PRIMS Full-text transcription (HTML)
Abriß der neueſten Staatswiſſenſchaft der vornehmſten Europaͤiſchen Reiche und Republicken
zum Gebrauch in ſeinen Academiſchen Vorleſungen.
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Goͤttingen,beyJoh. Wilhelm Schmidt, Univ. Buchhaͤndl. 1749.

Dem Hochgebohrnen Freyherrn Herrn Serlach Adolph von Muͤnchhauſen, Koͤniglich Groß-Britanniſchen und Chur-Braunſchweig-Luͤneburgiſchen Hochbetrauten wuͤrklichen Geheimen Rathe und Groß-Voigte wie auch der Georg-Auguſt-Univerſitaͤt Hoͤchſtanſehnlichen und Hoͤchſtverdienten Curatoren Erbherrn auf Strausfurt ꝛc. Meinem gnaͤdigen Herrn,

Hochgebohrner Freyherr, Gnaͤdiger Herr,

Eure Hochgebohrne Ex - cellenz geruhen gnaͤdig, Sich dieſe geringe Blaͤtter von mir in unterthaͤnigſter Ehrfurcht uͤberrei -): (3chenchen zu laſſen. Es iſt Hochde - nenſelben durch eine vieljaͤhrige Gewohnheit ſo natuͤrlich geworden, alles, was nur einen Trieb zur Ge - lehrſamkeit anzeiget, mit huldreichem Angeſicht aufzunehmen, daß ich be - fuͤrchten muͤßte, an Hochdero nie genug zu preiſenden Leutſeeligkeit mich zu verſuͤndigen, wenn ich Ent - ſchuldigungen daruͤber machen woll - te, daß ich mich erkuͤhnet, Dero Erlauchten Ramen gegenwaͤr - tiger Schrift vorzuſetzen. Das Vertrauen auf dieſe verehrungs - wuͤrdige Huld koͤnnte mir mit hundert andern, die ſich draͤngen, Hochdenenſelben ihre gelehrte Bemuͤhungen zu widmen, hinlaͤnglichſeyn,ſeyn, mein Unternehmen zu rechtfer - tigen. Allein, warum ſollte ich der - gleichen Rechtfertigung ſuchen, da ich vielmehr mich gluͤcklich ſchaͤtze, oͤf - fentlich bekennen zu koͤnnen, daß die von Eurer Hochgebohrnen Excellenz mir ganz unverdient zu - flieſſende unſchaͤtzbare Wohlthaten dieſe ehrfurchtsvolle Zueignung mir als eine unumgaͤngliche Schuldigkeit auflegen. Die Groͤſſe der empfan - genen Gnadensbezeugungen kann ich mit Worten nicht ausmeſſen, noch viel weniger darf ich gedenken, an den Ruhm Hochdero erhabenen Ei - genſchaften mich zu wagen. Alles, wodurch ich mein dankbegieriges Herz ausſchuͤtten kann, beſtehet in): (4denden treuen Wuͤnſchen vor Hoch - dero ungekraͤnktes Wohl, und in der ehrerbietigen Verſicherung, daß ich in unwandelbarem Gehorſam er - ſterbe

Eurer Hochgebohrnen Excellenz unterthaͤnigſter Knecht, Gottfried Achenwall.

Mein Leſer,

Hier haſt du eine neue Einlei - tung in die Staatswiſſenſchaft der vornehmſten Europaͤiſchen Reiche. Sie iſt aus dreyjaͤhrigen Vor - leſungen entſtanden, die ich zuerſt in Marburg, und hernach auf hieſiger Uni - verſitaͤt daruͤber angeſtellt. Jch entwarf anfangs kurze Saͤtze, ich verbeſſerte ſolche nach und nach, und fand Urſa - che, bey dieſem einmal erwaͤhlten Leit - faden meiner Statiſtiſchen Stunden beſtaͤndig zu bleiben. Bey meiner An - kunft alhier zeigte ich den Plan, wor -): (5nachVorrede. nach ich jeden Staat abhandle, und die Ordnung, nach welcher ich die ein - zelne Theile der Staatskenntniß ein - richte, in der Vorbereitung zu dieſer Staatswiſſenſchaft an. Jch habe ſol - che mit einigen Veraͤnderungen wie - der abdrucken, und in gegenwaͤrtiger Schrift voran ſetzen laſſen, weil ſie ſtatt einer Tabelle zu den Hauptbe - trachtungen eines jeden Reiches dienen kann. Denn nach dieſem Grundriſſe ſind die hierinnen enthaltene Staaten ausgearbeitet. Verſchiedene Bewe - gungsgruͤnde haben mich theils gemuͤſ - ſiget, theils angefriſcht, dieſe Einlei - tung fruͤhzeitiger dem Drucke zu uͤber - geben, als ich ſonſt geſonnen war. Nim alſo vorlieb mit dem, was ich dir uͤberliefere. Forderſt du etwas voll - kommenes, ſo lege meine Blaͤtter zu - ruͤck. Verlangeſt du etwas weniger mangelhaftes, ſo mußt du warten. Jch ſammle fleißig an Vermehrungen, Zu - ſaͤtzen und Verbeſſerungen, und ich hoffe dir ſolche kuͤnftig in einem An - hange zu uͤberreichen. Jch geſtehe dir offenberzig, daß ich in keinem von denhierVorrede. hier beſchriebenen Staaten mich per - ſoͤnlich aufgehalten, auch nicht alle hierinnen einſchlagende, ſondern nur diejenige Buͤcher gebraucht, die ich an - fuͤhre. Aber dieſes ſage ich zu meiner Entſchuldigung: deßwegen haſt du noch kein Recht, meine Abſicht und meine Arbeit ganz zu verwerfen. Ge - ſetzt, du uͤberſaͤheſt mich ſehr weit in einem Staate, darinnen du viele Jah - re gegenwaͤrtig geweſen, oder welches genauer kennen zu lernen du mehrere Zeit und Gelegenheit gehabt, als ich: ſo darfſt du nur bedenken, daß ich meh - rere Reiche haben abhandeln muͤſſen, daß ich weniger Zeit darauf habe wen - den koͤnnen, daß ich einen Abriß, keine Ausfuͤhrung geſchrieben, daß ich eini - ges vielleicht mit Fleiß nicht ſchreiben wollen, und daß endlich etwas nicht zu wiſſen, daß man noch nicht wiſſen koͤn - nen, kein Verbrechen ſey.

Jch ſehe die Welt aus meinem Ge - ſichtspuncte, du aus einem andern: warum ſollteſt du nicht manches beſſer erkennen koͤnnen, als ich, da du ver - ſchiedene mir entfernete und dunkeleStaats -Vorrede. Staatsgegenſtaͤnde naͤher haſt, und in ihrem Licht ſehen kanſt.

Was ich nicht weiß, lehre mich, was du beſſer kennſt, davon unterrichte mich, oͤffentlich oder im Vertrauen, es iſt mir einerley: ich werde dir allezeit davor Dank wiſſen. Jch ſuche meinen Zuhoͤrern und dem Teutſchen Leſer zu dienen. Haͤltſt du meine vorliegende Bemuͤhung dazu nicht ganz ungeſchickt, und haſt du ſo viel Neigung vor das gemeine Beſte und ſo viel Gewogenheit vor mich, ſo bereichere meine Saͤtze mit deinen Anmerkungen, und lebe uͤbri - gens wohl. Goͤttingen, den 12. April, 1749.

Vor -

Vorbereitung.

  • 1. IOANNIs ANDREAE BOSII introdu - ctio generalis in notitiam rerum publicarum orbis vniuerſi, lenae 1676. 4.
  • 2. Fridrichs Leutholfs von Franckenberg (Bern - hards von Zech) Europaͤiſcher Herold, 2 Theile, Leipzig 1705, Fol im Vorbericht
  • 3. IOANNI NICOLAI HERTII diſſ. de notitia ſingularis rei publicae, vol. I. tom. II. commentationum atque opusculorum pag. 3.
  • 4. EVERHARDI OTTONIS notitia praeci - puarum Europae rerum publicarum, ed. IV. Traiecti ad Rhenum 1739. 8 in prolegominis.

§. 1.

Der Begriff der ſogenannten Statistic, das iſt, der Staatswiſſenſchaft einzelner Rei - che wird ſehr verſchiedentlich angegeben, und man trifft unter der groſſen Menge Schriften davon nicht leicht eine einzige an, welche in der Zahl und Ordnung ihrer Theile mit der andern -Aberein2Vorbereitung zurberein kommen ſollte. Es iſt alſo nicht undien - lich, dasjenige, was man ſich unter dieſem Namen eigentlich vorzuſtellen hat, und was in ihrem Umfange enthalten iſt, zu unterſuchen, und die natuͤrliche Einrichtung und Verbin - dung ihrer Abtheilungen feſt zu ſetzen.

§. 2.

Aus dem Natur - und Voͤlker-Rechte wiſſen wir, was eine buͤrgerliche Geſellſchaft oder Republick iſt. Man erklaͤrt ſie als ei - ne Geſellſchaft vieler Familien, welche zu Be - foͤrderung ihrer gemeinſamen Wohlfahrt ver - mittelſt einer Regierung miteinander vereiniget ſind. Jnsbeſondere nennt man ſolche ein Reich, wenn eine einzelne Perſon regiert, der al - le andere unterworffen ſind; hergegen, wenn ei - ne ganze Geſellſchaft darinnen zu befehlen hat, heißt ſolche im engern Verſtande ein Freyſtaat oder eine Republick.

§. 3.

Dieſe Begriffe helfen uns, das Wort Staat deutlich zu erkennen. Man ſtellet ſich darunter verſchiedenes vor: bald eine jede buͤr - gerliche Geſellſchaft, bald eine freye buͤrger - liche Geſellſchaft, das iſt, die auſſer ihrem eige - nen Oberhaupte weiter keinem menſchlichen Be - fehle unterthaͤnig iſt, bald eine Republick, wo viele zugleich das Regiment fuͤhren, und bis -weilen3Staatswiſſenſchaft. weilen auch das Regierungsweſen, wenn es ſo viel als Staatsverfaſſung bedeutet. Aber in dem Worte Staatswiſſenſchaft hat es ei - ne ganz andre Bedeutung. Dieſe macht ſich nicht bloß mit Menſchen; ſondern auch mit ih - rem Eigenthum zuſchaffen. Wir werden alſo wohl den Staat als den Jnbegriff alles deſ - ſen anſehen muͤſſen, was in einer buͤrgerli - chen Geſellſchaft und deren Lande wuͤrckliches angetroffen wird?

§. 4.

Jm weitlaͤuftigſten Verſtande kann man dieſe Erklaͤrung gelten laſſen; aber unſere Ab - ſicht erfordert, ſolche mehr einzuſchraͤncken. Man will etwas lernen: alſo hat man einen Endzweck. Der Endzweck muß einen wahren Nutzen zum Grunde haben. Wie wird uns denn die Er - kenntniß eines Staats nuͤtzlich? Auf vielerley Art; der Hauptnutzen aber beſtehet darinnen, daß man hieraus einſehen lernt, wie gluͤckſee - lig oder ungiuͤckſeelig ein Reich ſey, ſo wohl an ſich ſelbſt betrachtet, als in Abſicht auf andere Staaten, und dadurch in den Stand geſetzt wird, Schluͤſſe zu formiren, wie ein Staat kluͤglich zu regieren ſey, das heißt, um davon eine Anwendung in der Politic zu ma - chen. Alſo gehoͤret nur dasjenige hieher, was die Wohlfahrt einer Republic in einem merck - lichen Grade angeht, es mag nun ſolche hin -A 2dern4Vorbereitung zurdern oder befoͤrdern, und dieſes nennen wir mit einem Worte: was merckwuͤrdig iſt. Dieſes wollen wir gruͤndlich einſehen, folglich aus ſeinen Urſachen erkennen, und alſo eine Wiſſenſchaft davon erlangen. Da haben wir, was wir ſuchen. Die Saatswiſſenſchaft ei - nes Reiches enthaͤlt eine gruͤndliche Kentniß der wuͤrklichen Merkwuͤrdigkeiten einer buͤrgerlichen Geſellſchaft.

§. 5.

Es bemuͤht ſich alſo jemand, aus dem un - zaͤhlbaren Haufen derer Sachen, die man in einem Staatscoͤrper antrifft, dasjenige ſorgfaͤl - tig herauszuſuchen, was die Vorzuͤge oder Maͤn - gel eines Landes anzeigt, die Staͤrke oder Schwaͤche eines Staats darſtellt, den Glanz einer Crone verherrlichet oder verdunkelt, den Unterthan reich oder arm, vergnuͤgt oder miß - vergnuͤgt; die Regierung beliebt oder verhaßt; das Anſehen der Majeſtaͤt in - und außerhalb des Reichs furchtbar oder veraͤchtlich macht, was einen Staat in die Hoͤhe bringt, den an - dern erſchuͤttert, den dritten zu Grunde rich - tet, einem die Dauer, dem andern den Um - ſturtz prophezeyet, kurtz alles, was zu gruͤnd - licher Einſicht eines Reichs, und zu vortheil - hafter Anwendung im Dienſte ſeines Landes - herrn etwas beytragen kann: was erlangt ein ſolcher? die Staaswiſſenſchaft eines Rei - ches.

* Die5Staatswißenſchaft.
*Die Lateiner nennen es notitiam reipublicae ſingularis, und ſondern es alſo von der allgemeinen Staatswiſſenſchaft ab. Es iſt ſolches wohl zu mer - cken. Die letztere erweiſet, wie eine buͤrgerliche Ge - ſellſchaft uͤberhaupt eingerichtet ſoll: die erſtere aber erzehlet, wie eineſolche einzelne groſſe Geſellſchaft in ihrer ganzen Verfaſſung wuͤrcklich eingerichtet iſt.
*

§. 6.

Jhr Umfang bleibt alſo noch allemal ſehr weitlaͤuftig, und weitlaͤuftiger, als daß man ſolchen nebſt allen ſeinen Theilen gleichſam mit einem Maaßſtaabe voͤllig ausmeſſen koͤnnte. Deswegen nenne ich nur dasjenige merckwuͤrdig, was das Wohl eines Reichs in einem merck - lichen Grade angehet, und ſetze alſo zur Haupt - regel: je mehr etwas die Wohlfahrt eines gan - zen Reichs betrifft: je nothwendiger wird deſ - ſen Erlaͤuterung in der Staatswiſſenſchaft.

§. 7.

Man muß alſo aus den unendlichen Merck - wuͤrdigkeiten die nothwendigſten heraus neh - men, ohne welche die wahre Beſchaffenheit der Wohlfahrt einer Nation nicht begriffen werden kann. Dieſe ſetze man zu ſeiner Betrachtung aus, und ſtecke ihre Grenzen ab: ſo laͤßt ſich der ganze Bezirk endlich uͤberſehen und durch - wandern, und es kommt nur darauf an, daß man denjenigen Weg erwaͤhlt, welchen uns dieA 3Natur6Vorbereitung zurNatur in einer geſchickten und ordentlichen Lehr - art zeiget.

§. 8.

