PRIMS Full-text transcription (HTML)
Der Landtſtoͤrtzer:
Guſman von Al - farche oder Picaro genannt / deſſen wunderbarliches / abenthewꝛ - lichs vnd poſſirlichs Leben / was geſtallt er ſchier alle ort der Welt durchloffen / aller - hand Staͤndt / Dienſt vnd Aembter ver - ſucht / vil guts vnd boͤſes begangen vnd auß - geſtanden / jetzt reich / bald arm / vnd wider - umb reich vnd gar elendig worden / doch letztlichen ſich bekehrt hat / hierin beſchriben wirdt.
Getruckt zu Muͤnchen /durch Ni - colaum Henricum.Anno M. DC. XV.

Dem Hochehr - wuͤrdigen in GOtt Herꝛn / Herꝛn Iacobo Abbte / deß wuͤrdi - gen Gottshauß Farnbach / ꝛc. Meinem gnedigen Herꝛn. Hochehꝛwuͤrdiger in Gott / gnediger Herꝛ.

VJlen dingen wirdt die Welt artlich vergli - chen / bißweiln einem prato florido, oder gruͤnen vnnd luſtigen Wiſen / dann wie in derſelben ſich zu Sommerszeit allerhand ſchoͤne vñ wolriechende Blumen vnd Kraͤuter ſehen laſſen / vnd die Augen der Men - ſchen erluſtigẽ / alſo wañ der Schnit - ter kombt / vnd mit ſeiner Sichel al -): (2lesVorꝛede.les abmehet / alsdann fallen vnd li - gen alle vnd jede ſchoͤne vnd heßliche / gute vnd boͤſe Blumen vnd Kraͤuter durch einander / verwelcken vnd ver - dorꝛen. Alſo vnd ebner geſtallt ſeind die Menſchen in diſer Welt je nicht anders / als vnderſchidliche Blu - men / die einander in der groͤſſe / in der ſchoͤnheit / in der guͤte / vnd in der ehr vnd hochheit ſehr vngleich ſeind aber wann der grauſamb Todt ſein Sichel anſetzet / alsdann machet er alles gleich: omnia mors æquat Dann wo ſeind anjetzo die Scepter der Koͤnige / die Huͤt der Cardinaͤln / die dryfache Jnfeln der Baͤpſte / die Kronen der Kaiſern / wo ſeind anjetzo die Samſones, Gedeones, Hercu - les vnd Achilles: Wo ſeind die rei -cheVorꝛede.che Craſſi, Midæ, Cræſi vnd weiſe vnd geſcheide Salomones.

Bißweiln wirdt die Welt einem dicken Waldt verglichen / dann in demſelben ſehen wir vnderſchidliche art der Baͤum / dern etliche wachſen in alle hoͤhe / vnd verbergen jre Haͤu - pter vnd Haar biß in die Wolcken / etliche ſeind ſehꝛ nutzlich vnd frucht - bar / aber benebens heßlich / etliche ſeind vnnutzlich vnnd vnfruchtbar / vnd doch darneben ſchoͤn / gruͤn / lu - ſtig vnd lieblich anzuſehen / etliche a - ber ſeind dermaſſen klein vnd kurtz / daß ſie jhre Zweig biß auff die Erden hangen laſſen / Alsbald aber die Art an ſie geſchlagen wirdt / vnnd ſie ins Fewr geworffen vnd zu Aſchen ver - brennt worden / alsdann keñet man): (3dieVorꝛede.die hohe vnd nidrige Baͤum nit von einander. Die Welt iſt der Waldt / die Menſchen ſeind die Baͤum / vnd wie der Waldt / alslang er gruͤnet / mit vnderſchidlichen farben geziert iſt / alſo ſeind etliche Menſchen pur lautere ignoranten, ſtam̃ler vñ vn - beredt / andere ſeind geſchwetzig vnd wolredent: Etliche ſeind Sophiſten vñ Philoſophi, andere ſchoͤn / ande - re heßlich / etliche werden erkent auß jren heroiſchen Fruͤchten vñ dapfern thaten / andere aber ſeind forchtſam̃ vnd doͤrffen ſich nichts vnderfahen / aber alsbaldt der Todt ſein Sichel anſchlaͤgt / alsdann redigiret vnd verkehꝛet er alles in Aſchen.

Ferner wirdt die Welt dem Hauſe eines Hafners verglichen / Dañ wieinVorꝛede.in deſſelbẽ Hauſe allerhand geſchirꝛ / groſſe vnd kleine / ſchoͤne vnd heßliche verhanden / dern etliche zu ehren ge - braucht vnd auf den Tiſch geſetzt / an - dere aber zu vnehꝛen vnd nur in die Winckel geſetzt werden / aber doch al - leſambt vnuerſehens oder langſamb zerbrochen vnd zu lauter Scherben gemacht werden / alſo findt man in der Welt Magnates, Fuͤrſten / Koͤ - nige / Monarchen / Edelleut / Bur - ger / Bawren vnd Armen / wie aber die vaſa alia in honorem, alia in contum eliam: vos nobiles, nos autem ignobiles; alſo ſeind wir al - leſampt dem fall vnderwoꝛffen / vnd von Natur ſehr ſchwach vnd baw - fellig / deſcende ergo, ô homo, in domum figuli. Ierem. 18.

): (4DerVorꝛede.

Der jenig aber triffts meines er - achtens / am beſten / welcher die Welt einem Laborint oder Jrꝛgarten ver - glichen / dann was ſeind die Men - ſchen in diſer armſeligen Welt an - derſt / als die hin vnd wider / auff vnd nider wanderen / lauffen / ſuchen / dichten / trachten / ſich bemuͤhen / jm - merdar vnnd vil jrꝛen / aber wenig finden noch treffen? Dann zum tref - fen iſt nur ein einiger weg verhan - den / aber zum faͤhlen vnd jrꝛen ſeind vnendtlich vil verhanden. Das ha - ben nun die jenigen mit jhrem ſcha - den wol erfahren / welche in der ewi - gen qual ſich jhꝛes auff Erden voll - brachten boͤſen Lebens halben be - klagten vnd ſagten: ambulauimus vias difficiles.

DiſesVorꝛede.

Diſes haben etliche gelehrte be - tracht vnnd geſagt / daß deß Men - ſchen Leben nur ein inconſtantiæ i - mago, ein ebenbild der vnbeſtaͤndig - keit ſeye / vermuͤg der Wort: in ima - gine pertranſit omnis homo. Pſ. 38. Andere habẽs dem vnbeſtaͤn - digen vngeſtuͤmmen Meer vergli - chen / welches ſtuͤndtlich newe Wel - len / Vngewitter vnnd Schiffbruͤch verurſachet: Dañ hominum vita imitatur mare veſaniens, quoti - die parens naufragia. Andere ſa - gen / daß deß Menſchen Leben ein ver - gehender Windt: vermuͤg der Wort Nazianzeni, eſt homo turbo re - ferens puluerem omnibus infi - dum, & incertũ hucatq; illuca - gitãs Iob 37. Aber noch beſſer ſagt): (5derVorꝛede.der weiſe Mann / Vniuerſa vanitas omnis homo viuens, als wolte er ſagen: alle vnd jede eytelkeiten / vnbe - ſtaͤndigkeiten / thorheiten / arm: vnd vngluͤckſeligkeiten befinden ſich in dem Menſchen.

Daß nun ſolches alles alſo war zu ſein erſcheine / hab ich allen vnnd jeden Standts Perſonen zur nach - richtung vnd gutem / die Hiſtori vom Leben Johan Guſmans in Truck verfertigt / vnd E. Gn. zu einen Pa - tron deſſelben erwoͤhlen / vnnd bey - nebens derſelben zu jhrer erlangten Pręlatur von Gott dem Allmaͤchti - gen vil gluͤck vnd heyl wuͤnſchenwoͤl - len / damit alſo E. Gn. derſelben vil Jarlang gluͤcklich vnnd wol vorſte - hen / vnd jedermennigklichs zu der -ſelbenVorꝛede.ſelben geſetzter guten hoffnung / ein gnuͤgen thun moͤgen / Daran dann deſtoweniger zu zweiflen / allweil E. Gn. nunmehr vil Jahrlang der Probſtey Gloͤcknitz in Oeſterꝛeich loͤblich vnd wol gehauſt vnd vorge - ſtanden / vnd dardurch allbereit ei - nen guten Namen præparirt vnd erlangt haben. Datum Muͤnchen den 1. Ianuarij 1615.

E. Gn. dienſtwilliger Ægidius Albertinus den Fuͤrſtl: Durchlein Bayꝛn Secretarius.

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1 Der Landtſtoͤrtzer.

Capvt I.

Guſman erzehlt / wer ſein Herꝛ Vatter geweſt / nemblich ein ſeltza - mer Geſell vnd ſehr erbarer Mann.

OHne zweiffel wirdt man mirs fuͤr vbel haben / daß ich wider das vierdte Gebott GOTtes handle / vnnd in Beſchreibung meiner ſchaͤndtlichen Geburt / die Laſter vnd Schand meiner Eltern entde - cke / dann jederzeit ſeindt die calumnianten vnnd Ehrenſchaͤnder veracht vnnd verhaßt worden / zumaln die jenigen / welche jhrer eyg - nen Eltern nicht verſchonen: Aber doch troͤſte ich mich mit deme / daß man von mir ſagen wirdt: O / wie gleich iſt Guſman ſeinen El - tern: Zu dem iſt jhr Leben allermennigklichen dermaſſen bekannt / daß es ein Thorheit were / wann ichs laugnen wolte / derwegẽ halte ichs vilmehꝛ fuͤr ein pur lautere hoͤflichkeit / daß ichAden2Der Landtſtoͤrtzer.den wahren vnd klaren Text ableſe / vnd etli - cher Leuth daruͤber gemachte falſche gloſſas ablaine: Dann man findt Leuth / welche / zu erzeigung jhꝛer Kunſt vnd Wolredenheit / auß einem Zwergl einen Riſen / vnd auß der præ - ſumption oder veꝛmutung ein euidentiam vñ warheit machen / Jnmaſſen einem fremb - den Edelman zu Madril widerfahren / wel - cher einen ſo groſſen Luſt vnnd wolgefallen an Spaniſchen Pferden hatte / daß er ſich ent - ſchloſſen / eins abmahlen zulaſſen / vñ es ſeinen Freunden heimbzubringen vnd zu zeigen: Zu ſolchem end verfuͤgte er ſich zu zween beruͤm̃ - ten vnd Kunſtreichen Mahlern / vnd verhieß dem jenigen einen beſtimbten Lohn / der das Pferdt am aller zierlichſten vnd natuͤꝛlichſten mahlen vnnd treffen wuͤrde: Der ein Mah - ler mahlte es dermaſſen vollkom̃lich / daß jhm nichts mehr abging / als nur die Seel: Son - ſten vnnd nichts anders mahlte er auff das Tuch: Der ander Mahler mahlte gleichfals ein Pferd / aber bey weitẽ nit ſo ſchoͤn vnd vol - kom̃lich / wie der erſt / ſondern darneben mahl - te er einen ſehr ſchoͤnen Sattel / deßgleichenſchoͤne3Der Landtſtoͤrtzer.ſchoͤne Baͤum / alte Gebaͤw / zerfallene Maw - ren vnd dergleichen / luſtige Felder / Wieſen / Blumen vnnd Kraͤuter. Als der Edelman diſe Gemaͤhld ſahe / verliebte er ſich alsbaldt ins erſte / vnnd ſchenckte dem Mahler einen koͤſtlichen guldinen Ring / ſampt ſeinem ver - dienten Lohn: Diſe deß Edelmanns groſſe Freygeblichkeit verurſachte / daß der ander Mahler fuͤr ſein Gemaͤhld einẽ vberſchweng - lichen werth forderte. Deſſen verwunderte ſich der Edelman vnnd gab jhm zuuerſtehen / daß ſein Arbeit der andern bey weitem nicht gleichte. Der Mahler replicirte vnd bekente / daß das Pferdt gleich wol nit ſo gar ſchoͤn vñ wol getroffen / aber daß jhm die vbrige darne - ben gemachte Zierlichkeiten vil Muͤh vnnd Arbeit gekoſt hatten: Aber der Edelmann antwoꝛtet / daß er dergleichen gemahlte Landt - ſchafften / Gebaͤw / Baͤum / Felder / Bluwen vnd Kraͤuter nicht begert / ſonder nur zu ſchoͤ - nen Pferden groſſen luſt gehabt / vnd mit ſich heim̃ zu fuͤhren begert habe / derwegen (ſprach er zu jhm) ſo bezahle ich dir nur das Pferdt / das vbrige Gemaͤhld aber behalte du ſelbſt. A 2Auff4Der Landtſtoͤrtzer.Auff eben diſen Schlag findt man Leuth / welche / wann man von jhnen begert / daß ſie vns die ſubſtantz vnd warheit deſſen / was ſie gehoͤrt oder geſehen / erzehlen ſollen / es jres ge - fallens / vnd jhren paſſionen nach / exagge - riren, coloriren, vermehren / ferben / anſtrei - chen / verbluͤmlen oder vernichten / auß einem Bachanten einen Comitẽ Palatinũ oder Pfaltzgrauen / auß einem Narꝛen einen Wei - ſen / auß einem heßlichen einen ſchoͤnen / vnnd auß einer verzagten Lettfeigen einen dapffern Held machen: Nit mahlen ſie nur das Pferd / ſonder cõmentiren, dichten vnd ſetzen darzu was jhnen wolgefallt. Eben diſes begegnete auch meinem lieben Vatter / dann / ſo vil die warheit belangt / ſagt man nunmehr nit / was der handel an jhm ſelbſt iſt / ſonder auß drey machet man dreyzehen / vnnd auß dreyzehen dreyhundert: Ein jeder vnderſtehet ſich etwas hinzu zuſetzen: Vnnd auß demſelben Zuſatz wirdt letztlichen ein groſſer hauffen / welcher doch keinen grundt noch Bodem hat. Dem ſey aber wie jhm woͤlle / ſo kan ich mich doch meines Vatters nit verlaugnen: Hat er vbelgehand -5Der Landtſtoͤrtzer.gehandlet / ſo wirdt er ſeinen Lohn darumb em - pfahen: Ein jeglicher kehre fuͤr ſeiner eygnen Haußthuͤr / ſo wirdt er villeicht befinden / daß ſeine Eltern eben ſo wenig kein nutz vnd vne - del geweſt ſeyen / als die meinigen. Mancher ſtoltzieret vnd pranget mit ſeinem Adelichen Geſchlecht / vralten Stammen vnd herkom - men / wann mans aber eygentlich beym Liecht beſchawt / ſo befindt ſich daß ſein Anherꝛ et - wan ein Jud oder ein Pfannenflicker / oder ein Schalcksnarꝛ / oder wann es vil iſt / ein ſchreiber oder wucheriſcher Kaufman geweſt.

Was aber meinen lieben Vatter belangt / iſt er vnd ſeine Blutsfreunde Mohꝛen geweſt: als ſie gen Genua kamen / wurden ſie fuͤr pa - tritios oder Edelleut angenom̃en vnd gehal - ten / dañ ſie hatten vil Gelts / vñ handleten mit dem Wechßl / derwegen ward er von etlichen mißguͤnſtigen verfolgt / vñ ein Wucherer ge - ſcholten / aber er hatte ein ſo gute natur / dz ers nicht andete / ſonder diſſimulierte vnnd ſich ſtellete / als hette ers nit gehoͤꝛt. Gleichwol wil ich jne nit loben / vil weniger wil ichs beſtreitẽ vnd ſagen / daß es zugelaſſen ſeye / Gelt vmbA 3Gelt6Der Landtſtoͤrtzer.Gelt oder auff Pfandt / auff ein beſtimte zeit / bey verluſt deß Pfands / woferꝛn es nit zu rech - ter zeit geloͤſt wird / außzuleyhen: Noch vil we - niger wil ich die vſuras palliatas gutheiſſen / noch auch die jenigen verthaͤdigen / welche den trucknen Wechßl fuͤhren / vnd die Stim̃ Jacobs / aber die Haͤnd Eſaus haben / ſonder ich lobe nur die gute intention, mit dern die Wechßl vnd Wucher bißweilen beſchehen / zu dem befinde ich / daß man in dreyen faͤllen etwas ex mutuo oder vltra fortem, ohne Suͤnd / nem̃en moͤge / erſtlich ratione dam - ni emergentis: am andern ratione lucri ceſſantis, vnd drittens ratione gratitudi - nis: dann der Menſch iſt gleichwol ſchuldig / ſeinem Nechſten zu helffen / aber doch der ge - ſtallt / daß er ſelbſt ſchadloß verbleib: Alſo / daß man den Wucher wol vnd vbel bꝛauchen kan / derwegen verwundere ich mich / daß man jhn an etlichen Orten verachtet vnd verbietet / da doch bißweilen die meiſte vnd fuͤrnembſte Ge - ſchlechter / Herꝛen vnnd Edelleuthen in den groſſen Staͤtten ſich darmit ernehren vnnd dereicheren. Dannenhero hette mans auchmeinem7Der Landtſtoͤrtzer.meinem lieben Vatter nit ſo hoch fuͤr vbel ha - ben ſollen.

Ferꝛner hielt man meinen lieben Vatter fuͤr einen Heuchler: Wann nun ich ſihe / daß ein Prieſter oder religios mitten in der Nacht an einem verdaͤchtigen Ort durch das Fenſter ſteigt / vnd ein Woͤhr an der Seyten hat / alsdann kan ich je nit ſagen / daß derſelb im willen habe / jemande mit den heiligen Sa - cramenten zuuerſehen: Wann aber einer vil bettet / offt beichtet / communiciret, vnd taͤglich Meß hoͤret / vnnd wann man jhn deß - wegen fuͤr einen Heuchler vnd Gleißner hal - ten wolte / das were je ein vnbillicher handel vnd ein groſſe Boßheit: Mein lieber Vatter pflegte allzeit einen groſſen Roſenkrantz oder pater noſter bey ſich zutragen / alle Morgen hoͤrte er ſeine dꝛey Meſſen mit gebognẽ Knyen vnd gen Himmel auffgehebten Haͤnden / dar - neben gab er auch vtl Almuſen. Das legten jhm nun ſeine Mißgoͤnner zu einer Gleißne - rey auß: Die vrſach deſſen war / allweil er ſich einsmals ſchier ein gantzes Jahrlang ab - ſentirte, vnſichtbar machte / vnnd ſeinemA 4Mitge -8Der Landtſtoͤrtzer.Mitgeſellen / der jhm ein groſſe ſumma Gelts hinweg gefuͤhrt hatte / nachzohe: Das Schiff / darauff er fuhr / ward durch die Tuͤrcken erobert / gepluͤndert / vnnd mein Vatter ſampt vilen anderen gefaͤngklich gen Argel gefuͤhrt. Damit nun er widerumb frey vnnd ledig werden moͤchte / ſo verlaugnete er daſelbſt ſeinen Chriſtlichen Namen / ver - ehelichte ſich mit einer ſehr reichen Moͤhrin / vnnd verblib zwey gantze Jahrlang alldort. Jnmittelſt erholte vnd erquickte ſich meines Vatters Mitgeſell / vnd vergliche ſich mit ſei - nen creditoribus vnnd Glaubigern: Als mein Vatter ſolches vernommen / entſchloſ - ſe er ſich heimblich daruon zu ziehen / vnnd zu ſolchem end vberꝛedete er ſein Fraw Moͤh - rin / daß er Kauffmanſchafft treiben wolte. Sie glaubte jhm / vnd verwilligte daß er jren Haußrath / aller beſte vnnd koͤſtlichſte ſachen verkauffte / aber mit dem darauß geloͤſtem Gelt zohe er heimblich hinweg gen Genua, nam den Chriſtlichen Glauben widerumb an / wainte / buͤßte vnnd bate GOTT den HErꝛn vmb Verzeyhung / Gnad vnndBarm -9Der Landtſtoͤrtzer.Barmhertzigkeit. Eben diſes war nun die einige Vrſach / warumb man meinem Vatter hernacher nit glaubte noch trawete / vnangeſehen er noch ſo ſehr vnnd andaͤch - tigklich bettete / vnnd vil guts thate: Man ſagt gleichwol / quod, qui ſemel malus ſemper præſumitur malus: Wer das Ziel der Erbarkeit einmal vberſchritten / vnnd ein Schelmenſtuͤckl begangen / deꝛ wagts wol oͤff - ter / aber kein einige Regel iſt ſo gar gewiß / daß ſie nicht etwan ein exception litte / dann niemandt waiſt / wie vnnd was geſtallt Gott bißweilen die Hertzen der Menſchen wunder - baꝛlich beruͤre / jnmaſſen auch meinem Vatter beſchehen / vñ er allerdings ein newer Menſch woꝛden / vnd mit redintegratis morib. auff - zohe. Dann ob ſchon jm nachgeredt ward / dz er zwey oder dreymahl fallirt oder banckerot - tirt hatte / ſo iſt doch hergegẽ war / das andere gleichfals meineydig an jhm worden / vnd jne darzu gebracht vñ verurſacht haben: Einmal iſt gewiß / daß die Menſchen nicht von Stahl gemacht worden / derwegen auch nicht ſchul - dig ſeyen / wie Naͤgel ſteiff zu halten / dannA 5ſo10Der Landtſtoͤrtzer.ſo gar die Negel ſelbſt verlieren / letztlichen jh - re Krafft wacklen / laſſen nach vnnd werden loß. Diſes ſeindt die ſtratagemata vnnd griffel der Kauffleuten / welche taͤglich practi - ciert werden / derwegen ſoll man ſich nicht ſo ſehr druͤber verwundern / ſonder es Gott dem HErꝛn vnnd dem Beichtuatter heimbſetzen: Vil Kauffleuth kenne ich / welche dergleichen ding ſtarck treiben / aber keinen einigen habe ich deßwegen hencken ſehen: woferꝛn derwe - gen das fallieren vnnd Leut anſetzen boͤß oder ein Diebſtuck were / ſo wurde mans ohne zwei - fel mit ernſt ſtraffen / zumaln weil wir ſehen / daß offt einer wegen eines einigen geſtohle - nen Guldens mit Ruthen außgehawen oder auff die Galeren geſchmidt wuͤrdet.

Ob wol auch mein Vatter dreymal ge - faͤngklich befaͤngnuſt woꝛdẽ / ſo machte er ſich doch allzeit widerumb ledig / dañ weil er reich war / vnnd der Oberꝛichter gleichſamb ſein Vatter / vnnd der Gerichtſchreiber ſein Ge - natteꝛ war / ſo ward er bald wider außgelaſſen. Es waren gleichwol inditia gnug verhan - den / aber die bloſſe inditia ſeindt nit gnug -ſamb /11Der Landtſtoͤrtzer.ſamb / ſo waren auch die Zeugnuſſen falſch / vnd galten nichts bey Gericht / noch bey ſol - chen guͤnſtigen vnnd wolgeneigten gefatteri - ſchen Richtern vnd Schreibern / zu dem pur - gierte mein Vatter ſolche inditia durch die Tortur / vnd machte alſo die Zeugen / welche ohne einiges Fundament vñ auß lauter præ - ſumptionibus deponirten, offentlich zu - ſchanden.

Beſchließlich hielt mans meinem Vatter hoch fuͤr vbel / daß er ſehr hoffertig war / vnnd ſein Angeſicht anſtriche / welchs ich nit loben koͤndte / woferꝛn deme alſo were / Aber ich hab nichts dergleichen an jm koͤnnen vermercken / allein ſahe ich / daß er weiß vnd roth duꝛch ein - ander war / vnnd ich glaube / daß er von Natur alſo war / vnd groſſe Augen vnnd rothe Car - funckelſtein im Angeſicht hatte / dannenhero vnd woferꝛn ers von Natur alſo gehabt / ich jn nit verdencken noch tadlen koͤndte / daß er der - gleichen mengel vnd gebrechen durch den an - ſtrich bedeckt vnnd verboꝛgen haben moͤchte: Hat ers aber auß Hoffart vnd fuͤrwitz gethan / ſo were es vnrecht / dañ es thuns nur die Wei -ber12Der Landtſtoͤrtzer.ber / vnd zwar die faile vnd liderliche Metzen / welche / ob ſchon ſie von Natur / ſchoͤn gnug ſeindt / nicht deſto weniger deß Morgens im Beth anfahen / ſich anzuſtreichen biß zu Mit - tag / vnd begeren alſo noch ſchoͤner zu werden: Je mehꝛ aber dergleichen Weiber jhꝛ Ange - ſicht zieren vnnd beſchawen / je mehr gehet jhr Haußweſen zu grundt: So dann das anſtrei - chen deß Angeſichts den Weibern ein ſchand iſt / vmb wie vil mehr iſts dañ den Maͤnnern? Was aber meinen lieben Vatter betrifft / ob ſchon ers gleichfals gethan hette / ſo iſt er doch nit allein der jenig geweſt / der ſich dißfals ver - ſuͤndigt / ſonder es thuns jhm villeicht auch andere ſtattliche Herꝛen nach.

Capvt II.

Guſman erzehlt wie vnd was ge - ſtallt ſein Vatter anfangs vmb ſeine Fraw Mutter gebuelt / vnd auß was fuͤr einem ehr - lichen Stammen er geboren worden / J - tem / was ſein Fraw Mutter fuͤr ein erbare Fraw geweſt.

Als13Der Landtſtoͤrtzer.

ALs vor verſtandener maſſen / mein Vatter widerumb gen Seuilia kom - men / ſeine ſchulden theils eingebracht / theils abgelegt / vnnd widerumb redlich / ja vil redlicher vnnd reicher / weder zuuor / worden / (dann ſeine creditores muſten ſich wider jhꝛen willen mit jhm einlaſſen vnd etwas we - nigs annemmen / dann vom vmbgekehrten oder vergoſſenen Wein muß man auff faſſen was man kan) fing er an / ſich vmb ein Hauß - weſen anzunem̃en / vnd kauffte ein Hofmarch oder Landtgut / welches nahe bey der Statt Seuilia gelegen / vnd Alfarche genent ward / welches dann kein wunder / dann zu Seuilia werden bißweilen auß verdorbenen Wuche - rern / anſehenliche Edelleut. Nun begabs ſich / daß / als einsmals mein Vatter ſampt andern Kauffleuten auffm Marckt ſpatzieren ging / daſelbſt ein Kindtstauff fuͤr paſſierte / vnnd von vilen ſchoͤnen Frawen gen Kirchen begleitet ward. Der fuͤrwitz ſtach vnd reitzte meinen Vatter dermaſſen / daß er jhnen nach - folgete / vnnd ſahe / was geſtallt mein Mutter vnd noch ein feiner alter Geiſtlicher Ordens -herꝛ14Der Landtſtoͤrtzer.herꝛ / das Kindt auß der Tauff hebten. Beſag - te mein Mutter war huͤpſch / ſchoͤn / holdſelig vñ ſehꝛ verſtaͤndig: Mein Vatter ſchawte ſie jmmerdar an / verliebte vnd vernarꝛte ſich als - baldt in jhre Schoͤnheit: Das merckte mein Mutter / vnnd verliebte ſich gleichfals in jhn / aber doch diſſimulirte ſie es ſehr verſtaͤndig - klich / dann es ſey ein Fraw ſo ſtattlich / wie ſie immer woͤlle / ſo frewet ſie ſich doch / geſehen vnd gelobt zu werden von Maͤnnern / vnan - geſehen dieſelbigen nicht ſehꝛ ſtattlich ſeindt. Mit redenden Augen / vnd mit ſchweigendem Mund redeten mein Vatter vnnd Mutter mit einander / vnd entdeckten alſo einander jhꝛ Hertz. Damals koͤndte mein Vatter meiner Mutter halben mehr nit erfahren / als allein / daß ſie deß vorberuͤrten Ordensherꝛn Fraw oder Anhang war / vnd dz er ſie heimblich bey ſich hatte. Vnangeſehen nun mein Mutter ſampt jhrem Herꝛn heimb ging / ſo blib doch das Hertz meines Vatters jmmerdar bey jhr / vnnd ſuchte gelegenheit ſie in der Kirchen bey der Meß widerumb zuſehen / dann laider die Kirchen vnd Haͤuſer Gottes muͤſſen bißwei -len15Der Landtſtoͤrtzer.len das beſte thun / vnd Kuppel / Huren vnnd Teufels haͤuſer vertretten: Diſes ſehen vnnd anſchawen wehꝛte ſo lang / biß letztlichen mein Vatter ein feine erbare Fraw antraff / die ſich fuͤr ein Kuplerin gebrauchen ließ / vnd meiner Mutter ein holdſeligs Brieffel / welches jhr mein Vatter geſchriben / vberantwortete / vnnd benebens gute muͤndtliche officia præ - ſtirte. Weil dann der Ordens Ritter nun - mehr alt vnd jmmerdar kranck war / ſo vber - kam mein Mutter ein vil beſſers gefallen an meinem Vatter / der noch ein junger / friſcher vnd ſtarcker Mann war / derwegen entſchloſſe ſie ſich gleichwol / jhren alten Herꝛn zuvertau - ſchen vñ zuverlaſſen / aber doch wolte ſie auch die gute bey jhm habende gelegenheit vnd ſtat - liche vnderhaltung nit gern verlaſſen / derwe - gen ſuchte ſie ein mittel auſſerhalb Hauſes / zu meinem Vatter zukommen / vnnd ſtellte ſich / als wolte ſie ein Kirchfarth nah bey meines Vatters Hof Alfarche verꝛichten: Wie nun ſie ſampt jhrem Herꝛn auffm Weg / vnd nicht weit von Alfarche war / fing ſie vnuer - ſehens an / ſich vber jhren Magenwehthumbzu16Der Landtſtoͤrtzer.zu beklagen / vnd ſich dermaſſen vbel zugeha - ben / daß man ſie fuͤr paſſiert hielt / vnd daß ſie deß Todts erloſchen were: ein hertzlichs mit - leyden mit jhr hatte. Die Leut / welche der or - ten fuͤruͤber gingen / bliben ſtill bey jhr ſtehen / vnd ein jegklicher wolte jhr einen guten Rath geben / was ſie brauchen vnd einnemmen ſol - te: Weil man aber nit gelegenheit hatte / ſol - che jr gerathene ſachen zuwegen zubringen / ſo waren alle fuͤrgeſchlagene remedia vnd mit - tel vergebens: Widerumb in die Statt zu gehen war ir vnmuͤglich / weiter fort zu gehen war beſchwerlich: vnnd mitten auffm weg al - ſo ſtill zu ligen / war ſpoͤttlich: Jnmittelſt ward mein Mutter je lenger je ſchwecher / (ſcilicet) jederman ward trawrig / vnnd man wuſte je nit / was man thun oder anfahen ſolte: Letztli - chen ſprach ein Fraw / fuͤhret ſie von der ſtraſ - ſen / ein ſpott vnd ſchandt iſts / daß man die gu - te Fraw alſo ligen vnnd ſterben laͤſt / traget ſie dort in deß Edelmans Hof / biß es gleichwol beſſer vmb ſie wirdet. Jederman lobte diſen Fuͤrſchlag / vnd der Ordensherꝛ ſchickte als - bald hin / vnd ließ das Haußgeſindt erſuchen /daß17Der Landtſtoͤrtzer.daß ſie doch diſe krancke Fraw nur ein ſtund - lang / biß es etwas beſſer vmb ſie woꝛden / ein - nemmen wolten Ein altes Weib befand ſich im Hauſe / die war allbereit vnderwiſen / was ſie thun ſolte / gab derwegen zur antwort / daß man die krancke Fraw nur kecklich herbꝛingen ſolte / damit jhr geholffen / vnd aller guter wil - len erwiſen werden moͤchte. Der Ordensherꝛ ließ ſie hintragen / ging ſelbſt mit / vnd erzeigte ein groſſes mitleiden mit ſeiner krancken Fra - wen / welche jhren ſchmertzen ſtarck klagte / vñ doch heimblich lachte: Die alte Fraw oder Haußpflegerin eroͤffnete alsbald alle Zimmer vnnd Loſementer / vberzohe ein Beth mit fri - ſchen Leylachern / legte mein Mutter darein / waͤrmete jhꝛen Bauch mit warmen Tuͤchern / labte vñ erquickte ſie mit confect vnd andern kraͤfftigen guten ſachen / biß ſich der ſchmertzẽ allgemach verluhr: Mein Mutter ſtellte ſich / als begerte ſie ein wenig zu ruhen vnnd zu ſchlafen / deſſen frewete ſich der alt Herꝛ / ließ ſie allein im Beth ligen: ſperꝛte alle Fenſter vnd Thuͤr fleiſſig zu / vnd befahl / daß man ſtill ſeyn / vnd niemandt zu jhr hinein gehen laſſenBſolte:18Der Landtſtoͤrtzer.ſolte: Er ſelbſt ging auch von dannen vnnd im Garten ſpatzieren: Aber mein Vatter ſchlieff nicht / ſonder hoͤrte in einer abſonderli - chen Kammer alles / was fuͤruͤber ging / er er - oͤffnete in aller ſtill die Kammerthuͤr / darinn mein Mutter lag / verfuͤgte ſich zu jr / vnd ver - trib jr jnnerhalb zweyer ſtunden allen ſchmer - tzen. Letztlichen ging der alt Herꝛ auß dem Garten / ſuchte mein Mutter heimb / vnd als er ſahe / daß es etwas beſſer vmb ſie worden / danckte er Gott / ſchickte alsbald in die Statt / ließ allerhand Speiſen vnd Getranck herauß bringen / vnd hatte einen guten Muth mit ſei - ner Frawen. Jnmittelſt aber ging mein Vat - ter heim̃lich von dannen gen Seuilia / ließ jm ein Pferdt ſatteln vnd ritte / ſeiner gewonheit nach gen Alfarche / fandt daſelbſt den alten Ordens Ritter ſam̃t der Frawen / erzeigte ſich gantz freundlich gegen jhnen / leiſtete jhnen ein zeitlang geſellſchafft / vnd begleitete ſie wider - umb in die Statt.

Bald hernacher ward der alt Herꝛ je laͤn - ger je kraͤncker vñ ſchwaͤcher / aber mein Mut - ter je lenger je gatler vnd begieriger / biß letztli -chen19Der Landtſtoͤrtzer.chen ſie jhne ins Grab brachte: Jn ſeinem letzten End vnnd Zuͤgen aber / zohe ſie gleich - fals / vnnd raumte aller orten dermaſſen auff / daß ſchier kein einiges gantzes Leylach mehr verhanden war / darin man ſeinen todten Leib wicklen hette moͤgen. Vnd ob ſchon man ein ſtarcke nachfrag hatte / wo doch ſein Gelt vnd Gut hinkommen ſein moͤchte / ſo wolte doch mein Mutter nit beſtehen / daß er ſonderbars vil gehabt / ſonder ſagte / daß er das ſeine ſelbſt an worden / vnd ob ſchon er jhr etwas wenigs geſchenckt / ſo hette ſie es doch wol vm̃ jne ver - dient / vnd jhm fleiſſig vnnd trewlich außge - wart. Darmit thate ſie nun jhrem Gewiſ - ſen ein gnuͤgen / vnnd die Rechtsgelehrten ga - ben jhr zu verſtehen / daß ſie es gar wol vnnd mit gutem Gewiſſen behalten doͤrffte / dann ob ſchon ſie es ſchendtlich gewunnen / ſo hab ſie es doch nicht ſchaͤndtlich / ſonder redlich angenommen.

Bey diſem Todtfall hat ſich wahr zu ſein befunden / was ich zuuor hab ſagen hoͤren / daß nemblich die Reichen auß Armut / die Armen auß vberfluß / vnnd die Geiſtlichen auß KaͤlteB 2ſterben /20Der Landtſtoͤrtzer.ſterben / dann die Reichen doͤrffen auß lauter Geitz vñ mißtrawen gegen Gott / nicht gnug eſſen / vnd ſterben mehꝛers auß hunger / weder wegen der ſchaͤrpffe der Kranckheit: Mit den Armen aber hat jederman ein mitleyden / dañ etliche ſchicken jhnen etwas / andere bringen jhnen einen gantzen hauffen Speiſen / zumaln wann ſie in extremis vnnd letzten noͤthen li - gen. Man findt etliche mente captas oder vnweiſe Frawen / welche die krancke Armen / auß lauter andacht / in jhren Haͤuſern oder Spitaͤlen beſuchen / vnnd jhnen gantze Haͤfen vnd Koͤrb voller collationen vnnd Speiſen bringen / aber an ſtatt deß Almuſens / welches ſie jhnen dardurch zu geben vermeinen / befuͤr - dern ſie jhren Todt / dann entweder koͤnnen die Krancken es alsdann im Todtbeth nim̃er genieſſen / oder aber ſie genieſſen es vnordent - lich / koͤnnens nicht veꝛdaͤwen / vnnd erſticken gleichſam̃ druͤber. Was aber die Geiſtlichen belangt / weil ſie in jhren toͤdtlichen Kranck - heiten bißweilen keine rechte Erben bey ſich haben / ſo ſterben ſie gleichſamb vor lauter Kaͤlte / wie zu ſehen an diſem Ordensherꝛn /deme21Der Landtſtoͤrtzer.deme man in ſeinem Leben kein Hemmet ließ / vnd kaum ein altes zerꝛiſſenes Leylach wider - fahren hat laſſen / das iſt nun aber der Con - cubinariorum rechter Lohn.

Jnmittelſt vnnd noch in wehrendem deß alten Ordensherꝛn Leben / ward mein Fraw Mutter ſchwanger / vnd gebahr einen Sohn / der war ich / vnd hatte ich / der rechnung vnnd regel der ſcientiæ fœmininæ nach / zween Vaͤtter / dann mein Mutter wuſte mich der maſſen zu filioliſiren, daß ich gleichſamb ein vnmuͤglichs ding erhielt vnd zuwegen brach - te / dann ich gefiel zweyen Vaͤttern oder Her - ren / vnnd ſie alle beyde erkennten mich fuͤr jh - ren Sohn / Wann der Ordensherꝛ allein bey mir war / ſagte vnnd beruͤmbte er ſich / daß ich jhm vil gleicher vnd aͤhnlicher ſehe / weder ein Ey dem andern: Wann ich mit dem andern meinem Vatter redete / ſagte vnnd bezeugete derſelb / daß ich jhme je gleicheꝛ nit ſehen koͤnd - te. Diſer geſtallt zaͤrtelten vnd liedten ſie mich alle beyde: Kein anderer vnderſchidt war hierunder verhanden / als allein / daß der Or - densherꝛ mich in ſeinem noch wehrenden Le -B 3ben /22Der Landtſtoͤrtzer.ben / offentlich fuͤꝛ ſeinen Sohn hielte / aber der ander hielt mich heimblich darfuͤr / dann mein Mutter hat mich deſſen hernacher verſichert vñ mir deßwegen ein lange Relation gethan / derwegen ſage vñ proteſtire ich hiemit / daß mir das jenig / deſſen mich die mißguͤnſtige calumnianten bezeyhen / daß nemblich ich mehꝛ / als zwen Vaͤtter gehabt haben ſolle / nit wahꝛ iſt / dann nit allein meine zwen Vaͤtter haben mich ſelbſt fuͤr jren Sohn erkennt / ſon - der es hats auch mein Mutter beſtaͤttigt: Jſt alſo vil beſſer / daß man ſage / daß ich vbel ge - boren woꝛden / weder keines einigen Sohn vnd niemande zugehoͤrig ſeye: Es liebte mich auch mein Vatter Guſman dermaſſen / daß er gleichſam̃ ein Abgoͤtterey dardurch beging / dann vnangeſehen mein Mutter von menig - klichen ein Fraw Commenthurin (wegen jhres erſten alten Herꝛn deß Commenthurs) genennt ward / ſo verthedigte er ſie doch / ſamb hette er ein Wohnung oder rechtſame zu der cõmenda: Ja was mehr iſt / er fragte nichts nach ſolchem Namen / ſondern er ehelichte ſie auch offentlich / vnd zwar nit ohne vrſach /dann23Der Landtſtoͤrtzer.dann er wuſte ein anſehenlichs Gelt bey jhr / Aber wie das Gelt war gewunnen / alſo iſt es entrunnen / dann bald nach dem mein Vatter Hochzeit mit meiner Mutter gehalten / fing er an / ſich ſehꝛ ſtattlich zu halten / zu bancketiren / zu ſpielen / vnd dermaſſen zu dommiren / daß er jnner halb zwey Jaren nit allein 10000 Du - caten meines Muͤtterlichen Guts hindurch jagte / ſonder auch ſein Landtgut Alfarche ge - nannt / verkauffte / vnnd bald hernacher auß Hertzleyd ſtarb. Da fing mein Mutter an / arm / elendig / veracht vnd demuͤtig zu werden / dann vnangeſehen jederman wol wuſte / daß ſie an dem alten Herꝛn Commenthur hing / nicht deſto weniger war ſie dermaſſen vnuer - ſchambt / ſtoltz vnnd hoffertig / daß ſie ſich ge - dunckte vil beſſer zu ſeyn / weder andere ehrli - che matronen, vnnd diſes iſt aller Fetlen ge - brauch / derwegen vnd als mein lieber Vatter auß diſer zeitlichen Wanderſchafft erfordert worden / diſem Leben vꝛlaub gegeben / ſeine letz - te Taͤg mit vollendung deß Todts beſchloſſen hatte / vnnd vom Liecht diſer Welt verſchiden war / ward jederman meiner Mutter ſpinnen -B 4feindt /24Der Landtſtoͤrtzer.feindt / vnd man redete jhr ſehꝛ ſpoͤttlich vnnd ſchimpflich nach: Vnder andern ſagte man auch / daß jhr Vatter ein Ehrwuͤrdiger Prie - ſter / vnd jhꝛe Fraw Mutter ein Fettel geweſt war: An ſtatt auch / daß mein Mutter nur zwen Maͤnner in jhre Netz verwickelt hatte / ſagte man / daß mein Anfraw zwey gantze du - tzet gehabt / vnnd dieſelbigen / wie junge Huͤn - lein / auß einerley Geſchirꝛ eſſen / vnd in einer - ley Beth ſchlaffen hatte laſſen / ohne daß ſie einander biſſen. Mit jhrer diſer Tochter mei - ner Mutter vberkam ſie vil Vaͤtter / dern je - den ſie vberꝛedete / daß jhre Tochter jhnen zu - gehoͤrte / ſeytemal ſie einem jeden ſehr gleich vnd aͤnlich ſahe / vnd zwar dem einen mit den Augen / dem andern mit dem Mund / dem dꝛit - ten mit der Naſen / dem vierten mit dem Re - den / dem fuͤnfften mit den Geberden / vnd dem ſechſten ſo gar mit dem außſpeyen.

Capvt III.

Guſmans erſter Auffzug.

Auß25Der Landtſtoͤrtzer.

A oberzehlten vrſachen ward ich ein armes Waißlein / vnd dermaſſen troſt: vnnd huͤlffloß / daß kein einiger Baum verhanden war / der mir einen Schatten ge - macht oder gegeben hette / Kein anders mittel ſahe ich / als mich von dannen anderſt wohin vnbekanter weiß / in die frembde zu begeben / vnd mich nicht nach meinem Vatter / ſonder nach meiner Mutter Geſchlecht / Guſman von Alfarche zu nennen / ſeytemal ich allda zu Alfarche meinen Anfang vberkommen. Nun begab ich mich hinauß / in meinung / die Welt zu beſehen / vnd befahl mich Gott vnd guten Leuten. Jch war gleichwol noch ſehr jung / zu Seuilia zartiglich one einige vaͤtter - liche noch muͤtterliche Zucht / mit Hoͤnigſup - pen vnd Roſenzucker erzogen / derwegen kam es mir je ſchwer an / meines Vatters Hauß vñ Freunde zuverlaſſen / aber die noth trib mich hinauß / alsbaldt nun ich zum Thor hinauß kam / floſſen zwen Waſſerbaͤch auß meinen Augen / die Nacht kam auch herzu / ſahe der - wegen weder Himmel noch Erde / gelangte letztlichen gen S. Lazaro, welches vngefaͤhr -B 5lich26Der Landtſtoͤrtzer.lich ein Meil wegs von Seuilia ligt / daſelbſt ſetzte ich mich auff der Straſſen nider / fing an mein Leben zu betrachten / vnd begerte wider zu ruck zu gehen / allweil ich mich mit einer groſſen vnbedachtſambkeit vnd wenig Gelts auff ein ſolche lange Reiß hatte begeben. Jch hatte weder zu Mittag noch zu Nacht geſſen / derwegen ſing mich an zu hungern / vnnd ich empfandt den vnderſchidt / der da iſt zwiſchen einem ſatten vnd hungerigen Menſchen: Alle muͤhe vnd arbeit paſſieren / wann man darne - ben zu eſſen hat / wo aber nichts zu freſſen ver - handen / da gehets vnwirſch zu. Jch hette gern zu Nacht geſſen / fand aber nichts anders / als ein friſch Bruñenwaſſer / ich wuſte je nit / was ich thun oder anfahen ſolte: Jch befand mich in forcht vnd hoffnung / ergab mich doch letzt - lichen Gottes Haͤnden / vnnd verꝛichtete ein kurtzes Gebett / ging wider hinauß / ſetzte mich bey einem Brunnen nider / vnd entſchlief auß lauter Melancoley vnd Trawꝛigkeit / erwach - te deß Morgens fruͤh / vnd ging den nechſten weg fort / vnnd gedachte an die vbel formirte vnd beſtelte reſpublicas, in denen die Fuͤß dasAmbt27Der Landtſtoͤrtzer.Ambt deß Haupts / vnd das Haupt das Ampt der Fuͤſſen verꝛichten. Meine Fuͤß trugen mich / vnd ich folgte jnen vber Berg vñ Thal / vber Wiſen vnnd Aecker / denſelben gantzen Tag ging ich nur zwo kleine Meil wegs / aber doch gedunckte mich / daß ich die antipodes erꝛeicht / vnd ſampt dem Columbo ein newe Welt erſunden hatte. Als nun ich in ein kalte vnd duͤrꝛe Herberg kam / fragte man mich / wo ich hinauß woͤlle? Jch antwortet / daß ich vor - habens were / mich an deß Koͤnigs Hof gen Madril zu begeben / aber dz mich faſt hunger - te / ſeytemal ich ſchier in zwen Tagen nichts geſſen / man ſetzte mir Eyer fuͤr / die ich ge - ſchwindt vngeſchawt / aber in wehrendem eſ - ſen / empfand ich etwas von zarten Gebeinen vnd Fleiſch / ohne zweiffel warens junge Huͤ - ner / die allbereit außgebruͤt waren. Jch ver - merckte gleichwol / daß ſie nit beſchaffen wa - ren wie andere Eyer / die ich in meiner Mut - ter Hauß hatte geſſen / aber doch ließ ich ſie paſſieren / dann der Hunger trib ſie fort / daß ſie durch den Mundt in Halß / vnd auß dem Halß hinab in Bauch kamen: Mit demBrot28Der Landtſtoͤrtzer.Brot hielt ich mich etwas laͤnger auf / dann es war dermaſſen hart vnd ſchimlecht / daß ichs nur zu kleinen broͤcklsweiß hinab bringen vnd ſchlicken muſte: Vngefaͤhrlich vber ein vier - tel ſtund hernacher fingen die Eyer an zu wir - cken / vnd ich empfandt / daß die arme Huͤnlein anfingen in meinem Bauch zu kratzen / der - wegen fing ich / wie ein ſchwangere Fraw / an zu ſpeyen vnnd außzuwerffen / biß mir nichts mehr im Bauch verblib. Dem allem aber vnangeſehen / begab ich mich deß Morgens fruͤh widerumb auff den weg / vnd traff einen Eſeltreiber an / der fragte mich was mir man - gelte? Jch erzehlte jhm / was ich fuͤr ein herꝛ - liche Mahlzeit gehabt / vnd wie es mir mit den Eyern gangen war. Aber an ſtatt deß troͤſtens lachte er mich rein auß / vnnd ſpottete meiner noch darzu / vnd fuͤhrte mich zu Mittag in ein Herberg vnd zum allergroͤſten Dieb / den man in derſelben gantzen Gegent hette finden moͤ - gen / Diſer Wirth hatte vnder ſeinem Vieh auch ein Eſelin / die ließ er bißweilen mit al - lem fleiß ledig im Stall vmblauffen / damit ſie den andern Roſſen der frembden Fuhrleu -ten29Der Landtſtoͤꝛtzer.ten vnd Gaͤſten jhre lectiones leſen vnd das Futer auffeſſen helffen ſolten / darauß aber er - folgte / daß ſie letztlichen ſchwanger von jhnen ward / weil aber die Geſetz in Andaluſia ſol - che vngleiche vermiſchungen bey ſchwerer ſtraff verbotten / vnnd aber ſich begab / daß die Eſelin vor der rechten zeit einen jungen Eſel gebar / ſo verbarg jhne der Wirth / vnd hielt jn gantz heim̃lich / aber als er ſahe / daß ers in die laͤng nit verbergen kondte / ſo ließ er jhne an ei - nem Freytag niderſchlagen / das Fleiſch ein - ſaltzen / vnd den Kopff / das Hirn / die Fuͤß vnd das Jngeweid an einem Sontag ſieden vnd zubereiten: Wir zwen kamen auch gerad zur rechten zeit / vnd fragten den Wirth / ob er vns hette etwas zu eſſen zu geben? Der gab vns zuꝛ antwort / daß er geſtrigs Tages ein ſehr gutes vnd feiſtes Kalb hatte abgeſtochen / vnnd das Jngeweidt geſotten / vnd ſeye vrbietig / vns et - was daruon mit zutheilen: Deſſen frewete ich mich zum hoͤchſten. Der Tiſch ward gedeckt / vnnd man ſetzte vns vier geſottene Eyer fuͤr / deßgleichen ein in Butter gebachenes Hirn / folgends ein geſottenes Jngeweyd / das allesaber30Der Landtſtoͤrtzer.aber ſchmeckte vns nit wol / dañ die Eyer waͤ - ten inwendig blutig / vnd das Hirn vnd Jnge - weyd ſtanck ſehr vbel: Jch vnd mein Mitge - ſell ſahẽ einander an / lachten vnd aſſen nichts darnon / der Wirth merckte es vnd ſpꝛach: Jhꝛ Herꝛn / jhꝛ doͤrffet mir meine Speiſen nit ver - lachen / die Eyer ſeind friſch / vnd das ander iſt von einem guten faiſten Kalb / das kan ich be - weiſen woferꝛn jhrs begert. Mein Mitgeſell der Eſeltreiber aber antwortet vnnd ſprach: Was gehet dich vnſer lachen an / haſtu dann einen Tax im Hauſe / warumb vnd wie vil der Gaſt lachen ſolle? Laß du einen jeden lachen oder weinen ſo vil vnd offt es jhne geluſtet / vñ nimb du dein Gelt darfuͤr ein: Die vrſach meines lachens iſt / allweil deine Eyer mich erjnnert haben an die jenige Eyer / welche diſer mein Mitgeſell vorgeſtern an einem andern ort geſſen / vnnd dermaſſen friſch waren / daß jhme das Blut der jungen darin verhandenen Huͤnlein auß dem Mundt gerunnen. Der Wirth gab ſich zufriden / weil er ſahe / daß wir es ferner nit andeten: Weil aber die Eyer bey mir anfingen zu operiren, vnd die darin ge -weſte31Der Landtſtoͤrtzer.weſte junge Huͤner in meinem Magen vmb - zukratzen / ſo ergriffe ich geſchwind die Wein - kanten / vnd thate zwen ſtarcke truͤnck / dann es heiſt: poſt ouum molle, bonum hauſtum tibi tolle: poſt ouum durum bis, ſi diu viuere cupis. Bald hernacher brachte vns der Wirth widerumb etwas anders / das kon - ten wir eben ſo wenig kewen noch eſſen / ſon - der ſtunden vom Tiſch auff / vnnd ſchawten zu vnſern Eſeln: Jnmittelſt aber ward mir mein Mantel auß der Kammer verzuckt / vn - angeſehen vnſer nur vier Perſonen im Hauſe waren / derwegen lieff ich hin vnnd wider im Hauſe herumb / vnnd ſuchte meinen Mantel mit ſchmertzen: Letztlichen kam ich auch in die Kuchel / darinn ſtundt ein groſſer Hafen mit friſchem Blut / vnnd nah darbey lag ein Eſelshaut ſampt den abgehawenen Fuͤſſen / Kopff vnnd langen Eſels Ohren: Nur die Zung vnd das Hirn maͤngelte / dann wir hat - tens allbereit zum theil geſſen: Da lief ich als - bald hin zu meinem mitgeſellen / zeigte jme die vberwerlein vnſers Nachtmals / vnd ſprach: Sihe / das iſt das friſche Kalb / welches vnsder32Der Landtſtoͤrtzer.der Wirth ſo ſehr gelobt hat: Als ich nun alſo mit jhm redete / ſahe ich mich noch ferner in der Kuchel vmb / vnnd ſahe an der Wandt ein feiſte abgezogene Katz hangen / vnnd die Koͤchin ſagte vns / daß der Wirth vil derglei - chen Katzen an ſtatt der Haſen vnnd Koͤnigl / braten vnd anrichten lieſſe. Wir lachten vnd verwunderten vns vber diſe deß Wirths ſo groſſe fuͤrſichtigkeit: Folgendts ging ich zu jhm / vnd fragte mit ernſt nach meinem Man - tel / er aber gab mir boͤſe antwoꝛt / vnnd trohe - te mir mit der Ruthen / da hebte ich Stein auff / vnd warff ſie jhm nach dem Grindt: Er lieff in ſein Zimmer / holte ſein Woͤhr vnnd wolte mich erſtechen: Aber mein Mitgeſell ſtund mir bey / da ward ein groſſer Lermen / al - le Nachbarn lieffen herzu / der Richter / Ge - richtſchreiber vnnd die Schoͤrgen lieſſen ſich geſchwindt ſehen / vnnd namen mich beym Grindt / vnd wolten mich gefaͤnglich hinweg fuͤhren: Aber ich bate ſie zum allerhoͤchſten / daß ſie mich nit alſo vbereylen / ſonder mich zuuor zur verantwortung kommẽ laſſen wol - ten / jnmaſſen beſchehen / vnnd ich jhnen alleserzehlte33Der Landtſtoͤrtzer.erzehlte / was ſich zwiſchen vns verloffen / vnd wz wir fuͤr ein ſchoͤnes Kalbfleiſch geſſen vnd gefundẽ: Darauff lieſſen ſie alsbald dẽ Wirth gefaͤngklich annem̃en / durchſuchten ſein gan - tzes Hauß / vnd fanden nit allein meinen Man - tel / ſonder auch die abgezogene Eſelshaut ſampt dem Kopff / Ohꝛen / Fuͤſſen vnd Jnge - weid / deßgleichen zwo abgezogene faiſte Ka - tzen. Was nun ſie fuͤr ein Straff gegen jhme fuͤrgenommen / iſt mir vnbewuſt / dann ich vñ mein Mitgeſell trolten vns von dannen hin - weg / vnd danckten Gott / daß er vns auß diſer gefahꝛ erꝛett hatte.

Capvt IV.

Guſman diſcurriret artlich von der Gluͤckſeligkeit vnnd vngluͤckſeligkeit der Menſchen / vnd was geſtalt er vnſchul - digklich gefangen wor - den.

REcht vnnd wol ſagt der heilig Job: militia vita hominis ſuper terrá: als wolte er ſagen: Das Leben derCMen -34Der Landtſtoͤrtzer.Menſchen iſt je nichts anders / als ein Streit vnnd Krieg auff Erden / nichts iſt ſicher / kein Standt iſt beſtaͤndig / kein Luſt iſt vollkom̃en / kein freud iſt warhafftig / alles iſt ein falſchheit vnd eytelkeit: Dann als der Gott Iupiter alle ding auff Erden erſchaffen / vnd die Men - ſchen darumb foꝛmirt hatte / daß ſie ſie beſitzen vnd genieſſen ſolte / befahler / daß ein ſonder - bare Goͤttin / namens die Gluͤckſeligkeit / in der Welt reſidiren vnd wohnen ſolte / im we - nigſten gedachte vnnd vermeinte er / daß die Menſchen ſo gar vndanckbar gegen jhm wer - den wurden / jnmaſſen ſie hernacher gethan / vnnd ſich gegen jhm ſtarck geſetzt haben / Dann weil ſie diſe Goͤttin Gluͤckſeligkeit bey ſich hatten / ſo gedachten ſie an keinen andern Gott / ſonder opffertẽ diſer Goͤttin allerhand Opffer / vnd ſangen jhꝛ vil Lobgeſaͤng. Dar - uͤber erzuͤrnete ſich Iupiter, beruffte alle an - dere Goͤtter zuſammen / erzehlte jhnen die boͤſe correſpondentz vnnd vndanckbarkeit der Menſchen / in deme ſie nun die Gluͤckſeligkeit verehꝛten vnnd anbetteten / da doch er jhnen ſo vil Gutthaten erwiſen / vnd ſie auß nichts er -ſchaffen /35Der Landtſtoͤrtzer.ſchaffen / begerte derwegen von jhnen / daß ſie jhm jhre meinung vnnd guten rath geben ſol - ten / was er mit den Menſchen anfahen moͤch - te: Etliche der guͤtigſten / barmhertzigſten vnd mitleidenlichſten Goͤttern ſagten / daß die Menſchen einer ſchwachen Materi waͤren / vnd daß man derwegen ſie vbertragen vnd jh - nen etwas nachſehen / aber doch ſie mit etwan einer leidenlichen correction vnnd Straff anſehen ſolte / in gaͤntzlicher hofnung / ſie wur - den ſich dran kehren / vnd jhnens ins kuͤnfftig ein gewarnung ſein laſſen. Der Gott Mo - mus vnderſtund ſich ſein meinung darzu zu - ſagen vnd frey herauß zu reden / aber Iupiter hieß jhne ſtill ſchweigen / biß die frag an jhn kaͤme. Gleichwol waren auch andere Goͤtter verhanden / welche es mit dem Momo hielten / vñ vermeinten / daß das verbrechen der Men - ſchen wider den allerhoͤchſten Gott Iupiter vnendlich were / vnd daß derwegen von rechts wegen die Straff gleichfals vnendtlich ſeyn ſolte: Vns gedunckt (ſprachen ſie) daß man das gantze Menſchliche Geſchlecht zerſtoͤren vnnd gar vertilgen / auch niemaln widerumbC 2auffs36Der Landtſtoͤrtzer.auffs new erſchaffen ſolle / ſeytemal wir jhrer nicht beduͤrffen. Andere Goͤtter votirten vñ ſagten / dz man die allermeiſte / maͤchtigſte vñ boßhafftigſte Menſchen außreuten vnd ver - brennen / vnd hinwider andere from̃e erſchaf - fen ſolte.

Letztlichen gab auch Apollo ſein Stimm vnd ſprach: Allerhoͤchſter Herꝛ / dein gefuͤhr - te klag wider die Menſchen iſt dermaſſen bil - lich vnd gerecht / daß man dir kein einige wi - der ſie vorhabende Raach abſchlagen kan / a - ber doch iſt darneben auch diſes zubedencken / daß / woferꝛn du die Welt zerſtoͤreſt / alles ver - gebens vnnd verlohren iſt / was du erſchaffen haſt: Man wuͤrde dirs auch fuͤr ein vnuoll - kommenheit außrechnen / wann du das jenig zerſtoͤrteſt / was du erſchaffen haſt / gleichſamb hetteſtu gejrꝛt vnd empfuͤndeſt ein Rew. Vil weniger wil dir gebuͤhren vnd wol anſtehen / daß du die Menſchen vertilgeſt / vnd widerum̃ newe erſchaffeſt / dann thuſtu es / ſo muſtu jnen einen freyen willen / oder keinen geben / gibſtu jhnen einen / ſo werden ſie eben alſo beſchaffen werden / wie die vorigen geweſt: Benimbſtujhnen37Der Landtſtoͤrtzer.jhnen den freyen willen / ſo werden ſie keine Menſchen ſein / vñ wuͤrdeſtu ein ſo groſſe ma - chinam deß Himmels / der Erden / der Ster - nen / deß Mohns / der Sonnen / vnd die com - poſition der Elementen / vergeblich erſchaf - fen haben. Dannenhero iſt ein notturfft / daß kein andere newerung fuͤrgenommen / ſonder nur ein heylſames remedium an die Hand genommen werde: Du / O allerhoͤchſter Herꝛ / haſt jhnen die Goͤttin Gluͤckſeligkeit ge - geben / auff dz ſie dieſelbe recht vnd wol brau - chen / vñ nit vndanckbar noch widerſetzig ſein ſolten / weil aber ſie dieſelbe mißbraucht vnnd vngehoꝛſamb woꝛden / ſo iſt billich / daß ſie ge - ſtrafft werden / vnd daß du zu ſolchem end jh - nen dieſelbe Goͤttin Gluͤckſeligkeit benem̃eſt / vnd jhnen an ſtatt derſelben die Vngluͤckſelig - keit zuſchickeſt / damit ſie alſo hinfuͤran jhre Armſeligkeit / vnd hergegen dein Macht vnd Ernſt ſehen vnnd erkennen. Darneben aber kanſtu nach allem deinem Goͤttlichen willen den wolverdienten Perſonen die Gluͤckſelig - keit vnd Wolfahrt beſcheren vnd mittheilen: Aber doch ſtehets in deinem Gefallen vnndC 3willen /38Der Landtſtoͤrtzer.willen / was du dißfals thun woͤlleſt.

Diſes war nun das votum oder gutach - ten Apollinis, vñ ob wol Momus ſich ſtarck befliſſe / mit ſeiner vergifften Zungen das ver - brechẽ der Menſchen zu exaggerirẽ, ſo erken - ten doch die andere Goͤtter ſeinen alten grol - len / neyd vnd feindſchafft wider das menſch - liche Geſchlecht / vnd lobten die meinung A - pollinis; derwegen befahl Iupiter dem Mer - curio die execution, derſelb verfuͤgte ſich alsbald hinab auff Erden zu den Menſchen / fand bey jhnen die Goͤttin Gluͤckſeligkeit / vnd ſahe / daß ſie nichts anders thaten / als eſ - ſen / trincken / ſpilen / tantzen vnnd froͤlich ſein / ſamb wuͤrde es ewigklich wehren. Aber Mer - curius ging heimblich zu der Goͤttin Gluͤck - ſeligkeit / zeigte jhr den willen vnnd befehl der andern Goͤtter an / vnd fuͤhꝛte ſie mit ſich hin - weg: Das verdroß die Menſchen / woltens verhindern / vnnd widerſetzten ſich dem Mer - curio mit aller macht. Als Iupiter diſen vnwillen vnnd rauffhandel ſahe / ſtig er vom Himmel herunder / vñ in deme die Menſchen ſich an den Kleydern der Goͤttin Gluͤckſelig -keit39Der Landtſtoͤrtzer.keit ſteiff hielten / zohe er ſie auß den Kleydern / ließ die Vngluͤckſeligkeit an jhr ſtatt vnnd in jhren eygnen Kleydern / vnd fuͤhrte ſie mit ſich gen Himmel: Dardurch wurden nun die Menſchen betrogen / dañ ſie vermeinten / daß ſie jhꝛ intent erhalten / vñ jre Goͤttin Gluͤck - ſeligkeit behalten hatten / aber das widerſpil befand ſich.

