Dem Hochgebohrnen Freyherrn Herrn Serlach Adolph von Muͤnchhauſen, Koͤniglich Groß-Britanniſchen und Chur-Braunſchweig-Luͤneburgiſchen Hochbetrauten wuͤrklichen Geheimen Rathe und Groß-Voigte wie auch der Georg-Auguſt-Univerſitaͤt Hoͤchſtanſehnlichen und Hoͤchſtverdienten Curatoren Erbherrn auf Strausfurt ꝛc. Meinem gnaͤdigen Herrn,
Eure Hochgebohrne Ex - cellenz geruhen gnaͤdig, Sich dieſe geringe Blaͤtter von mir in unterthaͤnigſter Ehrfurcht uͤberrei -): (3chenchen zu laſſen. Es iſt Hochde - nenſelben durch eine vieljaͤhrige Gewohnheit ſo natuͤrlich geworden, alles, was nur einen Trieb zur Ge - lehrſamkeit anzeiget, mit huldreichem Angeſicht aufzunehmen, daß ich be - fuͤrchten muͤßte, an Hochdero nie genug zu preiſenden Leutſeeligkeit mich zu verſuͤndigen, wenn ich Ent - ſchuldigungen daruͤber machen woll - te, daß ich mich erkuͤhnet, Dero Erlauchten Ramen gegenwaͤr - tiger Schrift vorzuſetzen. Das Vertrauen auf dieſe verehrungs - wuͤrdige Huld koͤnnte mir mit hundert andern, die ſich draͤngen, Hochdenenſelben ihre gelehrte Bemuͤhungen zu widmen, hinlaͤnglichſeyn,ſeyn, mein Unternehmen zu rechtfer - tigen. Allein, warum ſollte ich der - gleichen Rechtfertigung ſuchen, da ich vielmehr mich gluͤcklich ſchaͤtze, oͤf - fentlich bekennen zu koͤnnen, daß die von Eurer Hochgebohrnen Excellenz mir ganz unverdient zu - flieſſende unſchaͤtzbare Wohlthaten dieſe ehrfurchtsvolle Zueignung mir als eine unumgaͤngliche Schuldigkeit auflegen. Die Groͤſſe der empfan - genen Gnadensbezeugungen kann ich mit Worten nicht ausmeſſen, noch viel weniger darf ich gedenken, an den Ruhm Hochdero erhabenen Ei - genſchaften mich zu wagen. Alles, wodurch ich mein dankbegieriges Herz ausſchuͤtten kann, beſtehet in): (4denden treuen Wuͤnſchen vor Hoch - dero ungekraͤnktes Wohl, und in der ehrerbietigen Verſicherung, daß ich in unwandelbarem Gehorſam er - ſterbe
Eurer Hochgebohrnen Excellenz unterthaͤnigſter Knecht, Gottfried Achenwall.
Hier haſt du eine neue Einlei - tung in die Staatswiſſenſchaft der vornehmſten Europaͤiſchen Reiche. Sie iſt aus dreyjaͤhrigen Vor - leſungen entſtanden, die ich zuerſt in Marburg, und hernach auf hieſiger Uni - verſitaͤt daruͤber angeſtellt. Jch entwarf anfangs kurze Saͤtze, ich verbeſſerte ſolche nach und nach, und fand Urſa - che, bey dieſem einmal erwaͤhlten Leit - faden meiner Statiſtiſchen Stunden beſtaͤndig zu bleiben. Bey meiner An - kunft alhier zeigte ich den Plan, wor -): (5nachVorrede. nach ich jeden Staat abhandle, und die Ordnung, nach welcher ich die ein - zelne Theile der Staatskenntniß ein - richte, in der Vorbereitung zu dieſer Staatswiſſenſchaft an. Jch habe ſol - che mit einigen Veraͤnderungen wie - der abdrucken, und in gegenwaͤrtiger Schrift voran ſetzen laſſen, weil ſie ſtatt einer Tabelle zu den Hauptbe - trachtungen eines jeden Reiches dienen kann. Denn nach dieſem Grundriſſe ſind die hierinnen enthaltene Staaten ausgearbeitet. Verſchiedene Bewe - gungsgruͤnde haben mich theils gemuͤſ - ſiget, theils angefriſcht, dieſe Einlei - tung fruͤhzeitiger dem Drucke zu uͤber - geben, als ich ſonſt geſonnen war. Nim alſo vorlieb mit dem, was ich dir uͤberliefere. Forderſt du etwas voll - kommenes, ſo lege meine Blaͤtter zu - ruͤck. Verlangeſt du etwas weniger mangelhaftes, ſo mußt du warten. Jch ſammle fleißig an Vermehrungen, Zu - ſaͤtzen und Verbeſſerungen, und ich hoffe dir ſolche kuͤnftig in einem An - hange zu uͤberreichen. Jch geſtehe dir offenberzig, daß ich in keinem von denhierVorrede. hier beſchriebenen Staaten mich per - ſoͤnlich aufgehalten, auch nicht alle hierinnen einſchlagende, ſondern nur diejenige Buͤcher gebraucht, die ich an - fuͤhre. Aber dieſes ſage ich zu meiner Entſchuldigung: deßwegen haſt du noch kein Recht, meine Abſicht und meine Arbeit ganz zu verwerfen. Ge - ſetzt, du uͤberſaͤheſt mich ſehr weit in einem Staate, darinnen du viele Jah - re gegenwaͤrtig geweſen, oder welches genauer kennen zu lernen du mehrere Zeit und Gelegenheit gehabt, als ich: ſo darfſt du nur bedenken, daß ich meh - rere Reiche haben abhandeln muͤſſen, daß ich weniger Zeit darauf habe wen - den koͤnnen, daß ich einen Abriß, keine Ausfuͤhrung geſchrieben, daß ich eini - ges vielleicht mit Fleiß nicht ſchreiben wollen, und daß endlich etwas nicht zu wiſſen, daß man noch nicht wiſſen koͤn - nen, kein Verbrechen ſey.
Jch ſehe die Welt aus meinem Ge - ſichtspuncte, du aus einem andern: warum ſollteſt du nicht manches beſſer erkennen koͤnnen, als ich, da du ver - ſchiedene mir entfernete und dunkeleStaats -Vorrede. Staatsgegenſtaͤnde naͤher haſt, und in ihrem Licht ſehen kanſt.
Was ich nicht weiß, lehre mich, was du beſſer kennſt, davon unterrichte mich, oͤffentlich oder im Vertrauen, es iſt mir einerley: ich werde dir allezeit davor Dank wiſſen. Jch ſuche meinen Zuhoͤrern und dem Teutſchen Leſer zu dienen. Haͤltſt du meine vorliegende Bemuͤhung dazu nicht ganz ungeſchickt, und haſt du ſo viel Neigung vor das gemeine Beſte und ſo viel Gewogenheit vor mich, ſo bereichere meine Saͤtze mit deinen Anmerkungen, und lebe uͤbri - gens wohl. Goͤttingen, den 12. April, 1749.
Vor -Der Begriff der ſogenannten Statistic, das iſt, der Staatswiſſenſchaft einzelner Rei - che wird ſehr verſchiedentlich angegeben, und man trifft unter der groſſen Menge Schriften davon nicht leicht eine einzige an, welche in der Zahl und Ordnung ihrer Theile mit der andern uͤ -Aberein2Vorbereitung zurberein kommen ſollte. Es iſt alſo nicht undien - lich, dasjenige, was man ſich unter dieſem Namen eigentlich vorzuſtellen hat, und was in ihrem Umfange enthalten iſt, zu unterſuchen, und die natuͤrliche Einrichtung und Verbin - dung ihrer Abtheilungen feſt zu ſetzen.
Aus dem Natur - und Voͤlker-Rechte wiſſen wir, was eine buͤrgerliche Geſellſchaft oder Republick iſt. Man erklaͤrt ſie als ei - ne Geſellſchaft vieler Familien, welche zu Be - foͤrderung ihrer gemeinſamen Wohlfahrt ver - mittelſt einer Regierung miteinander vereiniget ſind. Jnsbeſondere nennt man ſolche ein Reich, wenn eine einzelne Perſon regiert, der al - le andere unterworffen ſind; hergegen, wenn ei - ne ganze Geſellſchaft darinnen zu befehlen hat, heißt ſolche im engern Verſtande ein Freyſtaat oder eine Republick.
Dieſe Begriffe helfen uns, das Wort Staat deutlich zu erkennen. Man ſtellet ſich darunter verſchiedenes vor: bald eine jede buͤr - gerliche Geſellſchaft, bald eine freye buͤrger - liche Geſellſchaft, das iſt, die auſſer ihrem eige - nen Oberhaupte weiter keinem menſchlichen Be - fehle unterthaͤnig iſt, bald eine Republick, wo viele zugleich das Regiment fuͤhren, und bis -weilen3Staatswiſſenſchaft. weilen auch das Regierungsweſen, wenn es ſo viel als Staatsverfaſſung bedeutet. Aber in dem Worte Staatswiſſenſchaft hat es ei - ne ganz andre Bedeutung. Dieſe macht ſich nicht bloß mit Menſchen; ſondern auch mit ih - rem Eigenthum zuſchaffen. Wir werden alſo wohl den Staat als den Jnbegriff alles deſ - ſen anſehen muͤſſen, was in einer buͤrgerli - chen Geſellſchaft und deren Lande wuͤrckliches angetroffen wird?
Jm weitlaͤuftigſten Verſtande kann man dieſe Erklaͤrung gelten laſſen; aber unſere Ab - ſicht erfordert, ſolche mehr einzuſchraͤncken. Man will etwas lernen: alſo hat man einen Endzweck. Der Endzweck muß einen wahren Nutzen zum Grunde haben. Wie wird uns denn die Er - kenntniß eines Staats nuͤtzlich? Auf vielerley Art; der Hauptnutzen aber beſtehet darinnen, daß man hieraus einſehen lernt, wie gluͤckſee - lig oder ungiuͤckſeelig ein Reich ſey, ſo wohl an ſich ſelbſt betrachtet, als in Abſicht auf andere Staaten, und dadurch in den Stand geſetzt wird, Schluͤſſe zu formiren, wie ein Staat kluͤglich zu regieren ſey, das heißt, um davon eine Anwendung in der Politic zu ma - chen. Alſo gehoͤret nur dasjenige hieher, was die Wohlfahrt einer Republic in einem merck - lichen Grade angeht, es mag nun ſolche hin -A 2dern4Vorbereitung zurdern oder befoͤrdern, und dieſes nennen wir mit einem Worte: was merckwuͤrdig iſt. Dieſes wollen wir gruͤndlich einſehen, folglich aus ſeinen Urſachen erkennen, und alſo eine Wiſſenſchaft davon erlangen. Da haben wir, was wir ſuchen. Die Saatswiſſenſchaft ei - nes Reiches enthaͤlt eine gruͤndliche Kentniß der wuͤrklichen Merkwuͤrdigkeiten einer buͤrgerlichen Geſellſchaft.
Es bemuͤht ſich alſo jemand, aus dem un - zaͤhlbaren Haufen derer Sachen, die man in einem Staatscoͤrper antrifft, dasjenige ſorgfaͤl - tig herauszuſuchen, was die Vorzuͤge oder Maͤn - gel eines Landes anzeigt, die Staͤrke oder Schwaͤche eines Staats darſtellt, den Glanz einer Crone verherrlichet oder verdunkelt, den Unterthan reich oder arm, vergnuͤgt oder miß - vergnuͤgt; die Regierung beliebt oder verhaßt; das Anſehen der Majeſtaͤt in - und außerhalb des Reichs furchtbar oder veraͤchtlich macht, was einen Staat in die Hoͤhe bringt, den an - dern erſchuͤttert, den dritten zu Grunde rich - tet, einem die Dauer, dem andern den Um - ſturtz prophezeyet, kurtz alles, was zu gruͤnd - licher Einſicht eines Reichs, und zu vortheil - hafter Anwendung im Dienſte ſeines Landes - herrn etwas beytragen kann: was erlangt ein ſolcher? die Staaswiſſenſchaft eines Rei - ches.
* Die5Staatswißenſchaft.Jhr Umfang bleibt alſo noch allemal ſehr weitlaͤuftig, und weitlaͤuftiger, als daß man ſolchen nebſt allen ſeinen Theilen gleichſam mit einem Maaßſtaabe voͤllig ausmeſſen koͤnnte. Deswegen nenne ich nur dasjenige merckwuͤrdig, was das Wohl eines Reichs in einem merck - lichen Grade angehet, und ſetze alſo zur Haupt - regel: je mehr etwas die Wohlfahrt eines gan - zen Reichs betrifft: je nothwendiger wird deſ - ſen Erlaͤuterung in der Staatswiſſenſchaft.
Man muß alſo aus den unendlichen Merck - wuͤrdigkeiten die nothwendigſten heraus neh - men, ohne welche die wahre Beſchaffenheit der Wohlfahrt einer Nation nicht begriffen werden kann. Dieſe ſetze man zu ſeiner Betrachtung aus, und ſtecke ihre Grenzen ab: ſo laͤßt ſich der ganze Bezirk endlich uͤberſehen und durch - wandern, und es kommt nur darauf an, daß man denjenigen Weg erwaͤhlt, welchen uns dieA 3Natur6Vorbereitung zurNatur in einer geſchickten und ordentlichen Lehr - art zeiget.
Die vergangene Begebenheiten eines Reichs ſind die Quellen, woraus deſſen jetziger Zuſtand unmittelbar flieſſet. Daher ſetzet die Staats - wiſſenſchaft unwiderſprechlich eine Kenntniß des Urſprungs und der Hauptveraͤnderungen eines Reichs voraus. Die Geſchichte der Staats - veraͤnderungen (Revolutionen) eines Reichs iſt alſo das erſte, was in der Staatswiſſen - ſchaft eines jeden Volks abgehandelt werden muß. Man geht ſolche nach gewiſſen Periodis in einem kurzen Zuſammenhange durch, um ſich einen Begriff uͤberhaupt zu machen, wie ein Reich durch ſeine verſchiedene Abwechſelungen endlich die heutige Geſtalt erlanget. Zweyerley iſt hiebey hauptſaͤchlich zu eroͤrtern: 1) die Ver - aͤnderungen der Regierungsform, 2) die Ver - aͤnderungen der Provinzen, welche nach und nach entweder einem Staate zugefallen, oder davon abgekommen. Jn den erblichen Monarchien muͤſſen noch 3) die Veraͤnderungen der Fami - lien, welche den Thron beſeſſen, beygefuͤgt werden. Alle uͤbrige beſondere Begebenbeiten eines Staats uͤberlaſſen wir der eigentlich ſo genannten Hiſtorie. Die Revolutionen mit ih - ren Urſachen und Folgen ſind zu unſerm End - zwecke allein noͤthig, und zugleich hinlaͤnglich:es mag7Staatswiſſenſchaft. es mag ſolche der Zuhoͤrer als eine Vorbereitung, oder als eine kurtze Wiederhohlung der ganzen Geſchichte anſehen.
Mit dieſem Wegweiſer fangen wir nun an, die fuͤrnehmſten Merkwuͤrdigkeiten eines Reichs in Augenſchein zu nehmen. Alles, was wir darinnen antreffen, laͤßt ſich in zween Haupt - puneten zuſammen faſſen. Man betrachtet ent - weder ein Reich vor ſich allein, oder verſchie - dene Reiche mit einander. Jenes macht den eigentlichen Staat eines Reiches aus; dieſes aber lehrt uns das Verhaͤltniß der Reiche ge - gen einander erkennen, und muß beſonders traetirt werden.
Der erſte Anblick der vielen Merkwuͤrdig - keiten eines Reiches, wenn man es an ſich ſelbſt betrachtet, kommt mir wie ein Jrrgarten vor. Ein jeder, der den rechten Gang nicht weiß, nimmt ſeine beſondere Wege. Herein kommt man leicht: aber wie findet man ſich heraus? Man muß alles in zwo Claſſen abſondern. Ein Reich beſtehet aus Land und Leuten. Unter dieſe beyde Begriffe laͤſſet ſich alles bringen.
Wenn ich hier Land (Territorium) nen -A 4ne,8Vorbereitung zurne, ſo verſtehe ich darunter einen gewiſſen Theil des Erdbodens, welchen ein Volck eigenthuͤmlich beſitzet. Die Gewaͤſſer ſind davon nicht ausge - ſchloſſen. Was unter und uͤber der Flaͤche des Erdbodens iſt, ſo fern es in einer Verbindung mit dem Lande ſtehet, und ihm und ſeinen Ein - wohnern Vortheil oder Schaden bringt, gehoͤrt hieher.
Zum Lande eines Volkes rechnet man ſo - wohl ſeinen eigentlichen Sitz, welcher mit der Nation einerley Nahmen fuͤhret; als die ande - re hinzugekommene Stuͤcke. (Acceſſiones.)
Die Betrachtung des Stammſitzes eines Volks begreift uͤberhaupt ſeine Lage, Clima, Groͤſſe, Grenzen, Fluͤſſe, Seen, Meere und Meerengen, Berge und Felder, und die damit verknuͤpfte Vortheile oder Maͤngel, Ueberfluß oder Abgang an Fiſchen und ſchiffreichen Stroͤ - men, Salz, Baͤdern und Geſundbrunnen; an Metallen, Mineralien und Weinbergen; an Feld - und Garten-Fruͤchten; an Holz, Vieh - zucht, Fluͤgelwerk und Wildbret.
Jnsbeſondere aber gehoͤret noch hieher die Eintheilung in Provinzen, die Staͤdte, Feſtun -gen9Staatswiſſenſchaft. gen und Seehaͤfen, die Zuſammenleitung der Fluͤſſe und Vereinigung der Meere.
Aus den erworbenen Laͤndern, ſie moͤgen in - oder auſſerhalb Europa liegen, erkennet man bald die gluͤcklichen Heyrathen und Erbſchaften eines Regenten, bald den kriegeriſchen oder Han - delsgeiſt eines Volks. Man ſchildert ihre na - tuͤrliche oder durch Fleiß vermehrte Vortheile auf gleichmaͤßige Art ab. Man haͤlt ſolche mit dem Stammſitze einer Nation zuſammen, und findet Staaten, die ihr ganzes Anſehen hinter der Linie herhohlen, man findet andere, deren entferntes Eigenthum ihnen zur Laſt gereicht, und deren Wohl dadurch gehemmet wird, daß ſie zu viel beſitzen.
So viel mag genug ſeyn, vom Lande zu wiſ - ſen. Nunmehr wollen wir auch mit den Ein - wohnern Bekanntſchaft machen. Die Menſchen ſind in allen Staatsbetrachtungen das Hauptziel. Wir muͤſſen nichts Merkwuͤrdiges von ihnen aus - laſſen. Man kan ſie von zwo Seiten beſchauen. Von der erſten erblicken wir ſie bloß als natuͤr - liche Menſchen; von der andern ſtellen ſie ſich als Mitglieder eines gemeinſchaftlichen Staats - coͤrpers, als Buͤrger dar.
Bey den natuͤrlichen Eigenſchaften ei - nes Volks pflegt man ihre Sprache mit abzu - handeln. Dieſes Volk hat ſeine eigene Spra - che, jenes hat ſie von andern geborgt. Man findet Laͤnder, deren Sprache, wie ihre Ein - wohner, aus verſchiedenen andern zuſammen ge - ſchmolzen iſt. Man darf die Sprache in den meiſten Reichen nur kurz beruͤhren: weil ſie bloßda11Staatswiſſenſchaft. da gewiſſe Staatsvortheile bringt, wo man ſie brauchet, um andern ein ſchleichendes Gift in dieſer Modeſchuͤſſel zu reichen.
Die Vielheit der Einwohner eines Reichs iſt ein weit betraͤchtlicherer Punct, und die erſte Grundſaͤule eines Reichs. Man reiſe die Eu - ropaiſche Laͤnder durch, ſo wird man den Un - terſchied in der Anzahl der Menſchen mit Erſtau - nen wahrnehmen. Hier muß man ſich durch eine unzaͤhlige Menge durchdraͤngen: dort hat man Noth, Menſchen zu finden. Die Urſachen dieſer Unaleichheit ſind nicht uͤberall einerley. Man muß ſie ſorgfaͤltig ausſpuͤren, um die wah - ren Mittel, dem Mangel abzuhelffen, ausfindig machen zu koͤnnen.
Jnsbeſondere hat man ſowohl auf die na - tuͤrlichen Gaben einer Nation; als auf deren Anwendung, um ſich gluͤcklich zu machen, ſein Augenmerk zu richten.
Die natuͤrliche Gaben aͤuſſern ſich an ih -rem12Vorbereitung zurrem Coͤrper und an ihrem Gemuͤthe. Eine je - de Nation hat hierinnen etwas eigenes. Man unterſucht dasjenige, worinnen die meiſten ein - ander aͤhnlich ſind, und druͤcket es in allgemei - nen Saͤtzen aus. Es iſt aber nur ein wahr - ſcheinlicher Schluß.
Aus der Schoͤnheit und Dauer ſchaͤtzt man die Vollkommenheit eines menſchlichen Leibes. Wie verſchieden ſind nicht die Voͤlker in der Farbe, Laͤnge und Staͤrke! Man hat ſo gar Krankheiten, die gewiſſen Nationen eigen ſind. Das Clima, Speiſe und Trank und die harte oder zaͤrtliche Lebensart traͤgt hiezu das meiſten bey.
Man bildet die Nationen auch nach ihrem Gemuͤthe ab. Es iſt nicht zu leugnen, daß nachdem die Temperamente verſchieden ſind, ein Volck mehr Witz oder mehr Tiefſinnigkeit habe, und geſchwinder oder langſamer denke, rede und handele. Die Affecten ſind eben ſo wenig uͤber -all13Staatswiſſenſchaft. all einerley, und aus den verſchiedenen Neigun - gen der Wolluſt, des Ehrgeitzes, der Geldbe - gierde oder Sorgloſigkeit erwachſen beſondere Gewohnheiten, welche man die Tugenden oder Laſter der Nationen zu nennen pflegt. Sie aͤuſ - ſern ſich hauptſaͤchlich in Ausuͤbung der Pflichten, ſowohl gegen ſich ſelbſt, als gegen andere.
Dieſe Unterſuchungen ſind nicht ohne Nu - tzen; ſie werden uns aber ſonderlich brauchbar, um daraus zu begreifen, was die Voͤlker fuͤr verſchiedene Mittel ergreifen, ſich gluͤcklich zu machen, und wie weit ſie darinnen ihren Zweck erreichen oder nicht? Ueberall blickt ihr Chara - eter hervor, man mag ihren Fleiß in Wiſſen - ſchaften und Kuͤnſten, oder in andern Be - muͤhungen betrachten.
Man forſcht nach, ob? und was fuͤr Wiſſenſchaften und freyen Kuͤnſte ein Volk ſonderlich treibe? was fuͤr herrliche oder ſchlech -te14Vorbereitung zurte Anſtalten auf Schulen, Uniuerſitaͤten, Rit - ter - und Kunſt-Aeademien, und in Anſehung oͤffentlicher Bibliothecken und gelehrter Geſell - ſchaften zu deren Befoͤrderung anzutreffen ſeyn? wie weit es ein Volk darinnen gebracht, und was fuͤr Maͤnner ihm beſonders Ehre machen?
Die Sorgfalt oder Schlaͤfrigkeit einer Na - tion in andern Arbeiten kan man hauptſaͤch - lich aus ihren Handwercken und Commercien erkennen.
Der Bauer empfaͤngt den Seegen der Natur aus der erſten Hand. Was nicht ver - zehrt wird, liefert er entweder dem Handwerks - mann, um es zum allgemeinen Nutzen zuzube - reiten, oder dem Handelsmann, um es aus - waͤrts zu verfuͤhren. Ob und was fuͤr rohe Materialien im Lande verarbeitet werden? wie geringe oder anſehnlich die Manufacturen ſind? muß unumgaͤnglich ausgefuͤhret werden. Denn dieſes macht die wichtigſte Vorzuͤge eines Rei - ches vor dem andern aus.
1. Paul15Staatswiſſenſchaft.Ohne Manufacturen ſteht der Handel einer Nation auf ſchwachen Fuͤſſen. Wenn ein Volk dasjenige, was es in ſeinem Lande ſelbſt erzeuget und ſelbſt verarbeitet, auch ſelbſt aus - fuͤhrt: ſo kann es ſich erſt ruͤhmen, daß ſeine Com - mercien dauerhaft, und ſein Reichthum uner - ſchoͤpflich ſey. Weil nach der heutigen Verfaſſung Europens die ganze Macht eines Staats groͤß - tentheils hierauf beruht: ſo muß man ſich ſo weit darinnen einlaſſen, als es moͤglich iſt, und die Waaren, die aus - und eingefuͤhret werden, die Laͤnder, wohin gehandelt wird, die Einrichtung der Handelsgeſellſchaften, das Muͤnzweſen, die Banco und den Profit, der einem Lande daraus zuwaͤchſet, in Betrach - tung ziehen.
Wir muͤſſen zum Hauptwerke eilen, und die Einwohner auch als Buͤrger, die vermittelſt einer Regierung zu ihrer gemeinſchaftlichen Si - cherheit und Gluͤckſeeligkeit vereiniget leben, be - trachten. Jn dieſer Bedeutung iſt der Landes - herr ſelbſt als der fuͤrnehmſte Buͤrger der Re - publick, (Ciuis eminens) mit darunter begrif - fen. Die ganze Verfaſſung eines gemeinen Weſens kennen zu lernen, muß man drey Haupt - ſtuͤcke erwaͤgen: die Reichsgeſetze, die Verbin - dung zwiſchen dem Regenten und den Unter - thanen, und die Einrichtung der Reichsge - ſchaͤfte.
Vor allen Dingen iſt noͤthig, ſich die Reichsgrundgeſetze bekannt zu machen, und ihren Urſprung, ihr Schickſal und ihren jetzi - gen Gebrauch zu unterſuchen.
Hierauf gruͤndet ſich die Verbindung zwiſchen dem Regenten und dem Untertha - nen, oder das Ius Publicum. Man muß demnach ſowohl den Regenten und ſeine Vor - rechte; als die Staͤnde und ihre Rechte mer - ken.
Jn Anſehung des Landesherrn und ſeiner Vorrechte iſt auf verſchiedenes Acht zu geben. Der Glantz ſeiner hohen Perſon und FamilieBfaͤllt18Vorbereitung zurfaͤllt am erſten in die Augen. Man bemerket ſeine Abſtammung, Vermaͤhlung und Erben, die Verwandtſchaft mit benachbarten Staaten, und die Vettern des regierenden Hauſes, oder die Prinzen vom Gebluͤthe. Dieſe genealogi - ſche Kenntniß iſt ſonderlich in Erbreichen un - entbehrlich.
Der Titul eines Regenten hat gemeinig - lich viele Veraͤnderungen erlitten. Bisweilen iſt er ein Denckmaal eines ſeit ganzen Jahr - hunderten ſchon erloſchenen Rechts, oͤfters ein unſterblicher Zeuge eines noch fortdauernden An - ſpruches. Wie oft iſt er nicht der Zunder zu den heftigſten Kriegsflammen geweſen?
Das Wappen pflegt ordentlich ein glei - ches Schikſal zu haben. Es iſt ohnedem nichts anders als ein hieroglyphiſcher Titul. Man muß ſolches voͤllſtaͤndig blaſonniren.
Die Herrlichkeit eines Thrones ſpiegelt ſich in dem Hofftaate eines Regenten und in ſei - nem Hofceremoniel. Mit dem aͤußerlichen Putzwerke mag ſich der Hofmann beſchaͤftigen. Der Staatsmann unterſucht, ob dieſes beydes wohl oder uͤbel eingerichtet, und der Hoheit des Regenten gemaͤß oder uͤbertrieben ſey. Er merkt an, was ein Hof hierinnen vor andern beſon - deres habe, und forſcht nach den geheimen Ur - ſachen und Abſichten davon.
Die Ritterorden verdienen hier auch ihren Platz. Sie ſind entweder weltlich oder geiſtlich, ohne Einkuͤnfte oder mit Einkuͤnften verſehen. Man betrachtet ihren Urſprung, die Ordensſta - tuta, ihre Einrichtung und Anſehen.
Sind ſonſt noch beſondere Vorzuͤge der geheiligten Perſon eines geſalbten und gekroͤnten Hauptes eigen, ſo kann man ſolche fuͤglich hier mit beruͤhren.
Hauptſaͤchlich aber muß man auf die Vor - rechte der Majeſtaͤt in Anſehung der Verbin - dung mit dem ganzen Reiche ſein Augenmerk rich - ten. Jſt es ein Wahl - oder Erbreich? faͤllt esbloß21Staatswiſſenſchaft. bloß auf die maͤnnliche, oder auch auf die weib - liche Linie? iſt die Gewalt des Regenten in ge - wiſſe Grenzen eingeſchraͤnkt, oder ſeinem freyen Willkuͤhr uͤberlaſſen? was iſt Rechtens nach den Reichegeſetzen, und was geſchicht? Kurz, hier iſt ein doppelter Gegenſtand: man muß ſo wohl die Art, den Thron zu erlangen, als die Rech - te der Landesregierung kennen lernen.
Von den Landesherrn geht man zu den Reichsſtaͤnden. Man muß ſie auſſer und in ihren Verſammlungen betrachten.
So verſchiedene Reiche wir haben: ſo ver - ſchieden trift man auch die Einrichtung der Staͤn - de an. Nicht uͤberall machen der hohe Adel und die Geiſtlichkeit beſondere Staͤnde aus. Der niedre Adel und die Gemeine oder Buͤr - gerſchaft gehoͤren ordentlich mit unter die Reichs - ſtaͤnde, bisweilen gar die Bauern.
Wenn ſich die Reichsſtaͤnde verſammlen, ſo geht der Reichstag an. Hier iſt alles merk - wuͤrdig: Zeit, Ort, Art der Berathſchlagung,B 3Samm -22Vorbereitung zurSammlung der Stimmen, Schluͤſſe und deren Vollſtreckung, und alles was bey Ausſchreibung, Fortſetzung und Aufhebung eines Reichstages beobachtet wird.
Aus dieſer Verbindung zwiſchen einem Re - genten und ſeinen Staͤnden erwaͤchſet die Einrich - tung der Regierungsgeſchaͤffte. Jn einer Mo - narchie werden die Rechte der Majeſtaͤt und die allgemeine Staatsangelegenheiten uͤberhaupt im Namen des Landesherrn gemeiniglich durch ein ganzes Collegium beſorget, welches das hoͤch - ſte im Reiche iſt, und aus den beyden Departe - ments der einheimiſchen und der auswaͤrtigen Affeinen zu beſtehen pflegt, denen bißweilen ein Premier Miniſtre vorgeſetzet iſt.
Das Departement der auswaͤrtigen An - gelegenheiten hat mit andern Voͤlkern zu ſchaf - fen. Es verſchickt Geſandten, und negoeiirt mit den fremden, ſchließt Buͤndniſſe, und hat alle Kriegs - und Friedensgeſchaͤffte unter Haͤnden.
Das Departement der einheimiſchen An - gelegenheiten vertrit den Landesherrn unmittel - bar bey ſeinen Unterthanen, und beſorget auf deſ -ſen23Staatswiſſenſchaft. ſen Befehl alles, was die innerliche Ruhe und Gluͤckſeeligkeit des Landes angehet. Das heißt, es richtet die ganze Landespolicey ein. Von hier aus werden alle Geſetze ausgefertiget, geaͤn - dert und abgeſchafft, alle Aemter beſetzt, die Be - ſoldungen und andre Begnadigungen ausgetheilt, die Strafen beſtimmt. Es verwaltet alle Rech - te der Majeſtaͤt in geiſtlichen und weltlichen Sa - chen, und dirigiret alle herrſchaftliche Beamte und Landescollegia. Die beſondere Verfaſſung aber der Landesregierung ſieht man hauptſaͤch - lich aus dem Kirchen-Juſtitz-Cammer - und Kriegsſtaat.
Von den vier Hauptreligionen iſt die Heid - niſche in Europa vertilgt, die Mahometaniſche erhaͤlt ſich nur an der aͤuſſerſten Grenze, die Juͤ - diſche ſchleicht im Finſtern, die Chriſtliche allein beſitzt den Thron. Aber dieſe ungluͤckſeelige Mut - ter hat viel Aergerniß in ihrer Familie erlebt. Jhre Kinder haben ſich getrennet, und dieſe Tren - nung hat faſt alle Reiche erſchuͤttert. Und noch jezt verdienet der Einfluß der verſchiedenen Reli - gionen in den Staat unſer beſonderes Augen - merk.
Die Neigungen der Nationen, in der Re - ligion freygeiſteriſch, vernuͤnftig oder aberglaͤu - biſch zu dencken, die Verfaſſung des Kirchen -B 4regi -24Vorbereitung zurregiments und die Verhaͤltniß der Kirche gegen ihren Staat ſind uͤberall; in den Catholiſchen Staaten aber die Macht und der Reichthum der Cleriſey, und die Gewalt des heiligen Vaters noch beſonders merkwuͤrdig.
Durch das Juſtitzweſen wird den Unter - thanen Recht geſprochen, ihre Streitigkeiten ge - ſchlichtet, und ein jeder in ſeinem Eigenthum ge - ſchuͤtzt. Man hat angemerkt, daß je ſouverai - ner ein Reich iſt, deſto vollkommener das Ju - ſtitzweſen eingerichtet zu ſeyn pflegt. Man muß hiebey auf drey Stuͤcke acht geben, 1) auf die Ge - ſetze, welche den Unterthanen vorgeſchrieben ſind, und deren Sammlungen, 2) auf die Gerichte oder Juſtitzcollegia mit ihrer Subordination, 3) auf die Proceſſe oder die Art des gerichtlichen Verfahrens.
Das Cammerweſen hat mit den Einkuͤnf - ten und Ausgaben eines Reichs zu thun. Die Finanzen werden ſchon von den Alten die Seh - nen der Republick genennet. Jn neuern Zeiten hat man ſich dieſer Wahrheit erinnert, und die wi -tzige25Staatswiſſenſchaft. tzige Franzoſen haben in den Cammeralſachen ſo gluͤckliche Entdeckungen gemacht, daß eine allge - meine Reformation des Finanzweſens in ganz Eu - ropa daraus entſtanden iſt. Man erkundiget ſich hiebey ſowohl, was fuͤr Einkuͤnfte ein Re - gent hat, als, wie ſie gehoben, und endlich, wozu ſie verwandt werden.
Die Einkuͤnfte eines Landesherrn ſind nicht in allen Reichen auf einerley Fuß geſetzt. Man hat ihrer unzaͤhlige Gattungen. Ueberhaupt hebt er ſolche aus ſeinem Eigenthum oder aus dem Eigenthum ſeiner Unterthanen. Zu den erſtern gehoͤren alle Nutzungen aus ſeinen Patri - monial - und Cammerguͤtern, welche man auch Domainen und Tafelguͤter zu nennen pflegt, und aus andern Regalien, das iſt aus denjenigen Sachen, die einem Privato nicht eigen ſeyn koͤn - nen, z. Ex. aus dem Bergwerks-Forſt - und Jagd - Salz-Poſt-Muͤnz-Stempelpapier-Regal.
Die Einkuͤnfte, welche aus dem Eigen - thum der Unterthanen gezogen werden, heiſſenB 5uͤber -26Vorbereitung zuruͤberhaupt Abgaben, Auflagen, Contribu - tionen. Man theilet ſie in ordentliche und auſ - ſerordentliche. Doch iſt dieſe Eintheilung mehr theoretiſch, als practiſch. Die aͤlteſte Arten ſind die Steuern von den liegenden Gruͤnden, und die Zoͤlle von Ein - und Ausfuhr der Waaren. Hier - naͤchſt folgt die Acciſe oder der Licent von aller - hand Sachen, die durch den Gebrauch verzehrt werden, Kopf - und Vermoͤgen-Steuer, und allerhand ſchuldige Dons gratuits.
Alle Dieſe Einkuͤnfte werden bald von den Staͤnden, bald von dem Landesherrn ſelbſt durch gewiſſe dazu beſtellte Bediente gehoben, welche ſolche theils berechnen, theils in Pacht haben. Aus dieſen Canaͤlen fließt alles in das Cammercollegium znſammen, welches die Stel - le eines Reichsſchatzmeiſters vertrit, die ganze Rechnung uͤber Einnahme und Ausgabe fuͤhrt, und deßwegen mit Recht des Landes Herz genen - ne werden kann.
So groß aber die Revenuͤen eines Landes ſind: eben ſo groß und oͤfters noch weit groͤſſer ſind die Ausgaben. Es muß der Regent, deſ - ſen Familie und der ganze Hofſtaat erhalten, die unzaͤhlige Beamte beſoldet, und alles, was zur Sicherheit und zum Beſten des Landes dienet,hievon27Staatswiſſenſchaft. hievon beſtritten werden. Was alsdenn noch uͤ - brig bleibt, kann in der Schatzkammer aufge - hoben werden. Dieſes erhaͤlt man nur durch ei - ne ordentliche Landesoeconomie.
Sonderlich iſt der Kriegsſtaat heute zu Ta - ge eines von denen nothwendigen Uebeln, wel - che einem Reiche unſaͤgliche Summen koſten. Die Art Krieg zu fuͤhren iſt faſt von Jahrhun - dert zu Jahrhundert veraͤndert worden. Viel - leicht hat die Geſchicklichkeit darinnen anjetzo ih - ren hoͤchſten Gipfel erreichet. Man muß die Landmacht von der Seemacht wohl uuterſchei - den. Jene iſt allen freyen Staaten gemein, dieſe aber nicht: weil man nicht in allen Reichen weitlaͤuftige Seekuͤſten findet, noch alle Voͤlker groſſen Handel zur See treiben, und reich genug ſind, um ſich einen Platz unter den Seemachten erwerben zu koͤnnen.
