PRIMS Full-text transcription (HTML)
Abriß der neueſten Staatswiſſenſchaft der vornehmſten Europaͤiſchen Reiche und Republicken
zum Gebrauch in ſeinen Academiſchen Vorleſungen.
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Goͤttingen,beyJoh. Wilhelm Schmidt, Univ. Buchhaͤndl. 1749.

Dem Hochgebohrnen Freyherrn Herrn Serlach Adolph von Muͤnchhauſen, Koͤniglich Groß-Britanniſchen und Chur-Braunſchweig-Luͤneburgiſchen Hochbetrauten wuͤrklichen Geheimen Rathe und Groß-Voigte wie auch der Georg-Auguſt-Univerſitaͤt Hoͤchſtanſehnlichen und Hoͤchſtverdienten Curatoren Erbherrn auf Strausfurt ꝛc. Meinem gnaͤdigen Herrn,

Hochgebohrner Freyherr, Gnaͤdiger Herr,

Eure Hochgebohrne Ex - cellenz geruhen gnaͤdig, Sich dieſe geringe Blaͤtter von mir in unterthaͤnigſter Ehrfurcht uͤberrei -): (3chenchen zu laſſen. Es iſt Hochde - nenſelben durch eine vieljaͤhrige Gewohnheit ſo natuͤrlich geworden, alles, was nur einen Trieb zur Ge - lehrſamkeit anzeiget, mit huldreichem Angeſicht aufzunehmen, daß ich be - fuͤrchten muͤßte, an Hochdero nie genug zu preiſenden Leutſeeligkeit mich zu verſuͤndigen, wenn ich Ent - ſchuldigungen daruͤber machen woll - te, daß ich mich erkuͤhnet, Dero Erlauchten Ramen gegenwaͤr - tiger Schrift vorzuſetzen. Das Vertrauen auf dieſe verehrungs - wuͤrdige Huld koͤnnte mir mit hundert andern, die ſich draͤngen, Hochdenenſelben ihre gelehrte Bemuͤhungen zu widmen, hinlaͤnglichſeyn,ſeyn, mein Unternehmen zu rechtfer - tigen. Allein, warum ſollte ich der - gleichen Rechtfertigung ſuchen, da ich vielmehr mich gluͤcklich ſchaͤtze, oͤf - fentlich bekennen zu koͤnnen, daß die von Eurer Hochgebohrnen Excellenz mir ganz unverdient zu - flieſſende unſchaͤtzbare Wohlthaten dieſe ehrfurchtsvolle Zueignung mir als eine unumgaͤngliche Schuldigkeit auflegen. Die Groͤſſe der empfan - genen Gnadensbezeugungen kann ich mit Worten nicht ausmeſſen, noch viel weniger darf ich gedenken, an den Ruhm Hochdero erhabenen Ei - genſchaften mich zu wagen. Alles, wodurch ich mein dankbegieriges Herz ausſchuͤtten kann, beſtehet in): (4denden treuen Wuͤnſchen vor Hoch - dero ungekraͤnktes Wohl, und in der ehrerbietigen Verſicherung, daß ich in unwandelbarem Gehorſam er - ſterbe

Eurer Hochgebohrnen Excellenz unterthaͤnigſter Knecht, Gottfried Achenwall.

Mein Leſer,

Hier haſt du eine neue Einlei - tung in die Staatswiſſenſchaft der vornehmſten Europaͤiſchen Reiche. Sie iſt aus dreyjaͤhrigen Vor - leſungen entſtanden, die ich zuerſt in Marburg, und hernach auf hieſiger Uni - verſitaͤt daruͤber angeſtellt. Jch entwarf anfangs kurze Saͤtze, ich verbeſſerte ſolche nach und nach, und fand Urſa - che, bey dieſem einmal erwaͤhlten Leit - faden meiner Statiſtiſchen Stunden beſtaͤndig zu bleiben. Bey meiner An - kunft alhier zeigte ich den Plan, wor -): (5nachVorrede. nach ich jeden Staat abhandle, und die Ordnung, nach welcher ich die ein - zelne Theile der Staatskenntniß ein - richte, in der Vorbereitung zu dieſer Staatswiſſenſchaft an. Jch habe ſol - che mit einigen Veraͤnderungen wie - der abdrucken, und in gegenwaͤrtiger Schrift voran ſetzen laſſen, weil ſie ſtatt einer Tabelle zu den Hauptbe - trachtungen eines jeden Reiches dienen kann. Denn nach dieſem Grundriſſe ſind die hierinnen enthaltene Staaten ausgearbeitet. Verſchiedene Bewe - gungsgruͤnde haben mich theils gemuͤſ - ſiget, theils angefriſcht, dieſe Einlei - tung fruͤhzeitiger dem Drucke zu uͤber - geben, als ich ſonſt geſonnen war. Nim alſo vorlieb mit dem, was ich dir uͤberliefere. Forderſt du etwas voll - kommenes, ſo lege meine Blaͤtter zu - ruͤck. Verlangeſt du etwas weniger mangelhaftes, ſo mußt du warten. Jch ſammle fleißig an Vermehrungen, Zu - ſaͤtzen und Verbeſſerungen, und ich hoffe dir ſolche kuͤnftig in einem An - hange zu uͤberreichen. Jch geſtehe dir offenberzig, daß ich in keinem von denhierVorrede. hier beſchriebenen Staaten mich per - ſoͤnlich aufgehalten, auch nicht alle hierinnen einſchlagende, ſondern nur diejenige Buͤcher gebraucht, die ich an - fuͤhre. Aber dieſes ſage ich zu meiner Entſchuldigung: deßwegen haſt du noch kein Recht, meine Abſicht und meine Arbeit ganz zu verwerfen. Ge - ſetzt, du uͤberſaͤheſt mich ſehr weit in einem Staate, darinnen du viele Jah - re gegenwaͤrtig geweſen, oder welches genauer kennen zu lernen du mehrere Zeit und Gelegenheit gehabt, als ich: ſo darfſt du nur bedenken, daß ich meh - rere Reiche haben abhandeln muͤſſen, daß ich weniger Zeit darauf habe wen - den koͤnnen, daß ich einen Abriß, keine Ausfuͤhrung geſchrieben, daß ich eini - ges vielleicht mit Fleiß nicht ſchreiben wollen, und daß endlich etwas nicht zu wiſſen, daß man noch nicht wiſſen koͤn - nen, kein Verbrechen ſey.

Jch ſehe die Welt aus meinem Ge - ſichtspuncte, du aus einem andern: warum ſollteſt du nicht manches beſſer erkennen koͤnnen, als ich, da du ver - ſchiedene mir entfernete und dunkeleStaats -Vorrede. Staatsgegenſtaͤnde naͤher haſt, und in ihrem Licht ſehen kanſt.

Was ich nicht weiß, lehre mich, was du beſſer kennſt, davon unterrichte mich, oͤffentlich oder im Vertrauen, es iſt mir einerley: ich werde dir allezeit davor Dank wiſſen. Jch ſuche meinen Zuhoͤrern und dem Teutſchen Leſer zu dienen. Haͤltſt du meine vorliegende Bemuͤhung dazu nicht ganz ungeſchickt, und haſt du ſo viel Neigung vor das gemeine Beſte und ſo viel Gewogenheit vor mich, ſo bereichere meine Saͤtze mit deinen Anmerkungen, und lebe uͤbri - gens wohl. Goͤttingen, den 12. April, 1749.

Vor -

Vorbereitung.

  • 1. IOANNIs ANDREAE BOSII introdu - ctio generalis in notitiam rerum publicarum orbis vniuerſi, lenae 1676. 4.
  • 2. Fridrichs Leutholfs von Franckenberg (Bern - hards von Zech) Europaͤiſcher Herold, 2 Theile, Leipzig 1705, Fol im Vorbericht
  • 3. IOANNI NICOLAI HERTII diſſ. de notitia ſingularis rei publicae, vol. I. tom. II. commentationum atque opusculorum pag. 3.
  • 4. EVERHARDI OTTONIS notitia praeci - puarum Europae rerum publicarum, ed. IV. Traiecti ad Rhenum 1739. 8 in prolegominis.

§. 1.

Der Begriff der ſogenannten Statistic, das iſt, der Staatswiſſenſchaft einzelner Rei - che wird ſehr verſchiedentlich angegeben, und man trifft unter der groſſen Menge Schriften davon nicht leicht eine einzige an, welche in der Zahl und Ordnung ihrer Theile mit der andern -Aberein2Vorbereitung zurberein kommen ſollte. Es iſt alſo nicht undien - lich, dasjenige, was man ſich unter dieſem Namen eigentlich vorzuſtellen hat, und was in ihrem Umfange enthalten iſt, zu unterſuchen, und die natuͤrliche Einrichtung und Verbin - dung ihrer Abtheilungen feſt zu ſetzen.

§. 2.

Aus dem Natur - und Voͤlker-Rechte wiſſen wir, was eine buͤrgerliche Geſellſchaft oder Republick iſt. Man erklaͤrt ſie als ei - ne Geſellſchaft vieler Familien, welche zu Be - foͤrderung ihrer gemeinſamen Wohlfahrt ver - mittelſt einer Regierung miteinander vereiniget ſind. Jnsbeſondere nennt man ſolche ein Reich, wenn eine einzelne Perſon regiert, der al - le andere unterworffen ſind; hergegen, wenn ei - ne ganze Geſellſchaft darinnen zu befehlen hat, heißt ſolche im engern Verſtande ein Freyſtaat oder eine Republick.

§. 3.

Dieſe Begriffe helfen uns, das Wort Staat deutlich zu erkennen. Man ſtellet ſich darunter verſchiedenes vor: bald eine jede buͤr - gerliche Geſellſchaft, bald eine freye buͤrger - liche Geſellſchaft, das iſt, die auſſer ihrem eige - nen Oberhaupte weiter keinem menſchlichen Be - fehle unterthaͤnig iſt, bald eine Republick, wo viele zugleich das Regiment fuͤhren, und bis -weilen3Staatswiſſenſchaft. weilen auch das Regierungsweſen, wenn es ſo viel als Staatsverfaſſung bedeutet. Aber in dem Worte Staatswiſſenſchaft hat es ei - ne ganz andre Bedeutung. Dieſe macht ſich nicht bloß mit Menſchen; ſondern auch mit ih - rem Eigenthum zuſchaffen. Wir werden alſo wohl den Staat als den Jnbegriff alles deſ - ſen anſehen muͤſſen, was in einer buͤrgerli - chen Geſellſchaft und deren Lande wuͤrckliches angetroffen wird?

§. 4.

Jm weitlaͤuftigſten Verſtande kann man dieſe Erklaͤrung gelten laſſen; aber unſere Ab - ſicht erfordert, ſolche mehr einzuſchraͤncken. Man will etwas lernen: alſo hat man einen Endzweck. Der Endzweck muß einen wahren Nutzen zum Grunde haben. Wie wird uns denn die Er - kenntniß eines Staats nuͤtzlich? Auf vielerley Art; der Hauptnutzen aber beſtehet darinnen, daß man hieraus einſehen lernt, wie gluͤckſee - lig oder ungiuͤckſeelig ein Reich ſey, ſo wohl an ſich ſelbſt betrachtet, als in Abſicht auf andere Staaten, und dadurch in den Stand geſetzt wird, Schluͤſſe zu formiren, wie ein Staat kluͤglich zu regieren ſey, das heißt, um davon eine Anwendung in der Politic zu ma - chen. Alſo gehoͤret nur dasjenige hieher, was die Wohlfahrt einer Republic in einem merck - lichen Grade angeht, es mag nun ſolche hin -A 2dern4Vorbereitung zurdern oder befoͤrdern, und dieſes nennen wir mit einem Worte: was merckwuͤrdig iſt. Dieſes wollen wir gruͤndlich einſehen, folglich aus ſeinen Urſachen erkennen, und alſo eine Wiſſenſchaft davon erlangen. Da haben wir, was wir ſuchen. Die Saatswiſſenſchaft ei - nes Reiches enthaͤlt eine gruͤndliche Kentniß der wuͤrklichen Merkwuͤrdigkeiten einer buͤrgerlichen Geſellſchaft.

§. 5.

Es bemuͤht ſich alſo jemand, aus dem un - zaͤhlbaren Haufen derer Sachen, die man in einem Staatscoͤrper antrifft, dasjenige ſorgfaͤl - tig herauszuſuchen, was die Vorzuͤge oder Maͤn - gel eines Landes anzeigt, die Staͤrke oder Schwaͤche eines Staats darſtellt, den Glanz einer Crone verherrlichet oder verdunkelt, den Unterthan reich oder arm, vergnuͤgt oder miß - vergnuͤgt; die Regierung beliebt oder verhaßt; das Anſehen der Majeſtaͤt in - und außerhalb des Reichs furchtbar oder veraͤchtlich macht, was einen Staat in die Hoͤhe bringt, den an - dern erſchuͤttert, den dritten zu Grunde rich - tet, einem die Dauer, dem andern den Um - ſturtz prophezeyet, kurtz alles, was zu gruͤnd - licher Einſicht eines Reichs, und zu vortheil - hafter Anwendung im Dienſte ſeines Landes - herrn etwas beytragen kann: was erlangt ein ſolcher? die Staaswiſſenſchaft eines Rei - ches.

* Die5Staatswißenſchaft.
*Die Lateiner nennen es notitiam reipublicae ſingularis, und ſondern es alſo von der allgemeinen Staatswiſſenſchaft ab. Es iſt ſolches wohl zu mer - cken. Die letztere erweiſet, wie eine buͤrgerliche Ge - ſellſchaft uͤberhaupt eingerichtet ſoll: die erſtere aber erzehlet, wie eineſolche einzelne groſſe Geſellſchaft in ihrer ganzen Verfaſſung wuͤrcklich eingerichtet iſt.
*

§. 6.

Jhr Umfang bleibt alſo noch allemal ſehr weitlaͤuftig, und weitlaͤuftiger, als daß man ſolchen nebſt allen ſeinen Theilen gleichſam mit einem Maaßſtaabe voͤllig ausmeſſen koͤnnte. Deswegen nenne ich nur dasjenige merckwuͤrdig, was das Wohl eines Reichs in einem merck - lichen Grade angehet, und ſetze alſo zur Haupt - regel: je mehr etwas die Wohlfahrt eines gan - zen Reichs betrifft: je nothwendiger wird deſ - ſen Erlaͤuterung in der Staatswiſſenſchaft.

§. 7.

Man muß alſo aus den unendlichen Merck - wuͤrdigkeiten die nothwendigſten heraus neh - men, ohne welche die wahre Beſchaffenheit der Wohlfahrt einer Nation nicht begriffen werden kann. Dieſe ſetze man zu ſeiner Betrachtung aus, und ſtecke ihre Grenzen ab: ſo laͤßt ſich der ganze Bezirk endlich uͤberſehen und durch - wandern, und es kommt nur darauf an, daß man denjenigen Weg erwaͤhlt, welchen uns dieA 3Natur6Vorbereitung zurNatur in einer geſchickten und ordentlichen Lehr - art zeiget.

§. 8.

Die vergangene Begebenheiten eines Reichs ſind die Quellen, woraus deſſen jetziger Zuſtand unmittelbar flieſſet. Daher ſetzet die Staats - wiſſenſchaft unwiderſprechlich eine Kenntniß des Urſprungs und der Hauptveraͤnderungen eines Reichs voraus. Die Geſchichte der Staats - veraͤnderungen (Revolutionen) eines Reichs iſt alſo das erſte, was in der Staatswiſſen - ſchaft eines jeden Volks abgehandelt werden muß. Man geht ſolche nach gewiſſen Periodis in einem kurzen Zuſammenhange durch, um ſich einen Begriff uͤberhaupt zu machen, wie ein Reich durch ſeine verſchiedene Abwechſelungen endlich die heutige Geſtalt erlanget. Zweyerley iſt hiebey hauptſaͤchlich zu eroͤrtern: 1) die Ver - aͤnderungen der Regierungsform, 2) die Ver - aͤnderungen der Provinzen, welche nach und nach entweder einem Staate zugefallen, oder davon abgekommen. Jn den erblichen Monarchien muͤſſen noch 3) die Veraͤnderungen der Fami - lien, welche den Thron beſeſſen, beygefuͤgt werden. Alle uͤbrige beſondere Begebenbeiten eines Staats uͤberlaſſen wir der eigentlich ſo genannten Hiſtorie. Die Revolutionen mit ih - ren Urſachen und Folgen ſind zu unſerm End - zwecke allein noͤthig, und zugleich hinlaͤnglich:es mag7Staatswiſſenſchaft. es mag ſolche der Zuhoͤrer als eine Vorbereitung, oder als eine kurtze Wiederhohlung der ganzen Geſchichte anſehen.

§. 9.

Mit dieſem Wegweiſer fangen wir nun an, die fuͤrnehmſten Merkwuͤrdigkeiten eines Reichs in Augenſchein zu nehmen. Alles, was wir darinnen antreffen, laͤßt ſich in zween Haupt - puneten zuſammen faſſen. Man betrachtet ent - weder ein Reich vor ſich allein, oder verſchie - dene Reiche mit einander. Jenes macht den eigentlichen Staat eines Reiches aus; dieſes aber lehrt uns das Verhaͤltniß der Reiche ge - gen einander erkennen, und muß beſonders traetirt werden.

§. 10.

Der erſte Anblick der vielen Merkwuͤrdig - keiten eines Reiches, wenn man es an ſich ſelbſt betrachtet, kommt mir wie ein Jrrgarten vor. Ein jeder, der den rechten Gang nicht weiß, nimmt ſeine beſondere Wege. Herein kommt man leicht: aber wie findet man ſich heraus? Man muß alles in zwo Claſſen abſondern. Ein Reich beſtehet aus Land und Leuten. Unter dieſe beyde Begriffe laͤſſet ſich alles bringen.

§. 11.

Wenn ich hier Land (Territorium) nen -A 4ne,8Vorbereitung zurne, ſo verſtehe ich darunter einen gewiſſen Theil des Erdbodens, welchen ein Volck eigenthuͤmlich beſitzet. Die Gewaͤſſer ſind davon nicht ausge - ſchloſſen. Was unter und uͤber der Flaͤche des Erdbodens iſt, ſo fern es in einer Verbindung mit dem Lande ſtehet, und ihm und ſeinen Ein - wohnern Vortheil oder Schaden bringt, gehoͤrt hieher.

§. 12.

Zum Lande eines Volkes rechnet man ſo - wohl ſeinen eigentlichen Sitz, welcher mit der Nation einerley Nahmen fuͤhret; als die ande - re hinzugekommene Stuͤcke. (Acceſſiones.)

§. 13.

Die Betrachtung des Stammſitzes eines Volks begreift uͤberhaupt ſeine Lage, Clima, Groͤſſe, Grenzen, Fluͤſſe, Seen, Meere und Meerengen, Berge und Felder, und die damit verknuͤpfte Vortheile oder Maͤngel, Ueberfluß oder Abgang an Fiſchen und ſchiffreichen Stroͤ - men, Salz, Baͤdern und Geſundbrunnen; an Metallen, Mineralien und Weinbergen; an Feld - und Garten-Fruͤchten; an Holz, Vieh - zucht, Fluͤgelwerk und Wildbret.

§. 14.

Jnsbeſondere aber gehoͤret noch hieher die Eintheilung in Provinzen, die Staͤdte, Feſtun -gen9Staatswiſſenſchaft. gen und Seehaͤfen, die Zuſammenleitung der Fluͤſſe und Vereinigung der Meere.

*Man kan hiebey Gelegenheit uehmen, ſich in der Reſidenz, den Luſtſchloͤſſern nnd Erbbegraͤbniſſen um - zuſehen, auch der Ueberbleibſel der Roͤmiſchen und anderer Alterthuͤmer zu erwehnen.
*

§. 15.

Aus den erworbenen Laͤndern, ſie moͤgen in - oder auſſerhalb Europa liegen, erkennet man bald die gluͤcklichen Heyrathen und Erbſchaften eines Regenten, bald den kriegeriſchen oder Han - delsgeiſt eines Volks. Man ſchildert ihre na - tuͤrliche oder durch Fleiß vermehrte Vortheile auf gleichmaͤßige Art ab. Man haͤlt ſolche mit dem Stammſitze einer Nation zuſammen, und findet Staaten, die ihr ganzes Anſehen hinter der Linie herhohlen, man findet andere, deren entferntes Eigenthum ihnen zur Laſt gereicht, und deren Wohl dadurch gehemmet wird, daß ſie zu viel beſitzen.

  • 1. Hr. Prof. Koͤhler in der verbeſſerten neuen Geographie, Johann Huͤbner in der vollſtaͤndi - gen Geographie, und der Abt LENGLET DV FRESNOY in ſeiner Methode pour étudier la Geographie VII. tomes III. ed. à Paris 1742. 12. geben nebſt verſchie - denen andern gute Anleitung zu dieſer Wiſſenſchaft.
  • 2. Le grand dictionnaire geographique et criti - que par M. BRVZEN LA MARTINIERE VIII. tomes, à la Haye, Amſterdam et Rotterdam 1726-39. f. Die - ſes Werk wird ſeit 1744. zu Leipzig unter dem Titul:A 5Hi -10Vorbereitung zurHiſtoriſch-Politiſch-Geographiſcher Atlas, teutſch uͤberſetzt und vermehrt.
  • 3. Von der Wahl der Landeharten iſt Johann Huͤb - ners Muſeum geographicum, und oberwehnter du FRESNOY t. I. nachzuſchlagen.
  • 4. La galerie agreable du monde, LXVI. tomes, le tout mis en ordre & executé par PIERRE VAN DER AA, à Leide, f.

§. 16.

So viel mag genug ſeyn, vom Lande zu wiſ - ſen. Nunmehr wollen wir auch mit den Ein - wohnern Bekanntſchaft machen. Die Menſchen ſind in allen Staatsbetrachtungen das Hauptziel. Wir muͤſſen nichts Merkwuͤrdiges von ihnen aus - laſſen. Man kan ſie von zwo Seiten beſchauen. Von der erſten erblicken wir ſie bloß als natuͤr - liche Menſchen; von der andern ſtellen ſie ſich als Mitglieder eines gemeinſchaftlichen Staats - coͤrpers, als Buͤrger dar.

§. 17.

Bey den natuͤrlichen Eigenſchaften ei - nes Volks pflegt man ihre Sprache mit abzu - handeln. Dieſes Volk hat ſeine eigene Spra - che, jenes hat ſie von andern geborgt. Man findet Laͤnder, deren Sprache, wie ihre Ein - wohner, aus verſchiedenen andern zuſammen ge - ſchmolzen iſt. Man darf die Sprache in den meiſten Reichen nur kurz beruͤhren: weil ſie bloßda11Staatswiſſenſchaft. da gewiſſe Staatsvortheile bringt, wo man ſie brauchet, um andern ein ſchleichendes Gift in dieſer Modeſchuͤſſel zu reichen.

§. 18.

Die Vielheit der Einwohner eines Reichs iſt ein weit betraͤchtlicherer Punct, und die erſte Grundſaͤule eines Reichs. Man reiſe die Eu - ropaiſche Laͤnder durch, ſo wird man den Un - terſchied in der Anzahl der Menſchen mit Erſtau - nen wahrnehmen. Hier muß man ſich durch eine unzaͤhlige Menge durchdraͤngen: dort hat man Noth, Menſchen zu finden. Die Urſachen dieſer Unaleichheit ſind nicht uͤberall einerley. Man muß ſie ſorgfaͤltig ausſpuͤren, um die wah - ren Mittel, dem Mangel abzuhelffen, ausfindig machen zu koͤnnen.

  • 1. Johann Peter Suͤßmilch von der goͤttlichen Ordnung in den Veraͤnderungen des menſchlichen Geſchlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflan - zung deſſelben erwieſen, Berlin 1741. 8.

§. 19.

Jnsbeſondere hat man ſowohl auf die na - tuͤrlichen Gaben einer Nation; als auf deren Anwendung, um ſich gluͤcklich zu machen, ſein Augenmerk zu richten.

§. 20.

Die natuͤrliche Gaben aͤuſſern ſich an ih -rem12Vorbereitung zurrem Coͤrper und an ihrem Gemuͤthe. Eine je - de Nation hat hierinnen etwas eigenes. Man unterſucht dasjenige, worinnen die meiſten ein - ander aͤhnlich ſind, und druͤcket es in allgemei - nen Saͤtzen aus. Es iſt aber nur ein wahr - ſcheinlicher Schluß.

*Man darf es alſo von einzelnen Perſonen nicht mit Gewißheit bejahen. Man findet uͤberall geſunde und ktanke, geſcheute und thoͤrichte, tugendliebende und laſterhafte Menſchen. Durch die Erziehung, das Alter, die groſſe Welt, die Wiſſenſchaften und Aus - uͤbung der Sittenlehre wird ein Menſch in eine ganz andere Form gegoſſen.
*

§. 21.

Aus der Schoͤnheit und Dauer ſchaͤtzt man die Vollkommenheit eines menſchlichen Leibes. Wie verſchieden ſind nicht die Voͤlker in der Farbe, Laͤnge und Staͤrke! Man hat ſo gar Krankheiten, die gewiſſen Nationen eigen ſind. Das Clima, Speiſe und Trank und die harte oder zaͤrtliche Lebensart traͤgt hiezu das meiſten bey.

§. 22.

Man bildet die Nationen auch nach ihrem Gemuͤthe ab. Es iſt nicht zu leugnen, daß nachdem die Temperamente verſchieden ſind, ein Volck mehr Witz oder mehr Tiefſinnigkeit habe, und geſchwinder oder langſamer denke, rede und handele. Die Affecten ſind eben ſo wenig uͤber -all13Staatswiſſenſchaft. all einerley, und aus den verſchiedenen Neigun - gen der Wolluſt, des Ehrgeitzes, der Geldbe - gierde oder Sorgloſigkeit erwachſen beſondere Gewohnheiten, welche man die Tugenden oder Laſter der Nationen zu nennen pflegt. Sie aͤuſ - ſern ſich hauptſaͤchlich in Ausuͤbung der Pflichten, ſowohl gegen ſich ſelbſt, als gegen andere.

*Man ſehe nur ihre Lebensart bey Tiſche, in der Kleidung und in ihren Luſtbarkeiten an. Man be - merke, wie ſie ſich im Eheſtande und der Kinderzucht verhalten, wie ſie ſich gegen ihre Obern und Untern und gegen Fremde auffuͤhren.
*
1.IOANNIS BARCLAII icon animorum cum notis AVGVSTI BVCHNERI, Dresdae 1681. 8.
1.

§ 23.

Dieſe Unterſuchungen ſind nicht ohne Nu - tzen; ſie werden uns aber ſonderlich brauchbar, um daraus zu begreifen, was die Voͤlker fuͤr verſchiedene Mittel ergreifen, ſich gluͤcklich zu machen, und wie weit ſie darinnen ihren Zweck erreichen oder nicht? Ueberall blickt ihr Chara - eter hervor, man mag ihren Fleiß in Wiſſen - ſchaften und Kuͤnſten, oder in andern Be - muͤhungen betrachten.

§. 24.

Man forſcht nach, ob? und was fuͤr Wiſſenſchaften und freyen Kuͤnſte ein Volk ſonderlich treibe? was fuͤr herrliche oder ſchlech -te14Vorbereitung zurte Anſtalten auf Schulen, Uniuerſitaͤten, Rit - ter - und Kunſt-Aeademien, und in Anſehung oͤffentlicher Bibliothecken und gelehrter Geſell - ſchaften zu deren Befoͤrderung anzutreffen ſeyn? wie weit es ein Volk darinnen gebracht, und was fuͤr Maͤnner ihm beſonders Ehre machen?

  • 1. CHRISTOPHORI AVGVSTI HEV - MANNI conſpectut reipublicae litterariae, cap. IV.

§. 25.

Die Sorgfalt oder Schlaͤfrigkeit einer Na - tion in andern Arbeiten kan man hauptſaͤch - lich aus ihren Handwercken und Commercien erkennen.

§. 26.

Der Bauer empfaͤngt den Seegen der Natur aus der erſten Hand. Was nicht ver - zehrt wird, liefert er entweder dem Handwerks - mann, um es zum allgemeinen Nutzen zuzube - reiten, oder dem Handelsmann, um es aus - waͤrts zu verfuͤhren. Ob und was fuͤr rohe Materialien im Lande verarbeitet werden? wie geringe oder anſehnlich die Manufacturen ſind? muß unumgaͤnglich ausgefuͤhret werden. Denn dieſes macht die wichtigſte Vorzuͤge eines Rei - ches vor dem andern aus.

1. Paul15Staatswiſſenſchaft.
  • 1. Paul Jacob Marpergers neueroͤfnetes Manufacturen-Haus, Hamburg 1704. 12.
  • 2. George Heinrich Zinkens Teutſches Real - Manufactur - und Handwercks-Lexicon, 1. Theil, Leipzig 1745. gr. 8.
*Von dem Landbau, der Viehzucht, Fiſcherey u. ſ. w. iſt §. 13. gedacht worden: alſo waͤre es un - noͤthig, in der Betiachtung eines Staats an dieſem Orte des Bauernſtandes beſonders zu gedenken.
*

§. 27.

Ohne Manufacturen ſteht der Handel einer Nation auf ſchwachen Fuͤſſen. Wenn ein Volk dasjenige, was es in ſeinem Lande ſelbſt erzeuget und ſelbſt verarbeitet, auch ſelbſt aus - fuͤhrt: ſo kann es ſich erſt ruͤhmen, daß ſeine Com - mercien dauerhaft, und ſein Reichthum uner - ſchoͤpflich ſey. Weil nach der heutigen Verfaſſung Europens die ganze Macht eines Staats groͤß - tentheils hierauf beruht: ſo muß man ſich ſo weit darinnen einlaſſen, als es moͤglich iſt, und die Waaren, die aus - und eingefuͤhret werden, die Laͤnder, wohin gehandelt wird, die Einrichtung der Handelsgeſellſchaften, das Muͤnzweſen, die Banco und den Profit, der einem Lande daraus zuwaͤchſet, in Betrach - tung ziehen.

  • 1. Eſſai politique ſur le commerce par M. M*** (Montesquiou) à Amſterd. 1735. 8.
  • 2. Reflexions politiques ſur les finances et le com - merce, II. tomes, a la Haye 1740. 8.
3. Von16Vorbereitung zur
  • 3. Von Manufacturn und Commercio. Franckf. und Leipz 1740. 4.
  • 4. Le parfait negociant par JAQVES SAVARY II. tomes, à Geneve 1676. 8.
  • 5. Dictionnaire univerſel de commerce, ouvrage poſthume de JAQVES SAVARY continué et donné au public par M. PHILEMON LOUYS SAVARY II. tomes, à Paris 1723. f.
  • 6. Allgemeine Schatzkammer der Kaufmann - ſchaft, 4 Theile, Leipzig 1741. und 1742. f.

§. 28.

Wir muͤſſen zum Hauptwerke eilen, und die Einwohner auch als Buͤrger, die vermittelſt einer Regierung zu ihrer gemeinſchaftlichen Si - cherheit und Gluͤckſeeligkeit vereiniget leben, be - trachten. Jn dieſer Bedeutung iſt der Landes - herr ſelbſt als der fuͤrnehmſte Buͤrger der Re - publick, (Ciuis eminens) mit darunter begrif - fen. Die ganze Verfaſſung eines gemeinen Weſens kennen zu lernen, muß man drey Haupt - ſtuͤcke erwaͤgen: die Reichsgeſetze, die Verbin - dung zwiſchen dem Regenten und den Unter - thanen, und die Einrichtung der Reichsge - ſchaͤfte.

*Jch waͤhle mir hier eine eingeſchraͤnkte Mo - narchie zum Muſter meiner Ordnung, weil man bey ihr auf mehr Puncte Acht zu geben hat, als bey einem un umſchraͤnkten Reiche, oder bey einer Republick. Was alſo in den letztern nicht anzutreffen iſt; faͤllt von ſich ſelbſt aus.
*
§. 30.17Staatswiſſenſchaft.

§. 29.

Vor allen Dingen iſt noͤthig, ſich die Reichsgrundgeſetze bekannt zu machen, und ihren Urſprung, ihr Schickſal und ihren jetzi - gen Gebrauch zu unterſuchen.

*Das Reichsherkommen gehoͤrt gleichfalls hie - her. Wo man aber in einem Reiche weiter keine als dergleichen ungeſchriebene Geſetze findet: da kann man ſicher ſchlieſſen, daß der Wille des Regenten fuͤr das einzige Reichsgrundgeſetz gehalten wird.
  • 1. Hrn. Hofrath Johann Jacob Schmauſſens Corpus iuris gentium academicum, II. tomi, Leip - zig 1730. gr. 8.
  • 2. Corps univerſel diplomatique du droit des gens par M. DV MONT, VIII. tomes, à Am - ſterdam 1726-1731. avec les ſupplements de M. Rouſſet, V. tomes 1739. f.
*

§. 30.

Hierauf gruͤndet ſich die Verbindung zwiſchen dem Regenten und dem Untertha - nen, oder das Ius Publicum. Man muß demnach ſowohl den Regenten und ſeine Vor - rechte; als die Staͤnde und ihre Rechte mer - ken.

§. 31.

Jn Anſehung des Landesherrn und ſeiner Vorrechte iſt auf verſchiedenes Acht zu geben. Der Glantz ſeiner hohen Perſon und FamilieBfaͤllt18Vorbereitung zurfaͤllt am erſten in die Augen. Man bemerket ſeine Abſtammung, Vermaͤhlung und Erben, die Verwandtſchaft mit benachbarten Staaten, und die Vettern des regierenden Hauſes, oder die Prinzen vom Gebluͤthe. Dieſe genealogi - ſche Kenntniß iſt ſonderlich in Erbreichen un - entbehrlich.

  • 1. M. Gottlieb Schumanns jaͤhrliches gene - alogiſches Handbuch, Leipzig. 8.
  • 2. George Lohmeyers der Europaͤiſchen Kaͤy - ſer - und Koͤniglichen Haͤuſer hiſtoriſche und ge - nealogiſche Erlaͤuterung mit Beweisthuͤmern verſehen von Johann Ludwig Levin Gebhar - di, erſter Theil, Luͤneburg 1730. F.

§. 32.

Der Titul eines Regenten hat gemeinig - lich viele Veraͤnderungen erlitten. Bisweilen iſt er ein Denckmaal eines ſeit ganzen Jahr - hunderten ſchon erloſchenen Rechts, oͤfters ein unſterblicher Zeuge eines noch fortdauernden An - ſpruches. Wie oft iſt er nicht der Zunder zu den heftigſten Kriegsflammen geweſen?

  • 1. IOANNIS SELDENI tituli honorum ex verſione SIMONIS IOANNIS ARNOLDI, Francof. 1696. 4.
  • 2. I. C. BECMANNI ſyntagma dignitatum, II. partes, Francof. et Lipſiae 1696. 4. ſonder - lich diſſ. III. part. I.
§. 33.19Staatswiſſenſchaft.

§. 33.

Das Wappen pflegt ordentlich ein glei - ches Schikſal zu haben. Es iſt ohnedem nichts anders als ein hieroglyphiſcher Titul. Man muß ſolches voͤllſtaͤndig blaſonniren.

  • 1. Hrn. Prof. Koͤhlers jaͤhrlicher Wappen-Ca - lender, und Johann Wolffgang Triers Wap - penkunſt vermehrt von D. Chriſtian Johann Feu - ſteln, Leipzig 1744. 8.
  • 2. PHILIPPI I ACOBI SPENERI hiſtoria inſignium illuſtrium, ſeu operis heraldici pars ſpe - cialis, Francof. ad Moen. 1680. fol.

§. 34.

Die Herrlichkeit eines Thrones ſpiegelt ſich in dem Hofftaate eines Regenten und in ſei - nem Hofceremoniel. Mit dem aͤußerlichen Putzwerke mag ſich der Hofmann beſchaͤftigen. Der Staatsmann unterſucht, ob dieſes beydes wohl oder uͤbel eingerichtet, und der Hoheit des Regenten gemaͤß oder uͤbertrieben ſey. Er merkt an, was ein Hof hierinnen vor andern beſon - deres habe, und forſcht nach den geheimen Ur - ſachen und Abſichten davon.

  • 1. Gottfried Stievens Europaͤiſches Hofcere - moniel, andere und vermehrte Auflage, Leipzig 1723. 8.
  • 2. Johann Chriſtian Luͤnigs Theatrum ceremo - niale hiſtorico-politicum, II. Theile, Leipzig 1719. und 1720. f.
B 23.20Vorbereitung zur
  • 3. Le Ceremonial Diplomatique des Cours de l Europe par M. RO VSSET II. tomes, à Amſter - dam et à la Haye 1739. f. Es ſind die beyde letzte Theile von den V. tomes des Supplemens zu dem Corps Diplomatique.

§. 35.

Die Ritterorden verdienen hier auch ihren Platz. Sie ſind entweder weltlich oder geiſtlich, ohne Einkuͤnfte oder mit Einkuͤnften verſehen. Man betrachtet ihren Urſprung, die Ordensſta - tuta, ihre Einrichtung und Anſehen.

  • 1. Chriſtian Gryphii Entwurf der geiſt - und weltlichen Ritterorden, Leipzig und Breßlau, 1709. 8.
  • 2. Hiſtoire des ordres monaſtiques, religieux et militaires, (par HELYOT) VIII. tomes, à Paris 1714-1719. 4.

§. 36.

Sind ſonſt noch beſondere Vorzuͤge der geheiligten Perſon eines geſalbten und gekroͤnten Hauptes eigen, ſo kann man ſolche fuͤglich hier mit beruͤhren.

§. 37.

Hauptſaͤchlich aber muß man auf die Vor - rechte der Majeſtaͤt in Anſehung der Verbin - dung mit dem ganzen Reiche ſein Augenmerk rich - ten. Jſt es ein Wahl - oder Erbreich? faͤllt esbloß21Staatswiſſenſchaft. bloß auf die maͤnnliche, oder auch auf die weib - liche Linie? iſt die Gewalt des Regenten in ge - wiſſe Grenzen eingeſchraͤnkt, oder ſeinem freyen Willkuͤhr uͤberlaſſen? was iſt Rechtens nach den Reichegeſetzen, und was geſchicht? Kurz, hier iſt ein doppelter Gegenſtand: man muß ſo wohl die Art, den Thron zu erlangen, als die Rech - te der Landesregierung kennen lernen.

§. 38.

Von den Landesherrn geht man zu den Reichsſtaͤnden. Man muß ſie auſſer und in ihren Verſammlungen betrachten.

§ 39.

So verſchiedene Reiche wir haben: ſo ver - ſchieden trift man auch die Einrichtung der Staͤn - de an. Nicht uͤberall machen der hohe Adel und die Geiſtlichkeit beſondere Staͤnde aus. Der niedre Adel und die Gemeine oder Buͤr - gerſchaft gehoͤren ordentlich mit unter die Reichs - ſtaͤnde, bisweilen gar die Bauern.

*Man kann bey dem Adel zugleich die vornehmſte Familien eines Reiches anfuͤhren.
*

§. 40.

Wenn ſich die Reichsſtaͤnde verſammlen, ſo geht der Reichstag an. Hier iſt alles merk - wuͤrdig: Zeit, Ort, Art der Berathſchlagung,B 3Samm -22Vorbereitung zurSammlung der Stimmen, Schluͤſſe und deren Vollſtreckung, und alles was bey Ausſchreibung, Fortſetzung und Aufhebung eines Reichstages beobachtet wird.

§. 41.

Aus dieſer Verbindung zwiſchen einem Re - genten und ſeinen Staͤnden erwaͤchſet die Einrich - tung der Regierungsgeſchaͤffte. Jn einer Mo - narchie werden die Rechte der Majeſtaͤt und die allgemeine Staatsangelegenheiten uͤberhaupt im Namen des Landesherrn gemeiniglich durch ein ganzes Collegium beſorget, welches das hoͤch - ſte im Reiche iſt, und aus den beyden Departe - ments der einheimiſchen und der auswaͤrtigen Affeinen zu beſtehen pflegt, denen bißweilen ein Premier Miniſtre vorgeſetzet iſt.

§. 42.

Das Departement der auswaͤrtigen An - gelegenheiten hat mit andern Voͤlkern zu ſchaf - fen. Es verſchickt Geſandten, und negoeiirt mit den fremden, ſchließt Buͤndniſſe, und hat alle Kriegs - und Friedensgeſchaͤffte unter Haͤnden.

§. 43.

Das Departement der einheimiſchen An - gelegenheiten vertrit den Landesherrn unmittel - bar bey ſeinen Unterthanen, und beſorget auf deſ -ſen23Staatswiſſenſchaft. ſen Befehl alles, was die innerliche Ruhe und Gluͤckſeeligkeit des Landes angehet. Das heißt, es richtet die ganze Landespolicey ein. Von hier aus werden alle Geſetze ausgefertiget, geaͤn - dert und abgeſchafft, alle Aemter beſetzt, die Be - ſoldungen und andre Begnadigungen ausgetheilt, die Strafen beſtimmt. Es verwaltet alle Rech - te der Majeſtaͤt in geiſtlichen und weltlichen Sa - chen, und dirigiret alle herrſchaftliche Beamte und Landescollegia. Die beſondere Verfaſſung aber der Landesregierung ſieht man hauptſaͤch - lich aus dem Kirchen-Juſtitz-Cammer - und Kriegsſtaat.

§. 44.

Von den vier Hauptreligionen iſt die Heid - niſche in Europa vertilgt, die Mahometaniſche erhaͤlt ſich nur an der aͤuſſerſten Grenze, die Juͤ - diſche ſchleicht im Finſtern, die Chriſtliche allein beſitzt den Thron. Aber dieſe ungluͤckſeelige Mut - ter hat viel Aergerniß in ihrer Familie erlebt. Jhre Kinder haben ſich getrennet, und dieſe Tren - nung hat faſt alle Reiche erſchuͤttert. Und noch jezt verdienet der Einfluß der verſchiedenen Reli - gionen in den Staat unſer beſonderes Augen - merk.

§. 45.

Die Neigungen der Nationen, in der Re - ligion freygeiſteriſch, vernuͤnftig oder aberglaͤu - biſch zu dencken, die Verfaſſung des Kirchen -B 4regi -24Vorbereitung zurregiments und die Verhaͤltniß der Kirche gegen ihren Staat ſind uͤberall; in den Catholiſchen Staaten aber die Macht und der Reichthum der Cleriſey, und die Gewalt des heiligen Vaters noch beſonders merkwuͤrdig.

  • 1. Les religions du monde par ALEXANDRE ROSS, traduites de l’Auglois par THOMAS de la GRVE, II. parties, à Amſterdam 1669. 12.
  • 2. Hiſtoire des religions de tous les royaumes du monde par JOVET, IV. tomes, à Paris 1710. 12.

§. 46.

Durch das Juſtitzweſen wird den Unter - thanen Recht geſprochen, ihre Streitigkeiten ge - ſchlichtet, und ein jeder in ſeinem Eigenthum ge - ſchuͤtzt. Man hat angemerkt, daß je ſouverai - ner ein Reich iſt, deſto vollkommener das Ju - ſtitzweſen eingerichtet zu ſeyn pflegt. Man muß hiebey auf drey Stuͤcke acht geben, 1) auf die Ge - ſetze, welche den Unterthanen vorgeſchrieben ſind, und deren Sammlungen, 2) auf die Gerichte oder Juſtitzcollegia mit ihrer Subordination, 3) auf die Proceſſe oder die Art des gerichtlichen Verfahrens.

  • 1. Samuel Reihers allgemeine Rechtsgeſchich - te, Hamburg 1702. 12 Jſt ein Anhang des 3ten Theils des geoͤfneten Ritterplatzes.

§. 47.

Das Cammerweſen hat mit den Einkuͤnf - ten und Ausgaben eines Reichs zu thun. Die Finanzen werden ſchon von den Alten die Seh - nen der Republick genennet. Jn neuern Zeiten hat man ſich dieſer Wahrheit erinnert, und die wi -tzige25Staatswiſſenſchaft. tzige Franzoſen haben in den Cammeralſachen ſo gluͤckliche Entdeckungen gemacht, daß eine allge - meine Reformation des Finanzweſens in ganz Eu - ropa daraus entſtanden iſt. Man erkundiget ſich hiebey ſowohl, was fuͤr Einkuͤnfte ein Re - gent hat, als, wie ſie gehoben, und endlich, wozu ſie verwandt werden.

§. 48.

Die Einkuͤnfte eines Landesherrn ſind nicht in allen Reichen auf einerley Fuß geſetzt. Man hat ihrer unzaͤhlige Gattungen. Ueberhaupt hebt er ſolche aus ſeinem Eigenthum oder aus dem Eigenthum ſeiner Unterthanen. Zu den erſtern gehoͤren alle Nutzungen aus ſeinen Patri - monial - und Cammerguͤtern, welche man auch Domainen und Tafelguͤter zu nennen pflegt, und aus andern Regalien, das iſt aus denjenigen Sachen, die einem Privato nicht eigen ſeyn koͤn - nen, z. Ex. aus dem Bergwerks-Forſt - und Jagd - Salz-Poſt-Muͤnz-Stempelpapier-Regal.

*Die Domainen werden durch ledige Anfaͤlle der Lehnguͤter, durch Confiscationen, durch Einziehung der ehemals veraͤuſſerten Stuͤcke vermehrt. Je abſo - luter ein Herr iſt; deſto haͤufiger ſind die Regalien, de - ſto nutzbarer werden ſie gemacht. Bisweilen werden Monopolia daraus, und es hat geſchickte Cammerali - ſten gegeben, die die Kunſt erfunden, Regalien in or - dentliche Anlagen zu metamorphoſiten.
*

§. 49.

Die Einkuͤnfte, welche aus dem Eigen - thum der Unterthanen gezogen werden, heiſſenB 5uͤber -26Vorbereitung zuruͤberhaupt Abgaben, Auflagen, Contribu - tionen. Man theilet ſie in ordentliche und auſ - ſerordentliche. Doch iſt dieſe Eintheilung mehr theoretiſch, als practiſch. Die aͤlteſte Arten ſind die Steuern von den liegenden Gruͤnden, und die Zoͤlle von Ein - und Ausfuhr der Waaren. Hier - naͤchſt folgt die Acciſe oder der Licent von aller - hand Sachen, die durch den Gebrauch verzehrt werden, Kopf - und Vermoͤgen-Steuer, und allerhand ſchuldige Dons gratuits.

§. 50.

Alle Dieſe Einkuͤnfte werden bald von den Staͤnden, bald von dem Landesherrn ſelbſt durch gewiſſe dazu beſtellte Bediente gehoben, welche ſolche theils berechnen, theils in Pacht haben. Aus dieſen Canaͤlen fließt alles in das Cammercollegium znſammen, welches die Stel - le eines Reichsſchatzmeiſters vertrit, die ganze Rechnung uͤber Einnahme und Ausgabe fuͤhrt, und deßwegen mit Recht des Landes Herz genen - ne werden kann.

§. 51.

So groß aber die Revenuͤen eines Landes ſind: eben ſo groß und oͤfters noch weit groͤſſer ſind die Ausgaben. Es muß der Regent, deſ - ſen Familie und der ganze Hofſtaat erhalten, die unzaͤhlige Beamte beſoldet, und alles, was zur Sicherheit und zum Beſten des Landes dienet,hievon27Staatswiſſenſchaft. hievon beſtritten werden. Was alsdenn noch - brig bleibt, kann in der Schatzkammer aufge - hoben werden. Dieſes erhaͤlt man nur durch ei - ne ordentliche Landesoeconomie.

  • 1 Wilhelms Freyherrn von Schroedern Fuͤrſtli - che Schatz - und Rentkammer, Leipzig 1721. 8.

§. 52.

Sonderlich iſt der Kriegsſtaat heute zu Ta - ge eines von denen nothwendigen Uebeln, wel - che einem Reiche unſaͤgliche Summen koſten. Die Art Krieg zu fuͤhren iſt faſt von Jahrhun - dert zu Jahrhundert veraͤndert worden. Viel - leicht hat die Geſchicklichkeit darinnen anjetzo ih - ren hoͤchſten Gipfel erreichet. Man muß die Landmacht von der Seemacht wohl uuterſchei - den. Jene iſt allen freyen Staaten gemein, dieſe aber nicht: weil man nicht in allen Reichen weitlaͤuftige Seekuͤſten findet, noch alle Voͤlker groſſen Handel zur See treiben, und reich genug ſind, um ſich einen Platz unter den Seemachten erwerben zu koͤnnen.

§. 53.

Die Landmacht eines Reichs zu beurthei - len iſt noͤthig, ſich aus dem vorhergehenden zu er - innern, ob ein Land an Mannſchaft und Pfer - den, die tuͤchtig zum Kriege ſind, einen Ueber - fluß oder Mangel habe, und folglich die Trup -pen28Vorbereitung zurpen zu recroutiren, und die Cavallerie zu remon - tiren, fremder Huͤlfe benoͤthiget ſey oder nicht? hernach unterſuche man die Anzahl und Einrich - tung ihrer Kriegsvoͤlker, der regulairen Trup - pen und Landmilitz, des Fußvolks und der Reuterey; ob ſie gute Subordination habe, in allen Handgriffen geuͤbt, und zur Mannszucht gewoͤhnt ſey? wie ſie bezahlt und montiret werde? ob ſie mit erfahrnen Officiers, mit Jngenieurs und Artillerie verſehen? was vor An - ſtalten gemacht ſeyn, ſo wohl die Ausgediente in Jnvalidenhaͤuſern und durch Penſionen zu verſorgen, und die Wittwen und Kinder der Ge - bliebenen zu ernaͤhren; als beſtaͤndig junge Mann - ſchaft durch Werbecantons, Caſernenſchulen, Cadettenrorps anzuziehen. Man halte alsdenn die Anzahl und Koſten der Kriegsmacht gegen die Groͤſſe und Einnahme des Landes, um zu ſehen, ob ſie ſolchem zur Ueberlaſt gereichen oder nicht?

*Jch gedenke der Neigung zum Kriege und der Tapferkeit eines Volks wohlbedaͤchtlich mit keinem Worte. Es iſt unverwelslich, daß ein Volk hierin - nen vor dem andern viel voraus habe. Es kommt al - les auf die Zeiten und auswaͤrtige Umſtaͤnde an, und die Hiſtorie zeigt uns eben ſo merkwuͤrdige und wun - derbare Wanderungen der Tapferkeit, als der Ge - lehrſamkeit.
*
  • 1. Memoires de M. le Marquis de FEVQVIERE, II. ed. IV. tomes, à Londres 1737. 8.
  • 2. Hiſtoire de Polybe traduite par DOM VIN - CENT THVILLIER, avec un commentaire ou uncorps29Staatswiſſenſchaft. corps de ſcience militaire par M. de FOLARD, VI. tomes, à Paris 1727-1730. 4. nebſt den Sentimens d’un homme de la guerre ſur le nouveau ſyſteme du Chevalier de FOLARD par M. D*** à Paris 1733. 4

§. 54.

Auf gleiche Art laͤßt ſich auch die Seemacht einer Nation erwaͤgen. Eine Flette ins Meer zu ſtellen, iſt nach Proportion der Mannſchaft wenigſtens dreymal ſo koſtbar, als eine Landar - mee ins Feld zu fuͤhren. Man hat hiebey beſon - ders anzumerken, ob ein Volk ſein Schiffszim - merholz, Maſten, Seegel - und Tauwerk und uͤbrige Erforderniſſe zu Ausruͤſtung dieſer ſchwimmenden Feſtungen bey ſich zu Hauſe findet, oder auswaͤrts herhohlen muß? wie der Bau ſeiner Schiffe, die Einrichtung ſeiner Eſca - dern und die Anſtalten beſchaffen, um eine Pflanzſchule von tuͤchtigen Matroſen und geſchick - ten Seecapitains zu haben?

*Zur Marine wird gar zu viel erfordert, und deß - wegen iſt ihre Bewandniß ſehr ſonderbar. Es bringt eine Nation ganze Jahrhunderte zu, ehe ſie anfaͤngt, einige Figur auf der See zu machen: hingegen kann ſie ein einziger wichtiger Verluſt ſo niederwerffen, daß ſie in vielen Zeiten nicht im Stande iſt, ſich wieder aufzurichten. Wir haben in der neuern Geſchichte ein einziges Exempel einer Seemacht, die in der Geſchwin - digkeit entſtanden, man haͤlt es auch fuͤr ein Wunder. Aber wir finden verſchiedene Beyſpiele auch der maͤch - tigſten Seevoͤlker, die gleichſam durch einen Schlag auf eimal entwaſnet worden.
*1. Eſſai30Vorbereitung zur
1.Eſſai ſur la marine et ſur le commerce par M. D*** (Des Landes) avec des remarques hiſtori - ques et critiques de l’auteur, à Amſterdam 1743. 12.
1.
2.Hiſtoire generale de la marine, tom. I. à Pa - ris 1744. 4.
2.

§. 55.

Wenn wir nun in dieſer Ordnung den Staat eines Reiches und ſeine Schwaͤche und Staͤrke angeſehen haben, ſo iſt es nicht ſchweer, mit Huͤlfe der allgemeinen Politick diejenigen Re - geln herauszubringen, wornach ein Volk han - deln muß, um ſein Wohl zu befoͤrdern. Die - ſe Regeln nennt man Staatsmaximen, und den Jnbegriff aller Staatsmaximen eines Reiches in ihrem Zuſamenhange das Staatsintereſſe. Es iſt alſo das Staatsintereſſe in der That nichts an - ders, als eine Politick, die auf einen einzelnen Staat appliciret wird. Es gehoͤrt auch das Staats - intereſſe zur Staatswiſſenſchaft, weil ihr End - zweck dahin abzielet, von der Kenntniß eines Staats in der Politick die gehoͤrige Anwendung zu machen.

§. 56.

Ein Volk, das ſeine wahre Wohlfahrt zu befoͤrdern, ſeine Sicherheit zu befeſtigen, und ſeine Gluͤckſeeligkeit vollkommener zu machen be - muͤht iſt, muß ſowohl in Anſehung ſeiner ſelbſt, als in Anſehung andrer Voͤlker gewiſſe Re -geln31Staatswiſſenſchaft. geln beobachten. Daher giebt es Staatsmaxi - men eines Reiches gegen ſich ſelbſt und gegen andere Nationen, und deßwegen theilet man das Staatsintereſſe in das innerliche und aus - waͤrtige.

§. 57.

Das erſtere erfordert, daß ein Volk ſeinen innerlichen Ruheſtand und das Wohl nicht nur ſeiner einzelnen Buͤrger; ſondern auch des gan - zen gemeinen Weſens zu erhalten und befoͤrdern ſuche, dem Mangel abhelfe, den Ueberfluß ver - ſchaffe, die Einwohner vermehre und bereichere, die Wiſſenſchaften in Flor bringe, den Manu - facturen und Commercien aufhelfe, die Gebre - chen der Staatsverfaſſung heile, den Factionen vorbeuge, die Juſtitz beſchleunige, das Cam - merweſen in Ordnung halte, den Kriegsſtaat auf guten Fuß ſetze. Die vornehmſten von der - gleichen Staatsmaximen, die aus der beſondern Einrichtung eines jeden Reiches hauptſaͤchlich flieſſen, koͤnnen an dieſem Orte erklaͤret, und in ſo fern das innerliche Staatsintereſſe eines Lan - des der Staatswiſſenſchaft deſſelben unmittelbar angefuͤgt werden.

§. 58.

Ganz anders iſt es mit dem auswaͤrtigen Staatsintereſſe beſchaffen. Die Maximen, wie ein Volk in Anſehung ſeiner Nachbaren ſichin32Vorbereitung zurin Sicherheit ſtellen, oder mit deren Beyhuͤlfe ſeine Wohlfahrt befoͤrdern koͤnne, flieſſen aus dem Verhaͤltniße, das es gegen fremde Voͤlker hat, ob es ihrer bedarf, oder entbehren koͤnne? ob es von ihrer Macht viel oder wenig zu befuͤrch - ten habe? Dieſes kann, ohne vorgaͤngige Kennt - niß andrer Staaten nicht begriffen werden, und verdienet eine beſondere Ausfuͤhrung.

§. 59.

Dieſes iſt der Abriß der vollſtaͤndigen Staatswiſſenſchaft einzelner Reiche, in ſo weit ſolche vor ſich allein betrachtet werden. Wer die unterſchiedliche Grade der Verbindung einſiehet, welche die Wiſſenſchaften mit einander haben, wird den hohen Wehrt einer Erkenntniß zu ſchaͤ - tzen wiſſen, von welcher die Hiſtorie einen ſehr anſehnlichen Theil ihres Lichts borget, welche zu dem allgemeinen Natur-Voͤlker-Staats - geiſtlichen und buͤrgerlichen Rechte den tref - lichſten Stoff giebet, und die Politick mit einer Menge practiſcher Saͤtze bereichert.

§. 60.

Daher iſt die Staatswiſſenſchaft allen Ge - lehrten nuͤtzlich, und allen Juriſten noͤthig; haupt - ſaͤchlich aber, wer die jetzige Welthaͤndel gruͤnd - lich beurtheilen, wer ſeine Reiſen in fremde Laͤn - der mit Nutzen unternehmen, wer in Manufa - ctur-Handels - und Cam̃eral-Sachen oder in Ge -ſandt -33Staatswiſſenſchaft. ſandtſchaften ſich gebrauchen laſſen will, dem iſt ihre Erlernung unentbehrlich.

  • 1 VALENTINI IACOBI ASSMANNI diſl de re - rum publicarum notitia in academia diligentiſſime excolenda, Lipſ. 1735.

§. 61.

Man hat gegen den Vortrag dieſer Wiſ - ſenſchaft auf Univerſitaͤten Einwuͤrfe gemacht, als waͤre ſolche wegen der Menge ihrer Materi - en voller Verwirrung, wegen der beſtaͤndigen Veraͤnderungen voller Ungewißheit, und wegen der darinnen enthaltenen Staatsgeheimniſſen fuͤr den Augen der Schulgelehrten verborgen, folglich dergleichen Vorleſungen ſeicht und un - brauchbar. Allein, da eine geſchickte Ordmung der Verwirrung abhuͤlft, ein ununterbrochener Fleiß die Hauptveraͤnderungen bemerken kann, und der Ungewißheit kuͤchtige Beweißthuͤmer entgegen ſtellt, die Staatsgeheimniſſe aber ent - weder das nicht ſind, wofuͤr man ſie ausgibt, o - der nicht ſo haͤufig ſind, als man ſich einbildet, auch der Endzweck nicht erfordert, in alle Staats - geheimniſſe zu dringen; ſo wird der Nutzen, wel - chen man in Erlernung der Anfangsgruͤnde der Staatswiſſenſchaft ſucht, gar fuͤglich erreichet werden koͤnnen.

Diſſ. mea de notitia rerumpublicarum academiis vindicata, Gottingae 1748.

§. 62.

Die Gewohnheit der alten Geſchichtſchrei - ber, die Staatswiſſenſchaft einzelner Voͤlker inCihren34Vorbereitung zurihren hiſtoriſchen und geographiſchen Buͤ - chern ſorgfaͤltig einzuſchalten, und die beſonde - re Werke eines Xenophons, Ariſtoteles und Tacitus beweiſen, daß man dieſe Kenntniß bey ihnen ſehr hoch geachtet. Jn neuern Zeiten iſt man dieſen Fnßſtapfen nachgegangen. Seit dem gegen das Ende des ſechszehenden Jahrhunderts die Relationen einiger Venetianiſchen Geſand - ten bekannt wurden, der beruͤhmte Lipſius eine ſyſtematiſche Politick faſt aus lauter Spruͤchen al - ter Geſchichtſchreiber zuſam̃en geleſen hatte, u. ver - ſchiedene Staatsmaͤnner ihre wichtige Anmerkun - gen uͤber auslaͤndiſche Reiche, welche ſie durchrei - ſet hatten, herausgaben: wurde dieſe Wiſſenſchaft aus dem Staube gezogen, und die Welt bekam einen Geſchmack daran. Man ſammlete die ver - ſchiedene Schriftſteller von einem Staate: man bemuͤhte ſich, von vielen, ja von allen Reichen die Staatswiſſenſchaft beyſammen zu haben. Al - ſo kamen Sammlungen von Originalſchriften zum Vorſchein, und daraus erwuchſen eine Menge Auszuͤge und groſſe Werke ſowohl von einzelnen Reichen, als von vielen mit einander. Nunmehr war Stoff genug vorhanden, Vorleſungen auf Univerſitaͤten daruͤber anzuſtellen, der unſterbli - che Conring brachte ſie auf den academiſchen Lehr - ſtuhl, und von Helmſtaͤdt breitete ſie ſich auf an - dern Muſenſitzen in - und auſſerhalb Teutſchland aus. Seit dem haben wir auch Leſebuͤcher da - von bekommen, unter welchen die notitia prae - cipuarum Europae rerum publicarum von Hrn. Ever -35Staatswiſſenſchaft. Everhard Otto das einzige iſt, welches ſeine Quellen anfuͤhret.

  • 1. Die vierte ver mehrte und verbeſſerte Auflage iſt zu Utrecht 1739. 8. herausgekommen.

§. 63.

Unter den vielen und groſſen Sammlungen, welche den Staat aller Reiche und Republicken der ganzen Welt, oder wenigſtens vieler Reiche zugleich vortragen, iſt zu unſrer Abſicht wenig brauchbares. Wir wollen 1) den gegenwaͤrti - gen, nicht den ehemaligen Staat kennen lernen, 2) wir ſuchen glaubwuͤrdige und zuverlaͤßige, nicht falſche und ungewiſſe Nachrichten. Alſo muͤſſen wir 1) die neuere Schriftſteller den aͤltern, 2) diejenige, welche ein Reich aus eigener Er - fahrung erkannt, denen, die ihre Erzaͤhlungen von andern abgeſchrieben. 3) Diejenige Samm - ler, welche ihre Beweißthuͤmer anfuͤhren, den uͤbrigen vorziehen.

Nach dieſen Regeln kann man die vor - nehmſte Sammlungen von dem Staate verſchiede - ner Reiche beurtheilen, nur merke man vorlaͤu - fig noch dieſes an, daß glaubwuͤrdige Nachrich - ten, wenn ſie gleich alt ſind, uns doch nicht ganz unnuͤtzlich ſeyn, in ſo fern ſie die Verbindung des vorigen Zuſtandes mit dem jetzigen und den Grund des heutigen Staats in ſich halten.

Die 32. Elzeviriſche Republicken ſind alt, und nur wenige glaubwuͤrdig.

Le monde par PIERRE D AVITY iſt alt, und durch die abgeſchmackte Vermehrun -C 2gen36Vorbereitung zur Staatsw. gen des roccoles auſſer Stand zu dienen geſetzt worden.

conringii opus poſthumum de notitia rerum publicarum hodiernarum (in dem III. to - mo ſeiner geſammten Werke) iſt durch Hrn. von Goebel Zuſaͤtze einiger Maaſſen verjuͤngt worden.

Friedrich Leutholfs von Frankenberg Europaͤiſcher Herold iſt ebenfalls nicht mehr neu, auch ohne Beweißthuͤmer, und auſſer dem erſten Bande wenig mehr brauchbar.

Unter den Rengeriſchen Staaten iſt das meiſte unnuͤtzer Plunder.

Den Voyages hiſtoriques de l’Europe des m. jovrdan, welche Auguſt Bohſe unter dem Namen Talander teutſch uͤberſezt, wirft vayrac a) oͤffentlich vor: a beau mentir qui vient de loin.

Des gvedeville Atlas hiſtorique in 7. Folianten iſt praͤchtig, und 1738. wieder anfgelegt, aber fresnoy b) urthei - let davon: ce livre qui avoit été fait pour les ignoraus, fut d’abord goûté par les igno - rans; mais ſans être eſtimé des ſavants.

Lo ſtato preſente di tutti e paeſi e popoli del mondo, naturale, politico e morale, con nuo - ve oſſervazioni e correzioni degli antichi e moderni viaggiatori, davon zu Venedig ſchon 18. Theile 8. herausgekommen, habe ich noch nicht geſehen.

  • a) Etat préſent de l Espagne, tom. I. pag. 4.
  • b) Jn ſeiner methode pour étudier la geographie tom. I. p. 86.
Das37

Das I. Hauptſtuͤck. Staat von Spanien.

  • Schriftſteller:
  • 1. Hiſpania, ſ. de regis Hiſpaniae regnis et o - pibus commentarius, (JO ANNIS DE LAET) Lu - gduni Batauorum 1629. 24.
  • 2. Voyage d Espagne curieux, hiſtorique et po litique fait en 1655. (par P ...) nouvelle edition augmentée, 1666. 12.
  • 3. Journal du voyage d Espagne, (par BOISEL) à Paris 1669. 4.
  • 4. Annales d Espagne et de Portugal avec la de - ſcription de tout ce qu il ya de plus remarquable en Espagne et en Portugal par Don JUAN ALVA - REZ de COLMENAR, IV. tomes, à Amſterdam 1741. 4. Jſt aus den Delices de l Espagne et du Portugal erwachſen.
  • 5. Etat préſent de l Espagne par M. l Abbé de VAYRAC, III. tomes, à Amſterdam 1719. 8.
C 36.38Spanien.
  • 6. Voyage du P. LABAT en Espagne et en Ita - lie, VIII. tomes, à Amſterdam 1731. 8
  • 7. Lehrreiche Nachrichten fuͤr eineu Reiſen - den in verſchiedenen Europaͤiſchen Staaten, aus dem Franzoͤſiſchen uͤberſetzt von P. G. v. K. 2. Theile, Berlin 1738. 8.