Eben diſer Jrꝛthumb der alten zeiten iſt auch gelangt auff diſe vnſere jetzige gegenwer - lige zeiten / dann es vermeinen die Menſchen / daß die Gluͤckſeligkeit allhie auff Erden ver - bliben / vnd daß ſie dieſelbe bey ſich haben / aber ſie jrꝛen ſich / dann ſie haben nur jhr bloſſes Kleyd / vnnd euſſerliche Figur / dann die Vn - gluͤckſeligkeit / muͤhe vnnd arbeit ſteckt mitten drin. Wann man einen fragt / wohin er ge - hen woͤlle? ſo gibt er mir zur antwort / ich ge - he in ein Hochzeit / oder zu einer Gaſterey oder Frewdenſpiel: Nun wolan / er gehet hin / er jſſet / trinckt / ſingt / ſpringt / tantzt / buelet vnnd hat einen guten muth / wann aber er widerum̃ heimb gehet / alsdann ſpricht er: O / wie bin ich ſo muͤd / wie ſchwitze ich? wie thut mirC 4der40Der Landtſtoͤrtzer.der Kopff ſo wehe? wie iſt mir der Magen ſo ſehr verſtellt? O wie hab ich mein Gelt ſo v - bel an woꝛden? O wie hab ich mein Gelt ſo ſchaͤndtlich verſpielt? O wie vbel iſts mir gangen mit diſer vnd jener ſchoͤnen Frawen? Alsdann / alsdann bekennt man / daß man nur das euſſerliche Kleyd der Gluͤckſeligkeit traͤgt / vnd daß die maſcara vns habe betrogen: E - ben: diſes iſt auch mir in meiner zarten Ju - gendt begegnet / dann als ich mich entſchloſſe in frembde Landen zu ziehen / imaginirte vnd bildete ich mir ſelbſt allerhand Gluͤckſeligkei - ten fuͤr: Jch ſahe den April / die ſchoͤnheit der Feldern / vnd die breite vnnd ebne Straſſen / vnnd vermeinte / daß ich auff denſelbigen nie - maln muͤd werden ſolte / daß auch ich in den Herbergen vnd Wirtshaͤuſern vmb ſonſt eſ - ſen vnd trincken wuͤrde: Vnnd im wenigſten wuſte ich was hinder den Wirthen ſteckte. Deßgleichen ſaͤhe ich die Vnderſchidlichkeit vñ hochheit der dingẽ / die voͤgel / Thier / Beꝛg / Waͤld / Staͤtt / Maͤrckt vnnd Doͤrffer / ſamb wuͤrde man mich aller orten auff den Haͤnden vmbtragen / Nichts anders bildete ich mirfuͤr /41Der Landtſtoͤꝛtzer.fuͤr / auß lauter Gluͤckſeligkeit vnd wolfarth / vnd vermeinte / daß ich aller orten mein Mut - ter antreffen wuͤrde / die mich zaͤrtlen / vnd ein Magd / die mir meine Kleyder abziehen / vnd mir dienen / vnd alle Morgen mein Fruͤhſtuck bringen wurde. Wer wolte vermeint ha - ben / daß die Welt ſo groß were? geſehen hat - te ich die Mappen / vnnd es gedunckte mich / daß die gantze Welt alſo beyſammen were: Wer wolte vermeint haben / daß mir die not - turfft maͤngeln wuͤrde[?]Keins wegs gedach - te ich / daß der Menſch ſo vilen muͤheſeligkei - ten vnderworffen were. Jch handelte wie ein einfaͤltiger junger Bub / O wie vil ding nam ich mir fuͤr / als ich auß der vorbemelten Herberg gehen / vnnd meinen Mantel dahin - den laſſen muſte: O wie gern hette ich auß den Egyptiſchen Fleiſchhaͤfen geſſen? Aber leyder / die gute Taͤg erkennt man erſt / wann ſie hin vnd verlohꝛen ſeind. Jch vnnd mein Mitgeſell gingen trawrig auß der Herberg / vnd waren trawrig auffm weeg / Er lachte vñ ſchertzte nimmer: Die zwen Prieſter / welche mit vns gingen / recitirten jhꝛe horas, vnndC 5ich42Der Landtſtoͤrtzer.ich betrachtete mein Vngluͤck / vnuerſehens a - ber ſahen wir vier reitende Schoͤrgen zu vns kom̃en / in meinung / einen jungen Buben / der ſeinem Herꝛn vil Kleynoder geſtohlen / nach zu eylen / vnd als ſie mich ſahen / vermeintẽ ſie daß ſie den rechten Geſellen ertapt hatten / griffen mich derwegen an / banden mir meine Haͤnd / vnd wolten mich hinweg fuͤhren / der - maſſen groß iſt die vnbeſcheidenheit / gꝛobheit vnd Tyranney der Schoͤrgen vnd Gerichts - diener: Letztlichen aber erjnnerten ſie ſich / daß der Bub / welchen ſie ſuchten / keinen Daumẽ an der lincken Hand hatte / vnd weil derwegen ſie an mir kein ſolches Zeichen / ſonder ſahen / daß ich gantze vnbeſchaͤdigte Haͤnd hatte / ſo lieſſen ſie mich widerumb frey vnd ledig / vnd ich kam wider zu meiner Geſellſchafft dem Eſeltreiber vnd den zwen Prieſtern.

Capvt V.

Guſman wirdt durch einen from̃en Prieſter heylſamblich vnder - wiſen.

Der43Der Landtſtoͤrtzer.

DER ein Prieſter ſchawte mich ey - gentlich an / hatte ein mitleyden mit meiner zarten Jugendt / vnd ſpꝛach: Mein Kind / ich ſihe vnd erkeñe die gꝛoſſe ge - fahꝛ vnd vnheyl / welches dir beuoꝛ ſtehet / dañ du biſt je noch ein junges Buͤbel / Vatter vnd Herꝛnloß. Damit derwegen du dich aller or - ten deſto beſſer huͤten vnd fuͤrſehen moͤgeſt / ſo merck auff mein Wort / vnnd folge meinem Rath. Vor allen dingen ſey Gottsfuͤrchtig / dann wirſtu dich in der Gottsforcht nit ſtaͤt vnd feſt halten / ſo wird dirs vbel gehen / allhie zeitlich vnd dort ewigklich. Auß diſer Gotts - forcht wird dir entſpꝛingen vnnd erfolgen die ſoꝛgfaͤltigkeit eines guten vñ reinẽ gewiſſens / Jtem dein eigne erkaͤntnuß / die demut / der ge - hoꝛſam̃ vñ die gedult / deßgleichẽ die ſobrietet Nuͤchterkeit vnd maͤſſigkeit / Jtem die Keuſch - heit, modeſtia vñ geſchaͤmigkeit Am andern huͤte dich voꝛ allẽ vñ jeden ſuͤnden / vñ gedenck / dz du in deinem ſuͤndigẽ niemaln alleinig ſey - eſt / ſonder daß Gott bey dir iſt / welchen du er - zuͤꝛneſt / dz die Engel bey dir ſeind / die du betruͤ. beſt / dz die Teufel bey dir ſeind / die du eꝛfreweſtdaß44Der Landtſtoͤrtzer.daß die Creaturen bey dir ſeind / die du inqui - nireſt, vnd dz das gewiſſen bey dir iſt / welches du beleidigeſt vnd verwundeſt. Dreyerley guͤ - ter hat der Menſch von GOtt empfangen / nemblich die Guͤter deß Gemuͤts / die Guͤter deß Leibs / vnd die Guͤter deß Gluͤcks / alle die - ſelbige verliereſtu durch begehung einer ſuͤnd / vnd macheſt dich ſelbſt zu einen Sclauen deß Teuffels.

Drittens huͤte dich vor boͤſer geſellſchafft / wie voꝛm hoͤlliſchen Fewꝛ / dañ wer das Bech beruͤhret / der wirdt daruon beſudelt / ſonder ſchlage dich allzeit zu den Frommen / vnd hab gemeinſchafft mit den Freunden Gottes / dañ mit den Heiligen wirſtu heilig / vnnd mit den vnſchuldigen vnſchuldig ſein / vnd durch jhre heylſame Lehꝛ vnd warnungen / wirſtu abge - halten werden von deinem boͤſen vorhaben / vnd durch jhꝛ Exempel / wirſtu ermahnt zum guten.

Viertens rathe ich dir / daß du dich enthal - teſt der gemeinſchaft der vnkeuſchen Weiber / dann nur einem einigen iſts mit jhnen wol er - gangen / vñ derſelb ward gehenckt. Beſchließ -lichen45Der Landtſtoͤrtzer.lichen / gedencke offtermals an den Todt / vnd daß du / ob ſchon du noch jung biſt / doch ent - weder bald oder ehender / denn du vermeinſt / ſterben werdeſt: Betrachte den Spruch Sa - lomonis: Lætare iuuenis in adoleſcentia tua, & in bono ſit cor tuum, in diebus iu - uentutis tuæ: & ambula in viis cordis tui, & in intuitu oculorum tuorum: & ſcito quia pro his omnibus adducet te Deus in iudicium: Als wolte er ſagen: Ob ſchon du noch jung biſt / ſo ergib dich doch nicht den Laſtern / Eytelkeiten vnd Leibs wol - luͤſten / dann GOtt wirdt dich vor Gericht ſtellen / ſtrenge Rechenſchafft von dir fordern / vnnd dich ſtraffen nach deinen Verdienſten: Vmb wie vil mehr auch du dich in den wol - luͤſten erhoͤcht vnnd erluſtigt haſt / vmb ſo vil deſto mehꝛer vnd groͤſſere Marter vnd Qual wirdt dir angethan werden.

Diſes waren die Wort deß from̃en Prie - ſters / vnnd wolte GOtt / ich hette ſie zu Her - tzen gefuͤhꝛt / vnnd behalten / aber ich war noch vil zu jung vnd wild / ſie zu faſſen.

Capvt46Der Landtſtoͤrtzer.

Capvt VI.

Guſman dienet einem Wirth auffm Gey.

MJt obbemelter meiner Geſellſchafft raiſte ich zwoͤlff meil wegs / vnd weil mein Beutel allbereit laͤr / vnd mein Leib vnd Glieder muͤd vnnd math woꝛden / ſo ging es mir eben wie einem krancken oder kre - tzigen Hund / welcher von allen Hunden ange - bellt wird / vnd der jhnen allen die Zaͤhne zeigt / aber doch niemande beiſſet: Dañ die muͤheſe - ligkeiten vmbgaben mich / jederman ſtach auff mich / vnnd ſpottete meiner / ſeytemal ich kein Gelt hatte / damals erkeñte ich / was ein haͤller ſeye / vnd was geſtalt der jenig / der jhne nit ge - wiñet / ſeiner nit achtet / wie auch ſeinen werth nit weiſt / ſo lang jhm nichts mangelt: Diſes war nun das erſte mal / dz ich der laidigen Ar - mut vnder Augen ſahe: damals erkente ich jre Ziffer / aber hernacher betrachtete ich jre effe - cten vnnd wirckungen / was nemblich ſie fuͤr ſchaͤndliche ding begehe / wz ſie fuͤr boͤſe einbil - dungẽ veꝛuꝛſache / wz ſie fuͤꝛ vnehꝛ vñ boͤſe ſtuckſolli -47Der Landtſtoͤrtzer.ſollicitire, vnd was ſie fuͤr vnmuͤgliche ding ſich vnderfahe. Damals ſahe vnd befand ich / wz maſſẽ vnſere mutter die natur ſich mit gar wenigẽ laͤſt benuͤgen / vñ ob ſie ſchon menigli - chẽ vil gibt / doch niemand zu friden iſt / ſonder ſein noth vñ armut beklaget. Jch ſahe klaͤrlich was geſtalt das widerwertige Gluͤck die Men - ſchen fuͤrſichtig machet: Damals gedunckte mich / daß ich ein newes Liecht ſahe / dann wie in einem klaren Spiegel repræſentirte ſich mir das vergangne / das gegenwertige / vnd dz zukuͤnfftige: Biß dato war ich gleichſamb nur ein junges Fuͤllel / einer Witfrawen Sohn vñ ein verwent es vbel / vnderwiſenes Kindt ge - weſt / das Alter / der verſtand vnd die erfahren - heit gingen mir ab / vnd das aller aͤrgiſte war / daß ich keinen einigen Menſchen hatte / der mir etwan einen guten Rath hette gegeben / derwegen wuſte ich je nit / was ich thun ſolte / Nicht gern wolte ich weiter fort reiſen / dann ich hatte kein zehrung: Widerumb zu ruck zu gehen / ſchaͤmte ich mich / O wie vil Menſchen hab ich verderbẽ ſehen wegen deß bloſſen ſche - mens / O wie vil feine Jungfrawẽ habẽ vnder -laſſen48Der Landtſtoͤrtzer.laſſen Jungfrawen zu ſein / O wie vil außge - lihenes Gelt wirt verlorẽ / keiner andern vꝛſa - chen halben / als weil man ſich ſchemet / es wi - derumb vom Freund abzufordern. Die vere - cundia oder geſchaͤmigkeit iſt beſchaffen wie ein geſtricktes Netz / welches / wann ein einiger Faden bricht / alsdann alles auffgeloͤſt wirdt: Wann derwegen einer das ziel der verecun - diæ oder Geſchaͤmigkeit einmal hat vber - ſchritten / alsdann ſchaͤmet er ſich hernacher nimmer / diſer vrſachen halben hatte ich mein Ehr in obacht / vnnd weil ich meinen Mantel allbereit verlohren hatte / ſo wolte ich ohne denſelben nicht wider zu ruck anheimbs kom - men / ſonder weil ich mich einmal entſchloſ - ſen hinweg zu ziehen / ſo hielte ich dz wider zu - ruck ziehen fuͤr ein ſchandt / ſonder nam mir fuͤr / fort biß gen Madril zu gehen / allda da - mals alles florirte vnd erfuͤllt war mit groſ - ſen Herꝛen / Prælaten vnnd Edelleuten: Der Koͤnig war auch noch jung / vñ hatte erſt new - lich geheurat: Es gedunckte mich / daß man ſich vmb mein feine vnnd ſchoͤne Perſon ſehr reiſſen / vnd ein jeglicher mich gern haben vndannem -49Der Landtſtoͤrtzer.annemmen wuͤrde. O wie vil vnnd ſeltzame ding begegnen den einfaͤltigen jungen Leuten / O wie weit ſeind die gedancken von den wer - cken: O wie leichtlich nimbt jhm der Menſch etwas fuͤr / aber ſehr ſchwerlich richtet ers zu Werck: Damals bawete ich Schloͤſſer im Sandt / ich machte mir fantaſtiſche chyme - ras, vil ding nam ich mir fuͤr / aber es ging al - les zu ruck / vnd gewann den Krebsgang: Alle meine imaginationes, einbildungen vñ fuͤr - ſatz waꝛen eytel / vergeblich vnd ein betrug / dañ ich bawte auff den Sandt / vnd nicht auff die Gottsfoꝛcht / ich wuſte nit / was Gottsforcht war / vnd meine Eltern hatten mich nit drin vnderwiſen / noch darzu erzogen / derwegen bettete ich weder deß Morgens noch deß A - bends / vnd hoͤrte niemaln Meß: Weil dann das Fundament aller meiner Anſchlaͤg vnnd vorhaben boͤß war / ſo iſt kein wunder / daß jh - re effecten vnnd wirckungen laͤr außgingen. O wie gluͤckſelig ſeind die Kindeꝛ / denen Gott jhre Eltern ſo lang leben laͤſt / von denen ſie Gottsfoͤꝛchtiglich erzogen werden / vnnd ſo weit kommen / daß ſie jhre Nahrung ſelbſt ge -Dwinnen50Der Landtſtoͤrtzer.winnen koͤnnen / vnd nit gezwungen werden / den frem̃den in die haͤnd zu ſehen / vnd hin vnd wider elendiglich vmbzuſtoͤꝛtzen. Jnmaſſen mir widerfahren / dañ als ich meinen weg foꝛt reiſẽ wolte / ſahe ich zwen Fuhrleut voꝛan fah - ren / denen eylte ich nach / biß ich ſie ertapte / vñ ſampt jhnen in die Herberg kam: Daſelbſt de - muͤtigte ich mich / halff jhnen jre Roß abſpan - nen / in den Stall fuͤhren vnd fuͤtern in hoff - nung / ſie wuͤrden mir etwann ein ſtuck Brot geben / aber ſie waren vil zu geitzig vnnd vn - barmhertzig / vnd gaben mir nichts / vnangeſe - hen ich mich / als ſie am Tiſch ſaſſen / ge - rad gegen jhnen vber auff einen block nider - ſetzte vnd jhnen ſuͤndlich zuſchawte: biß letztli - chen ein Barfuſſer kam / vnd ſich niderſetzte / Brot vnd Speck auß ſeinem Sack herfuͤr zo - he / vnnd ſein Mahlzeit verrichtete. Vnd weil ich jhne auß lauter ſcham oder verzagtheit nit bitten doꝛffte mit Woꝛten / ſo bate ich jhne mit den Augen / deß er mir doch vmb Gottes willen ein biſſel Brots mittheilen wolte: Der fromm Muͤnch verſtundt mich geſchwindt / vnnd theilte mir trewlich mit / alles was erhatte:51Der Landtſtoͤrtzer.hatte: Dardurch ward ich dermaſſen ge - ſterckt / daß ich meinen weg foꝛt paſſieren kon - te / vnd als ich deß Abends in die Herberg kam / begerte der Wirth zwen Kreutzer fuͤr die Nachtherberg / aber weil ich nichts hatte zu zahlen / ſo fragte er mich von wañen ich were / vnd ob ich nicht luſt hette jhm zu dienen? Jch gab jhm zur antwoꝛt: Ja / gar gern: Jch blib ein zeitlang bey jhm vnnd lehrnete / wie man den Habern mit warmem waſſer netzen ſolle / damit er auffgeſchwuͤlle / Jtem wie man jhne faͤlſchlich meſſen / mit doppelter Kreiden an - ſchreiben / den Wein buttern / vnnd die Gaͤſt ſchinden vñ vbernemmen ſolte: Deßgleichen erfuhꝛ ich / dz die Wein ſchwim̃en koͤñen / dañ ſonſten ertruncken ſie / weil die Wirth ſo vil Waſſer zu gieſſen. Jhꝛer vil vnd zwar die ver - ſtaͤndigſten / bezahlten ohne Widerꝛed alles wz wirfoꝛderten / ſamb waͤre es ein Gebott der Obrigkeit / dann die wort der Wirthen ſeind gleichſam̃ ſententiæ diffinitiuæ, darwider hilfft kein ſuppliciren noch repliciren, Sonder es heiſt: Thu den Beutel auff / vnnd zahle. Etliche andere verwaigertenD 2ſichs /52Der Landtſtoͤrtzer.ſichs / aber es halff nichts / dann die Schoͤꝛgen ſeind geſchwind verhanden / vnnd machen jh - nen ein boͤſes ſpiel: O was fuͤr Tyranneyen / Buͤbereyen / vnuerſchambtheiten / Diebereyẽ / Schindereyen vnnd Boßheiten gehen in den Wirtshaͤuſern fuͤr / man foͤꝛchtet weder Gott noch die iuſtici wegen der ſo groſſen ſchin - dereyen der Wirthen / werden entweder biß - weilen die Straſſen gar vmbgangen / oder die Kauffmanſchafft gar eingeſtelt / dann ſie ſeind ſchier nichts anders / als offentliche Dieb vnd Rauber: Jch ſelbſt habs mit meinen Augen geſehen / habs erfahꝛen vnnd darzu geholffen: Nichts weꝛe ſchier nothwendiger / als eben ein gute reformation der Wegen / Prucken vnd ſonderlich der Wirtshaͤuſer.

Capvt VIII.

Guſman kombt gen Madril / vnd wirdt ein Picaro, oder ein Schwa - rack.

DAs vnruͤhige vnd gottloſe Leben der Wirthſchafft gefiel mir je lenger jeweni -53Der Landtſtoͤrtzer.weniger / dann es kamen bißweiln junge Kna - ben zu vns zur Herberg / dern etliche hatten Gelt / etliche hatten keins / etliche bettelten vnd zohen alle foꝛt. Da gedachte ich bey mir ſelbſt: Guſman / was macheſtu? warumb biſtu ſo gar verzagt? warumb verligſtu dich allhie bey diſem ſchinderiſchen Wirth? warumb zeuchſtu nit auch weiter? warumb trachteſtu nit auch nach anderm vnd mehrerm: Letztli - chen zeigte ich dem Wirth vnnd ſeiner Arbeit die Feygen / zohe von jhm / vnnd als ich mein bey jhm erobertes Gelt verzehꝛt hatte / fing ich an zu betteln / weil aber eben damals der liebſe - lig Getraidt vbel gerathen / vnnd aller Orten ein groſſe Thewrung verhanden war / ſo gab man deſto weniger Almuſen. Weil dann das bitten vnnd begeren mir wenig halff / ſo ward ich gleichſamb gezwungen / mein Kleyd anzu - greiffen / vnd meiſten theils zu verkauffen / dañ es heiſt: vt vitam redimas, Schuch / Bruch & omnia vendas. Dannenhero als ich gen Madril kam / befandt ich mich nur in einem bloſſen Hemmet / vnd ſo gar war daſſelb aller - ding zerꝛiſſen vnd vnflaͤtig / vnd ob derwegenD 3ſchon54Der Landtſtoͤrtzer.ſchon ich gern etwan einẽ Herꝛn gedient het - te / ſo wolte mir doch niemand trawen / dann man hielt mich fuͤꝛ einẽ Picaro oder Schwa - racken / der kein nutz were. Das verurſachte mich / daß ich mich in die loͤbliche Picariſch - zunfft oder geſellſchafft begab / dañ die ſcham hatte ich allbereit auffm weg verlohꝛen / dann weil ich zu Fuß gehen muſte / ſo war ſie mir vil zu ſchwer zu tragen / derwegen ließ ich ſie fah - ren / vñ bekleidete mich mit der vnuerſcham̃t - heit / dann vnmuͤglich iſts / daß der hunger vñ die ſcham gute fꝛeunde vnd beyſammen ſeyen: Diſer vꝛſachen halben ſchlug vñ verfuͤgte ich mich zu etlichen andern jungen Knabatzen meines gleichen / halff jnen arbeiten / folgte jh - nen in allen dingen / thate wie ſie / ging auch mit jhnen hin vnd wider betteln / vnd ſamblete vil Realn. Darneben vnderwiſen ſie mich in allerhand Karten: vnnd Wuͤrffelſpieln der - maſſen / daß ichs ſchier den Eltiſten beuoꝛ tha - te. Diſes Picariſche oder ſchwarackiſche Le - ben gefiel mir ſo gar wol / daß ichs keins wegs gegen dem vorigen vertauſcht hette: Jmmer - dar ſpeculirte vñ ſubtiliſirte ich in meinemverſtandt55Der Landtſtoͤrtzer.verſtand je laͤnger je mehꝛ / vñ ſahe / was geſtalt man mit einem ſchlechten anfang vil guts zu - ſam̃en bꝛingen / vnd ohne begeren / reich werdẽ konte / dañ fuͤrwar / wer erſt andern Leuten in die Haͤnd ſehen muß / der jſſet das Brot deß Schmertzens vnd Bluts / vnangeſehen jhms ſo gar ſein leiblicher Vatter gebe.

Diſe herꝛliche freyheit deß Lebens gefiel mir trefflich wol / derwegen accommodirte vnd gewehnte ich meinen Rucken zum Puttẽ oder Kraͤtzen tragen: ſehr groß iſt die Bruͤder - ſchafft der Eſeln / ſeytemal ſie ſo gar die Men - ſchen in jre geſellſchafft einlaſſen / vñ der maſſẽ hoͤflich ſeind / dz ſie verwilligen / daß die Men - ſchen jre vnſauberkeitẽ außtragen / vnd ſie vi - ler muͤhe vberheben. Vnnd ob ſchon / omne principium graue, der anfang aller guten dingen ſchwer iſt / ſo wirds doch alles leichter / wann man nur beſtendiglich beharꝛet: Jch ge - wehnte vnd ſchickte mich allgemach dermaſ - ſen in diſes Picariſche Leben / daß es mir auß - buͤndig wol ſchmeckte / dañ zu meiner vnd’hal - tung bedoꝛffte ich weder eins fingerhuts / noch einer Nadel / noch einer Zangen / noch einesD 4Ham -56Der Landtſtoͤrtzer.Hammers / noch einer Axt / ſonder ich brauch - te nur ein bloſſe Putte / Kraͤxen oder Korb / vnd war aller ſorgen frey.

Offt gedachte ich an das Leben meines Vatters / was geſtallt nemblich derſelb ſampt dem Zolner Matthæo am Zoll oder auff der Wechßelbanck / wie ein Cederbaum / mitten vnder den Doͤꝛneꝛn / geſeſſen / vnd meniglichen mit ſeinen wucheriſchen haͤndeln vil muͤh vñ arbeit gemacht / vnd verurſacht hatte. O wie vil Kaufleut ſitzen noch heutiges tags ſam̃t dẽ Matthæo am Zoll in einem Seſſel / ſaugen frembdes blut / werffen jhꝛe Angel auß / vnd fi - ſchen dz Gelt auß allen Staͤtten vnd Landen: O wie vil Rechtsgelehꝛten ſitzẽ in jꝛen Seßln / durchkucken vnd durchblettern jhre Buͤcher / ſpitzen jhꝛe Feder / vnnd erobern mit ſchlechter muͤh ein jaͤmmerlichs Geltwerck: Warumb thun ſie es aber? wohin zielen die Kauffleut / was iſt jhr intent vnnd meinung / wann ſie alſo mit dem Judenſpieß rennen / vnnd ande - re Leuth betriegen? Was haben etliche an - dere im Sinn / welche erſt geſtern auß den ho - hen Schulen kommen / heut aber das Landregie -57Der Landtſtoͤꝛtzer.regieren / hohe Haͤuſer bawen / vnnd ſtattliche Herꝛſchafften kauffẽ? Fuͤrwar / nichts anders ſuchen / ſoꝛgen / dichten vnd trachten ſie / als dz jre Neſter in der hoͤhe ſtehen moͤgen. O wie ſe - lig aber weren ſie / wañ ſie ſich mit jrem mitel - maͤſſigen ſtand / darin Gott ſie geſetzt / benuͤgẽ lieſſen / vñ mit gutem ruͤhigen Gewiſſen leben theten: Aber leyder / weil die begeren Edelleut zu ſein / vñ ſehꝛ hoch zu ſteigen / ſo geraichts jh - nen bißweilen zu groſſer zeitlichen Soꝛg vnd ewigen quaal / malam enim telam & con - fuſionem domui ſuæ orſi ſunt. O wie gefaͤhrlich iſt die Ehꝛ zu erlangen / wie ſchwer - lich zu erhalten / wie muͤheſamblich zu tragen / vnnd wie leichtlich zu verlieren / vnnd nicht deſto weniger reiſſet man ſich dermaſſen dar - umb / als muͤſte man durch ſie ſelig werden: Deſſen allen waꝛ ich bey meinem Picariſchen oder Bernhaͤutiſchen Leben allerdings vber - hebt / war ſorgloß / vnnd beſaß die edle Frey - heit / welche von den Gelehrten ſo ſehꝛ ge - lobt / von vilen verlangt / vnnd von den Poeten beſungen wird / vnd gegen dern alles Goldt vnnd Reichthumb der Erden nit zu -D 5ſchetzen58Der Landtſtoͤrtzer.ſchetzen iſt. Diſe edle freyheit hatte ich / kondte aber ſie nit behalten / noch die gute tag laͤnger tragen / ſonder begab mich in einen andern / a - ber doch nit vil ehꝛlichern ſtandt / dañ ich waꝛd ein rotziger vñ ſchmotziger Kuchelratz / wie im nachfolgenden Capitel zu vernemmen.

Capvt IX.

Guſman dienet fuͤr einen Kuchel - buben / fahet an / ſich mit der vnbegerten Arbeit / das iſt / mit ſtehlen / zu ernehꝛen.

ALs ich mich ein zeitlang gewehnt hatte / allerhand Buͤrd vnd laſt auffm rucken zu tragen / vñ ich nunmehr / wegen mei - ner trew vñ fleiſſes / wolbekant woꝛden / ſchick - te mich einsmals eines Grafen Einkauffer / mit etlichen eingekaufften Speiſen in ſeines Herꝛn Hauß / vnd vberꝛedete mich / dz ich mei - nen Picariſchen / beꝛnheutiſchen odeꝛ ſchwaꝛa - kiſchen ſtand verließ / vñ mich in ſeines Herꝛn Kuchel gebrauchen ließ / dann er verhieß mir / daß er mich von dannen in deß Koͤnigs dienſtbefuͤr -59Der Landtſtoͤrtzer.befuͤrdern / vnd zu einem Herꝛn machen wolte. Der Graf nam mich an / dañ ich kondte auß - buͤndig wol ſchwetzen / diente jhm anfangs gantz fleiſſig / verhielte mich auch gegen allem Haußgeſindt dermaſſen / daß mich jederman lieb gewan / dañ nit allein war ich willig / ſon - der auch ſtill vnnd verſchwigen / wann man auch mit mir greinte / ſo ſchwig ich ſtock ſtill / derwegen ſchenckte man mir hin vnnd wider ſo vil Kleyder vnnd Gelts / daß ich meinen nackenden Leib gar luſtig widerumb bedeckte / vnd am Sontag einem erbarn jun - gen Menſchen gleich ſahe: Vnd dz beſte war / daß ich darneben mein Beſoldung vnd Koſt - gelt erſparte / aber das aͤrgiſte war / daß man mich zuuoꝛ im Picariſchen Leben hatte ſpielen gelehꝛt / dannenhero verkauffte ich anjetzo al - les / was ich erſparen kondte / vnnd verſpilte es fein ſauber bey einem biſſen. Jm Ambt oder in meinem Kucheldienſt ward ich in kur - tzer Zeit gleichſamb ein Doctor, aber im ſpilen war keiner vber mich / vnnd weil mein Koſtgelt vnnd Beſoldung mir zum ſpilen nicht erkleckte / ſo ſuchte ich etwas anders /vnd60Der Landtſtoͤrtzer.vnnd hieß alles mit mir gehen / was ich im Hauſe ſahe / aber doch mit einer ſolchen Be - ſcheidenheit vnnd ſubtilheit / daß mans nit ge - war ward.

Einsmals begegnete mir ein artlicher poſ - ſen / dann mein Herꝛ der Graf brachte auff ein zeit etliche Bacchus vñ bon tempo, oder Sauffbruͤder mit ſich heimb / vnd weil er ein ſonderbarer guter Kanten muſicus war / vnd nit nachließ drin zu ſingẽ vñ zu blaſen / biß jm der Flaſchen humor in Kopff ſtieg / ſo mach - te ich jhnen geſchwind ein gute Collatzen von guten Zapfraͤſſen Wuͤrſten vnnd Weinzie - henden Speiſen / darauff ſchmeckte jhnen der Wein dermaſſen wol / dz ſie nit wuſten wie ſie letztlichẽ von einander geſchiden. Mein Herꝛ vñ Fraw legten ſich vnuerſehens ins Beth / dz Hauß blib offen / der Tiſch gedeckt / vnnd das Silbergeſchirꝛ blib drauff ſtehen. Jch befand mich damals in meiner Kuchel / vnd verꝛich - tete mein Arbeit / als ich aber vermerckte wie es zugangen war / ſo verfuͤgte ich mich in aller ſtill in den Saal / folgends in die Silberkam - mer / vnnd ſahe / daß das Silbergeſchirꝛ theilsnoch61Der Landtſtoͤrtzer.noch ordentlich ſtund / theils aber hin vnd wi - der zerſtrewtlag. Vnder andern aber lag ein ſilberne Schuͤſſel auff der Erden / die ſahe mich gar ſuͤndtlich an / vnnd bate mich gleichſamb / daß ich mich vber ſie erbarmen / auffheben vnnd zu mir nemmen wolte: Das thate ich nun / hebte ſie auff / nam ſie zu mir / vnnd ging in aller ſtill daruon / ohne daß es mein Herꝛ vnnd Fraw gewar wurden / dann ich ſahe / daß ſie im Wein begꝛaben lagen: Jch hette jhnen gern ein Poſſen geriſſen / vnnd jh - nen jhre Fuͤß an die Bethſtatt gebunden / a - ber es gedunckte mich / daß die ſilberne Schuͤſ - ſel beſſer were.

Deß Morgens fruͤ maͤngelte mein gnedi - ge Fraw alsbald der ſilbernen Schuͤſſel / kam zu mir in die Kuchel / vñ durchſuchte alle win - ckel: Jch fragte ſie / was ſie doch ſuchte? ſie antwortet mit weinenden Augen: Ach Guſ - maͤndl / daß Gott erbarm / ich maͤngle einer ſilbernen Schuͤſſel / was wird mein Herꝛ dar - zu ſagen / wofern ſie verlohren iſt: Jch hatte mit jhrem weinen durchauß kein mitleyden / dann man ſagt / daß / wann ein Weib weinet /man62Der Landtſtoͤrtzer.man alsdann eben ein ſolches mitleiden mit jhr tragen ſolle / wie mit einer Ganß / welche mitten im Winter barfuß im Waſſer vmb - zeucht: Aber doch ſtelte ich mich ſehr mitlei - dig / troͤſtete ſie / vnnd erbotte mich / daß ich ge - ſchwind hin zu etwan einem Goldtſchmidt gehen / vnnd ein andere dergleichen Schuͤſſel kauffen / wie auch etwan einen guten Freund finden wolte / der das Gelt darfuͤr herlihe. Mein gnedige Fraw bedanckte ſich gegen mit wegen diſes guten Raths / vnd bate mich / daß ich doch geſchwindt hingehen / vnd es alſo zu werck ziehen wolte. Jch ging zwar alsbaldt hin / nam die geſtohlene Schuͤſſel zu mir / brachte ſie einem Goldtſchmidt / vnd bate jh - ne / daß er ſie geſchwindt ein wenig renoui - ren vnnd verneweren thete / ich gab jhm fuͤr ſein benuͤgung zwen Real / brachte meiner Frawen die gleichſamb newe Schuͤſſel vnnd ſprach: Gnedige Fraw / zu allem vnſerm Gluͤck hab ich ein Schuͤſſel beym Goldt - ſchmidt angetroffen / die wigt ſiben vnnd funfftzig Real / vnnd er fordert fuͤr ſein Arbeit weniger nicht / als acht Real. Wer war froͤherals63Der Landtſtoͤrtzer.als die Fraw? Das Gelt zahlte ſie mir als - bald baar auß / nam die Schuͤſſel zu ſich / vnd erſetzte darmit den verſpuͤrten mangel. Diſer geſtallt verkauffte ich jhr jhre eygne Schuͤſſel / ſamb hette ich ſie nit geſtohlen: Sie war froh vnnd ich war nicht trawrig / dann ich vber - kame dardurch vil Gelts: Das blib aber nicht lang bey mir / dann wie es war ge - wunnen / alſo iſt es Entrunnen / Dann in einem einigen Abend verſpielte ich alles mit - einander / vnnd es blibe mir kein Haller im Beutel.

Nicht allein behalff ich mich diſer geſtalt mit ſtehlen / Sondern auch der Einkauf - fer / der Kuchelmeiſter / der Kellermeiſter vnnd alle andere Officier ſtahlen vnnd raub - ten heimlich alles / was ſie jmmer zuwegen bringen kondten / an Fleiſch / Wein / Ge - fluͤgelwerck / Gewuͤrtz / Eſſig / Traidt / Mehl / Kertzen / Holtz / dann jhre Beſoldung warklein / vnnd kondten derwegen ſich vnnd jhre Baͤſel nicht darmit ernehren / Der - wegen iſts nit allzeit gut / daß die Herꝛen jh - ren Dienern ein ſo gar kleine Beſoldunggeben /64Der Landtſtoͤrtzer.geben / dann ſie gewinnen dardurch Vrſach zum ſtehlen. Mit deme / was ſolche Officier jhren Herꝛn ſtehlen vnd abtragen / koͤndten ſie ſechs Diener gratificiren: vnnd ob ſchon die Herꝛn vermeinen / daß ſie ſehꝛ geſcheid ſey - en / vnd auf alle ſachen dermaſſen fleiſſig mer - cken / daß nit muͤglich ſeye / ſie zu betriegen vnd zu beſtehlen / ſo ſeind doch die Officier vil ge - ſcheider / liſtiger vnnd verſchlagener / vmb wie vil mehꝛ auch ſie vermercken / daß man jhnen nit trawe / vmb ſo vil deſto mehr befleiſſen ſie ſich deß ſtehlens vnd abtragens. O wie offt vnd vilmals hab ich deß Mundtkochs Hauß - fraw die allerbeſte Paſteten / Torten vnd an - dere gute Biſſel muͤſſen zu Hauß tragen: O wie offt hab ich auß befehl deß Kelners / groſſe Flaſchen deß allerbeſten Weins vnd Malua - ſier muͤſſen hin vnnd wider zu ſeinen guten Freunden vnd Baͤſeln / ꝛc. tragen? Weil ich dann ſahe / daß meine Obrigkeiten ſolches thaten / vnnd daß jederman ſtahl / ſo ſtahl ich auch / vnnd weil ich mich vnder den Woͤlf - fen befand / ſo vermeinte ich / daß ich ſampt jh - nen muͤſte heulen. Mein beſte vbung war da -mals65Der Landtſtoͤrtzer.mals das ſtehlen vnd ſpielen: Einsmals aber als ich biß in die Mittenacht ſaß vnd ſpielte / vnd wir mit einander vneins wurden vnd ru - morten / hoͤrte es vnſer Herꝛ der Graf / nam einen duͤrꝛen Pruͤgel / vnnd ſchlug vns den Staub dermaſſen auß den Kleydern / daß vns ſtarcke Puͤndtl auffm gantzen Leib auflieffen / dardurch fing ich von derſelben zeit an / mei - nen credit vnd guten Glauben bey jhm zu - uerlieren / vnd je laͤnger je weniger bey jhm zu gelten / zumaln weil ſich noch ein anderer fall begab / daruon im nachfolgenden Capitel mel - dung beſchehen ſoll.

Capvt X.

Was dem Guſman / als einem Ku - chelbuben / fuͤr ein wercklicher Poß widerfahꝛen.

NJl iſts / wann einer ſich ernehren kan mit ſeiner Arbeit / aber vilmehr iſts wann einer mit tugendt das jenig kan behalten / was er hat gewunnen. Gewinnen kondte ich mein Brot / vnnd hatte allbereit einEgutes66Der Landtſtoͤrtzer.gutes Lob vnd vertrawen bey meinem Herꝛn erlangt / aber ich verluhꝛs gaꝛ bald durch mein boͤſes verhalten / dann was andere Diener im Hauſe thaten / das thate ich auch: Etlich Dieb ſeind dermaſſen gluͤcklich / daß ſie alt ſterben / andere aber ſeind ſo gar vngluͤckſelig / daß ſie wegen deß erſten Diebſtahls in der zarten ju - gendt gehenckt werden: Andere meines Herꝛn Diener ſtahlen in groſſo, vnnd wurden reich dardurch / ich aber zwickte vñ zwackte meinem Herꝛn nur hin vñ wider etwz wenigs ab / vnd blib doch arm darbey / wz derwegẽ bey andern ein laͤßliche Suͤnd war / das muſte an mir ein Todtſuͤnd ſeyn: Jch ſahe nit auff mich ſelbſt / ſonder nur auf andere / vnd ich vermeinte / daß mir das ſtehlen eben ſo frey waͤre / als jnen / im wenigſten betrachtete ich / dz ſie allbereit drin eraltet vñ anſehenlich waren / ich aber nur ein ſchlim̃er picaro vñ Bernhaͤuter war. Nit ge - dachte ich / dz dißfals nur die reichẽ / die mech - tigen / die auffgeſchwollnen / vnd hoffertigen / welche die lachrymas crocodili fellen / vnd nit mit dem Mundt beiſſen / ſonder mit dem ſchwantz verwunden / Jtem die Schmeichlervnd67Der Landtſtoͤrtzer.vnd Fuchsſchwaͤntzler / priuilegirt ſeyen / vnd daß jhnen alles / was ſie thun / wol anſtuͤnde / aber daß es mir vnnd meines gleichen armen Tropffen fuͤr ein ſacrilegium crimen læſæ Maieſtatis auffgenom̃en werde: Jn ſumma / ich armer junger Schelm muſte jrer aller ent - gelten / vnd die Zech fuͤr ſie zahlen.

Dañ es begab ſich eins mals / daß mein Herꝛ einen frembden Fuͤrſten zu gaſt geladen / vnnd zu ſolchem end außzohe / vnd ſelbſt allerley ge - fluͤgelwerck procurirte vnd zu Hauß ſchickte / derwegen befahl mir mein gnedige Fraw / daß ich ſolches Gefluͤgelwerck fleiſſig vnd ſauber butzen / vnd in der Speißkam̃er ordenlich auf - hencken ſolte / jnmaſſen auch beſchahe. Nun war es damals ein ſehꝛ warme zeit / derwegen vnnd nach verꝛichteter meiner arbeit / zohe ich mir meine kleideꝛ ab / vñ legte mich nackent ni - der / dañ die kleine thierlein od wuͤrmlein / wel - che man ſonſtẽ Leuß vñ floͤch neñet / lieſſen mir kein ruh. Jn wehꝛendẽ meinem beſtẽ ſchlaffen hoͤꝛte ich ein jaͤm̃erlichs ſcharmuͤtzeln vñ reiſ - ſen der Katzen / welche an einem Schaͤfenen ſchloͤgel bancketirten vñ zechten / dañ es habenE 2die68Der Landtſtoͤrtzer.die Katzen ein boͤſe art vnd eygenſchafft / vnnd nit weiſt man wañ ſie content ſeyen / ſonder / allermaſſen wie die alte Maͤnner / koͤnnen ſie nit ſtillſchweigendt oder fridlich eſſen / ſonder murꝛen / gꝛonen vnd greinen jmmerdar. Diß Katzen getuͤmmel weckte mich auf / da gedach - te vnd beſorgte ich / daß die Katzen villeicht in die Speißkammer vber das Wildtpraͤt kom - men waͤren: derwegen ſprang ich geſchwind nackendt vnd bloß auß dem Beth / vnd rum - pelte in aller eyl die Stiegen hinab / in mei - nung / meinem Wildtpraͤt zu huͤlff zu kom̃en: Aber mein gnedige Fraw / welche laͤngſt vor mir ſchlaffen war gangen / war vil geſchwin - der auß dem Beth / weder ich / dann ſie hatte das getuͤmmel / reiſſen vnd beiſſen der Katzen alsbaldt vernommen: derwegen ſaumbte ſie ſich nit lang / vergaß in ſolcher eyl vnnd noth jhꝛer Kleyder vnd Hemmets / lieff Mutterna - ckendt herfuͤr / vnd hatte nur ein Wachsliecht in der Hand. Jhre vnd meine gedancken vnd voꝛhaben waren einerley / vnnd zwar in cauſa propria: Mitten auff dem Fletz kamen oder ſtieſſen wir beyde zuſammen: Sie erſchrackals69Der Landtſtoͤrtzer.als ſie mich in ſolcher geſtalt ſahe / vnd ich er - ſchrack / als ich ſie alſo ſahe: Sie vermeinte daß ich etwan ein Geſpaͤnſt were / derwegen ließ ſie die Koͤrtze fallen / vnd fieng an vberlaut zuſchreyẽ: Jch aber erſchrack vber diſer figur / vnd ſchꝛye noch vil ſtaͤrcker / dann ich gedachte daß es der Geiſt deß vnlengſt verſtorbenen Einkauffers waͤre. Die Fraw ſchrye dermaſ - ſen / dz mans in derſelben gantzẽ Gaſſen hoͤrte / ich aber ſchꝛye daß mans in der gantzen Statt hoͤrte: Sie zwar lieff eilends jhrem Loſament zu / deßgleichen wolte ich auch thun / die Katzẽ begabẽ ſich gleichfals auff die Flucht / vnd jh - rer zwo erwiſchten mich auff der Stiegen / die eine hinden beym Geſaͤß / vnnd die andere bey der hindern Ferſen meines Fuſſes / deſſen er - ſchrack ich noch mehr / fiel die Sttegen gar hinab / lag ein zeitlang in Ohnmacht / kam doch wider zu mir ſelbſt / vnnd fing auffs new an zu ſchreyen / vnd mich zu klagen. Das hoͤr - te nun mein gnedige Fraw auß jhrem Loſe - ment / hatte ein mitleiden mit mir / ſchrye mir zu / vnd hieß mich widerumb hin ſchlaffen ge - hen / vnangeſehen ſie gleichwol ſelbſt auff einE 3endt70Der Landtſtoͤrtzer.endt vbel erſchrocken vnnd ſehr krafftloß war worden / dann in wehrendem jhrem lauffen entrann jhr die virtus retentiua, ehr vnnd beuor ſie widerumb in jhre Schlafkammer kam / eroͤffneten ſich jhre beyde hinderſte Ge - ſchoß deß Leibs dermaſſen / daß ſie gar nichts mehr im Bauch behielt / ſonder alles mit ein - ander theils herauſſen im Fletz / theils auff den Stiegen verzettete vnnd fallen ließ / dardurch vberkam ich ein ſchoͤne vnnd ſaubere Arbeit / kehꝛte vnd faßte es alles ſauber auff / dann der Reinigkeit befliſſe ich mich jnſonderheit. Damals ſahe vnnd erkennte ich / daß die Vnreinigkeiten / welche in dergleichen acci - dentiis vnnd Zuſtaͤnden geſellt vnnd auß - geworffen werden / vil vbler ſchmecken / we - der andere ordinariæ, die Philoſophi vnnd Sophiſten aber werden die eygentliche vr - ſachen deſſen wol wiſſen zu inquiriren vnnd zu erforſchen.

Mein Fraw erſchrack wegen diſes zuſtands vber alle maſſen / aber ich noch vil mehr / dar - neben ſchaͤmte ich mich / als waͤre ich ein Jungkfraw geweſt: Jch ſchaͤmte mich auchwegen71Der Landtſtoͤrtzer.wegen jreꝛ ſcham / leyd war mirs von Hertzen / daß ich ſie alſo geſehen hatte / ſie aber wolte es nit glauben / ſonder vermeinte vnnd glaubte veſtigklich / daß ichs auß lauter Boßheit ge - than / vnnd ſie mit allem fleiß eygentlich vnd wol / hinden vnnd vorn / geſchawt hatte: Von derſelben zeit hero / ward ſie mir von Hertzen ſeind / vnnd vnſer Nachbaͤwrin eine (dern ſie diſen Handel erzehlt hatte) ſagte mir / daß mein Fraw zu jhꝛ geſagt vnnd bekennt hatte / daß jhꝛ nichts leiders waͤre / als daß ſie ſich da - mals embloͤſt / vnd daß ich jhre Nackendtheit geſehen hatte.

Als mein Herꝛ deß andern tags hernacher widerumb heimb kam / fragte er mich / ob alle Sachen in der Kuchel fertig waͤren? Jch ant - wortet: Ja. Folgendts veroꝛdnere vnd gab er alle andere Sachen vnnd Speiſen herfuͤr / vnd ich vnnd meine Mitgeſellen vberkamen damals ein ſehr gewuͤnſchte gelegenheit zu - ſtehlen / dañ es ging alles vnordenlich durch - einander / man kondte nicht ſo eygendtlich auff alle ſachen mercken / derwegen neñen wir dergleichen Bancket / iubileos, auff denenE 4die72Der Landtſtoͤrtzer.die Officier allerhand indulgentias erlan - gen / die beſte Wein / Paſteten / Torten / Ge - wuͤrtz / Schmaltz / vnnd dergleichen erſchnap - pen vnd heimbtragen koͤnnen. Was nun an - deꝛe thaten / dz thate ich gleichfals / vnd ſchiebte mein Hemmet vnnd Hoſen voller Eyer vnnd Fleiſch: Meinen Hut fuͤllte ich mit ſchmaltz / ſetzte jhne auff meinen Kopff / vnd wolte dar - mit heimgehen / aber mein Vngluͤck war / daß mir mein Herꝛ auffm weg begegnete / ich waͤre jhm gern gewichen / vnd draͤhte mich hin vnd her / aber es halff alles nichts / dann je mehꝛ ich mich ſeiner enteuſſerte / je mehr nahete er zu mir / vnd fragte mich / wo ich ſo ſtarck / eylends vnd wol beladen hinauß wolte? Jch aber er - ſchrack dermaſſen / daß ich nit wuſte / was ich thun ſolte: blib ſtock ſtill ſtehen / vnd erſtum̃e - te: Steteruntque comæ, & vox faucibus hæſit: Die Sonn ſtach auch damals der - maſſen heiß / daß die Butter / welche oben auff meinem Kopff im Hut lag / anfing zu zerge - hen / zu verſchmeltzen / vnd tropffenweiß vber mein Angeſicht herunder zu rinnen / deſſen lachte mein Herꝛ heimlich vnd ſpꝛach zu mir:Guſ -73Der Landtſtoͤꝛtzer.Guſmandl / was iſt das? eytert dir dein Kopf? laß ſehen was du fuͤr einen grindigen Kopff habeſt? Folgends hebte er meinẽ Hut herundeꝛ vnd fand den allbereit halb zerꝛuñenen But - ter / deßgleichen alle andere geſtohlene ſachen bey mir / vnd ſprach: O Schelm / biſtu der ge - ſell / welchen man mir ſo ſehr gelobt hat / vnnd deme ich am meiſten getrawt? Troll dich / du Boͤßwicht / vnnd kom̃ mir nimmer in mein Hauß: Deſſen allen erſchrack ich zum hoͤch - ſten / wuſte auß lauter ſcham nichts zu reden / ſonder ging ſtillſchweigendt hinweg / dann vil beſſer vnd ehrlicher iſts / daß man vor den zu - gefuͤgten iniurien fliehe / weder daß man ſie durchs verantwoꝛten vberwinde.

Capvt XI.

Guſinan nimbt ſein voriges Pica - riſches oder Bernhaͤuteriſches Leben wider - umb an / wird durch ein ſonderbares gehebiges mittel reich.

E 5Jn74Der Landtſtoͤrtzer.

JNallen vnnd jeden zuſtaͤnden / gilt die ſcienz vilmehꝛ / denn der reichthumb oder guͤter / dañ ob ſchon dz Gluͤck wi - der den Menſchẽ rebelliret / ſo verlaͤſt jne doch die ſcienz niemaln: Das Gut wird verzehꝛt / aber die ſcienz waͤchſt / vnd wirdt das wenige was ein Gelehrter weiſt / vil hoͤher geacht / we - der das vile / was ein reicher hat: Nun moͤchte aber einer fragen vnd ſpꝛechen: Warumb wi - ſchet Guſman diſer geſtalt mit der ſcienz heꝛ - fuͤr / oder was hat er fuͤr ein ſcienz? warumb lobet er die ſcienz ſo ſehr? was hat er dar - mit im Sinn? Hierauff gib ich zur antwort / daß mein gantze ſcienz vnd Kunſt in meiner Putten oder Kraͤxen ſteckte / dañ nichts andeꝛs noch beſſers konte vñ wuſte ich / als allerhand ding vnd Buͤrd auffm ruͤcken in einer Putten oder Kraͤxen tragen / vñ benebens ſpielen / ſteh - len vnd allerhand buͤberey treiben: Durch diſe ſcienz konte ich mein bꝛot reichlich gewiñen / diſes officiũ war mein beneficium: wie V - lyſſes ſich ernehꝛte mit ſeinem Liſt / vnnd De - moſthenes mit ſeiner eloquentz, alſo be - halff vnnd ernehrte ich mich mit diſer meinerſcientz,75Der Landtſtoͤꝛtzer.ſcienz, dañ nach dem ich voꝛerzehlter maſſen auß meines Herꝛn dienſt geſchidẽ / zeigte jeder - man mit fingern auf mich / vñ ſagtẽ: ſihe / doꝛt geht der Dieb: diſer vꝛſachen halbẽ wolte mich niemand annem̃en noch mir trawen / vñ waꝛd ich derwegẽ verurſacht / mein voꝛiges leben vñ arbeit zutreiben / vñ die Eſelarbeit mit Kraͤxen tragẽ widerum̃ zu verꝛichtẽ. Wie were es mir aber ergangẽ woferꝛn ich diſe picariſche kunſt nit zuuor gelehrnt / ergriffen vnd practiciert hette? Dañ nunmehꝛ war ich dienſtloß / Kley - derloß vnd Chꝛloß / alles was ich mit arbeiten hatte erobert / das verluhr ich ſpielent / ich war allerdings zerꝛiſſen / hinden vnd voꝛnen / vnnd kente kaum mein ſcham bedecken: Aber doch war mein ſcientz noch gantz vñ vollkom̃en / vnd die ſcham verlohren / dann den Armen iſt ſie wenig nutz. Jch fing widerumb allerhande Waaren vñ ſachen auffm Rucken zu tragen / vnd mein notturfft: niemaln ließ ich mei - nen Bauch meinen Gott ſeyn: Der Menſch ſoll nit mehꝛ eſſen / als ſein notturfft / wer aber excediret vnnd mehr jſſet / der iſt ein Viech: Vermittelſt diſer meiner ſobrietet, nuͤchter -keit76Der Landtſtoͤrtzer.keit vnnd maͤſſigkeit verblib mein Leib allzeit friſch vnd geſund / vñ mein Beutel voll Gelts. Niemaln tranck ich mich voll / dann ich ſahe / wie ſchaͤndlich meinen Geſellen die Voͤllerey anſtunde. Daß nun die Picari oder Bernhaͤu - ter ſich voll ſauffen / das gehet wol hin / dann ſie haben ohne das wenig Ehr / daß es aber die Gelehrten / die edle vnnd maͤchtige Herꝛen vñ Obrigkeiten thun / iſt ſolches je ein ſchand vnd ſpott.

Nit allein war ich ſehꝛ maͤſſig / ſonder auch fleiſſig / vnnd dermaſſen embſig in meiner ſci - entz, officio vnnd Ambt / daß ichs allen mei - nen Mitgeſellen beuor thate / vnnd jederman mir trawte vnd mich liebte. Einsmals begabs ſich / daß etliche Faͤndl Soldaten in Jtalien ſolten verſchickt werden / das gedunckte nun mich ein gewuͤnſchte gelegenheit ſeyn / mein Vatterland vnd meine Freunde zu beſuchen / aber weil ich aller nackendt vnd zerꝛiſſen war / ſo gedachte ich auff alle mittel vnd weg / mich ſtattlich zu kleyden. Das Sprichwort: Si volete eſſere Papa, ſtampate lo en la te - ſta: Das iſt: Vegerſtu ein Bapſt zu werden /ſo77Der Landtſtoͤrtzer.ſo preſſe dir jhne in deinen Kopff: ward bey mir verificirt, dann als ich mit vorbemeltem meinem intent vnnd verlangen ſchwanger ging / vnd ſehr ſollicitus vnd ſorgfaͤltig war / mich ehꝛlich zu kleidẽ / ich auch einsmals aufm Marckt ſaß / vnd auf etwan ein Gluͤck warte - te / hoͤꝛte ich vnuerſehens ein ſtimm / die ſpꝛach: Guſmaͤndl gehe her: Jch ſprang geſchwind auff meine Fuͤß / vnnd ſahe einen / der winckte mir / legte einen Sack mit 500. Realn / vnnd noch einen andern mit 300. Kronen in meine Putten / vnd befahl mir / dz ich jm nachfolgen ſolte. Jch war willig / vnnd trug jhms etliche Gaſſen lang nach / aber vnuerſehens verdraͤ - hete ich mich von jhm ab / verſchwand voꝛ ſei - nen Augen / machte mich vnſichtbar / gewann das Statt Thor / lieff noch denſelben Abendt zwo meil wegs / vnd verbarg mich in einer di - cken Stauden vier gantze Taglang / biß ſich die Schoͤrgen / welche mir nacheylten / wider - umb verluhren.

Als nun ich vermeinte ſicher zu ſeyn / mach - te ich mich auf / ging nur bey der Nacht durch abgelegene ort vnd Doͤrffer / biß ich auff zwomeil78Der Landtſtoͤrtzer.meil wegs nahe bey Toledo kam / daſelbſt traf ich einen jungen Knaben meines gleichen an / der war ſeinen Eltern entloffen / vnd hatte ein ſtarckes Felleiſſel bey ſich / darinn war ein ſehr ſchoͤnes Kleyd / das kauffte ich jhm ab vmb ei - nen rechten werth / Er nam das Gelt zu ſich / vnnd ging ſeinen weg fort / deßgleichen kam ich noch denſelben Abendt gen Toledo / da - ſelbſt aber erging es mir ſehꝛ artlich.

Capvt XII.

Was geſtallt Guſman zu Toledo ſich ſtattlich gekleydet vnnd ſein Gelt verbuelt.

WAn ſagt / daß / ob man ſchon einen Af - fen in lauter Seiden vnnd Sammet kleidet / er doch ein Aff ſeye vnnd ver - bleibe: Es mag gleichwol einer einen ha bitũ oder Kleid anlegen / aber doch wird er darumb nicht deſto beſſer oder anderſt / weder er zuuor war. Eben diſes begegnete auch mir / dann gar baldt werde ich werden ein Galan oder Juncker / aber baldt hernacher werde ich wi -derumb79Der Landtſtoͤrtzer.derumb ein Ganapan oder Betler. Das al - ler erſte / welches ich am morgen fruͤh zu To - ledo thate / war / daß ich das obuermelte er - kauffte Kleyd etlicher maſſen verkehren vnnd veraͤndern ließ / damit mans nicht kennen / vnnd man mich villeicht an ſtatt deß vori - gen Knabens anſehen vnd ergreiffen moͤchte. Jn diſem ſchoͤnen Kleyd ging ich zwen Tag - lang zu Toledo vmb / vnnd fragte nach der Geſellſchafft der Soldaten / aber keine waren verhanden / ward derwegen gezwungen noch laͤnger daſelbſt zu verbleiben. Einsmals an einem Sontag kam ich in die Kirch vnd hoͤꝛ - te Meß: folgendts ging ich hin vnnd wider in der Kirchen ſpatzieren / vnd ſahe letztlichen in einer Capellen etliche ſehr ſchoͤne Frawen / ſie vñ jederman ſahen mich an / vñ verwunderten ſich vber meine naͤrꝛiſche ſitten vnd geberden / dann ich ſtoltzierte vnnd prangte mit meinem Kleyd vnd Federn / ſamb waͤre ich der Hanen Koͤnig. Jhrer eine warff jhr Aug auff mich / oder / daß ich recht ſage / auff mein Gelt / ich a - ber nam es nit gewar / ſonder verwendete mei - ne Augẽ auf ein andere / welche neben jr ſtund:vnd80Der Landtſtoͤrtzer.vnd als dieſelbe heimb ging / folgte ich jhꝛ von weitem nach / biß zu jhrem Loſement / vnd im hinein gehen / kehꝛte ſie ſich vmb / zeigte mir ein ſehꝛ freundlichs Angeſicht / vnnd gruͤſte mich gleichſam̃. Da fing ich alsbald an in der Lieb zu brinnen / vnnd wolte allgemach widerumb heimb in mein Loſement gehen / aber ſahe / daß ein Magd mir von weitem nachfolgte / vnnd mir mit dem Kopff vnd Fingern winckte: der - wegen wartete ich / biß ſie zu mir kam / vnd mir ein langes parlament herein machte / mit vermelden / daß ſie einer anſehenlichen Ehe - frawen zugehoͤrte / welche ein verlangen hette zu wiſſen / wer vñ von wannen ich doch were / dann ſie etwas ſonderbares mit mir hette zu tractiren: Das hielt ich nun fuͤr ein groſſe Ehr / vnd hette mein Gluͤck nit vertauſcht ge - gen dem Gluͤck deß Alexandri Magni, dann es gedunckte mich / daß alle vnnd jede ſchoͤne Frawen ſich vmb mich riſſen: Jn wehren - der vnſer conuerſation vnnd vnderꝛedung kamen wir zu meiner Herberg / dieſelbe ward durch die magd fleiſſig gemerckt / ich aber nam vrlaub von jhr / ging heimb vnnd verꝛichtetemein81Der Landtſtoͤrtzer.mein Mahlzeit: weil ich aber nit wuſte / was diß fuͤr ein Fraw war / ſo kummerte ich mich nit ſo ſehr vmb ſie / als vmb die andere / dann derſelben zu gefallen ging ich voꝛ jhrem Hauß auff vnd nider ſpatzieren / vber ein kleine Zeit ließ ſie ſich ſehen / redete mit mir auß dem fen - ſter / vnd bate mich letztlichen / daß ich mit jhr zu nacht eſſen wolte: deſſen frewete ich mich / ſchickte meinen Diener alsbald hin / vnnd ließ einen Kaupaun / zwey Rebhuͤner / ein Koͤnigel vnd ein flaſchen mit dem beſten Wein holen. Als nun wir vns niderſetzten vnnd eſſen wol - ten / klopffte einer gar ſtarck an jrer Haußthuͤr / da ſtellte ſie ſich / als were ſie zum hoͤchſten er - ſchrocken / vnd ſagte / daß es jhr Bruder were / der bißweilen voll vnd doll heimb kaͤme / vnnd boͤſe haͤndel anrichtete / derwegen bate ſie mich daß ich mich eylends in einen gꝛoſſen Waſſer - krug / welcher herauſſen im Fletz ſtund / verber - gen wolte. Jch folgte jhrem Rath / vnd ver - barg mich darin: Als jhr Bruder ins Hauß vnd in die Kuchel kam / verwunderte er ſich v - ber die Kocherey / ſtellte ſich ſehr zornig / ſetzte ſich doch letztlichen ſampt jhr zu Tiſch / aſſenFein82Der Landtſtoͤrtzer.ein guts genuͤgen von meinen ſpeiſen / vñ gin - gen letztlichen mit einander in ein Kam̃er / wz nun ſie daſelbſt beyſamen thaten / das war mir vnbewuſt / aber das weiß ich wol / daß ich im Waſſerkrug verblib / zitterte / ſchwitzte vnnd hungerte / weil auch ich vermerckte / daß alles ſtill war / ſo ſtig ich allgemach auß dem bauch deß Waſſerkrugs / allermaſſen wie Jonas auß dem Bauch deß Wahlfiſches / ging hin vnnd wider im finſtern im Hauſe herumb / vnd ſuch - te etwan einen Außgang: fandt aber nir - gendts keinen / ſonder muſte wider meinen Willen alldort verbleiben / groſſe Kaͤlte ein - nemmen / vnd deß Tags erwarten. Alsdann ging ich zornigklich von dannen widerumb in mein Herberg / legte mich mit hungerigem vnd laͤrem Bauch ins Beth / vnnd ſuchte den Schlaf zum Troſt meines empfangenen Leydts.

Bald hernacher klopffte man an meiner Kam̃erthuͤr / vnd es war eben die vorbemeldte Magd / welche miꝛ deß tags zuuoꝛ nachgefolgt war / vnd ſie kam ſampt jrer Frawen. Dieſelbe ſetzte ſich alsbald in einen Seſſel / zum Hauptmeines83Der Landtſtoͤrtzer.meines Beths / die Magd aber ſetzte ſich auff die Erden nah bey der Thuͤr. Die Fraw fing an mich zu fragen / wer ich waͤre / was ich all - da zu Toledo zu ſchaffen hette / vnnd wie lang ich daſelbſt gedaͤchte zu verbleiben. Weil ich aber ein lauter Lugner war / ſo ſagte ich jhr die Warheit nicht: Jn wehrender vnſer con - uerſation vnd vnderꝛedung / zohe ſie mit allẽ fleiß etliche koͤſtliche Kleinoder herfuͤr / zeigte mirs vñ fragte mich / ob ich mich auff derglei - chen ding verſtuͤnde? ſo gar gab ſie mir die Wahl eins daruon zu nemmen / vnnd von jh - rentwegen zu behalten: aber ich ſchlug jhꝛs ab / vnd bedanckte mich deß guten willens. Bald drauff ſtellte ſie ſich / als mengelte jhꝛ ein Klei - not / vnd zwar das allerliebſte / welches ſie von jhrem Haußwirth vberkommen gehabt / der - wegen ſtundt ſie geſchwindt auff / ſamb waͤre jhr vil dran gelegen / vnnd daß ſie zu Hauß ge - hen vnd ſehen wolte / obs villeicht daſelbſt ver - bliben waͤre / damit ſie es bey zeiten ſuchen / vnd widerum̃ zu wegen bꝛingen moͤchte. Ob auch ich ſchon jhr verhieß / daß ich jhr ein anders ſchenckẽ wolte / ſo wolte ſie ſich doch lenger nitF 2laſſen84Der Landtſtoͤrtzer.laſſen auffhalten / ſonder ging hinweg / mit vertroͤſtung / daß ſie mich zu einer andern zeit heim̃ſuchẽ / mich auch durch die Magd wiſſen laſſen wolte / ob ſie das Kleinod gefunden. Jch ward trawrig / daß ſie diſer geſtallt von mir ging / dann ſie war vber alle maſſen ſchoͤn vnd holdſelig.

Vber ein kleine zeit hernacher kam die Magd wider / vnnd ſagte mir / daß jhr Fraw vermeinte / daß ſie das Kleinod gewißlich bey mir verlohren / wir alleſampt durchſuchten mein Loſement mit allem fleiß / fanden aber nichts dergleichen / derwegen bate mich die Magd / daß ich doch jhrer Frawen ein anders Kleynod kauffen wolte: Jch ließ mich vberꝛe - den / ging mit jhr zu einem Jubilirer / kauffte ein ſchoͤnes Kleynod vmb 20. Ducaten / ſtellte jhrs zu / vnnd bate ſie / daß ſie es jhrer Frawen fleiſſig vberantworten wolte. Das verhieß ſie mir gleichwol trewlich / aber ſeythero ſahe ich weder ſie noch jhre Fraw.

Diſer betrug hette mich billich ſollen wi - tzig machen / aber es halff nichts / dann als ich in der Melancoley hinauß ſpatzieren gehenwolte /85Der Landtſtoͤrtzer.wolte / erſahe mich die andere Fraw / von dern obẽ meldung beſchehen / winckte mir auß dem fenſter / vñ gab mir zu verſtehen / dz ich mich in vnſer L. Frawen Kirch verfuͤgen / vnd jhꝛer da - ſelbſt erwarten ſolte: Deſſen frewete ich mich zum hoͤchſten / ging vor an / vnd ſie folgte mir auff dem Fuß nach: Kehrte aber zuuor in ei - nes Kauffmans Laden ein / entſchuldigte ſich gegen mir wegen deſſen / daß ſie mir die voꝛige Nacht kein beſſere Geſellſchafft hatte geleiſt. Jch glaubte jhren verlognen vnnd falſchen worten / dann ſie ſchwur vnd verhieß mir / daß ſie es in der zukuͤnfftigen Nacht alles wider herein bringen wolte. Darneben kauffte ſie et - liche ſachen / ſo vngefaͤhꝛlich biß in 30. Duca - ten anlieffen: Als aber ſie außzahlen ſolte / fragte ſie den Kauffman / wie lang er jhr bor - gen wolte? Der Kauffman antwortet / daß er jhr nit koͤndte borgen / fonder bar Gelt ha - ben muͤſte. Da ſprach ich zu jhm: Diſe Fraw ſpottet nur / dann ſie hat Gelts gnug / ich hab jren Bentel / vnd bin jr Rentmeiſter: folgends griffe ich in meinen Sack / zohe ein Hand voll Ducaten herauß / bezahlte den Kauffman vndF 3loͤſte86Der Landtſtoͤrtzer.loͤſte die Fraw auß der ſchuldt / ſie ging heimb / vnd ſagte / daß ſie meiner vmb acht Vhren zu Abends gewiß: vnnd vnfehlbarlich wolte er - warten. Jch kam / klopffte an jhrer Haußthuͤr / wartete biß in die zwoͤlffte Stund / vnnd ſahe / daß es aber mals ein lauter Betrug vnd falſch - heit war / dann der jenig / welchen ſie fuͤr jhꝛen Bruder außgab / war jhr Galan, vnnd ſteckte jmmerdar bey jhr: Wie derwegen ich wider hinweg gehen wolte / ſahe ich turbam mul - tam vnd vil Schoͤrgen vnd Gerichtsdiener / welche in diſes Hauß filen / alle Winckel durchſuchten / vnnd letztlichen einen zarten Schreiber inn einem groſſen Waſſerkrug / deßgleichen noch einen andern in einer Tru - hen fanden / vnd gefaͤngklich hinweg fuͤhrten: Da danckte ich Gott / daß ich nit auch in diß Hauß kommen war / dañ es mir gewißlich eben ſo vbel als diſen Schreibern ergangen waͤre.