Die Landmacht eines Reichs zu beurthei - len iſt noͤthig, ſich aus dem vorhergehenden zu er - innern, ob ein Land an Mannſchaft und Pfer - den, die tuͤchtig zum Kriege ſind, einen Ueber - fluß oder Mangel habe, und folglich die Trup -pen28Vorbereitung zurpen zu recroutiren, und die Cavallerie zu remon - tiren, fremder Huͤlfe benoͤthiget ſey oder nicht? hernach unterſuche man die Anzahl und Einrich - tung ihrer Kriegsvoͤlker, der regulairen Trup - pen und Landmilitz, des Fußvolks und der Reuterey; ob ſie gute Subordination habe, in allen Handgriffen geuͤbt, und zur Mannszucht gewoͤhnt ſey? wie ſie bezahlt und montiret werde? ob ſie mit erfahrnen Officiers, mit Jngenieurs und Artillerie verſehen? was vor An - ſtalten gemacht ſeyn, ſo wohl die Ausgediente in Jnvalidenhaͤuſern und durch Penſionen zu verſorgen, und die Wittwen und Kinder der Ge - bliebenen zu ernaͤhren; als beſtaͤndig junge Mann - ſchaft durch Werbecantons, Caſernenſchulen, Cadettenrorps anzuziehen. Man halte alsdenn die Anzahl und Koſten der Kriegsmacht gegen die Groͤſſe und Einnahme des Landes, um zu ſehen, ob ſie ſolchem zur Ueberlaſt gereichen oder nicht?
Auf gleiche Art laͤßt ſich auch die Seemacht einer Nation erwaͤgen. Eine Flette ins Meer zu ſtellen, iſt nach Proportion der Mannſchaft wenigſtens dreymal ſo koſtbar, als eine Landar - mee ins Feld zu fuͤhren. Man hat hiebey beſon - ders anzumerken, ob ein Volk ſein Schiffszim - merholz, Maſten, Seegel - und Tauwerk und uͤbrige Erforderniſſe zu Ausruͤſtung dieſer ſchwimmenden Feſtungen bey ſich zu Hauſe findet, oder auswaͤrts herhohlen muß? wie der Bau ſeiner Schiffe, die Einrichtung ſeiner Eſca - dern und die Anſtalten beſchaffen, um eine Pflanzſchule von tuͤchtigen Matroſen und geſchick - ten Seecapitains zu haben?
Wenn wir nun in dieſer Ordnung den Staat eines Reiches und ſeine Schwaͤche und Staͤrke angeſehen haben, ſo iſt es nicht ſchweer, mit Huͤlfe der allgemeinen Politick diejenigen Re - geln herauszubringen, wornach ein Volk han - deln muß, um ſein Wohl zu befoͤrdern. Die - ſe Regeln nennt man Staatsmaximen, und den Jnbegriff aller Staatsmaximen eines Reiches in ihrem Zuſamenhange das Staatsintereſſe. Es iſt alſo das Staatsintereſſe in der That nichts an - ders, als eine Politick, die auf einen einzelnen Staat appliciret wird. Es gehoͤrt auch das Staats - intereſſe zur Staatswiſſenſchaft, weil ihr End - zweck dahin abzielet, von der Kenntniß eines Staats in der Politick die gehoͤrige Anwendung zu machen.
Ein Volk, das ſeine wahre Wohlfahrt zu befoͤrdern, ſeine Sicherheit zu befeſtigen, und ſeine Gluͤckſeeligkeit vollkommener zu machen be - muͤht iſt, muß ſowohl in Anſehung ſeiner ſelbſt, als in Anſehung andrer Voͤlker gewiſſe Re -geln31Staatswiſſenſchaft. geln beobachten. Daher giebt es Staatsmaxi - men eines Reiches gegen ſich ſelbſt und gegen andere Nationen, und deßwegen theilet man das Staatsintereſſe in das innerliche und aus - waͤrtige.
Das erſtere erfordert, daß ein Volk ſeinen innerlichen Ruheſtand und das Wohl nicht nur ſeiner einzelnen Buͤrger; ſondern auch des gan - zen gemeinen Weſens zu erhalten und befoͤrdern ſuche, dem Mangel abhelfe, den Ueberfluß ver - ſchaffe, die Einwohner vermehre und bereichere, die Wiſſenſchaften in Flor bringe, den Manu - facturen und Commercien aufhelfe, die Gebre - chen der Staatsverfaſſung heile, den Factionen vorbeuge, die Juſtitz beſchleunige, das Cam - merweſen in Ordnung halte, den Kriegsſtaat auf guten Fuß ſetze. Die vornehmſten von der - gleichen Staatsmaximen, die aus der beſondern Einrichtung eines jeden Reiches hauptſaͤchlich flieſſen, koͤnnen an dieſem Orte erklaͤret, und in ſo fern das innerliche Staatsintereſſe eines Lan - des der Staatswiſſenſchaft deſſelben unmittelbar angefuͤgt werden.
Ganz anders iſt es mit dem auswaͤrtigen Staatsintereſſe beſchaffen. Die Maximen, wie ein Volk in Anſehung ſeiner Nachbaren ſichin32Vorbereitung zurin Sicherheit ſtellen, oder mit deren Beyhuͤlfe ſeine Wohlfahrt befoͤrdern koͤnne, flieſſen aus dem Verhaͤltniße, das es gegen fremde Voͤlker hat, ob es ihrer bedarf, oder entbehren koͤnne? ob es von ihrer Macht viel oder wenig zu befuͤrch - ten habe? Dieſes kann, ohne vorgaͤngige Kennt - niß andrer Staaten nicht begriffen werden, und verdienet eine beſondere Ausfuͤhrung.
Dieſes iſt der Abriß der vollſtaͤndigen Staatswiſſenſchaft einzelner Reiche, in ſo weit ſolche vor ſich allein betrachtet werden. Wer die unterſchiedliche Grade der Verbindung einſiehet, welche die Wiſſenſchaften mit einander haben, wird den hohen Wehrt einer Erkenntniß zu ſchaͤ - tzen wiſſen, von welcher die Hiſtorie einen ſehr anſehnlichen Theil ihres Lichts borget, welche zu dem allgemeinen Natur-Voͤlker-Staats - geiſtlichen und buͤrgerlichen Rechte den tref - lichſten Stoff giebet, und die Politick mit einer Menge practiſcher Saͤtze bereichert.
Daher iſt die Staatswiſſenſchaft allen Ge - lehrten nuͤtzlich, und allen Juriſten noͤthig; haupt - ſaͤchlich aber, wer die jetzige Welthaͤndel gruͤnd - lich beurtheilen, wer ſeine Reiſen in fremde Laͤn - der mit Nutzen unternehmen, wer in Manufa - ctur-Handels - und Cam̃eral-Sachen oder in Ge -ſandt -33Staatswiſſenſchaft. ſandtſchaften ſich gebrauchen laſſen will, dem iſt ihre Erlernung unentbehrlich.
Man hat gegen den Vortrag dieſer Wiſ - ſenſchaft auf Univerſitaͤten Einwuͤrfe gemacht, als waͤre ſolche wegen der Menge ihrer Materi - en voller Verwirrung, wegen der beſtaͤndigen Veraͤnderungen voller Ungewißheit, und wegen der darinnen enthaltenen Staatsgeheimniſſen fuͤr den Augen der Schulgelehrten verborgen, folglich dergleichen Vorleſungen ſeicht und un - brauchbar. Allein, da eine geſchickte Ordmung der Verwirrung abhuͤlft, ein ununterbrochener Fleiß die Hauptveraͤnderungen bemerken kann, und der Ungewißheit kuͤchtige Beweißthuͤmer entgegen ſtellt, die Staatsgeheimniſſe aber ent - weder das nicht ſind, wofuͤr man ſie ausgibt, o - der nicht ſo haͤufig ſind, als man ſich einbildet, auch der Endzweck nicht erfordert, in alle Staats - geheimniſſe zu dringen; ſo wird der Nutzen, wel - chen man in Erlernung der Anfangsgruͤnde der Staatswiſſenſchaft ſucht, gar fuͤglich erreichet werden koͤnnen.
Diſſ. mea de notitia rerumpublicarum academiis vindicata, Gottingae 1748.
Die Gewohnheit der alten Geſchichtſchrei - ber, die Staatswiſſenſchaft einzelner Voͤlker inCihren34Vorbereitung zurihren hiſtoriſchen und geographiſchen Buͤ - chern ſorgfaͤltig einzuſchalten, und die beſonde - re Werke eines Xenophons, Ariſtoteles und Tacitus beweiſen, daß man dieſe Kenntniß bey ihnen ſehr hoch geachtet. Jn neuern Zeiten iſt man dieſen Fnßſtapfen nachgegangen. Seit dem gegen das Ende des ſechszehenden Jahrhunderts die Relationen einiger Venetianiſchen Geſand - ten bekannt wurden, der beruͤhmte Lipſius eine ſyſtematiſche Politick faſt aus lauter Spruͤchen al - ter Geſchichtſchreiber zuſam̃en geleſen hatte, u. ver - ſchiedene Staatsmaͤnner ihre wichtige Anmerkun - gen uͤber auslaͤndiſche Reiche, welche ſie durchrei - ſet hatten, herausgaben: wurde dieſe Wiſſenſchaft aus dem Staube gezogen, und die Welt bekam einen Geſchmack daran. Man ſammlete die ver - ſchiedene Schriftſteller von einem Staate: man bemuͤhte ſich, von vielen, ja von allen Reichen die Staatswiſſenſchaft beyſammen zu haben. Al - ſo kamen Sammlungen von Originalſchriften zum Vorſchein, und daraus erwuchſen eine Menge Auszuͤge und groſſe Werke ſowohl von einzelnen Reichen, als von vielen mit einander. Nunmehr war Stoff genug vorhanden, Vorleſungen auf Univerſitaͤten daruͤber anzuſtellen, der unſterbli - che Conring brachte ſie auf den academiſchen Lehr - ſtuhl, und von Helmſtaͤdt breitete ſie ſich auf an - dern Muſenſitzen in - und auſſerhalb Teutſchland aus. Seit dem haben wir auch Leſebuͤcher da - von bekommen, unter welchen die notitia prae - cipuarum Europae rerum publicarum von Hrn. Ever -35Staatswiſſenſchaft. Everhard Otto das einzige iſt, welches ſeine Quellen anfuͤhret.
Unter den vielen und groſſen Sammlungen, welche den Staat aller Reiche und Republicken der ganzen Welt, oder wenigſtens vieler Reiche zugleich vortragen, iſt zu unſrer Abſicht wenig brauchbares. Wir wollen 1) den gegenwaͤrti - gen, nicht den ehemaligen Staat kennen lernen, 2) wir ſuchen glaubwuͤrdige und zuverlaͤßige, nicht falſche und ungewiſſe Nachrichten. Alſo muͤſſen wir 1) die neuere Schriftſteller den aͤltern, 2) diejenige, welche ein Reich aus eigener Er - fahrung erkannt, denen, die ihre Erzaͤhlungen von andern abgeſchrieben. 3) Diejenige Samm - ler, welche ihre Beweißthuͤmer anfuͤhren, den uͤbrigen vorziehen.
Nach dieſen Regeln kann man die vor - nehmſte Sammlungen von dem Staate verſchiede - ner Reiche beurtheilen, nur merke man vorlaͤu - fig noch dieſes an, daß glaubwuͤrdige Nachrich - ten, wenn ſie gleich alt ſind, uns doch nicht ganz unnuͤtzlich ſeyn, in ſo fern ſie die Verbindung des vorigen Zuſtandes mit dem jetzigen und den Grund des heutigen Staats in ſich halten.
Die 32. Elzeviriſche Republicken ſind alt, und nur wenige glaubwuͤrdig.
Le monde par PIERRE D’ AVITY iſt alt, und durch die abgeſchmackte Vermehrun -C 2gen36Vorbereitung zur Staatsw. gen des roccoles auſſer Stand zu dienen geſetzt worden.
conringii opus poſthumum de notitia rerum publicarum hodiernarum (in dem III. to - mo ſeiner geſammten Werke) iſt durch Hrn. von Goebel Zuſaͤtze einiger Maaſſen verjuͤngt worden.
Friedrich Leutholfs von Frankenberg Europaͤiſcher Herold iſt ebenfalls nicht mehr neu, auch ohne Beweißthuͤmer, und auſſer dem erſten Bande wenig mehr brauchbar.
Unter den Rengeriſchen Staaten iſt das meiſte unnuͤtzer Plunder.
Den Voyages hiſtoriques de l’Europe des m. jovrdan, welche Auguſt Bohſe unter dem Namen Talander teutſch uͤberſezt, wirft vayrac a) oͤffentlich vor: a beau mentir qui vient de loin.
Des gvedeville Atlas hiſtorique in 7. Folianten iſt praͤchtig, und 1738. wieder anfgelegt, aber fresnoy b) urthei - let davon: ce livre qui avoit été fait pour les ignoraus, fut d’abord goûté par les igno - rans; mais ſans être eſtimé des ſavants.
Lo ſtato preſente di tutti e paeſi e popoli del mondo, naturale, politico e morale, con nuo - ve oſſervazioni e correzioni degli antichi e moderni viaggiatori, davon zu Venedig ſchon 18. Theile 8. herausgekommen, habe ich noch nicht geſehen.
Kein Land iſt von ſo verſchiedenen Voͤlkern bewohnt worden als Spanien. Die Phoe - nicier ſetzen ſich an die ſuͤd - und weſtliche See - kuͤſte, die Carthaginienſer, Roͤmer, Schwa - ben, Alaner und Gothen herrſchen nach ein - ander darinnen, endlich im J. 713. uͤberſchwem - men es die Mauren faſt gaͤnzlich.
Dieſe entkraͤften ſich durch ihr haͤufige Thei - lungen ſelbſt, da inzwiſchen aus dem Ueberreſte der Chriſten nebſt einigen kleinen Staaten haupt - ſaͤchlich zwey Koͤnigreiche Caſtilien und Arrago - nien erwachſen, die ſich durch Vermaͤhlungen dreymal vergeblich, zum vierten Mal aber 1473. auf ewig vereinigen.
Ferdinandus Catholicus unterwirft ſich die Saraceniſchen Provinzen, und reiſſet ein Theil von Navarra an ſich. Nunmehr wird Spanien ein einziger Staatscoͤrper, und durch Verbeſſerung der innerlichen Verfaſſung, durch Eroberung des Koͤnigreichs Neapel und Entde - ckung von America zugleich erſtaunend maͤchtig. Die Heyrath Philippi Pulcri mit Ferdinands Tochter Joanna veranlaſſet die Vereinigung der Oeſterreichiſchen Staaten mit dem Spaniſchen Reiche. Daher zittert vor Kayſer Carln V. Ferdinands Enkel, ganz Europa. Allein er theilt zwiſchen ſeinem Bruder Ferdinand und ſeinem Sohne Philipp II. Doch erlangt Spanien da - durch Mayland, und die 17. Niederlaͤndiſchen Pcovinzen nebſt der Grafſchaft Burgund. Philipp II. eignet ſich Portugall zu, und gehet mit einer Univerſal Monarchie ſchwanger. Al - lein durch den Aufſtand der Niederlaͤnder wird ſolche in der Geburt erſtuͤckt, und Spanien ver - blutet ſich unter dem unweiſen Philipp III., demC 4elen -40Spanien. elenden Philipp IV. und dem ſchwachen Carl II. dem letzten ſeines Stammes, ſo ſehr, daß es end - lich kaum mehr Athem ſchoͤpfen kann.
Nach deſſen Tode 1700. ſtreiten Oeſter - reich und Bourbon um dieſe Erbſchaft, und letzteres bringt nach einem 13jaͤhrigen Kriege zu aller Welt Erſtaunen ſeinen Prinzen Philipp V. auf den Spaniſchen Thron, und Kayſer Carl VI. muß ſich mit den Jtalieniſchen und Nieder - laͤndiſchen Provinzen abſpeiſen laſſen. Seit dem iſt dieſes Reich in 4. Kriegen bemuͤht geweſen, ſich wieder in die Hoͤhe zu bringen, wodurch Eli - ſabeth ihrem Don Carl 1735. zwo Cronen, die bey -de41Spanien. de Sicilien, und Koͤnig Ferdinand II. ſeinem Halbbruder Philipp 1748. drey Herzogthuͤmer, Parma, Piazenza und Guaſtalla zugewandt.
Spanien hat ein dreyfaches ſehr verſchiede - nes Clima. Gegen Norden iſt es kalt und feucht, gegen Suͤden heiß und feucht, in der Mitten ſehr trocken und faſt verbrandt. Es hat von 3. Seiten natuͤrliche Graͤntzen, das Atlantiſche und Mittellaͤndiſche Meer, und die Pyrenaͤiſche Gebuͤrge: die vierte Seite ſchraͤnckt Portugal ein.
Das Land iſt faſt durch und durch gebuͤr - gig. Die groſſen Fluͤſſe, Ebro, Douro, Tajo, Guadiana, Guadalquivir, ſind wenig ſchiffbar, und auſſerdem iſt es ſchlecht bewaͤſſert.
Es hat Ueberfluß an der beſten Wolle, an Seyde, Wein, Salz, Oel, Orangenfruͤchten, Roſinen, Feigen, Mandeln, Capern. Biſcaya giebt trefliches Eiſen, Andaluſien und Aſturien haben unvergleichliche Stuttereyen.
Das Hornvieh und die Flußfiſche ſind ſelt -ſam,43Spanien. ſam, Gold und Silber wird nicht gegraben, und der Mangel an Getreyde iſt groß.
Es beſtehet aus 14. Provinzen, die mei - ſtentheils den Titul eines Koͤnigreichs fuͤhren, nebſt etlichen Jnſuln, und prangt mit Madrid, der Hauptſtadt des Reichs und etlichen Luſt - ſchloͤſſern, ſonderlich Aranjuez, dem Wunder der Natur und Eſcurial, dem Wunder der Kunſt.
Landfeſtungen unterhaͤlt es einige wenigege -44Spanien. gegen die Seite von Portugal; aber deſto mehr trefliche Seehaͤfen, Cadix, Malaga, Cartha - gena, Alicante, Valentia, Barcellona, Co - runna, Bilbao, St. Sebaſtian, und viel ande - re, unter denen jedoch Gibraltar, der Schluͤſſel nicht ſowohl von Spanien, als vom Mittellaͤndi - ſchen Meere, und Portmahon in den Haͤnden der Engellaͤnder ſind.
Auſſer Europa haben ſich die Spanier in Ceuta, Oran, und Maſalquivir auf der Kuͤſte der Barbarey und in den Canariſchen Jnſuln feſtgeſetzet. Jn Aſien gehoͤrt ihnen weiter nichts als die Philippiniſche, Latroniſche und Salomo - niſche Jnſuln.
Aber in der von ihnen erfundenen neuen Welt haben ſie den groͤßten und reichſten Theil inne, und beſitzen im Nordlichen America Mexico, Neu Mexico und ein Stuͤck von Flori - da, im Suͤdlichen aber Terra firma, Peru, Chili, und von den Jnſuln ſonderlich Cuba, und ein Stuͤck von Hiſpaniola. Sie ziehen hieraus Gold, Silber, Perlen und Edelſteine, Zucker, Taback, Viehhaͤute, Baum - und Vigogne - wolle, Wachs, Campecheholz, Jndigo, aller - hand Balſame und andere koſtbare Arzeneyen und Waaren.
Wie die Einwohner Spaniens von verſchie - denen Voͤlkern abſtammen: ſo iſt auch ihre Sprache zwar eine Tochter der Lateiniſchen; a - ber mit Gothiſchen und Arabiſchen Woͤrtern un - termiſcht.
Jn dieſem weitlaͤuftigen Reiche zaͤhlet man nicht 6. Millionen Menſchen, welcher Mangel durch die Americaniſche Colonien, die Austrei - bung der Juden unter Ferdinand I, und der Mo -riscos47Spanien. riscos unter Philipp III. gewaltig befoͤrdert wor - den, und durch die Modeſuͤnden der Jugend, die Menge der Kloͤſter und Schaͤrfe der Jnquiſition unterhalten wird, ſo daß die kluge Vorſchlaͤge des Staatsſecretaͤrs Petri Ferdinand Navare - ta 1619. und die Anſtalten Philipp IV. ohne Wuͤrkung geblieben.
An dem Spanier iſt nichts mittelmaͤßig als ſein Koͤrper, ſeine Tugenden ſind groß; ſeine Laſter noch groͤſſer. Man ruͤhmt ſeine Maͤßig - keit, Standhaftigkeit, geſetztes Weſen, Ver - ſchwiegenheit und Treue: man wirft ihm den Hochmuth biß auf den Bettelſtolz, Prahlerey, Geitz, Grauſamkeit, Verſtellung, Eiferſucht auch gegen ſein heßliches Weib vor. Die Fremden ſind bey ihm als Gavaches verach - tet und uͤbel daran. Dieſe belachen dagegen die beſondere Gewohnheiten der Spanier. Jhre Antipathie gegen die Franzoſen legt ſich nun - mehr nach und nach.
Der Spanier iſt zur Tiefſinnigkeit geneigt, und wuͤrde es daher in Wiſſenſchaften eben ſo weit bringen, als ſeine Vorfahren, wenn er nicht die Vernunft unter den Gehorſam ſeines tyranniſchen Glaubens gefangen nehmen muͤßte. Selbſt in der allgemeinen Finſterniß der mittlern Zeiten war in dem Saraceniſchen Spanien mehr Licht der Gelehrſamkeit, als jetzt auf allen 22 chriſt - lichen Univerſitaͤten.
Der Spanier mag aus Faulheit nicht ar - beiten, oder er ſchaͤmt ſich, ein Handwerk zu treiben. Daher iſt das Land von Manufactu - ren entbloͤſſet, und halten ſich viele tauſend Fran - zoſen darinnen auf, welche theils die gemeinen Dienſte in den Staͤdten verrichten, theils die nothduͤrftigen Handwerker treiben.
Es muͤſſen alſo die Spanier, um ihren Hun - ger zu ſtillen, ihre Bloͤſſe zu decken nnd ihrer Bequemlichkeit zu pflegen, nicht nur ihre inlaͤn - diſche Waaren weggeben, ſondern ihr ganzer koſtbarer Handel nach America iſt bloß den Aus - laͤndern zum Gewinn, welchen die unerſchoͤpfli - che Goldquellen der neuen Welt ſtromweiſe zu - flieſſen.
Sie rechnen nach Marrevadis und Rea - les, und haben in Silber die Piaſtres oder Pe - ſos (da otto reales) in ganzen, halben und viertel Stuͤcken, in Gold aber die Piſtolen, Du - plonen und Quadruplen. 95. Marrevadis be -tragen51Spanien. tragen 8. ggr., 1. Reale hat 34. Marrevadis, 1. Piaſtre aber 8. Reales.
In Spanien iſt kein guͤltiges geſchriebenes Reichsgrundgeſetz anzutreffen, auſſer dem von der Caſtilianiſchen Erbfolge und Untheilbarkeit von 1252., welche Carl V. 1554. und Philipp II. in ſeinem Teſtament 1598. auf die geſammte Staa - ten von Spanien erſtrecket hat.
Ferdinand jetztregierender Koͤnig, ein Sohn Philipps V. und der Maria Louiſa Gabriela,D 2Prin -52Spanien. Prinzeßinn von Savoyen, iſt gebohren 1713, ver - maͤhlte ſich mit Maria Barbara, Koͤnigs Jo - hannis V. in Portugal Tochter 1729, beſtieg den Thron 1746. Er hat zwar keine Erben, doch iſt das koͤnigliche Haus nichts deſto weniger zahl - reich. Von Philipps V. zweyter Gemahlinn E - liſabeth aus Parma ſind der Koͤnig beyder Si - cilien Carl Sebaſtian, der General-Admiral von Spanien und Herzog von Parma, Piazen - za und Guaſtalla Don Philipp, der Cardinal und Erzbiſchof von Toledo und Sevilien Don Louis nebſt der Prinzeßinn von Braſilien Ma - ria Anna Victoria und Maria Antonietta vorhanden.
Der Cronprinz wird ſeit 1388. Prinz von Aſturien genennt, aber nicht als ein ſolcher ge - bohren; ſondern vom regierenden Koͤnige dazu ernennet. Die uͤbrige koͤnigliche Kinder heiſſen Jnfanten.
Der koͤnigliche vollſtaͤndige Titul iſt: Fer - dinandus, Dei gratia Rex Caſtellae, Arra - goniae, Legionis, vtriusque Siciliae, Je - ruſalem, Portugalliae, Nauarrae, Granatae, Toleti, Valentiae, Galliciae, Maioricarum, Hispalis, Cordubae, Corſicae, Murciae, Grennis, Algarbiorum, Algezirae, Gibral - taris ac inſularum Canariae, et Indiarum tam Orientalium, quam Occidentalium, ac Terrae Firmae, maris Oceani: Princeps Aſturiarum: Dux Mediolani et Burgundiae; Archidux Auſtriae, Comes Flandriae, Bur - gundiae et Cataloniae, Dominus Biscayae et Molinae etc. Kuͤrzer wird er titulirt: Rex Hiſpaniarum catholicus.
Eben ſo findet man das Wappen bald weit - laͤuftig aus dem Wappen von Caſtilien, Leon, Arragonien und Sieilien nebſt Portugal im Mit - telſchilde zuſammen geſetzt mit der koͤniglichen Crone uͤber dem Schilde und der Ordenskette des guͤldenen Vlieſſes umhangen; bald kleiner, da es nur das Wappen von Caſtilien und Leon nebſt dem Mittelſchilde von Anjou enthaͤlt, und mit der Crone bedeckt iſt.
Der uͤbertriebene Hofſtaat und die zum Theil ſeltſame Etiquette des Spaniſchen Hofes iſt von den Bourboniſchen Koͤnigen groſſen Theils geaͤndert, und andern Hoͤfen gleichfoͤrmiger ge - macht worden.
Von den eintraͤglichen Ritterorden 1) von Sant Jago di Compoſtella, 2) Calatrava, 3) Alcantara ſind ſeit den Zeiten der Jſabella aus Caſtilien die Beſitzer des Thrones Großmei - ſter. Dieſen dreyen iſt der kleine Orden von Mondeſa beyzufuͤgen: wie ſich denn auch die Bourboniſche Koͤnige von Spanien die Ernen - nung der Ritter des guͤldenen Vlieſſes anmaaſ - ſen.
Der Spaniſche Thron iſt erblich undſteht auch der weiblichen Linie offen: wie denn ſeit denD 4Zeiten56Spanien. Zeiten der Saracenen die meiſten Reiche durch Heyrathen zuſammen gebracht worden. Dieſes iſt die beruͤhmte Succeſſio Caſtiliana, oder ſuc - ceſſio linealis cognatica.
Sobald die Erbfolge eroͤfnet wird, laͤßt ſich der neue Monarch feyerlich ausruffen, und von den Staͤnden in Buen Retiro huldigen; aber ſeit etlichen Jahrhundert nicht mehr ſalben noch kroͤnen.
Die viele Spaniſche Koͤnigreiche hatten ſonſt ihre ſehr verſchiedene Rechte und Freyhei -ten;58Spanien. ten; aber ſeit der groſſen Vereinigung hat ſich Ferdinand I., noch mehr Philipp II., am meiſten aber Philipp V. ſouverain gemacht.
Daher haben die Spaniſche Reichsſtaͤnde keine Gewalt mehr dem koͤniglichen Willen zu widerſprechen, und die Cortes Generales werden nur bey Huldigungen und andern Feyerlichkei - ten gehalten.
Doch giebt es noch Grands d’Espagne, welche verſchiedene Vorrechte genieſſen. Sieſind59Spanien. ſiud von 3. Claſſen, und der Koͤnig ernenet ſie. Die uͤbrige vom hohen Adel heiſſen Titulos oder Titulados, ehemals Ricos hombres, die von niedern Adel nennen ſich Cavalleros und Hidal - gos.
Die allgemeine Reichsgeſchaͤfte werden durch das Conſejo da Eſtado beſorget, welchemeinige60Spanien. einige Eſcrivanos da Eſtado zu den verſchiede - nen auslaͤndiſchen und einheimiſchen Affairen beygefuͤget ſind. Jn wichtigen Faͤllen muͤſſen von den ſubordinirten Collegiis Conſultas an den Staatsrath gegeben werden. Jnsbeſondere ſtehet den Americaniſchen Sachen der Rath von Jndien vor, von dem auch der Vice-Ré in Me - xico und Peru nebſt allen uͤbrigen Statthaltern und die Caſa da Contractacion zu Sevilſa depen - diren. Jn auſſerordentlichen Faͤllen wird eine Junta angeordnet, die Perſon des Koͤnigs zu vertreten.
Der Spanier iſt ein aberglaͤubiſcher Chriſt, und putzt die Catholiſchen Ceremonien mit Spa - niſchen Verzierungen aus. Die 8. Erz - 44. Suffcagan - und 2. exempte Biſchoͤfe nebſt un - zaͤhligen Kloͤſtern zehren das Fett von Spanien. Jn America iſt die Geiſtlichkeit weder an Men - ge noch an Reichthum viel geringer. Man zaͤh - let allein 6. Ertz - und 38. Bißthuͤmer darinnen.
Der Koͤnig ernennt zu allen Ertz - und Biß - thuͤmern, und der Pabſt beſtaͤtiget ſie. Die Canonicate vergiebt theils der Koͤnig, theils derBi -62Spanien. Biſchof, theils das Capitul, theils der Pabſt. Dieſer genieſſet auch das eintraͤgliche ius ſpolii durch ſeinen Nuntium.
Die beruͤchtigte Jnquiſitions-Gerichte, welche die Koͤnigin Jſabella, Kraft eines Geluͤb - des zuerſt in Spanien eingefuͤhret, und deren man jetzt 14. in dem Reiche ſelbſt und 3. in A - merica zaͤhlet, haͤlt die Nation fuͤr ihr Heilig - thum, andre aber ſehen ſolche als das allergrau - ſamſte Blutgericht an. Spanien hat ſich da - durch unerſetzlichen Schaden gethan, und die unumſchraͤnckte Gewalt der Jnquiſition bleibt allemal gefaͤhrlich und ſchrecklich, ungeachtet in vielen Jahren keine feyerliche Autos da fe vor - genommen werden.
Den Unterthanen ſind von Ferdinando Ca - tholico die Leges Tauri vorgeſchrieben. Die neuern Koͤnigliche Verordnungen hat Philipp II. 1567. in eine Recopilacion und Philipp IV. 1640. in eine nueva Recopilacion bringen laſſen. Nach dieſen legibus ordinationum geltẽ die Fo - ra, (ſtatuta prouincialia und localia), zu wel - chen auch das Fuero Iuzgo, oder Forum, ſeu Liber Iudicum gehoͤrt, alsdenn la Partita, o - der die Leges ſeptem partitarum, und endlich ius Caeſareum oder Romanum.
Die kleinere Staͤdte und Flecken haben ih - re Rigidoros und Alcaldes, die groͤſſere Staͤd - te ihre Corrigidoros. Uebrigens ſind 7. Pro - vinzial-Gerichte oder Audienzias Reales, wor - innen die Vicekoͤnige und Statthalter den Vor - ſitz haben. Sie ſtehen unter dem hoͤchſten Reichstribunal dem Conſejo Real di Caſtilla, welches in 4. Cammern abgetheilt iſt. Der Proceß iſt koſtbar und langweilig.
Die koͤnigliche Einkuͤnfte flieſſen zuſammen aus den Zoͤllen, (Almojarifazgos und Portos ſecos) dem Zehenden von allem, was verkauft oder vertauſchet wird, (Alcavalas) der Acciſe auf Fleiſch, Wein und andere Lebensmittel, (Los Milliones) der Vermoͤgenſteuer, (Los Ser - vicios) dem Stempelpapier (Papel Sellado) und der Salzſteuer; (Salinas) ferner aus der Creuzbulle (Bolla de la Cruzada) und Dispen - ſation wegen der Faſtenſpeiſen, (Grozzura und Mantego) dem Tribut ſowohl der Geiſtlichkeit, (Terzias und el Escuſado) als des hohen A - dels und der Ritterorden, contribution des lances et des galères) und den Großmeiſter - thuͤmern.
Jn America gelten alle Abgaben, die in Spanien mode ſind, und die Creutzbulle wird gar doppelt bezahlt. Auſſer dem ziehet der Koͤnig von aller Ausbeute theils 5. theils 10. Procente, von der Ausfuhr des Goldes und Silbers an - derthalb Procente. Das Muͤnzregal in Mexieo iſt gleichfalls ſehr eintraͤglich. Auf die Einfuhr der Mohren ſind ſchweere Abgaben gelegt, und noch auſſerdem iſt er in dem Negreshandel, wel - chen er den Engellaͤndern verwilliget, auf ein Viertheil intereſſirt.
Das Conſejo Real da Hazienda iſt uͤber die Reichs-Einnahme und Ausgabe geſetzt. Es iſt in vier Kammern eingetheilt, nehmlich in die Finanz-Millionen-Juſtitz - und Oberrechnungs - kammer, wovon die letzſtere Contaduria Major genennet wird, und beſteht uͤberhaupt aus einer groͤſſern Anzahl Perſonen, als alle uͤbrige koͤnig - liche Collegia zuſammen genommen. Durch die elende Haushaltung der Oeſterreichiſchen Koͤnige ſtiegen nicht nur die Kronſchulden entſetzlich; ſon - dern es fielen auch die Einkuͤnfte zugleich ſo uner - hoͤrt, daß man iu der ganzen Hiſtorie kein aͤhn - liches Exempel aufweiſen kann. Philipp V. hat deßwegen den groſſen Franzoͤſiſchen Cammerali - ſten Orry dreymal nach Spanien kommen laſ - ſen, und ziemliche Verbeſſerungen gemacht.
Spanien kann ſchwerlich uͤber 40. biß 50. 000. Mann ins Feld ſtellen. Doch wird der Mangel an groſſer Anzahl durch die Tapferkeit und gute Eigenſchaften ſeiner Truppen erſetzt. Jnfanterie und Cavallerie ſind beyde gleich tref - lich; beſonders ſeit dem ſolche unter Philipp V. auf Franzoͤſiſchen Fuß geſetzt worden. Gutes Gewehr haben ſie im Ueberfluſſe.
Jm ſechszehenden Jahrhundert hatte Spa - nien unſtreitig eine voͤllige Uebermacht zur See. Nach dem Zuwachs von Portugal haͤtte es in allen Europaͤiſchen und Americaniſchen Gewaͤſ - ſern Geſetze vorſchreiben koͤnnen. Aber die fata - le Unternehmung auf Engelland 1588. brachte dem Spaniſchen Seeweſen einen toͤdlichen Stoß bey. Jnzwiſchen wachten die andern Nationen auf, und halfen die Spanier vollends niederwerfen. Seit dem Utrechtiſchen Frieden hat ſich Philipp V. groſſe Muͤhe gegeben, die Marine in beſſern Stand zu ſetzen, und ſeine Flotte iſt, auſſer den Americaniſchen Gallionen und 50. biß 60. Galee -ren69Spanien. ren, faſt auf 30. Kriegsſchiffe geſtiegen. Holz, Theer und Canonen haben ſie ſelbſt; aber Se - gel - und Thauwerk muͤſſen ſie von Fremden er - kaufen.
Die Natur hat Spanien vor auswaͤrtigen Anfaͤllen treflich ſicher geſtellt. Die Regiments - Form iſt ſo gut eingerichtet, daß dem Koͤnige zu Befoͤrderung der Landeswohlfahrt die Haͤnde nicht gebunden ſind. Aber ungeachtet der zum Theil gluͤcklichen Bemuͤhungen, welche es im jetzigen Jahrhundert angewandt, ſich aus ſeiner Erniedrigung herauszuhelfen, wird es ſich doch zur vorigen Hoͤhe nicht bringen, wenn es nicht ſeine Einwohner zu vermehren, und arbeitſamer zu machen, und eine allgemeine Reformation im Cammerweſen durchzuſetzen weiß.
Portugal hat in alten Zeiten einerley Schick - ſal mit Spanien gehabt. Die Phoenicier, Carthaginienſer, Roͤmer, Alaner, Schwaben und Weſtgothen haben nacheinander darinnen geſeſſen: endlich im Anfange des achten Jahr - hunderts wurden die Saracenen davon Meiſter.
Heinrich ein Burgundiſcher Printz aus Koͤniglichem Franzoͤſiſchen Gebluͤte erobert einen Theil von Portugal im Namen Alphonſi VI. Koͤnigs von Caſtilien und Leon, wird durch ſei - ne Vermaͤhlung mit deſſen Printzeſſinn Thereſia Graf in Portugal 1093. und erhaͤlt es erb - und eigenthuͤmlich 1110. Sein Sohn Alphonſus erweitert ſeine Herrſchaft, nimt mit Wieder - ſpruch der Caſtilianer den koͤniglichen Titul an, und bringt die Regierungsform in Ordnung. Deſſen73Portugal. Deſſen Nachfolger ſaubern das Reich immer mehr von den Saracenen, Alphonſus III. ver - knuͤpft Algarbien mit der Krone, und die eheli - che maͤnnliche Linie ſtirbt mit Ferdinand I. 1383. aus.
