Dem Hochgebohrnen Freyherrn Herrn Serlach Adolph von Muͤnchhauſen, Koͤniglich Groß-Britanniſchen und Chur-Braunſchweig-Luͤneburgiſchen Hochbetrauten wuͤrklichen Geheimen Rathe und Groß-Voigte wie auch der Georg-Auguſt-Univerſitaͤt Hoͤchſtanſehnlichen und Hoͤchſtverdienten Curatoren Erbherrn auf Strausfurt ꝛc. Meinem gnaͤdigen Herrn,
Eure Hochgebohrne Ex - cellenz geruhen gnaͤdig, Sich dieſe geringe Blaͤtter von mir in unterthaͤnigſter Ehrfurcht uͤberrei -): (3chenchen zu laſſen. Es iſt Hochde - nenſelben durch eine vieljaͤhrige Gewohnheit ſo natuͤrlich geworden, alles, was nur einen Trieb zur Ge - lehrſamkeit anzeiget, mit huldreichem Angeſicht aufzunehmen, daß ich be - fuͤrchten muͤßte, an Hochdero nie genug zu preiſenden Leutſeeligkeit mich zu verſuͤndigen, wenn ich Ent - ſchuldigungen daruͤber machen woll - te, daß ich mich erkuͤhnet, Dero Erlauchten Ramen gegenwaͤr - tiger Schrift vorzuſetzen. Das Vertrauen auf dieſe verehrungs - wuͤrdige Huld koͤnnte mir mit hundert andern, die ſich draͤngen, Hochdenenſelben ihre gelehrte Bemuͤhungen zu widmen, hinlaͤnglichſeyn,ſeyn, mein Unternehmen zu rechtfer - tigen. Allein, warum ſollte ich der - gleichen Rechtfertigung ſuchen, da ich vielmehr mich gluͤcklich ſchaͤtze, oͤf - fentlich bekennen zu koͤnnen, daß die von Eurer Hochgebohrnen Excellenz mir ganz unverdient zu - flieſſende unſchaͤtzbare Wohlthaten dieſe ehrfurchtsvolle Zueignung mir als eine unumgaͤngliche Schuldigkeit auflegen. Die Groͤſſe der empfan - genen Gnadensbezeugungen kann ich mit Worten nicht ausmeſſen, noch viel weniger darf ich gedenken, an den Ruhm Hochdero erhabenen Ei - genſchaften mich zu wagen. Alles, wodurch ich mein dankbegieriges Herz ausſchuͤtten kann, beſtehet in): (4denden treuen Wuͤnſchen vor Hoch - dero ungekraͤnktes Wohl, und in der ehrerbietigen Verſicherung, daß ich in unwandelbarem Gehorſam er - ſterbe
Eurer Hochgebohrnen Excellenz unterthaͤnigſter Knecht, Gottfried Achenwall.
Hier haſt du eine neue Einlei - tung in die Staatswiſſenſchaft der vornehmſten Europaͤiſchen Reiche. Sie iſt aus dreyjaͤhrigen Vor - leſungen entſtanden, die ich zuerſt in Marburg, und hernach auf hieſiger Uni - verſitaͤt daruͤber angeſtellt. Jch entwarf anfangs kurze Saͤtze, ich verbeſſerte ſolche nach und nach, und fand Urſa - che, bey dieſem einmal erwaͤhlten Leit - faden meiner Statiſtiſchen Stunden beſtaͤndig zu bleiben. Bey meiner An - kunft alhier zeigte ich den Plan, wor -): (5nachVorrede. nach ich jeden Staat abhandle, und die Ordnung, nach welcher ich die ein - zelne Theile der Staatskenntniß ein - richte, in der Vorbereitung zu dieſer Staatswiſſenſchaft an. Jch habe ſol - che mit einigen Veraͤnderungen wie - der abdrucken, und in gegenwaͤrtiger Schrift voran ſetzen laſſen, weil ſie ſtatt einer Tabelle zu den Hauptbe - trachtungen eines jeden Reiches dienen kann. Denn nach dieſem Grundriſſe ſind die hierinnen enthaltene Staaten ausgearbeitet. Verſchiedene Bewe - gungsgruͤnde haben mich theils gemuͤſ - ſiget, theils angefriſcht, dieſe Einlei - tung fruͤhzeitiger dem Drucke zu uͤber - geben, als ich ſonſt geſonnen war. Nim alſo vorlieb mit dem, was ich dir uͤberliefere. Forderſt du etwas voll - kommenes, ſo lege meine Blaͤtter zu - ruͤck. Verlangeſt du etwas weniger mangelhaftes, ſo mußt du warten. Jch ſammle fleißig an Vermehrungen, Zu - ſaͤtzen und Verbeſſerungen, und ich hoffe dir ſolche kuͤnftig in einem An - hange zu uͤberreichen. Jch geſtehe dir offenberzig, daß ich in keinem von denhierVorrede. hier beſchriebenen Staaten mich per - ſoͤnlich aufgehalten, auch nicht alle hierinnen einſchlagende, ſondern nur diejenige Buͤcher gebraucht, die ich an - fuͤhre. Aber dieſes ſage ich zu meiner Entſchuldigung: deßwegen haſt du noch kein Recht, meine Abſicht und meine Arbeit ganz zu verwerfen. Ge - ſetzt, du uͤberſaͤheſt mich ſehr weit in einem Staate, darinnen du viele Jah - re gegenwaͤrtig geweſen, oder welches genauer kennen zu lernen du mehrere Zeit und Gelegenheit gehabt, als ich: ſo darfſt du nur bedenken, daß ich meh - rere Reiche haben abhandeln muͤſſen, daß ich weniger Zeit darauf habe wen - den koͤnnen, daß ich einen Abriß, keine Ausfuͤhrung geſchrieben, daß ich eini - ges vielleicht mit Fleiß nicht ſchreiben wollen, und daß endlich etwas nicht zu wiſſen, daß man noch nicht wiſſen koͤn - nen, kein Verbrechen ſey.
Jch ſehe die Welt aus meinem Ge - ſichtspuncte, du aus einem andern: warum ſollteſt du nicht manches beſſer erkennen koͤnnen, als ich, da du ver - ſchiedene mir entfernete und dunkeleStaats -Vorrede. Staatsgegenſtaͤnde naͤher haſt, und in ihrem Licht ſehen kanſt.
Was ich nicht weiß, lehre mich, was du beſſer kennſt, davon unterrichte mich, oͤffentlich oder im Vertrauen, es iſt mir einerley: ich werde dir allezeit davor Dank wiſſen. Jch ſuche meinen Zuhoͤrern und dem Teutſchen Leſer zu dienen. Haͤltſt du meine vorliegende Bemuͤhung dazu nicht ganz ungeſchickt, und haſt du ſo viel Neigung vor das gemeine Beſte und ſo viel Gewogenheit vor mich, ſo bereichere meine Saͤtze mit deinen Anmerkungen, und lebe uͤbri - gens wohl. Goͤttingen, den 12. April, 1749.
Vor -Der Begriff der ſogenannten Statistic, das iſt, der Staatswiſſenſchaft einzelner Rei - che wird ſehr verſchiedentlich angegeben, und man trifft unter der groſſen Menge Schriften davon nicht leicht eine einzige an, welche in der Zahl und Ordnung ihrer Theile mit der andern uͤ -Aberein2Vorbereitung zurberein kommen ſollte. Es iſt alſo nicht undien - lich, dasjenige, was man ſich unter dieſem Namen eigentlich vorzuſtellen hat, und was in ihrem Umfange enthalten iſt, zu unterſuchen, und die natuͤrliche Einrichtung und Verbin - dung ihrer Abtheilungen feſt zu ſetzen.
Aus dem Natur - und Voͤlker-Rechte wiſſen wir, was eine buͤrgerliche Geſellſchaft oder Republick iſt. Man erklaͤrt ſie als ei - ne Geſellſchaft vieler Familien, welche zu Be - foͤrderung ihrer gemeinſamen Wohlfahrt ver - mittelſt einer Regierung miteinander vereiniget ſind. Jnsbeſondere nennt man ſolche ein Reich, wenn eine einzelne Perſon regiert, der al - le andere unterworffen ſind; hergegen, wenn ei - ne ganze Geſellſchaft darinnen zu befehlen hat, heißt ſolche im engern Verſtande ein Freyſtaat oder eine Republick.
Dieſe Begriffe helfen uns, das Wort Staat deutlich zu erkennen. Man ſtellet ſich darunter verſchiedenes vor: bald eine jede buͤr - gerliche Geſellſchaft, bald eine freye buͤrger - liche Geſellſchaft, das iſt, die auſſer ihrem eige - nen Oberhaupte weiter keinem menſchlichen Be - fehle unterthaͤnig iſt, bald eine Republick, wo viele zugleich das Regiment fuͤhren, und bis -weilen3Staatswiſſenſchaft. weilen auch das Regierungsweſen, wenn es ſo viel als Staatsverfaſſung bedeutet. Aber in dem Worte Staatswiſſenſchaft hat es ei - ne ganz andre Bedeutung. Dieſe macht ſich nicht bloß mit Menſchen; ſondern auch mit ih - rem Eigenthum zuſchaffen. Wir werden alſo wohl den Staat als den Jnbegriff alles deſ - ſen anſehen muͤſſen, was in einer buͤrgerli - chen Geſellſchaft und deren Lande wuͤrckliches angetroffen wird?