Die vergangene Begebenheiten eines Reichs ſind die Quellen, woraus deſſen jetziger Zuſtand unmittelbar flieſſet. Daher ſetzet die Staats - wiſſenſchaft unwiderſprechlich eine Kenntniß des Urſprungs und der Hauptveraͤnderungen eines Reichs voraus. Die Geſchichte der Staats - veraͤnderungen (Revolutionen) eines Reichs iſt alſo das erſte, was in der Staatswiſſen - ſchaft eines jeden Volks abgehandelt werden muß. Man geht ſolche nach gewiſſen Periodis in einem kurzen Zuſammenhange durch, um ſich einen Begriff uͤberhaupt zu machen, wie ein Reich durch ſeine verſchiedene Abwechſelungen endlich die heutige Geſtalt erlanget. Zweyerley iſt hiebey hauptſaͤchlich zu eroͤrtern: 1) die Ver - aͤnderungen der Regierungsform, 2) die Ver - aͤnderungen der Provinzen, welche nach und nach entweder einem Staate zugefallen, oder davon abgekommen. Jn den erblichen Monarchien muͤſſen noch 3) die Veraͤnderungen der Fami - lien, welche den Thron beſeſſen, beygefuͤgt werden. Alle uͤbrige beſondere Begebenbeiten eines Staats uͤberlaſſen wir der eigentlich ſo genannten Hiſtorie. Die Revolutionen mit ih - ren Urſachen und Folgen ſind zu unſerm End - zwecke allein noͤthig, und zugleich hinlaͤnglich:es mag7Staatswiſſenſchaft. es mag ſolche der Zuhoͤrer als eine Vorbereitung, oder als eine kurtze Wiederhohlung der ganzen Geſchichte anſehen.

§. 9.

Mit dieſem Wegweiſer fangen wir nun an, die fuͤrnehmſten Merkwuͤrdigkeiten eines Reichs in Augenſchein zu nehmen. Alles, was wir darinnen antreffen, laͤßt ſich in zween Haupt - puneten zuſammen faſſen. Man betrachtet ent - weder ein Reich vor ſich allein, oder verſchie - dene Reiche mit einander. Jenes macht den eigentlichen Staat eines Reiches aus; dieſes aber lehrt uns das Verhaͤltniß der Reiche ge - gen einander erkennen, und muß beſonders traetirt werden.

§. 10.

Der erſte Anblick der vielen Merkwuͤrdig - keiten eines Reiches, wenn man es an ſich ſelbſt betrachtet, kommt mir wie ein Jrrgarten vor. Ein jeder, der den rechten Gang nicht weiß, nimmt ſeine beſondere Wege. Herein kommt man leicht: aber wie findet man ſich heraus? Man muß alles in zwo Claſſen abſondern. Ein Reich beſtehet aus Land und Leuten. Unter dieſe beyde Begriffe laͤſſet ſich alles bringen.

§. 11.

Wenn ich hier Land (Territorium) nen -A 4ne,8Vorbereitung zurne, ſo verſtehe ich darunter einen gewiſſen Theil des Erdbodens, welchen ein Volck eigenthuͤmlich beſitzet. Die Gewaͤſſer ſind davon nicht ausge - ſchloſſen. Was unter und uͤber der Flaͤche des Erdbodens iſt, ſo fern es in einer Verbindung mit dem Lande ſtehet, und ihm und ſeinen Ein - wohnern Vortheil oder Schaden bringt, gehoͤrt hieher.

§. 12.

Zum Lande eines Volkes rechnet man ſo - wohl ſeinen eigentlichen Sitz, welcher mit der Nation einerley Nahmen fuͤhret; als die ande - re hinzugekommene Stuͤcke. (Acceſſiones.)

§. 13.

Die Betrachtung des Stammſitzes eines Volks begreift uͤberhaupt ſeine Lage, Clima, Groͤſſe, Grenzen, Fluͤſſe, Seen, Meere und Meerengen, Berge und Felder, und die damit verknuͤpfte Vortheile oder Maͤngel, Ueberfluß oder Abgang an Fiſchen und ſchiffreichen Stroͤ - men, Salz, Baͤdern und Geſundbrunnen; an Metallen, Mineralien und Weinbergen; an Feld - und Garten-Fruͤchten; an Holz, Vieh - zucht, Fluͤgelwerk und Wildbret.

§. 14.

Jnsbeſondere aber gehoͤret noch hieher die Eintheilung in Provinzen, die Staͤdte, Feſtun -gen9Staatswiſſenſchaft. gen und Seehaͤfen, die Zuſammenleitung der Fluͤſſe und Vereinigung der Meere.

*Man kan hiebey Gelegenheit uehmen, ſich in der Reſidenz, den Luſtſchloͤſſern nnd Erbbegraͤbniſſen um - zuſehen, auch der Ueberbleibſel der Roͤmiſchen und anderer Alterthuͤmer zu erwehnen.
*

§. 15.

Aus den erworbenen Laͤndern, ſie moͤgen in - oder auſſerhalb Europa liegen, erkennet man bald die gluͤcklichen Heyrathen und Erbſchaften eines Regenten, bald den kriegeriſchen oder Han - delsgeiſt eines Volks. Man ſchildert ihre na - tuͤrliche oder durch Fleiß vermehrte Vortheile auf gleichmaͤßige Art ab. Man haͤlt ſolche mit dem Stammſitze einer Nation zuſammen, und findet Staaten, die ihr ganzes Anſehen hinter der Linie herhohlen, man findet andere, deren entferntes Eigenthum ihnen zur Laſt gereicht, und deren Wohl dadurch gehemmet wird, daß ſie zu viel beſitzen.

  • 1. Hr. Prof. Koͤhler in der verbeſſerten neuen Geographie, Johann Huͤbner in der vollſtaͤndi - gen Geographie, und der Abt LENGLET DV FRESNOY in ſeiner Methode pour étudier la Geographie VII. tomes III. ed. à Paris 1742. 12. geben nebſt verſchie - denen andern gute Anleitung zu dieſer Wiſſenſchaft.
  • 2. Le grand dictionnaire geographique et criti - que par M. BRVZEN LA MARTINIERE VIII. tomes, à la Haye, Amſterdam et Rotterdam 1726-39. f. Die - ſes Werk wird ſeit 1744. zu Leipzig unter dem Titul:A 5Hi -10Vorbereitung zurHiſtoriſch-Politiſch-Geographiſcher Atlas, teutſch uͤberſetzt und vermehrt.
  • 3. Von der Wahl der Landeharten iſt Johann Huͤb - ners Muſeum geographicum, und oberwehnter du FRESNOY t. I. nachzuſchlagen.
  • 4. La galerie agreable du monde, LXVI. tomes, le tout mis en ordre & executé par PIERRE VAN DER AA, à Leide, f.

§. 16.

So viel mag genug ſeyn, vom Lande zu wiſ - ſen. Nunmehr wollen wir auch mit den Ein - wohnern Bekanntſchaft machen. Die Menſchen ſind in allen Staatsbetrachtungen das Hauptziel. Wir muͤſſen nichts Merkwuͤrdiges von ihnen aus - laſſen. Man kan ſie von zwo Seiten beſchauen. Von der erſten erblicken wir ſie bloß als natuͤr - liche Menſchen; von der andern ſtellen ſie ſich als Mitglieder eines gemeinſchaftlichen Staats - coͤrpers, als Buͤrger dar.

§. 17.

Bey den natuͤrlichen Eigenſchaften ei - nes Volks pflegt man ihre Sprache mit abzu - handeln. Dieſes Volk hat ſeine eigene Spra - che, jenes hat ſie von andern geborgt. Man findet Laͤnder, deren Sprache, wie ihre Ein - wohner, aus verſchiedenen andern zuſammen ge - ſchmolzen iſt. Man darf die Sprache in den meiſten Reichen nur kurz beruͤhren: weil ſie bloßda11Staatswiſſenſchaft. da gewiſſe Staatsvortheile bringt, wo man ſie brauchet, um andern ein ſchleichendes Gift in dieſer Modeſchuͤſſel zu reichen.

§. 18.

Die Vielheit der Einwohner eines Reichs iſt ein weit betraͤchtlicherer Punct, und die erſte Grundſaͤule eines Reichs. Man reiſe die Eu - ropaiſche Laͤnder durch, ſo wird man den Un - terſchied in der Anzahl der Menſchen mit Erſtau - nen wahrnehmen. Hier muß man ſich durch eine unzaͤhlige Menge durchdraͤngen: dort hat man Noth, Menſchen zu finden. Die Urſachen dieſer Unaleichheit ſind nicht uͤberall einerley. Man muß ſie ſorgfaͤltig ausſpuͤren, um die wah - ren Mittel, dem Mangel abzuhelffen, ausfindig machen zu koͤnnen.

  • 1. Johann Peter Suͤßmilch von der goͤttlichen Ordnung in den Veraͤnderungen des menſchlichen Geſchlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflan - zung deſſelben erwieſen, Berlin 1741. 8.

§. 19.

Jnsbeſondere hat man ſowohl auf die na - tuͤrlichen Gaben einer Nation; als auf deren Anwendung, um ſich gluͤcklich zu machen, ſein Augenmerk zu richten.

§. 20.

Die natuͤrliche Gaben aͤuſſern ſich an ih -rem12Vorbereitung zurrem Coͤrper und an ihrem Gemuͤthe. Eine je - de Nation hat hierinnen etwas eigenes. Man unterſucht dasjenige, worinnen die meiſten ein - ander aͤhnlich ſind, und druͤcket es in allgemei - nen Saͤtzen aus. Es iſt aber nur ein wahr - ſcheinlicher Schluß.

*Man darf es alſo von einzelnen Perſonen nicht mit Gewißheit bejahen. Man findet uͤberall geſunde und ktanke, geſcheute und thoͤrichte, tugendliebende und laſterhafte Menſchen. Durch die Erziehung, das Alter, die groſſe Welt, die Wiſſenſchaften und Aus - uͤbung der Sittenlehre wird ein Menſch in eine ganz andere Form gegoſſen.
*

§. 21.

Aus der Schoͤnheit und Dauer ſchaͤtzt man die Vollkommenheit eines menſchlichen Leibes. Wie verſchieden ſind nicht die Voͤlker in der Farbe, Laͤnge und Staͤrke! Man hat ſo gar Krankheiten, die gewiſſen Nationen eigen ſind. Das Clima, Speiſe und Trank und die harte oder zaͤrtliche Lebensart traͤgt hiezu das meiſten bey.

§. 22.

Man bildet die Nationen auch nach ihrem Gemuͤthe ab. Es iſt nicht zu leugnen, daß nachdem die Temperamente verſchieden ſind, ein Volck mehr Witz oder mehr Tiefſinnigkeit habe, und geſchwinder oder langſamer denke, rede und handele. Die Affecten ſind eben ſo wenig uͤber -all13Staatswiſſenſchaft. all einerley, und aus den verſchiedenen Neigun - gen der Wolluſt, des Ehrgeitzes, der Geldbe - gierde oder Sorgloſigkeit erwachſen beſondere Gewohnheiten, welche man die Tugenden oder Laſter der Nationen zu nennen pflegt. Sie aͤuſ - ſern ſich hauptſaͤchlich in Ausuͤbung der Pflichten, ſowohl gegen ſich ſelbſt, als gegen andere.

*Man ſehe nur ihre Lebensart bey Tiſche, in der Kleidung und in ihren Luſtbarkeiten an. Man be - merke, wie ſie ſich im Eheſtande und der Kinderzucht verhalten, wie ſie ſich gegen ihre Obern und Untern und gegen Fremde auffuͤhren.
*
1.IOANNIS BARCLAII icon animorum cum notis AVGVSTI BVCHNERI, Dresdae 1681. 8.
1.

§ 23.

Dieſe Unterſuchungen ſind nicht ohne Nu - tzen; ſie werden uns aber ſonderlich brauchbar, um daraus zu begreifen, was die Voͤlker fuͤr verſchiedene Mittel ergreifen, ſich gluͤcklich zu machen, und wie weit ſie darinnen ihren Zweck erreichen oder nicht? Ueberall blickt ihr Chara - eter hervor, man mag ihren Fleiß in Wiſſen - ſchaften und Kuͤnſten, oder in andern Be - muͤhungen betrachten.

§. 24.

Man forſcht nach, ob? und was fuͤr Wiſſenſchaften und freyen Kuͤnſte ein Volk ſonderlich treibe? was fuͤr herrliche oder ſchlech -te14Vorbereitung zurte Anſtalten auf Schulen, Uniuerſitaͤten, Rit - ter - und Kunſt-Aeademien, und in Anſehung oͤffentlicher Bibliothecken und gelehrter Geſell - ſchaften zu deren Befoͤrderung anzutreffen ſeyn? wie weit es ein Volk darinnen gebracht, und was fuͤr Maͤnner ihm beſonders Ehre machen?

  • 1. CHRISTOPHORI AVGVSTI HEV - MANNI conſpectut reipublicae litterariae, cap. IV.

§. 25.

Die Sorgfalt oder Schlaͤfrigkeit einer Na - tion in andern Arbeiten kan man hauptſaͤch - lich aus ihren Handwercken und Commercien erkennen.

§. 26.

Der Bauer empfaͤngt den Seegen der Natur aus der erſten Hand. Was nicht ver - zehrt wird, liefert er entweder dem Handwerks - mann, um es zum allgemeinen Nutzen zuzube - reiten, oder dem Handelsmann, um es aus - waͤrts zu verfuͤhren. Ob und was fuͤr rohe Materialien im Lande verarbeitet werden? wie geringe oder anſehnlich die Manufacturen ſind? muß unumgaͤnglich ausgefuͤhret werden. Denn dieſes macht die wichtigſte Vorzuͤge eines Rei - ches vor dem andern aus.

1. Paul15Staatswiſſenſchaft.
  • 1. Paul Jacob Marpergers neueroͤfnetes Manufacturen-Haus, Hamburg 1704. 12.
  • 2. George Heinrich Zinkens Teutſches Real - Manufactur - und Handwercks-Lexicon, 1. Theil, Leipzig 1745. gr. 8.
*Von dem Landbau, der Viehzucht, Fiſcherey u. ſ. w. iſt §. 13. gedacht worden: alſo waͤre es un - noͤthig, in der Betiachtung eines Staats an dieſem Orte des Bauernſtandes beſonders zu gedenken.
*

§. 27.

Ohne Manufacturen ſteht der Handel einer Nation auf ſchwachen Fuͤſſen. Wenn ein Volk dasjenige, was es in ſeinem Lande ſelbſt erzeuget und ſelbſt verarbeitet, auch ſelbſt aus - fuͤhrt: ſo kann es ſich erſt ruͤhmen, daß ſeine Com - mercien dauerhaft, und ſein Reichthum uner - ſchoͤpflich ſey. Weil nach der heutigen Verfaſſung Europens die ganze Macht eines Staats groͤß - tentheils hierauf beruht: ſo muß man ſich ſo weit darinnen einlaſſen, als es moͤglich iſt, und die Waaren, die aus - und eingefuͤhret werden, die Laͤnder, wohin gehandelt wird, die Einrichtung der Handelsgeſellſchaften, das Muͤnzweſen, die Banco und den Profit, der einem Lande daraus zuwaͤchſet, in Betrach - tung ziehen.

  • 1. Eſſai politique ſur le commerce par M. M*** (Montesquiou) à Amſterd. 1735. 8.
  • 2. Reflexions politiques ſur les finances et le com - merce, II. tomes, a la Haye 1740. 8.
3. Von16Vorbereitung zur
  • 3. Von Manufacturn und Commercio. Franckf. und Leipz 1740. 4.
  • 4. Le parfait negociant par JAQVES SAVARY II. tomes, à Geneve 1676. 8.
  • 5. Dictionnaire univerſel de commerce, ouvrage poſthume de JAQVES SAVARY continué et donné au public par M. PHILEMON LOUYS SAVARY II. tomes, à Paris 1723. f.
  • 6. Allgemeine Schatzkammer der Kaufmann - ſchaft, 4 Theile, Leipzig 1741. und 1742. f.

§. 28.