Johannes der Baſtard, des letzten Koͤnigs natuͤrlicher Bruder, ſchwingt ſich mit Huͤlfe der Staͤnde auf den Thron, deſſen gluͤckſeelige Nach - kommenſchaft die gantze Kuͤſte von Africa, von Oſtindien und von Braſilien entdeckt, und an Land und Handel maͤchtig wird. Daher iſt unter Emanuel, dem Urenkel Johannis I. die guͤldene Zeit; aber mit dem Tode ſeines eigenen Uren - ckels Sebaſtians faͤllt alles, und Heinrich der Cardinal beſchließt den Mannsſtamm 1580.
Unter allen Kronpraͤtendenten behauptet Philipp II. Koͤnig von Spanien das Reich mit Gewalt. Seit dem wird nicht allein der reichſte Theil des Seehandels den vereinigten Nieder - laͤndern zur Beute; ſondern dieſe reiſſen auch gantze Jnſuln und Provinzen in beyden Jndien, und ſonderlich das beſte Stuͤck von Braſilien an ſich. Die Portugieſen verliehren auf allenE 5Sei -74Portugal. Seiten, und werden noch dazu greulich tyranni - ſiret. Dieſe Zeit der Truͤbſal dauert 60. Jah - re. Endlich ſetzen ſie ſich 1640. durch einen gluͤck - lichen Aufſtand in Freyheit, und ihr geliebtes Haus von Braganza auf den Thron.
Johannes IV. vertreibt die Hollaͤnder aus Braſilien, verliehrt aber faſt alles in Oſtindien. Sein Sohn Alphonſus VI. wird 1667. von ſeinem Bruder Peter II. der Krone beraubt, welcher den 28. jaͤhrigen Krieg mit den Spaniern 1668. ſo gluͤcklich endiget, daß er ihnen die Sou - verainitaͤt abzwinget. Er miſchet ſich auch in die Spaniſche Succeſſionshaͤndel, aber ohne Vor - theil. Seit dem hat das Reich unter Johann V. einer beſtaͤndigen Ruhe genoſſen.
Portugal das aͤuſſerſte Reich in Europa gegen Weſten hat ein warmes; aber ſehr angenehmes Clima, iſt von ſehr mittelmaͤſſiger Groͤſſe, und wird gegen Morgen und Mitternacht von Spa - nien, gegen Abend und Mittag aber von dem Atlantiſchen Meer eingeſchloſſen.
Auſſer dem Mondego erhaͤlt es ſeine groſſe Fluͤſſe, den Douro, Tejo, Guadiana und Minho aus Spanien. Sie ſind wenig ſchiffbar; aber deſto reicher an Fiſchen. Aus den verſchie - denen Gebuͤrgen quellen eine Menge Baͤche hervor, ſie geben auch die ſchoͤnſte Marmorbruͤ - che, und zeugen unſtreitig allerhand Metalle.
Portugal hat Seeſalz, Wein, Oliven - und Roßmarinwaͤlder, Honig, Orangen - und andre Gartenfruͤchte uͤberfluͤßig, Viehzucht und Schaͤfereyen zur Gnuͤge, mehr Eſel als Pferde, das Getreyde aber, ſonderlich Weitzen reichet jetzt fuͤr die Einwohner nicht zu.
Das Reich an ſich ſelbſt beſtehet aus zwey ſehr ungleichen Koͤnigreichen, Portugal und Al - garbien, wovon das erſte in 5. Provintzen ab - getheilet iſt.
Liſſabon iſt das praͤchtige Haupt von Por - tugal am Tejo, deſſen Zugaͤnge von der Seeſeite wohl verwahret ſind, Belem das Mauſolaͤum der Koͤniglichen Familie, das von Johann V. mit Millionen Koſten aufgefuͤhrte Maffra ein neues Eſcurial.
Die viele Feſtungen gegen die Spaniſche Grenze, ſonderlich Valenza, Miranda de Dou - ro, Eſtremos, Elvas ruͤhren groͤſtentheils noch von Schombergs Anſtalten her. Unter den Seehaͤfen ſind nebſt Liſſabon auch Setubal, Porto und Viana merckwuͤrdig.
Dieſe Nation iſt unter den Europaͤiſchen die erſte, welche neue Laͤnder entdecket, undwar78Portugal. war eine zeitlang die eintzige, welche ſich ruͤhmen konnte, ihre Herrſchaft in allen vier Theilen des Erdbodens ausgebreitet zu haben. So ſehr ſie auch von ihrer ehemaligen Hoͤhe herabgefallen, ſo beſitzet ſie doch noch in der uͤbrigen alten und neuen Welt anſehnliche Laͤnder.
Auf dem Atlantiſchen Meer gehoͤren die - ſer Krone die Azoriſchen Jnſuln nebſt Madera; Jn Africa etwas an der Kuͤſte der Barbarey, die Jnſuln des gruͤnen Vorgebuͤrges, nebſt der Jnſul St. Thomas, unterſchiedliche Feſtungen in den Koͤnigreichen Loango, Congo, Angola, in Monomotapa, und auf der oͤſtlichen Kuͤſte der Caffaren in Sofola, ferner an der Kuͤſte von Zanguebar der trefliche Seehafen Moſambique; in Aſien, und zwar in den Koͤnigreichen Cam - baya, Decan und Cuncan viele Oerter, haupt - ſaͤchlich Goa und Diu.
Jn America beſitzen ſie das unvergleichliche Braſilien nebſt einem Theile des angrenzenden Gviana, Paraguay und Magellanica biß an Cabo rotondo oder Punto de Marca. Dieſe Laͤnder geben Zucker in erſtaunlicher Menge, Gold, Silber und Edelſteine, Braſilien - und anderes Faͤrbe - und Bauholz, Taback, Jndigo, Pfef - fer, Jngver, Balſam, Baumwolle, Viehhaͤute.
Das Land iſt volkreich genug; es wuͤr - de aber ſonderlich ſeit der Aufnahme und Be - kehrung der Juden unter Johann II. und Ema - nuel noch weit ſtaͤrker bewohnet ſeyn, wenn nicht die viele Schiffarten, auswaͤrtige Colonien und der Religionseifer ſo viel Menſchen gekoſtet haͤtte.
Die Sprache und das Temperament der Portugieſen iſt groͤſtentheils Spaniſch. Doch hat die Vermiſchung dort mit der Franzoͤſiſchen Mundart, hier mit dem Juͤdiſchen Blute ver - ſchiedenes geaͤndert.
a) Jn81Portugal.Die Barbarey ſitzt an dieſer Ecke von Eu - ropa noch ziemlich feſt, und hat den Aberglau - ben zur Schutzwehr. Die Wiſſenſchaften wer - den in Coimbra und Evora zwar gut bezahlt; a - ber ſchlecht getrieben. Die Landesgeſchichte hat das Gluͤck genoſſen, daß der jetzige Koͤnig ihrent - wegen 1721. eine Academie von Standesperſo - nen errichtet, welche ſich durch unterſchiedliche Schriften bey der gelehrten Welt ſchon legitimi - ret hat.
Die Feldarbeit und die Handwerker ſind dem Portugieſen entweder zu geringe oder zu muͤh - ſam. Er verraͤth ſeine Ungeſchicklichkeit ſo gar in den gemeinſten Geſchaͤften der Haushaltung. Auſſer einiger groden Leinwand, Stroharbeit und candirten Sachen macht er faſt keine Kunſt - arbeit, und man beſchuldiget die Engellaͤnder, daß ſie dafuͤr ſorgen huͤlfen, damit er in Manu - facturen und Fabricken nicht kluͤger wuͤrde.
Hergegen den Handel verſteht er aus dem Grunde. Er ſchiffet in alle Theile der Welt, nur nicht in andre Europaͤiſche Laͤnder. Auſſer dem, was ſeine ihm dort unterwuͤrfige Provin - zen liefern, hohlt er Gold, Helfenbein, Haͤuteund83Portugal. und Negres aus Africa, und die koſtbare Chi - neſiſche Waaren aus Macao. Der ganze Han - del von und nach Braſilien geht bloß durch ſeine Hand. Dem ungeachtet iſt der Profit von die - ſen weitlaͤuftigen Commercien vor ihn nicht auſ - ſerordentlich groß, weil er ſeine inlaͤndiſche und Jndiſche Waaren und Schaͤtze anwenden muß, um von den Europaͤiſchen Nationen Getreyde, nnd faſt alle nur moͤgliche Manufacturen von Wolle, Seyde, Leinen und allerhand Metallen, biß auf Glaß und Papier, vor ſich und ſeine Ne - benlaͤnder theils zu ertauſchen, theils zu erkaufen.
Die Portugieſen rechnen nach Reis, deren 25. einen ggr. betragen, nach Cruſados oder Du - cati de Portugal, von 400. Rees, das iſt, 16. ggr. und nach Millereis oder 1. Rthlr. 16. ggr. Die gangbare Silbermuͤnzen ſind ein Vintin von 20. Rees, Real von 40. R., Toſtun von 100. R. Patagon von 500. R. Die Goldmuͤn - zen ſind ein Moeda von 2000. R., Mi-Moe - da, Doppio-Moeda und die groſſe Goldſtuͤcken von 10.000. R.
Die Leges Lamecenſes, oder die 22. Ar - tickel, welche auf dem Reichstage zu Lamego un - ter der Regierung des erſten Koͤnigs von Portu - gal Alphonſi Henriquez 1181. feſtgeſtellt wor - den, ſind das Hauptgrundgeſetz des Reiches, und betreffen den Titul des Reichs, die Erbfolge, den Adelſtand, das Gerichtsweſen und die Souve - rainetaͤt von Portugal. Das Manifeſt der Reichsſtaͤnde von 1641. wegen Erhoͤhung des Her -zogs85Portugal. zogs von Braganza Johannes auf den Portu - gieſiſchen Thron erklaͤret den Punct der Erb - folge, und beſtaͤtiget das Recht der Staͤnde bey Succeßions-Streitigkeiten.
Johannes V. jetztherrſchender Koͤnig von Portugal iſt ein Sohn Koͤnigs Petri II. und der Pfalzneuburgiſchen Prinzeßinn Maria Sophia Eliſabeth. Er wurde gebohren 1689., trat die Regierung an 1707., vermaͤhlte ſich mit der Erz - herzoginn Maria Anna Joſepha, einer Toch - ter des Kayſers Leopolds 1708. Sein Erbprinz Joſeph Emanuel hat von ſeiner Gemahlinn der Spaniſchen Prinzeßinn Maria Anna Vi - ctoria noch keine maͤnnliche Erben erzielt. Der nachgebohrne Prinz Petrus iſt Großprior von Crato. Die Prinzeßinn Maria Magdalena iſt nunmehr regierende Koͤniginn von Spanien. Des Koͤnigs Johannes Bruder Don Emanuel hat wunderliche Schickſale gehabt, und ſich faſt in ganz Europa umgeſehen.
Der vollſtaͤndige Koͤnigliche Titul lautet al - ſo: Joannes Dei gratia Rex Portugalliae et Algarbiorum, cis et vltra mare in Africa, Dominus Guineae, conquiſitionis, nauiga - tionis et commercii Aethiopiae, Arabiae, Perſiae Indiaeque etc.
Der aͤlteſte Sohn des regierenden Koͤniges wurde ſeit Eduards Zeiten Prinz genennt, Jo - hannes IV. aber legte ihm den Namen Prinz von Braſilien bey. Die uͤbrige Koͤnigliche Kin - der und Bruͤder heiſſen, wie in Spanien, Jnfanten.
a) Vor87Portugal.Den fuͤnf Schildlein 1. 3. 1. des Koͤnigli - chen Wappens mit ihren fuͤnf ſilbernen Pfenni - gen in Form eines Andreaskreutzes gelegt geben die glaubensvolle Portugieſen eine myſtiſche Er - klaͤrung, ja ſie ſehen dieſes Wappen wegen ſei - nes goͤttlichen Urſprungs als ein Pfand der ewi - gen Dauer ihres Reiches an.
Der Hofftaat iſt nach Proportion des Reichs faſt gar zu anſehnlich. Die meiſte Hof - aͤmter ſind in gewiſſen Familien erblich. Die Galla iſt ſchwarz und Spaniſch. Der Rang bey Hofe iſt nach einer klugen Alternative zwi - ſchen den weltlichen und geiſtlichen Standesper - ſonen eingerichtet.
Der Ritterorden von Avis iſt 1147. ent - ſtanden, und hat 1162. von Alphonſo I. ſeine Sta - tuta erhalten. Er folget der Regel des heiligen Benedicti. Der von Sant Iago de la Spatha iſt aus dem Spaniſchen Jacobsorden entſprun - gen, und unter Koͤnig Dionyſio davon abgeſon - dert worden. Er beobachtet die Regel des heili - gen Auguſtin. Die Ausrottung der Tempel - herrn gab Gelegenheit zum Ritterorden Chriſti, welcher von obgedachtem Dionyſio 1319. errichtetworden.89Portugal. worden. Er folgt mit dem Orden von Avis ei - nerley Regel. Alle drey Orden ſind alſo geiſtlich, duͤrfen aber doch heyrathen, und haben ihre ein - traͤaliche Comthureyen. Kraft der Bulle des Pabſtes Julii III. von 1550. iſt die Großmeiſter - ſchaft aller 3. Orden bey den Koͤnigen erblich, und ſie diſponiren von allen Commenden.
Vermoͤge oberwehnter Lamegiſchen Con - ſtitution iſt der Portugieſiſche Thron zwar erblich, doch unter beſonderen Einſchraͤnkungen. Die Bruderskinder muͤſſen die Einwilligung der Staͤnde bey ihrer Thronfolge ſuchen. Die Prin - ceßinnen koͤnnen auch ſuccediren, verliehren aber durch Vermaͤhlung mit einem Auslaͤnder ihr Erbrecht. Durch das Manifeſt von 1641. iſt das Ius repraeſentationis aus einem Roͤmiſchen Privatgeſetz ein Staatsgeſetz geworden, und die Staͤnde haben es als ein ſolches erkannt und feſt - geſtellt.
Alphonſus I. erhielte 1179. von Pabſt Ale - xander III. die koͤnigliche Krone, und EduardF 5I. 1437.90Portugal. I. 1437. von dem Concilio zu Baſel und dem Pabſte Eugen IV. das Recht, ſich mit eben den Ceremonien, wie die Koͤnige von Engelland und Frankreich bey der Kroͤnung ſalben zu laſſen. Das letztere iſt niemals ausgeuͤbet, und ſeit dem auch weiter an keine Kroͤnung gedacht worden.
Die Geiſtlichkeit, der hohe Adel und die Buͤrgerſchaft machen die 3. Staͤnde des Reiches aus. Der Koͤnig ſchreibt den Reichstag 4. Wo - chen vorher aus. Jm Fall der Noth ruft er die in Liſſabon anweſende hohe Collegia, Kronbe - diente und den Stadtrath zuſammen, und was auf dieſem engern Ausſchuße beſchloſſen wird, hat mit den Reichstagsſchluͤſſen gleiche Kraft.
Nachdem die Koͤnige ſich mehr oder weni - ger Anſehen zu geben gewußt, haben die Staͤn - de des Reichs wenigere oder mehrere Vorrechte ausgeuͤbet. Sie haben in ihrem Manifeſt vom J. 1641. ſich oͤffentlich das Recht zugeeignet, ih - re Koͤnige abzuſetzen, auch ſolches zu dreyen verſchiedenen Malen ausgeuͤbet. Nach der groſ - ſen Revolution miſchten ſie ſich in verſchiedene Kriegs - und Friedensgeſchaͤfte. Wenigſtens iſt ſo viel gewiß, daß die Abgaben ohne ihre Einwil - ligung nicht erhoͤhet werden koͤnnen.
Der Staatsrath iſt das hoͤchſte Reichscol - legium, worinnen der Koͤnig ſelbſt praͤſidiret. Der Escrivam de Puridade iſt des Koͤnigs rechte Hand, unter welchem noch drey andre Staatsſecretaͤre der auswaͤrtigen und einheimi - ſchen Affairen ſtehen. Den Provinzen, ſind Statthalter vorgeſetzt; Der Vicekoͤnig von den Oſtindiſchen und Africaniſchen Nebenlaͤndern re - ſidirt in Goa, der von Braſilien in St. Sal - vador.
Die herrſchende und eintzig erlaubte Reli - gion iſt die Roͤmiſchcatholiſche, und der Portu - gieſe iſt in ſeinem ceremonieuſen Glauben eben ſo erſoffen, als ſein Nachbar. Seit dem die Ju - den zum Chriſtenthum gezwungen worden, hat man einen Unterſchied unter den alten, neuen und halbneuen Chriſten (Chriſtam velho, Chri - ſtam novo, temparte de Chriſtam novo) machen muͤſſen. Die 4. Jnquiſitionsgerichte zu Liſſabon, Coimbra, Evora und Goa und de - ren grauſame Feſte ſind jetzt ſehr vernuͤnftig ein - geſchraͤnkt.
Portugal zaͤhlt 3. Erzbiſchoͤfe, von Braga, Liſſabon und Evora, unter welchen 11. Biſchoͤfe ſtehen. Jn St. Salvador und Goa ſind eben - falls Erzſtifter angelegt, welche ihre Suffra -gan -94Portugal. ganbiſchoͤfe in Weſt - und Oſtindien haben. Ei - ne Menge Abteyen und Kloͤſter ſind durch alle Theile des Reichs zerſtreuet, unter welchen die Abtey von Alcobaza fuͤr die fetteſte gehalten wird. Seit Kurzem prangt das Reich auch mit einem Patriarchat, welches Johann V. durch Sturm vom Roͤmiſchen Hofe erpreſſet, und mit erſtaun - lichem Aufwande zu Stande gebracht, um im Nothfall ſeinen eigenen Hauspabſt zu haben. Der Koͤnig ernennt zu den Bißthuͤmern, und aſſignirt auf ein Viertel der biſchoͤflichen Einkuͤnf - te nach ſeinem Belieben Penſionen. Der aus - ſchweiffenden Gewalt, welche ſonſt der allgemei - ne Vater der Roͤmiſchen Kirche hier auszuuͤben gewohnt war, iſt von eben dem Johann V. ein Ziel geſtecket worden; doch traͤgt dieſes gehorſa - me Reich dem Pabſt noch groſſe Summen ein.
Das Roͤmiſche Recht iſt hier nebſt den Gloſſen in voͤlligem Flor. Es ſind zwar koͤnig - liche Veroednungen vorhanden, welche den Vorgang haben, doch ſo, daß wer ſich auf ein Juſtinianiſch Geſetz beruffet, die Vermuthung ſo lange vor ſich hat, bis der Gegentheil beweiſet, daß das Geſetz aufgehoben worden. Nach den Gloſſen nimmt man auch das Paͤbſtliche Recht zu Huͤlfe.
Ganz Portugal iſt in 24. Comarcas oder kleine Provinzial-Gerichte eingetheilet, welche aus 2. einheimiſchen und einem auswaͤrtigen Rich - ter (Juez da fora) beſtehen, und von einem Corregedor jaͤhrlich viſitiret werden. Von dieſen kann in wichtigen Sachen an zwey tribu - nalia da Relaçaon appelliret werden. Das eine iſt zu Porto, und wird Caza de civel ge -nennt,96Portugal. nennt, das andre befindet ſich zu Liſſabon, und heißt Caza da ſupplicaçon. Jn beyden praͤſi - diret ein Regedor da Juſticia. Ueber das gan - tze Juſtitzweſen fuͤhrt der Rath des Pallaſtes, Deſembargo do paço, welcher ſich beſtaͤndig in dem Hoflager des Koͤnigs aufhaͤlt, und aus einem Praͤſidenten und 5. Deſembargadores beſtehet, die Oberaufſicht.
Die Einkuͤnfte werden aus den herrlichen Patrimonial-Guͤtern des Hauſes Braganza, aus dem Ueberreſt der Domainen, aus den Steuern, den Zoͤllen, der Aceiſe, dem Zehenden von allem, was verkauft wird, den Ablaßzetteln und den Großmeiſterthuͤmern gezogen. Jn den Nebenlaͤndern ſind eben dieſe Abgaben einge - fuͤhrt, uͤber das iſt der Koͤnig Jntereſſent bey dem Handel mit den auswaͤrtigen Colonien, und hat das Monopolium mit Breſiltaback.
Das Conſejo da Facenda beſorgt die Ein - nahme des Reichs, unter welchem die Caza dos contos oder Rechnungskammer ſtehet. Die neu - verwilligte Abgaben hebt eine Junta, welche von den Reichsſtaͤnden geſetzet iſt. Die Zoͤlle wer - den in der Alfandega oder dem Zollhauſe geho - ben, welches in 14 Departements abgetheilet, und mit uͤberfluͤßigen Bedienten verſehen iſt. Der Ablaß wird in allen Staͤdten von einzelnen De - putirten verkauft, uͤber welche ein koͤniglicher General-Commiſſarius geſetzet iſt. Die von Jo - hann III. angeordnete Meza da ConſcienciaGet98Portugal. et ordens hat mit den Revenuͤen aus den Groß - meiſterthuͤmern zu ſchaffen. Die uͤble Einrich - tung des Cammerweſens, die uͤberhaͤufte Hof - penſionen und der unmaͤßige Aufwand in heili - gen Pallaͤſten und gar zu milden Stiftungen laſ - ſen die Schatzkammer nicht zu Kraͤften kom - men.
Die Kriegsmacht erſtreckt ſich auſſer der Landmilitz nicht auf 15000. Mann, und die ſonſt ſo anſehnliche Seemacht iſt dergeſtalt geſunken, daß anjetzt kaum 18. Kriegsſchiffe bemannet wer - den koͤnnen. Es fehlet uͤberall an Menſchen, Pferden, Officiers Jngeniers, Bezahlung, Kriegszucht und Erfahrung.
Da Portugal nach Proportion ſeiner Groͤſ - ſe fruchtbar, volkreich, treflich bequem zum Seehandel, auch mit unvergleichlichen Neben - laͤndern und einer gluͤcklichen Regierungsform ver - ſehen iſt: ſo erfordert die Wohlfahrt des Landes, dieſe Vortheile ſich recht nutzbar zu machen. Sie koͤnnen aber nutzbar werden, wenn man ſich die Verbeſſerung des Landbaues, der Manufactu - ren, des Finanzweſens und Kriegsſtaats wird angelegen ſeyn laſſen. Die Ausbreitung der Wiſſenſchaften wuͤrde ebenfalls ſehr dienlich ſeyn, um Portugal vielen unnoͤthigen Aufwand zu er - ſpahren.
G 2a) 100Portugal.Nachdem Julius Caͤſar Galliens verſchiedene Voͤlker bezwungen, bleibt dieſes Land den Roͤ - mern uͤber 400. Jahr in ziemlicher Ruhe unter - wuͤrfig, bis die Teutſche Nationen mit dem Anfange des 5ten Jahrhunderts die groſſe Wan - derungen antreten, und ihnen ein Stuͤck nach dem andern davon abzwacken.
Clodowich, Koͤnig der Franken vertilgt der Roͤmer Herrſchaft im Jahr 486., und ſtiftet dies - und jenſeit des Rheins eine Monarchie, welche ſchon in ihrem Urſprunge den Nachbaren gefaͤhrlich wird. Aber ſeine Nachkommen die Merovinger theilen, und regieren ſchlaͤfrig, dar - uͤber wird ihnen von ihren eigenen Bedienten den Maioribus domus der Scepter aus den Haͤnden geriſſen. 752.
Pippinus breuis ſchwingt ſich auf den Thron, und ſein Sohn Carl der Groſſe erobertJtalien103Frankreich. Jtalien, wird Kayſer, und breitet ſeine ſiegrei - che Waffen von dem Draw - und Sau-Fluße bis an den Ebro aus. Allein ſeine Nachfolger die Carolinger entkraͤften ſich ſelbſt durch ihre Theilungen, innerliche Kriege und elende Regie - rungen. Es entſtehen maͤchtige Reichsſtaͤnde in Frankreich, und nach Ludwigs V. Ableben 987. wird der letzte Carolinger Carl, Hertzog von Lothringen, von dem Throne ausgeſchloſſen.
Hertzog Hugo Capetus bringt die Krone auf ſein Haus. Frankreich richtet ſich nunmehr als ein von Teutſchland und Jtalien abgeſonder - tes Reich ein. Jedoch kann es wegen der Creuz - zuͤge der Capetinger und der uͤbergroſſen Gewalt ſeiner Vaſallen nicht zu Kraͤften kommen, und die aͤltere maͤnnliche Linie Philipps des Kuͤh - nen ſtirbt mit Carl dem Schoͤnen 1328. aus.
Philipp VI. aus dem Hauſe Valois ererbt den Thron. Die Engliſche Koͤnige, welche oh - nedem Gvienne und Normandie beſitzen, ma - chen darauf Anſpruch. Hieraus entſtehet eine Kette von Kriegen, welche dem Reiche ganzer 90. Jahre durch den Untergang drohen, aber ſich zuletzt unter Carl VIII. ſo gluͤcklich endigen, daß die Engellaͤnder ihre herrliche Landſchaften bis auf etwas weniges einbuͤſſen. Sein SohnG 4Lud -104Frankreich. Ludwig XI. reiſſet das Hertzogthum Burgund an ſich, ererbet Provence, und legt durch ſeine tyranniſche Regierung den Grund zur Franzoͤſi - ſchen Macht. Seine Nachkommenſchaft geht mit Carl VIII. aus. 1498.
Hierauf wird dem Hauſe Orleans die Erb - folge eroͤfnet. Ludwig XII. ſucht ſeine Anſpruͤ - che auf Mayland und Neapel auszufuͤhren, aber umſonſt. Franeiſcus I. iſt hierinnen noch un - gluͤcklicher, indem er auf beydes Verzicht zu thun genoͤthiget wird. Hingegen verknuͤpft er durch ſeine Vermaͤhlung Bretagne mit der Krone. Heinrich II. erwirbt ſich die drey Lotharingiſchen Bißthuͤmer, und den Ueberreſt der Engliſchen alten Eroberungen in der Piccardie. Seine 3. Soͤhne Frantz II. Carl IX. und Heinrich III. folgen ihm nach einander im Reiche; allein ihre ſchwache Regierung, die Herrſchſucht ihrer gott - loſen Mutter, der Uebermuth der Staͤnde und die Hugenottiſche Haͤndel ſtuͤrzen Frankreich in eine erbaͤrmliche Zerruͤttung, und Heinrich III. wird ermordet 1589.
Heinrich IV. Koͤnig von Navarra und Hertzog von Bourbon ererbt die Krone; aber mit dem Degen in der Fauſt, und mit Verluſt ſeiner Religion. Unter ihm erhohlt ſich dasReich105Frankreich. Reich gewaltig. Ludwig XIII. laͤßt ſeinen Ri - chelieu regieren, welcher die Hugenotten entwaf - net, und die Freyheit der Staͤnde zu Boden ſchlaͤ - get. Ludwig XIV. wird in ſeiner 72. jaͤhrigen durch ſeine erſchreckliche Kriege und maͤchtige Eroberungen allen ſeinen Nachbaren, hauptſaͤch - lich den Teutſchen und Spanien, fuͤrchterlich, und dringt den letztern endlich gar ſeinen Enkel zum Koͤnige auf. Sein Urenkel Ludwig XV. er - wirbt Lothringen 1735. und macht das Haus Bour - bon in ſeinen Nebenzweigen noch maͤchtiger.
Frankreichs Clima iſt, ungeachtet ſeiner Ver - ſchiedenheit, durchgaͤngig gemaͤßiget und mehren - theils ſehr geſund. Es iſt uͤber anderthalb hun - dert Meilen groß in der Laͤnge, und nicht viel ge - ringer in der Breite. Oben hat es den CanalG 5und106Frankreichund den Ocean, unten das Mittellaͤndiſche Meer zu ſeinen Grenzen. Gegen Abend ſind die Spa - nier, gegen Morgen die Niederlaͤnder, Teut - ſche, Schweitzer und Jtaliener ſeine Nachba - ren. Die Pyrenaͤiſche Gebuͤrge machen auf je - ner Seite, auf dieſer Seite aber, (jedoch nur einiger Maſſen) das Vogeſer - (der Vogelberg) und Juragebuͤrge, der Rhein und die Alpen die Scheidewand.
Seine 4. groſſe Fluͤſſe, die Seine, Loire, Garonne und Rhone ſind alle ſchiffbar. Unzaͤh - lige kleinere Stroͤme und Baͤche bewaͤſſern das Land durch und durch. Unter den verſchiedenen Gebuͤrgen ſind die von Sevennes und Auverg - ne die bekannteſte.
Das Land iſt mit dem, was man zur Noth - durft und zum Wohlleben verlanget, reichlich ge - ſegnet, ſonderlich iſt Wein, Salz, Seyde, Oel, Eiſen und Kupfer im Ueberfluß. Fiſche und Fluͤgelwerk, Schaafe, Hornvieh und Wild - pret, allerley Feld - und Gartenfruͤchte, Holz,Stein -107Frankreich. Steinkohlen, Salpeter, Marmorbruͤche und mineraliſche Brunnen ſind zureichend vorhanden.
Zinn, Bley, Pferde und Schiffbauholz ſind in Frankreich theils nicht von ſonderlicher Guͤte, theils vor die Menge der Einwohner nicht hinlaͤnglich. An Getreyde leidet es bißweilen Mangel. Sollten gleich Gold und Silbergru - ben darinnen angetroffen werden; ſo bedeuten ſie doch noch zur Zeit wenig oder nichts.
Frankreich beſteht aus 12. Provinzen und den incorporirten Laͤndern, welche ſind die Grafſchaft Roußillon, die Landgrafſchaft Elſaß, die Grafſchaft Burgund, das Herzogthum Lothringen nebſt ſei - nen drey Bißthuͤmern, Metz, Toul und Verdun, und ein groſſes Stuͤck der Catholiſchen Nieder - lande, nehmlich, die Provinz Artois, ein Theil von Flandern, von Hennegau von Namur und von Luxenburg. Alle dieſe alte und neuerwor - bene Laͤnder ſind nunmehr auf einerley militairi - ſchen Fuß geſetzt, und (Lothringen noch zur Zeit ausgenommen) in folgende 36. Gouvernements eingetheilet worden. 1) Das Gouvernement von Paris, 2) von Jsle de France, 3) von der Pic - cardie, 4) vvn Champagne, 5) von Bourgogne, 6) von Dauphine, 7) von Provence, 8) von Langvedock, 9) von Foix, 10) von Navarra, 11) von Gvienne, 12) von Saintonge und An - goumois, 13) von Aunis, 14) von Poitou, 15) von Bretagne, 16) von der Normandie, 17) von Havre de Gracc, 18) von Maine, Perche und Laval, 19) von Orleans, 20) von Nevers, 21) Bourbon, 22) von Lion, 23) Auvergne, 24) Limoiſin, 25) von Marche, 26) von Berry, 27) von Touraine, 28) von Anjou, 29) vonSau -110Frankreich. Saumur, 30) von Flandern, 31) von Duͤnkir - chen, 32) von Metz und Verdun, 33) von Toul, 34) von Elſaß, 35) von der Grafſchaft Burgund, 36) von Roußillon.
Paris die Hauptſtadt des ganzen Reichs iſt der Jnbegriff alles deſſen, was eine Land - ſtadt groß und ſehenswuͤrdig machen kann, und fuͤhret deßwegen den wohlverdienten Beynamen einer kleinen Welt. Verſailles die ordentliche Reſidenz des Franzoͤſiſchen Monarchen wird die Krone nicht nur der vielen Luſtſchloͤſſer in Frank - reich; ſondern auch aller uͤbrigen in Europa ge - nennt. St. Denys iſt das uralte Erbbegraͤbniß der Koͤnige.
Die innere Provinzen des Reichs ſind von regulaͤren Feſtungen entbloͤſſet; hergegen die Grenzen gegen Spanien, (durch Bayonne und Perpignan,) noch mehr gegen Teutſchland, (durch Briſach, Straßburg, Fort Louis, Lan - dau,) am meiſten aber gegen die Oeſterreichiſche Niederlande ſind treflich bedeckt, und die letztere mit Fortereſſen gleichſam beſaͤet. (Arras, St. Omer, Aire, Bethune, Ruͤſſel, Douay, Va - lenciennes, Condet, Maubeuge, Qvenoy, Bou - chain, Landrechies, Cambray.) Alle dieſe Grenzplaͤtze ſind nicht nur die Vormauern ſei - ner eignen Laͤnder; ſondern auch zum Theil die Schluͤſſel zu den Laͤndern ſeiner Nachbaren.
Unter der Menge der Seehaͤfen, als Duͤn - kirchen, Calais, Boulogne, Dieppe, Havre de Grace, St. Malo, Breſt, Rochelle, Ro - chefort, Bayonne, Toulon, Marſeille ſind die beyde letztere am Mittellaͤndiſchen Meer, Breſt hergegen am Ocean die vornehmſte. Hieher koͤnnen auch einiger Maaſſen die an den groſſen Fluͤſſen gelegene maͤchtige Staͤdte, Roan an der Seine, Nantes an der Loire, Bourdeaux an der Garonne gerechnet werden.
a) Von112Frankreich.Durch die Canaͤle von Briare und Orle - ans ſind die beyde ſchiffreiche Stroͤme, die Sei - ne und die Loire gluͤcklich verbunden worden. Ludwig XIV. wagte die Vereinigung der beyden Meere, des Oceans und des Mittelmeeres, und ließ deßwegen den erſtaunenswuͤrdigen Canal von Langvedock mit Koſten vieler Millionen graben; aber er konnte die Natur nicht zwingen, welche ſeinen groſſen Plan wo nicht gantz; doch mehren - theils zu Schanden gemacht.
Die Franzoſen ſind bemuͤhet geweſen, ſich auch auſſerhalb Europa auszubreiten: weil ſie aber zu ſpaͤt angefangen, ſo haben ſie ſich mit wenigerm begnuͤgen laſſen muͤſſen. Jn Aſien haben ſie einen feſten Sitz in Pontichery auf der Coromandelſchen Kuͤſte; Jn Africa eini - ge haltbare Plaͤtze an der Kuͤſte von Nigritien, ſonderlich Fort François in Juda, nebſt der Jnſul Goree und St. Louis, ferner Mascareg - ne, welche ſie Bourbon, und St. Moritz, wel - che ſie Jsle de France nennen.
Jhre Americaniſche Provinzen ſind unter den Nebenlaͤndern noch das wichtigſte. Sie beſi - tzen in dem noͤrdlichen America Neu Frankreich, welches ſie in Canada und Louiſiane abtheilen, nebſt den Jnſuln am St. Lorenz Fluß, ſonder - lich Cap Breton, und einigen im Golfo von Mexico, hauptſaͤchlich Martiniqve und einem Theile von St. Domingo. Jn dem Suͤdli -Hchen114Frankreich. chen America gehoͤrt ihnen ein Stuͤck von Gvia - na, ſie nennen es La France Equinoxiale, worinnen die Jnſul Cayenne das beſte iſt.
Die Franzoͤſiſche Sprache iſt aus der Vermiſchung der Lateiniſchen und Teutſchen mit der alten Gothiſchen erwachſen. Franz I. trug Sorge fuͤr ihre Verbeſſerung 1535., und der Car - dinal Richelieu hat 100. Jahre drauf durch die loͤbliche, obgleich aus unreinen Abſichten herruͤhrende Stiftung der Franzoͤſiſchen Aca - demie ſein Andenken verewiget. Denn ihre Bemuͤhungen ſind es, welche dieſe Sprache ſo vollkommen, und ihren Gebrauch ſo allgemein ge - macht haben, daß keine andre in Europa ſich dergleichen ruͤhmen kann.
Frankreich iſt mit einer ſolchen Menge Einwohner angefuͤllet, daß nach den einge - ſchickten Rechnungen der Jntendanten zu Ende des vorigen Jahrhunderts uͤber 19 Millionen Seelen darinnen gezaͤhlet, und die Ausweichung der vielen 1000. Hugenottiſchen Familien wenig geſpuͤret worden.
Die Gemuͤthsart der Franzoſen iſt zwar nach den Provinzen ſehr verſchieden, doch herſcht groͤßtentheils das ſangviniſch-choleriſche tem - perament. Sein hurtiger Verſtand, munte - res Weſen, Maͤſſigkeit, Treue gegen den Koͤ - nig, und Dienſtfertigkeit gegen Fremde machen ihn lobwuͤrdig und angenehm. Hergegen zei - get ſich bey dem groſſen Haufen viel Leichtſinni - ges und Flatterhaftes, groſſe Zank - und Spiel - ſucht, und eine uͤbertriebene Einbildung von den Vorzuͤgen ſein er Nation.
a) Die117Frankreich.Dieſe Nation iſt zu allen Wiſſenſchaften ge - ſchickt, und in allen geuͤbt. Jhre Gelehrte ſind unzaͤhlich, aber die gruͤndlich Gelehrte nach Proportion ziemlich einzeln. Jn der Hiſtorie haben ſie es weit gebracht, in den ſchoͤnen Wiſ - ſenſchaften weiter als anderer Voͤlker. Jn den Exercitien ſind ſie die Lehrmeiſter von Europa, in andern freyen Kuͤnſten geben ſie keiner Na - tion etwas nach.
Es hat auch die Gelehrſamkeit hier jederzeit maͤchtige und reiche Patronen gefunden, wovon die 19. Univerſitaͤten, und die verſchiedene ſo -H 3wohl118Frankreich. wohl koͤnigliche als andre gelehrte Academien zeugen. Doch geſtehen ſie ſelbſt, daß die guͤl - dene Zeit der Wiſſenſchaften mit Ludwig XIV. verſchwunden.
