnd ſpieln beym Rauſchen ſanffter Lufft Die ſich mit unſer Freud zugleich hat ausgeklaͤrt /Mach[t /]169treuer Schaͤffer.Macht / daß eur Widerhall mit heller Stimm ausrufft Das Gluͤcke / welches dem verliebten Paar beſchert.
Der redt vom Silvio gewiß und von Dorinden / Die wird man heute wohl in allen Maͤulern finden. So geht es in der Welt. Was hilffts / man muß doch leben! Der Wehmutts-Brunnen hoͤrt bald auff vom Thraͤnen - geben / Ob gleich der Freuden-Fluß mit vollem Strome quillt: Von Amarillens Todt iſt alles ſchon geſtillt. Man ruͤſt ſich nur zur Luſt mit deme / der ſich freut / Und diß iſt wohl gethan / wenn wir es recht bedencken; Diß Leben hat ohn diß zu viel Verdruͤßligkeit / Daß wir uns ſolten viel mit fremden Unfall kraͤncken. Wo gehts ſo ruͤſtig hin / Ergaſt? zur Hochzeit-Feyer?
Errathen. Weiſtu ſchon die gluͤcklich Abentheuer / Die dem verlobten Paar iſt unter Haͤnde kommen? Haſtu ſo ſeltnen Fall / Coriſc / iemahls vernommen?
Ich hab es izt mit Luſt gehoͤret an von Lincken / Und druͤber gutten theils den Schmertzen laſſen ſincken / Den ich ſonſt um den Tod der Amarill empfinde.
Um Amarillens Tod? was bringſtu auff die Bahn? Von wem vermeyneſtu / daß ich gedacht?
Vom zahmen Silvio und ſeiner Braut Dorinde.
Was geht mich Silvio mit ſamt Dorinden an? Du weiſt noch / ſeh ich / nichts: So nimm in Acht / Daß meine Freude viel aus edlerm Quell entſpriſſt / Deß Amarillis und Mirtill die Urſach iſt / Das hoͤchſt-vergnuͤgte Paar / Das iemahls auff der Welt von Lieb entzuͤndet war.
Iſt Amarille denn nicht todt?
Wie / traͤumeſtu? Sie lebt / iſt luſtig / ſchoͤn / und eine Braut darzu.
Du aͤffeſt mich.
Du wirſt die Warheit bald verſpuͤren.
Hat ſie das Urtheil denn zum Tode nicht verbannt?
Sie ward verdammet / und bald wieder frey erkannt.
Ich weiß nicht / ob ich traͤum’ / ob ſelber traͤumend hoͤre.
Haͤltſtu dich hier was auff / ſo wirſtu ſie bald ſehn / Wie man ſie mit Mirtillu wird aus dem Tempel fuͤhren /L 5(In -170GUARINIIndem die ehliche Verbuͤndnis ſchon geſchehn / Und nun nichts weiter iſt / das ihre Freude ſtoͤre;) In des Montanus Hauß nach alſo langem Buͤßen Die Zucker ſuͤſſe Frucht der Liebe zu genuͤßen. Ach / wenn du haͤtteſt ſolln der Freude wohnen bey / Wenn du haͤttſt hoͤren ſolln das jauchtzende Geſchrey / Wenn du haͤttſt ſollen ſehn des Volckes groſſe Menge / Da fand man Mann und Weib ohn allen Unterſcheid / Da fand man Alt und Jung / Geweyht und Ungeweyht / Was Hoch und Niedrig war / vermiſchet im Gedraͤnge / Und alles gantz entzuͤckt vor uͤberhaͤufften Freuden / Ein ieder draͤngte ſich zu den vermaͤhlten Beyden / Ein ieder eilte / ſie zu ſehn / und zu verehren / Der lobt die Froͤmmigkeit / der das Beſtaͤndig-ſeyn / Der / was der Himmel / der / was die Natur gegeben / Daß man durch Berg und Thal kan widerklingend hoͤren Des treuen Schaͤffers Ruhm / mit vollem Hals aus - ſchreyn. O Gluͤcke / das nicht bald wird ob Verliebten ſchweben! Ein armer Hirte ſeyn / und bald ſo hoch zu ſteigen / In einem Augenblick vom Tod ins Leben ſchreiten / Das nahe Leichen-Feſt / das man ihm ſah bereiten / Zur Hochzeit kehren um / zu welcher ſich vorhin So viel Verhindernis kein Hoffen wolte zeigen. Coriſca / das iſt viel; doch aber nichts vor Ihn: Denn in erwuͤnſchter Luſt und Ruhe der geniſſen / Vor welche man mit Luſt das Leben wolte ſchluͤſſen / Den Anmutts-vollen Schatz zum Eigenthum erwerben / Der mit uns Wetteſtreit ums Lieben und ums Sterben; Iſt ſolche Suͤßigkeit / iſt ſo ein hohes Gluͤcke / Das die Gedancken auch bey weitem laͤſt zuruͤcke. Und du erfreuſt dich nicht mit deiner Amarill / Als wie ich luſtig bin um meinen Freund Mirtill.
Ich freue mich wohl auch / (ſiehſtu es mir nicht an Ergaſt?) ſo ſehr ich weiß und kan.
Haͤttſt du nur die ſchoͤne Braut ihm die treue Hand ſehn reichen / Und Mirtillen wiederum ihr zum feſten Liebes-ZeichenWeiß171treuer Schaͤffer.Weiß nicht geben oder nehmen einen ſuͤß - und ſtillen Kuß / Ach / gewiß du waͤrſt geſtorben / vor der Freuden Uber - fluß! Was iſt Purpur? was ſind Roſen gegen ihren ſchoͤnen Wangen? Alle Farbe der Natur bleichet und erſtirbt dafuͤr / Alle Schmincke kluger Kunſt weichet ihrer Pracht und Zier / Reines Blutt / und zarte Roͤthe keuſcher Scham haͤlt ſie umfangen. Dieſes iſt der glatte Schild / der ſie zu bedecken ſcheint / Aber noch zu mehrerm Kampff reizt und anfriſcht ihren Feind! Sie / als wolte ſie vermeiden Einen Kuß von ihm zu leiden / Wendt das Haubt der Seite zu / Kehrt ſich wieder um im Nu / Daß er keinen Fehlſtreich thu / Und ſie unvermerckter kan Solchen von ihm nehmen an / Bringet uns den Zweiffel bey / Ob dergleichen Kuß ein Raub / oder ein Geſchencke ſey. Ihr anmuttigs Boͤſe-ſcheinen Sagte nein / und dacht / ich will / Faſſ - und laſſen war ſein Ziel. Ein ſo freundliches Verneinen Heiſchte diß / was es ſchlug ab / Und nichts deſto minder gab / War Verbitten und Gebitten / Bey dem Furcht und Liebe ſtritten / War ein Rauben / da der Dieb Endlich ſelbſt beſtolen blieb / War ein Warten / war ein Fliehn / Das den Feind nur deſto mehr konte nach ſich ziehn. O ſuͤſſer Kuß! Coriſc / ich kan nicht mehr verziehn; Ich gehe gleich itzund nach einer Liebſten hin. Denn ſolche Wonn und Luſt / die aus der Liebe fliſſen / Kan doch niemand / als wer verliebt iſt / recht genuͤſſen.
Hat dieſer wahr geredt / ſo hab ich ſchon genug / Und werde dieſen Tag recht naͤrriſch / oder klug.
Himen / Himenee komm herbey / Auff daß unſer Wunſch erhoͤret ſey: Nimm die Helden / fuͤhre ſie zur Ruh / Schleuß das feſte Band der Liebe zu!
Ach / leider! leider! ja! es iſt nur allzu klar! Das iſt die ſchoͤne Frucht der Falſchheits-ſchwangern Sinnen! O Anſchlag voller Liſt! O truͤgliches Beginnen! Numehr zu meinem Schimpff und Schaden offenbar! Hab ich die Unſchuld ſelbſt zu toͤdten mich befliſſen / Und meine Luͤſte wolln auff fremden Koſten buͤßen! Bin ich ſo grauſam denn geweſen? ſo verblendt? Wer oͤffnet mir itzund die Augen? was ſeh ich Elende? Meine Schuld wird nun von mir erkennt / Mein ſchnoͤdes Ubelthun quaͤlt und beaͤngſtigt mich; Das Gluͤcke / das ich vor bey meinem Thun verſpuͤrt / Hat mich nur allzutieff in Suͤnden eingefuͤhrt!
Auff / O Braut-Gott / Himen / nahe dich: Schau / diß werthe Paar vermaͤhlet ſich / Mache ſie von allem Segen reich / Auff daß ſie den edlen Ahnen gleich Nichts um ſich als Freude ſehen bluͤhn / Nichts als gleiche Helden-Erben ziehn. Froher Schaͤffer / du erlangſt Reiche Beut auff Schmertz und Angſt / Ehr und Luſt auff Sorg und Pein. Iſt nicht diß der Schatz / den dir Heute noch bey Mittags-Schein Erd und Himmel hielten fuͤr / Reine Zucht / gegebne Treu / Recht und Unrecht / Truͤgerey /Neyd173treuer Schaͤffer.Neyd und Wahn / ja Tod und Macht Zu entziehen war bedacht? Izt ſchaue nun / Mirtill / ergiebt ſich alles dir; Das Antlitz / das du offt ſo ſehnlich angeblickt / Die Augen / welche dir ſo tieff ins Hertz geſchienen / Die Bruſt und weiche Hand / mit der ſie deine druͤckt / Und alles was du ſiehſt und hoͤrſt und fuͤhlſt an ihr / Wird dir zum ſuͤſſen Lohn erwieſner Treue dienen. Und du biſt ſtumm dabey?
Wie weiß ich viel zu ſa - gen? Ich weiß nicht / ob ich leb und ob ich wachend ſey / Ob ich diß hoͤr und ſeh / was man mir bringet bey. Ihr moͤgt das liebſte Kind die Amarillis fragen / Da koͤnnet ihr Bericht von meinem Stand empfangen: Mein Hertze lebt in ihr mein Leben und Verlangen.