Jm weitlaͤuftigſten Verſtande kann man dieſe Erklaͤrung gelten laſſen; aber unſere Ab - ſicht erfordert, ſolche mehr einzuſchraͤncken. Man will etwas lernen: alſo hat man einen Endzweck. Der Endzweck muß einen wahren Nutzen zum Grunde haben. Wie wird uns denn die Er - kenntniß eines Staats nuͤtzlich? Auf vielerley Art; der Hauptnutzen aber beſtehet darinnen, daß man hieraus einſehen lernt, wie gluͤckſee - lig oder ungiuͤckſeelig ein Reich ſey, ſo wohl an ſich ſelbſt betrachtet, als in Abſicht auf andere Staaten, und dadurch in den Stand geſetzt wird, Schluͤſſe zu formiren, wie ein Staat kluͤglich zu regieren ſey, das heißt, um davon eine Anwendung in der Politic zu ma - chen. Alſo gehoͤret nur dasjenige hieher, was die Wohlfahrt einer Republic in einem merck - lichen Grade angeht, es mag nun ſolche hin -A 2dern4Vorbereitung zurdern oder befoͤrdern, und dieſes nennen wir mit einem Worte: was merckwuͤrdig iſt. Dieſes wollen wir gruͤndlich einſehen, folglich aus ſeinen Urſachen erkennen, und alſo eine Wiſſenſchaft davon erlangen. Da haben wir, was wir ſuchen. Die Saatswiſſenſchaft ei - nes Reiches enthaͤlt eine gruͤndliche Kentniß der wuͤrklichen Merkwuͤrdigkeiten einer buͤrgerlichen Geſellſchaft.
Es bemuͤht ſich alſo jemand, aus dem un - zaͤhlbaren Haufen derer Sachen, die man in einem Staatscoͤrper antrifft, dasjenige ſorgfaͤl - tig herauszuſuchen, was die Vorzuͤge oder Maͤn - gel eines Landes anzeigt, die Staͤrke oder Schwaͤche eines Staats darſtellt, den Glanz einer Crone verherrlichet oder verdunkelt, den Unterthan reich oder arm, vergnuͤgt oder miß - vergnuͤgt; die Regierung beliebt oder verhaßt; das Anſehen der Majeſtaͤt in - und außerhalb des Reichs furchtbar oder veraͤchtlich macht, was einen Staat in die Hoͤhe bringt, den an - dern erſchuͤttert, den dritten zu Grunde rich - tet, einem die Dauer, dem andern den Um - ſturtz prophezeyet, kurtz alles, was zu gruͤnd - licher Einſicht eines Reichs, und zu vortheil - hafter Anwendung im Dienſte ſeines Landes - herrn etwas beytragen kann: was erlangt ein ſolcher? die Staaswiſſenſchaft eines Rei - ches.
* Die5Staatswißenſchaft.Jhr Umfang bleibt alſo noch allemal ſehr weitlaͤuftig, und weitlaͤuftiger, als daß man ſolchen nebſt allen ſeinen Theilen gleichſam mit einem Maaßſtaabe voͤllig ausmeſſen koͤnnte. Deswegen nenne ich nur dasjenige merckwuͤrdig, was das Wohl eines Reichs in einem merck - lichen Grade angehet, und ſetze alſo zur Haupt - regel: je mehr etwas die Wohlfahrt eines gan - zen Reichs betrifft: je nothwendiger wird deſ - ſen Erlaͤuterung in der Staatswiſſenſchaft.
Man muß alſo aus den unendlichen Merck - wuͤrdigkeiten die nothwendigſten heraus neh - men, ohne welche die wahre Beſchaffenheit der Wohlfahrt einer Nation nicht begriffen werden kann. Dieſe ſetze man zu ſeiner Betrachtung aus, und ſtecke ihre Grenzen ab: ſo laͤßt ſich der ganze Bezirk endlich uͤberſehen und durch - wandern, und es kommt nur darauf an, daß man denjenigen Weg erwaͤhlt, welchen uns dieA 3Natur6Vorbereitung zurNatur in einer geſchickten und ordentlichen Lehr - art zeiget.
Die vergangene Begebenheiten eines Reichs ſind die Quellen, woraus deſſen jetziger Zuſtand unmittelbar flieſſet. Daher ſetzet die Staats - wiſſenſchaft unwiderſprechlich eine Kenntniß des Urſprungs und der Hauptveraͤnderungen eines Reichs voraus. Die Geſchichte der Staats - veraͤnderungen (Revolutionen) eines Reichs iſt alſo das erſte, was in der Staatswiſſen - ſchaft eines jeden Volks abgehandelt werden muß. Man geht ſolche nach gewiſſen Periodis in einem kurzen Zuſammenhange durch, um ſich einen Begriff uͤberhaupt zu machen, wie ein Reich durch ſeine verſchiedene Abwechſelungen endlich die heutige Geſtalt erlanget. Zweyerley iſt hiebey hauptſaͤchlich zu eroͤrtern: 1) die Ver - aͤnderungen der Regierungsform, 2) die Ver - aͤnderungen der Provinzen, welche nach und nach entweder einem Staate zugefallen, oder davon abgekommen. Jn den erblichen Monarchien muͤſſen noch 3) die Veraͤnderungen der Fami - lien, welche den Thron beſeſſen, beygefuͤgt werden. Alle uͤbrige beſondere Begebenbeiten eines Staats uͤberlaſſen wir der eigentlich ſo genannten Hiſtorie. Die Revolutionen mit ih - ren Urſachen und Folgen ſind zu unſerm End - zwecke allein noͤthig, und zugleich hinlaͤnglich:es mag7Staatswiſſenſchaft. es mag ſolche der Zuhoͤrer als eine Vorbereitung, oder als eine kurtze Wiederhohlung der ganzen Geſchichte anſehen.
Mit dieſem Wegweiſer fangen wir nun an, die fuͤrnehmſten Merkwuͤrdigkeiten eines Reichs in Augenſchein zu nehmen. Alles, was wir darinnen antreffen, laͤßt ſich in zween Haupt - puneten zuſammen faſſen. Man betrachtet ent - weder ein Reich vor ſich allein, oder verſchie - dene Reiche mit einander. Jenes macht den eigentlichen Staat eines Reiches aus; dieſes aber lehrt uns das Verhaͤltniß der Reiche ge - gen einander erkennen, und muß beſonders traetirt werden.
Der erſte Anblick der vielen Merkwuͤrdig - keiten eines Reiches, wenn man es an ſich ſelbſt betrachtet, kommt mir wie ein Jrrgarten vor. Ein jeder, der den rechten Gang nicht weiß, nimmt ſeine beſondere Wege. Herein kommt man leicht: aber wie findet man ſich heraus? Man muß alles in zwo Claſſen abſondern. Ein Reich beſtehet aus Land und Leuten. Unter dieſe beyde Begriffe laͤſſet ſich alles bringen.
Wenn ich hier Land (Territorium) nen -A 4ne,8Vorbereitung zurne, ſo verſtehe ich darunter einen gewiſſen Theil des Erdbodens, welchen ein Volck eigenthuͤmlich beſitzet. Die Gewaͤſſer ſind davon nicht ausge - ſchloſſen. Was unter und uͤber der Flaͤche des Erdbodens iſt, ſo fern es in einer Verbindung mit dem Lande ſtehet, und ihm und ſeinen Ein - wohnern Vortheil oder Schaden bringt, gehoͤrt hieher.
Zum Lande eines Volkes rechnet man ſo - wohl ſeinen eigentlichen Sitz, welcher mit der Nation einerley Nahmen fuͤhret; als die ande - re hinzugekommene Stuͤcke. (Acceſſiones.)
Die Betrachtung des Stammſitzes eines Volks begreift uͤberhaupt ſeine Lage, Clima, Groͤſſe, Grenzen, Fluͤſſe, Seen, Meere und Meerengen, Berge und Felder, und die damit verknuͤpfte Vortheile oder Maͤngel, Ueberfluß oder Abgang an Fiſchen und ſchiffreichen Stroͤ - men, Salz, Baͤdern und Geſundbrunnen; an Metallen, Mineralien und Weinbergen; an Feld - und Garten-Fruͤchten; an Holz, Vieh - zucht, Fluͤgelwerk und Wildbret.
Jnsbeſondere aber gehoͤret noch hieher die Eintheilung in Provinzen, die Staͤdte, Feſtun -gen9Staatswiſſenſchaft. gen und Seehaͤfen, die Zuſammenleitung der Fluͤſſe und Vereinigung der Meere.
Aus den erworbenen Laͤndern, ſie moͤgen in - oder auſſerhalb Europa liegen, erkennet man bald die gluͤcklichen Heyrathen und Erbſchaften eines Regenten, bald den kriegeriſchen oder Han - delsgeiſt eines Volks. Man ſchildert ihre na - tuͤrliche oder durch Fleiß vermehrte Vortheile auf gleichmaͤßige Art ab. Man haͤlt ſolche mit dem Stammſitze einer Nation zuſammen, und findet Staaten, die ihr ganzes Anſehen hinter der Linie herhohlen, man findet andere, deren entferntes Eigenthum ihnen zur Laſt gereicht, und deren Wohl dadurch gehemmet wird, daß ſie zu viel beſitzen.
So viel mag genug ſeyn, vom Lande zu wiſ - ſen. Nunmehr wollen wir auch mit den Ein - wohnern Bekanntſchaft machen. Die Menſchen ſind in allen Staatsbetrachtungen das Hauptziel. Wir muͤſſen nichts Merkwuͤrdiges von ihnen aus - laſſen. Man kan ſie von zwo Seiten beſchauen. Von der erſten erblicken wir ſie bloß als natuͤr - liche Menſchen; von der andern ſtellen ſie ſich als Mitglieder eines gemeinſchaftlichen Staats - coͤrpers, als Buͤrger dar.
Bey den natuͤrlichen Eigenſchaften ei - nes Volks pflegt man ihre Sprache mit abzu - handeln. Dieſes Volk hat ſeine eigene Spra - che, jenes hat ſie von andern geborgt. Man findet Laͤnder, deren Sprache, wie ihre Ein - wohner, aus verſchiedenen andern zuſammen ge - ſchmolzen iſt. Man darf die Sprache in den meiſten Reichen nur kurz beruͤhren: weil ſie bloßda11Staatswiſſenſchaft. da gewiſſe Staatsvortheile bringt, wo man ſie brauchet, um andern ein ſchleichendes Gift in dieſer Modeſchuͤſſel zu reichen.