Capvt87Der Landtſtoͤrtzer.

Capvt XIII.

Guſman kompt gen Almagro zu einem Hauptman / vnd wirdt ein Soldat.

WEil mir oberzehlter maſſen mein Bulerey zu Toledo ſo gar vngluͤck - lich gerathen / ſo verfuͤgte ich mich von dannen gen Almagro / vnd legte mich in ein anſehenliche Herberg: weil dañ der Wirth ſahe / dz ich ſo ſehꝛ wol ſtaffiert war / ſo fragte er meine Diener / wer ich were? die gaben jm zur antwoꝛt / dz ich Dõ Iohan de Guzman hief - ſe / vñ ein anſehenlicher vom Adl were / derwe - gen hielt mich der Wirth in hohen ehꝛen. Vñ weil ich vernom̃en / dz daſelbſt ein Haupt man verhanden / der ein Regiment Knechte warb / ſo verfuͤgte ich mich zu jhm / vnd erbotte mich jhm zu dienen. Jch war ſchoͤn gekleidt / vnnd hatte noch 300. Kronen bey mir / (dann das vbrige war allbereit theils mit Kleidern / vnnd theils mit den obberuͤrtẽ ſchoͤnen Frawen auf - gangen) derwegen nam mich der HauptmanF 4als -88Der Landtſtoͤrtzer.als bald an / vnnd erzeigte mir allen guten wil - len / ſo gar ſetzte er mich an ſeinen Tiſch ſampt andern vom Adel vnd Befelchshabern. Weil auch er ein Gelt bey mir ſchmeckte / ſo ſpielte er mit mir anfangs nur vmb ein Pfenning / folgends vmb Groſchen / vnd letztlichen vmb Kronen. Dardurch ward mein Beutel je len - ger je geringer / vnd letztlichen gar laͤr.

Nun kams zu der Muſterung / vnd als ich gleichfals durchgehen wolte / ſahe der Com - miſſarius mich eigentlich an / vnd wolte mich wegen meiner groſſen Jugendt / nit paſſieren laſſen: das empfand ich nun billich vnd ſprach zu jhm: Herꝛ / das Alter iſt gering / aber das Gemuͤt iſt groß: Mein Arm̃ kan dz ſchwerdt fuͤhꝛen: Er antwortet vnnd ſprach: ich glaub / daß wahr ſeye / was du ſagſt / aber mein com - miſſion bringts nit mit / daß ich dergleichen ſo gar junge Leuth in der Muſterung paſſiren laſſen ſolle. Weil ich dann ſahe / daß es andeꝛſt nicht ſein kondte / ſo muſte ich gedult haben. Mein Hauptmann war gleichfalls mit dem Commiſſario deßwegen ſehr vbel zu friden / aber doch troͤſtete er mich mit deme / daß ermich89Der Landtſtoͤrtzer.mich in Jtalia zu einem Fenderich machen wolte / woferꝛn ichs erwarten / vnd ſo lang bey jm bleiben wuͤrde. Jch ließ mich vberꝛeden vñ blib bey jhm / ſo lang biß die Galeren kamen / vnd das Kriegsvolck in Jtalien fuͤhꝛen ſolten: Jnmittelſt aber thate mein Hauptman nichts anders / als dominiren / freſſen / ſauffen vnnd ſpielen / deßgleichen verthate ich alles mein zu Toledo geſtohlenes Gelt / vnd hatte je nichts mehr zu verzehꝛen / da gedachte ich an den jeni - gen / welcher geſagt hat: diues eram iam du - dum, fecerunt me tria nudum, Alea, Vi - na, Venus, tribus his ſum factus egenus. Derwegen ward ich nit allein wegen meiner Jugendt veracht / ſonder auch wegen meiner Armut verwoꝛffen: Dann pauper & va - cuus cogitur ire forâs: Der freye Tiſch / welchen ich bey meinem Hauptmann gehabt / ward mir hinfuͤran abgeſchafft / meine beſte Freund vnd Tautzbruͤder verlieſſen mich / vñ ſahen mich vber die Achſſeln an / niemandt wolte ſchier mehꝛ mit mir reden noch vmbge - hen / ſond ich war bey meniglichẽ ſchabab / kei - ner andern vꝛſachen halben / als weil man keinF 5Gelt90Der Landtſtoͤrtzer.Gelt mehr bey mir wuſte: Das war nun mein rechter vnd woluerdienter Lohn. An ſtatt nun / daß ich zuuor meinem Hauptmann fuͤr einen Juncker gedient / mit jhm geſſen / geſpielt vnnd burſtert hatte / vnnd man mich nur Don Io - han de Guzman genennt / nennete er mich hinfuͤran nur Guſmaͤndl / hielt mich fuͤr ſei - nen Buben / vnnd brauchte mich bißweilen fuͤr einen Kupler / ja was mehꝛ iſt / als wir in Jtalien kamen / ſprach er zu mir: Du Bub / nunmehr hab ich dich deinem begeren nach / in Jtalia gebracht / ich brauche dich ferner nit / derwegen magſtu dir ein andere gelegen - heit ſuchen: Diſer geſtallt ward ich abdanckt / vnd erfuhr mit meinem Schaden / wie wenig man ſich auff Weiber vnnd Herꝛn habe zu verlaſſen.

Capvt XIV.

Guſman kompt gen Genua / fragt ſeiner Freundtſchafft nach / wirdt aber vbel von jhnen tra - ctirt.

Nichts91Der Landtſtoͤrtzer.

NJchts iſt auff Erden veraͤchtlicher vñ verhaßter / als eben die armut / dann ſie iſt der Welt Kchꝛkoth: Wie das vn - nutze / ſtinckende vnd verfaulte Fleiſch verwor - fen / vnnd den Hunden fuͤrgeworffen wirdt / alſo wirdt ein Armer / ob er ſchon noch ſo verſtaͤndig iſt / verworffen vnnd von men - nigklichen veracht: fuͤr vil ſchaͤdlicher wirde die Armut gehalten / denn der Todt ſelbſt / dann das Gelt viuificiret vnnd waͤrmet das Blut / wer es derwegen nit hat / der iſt gleich - ſam ein todter Leib / der vnder den Lebendigen vmbgehet. Aber ein reicher iſt allzeit vnd aller orten willkomb / lieb vnd angenemb / vnange - ſehen er ein vngeſchickter grober Eſel / vnnd ein Narꝛ in der Haut iſt: Ein alter gebrauch vnnd gewonheit iſts / daß mans nur mit der proſperitet vnnd Gluͤckſeligkeit helt / wo aber bey jemande Armut vnd Vngluͤckſelig - keit verſpuͤrt wirdt / da wirdt der Sohn ver - laſſen vom Vatter / der Vatter vom Sohn / der Bruder vom Bruder / der Freund vom Freund / Ja ſo gar iſt ein Armer jhm ſelbſt feindt / vnnd hat einen verdruß vnnd abſche[u]an92Der Landtſtoͤrtzer.an ſeiner eygnen Perſon. Diſes alles lehrt mich die zeit / veꝛmittelſt deꝛ diſciplin, diſcur - ſen, vnd ſie caſtigirte vnnd ſtraffte mich mit vnendtlichen muͤheſeligkeiten.

Dañ nach dem mein Hauptman mir den Sack gegeben / verfuͤgte ich mich gen Genua / in hoffnung meine Blutsfreunde allda anzu - treffen / vnd groß bey jhnen zu werden / vnan - geſehen auch ich aller zerlumpt vnd zerhadert war / nit deſto weniger vnderſtundt ich mich / einer von den alten vnd edlen Gothen zu ſein / vnd mich zu beruͤhmen / daß ich den edlen pa - tritijs vnnd Geſchlechtern daſelbſt befreundt waͤre / derwegen fing ich an / mich fuͤr den jeni - gen außzugeben / der ich war: vnd als ich der - wegen dẽ namen meines lieben Vatters nach - fragte / fing jederman an zu lachen / vnd mich außzuſpoͤtteln / vnnd ſagten: Du zerrißner Schelm / biſtu ein Genueſer? einem Huren Sohn ſiheſtu vil gleicher: Vnnd gleichſamb waͤre mein Vatter vor 200. Jahren geſtor - ben / fandt ich keinen einigen Menſchen / der jhm verwandt waͤre. Letztlichen begegnete mir ein gar alter Mañ / der hatte einen ſchneeweiſ -ſen93Der Landtſtoͤrtzer.ſen langẽ bart / ein ſehꝛ anſehẽliche geſtalt / aber ein ſchlangiſches vergifftes vnd falſches hertz / der ſprach zu mir: Mein Sohn / ich hab wol etwas von deinem Vatter vnd Freunden ge - hoͤrt / daß ſie nemblich die aller edleſten in diſer Statt geweſt / vñ wofern du allbereit zu nacht geſſen haſt / ſo gehe mit mir heimb vnd ſchlafe in meinem Hauſe / Moꝛgen woͤllen wir ferner von der ſachen reden. Weil dann diſer alte Mann mir ſo gar freundlich zu redete / vnd dz anſehen eines heiligen Pauli hatte / ſo trawte ich jhm / folgte jhm nach / vnnd hatte einen vil groͤſſern Luſt zu eſſen / weder zu ſchlafen: dann es tawrte mich mein Gelt / vnd hette vil lieber auffm Salueblaͤtl oder vmbſonſt geſſen / dann wir Spanier leben gantz maͤſſigklich / vnnd eſ - ſen ſehꝛ wenig / wanns vnſer eigen Gelt koſtet / aber wann andere Leuth die Zech fuͤr vns be - zahlen / alsdann freſſen wir wie die Geyer / vnd ſauffen wie die Buͤrſtenbinder. Als nun wir in ſein Hauß kamen / fragte er mich vmb das Spanniſche weſen / vnd vmb meiner Mutter gelegenheit? das erzehlte ich jhm außfuͤhrlich. Letztlichen rieff er ſeinem Diener / vnd befahljhm /94Der Landtſtoͤrtzer.jhm / daß er mich in ein Schlafkam̃er fuͤhren ſolte / jnmaſſen beſchehen / vñ ich ſahe / daß das Loſament herꝛlich vnd ſchoͤn / vnnd das Beth dermaſſen ſauber vñ koͤſtlich war / dz ich mich foͤrchtete drein zu legen / dann ich vnnd mei - ne Kleyder vnd Hemmet waren nit ſehr ſau - ber / ſonder zerꝛiſſen vñ voller vnzifers / derwe - gen muſte ich mich Mutternackendt abziehen vnd drein legen. Nach Mittnacht in meinem beſten ſchlaffen / hoͤꝛte ich ein getuͤm̃el vnd ſahe vier erſchꝛoͤcklich geſtaltẽ der Teufeln mit lan - gen Haren / krum̃en Schnaͤbeln / vnd langen ſchwaͤntzen / die naheten zu meinem Beth / vnd zohen die deck herunder: Jch fing gleichwol an zu betten / den ſuͤſſen namen Jeſu anzuruffen / vñ mich voꝛ diſen getaufften Teuffeln zu ſeg - nen / aber es war alles vergeblich / dann ſie leg - ten mich auff eine Kotzen oder Deck / vnd ein jeglicher nam einen Zipffel in die Hand / vnd ſchutzten mich laͤnger als ein halbe Stundt in die hoͤhe / allermaſſen wie die Metzger in der Faßnacht den Jaͤckel oder einen Hundt zu - ſchutzen / hin vnd wider zu werffen / zu blencklẽ vnnd zu peinigen pflegen: Biß ſie letztlichenmuͤd95Der Landtſtoͤrtzer.muͤd wurden / vnnd mich fuͤr halb todt ligen lieſſen: Das machte mich nun dermaſſen ohn - kraͤfftig / daß ich nichts bey mir im Leib behal - ten kondte / ſonder alles vnden auß / ins Beth gehen ließ / vnd vber alle maſſen vbel ſchmeck - te. Damals gedachte vnd erjnnerte ich mich meiner gnedigen Frawen / von dern oben ge - melt worden / dz ſie gleichfals auß lauter angſt vnd ſchꝛicken jre virtutem retentiuam ver - lohren hatte: Das war mir nun ſehr leyd / vnd ich wiſchte vnd butzte meinen Leib mit dem v - brigen / was an den Leylachern ſauber bliben war: Folgendts deckte ich das Beth fleiſſig zu / damit man mein ſchwachheit vnd mißge - rathene vngelegenheit nicht ſehe vnnd wahr - nemme. Deß Morgens fruͤ kam der Die - ner / vnnd ſagte mir / daß ſein Herꝛ in der Kirchen auff mich wartete: Damit nun der Diener den vnrath im Beth nit fuͤnde / vñ ſei - nem Herꝛn das Bottenbrot abgewinne / ſo ba - te ich jhne / daß er mir den weg zeigen wolte. Er ging mit mir / brachte mich auf die Gaſſen / vñ ging wider zu ruck: da fing ich an zu lauf - fen / ſamb waͤren mir an den Fuͤſſen Fluͤgelgewach -96Der Landtſtoͤrtzer.gewachſen / vnd ſuchte den weg zum Statthoꝛ hinauß.

Capvt XV.

Guſman fahet an zu betteln / geſel - let ſich zu andern Bettlern / lehrnet jhꝛe Statuta, Geſetz vnd Ord - nungen.

ALsbaldt ich auß Genua kommen war / eylte ich dermaſſen / daß kein Curꝛier oder Poſtlauffer mich erwiſchen hette koͤnden / vnd wofern deß Loths Weib auch al - ſo gethan hette / ſo wuͤrde ſie in keine Saltzſeul verwandelt ſein worden: Niemaln ſchawte ich zu ruck / ſonder lieff ſechs gantze meil wegs in einem Athem / ohne einiges verſchnauffen / das verurſachte der zorn vñ die groſſe mir er - wiſene ſchmach: das aller aͤrgiſt aber war / dz ich allerdings zerꝛiſſen / kranck / ſchwach vnnd ohne Gelt war: O Armut vnd noth / wie ſehr ſchwaͤcheſt vnd zernichteſtu die Gemuͤter vnd Leiber der Menſchen / dann ob ſchon du die ingenia ſubtiliſireſt, ſo zerſtoͤreſtu doch diepoten -97Der Landtſtoͤrtzer.potentias vnd ringeſt die ſeinen dermaſſen / daß ſie ſampt der gedult ſich verlieren. Zwey - erley art der Armut iſt verhanden / die eine iſt vnuerſchambt / vnnd kompt ſelbſt vnberuffen: die andere aber kompt beruffen vnd gebetten. Vor der erſten / welche ſich ſelbſt ladet vnd be - ruffet / behuͤte vns Gott / vnd dieſelbe iſt die je - nige / von dern ich tractire / dann ſie iſt ein ge - zwungener Gaſt in dem Hauſe / vnnd bringt ſehr vil boͤſe effecten mit ſich / nemblich / Vn - trew / Dieberey vnnd Verachtung: Die an - dere voluntaria oder freywillige Armut / die wir ſelbſt beruffen vnd erwehlen / iſt ein herꝛli - che vnnd fuͤrtreffliche Fraw / freygebig / reich / maͤchtig / redſelig / freundlich / lieblich vnd an - genem̃: Sie iſt ein vnuͤberwindlicher Thurn / ein wahꝛer Reichthumb / vnd ein wares Gut / welches die Gemuͤter der Menſchen erhebet / die Leiber ſtaͤrcket / die Ehr erleuchtet vnnd be - fuͤrdert / die Hertzen erfrewet / die werck erhoͤ - het vnd deß Menſchen guten namen vnſterb - lich machet: Jhre Fuͤß ſeind von Diaman - ten / jhr Leib von Saphier / jhr Angeſicht von Carfunckel / ſie glantzet / erfrewet / viuificiretGvnd98Der Landtſtoͤrtzer.vnd macht lebendig: Aber die andere jhre Nachbaͤwrin iſt allerdings ſchaͤndtlich / vn - flaͤtig vnnd veraͤchtlich / vnnd in eben dieſelbe verliebte ich mich mit aller macht / vnd begab mich allerdings zum betteln auffm Landt / in den Staͤtten vnnd in Haͤuſern. Darzu gab mir das edle Jtalien groſſe vrſach vnd anlaͤß / dann daſelbſt wirdt ein ſo groſſe Lieb deß Naͤchſten verſpuͤrt / vnd dermaſſen gern vnnd vil gibt man den Armen / daß es ſchier ein v - berfluß iſt / vnnd nur vil Bettler dardurch ge - macht vnd geziegelt werden. Von Genua auß biß gen Rom verzehrte ich keinen einigen Haͤller / vnnd hatte aller Orthen zu eſſen ge - nug. Jch war gleichwol damals erſt ein nouitz, vnnd gab offtermals den Hunden etwas / welches ich verkauffen vnnd vil Gelts drauß loͤſen hette koͤnnen. Als ich gen Rom kam / hette ich mich gern von newem gekley - det / aber doch vnderließ ichs / damit es mir nicht widerumb erginge wie zu Toledo / dann ob ſchon vnſer einer ein guts Kleidt an hat / ſo hat er doch drumb nicht zu freſſen / vnnd nie - mandt gibt einem wolgekleidten Bettler gernein99Der Landtſtoͤrtzer.ein Allmuſen / derwegen entſchloſſe ich mich / daß ich mein erſambletes vnd erſpartes Gelt fein fleiſſig beyſammen behalten wolte: ſetzte mich nider / vñ machte noch ein andern knopf vor meiner Muͤntz / vñ ſprach zu jhr: Da bleib / dann ich weiß nit / wann ich deiner bedoͤrffen moͤchte.

Jn meinen zerꝛiſſenen Kleidern vnd Ha - derlumpen fing ich an / das Allmuſen zu be - geren / beſuchte die Haͤuſer der Cardinaͤlen / Geſandten / Fuͤrſten / Biſchoffe vnd anderer Potentaten: Ein anderer junger Bub fuͤhr - te mich / vnd gab mir alle gute anleitung vnnd lectiones, vnnd vnderwiſe mich in den prin - cipijs, wie vnd was / vnd auff was fuͤr vnder - ſchidliche form vnd weiſe ich von einem jegli - chen dz Almuſen begeren / wie ich mit den Rei - chen ein mitleiden erzeigen / vñ die andaͤchtigẽ verobligiren ſolte: Dermaſſen proficierte ich in diſer profeſſion, dz ich vberfluͤſſig zu eſſen vnd Gelts gnug vberkam / dann ich kente den Bapſt / vnd ſo wol die jenigen / welche Kutten trugen / als welche keine trugen: Alle GaſſenG 2durch -100Der Landtſtoͤrtzer.durchſtraiffte ich / vnd alle Winckel vnd Haͤu - ſer durchnaſchte ich / aber doch viertheilte ich die Statt / vnnd theilte die Kirchen nach den Feſttaͤgẽ auß. Das meiſte Almuſen war brot / das verkauffte ich denen Leuthen / welche die Hennen / Kapaunen vnnd andere dergleichen ziglen / vnd loͤſte vil Gelts drauß: deßgleichen brachte ich hin vnnd wider vil alte Kleider zu wegen / dann weil ich nackendt vnd bloß war / ſo gab man mir allzeit etwas / das verkauffte ich aber alles wider / vnnd ſamblete ein feines Schatzgeltl.

Folgends begab ich mich in die geſellſchaft etlicher alten Betler / damit ich durch ſie deſto perfectior vnd vollkom̃ner in diſer facultet werden moͤchte. Einer vnder jnen nam mich in ſeine diſciplin vnd zucht / vnnd vnderwiſe mich in den aller fuͤrnembſten geheimnuſſen / grandezen vnnd hochheiten deß bettlens / ſo gar gab er mir ein geſchribene Betteloꝛdnung damit ich mich vor allem ſchaden vnd aͤrger - nuſſen deſto beſſer moͤchte huͤten. Jn ſumma / ich ward in kurtzer zeit ein abgefuͤhꝛter Betler / vnd hette mich trefflich wol darbey befunden /wo -101Der Landtſtoͤrtzer.woferꝛn nicht die zeit vnnd das vngluͤck mich daruon getriben vnd entſetzt hetten / dann als mich einsmals der fuͤrwitz ſtach / daß ich wiſ - ſen moͤchte / ob man zu Gaeta ebẽ ſo barmher - tzig vnnd mitleidig waͤre / wie zu Rom / ſo ver - fuͤgt ich mich dorthin / ſetzte mich mit meinem ſehr grindigen vnd ſchadhafften Kopff (vn - angeſehen derſelb ſonſten friſch vnnd geſundt war) vor die Kirchthuͤrn / vnnd ſamblete das Allmuſen / mit ſehr lauter klaͤglicher vnnd be - weglicher Stim̃. Der Statthalter daſelbſt ſahe mich eygentlich an / vnnd gab mir gleich - fals ein reiches Allmuſen: Aber der Geitz v - berging mich vnnd brach den Sack / dann an einem andern Feſttag brauchte ich ein anders vñ newe inuention, præparirte meinen ge - ſunden vnnd friſchen Schenckel dermaſſen / daß es ein grewel war anzuſehen: darmit ſetz - te ich mich vor die Kirchen / fing an vber laut zu ſchreyen / vñ meinen verwundten elendigen (aber doch geſunden) Schenckel zu erheben vnnd zu zeigen: zu meinem Vngluͤck kam der vorbemelte Statthalter damals in dieſelbe Kirch / vnd als er mich erkennte / hieß er michG 3auff -102Der Landtſtoͤrtzer.auffſtehen vnd ſprach: gehe mit mir heimb / ich wil dir ein Hemmet geben. Jch glaubte es / kam in ſein Loſament / vnnd er ſchawte mich eygentlich vnder mein Angeſicht / vnd ſprach: Wie iſts muͤglich / daß ein ſolches rothes friſches vnd faiſtes Angeſicht einen ſo gar boͤ - ſen Schenckel habe? Es reimen vnd ſchicken ſich diſe zwey ding gar nicht zuſammen? Jch antwortet: Herꝛ / ich weiß es je nit / vnſer Herꝛ hat mirs alſo zugeſchickt: Aber der Statthal - ter ſchickte vmb einen Balbierer / der beſchaw - te mich eygentlich / erkennte letztlichen den be - trug vnd ſprach: Herꝛ / diſer Bub hat eben ſo wenig einen ſchadhafften Schenckel / als ich ein ſchadhafftes Aug hab: Folgendts fing er an / meine Windel vnd Pflaſter auffzuloͤſen / vnnd zeigte mennigklichen meinen friſchen vnd geſunden Schenckel: Deſſen verwunder - te ſich der Statthalter / vnd befalch dem Hen - cker / daß er mir in ſeiner gegenwertigkeit ein Wammes vnder das Hemmet gab / vnnd mich mit Ruthen auß der Statt hawen ließ / nam luit in corpus quiſquis non poſſidet æra. Diſer geſtallt ward mein fuͤrwitz gebuͤſt /vnd103Der Landtſtoͤrtzer.vnd ich nam meinen weg widerum̃ auff Rom zu / allda man nicht ſo gar haͤck vnd geſtreng iſt / vnnd nicht ſo fleiſſig auffmercket / wie zu Gaeta, ſonder man laͤſt einen jeglichen ſein Nahrung ſuchen / wie er am beſten kan vnnd mag.

Capvt XVI.

Was geſtallt Guſman zu Rom durch einen Cardinal auß mitleyden / in ſei - nem eygnen Hauß vnd Beth curirt worden.

DJe junge Leuth haben in zarten vnd wichtigen ſachen ein kurtzes geſicht / nicht zwar auß mangl deß verſtands / ſonder auß mangel der fuͤrſichtigkeit / welche nur durch die experientz zu wegen gebꝛacht: die experientz aber durch die zeit erlangt wirdt: dann wie ein gruͤne vnzeitige frucht kei - nen vollkom̃nen Geſchmack hat / ſonder bitter vnd ſawr iſt / alſo vnd ebner geſtallt ſehen wir / daß / weil die junge Leuth noch vnzeitig vnndG 4vnge -104Der Landtſtoͤrtzer.vngeſchmackig ſeind / jnen die ſpeculationes vnd die wahꝛe erkaͤndtnuß der dingen mengelt vnd abgehet / derwegen iſts je kein wunder / dz ſie jrꝛen / jnmaſſen auch ich gethan / vnfuͤrſich - tigklich handlete / vnd das allerboͤſeſte fuͤr das beſte erwehlte. Dann einsmals ſtund ich mei - ner gewonheit nach / deß Morgens fruͤ auff / verband meinen geſundten Schenckel / ſetzte mich voꝛ dem Hauſe eines Cardinals nider / vnnd als derſelb außgehen wolte / erhebte ich mein klaͤgliche Stimm vnd ſprach: O edler Chriſt / O Freund Chriſti Jeſu / erbarme dich vber diſen betruͤbten / elendigen / verwundten vnd armſeligen Menſchen / O hochwuͤrdig - ſter Vatter / habt doch ein mitleiden mit diſer armen Creatur / vnd jungen Knaben / ꝛc. Der Cardinal merckte auff mein ſchreyen / erbar - mete ſich vber mich / vnnd vermeinte / daß ich kein Menſch / ſonder Gott ſelbſt were / derwe - gen ließ er mich alsbald durch ſeine Diener in ſein Hauß tragen / meine alte zerꝛiſſene Kley - der außziehen / vnnd mich in ſein eygnes Beth legen. Folgendts ſchickte er nach den allerbe - ſten Stattbalbierern vnd Wundtartzten / vndbefalch105Der Landtſtoͤꝛtzer.befalch jhnen / daß ſie mich fleiſſig curiren vnd heilen ſolten / dañ ich hatte meinẽ Schen - ckel dermaſſen armſeligklich præparirt vnd zugericht / als waͤre er vnheylbar vnnd mit dem Krebs befangen / aber doch hette ich jhne jnnerhalb dꝛey Tagen gar wol widerumb hey - len koͤnnen. Die zwen Balbirer vermeinten anfangs / daß es ein ſehr boͤſer Schenckel waͤ - re / legten jhre Maͤntel von ſich / begerten ein Glutpfanne / Kuͤhſchmaltz / Eyer vnd andere ſachen / fingen an den Schenckel auffzuloͤſen / vnnd gaben ſo vil zu verſtehen / als muͤſte man jhne gar abſchneiden. Da fing mir erſt an angſt vnd bang zu werden / der ſpott / welcher mir zu Gaeta erwiſen war worden / gedunckte mich ein Kinderſpil gegen diſer gefahr zu ſein / dann ich beſoꝛgte mich einer vil groͤſſern Straff / derwegen wuſte ich meiner ſachen kei - nen rath / dann weder in der gantzen Letaney / noch im Flore Sanctorum fand ich keinen einigen Helffer noch Beſchuͤtzer der Schel - men.

Je laͤnger die Artzten meinen Schenckel beſchawten / je mehꝛ fingen ſie an zu zweiffeln /G 5ein -106Der Landtſtoͤrtzer.einander anzuſchawen vnd zu laͤchlen / letztli - chen aber eroͤffnete mir der Geitz der Artzten ein Thuͤr / auß diſem laborinth zu kommen / vnd als derwegen ſie von mir hinweg gingen / vnd ſich ſtelleten / als wolten ſie hingehen / vnd dem Cardinal die beſchaffenheit meines ſchen - ckels vnnd Kranckheit referiren, ſprang ich geſchwindt auß dem Beth / vnnd hoͤrte / was ſie herauſſen im Saal mit einander heimlich vnd vertrewlich redeten: dann der ein ſprach zum andern: diſer Knab iſt ein arger Schelm / ſeine Wunden ſeind falſch / was woͤllen wir a - ber thun? Verlaſſen wir jhne / ſo gehet vns vnſer Lohn vnd nutz auß den Haͤnden / ich ver - meine / wir ſolten vns gegen dem Cardinal nichts mercken laſſen / ſonder den Knaben all - gemach mit langſamer hand curiren, vnd vil Tag vnnd Zeit mit jhm verzehren / damit vn - ſer Artztlohn deſto groͤſſer vnd mehrer werde. Der ander Artzt aber wolte nicht darein ver - willigen / ſonder war der meinung / daß man dem Cardinal den Betrug entdecken ſolte: Als ich das hoͤrte / ging ich nackendt zu jhnen hinauß / fiel vor jhnen nider vnnd ſprach:Ach107Der Landtſtoͤrtzer.Ach jhr meine liebe Herꝛen / mein Leben vnnd mein verderben ſtehet in ewren Haͤnden vnnd Zungen. Jhr ſelbſt wiſſet die groſſe noth der Armen / vnnd die haͤrtigkeit der Reichen / dan - nenhero vnd zu jhrer beweg: vnd erwaichung jhꝛer Hertzen / iſt je ein notturfft / daß wir vnſer Fleiſch verwunden / vnnd alſo das heilige All - muſen herauß preſſen. Vmb Gottes willen bitte ich / jhr woͤllet euch vber mich erbarmen vnd mich nicht offenbar machen / ſonder hier - under auch ewren eignen nutz vnd gewinn be - trachten: Jnmittelſt vnnd in wehrender vnſer vnderꝛedung ging der Cardinal herein / vnnd der ein Balbierer ſprach zu jhm: Gnediger Herꝛ / groß iſt die Kranckheit vnnd der Scha - den diſes jungen Menſchen / dann der Krebs hat ſich allbereit an vnderſchidlichen orten ſeines Leibs angeſetzt / vnnd muß durch ein lange Cuhr vertriben werden: Der ander Balbirer ſprach: Gnediger Herꝛ / woferꝛn di - ſer Knab nicht in ewer gnedige vnd barmher - tzige Haͤnd gerathen waͤre / ſo hette er muͤſſen verfaulen / ſterben vnnd verderben / aber wir verhoffen jhne jnnerhalb 6. Monat zu heilen. Der108Der Landtſtoͤrtzer.Der fromb Cardinal antwoꝛtet: nit nemmet nur 6. ſonder 10. Monat darzu / damit er wol curiert werde. Wer war froͤher / als eben ich? Dann fuͤrwar / die gefahr / darinn ich mit den Balbierern ſteckte / war je groß. Man tra - etirte mich mit eſſen vnnd trincken / wie einen Fuͤrſten / vnnd der Cardinal ſelbſt ſuchte mich taͤglich heimb / conuerſirte mit mir / vnd hoͤꝛ - te mich gar gern reden. Als nun ich letztlichen gefundt worden / namen die Balbierer vꝛlaub / vnd wurden wegen jhꝛer gehabten bemuͤhung reichlich ergetzt vnd befeidigt. Jch aber ward gekleidt vnd in die zahl der Edelknaben geſetzt / muſte auch ſampt jhnen dem Herꝛn Cardinal dienen / vnd in ſeiner Kammer auffwarten.

Capvt XVII.

Was geſtallt Guſman dem Car - dinal fuͤr einen Edelknaben ge - dienet.

ALle vnd jede ding haben jhre periodes viciſſitudines vnnd veraͤnderungen. Vor -109Der Landtſtoͤrtzer.Vorzeiten war die Poeterey in hohem werth / deßgleichen kan das alte Rom zeugnuß geben / wie hoch man die Oratores geſchetzt habe: Vnſer Hiſpanien waiſt / wie ſehr bey jhr die ſtudia Theologiæ vnnd beeder Rechten flo - rire. Deßgleichen ſihet man / wie offt vnnd vilmals ſich die Spanniſche Kleydungen veraͤndern / vnnd was man taͤglich fuͤr newe - rungen erdencke / die ignorantz, Toꝛheit vnd vermeſſenheit deß gemeinen Manns iſt der - maſſen groß worden / daß ſie in der Hoffart vnnd ſeltzamkeit der Kleidern / dem Adel vnnd Herꝛenſtandt nichts beuor gibt. So gar die phraſes vnd termini deß redens vnd ſchrei - bens verkehren ſich in allen Sprachen / vnnd muß alles auff den newen form gerichtet ſein / der alt ſtylus gilt nichts mehr. Die Gebaͤw vnnd Kriegs Jnſtrumenten verneweren ſich jmmerdar: Die Sitten der Menſchen ſeind nunmehr nicht Chriſtlich / ſonder Heydniſch: Die Frawen vnd Jungkfrawen ſelbſt muͤſſen bekennen / daß ſie ohne zarte Polſterhuͤndlein / Affen / Meerkaͤtzel / Papageyen / vnnd ſonder - lich ohne Galanen oder Seruidorn ſich nitbehelf -110Der Landtſtoͤrtzer.behelffen / leben noch jhꝛe zeit vertreiben koͤnd - ten / da doch ſie vor zeiten jhre beſte vnd mei - ſte Kurtzweil pflegten mit dem Spinnrocken / vnd mit der Haußarbeit zu haben. Eben ein ſolche meinung hats auch mit der Warheit / dann dieſelbe brauchte man vor alten zeiten dermaſſen ſehr / daß ſie vber alle Tugenden reſpectirt ward / vnnd daß einer der ein Lu - gen redete / offentlich mit Steinen zu todt ge - worffen ward: wie aber alle gute ding baldt ab: aber die boͤſe auffkommen / alſo iſts allge - mach dahin gelangt / daß man die Warheit weder hoͤren noch reden will: Ja ſo gar hat man jhre ſtatuam oder Bildtnuß zerſtoͤrt / ſie banniſirt / vnd in jhren Stul die Fraw Men - dacium oder Lugen geſetzt. Die Warheit muſte dem Jnhalt deß ſententzes nachkom̃en / vnd allein arm vnnd veraͤchtlich vmbziehen: Dann der gebrauch iſt / daß / wann einer / der zu Hof im hohen anſehen iſt / fellt / alsdann jhm jederman feind wirdt / ja ſeine allerbeſte Freunde ſehen jhne nur vber die Achßeln an / vnd kennen jhne nimmer.

Jn wehrendem jhrem exilio vnd Elendtſahe111Der Landtſtoͤrtzer.ſahe ſie einsmals auff einem Buͤhel ein groſſe mennig Volcks / mitten vnder jhnen gingen die Koͤnige / Fuͤrſten / Regenten vñ Geiſtlichen vnd begleiteten einen herꝛlichen vnnd Maye - ſtaͤtiſchẽ triumphwagẽ / darauff ſaß ein Fraw / die war gekroͤnt vnd gekleidt wie ein Koͤnigin / vnd hatte von ferne ein ſehꝛ ſchoͤnes angeſicht vnd glantz / aber je nahender man zu jhꝛ kam / je haͤßlicher vnd ſchaͤndlicher ſahe ſie auß / vnd jhr Leib war erfuͤllt mit gebrechen Die War - heit blib ſtill ſtehen / biß die vorbemelte Auff - warter vnnd Gleidtsleut fuͤruͤber gangen wa - ren / vnd als ſie diſe Koͤnigin Fraw Lugen ſa - he / verwunderte ſie ſich / vñ laͤchelte heimlich: deſſen ward die Koͤnigin gewar / ſtund ſtill vñ fragte ſie / wo ſie hin wolte? die Warheit ſagte jrs alles: da befahl jr die Lugen / dz ſie mit jr zie - hen ſolte / dann ſie vermeinte / daß ſolches jhꝛer grandeza vñ hochheit wol anſtuͤnde / dz auch einer vmb ſo vil deſto maͤchtiger waͤre / vm̃ wie vil groͤſſere Feinde er vberwindet: weil dann die Warheit jhr keinen Widerſtandt thun koͤndte / ſo gehorſambte ſie / folgte jhr nach / a - ber blib weit hinder der gantzen turbæ, dannſie112Der Landtſtoͤrtzer.ſie wuſte jhꝛ bekandtes vnd gehoͤꝛiges oꝛt wol / dann wer die Warheit begert zu ſuchen / der wirdt ſie nit finden bey der Lugen vnnd jhren Miniſtris vnd Dienern / ſonder hinden nach vnd zu aller letzt laͤſt ſie ſich ſehen vnnd offen - baren.

An der erſten Tagreiß kamen ſie zu einer Statt / darin regiert ein ſehꝛ maͤchtiger Fuͤrſt / der hieß Fauor, der ritte jhr hinauß entgegen / vnnd begerte ſie in ſeinem Pallaſt zu beher - bergen / aber die Koͤnigin Lugen nam nur ſei - nen guten willen an / vnnd verfuͤgte ſich in das Hauß deß Ingenij: derſelb hatte ein ſehꝛ koͤſt - lichs Haußweſen / vnnd tractirte ſie ſehr ſtatt - lich mit allerhandt ſpeiſen. Jhr Hofmaiſter hieß Oſtentatio, hatte einen langen Barth / ein grauitetiſches Anſehen / reputatiſche ſit - ten / vnnd ein ſehr ſittſame Rede: Der fragte den Wirth / was ſein gnedige Fraw die Koͤni - gin verzehrt vnd ſchuldig waͤre? Der Wirth machte die Rechnung / vnnd der Hofmeiſter ſagte anders nichts daꝛzu / als daß es recht vnd gut waͤre. Da ruffte die Koͤnigin Lugen jhrem Hofmeiſter Oſtentatio vnnd ſprach: Be -zahle113Der Landtſtoͤrtzer.zahle diſen guten Mann von dem Gelt / wel - ches du jhm zu verwahꝛen haſt gegeben / als du allhie einzoheſt. Der Wirth erſchꝛack / vñ wu - ſte von keinẽ ſolchem jm zugeſtellten Gelt: vnd er hielts anfangs nur fuͤr einen Schertz / aber als er ſahe / daß es jhnen ernſt war / beklagte er ſich / vnnd ſchwur / daß man jhm niemaln ein Gelt hatte zu geſtellt: Aber die Koͤnigin Lu - gen rieff zu Zeugen jhren Schatzmeiſter O - cium, vnd jren Kuchelmeiſter Adulatio, deß - gleichen jhre Kammer Jungfraw Fraus. Da - mit ſie auch jhne deſto mehꝛ conuinciren vñ vberzeugen moͤchte / ſo ließ ſie auch herfuͤr tret - ten deß Wirths Sohn / namens Intereſſe, Jtem ſein Weib / namens Auaritia: Diſe alle zeugten einhelligklich wider den Wirth Ingenium. Weil dann derſelb ſich in ſol - chẽ gedraͤng befandt / ſo fing er an ſeine Haͤnd gen Himmel zu erheben / zu exclamiren, zu - ſchreyen vnd Gott den HErꝛn zu bitten / daß er doch der Warheit einen beyſtandt leiſten wolte / ſeytemal diſe Leuth jhm nit allein das jenig ablaugneten / was ſie jhm ſchuldig wa - ren / ſonder auch etwas begerten / was er jhnenHnit114Der Landtſtoͤrtzer.nit ſchuldig war. Da ging die Warheit zu jhm / vnnd ſprach: Mein lieber Freund In - genium, du haſt recht / aber ich kan dir nicht helffen / dann die Koͤnigin Lugen iſt die je - nige / die dir das deine ablaugnet: du haſt nie - mande auff deiner Seyten / als allein mich / vnnd kan je mehr nit darbey thun / als daß ich mich zu erkennen gib / vnd ſage / daß dir durch die Koͤnigin Lugen gewalt vnnd vnrecht be - ſchicht. Diſe der Warheit kuͤnheit vnnd red - ligkeit verdroß die Koͤnigin Lugen dermaſſen / daß ſie alsbald befelch gab / den Wirth außzu zahlen.

Nun reiſte diſe Koͤnigin noch weiter / vnd kam in ein Statt / die gehoͤrte einer Frawen zu / namens Murmuratio, die war der Koͤni - gin gꝛoſſe Freundin / zohe jhꝛ ſambt jren maͤch - tigen Landtſaͤſſen / fauoriten vnnd Hoſ - geſindt entgegen / die hieſſen Superbia, Tra - ditio, dolus, gula, ingratitudo, malitia, o - dium, accidia, pertinatia, vindicta, Inui - dia, iniuria, ſtultitia, vana gloria, &c. Darneben erbotte ſie ſich ſie zu beherbergen / das bewilligte nun die Koͤnigin / doch mitdem115Der Landtſtoͤrtzer.dem Beding / daß ſie ſich ſelbſt verzehren wolte. Jhr Prouiantmeiſter Sollicitudo vnnd der Schaffner Inconſtantia trachte - ten nach den Speiſen / die wurden von allen orten her vberfluͤſſig herzugebracht / vnd auff - kaufft. Als aber ein jeglicher ſein Gelt beger - te / gab jhnen der Schatzmeiſter zur antwort / daß er jhnen nichts ſchuldig waͤre / ſeytemal der Einkauffer allbereit außzahlt hatte: Da erhebte ſich ein groß Getuͤmmel / vnnd die Koͤnigin Lugen ſelbſt ging herfuͤr vnd ſprach: Jhr gute Freunde / was begert jhr / hat man euch doch alle ewre Sachen bezahlet: Jch ſelbſt habs geſehen / vnd man hat euch das Gelt geben in beyſein vnnd gegenwertig - keit der Warheit / dieſelbe moͤget jhr fragen / ſie kans auch nicht laugnen / dann es iſt je wahr / was ich geredt. Man ging hin zu der Warheit / vnnd begerte daß ſie die War - heit ſagen vnnd bekennen ſolte / aber ſie ſtell - te ſich / als ſchlieffe ſie: Vnnd ob ſchon man jhr ſtarck in die Ohꝛen ſchrye / ſo ſtellte ſie ſich doch / als waͤre ſie ſtumm / dann ſie foͤrchtete ſich vor der Boßheit jhrer Feinde / dann werH 2zu116Der Landtſtoͤrtzer.zu Hof mit der Warheit vmbgehet / der muß jhꝛer entgelten / vnd wer das Maul zu weit auf - thut / der muß fort.

Noch artlicher aber vnd beſſer wirdt die Warheit dem Nagel eines Jnſtruments / vnd die Lugen einer Saiten verglichen / dann wie die Saite einen lieblichen Thon oder Klang hat / vnd aber der Nagel / wann er vmb - getriben wirdt / krachet vnnd ſich ſchwerlich vmbkehꝛet / aber doch letztlichen je lenger je fe - ſter hafftet / hergegen die Saite zerſpꝛinget vnd bricht / alſo ſehen wir / daß die Warheit nicht anders iſt / als eben ein ſolcher hoͤltzener nagel vñ dz die Lugẽ nichts anders iſt / als ein Saite vnnd ob ſchon die Lugen bißweilen den Nage der Warheit dermaſſen trucket / daß ſie es em - pfindet vnnd ein Zeichen vberkompt / ſo muß doch letztlichen die Saite der Lugen zerſprin gen / aber der Nagel der Warheit bleibt je len - ger je feſter im Jnſtrument deß Hofs: O wir offt wirdt zu Hof ein warhaffter vnd redlicher Mann durch die neidige Luͤgner vnd Judas - geſellen ſtaꝛck getruckt / gepetnigt vnd verfolgt / aber doch ſihet man jederzeit / daß die Warheittrium -117Der Landtſtoͤꝛtzer.triumphiret, vnd daß die Lugner letztlichen zerſpringen / vnnd jhren verdienten Lohn em - pfahen.

Wofern ich diſes alles in meiner Jugendt wol verſtanden / gewuͤſt vnd betracht hette / ſo wuͤrde es mir nicht ſo gar widerwertig vnnd armſelig ergangen ſein / dann mein handel vñ wandel war ein lauterer Betrug / Lugen / Falſchheit vnnd Buͤberey / derwegen hatte es keinen beſtandt / ſonder zerſprang vnnd brach jedesmals: Jmmerdar vnnd je lenger je mehr gerieth ich von dem einen vnheyl ins ander / abyſſus enim inuocat abyſſum. Anjetzo bin ich eines Cardinals Edelknab / vnd Gott geb / daß es nit bald aͤrger mit mir werde / dañ vnmuͤglich iſt / daß die violentirte oder mit gewalt gezwungene ding vnderlaſſen koͤnnen widerumb zu jhrem centro zu gelangen. Wie der vngewurtzelte Baum keine fruͤchte traͤgt / vñ bald verduͤrꝛet / alſo konte auch ich in meinẽ newen Edelknaben dienſt keine wurtzeln ſetzen noch fruͤchte tragen. Nit war ich geſinnt wie andere Leuth / dann man ſagt / daß / vmb wie vil mehr die Ehr waͤchſt / ſie vmb ſo vilH 3deſto118Der Landtſtoͤrtzer.deſto mehr begert werde / aber bey mir be - fandt ſich das widerſpil / dann ich verachtete die Ehr eines Edelknabendienſts / vnnd hatte einen verdruß dran. Wie es ein vngereimb - ter Handel waͤre / wann einer die Fiſch auß dem Waſſer nemme / vnnd Pfawen drein zieglen wolte / oder wann einer einen Ochſ - ſen fliegen / vnnd einer Adler pfluͤgen laſſen wolte / oder wann einer ein Roß mit Sandt fuͤtern / vnnd den Habich mit Stroh ſpeiſen wolte / eben ein ſolche vngereimbtkeit war es auch mit mir / in deme man auß einem Pi - caro / Bernhaͤuter / Bettler / vnnd Lodter - buben / einen Edelknaben machen wolte: Dann nunmehr ward ich der Egyptiſchen Fleiſchhaͤfen gewohnt / mein centrum, da - hin ich zielte / war die Tafern / der punct mei - nes Circuls oder Rings / waren die Laſter / die waren das endt vnnd ziel / darnach ich ringete / trachtete vnd mich erfrewte vnnd er - luſtigte.

Nit ohne iſts / daß ich mich anfangs fein anließ / vnd mich ſampt andern meines Herꝛn Edelknaben zim̃lich in den Poſſen wuſte zu -ſchicken119Der Landtſtoͤrtzer.ſchicken / dann ich befliſſe mich fuͤrnemblich vnd jnſonderheit deß eylfften Gebotts / Du ſolt nit fuchsſchwaͤntzlen: Vnnd durch diſes mittel gewann vnnd erlangte ich mei - nes Herꝛn deß Cardmals gnad vnnd gunſt dermaſſen / daß er mich jmmerdar bey ſich haben muſte / vnnd gleichſamb ohne mich nit ſein kondte. Darneben aber ſtach ich jhm heimblich alles auff / was ich ſo wol in der Statt Rom / als auch in ſeinem Hauſe ſa - he vnd hoͤrte. Das wuſte ich auch bißweilen dermaſſen zu exaggeriren vnd zuuermehꝛen / daß es ein luſt war / aber weil meine ſachen auf Lugen vnd betrug fundirt waren / ſo hatte es keinen beſtandt mit mir / dann erſtlich kond - te ich mein angebornes ſtehlen nicht laſſen / nichts war ſicher vor mir: Meines Herꝛn Gelt vnd Kleinoder waren mir nicht zu gut / vnnd der andern Edelknaben meiner Mitge - ſellen Kleyder vnnd Gewandt verſchmahete ich nicht / ſonder ſchiebte es alles ein / verkauff - te es / vnnd loͤſte Gelt drauß: Sie waren von Natur faul / hinlaͤſſig vnnd vnauffmerck - lich / aber ich machte ſie munter / vnd verur -H 4ſachet /120Der Landtſtoͤrtzer.ſachte / daß ſie jhr Gewandt / Kraͤß / Hembder / Struͤmpff / Huͤt / Schuch / vnnd dergleichen etwas fleiſſiger aufhebten vnd einſperten / dañ wann ſie es nur ein wenig vergaſſen vnd ligen lieſſen / ſo ſahens jhꝛe Augen nimmer. Eins - mals brachte ich meines Herꝛn vergulten ſchluͤſſel zum Confect Kaſten zu wegen / den - ſelben truckte ich ins Wachs ab / ging darmit zum Schloſſer / ließ einen darnach machen / ſperte den Kaſten bißweilen auff / vnnd labte mich mit dem beſten darin verhandenen con - fect, das trib ich ſo lang / biß man einmals ein ſonderbares ſtuck oder Geſtadel mit Zucker - Roſat mengelte / vnd merckte / daß ein falſcher Schluͤſſel verhanden ſein muͤſte: Dannen - hero inquirirte man ſehr ſtarck bey allen Dienern vnd ſonderlich bey vns Edelknaben / nichts aber befandt ſich damals / ſonder als mein Herꝛ auff ein zeit etliche Herꝛn zu Gaſt hatte / vnd etwz lenger zu Tiſch ſaß / vnd con - uerſirte, ſtund er vnuerſehens auff / ging in ſein Schlafkammer vnnd wolte ſein Waſſer abſchlagen / da erwiſchte er mich beym Con - fect Kaſten ſtehen / vnd weydlich ſchlecken: Erfragte121Der Landtſtoͤrtzer.fragte mich / was ich da machte? Aber ego obmutui, ich erſtummete / da ließ er den Do - mine Nicolao ſeinen Secretarium holen / vnd befalch jhm / daß er mir zwoͤlff ſtreich mit der Ruthen geben ſolte: Das thate er fleiſſig / vnd gab mir nit nur 12. ſonder 24. Streich / dann er war mir feindt.

Aber ich zahlte jhne rein auß / dann als er vermeinte / daß ich ſolche ſtreich allbereit ver - geſſen hatte / begab ſichs einsmals / daß jhne die Mucken vbel ſtachen / dann das Hauß vnd gantz Rom war voller Mucken: da ſprach ich zu jhm: Herꝛ Domine Nicolao, woͤllet jhr / ſo wil ich euch ſagen / was man in Hiſpanien wider die Mucken brauchet / vnnd wie mans vertreibt? Er ſagte: Ja. Da holte ich ein ſonderbares Kraut / netzte es in Eſſig / ſetzte es zun Haupten ſeines Beths / vnd vberꝛedete jh - ne / daß alle Mucken zu deſſen geruch fliegen / vnd alsbald niderfallen vnnd ſterben wuͤrden. Er glaubte es / vnd als er ins Beth kam / vber - fiel jhne ein vnendtliches geſchwader derglei - chen Mucken / biſſen jm ſchier die Augen auß / vnd fraſſen jhm ein ſtuck von der Naſen hin -H 5weg /122Der Landtſtoͤrtzer.weg / muſte derwegen das Loſament raumen vnnd ſich anderſtwohin ſaluiren. Deß mor - gens fruͤ wolte er mich kurtzumb todt haben / vnd verklagte mich beym Herꝛn Cardinal / a - ber ich verantwoꝛtete mich vnd ſprach: Gne - diger Herꝛ / E. Gn. wiſſen / daß ſie diſem Do - mino Nicolao befohlen haben / mir zwoͤlff ſtreich zu geben / wegen deß geſchleckten Con - fects / aber er hat vier vnnd zwantzig drauß ge - macht / derwegen hab ich nicht vnderlaſſen koͤnnen / jhne diſer geſtallt außzuzahlen. Der Cardinal lachte / vnnd ließ es fuͤr ein poſſen paſſieren.

Capvt XVIII.

Guſman wirdt ſeinem Herꝛn dem Cardinal je lenger je lieber / ſtudieret vnnd ſtellet ſich ſehꝛ andaͤchtig / beſchreibt auch die fuͤrnembſte Roͤmiſche Kirchen / ſampt de - nen darin verhandenen Reli - quien / ꝛc.

Je123Der Landtſtoͤrtzer.

JE lenger je mehr gewann mich mein Herꝛ der Cardinal lieb / vñ ſein lieb vñ gunſt wurde gewißlich einen beſtandt gehabt haben / wofern nur mein woluerhalten einen beſtandt gehabt hette. Gar gern con - uerſirte er mit den Leuthen / vnnd ſonderlich mit mir / vnnd weil mir vornen im Munde ein Zahn mengelte / vnd ich derwegen Zahn - lucket war / ſo fragte er mich / wie ich vmb denſelben Zahn kommen waͤre? Jch erzehlte jhm die vrſach vnd ſprach: Gnediger Herꝛ / einsmals zu Madril empfand ich einen groſ - ſen Wehthumb in diſem verlohrnen Zahn / derwegen war ich vorhabens / jhne außziehen zulaſſen. Nun war gleichwol ein Zahnbrecher verhanden / der forderte aber zu vil Gelts / vnd ich hatte keins: derwegen ging ich auffm Marck hin vnd wider in groſſer Melancoley ſpatzieren / blib aber letztlich vor eines Kuͤ - chelbachers Laden ſtehen / vñ ſahe / was geſtalt er die Kuͤchel bachete / vnnd verkauffte: Das ſahe ein Soldatiſcher Speyvogel vnd ſprach zu mir: Du Edelman ſag mir / wie vil Kuͤ - chel traweſtu dir auff einmal zu eſſen? Jchantwor -124Der Landtſtoͤrtzer.antwortet: Vil gnug trawe ich mir zu eſſen / wofern einer verhanden were / der mirs zahlte: der Soldat ſprach: woferꝛn du mir verſpre - chen wirſt / daß du 500. ſolche Kuͤchel eſſen woͤlleſt / ſo wil ich ſie fuͤr dich zahlen / aber doch mit dem beding / daß / wofern du ſie nit alle jſ - ſeſt / du mir etwas dargegen gebeſt: Jch ant - wortet: Kein Gelt hab ich / aber wofern ich ſie nit alle jſſe / ſo mag ich leyden / daß man mir einen Zahn auß dem Mund reiſſe: dem Sol - daten gefil diſer Fuͤrſchlag / vnnd zahlte die Kuͤchel: Jch fing an waidlich zu eſſen (dann es hungerte mich) vnd als ich hundert Kuͤchel verſchluckt hatte / ſagte ich / daß ich keine mehr kondte eſſen / gab mich alſo fuͤr vberwunden / da begerte der Soldat mir den Zahn außzu - ziehen / aber ich wolte es nit geſchehen laſſen / vnd gab jhm zu verſtehen / daß ich jhm nit druͤ - ber trawte. Da fuͤhret er mich geſchwindt zum Zahnbrecher / der ohne das ſeinen Laden am Marckt hatte / vñ ich bewilligte / dz mir der Zahn ward außgebrochen. Der Meiſter Zan - brecher foꝛderte alsbald ſeinen Lohn von mir / ich aber ſagte / daß ich kein Gelt hatte / vnd wi -ſe125Der Landtſtoͤrtzer.ſe jhne an den Soldaten / der mich mit allem fleiß zu jhm gefuͤhꝛt hatte. Der ward letztli - chen gezwungen den Zahnbrecher zu befridi - gen / diſer geſtalt bin ich gleichwol vmb mei - nen boͤſen Zahn / aber hergegen zu guten Kuͤ - cheln kommen. Diſes Poſſens lachte mein Herꝛ Cardinal von Hertzen.

Jn wehꝛender diſer vnderꝛedung kam mei - nes Herꝛn Cardinals Medicus darzu / ſahe mich vnnd meine kleine geſtallt an / (dann ich hatte kurtze Bein vnnd lange Finger) vnnd ſprach: Guſmaͤndl du biſt artlich vnd poſſir - lich / ich glaub / die Natur hab dich mit allem fleiß ſo klein gemacht / damit einer dich in ſack oder Beutel ſchieben koͤnne / vnd dich nit ver - liere? Jch wil dich auch einmal in meinen Sack ſchieben / damit ich dich bey mir haben moͤge: Darauff antwoꝛtete ich jhm geſchwind vnnd ſprach: O Domino Gerhardo, kaͤme ich euch einmal in ewren Beutel / ſo wuͤrdet jhr mich nicht ſo bald wider herauß bringen. Diſer Medicus war auch zugleich ein Aſtro - logus, derwegen diſcurrirte er mit meinem Qerꝛn gar vil von den Him̃liſchen dingen:Letztli -126Der Landtſtoͤrtzer.Letztlichen lachte ich: Mein Herꝛ fragte mich warumb ich lachte? Jch antwortet: Gnedi - ger Herꝛ: Jch moͤchte gern wiſſen / wie lang es waͤre / daß diſer Doctor vom Himmel herab kommen / ſeytemal er von Him̃liſchen dingen ſo vil reden kan? Das empfandt der Doctor, laͤchelte / ſchawte den Cardinal an / vnd ſprach: Gnediger Herꝛ / ich komm hin / wo ich woͤlle / ſo findt ich Narꝛen / wo haben aber E. G. diſes geſcheide Naͤrꝛl vberkommen? Jch aber ant - wortet: Ja / Herꝛ Doctor, Narꝛen muß man haben / man neme ſie gleich wo man woͤlle / a - ber vnder 100. Narꝛen find man nit einen / der geſcheyd iſt. Seyt aber jr geſcheyd? Der Car - dinal hatte ein wolgefallen an diſer vnſer cõ - uerſation, vnnd weil er ein ſubtiles ingeniũ bey mir verſpuͤrte / ſo entſchloſſe er ſich / daß er mich ſtudieren laſſen wolte / vñ zu ſolchem end hielt er mir einen eygnen Præceptorem, der mich im Lateiniſchen ſo weit vnderwiſe / dz ich etlicher maſſen ein perfectus Latinus oder vollkom̃ner Latiniſt ward.

Nit allein ward ich erzogen in den ſtudiis, ſondern auch gewehnt zu der Andacht vnndGotts -127Der Landtſtoͤrtzer.Gottsforcht / dann wochentlich muſten wir Edelknaben die ſiben fuͤrnembſte Kirchen an - daͤchtigklich beſuchen: die erſte war S. Ioan - nis Lateranenſis, welche auffm Berg - lio ligt / vñ vom Keyſer Conſtantino dẽ groſ - ſen gebawt vñ mit reichem einkom̃en verſehẽ / aber durch die Ketzer zerſtoͤrt / folgendts durch die Baͤpſt Nicolaum den IV. Martinum V. Eugenium IV. vnnd Pium IV. reparirt iſt worden. Bapſt Sylueſter hat ſie zu der Ehr deß Erloͤſers / vnd Joannis deß Taufers con - ſecrirt Die Bildnuß deß Erloͤſers ſtehet oben auff dem Choraltar / vnnd iſt nicht verbrennt worden / vnangeſehen die Kirch zwey mahl verbrunnen. Jn diſer Kirchen werden am H. Oſtertag nachfolgende reliquien oder Heyl - thumb gezeigt: nem̃lich das Haupt deß H. Za - chariæ / welcher deß H. Tauffers Joannis Vatter geweſt. Das Haupt deß H. Marty - rers Pancratij / auß welchem drey Tag ein ander Blut gefloſſen / als die Ketzer diſe Kirch verbrenten. Jtem die Reliquien der heiligen Mariæ Magdalenæ. Jtem ein Achſſel deß H. Laurentiz. Jtem ein Zahn vom H. ApoſtelPetro,128Der Landtſtoͤrtzer.tro. Jtem der Kelch / auß welchem der heilig Euangeliſt Joannes auß Befelch Keyſers Domitiani das Gifft / ohne allen ſchaden ge - truncken. Jtem die Ketten / mit dern er von Epheſo gefaͤngklich gen Rom gefuͤhrt wor - den. Jtem deß heiligen Tauffers Joannis A - ſchen vnd haͤrines Kleyd. Jtem die Haar vnd Kleyder der allerheiligſten Jungfrawen Ma - riæ: Jtem das Hem̃et / welches ſie dem Herꝛn Chriſto gemacht: Jtem das Tuch / mit wel - chem vnſer Erloͤſer die Fuͤß ſeiner Juͤnger ge - truͤcknet: Jtem das Rohr / mit welchem ſein allerheiligſtes Haupt geſchlagen worden. J - tem das rothe vnd mit ſeinem koͤſtlichen blut gefaͤrbte Kleid / welches jhm Pilatus angelegt: Jtem vom Holtz deß Creutzes: Jtem die Lein - wat / welche jhm auff ſein Angeſicht im Grab gelegt ward: Jtem ein theil deß Waſſers vnd Bluts / welches auß ſeiner Seyten gefloſſen. Auff deß Bapſts Altar ſeind deß heiligen Pe - tri vñ Pauli Haͤupter. Jn einer neben Capeln iſt der Altar / welchen der heilig Tauffer Jo - annes in der Wuͤſten gehabt: Jtem die Arch deß Bundts: Der Stab Aarons vnnd Moy -ſis:129Der Landtſtoͤrtzer.ſis: die Tafel / darauff vnſer Erloͤſer ſein letz - tes Abendtmahl ſampt ſeinen Juͤngern geſ - ſen: Alle diſe ding hat Keyſer Titus von Jeru - ſalem gen Rom gebracht. Jm obern Saal ſeind drey Thor von Marmelſtein / welche im Pallaſt Pilati zu Jeruſalem geweſt / dardurch vnſer Erloͤſer zum Pilato gefuͤhrt worden: Jtem ein Marmelſteines Fenſter / durch wel - ches der Engel Gabriel gangen / vnd die ver - kuͤndigung der Menſchwerdung Chriſti ver - richt: Jtem die Stiegen mit 28. Staffeln / darauff der Erloͤſer nidergefallen vnnd ſein koͤſtliches Blut vergoſſen: Jtem die Saͤul / welche im Todt Chriſti mitten von einander zerſpꝛungen. Jn der Capelln Sancta Sancto - rum befindt ſich die bildtnuß vnſers Erloͤſers als er nur zwoͤlff Jar alt war / welche der heilig Lucas gemahlt / vnnd ein Engel gar vollendt haben ſoll / ꝛc.

2. Die Kirch deß heiligen Petri in vatica - no iſt gebawt vnd geſtifft woꝛden vom Keyſer Conſtantino Magno, darinn ſeind die Lei - ber deß heiligen Simonis vnd Judæ / deß H. Ioan: Chryſoſtomi, Bapſts Gregorij vndJPetro -130Der Landtſtoͤrtzer.Petronillæ, das Haupt deß heiligen Andreæ / Jtem deß heiligen Euangeliſten Joannis / S. Sebaſtiani, S. Iacobi deß juͤngers / deß heili - gen Thomæ Biſchoffs zu Canterberg / vnnd deß H. Amandi / Jtem ein Achſſel vom heili - gen Chriſtophoro / vñ deß H. Stephant. Vn - der dem groſſen Altar iſt der halbe Leib deß H. Petri vnd Pauli / Jtem im Tabernacul die H. Veronica / das Eiſen deß Spieſſes / welches die heilige Seiten deß Erloͤſers durchdrungẽ / vnd welches der Tuͤrckiſch Keyſer dem Bapſt Innocentio VIII. zugeſchickt hat. Jtem die Saͤulẽ / an welcher der Erloͤſer geleint hat / als er predigte / vnd man die beſeſſene fuͤrbrachte.

3. Die Kirch deß H. Pauli ſtehet ein halbe meil auſſer der Statt Rom / vnd iſt gleichfals vom Keyſer Conſtantino gebawt vnd dotirt woꝛden an dem oꝛt / wo das Haupt deß H. Pau - li wunderbarlicher weiß gefunden worden. Jn diſer Kirchen ſeind die Leiber deß heiligen Timothæi, Celſi Iuliani, Baſiliſſæ, vnd vi - ler vnſchuldigen Kindlein / Jtem ein Armb von S. Anna der Mutter Mariæ / Jtem die Ketten / an dern der H. Paulus gefangen ge -legen /131Der Landtſtoͤrtzer.legen / Jtem das Haupt der Samaritanin / ein Finger vom H. Nicolao.

4. Die Kirch S. Mariæ maior, iſt gebawt worden von dem Joanne einem Roͤmiſchen Patritio vnnd ſeiner Frawen / dann weil ſie keine Kinder hatten / ſo begerte ſie jhre Guͤter zu der Ehr der allerheiligſten Jungkfrawen Mariæ zu verwenden / derwegen hatten ſie in der Nacht ein viſion, daß ſie deß Morgens hinauß gehen / vnd an dem ort / ſo mit Schnee bedeckt waͤre / ein Kirch bawen ſolten. Eben ein ſolche viſion hatte auch der Bapſt / der ging ſam̃t ſeinem gantzen Hofgeſindt zum ber ſagten ort / fand den Schnee / ſing mit ſeinen eignen Haͤnden an zu graben / vñ ward daſelbſt die Kirch gebawt: Dariñ ſeind verhanden die Leiber deß H. Apoſtels / Matthiæ, Romuli, Redemptæ, Hieronymi, die Krippen / dar - inn Chriſtus zu Bethlehem gelegen / die Win - del / darinn die allerheiligſte Jungkfraw jhne gewickelt / Jtem ein Arm vom heiligen Apo - ſtel Matthæo / Luca vnd deß heiligen Biſchofs Thomæ.

5. Die Kirch S. Laurentij ſtehet auſſerJ 2Rom132Der Landtſtoͤrtzer.Rom ein halb meil / vnnd iſt ebenmeſſig durch den Keyſer Conſtantinum gebawt worden / darin ligt der Leib deß heiligen Laurentij vnnd Stephani deß erſten Martyꝛers / ſampt einem Stein / mit deme er geſteinigt worden. Jtem der Stein / darauff der heilig Laurentius nach ſeinem todt gelegt worden / vnd ein Stuck ſei - nes Roſtes / darauff er gebraten worden.