Von der hell-beſtirnten Himmels-Hoͤh Auff diß Feyer komm / O Himene / Bind ſo feſte die verliebten Zwey / Daß der Tod allein ihr Schieds-Mann ſey.
Was macht ihr noch bey mir ihr Zeugen ſtoltzer Sinnen / Du Werckzeug / zugericht die Hertzen zu gewinnen / Ihr Netze / die ihr ſolt die Welt zu Falle bringen / Ihr Pflaſter heißer Brunſt / ihr Kleiſter-volle Schlingen / Ihr Steine / die ihr habt den ſchnoͤden Leib geziert / Des Geiſtes reinen Schmuck verblendet und beſchmiert / Hinweg / hinweg mit euch! was habt ihr nicht vor Zeit Vergeblich zugebracht mit eurer Eitelkeit! Nun / weil ihr anders doch nichts ſeyd als Koth und Erde / Will ich / daß eure Pracht in Staub getretten werde. Ich hab euch mißgebraucht zu geil-beflecktem Leben: Ihr ſollt der Ehrbarkeit Siegs-Zeichen numehr geben.
Stimmt / ihr Hirten / Freuden-Lieder an / Chor der Nimphen / folget ihrer Bahn / Haͤget nichts / als ſuͤſſe Luſtigkeit An ſo lang erwuͤnſchter Freuden-Zeit. Thoͤnt und rufft dem edlen Paar Gluͤck zu Zu der ſuͤſſen Ruhe ſonder Ruh. Izt iſts bequeme Zeit Genade zu erlangen:Was174GUARINIWas ſaͤum ich? fuͤrcht ich mich die Straffe zu empfangen? Nur hingewagt: Ich kan ohndem nicht aͤrger buͤßen / Als allbereit geſchicht von eigenem Gewiſſen. Schoͤnes und begluͤcktes Paar / welchem Erd und Himmel hold / Wenn heut alle irdſche Macht eurem Gluͤck zu Fuͤſſen liegt / So verehrt euch billig auch dieſes Hertze voller Schuld / Das mit aller irdſchen Macht eur Geluͤcke vor bekriegt. Schoͤne Braut / ich kan nicht leugnen / daß / was du geliebt / auch mich In die Augen hat geſtochen: Nunmehr aber bleibts vor dich / Weil du deſſen mehr denn ich / mehr denn alle Nimphen / werth. Dir iſt nun der treuſte Schaͤffer / der das Leben hat / be - ſchert: Und der Ausbund keuſcher Frauen / die iemahls die Welt geziert / Wie ich ſicher kan betheuren / wird Mirtillen heimgefuͤhrt. Denn ich habe beyderſeits auff die Probe ſchon geſezt / Ihre Keuſchheit / ſeine Treu / als ein Schliffſtein ausge - wezt. Aber du holdſelge Braut / eh dein Zorn auf mich ausbricht / Schaue / bitt ich / doch zuvor deinem Liebſten ins Geſicht; Da wirſt du an meinem Theil Unvermeidligkeit der Suͤnden / Deines Ortes zum Verzeihn Anlaß gnung geſchrieben finden. Um ſo lieben Pfandes wegen laß numehr ſeyn frey ge - ſprochen / Was ich / O verliebte Seele / nur aus Lieb an dir verbro - chen. Billig iſts ja / daß die Liebe / die dich ſelbſten hat entzuͤndt / Gnade der veruͤbten Fehler an dem Freudentage findt.
Ich verzeihe dir nicht nur / ſondern habe dich auch lieb: Denn ich ſeh den Ausgang an / nicht den boͤſen Zweck und Trieb:Der175treuer Schaͤffer.Der Geheilte muß das Eiſen Und des Brandes heiſſe Glutt / Ob es noch ſo wehe thut / Vor ein heilſam Mittel preiſen: Alſo nehm ich nicht in acht / Was du mir haſt zugedacht / Sondern denck auff diß allein / Daß du nach des Himmels Willen Mein Verhaͤngniß zu erfuͤllen / Haſt der Werckzeug muͤſſen ſeyn / Daß ſich ſelbſten dein Betruͤgen Mir zum beſten muͤſſen fuͤgen / Daß dein gluͤckliches Verrathen Meiner Freude kommt zu ſtatten / Und ich nun den ſuͤſſen Lohn Dein - und meiner Muͤh und Sorgen froͤlich tragen kan darvon. Kanſt du dich hieruͤber nun auch vergnuͤgt und freudig wiſſen / So komm mit zum Hochzeit-Feſt / unſrer Freuden zu ge - nuͤſſen.
Ich bin ſchon erfreut genug / daß mir Gnade wird ertheilt / Und das Hertze von der Peſt falſcher Hoffnung iſt geheilt.
Ich verzeihe dir ſonſt auch alles / was du haſt veruͤbt / Auſſer den Verdruß / den mir dein ſo langes Warten giebt.
Nun ſo will ich ſcheiden / Lebt in Freuden.
Himen / Himenee komm herbey / Auff daß unſer Wunſch erhoͤret ſey. Nimm die Helden fuͤhre ſie zur Ruh / Schleuß das feſte Band der Liebe zu.
Bin ich denn ſo gewohnt zu leiden / Daß ich in meinen beſten Freuden Noch immer etwas von Verdruß Und Hinderung empfinden muß? Wird176GUARINIWird uns der erbar-faule Gang Nicht ohne diß genungſam lang / Daß noch Coriſca muſte fehlen / Ein Theil der edlen Zeit zu ſtehlen!
Wie eileſtu ſo ſehr?
Mein Schatz / ich bin noch nicht In Sicherheit mit dir: ich zittre noch / mein Licht / Und weiß nicht eher dich zu ſchaͤtzen vor mein eigen / Biß du dich wirſt / als Frau / in meinem Hauſe zeigen. Mich daͤucht / als laͤg ich izt vergnuͤgt In ſuͤſſen Traͤumen eingewiegt; Bald aber wuͤrd ich wieder wach / Und du verlieſſſt mein Schlaffgemach. Ich wuͤnſche / daß ich bald geſichert koͤnte bleiben / Die Zeit mehr wachend / als mit ſchlaffen zu vertreiben.
Himen / Himenee komm herbey / Auff daß dieſer Wunſch erhoͤret ſey: Nimm die Helden / fuͤhre ſie zur Ruh / Schleuß das feſte Band der Liebe zu.
O viel-begluͤcktes Paar / Dem Lachen Erndte bringt und Weinen Saate war / Wie hat der Zucker deiner Luſt Dich ſo viel Gall und Gifft gekoſt! Ihr zarten Sterblichen / kommt her / und lernt hiebey / Was rechte Luſt und wahres Ubel ſey. Nicht alles / was ergoͤzt / iſt gutt / Noch ſchaͤdlich / was uns wehe thut. Diß heiſt genuͤſſen rechter Freuden / Wenn von der Tugend kommt Vergnuͤgung nach dem Leiden.