Die Vielheit der Einwohner eines Reichs iſt ein weit betraͤchtlicherer Punct, und die erſte Grundſaͤule eines Reichs. Man reiſe die Eu - ropaiſche Laͤnder durch, ſo wird man den Un - terſchied in der Anzahl der Menſchen mit Erſtau - nen wahrnehmen. Hier muß man ſich durch eine unzaͤhlige Menge durchdraͤngen: dort hat man Noth, Menſchen zu finden. Die Urſachen dieſer Unaleichheit ſind nicht uͤberall einerley. Man muß ſie ſorgfaͤltig ausſpuͤren, um die wah - ren Mittel, dem Mangel abzuhelffen, ausfindig machen zu koͤnnen.
Jnsbeſondere hat man ſowohl auf die na - tuͤrlichen Gaben einer Nation; als auf deren Anwendung, um ſich gluͤcklich zu machen, ſein Augenmerk zu richten.
Die natuͤrliche Gaben aͤuſſern ſich an ih -rem12Vorbereitung zurrem Coͤrper und an ihrem Gemuͤthe. Eine je - de Nation hat hierinnen etwas eigenes. Man unterſucht dasjenige, worinnen die meiſten ein - ander aͤhnlich ſind, und druͤcket es in allgemei - nen Saͤtzen aus. Es iſt aber nur ein wahr - ſcheinlicher Schluß.
Aus der Schoͤnheit und Dauer ſchaͤtzt man die Vollkommenheit eines menſchlichen Leibes. Wie verſchieden ſind nicht die Voͤlker in der Farbe, Laͤnge und Staͤrke! Man hat ſo gar Krankheiten, die gewiſſen Nationen eigen ſind. Das Clima, Speiſe und Trank und die harte oder zaͤrtliche Lebensart traͤgt hiezu das meiſten bey.
Man bildet die Nationen auch nach ihrem Gemuͤthe ab. Es iſt nicht zu leugnen, daß nachdem die Temperamente verſchieden ſind, ein Volck mehr Witz oder mehr Tiefſinnigkeit habe, und geſchwinder oder langſamer denke, rede und handele. Die Affecten ſind eben ſo wenig uͤber -all13Staatswiſſenſchaft. all einerley, und aus den verſchiedenen Neigun - gen der Wolluſt, des Ehrgeitzes, der Geldbe - gierde oder Sorgloſigkeit erwachſen beſondere Gewohnheiten, welche man die Tugenden oder Laſter der Nationen zu nennen pflegt. Sie aͤuſ - ſern ſich hauptſaͤchlich in Ausuͤbung der Pflichten, ſowohl gegen ſich ſelbſt, als gegen andere.
Dieſe Unterſuchungen ſind nicht ohne Nu - tzen; ſie werden uns aber ſonderlich brauchbar, um daraus zu begreifen, was die Voͤlker fuͤr verſchiedene Mittel ergreifen, ſich gluͤcklich zu machen, und wie weit ſie darinnen ihren Zweck erreichen oder nicht? Ueberall blickt ihr Chara - eter hervor, man mag ihren Fleiß in Wiſſen - ſchaften und Kuͤnſten, oder in andern Be - muͤhungen betrachten.
Man forſcht nach, ob? und was fuͤr Wiſſenſchaften und freyen Kuͤnſte ein Volk ſonderlich treibe? was fuͤr herrliche oder ſchlech -te14Vorbereitung zurte Anſtalten auf Schulen, Uniuerſitaͤten, Rit - ter - und Kunſt-Aeademien, und in Anſehung oͤffentlicher Bibliothecken und gelehrter Geſell - ſchaften zu deren Befoͤrderung anzutreffen ſeyn? wie weit es ein Volk darinnen gebracht, und was fuͤr Maͤnner ihm beſonders Ehre machen?
Die Sorgfalt oder Schlaͤfrigkeit einer Na - tion in andern Arbeiten kan man hauptſaͤch - lich aus ihren Handwercken und Commercien erkennen.
Der Bauer empfaͤngt den Seegen der Natur aus der erſten Hand. Was nicht ver - zehrt wird, liefert er entweder dem Handwerks - mann, um es zum allgemeinen Nutzen zuzube - reiten, oder dem Handelsmann, um es aus - waͤrts zu verfuͤhren. Ob und was fuͤr rohe Materialien im Lande verarbeitet werden? wie geringe oder anſehnlich die Manufacturen ſind? muß unumgaͤnglich ausgefuͤhret werden. Denn dieſes macht die wichtigſte Vorzuͤge eines Rei - ches vor dem andern aus.
1. Paul15Staatswiſſenſchaft.Ohne Manufacturen ſteht der Handel einer Nation auf ſchwachen Fuͤſſen. Wenn ein Volk dasjenige, was es in ſeinem Lande ſelbſt erzeuget und ſelbſt verarbeitet, auch ſelbſt aus - fuͤhrt: ſo kann es ſich erſt ruͤhmen, daß ſeine Com - mercien dauerhaft, und ſein Reichthum uner - ſchoͤpflich ſey. Weil nach der heutigen Verfaſſung Europens die ganze Macht eines Staats groͤß - tentheils hierauf beruht: ſo muß man ſich ſo weit darinnen einlaſſen, als es moͤglich iſt, und die Waaren, die aus - und eingefuͤhret werden, die Laͤnder, wohin gehandelt wird, die Einrichtung der Handelsgeſellſchaften, das Muͤnzweſen, die Banco und den Profit, der einem Lande daraus zuwaͤchſet, in Betrach - tung ziehen.
Wir muͤſſen zum Hauptwerke eilen, und die Einwohner auch als Buͤrger, die vermittelſt einer Regierung zu ihrer gemeinſchaftlichen Si - cherheit und Gluͤckſeeligkeit vereiniget leben, be - trachten. Jn dieſer Bedeutung iſt der Landes - herr ſelbſt als der fuͤrnehmſte Buͤrger der Re - publick, (Ciuis eminens) mit darunter begrif - fen. Die ganze Verfaſſung eines gemeinen Weſens kennen zu lernen, muß man drey Haupt - ſtuͤcke erwaͤgen: die Reichsgeſetze, die Verbin - dung zwiſchen dem Regenten und den Unter - thanen, und die Einrichtung der Reichsge - ſchaͤfte.
Vor allen Dingen iſt noͤthig, ſich die Reichsgrundgeſetze bekannt zu machen, und ihren Urſprung, ihr Schickſal und ihren jetzi - gen Gebrauch zu unterſuchen.
Hierauf gruͤndet ſich die Verbindung zwiſchen dem Regenten und dem Untertha - nen, oder das Ius Publicum. Man muß demnach ſowohl den Regenten und ſeine Vor - rechte; als die Staͤnde und ihre Rechte mer - ken.
Jn Anſehung des Landesherrn und ſeiner Vorrechte iſt auf verſchiedenes Acht zu geben. Der Glantz ſeiner hohen Perſon und FamilieBfaͤllt18Vorbereitung zurfaͤllt am erſten in die Augen. Man bemerket ſeine Abſtammung, Vermaͤhlung und Erben, die Verwandtſchaft mit benachbarten Staaten, und die Vettern des regierenden Hauſes, oder die Prinzen vom Gebluͤthe. Dieſe genealogi - ſche Kenntniß iſt ſonderlich in Erbreichen un - entbehrlich.
Der Titul eines Regenten hat gemeinig - lich viele Veraͤnderungen erlitten. Bisweilen iſt er ein Denckmaal eines ſeit ganzen Jahr - hunderten ſchon erloſchenen Rechts, oͤfters ein unſterblicher Zeuge eines noch fortdauernden An - ſpruches. Wie oft iſt er nicht der Zunder zu den heftigſten Kriegsflammen geweſen?
Das Wappen pflegt ordentlich ein glei - ches Schikſal zu haben. Es iſt ohnedem nichts anders als ein hieroglyphiſcher Titul. Man muß ſolches voͤllſtaͤndig blaſonniren.
Die Herrlichkeit eines Thrones ſpiegelt ſich in dem Hofftaate eines Regenten und in ſei - nem Hofceremoniel. Mit dem aͤußerlichen Putzwerke mag ſich der Hofmann beſchaͤftigen. Der Staatsmann unterſucht, ob dieſes beydes wohl oder uͤbel eingerichtet, und der Hoheit des Regenten gemaͤß oder uͤbertrieben ſey. Er merkt an, was ein Hof hierinnen vor andern beſon - deres habe, und forſcht nach den geheimen Ur - ſachen und Abſichten davon.
Die Ritterorden verdienen hier auch ihren Platz. Sie ſind entweder weltlich oder geiſtlich, ohne Einkuͤnfte oder mit Einkuͤnften verſehen. Man betrachtet ihren Urſprung, die Ordensſta - tuta, ihre Einrichtung und Anſehen.
Sind ſonſt noch beſondere Vorzuͤge der geheiligten Perſon eines geſalbten und gekroͤnten Hauptes eigen, ſo kann man ſolche fuͤglich hier mit beruͤhren.
Hauptſaͤchlich aber muß man auf die Vor - rechte der Majeſtaͤt in Anſehung der Verbin - dung mit dem ganzen Reiche ſein Augenmerk rich - ten. Jſt es ein Wahl - oder Erbreich? faͤllt esbloß21Staatswiſſenſchaft. bloß auf die maͤnnliche, oder auch auf die weib - liche Linie? iſt die Gewalt des Regenten in ge - wiſſe Grenzen eingeſchraͤnkt, oder ſeinem freyen Willkuͤhr uͤberlaſſen? was iſt Rechtens nach den Reichegeſetzen, und was geſchicht? Kurz, hier iſt ein doppelter Gegenſtand: man muß ſo wohl die Art, den Thron zu erlangen, als die Rech - te der Landesregierung kennen lernen.