Die vornehmſte Manufacturen hat Frank - reich erſt ſeit dem Anfange des 17ten Jahrhun -derts119Frankreich. derts erlernet. Unter Colberts Miniſterio er - reichten ſie ihre voͤllige Bluͤthe. Sie ſind ſeit dem gefallen, haben ſich aber ſehr wieder erhohlt. Es iſt keine Art von Materialien, die der Fran - zoſe haben kann, welche er nicht verarbeitet. An Menge der Handwerksleute thun ſie es den uͤbrigen Europaͤern zuvor, und ihr Witz hat das Kunſtſtuͤck erfunden, ihre neue Moden uͤberall beliebt zu machen.
Der Franzoͤſiſche Handel erſtrecket ſich in alle Theile der Welt. Der Europaͤiſche zu Lan - de geht von Nimes und Lion uͤber die Schweitz nach Teutſchland und Jtalien, von Straßburg uͤber Frankfurt am Mayn nach den uͤbrigen Teutſchen Provinzen, durch die Niederlande und uͤber Ruͤſſel nach Holland, von Perpignan und Bayonne nach Spanien. Die Seehaͤfen am Canal und dem Ocean werden von allen Europaͤiſchen Nationen, die an der Nord - und Oſtſee wohnen, ſehr haͤufig beſucht. Marſeille aber iſt der Sammelplatz des ganzen Handels am Mittellaͤndiſchen Meer. Mit allen einzelnen Nationen in Europa handelt Frankreich ſo, daß der Profit auf ſeiner Seiten iſt. Doch finden ſich unendlich mehr Franzoͤſiſche Schiffe in dem Mittelmeer, als in der Nord - und Oſt - ſee. Die Aufhebung des Edicts von Nantes hat, wie den Manufacturen alſo auch dem Com - mercio mit den Nordlichen Nachbaren einen empfindlichen Stoß beygebracht.
Auſſer Europa haben die Franzoſen ein ſchoͤnes Conmmercium 1) nach der ganzen Le -H 5vante122Frankreich. vante, beſonders nach Conſtantinovel, Smirna und Aleppo; 2) nach Africa an der Kuͤſte von Gvinea, wo ſie Gold, Helfenbein, Neares Leder, Wachs, Gummi hohlen; 3) nach Oſt - indien und dem Golfo von Bengala; 4) nach America ſowohl in ihren eigenen Laͤndern, als auch uͤber Cadix in den Spaniſchen Provin - zen.
Seit dem Tode Heinrich IV. und dem Mi - niſterio des Cardinals Richelien fing man an Handlungsgeſellſchaften zu errichten, Colbert machte ſolche anſehnlich, und unterſtuͤtzte ſie mit etlichen Millionen koͤniglicher Gelder; aber man kuͤnſtelte zu viel daran, und die unzeitige Kriege unterbrachen immer den Fortgang. Die Com - pagnie von Mißißippi verſchlung zwar alle vori - ge 1719., und ſollte Frankreichs Goldquelle wer -den,123Frankreich. den, allein ſie nahm 1721. ein ſchreckliches Ende. Doch wurde aus ihrer Aſche eine neue Handlungs - compagnie gebohren 1722. Dieſe iſt aus den kleinen Oſtindiſchen und Africaniſchen zuſammen geſchmolzen, und hat ihren Sitz in dem Seehafen Orient aufgerichtet.
Man rechnet in Frankreich nach Deniers, Sous und Livres. 12. Deniers, machen 1. Sou, 20. Sous 1. Livre, das iſt noch jetzigerWeh -124Frankreich. Wehrung 6. ggr. Die gemeinſte grobe Geld - ſorten ſind Ecus de 3. und de 6. livres, die Goldmuͤnzen Louis d’or und halbe Louis d’or. Es ſind 30. Muͤnzſtaͤdte, deren jede ihr beſon - deres Zeichen hat, und 2. Muͤnzgerichte, oder Cours de monnoyes, eines zu Paris ſeit 1551. und eines zu Lion ſeit 1704. Die oͤftere Muͤnz - veraͤnderungen haben viel Unheil angerichtet.
Es fehlet dem Franzoͤſiſchen Staat nicht an geſchriebenen Reichsgrundgeſetzen. Lex Sali - ca iſt in dem Succeſſionsſtreite zwiſchen dem Hauſe Valois und den Engliſchen Koͤnigen da - fuͤr erkannt worden. Carls V. Edict von 1374. in Anſehung der Volljaͤhrigkeit des Kronerben, Carls VI. Edict von 1404. wegen der Kroͤnung nebſt einer Menge anderer ſind hieher zu rech -nen.125Frankreich. nen. Allein die heutige Franzoͤſiſche Publiciſten halten vor gefaͤhrlich, viel mehrere als guͤltig zu behaupten, weil die neuere Praxis ſattſam er - haͤrtet, daß die Kraft der Reichsgeſetze in dem Willkuͤhr der Koͤnige, wenigſtens ſo lange ſie am Leben ſind, beruhet.
Ludwig VI. der Urenkel ſeines Vorgaͤngers iſt 1710. gebohren, wird 1715. Koͤnig, und 1723. muͤndig, heyrathet 1725. Mariam Cathari nam, eine Tochter des Koͤnigs von Polen Stanislai Leszynski, mit welcher er nebſt verſchiedenen Prinzeſſinnen auch einen Prinzen Ludwig er - zielt. Dieſer vermaͤhlet ſich 1745. mit der Spa - niſchen Prinzeſſinn Maria Thereſia, und nach deren 1746. erfolgtem Abſterben mit der Koͤnig - lich Polniſchen und Chur-Saͤchſiſchen Prin - zeſſinn Maria Joſepha 1747. Ludwigs XV. aͤlte - ſte Prinzeſſinn Louiſe Eliſabeth iſt ſeit 1739. eine Gemahlinn des Spaniſchen Jnfanten Don Philipps.
a) Cha -126Frankreich.Der aͤlteſte Sohn des regierenden Koͤnigs wird ſeit 1349. Dauphin genannt, die andre Soͤhne ſchreiben ſich alle Fils de France, und werden durch beſondere Titul unterſchieden, als: Herzog von Orleans, Anjou, Berry, welche Titul bey ihrer maͤnnlichen Nachkommenſchaft beſtaͤndig bleiben. Die Toͤchter heißen Mesda - mes de France. Auſſer dem regierenden koͤnig - lichen Stamme ſind das Haus Orleans und die beyde Bourbonniſche Aeſte, Conde und Conti als Prinzen vom Gebluͤte zu merken, welche auch als ſolche unterſchiedliche Vorzuͤge genieſſen.
Der Koͤnig titulirt ſich Ludwig der XV. von Gottes Gnaden Koͤnig von Frankreichund127Frankreich. und Navarra. Jn den Edicten an einige Pro - vinzen werden noch beſondere Titul hinzugefuͤgt. Seine Unterthanen nennen ihn in der zweyten Perſon Sire, andre freye Staaten heiſſen ihn Seine Allerchriſtlichſte Majeſtaͤt, der Pabſt giebt ihm den Titul erſtgebohrner Sohn der Kirche.
Das Koͤnigliche Wappen beſteht aus zwey zuſammen geſchobenen Schilden, wovon das er - ſte drey guͤldene Lilien 2. 1. im blauen Felde we - gen Frankreich, das andere eine guͤldene Stan - genkette im rothen Felde wegen Navarra fuͤhret. Unter den verſchiedenen Nebenſtuͤcken dieſes Wappens iſt das Band mit dem Feldgeſchrey: Mont joye S. Denys und das Auriflammeum beſonders anzumerken.
a) Ob128Frankreich.Die Einrichtung des koͤniglichen Hofſtaats iſt eben ſo ordentlich als praͤchtig. Der erſte Geiſtliche Hofbediente iſt der Grand Aumo - nier, welcher die Aufſicht uͤber die ganze Hof - geiſtlichkeit hat, und zugleich Commendeur vom Orden des Heiligen Geiſtes iſt. Der er - ſte weltliche Hofbediente iſt der Ober-Hof - meiſter, welcher uͤber die 7. Hofaͤmter, nehm - lich 1) uͤber das Mundſchenkenamt, 2) das Mundkuͤchenamt, 3) die Hofbeckerey, 4) das Hofſchenkenamt, 5) das Hofkuͤchenamt, 6) die Obſtkammer und 7) das Holzſtallamt geſetzet iſt. Unter dem Ober-Cammerherrn ſtehn die 4. Ober-Cammerjunker und 26. andre Cammer -jun -129Frankreich. junker. Der Ober-Garderobenmeiſter hat etli - che 30. Garderobenbediente unter ſich. Die Ge - ſundheitsbediente beſtehn aus 10. Aerzten, 10. Wundaͤrzten und etlichen Avotheckern. Der Ober-Baudirector, der Ober-Hofquartiermei - ſter, Ober-Stallmeiſter, Ober-Jaͤgermeiſter, Ober-Falkenier, Ober-Ceremonienmeiſter und die beyde Introducteurs des Ambaſſadeurs ſind gleichfalls vornehme Hofbeamte, und ha - ben groͤßtentheils uͤber eine Menge Unterbedien - te zu befehlen.
Das Franzoͤſiſche Hof-Ceremoniel iſt in allen Stuͤcken ſehr kuͤnſtlich abgemeſſen, und dem Glanz der Krone gemaͤß: jedoch weder ſo erhaben in Anſehung der Unterthanen, noch ſo gezwun - gen in Anſehung des Koͤniges, als an verſchie - denen andern Hoͤfen. Bey dem taͤglichen Ce - remoniel iſt le petit et le grand lever ſowohl als coucher des Koͤniges etwas beſonders. Die jaͤhrliche Solennitaͤten ſind ziemlich haͤufig. Bey den auſſerordentlichen Feyerlichkeiten zeigt ſich die Pracht am groͤßten.
Frankreich hat drey weltliche und einen geiſtlichen Ritterorden. Der Orden von St. Michael wurde von Ludwig XI. 1469. geſtiftet, und von Ludwig XIV. 1665. erneuert. Er be - ſtehet aus 100. Rittern von altem Adel, die welt - liche Ritter des Ordens vom heiligen Geiſte un - gerechnet. Dieſen letztern errichtete Heinrich III. 1578. Die Zahl der Ritter iſt 100. worun - ter 9. Geiſtliche ſind. Sie muͤſſen alle Roͤmiſch - catholiſch ſeyn, und, wenige ausgenommen, ihre 3. Geſchlechter, das iſt, 16. Ahnen erweiſen. Seit Ludwig XIV. ſind die weltliche Ritter die - ſes Ordens zugleich Ritter von S. Michael. Ludwig XIV. ſtiftete 1693. den Kriegsorden des heiligen Ludwigs. Dieſer beſteht aus 8. Groß -creuzen131Frankreich. creuzen, 24. Compthern, und 2-3000. Rittern Paͤbſtlicher Religion. Der Koͤnig iſt Großmei - ſter von allen drey Orden. Alle drey haben ihr beſonderes Ordenszeichen, die erſten beyde auch beſondere Ordensketten, der letzte nur ein Or - densband. Die Großereuze und Comthers von S. Ludwig genieſſen auch Beſoldungen. Der Orden des heiligen Lazari iſt geiſtlich, entſtand in den Creuzzuͤgen, und ſetzte ſich 1137. in Frank - reich. Heinrich IV. ſtiftete den Orden unſrer lieben Frauen vom Berge Carmel, und verei - nigte ſolchen mit dem Lazarusorden. Die Ritter davon tragen weltlichen Habit, und koͤnnen hey - rathen, den Großmeiſter ſetzt der Koͤnig.
Die Franzoͤſiſche Monarchie iſt erblich, doch ſo, daß die Erbfolge nicht auf den Spinn - rocken faͤllt, und die naͤhere Linie dem naͤhernJ 2Gra -132Frankreich. Grade vorgeht. Die natuͤrlichen Soͤhne ſind ſo unfaͤhig zur Succeßion, daß ſelbſt der Koͤnig - liche Machtſpruch an ihnen unkraͤftig iſt. Die Verzicht eines Prinzen vom Gebluͤte auf die Thronfolge hebt ſein und ſeiner Descendenten Succeßionsrecht voͤllig auf. Uebrigens muß ein Koͤnig der Roͤmiſchcatholiſchen Religion zu - gethan ſeyn.
Die Majorennitaͤt der Koͤnige faͤngt ſich mit dem erſten Tage ihres 14ten Jahres an. Nachdem Reichsherkommen dependiret die Re - gent - und Vormundſchafft von der Verordnung des vorigen Koͤnigs, obgleich ſolches nach Lud - wig XIV. Tode nicht beobachtet worden. Jſtkeine133Frankreich. keine Verordnung da, ſo faͤllt ſie den nechſten Agnaten zu. Waͤhrender Regentſchaft wird al - les im Namen des Koͤnigs expediret.
Die Kroͤnung iſt ſeit dem andern Stam - me der Koͤnige gewoͤhnlich, aber nicht nothwen - dig. Sie wird ordentlich zu Rheims mit vielen Feyerlichkeiten vorgenommen, und kann auch in der Minderjaͤhrigkeit des Koͤnigs vollzogen werden.
Der Koͤnig genieſſet das heilige Abend - mahl unter beyderley Geſtalt, weil ſeine Sal - bung der prieſterlichen gleich gehalten wird. Er beruͤhret auch an gewiſſen Tagen die Kranke, und heilet insbeſondere die Kroͤpfe, welche Kraft der heilige Marculph dem heiligen Ludwig zu - erſt mitgetheilet hat.
Das Reich iſt untheilbar. Alle unmittel - bare Lehnguͤter, die dem Thronfolger ſowohl vor Erlangung der Krone gehoͤren, als nach Erlan - gung derſelben zufallen, muͤſſen dem Reiche ein - verleibet werden.
Die unumſchraͤnkte Regierung der neu - ern Koͤnige iſt von Ludwig XI. gegruͤndet, und von dem Cardinal Richelieu befeſtiget worden. Ehemals hatten die Franzoͤſiſche Staͤnde groſſen Theil an der Regierung. Jhre Verſamlungen nennte man ſchon unter dem erſten Stamme das Parlament. Es beſtand ans der Geiſtlichkeit und dem Adel. Philipp der Schoͤne fuͤgte den Buͤrgerſtand (Le Tiers Etât) 1300 hinzu, und errichtete aus dem Ausſchuß der Staͤnde eine be - ſtaͤndige Verſammlung zu Paris. Dieſes behielte den Namen Parlament bey, und ſeit dem wur - den die allgemeine Verſammlungen der Reichs - ſtaͤnde (Aſſemblées des Etâts Generaux) da - von unterſchieden; aber ſie wurden auch zugleich ſeltener, und ſeit 1614. haben ſie gar aufgehoͤ - ret Das Parlament zu Paris ſtellte demnach Anfangs den Reichstag vor, und ſeine Macht und Vorrechte waren auſſerordentlich groß. Nach und nach miſchten ſich die Koͤnige in die Wahl der Parlamentsherren, bald darauf ei - gneten ſie ſich die Ernennung ſchlechterdings zu. Seit dem iſt dieſes Parlament, aller ſeiner viel - faͤltigen Widerſpaͤnſtigkeit ungeachtet, in Staatsſachen dem Willen des Koͤniges voͤllig un - terworfen, und in ein Juſtitzcollegium verwan - delt worden.
J 4a) De136Frankreich.Jn Frankreich giebt es 4. Stuffen des A - dels. 1) Die Prinzen vom Gebluͤte, denen die legitimirte Soͤhne der Koͤnige unmittelbar nach - gehen, 2) der hohe Adel, unter welchem die Ducs und Comtes Pairs die erſte ſind, 3) der gemeine, ſowohl Stamm-als Geburtsadel, 4) der neue Adel, welcher entweder durch einen A - delsbrief oder durch Ernennung zu einer adeli - chen Bedienung gegeben wird, und im letztern Falle bißweilen nur perſoͤnlich iſt, wohin auch der Glockenadel gehoͤret.
Der Staatsrath iſt das hoͤchſte Reichs - collegium, welches aus dem Canzler und den Staatsminiſtern beſteht. Dieſem iſt das Con - ſeil des depeches beyzufuͤgen, worinnen von den 4. Staatsſecretaͤren, 1) der auslaͤndiſchen Affairen, 2) der Hof - See - und Handelsſa - chen, 3) der Kirchenſachen, 4) der Kriegs - affairen, die in eines jeden Abtheilung laufen - de Angelegenheiten referiret und expediret wer - den. Jn beyden Conſiliis iſt der Koͤnig ſelbſt gegenwaͤrtig.
Der Franzoſe verbindet die Vernunft mit ſeiner Religion, und dieſes ſo weit, daß er ſich auch eher zu Ausſchweifungen in der Freygeiſte - rey, als zu der entgegen geſetzten Schwachheit des Aberglaubens neiget. Er weiß den Wehrt der Gewiſſensfreyheit zu ſchaͤtzen, und hat ſich gegen das Glaubensjoch laͤnger als gegen das Staatsjoch vertheidiget, wovon die Albigen - ſer, die Hugenotten und noch neulich die Jan - ſeniſten oder vielmehr Quesnellianer ein eben ſo denk - als bedauernswuͤrdiges Beyſpiel ab - geben.
Die ganze Geiſtlichkeit beſteht aus 18. Erzbißthuͤmern, welche aber nur 16. Kirchenpro - vinzen ausmachen, und aus 109. Suffragan - bißthuͤmern, welche ihre Archidiaconate, De - canate und Kirchſpiele unter ſich haben. Ueber - das zaͤhlet man faſt 750. maͤnnliche und uͤber200.139Frankreich. 200. weibliche Abteyen, nebſt 14. 077. Kloͤſtern von allerley Orden. Dieſes alles zuſammen ſoll uͤber 190.000. Perſonen geiſtlichen Standes be - tragen. Jn America iſt ein unmittelbares Biß - thum zu Quebeck.
Jn den mittlern Zeiten wurde Frankreich von den Paͤbſtlichen Annatis, gratiis exſpe - ctatiuis und reſeruatis ſehr vexiret. Carl VII. half140Frankreich. half ſich durch eine weiſe Sanctionem pragma - ticam geſchloſſen zu Bourges und beſtaͤtiget von dem Concilio zu Baſel, 1438. Nach vielen li - ſtigen Bemuͤhungen der Paͤbſte riß ſich endlich Leo X. dieſen Dorn aus dem Fuſſe, und richtete 1515. mit Frantz I. zu Bologna das beruͤhmte Con - cordat auf, Kraft deſſen der Koͤnig die Ernen - nung zu den Stiftern bekam, der Pabſt aber ſich die Beſtaͤtigung vor eine gewiſſe Summe Gel - des oder Taxe ausdung, und ſolche auch, ob - wohl mit groſſem Widerſpruch des Parlaments, durchſetzte. Der Pabſt hat auch in den meiſten Stiftern 6-8. menſes. Der Koͤnig exercirt das ius primariarum precum, und genieſſet das eintraͤgliche Regale, das iſt, er hebt die Ein - kuͤnfte, und vergiebt die Pfruͤnden der erledigten Stifter. Den Gerichtsſtand der Erz - und Bi - ſchoͤfe in Criminalſachen macht das Parlament zu Paris dem Pabſte ſtreitig.
Die weltbekannte Freyheit der Gallica - niſchen oder Franzoͤſiſchen Kirche iſt nicht als ein Privilegium anzuſehen; ſondern als ein Ueberreſt desjenigen Rechts, welches allen chriſt - lichen Kirchen vor errichtetem Pabſtthum gemein war. Sie gruͤndet ſich auf 2. Hauptſaͤtze, 1) daß der Pabſt in weltlichen Sachen gar nichts, 2) in geiſtlichen Sachen aber gegen die in Frank - reich angenommene Concilia nichts befehlen koͤn - ne. Hieruͤber iſt vieles gefochten worden, die ganze Franzoͤſiſche Geiſtlichkeit ſetzte ſolche 1682. nebſt ihren Folgerungen mit Einwilligung des Koͤnigs aufs neue feſt: aber der ungluͤckliche Krieg uͤber die Conſtitutionem: Vnigenitus hat dieſe ſtreitbare Heldinn faſt gaͤnzlich entwaf - net, weil die weltliche Hand ſie zum geiſtlichen Gehorſam gezwungen.
Frankreich hat nicht einerley Geſetze. Die koͤnigliche Ordonnances und Declarations welche im Codice Ludouiciano geſammlet worden, haben zwar ſowohl in geiſtlichen, als weltlichen Sachen eine allgemeine Verbindlich - keit; allein uͤbrigens iſt in einigen Provinzen das Roͤmiſche Recht angenommen, in andern aber nicht. Daher kommt die Eintheilung in Pays de droit écrit und pays coûtumiers. Das Jus Canonicum gilt ebenfalls, doch unter ver - ſchiedenen Einſchraͤnkungen. Den buͤrgerlichen und peinlicheu Proceß hat Ludwig XIV. 1666. umgeſchmolzen, und durchgaͤngig auf einerley Fuß ſtellen laſſen.
Die kleine koͤnigliche und adeliche Gerich - te (Prevôtés, Mairies, Iudicatures, Cha - tellenies etc.) ſtehen unter den Amtsgerichten, (Préſidiaux, Senechauſſées, Bailliages,) von dieſen wird in wichtigern Faͤllen an die Land - gerichte appellirt. Dieſer ſind 14. an der Zahl, 12. Parlaments und 2. Conſeils Superieurs, deren kein einiges von dem andern abhaͤngt; ſondern alle in der letzten Jnſtanz ſprechen. Der Canz - ler iſt das Haupt der Gerechtigkeit, und praͤſidi - ret zugleich in allen koͤniglichen Conſeils. Er dirigiret die groſſe Canzeley, worinnen alle koͤ - nigliche Reſcripte, Verordnungen, Beſtallungs - Patente, kurz alle Schriften in den hoͤchſten Reichsſachen durch 300. Secretaͤre ausgefertiget werden. Bißweilen wird ihm ein Groß-Sie - gelbewahrer zur Seiten geſetzt.
Die Einkuͤnfte der Koͤnige waren in den vorigen Zeiten kaum mittelmaßig. Denn zu neuen Abgaben war die Einwilligung der Staͤn - de noͤthig. Dieſe ſchuͤttelte ſich Ludwig XI. zu - erſt vom Halſe. Seit dem iſt Frankreich von einem ganzen Strom neuer Auflagen uͤber - ſchwemmet worden. Die heutige ordentliche Einkuͤnfte werden gehoben 1) aus den Domai - nen, welche theils in Guͤtern, theils in unzaͤh - ligen nutzbaren Regalien, als Droit de Rega - le, d’ Amortiſſement, Francs fiefs, nou - veaux Acquêts, Ban et Arriere Ban, Au - baines, Batârdiſe und andern parties caſu - elles beſtehen; 2) aus den Zoͤllen, (Droits d’ entrée et de ſortie, de Foraine, etc.) 3) aus der ſtarken Acciſe, hauptſaͤchlich auf Wein, (Aides) wohin auch die cinq groſſes fermes nebſt der Verpachtung des Tabacks und das Stempelvapier zu rechnen, 4) aus der Salz - ſteuer, und zum Theil dem Salz-Monopolio, (Gabelles) 5) aus den Vermoͤgenſteuern (Tail - les) 6) aus dem Verkauf der Civil-Bedienun - gen, 7) aus den Decimes und dem Don gra - tuit der Geiſtlichkeit. Die auſſerordentliche Auflagen ſind der Taillon, Vſtenſile, Etappes, die Kopfſteuer, (Capitation) die Aufrichtung neuer Bedienungen, die Umpraͤgung und Er - hoͤhung der Muͤnze, der Zehende aller Einkuͤnfte, (Dixième) und ſo viele andre, als dem Koͤnigezu145Frankreich. zu fordern gefaͤllt. Doch ſind ſie nur in Krie - geszeiten und Nothfaͤllen gebraͤuchlich.
Die Einrichtung das Finanzweſens hat bißher noch nicht auf einerley Fuß im ganzen Reiche geſetzt werden koͤnnen. Jedoch iſt (auſ - ſer einigen neueroberten Laͤndern) alles in 26. KGene -146Frankreich. Generalitaͤten eingetheilet, und einer jeden ein Jntendant vorgeſetzt, der viele willkuͤhrliche Macht ausuͤbet. 20. Generalitaͤten ſind Pays d’ Election, 6. ſind Pays d’Etâts. Jedes Pays d’Election hat ſein Bureau des Tréſo - riers de France und 2. Receveurs Generaux, durch welche alle unverpachtete Einkuͤnfte geho - ben werden. Die andere Revenuͤen werden an die Pachter und Bureaux der Pachter ge - liefert. Die kleinere Eintheilung aller Genera - litaͤten iſt nach Paroiſſes und Feux. Ferner ſind 10. Chambres des comptes zu Berechnung der Einkuͤnfte, und 8. Cours des Aides zu Schlichtung der Proceſſe angelegt. Die Geiſt - lichkeit iſt in Anſehung der Zehenden und des freywilligen Beytrages in 17. Generalitaͤten o - der Recettes provinciales eingetheilet. Die geiſtliche Finanzproceſſe aber werden von 9. Chambres Eccleſiaſtiques entſchieden, deren Untergerichte die Bureaux dioceſains ſind. Das allgemeine Oberhaupt des Finanzweſens aber iſt der Controlleur General, an welchen auch der Receveur General du Clergé ange - wieſen iſt.
Dieſe Anſtalten hat Frankreich ſeinen groſ - ſen Financiers zu danken, von denen alle an - dre in Europa das Handwerk gelernet. Es ſind nun zwar hiedurch die Einkuͤnfte des Koͤni - ges biß auf 180. Millionen getrieben worden; allein 1) ſind die Erfindungen, Geld zu erpreſ - ſen, in Kriegeszeiten ſo ausſchweifend gehaͤufet worden, daß das uͤberladene Volk unter dieſer Laſt mehr als einmal faſt erdruckt, und von den unzaͤhligen Maltôtiers biß aufs Blut ausgeſo - gen worden, 2) haben dem ungeachtet die un - nuͤtze Kriege das Reich oͤfters in ſolche uner - ſchwingliche Koſten geſtecket, daß die Krone in jetzigem Jahrhundert uͤber 1900 Millionen ſchul - dig geweſen, welche zu tilgen kaum das aller - deſperateſte Mittel hinlaͤnglich geweſen.
K 2a) 148Frankreich.Wenn man die Menge der Einwohner die - ſes weitlaͤuftigen Reichs und ihre Neigung zum Kriege bedenkt; ſo iſt leicht zu begreifen, woher ſie ſo ungeheure Kriegsheere ins Feld ſtellen koͤnnen, daß man ſolche im Spaniſchen Suc - ceßionskriege auf 400.000. Mann geſchaͤtzet. Doch betraͤgt ſie in Friedenszeiten kaum die Helf - te. Sie haben verſchiedene Regimenter von Aus - laͤndern und eine ganze Armee Schweitzer in Dienſten. Jhre Cavallerie uͤbertrift unſtreitigdie149Frankreich. die Jnfanterie. Die Haustruppen betragen auf 10.000. Mann theils zu Pferde, theils zu Fuß. Jhr Artillerie - und Jngenieurs-Corps thut es allen andern in Europa zuvor. Die ganze Verfaſſung ihres Militaͤrweſens hat lan - ge Zeit den uͤbrigen Nationen zum Muſter ge - dienet. Seit Unterdruͤckung der Connetablen - Stelle ſind die Marechaux de France die er - ſte Kriegsbediente, denen zuweilen ein Mare - chal General vorgeſetzet wird. Das Hôtel Royal des Invalides, die haͤufige Gouverne - ments und Commendantenplaͤtze, die Ritteror - den und Penſionen ſind bey ihnen groſſe Auf - munterungen, gut zu fechten.
Die Franzoͤſiſche Seemacht iſt weder ſo alt noch ſo ſtark, als die Landmacht. Hein - rich IV. dachte darauf, Richelieu arbeitete dar - an, Ludwig XIV. ruhete nicht, biß er durch Liſt und Geld ſie groß gemacht hatte. Aber er er - lebte noch ihren Verfall, und ſie iſt anjetzt nicht halb ſo ſtark, als ſie ſonſt geweſen. Die Kriegsſchiffe werden theils am Ocean in Breſt Rochefort, Port Louis und Havre de Gra - ce, theils an der Mittellaͤndiſchen See in Tou - lon, die 30. Galeeren aber in Marſeille verwahrt. Der Koͤnig beſoldet auf 100.000. Mann, die zur Marine gehoͤren Der Admiral von Frank - reich und der General der Galeeren ſind die vor - nehmſte Seeofficiers. Unter dem erſtern ſtehen die 2. Viceadmirals, etliche General-Lieutenants und Commandeurs der Eſcadern, nebſt mehr als 40. Admiralitaͤtsgerichten. Es ſind auch 3. Compagnien Gardes de la marine als die Pflanzſchule von Seeofficiers errichtet.
a) Frank -151Frankreich.Frankreichs Staatsverfaſſung iſt ſo vortheil - haft eingerichtet, daß ein kluger Koͤnig durch nichts aufgehalten wird, das Gluͤck ſeiner Na - tion auf den hoͤchſten Gipfel zu bringen, und nur einer maͤßigen Sorgfalt noͤthig hat, um das Gebaͤude der unumſchraͤnkten Gewalt in gutem Stande zu erhalten, welches aufzufuͤhren ſeinen Vorgaͤngern ſo viel Kunſt und ſo groſſe Muͤhe gekoſtet. Es iſt gewiß, daß Frankreich bluͤhet; aber es iſt auch unſtreitig, daß ſein WachsthumK 4noch152Frankreich. noch weit hoͤher getrieben werden kann, wenn es den Fleiß ſeiner Unterthanen liebreich zu er - muntern, dem Seeweſen aufzuhelfen und die auswaͤrtigen Colonien zu vermehren weiß. Eine Milderung der Abgaben und die Ver - meidung unnoͤthiger Kriege wuͤrden hiebey groſſe Dienſte leiſten.
Die alte Britten fechten lange, ehe ſie ſich das Joch der Roͤmer auflegen laſſen, wel - che doch endlich im Jahr 426. von freyen Stuͤ - cken den Angel-Sachſen Platz machen. Die - ſe werden von den Daͤnen verdrungen, und kaum ſind ſie wieder auf dem Thron, ſo muͤſſen ſie den Normaͤnnern weichen 1066.
Denn Wilhelm der Conqverant ihr Her - zog erobert Engelland, wodurch dieſes Reich ei - nen ſchoͤnen Zuwachs jenſeit des Meeres erhaͤlt. Nach ſeinem und ſeiner beyden Soͤhne Abſter - ben ſtreiten ſich ſeine Nachkommen von weibli - cher Seite um den Scepter.
Unter dleſen hat endlich Heinrich II. bey - genannt Plantageneta das Gluͤck, die Krone auf ſein Haus zu bringen 1154. Er wird durch Erb - folge Graf von Anjou, Maine und Touraine,durch155Gros-Britannien. durch Heyrath Herzog von Gvienne, wozu auch Poitou, Xaintonge und Gaſeogne gehoͤrte, und durch ſeine Siege Herr von Jrrland. Sein Urenkel Eduard I. incorporirt Wallis dem Rei - che. Eduard III. erlangt einen Anſpruch auf Frankreich, und die Engellaͤnder verfechten ſolchen mit ſo auſſerordentlichem Fortgange, daß ſeine Nachfolger davon Meiſter geworden waͤren, wenn nicht die innerliche Kriege zwiſchen der rothen und weiſſen Roſe Engelland zu einem Schauplatz von Mordſpielen gemacht, und da - durch den Verluſt nicht nur faſt aller Eroberun - gen; ſondern auch der eigenthuͤmlichen Provin - zen in Frankreich nachgezogen haͤtten.
Heinrich VII. ein Tudor gewinnet das Reich, 1485. und bringt es durch ſeine Vermaͤhlung und Klugheit zur Ruhe. Allein Heinrich VIII. re - giert und lebt wunderlich, und Maria reformirt grauſam. Endlich kehret Eliſabeth den alten Sauerteig aus, und wird das Gluͤck und Ver - gnuͤgen ihres Volks, ſtirbt aber unvermaͤhlt 1603.
Nunmehr kommt Engelland und Schott - land unter ein Haupt, und erhaͤlt den gemein -ſchaftlichen156Gros-Britannien. ſchaftlichen Namen Groß-Britannien. Das Stuartiſche Haus erbet Eliſabeths Reich, aber nicht ihre Weißheit. Daruͤber verliehrt Jacob I. ſein Anſehen, Carl I. den Kopf, Carl II. die Liebe der Nation, und der Papiſtiſche Jacob II. 1688. das Reich. Wilhelm III. Prinz von Oranien wird nebſt ſeiner Gemahlinn Maria auf den verlaſſenen Thron erhoben. Seine Nachfolgerinn Anna hat das Gluͤck, Engelland mit Schottland zu vereinigen, und Frankreich zu demuͤthigen; aber auch das Ungluͤck, ihren Ruhm und ihre zahlreiche Nachkommenſchaft zu uͤberleben.
Das Churhaus Braunſchweig-Luͤne - burg erhaͤlt die Krone, und beyde George re - gieren mit groſſem Anſehen, befoͤrdern die Gluͤck - ſeeligkeit ihres Volks, und werden Schutzengel von Europa.
Groß-Britannien iſt die groͤßte Jnſul in Europa. Die Nordſee, der Canal, das Jrr -laͤndiſche157Gros-Britannien. laͤndiſche und Schottiſche oder Deucaledoniſche Meer machen ihre Grenzen, und ſondern ſie von den Niederlanden, Frankreich und Jrrland ab. Engelland und Schottland hengen durch die Cheviotiſche Gebuͤrge zuſammen, und werden durch die Fluͤſſe, den Tweed, Esk und Sol - vay von einander geſchieden.
Engellands Clima wird durch die Seeluft feucht erhalten. Winter und Sommer ſind beyde gleich ſehr gemaͤßiget. Schottland iſt ſchon kaͤlter und trockener. Engelland iſt groͤßtentheils eben, Schottland hergegen weit mehr gebuͤrgig als platt. Beyde Laͤnder ſind vortreflich durch - waͤſſert: unter den groſſen Stroͤmen ſind die Themſe, die Severne und der Humber in En - gelland; der Tay, Forth und Clyde in Schott - land die vornehmſte.
Engellands Fluͤſſe und Kuͤſten ſind unge - mein fiſchreich. Der gluͤckſelige Boden bringt alles, was man von einem ſo temperirten Lan - de erwarten kann, nicht nur reichlich; ſondern auch fuͤrtrefflich hervor. Getreyde, Garten - fruͤchte und Viehweide ſind im hoͤchſten Ueber -fluſſe.158Gros-Britannien. fluſſe. Jhre Pferde werden den beſten in Eu - ropa gleichgeſchaͤtzt, und ihre Millionen Schaa - fe tragen eine guͤldene Wolle. An Flachs, Hanf und Holz ſpuͤret man nur deßwegen eini - gen Mangel, weil man den Boden auf andere Art beſſer zu nutzen weiß. Salz iſt nicht zurei - chend vorhanden. Schottland iſt hauptſaͤchlich an Fiſchen, Haber, Weitzen, Flachs und Hanf geſegnet; doch iſt das Land nicht von der Guͤ - te, noch ſo fleißig angebauet, als Engelland.
Die Engliſche und Schottiſche Berge ge - ben allerhand Marmor, Alaun, Chryſtal, Vi - triol, Steinkohlen, Zinn, Bley, Kupfer und etwas Eiſen. Sonderlich hat Engelland einen vorzuͤglichen Schatz an den Zinnbergwerken in Cornwall, und Schottland iſt an Steinkohlen unerſchoͤpflich.
Engelland beſtehet aus 7. Provinzen und dem Fuͤrſtenthum Wallis. Die erſtere ſind in 40. Schiren oder Grafſchaften, wozu auch die umliegende Jnſuln gerechnet werden, ein - getheilet. Wallis iſt aus 12. Schiren zuſammen geſetzt. Jn beyden iſt jeder Hufen Landes, ſeit vielen 100. Jahren ausgemeſſen. Schott - land zerlegt ſich in das Suͤdliche und Nordliche Theil, und in die Schottiſche Jnſuln, die letz - tere werden in die Weſtliche, Orcadiſche, Schett - laͤndiſche und Ferroiſche abgetheilet, und zaͤhlet man ihrer uͤber 150. London iſt als der Sitz des Reichs, der Mittelpunct des Engliſchen Handels und die volkreicheſte Stadt in Europa merkwuͤrdig.
Groß-Britannien hat keine ſonderliche Landfeſtungen, wozu wuͤrden ſie auch dienen? Es ſorget nur, ſeine Thuͤre, die Seekuͤſten, verſchloſſen zu halten. Dieſes erlangt es durch die Feſtungswerke ſeiner Haͤfen, welche es ingroſſer160Gros-Britannien. groſſer Menge hat. Die vornehmſte Engliſche Seehaͤfen ſind Dower, Chattam, Sandwich, Portsmouth, Neuport, Yarmouth, Pleymonth, Dartmouth, Falmouth, Cheſter, Hull, Car - diff, Milforthafen nebſt den groſſen Handels - oͤrtern London und Briſtol; unter den Schot - tiſchen ſind Leith, Glascow, Dunde, Aberdeen, Cromerty bekannt.
Jrrland iſt halb ſo groß als Engelland, unter ſeinen Stroͤmen ſind der Schannon, Bar - row und Boyne die bekannteſte, es hat groſſe ſtehende Seen, und viele Suͤmpfe. Jn der Schaaf - und Viehzucht beſteht ſein groͤßter Reichthum. Man bauet nunmehr auch Flachs und Hanf, und cultivirt das Land je laͤnger, je beſſer.