I. Staatsveraͤnderungen.

§. 1.

Kein Land iſt von ſo verſchiedenen Voͤlkern bewohnt worden als Spanien. Die Phoe - nicier ſetzen ſich an die ſuͤd - und weſtliche See - kuͤſte, die Carthaginienſer, Roͤmer, Schwa - ben, Alaner und Gothen herrſchen nach ein - ander darinnen, endlich im J. 713. uͤberſchwem - men es die Mauren faſt gaͤnzlich.

§. 2.

Dieſe entkraͤften ſich durch ihr haͤufige Thei - lungen ſelbſt, da inzwiſchen aus dem Ueberreſte der Chriſten nebſt einigen kleinen Staaten haupt - ſaͤchlich zwey Koͤnigreiche Caſtilien und Arrago - nien erwachſen, die ſich durch Vermaͤhlungen dreymal vergeblich, zum vierten Mal aber 1473. auf ewig vereinigen.

  • a) Jn allen 4. Vermaͤhlungen waren die Prin - zeßinnen aus Caſtilien, die Prinzen aus Arragonien.
  • Die erſte geſchahe zwiſchen Nunnia und Sanctiomaiore39Spanien. maiore 1011. wozu deſſen anderer Prinz Ferdinand durch die Heyrath mit Sanctia auch Leon ererbte.
  • Die zweyte zwiſchen Urraca und Alphonſo 1109.
  • Die dritte zwiſchen Eleonora und Johanne 1375.
  • Die vierte zwiſchen Jſabella und Ferdinand V. oder I. von gantz Spanien, 1469.

§. 3.

Ferdinandus Catholicus unterwirft ſich die Saraceniſchen Provinzen, und reiſſet ein Theil von Navarra an ſich. Nunmehr wird Spanien ein einziger Staatscoͤrper, und durch Verbeſſerung der innerlichen Verfaſſung, durch Eroberung des Koͤnigreichs Neapel und Entde - ckung von America zugleich erſtaunend maͤchtig. Die Heyrath Philippi Pulcri mit Ferdinands Tochter Joanna veranlaſſet die Vereinigung der Oeſterreichiſchen Staaten mit dem Spaniſchen Reiche. Daher zittert vor Kayſer Carln V. Ferdinands Enkel, ganz Europa. Allein er theilt zwiſchen ſeinem Bruder Ferdinand und ſeinem Sohne Philipp II. Doch erlangt Spanien da - durch Mayland, und die 17. Niederlaͤndiſchen Pcovinzen nebſt der Grafſchaft Burgund. Philipp II. eignet ſich Portugall zu, und gehet mit einer Univerſal Monarchie ſchwanger. Al - lein durch den Aufſtand der Niederlaͤnder wird ſolche in der Geburt erſtuͤckt, und Spanien ver - blutet ſich unter dem unweiſen Philipp III., demC 4elen -40Spanien. elenden Philipp IV. und dem ſchwachen Carl II. dem letzten ſeines Stammes, ſo ſehr, daß es end - lich kaum mehr Athem ſchoͤpfen kann.

  • a) Was bey der Vermaͤhlung Ferdinands mit der Jſabella zu Caſtilien und Artagonien gehoͤret?
  • b) Carl V. bereuet ſeine Freygebigkeit gegen Fer - dinand ſeinen Bruder.
  • c) Philipp. II. Projecte gegen Engelland und Franckreich.
  • d) Der Verviniſche Friede 1598. iſt die Grenze von Spaniens Gluͤck.
  • e) Haͤufige Empoͤrungen unter Philipp IV. und Carln II.
  • f) Verluſt der vereinigten Niederlande 1648., der Grafſchaft Rouſſillon 1659., des Koͤnigreichs Portugall 1668, der Franche-Comté 1678, und eines groſſen Stuͤcks von den uͤbrigen Niederlanden 1659. 1670. u. 1678.

§. 4.

Nach deſſen Tode 1700. ſtreiten Oeſter - reich und Bourbon um dieſe Erbſchaft, und letzteres bringt nach einem 13jaͤhrigen Kriege zu aller Welt Erſtaunen ſeinen Prinzen Philipp V. auf den Spaniſchen Thron, und Kayſer Carl VI. muß ſich mit den Jtalieniſchen und Nieder - laͤndiſchen Provinzen abſpeiſen laſſen. Seit dem iſt dieſes Reich in 4. Kriegen bemuͤht geweſen, ſich wieder in die Hoͤhe zu bringen, wodurch Eli - ſabeth ihrem Don Carl 1735. zwo Cronen, die bey -de41Spanien. de Sicilien, und Koͤnig Ferdinand II. ſeinem Halbbruder Philipp 1748. drey Herzogthuͤmer, Parma, Piazenza und Guaſtalla zugewandt.

  • a) Was Spanien im Utrechtiſchen Frieden einge - buͤſſet?
  • b) Krieg wegen Sardinien und Sicilien 1717.
  • c) Krieg nach Auguſti II. Tode 1733.
  • d) Krieg mit den Engellaͤndern 1738.
  • e) Krieg wegen der Oeſterreichiſchen Erbſchaft 1741.
  • 1. Hiſtoire des revolutions d’Eſpagne par l’Ab - de vertot, V. tomes, à Paris, 1726. 12.
  • 2. Hiſtoire des revolutions d’Eſpagne par le P. IOSEPH D’ORLEANS revûë et publiée par les PP. ROUILLE et BRUMOY, III. tomes, à Paris 1734. 4.

2. Beſchaffenheit der Laͤnder.

§. 5.

Spanien hat ein dreyfaches ſehr verſchiede - nes Clima. Gegen Norden iſt es kalt und feucht, gegen Suͤden heiß und feucht, in der Mitten ſehr trocken und faſt verbrandt. Es hat von 3. Seiten natuͤrliche Graͤntzen, das Atlantiſche und Mittellaͤndiſche Meer, und die Pyrenaͤiſche Gebuͤrge: die vierte Seite ſchraͤnckt Portugal ein.

  • a) Der Eſtrecho di Gibraltar macht den Spa - niern eine herrliche Communications-Linie.
C 5b) 42Spanien.
  • b) Ueber die Pyrenaͤiſche Gebuͤrge ſind 5. Weege; aber nur 2. Heerſtraſſen. Annales d Eſpagne, t. II. p. 37.
  • c) Sicherheit der Nordiſchen Seekuͤſten, und An - ſtalten an der mittaͤgigen Kuͤſte gegen die Africaniſche Seeraͤuber.

§. 6.

Das Land iſt faſt durch und durch gebuͤr - gig. Die groſſen Fluͤſſe, Ebro, Douro, Tajo, Guadiana, Guadalquivir, ſind wenig ſchiffbar, und auſſerdem iſt es ſchlecht bewaͤſſert.

  • a) Annal. d’Eſpagne, II. 7.

§. 7.

Es hat Ueberfluß an der beſten Wolle, an Seyde, Wein, Salz, Oel, Orangenfruͤchten, Roſinen, Feigen, Mandeln, Capern. Biſcaya giebt trefliches Eiſen, Andaluſien und Aſturien haben unvergleichliche Stuttereyen.

  • a) SAVARY dictionn. unter dem Worte: Com - erae d Eſpagne.
  • b) von ihren Secten.
  • c) von den puntas ſalinas.
  • d) Man findet auch Zuckerrohr und Saffran darinnen.

§. 8.

Das Hornvieh und die Flußfiſche ſind ſelt -ſam,43Spanien. ſam, Gold und Silber wird nicht gegraben, und der Mangel an Getreyde iſt groß.

  • a) Ehemals war Spanien ein geſegneter Korn - boden, und das Europaͤiſche Potoſi und Peru. Annal. d Eſp. II 19.

§. 9.

Es beſtehet aus 14. Provinzen, die mei - ſtentheils den Titul eines Koͤnigreichs fuͤhren, nebſt etlichen Jnſuln, und prangt mit Madrid, der Hauptſtadt des Reichs und etlichen Luſt - ſchloͤſſern, ſonderlich Aranjuez, dem Wunder der Natur und Eſcurial, dem Wunder der Kunſt.

  • a) Von Madrid Lehrr Nachr. fuͤr einen Rei - ſenden, II. Bl 63.
  • b) Spaniſche Prahlerey von dieſer Stadt, die doch nicht eimal eine Cividad, ſondern nur eine Villa iſt.
  • c) Praͤchtige puenta Segoviana, welche Philipp II. etliche Tonnen Goldes gekoſtet, und den Fluß erſt er - wartet. Relation de Madrid, pag 3.
  • d) Von Eſcurial, den 17. darinnen begriffenen reichen Kloͤſtern, dem Schatze der Hauptcapelle und dem Pantheon, oder koͤniglichen Erbbegraͤbniſſe, An - nal d’Eſpagne, t. II. p. 136. 155. und Lehrr Nachr. Bl 106.

§. 10.

Landfeſtungen unterhaͤlt es einige wenigege -44Spanien. gegen die Seite von Portugal; aber deſto mehr trefliche Seehaͤfen, Cadix, Malaga, Cartha - gena, Alicante, Valentia, Barcellona, Co - runna, Bilbao, St. Sebaſtian, und viel ande - re, unter denen jedoch Gibraltar, der Schluͤſſel nicht ſowohl von Spanien, als vom Mittellaͤndi - ſchen Meere, und Portmahon in den Haͤnden der Engellaͤnder ſind.

  • a) Von Cadix LABAT voyage en Eſpagne, tom. I. chap. 6. p. 147.
  • b) Daß Gibraltar die Spanier mehr kraͤncke, Portmahon aber dem Engliſchen Handel mehr nutze.

§. 11.

Auſſer Europa haben ſich die Spanier in Ceuta, Oran, und Maſalquivir auf der Kuͤſte der Barbarey und in den Canariſchen Jnſuln feſtgeſetzet. Jn Aſien gehoͤrt ihnen weiter nichts als die Philippiniſche, Latroniſche und Salomo - niſche Jnſuln.

  • a) Politiſche Urſache, die barbariſche Conqueten zu erhalten, ungeachtet ſie groſſe Summen koſten.
  • b) Treflichkeit der gluͤckſeeligen Canariſchen Jn - ſuln, an Canarien - und Palmen-Sect, Vin de Roc und Zucker.
  • c) Beſonderer Weg der Spanier nach ihren Aſia - tiſchen Jnſuln.
§. 12.45Spanien.

§. 12.

Aber in der von ihnen erfundenen neuen Welt haben ſie den groͤßten und reichſten Theil inne, und beſitzen im Nordlichen America Mexico, Neu Mexico und ein Stuͤck von Flori - da, im Suͤdlichen aber Terra firma, Peru, Chili, und von den Jnſuln ſonderlich Cuba, und ein Stuͤck von Hiſpaniola. Sie ziehen hieraus Gold, Silber, Perlen und Edelſteine, Zucker, Taback, Viehhaͤute, Baum - und Vigogne - wolle, Wachs, Campecheholz, Jndigo, aller - hand Balſame und andere koſtbare Arzeneyen und Waaren.

  • a) Schſerley Einwohner in dieſen Provinzen, Spanier, Americaner, Negres, Creolen, Maſticen und Mulatern.
  • b) Vortheilhafter Iſthmus von Panama.
  • c) Reiche Staͤdte, Mexico, Lima.
  • d) Herrliche Feſtungen und Seehaͤfen: Callao, Panama, Portobello, Carthagena, Veracrux, Havana.
  • e) Kunſtſtuͤcke der Spanier ſich in dieſen weitlaͤuf - tigen Provinzen zu maintentren.
  • f) Cromwells mißlungener Anſchlag.
  • g) Ob es den Engellaͤndern moͤglich, die Spanier aus America zu vertreiben?
  • 1. L’Hiſtoire du nouveau monde, ou deſeription des Indes Occidentales par JEAN DE LAET, à Ley - de, 1640. f.
  • 2. Nouvelle relation contenant les voyages deTHO -46Spanien. THOMAS GAGE dans la nouvelle Eſpagne, II. tomes, a Amſterdam 1695. 12.
  • 3 Relation du voyage de la mer du Sud aux co - tes du Chili, du Perou et du Breſil fait en 1712 - 1714. par M. FREZIER, II. tomes, à Amſterdam 1712. 12.
  • 4 Hiſtoire de l’isle Eſpagnole ou de S. Domin - gue par le P. PIERRE FRANCOIS XAVIER de CHARLEVOIX, II. tomes, à Paris 1730. 4.

3. Beſchaffenheit der Einwohner.

§. 13.

Wie die Einwohner Spaniens von verſchie - denen Voͤlkern abſtammen: ſo iſt auch ihre Sprache zwar eine Tochter der Lateiniſchen; a - ber mit Gothiſchen und Arabiſchen Woͤrtern un - termiſcht.

  • a) Dieſes zeigt ſich ſonderlich in den nomiuibus propriis der Provinzen, Staͤdte und Fluͤſſe.
  • b) Von der Biscayiſchen Sprache, Annal d Es - pagne, II. 51. Sie iſt von der eigentlichen Spani - ſchen oder Caſtilianiſchen ganz unterſchieden.

§. 14.

Jn dieſem weitlaͤuftigen Reiche zaͤhlet man nicht 6. Millionen Menſchen, welcher Mangel durch die Americaniſche Colonien, die Austrei - bung der Juden unter Ferdinand I, und der Mo -riscos47Spanien. riscos unter Philipp III. gewaltig befoͤrdert wor - den, und durch die Modeſuͤnden der Jugend, die Menge der Kloͤſter und Schaͤrfe der Jnquiſition unterhalten wird, ſo daß die kluge Vorſchlaͤge des Staatsſecretaͤrs Petri Ferdinand Navare - ta 1619. und die Anſtalten Philipp IV. ohne Wuͤrkung geblieben.

  • a) LAET in Hiſpania cap. IV. wo auch der Aus - zug aus Philipp IV. Ediet 1623. befindlich.
  • b) Philipp V. ließ 1726. ſein Volk zaͤhlen, und befand die Summe aller Familien auf 1. 084. 623, die privilegirte Haͤuſer nicht mitgerechnet.

§. 15.

An dem Spanier iſt nichts mittelmaͤßig als ſein Koͤrper, ſeine Tugenden ſind groß; ſeine Laſter noch groͤſſer. Man ruͤhmt ſeine Maͤßig - keit, Standhaftigkeit, geſetztes Weſen, Ver - ſchwiegenheit und Treue: man wirft ihm den Hochmuth biß auf den Bettelſtolz, Prahlerey, Geitz, Grauſamkeit, Verſtellung, Eiferſucht auch gegen ſein heßliches Weib vor. Die Fremden ſind bey ihm als Gavaches verach - tet und uͤbel daran. Dieſe belachen dagegen die beſondere Gewohnheiten der Spanier. Jhre Antipathie gegen die Franzoſen legt ſich nun - mehr nach und nach.

  • 1. Gundling in ſeinen Otiis, cap. I. vom Tempe - rament der Spanier.
a) 48Spanien.
  • a) BARCLAYUS, La Comteſſe d AUNOY, LE - TI, JOURDAN, die Lettres Perſannes und ande - re ſchildern den Spanier ſehr laͤcherlich ab, VAYRAC vertheidiget ſie tom. I. im discurs preliminaire. P. LA - BAT in ſeiner voyage d Espagne et d Italie, tom. I. erzaͤhlt noch viel von ihren Maͤnteln, Degen und Brillen, von der Weiber andar tapada, warum kei - ner Jacob helßt, kein Ochſe, Capaun und Hammel leicht gegeſſen wird.
  • b) Von ihren Stiergefechten Ann. d Esp. tom. IV. p. 1.
  • c) Von der beſchrieenen Antipathie handelt De la Mothe le Vayer, Gundling, Frankenſtein und Baile. Doctor CARLOS GARZIA in der oppoſi - tion des deux grands Iuminaires de la terre aus dem Spaniſchen uͤberſetzt, à Cambray. 12. giebt auch ſein Urtheil davon, aber ſehr laͤppiſch.

§. 16.

Der Spanier iſt zur Tiefſinnigkeit geneigt, und wuͤrde es daher in Wiſſenſchaften eben ſo weit bringen, als ſeine Vorfahren, wenn er nicht die Vernunft unter den Gehorſam ſeines tyranniſchen Glaubens gefangen nehmen muͤßte. Selbſt in der allgemeinen Finſterniß der mittlern Zeiten war in dem Saraceniſchen Spanien mehr Licht der Gelehrſamkeit, als jetzt auf allen 22 chriſt - lichen Univerſitaͤten.

  • a) Lob des natuͤrlicheu Verſtandes der Spanier aus den Lehrr. Nachr II. 125, und aus ihrer alten Geſchicklichkeit, in Staatsſachen zu negociiren.
  • b) Die beyde Seneca, Lucanus, Martialis, Quin - tilianus, Columella waren Spanier.
c) 49Spanien.
  • c) Von den gelehrten Juden und Arabern in Spa - nien im XI. u. XII. Saec. Sie trieben ſonderlich die Arze - neykunſt und die Ariſtoteliſche Philoſophie, die Scho - laſtici ſtammen von ihnen ab.
  • d) Jhre beſte Univerſitaͤten ſind Salamanca und Alcala de Henares, welche der Cardinal Ximenes in Aufnahme brachte. OTTO notit. Hiſp. §. 29. et 30.
  • e) Grobe Unwiſſenheit der Bibliothecariorum des Escurials, und unvernuͤnftige Bannfluͤche wider die beſte ſo gar catholiſche Buͤcher aus den Lehrr. Nachrichten.

§. 17.

Der Spanier mag aus Faulheit nicht ar - beiten, oder er ſchaͤmt ſich, ein Handwerk zu treiben. Daher iſt das Land von Manufactu - ren entbloͤſſet, und halten ſich viele tauſend Fran - zoſen darinnen auf, welche theils die gemeinen Dienſte in den Staͤdten verrichten, theils die nothduͤrftigen Handwerker treiben.

  • a) Man rechnet der Franzoſen uͤber 70.000. im Lande, und in Madrid allein wohl 40.000. Wie dadurch jaͤhrlich wenigſtens 8. Millionen Franzoͤſiſche livres nach Frankreich geſchleppet werden, zeigen die memoires de la cour d’Espagne depuis 1679. jusqu en 1681. p. 297.
  • b) Wie kindiſch damals das Spaniſche Miniſterium die fremde Manufacturen beurtheilet, eb. daſ. p 292.
D§. 18.50Spanien.

§. 18.

Es muͤſſen alſo die Spanier, um ihren Hun - ger zu ſtillen, ihre Bloͤſſe zu decken nnd ihrer Bequemlichkeit zu pflegen, nicht nur ihre inlaͤn - diſche Waaren weggeben, ſondern ihr ganzer koſtbarer Handel nach America iſt bloß den Aus - laͤndern zum Gewinn, welchen die unerſchoͤpfli - che Goldquellen der neuen Welt ſtromweiſe zu - flieſſen.

  • a) Was ihnen die Engellaͤnder, Franzoſen, Hol - laͤnder, Genueſer, Hanſeeſtaͤdte und Nordiſche Natio - nen zufuͤhren, und von ihnen abhohlen?
  • b) Einrichtung des Handels nach America vermit - telſt der Galltonen, Kaufardeyflette, und Regiſter - ſchiffen. Zu Porto Bello iſt die reicheſte Meſſe in der ganzen Welt: Jn der Havana iſt der Sammelplatz zur Ruͤckreiſe. SAVARY, Wort: commerce de l Es - pagne, und commerce de l’Amerique.
  • c) Den Auslaͤndern iſt der Handel nach America gaͤnzlich verbothen, und doch ſind die Spanier bloſſe Factors andrer Nationen. Labat I 193. Daher ver - gleicht ſie Boccalini mit den Laſttraͤgern und Eſeln.

§. 19.

Sie rechnen nach Marrevadis und Rea - les, und haben in Silber die Piaſtres oder Pe - ſos (da otto reales) in ganzen, halben und viertel Stuͤcken, in Gold aber die Piſtolen, Du - plonen und Quadruplen. 95. Marrevadis be -tragen51Spanien. tragen 8. ggr., 1. Reale hat 34. Marrevadis, 1. Piaſtre aber 8. Reales.

  • a) Vayrac III. 277. handelt weitlaͤuftig vom Spa - niſchen Muͤnzweſen.
  • b) Von ihrer Ducatenrechnung. Sie theilen ſolche in Ducat de plata, und Ducat de vellon. Die Gold - muͤnzen werden theils in Sevilla, theils in Mexico ge - ſchlagen. Bey der erſten braucht man uͤber 600. Men - ſchen.
  • c) Verboth, das gemuͤnzte Geld aus dem Lande zu ſchleppen, und Spitzbuͤberey der Spaniſchen Courtiers. Labat I. 151.

4. Staatsrecht.

§. 20.

In Spanien iſt kein guͤltiges geſchriebenes Reichsgrundgeſetz anzutreffen, auſſer dem von der Caſtilianiſchen Erbfolge und Untheilbarkeit von 1252., welche Carl V. 1554. und Philipp II. in ſeinem Teſtament 1598. auf die geſammte Staa - ten von Spanien erſtrecket hat.

  • a) Die beyde erſtere Geſetze ſtehen im Corps di - plom. Supl tom. I. part. I. p. 101. et 102. von den letztern handelt Thuanus lib. 120. ad a 1598.

§. 21.

Ferdinand jetztregierender Koͤnig, ein Sohn Philipps V. und der Maria Louiſa Gabriela,D 2Prin -52Spanien. Prinzeßinn von Savoyen, iſt gebohren 1713, ver - maͤhlte ſich mit Maria Barbara, Koͤnigs Jo - hannis V. in Portugal Tochter 1729, beſtieg den Thron 1746. Er hat zwar keine Erben, doch iſt das koͤnigliche Haus nichts deſto weniger zahl - reich. Von Philipps V. zweyter Gemahlinn E - liſabeth aus Parma ſind der Koͤnig beyder Si - cilien Carl Sebaſtian, der General-Admiral von Spanien und Herzog von Parma, Piazen - za und Guaſtalla Don Philipp, der Cardinal und Erzbiſchof von Toledo und Sevilien Don Louis nebſt der Prinzeßinn von Braſilien Ma - ria Anna Victoria und Maria Antonietta vorhanden.

  • a) Ferdinand wird unrecht der VI. genannt.
  • b) Ferdinandi Character aus den Lehrr. Nach - richten.

§. 22.

Der Cronprinz wird ſeit 1388. Prinz von Aſturien genennt, aber nicht als ein ſolcher ge - bohren; ſondern vom regierenden Koͤnige dazu ernennet. Die uͤbrige koͤnigliche Kinder heiſſen Jnfanten.

  • a) Die Spanier haben von den Engellaͤndern ge - lernt, dem Erbprinzen den Titul eines beſondern Fuͤr - ſtenthums zu geben. Journal du voyage d Esp. p. 280.
  • b) Die feyerliche Proclamation und Einnehmungder53Spanien. der Huldigung des Prinzen von Aſturien ſteht eb, daſ. p. 789.
  • c) Den Titul Jnfant von Spanien fuͤhrten ſonſt auch die Oeſterreicher.

§. 23.

Der koͤnigliche vollſtaͤndige Titul iſt: Fer - dinandus, Dei gratia Rex Caſtellae, Arra - goniae, Legionis, vtriusque Siciliae, Je - ruſalem, Portugalliae, Nauarrae, Granatae, Toleti, Valentiae, Galliciae, Maioricarum, Hispalis, Cordubae, Corſicae, Murciae, Grennis, Algarbiorum, Algezirae, Gibral - taris ac inſularum Canariae, et Indiarum tam Orientalium, quam Occidentalium, ac Terrae Firmae, maris Oceani: Princeps Aſturiarum: Dux Mediolani et Burgundiae; Archidux Auſtriae, Comes Flandriae, Bur - gundiae et Cataloniae, Dominus Biscayae et Molinae etc. Kuͤrzer wird er titulirt: Rex Hiſpaniarum catholicus.

  • a) Warum Carl V. den weitlaͤuftigen Titul nicht aͤndern konnte?
  • b) Portugal proteſtiret gegen den Titul: Rex Hi - ſpaniarum. Staat von Portugall, I. 474.
  • c) Catholicus iſt ſonſt ein Perſoͤnlicher Titul eini ger Spaniſchen, auch andrer Koͤnige geweſen. BLON - DEL in praefat. apologet. Geneal Francicae, n. XIV. Seit den Zeiten des Pabſtes Alexandri VI., das iſt ungefehr ſeit 1500. hat ihn Spanien beſtaͤndig gefuͤhrt, doch niemals in der erſten Perſon, ſondern nur in derD 3dritten54Spanien. dritten. SELDENVS de titulis honor. p. I. c. V. pag. 83.
  • d) Es haben ſich 6. Koͤnige von Caſtilien des Kay - ſerlichen Tuuls angemaſſet. VAYRAC, II. 98.
  • e) Den Titul Herzog von Burgund darf Spani - en in Schriften mit Frankreich nicht gebrauchen. Me - moires de la cour d’Etpagne pag 307.

§. 24.

Eben ſo findet man das Wappen bald weit - laͤuftig aus dem Wappen von Caſtilien, Leon, Arragonien und Sieilien nebſt Portugal im Mit - telſchilde zuſammen geſetzt mit der koͤniglichen Crone uͤber dem Schilde und der Ordenskette des guͤldenen Vlieſſes umhangen; bald kleiner, da es nur das Wappen von Caſtilien und Leon nebſt dem Mittelſchilde von Anjou enthaͤlt, und mit der Crone bedeckt iſt.

§. 25.

Der uͤbertriebene Hofſtaat und die zum Theil ſeltſame Etiquette des Spaniſchen Hofes iſt von den Bourboniſchen Koͤnigen groſſen Theils geaͤndert, und andern Hoͤfen gleichfoͤrmiger ge - macht worden.

  • a) Die verkappte Comteſſe d AUNOY in ihrer relation de la cour d Espagne erzehlt eine Menge Hiſtoͤrchen von dem Spaniſchen Ceremoniel unter Phi - lipp IV. und Carl II., ſie iſt aber wenig glaubwuͤrdig.
b) VAY -55Spanien.
  • b) VAYRAC hat im II. Bande ſeines Etat d Es - pagne das ganze III. Buch davon angefuͤllt; geſteht aber in der Vorrede ſelbſt, daß ſich ſeit dem verſchie - denes wieder geaͤndert.

§. 26.

Von den eintraͤglichen Ritterorden 1) von Sant Jago di Compoſtella, 2) Calatrava, 3) Alcantara ſind ſeit den Zeiten der Jſabella aus Caſtilien die Beſitzer des Thrones Großmei - ſter. Dieſen dreyen iſt der kleine Orden von Mondeſa beyzufuͤgen: wie ſich denn auch die Bourboniſche Koͤnige von Spanien die Ernen - nung der Ritter des guͤldenen Vlieſſes anmaaſ - ſen.

  • a) VAYRAC II. 292, und noch weitlaͤuftiger Jour - nal du Voyage d Esp. p. 363-375. handelt von den geiſtlichen Ritterorden.
  • b) Die Ritter muͤſſen nicht nur ihre Ahnen bewei - ſen; ſondern auch das ſie Chriſtianos vejos ſeyn.
  • c) Sie doͤrfen heyrathen.
  • d) Es giebt auch Duennas von Sant Jago.
  • e) Von guͤldenen Vließ ſiehe ſonderlich III. GE. HEINRICI AYRERI diſſ de magno Magiſterio E - queſtris ordinis Aurei Velleris Burgundo-Auſtria - ci feminino maſculini, Reſp. 10. Ioach. Carſtens, Gott. 1748.

§. 27.

Der Spaniſche Thron iſt erblich undſteht auch der weiblichen Linie offen: wie denn ſeit denD 4Zeiten56Spanien. Zeiten der Saracenen die meiſten Reiche durch Heyrathen zuſammen gebracht worden. Dieſes iſt die beruͤhmte Succeſſio Caſtiliana, oder ſuc - ceſſio linealis cognatica.

  • 1. LVDOVICVS MOLINA de Hiſpanorum primo - geniorum origine et natura und aus ihm VAYRAC II. 96.
  • 2. VLRICI OBRECHTI excerpta hiſtorica et iu - ridiea de natura ſueceſſionis in monarchia Hiſpa - niae, IV. partes, Argentorati 1700. et 1701. 4. Dieſem iſt entgegen geſetzt
  • 3. IOANNIS FRANCISCI BVDDEI exercitatio iuris naturalis de teſtamentis ſummorum imperan - tium, ſpeciatim Caroli II. Hiſpaniae regis, Halae 1701. 4.

§. 28.

Sobald die Erbfolge eroͤfnet wird, laͤßt ſich der neue Monarch feyerlich ausruffen, und von den Staͤnden in Buen Retiro huldigen; aber ſeit etlichen Jahrhundert nicht mehr ſalben noch kroͤnen.

*IOANNES IACOBVS CHIFLETIVS de Ampulla Remenſi, cap. 16. p. 82. handelt von der unterlaſſenen Kroͤnung, und giebt zur Urſache an: qui non electionis, ſed mero ſanguinis iure tradu - ces ſuccedunt in regnis, non indigent regia vnctio - ne, vt capeſſant ſceptra, qui lucem non aſpiciunt niſi reges, und ſetzt p. 83. hinzu: cum autem de ſuo - rum regum ſucceſſione legitima certi ſint Hi - ſpanl, ſuperfluum cxiſtimant, reges ſuos inungi. Andre57Spanien. Andre behaupten gar, daß der Spaniſche Hochmuth dieſe Ceremonien fuͤr gar zu geringe halte, weil andre Voͤlcker ſolche auch haben, und ſich dadurch von ihnen diſtinguiren wolle; allein es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß die Kroͤnung und Salbung aus Staatsraiſon un - terlaſſen werden, um nicht 1.) bey dem Paͤbſtlichen Hofe um Erlaubniß deßwegen anſuchen, und 2.) bey der Kroͤnung dem Pabſte den Lehn - und Zinßeyd ſchwoͤren zu doͤrfen, welchen die alte Koͤnige von Arra - gonien vermoͤge des Diplomatis Petri II. und der Conceſſionis Innoeentii III von 1204. ihm leiſten muͤſſen. Denn als Petrus II. damals von Jnnoeen - tio III. in Rom mit eigner Hand gekroͤnt wurde, ſo trug er ihm ſein Reich zu Lehn auf, und ſchwur ihm den Eyd der Treue, welches er hernach mit folgenden Worten ſchriftlich widerhohlte: Tibi et per Te Apo - ſtolieae ſedi offero regnum meum, illudque Tibi et ſucceſſoribus tuis in perpetuum conſtituo cen - ſuale, vt anuatim de camera regis CCL, Maſſemu - tinae Apoſtolicae ſedi reddantur, et ego et ſucceſ - ſores mei ſpecialiter ei fideles et obnoxii teneamur. Worauf der Pabſt in ſeiner conceſſione antwortete: Nos igitur gratiam Tuam nobis exhibitam ad ſuc - ceſſores deriuari volentes, praeſentium auctori - tate concedimus, vt cum ipſi (ſucceſſores tui) de - creuerint coronari A SEDE APOSTOLICA REQVI - RENTES, de ſpeciali mandato per Tarraconenſem Archiepiſcopum apud Caeſarauguſtam ſollemniter coronentur: PRAESTIT A ſuper praedictis IDO - NEA CAVTIONE. Das erſte Diploma ſteht in Hrn. H. Schmauſſens Corp. J. Gent. p. 7. das andre eb. daſ. p. 2157.
*

§. 29.

Die viele Spaniſche Koͤnigreiche hatten ſonſt ihre ſehr verſchiedene Rechte und Freyhei -ten;58Spanien. ten; aber ſeit der groſſen Vereinigung hat ſich Ferdinand I., noch mehr Philipp II., am meiſten aber Philipp V. ſouverain gemacht.

  • a) Sonderlich trotzte Arragonien ehemals auf ſeine Privilegia, und drung ſeinen Koͤnigen harte Puncte ab.
  • b) Der Cardinal Ximenes leiſtete hierinnen Ferdinand I. groſſe. Dienſte.
  • c) Philipp II. machte ſich die Haͤndel des verwege - nen Peretz und tollkuͤhnen Juſticia in Arragonien, und Philipp V. die Partheylichkeit der Arragonier, und Valentiner vor das Haus Oeſterreich und die Halsſtarrigkeit der Catalaunen zu Nutze.
  • d) Navarra hat noch einen Ueberreſt von beſon - dern Jmmunitaͤten, Vayrac III. 251.

§. 30.

Daher haben die Spaniſche Reichsſtaͤnde keine Gewalt mehr dem koͤniglichen Willen zu widerſprechen, und die Cortes Generales werden nur bey Huldigungen und andern Feyerlichkei - ten gehalten.

  • a) Sonſt waren in den meiſten einzelnen Koͤnigreichen von Spanien drey Staͤnde, 1) die Geiſtlichkeit, 2) der Adel, 3) die Deputirte der Staͤdte.

31.

Doch giebt es noch Grands d’Espagne, welche verſchiedene Vorrechte genieſſen. Sieſind59Spanien. ſiud von 3. Claſſen, und der Koͤnig ernenet ſie. Die uͤbrige vom hohen Adel heiſſen Titulos oder Titulados, ehemals Ricos hombres, die von niedern Adel nennen ſich Cavalleros und Hidal - gos.

  • a) Von dem Urſprunge und den Vorrechtender Gran - dezza und von den 74. Spaniſchen Familien, welche dieſe Wuͤrde erblich haben, ſiehe VAYRAC tom. II. liv. V. und die Annales d Espagne, tom. IV. p. 316.
  • b) Der Rangſtreit der Grandes mit den Franzoͤ - ſiſchen Dues und Pairs iſt zwiſchen Philipp V. und Ludwig XIV. verglichen.
  • c) Unter Kayſer Carl V. entſtanden auch Verdruͤß - lichkeiten zwiſchen den Teutſchen und ihnen, wegen des Bedeckens.
  • d) Beym hohen Adel iſt Majorasco eingefuͤhrt, deſſen Vorrechte Philipp II. zum groſſen Nachtheil des Adels eingeſchraͤnckt. Journal du voyage d’Espa - gne, p. 297 und Voyage d’Esp. p. 74.
  • e) Die Hidalgos ſind, anſſer einigen alten Haͤu - ſern, und den Ordensrittern, den buͤrgerlichen Unter - thanen vollkommen gleich. Journal du voyage d Espagne pag. 312. n. 313.

5. Verfaſſung der Reichsgeſchaͤfte.

§. 32.

Die allgemeine Reichsgeſchaͤfte werden durch das Conſejo da Eſtado beſorget, welchemeinige60Spanien. einige Eſcrivanos da Eſtado zu den verſchiede - nen auslaͤndiſchen und einheimiſchen Affairen beygefuͤget ſind. Jn wichtigen Faͤllen muͤſſen von den ſubordinirten Collegiis Conſultas an den Staatsrath gegeben werden. Jnsbeſondere ſtehet den Americaniſchen Sachen der Rath von Jndien vor, von dem auch der Vice-Ré in Me - xico und Peru nebſt allen uͤbrigen Statthaltern und die Caſa da Contractacion zu Sevilſa depen - diren. Jn auſſerordentlichen Faͤllen wird eine Junta angeordnet, die Perſon des Koͤnigs zu vertreten.

  • a) Was ein memorial monté et deſcendu, oder eine conſulte montée et deſcenduë ſey, aus den Memoi - res de la cour d’Eſpagne.
  • b) Unterſchrift des Koͤnigs an die Unterthanen oh - ne ſeinen Namen.

§. 33.

Der Spanier iſt ein aberglaͤubiſcher Chriſt, und putzt die Catholiſchen Ceremonien mit Spa - niſchen Verzierungen aus. Die 8. Erz - 44. Suffcagan - und 2. exempte Biſchoͤfe nebſt un - zaͤhligen Kloͤſtern zehren das Fett von Spanien. Jn America iſt die Geiſtlichkeit weder an Men - ge noch an Reichthum viel geringer. Man zaͤh - let allein 6. Ertz - und 38. Bißthuͤmer darinnen.

  • a) Den Spaniſchen Aberglauben beweiſen ſelbſt Roͤmiſch-Catholiſche Schriftſteller, als der P. LABAT I. 15, und der Verfaſſer der Lehrr. Nachr. II. 42.
b) 61Spanien.
  • b) Von der gantzen Kirchenverfaſſung handelt VAYRAC. t. II. liv. IV.
  • c) Der Ertzbiſchof von Toledo, iſt Primas Hiſpa - niae, Cancellarius Caſtellae und Conſiliarius ſtatus natus, er hat die geiſtliche Jurisdietion uͤber 5. groſſe und 109. andre Staͤdte, 516. Flecken und Doͤrfer, 4. Collegial-Kirchen, 25. Ertzprieſter, 5000. Prieſter, und mehr als 506000. Communicanten. VAYRAC II. p. 331. welcher von deſſen Domeapitul hinzufuͤgt: qui eſt ſans contredit le plus Auguſte, le plus nombré et le plus riche de la Chrétienté après S. Pierre de Rome p. 329. Man rechnet des Ertzbi - ſchofs Einkuͤnfte auf 300.000. und des Domcapituls auf 150 000. Ducaten.
  • d) Die Ann. d’Eſp. IV. 45. zeigen aus des GIL GONZALEs D AVILA grandeſſes de Madrid, daß ſchon 1623. die Franeiſeaner allein 859 Kloͤſter beſeſ - ſen, worinnen ſich mehr als 14.000. Moͤnche und Non - nen maͤſten.
  • e) Der Reichthum der Kirchen zu Madrid, Se - villa, Toledo, Sarragoſſa, erhellet aus den Lehrr. Nachr. II. 76.
  • f) ALEXANDRE OLIVIER OEXMELIN in ſeiner Hiſtoire des avanturiers qui ſe ſont ſignalés dans les Indes, II. tomes a Paris 1688. 12. hat einen be - ſondern Anhang von der Chambre des comptes dans les. Indes, worinnen die geiſtliche Stifter in Ameri - ea und deren Einkuͤnfte namhaft gemacht werden.

§. 34.

Der Koͤnig ernennt zu allen Ertz - und Biß - thuͤmern, und der Pabſt beſtaͤtiget ſie. Die Canonicate vergiebt theils der Koͤnig, theils derBi -62Spanien. Biſchof, theils das Capitul, theils der Pabſt. Dieſer genieſſet auch das eintraͤgliche ius ſpolii durch ſeinen Nuntium.

  • a) Den Vergleich Kayſer Carls V. mit dem Pabſt Clemens VII. wegen der Ernennung zu den Stiftern findet man in des gedachten Pabſtes Bulle im Corps Dipl. Supl. tom. I. part II. p. 109.
  • b) Siehe auch Journal du voyage d’Eſp. p. 381.
  • c) Keine Paͤbſtliche Bulle darf ohne des Koͤnigs ſchriftliche Einwilligung publicirt werden

§. 35.

Die beruͤchtigte Jnquiſitions-Gerichte, welche die Koͤnigin Jſabella, Kraft eines Geluͤb - des zuerſt in Spanien eingefuͤhret, und deren man jetzt 14. in dem Reiche ſelbſt und 3. in A - merica zaͤhlet, haͤlt die Nation fuͤr ihr Heilig - thum, andre aber ſehen ſolche als das allergrau - ſamſte Blutgericht an. Spanien hat ſich da - durch unerſetzlichen Schaden gethan, und die unumſchraͤnckte Gewalt der Jnquiſition bleibt allemal gefaͤhrlich und ſchrecklich, ungeachtet in vielen Jahren keine feyerliche Autos da fe vor - genommen werden.

  • 1) Backers vollſtaͤndige Nachricht von der Jnquiſition aus dem Engliſchen mit D. Baumgar - tens Vorrede, Halle 1736. 8. iſt unter den vielen Schriften hiervon am brauchbarſten.
  • a) Urſprung des ſancti offieii inquiſitionis hae - reticae prauitatis vom heiligen Dominico unter Pabſt Jnnocentio gegen die Albigenſer.
b) 63Spanien.
  • b) Die Paͤbſte fuͤhrten ſolche in Jtalien ein; aber die Teutſchen, Engellaͤnder, Franzoſen und Nieder - laͤnder lieſſen ſich ſolche nicht aufbuͤrden.
  • c) Verfaſſung, Privilegia, Jurisbietion dieſer Ge - richte, nebſt den Hauptpuncten ihrer Unterſuchungen, ihren 20. 000 Familiares, Proceſſen und Executionen.
  • d) Wie ſie mit Carl V. und Philipp III. umge - gangen?
  • e) Beſondere Anmerkungen aus den treflichen Me - moires de la cour d’Espagne, pag. 195.

§. 36.

Den Unterthanen ſind von Ferdinando Ca - tholico die Leges Tauri vorgeſchrieben. Die neuern Koͤnigliche Verordnungen hat Philipp II. 1567. in eine Recopilacion und Philipp IV. 1640. in eine nueva Recopilacion bringen laſſen. Nach dieſen legibus ordinationum geltẽ die Fo - ra, (ſtatuta prouincialia und localia), zu wel - chen auch das Fuero Iuzgo, oder Forum, ſeu Liber Iudicum gehoͤrt, alsdenn la Partita, o - der die Leges ſeptem partitarum, und endlich ius Caeſareum oder Romanum.

  • a) Die Leges Tauri ſind auf den Cortes zu To - ro 1500. abgefaſſet, und beſtehen aus 83. Geſetzen. Zween Gomez, Großvater und Enkel haben ſolche mit Commentariis erlaͤutert, Francof. 1591. f.
  • b) Die nueva Recopilacion de las leyes de eſtos Reynos en tres tomos, ſind zu Madrit 1640. f. herausgekommen.
c) Das64Spanien.
  • c) Das Forum iudicum iſt eine Sammlung, die noch von den Gothiſchen chriſtlichen Koͤnigen herruͤh - ret. Man findet ſie in LINDENBROGII Codice le - gum antiquarum.
  • d) La Partita iſt unter Alphonſo X. dem Weiſen - Koͤnige von Caſtilien, ex dictis ſanctorum et ſapien - tum et moribus Hiſpanorum 1260 geſammlet worden, und hat von ihren 7. Theilen den Namen erhalten. Gregorius LOPEZ hat Spaniſche Gloſſas, und die beyde a Hermoſilla, Vater und Sohn, haben einen Commen - tarium daruͤber geſchrieben.
  • e) Die Rangordnung dieſer Geſetzbuͤcher wird in leg. 1. Tauri feſtgeſtellt.
  • f) Um die Spaniſche Geſetze hat ſich der Daͤniſche Legations-Secretaͤr Gerhard Ernſt von Franke - nau verdient gemacht, welcher Sacra Themidis Hi - ſpaniae Arcana zu Hannover 1703. 4. herausgegeben.

§. 37.

Die kleinere Staͤdte und Flecken haben ih - re Rigidoros und Alcaldes, die groͤſſere Staͤd - te ihre Corrigidoros. Uebrigens ſind 7. Pro - vinzial-Gerichte oder Audienzias Reales, wor - innen die Vicekoͤnige und Statthalter den Vor - ſitz haben. Sie ſtehen unter dem hoͤchſten Reichstribunal dem Conſejo Real di Caſtilla, welches in 4. Cammern abgetheilt iſt. Der Proceß iſt koſtbar und langweilig.

  • a) Das einzige Koͤnigreich Navarra iſt hievon aus - genommen. Dieſes hat ſeine beſondere Geſetze, ſei - nen beſondern Proceß und ein Conſejo Real mitdem65Spanien. dem Privilegio de non appellando. VAYRAC, t. III. liv. VI. p. 251.
  • b) Ehemals genoſſen Arragonien, Valentia und Ca - talonien eben dieſer Vorrechte; aber Philipp II. caſ - ſirte ſolche in dem erſten Reiche, und Philipp V. 1706. in den beyden andern Provinzen.
  • c) Der koͤnigliche Rath von Caſtilien vertheidiget auch die Rechte der Majeſtaͤt gegen die Paͤbſtliche Ein - griffe. ZANETORNATO in ſeiner relatione del go - verno della corte di Spagna, Cosmopoli 1672. 12.

§. 38.

Die koͤnigliche Einkuͤnfte flieſſen zuſammen aus den Zoͤllen, (Almojarifazgos und Portos ſecos) dem Zehenden von allem, was verkauft oder vertauſchet wird, (Alcavalas) der Acciſe auf Fleiſch, Wein und andere Lebensmittel, (Los Milliones) der Vermoͤgenſteuer, (Los Ser - vicios) dem Stempelpapier (Papel Sellado) und der Salzſteuer; (Salinas) ferner aus der Creuzbulle (Bolla de la Cruzada) und Dispen - ſation wegen der Faſtenſpeiſen, (Grozzura und Mantego) dem Tribut ſowohl der Geiſtlichkeit, (Terzias und el Escuſado) als des hohen A - dels und der Ritterorden, contribution des lances et des galères) und den Großmeiſter - thuͤmern.

  • a) Siehe von allen dieſen Arten der Einnahme VAYRAC, III. 284. und LAET in Hiſpania, p. 377.
  • b) Von der Creuzbulle und Dispenſationen LABAT,EI. 265.66Spanien. I. 265, 268. welcher die Creuzbulle des Pabſtes Urban VIII. im Anhange beygefuͤgt.

§. 39.

Jn America gelten alle Abgaben, die in Spanien mode ſind, und die Creutzbulle wird gar doppelt bezahlt. Auſſer dem ziehet der Koͤnig von aller Ausbeute theils 5. theils 10. Procente, von der Ausfuhr des Goldes und Silbers an - derthalb Procente. Das Muͤnzregal in Mexieo iſt gleichfalls ſehr eintraͤglich. Auf die Einfuhr der Mohren ſind ſchweere Abgaben gelegt, und noch auſſerdem iſt er in dem Negreshandel, wel - chen er den Engellaͤndern verwilliget, auf ein Viertheil intereſſirt.

  • 1. Etabliſſement d’une chambre des comptes dans les Indes Occidentales, III. partie, des revenus que le Roi d Espagne tire de l Amerique, p. 265. im Anhange zum zweyten Bande der obgedachten Hi - ſtoire des Avanturiers qui ſe ſont ſignalés dans les Indes.
  • a) Von den Einkuͤnften aus der Mexicaniſchen Muͤnze handelt LABAT, I. 271.
  • b) Die Bedingungen des Engliſchen Mohrenhan - dels nach dem Spaniſchen America ſiehet man aus dem Aſſiento-Tractat vom 26. Merz 1713. in Schmauſ - ſens Corp. I. Gent. Acad. tom. II. p. 1295.
§. 40.67Spanien.

§. 40.

Das Conſejo Real da Hazienda iſt uͤber die Reichs-Einnahme und Ausgabe geſetzt. Es iſt in vier Kammern eingetheilt, nehmlich in die Finanz-Millionen-Juſtitz - und Oberrechnungs - kammer, wovon die letzſtere Contaduria Major genennet wird, und beſteht uͤberhaupt aus einer groͤſſern Anzahl Perſonen, als alle uͤbrige koͤnig - liche Collegia zuſammen genommen. Durch die elende Haushaltung der Oeſterreichiſchen Koͤnige ſtiegen nicht nur die Kronſchulden entſetzlich; ſon - dern es fielen auch die Einkuͤnfte zugleich ſo uner - hoͤrt, daß man iu der ganzen Hiſtorie kein aͤhn - liches Exempel aufweiſen kann. Philipp V. hat deßwegen den groſſen Franzoͤſiſchen Cammerali - ſten Orry dreymal nach Spanien kommen laſ - ſen, und ziemliche Verbeſſerungen gemacht.

  • a) Von der Hazienda VAYRAC, III. 244.
  • b) Schon Philipp II. koſteten die jaͤhrliche Jntereſſen ſeiner Schulden die Haͤlfte ſeiner Revenuͤen. LAET in Hiſpania, p. 480.
  • c Vom Elende in Spanien unter Carln II. ſind die Memoires de la Cour d’Espagne und der ZANE - TORNATO voll. Man kann auch die Briefe des Filtz-Moritz, bl. 97. anſehen.
  • d) Von den Verbeſſerungen Philipp V. durch Orry VAYRAC, III. 304.
E 2§. 41.68Spanien.

§. 41.

Spanien kann ſchwerlich uͤber 40. biß 50. 000. Mann ins Feld ſtellen. Doch wird der Mangel an groſſer Anzahl durch die Tapferkeit und gute Eigenſchaften ſeiner Truppen erſetzt. Jnfanterie und Cavallerie ſind beyde gleich tref - lich; beſonders ſeit dem ſolche unter Philipp V. auf Franzoͤſiſchen Fuß geſetzt worden. Gutes Gewehr haben ſie im Ueberfluſſe.

  • a) LAET in Hiſpania, p. 443.
  • b) VAYRAC, III. 419.
  • c) Jhr Schieß - und Seitengewehr wird in Bilbar, Toloſette, Gallicien und Navarra gemacht.

§. 42.

Jm ſechszehenden Jahrhundert hatte Spa - nien unſtreitig eine voͤllige Uebermacht zur See. Nach dem Zuwachs von Portugal haͤtte es in allen Europaͤiſchen und Americaniſchen Gewaͤſ - ſern Geſetze vorſchreiben koͤnnen. Aber die fata - le Unternehmung auf Engelland 1588. brachte dem Spaniſchen Seeweſen einen toͤdlichen Stoß bey. Jnzwiſchen wachten die andern Nationen auf, und halfen die Spanier vollends niederwerfen. Seit dem Utrechtiſchen Frieden hat ſich Philipp V. groſſe Muͤhe gegeben, die Marine in beſſern Stand zu ſetzen, und ſeine Flotte iſt, auſſer den Americaniſchen Gallionen und 50. biß 60. Galee -ren69Spanien. ren, faſt auf 30. Kriegsſchiffe geſtiegen. Holz, Theer und Canonen haben ſie ſelbſt; aber Se - gel - und Thauwerk muͤſſen ſie von Fremden er - kaufen.

  • a) Philipp V. hat von den Franzoſen und Genue - ſern Schiffe gekauft, ja mit Rußland daruͤber nego - ciirt.
  • b) Die koͤnigliche Schiffe werden in Corunna, Fer - rol und Cadix aufbehalten.

6. Jntereſſe.

§. 43.

Die Natur hat Spanien vor auswaͤrtigen Anfaͤllen treflich ſicher geſtellt. Die Regiments - Form iſt ſo gut eingerichtet, daß dem Koͤnige zu Befoͤrderung der Landeswohlfahrt die Haͤnde nicht gebunden ſind. Aber ungeachtet der zum Theil gluͤcklichen Bemuͤhungen, welche es im jetzigen Jahrhundert angewandt, ſich aus ſeiner Erniedrigung herauszuhelfen, wird es ſich doch zur vorigen Hoͤhe nicht bringen, wenn es nicht ſeine Einwohner zu vermehren, und arbeitſamer zu machen, und eine allgemeine Reformation im Cammerweſen durchzuſetzen weiß.

  • a) THOMAS CAMP ANELLA in ſeinem diſcurſu de monarchia Hiſpanica, Amſtelodami 1640. 12. giebt den Spanien eine Menge Anſchlaͤge, die theils vernuͤnftig, theils laͤcherlich ſind.
E 3b) 70Spanien.
  • b) Auſſer den Vortheilen der Lage koͤnnen im Rei - che ſelbft auslaͤndiſche Truppen; ſonderlich Cavallerie nicht anders als mit den groͤßten Koſten und Beſchwer - lichkeiten ſubſiſtiren. VAYRAC, III. 320.
  • c) Chriſtliche Einfalt des Spaniſchen Miniſterii unter Carl II. aus ſeiner Antwort auf den Vorſchlag einiger Hollaͤnder, den Tajo ſchiſfbar zu machen. VAYRAC, III. 315.
  • d) Eine aͤhnliche Staatsmarime dieſer Herren we - gen der auslaͤndiſchen Manuſacturen erzehlen die Me - moires de la Cour d’Eſpagne depuis 1679. jusqu’en 1681. p. 292.
  • e) Daß Orry nicht gantz reuſſiren koͤnnen, und Alberoni ſowohl als Ripperda bey ihren guten Projecten ſo geſchwinde geſtuͤrtzt worden, daran hatten theils die hartkoͤpfige Spanier, theils die Auslaͤnder, ja ſelbſt die Jeſuiten Schuld. Lehrr. Nachr. II. 71.
Das71

Das II. Hauptſtuͤck. Staat von Portugal.

  • Schriftſteller:
  • 1. Aus denen bey dem Spaniſchen Staat angefuͤhr - ten Schriftſtellern koͤnnen hiebey nuͤtzlich gebraucht werden:
  • Annales d Eſpagne et de Portugal par Don JUAN ALVAREZ COLMENAR, und
  • Lehrreiche Nachrichten fuͤr einen Reiſenden in verſchiedene Europaͤiſche Staaten.
  • 2 Relation de la Cour de Portugal ſous Don Pedro II. traduite de l’Anglois, II. tomes, à Am - ſterdam, 1702. 8.
  • 3. Hiſtoire generale de Portugal par M. LEQVIEN de NEVFVILLE, II. tomes, à Paris 1706. 4 in dem Vorbericht.
  • 4. Staat von Portugal, (von Hrn. Hofr. Schmauſſen) 2. Theile, Halle 1714. 8.
E 45.72Portugal.
  • 5. Helmſtaͤdtiſcher Nebenſtunden ſechſtes Stuͤck, worinnen von Portugal und den zwiſchen dieſer Krone und dem Koͤnige von Spanien ent - ſtandenen Zwiſtigkeiten gehandelt wird durch G. (Goͤbel) Helmſtaͤdt 1736. 8
  • 6. Memoires de Portugal, dreſſez par le Che - valier d OLIVEYRA, II. tomes, à Amſterd. 1741. 8.

I. Staatsveraͤnderungen.

§. 1.

Portugal hat in alten Zeiten einerley Schick - ſal mit Spanien gehabt. Die Phoenicier, Carthaginienſer, Roͤmer, Alaner, Schwaben und Weſtgothen haben nacheinander darinnen geſeſſen: endlich im Anfange des achten Jahr - hunderts wurden die Saracenen davon Meiſter.

§. 2.

Heinrich ein Burgundiſcher Printz aus Koͤniglichem Franzoͤſiſchen Gebluͤte erobert einen Theil von Portugal im Namen Alphonſi VI. Koͤnigs von Caſtilien und Leon, wird durch ſei - ne Vermaͤhlung mit deſſen Printzeſſinn Thereſia Graf in Portugal 1093. und erhaͤlt es erb - und eigenthuͤmlich 1110. Sein Sohn Alphonſus erweitert ſeine Herrſchaft, nimt mit Wieder - ſpruch der Caſtilianer den koͤniglichen Titul an, und bringt die Regierungsform in Ordnung. Deſſen73Portugal. Deſſen Nachfolger ſaubern das Reich immer mehr von den Saracenen, Alphonſus III. ver - knuͤpft Algarbien mit der Krone, und die eheli - che maͤnnliche Linie ſtirbt mit Ferdinand I. 1383. aus.

§. 3.

Johannes der Baſtard, des letzten Koͤnigs natuͤrlicher Bruder, ſchwingt ſich mit Huͤlfe der Staͤnde auf den Thron, deſſen gluͤckſeelige Nach - kommenſchaft die gantze Kuͤſte von Africa, von Oſtindien und von Braſilien entdeckt, und an Land und Handel maͤchtig wird. Daher iſt unter Emanuel, dem Urenkel Johannis I. die guͤldene Zeit; aber mit dem Tode ſeines eigenen Uren - ckels Sebaſtians faͤllt alles, und Heinrich der Cardinal beſchließt den Mannsſtamm 1580.

  • a] Erſtaunliche Veraͤnderung des gantzen Handels zwiſchen Oſtindien und Europa.

§. 4.

Unter allen Kronpraͤtendenten behauptet Philipp II. Koͤnig von Spanien das Reich mit Gewalt. Seit dem wird nicht allein der reichſte Theil des Seehandels den vereinigten Nieder - laͤndern zur Beute; ſondern dieſe reiſſen auch gantze Jnſuln und Provinzen in beyden Jndien, und ſonderlich das beſte Stuͤck von Braſilien an ſich. Die Portugieſen verliehren auf allenE 5Sei -74Portugal. Seiten, und werden noch dazu greulich tyranni - ſiret. Dieſe Zeit der Truͤbſal dauert 60. Jah - re. Endlich ſetzen ſie ſich 1640. durch einen gluͤck - lichen Aufſtand in Freyheit, und ihr geliebtes Haus von Braganza auf den Thron.

  • a) Was Portugal, ehe es unter die Svanier ge - fallen, in Africa, Aſien und America beſeſſen.
  • b) Was es unter der Herrſchaft der Spanier ein - gebuͤſſet.
  • c) Wie auſſer den Hollaͤndern die Engellaͤnder / Perſianer, Japaneſer und ſelbſt die Spanier dazu be - huͤlflich geweſen.

§. 5.

Johannes IV. vertreibt die Hollaͤnder aus Braſilien, verliehrt aber faſt alles in Oſtindien. Sein Sohn Alphonſus VI. wird 1667. von ſeinem Bruder Peter II. der Krone beraubt, welcher den 28. jaͤhrigen Krieg mit den Spaniern 1668. ſo gluͤcklich endiget, daß er ihnen die Sou - verainitaͤt abzwinget. Er miſchet ſich auch in die Spaniſche Succeſſionshaͤndel, aber ohne Vor - theil. Seit dem hat das Reich unter Johann V. einer beſtaͤndigen Ruhe genoſſen.

  • a Endlicher Haager Vergleich zwiſchen Holland und Portugal wegen der Oſtindiſchen Eroberungen 1661.
  • 1. Hiſtoire des revolutions de Portugal par M. l’Abbé de VERTOT, à Amſterdam 1712. 12.
2. Be -75Portugal.

2. Beſchaffenheit der Laͤnder.

§. 6.

Portugal das aͤuſſerſte Reich in Europa gegen Weſten hat ein warmes; aber ſehr angenehmes Clima, iſt von ſehr mittelmaͤſſiger Groͤſſe, und wird gegen Morgen und Mitternacht von Spa - nien, gegen Abend und Mittag aber von dem Atlantiſchen Meer eingeſchloſſen.

  • a) Von der Annehmlichkeit Portugals ſchneiden die Portugieſen auf. Staat von Port. I. 67. aus des SOVSAE Luſitania liberata.

§. 7.

Auſſer dem Mondego erhaͤlt es ſeine groſſe Fluͤſſe, den Douro, Tejo, Guadiana und Minho aus Spanien. Sie ſind wenig ſchiffbar; aber deſto reicher an Fiſchen. Aus den verſchie - denen Gebuͤrgen quellen eine Menge Baͤche hervor, ſie geben auch die ſchoͤnſte Marmorbruͤ - che, und zeugen unſtreitig allerhand Metalle.

  • a) Der Douro, Tejo und Mondego fuͤhren Gold, Johannes III. hat ſich aus dem Metall des erſtern einen Scepter machen laſſen Helmſtaͤdt. Nebenſtun - den, bl. 24. aus des RESENDII antiquitatibus Lu - ſitanicis.
  • b) Martin Ficaretus wollte den Douro bis Leon ſchiffbar machen; aber es unterblieb aus Staats - raiſon.
c) 76Portugal.
  • c) Vom Marmor, den verſchiedenen Edel - und den treflichen Muͤhlſteinen, die bis nach Jndien gefuͤhret werden. Staat von Port I. 77.
  • d) Es ſind Kupferminen in Algarbien, Silber, Zinn-Bley - und Eiſenadern in den Nordlichen Thei - len des Reichs, und nahe an der Guadiana die Via de Prata; aber man bauet ſie mit Fleiß nicht. Lehrr. Nachr.

§. 8.

Portugal hat Seeſalz, Wein, Oliven - und Roßmarinwaͤlder, Honig, Orangen - und andre Gartenfruͤchte uͤberfluͤßig, Viehzucht und Schaͤfereyen zur Gnuͤge, mehr Eſel als Pferde, das Getreyde aber, ſonderlich Weitzen reichet jetzt fuͤr die Einwohner nicht zu.

  • a) Salzeanaͤle zu Santaren, Alenquer und Torres Vedras.
  • b) die beſte Weine in Algarbien.
  • c) Ehemals litte Portugal keinen Mangel an A - ckerbau; aber die viele Colonien und die Nachlaͤßig - keiten der Portugieſen ſind ſchuld daran. Staat von Portugal, I. 68.

§. 9.

Das Reich an ſich ſelbſt beſtehet aus zwey ſehr ungleichen Koͤnigreichen, Portugal und Al - garbien, wovon das erſte in 5. Provintzen ab - getheilet iſt.

§. 10.77Portugal.

§. 10.

Liſſabon iſt das praͤchtige Haupt von Por - tugal am Tejo, deſſen Zugaͤnge von der Seeſeite wohl verwahret ſind, Belem das Mauſolaͤum der Koͤniglichen Familie, das von Johann V. mit Millionen Koſten aufgefuͤhrte Maffra ein neues Eſcurial.

  • 1. DAMIANI a GOES Oliſiponenſis vrbis deſeri - ptio, tom. II. Hiſpaniae illuſtratae, p. 879.
  • 2. Maffra liegt 8. Meilen von Liſſabon, war ſonſt das armſte Kloſter in gantz Portugal, wo 12. Bettelmoͤnche unter einer Strohhuͤtte ſchliefen. Johannes ließ 12000. Mann daran arbeiten, und hat uͤber 3. Viertel ſeines Schatzes und des Braſilianiſchen Gol - des in Steine verwandelt, Lehrr. Nachr. I. 180.

§. 11.

Die viele Feſtungen gegen die Spaniſche Grenze, ſonderlich Valenza, Miranda de Dou - ro, Eſtremos, Elvas ruͤhren groͤſtentheils noch von Schombergs Anſtalten her. Unter den Seehaͤfen ſind nebſt Liſſabon auch Setubal, Porto und Viana merckwuͤrdig.

  • 1. ANTONII V ASCONCELLI deſcriptio regni Lufi - taniae iſt ſeinem hiſtoriſchen Wercke unter dem Titul: Anacephalaeoſes, id eſt ſumma capita actorum re - gum Luſitaniae angehengt, Antwerpiae 1621. 4.

§. 12.

Dieſe Nation iſt unter den Europaͤiſchen die erſte, welche neue Laͤnder entdecket, undwar78Portugal. war eine zeitlang die eintzige, welche ſich ruͤhmen konnte, ihre Herrſchaft in allen vier Theilen des Erdbodens ausgebreitet zu haben. So ſehr ſie auch von ihrer ehemaligen Hoͤhe herabgefallen, ſo beſitzet ſie doch noch in der uͤbrigen alten und neuen Welt anſehnliche Laͤnder.

§. 13.

Auf dem Atlantiſchen Meer gehoͤren die - ſer Krone die Azoriſchen Jnſuln nebſt Madera; Jn Africa etwas an der Kuͤſte der Barbarey, die Jnſuln des gruͤnen Vorgebuͤrges, nebſt der Jnſul St. Thomas, unterſchiedliche Feſtungen in den Koͤnigreichen Loango, Congo, Angola, in Monomotapa, und auf der oͤſtlichen Kuͤſte der Caffaren in Sofola, ferner an der Kuͤſte von Zanguebar der trefliche Seehafen Moſambique; in Aſien, und zwar in den Koͤnigreichen Cam - baya, Decan und Cuncan viele Oerter, haupt - ſaͤchlich Goa und Diu.

  • a) Die Azoriſchen Jnſuln liefern viel Paſtel.
  • b) Madera giebt herrlichen Wein und Zucker.
  • c) Die Capo-Verdiſche Jnſuln nebſt Zucker auch viel Saltz, Reiß und Cotton. St. Thomas iſt eine bloſſe Zuckerinſul.
  • d) Jn Monomotapa haben ſie unterſchiedliche Goldbergwercke in einem Bezirck von 60. Meilen.
  • e) Moſambique bedeckt ihren gantzen Africaniſchen und Aſiatiſchen Handel. Es iſt auch daſelbſt der vor - nehmſte Gouverneur von den Africaniſchen Provinzen.
f) 79Portugal.
  • f) Fehler der Portugieſen, daß ſie das Vorgebuͤr - ge der guten Hofnung unbeſetzt gelaſſen.

§. 14.

Jn America beſitzen ſie das unvergleichliche Braſilien nebſt einem Theile des angrenzenden Gviana, Paraguay und Magellanica biß an Cabo rotondo oder Punto de Marca. Dieſe Laͤnder geben Zucker in erſtaunlicher Menge, Gold, Silber und Edelſteine, Braſilien - und anderes Faͤrbe - und Bauholz, Taback, Jndigo, Pfef - fer, Jngver, Balſam, Baumwolle, Viehhaͤute.

  • 1. IOANNIS de LAET hiſtoria naturalis Braſiliae, Lugduni Batavorum 1648. f.
  • a) Von allen dieſen Nebenlaͤndern der Portugieſen giebt einen ſchoͤnen Auszug aus Johann Hugo von Linſchotten Reiſen, den Voyages des LE MAIRE, Carli nach Venedig uͤberbrachtem Mohr, der Re - lation des voyages de M. de Gennes par FROGER, dem Voyage de DELLON aux Indes orientales und Dappers verſchiedenen Schriften der Staat von Portugal, I. Theil, 2. Capitel.
  • b) Vom Bay de todos los Santos und der Haupt - ſtadt in Braſilien St. Salvador macht FREZIER in ſeiner relation du voyage de la mer du Sud p. 225. eine accurate Beſchreibung.
  • c) Die beſte Goldbergwerke ſind in Rio di Ianeyro, vieles davon haben die Pauliſten im Beſitz. FREZIER eb. daſ. Man findet in Braſilien Stuͤcke von 3. biß 8. Mark gediehenes Goldes, welches bißweilen kaum 2 Fin - ger tief unter der Erde liegt. Lehrr. Nachr. I. 212.
3. Be -80Portugal.