Von den Landesherrn geht man zu den Reichsſtaͤnden. Man muß ſie auſſer und in ihren Verſammlungen betrachten.
So verſchiedene Reiche wir haben: ſo ver - ſchieden trift man auch die Einrichtung der Staͤn - de an. Nicht uͤberall machen der hohe Adel und die Geiſtlichkeit beſondere Staͤnde aus. Der niedre Adel und die Gemeine oder Buͤr - gerſchaft gehoͤren ordentlich mit unter die Reichs - ſtaͤnde, bisweilen gar die Bauern.
Wenn ſich die Reichsſtaͤnde verſammlen, ſo geht der Reichstag an. Hier iſt alles merk - wuͤrdig: Zeit, Ort, Art der Berathſchlagung,B 3Samm -22Vorbereitung zurSammlung der Stimmen, Schluͤſſe und deren Vollſtreckung, und alles was bey Ausſchreibung, Fortſetzung und Aufhebung eines Reichstages beobachtet wird.
Aus dieſer Verbindung zwiſchen einem Re - genten und ſeinen Staͤnden erwaͤchſet die Einrich - tung der Regierungsgeſchaͤffte. Jn einer Mo - narchie werden die Rechte der Majeſtaͤt und die allgemeine Staatsangelegenheiten uͤberhaupt im Namen des Landesherrn gemeiniglich durch ein ganzes Collegium beſorget, welches das hoͤch - ſte im Reiche iſt, und aus den beyden Departe - ments der einheimiſchen und der auswaͤrtigen Affeinen zu beſtehen pflegt, denen bißweilen ein Premier Miniſtre vorgeſetzet iſt.
Das Departement der auswaͤrtigen An - gelegenheiten hat mit andern Voͤlkern zu ſchaf - fen. Es verſchickt Geſandten, und negoeiirt mit den fremden, ſchließt Buͤndniſſe, und hat alle Kriegs - und Friedensgeſchaͤffte unter Haͤnden.
Das Departement der einheimiſchen An - gelegenheiten vertrit den Landesherrn unmittel - bar bey ſeinen Unterthanen, und beſorget auf deſ -ſen23Staatswiſſenſchaft. ſen Befehl alles, was die innerliche Ruhe und Gluͤckſeeligkeit des Landes angehet. Das heißt, es richtet die ganze Landespolicey ein. Von hier aus werden alle Geſetze ausgefertiget, geaͤn - dert und abgeſchafft, alle Aemter beſetzt, die Be - ſoldungen und andre Begnadigungen ausgetheilt, die Strafen beſtimmt. Es verwaltet alle Rech - te der Majeſtaͤt in geiſtlichen und weltlichen Sa - chen, und dirigiret alle herrſchaftliche Beamte und Landescollegia. Die beſondere Verfaſſung aber der Landesregierung ſieht man hauptſaͤch - lich aus dem Kirchen-Juſtitz-Cammer - und Kriegsſtaat.
Von den vier Hauptreligionen iſt die Heid - niſche in Europa vertilgt, die Mahometaniſche erhaͤlt ſich nur an der aͤuſſerſten Grenze, die Juͤ - diſche ſchleicht im Finſtern, die Chriſtliche allein beſitzt den Thron. Aber dieſe ungluͤckſeelige Mut - ter hat viel Aergerniß in ihrer Familie erlebt. Jhre Kinder haben ſich getrennet, und dieſe Tren - nung hat faſt alle Reiche erſchuͤttert. Und noch jezt verdienet der Einfluß der verſchiedenen Reli - gionen in den Staat unſer beſonderes Augen - merk.
Die Neigungen der Nationen, in der Re - ligion freygeiſteriſch, vernuͤnftig oder aberglaͤu - biſch zu dencken, die Verfaſſung des Kirchen -B 4regi -24Vorbereitung zurregiments und die Verhaͤltniß der Kirche gegen ihren Staat ſind uͤberall; in den Catholiſchen Staaten aber die Macht und der Reichthum der Cleriſey, und die Gewalt des heiligen Vaters noch beſonders merkwuͤrdig.
Durch das Juſtitzweſen wird den Unter - thanen Recht geſprochen, ihre Streitigkeiten ge - ſchlichtet, und ein jeder in ſeinem Eigenthum ge - ſchuͤtzt. Man hat angemerkt, daß je ſouverai - ner ein Reich iſt, deſto vollkommener das Ju - ſtitzweſen eingerichtet zu ſeyn pflegt. Man muß hiebey auf drey Stuͤcke acht geben, 1) auf die Ge - ſetze, welche den Unterthanen vorgeſchrieben ſind, und deren Sammlungen, 2) auf die Gerichte oder Juſtitzcollegia mit ihrer Subordination, 3) auf die Proceſſe oder die Art des gerichtlichen Verfahrens.
Das Cammerweſen hat mit den Einkuͤnf - ten und Ausgaben eines Reichs zu thun. Die Finanzen werden ſchon von den Alten die Seh - nen der Republick genennet. Jn neuern Zeiten hat man ſich dieſer Wahrheit erinnert, und die wi -tzige25Staatswiſſenſchaft. tzige Franzoſen haben in den Cammeralſachen ſo gluͤckliche Entdeckungen gemacht, daß eine allge - meine Reformation des Finanzweſens in ganz Eu - ropa daraus entſtanden iſt. Man erkundiget ſich hiebey ſowohl, was fuͤr Einkuͤnfte ein Re - gent hat, als, wie ſie gehoben, und endlich, wozu ſie verwandt werden.
Die Einkuͤnfte eines Landesherrn ſind nicht in allen Reichen auf einerley Fuß geſetzt. Man hat ihrer unzaͤhlige Gattungen. Ueberhaupt hebt er ſolche aus ſeinem Eigenthum oder aus dem Eigenthum ſeiner Unterthanen. Zu den erſtern gehoͤren alle Nutzungen aus ſeinen Patri - monial - und Cammerguͤtern, welche man auch Domainen und Tafelguͤter zu nennen pflegt, und aus andern Regalien, das iſt aus denjenigen Sachen, die einem Privato nicht eigen ſeyn koͤn - nen, z. Ex. aus dem Bergwerks-Forſt - und Jagd - Salz-Poſt-Muͤnz-Stempelpapier-Regal.
Die Einkuͤnfte, welche aus dem Eigen - thum der Unterthanen gezogen werden, heiſſenB 5uͤber -26Vorbereitung zuruͤberhaupt Abgaben, Auflagen, Contribu - tionen. Man theilet ſie in ordentliche und auſ - ſerordentliche. Doch iſt dieſe Eintheilung mehr theoretiſch, als practiſch. Die aͤlteſte Arten ſind die Steuern von den liegenden Gruͤnden, und die Zoͤlle von Ein - und Ausfuhr der Waaren. Hier - naͤchſt folgt die Acciſe oder der Licent von aller - hand Sachen, die durch den Gebrauch verzehrt werden, Kopf - und Vermoͤgen-Steuer, und allerhand ſchuldige Dons gratuits.
Alle Dieſe Einkuͤnfte werden bald von den Staͤnden, bald von dem Landesherrn ſelbſt durch gewiſſe dazu beſtellte Bediente gehoben, welche ſolche theils berechnen, theils in Pacht haben. Aus dieſen Canaͤlen fließt alles in das Cammercollegium znſammen, welches die Stel - le eines Reichsſchatzmeiſters vertrit, die ganze Rechnung uͤber Einnahme und Ausgabe fuͤhrt, und deßwegen mit Recht des Landes Herz genen - ne werden kann.
So groß aber die Revenuͤen eines Landes ſind: eben ſo groß und oͤfters noch weit groͤſſer ſind die Ausgaben. Es muß der Regent, deſ - ſen Familie und der ganze Hofſtaat erhalten, die unzaͤhlige Beamte beſoldet, und alles, was zur Sicherheit und zum Beſten des Landes dienet,hievon27Staatswiſſenſchaft. hievon beſtritten werden. Was alsdenn noch uͤ - brig bleibt, kann in der Schatzkammer aufge - hoben werden. Dieſes erhaͤlt man nur durch ei - ne ordentliche Landesoeconomie.
Sonderlich iſt der Kriegsſtaat heute zu Ta - ge eines von denen nothwendigen Uebeln, wel - che einem Reiche unſaͤgliche Summen koſten. Die Art Krieg zu fuͤhren iſt faſt von Jahrhun - dert zu Jahrhundert veraͤndert worden. Viel - leicht hat die Geſchicklichkeit darinnen anjetzo ih - ren hoͤchſten Gipfel erreichet. Man muß die Landmacht von der Seemacht wohl uuterſchei - den. Jene iſt allen freyen Staaten gemein, dieſe aber nicht: weil man nicht in allen Reichen weitlaͤuftige Seekuͤſten findet, noch alle Voͤlker groſſen Handel zur See treiben, und reich genug ſind, um ſich einen Platz unter den Seemachten erwerben zu koͤnnen.
Die Landmacht eines Reichs zu beurthei - len iſt noͤthig, ſich aus dem vorhergehenden zu er - innern, ob ein Land an Mannſchaft und Pfer - den, die tuͤchtig zum Kriege ſind, einen Ueber - fluß oder Mangel habe, und folglich die Trup -pen28Vorbereitung zurpen zu recroutiren, und die Cavallerie zu remon - tiren, fremder Huͤlfe benoͤthiget ſey oder nicht? hernach unterſuche man die Anzahl und Einrich - tung ihrer Kriegsvoͤlker, der regulairen Trup - pen und Landmilitz, des Fußvolks und der Reuterey; ob ſie gute Subordination habe, in allen Handgriffen geuͤbt, und zur Mannszucht gewoͤhnt ſey? wie ſie bezahlt und montiret werde? ob ſie mit erfahrnen Officiers, mit Jngenieurs und Artillerie verſehen? was vor An - ſtalten gemacht ſeyn, ſo wohl die Ausgediente in Jnvalidenhaͤuſern und durch Penſionen zu verſorgen, und die Wittwen und Kinder der Ge - bliebenen zu ernaͤhren; als beſtaͤndig junge Mann - ſchaft durch Werbecantons, Caſernenſchulen, Cadettenrorps anzuziehen. Man halte alsdenn die Anzahl und Koſten der Kriegsmacht gegen die Groͤſſe und Einnahme des Landes, um zu ſehen, ob ſie ſolchem zur Ueberlaſt gereichen oder nicht?