SEinem Landsmanne / dem Treuen Schaͤffer / folget gegenwaͤrtig ein Florentiniſcher Hof-Mann in gleichmaͤßiger Begierde den Edlen Teutſchinnen die Haͤnde zu kuͤſſen / und den tragenden Eyfer vor den Ruhm ihres Geſchlechtes bekannt zu machen. Beyder des Urhebers und Dolmetſchers Nahme / welcher ein vielfaͤltiges A fuͤhret / kan ein Zeuge der hierbey gefuͤhrten Auff -[r]ichtigen Gedancken ſeyn: Und ſolte jemand was anders aus[i]hren Worten erzwingen wollen / ſo ſetzet man ſelbigem den Wahlſpruch Koͤnig Eduards entgegen: Arg iſt / wer ihm Ar - ges gedencket. Sie ſind beyde der Meinung / daß wie keine Schoͤnheit leichtlich ohne Fehler / alſo nicht leichtlich Fehler[o]hne Schoͤnheit anzutreffen ſeyn / und daß ſich offtermahls et -[w]as Lieb-wuͤrdiges befinde / welches fuͤr vielen Augen verborgen[b]leibt / aber dennoch Andere mehr ſcharffſichtige und durch -[d]ringende entzuͤcket; ja offtermahls ein Gemuͤtte durch einen[g]antz unbekannten Trieb / wie durch die verdeckten Raͤder eines[U]hrwercks an ſich ziehet und hefftet. Des Erfinders Fuͤrſatz[i]ſt geweſen / ſeiner Sinn - und Luſt-reichen Art nach / im Nahmen[i]edweder von den neun ſo genannten Kunſt-Goͤttinnen Funfftzig[K]ling-Gedichte zu fertigen / und ſolche nicht wie Herodotus ſei -[n]e Geſchicht-Buͤcher nur ohngefaͤhr und ſonder allen Anlaß /[ſo]ndern nach Anleitung des Inhalts und ihres Nahmens oder[A]mtes / unter ſie auszutheilen. Was fuͤr Ruhm die Staats -[k]luge Polymnia und vielleicht andere der Verwunderns-wuͤrdi -[g]en Uberſetzung des Pindarus mitten unter ſeinen hohen Ge -[ſc]haͤfften gefolgte Schweſtern verdienet / iſt den Welſchen be - uſt: Uns iſt dieſe Terpſichore bekannt worden / ein luſtig und[zu]gleich gelehrtes Werck / welches etlicher muͤßiger Tage zur[V]erdeutſchung wuͤrdig geſchienen / und deſſen Abſehen Er Adi -[m]ari ſelbſt in folgendem Send-Schreiben berichtet:
M 2An180TErpſichore, allhier betrachtet als eine ſolche Krafft oder Wiſſenſchafft / vermittelſt deren unſer Gemuͤtt etwas be - greiffet / und was es alſo in Gedancken gefaſſt / nach den Geſe - tzen der Reim-Kunſt ferner vorſtellet und ausbildet / kan (wo ich nicht irre) dieſen gegenwaͤrtigen Schertz - oder ungereimten Reimen zur Mutter oder Amme geſtellet werden / weil ſelbige nach dem Zeugnis Callimachus und Virgilius, da ſie die Aemter und Verrichtungen der Muſen austheilen / mit annehmlichen luſtigen Sachen bemuͤhet iſt / und die Regungen der Menſchen beweget / beherrſchet und vermehret. In ſolcher Meinung be - ſtaͤtigt mich die Erzehlung der Poeten / welche die mehr-benenn - te Terpſichore zu einer Mutter der mangelhafften aber zu - gleich ſchoͤnen Sirenen oder Waſſer-Frauen machen / und durch dieſe den ſuͤſſen Klang der lieblichen Stimme oder wohlgeſezten Worte / welche das menſchliche Gemuͤtte ſo anmuttig einnehmen und veraͤndern / verſtehen. Alſo ſoll Terpſichore nicht ein heuchleriſches Schmeicheln / welches den Ulyſſes und ſeine Ge - faͤrten zu ihrem Verderb und Untergang einſchlaͤffern ſolte / ſon - dern ein ſolch hellklingendes und hochſteigendes Lob / als das Frauenzimmer verdienet / zu ihrer Ergoͤtzung erſchallen laſſen: Allermaßen / wenn wir den Urſprung des Nahmens Terpſichore unterſuchen wolten / uns auch ſelbter das Ausputzen oder Ver - ſchoͤnern der Maͤgdgen / deſſen diejenigen / welche durch Zufall oder Geburt einen Mangel zu haben ſcheinen / am meiſten benoͤ - thigt waͤren / an die Hand geben / und endlich auff die Anleitung des klugen Seneca bringen wuͤrde / welcher ſaget: Lehre die Ehe - Maͤnner / wie einer mit derjenigen leben ſolle / die er Jungfrau geheyrathet / wie mit denen / die vorhin in anderwertiger Ehe gelebet / wie mit einer Reichen / wie mit einer Armen / und ſo fort an: damit ein jeder mit ſeiner Wahl vergnuͤget ſey. Ich ge - ſtehe zwar / daß dieſer Welt-Weiſe / den ich in allen dieſen Kling - Gedichten zum Fuͤhrer nehme / nicht von allen Gebrechen redet / beſcheide mich aber / daß in allen einzelen Sachen und Faͤllen Geſetze ſtellen ein unendliches und unbegreiffliches Werck iſt. Ich habe indeß aus angeregten Urſachen dieſe meine Arbeitmit181mit dem Nahmen der Terpſichore bezeichnet / und fuͤr allen Dingen Meinem Hochgeehrten Herrn zugeſendet: Welcher / wo man vom Werth und Lobe des Frauenzimmers handelt / gleichſam nach Ausweiſung ſeiner hierob gefertigten gelehrten und annehmlichen Geſpraͤche der Oberſte Schatzmeiſter deſſel - ben iſt / der billig alle dergleichen Muͤntze / oder ihnen zugehoͤri - ge Steuer in Empfang nimmt: Wiewohl die meinige von ſo geringem Schrott und Korn iſt / daß ſie vielleicht zu nichts an - derm als zu Steigerung des Seinigen dienen kan. Denn ſo der Glantz des Frauenzimmers auch aus den Schlacken der na - tuͤrlichen oder zufaͤlligen Gebrechen herrlich herfuͤr glaͤntzet / was fuͤr Schaͤtzbarkeit wird derſelben Adel und Wuͤrde von ſeiner guͤldenen Feder erlangen? Ich ſchicke nichts deſto minder die - ſen meinen Zinß / ſo roh er aus meiner unfruchtbaren und we - nig gebauten Fundgrube herfuͤr kommen / mit Bitte / ſolchen an den Probierſtein ſeines hochverſtaͤndigen Urtheils zu ſtreichen / und mich / ob auch dieſe Muͤntze / die ich zu einiger Bezahlung der wenig muͤßigen Stunden / ſo ich von der Gnade meines Er - auchten Fuͤrſten in dieſer meiner anvertrauten Regierung der geruhigen und edlen Stadt San Miniato genieſſe / geſchlagen habe / dem Frauenzimmer gaͤng und gebe ſeyn / und deren Ge - raͤge meinen Jahren und Aemtern anſtehen moͤchte / vertrau - ich zu berichten. Ich erſuche aber denſelben nochmahls / mir als ein treuer auffrichtiger Freund die Warheit zu ſagen / und was ihm ſein ungemeiner Verſtand hierbey an die Hand giebt / ngeſcheuet zu entdecken / mit Bedingung / wo ich wegen ſo inghaltiger Muͤntze zur Straffe komme / die Erſetzung aller Schaͤden und Unkoſten bey Ihm zu ſuchen / wozu Er auch / wo mich anders die Rechts-Gelehrten / die mir allhier taͤglich die Ohren voll ſchwatzen / mit ihrem L. omnes ff. de Actio - nibus nicht verfuͤhren / verbunden ſeyn wird.
(Vermerck: Die doppelten Reimungen und beygeſezten Stern-Zeichen deuten des Uberſetzers Zuſatz / und Erfindung etlicher Kling-Gedichte an.)
Autoritates Senecæ & aliorum.
Contra totius generis humani opiniones nunc vox mittenda ſt. Sen. Philoſ. Ep. 87. nam
Quæ ego ſcio, non probat populus, quæ populus probat, ego eſcio. Ep. 29.
Sapiens non reſpicit, quid homines turpe judicent aut miſe - um: non it, quâ populus, ſed ut ſidera contrarium mundo iter tendunt, ita hic adverſus opinionem omnium vadit. Sen. Tr. in Sap. non cad. Injur.
Quidquid in alio reprehenditur, id unusquisque in ſinu ſuo veniet. Sen. de Ira.
Omnia ex opinione ſuſpenſa ſunt. Sen. Epiſt. 78.
Oculis de homine non credo: Animi bonum animus inveniat. ta quæ ſpectantur, ad quæ conſiſtitur, quæ alter alteri ſtupens onſtrat, foris nitent, introrſus miſera ſunt. Quæramus aliquid on in ſpeciem bonum, ſed ſolidum & æquabile, & à ſecretiore rte formoſius: Hoc eruamus. Sen. de Vit. Beata.
Scias tamen quod occupandi temporis cauſa, non in præconi - m aliquod hæc ſimplici ſtylo ſcripſi.
Tu ſic audias, quomodo ſi tibi præciperem, quâ ratione bo - m valetudinem tuearis. Sen. Ep. 105.
Nihil tam acerbum, in quo non æquus animus ſolatium inve - iat. Sen. de Tranquill. Vitæ.
1. Das192ADIMARIQuibusdam etiam poſt juventam & canos puerilitas eſt. An quicquam iſti profecerunt, quibus animi mala auctique in majus errores, qui à pueris magnitudine tantum formaque corporis dif - ferunt? Sen. Tr. in Sap. non cad. Inj.
Tenera Ætas tua refugit omne non tantum quod ſordidum, ſed & quod ſordido ſimile eſt. Sen. Pat. Contr. l. 3.
Et quidquid ætati meæ vigoris abſceſſit, id ad me ex tua: Ignis vero valentem materiam cito occupat. S. Phil. Nat. Quæſt.
Sol medio die calidiſſimas nubes evincit, at matutino tempo - re facilius ſuſtineri poteſt.
Lux, quæ Solem antecedit, percutit aerem & ſtatim calefacit, quia lux ipſa ſine calore eſſe non poteſt, cum ex calore fiat. Ignis, qui naſcitur & ex ſaxo prodit, ſimul & fit & cadit. Ignis omnes ætates, omnuium urbium cives, tam viros quam fœ - minas urit. Conſol. ad Hels.
Pueritiæ maximus in exitu decor eſt. Sen. Ep. 12.
Fructuoſior eſt adoleſcentia liberorum, ſed infantia dulcior. Ep. 9.
2. Das193Schertz-Sonnette.Nunquam in honorem hujus corpuſculi mentiar. Sen. Ep. 65.
Sapiens contentus eſt magnitudine ſuâ, non exſurgit in plantas, nec ſummis ambulat digitis eorum more, qui mendacio ſtaturam adjuvant.
Non contemnet ſe ſapiens etiam ſi fuerit minimæ ſtaturæ. Sen. de Vita Beata.
Majore corporis ſarcinâ animus eliditur & minus agilis eſt: ecquis unquam de exigua conqueſtus eſt Sarcina?
Maximis minimisque corporibus par eſt dolor vulneris. Sen. de Tranquillit. An.
Exiguum mellis pondus & magnum ſapore non differt. Sen. Ep. 118.
Exiguum natura deſiderat. Sen. Ep. 56.
Habiliora ſunt corpora puſilla, quæ in arma ſua contrahi pos - unt, quam quæ ſuperfunduntur, & undique magnitudo ſua vul - neribus objecit. Sen. de Tranquillit.
Nunquam enim contexti niſi per unitatem corporis niſus eſt, cum partes conſentire ad intenſionem debeant & conferre vires; er autem, ſi in atomos dividitur, ſparſus eſt. Sen. N. Q.
Vitioſum eſt ubique, quod nimium eſt. Sen. de Vit B.
Quis tam iniquam cenſuram inter ſuos agit, ut filium proce - um & excelſum magis diligat, quam brevem & modicum. Ep. 66.
N3. Die194ADIMARIAmor tegit pulchritudines Scenâ ſuâ dignas. Sen. de Tranquill.
Ignis vivacior eſt, qui cum lenta difficilique materia commis - ſus ſummoque demerſus ex ſordido lucet. Conſol. ad Marc.
Sidera ampliora per nubem adſpicienti videntur, quia acies noſtra in humido labitur: quicquid videtur per humorem, lon - gè amplius vero eſt. Sen. Q. N.