Die Engellaͤnder beſitzen 1) auf der Nor - mandiſchen Kuͤſte die beyde Jnſuln Jerſey undGarne -161Groß-Britannien. Garneſey, als das einzige Andenken ihrer ehe - maligen Provinzen in Frankreich; 2) auf der Straſſe nach der Levante im Mittellaͤndiſchen Meer die Feſtung Gibraltar und die Jnſul Mi - norca; 3) in Africa Capo Corſo nebſt unter - ſchiedlichen Feſtungen auf der Goldkuͤſte und der Jnſul St. Helena; 4) in Aſien einige befeſtig - te Plaͤtze, als Bombaya auf der Kuͤſte von Cun - can, Madras und Fort St. David auf der Kuͤ - ſte von Coromandel und Fort Marlborough in der Jnſul Sumatra.
Jn America ſind ſie nach den Spaniern unſtreitig die maͤchtigſte, und beherrſchen 1) im Nordlichen Theile einen Strich Landes von 16-1700. Engliſchen Meilen, worinnen ſich Hudſonbay wegen des Caſtors, Neu-Schott - land und die Jnſul Terre Neuve wegen des Fiſchfangs, Neu-Engelland, Neu-York, Neu - Jerſey, Penſilvanien, Carolina und Georgia nebſt dem Fiſchfange wegen der Viehzucht, des Getreydes, Schiffszimmerholzes und der Eiſen - bruͤche, Virginien und Maryland wegen des Tabacks hoͤchſt ſchaͤtzbar machen. 2) Unter den vorliegenden Jnſuln gehoͤrt ihnen von den groſſen Antillen Jamaica, von den Caraibiſchen einige theils Lewards, theils Windwards Jn - ſuln, hauptſaͤchlich Barbados und St. Chri - ſtophle. Dieſe Jnſuln liefern nebſt Jndigo,LPimento162Groß-Britannien. Pimento, Cacao, Cochenille und allerhand Spe - cereyen und Farbeholz eine groſſe Laſt Zucker.
Engelland hat auf 7. Millionen Einwoh - ner, Schottland und Jrrland zuſammen nicht halb ſo viel. Jn der Engliſchen Sprache iſt die alte Saͤchſiſche der Stamm, in welchen die Franzoͤſiſche, die Lateiniſche und alte Britiſche eingepropfet worden. Aus dieſer letztern fließt auch die Schottiſche und Jrrlaͤndiſche Sprache; doch iſt jene von der Engliſchen ſeit etlichen 100. Jahren in die Hochlaͤndiſche Gebirge vertrieben worden, und dieſe hat viele alte Cantabriſche Woͤrter untermiſcht.
L 2a) 164Groß-Britannien.Der Engellaͤnder hat ſeine anſehnliche Ge - ſtalt und ſeinen ſtarken Appetit zum vielen Eſſen und zu hitzigen Getraͤnken mit andern Nordiſchen Voͤlkern gemein; unterſcheidet ſich aber dadurch von allen uͤbrigen Nationen, daß er in keiner Sache die Mittelſtraſſe zu halten gewohnt iſt; ſondern wie ſeine Tugenden, alſo auch bißwei - len ſeine Laſter aufs hoͤchſte treibt. Er verlaͤßt ſich auf ſeinem geſunden Verſtand, und ſetzt dar - innen ſein hoͤchſtes Gut, ſeinem eigenen Kopfe zu folgen: weil aber das melancholiſch-chole - riſche Temperament ſeine Affecten violent macht, ſo wird er davon oͤfters hingeriſſen. Hier - aus fließt die Liebe zum Auſſerordentlichen, die Neigung zu Ausſchweifungen und der Wider - ſpruch, der ſich bißweilen in ſeinem Thun und Laſſen zu aͤuſſern ſcheint. Man lobt an ihm die Redlichkeit, Großmuth, Verſchwiegenheit, das Loͤwenherz, die Verachtung des Todes nnd Liebe zur Freyheit. Bey dem gemeinen Haufen fin - det man wuͤtende Affecten, unbaͤndige Aus - ſchweifungen in Wolluͤſten, Wildheit in aller -hand165Groß-Britannien. hand Ergoͤtzungen, Trotz, Kaltſinn gegen Frem - de, Neigung zum Aufruhr und zum Selbſt - morde.
Der Engellaͤnder iſt aufgelegt, in den Wiſ - ſenſchaften vollkommen zu werden, die Tiefſin - nigkeit und der ſtandhafte Fleiß ſind ihm eigen. Keine Nation hat groͤßre Geiſter hervorgebracht, und diejenigen Wiſſenſchaften und freyen Kuͤnſte, welche dem menſchlichen Verſtande die meiſte Ehre bringen, und in gemeinen Leben die nuͤtz - lichue ſind, ſo weit getrieben, als die Engliſche. Die Gelehrſamkeit hat nirgends mehr Vorſchub noch groͤßre Belohnung. Oxford und Cam - bridge ſind nicht als einzelne Univerſitaͤten; ſon - dern als ganze Republicken vieler vereinigten Univerſitaͤten anzuſehn. London iſt der Sitz vonL 3Ju -166Groß-Britannen. Juriſtiſchen und Mediciniſchen hohen Schulen, und pranget uͤberdas mit der unvergleichlichen Academie der Wiſſenſchaften, als der Stam̃ - mutter aller uͤbrigen ihres Namens in Europa. Edenburg, Glascow und St. Andrews ſind die Schottiſche, Dublin iſt die Jrrlaͤndiſche Uni - verſitaͤt.
Faſt alle Materialien, woraus die menſch - liche Hand etwas nutzbares verfertigen kann,werden167Groß-Britannien. werden hier in groͤßter Menge verarbeitet. Wie der Franzoſe den aͤuſſerlichen Wehrt ſeiner Ma - nufacturen durch allerhand Putzwerk zu erhe - ben ſucht: alſo weiß der Engellaͤnder den ſeini - gen durch die Accurateſſe und Dauer einen in - nerlichen Wehrt zu verſchaffen, der unvergaͤng - lich und unnachahmlich iſt.
Der Handel dieſer Nation iſt durch die ganze Welt ausgebreitet. Sie beſchiffet alle Eu - ropaͤiſche Kuͤſten, doch mit ſehr ungleichem Pro - fit, ſo gar daß ſie in dem Handel mit Frank - reich, Jtalien und Schweden einbuͤſſet: herge - gen hat ſie in dem Handel mit den uͤbrigen Eu - ropaͤern den Vortheil auf ihrer Seite.
Auſſer Europa handelt der Engellaͤnder 1) nach der Levante, und zwar mehr als al - le andere Seenationen, 2) nach Africa, 3) nach Oſtindien, wo er naͤchſt den Hollaͤndern der vornehmſte iſt, 4) nach America, wo er ſowohl ſeine eigene Colonien mit allen Engliſchen Manufacturen verſieht, als auch einen wichti - gen Contreband-Handel mit den Spaniern treibt, auch bißher von dem Aſſiento und dem Permiſſionsſchiffe Vortheil gezogen.
Der Engellaͤnder verſteht uͤberhaupt den ganzen Handel aus dem Grunde. Die viele Handlungs-Geſellſchaften, als die Oſt-Jndi - ſche, Suͤdſee-Africaniſche, Levantiſche, Oſt - laͤndiſche, Ruſſiſche und andre Compagnien be - foͤrdern ſolchen, die Banco in London erleichtert ihn, die Aufmerkſamkeit der Regierung und die herrliche Geſetze befeſtigen ihn, ſo daß durch alle dieſe Anſtalten der Schatz der Nation in Frie - denszeiten jaͤhrlich mit 11. Millionen rthlr. ver - mehret wird.
Die Engliſche gangbare Muͤnzen ſind Pen - ces, Schillinge und Kronen, alle drey von Sil - ber; von Gold aber die Gvineen. 1. Pence iſt ungefehr 7. Pfennige unſers Geldes. 12. Pen - ces machen 1. Schilling, 5. Schillinge 1. Krone, 21. Schillinge und 6. Pences 1. Gvinee. Man hat auch halbe Kronen, und Stuͤcke von 2. 3. 4. und 6. Pences, ferner halbe Pences und zinner - ne Scheidemuͤnzen, Farthings genannt, deren 4. 1. Penny betragen.
L 51. Hi. 170Groß-Britannien.Das vornehmſte Reichsgrundgeſetz iſt das von Koͤnig Johann ohne Land 1215. den Staͤnden ausgefertigte Diploma, welches die Magna charta oder Charta libertatum, Baro - nibus regni conceſſa, genennet wird, nebſt ver - ſchiedenen juͤngern Parlamentsaeten.
Georg II. jetztregierender Koͤnig iſt geboh - ren 1683., wurde Prinz von Wallis 1714. und gelangte zur Regierung 1727. Von ſeiner 1737. verſtor -171Groß-Britannien. verſtorbenen Gemahlinn, Wilhelmina Char - lotte, einer Brandenburg-Anſpachiſchen Prin - zeßinn ſind gebohren Friedrich Ludwig 1707. Printz von Wallis, welcher ſich 1736. mit Au - guſta, Prinzeßinn von Sachſen Gotha vermaͤhlt, und den Herzog von Cornwall, Georg Wil - helm Friedrich nebſt noch 3. Prinzen und 2. Prinzeßinnen mit ihr erzielet hat. Die andere Koͤnigliche Kinder ſind der Herzog von Cumber - land Wilhelm Auguſt, und 5. Prinzeßinnen, 1) Anna, Gemahlinn des Prinzen von Orani - en 1734. 2 ) Amalia Sophia Eleonora, 3) Eliſabeth Carolina, 4) Maria, Gemahlinn des Erbprinzen von Heſſen-Caſſel Friedrichs 1740. 5 ) Louiſe, Gemahlinn des Koͤniges von Daͤnemark Friedrichs V. 1743.
Der Kronprinz wird als regierender Her - zog von Cornwall gebohren, und zum Prinzen von Wallis creirt. Er ziehet aus beyden Pro - vinzen gewiſſe Einkuͤnfte. Die uͤbrige Prinzen erhalten ihre Titul und Revenuͤen vom Koͤnige, und ſind gebohrne Staatsraͤthe. Alle Koͤnigli - che Kinder werden Kinder von Groß-Britannien und Koͤnigliche Hoheiten titulirt.
Der Titul des regierenden Koͤniges lautet alſo: Koͤnig von Groß-Britannien, Frankreichund172Groß-Britannien. und Jrrland, Beſchuͤtzer des Glaubens. Die - ſe Titulatur iſt erſt ſeit dem Stuartiſchen Stam - me beſtaͤndig einerley geblieben, nachdem ſie vor - her oftmaligen Veraͤnderungen unterworfen ge - weſen.
Das Koͤnigliche Wappen iſt qvadrirt: im 1) Schilde zeigen ſich die drey Engliſche Leopar - den und der Schottiſche Loͤwe, im 2) die Fran - zoͤſiſche Lilien, im 3) die Jrrlaͤndiſche Davids - harfe, im 4) das Chur-Braunſchweig-Luͤne - burgiſche Wappen.
Die hohe Kronbediente ſind 1) der Lord Statthalter oder Ober-Richter (High Steward,) 2) der173Groß-Britannien. 2) der Lord Groß-Canzler oder Groß-Siegel - bewahrer, 3) der Lord Groß-Schatzmeiſter, 4) der Lord Praͤſident des Staatsraths, 5) der Lord geheime Siegelbewahrer, 6) der Lord Groß - Caͤmmerer, 7) der Lord Groß-Connetable, 8) der Lord Groß-Marſchall, 9) der Lord Groß - Admiral. Doch ſind dieſe Bedienungen nicht alle beſetzt, einige werden nur bey beſonderen Ge - legenheiten auf eine Zeitlang vergeben, andere durch ganze Collegia verwaltet.
Der ganze Hofſtaat hat eben ſo viel Pracht als Ordnung. Der weltlichen Hofbedienten rechnet man auf 600. Perſonen, welche unter dem Ober-Hofmeiſter, Ober-Hofcammerer und Ober-Stallmeiſter ſtehen. Zur Hofgeiſtlich - keit gehoͤren faſt 100 Perſonen, unter welchen der Groß-Allmoſenier und der Dechant der Koͤ - niglichen Capelle die vornehmſte ſind, der letzte - re hat allein uͤber 56. Hof-Capellaͤne zu befehlen. Nichts giebt ein groͤſſeres Zeuaniß von der auſ - ſerordentlichen Ehrfurcht der Nation gegen die Majeſtaͤt des Koͤniges, als das hohe Ceremo - niel, womit Selbiger bedienet wird.
Die drey Ritterorden 1) vom blauen Ho - ſenbande, 2) vom Bade und 3) von der Diſtel machen den Groß-Britanniſchen Hof noch an - ſehnlicher. Die beyde erſtere ſind Engliſche, der letztere ein Schottiſcher Orden. Der vom blau - en Hoſenbande iſt eigentlich ein Orden des hei - ligen Georgs, er wurde von Eduard III. 1350. geſtiftet, und beſteht nebſt dem Koͤnige aus 26. Rittern. Der Orden vom Bade ruͤhret von Heinrich IV. her 1399. Georg I. hat ihn erneuert. Der Orden von der Diſtel heißt auch der An - dreas-Orden, er wuͤrde der aͤlteſte in der Welt ſeyn, wenn er ſchon 819. von Koͤnig Achajo er - richtet waͤre. Jacob V. machte ihn anſehnlich, die Koͤniginn Anna erneuerte ihn 1703, und Ge - org I. vermehrte die Statuta 1725. Er beſtehet auſſer dem Ordensmeiſter aus 12. Mitgliedern. Von allen dreyen iſt der Koͤnig Großmeiſter. Alle drey haben nebſt dem Ordenszeichen auch eine beſondere Ordenskette, Band, Kleidung und Wahlſpruch.
Die Groß-Britanniſche Krone iſt erblich, und faͤllt auch auf die weibliche Linie. Die Thronfolge ſtammt bloß aus den Geſetzen, und iſt keine neue Einwilligung der Stande erforder - lich. Daher duldet dieſes Reich kein Jnterre - gnum. Der Koͤnig muß der Engliſchen Kirche zugethan ſeyn, und iſt deßwegen 1690. die Pa - piſtiſche Linie von der Erbfolge auf ewig ausge - ſchloſſen, und ſelbige mit der Proteſtantiſchen Linie in dem Churhauſe Braunſchweig-Luͤneburg 1702. verbunden worden.
Die Minorennitaͤt eines Koͤnigs endiget ſich mit dem 12ten Jahre. Wenn er 24. Jahr alt iſt, ſo kann er alles, was Zeit waͤhrender Minderjaͤhrigkeit im Parlament verordnet wor - den, widerruffen und vernichten. Dle Vor - mundſchaft und die Adminiſtration des Reichs in auſſerordentlichen Faͤllen richtet der Koͤnig nach ſeinem Gefallen ein; wo nicht, ſo macht das Parlament die Verordnung daruͤber. Die Reichsverweſung wird entweder einer Perſon oder vielen zugleich anvertrauet, daher findet man, daß ehemals bald ein Lord-Warden oder Lord-Keeper, bald ein Protector, und in neuern Zeiten bißweilen ein Regent oder eine Regentinn, bißweilen Lords-Regenten, oder Lords-Juſtices ſolche gefuͤhret haben.
Die Kroͤnung iſt in Engelland gewoͤhn - lich, und wird in der Abtey zu Weſtmuͤnſter mit allen nur erſinnlichen Feyerlichkeiten vollzo - gen. Unter den Reichskleinodien ſind die 2. Kronen, 3. Seepter und 3. Schwerdter nebſt dem Stuhle des heiligen Eduards merkwuͤrdig. Dieſe werden im Towr zu London verwahrlich aufgehoben, und bleiben immer einerley; da her - gegen die Kroͤnungskleider bißweilen geaͤndert werden.
1. Voll -177Groß-Britannien.1. Vollſtaͤndige Beſchreibung der Ceremonien, welche ſowohl bey Engliſchen Kroͤnungen uͤber - haupt vorgehen, beſonders aber bey dem Kroͤ - nungsfeſt Georgs II. beobachtet ſind, Hannover 172〈…〉〈…〉. 4.
Der Koͤnig heilet durch Beruͤhrung beyder Haͤnde eine beſondere Art von Krankheit, wel - che das Koͤnigsuͤbel genennet wird, und ſoll dieſe Kraft den Engliſchen Monarchen ſeit den Zeiten des heiligen Eduards beywohnen.
Seit der Vereinigung der Engliſchen und Schottiſchen Krone 1706. iſt die Regierungs - form in beyden Reichen auf einerley Fuß geſe - tzet worden, ſo daß beyde einen einzigen Staats - koͤrper nehmlich Groß-Britannien ausmachen, welchem die dritte Krone, Jrrland, unterwuͤr - fig iſt.
Groß-Britannien iſt eine eingeſchraͤnkte Monarchie. Das Recht, Krieg zu fuͤhren und Frieden zu ſchlieſſen, Geſandte zu verſchi - cken und anzunehmen, das Parlament zuſam - men zu ruffen und aufzuheben, alle geiſt - und weltliche Aemter zu vergeben, den Adel und die Standſchaft im Oberhauſe zu ertheilen, Muͤnze zu ſchlagen, die Gerichtsbarkeit auszuuͤben, und kurz, alle uͤbrige geiſtliche und weltliche Maje - ſtaͤtsrechte, zu welchen nicht durch ausdruͤckliche Reichsgeſetze die Einwilligung der Staͤnde er - fordert wird, beruhen in dem Koͤniglichen Wohl - gefallen, und werden unumſchraͤnkt von ihm aus - geuͤbet.
a) Um179Groß-Britannien.Die Freyheit der Nation aͤuſſert ſich in 2. Hauptpuncten, 1) in den Geſetzen, 2) in neuen Auflagen. Wenn ein neues Geſetz gegeben, ein altes aufgehoben, und neue Auflagen aus - geſchrieben werden ſollen: ſo wird ſolches durch gemeinſchaftliche Concurrenz des Koͤniges und der Reichsſtaͤnde bewuͤrket. Daher ruͤhmet ſich der Engellaͤnder, daß er kein Geſetz zu halten, und keine Abgabe zu bezahlen ſchuldig iſt, als die er ſich ſelbſt aufleget. Es ſetzet auch dieſe Ein - richtung der hoͤchſten Gewalt ſo gluͤckſeelige Schranken, daß ein Koͤnig von Groß-Britan - nien freye Haͤnde hat, ſeinem Volke Gutes zu thun, ohne ihm ſchaden zu koͤnnen. Man nennet ſolches die guͤldene Regel der Groß-Bri - tanniſchen Regierungsform.
M 2a) 180Groß-Britannien.Es ſind, wie die Engellaͤnder behaupten, 3. Staͤnde des Reichs in Groß-Britannien, der Koͤnig, der Adel und das Volk. Der A - del iſt eigentlich der hohe Adel, und begreift ſo - wohl die geiſtliche als weltliche Lords unter ſich. Der weltliche Adel hat 5. Claſſen, als Herzoge, Marggrafen, Grafen, Vicomtes und Ba - ronen. Die adeliche Guͤter ſind untheilbar, wer - den nach dem Recht der Erſtgeburt ererbt, und geben ihrem Jnhaber Sitz und Stimme im O - ber-Parlament. Daraus entſpringen die Pa - res oder Barones Regni. Das Volk beſteht aus dem niedern Adel und den Gemeinen, der niedre Adel oder die Ritterſchaft aus den Baro - nets, den Spornrittern, (Knights Batche - lors) den Schildtraͤgern (Esquires) und den bloſſen Edelleuten, (Gentlemen). Die Rit - terſchaft einer jeden Schire hat ein votum cu - riatum im Unterhauſe. Sowohl der Adel als die Ritterſchaft unterſcheiden die verſchiedene Li - nien ihrer Haͤuſer durch die verſchiedene Bey - zeichen ihrer Wappen mit groſſer Accurateſſe.
Die Verſammlnng der Reichsſtaͤnde wird das Parlament genennt, welches in das Ober - und Unterhaus eingetheilt iſt. Jenes heißt das Haus der Lords, und beſteht aus ungefehr 170. weltlichen Perſonen vom Engliſchen hohen Adel, aus 26. Engliſchen Erz - und Biſchoͤfen und aus 16. erwaͤhlten Schottiſchen Pairs. Das ande - re heißt das Haus der Gemeinen, und beſteht aus den Deputirten, theils der Ritterſchaft, theils der Staͤdte und Flecken einer jeden Grafſchaft in Engelland, zuſammen aus 513. Mitgliedern, denen ſeit der Vereinigung mit Schottland noch 45. dergleichen Schottiſche Deputirte beyzufuͤ - gen ſind. Das Oberhaus iſt Richter aller Mit - glieder ſowohl ſeiner als der Unterkammer, und kann jeder Lord ſeine Stimme einem andern auf - tragen. So oft ein neues Parlament zu ſam - men beruffen wird, ſo oft wird eine neue Wahl der Schottiſchen Parlamentsherren und der De - putirten der Gemeinen vorgenommen. Die Glieder des Unterhauſes haben ihre General - Jnſtruction, und votiren uͤbrigens nach ihrem eigenen Gutduͤnken. Alles was rechtskraͤftigM 3geſchloſſen182Groß-Britannien. geſchloſſen werden ſoll, muß von beyden Kam - mern bewilligt, und vom Koͤnige genehmiget ſeyn. Wenigſtens alle 7. Jahr muß das Parlament zuſammen berufſen werden, und kein Parla - ment kann uͤber 7 Jahr hintereinander dauern.
Es geſchicht znweilen, daß die Gerechtſa - me der Reichsſtaͤnde gegen einander ſtoſſen. Die Engellaͤnder geſtehen ſelbſt, daß drey Dinge un - moͤglich ſeyn, nehmlich die Grenzen 1) der Koͤnig - lichen Vorrechte, 2) der Privilegien des Par - laments und 3) der Freyheit der Nation zu be - ſtimmen. Ueberdies iſt das Reich zu verſchie - denen Zeiten in Factionen zerfallen, davon die Torys und Wighs noch in friſchem Andenken ſind.
Der oberſte Staatsrath, welcher die vor - nehmſte Reichsgeſchaͤfte beſorget, heißt the King’s Privy-Council, und beſteht aus geiſtlichen und weltlichen Raͤthen, deren Haupt der geheime Raths-Praͤſident iſt. Der Koͤnig ernennt alle Mit - glieder deſſelben, und ereirt ſo viel Staatsraͤthe, als ihm beliebet. Die 2. erſte Staats-Secre - taͤre 1) der Suͤdlichen 2) der Nordlichen Affai - ren expediren die auswaͤrtige Sachen jeder in ſeinem Departement beſonders, die einheimiſchen aber gemeinſchaftlich. Sie ſind zugleich Beyſi - tzer des geheimen Raths, und Directores des Signet-office und Paper-office, das iſt, des Siegelamts und des Staats-Archivs.
Der Engellaͤnder liebt die Freyheit zu glau - ben, was er will, und zu bekennen was er glau - bet. Hieraus ſind, ſeit dem man ſich vom Pabſt - thum losgeriſſen, die viele Religions-Spaltungen erwachſen. Doch iſt gewiß, daß, gleichwie kein Land mehr abentheuerliche Meinungen in geiſt -M 4lichen184Groß-Britannien. lichen Sachen ausgebruͤtet, als Engelland: alſo auch keine Nation groͤſſere Verfechter der Chriſt - lichen Religion erzeuget hat, als die Engliſche. Unter denen 20. biß 30. Secten ſind die Jnde - pendenten, Anabaptiſten und Qvaͤcker die nahm - hafteſte. Nach vielen Unruhen hat endlich in Engelland und Jrrland die Epiſcopal-Kirche, in Schottland aber der Presbyterianismus die O - berhand gewonnen Jrrland ſteckt noch voll von Papiſten, welche man lieber entwafnen, als ausrotten wollen.
Unter den 2. Engliſchen Erzbiſchoͤfen von Canterbury und York ſtehen 25. Biſchoͤfe, wel -che185Groß-Britannien. che (auſſer dem Biſchofe von der Jnſul Man) alle Sitz und Stimme im Oberhauſe haben, und auf Koͤnigliche Recommendation von ihren Ca - piteln gewaͤhlet werden. Schottland iſt in 13. Synodos Provinciales, dieſe in 68. Presbyte - ratus, und dieſe in ihre Kirchſpiele eingetheilet. Jn Jrrland zaͤhlet man 4. Erz - und 19. Biß - thuͤmer.
Die Geſetze, wornach die Handlungen der Unterthanen gerichtet werden, ſind 1) die dahin einſchlagende Parlaments-Acten. (Sta - tute-Law) Auf dieſe folgt das gemeine Recht, (Commun-Law) welches eine Sammlung alter Saͤchſiſchen und Normaͤnniſchen Gewohn - heiten, und in alter Normaͤnniſcher Sprache abgefaſſet iſt. Das Roͤmiſche Recht (Civil -M 5Law) 186Groß-Britannien. Law) wird in Subſidium gebraucht, und iſt ſonderlich bey den geiſtlichen und den Admirali - taͤts-Gerichten in groſſem Anſehen. Auch das Paͤbſtliche Recht (Canon-Law) iſt angenom - men, ſo weit es weder der heiligen Schrift noch der Koͤniglichen Hoheit zuwider iſt. Jn einzel - nen Staͤdten gelten auch verſchiedene beſondere Municipal-Geſetze. (Peculiar-Laws, By - laws.)
Die Gerichte muͤſſen in die weltliche und geiſtliche eingetheilet werden. Die weltliche Untergerichte werden in den Staͤdten von denAlder -187Groß-Britannien. Aldermen und Mayors beſetzt, die auf den a - delichen Doͤrfern nennt man Court-Barons o - der Court-Leets, die in den Koͤniglichen Aem - tern heiſſen County-Courts und Sherif-turns, welchen die Sherifs vorgeſetzet ſind. Jn dieſen Gerichten wird der Civil - und Criminal-Proceß von den ordentlichen Richtern inſtruirt, die De - ciſion aber von 12. geſchwornen Maͤnnern aus der Nachbarſchaft (the Jury) gefaͤllet. Ueber - dies ſind in den Staͤdten und Grafſchaften ge - wiſſe Friedensrichter (Juſtices of the peace) gegen die Stoͤhrer der oͤffentlichen Ruhe ange - ordnet, welche die Conſtables und Coroners zu ihren Dienſten haben. Die Landgerichte werden in jeder Grafſchaft alle 3. Monathe von den Friedensrichtern, nebſt 24. Geſchwornen (the great Jury) gehalten, und heiſſen daher die Qvartalgerichte. (Seſſions oder Quarter - Seſſions) Ferner iſt ganz Engelland in 8. groſ - ſe Creyſe eingetheilt. und in jedem Creyſe ſind 2. herumreiſende Oberrichter (Itinerant-Jud - ges) beſtellt, welche jaͤhrlich durch alle Schi - ren eine Reiſe (Circuit) thun, und in den Hauptoͤrtern Gericht (Aſſiſes) halten. Von dieſen Gerichten gehen die Appellationes an die hohe Tribunaͤle in Weſtmuͤnſter, und zwar, 1) wenn es bloße Privatſtreitigkeiten betrifft, an das Gericht der gemeinen Proceſſe, (The Court of common Pleas) 2) wenn es aber Landes - herrliche Rechte angeht, an die Koͤnigliche Bank. (the Court of King’s Bench) Einjedes188Groß-Britannien. jedes von beyden beſteht, auſſer einer Menge Un - terbedienten, aus 4. Richtern. Der Praͤſident des erſtern Gerichts heißt Lord Chief Juſtice of the common Pleas, der Praͤſident des an - dern Gerichts Lord Chief Juſtice of England. Noch uͤber dieſe beyde behauptet den Rang 3) das Canzeleygericht, (the high Court of Chancery) welches nebſt den Gerichtsſachen zugleich die Gnadenſachen expediret, und aus 12. Beyſitzern (Maſters of Chancery) beſteht, de - ren Oberhaupt der Lord Groß-Canzler iſt. Alle 3. Gerichte werden 4mal des Jahres, zuſammen ungefehr 3. Monathe lang gehalten.
Die Archidiaconi, die Stiftscapitel und die Biſchoͤfe haben ihre geiſtliche Gerichte, von dieſen wird an die Erzbiſchoͤfliche, und von den Erzbiſchoͤflichen an das Canzeleygericht appelliret. Alsdenn ſetzt der Koͤnig eine Commißion, welche the Court of Delegates genennt wird. Man rechnet in Engelland alle Ehe - und Teſtaments - Streitigkeiten zu den geiſtlichen Sachen. Die geiſtliche Strafen ſind die oͤffentliche Kirchenbuſ - ſe, der kleine und groſſe Kirchenbann und der Kirchenfluch. (Anathematismus)
Die Proceſſe ſind auſſerordentlich haͤuflg und koſtbar, London naͤhret allein uͤber 4000. Sach -189Groß-Britannien. Sachwalter, und Engelland iſt das Paradieß der Advocaten Ueberhaupt hat dieſes Reich das Ungluͤck mit Teutſchland gemein, daß ſein Juſtitzweſen wegen der vielerley Geſetze nicht feſt genua zuſammen haͤngt, um gegen die Anfaͤlle der Chicane bedeckt zu ſeyn.
Die ordentliche Kroneinkuͤnfte werden 1) aus den noch uͤbrigen wenigen Cammerguͤtern und einigen nutzbaren Regalien, 2) aus der Landtaxe, 3) aus den Zoͤllen, als Tonnage, Pon - dage und andern groͤſſern Auflagen auf die Steinkohlen, auf die Einfuhr der Weine, des Salzes und andrer fremder Kaufmannswaaren, 4) aus der Exciſe oder Acciſe auf Malz, ge - hopfet und ungehopfet Bier, Mum, Apfel - und Birnentrank, 5) aus den Abgaben auf diejeni - nige fremde Waaren, Weine, Liqueurs for - tes et douces, ſo von den Kraͤmern, Hau - ſierern und Schenkwirthen im kleinen verkaufet werden, und endlich 6) aus dem Stempelpa - pier gehoben. Die auſſerordentliche Auflagen geſchehen groͤßtentheils durch Erhoͤhung der or - dentlichen; doch werden auch neue Abgaben auf Miethkutſchen und andere Wagen und Pfer -de,190Groß-Britannien. de, auf die Anzahl der Fenſter u. ſ. w. ge - legt.
Von dieſen Auflagen iſt dem Koͤnige und der Koͤniglichen Familie zu Unterhaltung ihres Hofſtaats eine gewiſſe Summe feſtgeſetzt, wel - che in neuern Zeiten oͤfters vermehrt worden. Die uͤbrige Gelder ſind zum Dienſt der Krone ſonderlich der Land - und Seemacht gewidmet, und heiſſen deßwegen die Subſidien-Gelder. Sie werden jaͤhrlich von dem Parlament verwilligt, und ſind in dem jetztgeendigten Kriege uͤber 10. Millionen Pf. Sterl. hinangeſtiegen.
Die Zolleinnahme wird durch mehr als 600. Per -191Groß-Britannien. Perſonen beſorgt, die von 7. Commiſſarien de - pendiren, welche im Zollhauſe (Coſtum-houſe) zu London ihren Sitz haben. Die Acciſe wird gleichfalls von verſchiedenen Commiſſarien, Col - lectors u. ſ. w. zuſammen von mehr als 2000. Officianten gehoben. Auf eben dieſe Art iſt es auch mit der Einnahme der groͤſſern und uͤbrigen Ab - gaben beſchaffen. Dieſe Bedienungen werden durchgaͤngig ſehr reichlich beſoldet. Alle Kron - einkuͤnfte werden in die Koͤnigliche Schatzkam - mer (Exchequer) geliefert, welche nunmehr an ſtatt des Lords Groß-Schatzmeiſters durch verſchiedene Commiſſarien und durch den Canz - ler vom Exchequer verwalter wird. Nirgends in der Welt koſtet die Schatzkammer weniger zu unterhalten, und iſt dem Unterſchleif ſo trefflich vorgebeuget als hier. Der Koͤnig diſponirt uͤber alle Kroneinkuͤnfte. Die Subſidien werden da - zu verwandt, wozu ſie verwilliget worden. Das Parlament fordert bißweilen Rechnung von den Koͤniglichen Financiers.
Die ſchweere Kriege zur Aufrechthaltung des Gleichgewichts in Europa haben oͤfters groͤſ - ſere Summen gekoſtet, als das Land jaͤhrlich aufbringen koͤnnen. Daher hat man oft ei - nen groſſen Theil der Verwilligungen auf Jnter - eſſe nehmen muͤſſen, und noch neulich 6. Millio - nen in einem Jahr geborget, wodurch die Schul - den der Krone faſt auf 80. Millionen Pfund Sterl. gewachſen, und die Nation nunmehr bloß an Jntereſſen weit mehr bezahlen muß; als ſonſt ihre ganze Subſidien ſelbſt im Kriege be - trugen.
Als Eliſabeth ihr Volk zaͤhlte, und die buͤr - gerliche Kriege Groß-Britannien wider ſich ſelbſt wafneten; zeigte ſich die Macht dieſes Reichs in ihrer wahren Groͤſſe. Der Engellaͤnder dient gleich gut zu Pferde und zu Fuß, doch will er wohl bezahlt, wohl genaͤhrt und nicht lange auf - gehalten ſeyn. Jm Frieden werden, auſſer den Kriegsvoͤlkern der Engliſchen Colonien, uͤber 40. 000. Mann regulaͤrer Truppen auf den Beinen gehalten. Jm Kriege pflegt die Vermehrung auf 20. biß 40. 000. Mann National-Voͤlkerzu193Groß-Britannien. zu geſchehen. Hergegen werden an auslaͤndi - ſchen Truppen oͤfters 50. 60. und mehr tauſend Mann in Sold genommen, ja die Macht gan - zer Nationen mit Subſidiengeldern wider den Feind ausgeruͤſtet. Die Engliſche Grafſchaf - ten halten uͤberdem auf 200.000. Mann Land - militz (Traine-Bands) zu Roß und zu Fuß, welche von den Lords-Lieutenants commandi - ret werden.
Engelland hat ſchon in den mittlern Zeiten Schiffsflotten unterhalten. Eliſabeth vergroͤſ - ſerte die Seemacht zu ihrer Sicherheit, Crom - well zum Schrecken ſeiner Nachbaren. Seit ihm uͤberwiegt Groß-Britannien auf der See alle Reiche der Welt, und kann im Fall der Noth mit mehr als 200. Kriegsſchiffen und 60. biß 70. 000. Matroſen ſeinen Feinden Trotz bieten. Die Flotte iſt in 3 EſcadernNvon194Groß-Britannien. von der rothen, weiſſen und blauen Flagge ein - getheilt. Eine jede Eſcadre hat ihre drey Flag - gen-Officiers, den Admiral, Vice-Admiral und Rear - oder Contre-Admiral, welchen der Lord-Groß-Admiral oder an ſeiner Statt die Lords Commiſſarien der Admiralitaͤt vorgeſetzet ſind, von denen auch the Court of the Ad - mirality oder das Admiralitaͤts-Gericht und the Navy-Office oder das Schiffamt nebſt ei - ner groſſen Anzahl Seebedienten dependiret. Nirgends werden die Matroſen ſo gut und in ſolcher Menge gezogen, ſo reichlich beſoldet, und die Ausgediente ſo mildthaͤtig verſorget; nir - gends die Schiffe ſo kunſtmaͤßig gebauet, noch die Schiffsmaterialien in ſolchem Ueberfluſſe herbeygeſchaffet, als in dieſem Neptuniſchen Reiche.
Seitdem die Kirchenſtreitigkeiten zwiſchen den Epiſcopalen und Presbyterianern geſtillet, die Partheylichkeit der Whigs und Torys ge - daͤmpfet, und die Jacobiten entwaffnet worden, und ſeitdem die großmuͤthige Staatsklugheit des Hofes theils durch Maͤßigung ſich die Herzen der Nation erworben, theils durch unermuͤdete Sorg - falt die Manufacturen, die Commercien und die Macht des Reichs in die Hoͤhe gebracht: ſo kann es nicht fehlen, daß, da Groß-Britannien von Natur vor auswaͤrtigen Anfaͤllen geſichert, und ſeine Regierungsform unter allen Europaͤi - ſchen die vollkommenſte iſt; dieſes Reich bey fortdauernder Beobachtung der bißher befolgten Maximen nicht der ſpaͤteſten Nachwelt eben ſo - wohl, als unſern Zeiten ein Muſter eines gluͤck - ſeeligen Staats ſeyn ſollte.
N 2a) 196Groß-Britannien.Die Herzoge von Burgund juͤngerer Linie bringen durch Erbrecht und Vertraͤge ei - ne Niederlaͤndiſche Provinz nach der andern ſeit 1369. an ſich. Carl der Kuͤhne beſitzt ſchon 14. Provinzen, und ſein Urenkel, Kayſer Carl V. alle 17. zuſammen.
Das weltliche und geiſtliche Joch der Spanier noͤthiget die Niederlaͤnder zu einem Aufſtande 1568, und zur Utrechtiſchen Union, 1579. Die 7. vereinigte Provinzen machen ſich durch die Klugheit und Tapferkeit ihrer Statt - halter aus dem Hauſe Oranien und durch ih -ren199Vereinigte Niederlande. ren Seehandel unuͤberwindlich. Sie vertheidi - gen ſich gegen Philipps II. Gewalt, zwingen Philipp III. einen zwoͤlfjaͤhrigen Waffenſtill - ſtand, und endlich Philipp IV. 1648. die Sou - verainetaͤt ab, nachdem ſie den Oſt-Jndiſchen Handel an ſich gezogen, und maͤchtige Laͤnder auſſer Europa erworben.