Auf gleiche Art laͤßt ſich auch die Seemacht einer Nation erwaͤgen. Eine Flette ins Meer zu ſtellen, iſt nach Proportion der Mannſchaft wenigſtens dreymal ſo koſtbar, als eine Landar - mee ins Feld zu fuͤhren. Man hat hiebey beſon - ders anzumerken, ob ein Volk ſein Schiffszim - merholz, Maſten, Seegel - und Tauwerk und uͤbrige Erforderniſſe zu Ausruͤſtung dieſer ſchwimmenden Feſtungen bey ſich zu Hauſe findet, oder auswaͤrts herhohlen muß? wie der Bau ſeiner Schiffe, die Einrichtung ſeiner Eſca - dern und die Anſtalten beſchaffen, um eine Pflanzſchule von tuͤchtigen Matroſen und geſchick - ten Seecapitains zu haben?
Wenn wir nun in dieſer Ordnung den Staat eines Reiches und ſeine Schwaͤche und Staͤrke angeſehen haben, ſo iſt es nicht ſchweer, mit Huͤlfe der allgemeinen Politick diejenigen Re - geln herauszubringen, wornach ein Volk han - deln muß, um ſein Wohl zu befoͤrdern. Die - ſe Regeln nennt man Staatsmaximen, und den Jnbegriff aller Staatsmaximen eines Reiches in ihrem Zuſamenhange das Staatsintereſſe. Es iſt alſo das Staatsintereſſe in der That nichts an - ders, als eine Politick, die auf einen einzelnen Staat appliciret wird. Es gehoͤrt auch das Staats - intereſſe zur Staatswiſſenſchaft, weil ihr End - zweck dahin abzielet, von der Kenntniß eines Staats in der Politick die gehoͤrige Anwendung zu machen.
Ein Volk, das ſeine wahre Wohlfahrt zu befoͤrdern, ſeine Sicherheit zu befeſtigen, und ſeine Gluͤckſeeligkeit vollkommener zu machen be - muͤht iſt, muß ſowohl in Anſehung ſeiner ſelbſt, als in Anſehung andrer Voͤlker gewiſſe Re -geln31Staatswiſſenſchaft. geln beobachten. Daher giebt es Staatsmaxi - men eines Reiches gegen ſich ſelbſt und gegen andere Nationen, und deßwegen theilet man das Staatsintereſſe in das innerliche und aus - waͤrtige.
Das erſtere erfordert, daß ein Volk ſeinen innerlichen Ruheſtand und das Wohl nicht nur ſeiner einzelnen Buͤrger; ſondern auch des gan - zen gemeinen Weſens zu erhalten und befoͤrdern ſuche, dem Mangel abhelfe, den Ueberfluß ver - ſchaffe, die Einwohner vermehre und bereichere, die Wiſſenſchaften in Flor bringe, den Manu - facturen und Commercien aufhelfe, die Gebre - chen der Staatsverfaſſung heile, den Factionen vorbeuge, die Juſtitz beſchleunige, das Cam - merweſen in Ordnung halte, den Kriegsſtaat auf guten Fuß ſetze. Die vornehmſten von der - gleichen Staatsmaximen, die aus der beſondern Einrichtung eines jeden Reiches hauptſaͤchlich flieſſen, koͤnnen an dieſem Orte erklaͤret, und in ſo fern das innerliche Staatsintereſſe eines Lan - des der Staatswiſſenſchaft deſſelben unmittelbar angefuͤgt werden.
Ganz anders iſt es mit dem auswaͤrtigen Staatsintereſſe beſchaffen. Die Maximen, wie ein Volk in Anſehung ſeiner Nachbaren ſichin32Vorbereitung zurin Sicherheit ſtellen, oder mit deren Beyhuͤlfe ſeine Wohlfahrt befoͤrdern koͤnne, flieſſen aus dem Verhaͤltniße, das es gegen fremde Voͤlker hat, ob es ihrer bedarf, oder entbehren koͤnne? ob es von ihrer Macht viel oder wenig zu befuͤrch - ten habe? Dieſes kann, ohne vorgaͤngige Kennt - niß andrer Staaten nicht begriffen werden, und verdienet eine beſondere Ausfuͤhrung.
Dieſes iſt der Abriß der vollſtaͤndigen Staatswiſſenſchaft einzelner Reiche, in ſo weit ſolche vor ſich allein betrachtet werden. Wer die unterſchiedliche Grade der Verbindung einſiehet, welche die Wiſſenſchaften mit einander haben, wird den hohen Wehrt einer Erkenntniß zu ſchaͤ - tzen wiſſen, von welcher die Hiſtorie einen ſehr anſehnlichen Theil ihres Lichts borget, welche zu dem allgemeinen Natur-Voͤlker-Staats - geiſtlichen und buͤrgerlichen Rechte den tref - lichſten Stoff giebet, und die Politick mit einer Menge practiſcher Saͤtze bereichert.
Daher iſt die Staatswiſſenſchaft allen Ge - lehrten nuͤtzlich, und allen Juriſten noͤthig; haupt - ſaͤchlich aber, wer die jetzige Welthaͤndel gruͤnd - lich beurtheilen, wer ſeine Reiſen in fremde Laͤn - der mit Nutzen unternehmen, wer in Manufa - ctur-Handels - und Cam̃eral-Sachen oder in Ge -ſandt -33Staatswiſſenſchaft. ſandtſchaften ſich gebrauchen laſſen will, dem iſt ihre Erlernung unentbehrlich.
Man hat gegen den Vortrag dieſer Wiſ - ſenſchaft auf Univerſitaͤten Einwuͤrfe gemacht, als waͤre ſolche wegen der Menge ihrer Materi - en voller Verwirrung, wegen der beſtaͤndigen Veraͤnderungen voller Ungewißheit, und wegen der darinnen enthaltenen Staatsgeheimniſſen fuͤr den Augen der Schulgelehrten verborgen, folglich dergleichen Vorleſungen ſeicht und un - brauchbar. Allein, da eine geſchickte Ordmung der Verwirrung abhuͤlft, ein ununterbrochener Fleiß die Hauptveraͤnderungen bemerken kann, und der Ungewißheit kuͤchtige Beweißthuͤmer entgegen ſtellt, die Staatsgeheimniſſe aber ent - weder das nicht ſind, wofuͤr man ſie ausgibt, o - der nicht ſo haͤufig ſind, als man ſich einbildet, auch der Endzweck nicht erfordert, in alle Staats - geheimniſſe zu dringen; ſo wird der Nutzen, wel - chen man in Erlernung der Anfangsgruͤnde der Staatswiſſenſchaft ſucht, gar fuͤglich erreichet werden koͤnnen.
Diſſ. mea de notitia rerumpublicarum academiis vindicata, Gottingae 1748.
Die Gewohnheit der alten Geſchichtſchrei - ber, die Staatswiſſenſchaft einzelner Voͤlker inCihren34Vorbereitung zurihren hiſtoriſchen und geographiſchen Buͤ - chern ſorgfaͤltig einzuſchalten, und die beſonde - re Werke eines Xenophons, Ariſtoteles und Tacitus beweiſen, daß man dieſe Kenntniß bey ihnen ſehr hoch geachtet. Jn neuern Zeiten iſt man dieſen Fnßſtapfen nachgegangen. Seit dem gegen das Ende des ſechszehenden Jahrhunderts die Relationen einiger Venetianiſchen Geſand - ten bekannt wurden, der beruͤhmte Lipſius eine ſyſtematiſche Politick faſt aus lauter Spruͤchen al - ter Geſchichtſchreiber zuſam̃en geleſen hatte, u. ver - ſchiedene Staatsmaͤnner ihre wichtige Anmerkun - gen uͤber auslaͤndiſche Reiche, welche ſie durchrei - ſet hatten, herausgaben: wurde dieſe Wiſſenſchaft aus dem Staube gezogen, und die Welt bekam einen Geſchmack daran. Man ſammlete die ver - ſchiedene Schriftſteller von einem Staate: man bemuͤhte ſich, von vielen, ja von allen Reichen die Staatswiſſenſchaft beyſammen zu haben. Al - ſo kamen Sammlungen von Originalſchriften zum Vorſchein, und daraus erwuchſen eine Menge Auszuͤge und groſſe Werke ſowohl von einzelnen Reichen, als von vielen mit einander. Nunmehr war Stoff genug vorhanden, Vorleſungen auf Univerſitaͤten daruͤber anzuſtellen, der unſterbli - che Conring brachte ſie auf den academiſchen Lehr - ſtuhl, und von Helmſtaͤdt breitete ſie ſich auf an - dern Muſenſitzen in - und auſſerhalb Teutſchland aus. Seit dem haben wir auch Leſebuͤcher da - von bekommen, unter welchen die notitia prae - cipuarum Europae rerum publicarum von Hrn. Ever -35Staatswiſſenſchaft. Everhard Otto das einzige iſt, welches ſeine Quellen anfuͤhret.
Unter den vielen und groſſen Sammlungen, welche den Staat aller Reiche und Republicken der ganzen Welt, oder wenigſtens vieler Reiche zugleich vortragen, iſt zu unſrer Abſicht wenig brauchbares. Wir wollen 1) den gegenwaͤrti - gen, nicht den ehemaligen Staat kennen lernen, 2) wir ſuchen glaubwuͤrdige und zuverlaͤßige, nicht falſche und ungewiſſe Nachrichten. Alſo muͤſſen wir 1) die neuere Schriftſteller den aͤltern, 2) diejenige, welche ein Reich aus eigener Er - fahrung erkannt, denen, die ihre Erzaͤhlungen von andern abgeſchrieben. 3) Diejenige Samm - ler, welche ihre Beweißthuͤmer anfuͤhren, den uͤbrigen vorziehen.