3. Beſchaffenheit der Einwohner.

§. 15.

Das Land iſt volkreich genug; es wuͤr - de aber ſonderlich ſeit der Aufnahme und Be - kehrung der Juden unter Johann II. und Ema - nuel noch weit ſtaͤrker bewohnet ſeyn, wenn nicht die viele Schiffarten, auswaͤrtige Colonien und der Religionseifer ſo viel Menſchen gekoſtet haͤtte.

  • a) Die Provinz Entre Minho e Douro wimmelt ſonderlich von Menſchen. Staat von Portugal, I. 19.
  • b) Menge und Anſehen der heimlichen Juden, die oft ſelbſt unter der Moͤnchskutte und Biſchofsmuͤ - tze ſtecken. Eb. daſ. II. 282.
  • c) Warum Petrus II. das ungemein vortheilhafte Erbieten der Juden in Amſterdam und der Levante nicht angenommen, Memoires d ABLANCOURT, p. 379.
  • d) Wie erſtaunlich die Zahl der Einwohner in Por - tugal durch die Schiffarten nach beyden Jndien ab - genommen, ex Botero LAET in Hiſpania, cap. IV. p. 95.

§. 16.

Die Sprache und das Temperament der Portugieſen iſt groͤſtentheils Spaniſch. Doch hat die Vermiſchung dort mit der Franzoͤſiſchen Mundart, hier mit dem Juͤdiſchen Blute ver - ſchiedenes geaͤndert.

a) Jn81Portugal.
  • a) Jn der Prahlerey, der Eiferſucht und dem uͤblen Bezeigen gegen Fremde kommen ſie dem Spanier gleich; aber in der Verſchlagenheit und Pracht uͤbertreffen ſie ihn.
  • b) Hievon ſo wohl als von ihrer Sieſta, dem Stierge - fecht und dem Umgange mit ihrem Frauenzimmer haben die Lehrr. Nachrichten viel Merkwuͤrdiges.

§. 17.

Die Barbarey ſitzt an dieſer Ecke von Eu - ropa noch ziemlich feſt, und hat den Aberglau - ben zur Schutzwehr. Die Wiſſenſchaften wer - den in Coimbra und Evora zwar gut bezahlt; a - ber ſchlecht getrieben. Die Landesgeſchichte hat das Gluͤck genoſſen, daß der jetzige Koͤnig ihrent - wegen 1721. eine Academie von Standesperſo - nen errichtet, welche ſich durch unterſchiedliche Schriften bey der gelehrten Welt ſchon legitimi - ret hat.

  • a) Unwiſſenheit des Portugieſiſchen Miniſterii in der Geographie aus dem Gluͤckwunſch an den neuen Koͤ - nig von Preuſſen. IOANNIS PETRI LVDEWIGII opuſcula oratoria, num. XIV.
  • b) Jn Liſſabon iſt keine Univerſitaet; aber ſie iſt zwey - mal da geweſen, und zweymal wieder nach Coimbra verlegt worden. Staat von Portugal, II. 319.
  • c) Von der neuen Academie der Geſchichte ſiehe Acta Eruditorum ad a. 1727. menſ. Januar. n. 1. Es iſt ihre Einrichtung beſchrieben in der Hiſtoria da Academia real da hiſtoria Portugueſa compoſta por MENOLL TELLES da SYLVA, 1727. f.
F§. 18.82Portugal.

§. 18.

Die Feldarbeit und die Handwerker ſind dem Portugieſen entweder zu geringe oder zu muͤh - ſam. Er verraͤth ſeine Ungeſchicklichkeit ſo gar in den gemeinſten Geſchaͤften der Haushaltung. Auſſer einiger groden Leinwand, Stroharbeit und candirten Sachen macht er faſt keine Kunſt - arbeit, und man beſchuldiget die Engellaͤnder, daß ſie dafuͤr ſorgen huͤlfen, damit er in Manu - facturen und Fabricken nicht kluͤger wuͤrde.

  • a) Durch was fuͤr Privilegia man den Bauern zum Ackerbau aufmuntern muͤſſen.
  • b) Johannes II. ſuchte die Pferdezucht zu verbeſſern, kaufte viel Pferde aus der Barbarey, theilte ſolche aus, verboth auf Mauleſeln zu reuten, und zwang auf eine liſtige Art auch die Geiſtlichkeit, ſich der Pferde zu be - dienen. EMANUEL TELLESIUS SYLVIUS de rebus geſtis Ioannis II., Hagae Comitum 1712. 4. p. 209.
  • c) Grobe Einfalt an dem Exempel der Butter und der Eißgruben, aus den Lehrr. Nachrichten,
  • d) Eben dieſe erzehlen die Bemuͤhungen der Engli - ſchen Kaufleute, wodurch ſie die neuen Spiegelmanu - facturen in Portugal gluͤcklich ruiniret, II. 173.

§. 19.

Hergegen den Handel verſteht er aus dem Grunde. Er ſchiffet in alle Theile der Welt, nur nicht in andre Europaͤiſche Laͤnder. Auſſer dem, was ſeine ihm dort unterwuͤrfige Provin - zen liefern, hohlt er Gold, Helfenbein, Haͤuteund83Portugal. und Negres aus Africa, und die koſtbare Chi - neſiſche Waaren aus Macao. Der ganze Han - del von und nach Braſilien geht bloß durch ſeine Hand. Dem ungeachtet iſt der Profit von die - ſen weitlaͤuftigen Commercien vor ihn nicht auſ - ſerordentlich groß, weil er ſeine inlaͤndiſche und Jndiſche Waaren und Schaͤtze anwenden muß, um von den Europaͤiſchen Nationen Getreyde, nnd faſt alle nur moͤgliche Manufacturen von Wolle, Seyde, Leinen und allerhand Metallen, biß auf Glaß und Papier, vor ſich und ſeine Ne - benlaͤnder theils zu ertauſchen, theils zu erkaufen.

  • a) Die Negres braucht er in groſſer Menge in Bra - ſilien nicht nur zur Arbeit, ſondern auch zum Staat, und rechnet FREZIER 20. Mohren gegen einen Weiſ - ſen in der Stadt St. Salvador. Voyage de la mer du Sud, II. 532.
  • b) Der Handel nach Macao iſt nicht nur wegen der Chineſiſchen Seyde, und allerhand Manufacturen, Thee, Muscus, Ambra, u. ſ. w.; ſondern auch deß - wegen ſehr wichtig, weil das Silber dort um 30. Pro - cent hoͤher am Wehrte iſt, als in Europa. Staat von Portugal aus Linſchottenl itinerario, I. 145.
  • c) Politick der Koͤnige von Portugal, den Aus - laͤndern die Braſilianiſche Haͤfen zu verſchlieſſen, wenn ſie gleich[vor] baar Geld handeln wollten. FREZIER, II. 538.
  • d) Von ihren Braſilianiſchen und Oſtindiſchen Kaufardeyflotten, was und wie viel ſie nach Portu - gal bringen.
  • e) Was die andre Europaͤiſche Nationen nach Por - tugal fuͤhren, Staat von Portugal, II. 427, undF 2uͤber -84Portugal. uͤberhaupt das XII. Capitel daſelbſt vom Zuſtande der Manufacturen und Commercien in Portu - gal.

§. 20.

Die Portugieſen rechnen nach Reis, deren 25. einen ggr. betragen, nach Cruſados oder Du - cati de Portugal, von 400. Rees, das iſt, 16. ggr. und nach Millereis oder 1. Rthlr. 16. ggr. Die gangbare Silbermuͤnzen ſind ein Vintin von 20. Rees, Real von 40. R., Toſtun von 100. R. Patagon von 500. R. Die Goldmuͤn - zen ſind ein Moeda von 2000. R., Mi-Moe - da, Doppio-Moeda und die groſſe Goldſtuͤcken von 10.000. R.

  • a) Siehe Staat von Portugal, II. 439.

4. Staatsrecht.

§. 21.

Die Leges Lamecenſes, oder die 22. Ar - tickel, welche auf dem Reichstage zu Lamego un - ter der Regierung des erſten Koͤnigs von Portu - gal Alphonſi Henriquez 1181. feſtgeſtellt wor - den, ſind das Hauptgrundgeſetz des Reiches, und betreffen den Titul des Reichs, die Erbfolge, den Adelſtand, das Gerichtsweſen und die Souve - rainetaͤt von Portugal. Das Manifeſt der Reichsſtaͤnde von 1641. wegen Erhoͤhung des Her -zogs85Portugal. zogs von Braganza Johannes auf den Portu - gieſiſchen Thron erklaͤret den Punct der Erb - folge, und beſtaͤtiget das Recht der Staͤnde bey Succeßions-Streitigkeiten.

  • a) Die Leges Lamecenſes ſind in Hrn. Schmauſſens Corp Jur. Gent. Acad. p. 5, das Manifeſt eben daſ. p. 2290. befindlich.

§. 22.

Johannes V. jetztherrſchender Koͤnig von Portugal iſt ein Sohn Koͤnigs Petri II. und der Pfalzneuburgiſchen Prinzeßinn Maria Sophia Eliſabeth. Er wurde gebohren 1689., trat die Regierung an 1707., vermaͤhlte ſich mit der Erz - herzoginn Maria Anna Joſepha, einer Toch - ter des Kayſers Leopolds 1708. Sein Erbprinz Joſeph Emanuel hat von ſeiner Gemahlinn der Spaniſchen Prinzeßinn Maria Anna Vi - ctoria noch keine maͤnnliche Erben erzielt. Der nachgebohrne Prinz Petrus iſt Großprior von Crato. Die Prinzeßinn Maria Magdalena iſt nunmehr regierende Koͤniginn von Spanien. Des Koͤnigs Johannes Bruder Don Emanuel hat wunderliche Schickſale gehabt, und ſich faſt in ganz Europa umgeſehen.

  • a) Den Koͤnig, die Koͤniginn nebſt der ganzen koͤ - niglichen Familie characteriſirt treflich der Verfaſſer der Lehrreichen Nachrichten.
F 3b) Die86Portugal.
  • b) Die Wechſelheyrath zwiſchen Spanien und Por - tugal 1729. iſt noch zur Zeit auf beyden Seiten un - gluͤcklich.

§. 23.

Der vollſtaͤndige Koͤnigliche Titul lautet al - ſo: Joannes Dei gratia Rex Portugalliae et Algarbiorum, cis et vltra mare in Africa, Dominus Guineae, conquiſitionis, nauiga - tionis et commercii Aethiopiae, Arabiae, Perſiae Indiaeque etc.

  • a) Algarbiorum rex nennte ſich Alphonſus V. ſeit 1471. wegen ſeiner Africaniſchen Eroberungen. NEVF - VILLE hiſtoire generale de Portugal, tom. I. p. 442, 455.
  • b) Nauigationis und commercii dominus iſt ſonſt in der Europaͤiſchen Titulatur unerhoͤrt, weil dieſes res incorporales ſind. Emanuel fuͤhrte ſolchen Ti - tul ein, und brauchte ihn ſchon 1513. Die beyde Paͤbſt - liche Bullen Nicolai V von 1454. und Alexandri VI. von 1493 haben vermuthlich hiezu Anlaß gegeben. Bey - de ſind in dem Staat von Portugal exttahirt, die erſten aus RAYNALDI continuatione Baronii, die andre aus CHERVBINI Bullario.

§. 24.

Der aͤlteſte Sohn des regierenden Koͤniges wurde ſeit Eduards Zeiten Prinz genennt, Jo - hannes IV. aber legte ihm den Namen Prinz von Braſilien bey. Die uͤbrige Koͤnigliche Kin - der und Bruͤder heiſſen, wie in Spanien, Jnfanten.

a) Vor87Portugal.
  • a) Vor Eduarden hieſſen alle Koͤnigliche Kinder oh - ne Unterſcheid Jnfanten. Staat von Portugal, I. 406. aus dem VASCONCELLO und FARIA.

§. 25.

Den fuͤnf Schildlein 1. 3. 1. des Koͤnigli - chen Wappens mit ihren fuͤnf ſilbernen Pfenni - gen in Form eines Andreaskreutzes gelegt geben die glaubensvolle Portugieſen eine myſtiſche Er - klaͤrung, ja ſie ſehen dieſes Wappen wegen ſei - nes goͤttlichen Urſprungs als ein Pfand der ewi - gen Dauer ihres Reiches an.

  • a) Chriſtus, als er Alphonſo I. erſchien, hat die - ſes Wappen mit folgenden Worten eingeſetzt: vt ag - noſcant ſucceſſores tui datorem regni, inſigne tu - um ex pretio, quo ego humanum genus emi, et ex eo, quo ego a Iudaeis emtus ſum, compones: et erit mihi regnum ſanctificatum, fide purum et pietate dilectum, nach dem Document von Alcobaza, §. XI. Siehe daſſelbe in IOANNIS CARAMUELIS LOBKOWITZ Philippo Prudente, Luſitaniae legi - timo Rege, Antwerplae 1639. f. lib. II. art. VII. p. 114.
  • b) Erweiß, daß, wenn dieſe Einſetzung richtig iſt, die nachfolgende Koͤnige einen erſchrecklichen Fluch auf ſich geladen haben, vt ſint in Domino maledicti, et cum Iuda traditore in inferno macerati, eben daſ. §. 15.
  • c) Urſprung der Unterſchrift des Koͤnigs Quinas genannt.
F 4d) Sie -88Portugal.
  • d) Siehe uͤberhaupt den Staat von Portugal. II. Cap. 7 und Hrn Prof Koͤhlers Muͤuzbeluſtigun - gen, VII. Theil, Bl. 33.

§. 26.

Der Hofftaat iſt nach Proportion des Reichs faſt gar zu anſehnlich. Die meiſte Hof - aͤmter ſind in gewiſſen Familien erblich. Die Galla iſt ſchwarz und Spaniſch. Der Rang bey Hofe iſt nach einer klugen Alternative zwi - ſchen den weltlichen und geiſtlichen Standesper - ſonen eingerichtet.

  • a) Staat von Portugal, II. Cap. 6. und NEUF - VILLE hiſtoire gener. de Portug. tom. I. p. 47.
  • b) Die Unterthanen bekommen kniend Audienz, und der Staatsſecretaͤr expedirt alles auf den Knien, und uͤberhaupt ſind in den koͤniglichen Zimmern keine Stuͤhle. Lehrr. Nachr. I. 75.

§. 27.

Der Ritterorden von Avis iſt 1147. ent - ſtanden, und hat 1162. von Alphonſo I. ſeine Sta - tuta erhalten. Er folget der Regel des heiligen Benedicti. Der von Sant Iago de la Spatha iſt aus dem Spaniſchen Jacobsorden entſprun - gen, und unter Koͤnig Dionyſio davon abgeſon - dert worden. Er beobachtet die Regel des heili - gen Auguſtin. Die Ausrottung der Tempel - herrn gab Gelegenheit zum Ritterorden Chriſti, welcher von obgedachtem Dionyſio 1319. errichtetworden.89Portugal. worden. Er folgt mit dem Orden von Avis ei - nerley Regel. Alle drey Orden ſind alſo geiſtlich, duͤrfen aber doch heyrathen, und haben ihre ein - traͤaliche Comthureyen. Kraft der Bulle des Pabſtes Julii III. von 1550. iſt die Großmeiſter - ſchaft aller 3. Orden bey den Koͤnigen erblich, und ſie diſponiren von allen Commenden.

  • a) Staat von Portugal, II. Cap 9. und Me - moires d’Oliveira, tom. II. chap. 6.
  • b) Die Malteſerritter haben auch in Portugal anſehnliche Guͤter, ſonderlich das Priorat zu Crato. Der Koͤnig vergiebt auch dieſe Commenden.

§. 28.

Vermoͤge oberwehnter Lamegiſchen Con - ſtitution iſt der Portugieſiſche Thron zwar erblich, doch unter beſonderen Einſchraͤnkungen. Die Bruderskinder muͤſſen die Einwilligung der Staͤnde bey ihrer Thronfolge ſuchen. Die Prin - ceßinnen koͤnnen auch ſuccediren, verliehren aber durch Vermaͤhlung mit einem Auslaͤnder ihr Erbrecht. Durch das Manifeſt von 1641. iſt das Ius repraeſentationis aus einem Roͤmiſchen Privatgeſetz ein Staatsgeſetz geworden, und die Staͤnde haben es als ein ſolches erkannt und feſt - geſtellt.

§. 29.

Alphonſus I. erhielte 1179. von Pabſt Ale - xander III. die koͤnigliche Krone, und EduardF 5I. 1437.90Portugal. I. 1437. von dem Concilio zu Baſel und dem Pabſte Eugen IV. das Recht, ſich mit eben den Ceremonien, wie die Koͤnige von Engelland und Frankreich bey der Kroͤnung ſalben zu laſſen. Das letztere iſt niemals ausgeuͤbet, und ſeit dem auch weiter an keine Kroͤnung gedacht worden.

  • a) Die Krone uͤberbrachte der Cardinal Albrecht, zugleich aber auch eine Paͤbſtliche Bulle, worinnen dem neuen Koͤnigreiche ein jaͤhrlicher Zins von 2. Mark Gol - des auferlegt wurde, welche Summe jederzeit an den Erzbiſchof von Braga ſollte aßigniret werden. Dieſe Bulle iſt aus BRANDAONIS Monarchia Luſitaniae im Staat von Portugal eingeruͤckt. NEUFVILLE I. p. 94. zweifelt, ob dieſer Tribut jemals bezahlet worden.

§. 30.

Die Geiſtlichkeit, der hohe Adel und die Buͤrgerſchaft machen die 3. Staͤnde des Reiches aus. Der Koͤnig ſchreibt den Reichstag 4. Wo - chen vorher aus. Jm Fall der Noth ruft er die in Liſſabon anweſende hohe Collegia, Kronbe - diente und den Stadtrath zuſammen, und was auf dieſem engern Ausſchuße beſchloſſen wird, hat mit den Reichstagsſchluͤſſen gleiche Kraft.

  • a) Den hohen Adel machen die Titulados aus. Sie beſtehen aus 1. Herzoge, dem von Cadaval, Rel. de la Cour de Port. p. 72, ohngefehr 10. Marggra - ſen, etlichen 30. Grafen, 1. Bisconde, dem von Vil -la91Portugal. la Nova de Serveira und 1. Baron, dem von Albito. Staat von Port. II. 70.
  • b) Reichthum des hohen Adels. Staat von Por - tugal, II. Theil, 4 Cap.
  • c) Merkwuͤrdige Moradias Exempel des Ferdinand Magellanes, der wegen einer verweigerten jaͤhrlichen Penſion von 16. ggr. die Krone in einen Verluſt von 350.000. Dueaten gebracht.
  • d) Schwuͤrigkeiten in der Genealogie der Portu - gieſiſchen Familien. Lehrr. Nachr. I. 224.

§. 31.

Nachdem die Koͤnige ſich mehr oder weni - ger Anſehen zu geben gewußt, haben die Staͤn - de des Reichs wenigere oder mehrere Vorrechte ausgeuͤbet. Sie haben in ihrem Manifeſt vom J. 1641. ſich oͤffentlich das Recht zugeeignet, ih - re Koͤnige abzuſetzen, auch ſolches zu dreyen verſchiedenen Malen ausgeuͤbet. Nach der groſ - ſen Revolution miſchten ſie ſich in verſchiedene Kriegs - und Friedensgeſchaͤfte. Wenigſtens iſt ſo viel gewiß, daß die Abgaben ohne ihre Einwil - ligung nicht erhoͤhet werden koͤnnen.

  • a) Exempel der verſchiedenen Regierungen an San - ctio II. Alphonſo V. Johann II. und den Spaniſchen Koͤnigen.
  • b) Die Worte des Manifeſtes ſind unter andern: quand les ſujèts ſont traités tyranniquement par leurs Souverains, il eſt en leur pouvoir de leur ôter la couronne.
c) San -92Portugal.
  • c) Sanctius II. Philippus IV. und Alphonſus VI. haben das Schickſal verworfener Koͤnige erfahren. Bey dem erſten nahmen jedoch die Staͤnde das Anſehen des Pabſtes zu Huͤlfe.
  • d) Exempel der Gewalt des Liſſaboniſchen Juiz da Povo oder Stadtrichters unter Pedro II. Relation de Portugal ſous Don Pedro II. pag. 500.
  • e) Hergegen Johannes V. mußte den Adel durch Caca-Porto und andre harte Mittel zu demuͤthigen. Lehrr. Nachrichten I. 82.

5. Verfaſſung der Reichsgeſchaͤfte.

§. 32.

Der Staatsrath iſt das hoͤchſte Reichscol - legium, worinnen der Koͤnig ſelbſt praͤſidiret. Der Escrivam de Puridade iſt des Koͤnigs rechte Hand, unter welchem noch drey andre Staatsſecretaͤre der auswaͤrtigen und einheimi - ſchen Affairen ſtehen. Den Provinzen, ſind Statthalter vorgeſetzt; Der Vicekoͤnig von den Oſtindiſchen und Africaniſchen Nebenlaͤndern re - ſidirt in Goa, der von Braſilien in St. Sal - vador.

  • a) Doch hat der oberſte Staatsſeeretaͤr in keinem Collegio weder Votum conſultatiuum noch delibera - tiuum, Relation de la Cour de Portugal ſous Don Pe - dro II. tom. II. chap. VIII. p. 256. Exempel an Diego de Mendoça Corte Real aus den Memoires d Oli - veira, tom. II. p. 91.
b) Die93Portugal.
  • b) Die uͤbrige Statthalter in Africa, Oſt - und Weſtindien, ſtehen theils unter den Vicekoͤnigen, theils unmittelbar unter dem Koͤnige.

§. 33.

Die herrſchende und eintzig erlaubte Reli - gion iſt die Roͤmiſchcatholiſche, und der Portu - gieſe iſt in ſeinem ceremonieuſen Glauben eben ſo erſoffen, als ſein Nachbar. Seit dem die Ju - den zum Chriſtenthum gezwungen worden, hat man einen Unterſchied unter den alten, neuen und halbneuen Chriſten (Chriſtam velho, Chri - ſtam novo, temparte de Chriſtam novo) machen muͤſſen. Die 4. Jnquiſitionsgerichte zu Liſſabon, Coimbra, Evora und Goa und de - ren grauſame Feſte ſind jetzt ſehr vernuͤnftig ein - geſchraͤnkt.

  • a) Von ihren Heiligen, der Eliſabeth, dem Anton von Padua und dem Apoſtel der Jndianer Xaver.
  • b) Von der ehemaligen Strenge der Portugieſiſchen Jnquiſition ſiehe DELLON hiſtoire de l’inquiſition de Goa, à Paris 1687. 12.
  • c) Von den weiſſen Einſchraͤnkungen Johannis V. Lehrr. Nachr. I. 133. und Memoires d’Oliveira, tom. I. ehap. XI.

§. 34.

Portugal zaͤhlt 3. Erzbiſchoͤfe, von Braga, Liſſabon und Evora, unter welchen 11. Biſchoͤfe ſtehen. Jn St. Salvador und Goa ſind eben - falls Erzſtifter angelegt, welche ihre Suffra -gan -94Portugal. ganbiſchoͤfe in Weſt - und Oſtindien haben. Ei - ne Menge Abteyen und Kloͤſter ſind durch alle Theile des Reichs zerſtreuet, unter welchen die Abtey von Alcobaza fuͤr die fetteſte gehalten wird. Seit Kurzem prangt das Reich auch mit einem Patriarchat, welches Johann V. durch Sturm vom Roͤmiſchen Hofe erpreſſet, und mit erſtaun - lichem Aufwande zu Stande gebracht, um im Nothfall ſeinen eigenen Hauspabſt zu haben. Der Koͤnig ernennt zu den Bißthuͤmern, und aſſignirt auf ein Viertel der biſchoͤflichen Einkuͤnf - te nach ſeinem Belieben Penſionen. Der aus - ſchweiffenden Gewalt, welche ſonſt der allgemei - ne Vater der Roͤmiſchen Kirche hier auszuuͤben gewohnt war, iſt von eben dem Johann V. ein Ziel geſtecket worden; doch traͤgt dieſes gehorſa - me Reich dem Pabſt noch groſſe Summen ein.

  • a) Reichthum der Cleriſey.
  • b) Gluͤck der Jeſuiten, welche in Portugal den erſten feſten Sitz gefunden.
  • c) Urtheil von den Portugieſiſchen Patriarchen, als erblichen Cardinaͤlen und gemahlten Fuͤrſten, Lehrr. Nachrichten, I. 211.
  • d) Macht des Pabſtes, Relation de la Cour de Port. tom. II. chap. I.
  • e) Lang wuͤrige Zwiſtigkeiten zwiſchen Portugal und dem Pabſt wegen des Bicchi.
  • d) Kunſtſtuͤck der paͤbſtlichen Nuntiorum, Geld zu gewinnen. Lehrr. Nachr. II. 149.
§. 35.95Portugal.

§. 35.

Das Roͤmiſche Recht iſt hier nebſt den Gloſſen in voͤlligem Flor. Es ſind zwar koͤnig - liche Veroednungen vorhanden, welche den Vorgang haben, doch ſo, daß wer ſich auf ein Juſtinianiſch Geſetz beruffet, die Vermuthung ſo lange vor ſich hat, bis der Gegentheil beweiſet, daß das Geſetz aufgehoben worden. Nach den Gloſſen nimmt man auch das Paͤbſtliche Recht zu Huͤlfe.

  • 1. GERHARDI ERNESTI de FRANKENAV ſaera Themidis Hiſp. arcana, cap. XII.
  • a) Koͤnig Emanuel lies die Ordenanzas ſeiner Vor - fahren ſammlen und publiciren. Unter Philipp II. ſind die Ordinationes Portugalliae in V. Buͤchern zu Liſſa - bon 1602. fol. herausgegeben worden. Die Com - mentatores und Practicos des Portugieſiſchen Rechts werden in der Bibliotheca iuris Struvio-Buderiana, cap. VI. §. 4 p. 95. angezeigt. Siehe auch NEVF - VILLE in der Hiſtoire gen. de Port, I. 60.

§. 36.

Ganz Portugal iſt in 24. Comarcas oder kleine Provinzial-Gerichte eingetheilet, welche aus 2. einheimiſchen und einem auswaͤrtigen Rich - ter (Juez da fora) beſtehen, und von einem Corregedor jaͤhrlich viſitiret werden. Von dieſen kann in wichtigen Sachen an zwey tribu - nalia da Relaçaon appelliret werden. Das eine iſt zu Porto, und wird Caza de civel ge -nennt,96Portugal. nennt, das andre befindet ſich zu Liſſabon, und heißt Caza da ſupplicaçon. Jn beyden praͤſi - diret ein Regedor da Juſticia. Ueber das gan - tze Juſtitzweſen fuͤhrt der Rath des Pallaſtes, Deſembargo do paço, welcher ſich beſtaͤndig in dem Hoflager des Koͤnigs aufhaͤlt, und aus einem Praͤſidenten und 5. Deſembargadores beſtehet, die Oberaufſicht.

  • a) Ein Richter mnß 9. Jahr iura ſtudirt, 3mal in iure diſputirt, und 6. Examina ausgeſtanden haben. NEVFVILLE eb. daſ.
  • b) Vom Juſtitzweſen handelt weitlaͤuftig der Staat von Portugal, II. Capit. V.

§. 37.

Die Einkuͤnfte werden aus den herrlichen Patrimonial-Guͤtern des Hauſes Braganza, aus dem Ueberreſt der Domainen, aus den Steuern, den Zoͤllen, der Aceiſe, dem Zehenden von allem, was verkauft wird, den Ablaßzetteln und den Großmeiſterthuͤmern gezogen. Jn den Nebenlaͤndern ſind eben dieſe Abgaben einge - fuͤhrt, uͤber das iſt der Koͤnig Jntereſſent bey dem Handel mit den auswaͤrtigen Colonien, und hat das Monopolium mit Breſiltaback.

  • a) Ehe das Haus Braganza die Krone erlangte, war ſein Hertzogthum als ein Ungeheuer in einem ſo kleinen Koͤnigreiche anzuſehen, Staat von Portugal, II. 60. ex GONSALVO d AVILA.
b) 97Portugal.
  • b) Vermoͤge Paͤbſtlicher Conceſſion, die alle 6. Jahr erneuert wird, muß die Geiſtlichkeit die ſchwere Ac - ciſe gleichfalls bezahlen. Relation de la Cour de Port. I. 29.
  • c) Das reiche Einkommen aus dem Ablaßkram hat Portugal dem Koͤnige Philipp II. von Spanien zu danken. Pabſt Gregorius XIV. erlaubte ihm ſol - chen durch eine Creuzbulle 1591 welche ſeit dem von 3. Jahren zu 3. Jahren erueuert worden. Man fin - det ſelbige vollſtaͤndig in der Relation de la Cour de Portugal ſous D. Pedre II. tom. II. am Ende. Sie begreift die Bulle fuͤr die Lebendigen, fuͤr die Todten und die Compoſitions-Bulle unter ſich.
  • d) Das Monopolium des Schnupftabacks accordir - ten die Staͤnde dem Don Pedro auf dem Reichstage 1674.
  • e) Wie das Reich durch die harte Auflagen erſchoͤ - pfet worden, Relation de la Cour de Port. I. 23.

§. 38.

Das Conſejo da Facenda beſorgt die Ein - nahme des Reichs, unter welchem die Caza dos contos oder Rechnungskammer ſtehet. Die neu - verwilligte Abgaben hebt eine Junta, welche von den Reichsſtaͤnden geſetzet iſt. Die Zoͤlle wer - den in der Alfandega oder dem Zollhauſe geho - ben, welches in 14 Departements abgetheilet, und mit uͤberfluͤßigen Bedienten verſehen iſt. Der Ablaß wird in allen Staͤdten von einzelnen De - putirten verkauft, uͤber welche ein koͤniglicher General-Commiſſarius geſetzet iſt. Die von Jo - hann III. angeordnete Meza da ConſcienciaGet98Portugal. et ordens hat mit den Revenuͤen aus den Groß - meiſterthuͤmern zu ſchaffen. Die uͤble Einrich - tung des Cammerweſens, die uͤberhaͤufte Hof - penſionen und der unmaͤßige Aufwand in heili - gen Pallaͤſten und gar zu milden Stiftungen laſ - ſen die Schatzkammer nicht zu Kraͤften kom - men.

  • a) Von dem Zollhauſe Lehrr Nachr. II. 158.
  • b) Ueberhaupt ſiehe den Staat von Portugal, II. cap. XIII.

§. 39.

Die Kriegsmacht erſtreckt ſich auſſer der Landmilitz nicht auf 15000. Mann, und die ſonſt ſo anſehnliche Seemacht iſt dergeſtalt geſunken, daß anjetzt kaum 18. Kriegsſchiffe bemannet wer - den koͤnnen. Es fehlet uͤberall an Menſchen, Pferden, Officiers Jngeniers, Bezahlung, Kriegszucht und Erfahrung.

  • a) Der Kriegsruhm der Portugieſen war unter Emanuel aufs hoͤchſte geſtiegen. Warum er ſeit dem ſo ſehr gefallen.
  • b) Betruͤbter Zuſtand ihres Militaͤrweſens unter Johann IV. und Alphonſo VI. Relation de la Cour de Port. I. 57.
  • c) Schomberg, Gallovey und Carles ihre Lehr - meiſter haben ihre Creuzſchule in Portugal ge - funden.
d) 99Portugal.
  • d) Eifrige Anſtallten Johannis V. bey dem An - fange ſeiner Regierung zu deſſen Verbeſſerung.
  • e) Und dennoch ſieht es anjetzt noch ſchlecht damit aus, nach den Lehrr. Nachrichten fuͤr einen Rei - ſenden.
  • f) Von ihrer Seemacht weiß die Relation de la Cour de Portugal nicht viel vortheilhaftes zu erzaͤh - len. pag. 59.
  • g) Jn Liſſabon iſt das vornehmſte Arſenal, und zu Porto eine Art von einer Seeacademie errichtet.

6. Jntereſſe.

§. 40.

Da Portugal nach Proportion ſeiner Groͤſ - ſe fruchtbar, volkreich, treflich bequem zum Seehandel, auch mit unvergleichlichen Neben - laͤndern und einer gluͤcklichen Regierungsform ver - ſehen iſt: ſo erfordert die Wohlfahrt des Landes, dieſe Vortheile ſich recht nutzbar zu machen. Sie koͤnnen aber nutzbar werden, wenn man ſich die Verbeſſerung des Landbaues, der Manufactu - ren, des Finanzweſens und Kriegsſtaats wird angelegen ſeyn laſſen. Die Ausbreitung der Wiſſenſchaften wuͤrde ebenfalls ſehr dienlich ſeyn, um Portugal vielen unnoͤthigen Aufwand zu er - ſpahren.

G 2a) 100Portugal.
  • a) Fuͤr die Erhaltung der Azoriſchen und Capo - Verdiſchen Jnſuln muß Portugal ſorgfaͤltig wachen. Denn dieſe beyde ſind die Schluͤſſel ſeines Weſt - und O ſtindiſchen Handels.
  • b) Des alten Staatsminiſters Fronteira politi - ſcher Grundſatz, keine Manufacturen anzulegen, haͤlt leinen Stich. Lehrr. Nachr. I. 237.
Das101

Das III. Hauptſtuͤck. Staat von Frankreich.

  • Schriftſteller:
  • 1. Gallia, ſiue de Francorum regis dominiis et opibus eommentarius, (IOANNIS DE LAET) Lu - gduni Batauorum 1629. 24.
  • 2. IOANNIS LIMNAEI notitia regni Franciae, II. tomi, Argentorati, 1655. 4.
  • 3. Sejour de Paris, oder Anleitung, welcher Geſtalt Reiſende ihre Zeit und Geld nuͤtzlich zu Paris anwendeu koͤnnen von Timentes, (Ne - meitz) Frankfurt am Mayn 1718. 8.
  • 4. Nouvelle deſcription de la France par M. PIGANIOL DE LA FORCE, VI. tomes, à Amſter - dam 1719. 12.
  • Den erſten Band hievon, welcher auch der wichtig - ſte iſt, hat man uͤberſetzt unter dem Titul: Piga - niol de la Force neueſter Staat von Frankreich, mit vielen hiſtoriſchen Anmerkungen vermehrt, nebſt einer Vorrede B. G. Struvens, Jena 1723. 8.
G 35.102Frankreich.
  • 5. Etât de la France extrait des memoires dreſſez par les Intendans du Royaume par M. le Comte de BOVLAINVILLIERS, tome I. et II. 1727. tom. III. 1737. à Londres, f.

Staatsveraͤnderungen.

§. 1.

Nachdem Julius Caͤſar Galliens verſchiedene Voͤlker bezwungen, bleibt dieſes Land den Roͤ - mern uͤber 400. Jahr in ziemlicher Ruhe unter - wuͤrfig, bis die Teutſche Nationen mit dem Anfange des 5ten Jahrhunderts die groſſe Wan - derungen antreten, und ihnen ein Stuͤck nach dem andern davon abzwacken.

§. 2.

Clodowich, Koͤnig der Franken vertilgt der Roͤmer Herrſchaft im Jahr 486., und ſtiftet dies - und jenſeit des Rheins eine Monarchie, welche ſchon in ihrem Urſprunge den Nachbaren gefaͤhrlich wird. Aber ſeine Nachkommen die Merovinger theilen, und regieren ſchlaͤfrig, dar - uͤber wird ihnen von ihren eigenen Bedienten den Maioribus domus der Scepter aus den Haͤnden geriſſen. 752.

§ 3.

Pippinus breuis ſchwingt ſich auf den Thron, und ſein Sohn Carl der Groſſe erobertJtalien103Frankreich. Jtalien, wird Kayſer, und breitet ſeine ſiegrei - che Waffen von dem Draw - und Sau-Fluße bis an den Ebro aus. Allein ſeine Nachfolger die Carolinger entkraͤften ſich ſelbſt durch ihre Theilungen, innerliche Kriege und elende Regie - rungen. Es entſtehen maͤchtige Reichsſtaͤnde in Frankreich, und nach Ludwigs V. Ableben 987. wird der letzte Carolinger Carl, Hertzog von Lothringen, von dem Throne ausgeſchloſſen.

§. 4.

Hertzog Hugo Capetus bringt die Krone auf ſein Haus. Frankreich richtet ſich nunmehr als ein von Teutſchland und Jtalien abgeſonder - tes Reich ein. Jedoch kann es wegen der Creuz - zuͤge der Capetinger und der uͤbergroſſen Gewalt ſeiner Vaſallen nicht zu Kraͤften kommen, und die aͤltere maͤnnliche Linie Philipps des Kuͤh - nen ſtirbt mit Carl dem Schoͤnen 1328. aus.

§. 5.

Philipp VI. aus dem Hauſe Valois ererbt den Thron. Die Engliſche Koͤnige, welche oh - nedem Gvienne und Normandie beſitzen, ma - chen darauf Anſpruch. Hieraus entſtehet eine Kette von Kriegen, welche dem Reiche ganzer 90. Jahre durch den Untergang drohen, aber ſich zuletzt unter Carl VIII. ſo gluͤcklich endigen, daß die Engellaͤnder ihre herrliche Landſchaften bis auf etwas weniges einbuͤſſen. Sein SohnG 4Lud -104Frankreich. Ludwig XI. reiſſet das Hertzogthum Burgund an ſich, ererbet Provence, und legt durch ſeine tyranniſche Regierung den Grund zur Franzoͤſi - ſchen Macht. Seine Nachkommenſchaft geht mit Carl VIII. aus. 1498.

§. 6.

Hierauf wird dem Hauſe Orleans die Erb - folge eroͤfnet. Ludwig XII. ſucht ſeine Anſpruͤ - che auf Mayland und Neapel auszufuͤhren, aber umſonſt. Franeiſcus I. iſt hierinnen noch un - gluͤcklicher, indem er auf beydes Verzicht zu thun genoͤthiget wird. Hingegen verknuͤpft er durch ſeine Vermaͤhlung Bretagne mit der Krone. Heinrich II. erwirbt ſich die drey Lotharingiſchen Bißthuͤmer, und den Ueberreſt der Engliſchen alten Eroberungen in der Piccardie. Seine 3. Soͤhne Frantz II. Carl IX. und Heinrich III. folgen ihm nach einander im Reiche; allein ihre ſchwache Regierung, die Herrſchſucht ihrer gott - loſen Mutter, der Uebermuth der Staͤnde und die Hugenottiſche Haͤndel ſtuͤrzen Frankreich in eine erbaͤrmliche Zerruͤttung, und Heinrich III. wird ermordet 1589.

§. 7.

Heinrich IV. Koͤnig von Navarra und Hertzog von Bourbon ererbt die Krone; aber mit dem Degen in der Fauſt, und mit Verluſt ſeiner Religion. Unter ihm erhohlt ſich dasReich105Frankreich. Reich gewaltig. Ludwig XIII. laͤßt ſeinen Ri - chelieu regieren, welcher die Hugenotten entwaf - net, und die Freyheit der Staͤnde zu Boden ſchlaͤ - get. Ludwig XIV. wird in ſeiner 72. jaͤhrigen durch ſeine erſchreckliche Kriege und maͤchtige Eroberungen allen ſeinen Nachbaren, hauptſaͤch - lich den Teutſchen und Spanien, fuͤrchterlich, und dringt den letztern endlich gar ſeinen Enkel zum Koͤnige auf. Sein Urenkel Ludwig XV. er - wirbt Lothringen 1735. und macht das Haus Bour - bon in ſeinen Nebenzweigen noch maͤchtiger.

  • a) Seine groſſe Anſchlaͤge gegen Teutſchland, Hol - land, Engelland und Piemont werden alle zu Waſſer.
  • b) Er erhaͤlt das Oeſterreichiſche Elſaß 1648. und das Reichs-Elſaß 1697. Rouſſillon 1659. die Grafſchaft Burgund 1678. groſſe Diſtricte in den Niederlanden 1659. 1670. 1678. das Fuͤrſtenthum Oranien 1713. und breitet ſeine Herrſchaft in America und Aſien aus.
  • 1. Hiſtoire des revolutions de la France par M. de la HODE, IV. tomes, à la Haye, 1738. 12.
  • 2. Nouvel abregé chronologique de l’hiſtoire de France par M. HENAVLT, III. edition, à la Haye 1747. 8.

2. Beſchaffenheit der Laͤnder.

§. 8.

Frankreichs Clima iſt, ungeachtet ſeiner Ver - ſchiedenheit, durchgaͤngig gemaͤßiget und mehren - theils ſehr geſund. Es iſt uͤber anderthalb hun - dert Meilen groß in der Laͤnge, und nicht viel ge - ringer in der Breite. Oben hat es den CanalG 5und106Frankreichund den Ocean, unten das Mittellaͤndiſche Meer zu ſeinen Grenzen. Gegen Abend ſind die Spa - nier, gegen Morgen die Niederlaͤnder, Teut - ſche, Schweitzer und Jtaliener ſeine Nachba - ren. Die Pyrenaͤiſche Gebuͤrge machen auf je - ner Seite, auf dieſer Seite aber, (jedoch nur einiger Maſſen) das Vogeſer - (der Vogelberg) und Juragebuͤrge, der Rhein und die Alpen die Scheidewand.

§. 9.

Seine 4. groſſe Fluͤſſe, die Seine, Loire, Garonne und Rhone ſind alle ſchiffbar. Unzaͤh - lige kleinere Stroͤme und Baͤche bewaͤſſern das Land durch und durch. Unter den verſchiedenen Gebuͤrgen ſind die von Sevennes und Auverg - ne die bekannteſte.

  • a) Die Alpen ſowohl als die Pyrenaiſche Gebuͤrge breiten ihre Arme in Frankreich ſo aus, daß ſie in Lan - gvedock faſt an einander ſtoſſen, BOULAINVILLIERS, II. 506.

§. 10.

Das Land iſt mit dem, was man zur Noth - durft und zum Wohlleben verlanget, reichlich ge - ſegnet, ſonderlich iſt Wein, Salz, Seyde, Oel, Eiſen und Kupfer im Ueberfluß. Fiſche und Fluͤgelwerk, Schaafe, Hornvieh und Wild - pret, allerley Feld - und Gartenfruͤchte, Holz,Stein -107Frankreich. Steinkohlen, Salpeter, Marmorbruͤche und mineraliſche Brunnen ſind zureichend vorhanden.

  • a) Wein waͤchſet uͤberall auſſer in der Piccardie nicht, BOULAINVILL, I. 73. Von dem Burgunder und Champagnerwein. Der gemeine Franzwein kommt meiſt aus Gvienne. Côte rotie waͤchſet in der Pro - vinz Lion, die Muſcatenweine an der Mittellaͤndiſchen Seekuͤſte.
  • b) Das Franzoͤſiſche Salz iſt theils Seeſalz, theils Quellſalz. Das letztere iſt in der Grafſchaft Bur - gund haͤufig, und der groͤßte Reichthum von Lothringen. Boulainvilliers I. 175. Das Seeſalz wird theils an der mittaͤgigen, theils und zwar am meiſten an der nordlichen Kuͤſte gemacht, und zwar Sel gris in Broua - ge, Maran, Isle de , der Baye von Bourneuf, Guerande und Croiſil; Sel blane auf der langen See - kuͤſte von der Normandie. SAVARY, Wort: Sel, p. 1501.
  • c) Seyde in Provence, Lion und Langvedock, BOU - LAINV. II. 561.
  • d) Flachs und Hanf in den Niederlanden, in der Piccardie, Bretagne, Maine, Gvienne, und Dau - phine.
  • e) Oel an der Mittellaͤndiſchen Seekuͤſte, beſon - ders in Provence.
  • f) Eiſen in der Grafſchaft Burgund, in Henne - gan, Limoiſin, in der Generalitaͤt von Bourges, in Gvienne und Dauphine.
  • g) Kupferminen bey Amiens, Abbeville, Rheims, Troyes, Beauvais und in Lothringen.
  • h) Fiſche an beyden Seekuͤſten; ſonderlich der von Bretagne und Piccardie.
Wolle108Frankreich.
  • i) Wolle in den mehreſten Provinzen, am haͤu - figſten in Langvedock, Berry, Normandie und Bur - gund. SAVARY, Wort: Laine, pag. 458.
  • k) Von ihrem Obſttrank Cydre genannt.
  • l) Jn Hennegau graͤbt man die Houille in Men - ge, und ſind wohl 120. dergleichen Gruben. BOU - LAINVILLIERS, I. 384.
  • m) Salpeter in Isle de France, BOULAINV. I. p. 31, und in Elſaß, Lion und Langvedock.
  • n) An den Marmorbruͤchen hat man erſt ſeit Colberts Zeiten mit Fleiß gearbeitet. Die Vornehmſte findet man in Langedock, Provence und Bourbonnois. SAVARY, II. 641.

§. 11.

Zinn, Bley, Pferde und Schiffbauholz ſind in Frankreich theils nicht von ſonderlicher Guͤte, theils vor die Menge der Einwohner nicht hinlaͤnglich. An Getreyde leidet es bißweilen Mangel. Sollten gleich Gold und Silbergru - ben darinnen angetroffen werden; ſo bedeuten ſie doch noch zur Zeit wenig oder nichts.

  • a) Zinn und Bley findet man in Navarra.
  • b) Die beſte Pferde ſind in dem Herzogthum und der Grafſchaft Burgund, in Bretagne und Limoiſin.
  • c) Schiffbauholz geben Lothringen und die Py - renaͤiſche Gebuͤrge in Navarra.
  • d) Warum in Kriegszeiten Frankreich ſo leicht in Hungersnoth geraͤth, Ludwig XIV. mußte 1708. biß aus Egypten Getreyde zufuͤhren laſſen.
e) Jn109Frankreich.
  • e) Jn Langvedock ſollen Gold - und Silbergruben ſeyn. BOULAINVILL. II. 513. Bey Pontoiſe faͤngt man an, Gold zu ſuchen, und in Burgund hat man 2. Silberbergwerke entdeckt.

§. 12.

Frankreich beſteht aus 12. Provinzen und den incorporirten Laͤndern, welche ſind die Grafſchaft Roußillon, die Landgrafſchaft Elſaß, die Grafſchaft Burgund, das Herzogthum Lothringen nebſt ſei - nen drey Bißthuͤmern, Metz, Toul und Verdun, und ein groſſes Stuͤck der Catholiſchen Nieder - lande, nehmlich, die Provinz Artois, ein Theil von Flandern, von Hennegau von Namur und von Luxenburg. Alle dieſe alte und neuerwor - bene Laͤnder ſind nunmehr auf einerley militairi - ſchen Fuß geſetzt, und (Lothringen noch zur Zeit ausgenommen) in folgende 36. Gouvernements eingetheilet worden. 1) Das Gouvernement von Paris, 2) von Jsle de France, 3) von der Pic - cardie, 4) vvn Champagne, 5) von Bourgogne, 6) von Dauphine, 7) von Provence, 8) von Langvedock, 9) von Foix, 10) von Navarra, 11) von Gvienne, 12) von Saintonge und An - goumois, 13) von Aunis, 14) von Poitou, 15) von Bretagne, 16) von der Normandie, 17) von Havre de Gracc, 18) von Maine, Perche und Laval, 19) von Orleans, 20) von Nevers, 21) Bourbon, 22) von Lion, 23) Auvergne, 24) Limoiſin, 25) von Marche, 26) von Berry, 27) von Touraine, 28) von Anjou, 29) vonSau -110Frankreich. Saumur, 30) von Flandern, 31) von Duͤnkir - chen, 32) von Metz und Verdun, 33) von Toul, 34) von Elſaß, 35) von der Grafſchaft Burgund, 36) von Roußillon.

  • a) DE LA FORCE deſcription de la France, tom. I. pag. 372.

§. 13.

Paris die Hauptſtadt des ganzen Reichs iſt der Jnbegriff alles deſſen, was eine Land - ſtadt groß und ſehenswuͤrdig machen kann, und fuͤhret deßwegen den wohlverdienten Beynamen einer kleinen Welt. Verſailles die ordentliche Reſidenz des Franzoͤſiſchen Monarchen wird die Krone nicht nur der vielen Luſtſchloͤſſer in Frank - reich; ſondern auch aller uͤbrigen in Europa ge - nennt. St. Denys iſt das uralte Erbbegraͤbniß der Koͤnige.

  • 1. Hiſtoire et recherches des antiquités de la ville de Paris par HENRI SAUVAL, III. tomes, à Paris 1724. f.
  • 2. Hiſtoire de la ville de Paris par DOM MI - CHEL FELIBIEN, augmenté par DOM GUY ALE - XIS LOBINEAU, V. tomes, à Paris, 1725. f.
  • 3. Les delices de Verſailles, de Trianon et de Marly par M. PIGANIOL DE LA FORCE, ſecon - de edition, II. tomes, à Amſterdam 1717. 8.
  • 4. Hiſtoire de l’Abbaye Royale de Saint-Denys en France par DOM MICHEL FELIBIEN, à Paris, 1706. f.
§. 14.111Frankreich.

§. 14.

Die innere Provinzen des Reichs ſind von regulaͤren Feſtungen entbloͤſſet; hergegen die Grenzen gegen Spanien, (durch Bayonne und Perpignan,) noch mehr gegen Teutſchland, (durch Briſach, Straßburg, Fort Louis, Lan - dau,) am meiſten aber gegen die Oeſterreichiſche Niederlande ſind treflich bedeckt, und die letztere mit Fortereſſen gleichſam beſaͤet. (Arras, St. Omer, Aire, Bethune, Ruͤſſel, Douay, Va - lenciennes, Condet, Maubeuge, Qvenoy, Bou - chain, Landrechies, Cambray.) Alle dieſe Grenzplaͤtze ſind nicht nur die Vormauern ſei - ner eignen Laͤnder; ſondern auch zum Theil die Schluͤſſel zu den Laͤndern ſeiner Nachbaren.

  • a) Ludwig XIV. hat unſaͤgliche Summen auf den Feſtungsbau verwandt.

§. 15.

Unter der Menge der Seehaͤfen, als Duͤn - kirchen, Calais, Boulogne, Dieppe, Havre de Grace, St. Malo, Breſt, Rochelle, Ro - chefort, Bayonne, Toulon, Marſeille ſind die beyde letztere am Mittellaͤndiſchen Meer, Breſt hergegen am Ocean die vornehmſte. Hieher koͤnnen auch einiger Maaſſen die an den groſſen Fluͤſſen gelegene maͤchtige Staͤdte, Roan an der Seine, Nantes an der Loire, Bourdeaux an der Garonne gerechnet werden.

a) Von112Frankreich.
  • a) Von dieſen Oertern giebt De la FORCE ſchoͤne Nachricht.
  • b) Von dem ehemals ſo fuͤrchterlichen Duͤnkirchen BOULAINV. I. 348.
  • c) Von dem neuen Seehafen Rochefort eben daſ. II. 120.
  • d) Die ganze Kuͤſte von Langvedock taugt zwar nicht zu Seehaͤfen, iſt aber zugleich vor Anfaͤllen treflich ge - ſichert, BOULAINV. II. 509.

§. 16.

Durch die Canaͤle von Briare und Orle - ans ſind die beyde ſchiffreiche Stroͤme, die Sei - ne und die Loire gluͤcklich verbunden worden. Ludwig XIV. wagte die Vereinigung der beyden Meere, des Oceans und des Mittelmeeres, und ließ deßwegen den erſtaunenswuͤrdigen Canal von Langvedock mit Koſten vieler Millionen graben; aber er konnte die Natur nicht zwingen, welche ſeinen groſſen Plan wo nicht gantz; doch mehren - theils zu Schanden gemacht.

  • a) Von den beyden erſten ſiehe BOULAINV. I. 128. Der von Orleans gehoͤret dem Herzoge gleichen Na - mens, und bringt jaͤhrlich 500.000. Livres ein.
  • b) Der Canal von Langvedock ward 1666. zu graben angefangen, und 1681. eroͤfnet. Er hat unter andern ein Reſervoir, deſſen Flaͤche 12 Millionen Qvadrattoiſen in ſich haͤlt. BOULAINV II. 507. und de la FORCE, tom. IV. p. 2.
  • c) Muͤhſamer Bau und verſchiedene Fehler dieſes Canals.
d) Eben113Frankreich.
  • d) Eben daſelbſt wird noch verſchiedener Canaͤle in Langvedock gedacht.

§. 17.

Die Franzoſen ſind bemuͤhet geweſen, ſich auch auſſerhalb Europa auszubreiten: weil ſie aber zu ſpaͤt angefangen, ſo haben ſie ſich mit wenigerm begnuͤgen laſſen muͤſſen. Jn Aſien haben ſie einen feſten Sitz in Pontichery auf der Coromandelſchen Kuͤſte; Jn Africa eini - ge haltbare Plaͤtze an der Kuͤſte von Nigritien, ſonderlich Fort François in Juda, nebſt der Jnſul Goree und St. Louis, ferner Mascareg - ne, welche ſie Bourbon, und St. Moritz, wel - che ſie Jsle de France nennen.

  • 1. Hiſtoire des Indes Orientales anciennes et mo - dernes par M. l’Abbé de GUYON, III. tomes, à Paris 1744. 12. ſonderlich tome III. von Pon - tichery, einer nunmehr maͤchtigen Stadt und ſehr ſtarken Feſtung.

§. 18.

Jhre Americaniſche Provinzen ſind unter den Nebenlaͤndern noch das wichtigſte. Sie beſi - tzen in dem noͤrdlichen America Neu Frankreich, welches ſie in Canada und Louiſiane abtheilen, nebſt den Jnſuln am St. Lorenz Fluß, ſonder - lich Cap Breton, und einigen im Golfo von Mexico, hauptſaͤchlich Martiniqve und einem Theile von St. Domingo. Jn dem Suͤdli -Hchen114Frankreich. chen America gehoͤrt ihnen ein Stuͤck von Gvia - na, ſie nennen es La France Equinoxiale, worinnen die Jnſul Cayenne das beſte iſt.

  • 1. Hiſtoire et deſcription generale de la Nouvel - le France par le P. de CHARLEVOIX, III. tomes, à Paris 1744. 4.
  • 2. Betrachtung uͤber die Wichtigkeit und For - theile des Cap Breton aus dem Engliſchen, Leip - zig 1746. 8. Siehe auch das Brittiſche Reich in America, Band 1. Bl. 47.
  • 3. Nouveau voyage aux Isles de l Amerique, par le R. P. LABAT, nouvelle edition, VIII. to - mes, à Paris 1742. gr. 12.
  • 4. Hiſtoire de l Isle Espagnole ou de St. Do - mingue par le P. de CHARLEVOIX, II. tomes, à Paris 1741. 4.
  • 5. Voyage du Chevalier DES MARAIS en Gui - née, isles voiſines et à Cayenne fait en 1725-27. par le R. P. LABAT, IV tomes, à Amſterdam 1731. gr. 12.
  • 6. Dictionnaire univerſel de la France, III. to - mes, à Paris 1726. f. Dienet uͤberhaupt zur Geo - graphie aller Franzoͤſiſcher Laͤnder.
  • a) 2. wichtige Fluͤſſe im Nordlichen America: St. Lorenz und Mißiſippi.
  • b) Das Nordliche America hat Getreyde, Vieh - zucht, Flachs, viel Bauholz, Eiſen - und Kupſer - bergwecke, Canada viel Biber. Auf der groſſen Bank bey Cap Breton iſt ein unvergleichlicher Fiſch - fang.
  • c) Daß das weitlaͤuftige Canada in Gegeneinan - derhaltung mit andern Americaniſchen Provinzen einſchlech -115Frankreich. ſchlechtes Land ſey, bezeuget der Engliſche Verfaſſer des Brittiſchen Reichs in America, in der Einlei - tung.
  • d) Aus den uͤbrigen Jnſuln und Cayenne zogen ſie an - faͤnglich bloß Taback, hernach auch Jndigo und Cot - ton, ſeit ohngefehr 100. Jahren legte man die herr - liche Zuckerplantagen an. Ueberdas hohlt man von hier Cacao, Caßia, Jngwer, unbereitet Leder, Schildkroͤtenſchalen und Confituren. Seit 1722. und 24. hat man, aller Vorſichtigkeit der Hollaͤnder ungeachtet, Caffeeſtaͤmme und Saamen hereingebracht, welche außerordentlich groſſen Fortgang gehabt. LA - BAT voyage aux Isles de l Amerique, tom. IV. p. 224. und tom. VI. p. 346.

3. Beſchaffenheit der Einwohner.

§. 19.

Die Franzoͤſiſche Sprache iſt aus der Vermiſchung der Lateiniſchen und Teutſchen mit der alten Gothiſchen erwachſen. Franz I. trug Sorge fuͤr ihre Verbeſſerung 1535., und der Car - dinal Richelieu hat 100. Jahre drauf durch die loͤbliche, obgleich aus unreinen Abſichten herruͤhrende Stiftung der Franzoͤſiſchen Aca - demie ſein Andenken verewiget. Denn ihre Bemuͤhungen ſind es, welche dieſe Sprache ſo vollkommen, und ihren Gebrauch ſo allgemein ge - macht haben, daß keine andre in Europa ſich dergleichen ruͤhmen kann.

  • a) Siehe VASSOR in ſeiner hiſtoire du regne de Louis XIII, tom. VIII. p. 511. und LIMNAEI no -H 2titi -116Frankreichtitiam regni Franciae, tom. I. cap. II.
  • 1. Hiſtoire de l Academie Françoiſe, tom. I. par M. PELISSON, tom. II. par M. l Abbé d OLI - VET, II. edit. à Paris 1730. 8.

§. 20.

Frankreich iſt mit einer ſolchen Menge Einwohner angefuͤllet, daß nach den einge - ſchickten Rechnungen der Jntendanten zu Ende des vorigen Jahrhunderts uͤber 19 Millionen Seelen darinnen gezaͤhlet, und die Ausweichung der vielen 1000. Hugenottiſchen Familien wenig geſpuͤret worden.

  • a) de la FORCE tom. l. p. 2.
  • b) Merkwuͤrdige Exempel aus den groſſen Kriegen, die Frankreich ſo lange ausdauern koͤnnen.

§. 21.

Die Gemuͤthsart der Franzoſen iſt zwar nach den Provinzen ſehr verſchieden, doch herſcht groͤßtentheils das ſangviniſch-choleriſche tem - perament. Sein hurtiger Verſtand, munte - res Weſen, Maͤſſigkeit, Treue gegen den Koͤ - nig, und Dienſtfertigkeit gegen Fremde machen ihn lobwuͤrdig und angenehm. Hergegen zei - get ſich bey dem groſſen Haufen viel Leichtſinni - ges und Flatterhaftes, groſſe Zank - und Spiel - ſucht, und eine uͤbertriebene Einbildung von den Vorzuͤgen ſein er Nation.

a) Die117Frankreich.
  • a) Die alte Schriftſteller, z. E. Julius Caeſar, Tacitus, Claudianus characteriſiren dieſe Nation auf eben die Art wie die Neuere.
  • b) LIMNAEVS I. cap. III. ſammelt haͤufige Zeugniſſe ihrer eigenen Landesleute von ihren Feh - lern.
  • c) Von ihrer Spielſucht Memoires de POELNITZ, tom. III. p. 44.
  • 1 Lettres ſur les Anglois et les François, nou - velle edition, 1712. 8. Der Verfaſſer Muralt legt ih - nen zwar viel bel eſprit aber wenig bon ſens bey.

§. 22.

Dieſe Nation iſt zu allen Wiſſenſchaften ge - ſchickt, und in allen geuͤbt. Jhre Gelehrte ſind unzaͤhlich, aber die gruͤndlich Gelehrte nach Proportion ziemlich einzeln. Jn der Hiſtorie haben ſie es weit gebracht, in den ſchoͤnen Wiſ - ſenſchaften weiter als anderer Voͤlker. Jn den Exercitien ſind ſie die Lehrmeiſter von Europa, in andern freyen Kuͤnſten geben ſie keiner Na - tion etwas nach.

  • a) LE LONG in ſeiner Bibliotheque hiſtorique zaͤhlet uͤber 17.000. hiſtoriſche Schriften von Frank - reich.

§. 23.

Es hat auch die Gelehrſamkeit hier jederzeit maͤchtige und reiche Patronen gefunden, wovon die 19. Univerſitaͤten, und die verſchiedene ſo -H 3wohl118Frankreich. wohl koͤnigliche als andre gelehrte Academien zeugen. Doch geſtehen ſie ſelbſt, daß die guͤl - dene Zeit der Wiſſenſchaften mit Ludwig XIV. verſchwunden.

  • a) Franz der erſte, Ludwig der Groſſe und ſein trefflicher Miniſter, der ſonſt ungelehrte Colbert haben ſich bey den Franzoͤſiſchen Gelehrten einen unverwes - lichen Ruhm gemacht. Von Franz I. giebet beſonde - re Nachricht BOULAINVILL. II. 524.
  • b) Unter den Univerſitaeten behaͤlt Paris den Preiß, welches aus 21 Collegiis publicis und 30. privatis beſtehet, Uberhaupt handelt von den Franzoͤſiſchen Univerſitaͤten weitlaͤuftig LIMNAEVS, tom. II. lib. V. cap. 2-20.
  • c) An dieſem Orte ſind auch auſſer der gedachten Academie Françoiſe, die Academie de peinture et de ſculpture 1643. des inſcriptions et de belles lettres 1663. des ſciences 1666 und de l’Architecture 1671. errichtet worden. Von allen dieſen geben die Me - dailles ſur les evenemens du regne de Louis XIV. in den gehoͤrigen Jahren Nachricht.
  • d) Von der Academie des ſciences und ihren Membres honoraires et penſionnaires, Aſſociés et Adjoints beſiehe ihre hiſtoire tom. II. am Ende.
  • e) Andre gelehrte Academien floriren zu Bourde - aux, Lion, Thoulouſe, Marſeille, Dijon, Soiſſons, Roan, u. ſ. w.
  • f) Beneidenswuͤrdige Aufmunterung der Franzo - ſen durch allerhand ausgeſetzte Preiſe.

§. 24.

Die vornehmſte Manufacturen hat Frank - reich erſt ſeit dem Anfange des 17ten Jahrhun -derts119Frankreich. derts erlernet. Unter Colberts Miniſterio er - reichten ſie ihre voͤllige Bluͤthe. Sie ſind ſeit dem gefallen, haben ſich aber ſehr wieder erhohlt. Es iſt keine Art von Materialien, die der Fran - zoſe haben kann, welche er nicht verarbeitet. An Menge der Handwerksleute thun ſie es den uͤbrigen Europaͤern zuvor, und ihr Witz hat das Kunſtſtuͤck erfunden, ihre neue Moden uͤberall beliebt zu machen.

  • a) Von ihren Seydenmanufacturen ſeit Hein - rich IV. Schon Ludwig XI. legte dergleichen zu Tours 1740. an. BOULAINV. II. 149. Catha - rina von Medices hatte auch den Einfall, ſolche mehr auszubreiten. eb. daſ. p. 562. Jhr Hauptſitz iſt an - jetzt zu Lion, woſelbſt deßwegen der Wehrt der 14.000. Haͤuſer auf 37. Millionen geſchaͤtzet wird, eb daſ. 393.
  • b) Jhre feine Wollmanufacturen ſind erſt ſeit 1646. errichtet worden, eb. daſ. I. 59 und lange hernach haben ſie ſolche erſt durch ihre trefliche Faͤrbereyen verbeſſert.
  • c) Die Leinwebereyen in der Piccardie, wo die feine toiles de S. Quintin fabriciret werden, in Va - leneiennes, Cambray, in der Normandie und Bre - tagne.
  • d) Von ihrem Galanteriewaaren Lohgerbereyen, Glas - und Papierfabricken, dem Straßburger Rap - pe.
  • e) Paris iſt der Mittelpunct der Franzoͤſiſchen Manufacturen. Es ſind 7. große Kaufmannszuͤnfte, 141. Handwerksinnungen und Kunſtgeſellſchaften da - rinnen, ohne das unvergleichliche Hôtel des Gobo - lins, et de la Savonnerie und die zur groͤßten Vollkom -H 4men -120Frankreich. menheit gebrachte Spiegelſabricken zu rechnen. SA - VARY, Wort Comerce de Paris.

§. 25.

Der Franzoͤſiſche Handel erſtrecket ſich in alle Theile der Welt. Der Europaͤiſche zu Lan - de geht von Nimes und Lion uͤber die Schweitz nach Teutſchland und Jtalien, von Straßburg uͤber Frankfurt am Mayn nach den uͤbrigen Teutſchen Provinzen, durch die Niederlande und uͤber Ruͤſſel nach Holland, von Perpignan und Bayonne nach Spanien. Die Seehaͤfen am Canal und dem Ocean werden von allen Europaͤiſchen Nationen, die an der Nord - und Oſtſee wohnen, ſehr haͤufig beſucht. Marſeille aber iſt der Sammelplatz des ganzen Handels am Mittellaͤndiſchen Meer. Mit allen einzelnen Nationen in Europa handelt Frankreich ſo, daß der Profit auf ſeiner Seiten iſt. Doch finden ſich unendlich mehr Franzoͤſiſche Schiffe in dem Mittelmeer, als in der Nord - und Oſt - ſee. Die Aufhebung des Edicts von Nantes hat, wie den Manufacturen alſo auch dem Com - mercio mit den Nordlichen Nachbaren einen empfindlichen Stoß beygebracht.