Sie vermehren die Eroberungen in Oſt - Jndien, und ihre Macht und ihr Anſehen wird groß. Allein die uͤbertriebene Eiferſucht gegen Oranien ſchwaͤchet, und der Franzoͤſiſche Ueber - fall 1672. erſchuͤttert die Republick. Doch ſie hilft ſich durch Erneuerung der Statthalterſchaft, wehret ſich in drey ſchweren Kriege gegen Frank - reichs Uebermacht, und da Ludwig XV. ſie end - lich im Frieden zu verſchlingen ſucht; ſo rettet ſie ſich 1747. zum andern mal durch die ihr abge - drungene Ernennung eines neuen Erbſtatthal - ters.
Die Republic der vereinigten Niederlan - de hat Teutſchland, die Oeſterreichiſche Nieder - lande und die Nordſee zu ihren Grenzen. Jh - re Groͤſſe erſtreckt ſich kaum auf 30. Meilen inN 4die200Vereinigte Niederlande. die Laͤnge und 20. in die Breite. Das Clima iſt feucht und kalt, und die Lage zum Theil ſo nie - drig, daß ſie ſich durch koſtbare Daͤmme gegen Ueberſchwemmungen verwahren muß.
Die Hauptſtroͤme ſind der Rhein und die Maaß, der erſtere zertheilet ſich in 5. theils na - tuͤrliche, theils durch Kunſt bereitete Arme. Das Land hat wenig Qvellen, hergegen iſt ſon - derlich der Hollaͤndiſche Boden uͤberfluͤßig feucht, oder deutlicher zu ſagen, moraſtig, und hat deß - wegen mit vielen Canaͤlen und unzaͤhligen Graͤ - ben durchſchnitten werden muͤſſen.
Wieſewachs, Fiſchereyen und Torf ſind der einzige Ueberfluß des Landes. Das weni - ge Getreyde ernaͤhret kaum den hunderſten Theil der Einwohner. Es muͤſſen alſo faſt alle Noth - duͤrftigkeiten des menſchlichen Lebens auswaͤrts hergehohlet werden.
a) Hol -201Vereinigte Niederlande.a) Holland hat kaum 400. 000. Morgen Acker - land. Von den natuͤrlichen Vortheilen und Maͤngeln dieſer Provinz handelt beſonders De WITT in der Anweiſung der politiſchen Gruͤnde und Maxi - men der Republicken Holland und Weſtfries - land, Cap. III. und IV.
Die 7. Provinzen, woraus dieſe verei - nigte Republick beſtehet, ſind Geldern, Holland, Seeland, Utrecht, Frießland, Ober-Yſſel und Groͤningen. Diejenige Stuͤcke von dem Oeſterreichiſchen Flandern, Brabant und Lim - burg, welche ehedem von den Spaniern erobert worden, und das Theil des Ober-Qvartiers von Geldern, welches Kayſer Carl VI. 1715. abgetreten, muͤſſen als ein der ganzen Republick unterworfenes Land angeſehen werden, und heiſ - ſen deßwegen les Pays de la Generalité.
Kein Land in der Welt iſt mit ſo wunders - wuͤrdigem Fleiſſe angebauet, und mit einer ſol - chen Menge praͤchtiger Staͤdte, anſehnlicher Flecken, Doͤrfer, Landhaͤuſer und Gaͤrten in einem ſo engen Bezirk geſchmuͤcket, als Holland:N 5doch202Vereinigte Niederlande. doch ſind Amſterdam, als die Hauptſtadt, und Haag, als die Reſidenz der Republick, unſtrei - tig die beyde groſſe Lichter an dieſem Staats - himmel.
Seehaͤfen hat die Republick zur Gnuͤge. Es gehoͤren dahin Amſterdam, Rotterdam, Dortrecht, Briel, Helvoetſchluys, Horn, Enck - huyſen, Medenblick, Rameckens, Vließingen, Ter-Veere, Blockzyl, Delfzyl, Dockum, Harlingen und andere mehr: aber ſie haben faſt den allgemeinen Fehler, daß ſie unbequem und gefaͤhrlich ſind.
Die vereinigte Niederlande haben den klei - nen Umfang ihrer Grenzen durch eine groſſe An - zahl Feſtungen verwahrt. Man trifft ſolche nicht nur in den 7. Provinzen haͤufig an, wo - hin Middelburg, Utrecht, Nimwegen, Schen - ckenſchanz, Arnheim, Zytphen, Groll, De - venter, Zwoll, Coevorden, Groͤningen undLeu -203Vereinigte Niederlande. Leuwarden zu rechnen ſind; ſondern faſt alle Ge - neralitaͤtsplaͤtze ſind zugleich Fortereſſen, als Sluys, Sas von Gent, Hulſt, Venlo, St. Stevenswerd, Bergen op Zoom, Breda, Her - zogenbuſch, Grave und Maſtricht: ja die Re - public hat ſich auch zu mehrerer Sicherheit in den Oeſterreichiſchen Feſtungen: Namur, Dor - nick, Menin, Furnes, Warneton, Ypern, Knocke, Dendermonde und Ruͤremonde das Beſatzungsrecht verſchaffet.
Die vereinigte Niederlaͤnder wurden von ihrem Urſprunge an genoͤthiget, ihre Erhaltung auf dem Waſſer zu ſuchen: daher bemuͤheten ſie ſich, ihre Herrſchaft auſſerhalb Europa aus - zubreiten. Weil aber die Portugieſen und Spanier die vortheilhafteſte Gegenden ſchon vor laͤngſt beſetzt hielten: ſo muſten ſie alles mit Blut erfechten. Doch haben ſie von ihren ſchoͤ - nen Eroberungen in America anjetzt nichts wei - ter als Suriname und ein Paar Jnſuln, Curaſ - ſoa und St. Euſtachii uͤbrig.
a) Jhr204Vereinigte Niederlande.Jn Africa gehoͤren ihnen auf der Kuͤſte von Guinea die Feſtungen St. George Della Mina und Naſſau, nebſt verſchiedenen Forts und dem Schluͤſſel von Oſt-Jndien, dem Vor - gebuͤrge der guten Hofnung.
Aber in Oſt-Jndien haben ſie allein mehr Land inne, als alle andre Europaͤiſche Seemaͤch - te zuſammen genommen. Sie beherrſchen die unvergleichliche Jnſul Java, ſie haben uͤber 9. Koͤni -205Vereinigte Niederlande. Koͤnige auf der Malabariſchen Kuͤſte, und uͤber die Koͤnige auf der Jnſul Ceylon und Suma - tra zu gebieten. Sie ſitzen in der Halbinſul Malacca, in Borneo, Celebes und in den Mo - lucciſchen Jnſuln, beſonders in Ternate Amboi - na und Banda feſte.
Das Land wimmelt von Einwohnern, man rechnet allein in Holland auf 2 Millionen und 400. 000. Seelen. Die Liebe zur Freyheit, und die bequeme Art, ihr Brod zu erwerben hat eine erſtaunende Anzahl von Fremden her - eingezogen. Die Landesſprache erinnert dievereinigte206Vereinigte Niederlande. vereinigte Niederlaͤnder, daß ſie Teutſcher Ab - kunft ſind. Doch hat die Franzoͤſiſche ſchon ganz Holland uͤberſchwemmet, und koͤnnen ſich kaum die Gerichte genug dagegen verdaͤmmen.
Das melancholiſche Temperament des Hollaͤnders wird durch ein ſtarkes Phlegma tem - perirt. Er denkt gruͤndlich und nichts deſto we - niger witzig. Er iſt von ſtillem Weſen, gutthaͤ - tig, ohne Falſch, ohne Uebereilung, ohne hitzi - ge Affecten. Die Hoflebensart iſt ihm unbe - kannt und mißfaͤllig. Das Frauenzimmer iſt das reinlichſte in der Welt, der Poͤbel iſt geneigt, ſeine Freyheit zu mißbrauchen, und ſolche biß zur Unbaͤndigkeit zu treiben.
Die Wiſſenſchaften und freye Kuͤnſte haben an der Republick der vereinigten Nieder -lande207Vereinigte Niederlande. lande jederzeit eine liebreiche Pflegemutter gefun - den, wovon 5. Academien, Leiden, Franecker, Groͤningen, Utrecht und Harderwick und ver - ſchiedene reiche Schulen zeugen koͤnnen. Da - her es auch dieſem Freyſtaate niemals an groſ - ſen ſowohl einheimiſchen; als auslaͤndiſchen Ge - lehrten gefehlet hat. Viele ſeiner Buͤrger, die von Profeßion keine Gelehrte ſind, beſchaͤftigen ſich mit den Wiſſenſchaften. Unter den freyen Kuͤnſten bluͤht hier ſonderlich die Malerey und das Kupferſtechen.
Die Hollaͤnder weichen keiner Nation in der Arbeitſamkeit, uͤbertreffen aber alle andere in der Sparſamkeit, und dieſes Kunſtſtuͤck ver - doppelt ihren Gewinn. Die Fiſchereyen ſind nebſt der Viehzucht das aͤlteſte Nahrungsmittel der ver - einigten Niederlaͤnder geweſen. Noch jetzt iſt ihr Wallfiſchfang eintraͤglich, ihr Heringsfang a - ber unſchaͤtzbar. Nach und nach vermehrten ſie auch ihre Manufacturen, welche biß auf den heutigen Tag vortrefflich bluͤhen, und hat Hol - land den ihm eigenen Ruhm, daß nirgends ſowenig208Vereinigte Niederlande. wenig Materialien gezeuget, und doch zugleich ſo viele Manufacturen verfertiget worden, als daſelbſt.
Der Handel der vereinigten Niederlaͤnder gehet durch die ganze Welt. Jn Europa be - ſuchen ſie 1) alle Kuͤſten der Oſtſee und des gan - zen Nordens von Archangel an die Norwegiſche, Daͤniſche, Schwediſche, Rußiſche, Curlaͤndi - ſche, Preußiſche und Teutſche Kuͤſten biß Luͤbeck, und zwar haͤufiger als keine andere Seenation. 2) Handeln ſie vermittelſt der Elbe, Weſer,und209Vereinigte Niederlande. und des Rheins uͤber Hamburg, Bremen, Frank - furt und Leipzig durch das ganze uͤbrige Teutſch - land biß in Oeſterreich und in die Schweitz, 3) nach den Catholiſchen Niederlanden, 4) nach den Groß-Britanniſchen Jnſuln, 5) nach Frank - reich, Spanien und Portugal, 6) nach allen Jtalieniſchen Hoͤfen.
Auſſer Europa ſchiffen ſie 1) nach der gan - zen Levante, ſonderlich nach Smyrna, 2) nach den Africaniſchen Kuͤſten von der Côte d’or an biß in das Caffernland, 3) nach America, 4) hauptſaͤchlich aber durch ganz Oſt-Jndien, wo ſie auſſer ihrem maͤchtigen Eigenthum verſchiede - ne herrliche Comptoirs in Mocca, Gameron, Jspahan, Suratta, in Bengala, Pegu, Si - am, Japan, China, Tonqvin, Sumatra und Borneo haben.
Amſterdam iſt der Hauptſitz, und die un - vergleichliche Banco daſelbſt eine Grundſaͤule des Hollaͤndiſchen Commercienweſens. Es wird ſolches auch durch die ruͤhmliche Sorgſalt der Republick, und durch die verſchiedene Handels - geſellſchaften, als die Weſt-Jndiſche, die von Suriname, die Nordiſche; ſonderlich aber durch die Oſt-Jndiſche Compagnie befeſtiget, welche ſowohl wegen ihrer Vorrechte, als wegen ihrer Macht noch zur Zeit die Koͤniginn aller Hand - lungsgeſellſchafften in der Welt zu nennen iſt.
a) 211Vereinigte Niederlande.Man rechnet in den vereinigten Niederlan -O 2den212Vereinigte Niederlande. den nach Gulden und Stuͤber. 20. Stuͤber ma - chen 1. Gulden. 1. Stuͤber hat 2 Groot, 1. Groot 4. Deut oder 8. Pf. Jhre Goldmuͤnze ſind die Ducaten, deren 1. betraͤgt 5. Hollaͤndi - ſche Gulden. Kein Reich in Europa ſchlaͤgt ſo viel Goldmuͤnzen, als die Hollaͤnder.
Die Utrechtiſche Union, geſchloſſen 1579. den 29. Jenner iſt das Haupt-Grundgeſetz, wor - auf die ganze Verbindung der 7. vereinigten Provinzen beruhet, ungeachtet einige Artickel durch neue Vortraͤge abgeaͤndert worden.
Die Deputirte der 7. vereinigten Provin - zen, in ſo fern ſie zuſammen genommen die gan - ze Republick vorſtellen, werden titulirt: die Hochmoͤgende Herren General Staaten; in ſo fern ſie aber eine einzelne Provinz beſonders vor - ſtellen, haben ſie verſchiedene Titulaturen. Auf eben die Art ſind auch die Wappen der einzel - nen Provinzen von dem gemeinſamen Wappen der ganzen Republick wohl zu unterſcheiden. Letzteres beſteht in einem guͤldenen gekroͤnten Loͤ -wen,213Vereinigte Niederlande. wen, welcher in der rechten Vorder-Pranke ein Schwerdt, in der linken aber 7. zuſammen ge - bundene Pfeile haͤlt.
Die Republick der vereinigten Niederlan - de iſt ein Jnbegriff von ungefehr 50. kleinen Staaten, welche in 7. beſonderen Republicken zuſammen haͤngen, deren allgemeine Verbin - dung ſich faſt nicht weiter, als auf ihre gemein - ſchaftliche Vertheidigung erſtrecket.
Zu Beſorgung der gemeinſamen Staats - ſachen, iſt eine beſtaͤndige Verſammlung der Deputirten aller 7. Provinzen unter dem Na - men der General Staaten (Vergaderingh der Staaten Generael der Vereenighde Nee -O 3der -214Vereinigte Niederlande. derlanden) in dem Haag errichtet, worinnen 1) jede Provinz eine einzige Stimme hat, od - gleich oͤfters mehr als 50. Deputirte anweſend ſind; 2) jede Provinz wechſelsweiſe von Woche zu Woche praͤſidiret, ungeachtet die Rangord - nung der Provinzen feſtgeſtellet iſt; 3) jeder De - putirter ein bloſſer Unterthan ſeiner Provinzen iſt, obgleich die General-Staaten verſchiedene Majeſtaͤtsrechte unumſchraͤnkt ausuͤben.
Von dieſem Collegio dependiret der Staats - rath (De Raedt van Staaten,) welcher aus 12. Depu -215Vereinigte Niederlande. Deputirten der Provinzen beſteht, uͤber das Fi - nanz - und Kriegsweſen die Oderaufſicht ſuͤhret, und die Schluͤſſe der General Staaten zur Voll - ſtreckung bringet.
Seit 1747. iſt auch die Statthalterſchaft durch eine gluͤckliche Revolution in verſchiedenen bißher widerſpaͤnſtigen Provinzen erneuert, und der ganzen Republick allgemein und erblich wor - den. Sie iſt eine Grundſaͤule des Staats, wor - auf die Freyheit der Republick erbauet, und wo - durch ihr Umſturz zweymal gehemmet worden. Anjetzt iſt der Prinz von Oranien, Wilhelm Carl Heinrich Friſo, Erbſtatthalter der Union in maͤnn - licher und werblicher Linie, womit die Wuͤrde eines Erb-General-Capitains zu Waſſer und zu Lan - de aller vereinigten Provinzen und der Generali - taͤts-Laͤnder verknuͤpfet iſt, welcher noch neulich das General Directorium der Oſt-JndiſchenO 4Com -216Vereinigte Niederlande. Compagnie beygefuͤget worden, ſo daß dieſer wuͤr - dige Prinz vor allen ſeinen Durchlauchten Vor - fahren an der Statthalterſchaft auſſerordentliche Vorzuͤge genieſſet.
Der Hollaͤnder verſteht was er glaubt, er iſt eifrig in der Religion, und ehrerbietig gegen die Geiſtlichkeit. Die Reformirte Religion herrſchet allein in allen 7. Provinzen, und iſt durch die Kirchenverſammlung zu Dordrecht 1618. be - feſtiget worden. Doch goͤnnen ſie allen Religio - nen die Gewiſſensfreyheit, um deren Willen ſie ſelbſt ehedem ſo tapfer gefochten, und man findet auſſer der groſſen Menge Catholicken, auch Ar - minianer, Lutheraner, Wiedertaͤufer, Qvaͤcker, Labadiſten, Rheinburger, Griechen und Juden darinnen.
Jede Kirche hat ihren einen oder mehrere Geiſtliche, ihre Aelteſten und Diaconos. Dieſe machen das Conſiſtorium aus. Die Conſiſto - ria ſtehen unter der Claſſe, die ſich alle 3. Mo - nathe verſammlet, (Claſſicale Vergadering) und die Claſſen unter einem Synodo Provin - ciali, der ein - oder zweymal im Jahr ſeine Zu - ſammenkuͤnfte haͤlt. Man zaͤhlet 9. dergleichen Synodos in den vereinigten Niederlanden. Sie formiren alle 3. Jahr einen Coetum, aber nur zu einer ganz beſondern Handlung. Denn ei - ne allgemeine Kirchenverſammlung oder Synodus Nationalis iſt ſeit der einzigen Dordrechtiſchen mit reifem Vorbedacht nicht wieder gehalten worden.
Es hat nicht nur jede Provinz ihre eigene Geſetze; ſondern auch faſt jede Stadt ihr be - ſonderes Recht. Nach dieſen nimt man das Roͤmiſche Geſetzbuch zu Huͤlfe, welches ſeit dem Ende des 15ten Jahrhunderts in einigen Provin - zen oͤffentlich eingefuͤhret, in andern aber nach und nach angenommen worden.
Jede Provinz hat ihre eigene, und unab -haͤngige219Vereinigte Niederlande. haͤngige Gerichtsbarkeit. Dieſe wird meiſtens von einem beſondern Provinzial Gericht ausge - uͤbet, an welches die niedere Dorf - und Stadt - Gerichte appelliren, doch ſo, daß der unterlie - gende Theil bey den Staaten der Provinz um Reviſion ſuppliciren kann.
Nirgends in der Welt iſt bißher das Volk mit ſo viel Auflagen beladen geweſen, als in den vereinigten Niederlanden. Zu den ordent - lichen gehoͤren 1) die Land - und Haͤuſerſteuer, (Verponding) 2) der vierzigſte Pfennig vom Verkauf der Gruͤnde und von Collateral-Erb - ſchaften, 3) die Taxe auf Hausbediente, Pfer - de und Wagen und dergl. 4) Die Aceiſe nebſt dem Stempelpapier, 6) die Zoͤlle. Die auſ - ſerordentliche beſtehen in Erhoͤhung der Ver - ponding, in Hebung des 100ten oder 200ten Pfennigs von allem Vermoͤgen, in der freywil - ligen Vermoͤgen-Steuer, in der Kopfſteuer und andern Abgaben.
Dieſe Abgaben werden von den Magi - ſtratsperſonen und andern dazu beſtellten Beam - ten in jeder Provinz gehoben und berechnet. Nur die ohnedem ſehr harte Acciſe iſt ſeit vielen Jah - ren verpachtet geweſen, biß endlich die Preſſu - ren der Pachter das Volk 1748. zu der verzwei - felten Revolution gebracht, wodurch ſie in 6. ganzen Provinzen zu Grunde gerichtet worden.
Die Abgaben der Generalitaͤts-Laͤnder werden von den General Staaten beſtimmet, und nach ihrem Gutachten angeordnet. Herge - gen die Abgaben der 7. vereinigten Provinzen werden von den Staaten einer jeden Provinz nach Belieben eingerichtet und gehoben; der ganzen Republick aber davon nur ſo viel gelie - fert, als auf den Vorſchlag des Staatsraths mit Einwilligung der General Staaten das An - theil jeder Provinz betraͤgt, und hat deßwegenjegliche221Vereinigte Niederlande. jegliche Provinz ihren Anſchlag, wornach ſie zur Nothdurft des Staats das ihrige beytraͤgt. Der Staatsrath und die Generalitaͤts-Rechenkammer (Generaliteyts-Reekenkamer) dirigiren das Finanzweſen.
Da die Republick ſich ihres fuͤrchterlichen Nachbarn zu erwehren, ihre Kraͤfte uͤber Ver - moͤgen angreifen muͤſſen, auch durch uͤble Verwaltung ihres Finanzweſens und Adnahme ihres Handels entkraͤftet worden: ſo iſt kein Wunder, daß ihre Schulden von Jahr zu Jahr mehr anwachſen, und man ſolche anjetzt auf fuͤnf - tehalb hundert Millionen Gulden rechnet.
Weil in den vereinigten Niederlanden ſich alles mit Manufacturen und Handel beſchaͤftiget, ſo fehlet es in Kriegeszeiten der Republick oft an Menſchen, und noch oͤfterer an Soldaten. Doch bezahlt ſie in Friedenszeiten 54.000. Mann, undin222Vereinigte Niederlande. in Kriegeszeiten macht ſie gewoͤhnliche Vermeh - rungen von 20.000. Mann, welche Vermehrun - gen ſie bißweilen zwey - auch wohl dreymal wie - derhohlet. Dieſe Truppen werden alsdenn mei - ſtens vor Subſidiengelder von fremden, beſon - ders von Teutſchen Fuͤrſten erkauft.
Die vereinigte Niederlaͤnder, welche die Natur zu Seeleuten beſtimmt, und deren Frey - ſtaat dem Meer ſein Weſen zu danken hat, koͤn - nen nach den Engellaͤndern die groͤßte und beſte Flotte in See ſtellen, obgleich ihr Seeweſen in dem jetzigen Jahrhundert durch allerhand Un - faͤlle gewaltig herunter gekommen iſt. Sie ha - ben 5. Admiralitaͤten 1) von Rotterdam, 2) von Amſterdam, 3) von Hoorn und Enkhuyſen, 4) von Middelburg, 5) von Harlingen, und nach dieſen theilen ſie ihre Flotte in 5. Escadern ein, uͤber welche der Prinz Statthalter General Ad - miral iſt.
Die Republick der vereinigten Niederlan - de iſt nicht ohne merkliche Staatsgebrechen, wel - che eine vieljaͤhrige Unempfindlichkeit noch gefaͤhr - licher gemacht hat. Durch die Erhebung des Prinzen von Oranien zur Statthalterſchaft iſt der Staat gleichſam neu belebet worden, und nunmehr laͤßt ſich hoffen, daß, wenn die Re - publick unter dieſem neuem Oberhaupte ihre ſonſt ſo geruͤhmte Staatsklugheit anwenden will, um die Manufacturen und den Handel zu befoͤrdern, das Finanzweſen zu beſſern, die Land - und See - macht auf den alten Fuß zu ſetzen, und den un - gezogenen Poͤbel folgſamer zu machen; ihre Dauer ſich noch auf viel laͤngere Zeit erſtrecken wird, als ihr viele Staatskundige aus wichtigen Urſachen prophezeyen wollen.
Die Rußiſche Voͤlker werden zuerſt im IXten Jahrhundert durch Errichtung ihres Monarchiſchen Staats, hernach durch ihre Kriege mit den Griechen, und noch mehr durch ihre Bekehrung zum Chriſtenthum bekannt. Da aber ihre Großfuͤrſten die Reichstheilun - gen mode machen; ſo muͤſſen ſie uͤber 200. Jahr unter dem Joche der Tatarn ſeufzen.
Jvan Baſilowitz entſchuͤttet ſich deſſelben ſeit der Mitte des XVten Jahrhunderts, und gewinnet Groß-Nowogrod und Severien. Sein Enkel Jvan Baſilowitz II. ein harter, aberſtaats -227Rußland. ſtaatskluger Regent erobert die beyde Tatariſche Koͤnigreiche, Caſan und Aſtracan, und ſchnap - pet nach Liefland; kann aber gegen Polen und Schweden nichts ausrichten. Sein Sohn Feo - dor verknuͤpfet zwar 1587 Siberien mit der Kro - ne; aber nach deſſen gewaltſamen Tode geht Rußland unter den Tyrannen und falſchen Demetriis zu Truͤmmern.
Michael Feodorowiz brinat das Geſchlecht der Romanow 1612. auf den Thron. Sein Sohn Alexius Michaelowiz entreiſſet den Po - len Smolensko nebſt dem groͤßten Theil der U - kraine. Deſſen juͤngſter Sohn Petrus der Groſ - ſe behauptet nach verſchiedenen Unruhen die Krone. Dieſer iſt es, der den Rußiſchen Staats - koͤrper nicht nur durch ſeine herrliche Eroberun - gen ſtark macht; ſondern auch durch ſeine un - vergleichliche Anſtalten beſeelet. Auf die kurze Regierungen ſeiner Gemahlinn Catharina, und ſeines Enkels Peters II. folgt ſeines Bruders Tochter, die gluͤckliche Anna Jvanowna. Nach ihr regiert der unmuͤndige Jvan III., wel - cher aber mit ſeiner Mutter der Regentinn An - na zugleich geſtuͤrzet wird, indem ſich Eliſabeth Peters I. juͤngſte Tochter 1741. auf den Thron ſchwinget.
Rußland hat ſeine Herrſchaft in Europa und Aſien ſo entſetzlich weit ausgebreitet, daß ſich ſolche auf 480. Teutſche Meilen in die Brei - te, und weit uͤber 1000. Meilen in die Laͤnge erſtrecket, ſo daß kein Reich in der Welt zu fin - den, deſſen zuſammenhangende Provinzen der Groͤſſe von Rußland gleich kaͤmen. Seine Grenzen gegen Weſten ſind Lappland, Schwe - den, die Oſtſee und Polen; gegen Norden das weiſſe und das Eißmeer; gegen Oſten das Ti - choiſche Meer, als die Grenzſcheidung von Ja - pan; gegen Suͤden die groſſe Tatarey, der Caspiſche See, der Berg Caucaſus, das ſchwar - ze Meer und die Crimm, durch welche Grenzen Rußland von China, Perſien und der Tuͤrkey geſchieden wird. Die Grenzen gegen Norden und Suͤden ſind erſt in den neueſten Zeiten be - ſtimmt worden, da man dieſe Gegenden bißher zu den unbekannten Laͤndern und Gewaͤſſern ge - rechnet hat.
Wenn man das ſo ſehr verſchiedene Clima dieſes Reichs etwas genauer erkennen will, ſo muß man es in 4. Haupttheile von Norden ge - gen Suͤden abſondern. Unter der anſehnlichen Menge ſeiner groſſen und ſchiffreichen Stroͤme ſind die Wolga, der Dnieper, der Don und der Oby die vornehmſte.
Die mittlere Provinzen von Rußland ſind am meiſten angebauet und vortrefflich fruchtbar. Sie geben im Ueberfluß Getreyde, Hanf, Flachs, Gartenfruͤchte, Bau - und Brennholz, Hornvieh, Pferde, Schaafe, Fluͤgelwerk,P 3Wild -230Rußland. Wildpret, Salz, Honig, Salpeter und Fi - ſche. Siberien iſt wegen der Zobel-Marder - Hermelinfelle und anderer reichen Pelzwercken, wegen der Silber-Kupfer - und Eiſenbergwerke, wegen des Schwefels und der Rhabarbar ſchaͤtz - bar. Die Suͤdliche Aſiatiſche Provinzen brin - gen Baumwolle, Seyde und Wein hervor. Diejenige Laͤnder aber, welche zu aͤuſſerſt gegen Norden und Oſten liegen, ſind wenig angebauet.
Rußland an ſich ſelbſt beſteht aus 30. Pro - vinzen, einem Stuͤck von Lappland, uud den5. Pro -231Rußland. 5. Provinzen der groſſen Tatarey, nehmlich Samojeda, Siberien, Caſan, Aſtracan und Bulgaria, oder der Tatariſchen Bucharey.
Seit der groſſen Veraͤnderung in jetzigem Jahrhundert, da Rußland ſeine Kraͤfte er - kennen und brauchen gelernet, hat es ſowohl in Europa als in Aſia ſeinen Scepter auszuſtre - cken gewußt, an der Oſtſee nnd dem Caſpiſchen Meere feſten Fuß geſetzt, und den Schweden nebſt andern Provinzen ſonderlich das reiche Kornmagazin Liefland; den Perſern aber das nicht weniger nutzbare Schirvan entriſſen.
P 4a) Ueber -232Rußland.Alle dieſe alte und neuerworbene Laͤnder ſind nunmehr in folgende 10. Gouvernements eingetheilet worden 1) das Moseowitiſche, 2) Petersburg - und Reveliſche, 3) Kiowiſche, 4) Archangeliſche, 5) Smolenzko - und Rigaiſche, 6) Siberiſche, 7) Azowiſche oder Woronitziſche, 9) Aſtracaniſche, 10) Nyſchegorodiſche.
Sonſt war das weitlaͤuftige Moscau und das darinnen befindliche Schloß Cremelin die Reſidenz der Czaaren. Petrus I. aber errichteteſich233Rußland. ſich an der Oſtſee einen praͤchtigen Sitz, St. Pe - tersburg, welches Werk allein den Namen ſeines Schoͤpfers bey der Nachwelt verehrungs - wuͤrdig macht.
Rußland muß ſeine weitausgedehnte Gren - zen durch eine Menge Feſtungen und zum Theil durch ganze Linien bedecken. Sonderlich iſt Wyborg die Vormauer von St. Petersburg, Kiow und Smolenzko dienen gegen Polen, Der - bent und Aſtracan gegen die Aſiatiſche Nachba - ren. Die uͤbrige Fortereſſen ſind zugleich See - haͤfen, unter welchen naͤchſt St. Petersburg und deſſen Seeſchluͤſſel Kronſtadt, Riga und Reval in Liefland, am weiſſen Meer aber Ar - changel fuͤr andern betraͤchtlich ſind.
P 5a) 234Rußland.Petrus I. ſparte weder Koſten noch Men - ſchen, um durch Canaͤle eine beſſere Commu - nication zwiſchen den Rußiſchen Provinzen zu erhalten. Es ſind auch 3. dergleichen Ca - naͤle zu Stande gekommen, 1) der von Ladoga, welcher unter die Wunder unſerer Zeit gehoͤret, 2) der von Tweer, welcher den Strom Miſta mit der Twerza, und folglich den Caspiſchen See mit Petersburg verbindet, 3) der von Rzewa, wodurch die Wolga mit der Moscua zuſammen haͤnget, und alſo zwiſchen klein Rußland und der Stadt Moscau und Petersburg eine Waſ - ſerfahrt offen iſt. Drey andere waren noch projectirt, auch ſonderlich an dem wichtigen Ca -nal235Rußland. nal zur Vereinigung der Wolga und des Dons ſchon mit Macht gegraben worden; aber es iſt noch zur Zeit dabey geblieben.
Ungeachtet nicht der dritte Theil der Ruſ - ſiſchen Laͤnder gehoͤriger Maaſſen bewohnet und angebauet iſt, ſo weicht dennoch an Menge der Einwohner Rußland nicht dem groͤßten Reiche in Europa. Die Hauptſprache der Ruſſen iſt eine Tochter der Sclavoniſchen. Der Czaar Peter I. hat ſie regelmaͤßiger eingerichtet, undauch236Rußland. auch durch dieſe Verbeſſerung ſich um ſein Volk verdient gemacht.
Den Ruſſen macht ſeine Lebensart dauer - haft, und zu den ſchweereſten Strapatzen ge - ſchickt. Vor Petro I. war er den Auslaͤndern faſt bloß auf der ſchlimmen Seite bekannt. Man ſchilderte ihn als einen unreinlichen, faulen, ver - ſoffenen, betruͤgeriſchen, heimtuͤckiſchen und hals - ſtarrigen Menſchen, mit einem Worte: als ei - nen Barbaren ab. Sein Kopf war wuͤſte, ſein ganzes Weſen roh, und eine undenklich alte Gewohnheit ſchiene ihn darinnen verhaͤrtet zu haben. Allein der kluge und unermuͤdete Pe - trus erfand das Geheimniß, ihn umzuſchmel - zen. Durch Liebe und Schaͤrfe lehrte er ihn denken und geſittet leben. Nunmehr ſind die Ruſſen den andern Europaͤern aͤhnlicher gewor - den; doch haͤngt der Poͤbel noch den alten La - ſtern nach.
a) Von237Rußland.Nunmehr haben die Ruſſen auch Gelegen - heit, ſich in allen nuͤtzlichen Theilen der Ge - lehrſamkeit unterrichten zu laſſen. Vor Petro war alles mit der Finſterniß der Unwiſſenheit bedeckt. Er ſteckte das Licht der Wiſſenſchaf - ten auf, und gewoͤhnte das Rußiſche Auge an, ſolches zu vertragen; ſonderlich ſeit dem er die Academie der Wiſſenſchaften in Petersburg an - geleget, welche vor kurzem von der Kayſerinn Eli - ſabeth noch beſſer eingerichtet, und mit mehr als doppelten Einkuͤnften dotiret worden. Die U - niverſitaͤtt Doͤrpt in Liefland ſteht auch unterRußi -238Rußland. Rußifcher Hoheit, und in Kiow iſt eine alte Academie vor die Griechiſche Gottesgelehrten.
Sonſt beſtand alle Arbeit der Ruſſen faſtallein239Rußland. allein in Ackerbau, Viehzucht, Jagd und Fi - ſchereyen, und auſſer ihren vortrefflichen Juch - ten waren ſie nicht nur in den kuͤnſtlichen Manu - facturen; ſondern auch in verſchiedenen nothduͤrf - tigen Handarbeiten unerfahren. Petrus vermiſch - te ſein Volk mit fremden Kuͤnſtlern. Seit dem findet man Seyden - und Wollfabricken in Ruß - land. Die Leinwebereyen, Seiler - und See - gelmacher-Arbeiten, der Schiffbau, die Ku - pfer-Meßing-Eiſen-Stahl - insbeſondere auch die Drat-Blech-Gewehr - und Geſchuͤtz-Fabri - cken floriren. Sie machen Papier, Perga - ment, Glaß, Pulver, und bringen es in al - lerhand Kuͤnſten je laͤnger je weiter.
Rußlands Lage und andere natuͤrliche Vor - theile machen es zum Handel vorzuͤglich vor vie - len andern Nationen geſchickt. Es wird auch ſelbiger ſeit der angefangenen Verwandelung je laͤnger je anſehnlicher, und iſt gar nicht un - moͤglich, daß dieſes Reich in kuͤnftigen Zeiten der Mittelpunct des Commercii zwiſchen Euro - pa und den benachbarten Provinzen von Aſien werden kann. Der Handel mit Aſien theilet ſich hauptſaͤchlich in drey Zweige. Der 1) nach der Tuͤrkey und Tatarey iſt maͤßig, der 2) nach Perſien geht uͤber Aſtracan und den Cas - piſchen See, und iſt von mehrerer Wichtigkeit, der 3) nach China geſchicht zu Lande vermittelſt groſſer Caravanen, die jaͤhrlich nach Pecking ziehen, und iſt der wichtigſte. Die Aſiatiſche Waaren hohlet der Ruſſe ſelbſt ab; hinge - gen, was er aus den Europaͤiſchen Reichen be - noͤthiget iſt, laͤßt er ſich noch groͤßten Theils von denen an der Nord - und Oſtſee wohnenden See - voͤlkern zufuͤhren. Dieſer Seehandel geht uͤ - ber Petersburg und Archangel, und iſt ſehr viel betraͤchtlicher als der zu Lande.
a) 241Rußland.Die Ruſſen rechnen nach Rubel und Co - picken. 100. Copicken machen 1. Rubel oder 30. ggr. beydes ſind Silbermuͤnzen. Die uͤbrige gangbare Muͤnzen ſind Ducaten, ferner Polti - nen von 50. Cop. oder ein halber Rubel, und Grie - ven von 10. Cop. Dieſe ſind von Silber. Die Stuͤcke von 5. Copicken, Denuska (ein halber Cop. ) und Petuska (ein viertel Cop. ) ſind von Kupfer. Ein Altin haͤlt 3. Copicken, iſt aber nur eine eingebildete Muͤnzſorte.
Petrus der Groſſe publicirte 1722. den 5. Februar. eine Verordnung, wodurch die Erb - folge der Blutsverwandſchaft aufgehoben, und ſolche lediglich dem Willen des regierenden Mo - narchen unterworfen wurde. Hiezu gab die Abſolonitiſche Boßheit ſeines Erbprinzen Alexii Gelegenheit, und die Folgen dieſer Verordnung ſind vor das Rußiſche Reich ſehr merkwuͤrdig geweſen. Es iſt dieſes das einzige geſchriebene Reichsgrundgeſetz in Rußland.
Die jetzt regierende Kayſerinn Eliſabeth Petrowna, die juͤngſte Tochter des Kayſers Pe -tri243Rußland. tri I. und der Kayſerinn Catharina Alexiewna iſt gebohren 1710. und beſtieg den Thron 1741. Sie hat ihrer Schweſter Anna Sohn, Petern Feodorowitz, vorher Carl Peter Ulrich genannt, regierenden Herzog von Holſtein Gottorp, zum Großfuͤrſten von Rußland erklaͤrt 1742., wel - cher ſich mit der Prinzeßinn von Anhalt Zerbſt Catharina Alexiewna, zuvor Sophia Augu - ſta Friederica, 1744. vermaͤhlt, und noch zur Zeit unbeerbet iſt.
Die ehemalige Beherrſcher des Rußiſchen Thrones nennten ſich Czaare und Großfuͤrſten. Petrus I. nahm den ihm von ſeinen Untertha - nen angetragenen Kayſerlichen Titul an, wel - chen nunmehr ganz Europa erkannt hat. Es titulirt ſich alſo die jetzige Monarchinn Eliſabeth: Kayſerinn und Selbſtherſcherinn von ganz Ruß - land.