Nach dieſen Regeln kann man die vor - nehmſte Sammlungen von dem Staate verſchiede - ner Reiche beurtheilen, nur merke man vorlaͤu - fig noch dieſes an, daß glaubwuͤrdige Nachrich - ten, wenn ſie gleich alt ſind, uns doch nicht ganz unnuͤtzlich ſeyn, in ſo fern ſie die Verbindung des vorigen Zuſtandes mit dem jetzigen und den Grund des heutigen Staats in ſich halten.
Die 32. Elzeviriſche Republicken ſind alt, und nur wenige glaubwuͤrdig.
Le monde par PIERRE D’ AVITY iſt alt, und durch die abgeſchmackte Vermehrun -C 2gen36Vorbereitung zur Staatsw. gen des roccoles auſſer Stand zu dienen geſetzt worden.
conringii opus poſthumum de notitia rerum publicarum hodiernarum (in dem III. to - mo ſeiner geſammten Werke) iſt durch Hrn. von Goebel Zuſaͤtze einiger Maaſſen verjuͤngt worden.
Friedrich Leutholfs von Frankenberg Europaͤiſcher Herold iſt ebenfalls nicht mehr neu, auch ohne Beweißthuͤmer, und auſſer dem erſten Bande wenig mehr brauchbar.
Unter den Rengeriſchen Staaten iſt das meiſte unnuͤtzer Plunder.
Den Voyages hiſtoriques de l’Europe des m. jovrdan, welche Auguſt Bohſe unter dem Namen Talander teutſch uͤberſezt, wirft vayrac a) oͤffentlich vor: a beau mentir qui vient de loin.
Des gvedeville Atlas hiſtorique in 7. Folianten iſt praͤchtig, und 1738. wieder anfgelegt, aber fresnoy b) urthei - let davon: ce livre qui avoit été fait pour les ignoraus, fut d’abord goûté par les igno - rans; mais ſans être eſtimé des ſavants.
Lo ſtato preſente di tutti e paeſi e popoli del mondo, naturale, politico e morale, con nuo - ve oſſervazioni e correzioni degli antichi e moderni viaggiatori, davon zu Venedig ſchon 18. Theile 8. herausgekommen, habe ich noch nicht geſehen.
Kein Land iſt von ſo verſchiedenen Voͤlkern bewohnt worden als Spanien. Die Phoe - nicier ſetzen ſich an die ſuͤd - und weſtliche See - kuͤſte, die Carthaginienſer, Roͤmer, Schwa - ben, Alaner und Gothen herrſchen nach ein - ander darinnen, endlich im J. 713. uͤberſchwem - men es die Mauren faſt gaͤnzlich.
Dieſe entkraͤften ſich durch ihr haͤufige Thei - lungen ſelbſt, da inzwiſchen aus dem Ueberreſte der Chriſten nebſt einigen kleinen Staaten haupt - ſaͤchlich zwey Koͤnigreiche Caſtilien und Arrago - nien erwachſen, die ſich durch Vermaͤhlungen dreymal vergeblich, zum vierten Mal aber 1473. auf ewig vereinigen.
Ferdinandus Catholicus unterwirft ſich die Saraceniſchen Provinzen, und reiſſet ein Theil von Navarra an ſich. Nunmehr wird Spanien ein einziger Staatscoͤrper, und durch Verbeſſerung der innerlichen Verfaſſung, durch Eroberung des Koͤnigreichs Neapel und Entde - ckung von America zugleich erſtaunend maͤchtig. Die Heyrath Philippi Pulcri mit Ferdinands Tochter Joanna veranlaſſet die Vereinigung der Oeſterreichiſchen Staaten mit dem Spaniſchen Reiche. Daher zittert vor Kayſer Carln V. Ferdinands Enkel, ganz Europa. Allein er theilt zwiſchen ſeinem Bruder Ferdinand und ſeinem Sohne Philipp II. Doch erlangt Spanien da - durch Mayland, und die 17. Niederlaͤndiſchen Pcovinzen nebſt der Grafſchaft Burgund. Philipp II. eignet ſich Portugall zu, und gehet mit einer Univerſal Monarchie ſchwanger. Al - lein durch den Aufſtand der Niederlaͤnder wird ſolche in der Geburt erſtuͤckt, und Spanien ver - blutet ſich unter dem unweiſen Philipp III., demC 4elen -40Spanien. elenden Philipp IV. und dem ſchwachen Carl II. dem letzten ſeines Stammes, ſo ſehr, daß es end - lich kaum mehr Athem ſchoͤpfen kann.
Nach deſſen Tode 1700. ſtreiten Oeſter - reich und Bourbon um dieſe Erbſchaft, und letzteres bringt nach einem 13jaͤhrigen Kriege zu aller Welt Erſtaunen ſeinen Prinzen Philipp V. auf den Spaniſchen Thron, und Kayſer Carl VI. muß ſich mit den Jtalieniſchen und Nieder - laͤndiſchen Provinzen abſpeiſen laſſen. Seit dem iſt dieſes Reich in 4. Kriegen bemuͤht geweſen, ſich wieder in die Hoͤhe zu bringen, wodurch Eli - ſabeth ihrem Don Carl 1735. zwo Cronen, die bey -de41Spanien. de Sicilien, und Koͤnig Ferdinand II. ſeinem Halbbruder Philipp 1748. drey Herzogthuͤmer, Parma, Piazenza und Guaſtalla zugewandt.
Spanien hat ein dreyfaches ſehr verſchiede - nes Clima. Gegen Norden iſt es kalt und feucht, gegen Suͤden heiß und feucht, in der Mitten ſehr trocken und faſt verbrandt. Es hat von 3. Seiten natuͤrliche Graͤntzen, das Atlantiſche und Mittellaͤndiſche Meer, und die Pyrenaͤiſche Gebuͤrge: die vierte Seite ſchraͤnckt Portugal ein.
Das Land iſt faſt durch und durch gebuͤr - gig. Die groſſen Fluͤſſe, Ebro, Douro, Tajo, Guadiana, Guadalquivir, ſind wenig ſchiffbar, und auſſerdem iſt es ſchlecht bewaͤſſert.
Es hat Ueberfluß an der beſten Wolle, an Seyde, Wein, Salz, Oel, Orangenfruͤchten, Roſinen, Feigen, Mandeln, Capern. Biſcaya giebt trefliches Eiſen, Andaluſien und Aſturien haben unvergleichliche Stuttereyen.
Das Hornvieh und die Flußfiſche ſind ſelt -ſam,43Spanien. ſam, Gold und Silber wird nicht gegraben, und der Mangel an Getreyde iſt groß.
Es beſtehet aus 14. Provinzen, die mei - ſtentheils den Titul eines Koͤnigreichs fuͤhren, nebſt etlichen Jnſuln, und prangt mit Madrid, der Hauptſtadt des Reichs und etlichen Luſt - ſchloͤſſern, ſonderlich Aranjuez, dem Wunder der Natur und Eſcurial, dem Wunder der Kunſt.
Landfeſtungen unterhaͤlt es einige wenigege -44Spanien. gegen die Seite von Portugal; aber deſto mehr trefliche Seehaͤfen, Cadix, Malaga, Cartha - gena, Alicante, Valentia, Barcellona, Co - runna, Bilbao, St. Sebaſtian, und viel ande - re, unter denen jedoch Gibraltar, der Schluͤſſel nicht ſowohl von Spanien, als vom Mittellaͤndi - ſchen Meere, und Portmahon in den Haͤnden der Engellaͤnder ſind.
Auſſer Europa haben ſich die Spanier in Ceuta, Oran, und Maſalquivir auf der Kuͤſte der Barbarey und in den Canariſchen Jnſuln feſtgeſetzet. Jn Aſien gehoͤrt ihnen weiter nichts als die Philippiniſche, Latroniſche und Salomo - niſche Jnſuln.
Aber in der von ihnen erfundenen neuen Welt haben ſie den groͤßten und reichſten Theil inne, und beſitzen im Nordlichen America Mexico, Neu Mexico und ein Stuͤck von Flori - da, im Suͤdlichen aber Terra firma, Peru, Chili, und von den Jnſuln ſonderlich Cuba, und ein Stuͤck von Hiſpaniola. Sie ziehen hieraus Gold, Silber, Perlen und Edelſteine, Zucker, Taback, Viehhaͤute, Baum - und Vigogne - wolle, Wachs, Campecheholz, Jndigo, aller - hand Balſame und andere koſtbare Arzeneyen und Waaren.
Wie die Einwohner Spaniens von verſchie - denen Voͤlkern abſtammen: ſo iſt auch ihre Sprache zwar eine Tochter der Lateiniſchen; a - ber mit Gothiſchen und Arabiſchen Woͤrtern un - termiſcht.
Jn dieſem weitlaͤuftigen Reiche zaͤhlet man nicht 6. Millionen Menſchen, welcher Mangel durch die Americaniſche Colonien, die Austrei - bung der Juden unter Ferdinand I, und der Mo -riscos47Spanien. riscos unter Philipp III. gewaltig befoͤrdert wor - den, und durch die Modeſuͤnden der Jugend, die Menge der Kloͤſter und Schaͤrfe der Jnquiſition unterhalten wird, ſo daß die kluge Vorſchlaͤge des Staatsſecretaͤrs Petri Ferdinand Navare - ta 1619. und die Anſtalten Philipp IV. ohne Wuͤrkung geblieben.