6. Die Kirch deß H. Sebaſtiani iſt gebawt worden durch die H. Lucinam, darin ligt deß H. Sebaſtiam vnd der H. Lucinæ vnnd deß H. Bapſts Stephani Leib. Jtem der Stein / auff welchem Chriſtus die Fußſtapffen ſeiner Fuͤß gelaſſen / als er dem von Rom fliehenden heiligen Petro erſchin.

7. Die Kirch S. Crucis zu Jeruſalem iſt gebawt worden vom Conſtantino deß Keyſers Conſtantini Magni Sohn auff beſchehe - nes begeren der H. Helenæ / darm iſt der Leib deß H. Anaſtaſij vnnd Cæſarij, ein Ampel voller Bluts Chriſti / der Schwam̃ / mit wel - chem jhm der Eſſig vnd Gall zu trincken ge - geben worden / zwey Doͤrner von der Kronen die jhm auffgeſetzt ward / vnnd ein Nagel / mitwelchem133Der Landtſtoͤrtzer.welchem er an dem Creutz gehefftet worden / Jtem der Tittel / welchen Pilatus oben dran ſetzen laſſen: Jtem das Holtz deß H. Creutzes / welches die H. Helena dorthin verordnet. J - tem ein Silberling von denen / mit welchen der Herꝛ verꝛathen worden: Jtem das halbe Creutz deß frommen Schaͤchers / ꝛc. Alle diſe ding werden am H. Carfreytag gezeigt.

8. Die Kirch S. Mariæ populi, darin die allerheiligſte Jungkfraw inſonderheit verehrt wirt / vnd iſt anfangs vom Roͤmiſchen Volck gebawt woꝛden zur zeit Bapſts Paſcalis. Da - rin findt man den Nabel vnſers HErꝛn / J - rem etwas von der Milch / Schlair vnd Kley - dern der allerheiligſten Jungkfrawen. Die fundation diſer Kirchen iſt wunderbarlich / dann eben an dem ort / da anjetzo der groß Al - tar ſtehet / war vor zeiten ein ſo hoher Nuß - baum / daß er alle andere benachbarte Baͤum vbertraff. Vnd in diſem Baum hielten ſich die Teuffel auff / vnd verwarten den Leib Key - ſers Neronis / der vnden an den Wurtzeln be - graben lag: Diſe Teuffel vexierten / peinigten vnd erwuͤrgten alle die jenigen / welche der or -J 3ten134Der Landtſtoͤrtzer.ten fuͤr vber gingen / derwegen ließ Bapſt Pa - ſcalis dem gantzen Roͤmiſchen Volck ein dreytaͤgiges Faſten vnd betten verkuͤnden / da - mit doch das Volck von diſer ſo gar boͤſen Peſt erloͤſt moͤchte werden: Jn der dritten Nacht erſchin jhm die allerheiligſte Jungk - fraw vnnd ſprach: Paſcalis, verfuͤge dich zu der Porten flaminea, da wirſtu einen Nuß - baum finden / vnder welchem die Gebein Ne - ronis begraben ligen / denſelbẽ ſolleſtu zerhau - wen / vnd allerdings außreuten / auch an dem - ſelben ort ein Kirch in meinem namen bawen laſſen: Jnmaſſen beſchehen / vnnd in wehren - dem außreuten hoͤrte man ein ſehr erſchroͤck - lichs getuͤm̃el der Teuffeln: der Leib Neronis ward daſelbſt gefunden / vnd in die Tiber ge - worffen / vnd die Kirch gebawt. Bapſt Gre - gorius IX. hat die durch den heiligen Lucam gemahlte Bildtnuß der allerheiligſten Jungkfrawen Mariæ ge - tragen.

Capvt135Der Landtſtoͤꝛtzer.

Capvt XIX.

Guſman erzehlt ferꝛner / was geſtalt er auch wegen ſeines ſpilens vom Cardinal beurlaubt / vnnd widerumb in deß Frantzoͤ - ſiſchen Geſandten dienſt angenommen worden / was er auch bey demſelben fuͤr artliche boſſen ge - riſſen.

VJl gute gelegenheiten hatte ich Gotts - fuͤrchtig vnnd andaͤchtig zu ſeyn / aber es war vnſere andacht ſehr klein / vnnd ich ſahe / daß das Sprichwort: Je naͤ - hender Rom / je aͤrger Chriſt: wahr iſt / vnnd daß die jenigen / ſo die beſte Gelegen - heit zur Gottsforcht haben / am aller Gott - loſeſten ſeindt. Dann wann wir Edelkna - ben Kirchfahrten gingen / thaten wir nichts anders / als newe Maͤrlein auffklauben vñ er - zehlen / vnd vnderwegs die Tafernen beſuchen vnnd ſpilen: Bey der Nacht aber lieffen wir auff den gaſſen vmb vnd bulten. Diſes Leben fuͤhrte ich ſo lang / biß mir der Barth anfing herfuͤr zu ſtechen / fuͤꝛnem̃lich vnd inſonderheitJ 4aber136Der Landtſtoͤrtzer.aber ergab ich mich dem ſpilen allerdings / zu - maln ala primera. O was fuͤr ſchoͤne ſtuͤckel falſchheiten vnd betrug lernete ich im ſpilen? nichts vnderließ ich zu lernen / was ein Spitz - bub wiſſen vnnd koͤnnen ſoll: Dardurch aber verſaumbte ich nicht allein vilmals meinen dienſt / ſonder verſpilte auch alles / was ich hat - te: Einsmals bliben alle meine Leibskleyder im ſtich / derwegen dorffte ich auß meinem Lo - ſament nicht gehen / noch zum dienſt kom̃en: Mein Herꝛ mengelte meiner alsbald / vnd er - fuhr alles / wie es mir ergangen war: Er hat - te ein mitleyden mit meiner ſo gar boͤſen ey - genſchafft / vnuerſchambkeit vnd hartneckig - keit / vnd gab befelch / daß man mich widerumb kleyden / vnd fort ziehen laſſen ſoll. Das ver - droß mich ſo gar ſehꝛ / daß ich alsbald auß ſei - nem Hauß ging / vnnd niemaln wider kam / vnd ob ſchon man mir ſtarck rieth / dz ich vmb gnad anhalten / vñ vmb verzeyhung bitten ſol - te / ſeytemal mein Herꝛ mich gewißlich wider - umb annemmen wuͤrde / ſo wolte ich doch nit / ſonder ſchlug alle mir erwiſene gutthaten in Windt / zohe / als ein vndanckbarer heyloſerletzer137Der Landtſtoͤꝛtzer.letzer Schelm / hinweg / vnnd trachtete mit al - lem fleiß meinem vngluͤck nach: Dann ob ich mich ſchon etliche tag bey meinẽ guten freun - den vñ Bruͤdern auffhielt / ſo wurden ſie doch meiner bald muͤd / vnd zeigten mir das Kuͤhe - fenſter / ſeytemal ich kein Gelt hatte. Da fing das Elendt widerumb bey mir an zu regieren / keinen einigen Baum kondte ich finden / der mir einen Schatten hette geben / der Hunger ward ſo gar gꝛoß bey mir / daß ich ſambt jenem verloꝛnen Sohn gar gern mit deß Herꝛn Car - dinals Schweinen auß jhrem Trog geſſen / vnd mich mit jhren Kleiben erſaͤttiget hette.

Letztlichen nam ich mein Zuflucht zu der Frantzoͤſiſchen Bottſchafft oder Geſandten / der meines Herꝛn deß Cardinals ſeligen gar guter Freund geweſt / vnnd mich bey jhm wol gekennt hatte. Diſer Herꝛ nam mich auff / vnd hielt mich wol / aber mit einem vnderſchidli - chen intent, dann der Cardinal ſahe allzeit auff meinen nutz / heyl vnd wolfahrt / aber der Geſandte ſahe nur auff ſeinen luſt / dann er er - luſtigte ſich mit den boſſen vnd kurtzweiligkei - ten / die ich jhm vorſagte / vnnd mit den Bott -J 5ſchafften /138Der Landtſtoͤrtzer.ſchafften / die ich jm hin vnd wider bey groſſen Herꝛn vnd ſchoͤnen Frawen außrichtete. Er gab vñ benente mir keinen eigentlichen dienſt noch Beſoldung ſonder ich diente jhm gene - raliter, vnnd er belohnte mich generaliter, dann man hielt mich gleichſamo fuͤr ſeinen Schalcksnarꝛen vnd Kupler: Wann auch er Gaͤſt hatte / brauchte er mich fuͤr ein Auff - warter vnnd kurtzweiligen Tiſchrath: Vnd weil bißweilen ſich etliche vngeſchickte / grobe vngeſchmackige vnd vnannembliche Geſellen vnnd Knoͤpff ſelbſt zu Gaſt luden / vnnd vn - beruffen kamen / ſo erwiſe ich denſelbigen allerhandt Poſſen / dann etliche ließ ich oh - ne Tranck ſitzen / vnnd gewehnte ſie wie die duͤrꝛe Melonen: andern gab ich nur gar wenig zu trincken auß gar kleinen Glaͤſern: andern gab ich den gewaͤſſerten Wein / vnnd andern einen gar warmen Wein. Wann ich vermerckte / daß jhnen ein Speiſe wol ſchmeckte / ſo ruckte ich die Schuͤſſel von jnen hinweg / vnnd ſetzte jhnen was anders vn - geſchmackiges fuͤr: Allerhandt mittel erſann ich / damit jhnen die Mahlzeit vbel be -kaͤme /139Der Landtſtoͤrtzer.kaͤme / vnd ſie nit vrſach hetten wider zu kom - men.

Einsmals erſchinen neun Perſonen / vnd als man gleich zu Tiſch ſitzen ſolte / kam ein wolbekandter Schmorotzer / vnnd wolte ſich gleichfals zum eſſen laden / vnangeſehen der Tiſch allbereit wol beſetzt war / da ging ich zu jhm vnnd ſprach: Herꝛ / jhr ſollet wiſſen / daß mein Herꝛ der Geſandte niemaln vber neun Perſonen ſetzet / derwegen will ich hingehen vnd die verhandene Perſonen abzehlen. Jch ging hin / zehlte ſie / kam wider zu jhm / vnnd ſprach: Herꝛ / die zahl iſt erfuͤllt / jhꝛ moͤget wol wider hinweg gehen: Aber er antwortet vnnd ſprach: Du haſt gejrꝛt / gehe hin / vnnd zehle ſie noch einmal / aber an mir muſtu anfahen / ſo wirſtu befinden / daß ich kein vbriger bin. Deſſen muſte ich gleich lachen / vnd jhne paſ - ſiren laſſen.

Zu einer andern zeit kam ein Spaniſcher Soldat zu mittag / als mein Herꝛ der Geſan - le eſſen wolte / ging in den Saal zu jhm vnnd ſprach: Herꝛ / ich bin ein Soldat vnd ein fuͤr -nemmer140Der Landtſtoͤrtzer.nemmer Cauallero vnnd Cordua, befinde mich aber anjetzo bloß an Gelt / vnnd bin ge - ſchoſſen worden mit dem Pfeil der Armut / derwegen bitte ich vmb ein Ritterzehrung? Der Geſandt griffe in ſeinen Beutel / zohe et - liche Ducaten herauß / vnnd gab jhms: Der Cauallero war aber damit nit vernuͤgt / ſon - der erzehlte dem Geſandten wer er waͤre / vnd in was fuͤr Feldtſchlachten vnd impreſen er ſich befunden Als auch der Geſandt zu Tiſch ging / ſetzte ſich diſer Cauallero gleichfalls hinzu. Jch ging damals vmb die Speiſen hinauß / vnnd ſahe zwen andere Spanier her - ein gehen / vnnd als dieſelbigen diſen Solda - ten oder Cauallero ſahen am Tiſch ſitzen / ſprachen ſie zu einander: Jſt dann das nit ein klaͤglicher handel / daß vns diſer Schwarack vnd Bernhaͤuter aller orten den weg ablauf - fet: Als ich das hoͤrte / ging ich zu jhnen vnnd ſprach: Jhr Herꝛn / kennet jhꝛ diſen Caualle - ro? Sie antwoꝛteten: Ja / wir kennen diſen Hudler gar wol / ſein Vatter hat vns offter - mals die Schuch angelegt vnd gepletzt / ſeinen Schuſter Laden hat er zu Cordua nahe beyvnſer141Der Landtſtoͤrtzer.vnſer behauſung. Zu erbarmen vñ ein ſchand iſts / daß / wann vnſer zwantzig Caualleri in Jtalien ziehen / alsdann hundert heyloſe Leut / wie diſer einer iſt / mitkommen / vnd jnen gleich ſein woͤllen / dann weil ſie wiſſen / daß man ſie nit kennet / ſo vermeinen ſie / daß / wann ſie nur jhꝛen Knoͤbelbarth ſtreichen / vnnd vil Federn auffſetzen / ſie dardurch den Adel vnd dapffer - keit allbereit erlangt haben / vnangeſehen ſie letze Lettfeigen vnd verzagte Hennen ſeind / vñ niemaln kein fliegendes Faͤndel geſehen ha - ben / dann nicht die Federn vnd Knoͤbelbaͤrth / ſonder die Hertzen vñ Maͤñer muͤſſen ſtreiten. Darmit gingen ſie hinweg. Jch aber ſchoͤpff - te allerhand nachgedencken drauß / hielt eben ſo vil von jhnen / als dem andern vnuerſcham - ten Geſellen / der an meines Herꝛn Tiſch ſaß / derwegen vberkam ich einen luſt / jhm einen poſſen zu reiſen: vnd als er zu trincken beger - te (dann in Hiſpanien ſetzet man keine Glaͤ - ſer mit Wein auff den Tiſch / wie in Teutſch - landt / ſonder wer da begert zu trincken / der mags fordern vnnd begeren) gab er mir ein zeichen mit der Handt / oder mit den Augen:Jch142Der Landtſtoͤrtzer.Jch aber verwendete meine Augen anderſt - wohin / oder ſtelte mich / als ſehe ichs nit / weil dann er vermerckte daß man keinen luſt hatte jhme einzuſchencken / ſo ſprach er zum Ge - ſandten: Ob wol es villeicht ein vermeſſen - heit ſein moͤchte / daß ich mich an eine Taſel geſetzt / ſo bin ich doch deſſen / we - gen meines adelichen Geſchlechts vnd dapfe - ren verhaltens im Kriegsweſen / wol wuͤr - dig / derwegen bitte ich / jhr woͤllet Beuelch geben / daß man mir einſchencke / dann diſer Spanier ewer Diener hat mich nit verſtan - den / vnangeſchen ichs begert hab. Da be - falch gleich wol mein Herꝛ vns / daß wir jhm zutrincken geben ſolten / aber ich ſchwur jhm heimblich einen Eydt / daß ich jhne außzah - len wolte: Derwegen ſetzte ich jhm ein gar kleines Glaß mit wolgewaͤſſertem Wein fuͤr / mit welchem er den Durſt nicht loͤſchen koͤndte. Er vermerckte auch / daß ſo wol ich als meine andere Mitgeſellen vnnd auffwar - ter vnſere Augen vnnd Geſichter von jhm abwendeten / vnnd jhne nicht anſchawen wolten? damit wir nicht Vrſach hetten /jhme143Der Landtſtoͤrtzer.jhme einzuſchencken / derwegen verluhre er letztlichen die Gedult / ſtunde vom Tiſch auff / vnnd ſprach zu meinem Herꝛen dem Ge - ſandten: Herꝛ verzeyhet mirs / ich muß hingehen vnnd trmcken: Folgendts ging er zum Schencktiſch / ſchenckte jhm ſelbſt ein groß maͤchtiges Glaß mit Wein ein / loͤſch - te ſeinen durſt / nam ſeinen Hut ab / thate ſein Reuerentz vnnd ging hinweg ohne ei - niges reden oder vrlaub nemmen. Deſſen lachte der Geſandt / vnnd ſprach zu mir: Guſmaͤndl / diſer Soldat iſt dir vnnd dei - nem Vatterlandt gleich / allda man alles mit Hoffart trutzen vnnd bochen hinauß fuͤhret.

Sonſten war noch ein Engellaͤnder ver - handen / der gab ſich fuͤr meines Herꝛn Bluts - verwandten auß / vnnd kam ſchter taͤglich zu jhm zum eſſen. Weil er aber ein vngeſchma - ckiger / vngelegener vnnd vnannemblicher Mann war / ſo hatte mein Herꝛ einen ver - druß an jhm / das merckte ich / vnd als derwe - gen man einsmals waidlich zechte / vnnd der Wein jhm das Hirn allerdings einge -nommen144Der Landtſtoͤrtzer.nommen hatte / fing er an mich zu vexiren / vñ wegen meiner kleinen Perſon / zu verſpotten / vnnd ſagte / daß der Bapſt im werck vnd vor - habens were / die kleine Maͤndl zu lauter Pul - uerflaſchen zu brauchen / das empfandt ich / nam einen Strick / kroche heimlich vnder den Tiſch / band jhm den Fuß an den Seſſel / vnd an Tiſch: Folgendts beſtellte ich durch mei - ner Geſellen einen / daß er vnuerſehens herein zu der Tafel lieffe vnnd ſchrye: Jhꝛ Herꝛen / es brint / es brint: deſſen erſchracken die Gaͤſt / ſprangen vom Tiſch auff / vnnd wolte ein jeg - licher der erſt beym Fewr ſeyn: Mein ſchoͤner Engellaͤnder aber fiel ſampt dem Seſſel vber vnnd vber / zohe den Tiſch nach ſich / vnnd be - ſchaͤdigte ſich dermaſſen im Geſicht / daß er vberall ein lauters Blut war. Nun hatte auch mein Herꝛ der Geſandt einen groſſen ſtarcken ſehr ſchwartzen Mohꝛen / der diente in der Ku - chel / denſelben beſtellte ich / daß er mit einer Hellebarten vnuerſehens auff jhne zu lieff / vnd ſich ſtelte / als wolte er jhne erſtechen: deſ - ſen erſchrack der Engellender noch mehr / ver - meinte / daß es der Teuffel waͤre / lieff derwe -gen145Der Landtſtoͤrtzer.gen vor jhm auff ſeine Knye nider / vnd ſprach mit auffgehabenen Haͤnden: O ſancte Dia - bole, miſerere mei, O heiliger Teuffel / erbarme dich meiner. Seyther derſelben zeit kam diſer Engellaͤnder nimmer zum eſſen.

Noch einen andern vngeſchmackigen taͤg - lichen Gaſt oder Schmarotzer hatte der Ge - ſandt / der war ein Aduocat vnd beyder rechten Doctor / ſpilte jmmerdar mit meinem Herꝛn / vnd gewann jhm vil Gelts ab / der fragte mich einsmals vber Tiſch / was doch die vrſach were / daß ich ſo glat vmbs Maul were / vnnd daß mir der Bart nicht wachſe? Jch aber fragte jhne hingegen / was doch die Vrſach were / daß er auffm Kopff ſo kahl were? (dann er war kahlkoͤpffig / vnnd hatte die Frantzoſen etliche mal gehabt) Er ward ſchamrot / vnnd wuſte nicht was er darzu ſolte ſagen: Jch aber halff jm vñ ſpꝛach: Domine Doctor, calui - tium non eſt vitiũ, ſed probitatis indiciũ, ſi morbus gallicus nõ fuit initium. Weil ich auch vernommen / daß ſein Fraw bulte / ſo fragte ich jhne noch ferꝛner vnnd ſprach: Herꝛ Doctor / weil jhꝛ hochgelehꝛt ſeyt / ſo ſagt mir /Kan146Der Landtſtoͤrtzer.an was fuͤr einem Ort deß Menſchlichen Leibs die Haut am aller harteſten ſeye? Der Doctor lachet vnd ſagte / daß ers je nit wiſſe / aber wofern ichs wiſſe / ſo moͤchte ers gern von mir vernemmen. Da antwoꝛtet ich vñ ſpꝛach: Ewre Haut iſt nirgents dicker vnd groͤber / als eben voꝛnen an der Stirn / dann ob ſchon ew - re Fraw euch allbereit vil Jahr lang die Hoͤr - ner auffgeſetzt / ſo haben ſie doch niemaln wachſen woͤllen / welches dann ein zeichen iſt / daß die Haut an demſelben Ort (nemblich an der Stirn) ſehr hart iſt. Der Doctor lachte / aber zum eſſen kam er nimmer. Diſer geſtallt erlaidete vnnd vertrib ich meinem Herꝛn vil Schmorotzer vnd vnuerſchambte freſſer.

Capvt XX.

Guſman verlaͤſt den Dienſt der Frantzoͤſiſchen Bottſchafft / zeucht auß Rom / vnd wirdt be - raubt.

Das147Der Landtſtoͤrtzer.

DAs Leben bey der Frantzoͤſiſchen Bottſchafft gefil mir nicht / dann ich hatte einen ſchlechten nutz vnnd ge - winn / aber vil muͤhe vnnd gefahr bey jhm. Dann nit allein war ich ſein Schalcksnarꝛ vnd Brillenreiſſer / ſondern auch ſein Kupler / vnnd brachte jhm vil ſchoͤne zarte Fraͤwlein zuwegen / darbey aber hatte bißweilen auch ich vnnd andere gute Geſellen vnſern theil / dann man machts keinem anderſt / die groſſe Herꝛn muͤſſen ſich auch bißweilẽ narꝛen laſſen. Eins - mals als er an einem Sontag etliche Schrei - ben auß Franckreich empfangen / vnnd beym Bapſt audientz haben ſolte / ging ich im Ca - pitolio ſpatzieren / vnnd ſahe von vngefahr zween junge Spanier: Wir erkennten als - bald einander am Angeſicht / vnnd ſie rede - ten mich in Spaniſcher Sprach an: Deſ - ſen frewete ich mich / ſamb hette ich zween Engel angetroffen: Wir erzehlten eman - der vnſere Gelegenheit vnnd Zuſtaͤndt / ich vermerckte auch / daß ſie wegen jhrer Vnruhe jhr Vatterlandt verlaſſen / im Ni - derlaͤndiſchen Krieg gedient / mit gefahr jhresK 2Lebens148Der Landtſtoͤrtzer.Lebens entloffen / vnd voꝛhabens waͤren Rom zu verlaſſen / derwegen vergliche ich mich mit jhnen / daß wir mit einander fort ziehen wol - ten: Aber doch bate ich ſie / daß ſie doch mit mir vor meines Herꝛn Loſament vber gehen ſolten / dann ich woͤlle meinen Wanderbuͤnd - tel / darin ein bar Hembder vnnd Kraͤß / zu mir nemmen: Ja (ſagten ſie) gar gern / aber ſchaw / daß du ſonſten noch etwas anders vnd beſſers zu wegen vnd mit bringen moͤgeſt: Jch folgte jhrem Rath / verfuͤgte mich in meines Herꝛn Hofmeiſters Loſament / vnnd ſahe / daß er ſich fertig machte / mit dem Geſandten gen Hof zu gehen / weil auch er mich jederzeit lieb gehabt / vñ wol wuſte / daß mir zu trawen war / ſo ſprach er zu mir: Du Guſmaͤndl / ich muß dem Geſandten auffwarten / derwegen ver - bleibe du hie im Loſament / vnnd ſchaw fleiſſig auff / damit niemand frembder herein komme / oder etwas verlohren werde: Jch antwortet: gar gern wil ichs thun / kein frembder ſol euch etwas beruͤhren.

Alsbaldt er hin war / fiſchte ich ſeine beſte Kleider / Hoſen / Wambes / Maͤntel vñ Hemb -der /149Der Landtſtoͤrtzer.der / wicklet ſie in ein Leylach / als waͤre es ein kotiges gewandt / kam zu meinem geſellen / ſuchte das Statt Tohr auff Neapolis zu / vnd theileten die Kleider in drey vnderſchidliche Buͤndtel / damit wir deſto leichter vnnd ge - ſchwinder gehen vnnd fort kommen moͤchten. Wie nun wir drey Meil wegs fort geloffen waren / vnnd in ein gehuͤltz kamen / entſchloſ - ſen wir vns daſelbſt vber nacht zu verbleiben / wir aſſen vnd trancken was wir bey vns hat - ten / erzehlten einander / wie es vns jederzeit vñ aller orten ergangen war / vnnd machten ver - trewliche Bruͤderſchafft. Letztlichen legten wir vns nider zum ſchlaffen. Sie ſtelten ſich als waͤren ſie ſehr muͤd vnd ſchlaͤfferig / vnnd entſchlieffen vor mir: Derwegẽ thate ich auch dergleichen / vnd entſchlieff ohn alle ſoꝛgen: Jn wehrendem meinem beſten ſchlaff aber / ſtunden ſie fein huͤbſchlich vnnd ſtill auff / na - men jhren[Buͤndtel vnd] alle meine dem Hof - meiſter entfrembde Kleider vnd ſachen zu ſich / vnd lieffen darmit daruon. Deß Moꝛgens fruͤe erwachte ich / ſahe mich hin vnnd wider vmb / vnnd rieff meinen Mitgeſellen / aber ichK iijkondte150Der Landtſtoͤrtzer.kondte keinen ſehen noch erſchreyen / dann ſie hatten ſich allbereit vnſichtbar gemacht: Jch ſuchte meinen Buͤndtel hin vnnd wider / aber fand nirgents nichts: Jch erſchrack vnnd ge - dachte / daß es villeicht ein Traum waͤre: doch ſahe ich / daß es wahr war: Es war mir gleich - wol leyd / aber doch ſprach ich ſampt dem Job: Nackent bin ich geboren worden / vnd nackent befindt ich mich: Jch gedachte auch an das Epheu Jonæ / welches in einer einigen Nacht gewachſen / vnd in der andern verdorꝛt. Nun wolan / ich ging meinen weg foꝛt / troͤſtete mich ſelbſt mit allerhandt gedancken / allermaſſen die jenigen thun / welche alles verſpilt / oder ei - nen Schiffbruch auffm Meer erlitten hatten / ich gedacht auch an diſe meine falſche Bruͤder vnd Freunde / vnnd was geſtallt der ein Dieb den andern beſtohlen. Mein beſter troſt vnd gluͤck war / daß ſie mir nit auch das Leben genommen hat - ten.

Capvt151Der Landtſtoͤrtzer.

Capvt XXI.

Guſman trifft einen Jtalieniſchen Grafen an / erlangt dienſt bey jhm / vnd erzehlt allerhandt artliche Schnacken.

JN oberzehlter meiner ſo groſſen Me - lancoley / Vngluͤck vnnd Trawrigkeit erſahe ich einẽ groſſen hauffen volcks / welches gen Neapolis raiſte / Darunder war nun ein Graf von Mirandola, zu dem - ſelben geſellete ich mich / vnnd lieff allzeit neben ſeinem Pferdt / damit er vrſach hette mich anzureden / vnnd mit mir zu diſcur - riren: Jch hielt jhm den Stegreiff wann er wolte abſteigen / vnd gab jhm etliche Blumen die ich auffm weeg abbrache: Derwegen ver - ſtundt er mich / vnnd fragte wo ich hin wolte? ich antwortet: gen Neapolis: Er begerte zu wiſſen / von wannen ich waͤre / vnd womit ich mich ernehꝛte? Jch antwoꝛtet jm vermuͤg mei - nes gewoͤnlichen ſtyli, dann nit allzeit ſol man die waꝛheit ſagen / damit nicht mehꝛ ſchadẽ / alsK 4nutz148[152]Der Landtſtoͤrtzer.nutz drauß erfolge / ein jegklicher iſt ſchuldig ſein Ehr zuerhalten. Als wir zu der Herberg kamen / ſprach er zu mir: Guſman, raſte ein wenig / vnd laſſe dir zueſſen geben / ich wil fuͤr dich außzahlen: Diſe ſtimm klingte vil liebli - cher in meinen Ohren / dann die Harpffe Or - phæi. Diſe frewd wehrte aber nit lang / dann ich ſahe zwen Betler vorm Wirts hauß ligen / die kennten mich / vnd redeten mich an / das ſa - he der Graf vnnd fragte mich / was ich fuͤr kundtſchafft mit Bettlern hette? Jch erſchrack ſchaͤmte mich von Hertzen vnd ſprach: Herꝛ / zu Rom ſeind ſie jmmer dar voꝛ meines Herꝛn deß Cardinals Thuͤr gelegen: Er aber fing an zuzweiffeln / vnd fragte mich noch ferner: weil du beym Cardinal gedient haſt / wie biſtu dann ſo arm vnd zerriſſen von jhm kommen? da war ich geſchwindt mit noch einer andern Lugen beſchoſſen / vnd ſprach: Weil mein Herꝛ der Cardinal mich ſehr lieb hatte / ſo warẽ mir alle andere Diener feindt / derwegen beſoꝛgte ich mich / daß ſie mich einsmahls in vngnad bey jhm bringen moͤchten: Das verurſachte mich nun / vrlaub von jhm zunemmen / vnndweil153Der Landtſtoͤrtzer.weil ich zu Rom etliche Wochenlang dienſt - loß vmbzohe / ſo hab ich meine Kleider vnd ge - wandt theils verkauffen / vnnd theils verpfen - den muͤſſen. Der Graf glaubte mirs: Die Tiſch wurden gedeckt vnd die Speiſen ange - richt: Jch ſtelte mich / als wolte ich zu Tiſch dienen vnd auffwarten / aber mein Herꝛ hieß mich nider ſitzen / vnd ſetzte mir ein Schuͤſſel mit Fleiſch fuͤr: Die ich dermaſſen luſtig vnnd geſchwind auß / daß mein Herꝛ zu mir ſagte: haſtu es ſchon gar? einen guten Hun - ger haſtu mitbracht. Jch antwoꝛtet vñ ſprach: Herꝛ / wir Colerici haben diſe eigenſchafft / das wir alle vnſere ſachen geſchwindt verrich - ten / mein Magen iſt der maſſen redlich im ver - dewen / daß ers wenig achtet / was zwiſchen den Zaͤhnen beſchicht / derwegen ſchicke ich jhm die Speiſen bißweilen halb vnd dermaſ - ſen gekewt zu / daß ich ſie am dritten tag herna - cher wider herauß werffen kondte / allermaſſen wie der Waalfiſch den Jonam außgeſpyen. Deſſen lachte mein Herꝛ von Hertzen / vñ ſetzte mir noch zwo Schuͤſſeln mit Speiſen fuͤr: die expedirte ich eben ſo geſchwindt als die er -K vſten /154Der Landtſtoͤrtzer.ſten / derwegen vergliche er mich etlichen be - ruͤmbten Freſſern / nem̃lich dem Claudio, Al - bino, vnd dem Mileſiſchen Aſtidama, wel - che alles allein fraſſen / was fuͤr die Gaͤſt zube - reit war: Vom Camble Koͤnig in Lidia ſag - te er auch / daß derſelb dermaſſen gefraͤſſig ge - weſt / daß er einsmals beym Nachtmal ſein Weib gefreſſen: Jch ließ gleichwol mei - nen Herꝛn reden / vnnd vil andere dergleichen Exempel der Freſſern allegiren / aber doch fraß ich darneben wie ein Wolff / vnnd erleu - terte alle Schuͤſſeln dermaſſen / daß ein vnnot - turfft war ſie abzuſpuͤlen oder anderſt zu rai - nigen. Das verdroſſe aber die andere Diener vnnd ſahen mich ſawr vnnd vnwirſch an: Da gedachte ich alsbald bey mir ſelbſt: wol - an Guſman / mache dich gefaſt / du muſt durch die Spieß rennen / vnnd vil contradictio - nes vnd widerwertigkeiten außſtehen: Aber doch ließ ich mich gegen jhnen nicht mercken / ſonder demuͤtigte mich / als vil mir muͤglich war. Nun ward die Rechnung gemacht / der Wirth nam ſein Gelt ein / vnnd mein Herꝛ machte ſich wider auffn weeg: Jch lieff all -zeit155Der Landtſtoͤrtzer.zeit neben jhm her / vnd wartete jhm vil fleiſſi - ger auff / denn ein Hundt.

Vnder wegs ſprach er: Guſman / erzehle vns etwas kurtzweiliges / damit vns der weg deſto kuͤrtzer werde / dann weil du ein Spa - nier biſt / ſo haſtu ohne zweiffel die Welt geſehen vnnd wol etwas erfahren. Jch ent - ſchuldigte mich gleich wol / daß ich nit vil wuͤ - ſte zu ſagen / ſeytemal ich noch jung vñ vil juͤn - ger auß Hiſpanien gezogen war / aber doch er - botte ich mich / dz jenig von Hiſpanien zu mel - den / was ich wuͤſte. Hiſpanien (ſprach ich) iſt ein Kron der Welt / ein Haupt der Waffen / ein compendium der gelehrtheit / ein ſubtil - heit der ingenien, ein monarchia der maͤch - tigen / ein Saͤul der Kirchen / ein Beſchuͤtzung der religion / vnd hat keinẽ ſuperiorẽ oder O - berherꝛn. Der Koͤnig in Hiſpanien iſt der aller groͤſt Monarch der Welt / auf deſſen Achſſeln ſich die Chriſtenheit lainet / deſſen Kron die zwo Welten begreiffet / deſſen Wapen die zwẽ Poli ſehen / deſſen Adler vnd gulden Fluͤß alle grandezẽ vbertreffen. Jn Reichthum̃en iſt er der groͤſt / vnnd der allermaͤchtigſt Herꝛ vnderder156Der Landtſtoͤrtzer.der Sonnen / er ſauget die guldine Bruͤſt der Orientaliſchen vñ Occidentaliſchen Jndien: Alle Nationes vnnd Voͤlcker verehren den Spanniſchen namen / jederman verwundert ſich vber der Spanier Thaten / Monarchi - am vnd triumphen: niemandt darff ſich ge - gen jhnen competiren vnd ſetzen.

Wann wir die beruͤmbte Spaniſche Hel - den / welche ſeyt der zeit der vnuͤberwindlichen Gotten gelebt / betrachten / ſo wirdt man ſehen wie offt ſie die gewaltige Statt Rom er - ſchreckt / vnd alle andere Voͤlcker bezwungen. Cantabro Pelayo hat mit wenig Volcks gantz Hiſpanien wider erobert / Koͤnig Bam - ba hat den anfang der Chriſtlichen Religion vnd der Policey in Hiſpanien gemacht: Fer - dinandus Gonzales war der erſt Herꝛ in Caſtillia, von deſſen Lini die Koͤnige in Hi - ſpanien herkommen. Bernardus del Carpio hat die zwoͤlff pares in Franckreich erſchreckt vnd die Schlacht zu Ronzes Valles vnſterb - lich gemacht. Rodrigo de Viuar der Cid ge - nannt / hat vil Koͤpff der Mohren in Af - frica vnd Hiſpania fuͤr ſeine Fuͤß ligen ſehen. Der157Der Landtſtoͤrtzer.Der vnuͤberwindtliche Don Iayme de A - ragon iſt wegen ſeiner herꝛlichen Thaten ge - nennt worden der Vberwinder. Was ſoll ich auch ſagen von dem gewaltigen vnnd vber - windtlichen Koͤnig Ferdinand vnd Jſabella von Aragon / vnnd von jhrem Hauptmann Gonzalo Hernandez de Aguilar vnnd Cordua, vor deſſen namen ſich das Koͤnig - reich Neapolis vnnd Franckreich pflegte zu - entſetzen? Hat nicht der allermaͤchtigſt Keyſer Carl durch das bloſſe gereuſch vnd ſchwingen ſeiner Fluͤgel / die Tuͤrckiſche macht voꝛ Wien vertriben? Hat er nit Niderlandt vnd Franck - reich entſetzt vnd erzittert? Hat nit ſein Sohn Philippus die Frantzoͤſiſche macht gedempfft vnnd jhren Koͤnig gefaͤngklich vberkommen? Hat nit Don Iohan d Auſtria ſein Bruder deß Tuͤrcken macht auffm Meer erlegt / vnnd die Niderlaͤnder vor Namur ſcheutzlich ge - butzt? Was hat nicht Don Aluaro Bazan Marggraf zum heiligen Creutz in Portugal vnd Terzera gethan? deß Ferdinandi Cor - teſij herꝛliche Thaten ſeind mehꝛ zu verwun - dern / denn zu erzehlen: Wie auch deß DonFernan -158Der Landtſtoͤrtzer.Fernando de Toledo, von deſſen herꝛlichen Siegen vnd Triumphen Portugal / Nider: vnd Hochteutſchlandt gnug haben zu reden.

Hierauff antwortet der Graf vnd ſpꝛach: Du Guſman / lobeſt dein Hiſpanien waid - lich / aber es laͤſt ſich anſehen / als habeſt du nit geſehen die ding / dern ſich andere nationes vñ Voͤlcker beruͤhmen. Sag aber mir / wo ha - ſtu diſe ding erfahren? haſtu villeicht etwas ſtudiert? Jch antwortet / daß mich meine El - tern von zarter jugend auff / hatten zur ſchulen gehalten / vnd daß ich etliche Hiſtoꝛibuͤcher ge - leſen. Folgends fragte er mich / wz ich von den Laſtern der Spanier hielte? dann (ſprach er) gemeinlich ſeind die Spanier ſtoltz / hoffertig / vbermuͤtig / auffgeblaſen / ignoranten, vnnd woͤllen alleſampt Caualleri ſein / ꝛc. Darauff antwortet ich vnd ſprach: Die Spanier ſeind nit hoffertig / ſonder haben gemeinlich ein ho - hes großmuͤtiges Hertz vnd gemuͤt / vnd daſſel - be waͤchſt bey jhnen vmb ſo vil deſto mehꝛ / vm̃ wie vil mehꝛ ſie mercken / daß ſie andern nati - onen voꝛ gezogen werden wegen jrer dapfern vñ ritterlichen thaten. Ob derwegen ſchon ſienit159Der Landtſtoͤrtzer.nit alle Adelichen Geſchlechts ſeind / jedoch wann ſie in frembde Landt kommen / ſo ſuchen vnd bewerben ſie ſich vmb den Adel durch das Kriegsweſen / dann nur der jenig Soldat iſt edel / der edle thaten verꝛichtet.

Beſehe man jhre Thaten in Niderland / ſo wird man bekennen muͤſſen / daß ſie deß Adels wol wuͤrdig. Vñ ob ſchon etliche ſtoltze vnder jnen gefunden woꝛden / ſo haben doch alle vnd jede andere rechtſchaffene vñ beſcheidene ſpa - niſche Soldaten deſſen nit zu entgelten. Mein Herꝛ aber fil mir in die red / vnd ſagte: Du biſt halt auch ein Spanier / derwegen lobſtu deine Landtsleuth / vnangeſehen ich alzeit ſagen hab hoͤꝛen / daß in Hiſpanien nit vil Roß / aber vn - endlich vil Eſel verhanden / dannenhero we - nig Caualleri, aber vil Aſinini oder Eſel - leut gefunden werden. Darauff antwoꝛtet ich vnnd ſprach: Gnediger Herꝛ / die Eſel ſeind nit zu verachten / dann ich bin auch eins mals ein Eſel geweſt / vnd hab jren dienſt vnd Ampt mit tragen allerhand buͤrden / verꝛichten helf - ſen. Es hat auch mit den Eſeln vnd der Eſell - ſchafft eben die meinung / welche es hat mit dẽSigno -160Der Landtſtoͤrtzer.Signori vnd Signorie, dann wie die Signo - ria oder herꝛlichkeit von menigklichen gelobt / verlangt vnd verwundert wirdt / hergegen die Herꝛn gemeinglich veracht vnd geflogen wer - den / (dann niemandt hat gern / daß jhm ſein Herꝛ auff der Hauben ſitze) alſo werden die Eſel veracht / aber die Eſelſchafft wirdt hoch geacht / vnd iſt dem Menſchen gleichfoͤrmig / vnd nah verwandt. Dann als die Welt an - fangs erſchaffen war / vnnd alle Thier dem Menſchen vnderthaͤnig gemacht wurden / iſt gleichwol vom Eſel kein einige meldung be - ſchehen / ohne zweiffel darumb / allweil man zweiffelte / ob der Menſch vber den Eſel / oder der Eſel vber den Menſchen herꝛſchen wuͤrde / von wegen ſeines verſtandts vnd ſonderbarer Tugenden vnd Hochheiten / dann erſtlich iſt ein Eſel wuͤrdig woꝛden / den Engel GOttes zu ſehen / vnd die Menſchliche Sprach zu re - den / welches aber keinem einigẽ andern Thier jemals verguͤnſtigt iſt worden / wie zu ſehen iſt im alten Teſtament. So gar hat vnſer Erloͤ - ſer ſelbſt ſeinen triumphierlichen Einritt ni[cht]halten wollen auff einem Cauallo vnd ſchoͤ -nen161Der Landtſtoͤrtzer.nen Pferdt / ſonder auff einem Eſel: deßglei - chen leſen wir von keinem einigen heiligen Einſidler / daß er in der Wuͤſte oder Einoͤde ein Pferdt hette bey ſich gehabt / ſonder ſie ha - ben ſich allzeit mit Eſeln bedient.

Am andern beſtehet die Guͤte deß Eſels in ſeiner demut / dann weil diſes holdſelige Thier begert von mennigklichen geliebt zu werden / ſo erzeigt es ſich gegen jederman demuͤtig / an - nemblich vnd dienſtbar. Er fragt auch nichts nach koͤſtlicher zierd / oder ſtattlichen waaren / ſonder er laͤſt ſich beladen mit den allerſchlim - ſten dingen vnd vnreinigkeiten / er leydet vnd geduldet alle ſchmach vnd ſchlaͤg / die man jm zufuͤget / vnd iſt darneben nutzlich zu brauchen im Krieg / dañ ob ſchon er von Natur nit krie - geriſch noch hitzig / ſonder kalt vnnd fridſamb iſt / ſo iſt er doch darneben langſamb / vnd die - ſelbe langſambkeit iſt nit allzeit ſchaͤdlich im Kriegsweſen / ſonder vilmals ein vrſach deß erhaltenen Siegs geweſt / wie zu ſehen iſt am Fabio Maximo, qui cunctando reſtituit rem. Vnangeſehen auch die Eſel im Krieg oder in der Schlacht nit feindtlich ſpringenLvnd162Der Landtſtoͤrtzer.vnd lauffen / ſo erzeigen ſie doch ein ſonder - bare erſchroͤcklichkeit. Als Darius die Sci - thier bekriegte / vnnd ſehr vil Eſel bey ſich hat - te / forchteten ſich die Scitiſche Pferdt jhren Feindt anzugreiffen / dermaſſen erſchroͤcklich war das ſchreyen der Eſein Darij: Er eroberte auch letztlichen durch diſes mittel die Schlacht. Eben diſes widerfuhr im Krieg / welchen die Rieſen wider die Goͤt - ter fuͤhrten / dann als man ſehr hefftig wi - der einander ſtritte / kam gleichwol Silenus ſambt vilen Satyribus vnnd Syluanis / ſaſ - ſen auff den Roſſen der Eſeln / vnnd hetten ſchier den kurtzeſten theil gezogen vnnd auß dem Himmel weichen muͤſſen / wofern jhre Eſel nit geweſt waͤren / dann als die Eſel die ſo groſſe erſchroͤckliche Maͤnner vnd Rie - ſen ſahen / fingen ſie an dermaſſen zu ſchreyen / das es alle Lufft durchklang vnnd alle Berg erziterten. Es brachte auch diſe Stimm ein ſolche Forcht vnder den Rieſen / daß ſie die Flucht namen: Eben diſer vrſachen halben haben die Goͤtter den Eſel zu einem Zeichen in Himmel geſetzt. Wir wiſſen / daßjener163Der Landtſtoͤrtzer.jener ſtarcke Samſon ſeine Feinde nit vber - winden hat koͤnnen / ohne huͤlff deß Kinba - ckens diſes edlen Thiers / dann mit demſelben erſchlug er vil tauſent ſeiner feinde.

Ferꝛner haben nicht allein die alten darfuͤr gehalten / daß die Eſel dem Menſchlichen Leben ſehr nutzlich vnnd dienſtlich ſeyen / ſonder auch ſo gar zu diſen vnſern zeiten wer - den ſie dermaſſen in Ehren gehalten / daß / wann man etwan einen Menſchen einen E - ſel nennen will / man allzeit das Wort Meſ - ſier aſino, oder Herꝛ Eſel / brauchet: Wann auch einer einen groͤtzel gehen laͤſt /[oder ſonſt] ein grobianiſch ſaͤwiſch Stuͤckel brauchet / vnnd man jhm ſagt: bon por vous fa Signor Porco, alsdann gibt jhm derſelb zur antwort vnnd ſpricht: beſo las manos Meſſier aſino: diſer geſtallt ehret man ein - ander. Dermaſſen hoch vnnd ehrwuͤrdig iſt vor zeiten der nam eines Eſels geweſt / daß ſo gar die edliſte Roͤmer ſich nach jhm die Aſinii genennt / wie zu ſehen iſt an dem Aſinio Pollione, Aſinio Tro - illo, Aſinio Celere vnnd andern. Stra -L 2bo164Der Landtſtoͤrtzer.bo bezeuget / daß etliche Staͤtt vnd Jnſeln im Adriatiſchen Meer Aſinæ genennt worden: Fuͤrwar / gluͤckſelig vnnd abermal gluͤckſelig ſeind geweſt diſe Ort / ſeytemal jhꝛe Jnwoh - ner Eſel geweſt.

Nit weniger ſeind die Eſel lobwuͤrdig we - gen jhꝛer weißheit / welche vil groͤſſer bey jhnen iſt / weder bey allen andern Thieren / vnnd diſe Weißheit haben ſie ohne zweiffel durch jhre Melancoliam / in deme nem̃lich ſie jmmerdar mit nider hangendem Kopff gehen / gleichſam̃ theten ſie nichts anders / als allzeit gedencken / ſpeculiren / dichten vnd trachten / jn maſſen alle melancolici zu thun pflegen. Alle hohe vnd ſpitzfindige Maͤnner haben eben diſe Natur an jhnen gehabt / vnnd Ariſtoteles erzehlt die vrſach. Gleichwol machen die Gelehrten ei - nen vnderſchidt zwiſchen der melancolia, vnnd ſagen / daß die eine kalt ſeye / auch kalte / faule vnnd grobe Leuth mache: Noch ein an - dere melancolia iſt dermaſſen hitzig vnnd heißſiedent / daß ſie die Menſchen naͤrꝛiſch vñ vnſinnig machet. Noch ein andere iſt maͤſſig / vnd theils kalt / theils warm / vnd dieſelbe ma -chet165Der Landtſtoͤꝛtzer.chet die Leuth weiſe vnd ſpitzfindig / die ſpitz - findigkeit der Eſeln aber erſcheint auß deme / daß ſie gleichſamb Propheten vnd verkuͤnder deß guten vnd boͤſen Wetteꝛs ſeind / dañ wann ſie deß Morgens fruͤ laut ſchreyen / vnnd mit den Fuͤſſen ſcharꝛen / iſt ſolches ein zeichen ei - nes guten Wetters / wann aber ſie langſamb vnnd faul herein gehen / alsdann wehets oder regnets gern.

Man vermeint / daß die Eſel / woferꝛn ſie nur gute vnnd rechtſchaffene Meiſter hetten / in vilen kuͤnſtlichen dingen koͤndten vnderwi - ſen vnnd abgericht werden / nemblich in den ſtudiis vnd auff Lautenſchlagen / deßgieichen im muſiciren / dann damit einer ein guter mu - ſicant ſey / werden zwey ding darzu erfordert / nemblich ein gutes Gehoͤr / vnd ein gute ſtim̃: vnd eben diſe zwey requiſita vnd eygenſchaf - ten hat der Eſel in ſuperlatiuo gradu vnnd außbuͤndig / dann kein einiges anders Thier / ja die Talpæ oder Maulwirff ſelbſt / vber trift den Eſel im Gehoͤr / vnnd derwegen hat er ſo ſchoͤne lange Ohren. Als Apollo mit dem Marſia Satiro in die wett muſiciren wolte /L 3beſtel -166Der Landtſtoͤrtzer.beſtellte er den Koͤnig Midam zu einen arbi - trum oder Schidtsrichter / weil aber Midas ein vngeſchickter grober Koͤnig war / vnnd wider den Apollinem erkennte vnnd vrtheil - te / ſo ſetzte Apollo jhm lange Eſelsohren an / zum zeichen vnnd gedaͤchtnuß / daß er hin - fuͤran ein deſto beſſere gelegenheit haben ſol - te / die muſicaliſche Jnſtrumenten vnnd to - nos deſto beſſer von einander zu vnderſchei - den. Gleichwol ſagen andere / daß durch deß Koͤnigs Midæ lange Eſelsohren nichts anders bedeut wirdt / als daß etliche Koͤni - ge vnnd Fuͤrſten ſich / wie die Eſel / von jh - ren Schmaichlern vnnd Vnderthauen bey den Ohren lupffen / vnd dermaſſen vmbziehen vñ narꝛen laſſen / dz dieſelbigen keinen ſchnal - ler vmb jre Gebott geben. Was aber die ſtim̃ deß Eſels belangt / iſt dieſelbe dermaſſen hell vñ klar / daß ſie vber ein halbe meil wegs gar wol gehoͤrt werden kan / vnd derwegen treflich wol in die Orgel taugt.

Vber oberzehltes alles hat der Eſel die tu - gendt der arbeitſeligkeit / vnnd iſt allen Hof - leuthen ein Spiegel vnd Exempel der gedultvnd167Der Landtſtoͤrtzer.vnnd vnuerdroſſenheit / dann wie der Eſel den gantzen Taglang hart vnnd ſtreng ar - beitet / vnnd nicht außſetzet noch auch nach - laͤſt / biß er nider faͤllt vnnd verrecket / vnnd doch darneben nur mit ein wenig Stroh fuͤr gut nimbt / Alſo haben die Hofleuth von jugendt auff / biß in jhrem hohen Al - ter / harte vnnd ſtrenge Dienſt / vnnd ſonder - lich die jenigen / welche die Feder fuͤhren / vnnd die geheimnuß der Koͤnige vnder Haͤnden ha - ben / derwegen werden ſolche Leuth der Fuͤr - ſten Eſeltrager genennet / ſie muͤſſen auch bißweilen mit einem buͤſchlen Stroh fuͤr gut nemmen / wann andere muthwillige Roß vnd Schwetzer den Habern freſſen / Wie auch der Eſel einfeltig / nicht begirig / eygenwitzig / noch auch ein Vollſauffer / Schwaͤtzer vnd Verꝛaͤther iſt / vnd nit deſto weniger bißweiln vbel tractirt vnnd gepruͤgelt wirdt / alſo ob ſchon die Hofleuth ſchlecht / recht / fromb / auffrecht / redlich / ſtill vnnd verſchwigen ſein / ſo vberkommen ſie doch bißweilen letztli - chen den Eſelslohn: Weil (ſag ich) ſie wie die Polſterhuͤndlein den Wadel nicht ruͤh -L 4ren /168Der Landtſtoͤrtzer.ren / fuchsſchwaͤntzlen / vnnd ſich inſinuiren vnnd zudaͤppiſch machen koͤnnen / ſonder wie der Eſel Eſopi / mit den groben Fuͤſſen der Warheit / auff die Herꝛn ſpringen / ſo werden ſie mit Bruͤglen der Vngnad abgedanckt / vñ eben diſes iſt auch mir beſchehen / dann weil ich meinem vorigen Herꝛn dem Cardinal vnd der Frantzoͤſiſchen Boitſchafft bißweilen die Warheit zu verſtehen gab / ſo wurden ſie mir feind / vnd gaben mit den Sack.

Beſchließlichen wie man allerley Eſel ha - ben muß / nem̃lich groſſe / kleine / mittelmaͤſſige wilde vnnd zaͤme / ja gehoͤrnte Eſel ſindt man in Jndien / alſo vñ ebner geſtalt werden in den rebus publicis vnd Landen / oder an den Hoͤ - fen der Fuͤrſten allerley dergleichen Perſonen Eſeliſche Perſonen erfoꝛdert / welche mit den oberzehlten guten qualiteten vñ eygenſchaf - ten geziert vnnd verſehen ſein muͤſſen / dann ſonſten wirdts jnen ergehen / wie jenem vnbe - ſonnenen ſtoltzen Eſel Eſopi / welcher mehr zu ſcheinen vnd zu ſein begerte / weder er war / derwegen ſich mit einer Loͤwenhaut bedeckte / vnd in ſolcher geſtalt vnder den andern Thie -ren169Der Landtſtoͤrtzer.ren erſchine / in meinung / daß man jne durch diſes mittel fuͤrchten / vnnd vor jhm entſetzen / auch letztlichen jhrer aller Herꝛ werden wuͤr - de: Aber die andere Thier waren nit ſo gar thierlich vnd beſtialiſch / daß ſie den betrug di - ſes verkleidten Eſels nit verſtunden / derwegen wiſchten ſie alle vber jhne her / zohen jhm die Loͤwenhaut ab / vnnd tractirten jhne wie einen Eſel dermaſſen / daß er keinen luſt mehꝛ hatte / ſich zu verkleiden. Wer derwegen mit der E - felshaut vberzogen / vnd in der Haut ein Eſel iſt / der ſchaͤme ſich nit / einer genennt zu wer - den / dann wie ein Eſel / ein Eſel iſt vnd bleibt / auch ſchwerlich in einen Caual verkehrt kan werden / vnangeſehen man jhm den Zaum / Sattel / Zierd vnd Woldrappa eines Pferds auflegt / alſo ſehẽ wir / daß / ob ſchon ein Bawr / Handtwercksman oder Kauffman / oder Schreiber noch ſo vil Gelts vnnd Guts ero - bert / vnd die Zierd vnd das Kleynod deß Adels erlanget / er doch ſein vorige grobitet vnnd vnartigkeit jederzeit behelt: Aber ob ſchon dem allem alſo / ſo woͤllen doch vil geboꝛne Eſel keine ſein / ſonder legen ein Loͤwen hautL 5oder170Der Landtſtoͤrtzer.oder Fuchshaut / oder Schafhaut an / das iſt / ſie ziehen mit groſſen dicken Leibern / mit lan - gen Baͤrthen vnd grauitetiſchen Sitten auf / ſtellen ſich / als waͤren ſie Loͤwen / dapffere / herꝛ - liche vnd fuͤrtreffliche Maͤnner / woͤllen von allerhand ſachen diſcurriren, oder die Staͤtt vnd Laͤnder regieren / aber vnuerſehens laſſen ſie jhre Eſelsohren vnd vngeſchicklichkeit her - fuͤr kucken / vnd beſtehen mit ſpott vnnd ſchan - den. Weil dann die Menſchen ein ſo groſſe conformitet, vergleichnuß vnd correſpon - denz mit den Eſeln haben / vnd wir ſchir auff einerley weiß genaturt ſeind / ſo haben wir nit vrſach vns jhrer ſo ſehꝛ zu ſchaͤmen / noch auch vns zu erzuͤrnen / wann man vns Eſelleuth nennet / vnd den ſchoͤnen Tittel Meſſier Aſi - no gibt.

Capvt XXII.

Guſman redet ferꝛner von der Ignorantz.

AVff diſen meinen diſcurs gab der Herr Graf kein andere antwort / alsallein171Der Landtſtoͤrtzer.allein / daß er mich fragte / was dem Men - ſchen beſſer anſtuͤnde / die aſinitet vnnd E - ſellſchafft / oder die Jgnorantz? Jch ant - wortet vnnd ſprach: Gnediger Herꝛ / ich bin gleichwol noch jung vnnd vngelehrt / aber doch will ich euch gern ſagen / was ich von der Jgnorantz halte / daß nemblich ſie eben ſo loͤblich vnnd nutzlich iſt / als die aſinitet: Vil beſſer iſt ſie / denn die gelehrtheit / dann wann die gelehrtheit nit beglait wird mit der from̃ - keit (jnmaſſen gemeingklich beſchicht) als dañ iſt ſie vil ſchaͤdlicher / denn nutzlich: derwegen ſagt Cicero / dz die eloquentz in der Hand ei - nes boͤſen Menſchẽ / gleich ſeye einem ſchwerdt in der hand eines vnſiñigen Narꝛen / vnd eben diſer vrſachen halben ſeind die Rectores vnd Oratores vilmals auß Rom vertriben vñ auf ewig verwiſen worden. Die gelehꝛten Poeten ſeind gemeinglich eytel / veꝛlogen vñ ſchmeich - ler. Ein Poet iſt gleich einem Gartner / der jmmerdar in ſeinem Mundt die Blu - men / Zweig / klare vnnd friſche Waſſer / Roſen / Violen vnd dergleichen ding fuͤhret / aber in ſeinem eygnen Garten niemaln einigefrucht172Der Landtſtoͤrtzer.frucht abbricht / bißweilen transformiret et ſich in einen verdorbenen Jubilirer / der mit Corallen / Hiacinten / Chꝛiſtall / Topat / Dia - manten / ꝛc. vmbgehet / aber an ſeinen Fingern ſihet man niemaln einen: Dannenhero iſt ein ſolche Kunſt eytel / ſeytemal kein feucht oder nutz drauß erfolget / vnd iſt vil beſſer / daß einer kein Poet ſeye / weder daß er naͤrꝛiſch oder be - ſeſſen waͤre. Die Logici machen ſich mit jh - ren Syllogiſmis mauſig vnd vnnuͤtz / vnd ver - wirꝛen die Warheit: Die Arithmetici ver - tieffen ſich in jhrer algebra dermaſſen / daß der Compaß jhr es verſtandts allerdings ver - ruckt wirdt: Es verurſachet vnd machet auch diſe Kunſt ſpitzfindige Rechner / Wucherer / falſche Kramer / Kauflenth vnd Banckerotti - rer. Derwegen ſagte Plato, daß diſe Kunſt durch die boͤſe Geiſter erfunden worden / vnd Licurgus hat ſie gar verbotten. Die Geo - metria diſtrahirt die Menſchen dermaſſen / daß ſie nicht wiſſen / ob ſie lebendig oder todt ſeyen / vnd gleichſam̃ den vnſinnigen gleich ſe - hen. Was kan verwirꝛters ſeyn / als eben die quadratur deß circuli? Die Aſtrologia iſtſchir173Der Landtſtoͤrtzer.ſchir ein lauters Lugenwerck / vnnd erfuͤllt mit allerhand eyteln imaginationen, einbildun - gen vnd meinungen der Aſtrologorum vnd contemplanten, welche nichts anders thun / als Sterngucken / gen Himmel ſchawen / vnd mit jhꝛem blechenem verſtandt die geheimnuß der zukuͤnfftigen dingen außmeſſen / wiſſen vñ weiſſagen / O wie vil beſſer aber vnnd annem - licher iſt Gott dem Herꝛn ein gute vñ beſchei - dene ignorantz, deñ ein ſolche ſchaͤdliche ge - lehꝛtheit der Aſtrologorum. Derwegen iſt kein wunder / daß Keyſer Domitianus alle Mathematicos vnd die jenigen / welche man Philoſophos nennet / auß Rom vertriben / dann in deme ſie jmmerdar die Geheimnuß der Natur vermeſſentlich ſuchen / von der zeit / vom vacuo, infinito vnnd ſummo bo - no diſputiren, ſo verlieren ſie dardurch jhre zeit / vnnd werden laͤr am verſtandt / vnnd vn - gluͤckſelig.

Die Legiſten oder Iuriſten ſeind bißwei - len erfuͤlt mit widerwertigkeit / meinungen vñ jrꝛthumben / ſeind authores vnd patroni der controuerſien vnnd feindtſchaffter / ſeindverder -174Der Landtſtoͤrtzer.verderber der Witwen vnnd Waiſen / ja die allerbeſten Juriſten ſeindt bißweilen die aͤrgiſte Chriſten: dermaſſen ſtoltz / hoffertig / vnd auff geblaſen werden die Gelehrten zu zei - ten / daß ſchier niemandt mit jhnen außkom̃en kan / ein ſchlimmer Bachant, Baccalaureus oder Orator machet ſich ſo gar mauſig / daß er vermeinet / daß jm ein jeglicher weichẽ muͤſ - ſe: Wann ein Legiſt nur die paragraphos mit vilen falſchen cautelis allegiren kan / vermeinet er / daß er vnnd ſein Fraw in den Gaſtereyen oben an ſitzen / vnnd in dem ge - hen allzeit die præminentz haben muͤſſe. Je - ner Sophiſt Diogenes war dermaſſen ſtoltz / dz er ſich nit allein nit bewegte / als Alexander der groß jhne gruͤſte / ſonder auch jhne hinweg ſchaffte / damit er nit voꝛ jhm ſtehen vnnd den ſchatten der Sonnen benemmen ſolte.

Hierauß erſcheint nun / daß die ſo groſſe ge - lehꝛheit nichts anders iſt / als ein tribulati - on, vnruhe vnnd reiſſung deß Kopffs / ja ein verderbung deß Leibs vnnd der Seelen / aber die Jgnorantz iſt ein jmmerwehꝛende vnd ſuͤſ - ſe ruhe des Geiſtes.

Diſes175Der Landtſtoͤrtzer.

Diſes hat Keyſer Licinius wol verſtanden die gelehrtheit veracht / vnd die Gelehrten ver - jagt / deßgleichen thate auch Keyſer Valenti - nianus / nach jhrem Exempel thuns auch biß - weiln die Potentaten / Herꝛen vnnd Edel - leuth / dann gemeinlich ſeind ſie mit der Edlen Jgnorantz gezierdt / vnnd ſie ſelbſt zieren vnd lieben auch die Jgnoranten vilmehr / denn dir Gelehrten vnd Weiſen / vnd zwar nit vnbil - lich / dann was kan jhnen ſpoͤttlicher ſeyn / als wann man von einem Koͤnig / Fuͤrſten oder groſſen Herꝛen ſagt / daß er ein gelehrter Magi - ſter geweſt / oder Buͤcher cõponirt / oder ein diſputirer geweſt? Kein Fuͤrſt ſoll ſo hoch gelehrt ſeyn / daß er Ketzereyen ſtifften koͤnne[:]Das haben ohne zweiffel die Alten wol ver - ſtanden / vnd derwegen veroꝛdnet / daß auf den hohen Stifften / ſonderlich im Teutſchland / keine Thumherꝛn / ſo Doctores / ſonder nur die Edelleuth zu Biſchoffe erwehlt werden.

Beſchließlichen iſt die Jgnorantz vil ſiche - rer / weder die Gelehrtheit / dann wer vil kan / den gehet vil an / weil die Gelehrten vil wiſ - ſen vnnd verſtehen / ſo muͤſſen ſie vil verant -worten /176Der Landtſtoͤrtzer.woꝛten / vñ jhꝛ von Gott empfangenes talent verꝛechnen / wer vil hat empfangen / von dem - ſelben wirdt vil gefordert werden: Weil ſie die Geſetz / Gebott vnd willen Gottes gewuͤſt vñ verſtanden / vnd aber ſie nit vollzogen haben / ſo werden ſie vil harter vnd ſchwerer geſtrafft werden / denn die ignoranten vnnd einfaͤlti - gen / ſo die ſach nit verſtanden.

Was aber das zeitliche belangt / ſeind die ignoranten gleichfals ſicherer / dann lieber / was kan gefaͤhrlicher vnd armſeliger ſein / als eben die jenige gelehrte fauoriten, welcht entweder ſchlechter vrſachen halben in vn - gnad vnnd Lebensgefahr bey jhren Koͤnigen gerathen / oder von andern verhaſt / verfolgt vnd gepeinigt werden / oder ſonſten mit jhren dienſten vnnd verꝛichtungen ſo vil zu ſchaffen haben / daß ſie durchauß kein ruhe / troſt noch ergetzlichkeit haben / ſonder als Sclauen vmb - gezogen werden / hergegen ſihet man bißweilẽ die Ignoranten, vngeſchickte grobe Ge - ſellen / vnnd Teutſche Michel vnnd Toͤlpel zu Hof vnnd auff den Ambtern dominiren vnnd triumphiren, &c. O heilige Jgno -rantz /177Der Landtſtoͤrtzer.rantz / O nuͤtzliche / O ſichere Jgnorantz / ſelig iſt der dich beſitzet / vnnd wolbrauchet: Selig iſt das Landt / deſſen Regenten vnnd Officier Jgnoranten ſeind / oder welches gar keinen magiſtrat hat / vnd ohne Geſetz iſt / jnmaſſen in der newen Welt beſchehen / alida die Jn - wohner vil ordentlicher vnnd fridlicher leben / denn wo vil Officier / Doctores vnd Aduoca - ten ſeind. Diſes hat wol verſtanden ein fuͤr - nemmer Roͤmiſcher Rathsherꝛ zu Rom / wel - cher ſagte / daß vor alten zeiten die Roͤmiſche Rathsherꝛn einen ſehr vbel ſtinckenden A - them hatten / aber daß jhre Maͤgen nach By - ſem vñ Amber deß guten Gewiſſens ſchmeck - ten: Hergegen daß die jetzige Rathsherꝛn ei - nen parfumterten lieblichen Athem / aber ein ſehr boͤſes Gewiſſen haben: Hierdurch gab er meines erachtens zu veꝛſtehen / daß vnſere jetzi - ge Rathsherꝛen biß weilen den vberfluß der ge - lehrtheit / aber groſſen mangel an der diſcre - tion, fuͤrſichtigkeit vnd weißheit leiden. Die vnhoͤfligkeit / die vnwiſſenheit / die einfalt vnd die vngelehrtheit wirdt gar gern begleidt mit der innocentia vnnd vnſchuidt / aber die cu -Mrio -178Der Landtſtoͤrtzer.rioſitet vnd ſubtilitet wird beglait mit der Boßheit: Die demut / foꝛcht / gehoꝛſam vnnd guͤtigkeit begehren ein laͤhre / gelehrnige vnnd demuͤtige Seel / welche nit vil von jhr ſelbſt preſumiret. Kein ſchaͤdlicher ding iſt auff Erden als eben der Fuͤrwitz: Die ſoꝛg vnnd begird ſich in der Weißheit vnnd ſcientz zu augmentiren / iſt geweſt der erſte fall vnnd verderben deß Menſchlichen Geſchlechts / ſie iſt auch der weeg / auff welchem man ſich ſtuͤr - tzet in die ewige Verdamnuß. Selig vnnd a - bermal ſelig ſeind derwegen die Jnnwohner in Breſilia / welche nur wegen deß hohen al - ters ſterben / vnnd nicht wegen deß geſunden Luffts / ſonder wegen der jhrer geſunden / ruhi - gen vnnd ohn paſſionirten Seelen ſo lang le - ben. Dann fuͤrwar / diſe Leuth verzehren jhr le - ben in aller einfalt / in der Jgnorantz / ohne Gelehrtheit / ohne Geſetz / ohne Koͤ - nig vnnd ohne Reli - gion.