  • a) Die Hiſtorie des alten Franzoͤſiſchen Handels fin - det man im Abriße in dem Eſſai ſur la marine et ſur le commerce par M. D ES LANDES, chap. II. p. 45.
  • b) Der Hollaͤnder bringt Gewuͤrze, Bley, Kup - fer, Fiſchbein, Schiffsmaterialien, Seegel - und Thau -werk;121Frankreich. werk; Der Engtllaͤnder Zinn, Bley Couperoſe, Stein - kohlen; Der Jrlaͤnder Butter, Jnſchlit, Heringe, Lederwerk; Die Nordiſche Nationen, Leder, Schiffs - materialien, Potaſche, Kupfer, oft Getreyde. Aus Jtalien hohlt der Franzoſe Seyde, aus Spanien - berdas Wolle, Eiſen, Gold und Silber Alle dieſe Voͤlker bekommen dagegen theils Frankreichs obgedach - ten natuͤrlichen Uberfluß und Americaniſche Produ - ctionen, theils ſeine Manufacturen.
  • c) Der Engellaͤnder hohlte ſonſt unſaͤglich viel Lein - wand aus Morlaix und S. Malo in Bretagne. BOU - LAINV. II. 72.
  • d) Vortheilhaftes Droit des lits et des Paſſeries an den Spaniſchen Grenzen zum Wohl beyderſeits Unterthanen. BOULAINV. II. 290. und 566.
  • e) herrlicher Jahrmarkt zu Beaucaire, wo ein allgemeiner Zufluß aller Waaren aus Europa, Afri - ca und der Lavante iſt. BOULAINV. II. 577.
  • f) Der Krieg mit Engelland und Holland iſt daher den Franzoſen vortheilhaft, wenn ſie Spanien auf ihrer Seite haben, BOULAINV. II. 391.
  • g) Anmerkungen wegen der Hugenotten in Anſe - hung der Normandie. DES LANDES in gedachtem Eſſai, p. 156: j’avoue que depuis la revocation de l Edit de Nantes, ſur la quelle on doit tirer le rideau comme ſur le plus facheux evenement du regne de Louis XIV, pluſiers de nos manufactures ſe ſont naturaliſées dans les pays étrangers.

§. 26.

Auſſer Europa haben die Franzoſen ein ſchoͤnes Conmmercium 1) nach der ganzen Le -H 5vante122Frankreich. vante, beſonders nach Conſtantinovel, Smirna und Aleppo; 2) nach Africa an der Kuͤſte von Gvinea, wo ſie Gold, Helfenbein, Neares Leder, Wachs, Gummi hohlen; 3) nach Oſt - indien und dem Golfo von Bengala; 4) nach America ſowohl in ihren eigenen Laͤndern, als auch uͤber Cadix in den Spaniſchen Provin - zen.

  • a) Hiervon ſind obgedachte Werke von GUYON, DES MARAIS, LABAT und CHARLE - VOIX nachzuſchlagen.
  • b) 4 Hauptvortheile des Franzoͤſiſchen Seehandels, DES LANDES p. 100.
  • c) Die Franzoſen haben nebſt den Engellaͤn - dern viele Jahre um den Tuchhandel in der Levan - te geſtritten, BOULAINVILL. II. 561.
  • d) St. Malo allein ziehet von dem verborgenen Handel mit den Spaniern nach America oͤfters in ei - nem Jahr 12. Millionen, eb. daſ. p. 72.

§. 27.

Seit dem Tode Heinrich IV. und dem Mi - niſterio des Cardinals Richelien fing man an Handlungsgeſellſchaften zu errichten, Colbert machte ſolche anſehnlich, und unterſtuͤtzte ſie mit etlichen Millionen koͤniglicher Gelder; aber man kuͤnſtelte zu viel daran, und die unzeitige Kriege unterbrachen immer den Fortgang. Die Com - pagnie von Mißißippi verſchlung zwar alle vori - ge 1719., und ſollte Frankreichs Goldquelle wer -den,123Frankreich. den, allein ſie nahm 1721. ein ſchreckliches Ende. Doch wurde aus ihrer Aſche eine neue Handlungs - compagnie gebohren 1722. Dieſe iſt aus den kleinen Oſtindiſchen und Africaniſchen zuſammen geſchmolzen, und hat ihren Sitz in dem Seehafen Orient aufgerichtet.

  • a) Es haben eine zeitlang floriret la Compagnie des Indes Orientales, welche etliche Mal veraͤndert worden, de la Chine, du Baſtion de France, du Senegal, de Guinée, de l Aſſiente, du Cap Verd, de la Baye de Hudſon, d’Occident, de Canada ou du Caſtor, de l Acadie, du Levant, du Nord, de S. Domingue, SAVARY, Wort: Compagnies Fran - çoiſes, tom. I. p. 1345.
  • b) 3. weſentliche Fehler aller dieſer Handlungs - compagnien aus DES LANDES, p. 169.
  • c) Einrichtung, ewige Privilegia und Macht der neuen Compagnie. Die Africaniſche und Oſtindiſche Nebenlaͤnder gehoͤren der Compagnie: hingegen die Americaniſche dem Koͤnige.
  • d) Daß die zuruͤkgebrachte Waaren der Neuen Jndi - ſchen Compagnie ſchon 1734. auf 18. Millionen betra - gen, Eſſai ſur le commerce, p. 76. und 87.
  • 1. Hiſtoire de la compagnie des Indes avec les ti - tres de ſes conceſſions et privileges par M. DV FRE - NE DE FRANCHEVILLE, à Paris 1738. 4.

§. 28.

Man rechnet in Frankreich nach Deniers, Sous und Livres. 12. Deniers, machen 1. Sou, 20. Sous 1. Livre, das iſt noch jetzigerWeh -124Frankreich. Wehrung 6. ggr. Die gemeinſte grobe Geld - ſorten ſind Ecus de 3. und de 6. livres, die Goldmuͤnzen Louis d’or und halbe Louis d’or. Es ſind 30. Muͤnzſtaͤdte, deren jede ihr beſon - deres Zeichen hat, und 2. Muͤnzgerichte, oder Cours de monnoyes, eines zu Paris ſeit 1551. und eines zu Lion ſeit 1704. Die oͤftere Muͤnz - veraͤnderungen haben viel Unheil angerichtet.

  • 1. Traité hiſtorique des monnoyes de France par M. LE BLANC, à Amſterdam, 1692. 4.
  • a) Von den Muͤnzſtaͤdten Dictionnaire de France tom. I. in der Introduction, pag. 48.
  • b) Wie ſehr Ludwig der XIV. und der Herzog Regent von Orleans das Muͤnzregal gemißbrauchet.
  • c) Ehema iger Staatsfehler in Anſehung der Spa - niſchen Geldſorten aus BOULAINVILLIERS im Etat de Flandre et de Languedoc.

4. Staatsrecht.

§. 29.

Es fehlet dem Franzoͤſiſchen Staat nicht an geſchriebenen Reichsgrundgeſetzen. Lex Sali - ca iſt in dem Succeſſionsſtreite zwiſchen dem Hauſe Valois und den Engliſchen Koͤnigen da - fuͤr erkannt worden. Carls V. Edict von 1374. in Anſehung der Volljaͤhrigkeit des Kronerben, Carls VI. Edict von 1404. wegen der Kroͤnung nebſt einer Menge anderer ſind hieher zu rech -nen.125Frankreich. nen. Allein die heutige Franzoͤſiſche Publiciſten halten vor gefaͤhrlich, viel mehrere als guͤltig zu behaupten, weil die neuere Praxis ſattſam er - haͤrtet, daß die Kraft der Reichsgeſetze in dem Willkuͤhr der Koͤnige, wenigſtens ſo lange ſie am Leben ſind, beruhet.

  • a) Carls V. Edict ſteht in Hrn. Schmauſſens Corp. I. G. Acad. p. 58. Das von Carl VI. fuͤhret LIMNAEVS in notitia Franciae, tom. I. p. 215. aus CHOPPINO de domanio regis an.
  • b) Man ſehe nur, wie DE LA FORCE in I. tom. ſeiner deſcription de la France an vielen Or - ten, z. E. chap. XVI. art. I. ſich ſchmieget und windet.

§ 30.

Ludwig VI. der Urenkel ſeines Vorgaͤngers iſt 1710. gebohren, wird 1715. Koͤnig, und 1723. muͤndig, heyrathet 1725. Mariam Cathari nam, eine Tochter des Koͤnigs von Polen Stanislai Leszynski, mit welcher er nebſt verſchiedenen Prinzeſſinnen auch einen Prinzen Ludwig er - zielt. Dieſer vermaͤhlet ſich 1745. mit der Spa - niſchen Prinzeſſinn Maria Thereſia, und nach deren 1746. erfolgtem Abſterben mit der Koͤnig - lich Polniſchen und Chur-Saͤchſiſchen Prin - zeſſinn Maria Joſepha 1747. Ludwigs XV. aͤlte - ſte Prinzeſſinn Louiſe Eliſabeth iſt ſeit 1739. eine Gemahlinn des Spaniſchen Jnfanten Don Philipps.

a) Cha -126Frankreich.
  • a) Character des vielgeliebten Ludwigs, und an - derer Perſonen der koͤniglichen Familie.

§. 31.

Der aͤlteſte Sohn des regierenden Koͤnigs wird ſeit 1349. Dauphin genannt, die andre Soͤhne ſchreiben ſich alle Fils de France, und werden durch beſondere Titul unterſchieden, als: Herzog von Orleans, Anjou, Berry, welche Titul bey ihrer maͤnnlichen Nachkommenſchaft beſtaͤndig bleiben. Die Toͤchter heißen Mesda - mes de France. Auſſer dem regierenden koͤnig - lichen Stamme ſind das Haus Orleans und die beyde Bourbonniſche Aeſte, Conde und Conti als Prinzen vom Gebluͤte zu merken, welche auch als ſolche unterſchiedliche Vorzuͤge genieſſen.

  • a) Dauphin kommt nicht her von D Albon; ſon - dern von einem Beynamen oder Sobriquet des Gra - fen von Albon Gvido VIII. welcher 1149. geſtorben, BOULAINV. II. 438.
  • b) Worinnen die ſo genannte doppelte Taufe (das ondoyer und baptiſer) der Koͤniglichen Kinder be - ſtehet, DE LA FORCE, I. p. 11.
  • c) Die Prinzen von Courtenay praetendiren Prinzen vom Gebluͤte zu ſeyn, Memoires de LAM - BERTI tom. IX. p. 112.

§. 32.

Der Koͤnig titulirt ſich Ludwig der XV. von Gottes Gnaden Koͤnig von Frankreichund127Frankreich. und Navarra. Jn den Edicten an einige Pro - vinzen werden noch beſondere Titul hinzugefuͤgt. Seine Unterthanen nennen ihn in der zweyten Perſon Sire, andre freye Staaten heiſſen ihn Seine Allerchriſtlichſte Majeſtaͤt, der Pabſt giebt ihm den Titul erſtgebohrner Sohn der Kirche.

  • a) DE LA FORCE, tom. I. ch. II. und BLON - DEL in praefatione apologetica ad genealogiam Franc. n. XIV.
  • b) Ausſchweifungen in der Titulatur einiger Koͤni - ge aus den Grandeurs de la maison de France (par M. D. C. D. M.) à Paris 1667. 4. pag. 74.
  • c) Die Tuͤrken nennen ihr Bodeshair, das iſt Kay - ſer.
  • d) Zank bey dem Weſtphaͤliſchen Frieden mit dem Kayſer uͤber die Majeſtaͤt.
  • e) Wie ihn Cromwel und neulich der Prinz von Oranien titulirt.

§. 33.

Das Koͤnigliche Wappen beſteht aus zwey zuſammen geſchobenen Schilden, wovon das er - ſte drey guͤldene Lilien 2. 1. im blauen Felde we - gen Frankreich, das andere eine guͤldene Stan - genkette im rothen Felde wegen Navarra fuͤhret. Unter den verſchiedenen Nebenſtuͤcken dieſes Wappens iſt das Band mit dem Feldgeſchrey: Mont joye S. Denys und das Auriflammeum beſonders anzumerken.

a) Ob128Frankreich.
  • a) Ob die Lilien urſpruͤnglich Fliegen oder Bienen nach Chiflet, Kroͤten nach Vpton, Lis de Francis - que, das iſt, eiſerne Spitzen der Helleparten nach Ceriſerio und dem Verfaßer der gedachten Grandeurs de la France, oder eigentliche Lilienblumen nach Ferrando, Blondel und Menêtrier geweſen.
  • b) Carl der VI. ſezte die Anzahl der Lilien 1380. auf drey, DE LA FORCE, tom I. ch. II. art. 9.
  • c) Die beruͤhmte Fahne des heiligen Dionyſii ha - ben die Franzoͤſiſchen Koͤnige von den Grafen von Vexin, als Advocaten der Abtey S. Denis, ererbt. Das Feldgeſchrey aber iſt aus den Creuzzuͤgen her - zuleiten.
  • d) Die Lilien ſind allen Prinzen vom Gebluͤte gemein; doch hat jeder Zweig des koͤniglichen Hauſes ſein eigenes Beyzeichen.

§. 34.

Die Einrichtung des koͤniglichen Hofſtaats iſt eben ſo ordentlich als praͤchtig. Der erſte Geiſtliche Hofbediente iſt der Grand Aumo - nier, welcher die Aufſicht uͤber die ganze Hof - geiſtlichkeit hat, und zugleich Commendeur vom Orden des Heiligen Geiſtes iſt. Der er - ſte weltliche Hofbediente iſt der Ober-Hof - meiſter, welcher uͤber die 7. Hofaͤmter, nehm - lich 1) uͤber das Mundſchenkenamt, 2) das Mundkuͤchenamt, 3) die Hofbeckerey, 4) das Hofſchenkenamt, 5) das Hofkuͤchenamt, 6) die Obſtkammer und 7) das Holzſtallamt geſetzet iſt. Unter dem Ober-Cammerherrn ſtehn die 4. Ober-Cammerjunker und 26. andre Cammer -jun -129Frankreich. junker. Der Ober-Garderobenmeiſter hat etli - che 30. Garderobenbediente unter ſich. Die Ge - ſundheitsbediente beſtehn aus 10. Aerzten, 10. Wundaͤrzten und etlichen Avotheckern. Der Ober-Baudirector, der Ober-Hofquartiermei - ſter, Ober-Stallmeiſter, Ober-Jaͤgermeiſter, Ober-Falkenier, Ober-Ceremonienmeiſter und die beyde Introducteurs des Ambaſſadeurs ſind gleichfalls vornehme Hofbeamte, und ha - ben groͤßtentheils uͤber eine Menge Unterbedien - te zu befehlen.

  • a) Auſſer DE LA FORCE, tom. I. ch. 3. iſt nach - zuſehen Etat de la France, II. tomes, 12. welches von Zeit zn Zeit heraus kommt, und die Namen aller Hof - beoienten ſpecificiret.

§. 35.

Das Franzoͤſiſche Hof-Ceremoniel iſt in allen Stuͤcken ſehr kuͤnſtlich abgemeſſen, und dem Glanz der Krone gemaͤß: jedoch weder ſo erhaben in Anſehung der Unterthanen, noch ſo gezwun - gen in Anſehung des Koͤniges, als an verſchie - denen andern Hoͤfen. Bey dem taͤglichen Ce - remoniel iſt le petit et le grand lever ſowohl als coucher des Koͤniges etwas beſonders. Die jaͤhrliche Solennitaͤten ſind ziemlich haͤufig. Bey den auſſerordentlichen Feyerlichkeiten zeigt ſich die Pracht am groͤßten.

  • a) DE LA FORCE an verſchiedenen Orten, und Nemeitz Sejour de Paris, Cap. 34. und 23.
J1. Le130Frankreich.
  • 1. Le ceremonial François par THEODORE GODEFROI, II. tomes, à Paris 1649. f.
  • 2. Unterſchiedliches findet man auch in den Monu - mens de la Monarchie Françoiſe par DOM BERN - HARD de MONTFAUCON, V. tomes, à Paris 1729 - 33. gr. f.
    *
    *
*Die 300. praͤchtige Kupfertafeln dieſes Werks ſind ungluͤcklicher Weiſe einem Hollaͤndiſchen Wuche - rer in die Haͤnde gerathen, welcher ſolche unter dem hochmuͤthigen Titul: Threſor des antiquités de la Couronne de France, II. tomes, à la Haye 1745. gr. f. der Welt als ein neues Werk aufgebuͤrdet, und deß - wegen die Zahlen der Blaͤtter, wiewohl durch eine ziemlich ungeſchickte Hand ausloͤſchen, und die Ordnung der Kupfertafeln zum Theil veraͤndern laſſen.
*

§. 36.

Frankreich hat drey weltliche und einen geiſtlichen Ritterorden. Der Orden von St. Michael wurde von Ludwig XI. 1469. geſtiftet, und von Ludwig XIV. 1665. erneuert. Er be - ſtehet aus 100. Rittern von altem Adel, die welt - liche Ritter des Ordens vom heiligen Geiſte un - gerechnet. Dieſen letztern errichtete Heinrich III. 1578. Die Zahl der Ritter iſt 100. worun - ter 9. Geiſtliche ſind. Sie muͤſſen alle Roͤmiſch - catholiſch ſeyn, und, wenige ausgenommen, ihre 3. Geſchlechter, das iſt, 16. Ahnen erweiſen. Seit Ludwig XIV. ſind die weltliche Ritter die - ſes Ordens zugleich Ritter von S. Michael. Ludwig XIV. ſtiftete 1693. den Kriegsorden des heiligen Ludwigs. Dieſer beſteht aus 8. Groß -creuzen131Frankreich. creuzen, 24. Compthern, und 2-3000. Rittern Paͤbſtlicher Religion. Der Koͤnig iſt Großmei - ſter von allen drey Orden. Alle drey haben ihr beſonderes Ordenszeichen, die erſten beyde auch beſondere Ordensketten, der letzte nur ein Or - densband. Die Großereuze und Comthers von S. Ludwig genieſſen auch Beſoldungen. Der Orden des heiligen Lazari iſt geiſtlich, entſtand in den Creuzzuͤgen, und ſetzte ſich 1137. in Frank - reich. Heinrich IV. ſtiftete den Orden unſrer lieben Frauen vom Berge Carmel, und verei - nigte ſolchen mit dem Lazarusorden. Die Ritter davon tragen weltlichen Habit, und koͤnnen hey - rathen, den Großmeiſter ſetzt der Koͤnig.

  • 1. Statuts de l’Ordre du S. Michel, de l’impri - merie Royale, 1725. 4. mai.
  • 2. Les noms, ſurnoms, qualités, armes et bla - ſons de tous les Chevaliers de l’Ordre du S. Eſprit, à Paris 1643. f.
  • 3. Recherches hiſtoriques de l’Ordre du S. Eſprit, tom. I. par M. DU CHESNE, tom. II. par. M. HAUDIQUER du BLANCOURT, à Paris 1695. 12.
  • 4. Les armes et blaſons des Chevaliers de l’Or - dre du S. Eſprit creez par Louis XIII., par JA - QUES MORIN, à Paris, 4.

§. 37.

Die Franzoͤſiſche Monarchie iſt erblich, doch ſo, daß die Erbfolge nicht auf den Spinn - rocken faͤllt, und die naͤhere Linie dem naͤhernJ 2Gra -132Frankreich. Grade vorgeht. Die natuͤrlichen Soͤhne ſind ſo unfaͤhig zur Succeßion, daß ſelbſt der Koͤnig - liche Machtſpruch an ihnen unkraͤftig iſt. Die Verzicht eines Prinzen vom Gebluͤte auf die Thronfolge hebt ſein und ſeiner Descendenten Succeßionsrecht voͤllig auf. Uebrigens muß ein Koͤnig der Roͤmiſchcatholiſchen Religion zu - gethan ſeyn.

  • a) Le Roi ne meurt pas en France, und le mort ſaiſit le vif. DE LA FORCE, tom. I. ch. 2. art. 4.
  • b) Dieſe ſucceſſio Salica oder Francica iſt in den beyden Erbſtreitigkeiten nach Ludovici Hutini und Caroli pulcri Tode feſt geſtellt worden, und Philipp II. von Spanien verſchwendete ſeine Millionen verge - bens, um ſolche umzuſtoſſen.
  • c) Ludwigs XIV. Edict wegen der Erbfolge der le - gitimirten Prinzen 1714 Proceß daruͤber mit den Prinzen vom Gebluͤte 1716. Merkwuͤrdige Sentenz 1717. aus dem Corps diplom. Supplem. tom. II. part. II. p. 165.
  • d) Von der Guͤltigkeit der Verzicht Philipp V. Let - tres de Filz Moritz, lett. 1. 2. 3.

§. 38.

Die Majorennitaͤt der Koͤnige faͤngt ſich mit dem erſten Tage ihres 14ten Jahres an. Nachdem Reichsherkommen dependiret die Re - gent - und Vormundſchafft von der Verordnung des vorigen Koͤnigs, obgleich ſolches nach Lud - wig XIV. Tode nicht beobachtet worden. Jſtkeine133Frankreich. keine Verordnung da, ſo faͤllt ſie den nechſten Agnaten zu. Waͤhrender Regentſchaft wird al - les im Namen des Koͤnigs expediret.

  • a) Sonſt wurden die Koͤnige erſt nach Vollendung des 20ſten Jahres majorenn.
  • b) Exempel der tutelae et adminiſtrationis arbi - trariae und legitimae.
  • 1. Traité de la majorité de nos Rois et des re - gences du Royaume par M. DU PUY, à Paris 1651. 4.

§. 39.

Die Kroͤnung iſt ſeit dem andern Stam - me der Koͤnige gewoͤhnlich, aber nicht nothwen - dig. Sie wird ordentlich zu Rheims mit vielen Feyerlichkeiten vorgenommen, und kann auch in der Minderjaͤhrigkeit des Koͤnigs vollzogen werden.

  • a) Von den Reichskleinodien.
  • b) Von der Ampulla Remenſi. Die Engellaͤnder hatten dieſes Heiligthum ſchon einmal in Haͤnden, es wurde ihnen aber wieder abgejaget, GODEFROI, loc. cit. p. 409.
  • c) Spuren der aͤlteſten Ceremonien der Franken, ſo bey den jetzigen Kroͤnungen noch uͤblich.
  • d) Der Koͤnig muß 5. Eyde ſchwoͤren.
  • 1. Traité hiſtorique du Sacre et couronnement des Rois de France par M. MENIN, à Amſterdam 1724. 12.
J 3§. 40.134Frankreich.

§. 40.

Der Koͤnig genieſſet das heilige Abend - mahl unter beyderley Geſtalt, weil ſeine Sal - bung der prieſterlichen gleich gehalten wird. Er beruͤhret auch an gewiſſen Tagen die Kranke, und heilet insbeſondere die Kroͤpfe, welche Kraft der heilige Marculph dem heiligen Ludwig zu - erſt mitgetheilet hat.

  • a) DE LA FORCE, tom. I. ch. 12. und Nemeitz, Cap. XXIII. p. 184.
  • b) Die communionem ſub vtraque ſoll Clemens VI. Philippen von Valois verſtattet haben.
  • 1. IOAN. IOACH. ZENIGRAVII de tactu re - gis Franciae, quo ſtrumis laborantes reſtituuntur, diſſ. duae, Wittebergae 1670.

§. 41.

Das Reich iſt untheilbar. Alle unmittel - bare Lehnguͤter, die dem Thronfolger ſowohl vor Erlangung der Krone gehoͤren, als nach Erlan - gung derſelben zufallen, muͤſſen dem Reiche ein - verleibet werden.

  • a) 2 Urſachen haben die Untheilbarkeit unter den erſten Koͤnigen des dritten Stammes befoͤrdert, ſo daß die Nachgebohrne ſich mit Apanagiis begnuͤgen muͤſſen, aus Loiſeau LIMNAEUS, I. p. 207.
  • b) Les Rois de France contractent avec la cou - ronne une eſpece de mariage, par lequel ils la do - tent de toutes les terres et ſeigneries, cet. aus Sci -pion135Frankreich. pion du Pleix LIMNAEUS, eb. daſ. p. 216. und 221. Exempel von beyden Faͤllen.

§. 42.

Die unumſchraͤnkte Regierung der neu - ern Koͤnige iſt von Ludwig XI. gegruͤndet, und von dem Cardinal Richelieu befeſtiget worden. Ehemals hatten die Franzoͤſiſche Staͤnde groſſen Theil an der Regierung. Jhre Verſamlungen nennte man ſchon unter dem erſten Stamme das Parlament. Es beſtand ans der Geiſtlichkeit und dem Adel. Philipp der Schoͤne fuͤgte den Buͤrgerſtand (Le Tiers Etât) 1300 hinzu, und errichtete aus dem Ausſchuß der Staͤnde eine be - ſtaͤndige Verſammlung zu Paris. Dieſes behielte den Namen Parlament bey, und ſeit dem wur - den die allgemeine Verſammlungen der Reichs - ſtaͤnde (Aſſemblées des Etâts Generaux) da - von unterſchieden; aber ſie wurden auch zugleich ſeltener, und ſeit 1614. haben ſie gar aufgehoͤ - ret Das Parlament zu Paris ſtellte demnach Anfangs den Reichstag vor, und ſeine Macht und Vorrechte waren auſſerordentlich groß. Nach und nach miſchten ſich die Koͤnige in die Wahl der Parlamentsherren, bald darauf ei - gneten ſie ſich die Ernennung ſchlechterdings zu. Seit dem iſt dieſes Parlament, aller ſeiner viel - faͤltigen Widerſpaͤnſtigkeit ungeachtet, in Staatsſachen dem Willen des Koͤniges voͤllig un - terworfen, und in ein Juſtitzcollegium verwan - delt worden.

J 4a) De136Frankreich.
  • a) DE LA FORCE, tom. I. p. 137. und 208.
  • b) Schatten der alten Parlamentsrechte, daß biß jetzt alle koͤnigliche Edicte darinnen regiſtriret wer - den muͤſſen.
  • c) Exempel, wie hart ſie wegen ihrer Widerſetz - lichkeit gezuͤchtiget worden.
  • 1. Hiſtoire des anciens Parlements de France par M. le Comte de BOULAINVILLIERS, à Londres 1737. f.

§. 43.

Jn Frankreich giebt es 4. Stuffen des A - dels. 1) Die Prinzen vom Gebluͤte, denen die legitimirte Soͤhne der Koͤnige unmittelbar nach - gehen, 2) der hohe Adel, unter welchem die Ducs und Comtes Pairs die erſte ſind, 3) der gemeine, ſowohl Stamm-als Geburtsadel, 4) der neue Adel, welcher entweder durch einen A - delsbrief oder durch Ernennung zu einer adeli - chen Bedienung gegeben wird, und im letztern Falle bißweilen nur perſoͤnlich iſt, wohin auch der Glockenadel gehoͤret.

  • a) DE LA FORCE, tom. I. ch. XX.
  • b) Sonſt waren 12. Pairs de France, 6. geiſtliche und 6. weltliche, und von jeder Gattung 3. Herzoge und 3. Grafen Dieſe Pares Curiae waren unter den Reichsſtaͤnden die Vornehmſte. Jhre Anzahl iſt anjetzt biß auf 60. gewachſen, ihre Vorrechte aber ſind unendllch gefallen, und beſtehen beynahe nur in der Einbildung. LIMNAEUS, I. 977.
c) Un -137Frankreich.
  • c) Unter den Ducs und Pairs haben die 6. natu - raliſirte auslaͤndiſche Prinzen den Rang. Die - ſe ſind 1) das Haus Carignan, 2) die Franzoͤſiſche Linie der Herzoge von Lothringen, 3) der Fuͤrſt von Monaco, 4) der Herzog von Bouillon, 5) der Her - zog von Rohan, 6) der Herzog von Thouars und Prinz von Tarento.
  • d) Der Stammadel geuͤndet ſich ohne weitern Beweiß auf den Beſitz von 100. Jahren Kraft eines Edicts von 1664. und 1714.
  • e) Der Seehandel iſt dem Adel nicht praͤjudicir - lich. Gewohnheit der Edelleute in Bretagne, ihren Adel ſchlafen zu laſſen.

5. Verfaſſung der Reichsgeſchaͤfte.

§. 44.

Der Staatsrath iſt das hoͤchſte Reichs - collegium, welches aus dem Canzler und den Staatsminiſtern beſteht. Dieſem iſt das Con - ſeil des depeches beyzufuͤgen, worinnen von den 4. Staatsſecretaͤren, 1) der auslaͤndiſchen Affairen, 2) der Hof - See - und Handelsſa - chen, 3) der Kirchenſachen, 4) der Kriegs - affairen, die in eines jeden Abtheilung laufen - de Angelegenheiten referiret und expediret wer - den. Jn beyden Conſiliis iſt der Koͤnig ſelbſt gegenwaͤrtig.

  • a) Die innerliche Reichsſachen ſind unter alle 4. Staatsſecretaͤre getheilet, ſo daß jeder gewiſſe Pro - vinzen zu beſorgen hat. Die Expedition der Gnaden -J 5ſachen138Frankreich. ſachen gehet wechſelsweiſe von Monath zu Monath herum. DE LA FORCE, tom. I. ch. XVII.

§. 45.

Der Franzoſe verbindet die Vernunft mit ſeiner Religion, und dieſes ſo weit, daß er ſich auch eher zu Ausſchweifungen in der Freygeiſte - rey, als zu der entgegen geſetzten Schwachheit des Aberglaubens neiget. Er weiß den Wehrt der Gewiſſensfreyheit zu ſchaͤtzen, und hat ſich gegen das Glaubensjoch laͤnger als gegen das Staatsjoch vertheidiget, wovon die Albigen - ſer, die Hugenotten und noch neulich die Jan - ſeniſten oder vielmehr Quesnellianer ein eben ſo denk - als bedauernswuͤrdiges Beyſpiel ab - geben.

  • a) Man ſehe CHASSANION in ſeiner hiſtoire des Albigeois, die hiſtoire de l’Edit de Nantes und die Anecdotes ſur la Conſtitution: Vnigenitus nebſt Hrn Cantzler Pfaffens actis et ſcriptis publicis die - ſer Conſtitution, ferner Johann Frickens Bullam Unigenitus, und Walchs Einleitung in die Reli - gionsſtreitigkeiten, Theil II, Cap. 3. Abtheil. 2.

§. 46.

Die ganze Geiſtlichkeit beſteht aus 18. Erzbißthuͤmern, welche aber nur 16. Kirchenpro - vinzen ausmachen, und aus 109. Suffragan - bißthuͤmern, welche ihre Archidiaconate, De - canate und Kirchſpiele unter ſich haben. Ueber - das zaͤhlet man faſt 750. maͤnnliche und uͤber200.139Frankreich. 200. weibliche Abteyen, nebſt 14. 077. Kloͤſtern von allerley Orden. Dieſes alles zuſammen ſoll uͤber 190.000. Perſonen geiſtlichen Standes be - tragen. Jn America iſt ein unmittelbares Biß - thum zu Quebeck.

  • 1. Recueil hiſtorique des Archevechés, Evechéſ Abbayes et Prieurés de France par DOM BEAU - NIER, II. tomes, à Paris 1726. 4.
  • 2. Memoires Anecdotes de la Cour et du Clergé de France par JEAN BAPTISTE DENIS, à Lon - dres 1712. gr. 12.
  • a) Die Erzſtifte Cambray und Beſançon ſind in dem Collegio der Franzoͤſiſchen Geiſtlichkeit nicht mit begriffen.
  • b) Metz, Toul, Verdun und Straßburg eben ſo wenig, weil ſie unter Teutſchen Erzſtiftern ſtehen.
  • c) Von dem Orden De la Trappe ſiehe Deſcri - tion de l’abbaye de la Trappe, à Paris 1677. 12. und BOULAINV, Etât de Perche.
  • d) Die beſte Liſte der Erz - und Bißthuͤmer und Ab - tragen giebt das Dictionnaire de France in der In - troduction, pag. 18.
  • e) Einkuͤnfte der Franzoͤſiſchen Cleriſey, welche ge - dachter Denis ohne Grund auf 312. Millionen ſetzet. BEAUNIER berechnet ſolche, die Abteyen mit dar - unter begriffen.

§. 47.

Jn den mittlern Zeiten wurde Frankreich von den Paͤbſtlichen Annatis, gratiis exſpe - ctatiuis und reſeruatis ſehr vexiret. Carl VII. half140Frankreich. half ſich durch eine weiſe Sanctionem pragma - ticam geſchloſſen zu Bourges und beſtaͤtiget von dem Concilio zu Baſel, 1438. Nach vielen li - ſtigen Bemuͤhungen der Paͤbſte riß ſich endlich Leo X. dieſen Dorn aus dem Fuſſe, und richtete 1515. mit Frantz I. zu Bologna das beruͤhmte Con - cordat auf, Kraft deſſen der Koͤnig die Ernen - nung zu den Stiftern bekam, der Pabſt aber ſich die Beſtaͤtigung vor eine gewiſſe Summe Gel - des oder Taxe ausdung, und ſolche auch, ob - wohl mit groſſem Widerſpruch des Parlaments, durchſetzte. Der Pabſt hat auch in den meiſten Stiftern 6-8. menſes. Der Koͤnig exercirt das ius primariarum precum, und genieſſet das eintraͤgliche Regale, das iſt, er hebt die Ein - kuͤnfte, und vergiebt die Pfruͤnden der erledigten Stifter. Den Gerichtsſtand der Erz - und Bi - ſchoͤfe in Criminalſachen macht das Parlament zu Paris dem Pabſte ſtreitig.

  • a) Sanctio Pragmatica Caroli VII. ſteht im Corps Di - plom. tom. III. part. I. p. 57. die Concordata eb. daſ. tom. IV. part. I. p. 228.
  • b) Der Koͤnig ernennt alſo ordentlich vi concor - datorum; aber in Provence, Bretagne und den er - oberten Laͤndern vi indultus.
  • c) Das Regale erſtreckte Ludwig XIV. durch 2 E - dicte von 1673. und 1682. auch auf Langvedock, Dau - phine, Provence und alle neuerlangte Laͤnder. Doch ſchenkt der Koͤnig gemeiniglich zwey Drittel dieſer Ein - kuͤnfte den neuen Biſchoͤfen.
  • 1. Traité ſingulier des Regales ou des droits duRoi141Frankreich. Roi ſur les benefices eccleſiaſtiques par FRANÇOIS PINSSON, II. tomes. à Paris 1688. 4. Siehe auch DE LA FORCE, tom. I. ch. XVIII.

§. 48.

Die weltbekannte Freyheit der Gallica - niſchen oder Franzoͤſiſchen Kirche iſt nicht als ein Privilegium anzuſehen; ſondern als ein Ueberreſt desjenigen Rechts, welches allen chriſt - lichen Kirchen vor errichtetem Pabſtthum gemein war. Sie gruͤndet ſich auf 2. Hauptſaͤtze, 1) daß der Pabſt in weltlichen Sachen gar nichts, 2) in geiſtlichen Sachen aber gegen die in Frank - reich angenommene Concilia nichts befehlen koͤn - ne. Hieruͤber iſt vieles gefochten worden, die ganze Franzoͤſiſche Geiſtlichkeit ſetzte ſolche 1682. nebſt ihren Folgerungen mit Einwilligung des Koͤnigs aufs neue feſt: aber der ungluͤckliche Krieg uͤber die Conſtitutionem: Vnigenitus hat dieſe ſtreitbare Heldinn faſt gaͤnzlich entwaf - net, weil die weltliche Hand ſie zum geiſtlichen Gehorſam gezwungen.

  • a) Philipp der Schoͤne, Ludwig XII. und XIV. ſind ſehr ungezogene Kinder gegen den heiligen Vater geweſen.
  • b) Alle Decretales, welche der Franzoͤſiſchen Kir - chenfreyheit zuwider ſind, das ganze 6te Buch der Decretalien und das Concilium von Trient ſind hier nicht angenommen.
  • c) Von der Freyheit der Franzoͤſiſchen Kirche hat LIMNAEUS aus PETRO PITHOEO, CLAU -DIO142Frankreich. DIO FAUCHETO, ANTONIO HOTMANNO, MARCO VULSONIO und andern einen netten Aus - zug gemacht. PIERRE DU PUY hat noch vollſtaͤn - diger davon geſchrieben, und LENGLET du FRES - NOY hat deſſen Commentaire ſtark vermehrt wieder herausgegeben in II. tomes, à Paris 1715. 4.
  • d) Alte und neue Maͤrtyrer dieſer geiſtlichen Frey - heit.

§. 49.

Frankreich hat nicht einerley Geſetze. Die koͤnigliche Ordonnances und Declarations welche im Codice Ludouiciano geſammlet worden, haben zwar ſowohl in geiſtlichen, als weltlichen Sachen eine allgemeine Verbindlich - keit; allein uͤbrigens iſt in einigen Provinzen das Roͤmiſche Recht angenommen, in andern aber nicht. Daher kommt die Eintheilung in Pays de droit écrit und pays coûtumiers. Das Jus Canonicum gilt ebenfalls, doch unter ver - ſchiedenen Einſchraͤnkungen. Den buͤrgerlichen und peinlicheu Proceß hat Ludwig XIV. 1666. umgeſchmolzen, und durchgaͤngig auf einerley Fuß ſtellen laſſen.

  • a) Code de Louis XIV. XII. parties, à Paris 1667. 1695. 4.
  • b) Jn Gvienne, Langvedock, Provence, Dau - phine, Lionnois und einigen andern gilt Jus Roma - num.
  • c) Man zaͤhlt auf 60. Provincial Statuta, wenn man aber die Stadt - und andre geringere Rechte da - zu nimt, ſind 275. beſondere Coûtumes.
d) Die143Frankreich.
  • d) Die neue Proceßordnung hat der Preußiſchen zum Muſter gedient; doch iſt die peinliche vollkom - mener als die buͤrgerliche. Von den Plaidoyers in den Franzoͤſiſchen Parlamentern.

§. 50.

Die kleine koͤnigliche und adeliche Gerich - te (Prevôtés, Mairies, Iudicatures, Cha - tellenies etc.) ſtehen unter den Amtsgerichten, (Préſidiaux, Senechauſſées, Bailliages,) von dieſen wird in wichtigern Faͤllen an die Land - gerichte appellirt. Dieſer ſind 14. an der Zahl, 12. Parlaments und 2. Conſeils Superieurs, deren kein einiges von dem andern abhaͤngt; ſondern alle in der letzten Jnſtanz ſprechen. Der Canz - ler iſt das Haupt der Gerechtigkeit, und praͤſidi - ret zugleich in allen koͤniglichen Conſeils. Er dirigiret die groſſe Canzeley, worinnen alle koͤ - nigliche Reſcripte, Verordnungen, Beſtallungs - Patente, kurz alle Schriften in den hoͤchſten Reichsſachen durch 300. Secretaͤre ausgefertiget werden. Bißweilen wird ihm ein Groß-Sie - gelbewahrer zur Seiten geſetzt.

  • a) DE LA FORCE tom. I. ch. 19. und Dictionn, de France iu der Introduction, woſelbſt p. 38. die ganze diviſion juſticiere befindlich.
  • b) Von den Vorrechten des Canzlers, und war - um er niemals eine Trauer anleget.
§. 51.144Frankreich.

§. 51.

Die Einkuͤnfte der Koͤnige waren in den vorigen Zeiten kaum mittelmaßig. Denn zu neuen Abgaben war die Einwilligung der Staͤn - de noͤthig. Dieſe ſchuͤttelte ſich Ludwig XI. zu - erſt vom Halſe. Seit dem iſt Frankreich von einem ganzen Strom neuer Auflagen uͤber - ſchwemmet worden. Die heutige ordentliche Einkuͤnfte werden gehoben 1) aus den Domai - nen, welche theils in Guͤtern, theils in unzaͤh - ligen nutzbaren Regalien, als Droit de Rega - le, d Amortiſſement, Francs fiefs, nou - veaux Acquêts, Ban et Arriere Ban, Au - baines, Batârdiſe und andern parties caſu - elles beſtehen; 2) aus den Zoͤllen, (Droits d entrée et de ſortie, de Foraine, etc.) 3) aus der ſtarken Acciſe, hauptſaͤchlich auf Wein, (Aides) wohin auch die cinq groſſes fermes nebſt der Verpachtung des Tabacks und das Stempelvapier zu rechnen, 4) aus der Salz - ſteuer, und zum Theil dem Salz-Monopolio, (Gabelles) 5) aus den Vermoͤgenſteuern (Tail - les) 6) aus dem Verkauf der Civil-Bedienun - gen, 7) aus den Decimes und dem Don gra - tuit der Geiſtlichkeit. Die auſſerordentliche Auflagen ſind der Taillon, Vſtenſile, Etappes, die Kopfſteuer, (Capitation) die Aufrichtung neuer Bedienungen, die Umpraͤgung und Er - hoͤhung der Muͤnze, der Zehende aller Einkuͤnfte, (Dixième) und ſo viele andre, als dem Koͤnigezu145Frankreich. zu fordern gefaͤllt. Doch ſind ſie nur in Krie - geszeiten und Nothfaͤllen gebraͤuchlich.

  • a) Die Domainenguͤter ſind mehrentheils veraͤuſſert, bleiben aber allezeit wiederkaͤuflich. Die uͤbrige ſind verpachtet.
  • b) Das Stempelpapier kam auf 1673.
  • c) Gabelles ſind ſehr verſchieden. Es gibt Pays de grandes und de petites gabelles und exempts de gabelles. BOULAINV. I. 52.
  • d) Der Ueberreſt der Domainen, die Zoͤlle, Aides, cinq groſſes Fermes, Taback, Stempelpapier und Ga - belles ſind zuſammen verpachtet, und machen den Bail general oder die Fermes unies aus.
  • e) Die Tailles ſchreibt der Koͤnig jaͤhrlich nach Be - lieben aus, ſie ſind in Langvedock nnd Provence re - elles, in den uͤbrigen Laͤndern perſonelles. BOU - LAINV. I. 51.
  • f) Wie der Verkauf der Aemter eingefuͤhret, nach und nach geſteigert, und endlich die Bedienungen zu ordentlichen Handelsſachen geworden. DE LA FOR - CE, I. 212.
  • g) Taillon traͤgt halb ſo viel, bißweilen gar〈…〉〈…〉. Viertel ſo viel, als die Taille. BOULAINV. I. 52.
  • h) Von der Aufrichtung neuer Bedienungen Exem - pel in Flandern, BOULAINV. I. 357.

§. 52.

Die Einrichtung das Finanzweſens hat bißher noch nicht auf einerley Fuß im ganzen Reiche geſetzt werden koͤnnen. Jedoch iſt (auſ - ſer einigen neueroberten Laͤndern) alles in 26. KGene -146Frankreich. Generalitaͤten eingetheilet, und einer jeden ein Jntendant vorgeſetzt, der viele willkuͤhrliche Macht ausuͤbet. 20. Generalitaͤten ſind Pays d Election, 6. ſind Pays d’Etâts. Jedes Pays d’Election hat ſein Bureau des Tréſo - riers de France und 2. Receveurs Generaux, durch welche alle unverpachtete Einkuͤnfte geho - ben werden. Die andere Revenuͤen werden an die Pachter und Bureaux der Pachter ge - liefert. Die kleinere Eintheilung aller Genera - litaͤten iſt nach Paroiſſes und Feux. Ferner ſind 10. Chambres des comptes zu Berechnung der Einkuͤnfte, und 8. Cours des Aides zu Schlichtung der Proceſſe angelegt. Die Geiſt - lichkeit iſt in Anſehung der Zehenden und des freywilligen Beytrages in 17. Generalitaͤten o - der Recettes provinciales eingetheilet. Die geiſtliche Finanzproceſſe aber werden von 9. Chambres Eccleſiaſtiques entſchieden, deren Untergerichte die Bureaux dioceſains ſind. Das allgemeine Oberhaupt des Finanzweſens aber iſt der Controlleur General, an welchen auch der Receveur General du Clergé ange - wieſen iſt.

  • a) Wie ſich Langvedock unter Ludwig XIII. geſper - ret, ein Pays d’Election zu werden. BOULAINV.
  • b) Von den Elections, Paroiſſes und Feux, BOU - LAINV. II. 300. Das Dictionn. de France in der Introduction rechnet im ganzen Bezirk von Frank - reichs Herrſchaft in Europa 39. 045. Paroiſſes und 3. 713. 563. Feuerſtellen.
c) Der147Frankreich.
  • c) Der Generalpacht iſt in eine Menge Unterpach - tungen abgetheilt. Die allgemeine Verſamlungen der Oberpachter werden in der Douane zu Paris gehal - ten.
  • d) Jn verſchiedenen Generalitaͤten ſind noch be - ſondere Bureaux, als: des aides, grandes entrées, formules, marque de fers, Jauge et Courta - ge, Droits de Riviere, domaines de Flandre et domaines d Occident. Ferner iſt Frankreich in eine Menge Departemens wegen der groſſen und kleinen Salzſteuer, und in viele Directi - ons wegen der Bureaux des cinq groſſes Fermes abgetheilet.

§. 53.

Dieſe Anſtalten hat Frankreich ſeinen groſ - ſen Financiers zu danken, von denen alle an - dre in Europa das Handwerk gelernet. Es ſind nun zwar hiedurch die Einkuͤnfte des Koͤni - ges biß auf 180. Millionen getrieben worden; allein 1) ſind die Erfindungen, Geld zu erpreſ - ſen, in Kriegeszeiten ſo ausſchweifend gehaͤufet worden, daß das uͤberladene Volk unter dieſer Laſt mehr als einmal faſt erdruckt, und von den unzaͤhligen Maltôtiers biß aufs Blut ausgeſo - gen worden, 2) haben dem ungeachtet die un - nuͤtze Kriege das Reich oͤfters in ſolche uner - ſchwingliche Koſten geſtecket, daß die Krone in jetzigem Jahrhundert uͤber 1900 Millionen ſchul - dig geweſen, welche zu tilgen kaum das aller - deſperateſte Mittel hinlaͤnglich geweſen.

K 2a) 148Frankreich.
  • a) Berechnung der Koͤniglichen Revenuͤen aus BOULAINV. I. 51. u. folg.
  • b) unerhoͤrte Proportion der Koͤniglichen Einkuͤnf - te gegen das, was das Land hervorbringt. BOU - LAINV. II. 578.
  • c) Elend ſo daraus entſtanden an dem Ex. der Generalitaͤt von Paris, der Grafſchaft Burgund, der Provinz Artois, Metz, Rouan, Limoges. Anmer - kung von Elſas. BOULAINV. an gehoͤrigen Orten.
  • d) Von den vielen 1000 Finanzbedienten als Blut - igeln des Reichs. BOULAINV. tom. III. memoire II. et III.
  • e) Von dem Actienhandel und der papiernen Zeit waͤhrender Minderjaͤhrigkeit Ludwigs XV. La vie de Philippe d’Orleans.
  • f) Herzhafte Vorſtellungen des Parlaments ge - gen einige neue Auflagen im letzten Kriege 1747. Mer - cure hiſtor. 1748. mois d’Avril, p. 438. et de May p. 572.

§. 54.

Wenn man die Menge der Einwohner die - ſes weitlaͤuftigen Reichs und ihre Neigung zum Kriege bedenkt; ſo iſt leicht zu begreifen, woher ſie ſo ungeheure Kriegsheere ins Feld ſtellen koͤnnen, daß man ſolche im Spaniſchen Suc - ceßionskriege auf 400.000. Mann geſchaͤtzet. Doch betraͤgt ſie in Friedenszeiten kaum die Helf - te. Sie haben verſchiedene Regimenter von Aus - laͤndern und eine ganze Armee Schweitzer in Dienſten. Jhre Cavallerie uͤbertrift unſtreitigdie149Frankreich. die Jnfanterie. Die Haustruppen betragen auf 10.000. Mann theils zu Pferde, theils zu Fuß. Jhr Artillerie - und Jngenieurs-Corps thut es allen andern in Europa zuvor. Die ganze Verfaſſung ihres Militaͤrweſens hat lan - ge Zeit den uͤbrigen Nationen zum Muſter ge - dienet. Seit Unterdruͤckung der Connetablen - Stelle ſind die Marechaux de France die er - ſte Kriegsbediente, denen zuweilen ein Mare - chal General vorgeſetzet wird. Das Hôtel Royal des Invalides, die haͤufige Gouverne - ments und Commendantenplaͤtze, die Ritteror - den und Penſionen ſind bey ihnen groſſe Auf - munterungen, gut zu fechten.

  • a) Gute und ſchlechte Eigenſchaften der Franzoͤſi - ſchen Truppen. RICHELIEU im teſtam. polit. II. 74.
  • b) Carl VII. iſt Urheber des militis perpetui.
  • c) Ludwig XI. ſchloß den erſten Subſidientractat mit den Schweitzern, welcher ſeit dem oft erneuert worden.
  • d) Von den Haustruppen, der Garde du dedans et du dehors, den Gens d’armes, Chevaux legers, dem Regiment des Gardes-Françoiſes et Gardes-Suis - ſes, den Mousquetaires gris et noirs.
  • e) Die 300. Jngenieurs koſten allein jaͤhrlich 500. 000. livres.
  • f) Ludwigs XIV. Verbeſſerungen im Kriegsweſen werden nunmehr durch die Preußiſche uͤbertroffen.
  • g) Unter den 12-15. Marſchaͤllen von FrankreichK 3ſtehen150Frankreich. ſtehen die Lieutenants Generaux, Marechaux de Camp, Colonels und Meſtres de Camp.
  • h) Jm Hôtel des Invalides, einer praͤchtigen Stif - tung Ludwigs XIV. werden auf 3000 Gemeine und 500. Officiers unterhalten. Nemeitz, bl. 299.
  • i) Von dieſem allen handelt weitlaͤuftig DE LA FORCE, I. ch. 20, und ch. 3. art. 14.
  • 1. Hiſtoire de la milice Françoiſe par GABRIEL DANIEL, II. tom. à Paris 1718. 4.

§. 55.

Die Franzoͤſiſche Seemacht iſt weder ſo alt noch ſo ſtark, als die Landmacht. Hein - rich IV. dachte darauf, Richelieu arbeitete dar - an, Ludwig XIV. ruhete nicht, biß er durch Liſt und Geld ſie groß gemacht hatte. Aber er er - lebte noch ihren Verfall, und ſie iſt anjetzt nicht halb ſo ſtark, als ſie ſonſt geweſen. Die Kriegsſchiffe werden theils am Ocean in Breſt Rochefort, Port Louis und Havre de Gra - ce, theils an der Mittellaͤndiſchen See in Tou - lon, die 30. Galeeren aber in Marſeille verwahrt. Der Koͤnig beſoldet auf 100.000. Mann, die zur Marine gehoͤren Der Admiral von Frank - reich und der General der Galeeren ſind die vor - nehmſte Seeofficiers. Unter dem erſtern ſtehen die 2. Viceadmirals, etliche General-Lieutenants und Commandeurs der Eſcadern, nebſt mehr als 40. Admiralitaͤtsgerichten. Es ſind auch 3. Compagnien Gardes de la marine als die Pflanzſchule von Seeofficiers errichtet.

a) Frank -151Frankreich.
  • a) Frankreichs beſondere Vortheile und Nothwen - digkeit, eine Seemacht zu werden. DES LANDES eſſai ſur la marine, part. 3. p. 98.
  • b) Von den Franzoͤſiſchen Seeprojecten vor Lud - wig XIV. RICHELIEU, teſt. polit. ch. IX. ſect. 5. und DES LANDES, part. 2. p. 45.
  • c) Carls II. unverantwortliche Staatsfehler, und Ludwigs XIV. Staatsraͤnke in Befoͤrderung des See - weſens Wie weit es der letztere am Ende des vori - gen Jahrhunderts gebracht, BOULAINV. II. 483.
  • d) Der Spaniſche Succeßionskrieg warf alles nieder.
  • e) Allerneueſte Anſtalten, nach geſchloſſenem Frie - den das Seeweſen mit aller Macht zu verbeſſern.
  • f) Ueberhaupt DE LA FORCE, tom. I. ch. XX. art. 4. p. 289.

6. Staatsintereſſe.

§ 56.

Frankreichs Staatsverfaſſung iſt ſo vortheil - haft eingerichtet, daß ein kluger Koͤnig durch nichts aufgehalten wird, das Gluͤck ſeiner Na - tion auf den hoͤchſten Gipfel zu bringen, und nur einer maͤßigen Sorgfalt noͤthig hat, um das Gebaͤude der unumſchraͤnkten Gewalt in gutem Stande zu erhalten, welches aufzufuͤhren ſeinen Vorgaͤngern ſo viel Kunſt und ſo groſſe Muͤhe gekoſtet. Es iſt gewiß, daß Frankreich bluͤhet; aber es iſt auch unſtreitig, daß ſein WachsthumK 4noch152Frankreich. noch weit hoͤher getrieben werden kann, wenn es den Fleiß ſeiner Unterthanen liebreich zu er - muntern, dem Seeweſen aufzuhelfen und die auswaͤrtigen Colonien zu vermehren weiß. Eine Milderung der Abgaben und die Ver - meidung unnoͤthiger Kriege wuͤrden hiebey groſſe Dienſte leiſten.

  • a) Teſtament politique du Cardinal RICHELIEU, II. parties, à Amſterdam 1688. 12 geht alle Theile des innerlichen Jntereſſe der Krone Frankreich durch.
  • b) Vorſchlaͤge zu Verbeſſerung der Pflanzſtaͤdte in America, LABAT Voyage aux Isles de l Amer. IV. ch. I. in der letzten Abtheilung, und eben deſſen voyages de DES MARCHAIS.
  • c) Vorſchlag eines Et abliſſements an der Magel - laniſchen Meerenge, LABAT voyage aux Isles de l Amer. V. p. 373.
  • d) Vorſchlag zu Vermehrung der Colonien in Oſtindien, LABAT memoires D ARVIEUX, tom. VI. p. 301.
  • e) Wie das Finanzweſen beſſer einzurichten, Pro - jecte des Grafen BOULAINVILLIERS an den Her - zog Regenten aus ſeinen Memoires, tom. III. des Etât de la France, mem. 2, 3, 5, 6.
  • f) Wie ſchaͤdlich Frankreich ſeine groſſe Kriege ſeit 100 Jahren geworden aus BOULAINV. an verſchie - denen Orten.
Das153

Das IV. Hauptſtuͤck. Staat von Groß-Britannien.

  • Schriftſteller:
  • 1. Teatro Britannico da GREGORIO LETI, V. parti, Amſterdamo 1684. 12.
  • 2. Angliae notitia, ſiue praeſens ſtatus Angliae, (THOMAE WOOD) Oxoniae 1686. 12.
  • 3. Goy Miege geiſt - und weltlicher Staat von Groß-Britannien und Jrrland, aus dem Engliſchen uͤberſetzt, (von Johann Bernhard Heinzelmann) 3. Theile, Leipzig 1718. 4.
  • 4. L’Etat preſent de la Grande Bretagne ſous le Regne de George II., III. tomes, à la Haye 1729. 8.
  • * Zu allen dieſen vier Buͤchern hat EDUARDI CHAMBERLAINE Magnae Britanniae notitia, welches ſeit 1668. faſt 30. mal in Engliſcher Sprache herausgekommen, den Stoff gegeben.
  • 5. Le guide d’Angleterre, ou relation du voyage de M. de B ***, à Amſterdam 1744. 8.
K 56)154Gros-Britannien.
  • 6. Lettres de M. l Abbé LE BLANC, concernant le gouvernement, la politique et les moeurs des Anglois et des François, III. tomes, à Amſterdam 1747. 8.

1. Staatsveraͤnderungen.

§. 1.

Die alte Britten fechten lange, ehe ſie ſich das Joch der Roͤmer auflegen laſſen, wel - che doch endlich im Jahr 426. von freyen Stuͤ - cken den Angel-Sachſen Platz machen. Die - ſe werden von den Daͤnen verdrungen, und kaum ſind ſie wieder auf dem Thron, ſo muͤſſen ſie den Normaͤnnern weichen 1066.

§. 2.

Denn Wilhelm der Conqverant ihr Her - zog erobert Engelland, wodurch dieſes Reich ei - nen ſchoͤnen Zuwachs jenſeit des Meeres erhaͤlt. Nach ſeinem und ſeiner beyden Soͤhne Abſter - ben ſtreiten ſich ſeine Nachkommen von weibli - cher Seite um den Scepter.

§. 3.

Unter dleſen hat endlich Heinrich II. bey - genannt Plantageneta das Gluͤck, die Krone auf ſein Haus zu bringen 1154. Er wird durch Erb - folge Graf von Anjou, Maine und Touraine,durch155Gros-Britannien. durch Heyrath Herzog von Gvienne, wozu auch Poitou, Xaintonge und Gaſeogne gehoͤrte, und durch ſeine Siege Herr von Jrrland. Sein Urenkel Eduard I. incorporirt Wallis dem Rei - che. Eduard III. erlangt einen Anſpruch auf Frankreich, und die Engellaͤnder verfechten ſolchen mit ſo auſſerordentlichem Fortgange, daß ſeine Nachfolger davon Meiſter geworden waͤren, wenn nicht die innerliche Kriege zwiſchen der rothen und weiſſen Roſe Engelland zu einem Schauplatz von Mordſpielen gemacht, und da - durch den Verluſt nicht nur faſt aller Eroberun - gen; ſondern auch der eigenthuͤmlichen Provin - zen in Frankreich nachgezogen haͤtten.

§. 4.

Heinrich VII. ein Tudor gewinnet das Reich, 1485. und bringt es durch ſeine Vermaͤhlung und Klugheit zur Ruhe. Allein Heinrich VIII. re - giert und lebt wunderlich, und Maria reformirt grauſam. Endlich kehret Eliſabeth den alten Sauerteig aus, und wird das Gluͤck und Ver - gnuͤgen ihres Volks, ſtirbt aber unvermaͤhlt 1603.

  • a) Unter Heinrich VII. fing Engelland an, ſeine Schiffart auszubreiten, und unter Eliſabeth, ſich auſ - ſerhalb Europa feſtzuſetzen.

§. 5.

Nunmehr kommt Engelland und Schott - land unter ein Haupt, und erhaͤlt den gemein -ſchaftlichen156Gros-Britannien. ſchaftlichen Namen Groß-Britannien. Das Stuartiſche Haus erbet Eliſabeths Reich, aber nicht ihre Weißheit. Daruͤber verliehrt Jacob I. ſein Anſehen, Carl I. den Kopf, Carl II. die Liebe der Nation, und der Papiſtiſche Jacob II. 1688. das Reich. Wilhelm III. Prinz von Oranien wird nebſt ſeiner Gemahlinn Maria auf den verlaſſenen Thron erhoben. Seine Nachfolgerinn Anna hat das Gluͤck, Engelland mit Schottland zu vereinigen, und Frankreich zu demuͤthigen; aber auch das Ungluͤck, ihren Ruhm und ihre zahlreiche Nachkommenſchaft zu uͤberleben.

  • a) Unter dieſem Stamme wird Engelland in A - merica maͤchtig, und durch den Utrechtiſchen Frieden erlangt es den Schluͤſſel zum Mittellaͤndiſchen Meer.

§. 6.

Das Churhaus Braunſchweig-Luͤne - burg erhaͤlt die Krone, und beyde George re - gieren mit groſſem Anſehen, befoͤrdern die Gluͤck - ſeeligkeit ihres Volks, und werden Schutzengel von Europa.

  • 1. Hiſtoire des revolutions d’Angleterre par le P. D’ORLEANS, III. tomes, à la Haye 1729. 4.

2. Beſchaffenheit der Laͤnder.

§. 7.

Groß-Britannien iſt die groͤßte Jnſul in Europa. Die Nordſee, der Canal, das Jrr -laͤndiſche157Gros-Britannien. laͤndiſche und Schottiſche oder Deucaledoniſche Meer machen ihre Grenzen, und ſondern ſie von den Niederlanden, Frankreich und Jrrland ab. Engelland und Schottland hengen durch die Cheviotiſche Gebuͤrge zuſammen, und werden durch die Fluͤſſe, den Tweed, Esk und Sol - vay von einander geſchieden.

  • a) Von den Engliſchen Seekuͤſten und den Duͤ - nen, Guide d’Angleterre, p. 70.

§. 8.

Engellands Clima wird durch die Seeluft feucht erhalten. Winter und Sommer ſind beyde gleich ſehr gemaͤßiget. Schottland iſt ſchon kaͤlter und trockener. Engelland iſt groͤßtentheils eben, Schottland hergegen weit mehr gebuͤrgig als platt. Beyde Laͤnder ſind vortreflich durch - waͤſſert: unter den groſſen Stroͤmen ſind die Themſe, die Severne und der Humber in En - gelland; der Tay, Forth und Clyde in Schott - land die vornehmſte.

§. 9.

Engellands Fluͤſſe und Kuͤſten ſind unge - mein fiſchreich. Der gluͤckſelige Boden bringt alles, was man von einem ſo temperirten Lan - de erwarten kann, nicht nur reichlich; ſondern auch fuͤrtrefflich hervor. Getreyde, Garten - fruͤchte und Viehweide ſind im hoͤchſten Ueber -fluſſe.158Gros-Britannien. fluſſe. Jhre Pferde werden den beſten in Eu - ropa gleichgeſchaͤtzt, und ihre Millionen Schaa - fe tragen eine guͤldene Wolle. An Flachs, Hanf und Holz ſpuͤret man nur deßwegen eini - gen Mangel, weil man den Boden auf andere Art beſſer zu nutzen weiß. Salz iſt nicht zurei - chend vorhanden. Schottland iſt hauptſaͤchlich an Fiſchen, Haber, Weitzen, Flachs und Hanf geſegnet; doch iſt das Land nicht von der Guͤ - te, noch ſo fleißig angebauet, als Engelland.

  • a) Sardellenfang auf der Kuͤſte von Cornwall, Miege, I. 45.
  • b) Auſternfang auf der Bank von Colcheſter, LE BLANC, III. 281.
  • c) Zu den Landesfruͤchten gehoͤrt auch der Saffran, das Suͤßholz und Weidkraut.
  • d) Jn Engelland giebt es weder Woͤlfe noch Baͤ - ren und wilde Schweine.
  • e) Von Schottlands Vortheilen. Miege, Theil II. Cap. 2.

§. 10.

Die Engliſche und Schottiſche Berge ge - ben allerhand Marmor, Alaun, Chryſtal, Vi - triol, Steinkohlen, Zinn, Bley, Kupfer und etwas Eiſen. Sonderlich hat Engelland einen vorzuͤglichen Schatz an den Zinnbergwerken in Cornwall, und Schottland iſt an Steinkohlen unerſchoͤpflich.

§. 11.159Gros-Britannien.

§. 11.

Engelland beſtehet aus 7. Provinzen und dem Fuͤrſtenthum Wallis. Die erſtere ſind in 40. Schiren oder Grafſchaften, wozu auch die umliegende Jnſuln gerechnet werden, ein - getheilet. Wallis iſt aus 12. Schiren zuſammen geſetzt. Jn beyden iſt jeder Hufen Landes, ſeit vielen 100. Jahren ausgemeſſen. Schott - land zerlegt ſich in das Suͤdliche und Nordliche Theil, und in die Schottiſche Jnſuln, die letz - tere werden in die Weſtliche, Orcadiſche, Schett - laͤndiſche und Ferroiſche abgetheilet, und zaͤhlet man ihrer uͤber 150. London iſt als der Sitz des Reichs, der Mittelpunct des Engliſchen Handels und die volkreicheſte Stadt in Europa merkwuͤrdig.

  • 1. The hiſtory of London by WILLIAM MAIT - LAND, London 1739. f. worinnen eine weitlaͤufti - ge Unterſuchung von der Anzahl der Einwohner, und ein Vergleich mit den Einwohnern anderer groſſen Staͤdte in Europa befindlich iſt.
  • 2. Nouveau Theatre de la Grande-Bretagne, Lon - dres, tom. I. 1708. tom. II. 1713. ſuppl. 1728.

§. 12.

Groß-Britannien hat keine ſonderliche Landfeſtungen, wozu wuͤrden ſie auch dienen? Es ſorget nur, ſeine Thuͤre, die Seekuͤſten, verſchloſſen zu halten. Dieſes erlangt es durch die Feſtungswerke ſeiner Haͤfen, welche es ingroſſer160Gros-Britannien. groſſer Menge hat. Die vornehmſte Engliſche Seehaͤfen ſind Dower, Chattam, Sandwich, Portsmouth, Neuport, Yarmouth, Pleymonth, Dartmouth, Falmouth, Cheſter, Hull, Car - diff, Milforthafen nebſt den groſſen Handels - oͤrtern London und Briſtol; unter den Schot - tiſchen ſind Leith, Glascow, Dunde, Aberdeen, Cromerty bekannt.

  • a) Zur ganzen Geographle von Engelland gehoͤrt
  • 1. CAMBDEN’S Britannia by EDWARD GIBSON, London, 1695. f.
  • 2. Dictionarium Angliae topographicum et hiſto - ricum, an alphabetical deſcription of the chief pla - ces in England and Wales by WILLIAM LAM - BARDE, London 1730. 4. mai.

§. 13.

Jrrland iſt halb ſo groß als Engelland, unter ſeinen Stroͤmen ſind der Schannon, Bar - row und Boyne die bekannteſte, es hat groſſe ſtehende Seen, und viele Suͤmpfe. Jn der Schaaf - und Viehzucht beſteht ſein groͤßter Reichthum. Man bauet nunmehr auch Flachs und Hanf, und cultivirt das Land je laͤnger, je beſſer.