An dem Spanier iſt nichts mittelmaͤßig als ſein Koͤrper, ſeine Tugenden ſind groß; ſeine Laſter noch groͤſſer. Man ruͤhmt ſeine Maͤßig - keit, Standhaftigkeit, geſetztes Weſen, Ver - ſchwiegenheit und Treue: man wirft ihm den Hochmuth biß auf den Bettelſtolz, Prahlerey, Geitz, Grauſamkeit, Verſtellung, Eiferſucht auch gegen ſein heßliches Weib vor. Die Fremden ſind bey ihm als Gavaches verach - tet und uͤbel daran. Dieſe belachen dagegen die beſondere Gewohnheiten der Spanier. Jhre Antipathie gegen die Franzoſen legt ſich nun - mehr nach und nach.
Der Spanier iſt zur Tiefſinnigkeit geneigt, und wuͤrde es daher in Wiſſenſchaften eben ſo weit bringen, als ſeine Vorfahren, wenn er nicht die Vernunft unter den Gehorſam ſeines tyranniſchen Glaubens gefangen nehmen muͤßte. Selbſt in der allgemeinen Finſterniß der mittlern Zeiten war in dem Saraceniſchen Spanien mehr Licht der Gelehrſamkeit, als jetzt auf allen 22 chriſt - lichen Univerſitaͤten.
Der Spanier mag aus Faulheit nicht ar - beiten, oder er ſchaͤmt ſich, ein Handwerk zu treiben. Daher iſt das Land von Manufactu - ren entbloͤſſet, und halten ſich viele tauſend Fran - zoſen darinnen auf, welche theils die gemeinen Dienſte in den Staͤdten verrichten, theils die nothduͤrftigen Handwerker treiben.
Es muͤſſen alſo die Spanier, um ihren Hun - ger zu ſtillen, ihre Bloͤſſe zu decken nnd ihrer Bequemlichkeit zu pflegen, nicht nur ihre inlaͤn - diſche Waaren weggeben, ſondern ihr ganzer koſtbarer Handel nach America iſt bloß den Aus - laͤndern zum Gewinn, welchen die unerſchoͤpfli - che Goldquellen der neuen Welt ſtromweiſe zu - flieſſen.
Sie rechnen nach Marrevadis und Rea - les, und haben in Silber die Piaſtres oder Pe - ſos (da otto reales) in ganzen, halben und viertel Stuͤcken, in Gold aber die Piſtolen, Du - plonen und Quadruplen. 95. Marrevadis be -tragen51Spanien. tragen 8. ggr., 1. Reale hat 34. Marrevadis, 1. Piaſtre aber 8. Reales.
In Spanien iſt kein guͤltiges geſchriebenes Reichsgrundgeſetz anzutreffen, auſſer dem von der Caſtilianiſchen Erbfolge und Untheilbarkeit von 1252., welche Carl V. 1554. und Philipp II. in ſeinem Teſtament 1598. auf die geſammte Staa - ten von Spanien erſtrecket hat.
Ferdinand jetztregierender Koͤnig, ein Sohn Philipps V. und der Maria Louiſa Gabriela,D 2Prin -52Spanien. Prinzeßinn von Savoyen, iſt gebohren 1713, ver - maͤhlte ſich mit Maria Barbara, Koͤnigs Jo - hannis V. in Portugal Tochter 1729, beſtieg den Thron 1746. Er hat zwar keine Erben, doch iſt das koͤnigliche Haus nichts deſto weniger zahl - reich. Von Philipps V. zweyter Gemahlinn E - liſabeth aus Parma ſind der Koͤnig beyder Si - cilien Carl Sebaſtian, der General-Admiral von Spanien und Herzog von Parma, Piazen - za und Guaſtalla Don Philipp, der Cardinal und Erzbiſchof von Toledo und Sevilien Don Louis nebſt der Prinzeßinn von Braſilien Ma - ria Anna Victoria und Maria Antonietta vorhanden.
Der Cronprinz wird ſeit 1388. Prinz von Aſturien genennt, aber nicht als ein ſolcher ge - bohren; ſondern vom regierenden Koͤnige dazu ernennet. Die uͤbrige koͤnigliche Kinder heiſſen Jnfanten.
Der koͤnigliche vollſtaͤndige Titul iſt: Fer - dinandus, Dei gratia Rex Caſtellae, Arra - goniae, Legionis, vtriusque Siciliae, Je - ruſalem, Portugalliae, Nauarrae, Granatae, Toleti, Valentiae, Galliciae, Maioricarum, Hispalis, Cordubae, Corſicae, Murciae, Grennis, Algarbiorum, Algezirae, Gibral - taris ac inſularum Canariae, et Indiarum tam Orientalium, quam Occidentalium, ac Terrae Firmae, maris Oceani: Princeps Aſturiarum: Dux Mediolani et Burgundiae; Archidux Auſtriae, Comes Flandriae, Bur - gundiae et Cataloniae, Dominus Biscayae et Molinae etc. Kuͤrzer wird er titulirt: Rex Hiſpaniarum catholicus.
Eben ſo findet man das Wappen bald weit - laͤuftig aus dem Wappen von Caſtilien, Leon, Arragonien und Sieilien nebſt Portugal im Mit - telſchilde zuſammen geſetzt mit der koͤniglichen Crone uͤber dem Schilde und der Ordenskette des guͤldenen Vlieſſes umhangen; bald kleiner, da es nur das Wappen von Caſtilien und Leon nebſt dem Mittelſchilde von Anjou enthaͤlt, und mit der Crone bedeckt iſt.
Der uͤbertriebene Hofſtaat und die zum Theil ſeltſame Etiquette des Spaniſchen Hofes iſt von den Bourboniſchen Koͤnigen groſſen Theils geaͤndert, und andern Hoͤfen gleichfoͤrmiger ge - macht worden.
Von den eintraͤglichen Ritterorden 1) von Sant Jago di Compoſtella, 2) Calatrava, 3) Alcantara ſind ſeit den Zeiten der Jſabella aus Caſtilien die Beſitzer des Thrones Großmei - ſter. Dieſen dreyen iſt der kleine Orden von Mondeſa beyzufuͤgen: wie ſich denn auch die Bourboniſche Koͤnige von Spanien die Ernen - nung der Ritter des guͤldenen Vlieſſes anmaaſ - ſen.
Der Spaniſche Thron iſt erblich undſteht auch der weiblichen Linie offen: wie denn ſeit denD 4Zeiten56Spanien. Zeiten der Saracenen die meiſten Reiche durch Heyrathen zuſammen gebracht worden. Dieſes iſt die beruͤhmte Succeſſio Caſtiliana, oder ſuc - ceſſio linealis cognatica.
Sobald die Erbfolge eroͤfnet wird, laͤßt ſich der neue Monarch feyerlich ausruffen, und von den Staͤnden in Buen Retiro huldigen; aber ſeit etlichen Jahrhundert nicht mehr ſalben noch kroͤnen.
Die viele Spaniſche Koͤnigreiche hatten ſonſt ihre ſehr verſchiedene Rechte und Freyhei -ten;58Spanien. ten; aber ſeit der groſſen Vereinigung hat ſich Ferdinand I., noch mehr Philipp II., am meiſten aber Philipp V. ſouverain gemacht.
Daher haben die Spaniſche Reichsſtaͤnde keine Gewalt mehr dem koͤniglichen Willen zu widerſprechen, und die Cortes Generales werden nur bey Huldigungen und andern Feyerlichkei - ten gehalten.
Doch giebt es noch Grands d’Espagne, welche verſchiedene Vorrechte genieſſen. Sieſind59Spanien. ſiud von 3. Claſſen, und der Koͤnig ernenet ſie. Die uͤbrige vom hohen Adel heiſſen Titulos oder Titulados, ehemals Ricos hombres, die von niedern Adel nennen ſich Cavalleros und Hidal - gos.
Die allgemeine Reichsgeſchaͤfte werden durch das Conſejo da Eſtado beſorget, welchemeinige60Spanien. einige Eſcrivanos da Eſtado zu den verſchiede - nen auslaͤndiſchen und einheimiſchen Affairen beygefuͤget ſind. Jn wichtigen Faͤllen muͤſſen von den ſubordinirten Collegiis Conſultas an den Staatsrath gegeben werden. Jnsbeſondere ſtehet den Americaniſchen Sachen der Rath von Jndien vor, von dem auch der Vice-Ré in Me - xico und Peru nebſt allen uͤbrigen Statthaltern und die Caſa da Contractacion zu Sevilſa depen - diren. Jn auſſerordentlichen Faͤllen wird eine Junta angeordnet, die Perſon des Koͤnigs zu vertreten.
Der Spanier iſt ein aberglaͤubiſcher Chriſt, und putzt die Catholiſchen Ceremonien mit Spa - niſchen Verzierungen aus. Die 8. Erz - 44. Suffcagan - und 2. exempte Biſchoͤfe nebſt un - zaͤhligen Kloͤſtern zehren das Fett von Spanien. Jn America iſt die Geiſtlichkeit weder an Men - ge noch an Reichthum viel geringer. Man zaͤh - let allein 6. Ertz - und 38. Bißthuͤmer darinnen.
Der Koͤnig ernennt zu allen Ertz - und Biß - thuͤmern, und der Pabſt beſtaͤtiget ſie. Die Canonicate vergiebt theils der Koͤnig, theils derBi -62Spanien. Biſchof, theils das Capitul, theils der Pabſt. Dieſer genieſſet auch das eintraͤgliche ius ſpolii durch ſeinen Nuntium.
Die beruͤchtigte Jnquiſitions-Gerichte, welche die Koͤnigin Jſabella, Kraft eines Geluͤb - des zuerſt in Spanien eingefuͤhret, und deren man jetzt 14. in dem Reiche ſelbſt und 3. in A - merica zaͤhlet, haͤlt die Nation fuͤr ihr Heilig - thum, andre aber ſehen ſolche als das allergrau - ſamſte Blutgericht an. Spanien hat ſich da - durch unerſetzlichen Schaden gethan, und die unumſchraͤnckte Gewalt der Jnquiſition bleibt allemal gefaͤhrlich und ſchrecklich, ungeachtet in vielen Jahren keine feyerliche Autos da fe vor - genommen werden.