Capvt179Der Landtſtoͤrtzer.

Capvt XXIII.

Guſman erzehlt / was jhm ſeines Herꝛn Hofmeiſter fuͤr einen poſſen geriſſen.

DEr Herꝛ Graf lachte vber diſes mein Geſchwaͤtz / vnd ſagte / Guſ - man / du redeſt von der ſachen wie ein Lapp / aber auffm Weg gehets wol hin. Jn wehrender ſolcher vnſer conuerſation kamen wir zu der Herberg / vnnd mein Herꝛ befalche / daß man mich ſolte wol tractiren / das verdroß aber die andere Diener / wur - den mir neydig vnnd feindt / vnnd legten mir vber Tiſch nur die Bein vnd Nieren fuͤr / ich aber erzeigte jederzeit ein groſſe Gedult / vnnd gedachte an die Wort: Oſſibus & ner - uis compegiſti me: Als auch ich mich in einen winckel deß Hauſes (dann kein beth gab man mir) ſchlafen gelegt / namẽ ſie mich beym Kopff vñ Fuͤſſen / trugẽ mich in meines Herꝛn Schlafkammer / legten mich vnden bey ſeinẽ beth nider / vñ banden mir ein wachsliecht anM 2den180Der Landtſtoͤrtzer.dem Fuß. Das Wachsliecht hielt ſeinen diſ - curs, vnd vollbrachte ſeinen Lauff / vnd als es zu meinem Schuch vnd Fleiſch kam / erwach - te ich / vnnd fing jaͤmmerlich an zu ſchreyen / dann es traumte mir / daß mich der Teuffel hinweg fuͤhren wolte: Jch gedachte auch / daß ich allbereit in der Hoͤllen lege / ſeytemal mein Fuß anfing zu brinnen. Mein Herꝛ lag gleich - fals im erſten Schlaf / erſchrack ob meinem geſchrey / ſpꝛang im Hembd vom Beth / ſchrye vñ vermeinte / daß es ein Geſpenſt waͤre. Vn - ſer beyder alteration vnd ſchrecken / vnd ſon - derlich meines Herꝛn / war dermaſſen groß / dz er gedachte zu ſterben / man ſchickte alsbaldt nach dem Balbirer / der jhm zur Ader ließ vnd mir meinen verbrenten Fuß verbandt. Er war ſehr vbel mit den Dienern zu friden / vnd ſonderlich mit dem Hofmeiſter / der deſſen al - lein ein Anſtiffter geweſt war / vnnd mir diſen poſſen auß lauter neyd geriſſen / derwegen gab er jm als bald vrlaub / vnangeſehen ich (gleich - wol nur zum ſchein) ſtarck fuͤr jhne interce - dirte vnd bate.

Folgendis ſprach er zu mir: Guſman / dugefelſt181Der Landtſtoͤꝛtzer.gefelſt mir wol / vnnd will dich fuͤr einen Die - ner annemmen / fuͤr einen Hofmeiſter gebrau - chen / vnd zu Neapolis mit Kleidern ſtaffiren. Das empfandẽ die andere Diener noch mehꝛ / weil ſie ſahen / daß ein ſolcher vnbekandter Stoͤrtzer / vnnd vmblauffender zerꝛiſſener Menſch jhr Hofmeiſter ward. Jch aber ward heimlich froh / hielt mich fuͤr den allergluͤckſe - ligiſten Menſchen auff Erden / fing an mei - nen dienſt zu vertretten / vnd wuſte mich zim - lich in die Sach zu ſchicken / dann ich war von Natur demuͤtig / hatte allbereit gelernt zu ge - horſamen / vnnd derwegen kondte ich deſto beſſer ſchaffen: Darzu halff auch vil mein an - gebornes adeliches Gemuͤth / das ward aber verderbt durch boͤſe geſellſchafft / jnmaſſen voꝛ zeiten dem Roͤmiſchen Catalina beſchehen / dann derſelb war ſehr edel / aber ward dermaſ - ſer verfuͤhꝛt vnd boßhafftig / daß er vil andere ſeines gleichen verfuͤhꝛte / dañ vnmuͤglich iſts / daß einer lang tugentſamb ſein / vnd in ſeinem ſtandt verbleiben koͤnne / woferꝛn er vmbgeben iſt mit boͤſer geſellſchafft. Eſopus erzehlt / was geſtallt ein Kohler vnnd ein Waͤſcher ſich mitM 3einan -182Der Landtſtoͤrtzer.einander verglichen / daß ſie beyſammen woh - nen vnd arbeiten wolten / aber der vnbeſonne - ne Waͤſcher erfuhꝛ im werck die gefahꝛ vnnd vngelegenheit / dar in er ſich geſetzt hatte / dann alles was er reinigte vnnd weiß machte / das machte der Kohler ſchwartz vnd vnrein: we - der das edle Blut / noch die fleiſſige erzeigung / noch die ſorgfaͤltige vnderweiſungen vnnd er - mahnungen / noch die vberfluͤſſige vnderhal - tung ſeind ſufficient vnnd gnugſamb / das Hertz eines Menſchen zu arbeiten / wofern es vmbgeben iſt mit boͤſer geſellſchafft / vnd eben diſes iſt auch mir widerfahren / dann weil die junge Leut einer zarten condition ſeind / vnd ein duͤnnes ringes vnd liederliches Blut habẽ / ſo folgen ſie nur deme nach / was ſie ſehen / vnd ſie vnderſcheiden das boͤſe nit von dem boͤſen: Jhre diſcretion erſtrecket ſich noch nit ſo weit / daß ſie erkennen moͤgen / was jhnen wol oder vbel anſtehet / vnd wer ein guter oder boͤ - ſer Freundt ſeye / weil auch ſie mehreꝛs lieben / denn verſtehen / ſo verlieben ſie ſich leichtlich in die jenigen / mit denen ſie vmbgehen. Aller - dings transformiren vnd verkehren ſie ſichin183Der Landtſtoͤrtzer.in jhre Sitten / eben diſes war mein aller groͤ - ſter Schad / vnnd hat verurſacht / daß ich die gantze zeit meines Lebens muͤhſelig vnd arm - ſeligklich vmbgezogen.

Capvt XXIV.

Guſman wirdt ſtattlich wie ein Hofmeiſter gekleidt / vnd fahet wider - umb an zu bue - len.

ALs wir gen Neapolis kamen / ließ mich mein Herꝛ ſtattlich kleiden / wie einem Hofmeiſter gebuͤhret / da wuͤnſchete man mir gluͤck / vnd die Diener fingen erſt an / mich zu reſpectiren / zu verehꝛen vnd meinen befehlen zu gehorſamen / gleichſamb hette mir das Kleidt die ſufficient vnnd laugligkeit zum Dienſt gegeben. Nit allein ward ich al - ſo ſtattlich gekleidt / ſonder wañ mein Herꝛ der Graf in der Kaꝛotzen wohin außfur / muſte ich auff einẽ ſchoͤnen Pferdt neben jhm herreitẽ / daß war mir nun ein groſſe ehꝛ / vñ ich gedũck - te mich nit wenig zu ſeyn. Einmals ſahe ich /M 4daß184Der Landtſtoͤrtzer.daß ein ſehꝛ ſchoͤne Jungfꝛaw in meines Herꝛn Hauß mit fleiß auff mich ſahe / die hieß la Si - gnora Liuia: war aber meines Herꝛn ſchwe - ſter / vnd nit deſto weniger war ich ſo gar naͤr - riſch vnd vermeſſen / daß ich mir einbildete / dz ich jr in meinem ſchoͤnen Kleid ſo gar wol ge - fallen / vnd daß ſie einlieb zu mir geſetzt hatte / derwegen fing ich gleichfals alsbald an / mich in ſie zu veriieben / vnd alle meine Sinnen vnd gedancken nur auff ſie zu ſetzen. Nur die Si - gnora Liuia lag mir im Sinn: Sehet was ſchoͤne Kleider vnd Gelt verurſachet: im we - nigſten betrachtete ich meinen voꝛigen Bettel - ſtaudt / Bernhaͤuterey vnd Armut / ſonder v - berkam newe gedancken vnd hoffnungen: ich vnderſtund mich / mein Hertz auff ſolche Fra - wen zu ſetzen / die ich zuuoꝛ nit hette mit meinẽ Augen doͤrffen anſchawen: Nit gebachte ich an das Exempel deß verlohꝛnen Sohns / vnd wie vbel es jhm mit ſeiner Bulerey vnd ſchoͤ - nen Frawen ergangen war. Als lang einer reich vnd im guten wolſtande iſt / laden ſich die ſchoͤne Fraͤwlein ſelbſt zu jhm zu gaſt / es præ - ſentiren vnd erbieten ſich tauſent Kupler vñKuple -185Der Landtſtoͤrtzer.Kuplerin / vnnd in allen Wirtshaͤuſern iſt er willkomb / lieb vnd angenemb / aber wann er arm worden / alsdañ iſt er menigklichs ſchab - ab. Das Roß / darauff ich in der Statt hin vnnd wider ſpatziren ritte / war ſchoͤn / ſtoltz / vnnd hoffertig / es beſchawte ſich ſelbſt / vnnd ſprang auß mutwilligkeit vñ geylheit / aber ich war vil ſtoͤltzer vnd hoffertiger: Taͤglich rit - te ich zweymal ſpatzieren / vnd hette mich gern den gantzen Taglang auff der Gaſſen befun - den / nur damit man meine ſchoͤne Kleider vnd den newen jungen Hofmeiſter ſehen ſolte. Einsmals ſahe ich ein ſehr ſtattliche vnnd ſchoͤne Fraw voꝛ mir hergehen / die war begleit von einer andern alten erbarn Frawen. Nun fing diſe Fraw an zu ſtraucheln / vnnd ſo gar nider zu fallen: Villeicht wars jhr ernſt / vil - leicht aber nicht: Jch aber ſprang geſchwindt / wie der Wind / vom Pferdt herunder / halff jr wider auffſtehen / vnnd ſprach auff Spaniſch zu jhr: Weil jhr mir / ſo bald ich euch geſehen / mein Hertz habt geſtohlen / ſo bitte ich / jhꝛ woͤl - lets gnedigklich tractiren. Sie verwunderte ſich / daß ſie mich hoͤrte Spaniſch reden / vndM 5ſtelte186Der Landtſtoͤrtzer.ſtelte ſich / als hette ſie ein wolgefallen dran / darneben gab ſie mir zur antwort / daß ſie ſich meines dienſts vnd huͤlff nit wuͤrdig erkennte. Jch ſetzte mich wider zu Roß / vnnd ſie ging heimb in jhrer Mutter Hauß: Da fing ich an / Schloͤſſer im Lufft zu bawen / vnd die re - uolution der gedancken zu empfinden. Der jetzt bemelten wort / die ſie zu mir geredt hatte / kondte ich je nit vergeſſen / vnnd ich nam dar - bey ab / daß ſie mir nit vnguͤnſtig waͤre.

Als ich nun wider heimb kam / ſetzte ſich mein Herꝛ zu Tiſch / vnd mein Signora Li - uia ſaß neben jhm / die gedunckte mich aber nimmer ſo ſchoͤn zu ſeyn / wie das erſte mahl / ohne zweiffel darumb / allweil die jetztbemel - te Fraw / dern ich wider auffgeholffen / mir mein Hertz allbereit etlicher maſſen hatte ge - ſtohlen. Nun fragte mich mein Herꝛ vber tiſch wie mir Neapolis gefiele? Jch antwoꝛtet jm / daß meines bedunckens in der gantzen Welt kein ſchoͤnere / herꝛlichere noch kurtzweiligere Statt gefunden weiden koͤnte: Mein ſigno - ra Liuia ſahe mich allzeit ſtarck an / wann ich anderſtwohin ſchawte. Dañ ich ließ mich ge -duncken /187Der Landtſtoͤrtzer.duncken / daß alle vnd jede Frawen ein gefallen an mir vnd meinem weſen hatten: Aber doch gedachte ich vilmehꝛ an die andere Fraw / dern Handt ich beruͤhꝛt hatte / als ich jhꝛ wider auff halff. Derwegen ging ich nach der Mahlzeit hinauß ſpatzieren / vnd erſahe ſie von ferne in Fenſter ſtehen / geſchwindt aber veꝛwendete ſie jhr Angeſicht von mir ab / deſſen betruͤbte ich mich zum hoͤchſten / Aber ein Magd eroͤffnete die Haußthuͤr / winckte mir mit den Angen / fuͤhrte mich durch zwo Gaſſen / vnnd gab mir zu verſtehen / was geſtalt jhꝛe Jungfraw gern geſehen hett / daß ich den voꝛigen Abendt we - re zu jhꝛ kommen / weiles aber nit beſchehen / ſo ſolte ich doch in der Nacht vmb zwoͤlff vhr kommen / vnnd auß dem Fenſter mit jhr reden: Deſſen frewte ich mich zum hoͤchſten vnnd ſchenckte jhr alsbald ein bar Ducaten wegen der guten Bottſchafft. Jch vergaß der benennten zeit nit / kein Schlaf fandt ſtatt in meinen Augen / ein jeglich ſtundt gedunck - te mich 100. Jahꝛlang zu ſeyn. Meines Herꝛn Hauß war gleichwol verſperꝛet / aber ich ſtieg zum Fenſter hinauß / verfuͤgte michzum188Der Landtſtoͤrtzer.zum Hauſe vnd Fenſter meiner Jungfrawen / das ſtundt gleichwol offen / vnd ſahe ein Liecht brinnen / aber darneben hoͤrte ich ein ſtarckes greinen / dann die alte Fraw zanckete ſich mit jrer Tochter / leydt war mirs / daß die alte noch auff war / vnd ſich noch nicht ſchlaffen gelegt hatte / dann ich muſte deſto laͤnger herauſſen auff der Gaſſen warten / vnnd gefahr außſte - hen. Letztlichen kam die Magd zum Fenſter / vnnd ſprach zu mir: Herꝛ / es gibt diſe Nacht nit gelegenheit mit der Jungfrawen zu reden / dann ſie hat geſtern ein koͤſtlich Kleynod ver - lohren / vnd jhre Mutter hats heut bey jhr ge - mengelt / vñ iſt ſehꝛ vbel zu friden. Da gedach - te ich gleichwol / daß ſolches nur ein Betrug ſein moͤchte / jnmaſſen mir dergleichen Poͤß - lein zu Toledo widerfahren war / aber doch weil die Buler blindt ſeindt / vnnd ich meines Herꝛn Beutel hatte / ſo gab ich jhꝛ zur antwoꝛt / daß ſie ſich deßwegen nicht kummern / ſon - dern ſehen ſolte / daß ich mit der Jungkfrawen reden moͤchte / es muſte entweder das Kleynod wider gefunden / oder ein anders erkaufft wer - den. Die Magd hieß mich warten / vnd baldtherna -189Der Landtſtoͤrtzer.hernacher kam die Jungkfraw Lelia, redete gantz lieblich mit mir / vnd ließ doch benebens etlich hertzliche ſeufftzer gehen / wegen jres ver - lohrnen Kleynods: Darneben ließ ſie ſich auch mercken / daß ich jhr nit vbel gefiel / vnnd daß ſie mich alsbald anfangs als ſie mich erſe - hen / lieb gewunnen / zumaln weil ich ein Spa - nier / vnd ohne zweifel eines guten Adelichen Geſchlechts waͤre. Jn ſumma / verurtheilt ward ich / das Kleynod zu zahlen / welches ſie ſagte / daß ſie es vorgeſtern / als ich ſie auff der Gaſſen angetroffen / verlohren hatte / vnnd v - ber 80. Ducaten werth geweſt ſein ſolte / dann ſie ſagte / daß es ein guldiner Papagey / vnnd mit etlichen ſchoͤnen Rubinen vnd Diaman - ten verſetzt geweſt / derwegen jre Mutter ſtarck mit jhr gegrinen / vnnd der gaͤntzlichen mey - nung waͤre / daß eben der jenig Mann / der jhr auff der Gaſſen wider auffgeholffen / jhrs ge - nommen: Dardurch gab nun die Jungkfraw zu verſtehen / daß / ob ſchon ich jhꝛs nit genom - men / ich doch der jenig ſein ſolte / der jhꝛs wi - der geben vnd ein anders kauffen ſolte. Nun verglichen wir vns dahin / daß ich in der an -dern190Der Landt ſtoͤrtzer.dern Nacht vñ zu eben derſelben ſtundt widet kommen / 80. Ducaten mit mir bringen / vnd daß es an einem Strickel gebunden / vnd zum Fenſter hinauff gezogen werden ſolte. Dar - mit gingen wir damals von einander / vnnd ich war eben ſo froh / als hette ich beyde Jn - dien erfunden: Die gantze Welt wolte ich nit darfuͤr genommen haben / daß ich Nea - polis nit geſehen hette.

Nunmehr O guͤnſtiger Leſer / befandt ich mich in einer groſſen melancolia vnnd vn - ruhe / vnd doch benebens in frewden / dann ich gedachte auff alle mittel / damit ich einen griff in meines Herꝛn mir anuertrautes gelt thun moͤchte / damit ers nit merckte oder erfuͤhre. Letztlichen entſchloſſe ich mich / es anzu - greiffen / vnangeſehen ers erfuͤhre / dermaſ - ſen groß ward die Begierd / mein Jung - fraw Leliam zu contentiren / dann fuͤr - war / die verliebte Buler gedencken nit auff das zukuͤnfftige / ſonder nur das gegenwerti - ge / dann weil ich reich war / vnnd den Beu - tel voller Gelts hatte / ſo gedachte ich nur auff die gegenwertige erluſtigungen / vnnd imwenig -191Der Landtſtoͤrtzer.wenigiſten machte ich mein Rechnung auffs kuͤnfftig Jahr / derwegen erging mirs dem gemeinen Sprichwoꝛt nach: Wer nit ſihet fuͤr ſich / der findet ſich hinder ſich: oder wer nit iſt Fuͤrſichtig / der wirdt hinderſichtig.

Mit groſſem verlangen erwartete ich die andere Nacht / zuuoꝛ aber wickelte ich 80. Kronen in ein ſtarnitzel / legte ſie in einen ſeydenen beutel fuͤr den verlohꝛnen Papagey / welcher mich gedunckte / das er zu mir ſagte: como eſtas loco cautiuo? das iſt: Gefan - gener Narꝛ / wie ſtehts / vnd wie gehts dir?

Nun wolan / in der beſtim̃ten nacht ſandt ich mein Nympham im Fenſter ligen vñ auf mich warten: Jch gab jhꝛ zu verſtehen / daß ſie ein Baͤndel oder ſtrickel herunder laſſen ſolte: Aber ſie war allbereit darmit gefaſt / vnnd zohe darmit den Beutel mit Gelt zu ſich hinauff / dann nach demſelben hatte ſie zwei - fels ohne / ein vil groͤſſers verlangen / weder nach meiner Perſon: Sie erzeigte mir auch groſſe zeichen der Lieb / vnd ſagte / daß wofern es in jhrer macht ſtuͤnde / ſie mich in derſelben Nacht zu jhꝛ einlaſſen wolte / aber doch woͤlleſie192Der Landtſtoͤrtzer.ſie auff alle muͤgliche mittel vnnd weg geden - cken / daß es ehiſtens beſchehe: Jn ſumma / ſie erfuͤllte mir beyde Wangen mit Windt / den verſtandt mit vnrichtigkeit / vnnd den willen mit guten hoffnungen / jnmaſſen der Weiber eygenſchafft iſt / daß ſie die einfaͤltige Buler aͤffen / bezaubern / vnd alslang der Beutel voll iſt / darin niſten / aber wann er laͤr iſt worden / ſie verlaſſen / vnnd ſampt den Schwalben ge - gen der Winterzeit ein anders Loſament oder Herberg ſuchen: Jn derſelben Nacht vnd nah beym Tag / kam ich wider heimb in meines Herꝛn Hauß / legte mich nider / vnd ſchlieff biß vber acht: das ward nun meinem Herꝛn ge - ſagt / derſelb lehrte ſein Schweſter die Jungk - fraw Liuiam an / daß ſie mich vber Tiſch fragte vnnd ſprach: Herꝛ Hofmeiſter / iſts in Hiſpanien auch der gebrauch / daß man deß Morgens nicht fruͤ auffſtehet? Jch antwortet vnd ſprach: der gleichen Geſellen / wie ich bin / vnd welche jhrem Herꝛn auff den dienſt haben zu warten / ſtehet das lange ſchlaffen nit wol / an / aber die Herꝛen vnd Frawen haben im ge - brauch / daß ſie auß dem Tag ein Nacht / vndauß193Der Landtſtoͤrtzer.auß der Nacht einen Tag machen / daß auch ſie der Soñen die Fenſter verſperꝛen / vnd ſich mit dem Liecht vnd ſchein deß Mohns behelf - fen / aber ich habs nit mit willen / ſonder auß noth gethan / dann ich hab mich in der vergan - genen Nacht vbel auff befunden. Die Jung - fraw vnnd jhr Bruder mein Herꝛ winckten einander / vnd gaben dardurch zu verſtehen / dz ſie von meinen Woꝛten nit vil hielten. Jch a - ber nam 100. Kronen von meines Herꝛn gelt zu mir / in meinung / ſie meiner Jungkfrawen zu ſchencken: Als derwegen ich zu jhrer Be - hauſung kam / lag ſie im Fenſter / vnnd ſagte mir / daß ſie auf mittel vnd weg gedaͤchte mich einzulaſſen: Jch glaubte es / vnd ſagte jhr / daß ſie ein Schnur herunder laſſen ſolte: daran band ich den Beutel mit 100. Kronen. Als - bald ſie diß Gelt vberkom̃en / gedachte ſie vil - leicht / daß an mir nit vil mehꝛ zu rupffen war / oder villeicht hatte ſie allbereit etwan einẽ an - dern Galan bey jhr im Hauſe / derwegen vnd in wehrendem vnſerm allerbeſten diſcurrirẽ vnd vnderꝛedung / ſprangen vier junge ſtarcke Kerl herfuͤr mit bloſſen wehꝛen / vñ ſtelten ſich /Nals194Der Landtſtoͤrtzer.als wolten ſie vber mich herwiſchen: aber ich nam den fluͤchtigen Fuß alsbald in die Hand / vnd es verkehrte ſich mein zarte vnd inbꝛuͤnſti - ge Lieb in ein groſſe foꝛcht / ſchꝛecken vñ angſt / dañ mein Beutel war laͤr woꝛden / vnd ich wu - ſte je nit / wie ich gegen meinem Herꝛn mit der rechnung beſtehen ſolte. Nun hoͤret wie mirs ferꝛner ergangen.

Capvt XXV.

Guſman wirdt befaͤngnuſt.

SElten kompt ein Vngluͤck alleinig / ſonder wirdt gemeingklich mit noch andern beglaidt / dann als ich wider zu hauß kam / fandt ich das Fenſter meines Loſa - ments offen / das gefil mir gleichwol nit / aber doch ſtig ich hindurch / vñ ſahe meinen Herꝛn ſampt vilen Dienern in meinem Zimmer ſtehen / dieſelbigen erſchracken an mir / ſchryen vnnd ſprachen: Jetzt haben wir den Dieb: ich wolte mich gleichwol entſchuldigẽ / aber kein entſchuldigung fand ſtatt bey jhnen / dann ſie vermeinten / daß ich der jenig Diebwar /195Der Landtſtoͤrtzer.war / welcher kurtz daruor in meinem abweſen durch das Fenſter geſtigen / vnd nichts im Lo - ſament gelaſſen hatte: Dannenhero hielt man mich fuͤr den rechten Thaͤter / vnd daß ich an jetzo keiner andern vrſachẽ halben waͤre wider hin kommen / als noch mehr auß dem hauſe zu entragẽ. Mein Herꝛ wolte mich nit anhoͤren / vnd die Diener verhetzten jne wider mich / vnd ſagten / daß eꝛ mir nit ſo vil trawen hette ſollen / ſeytemal er mich nicht zuuoꝛ gekennt hatte. Mein Herꝛ begerte Rechnung von mir / die gab ich jm geſchwind / aber es gingen die 300. Kronen ab / die ich verbult vnd vernarꝛt hatte / derwegen ließ er mich geſchwind auß dẽ Liecht in die Finſternuß legen / vnd mit einem ſteini - gen Haͤubel vberziehen / da gedachte ich an das jenig / was die Aſtrologi vñ ſternſeher meiner Mutter geweiſſagt hatten / dz nemblich ich vil Muͤhe / arbeit vnnd leibsſtraff wuͤrde außſte - hen / dann ob ſchon die Aſtrologia vilmals fehlt vnnd leugt / ſeytemal ſie ſich auff die ex - perientz der vergangnen effecten (welche vngewiß ſeind wegen der vngewißheit der ele - mentiſchen diſpoſition) fundiret / ſo pflegenN 2doch196Der Landtſtoͤrtzer.doch dergleichen Weiſſagungen bißweilen zu zutreffen / zumaln wann der Menſch ſich ſelbſt zum verdeꝛben geneigt vñ befliſſen iſt / vñ ſelbſt ſemem vnheil nachtrachtet. Jch bate meinen Herꝛn vmb gnad vnd verzeihung / aber es war alles vergebens / ſonder man fuͤhrte mich auß meines Herꝛn Gefaͤngknuß in die gemeine Schachteley oder Hofgefaͤngknuß / deſſen ſchaͤmete ich mich zum hoͤchſten / dann auß al - len Gaſſen vnd Haͤuſern lieffen die Leuth her - zu / vnd wolten den jungen vnd ſchoͤnen Spa - niſchen Hofmeiſter ſehen: Nichts aber ver - droß mich ſo ſehr / als eben daß ich vor dem Lo - ſament der Jungkfrawen / dern ich die 180. Kronen angehenckt hatte / fuͤrgefuͤhrt ward / dann ich ſahe / daß ſie neben jhrem Galan im Fenſter lag / mit Fingern auff mich zeigte vnd meiner ſpottete.

Als ich nun in diſe Gefaͤngknuß kam / da fing ich an in mich ſelbſt zu gehen / vnd meinen elendigen Standt vnnd beuoꝛſtehende gefahr zu erkennen / dann nicht allein war ich meiner freyheit beraubt / ſonder ich hatte auch nichts zu eſſen / zu dem befandt ich im werck / daß der -gleichen197Der Landtſtoͤrtzer.gleichen gefaͤngnuß je nichts anders ſeind / als ein ebenbild der Hoͤllen / dañ wañ einer bey der Nacht hinein kompt / ſo ſihet vnnd hoͤret man nichts anders / als ein ſchroͤcken der dicken Finſternuſſen / deß verwirꝛten ſchreyens vnnd ruffens / deß rauſchens der Ketten / deß vnley - denlichen geſtancks / vnd deß klaͤglichen ſeuff - tzens / dann nur der Hepffen oder der faum der Welt kompt daſelbſt zuſammen / gezwungen ward ich / einem jeglichen in der Gefaͤngnuß zu dienen / vnd jhnen jhre Speiſen zu zutragen / dardurch bekam ich bißweilen ein ſtuck Brots vnnd einen trunck Weins: Weil man mich auch ſechs wochenlang ligen ließ / ſo ward mir gerathen / daß ich ein Supplication machen / vnd vmb erledigung anhalten ſolte: Jch folg - te diſem guten rath / ſuchte Feder vñ Dinten / vnnd ſchrib ein ſupplication: Als die ande - re Gefangenen mein Schrifft vnd Gedicht ſahen / verwunderten ſie ſich / hielten mich fuͤr einen Gelehrten / vnnd jederman kam zu mir / vnnd begerte / daß ich jhnen ſupplicationes machen vnd ſchreiben wolte / durch diſes mit - tel gewann ich etliche Real / vnd ſpickte darmitN 3meinen198Der Landtſtoͤrtzer.meinen Beutel: Letzlichen erbarmte ſich mein Herꝛ vber mich / vnd ließ mich widerum̃ auff freyen Fuß ſtellen.

Capvt XXVI.

Guſman dienet widerumb fuͤr einen Koch / vnnd komptgen Montſerrat.

ALsbald ich widerumb ledig worden / begegneten mir zwen junge Spanier / die dienten dem Koͤniglichen Statt - halter zu Neapolis / vnnd ſagten mir / daß jhr Herꝛ vorhabens waͤre / widerum̃ in Hiſpanien zu ziehen / vñ daß er eines Kochs bedoͤꝛffte / der mit jhm reiſte: Jch gab jhnen zur antwort / daß ich wol kochen koͤndt / vnd vrbietig waͤre / jhrem Herꝛn zu dienen: Sie brachten mich zu jhm / vnnd er empfing alsbald / vnd hatte ein ſo gutes gefallen an meinem reden vnnd weſen / daß er mich fuͤr einen Koch annam: Sehet die vnbeſtaͤndigkeit deß Gluͤcks: zu - vor war ich eines anſehenlichen Herꝛn Hof - meiſter / an jetzo aber bin ich nur ein ſchmotzi -ger199Der Landtſtoͤrtzer.ger vnd rotziger Koch / Suppenſchmidt vnnd Abſpuͤler. Jch kehrte widerumb zu meinem centro, wie der Fiſch zum waſſer / vñ ſchickte mich dermaſſen in die kocherey / dz mein Herꝛ der Statthalter ein ſonderbares gefallen an mir hatte / mich wie ſein eygnes Kindt liebte / mir allen meinen willen ließ / vnnd das Laſter deß Spielens verſtattete. Meines Herꝛn Fraw war ein Hochteutſche / ſie hatte ein bar Augen / die glantzten wie zwen Stern deß Himmels / vnd kondten im vbrigen vergli - chen werden dem Mohn am juͤngſtẽ Gericht / wann er blutroth ſein wirdt: Jhre Wangen waren wie Scharlach / vnnd ob ſchon ſie weiß war / ſo hatte doch das durch den Noe erfun - dene Laſter jhr Angeſicht / vnnd ſonderlich die Naſe / mit etlichen Rubinen geziert: Sie war auch ſehꝛ from̃ vnd guͤtig / außgenom̃en wann ſie nichts zu trincken hatte / dann alslang der Wein wehrete / war ſie guter ding / ſon - ſten aber thate ſie nichts anders / als grei - nen / toben vnnd wuͤten. Mein Herꝛ der Statthalter ſchickte ſich gar fein inn jhren humor, vnnd tranck eben ſo gern / als ſeinN 4Fraw:200Der Landtſtoͤrtzer.Fraw: Einsmals ließ ſie ſich im Trunck verlauten / daß ſie Neapolis nicht gedaͤchte zu - uerlaſſen / ſeytemal er jhr verſprochen allda zu verbleiben / an jetzo aber ſehe ſie das widerſpil / daß er nemblich ſie gedaͤchte in Spanien zu - fuͤhren / dahin man aber ſie lebendig nit brin - gen werde. Mein Herꝛ lachte anfangs druͤber / vnnd hieß ſie ſtillſchweigen / aber ſie ſchrye je lenger je hefftiger: derwegen wolte mein Herꝛ verſuchen / ob nit andere ding kraͤfftiger waͤ - ren / weder ſeine Wort / derwegen hub er ſein freundliche Hand auff / vnd beruͤhrte ſie der - maſſen an ein ort / daß jhr nit allein ein Zahn auß dem Halß gewichen / ſondern auch zween Brunnquellen auß jhrem holdſeligen Mund entſprangen / der erſt war blutroth / vnnd war ein gerechter Menſchlicher Safft vnd roſen - farbes Blut / der ander aber war ein allbereit verderbter blaicher Rebenſafft / deſſen ſie vber Tiſch vil zu vil getruncken hatte / dann der ge - brauch iſt an vilen orten / daß die zuͤchtige Fra - wen eben ſo trewhertziglich trincken vnnd be - ſchaid thun / als die Maͤnner: Mein Fraw aber erzuͤrnete ſich / ergrimte wie ein Loͤwin /vnd201Der Landtſtoͤrtzer.vnnd wolte meinen Herꝛn mit einem Meſſer erſtechen / aber ich vnd meine Mitgeſellen ver - hindertens / lieſſen jhre Wunden verbinden vnnd fuͤhrtens ins Beth. Deß andern Tags hernacher wuſte ſie ſchier nichts vmb diſen verloffenen handel / aber doch kennte man ſie an den Mahlzeichen / die ſie im Angeſicht hat - te / deſſen ſchaͤmte ſie ſich etlicher maſſen / nit ſo ſehꝛ wegen deſſen / dz ſie voll vnd truncken ge - weſt / (dann die Voͤllerey iſt in Teutſchlandt weder den Maͤnnern noch den Weibern kein ſchandt) ſonder daß jhr Herꝛ ſie geſchlagen hatte / dann daß die gemeine Burgers-vnnd Handtwercksleut jhꝛe Weiber bißweilen mit den Haͤnden vmbziehen / vnd ſie mit den Fin - gern kaͤmplen / das iſt nichts newes / dann man ſagt / daß das Fingerkraut / wañ es ſtarck auffn Kopff gelegt wirdt / ſehꝛ gut ſeye fuͤr der Wei - ber boßheit vnd vnhaͤußlichkeit: Deßgleichen haben die Maulbeer ein groſſe krafft / die boͤſe Launen vnd humorn der Weiber zu vertrei - ben: Aber mit den ſtattlichen Frawen hats kein ſolche meinung / dann wann ſie von jhꝛen Maͤnnern geſchlagen werden / ſo klagen ſie esN 5jhren202Der Landtſtoͤrtzer.jhren Befreunden / dieſelbige nemen ſich als - dann jhꝛer an / vñ wirt derwegen bißweilen ein Blutbad drauß: jnmaſſen auch allhie beſche - hen waͤre / woferꝛn mein Herꝛ der Statthalter nit der weiſeſt vnd geſcheideſt geweſt waͤre / vñ fich ſelbſt fein freundlich vñ lieblich mit ſeiner Frawẽ verglichen vñ vereinbart hette. O wie ein groſſe gedult muß ein ſolcher Mañ haben / der ein ſolches vnhaͤußliches veꝛſoffenes Metz - lein vberkom̃t / dañ vxor iſt entweder ein tutũ refugium, oder ein pœnale tormentum.

Der beſtim̃te tag meines Herꝛn verꝛeiſens in Hiſpanien kam herbey / weil dann ich auff der Galern gehoͤrt hatte / daß ſich vil Leuth zu vnſer L. Frawen zu Montſerrat verloben / vñ ich nit weit von dannen war / ſo bate ich meinẽ Herꝛn vmb erlaubnuß dorthin zu gehen / der wolte mir aber nit erlauben / derwegẽ nam ich mir ſelber erlaubnuß / in hoffnung / daß mir in Hiſpanien kein gelegenheit ermangeln wuͤrdt mich zu vnderhalten vnd zu ernehrn. Jch ſtig auff den Berg Montſerrat / ſahe vil wunder - werck vnd ein vnendlichs ab vnd zu gehendes andechtiges volck / vnd hoͤrte predig.

Capvt203Der Landtſtoͤrtzer.

Capvt XXVII.

Guſman wirdt durch einen Ein - ſiedler zu Montſerrat erinnert / von ſeinem liderlichen Leben abzuſtehen / vnd ſich zu den ſtudiis zu begeben / ſo beſchehen / vnd er vier junger Herꝛn Pœdagogus worden.

NAch angehoͤrter Predig / beſuchte ich etliche Einſtedler zu Montſerrat / vñ kam zu einem / der war mein Landts - man ein Spanier / vnd ein ſehr feiner vnd ge - lehrter Man / vnd nach dem ich jm den gautzẽ verlauff vnd verſtandt meines Lebens entdeckt vñ erzehlt hatte / ſprach er zu mir / mein Sohn / ich ſihe / daß du auf dem weg deß todts vñ ver - derbens biſt / vnd wenig gedenckeſt an die woꝛt deß weiſen Manns: Memento Creatoris tui in diebus iuuentutis tuæ: Jtem / - tare adoleſcens in iuuentute tua & ſcito, quod pro omnibus his adducet te Deus in iudicium, als wolte er ſagen: Vor al - len dingen gedencke an den Todt vnnd dasGericht /204Der Landtſtoͤrtzer.Gericht / dann GOtt hat vns nit erſchaffen / daß wir jhme im Alter / ſonder daß wir jhm in der gantzen zeit vnſers Lebens / vnd ſonderlich in der bluͤhe der Jugendt dienen ſollen / dann diſe blum der Jugend gebuͤrt Gott dem Herꝛn vil billicher / weder dem Teufel vnd der Welt / dann omnes morimur & quaſi aquæ di - labimur, quæ non reuertuntur: Vnſer Le - ben iſt ein jmmerwehrender Todt / zu demſel - ben eylen wir / alsbaldt wir anfahen zu leben: Zu gleicher weiß auch wie man ſagt / daß der Dieb gehenckt wirdt / wann er auffm weg iſt / oder auff der Laiter ſtehet / vnangeſehen er den Strick noch nit vmb den Halß hat / dann die hinfuͤhrung / das auffſteigen auff die Laiter vñ das binden gehoͤrt alles zum hencken / alſo vnd ebner geſtallt wird das Leben ein Todt geneñt allweil es zum Todt verordnet wirdt. Wie auch der jenig Dieb naͤrꝛiſch waͤre / welcher / wann er zum Galgen gefuͤhꝛt wird / vnd es fuͤr einen Pomp vnd Pracht hielte / daß er auff ei - nem Wagen gefuͤhꝛt wirdt / zwen Prieſter bey jhm ſitzen hat / vnnd ein groſſe ſchaar Volcks zu Roß vnd zu Fuß hinden vnd voꝛ jhm gehenhette /205Der Landtſtoͤꝛtzer.hette / Alſo ſeind die jenigen Chriſten lauter Narꝛen / welche nicht gedencken / daß alles was vns allhie geſchicht / Jnſtrumenta deß Todts ſeind / dann die Kleyder ſeind gleichſamb ſym - bola vnd zeichen deß Todts / banden vnd fuß - eyſen der Dieben: Die Speiß fuͤhret vns zum Todt wie ein Wagen: Vnſere Kinder / das iſt / der Leib ſambt deſſen vier Elementen tra - gen vns ins Grab: Keins wegs kan der Todt deß Leibs geflohen vnnd entgangen werden / dann er iſt vnſer Trabant vñ Schoͤrgant / der vns jmmerdar mit ſeiner Lantzen ſticht vnnd verwundet / aber du ſey fuͤrſichtig vnd entflie - he dem wahren Todt der Seelen / welches als - dann beſchicht / wann du dein Leben beſſeren / bekehren / vnnd durch gute Werck / vermittelſt deß leiblichen Todts / gehen wirſt ins wahre Leben. Deß Morgens fruͤ gedenck / daß du villeicht den Abendt nit wirſt erꝛaichen: Vnd zu Abends gedenck / dz du villeicht in der nacht werdeſt ſterben / jnmaſſen taͤglich vilen andern beſchicht: Wann du außgeheſt / ſo gedenck daß du villeicht nit wider heimb kommen wer - deſt / wann auch du etwas anfahen oder thunwilſt /206Der Landt ſtoͤrtzer.wilſt / alsdann gedenck / daß du es vor GOtt dem Herꝛn wirſt muͤſſen verantworten.

Folgendts rieth mir der Einſidler / daß ich mein herꝛliches vnd ſchoͤnes ingenium beſſer als bißher beſchehen / vnd zwar zu den ſtudiis verwenden vnnd anlegen ſolte: Jch folgte ſei - nem rath / vnd verfuͤgte mich gen Alcala / vnd als ich nah zũ Collegio Vniuerſitatis kam / ſahe ich ſechs Studenten / die gingen hinein / vnd wurden gantz freundlich empfangen: Jch folgte jnen nach / vnd veꝛmeinte gleichfals hin - ein zu gehen / aber man ſchlug mir die Thuͤr vor der Naſen zu / dann ſie ſahen mich fuͤr einẽ ſchmotzigen Koch vnd Kuchelratzen an: weil ich dañ ſahe / daß mein vnflaͤtiges Kleid ſchul - dig dran war / ſo fing ich an Lateiniſch mit jh - nen zu reden: Da fuͤhrten ſie mich in das ge - meine Loſament / vnd erbotten ſich aller guten befuͤrderung. Als nun wir zu Tiſch ſitzen ſol - ten / wolte niemandt bey mir ſitzen / von wegen meines vnflaͤtigen Gewandts: derwegen ſetz - te ich mich an ein anders ſchlechters Ort auff die Banck: Jederman murꝛete vnnd ver - wunderte ſich / daß man einen ſolchen vbel ge -kleidten207Der Landtſtoͤrtzer.kleidten vnd nach der Kuchel ſtinckenden Ge - ſellen herein gelaſſen / vñ zu andern feinen an - ſehenlichen Studenten ſetzen vñ geſellen wol - te: Letztlichen kam der Regens darzu / vnd fragte mich / ob ich auch einen Studenten ge - daͤchte abzugeben? Er fragte mich / warumb ich dann kein Studenten Kleid an hatte? Jch aber antwortet vnnd ſprach: Zu Rom hab ich die Lateiniſche vnnd Griechiſche gram - maticam vnd die Rhetoricam gehoͤꝛt / vñ ob ich ſchon nit ſo excellens vnd fuͤrtreflich bin / wie Demades vnd Demoſthenes, vñ jenem Koch Demoſtheni, (welcher ſich vnder - ſtundt ſeinen Loͤffel außzuziehen / als der heilig Baſilius vnd Keyſer Valens von der Arꝛia - niſchen Ketzerey mit einander diſputirten / vnnd derwegen Baſilius zu jhm ſagte: Vidimus ſine literis Demoſthenem. ) gleich ſihe / ſo bin ich doch villeicht inwen - dig etwas beſſers beſchaffen / als außwen - dig / villeicht ſteckt auch vnder diſem mei - nem boͤſen Mantel ein feines Latein: Die Liebhaber der ſcientzen ſollen nicht auff die bloſſe Kleider ſehen / quia corporis habi -tum208Der Landtſtoͤrtzer.tum contemnit Philoſophus: Die Tu - genden ſeind die wahre Kleyder / ſo den Men - ſchen ehren vnnd zieren / derwegen ſpricht E - phraim: Dum veſtem audis nuptialem, ne de veſtimentis, quibus induimur, id exiſtimes, ſed de bonis operibus. Vnnd Origenes ſpricht: Ornamentum tibi eſt vnaquæque virtus. Nit ohne iſts / daß Ro - diginius ſpricht: Quod ſi prætenuem nimiſq; vilem affectaueris veſtitum ſpe - ctaculo & riſui eris inimicis: vel etiam vt extreme pauper, inops, & paſſim con - temptibilis fies: Deßgleichen ſagt der hei - lig Hieronymus in tractatu de vitando ſuſpecto contubernio, daß die Kleyder ein anzeig ſeyen deſſen / was im Hertzen ſteckt / vnd ein zeichen der Ehr / die ein jeglicher hat / aber etliche Leut gedencken nit / daß ſolches kein Ar - gument / ſonder nur ein indicium vnd Keñ - zeichen iſt / vñ dz es faͤhlen kan / dann es iſt kein gewiſſe demonſtratio oder Regel / derwegen mag ich wol gedulden / daß man mich exami - nire / vnnd ſecundum rationes veras, aber nicht ſecundum præſumptiones fallacesiudicire. 209Der Landtſtoͤꝛtzer.iudicire. Jch bin ein Seuilianer / zu S. Io - han de Alfarche geborn / gen Rom tranſ - plantirt, in allen Spꝛachen erfahren / zu Ne - apolis purificirt / vnd gleichwol ein Nouitz zu Alcala / aber ein alter in den Vniuerſiteten.

Als ſie mich diſer geſtalt Lateiniſch parlirn hoͤrten / verwunderten ſie ſich / halſeten / vmb - fingen vnd verſahen mich mit newen ehꝛlichẽ Kleidungen / vnd machten mich zu einen - dagogum vber vier junge edle Studenten. Diſes war nun widerumb ein guter anfang meines Heyls vnd wolſtandts / aber mein Na - tur war alſo beſchaffen / daß ich meinen vnor - denlichen appetiten folgte / wie hernacher zu ſehen.

Capvt XXVIII.

Guſman wirdt ein Student / vnd et - licher jungen Herꝛen Præceptor, vnd bene - bens in dem modo deß ſtudii Iuri - dici vnderwiſen.

OAlsbald210Der Landtſtoͤrtzer.

ALsbaldt ich obbemelter geſtallt in der Vniuerſitet zu Alcala immatricu - lirt worden / vnnd der Rector mein fuͤrtreflichs ingenium vermerckte / vnderwi - ſe er mich in dem modo ſtudendi iura, dann ich zum ſtudio Iuridico am meiſten geneigt war / vñ ſpꝛach: Mein Son Guſman / deß ver - ſtaͤndlichen Menſchen natur iſt / dz er etwz be - gert zu wiſſen / vñ aller ſcientzen ziel vñ end / iſt die warheit / vnd wer dieſelbe gefunden hat / der hat gefunden das aller lieblichſte vnd koͤſt - lichſte ding auff Erden / dann ſie erſaͤttiget al - les verlangen / vnd ſetzet das Gemuͤth zu ruh. Diſe Warheit aber wirdt nit erlangt oder er - griffen durch die ſtaͤrcke deß Leibs / ſonder durch ratiociniren vnd ſpeculiren: die ſpe - culirung aber erfordert ein freyheit deß Ge - muͤths: Frey aber kanſtu nicht ſein / woferꝛn deine affecten vñ begierlichkeiten dich beher - ſchen: Dann wie waͤre es muͤglich / daß einer / welcher dem Fraß vnnd vnkeuſchheit ergeben iſt / recht vñ wolſpeculire? oder daß ein Spiel - gurꝛ oder Spitzbub der Beſtaͤndigkeit der Warheit nachtrachte? Oder daß ein Neidt -halß211Der Landtſtoͤrtzer.halß rechtſchaffen ratiocinire? oder daß ein Zornmuͤtiger die Fußſtapffen der Gerech - tigkeit ſehe? Oder daß ein Geitzhalß oder Ehꝛgeitziger ſich rechtſchaffen vmb die Phi - loſophiam (welche alle eytelkeiten verach - tet) begebe? Dann weil die ding / ſo einander geſtracks zu wider ſeind / nit beyſamen beſtehen koͤnnen / vnnd die Warheit keinen groͤſſern Feindt hat / als eben die Vnwarheit vnnd ſchnoͤde Begierden / ſo folgt / daß nit muͤglich iſt / daß einer der mit boͤſen affecten erfuͤllt iſt / commode vnd fuͤglich ſpeculiren vnd zu der ſcientz der warheit gelangen koͤnne / dann die Warheit erfordert ein candorem, ſie haſſet alle Falſchheit vnnd Vnlauterkeit / ſie iſt / frey vnd kan nicht dienen / vnd wil mit fremb - dem Schatten bedeckt werden: Sie frey det ſich deß Liechts / vnnd mag mit keinem dienſt - barlichen / faulen vnnd vnreinen Meyſchen zu ſchaffen haben: Begereſt derwegen du Guſman / die Warheit zu erꝛaichen / vermit - telſt deß ſpeculirens vnnd ſtudirens / ſo muſtu vor allen dingen frey vnd ledig ſein von allen boͤſen affecten vnnd dîſtractionibus, vnndO 2weil212Der Landtſtoͤrtzer.weil ich von dir verſtanden / daß du deinen ſiñ auff das ſtudium Iuridicum geſetzt / ſo mu - ſtu alle andere ſtudia vnnd vbungen fahren laſſen / dañ nit wol muͤglich iſts / daß einer den hoͤchſten ſtaffel oder nagel der Gelehrtheit in vnderſchidlichen facultatibus erꝛeiche vnnd in vilfeltigen generibus præcellire vnd fuͤr - trefflich werde: Vnius rei ſtudium totum hominem poſcit, & vbi quiſq; intende - rit, eius ingenium valet: Dann wie der Magen / welcher mit vilerhandt Speiſen v - berladen / vnnd in vnderſchidlichem Getranck ſchwimmet / nichts verdewen kan / alſo wann das ingenium vnd der verſtandt deß Men - ſchen in vnderſchidlichen gedancken vnd ſor - gen diſtrahiret iſt / als dann verlieret es ſein beſte Krafft: Sic ergo legibus operam da - bis, vt nullus extraneus actus tua ſtudia interrumpat, nulla alterius diſciplinæ li - bido (niſi recreationis ergo) tuum inge - nium diſtrahat: Inueniat te nox Iuriſ - conſultorum monumentis inuigilantẽ, diurna lux te in eiſdem lucubrãtem de - prehendat; ita fiet, vt non modo Iaſonesaut213Der Landtſtoͤrtzer.aut Decios æquare, ſed & ipſam Iuris lu - cernam Bartolum excellere valeas.

Nach dem nun du diſer geſtalt deinen ſinn vnd gemuͤt zu etwan einem gewiſſen ſtudio o - der ſcientz ergeben haben wirdeſt / muſtu erſt - lich vnd vor allen dingen betrachten / daß ein jegliche ſcientz jhꝛe fuͤrgeſchribene ordnung hat / vnd daß man von den generalibus vnd vniuerſalibus anfahen / folgends ſucceſſiue ad ſingula ſpecialia gehen oder ſchreiten muͤſſe. Keins wegs ſoll man die vniuerſalia nit wiſſen / ſeytemal man ohne dieſelbige zu der erkentnuß der particularium nit gelanget: Dann was iſt das fuͤr ein arithmeticus, der nit waiſt / totum qualibet parte maius eſſe & ſi à pari numero par dematur, æ - qualem numerum remanere? Was iſts fuͤr ein Rhetor, welcher nit weiſt / daß dreyer - ley genera dicendi verhanden / nem̃lich de - liberatiuum, demonſtratiuum vnd iudi - ciale? Was iſts fuͤr ein Phyſicus, der da nit weiſt / ex nihilo nihil fieri, vniuſque gene - rationem ex alterius corruptione dedu - ci? Item omnium priuationem habitumO 3præno -214Der Landtſtoͤrtzer.prænotare? Was iſts fuͤr ein Medicus, der nit waiſt / contraria contrariis curaui, ex - tremiſque morbis extrema remedia ad - hiberi? Was iſts fuͤr ein Aſtronomus, der nit verſteht / ſuperiora corpora inferiorib. dominari, maxime verò Lunam ob pro - pinquitatẽ? Was iſts fuͤr ein Theologus, der von der Erſchaffung der Welt vil waiſt zu diſcurriren, aber die Krafft deß Glaubens (welcher das fundament der Theologiæ iſt) nit verſtehet? deßgleichen hat auch die Juriſte - rey oder diſciplina legalis jhre rudimenta de moribus, in quib. omnia: tum cõmu - tatiue tũ diſtributiue iuſticiæ præcepta cõcluduntur. Eſt enim ars boni & æqui, per quã à malo arcemur, & ad bonũ in - uitamur: Keiner ſoll ſo gar vnuerſchambt ſein / dz er ſich fuͤr einen Juriſten außgebe / wo - fern er jm nit nachfolgende wenige præcepta Iuris bekannt ſeind: als nemblich:

Abſurdum intellectum ab omni diſpoſi - tione reiiciendum. Ab omni vi atque iniuria penitus abſti - nendum. Actum215Der Landtſtoͤrtzer.Actum dubium in meliorem partem ac - cipiendum. Alterius factum alteri non obeſſe; Arte non concedi quod naturaliter de - negatur. Autoritate propria neminem fibi ius di - cere poſſe. Cauendum ne reſpectu innocentis in - nocens patiatur. Certa pro incertis relinquenda non eſſe. Contra ius & bonos mores conuentio - nes hominum non valere. Contra vim atque iniuriam licitam eſſe defenſionem. Cum alterius detrimento nemini con - ſulendum. Cum alterius iactura neminem debere locupletari. De minimis conſiderationem non ha - bendam. Æquitatem rigori præferendam. Ex cauſa nonnunquam à communibus regalis recedendum. Executionẽ non faciendam iuris ordine prætermiſſo. O 4Faci -216Der Landtſtoͤrtzer.Facilius tolli ius ſpeciale, quam commu - ne. Finalem cauſam diligenter inſpiciendã. Grauius in committendo, quam omit - tendo delinquens. Honorem lucro, imo etiam vitæ præfe - rendum. In neceſſitatibus leges non obſeruari. In obſcuris ſecundum magis veriſimilia iudicandum. Leges non ex verbis ſed ex mente intel - ligendas. Mediam viam in perplexitatibus eligen - dum. Multa in conſequentiam permitti, quæ principaliter denegantur. Neminem multiplici onere prægrauan - dum. Nemini officium ſuum damno verti de - bere. Nemini iniuriam facere qui ſuo iure vti - tur. Non factum ſed faciendi cauſam inſpi - ciendam. Non217Der Landtſtoͤrtzer.Non cupiditatibus ſed iuſtis affectionib. indulgendum. Non negligentibus ſed impotentibus ſuccurrendum. Nobiliores præſumptiones ſemper in. dubio eligendas. Odia reſtringi, fauores ampliari debere. Omnem actum ab agentis intentione iudicandum. Omne incommodum aliquo commo - do compenſandum. Paria delicta mutuo compenſari. Prodeſſe alteri nemo cogitur, ſed tantũ obeſſe vetatur. Publica vtilitas priuatorum commodis præferenda. Quod nemini nocet & alicui prodeſt fa - cile conceditur. Quod quis in ſe approbat, in alio repro - bare non poteſt. Quod quiſque iuris in alium ſtatuerit, i - pſe quoque eodem vti debet. Rationes naturales pro legibus ample - ctendæ. O 5Satius218Der Landtſtoͤrtzer.Satius eſt nocentem abſoluere quam in ſontem damnare. Vbicunque æquitas ſuadet ſubuenien - dum eſt.

Am andern / muſtu nit allein die genera - lia oder vniuerſalia Iuris wiſſen / ſonder auch weil ein jegkliche diſciplin, Kunſt oder ſcientz nach erkaͤndrnuß der Warheit zie - let / vnnd eben diſes das einige ziel vnnd zweck aller ſpeculanten oder Studenten ſeyn ſol - le / ſolche Warheit aber nicht auff opiniones oder meinungen / ſonder auch cauſas vnd vr - ſachen beſtehet vnnd gegruͤndet iſt / ſo iſt auch die ergruͤndung der cauſarum vnnd ratio - num ſehr notwendig: Tunc enim vnum - quodque ſcire arbitramur, cum eius cau - fam & principia cognoſcimus. Por - (ſprach der Rector ferꝛner) omnis ſcien - tia duas habet præcognitiones, quid eſt, & quia eſt: Altera ad cauſati, altera ad cauſæ intelligentiam ſpectat: verùm tantò dulcius eſt cauſarum notitia, qua corum que ab his ſunt (quos effectus ap - pellamus) quantò veritas certior ac po -tior219Der Landtſtoͤrtzer.tior eſt opinione. Quare Homerus: - lix qui potuit rerum cognoſcere cauſas: Denen / welche die Iura profitiren, kan zu er - langung der vollkom̃en gelertheit nichts nutz - lichers ſein / als eben die erforſchung der cau - ſarum, rationum vnd vꝛſachen / dañ ſonſten wer incognita cauſa, oben hin vnd nachlaͤſ - ſigklich darmit hindurch gehet / der verlieret zeit vnd vnkoſten / dann was hilffts / daß man weiſt / de ſolo adulterio tranſigi non poſ - ſe, niſi & huius definitionis cauſam in - tellexeris? Was hilffts / daß man diſe vñ vil vnzehlig andere dergleichen der Iurisconſul - torum definitiones, aber nit vrſachen deren weiſt? Plané (ſprach der Rector ferꝛner) ſi ſic ineunda forent legalis diſciplinæ ſtu - dia, vt circa deciſionũ atq; indiuiduorũ cumulos dũtaxat verſarem ur, vix ad eo - rum conſummationem vita hominis vel longiſſima ſuppeteret: per cauſas verò & rationes artem ingenioſe colligentib. breue luſtrum cum Iuſtiniano ſufficere arbitramur. O diuinam cauſarum ſcien - tiam, quam irrefragabilem methodumgeris:220Der Landtſtoͤrtzer.geris: Exurgant juuenes ſcientiæ cupidi, non vltra in nudis deciſionibus torpe - ſcant: non quid ſit intelligere ſufficit, ſed cur ſit diligenter inquirendum eſt.

Nit allein muſtu auch die rationes vel cauſas inueſtigiren vnnd erfoꝛſchen / ſonder auch die cauſas dubitationis wiſſen vñ ver - ſtehen / vt cauſam intelligas quæ vel con - ſultorem vel conſultum in ea re perple - xum reddere poteſt: quæ cauſa tanti æ - ſtimatur vt ſine illa non modo leges in - telligi perfecte poſſint, ſed & in multipli - ci varioq; ſenſu ille præualeat, quem ma - ioris dubitationis ratio commendarit. Perquiſita dubitationis cauſa & iam bo - na legis parte intellecta, tum cauſam de - finitionis ſeu rationem decidendi facili - us aſſequeris. Hæc ergo totius legis ra - dix eſt, hæc omnem controuerſiam ſo - pit: per hanc veritas eluceſcit, legislator comprobatur, legentis deſiderium ex - pletur inuenta cauſa animus acquieſcit: cauſæ cognitio perfecta ſcientia eſt.

Ferꝛner vnd zum dritten / weil die leges vñreſpon -221Der Landtſtoͤrtzer.reſponſa prudentum, wegen jhrer menge vnd weitlaͤufftigkeit / nit allzeit in der gedacht - nuß behalten werden koͤnnen / ſo haben vnſere Vorfahren auß dem gantzen contextu der geſetzen etliche kurtze regulas zuſammen gezo - gen / jnmaſſen in den tit: Regul: juris vnnd im Tractat / welcher axioma iuris intitulirt zu finden iſt. Diſe regulæ iuris ſeind den iu - riſprudentiæ ſtudioſis ſehr nothwendig / erſtlich weil ſie wegen jhrer kuͤrtze / das inge - nium delectiren, die gedaͤchtnuß im wenig - ſten beſchwerẽ / zu der ſcientz deſto geſchwin - der befuͤrderen / vnd die Zung inſonderheit e - rudiren, dann durch die Regel vnnd ſchoͤne formulas koͤnnen wir die concepta vnſers gemuͤths geſchwindt vnnd zierlich exprimi - ren: Wer aber ſolche regulas nit weiſt / der muß notwendig per inutiles verborum. circuitus & inextricabiles periſſologias vagiren, da doch es ſonſten mit zweyen wor - ten leichtlich explicirt kan werden. Auß den regulis werden auch die ſyllogiſmi compo - nirt, vnd dardurch die falſchheit von der war - heit vnderſcheiden.

Zum222Der Landt ſtoͤrtzer.

Zum fuͤnfften / nach dem du die Kunſt die Leges zu tractiren, jhren wahren verſtandt per rationes & cauſas zu diſcurriren, vnd ſo wol auß den worten / als auß dem mente die notabiles ſententias, regulas vnd axio - mata zu colligiren ergriffen haſt / ſolleſtu al - len fleiß anwendẽ / ne alienis laboribus aut vigiliis omnino incumbas, ſed nouas re - gularum formulas tuo tibi ingenio ex - cudes, quantò breuius, clarius, purius & elegantius id fieri poterit. verò du - plicis generis ſunt, nam aut facti ſpeciem breuius perſtringit, idque ſummarium vulgo appellatur; aut cauſam tantum ſeu rationem legis ſubtiliter complectitur; Primum quidem genus ad verba, alterũ ad mentem refertur.

Sechſtens iſt den ſtudioſis iuris das vil - faͤltige diſputiren ſehꝛ notwendig / dann dar - durch wirdt der verſtandt / die gedaͤchtnuß / die geſchwindigkeit / die kuͤnheit geſchaͤrpfft vnnd vermehrt / vnd die Warheit deſto beſſer erleu - tert: Damit ſie aber diſes alles deſto gluͤck - licher verꝛichten vnnd erlangen moͤgen / ſomuͤſſen223Der Landtſtoͤrtzer.muͤſſen ſie mit ſolchen geſellen conuerſiren vnnd vmbgehen / welche jhnen gleichmaͤſſig vnd benebens fromb vnd zuͤchtig ſeind / dann improborum iuuenum commertio ni - hil peſtilentius, nihilque ad virtutum ſtudia bonorum conſuetudine præſtan - tius inuenitur.

Vber diß vnd zum ſibenden / muſtu wenig vnnd taugliche authores erwehlen / vnd die - ſelbigen fleiſſig leſen / nemblich den Barto - lum, Baldum, Caſtrenſem, Alexandrum Iaſonem vnd Ioannem ab Immola, dann diſe ſeind die aller fuͤrtreflichſte Commenta - riſten, folgends den Anchoranum, Roma - num, Alexandrum vnd Decium, dann di - ſe vier ſeind die beſte Conſiliatores.

Nit weniger ſeind dir vñ allen deines gleichẽ ſtudenten zwey ding ſehꝛ notwendig / nem̃lich die loci cõmunes vñ materiarũ ſedes, dañ durch die locos cõmunes wirdt dz ingeniũ ſehꝛ geuͤbt / vñ durch die ſedes materiarũ ſehr geholfẽ. Die loci cõmunes aber ſeind nichts anders / als modi argumentandi, dardurch mã deſto leichtlicher zu der warheit gelanget.

Beſchließ -224Der Landtſtoͤrtzer.

Beſchließlichen magſtu auch bißweilen die Philoſophos, Oratores, Hiſtoriogra - phos, Poetas vnd andere gute authores, re - creationis gratia, vnd von kurtzweil wegẽ / le - ſen / nemblich den Platonẽ, Iſocratem, Ho - merum vnd Heſiodum: Deßgleichen den Ciceronem, C. Cæſarẽ, Liuium, Saluſti - um, Suetonium, Plutarchum, Plinium, Virgilium, Horatium: Jtem den Iouium, Pontanum, Senecam. Vor allen dingen aber liſe die heilige Schrifft gern / dann eytel vnnd vergebens ſeind alle andere ſtudia, wo - fern die pręcepta dogmatis Chriſtiani hin - dan geſetzt werden: Vnnd die jenigen ſeind die aller groͤſte Narꝛen / welche in der weltli - chen Weißheit auffgeblaſen / ſich im Geiſt niemaln colligiren, die erkentnuß Gottes vñ jhꝛer ſelbſt verachten / vnd ſich nur dem fleiſch zu gefallen befleiſſen / aber ſelig vnnd weiſe iſt der jenig / welcher ſein gantzes ſtudium fuͤr - nemblich dahin verwendet / daß er Gott vnnd ſich ſelbſt recht erkennen / wol leben / vnd ſelig - klich ſterben moͤchte: Has tuus ad metas ſu - det oportet equus, dann ſonſten wirdt letzt -lichen225Der Landtſtoͤꝛtzer.lichen nur ein Eſel auß dir werden / der mit Buͤchern beladen iſt.

Capvt XXIX.

Guſman wirdt noch ferꝛner vnder - wiſen / wie er ſich bey ſeinen ſtudiis verhal - ten / vnd voꝛ was dingen ver - huͤten ſolle.

BEgereſtu aber noch mehrers in dei - nen ſtudiis zu proficiren vnd zu zu - nemen / ſo muſtu dich voꝛ etlichen ſehr ſchaͤdlichen dingen huͤten / vnnd zwar erſtlich vorm Muͤſſiggang / welcher ein Mutter aller nugarũ vñ eytelkeiten / wie auch ein ſtiefmut - ter der Tugendten / benebens ein fomes oder Ziegler der Laſtern / ein Roſt der Gemuͤter / ein peſtilentziſche Sucht / ein toͤdliche Kranckheit vnd ein Ohrkuͤß deß Sathans iſt.

Am andern huͤte dich voꝛ der Hoffart / mit dern die Studenten vnd junge Leuth gemein - lich behafft ſeindt: Dann auß jhr entſpringen die vermeſſenheit / halßſtaͤrꝛigkeit / ruhmſucht / vndanckbarkeit / anderer Leut verachtung / vn -Pgehoꝛ -226Der Landtſtoͤrtzer.gehorſamb / ehrgeitz / fuͤrwitz in Kleydern vnd allen andern dingen.