§. 14.

Die Engellaͤnder beſitzen 1) auf der Nor - mandiſchen Kuͤſte die beyde Jnſuln Jerſey undGarne -161Groß-Britannien. Garneſey, als das einzige Andenken ihrer ehe - maligen Provinzen in Frankreich; 2) auf der Straſſe nach der Levante im Mittellaͤndiſchen Meer die Feſtung Gibraltar und die Jnſul Mi - norca; 3) in Africa Capo Corſo nebſt unter - ſchiedlichen Feſtungen auf der Goldkuͤſte und der Jnſul St. Helena; 4) in Aſien einige befeſtig - te Plaͤtze, als Bombaya auf der Kuͤſte von Cun - can, Madras und Fort St. David auf der Kuͤ - ſte von Coromandel und Fort Marlborough in der Jnſul Sumatra.

§. 15.

Jn America ſind ſie nach den Spaniern unſtreitig die maͤchtigſte, und beherrſchen 1) im Nordlichen Theile einen Strich Landes von 16-1700. Engliſchen Meilen, worinnen ſich Hudſonbay wegen des Caſtors, Neu-Schott - land und die Jnſul Terre Neuve wegen des Fiſchfangs, Neu-Engelland, Neu-York, Neu - Jerſey, Penſilvanien, Carolina und Georgia nebſt dem Fiſchfange wegen der Viehzucht, des Getreydes, Schiffszimmerholzes und der Eiſen - bruͤche, Virginien und Maryland wegen des Tabacks hoͤchſt ſchaͤtzbar machen. 2) Unter den vorliegenden Jnſuln gehoͤrt ihnen von den groſſen Antillen Jamaica, von den Caraibiſchen einige theils Lewards, theils Windwards Jn - ſuln, hauptſaͤchlich Barbados und St. Chri - ſtophle. Dieſe Jnſuln liefern nebſt Jndigo,LPimento162Groß-Britannien. Pimento, Cacao, Cochenille und allerhand Spe - cereyen und Farbeholz eine groſſe Laſt Zucker.

  • 1. Das Britiſche Reich in America, uͤberſetzt von Theodor Arnold, 2. Theile, Lemgo 1744. 4.
  • a) Der Fiſchfang bey Terre Neuve vermehrt den National-Fond jaͤhrlich auf 3. biß 400.000. Pf. Sterl. Brit. Reich in America, I. 4, ohne die herrliche Fi - ſchereyen an den uͤbrigen Seekuͤſten zu rechnen.
  • b) Neu-Engelland iſt reich an Silbertannen, Theer, Pech, Harz, Terpentin, daher der groſſe Handel mit Faßdauben, und der herrliche Schiffbau, welcher noch einmal ſo hoch iſt, als in allen andern Engliſchen Colonien zuſammen genommen. Eb. daſ. 227.
  • c) Von Boſton, eb. daſ - 247.
  • d) Von dem Qvaͤcker Wilhelm Pen, und der herrli - chen Colonie, die er angelegt.
  • e) Die Tabackspflanzungen in Virginien und Maryland ſind in der groͤßten Bluͤthe, haben den Bre - ſiltaback heruntergeſetzt, und liefern jaͤhrlich faſt 300. 000, Centner.
  • f) Carolina ein gluͤckſeeliges Land kann ſeit eini - gen Jahren allein mit Reiß uͤber 200. Schiffe bela - den. eb. daſ. Die Hauptſtadt davon iſt Charlestown.
  • g) Georgia ein neuerkauftes Land faͤngt ſchon an, important zu werden. eb. daſ. 657.
  • h) Von dem neuen Seydenbau in Georgia und Carolina, und dem Seydengraſe in Virginien Man bemuͤht ſich auch ſchon, Wein, Flachs und Hanf zu ziehen.
  • i) Jamaica iſt kaum die Helfte angebauet, und dennoch die reicheſte unter allen Engliſchen Colonien. Sie163Groß-Britannien. Sie liefert allein an Zucker auf 100 000. Faͤſſer, hat 3 groſſe Saltzteiche, und bringt nunmehr auch Caf - fee hervor. Von ihrem Hafen Port Royal.
  • k) Barbados ein Jnſulchen, 5. Meilen lang und nicht halb ſo breit hat jetzt noch mehr Zucker, als alle Engliſche Pflanzungen zuſammen, und konnte ſonſt wohl 400. Schiffe mit ihren Landeswaaren beladen. Seit 1690. fiel ſie, doch erhohlt ſie ſich allmaͤchlich wieder.
  • l) Jn den Engliſchen Colonien halten ſich wenig - ſtens anderthalb Millionen Menſchen auf.
  • m) Berechnung des Wehrts der Engliſch-Americani - ſchen Productionen aus der Einleitung des Briti - ſchen Reichs in America.

3. Beſchaffenheit der Einwohner.

§. 16.

Engelland hat auf 7. Millionen Einwoh - ner, Schottland und Jrrland zuſammen nicht halb ſo viel. Jn der Engliſchen Sprache iſt die alte Saͤchſiſche der Stamm, in welchen die Franzoͤſiſche, die Lateiniſche und alte Britiſche eingepropfet worden. Aus dieſer letztern fließt auch die Schottiſche und Jrrlaͤndiſche Sprache; doch iſt jene von der Engliſchen ſeit etlichen 100. Jahren in die Hochlaͤndiſche Gebirge vertrieben worden, und dieſe hat viele alte Cantabriſche Woͤrter untermiſcht.

L 2a) 164Groß-Britannien.
  • a) Dieſe Anzahl der Menſchen berechnet der Capi - tain Graunts in ſeinen Anmerkungen uͤber die Todtenzettel der Stadt Londou.
  • b) Anmerkungen von der Engliſchen Sprache aus Benthems Engliſchem Kirchen - und Schulen - ſtaat, Bl. 11. und den Lettres des LE BLANC, I. 99.

§. 17.

Der Engellaͤnder hat ſeine anſehnliche Ge - ſtalt und ſeinen ſtarken Appetit zum vielen Eſſen und zu hitzigen Getraͤnken mit andern Nordiſchen Voͤlkern gemein; unterſcheidet ſich aber dadurch von allen uͤbrigen Nationen, daß er in keiner Sache die Mittelſtraſſe zu halten gewohnt iſt; ſondern wie ſeine Tugenden, alſo auch bißwei - len ſeine Laſter aufs hoͤchſte treibt. Er verlaͤßt ſich auf ſeinem geſunden Verſtand, und ſetzt dar - innen ſein hoͤchſtes Gut, ſeinem eigenen Kopfe zu folgen: weil aber das melancholiſch-chole - riſche Temperament ſeine Affecten violent macht, ſo wird er davon oͤfters hingeriſſen. Hier - aus fließt die Liebe zum Auſſerordentlichen, die Neigung zu Ausſchweifungen und der Wider - ſpruch, der ſich bißweilen in ſeinem Thun und Laſſen zu aͤuſſern ſcheint. Man lobt an ihm die Redlichkeit, Großmuth, Verſchwiegenheit, das Loͤwenherz, die Verachtung des Todes nnd Liebe zur Freyheit. Bey dem gemeinen Haufen fin - det man wuͤtende Affecten, unbaͤndige Aus - ſchweifungen in Wolluͤſten, Wildheit in aller -hand165Groß-Britannien. hand Ergoͤtzungen, Trotz, Kaltſinn gegen Frem - de, Neigung zum Aufruhr und zum Selbſt - morde.

  • a) Die Lettres ſur les Anglois et les François von Muralt ſind oben angefuͤhrt worden.
  • b) Von ihrem Geſchmack an allem, was auſſeror - dentlich iſt, LE BLANC, I. 84. & 141.
  • c) Von ihren Schauſpielen, eb. daſ[.]III. 149. und ihren Gladiateurs und Lutteurs, eb. daſ. III. 1.
  • d) Von dem Wettlauf der Pferde in New-Mar - ket, dem Coc Pit, den Gentlemens of the Road, Sha - pers, Clups.
  • e) Von ihrem Spleen und Selbſtmorde, LE BLANC, I. 236. und POELLNITZ in ſeinen memoires, tom. III. p. 139.

§. 18.

Der Engellaͤnder iſt aufgelegt, in den Wiſ - ſenſchaften vollkommen zu werden, die Tiefſin - nigkeit und der ſtandhafte Fleiß ſind ihm eigen. Keine Nation hat groͤßre Geiſter hervorgebracht, und diejenigen Wiſſenſchaften und freyen Kuͤnſte, welche dem menſchlichen Verſtande die meiſte Ehre bringen, und in gemeinen Leben die nuͤtz - lichue ſind, ſo weit getrieben, als die Engliſche. Die Gelehrſamkeit hat nirgends mehr Vorſchub noch groͤßre Belohnung. Oxford und Cam - bridge ſind nicht als einzelne Univerſitaͤten; ſon - dern als ganze Republicken vieler vereinigten Univerſitaͤten anzuſehn. London iſt der Sitz vonL 3Ju -166Groß-Britannen. Juriſtiſchen und Mediciniſchen hohen Schulen, und pranget uͤberdas mit der unvergleichlichen Academie der Wiſſenſchaften, als der Stam̃ - mutter aller uͤbrigen ihres Namens in Europa. Edenburg, Glascow und St. Andrews ſind die Schottiſche, Dublin iſt die Jrrlaͤndiſche Uni - verſitaͤt.

  • 1. Heinrich Ludolf Benthems Engellaͤndiſcher Kirch und Schulenſtaat, 2te Auflage, Leipzig 1732. gr. 8. ſonderlich Cap. XXIV.
  • a) Magliabechi Spruch von Engelland, Guide d Angl. p. 238.
  • b) Von dem Groß-Canzler Bacon von Veru - lam.
  • c) Die ſonſt ruhmſuͤchtige Franzoſen muͤſſen dieſen Vorzug der Engellaͤnder eingeſtehen. LE BLANC, I. lett. 8. p. 56.
  • d) Warum ſie in den Arts du gôut von andern uͤber - troffen werden. eb. daſ.
  • e) Beſondere Einrichtung ihrer Collegiorum und Aularum auf beyden Univerſitaͤten. Sie tractiren groͤßtentheils nur die Weltweißheit und Gottesge - lahrtheit.
  • f) Von der Academie der Wiſſenſchaften, Miege, I. 252. Vergleich mit der zu Paris, LE BLANC, I. lett. 25. Vortheile, ſo der Nation daraus erwach - ſen. eb. daſ. II. p. 95.

§. 19.

Faſt alle Materialien, woraus die menſch - liche Hand etwas nutzbares verfertigen kann,werden167Groß-Britannien. werden hier in groͤßter Menge verarbeitet. Wie der Franzoſe den aͤuſſerlichen Wehrt ſeiner Ma - nufacturen durch allerhand Putzwerk zu erhe - ben ſucht: alſo weiß der Engellaͤnder den ſeini - gen durch die Accurateſſe und Dauer einen in - nerlichen Wehrt zu verſchaffen, der unvergaͤng - lich und unnachahmlich iſt.

  • a) Beſondere Anmerkungen von ihren unſchaͤtzba - ren Wollmanufacturen.
  • b) Von ihren Seydenfabricken,
  • c) Stahlarbeit,
  • d) Galanteriewaaren, und Glasfabricken.
  • e) Vorzuͤglicher Ruhm der Engliſchen Handwer - ker. LE BLANC, I. 64.
  • f) Eifer der Nation, diejenige Manufacturen, de - ren Materialien einheimiſch ſind, vorzuͤglich zu er - halten.

§. 20.

Der Handel dieſer Nation iſt durch die ganze Welt ausgebreitet. Sie beſchiffet alle Eu - ropaͤiſche Kuͤſten, doch mit ſehr ungleichem Pro - fit, ſo gar daß ſie in dem Handel mit Frank - reich, Jtalien und Schweden einbuͤſſet: herge - gen hat ſie in dem Handel mit den uͤbrigen Eu - ropaͤern den Vortheil auf ihrer Seite.

  • a) Warum die 3. erſtere Nationen in dem Han - del mit Engelland das Uebergewicht haben, und wie ſich Engelland dagegen zu helfen ſucht.
L 4b) En168Groß-Britannien.
  • b) Engellands Handel nach Teutſchland uͤber Hol - land und Hamburg.
  • c) Handel nach Spanien, Portugal, Polen, Preuſſen und Daͤnemark.
  • d) Ehemaliges Monopolium in Archangel, und jetziger Handel ſo wohl dahin, als nach Petersburg.

§. 21.

Auſſer Europa handelt der Engellaͤnder 1) nach der Levante, und zwar mehr als al - le andere Seenationen, 2) nach Africa, 3) nach Oſtindien, wo er naͤchſt den Hollaͤndern der vornehmſte iſt, 4) nach America, wo er ſowohl ſeine eigene Colonien mit allen Engliſchen Manufacturen verſieht, als auch einen wichti - gen Contreband-Handel mit den Spaniern treibt, auch bißher von dem Aſſiento und dem Permiſſionsſchiffe Vortheil gezogen.

  • a) Die Engliſche Colonien nehmen mehr Manu - facturen ab, als alle andre Handlungen.
  • b) Sie handeln auch ſelbſt theils mit den Franzoͤ - ſiſchen Colonien, theils nach Africa, theils nach den Canariſchen Jnſuln.
  • c) Beſondere Art, den Contreband-Handel zu trei - ben, und das Campecheholz aus dem Campeche - und Honduras-Bay zu entfuͤhren Beydes geſchicht von Jamaica aus. Wegen des Campeche-Holzes haben die Engellaͤnder auf der Jnſul Ruatan eine Feſtung angeleget. Beſiehe das Britiſche Reich in Ameri - ta, Band II. Bl. 1209.
§. 22.169Groß-Britannien.

§. 22.

Der Engellaͤnder verſteht uͤberhaupt den ganzen Handel aus dem Grunde. Die viele Handlungs-Geſellſchaften, als die Oſt-Jndi - ſche, Suͤdſee-Africaniſche, Levantiſche, Oſt - laͤndiſche, Ruſſiſche und andre Compagnien be - foͤrdern ſolchen, die Banco in London erleichtert ihn, die Aufmerkſamkeit der Regierung und die herrliche Geſetze befeſtigen ihn, ſo daß durch alle dieſe Anſtalten der Schatz der Nation in Frie - denszeiten jaͤhrlich mit 11. Millionen rthlr. ver - mehret wird.

  • a) Von dieſen Compagnien ſiehe Miege I. 381. und SAV ARY.
  • b) Beſondere Einrichtung und Reichthum der Banco.
  • c) Geſetze in Anſehung der rohen Materialien, der Zoͤlle, der Fremden nach Engelland handelnden Schif - fe. LE BLANC, III. p. 275.

§. 23.

Die Engliſche gangbare Muͤnzen ſind Pen - ces, Schillinge und Kronen, alle drey von Sil - ber; von Gold aber die Gvineen. 1. Pence iſt ungefehr 7. Pfennige unſers Geldes. 12. Pen - ces machen 1. Schilling, 5. Schillinge 1. Krone, 21. Schillinge und 6. Pences 1. Gvinee. Man hat auch halbe Kronen, und Stuͤcke von 2. 3. 4. und 6. Pences, ferner halbe Pences und zinner - ne Scheidemuͤnzen, Farthings genannt, deren 4. 1. Penny betragen.

L 51. Hi. 170Groß-Britannien.
  • 1. Hiſtorical account of English Money by STE - PHEN MARTIN LEAKES, London 1745. gr. 8. Siehe auch Benthems Engellaͤndiſchen Kirchen - und Schulenſtaat, Cap. XXVIII.
  • a) Eliſabeths, Carls II. und Wilhelms III. Ver - dienſte um die Engliſche Muͤnze, wodurch nicht nur der Muͤnzfuß unverbeſſerlich geworden; ſondern auch ein beſtaͤndiger Zufluß von auswaͤrtigem Golde und Silber erhalten wird.

4. Staatsrecht.

§. 24.

Das vornehmſte Reichsgrundgeſetz iſt das von Koͤnig Johann ohne Land 1215. den Staͤnden ausgefertigte Diploma, welches die Magna charta oder Charta libertatum, Baro - nibus regni conceſſa, genennet wird, nebſt ver - ſchiedenen juͤngern Parlamentsaeten.

  • a) Man findet ſolche in Hrn. Hofr. Schmauſſens Corp. J. Gent. Acad. tom. I. p. 8.
  • b) Wo das Original davon anzutreffen.
  • c) Johannis Enthronung wurde das Siegel dieſes Geſetzes.

§. 25.

Georg II. jetztregierender Koͤnig iſt geboh - ren 1683., wurde Prinz von Wallis 1714. und gelangte zur Regierung 1727. Von ſeiner 1737. verſtor -171Groß-Britannien. verſtorbenen Gemahlinn, Wilhelmina Char - lotte, einer Brandenburg-Anſpachiſchen Prin - zeßinn ſind gebohren Friedrich Ludwig 1707. Printz von Wallis, welcher ſich 1736. mit Au - guſta, Prinzeßinn von Sachſen Gotha vermaͤhlt, und den Herzog von Cornwall, Georg Wil - helm Friedrich nebſt noch 3. Prinzen und 2. Prinzeßinnen mit ihr erzielet hat. Die andere Koͤnigliche Kinder ſind der Herzog von Cumber - land Wilhelm Auguſt, und 5. Prinzeßinnen, 1) Anna, Gemahlinn des Prinzen von Orani - en 1734. 2 ) Amalia Sophia Eleonora, 3) Eliſabeth Carolina, 4) Maria, Gemahlinn des Erbprinzen von Heſſen-Caſſel Friedrichs 1740. 5 ) Louiſe, Gemahlinn des Koͤniges von Daͤnemark Friedrichs V. 1743.

§. 26.

Der Kronprinz wird als regierender Her - zog von Cornwall gebohren, und zum Prinzen von Wallis creirt. Er ziehet aus beyden Pro - vinzen gewiſſe Einkuͤnfte. Die uͤbrige Prinzen erhalten ihre Titul und Revenuͤen vom Koͤnige, und ſind gebohrne Staatsraͤthe. Alle Koͤnigli - che Kinder werden Kinder von Groß-Britannien und Koͤnigliche Hoheiten titulirt.

  • a) Miege I. 856.

§. 27.

Der Titul des regierenden Koͤniges lautet alſo: Koͤnig von Groß-Britannien, Frankreichund172Groß-Britannien. und Jrrland, Beſchuͤtzer des Glaubens. Die - ſe Titulatur iſt erſt ſeit dem Stuartiſchen Stam - me beſtaͤndig einerley geblieben, nachdem ſie vor - her oftmaligen Veraͤnderungen unterworfen ge - weſen.

  • a) Alter Titul: Anglorum Baſileus et dominus IV. marium.
  • b) Streit zwiſchen Engelland und Schottland, als Jacob I. den Thron beſtieg, und Jacobs I. Medaille: Henricus Roſas, Regna Jacobus.
  • c) Von den vielen Aenderungen dieſes Tituls ſiehe BECMANNI ſyntagma dignit. diſſ. III. cap. 1. §. 10.

§. 28.

Das Koͤnigliche Wappen iſt qvadrirt: im 1) Schilde zeigen ſich die drey Engliſche Leopar - den und der Schottiſche Loͤwe, im 2) die Fran - zoͤſiſche Lilien, im 3) die Jrrlaͤndiſche Davids - harfe, im 4) das Chur-Braunſchweig-Luͤne - burgiſche Wappen.

  • a) Von dem Wappenzierath, den Roſen und der Diſtel.
  • b) Der Wahlpruch iſt veraͤnderlich.
  • c) Wappen des Prinzen von Wallis.

§ 29.

Die hohe Kronbediente ſind 1) der Lord Statthalter oder Ober-Richter (High Steward,) 2) der173Groß-Britannien. 2) der Lord Groß-Canzler oder Groß-Siegel - bewahrer, 3) der Lord Groß-Schatzmeiſter, 4) der Lord Praͤſident des Staatsraths, 5) der Lord geheime Siegelbewahrer, 6) der Lord Groß - Caͤmmerer, 7) der Lord Groß-Connetable, 8) der Lord Groß-Marſchall, 9) der Lord Groß - Admiral. Doch ſind dieſe Bedienungen nicht alle beſetzt, einige werden nur bey beſonderen Ge - legenheiten auf eine Zeitlang vergeben, andere durch ganze Collegia verwaltet.

  • a) Miege I. 861.

§. 30.

Der ganze Hofſtaat hat eben ſo viel Pracht als Ordnung. Der weltlichen Hofbedienten rechnet man auf 600. Perſonen, welche unter dem Ober-Hofmeiſter, Ober-Hofcammerer und Ober-Stallmeiſter ſtehen. Zur Hofgeiſtlich - keit gehoͤren faſt 100 Perſonen, unter welchen der Groß-Allmoſenier und der Dechant der Koͤ - niglichen Capelle die vornehmſte ſind, der letzte - re hat allein uͤber 56. Hof-Capellaͤne zu befehlen. Nichts giebt ein groͤſſeres Zeuaniß von der auſ - ſerordentlichen Ehrfurcht der Nation gegen die Majeſtaͤt des Koͤniges, als das hohe Ceremo - niel, womit Selbiger bedienet wird.

  • a) Von dem ganzen Hofſtaat handelt ausfuͤhrlich Miege I. 1020.
b) Von174Groß-Britannien.
  • b) Von den Ceremoniel ſtehe auch Guide d An - glet. p. 188.

§. 31.

Die drey Ritterorden 1) vom blauen Ho - ſenbande, 2) vom Bade und 3) von der Diſtel machen den Groß-Britanniſchen Hof noch an - ſehnlicher. Die beyde erſtere ſind Engliſche, der letztere ein Schottiſcher Orden. Der vom blau - en Hoſenbande iſt eigentlich ein Orden des hei - ligen Georgs, er wurde von Eduard III. 1350. geſtiftet, und beſteht nebſt dem Koͤnige aus 26. Rittern. Der Orden vom Bade ruͤhret von Heinrich IV. her 1399. Georg I. hat ihn erneuert. Der Orden von der Diſtel heißt auch der An - dreas-Orden, er wuͤrde der aͤlteſte in der Welt ſeyn, wenn er ſchon 819. von Koͤnig Achajo er - richtet waͤre. Jacob V. machte ihn anſehnlich, die Koͤniginn Anna erneuerte ihn 1703, und Ge - org I. vermehrte die Statuta 1725. Er beſtehet auſſer dem Ordensmeiſter aus 12. Mitgliedern. Von allen dreyen iſt der Koͤnig Großmeiſter. Alle drey haben nebſt dem Ordenszeichen auch eine beſondere Ordenskette, Band, Kleidung und Wahlſpruch.

  • 1. The Inſtitution, Laws and Ceremonies of the moſt Noble Order of the Garter by ELIAS ASH - MOLE, London 1672. f.
  • 2. The Regiſter of the moſt Noble Order of the Garter from its Cover in Black Velvet, uſuallycalled175Groß-Britannien. called the Black Book with Notes and an Introdu - ction, in II. Volumes, London 1724. f.
  • 3. The Proceſſion and Ceremonies obſerved at the Time of the Inſtallation of the Knights Com - panions of the moſt Honourable military Order of the Bath upon thursday June 17. 1725. by JOHN PINE, London 1730. gr. f.
  • 4. JUSTI CHRISTOPHORI DITHMARI com - mentatio de Ordine militari de Balneo, Francof. ad Viadr. 1729. f.
  • a) Anmerkungen aus dem Guide d Angleterre p. 29-37.

§. 32.

Die Groß-Britanniſche Krone iſt erblich, und faͤllt auch auf die weibliche Linie. Die Thronfolge ſtammt bloß aus den Geſetzen, und iſt keine neue Einwilligung der Stande erforder - lich. Daher duldet dieſes Reich kein Jnterre - gnum. Der Koͤnig muß der Engliſchen Kirche zugethan ſeyn, und iſt deßwegen 1690. die Pa - piſtiſche Linie von der Erbfolge auf ewig ausge - ſchloſſen, und ſelbige mit der Proteſtantiſchen Linie in dem Churhauſe Braunſchweig-Luͤneburg 1702. verbunden worden.

  • a) Anmerkung de Reginae marito.
  • b) Beruͤhmte Parlaments-Acte vom 18. Merz 1702. in Hrn. Schmauſſens Corp. J. G. Acad. tom. II. p. 1157. welche durch eine andre Acte von 1705. beſtaͤtiget worden. Corps Diplom. tom. VIII. part. I. p. 170.
§. 33.176Groß-Britannien.

§. 33.

Die Minorennitaͤt eines Koͤnigs endiget ſich mit dem 12ten Jahre. Wenn er 24. Jahr alt iſt, ſo kann er alles, was Zeit waͤhrender Minderjaͤhrigkeit im Parlament verordnet wor - den, widerruffen und vernichten. Dle Vor - mundſchaft und die Adminiſtration des Reichs in auſſerordentlichen Faͤllen richtet der Koͤnig nach ſeinem Gefallen ein; wo nicht, ſo macht das Parlament die Verordnung daruͤber. Die Reichsverweſung wird entweder einer Perſon oder vielen zugleich anvertrauet, daher findet man, daß ehemals bald ein Lord-Warden oder Lord-Keeper, bald ein Protector, und in neuern Zeiten bißweilen ein Regent oder eine Regentinn, bißweilen Lords-Regenten, oder Lords-Juſtices ſolche gefuͤhret haben.

  • a) Miege, I. 851.

§. 34.

Die Kroͤnung iſt in Engelland gewoͤhn - lich, und wird in der Abtey zu Weſtmuͤnſter mit allen nur erſinnlichen Feyerlichkeiten vollzo - gen. Unter den Reichskleinodien ſind die 2. Kronen, 3. Seepter und 3. Schwerdter nebſt dem Stuhle des heiligen Eduards merkwuͤrdig. Dieſe werden im Towr zu London verwahrlich aufgehoben, und bleiben immer einerley; da her - gegen die Kroͤnungskleider bißweilen geaͤndert werden.

1. Voll -177Groß-Britannien.

1. Vollſtaͤndige Beſchreibung der Ceremonien, welche ſowohl bey Engliſchen Kroͤnungen uͤber - haupt vorgehen, beſonders aber bey dem Kroͤ - nungsfeſt Georgs II. beobachtet ſind, Hannover 172〈…〉〈…〉. 4.

  • a) Die 2 Kronen ſind die Krone des heiligen E - duards und die Staatskrone.
  • b) Die 3. Scepter ſind der Stab des heiligen E - duards, der Scepter mit der Taube und der Scepter mit dem Creuze.
  • c) Die 3. Schwerdter ſind das Gnadenſchwerdt, Curtana genannt, und die beyde Rechtsſchwerdter ſo - wohl in geiſtlichen als weltlichen Sachen.
  • d) Der Koͤnig ſchwoͤret einen generalen Eyd, nach dem er verſchiedene Artikel einzeln angelobet.
  • e) Er kuͤſſet die anweſende Erz und Biſchoͤfe, und nach abgelegter Huldigung kuͤſſen alle Lords des Ober - hauſes ſeine lincke Wange.

§. 35.

Der Koͤnig heilet durch Beruͤhrung beyder Haͤnde eine beſondere Art von Krankheit, wel - che das Koͤnigsuͤbel genennet wird, und ſoll dieſe Kraft den Engliſchen Monarchen ſeit den Zeiten des heiligen Eduards beywohnen.

  • a) Die Ceremonien hiebey ſind von denen in Frank - reich gaͤnzlich unterſchieden.
  • b) Die ganze Handlung beſchreibt Benthem im Engell. Kirchen - und Schulenſtaat, Cap. XXV III. Bl. 775.
M§. 36.178Groß-Britannien.

§. 36.

Seit der Vereinigung der Engliſchen und Schottiſchen Krone 1706. iſt die Regierungs - form in beyden Reichen auf einerley Fuß geſe - tzet worden, ſo daß beyde einen einzigen Staats - koͤrper nehmlich Groß-Britannien ausmachen, welchem die dritte Krone, Jrrland, unterwuͤr - fig iſt.

  • a) Der Unions-Tractat iſt von den dazu bevoll - maͤchtigten Commiſſarien beyder Reiche den 22. Julii (2. Auguſt) 1706. unterzeichnet worden, und ſteht in Schmauſſens Corp. I. G. Acad. tom. II. p. 1193.

§. 37.

Groß-Britannien iſt eine eingeſchraͤnkte Monarchie. Das Recht, Krieg zu fuͤhren und Frieden zu ſchlieſſen, Geſandte zu verſchi - cken und anzunehmen, das Parlament zuſam - men zu ruffen und aufzuheben, alle geiſt - und weltliche Aemter zu vergeben, den Adel und die Standſchaft im Oberhauſe zu ertheilen, Muͤnze zu ſchlagen, die Gerichtsbarkeit auszuuͤben, und kurz, alle uͤbrige geiſtliche und weltliche Maje - ſtaͤtsrechte, zu welchen nicht durch ausdruͤckliche Reichsgeſetze die Einwilligung der Staͤnde er - fordert wird, beruhen in dem Koͤniglichen Wohl - gefallen, und werden unumſchraͤnkt von ihm aus - geuͤbet.

a) Um179Groß-Britannien.
  • a) Um die Hoheit der Koͤniglichen oder Kron-Praͤ - rogativen (ſacra ſacrorum) auszudruͤcken, ſind die Re - densarten entſtanden: Rex eſt perſona mixta cum ſacerdote, eſt Pontifex maximus, ſummus Regni cuſtos, vltimus regni haeres, eſt omnipraeſens, o - mnipotens, infallibilis, WOOD in notitia Angl. p. 39. und Miege I. 809.
  • b) Der Schottiſche Adel hatte ſich in dem 20ſten Artikel der Union die hergebrachte Erb-Gerichts - barkeit vorbehalten, ſie iſt aber 1747, durch eine Parlamentsacte aufgehoben, und mit der Krone ver - einiget worden. Mercure hiſt. et polit. tom. CXXII. p. 548, tom. CXXIII. p. 75. tom. CXXIV. p. 549.

§. 38.

Die Freyheit der Nation aͤuſſert ſich in 2. Hauptpuncten, 1) in den Geſetzen, 2) in neuen Auflagen. Wenn ein neues Geſetz gegeben, ein altes aufgehoben, und neue Auflagen aus - geſchrieben werden ſollen: ſo wird ſolches durch gemeinſchaftliche Concurrenz des Koͤniges und der Reichsſtaͤnde bewuͤrket. Daher ruͤhmet ſich der Engellaͤnder, daß er kein Geſetz zu halten, und keine Abgabe zu bezahlen ſchuldig iſt, als die er ſich ſelbſt aufleget. Es ſetzet auch dieſe Ein - richtung der hoͤchſten Gewalt ſo gluͤckſeelige Schranken, daß ein Koͤnig von Groß-Britan - nien freye Haͤnde hat, ſeinem Volke Gutes zu thun, ohne ihm ſchaden zu koͤnnen. Man nennet ſolches die guͤldene Regel der Groß-Bri - tanniſchen Regierungsform.

M 2a) 180Groß-Britannien.
  • a) Etat préſent de la Grande Bretagne, tom. II. p. 15. und 93.

§. 39.

Es ſind, wie die Engellaͤnder behaupten, 3. Staͤnde des Reichs in Groß-Britannien, der Koͤnig, der Adel und das Volk. Der A - del iſt eigentlich der hohe Adel, und begreift ſo - wohl die geiſtliche als weltliche Lords unter ſich. Der weltliche Adel hat 5. Claſſen, als Herzoge, Marggrafen, Grafen, Vicomtes und Ba - ronen. Die adeliche Guͤter ſind untheilbar, wer - den nach dem Recht der Erſtgeburt ererbt, und geben ihrem Jnhaber Sitz und Stimme im O - ber-Parlament. Daraus entſpringen die Pa - res oder Barones Regni. Das Volk beſteht aus dem niedern Adel und den Gemeinen, der niedre Adel oder die Ritterſchaft aus den Baro - nets, den Spornrittern, (Knights Batche - lors) den Schildtraͤgern (Esquires) und den bloſſen Edelleuten, (Gentlemen). Die Rit - terſchaft einer jeden Schire hat ein votum cu - riatum im Unterhauſe. Sowohl der Adel als die Ritterſchaft unterſcheiden die verſchiedene Li - nien ihrer Haͤuſer durch die verſchiedene Bey - zeichen ihrer Wappen mit groſſer Accurateſſe.

  • a) Wer den Titul einer hoͤhern Claſſe des Adels fuͤhret, fuͤhret zugleich alle Tituls der untern Claſſen.
  • b) Die nachgebohrne Soͤhne der Vicomtes und Baronen werden zum niedern Adel gerechnet.
c) Von181Groß-Britannien.
  • c) Van dem fuͤrtrefflichen Wappengerichte, Guide d Anglet. p. 225. Die Engliſche Wappen haben or - dentlich auch einen Wahlſpruch.
  • d) Von den Free-holders und Copy-holders. Sie - he uͤberhaupt Etat préſent de la Grande Bretagne, tom. I. p. 263. und 270.

§. 40.

Die Verſammlnng der Reichsſtaͤnde wird das Parlament genennt, welches in das Ober - und Unterhaus eingetheilt iſt. Jenes heißt das Haus der Lords, und beſteht aus ungefehr 170. weltlichen Perſonen vom Engliſchen hohen Adel, aus 26. Engliſchen Erz - und Biſchoͤfen und aus 16. erwaͤhlten Schottiſchen Pairs. Das ande - re heißt das Haus der Gemeinen, und beſteht aus den Deputirten, theils der Ritterſchaft, theils der Staͤdte und Flecken einer jeden Grafſchaft in Engelland, zuſammen aus 513. Mitgliedern, denen ſeit der Vereinigung mit Schottland noch 45. dergleichen Schottiſche Deputirte beyzufuͤ - gen ſind. Das Oberhaus iſt Richter aller Mit - glieder ſowohl ſeiner als der Unterkammer, und kann jeder Lord ſeine Stimme einem andern auf - tragen. So oft ein neues Parlament zu ſam - men beruffen wird, ſo oft wird eine neue Wahl der Schottiſchen Parlamentsherren und der De - putirten der Gemeinen vorgenommen. Die Glieder des Unterhauſes haben ihre General - Jnſtruction, und votiren uͤbrigens nach ihrem eigenen Gutduͤnken. Alles was rechtskraͤftigM 3geſchloſſen182Groß-Britannien. geſchloſſen werden ſoll, muß von beyden Kam - mern bewilligt, und vom Koͤnige genehmiget ſeyn. Wenigſtens alle 7. Jahr muß das Parlament zuſammen berufſen werden, und kein Parla - ment kann uͤber 7 Jahr hintereinander dauern.

  • 1. Jus Parliamentarium, or the Power, Iurisdi - ction, Rights and Liberties of the moſt high Court of Parliament, revived and aſſerted by William Petyt, in II. Parts, London 1739 - f.
  • a) Mißbraͤuche bey der Wahl der Deputirten des Unterhauſes, und dagegen gebrauchte Mittel.
  • b) Ort der Verſammlung, dreyfacher Eyd, den ein jedes Mitglied des Paelaments vorher ablegen muß, Sprecher des Unterhauſes, Art zn deliberiren und zu voliren, Bill paſſé und non paſſé, Chambre pein - te, Adreſſe, Meſſage, Acte du Parlement.

§. 41.

Es geſchicht znweilen, daß die Gerechtſa - me der Reichsſtaͤnde gegen einander ſtoſſen. Die Engellaͤnder geſtehen ſelbſt, daß drey Dinge un - moͤglich ſeyn, nehmlich die Grenzen 1) der Koͤnig - lichen Vorrechte, 2) der Privilegien des Par - laments und 3) der Freyheit der Nation zu be - ſtimmen. Ueberdies iſt das Reich zu verſchie - denen Zeiten in Factionen zerfallen, davon die Torys und Wighs noch in friſchem Andenken ſind.

  • 1. Diſſertation ſur les Wighs et les Torys par M. THOVRAS RAPIN, à la Haye 1717. 8.
2. Hi -183Groß-Britannien.
  • 3. Hiſtoire du Whigisme et du Torisme par M. de CIZE, à Leipzig 1717. 8.

5. Verfaſſung der Reichsgeſchaͤfte.

§. 42.

Der oberſte Staatsrath, welcher die vor - nehmſte Reichsgeſchaͤfte beſorget, heißt the King’s Privy-Council, und beſteht aus geiſtlichen und weltlichen Raͤthen, deren Haupt der geheime Raths-Praͤſident iſt. Der Koͤnig ernennt alle Mit - glieder deſſelben, und ereirt ſo viel Staatsraͤthe, als ihm beliebet. Die 2. erſte Staats-Secre - taͤre 1) der Suͤdlichen 2) der Nordlichen Affai - ren expediren die auswaͤrtige Sachen jeder in ſeinem Departement beſonders, die einheimiſchen aber gemeinſchaftlich. Sie ſind zugleich Beyſi - tzer des geheimen Raths, und Directores des Signet-office und Paper-office, das iſt, des Siegelamts und des Staats-Archivs.

  • a) Miege I. 1100.

§. 43.

Der Engellaͤnder liebt die Freyheit zu glau - ben, was er will, und zu bekennen was er glau - bet. Hieraus ſind, ſeit dem man ſich vom Pabſt - thum losgeriſſen, die viele Religions-Spaltungen erwachſen. Doch iſt gewiß, daß, gleichwie kein Land mehr abentheuerliche Meinungen in geiſt -M 4lichen184Groß-Britannien. lichen Sachen ausgebruͤtet, als Engelland: alſo auch keine Nation groͤſſere Verfechter der Chriſt - lichen Religion erzeuget hat, als die Engliſche. Unter denen 20. biß 30. Secten ſind die Jnde - pendenten, Anabaptiſten und Qvaͤcker die nahm - hafteſte. Nach vielen Unruhen hat endlich in Engelland und Jrrland die Epiſcopal-Kirche, in Schottland aber der Presbyterianismus die O - berhand gewonnen Jrrland ſteckt noch voll von Papiſten, welche man lieber entwafnen, als ausrotten wollen.

  • 1. Melange de Litterature et de philoſophie par M. de VOL TAIRE, ch. 3. 9. tom. IV. de ſes Oeuvres.
  • 2. Benthems obangefuͤhrter Engellaͤndiſcher Kirch - und Schulen Staat.
  • a) Hiſtorie der Religion und Reformation in En - gelland, Benthem, Cap. VII.
  • b) Beyurſache der vielen Secten aus der Engli - ſchen Art zu ſtudiren.
  • c) Anmerkungen von den heutigen Secten aus Benthem, VOL TAIRE und LE BLANC.
  • d) Libri ſymbolici der Epiſcopalen, und ihre Streit - puncte mit den Presbyterianern, Benthem, Cap. VIII. und XXVI.
  • e) Die Epiſcopalen ruͤhmen ſich zweyer Merkmaale der wahren Kirche eb daſ. Bl. 161.

§. 44.

Unter den 2. Engliſchen Erzbiſchoͤfen von Canterbury und York ſtehen 25. Biſchoͤfe, wel -che185Groß-Britannien. che (auſſer dem Biſchofe von der Jnſul Man) alle Sitz und Stimme im Oberhauſe haben, und auf Koͤnigliche Recommendation von ihren Ca - piteln gewaͤhlet werden. Schottland iſt in 13. Synodos Provinciales, dieſe in 68. Presbyte - ratus, und dieſe in ihre Kirchſpiele eingetheilet. Jn Jrrland zaͤhlet man 4. Erz - und 19. Biß - thuͤmer.

  • a) Vorzuͤge des Erzbiſchofs von Canterbury.
  • b) Eintheilung der geiſtlichen Perſonen in Engel - land, Benthem, Cap. XVIII.
  • c) Anſehen, Freyheit und Einkuͤnfte der Engliſchen Cleriſey, eb. daſ. Cap. XXIII.
  • d) Der Koͤnig iſt das Oberhaupt der Kirche, und genieſſet die Annaten, welche aber von der Koͤniginn Anna auf des Biſchof Burnets Betrieb zu Verbeſſe - rung der Pfarrer-Beſoldungen und andern milden Sachen verſchenket worden.
  • e) Beſondere Art einer jaͤhrlichen Collecte zum Unterhalt der Prediger-Wittwen.

§. 45.

Die Geſetze, wornach die Handlungen der Unterthanen gerichtet werden, ſind 1) die dahin einſchlagende Parlaments-Acten. (Sta - tute-Law) Auf dieſe folgt das gemeine Recht, (Commun-Law) welches eine Sammlung alter Saͤchſiſchen und Normaͤnniſchen Gewohn - heiten, und in alter Normaͤnniſcher Sprache abgefaſſet iſt. Das Roͤmiſche Recht (Civil -M 5Law) 186Groß-Britannien. Law) wird in Subſidium gebraucht, und iſt ſonderlich bey den geiſtlichen und den Admirali - taͤts-Gerichten in groſſem Anſehen. Auch das Paͤbſtliche Recht (Canon-Law) iſt angenom - men, ſo weit es weder der heiligen Schrift noch der Koͤniglichen Hoheit zuwider iſt. Jn einzel - nen Staͤdten gelten auch verſchiedene beſondere Municipal-Geſetze. (Peculiar-Laws, By - laws.)

  • a) Geſetze in Anſehung der Weiber, Kinder und Schuldner. Von den letzten ſiehe Guide d Angl. 298.
  • b) Parlaments-Acte unter Jacobs I. Regierung: wo kein Geſetz, da keine Uebertretung. Exempel in der Affaire des Rußiſchen Ambaſſadeurs Matuoef.
  • c) Die Tortur iſt nicht gebraͤuchlich, das eigene Geſtaͤndniß einer begangenen Uebelthat nicht noth - wendig.
  • d) Drey Capital-Verbrechen, High Treaſon, Pet - ty Treaſon und Felony, und ihre deſondere Stra - fen.
  • e) Von dem Pilory, Cuking-ſtool und dem Pri - vilegio clerici.
  • f) Siehe Miege, I. 793. und 1205. und Ben - them, Bl. 748.

§. 46.

Die Gerichte muͤſſen in die weltliche und geiſtliche eingetheilet werden. Die weltliche Untergerichte werden in den Staͤdten von denAlder -187Groß-Britannien. Aldermen und Mayors beſetzt, die auf den a - delichen Doͤrfern nennt man Court-Barons o - der Court-Leets, die in den Koͤniglichen Aem - tern heiſſen County-Courts und Sherif-turns, welchen die Sherifs vorgeſetzet ſind. Jn dieſen Gerichten wird der Civil - und Criminal-Proceß von den ordentlichen Richtern inſtruirt, die De - ciſion aber von 12. geſchwornen Maͤnnern aus der Nachbarſchaft (the Jury) gefaͤllet. Ueber - dies ſind in den Staͤdten und Grafſchaften ge - wiſſe Friedensrichter (Juſtices of the peace) gegen die Stoͤhrer der oͤffentlichen Ruhe ange - ordnet, welche die Conſtables und Coroners zu ihren Dienſten haben. Die Landgerichte werden in jeder Grafſchaft alle 3. Monathe von den Friedensrichtern, nebſt 24. Geſchwornen (the great Jury) gehalten, und heiſſen daher die Qvartalgerichte. (Seſſions oder Quarter - Seſſions) Ferner iſt ganz Engelland in 8. groſ - ſe Creyſe eingetheilt. und in jedem Creyſe ſind 2. herumreiſende Oberrichter (Itinerant-Jud - ges) beſtellt, welche jaͤhrlich durch alle Schi - ren eine Reiſe (Circuit) thun, und in den Hauptoͤrtern Gericht (Aſſiſes) halten. Von dieſen Gerichten gehen die Appellationes an die hohe Tribunaͤle in Weſtmuͤnſter, und zwar, 1) wenn es bloße Privatſtreitigkeiten betrifft, an das Gericht der gemeinen Proceſſe, (The Court of common Pleas) 2) wenn es aber Landes - herrliche Rechte angeht, an die Koͤnigliche Bank. (the Court of King’s Bench) Einjedes188Groß-Britannien. jedes von beyden beſteht, auſſer einer Menge Un - terbedienten, aus 4. Richtern. Der Praͤſident des erſtern Gerichts heißt Lord Chief Juſtice of the common Pleas, der Praͤſident des an - dern Gerichts Lord Chief Juſtice of England. Noch uͤber dieſe beyde behauptet den Rang 3) das Canzeleygericht, (the high Court of Chancery) welches nebſt den Gerichtsſachen zugleich die Gnadenſachen expediret, und aus 12. Beyſitzern (Maſters of Chancery) beſteht, de - ren Oberhaupt der Lord Groß-Canzler iſt. Alle 3. Gerichte werden 4mal des Jahres, zuſammen ungefehr 3. Monathe lang gehalten.

Die Archidiaconi, die Stiftscapitel und die Biſchoͤfe haben ihre geiſtliche Gerichte, von dieſen wird an die Erzbiſchoͤfliche, und von den Erzbiſchoͤflichen an das Canzeleygericht appelliret. Alsdenn ſetzt der Koͤnig eine Commißion, welche the Court of Delegates genennt wird. Man rechnet in Engelland alle Ehe - und Teſtaments - Streitigkeiten zu den geiſtlichen Sachen. Die geiſtliche Strafen ſind die oͤffentliche Kirchenbuſ - ſe, der kleine und groſſe Kirchenbann und der Kirchenfluch. (Anathematismus)

  • a) Etat de la Grande Bretagne, tom. II. chap. XVII-XXI.

§. 47.

Die Proceſſe ſind auſſerordentlich haͤuflg und koſtbar, London naͤhret allein uͤber 4000. Sach -189Groß-Britannien. Sachwalter, und Engelland iſt das Paradieß der Advocaten Ueberhaupt hat dieſes Reich das Ungluͤck mit Teutſchland gemein, daß ſein Juſtitzweſen wegen der vielerley Geſetze nicht feſt genua zuſammen haͤngt, um gegen die Anfaͤlle der Chicane bedeckt zu ſeyn.

  • a) Miege klagt daruͤber, und LE BLANC wirft es den Engellaͤndern in ſehr bitteren Ausdruͤcken vor, tom. II. lett. 37. p. 53.

§. 48.

Die ordentliche Kroneinkuͤnfte werden 1) aus den noch uͤbrigen wenigen Cammerguͤtern und einigen nutzbaren Regalien, 2) aus der Landtaxe, 3) aus den Zoͤllen, als Tonnage, Pon - dage und andern groͤſſern Auflagen auf die Steinkohlen, auf die Einfuhr der Weine, des Salzes und andrer fremder Kaufmannswaaren, 4) aus der Exciſe oder Acciſe auf Malz, ge - hopfet und ungehopfet Bier, Mum, Apfel - und Birnentrank, 5) aus den Abgaben auf diejeni - nige fremde Waaren, Weine, Liqueurs for - tes et douces, ſo von den Kraͤmern, Hau - ſierern und Schenkwirthen im kleinen verkaufet werden, und endlich 6) aus dem Stempelpa - pier gehoben. Die auſſerordentliche Auflagen geſchehen groͤßtentheils durch Erhoͤhung der or - dentlichen; doch werden auch neue Abgaben auf Miethkutſchen und andere Wagen und Pfer -de,190Groß-Britannien. de, auf die Anzahl der Fenſter u. ſ. w. ge - legt.

  • a) Miege, I. 1076.

§. 49.

Von dieſen Auflagen iſt dem Koͤnige und der Koͤniglichen Familie zu Unterhaltung ihres Hofſtaats eine gewiſſe Summe feſtgeſetzt, wel - che in neuern Zeiten oͤfters vermehrt worden. Die uͤbrige Gelder ſind zum Dienſt der Krone ſonderlich der Land - und Seemacht gewidmet, und heiſſen deßwegen die Subſidien-Gelder. Sie werden jaͤhrlich von dem Parlament verwilligt, und ſind in dem jetztgeendigten Kriege uͤber 10. Millionen Pf. Sterl. hinangeſtiegen.

  • a) Schottland bezahlet groͤßtentheils einerley Zoͤlle und Aeciſe mit Engelland; aber, wenn Engelland die Landtaxe von 1. 997. 763. Pfund, 8 Sch. 4. und einen halben Pf. verwilliget: ſo zahlet Schottlaod nur 48. 000. Pfund Sterl Kraft des Unionstractats, Art. 9. Ueberhaupt betragen die Schottiſche Revenuͤen ordentlich 160. 000. Pfund Sterl. Etat de la grande Bret. tom. II. p. 345.
  • b) Die Subſidien von 1748. die groͤßte, ſo jemals verwilliget worden, ſiehe im Merc. hiſt. et pol. tom. CXXIV. Juin, p. 700.

§. 50.

Die Zolleinnahme wird durch mehr als 600. Per -191Groß-Britannien. Perſonen beſorgt, die von 7. Commiſſarien de - pendiren, welche im Zollhauſe (Coſtum-houſe) zu London ihren Sitz haben. Die Acciſe wird gleichfalls von verſchiedenen Commiſſarien, Col - lectors u. ſ. w. zuſammen von mehr als 2000. Officianten gehoben. Auf eben dieſe Art iſt es auch mit der Einnahme der groͤſſern und uͤbrigen Ab - gaben beſchaffen. Dieſe Bedienungen werden durchgaͤngig ſehr reichlich beſoldet. Alle Kron - einkuͤnfte werden in die Koͤnigliche Schatzkam - mer (Exchequer) geliefert, welche nunmehr an ſtatt des Lords Groß-Schatzmeiſters durch verſchiedene Commiſſarien und durch den Canz - ler vom Exchequer verwalter wird. Nirgends in der Welt koſtet die Schatzkammer weniger zu unterhalten, und iſt dem Unterſchleif ſo trefflich vorgebeuget als hier. Der Koͤnig diſponirt uͤber alle Kroneinkuͤnfte. Die Subſidien werden da - zu verwandt, wozu ſie verwilliget worden. Das Parlament fordert bißweilen Rechnung von den Koͤniglichen Financiers.

  • a) Von der Acciſe Guid. d Angl. p. 212.
  • b) Von dem alten libro cenſuali, Rotulus Win - toniae, oder the Black Book of the Exchequer ge - nannt.
  • c) Von der beſondern Art, die Schatzbediente zu bezahlen, und dem curieuſen Kerbholze ſtatt der Qvit - tungen. Miege I. 1093.
§. 51.192Groß-Britannien.

§. 51.

Die ſchweere Kriege zur Aufrechthaltung des Gleichgewichts in Europa haben oͤfters groͤſ - ſere Summen gekoſtet, als das Land jaͤhrlich aufbringen koͤnnen. Daher hat man oft ei - nen groſſen Theil der Verwilligungen auf Jnter - eſſe nehmen muͤſſen, und noch neulich 6. Millio - nen in einem Jahr geborget, wodurch die Schul - den der Krone faſt auf 80. Millionen Pfund Sterl. gewachſen, und die Nation nunmehr bloß an Jntereſſen weit mehr bezahlen muß; als ſonſt ihre ganze Subſidien ſelbſt im Kriege be - trugen.

  • a) Siehe den Merc. hiſt. et pol. an verſchiedenen Orten.

§. 52.

Als Eliſabeth ihr Volk zaͤhlte, und die buͤr - gerliche Kriege Groß-Britannien wider ſich ſelbſt wafneten; zeigte ſich die Macht dieſes Reichs in ihrer wahren Groͤſſe. Der Engellaͤnder dient gleich gut zu Pferde und zu Fuß, doch will er wohl bezahlt, wohl genaͤhrt und nicht lange auf - gehalten ſeyn. Jm Frieden werden, auſſer den Kriegsvoͤlkern der Engliſchen Colonien, uͤber 40. 000. Mann regulaͤrer Truppen auf den Beinen gehalten. Jm Kriege pflegt die Vermehrung auf 20. biß 40. 000. Mann National-Voͤlkerzu193Groß-Britannien. zu geſchehen. Hergegen werden an auslaͤndi - ſchen Truppen oͤfters 50. 60. und mehr tauſend Mann in Sold genommen, ja die Macht gan - zer Nationen mit Subſidiengeldern wider den Feind ausgeruͤſtet. Die Engliſche Grafſchaf - ten halten uͤberdem auf 200.000. Mann Land - militz (Traine-Bands) zu Roß und zu Fuß, welche von den Lords-Lieutenants commandi - ret werden.

  • a) Von den koͤniglichen Garden, 1) den Gentle - men Penſioners, 2) den Yeomen, 3) Gardes à che - val, 4) Gardes à Pié. Etat de la Gr. Bret. II. 117.
  • b) Das vornehmſte Zeughaus iſt im Towr zu London.
  • c) Von den Traine-bands und uͤberhaupt von dem Kriegsweſen in Engelland Miege, I. 992.
  • d) Von dem Kriegs-Hoſpital zu Chelſey.

§. 53.

Engelland hat ſchon in den mittlern Zeiten Schiffsflotten unterhalten. Eliſabeth vergroͤſ - ſerte die Seemacht zu ihrer Sicherheit, Crom - well zum Schrecken ſeiner Nachbaren. Seit ihm uͤberwiegt Groß-Britannien auf der See alle Reiche der Welt, und kann im Fall der Noth mit mehr als 200. Kriegsſchiffen und 60. biß 70. 000. Matroſen ſeinen Feinden Trotz bieten. Die Flotte iſt in 3 EſcadernNvon194Groß-Britannien. von der rothen, weiſſen und blauen Flagge ein - getheilt. Eine jede Eſcadre hat ihre drey Flag - gen-Officiers, den Admiral, Vice-Admiral und Rear - oder Contre-Admiral, welchen der Lord-Groß-Admiral oder an ſeiner Statt die Lords Commiſſarien der Admiralitaͤt vorgeſetzet ſind, von denen auch the Court of the Ad - mirality oder das Admiralitaͤts-Gericht und the Navy-Office oder das Schiffamt nebſt ei - ner groſſen Anzahl Seebedienten dependiret. Nirgends werden die Matroſen ſo gut und in ſolcher Menge gezogen, ſo reichlich beſoldet, und die Ausgediente ſo mildthaͤtig verſorget; nir - gends die Schiffe ſo kunſtmaͤßig gebauet, noch die Schiffsmaterialien in ſolchem Ueberfluſſe herbeygeſchaffet, als in dieſem Neptuniſchen Reiche.

  • a) Erweiß, daß Groß-Britannien niemals ſo fuͤrchterlich zur See geweſen, als unter dem glorwuͤr - digſten Chur-Braunſchweig-Luͤneburgiſchem Stam - me. Jm Jahr 1748. rechnete man, daß die koͤnigli - che Flotte 322. Seegel ſtarck ſey, 12. 270. Canonen fuͤhre, und, wenn alle Schiffe in Commißion ſoll - ten gegeben werden, 83. 400. Seeleute erfordere The Preceptor, Vol. II. p. 457.
  • b) Bau - und Unterhaltungs-Koſten eines Kriegs - ſchiffes vom erſten Range.
  • c) Hohe Rechte eines Lord Groß-Admirals.
d) Ge -195Groß-Britannien.
  • d) Geſetze des Admiralitaͤts-Gerichts.
  • e) Das Seehoſpital zu Greenwich iſt das praͤchtig - ſte Gebaͤude in Engelland.
  • f) Schiffswerfte und Magazine der Kriegsflotte zu Chattam, Depford, Woolwich, Scherneß, Ports - mouth, Plymouth und Harwich.

6. Staatsintereſſe.

§. 54.

Seitdem die Kirchenſtreitigkeiten zwiſchen den Epiſcopalen und Presbyterianern geſtillet, die Partheylichkeit der Whigs und Torys ge - daͤmpfet, und die Jacobiten entwaffnet worden, und ſeitdem die großmuͤthige Staatsklugheit des Hofes theils durch Maͤßigung ſich die Herzen der Nation erworben, theils durch unermuͤdete Sorg - falt die Manufacturen, die Commercien und die Macht des Reichs in die Hoͤhe gebracht: ſo kann es nicht fehlen, daß, da Groß-Britannien von Natur vor auswaͤrtigen Anfaͤllen geſichert, und ſeine Regierungsform unter allen Europaͤi - ſchen die vollkommenſte iſt; dieſes Reich bey fortdauernder Beobachtung der bißher befolgten Maximen nicht der ſpaͤteſten Nachwelt eben ſo - wohl, als unſern Zeiten ein Muſter eines gluͤck - ſeeligen Staats ſeyn ſollte.

N 2a) 196Groß-Britannien.
  • a) Von dem Praͤtendenten.
  • b) Anmerkungen aus den Interets de la Grande Bretagne des ROUSSET und den Lettres des LE BLANC.
  • c) Projecte wegen Verbeſſerung des Juſtitzweſens, und wegen Tilgung der National Schulden.
  • d) Anſtalten wegen der Catholicken in Jrrland, der Jacobiten in Schottland, und der Sicherheit der Schottiſchen Kuͤſten.
Das197(o)

Das V. Hauptſtuͤck. Staat der Vereinigten Nieder - lande.

  • Schriftſteller:
  • 1. JOANNIS de LAET Reſpublica Belgii foe - derati, Lugd. Batav. 1630. 24.
  • 2. Relationi del Cardinale BENTIVOGLIO, in Venetia 1636. 4.
  • 3. Commentariolus de ſtatu Confoederatarum Pro - vinciarum Belgii, (MARCI ZUERII BOXHOR - NII) ed. V. Hag. Comit. 1659. 12.
  • 4. MARTINI SCHOOCKII Belgium foedera - tum, ed. II. Amſtelaed. 1665. 12.
  • 5. Auguſt Friedrich Bonens der vereinigten Niederlande Staat, Jena 1671. 12.
  • 6. Remarques ſur l état des Provinces unies des Pais-bas par Mr. le Chevalier TEMPLE, à la Haye 1697. 12.
N 37. De -198Vereinigte Niederlande.
  • 7. Deſcription hiſtorique du gouvernement des Provinces Unies par M. BASNAGE, ſteht vor ſei - nem I. tom. des annales des Provinces Unies, à la Haye 1719. f.
  • 8. Etat preſent des Provinces Unies par FRAN - ÇOIS MICHEL JANIÇON, II. Tomes, 3. edition, à la Haye 1741. 12. mai.
  • 9. Le Hollandois, ou Lettres ſur la Hollande par Mr. A. de la BARRE DE BEAUMARCHAIS, à Francfort 1738. 8. mai.
  • 10. The preſent ſtate of Holland, or a deſcri - ption of the United Provinces, London 1745. 8.

1. Staatsveraͤnderungen.

§. 1.

Die Herzoge von Burgund juͤngerer Linie bringen durch Erbrecht und Vertraͤge ei - ne Niederlaͤndiſche Provinz nach der andern ſeit 1369. an ſich. Carl der Kuͤhne beſitzt ſchon 14. Provinzen, und ſein Urenkel, Kayſer Carl V. alle 17. zuſammen.

§. 2.

Das weltliche und geiſtliche Joch der Spanier noͤthiget die Niederlaͤnder zu einem Aufſtande 1568, und zur Utrechtiſchen Union, 1579. Die 7. vereinigte Provinzen machen ſich durch die Klugheit und Tapferkeit ihrer Statt - halter aus dem Hauſe Oranien und durch ih -ren199Vereinigte Niederlande. ren Seehandel unuͤberwindlich. Sie vertheidi - gen ſich gegen Philipps II. Gewalt, zwingen Philipp III. einen zwoͤlfjaͤhrigen Waffenſtill - ſtand, und endlich Philipp IV. 1648. die Sou - verainetaͤt ab, nachdem ſie den Oſt-Jndiſchen Handel an ſich gezogen, und maͤchtige Laͤnder auſſer Europa erworben.

§. 3.

Sie vermehren die Eroberungen in Oſt - Jndien, und ihre Macht und ihr Anſehen wird groß. Allein die uͤbertriebene Eiferſucht gegen Oranien ſchwaͤchet, und der Franzoͤſiſche Ueber - fall 1672. erſchuͤttert die Republick. Doch ſie hilft ſich durch Erneuerung der Statthalterſchaft, wehret ſich in drey ſchweren Kriege gegen Frank - reichs Uebermacht, und da Ludwig XV. ſie end - lich im Frieden zu verſchlingen ſucht; ſo rettet ſie ſich 1747. zum andern mal durch die ihr abge - drungene Ernennung eines neuen Erbſtatthal - ters.

2. Beſchaffenheit der Laͤnder.

§. 4.

Die Republic der vereinigten Niederlan - de hat Teutſchland, die Oeſterreichiſche Nieder - lande und die Nordſee zu ihren Grenzen. Jh - re Groͤſſe erſtreckt ſich kaum auf 30. Meilen inN 4die200Vereinigte Niederlande. die Laͤnge und 20. in die Breite. Das Clima iſt feucht und kalt, und die Lage zum Theil ſo nie - drig, daß ſie ſich durch koſtbare Daͤmme gegen Ueberſchwemmungen verwahren muß.

  • a) Von dieſen Daͤmmen ſiehe Preſent ſtate of Holland, p. 284. und 347. und JANIÇON, I. 8.
  • b) Was die Seewuͤrmer 1732. in Anſehung der Daͤmme vor Schrecken verurſachet.

§. 5.

Die Hauptſtroͤme ſind der Rhein und die Maaß, der erſtere zertheilet ſich in 5. theils na - tuͤrliche, theils durch Kunſt bereitete Arme. Das Land hat wenig Qvellen, hergegen iſt ſon - derlich der Hollaͤndiſche Boden uͤberfluͤßig feucht, oder deutlicher zu ſagen, moraſtig, und hat deß - wegen mit vielen Canaͤlen und unzaͤhligen Graͤ - ben durchſchnitten werden muͤſſen.

  • a) Mit was fuͤr Muͤhe man die viele ſtehende Seen und Suͤmpfe ausgetrocknet.
  • b) Vortheile der Canaͤle, deren man ſich ſtatt der Landſtraſſen bedienet.

§. 6.

Wieſewachs, Fiſchereyen und Torf ſind der einzige Ueberfluß des Landes. Das weni - ge Getreyde ernaͤhret kaum den hunderſten Theil der Einwohner. Es muͤſſen alſo faſt alle Noth - duͤrftigkeiten des menſchlichen Lebens auswaͤrts hergehohlet werden.

a) Hol -201Vereinigte Niederlande.

a) Holland hat kaum 400. 000. Morgen Acker - land. Von den natuͤrlichen Vortheilen und Maͤngeln dieſer Provinz handelt beſonders De WITT in der Anweiſung der politiſchen Gruͤnde und Maxi - men der Republicken Holland und Weſtfries - land, Cap. III. und IV.

§. 7.

Die 7. Provinzen, woraus dieſe verei - nigte Republick beſtehet, ſind Geldern, Holland, Seeland, Utrecht, Frießland, Ober-Yſſel und Groͤningen. Diejenige Stuͤcke von dem Oeſterreichiſchen Flandern, Brabant und Lim - burg, welche ehedem von den Spaniern erobert worden, und das Theil des Ober-Qvartiers von Geldern, welches Kayſer Carl VI. 1715. abgetreten, muͤſſen als ein der ganzen Republick unterworfenes Land angeſehen werden, und heiſ - ſen deßwegen les Pays de la Generalité.

  • a) Von der Eintheilung der Republic Holland in Holland und Weſt-Friesland.
  • b) Von der Grafſchaft Zuͤtphen.
  • c) Von dem ſouverainen Laͤndchen Drenthe.

§. 8.

Kein Land in der Welt iſt mit ſo wunders - wuͤrdigem Fleiſſe angebauet, und mit einer ſol - chen Menge praͤchtiger Staͤdte, anſehnlicher Flecken, Doͤrfer, Landhaͤuſer und Gaͤrten in einem ſo engen Bezirk geſchmuͤcket, als Holland:N 5doch202Vereinigte Niederlande. doch ſind Amſterdam, als die Hauptſtadt, und Haag, als die Reſidenz der Republick, unſtrei - tig die beyde groſſe Lichter an dieſem Staats - himmel.

  • a) Tulipomanie in Holland im vorigen Jahrhun - dert von 1634-1637.
  • b) Von Haag Preſent ſtate of Holland chap. I. von Amſterdam, eb. daſ. ch. VIII. p. 359.
  • 1. Beſchryving van’s Graven -, hage door JA - COB de RIEMER III. Deele, Delft 1730. fol.

§. 9.

Seehaͤfen hat die Republick zur Gnuͤge. Es gehoͤren dahin Amſterdam, Rotterdam, Dortrecht, Briel, Helvoetſchluys, Horn, Enck - huyſen, Medenblick, Rameckens, Vließingen, Ter-Veere, Blockzyl, Delfzyl, Dockum, Harlingen und andere mehr: aber ſie haben faſt den allgemeinen Fehler, daß ſie unbequem und gefaͤhrlich ſind.

§. 10.

Die vereinigte Niederlande haben den klei - nen Umfang ihrer Grenzen durch eine groſſe An - zahl Feſtungen verwahrt. Man trifft ſolche nicht nur in den 7. Provinzen haͤufig an, wo - hin Middelburg, Utrecht, Nimwegen, Schen - ckenſchanz, Arnheim, Zytphen, Groll, De - venter, Zwoll, Coevorden, Groͤningen undLeu -203Vereinigte Niederlande. Leuwarden zu rechnen ſind; ſondern faſt alle Ge - neralitaͤtsplaͤtze ſind zugleich Fortereſſen, als Sluys, Sas von Gent, Hulſt, Venlo, St. Stevenswerd, Bergen op Zoom, Breda, Her - zogenbuſch, Grave und Maſtricht: ja die Re - public hat ſich auch zu mehrerer Sicherheit in den Oeſterreichiſchen Feſtungen: Namur, Dor - nick, Menin, Furnes, Warneton, Ypern, Knocke, Dendermonde und Ruͤremonde das Beſatzungsrecht verſchaffet.