Wir muͤſſen zum Hauptwerke eilen, und die Einwohner auch als Buͤrger, die vermittelſt einer Regierung zu ihrer gemeinſchaftlichen Si - cherheit und Gluͤckſeeligkeit vereiniget leben, be - trachten. Jn dieſer Bedeutung iſt der Landes - herr ſelbſt als der fuͤrnehmſte Buͤrger der Re - publick, (Ciuis eminens) mit darunter begrif - fen. Die ganze Verfaſſung eines gemeinen Weſens kennen zu lernen, muß man drey Haupt - ſtuͤcke erwaͤgen: die Reichsgeſetze, die Verbin - dung zwiſchen dem Regenten und den Unter - thanen, und die Einrichtung der Reichsge - ſchaͤfte.

*Jch waͤhle mir hier eine eingeſchraͤnkte Mo - narchie zum Muſter meiner Ordnung, weil man bey ihr auf mehr Puncte Acht zu geben hat, als bey einem un umſchraͤnkten Reiche, oder bey einer Republick. Was alſo in den letztern nicht anzutreffen iſt; faͤllt von ſich ſelbſt aus.
*
§. 30.17Staatswiſſenſchaft.

§. 29.

Vor allen Dingen iſt noͤthig, ſich die Reichsgrundgeſetze bekannt zu machen, und ihren Urſprung, ihr Schickſal und ihren jetzi - gen Gebrauch zu unterſuchen.

*Das Reichsherkommen gehoͤrt gleichfalls hie - her. Wo man aber in einem Reiche weiter keine als dergleichen ungeſchriebene Geſetze findet: da kann man ſicher ſchlieſſen, daß der Wille des Regenten fuͤr das einzige Reichsgrundgeſetz gehalten wird.
  • 1. Hrn. Hofrath Johann Jacob Schmauſſens Corpus iuris gentium academicum, II. tomi, Leip - zig 1730. gr. 8.
  • 2. Corps univerſel diplomatique du droit des gens par M. DV MONT, VIII. tomes, à Am - ſterdam 1726-1731. avec les ſupplements de M. Rouſſet, V. tomes 1739. f.
*

§. 30.

Hierauf gruͤndet ſich die Verbindung zwiſchen dem Regenten und dem Untertha - nen, oder das Ius Publicum. Man muß demnach ſowohl den Regenten und ſeine Vor - rechte; als die Staͤnde und ihre Rechte mer - ken.

§. 31.

Jn Anſehung des Landesherrn und ſeiner Vorrechte iſt auf verſchiedenes Acht zu geben. Der Glantz ſeiner hohen Perſon und FamilieBfaͤllt18Vorbereitung zurfaͤllt am erſten in die Augen. Man bemerket ſeine Abſtammung, Vermaͤhlung und Erben, die Verwandtſchaft mit benachbarten Staaten, und die Vettern des regierenden Hauſes, oder die Prinzen vom Gebluͤthe. Dieſe genealogi - ſche Kenntniß iſt ſonderlich in Erbreichen un - entbehrlich.

  • 1. M. Gottlieb Schumanns jaͤhrliches gene - alogiſches Handbuch, Leipzig. 8.
  • 2. George Lohmeyers der Europaͤiſchen Kaͤy - ſer - und Koͤniglichen Haͤuſer hiſtoriſche und ge - nealogiſche Erlaͤuterung mit Beweisthuͤmern verſehen von Johann Ludwig Levin Gebhar - di, erſter Theil, Luͤneburg 1730. F.

§. 32.

Der Titul eines Regenten hat gemeinig - lich viele Veraͤnderungen erlitten. Bisweilen iſt er ein Denckmaal eines ſeit ganzen Jahr - hunderten ſchon erloſchenen Rechts, oͤfters ein unſterblicher Zeuge eines noch fortdauernden An - ſpruches. Wie oft iſt er nicht der Zunder zu den heftigſten Kriegsflammen geweſen?

  • 1. IOANNIS SELDENI tituli honorum ex verſione SIMONIS IOANNIS ARNOLDI, Francof. 1696. 4.
  • 2. I. C. BECMANNI ſyntagma dignitatum, II. partes, Francof. et Lipſiae 1696. 4. ſonder - lich diſſ. III. part. I.
§. 33.19Staatswiſſenſchaft.

§. 33.

Das Wappen pflegt ordentlich ein glei - ches Schikſal zu haben. Es iſt ohnedem nichts anders als ein hieroglyphiſcher Titul. Man muß ſolches voͤllſtaͤndig blaſonniren.

  • 1. Hrn. Prof. Koͤhlers jaͤhrlicher Wappen-Ca - lender, und Johann Wolffgang Triers Wap - penkunſt vermehrt von D. Chriſtian Johann Feu - ſteln, Leipzig 1744. 8.
  • 2. PHILIPPI I ACOBI SPENERI hiſtoria inſignium illuſtrium, ſeu operis heraldici pars ſpe - cialis, Francof. ad Moen. 1680. fol.

§. 34.

Die Herrlichkeit eines Thrones ſpiegelt ſich in dem Hofftaate eines Regenten und in ſei - nem Hofceremoniel. Mit dem aͤußerlichen Putzwerke mag ſich der Hofmann beſchaͤftigen. Der Staatsmann unterſucht, ob dieſes beydes wohl oder uͤbel eingerichtet, und der Hoheit des Regenten gemaͤß oder uͤbertrieben ſey. Er merkt an, was ein Hof hierinnen vor andern beſon - deres habe, und forſcht nach den geheimen Ur - ſachen und Abſichten davon.

  • 1. Gottfried Stievens Europaͤiſches Hofcere - moniel, andere und vermehrte Auflage, Leipzig 1723. 8.
  • 2. Johann Chriſtian Luͤnigs Theatrum ceremo - niale hiſtorico-politicum, II. Theile, Leipzig 1719. und 1720. f.
B 23.20Vorbereitung zur
  • 3. Le Ceremonial Diplomatique des Cours de l Europe par M. RO VSSET II. tomes, à Amſter - dam et à la Haye 1739. f. Es ſind die beyde letzte Theile von den V. tomes des Supplemens zu dem Corps Diplomatique.

§. 35.

Die Ritterorden verdienen hier auch ihren Platz. Sie ſind entweder weltlich oder geiſtlich, ohne Einkuͤnfte oder mit Einkuͤnften verſehen. Man betrachtet ihren Urſprung, die Ordensſta - tuta, ihre Einrichtung und Anſehen.

  • 1. Chriſtian Gryphii Entwurf der geiſt - und weltlichen Ritterorden, Leipzig und Breßlau, 1709. 8.
  • 2. Hiſtoire des ordres monaſtiques, religieux et militaires, (par HELYOT) VIII. tomes, à Paris 1714-1719. 4.

§. 36.

Sind ſonſt noch beſondere Vorzuͤge der geheiligten Perſon eines geſalbten und gekroͤnten Hauptes eigen, ſo kann man ſolche fuͤglich hier mit beruͤhren.

§. 37.

Hauptſaͤchlich aber muß man auf die Vor - rechte der Majeſtaͤt in Anſehung der Verbin - dung mit dem ganzen Reiche ſein Augenmerk rich - ten. Jſt es ein Wahl - oder Erbreich? faͤllt esbloß21Staatswiſſenſchaft. bloß auf die maͤnnliche, oder auch auf die weib - liche Linie? iſt die Gewalt des Regenten in ge - wiſſe Grenzen eingeſchraͤnkt, oder ſeinem freyen Willkuͤhr uͤberlaſſen? was iſt Rechtens nach den Reichegeſetzen, und was geſchicht? Kurz, hier iſt ein doppelter Gegenſtand: man muß ſo wohl die Art, den Thron zu erlangen, als die Rech - te der Landesregierung kennen lernen.

§. 38.

Von den Landesherrn geht man zu den Reichsſtaͤnden. Man muß ſie auſſer und in ihren Verſammlungen betrachten.

§ 39.

So verſchiedene Reiche wir haben: ſo ver - ſchieden trift man auch die Einrichtung der Staͤn - de an. Nicht uͤberall machen der hohe Adel und die Geiſtlichkeit beſondere Staͤnde aus. Der niedre Adel und die Gemeine oder Buͤr - gerſchaft gehoͤren ordentlich mit unter die Reichs - ſtaͤnde, bisweilen gar die Bauern.

*Man kann bey dem Adel zugleich die vornehmſte Familien eines Reiches anfuͤhren.
*

§. 40.

Wenn ſich die Reichsſtaͤnde verſammlen, ſo geht der Reichstag an. Hier iſt alles merk - wuͤrdig: Zeit, Ort, Art der Berathſchlagung,B 3Samm -22Vorbereitung zurSammlung der Stimmen, Schluͤſſe und deren Vollſtreckung, und alles was bey Ausſchreibung, Fortſetzung und Aufhebung eines Reichstages beobachtet wird.

§. 41.

Aus dieſer Verbindung zwiſchen einem Re - genten und ſeinen Staͤnden erwaͤchſet die Einrich - tung der Regierungsgeſchaͤffte. Jn einer Mo - narchie werden die Rechte der Majeſtaͤt und die allgemeine Staatsangelegenheiten uͤberhaupt im Namen des Landesherrn gemeiniglich durch ein ganzes Collegium beſorget, welches das hoͤch - ſte im Reiche iſt, und aus den beyden Departe - ments der einheimiſchen und der auswaͤrtigen Affeinen zu beſtehen pflegt, denen bißweilen ein Premier Miniſtre vorgeſetzet iſt.

§. 42.

Das Departement der auswaͤrtigen An - gelegenheiten hat mit andern Voͤlkern zu ſchaf - fen. Es verſchickt Geſandten, und negoeiirt mit den fremden, ſchließt Buͤndniſſe, und hat alle Kriegs - und Friedensgeſchaͤffte unter Haͤnden.

§. 43.

Das Departement der einheimiſchen An - gelegenheiten vertrit den Landesherrn unmittel - bar bey ſeinen Unterthanen, und beſorget auf deſ -ſen23Staatswiſſenſchaft. ſen Befehl alles, was die innerliche Ruhe und Gluͤckſeeligkeit des Landes angehet. Das heißt, es richtet die ganze Landespolicey ein. Von hier aus werden alle Geſetze ausgefertiget, geaͤn - dert und abgeſchafft, alle Aemter beſetzt, die Be - ſoldungen und andre Begnadigungen ausgetheilt, die Strafen beſtimmt. Es verwaltet alle Rech - te der Majeſtaͤt in geiſtlichen und weltlichen Sa - chen, und dirigiret alle herrſchaftliche Beamte und Landescollegia. Die beſondere Verfaſſung aber der Landesregierung ſieht man hauptſaͤch - lich aus dem Kirchen-Juſtitz-Cammer - und Kriegsſtaat.

§. 44.

Von den vier Hauptreligionen iſt die Heid - niſche in Europa vertilgt, die Mahometaniſche erhaͤlt ſich nur an der aͤuſſerſten Grenze, die Juͤ - diſche ſchleicht im Finſtern, die Chriſtliche allein beſitzt den Thron. Aber dieſe ungluͤckſeelige Mut - ter hat viel Aergerniß in ihrer Familie erlebt. Jhre Kinder haben ſich getrennet, und dieſe Tren - nung hat faſt alle Reiche erſchuͤttert. Und noch jezt verdienet der Einfluß der verſchiedenen Reli - gionen in den Staat unſer beſonderes Augen - merk.

§. 45.

Die Neigungen der Nationen, in der Re - ligion freygeiſteriſch, vernuͤnftig oder aberglaͤu - biſch zu dencken, die Verfaſſung des Kirchen -B 4regi -24Vorbereitung zurregiments und die Verhaͤltniß der Kirche gegen ihren Staat ſind uͤberall; in den Catholiſchen Staaten aber die Macht und der Reichthum der Cleriſey, und die Gewalt des heiligen Vaters noch beſonders merkwuͤrdig.

  • 1. Les religions du monde par ALEXANDRE ROSS, traduites de l’Auglois par THOMAS de la GRVE, II. parties, à Amſterdam 1669. 12.
  • 2. Hiſtoire des religions de tous les royaumes du monde par JOVET, IV. tomes, à Paris 1710. 12.

§. 46.

Durch das Juſtitzweſen wird den Unter - thanen Recht geſprochen, ihre Streitigkeiten ge - ſchlichtet, und ein jeder in ſeinem Eigenthum ge - ſchuͤtzt. Man hat angemerkt, daß je ſouverai - ner ein Reich iſt, deſto vollkommener das Ju - ſtitzweſen eingerichtet zu ſeyn pflegt. Man muß hiebey auf drey Stuͤcke acht geben, 1) auf die Ge - ſetze, welche den Unterthanen vorgeſchrieben ſind, und deren Sammlungen, 2) auf die Gerichte oder Juſtitzcollegia mit ihrer Subordination, 3) auf die Proceſſe oder die Art des gerichtlichen Verfahrens.

  • 1. Samuel Reihers allgemeine Rechtsgeſchich - te, Hamburg 1702. 12 Jſt ein Anhang des 3ten Theils des geoͤfneten Ritterplatzes.

§. 47.

Das Cammerweſen hat mit den Einkuͤnf - ten und Ausgaben eines Reichs zu thun. Die Finanzen werden ſchon von den Alten die Seh - nen der Republick genennet. Jn neuern Zeiten hat man ſich dieſer Wahrheit erinnert, und die wi -tzige25Staatswiſſenſchaft. tzige Franzoſen haben in den Cammeralſachen ſo gluͤckliche Entdeckungen gemacht, daß eine allge - meine Reformation des Finanzweſens in ganz Eu - ropa daraus entſtanden iſt. Man erkundiget ſich hiebey ſowohl, was fuͤr Einkuͤnfte ein Re - gent hat, als, wie ſie gehoben, und endlich, wozu ſie verwandt werden.

§. 48.

Die Einkuͤnfte eines Landesherrn ſind nicht in allen Reichen auf einerley Fuß geſetzt. Man hat ihrer unzaͤhlige Gattungen. Ueberhaupt hebt er ſolche aus ſeinem Eigenthum oder aus dem Eigenthum ſeiner Unterthanen. Zu den erſtern gehoͤren alle Nutzungen aus ſeinen Patri - monial - und Cammerguͤtern, welche man auch Domainen und Tafelguͤter zu nennen pflegt, und aus andern Regalien, das iſt aus denjenigen Sachen, die einem Privato nicht eigen ſeyn koͤn - nen, z. Ex. aus dem Bergwerks-Forſt - und Jagd - Salz-Poſt-Muͤnz-Stempelpapier-Regal.

*Die Domainen werden durch ledige Anfaͤlle der Lehnguͤter, durch Confiscationen, durch Einziehung der ehemals veraͤuſſerten Stuͤcke vermehrt. Je abſo - luter ein Herr iſt; deſto haͤufiger ſind die Regalien, de - ſto nutzbarer werden ſie gemacht. Bisweilen werden Monopolia daraus, und es hat geſchickte Cammerali - ſten gegeben, die die Kunſt erfunden, Regalien in or - dentliche Anlagen zu metamorphoſiten.
*

§. 49.

Die Einkuͤnfte, welche aus dem Eigen - thum der Unterthanen gezogen werden, heiſſenB 5uͤber -26Vorbereitung zuruͤberhaupt Abgaben, Auflagen, Contribu - tionen. Man theilet ſie in ordentliche und auſ - ſerordentliche. Doch iſt dieſe Eintheilung mehr theoretiſch, als practiſch. Die aͤlteſte Arten ſind die Steuern von den liegenden Gruͤnden, und die Zoͤlle von Ein - und Ausfuhr der Waaren. Hier - naͤchſt folgt die Acciſe oder der Licent von aller - hand Sachen, die durch den Gebrauch verzehrt werden, Kopf - und Vermoͤgen-Steuer, und allerhand ſchuldige Dons gratuits.

§. 50.