Acrior eſt Caniculæ rubor, Martis remisſior, Jovis nullus, im lucem puram nitore perducto.
Non ſentit animus ætatis ac valetudinis injurias, viget, & magnam partem oneris in infirmitate deponit. Ep. 26.
Papulas obſervatis alienas, ipſi obſiti plurimis ulceribus: ho tale eſt, quale ſi quis pulcherrimorum corporum nævos aut ver - rucas derideat, quem fera ſcabies depaſcitur. de V. B.
Aqua tempeſtive data remedii locum obtinet. Sen. de Benef.
Aquila pennis gravata fontem petit, cujus aſpergine penna egerit, mox in juventam redit.
4. Die195Schertz-Sonnette.Quis dixerit naturam maligne cum hac muliere egiſſe, & vir - tutes illius in arctum retraxiſſe. Sen. Conſ. ad Marc.
Num rem publicam læſit. Sen. Controv.
Morbi ad ſanitatem inclinant, cum ex abdito erumpunt. Sen. Ep. 56.
Diminutas ſcapulas in deforme tuber extudit, ut fortunæ ini - quitas in ejus beneficia ſævientis magis hominum animos per - elleret. Sen. Controv.
Non eſt illa magnitudo: Tumor eſt; nec corporibus copiâ itioſi humoris intenſis morbus incrementum eſt, ſed Abundan - ia. Sen. de Ira.
Cæterum par illi, mihi crede, vigor, par ad honeſta libera fa - ultas, laborem doloremque ex æquo, ſi conſvevit, patitur. Sen. onſol ad Marc.
Omnium iſtorum, quos incedere altos vides, bracteata felici - as eſt. Sen. Ep. 115.
Forma gratior, ſed gibbus eſt tutior. Petrarcha.
Quare fortia dorſo jumenta ſunt quæris? quia eorum hic eſt ſus, ſarcinam ferre. Sen. Ep. 76.
N 25. Die196ADIMARINullum habile membrum eſt, ſi corpori par eſt. Sen. Controv.
Certiſſimum argumentum firmitatis ſuæ capit, ſi ad blanda nec it nec abducitur. Ep. 18.
Quia vitium non eſt in rebus. Ep. 17.
Nec tribuendum eſt inſonti naturæ.
Ignis enim hâc illâc palpitando diſcurrit.
Quemadmodum flamma ſurgit in rectum, jacere ac deprimi non poteſt non magis quàm quieſcere. Sen. Ep. 39.
Pars cœli conſurgit, pars mergitur. Ep. 107.
Alius incertis ſideribus curſus, & variantur tempora.
Luna modo toto ore terris imminet, acceſſionibus damnisque mirabilis, ſemper proximæ diſſimilis. Sen. Suaſor.
Non vides quam diverſus ſit habitus aſcendentium & deſcen - dentium? Qui per pronum eunt, reſupinant corpora, qui in ar - duum, incurvane. Ep. 123.
Bonam ſpem de te concipio: non diſcurris. Ep. 2.
Primum argumentum compoſitæ mentis exiſtimo, poſſe con - ſiſtere, & ſecum morari. Ibid.
6. Die197Schertz-Sonnette.Huic mulieri minimè convenit occupatio exercendi lacertos, & dilatandi cervicem, & veſtes firmandi.
Faciem lenociniis ac coloribus nunquam polluit.
Nunquam ei placuit Veſtis, quæ nihil amplius, quam ut nu - lam componeret ‒ Sed utcunque res tulit ita vixit.
Unicum ſibi ornamentum pulcherrima & nulli obnoxia ætati orma.
Æquè exiguè tegitur corpus quàm alitur: nihil homini natu - a, quod neceſſarium ſciebat, fecit operoſum.
Nec faciunt meliorem equum aurei freni: imo equum emen - ipſa etiam ornamenta ſunt ſuſpecta.
Otioſas vocas, quibus multæ horæ transmittuntur, dum ecerpitur, ſi quid proxima nocte ſuccreverit, dum de ſingulis apillis in conſilium itur, dum aut disjecta coma reſtituitur, aut eficiens hinc atque illinc in frontem compellitur? Has tu otio - s vocas inter pectinem ſpeculumque occupatas?
Contemtus corporis ſui certa libertas eſt.
Contemne omnia, quæ ſupervacuus labor velut ornamentum decus ponit. Ep. 8.
Placet non in Ambitionem prolata veſtis, non ponderibus t tormentis ſplendere cogentibus preſſa, ſed domeſtica & vilis, ec ſervata nec ſumenda ſollicitè.
N 37. Die198ADIMARISolis vis & lux integra eſt, etiam inter oppoſita. Ep. 92.
Et quamvis aliquid interjaceat, in opere eſt.
Adverſus ſolem non poteſt nebula.
Quoties enim inter nubila luxit, non eſt ſerenô minor.
Hæc quæ vides oſſa circumvoluta nervis & obductam cutem, vultumque & cœtera quibus involuti ſumus, vincula animorum, tenebræque ſunt. Conſol. ad Helv.
Virtutem invenies pulverulentam, coloratam. De V. B.
Virtuti oppoſita nihil durabunt.
Nulla dura videtur curatio, cujus ſalutaris effectus eſt. Sen. Cur. B. V. Mal. accidant.
In corpore noſtro oſſa nervique & articuli firmamenta totius & vitalia minimè ſpecioſa viſu prius ordinantur, deinde hæc, ex quibus omnis in faciem aſpectumque decor eſt: poſt hæc omnia qui maximè oculos rapit color ultimus perfecto jam corpore affunditur. Sen. de Ira.
Scito hominem tam benè culmô, quam aurô tegi. Ep. 8.
Si pæta eſt, Veneri ſimilis, ſi flava Minervæ. Ovidius Lib. 3. de Art. v. 659.
8. * Die199Schertz-Sonnette.Hi ſunt oculi, quos extimuiſtis mariti. Sen. Contr.
Quibusdam coloribus infirma acies acquieſcit, quorundam ſplendore præſtringitur.
Tempeſtatis ac pluviæ ante ipſas notæ veniunt.
Imbecilles oculos eſſe ſcias, qui ad alienam lippitudinem & ipſi ſuffunduntur.
Ignis vivacior eſt, qui ex ſordido lucet.
Quid eſt illud, quod contumelia dicitur? In capitis mei le - vitatem jocatus eſt, & in oculorum valitudinem?
Quæ contumelia, quod apparet, audire? Sen. in Sap. non cad. inj.
N 49. Die200ADIMARIInvidia nos inquietat dum comparat: Hoc mihi præſtitit, ſed illi plus, illi maturius. Sen. de Benef.
Sed marcet ſine adverſario Virtus. Cur. B. V. Mala.
Luna diſſimillimum ſoli lumen accipit. N. Q.
Et luna & ſol aliô atque allô occurrentes locô, curioſos nos eſſe cogunt, quando in rectum feruntur, quare agantur retro.
Magnâ vi ignes illos excuti argumentum eſt, quod obliqui fe - rantur & prærapidâ celeritate.
Eſtne dedecus, ut omnes ſtellæ inter ſe diſſimilem aliquatenus habeant faciem, diverſiſſimam ſoli?
Non erit digna ſuſpectu luna, etiamſi otioſum ſidus trans - currat?
Quinque ſidera diverſas agunt vias & in contrarium præcipiti mundô nituntur: ex horum tamen motibus fortunæ populo - rum dependent. Conſol. ad Marc.
Et quis in Orientem Occidentemque diffuſos amnes vitupe - rabit?
10. Die201Schertz-Sonnette.Paveſcis ad cœli fragorem & ad inane nubilum trepidas & ſur - deſcis, quemadmodum Nilus eluctatus obſtantia in vaſtam alti - tudinem ſubito deſtitutus cadit, cum ingenti circumja centium regionum ſtrepitu, quem perferre gens ibi â Perſis collocata non potuit obtuſis aſſiduô fragore auribus. Sen. N. Q.
Obtemperandum eſt Potentiori, etſi verbis juſſus non fueris & gravia ſuopte nutu imperet.
Imperat interdum Princeps, non eloquio, non lingvâ, ſed o - culis digitisque.
Quid neceſſe eſt diutius torqueri, cum tam facile remedium Ulyſſes ſociis etiam adverſus Sirenas invenerit?
Homines amplius oculis quam auribus credunt. Sen. Ep. 6.
N 511. Die202ADIMARIVox bonum non eſt. Sen. Ep. 102.
Muta animalia humanis affectibus carent.
Genus eſt rogandi rogare non poſſe. Sen. Controv.
Sero beneficium dedit, qui roganti dedit. Sen. de Benef.
Si quis fauces oppreſſerit, ſtes tamen & ſilentio juves. Sen. de Tranq.
Nunquam inutilis eſt opera civis boni: juſſu, vultu, nutu in - ceſſuque ipſo prodeſt.
Interdum calamitates in remedium ceſſere, & levioribus in - commodis graviora ſanata ſunt.
Loquax eſt virtus, nec oſtendit ſe tantum, ſed ingerit. Sen. Controv.
12. Die203Schertz-Sonnette.Imperari dolori ſilentium non poteſt. Sen. Contr.
Non venit vulnus ad cicatricem, in quo medicamenta tentan - tur. Sen. Ep. 2.
Malignus comes, quamvis candido & fimplici, rubiginem ſuam affricuit. Ep. 7.
Ulcera quædam nocituras manus appetunt, & tactu gaudent: non aliter dixerim voluptati eſſe laborem, vexationemque. Sen. de Tranq.
Ulcera mea etiamſi ſanata non ſunt, ſerpere deſierunt. Ep. 8.
Non ignara mali miſeris ſuccurrere diſco. Virgil.
Quibusdam ægris gratulatio fit, cum ſe ipſos ægros eſſe ſenſe - runt. Ep. 6.
13. Die204ADIMARIOmnis de univerſo quæſtio in cœleſtia, ſublimia & terrena dividitur. Sen. N. Q. L. 2. c. 1.
Omnis rerum naturæ materia dividitur. N. Q.