  • a) Die Bedingungen dieſes Beſatzungsrechtes ſie - he in dem Barriere-Tractat von 1715. in Hrn. H Schmauſſens Corp. J. G. Acad. tom. II. p. 1593.
  • b) Ein gleiches Recht ſtand der Republick ehemals in einigen Cleviſchen Plaͤtzen und in Emden zu. Wie ſie darum gebracht worden.

§. 11.

Die vereinigte Niederlaͤnder wurden von ihrem Urſprunge an genoͤthiget, ihre Erhaltung auf dem Waſſer zu ſuchen: daher bemuͤheten ſie ſich, ihre Herrſchaft auſſerhalb Europa aus - zubreiten. Weil aber die Portugieſen und Spanier die vortheilhafteſte Gegenden ſchon vor laͤngſt beſetzt hielten: ſo muſten ſie alles mit Blut erfechten. Doch haben ſie von ihren ſchoͤ - nen Eroberungen in America anjetzt nichts wei - ter als Suriname und ein Paar Jnſuln, Curaſ - ſoa und St. Euſtachii uͤbrig.

a) Jhr204Vereinigte Niederlande.
  • a) Jhr vergebliches Unternehmen, einen Weg durch Norden nach Oſt-Jndien zu finden.
  • b) Wer ihnen die Straſſe uͤber Africa gewieſen.
  • c) Wie ſie Braſilien eingenommen und wieder ein - gebuͤſſet
  • d) Sie ziehen aus ihren Americaniſchen Colonien ſonderlich Zucker, Caffee, Taback, Jndigo.
  • e) Die Surinamiſche Plantagen gehen nicht - ber 30. Meilen tief ins Land. Die Caffee-Planta - gen daſelbſt ſind ſeit kurzem um den dritten Theil ge - fallen. Der Zucker wird um 10. Pro-Cent beſſer gehalten, als der aus Barbados. Siehe JANIÇON, I. ch. XIV.

§. 12.

Jn Africa gehoͤren ihnen auf der Kuͤſte von Guinea die Feſtungen St. George Della Mina und Naſſau, nebſt verſchiedenen Forts und dem Schluͤſſel von Oſt-Jndien, dem Vor - gebuͤrge der guten Hofnung.

  • 1. Peter Kolbens Beſchreibung des Vorgebuͤr - ges der guten Hofnung, Nuͤrnberg 1719. fol.
  • Ein Auszug davon iſt Deſcription du Cap de Bonne-Eſperance par PIERRE KOLBE, III. To - mes, à Amſterdam 1741. 8.

§. 13.

Aber in Oſt-Jndien haben ſie allein mehr Land inne, als alle andre Europaͤiſche Seemaͤch - te zuſammen genommen. Sie beherrſchen die unvergleichliche Jnſul Java, ſie haben uͤber 9. Koͤni -205Vereinigte Niederlande. Koͤnige auf der Malabariſchen Kuͤſte, und uͤber die Koͤnige auf der Jnſul Ceylon und Suma - tra zu gebieten. Sie ſitzen in der Halbinſul Malacca, in Borneo, Celebes und in den Mo - lucciſchen Jnſuln, beſonders in Ternate Amboi - na und Banda feſte.

  • a) Batavia in Java iſt der Sammelplatz der Hol - laͤndiſchen Macht und Reichthuͤmer.
  • b) Malabar liefert den Pfeffer.
  • c) Ceylon giebt ihnen das Monopolium mit Zim - met.
  • d) Durch Malacca ſind ſie Herren von der vor - nehmſten Meerenge in ganz Oſt-Jndien.
  • e) Von den Feſtungen Colombo, Gallo, Macaſſar und dem Cap Comorin.
  • f) Die gluͤckſeelige Molucciſche Jnſuln machen den Hollaͤnder zum Eigenthumsherren von den Muſcaten - nuͤſſen und Negelein. Siehe uͤberhaupt JANIÇON, tom. I. ch. XII.

3. Beſchaffenheit der Einwohner.

§. 14.

Das Land wimmelt von Einwohnern, man rechnet allein in Holland auf 2 Millionen und 400. 000. Seelen. Die Liebe zur Freyheit, und die bequeme Art, ihr Brod zu erwerben hat eine erſtaunende Anzahl von Fremden her - eingezogen. Die Landesſprache erinnert dievereinigte206Vereinigte Niederlande. vereinigte Niederlaͤnder, daß ſie Teutſcher Ab - kunft ſind. Doch hat die Franzoͤſiſche ſchon ganz Holland uͤberſchwemmet, und koͤnnen ſich kaum die Gerichte genug dagegen verdaͤmmen.

  • a) Die Anzahl der Einwohner beſtimmet De WITT in der Anweiſung der politiſchen Gruͤnde, Capit. IX. Siehe auch the preſent ſtate of Holland, p. 362.

§. 15.

Das melancholiſche Temperament des Hollaͤnders wird durch ein ſtarkes Phlegma tem - perirt. Er denkt gruͤndlich und nichts deſto we - niger witzig. Er iſt von ſtillem Weſen, gutthaͤ - tig, ohne Falſch, ohne Uebereilung, ohne hitzi - ge Affecten. Die Hoflebensart iſt ihm unbe - kannt und mißfaͤllig. Das Frauenzimmer iſt das reinlichſte in der Welt, der Poͤbel iſt geneigt, ſeine Freyheit zu mißbrauchen, und ſolche biß zur Unbaͤndigkeit zu treiben.

  • a) DE LA BARRE in ſeinem Hollandois, II. Part. Lett. 24, 25, von dem Character des Hollaͤnders.
  • b) Von ihrer Reinlichkeit, eb. daſ. lett. 26.
  • c) Von ihrer Lebensart, lett. 27.
  • d) Von ihren Schauſpielen und andern Luſtbarkei - ten, lett. 32. 33. 34.

§. 16.

Die Wiſſenſchaften und freye Kuͤnſte haben an der Republick der vereinigten Nieder -lande207Vereinigte Niederlande. lande jederzeit eine liebreiche Pflegemutter gefun - den, wovon 5. Academien, Leiden, Franecker, Groͤningen, Utrecht und Harderwick und ver - ſchiedene reiche Schulen zeugen koͤnnen. Da - her es auch dieſem Freyſtaate niemals an groſ - ſen ſowohl einheimiſchen; als auslaͤndiſchen Ge - lehrten gefehlet hat. Viele ſeiner Buͤrger, die von Profeßion keine Gelehrte ſind, beſchaͤftigen ſich mit den Wiſſenſchaften. Unter den freyen Kuͤnſten bluͤht hier ſonderlich die Malerey und das Kupferſtechen.

  • 1. Heinrich Ludolph Benthems Hollaͤndiſcher Kirchen - und Schulenſtaat, 2. Theile, Frankfurt und Leipzig 1698 8. ſonderlich Theil 2. Cap. 1. und 4.
  • a) Es handelt hievon kurz DE LA BARRE part. II. lett. 28-31. weitlaͤuftiger aber der Verfaſſer das Preſent ſtate of Holland an verſchiedenen Orten.

§. 17.

Die Hollaͤnder weichen keiner Nation in der Arbeitſamkeit, uͤbertreffen aber alle andere in der Sparſamkeit, und dieſes Kunſtſtuͤck ver - doppelt ihren Gewinn. Die Fiſchereyen ſind nebſt der Viehzucht das aͤlteſte Nahrungsmittel der ver - einigten Niederlaͤnder geweſen. Noch jetzt iſt ihr Wallfiſchfang eintraͤglich, ihr Heringsfang a - ber unſchaͤtzbar. Nach und nach vermehrten ſie auch ihre Manufacturen, welche biß auf den heutigen Tag vortrefflich bluͤhen, und hat Hol - land den ihm eigenen Ruhm, daß nirgends ſowenig208Vereinigte Niederlande. wenig Materialien gezeuget, und doch zugleich ſo viele Manufacturen verfertiget worden, als daſelbſt.

  • 1. Memoires ſur le Commerce des Hollandois, (par M. de HUET) à Amſterdam, 1717. gr. 12. Siehe auch DE LA BARRE, part II. lett. 12.
  • a) Von der kleinen und groſſen Fiſcherey, oder dem Wallfiſch - und Heringsfange. Anweiſung der Polit. Gruͤnde, Cap. VI. Bl 22. und gedachte Memoires, ch. III. p. 25. wie auch JANIÇON, tom. I. ch. XV. und XVI.
  • b) Wollfabricken, ſonderlich zu Leyden.
  • c) Seydenfabricken, ſonderlich zu Harlem.
  • d) Leinwebereyen in Groͤningen, Frießland und O - ber-Yſſel auch zu Dordrecht, und Bleichen zu Harlem.
  • e) Delffter Geſchirr.
  • f) Sardamer Schiffbau.
  • g) Jhre Papiermuͤhlen hauptſaͤchlich in Geldern, und Buchhandel. DE LA BARRE part. II. lett. 16.

§. 18.

Der Handel der vereinigten Niederlaͤnder gehet durch die ganze Welt. Jn Europa be - ſuchen ſie 1) alle Kuͤſten der Oſtſee und des gan - zen Nordens von Archangel an die Norwegiſche, Daͤniſche, Schwediſche, Rußiſche, Curlaͤndi - ſche, Preußiſche und Teutſche Kuͤſten biß Luͤbeck, und zwar haͤufiger als keine andere Seenation. 2) Handeln ſie vermittelſt der Elbe, Weſer,und209Vereinigte Niederlande. und des Rheins uͤber Hamburg, Bremen, Frank - furt und Leipzig durch das ganze uͤbrige Teutſch - land biß in Oeſterreich und in die Schweitz, 3) nach den Catholiſchen Niederlanden, 4) nach den Groß-Britanniſchen Jnſuln, 5) nach Frank - reich, Spanien und Portugal, 6) nach allen Jtalieniſchen Hoͤfen.

  • a) Man rechnet, daß jaͤhrlich 1000 biß 1200. Hol - laͤndiſche Schiffe bloß in die Oſtſee ſeegeln.
  • b) Von den beſonderen Theilen des Hollaͤndiſchen Handels in Europa handelt ausfuͤhrlich HUET, chap. V-XII. und JANIÇON, tom. I. ch. 18-24.

§. 19.

Auſſer Europa ſchiffen ſie 1) nach der gan - zen Levante, ſonderlich nach Smyrna, 2) nach den Africaniſchen Kuͤſten von der Côte d’or an biß in das Caffernland, 3) nach America, 4) hauptſaͤchlich aber durch ganz Oſt-Jndien, wo ſie auſſer ihrem maͤchtigen Eigenthum verſchiede - ne herrliche Comptoirs in Mocca, Gameron, Jspahan, Suratta, in Bengala, Pegu, Si - am, Japan, China, Tonqvin, Sumatra und Borneo haben.

  • a) Was ſie nach der Levante, oder nach dem Tuͤr - ckiſchen Reiche (Griechenland mit begriffen) hinfuͤh - ren, und daraus zuruͤck bringen.
  • b) Warum ſie in der Levante mehr als andere Na - tionen gewinnen, POULLET, Relations nouvelles du Levant, tom. II. p. 27. & 29.
Oc) 210Vereinigte Niederlande.
  • c) Die Hollaͤnder bringen die Oſt-Jndiſche Gewuͤr - ze biß in Egypten: ein wunderbarer Wechſel des Han - dels, HUET, p. 134.
  • d) Jn America machen ſie unter den fuͤnf groſſen Seenationen die kleineſte Figur.
  • e) Der Oſt Jndiſche Handel der Hollaͤnder brei - tet ſich in 2. maͤchtige Aeſte aus, der erſte iſt der Han - del aus einer Oſt-Jndiſchen Provinz in die andere, der zweyte iſt der Handel zwiſchen Oſt-Jndien und Europa.
  • f) Vier Hauptelaſſen der Oſt-Jndiſchen Waaren, ſo nach Europa geſchiffet werden, JANIÇON, I. 383.
  • g) Einen glaubwuͤrdigen Bericht des General Buch - halters in Batavia Daniel Braems an die General Staaten von dem Zuſtande des Hollaͤndiſchen Handels in Oſt-Jndien im J, 1686. giebt HUET als einen Anhang zu ſeinen Memoires ſur le Commerce des Hollandois.

§. 20.

Amſterdam iſt der Hauptſitz, und die un - vergleichliche Banco daſelbſt eine Grundſaͤule des Hollaͤndiſchen Commercienweſens. Es wird ſolches auch durch die ruͤhmliche Sorgſalt der Republick, und durch die verſchiedene Handels - geſellſchaften, als die Weſt-Jndiſche, die von Suriname, die Nordiſche; ſonderlich aber durch die Oſt-Jndiſche Compagnie befeſtiget, welche ſowohl wegen ihrer Vorrechte, als wegen ihrer Macht noch zur Zeit die Koͤniginn aller Hand - lungsgeſellſchafften in der Welt zu nennen iſt.

a) 211Vereinigte Niederlande.
  • a) Daß kein Ort zur Handlung ſo wohl gelegen als Amſterdam, will DE WITT beweiſen, Cap. XIII. und der Ve faſſer des Preſent State of Holland geſteht hierinnen Amſter am den Vorzug vor London zu, Chap. VIII.
  • b) Von der Banco, Preſent State of Holland, p. 365. Eſſai ſur le commerce, p. 237. RICAUT, ne - goce d Amſterdam, p. 571.
  • c) La Chambre de Direction pour le Commerce du Levant als ein Exempel der Aufmerckſamkeit der General Staaten in Beſeſtigung des Handels, JA - NIÇON, I. ch. XVII.
  • d) Von den Handlungs-Geſellſchaften JANIÇON, I. ch. 13. 14. 15.
  • e) Von der Oſt Jndiſchen Compagnie Urſprun - ge und Fond 1602, ihrer Octroy, ihren 6. Kammern, 61. Bewindhebbern, dey Verſammlung der Siebenzeh - ner und Zehner, dem General Statthalter in Oſt-Jn - dien, und den 7. Unterſtatthaltern, den hohen und faſt ſouverginen Rechten der Compagnie in Oſt-Jndien, ihrer Land - und Seemacht, BASNAGE in ſeiner Deſcription du Gouvernement des P. U. chap. 37. JANIÇON, I. ch. XII.
  • f) Den jaͤhrlichen Gewinn der Oſt Jndiſchen Com - pagnie nach Abzug aller Koſten rechnet HUET auf 3. 000. 000 Ducaten, p. 222.
  • g) Vergleich der Engliſchen Oſt-Jndiſchen Com - pagnie mit der Hollaͤndiſchen Preſent State of Holland, p. 373. wie auch der Hollaͤndiſchen mit der Franzoͤ - ſiſchen.

§. 21.

Man rechnet in den vereinigten Niederlan -O 2den212Vereinigte Niederlande. den nach Gulden und Stuͤber. 20. Stuͤber ma - chen 1. Gulden. 1. Stuͤber hat 2 Groot, 1. Groot 4. Deut oder 8. Pf. Jhre Goldmuͤnze ſind die Ducaten, deren 1. betraͤgt 5. Hollaͤndi - ſche Gulden. Kein Reich in Europa ſchlaͤgt ſo viel Goldmuͤnzen, als die Hollaͤnder.

4. Staatsrecht.

§. 22.

Die Utrechtiſche Union, geſchloſſen 1579. den 29. Jenner iſt das Haupt-Grundgeſetz, wor - auf die ganze Verbindung der 7. vereinigten Provinzen beruhet, ungeachtet einige Artickel durch neue Vortraͤge abgeaͤndert worden.

  • a) Dieſe Verein iſt in Hrn. H. Schmauſſens Corp. J. Gent. p. 391. befindlich.

§. 23.

Die Deputirte der 7. vereinigten Provin - zen, in ſo fern ſie zuſammen genommen die gan - ze Republick vorſtellen, werden titulirt: die Hochmoͤgende Herren General Staaten; in ſo fern ſie aber eine einzelne Provinz beſonders vor - ſtellen, haben ſie verſchiedene Titulaturen. Auf eben die Art ſind auch die Wappen der einzel - nen Provinzen von dem gemeinſamen Wappen der ganzen Republick wohl zu unterſcheiden. Letzteres beſteht in einem guͤldenen gekroͤnten Loͤ -wen,213Vereinigte Niederlande. wen, welcher in der rechten Vorder-Pranke ein Schwerdt, in der linken aber 7. zuſammen ge - bundene Pfeile haͤlt.

  • a) Von der Titulatur JANIÇON, I. 76.
  • b) Von der Titulatur der einzelnen Provinzen BAS - NAGE, chap. XVI, §. 9. p. 37.
  • c) Von dem Wappen eb. daſ. 74.
  • d) Warum der Loͤwe jetzt eine Krone, ſonſt aber einen Huth gefuͤhret.

§. 24.

Die Republick der vereinigten Niederlan - de iſt ein Jnbegriff von ungefehr 50. kleinen Staaten, welche in 7. beſonderen Republicken zuſammen haͤngen, deren allgemeine Verbin - dung ſich faſt nicht weiter, als auf ihre gemein - ſchaftliche Vertheidigung erſtrecket.

  • a) Auszug aus der Utrechtiſchen Union.
  • b) Dieſe Anzahl von 50. Staaten ſetzet JANIÇON in der Vorrede.
  • c) Die beſondere Regierungsform der einzelnen Provinzen giebt weitlaͤuftig BASNAGE, Ch. 16-34.

§. 25.

Zu Beſorgung der gemeinſamen Staats - ſachen, iſt eine beſtaͤndige Verſammlung der Deputirten aller 7. Provinzen unter dem Na - men der General Staaten (Vergaderingh der Staaten Generael der Vereenighde Nee -O 3der -214Vereinigte Niederlande. derlanden) in dem Haag errichtet, worinnen 1) jede Provinz eine einzige Stimme hat, od - gleich oͤfters mehr als 50. Deputirte anweſend ſind; 2) jede Provinz wechſelsweiſe von Woche zu Woche praͤſidiret, ungeachtet die Rangord - nung der Provinzen feſtgeſtellet iſt; 3) jeder De - putirter ein bloſſer Unterthan ſeiner Provinzen iſt, obgleich die General-Staaten verſchiedene Majeſtaͤtsrechte unumſchraͤnkt ausuͤben.

  • a) Dieſe beſtaͤndige Verſammlung iſt der Ausſchuß des Reichstages, oder der groſſen Verſammlung aller Staͤnde aus allen 7. Provinzen, (De groote Ver - gadering) welche aber nur in ganz auſſerordentlichen Faͤllen gehalten wird.
  • b) Anmerkungen von den Deputirten, dem Raths - Penſionaire von Holland, dem Greffier der G. St. oder dem Staatsſeeretaͤr, den Staats-Buchdrucker und Correetor, der Chambre de Tréve fuͤr die Com - mißionen und Conſerenzen mit fremden Miniſtern.
  • c) Warum Geldern den Vorzug hat, und wie der Raugſtreit zwiſchen Utrecht und Frießland geſchlichtet worden.
  • d) Jn 6. Puncten ſind die General-Staaten haupt - ſaͤchlich eingeſchraͤnkt. Siehe uͤberhaupt BASNAGE, ch. VIII. X. und JANIÇON, I. ch. 2. p. 76.
  • e) Vergleich der Verſammlung der General Staa - ten mit dem Groß-Britanniſchen Parlament, Pre - ſent State of Holland, p. 68.

§. 26.

Von dieſem Collegio dependiret der Staats - rath (De Raedt van Staaten,) welcher aus 12. Depu -215Vereinigte Niederlande. Deputirten der Provinzen beſteht, uͤber das Fi - nanz - und Kriegsweſen die Oderaufſicht ſuͤhret, und die Schluͤſſe der General Staaten zur Voll - ſtreckung bringet.

  • a) Dieſes Collegium iſt das aͤlteſte in der Repu - blick, und war ſonſt auch das hoͤchſte. Aber die Eifer - ſucht gegen Engelland ſubordinirte es der Verſamm - lung der G. St.
  • b) Der General Schatzmeiſter, der Secretaͤr des Staatsraths und der General Einnehmer ſind beſtaͤndige Beyfitzer dieſes Collegii.
  • c) Der Staatsrath uͤberreicht jaͤhrlich den General Staaten den Etât de Guerre mit beygefuͤgter Petition generale. JANIÇON, I. ch. 3. p. 113.

§. 27.

Seit 1747. iſt auch die Statthalterſchaft durch eine gluͤckliche Revolution in verſchiedenen bißher widerſpaͤnſtigen Provinzen erneuert, und der ganzen Republick allgemein und erblich wor - den. Sie iſt eine Grundſaͤule des Staats, wor - auf die Freyheit der Republick erbauet, und wo - durch ihr Umſturz zweymal gehemmet worden. Anjetzt iſt der Prinz von Oranien, Wilhelm Carl Heinrich Friſo, Erbſtatthalter der Union in maͤnn - licher und werblicher Linie, womit die Wuͤrde eines Erb-General-Capitains zu Waſſer und zu Lan - de aller vereinigten Provinzen und der Generali - taͤts-Laͤnder verknuͤpfet iſt, welcher noch neulich das General Directorium der Oſt-JndiſchenO 4Com -216Vereinigte Niederlande. Compagnie beygefuͤget worden, ſo daß dieſer wuͤr - dige Prinz vor allen ſeinen Durchlauchten Vor - fahren an der Statthalterſchaft auſſerordentliche Vorzuͤge genieſſet.

  • a) Urſprung dieſer ſonderbaren Benennung, und kurze Hiſtorie der Statthalterſchaft.
  • b) Allgemeine Vorrechte des jetzigen Statthal - ters nebſt ſeinen Revenuͤen.
  • c) Seine beſondern Vorrechte in den einzelnen Provinzen muß man aus den Commißionen kennen lernen.
  • d) Er hat poteſtatem vicariam, nicht ſupremam, und ſchwoͤrt einer jeden Provinz.
  • e) Bedingungen der Erbſtatthalterſchaft.
  • f) Vergleich zwiſchen der Gewalt eines Statthal - ters und eines Koͤnigs von Groß-Britannien. Preſent State of Holl. p. 84.
  • 1. Relation de la grande Revolution arrivée dans la Rep. des Provinces Unies 1747. par M. ROUSSET, 1747. 4.
  • 2. Franz Dominicus Haͤberlins Gedanken von Frankreichs politiſchen Fehlern in jetzigem Feld - zuge und der Erhebung des Prinzen von Ora - nien zum Statthalter. Hannover 1747. 4.
  • 3. Hiſtoire du Stadhouderat par M. l Abbé RAY - NAL, corrigée par M. ROUSSET, Amſterdam 1749. 8.
  • 4. Siehe auch BASNAGE, chap. XV. und JA - NIÇON, tom. I. ch. 10.
5.217Vereinigte Niederlande.

5. Reichsgeſchaͤfte.

§. 28.

Der Hollaͤnder verſteht was er glaubt, er iſt eifrig in der Religion, und ehrerbietig gegen die Geiſtlichkeit. Die Reformirte Religion herrſchet allein in allen 7. Provinzen, und iſt durch die Kirchenverſammlung zu Dordrecht 1618. be - feſtiget worden. Doch goͤnnen ſie allen Religio - nen die Gewiſſensfreyheit, um deren Willen ſie ſelbſt ehedem ſo tapfer gefochten, und man findet auſſer der groſſen Menge Catholicken, auch Ar - minianer, Lutheraner, Wiedertaͤufer, Qvaͤcker, Labadiſten, Rheinburger, Griechen und Juden darinnen.

  • 1. Heinrich Ludolff Bentheims obangefuͤhrter Hollaͤndiſcher Kirch - und Schulenſtaat.
  • 2. La Religion des Hollandois (par M. STOUPP) à Cologne 1673. 12. welche Schmaͤhſchrift BASNAGE in ſeiner Deſcription du Gouvernement des P. U. ch. 39. p. 135. widerlegt.
  • a) Jhre Symboliſche Buͤcher ſind die Confeſſio - Belgica und der Heidelbergiſche Cathechismus.
  • b) JANIÇON, I. p. 17. will behaupten daß faſt der dritte Theil der Einwohner in Holland aus Catholicken beſtuͤnde.
  • c) Anmerkung des Ritters TEMPLE von dieſen verſchiedenen Religionen, aus ſeinen Remarques ſur l Etat des Prov. Unies, ch. V.
O 5§. 29.218Vereinigte Niederlande.

§. 29.

Jede Kirche hat ihren einen oder mehrere Geiſtliche, ihre Aelteſten und Diaconos. Dieſe machen das Conſiſtorium aus. Die Conſiſto - ria ſtehen unter der Claſſe, die ſich alle 3. Mo - nathe verſammlet, (Claſſicale Vergadering) und die Claſſen unter einem Synodo Provin - ciali, der ein - oder zweymal im Jahr ſeine Zu - ſammenkuͤnfte haͤlt. Man zaͤhlet 9. dergleichen Synodos in den vereinigten Niederlanden. Sie formiren alle 3. Jahr einen Coetum, aber nur zu einer ganz beſondern Handlung. Denn ei - ne allgemeine Kirchenverſammlung oder Synodus Nationalis iſt ſeit der einzigen Dordrechtiſchen mit reifem Vorbedacht nicht wieder gehalten worden.

§. 30.

Es hat nicht nur jede Provinz ihre eigene Geſetze; ſondern auch faſt jede Stadt ihr be - ſonderes Recht. Nach dieſen nimt man das Roͤmiſche Geſetzbuch zu Huͤlfe, welches ſeit dem Ende des 15ten Jahrhunderts in einigen Provin - zen oͤffentlich eingefuͤhret, in andern aber nach und nach angenommen worden.

  • a) Ill. OTTON. notit. rerump. Eur. cap. VI. §. 34.

§. 31.

Jede Provinz hat ihre eigene, und unab -haͤngige219Vereinigte Niederlande. haͤngige Gerichtsbarkeit. Dieſe wird meiſtens von einem beſondern Provinzial Gericht ausge - uͤbet, an welches die niedere Dorf - und Stadt - Gerichte appelliren, doch ſo, daß der unterlie - gende Theil bey den Staaten der Provinz um Reviſion ſuppliciren kann.

  • a) JANIÇON, I. p. 39. Ill. OTTO, I. cit. §. 35. und DE LA BARRE de BEAUMARCHAIS, II. p. 59.
  • b) Das Hollaͤndiſche Brabant hat ſein Ober-Ap - pellations Gericht in dem Haag, wie das Hollaͤndiſche Flandern in Middelburg.

§. 32.

Nirgends in der Welt iſt bißher das Volk mit ſo viel Auflagen beladen geweſen, als in den vereinigten Niederlanden. Zu den ordent - lichen gehoͤren 1) die Land - und Haͤuſerſteuer, (Verponding) 2) der vierzigſte Pfennig vom Verkauf der Gruͤnde und von Collateral-Erb - ſchaften, 3) die Taxe auf Hausbediente, Pfer - de und Wagen und dergl. 4) Die Aceiſe nebſt dem Stempelpapier, 6) die Zoͤlle. Die auſ - ſerordentliche beſtehen in Erhoͤhung der Ver - ponding, in Hebung des 100ten oder 200ten Pfennigs von allem Vermoͤgen, in der freywil - ligen Vermoͤgen-Steuer, in der Kopfſteuer und andern Abgaben.

  • a) The Preſ. State of Holland ſchaͤtzt die ordentl che Einkuͤnfte auf 21. Millionen Gulden, und ſetzt dieVer -220Vereinigte Niederlande. Verhaͤltniß mit den Engliſchen und Franzoͤſiſchen, wie 5. zu 7. und zu 14.

§. 33.

Dieſe Abgaben werden von den Magi - ſtratsperſonen und andern dazu beſtellten Beam - ten in jeder Provinz gehoben und berechnet. Nur die ohnedem ſehr harte Acciſe iſt ſeit vielen Jah - ren verpachtet geweſen, biß endlich die Preſſu - ren der Pachter das Volk 1748. zu der verzwei - felten Revolution gebracht, wodurch ſie in 6. ganzen Provinzen zu Grunde gerichtet worden.

  • 1. Nouveaux ſyſtemes de Finances comparés avec l ancien, à Groeningue 1748. 8. ſtellet die Bedruͤckun - gen der Pachter und die Seufzer des gemeinen Mannes ſehr lebhaft vor, und zeiget, daß in Holland allein uͤber 80. 000. Menſchen zur Acciſe gebrauchet worden, und die Pachter dabey jaͤhrlich 20-24. Millionen profitiret.

§. 34.

Die Abgaben der Generalitaͤts-Laͤnder werden von den General Staaten beſtimmet, und nach ihrem Gutachten angeordnet. Herge - gen die Abgaben der 7. vereinigten Provinzen werden von den Staaten einer jeden Provinz nach Belieben eingerichtet und gehoben; der ganzen Republick aber davon nur ſo viel gelie - fert, als auf den Vorſchlag des Staatsraths mit Einwilligung der General Staaten das An - theil jeder Provinz betraͤgt, und hat deßwegenjegliche221Vereinigte Niederlande. jegliche Provinz ihren Anſchlag, wornach ſie zur Nothdurft des Staats das ihrige beytraͤgt. Der Staatsrath und die Generalitaͤts-Rechenkammer (Generaliteyts-Reekenkamer) dirigiren das Finanzweſen.

  • a) Jn der Hebung der Zoͤlle iſt eine Ausnahme, da - von unten.
  • b) Zu den allgemeinen Abgaben contribuirt die ein - zige Provinz Holland mehr, als alle uͤbrige Provinzen zuſammen, und Amſterdam faſt die Helfte von den Abgaben der ganzen Provinz Holland.
  • c) Siehe hievon mit mehrerm JANIÇON, tom. I. ch. 3. und 4.

§. 35.

Da die Republick ſich ihres fuͤrchterlichen Nachbarn zu erwehren, ihre Kraͤfte uͤber Ver - moͤgen angreifen muͤſſen, auch durch uͤble Verwaltung ihres Finanzweſens und Adnahme ihres Handels entkraͤftet worden: ſo iſt kein Wunder, daß ihre Schulden von Jahr zu Jahr mehr anwachſen, und man ſolche anjetzt auf fuͤnf - tehalb hundert Millionen Gulden rechnet.

§. 36.

Weil in den vereinigten Niederlanden ſich alles mit Manufacturen und Handel beſchaͤftiget, ſo fehlet es in Kriegeszeiten der Republick oft an Menſchen, und noch oͤfterer an Soldaten. Doch bezahlt ſie in Friedenszeiten 54.000. Mann, undin222Vereinigte Niederlande. in Kriegeszeiten macht ſie gewoͤhnliche Vermeh - rungen von 20.000. Mann, welche Vermehrun - gen ſie bißweilen zwey - auch wohl dreymal wie - derhohlet. Dieſe Truppen werden alsdenn mei - ſtens vor Subſidiengelder von fremden, beſon - ders von Teutſchen Fuͤrſten erkauft.

  • a) Vergleich der Niederlaͤnder mit den Roͤmern in der Tapferkeit, aus der Hiſtoire abregé des Provinces Unies des P. B. Amſterdam 1701. fol.
  • b) Von ihrer Landmacht ſiehe auch the preſent Sta - te of Holl. p. 108.

§. 37.

Die vereinigte Niederlaͤnder, welche die Natur zu Seeleuten beſtimmt, und deren Frey - ſtaat dem Meer ſein Weſen zu danken hat, koͤn - nen nach den Engellaͤndern die groͤßte und beſte Flotte in See ſtellen, obgleich ihr Seeweſen in dem jetzigen Jahrhundert durch allerhand Un - faͤlle gewaltig herunter gekommen iſt. Sie ha - ben 5. Admiralitaͤten 1) von Rotterdam, 2) von Amſterdam, 3) von Hoorn und Enkhuyſen, 4) von Middelburg, 5) von Harlingen, und nach dieſen theilen ſie ihre Flotte in 5. Escadern ein, uͤber welche der Prinz Statthalter General Ad - miral iſt.

  • a) Zu Beſtreitung der Koſten bey der Marine ſind die Zoͤlle beſtimmt, welche deßwegen von den Admira - litaͤten gehoben und dazu verwandt werden.
b) 223Vereinigte Niederlande.
  • b) Jm J. 1665. fochten unter dem Admiral Lieute - nant Opdam 103. Hollaͤndiſche Kriegsſchiffe gegen den Herzog von York. BASNAGE in ſeinen Annales des P. U. tom. I. p. 74.
  • c) Von der jetzigen Seemacht ſiehe JANIÇON, I. p. 44. und p. 218.

6. Staatsintereſſe.

§. 38.

Die Republick der vereinigten Niederlan - de iſt nicht ohne merkliche Staatsgebrechen, wel - che eine vieljaͤhrige Unempfindlichkeit noch gefaͤhr - licher gemacht hat. Durch die Erhebung des Prinzen von Oranien zur Statthalterſchaft iſt der Staat gleichſam neu belebet worden, und nunmehr laͤßt ſich hoffen, daß, wenn die Re - publick unter dieſem neuem Oberhaupte ihre ſonſt ſo geruͤhmte Staatsklugheit anwenden will, um die Manufacturen und den Handel zu befoͤrdern, das Finanzweſen zu beſſern, die Land - und See - macht auf den alten Fuß zu ſetzen, und den un - gezogenen Poͤbel folgſamer zu machen; ihre Dauer ſich noch auf viel laͤngere Zeit erſtrecken wird, als ihr viele Staatskundige aus wichtigen Urſachen prophezeyen wollen.

  • 1. Anweiſung der heilſamen politiſchen Gruͤn - de und Maximen der Republicken Holland und Weſt-Frießland, Rotterdam 1671. 8 Dieſes Buch ent - haͤlt des Johannis de Witt Staatsregeln, wenn gleich Van den Hoven das iſt LA COURT Verfaſſer davonſeyn224Vereinigte Niederlande. ſeyn mag. Siehe FAVORITI NORICI obſeruatio - nes ad GUNDLINGII diſcurſus de republica Hol - landica, p. 107.
  • a) Deſſen Vorſchlaͤge, den Staat zu verbeſſern durch Toleranz der Religionen, I. Cap. 14. und 19.
  • b) Durch Verſtattung einer vollkommenen Freyheit ſich zu naͤhren, und Aufhebung der geſchloſſenen Hand - werker und Handelsgeſellſchaften, eb. daſ. Cap. 15. 16. 17. 19. 20. 21.
  • c) Durch Verbeſſerung der Juſtitz, Cap. 25.
  • d) Durch Anlegung mehreter Pflanzſtaͤdte auſſer - halb Europa, Cap. 26.
  • e) Wunderliches Project, daß ſich Holland von den andern Provinzen losreiſſen, und bloß mit Utrecht ver - einigt bleiben ſolle, und dadurch unuͤberwindlich wer - den koͤnne, eb. daſ. Theil II. Cap. 14.
  • f) Eben ſo ungegruͤndet ſind auch deſſen Gedanken von der Statthalterſchaft. eb. daſ. Theil III. Bl. 314. Beſiehe hiebey DE LA BARRE, II. 22.
  • g) Fehler der Regierungsform aus the Preſent Sta - te of Holl. p. 72.
  • h) Noch einige Anmerkungen von dem Jntereſſe und den Maximen dieſes Staats, eben daſ. pag. 93.
  • i) Die Einwuͤrfe des Cardinals BENTIVOGLIO in ſeinen Relationi pag. 98. gegen die Dauer der Re - publick beantwortet BASNAGE, ch. 5. JANIÇON, I. 67. DE LA BARRE II. 38. und Preſ. State of Holl. p. 72.
Das225(o)

Das VI. Hauptſtuͤck. Staat von Rußland.

  • Schriftſteller:
  • 1. Relation curieuſe et nouvelle de Moſcovie, con - tenant l Etat préſent de cet Empire par M. BAL TH. HEZENEIL de NEUVILLE, (de BAILLET) à la Haye 1699. 12.
  • 2. Chriſtian Stiefens Relation von dem gegen - waͤrtigen Zuſtande des Moscowitiſchen Reichs, Frank - furt, 1706. 8.
  • 3. Etat préſent de la grande Ruſſie par le Capi - taine JEAN PERRY, traduit de l Anglois, à la Haye 1717. 12.
  • 4. Der jetzige Staat von Rußland, 2. Theile, Leipzig 1717. 8. Der erſte Theil iſt eine Ueberſetzung des Perry, der andere eine Ueberſetzung folgenden Jtaliaͤniſchen Werkes: Relazione Geografica, Sto - rico-Politica del Imperio di Moscovia, in Milano 1713. 12.
P5.226Rußland.
  • 5. (Webers) Veraͤndertes Rußland, Hanno - ver, 1ſter Theil 1729, 2ter 1739. 3ter 1740. 4.
  • 6. Philipp Johannis von Strahlenberg Nord - und Oeſtliches Theil von Europa und Aſia, Stockholm, (Leipzig) 1730. 4.
  • 7. Moscowitiſche Briefe, aus dem Franzoͤſi - ſchen uͤberſetzt, und mit dienlichen Erinnerungen wie - her heimgeſchickt von einem Teutſchen, Frankfurt und Leipzig 1738. 8.
  • 8. Peter von Havens Reiſe in Rußland, aus dem Daͤniſchen uͤberſetzt von H. A. R. Coppenhagen 1744. 8.

1. [Staatsveraͤndernugen].

§. 1.

Die Rußiſche Voͤlker werden zuerſt im IXten Jahrhundert durch Errichtung ihres Monarchiſchen Staats, hernach durch ihre Kriege mit den Griechen, und noch mehr durch ihre Bekehrung zum Chriſtenthum bekannt. Da aber ihre Großfuͤrſten die Reichstheilun - gen mode machen; ſo muͤſſen ſie uͤber 200. Jahr unter dem Joche der Tatarn ſeufzen.

§. 2.

Jvan Baſilowitz entſchuͤttet ſich deſſelben ſeit der Mitte des XVten Jahrhunderts, und gewinnet Groß-Nowogrod und Severien. Sein Enkel Jvan Baſilowitz II. ein harter, aberſtaats -227Rußland. ſtaatskluger Regent erobert die beyde Tatariſche Koͤnigreiche, Caſan und Aſtracan, und ſchnap - pet nach Liefland; kann aber gegen Polen und Schweden nichts ausrichten. Sein Sohn Feo - dor verknuͤpfet zwar 1587 Siberien mit der Kro - ne; aber nach deſſen gewaltſamen Tode geht Rußland unter den Tyrannen und falſchen Demetriis zu Truͤmmern.

§. 3.

Michael Feodorowiz brinat das Geſchlecht der Romanow 1612. auf den Thron. Sein Sohn Alexius Michaelowiz entreiſſet den Po - len Smolensko nebſt dem groͤßten Theil der U - kraine. Deſſen juͤngſter Sohn Petrus der Groſ - ſe behauptet nach verſchiedenen Unruhen die Krone. Dieſer iſt es, der den Rußiſchen Staats - koͤrper nicht nur durch ſeine herrliche Eroberun - gen ſtark macht; ſondern auch durch ſeine un - vergleichliche Anſtalten beſeelet. Auf die kurze Regierungen ſeiner Gemahlinn Catharina, und ſeines Enkels Peters II. folgt ſeines Bruders Tochter, die gluͤckliche Anna Jvanowna. Nach ihr regiert der unmuͤndige Jvan III., wel - cher aber mit ſeiner Mutter der Regentinn An - na zugleich geſtuͤrzet wird, indem ſich Eliſabeth Peters I. juͤngſte Tochter 1741. auf den Thron ſchwinget.

  • a) Petrus vergroͤſſerte ſein Reich mit Lie fland, Jn - germannland und einem Stuͤck von Carelien und Kex - holm 1721. Anna Jvanowna mit der PerſiſchenP 2Pro -228Rußland. Provinz Schirvan 1732. Eliſabeth mit der Pro - vinz Kymenegard und der Feſtung Nyslot 1743.

2. Beſchaffenheit der Laͤnder.

§. 4.

Rußland hat ſeine Herrſchaft in Europa und Aſien ſo entſetzlich weit ausgebreitet, daß ſich ſolche auf 480. Teutſche Meilen in die Brei - te, und weit uͤber 1000. Meilen in die Laͤnge erſtrecket, ſo daß kein Reich in der Welt zu fin - den, deſſen zuſammenhangende Provinzen der Groͤſſe von Rußland gleich kaͤmen. Seine Grenzen gegen Weſten ſind Lappland, Schwe - den, die Oſtſee und Polen; gegen Norden das weiſſe und das Eißmeer; gegen Oſten das Ti - choiſche Meer, als die Grenzſcheidung von Ja - pan; gegen Suͤden die groſſe Tatarey, der Caspiſche See, der Berg Caucaſus, das ſchwar - ze Meer und die Crimm, durch welche Grenzen Rußland von China, Perſien und der Tuͤrkey geſchieden wird. Die Grenzen gegen Norden und Suͤden ſind erſt in den neueſten Zeiten be - ſtimmt worden, da man dieſe Gegenden bißher zu den unbekannten Laͤndern und Gewaͤſſern ge - rechnet hat.

  • a) Von Neu Zembla und der Meerenge Wei - gaz oder Weigat.
  • b) Von dem Eißmeer, und der Muthmaaſſung, wie America von dieſer Seite her bevoͤlkert worden.
c) Gren -229Rußland.
  • c) Grenzſcheidung zwiſchen Aſien und Europa aus neuen Gruͤnden auf eine neue Art beſtimmt von Hrn. von Strahlenberg, in der Einleitung, Bl. 91.
  • d) Zank zwiſchen Rußland und China wegen der Feſtung am Amurfluſſe, und neue Grenze, der Fluß Argun nebſt der Feſtung Argunskoi. Perry, Bl. 129.
  • e) Der Caspiſche See iſt der groͤßte in der Welt. Anmerkungen davon aus Perry, Bl. 161. und We - ber, Th II. Bl. 71.
  • f) Von den Crimmiſchen Tatarn, Perry, Bl. 213.

§. 5.

Wenn man das ſo ſehr verſchiedene Clima dieſes Reichs etwas genauer erkennen will, ſo muß man es in 4. Haupttheile von Norden ge - gen Suͤden abſondern. Unter der anſehnlichen Menge ſeiner groſſen und ſchiffreichen Stroͤme ſind die Wolga, der Dnieper, der Don und der Oby die vornehmſte.

  • a) Dieſe Eintheilungen des Rußiſchen Climatis giebt von Strahlenberg, Cap. II, Bl. 171.

§. 6.

Die mittlere Provinzen von Rußland ſind am meiſten angebauet und vortrefflich fruchtbar. Sie geben im Ueberfluß Getreyde, Hanf, Flachs, Gartenfruͤchte, Bau - und Brennholz, Hornvieh, Pferde, Schaafe, Fluͤgelwerk,P 3Wild -230Rußland. Wildpret, Salz, Honig, Salpeter und Fi - ſche. Siberien iſt wegen der Zobel-Marder - Hermelinfelle und anderer reichen Pelzwercken, wegen der Silber-Kupfer - und Eiſenbergwerke, wegen des Schwefels und der Rhabarbar ſchaͤtz - bar. Die Suͤdliche Aſiatiſche Provinzen brin - gen Baumwolle, Seyde und Wein hervor. Diejenige Laͤnder aber, welche zu aͤuſſerſt gegen Norden und Oſten liegen, ſind wenig angebauet.

  • a) Jn Rußland aiebt es dreyerley Salz. Bey Solkamskol am Kamafluß in dem Fuͤrſtenthum Groß - Permia ſind 32. Salzbrunnen, Weber, I. Bl. 54. und 73. Bey Aſtracan ſind verſchiedene Salzteiche, an anbern Orten wird Steinſalz gegraben. Moſco - witiſche Briefe, Bl. 450. in den Noten.
  • b) Von den Zobeln, Weber, I. Bl. 146.
  • c) Bey Aſtracan findet man Salpeter in groſſer Menge. Moscow Briefe, 450.
  • d) Bey Argun iſt ein ergiebiges Silberbergwerk Man zaͤhlet in Rußland 5. Eiſenbergwerke, ſo der Krone, und 27 ſo einzelnen Unterthanen zuſtehen, und alle im Gange ſind. Das Jeneſeiſche iſt das fein - ſte, das bey Petrowski und Oloniz das dauerhafteſte. eb. daſ. 449.
  • e) Daß man eine ganze Schiffsladung von Sibe - riſcher Rhabarbar ausgefuͤhret, eb. daſ. 449.

§. 7.

Rußland an ſich ſelbſt beſteht aus 30. Pro - vinzen, einem Stuͤck von Lappland, uud den5. Pro -231Rußland. 5. Provinzen der groſſen Tatarey, nehmlich Samojeda, Siberien, Caſan, Aſtracan und Bulgaria, oder der Tatariſchen Bucharey.

  • a) Von den Samojeden, Perry, Bl. 100.
  • b) Von Siberien, Weber, I. 175.
  • c) Von den Coſacken, Weber, II. 68.
  • d) Von den Calmucken, Weber, I. 157. Perry, Bl. 131. und von Haven, 174-208.
  • e) Von der Tatariſchen Bucharey, Weber, II. 228.
  • 1. Allerneueſter Staat von Siberien nebſt Bericht, von den Begebenheiten der gefange - nen Schweden, Nuͤrnberg 1720. 8 Doch giebt von Strahlenberg noch vollſtaͤndigere Nachrichten da - von.
  • 2. Neueſter Staat von Caſan, Aſtracan, Ge - orgien und vielen andern dem Czaaren, Sultan und Schach zinsbaren und unterthanen Tatarn, Landſchaften und Provinzen, Nuͤrnberg 1723. 8.

§. 8.

Seit der groſſen Veraͤnderung in jetzigem Jahrhundert, da Rußland ſeine Kraͤfte er - kennen und brauchen gelernet, hat es ſowohl in Europa als in Aſia ſeinen Scepter auszuſtre - cken gewußt, an der Oſtſee nnd dem Caſpiſchen Meere feſten Fuß geſetzt, und den Schweden nebſt andern Provinzen ſonderlich das reiche Kornmagazin Liefland; den Perſern aber das nicht weniger nutzbare Schirvan entriſſen.

P 4a) Ueber -232Rußland.
  • a) Ueberhaupt von Lieflands Vortheilen, Weber, III. 119.
  • b) Warum das Lieflaͤndiſche Korn dem Korne an - derer Nationen vorgezogen, und theurer bezahlt wird. Weber I. 68.
  • c) Geheime Abſicht des Czaar Peters bey Erobe - rung der Provinz Schirvan, eb. daſ. II. 197.
  • d) Der Fluß Daria fuͤhrt Goldſand, und bey der Stadt Backu wird das Naphta oder Petroleum gefunden.
  • 1. Neueſte Hiſtoriſche und Geographiſche Beſchreibung des Caspiſchen Meeres, Daria - Stromes, und der uͤbrigen daherum liegenden Laͤnder, Staͤdte und Voͤlker, Danzig 1723. 8.

§. 9.

Alle dieſe alte und neuerworbene Laͤnder ſind nunmehr in folgende 10. Gouvernements eingetheilet worden 1) das Moseowitiſche, 2) Petersburg - und Reveliſche, 3) Kiowiſche, 4) Archangeliſche, 5) Smolenzko - und Rigaiſche, 6) Siberiſche, 7) Azowiſche oder Woronitziſche, 9) Aſtracaniſche, 10) Nyſchegorodiſche.

  • a) Von dieſer Eintheilung ſiehe von Strahlen - berg, Cap. III. Bl. 179.

§. 10.

Sonſt war das weitlaͤuftige Moscau und das darinnen befindliche Schloß Cremelin die Reſidenz der Czaaren. Petrus I. aber errichteteſich233Rußland. ſich an der Oſtſee einen praͤchtigen Sitz, St. Pe - tersburg, welches Werk allein den Namen ſeines Schoͤpfers bey der Nachwelt verehrungs - wuͤrdig macht.

  • a) Von Moscau, Weber I. 132. und II. 140.
  • b) Was es vor ſchreckliche Feuersbruͤnſte und Ver - wuͤſtungen ausgeſtanden.
  • c) Wie St. Petersburg erbauet und bevoͤlkert worden. Weber, I. 445.
  • d) 2. Hauptabſichten dieſes Wercks, von Strahlen - berg, 244.
  • e) Der dem Reich daraus erwachſene Schaden, welcher eben daſelbſt, aber aus Partheylichkeit, angege - ben wird.
  • f) 3. Hauptfehler an St. Petersburg: die niedrige Lage, das ſuͤſſe Waſſer im Hafen und der unfrucht - bare Boden. Weber, I. 469. II. 19. III. 68. von Haven, 36.

§. 11.

Rußland muß ſeine weitausgedehnte Gren - zen durch eine Menge Feſtungen und zum Theil durch ganze Linien bedecken. Sonderlich iſt Wyborg die Vormauer von St. Petersburg, Kiow und Smolenzko dienen gegen Polen, Der - bent und Aſtracan gegen die Aſiatiſche Nachba - ren. Die uͤbrige Fortereſſen ſind zugleich See - haͤfen, unter welchen naͤchſt St. Petersburg und deſſen Seeſchluͤſſel Kronſtadt, Riga und Reval in Liefland, am weiſſen Meer aber Ar - changel fuͤr andern betraͤchtlich ſind.

P 5a) 234Rußland.
  • a) Von Derbent, Weber, II. 65.
  • b) Von Aſtracan, eb. daſ. 70.
  • c) Jn dem Gouvernement von Woronitz hat man einen langen mit Palliſaden verſehenen Wall gegen die Cubaniſche Tatarn aufgefuͤhret Von Strah - lenberg, Cap. III. Bl. 186. Jn der Ukraine wur - den auch dergleichen Linien, 1733. aufgeworfen, auch ſollte die Communications-Linie zwiſchen dem Don und der Wolga dazu dienen.
  • d) Von dem neuen Seehafen Kronſchloß, und der daraus erwachſenen Stadt Kronſtadt auf der Jnſul Retuſati, Weber, I. 484. und Von Haven, 2. Dieſe Stadt hat einen dreyfachen Hafen.
  • e) Von Archangel, Weber I. 400. und III. 45.
  • f) Was Rußland an Azoff verlohren.

§. 12.

Petrus I. ſparte weder Koſten noch Men - ſchen, um durch Canaͤle eine beſſere Commu - nication zwiſchen den Rußiſchen Provinzen zu erhalten. Es ſind auch 3. dergleichen Ca - naͤle zu Stande gekommen, 1) der von Ladoga, welcher unter die Wunder unſerer Zeit gehoͤret, 2) der von Tweer, welcher den Strom Miſta mit der Twerza, und folglich den Caspiſchen See mit Petersburg verbindet, 3) der von Rzewa, wodurch die Wolga mit der Moscua zuſammen haͤnget, und alſo zwiſchen klein Rußland und der Stadt Moscau und Petersburg eine Waſ - ſerfahrt offen iſt. Drey andere waren noch projectirt, auch ſonderlich an dem wichtigen Ca -nal235Rußland. nal zur Vereinigung der Wolga und des Dons ſchon mit Macht gegraben worden; aber es iſt noch zur Zeit dabey geblieben.

  • a) Der Canal von Ladoga machte des Grafen von Muͤnnich Gluͤck, er iſt erſt 1730. den 22. Octo - ber eroͤffnet worden, Weber I. 393. II. 13. 80. und 134. III. 145.
  • b) Die Zuſammenleitung des Dons und der Wol - ga dirigirte Perry eine Zeitlang, welcher weitlaͤuftig davon handelt. Man wuͤrde dadurch von Petersburg zu Waſſer biß nach Conſtantinopel haben kommen, und folglich ganz Europa haben umſchiffen koͤnnen.
  • c) Von allen 6. Canaͤlen ſiehe von Strahlenberg, 176.
  • 1. Atlas Ruſſicus, mappa vna generali et vnde - viginti ſpecialibus Imperium Ruſſicum ſecundum le - ges Geographicas et recentiſſimas obſeruationes de - lineatum exhibens cura et opera Academiae Impe - rialis ſcientiarum Petropolitanae. Petropoli, 1745. gr. f.

3. Beſchaffenheit der Einwohner.

§. 13.

Ungeachtet nicht der dritte Theil der Ruſ - ſiſchen Laͤnder gehoͤriger Maaſſen bewohnet und angebauet iſt, ſo weicht dennoch an Menge der Einwohner Rußland nicht dem groͤßten Reiche in Europa. Die Hauptſprache der Ruſſen iſt eine Tochter der Sclavoniſchen. Der Czaar Peter I. hat ſie regelmaͤßiger eingerichtet, undauch236Rußland. auch durch dieſe Verbeſſerung ſich um ſein Volk verdient gemacht.

  • a) Durch die lange Kriege und durch den Auf - both zu allerhand Frohnarbeiten ſind die Bauern in Rußland duͤnner geworden Weber, I. 37.
  • b) Die Ruſſen haben in Kriegeszeiten oͤfters gleich den Tuͤrken und Tatarn die Menſchen weggeſchlep - pet. Ex an der groſſen Finnlaͤndiſchen Colonie ſeit 1617. Weber, III. 29.
  • c) Petrus I. beſtimmte die Figur der Rußiſchen Buchſtaben, und verminderte ihre Anzahl biß auf 42. und doch fehlt dieſer Sprache noch der Buchſtabe H.

§. 14.

Den Ruſſen macht ſeine Lebensart dauer - haft, und zu den ſchweereſten Strapatzen ge - ſchickt. Vor Petro I. war er den Auslaͤndern faſt bloß auf der ſchlimmen Seite bekannt. Man ſchilderte ihn als einen unreinlichen, faulen, ver - ſoffenen, betruͤgeriſchen, heimtuͤckiſchen und hals - ſtarrigen Menſchen, mit einem Worte: als ei - nen Barbaren ab. Sein Kopf war wuͤſte, ſein ganzes Weſen roh, und eine undenklich alte Gewohnheit ſchiene ihn darinnen verhaͤrtet zu haben. Allein der kluge und unermuͤdete Pe - trus erfand das Geheimniß, ihn umzuſchmel - zen. Durch Liebe und Schaͤrfe lehrte er ihn denken und geſittet leben. Nunmehr ſind die Ruſſen den andern Europaͤern aͤhnlicher gewor - den; doch haͤngt der Poͤbel noch den alten La - ſtern nach.

a) Von237Rußland.
  • a) Von ihrem Baden, und deſſen viererley Arten, Weber, I. 22.
  • b) Wer den Unterſchied zwiſchen den ehemaligen und jetzigen Ruſſen einſehen will, muß Olearii Rei - ſebeſchreibung nach Rußland mit Webers und von Havens Schriften zuſammen halten.
  • c) Wie Petrus die alte Gewohnheiten abgeſchaft, z. E. die groſſe Baͤrte, Perry, 308. die lange Klei - der, eb. daſ. 312. Die alte Weibertracht, eb daſ.
  • d) Was vor Schaͤrfe bey Einfuͤhrung dieſen Neue - rungen noͤthig geweſen, Weber, I. 228. Perry 346.
  • e) Wie daruͤber verſchiedene Empoͤrungen entſtan - den, und ſonderlich das Edict wegen der Baͤrte und Kleider die Urſache der groſſen Revolte in Aſtracan 1704. geweſen. Von Strahlenberg, 248.
  • f) Petrus verwieſe ihnen die hiebey bezeigte Hals - ſtarrigkeit auf eine ſinnreiche Art, Perry, 385.

§. 15.

Nunmehr haben die Ruſſen auch Gelegen - heit, ſich in allen nuͤtzlichen Theilen der Ge - lehrſamkeit unterrichten zu laſſen. Vor Petro war alles mit der Finſterniß der Unwiſſenheit bedeckt. Er ſteckte das Licht der Wiſſenſchaf - ten auf, und gewoͤhnte das Rußiſche Auge an, ſolches zu vertragen; ſonderlich ſeit dem er die Academie der Wiſſenſchaften in Petersburg an - geleget, welche vor kurzem von der Kayſerinn Eli - ſabeth noch beſſer eingerichtet, und mit mehr als doppelten Einkuͤnften dotiret worden. Die U - niverſitaͤtt Doͤrpt in Liefland ſteht auch unterRußi -238Rußland. Rußifcher Hoheit, und in Kiow iſt eine alte Academie vor die Griechiſche Gottesgelehrten.

  • a) Alter Zuſtand in Rußland aus von Strahlen - berg und Perry.
  • b) Wie ſich Petrus des Probſtes Gluͤcks, des Pflegevaters der nachherigen Kayſerinn Catharina, zu dieſem Endzwecke nuͤtzlich bedienet. Weber, I. 223.
  • c) Anſtalten durch Anlegung vieler Schulen, durch ſcharfe Gebothe, durch Ueberſetzungen, Reiſen, u. ſ. w.
  • d) Weiſe Rede Petri von der Wanderung der Wiſſenſchaften. Weber, I. 10.
  • e) Wie er mit dem Eigenſinn zu kaͤmpfen gehabt, Ex. an dem Rußiſchen Geſandten Wolkof, Weber, II. 25.
  • f) Die Academie der Wiſſenſchaften ward nach dem Muſter der Berliniſchen und Franzoͤſiſchen Koͤnigli - chen Academien und der Jtaliaͤniſchen del Cimento ein - gerichtet. Weber, III. 52, 60.
  • g) Der Univerſitaͤt Kiow gedenkt von Haven mit Ruhm, Bl. 110.
  • 1. Gebaͤude der Kaͤyſerlichen Academie der Wiſſenſchaften. St. Petersburg 1741. gr. f. Jm Vorbericht. Damals ſtanden 321. Perſonen dabey in Beſoldung.
  • 2. Die neue Einrichtungen und die Vermehrung des Fonds der Academie von 1748. ſteht extrahirt im Mercure Hiſtorique et Politique, tom. CXXIV. mois de Mai, p. 507.

§. 16.

Sonſt beſtand alle Arbeit der Ruſſen faſtallein239Rußland. allein in Ackerbau, Viehzucht, Jagd und Fi - ſchereyen, und auſſer ihren vortrefflichen Juch - ten waren ſie nicht nur in den kuͤnſtlichen Manu - facturen; ſondern auch in verſchiedenen nothduͤrf - tigen Handarbeiten unerfahren. Petrus vermiſch - te ſein Volk mit fremden Kuͤnſtlern. Seit dem findet man Seyden - und Wollfabricken in Ruß - land. Die Leinwebereyen, Seiler - und See - gelmacher-Arbeiten, der Schiffbau, die Ku - pfer-Meßing-Eiſen-Stahl - insbeſondere auch die Drat-Blech-Gewehr - und Geſchuͤtz-Fabri - cken floriren. Sie machen Papier, Perga - ment, Glaß, Pulver, und bringen es in al - lerhand Kuͤnſten je laͤnger je weiter.

  • a) Jn Zubereitung der Juchten beſitzen die Ruſſen ein altes Geheimniß. Die Jaroslawiſche, Caſtromi - ſche und Pleskauiſche ſind die beſte. Weber, II. 168.
  • b) Petrus zog Leute von allen moͤglichen Hand - werken biß auf Bierb[r]auer und Schaͤfer ins Land, und war ſo gar Butter, Heckerling und Spinnen unbekannt. Weber, I. 222.
  • c) Die Seyden-Woll und Leinen-Fabricken und uͤberhaupt die beſte Manufacturen ſind in und um Petersburg anzutreffen.
  • d) Gewehr - und Geſchuͤtzfabricken zu Syſter - beck in Carelien und Olonitz.
  • e) Zu Catharinenburg in Siberien ſind trefliche Eiſen - und Blech Manufacturen, Von Strahlenberg un - ter dem Worte Catharinenburg. Man, hat derglei - chen auch zu Olonitz.
f) 240Rußland.
  • f) Schwuͤrigkeiten, ſo ſich hiebey geaͤuſſert. Per - ry, 415. und konnte Petrus mit aller Muͤhe und Koſten ſeinen Endzweck nicht uͤberall erreichen. Ex. an der mißlungenen Wollfabricke bey Moscau. eb. daſ. 430.

§. 17.

Rußlands Lage und andere natuͤrliche Vor - theile machen es zum Handel vorzuͤglich vor vie - len andern Nationen geſchickt. Es wird auch ſelbiger ſeit der angefangenen Verwandelung je laͤnger je anſehnlicher, und iſt gar nicht un - moͤglich, daß dieſes Reich in kuͤnftigen Zeiten der Mittelpunct des Commercii zwiſchen Euro - pa und den benachbarten Provinzen von Aſien werden kann. Der Handel mit Aſien theilet ſich hauptſaͤchlich in drey Zweige. Der 1) nach der Tuͤrkey und Tatarey iſt maͤßig, der 2) nach Perſien geht uͤber Aſtracan und den Cas - piſchen See, und iſt von mehrerer Wichtigkeit, der 3) nach China geſchicht zu Lande vermittelſt groſſer Caravanen, die jaͤhrlich nach Pecking ziehen, und iſt der wichtigſte. Die Aſiatiſche Waaren hohlet der Ruſſe ſelbſt ab; hinge - gen, was er aus den Europaͤiſchen Reichen be - noͤthiget iſt, laͤßt er ſich noch groͤßten Theils von denen an der Nord - und Oſtſee wohnenden See - voͤlkern zufuͤhren. Dieſer Seehandel geht - ber Petersburg und Archangel, und iſt ſehr viel betraͤchtlicher als der zu Lande.

a) 241Rußland.
  • a) Daß vor Alters 2. groſſe Waarenſtapel in Rußland geweſen, Groß Permia und Ladoga, und nachgehens an Statt der letzteren Groß-Neu - garten oder Nowogorod. Von Strahlenberg, in der Einleitung, Bl 94.
  • b) Daß nachher der Handel zwiſchen Rußland und den andern Europaͤiſchen Reichen durch Liefland ge - gangen, biß auf die Entdeckung von Archangel, welche eine vor dieſes Reich vortheilhafte Veraͤnde - rung machte.
  • c) Beurtheilung des Rußiſchen Handels, Weber, II. 168. von Haven, 471.
  • d) Handel nach Aſien, ſonderlich nach China, Weber, I. 164. und III. 133. Perry, 126. von Ha - ven, 475.
  • 1. P. J. Marpergers Moſcowitiſcher Kauf - mann, Luͤbeck, 1705. 8.

§. 18.

Die Ruſſen rechnen nach Rubel und Co - picken. 100. Copicken machen 1. Rubel oder 30. ggr. beydes ſind Silbermuͤnzen. Die uͤbrige gangbare Muͤnzen ſind Ducaten, ferner Polti - nen von 50. Cop. oder ein halber Rubel, und Grie - ven von 10. Cop. Dieſe ſind von Silber. Die Stuͤcke von 5. Copicken, Denuska (ein halber Cop. ) und Petuska (ein viertel Cop. ) ſind von Kupfer. Ein Altin haͤlt 3. Copicken, iſt aber nur eine eingebildete Muͤnzſorte.

  • a) 5. Muͤnzſtaͤdte: Moscau, Petersburg, Groß - Neugarten, Tweer und Plescau. Weber, II. 177.
Qb) 242Rußland.
  • b) Schaͤdliche Muͤnzaͤnderung 1700. Perry, 398.
  • c) Warum Petrus I. die Aufſchrift in Rußiſcher Sprache nicht veraͤndert. Weber, eb. daſ.
  • d) Er hat zuerſt Rußiſche Medaillen ſchlagen laſſen.

4. Staatsrecht.

§. 19.

Petrus der Groſſe publicirte 1722. den 5. Februar. eine Verordnung, wodurch die Erb - folge der Blutsverwandſchaft aufgehoben, und ſolche lediglich dem Willen des regierenden Mo - narchen unterworfen wurde. Hiezu gab die Abſolonitiſche Boßheit ſeines Erbprinzen Alexii Gelegenheit, und die Folgen dieſer Verordnung ſind vor das Rußiſche Reich ſehr merkwuͤrdig geweſen. Es iſt dieſes das einzige geſchriebene Reichsgrundgeſetz in Rußland.

  • a) Dieſe Verordnung ſteht in Hrn. H. Schmauſ - ſens Corp. J. Gent. tom. II. p. 2148.
  • b) Wunderliche Widerſpaͤnſtigkeit vieler Ruſſen, die dem neuernannten Thronfolger nicht ſchwoͤren wollen. von Strahlenberg, 258.

§. 20.

Die jetzt regierende Kayſerinn Eliſabeth Petrowna, die juͤngſte Tochter des Kayſers Pe -tri243Rußland. tri I. und der Kayſerinn Catharina Alexiewna iſt gebohren 1710. und beſtieg den Thron 1741. Sie hat ihrer Schweſter Anna Sohn, Petern Feodorowitz, vorher Carl Peter Ulrich genannt, regierenden Herzog von Holſtein Gottorp, zum Großfuͤrſten von Rußland erklaͤrt 1742., wel - cher ſich mit der Prinzeßinn von Anhalt Zerbſt Catharina Alexiewna, zuvor Sophia Augu - ſta Friederica, 1744. vermaͤhlt, und noch zur Zeit unbeerbet iſt.

§. 21.

Die ehemalige Beherrſcher des Rußiſchen Thrones nennten ſich Czaare und Großfuͤrſten. Petrus I. nahm den ihm von ſeinen Untertha - nen angetragenen Kayſerlichen Titul an, wel - chen nunmehr ganz Europa erkannt hat. Es titulirt ſich alſo die jetzige Monarchinn Eliſabeth: Kayſerinn und Selbſtherſcherinn von ganz Ruß - land.