Alle Dieſe Einkuͤnfte werden bald von den Staͤnden, bald von dem Landesherrn ſelbſt durch gewiſſe dazu beſtellte Bediente gehoben, welche ſolche theils berechnen, theils in Pacht haben. Aus dieſen Canaͤlen fließt alles in das Cammercollegium znſammen, welches die Stel - le eines Reichsſchatzmeiſters vertrit, die ganze Rechnung uͤber Einnahme und Ausgabe fuͤhrt, und deßwegen mit Recht des Landes Herz genen - ne werden kann.

§. 51.

So groß aber die Revenuͤen eines Landes ſind: eben ſo groß und oͤfters noch weit groͤſſer ſind die Ausgaben. Es muß der Regent, deſ - ſen Familie und der ganze Hofſtaat erhalten, die unzaͤhlige Beamte beſoldet, und alles, was zur Sicherheit und zum Beſten des Landes dienet,hievon27Staatswiſſenſchaft. hievon beſtritten werden. Was alsdenn noch - brig bleibt, kann in der Schatzkammer aufge - hoben werden. Dieſes erhaͤlt man nur durch ei - ne ordentliche Landesoeconomie.

  • 1 Wilhelms Freyherrn von Schroedern Fuͤrſtli - che Schatz - und Rentkammer, Leipzig 1721. 8.

§. 52.

Sonderlich iſt der Kriegsſtaat heute zu Ta - ge eines von denen nothwendigen Uebeln, wel - che einem Reiche unſaͤgliche Summen koſten. Die Art Krieg zu fuͤhren iſt faſt von Jahrhun - dert zu Jahrhundert veraͤndert worden. Viel - leicht hat die Geſchicklichkeit darinnen anjetzo ih - ren hoͤchſten Gipfel erreichet. Man muß die Landmacht von der Seemacht wohl uuterſchei - den. Jene iſt allen freyen Staaten gemein, dieſe aber nicht: weil man nicht in allen Reichen weitlaͤuftige Seekuͤſten findet, noch alle Voͤlker groſſen Handel zur See treiben, und reich genug ſind, um ſich einen Platz unter den Seemachten erwerben zu koͤnnen.

§. 53.

Die Landmacht eines Reichs zu beurthei - len iſt noͤthig, ſich aus dem vorhergehenden zu er - innern, ob ein Land an Mannſchaft und Pfer - den, die tuͤchtig zum Kriege ſind, einen Ueber - fluß oder Mangel habe, und folglich die Trup -pen28Vorbereitung zurpen zu recroutiren, und die Cavallerie zu remon - tiren, fremder Huͤlfe benoͤthiget ſey oder nicht? hernach unterſuche man die Anzahl und Einrich - tung ihrer Kriegsvoͤlker, der regulairen Trup - pen und Landmilitz, des Fußvolks und der Reuterey; ob ſie gute Subordination habe, in allen Handgriffen geuͤbt, und zur Mannszucht gewoͤhnt ſey? wie ſie bezahlt und montiret werde? ob ſie mit erfahrnen Officiers, mit Jngenieurs und Artillerie verſehen? was vor An - ſtalten gemacht ſeyn, ſo wohl die Ausgediente in Jnvalidenhaͤuſern und durch Penſionen zu verſorgen, und die Wittwen und Kinder der Ge - bliebenen zu ernaͤhren; als beſtaͤndig junge Mann - ſchaft durch Werbecantons, Caſernenſchulen, Cadettenrorps anzuziehen. Man halte alsdenn die Anzahl und Koſten der Kriegsmacht gegen die Groͤſſe und Einnahme des Landes, um zu ſehen, ob ſie ſolchem zur Ueberlaſt gereichen oder nicht?

*Jch gedenke der Neigung zum Kriege und der Tapferkeit eines Volks wohlbedaͤchtlich mit keinem Worte. Es iſt unverwelslich, daß ein Volk hierin - nen vor dem andern viel voraus habe. Es kommt al - les auf die Zeiten und auswaͤrtige Umſtaͤnde an, und die Hiſtorie zeigt uns eben ſo merkwuͤrdige und wun - derbare Wanderungen der Tapferkeit, als der Ge - lehrſamkeit.
*
  • 1. Memoires de M. le Marquis de FEVQVIERE, II. ed. IV. tomes, à Londres 1737. 8.
  • 2. Hiſtoire de Polybe traduite par DOM VIN - CENT THVILLIER, avec un commentaire ou uncorps29Staatswiſſenſchaft. corps de ſcience militaire par M. de FOLARD, VI. tomes, à Paris 1727-1730. 4. nebſt den Sentimens d’un homme de la guerre ſur le nouveau ſyſteme du Chevalier de FOLARD par M. D*** à Paris 1733. 4

§. 54.

Auf gleiche Art laͤßt ſich auch die Seemacht einer Nation erwaͤgen. Eine Flette ins Meer zu ſtellen, iſt nach Proportion der Mannſchaft wenigſtens dreymal ſo koſtbar, als eine Landar - mee ins Feld zu fuͤhren. Man hat hiebey beſon - ders anzumerken, ob ein Volk ſein Schiffszim - merholz, Maſten, Seegel - und Tauwerk und uͤbrige Erforderniſſe zu Ausruͤſtung dieſer ſchwimmenden Feſtungen bey ſich zu Hauſe findet, oder auswaͤrts herhohlen muß? wie der Bau ſeiner Schiffe, die Einrichtung ſeiner Eſca - dern und die Anſtalten beſchaffen, um eine Pflanzſchule von tuͤchtigen Matroſen und geſchick - ten Seecapitains zu haben?

*Zur Marine wird gar zu viel erfordert, und deß - wegen iſt ihre Bewandniß ſehr ſonderbar. Es bringt eine Nation ganze Jahrhunderte zu, ehe ſie anfaͤngt, einige Figur auf der See zu machen: hingegen kann ſie ein einziger wichtiger Verluſt ſo niederwerffen, daß ſie in vielen Zeiten nicht im Stande iſt, ſich wieder aufzurichten. Wir haben in der neuern Geſchichte ein einziges Exempel einer Seemacht, die in der Geſchwin - digkeit entſtanden, man haͤlt es auch fuͤr ein Wunder. Aber wir finden verſchiedene Beyſpiele auch der maͤch - tigſten Seevoͤlker, die gleichſam durch einen Schlag auf eimal entwaſnet worden.
*1. Eſſai30Vorbereitung zur
1.Eſſai ſur la marine et ſur le commerce par M. D*** (Des Landes) avec des remarques hiſtori - ques et critiques de l’auteur, à Amſterdam 1743. 12.
1.
2.Hiſtoire generale de la marine, tom. I. à Pa - ris 1744. 4.
2.

§. 55.

Wenn wir nun in dieſer Ordnung den Staat eines Reiches und ſeine Schwaͤche und Staͤrke angeſehen haben, ſo iſt es nicht ſchweer, mit Huͤlfe der allgemeinen Politick diejenigen Re - geln herauszubringen, wornach ein Volk han - deln muß, um ſein Wohl zu befoͤrdern. Die - ſe Regeln nennt man Staatsmaximen, und den Jnbegriff aller Staatsmaximen eines Reiches in ihrem Zuſamenhange das Staatsintereſſe. Es iſt alſo das Staatsintereſſe in der That nichts an - ders, als eine Politick, die auf einen einzelnen Staat appliciret wird. Es gehoͤrt auch das Staats - intereſſe zur Staatswiſſenſchaft, weil ihr End - zweck dahin abzielet, von der Kenntniß eines Staats in der Politick die gehoͤrige Anwendung zu machen.

§. 56.

Ein Volk, das ſeine wahre Wohlfahrt zu befoͤrdern, ſeine Sicherheit zu befeſtigen, und ſeine Gluͤckſeeligkeit vollkommener zu machen be - muͤht iſt, muß ſowohl in Anſehung ſeiner ſelbſt, als in Anſehung andrer Voͤlker gewiſſe Re -geln31Staatswiſſenſchaft. geln beobachten. Daher giebt es Staatsmaxi - men eines Reiches gegen ſich ſelbſt und gegen andere Nationen, und deßwegen theilet man das Staatsintereſſe in das innerliche und aus - waͤrtige.

§. 57.

Das erſtere erfordert, daß ein Volk ſeinen innerlichen Ruheſtand und das Wohl nicht nur ſeiner einzelnen Buͤrger; ſondern auch des gan - zen gemeinen Weſens zu erhalten und befoͤrdern ſuche, dem Mangel abhelfe, den Ueberfluß ver - ſchaffe, die Einwohner vermehre und bereichere, die Wiſſenſchaften in Flor bringe, den Manu - facturen und Commercien aufhelfe, die Gebre - chen der Staatsverfaſſung heile, den Factionen vorbeuge, die Juſtitz beſchleunige, das Cam - merweſen in Ordnung halte, den Kriegsſtaat auf guten Fuß ſetze. Die vornehmſten von der - gleichen Staatsmaximen, die aus der beſondern Einrichtung eines jeden Reiches hauptſaͤchlich flieſſen, koͤnnen an dieſem Orte erklaͤret, und in ſo fern das innerliche Staatsintereſſe eines Lan - des der Staatswiſſenſchaft deſſelben unmittelbar angefuͤgt werden.

§. 58.

Ganz anders iſt es mit dem auswaͤrtigen Staatsintereſſe beſchaffen. Die Maximen, wie ein Volk in Anſehung ſeiner Nachbaren ſichin32Vorbereitung zurin Sicherheit ſtellen, oder mit deren Beyhuͤlfe ſeine Wohlfahrt befoͤrdern koͤnne, flieſſen aus dem Verhaͤltniße, das es gegen fremde Voͤlker hat, ob es ihrer bedarf, oder entbehren koͤnne? ob es von ihrer Macht viel oder wenig zu befuͤrch - ten habe? Dieſes kann, ohne vorgaͤngige Kennt - niß andrer Staaten nicht begriffen werden, und verdienet eine beſondere Ausfuͤhrung.

§. 59.

Dieſes iſt der Abriß der vollſtaͤndigen Staatswiſſenſchaft einzelner Reiche, in ſo weit ſolche vor ſich allein betrachtet werden. Wer die unterſchiedliche Grade der Verbindung einſiehet, welche die Wiſſenſchaften mit einander haben, wird den hohen Wehrt einer Erkenntniß zu ſchaͤ - tzen wiſſen, von welcher die Hiſtorie einen ſehr anſehnlichen Theil ihres Lichts borget, welche zu dem allgemeinen Natur-Voͤlker-Staats - geiſtlichen und buͤrgerlichen Rechte den tref - lichſten Stoff giebet, und die Politick mit einer Menge practiſcher Saͤtze bereichert.

§. 60.

Daher iſt die Staatswiſſenſchaft allen Ge - lehrten nuͤtzlich, und allen Juriſten noͤthig; haupt - ſaͤchlich aber, wer die jetzige Welthaͤndel gruͤnd - lich beurtheilen, wer ſeine Reiſen in fremde Laͤn - der mit Nutzen unternehmen, wer in Manufa - ctur-Handels - und Cam̃eral-Sachen oder in Ge -ſandt -33Staatswiſſenſchaft. ſandtſchaften ſich gebrauchen laſſen will, dem iſt ihre Erlernung unentbehrlich.

  • 1 VALENTINI IACOBI ASSMANNI diſl de re - rum publicarum notitia in academia diligentiſſime excolenda, Lipſ. 1735.

§. 61.

Man hat gegen den Vortrag dieſer Wiſ - ſenſchaft auf Univerſitaͤten Einwuͤrfe gemacht, als waͤre ſolche wegen der Menge ihrer Materi - en voller Verwirrung, wegen der beſtaͤndigen Veraͤnderungen voller Ungewißheit, und wegen der darinnen enthaltenen Staatsgeheimniſſen fuͤr den Augen der Schulgelehrten verborgen, folglich dergleichen Vorleſungen ſeicht und un - brauchbar. Allein, da eine geſchickte Ordmung der Verwirrung abhuͤlft, ein ununterbrochener Fleiß die Hauptveraͤnderungen bemerken kann, und der Ungewißheit kuͤchtige Beweißthuͤmer entgegen ſtellt, die Staatsgeheimniſſe aber ent - weder das nicht ſind, wofuͤr man ſie ausgibt, o - der nicht ſo haͤufig ſind, als man ſich einbildet, auch der Endzweck nicht erfordert, in alle Staats - geheimniſſe zu dringen; ſo wird der Nutzen, wel - chen man in Erlernung der Anfangsgruͤnde der Staatswiſſenſchaft ſucht, gar fuͤglich erreichet werden koͤnnen.

Diſſ. mea de notitia rerumpublicarum academiis vindicata, Gottingae 1748.

§. 62.

Die Gewohnheit der alten Geſchichtſchrei - ber, die Staatswiſſenſchaft einzelner Voͤlker inCihren34Vorbereitung zurihren hiſtoriſchen und geographiſchen Buͤ - chern ſorgfaͤltig einzuſchalten, und die beſonde - re Werke eines Xenophons, Ariſtoteles und Tacitus beweiſen, daß man dieſe Kenntniß bey ihnen ſehr hoch geachtet. Jn neuern Zeiten iſt man dieſen Fnßſtapfen nachgegangen. Seit dem gegen das Ende des ſechszehenden Jahrhunderts die Relationen einiger Venetianiſchen Geſand - ten bekannt wurden, der beruͤhmte Lipſius eine ſyſtematiſche Politick faſt aus lauter Spruͤchen al - ter Geſchichtſchreiber zuſam̃en geleſen hatte, u. ver - ſchiedene Staatsmaͤnner ihre wichtige Anmerkun - gen uͤber auslaͤndiſche Reiche, welche ſie durchrei - ſet hatten, herausgaben: wurde dieſe Wiſſenſchaft aus dem Staube gezogen, und die Welt bekam einen Geſchmack daran. Man ſammlete die ver - ſchiedene Schriftſteller von einem Staate: man bemuͤhte ſich, von vielen, ja von allen Reichen die Staatswiſſenſchaft beyſammen zu haben. Al - ſo kamen Sammlungen von Originalſchriften zum Vorſchein, und daraus erwuchſen eine Menge Auszuͤge und groſſe Werke ſowohl von einzelnen Reichen, als von vielen mit einander. Nunmehr war Stoff genug vorhanden, Vorleſungen auf Univerſitaͤten daruͤber anzuſtellen, der unſterbli - che Conring brachte ſie auf den academiſchen Lehr - ſtuhl, und von Helmſtaͤdt breitete ſie ſich auf an - dern Muſenſitzen in - und auſſerhalb Teutſchland aus. Seit dem haben wir auch Leſebuͤcher da - von bekommen, unter welchen die notitia prae - cipuarum Europae rerum publicarum von Hrn. Ever -35Staatswiſſenſchaft. Everhard Otto das einzige iſt, welches ſeine Quellen anfuͤhret.

  • 1. Die vierte ver mehrte und verbeſſerte Auflage iſt zu Utrecht 1739. 8. herausgekommen.

§. 63.

Unter den vielen und groſſen Sammlungen, welche den Staat aller Reiche und Republicken der ganzen Welt, oder wenigſtens vieler Reiche zugleich vortragen, iſt zu unſrer Abſicht wenig brauchbares. Wir wollen 1) den gegenwaͤrti - gen, nicht den ehemaligen Staat kennen lernen, 2) wir ſuchen glaubwuͤrdige und zuverlaͤßige, nicht falſche und ungewiſſe Nachrichten. Alſo muͤſſen wir 1) die neuere Schriftſteller den aͤltern, 2) diejenige, welche ein Reich aus eigener Er - fahrung erkannt, denen, die ihre Erzaͤhlungen von andern abgeſchrieben. 3) Diejenige Samm - ler, welche ihre Beweißthuͤmer anfuͤhren, den uͤbrigen vorziehen.