Omnia, quæ in notitiam noſtram cadere poſſunt, mundus complectitur, ex his quædam ſunt partes, quædam materiæ loco relicta.
Proſciſſum aratro ſolum & iteratum, ſolutior terra, facilius patet radicibus. Ep. 109.
Quamvis magna videatur varietate ſingulorum
diſtingvi, ſumma in unum venit. C. B. V. Mal. acc.
14. Die205Schertz-Sonnette.Iram calcar virtutis eſſe Ariſtoteles ait, hac ereptâ inermem animum & ad conatus magnos pigrum inertemque fieri.
Utilis eſt ira, quia contemtum effugit & malos terret.
Ut quidam boni ſaugvinis ſunt, ita quidam incitati & mobilis & cito in os prodeuntis.
Ingenia naturâ fortia iracundiam ferunt, nihilque tenue & exile capiunt ignea & fervida.
Animalia generoſiſſima habentur, quibus multum ineſt iræ.
Langvidus animus eſt, qui irâ caret.
Puerorum fœminarumque iræ acres magis quam graves ſunt.
Solatia exſpectas, convicia accipe. Sen. Ep. 99.
Fer mores ſi immutari nequeunt, & qualiter foris vivas, domi liſce cum Socrate. Franc. Petrarcha de R. U. F.
Amantium ira amoris redintegratio eſt.
15. Die206ADIMARICernimus pulchritudinem quamvis ſordido obtectam.
Huic ſpecioſa facies eſt: poteſt mendicus formoſus eſſe.
Omnia aliena ſunt: non qui parum habet, ſed qui plus cupit, pauper eſt.
Illa non eſt paupertas, ſi læta eſt.
Lex naturæ ſcis quos terminos nobis conſtituit? non eſurire, non ſitire, non algere.
Non ſplendeat Toga, nihil habeamus, quod cum magno emo - lumento inſidiatoris eripi poſſit.
Quàm minimum ſit in corpore tuo ſpoliorum.
Nudum latro transmittit. Nudum & infirmum ſocietas munit.
Cum voles veram hominis æſtimationem inire & ſcire quis ſit, nudum reſpice.
Nudos videbis Deos, omnia dantes, nihil habentes.
Atletæ ut vires cædentis exhauriant, nudari ſe patiuntur.
16. Die207Schertz-Sonnette.Fœmina calva morbis virilibus damnata.
Non minus comatis quam calvis moleſtum eſt, pilos velli.
Cometæ ſignificant tempeſtatem & ventorum intemperan - tiam atque imbrium.
Quid capillum ingenti diligentia comis? Cum illum vel effu - deris more Parthorum, vel Germanorum modô vinxeris, vel ut Scythæ ſolent ſparſeris, in quolibet equo denſior jactabitur juba, horrebit in leonum cervice formoſior.
Nihil eripitur niſi retinenti.
Dii immortales vultis aliquam partem corporis? non ma - gnam rem promitto, cito totum relinquam.
Magnus gubernator & ſciſſo navigat velo, & ſi exarmavit, ta - men reliquias navigii aptat ad curſum, & deſcendit, ut ait ille: Cœrula ad infernas velificata rates.
Fronte capillata eſt, poſthæc occaſio calua.
17. Die208ADIMARISenecio orator Romanus ſervos nolebat habere niſi grandes, & argentea vaſa non niſi grandia, calceos quoque majores ſume - bat, ficus non edebat niſi mariſcas, concubinam ingentis ſtaturæ habebat, omnia grandia probabat, unde cognominatus Senecio grandis. Suaſor. 2.
Corpus magnum, bonum eſt. Ep. 106.
Paucitas eſt fugienda. Ep. 10.
Animo magno nihil magnum eſt. Ep. 8.
Parvus eſt pumilio, licet in monte conſtiterit: Coloſſus ma - gnitudinem ſuam ſervabit, etiamſi ſteterit in puteo. Ep. 76.
Annon vides, quantum oculis det vigorem fortitudo corpo - ris? Ep. 106.
Magna, ut Phœnix, ex intervallo generantur: mediocria & in turbam naſcentia ſæpe Fortuna producit, eximia vero ipſa ra - ritate commendat. Ep. 42.
Magnitudo non habet cortum modum. Ep. 43.
Sapiens ſe procerum volet.
Sapiens & exilis corpore valebit, malet tamen ſibi corporis eſſe robur. Sen. D. V. N.
18. Die209Schertz-Sonnette.Miſereri illius oportet, quia luminibus orba eſt. Contr. L. 1. c. 6.
Deteſtabilis erit cœcitas, ſi nemo oculos perdiderit. C. B. V. M.
Habet & nox ſuas voluptates.
Oculi irritamenta ſunt vitiorum, ducesque ſcelerum.
Quam multis voluptatibus via inciſa eſt, quam multis rebus arebis, quas ne videres, vel oculi eruendi erant.
Ubi homines majorem vitæ partem in tenebris agunt, noviſſi - me ſolem quaſi ſupervacuum faſtidiunt.
Magnum exemplum, niſi mala fortuna, non invenit.
Nihil acie noſtrâ fallacius, & in his quoque, quæ ad manum ernit. N. Q.
O19. Die210ADIMARINon eſt Æthiopis inter ſuos inſignis color, nec rufus crinis apud Germanos. Utrumque decet. Sen. de Ira.
Regia ſolis erat, ſublimibus alta columnis Clara micans aurô. Ep. 115.
Aureus axis erat, temo aureus, aurea ſummæ Curvatura rotæ.
Poëtæ quod optimum videri volunt ſeculum, aureum appel - lant.
Crines nodantur in aurum. Virgil.
Romanæ mulieres ſumma diligentiâ capillos cinere rutila - bant. Valer. Maximus.
Imò rutilantibus Germanorum capillis emtis utebantur: hinc Ovidius: Jam tibi captivos mittet Germania crines, Culta triumfatæ munere gentis eris.
Dicitur Imperator verus tantam habuiſſe curam flaventium capillorum, ut capiti auri ramenta aſpergeret, quo magis coma illuminata ſlaveſceret. Jul. Capitol.
Fuit capillo ſemper fucatô & auri ramentis illuminatô. Ælius Lamprid.
20. Die211Schertz-Sonnette.Mentiri ſolenne eſt amantibus, ideò non niſi jurantibus credi - mus. Controv. l. 2.
Intus omnia diſſimilia ſint, frons noſtra Populo conveniat. Ep. 5.
Non quid dicat, ſed quid ſentiat, refert. Ep. 8.
Ego ſum ſimilis illi, qui quam vis nihil ſperet, ſemper optat. Conſ. ad Helv.
Fictio & Mendacium non durant. Petrarcha.
O 221. Die212ADIMARIQuid miramur mulierem blæſam, cum diſertiſſimos agnove - rim viros non reſpondentes famæ ſuæ, cum declamarent.
Nulla illi cura exercendæ vocis fuit.
Melius eſt plus ſenſus quàm verborum habere.
Eloquentia nulli tota contigit.
Et quando quidem echo ſententiæ genus fuit.
Non habeat matrona tibi quæ juncta recumbit dicendi ge - nus.
Non à ſummis labris iſta venerunt: habent hæ voces funda - mentum. Ep. 10.
Quam expreſſa vox! quam ex imis viſceribus emiſſa, non expertæ tantùm ſed delectatæ. Controv. L. 3.
Summa ſummarum hæc erit, tardiloquam te eſſe jubeo. Ep. 40.
22. Die213Schertz-Sonnette.Nolo tibi unquam deeſſe lætitiam, volo tibi illam domi naſci. Ep. 23.
Animus debet eſſe alacer & fidens, & ſupra omnia erectus.
Cujus non lacrymas illius hilaritas ſupprimat? Conſ. ad Helv.
Hilaritas triſtitiam diſſipat. de Tranq. An.
De humano genere melius meretur qui ridet, quam qui luget.
Majoris animi eſt, qui riſum non tenet, quàm qui lacry -[m]as.
Qui prudens eſt, & temperans eſt, qui temperans eſt, & con -[ſt]ans eſt, qui conſtans eſt, & imperturbatus eſt, qui imperturba -[tu]s eſt, ſine triſtitia eſt, qui ſine triſtitia eſt, beatus eſt. Ep. 85.
Humanius eſt, deridere vitam quam deplorare. de Tranq.
Talis eſt ſ[a]pientis animus, qualis mundi ſtatus ſuper lunam,[ſe]mper illic ſerenum eſt. Sen. Ep. 60.
O 323. Die214ADIMARILargè ubique flendi & aſſidua materia: moderatè id fieri de - bet à nobis, quod ſæpe faciendum eſt. Sen. de Tranq. An.
Lacrymæ fluant, quantum affectus ejecerit. Ep. 99.
Dolor per lacrymas effluit. Controv. L. 5.
Omnis adverſa fortuna habet in querelis levamentum: co - git flere, qui non ſinit.
Excidunt etiam retinentibus lacrymæ, & animum profuſæ levant.
Nomini muliebri pene conceſſum eſt im moderatum in lacry - mas jus. Conſ. ad Helv.
Plerique lacrymas fundunt, ut oſtendant. de Tranq.
Singula ſtillicidia ſingula ſpecula ſunt. N. Q.
Miſero ſi flere non licet, magis flendum eſt.
24. Die215Schertz-Sonnette.Si quis oculum caſus excuſſerit, reliquiæ ſapienti ſuæ ſatisfa - cient, & erit imminuto corpore & amputatô tam lætus, quam integrô fuit. Ep. 8.
Sapiens & exili corpore & amiſſo oculô valebit. De V. B.
Luna ſoli ſe opponit & illum tantò majorem ſubjecto corpore abſcondit. N. Q.
Nulla nox eſt, in qua ſtellæ non videantur ire & in diverſum abduci.