Die Rußiſche Großfuͤrſten ſollen anfangs als Heyden einen Bogen und Pfeil im Wap - pen gefuͤhret haben, als Chriſten nahmen ſie drey Zirkel in einem Triangel, hernach den Rit - ter St. George, Jvan Baſilowiz II. aber we - gen des Anſpruchs auf das Griechiſche Reich den doppelten Kayſerlichen Adler an. Petrus I. gab dem Rußiſchen Wappen die heutige Figur. Es beſteht in einem ſchwarzen, zweykoͤpfiaten und dreyfach gekroͤnten Adler im guͤldenen Fel - de, welcher das Wappen von Moscau auf der Bruſt, und 6. andere Wappen, nehmlich von Aſtracan, Siberien, Nowogorod, Caſan, Kiow und Wilodimir in den Fluͤgeln fuͤhret. Das groſſe Reichsinſiegel hat noch 26. Wap - pen der andern Rußiſchen Provinzen, welche in Form einer Oval-Linie rings um den Adler zuſammen hangen.
Der Hofſtaat iſt von Peter I. zuerſt auf einen regelmaͤßigen Fuß geſetzet, von der Kay - ſerinn Anna Jwanowna aber ſo anſehnlich und prachtig gemacht worden, daß er in ganz Euro - pa nicht anſehnlicher und praͤchtiger zu finden iſt. Dieſen Glanz des Hofes vermehren auch ſeit dem 2. Ritterorden, welche beyde Petrum I. als ihren Stifter erkennen. Der erſte und vornehmſte iſt der Andreas-Orden, errichtet 1698. welchen die Kayſerinn Catharina mit den Or - dens-Statuten und Kleidungen verſehen. Der andere iſt der Alexander-Orden, welchen Pe - trus zwar angeordnet; aber Catharina 1725. zuerſt ausgetheilet hat. Jener iſt dem heiligen Andreas, als Schutzpatron von Rußland; die - ſer ader dem heiligen Alexander Newski, einem ehemaligen Großfuͤrſten zu Ehren errichtet. Bey - de haben ihr Ordenszeichen, Ordensband und Deviſe. Der Andreas-Orden hat uͤberdies ei - ne Ordenskette, und alle Andreas-Ritter ſind zugleich Ritter vom Alexander Orden. Auſſer dieſen beyden floriret auch noch ein weiblicher Orden, welchen Petrus I. aus Hochachtung gegen ſeine kluge Gemahlinn Catharina 1714. ſtiftete, und ihn nach ihrem Namen den Ca - tharinen-Orden nennete.
Q 3a) 246Rußland.Das Rußiſche Reich iſt ſeit den Zeiten J - wans Baſilowiz I. reichshergebrachter Maaſſen untheilbar. Das weibliche Geſchlecht iſt von der Regierung nicht ausgeſchloſſen. Ueber die Thronfolge diſponirte zwar der regierende Monarch bißweilen, doch ſo, daß er ſeine Fami - lie nicht vorbeyging, auſſer wenn Niemand da - von uͤbrig war. Petrus I. aber verordnete:
Daß es jederzeit in des regierenden Lan - desherren Willkuͤhr ſtehen ſolle, nicht allein die Succeßion, wem er will, zu zuwenden; ſondern auch den bereits ernennten Nachfolger, wenn er einige Untauglichkeit an ihm bemerket, wie - der zu vetaͤndern.
Aus dieſem von Petro feſtgeſtellten Reichs - Grundgeſetz laͤßt ſich folgern, daß, wenn ein min - derjaͤhriger Thronfolger ernennet wird, der erb - laſſende Monarch nach ſeinem Gefallen die Zeit der Majorennitaͤt beſtimmen kann. Die Kroͤ - nung und Salbung iſt nach dem Reichsher - kommen eingefuͤhrt, und wird jederzeit zu Mos - cau mit vielen Feyerlichkeiten vollzogen. Das Ceremoniel dabey iſt noch beſtaͤndig einigen Ver - aͤnderungen unterworfen; doch ſieht man dar - aus, daß kein anderer, als der ſich zur Grie - chiſchen Religion bekennt, der Krone faͤhig iſt.
Der Rußiſche Selbſtherrſcher iſt an das natuͤrliche Recht und die Griechiſche Religion gebunden. Sonſt aber iſt keine Verbindlich - keit vorhanden, welche ſeiner unumſchraͤnkten Gewalt Grenzen ſetzen ſollte. Die Nation iſt auch ſo wenig gewohnt, ihrem Landesherren im geringſten die Haͤnde binden zn koͤnnen, daß die Capitulation, ſo man der Kayſerinn Anna Jwanowna vorgelegt, kaum von monathlicher Dauer geweſen.
Der Senat oder dirigirende Rath, der Synodus oder geiſtliche Rath und der Kriegs - rath ſtellen die Reichsſtaͤnde vor; ſind aber nur ein Schatten davon, und koͤnnen fuͤg - licher nebſt dem Cabinetsrath als die vornehm - ſte Collegia des regierenden Monarchen, in deſ - ſen bloſſen Willkuͤhr ihre Ernennung beruhet, betrachtet werden. Jnzwiſchen iſt doch ihr An -ſehen249Rußland. ſehen bey der Thronfolge und bey Revolutionen von groſſem Gewichte.
Der Rußiſche Adel beſtand ehedem bloß aus Fuͤrſten (Kneeſen) und den uͤbrigen Edel - leuten, (Doworianen) unter welchen die Boja - ren und Synbojarskoi oder Bojaren Soͤhne, als angeſeſſene Adeliche, die uͤber Leibeigene zu befehlen haben, einige Vorzuͤge genieſſen. Pe - trus creirte Grafen und Baronen, und fuͤhrte 1714. bey den adelichen Guͤtern die Untheilbar - keit ein, und gab deren Beſitzern das Recht, ſol - che nach Gefallen dem Wuͤrdigſten unter ihren Kindern zuwenden zu koͤnnen. Uebrigens iſt der Adel mit allen anderen Unterthanen der hoͤchſten Majeſtaͤt auf gleiche Art unterworfen.
Alle in - und auslaͤndiſche Staatsſachen werden in dem Cabinetsrath als dem hoͤchſten Reichscollegio ausgemacht. Die Anzahl und Wahl der Beyſitzer beruhet in des regierenden Monarchen hoͤchſten Gutachten, welcher in Per - ſon darinnen praͤſidiret.
Die Griechiſche Religion iſt die herr - ſchende. Die von den Schweden eroberte Pro - vinzen bekennen ſich zur Lutheriſchen Religion, die zinsbare Tatarn ſind noch groͤßtentheils in dem Mahometaniſchen Aderglauben, wie die zerſtreute Voͤlker gegen Norden und Oſten im Heydenthum erſoffen. Man hat in jetztlaufen - den Jahrhundert angefangen, das Chriſtenthum unter ihnen auszubreiten. Dieſes lobenswuͤr - dige Werk wird von einem beſondern Collegio de propaganda fide in Petersburg dirigiret, und hat einen erwuͤnſchten Fortgang. Es wer - den auch[andere] Religionen im Reiche geduldet, und ſind bloß die Jeſuiten und die Juden dar - aus verbannet, doch iſt von den letztern noch hie und da eine heimliche Brut uͤbrig.
Die Rußiſche Geiſtlichkeit beſteht aus 4. Metropolitanen, denen zwar die Erzbiſchoͤfe und Biſchoͤfe, (welche nur dem Titul nach unter - ſchieden ſind) als Suffraganii, die haͤufige Moͤnchs - und Nonnenkloͤſter aber nicht unterge - ben ſind. Denn dieſe ſtehen unter ihren eigenen Archimandriten, Kilari und Igumeni. (Aebten,Proͤb -252Rußland. Proͤbſten und Aebtißinnen) Sie folgen der Re - gel des heiligen Baſilii; einige wenige aber der Regel des heiligen Antonii. Die Stadt - und Landpfarrer nennen ſie Protopopen, Popen (Erzprieſter, Prieſter) und Diaconos, dieſe ſind in unzaͤhliger Menge. Petrus erhob ſich zum Beherrſcher der Geiſtlichkeit, da er ihre Guͤter einige Jahre einzog, das ſtoltze Patriarchat un - terdruͤckte, und an deſſen Statt einen ihm un - terthaͤnigen geiſtlichen Rath (Synodum) von 12. Perſonen 1719. in Petersburg anordnete.
Sonſt ward in den Rußiſchen Gerichtshoͤ - fen nach den alten hergebrachten Gewohnheiten geſprochen. Jwan Baſilowiz ließ zuerſt einige ſchriftliche Geſetze ſammlen 1598. Alexius publi - cirte endlich 1647. das jetzt geltende Geſetzbuch Sobornie Vloſienie, (einhelliges und geſamm - tes Recht) welches durch die Verordnungen der nachfolgenden Czaare vermehret werden. Die Gerichte heiſſen durchgaͤngig Pricaſen. Die 10. Gouverneurs haben die letzte Jnſtanz, und ſprechen abſolut. Der Proceß iſt ſehr ſumma - riſch, und die Strafen hart, waren aber vor - dem noch haͤrter.
Die Einkuͤnfte werden aus den Cammer - guͤtern, den Zoͤllen, der Acciſe, den Monipoliis mit inlaͤndiſchem Taback und Getraͤnke, (dasSchenk -254Rußland. Schenkrecht von Bier, Meht und Kornbran - tewein) auch mit allen Siberiſchen Waaren, (Pelzwerken, Rhabarbar u. ſ. w.) mit Salz, Caviar, Potaſche, Weidaſche, Hausdlaſen, Pech und Theer, aus dem Kayſerlichen Handel nach China, aus den Bergwerken, dem Muͤnz - Poſt - und andern Regalien gehoben.
Die uͤbrige Revenuͤen beſtehn in den Auf - lagen auf die Unterthanen. Dahin gehoͤren ih - re Frohndienſte, Proviantlieferungen und Geld - abgaben. Die letztere ſind entweder ordentlich, als die Landſteuern, die Abgaben von Bade - ſtuben, Muͤhlen, Teichen und andern Fiſche - reyen, Bienenſtoͤcken, Wieſen, Gaͤrten, der Grundzins von den ſchwarzen Plaͤtzen in den Staͤdten und Marcktflecken, die Vermoͤgen - ſteuer der Kauf - und Handwerksleute. Die Edelleute ſind vom Grundzinſe und der Vermoͤ - genſteuer frey, bezahlen aber die Badeſtuben deſto theurer. Die Stadt - und Dorf-Geiſtlichkeit be - zahlt ohngefehr wie Buͤrger und Bauer, die vor - nehmere Praelaten wie die Edelleute. Die auſſer - ordentliche Auflagen beſtehen in einem Kopf - gelde, (Tſchaprosniedengi) welches nach den verſchiedenen Beduͤrfniſſen des Staats von dem Buͤrger uud Bauer bald geringer bald ſtaͤrker abgetragen werden muß.
Die neue Conqueten in Europa, und die Coſacken in der Ukraine zahlen auf einen leidli - cheren Fuß. Der Zins der Tatarn und derNord -255Rußland. Nord - und Oſtlichen Heyden beſteht mehren - theils in Pelzwerk.
Dieſe Einkuͤnfte werden theils durch Ad - miniſtration theils durch Verpachtung geho - ben. Die 10. Gouverneurs dirigiren in ihrem Provinzen auch das Finanzweſen. Man rech - net die geſammte ordentliche Einkuͤnfte auf 20. Millio -256Rußland. Millionen Rubel; doch wuͤrden ſie weit hoͤher ſteigen, wenn allem Unterſchleif vorgebeuget werden koͤnnte.
Der Ruſſe hat vorzuͤgliche Eigenſchaften, um einen tuͤchtigen Soldaten abgeben zu koͤnnen, ſonderlich wenn er wohl commandiret wird. Pe - trus I. goß das ganze Militaͤrweſen in die Eu - ropaͤiſche Form: ſeit dem hat dieſe Nation ih - ren Kriegsruhm in den beyden maͤchtigſten Thei - len der Welt gerechtfertiget: doch wird die Ca - vallerie von der Jnfanterie weit uͤbertroffen. Man rechnet ihre regulaͤre Truppen auf 180. 000. Mann, worunter die 4. Garde-Regimen - ter 10. 000. das Artillerie Corps 7000. Mann betragen. Die ſchwarze Regimenter oder die ordentliche Landmilitz ſchaͤtzet man auf 96. 000. Mann ſtark. Auf Erfordern muͤſſen auch die zinsbare Tatarn, Coſacken und Calmucken mit 50. und mehr 1000. Mann aufſitzen, und dieſe leichte Reuterey thut vortrefliche Dien - ſte.
Wenn Peter I. in ſeiner ganzen Regie - rung groſſe Dinge ausgefuͤhret; ſo hat er in der Errichtung der Rußiſchen Seemacht Wun - der gethan. Vor ihm war auſſer Archangel kaum der Name der See bekannt, und ein Rußiſches Schiff oder Rußiſcher Seemann et - was unerhoͤrtes. Er ward der Lehrmeiſter ſei - nes Volks mit ſolchem Fortgange, daß er mitRſeiner258Rußland. ſeiner eigenen Flotte uͤber eine maͤchtige Seena - tion triumphiren konnte. Sie beſteht auſſer den Fregatten aus ungefehr 40. Kriegsſchiffen und 250. Galeeren. Die Flotte von Kriegs - ſchiffen wird in die weiſſe, blaue und rothe Eſcadre getheilt. Die Galeeren koͤnnen 20. biß 30.000. Mann Fußvolk und Reuterey transportiren. Rußland hat alle Schiffsmaterialien in hoͤch - ſtem Ueberfluſſe, es hat Schiffsbaumeiſter und Matroſen gezogen, und laͤßt in der See-Academie zu Petersburg etliche 100. Edelleute zu Seeoffi - ciers beſtaͤndig nachziehen. Die Kriegsflotte wird in Kronſtadt und Reval, die Galeeren in Petersburg verwahrt. An dieſen 3. Orten ſind auch Seemagazine und Schiffswerfte angelegt, doch iſt der Schiffswerft zu Archangel der vor - nehmſte.
Da Petri I. Regierung, aller gegenthei - ligen Vorwuͤrfe ungeachtet, ein Jnbegriff einer faſt vollſtaͤndigen Staatsklugheit iſt; ſo ſcheint dieſes der vornehmſte Grundſatz des Rußiſchen Staatsintereſſes zu ſeyn, ſeinen Fußſtappen nachzugehn, um dasjenige zu erhalten, was er ausgefuͤhrt, das fortzuſetzen, was er angefan - gen, und das ins Werk zu richten, was er ent - worfen.
Nach der groſſen Wanderung der Cimbrer, das iſt, der Juͤtlaͤnder und Daͤnen, wel - che den Roͤmern ſo viel Schrecken eingejaget, ſetzet ſich die Familie der Skioldunger noch vor Chriſti Geburt auf den Thron, welche ſeit dem achten Jahrhundert durch verſchiedene auswaͤr - tige Kriege beruͤhmt wird, und Svenotto er - obert gar Norwegen und Engelland.
Mit Canut dem Groſſen welcher auch die Mark Schleßwig erhaͤlt, faſſet das Chri - ſtenthum endlich Wurzel in Daͤnemark. Sei - ne Nachkommen bringen ſich durch ihre Thei - lungen um Norwegen und Engelland. Sie machen zwar darauf einige Conqveten, ſonderlich gegen die Wenden; verliehren ſie aber auch wie - der, biß Margaretha, eine Tochter des letzten Skioldungers Woldemars III. zu Ende des XIVten Jahrhunderts durch ihre Vermaͤhlung Norwegen, und durch ihre Tapferkeit Schwe - den an ſich bringet, auch die 3. Nordiſche Kro - nen durch die Calmariſche Union 1397. auf ewig vereiniget. Aber ihre Anverwandten genieſſen dieſer Gluͤckſeeligkeit nicht lange: Erich aus Pommern wird verſtoſſen, und Chriſtoph von Bayern ſtirbt 1448. ohne Erben.
Die Oldenburger werden auf den Thron geruffen. Chriſtian I. erbet Holſtein. Johan - nes theilet Schleswig und Holſtein zum erſten Mal. Unter Chriſtian II. reiſſet ſich Schweden los. Friedrich I. des entflohenen Chriſtians Vaters Bruder, faͤngt die Reformation an, Chriſtian III. vollendet ſie, und theilet Schles - wig und Holſtein zum andern Mal. Chriſtian IV. iſt ein trefflicher Regent; aber die anwach - ſende Gewalt des Adels macht unter Friedrich III. das Reich den Schweden zur Beute.
Ueber alles Vermuthen wird eben dieſer Friedrich 1660. ein unumſchraͤnkter Erbmo - narch. Chriſtian V. erbet ſeines Hauſes Stammguͤter, und er ſowohl als ſein Sohn Friedrich IV. haben viel Haͤndel mit Holſtein und Kriege mit Schweden, wodurch endlich Schleswig der Krone wieder einverleibet wird. Seit dem genieſſet das Reich unter Chriſtian VI. und Friedrich V. einer gluͤckſeeligen Ruhe.
Daͤnemark liegt gleich uͤber Teutſchland gegen Norden. Es wird durch den Eyderſtrohm und die Lewensaue davon unterſchieden. Sei - ne andere drey Seiten ſind mit lauter Waſſer umſchloſſen. Gegen Abend wird es von der Nordſee, und insbeſondere von dem Cattegat oder Schager-Rack, gegen Morgen von der Oſtſee angeſpuͤlt; doch ſo, daß die Daͤniſche Jn - ſuln eine dreyfache Straſſe zwiſchen beyden Mee - ren offen laſſen. Dieſe ſind der kleine Belt, der groſſe Belt und der Sund oder Oreſund. Der letztere iſt die gewoͤhnlichſte und beruͤhmteſte Durchfahrt, und trennet Daͤnemark von Schwe - den. Der Daͤniſche Koͤnig hat unſtreitig von allen dreyen Paſſagen die Oberherrſchaft.
Daͤnemark beſteht aus etlichen Jnſuln und der Halbinſul Juͤtland. Die Jnſuln theilt man in die 2. groſſe, Seeland und Fuͤhnen, und in die uͤbrige kleinere. Juͤtland wird in Nord - und Suͤd-Juͤtland, oder in Juͤtland an ſich ſelbſt und in das Herzogthum Schleswig ein - getheilt, zu beyden ſind noch verſchiedene umher - liegende kleine Jnſuln und Eylaͤnder gehoͤrig. Daͤnemark iſt in die 6. folgende groſſe Gouver - nements, die zugleich Bißthuͤmer ſind, als das Seelaͤndiſche, Fuͤhniſche, Ripiſche, Aarhuſiſche, Wiburgiſche und Aalburgiſche abgetheilt, und iſt davon nur Schleswig ausgenommen, wel - ches bloß aus 13. Aemtern beſtehet.
Der Daͤniſche Boden iſt groͤßtentheils nie - drig und eben. Seeland und der mittlere StrichR 5von266Daͤnemark. von Juͤtland iſt weniger fruchtbar, als die uͤbri - ge Laͤnder, welche ihre Einwohner zwar hinlaͤng - lich ernaͤhren; aber auſſer einigem Getreyde, als Korn, Haber, Gerſten, Erbſen und Buch - weitzen an Auslaͤnder wenig abgeben koͤnnen. Juͤtland liefert uͤberdies viel Hornvieh und Pfer - de, und die Jnſul Bornholm eine Menge Kalks. Die Seeufer ſind fiſchreich genug. Uebrigens fehlen Metalle, Salz und zum Theil auch Holz, Flachs, Hanf und Wolle.
Coppenhagen iſt die Koͤnigliche Reſidenz, die Hauptſtadt des ganzen Reichs, und ein Jn - begriff alles deſſen, was eine Stadt merkwuͤr -dig267Daͤnemark. dig, volkreich und nahrhaft machen kann. Das von Chriſtian VI. darinnen erbauete Schloß iſt unter allen Koͤniglichen Reſidenz-Schloͤſſern in Europa das beqvemſte. Jn der Gegend um Coppenhagen ſind verſchiedene Luſtſchloͤſſer: Friedrichsberg, Jaͤgersburg, Friedensburg und ſonderlich Friedrichsburg erbauet.
Die beſte Feſtung und der vornehmſte Seehafen in Daͤnemark iſt eben gedachtes Cop - penhagen. Sonſt ſind Croneburg am Sunde, Nyborg in Fuͤhnen, Friedrichsodde in Juͤtland und Friedrichsort oder Chriſtianpreis am Kieler - hafen befeſtigt: Corſoer, Callumborg, Hol - beck, Wordingborg in Seeland; Nyborg, Aſ - ſens, Knefemuͤnde in Fuͤhnen; Aalburg, Aar - hus, Horſens, Rinkiobing in Juͤtland; dieAppen -268Daͤnemark. Appenrader-Foͤrde, Flensburger-Wick, Eckern - foͤrder-Wick nebſt andern Meerbuſen in Schles - wig koͤnnen vor Seehaͤfen paßiren, ſind aber meiſtentheils offen.
Die Krone Daͤnemark beſitzet auch das Koͤnigreich Norwegen mit dem angrenzenden Stuͤcke von Lappland, welches ſie Nordland nennen. Der Boden iſt zwar ſehr kalt, ge - buͤrgig und moraͤſtig, auch zum Ackerbau und Viehzucht faſt ganz untuͤchtig; aber an Eiſen - Kupfer - und Silberbergwerken geſegnet, und an vortrefflichem Bauholz unerſchoͤpflich. Die Seeufer ſind uͤberfluͤßig fiſchreich. Die Haupt - ſtadt Bergen nebſt Drontheim ſind zugleich gu - te Feſtungen und Seehaͤfen: Chriſtiania, Frie - drichſtadt, Chriſtianſtein, Friedrichshall, Win - ger ſind die uͤbrige Fortereſſen, und ſcheint Nor - wegen uͤberhaupt ſowohl von der Land - als See - ſeite unuͤberwindlich.
Ferner gehoͤret den Daͤnen das halbe Her - zogthum Holſtein nebſt den Grafſchaften Olden - burg und Delmenhorſt in Teutſchland. Sie haben auch ihre Colonien auf den beyden Jn - ſuln St. Thomas und St. Croix in Ame - rica, eine kleine Feſtung Chriſtiansburg auf der Kuͤſte von Gvinea in Africa, und die Stadt Tranqvebar nebſt dem Schloß Dans - burg und einem Diſtrict Landes auf der Co - romandeliſchen, oder insbeſondere auf der Malabariſchen Kuͤſte in Aſien. Endlich beſi - tzen ſie auch gegen den Nordpol die Jnſul Js - land und ein Stuͤck von der Kuͤſte von Groͤn - land.
Da Daͤnemark an ſich ſelbſt nicht gar volkreich iſt, nnd die nordliche groſſe Nebenlaͤn - der wenig angebauet ſind; ſo kann die Anzahl der Einwohner nicht anders als ſehr maͤßig ſeyn. Die Daͤniſche und Norwegiſche Spra - chen ſind nur dem Dialect nach unterſchieden, und haben aus der Vermiſchung der alten Go - thiſchen und Teutſchen Sprache ihren Urſprung genommen.
Der Daͤne iſt gemeiniglich groß und ſtark. Man haͤlt ihn kalter und feuchter Complexion. Er liebt die Ruhe und Gemaͤchlichkeit und dieaͤuſſerliche271Daͤnemark. aͤuſſerliche Pracht, iſt von ſtillem Weſen, auf - richtig, gaſtfrey und gutthaͤtig, folgſam, treu und von ſich ſelbſt weniger eingenommen, als andere Nationen. Man beſchuldiget viele un - ter ihnen der Freßigkeit und Faulheit. Uebri - gens haͤlt er in ſeinem ganzen Thun und Laſſen die Mittelſtraſſe. Der Norweger iſt faſt ein umgekehrter Daͤne, und ſeine Neigungen kom - men mehr mit dem Genie der Schwediſchen Na - tion uͤberein.
Man kann nicht leugnen, daß Daͤnemark nicht in den meiſten Wiſſenſchaften einige groſſe Gelehrte hervorgebracht; es legt auch die Uni - verſitaͤt Coppenhagen mit ihren 4. Collegiis und andern weiſen Veranſtaltungen von der Mildthaͤtigkeit des Oldenburgiſchen Stammes gegen die Wiſſenſchaften ein unverwerfliches Zeugniß ab: Doch iſt die Zeit, da die Daͤnen es andern weiſen Europaͤiſchen Nationen in der Gelehrſamkeit gleich thun ſollen, noch zukuͤnftig.
Noch im ganzen vorigen Jahrhundert war Daͤnemark faſt ohne alle Manufacturen. Frie - drich IV. ſeit Endigung des Schwediſchen Krie - ges, und Chriſtian VI. haben groſſe Bemuͤhun - gen angewandt, ſolche in Flor zu bringen. Man findet nunmehr in Coppenhagen eine Koͤnigliche Lacken-Fabricke mit andern Wollmanufacturen, einige Leinwebereyen, Cottondruckereyen, Faͤr - bereyen, Seifen-Zucker - nnd Salzſiedereyen: Es werden auch Spitzen, Treſſen, Sammet, Flor, Papier und Porcellain gemacht. Jn Juͤt - land und Schleswig findet man Woll - Lei - nen - und Gewehr-Fabricken, die Tonderiſche Spitzen, die Randeriſche nnd Odenſeiſche Hand - ſchuhe. Doch wird von allen dieſen Manufa -cturen273Daͤnemark. eturen ſehr wenig auswaͤrts verfuͤhrt, die mei - ſte reichen lange noch nicht zur eigenen Noth - durft des Reiches zu, und erwarten noch meh - rere Vollkommenheit und Ausbreitung.
Der ganze Handel nach Daͤnemark wur - de ſonſt von den Hanſeſtaͤdten getrieben. Die - ſe ſind von den Hollaͤndern groͤßtentheils, und ei - niger Maaſſen auch von den Engellaͤndern aus - geſtochen worden. Chriſtian IV. befoͤrderte das ganze Daͤniſche Seeweſen, und Chriſtian V. machte ernſtliche Anſtalten, ſein Volk zum See - handel aufzumuntern. Seit dem befahren die Daͤnen mit eigenen Schiffen die meiſte Nord - liche Kuͤſten von Europa. Coppenhagen hat das Monopolium mit auslaͤndiſchem Taback, Salz, Wein und Brandtewein. Der Handel nach Jsland wird von denenjenigen Kaufleuten getrie - ben, welche die einzelne Seehaͤfen pachten. Der Handel auſſer Europa wird durch die Oſt-Jn - diſche und die vereinigte Gvineiſche nnd Weſt - Jndiſche Compagnien gefuͤhret. Daͤnemark fuͤhrt weit mehr ein als aus, und leidet alſo im Handel; da im Gegentheil Norwegens Ueber - fluß die eingefuͤhrte Waaren uͤberwiegt: wie -Swohl274Daͤnemark. wohl anch der Norwegiſche Handel in jetzigem Jahrhundert ſehr abgenommen.
Man rechnet in Daͤnemark nach Mark und Schillingen. 16. Schillinge machen 1. Mark das iſt 4. ggr. 6. Pf. und 6. Siebentheil. Die uͤbrige gangbare Muͤnzen ſind Ducaten, Kro - nen zu 4. M. halbe Kronen, 12. Schillingſtuͤcke, 8. Schillingſtuͤcke, Duͤtchen zu 6. Sch. und Fyrke, deren 4. 1. Sch. betragen.
Seit dem die Arve-Enevolds-Rege - rings-Acte als die letzte Handfeſtninge Koͤnig Friedrichen III. im Jahr 1660. zuruͤckgegeben worden; ſind alle ehemalige ReichsgrundgeſetzeS 2erloſchen276Daͤnemark. erloſchen, und iſt an deren Stelle das von Frie - drich III. d. 14. November 1665. unterſchriebene, und von Friedrich IV. d. 4. September 1709. publicirte Koͤnigliche Geſetz (Lex Regia) ge - treten, welches als ein vollkommenes, unbeweg - liches und unwiderſprechliches Geſetz und Ver - ordnung zu ewigen Zeiten gehalten und geachtet werden ſoll.
Der jetztregierende Koͤnig von Daͤnemark Friedrich V. ein Sohn Koͤnig Chriſtians VI. und der Prinzeßinn Louiſe Sophie Magdale - ne von Brandenburg-Culmbach iſt gebohren 1723. und kam zur Regierung 1746. Er hat ſich mit der Koͤniglichen Prinzeßinn von Groß-Bri - tannien Louiſe 1743. vermaͤhlet, aus welcher Ehe der Kronprinz Chriſtian 1749. und zwo Prin - zeßinnen Sophia Magdalena und Wilhelmi - na Carolina erzielet worden.
Der vollſtaͤndige Titul des Koͤniges iſt: Friedrich V. von Gottes Gnaden Koͤnig in Daͤ - nemark und Norwegen, der Wenden und Go - then, Herzog zu Schleswig, Holſtein, Stor - marn und Ditmarſen, Graf zu Oldenburg und Delmenhorſt.
Das Koͤnigliche Wappen wird durch das Danebrogiſche Creutz qvadrirt, und iſt mit ei - nem Mittel - und Herzſchilde verſehen. Jm letz - tern zeigen ſich die Oldenburgiſche 2. Qverbal - ken und das Delmenhorſtiſche Creutz; im Mit - telſchilde erblickt man das Holſteiniſche Neſſel - blat, den Stormariſchen Schwan und den Ditmarſiſchen Reuter. Das Hauptſchild praͤ - ſentiret die 3. Daͤniſche Leoparden, den Nor - wegiſchen Loͤwen mit der Helleparte, die 3. Schleswigiſchen Loͤwen und den Wendiſchen Lindwurm.
Seit der Erbmonarchie iſt ſowohl die An - zahl der Hofbedienten, als die Pracht des Hof - ſtaats anſehnlich vergroͤſſert worden. Chriſtian V. hat auch die 2. alte Ritterorden erneuert, und ihre Statuten vermehret. Der vornehm - ſte davon heißt der Elephanten-Orden, und ruͤhrt wahrſcheinlich aus dem 12. Jahrhundert von Canut VI. her, der andre iſt der Danebrog - Orden, und iſt von Waldemar II. oder dem Sieger geſtiftet. Der erſte wird das blaue Band genennt, hat nach den Statuten 30. Ritter, und wird nur an Perſonen vom hohen Adel oder den hoͤchſten Aemtern, und der Evangeliſchen Reli - gion zugethan, verliehen. Den andern nennt man das weiſſe Band, er beſteht ordentlich aus 50. Rittern. Alle Ritter vom Elephanten-Or - den muͤſſen vorher Ritter des Danebrog-Ordens geweſen ſeyn Beyde haben auch ihre praͤchti - ge Ordensketten.
Jn den aͤltern Zeiten iſt Daͤnemark erblich geweſen, in dem 16ten und 17ten Jahrhundert wurde die Einwilligung der Staͤnde zur Thron -S 4folge280Daͤnemark. folge je laͤnger, je nothwendiger. Durch das unveraͤnderliche Koͤnigsgeſetz iſt feſtgeſtellt: 1) Der Regent ſoll der unverfaͤlſchten Augsburgi - ſchen Confeßion zugethan ſeyn, 2) von Friedrich III. in abſteigender Linie abſtammen, 3) recht - maͤßig und ehelich gebohren ſeyn. 4) Das Reich iſt untheilbar. 5) Die aͤltere Linie hat allezeit vor der juͤngern, 6) die naͤhere Linie vor der mehr entfernten, 7) das maͤnnliche Geſchlecht vor dem weiblichen, 8) und eine Prinzeßinn aus maͤnnlichen Stamme vor einem Prinzen aus weiblichen Stamme den Vorzug.
Das muͤndige Alter des Koͤnigs ſoll das 14te Jahr ſeyn, wenn er nehmlich nach zuruͤckgelegtem 13ten Jahre das 14te angefangen. Die Vormundſchaft ſoll nach der ſchriftlichen Verordnung des letztabge - lebten Koͤnigs beſtellet werden. Jn deren Er - mangelung ſoll die verwittwete Koͤniginn, wel - che des unmuͤndigen Koͤnigs leibliche Mutter iſt, ſo ferne ſie ſich nicht wieder verehelichet; ſonſt aber der nechſte Prinz von Gebluͤte, welcher im Reiche perſoͤnlich gegenwaͤrtig iſt, und alle - zeit anweſend ſeyn kann, das Reich adminiſtri - ren. Doch ſollen in beyden Faͤllen die 7. vor - nehmſte Koͤnigliche Miniſtri zu Huͤlfe und Bey - ſtand genommen, und alles durch die mehreſte Stimmen ausgemachet werden, wobey die Re - gentinn oder der Regent 2. Stimmen haben ſoll: Jſt keine Koͤniginn oder kein Prinz vom Gebluͤ - te vorhanden, ſo ſollen die 7. Miniſtri mit glei - cher Macht und Auctoritaͤt das Reich admini - ſtriren.
So bald ein Koͤnig mit Tode abgehet, faͤllt dem nechſten Anverwandten in der Erblinie Kro - ne und Scepter nebſt dem Titul und der Ge - walt eines erblichen Monarchen gleich denſelbenS 5Augen -282Daͤnemark. Augenblick zu, ſo daß keine weitere Uebergebung auf einige Weiſe noͤthig iſt; nichts deſtoweniger ſoll ein Koͤnig mit chriſtlichen und anſtaͤndigen Ceremonien geſalbet werden, und kann er ſich auch waͤhrender Minderjaͤhrigkeit ſalben laſſen.
Die Regierungsform war ſonſt einge - ſchraͤnkt, und die wichtigſte Reichsgeſchaͤfte wur - den auf den Reichstagen (Herrendage, oder Danenhoeve) mit Bewilligung der 4. Reichs - ſtaͤnde, des Adels, der Geiſtlichkeit, der Buͤr - gerſchaft und des Baurenſtandes beſchloſſen. Nach283Daͤnemark. Nach und nach wuchs der Adel den uͤbrigen Staͤnden und ſelbſt den Koͤnigen zu Kopf, end - lich 1660. ward der Koͤnig unumſchraͤnkt, da alle 4. Staͤnde des Reichs Friedrichen III. und allen ſeinen maͤnnlichen und weiblichen Nachkommen alle Rechte der Majeſtaͤt, unumſchraͤnkte Ge - walt, Souverainetaͤt und alle koͤnigliche Herrlichkeiten und Regalien ungezwungen, und ohne einiges des Koͤnigs Anreitzen, Zu - muthen und Begehren aus eigenem freyen Willen und wohlbedachtem Rath aufgetra - gen und uͤbergeben.
Nunmehr iſt der Koͤnig von Daͤnemark an kein menſchliches Geſetz gebunden, er er - kennet keinen Obern und Richter weder in geiſt - lichen noch weltlichen Sachen als allein den eini - gen Gott, hat die hoͤchſte Gewalt Geſetze zu geben und abzuſchaffen, iſt die Qvelle aller Titul, Wuͤrden, Ehrenaͤmter und Dienſten; hat das hoͤchſte Recht des Krieges, Friedens, der Buͤndniſſe und der Auflagen, die hoͤchſte Gewalt in geiſtlichen Sachen, und ſtehet bey ihm allein, alle Rech - te und Regalien der Majeſtaͤt zu ſeinem Nu - tzen und Beſten anzuwenden. Er kann, als ein ſouverainer und abſoluter Monarch, von den Unterthanen mit keinem Eyde oder vor - geſchriebener Obligation verbunden werden. Kurz: er iſt ein freyer, ſouverainer, allerhoͤch - ſter und in allem vollkommene Macht haben - der Monarch und Erbkoͤnig.
Nor -284Daͤnemark.Norwegen iſt ſeit 1537. der Krone Daͤne - mark incorporirt, und ſeit dem als eine unterwor - fene Provinz angeſehen worden.
Es giebt in Daͤnemark keine Herzogliche oder Fuͤrſtliche Familien. Der Grafen - und Freyherrntitul iſt erſt von Chriſtian V. 1671. eingefuͤhret. Der niedere Adel hergegen iſt zahl - reich, und zum Theil auslaͤndiſcher Herkunft. Sonſt war das Anſehen und die Privilegia des alten Adels auſſerordentlich groß. Durch die Einfuͤhrung der Erbmonarchie fiel alles biß auf einige Vorrechte, die ihnen aus Koͤniglicher Gnade verſtattet worden.
Jn vorigen Zeiten war das hoͤchſte Colle - gium der Reichsrath, welcher aus 23. adelichen Reichsraͤthen beſtand, und waren die wich - tigſte Staatsangelegenheiten zwiſchen den 4. ho - hen Kronbedienten, dem Reichshofmeiſter, Reichs - canzler, Reichsmarſchall und Reichsadmiral ge - theilet. Seit 1660. ward der Staatsrath geſtiftet, an deſſen Statt 1676. der noch jetzt gebraͤuchliche geheime Rath errichtet worden. Es dirigiret ſol - chen gemeiniglich ein Großcanzler, und der Koͤnig praͤſidiret ſelbſt darinnen. Dieſem Collegio ſind 3. Canzeleyen ſubordinirt, 1) die Daͤniſche, wor - innen die inlaͤndiſche ſowohl Daͤniſche als Nor - wegiſche Affairen, 2) die Teutſche, worinnen die Schleswigiſche, Holſteiniſche, Oldenburgi - ſche, zugleich aber auch alle auslaͤndiſche Staats -angele -286Daͤnemark. angelegenheiten, 3) die Kriegscanzeley, worin - nen alles, was die Land - und Seemacht, Feſtun - gen, Zeughaͤuſer und Seehaͤfen anbetrifft, beſor - get werden.