Nach dieſen Regeln kann man die vor - nehmſte Sammlungen von dem Staate verſchiede - ner Reiche beurtheilen, nur merke man vorlaͤu - fig noch dieſes an, daß glaubwuͤrdige Nachrich - ten, wenn ſie gleich alt ſind, uns doch nicht ganz unnuͤtzlich ſeyn, in ſo fern ſie die Verbindung des vorigen Zuſtandes mit dem jetzigen und den Grund des heutigen Staats in ſich halten.

Die 32. Elzeviriſche Republicken ſind alt, und nur wenige glaubwuͤrdig.

Le monde par PIERRE D AVITY iſt alt, und durch die abgeſchmackte Vermehrun -C 2gen36Vorbereitung zur Staatsw. gen des roccoles auſſer Stand zu dienen geſetzt worden.

conringii opus poſthumum de notitia rerum publicarum hodiernarum (in dem III. to - mo ſeiner geſammten Werke) iſt durch Hrn. von Goebel Zuſaͤtze einiger Maaſſen verjuͤngt worden.

Friedrich Leutholfs von Frankenberg Europaͤiſcher Herold iſt ebenfalls nicht mehr neu, auch ohne Beweißthuͤmer, und auſſer dem erſten Bande wenig mehr brauchbar.

Unter den Rengeriſchen Staaten iſt das meiſte unnuͤtzer Plunder.

Den Voyages hiſtoriques de l’Europe des m. jovrdan, welche Auguſt Bohſe unter dem Namen Talander teutſch uͤberſezt, wirft vayrac a) oͤffentlich vor: a beau mentir qui vient de loin.

Des gvedeville Atlas hiſtorique in 7. Folianten iſt praͤchtig, und 1738. wieder anfgelegt, aber fresnoy b) urthei - let davon: ce livre qui avoit été fait pour les ignoraus, fut d’abord goûté par les igno - rans; mais ſans être eſtimé des ſavants.

Lo ſtato preſente di tutti e paeſi e popoli del mondo, naturale, politico e morale, con nuo - ve oſſervazioni e correzioni degli antichi e moderni viaggiatori, davon zu Venedig ſchon 18. Theile 8. herausgekommen, habe ich noch nicht geſehen.

  • a) Etat préſent de l Espagne, tom. I. pag. 4.
  • b) Jn ſeiner methode pour étudier la geographie tom. I. p. 86.
Das37

Das I. Hauptſtuͤck. Staat von Spanien.

  • Schriftſteller:
  • 1. Hiſpania, ſ. de regis Hiſpaniae regnis et o - pibus commentarius, (JO ANNIS DE LAET) Lu - gduni Batauorum 1629. 24.
  • 2. Voyage d Espagne curieux, hiſtorique et po litique fait en 1655. (par P ...) nouvelle edition augmentée, 1666. 12.
  • 3. Journal du voyage d Espagne, (par BOISEL) à Paris 1669. 4.
  • 4. Annales d Espagne et de Portugal avec la de - ſcription de tout ce qu il ya de plus remarquable en Espagne et en Portugal par Don JUAN ALVA - REZ de COLMENAR, IV. tomes, à Amſterdam 1741. 4. Jſt aus den Delices de l Espagne et du Portugal erwachſen.
  • 5. Etat préſent de l Espagne par M. l Abbé de VAYRAC, III. tomes, à Amſterdam 1719. 8.
C 36.38Spanien.
  • 6. Voyage du P. LABAT en Espagne et en Ita - lie, VIII. tomes, à Amſterdam 1731. 8
  • 7. Lehrreiche Nachrichten fuͤr eineu Reiſen - den in verſchiedenen Europaͤiſchen Staaten, aus dem Franzoͤſiſchen uͤberſetzt von P. G. v. K. 2. Theile, Berlin 1738. 8.

I. Staatsveraͤnderungen.

§. 1.

Kein Land iſt von ſo verſchiedenen Voͤlkern bewohnt worden als Spanien. Die Phoe - nicier ſetzen ſich an die ſuͤd - und weſtliche See - kuͤſte, die Carthaginienſer, Roͤmer, Schwa - ben, Alaner und Gothen herrſchen nach ein - ander darinnen, endlich im J. 713. uͤberſchwem - men es die Mauren faſt gaͤnzlich.

§. 2.

Dieſe entkraͤften ſich durch ihr haͤufige Thei - lungen ſelbſt, da inzwiſchen aus dem Ueberreſte der Chriſten nebſt einigen kleinen Staaten haupt - ſaͤchlich zwey Koͤnigreiche Caſtilien und Arrago - nien erwachſen, die ſich durch Vermaͤhlungen dreymal vergeblich, zum vierten Mal aber 1473. auf ewig vereinigen.

  • a) Jn allen 4. Vermaͤhlungen waren die Prin - zeßinnen aus Caſtilien, die Prinzen aus Arragonien.
  • Die erſte geſchahe zwiſchen Nunnia und Sanctiomaiore39Spanien. maiore 1011. wozu deſſen anderer Prinz Ferdinand durch die Heyrath mit Sanctia auch Leon ererbte.
  • Die zweyte zwiſchen Urraca und Alphonſo 1109.
  • Die dritte zwiſchen Eleonora und Johanne 1375.
  • Die vierte zwiſchen Jſabella und Ferdinand V. oder I. von gantz Spanien, 1469.

§. 3.

Ferdinandus Catholicus unterwirft ſich die Saraceniſchen Provinzen, und reiſſet ein Theil von Navarra an ſich. Nunmehr wird Spanien ein einziger Staatscoͤrper, und durch Verbeſſerung der innerlichen Verfaſſung, durch Eroberung des Koͤnigreichs Neapel und Entde - ckung von America zugleich erſtaunend maͤchtig. Die Heyrath Philippi Pulcri mit Ferdinands Tochter Joanna veranlaſſet die Vereinigung der Oeſterreichiſchen Staaten mit dem Spaniſchen Reiche. Daher zittert vor Kayſer Carln V. Ferdinands Enkel, ganz Europa. Allein er theilt zwiſchen ſeinem Bruder Ferdinand und ſeinem Sohne Philipp II. Doch erlangt Spanien da - durch Mayland, und die 17. Niederlaͤndiſchen Pcovinzen nebſt der Grafſchaft Burgund. Philipp II. eignet ſich Portugall zu, und gehet mit einer Univerſal Monarchie ſchwanger. Al - lein durch den Aufſtand der Niederlaͤnder wird ſolche in der Geburt erſtuͤckt, und Spanien ver - blutet ſich unter dem unweiſen Philipp III., demC 4elen -40Spanien. elenden Philipp IV. und dem ſchwachen Carl II. dem letzten ſeines Stammes, ſo ſehr, daß es end - lich kaum mehr Athem ſchoͤpfen kann.

  • a) Was bey der Vermaͤhlung Ferdinands mit der Jſabella zu Caſtilien und Artagonien gehoͤret?
  • b) Carl V. bereuet ſeine Freygebigkeit gegen Fer - dinand ſeinen Bruder.
  • c) Philipp. II. Projecte gegen Engelland und Franckreich.
  • d) Der Verviniſche Friede 1598. iſt die Grenze von Spaniens Gluͤck.
  • e) Haͤufige Empoͤrungen unter Philipp IV. und Carln II.
  • f) Verluſt der vereinigten Niederlande 1648., der Grafſchaft Rouſſillon 1659., des Koͤnigreichs Portugall 1668, der Franche-Comté 1678, und eines groſſen Stuͤcks von den uͤbrigen Niederlanden 1659. 1670. u. 1678.

§. 4.

Nach deſſen Tode 1700. ſtreiten Oeſter - reich und Bourbon um dieſe Erbſchaft, und letzteres bringt nach einem 13jaͤhrigen Kriege zu aller Welt Erſtaunen ſeinen Prinzen Philipp V. auf den Spaniſchen Thron, und Kayſer Carl VI. muß ſich mit den Jtalieniſchen und Nieder - laͤndiſchen Provinzen abſpeiſen laſſen. Seit dem iſt dieſes Reich in 4. Kriegen bemuͤht geweſen, ſich wieder in die Hoͤhe zu bringen, wodurch Eli - ſabeth ihrem Don Carl 1735. zwo Cronen, die bey -de41Spanien. de Sicilien, und Koͤnig Ferdinand II. ſeinem Halbbruder Philipp 1748. drey Herzogthuͤmer, Parma, Piazenza und Guaſtalla zugewandt.

  • a) Was Spanien im Utrechtiſchen Frieden einge - buͤſſet?
  • b) Krieg wegen Sardinien und Sicilien 1717.
  • c) Krieg nach Auguſti II. Tode 1733.
  • d) Krieg mit den Engellaͤndern 1738.
  • e) Krieg wegen der Oeſterreichiſchen Erbſchaft 1741.
  • 1. Hiſtoire des revolutions d’Eſpagne par l’Ab - de vertot, V. tomes, à Paris, 1726. 12.
  • 2. Hiſtoire des revolutions d’Eſpagne par le P. IOSEPH D’ORLEANS revûë et publiée par les PP. ROUILLE et BRUMOY, III. tomes, à Paris 1734. 4.

2. Beſchaffenheit der Laͤnder.

§. 5.

Spanien hat ein dreyfaches ſehr verſchiede - nes Clima. Gegen Norden iſt es kalt und feucht, gegen Suͤden heiß und feucht, in der Mitten ſehr trocken und faſt verbrandt. Es hat von 3. Seiten natuͤrliche Graͤntzen, das Atlantiſche und Mittellaͤndiſche Meer, und die Pyrenaͤiſche Gebuͤrge: die vierte Seite ſchraͤnckt Portugal ein.

  • a) Der Eſtrecho di Gibraltar macht den Spa - niern eine herrliche Communications-Linie.
C 5b) 42Spanien.
  • b) Ueber die Pyrenaͤiſche Gebuͤrge ſind 5. Weege; aber nur 2. Heerſtraſſen. Annales d Eſpagne, t. II. p. 37.
  • c) Sicherheit der Nordiſchen Seekuͤſten, und An - ſtalten an der mittaͤgigen Kuͤſte gegen die Africaniſche Seeraͤuber.

§. 6.

Das Land iſt faſt durch und durch gebuͤr - gig. Die groſſen Fluͤſſe, Ebro, Douro, Tajo, Guadiana, Guadalquivir, ſind wenig ſchiffbar, und auſſerdem iſt es ſchlecht bewaͤſſert.

  • a) Annal. d’Eſpagne, II. 7.

§. 7.

Es hat Ueberfluß an der beſten Wolle, an Seyde, Wein, Salz, Oel, Orangenfruͤchten, Roſinen, Feigen, Mandeln, Capern. Biſcaya giebt trefliches Eiſen, Andaluſien und Aſturien haben unvergleichliche Stuttereyen.

  • a) SAVARY dictionn. unter dem Worte: Com - erae d Eſpagne.
  • b) von ihren Secten.
  • c) von den puntas ſalinas.
  • d) Man findet auch Zuckerrohr und Saffran darinnen.

§. 8.

Das Hornvieh und die Flußfiſche ſind ſelt -ſam,43Spanien. ſam, Gold und Silber wird nicht gegraben, und der Mangel an Getreyde iſt groß.

  • a) Ehemals war Spanien ein geſegneter Korn - boden, und das Europaͤiſche Potoſi und Peru. Annal. d Eſp. II 19.

§. 9.

Es beſtehet aus 14. Provinzen, die mei - ſtentheils den Titul eines Koͤnigreichs fuͤhren, nebſt etlichen Jnſuln, und prangt mit Madrid, der Hauptſtadt des Reichs und etlichen Luſt - ſchloͤſſern, ſonderlich Aranjuez, dem Wunder der Natur und Eſcurial, dem Wunder der Kunſt.

  • a) Von Madrid Lehrr Nachr. fuͤr einen Rei - ſenden, II. Bl 63.
  • b) Spaniſche Prahlerey von dieſer Stadt, die doch nicht eimal eine Cividad, ſondern nur eine Villa iſt.
  • c) Praͤchtige puenta Segoviana, welche Philipp II. etliche Tonnen Goldes gekoſtet, und den Fluß erſt er - wartet. Relation de Madrid, pag 3.
  • d) Von Eſcurial, den 17. darinnen begriffenen reichen Kloͤſtern, dem Schatze der Hauptcapelle und dem Pantheon, oder koͤniglichen Erbbegraͤbniſſe, An - nal d’Eſpagne, t. II. p. 136. 155. und Lehrr Nachr. Bl 106.

§. 10.

Landfeſtungen unterhaͤlt es einige wenigege -44Spanien. gegen die Seite von Portugal; aber deſto mehr trefliche Seehaͤfen, Cadix, Malaga, Cartha - gena, Alicante, Valentia, Barcellona, Co - runna, Bilbao, St. Sebaſtian, und viel ande - re, unter denen jedoch Gibraltar, der Schluͤſſel nicht ſowohl von Spanien, als vom Mittellaͤndi - ſchen Meere, und Portmahon in den Haͤnden der Engellaͤnder ſind.

  • a) Von Cadix LABAT voyage en Eſpagne, tom. I. chap. 6. p. 147.
  • b) Daß Gibraltar die Spanier mehr kraͤncke, Portmahon aber dem Engliſchen Handel mehr nutze.

§. 11.

Auſſer Europa haben ſich die Spanier in Ceuta, Oran, und Maſalquivir auf der Kuͤſte der Barbarey und in den Canariſchen Jnſuln feſtgeſetzet. Jn Aſien gehoͤrt ihnen weiter nichts als die Philippiniſche, Latroniſche und Salomo - niſche Jnſuln.

  • a) Politiſche Urſache, die barbariſche Conqueten zu erhalten, ungeachtet ſie groſſe Summen koſten.
  • b) Treflichkeit der gluͤckſeeligen Canariſchen Jn - ſuln, an Canarien - und Palmen-Sect, Vin de Roc und Zucker.
  • c) Beſonderer Weg der Spanier nach ihren Aſia - tiſchen Jnſuln.
§. 12.45Spanien.

§. 12.

Aber in der von ihnen erfundenen neuen Welt haben ſie den groͤßten und reichſten Theil inne, und beſitzen im Nordlichen America Mexico, Neu Mexico und ein Stuͤck von Flori - da, im Suͤdlichen aber Terra firma, Peru, Chili, und von den Jnſuln ſonderlich Cuba, und ein Stuͤck von Hiſpaniola. Sie ziehen hieraus Gold, Silber, Perlen und Edelſteine, Zucker, Taback, Viehhaͤute, Baum - und Vigogne - wolle, Wachs, Campecheholz, Jndigo, aller - hand Balſame und andere koſtbare Arzeneyen und Waaren.

  • a) Schſerley Einwohner in dieſen Provinzen, Spanier, Americaner, Negres, Creolen, Maſticen und Mulatern.
  • b) Vortheilhafter Iſthmus von Panama.
  • c) Reiche Staͤdte, Mexico, Lima.
  • d) Herrliche Feſtungen und Seehaͤfen: Callao, Panama, Portobello, Carthagena, Veracrux, Havana.
  • e) Kunſtſtuͤcke der Spanier ſich in dieſen weitlaͤuf - tigen Provinzen zu maintentren.
  • f) Cromwells mißlungener Anſchlag.
  • g) Ob es den Engellaͤndern moͤglich, die Spanier aus America zu vertreiben?
  • 1. L’Hiſtoire du nouveau monde, ou deſeription des Indes Occidentales par JEAN DE LAET, à Ley - de, 1640. f.
  • 2. Nouvelle relation contenant les voyages deTHO -46Spanien. THOMAS GAGE dans la nouvelle Eſpagne, II. tomes, a Amſterdam 1695. 12.
  • 3 Relation du voyage de la mer du Sud aux co - tes du Chili, du Perou et du Breſil fait en 1712 - 1714. par M. FREZIER, II. tomes, à Amſterdam 1712. 12.
  • 4 Hiſtoire de l’isle Eſpagnole ou de S. Domin - gue par le P. PIERRE FRANCOIS XAVIER de CHARLEVOIX, II. tomes, à Paris 1730. 4.