Uno ſidere omnia implentur. Sol quotidianô curſu diei no - ctisque ſpatia ſignat, annum in Æſtatem Hiememque æqualiter dividit. Conſ. ad Marc.
O 425. Die216ADIMARIQuibusdam tremunt genua dicturis; quorundam dentes col - liduntur, lingva titubat, labra concurrunt. Ep. 12.
Remedii cauſa quibusdam & raduntur oſſa, & leguntur & extrahuntur dentes, & quædam amputantur membra, quæ ſine totius pernicie corporis hærere non poterant. Cur. B. V. Mala accid.
Offendimur, ſi quis ſermonem noſtrum imitatur, ſi quis in - ceſſum? Si quis vitium aliquod corporis aut lingvæ exprimit? Quaſi notiora illa ſiant aliô imitante, quàm nobis facientibus. In V. Sap. non cad. Inj.
Hinc Pupula in deliciis meis facta es, dentes tibi cum maximè cadunt.
Veritatis una vis, una facies eſt.
Loqui parantem fracta ſpes dentium frenabit, & ab oſculis petulantiam cohibebit. Franc. Petr. de Rem. V. F.
Non ungvium vis, non dentium terribilem fecit. Sen. de Ira.
26. Die217Schertz-Sonnette.Aduſtus color ferventiſſimi caloris eſt indicium. Nat. Q. Q. L. 4.
Tantus ſtellarum innumerabilium fulgor quem non inten - tum in ſe tenet. De Benef. L. 4.
Lydius lapis attritu aurum prodit cujusmodi ſit. N. Q.
Quantum iſtâ nocte, quam tu in numerum ac diſcrimen de - mum obſervas, agitur? De Benef. L. 4.
Quanta rerum turba ſub hoc fuſco colore evolvitur!
Mundus per noctem ignes ſuos fundit.
Nigros aſpectum virilem præ ſe ferre ait Plato.
Et ſol dat ſpatium noctibus.
O 527. Die218ADIMARIIn eodem prato bos herbam quærit, canis leporem, ciconia lacertum. Sen. Ep. 108.
Nos apes debemus imitari, ut quicquid ex diverſa lectione collectum eſt, ſtylus redigat in corpus. Ep. 84.
Columbarum cervix colorem & ſumit & ponit, utcunque deflectitur. Nat. Q. Q. Unde Neronis verſus: Colla Cytheriacæ ſplendent agitata Columbæ.
Quæ contumelia eſt, quod apparet, audire?
Graji quam vos divinitatem dicitis à furore μκντικχν dici vo - lunt. Tr. Petr. l. 2. dial. 115.
28. Die219Schertz-Sonnette.Qui ſtolidus eſt, non tam acria & concitata habet omnia, quam quidam quædam.
Non omnia in ſingulis exſtant.
Etſi omnis homo ſenſus habet, nec ideò omnes homines aci - em habent Lynceo ſimilem.
Iſta, quæ tu in decorem ſparſa conſideras, ſingula in opere ſunt.
Oratio vultus animi eſt: ſi circumtonſa eſt & fucata & manu facta, oſtendit illum quoque non eſſe ſincerum, & habere aliquid fracti. Ep. 115.
Hoc quoque habet ſtoliditas, ſemper incipit vivere.
Nemo usque eo tardus & hebes in terram eſt, ut ad divina non erigatur, ubinovum aliquod miraculum affulſit.
Naturæ admiratores cultoresque ſumus; at natura utrumque facere nos voluit, & agere & contemplationi vacare.
29. Die220ADIMARIAut regem aut fatuum naſci oportet. Sen. de M. Claud. C.
Vir magnus animum deduclt à corpore. Ep. 78.
Animus in hoc triſti & obſcuro domicilio clauſus, quoties poteſt, apertiora petit.
Nullum magnum ingenium ſine mixtura dementiæ fuit.
Non poteſt grande aliquid ſupra cæteros loqui niſi mota mens.
O fatua, non gemmæ te, non te margaritæ flexerunt, non tibi divitiæ velut maximum generis humani bonum refulſe - runt.
Aliquando inſanire jucundum eſt. Sen. de Tranq. Animi.
Interdum ſanos mœſtos & furentes lætos vidimus. Petrarch.
30. Die221Schertz-Sonnette.Proprium mulieris eſt, nihil diu pati, & mutationibus ut re - mediis uti.
Naturâ enim humanus animus agilis eſt & pronus ad motum.
Mobilis mens homini data eſt, vaga & quietis impatiens &[n]ovitate rerum lætiſſima.
Cœleſtium natura ſemper in motu eſt.
Una res nos facere poteſt quietos, mutuæ facilitatis conven -[t]io.
Hæc commovetur quidem, non tamen tranſit, ſed ſuo loco[n]utat.
Lunam nunquam implet ſol, niſi adverſam ſibi.
Deſinit morbus, incendium exſtingvitur, ruina quos videba -[ſ]ur oppreſſura deponit.
Natura autem hoc quod vides regnum mutationibus tempe -[r]at.
Et contrariis rerum æternitas conſtat.
Nec quicquam noxium æternum eſt.
31. Die222ADIMARIIpſa non ſub eadem conditione ſidera ſunt: alia negatis im - bribus exurunt ſolum, aliis ſerena clauduntur, & omne cœlum nubilo grave: alius incertis ſideribus curſus eſt & variantur rempora, neque ſoles nimis urgent, neque ultra debitum im - bres cadunt: quicquid aſperatum æſtu eſt, quicquid nimio de - fluxit imbre, invicem temperatur altero. Luna interdum occu - pata nubilo ſordidiorem oſtendit orbem ſuum.
Si quis altum ſuſpirium & oculos ſubitò acriores aut quid his ſimile indicium affectus animique ſignum putat, fallitur.
Quidam, ne unquam riderent, conſequuti ſunt.
Æque facilitas amoris quam difficultas nocet.
Optimum eſt pati, quod emendari non poteſt.
32. Die223Schertz-Sonnette.Graviſſimum eſt ex omnibus, quæ unquam in corpus ejus de - ſcenderunt, recens vulnus, fateor, ſed virtus eſt invulnerabilis. Non pudeat animum tot miſeriarum victorem ægre ferre unum vulnus in corpore.
Gaudent magni viri rebus adverſis.
Dum gladio incubuiſti, virtutum vivam imaginem palam fe - ciſti.
Exiſtimavit ſimilia eſſe quæ laterent his quæ oſtenderentur.
Militares viri gloriantur vulneribus, læti fluentem meliori ca - ſu ſangvinem oſtentant.
Et inter redeuntes ex acie magis ſpectatur, qui ſaucius redit.
Serviant ergo deteriora melioribus, fortes ſimus adverſus fortuita, non contrem iſcamus injurias, non vincula, non vul -[n]era.
33. Die224ADIMARINatura bona conditione te genuit.
Columba ſimpliciſſimum animal eſt, ſed felle carens.
Satius eſt perpetua ſimplicitate contemni, quam perpetuâ ſi - mulatione torqueri.
At illa quantum habet voluptatis ſincera & per ſe ornata ſim - plicitas, nihil obtendens moribus ſuis.
Facilius reges animum nulla vanitate tumentem.
Non poteſt muliebris excuſatio contingere ei, à qua omnia vi - tia muliebria abfuerunt.
Pro optimo eſt minimè malus.
Et magnus eſt pudicitiæ fructus.
Riſit Socrates cum ab uxore Xantippe immunda aqua perfu - ſus fuit.
34. Die225Schertz-Sonnette.Non poteſt Amor cum timore miſceri.
Conſortium rerum omnium inter nos facit Amicitia.
Aſtutia mentis eſt, qua rebus induſtriis cautum captatur con - lium, & acute diſpicitur atque judicatur, quid bonum, & verſu - iæ nomen aſſumit, cum in malum ſeſe contulerit.
Qui cavet, ne decipiatur, vix cavet, cum etiam cavet, etiam um caviſſe ratus eſt. Plaut.
Aſtutum fallere difficile eſt.
Hoc habent inter cœtera boni mores, placent ſibi & perma - ent.
Hinc Pindarus: neque fulva Vulpes neque graviter rugientes cones mutant mores.
P35. Die226ADIMARIRubor in juvenibus eſt bonum ſignum, quibus & plus calo - ris eſt.
Ut quidam boni ſangvinis ſunt, ita quidam incitati & mobi - lis, & cito in os prodeuntis.
Acrior eſt caniculæ rubor, Martis remiſſior.
Langvidi & evanidi albent, & in vivis caro morticina eſt.
Rubeus color aliis nobilior: ideo veſtes hujusmodi perfuſas colore honoris cauſa tantum Principibus & Senatoribus geſtare permiſſum.
Vino natura eſt hauſto accendendi calore viſcera.
36. Der227Schertz-Sonnette.Quid intuemini debilia infelicium membra, neſcio qua tabe onſumta?
Animus nobilis ſupra humana poteſt ſe attollere, & ulceratio - es & vulnera circa ſe frementia ſecurus aſpicere.
Tace ingratiſſime mortalium, quis enim eſt tam miſer, tam eglectus, quis tam duro fato & in pœnam genitus, ut Deorum unificentiam non ſentiat.
Aliquando extrinſecus morbus, quo admoneatur mortalita - is, intervenit, ſed id leve & quod ſummam cutem ſtringat.
P 2* 37. Der228ADIMARIVeniet qui te ex contubernio fœdi olidique corporis educat dies. Sen. Ep. 102.
Lucri bonus odor ex re qualibet. Symbol. Veſpaſiani.
In omnem vitam ungvento abſtinemus, quia optimus odor in corpore eſt nullus. Sen. Ep. 108.
Ferre novæ nares taurorum terga recuſant Aſſiduo domitas tempore fallit odor. OSid.
38. Die229Schertz-Sonnette.Quid ridetis, quod non habeo manus?
Nunquam putavi futurum ſalva pudicitia, ut mulier fortis ſen - iret, ſe manus perdidiſſe.