  • a) Der Titul Czaar und Großfuͤrſt ſind ſehr von einander unterſchieden. Erſterer Titul iſt weit juͤnger. von Strahlenberg, Cap. VI. 267.
  • b) Kayſer Maximilian gab dem Czaar Baſileo den Titul Imperator in einem Schreiben vom 4. Au - guſt 1514. Weber, I. 357.
  • c) Alter Titul Powelitel und Samoderſchetz, oder Autocrator, Herrſcher und Selbſthalter. Der Erzbi - ſchof von Novogorod fiel zuerſt darauf, daß Poweli - tel nichts anders als Imperator hieſſe. Von Strah - lenberg, eb. daſ.
Q 2d) 244Rußland.
  • d) Von Uebertragung des Kayſerlichen Tituls, und daß Preuſſen ihn zuerſt erkannt. Weber, II. 3.
  • e) Schwuͤrigkeiten, ſo andre Staaten und ſon - derlich der Kayſer und das Teutſche Reich hiebey ge - macht.
  • f) Von Berger, Struve, Schmeizel, Paul von Gundling und Hr Otto haben theils wider, theils vor die Rechtmaͤßigkeit dieſes Tituls geſchrieben.

§. 22.

Die Rußiſche Großfuͤrſten ſollen anfangs als Heyden einen Bogen und Pfeil im Wap - pen gefuͤhret haben, als Chriſten nahmen ſie drey Zirkel in einem Triangel, hernach den Rit - ter St. George, Jvan Baſilowiz II. aber we - gen des Anſpruchs auf das Griechiſche Reich den doppelten Kayſerlichen Adler an. Petrus I. gab dem Rußiſchen Wappen die heutige Figur. Es beſteht in einem ſchwarzen, zweykoͤpfiaten und dreyfach gekroͤnten Adler im guͤldenen Fel - de, welcher das Wappen von Moscau auf der Bruſt, und 6. andere Wappen, nehmlich von Aſtracan, Siberien, Nowogorod, Caſan, Kiow und Wilodimir in den Fluͤgeln fuͤhret. Das groſſe Reichsinſiegel hat noch 26. Wap - pen der andern Rußiſchen Provinzen, welche in Form einer Oval-Linie rings um den Adler zuſammen hangen.

  • a) Petrus bauet ein Kloſter in der Figur eines dop - pelten Adlers, von Strahlenberg, 269.
b) Sie -245Rußland.
  • b) Siehe Weber, II. 180. und Acta Eruditorum, ad a. 1708. p. 218.

§. 23.

Der Hofſtaat iſt von Peter I. zuerſt auf einen regelmaͤßigen Fuß geſetzet, von der Kay - ſerinn Anna Jwanowna aber ſo anſehnlich und prachtig gemacht worden, daß er in ganz Euro - pa nicht anſehnlicher und praͤchtiger zu finden iſt. Dieſen Glanz des Hofes vermehren auch ſeit dem 2. Ritterorden, welche beyde Petrum I. als ihren Stifter erkennen. Der erſte und vornehmſte iſt der Andreas-Orden, errichtet 1698. welchen die Kayſerinn Catharina mit den Or - dens-Statuten und Kleidungen verſehen. Der andere iſt der Alexander-Orden, welchen Pe - trus zwar angeordnet; aber Catharina 1725. zuerſt ausgetheilet hat. Jener iſt dem heiligen Andreas, als Schutzpatron von Rußland; die - ſer ader dem heiligen Alexander Newski, einem ehemaligen Großfuͤrſten zu Ehren errichtet. Bey - de haben ihr Ordenszeichen, Ordensband und Deviſe. Der Andreas-Orden hat uͤberdies ei - ne Ordenskette, und alle Andreas-Ritter ſind zugleich Ritter vom Alexander Orden. Auſſer dieſen beyden floriret auch noch ein weiblicher Orden, welchen Petrus I. aus Hochachtung gegen ſeine kluge Gemahlinn Catharina 1714. ſtiftete, und ihn nach ihrem Namen den Ca - tharinen-Orden nennete.

Q 3a) 246Rußland.
  • a) Vom Andreas-Orden, Weber, III. 161.
  • b) Vom Alexander-Orden, eb. daſ. 38.
  • c) Vom Catharinen-Orden, eb. daſ. I. 57.

§. 24.

Das Rußiſche Reich iſt ſeit den Zeiten J - wans Baſilowiz I. reichshergebrachter Maaſſen untheilbar. Das weibliche Geſchlecht iſt von der Regierung nicht ausgeſchloſſen. Ueber die Thronfolge diſponirte zwar der regierende Monarch bißweilen, doch ſo, daß er ſeine Fami - lie nicht vorbeyging, auſſer wenn Niemand da - von uͤbrig war. Petrus I. aber verordnete:

Daß es jederzeit in des regierenden Lan - desherren Willkuͤhr ſtehen ſolle, nicht allein die Succeßion, wem er will, zu zuwenden; ſondern auch den bereits ernennten Nachfolger, wenn er einige Untauglichkeit an ihm bemerket, wie - der zu vetaͤndern.

  • a) Vor Jwan Baſilowiz oder Waſilowicz hatten die Kinder Wladimiri durch ihre Theilungen das Reich zergliedert.
  • b) Ex. Teſtamentariſcher Diſpoſitionen wegen der Rußiſchen Monarchie.
  • c) Was fuͤr eine ſpecies ſucceſſionis in regna die je - tzige Thronfolge in Rußland ſey, davon ſiehe diſſ. meam de iure in Aemulum Regni, vulgo Praetendentem, cap. I. §. 17.
d) Ob247Rußland.
  • d) Ob dieſe in andern chriſtlicheu Reichen uner - hoͤrte Verordnung Petri der Rußiſchen Krone zutraͤg - lich oder nachtheilig ſey.
  • 1. Das Recht der Monarchen in willkuͤhrli - cher Beſtellung eines Reichsfolgers. Berlin 1724. 4.

§. 25.

Aus dieſem von Petro feſtgeſtellten Reichs - Grundgeſetz laͤßt ſich folgern, daß, wenn ein min - derjaͤhriger Thronfolger ernennet wird, der erb - laſſende Monarch nach ſeinem Gefallen die Zeit der Majorennitaͤt beſtimmen kann. Die Kroͤ - nung und Salbung iſt nach dem Reichsher - kommen eingefuͤhrt, und wird jederzeit zu Mos - cau mit vielen Feyerlichkeiten vollzogen. Das Ceremoniel dabey iſt noch beſtaͤndig einigen Ver - aͤnderungen unterworfen; doch ſieht man dar - aus, daß kein anderer, als der ſich zur Grie - chiſchen Religion bekennt, der Krone faͤhig iſt.

  • a) Catharina ſetzte in ihrem Teſtament Art. III. die Majorennitaͤt Peters II. auf den Anfang ſeines 16ten Jahres. Memoires du Regne de Catherine, p. 600. Anna Jwanowna die Volljaͤhrigkeit des unmuͤn - digen Jwans III. auf den Anfang ſeines 17ten Jah - res. Genea ogiſch-Hiſtoriſche Nachrichten, Theil XXI. Bl 792.
  • b) Der Archirei von Nowogrod dirigirt die Kroͤ - nungshandlung. Der Monarch darf dabey weder et - was verſprechen, noch vielweniger beſchwoͤren.
  • c) Unterſchied zwiſchen der Kroͤnung der Kayſerinn Anna Jwanowna und der Kayſerinn Eliſabeth.
Q 41. Be -248Rußland.
  • 1. Beſchreibung der hohen Salbung und Kroͤ - nung Anna Joannowna, wie ſolche den 28. April 1730. in Moseau vollzogen worden. St. Pe - tersburg 1731. gr. f. womit zu vereleichen Geneal. Hiſtoriſche Nachrichten, Th XXXVIII. Bl. 106.

§. 26.

Der Rußiſche Selbſtherrſcher iſt an das natuͤrliche Recht und die Griechiſche Religion gebunden. Sonſt aber iſt keine Verbindlich - keit vorhanden, welche ſeiner unumſchraͤnkten Gewalt Grenzen ſetzen ſollte. Die Nation iſt auch ſo wenig gewohnt, ihrem Landesherren im geringſten die Haͤnde binden zn koͤnnen, daß die Capitulation, ſo man der Kayſerinn Anna Jwanowna vorgelegt, kaum von monathlicher Dauer geweſen.

  • a) 7. Puncte, ſo Anna Jwanowna unterſchrei - ben muſte, Weber, III. 184.
  • b) Wie dieſes Werck der Dolgorukoi von den Fuͤr - ſten Trubezkoi und Tſcherkuskoi vernichtet worden.

§. 27.

Der Senat oder dirigirende Rath, der Synodus oder geiſtliche Rath und der Kriegs - rath ſtellen die Reichsſtaͤnde vor; ſind aber nur ein Schatten davon, und koͤnnen fuͤg - licher nebſt dem Cabinetsrath als die vornehm - ſte Collegia des regierenden Monarchen, in deſ - ſen bloſſen Willkuͤhr ihre Ernennung beruhet, betrachtet werden. Jnzwiſchen iſt doch ihr An -ſehen249Rußland. ſehen bey der Thronfolge und bey Revolutionen von groſſem Gewichte.

§. 28.

Der Rußiſche Adel beſtand ehedem bloß aus Fuͤrſten (Kneeſen) und den uͤbrigen Edel - leuten, (Doworianen) unter welchen die Boja - ren und Synbojarskoi oder Bojaren Soͤhne, als angeſeſſene Adeliche, die uͤber Leibeigene zu befehlen haben, einige Vorzuͤge genieſſen. Pe - trus creirte Grafen und Baronen, und fuͤhrte 1714. bey den adelichen Guͤtern die Untheilbar - keit ein, und gab deren Beſitzern das Recht, ſol - che nach Gefallen dem Wuͤrdigſten unter ihren Kindern zuwenden zu koͤnnen. Uebrigens iſt der Adel mit allen anderen Unterthanen der hoͤchſten Majeſtaͤt auf gleiche Art unterworfen.

  • a) Von Strahlenberg Cap. XII. Bl. 300. macht verſchiedene Eintheilnngen des Rußiſchen Adels, und fuͤhret die vornehmſte davon an.
  • b) Petri Politick bey der neuen Erbfolge-Ordnung der Adelichen, Von Strahlenberg, 243.
  • c) Wie der Czaar Feoder Petri I. aͤlteſter Bruder die ſchriftliche Urkunden und Privilegia des ganzen Rußiſchen Adels zu Staub und Aſchen verbrandt. Weber, I. 252.
  • 1. Jus Publicum Imperii Ruſlorum auctore M. MORGENSTERN, Halis Salicis, 1737. 8.
Q 55.250Rußland.

5. Reichsgeſchaͤfte.

§. 29.

Alle in - und auslaͤndiſche Staatsſachen werden in dem Cabinetsrath als dem hoͤchſten Reichscollegio ausgemacht. Die Anzahl und Wahl der Beyſitzer beruhet in des regierenden Monarchen hoͤchſten Gutachten, welcher in Per - ſon darinnen praͤſidiret.

§. 30.

Die Griechiſche Religion iſt die herr - ſchende. Die von den Schweden eroberte Pro - vinzen bekennen ſich zur Lutheriſchen Religion, die zinsbare Tatarn ſind noch groͤßtentheils in dem Mahometaniſchen Aderglauben, wie die zerſtreute Voͤlker gegen Norden und Oſten im Heydenthum erſoffen. Man hat in jetztlaufen - den Jahrhundert angefangen, das Chriſtenthum unter ihnen auszubreiten. Dieſes lobenswuͤr - dige Werk wird von einem beſondern Collegio de propaganda fide in Petersburg dirigiret, und hat einen erwuͤnſchten Fortgang. Es wer - den auch[andere] Religionen im Reiche geduldet, und ſind bloß die Jeſuiten und die Juden dar - aus verbannet, doch iſt von den letztern noch hie und da eine heimliche Brut uͤbrig.

  • a) Von der Religion in Rußland, Perry 239. Von Strahlenberg, Cap. VIII.
b) 7.251Rußland.
  • b) 7. beſondere Glaubenspuncte der Griechiſchen Kirche Siehe des Jeſuiten ANTONII POSSEVI - NI Moſcouiam, p. 159. edit. Antwerp und Dn. IO. GUILIELMI FEUERLINI diſſ. de Religione Ruthenorum hodierna, Gott. 1745.
  • c) Petrus ſuchte auch die Religion von den Schla - cken zu reinigen.
  • d) Project, ſo die Sorbonne dem Czaar Peter zu Vereinigung der Griechiſchen mit der Lateiniſchen Kirche vorgelegt. Weber, I. 445.
  • e) Man ſchaͤtzet ein dreißig Theil der Unterthanen Mahometanet, und 3 mal ſo viel Heyden, Von Strah - lenberg eb. daſ.
  • f) Die Lutheraner, Reformirte, Catholicken und Armenianer haben hie und da Kirchen. Die Catholi - cken allein auch Glocken. Von Haven, 10.
  • g) Den Jeſuiten wurde 1719 anbefohlen, inner - halb 4 Tagen das Reich zu quittiren, indem derſel - ben gefaͤhrliche Machinationes, und wie gerne ſie ſich in politiſche Haͤndel miſchen, ſattſam bekannt waͤren. Weber, I. 363.
  • h) Daß unter den Ruſſen viel heimliche Juden ſte - cken, Weber, III. 59. und von Haven, 72.

§. 31.

Die Rußiſche Geiſtlichkeit beſteht aus 4. Metropolitanen, denen zwar die Erzbiſchoͤfe und Biſchoͤfe, (welche nur dem Titul nach unter - ſchieden ſind) als Suffraganii, die haͤufige Moͤnchs - und Nonnenkloͤſter aber nicht unterge - ben ſind. Denn dieſe ſtehen unter ihren eigenen Archimandriten, Kilari und Igumeni. (Aebten,Proͤb -252Rußland. Proͤbſten und Aebtißinnen) Sie folgen der Re - gel des heiligen Baſilii; einige wenige aber der Regel des heiligen Antonii. Die Stadt - und Landpfarrer nennen ſie Protopopen, Popen (Erzprieſter, Prieſter) und Diaconos, dieſe ſind in unzaͤhliger Menge. Petrus erhob ſich zum Beherrſcher der Geiſtlichkeit, da er ihre Guͤter einige Jahre einzog, das ſtoltze Patriarchat un - terdruͤckte, und an deſſen Statt einen ihm un - terthaͤnigen geiſtlichen Rath (Synodum) von 12. Perſonen 1719. in Petersburg anordnete.

  • a) Weber, II. 96. und von Strahlenberg, 291. widerſprechen ſich in der Anzahl der Erz - und Bi - ſchoͤfe.
  • b) Petri kluges Verboth, keine Mannsperſon un - ter 50. und keine Weibsperſon unter 40. Jahren in ein Kloſter aufzunehmen, Weber, II. 135.
  • c) 1704. reducirte Petrus auf Anrathen des ge - heimen Raths Mußin Paſchkin alle Landguͤter der Geiſtlichkeit, 1711. gab er das meiſte wieder zuruͤck, hatte aber indeſſen ihre Reichthuͤmer kennen lernen, und behielte ſich alle 3 Jahr ein Don Gratuit vor. Weber, I. 46.
  • d) Macht und Trotz der ehemaligen Patriarchen, von Strahlenberg, Cap. IX. 281. und Weber, II. 54.
  • e) Die Einrichtung des Synodi iſt in der von Pe - ter 1721. publicirten Kirchenordnung oder dem geiſt - lichen Reglement, Danzig 1725. 4. nachzuſehen.
§. 32.253Rußland.

§. 32.

Sonſt ward in den Rußiſchen Gerichtshoͤ - fen nach den alten hergebrachten Gewohnheiten geſprochen. Jwan Baſilowiz ließ zuerſt einige ſchriftliche Geſetze ſammlen 1598. Alexius publi - cirte endlich 1647. das jetzt geltende Geſetzbuch Sobornie Vloſienie, (einhelliges und geſamm - tes Recht) welches durch die Verordnungen der nachfolgenden Czaare vermehret werden. Die Gerichte heiſſen durchgaͤngig Pricaſen. Die 10. Gouverneurs haben die letzte Jnſtanz, und ſprechen abſolut. Der Proceß iſt ſehr ſumma - riſch, und die Strafen hart, waren aber vor - dem noch haͤrter.

  • 1. Iter in Moſchouiam Auguſtini L. B. de Mayer - berg et Horatii Guilielmi Caluuccii ab Imperatore Leopoldo ad Tzarem et Magnum Ducem Alexi - um Mihalowicz 1661. ablegatorum, deſcriptum ab ipſo AUGUSTINO L. B. de MAYERBERG, cum Statutis Moſchouitis ex Ruſſico in Latinum transla - tis. fol.
  • a) Siehe Staat von Rußland, Theil II. Bl. 386. Webern, an verſchiedenen Orten, und Olea - rii Moſcowitiſche und Perſianiſche Reiſebeſchrei - bung, Buch III. Cap. 20.

§. 33.

Die Einkuͤnfte werden aus den Cammer - guͤtern, den Zoͤllen, der Acciſe, den Monipoliis mit inlaͤndiſchem Taback und Getraͤnke, (dasSchenk -254Rußland. Schenkrecht von Bier, Meht und Kornbran - tewein) auch mit allen Siberiſchen Waaren, (Pelzwerken, Rhabarbar u. ſ. w.) mit Salz, Caviar, Potaſche, Weidaſche, Hausdlaſen, Pech und Theer, aus dem Kayſerlichen Handel nach China, aus den Bergwerken, dem Muͤnz - Poſt - und andern Regalien gehoben.

Die uͤbrige Revenuͤen beſtehn in den Auf - lagen auf die Unterthanen. Dahin gehoͤren ih - re Frohndienſte, Proviantlieferungen und Geld - abgaben. Die letztere ſind entweder ordentlich, als die Landſteuern, die Abgaben von Bade - ſtuben, Muͤhlen, Teichen und andern Fiſche - reyen, Bienenſtoͤcken, Wieſen, Gaͤrten, der Grundzins von den ſchwarzen Plaͤtzen in den Staͤdten und Marcktflecken, die Vermoͤgen - ſteuer der Kauf - und Handwerksleute. Die Edelleute ſind vom Grundzinſe und der Vermoͤ - genſteuer frey, bezahlen aber die Badeſtuben deſto theurer. Die Stadt - und Dorf-Geiſtlichkeit be - zahlt ohngefehr wie Buͤrger und Bauer, die vor - nehmere Praelaten wie die Edelleute. Die auſſer - ordentliche Auflagen beſtehen in einem Kopf - gelde, (Tſchaprosniedengi) welches nach den verſchiedenen Beduͤrfniſſen des Staats von dem Buͤrger uud Bauer bald geringer bald ſtaͤrker abgetragen werden muß.

Die neue Conqueten in Europa, und die Coſacken in der Ukraine zahlen auf einen leidli - cheren Fuß. Der Zins der Tatarn und derNord -255Rußland. Nord - und Oſtlichen Heyden beſteht mehren - theils in Pelzwerk.

  • a) Vom Finanzſtaat. Weber, I. 34. und von Strahlenberg Cap. X. Bl. 292.
  • b) Dit Domainen werden durch Schenkungen und Confiſcattonen ſehr veraͤndert.
  • c) 5. groſſe Zollhaͤuſer zu 1) Petersburg, 2) Ar - changel, 3) Moscau, 4) Kiow, 5) Aſtracan.
  • d) Zu der Schweden Zeiten rechnete man den Zoll bloß in Riga 400.000. Rthlr. Jn Anſehung der Ver - moͤgenſteuer ſind die Buͤrger claßificirt, und zahlen von einem halben Copicken bis auf 1. Rubel.
  • e) Unter Petro I. war der Caviar vor 100. 000. Rubel, die Rhabarbar vor 80. 000. Rubel und der Taback vor 12.000 Pf. Sterling verpachter Weber, II. 176. Das Schenkrecht traͤgt uͤber 1. Million Rubel ein.
  • f) Schaden aus den haͤufigen Monopoliis, von Strahlenberg, 242.
  • g) Kayſerlicher Handel nach China, Weber, II. 95.

§. 34.

Dieſe Einkuͤnfte werden theils durch Ad - miniſtration theils durch Verpachtung geho - ben. Die 10. Gouverneurs dirigiren in ihrem Provinzen auch das Finanzweſen. Man rech - net die geſammte ordentliche Einkuͤnfte auf 20. Millio -256Rußland. Millionen Rubel; doch wuͤrden ſie weit hoͤher ſteigen, wenn allem Unterſchleif vorgebeuget werden koͤnnte.

  • a) Von Strahlenberg giebt dieſe Summe an, 293. Uebrigens ſiehe Webern, I. 51.

§. 35.

Der Ruſſe hat vorzuͤgliche Eigenſchaften, um einen tuͤchtigen Soldaten abgeben zu koͤnnen, ſonderlich wenn er wohl commandiret wird. Pe - trus I. goß das ganze Militaͤrweſen in die Eu - ropaͤiſche Form: ſeit dem hat dieſe Nation ih - ren Kriegsruhm in den beyden maͤchtigſten Thei - len der Welt gerechtfertiget: doch wird die Ca - vallerie von der Jnfanterie weit uͤbertroffen. Man rechnet ihre regulaͤre Truppen auf 180. 000. Mann, worunter die 4. Garde-Regimen - ter 10. 000. das Artillerie Corps 7000. Mann betragen. Die ſchwarze Regimenter oder die ordentliche Landmilitz ſchaͤtzet man auf 96. 000. Mann ſtark. Auf Erfordern muͤſſen auch die zinsbare Tatarn, Coſacken und Calmucken mit 50. und mehr 1000. Mann aufſitzen, und dieſe leichte Reuterey thut vortrefliche Dien - ſte.

  • a) Petrus war unermuͤdet in Verbeſſerung ſeiner Kriegsmacht. Weber, I. 27. Perry, 435.
b) Be -257Rußland.
  • b) Beſondere Anmerkungen von den Aſiatiſchen Feldzuͤgen des groſſen Capitains, Grafens von Muͤn - nich.
  • c) Von ihrer trefflichen Jnfanterie, Perry, 442. und von Haven, 342.
  • d) Fehler, ſo ſich bißher bey der Cavallerie geaͤuſ - ſert, Perry, eb. daſ. Weber, I. 28. und III. 2.
  • e) Seit Ausrottung der Strelitzen ſind 2. Regi - menter Leibgarde, Preobrazinskoi und Simanowskoi, und 2. Regimenter Seconde Garde, Jngermanlands - koi und Aſtracanskoi errichtet worden.
  • f) Die Artillerie Regimenter ſind mit dazu ge - hoͤrigen Feldzeughaͤuſern in Moscau, Groß-Nowo - grod und Schewskoi vertheilt.
  • g) Von ihrer Loͤhnung und uͤbrigen Beſchaffen - heit ſiehe von Strahlenberg, 294. und von Haven, 288. und 306.
  • h) Pflanzſchule von Soldaten in der Ukraine, von Haven, 313. und von Officiers in Petersburg.

§. 36.

Wenn Peter I. in ſeiner ganzen Regie - rung groſſe Dinge ausgefuͤhret; ſo hat er in der Errichtung der Rußiſchen Seemacht Wun - der gethan. Vor ihm war auſſer Archangel kaum der Name der See bekannt, und ein Rußiſches Schiff oder Rußiſcher Seemann et - was unerhoͤrtes. Er ward der Lehrmeiſter ſei - nes Volks mit ſolchem Fortgange, daß er mitRſeiner258Rußland. ſeiner eigenen Flotte uͤber eine maͤchtige Seena - tion triumphiren konnte. Sie beſteht auſſer den Fregatten aus ungefehr 40. Kriegsſchiffen und 250. Galeeren. Die Flotte von Kriegs - ſchiffen wird in die weiſſe, blaue und rothe Eſcadre getheilt. Die Galeeren koͤnnen 20. biß 30.000. Mann Fußvolk und Reuterey transportiren. Rußland hat alle Schiffsmaterialien in hoͤch - ſtem Ueberfluſſe, es hat Schiffsbaumeiſter und Matroſen gezogen, und laͤßt in der See-Academie zu Petersburg etliche 100. Edelleute zu Seeoffi - ciers beſtaͤndig nachziehen. Die Kriegsflotte wird in Kronſtadt und Reval, die Galeeren in Petersburg verwahrt. An dieſen 3. Orten ſind auch Seemagazine und Schiffswerfte angelegt, doch iſt der Schiffswerft zu Archangel der vor - nehmſte.

  • a) Der eigentliche Urheber der Rußiſchen Marine iſt der Vice-Admiral Cruys ein Hollaͤnder. Weber, III. 98.
  • b) Man rechnet auf der Rußiſchen Flotte 14.000. Matroſen. Weber, III. 88.
  • c) See-Academie, eb. daſ. I. 221.
  • d) Rußland hat noch keinen vollkommenen See - hafen an der Oſtſee.
  • e) Warum die Rußiſche Flotte nicht anſehnlicher wird, da doch jaͤhrlich 2. und mehr neue Kriegsſchiffe in Archangel gebauet werden. Siehe uͤberhaupt von Strahlenberg, 297. und von Haven, 6.
  • f) Herrliches Schiffsmagazin zu Petersburg.
6. 259Rußland.

6. Staatsintereſſe.

§. 37.

Da Petri I. Regierung, aller gegenthei - ligen Vorwuͤrfe ungeachtet, ein Jnbegriff einer faſt vollſtaͤndigen Staatsklugheit iſt; ſo ſcheint dieſes der vornehmſte Grundſatz des Rußiſchen Staatsintereſſes zu ſeyn, ſeinen Fußſtappen nachzugehn, um dasjenige zu erhalten, was er ausgefuͤhrt, das fortzuſetzen, was er angefan - gen, und das ins Werk zu richten, was er ent - worfen.

  • 1. Martin Haſſens wahre Staatsklugheit mit dem Exempel des Rußiſchen Kayſers Pe - ters des Groſſen beſtaͤtiget, Leipzig 1739. 4.
  • a) Von Strahlenberg, Cap. VI. Bl. 224. bringt eine Menge Einwendungen gegen Petri Staats - klugheit vor, und diſputiret daruͤber pro und con - tra.
  • b) Petri Politick, den haͤufigen Revolten vorzu - beugen, Weber, I. 252.
  • c) Er hat weniger in Anſehung der Manufactu - ren und des Handels, als in Abſicht auf das Kriegs - weſen vollfuͤhrt. Ex an der Verlegung des Archan - geliſchen Handels nach Petersburg.
  • d) Project, Archangel zum Mittelpunct des Chi - neſiſchen Handels zu machen. Perry, 97.
R 2e) Pro -260Rußland.
  • e) Project, das Oſt-Jndiſche Commercium nach Rußland zu ziehen.
  • f) Groſſes Project, vermittelſt einer Flotte Herr vom ſchwarzen Meer zu ſeyn, und dadurch den Han - del nach dem Mittellaͤndiſchen Meer offen zu haben, iſt ſchon zweymal geſcheitert. Hiezu ward Perry gebrauchet, der auch bey Woronitz einen trockenen Ha - fen zu Stande brachte. Jn ſeinem Staat von Ruß - land, 13.
  • g) Der neue Seehafen Rogerwick in Liefland iſt auch ins Stecken gerathen. Von Strahlenberg, 299.
Das261

Das VII. Hauptſtuͤck. Staat von Daͤnemark.

  • Schriftſteller:
  • 1. Etat préſent de Danemarc traduit de l Anglois, à Londres 1694. 12. Jſt auch unter dem Titul her - ausgekommen: Memoires de M. MOLESWORTH, à Nancy 1694. 12.
  • 2. Defenſe du Danemarc, traduit de l Anglois, à Cologne 1696. widerleget Molesworths Unwahr - heiten.
  • 3. Relation du voyage fait en Danemarc en 1702. à la ſuite de l Envoyé d Angleterre (M. de VER - NON) II. tomes, à Amſterdam 1710. 12.
  • 4. ERICI PONTOPPIDANI Theatrum Daniae veteris et modernae, oder Schaubuͤhne des alten und jetzigen Daͤnemarks, II. Theile, Bremen 1730. 4.
  • 5. Ludwig Holbergs Daͤnemarkiſche-Norwe - giſche Staats - und Reichs-Hiſtorie aus dem Daͤ - niſchen uͤberſetzt von Friedrich Gerhard Voß, Co - penhagen 1731. 4.
R 31.262Daͤnemark.

1. Staatsveraͤnderungen.

§. 1.

Nach der groſſen Wanderung der Cimbrer, das iſt, der Juͤtlaͤnder und Daͤnen, wel - che den Roͤmern ſo viel Schrecken eingejaget, ſetzet ſich die Familie der Skioldunger noch vor Chriſti Geburt auf den Thron, welche ſeit dem achten Jahrhundert durch verſchiedene auswaͤr - tige Kriege beruͤhmt wird, und Svenotto er - obert gar Norwegen und Engelland.

§. 2.

Mit Canut dem Groſſen welcher auch die Mark Schleßwig erhaͤlt, faſſet das Chri - ſtenthum endlich Wurzel in Daͤnemark. Sei - ne Nachkommen bringen ſich durch ihre Thei - lungen um Norwegen und Engelland. Sie machen zwar darauf einige Conqveten, ſonderlich gegen die Wenden; verliehren ſie aber auch wie - der, biß Margaretha, eine Tochter des letzten Skioldungers Woldemars III. zu Ende des XIVten Jahrhunderts durch ihre Vermaͤhlung Norwegen, und durch ihre Tapferkeit Schwe - den an ſich bringet, auch die 3. Nordiſche Kro - nen durch die Calmariſche Union 1397. auf ewig vereiniget. Aber ihre Anverwandten genieſſen dieſer Gluͤckſeeligkeit nicht lange: Erich aus Pommern wird verſtoſſen, und Chriſtoph von Bayern ſtirbt 1448. ohne Erben.

§. 3.263Daͤnemark.

§. 3.

Die Oldenburger werden auf den Thron geruffen. Chriſtian I. erbet Holſtein. Johan - nes theilet Schleswig und Holſtein zum erſten Mal. Unter Chriſtian II. reiſſet ſich Schweden los. Friedrich I. des entflohenen Chriſtians Vaters Bruder, faͤngt die Reformation an, Chriſtian III. vollendet ſie, und theilet Schles - wig und Holſtein zum andern Mal. Chriſtian IV. iſt ein trefflicher Regent; aber die anwach - ſende Gewalt des Adels macht unter Friedrich III. das Reich den Schweden zur Beute.

§. 4.

Ueber alles Vermuthen wird eben dieſer Friedrich 1660. ein unumſchraͤnkter Erbmo - narch. Chriſtian V. erbet ſeines Hauſes Stammguͤter, und er ſowohl als ſein Sohn Friedrich IV. haben viel Haͤndel mit Holſtein und Kriege mit Schweden, wodurch endlich Schleswig der Krone wieder einverleibet wird. Seit dem genieſſet das Reich unter Chriſtian VI. und Friedrich V. einer gluͤckſeeligen Ruhe.

  • 1. Ludwig Holbergs Daͤniſche Reichs-Hiſto - rie ins Teutſche uͤberſetzt, III. Theile, Flensburg und Altona 1743-1744. 4.
R 42. Be -264Daͤnemark.

2. Beſchaffenheit der Laͤnder.

§. 5.

Daͤnemark liegt gleich uͤber Teutſchland gegen Norden. Es wird durch den Eyderſtrohm und die Lewensaue davon unterſchieden. Sei - ne andere drey Seiten ſind mit lauter Waſſer umſchloſſen. Gegen Abend wird es von der Nordſee, und insbeſondere von dem Cattegat oder Schager-Rack, gegen Morgen von der Oſtſee angeſpuͤlt; doch ſo, daß die Daͤniſche Jn - ſuln eine dreyfache Straſſe zwiſchen beyden Mee - ren offen laſſen. Dieſe ſind der kleine Belt, der groſſe Belt und der Sund oder Oreſund. Der letztere iſt die gewoͤhnlichſte und beruͤhmteſte Durchfahrt, und trennet Daͤnemark von Schwe - den. Der Daͤniſche Koͤnig hat unſtreitig von allen dreyen Paſſagen die Oberherrſchaft.

  • a) Die alte Grenze zwiſchen Teutſchland und Daͤ - nemark war das Danewerk. Pontoppidan, I. 15. und 274 Nachher iſt die Eudora Romani terminus Imperii geworden.
  • b) 3. beſondere Eigenſchaften der Oſtſee. eb. daſ. 19.
  • c) Von der Natur dieſer 3. Straſſen aus der Nord - in die Oſtſee, insbeſondere, ob der Sund geſchloſſen werden koͤnne.
  • d) Von den Streitigkeiten wegen der freyen Paſſa - ge und der Entrichtung des Zolles mit Kayſer Carl V. mit den Hollaͤndern und den Schweden. Siehe Vo - yage en Danemarc, p. 186. und Defenſe de Dane -marc265Daͤnemark. marc p. 29. wo die Gruͤnde wider und vor die Recht - maͤßigkeit des Sundzolls angefuͤhret werden.
  • e) Wie die kluge Koͤniginn von Engelland Eliſabeth durch Ankauf der kleinen Jnſul Huen ſich der freyen Straſſe in die Oſtſee verſichern wollen.

§. 6.

Daͤnemark beſteht aus etlichen Jnſuln und der Halbinſul Juͤtland. Die Jnſuln theilt man in die 2. groſſe, Seeland und Fuͤhnen, und in die uͤbrige kleinere. Juͤtland wird in Nord - und Suͤd-Juͤtland, oder in Juͤtland an ſich ſelbſt und in das Herzogthum Schleswig ein - getheilt, zu beyden ſind noch verſchiedene umher - liegende kleine Jnſuln und Eylaͤnder gehoͤrig. Daͤnemark iſt in die 6. folgende groſſe Gouver - nements, die zugleich Bißthuͤmer ſind, als das Seelaͤndiſche, Fuͤhniſche, Ripiſche, Aarhuſiſche, Wiburgiſche und Aalburgiſche abgetheilt, und iſt davon nur Schleswig ausgenommen, wel - ches bloß aus 13. Aemtern beſtehet.

  • a) Man rechnet in ganz Daͤnemark 56. Aemter, 137. Harden (Gerichtsbezirke von 10-20. Kirchſpielen) 11. Lehngrafſchaften, 2000. Klrchen, 83. Staͤdte und Flecken, 21. Koͤnigliche, und ohngefehr 1000. adeliche Schloͤſſer, Pontoppidan, I. 23.

§. 7.

Der Daͤniſche Boden iſt groͤßtentheils nie - drig und eben. Seeland und der mittlere StrichR 5von266Daͤnemark. von Juͤtland iſt weniger fruchtbar, als die uͤbri - ge Laͤnder, welche ihre Einwohner zwar hinlaͤng - lich ernaͤhren; aber auſſer einigem Getreyde, als Korn, Haber, Gerſten, Erbſen und Buch - weitzen an Auslaͤnder wenig abgeben koͤnnen. Juͤtland liefert uͤberdies viel Hornvieh und Pfer - de, und die Jnſul Bornholm eine Menge Kalks. Die Seeufer ſind fiſchreich genug. Uebrigens fehlen Metalle, Salz und zum Theil auch Holz, Flachs, Hanf und Wolle.

  • a) Langer Strich Heidelandes von dem Lymfurt in Nord-Juͤtland biß an den Harz. Pontoppidan, I. 313.
  • b) Laland wegen der Erbſen beruͤhmt, Pontop - pidan, I. 184.
  • c) Juͤtland hat einen unverg leichlichen Kornboden. Das Stift Aarhus iſt der Kern der Provinz, und fuͤhrt allein jaͤhrlich 100.000. Tonnen Getreyde aus. Pontoppidan, I. 362. und Defenſe de Danemarc, p. 38. Von dem eintraͤglichen Ochſen - und Pferde - Handel in Juͤtland, eb. daſ. 443.
  • d) Neue Tabacksplantagen in Juͤtland, eb. daſ. 345.
  • e) Salz wird etwas weniges aus dem Seewaſſer in Juͤtland gemacht. eb. daſ. 302. und 449.

§. 8.

Coppenhagen iſt die Koͤnigliche Reſidenz, die Hauptſtadt des ganzen Reichs, und ein Jn - begriff alles deſſen, was eine Stadt merkwuͤr -dig267Daͤnemark. dig, volkreich und nahrhaft machen kann. Das von Chriſtian VI. darinnen erbauete Schloß iſt unter allen Koͤniglichen Reſidenz-Schloͤſſern in Europa das beqvemſte. Jn der Gegend um Coppenhagen ſind verſchiedene Luſtſchloͤſſer: Friedrichsberg, Jaͤgersburg, Friedensburg und ſonderlich Friedrichsburg erbauet.

  • a) Von Coppenhagen, Pontoppidan. I. Cap. 2.
  • b) Von dem Brande daſelbſt 1728. eb. daſ. Bl. 72.
  • c) Von der der Stadt Coppenhagen ſo nuͤtzlichen Jn - ſul Amack, wodurch auch der Chriſtianshaven for - mirt wird Defenſe de Dan. 19. und Pontoppidan, I. 59.
  • d) Das neue Schloß Chriſtiansburg iſt von Pir - naiſchem Steine aufgefuͤhret, und 1740. feyerlich bezo - gen worden.
  • c) Von den Koͤniglichen Luſtſchloͤſſern, eb. daſ. Cap. III. und von Friedrichsburg, dem Daͤniſchen Verſailles, beſonders, Voyage en Danemarc, 140.

§. 9.

Die beſte Feſtung und der vornehmſte Seehafen in Daͤnemark iſt eben gedachtes Cop - penhagen. Sonſt ſind Croneburg am Sunde, Nyborg in Fuͤhnen, Friedrichsodde in Juͤtland und Friedrichsort oder Chriſtianpreis am Kieler - hafen befeſtigt: Corſoer, Callumborg, Hol - beck, Wordingborg in Seeland; Nyborg, Aſ - ſens, Knefemuͤnde in Fuͤhnen; Aalburg, Aar - hus, Horſens, Rinkiobing in Juͤtland; dieAppen -268Daͤnemark. Appenrader-Foͤrde, Flensburger-Wick, Eckern - foͤrder-Wick nebſt andern Meerbuſen in Schles - wig koͤnnen vor Seehaͤfen paßiren, ſind aber meiſtentheils offen.

  • a) Von den Daͤniſchen Seehaͤfen, Defenſe de Dan. 11.
  • b) Juͤtland hat an der Weſtſeite keinen guten See - hafen, Pontoppidan, I. 316. und 445.

§. 10.

Die Krone Daͤnemark beſitzet auch das Koͤnigreich Norwegen mit dem angrenzenden Stuͤcke von Lappland, welches ſie Nordland nennen. Der Boden iſt zwar ſehr kalt, ge - buͤrgig und moraͤſtig, auch zum Ackerbau und Viehzucht faſt ganz untuͤchtig; aber an Eiſen - Kupfer - und Silberbergwerken geſegnet, und an vortrefflichem Bauholz unerſchoͤpflich. Die Seeufer ſind uͤberfluͤßig fiſchreich. Die Haupt - ſtadt Bergen nebſt Drontheim ſind zugleich gu - te Feſtungen und Seehaͤfen: Chriſtiania, Frie - drichſtadt, Chriſtianſtein, Friedrichshall, Win - ger ſind die uͤbrige Fortereſſen, und ſcheint Nor - wegen uͤberhaupt ſowohl von der Land - als See - ſeite unuͤberwindlich.

  • a) Von Norwegens Ueberfluß nnd Mangel, Hol - berg, Bl. 42.
  • b) Von dem Norwegiſchen Fladbroͤd. eb. daſ.
  • c) Man zaͤhlet 18. Eiſenbergwerke, ſo aber nicht al -le269Daͤnemark. le im Gange ſind, 5. Kupferminen, und das reiche Koͤnigsberger Siberbergwerk, worinnen allein uͤber 12.00. Mann arbeiten, und werden in derſelben Ge - gend je laͤnger, je mehr Silberadern entdecket. Man hat auch unter Koͤnig Chriſtian IV. Golderz gefunden, Holberg, 46.
  • d) Gefaͤhrliche Seekuͤſte von Norwegen.

§. 11.

Ferner gehoͤret den Daͤnen das halbe Her - zogthum Holſtein nebſt den Grafſchaften Olden - burg und Delmenhorſt in Teutſchland. Sie haben auch ihre Colonien auf den beyden Jn - ſuln St. Thomas und St. Croix in Ame - rica, eine kleine Feſtung Chriſtiansburg auf der Kuͤſte von Gvinea in Africa, und die Stadt Tranqvebar nebſt dem Schloß Dans - burg und einem Diſtrict Landes auf der Co - romandeliſchen, oder insbeſondere auf der Malabariſchen Kuͤſte in Aſien. Endlich beſi - tzen ſie auch gegen den Nordpol die Jnſul Js - land und ein Stuͤck von der Kuͤſte von Groͤn - land.

  • a) Von den Colonien auſſer Europa ſiehe Holberg, Cap. VIII, von den Jnſuln in America LABAT in ſeinen Voyages aux Isles de l Amerique, tom. VII. ch. XIV.
  • b) Jsland giebt Wolle, Viehhaͤute, Butter, Un - ſchlitt, Fiſche, Salz, Schwefel, Salpeter; Groͤn - land allerhand Thierhaͤute und Fiſchthran.
1. Jo -270Daͤnemark.
  • 1. Johann Anderſons Nachrichten von Jsland, Groͤnland und der Straſſe Davids, Hamburg 1746. gr. 8.

3. Beſchaffenheit der Einwohner.

§. 12.

Da Daͤnemark an ſich ſelbſt nicht gar volkreich iſt, nnd die nordliche groſſe Nebenlaͤn - der wenig angebauet ſind; ſo kann die Anzahl der Einwohner nicht anders als ſehr maͤßig ſeyn. Die Daͤniſche und Norwegiſche Spra - chen ſind nur dem Dialect nach unterſchieden, und haben aus der Vermiſchung der alten Go - thiſchen und Teutſchen Sprache ihren Urſprung genommen.

  • a) Daß Daͤnemark ehedem volkreicher geweſen, leugnet Holberg Bl. 42. nicht.
  • b) Pontoppidan, Th. II. Cap. VIII. Bl. 144 behau - ptet, daß die Helfte der Daͤniſchen Woͤrter vom Teut - ſchen ſo unterſchieden, als Nacht und Tag, und fuͤhrt die Einmiſchung der Teutſchen Woͤrter von den Wan - derungen dieſer Voͤlker und der Bekehrung zum Chri - ſtenthum her.

§. 13.

Der Daͤne iſt gemeiniglich groß und ſtark. Man haͤlt ihn kalter und feuchter Complexion. Er liebt die Ruhe und Gemaͤchlichkeit und dieaͤuſſerliche271Daͤnemark. aͤuſſerliche Pracht, iſt von ſtillem Weſen, auf - richtig, gaſtfrey und gutthaͤtig, folgſam, treu und von ſich ſelbſt weniger eingenommen, als andere Nationen. Man beſchuldiget viele un - ter ihnen der Freßigkeit und Faulheit. Uebri - gens haͤlt er in ſeinem ganzen Thun und Laſſen die Mittelſtraſſe. Der Norweger iſt faſt ein umgekehrter Daͤne, und ſeine Neigungen kom - men mehr mit dem Genie der Schwediſchen Na - tion uͤberein.

  • a) Der Daͤnen Tugenden und Laſter handelt ſo wohl Holberg, Cap. I. als Pontoppidan, Theil II. Cap. VI. weitlaͤuftig ab.
  • b) Der beiſſende Molesworth legt ihnen die Mit - telmaͤßigkeit zur groſſen Laſt, Holberg geſtehet ſol - che ein, und macht eine Tugend daraus, Bl. 20.

§. 14.

Man kann nicht leugnen, daß Daͤnemark nicht in den meiſten Wiſſenſchaften einige groſſe Gelehrte hervorgebracht; es legt auch die Uni - verſitaͤt Coppenhagen mit ihren 4. Collegiis und andern weiſen Veranſtaltungen von der Mildthaͤtigkeit des Oldenburgiſchen Stammes gegen die Wiſſenſchaften ein unverwerfliches Zeugniß ab: Doch iſt die Zeit, da die Daͤnen es andern weiſen Europaͤiſchen Nationen in der Gelehrſamkeit gleich thun ſollen, noch zukuͤnftig.

  • a) Von dem Statu rei litterariae Danicae, Pon - toppidan, Th. II. Cap. IX. Bl. 150.
b) 272Daͤnemark.
  • b) Von der Univerſitaͤt Coppenhagen, Holberg, Cap. V. Bl. 175. und Voyage en Dan. 211.
  • c) Die 4. Collegia ſind 1) die Regenz, ſo mit dem Kloſterhauſe oder der Communitaͤt vereiniget worden, ſie heißt auch Collegium Regium, 2) Collegium Wal - kendorfianum, 3) Mediceum, 4) Elerſianum. Pontop - pidan, I. 44. nnd Holberg, 215.
  • d) Was die Academie durch den groſſen Brand 1728. gelitten.
  • e) Daß die Theologie am meiſten, das Studium Juris am wenigſtens darauf florire.
  • f) Schickſale der 2. Ritter-Academien zu Soroe und zu Coppenhagen, und der Aſtronomiichen Jnſul Huen.

§. 15.

Noch im ganzen vorigen Jahrhundert war Daͤnemark faſt ohne alle Manufacturen. Frie - drich IV. ſeit Endigung des Schwediſchen Krie - ges, und Chriſtian VI. haben groſſe Bemuͤhun - gen angewandt, ſolche in Flor zu bringen. Man findet nunmehr in Coppenhagen eine Koͤnigliche Lacken-Fabricke mit andern Wollmanufacturen, einige Leinwebereyen, Cottondruckereyen, Faͤr - bereyen, Seifen-Zucker - nnd Salzſiedereyen: Es werden auch Spitzen, Treſſen, Sammet, Flor, Papier und Porcellain gemacht. Jn Juͤt - land und Schleswig findet man Woll - Lei - nen - und Gewehr-Fabricken, die Tonderiſche Spitzen, die Randeriſche nnd Odenſeiſche Hand - ſchuhe. Doch wird von allen dieſen Manufa -cturen273Daͤnemark. eturen ſehr wenig auswaͤrts verfuͤhrt, die mei - ſte reichen lange noch nicht zur eigenen Noth - durft des Reiches zu, und erwarten noch meh - rere Vollkommenheit und Ausbreitung.

  • a) Dieſer Manufacturen gedenkt Holberg im Cap. vom Handel und Gewerbe, und Pontoppidan ſowohl Theil II. Bl. 161. als an verſchiedenen andern Orten.

§. 16.

Der ganze Handel nach Daͤnemark wur - de ſonſt von den Hanſeſtaͤdten getrieben. Die - ſe ſind von den Hollaͤndern groͤßtentheils, und ei - niger Maaſſen auch von den Engellaͤndern aus - geſtochen worden. Chriſtian IV. befoͤrderte das ganze Daͤniſche Seeweſen, und Chriſtian V. machte ernſtliche Anſtalten, ſein Volk zum See - handel aufzumuntern. Seit dem befahren die Daͤnen mit eigenen Schiffen die meiſte Nord - liche Kuͤſten von Europa. Coppenhagen hat das Monopolium mit auslaͤndiſchem Taback, Salz, Wein und Brandtewein. Der Handel nach Jsland wird von denenjenigen Kaufleuten getrie - ben, welche die einzelne Seehaͤfen pachten. Der Handel auſſer Europa wird durch die Oſt-Jn - diſche und die vereinigte Gvineiſche nnd Weſt - Jndiſche Compagnien gefuͤhret. Daͤnemark fuͤhrt weit mehr ein als aus, und leidet alſo im Handel; da im Gegentheil Norwegens Ueber - fluß die eingefuͤhrte Waaren uͤberwiegt: wie -Swohl274Daͤnemark. wohl anch der Norwegiſche Handel in jetzigem Jahrhundert ſehr abgenommen.

  • a) Von den Hanſeſtaͤdten, und ihren 4 groſſen Nie - derlagen.
  • b) Streit mit den Hamburgern wegen ihres iuris reſtringendi auf der Elbe.
  • c) Errichtung der Defenſions-Schiffe 1671. und deren Privilegia. Schwuͤrigkeiten hlebey, dadurch endlich dieſe Anſtalten ins Stecken gerathen.
  • d) Bedingungen des Coppenhagiſchen Monopolii.
  • e) Jslaͤndiſche Compagnie octroyirt 1619. er - neuert 1680. Jn jetzigem Jahrhundert iſt ſie aufge - hoben, und dafuͤr die Verpachtung der Jslaͤndiſchen ſo wohl Fiſcher - als Schlaͤchterhaͤfen vermittelſt eines oͤffentlichen Anſchlags auf 6. Jahr eingefuͤhret wor - den. Man zaͤhlet 25. dergleichen verpachtete Haͤfen oder Ladungsplaͤtze. Von den Lurendreyers.
  • f) Erſte Verordnung zu Formirung der Oſt-Jn - diſchen Compagnie von 1616. Neue Octroy von 1698. Revenuen des Kaͤnigs davon. Vermehrung des Capitals durch eine Aſſociation von 1728.
  • g) Der Gvineiſchen Compagnie Urſprung un - ter Friedrich III. 1658, der Weſt-Jndiſchen unter Chri - ſtian V. 1671, ihre Vereinigung 1680.
  • h) Pontoppidan rechnet die Ausfuhr aus Daͤne - mark jaͤhrlich auf 3. 100.000. Rthl., was nach Nor - wegen und Jsland geht mit begriffen.
  • i) Seit Endigung des Schwediſchen Krieges ſoll die Anzahl der Daͤniſchen Schiffe und Seeleute, und das quantum der ausgefuͤhrten Waaren noch einmal ſo hoch geſtiegen ſeyn, als es ſonſt geweſen.
k) Der275Daͤnemark.
  • k) Der Verfall des Norwegiſchen Handels iſt America zuzuſchreiben. Siehe uͤberhaupt Holberg, Cap. VIII. und Pontoppidan, Th. II. Cap. X.

§. 17.

Man rechnet in Daͤnemark nach Mark und Schillingen. 16. Schillinge machen 1. Mark das iſt 4. ggr. 6. Pf. und 6. Siebentheil. Die uͤbrige gangbare Muͤnzen ſind Ducaten, Kro - nen zu 4. M. halbe Kronen, 12. Schillingſtuͤcke, 8. Schillingſtuͤcke, Duͤtchen zu 6. Sch. und Fyrke, deren 4. 1. Sch. betragen.

  • a) 1. Mark Daͤniſch verhaͤlt ſich zu 1. Mark Luͤ - biſch wie 1. zu 2., 1. Mark Luͤbiſch zu 8. ggr. wie 8. zu 7., 1. Mark Banco oder Species zu 1. Mark courrent wie 8. zu 7. folglich 1. M. Banco zu 8. ggr. wie 4. zu 3.
  • b) Streit wegen der neuen 12. Schillingſtuͤcken mit Hamburg.
  • c) Vom Daͤniſchen Muͤnzweſen ſiehe Pontoppi - dan, II. 167. und noch weitlaͤuftiger Holberg, Cap. IX. Bl. 681.

4. Staatsrecht.

§. 18.

Seit dem die Arve-Enevolds-Rege - rings-Acte als die letzte Handfeſtninge Koͤnig Friedrichen III. im Jahr 1660. zuruͤckgegeben worden; ſind alle ehemalige ReichsgrundgeſetzeS 2erloſchen276Daͤnemark. erloſchen, und iſt an deren Stelle das von Frie - drich III. d. 14. November 1665. unterſchriebene, und von Friedrich IV. d. 4. September 1709. publicirte Koͤnigliche Geſetz (Lex Regia) ge - treten, welches als ein vollkommenes, unbeweg - liches und unwiderſprechliches Geſetz und Ver - ordnung zu ewigen Zeiten gehalten und geachtet werden ſoll.

  • a) Dieſe Lex Regia iſt auf Koͤnigliche Koſten von Michael Auguſt Roͤg aus dem Original auf das ſau - berſte abgeſchrieben, von C. von Moͤinichen mit aller - hand Vignetten und andern Zierrathen auf allen Raͤn - den ausgeſchmuͤckt, und von A. Reinhard in Kupfer geſtochen worden. Der Schatz der hieſigen Univerſi - taͤts-Bibliotheck pranget auch mit dieſem Kleinode, und iſt deſſen vollſtaͤndiger Titul folgender:
  • LEX REGIA Det er: Den Souveraine KONGE - LOV, ſat og given af den Stoormegtigſte Höjbaar - ne Fyrſte og Herre Herr FRIDERICH den TREDIE af Guds Naade Konge til Danmark og Norge, de Wenders og Gothers, Hertug udi Schlesvig, Hol - ſten, Stormarn, og Dithmarſchen, Greve udi Ol - denburg og Delmenhorſt; og af Hans Maj. under - skreven d. 14. Novemb. 1665. ſom den Stoormeg - tigſte Höjbaarne Fyrſte og Herre Herr FRIDERICH den FIERDE af Guds Naade, Konge til Dan - mark og Norge, de Wenders og Gothers, Hertug udi Schlesvig, Holſten, Stormarn, og Dithmarſchen, Greve udi Oldenborg og Delmenhorſt allernaadigſt haver befalet ved offentlig Tryk at vorde publice - ret. d. 4. Septemb. Aar. 1709. in Landkarten Format.
§. 19.277Daͤnemark.

§. 19.

Der jetztregierende Koͤnig von Daͤnemark Friedrich V. ein Sohn Koͤnig Chriſtians VI. und der Prinzeßinn Louiſe Sophie Magdale - ne von Brandenburg-Culmbach iſt gebohren 1723. und kam zur Regierung 1746. Er hat ſich mit der Koͤniglichen Prinzeßinn von Groß-Bri - tannien Louiſe 1743. vermaͤhlet, aus welcher Ehe der Kronprinz Chriſtian 1749. und zwo Prin - zeßinnen Sophia Magdalena und Wilhelmi - na Carolina erzielet worden.

§. 20.

Der vollſtaͤndige Titul des Koͤniges iſt: Friedrich V. von Gottes Gnaden Koͤnig in Daͤ - nemark und Norwegen, der Wenden und Go - then, Herzog zu Schleswig, Holſtein, Stor - marn und Ditmarſen, Graf zu Oldenburg und Delmenhorſt.

  • 1. D. CHRISTIANI LUDOVICI SCHEIDII diſſ. de Regii Vandalorum tituli Auguſtiſſimis Da - niae Regibus iam pridem familiaris origine et cauſ - ſa, Hauniae 1743.
  • a) Chriſtoph von Bayern ließ ſich Archirex Regni Daniae nennen, Hrn. H. Schmauſſens Einl in die Staats-Wiſſenſchaft, Theil II, Bl. 4. aus CY - PRAEI Annal. Epiſc. Slesvic. p. 371.
  • b) Ob Wenden mit Recht Vandalorum uͤberſetzt werde.
  • c) Man findet Muͤnzen und Diplomata, woraufS 3Rex278Daͤnemark. Rex Daciae und Slauorum ſtatt Daniae et Vandalo - rum ſtehet.
  • d) Zanck mit Schweden uͤber Gothorum und Got - torum Rex. Siehe uͤberhaupt Pontoppidan, II. 6.

§. 21.

Das Koͤnigliche Wappen wird durch das Danebrogiſche Creutz qvadrirt, und iſt mit ei - nem Mittel - und Herzſchilde verſehen. Jm letz - tern zeigen ſich die Oldenburgiſche 2. Qverbal - ken und das Delmenhorſtiſche Creutz; im Mit - telſchilde erblickt man das Holſteiniſche Neſſel - blat, den Stormariſchen Schwan und den Ditmarſiſchen Reuter. Das Hauptſchild praͤ - ſentiret die 3. Daͤniſche Leoparden, den Nor - wegiſchen Loͤwen mit der Helleparte, die 3. Schleswigiſchen Loͤwen und den Wendiſchen Lindwurm.

  • a) Die Daͤniſche Leoparden ſind unter Wolde - mar II. wo nicht erſt aufgekommen; doch wenigſtens erſt recht mode geworden.
  • b) Die 3. Kronen wurden das Wappen der Cal - mariſchen Union Seit deren Aufhebung fuͤhrte es Schweden eine Zeitlang allein, biß Chriſtian III. 1548. es dem Daͤniſchen ei verleibte. Die blutige Strei - tigkeiten daruͤber ſind bekannt Die Schweden erwei - ſen, daß ihre Koͤnige vor der Union es ſchon gefuͤhret, die Daͤnen aber wollen von ihren Koͤnigen ein gleiches behaupten.
  • c) Warum Friedrich IV. das Schleswigiſche Wap - pen aus dem Mittel-in den Hauptſchild verſetzet. Sie -he279Daͤnemark. he Holberg, Cap. X. Bl. 711. und Pontoppidan, II. 200.

§. 22.

Seit der Erbmonarchie iſt ſowohl die An - zahl der Hofbedienten, als die Pracht des Hof - ſtaats anſehnlich vergroͤſſert worden. Chriſtian V. hat auch die 2. alte Ritterorden erneuert, und ihre Statuten vermehret. Der vornehm - ſte davon heißt der Elephanten-Orden, und ruͤhrt wahrſcheinlich aus dem 12. Jahrhundert von Canut VI. her, der andre iſt der Danebrog - Orden, und iſt von Waldemar II. oder dem Sieger geſtiftet. Der erſte wird das blaue Band genennt, hat nach den Statuten 30. Ritter, und wird nur an Perſonen vom hohen Adel oder den hoͤchſten Aemtern, und der Evangeliſchen Reli - gion zugethan, verliehen. Den andern nennt man das weiſſe Band, er beſteht ordentlich aus 50. Rittern. Alle Ritter vom Elephanten-Or - den muͤſſen vorher Ritter des Danebrog-Ordens geweſen ſeyn Beyde haben auch ihre praͤchti - ge Ordensketten.

  • a) Holberg, Cap. XIV. Bl. 790. Pontoppi - dan, II. Cap. 4. Voyage en Danemarc, p. 440-452.

§. 23.

Jn den aͤltern Zeiten iſt Daͤnemark erblich geweſen, in dem 16ten und 17ten Jahrhundert wurde die Einwilligung der Staͤnde zur Thron -S 4folge280Daͤnemark. folge je laͤnger, je nothwendiger. Durch das unveraͤnderliche Koͤnigsgeſetz iſt feſtgeſtellt: 1) Der Regent ſoll der unverfaͤlſchten Augsburgi - ſchen Confeßion zugethan ſeyn, 2) von Friedrich III. in abſteigender Linie abſtammen, 3) recht - maͤßig und ehelich gebohren ſeyn. 4) Das Reich iſt untheilbar. 5) Die aͤltere Linie hat allezeit vor der juͤngern, 6) die naͤhere Linie vor der mehr entfernten, 7) das maͤnnliche Geſchlecht vor dem weiblichen, 8) und eine Prinzeßinn aus maͤnnlichen Stamme vor einem Prinzen aus weiblichen Stamme den Vorzug.

  • a) Der hiſtoriſche Streit zwiſchen Johan Buno und dem Baron Olaus von Roſenkranz uͤber die Erblichkeit der Daͤniſchen Krone verwandelt ſich in Anſe - hung des letztern in einen fatalen Criminal Proceß.
  • b) Wem aus dem Koͤniglichen Geſchlecht das Erbrecht offen bleiben ſoll, deſſen Namen und Geburtstag muß dem regierenden Koͤnige ſtracks kund gethan, und daruͤber ein Inſtrumentum in - ſinuationis begehret werden, Lex Reg. art. 39.
  • c) Wenn der Reichserbe bey Erlangung der Krone ſich auſſerhalb des Reichs befindet, ſo ſoll er innerhalb 3. Monathen ſich darinnen ein - finden, oder es ſoll die Krone auf den naͤchſten in der Linie fallen Lex Reg. art. 23.
  • d) Daß ſchon ein Aſt der Nachkommenſchaft Frie - drichs III von der Thronfolge ausgeſchloſſen worden.
  • e) Daß das Daͤniſche Koͤnigliche Geſetz die voll - kommenſte Reichs-Erbfolge-Ordnung in der ganzen Welt ſey.
§. 24.281Daͤnemark.

§. 24.

Das muͤndige Alter des Koͤnigs ſoll das 14te Jahr ſeyn, wenn er nehmlich nach zuruͤckgelegtem 13ten Jahre das 14te angefangen. Die Vormundſchaft ſoll nach der ſchriftlichen Verordnung des letztabge - lebten Koͤnigs beſtellet werden. Jn deren Er - mangelung ſoll die verwittwete Koͤniginn, wel - che des unmuͤndigen Koͤnigs leibliche Mutter iſt, ſo ferne ſie ſich nicht wieder verehelichet; ſonſt aber der nechſte Prinz von Gebluͤte, welcher im Reiche perſoͤnlich gegenwaͤrtig iſt, und alle - zeit anweſend ſeyn kann, das Reich adminiſtri - ren. Doch ſollen in beyden Faͤllen die 7. vor - nehmſte Koͤnigliche Miniſtri zu Huͤlfe und Bey - ſtand genommen, und alles durch die mehreſte Stimmen ausgemachet werden, wobey die Re - gentinn oder der Regent 2. Stimmen haben ſoll: Jſt keine Koͤniginn oder kein Prinz vom Gebluͤ - te vorhanden, ſo ſollen die 7. Miniſtri mit glei - cher Macht und Auctoritaͤt das Reich admini - ſtriren.

  • a) Lex Regia, art. 8. biß 15.

§. 25.

So bald ein Koͤnig mit Tode abgehet, faͤllt dem nechſten Anverwandten in der Erblinie Kro - ne und Scepter nebſt dem Titul und der Ge - walt eines erblichen Monarchen gleich denſelbenS 5Augen -282Daͤnemark. Augenblick zu, ſo daß keine weitere Uebergebung auf einige Weiſe noͤthig iſt; nichts deſtoweniger ſoll ein Koͤnig mit chriſtlichen und anſtaͤndigen Ceremonien geſalbet werden, und kann er ſich auch waͤhrender Minderjaͤhrigkeit ſalben laſſen.

  • a) Die Urſache fuͤgt Art. 16. des Koͤniglichen Ge - ſetzes hinzu: damit die Welt erkenne, wie die Koͤnige von Daͤnemark und Norwegen es fuͤr den groͤßten Ruhm ſchaͤtzen, ſich Gott zu unter - werfen, und vor die allerhoͤchſte und groͤſſeſte Macht halten, von dem allerhoͤchſten Gott durch die Diener ſeines Wortes zu gluͤcklichem Antrit ihrer Regierung durch einen heiligen Seegen geweyhet zu werden.
  • b) Die Reichs-Jnſignien werden in Roſenburg verwahrt. Man ſchaͤtzet die Krone allein auf 700.000. Rthlr. Pontoppidan, I. 38.
  • b) Die Catholiſche Ceremonien bey der Kroͤnung ſchaffte Chriſtian III. ab, und ließ ſolche durch Johann Bugenhagen oder Pomeranum nach Evangeliſcher Weiſe einrichten. Siehe Progr. Lipſienſe ad orationem Pa - negyricam, qua Friderico V. inaugurationis et coro - nationis ſollemnia gratulatus eſt FRIDERICUS CHRISTIANUS A KRAGH, Lipſ. 1747. fol.

§. 26.

Die Regierungsform war ſonſt einge - ſchraͤnkt, und die wichtigſte Reichsgeſchaͤfte wur - den auf den Reichstagen (Herrendage, oder Danenhoeve) mit Bewilligung der 4. Reichs - ſtaͤnde, des Adels, der Geiſtlichkeit, der Buͤr - gerſchaft und des Baurenſtandes beſchloſſen. Nach283Daͤnemark. Nach und nach wuchs der Adel den uͤbrigen Staͤnden und ſelbſt den Koͤnigen zu Kopf, end - lich 1660. ward der Koͤnig unumſchraͤnkt, da alle 4. Staͤnde des Reichs Friedrichen III. und allen ſeinen maͤnnlichen und weiblichen Nachkommen alle Rechte der Majeſtaͤt, unumſchraͤnkte Ge - walt, Souverainetaͤt und alle koͤnigliche Herrlichkeiten und Regalien ungezwungen, und ohne einiges des Koͤnigs Anreitzen, Zu - muthen und Begehren aus eigenem freyen Willen und wohlbedachtem Rath aufgetra - gen und uͤbergeben.

Nunmehr iſt der Koͤnig von Daͤnemark an kein menſchliches Geſetz gebunden, er er - kennet keinen Obern und Richter weder in geiſt - lichen noch weltlichen Sachen als allein den eini - gen Gott, hat die hoͤchſte Gewalt Geſetze zu geben und abzuſchaffen, iſt die Qvelle aller Titul, Wuͤrden, Ehrenaͤmter und Dienſten; hat das hoͤchſte Recht des Krieges, Friedens, der Buͤndniſſe und der Auflagen, die hoͤchſte Gewalt in geiſtlichen Sachen, und ſtehet bey ihm allein, alle Rech - te und Regalien der Majeſtaͤt zu ſeinem Nu - tzen und Beſten anzuwenden. Er kann, als ein ſouverainer und abſoluter Monarch, von den Unterthanen mit keinem Eyde oder vor - geſchriebener Obligation verbunden werden. Kurz: er iſt ein freyer, ſouverainer, allerhoͤch - ſter und in allem vollkommene Macht haben - der Monarch und Erbkoͤnig.

Nor -284Daͤnemark.

Norwegen iſt ſeit 1537. der Krone Daͤne - mark incorporirt, und ſeit dem als eine unterwor - fene Provinz angeſehen worden.