Auß dem Muͤſſiggang vnnd Hoffart ent - ſpringet das dritte Laſter / daruor du vnnd ein jeglicher Student ſich huͤten ſoll / nemblich die Freyheit vnnd erlaubnuß / welche man hat oder nimbt / ſeines eygnen willen oder gefah - lens zu leben / dann dardurch werden die naͤr - riſche vnd blinde Juͤngling bewegt vnnd ver - urſacht / jhre ſtudia zu verlaſſen / jhre Præce - ptores zu verachten / die Lehr / befelch vnd er - mahnungen jhrer Vorſtehern vnd Eltern in Windt zuſchlagen / alles zu verlachen / ſich deß Jochs deß gehorſambs zu entſchuͤtten / vñ ſelbſt ex leges, exempt vnd gleichſam Frey - herꝛn zu ſein / dardurch aber gerathen ſie letzt - lich in die ſchaͤndliche dienſtbarkeit der La - ſtern / deß Fraſſes vnd Voͤllerey / werden Scla - uen der ſchaͤndlichen vnd ſchnoͤden Weiber / vnd gerathen in Hader / Zanck / ſchlagen / rau - fen / dalgen vnd Todtſchlaͤg.

Beſchließlichen vnnd vor allen dingen huͤte dich vor der Bulerey vnnd Loͤffelley / vnnd vor aller Geſellſchafft / die dich dar -zu227Der Landtſtoͤrtzer.zu fuͤhren vnnd raitzen moͤchte / dann fuͤrwar einem Juͤngling ſtehet je nichts vbler an / vnd nichts iſt jhm ſchaͤdlicher / als eben die Geyl - heit vnnd Vnkeuſchheit / dann wie das Fewr leichtlich entzuͤndt wirdt in einer duͤrꝛen ma - teri / alſo entzuͤnden ſich die Flammen der Geylheit gar leichtlich in den Leibern der jun - gen Geſellen / diſes iſt das erſte Fieber / welches vilen jungen Leuthen den Todt der Seelen verurſachet / vnd wann das koͤſtliche Kleynod der Jungkfrawſchafft einmalhin / verſchertzt vnnd verloren iſt / ſo kan man das verheiſſene Lorberkraͤntzel der Jungfraͤwlichkeit niemaln wider erlangen.

Wer auch den erſten ſprung der Hurerey wagt / vnnd das Ziel der Zucht vnnd Er - barkeit einmahl vberſchritten / der wagt her - nacher liderlich vnd oͤffter / vnd gerahtet letzt - lich in den abyſſum vnd abgrund der Vnrei - nigkeit vnnd Verderbens. Derwegen / mein Sohn (ſprach der P. Rector) meide erſtlich alle occaſiones, allaͤß vnd gelegenheiten der geylheit vnd vnkeuſchheit / denn cætera vitia pugnando vinci ſolent, ſola libido eſt,P 2quæ228Der Landtſtoͤrtzer.quæ fugiendo potius, quam pugnando ſuperatur. Sibenerley occaſiones vnnd anlaͤß aber der geilheit find ich / erſtlich die ge - faͤhrliche ort / geſellſchafft vnd gemeinſchafft der Vnkeuſchen. Am andern / die conuerſa - tion vnnd vnderꝛedung mit Weibsperſonen. 3. das leſen der vnkeuſchen boͤſen Buͤcher. 4. das geyle vnnd vnkeuſche anſchawen. 5. die ſchaͤndliche vnnd vnreine reden. 6. die geyle Comedien: vnd 7. der Muͤſſiggang.

Darneben verehꝛe mit allem fleiß die aller - heiligſte vnd reineſte Jungfraw Mariam / als ein Magiſtram Virginitatis, lucem Virgi - num, Virginitatis Principem, exemplũ perfectionis Virginalis vnnd Virginem Virginum. Ferꝛner frequentire offtermals die heilige Beicht vnnd Communion / vnnd mortificire, diſciplinire deinen Leib / ſey ſehr maͤſſig im eſſen vnd trincken / vnd enthal - te dich deß Weins / als eines Giffts vnd fuͤr - nemſten Waffens deß Sathans / dann vinũ & adoleſcentia duplexivoluptatis eſt in - cendium. Woferꝛn du aber den Wein je nit kanſt gantz vnd gar entrathen / ſo trincke jhnedoch229Der Landtſtoͤrtzer.doch gewaͤſſert / vnd enthalte dich ſeiner beym Nachteſſen. Wofern nun du diſer meiner vn - derweiſung vnd rath folgeſt / ſo wirſtu merck - lich proficiren, nit allein in deinen ſtudiis, ſonder auch in guten Sitten.

Guſman erzehlt / wie es jhm mit ſeinen ſtudiis vnd diſcipulis ergangen.

BJllich hette ich deß Rectoris lehꝛ vnnd er mahnung in mein Hertz preſſen / vnd jnen folgen ſollen / aber ich hoͤrte gleich wol die Inſtitutiones Iuris, vnnd war ein zeitlang fleiſſig / ſtill / zuͤchtig vnd eingezogen / aber durch boͤſe geſellſchafftließ ich mich der - maſſen verfuͤhren / daß ich nit allein mein eig - ne noch meiner diſcipulorũ ſtudia nichts achtete / ſonder auch mich der jugendtlichen freyheiten vñ gewohnten wolluͤſten gebꝛauch - te / dann ich / als Præceptor, war beſchaffen / wie meine diſcipuli, vnnd die diſcipuli wie der Præceptor, vnſere Sitten waren aller -P 3dings230Der Landtſtoͤrtzer.dings gleichfoͤrmig: Niemandt war verhan - den / der mich oder ſie hette geſtrafft: Den Tag verzehrten wir mit eytelkeiten / vnd die Nacht mit Torheiten / jnmaſſen der Studenten ge - brauch iſt: vnſere lectiones vnnd repetitio - nes bliben offtermals dahinden.

Mein einer diſcipulus buelte vmb ein ſehꝛ ſchoͤne Jungkfraw / die war deß Burger - meiſters Tochter: Der ander liebte ein Klo - ſterfraw: Das gefiel mir aber gar nicht / dann ob ich ſchon ſonſten nit vil werth war / vnd ein ſchlechtes Gewiſſen hatte / ſo betroch - tete ich doch die groſſe Straff / welche fuͤr - bereit iſt allen denen / ſo jhre ſchnoͤde Lieb zu den Braͤuten CHriſti ſetzen / derwegen er - mahnte ich jhne / daß er doch jhrer muͤſſig gehen wolte: So gar ließ ich diſe Jungk - fraw heimlich vor jhm warnen / vnd zu beſtaͤn - diger erhaltung jhꝛer Jungfraͤwlichen remig - keit vnnd gethanen Geluͤbds ermahnen: A - ber mein diſcipul wolte nit nachlaſſen / eins - mals fand ich ſie ſampt noch einer weltlichen Frawen beyſammen ſtehen / vnnd mit ein - ander conuerſiren: Aber ich zerſtoͤrte jh -re231Der Landtſtoͤrtzer.re conuerſation, ſchaffte jhne hinweg / vnd fragte ſie / was doch mein diſcipul mit jhr geredt hatte? Sie bekennten alles / vnnd erzehlten mir / daß jhre vnderꝛedung vnnd di - ſputation nichts anders geweſt war / als was von beyden beſſer waͤre / entweder die hoff - nung / oder die beſitzung eines dings: Vnnd ob wol der Juͤngling ſtarck ſich befliſſen zu behaupten / daß die poſſeſſion vnd beſitzung vil beſſer vnnd ſicherer waͤre / weder die hoff - nung / ſo hetten jhm doch die Fraw vnnd die Nonn ſtarcke widerbart gehalten vnnd gleichſamb vberwunden: Nichtd ſtoweniger aber (ſprach die Nonn ferꝛner) wolte er nicht nachlaſſen / ſonder ſprach: Jungfraw / Schad iſts / daß vnder einer ſo ſchwartzen Kutten ver - borgen ſein muß ein ſolches weiſſes vnnd zar - tes Fleiſch? Derwegen verlaſſe die ſchwartze Kutte vñ Schlair / vñ ziehe mit mir: Jch aber antwoꝛtet vñ ſprach: Juͤngling diſes ſchwar - tze Kleidt machet mich zu einer Braut Chꝛiſti / denſelben ſoll vnd kan ich nit verlaſſen: Er re - plicirte vnd ſprach: kein todiſuͤndt / ſonder nur ein peccadillo oder laͤßliche ſuͤnd iſts / wañ ei -P 4ner232Der Landtſtoͤrtzer.ner auß ſchwachheit vñ vnuermuͤgligkeit deß Fleiſchs ſuͤndiget: Hierauff replicirte ich vnd ſprach: Weil es ein Tootſuͤnd iſt / wann einer eines andern Ehefraw ſchendet / ſo iſts ein vil ſchwerere Suͤnd / wann einer Chriſti Braut verfuͤhret. Darauff ward er ſcham - roth vnd ſprach: Jungfraw / jhꝛredet recht / vñ habt vberwunden mein wuͤtigkeit. Diſer diſ - curs gefil mir / vnd ich ermahnte die Nonn zu beharꝛlicher beſtaͤndigkeit.

Sonſten vnd im vbrigen hielte ichs in al - len dingen mit meinen diſcipuln, an ſtatt der Buͤcher / handihierten vnnd miſchten wir die Karten / ſchlugen auff muſicaliſchen Jnſtru - menten / Zittern vnd Lauten / ſangen auch ſehr luſtig vnd lieblich drein: Bey der Nacht gin - gen wir gaſſatim, muſicirten / bulirten / Kel - beri / ten / dolliſiꝛten / ſchlugen vnd raufften mit der Scharwacht / deßgleichen beſuchten wir die Fechtſchulen / vnd hatten einen ſonderbaꝛn Fechtmeiſter / der vns abrichtete: So gar auch einen Tantzmeiſter / der vns allerhandt Taͤntzlehrte. Was erfolgte aber letztlichen drauß? Mein einer diſcipul ward eins malsauff233Der Landtſtoͤrtzer.auff der Bulſchafft erſtochen / der ander ver - ließ ſich auff ſein kuͤnſtlichs ſechten / vnd ward toͤdtlich verwundt: Der dritt verluhr ſein ge - ſundtheit / vnd kam / wie ein geſtutzter Hund / ohne ein Endiſtuck heimb: Jch aber ward zu einen Frantzoͤſiſchen Ritter geſchlagen / vnnd gerieth ins Spital / wie vnnd was geſtalt nun es mir darin ergangen / das gibt nachfolgen - des Capittel zu vernemmen.

Capvt XXX.

Guſman / als ein Frantzoͤſiſcher Ritter / wirdt im Spital geheilt / vnd er - zehlet wie es jhm darinn er - gangen.

WEil dann ich / obangedeuter maſſen / ſampt meinen diſcipulis zu einem Frantzoͤſiſchen Ritter geſchlagen worden / vnd allgemach anfing an allen mei - nen Gliedern zu erlahmen / vñ die edle Rubin - ſtein in meinem Angeſicht außzuſchlagen / vñ dannenhero von mennigklichen verhaſt vnnd verlaſſen ward / ſo nam ich letztlichen meinP 5Zuflucht234Der Landtſtoͤrtzer.zuflucht zu dem Gottſeligen daſelbſt geſtiffte - ten Koͤnigklichen Spital vnnd Spitalmei - ſter: Als derſelb mich erſahe / empfing er mich alsbald mit Frantzoſen / Peſtilentz vnnd dem Teuffel vnnd ſprach: fuͤhret dann der Teufel abermals einen mit Frantzoſen behafftẽ ſchel - men daher: Troll dich hinweg / die Spitaͤl ſeind nicht fuͤr ſolche in ficirte / vnreine / heilo - ſe Schelmen / welche ſich ſelbſt mutwilliglich verderbt haben / ſonder fuͤr die arme Pilgramẽ vnd andere from̃e, krancke / preſthaffte Perſo - nen geſtifft woꝛden: Die Spitaͤl ſeind Wirts - haͤuſer CHriſti / darinn er zu ſeinen armen Leuten einkehret / vnd von denen darzu geſtiff - teten vnd veroꝛdneten anſehenlichen anlagen ernehꝛt wirdt: derwegen gehe widerum̃ hin wo du beine boͤſe Kranckheit erlangt haſt / vñ laſſe dich gleichwol anderſtwo heilen. Jch / als ein allbereit gehetzter vñ abgefuͤhꝛter Betler / ließ mich durch diſe ſo grobe woꝛt nit abſchrecken / ſonder demuͤtigte mich auffs euſſerſt / bate vnd erwaichte auch den Spitelmeiſter dahin / daß er ſich letztlich vber mich erbarmte / vnd mich einnam.

Jch235Der Landtſtoͤrtzer.

Jch verhoffe gleichwol / daß diſes Spital beſchaffen ſein wuͤrde wie andere Spitaͤl zu Madril / Seuilia / Rom vnd Neapolis / darin man allerhand Walfahrter vnd Frembdling gantz freundtlich an vnd auffnimbt / die Fuͤß waſchet / die Kleyder ſaͤubert / mit reinen Li - gerſtaͤtten vnnd guter Speiß verſihet: Dar - neben auch die krancke vnnd preſthaffte Per - ſonen curiret vnnd heylet / vnnd darinn an ſtatt der wercken der Barmhertzigkeit / nach - folgende gute werck verſpuͤrt vnd geuͤbt wer - den.

Erſtlich ſeind ſie verſehen mit ſonderbarn Geiſtlichen Seelſoꝛgern vnd Beichtuaͤttern / von denen die Krancken jren Geiſtlichen troſt haben: Am andern befleiſſet man ſich der ſau - berkeit / reinigkeit vnnd guten ordnung in den Loſamenten. Drittens werden die Speiſen dermaſſen fleiſſig vnd ſauber gekocht vnd an - gericht / als wanns fuͤr Fuͤrſten vnnd Herꝛen gehoͤrte. Viertens werden die Krancken von from̃en vñ fleiſſigẽ dienern oder wartern der - maſſen bedient / dz die fleiſſige vñ ſaubere wart jhnen zu wider erlangung jhrer Geſundtheitbißwei -236Der Landtſtoͤrtzer.bißweilen vil erſprießlicher iſt / weder die Artz - neyen / Doctores vnd Apotecker / vnangeſehen dieſelbigen ſonſten jhr Ampt vnd ſchuldigkeit fleiſſig verꝛichten. Es haben auch die Kran - cken jhre Spatziergaͤng / vnnd ſehꝛ ſauberes Bethgewandt / vnnd beſchließlichen ſeind die Spittelmeiſter fleiſſig / auffmerckig vnnd ge - gen den Armen getrew / mild vnd guͤtig.

Aber in diſem Spital fand ich wenig der - gleichen / dann erſtlich war vnſer Prieſter vnd Seelſorger hoffertig / zart vnd hinlaͤſſig / vnnd hatte ein Abſchew ab den Krancken / derwe - gen ſahe ich vil Krancke troſtloß ſterben vnnd verderben. Am andern verſpuͤrte ich ein ſo groſſe vnſauberkeit vnd vngeſundten Lufft in den Loſamentern vnd im gemeinen Zimmer / daß die geſunden etwas von den Krancken er - wiſchen hetten koͤndten: Die halb geſunde wurden von den gar Krancken nit abgeſon - dert / ſonder lagen alle in einerley Zimmer bey - ſammen vnd durch einander / das verurſachte nun einen ſo groſſen geſtanck / dz einer / der ſein Naſe in ſolches Zimmer recket / in ohnmacht fallen moͤchte: Drittens wurden die Speiſennit237Der Landtſtoͤrtzer.nit allein dermaſſen vnſauber vnd ſchaͤndtlich gekocht vnd angericht / als wann es fuͤr Hund vnd Schwein gehoͤrte / ſonder auch jmmerdar je laͤnger je mehr geſchmaͤlert vnd abbrochen. Nit weniger vnd zum vierdten / ſahe ich in den Loſamentern vnd an dem Bethgewandt einẽ ſo groſſen vnluſt / daß es nicht außzuſpꝛechen / dann die Bethſtatten waren mit Rotz / ſpaichel vnnd allerley wuſt beſprengt / vnnd die Waͤnd in den Schlafkammern dermaſſen abſchew - lich vnnd ſtinckendt / als kaͤme einer in einen Saͤwſtall: Die meiſte arme Leuth lagen auff faulenden ſtinckenden Strohſaͤcken / waren bedeckt mit rauchen Kotzen / die verfaulten vn - der jhnen / lagen ſich auf / vñ verdarben voꝛ der zeit / dann niemandt war verhanden / der ſie in oder auſſer Zim̃ers ein wenig auf vñ abfuͤhꝛte / oder im Seſſel vmbtruͤge vnd erfriſchte. Die Kranckenwarter waren vnachtſamb / vnfleiſ - ſig / verdroſſen / grob vnnd eygennuͤtzig gegen den armen Krancken.

Zum fuͤnfften war der Spitelmeiſter ſelbſt nichts werth / verwendete das einkommen deß Spitals zu ſeinem eygnen nutz / entzohe denArmen238Der Landtſtoͤrtzer.Armen das jhrige / ſchmaͤlerte jhnen jhre Spendt / wucherte mit den Spital Guͤtern / verſpielte verfraß vnd verſchwendete das ein - kom̃en mit ſeinem Geſind vñ heiloſen burſch: vnnd nit deſto weniger war er bey den Herꝛen deß Raths wol dran / dann er lud ſie offter - mals zu Gaſt / vnnd tractirte ſie ſtattlich / das muſten die Armen gedulden / zu ſehen / den rucken ducken / die Achſſeln in einander ziehen / ſtillſchweigen vnnd darfuͤr halten / daß es alſo ſein muſte. Die Oberpfleger oder obriſte Spitalherꝛen gaben auch kein gebuͤrende acht auff den vnder Spitelmeiſter / hielten keine fleiſſige Jahr Rechnungen mit jhme / trugen ein vil groͤſſere affection, naigung vnnd ey - fer zu jhm / weder zu den Armen CHriſti / der - wegen muſten dieſelbigen vilmals lab: vnnd troſtloß ſterben vnnd verderben / der Spital - meiſter aber ward jmmerdar je lenger je rei - cher.

Was mein Perſon belangt / ging man mit mir nit beſſer vmb / als mit andern / ſonder als der Domine Doctor meine ſchoͤne Kranck - heit an mir wahr genommen / verordnete ermir239Der Landtſtoͤrtzer.mir anſangs etliche Roßartzneyen / vnnd ſo gar vberauß ſtarcke purgiertruͤnck / dz ich ſchir alles mein Jngewaid verdiſtilliret / vnnd die Seel gar auff geben heite / folgendts vberant - wortete er mich den Haͤnden eines ſehꝛ groben vnbarmhertzigen Balbirers / der legte mich in ein ſchoͤnes holdſeliges finſters Badtſtuͤbel / da lehrte er mich ſchwitzen / faſten vnd duͤrſten / da gedachte ich offtermals an die arme See - len / welche im Fegfewr ligen / dann weil dem patienten ein ſolche zeitliche vnd Menſchli - liche Cur vnnd purgierung deß Leibs ſo gar hart ſchmertzlich vnd vnley denlich ankompt / wie wirdt es dann den armen Seelen im hoͤl - liſchen Fegfewr ergehen? Weil ſo vil medi - camina, mittel vnnd ſachen zur wider reinig - ung deß Leibs gehoͤren / was wirdt dann erfor - dert zur reinigung der Seelen?

Nun wolan / ich vberſtundt / Gott lob / di - ſe Chur / vñ ward widerumb friſch vnd geſund nam vrlaub von den Artzten vnd dem Spitel - meiſter / der hette gern geſehen / daß ich jhm ein Verehrung gegeben hette / Aber ich war nicht luſtig darzu / vnangeſehen ich noch vilgute240Der Landtſtoͤrtzer.gute Ducaten beyſammen / vnnd dieſelbigen meinen diſcipulis heimblich abgezwackt hat - te.

Capvt XXXI.

Guſman kompt gen Bononia in deß Cardinals daſelbſt Dienſt.

NAch wider erholter Geſundtheit / hielt ich mich nit lang in der Statt auff / dann meine Schuldner hetten mich gefaͤngklich einlegen laſſen / derwegen zahlte ich ſie mit einem bar Schuch / machte mich alsbald vnſichtbar / lieff gen Barcelona, ſetzte mich daſelbſt auff ein Schiff / vnnd fuhr gen Genua / von dannen begab ich mich gen Bo - nonia / in hoffnung / daß mein Stern daſelbſt etwas beſſers leuchten wuͤrde / weder anderſt - wo. Zu meiner dorthinkunfft ließ ſich alles gluͤcklich vnnd wol an / dann ich kleidete mich luſtig vnd auff Edelmaͤñiſch / vnd ward durch huͤlff eines Spaniſchen Edelknabens / in ſei - nes Herꝛn deß Cardinals vnnd BaͤpſtlichenStatt -241Der Landtſtoͤrtzer.Statthalters daſelbſt dieriſt befuͤrdert vñ auf - genommen / der gewañ mich als bald anfangs lieb / dann er ſahe merne gute qualiteten vnd eygenſchafften / woferꝛn ich ſie recht vnd wol brauchen vnd anlegen hette woͤllen.

Nuapflegte er jm̃erdar freye Tafel zu hal - ten / vnd in wehren der Malzeit von allerhand materien vñ ſachen art mit ſeinẽ Tiſchgenoſ - ſen zu diſcurꝛiren. Einsmals hielt er ein ſtatt - lichs Bancket / darauff waren vil anſehenliche vnd gelehrte Herꝛen vnd Frawen. Nach der Mahlzeit ließ mein Herꝛ anfahen zu diſcurꝛi - ren / vnd der erſt Tiſchgenoß diſcurꝛirte vnd redete von der Lugen / was geſtalt nem̃lich alle Menſchen Luͤgner waͤren / vnd ſprach.

Capvt XXXII.

Diſcurs von der Lugen.

WEder in den weltlichen noch Goͤtt - lichen Schrifften findt ich keinen einigen Spruch / durch welchen der betrug deß menſchlichen Lebens beſſer erklaͤrt vnnd verſtanden werden kan / als eben durchQdie242Der Landtſtoͤrtzer.die Wort deß Koͤnigklichen Propheten Da - uids / da er ſpricht: ego dixi in exceſſu meo, omnis homo mendax, als wolte er ſagen: Jn meiner verzuckung hab ich geſagt / daß alle Menſchen Lugner ſeind. Diſes ſeind gleich - wol ſtarcke vnnd ehrenruͤhrige Wort / dann wañ alle Menſchen Lugner weren vnd nichts thaͤten / als liegen / ſo wurden alle jhre gute Lehr vnnd vnderweiſungen verdaͤchtig ſein / deßgleichen muſten die fauoriten vnd freun - de GOttes vnwarhafftig ſein: Aber die hei - lige Vaͤtter vnnd Kirchenlehrer erklaͤren diſe deß heiligen Dauids Wort der geſtallt / daß alle Menſchen Lugner ſeyen / allermaſſen die jenige Jahr / welche ſich anfangs gluͤcklich vnnd wol anlaſſen / vnnd deren Fruͤling lu - ſtig / vnnd dern Aprill ſchoͤn / aber dern Auguſtus vnfruchtbar iſt: Wie nun der - gleichen Jahren vil verheiſſen / aber wenig halten oder laiſten / alſo ſehen wir / daß ein Juͤngling im Fruͤling ſeiner Schoͤnheit / A - dels / Reichthumb / Hoͤflichkeit / herꝛlichen in - genii vnd verſtandts / ein hoffnung gibt / daß einsmals ein herꝛlicher / fuͤrtreflicher vñ nutz -licher243Der Landtſtoͤrtzer.licher Mann auß jhm wirdt werden / aber vn - nerſehens wirt er von etwan einem widerwer - tigen Windt vnd vngeſundem Lufft darnider geworffen / oder durch ein einiges ſchnoͤdes Weib verfuͤhrt vnd in grundt verderbt. Son - ſten aber kan mit warheit geſagt werden / daß omnis homo mendax, oder mendacium, das Leben deß Menſchen ein pur lauters Lu - genwerck ſeye / dann veritas ſibi eſt concors die Warheit iſt jhr ſelbſt allzeit gleichfoͤrmig / vñ wird nackent / ohne alle maſcara noch diſ - ſimulation gemahlt / aber homo in perpe - tua mutatione voluitur, der Menſch ver - kehret vnd veraͤndert ſich jmmerdar / niemaln iſt vnnd verbleibt er in einerley weſen / er hat mehr Gruben / denn das Meer / er verkehret ſich in mehr Farben / denn der Chameleon, vnd verendert ſich in mehr figuren / denn Pro - theus: vñ eben diſer vrſachen halben hat jener Philoſophus die Natur beſchuldigt / daß ſie kein Fenſter in der Bruſt deß Menſchen ge - ſetzt hatte / damit man ſchen hette moͤgen was inwendig im Hertzen fuͤrginge.

Ein Lugen iſt das Leben deß Menſchen /Q 2dann244Der Landtſtoͤrtzer.dann was iſt die waꝛheit anderſt / als (wie Am - broſius ſpricht) ein wahres Leben? Der hei - lig Joannes hat das Leben neben der warheit geſetzt / oder / daß ich recht ſage / er hat die war - heit geſetzt mitten zwiſchen den weg vnd dem Leben / ſprechend: Ego ſum via, veritas & vita: Dann die Warheit iſt das mittel / durch welches man zum Leben gehet / vnd kein ande - rer weg noch mittel dahin zu gelangen iſt ver - handen / aber / leider / nos in vitium credula turba ſumus: vnſere weg ſchmecken vnd zie - len nach Laſtern: zu demſelbigen eylen wir / vnd zu demſelbigen ſeind wir geneigt. Die Warheit iſt ein fundament der Hoffnungen / deſſen vollziehung gewiß vnnd vnfehlbarlich iſt / vermuͤg der Wort: Labium veritatis firmum erit in perpetuum: Die verheiſ - ſungen der warheit ſeind ſtarck / gewiß vnd vn - fehlbar / aber der Menſch nec certa res nec tuta eſt, iſt ein vngewiſſes vnnd vnſicheres ding: Vngewiß ſeind ſeine verheiſſungen / derwegen iſt er ein fundament der naͤrꝛiſchen hoffnungen / dann ſein anfang iſt ein Lugen / ſein Muttermilch iſt ein Lugen / ſein gantzezucht245Der Landtſtoͤrtzer.zucht iſt ein Lugen / vnnd zur zeit deß eumpli - rens vnnd haltens entdecken ſich ſeine falſch - heiten vnd Lugen.

Ein Lugen iſt das menſchliche Leben / dann die Warheit iſt (wie Hypocrates ſagt) klar / glantzent vñ ſchoͤn / vñ hat an ſtatt der Augen / zwo brinnende Fackeln / welche wie die Sonn glantzen / aber das Leben deß Menſchen iſt wie ein armſeliger / betruͤglicher vnnd vnbeſtaͤndi - ger Schatten / vermuͤg der wort: dies noſtri ſicut vmbra ſuper terram: So gar iſt der Menſch / (wie Ariſtoteles bezeugt) incon - ſtantiæ imago, ein Ebenbildt der vnbeſtaͤn - digkeit ſelbſt: dermaſſen vnbeſtaͤndig vnnd wanckelmuͤtig iſt der Menſch / daß er nichts enders repræſentiret vnnd erzeiget / als ein lautere vnbeſtaͤndigkeit / vnnd ein vnergruͤnde - lichen betrug vnd falſchheit.

Vnder andern vnuernuͤnfftigen Thieren / hat Gott auch die Camaleones auff ſeinen Tiſch zu ſetzen verbotten / dann er iſt ſehr vn - beſtaͤndig vnd wanckelmuͤtig / vnnd verkehret ſein Farb / nach beſchaffenheit deß Windts / der da wehet. Alciatus ſagt / daß er die WindQ 3trin -246Der Landtſtoͤrtzer.trincke / vnnd ſich darmit erhalte / auch ſeine Farben nach beſchaffenheit deß Windts / verkehre. Durch die Chameleones werden verſtandẽ die ſchmaichler / derẽ alter gebrauch iſt / daß ſie ſich nach den zeiten vnnd Perſonen mit denen ſie tractiren vnd vmbgehen / veraͤn - deren / den ſtich vnd kein beſtaͤndige Farb hal - ten / ſonder dieſelbe gleichſamb augenblicklich verkehren / derwegen ſpricht Hieron. adula - tor eſt amicus in obſequio, hoſtis in ani - mo. Ein ſchmeichler hat zweyerley Angeſicht / ein jnnerliches vñ euſſerliches: Mit dem euſ - ſerlichen lachet er vns an / mit dem jñerlichen aber kratzet er: Ein Freund iſt er feines Herꝛn / deſſen Brot er jſſet / deſſen Liedlein ſingt er / accommodiret vnd ſchicket ſich nach allen deſſen humorn, Sinn / willen vnnd gefal - len.

Diſes hat wol verſtanden der jenig / wel - cher geſagt hat: Corripiet me iuſtus in miſericordia & increpauit me, oleum autem peccatoris non impinguet caput meum: Das iſt: Der gerechte wirdt mich in der Barmhertzigkeit vnnd wolmeinendtlichſtraffen /247Der Landtſtoͤrtzer.ſtraffen / aber das Oel deß ſuͤnders wird mein Haupt nit beruͤhren: als wolte er noch eygent - licher ſprechen: Woferꝛn du / O Herꝛ / mich wegen meiner ſchweren ſuͤnden ſtraffen wilſt / ſo bitte ich / daß es geſchehe durch die Hand der gerechten / dann vil lieber vnnd angenemmer ſeind mir jhre zu meinem heyl gemeinte ſtraf - fen / weder das mir zum verderben reichende Lob meiner Feinden. Nit ohne vrſach nennet der Prophet die Schmeichlerey ein Oel / dann wie das Oel / wann es ins Fewꝛ gewoꝛf - fen wirdt / pflegt das Fewꝛ nit allein nit zu loͤ - ſchen / ſonder vilmehꝛ anzuzuͤnden / alſo entzuͤn - den die Schmaichler die Suͤndt / qui enim (ſpꝛicht Cyprianus) peccantẽ blandimen - tis adulantib. palpat, peccandi fomitem ſubminiſtrat, nec cõprimit ille peccatũ ſed nutrit. Ferꝛner / wie das Oel die aller groͤbſte vnnd haͤrteſte ding lindert vnd erwei - chet / alſo pflegẽ die ſchmaichler die aller groͤb - ſte vnd haͤrteſte Hertzen zu erweichen: noſtras mentes velut olei pinguedo libenter in - grediẽs vigorẽ veritatis emollit: ob ſchon die warheit dermaſſẽ ſtarck / vñ wie ein diamãtQ 4hart248Der Landtſtoͤrtzer.hart iſt / daß ſie niemaln bricht: (veritas e - nim laborat quidem, ſed extinguitur nunquam) nicht deſto weniger iſt das Oel der Schmaichlerey dermaſſen ſtarck / daß es das Hertz / welches es beſeſſen / lind / zart vnnd weich machet.

Nit einſehlechtes Oel aber iſts / welches ſo gar ſtarck iſt / ſonder es iſt oleum peccato - ris, ein Oel deß Suͤnders / vnd es reiret vnnd bewegt den Menſchen zu allen vnd jeden ſuͤn - den / dannenhero hat jener Keyſer Septimius alle die jenigen / ſo mit diſem Laſter der ſchmeichlerey behafft waren / von ſeinem Hof vertriben / ſeytemal nullum animantium genus aſſentatoribus eſt pernicioſius, kein einige vergiffte Schlang ſo ſchaͤdlich ſein kan / als eben die Schmaichler. O wie hoch zu wuͤnſchen waͤre es / daß die Fuͤrſten di - ſes betrachteten / jhꝛe Augen aufftheten vnd ſe - hen / in was fuͤr groſſer gefahr ſie ſtecken / dann jhꝛe Hofſchmaichler ſetzen jhnen ſtarck zu / ge - ben jhnen vergulte Pillulen ein / vnnd ſalben jhre Haͤupter mit dem Oel der vergifften Schlangen: O der ſie vberꝛeden koͤndie / daßdie249Der Landtſtoͤrtzer.die ſchmaichleriſche wort vnd Schrifften nur Sirentſche geſang / ein lauters Gifft / betrug vnd falſchheit ſeye. Zu wuͤnſchen waͤre es / daß ſie die Wort deß Eſatæ betrachteten / der da ſpricht: Popule meus, qui te beatum di - cunt, ipſi te decipiunt, & viam greſſuum tuorum diſſipant. Es pflegen etliche Fuͤr - ſten dermaſſen in den tugendten fort zuſchrei - ten / daß ſie leichtlichen den hoͤchſten Staffel biß in Himmel koͤndten erꝛeichen / aber ein li - ſtiger vnnd verſchlagner Schmaichler vnnd falſcher Freundt ſchleichet herein / fahet an / dem Fuͤrſten zuſchmaichlen / vnd ſeine Werck vnd thaten der maſſen zu loben / daß in deſſel - ben Hertzen der Wurm der vanæ gloriæ vñ eyteln ehꝛ waͤchſt / vnd alle Tugenden in jhm zernichtet werden. Nit alſo hat der Fuͤrſt vnd Koͤnig Dauid gethan / ſonder geſagt hat er: Oleum peccatoris non impinguet caput meum: Das Oel der Schmaichlern vnnd Fuchsſchwaͤntzlern ſoll mein Haupt nit ſal - ben) ob ſchon ſie noch ſo vil Oels der Schmaichlereyen auff mich gieſſen / ob ſchon ſie noch ſo rethoricê ſchreiben / ob ſchon ſieQ 5alle250Der Landtſtoͤrtzer.alle vnnd jede alte vnd newe Juriſten zu mei - nem vortel / befelch vñ intent alle giren / ſo ſoll doch mein Haupt vnd muth im wenigſten nit dardurch wachſen / noch mein Hertz von dem rechten vnnd geraden weg der iuſtici abwen - dig gemacht werden / vil weniger ſollen ſich meine imaginationes weiter erſtrecken / deñ mein vermuͤgen vermag.

Nit allein wirdt die Lugen / falſchheit vnd ſchmaichlerey vilmals obbemelter geſtallt ge - liebt / geziegelt vnd befuͤrdert / ſonder wann vnd ſchon das gluͤck die poſſeſſion einer warheit beſcheret / ſo corrumpiren wir doch bißwei - len die eſſentz derſelben. Vnſere ſitten wer - den fuͤrnemblich corrumpirt durch die ban - niſirung der warheit / dann vnſere jetzige war - heit beſtehet nit in deme / was ſie iſt / ſonder in deme / wie wir ſie einander perſuadiren vnd einbilden / aller maſſen wir nit allein das jenig fuͤr ein Muͤntz halten / was falſch vnd Kupffer iſt / ſonder was gerecht Silber vnd Goldt iſt. Das liegen iſt etlichen Nationen gantz ge - mein / dann Biſchoff Saluianus Marſilien -fis251Der Landtſtoͤrtzer.fis ſchreibt / daß vor zeiten das liegen vnnd falſch ſchweren bey den Frantzoſen kein La - ſter / ſonder nur ein formb vnnd gebrauch alſo zu reden geweſt: Aber meines erachtens / iſts an jetzo ſchier ein tugendt / aller maſſen den Teutſchen das vollſauffen. An jetzo formiren vnnd fatzoniret man die Lugen / ſamb waͤre ſie ein exercitium vnd vbung der Ehren / dann die diſſimulation iſt zu diſen zeiten die beſte vnnd notwendigſte qualitet: Offt vnnd vil - mals hab ich bey mir ſelbſt betracht / was doch die vrſach ſein mag / daß wir vns vber diſen Laſter der Lugen (welches vns doch ſo gar ge - mein iſt) vil hefftiger erzuͤrnen / denn vber kein anders / daß auch wirs fuͤr ein hoͤchſte iniuri vnnd ſchmach halten / wann man vns liegen heiſt / oder der Lugen bezeyheit: Jch befinde a - ber / daß es ſchier ein natuͤrlichs weſen iſt / dann wir empfinden gleich wol die accuſation vnd bezeyhung / aber die ſchuld legen wir nicht von vns: Den effect der Lugen behalten wir / vnd verdammen ſie doch nur in apparentia vnd zum ſchein.

Kein252Der Landtſtoͤꝛtzer.

Kein Laſter iſt ſchaͤndtlicher / als eben das liegen / dann ein Lugner redet wider ſein eignes Gewiſſen / vnd ſein liegen iſt ein zeichen / daß er Gott den Herꝛn verachte / vñ die Menſchen foͤrchte: Was kan aber ſchaͤndlicher ſein / als daß man ſich verzagt ſtellt gegen den Men - ſchen / aber keck vnd vermeſſen gegen GOtte Das reden vnd ſchreiben iſt das einige mittel / dardurch wir einander vnſern willen / gemuͤt vnd gedancken communiciren, es iſt auch ein Dolmetſcher vnſerer Seelen: Woferꝛn nun es fehlt / ſo fehlt vnſer gantzes Menſchli - ches comertium vnd gemeinſchafft / vnd vn - ſer Polliceyweſen wirdt dardurch corrum - piert vnd zerloͤſcht. Etliche Jndianer opffe - ren jhꝛen Goͤttern nur Menſchliches Blut / welches ſie auß jhren Zungen vnd Ohren zie - hen / zur verſoͤhnung der Suͤnd der Lugen / die ſie entweder angehoͤrt oder geredt haben / Aber leyder / wie die Kinder einander betrie - gen vnnd narꝛen mit den Ochſen Beinlein / alſo narꝛen vnnd betriegen wir einander mit worten.

Es ſagt gleichwol der weiſe Mann: Neacci -253Der Landtſtoͤrtzer.accipias faciem aduerſus faciem tuam, nec aduerſus animam tuam mendaciũ: Als wolte er ſagen: Du ſolleſt kein anders vn - natuͤrliches Angeſicht an dich nemen / noch auch die Warheit (welche GOtt gleich iſt) auß deinem Hertzen treiben / vnnd hergegen die Lugen (welche dem Teuffel gleich iſt) darin wurtzlen vnnd regieren laſſen / dann das thun nur die doppelte vnd falſche Menſchen / ſo da euſſerlich etwas erzeigen / welches aber in jhrem Hertzen vil anderſt iſt: Dergleichen doppelte vnd falſche Geſellen aber ſeind Kin - der deß Teuffels in der nachfolgung / vermuͤg der Wort Chriſti: Jhr habt den Teuffel fuͤr einen Vatter / vnnd jhr begeret die verlangen ewers Vatters zu vollziehen: Vil aͤrger ſeind die Lugner / denn der Teuffel ſelbſt / dann als er die Lugen in die Welt brachte vnnd vnſere Mutter Euam betrug / hat er mit einer maſ - cara oder vermumten Angeſicht gelogen / vnd die geſtalt einer Schlangen an ſich genom̃en / dann er war nit ſo keck / daß er ſich mit offnem Angeſicht ſehen hette laſſen / Aber vil Men - ſchen liegen dermaſſen vnuerſchambt / daß ſie /wie254Der Landtſtoͤrtzer.wie der Teuffel / jhren nechſten offentlich vnd ohne einige vermummung vorliegen vnd be - triegen: Welchen du fuͤr deinen freund heltſt / der iſt der jenig / der dich verkauffet: Welchen du vermeineſt / daß er die warheit auffrecht vñ redlich mit dir rede vnnd handle / der iſt der je - nig / der dich verꝛahtet vnnd betrieget: Wel - chen du vermeineſt / daß er dir langes Leben wuͤnſche / der iſt der jenig / der dir dẽ Tode pro - turiret: wer dir die Haͤnd thut kuſſen / der wol - te ſie dir vil lieber abhacken: Wer dich thut freundlich anlaͤchlẽ / der wolte dir vil lieber die Augen außkratzen: non enim eſt veritas, & non eſt miſericordia, & non eſt ſcientia Dei in terra. O wie vil Lugen vñ falſchheitẽ ſindt man in den Weltmenſchen: Menkom̃t bißweilen in ein luſtiges gehuͤltz) deſſen gruͤne baͤum vñ geſtreuß vnſere Augen erluſtigen / vñ vns reitzen vñ locken vnder jrem ſchattẽ zu ru - hen / woferꝛn aber ſchlangen / woͤlff vnd Baͤren darinn verhanden ſeind / ſo begert keiner (der anderſt einen Verſtandt hat) im ſchatten ſol - cher baͤum zu ſchlaͤffen: Diſe Welt / die wir ſo ſehꝛ lieben / iſt dz gehuͤltz oder wald / ſie ſcheinet /dem255Der Landtſtoͤrtzer.dem euſſerlichen weſen nach / friſch vnd luſtig zu ſeyn / aber inwendig iſt ſie erfuͤllt mit vilen vergifften Thieren / die vns vmbbringen / die Menſchen ſchmatchlen vns vor / geben vns zucker: vnnd hoͤnigſuͤſſe wort / ſie verſprechen vnd verheiſſen vns vil / aber es ſeind nichts an - ders / als complimenten vnd laͤre Woꝛt / dann im fall der Noth / vnd wann man jhrer bedarf / befindt ſich das gerade widerſpil.

Die Weiſſagung deß Apoſtels / daß zu den letzten zeiten die ohren der Menſchen dermaſ - ſen kranck vnd zart ſein werden / daß ſie nichts heylſames / ſonder nur lautere liehliche vñ an - geneme ding hoͤꝛen werden moͤgen: iſt numehr erfuͤlt: Nirgents aber iſt die warheit verhaſtes vñ verdꝛießlicher / als eben an etlichẽ Hoͤfen der Potentaten: An jrer ſtatt wirdt die Lugen vnd ſchmaichlerey geliebt. Die jenigen / ſo die war - heit predigen / vñ die Laſter ruͤhꝛen vñ ſtraffen / werden vertriben / die warheit wird wie ein V - belthaͤterin befengnuſt / vnd ob ſchon jedeꝛman ſie lobt / ſo wil doch niemandt ſie hoͤren: weil die welt der warheit ſo gar feind iſt / ſo muͤſſen die Diener Gottes per circũlocutiones re -den /256Der Landtſtoͤrtzer.den / vnd ſie verdeckt fuͤrbꝛingen / damit ſie an - genom̃en werde / jnmaſſen der Pꝛophet Natan dem Koͤnig Dauid gethan. Wann einer vber die Gaſſen mit vmbgewendtem Mantel ge - het / vnd ein anderer jhms ſagt / als dañ dancket er jhm drumb / aber zu erbarmen iſts / daß / wañ ein Prediger vns ſagt / daß wir ein verkehꝛtes boͤſes Leben fuͤhren / wir vns als dañ erzuͤrnen / kummern vnd es nit hoͤren moͤgen / dann diſes laſter der Lugen verfinſtert vnd verſtellt jhren verſtandt dermaſſen / daß ſie nur die falſchheit vnd ſchmaichelwoꝛt gern hoͤren / vnd der war - heit feind ſeindt / die frommen aber verhaſſen die Lugen / vnd lieben die warheit / welche da iſt Chriſtus Jeſus.

Capvt XXXIII.

Diſcurs von der vbermaͤſſigen ſorg - faͤltigkeit wegen der zeitlichen Guͤter / Kleider vnnd Reichthum - ben.

DEr ander Tiſchgenoß fing an von der vbermeſſigen menſchlichen ſorg - faͤltigkeit zu reden / vnd ſprach: Vonder257Der Landtſtoͤrtzer.der materi der vbrigen ſorgfaͤltigkeit redet der Herꝛ vnd ſpricht: Ne ſolliciti ſitis ani - veſtræ quid manducetis, neque cor - pori veſtro, quid induamini: als wolte er ſagen: Sorget nit ſuͤr ewre Seelen / was jhr eſſen werdet / auch nit fur ewren Leib / was jhr anziehen werdet / das fuͤrnemſte / darumb wir Menſchen ſorgen / iſt die Speiß / die Kleidung vnd die Reichthumb. Was die Speiß vnnd Leibsnarung belangt / iſt nicht gnugſamb zu verwundern / was geſtalt ſie ſich deßwegen be - muͤhen / dann etliche pfluͤgen den Acker / ande - re pflantzen Baͤum / andere legen ſich auff den Viechziegel / andere treiben ein Handtwerck / ander begeben ſich auffs ſtudiren / vnd andere auffs kriegen / alles zu dem endt / damit ſie jhre zeitliche Nahrung gehaben / daran aber thun ſie nit ſo gar vnrecht / wofern ſie es mit Gott angreiffen / jhne darneben allzeit vor Augen haben / vnd ſich vom Geitz nit vbergehen laſ - ſen. Andere findt man / welche die ehrliche ar - beit fliehen / ſich nur auff die Maulnahꝛung oder Wirthſchafft / Jtem auff die Kauffman - ſchafft vnd Wucher legen / vnd durchauß keinRGewiſ -258Der Landtſtoͤrtzer.Gewiſſen haben / ſonder Tag vnd Nacht nur dahin dichten / trachten vnd aꝛbeiten / dz ſie mit vñ ohne recht / vil Gelt vnd Guts zuſammen ſcharꝛen moͤgen. Andere ſeind verhanden vnd ſonderlich die Weiber / welche jhꝛ Haußhaben vermeinen zu verbeſſern oder reich zu werden / vermittelſt jhrer Kargheit vnnd geſpaͤrigkeit / auß allen vñ jeden dingen woͤllen ſie einen ge - winn ſuchen / vnd auß jhren Haͤnden kein not - turfft laſſen: Alles will jhnen zerꝛinnen / vnnd nichts will jhnen gnug ſein. Die abgeſtutzte naͤgel klauben ſie widerum̃ von deꝛ Erden auf / vnd behaltens / obs jhnen villeicht einmals zu nutz werden moͤchte: Auß lauter geitz doͤrffen ſie jr Gelt nit angreiffen / verbergen jrẽ Treid / vnd woͤllen jhne ehender nit verkauffen biß er gar thewr worden. Von ſolchen Leuthen aber ſtehet geſchriben. Qui abſcondit frumen - ta, maledicetur in populis: als wolte der weiſe Mann ſagen: Ein groſſe vnbarmher - tzigkeit iſts / wann einer den Traidt zur zeit der thewrung verhelt / verſchlaͤgt / vnnd auß lauter Geitz ein gantze Gemaind begeret zupreſſen vnnd auß zuhungeren / billich werden ſieder -259Der Landtſtoͤrtzer.derwegen verflucht / aller maſſen hingegen denen alles guts gewuͤnſcht wirdt / welche der gemainen noth huͤlflich beyſpringen / dann Gott ſegnet ſie in allen dingen / dann weil ſie jhre Hoffnung auff GOtt ſetzen vnnd jhme vertrawen / ſo erſprieſſen jhnen alle jhre ſa - chen vnnd anſchleg gantz gluͤcklich / vnnd er - langen ſambt der Frucht die vnſterbliche glo - ry: Weil aber die ſorgfaͤltige Neid - vnd geitz - haͤlß Gott dem Herꝛn nicht trawen / das gelt wie jhren Gott verehren / vnd jhr Heyl vnnd Wolfahrt drin ſetzen / ſo bewilligt GOtt daß ſie verderben vnd mit jhrem ſchaden erfahren / daß ſie jre ſoꝛg vnd gantzes Leben in ſamblung deß Gelts vnnuͤtzlich verzehrt haben. Dañ es ſieht geſchriben: Qui cõfidit in diuitijs ſuis corruet, iuſti autem quaſi virens folium germinabunt.

Nun ſpricht aber einer: die taͤgliche erfah - rung vnd Exempel geben ein anders zuerken - nen / dann wir ſehen / daß vil Leuth durch jhre groſſe ſorgfaͤltigkeit bemuͤhung / vortheilig - keit vnnd Wucher / Reich / vermuͤglich groß vnd anſehenlich werden / hergegen daß die je -R 2nigen /260Der Landtſtoͤrtzer.nigen / welche ſich der eigennuͤtzigen vnnd fal - ſchen ſtuͤckel nit achten noch gebrauchen / ſon - der das ſtudium iuſtitiæ oder der Gerech - tigkeit omnib. vitæ commodis vorziehen / arm vnd duͤrfftig ſeind vnd bleiben: Hierauff aber antwortet der weiſe Mann vnnd ſpricht: multi cibi in noualib. patrum ſibi pau - perum, dann die erſaͤttigung beſtehet nicht in den Schewren vnd Kaͤſten / ſo mit Traidt erfuͤlt ſeind / ſonder in einem maͤſſigen vnd tu - gentſamen Gemuͤth / dann wie die Tugendt mit jhr ſelbſt zu friden iſt / alſo ſetzet ſie der bt - gierligkeit reich zuwerden ein ſolches maß vñ ziel daß ſie mehr nit / als eben die notturfft be - gehꝛet: Aber die vntugentſame Geitzhaͤlß koͤnnen durch keine einige Reichthumb erfuͤlt / noch auch / obſchon alle Menſchliche Reich - thumb ſich in jhrem Hauſe verſambleten / er - ſettigt werden: ſola namque virtus animũ locupletat atque ſtabili voluptate per - fundit, ſicque fit, vt iuſti facilimè ſatiari poſſint, iniuſti autem ſemper eſuriant.

Habentes victum & amictum his con - tentiſſimus ſpricht der Apoſtel / als wolte erſagen:261Der Landtſtoͤrtzer.ſagen: Wann wir mit notwendiger Speiß vnnd Kleidung verſehen ſeindt / ſollen wir bil - lich benuͤgt vnd zu friden ſein / dann Gott iſt ein Vatter nur deren / welche ſich mit der not - wendigen Leibsnahrung vnnd vnderhaltung beſchlagen laſſen.

Als jener Haußuatter die Arbeiter in ſei - nem Weingarten auffnam / vnnd mit jhnen dingte / verhieß er jhnen einen taͤglichen Gro - ſchen / das iſt / die Seligkeit / zu geben / aber we - gen der taͤglichen ſpeiß handlete er nichts mit jhnen / dañ dieſelbe iſt den Dienern vnd freun - den Gottes richtig vnd gewiß: Eben auff di - ſen ſchlag ſollen auch wir nach dem himliſchẽ Groſchen trachten / vnd nit zweifeln / das vns mangeln werde die Leibsnahrung / dann ob ſchon die zeitliche ding bißweilen menglen / ſo wird vns doch Gott hingegen dermaſſen ver - ſehen mit der Frewd vnd Geiſtlichem Troſt / daß du vil beſſer zu friden ſeyn wirdeſt mit dei - ner duͤrfftigkeit / armut vnnd noth / weder mit dem vberfluß. Keins wegs ſollen wir die zeit - liche ding durch vnzimbliche mittel procuri - ren / dann die eytele Soꝛgfaͤltigkeit derſelbigenR 3iſt262Der Landtſtoͤꝛtzer.iſt ein beſchwernuß der Geiſtlichen Fluͤgel. Sie verhindert den Flug vnſerer Seelen an der contemplation vnnd betrachtung der e - wigen Guͤter. Keiner andern vꝛſachen halben hat Gott den Menſchen erſchaffen / als daß er jhne erkennen / lieben vnd genieſſen ſolte / aber von diſer genieſſung verhindert vnnd ſcheidet vns die vbermaͤſſige ſorgfaͤltigkeit vnnd Ge - dancken der zeitlichen guͤter.

Zu denen / welche mehꝛ auff jhꝛe aigne ſa - chen / als auff Gott gedachten / ſpꝛicht der Herꝛ ſelbſt: Quia domus mea deſerta eſt & vos feſtinatis vnuſquiſq; in domum ſuam, propter hoc prohibiti ſuper vosſunt - li, ne darent rorẽ, & terra prohibira eſt, ne daret germen ſuum. Dann billich iſts / daß denen alles maͤngle / welche jhꝛen Erſchaf - fer verlaſſen wegen deß zeitlichen. Ein ſchand iſts / daß wir vnſere ſorg vnd verlangen ſo gar vbel verwenden vnd anlegen wegen deß zeitli - chen koths / da doch wir gar leichtlich verlan - gen vnd trachten koͤñen nach den blumen deß Paradeyſes: Ein grauſambkeit iſts / daß wir vns ſo ſehr er muͤden im ſuchen der Welt / dadoch263Der Landtſtoͤrtzer.doch wir trucknes Fuſſes finden koͤndten den Himmel. Wer da begehꝛt der gefahr diſes Le - bens zu entgehen / vnd des verdamnuß befreyet zuwerden / der muß fliehen die Erd / er muß auch fliegen oder ſchwimmen / vnd keinswegs auff der Erden vmbgehen / dann als Gott die Voͤgel erſchaffen hatte / ſegnete er ſie / den be - ſtien vnnd Thieren aber / welche auff der Er - den gehen / gab er ſeinen ſegen nit: Wer nun den ſegen / welchen Gott den frommen geben wirdt / begert zu erlangen / der muß entweder fliegen oder ſchwim̃en / damit er der gefahꝛ / da - rin andere gerathen / befꝛeyt ſeyn moͤge / dañ de - nen / ſo / wie beſtiæ, auf Erden leben vñ die jrꝛ - diſche ding vnordenlich lieben / wirdt GOtt nicht ſeinẽ ſegen / ſonder den fluch geben. Der - wegen / O Menſch / lebe / wie ein Vogel in der hoͤhe der contẽplation vñ Gebetts / ſetze alle deine gedanckẽ vñ ſorgen auf Gott / ſo wirdt er hingegẽ auf dich gedencken vnd fuͤr dich ſorgẽ / jnmaſſen Dauid gethan / ſprechendt: pauper ſum & mendicus, Dominus ſollicitus eſt mei. Weil Gott fuͤr dich ſorget / ſo darffſtu dich nichts kummern vmb das zeitliche /R iiijdann264Der Landtſtoͤrtzer.dann das die Heyden vnd Vnglaubigen / wel - che einẽ Glauben am gluͤck haben / ſo gar ſorg - faͤltig ſeind / iſt ſolches kein wunder / aber du / der du ein Chriſt biſt / vnnd an der Goͤttlichen prouidentz vnnd fuͤrſehung glaubeſt / ſolleſt ſorgfaͤltig ſein fuͤr die Geiſtliche Guͤter / ſey -[t]emal du weiſt / daß / wofern du thuſt was du ſchuldig biſt / dir die nothwendigkeit nit werde ermangeln / dann weil Gott / der die Voͤgel / (welche er von deß Menſchen wegen erſchaf - fen) erhelt / warumb wolte er nit auch erhal - ten den Menſchen / welchen er wegen ſeinen ſelbſt erſchaffen? Reinige dein Hertz / lege al - le eytele ſorgfaͤltigkeitẽ von dir / ſo kanſtu dich deſto leichter zu Gott erheben: Ob ſchon die occupationes, bemuͤhungen vnd ſorgfaͤltig - keiten der zeitlichen dingẽ nit vnzimlich ſeind / ſo verblenden ſie doch das Geſicht deß Ver - ſtandts vnd vertreiben den Glantz deß wah - ren Liechts.

Von der Sorgfaͤltigkeit der Kleidern.

Ferꝛner265Der Landtſtoͤrtzer.

Ferꝛner ſo vil die Kleyder betrifft / verbeut der Herꝛ gleichfals derſelbigen vbermaͤſſige ſorgfaͤltigkeit / dann weil Gott vnſern erſten Eltern (vnangeſehen er wider dieſelbige we - gen der Suͤnd erzuͤrnet war) mit Kleidungen verſehen hat / warumb wolte er dann ſie nicht auch vns geben? Dreyerley vrſachen halben bedoͤrffen wir der Kleidungen / erſtlich / vns darmit zu bedecken: Am andern / vns vor wind kaͤlte vnd hitz zu beſchuͤtzen: Drittens / vns vn - der einander in vnſern Staͤnden vñ Ambtern zu vnderſcheiden / vnnd die Geiſtlichen von Weltlichen / die Fuͤrſten / Herꝛen / Edelleuth / Burger vnd Bawren von einander zu erken - nen / Wofern vnſere erſte Eltern nit geſuͤndigt hetten / ſo bedoͤrfften wir keine Kleidungen / dann die nackenheit deß Leibs wuͤrde als dann eben ſo wenig ein ſchandt geweſt ſein / als an jetzo die nackenheit deß Angeſichts vnnd den Haͤnden / Es wuͤrde auch kein vngewitter deß Luffts geweſt ſeyn / vnnd die vnderſchidliche menſchliche Staͤnd wuͤrden durch andere zei - chen erkeñt ſein wordẽ / Darauß erſcheint nun daß die Kleider nichts andeꝛs ſeind / als zeichenR 5vnd266Der Landtſtoͤrtzer.vnd ſtraff der Suͤnden / allermaſſen der ſtrick / welchen der zum Galgen gefuͤhrter Dieb am Halß traͤgt / ein zeichen iſt ſeines begangenen Diebſtals / vnnd ein Jnſtrument ſeiner Straff.

Hierauß iſt nun abzunem̃en / was die jeni - gen fuͤr groſſe Narꝛen ſeyn / welche ſich auf die zierd vnd pracht der Kleidung vil zu ſehr bege - ben / dann erſtlich wirdt die edle zeit dardurch verzehrt / welche vns von Gott darumb be - ſchert iſt worden / daß wir das ewige darmit gewinnen ſollen. Am andern wirdt dardurch ein ſo groſſer vergeblicher vnkoſtẽ angewend / daß vil Leuth jhre gantze Subſtantz nur den Kramern ſchuldig verbleiben. Drittens multiplicieren vnd vermehren ſie die Kleider haͤuffig vnnd vberfluͤſſig: Viertens ſeind ſie ſehr fuͤrwitzig in erfindung der newen foꝛmen vnnd muſtern. Vnnd diſes alles thun nit die rechtſchaffne Maͤnner / ſonder nur die Antrogyni oder weibiſche Maͤnner: Fuͤrnemblich aber die Weibsperſonen / auß vilerhandt vrſachen / dann erſtlich ſeind ſie nit ſo geſcheidt / vnnd brauchen keinenverſtandt /267Der Landtſtoͤrtzer.verſtandt / wie die Maͤnner ſonder ſeind den nugis, eitelkeiten vñ paſſionibus allerdings ergebẽ: Sie vermeinen / (jnmaſſen aller Nar - ren art iſt) daß ſie weiſer ſeind / denn alle ande - re / vñ ob ſchon alle Vaͤtter / Apoſteln vñ Pro - pheten die Hoffart vnd vbermut der Kleidern verbotten / vnnd alle Prediger ſie ſtraffen / ſo halten doch die Weiber darfuͤr / dz andere Leut dißfals jrꝛen / vnnd nur ſie recht haben. Der - wegẽ beharꝛen ſie bey jren meinungen / vñ ver - wenden in den kleiden nit allein groſſen vner - ſchwinglichen vnkoſten / ſonder brauchẽ auch vil muͤh / arbeit vñ vngelegenheit mit dem zie - ren / ſchmucken vnd auff butzen jres Kopffs vñ Leibs / vnangeſehẽ ſie dardurch weder jren eig - nen noch andern Maͤñern nit allein nit gefal - len / ſonder vilmehꝛ verlacht / veracht vnd ver - ſpottet werden: So thun auch ſolche koͤſt - liche gezierle vnd geſchmuckte Docken nichts anders / als muͤſſig gehen / einander viſitiren, heimſuchen / beſchawen / fabuliren / ſchnadern / dadern / ſchwaͤtzen / von den newen Muſtern der Kleidern vnd ſonſten reden / vnd die Leut außrichten / GOtt geb / es gehe anheims injhren268Der Landtſtoͤrtzer.jhren Haͤuſern vnd mit den Maͤnnern zu / wie es woͤlle.

Die andere vrſach / warumb die Weiber ein mehrere Hoffart vnd vbermuth mit Klei - dern treiben / iſt jhre vnuollkommenheit / der - wegen ſuchen ſie alle mittel ſich vollkommen zu machen / weil aber ſolches nit beſchehen kan durch jhre weißheit noch ſtaͤrck / die ſie nit ha - ben / ſo brauchen ſie die Zierd vnd Geſchmuck deß Leibs / vnd begehen doch darbey vil defe - cten vnd maͤngel / dann / wie die vngeſchickte Mahler ſich vergeblich vnderſtehẽ / ein durch einen ſehr kunſtreichen Mahler angefangene Tafel zu vollenden / alſo ſehen wir / daß etliche Weiber das Ebenbildt Gottes in erſchroͤckli - che monſtra vnd vngehewre geſtalten trans - formiren vnd verkehꝛen / vnd doch das jenig / darnach ſie verlangt / nit erlangen.

Die dritte vrſach iſt / weil ſie / als taugliche Jnſtrumenten deß Teufels / durch jhre ſchoͤ - ne Kleider vnd Geſchmuck die junge Geſellen deſto ehender zu der Geilheit bewegen koͤnden: Beſchließlichen iſt jhre angeborne Hoffart dran ſchuldig / vnnd ſie wolten gern / wie jhreerſte269Der Landtſtoͤrtzer.erſte Mutter Eua, Goͤttinnen ſeyn vnd dar - fuͤr gehalten werden / vnangeſehen ſie ein gre - wel vor Gott / vnd gleich ſeind den außwendig geweißten / aber inwendig mit todten Beinen erfuͤlten Graͤbern. Sie ſtehlen den nackenden Armen das vberfluͤſſige vñ eptele Gewandt / welches ſie an jhren Leib hencken. Ein ſchand iſts / daß bißweiln die arme Maͤñer deß mor - gens fruͤh auff ſtehen / jhꝛen geſchaͤfften hin vñ wider nachlauffen vnd abwarten / vnnd wann ſie vngefaͤhꝛlich vmb Mittag muͤd vnd ſchwi - tzendt heimb kommen / ſie als dañ jhre Weiber entweder noch im Beth ligen / oder im Seſſel ſitzendt / vnnd ſich zierendt vnd ſchmuckendt finden. Den Koͤniginnen vnd Fuͤrſtinnen ge - buͤrt ſolches / doch weiß ich auch nit / obs jhnen wol anſtehe. Laͤcherlich vnd vnbillich iſts / daß der Muͤſſiggang / faulheit / hoffart vñ ſchleck - erey vnſerer Weiber erhalten werden muß / durch vnſer Schweiß / muͤhe vnd arbeit. O wie vil beſſer aber waͤre es / wann ſie ſich befliſ - ſen / jhꝛe Seelen zu zieren / vollkommen zu ma - chen / vnd in ehrlichen / zuͤchtigen vnd maͤſſigẽ Kleidern daher zu gehẽ / ſo wuͤrde kein eitelkeit /Thorheit270Der Landtſtoͤrtzer.Thorheit noch Hoffart in jhnen erſcheinen vnd jhre arme Maͤnner wuͤrden villeicht beſ - ſer vnd lenger bey haͤußlichen Ehren verblei - ben / vnnd nit gezwungen werden gen Straß - burg zu ziehen.

Von der Sorgfaͤltigkeit der Reichthumben.

JCh wil aber weiter gehen / vnd noch et - was wenigs von der vberfluͤſſigẽ ſoꝛg - faͤltigkeit der Reichthumben handlen. Qui volunt diuites fieri, incidunt in ten - tationẽ & in laqueũ diaboli, & deſideriæ multa, inutilia & nociuaſpricht der Apo - ſtel / die jenigen welche auf dem weg der Reich - thumbẽ gehen / vnd dem Gelt vnd Gut nach - jagen / ſtrauchlen dreymal. Erſtlich fallen ſie in verſuchung: variè ſollicitantur ad diui - nas & humanas leges tranſgrediẽ das, ſol - licitirt; geraitzt vnd angetriben werden ſie / die Goͤttliche vñ menſchliche geſetz zu vberſchrei - len: es heiſt bey jhnen: ſic volo ſic iuebo, ſit pro ratione voluntas. Am andern fallen ſie in deß Teufels ſtrick / dann die Reichthumbſeind271Der Landtſtoͤrtzer.ſeind Netz deß ewigen Todts / darin der Teu - fel die Seelen der Narꝛen fahet. Zugleicher weiß wie der Hencker einẽ vbelthaͤter zu hoͤchſt an Galgen fuͤhren / vnd jm folgends mit dem Fuß einen ſtoß gibt / vnd mit ſchandt vnd ſpott von der Leiter hinab wirfft / alſo beſcheret die Welt jhren Dienern vil Gelts vnnd Guts / vnnd reitzet ſie mit vilen Laſtern / damit ſie hernacher deſto ſchaͤndtlicher fallen. Qui diuitiis ſeruit, præſentibus compedi - bus conſtringitur & futurus præparatur. Wer den Reichthumben dienet / der wan - dert mit ſehenden Augen zur Hoͤllen / vnnd legt ſeine Fuͤß in den ſtrick deß ewigen Todts. Drittens fallen ſie in vil vnnuͤtze vnd ſchaͤd - liche ſorgfaͤltigkeiten vnd verlangen / deſide - rium diuitiarum vadit in infinitum: Dann auaritia deſideratusrebus non ex - tingitur, ſed augetur: Als Alexander Magnus vorhabens war / die Scythier zu - bekriegen / lieſſen ſie jm durch Geſandten ent - bieten vñ ſagen: quid tibi diuitiis opus eſt, que te eſurire cogunt? als wolten ſie ſagen: Was bedarffſtu der Reichthum̃en / welche dienur272Der Landtſtoͤꝛtzer.nur einen hunger verurſachen / dann je mehr du vberkombſt / je mehr du haben muſt? Kein riniger gewinn erſaͤttiget ein ſo groſſe begierd / vnd kein einiger Schatz erfuͤllet ſeine Truchẽ / dann der appetit vnnd die begirligkeit deß Reichen iſt der Hoͤllen gleich / welche / ob ſchon ſie noch ſo vil Seelen verſchlindet / doch nie - maln erſaͤttiget wirdt: Wie das Fewr durchs Holtz vermehrt wirdt / alſo das verlangen deß Reichen. Diuites eguerunt & eſurierunt: Die Reichen leiden noth vnd hunger: diui - tiæ corporales paupertate plenæ ſunt. Infernus & perditio (ſpꝛicht der weiſe Mann) nunquam explentur: ſimiliter & oculi hominum: Vir qui feſtinat dita - ri, & aliis inuidet, ignorat quodægeſtas veniet ei. Hoͤre was Job ſagt: agite nunc diuites plorate vlulantes in miſeriis ve - ſtris. Was die Welt fuͤr Schaͤtz vnd Reich - thumb helt / das nennet Job ein Armſeligkeit / vnd ſagt / daß ſie in denſelbigen bruͤllen: Nit weinen / nit heulen / nit ſeufftzen ſie wie Men - ſchen / ſonder ſie bruͤllen vñ wuͤten wie die vn - vernuͤnfftige Thier. Viel aͤrger iſt ein vner -ſetli -273Der Landtſtoͤrtzer.ſaͤtlicher Geitzhalß / denn ein vnuernuͤnfftiges Thier / dann (wie Auguſtinus ſpricht) quæ eſt iſta auiditas concupiſcentiæ, cum & ipſæ beluæ habeant modum? tunc enim rapiunt cum eſuriunt, parcunt verò prę - cum ſenſerint ſacietatem; Inſatiabilis eſt ſola auaritia diuitum, ſemper rapit & nunquam ſatiatur.