In mentem vobis venit miſereri huic, quæ manus non habet, uam illorum, qui fruſtra habent ſacrilegi & homicidæ? hæc urti non poteſt eſſe ſuſpecta.
Polypo nullum animal ad conficiendum hominem in aqua ocentius, luctatur enim complexu. Plin.
Si apud antiquos nefas putabatur, brachium extra togam exe - ere, ab his moribus, qui manus non habet, non aberrabit.
Sapiens aliquando ſui parte contentus eſt, ſi illi manum aut orbus aut hoſtis inciderit.
Mucius confecit bellum inermis & mancus, & manu trunca eges duos vicit. Ep. 66.
Lex integrum ad animum refert, non ad corpus. Controv. L.. C. 2.
P 339. Die230ADIMARINihil homini natura, quod neceſſarium ſciebat, fecit ope - roſum.
Magnitudo non habet certum modum.
Tu fuge paucitatem.
Quædam ſupervacua ſunt, quædam tanti non ſunt.
Gubernaculum quod navi alteri magnum, alteri exiguum eſt.
Emunctæ naris viros dici eos uſitatum eſt, qui acri ſunt judicio conſpicui. Pier.
Hunc ego me --- non magis eſſe velim quam naſo vivere pravo. Horæt.
Naſus ipſe in proverbium abiit pro judicio: Naſuti ſunt ſagæ - cioreſ. Unde Horatius: Minus aptus acutis naribus horum hominum.
40. Die231Schertz-Sonnette.Acquieſcamus his quæ jam hauſimus, & vultus perforatus ap - areat, dummodo non perforatus ſit animus.
Fertilibus agris non eſt imperandum, cito enim exhauriet il - s nunquam intermiſſa fœcunditas.
Non vides quanta ſubtilitas ſit apibus ad fingenda domi - lia?
Poteſt ingenium fortiſſimum & beatiſſimum ſub qualibet cute tere.
P 441. Die232ADIMARISegetem nimia ſternit ubertas.
Ad maturitatem non pervenit nimia fœcunditas.
Sterilitas obſequioſas facit mulieres atque humiles. Petrar.
Quæ plurimos parit, jam non uxorem, ſed dominam ſe eſſe eredit.
42. Die233Schertz-Sonnette.Non te fœcunditatis tuæ, quaſi exprobret ætatem, pudeat.
Tumeſcentem uterum ne abſconde, quaſi indecens onus, ne - que intra viſcera tua conceptas ſpes liberorum elide.
Vitem fertilitas commendat.
Non tempeſtate vexaris, ſed nauſea.
Nam Gubernator interdum in tempeſtate nauſeabundus eſt.
Fuiſſet iniquiſſima rerum natura, ſi te ſterilem feciſſer.
P 543. Die234ADIMARINon eſt ſumma felicitatis noſtræ in carne ponenda: Bona il - la vera ſunt, quæ cadere non poſſunt nec decreſcere quidem aut minui.
Vires non faciunt beatum.
Hoc multo fortius eſt, ſiccum ac ſobrium eſſe.
Siccioribus & frigidis non eſt ab ira periculum.
Animus pulcherrimus cum decore, cum viribus ſanus ac ſiceus.
Natura humanus animus agilis eſt.
Rami nimis gravati onere franguntur.
Res leves & perferendæ ſunt bonæ.
Nulla eſt ſine difficultate ſubtilitas.
Sine ulla exercitatione jacentibus tumor pigrum corpus inva - dit, & ſuper membra iners ſagina ſuccreſcit.
44. Die235Schertz-Sonnette.Omnes tui mirantur, quæ tam craſſam cervicem habes.
Ego vero non, quia ſemper debet plus eſſe virium in latore quam in onere.
Venter præcepta non audit, poſcit, appellat.
Luna deficit, nunc obumbratur, donec totum impleat Or - bem, & nitidæ ſurgunt fruges ramique vireſcunt.
Cogita ſæpe cœleſtia ingenia ex hoc faſce corporeæ molis erumpere & ad miram altitudinem pervenire.
De Baccho pingui cecinit Euripides: Cœloque parvum Jupiter infantem tulit.
45. Die236ADIMARITriticum, quamvis ſit exiguum, cum occupavit idoneum lo - cum, vires ſuas explicat, & ex minimo in maximos actus diffun - ditur.
Extrinſecus aliqua ſunt incommoda, velut eruptiones puſtu - larum & ulcuſcula, nullum in alto malum eſt.
Atriplex lentigines gignit. Plin.
Sunt vero lentigines maculæ ſimiles lentibus vel furfuri aut eruſtæ frumenti à farina ſegregatæ.
Et decentior eſt facies, in qua aliquis nævus eſt.
Luna nonnunquam maculoſa cernitur.
46. Die237Schertz-Sonnette.Naſcuntur in juvenibus & viris cani, ſæpe etiam præter ætatis congruum tempus.
Urit in Ætna flamma.
Tectum nitidius argento & coloribus ſparſum num mediocre munus vocabis?
Non eſt quod quenquam propter canos aut rugas putes diu vixiſſe.
Senectutem quidam inviti audiunt, & canos, & alia, ad quæ voto pervenitur.
47. Die238ADIMARIHomines gravi valetudine expliciti omnem colorem corporis ſui calumniantur.
Quæ ad placendum fuco quodam ſubornantur expectant an - nos, donec paulatim colorem diuturnitas ducat.
Sæpe felicitatis cauſa & initium fuit, quod calamitas vocaba - tur, etiamſi oculorum aciem contundat & colorem mutet.
Quæ malam faciem habent, ſæpius pudicæ ſunt.
Si quis pallorem & lacrumas procidentes indicium affectus animique ſignum putat, fallitur.
Et fortiſſimus plerumque vir, dum armatur, expalluit.
Rubor Jovis nullus eſt, in lucem puram nitore perducto.
48. Die239Schertz-Sonnette.Et futura & præterita delectant, hæc expectatione, illa me - moria.
Noſtrum eſt, quod præteriit tempus, nec quicquam eſt loco utiore, quam quod fuit.
Habet amicitiæ veteris uſus magnam voluptatem.
Eſt jucundum redire in antiqua ſtudia, melioresque ad annos eſpicere.
Jucundiſſima eſt ætas devexa jam, nec tamen præceps.
Complectamur ſenectutem & amemus. Plena eſt voluptatis illa ſcias uti. Gratiſſima ſunt poma, cum fugiunt.
Deditos vino potatio extrema delectat.
Ætnæ læta regio in ipſo ore montis nives habet, quas nec æſtas uidem ſ[o]lvi[t], adeo tutæ ſunt ab igne vicino.
49. Die240ADIMARIInique ſe natura geſſit & talem animum male collocavit.
Hæc mihi videtur in exemplar edita, ut ſcire poſſemus, non de - formitate corporis fœdari animum, ſed pulchritudine animi cor - pus ornari.
Ex deformi humilique corpusculo formoſus animus ac ma - gnus interdum erumpit.
Errare mihi viſus eſt qui dixit: Gratior eſt pulchro veniens è corpore virtus; nullo enim honeſtamento eget, ipſa & magnum ſui decus eſt, & corpus ſuum conſecrat.
Philoſophia non fuit oculis contenta, majus eſſe quiddam ſu - ſpicata eſt & pulchrius, quod extra conſpectum natura po - ſuiſſet.
Quæ malam faciem habent ſæpius pudicæ ſunt.
Non fulgetis extrinſecus: bona veſtra introrſus obverſa ſunt.
Iſta puella redemit vitia virtutibus, & plus habet quod laudes, quam quod ignoſcas.
50. Die241Schertz-Sonnette.Tunc ſanæ mentis oculus acute cernere incipit, cum corporis culus incipit hebeſcere.
Longa converſatio amorem inducit.
Unicum tibi ornamentum pulcherrima & nulli obnoxia ætati orma.
Ne forma quidem & vires beatam te facere poſſunt: nihil ho - um non patitur vetuſtatem.
Habes aliud argumentum, quo te probes diu vixiſſe, præter tatem.
Omnium virtutum tenera ſunt principia, tempore ipſis dura - entum & robur accedit.
Nemo tam ſenex eſt, ut improbe unum diem ſperet.
Q51. Die242ADIMARIHic ardor, quamvis gravis, optabilis eſt: diſce his anguſtiis il - las evadere, quibus nec Phyſicus, nec herba medicabitur. Pe - trarcha.
Corpus valetudo tenet, non animum. Sen.
Quis febricitantis & frigida prohibiti maledicta in malam partem accipit?
Equidem ſcio, quod malorum ultimum eſt, amare malum, ſed me ipſum diligo.
Cui enim non ex alieno incommodo lucrum?
Exhibetur etiam in lectulo virtus: aut tu febrim relinques, aut ipſa te.
Eſt virtuti etiam in lectulo locus.
Et nemo diu ardet.
Conſortium rerum omnium inter nos facit amicitia.
Magnus eſt Amor, qui ex miſericordia venit.
52. Die243Schertz-Sonnette.Quicquid ad ſummum pervenit, ad exitum properat.
Cui naſci contigit, mori reſtat. Sen.
Ad extrema perveniſti, jam nec mortem metues, nec optabis, nec corporis animique defectibus ſubjacebis. Petr.
Mors omnium dolorum ſolutio eſt & finis. Sen.
Ad immortalitatem moriendo venitur.
Solem occidentem contemplari licet.
Et non habet ſpectatorem niſi cum deficit.
Minus moleſtiarum habet funus.
Et quando, inquies, tibi proderit iſtud, quod exitu diſcis, au in quam rem? In hanc, ut ego quoque exeam melior.
Quemadmodum clepſydram non extremum ſtillicidium ex - aurit, ſed quicquid ante defluxit: ſic ultima hora, qua deſini - mus, non ſola mortem facit, ſed illam conſummat.
Quamvis magna videatur varietate ſingulorum vita diſtingvi, mma in unum venit: accepimus peritura perituri.