3. Beſchaffenheit der Einwohner.

§. 13.

Wie die Einwohner Spaniens von verſchie - denen Voͤlkern abſtammen: ſo iſt auch ihre Sprache zwar eine Tochter der Lateiniſchen; a - ber mit Gothiſchen und Arabiſchen Woͤrtern un - termiſcht.

  • a) Dieſes zeigt ſich ſonderlich in den nomiuibus propriis der Provinzen, Staͤdte und Fluͤſſe.
  • b) Von der Biscayiſchen Sprache, Annal d Es - pagne, II. 51. Sie iſt von der eigentlichen Spani - ſchen oder Caſtilianiſchen ganz unterſchieden.

§. 14.

Jn dieſem weitlaͤuftigen Reiche zaͤhlet man nicht 6. Millionen Menſchen, welcher Mangel durch die Americaniſche Colonien, die Austrei - bung der Juden unter Ferdinand I, und der Mo -riscos47Spanien. riscos unter Philipp III. gewaltig befoͤrdert wor - den, und durch die Modeſuͤnden der Jugend, die Menge der Kloͤſter und Schaͤrfe der Jnquiſition unterhalten wird, ſo daß die kluge Vorſchlaͤge des Staatsſecretaͤrs Petri Ferdinand Navare - ta 1619. und die Anſtalten Philipp IV. ohne Wuͤrkung geblieben.

  • a) LAET in Hiſpania cap. IV. wo auch der Aus - zug aus Philipp IV. Ediet 1623. befindlich.
  • b) Philipp V. ließ 1726. ſein Volk zaͤhlen, und befand die Summe aller Familien auf 1. 084. 623, die privilegirte Haͤuſer nicht mitgerechnet.

§. 15.

An dem Spanier iſt nichts mittelmaͤßig als ſein Koͤrper, ſeine Tugenden ſind groß; ſeine Laſter noch groͤſſer. Man ruͤhmt ſeine Maͤßig - keit, Standhaftigkeit, geſetztes Weſen, Ver - ſchwiegenheit und Treue: man wirft ihm den Hochmuth biß auf den Bettelſtolz, Prahlerey, Geitz, Grauſamkeit, Verſtellung, Eiferſucht auch gegen ſein heßliches Weib vor. Die Fremden ſind bey ihm als Gavaches verach - tet und uͤbel daran. Dieſe belachen dagegen die beſondere Gewohnheiten der Spanier. Jhre Antipathie gegen die Franzoſen legt ſich nun - mehr nach und nach.

  • 1. Gundling in ſeinen Otiis, cap. I. vom Tempe - rament der Spanier.
a) 48Spanien.
  • a) BARCLAYUS, La Comteſſe d AUNOY, LE - TI, JOURDAN, die Lettres Perſannes und ande - re ſchildern den Spanier ſehr laͤcherlich ab, VAYRAC vertheidiget ſie tom. I. im discurs preliminaire. P. LA - BAT in ſeiner voyage d Espagne et d Italie, tom. I. erzaͤhlt noch viel von ihren Maͤnteln, Degen und Brillen, von der Weiber andar tapada, warum kei - ner Jacob helßt, kein Ochſe, Capaun und Hammel leicht gegeſſen wird.
  • b) Von ihren Stiergefechten Ann. d Esp. tom. IV. p. 1.
  • c) Von der beſchrieenen Antipathie handelt De la Mothe le Vayer, Gundling, Frankenſtein und Baile. Doctor CARLOS GARZIA in der oppoſi - tion des deux grands Iuminaires de la terre aus dem Spaniſchen uͤberſetzt, à Cambray. 12. giebt auch ſein Urtheil davon, aber ſehr laͤppiſch.

§. 16.

Der Spanier iſt zur Tiefſinnigkeit geneigt, und wuͤrde es daher in Wiſſenſchaften eben ſo weit bringen, als ſeine Vorfahren, wenn er nicht die Vernunft unter den Gehorſam ſeines tyranniſchen Glaubens gefangen nehmen muͤßte. Selbſt in der allgemeinen Finſterniß der mittlern Zeiten war in dem Saraceniſchen Spanien mehr Licht der Gelehrſamkeit, als jetzt auf allen 22 chriſt - lichen Univerſitaͤten.

  • a) Lob des natuͤrlicheu Verſtandes der Spanier aus den Lehrr. Nachr II. 125, und aus ihrer alten Geſchicklichkeit, in Staatsſachen zu negociiren.
  • b) Die beyde Seneca, Lucanus, Martialis, Quin - tilianus, Columella waren Spanier.
c) 49Spanien.
  • c) Von den gelehrten Juden und Arabern in Spa - nien im XI. u. XII. Saec. Sie trieben ſonderlich die Arze - neykunſt und die Ariſtoteliſche Philoſophie, die Scho - laſtici ſtammen von ihnen ab.
  • d) Jhre beſte Univerſitaͤten ſind Salamanca und Alcala de Henares, welche der Cardinal Ximenes in Aufnahme brachte. OTTO notit. Hiſp. §. 29. et 30.
  • e) Grobe Unwiſſenheit der Bibliothecariorum des Escurials, und unvernuͤnftige Bannfluͤche wider die beſte ſo gar catholiſche Buͤcher aus den Lehrr. Nachrichten.

§. 17.

Der Spanier mag aus Faulheit nicht ar - beiten, oder er ſchaͤmt ſich, ein Handwerk zu treiben. Daher iſt das Land von Manufactu - ren entbloͤſſet, und halten ſich viele tauſend Fran - zoſen darinnen auf, welche theils die gemeinen Dienſte in den Staͤdten verrichten, theils die nothduͤrftigen Handwerker treiben.

  • a) Man rechnet der Franzoſen uͤber 70.000. im Lande, und in Madrid allein wohl 40.000. Wie dadurch jaͤhrlich wenigſtens 8. Millionen Franzoͤſiſche livres nach Frankreich geſchleppet werden, zeigen die memoires de la cour d’Espagne depuis 1679. jusqu en 1681. p. 297.
  • b) Wie kindiſch damals das Spaniſche Miniſterium die fremde Manufacturen beurtheilet, eb. daſ. p 292.
D§. 18.50Spanien.

§. 18.

Es muͤſſen alſo die Spanier, um ihren Hun - ger zu ſtillen, ihre Bloͤſſe zu decken nnd ihrer Bequemlichkeit zu pflegen, nicht nur ihre inlaͤn - diſche Waaren weggeben, ſondern ihr ganzer koſtbarer Handel nach America iſt bloß den Aus - laͤndern zum Gewinn, welchen die unerſchoͤpfli - che Goldquellen der neuen Welt ſtromweiſe zu - flieſſen.

  • a) Was ihnen die Engellaͤnder, Franzoſen, Hol - laͤnder, Genueſer, Hanſeeſtaͤdte und Nordiſche Natio - nen zufuͤhren, und von ihnen abhohlen?
  • b) Einrichtung des Handels nach America vermit - telſt der Galltonen, Kaufardeyflette, und Regiſter - ſchiffen. Zu Porto Bello iſt die reicheſte Meſſe in der ganzen Welt: Jn der Havana iſt der Sammelplatz zur Ruͤckreiſe. SAVARY, Wort: commerce de l Es - pagne, und commerce de l’Amerique.
  • c) Den Auslaͤndern iſt der Handel nach America gaͤnzlich verbothen, und doch ſind die Spanier bloſſe Factors andrer Nationen. Labat I 193. Daher ver - gleicht ſie Boccalini mit den Laſttraͤgern und Eſeln.

§. 19.

Sie rechnen nach Marrevadis und Rea - les, und haben in Silber die Piaſtres oder Pe - ſos (da otto reales) in ganzen, halben und viertel Stuͤcken, in Gold aber die Piſtolen, Du - plonen und Quadruplen. 95. Marrevadis be -tragen51Spanien. tragen 8. ggr., 1. Reale hat 34. Marrevadis, 1. Piaſtre aber 8. Reales.

  • a) Vayrac III. 277. handelt weitlaͤuftig vom Spa - niſchen Muͤnzweſen.
  • b) Von ihrer Ducatenrechnung. Sie theilen ſolche in Ducat de plata, und Ducat de vellon. Die Gold - muͤnzen werden theils in Sevilla, theils in Mexico ge - ſchlagen. Bey der erſten braucht man uͤber 600. Men - ſchen.
  • c) Verboth, das gemuͤnzte Geld aus dem Lande zu ſchleppen, und Spitzbuͤberey der Spaniſchen Courtiers. Labat I. 151.

4. Staatsrecht.

§. 20.

In Spanien iſt kein guͤltiges geſchriebenes Reichsgrundgeſetz anzutreffen, auſſer dem von der Caſtilianiſchen Erbfolge und Untheilbarkeit von 1252., welche Carl V. 1554. und Philipp II. in ſeinem Teſtament 1598. auf die geſammte Staa - ten von Spanien erſtrecket hat.

  • a) Die beyde erſtere Geſetze ſtehen im Corps di - plom. Supl tom. I. part. I. p. 101. et 102. von den letztern handelt Thuanus lib. 120. ad a 1598.

§. 21.

Ferdinand jetztregierender Koͤnig, ein Sohn Philipps V. und der Maria Louiſa Gabriela,D 2Prin -52Spanien. Prinzeßinn von Savoyen, iſt gebohren 1713, ver - maͤhlte ſich mit Maria Barbara, Koͤnigs Jo - hannis V. in Portugal Tochter 1729, beſtieg den Thron 1746. Er hat zwar keine Erben, doch iſt das koͤnigliche Haus nichts deſto weniger zahl - reich. Von Philipps V. zweyter Gemahlinn E - liſabeth aus Parma ſind der Koͤnig beyder Si - cilien Carl Sebaſtian, der General-Admiral von Spanien und Herzog von Parma, Piazen - za und Guaſtalla Don Philipp, der Cardinal und Erzbiſchof von Toledo und Sevilien Don Louis nebſt der Prinzeßinn von Braſilien Ma - ria Anna Victoria und Maria Antonietta vorhanden.

  • a) Ferdinand wird unrecht der VI. genannt.
  • b) Ferdinandi Character aus den Lehrr. Nach - richten.

§. 22.

Der Cronprinz wird ſeit 1388. Prinz von Aſturien genennt, aber nicht als ein ſolcher ge - bohren; ſondern vom regierenden Koͤnige dazu ernennet. Die uͤbrige koͤnigliche Kinder heiſſen Jnfanten.

  • a) Die Spanier haben von den Engellaͤndern ge - lernt, dem Erbprinzen den Titul eines beſondern Fuͤr - ſtenthums zu geben. Journal du voyage d Esp. p. 280.
  • b) Die feyerliche Proclamation und Einnehmungder53Spanien. der Huldigung des Prinzen von Aſturien ſteht eb, daſ. p. 789.
  • c) Den Titul Jnfant von Spanien fuͤhrten ſonſt auch die Oeſterreicher.

§. 23.

Der koͤnigliche vollſtaͤndige Titul iſt: Fer - dinandus, Dei gratia Rex Caſtellae, Arra - goniae, Legionis, vtriusque Siciliae, Je - ruſalem, Portugalliae, Nauarrae, Granatae, Toleti, Valentiae, Galliciae, Maioricarum, Hispalis, Cordubae, Corſicae, Murciae, Grennis, Algarbiorum, Algezirae, Gibral - taris ac inſularum Canariae, et Indiarum tam Orientalium, quam Occidentalium, ac Terrae Firmae, maris Oceani: Princeps Aſturiarum: Dux Mediolani et Burgundiae; Archidux Auſtriae, Comes Flandriae, Bur - gundiae et Cataloniae, Dominus Biscayae et Molinae etc. Kuͤrzer wird er titulirt: Rex Hiſpaniarum catholicus.

  • a) Warum Carl V. den weitlaͤuftigen Titul nicht aͤndern konnte?
  • b) Portugal proteſtiret gegen den Titul: Rex Hi - ſpaniarum. Staat von Portugall, I. 474.
  • c) Catholicus iſt ſonſt ein Perſoͤnlicher Titul eini ger Spaniſchen, auch andrer Koͤnige geweſen. BLON - DEL in praefat. apologet. Geneal Francicae, n. XIV. Seit den Zeiten des Pabſtes Alexandri VI., das iſt ungefehr ſeit 1500. hat ihn Spanien beſtaͤndig gefuͤhrt, doch niemals in der erſten Perſon, ſondern nur in derD 3dritten54Spanien. dritten. SELDENVS de titulis honor. p. I. c. V. pag. 83.
  • d) Es haben ſich 6. Koͤnige von Caſtilien des Kay - ſerlichen Tuuls angemaſſet. VAYRAC, II. 98.
  • e) Den Titul Herzog von Burgund darf Spani - en in Schriften mit Frankreich nicht gebrauchen. Me - moires de la cour d’Etpagne pag 307.

§. 24.

Eben ſo findet man das Wappen bald weit - laͤuftig aus dem Wappen von Caſtilien, Leon, Arragonien und Sieilien nebſt Portugal im Mit - telſchilde zuſammen geſetzt mit der koͤniglichen Crone uͤber dem Schilde und der Ordenskette des guͤldenen Vlieſſes umhangen; bald kleiner, da es nur das Wappen von Caſtilien und Leon nebſt dem Mittelſchilde von Anjou enthaͤlt, und mit der Crone bedeckt iſt.

§. 25.

Der uͤbertriebene Hofſtaat und die zum Theil ſeltſame Etiquette des Spaniſchen Hofes iſt von den Bourboniſchen Koͤnigen groſſen Theils geaͤndert, und andern Hoͤfen gleichfoͤrmiger ge - macht worden.

  • a) Die verkappte Comteſſe d AUNOY in ihrer relation de la cour d Espagne erzehlt eine Menge Hiſtoͤrchen von dem Spaniſchen Ceremoniel unter Phi - lipp IV. und Carl II., ſie iſt aber wenig glaubwuͤrdig.
b) VAY -55Spanien.
  • b) VAYRAC hat im II. Bande ſeines Etat d Es - pagne das ganze III. Buch davon angefuͤllt; geſteht aber in der Vorrede ſelbſt, daß ſich ſeit dem verſchie - denes wieder geaͤndert.

§. 26.

Von den eintraͤglichen Ritterorden 1) von Sant Jago di Compoſtella, 2) Calatrava, 3) Alcantara ſind ſeit den Zeiten der Jſabella aus Caſtilien die Beſitzer des Thrones Großmei - ſter. Dieſen dreyen iſt der kleine Orden von Mondeſa beyzufuͤgen: wie ſich denn auch die Bourboniſche Koͤnige von Spanien die Ernen - nung der Ritter des guͤldenen Vlieſſes anmaaſ - ſen.

  • a) VAYRAC II. 292, und noch weitlaͤuftiger Jour - nal du Voyage d Esp. p. 363-375. handelt von den geiſtlichen Ritterorden.
  • b) Die Ritter muͤſſen nicht nur ihre Ahnen bewei - ſen; ſondern auch das ſie Chriſtianos vejos ſeyn.
  • c) Sie doͤrfen heyrathen.
  • d) Es giebt auch Duennas von Sant Jago.
  • e) Von guͤldenen Vließ ſiehe ſonderlich III. GE. HEINRICI AYRERI diſſ de magno Magiſterio E - queſtris ordinis Aurei Velleris Burgundo-Auſtria - ci feminino maſculini, Reſp. 10. Ioach. Carſtens, Gott. 1748.

§. 27.