Den Unterthanen ſind von Ferdinando Ca - tholico die Leges Tauri vorgeſchrieben. Die neuern Koͤnigliche Verordnungen hat Philipp II. 1567. in eine Recopilacion und Philipp IV. 1640. in eine nueva Recopilacion bringen laſſen. Nach dieſen legibus ordinationum geltẽ die Fo - ra, (ſtatuta prouincialia und localia), zu wel - chen auch das Fuero Iuzgo, oder Forum, ſeu Liber Iudicum gehoͤrt, alsdenn la Partita, o - der die Leges ſeptem partitarum, und endlich ius Caeſareum oder Romanum.
Die kleinere Staͤdte und Flecken haben ih - re Rigidoros und Alcaldes, die groͤſſere Staͤd - te ihre Corrigidoros. Uebrigens ſind 7. Pro - vinzial-Gerichte oder Audienzias Reales, wor - innen die Vicekoͤnige und Statthalter den Vor - ſitz haben. Sie ſtehen unter dem hoͤchſten Reichstribunal dem Conſejo Real di Caſtilla, welches in 4. Cammern abgetheilt iſt. Der Proceß iſt koſtbar und langweilig.
Die koͤnigliche Einkuͤnfte flieſſen zuſammen aus den Zoͤllen, (Almojarifazgos und Portos ſecos) dem Zehenden von allem, was verkauft oder vertauſchet wird, (Alcavalas) der Acciſe auf Fleiſch, Wein und andere Lebensmittel, (Los Milliones) der Vermoͤgenſteuer, (Los Ser - vicios) dem Stempelpapier (Papel Sellado) und der Salzſteuer; (Salinas) ferner aus der Creuzbulle (Bolla de la Cruzada) und Dispen - ſation wegen der Faſtenſpeiſen, (Grozzura und Mantego) dem Tribut ſowohl der Geiſtlichkeit, (Terzias und el Escuſado) als des hohen A - dels und der Ritterorden, contribution des lances et des galères) und den Großmeiſter - thuͤmern.
Jn America gelten alle Abgaben, die in Spanien mode ſind, und die Creutzbulle wird gar doppelt bezahlt. Auſſer dem ziehet der Koͤnig von aller Ausbeute theils 5. theils 10. Procente, von der Ausfuhr des Goldes und Silbers an - derthalb Procente. Das Muͤnzregal in Mexieo iſt gleichfalls ſehr eintraͤglich. Auf die Einfuhr der Mohren ſind ſchweere Abgaben gelegt, und noch auſſerdem iſt er in dem Negreshandel, wel - chen er den Engellaͤndern verwilliget, auf ein Viertheil intereſſirt.
Das Conſejo Real da Hazienda iſt uͤber die Reichs-Einnahme und Ausgabe geſetzt. Es iſt in vier Kammern eingetheilt, nehmlich in die Finanz-Millionen-Juſtitz - und Oberrechnungs - kammer, wovon die letzſtere Contaduria Major genennet wird, und beſteht uͤberhaupt aus einer groͤſſern Anzahl Perſonen, als alle uͤbrige koͤnig - liche Collegia zuſammen genommen. Durch die elende Haushaltung der Oeſterreichiſchen Koͤnige ſtiegen nicht nur die Kronſchulden entſetzlich; ſon - dern es fielen auch die Einkuͤnfte zugleich ſo uner - hoͤrt, daß man iu der ganzen Hiſtorie kein aͤhn - liches Exempel aufweiſen kann. Philipp V. hat deßwegen den groſſen Franzoͤſiſchen Cammerali - ſten Orry dreymal nach Spanien kommen laſ - ſen, und ziemliche Verbeſſerungen gemacht.
Spanien kann ſchwerlich uͤber 40. biß 50. 000. Mann ins Feld ſtellen. Doch wird der Mangel an groſſer Anzahl durch die Tapferkeit und gute Eigenſchaften ſeiner Truppen erſetzt. Jnfanterie und Cavallerie ſind beyde gleich tref - lich; beſonders ſeit dem ſolche unter Philipp V. auf Franzoͤſiſchen Fuß geſetzt worden. Gutes Gewehr haben ſie im Ueberfluſſe.
Jm ſechszehenden Jahrhundert hatte Spa - nien unſtreitig eine voͤllige Uebermacht zur See. Nach dem Zuwachs von Portugal haͤtte es in allen Europaͤiſchen und Americaniſchen Gewaͤſ - ſern Geſetze vorſchreiben koͤnnen. Aber die fata - le Unternehmung auf Engelland 1588. brachte dem Spaniſchen Seeweſen einen toͤdlichen Stoß bey. Jnzwiſchen wachten die andern Nationen auf, und halfen die Spanier vollends niederwerfen. Seit dem Utrechtiſchen Frieden hat ſich Philipp V. groſſe Muͤhe gegeben, die Marine in beſſern Stand zu ſetzen, und ſeine Flotte iſt, auſſer den Americaniſchen Gallionen und 50. biß 60. Galee -ren69Spanien. ren, faſt auf 30. Kriegsſchiffe geſtiegen. Holz, Theer und Canonen haben ſie ſelbſt; aber Se - gel - und Thauwerk muͤſſen ſie von Fremden er - kaufen.
Die Natur hat Spanien vor auswaͤrtigen Anfaͤllen treflich ſicher geſtellt. Die Regiments - Form iſt ſo gut eingerichtet, daß dem Koͤnige zu Befoͤrderung der Landeswohlfahrt die Haͤnde nicht gebunden ſind. Aber ungeachtet der zum Theil gluͤcklichen Bemuͤhungen, welche es im jetzigen Jahrhundert angewandt, ſich aus ſeiner Erniedrigung herauszuhelfen, wird es ſich doch zur vorigen Hoͤhe nicht bringen, wenn es nicht ſeine Einwohner zu vermehren, und arbeitſamer zu machen, und eine allgemeine Reformation im Cammerweſen durchzuſetzen weiß.
Portugal hat in alten Zeiten einerley Schick - ſal mit Spanien gehabt. Die Phoenicier, Carthaginienſer, Roͤmer, Alaner, Schwaben und Weſtgothen haben nacheinander darinnen geſeſſen: endlich im Anfange des achten Jahr - hunderts wurden die Saracenen davon Meiſter.
Heinrich ein Burgundiſcher Printz aus Koͤniglichem Franzoͤſiſchen Gebluͤte erobert einen Theil von Portugal im Namen Alphonſi VI. Koͤnigs von Caſtilien und Leon, wird durch ſei - ne Vermaͤhlung mit deſſen Printzeſſinn Thereſia Graf in Portugal 1093. und erhaͤlt es erb - und eigenthuͤmlich 1110. Sein Sohn Alphonſus erweitert ſeine Herrſchaft, nimt mit Wieder - ſpruch der Caſtilianer den koͤniglichen Titul an, und bringt die Regierungsform in Ordnung. Deſſen73Portugal. Deſſen Nachfolger ſaubern das Reich immer mehr von den Saracenen, Alphonſus III. ver - knuͤpft Algarbien mit der Krone, und die eheli - che maͤnnliche Linie ſtirbt mit Ferdinand I. 1383. aus.
Johannes der Baſtard, des letzten Koͤnigs natuͤrlicher Bruder, ſchwingt ſich mit Huͤlfe der Staͤnde auf den Thron, deſſen gluͤckſeelige Nach - kommenſchaft die gantze Kuͤſte von Africa, von Oſtindien und von Braſilien entdeckt, und an Land und Handel maͤchtig wird. Daher iſt unter Emanuel, dem Urenkel Johannis I. die guͤldene Zeit; aber mit dem Tode ſeines eigenen Uren - ckels Sebaſtians faͤllt alles, und Heinrich der Cardinal beſchließt den Mannsſtamm 1580.
Unter allen Kronpraͤtendenten behauptet Philipp II. Koͤnig von Spanien das Reich mit Gewalt. Seit dem wird nicht allein der reichſte Theil des Seehandels den vereinigten Nieder - laͤndern zur Beute; ſondern dieſe reiſſen auch gantze Jnſuln und Provinzen in beyden Jndien, und ſonderlich das beſte Stuͤck von Braſilien an ſich. Die Portugieſen verliehren auf allenE 5Sei -74Portugal. Seiten, und werden noch dazu greulich tyranni - ſiret. Dieſe Zeit der Truͤbſal dauert 60. Jah - re. Endlich ſetzen ſie ſich 1640. durch einen gluͤck - lichen Aufſtand in Freyheit, und ihr geliebtes Haus von Braganza auf den Thron.
Johannes IV. vertreibt die Hollaͤnder aus Braſilien, verliehrt aber faſt alles in Oſtindien. Sein Sohn Alphonſus VI. wird 1667. von ſeinem Bruder Peter II. der Krone beraubt, welcher den 28. jaͤhrigen Krieg mit den Spaniern 1668. ſo gluͤcklich endiget, daß er ihnen die Sou - verainitaͤt abzwinget. Er miſchet ſich auch in die Spaniſche Succeſſionshaͤndel, aber ohne Vor - theil. Seit dem hat das Reich unter Johann V. einer beſtaͤndigen Ruhe genoſſen.
Portugal das aͤuſſerſte Reich in Europa gegen Weſten hat ein warmes; aber ſehr angenehmes Clima, iſt von ſehr mittelmaͤſſiger Groͤſſe, und wird gegen Morgen und Mitternacht von Spa - nien, gegen Abend und Mittag aber von dem Atlantiſchen Meer eingeſchloſſen.
Auſſer dem Mondego erhaͤlt es ſeine groſſe Fluͤſſe, den Douro, Tejo, Guadiana und Minho aus Spanien. Sie ſind wenig ſchiffbar; aber deſto reicher an