Beſchließlichen ſeind die Reichthumb nit allein vnnuͤtzlich / ſonder auch ſehr ſchaͤdlich: multos perdidit aurum & argentum: vil Leut ſeind durch Silber vnd Goldt vmb - kommen: odi aurum, multis enim per - ſuaſit perperam ſpricht Plautus, als wolte er ſagen: Jch bin dem Goldt feindt / dann es rathet dem Menſchen vbel / vnd ſtecket jhne in einen gefaͤrlichen Laborinth. Zu gleicher weiß wie dz Miltz im Menſchen / je mehꝛ es waͤchſt vnd faiſter wirdt / je mehꝛ es alle theil deß Leibs ſchwaͤchet / alſo vmb wie vil mehr die Reich - thumb wachſen / vmb ſo vil deſto mehꝛ nem̃en alle gute eygenſchafften deß Menſchen ab: Je mehr die begierd deß Geitzes waͤchſt / vnd die Seel aufgeſchwilt / je kraͤncker vnd ſchwaͤcherSwerden274Der Landtſtoͤrtzer.werden jhre tugendten. Ja was mehr vnd das aller aͤrgſte iſt / quod mergunt diuitiæ ho - mines in interitum ex perditionem. Sie ertrencken vnnd erſticken den Menſchen im Waſſer deß ewigen Todts.

Ob ſchon der Menſch alle Schaͤtz der Welt in ſeinem gewallt heite / ſo wuͤrde er doch nicht deſto juͤnger / weiſer / groͤſſer / ſtaͤr - cker vnnd ſchoner ſein / weder er ſonſt iſt: Die wolluͤſt / ſo auß den Reichthumben entſprin - gen / ſeind kurtz vnd eytel / dann die wahre wol - luͤſt beſtehen in der ruhe deß Geiſtes. Sagſtu daß die reichthumb dir ein ehr bringen / ſo ge - denck hergegen / daß ſich die Menſchen nicht ſo ſehr verwundern / noch dich ehren wegen deiner Perſon / ſondern wegen deiner Klei - der vnd reichthumb / derwegen gehoͤrt ein ſol - che ehr nicht dir / ſondern deinen Kleidern vnd Gelt zu: Hergegen woferꝛn ſie die armut dei - ner Seelen ſehen ſolten / ſo wuͤrden ſie dich fuͤr arm vnnd vngluͤckſelig halten: Sagſt du daß die Reichthumb dir vil gute freunde ma - chen / ſo ſoltu wiſſen / daß ſolche freunde keine wahre / ſonder falſche freunde ſeyen / bey denenmehr275Der Landtſtoͤrtzer.mehr zuuerlieren / dann zu gewinnen iſt / dann ſie lieben nit dich / ſondern dein Gelt / vnnd ſie verfuͤhren dich durch jhre ſchmaichlerey: je naͤhender auch dir dein freundt verwandt iſt / je mehr verlanget jhne nach deinem todt / da - mit er dich moͤge erben.

Diſes hat wol verſtanden der jenig / wel - cher geſagt hat: Omnia arbitratus ſum vt ſtercus: das iſt / alle zeitliche ding hab ich fuͤr ein Koth gehalten: Was iſt das Goldt an - derſt / als ein hepffe der Erden? was iſt das Silber vñ Edelgeſtein anderſt / als ein ſchaunt der Erden / ſo darinn wachſen vnd herfuͤr ge - bracht werden? Was ſeind die Seyden vnd Sam̃et anderſt / als einkoth der veraͤchtlicheñ Wuͤrmen? Was ſeind die zarte Tuͤcher an - derſt / als ein Wolle der Thieren? Was ſeind die koͤſtliche Futer / Zobl / Marder vnnd dergleichen anders / als Haͤut der todten Thie - ren? Was ſeind die gemahlte Pallaͤſt / ver - gulte Saͤhl / hohe Thuͤrn / ſtattliche Gebaͤw vñ groſſe Staͤtt anderſt / als Erd? Was ſeind die digniteten vnd ehr anderſt / als Windt? S 2Was276Der Landtſtoͤrtzer.Was iſt die gantze Welt anderſt als Erd? O - mnis caro fœnum & omnis gloria eius quaſi flos agri. Weil dann der Menſch ein ſo herꝛliche Creatur vnnd erſchaffen iſt / daß er GOtt lieben vnnd genieſſen ſoll / ſo iſts je ein ſchandt / daß er ſein Lieb von jhm ab / vnnd zu veraͤchtlichen dingen verwendet. Dermaſſen wenig gilt bey GOtt dem Herꝛn das Goldt vnd edle Geſtein / daß Salomon mit aller ſei - ner glory / herꝛlichen vnnd koͤſtlichen Kleidern vnd Zierden nit ſo ſchoͤn bekleidt war / wie ein Blum deß Feldts. Dann ob ſchon die Koͤni - gin von Saba ſich vber deß Salomons reich - thumb vnd koͤſtlich heit / vñ nit vber ein Blum verwunderte / ſo iſt doch ſolches aller naͤrꝛiſchẽ Weiber vnd vnbeſoñenen Maͤnner gebrauch vnnd ein gemeiner Jrꝛthumb der Menſchen / welche nur nach dem euſſerlichen ſchein vr - theilẽ / daran aber iſt vnſer begierlichkeit ſchul - dig: O wie vil angenem̃er waͤre es Gott dem HErꝛn / vnd dir nutzlicher / wann du reine Au - gen hetteſt / dann als dann wuͤrde dich vil ſchoͤ - ner zu ſeyn geduncken die Lilge / welche Gott gemahlt hat / weder das Kleydt / welches derMenſch277Der Landtſtoͤrtzer.Menſch gewebt hat: Sicut lilium inter ſpi - nas, ſic amica mea inter filias.

Derwegen O Menſch / diuitiæ ſi afflu - ant, noli cur apponere, ſchlage alle vber - maͤſſige ſorgen reich zu werden / auß deinem Hertzen / vnnd mache es nit zu einen Sclauen deß Koths der Erden / eytel biſtu woferꝛn du in der eytelkeit diſer zergaͤngklichen Guͤter ſetzeſt dein hoͤchſtes Gut: Ein eytelkeit iſts / wann du dein Hertz gibſt vnder das Joch der eytelkeit diſer knechtlichen Welt: verwirff außdeinem Hertzen die Reichthumb der Erden / ſo wirde es erfuͤlt werden mit den wahren Reichthum - ben deß Himmels.

Capvt XXXIV.

Diſcurs von der wahren Weißheit vnnd von der weltlichen Fuͤrſichtigkeit / deßgleichen von jhꝛer Thor - heit.

DEr dritte Tiſchgenoß diſcurrirte von der Weißheit / wie folgt: Zwey - erley Weißheit find ich / ein vnder -S 3ſchaffene278Der Landtſtoͤrtzer.ſchaffene vnd ein erſchaffene: Die vnerſchaf - fene weißheit iſt nichts anders / als Chriſtus Gottes Sohn / demſelben wirt die weißheit zu geeygnet / allermaſſen GOtt dem Vatter die macht / vnd Gott dẽ Sohn die guͤtigkeit zuge - ſchriben wirdt: Die erſchaffene weißheit aber wird ein Menſchliche odeꝛ Engeliſche geneñt / vnd hat drey ſignificationes, erſtlich bedeut ſie alle erkaͤntnuß der Menſchlichen vñ Goͤtt - lichen ding: Am andern bedeut ſie nur die er - kaͤntnuß der ewigen ding: Drittens bedeut ſie die erkaͤntnuß Gottes ſam̃t der pietet. Son - ſiẽ aber wird die weißheit gemeinglich getheilt in ein Goͤttliche vnd Menſchliche / oder in die weißheit vnd in die fuͤrſichtigkeit.

Was nun die Weißheit belangt / ſagt man daß ſie in der erforſchung der Natur vnnd in der ſpeculation der Goͤttlichen vnnd aller - hoͤchſten ding beſchehe. Oſorius diſcurrirt ſehr ſchoͤn daruon vnd ſagt / daß alle weißheit in der erkaͤntnuß GOttes beſtehe / dann er iſt ein Vatter vnnd erſchaffer aller ding / ein an - fang der gantzen Natur / ordnung / ſchoͤnheit vnnd alles guten: Von jhm entſpringt alles /durch279Der Landtſtoͤrtzer.durch ſein guͤte wird alles erhalten vnnd in jh - me beſtehet die Summa deß hoͤchſten guts vnd ſeligen Lebens: Derwegen iſt nur der je - nig allein weiſe / welcher GOtt den Herꝛn er - kennet: Alle andere cognitiones vnd erkaͤnt - nuſſen aber ſeind nur adminicula vnnd be - helff / dardurch das Menſchliche Gemuͤt de - ſto leichtlicher zu der Goͤttlichen erkaͤntnuß gelanget / dann alle andere mathematiſche / phyſiſche vnnd jrꝛdiſche ſcientzen oder kuͤnſt zielen nur dahin / daß wir auß den Wercken der gantzen Natur / Gott den Herꝛn / als einen Vatter der Natur vnnd einen Herꝛen aller dingen / erkennen vnd verehren moͤgen. Weil dann die erkaͤntnuß Gottes das Zihl der weiß - heit vnd die perfectio deß ſeligen Lebens iſt / ſo folgt / daß der jenig / welcher Gott den Her - ren nit erkennet / ein pur lauterer Narꝛ ſeye / vn - angeſehen er in allen andern ſcientijs vnnd kuͤnſten noch ſo geſchickt vnnd gelehrt were: hergegen iſt der jenig weiſe / welcher GOttes deß Herꝛn ein wiſſenſchafft hat / vnangeſehen er ſonſten nit faſt gelehrt iſt.

Was aber die Fuͤrſichtigkeit belanget /S 4beſtehet280Der Landtſtoͤrtzer.beſtehet dieſelbige in der moderation vnd re - gierung der Staͤtt / Landen vñ Leuthen / in er - haltung deß Haußweſens vnnd Geſindts / in abtreib: vnd verhuͤtung der ſchaͤdlichen / vnd in procurirung der nutzlichen ding: Derglei - chen fuͤrſichtige vnnd weiſe Leuth werden ins gemein politici genent / vnd dieſelbigen woͤl - len bißweilen vermeinen vnnd darfuͤr halten / daß die erſtbemelte ſapientes oder Weiſen / welche ſich auff die Erkentnuß GOttes vnd ſpecuitrung der Goͤttlichen ding begeben ha - ben / nit tauglich noch bequem ſeyen / die Staͤtt Land vnd Leuth zu regieren / derwegen ſchlieſ - ſen ſie dieſelbigen auß dem Rath oder Regi - ment / gleichſamb koͤndten die ſapientes oder weiſen nit auch zugleich prudentes oder fuͤr - ſichtig ſein. Man jrꝛet ſich aber dißfals / dann wer kan fuͤrſichtiger ſein / als eben ein ſolcher weiſer Mann? Wer kan den ſchaden vnd ge - fahr deß Landts ſcharpffſinniger fuͤrſehen vnd verhuͤten / als eben ein ſolcher Weiſer? durch die Goͤttliche diſciplin iſt er dermaſſen in allen guten dingen vnderwiſen worden / daß ſich nichts begeben vnd zu tragen kan / ſo jhne be -truͤge:281Der Landtſtoͤrtzer.truͤge: aber vnſere weiſe vnd fuͤrſichtige poli - tici verhacken ſich bißweilen in jhren Rath - ſchlaͤgen / verſchneiden die Kappen / ſetzen das fleckel neben das loch / vnd ſchlagen die Reli - gion vnd Ehr Gottes an ein Ohꝛ.

Die Welt helt nur den jenigen fuͤr weiſe vnd fuͤꝛſichtig / welcher ein guter politicus iſt / welcher mit den Laſtern diſſimuliren, mit der Religion lauiren, conuiuiren, laichen / fuchsſchwaͤntzlen / vnd nur nach der Ehr vnd digniteten trachten kan / hergegen helt ſie die jenigen fuͤr Narꝛen / welche dergleichen eytel - keiten verachten: Die politici vnnd Welt - menſchen verachten dergleichen Leuth / ſamb waͤren ſie jhres verſtandts beraubt / aber ſie wiſſen nicht / daß ſolche Leuth brinnende Am - peln / hergegen diſe Welt nur ein Windt vnd Dunſt iſt. Die frommen vñ einfaͤltigen wer - den von den Weltmenſchen veracht / aber von Gott hoch geehrt: Die Welt lobet vnnd eh - ret nur was dem euſſerlichen anſehen nach reich / maͤchtig / anſehenlich vnd ſchoͤn iſt / aber Gott ſihet was inwendig iſt / was die Welt gedunckt arm vnd veraͤchtlich zu ſeyn / das lo -S 5bet282Der Landtſtoͤrtzer.bet Gott vnd erhoͤhets vber die Wolcken. Die weltliche Fuͤrſten hielten die heilige Martyꝛer fuͤr Narꝛen / als ſie dieſelbigen ſo gar gern vnd gutwilligklich ſterben ſahen: Vil weiſe Welt - Menſchen halten die Euangeliſche Armut vnd das betilen fuͤr ein thorheit vnnd ſchandt: Jener Politiſcher naßwitziger Weltweiſer ſprach zum heiligen Paulo: Inſanis Paule, multæ te literæ ad inſaniam conuertũt: Aber Paulus antwortet: non inſanio opti - me. Feſte, ſed veritatis & ſobrietatis ver - ba loquor. Weil Feſtus die geheimnuß der Lehr Pauli nicht verſtundt / ſo hielt er jhne fuͤr einen Narꝛen / allermaſſen die Welt alles das jenig fuͤr ein torheit helt / was ſie nit verſtehen oder erꝛaichen kan: Diſes iſt das Vrthel / wel - ches die Welt vber die frommen fellt: Die Goͤttliche Weißheit / welche in der wahren mortification vnnd ſeiner ſelbſt verlaugung beſtehet / wirdt von der Welt gehalten fuͤr ein Thorheit: Aber ſehr weiſe iſt der jenig / welcher die Welt von Gottes wegen verach - tet / vil weiſt der jenig / welcher ſich weiſt zu ſaluieren vnnd ſelig zu machen / vnnd nurein283Der Landtſtoͤrtzer.ein ſolcher iſt weiſe / dann alle andern ſeindt Narꝛen vnnd ignoranten: Die hochheit der weißheit Chꝛiſti beſteht in der wahren verach - tung ſeiner ſelbſt: Ob ſchon einer alle freye kuͤnſt perfectiſſimè wuͤſte / ſo hilffts jm doch nichts / woferꝛn er von jhm ſelbſt nichts weiſt: Er diſtrahirt ſich in den euſſerlichen dingen / vnd ſich ſelbſt kennet er nit / vnd von jhm ſelbſt weiſt er nichts zu ſagen: Selig iſt der ſich befleiſſet weiſe zu ſein vor GOtt / vnnd der die weißheit der Welt verachtet / Ein ei - niger Tropffen der Goͤttlichen Weißheit iſt vil beſſer / denn das hohe vnnd tieffe Meer der Weltlichen Weißheit. Diſes iſt die Schul / in deren der Menſch bey Tag bey Nacht ſtudieren vnd ſich befleiſſen ſoll war - hafftigklich mortificiert zu werden. Die Welt helt den Reichen vnd maͤchtigen fuͤr ſe - lig / vermuͤg der Wort: Beatum dixerunt populum cui hæc ſunt: Aber Chriſtus hat mit ſeiner hoͤchſten Weißheit die ſeligkeit ge - ſetzt in der armut / ſprechendt: Beati paupe - res ſpiritu.

Wer in der maͤſſigkeit / Keuſchheit / de -mut284Der Landtſtoͤrtzer.mut vnd Andacht lebt / vnd ſich vor der gefahr - der verſuchung huͤtet / der iſt weiſe vnd gefaͤllt GOtt dem HErꝛn. Nur der jenig hat ein gutes lob vnd ehrlichen Namen / welcher ſich eines guten Gewiſſens befleiſt / welcher frid - lich lebt / vnd ein froͤliches Hertz hat. Die weiß - heit diſer Welt iſt ein Eytelkeit / vnd ein thor - heit vor GOtt: Die Weißheit deß Fleiſches iſt ein Todt der Seelen / aber die wahꝛe weiß - heit beſtehet in deme / daß man die Welt ver - achte / die Wolluͤſt meide / das Fleiſch kaſteye / das Gewiſſen reinige / die Tugenden liebe / vñ die ewige Guͤter ſuche: Eytel vnnd naͤrꝛiſch iſt / der die ſchaͤdliche ding liebet / vnd das Heyl ſeiner Seelen dahinden laͤſt.

Beſchließlichen find ich etliche Zeichen / darbey ein Weiſer zu erkennen. Das erſte iſt wann einer ſich vor Suͤnden huͤtet / vnnd deß reinen Lebens befleiſſet / dann in maleuolam animam non introibit ſapientia. Am an - dern / wann einer im guten fuͤrſatz ſteiff beharꝛ - ret / dann homo ſenſatus in ſapientia ma - net ſicut Sol. Drittens / wann einer demuͤ - tig iſt / vnd alle arꝛogantz fliehet / dann vbi hu -mili -285Der Landtſtoͤrtzer.militas ibi ſapientia. Viertens / wann einer zu rechter zeit weiſt zu ſchweigen / dañ ſtultus, ſi tacuerit, ſapiẽs reputabitur. Zum fuͤnff - ten / wann einer die zukuͤnfftige ding fuͤrſihet / vtinam ſaperent & intelligerent, & no - uiſſima prouiderent. Sechſtens / wann ei - ner gedultig iſt in allen dingen / dann impati - ens operatur ſtultitiam. Zumſibenden / wann einer ſein grauitet erhelt wider die ey - tele frewd der Welt / dann cor ſtultorum v - bi lætitia, cor ſapientum vbi triſtitia.

Capvt XXXV.

Diſcurs vom Adel.

DEr vierdt Tiſchgenoß diſcurrir - te von dem Adel / vnnd ſprach: Der Adel iſt ein herꝛliche vñ ſchoͤne qua - litet, wer jhne verachtet / der gibt zu erkennen / daß er die heilige Schrifft nicht geleſen / dann im Buch Numeri leſen wir: Nobiliſſimi Principes multitudinis: Jtem / ille mul - plures & nobiliores, quam antea mi - ſerat, miſit: Jtem / mulier Midianitis fi -lia286Der Landtſtoͤrtzer.lia ſur nobiliſſimi Principis Madianita - rum. Item: Qui contemnunt me erunt ignobiles. Item: Nobilis in portis Vir eius quando ſederit cum ſenatoribus terræ. Item: Beata terra, cuius Rex eſt nobilis. Item: Homo quidam nobilis abiit in regionem longinquam accipere ſibi regnum & reuerti. Item: Hi autem erant nobiliores eorum qui ſunt Theſ - ſalonicæ. Hierauß erſcheint die wuͤrdigkeit deß Adels. Alle Scribenten loben den Adel / aber doch weil der Adel nur auß der Tugendt entſpringt / ſo wird ohne dieſelbe aller Adel deß Bluts fuͤr veraͤchtlich gehalten / vermuͤg der Wort:

Nobilitas morum plus prodeſt quàm
genitorum.
Nobilitas etenim ſola eſt, qua mori -
bus ornat.

Hoſtienſis ſchreibt außtrucklich / daß der Adel deß Bluts nit beſſer ſeye / als eben der A - del deß vnflats vnd corruption, welche auß vnſerẽ Leib geht. Mattheus Afflictus ſpricht. Als Fabius Quintilianus gefragt wardt /wer287Der Landtſtoͤrtzer.wer edel were? antwortet er: Nobiliſſimus eſt is qui optimus eſt: Vil Keyſer vnnd Koͤnige waren vnedel / aber durch jhre Tu - gendten ſeind ſie edel vnnd maͤchtig worden: Hergegen ſeindt vil edle Fuͤrſten vnedel vnnd veracht worden wegen jhrer Laſter.

Vilen Leuthen iſt der Adel vil ſchaͤdlicher denn nutzlicher / dann dardurch werden ſie hoffaͤrtig / ehrgeitzig / rachgirig vnd vnkeuſch: Gloria eorum à partu & ab vtero & à conceptu: Von jhrer Geburt hero waͤchſt die eytelkeit in jhnen / die ding / dardurch die Edelleuth verobligirt ſeindt / Tugentſamb zu ſein / brauchen ſie fuͤr ein occaſion vnd vrſach deſto liederlicher zu ſein / der Adel deß Bluts noͤtiget vnnd zwinget ſie gleich - ſamb / den Tugentſamen Fußſtapffen jhrer Voreltern nach zufolgen / der Adel iſt ein ewiges erbgut der Tugenten jhrer Vorfah - ren.

Welcher Edelman aber ſeinen tugentſamẽ voreltern nit nachſchlegt / der iſt einem mon - ſtro oder Meerwunder gleich / welches ſeinẽ Vater vnaͤnlich iſt. Eytel iſt der jenig / der ſichſeines288Der Landtſtoͤrtzer.ſeines Adels beruͤhmet / dann er gibt denen / die es hoͤren / ein ſtarckes teſtimonium vñ zeug - nuß ſeiner Thorheit. Das Gott der HErꝛ nach dem Adel deß Bluts wenig frage / er - ſcheint daher / allweil er den Saul / welcher deß aller veraͤchtlichſten Geſchlechts der 12. Staͤmmen Jſraels war / erwehlt hat fuͤr ei - nen Koͤnig in Jſrael: Ob wol Jephte ein Baſtart oder Banckert war / nicht deſto weni - ger erwehlte jhne Gott fuͤr ein Erloͤſer vnnd Beſchuͤtzer ſeines Volcks wider die Ammo - niter. Nicht hat Chriſtus / als er in die Welt kam / die Edlen / ſonder die Vnedlen vnnd ar - me Fiſcher erwehlt. Ob ſchon er ein Koͤnig vnd Herꝛ war / ſo hat er doch ſich ſelbſt nur ei - nen Hirten genennt. Quicunque honori - ficauerit me, glorificabo eum, qui autem contemnunt me, erunt ignobiles, ſpꝛicht der HErꝛ ſelbſt / als wolte er ſagen: Wer mich ehꝛet / meine Geſetz vnd Gebott helt / vnnd tu - gentſamb iſt / den wil ich hinwider ehren / vnd fuͤr einen edlen Mann halten / Wer aber mich verachtet vnd laſterhafftig iſt / den wil ich hin - wider verachten / vertilgen / vnd fuͤr einen vn -edlen289Der Landtſtoͤrtzer.edlen vnbekandten halten. Edel iſt der jenig / welcher den Laſtern nit dienet / das iſt der wa - re Adel / welcher die Menſchen zu Kinder Got - tes / vnd Miterben deß Himmels macher: der jenig erhelt ſeinen Adel vollkom̃uch / weicher den Suͤnden nit dienet / noch ſich von jhnen laͤſt beherꝛſchen. Der hoͤchſt Adel iſt wann ei - ner herꝛlich vnd fuͤrtreflich in Tugenden / vnd ein Kindt Gottes iſt: das vbrige alles mit ein - ander iſt nur ein eytelkeit / traum vnd thoꝛheit / dann wir ſeindt je nichts anders / als Erd / Koth vnd Aſchen. Die Wuͤrm / welche vnſere Vorfahren im Grab verzehꝛt haben / werden vnſer eben ſo wenig verſchonen: Der Adel / welchen wir von jhnen geerbt haben / war mortalitas & corruptio: Diſes ſeind die Wappen / die wir in vnſerm Schildt / vnd nit oben an vnſern Hauß Thuͤren / ſonder in vn - ſere Hertzen ſetzen / vnd alle andere weltliche eytele vnd naͤrꝛiſche verachten ſollen.

Hierauß erſcheint nun wie naͤrꝛiſch die je - nige Koͤnige vnd Fuͤrſten handlen / welche jre Trommeter / Koͤch vnnd Kelner adlen / vnnd welche die dienſt vnd Ambter der Eltern auffTdie290Der Landtſtoͤrtzer.die Kinder perpetuiren, vnangeſehen dieſel - bigen vntaugliche vnnd nur grobe Bengel ſeindt. Die Koͤnige in Calicut verehren den Adel vber alle Menſchheit: Der Eheſtandt iſt jhnen verbotten / deß gleichen alle gelehrt - heit vnnd tugentſamme ſtudia vnnd vbun - gen / außgenommen das Kriegsweſen. Con - cubinen oder Beyſchlaͤfferin moͤgen ſie halten ſo vil ſie geluſtet: So vil Weiber ſo vil Kupler / aber doch doͤrffen ſie nur mit adelichen jhres gleichen Perſonen fleiſch - lich zuſchaffen haben / dann ſonſten wuͤr - den ſie fuͤr vnrein gehalten / es wuͤrde auch jhr Adel dardurch zum hoͤchſten iniuriert vnnd geſchaͤndt werden. Ja was mehr iſt / kein vnedler darff ſie anruͤhren / dann ſie er ſiechen die jenigen / ſo ſich zu ſehr zu jhnen nahen. So gar muͤſſen die Vnedlen (allermaſſen die Gondelierer zu Venedig thun) ſich auff der Gaſſen ſchreyendt melden / damit ſie nicht etwann zuſammen ſtoſſen. Nicht allein inn Calicut, ſondern villeicht auch anderſtwo koͤndten dergleichen Bockſioltze / hochtrabende / dolle / volle / vnſinnige nobili -ſten291Der Landtſtoͤrtzer.ſten gefunden werden / welche ſich ſo gar der gelehꝛten / geſchweigens der ſchlechten Leuthen gemeinſchafft ſchemen / vnnd ſchier niemandt neben jhnen paſſieren noch hinkommen laſſen woͤllen. Nicht diſer meinung war jener Chriſt - liche Koͤnig in Franckreich Ludouicus Pius, dann er ſagte / daß weder die fauor vnd gunſt deß Fuͤrſten / noch die Reichthumb befuͤgt vnd berechtigt ſeyen / einen vntugentſamen Die - ner zu adlen: Als jm einsmals zween compe - titores zu einem Ampt / dern der einer ein E - delman / der ander aber keiner war / fuͤr geſchla - gen wurden / reſoluierte er ſich vnd befalch / daß ohne allen reſpect noch anſehen der Per - ſonen / der allertauglichſt vnd tugentſambſt er - woͤhlt / woferꝛn aber jhrer beyder qualiteten einander gleich weren / als dann der Edelman dem vnedlen vorgezogen ſolte werden.

Capvt XXXVI.

Diſcurs warumb Gott verwillige / daß die Gottloſen in diſer Welt florieren.

T 2Der292Der Landtſtoͤrtzer.

DEr fuͤnffte Tiſchgenoß diſcurrirte vnd redete von der vrſach / warumb doch Gott verwillige / daß die Gott - loſen in diſer Welt proſperiren, floriren vnnd triumphiren / vnnd ſprach: Die gluͤck - ſeligkeit der Gottloſen in diſer Welt hat vilen Leuten vrſach geben / ſich druͤber zu verwunde - ren vñ ſeltzamb darnon zu reden. So gar Da - uid verwundert ſich deßwegen vnnd ſpricht: Ecce ipſi peccatores & abundantes in ſe - culo obtinuerunt diuitias. Der Prophet Malachias beklagt ſich / daß zu ſeinen zeiten vil Leut wider die Goͤttliche fuͤrſehung mur - reten / ſeytemal ſie ſahen / daß es den Gottloſen ſo gar wol ging / vnnd ſpricht: Jhr habt dem Herꝛn in ewren reden arbeit geſchafft / vnnd geſagt: Ein jegklicher / der arges thut / iſt vor den Augen Gottes gut / vnd hat ein wolgefal - len an jhm / oder wo blibe ſonſt der Gott deß vrtheils? Wer Gott dienet / der iſt ohne Lohn vnnd vergeltung / vnnd was nutzet es vns / daß wir ſein Gebott halten / vnnd vor dem Herꝛn Zebaoth trawriglich gehandlet haben? Dar - umb loben wir die ſtoltzen vnd veraͤchter / vnddie293Der Landtſtoͤrtzer.die Gottloſigklich handlen / dann ſie ſeind er - bawen / vnnd nemmen zu / ſie haben Gott ver - ſucht / vnd ſeind doch daruon kommen. Deß - gleichen beklagt ſich der Prophet ſprechendt: quare reſpicis contemptores & taces, cõ - culcante impio iuſtiorem ſe, & facies ho - mines ſicut piſces maris? Auß diſen wer - cken GOttes lehrnen die Frommen die tieffe der Goͤttlichen vrtheil / zum theil zu erkennen vnd zu ſprechen: Cognoui Domine, quiæ æquitas iudicia tua? Zu erleuterung aber diſes zweifels / iſt zu wiſſen / daß dreyerley art der boͤſen Menſchen in diſer Welt gefunden werden / nemblich boͤſe / ergere vnd ergiſte / vnd ſie alleſambt floriren vnnd triumphiren / aber jhre triumph ſeind ein zeichen jhres ewigen verderbens / woferꝛn ſie ſich nit beſſern vnd be - kehren.

Was dann erſtlich die boͤſen belangt / be - ſcheret GOtt denſelbigen in diſein Leben die zeitliche Guͤter / allweil er ſie dardurch bezah - let / ergetzet vnd zur erkendtnuß jhrer ſelbſt vnd zur bekehrung locket: Er erzeiget auch dißfals ſein weißhet / macht vnd guͤte / aber ſolche boͤſeT 3vnd294Der Landtſtoͤrtzer.vnd gottloſe Menſchen woͤllens nit recht er - kennen / ſonder ſchreibens alles entweder der Goͤttlichen fuͤrſehung / oder jrem ſelbſt eignen verſtandt / kunſt / geſchicklichkeit vñ embſigkeit zu / vnd beharꝛen in jrer boßheit / hoffart / blind - heit vnd halßſtarꝛigkeit / derwegen beklagte er ſich vñ ſpricht durch den Eſaiam: manda, re - manda, expecta reexpecta modicum ibi, modicũ ibi, vt vadant & cadant retrorsũ, vt conterantur & capiantur. Deßgleichen beſcheret Gott den boͤſen Menſchen die zeit - liche guͤter vnd ergetzet ſie wegen jhrer guten werck / vnd ſpricht gleichſamb zu jhnen: tolle quod tuum eſt & vade: nimb hin deinen Lohn in diſer welt vnd gehe zur hoͤllen. O wie vil Menſchen fuͤhren ein boͤſes leben mit wu - chern / ſchinden vnnd ſchaben / vnnd beſuchen doch darneben die Spitaͤl / geben vil allmuſen / vnd bekleiden die nackenden / darfuͤr gibt jhnen Gott reichthumb vnnd ſchoͤne Kinder / Aber doch ſagt er von jhnen: receperunt merce - dem ſuam.

Was ferꝛner die peiores oder aͤrgere Men - ſchen belangt / gibt jhnen Gott gleichfals zeit -licht295Der Landtſtoͤrtzer.liche guͤter / erſtlich zum deſpect vnd auß ver - achtung / dañ dergleichen guͤter ſeind eytel / laͤr vnd vnfruchtbar / vnd ob ſchon ſolche reichen vermeinen / daß ſie den Reichthumben den hoͤchſten nagel der gluͤckſeligkeit erꝛeicht habẽ / ſo erfahꝛen ſie doch letztlichen in jrẽ Todtbeth / dz ſie arm / bloß vñ betler ſeind / vnd dz jre reich - thumb nur ein ſchatten vnd traum geweſt. Zu gleicher weiß wie ein Haußuatter d vber tiſch ſitzet / ſeinen Hunden etwañ ein bein zuwirfft / vñ dieſelbigen daꝛan nagen vñ einen ſo gꝛoſſen luſt drinn haben / daß ſie es vmb kein Koͤnig - reich verwechßelten / alſo vnnd ebner Geſtallt gehet Gott mit ſolchen reichen vmb / Er ſetzet ſie an ſeinen Tiſch der Geiſtlichen wolluͤſt / er wirfft jhnen die Weltliche Reichthumb zu / vnd dieſelbige ſeindt jhnen der maſſen lieb / daß ſie vil lieber den Himmel / denn jhr Gelt / Gut vnnd Macht hingeben vnnd ver - lieren wolten. Weil auch Gott bißweilen die boͤſen in diſem leben ſtraffen will / ſo be - ſchert er etlichen boßhafftigen Menſchen groſſe Reichthumb vnnd macht / da mit ſie ein Ruthe viler anderer boͤſen vnnd GottloſenT 4ſeyen /296Der Landtſtoͤrtzer.ſeyen / vermuͤg der Wort: Vindicabo me de inimicis meis cum inimicis: Nicht bil - lich iſts / daß Gott im ſtraffen / das Ambt eines Henckers vertrette / er wil auch nicht / daß ſeine Freunde es verꝛichten / derwegen bereichert er bißweilen die Gottloſen / vnnd brauchet ſie zu einer Geiſſel wider ſolche Gottloſen jhres gleichen / derwegen ſpricht er: confortabo brachia Regis Babylonis, & dabogladiũ in manu ſua. Vnnd Job ſpricht: regnare facit hypocritam propter peccata popu - li. Dann woferꝛn die Gottloſen diſer geſtallt nit geſtrafft vnd außgereut wuͤrden durch die Gottloſe hoffertige Menſchen / ſo wuͤrden ſie vnendlich wachſen vnnd vberhandt nemmen. Es erfolget auch bißweilen auß ſolchem ſcha - den das heyl vnd die bekehꝛung viler Suͤnden / darnach dann Gott ein ſonderbares verlan - gen hat.

Beſchließlichen die peſſimos peccato - res oder die aller aͤrgiſte vnd Gottloſeſte ſuͤn - der belangendt / gibt jhnen GOtt die Reich - thumb zu jhrem ſelbſt eygnen verderben / ver - muͤg der Wort: Creaturæ Dei in odiumfactæ297Der Landtſtoͤrtzer.factæ ſunt, & in tentationem animæ ho - minum: Wir ſehen / daß ein Wucherer ſich dermaſſen in ſein vbel gewunnenes Gelt ver - liebet / daß er niemaln kein ruhe noch leyd em - pfindet / noch das vnrecht er oberte Gelt vnnd Gut widerumb erſtattet: Man findt vnkeu - ſche Geſellen / ſo jhre Concubinen dermaſ - ſen lieben / daß ſie vil lieber jhre digniteten, ja jhr Leben verlaſſen / denn von jnen abſtehen woͤllen. Deßgleichen findt man ehrgeitzige Hofleut / welche vil lieber jhre grandeza vnd hochheit zu Hof continuiren vnnd druͤber ſterben vnd verderben / deñ ſich einsmals dar - von zu ruhe vnd zum dienſt Gottes begeben / vnd dem heyl jhrer Seelen abwarten woͤllen / derwegen heiſts bey jhnen: qui in ſordibus eſt, ſordeſcat adhuc: Jhre jrꝛdiſche com - moditeten, gute gelegenheiten / wolluͤſt vnd hochheiten ſeind Strick vnnd Netz / darin diſe armſelige Leut (welche von der Welt fuͤr ſehr gluͤckſelig geſchetzt werden) gefangen ligen: Vnd es redet der heilig Auguſtinus von jh - nen vnnd ſpricht: nihil eſt infelicius felici - tate peccantium, qua pœnalis nutriturT 5iniqui -298Der Landtſtoͤrtzer.iniquitas & mala voluntas interius ro - boratur. Dergleichen peſſimi vnd aͤrgiſten Leuth werden auch erhoͤcht zu deſto mehrer jhrer confuſion, Schandt vnnd Schaden: Zugleicher weiß wie ein ſtarcker Ringer ſei - nen Feindt von der Erden hoch auffhebt / damit er jhne darnider werffen vnnd vber - winden moͤge / alſo bewilligt GOtt / daß die Gottloſeſte Menſchen erhoͤcht werden / da - mit ſie einen deſto tieffern vnnd ſchwerern fall thun ſollen / vermuͤg der Wort: Pro - pter dolos poſuiſti eos, deieciſti eos dum alleuarentur. Endtlichen iſt die gluͤckſelig - keit der Gottloſen ein vnfehlbares Kennzei - chen daß GOtt ſie verlaſſen habe: Wie die Medici, wann ſie an einem Krancken ver - zagt haben / jhme ferꝛner nichts rathen noch eingeben / ſondern jhm alles verwilligen was er begert / alſo laͤſt GOtt die Gottloſen in jhrer zeitlichen Gluͤckſeligkeit leben / vnnd iſt ſolches ein zeichen daß kein hoffnung jhrer ſe - ligkeit mehr verhanden / continuus enim fucceſſus temporalium æternæ repro -batio -299Der Landtſtoͤrtzer.bationis certiſſimum eſt iudicium; Vnde ſicut fulgur tonitrua portat, ita proſpe - ritas ſupplicia ſempiterna pronunciat. Wie wirdts aber jhnen letztlichen in jener Welt vnd in der Hoͤllen ergehen? Geſagt ſoll zu jnen werden: Recepiſti bona in vita tua, & Lazarus ſimiliter mala, nunc ille con - ſolatur, tu autem cruciaris. Wer diſes be - trachtet / der wirdt in diſem Leben gar gern allerhand noth / ſchmertzen / armut vnnd wi - der wertigkeit leyden vnnd außſtehn / damit er in jenem ſelig werden moͤge: ſprechen wird er: Deficiat in dolore vita mea & anni mei in gemitibus, vt requieſcam in die tribu - lationis.

Bißweilen werden auch die Gottloſen von GOtt auß ſonderbaren Vrſachen er - hoͤrt / erſtlich zur beſtaͤttigung deß Glaubens / derwegen werden am Juͤngſten Tag jhrer etliche ſprechen: Herꝛ / haben wir nicht inn deinem Namen geweiſſaget / die Teuffel ver - triben / vnnd vil Wunderwerck begangen? Aber der HERR wirdt jhnen antworten:Jch300Der Landtſtoͤrtzer.Jch kenne euch nit: Dann nit das Leben / ſon - der der Glaub wircket wunderzeichen. Der wegen koͤnnen die Ketzer keine Wunderwerck begehen. Die andere vrſach iſt / wann ſie ſich bekehren / jnmaſſen an der Magdalena vnnd den Niniuitern zu ſehen iſt / vnnd ob ſchon ſie allzeit erhoͤrt werden / ſo vil die remiſſionem culpæ belangt / (dann Gott hats jhnen ver - ſprochen / da er ſagt: Si reuertimini & qui - eſcatis ſalui eritis) ſo beſchichts doch nit wz die verzeyhung vnd nachlaſſung der ſtraff be - trifft. Drittens vñ beſchließlichen werden ſie erhoͤrt zu jhrer ſelbſt eygnen ſtraff vñ ſchaden / jnmaſſen den Jſraelitern beſchehen / als ſie vm̃ Fleiſch baten / derwegen ſpricht Auguſtinus:

Si hoc à Deo petitur, vnde exauditus - datur, magis metuendum eſt, nequod poſſet non dare propitius, det iratus. Vis exaudiri miſericorditer, vide Dei filius ſis, delectare in Domino, & dabit ti - bi petitiones cordis tui.
Capvt301Der Landtſtoͤrtzer.

Capvt XXXVII.

Diſcurs von dem Fauor vnd Gunſt der Welt.

DEr ſechſt Tiſchgenoß redete etwas wenigs von dem Weltlichen Favor vnd ſprach: Die alten haben den Fa - uor gemahlt in der geſtallt eines jungen blin - den Kindts / alleinig vnd ohne alle geſellſchaft. Etliche vermeinten auch / daß der vrſprung deß gunſts ſeye die ſchoͤnheit deß Leibs / oder der Adel deß Geiſtes / jnmaſſen ſolches nach - folgendes geſpraͤch deß Poeten vnnd Appel - lis zu erkennen gibt: Poet. Was iſt diß fuͤr ein Fraw / welche allzeit bey dem Gunſt ſteckt / vnd ſie niemaln verlaͤſt? Appelles: Sie iſt die Schmaichlerey. Poet. Was iſt das fuͤr eine / die jhr nachfolget? Ap. Es iſt die Fraw Inuidia oder Neydt. P. Was ſeind das fuͤr Leut / die jhm nachfolgen vnnd gehorſamen? Ap. Es ſeind die Reichthumb vnd Wolluſt. P. Warumb hat der Fauor oder Gunſt fluͤ - gel? Ap. Weil er nit gemach gehen kan / ſon -der302Der Landtſtoͤrtzer.der von dem Windt deß guten gluͤcks inn die hoͤhe getriben wirdt. P. warumb iſt er blindt? Ap. Weil die fauoriten jhre alte Freunde nimmer kennen. P. Warumb ſetzet er ſei - nen einen Fuß auffm Rad? Ap. Weil er den Paß vnnd Fußſtapffen deß vnbeſtaͤndi - gen gluͤcks wandert. P. Warumb iſt er ge - ſchwollen? Ap. Weil die fauoriten inn der Hoffart auffſchwellen. P. Warumb iſt er blindt? Ap. Weil der Verſtandt der fauoriten verfinſtert wirdt. P. Warumb ſitzt er alleinig? Weil die fauoriten, wann ſie gefallen vnnd den Gunſt jhrer Fuͤrſten vnnd Herꝛen verlohren haben / von allermen - nigklichen verlaſſen / veracht vnd verhaſt wer - den.

Auß diſem Geſpraͤch iſt leichtlich abzu - nemmen / was es fuͤr ein gelegenheit habe mit dem gunſt der Welt. Jch aber ſage / daß beſſer iſt verfolgt / denn fauoriſiert zu - werden / dann inn den Verfolgungen wirdt GOTT gefunden / aber durch den Weltgunſt verlohren. Die fauoriten ſol - len nicht vermeinen / daß ſie wegen deß gunſtsjhrer303Der Landtſtoͤrtzer.jhrer Fuͤrſten vnnd Weltlichen Gluͤckſelig - keit / beſſer vnnd GOtt dem HERren ange - nemmer ſeyen / denn ein anderer. Vmb wie vil mehr Gunſt vnnd ehr du haſt inn diſem Leben / vmb ſo vil deſto gefaͤhrlicher iſts / dann es iſt ein zeichen / daß du kein Erb - genam deß Himmels biſt: Zugleicher weiß wie Abraham dem Jſmael vnnd ſeinen an - deren Soͤhnen vil ding geſchenckt / aber den Jſaac zu einen Erben aller ſeiner Guͤ - ter / vnnd zu einem beſitzer deß Hauſes ſeines Vatters gemacht hat / alſo iſts nicht billich daß die Baſtarden das Gut jhres Vatters erben / vnnd ob ſchon GOTT denen / welche von jhrem wahren Vatter / nemb - lich GOtt / degeneriert vnnd Laſterhafftig worden / allhie auff Erden vil ſchencket vnnd ſie mit ehren vnnd reichthumben verſihet / ſo werden ſie doch deß Erbguts der Glory ent - ſetzt / hergegen haben die ehrliche Kinder / nemblich die Frommen / ein vngezweiffelte Hoffnung den Himmel zu erben. Die Weltmenſchen muͤſſen ſich mit den gaben vñ ſchanckungen deß Menſchlichen gunſts ver -nuͤgen304Der Landtſtoͤrtzer.nuͤgen laſſen / vnd haben kein anders Erbgut zu gewarten. Niemandt verwundere ſich / daß die Gottloſen in diſer Welt floriren, do - miniren vnd triumphiren / dañ die Chriſtli - che Religion verheiſſet vns keine fauores, ſonder deſpectus vnd verachtungen. Die Gottloſen haben nichts im Him̃el zu ſuchen / vnd die frommen nichts auff Erden. Gott ſchicket ſeinen fauoriten vnnd freunden nur muͤhſeligkeiten allhie auff Erden zu / damit ſie ſich in die jrꝛdiſche ding nit verlieben / ſonder gen Himmel eylen ſollen: Zu gleicher weiß wie Jacob / als er ſahe / daß Laban ſein ſchwe - her jhne verfolgte / zu ſeinen Weibern Lia vnd Rachel ſagte: Jch will widerumb in mein Vatterlandt ziehen / dann ich ſihe / daß Laban mich nimmer mit guten Augen anſchawet / Alſo ſoll man von Hof vnnd von der Welt trachten / vnd zum wahꝛen him̃liſchen Hof ey - len / ſeytemal man vmbgeben iſt mit ſo vilen Neidern vnd Feinden / die vns mit boͤſen vnd vnguͤnſtigen Augen anſchawen.

Jener geſcheide Mahler / mahlte auff den Gunſt: oder Gluͤckraͤdel vier Menſchen / derein305Der Landtſtoͤrtzer.ein ſtundt oben / der ander vnden / vnnd die an - dern zwen auff den Seiten / dern der eine auff: vnd der ander abſtig. Der jenig / welcher oben auff ſtundt / war am Leib / Haͤnden vnd Fuͤſſen einem Viech gleich: Der jenig / welcher auff - ſtig / war in der mitte ein lauters Viech / vnnd das vbrige war vom Menſchen: Hergtgen der jenig / welcher abwertz ſtig / war in der mitte ein lauterer Menſch / vnnd das vbrige war ein Viech: Allein der jenig / welcher vn - den lag / warein gantzer Menſch / zur anzeig vnd bedeutnuß / was geſtalt der Fauor vnd die Gluͤcksguͤteꝛ die jenigen / ſo ſie nit recht wiſſen zu gebrauchen / nicht allein nicht vnderwiſen noch befuͤrdert / ſondern in vnuernuͤnfftige Thier / hoffertige Loͤwen / grimmige Woͤlff / vnd neidige Hund veraͤndert werden: homi - nes enim cum ſe permiſcuêre fortunæ, etiam naturam dediſcunt. Hamon war ein hoch anſehenlicher vnd lieber Mann deß Koͤnigs Aſſueri / was hat jhm aber ſein groſſer Hofgunſt geholffen? geſtuͤrtzt vnnd gebracht hats jhne an Galgen. Nichts beſtaͤndigs iſt in diſer Welt / vnnd niemandt / der ſey ſo großVvnd306Der Landtſtoͤrtzer.vnd anſehentlich bey Hof / wie er jmmer woͤl - le / iſt vorm fall verſichert / zumaln wañ er ſich ſeines fauors, gunſts vnd gnaden vbernimbt / hoffertig vnnd vbermuͤtig wirdt: nil tam fir - mum eſt, cui periculum non ſit eriam ab inualido, kein Glori iſt ſo beſtaͤndig / vnd kein gunſt iſt ſo groß / daß kein gefahr darbey ver - handen waͤre: Wann er vermeinet / er ſey am allerſicherſten vnd in beſten gnaden / ſo nimbt man jhne beym Grind / vnd gibt jhm den wol - uerdienten Lohn ſeiner Thorheit vnnd vber - muths. Nicht allein andere maͤchtige Herꝛen vnd fauoriten, ſonder auch die ſchlechten vñ vnachtſamen koͤnnen bißweilen einen ſolchen vbermuͤtigen Hofman ſtuͤrtzen. Wer aber ſol - cher gefahr begert vberhebt vnd befreyt zuſein / der vbernemme ſich deß Herꝛn gunſts nicht / ſonder werffe das Ancker ſeiner Hoffnungen in den Goͤttlichen vnd Himmliſchen gunſt / dann groſſen Herꝛen vnnd ſchoͤnen Frawen / ſoll man dienen / aber vbel trawen: Jhr Gunſt vnd Lieb hat Sonnen art / ſcheint ſo bald auff einen Kuͤhſpeck / als Roſen zart.

Capvt307Der Landtſtoͤrtzer.

Capvt XXXVIII.

Diſcurs von der Jgnorantz der Welt.

DER ſibendt Tiſchgenoß diſcurrir - te von der Jgnorantz vnnd vnwiſ - ſenheit der Welt / wie folgt: Die J - gnorantz vñ vnwiſſenheit iſt ein verderben al - ler Menſchen: Dann erſtlich iſt die Jgnorantz vnempfindlich / er erkeñet ſeine paſſiones nit / vnd waiſt nit was er durch ſein ſuͤndigen ver - liere / derwegen iſt er ſicut dormiens in me - dio maris, wie einer / der mitten im Meer ſchlafet. Am andern iſt ein Jgnorant gleich - ſam̃ ein gefangener vnd gebundener / vermuͤg der wort: populus meus captiuus ductus eſt, quia non habuit ſcientiam. Drittens iſt er armſelig / vnnd aller gutending embloͤſt: vermuͤg der Wort: vanus eſt omnis popu - lus, in quo non eſt ſcientia Dei. Vier - tens iſt er blind / vnd wie ein Aug andere ding / aber ſich ſelbſt nicht ſihet / alſo auch ein Jgno - rant: ambulant in vanitate ſenſus ſui, te -V 2nebris308Der Landtſtoͤrtzer.nebris obſcuratum intellectum, alienati à via Dei per ignorantiam. Zum fuͤnfften iſt er ein beſtia, vnd zwar aͤrger / dann er ſelbſt will ein beſtia ſein / vermuͤg der Wort Gre - gorij: nonne tibi videtur beſtialior beſtia rationem habens & ratione non vtens? Æſopus erzehlt / daß einsmals ein Fuchß in eines Tantzers Hauß kommen / vnd als er ein ſchoͤne maſcara oder ſchoͤnbarth ſahe / ſprach er: Hoc quale caput eſt, ſed cerebrum non habet, als wolte er ſagenꝛdiſes iſt gleich - wol ein ſchoͤner Kopf / vñ ſchoͤnes Angeſicht / aber ohne Hirn. Offtermals ſehen wir einen ſehr ſchoͤnen vnd anſehenlichen Menſchen / a - ber die ſchoͤnheit deß verſtandts mengelt jhm / dann ob er ſchon etwas verſtandts hat / ſo iſt doch derſelb dermaſſen baͤuriſch vnnd grob / als hette er keinen. Ein Jgnorant oder Narꝛ iſt gleich einer ſchoͤnen Scheid / welche mit koͤſtlichen Perlein vnd edlen Geſteinen gezie - ret iſt / darin aber jnwendig ein bleyene Kling oder Schwerdt ſteckt: Ob ſchon ein Jgno - rant vnd Narꝛ verſehen vnd vberguldt iſt mit der Schoͤnheit vnd anſehenlichheit deß Leibs /mit309Der Landtſtoͤrtzer.mit Prælatur, digniteten, Hochheiten vnd Ambtern / ſo iſt er doch nichts anders / als ein ſtuck Bley. Als lang nun ein bleyenes ſchwerd in einer ſo gar ſchoͤnen Scheidt ſteckt / helt mans fuͤꝛ ein gute gerechte vñ koͤſtliche Woͤhꝛ / vnnd als lang ein ſolcher grauitetiſcher anſe - henlicher Jgnorant ſtillſchweigt / vnd nit vil zu den ſachen redet / wird er gleichſamb fuͤr ge - ſcheidt / weiſe / gelehrt vnnd erfahren gehalten / aber alsbaldt er anfahet den Mundt auffzu - thun / zu diſcurꝛiren vnd zu reden / alsdann ſt - het man / dz er ein vngeſchickter Knopff / Narꝛ / Eſel vnd Toͤlpel iſt. Einsmals hatte ein alter Mann einen Sohn / derſelb war mit eben di - ſer Sucht der Jgnorantz behafft / damit jhm derwegen geholffen / vñ geheilt werden moͤch - te / ſo fuͤhrte er jhne zum Delphiſchen Oracu - lo Apollinis, vnd fragte das Oraculum, ob diſe Kranckheit curirt vnd geheilt werden koͤn - te? Das Oraculum gab zur antwort / daß er diſen ſeinen Sohn dem Silentio conſe - criren ſolte: dañ das ſtillſchweigen iſt das ei - nige remedium fuͤr dergleichen indiſpoſi - tiones vnd Kranckheiten: Dañ ob ſchon diſeV 3Kranck -310Der Landtſtoͤꝛtzer.Kranckheit vnheylbar iſt / ſo kan ſie doch duꝛch das ſilentium vnnd ſtillſchweigen diſſimu - lirt werden.

Sicut qui mittit lapidem in aceruum Mercurij, ſic qui tribuit honorem inſi - pienti, ſpricht der Eccleſiaſticus, als wolte er ſagen: Wer einem Narꝛen Ehr anlegt / der iſt als wann einer einen Stein in einen Hauffen Stein legt: Wie der Stein / wann er in die hoͤhe gewoꝛffen wirdt / mit gewalt ge - trieben muß werden / alſo wirdt die Chr oder das Ambt einem Jgnoranten mit gewalt auf - erlegt: wie der Stein / je hoͤher er ſteigt / je ſtaͤr - cker er wider umb niderfelt / vnd groͤſſern ſcha - den thut / alſo vmb wie vil hoͤher ein Jgnorant ſteigt vnnd herfuͤr gezogen wirdt / vmb ſo vil ſchaͤdlicher felt er. Ein in die hoͤhe geworffe - ner Stein gibt dardurch ein zeugnuß ſeiner natuͤrlichen ſchwere / vnnd ein zu digniteten erhebter Jgnorant gibt zuerkeñen ſein ſchlech - tes talentum vñ geringe qualiteten. Sicut qui mittit lapidem ad edificandum tem - plum in honorem Mercurij: Die Jgno - ranten ehren / mit digniteten vnd Aembternverſehen /311Der Landtſtoͤrtzer.verſehen / vnd Stein zum Kirchenbaw Mer - curij hergeben / iſt einerley ding: dann wann man einem Jgnoranten vnnd Narꝛen ein an - ſehenliches Ambt gibt / was iſt das anders / als daß man einem Abgott (der nur / dem anſehen nach / etwz iſt / aber nichts weiſt / nichts verſte - het / nichts ſihet vnnd nichts hoͤret) ein Kirch bawet? wir ſehen / dz etliche Jgnoranten / Nar - ren vnd Fantaſten ſich in der præſumption jrer fantaſeyen ſtellen wie die grim̃ige Loͤwen: wann ſie auf der Gaſſen gehen / wenden ſie die Augen von der einen Seiten zu der andern / ſtreichen jhre Knoͤbelbaͤrth / ſetzen das Baret auf die ſeyten / die haͤnd in die huͤfft / ſehen ſawr auß vnd ſehꝛ wild / wie deß Teufels bild: aufm Marckt vñ beym wein ſihet man / was geſtalt ſie die Niderlanden bezwingen / Engellandt er - obern / Conſtantinopel vnder den gewalt deß Keyſers bringen / das heilige Landt dem Tuͤr - cken abdringen / jhr Faͤnlein auf den Mawren zu Cayro pflantzen / mehꝛ Mohꝛen denn in Af - frica ſeind / toͤdten / Hauptleut beſtellen / Coro - nellen vnnd Generales werben / dem Feindt vnder Augen rucken / ſireiten / vberwinden vndV 4vnend -312Der Landtſtoͤꝛtzer.vnendlich vil dapffere Thaten begehen / deß - gleichen verachten ſie alle andere gelehrte Menſchen vnd dapffere Kriegsleut / deß Koͤ - nigs Philippi Raͤthneñen ſie narꝛen / deſſelben pragmaticas vnd vnoꝛdnung gloſſiren ſie / vnd ſeind doch darneben Narꝛen in der Haut / vnd dermaſſen forchtſamb / feyg vnd verzagt / daß ein einiges ſich an dem Baum bewegen - des Blat ſie gedunckt ein maͤchtiges Kriegs - heer zu ſein. In arrogantia quemadmo - dum in armis inauratis non ſimilia ſunt interiora exterioribus: Wie die verguld - te glantzende Waffen ein ſchoͤnes euſſerliches anſehen haben / juwendig aber ſehꝛ ſchaͤndlich ſeind. Alſo vnd ebner geſtallt findt man etli - che vermeſſene Narꝛen / welche dem euſſerli - chen anſehen nach / dapffere vnd kecke Loͤwen / jnwendig im Hertzen aber vil verzagter / denn die Haſen ſeindt.

Groß iſt die Thorheit der Weltmenſchen / die cognitio ſui ipſius eſt caſus ſaltem ſa - pientibus reſeruatis: Nur die Weiſen er - kennen ſich ſelbſt / kein eiuiger Jgnorant noch Narꝛ kennt ſich / vnnd iſt vn muͤglich geſcheidtzu -313Der Landtſtoͤrtzer.zumachen / nirgends im Euangelio ſind man / daß Chriſtus einen Narꝛen heite curtrt / dann geſundt gemacht hat er die Blinden / die Waſ - ſerſuͤchtigen / vnnd vil andere preſthafften / a - ber an keinem einigen Narꝛen hat er ſich geri - ben / die vrſach deſſen iſt / allweil der Erloͤſer / wann er die Leiber geſundt machte / zugleich auch die Seelen geſundt gemacht / vnd ſie im Glauben erleucht hat / dann ſie erkennten ſich ſelbſt / aber weil die Narꝛen ſich ſelbſt nicht er - kennen / ſo ſeind ſie nit wuͤrdig geheilt zu wer - den: Die Welt iſt voller Jgnorantz vnnd Narꝛen: Wann einer auff einem hohen Thurn ſtuͤnde / vnd die occupationes, werck vnd bemuͤhungen aller Menſchen ſehen ſolte / der wuͤꝛde ſich dermaſſen dꝛuͤber verwundern / daß er ſelbſt zu einem Narꝛen wuͤrde. Alle ge - dancken der Menſchen betreffen den Leib / alle jhre ſorgfaͤltigkeiten beſtehen auffs eſſen / klei - den / Schaͤtz ſamblen / bawen / gedaͤchtnuß hin - derlaſſen / vnd zum Grab eylen.

Vber alle Jgnoranten vnnd Narꝛen aber ſeindt die jenigen / welche jhre Buß biß an jhr letztes End verſchieben. Die falſche vertroͤ -V 5ſtung314Der Landtſtoͤrtzer.ſtung vnnd verheiſſung deß lengern Lebens verfuͤhret vil Menſchen: Ein vermeſſener Narꝛ iſt der jenig / welcher jhm ſelbſt ein langes Leben verheiſſet / dann er vnderſtehet ſich GOtt dem HErꝛen die zukuͤnfftige zeit zu benemmen / vnnd er diſponirt mit derſel - ben / ſamb gehoͤrte ſie jhm vnnd nicht GOtt zu / vnangeſehen er villeicht heut ſterben vnnd zu einer ſolchen zeit zu GOtt ſchreyen wirdt / zu dern er nicht erhoͤrt ſoll werden. Etliche ordiniren die zukuͤnfftige ding / die nicht in jhrer macht ſtehen / hergegen laſſen ſie die gegenwertige ding verwirꝛt vnd vnordentlich durch einander ligen. Das Leben / welches ſie haben / verzehren ſie / vnd ſie machen jhnen einen Fuͤrſatz das jenige Leben zu beſſeren vnd zu bekehren / welches ſie nicht haben. Den theil deß Lebens / welchen GOtt jhnen ge - geben / woͤllen ſie verzehren jhne erzuͤrnend / hergegen wollen ſie jhm den jenigen theil jh - res Lebens geben / vnd ſein gnad darmit erlan - gen / welchen er jhnen nit gegeben. Was kan aber eytler vnd naͤrꝛiſcher ſeyn? An jetzo vnnd als baldt ſollen wir vns beſſern / weil die zeit dergnaden315Der Landtſtoͤrtzer.gnaden noch verhanden iſt / dann diſes Le - ben iſt vns verliehen worden / damit wir / ver - mittelſt diſer vnſer bemuͤhungen kauffen ſol - len die Ruh deß Himmels. Jn allen dingen ſeind die Menſchen ſehr ſorgfaͤltig die gele - gene zeit zu erwehlen / aber nach der ſo gar gu - ten gelegenen zeit ſich zubekehren / fragt man wenig. Das beſie vnſers Lebens geben wir dem Teuffel / aber das aller aͤrgiſte geben wir CHriſto: O wie ſchwerlich aber wirdt der jenig ſich zu GOTT bekehren koͤnnen im Alter / welcher ſein Jugendt verzehret hat inn Suͤnden? Selten / ja ſelten befindt ſich ein gute diſpoſition vnnd contrition zur zeit der aͤngſten deß Todts: Wer GOtt nit liebet wann er noch frey vnnd wol diſpo - niret iſt / der wirdt jhne vil weniger lieben / wann er den Todt / den Teuffel vnnd die Hoͤll vor Augen ſihet / vnnd wann er vmb ge - ben iſt mit groſſen ſchmertzen / angſt vnd traw - rigkeiten / ꝛc. Wer Gott den HErꝛn nit ken - nen hat woͤllen im Leben / denſelben wirdt er nicht keñen im Todt / ſonder ſprechen wirdt er zu jhnen / wie zu jenen naͤrꝛiſchen Jung -frawen:316Der Landtſtoͤrtzer.frawen: Fuͤrwar / ich kenne euch nicht: O J - gnorantz / O Thorheit / du biſt die fuͤrnembſte vrſach / warumb die Menſchen nur der Welt ſo gar fleiſſig dienen / vnd Sclauen jhrer paſ - ſionen ſeind / ſie kennen das Gut nit / welches ſie verlteren / ſie erkennen das boͤſe nit / welches ſie leiden / ſonder bemuͤhẽ ſich mit den eytelkei - ten vnnd Thorheiten der Welt / vnnd fahren dardurch zur Hoͤllen / dann Stultorum infi - nitus eſt numerus.

Capvt XXXIX.

Diſcurs vom Gewiſſen.

DEr acht Tiſchgenoß redete von der materi deß Gewiſſens / vnnd ſprach: Das allerbeſte / welches ich vnder den Menſchlichen dingen finde / iſt ein gutes Gewiſſen / ſola bona conſcientia libertas eſt: Wo ein gutes Gewiſſen verhanden / da befindt ſich die Freyheit vnd Frewd / wo es a - ber mengelt / da iſt gefaͤngnuß / muͤhe vnnd ar - beit / derwegen ſagte Dauid / gloria noſtra hæc eſt teſtimonium conſcientiæ no -ſtræ. 317Der Landtſtoͤrtzer.ſtræ. Die gerechten bemuͤhen ſich / damit das jnneriſte jhres Gewiſſens rein vnnd gut ſeye. Alſo hat Dauid gethau / ſprechendt: fiat cor meum immaculatum in iuſtificationi - bus tuis vt non confundar: Zur zeit deß Todts wirdt man ſehen / daß alle die jenige zeit verlohren ſeye / welche den Menſchen zu gefallen verzehrt iſt worden / hergegen wirdt die jenige wol angelegt / welche verwend wird Chriſto zu gefallen / vermittelſt eines reinen Gewiſſens: Wann an jenem geſtrengen juͤngſten Tag / die Buͤcher vnſers Gewiſſens auffgethan / vnd vor aller Welt abgeleſen ſol - len werden / werden wir vil lieber woͤllen / daß wir GOtt den HErꝛn von Hertzen geliebt / weder von hohen vnnd ſubtilen dingen diſpu - tirt hetten: Vil beſſer wirdt als dann ſein ein reines Gewiſſen / weder das man verꝛicht hat ſehr hohe vnd ſpitzfindige Predigen / dann nit wirdt man vns fragen / was wir geredt vnnd geſchriben / ſonder was wir gethan vnnd fuͤr werck begangen. Die Welt iſt blindt vnd vr - theilet blindigklich vnd naͤrꝛiſch von allen ſa - chen: Sie lobet vns per coniecturas exte -riores,318Der Landtſtoͤrtzer.riores, wegen vnſers euſſerlichen ſchoͤnen vnnd exemplariſchen Lebens vnd Wandels / dann ſie ſihet nit / was jnwendig in vns ſteckt: Nit ſihet ſie vnſere Natur / ſonder die Kunſt / wir ſelbſt aber ſehen vnd wiſſen was in vnnd hinder vns ſtecke / vnnd wie wir beſchaffen ſeyen: Vil Leuth ſihet man vmbgeben vnnd bekleidt mit Sammet vnnd Seiden / aber be - hafft mit Laſtern / ſie ligen auch in weichen Bethen / eſſen zarte Biſſel / vnnd leben taͤglich ſcheinbarlich / aber wann du jhr Hertz ſehen ſolteſt / ſo wuͤrdeſt du jhnen nicht neydig ſeyn / dann ſehen wuͤrdeſt du den Hencker jhres boͤ - ſen Gewiſſens / welcher mit der blutigen Geiſſel jhre Seelen peiniget: finden wuͤrdeſt du ein ſo groſſe heimliche trawrigkeit in dem Marck jhrer Gebeinen / daß ſie jhnen ſelbſt feindt werden / vnnd daſſelbe machet jhr Beth hart / jhren Tiſch vnnd Speiſen bitter / jhre Taͤg melancoliſch / vnd jhre Naͤcht erſchroͤck - lich. Derwegen ſihe vnd verlaß dich nit auff das vrtheil der Welt / ſonder auff dein eygnes: tuo tibi iudicio eſt vtendum: Virtutis & vitiorum graue ipſius conſcientiæpon -319Der Landtſtoͤrtzer.pondus eſt, qua ſublata, iacent o - mnia.