Der Spaniſche Thron iſt erblich undſteht auch der weiblichen Linie offen: wie denn ſeit denD 4Zeiten56Spanien. Zeiten der Saracenen die meiſten Reiche durch Heyrathen zuſammen gebracht worden. Dieſes iſt die beruͤhmte Succeſſio Caſtiliana, oder ſuc - ceſſio linealis cognatica.

  • 1. LVDOVICVS MOLINA de Hiſpanorum primo - geniorum origine et natura und aus ihm VAYRAC II. 96.
  • 2. VLRICI OBRECHTI excerpta hiſtorica et iu - ridiea de natura ſueceſſionis in monarchia Hiſpa - niae, IV. partes, Argentorati 1700. et 1701. 4. Dieſem iſt entgegen geſetzt
  • 3. IOANNIS FRANCISCI BVDDEI exercitatio iuris naturalis de teſtamentis ſummorum imperan - tium, ſpeciatim Caroli II. Hiſpaniae regis, Halae 1701. 4.

§. 28.

Sobald die Erbfolge eroͤfnet wird, laͤßt ſich der neue Monarch feyerlich ausruffen, und von den Staͤnden in Buen Retiro huldigen; aber ſeit etlichen Jahrhundert nicht mehr ſalben noch kroͤnen.

*IOANNES IACOBVS CHIFLETIVS de Ampulla Remenſi, cap. 16. p. 82. handelt von der unterlaſſenen Kroͤnung, und giebt zur Urſache an: qui non electionis, ſed mero ſanguinis iure tradu - ces ſuccedunt in regnis, non indigent regia vnctio - ne, vt capeſſant ſceptra, qui lucem non aſpiciunt niſi reges, und ſetzt p. 83. hinzu: cum autem de ſuo - rum regum ſucceſſione legitima certi ſint Hi - ſpanl, ſuperfluum cxiſtimant, reges ſuos inungi. Andre57Spanien. Andre behaupten gar, daß der Spaniſche Hochmuth dieſe Ceremonien fuͤr gar zu geringe halte, weil andre Voͤlcker ſolche auch haben, und ſich dadurch von ihnen diſtinguiren wolle; allein es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß die Kroͤnung und Salbung aus Staatsraiſon un - terlaſſen werden, um nicht 1.) bey dem Paͤbſtlichen Hofe um Erlaubniß deßwegen anſuchen, und 2.) bey der Kroͤnung dem Pabſte den Lehn - und Zinßeyd ſchwoͤren zu doͤrfen, welchen die alte Koͤnige von Arra - gonien vermoͤge des Diplomatis Petri II. und der Conceſſionis Innoeentii III von 1204. ihm leiſten muͤſſen. Denn als Petrus II. damals von Jnnoeen - tio III. in Rom mit eigner Hand gekroͤnt wurde, ſo trug er ihm ſein Reich zu Lehn auf, und ſchwur ihm den Eyd der Treue, welches er hernach mit folgenden Worten ſchriftlich widerhohlte: Tibi et per Te Apo - ſtolieae ſedi offero regnum meum, illudque Tibi et ſucceſſoribus tuis in perpetuum conſtituo cen - ſuale, vt anuatim de camera regis CCL, Maſſemu - tinae Apoſtolicae ſedi reddantur, et ego et ſucceſ - ſores mei ſpecialiter ei fideles et obnoxii teneamur. Worauf der Pabſt in ſeiner conceſſione antwortete: Nos igitur gratiam Tuam nobis exhibitam ad ſuc - ceſſores deriuari volentes, praeſentium auctori - tate concedimus, vt cum ipſi (ſucceſſores tui) de - creuerint coronari A SEDE APOSTOLICA REQVI - RENTES, de ſpeciali mandato per Tarraconenſem Archiepiſcopum apud Caeſarauguſtam ſollemniter coronentur: PRAESTIT A ſuper praedictis IDO - NEA CAVTIONE. Das erſte Diploma ſteht in Hrn. H. Schmauſſens Corp. J. Gent. p. 7. das andre eb. daſ. p. 2157.
*

§. 29.

Die viele Spaniſche Koͤnigreiche hatten ſonſt ihre ſehr verſchiedene Rechte und Freyhei -ten;58Spanien. ten; aber ſeit der groſſen Vereinigung hat ſich Ferdinand I., noch mehr Philipp II., am meiſten aber Philipp V. ſouverain gemacht.

  • a) Sonderlich trotzte Arragonien ehemals auf ſeine Privilegia, und drung ſeinen Koͤnigen harte Puncte ab.
  • b) Der Cardinal Ximenes leiſtete hierinnen Ferdinand I. groſſe. Dienſte.
  • c) Philipp II. machte ſich die Haͤndel des verwege - nen Peretz und tollkuͤhnen Juſticia in Arragonien, und Philipp V. die Partheylichkeit der Arragonier, und Valentiner vor das Haus Oeſterreich und die Halsſtarrigkeit der Catalaunen zu Nutze.
  • d) Navarra hat noch einen Ueberreſt von beſon - dern Jmmunitaͤten, Vayrac III. 251.

§. 30.

Daher haben die Spaniſche Reichsſtaͤnde keine Gewalt mehr dem koͤniglichen Willen zu widerſprechen, und die Cortes Generales werden nur bey Huldigungen und andern Feyerlichkei - ten gehalten.

  • a) Sonſt waren in den meiſten einzelnen Koͤnigreichen von Spanien drey Staͤnde, 1) die Geiſtlichkeit, 2) der Adel, 3) die Deputirte der Staͤdte.

31.

Doch giebt es noch Grands d’Espagne, welche verſchiedene Vorrechte genieſſen. Sieſind59Spanien. ſiud von 3. Claſſen, und der Koͤnig ernenet ſie. Die uͤbrige vom hohen Adel heiſſen Titulos oder Titulados, ehemals Ricos hombres, die von niedern Adel nennen ſich Cavalleros und Hidal - gos.

  • a) Von dem Urſprunge und den Vorrechtender Gran - dezza und von den 74. Spaniſchen Familien, welche dieſe Wuͤrde erblich haben, ſiehe VAYRAC tom. II. liv. V. und die Annales d Espagne, tom. IV. p. 316.
  • b) Der Rangſtreit der Grandes mit den Franzoͤ - ſiſchen Dues und Pairs iſt zwiſchen Philipp V. und Ludwig XIV. verglichen.
  • c) Unter Kayſer Carl V. entſtanden auch Verdruͤß - lichkeiten zwiſchen den Teutſchen und ihnen, wegen des Bedeckens.
  • d) Beym hohen Adel iſt Majorasco eingefuͤhrt, deſſen Vorrechte Philipp II. zum groſſen Nachtheil des Adels eingeſchraͤnckt. Journal du voyage d’Espa - gne, p. 297 und Voyage d’Esp. p. 74.
  • e) Die Hidalgos ſind, anſſer einigen alten Haͤu - ſern, und den Ordensrittern, den buͤrgerlichen Unter - thanen vollkommen gleich. Journal du voyage d Espagne pag. 312. n. 313.

5. Verfaſſung der Reichsgeſchaͤfte.

§. 32.

Die allgemeine Reichsgeſchaͤfte werden durch das Conſejo da Eſtado beſorget, welchemeinige60Spanien. einige Eſcrivanos da Eſtado zu den verſchiede - nen auslaͤndiſchen und einheimiſchen Affairen beygefuͤget ſind. Jn wichtigen Faͤllen muͤſſen von den ſubordinirten Collegiis Conſultas an den Staatsrath gegeben werden. Jnsbeſondere ſtehet den Americaniſchen Sachen der Rath von Jndien vor, von dem auch der Vice-Ré in Me - xico und Peru nebſt allen uͤbrigen Statthaltern und die Caſa da Contractacion zu Sevilſa depen - diren. Jn auſſerordentlichen Faͤllen wird eine Junta angeordnet, die Perſon des Koͤnigs zu vertreten.

  • a) Was ein memorial monté et deſcendu, oder eine conſulte montée et deſcenduë ſey, aus den Memoi - res de la cour d’Eſpagne.
  • b) Unterſchrift des Koͤnigs an die Unterthanen oh - ne ſeinen Namen.

§. 33.

Der Spanier iſt ein aberglaͤubiſcher Chriſt, und putzt die Catholiſchen Ceremonien mit Spa - niſchen Verzierungen aus. Die 8. Erz - 44. Suffcagan - und 2. exempte Biſchoͤfe nebſt un - zaͤhligen Kloͤſtern zehren das Fett von Spanien. Jn America iſt die Geiſtlichkeit weder an Men - ge noch an Reichthum viel geringer. Man zaͤh - let allein 6. Ertz - und 38. Bißthuͤmer darinnen.

  • a) Den Spaniſchen Aberglauben beweiſen ſelbſt Roͤmiſch-Catholiſche Schriftſteller, als der P. LABAT I. 15, und der Verfaſſer der Lehrr. Nachr. II. 42.
b) 61Spanien.
  • b) Von der gantzen Kirchenverfaſſung handelt VAYRAC. t. II. liv. IV.
  • c) Der Ertzbiſchof von Toledo, iſt Primas Hiſpa - niae, Cancellarius Caſtellae und Conſiliarius ſtatus natus, er hat die geiſtliche Jurisdietion uͤber 5. groſſe und 109. andre Staͤdte, 516. Flecken und Doͤrfer, 4. Collegial-Kirchen, 25. Ertzprieſter, 5000. Prieſter, und mehr als 506000. Communicanten. VAYRAC II. p. 331. welcher von deſſen Domeapitul hinzufuͤgt: qui eſt ſans contredit le plus Auguſte, le plus nombré et le plus riche de la Chrétienté après S. Pierre de Rome p. 329. Man rechnet des Ertzbi - ſchofs Einkuͤnfte auf 300.000. und des Domcapituls auf 150 000. Ducaten.
  • d) Die Ann. d’Eſp. IV. 45. zeigen aus des GIL GONZALEs D AVILA grandeſſes de Madrid, daß ſchon 1623. die Franeiſeaner allein 859 Kloͤſter beſeſ - ſen, worinnen ſich mehr als 14.000. Moͤnche und Non - nen maͤſten.
  • e) Der Reichthum der Kirchen zu Madrid, Se - villa, Toledo, Sarragoſſa, erhellet aus den Lehrr. Nachr. II. 76.
  • f) ALEXANDRE OLIVIER OEXMELIN in ſeiner Hiſtoire des avanturiers qui ſe ſont ſignalés dans les Indes, II. tomes a Paris 1688. 12. hat einen be - ſondern Anhang von der Chambre des comptes dans les. Indes, worinnen die geiſtliche Stifter in Ameri - ea und deren Einkuͤnfte namhaft gemacht werden.

§. 34.

Der Koͤnig ernennt zu allen Ertz - und Biß - thuͤmern, und der Pabſt beſtaͤtiget ſie. Die Canonicate vergiebt theils der Koͤnig, theils derBi -62Spanien. Biſchof, theils das Capitul, theils der Pabſt. Dieſer genieſſet auch das eintraͤgliche ius ſpolii durch ſeinen Nuntium.

  • a) Den Vergleich Kayſer Carls V. mit dem Pabſt Clemens VII. wegen der Ernennung zu den Stiftern findet man in des gedachten Pabſtes Bulle im Corps Dipl. Supl. tom. I. part II. p. 109.
  • b) Siehe auch Journal du voyage d’Eſp. p. 381.
  • c) Keine Paͤbſtliche Bulle darf ohne des Koͤnigs ſchriftliche Einwilligung publicirt werden

§. 35.

Die beruͤchtigte Jnquiſitions-Gerichte, welche die Koͤnigin Jſabella, Kraft eines Geluͤb - des zuerſt in Spanien eingefuͤhret, und deren man jetzt 14. in dem Reiche ſelbſt und 3. in A - merica zaͤhlet, haͤlt die Nation fuͤr ihr Heilig - thum, andre aber ſehen ſolche als das allergrau - ſamſte Blutgericht an. Spanien hat ſich da - durch unerſetzlichen Schaden gethan, und die unumſchraͤnckte Gewalt der Jnquiſition bleibt allemal gefaͤhrlich und ſchrecklich, ungeachtet in vielen Jahren keine feyerliche Autos da fe vor - genommen werden.

  • 1) Backers vollſtaͤndige Nachricht von der Jnquiſition aus dem Engliſchen mit D. Baumgar - tens Vorrede, Halle 1736. 8. iſt unter den vielen Schriften hiervon am brauchbarſten.
  • a) Urſprung des ſancti offieii inquiſitionis hae - reticae prauitatis vom heiligen Dominico unter Pabſt Jnnocentio gegen die Albigenſer.
b) 63Spanien.
  • b) Die Paͤbſte fuͤhrten ſolche in Jtalien ein; aber die Teutſchen, Engellaͤnder, Franzoſen und Nieder - laͤnder lieſſen ſich ſolche nicht aufbuͤrden.
  • c) Verfaſſung, Privilegia, Jurisbietion dieſer Ge - richte, nebſt den Hauptpuncten ihrer Unterſuchungen, ihren 20. 000 Familiares, Proceſſen und Executionen.
  • d) Wie ſie mit Carl V. und Philipp III. umge - gangen?
  • e) Beſondere Anmerkungen aus den treflichen Me - moires de la cour d’Espagne, pag. 195.

§. 36.

Den Unterthanen ſind von Ferdinando Ca - tholico die Leges Tauri vorgeſchrieben. Die neuern Koͤnigliche Verordnungen hat Philipp II. 1567. in eine Recopilacion und Philipp IV. 1640. in eine nueva Recopilacion bringen laſſen. Nach dieſen legibus ordinationum geltẽ die Fo - ra, (ſtatuta prouincialia und localia), zu wel - chen auch das Fuero Iuzgo, oder Forum, ſeu Liber Iudicum gehoͤrt, alsdenn la Partita, o - der die Leges ſeptem partitarum, und endlich ius Caeſareum oder Romanum.

  • a) Die Leges Tauri ſind auf den Cortes zu To - ro 1500. abgefaſſet, und beſtehen aus 83. Geſetzen. Zween Gomez, Großvater und Enkel haben ſolche mit Commentariis erlaͤutert, Francof. 1591. f.
  • b) Die nueva Recopilacion de las leyes de eſtos Reynos en tres tomos, ſind zu Madrit 1640. f. herausgekommen.
c) Das64Spanien.
  • c) Das Forum iudicum iſt eine Sammlung, die noch von den Gothiſchen chriſtlichen Koͤnigen herruͤh - ret. Man findet ſie in LINDENBROGII Codice le - gum antiquarum.
  • d) La Partita iſt unter Alphonſo X. dem Weiſen - Koͤnige von Caſtilien, ex dictis ſanctorum et ſapien - tum et moribus Hiſpanorum 1260 geſammlet worden, und hat von ihren 7. Theilen den Namen erhalten. Gregorius LOPEZ hat Spaniſche Gloſſas, und die beyde a Hermoſilla, Vater und Sohn, haben einen Commen - tarium daruͤber geſchrieben.
  • e) Die Rangordnung dieſer Geſetzbuͤcher wird in leg. 1. Tauri feſtgeſtellt.
  • f) Um die Spaniſche Geſetze hat ſich der Daͤniſche Legations-Secretaͤr Gerhard Ernſt von Franke - nau verdient gemacht, welcher Sacra Themidis Hi - ſpaniae Arcana zu Hannover 1703. 4. herausgegeben.

§. 37.

Die kleinere Staͤdte und Flecken haben ih - re Rigidoros und Alcaldes, die groͤſſere Staͤd - te ihre Corrigidoros. Uebrigens ſind 7. Pro - vinzial-Gerichte oder Audienzias Reales, wor - innen die Vicekoͤnige und Statthalter den Vor - ſitz haben. Sie ſtehen unter dem hoͤchſten Reichstribunal dem Conſejo Real di Caſtilla, welches in 4. Cammern abgetheilt iſt. Der Proceß iſt koſtbar und langweilig.