Nirgends iſt die Reformation ſo ruhig voll - fuͤhret worden, als in Daͤnemark. Das Jahr 1636. iſt der Zeitpunct des abgeſchafften Pabſt - thums, und 1537. der Zeitpunct der allein herr - ſchenden Evangeliſchen Lutheriſchen Lehre. Die Symboliſche Buͤcher ſind nach der heiligen Schrift die 3. aͤlteſte Symbola, die unveraͤnder - te Augsburgiſche Confeßion und der kleine Ca - thechismus Lutheri. Andere chriſtliche Religio - nen nebſt den Juden werden in gewiſſen Staͤd - ten und unter beſonderen Einſchraͤnkungen gedul - det. Der Eifer der Daͤniſchen Koͤnige hat auch in Jsland und unter den Malabaren das Licht des Evangelii mit gutem Fortgange angezuͤndet.
Die Daͤniſche Geiſtlichkeit beſteht aus 12. Biſchoͤfen, unter welchen zween den Titul Metropolitanen fuͤhren. Dieſen ſind die 160. Proͤbſte, und den Proͤbſten die Hardesbruͤder o - der Stadt - und Dorfpfarrer ſubordinirt. Sie haben uͤberhaupt reichliche und groͤſſere Einkuͤnf - te, als in andern Proteſtantiſchen Laͤndern. Die Proͤbſte viſitiren jaͤhrlich ihre untergebene Geiſt - liche und Schulbediente, haben die erſte Jnſtanz uͤber ſie, und halten jaͤhrlich 2mal Conuen - tum. Die Biſchoͤfe viſitiren ihre Stiftskirchen, ordiniren die Stiftsgeiſtlichkeit, und halten mit ihren Proͤbſten zu beſtimmter Zeit Synodum prouincialem, (Landemode) worinnen ſowohl Juſtitzſachen uͤber geiſtliche Proceſſe und geiſtli - che Perſonen als auch ſacra und Miniſterialia abgehandelt werden. Die Hardesprieſter waͤh - len, und der Biſchof beſtaͤtiget den Probſt. Die Biſchoͤfe ſetzt der Koͤnig, deſſen Stifftsfallnings - mann auch in den Synodis Prouincialibus mit dem Biſchofe zugleich praͤſidiret.
Jn Daͤnemark gelten keine auslaͤndiſche Geſetze; ſondern alles wird nach dem Codice Chriſtianeo, oder dem Daͤniſchen Lowbuch, (Danske-Low) geſchlichtet, welches herrliche Werk 1683. publiciret worden. Doch iſt den Norwegern ihr beſonderes (Norske-Low) 1687. gegeben, und den Schleswigern das Juͤtiſche Lowbuch gelaſſen worden.
Die Gerichte ſind dreyerley, 1) die Har - de - und Birktinge ſind ordentlich die erſte Jn - ſtanz ſo wohl in den Staͤdten, als auf dem Lan - de. Sie beſtehen aus einem einzigen Richter, (Herritz-Voigt) der ſeinen Tingſchreiber hat, und werden woͤchentlich gehalten. Von hier ap - pellirt man an den Stadtrath oder an die Land - gerichte, (Landtinge) welche gemeiniglich aus 4. Richtern (Land-Dommers) beſtehen, und monathlich Seßion halten. Endlich iſt die letz - te Jnſtanz das hoͤchſte Gericht in Coppenha - gen, welches faſt das ganze Jahr durch gehal - ten, und jaͤhrlich im Maͤrz vom Koͤnige ſelbſt er - oͤffnet wird. Die Proceſſe ſind kurz und wohl - feil, und in den Tinggerichten pflegt der Bauer ſein eigener Sachwalter zu ſeyn.
Die Einkuͤnfte des Koͤnigs beſtehen 1) in den Domainen, die man unter die anſehnlichſte in ganz Europa zaͤhlt, und anderen Regalien, 2) in den Zoͤllen, ſonderlich dem Sund-Coldinger - und den Norwegiſchen Zoͤllen, 3) in der Acciſe oder ſo genannten Conſumtion, 4) im Stempelpa - pier, 5) in der Landſteuer, die entweder nach den Tonnen hart Korn oder nach dem Pfluge bezahlt wird, und 6) in dem Antheil an den geiſtlichen Zehenden. Die Adeliche und die Geiſt - lichkeit haben einige Befreyungen. Die auſſer - ordentliche Auflagen ſetzt der Koͤnig nach eigenem Belieben, dahin gehoͤren Fortifications-Gelder, Viehſchatzung, Kopf - und Vermoͤgenſteuer.
Noch in dem jetzigen Jahrhundert fanden ſich bey dem Cammerweſen viele Unbeqvemlich - keiten, und es gelung erſt Friedrichen IV, die Rentkammer 1719. in eine ſolche gute Ordnung zu bringen, daß ſie andern Reichen zum Muſter dienen kann. Das Cammer-Collegium beſteht aus 3. Deputirten fuͤr die Finanzen und 6. zu - geordneten Beyſitzern. Durch dieſe 9. Perſonen zuſammen wird die ganze Einnahme, durch die 3. erſteren aber werden allein die Ausgaben beſorget. Unter dieſem Collegio ſtehet die Cammer-Can - zeley, das ſind 3. Secretarien, 1. der Daͤniſch - und Norwegiſchen, 1. der Teutſchen Cammer - Canzeley, und, 1. der Cameral-Juſtitzſachen. Die Revenuͤen werden von 17. Rentſchreibern gehoben, unter welchen alle zu Daͤnemark ge - hoͤrige Provinzen nach gewiſſe Comptoirs abge - theilet ſind.
Von der Daͤnen Tapferkeit hat man zu verſchiedenen Zeiten ſehr verſchiedentlich geurthei - let. Ehemals war das Waffenrecht in den Haͤnden des Adels uud der Staͤdte. Seit derT 2Erb -292Daͤnemark. Erbmonarchie haben die Koͤnige einen anſehnli - chen Kriegsſtaat gehalten, und man rechnet die regulaͤre Truppen auf 30.000. Mann, unter welchen die Cavallerie ihres gleichen ſuchet. Frie - drich IV. formirte uͤberdies 1701. eine Landmi - litz von 15.000. biß 18.000. Mann, welche ſehr wohl eingerichtet iſt. Er ſtiftete 1714. in Cop - penhagen eine Cadetten Compagnie von 100. Mann, er theilte 1717. das Reich in 12. Reu - ter-Cantons, und erbauete zum Unterricht der Soldatenkinder 240. Schulen. Das ganze Kriegsweſen wird durch das General-Land Com - miſſariat beſorget.
Der Daͤnen Seeruhm iſt ohne Anfech - tung. Schon in alten Zeiten waren ſie zur See fuͤrchterlich. Chriſtian IV, der Koͤnig unter den Seecapitains ſeiner Zeit, brachte die Daͤniſche Flotte wieder in Anſehen, Chriſtian V. und Friedrich IV. haben damit groſſe Thaten gethan. Jn Friedenszeiten werden ungefehr 15. ſeegelfer - tige Kriegsſchiffe und 5000. Matroſen unterhal - ten. Jm Kriege kann Daͤnemark biß auf 30. Kriegs -293Daͤnemark. Kriegsſchiffe von der Linie und 20. Fregatten ausruͤſten, und ſolche mit 12.000. Matroſen be - mannen. Sie bedienen ſich auch der Pramen mit gutem Vortheil. Die Schiffsmaterialien haben ſie im Ueberfluß. Jn Coppenhagen wird die Flotte verwahrt, woſelbſt auch das treffliche Land - und See-Arſenal, der Schiffsholm, eine Seeacademie von 50. Edelleuten, und ein beſtaͤn - diges Corps von 3000. Matroſen angetroffen wird. Das See-Commiſſariat beſorget die Oeconomie, und das Admiralitaͤts-Collegium die Gerichtsbarkeit und das Commando bey der Flotte.
Daͤnemark iſt durch die Errichtung der Erbmonarchie aus einem maͤßigen Staat ein an - ſehnliches Reich geworden. Dieſe unumſchraͤnk -T 3te294Daͤnemark. te Gewalt aufrecht zu erhalten, zugleich aber auch durch Verbeſſerung der Manufacturen und Befoͤrderung des Handels das Volk aus der Armuth und Schlaͤfrigkeit zu ziehen, und durch eine beſtaͤndige Flotte ſowohl ſeine Grenzen zu be - decken, als beſonders die Herrſchaft im Sunde zu behaupten, muß kein Mittel verabſaͤumet werden.
Die alte Voͤlker in Schweden werden un - ter dem Namen der Gothen durch ihre groſſe Wanderungen, und das Land ſelbſt durch die Annehmung des Chriſtenthums, und durch die Vereinigung des Schwediſchen und Gothi - ſchen Reichs im XI. Jahrhundert den Auslaͤn - dern bekannt. Doch laſſen die innerliche Unru - hen das Reich zu keinen Kraͤften kommen. Magnus Smeeck bringt zwar durch Vermaͤh - lung Norwegen, und durch den Krieg mit Daͤ - nemark Schonen aus Reich, aber auch durch ſeine uͤble Regierung ſich und ſeine Familie um Krone und Seepter. Albrecht von Mecklen - burg wird zum Koͤnige erwaͤhlt; allein Mar - garetha, Erbinn von Daͤnemark und Norwe - gen, zwingt ihn, Verzicht auf Schweden zu thun, und vereiniget darauf 1397. alle 3. Nor - diſche Reiche.
Dieſe Zeit der Vereinigung faͤllt den Schwe - den zu einer unertraͤglichen Laſt. Carl Cnut - ſon, der zuletzt noch Koͤnig wird, und die Stu - ren machen den Daͤnen die Krone verſchiedene Mal ſtreitig, endlich nach dem Stockholmer Blutbade 1520. gelingt es den Schweden, ſich der Daͤniſchen Dienſtbarkeit zu entreiſſen.
Guſtav Waſa bringt die Krone 1521. auf ſein Haupt, und nach gluͤcklich vollendeter Kir - chen-Reformation auch auf ſeine maͤnnliche Nachkommenſchaft 1544. Allein ſeine Theilung des Reichs, die wunderliche Regierung Erichs XIV. und die Papiſtiſche Maximen Johannis und ſeines Sohnes Sigismunds, des Koͤ - nigs von Polen, verwickeln das Reich in ſchreck - liche Unruhen, welche endlich Carl IX. und ſein Sohn Guſtav Adolph daͤmpfen. Dieſer groſ - ſe Held macht die Schwediſche Waffen den Ruſſen, welche auf Jngermannland und Liefland renuntiiren, den Polen und dem Kayſer furcht - bar, und ſeine Tochter Chriſtina erwirbt 1645. Jempteland, Herrendalen, die Jnſuln Goth - land und Oeſel von Daͤnemark; und 1648. Vor-Pommern, Bremen, Vehrden und Wiß - mar vom Teutſchen Reiche, dankt aber halb aus Furcht und halb freywillig ab, und huͤlft ihrem Vetter Carl Guſtaven dem Zweybruͤ - cker zur Krone 1654.
Carl Guſtav kriegt mit groſſem Gluͤck ge - gen Polen und Daͤnemark. Jenes renunciiret auf Liefland, und dieſes muß Schonen, Hal - land, Bleckingen und Bahuslehn abtreten, und die Schweden vom Sundzolle frey erklaͤren. Carl XI. nimt eine grauſame Reduction der ver -T 5aͤuſſer -298Schweden. aͤuſſerten Cammerguͤter vor, und macht ſich ab - ſolut, Carl XII. ſtirbt nach vielen 9. Jahr gluͤck - lich, und 9 Jahr ungluͤcklich gefuͤhrten Krie - gen, und laͤßt das Reich in letzten Zuͤgen, und den Waſiſchen Stamm ohne maͤnnliche Erben 1718.
Die Reichsſtaͤnde waͤhlen Ulricam Eleo - noram, Carls XII. juͤngere Schweſter zur Koͤ - niginn, und werfen die unumſchraͤnkte Gewalt durch eine vorgelegte Capitulation uͤber den Hau - fen 1719, laſſen aber doch zu, daß die Koͤniginn ihrem Gemahl Friedrichen, Erbprinzen von Heſſen-Caſſel, die Regierung uͤbertraͤget 1720. Un - ter ihm erhohlt ſich das Reich in einer 20jaͤhri - gen Ruhe, welche zwar durch den ungluͤcklichen Krieg mit Rußland 1741. unterbrochen; aber 1743. durch Abtretung eines Diſtriets von Finn - land, und durch die bedungene Wahl des Thron - folgers Adolph Friedrichs aus dem Hauſe Hol - ſtein wieder befeſtiget wird.
Schweden iſt nach Rußland das weitlaͤuf - tigſte Reich in Europa. Die Ruſſen und Daͤ - nen ſind ſeine Nachbaren. Eigentlich aber ſtoͤßt es an Norwegen, an das Daͤniſche undRußi -299Schweden. Rußiſche Lappland und an das Rußiſche Finn - land. Die andere Grenzen macht die Nordſee, der Sund und die beyde groſſe Meerbuſen der Oſtſee, der Bothniſche und der Finniſche.
Das Clima iſt ſo kalt, daß das Land o - ben gegen Norden faſt unwohnbar wird. Schwe - den hat viele und groſſe Seen, Moraͤſte, Ge - buͤrge und Waldungen, ſo daß wohl der halbe Theil des Landes zum Anbau unbeqvem iſt.
Schweden beſteht eigentlich aus dem Koͤ - nigreiche Schweden an ſich ſelbſt und aus dem Großfuͤrſtenthum Finnland. Jenes wird wie - der in drey Provinzen, als Schweden, Goth - land und Nordland eingetheilt. Zu Schweden gehoͤren die 5. Landſchaften 1) Upland, 2) Suͤ - dermannland, 3) Weſtermannland, 4) Neri - cien und Dalecarlien; zu Gothland 1) Oſt-Goth - land, 2) Weſt-Gothland 3) Suͤder-Gothland; zu Nordland 1) Geſtricien, 2) Helſingen, 3) Angermannland 4) Meddelpad, 5) Jempter -land300Schweden. land, 6) Bothnien, 7) Lappland. Von Finn - land haben zwar die Ruſſen ein Stuͤck abgeriſ - ſen; doch iſt der groͤſſere und fruchtbarere Theil noch in Schwediſchen Haͤnden.
Die ſuͤdliche Schwediſche Provinzen ſind zum Theil an allerhand Getreyde, und Schaͤ - fereyen geſegnet. Allein das Getreyde iſt doch lange nicht zureichend, und die wenige Wolle zum Verarbeiten ſehr grob. Schweden leydet uͤberdies Mangel an Salz, die Gartenfruͤchte verliehren je hoͤher herauf, je mehr Geſchmack und Guͤte. Hingegen zeigt ſich ein Ueberfluß an Fiſch - und Fluͤgelwerk, Wildpret und wil - den Thieren. Die Pferde haben ſie zwar nicht groß, aber doch dauerhaft, und ſowohl als das Hornvieh zureichend. Man hat nunmehr auch Flachs, Hanf und Taback zu bauen angefan - gen. An Bauholz und an den Bergwerken hat das Land einen groſſen Schatz. Die Ei - ſenbergwerke ſind unerſchoͤpflich, an den Kupfer - minen aber befuͤrchtet man einen Abgang Man findet auch Silber, Bley, Alaun, Vitriol, Schwefel und Kreyde darinnen.
Stockholm iſt der Sitz des Reichs, eine groſſe und praͤchtige Stadt, die auf 6. Jnſuln erbauet iſt. Die vornehmſte Koͤnigliche Luſt - und Jagdſchloͤſſer ſind Carlsberg, Ulrichsthal, Drontingsholm, Swartioe, Grypsholm, Stroͤmholm, Kungsoͤhr, Kungslena und Wen - dersborg, die alle an angenehmen Stroͤmen o - der Seen liegen, ſo daß man mehrentheils ſo - wohl zu Waſſer als zu Lande hinkommen kann.
Die Schwediſche Feſtungen ſind faſt durchgaͤngig zugleich Seehaͤfen, unter dieſen ſind nach Stockholm die merkwuͤrdigſte Gothen - burg, Warberg, Halmſtadt, Landskron, Mal - moe, Chriſtianſtadt, Carlskron, Calmar.
a) Stock -302Schweden.Seit dem in jetzigem Jahrhundert verſchie - dene herrliche Nebenlaͤnder von der Krone ab - gekommen, iſt Schweden faſt gaͤnzlich in ſeine alte und natuͤrliche Grenzen wieder eingeſchraͤnkt worden. Doch iſt ihm von ſeinen Conqveten das Bahuslehn in Norwegen, ein Stuͤck von Vor-Pommern und die Stadt Wismar uͤbrig geblieben.
Schweden iſt nach Proportion ſeiner Groͤſ - ſe lange nicht zureichend bevoͤlkert, und der Mangel an Menſchen iſt durch den 22jaͤhrigen Krieg in jetzigem Jahrhundert gewaltig vermeh - ret worden. Die Schwediſche Sprache iſt aus der alten Gothiſchen und der Nieder-Teut - ſchen vermiſcht. Finnland hat ſeine eigene urſpruͤngliche Sprache, welche eine Mutter der Eſthiſchen, Lettiſchen und Curlaͤndiſchen Spra - che iſt.
Ein Schwede iſt wohl gewachſen, und ge - gen alle Fatiguen gehaͤrtet. Sein Weſen iſt ernſthaft, und ſeine Auffuͤhrung bedachtſam. Er lebt vor ſich maͤßig, aber in Geſellſchaft praͤch -tig304Schweden. tig. Er iſt redlich, im Arbeiten unermuͤdet, ſei - nem Herren gehorſam, und gegen Fremde gaſtfrey. Man ſoll in Schweden alle Laſter ſeltener, als das Mißtrauen antreffen.
Die Gelehrſamkeit wird hier ſehr hoch geachtet. Unter ihren 3. Univerſitaͤten Upſal, Abo und Lunden iſt die erſte die aͤlteſte und beruͤhm - teſte. Jn Teutſchland ſteht auch die alte Aca - demie zu Greifswalde unter Schwediſcher Ho - heit. Unter Carl XI. iſt 1668. das beruͤhmte Antiqvitaͤten Collegium, und unter dem jetzigen Koͤnige Friedrich 1728. eine Societas Regia Lit - teraria et Scientiarum beyde zu Upſal errichtet worden. Die Schweden legen ſich ſeit einiger Zeit hauptſaͤchlich auf die Oeconomiſche Wiſſen - ſchaften, uud in Unterſuchung der Landes-Al - terthuͤmer thut es ihnen keine Nation in Euro - pa zuvor.
Vor Guſtav Waſa waren die Schweden nur mit Ackerbau, Viehzucht, Jagd und Fiſcherey oc - cupirt. Seit ihm fing man an, die Landes-Ma - terialien, ſonderlich Metalle und Holz zu verarbei - ten. Carl XI. war beſorgt, die Kuͤnſte und Handwer - ker zu vermehren und zu verbeſſern. Jn den neue - ſten Zeiten hat man auſſerordentliche Muͤhe ange - wandt, durch Manufacturen, wo nicht Geld zu verdienen, doch wenigſtens zu erſparen. Al - les was von Kupfer, Meßing, Eiſen und Stahl gemacht werden kann, wird in Schweden fa - bricirt, und haben ſie Stuͤck - und Glocken-Gieſ - ſereyen, Piſtolen-Carabiner-Muſqveten - ſchußfreye Bruſtſtuͤcke - und Ankerſchmiedereyen, und viele Kupfer - und Meßingfabricken. Man findet auch allerhand Woll-Leinen - und Sey - den-Manufacturen, Zucker-Salz-Schwe - fel - und Salpeterſiedereyen, Vitriol - und Alaun - werke, Glashuͤtten und Porcellanfabricken dar - innen.
Sonſt trieben die Hanſeſtaͤdte den Handel auf Schweden, und die Luͤbecker erhielten gar unter Guſtav Waſa auf eine Zeitlang ein Pri - vilegium excluſiuum daruͤber. Hernach wur - den die Hollaͤnder Meiſter vom Schwediſchen Handel; mußten aber ſolchen bald mit den Engel - laͤndern theilen. Chriſtina munterte ihr Volk zuerſt zum eigenen Seehandel auf, unter Carl XI. ſtieg und fiel der Handel. Seit noch nicht 30. Jahren haben ſich die Schweden mit Macht darauf gelegt, ſolchen in die Hoͤhe zu bringen. Sie fuͤhren ihre verarbeitete Metalle, al - lerhand Holz, Pech, Ther, Potaſche, Sal - peter, Pulver, Fiſche, Pelzwerk aus. Sie brauchen Getreyde, Salz, Wein, Brandte - wein, Gewuͤrze, Wolle, Seyde und verſchie - dene Manufacturen davon. Man hat auch durch hohe Zoͤlle und Verboth einiger auslaͤn - diſchen Manufacturen der Geldverſchwendung vorgebeuget. Stockholm genieſſet groſſe Vor - rechte im Handel, und hat eine Banco, wor - uͤber die Reichsſtaͤnde Eviction leiſten. Ferner iſt zu Befoͤrderung der Commercien eine Han - dels-Compagnie nach Oſt-Jndien und der Le - vante zu Gothenburg 1732. aufgerichtet, welcheſich307Schweden. ſich ſeit 1740. ziemlich aufgenommen. Das ganze Manufactur - und Handelsweſen ſteht un - ter der Direction des Commercien-Collegii.
Man rechnet ordentlich nach Thaler Silber - muͤnz und Silberoͤr. 32. Silberoͤr betragen 1. Thlr. Silbermuͤnz. Es werden Ducaten, ferner von Silber Carolinen zu 20. Silberoͤr in ganzen, halben und doppelten Stuͤcken; von Kupfer a - ber die Kupferthaler und Kupferoͤr in ganzen, halben, vierthel und ſechsthel Stuͤcken ge - ſchlagen.
Durch die von Carl XI. dem Reiche auf - gedrungene unumſchraͤnkte Gewalt wurden die alte Reichsgeſetze vertilgt. 1718. ſuchten die Reichsſtaͤnde ſolche wieder hervor, und errich - teten daraus die von der Koͤniginn Ulrica Eleo - nora 1719, und von Koͤnig Friedrichen mit eini - gen Veraͤnderungen 1720. beſtaͤtigte Regie - rungsform, welche nebſt den aͤltern und neu - ern Reichstagsſchluͤſſen die Schwediſche Reichs - grundgeſetze formiret.
Der jetzt regierende Koͤnig Friedrich, ein Sohn Carls Landgrafen von Heſſen-Caſſel und Mariaͤ Amaliaͤ Prinzeßinn von Curland, iſt gebohren 1676. Seine andere Gemahlinn, Ul - rica Eleonora, Carls XI. von Schweden juͤn - gere Tochter, und nach Carls XII. Tode er - waͤhlte Koͤniginn von Schweden uͤbertrug ihm nach einer jaͤhrigen Regierung die Krone 1720. Weil er ohne Erben lebt, ſo haben ſich die Schweden in der Perſon des Herzogs von Hol - ſtein und bißherigen Biſchofs von Eutin, A - dolph Friedrichs, 1743. einen Thronfolger er - waͤhlt, welcher ſich 1744. mit der Preußiſchen Prinzeßinn Louiſe Ulrica vermaͤhlet, und durch Erzielung der beyden Prinzen Guſtavs und Carls ſeinem Hauſe den Schwediſchen Thron geſichert hat.
Der Koͤnig titulirt ſich: Friedrich von Gottes Gnaden Koͤnig in Schweden, der Go - then und Wenden, Großfuͤrſt von Finnland.
Das Wappen des jetztregierenden Koͤnigs iſt qvadrirt, und fuͤhret 3. guͤldene Kronen we - gen des Koͤnigreichs Schweden, und einen roth - gekroͤnten Loͤwen wegen des Gothiſchen Reichs nebſt dem Heſſen-Caſſeliſchen Wappen im Mit - telſchilde.
Der Schwediſche Hofſtaat iſt ſeit der Wahl des Thronfolgers noch anſehnlicher ge - worden. Man fand ehedem am Schwediſchen Hofe verſchiedene Ritterorden, ſie waren aber gaͤnzlich in Abgang gekommen, biß 1748. Koͤ - nig Friedrich den Seraphinen-Orden, wel - chen Magnus Smeeck 1334. geſtiftet, den Schwerdt-Orden, den Guſtav Waſa 1523. errichtet, und den Nordſtern-Orden wieder er - neuert hat. Man nennt ſolche das blaue, gel -be311Schweden. be und ſchwarze Band. Alle 3. haben ihre Or - denszeichen und Deviſen. Der Seraphinen - Orden iſt der vornehmſte, und die Ritter da - von ſind zugleich Commandeurs der uͤbrigen Orden.
Schweden war in alten Zeiten ein Wahlreich; Guſtav erlangte die Erblichkeit vor ſeinen maͤnn - lichen Stamm 1540. und 1544. Dieſe Erblich - keit hat ſeit dem viele wichtige Veraͤnderungen erlitten. Doch iſt allezeit vor dem wuͤrklichen Antrit der Regierung des Koͤnigs eine Decla - ration der Staͤnde vorhergegangen. Nun - mehr hat man feſtgeſetzt:
Sonſt war der Antritt des 18ten Jahres zur Majorennitaͤt des Koͤniges beſtimmt, und die Kroͤnung wurde zwar ordentlich, aber oft erſt nach vieljaͤhriger Regierung celebrirt. An - jetzt iſt der Termin der Volljaͤhrigkeit weiter er - ſtreckt, der ungewiſſe Kroͤnungstermin aber feſt - geſtellt, und mit der Uebernehmung des Regi - ments vereiniget worden:
Die Schwediſche Regierungsform war inalten313Schweden. alten Zeiten eingeſchraͤnkt. Carl XI. machte ſich abſolut, aber nach Carls XII. Tode ſind die Majeſtaͤtsrechte in ſehr genau beſtimmte Gren - zen eingeſchloſſen worden. Der Koͤnig genieſſet in ihrer vollkommenen Macht und Gewalt allerdings ungekraͤnkt alle Koͤnigliche Rech - te, ſo im Schwediſchen Geſetze beſchrieben, und in der neuen Regierungsform nicht einge - ſchraͤnket ſind. Art. 8.
Dem Koͤnige iſt ein Reichsrath von 24. Perſonen zugeordnet, und lieget ihm ob, ſein Reich mit, und alſo nicht ohne, vielweni - ger wider der Reichsraͤthe Rath zu regieren, welche den Koͤnig auch unbefragt und unbe -U 5ruffen,314Schweden. ruffen, was des Reichs Recht ſey, erinnern, auch hindern muͤſſen, daß keine Rathſchlaͤge vor die Hand genommen werden, wodurch die Staͤnde koͤnnten unterdruͤckt, deren Frey - heit gekraͤnkt, und das Regiment der unum - ſchraͤnkten Eigengewalt wieder eingefuͤhret werden. Art. 13. und 14.
Es giebt in Schweden 4. Staͤnde des Reichs, 1) den Adel, wozu auch die Stabs - officiers biß auf 1. Capitaine von jedem Regi - ment gerechnet werden, 2) die Geiſtlichkeit, 3) den Buͤrger - und 4) den Bauernſtand DerSchwe -315Schweden. Schwediſche Adel wird ſeit Erichs XIV. Zeiten in die Grafen, Freyherren und den niedern Adel eingetheilt. Die Teutſche Provinzen haben an der Reichsſtandſchaft keinen Antheil, ſondern werden als unterworfene Laͤnder, doch ihren wohlhergebrachten Rechten und Freyheiten un - beſchadet, regieret
Alle 3. Jahr muß ein Reichstag ausge - ſchrieben werden. Jeder Reichsſtand hat ſeinen Anfuͤhrer oder Worthalter. Der Adel waͤhlt den Reichstags-Marſchall, der Bauernſtand ſeinen Dalmann. Von Seiten der Geiſtli - chen iſt es der Erzbiſchof von Upſal, von Sei -ten316Schweden. ten der Buͤrgerſchaft der Juſtitz-Buͤrgermeiſter zu Stockholm, beyde auf Lebenslang. Jede adeliche Familie und jeder Stabsofficier, je - der Biſchof und Superintendent, jede Acade - mie, alle 10. geiſtliche Kirchſpiele zuſammen und jeder Bauerndiſtrict hat eine Stimme, die meh - reſte Staͤdte haben ebenfalls 1, einige 2, Stock - holm allein 4. Stimmen. Alles was ſeit dem letzten Reichstage im Reiche vorgefallen, und vom Reichsrath abgehandelt worden, oder ſonſt zum Wohl des Reichs dient, wird hier in Be - rathſchlagung gezogen. Dieſe Reichstagsſa - chen pflegen ordentlich durch verſchiedene Com - mißionen, als dem Ausſchuß der Reichsſtaͤnde, (doch gemeiniglich mit Ausſchluß der Bauern) un - terſucht zu werden, ehe man ſolche auf dem Reichstage in pleno beſchlieſſet. Wenn 2. Reichsſtaͤnde gegen 2. ſind, decidirt der Koͤnig. Ein Reichstag pflegt ungefehr ein Jahr zu dauern.
Vermoͤge der alten Regimentsform wur - den alle in - und auslaͤndiſche Staatsangelegen - heiten durch den obgedachten dem Koͤnige von den Reichsſtaͤnden zugegebenen Reichsrath be - ſorgt. Carl XI. machte nach erlangter abſolu - ten Gewalt aus dem Reichsraͤthen Koͤnigliche Staatsraͤthe. Nunmehr iſt alles wieder auf den alten Fuß geſetzt, und der Reichsrath, wor - innen der Koͤnig in eigner Perſon praͤſidiret, iſt das unveraͤnderliche Koͤnigliche Miniſterium.
Die Schweden ſind ſehr eifrig in der Re - ligion. Guſtav Waſa ſetzte nach Ueberwindung unzaͤhliger Schwuͤrigkeiten die Reformation gluͤcklich durch, welche auch, ungeachtet ſie un - ter Johanne und Sigismund gefaͤhrliche An - fechtungen erlitte, dennoch endlich auf dem Con - eilio zu Upſal 1593. obſiegte, dergeſtalt, daß ſeit der Religions-Verein 1613. die Evangeliſch-Lu - theriſche Lehre als die einzige herrſchende und al - lein erlaubte Religion vom Koͤnige und den Unterthanen angeſehen werden muß. Bloß die Reformirte genieſſen in neuern Zeiten, doch nur in wenigen Staͤdten, den privat Gottesdienſt. Die Schwediſche Koͤnige haben die Religion mit der Staatsklugheit zu vereinigen, und durch ihren vor die wahre Lehre bezeigten Eifer wich - tige Staatsvortheile zu erlangen gewußt.
Man zaͤhlet 1. Erzbiſchof, 10. Biſchoͤfe und 9. Superintendenten im Reiche, die uͤbrige Geiſtlichkeit beſtehet in Proͤbſten, Decanis, Ca - pellanen und Dorfpfarrern. Bey der Vacanz eines Bißthums und einer Superintendentur ſchlaͤgt das Capitel 3. Perſonen vor, woraus der Koͤnig einen ernennet.
Schweden hat ſich allezeit nach ſeinen ei - genen und einheimiſchen Geſetzen gerichtet. Koͤ - nig Chriſtoph von Bayern ließ ſolche ſam - meln und publiciren 1442. Carl IX. verbeſſerte ſie 1608. und Guſtav Adolph 1618. Carl XI. ließ ſelbige ſeit 1686. revidiren, aber die nachfolgen - de Kriege hinderten den Fortgang dieſes heilſa - men Werks, biß es unter Koͤnig Friedrichen aufs neue vorgenommen, und gluͤcklich zu Stan - de gebracht wurde. Dieſes neue Schwediſche Geſetzbuch (Sweriges Rikes Lag) iſt auf den Reichstaͤgen zu Stockholm 1731 und 1734. un - terſucht, darauf von allen Staͤnden bewilliget und angenommen, von dem Koͤnige beſtaͤtiget und 1736. publiciret worden.
Die Staͤdte und Bauerndiſtricte haben ihre Untergerichte, von welchen an die 12. Land - oder Provincial-Gerichte, von dieſen aber an die 3. hoͤchſte ſo genannte Hofgerichte, als dasSchwe -320Schweden. Schwediſche zu Stockholm, das Gothiſche zu Jencoping und das Finniſche zu Abo appelliret wird. Jn den Dorfgerichten ſind allezeit 12. Bauern Beyſitzer. Jn den Hofgerichten muͤſ - ſen die Praͤſidenten aus dem Reichsrath genom - men werden. Das neue Geſetzbuch enthaͤlt zugleich die neue Proceßordnung, und ſind die Proceſſe kurz und ungekuͤnſtelt.
Vor Guſtav Waſa Zeiten waren die Reichseinkuͤnfre ſehr geringe. Unter ihm wuch - ſen ſie durch Einziehung der geiſtlichen Guͤter, unter Carl XI. ſtiegen ſie durch die Reduction der veraͤuſſerten Kronguͤter am hoͤchſten. Carl XII. machte das Reich durch ſeine unerſchwing - liche Auflagen blutarm. Durch die neue Re - gierungsform Art. 25. iſt der Staat der ordent - lichen Reichseinnahme und Ausgaben auf den Fuß geſetzt, wie er 1696. geweſen. Die Reichs - einkuͤnfte beſtehen 1) in den eintraͤglichen Do -mainen321Schweden. mainen, 2) in verſchiedenen nutzbaren Regalien, beſonders 3) in den Bergwerkszehenden und 4) den Zoͤllen, 5) in der Acciſe, 6) in der Kopf - ſteuer, die vom Buͤrger und Bauer bezahlet wird, 7) in dem Antheil an den geiſtlichen Ze - henden. Jn auſſerordentlichen Faͤllen wird ei - ne Vermoͤgenſteuer ausgeſchrieben, die bald groͤſſer bald geringer iſt, und davon Niemand ausgenommen wird.
Alle Kroneinkuͤnfte flieſſen im Cammer - Collegio und Staatscomptoir zuſammen, wor - innen einer von den Reichsraͤthen den Vorſitz hat, die Gegenrechnung aber wird durch die Cammer-Reviſion gefuͤhret. Die Diſpoſition der eingekommenen Gelder dependiret vom Reichs - rathe. Dem Koͤnige iſt eine maͤßige Summe an - geſchlagen, welche zu ſeinem alleinigen Gutbe - finden anheim gelaſſen wird. Die Erhoͤhungen der Abgaben muͤſſen auf dem Reichstage be - williget werden.
Der Schweden Kriegsruhm hat ſich in den aͤlteſten Zeiten ausgebreitet, und iſt in dem vorigen Jahrhundert wieder aufgelebet. Carl XI. errichtete eine Armee von 80.000. Mann. Durch die langwuͤrige Kriege und verlohrne Ne - benlaͤnder iſt der Kriegsſtaat zwar ſehr geſchwaͤ - chet worden; jedennoch ſind anjetzt wuͤrklich 64. 000. Mañ auf den Beinen. Carln XI. ſind auch die vortreffliche Anſtalten zu danken, daß nirgends in der Welt mit ſo wenig Beſchweerde des Lan - des und mit ſo geringen Koſten eine ſo groſſe Macht beſtaͤndig unterhalten werden kann. Das Kunſtſtuͤck beſtehet darinnen, daß man eine Na - tional-Armee als regulaͤre Feldtruppen formiret hat, die man als eine Landmilitz beſoldet. Doch ſind die Koͤnigliche Garden, das Artillerie Corps und die geworbene Regimenter hievon ausge - nommen. Die groſſe Zeughaͤuſer ſind zu Stock - holm und Jencoping, wegen der Jnvaliden ſind auch gute Anſtalten gemacht. Das ganze Kriegsweſen wird durch den Kriegsrath dirigiret.
Guſtav Waſa legte den Grund zur Schwe - diſchen Seemacht, unter Guſtav Adolphen wurde ſolche anſehnlich, unter Carl XI. noch weit anſehnlicher. Dennoch haben die Schwe - den zur See mehrentheils ungluͤcklich gefochten. 24. Kriegsſchiffe von der Linie, 20. Fregatten und 22.000. Matroſen ſind der jetzige Beſtand der Schwediſchen Flotte. Dieſe Schiffe wer - den groͤßtentheils zu Carlskron verwahrt. Alles, was zu Ausruͤſtung einer Flotte erforderlich iſt, hat Schweden im Ueberfluß.
Da die abſolute Gewalt der letzteren Koͤ - nige das Reich ſo ungluͤcklich gemacht, als von einer eingeſchraͤnkten Regierung nimmermehr zu befuͤrchten iſt; ſo hat man die jetzige Einrich -X 2tung324Schweden. tung geſchickter befunden, um dem Reiche wie - der nach und nach aufzuhelfen. Auf dieſe Art ſcheint das Jntereſſe der Krone zu erfordern, und das Jntereſſe des Adels erfordert es noth - wendig, fuͤr die Erhaltung der heutigen Ver - faſſung deſto wachſamer zu ſeyn, je leichter ſel - bige durch innerliche Factionen Anſtoß leiden koͤnnte. Uebrigens iſt es dem wahren Wohl des Reichs gemaͤſſer, durch Ruhe, gute Oeco - nomie und Befoͤrderung des Handels und der Manufacturen den ruinirten Unterthan wieder zu Kraͤften zu bringen; als durch Gewalt der Waffen ſein altes Anſehen und ſeine verlohrne Laͤnder wieder ſuchen zu wollen.
Die Druckfehler ſollen wegen Mangel des Raums kuͤnftig im Anhange beſonders angezeiget werden.
CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
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