  • a) Lex Regia ab init. et art. 1-7.
  • b) Voyage en Danemarc, p. 85: Danemarc eſt le païs regne le Gouvernement le plus abſolu de l Europe et en même tems le plus legitime: les peu - ples ayant renoncé à toute ombre de liberté d une maniere ſi authentique qu’ils ne doivent s’en pren - dre qu’à eux mêmes, s’ils ſe trouvent trop chargés.
  • c) Wie ſehr den Koͤnigen vor 1660. ſo gar in An - ſehung ihrer eigenen Domainen die Haͤnde gebunden geweſen, ſiehe Holberg in ſeiner Daͤniſchen Reichs - Hiſtorie bey Beſchreibung der Revolution, Th. III. Bl. 445.
  • d) Von der Norwegiſchen Jncorporation, eb. daſ. Th. II. Bl. 367.

§. 27.

Es giebt in Daͤnemark keine Herzogliche oder Fuͤrſtliche Familien. Der Grafen - und Freyherrntitul iſt erſt von Chriſtian V. 1671. eingefuͤhret. Der niedere Adel hergegen iſt zahl - reich, und zum Theil auslaͤndiſcher Herkunft. Sonſt war das Anſehen und die Privilegia des alten Adels auſſerordentlich groß. Durch die Einfuͤhrung der Erbmonarchie fiel alles biß auf einige Vorrechte, die ihnen aus Koͤniglicher Gnade verſtattet worden.

  • a) Warum keine Herzogliche Familien, Defenſe de Dan. 90.
b) Von285Daͤnemark.
  • b) Von den Grafſchaften und Baronien, Pon - toppidan, II. 45.
  • c) Pontoppidan zaͤhlt 113. einheimiſche alte und neue, nebſt 44. auslaͤndiſchen Adelichen Familien.
  • d) Von ihrer ehemaligen Macht, Holberg 589.
  • e) Von ihren jetzigen Privilegien ſiehe die Koͤnig - liche Verordnungen von 1688. eb. daſ.
  • f) Wie die Leibeigenſchaft oder Vornede in See - land durch ein Edict von Friedrich IV. vom 21. Febr. 1702. eingeſchraͤnkt worden.

5. Reichsgeſchaͤfte.

§. 28.

Jn vorigen Zeiten war das hoͤchſte Colle - gium der Reichsrath, welcher aus 23. adelichen Reichsraͤthen beſtand, und waren die wich - tigſte Staatsangelegenheiten zwiſchen den 4. ho - hen Kronbedienten, dem Reichshofmeiſter, Reichs - canzler, Reichsmarſchall und Reichsadmiral ge - theilet. Seit 1660. ward der Staatsrath geſtiftet, an deſſen Statt 1676. der noch jetzt gebraͤuchliche geheime Rath errichtet worden. Es dirigiret ſol - chen gemeiniglich ein Großcanzler, und der Koͤnig praͤſidiret ſelbſt darinnen. Dieſem Collegio ſind 3. Canzeleyen ſubordinirt, 1) die Daͤniſche, wor - innen die inlaͤndiſche ſowohl Daͤniſche als Nor - wegiſche Affairen, 2) die Teutſche, worinnen die Schleswigiſche, Holſteiniſche, Oldenburgi - ſche, zugleich aber auch alle auslaͤndiſche Staats -angele -286Daͤnemark. angelegenheiten, 3) die Kriegscanzeley, worin - nen alles, was die Land - und Seemacht, Feſtun - gen, Zeughaͤuſer und Seehaͤfen anbetrifft, beſor - get werden.

  • a) Holberg, Cap. XV. von den hohen Collegien, Bl. 803. Pontoppidan, Th. II. Cap. II. Bl. 18.

§ 29

Nirgends iſt die Reformation ſo ruhig voll - fuͤhret worden, als in Daͤnemark. Das Jahr 1636. iſt der Zeitpunct des abgeſchafften Pabſt - thums, und 1537. der Zeitpunct der allein herr - ſchenden Evangeliſchen Lutheriſchen Lehre. Die Symboliſche Buͤcher ſind nach der heiligen Schrift die 3. aͤlteſte Symbola, die unveraͤnder - te Augsburgiſche Confeßion und der kleine Ca - thechismus Lutheri. Andere chriſtliche Religio - nen nebſt den Juden werden in gewiſſen Staͤd - ten und unter beſonderen Einſchraͤnkungen gedul - det. Der Eifer der Daͤniſchen Koͤnige hat auch in Jsland und unter den Malabaren das Licht des Evangelii mit gutem Fortgange angezuͤndet.

  • a) Friedrich II. warf die Formulum Concordiae ins Feuer, und ließ ſolche im gantzen Reich verbieten 1580.
  • b) Man duldet die Reformirten, Catholicken, Ar - minianer, Mennoniſten, Qvaͤcker und ſeit 1684. auch die Juden.
  • c) Den Jeſuiten iſt unter Lebensſtrafe verboten, ſich im Reiche betreten zu laſſen.
d) Jn287Daͤnemark.
  • d) Jn Coppenhagen iſt von Friedrich IV. ein be - ſonderes Mißions-Collegium zu Bekehrung der Hey - den errichtet.
  • e) Siehe uͤberhaupt Pontoppidan, Th. II. Cap. VII. Bl. 104. Holberg, Cap. IV. Bl. 99.

§. 30.

Die Daͤniſche Geiſtlichkeit beſteht aus 12. Biſchoͤfen, unter welchen zween den Titul Metropolitanen fuͤhren. Dieſen ſind die 160. Proͤbſte, und den Proͤbſten die Hardesbruͤder o - der Stadt - und Dorfpfarrer ſubordinirt. Sie haben uͤberhaupt reichliche und groͤſſere Einkuͤnf - te, als in andern Proteſtantiſchen Laͤndern. Die Proͤbſte viſitiren jaͤhrlich ihre untergebene Geiſt - liche und Schulbediente, haben die erſte Jnſtanz uͤber ſie, und halten jaͤhrlich 2mal Conuen - tum. Die Biſchoͤfe viſitiren ihre Stiftskirchen, ordiniren die Stiftsgeiſtlichkeit, und halten mit ihren Proͤbſten zu beſtimmter Zeit Synodum prouincialem, (Landemode) worinnen ſowohl Juſtitzſachen uͤber geiſtliche Proceſſe und geiſtli - che Perſonen als auch ſacra und Miniſterialia abgehandelt werden. Die Hardesprieſter waͤh - len, und der Biſchof beſtaͤtiget den Probſt. Die Biſchoͤfe ſetzt der Koͤnig, deſſen Stifftsfallnings - mann auch in den Synodis Prouincialibus mit dem Biſchofe zugleich praͤſidiret.

  • a) Jn Schleswig allein iſt noch zur Zeit kein Bi - ſchof; ſondern bloß ein General-Superintendent.
b) Die288Daͤnemark.
  • b) Die Einkuͤnfte der Geiſtlichkeit beſtehen in Land - guͤtern und Zehenden.
  • c) Die Biſchoͤfe genieſſen uͤberdies ein beſonderes Cathedraticum, und die Ordinations-Gebuͤhren.
  • d) Beichtgeld in Daͤnemark abgeſchafft.
  • e) Jedes Stift hat ſein Collegium von 4. oder 5. Canonicis, die jaͤhrlich 2mal Tampertag halten, und darinnen in Cheſcheidungs - und andern Materiis Ju - ris Canonici ſprechen.
  • f) Verſorgung der Prieſterwittwen.
  • g) Siehe uͤberhaupt Pontoppidan, Th. II. Cap. V. Bl, 76. und Voyage en Danemarc, p. 497.

§. 31.

Jn Daͤnemark gelten keine auslaͤndiſche Geſetze; ſondern alles wird nach dem Codice Chriſtianeo, oder dem Daͤniſchen Lowbuch, (Danske-Low) geſchlichtet, welches herrliche Werk 1683. publiciret worden. Doch iſt den Norwegern ihr beſonderes (Norske-Low) 1687. gegeben, und den Schleswigern das Juͤtiſche Lowbuch gelaſſen worden.

  • a) Friedrich III. ließ durch den Staatsrath, Eras - mum Winding, das Daͤniſche Lowbuch von 1661. biß 1669. ſammlen, Chriſtian V. ließ es durch die ge - lehrteſte Leute 5. biß 6. Mal revidiren.
  • b) Lobſpruch des Daͤniſchen Rechtes aus der Feder des Daͤniſchen Erzfeindes Molesworths.
  • c) Beſonderheiten dieſes Geſetzbuches aus Voyage en Danemarc, p. 292. und 523. und Pontoppidan, II. 29.
d) Das289Daͤnemark.
  • d) Das Nerwegiſche Lowbuch hat ſeinen Stoff aus dem Daͤniſchen, doch mit ſolchen Veraͤnderungen die nach dem Unterſchiede der Laͤnder noͤthig geweſen.
  • e) Das Juͤtiſche Lowbuch iſt von Waldemar II. 1240. publiciret, und hat viel aus dem Roͤmiſchen und dem Saͤchſiſchen Rechte.

§. 32.

Die Gerichte ſind dreyerley, 1) die Har - de - und Birktinge ſind ordentlich die erſte Jn - ſtanz ſo wohl in den Staͤdten, als auf dem Lan - de. Sie beſtehen aus einem einzigen Richter, (Herritz-Voigt) der ſeinen Tingſchreiber hat, und werden woͤchentlich gehalten. Von hier ap - pellirt man an den Stadtrath oder an die Land - gerichte, (Landtinge) welche gemeiniglich aus 4. Richtern (Land-Dommers) beſtehen, und monathlich Seßion halten. Endlich iſt die letz - te Jnſtanz das hoͤchſte Gericht in Coppenha - gen, welches faſt das ganze Jahr durch gehal - ten, und jaͤhrlich im Maͤrz vom Koͤnige ſelbſt er - oͤffnet wird. Die Proceſſe ſind kurz und wohl - feil, und in den Tinggerichten pflegt der Bauer ſein eigener Sachwalter zu ſeyn.

  • a) Den Tingen ſind in Criminalſachen und Grenz - irrungen 8. Sandmaͤnner (Veridici) nach Art des Engliſchen Jury zugeotdnet.
  • b) Landgerichte ſind zu Ringſtaͤdt in Seeland, zu Odenſee in Fuͤhnen, zu Wiborg in Juͤtland Jn Nor - wegen iſt das Ober-Hofgericht.
Tc) 290Daͤnemark.
  • c) Vor die Hofbediente iſt das Hof - und das Burg - gericht in Coppenhagen angeordnet.
  • d) Weiſe Abkuͤrzungen des Proceſſes. Siehe uͤber - haupt Holberg, Cap. XV. und Pontoppidan, Th. II. Cap. II.

§. 33.

Die Einkuͤnfte des Koͤnigs beſtehen 1) in den Domainen, die man unter die anſehnlichſte in ganz Europa zaͤhlt, und anderen Regalien, 2) in den Zoͤllen, ſonderlich dem Sund-Coldinger - und den Norwegiſchen Zoͤllen, 3) in der Acciſe oder ſo genannten Conſumtion, 4) im Stempelpa - pier, 5) in der Landſteuer, die entweder nach den Tonnen hart Korn oder nach dem Pfluge bezahlt wird, und 6) in dem Antheil an den geiſtlichen Zehenden. Die Adeliche und die Geiſt - lichkeit haben einige Befreyungen. Die auſſer - ordentliche Auflagen ſetzt der Koͤnig nach eigenem Belieben, dahin gehoͤren Fortifications-Gelder, Viehſchatzung, Kopf - und Vermoͤgenſteuer.

  • a) Der Zoll bey der Durchfahrt aus der Nord - in die Oſtſee wird in allen 3. Meerengen bezahlt, 1) bey Helſingoͤr, 2) bey Nyborg, 3) bey Fridericia. Helſin - goͤr hat aber den Hauptzoll, und heißt daher der Daͤ - niſche Goldberg.
  • a) Cautel, der Defraudation des Sundzolls vor - zubeugen.
  • c) Eine Tonne hart Korn iſt der achte Theil eines Teutſchen Pfluges. Proportion zwiſchen dem, was der Amts - und was der adeliche Bauer zahlt.
d) Von291Daͤnemark.
  • d) Von den Einkuͤnften ſiehe Pontoppidan, II. 39.

§. 34.

Noch in dem jetzigen Jahrhundert fanden ſich bey dem Cammerweſen viele Unbeqvemlich - keiten, und es gelung erſt Friedrichen IV, die Rentkammer 1719. in eine ſolche gute Ordnung zu bringen, daß ſie andern Reichen zum Muſter dienen kann. Das Cammer-Collegium beſteht aus 3. Deputirten fuͤr die Finanzen und 6. zu - geordneten Beyſitzern. Durch dieſe 9. Perſonen zuſammen wird die ganze Einnahme, durch die 3. erſteren aber werden allein die Ausgaben beſorget. Unter dieſem Collegio ſtehet die Cammer-Can - zeley, das ſind 3. Secretarien, 1. der Daͤniſch - und Norwegiſchen, 1. der Teutſchen Cammer - Canzeley, und, 1. der Cameral-Juſtitzſachen. Die Revenuͤen werden von 17. Rentſchreibern gehoben, unter welchen alle zu Daͤnemark ge - hoͤrige Provinzen nach gewiſſe Comptoirs abge - theilet ſind.

  • a) Holberg, Cap. XV. Bl. 819.

§. 35.

Von der Daͤnen Tapferkeit hat man zu verſchiedenen Zeiten ſehr verſchiedentlich geurthei - let. Ehemals war das Waffenrecht in den Haͤnden des Adels uud der Staͤdte. Seit derT 2Erb -292Daͤnemark. Erbmonarchie haben die Koͤnige einen anſehnli - chen Kriegsſtaat gehalten, und man rechnet die regulaͤre Truppen auf 30.000. Mann, unter welchen die Cavallerie ihres gleichen ſuchet. Frie - drich IV. formirte uͤberdies 1701. eine Landmi - litz von 15.000. biß 18.000. Mann, welche ſehr wohl eingerichtet iſt. Er ſtiftete 1714. in Cop - penhagen eine Cadetten Compagnie von 100. Mann, er theilte 1717. das Reich in 12. Reu - ter-Cantons, und erbauete zum Unterricht der Soldatenkinder 240. Schulen. Das ganze Kriegsweſen wird durch das General-Land Com - miſſariat beſorget.

  • a) Beurtheilung der Daͤniſchen Streitbarkeit, Hol - berg, Bl 16.
  • b) Ueberhaupt Holberg, Cap. XI. Bl. 738. und Pontoppidan, Th. II. Cap. III. Bl. 32.
  • c) Von der Landmilitz, Voyage en Danemarc, p. 353.

§. 36.

Der Daͤnen Seeruhm iſt ohne Anfech - tung. Schon in alten Zeiten waren ſie zur See fuͤrchterlich. Chriſtian IV, der Koͤnig unter den Seecapitains ſeiner Zeit, brachte die Daͤniſche Flotte wieder in Anſehen, Chriſtian V. und Friedrich IV. haben damit groſſe Thaten gethan. Jn Friedenszeiten werden ungefehr 15. ſeegelfer - tige Kriegsſchiffe und 5000. Matroſen unterhal - ten. Jm Kriege kann Daͤnemark biß auf 30. Kriegs -293Daͤnemark. Kriegsſchiffe von der Linie und 20. Fregatten ausruͤſten, und ſolche mit 12.000. Matroſen be - mannen. Sie bedienen ſich auch der Pramen mit gutem Vortheil. Die Schiffsmaterialien haben ſie im Ueberfluß. Jn Coppenhagen wird die Flotte verwahrt, woſelbſt auch das treffliche Land - und See-Arſenal, der Schiffsholm, eine Seeacademie von 50. Edelleuten, und ein beſtaͤn - diges Corps von 3000. Matroſen angetroffen wird. Das See-Commiſſariat beſorget die Oeconomie, und das Admiralitaͤts-Collegium die Gerichtsbarkeit und das Commando bey der Flotte.

  • a) Die Pramen ſind ſchwimmende Blockhaͤuſer. Die Daͤnen haben ſolche erfunden, aber auſſer der Oſtſee ſind ſie nicht zu gebrauchen.
  • b) Von dem Arſenal, Voyage en Danemarc, 456.
  • c) Von dem Schiffsholm, eb. daſ. p. 463.
  • d) Das Matroſen-Corps beſteht in 60. Compagnien, die in 6. Diviſionen oder Claſſen eingetheilet ſind. Der Verfaſſer des Voyage en Dan. zieht ihre Einrich - tung den Franzoͤſiſchen Claſſen vor, p 117. und 122.

6. Staatsintereſſe.

§. 37.

Daͤnemark iſt durch die Errichtung der Erbmonarchie aus einem maͤßigen Staat ein an - ſehnliches Reich geworden. Dieſe unumſchraͤnk -T 3te294Daͤnemark. te Gewalt aufrecht zu erhalten, zugleich aber auch durch Verbeſſerung der Manufacturen und Befoͤrderung des Handels das Volk aus der Armuth und Schlaͤfrigkeit zu ziehen, und durch eine beſtaͤndige Flotte ſowohl ſeine Grenzen zu be - decken, als beſonders die Herrſchaft im Sunde zu behaupten, muß kein Mittel verabſaͤumet werden.

  • a) Ob die Klagen gegruͤndet ſeyn, daß durch die Einfuͤhrung der willkuͤhrlichen Herrſchaft die Wiſſen - ſchaften, der Preiß der Guͤter und der Handel gefal - len, Voyage en Danemarc, p. 144.
  • b) Schwuͤrigkeiten im Manufactur - und Commer - cienweſen.
  • c) Vorſchlag, zu Sperrung des Sundes eine Ris - banc bey Kronenburg anzulegen. Voyage en Dan. p. 181.
Das295

Das VIII. Hauptſtuͤck. Staat von Schweden.

  • Schriftſteller:
  • 1. (M. HENRICI SO TERI) Suecia, ſiue de Sue - corum Regis Dominiis et opibus commentarius po - liticus, Lugd. Batau. 1633. 16.
  • 2. MICHAEL O WEXIONII epitome deſcri - ptionis Sueciae, Gothiae, Fenningiae et ſubiecta - rum prouinciarum, Aboae 1650. Jſt wieder aufge - legt in SIMONIS FRIDERICI HAHNII collectio - ne monumentorum veterum et recentium, tom. II. p. 124.
  • 3. Hiſtoriſch-Politiſch - und Geographiſche Beſchreibung des Koͤnigreich Schweden, II. Theile, Frankfurt und Leipzig 1708. 8.
  • 4. L’Etat préſent de la Suede traduit de l An - glois de M. ROBINSON, nouvelle Edition augmen - tée de pluſieurs[remarques], à Amſterdam 1720. 8. Die erſte Franzoͤſiſche Ausgabe iſt ohne Namen des Verfaſſers ſchon 1695. 12. gedruckt worden.
T 41.296Schweden.

1. Staatsveraͤnderungen.

§. 1.

Die alte Voͤlker in Schweden werden un - ter dem Namen der Gothen durch ihre groſſe Wanderungen, und das Land ſelbſt durch die Annehmung des Chriſtenthums, und durch die Vereinigung des Schwediſchen und Gothi - ſchen Reichs im XI. Jahrhundert den Auslaͤn - dern bekannt. Doch laſſen die innerliche Unru - hen das Reich zu keinen Kraͤften kommen. Magnus Smeeck bringt zwar durch Vermaͤh - lung Norwegen, und durch den Krieg mit Daͤ - nemark Schonen aus Reich, aber auch durch ſeine uͤble Regierung ſich und ſeine Familie um Krone und Seepter. Albrecht von Mecklen - burg wird zum Koͤnige erwaͤhlt; allein Mar - garetha, Erbinn von Daͤnemark und Norwe - gen, zwingt ihn, Verzicht auf Schweden zu thun, und vereiniget darauf 1397. alle 3. Nor - diſche Reiche.

§. 2.

Dieſe Zeit der Vereinigung faͤllt den Schwe - den zu einer unertraͤglichen Laſt. Carl Cnut - ſon, der zuletzt noch Koͤnig wird, und die Stu - ren machen den Daͤnen die Krone verſchiedene Mal ſtreitig, endlich nach dem Stockholmer Blutbade 1520. gelingt es den Schweden, ſich der Daͤniſchen Dienſtbarkeit zu entreiſſen.

§. 3.297Schweden.

§. 3.

Guſtav Waſa bringt die Krone 1521. auf ſein Haupt, und nach gluͤcklich vollendeter Kir - chen-Reformation auch auf ſeine maͤnnliche Nachkommenſchaft 1544. Allein ſeine Theilung des Reichs, die wunderliche Regierung Erichs XIV. und die Papiſtiſche Maximen Johannis und ſeines Sohnes Sigismunds, des Koͤ - nigs von Polen, verwickeln das Reich in ſchreck - liche Unruhen, welche endlich Carl IX. und ſein Sohn Guſtav Adolph daͤmpfen. Dieſer groſ - ſe Held macht die Schwediſche Waffen den Ruſſen, welche auf Jngermannland und Liefland renuntiiren, den Polen und dem Kayſer furcht - bar, und ſeine Tochter Chriſtina erwirbt 1645. Jempteland, Herrendalen, die Jnſuln Goth - land und Oeſel von Daͤnemark; und 1648. Vor-Pommern, Bremen, Vehrden und Wiß - mar vom Teutſchen Reiche, dankt aber halb aus Furcht und halb freywillig ab, und huͤlft ihrem Vetter Carl Guſtaven dem Zweybruͤ - cker zur Krone 1654.

§. 4.

Carl Guſtav kriegt mit groſſem Gluͤck ge - gen Polen und Daͤnemark. Jenes renunciiret auf Liefland, und dieſes muß Schonen, Hal - land, Bleckingen und Bahuslehn abtreten, und die Schweden vom Sundzolle frey erklaͤren. Carl XI. nimt eine grauſame Reduction der ver -T 5aͤuſſer -298Schweden. aͤuſſerten Cammerguͤter vor, und macht ſich ab - ſolut, Carl XII. ſtirbt nach vielen 9. Jahr gluͤck - lich, und 9 Jahr ungluͤcklich gefuͤhrten Krie - gen, und laͤßt das Reich in letzten Zuͤgen, und den Waſiſchen Stamm ohne maͤnnliche Erben 1718.

§. 5.

Die Reichsſtaͤnde waͤhlen Ulricam Eleo - noram, Carls XII. juͤngere Schweſter zur Koͤ - niginn, und werfen die unumſchraͤnkte Gewalt durch eine vorgelegte Capitulation uͤber den Hau - fen 1719, laſſen aber doch zu, daß die Koͤniginn ihrem Gemahl Friedrichen, Erbprinzen von Heſſen-Caſſel, die Regierung uͤbertraͤget 1720. Un - ter ihm erhohlt ſich das Reich in einer 20jaͤhri - gen Ruhe, welche zwar durch den ungluͤcklichen Krieg mit Rußland 1741. unterbrochen; aber 1743. durch Abtretung eines Diſtriets von Finn - land, und durch die bedungene Wahl des Thron - folgers Adolph Friedrichs aus dem Hauſe Hol - ſtein wieder befeſtiget wird.

2. Beſchaffenheit der Laͤnder.

§. 6.

Schweden iſt nach Rußland das weitlaͤuf - tigſte Reich in Europa. Die Ruſſen und Daͤ - nen ſind ſeine Nachbaren. Eigentlich aber ſtoͤßt es an Norwegen, an das Daͤniſche undRußi -299Schweden. Rußiſche Lappland und an das Rußiſche Finn - land. Die andere Grenzen macht die Nordſee, der Sund und die beyde groſſe Meerbuſen der Oſtſee, der Bothniſche und der Finniſche.

  • a) Zu Lande iſt es gegen Norwegen durch eine Ket - te von ungeheuren Gebuͤrgen verwahrt.
  • b) Von der Seeſeite hielte man eine feindliche Landung wegen der viel Meilen langen Scheeren gar unmoͤglich; aber die Ruſſen haben das Gegen - theil bewieſen.

§. 7.

Das Clima iſt ſo kalt, daß das Land o - ben gegen Norden faſt unwohnbar wird. Schwe - den hat viele und groſſe Seen, Moraͤſte, Ge - buͤrge und Waldungen, ſo daß wohl der halbe Theil des Landes zum Anbau unbeqvem iſt.

§. 8.

Schweden beſteht eigentlich aus dem Koͤ - nigreiche Schweden an ſich ſelbſt und aus dem Großfuͤrſtenthum Finnland. Jenes wird wie - der in drey Provinzen, als Schweden, Goth - land und Nordland eingetheilt. Zu Schweden gehoͤren die 5. Landſchaften 1) Upland, 2) Suͤ - dermannland, 3) Weſtermannland, 4) Neri - cien und Dalecarlien; zu Gothland 1) Oſt-Goth - land, 2) Weſt-Gothland 3) Suͤder-Gothland; zu Nordland 1) Geſtricien, 2) Helſingen, 3) Angermannland 4) Meddelpad, 5) Jempter -land300Schweden. land, 6) Bothnien, 7) Lappland. Von Finn - land haben zwar die Ruſſen ein Stuͤck abgeriſ - ſen; doch iſt der groͤſſere und fruchtbarere Theil noch in Schwediſchen Haͤnden.

§. 9.

Die ſuͤdliche Schwediſche Provinzen ſind zum Theil an allerhand Getreyde, und Schaͤ - fereyen geſegnet. Allein das Getreyde iſt doch lange nicht zureichend, und die wenige Wolle zum Verarbeiten ſehr grob. Schweden leydet uͤberdies Mangel an Salz, die Gartenfruͤchte verliehren je hoͤher herauf, je mehr Geſchmack und Guͤte. Hingegen zeigt ſich ein Ueberfluß an Fiſch - und Fluͤgelwerk, Wildpret und wil - den Thieren. Die Pferde haben ſie zwar nicht groß, aber doch dauerhaft, und ſowohl als das Hornvieh zureichend. Man hat nunmehr auch Flachs, Hanf und Taback zu bauen angefan - gen. An Bauholz und an den Bergwerken hat das Land einen groſſen Schatz. Die Ei - ſenbergwerke ſind unerſchoͤpflich, an den Kupfer - minen aber befuͤrchtet man einen Abgang Man findet auch Silber, Bley, Alaun, Vitriol, Schwefel und Kreyde darinnen.

  • a) Der Sommer iſt kurz, aber ſo heiß, daß das Getreyde in weit wenigerer Zeit als bey uns reifet.
  • b) Brod von Birk - und Fichtenrinden, Stroh und Wurtzeln.
  • c) Finnland das Ruͤbenland.
  • d) Ueberfluß an Lachſen, Hechten und Stroͤmlin -gen301Schweden. gen. Der Sinus Bothnicus iſt reich an Seehun - den.
  • e) Alles Vieh faͤllt wegen der Kaͤlte kleiner.
  • f) Allerhand rare Pelzwerke, doch nicht in groſſer Menge. Nutzen aus den Nordlaͤndiſchen Rennthieren.
  • g) Flachs ſonderlich in der Provinz Helſingen.
  • h) Von den Metallen und Mineralien und uͤber - haupt von Schwedens Mangel und Ueberfluß ſiehe Beſchreibung von Schweden, Th. I. Cap. I, und ROBINSON, ch. I.

§. 10.

Stockholm iſt der Sitz des Reichs, eine groſſe und praͤchtige Stadt, die auf 6. Jnſuln erbauet iſt. Die vornehmſte Koͤnigliche Luſt - und Jagdſchloͤſſer ſind Carlsberg, Ulrichsthal, Drontingsholm, Swartioe, Grypsholm, Stroͤmholm, Kungsoͤhr, Kungslena und Wen - dersborg, die alle an angenehmen Stroͤmen o - der Seen liegen, ſo daß man mehrentheils ſo - wohl zu Waſſer als zu Lande hinkommen kann.

§. 11.

Die Schwediſche Feſtungen ſind faſt durchgaͤngig zugleich Seehaͤfen, unter dieſen ſind nach Stockholm die merkwuͤrdigſte Gothen - burg, Warberg, Halmſtadt, Landskron, Mal - moe, Chriſtianſtadt, Carlskron, Calmar.

a) Stock -302Schweden.
  • a) Stockholm iſt ein vortrefflich geraͤumiger und ſicherer Hafen, hat aber 3. groſſe Fehler.
  • b) Daher iſt von Carl XI. der neue Hafen Carls - kron ſeit 1679 mit ſchweeren Koſten angeleget wor - den, welcher dennoch auch ſeine Unbeqvemlichkeiten hat.
  • 1. (ERICI Comitis à DAHLBERG) Suecia an - tiqua et hodierna. III. tomi, fol. Dieſes koſtbare Werk iſt vor 1708. nicht herausgekommen, es beſteht aus 353. Kupferſtichen. P. Lagerlof und nach ihm der Koͤnigliche Hiſtoriographus Hermelin haben eine vollſtaͤndige Geographiſche Beſchreibung dazu zuverfer - tigen angefangen, aber ſeit ihrem Abſterben iſt das Werk ins Stecken gerathen.

§. 12.

Seit dem in jetzigem Jahrhundert verſchie - dene herrliche Nebenlaͤnder von der Krone ab - gekommen, iſt Schweden faſt gaͤnzlich in ſeine alte und natuͤrliche Grenzen wieder eingeſchraͤnkt worden. Doch iſt ihm von ſeinen Conqveten das Bahuslehn in Norwegen, ein Stuͤck von Vor-Pommern und die Stadt Wismar uͤbrig geblieben.

  • 1. Erich Tunelds Geographie von Schweden, Finnland und den Schwediſchen Provinzen in Teutſchland iſt zu Stockholm 1747. 8. in Schwedi - ſcher Sprache herausgekommen; aber noch nicht in eine allgemeinere Sprache uͤberſetzt.
3. Be -303Schweden.

3. Beſchaffenheit der Einwohner.

§. 13.

Schweden iſt nach Proportion ſeiner Groͤſ - ſe lange nicht zureichend bevoͤlkert, und der Mangel an Menſchen iſt durch den 22jaͤhrigen Krieg in jetzigem Jahrhundert gewaltig vermeh - ret worden. Die Schwediſche Sprache iſt aus der alten Gothiſchen und der Nieder-Teut - ſchen vermiſcht. Finnland hat ſeine eigene urſpruͤngliche Sprache, welche eine Mutter der Eſthiſchen, Lettiſchen und Curlaͤndiſchen Spra - che iſt.

  • a) Exempel, daß in einer Provinz, die noch nicht die aͤuſſerſte gegen Norden iſt, kaum 4700 Seelen in - nerhalb 225. Teutſchen Qvadrat-Meilen anzutreffen. Goͤtting. Gelehrte Zeit. 1748. Bl. 315 aus Hr. Ber - chens Diſputation.
  • b) Von der alten Gothiſchen Sprache, den Ru - nenſtemen und Runenſtaͤben, den Litteris Runis und Ulphilanis Siehe uͤber haupt Beſchreib. von Schwe - den, Th I. Cap. 2.
  • c) Von der Finnlaͤndiſchen Sprache beſonders, Webers veraͤndertes Rußland, III. 64.

§. 14.

Ein Schwede iſt wohl gewachſen, und ge - gen alle Fatiguen gehaͤrtet. Sein Weſen iſt ernſthaft, und ſeine Auffuͤhrung bedachtſam. Er lebt vor ſich maͤßig, aber in Geſellſchaft praͤch -tig304Schweden. tig. Er iſt redlich, im Arbeiten unermuͤdet, ſei - nem Herren gehorſam, und gegen Fremde gaſtfrey. Man ſoll in Schweden alle Laſter ſeltener, als das Mißtrauen antreffen.

  • a) ROBINSON, ch. IV. p. 47. und Beſchreibung von Schweden, Th. I. Cap. II. Bl. 34.

§. 15.

Die Gelehrſamkeit wird hier ſehr hoch geachtet. Unter ihren 3. Univerſitaͤten Upſal, Abo und Lunden iſt die erſte die aͤlteſte und beruͤhm - teſte. Jn Teutſchland ſteht auch die alte Aca - demie zu Greifswalde unter Schwediſcher Ho - heit. Unter Carl XI. iſt 1668. das beruͤhmte Antiqvitaͤten Collegium, und unter dem jetzigen Koͤnige Friedrich 1728. eine Societas Regia Lit - teraria et Scientiarum beyde zu Upſal errichtet worden. Die Schweden legen ſich ſeit einiger Zeit hauptſaͤchlich auf die Oeconomiſche Wiſſen - ſchaften, uud in Unterſuchung der Landes-Al - terthuͤmer thut es ihnen keine Nation in Euro - pa zuvor.

  • a) Wie ſich die Schweden gegen die Beſchuldigung, daß ſie ferrei ingenii waͤren, verantwortet.
  • b) Beſondere Einrichtung der weltberuͤhmten Aca - demie zu Upſal, welche ſonderlich durch Guſtav A - dolphs und Chriſtinaͤ Freygebigkeit in Aufnehmen ge - bracht werden.
c) Das305Schweden.
  • c) Das Antiqvitaͤten-Collegium iſt auf Koſten des Koͤnigs errichtet worden. Fortheile der Nation dar - aus.
  • d) Privilegia und Bemuͤhungen ber Schwediſchen Koͤniglichen Geſellſchaft der Wiſſenſchaften. Schwe - diſche Bibliotheck, St. IV. Bl. 359.

§. 16.

Vor Guſtav Waſa waren die Schweden nur mit Ackerbau, Viehzucht, Jagd und Fiſcherey oc - cupirt. Seit ihm fing man an, die Landes-Ma - terialien, ſonderlich Metalle und Holz zu verarbei - ten. Carl XI. war beſorgt, die Kuͤnſte und Handwer - ker zu vermehren und zu verbeſſern. Jn den neue - ſten Zeiten hat man auſſerordentliche Muͤhe ange - wandt, durch Manufacturen, wo nicht Geld zu verdienen, doch wenigſtens zu erſparen. Al - les was von Kupfer, Meßing, Eiſen und Stahl gemacht werden kann, wird in Schweden fa - bricirt, und haben ſie Stuͤck - und Glocken-Gieſ - ſereyen, Piſtolen-Carabiner-Muſqveten - ſchußfreye Bruſtſtuͤcke - und Ankerſchmiedereyen, und viele Kupfer - und Meßingfabricken. Man findet auch allerhand Woll-Leinen - und Sey - den-Manufacturen, Zucker-Salz-Schwe - fel - und Salpeterſiedereyen, Vitriol - und Alaun - werke, Glashuͤtten und Porcellanfabricken dar - innen.

  • a) Wie Danzig und Luͤbeck ehemals von der Schwe - den Unwiſſenheit profitirt.
Ub) 306Schweden.
  • b) Des Herzogs von Alba Grauſamkeit gerieth Schweden zum Vortheil.
  • c) Carls XI. Bemuͤhung, aus der Perſiſchen Sey - de Schwediſche Manufacturen zu machen.

§. 17.

Sonſt trieben die Hanſeſtaͤdte den Handel auf Schweden, und die Luͤbecker erhielten gar unter Guſtav Waſa auf eine Zeitlang ein Pri - vilegium excluſiuum daruͤber. Hernach wur - den die Hollaͤnder Meiſter vom Schwediſchen Handel; mußten aber ſolchen bald mit den Engel - laͤndern theilen. Chriſtina munterte ihr Volk zuerſt zum eigenen Seehandel auf, unter Carl XI. ſtieg und fiel der Handel. Seit noch nicht 30. Jahren haben ſich die Schweden mit Macht darauf gelegt, ſolchen in die Hoͤhe zu bringen. Sie fuͤhren ihre verarbeitete Metalle, al - lerhand Holz, Pech, Ther, Potaſche, Sal - peter, Pulver, Fiſche, Pelzwerk aus. Sie brauchen Getreyde, Salz, Wein, Brandte - wein, Gewuͤrze, Wolle, Seyde und verſchie - dene Manufacturen davon. Man hat auch durch hohe Zoͤlle und Verboth einiger auslaͤn - diſchen Manufacturen der Geldverſchwendung vorgebeuget. Stockholm genieſſet groſſe Vor - rechte im Handel, und hat eine Banco, wor - uͤber die Reichsſtaͤnde Eviction leiſten. Ferner iſt zu Befoͤrderung der Commercien eine Han - dels-Compagnie nach Oſt-Jndien und der Le - vante zu Gothenburg 1732. aufgerichtet, welcheſich307Schweden. ſich ſeit 1740. ziemlich aufgenommen. Das ganze Manufactur - und Handelsweſen ſteht un - ter der Direction des Commercien-Collegii.

  • a) Guſtavs Commercientractat mit Franz I. von Frankreich.
  • b) Chriſtinaͤ dreyfacher Zolltarif auf die Aus - und Einfuhr der fremden und einheimiſchen Kaufleute.
  • c) Carls XI. harte Geſetze gegen auslaͤndiſche Kauf - leute, die ſich in Schweden geſetzet.
  • d) Siehe uͤber haupt ROBINSON, XII. 84. und Beſchreib. von Schweden. Th I. Cap 26.
  • 1. P. J. Marpergers Schwediſcher Kauf - mann. Wismar, 1706. 8.

§. 18.

Man rechnet ordentlich nach Thaler Silber - muͤnz und Silberoͤr. 32. Silberoͤr betragen 1. Thlr. Silbermuͤnz. Es werden Ducaten, ferner von Silber Carolinen zu 20. Silberoͤr in ganzen, halben und doppelten Stuͤcken; von Kupfer a - ber die Kupferthaler und Kupferoͤr in ganzen, halben, vierthel und ſechsthel Stuͤcken ge - ſchlagen.

  • a) Die eingebildete Muͤnzſorten ſind Mark Silber und Mark Kupfer, welche ſich wie 3. zu 1 verhalten. 6. M. Silber, oder 18. M. Kupfer machen 1. Spec. Thaler. Jn eben der Pcoportion verhalten ſich auch die Silberthaler zu den Kupferthalern, und die Sil - beroͤr zu den Kupferoͤr. Beſchreibung von Schwe - den, Th. I. Cap. XXV.
U 2b) 308Schweden.
  • b) Von den ehemals geſchlagenen Kupferplatten, und warum deren Ausfuhr verbothen worden.
  • c) Wie Schweden unter Carls XII. Regierung durch die elende Muͤnzſorten ruiniret worden.

4. Staatsrecht.

§. 19.

Durch die von Carl XI. dem Reiche auf - gedrungene unumſchraͤnkte Gewalt wurden die alte Reichsgeſetze vertilgt. 1718. ſuchten die Reichsſtaͤnde ſolche wieder hervor, und errich - teten daraus die von der Koͤniginn Ulrica Eleo - nora 1719, und von Koͤnig Friedrichen mit eini - gen Veraͤnderungen 1720. beſtaͤtigte Regie - rungsform, welche nebſt den aͤltern und neu - ern Reichstagsſchluͤſſen die Schwediſche Reichs - grundgeſetze formiret.

  • a) Die von der Koͤniginn Ulrica Eleonora beſtaͤ - tigte Regierungsform findet man in Hrn. Hofr. Schmauſſens Corp. Iur. Gent. Acad. tom. II. p. 1762.
  • 1. Andreas Anton Stiernmann hat aller Schwediſchen Reichstaͤge und Reichs-Convente Abſchiede, wie auch Erbvereinigungen, Re - gimentsformen, Verſicherungen und Bewilli - gungen ſo von 1521. biß 1727 beſchloſſen worden, in Schwediſcher Sprache herausgegeben, 4. Baͤnde, Stockholm, 1728. u. f. in Fol.
§. 20.309Schweden.

§. 20.

Der jetzt regierende Koͤnig Friedrich, ein Sohn Carls Landgrafen von Heſſen-Caſſel und Mariaͤ Amaliaͤ Prinzeßinn von Curland, iſt gebohren 1676. Seine andere Gemahlinn, Ul - rica Eleonora, Carls XI. von Schweden juͤn - gere Tochter, und nach Carls XII. Tode er - waͤhlte Koͤniginn von Schweden uͤbertrug ihm nach einer jaͤhrigen Regierung die Krone 1720. Weil er ohne Erben lebt, ſo haben ſich die Schweden in der Perſon des Herzogs von Hol - ſtein und bißherigen Biſchofs von Eutin, A - dolph Friedrichs, 1743. einen Thronfolger er - waͤhlt, welcher ſich 1744. mit der Preußiſchen Prinzeßinn Louiſe Ulrica vermaͤhlet, und durch Erzielung der beyden Prinzen Guſtavs und Carls ſeinem Hauſe den Schwediſchen Thron geſichert hat.

§. 21.

Der Koͤnig titulirt ſich: Friedrich von Gottes Gnaden Koͤnig in Schweden, der Go - then und Wenden, Großfuͤrſt von Finnland.

  • a) Jn den aͤlteſten Zeiten nennten ſich die Schwe - diſche Regenten Koͤnige von Upſal.
  • b) Auch eine Zeitlang Herren von Lappland, wor - uͤber ſo wohl als uͤber den Titul: der Gothen und Wen - den Koͤnig, mit Daͤnemark Streit entſtanden.
  • c) Die Schwediſche Titulatur iſt wegen der ver - ſchiedenen Conqveten und koͤniglichen Familien beſtaͤn -U 3digen310Schweden. diger Veraͤnderung unterworfen geweſen Siehe uͤberhaupt JOANNIS LOCCENII antiqu. Sueo. Goth. cap. IX. f. 59. und J. C. BECMANNI ſyntagma dignitatum, diſſ. III. cap. II. p. 174.

§. 22.

Das Wappen des jetztregierenden Koͤnigs iſt qvadrirt, und fuͤhret 3. guͤldene Kronen we - gen des Koͤnigreichs Schweden, und einen roth - gekroͤnten Loͤwen wegen des Gothiſchen Reichs nebſt dem Heſſen-Caſſeliſchen Wappen im Mit - telſchilde.

  • a) ELIAS BENNER in theſauro nummorum Sueo-Gothicorum, tab. I. II. III. und aus ihm DAHLBERG in Suecia antiqua et hodierna, tom. I. tab. VIII. erweiſen den Gebrauch der 3. Kronen in den Schwediſchen Muͤnzen nicht nur aus dem XI. Jahrhundert; ſondern wollen ſolche gar noch vor dem 9ten Jahrh gefunden haben.

§ 23.

Der Schwediſche Hofſtaat iſt ſeit der Wahl des Thronfolgers noch anſehnlicher ge - worden. Man fand ehedem am Schwediſchen Hofe verſchiedene Ritterorden, ſie waren aber gaͤnzlich in Abgang gekommen, biß 1748. Koͤ - nig Friedrich den Seraphinen-Orden, wel - chen Magnus Smeeck 1334. geſtiftet, den Schwerdt-Orden, den Guſtav Waſa 1523. errichtet, und den Nordſtern-Orden wieder er - neuert hat. Man nennt ſolche das blaue, gel -be311Schweden. be und ſchwarze Band. Alle 3. haben ihre Or - denszeichen und Deviſen. Der Seraphinen - Orden iſt der vornehmſte, und die Ritter da - von ſind zugleich Commandeurs der uͤbrigen Orden.

  • a) Alte Orden 1) Brigittinen Orden, 2) Heylands - Orden von Erich XIV. 1561. geſtifftet, 3) Lamm. Got - tes Orden von Johann III. 1569. errichtet, 4) Amaranthen-Orden, von Chriſtina 1651. ausgetheilt, deren ſaͤmtliche Ordenszeichen, in Suecia antiqua et hodierna, tom. I. tab. IX. anzutreffen.
  • b) Siehe uͤberhaupt Mercure hiſt. et pol. 1748. mois Juin, p. 679.

§ 24.

Schweden war in alten Zeiten ein Wahlreich; Guſtav erlangte die Erblichkeit vor ſeinen maͤnn - lichen Stamm 1540. und 1544. Dieſe Erblich - keit hat ſeit dem viele wichtige Veraͤnderungen erlitten. Doch iſt allezeit vor dem wuͤrklichen Antrit der Regierung des Koͤnigs eine Decla - ration der Staͤnde vorhergegangen. Nun - mehr hat man feſtgeſetzt:

  • Daß die maͤnnliche Leibeserben zur Reichs - folge berechtiget ſeyn ſollen, auf eben dieſelbe Art, wie es der Reichstags - ſchluß von 1650. vermag, und darin - nen enthalten iſt. Art. 3. der Schwe - diſchen Regierungsform.
U 4a)312Schweden.
  • a) Die alte Wahl geſchahe bey dem Moraſteen, unweit Upſal.
  • b) Reichstagsſchluß zu Oerebroe 1540, Erbverein zu Weſteraas 1544 erweitert zu Noͤrcoͤping 1604, und zu Stockholm 1627. und 1634, eingeſchraͤnkt 1650. und 1660, wieder erweitert zu Stockholm 1683. und durch Carls des XI. Teſtament 1693. und eben deſſen Succeßions-Ordnung. WEXIONIUS, lib. V. cap. 4. et 5.
  • 1. Sammlung aller wegen der Schwediſchen Regierungsfolge pro und contra herausgekom - menen Schriften, Stockholm 1719. 4.

§. 25.

Sonſt war der Antritt des 18ten Jahres zur Majorennitaͤt des Koͤniges beſtimmt, und die Kroͤnung wurde zwar ordentlich, aber oft erſt nach vieljaͤhriger Regierung celebrirt. An - jetzt iſt der Termin der Volljaͤhrigkeit weiter er - ſtreckt, der ungewiſſe Kroͤnungstermin aber feſt - geſtellt, und mit der Uebernehmung des Regi - ments vereiniget worden:

  • Es mag keiner den Thron betreten, ehe er ſeine 21. Jahre voͤllig zuruͤck gelegt, bey der Staͤnde Zuſammenkunft ſeine Ver - ſicherung von ſich geſtellet, ſich kroͤ - nen laſſen, und ſeinen Koͤniglichen Eyd abgeleget, wie das Schwediſche Geſetz vermag. Art. III. der Regier. Form.

§. 26.

Die Schwediſche Regierungsform war inalten313Schweden. alten Zeiten eingeſchraͤnkt. Carl XI. machte ſich abſolut, aber nach Carls XII. Tode ſind die Majeſtaͤtsrechte in ſehr genau beſtimmte Gren - zen eingeſchloſſen worden. Der Koͤnig genieſſet in ihrer vollkommenen Macht und Gewalt allerdings ungekraͤnkt alle Koͤnigliche Rech - te, ſo im Schwediſchen Geſetze beſchrieben, und in der neuen Regierungsform nicht einge - ſchraͤnket ſind. Art. 8.

  • a) Carl XI. warf die alte Regierungsform in der That um, ließ ihr aber noch den Schein. Und den - noch unterſteht ſich JACOB WILDE in hiſtoria pragmatica Sueciae, p. 678. zu behaupten: venimus ad epocham abſolutioris monarchiae (regnante Ca - rolo XI. ) qua abolitum fuiſſe ius publicum, adeo - que oppreſſa libertate, foedum ſeruitutis iugum ſubiiſſe Suecos perperam ſeu crediderunt, ſeu pro - diderunt exteri.
  • b) WEXIONIUS lib. V. cap. 10. p. 277. ſpecifi - cirt die vornehmſte Majeſtaͤtsrechte, wie ſie zu Chriſti - naͤ Zeiten geweſen, aber auch dieſe gelten nicht alle mehr.
  • c) Ueberhaupt laͤßt ſich von den Einſchraͤnkungen der Majeſtaͤtsrechte mehr ſagen. Siehe faſt alle Ar - tickel der Schwediſchen Regierungsform.

§. 27.

Dem Koͤnige iſt ein Reichsrath von 24. Perſonen zugeordnet, und lieget ihm ob, ſein Reich mit, und alſo nicht ohne, vielweni - ger wider der Reichsraͤthe Rath zu regieren, welche den Koͤnig auch unbefragt und unbe -U 5ruffen,314Schweden. ruffen, was des Reichs Recht ſey, erinnern, auch hindern muͤſſen, daß keine Rathſchlaͤge vor die Hand genommen werden, wodurch die Staͤnde koͤnnten unterdruͤckt, deren Frey - heit gekraͤnkt, und das Regiment der unum - ſchraͤnkten Eigengewalt wieder eingefuͤhret werden. Art. 13. und 14.

  • a) Zu den Reichsraͤthen ſchlagen entweder die Reichsſtaͤnde auf dem Reichstage oder ein Ausſchuß derſelben 3 Perſonen vor, woraus der Koͤnig einen ernennet. Art 12.
  • b) Die Zahl der Reichsraͤthe ward 1731. auf 16. herunter geſetzt, iſt aber 1734. auf 20. wieder ange - wachſen.
  • c) Kein wichtiges und allgemeines Reichsgeſchaͤft kann ohne Gegenwart von wenigſtens 10. Reichsraͤ - then beſchloſſen werden. Art. 15.
  • d) Des Koͤnig Meinung gilt ſo viel als 3. Stimmen im Reichsrath eb daſ
  • e) Wenn der Koͤnig verhindert wird, ſo decidiren die Reichsraͤthe alles, was keinen Aufſchub leidet. Art. 16.
  • f) Jn allen hohen Collegiis praͤſidiret ein Reichs - rath. Art. 18. biß 31.

§. 28.

Es giebt in Schweden 4. Staͤnde des Reichs, 1) den Adel, wozu auch die Stabs - officiers biß auf 1. Capitaine von jedem Regi - ment gerechnet werden, 2) die Geiſtlichkeit, 3) den Buͤrger - und 4) den Bauernſtand DerSchwe -315Schweden. Schwediſche Adel wird ſeit Erichs XIV. Zeiten in die Grafen, Freyherren und den niedern Adel eingetheilt. Die Teutſche Provinzen haben an der Reichsſtandſchaft keinen Antheil, ſondern werden als unterworfene Laͤnder, doch ihren wohlhergebrachten Rechten und Freyheiten un - beſchadet, regieret

  • a) Sonſt ging die Geiſtlichkeit dem Adel vor biß auf die Zeiten Guſtavs Waſa.
  • b) Jn Schweden iſt kein Bauer leibeigen. Zu dem Bauernſtande ſind ſonderlich die wohlhabende Bergleute zu rechnen.
  • c) Erich XIV creirte zuerſt Grafen und Barons 1561.
  • d) Chriſtina that den Schwediſchen alten Fami - lien durch ihre verſchwenderiſche Adels-Ertheilungen empfindlichen Tort.
  • e) Jus Nobilitandi eingeſchraͤnkt durch Art 25. der Schwed Reg. Form.
  • f) Siehe uͤberhaupt WEXIONIUM, lib. VIII. de familiis Sueciae illuſtribus, p. 354.

§. 29.

Alle 3. Jahr muß ein Reichstag ausge - ſchrieben werden. Jeder Reichsſtand hat ſeinen Anfuͤhrer oder Worthalter. Der Adel waͤhlt den Reichstags-Marſchall, der Bauernſtand ſeinen Dalmann. Von Seiten der Geiſtli - chen iſt es der Erzbiſchof von Upſal, von Sei -ten316Schweden. ten der Buͤrgerſchaft der Juſtitz-Buͤrgermeiſter zu Stockholm, beyde auf Lebenslang. Jede adeliche Familie und jeder Stabsofficier, je - der Biſchof und Superintendent, jede Acade - mie, alle 10. geiſtliche Kirchſpiele zuſammen und jeder Bauerndiſtrict hat eine Stimme, die meh - reſte Staͤdte haben ebenfalls 1, einige 2, Stock - holm allein 4. Stimmen. Alles was ſeit dem letzten Reichstage im Reiche vorgefallen, und vom Reichsrath abgehandelt worden, oder ſonſt zum Wohl des Reichs dient, wird hier in Be - rathſchlagung gezogen. Dieſe Reichstagsſa - chen pflegen ordentlich durch verſchiedene Com - mißionen, als dem Ausſchuß der Reichsſtaͤnde, (doch gemeiniglich mit Ausſchluß der Bauern) un - terſucht zu werden, ehe man ſolche auf dem Reichstage in pleno beſchlieſſet. Wenn 2. Reichsſtaͤnde gegen 2. ſind, decidirt der Koͤnig. Ein Reichstag pflegt ungefehr ein Jahr zu dauern.

  • a) Den Reichstag ſchreibt der Koͤnig aus, bey deſ - ſen Abweſenheit, Verhinderung oder Tode aber der Reichsrath; bey Abgang der maͤnnlichen Kronerben kommen die Staͤnde von ſelbſt zuſammen. Art. 26. der Schwed. Reg. Form.
  • b) Die auſſerordentliche Reichstage ſetzt der Koͤnig mit Einwilligung des Reichsraths an.
  • c) Anzahl der Stimmen in jedem Reichsſtaͤndiſchen Cdllegio.
  • d) Die Reichsraͤthe haben keine Stimme.
e) Die317Schweden.
  • e) Die verſchiedene Staͤnde, auch ſo gar die Kriegs - bediente haben ihre beſondere Verſammlungs - und Be - rathſchlagungs-Oerter. Der vollſtaͤndige Reichstag aber wird auf dem Reichs-Saal im Koͤniglichen Schloß gehalten.
  • f) Siehe hievon mit mehrern WEXIONIUM, lib. V. cap. 12. p. 290. und Beſchreibung von Schweden, Th. I. Cap. 15. Bl. 428.
  • 1. JOANNIS LOCCENII ſynopſis iuris publici Suecani, Gothoburgi 1673. 8.
  • 2. CHRISTIANI NETTELBLADT diſſ. qua formula regiminis Sueciae de a 1634. cum nouiſſi - mis de a. 1719. et 20. confertur, et notis illuſtratur, Gryphisw. 1729.
  • 3. (JACOBI WILDE) Sueciae hiſtoria pragma - tica, quae vulgo Jus Publicum dicitur, Holmiae 1731. 4.

5. Reichsgeſchaͤfte.

§. 30.

Vermoͤge der alten Regimentsform wur - den alle in - und auslaͤndiſche Staatsangelegen - heiten durch den obgedachten dem Koͤnige von den Reichsſtaͤnden zugegebenen Reichsrath be - ſorgt. Carl XI. machte nach erlangter abſolu - ten Gewalt aus dem Reichsraͤthen Koͤnigliche Staatsraͤthe. Nunmehr iſt alles wieder auf den alten Fuß geſetzt, und der Reichsrath, wor - innen der Koͤnig in eigner Perſon praͤſidiret, iſt das unveraͤnderliche Koͤnigliche Miniſterium.

§. 31.318Schweden.

§. 31.

Die Schweden ſind ſehr eifrig in der Re - ligion. Guſtav Waſa ſetzte nach Ueberwindung unzaͤhliger Schwuͤrigkeiten die Reformation gluͤcklich durch, welche auch, ungeachtet ſie un - ter Johanne und Sigismund gefaͤhrliche An - fechtungen erlitte, dennoch endlich auf dem Con - eilio zu Upſal 1593. obſiegte, dergeſtalt, daß ſeit der Religions-Verein 1613. die Evangeliſch-Lu - theriſche Lehre als die einzige herrſchende und al - lein erlaubte Religion vom Koͤnige und den Unterthanen angeſehen werden muß. Bloß die Reformirte genieſſen in neuern Zeiten, doch nur in wenigen Staͤdten, den privat Gottesdienſt. Die Schwediſche Koͤnige haben die Religion mit der Staatsklugheit zu vereinigen, und durch ihren vor die wahre Lehre bezeigten Eifer wich - tige Staatsvortheile zu erlangen gewußt.

§. 32.

Man zaͤhlet 1. Erzbiſchof, 10. Biſchoͤfe und 9. Superintendenten im Reiche, die uͤbrige Geiſtlichkeit beſtehet in Proͤbſten, Decanis, Ca - pellanen und Dorfpfarrern. Bey der Vacanz eines Bißthums und einer Superintendentur ſchlaͤgt das Capitel 3. Perſonen vor, woraus der Koͤnig einen ernennet.

  • a) Von dem Zuſtande der Religion in Schweden, Beſchreibung von Schweden, Th. I. Cap. XXIII. und ROBINSON, ch. V. p. 44.
§. 33.319Schweden.

§. 33

Schweden hat ſich allezeit nach ſeinen ei - genen und einheimiſchen Geſetzen gerichtet. Koͤ - nig Chriſtoph von Bayern ließ ſolche ſam - meln und publiciren 1442. Carl IX. verbeſſerte ſie 1608. und Guſtav Adolph 1618. Carl XI. ließ ſelbige ſeit 1686. revidiren, aber die nachfolgen - de Kriege hinderten den Fortgang dieſes heilſa - men Werks, biß es unter Koͤnig Friedrichen aufs neue vorgenommen, und gluͤcklich zu Stan - de gebracht wurde. Dieſes neue Schwediſche Geſetzbuch (Sweriges Rikes Lag) iſt auf den Reichstaͤgen zu Stockholm 1731 und 1734. un - terſucht, darauf von allen Staͤnden bewilliget und angenommen, von dem Koͤnige beſtaͤtiget und 1736. publiciret worden.

  • a) Von den alten Schwediſchen Geſetzen ſiehe WEXIONIUM, lib. V. cap. 8. p. 266. und Hr. Hofr. BUDERI bibliothecam iuris, cap. VI. §. 7. p. 101.
  • b) Das neue Geſetzbuch iſt unter folgendem Titul ins La einiſche uͤberſetzt: Codex legum Suecicarum ex Suetico ſermone in Latinum verſus a CHRI - STIANO KOENIG, Holmiae 1736. 4.

§. 34.

Die Staͤdte und Bauerndiſtricte haben ihre Untergerichte, von welchen an die 12. Land - oder Provincial-Gerichte, von dieſen aber an die 3. hoͤchſte ſo genannte Hofgerichte, als dasSchwe -320Schweden. Schwediſche zu Stockholm, das Gothiſche zu Jencoping und das Finniſche zu Abo appelliret wird. Jn den Dorfgerichten ſind allezeit 12. Bauern Beyſitzer. Jn den Hofgerichten muͤſ - ſen die Praͤſidenten aus dem Reichsrath genom - men werden. Das neue Geſetzbuch enthaͤlt zugleich die neue Proceßordnung, und ſind die Proceſſe kurz und ungekuͤnſtelt.

  • a) Vom Schwediſchen Juſtitzweſen handelt die Be - ſchreibung von Schweden, Th. I. Cap XXIV. und ROBINSON, ch. III. p. 27.
  • b) Von den Gerichten, WEXIONIUS, Lib. V. cap. 10, p. 278. insbeſondere von den Hofgerichten Art. 18. der Schwed. Reg. Form.
  • 1. Selecta iuris Suecici praecipue proceſſualia col - lecta et iunctim edita a CHRISTIANO NETTEL - BLADT, Jenae 1736. 4.

§. 35.

Vor Guſtav Waſa Zeiten waren die Reichseinkuͤnfre ſehr geringe. Unter ihm wuch - ſen ſie durch Einziehung der geiſtlichen Guͤter, unter Carl XI. ſtiegen ſie durch die Reduction der veraͤuſſerten Kronguͤter am hoͤchſten. Carl XII. machte das Reich durch ſeine unerſchwing - liche Auflagen blutarm. Durch die neue Re - gierungsform Art. 25. iſt der Staat der ordent - lichen Reichseinnahme und Ausgaben auf den Fuß geſetzt, wie er 1696. geweſen. Die Reichs - einkuͤnfte beſtehen 1) in den eintraͤglichen Do -mainen321Schweden. mainen, 2) in verſchiedenen nutzbaren Regalien, beſonders 3) in den Bergwerkszehenden und 4) den Zoͤllen, 5) in der Acciſe, 6) in der Kopf - ſteuer, die vom Buͤrger und Bauer bezahlet wird, 7) in dem Antheil an den geiſtlichen Ze - henden. Jn auſſerordentlichen Faͤllen wird ei - ne Vermoͤgenſteuer ausgeſchrieben, die bald groͤſſer bald geringer iſt, und davon Niemand ausgenommen wird.

  • a) Anmerkung von der jetzigen Einrichtung der Zoͤlle.
  • b) Die Kopfſteuer wird von Perſonen unter 15. und uͤber 60. Jahren nicht bezahlt.
  • c) Die Vermoͤgenſteuer iſt bißweilen biß auf den 5ten Pf. der Revenuͤen gegangen.

§. 36.

Alle Kroneinkuͤnfte flieſſen im Cammer - Collegio und Staatscomptoir zuſammen, wor - innen einer von den Reichsraͤthen den Vorſitz hat, die Gegenrechnung aber wird durch die Cammer-Reviſion gefuͤhret. Die Diſpoſition der eingekommenen Gelder dependiret vom Reichs - rathe. Dem Koͤnige iſt eine maͤßige Summe an - geſchlagen, welche zu ſeinem alleinigen Gutbe - finden anheim gelaſſen wird. Die Erhoͤhungen der Abgaben muͤſſen auf dem Reichstage be - williget werden.

  • a) Beſchreibung von Schweden, Th. I. Cap. XII. und ROBINSON, ch. X. p. 66. handeln von dem Finanzſtaate, geben aber ſehr magere Nachrichten.
X§. 37.322Schweden.

§. 37.

Der Schweden Kriegsruhm hat ſich in den aͤlteſten Zeiten ausgebreitet, und iſt in dem vorigen Jahrhundert wieder aufgelebet. Carl XI. errichtete eine Armee von 80.000. Mann. Durch die langwuͤrige Kriege und verlohrne Ne - benlaͤnder iſt der Kriegsſtaat zwar ſehr geſchwaͤ - chet worden; jedennoch ſind anjetzt wuͤrklich 64. 000. Mañ auf den Beinen. Carln XI. ſind auch die vortreffliche Anſtalten zu danken, daß nirgends in der Welt mit ſo wenig Beſchweerde des Lan - des und mit ſo geringen Koſten eine ſo groſſe Macht beſtaͤndig unterhalten werden kann. Das Kunſtſtuͤck beſtehet darinnen, daß man eine Na - tional-Armee als regulaͤre Feldtruppen formiret hat, die man als eine Landmilitz beſoldet. Doch ſind die Koͤnigliche Garden, das Artillerie Corps und die geworbene Regimenter hievon ausge - nommen. Die groſſe Zeughaͤuſer ſind zu Stock - holm und Jencoping, wegen der Jnvaliden ſind auch gute Anſtalten gemacht. Das ganze Kriegsweſen wird durch den Kriegsrath dirigiret.

  • a) Die Schotten haben die Schweden das Kriegs - hanowerk gelehrt.
  • b) PUFENDORF de rebus geſtis Caroli Guſtaui, lib. I. §. 50. wo Erich Oxenſtirn ſpricht: equidem Sue - ciam manibus Guſtaui Adolphi victricibus a com - temtu vindicatam fatemur.
  • c) Carl XII. hatte 1701. an wuͤrklichen Combattan - ten 18. 782. M. Cavallerie, 6. 904. M. Dragonerund323Schweden. und 55. 206. M. Jnfanterie. Siehe uͤberhaupt Be - ſchreibung von Schweden, Th. I. Cap. XIV. und ROBINSON, ch. XI. p. 71.
  • d) Von der Einrichtung des Kriegsraths, Art. XIX. der Schwed. Reg. Form.

§. 38.

Guſtav Waſa legte den Grund zur Schwe - diſchen Seemacht, unter Guſtav Adolphen wurde ſolche anſehnlich, unter Carl XI. noch weit anſehnlicher. Dennoch haben die Schwe - den zur See mehrentheils ungluͤcklich gefochten. 24. Kriegsſchiffe von der Linie, 20. Fregatten und 22.000. Matroſen ſind der jetzige Beſtand der Schwediſchen Flotte. Dieſe Schiffe wer - den groͤßtentheils zu Carlskron verwahrt. Alles, was zu Ausruͤſtung einer Flotte erforderlich iſt, hat Schweden im Ueberfluß.

  • a) Von der Schwediſchen Seemacht, WEXIONI - US, lib. VI. cap. 4. und Beſchreibung von Schwe - den, eb daſ. Bl. 425.

6. Staatsintereſſe.

§. 39.

Da die abſolute Gewalt der letzteren Koͤ - nige das Reich ſo ungluͤcklich gemacht, als von einer eingeſchraͤnkten Regierung nimmermehr zu befuͤrchten iſt; ſo hat man die jetzige Einrich -X 2tung324Schweden. tung geſchickter befunden, um dem Reiche wie - der nach und nach aufzuhelfen. Auf dieſe Art ſcheint das Jntereſſe der Krone zu erfordern, und das Jntereſſe des Adels erfordert es noth - wendig, fuͤr die Erhaltung der heutigen Ver - faſſung deſto wachſamer zu ſeyn, je leichter ſel - bige durch innerliche Factionen Anſtoß leiden koͤnnte. Uebrigens iſt es dem wahren Wohl des Reichs gemaͤſſer, durch Ruhe, gute Oeco - nomie und Befoͤrderung des Handels und der Manufacturen den ruinirten Unterthan wieder zu Kraͤften zu bringen; als durch Gewalt der Waffen ſein altes Anſehen und ſeine verlohrne Laͤnder wieder ſuchen zu wollen.

  • a) Alte Eiferſucht zwiſchen dem hohen und niedri - gen, alten und neuen Adel.
  • b) Gefaͤhrliche Macht des Bauernſtandes.
  • c) Von den Huͤthen und Nachtmuͤtzen.
  • d) Wie auswaͤrtige Puiſſancen davon nuͤtzlichen Gebrauch gemacht.

Die Druckfehler ſollen wegen Mangel des Raums kuͤnftig im Anhange beſonders angezeiget werden.

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TextAbriß der neuesten Staatswissenschaft der vornehmsten Europäischen Reiche und Republicken
Author Gottfried Achenwall
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Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationAbriß der neuesten Staatswissenschaft der vornehmsten Europäischen Reiche und Republicken zum Gebrauch in seinen Academischen Vorlesungen Gottfried Achenwall. . [6] Bl., 324 S. SchmidtGöttingen1749.

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  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
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