  • a) Das einzige Koͤnigreich Navarra iſt hievon aus - genommen. Dieſes hat ſeine beſondere Geſetze, ſei - nen beſondern Proceß und ein Conſejo Real mitdem65Spanien. dem Privilegio de non appellando. VAYRAC, t. III. liv. VI. p. 251.
  • b) Ehemals genoſſen Arragonien, Valentia und Ca - talonien eben dieſer Vorrechte; aber Philipp II. caſ - ſirte ſolche in dem erſten Reiche, und Philipp V. 1706. in den beyden andern Provinzen.
  • c) Der koͤnigliche Rath von Caſtilien vertheidiget auch die Rechte der Majeſtaͤt gegen die Paͤbſtliche Ein - griffe. ZANETORNATO in ſeiner relatione del go - verno della corte di Spagna, Cosmopoli 1672. 12.

§. 38.

Die koͤnigliche Einkuͤnfte flieſſen zuſammen aus den Zoͤllen, (Almojarifazgos und Portos ſecos) dem Zehenden von allem, was verkauft oder vertauſchet wird, (Alcavalas) der Acciſe auf Fleiſch, Wein und andere Lebensmittel, (Los Milliones) der Vermoͤgenſteuer, (Los Ser - vicios) dem Stempelpapier (Papel Sellado) und der Salzſteuer; (Salinas) ferner aus der Creuzbulle (Bolla de la Cruzada) und Dispen - ſation wegen der Faſtenſpeiſen, (Grozzura und Mantego) dem Tribut ſowohl der Geiſtlichkeit, (Terzias und el Escuſado) als des hohen A - dels und der Ritterorden, contribution des lances et des galères) und den Großmeiſter - thuͤmern.

  • a) Siehe von allen dieſen Arten der Einnahme VAYRAC, III. 284. und LAET in Hiſpania, p. 377.
  • b) Von der Creuzbulle und Dispenſationen LABAT,EI. 265.66Spanien. I. 265, 268. welcher die Creuzbulle des Pabſtes Urban VIII. im Anhange beygefuͤgt.

§. 39.

Jn America gelten alle Abgaben, die in Spanien mode ſind, und die Creutzbulle wird gar doppelt bezahlt. Auſſer dem ziehet der Koͤnig von aller Ausbeute theils 5. theils 10. Procente, von der Ausfuhr des Goldes und Silbers an - derthalb Procente. Das Muͤnzregal in Mexieo iſt gleichfalls ſehr eintraͤglich. Auf die Einfuhr der Mohren ſind ſchweere Abgaben gelegt, und noch auſſerdem iſt er in dem Negreshandel, wel - chen er den Engellaͤndern verwilliget, auf ein Viertheil intereſſirt.

  • 1. Etabliſſement d’une chambre des comptes dans les Indes Occidentales, III. partie, des revenus que le Roi d Espagne tire de l Amerique, p. 265. im Anhange zum zweyten Bande der obgedachten Hi - ſtoire des Avanturiers qui ſe ſont ſignalés dans les Indes.
  • a) Von den Einkuͤnften aus der Mexicaniſchen Muͤnze handelt LABAT, I. 271.
  • b) Die Bedingungen des Engliſchen Mohrenhan - dels nach dem Spaniſchen America ſiehet man aus dem Aſſiento-Tractat vom 26. Merz 1713. in Schmauſ - ſens Corp. I. Gent. Acad. tom. II. p. 1295.
§. 40.67Spanien.

§. 40.

Das Conſejo Real da Hazienda iſt uͤber die Reichs-Einnahme und Ausgabe geſetzt. Es iſt in vier Kammern eingetheilt, nehmlich in die Finanz-Millionen-Juſtitz - und Oberrechnungs - kammer, wovon die letzſtere Contaduria Major genennet wird, und beſteht uͤberhaupt aus einer groͤſſern Anzahl Perſonen, als alle uͤbrige koͤnig - liche Collegia zuſammen genommen. Durch die elende Haushaltung der Oeſterreichiſchen Koͤnige ſtiegen nicht nur die Kronſchulden entſetzlich; ſon - dern es fielen auch die Einkuͤnfte zugleich ſo uner - hoͤrt, daß man iu der ganzen Hiſtorie kein aͤhn - liches Exempel aufweiſen kann. Philipp V. hat deßwegen den groſſen Franzoͤſiſchen Cammerali - ſten Orry dreymal nach Spanien kommen laſ - ſen, und ziemliche Verbeſſerungen gemacht.

  • a) Von der Hazienda VAYRAC, III. 244.
  • b) Schon Philipp II. koſteten die jaͤhrliche Jntereſſen ſeiner Schulden die Haͤlfte ſeiner Revenuͤen. LAET in Hiſpania, p. 480.
  • c Vom Elende in Spanien unter Carln II. ſind die Memoires de la Cour d’Espagne und der ZANE - TORNATO voll. Man kann auch die Briefe des Filtz-Moritz, bl. 97. anſehen.
  • d) Von den Verbeſſerungen Philipp V. durch Orry VAYRAC, III. 304.
E 2§. 41.68Spanien.

§. 41.

Spanien kann ſchwerlich uͤber 40. biß 50. 000. Mann ins Feld ſtellen. Doch wird der Mangel an groſſer Anzahl durch die Tapferkeit und gute Eigenſchaften ſeiner Truppen erſetzt. Jnfanterie und Cavallerie ſind beyde gleich tref - lich; beſonders ſeit dem ſolche unter Philipp V. auf Franzoͤſiſchen Fuß geſetzt worden. Gutes Gewehr haben ſie im Ueberfluſſe.

  • a) LAET in Hiſpania, p. 443.
  • b) VAYRAC, III. 419.
  • c) Jhr Schieß - und Seitengewehr wird in Bilbar, Toloſette, Gallicien und Navarra gemacht.

§. 42.

Jm ſechszehenden Jahrhundert hatte Spa - nien unſtreitig eine voͤllige Uebermacht zur See. Nach dem Zuwachs von Portugal haͤtte es in allen Europaͤiſchen und Americaniſchen Gewaͤſ - ſern Geſetze vorſchreiben koͤnnen. Aber die fata - le Unternehmung auf Engelland 1588. brachte dem Spaniſchen Seeweſen einen toͤdlichen Stoß bey. Jnzwiſchen wachten die andern Nationen auf, und halfen die Spanier vollends niederwerfen. Seit dem Utrechtiſchen Frieden hat ſich Philipp V. groſſe Muͤhe gegeben, die Marine in beſſern Stand zu ſetzen, und ſeine Flotte iſt, auſſer den Americaniſchen Gallionen und 50. biß 60. Galee -ren69Spanien. ren, faſt auf 30. Kriegsſchiffe geſtiegen. Holz, Theer und Canonen haben ſie ſelbſt; aber Se - gel - und Thauwerk muͤſſen ſie von Fremden er - kaufen.

  • a) Philipp V. hat von den Franzoſen und Genue - ſern Schiffe gekauft, ja mit Rußland daruͤber nego - ciirt.
  • b) Die koͤnigliche Schiffe werden in Corunna, Fer - rol und Cadix aufbehalten.

6. Jntereſſe.

§. 43.

Die Natur hat Spanien vor auswaͤrtigen Anfaͤllen treflich ſicher geſtellt. Die Regiments - Form iſt ſo gut eingerichtet, daß dem Koͤnige zu Befoͤrderung der Landeswohlfahrt die Haͤnde nicht gebunden ſind. Aber ungeachtet der zum Theil gluͤcklichen Bemuͤhungen, welche es im jetzigen Jahrhundert angewandt, ſich aus ſeiner Erniedrigung herauszuhelfen, wird es ſich doch zur vorigen Hoͤhe nicht bringen, wenn es nicht ſeine Einwohner zu vermehren, und arbeitſamer zu machen, und eine allgemeine Reformation im Cammerweſen durchzuſetzen weiß.

  • a) THOMAS CAMP ANELLA in ſeinem diſcurſu de monarchia Hiſpanica, Amſtelodami 1640. 12. giebt den Spanien eine Menge Anſchlaͤge, die theils vernuͤnftig, theils laͤcherlich ſind.
E 3b) 70Spanien.
  • b) Auſſer den Vortheilen der Lage koͤnnen im Rei - che ſelbft auslaͤndiſche Truppen; ſonderlich Cavallerie nicht anders als mit den groͤßten Koſten und Beſchwer - lichkeiten ſubſiſtiren. VAYRAC, III. 320.
  • c) Chriſtliche Einfalt des Spaniſchen Miniſterii unter Carl II. aus ſeiner Antwort auf den Vorſchlag einiger Hollaͤnder, den Tajo ſchiſfbar zu machen. VAYRAC, III. 315.
  • d) Eine aͤhnliche Staatsmarime dieſer Herren we - gen der auslaͤndiſchen Manuſacturen erzehlen die Me - moires de la Cour d’Eſpagne depuis 1679. jusqu’en 1681. p. 292.
  • e) Daß Orry nicht gantz reuſſiren koͤnnen, und Alberoni ſowohl als Ripperda bey ihren guten Projecten ſo geſchwinde geſtuͤrtzt worden, daran hatten theils die hartkoͤpfige Spanier, theils die Auslaͤnder, ja ſelbſt die Jeſuiten Schuld. Lehrr. Nachr. II. 71.
Das71

Das II. Hauptſtuͤck. Staat von Portugal.

  • Schriftſteller:
  • 1. Aus denen bey dem Spaniſchen Staat angefuͤhr - ten Schriftſtellern koͤnnen hiebey nuͤtzlich gebraucht werden:
  • Annales d Eſpagne et de Portugal par Don JUAN ALVAREZ COLMENAR, und
  • Lehrreiche Nachrichten fuͤr einen Reiſenden in verſchiedene Europaͤiſche Staaten.
  • 2 Relation de la Cour de Portugal ſous Don Pedro II. traduite de l’Anglois, II. tomes, à Am - ſterdam, 1702. 8.
  • 3. Hiſtoire generale de Portugal par M. LEQVIEN de NEVFVILLE, II. tomes, à Paris 1706. 4 in dem Vorbericht.
  • 4. Staat von Portugal, (von Hrn. Hofr. Schmauſſen) 2. Theile, Halle 1714. 8.
E 45.72Portugal.
  • 5. Helmſtaͤdtiſcher Nebenſtunden ſechſtes Stuͤck, worinnen von Portugal und den zwiſchen dieſer Krone und dem Koͤnige von Spanien ent - ſtandenen Zwiſtigkeiten gehandelt wird durch G. (Goͤbel) Helmſtaͤdt 1736. 8
  • 6. Memoires de Portugal, dreſſez par le Che - valier d OLIVEYRA, II. tomes, à Amſterd. 1741. 8.

I. Staatsveraͤnderungen.

§. 1.

Portugal hat in alten Zeiten einerley Schick - ſal mit Spanien gehabt. Die Phoenicier, Carthaginienſer, Roͤmer, Alaner, Schwaben und Weſtgothen haben nacheinander darinnen geſeſſen: endlich im Anfange des achten Jahr - hunderts wurden die Saracenen davon Meiſter.

§. 2.

Heinrich ein Burgundiſcher Printz aus Koͤniglichem Franzoͤſiſchen Gebluͤte erobert einen Theil von Portugal im Namen Alphonſi VI. Koͤnigs von Caſtilien und Leon, wird durch ſei - ne Vermaͤhlung mit deſſen Printzeſſinn Thereſia Graf in Portugal 1093. und erhaͤlt es erb - und eigenthuͤmlich 1110. Sein Sohn Alphonſus erweitert ſeine Herrſchaft, nimt mit Wieder - ſpruch der Caſtilianer den koͤniglichen Titul an, und bringt die Regierungsform in Ordnung. Deſſen73Portugal. Deſſen Nachfolger ſaubern das Reich immer mehr von den Saracenen, Alphonſus III. ver - knuͤpft Algarbien mit der Krone, und die eheli - che maͤnnliche Linie ſtirbt mit Ferdinand I. 1383. aus.

§. 3.

Johannes der Baſtard, des letzten Koͤnigs natuͤrlicher Bruder, ſchwingt ſich mit Huͤlfe der Staͤnde auf den Thron, deſſen gluͤckſeelige Nach - kommenſchaft die gantze Kuͤſte von Africa, von Oſtindien und von Braſilien entdeckt, und an Land und Handel maͤchtig wird. Daher iſt unter Emanuel, dem Urenkel Johannis I. die guͤldene Zeit; aber mit dem Tode ſeines eigenen Uren - ckels Sebaſtians faͤllt alles, und Heinrich der Cardinal beſchließt den Mannsſtamm 1580.

  • a] Erſtaunliche Veraͤnderung des gantzen Handels zwiſchen Oſtindien und Europa.

§. 4.

Unter allen Kronpraͤtendenten behauptet Philipp II. Koͤnig von Spanien das Reich mit Gewalt. Seit dem wird nicht allein der reichſte Theil des Seehandels den vereinigten Nieder - laͤndern zur Beute; ſondern dieſe reiſſen auch gantze Jnſuln und Provinzen in beyden Jndien, und ſonderlich das beſte Stuͤck von Braſilien an ſich. Die Portugieſen verliehren auf allenE 5Sei -74Portugal. Seiten, und werden noch dazu greulich tyranni - ſiret. Dieſe Zeit der Truͤbſal dauert 60. Jah - re. Endlich ſetzen ſie ſich 1640. durch einen gluͤck - lichen Aufſtand in Freyheit, und ihr geliebtes Haus von Braganza auf den Thron.

  • a) Was Portugal, ehe es unter die Svanier ge - fallen, in Africa, Aſien und America beſeſſen.
  • b) Was es unter der Herrſchaft der Spanier ein - gebuͤſſet.
  • c) Wie auſſer den Hollaͤndern die Engellaͤnder / Perſianer, Japaneſer und ſelbſt die Spanier dazu be - huͤlflich geweſen.

§. 5.

Johannes IV. vertreibt die Hollaͤnder aus Braſilien, verliehrt aber faſt alles in Oſtindien. Sein Sohn Alphonſus VI. wird 1667. von ſeinem Bruder Peter II. der Krone beraubt, welcher den 28. jaͤhrigen Krieg mit den Spaniern 1668. ſo gluͤcklich endiget, daß er ihnen die Sou - verainitaͤt abzwinget. Er miſchet ſich auch in die Spaniſche Succeſſionshaͤndel, aber ohne Vor - theil. Seit dem hat das Reich unter Johann V. einer beſtaͤndigen Ruhe genoſſen.

  • a Endlicher Haager Vergleich zwiſchen Holland und Portugal wegen der Oſtindiſchen Eroberungen 1661.
  • 1. Hiſtoire des revolutions de Portugal par M. l’Abbé de VERTOT, à Amſterdam 1712. 12.
2. Be -75Portugal.

2. Beſchaffenheit der Laͤnder.

§. 6.

Portugal das aͤuſſerſte Reich in Europa gegen Weſten hat ein warmes; aber ſehr angenehmes Clima, iſt von ſehr mittelmaͤſſiger Groͤſſe, und wird gegen Morgen und Mitternacht von Spa - nien, gegen Abend und Mittag aber von dem Atlantiſchen Meer eingeſchloſſen.

  • a) Von der Annehmlichkeit Portugals ſchneiden die Portugieſen auf. Staat von Port. I. 67. aus des SOVSAE Luſitania liberata.

§. 7.

Auſſer dem Mondego erhaͤlt es ſeine groſſe Fluͤſſe, den Douro, Tejo, Guadiana und Minho aus Spanien. Sie ſind wenig ſchiffbar; aber deſto reicher an