Q 253. Die244ADIMARI Schertz-Sonnette.Memoria eſt ex omnibus partibus animæ maxime delicata.
Jucundiſſima amiſſorum recordatio.
Movet lugentem deſiderium ejus, quem dilexit.
Omnia humana brevia & caduca ſunt.
Per lacrymas argumenta deſiderii quærimus.
Præſentia bona nondum tota in ſolido ſunt, futura pendent & incerta ſunt: quod præteriit, inter tuta ſepoſitum eſt.
VIel von verliebtem Weſen ſchreiben ſtehet weder auff ernſtere Dinge ſinnenden Gemuͤttern / noch reifferen Jahren an; Der Ticht-Kunſt aber gar keine Feder aus den Fluͤgeln des ſchon zum deut - ſchen Buͤrger-Recht zugelaſſenen und bekandten Cupido vergoͤnnen / iſt ſo viel als ihr ein Theil ihrer Schwing - Federn ausrupffen oder verſchneiden. Zucker und Saltz ha - ben wohl gleiche Farbe / doch gantz unterſchiedenen Geſchmack: Beyde wollen mit gewiſſer maße gebraucht / und nicht Eines fuͤr das Andere vergriffen werden. Die mit allzuvielem Ve - nus-Saltz marinirten Speiſen einiger Welſchen ſtehen der deutſchen Mund-Art / welche die Reinligkeit liebet / und der Schamhafftigkeit unſers Frauenzimmers / welches bey zuge - laſſener mehreren Freyheit weniger auff Geheimniſſe und Rathſel der Liebe nachzuſinnen / und mit Gedancken zu wuchern Anlaß nimmt / gar wenig an / unerachtet es Opiz und andere〈…〉〈…〉 twas fremden Zucker aus Virginien mit unter zu koſten ange -〈…〉〈…〉 ehnet haben. Dieſen iſt mit maße nachgefolget / und all -[h]ier ein und anderes Blatt mit dergleichen Zeuge gefuͤllet orden. Wer mit auslaͤndiſchen Poeten bekant / wird gar〈…〉〈…〉 eichte finden / wo ihre / oder eigene Gedancken und Worte[a]usgedruͤcket ſeyn. Wie denn auch manchmahl nicht fuͤr ſich /[s]ondern fuͤr einen gutten Freund geſchrieben worden; zum[w]enigſten wird ſich zeigen / daß man ſich in eitlen und ſchlipff - rigen Sachen nicht ſinnreich zu erſcheinen gezwungen / noch mit vielem Nachdencken den Kopff zerbro - chen habe.
Q 4Die248ANEMONS undES iſt bey der itzigen ſinnreichen und neugierigen Welt die Sprach-nicht weniger als die Blumen-Kunſt auff das Hoͤchſte geſtiegen. Der ſei - nes lobwuͤrdigen Zweckes we - gen hoch-preißbare Palmen - Orden hat die vornehmſten Gewaͤchſe dieſer und der neuen Welt unterſuchet / nd in ſeinen Garten verſetzet. Was ſelbige or Frucht getragen / lieget an offenem Tage. Man muß bekennen / daß durch Anleitung ſeiner it-Glieder und Nachfolge vieler andern es da - in kommen / daß alle Laͤnder und alle Zungen ſer Teutſchland bereichert haben. Die Kunſt er Bemuͤhung hat ſich / die Natur ſelbſten zu ertreffen / bearbeitet / und was in fremdem Bo - en gewachſen / dem Teutſchen erblich machen ollen / wiewohl mit ungleichem Fortkommen / dem ein Theil darvon in der erſten Bluͤte er - cket iſt / ein Theil auff dem fremden Stocke Ge -A 2ruch4ruch und Farbe verlohren / das meiſte dennoch wohl gebluͤhet und gefruchtet hat.
Allhier zeigen ſich auch einige theils inn - theils auslaͤndiſche Gewaͤchſe von unterſchiedener Gattung / gleichwie in einem Garten nicht nur hohe Baͤume und praͤchtige Stauden / ſondern auch niedrige Violen[und] kriechende Demutt an - getroffen werden. Ruͤchen viele hiervon noch nach der ungereinigten Lufft des erſten Fruͤhlings / ſo iſt man ja gewohnet / zu ſelbiger Zeit mit ſchlechten Blumen fuͤr lieb zu nehmen / und findet hernach die andern deſto angenehmer. Die Himmel - Schluͤſſel (Primulæ Veris) ſtehen billich voran. Der HErr des Himmels gebe / daß wir alle den rechten Himmels-Schluͤſſel finden und er - greiffen.
Ermun[-]5Von der einen Seiten: in Stammbaum mit 14. Zweigen / an deren jeden ein Schild / die zwey Haubt-Schilde an dem Stamme / darunter eine eingehauene Art.
c 3Stem -38Leichen-Gedichte.Ein junger Adler der in die Sonne ſiehet / aber unten von einem Pfeile geſchoſſen wird:
Eine vollbluͤhende Noſe / deren der Wind etliche Blaͤtter ab - wirfft:
Zwey Hertzen an Schnuͤren hangend / die oben mit einem Zweiffels-Knoten zuſammen gefuͤget / und ein ſolchen Knoten entzwey hauender Saͤbel.
Ein Puͤſchel mit fettem Klee / an den eine Sichel oder Senſe ihn abzumeyen geleget.
Faͤllt / bricht / verwiſcht und trennt des Todes Hand.
Eine goldene Feder die ins Waſſer ſchreibet:
Eine fallende Sternputze:
Eine Trompete mit ſchoͤnen Quaſten:
Ein eingeſponnener Seiten-Wurm:
Eine Hand die Staub ausſtreuet / welcher theils in die Lufft flieget / theils zur Erden faͤllt:
Ein praͤchtiges Grabmahl / deſſen Statuen theils abgeſchla - gen / theils zerſtuͤmmelt / im Mittel eine zuriſſene Fah - ne / darinne geſchrieben:
Der erſte Stein bildet einen Florentiniſchen von Natur mo - ſirten Stein / mit den Worten:
Der andere / einen halb rauhen / halb polirten Marmor / unter der Uberſchrifft:
Der dritte / einen gevierdten Eckſtein / mit der Beyrede:
Der vierdte / ein Porphyr / mit der Umſchrifft:
Der fuͤnffte / einen mit einem ausgehauenen Lorber-Krantz gezierten Stein / mit den Beyworten:
Der ſechſte / einen wuͤrffelichten Quaderſtein / mit der Bey - ſchrifft:
Die Staffel / damit ſich die Ruhſtaͤtte erhoͤhet / bezeichnet ein Jaſpis in einen Ring gefaßt / mit dem Beyſatze:
Eine Corallen-Staude:
Ein Zelt mit darauff ſteckenden Schiff-Wimpel.
Ein nach dem Quadrant gerichtetes Stuͤcke:
Eine Rolle Papier und ein Degen uͤbers Creutze geſtellt.
Eine in der Erden ſteckende mit einer Weinrebe umwachſene Lantze:
Ein von dem Magnetſtein in die Hoͤhe gezogener und ſchwe - bender Degen:
Ein mit dem Pfal / daran er gehefftet / umfallend - und abbre - chender Weinſtock:
Ein Paradieß-Vogel:
Ein zuſpaltener Felß / aus deſſen Riß ein Palm-Baum waͤchſt:
Eine Gemſe auff einem hohen Felſen ſtehende:
Auff einer Lantze allerhand Gewehr:
Eine Lantze im Boden ſteckend / mit einem Weinſtock um - wunden:
Ein gegen den Himmel fliegender Paradieß-Vogel:
Eine einbrechende Mauer den daran gewundenen Epheu umreiſſend:
Prima quæ vitam dedit hora carpſit.
Die43Leichen-Gedichte.Deinen N. N[.]
Andere Sinnbilder / auff die Wappen der Vermaͤhlten.
Ein Einhorn / darauff geſchrieben: Freyheit. Carior auro. Vor Gold geſchaͤzt.
Ein Einhorn mit einem Gold-farbigten Haar-Bande be - wunden: Clarior auro. In Gold verſezt.
Eine in der Lufft mit ausgeſpauneten Fluͤgeln ſchwebende weiße Taube: Intacta libertas. Was unbeſchwungen.
Eine von einem mit Adlers-Federn befiederten Pfeile ge - troffene / mit hangenden Fluͤgeln und ſchwindenden Federn gegen der Erde ſinckende Taube: Lentô conſumitur igne. Wird doch bezwungen.
Ein Schiff welches mitten durch etliche Syrenen mit vol - len Segeln durchlaufft: Odi nec patior moras. Mein freyer Lauff.
Ein in See-Blumen verwickelter Kahn: Siſte gradum. Haͤlt ſich hier auff.
Ein126Vermiſchte Gedichte.Ein brennender Balcken / welcher einen andern mit ſich an - ſtecket: Uror ut uram. Mein Brand entzuͤndet dich.
Ein Reyger / welcher mit dem verwundeten Falcken zugleich herab faͤllt: Mocum te trahere cum peream libet. Du ſtirbſt ſo wohl als ich.
Wenn dir nicht mehr das Brodt der Eltern ſchmeckt / So ſchau wo dir ein beſſer Tiſch gedeckt.
Geh in die Welt und ſchau wo dir das Gluͤcke bluͤht: Die Frucht taugt ſelten viel die eigner Miſt erzieht.
Man jagt uns in die Welt / und holt uns aus der Welt; Weil wir die Stuͤtze ſeyn die jedes Hauß erhaͤlt.
Man ſucht uns / biß man uns beruͤckt / Und wird doch ſelber mit beſtrickt.
Ihr werfft den Nahmen weg / verlihret das Geſchlechte.
Und dennoch nennen ſich die Maͤnner unſre Knechte.
Die Herrſchafft taugt nicht viel / hat ſelten auch Beſtand.
Man ſpanner uns ins Joch / doch bauen wir das Land.
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