Ein ordenlichs priuat Leben iſt das al - ler beſte vnnd außbuͤndigſte Leben: Ein jeglicher mag gleichwol ein ehrliche Perſon auff der Binen repræſentiren. aber daß einer jnwendig vnd im Hertzen wol regulire ſeye / daran ligts alles mit einander. Wer in ſeinem Hauſe vnd in ſeinen ordinarijs acti - onibus, (von derentwegen er niemande rech - nung zu geben hat) gerecht vnd ohne tadel iſt / der iſt Lobs wuͤrdig: derwegen ſaͤgte der Welt - weiſe Bias, daß das jenig das allerbeſte Hauß - weſen waͤre / wann der Haußuatter eben alſo beſchaffen iſt jnwendig / wie er ſich ſtellet auß - wendig. Als dem Iulio Druſio ſeine Zim - merleuth verhieſſen / daß ſie jhm ein Hauß bawen wolten / darin jhm ſeine Nachbarn nit einſehen ſolten koͤnnen / doch daß er jhnen her - gegen 3000. Kronen geben ſolte / antwortet er vnd ſprach: Jch wil euch 6000 geben / wo - ferꝛn jhr mir ein Hauß bawet / darin ein jegli - cher aller orten koͤnne einſchawen / vnnd mei - ne Werck ſehen. Wann Ageſilaus reiſete /nam320Der Landtſtoͤrtzer.nam er ſein Loſament vnnd Herberg in der Kirchen / damit jhm nit allein das Volck ſon - der auch die Goͤtter ſelbſt in ſeinen priuat wercken einſehen moͤchten. Nur der jenig iſt gleichſamb ein miraculum mundi, an wel - chem weder ſein Knecht noch ſein Weib nie - maln nichts vngebuͤrlichs ſehen oder verſpuͤ - ren: Vber wenig Menſchen verwunderen ſich jhre Haußgenoſſen: niemaln iſt einer ein Prophet geweſt in ſeinem Hauß noch in ſei - nem Vatterlandt. Ein Kriegs volck anfuͤh - ren / ein Schlacht erobern / ein ſtattliche Bott - ſchafft verꝛichten / ein Landt regieren / das al - les ſeind offentliche bekante Werck / aber an - heimbs mit dem Weib greinen / lachen / ver - kauffen / bezahlen / lieben / haſſen / mit jhm ſelbſt vnnd mit ſeinem Geſindt lieblich / freundlich vnd recht conuerſiren vnnd vmbgehen / das iſt das aller ſchwereſte vnd geheimſte / vnnd da ligts. Ein ſchlechter Burger oder Handt - wercksmann lebt bißweilen vil ordentlicher vnnd gerechter anheimbs in ſeinem Hauſe / denn bißweilen ein Præſident deß groſſen Koͤnigklichen Raths mit aller ſeiner ſuffici -entz,321Der Landtſtoͤrtzer.entz, ehꝛwuͤrdigen euſſerlichen reputation, authoritet vnd anſehen. Etliche Leuth ſeind auff der Gaſſen / vnnd bey der Geſellſchafft gleichſamb fromme Schaf vnd vnſchuldige Laͤmmer / aber anheimbs vnnd gegen den jhri - gen ſeind ſie grimmige Loͤwen: Jhr priuat Leben iſt voller vnordnung vnnd Laſtern / jhr Wandel iſt mehrers gerichtet auff die eytele Glori / denn auffs Gewiſſen / nit thun ſie das jenig fuͤrs Gewiſſen / was ſie thun wegen der eytelen Glori / das Heyl der Seelen beſtehet nit im hochtraben / ſonder in der jnnerlichen Demut vnd Reinigkeit: die grandezen vnd Hochheiten ſollen nicht exercirt vnnd geuͤbt werden in den euſſerlichen grandezen, ſon - der in der mediocrit vnnd mittelmeſſigkeit. Nichts iſt ſchwerer / als eben ein boͤſes Gewiſ - ſen / wers aber nit glauben will / der wirdts er - fahren / wann es darzu kommen wirdt / daß jm die ſchwere Buͤrd nit allein nicht genommen / ſonder vil mehr gelaſſen wirdt werden: Zu gleicher weiß wie / wann zwo oder drey Perſo - nen einem helffen ein ſchwere Buͤrd tragen / ers nit ſo ſehr empfindet / als wann ers alleinXtruͤge /322Der Landtſtoͤrtzer.truͤge / alſo pfleget der Teufel / die Welt vñ das Fleiſch dir zuhelffen / die buͤrd deines boͤſen ge - wiſſens zu tragen / dir zu fauoriſiren, zu zaͤrt - len vnd zu liebkoſen / aber wañ das ſterbſtuͤnd - lein kompt / alsdann laſſen dich diſe deine drey Freunde alleinig in der Hoͤllen ſtecken / die Welt dern du gedient haſt / wird dich in deiner groͤſten noth vbergeben den Haͤnden deß aller - maͤchtigſten Richters / auf daß du jhm rechen - ſchafft gebeſt wegen deines Lebens / wo werdẽ aber als dann ſein deine Beichtuaͤtter / welche dir auß deinen Todtſuͤnden nur peccadillos gemacht? wo werden als dann ſein deine lieb - ſie freunde / ſchmarotzer vnd Rechts gelehrten / welche dir auß einem Elephanten ein Mucke / auß einer Mucke einen Elephanten / das ge - rade krumb / das krumme gerad gemacht / vnd in allen ſachẽ das placebo Domino geſpilt / vnd alles recht gegeben? O Menſch / reinige offtermals dein gewiſſen / veꝛmittelſt der ſacra - mentaliſchen Beicht: erſcheine nit vor Gott mit beſudleten blutigen haͤnden / ſond preſen - tire jhm ein gutes gewiſſen vnd heilige werck / ſo wirſtu von jhm erlangen / was du begehꝛſt.

Capvt323Der Landtſtoͤrtzer.

Capvt XL.

Diſcurs von der Einigkeit vnd Vneinigkeit.

DER neundt redete von der Materi der Einigkeit vnd vneinigkeit vnnd ſprach: Alle gute ding / vnd die erhal - tung vnnd vollkommenheit aller dingen ins gemein vnnd inſonderheit / beſtehet in der vnion vnd einigkeit / hergegen entſpringt alles Leidt auß der vneinigkeit / abſonderung vnnd zertheilung. Derwegen befilcht vns der Apoſtel die Einigkeit deß Geiſtes vnnd ſpricht: ſolliciti ſeruare vnitatem ſpiri - tus in vinculo pacis. Wo frid vnnd ei - nigkeit iſt / da iſt GOtt vnnd ſein Segen / wo aber Vneinigkeit / Zanck vnnd Hader iſt da regieret der Teuffel vnd alles vnheil. Daß zur zeit der erſten Kirchen die Knecht GOt - tes der maſſen maͤchtig waren / dz ſie die gantze Welt zum Chꝛiſtlichen glauben gebꝛacht / war nichts anders ſchuldig dran / als dz das glau - bige Volck einerley hertzens vnd einerley wil -X 2lens324Der Landtſtoͤrtzer.lens waͤren. Der Frid vnd Einigkeit / wel - cher damals vnder dem Chriſtlichen Volck war / machte ſie ſehr ſchoͤn in den Augen Got - tes / vnd ſtarck in den Augen jhrer Feinde / der - wegen lobte der heilig Geiſt die erſte Kirch vñ ſprach: pulchra es & decora ſicut Ieruſa - lem: terribilis vt caſtrorum acies ordi - nata. Jm Chor verſpuͤrt man ein conſo - nantz der ſtim̃en / vnd in einer Feldtſchlacht ein wolgeordnetes Kriegsheer / vnd diſe beyde ding entſpringen auß der Lieb vnnd einigkeit der Chriſten / welche jhnen ein ſtaͤrck vnnd da - pferkeit gibt. Zu gleicher weiß wie in einer ar - mada die obriſte galera einen ſonderbaren ſchoͤnen Pfawen / vnd das Wappen deß Koͤ - nigs oder Kriegsfuͤrſtens / vnd vil Adels Per - ſonen fuͤhret / alſo hat die Chꝛiſtliche Religion vor zeiten in jhrem Wappen die Lieb vnd ei - nigkeit gefuͤhrt / dann wo Frid / Lieb vnnd ei - nigkeit iſt / da wirdt ein liebliche melodey ver - ſpuͤrt / wo aber vneinigkeit iſt / da iſt verderben vnd vndergang. Nichts hat Chriſtus ſeiner Kirchen ſo fleiſſig vnnd eyferig befolchen / als eben den Friden vnnd Einigkeit / aber leyderzu325Der Landtſtoͤrtzer.zu diſen zeiten halten die Chriſten nichts we - niger als eben die Lieb vnd einigkeit / dann ſie thun ſchir nichts anders / als einander reiſſen / beiſſen / verkauffen / verꝛathen vnnd dardurch ſelbſt vnder einander verzehren.

Omne regnum in ſe diuiſum deſola - bitur: ſpricht der HErꝛ / als wolte er ſagen: Wann ein Reich vneins oder zertheilt wirdt / ſo wirdts zerſtoͤrt / fuͤrnemblich dreyerley vrſa - chen halden / erſtlich durch die Hoffart / dann die vneinigkeit iſt ein Tochter der Hoffart / vermuͤg der Wort: inter ſuperbos ſemper rixæ: Die eygenſchafft eines hoffertigen iſt / daß er allzeit ein Liebhaber iſt ſeines eygnen gutbedunckens / derwegen verheuret er ſich mit ſeinem Willen / abundat enim in ſuo ſenſu, vnd im wenigſten will er eines andern meinung der ſeinigen vorziehen: weil dann vnder den hoffertigen widerwertige willen vñ meinungen ſeind / vnd ein jeder bey ſeinem ſiñ halßſtaͤrꝛig verbleibt / ſo muͤſſen notwendig die ſtritt vnd vneinigkeiten vnder jhnen regi - ren: Weil auch GOtt der Hoffart ſehr ſeind iſt / ſo will er jhnen zu einer Straff / keinen fri -X 3den326Der Landtſtoͤrtzer.den geben / vnd derwegen leben vnd ſchweben ſie jmmerdar in der vneinigkeit.

Die andere vrſach der vneinigkeit iſt der mangel der Iuſtici: Die fuͤrderliche / ge - rechte vnnd vnpartheyiſche adminiſtrirung der Iuſtici erhelt ein Landt in Friden / aber die vnbilliche gewaltthaͤtigkeiten vnnd die vnſtraffmaͤſſigkeit der Boßheiten verurſa - chen rebelliones, Auffruhr vnnd weitlaͤuf - figkeiten. Dionyſius Syracuſanus pflegte zu ſagen / daß zweyding ſein Landt im guten wolſtandt erhielten / nemblich die guͤte vnd die Iuſtici, dañ weder die macht / noch die forcht noch die ſtarcke Guardi verſicheren den ſtand eines Koͤnigs nicht ſo ſehr / als eben die gute affection vnnd Lieb der Vnderthanen / wel - che fuͤrnemblich erlangt wirdt durch die guͤ - te vnnd Gerechtigkeit: Weil auch vil Koͤni - ge vnderlaſſen haben die Iuſtici zu admini - ſtriren, ſo haben ſie verlohren jhꝛ Leben ſampt dem Reich.

Drittens entſpringt auß der Religion vnnd Lieb Gottes aller Fried / Einigkeit vnnd Wolſtandt eines Koͤnigreichs / hergegenauß327Der Landtſtoͤrtzer.auß der Verachtung der Religion erfolgt Vneinigkeit / confuſion, vnordnung / auff - ruhr / Krieg vnnd Blutuergieſſen. Es ha - ben ſich gleichwol die Politici ſtarck bemuͤht / das Volck in frid vnnd einigkeit zu erhalten / vermittelſt der Geſetz / edicten, ordinant - zen vnnd ſcharpffen pœnen vnnd ſtraffen / aber weil ſie ohne Fundament gebawt vnd darneben die Gottsforcht vnnd Religion nit in obacht genommen / ſo iſt alle muͤh verge - bens geweſt. Die Religion iſt das fuͤrnembſte fundament aller rerumpublicarũ, der exe - cutionen, der Geſetzen / deß gehoꝛſambs der vnderthanen gegen der Obrigkeit / vñ jrer ge - gen einander tragender Lieb vñ freundſchafft: Die Religion vnd der ſtatus ſeind dermaſſen zuſammen geleimet / daß auß jhꝛer diuiſion vnnd zertheilung eben das jenig erfolgt / was auß der zertheylung eines Schiffs entſte - het / dann theileſtu das Schiff von einander / ſo iſts verloren / dann wie der ſtatus vñ die re - ligion einander im guten vñ boͤſen begleiten / alſo wann ſie nur ein wenig zertheilt werden / ſeind ſie beyde verlohren. Wers nicht glau -X 4ben328Der Landtſtoͤrtzer.ben will / der frage Griechenlandt / vnd etliche vilandere Koͤnigreich / warumb ſie jhren ſta - tum, freyheit vnd wolſtandt verlohren / vnnd vnder das Joch deß leidigen Tuͤrcken gera - ten? ſo werden ſie muͤſſen ſagen vnd bekennen / daß nichts anders dran ſchuldig / als eben die vneinigkeit / die ſie vnder einander gehabt ha - ben wegen der Religion / mit dern ſie jhr Af - fenſpil getriben. Vil Leuth ſeind der meinung / daß die fuͤrnembſte vrſach der Frantzoͤſiſchen vnnd Niderlaͤndiſchen Krieg eben diſe ſeye / daß man nemblich ſo vilerhand frembde Ke - tzeriſche religiones hat laſſen ein wuꝛtzeln vnd vberhand nemmen. Die vneinigkeit / das miß - uertrawen vnnd die verbitterung etlicher fuͤr - nembſten Staͤnd / woher entſpringt ſie an - derſt / als eben auß der vnderſchidlichkeit der Religionen? Die darauß entſprungent feind - ſchaffien vnd verbitterungen feind dermaſſen groß / daß man ſich biß weilen / zur behauptung jhrer Secten vnnd intents, ſo gar mit Tuͤr - cken vnd Heyden verfreundet vnd verbindet: Nichts wuͤrden vns ſchaden vnſere Erbfein - de / woferꝛn ſie ſehen / daß wir einander liebtenvnd329Der Landtſtoͤrtzer.vnd eins waͤren / aber laider / vmb ſo vil deſto ſchwaͤcher / verſpoͤttlicher vnd vberwundener werden wir von vnſern Feinden / vmb wie vil mehꝛ ſie ſehen / daß wir vnfridlich vnd vneinig vnder einander leben.

Capvt XLI.

Diſcurs vom Eyfer vnd den Eyferern.

DER zehendt Tiſchgenoß handlete von der Materi deß Eyfers / auff nachfolgende weiß: Der Eyfer iſt ein jnbruͤnſtige Lieb / welche keins wegs leiden mag / daß das geliebte ding von jemande ver - langt noch auch beſeſſen werde. Weil Gott vnſere Seelen jnnbruͤnſtiglich liebet / ſo iſt er ein ſtarcker Eyferer / jnmaſſen ers ſelbſt Exo - di am 20. Capitel bekennet / ſprechendt: Jch bin der HErꝛ dein GOtt / ein ſtarcker Eyfe - rer. GOtt hat gleichwol keine paſſiones, a - ber einen Eyferer nennet er ſich wegen der effecten, vnnd er thut alles was die EyfererX 5thun.330Der Landtſtoͤrtzer.thun. GOtt iſt gleich einem Vogel / von welchem man ſagt / daß er auff dem Gejaidt nur das Hertz deß gefangenen Vogels oder Wildtpraͤts friſt: Eben alſo bewaidet vnnd ſpeiſet ſich GOTT mit dem Hertzen vn - ſerer wahren Lieb / vnnd iſt ein herꝛlicher Zelotipus oder Eyferer. Wie ein Eyfe - rer nicht bewilliget / daß ſein Weib einen an - dern liebe / vnnd / woferꝛn er einen boͤſen arg - wohn von jhr hat / er groſſe achtung auff ſie gibt / ſich hin vnnd wider vmbſihet / auff die ab: vnnd zugehende Perſonen fleiſſig mercket / dann diſen / dann jenen fragt / bißweilen auch ſich ſtellet als verꝛaiſe er: Wann auch er et - was vngebuͤrlichs verſpuͤrt hat / als dann anfahet zu toben / zu wuͤten / vnnd jhꝛ alle Kleynodien vnnd Wejbliche Zierd benimbt / vnnd ſie entweder von ſich jagt oder vmb - bringt / alſo vnd ebner geſtalt gehet auch Gott mit vnſern Seelen vmb / vnnd ſpricht: Bet - tet keinen frembden GOtt an / dann ich bin dein Gott ein ſtarcker Eyferer / als wolte er ſagen: Keins wegs will ich / daß der Menſch mit frembden Goͤttern buele / noch die erſchaf -fene331Der Landtſtoͤrtzer.fene ding vnnd Guͤter vngebuͤrliche begehre / ſonder mein will vnnd meinung iſt / daß er mich in der wahren Lieb allen andern dingen vorziehe: Wir ſollen gedencken vnnd wiſ - ſen / daß GOtt alle vnſere Werck ſehe / vnnd eygentlich auffmercke / wie wir vns in ſeiner Lieb verhalten: Ipſe ſtat poſt parietem. proſpiciens per feneſtram, per cancel - los; CHriſtus ſtehet heimblich vnnd ver - borgen hinder der Wandt / ſchawet durch das Fenſter vnnd Gaͤtterl / vnnd er ſpehet vn - ſere Seel auß / was ſie mache / gedencke vnnd verlange: auris zeli audit omnia: finxit ſe longius ire, er ſtellet ſich / als verꝛeiſe vnd gehe er weit von vns / aber niemaln wei - chet er auß vnſern Hertzen / ego ſto ad oſti - um & pulſo, vnuerſehens laͤſt er ſich ſehen / ſicut fur in nocte veniet, wie ein Dieb wird er in der Nacht kommen.

Wann er aber erzuͤrnet wirdt / ſo verzey - het er nicht / furor viri non parcet, nec acquieſcet cuiuſque precibus, nec acci - pit pro redemptione dona plurima: der - maſſen liebet Chꝛiſtus vnſere Seelen / dz er ſiezu332Der Landtſtoͤrtzer.zu einer Braut erwehlt hat / wann derwegen ſie ſich mit dem Teuffel / mit dem Fleiſch vnd mit der Welt vereiniget / als dann erzuͤrnet er ſich / vnd rechet ſich wie ein Eyferer. Diſes betrachtete Auguſtinus vnnd ſprach: Huͤte dich / O Braut Chriſti / vnnd ſchaw / daß dein Braͤutigam ſich nicht von dir abwende / er iſt nit weit hinweg gangen / vnd ob ſchon du jhne nit ſiheſt / ſo ſihet er doch dich mit den voͤlligen Augen hinden vnd vorn. Niemaln vnnd nir - gends kanſtu dich vor jhm verbergen / dann er hat bey dir ſeine Geiſtliche Botten / fleiſſige Speconen vnnd Kundtſchaffter / welche fleiſ - ſig aufſchawen / wie du in deines Braͤutigams abweſenheit dich verheltſt / damit ſie dich vor jm verklagen / woferꝛn ſie ein zeichen der lider - lichheit vnd geylheit an dir verſpuͤren. Ein Eyferer iſt diſer dein Braͤutigam / vnd wofern du einen andern Liebhaber erwoͤhleſt / vnd an - dern begereſt zu gefallen / ſo weichet er als bald von dir / vnd hengt ſich an andere Maͤgdlein: Sehr zart iſt diſer dein edler vnnd allerſchoͤn - ſter Braͤutigam / derwegen liebet er nur edle / zarte vnnd ſchoͤne Seelen / woferꝛn er einenmackel333Der Landtſtoͤrtzer.mackel oder Runtzel an dir ſihet / ſo wendet er alsbaldt ſeine Augen von dir / dann er mag kein vnlauterkeit leyden / derwegen ſey keuſch / zuͤchtig / geſchaͤmig vnnd demuͤtig / damit du wuͤrdig werdeſt von deinem Braͤutigam off - termals heimgeſucht zu werden.

Auß diſem Eyfer der frommen vnd gerech - ten entſpringt ein ſo groſſer Eyfer der Lieb Gottes / daß ſie nit leyden moͤgen / daß GOtt von den Suͤndern erzuͤrnet werde / dannenhe - ro haben ſie die Waffen wider die Abgoͤtterer / Ketzer vnnd Gottslaͤſterer gefuͤhrt / nach dem Exempel CHriſti / welcher die Kaͤuffer vnnd Verkaͤuffer auß dem Tempel vertrib: Deß - gleichen hat Phinees auß diſem guten vnnd gerechten Eyfer ſein Schwerdt in jenen He - breiſchen verachter deß Geſetzes geſtochen: vñ hierunder ſeines eygnen Bluts vnd Freundt - ſchafft nicht verſchont. Diſer heilige Eyfer verurſachet drey ſtarcke vnd groſſe bewegnuſ - ſen im Menſchen / die erſte iſt der Zorn / wel - cher ſich erꝛegt wann der Menſch ſihet / daß Gott belaidigt wirdt / vnd diſe bewegnuß oder Zorn iſt GOtt dem HErꝛn der maſſen ange -nemb /334Der Landtſtoͤrtzer.nemb / daß ſein gefaßter zorn vnd Straff dar - durch gelindert / ja gar auffgehebt wirdt / ver - muͤg der Wort: Phinees filius Eleazari a - uertit iram meam à filiis Iſrael, quia zelo meo cõmotus eſt contra illos. Die andere Bewegnuß iſt der Schmertzen / welchen man ob der belaidigung GOttes empfindet / vnnd derſelb iſt der maſſen groß / daß man jhne biß - weilen euſſerlich erzeiget / vermittelſt der zer - reiſſung der Kleider / vnd dergleichen zeichen / jnmaſſen Dauid gethan vnd geſagt: & ſuper inimicos tuos cõtabeſcebã. Die dritte iſt der haß vnd feindſchafft / von dern jetztbemel - ter Dauid ſagt: Perfecto odio oderã illos. Ein vollkom̃ner haß iſts / wañ man den Men - ſchen gleichwol liebet / aber ſein Laſter haſſet / vñ diſer zelus oder Eyfer iſt ein beſchuͤtzer vñ erhalter der Ehꝛ vnd Glori Gottes: Er iſt der Beſem / welcher den Tempel deß HErꝛn rein helt / jnmaſſen Matathias gethan vnd von jm geſagt woꝛden: aſcendamus mundare ca - ſtra: & demoliti ſunt altare, eo quod pro - phanatum eſt à gentibus, & obtinuerunt legem de manibus gentiũ. Selig vnd loͤb -lich335Der Landtſtoͤrtzer.lich ſeind alle die jenigen vorſteher vñ Obrig - keiten / welche einen ſolchen Goͤttlichen eyfer erzeigen / die Kirchen vnd gemeinden mit dem Beſem deß jnbruͤnſtigen eyfers kehꝛen / vñ die cõcubinarios, Simoniſten / Ehebrecher vñ anders dergleichen vnziffer / ohne allẽ reſpect drauß treiben / vnd vertilgen ſollen / dann wañ ſie diſen heiligen Eyfer gegen der Goͤttlichen glori / iuſtici vnd tugenden nit haben / ſo folgt drauß / dz die ehꝛ vnd der dienſt Gottes vnd der gemeine nutz vnderlaſſen vñ verhindert wird / daß die ſuͤnd vnd laſter vngeſtrafft bleiben / die gute diſciplin, die iuſtici vnd gute ſitten nit gebuͤrlich vnderhalten werden.

Ein andere art deß Eyfers iſt verhanden / welche gleichfals gut iſt / vnd welchen die E - heleuth gegen einander tragen / vnnd ſich bil - lich beſorgen vnd es empfinden / daß ein ande - ter jhrer genieſſe / ſeytemal ſolche genieſſung nicht allein nit ohne groſſe vnehꝛ vnd ſchaden ſolcher Eheleuth beſchthen kan / ſonder auch nit ohne groͤſſe verachtung vnd verunehrung GOttes / deſſen Geſetz vnd verbuͤndnuß dar - durch violirt geſchendt vñgeſchwecht wirdt. Weil336Der Landtſtoͤrtzer.Weil auch die Lieb / welche zwiſchen den Ehe - leuthen ſein ſoll / ſie verobligiret vnnd verbin - det / jhꝛer beyder Ehꝛ vnnd nutz zu befuͤrderen / vnd allen Spott vnnd Schaden zu verhuͤten / ſo eyferen ſie billich vnnd ſeind vbel zu friden mit denen Perſonen / ſo jhnen dergleichen ſchandtfleck koͤnnen anhencken: So gar die vnuernuͤnfftige Thier empfindens / wañ man jhnen zu nahe gehet vnnd einen eintrag thut / als jener Hirt Crates ſich in ein Gaiß ver - liebte / fing der Bock an zu eyfern / vnd ſtieß jh - ne ſchlaffend mit den Hoͤrnern zu Todt. Ein weiſer Mann / der da begert fridlich vnd ehr - lich zu hauſen / ſoll ſein Weib offtermals er - mahnen / ſelten ſtraffen vñ noch ſeltener ſchla - gen / ſonder in gebuͤrlichem gehorſamb erhal - ten / auch jhr im wenigſten kein vrſach zum eyfern geben / dann man findt etliche naͤrꝛiſche Maͤnner / welche nit vnderlaſſen / mit andern vnnd frembden Weibern verdaͤchtigklich zu conuerſiren. vnnd nit deſto weniger woͤllen ſie / daß jhre Weiber es nicht andten / ſonder diſſimuliren, vnnd jhnens alles gut heiſſen ſollen: Jm wenigſten betrachten ſolche Nar -ren /337Der Landtſtoͤrtzer.ren / daß ſie dardurch jhren Weibern vrſach geben / entweder dergleichen zuthun / oder doch billich mit jhnen zu eyfern. Es ſeye ein Fraw ſo fromb vnd guͤtig wie ſie jm̃er woͤlle / ſo mag ſie doch nit leiden / daß ein andere jres Manns zu theil werde. Werden ſie nit druͤber trawrig vnnd betruͤbt / ſo werden ſie doch wuͤtig vnnd tobendt / kein gehetzter Eber / kein hungeriger Loͤw / vnnd kein Tigerthier / deme man ſeine jungen geſtohlen / noch kein Otter / deme man auffn ſchwantz getretten / kan ſo gar erſchreck - lich ſeyn / als ein erzuͤrnete vnnd beleidigte Fraw: Nichts machet ſie wuͤtiger vnnd to - bender / als eben die Eyferſucht / wañ ſie nemb - lich ſihet / daß jhr Mann ſich an die Schnur hengt: Jene Ariadna vergrub den Keyſer Zenonem Iſauricum jhren Mann leben - dig / damit ſie ſich vber jhme moͤchte rechen: Das Weibliche Geſchlecht iſt fuͤr ſich ſelbſt ſchwach / argwoͤniſch vnd rachgierig / derwe - gen haben die Maͤnner deſto mehrere vrſach / weißlich vnd fuͤrſichtiglich mit jhꝛen Frawen vmbzugehen: Naͤrꝛiſch handlen die jenigen Maͤnner / welche an frembden Weibern haͤti -Ygen /338Der Landtſtoͤrtzer.gen / jhꝛen eygnen Frawen feindt werden / vnd ſie benebens ſchlagen oder iniuriren, ſchen - den vnd ſchmaͤhen: Clytemneſtra ward von jrem Mann Agamemnon iniurirt, derwe - gen beging ſie den Ehebruch / vnnd bewilligte in ſeinen Todt. Jener Rechtsgelehrter ſagt / daß die Ehefrawen erleucht vnd geziert ſollen werden durch die Stralen jhꝛer Maͤnner / daß auch der Mann der jenig ſein ſoll / der andern Maͤnnern ein Exempel gebe / wie ſie jre Frau - wen ehren ſollen. Thut ers / ſo bewegt er ſie dardurch / jhne zu ehꝛen / thut ers nicht / vnnd gibt er jhꝛ vrſach zu eyfern / ſo gewinnt ſie da - her ein vrſach jhne zu verhaſſen vnnd gleich - fals wider ſein Ehꝛ zu handlen / jnmaſſen ſol - ches die taͤgliche Exempel bezeugen vnnd zuer - kennen geben.

Nicht allein ſoll der Mann ſeinem Weib durch ſein vnzimblichs verhalten nicht vꝛſach zum eyfern geben / ſonder er ſelbſt ſoll auch nicht vnzeitig eyfern / zumaln wann ſie fromm / keuſch vnnd haͤußlich iſt / dann vil Weiber werden zu Huren / jhꝛen Maͤnnern zu trutz / ſeytemal ſie ſehen / daß jhꝛe Maͤnner jh -nen339Der Landtſtoͤrtzer.nen nicht trawen. Jſt ein Fraw von Natur fromm / keuſch vnnd haͤußlich / ſo ſoll jhꝛ der Mann kecklich trawen / vnnd auff ſie bawen: Jſt ſie aber etlicher maſſen frech / geſellig vnnd laͤppiſch / ſo hat er vrſach jhr auff die Eyſen zuſehen / vnd ſie muͤglichs fleiſſes vorm Fall zu verhuͤten. Begibts ſichs aber / daß er jhrenthalben inn ſorgen ſtehen muß / ſo ſoll er dannoch ſehꝛ fuͤr ſichtiglich procediren: der - gleichen paſſiones ſeind incommunicabi - les: ſo wol die bitterkeiten / als die ſuͤſſigkeiten deß Eheſtandts ſollen durch die Eheleuth in geheimb gehalten werden / die Narꝛen aber ſchwaͤtzen auß dem Beth: Mancher entdecket ſein Laidt / Noth vnnd Anligen einem guten Freund / derſelb aber lachet ſeiner / vnd gewiñt dardurch vrſach ſein Heylgleichfals an ſeines Freundts Weib zu verſuchen / vnnd jhme die Hoͤrner ſelbſt auffzuſetzen: dardurch wirdt er alsdann ein doppelter cornuto oder Hanrey. Die vnuerſchambtheit der Weiber wirdt biß - weilen durch den vnzeitigen Eyfer vnd vn - beſonnenes procediren der Maͤñer vermehꝛt vnd befuͤrdert. Sehꝛ ingeniosê vnd ſuhtilerY 2muß340Der Landtſtoͤrtzer.muß man mit dergleichen ſchwachen vnnd vnnothfeſten Frawen vmbgehen: Jſt ſie von Natur geyl vnnd vnkeuſch / ſo hilfft kein eyfe - ren / jhre Liſt vnnd verſchlagenheiten ſeind vn - endtlich vnnd vneiforſchlich: Pone ſeram, cohibe: ſed quis cuſtodiet ipſos Cuſto - des? cauta eſt & ab illis incipit vxor. Vil leichter iſt ein Wanne voller Floͤh zu huͤ - ten / denn ein liderliches Eheweib. Die raach welche bißweilen darwider fuͤr genom̃en wird / heylet vnſere Kinder nit allein nit / ſonder ver - wundet ſie vilmehr / nichts iſt den Eheleuten notwendiger / als eben ein beſcheidene Ge - dult / nicht allzeit iſts mit der Raach vnnd ge - ſtrengheit außgericht / mancher vermeint er woͤlle ſich vber ſein meineydiges Weib rechen vñ ſie zu ſchanden machen / aber ſich ſelbſt trift er vilmehꝛ / denn ſie: ob ſchon einer ein heim - licher cornuto oder Horntrager iſt / ſo iſt er doch darumb nit deſto ſchlimmer / dañ in ſol - chen faͤllen wirdt ein ehꝛlicher Mann mehꝛers beklagt / als veracht. Woferꝛn alle die jenige Maͤnner veracht / vnnd gleichſamb fuͤr vn - duͤchtig gehalten ſolten werden / welche Hoͤr -ner341Der Landtſtoͤrtzer.ner tragen / oder dern Weiber Huren ſeind / ſo wuͤrden bißweilen vil Rathsherꝛen auß dem Rath muͤſſen. Der Character der Horn - tragerey iſt vnaußloͤſchlich vnd mißlich / vnd ſetzet ſich eben ſo baldt vnnd leichtlich an die Stirn eines groſſen Herꝛn / als eines guten ſchlechten Burgers. Lucullus, Cæſar, Pompeius, Antonius, Cato, Marcus Au - relius, vnnd vilandere Keyſer vnnd Herꝛen / waren Hoꝛntrager / diſſimulirten aber / vnd machten nit vil weſens drauß: Allein Lepi - dus war der jenig Narꝛ / der ſich deßwegen zu todt kummerte. Es hatten die Roͤmer im ge - brauch / daß / wann ſie von einer Reiß wider - umb heimb kamen / jemande voran ſchickten / der jhꝛen Weibern die Zeitung brachte / damit dieſelbige nit etwann vnuerſehens bey andern Maͤnnern erwiſcht ſolten werden. So gar zu diſen zeiten regiert die eyferſucht nit ſo ſehꝛ / dann man findt Maͤnner / die haltens gleich - ſamb fuͤr ein Ehr / wann jhre Frawen durch andere cortiſirt vnnd hofirt werden: Etliche halten jhren Frawen ſonderbare Galanen, die jhnen auff warten vnnd dienen muͤſſen: dieY 3frequen -342Der Landtſtoͤꝛtzer.frequentia diſer accidentiæ lindert numehꝛ etlichen Eheleuthen den Schmertzen / vnnd es will auß der cornuterey ſchir ein gewonheit werden.

Ferꝛner veraͤndert vnnd verkehꝛet ſich der zelus oder der Eyfer bißweilen inn ein inuidiam vnnd Neydt / welcher hernacher ei - nen vnwillen / vnd ſehꝛ vil boͤſe conſequent - zen nach ſich zeucht: Ein ſolcher boͤſer eyfer regieret fuͤrnemblich vnder den Hofleuthen / ja Fuͤrſten vnnd Herꝛen ſelbſt / welche mit ein - ander / wegen der zu vilen Ehren oder macht competiren, vnnd jmmerdar mit einander æmuliren vnnd auff einander ſtechen. Vier ding verderbẽ einen Menſchẽ / nem̃lich nichts haben / wenig gewinnen / nichts ſparen vnnd vil verthun / aber das fuͤnffte verderbt die welt vnnd den Standt der Chriſtenheit / nemblich die æmulatio Magnatum: Der Menſch - liche reſpect vnnd il ragion di ſtato iſt das einige monſtrum vnnd vngehewer ſchaͤdliche Meerwunder / welches vns den meiſten ſchaden zugefuͤget / dann es ſeyen die Koͤnige ſo fromb / guͤtig / Gottsfoͤrchtig / an -daͤchtig343Der Landtſtoͤrtzer.daͤchtig / vnnd freundtlich gegen einander / wie ſie jmmer woͤllen / ſo eyferen ſie doch mit ein - ander wegen der Ehꝛ vnd macht / vnd ein jeder beſoꝛget ſich / es werde der ander vil zu herꝛlich vnd maͤchtig / wo derwegen ſie einander ver - hindern koͤnnen / ſo thun ſie es / wo nit offent - lich / doch heimblich / alles vnder dem ſchein deß ragion diſtato, welcher es alſo gleich - ſamb erfordert: Interim aber vnd inmittelſt bleibt der wahre Eyfer / die Glori / Religion vnnd Ehꝛ GOttes dahinden / vnd entgeliens bißweilen die Vnderthanen.

Noch einen andern Eyfer findt ich / wel - chen die Frommen brauchen im dienſt Got - tes / vnd von welchem geſchriben ſtehet: cum ſpiritu feruente ſeruite Domino, als wol - te der Apoſtel ſagen: Weil der HErꝛ euch mit einem ſo groſſen eyfer vnnd inbruͤnſtigkeit ge - ſucht vnd fuͤr euch gelitten hat / ſo iſt billich / dz jhꝛ jm mit einem groſſen eyfer vnd inbruͤnſtig - keit dienet / dann die Lawen ſpeiſet er auß ſei - nem Munde. Diſer Eyfer aber muß beglei - tet werden mit der ſo ſchoͤnen tugend der diſ - cretion vñ beſcheidenheit / welche vns vor dẽY 4Stri -344Der Landtſtoͤrtzer.Stricken / ſo zur rechten vnnd lincken Seyten ligen / bewahꝛen / vnd vns den rechten weg der vollkommenheit zeigen: Vil Leuth haben ei - nen guten Eyfer / vnnd vnderfahen ſich hoher vnd ſchwerer ding mit einer groſſen Lieb / aber es mengelt jhnen an der diſcretion. GOtt verhaſſet die Narꝛen / aber iſt ein gꝛoſſer freund der Weiſen / ſo jhm weißlich vnnd ordentlich dienen / das Lob beſtehet nit im werck / ſonder in dem modo, geſtallt vnnd manter / die man im wircken helt. Jm Hauſe deß Gerechten (ſpricht der weiſe Mann) iſt ein edler Schatz vnd Oel / aber ein Narꝛ verzehret es: Derwe - gen muß man den Weg deß HErꝛn fuͤrſich - tigklich vnnd mit groſſer diſcretion wande - ren / den ſinnlichheiten nit ſtatt thun / vnd dem Leib nit zu vil aufladen / damit man nit falle / ſambt der Buͤrd / dann GOtt will nicht / daß man den Leib verderbe / ſonder die Laſter zer - ſtoͤre. Ein Laſter vnd ſchand iſts / wann man Gott remiſsè vnd mit einer Kaltſinnigkeit / wie auch vnbeſcheidenlich dienet / aber ein diſ - cretion iſts / wann der Menſch ſich dermaſ - ſenin den dienſt GOttes ſchicket / daß durchſeine345Der Landtſtoͤrtzer.ſeine werck GOtt geehrt / er ſelbſt dardurch belohnt / vnnd der nechſt aufferbawet werde. Wer in ſeinen Geiſtlichen vbungen begert zu proficiren vnnd zu beharꝛen / der muß nit allein ſehen auff den anfang / ſonder auch aufs Endt / dann vilmals ſeindt die anfaͤng ſtreng vnnd ſcharpff / aber die endigen ſich in der re - laxation vnd kaltſinnigkeit. Wer heut ſo ſtarck lauffet / daß er morgen niderligt / vnnd auß muͤdigkeit nit fort kan / der fruchtet nichts im dienſt GOttes / ſonder confundiret ſich ſelbſt / vnnd verhindert den verdienſt. Heut nichts haben / aber morgen den vberfluß beſi - tzen / heiſt nit die Armut lieben / ſonder die be - gierlichheiten zieglen: Heut die notturfft ver - waigeren / morgen aber ſingularia vnnd ſon - derbare ding vnd Speiſen begeren / iſt ſolches kein abſtinentz, ſonder ein reitzung deß fraſ - ſes: Heut ſo vil leſen vnnd ſchreiben / daß der Kopffwehthumb drauß erfolget / heiſt ſolches die Seel nit ſpeiſen / ſonder zu andern wercken vntauglich vñ vnluſtig machen: Heut nichts reden / morgen aber vil vbriges ſchwetzen / iſt ſolches kein Eyfer / ſondern ein aͤrgernuß inY 5der346Der Landtſtoͤrtzer.der Religion: Es vermeinen etliche Geiſtli - che / daß ſie / wann ſie jhren Leib mit Faſten / haͤrinen Kleydern / wachen vnnd geißlen vbermeſſigklich kaſteyen / GOtt dem HErꝛn dardurch ein angenemmes Werck erweiſen / aber ſie jrꝛen ſich / dann ſolches iſt kein feruor vnd Eyfer deß Geiſtes / ſonder ein vnbeſchei - dener furor vnd vnſinnigkeit / dann dardurch werden ſie in kurtzer zeit dermaſſen ſchwach / daß ſie weder jhnen ſelbſt / noch andern nutz ſeind. Etliche kaſteyen den Leib vnmeſſiglich / vnnd geben doch kein achtung auff die Laſter der Seelen / das iſt aber ein zeichen der Hof - fart vnd eygnen willens. Was hilffts aber ei - nen Menſchen / daß er das haͤrine Kleydt auff ſeinem Leib traͤgt / woferꝛn er in ſeiner Seelen behelt den eygnen Willen / vnnd vnordent - lichen affect? GOTT will gleichwol / daß man das Fleiſch ſolle mortificiren vnnd ka - ſteyen / aber mit einer beſcheidenheit vnd maß / dann ob ſchon vnſer Leib vnſer Feindt iſt / ſo iſt er doch auch ein Jnſtrument der Seelen / derwegen ſoll man jhne dermaſſen maceri - ren, zaͤhmen vnnd erhungeren / damit er ſichwider347Der Landtſtoͤrtzer.wider den Geiſt nit aurflaine / vnnd doch dar - neben der Seelen diene inn jhꝛen Wercken. Nicht entſchuldige dich mit deiner hierunder habender guten intention, dann vil Leuth haben in der eyferigen mortificirung jh - res Leibs ein gutes intentt, aber nicht allein verdienen ſie dardurch die Glori nicht / ſon - der fahren auch zur Hoͤllen / derwegen ſchaw / daß dein intention gut / vnnd das Werck fuͤr ſich ſelbſt nit boͤß ſeye / dann wann das Werck den Gebotten Gottes nicht zu wider iſt / vnd allein von GOTTES wegen beſchicht / ſo wirdt er dardurch bedient / vnd der Menſch verdienet durch ſolchen ſeinen guten Eyfer den Himmel.

Beſchließlichen / wie aller vnbeſcheidener Eyfer ſchaͤdlich iſt / alſo iſt auch alle Lawig - keit vnnd kaltſinnigkeit im Dienſt GOTtes ſehr ſchaͤdlich / dann wer jhm in der lawigkeit vnnd hinlaͤſſigkeit dienet / der iſt gleich an de - me / daß er ſich allerdings von jhm abſondert durch die ſuͤnd. Keiner ſoll vermeinen / dz / weil er Gott dem HErꝛn vil Jahꝛlang auff etwañ einem Stifft oder in einer Religion gedienthat /348Der Landtſtoͤrtzer.hat / er billich andern juͤngern voꝛgezogen ſol - le werden / aber er gedencket nit / daß etliche / ſo erſt geſtern angefangen / jhne in dem jnbruͤn - ſtigen Eyſer vbertreffen: Vil beſſer iſt ein einiger Tag deß eyfrigen vnnd jnbruͤnſtigen dienſts / weder hundert deß lawen vnd hinlaͤſ - ſigen. Zu gleicher weiß wie die Kinder Jſra - els / ob ſchon ſie 38 Jahrlang in der Wuͤſte vmbzohen / vnd veꝛmeinten nah beym verſpꝛo - chenen Land zu ſeyn / doch letztlichen ſich noch ſehꝛ weit daruon befanden / alſo vermeinen et - liche / daß / weil ſie vor vilen Jahren auß der Egyptiſchen Finſternuß / das iſt / auß der welt geſchiden / vnd ſie verlaſſen haben / ſie darduꝛch deſto nahen der zu Gott vnd ſeiner Gori / vnd dem verheiſſenen Landt deß Paradeyſes ge - langet ſeyen / aber ſie ſeindt je noch weit dar - uon / ſeytemal ſie diſer Reiß mit keinem gebuͤr - lichen Eyfer / ſonder mit einem vnluſt vnnd hinlaͤſſigkeit (jnmaſſen die Jſraeliter in der Wuͤſte gethan) verꝛicht: Derwegen ſey ey - ferig im dienſt deß HErꝛen / vertreib von dir alle faulkeit vnnd kaltſinnigkeit / dann durch die eyferige jnbruͤnſtigkeit vnnd bemuͤhungwirdt349Der Landtſtoͤrtzer.wirdt erlangt die Ehr vnnd Goͤttliche frewd: GOtt iſt ein belohner aller eyferigen guten bemuͤhungen / arbeit vnd ſchmertzen / vnnd ein Cron der Heiligen.

Capvt XLII.

Diſcurs von Muͤſſiggehern vnnd Arbeitern / wie auch von dem heiligen Muͤſſiggang.

DER Eylffte Gaſt redete alſo von vnderſchidlichen Muͤſſiggaͤngern: Wie der Vogel zum fliegen erſchaf - fen / alſo wirdt der Menſch geboren zur ar - beit: Die gantze vollkommenheit deß menſch - lichen Lebens / vnd der Schluͤſſel vnſers nutzes oder ſchadens beſtehet in deme / daß wir vnſere zeit wol / weißlich vnd Chriſtlich anlegen / dar - zu er mahnet vns der Apoſtel / ſprechendt: re - dimentes tempus quia dies mali ſunt. Darwider aber iſt der leidig Muͤſſiggang / welcher ein ſeminarium aller Laſter vnnd Boßheiten iſt / dann er machet den Verſtandt grob / verderbt das Gemuͤth / ſchwaͤchet deßMen -350Der Landtſtoͤrtzer.Menſchen fuͤrtreflichheit / machet jhne zu ei - nem Sclauen der geylheit vnd wolluͤſt / iſt ein begꝛaͤbnuß deß lebendigen Menſchen / vnd ein puluinar Sathanæ, ein Ohꝛkuͤß deß Teufels. Vnderſchidliche Muͤſſiggaͤnger findt man auff Erden: Die erſten ſeindt die Faullentzer / Stationirer vnnd Landtſtoͤrtzer / welche im muͤſſiggang vnnd bettel vmbziehen / vnnd den wahren Armen das Brot vorm Maul hin - weg ſchneiden / vnnd auff ſolche Muͤſſiggaͤn - ger gehoͤrt ein ernſtlichs einſehen vnnd exem - plariſche ſtraff.

Die andere art der Muͤſſiggaͤngern ſeindt die jenigen / ſo nur der welt dienen / zugleicher weiß wie wir die jenige junge Knaben oder Kinder fuͤr muͤſſige halten / welche nichts an - ders thun als ſpielen / auffm Stecken reiten / vnnd hin vnnd wider vmblauffen / alſo helt GOtt die jenige Menſchen fuͤr muͤſſige / welche jhꝛe edle zeit in Eytelkeiten verzehren / nur wolluſtigklich leben / freſſen / ſauffen / ſpie - len / auff Lauten ſchlagen / tantzen / ſchimpffen / ſchertzen / buliren / von der Lieb reden / die jhnen durch den Cupido zugefuͤgte Wunde bekla -gen /351Der Landtſtoͤrtzer.gen / jnmaſſen gemeingklich vnſere Statt - junckern vnnd Edelleuth thun / denen es aber vil loͤblicher vnnd beſſer anſtuͤnde / daß ſie die Reſpublicas mit rath vnnd that huͤlffen be - ſchuͤtzen vnnd befeſtigen / vnd alle jhre Guͤter / muͤhe vnd arbeit zu deß allgemeinen Vatter - landts heyl vnd wolfart verwendeten. Als Keyſer Galba erjnnert ward / daß er doch ſein zeit nit alſo im Muͤſſiggang vnnd vergeblich verzehꝛen ſolte / antwoꝛtet er vnnd ſprach: Ein jegklicher ſoll rechenſchafft geben wegen ſei - ner Werck / aber nicht wegen ſeiner kurtzweil. Er jrꝛte ſich aber dißfals / dann die Iuſtici mercket auch auff die wolluſtige Faulentzer / welche die Ordnung deß Lebens confundi - ren, verwirꝛen vnnd alles boͤſes ſtifften vnnd verurſachen / letztlichen aber in Armut ge - rathen: Dann der Muͤſſiggang tanquam mater nugarum & nouerca virtutum machet / daß ein muſſiger ſein Seel zu vnrei - nen Gedancken neꝛget / auß vnreinen Gedan - cken felt er in die erluſtigung / auß der erluſtig - ung in die Verwilligung / auß der Verwillig - ung in die Wuckung / auß der Wirckungin352Der Landtſtoͤrtzer.in die gewonheit / auß der gewonheit inn den habitum: auß dem habitu inn die Armut / die Armut aber machet verzweiflung: Die verzweiflung machet ein Kuͤnheit vnnd ver - meſſenheit / die vermeſſenheit aber betruͤbet vñ zerſtoͤret die Gemeinden / dannenhero vnnd weil ſo vil boͤſes auß diſem Muͤſſiggang ent - ſtehet / ſo koͤnte meines erachtens / je kein nutz - lichers Geſetz erdacht werden / als eben ein ſol - ches / dardurch der ſchaͤndtlich Muͤſſiggang bezwungen vnd vertilgt / die edle Muͤſſiggaͤn - ger vnd Faulentzer jhres Adels vnd edlen frey - heiten priuirt vnd ergetzt / hergegen die vned - le fleiſſige vnnd embſige Leuth geadelt / geehrt vnd befuͤrdert wuͤrden.

Noch ein andere art der Muͤſſiggaͤnger iſt verhanden / welche nemblich die ſtudia vnd vbungen der Tugenden verachten / das Heyl jhrer Seelen in Windt ſchlagen / allen jhren ſinn vnd gedancken nur auff die jrꝛdiſche Guͤ - ter ſetzen / die wahre vnnd vnſterbliche Reich - thumb verachten / in dem Muͤſſiggang vnnd wolluſten vergraben ligen / vnuerſehens aber drin ſterben vnd verderben / im wenigſten be -trach -353Der Landtſtoͤrtzer.trachtend / daß die Heiligen die Glori / die ſie im Himmel beſitzen / nit erlangt haben durch Muͤſſiggang / ſonder mit groſſer muͤh vnd ar - beit / daß auch das gantze Leben Chriſti nichts anders geweſt iſt / als arbeit vnd muͤhſeligkeit / allein von vnſers Heyls vnd Seligkeit wegen: aber wir armſelige mit ſo vilen Schlangen / fewrigen Pfeilen vnnd Feinden vmb gebene Menſchen / in vtramque aurem dormi - mus, ſchlafen ſicherlich / verfaulen im Muͤſ - ſiggang / erluſtigen vns in eytelkeiten / vñ ſeind dermaſſen faul vnnd hinlaͤſſig in Geiſtlichen vbungen / als waͤre es nunmehꝛ alles frid vnd ſicherheit / vnd als waͤre das Leben deß Men - ſchen auff Erden kein militia. Ein Narꝛ iſt der jenig / der ein Ruhe ſuchet allhie auf Er - den / dann er wirdt ſie nit finden. Der Muͤſ - ſiggang vnd die ruh iſt ein Kraut oder frucht / ſo allhie auff Erden waͤchſt / aber im Him - mel hat GOtt die Ruh fuͤrbereit / denen / wel - che in ſeinem Weingarten arbeiten / vnnd der Haußmeiſter CHriſti wirdt jhnen geben den Groſchen der Glori: Wie jener wilder vnnd vnfruchtbarer Feygenbaum abgehawen vndZins354Der Landtſtoͤrtzer.ins Fewr geworffen ward / alſo wirdt den vn - nutzen Faulentzern das Leben abgeſchnitten vnnd dem Hoͤlliſchen Fewer zu theil wer - den. Ob ſchon vnſere bemuͤhungen nicht wuͤrdig ſeindt das ewige Leben zu verdienen / ſo koͤnnen wirs doch nicht erlangen / woferꝛn wir vns nicht drumb bemuͤhen vnnd bearbei - ten. Vnangeſehen wir eygentlich wuͤſten / daß vns GOtt die Glory beſcheren wuͤrde / ſo muͤſſen wir / als getrewe Knechte CHriſti / vns doch drumb bemuͤhen / vnd alles das jenig thun / was wir ſchuldig ſeind / vnnd was wir thun koͤnnen / damit wir ſie nit verlieren / dann ſeind wir forchtſamb vnnd muͤſſig / ſo werden wir vertriben auß dem Reich CHriſti / jnmaſ - ſen jenen forchtſamen vnnd faulen Soldaten beſchehen / ſo mit dem Gedeon in Krieg zo - hen.

Nun moͤchte aber einer ſprechen: Weil du ſagſt / daß die bemuͤhungen vnnd wirckli - che Arbeit vnnd Werck ſo ſehr nothwendig ſeind zu erlangung der Glori deß Himmels / wie kombts dann / daß Chꝛiſtus zu der fleiſſi - gen / muͤhſamen vnnd arbeitenden Marthageſagt355Der Landtſtoͤrtzer.geſagt hat / daß Maria / welche nur ſtill vnnd muͤſſig ſaß / den beſten theil erwoͤhlt hatte? hier - auff aber gibe ich zur antwort / daß gleichwol vil Weitliche / die Religioſen vnnd Einſid - ler fuͤr muͤſſige Faulentzer vnnd vnnuͤtze Leuth halten / junmaſſen Martha die Mariam darfuͤr hielt / vnd vermeinte / daß jhre Vn - ruhe vnnd bemuͤhung beſſer waͤre / we - der die heilig Geiſtliche vbung Mariæ: Aber die Goͤttliche Gerechtigkeit erkennte diß - fals fuͤr die Mariam / vnnd zohe jhren Muͤſſiggang der Muͤhe vnnd Arbeit Mar - thæ vor: Ob ſchon die jenigen / ſo ſich im Gebett im leſen der heiligen Buͤcher / vnd im ſingen deß Ambts in der Kirchen vben / mit dẽ Leib ſtill ſitzen / ſo ſol man doch nit gedencken / daß ſie muͤſſig ſeyen / dann wie kan der jenige muͤſſig ſeyn / welcher ſich jm̃erdar mit GOtt bemuͤhet vnd negociret vnd niemalen aufhoͤ - ret zu meritiren vnd zuuerdienen? vm̃ wie vil mehꝛ ein Geiſtlicher alleinig iſt / vmb ſouil de - ſto mehꝛ iſt er begleit: Vnd wann er am aller muͤſſigſten iſt / als dann iſt er am aller beſten vñ mehꝛerſtẽ geſchaͤfftig / dañ ob ſchon MariaZ 2muͤſſig356Der Landtſtoͤrtzer.muͤſſig war / ſo war ſie doch beſſer geſchaͤfftig / weder Martha / dann ſie verwendete jhꝛen ver - ſtandt in der contemplation vnnd betrach - tung der Himmliſchen ding / vnnd jhr Hertz war entzuͤndt in der Lieb der ewigen Guͤter. Gut war die bemuͤhung Marthæ / aber beſ - ſer war die bemuͤhung Mariæ. Alle beyde be - muͤhungen / nemblich vita actiua & cõtem - platiua, ſeind gut vnnd notwendig in der H. Kirchen / ſie ſeind Schweſtern vnd freundin / vnd ob ſchon das beſchawliche Leben fuͤrtreff - licher iſt / ſo iſt doch keins wider dz ander / ſon - der ſie helffen einander wie zwo Schweſtern: Diſe alle beyde ding kan man zugleich vnd zu einerley zeit verꝛichten / die eine verhindert die andere nit / woferꝛn die leibliche vbung nit v - bermaͤſſig iſt. Die contemplatio fauori - ſiret der ehꝛlichen vbung deß wirckenden Le - bens / welches ſehꝛ duͤrꝛ vnnd verdrießlich iſt / woferꝛn es mit der oratione mentali nicht vermiſcht wirdt. Keiner kan ein contem - platiuus geneñt werden / der ſeinem naͤchſten nicht hilfft in der angſt vnnd noth: So gar iſt das wirckliche Leben bißweilen vil verdienſt -licher /357Der Landtſtoͤrtzer.licher / weder das beſchawliche / dann weil der verdienſt geſchetzt vnd gemeſſen wirdt mit der Lieb / mit dern ein werck geuͤbt wirdt / vnd einer ein wirckliches Werck mit einer vil groͤſſern Lieb wircken kan / weder einer / der ſchlechtlich bettet vnnd contempliret, ſo folgt / daß das wirckende Leben vil verdienſtlicher iſt / weder das beſchawliche / derwegen ſagte Paulus / dz er ein groſſes verlangen hatte von der ſuͤſſig - keit der contemplation abgeſondert zu wer - den / wegen deß Heyls ſeiner Bruͤder.

Das beſchawliche vñ wirckende leben ſeind die zween Fluͤgel / welche geben wurden jenem Weib / von dern der heilig Joannes ſagt / daß ſie in die Wuͤſte / das iſt / gen Himmel / geflo - gen / vnd jene heilige Thier / welche Ezechiel ſahe / hatten nicht allein Fluͤgel / mit denen ſie ſehꝛ hoch flogen / ſonder es waꝛ auch vnder den Fluͤgeln ein Hand wie eines Menſchen / dar - durch wirdt bedeut / daß das wirckende vnd dz beſchawliche Leben einander nit zu gegen / ſon - der vereinigte Schweſtern ſeyen / wie Martha vnd Maria. Daß aber die Handt vnder den Fluͤgeln ſtundt / bedeut / daß das wirckende Le -Z zben358Der Landtſtoͤrtzer.ben dem fliegen deß beſchawlichen helffe: Ni[cht]gnug iſts / daß man in den Einoͤden nur al - lein bette vñ contemplire / ſonder man muß auch den trawrigen troſtloſen vnd duͤrfftigen fauoriſiren vnd helffen / jnmaſſen Chriſtus gethan / welcher nit allein gantze Nachtlang auff den Bergen bettete / ſonder ſich auch in heilung der Krancken vnnd Preſthafften vb - te / vnd die Ignoranten vnderwile. Derwegẽ ſollen vns die herlige vbungen deß wirckenden Lebens nit ſchwer oder verdrießlich ſeyn / dañ ſie werden ſich terminiren / endigen oder ver - kehꝛt werdẽ in die contẽplation der goͤttlichẽ eſſentz vnd genieſſung der ewigen ſeligkeit.

Endlichen vnnd beſchließlichen leſen wir vom heiligen Alberto / daß er ſambt vnd ne - ben ſeinem beſchawlichen Leben auch ſich in nachfolgenden zehen wercken deß wirckenden Lebens geuͤbt / erſtlich in einer groſſen Demut / nach dem Exempel Abrahams / welcher zum Herꝛn ſagte: ſoll ich dann mit meinem HErꝛn reden / der ich nun ſtaub vnd aſchen bin? Am aͤndern in groſſer armut / nach dem Exempel deß H. Tauffers Ioannis / welcher von Ju -gend359Der Landtſtoͤrtzer.gend auf / ſein vaͤtterliches Erbgut verließ / vñ in der Wuͤſte armſeliglich gelebt. Drittens in groſſer Danckbarkeit vnnd ſtetter erjnne - rung dern von GOtt empfangenen Gnaden vnd Gutthaten / nach dem Exempel deß Pa - triarchen Jacobs / welcher zur Danckſagung einen Altar zu Betel auff gericht / vñ dardurch wuͤrdig woꝛden in derſelben Nacht him̃liſche viſiones zuſehen. Viertens in der meſſigkeit der affecten, vñ ſonderlich der Lieb / nach dem exempel Chꝛiſti / welcher auf die Goͤttliche im - preſen ſehendt ſich ſtellte / als kennte er ſein Mutter nicht / vnnd ſprach: quæ eſt ma - ter mea, & qui ſunt fratres mei? Zum fuͤnfften in der Reinigkeit deß Gemuͤts vnnd keuſchheit deß Leibs / nach dẽ exempel deß Pa - triarchen Joſephs / welcher den ſchnoͤdẽ gunſt ſeiner ehebrecheriſchen Frawen entflohen. Sechſtens im andaͤchtigen leſen vñ vbung in H. Schꝛifft / nach dem Exempel deß H. Petri. Zum ſibenden in der abſtinentz vnd maͤſſig - keit / nach dem Exempel deß H. Daniels / der ſich der Koͤniglichen ſpeiſen enthielt / vñ wuͤr - dig woꝛdẽ / Goͤttliche geheimnuſſen zuerklaͤrẽ. Z 4Zum360Der Landtſtoͤrtzer.Zum achten / in rauhen vnd groben Kleidern / jnmaſſen Elias gethan vnd wuͤrdig worden / in einem fewrigen Wagen verzuckt zu wer - den. Neundtens in dem ſilentio vnd ſtill - ſchweigen nach dem Exempel Jeremiæ / wel - cher geſagt: ſedebit ſolitarius & tacebit, vnd dardurch einen ſehꝛ hohen vnd erleuchten verſtandt vberkommen. Beſchließlichen in dem willigen gehoꝛſamb / nach dem Exempel Mariæ / welche geſagt: Ecce ancilla Domi - ni, vnd dardurch wuͤrdig worden ein Mutter Gottes zu werden.

Capvt XLIII.

Diſcurs durch was Mittel der Himmel erlangt werde.

DEr zwoͤlfft Gaſt redete von den mit - teln den Himmel zu erlangen / vnnd ſprach: Das aller fuͤrnembſte zweck / darnach wir zihlen ſollen / iſt die Himmliſche Glori vnd Seligkeit / die mittel aber dahin zu gelangen / ſeind die gute Werck / wer mit Chꝛi - ſto im Himmel begehꝛt zu regieren / der mußallhie361Der Landtſtoͤrtzer.allhie Chꝛiſtliche Werck thun / derwegen wa - ren jene fuͤnff Jungkfrawen naͤrꝛiſch / welche kein Oel der guten werck / noch kein Fewer der Lieb hatten / vñ doch an der Thuͤr deß Him̃els anklopfften / vnnd in die Glori gehen wolten: Wie die fluͤgel den vogel in die hoͤhe erheben / alſo ſeind die guten Werck Fluͤgel / mit denen man gen Himmel fliegen muß / vnd diſe Fluͤ - gel muͤſſen wir beraiten / ehe vnnd beuor man in die Glori gehet. Vil Leuth contentiren vñ beſchlagen ſich mit dem bloſſen Glauben / aber ſie gedencken nit / daß der bloſſen Glaub / ohne die Lieb / todt iſt / vnd ohne die gute werck wenig hilfft. Was hilffts / daß du den Schluͤſ - ſel im Sack haſt / wann du mit jhm nit kanſt auffſperꝛen? Das endt deß Glaubens iſt / daß er vnſer Leben regulire, damit wir zu der be - ſitzung der Glori gelangen moͤgen / vnnd er zeigt vns etlicher maſſen den weg darzu / aber die gute Werck fuͤhren vns hinein. Ein groß gefallen hat GOtt am Glauben / wann er be - gleit wirdt mit guten Wercken. Nicht allein iſt der Glaub zur Seligkeit nit gnugſam̃ / ſon - der er iſt vns auch villeicht ſchaͤdlich / woferꝛnZ 5er362Der Landeſtoͤrtzer.er nit mantenirt vnd vnderhalten wirdt mit guten Wercken. Ob wol Hymenæus vnnd Alexander den Glauben hatten / jedoch weil ſie das gute Gewiſſen von ſich trieben / ſo ha - ben ſie jm Glauben den Schiffbruch gelit - ten. Zu gleicher weiß wie einer / der in einen tieffen Bach fellt / erſauffen muß / wofern er ſich mit den Haͤnden vnnd Fuͤſſen nit weh - ret / ſchwimmet vnd ſich bemuͤhet / alſo muß der jenig im tieffen Meer der Hoͤllen erſauf - fen / welcher ſich auff den bloſſen todien Glauben ohne Lieb verlaͤſt. Die Lieb iſt das Leben deß Glaubens / ohne dieſelbe iſt er todt / aber die gute Werck ſeind ein zei - chen / das die Lieb verhanden iſt / vnnd daß inwendig in der Seelen ein leben diger Glaub ſtecket.

Der H. Koͤnig Dauid fragte ſich ſelbſt vnnd ſprach: Wer wirdt ſteigen auff den Berg deß HErꝛn? Antwort: Der vnſchul - dige Haͤnd hat / vnd eines reinen Hertzens iſt: Als wolte er ſagen: Vermittelſt der guten Werck vnd reinen gewiſſens wirdt erlangt die Himmliſche Glori: Die Werck muͤſſen ſichverglei -363Der Landtſtoͤrtzer.vergleichen mit vnſer gethanen Chriſtlichen profeſſion. Als Iehu Koͤnig in Jſrael dem Ionadab einem Soldaten begegnete / fragte er jhne vnd ſprach: iſt dein Hertz richtig mit meinem Hertzen? Ionadab antwortet / ja: Da ſprach der Koͤnig: Jſts alſo / ſo gib mir dein Handt / vnd er gab jhm ſein Hand / vnnd er ließ jhne zu jhm auff denn Wagen ſitzen: Eben auff diſen ſchlag fragt auch GOtt dich / ob du an jhn glaubeſt / vnnd dein ver - trawen auff jhne geſetzt haſt? Vnnd wann du / wie ein Chriſt / antworteſt: ja: Als dann ſpricht er geſchwindt: Jſts alſo / ſo gib mir dein Handt / vnnd laß ſehen / ob deine Werck gleichfoͤrmig ſeyen deiner Chriſtlichen pro - feſſion: Wie nun der Koͤnig Iehu den Io - nadab mit der Handt auffm Wagen zohe / al - ſo wirdt der Him̃liſch Koͤnig dich mit deinen begangenen guten wercken auf den triumph wagen ſeiner Gloꝛi ſetzen / vnd dieſelbige wer - den dich erheben vnnd gen Himmel fuͤh - ren. Obſchon aber die Gloꝛi ertheilt wirdt durch die prædeſtination / ſo werden doch die prædeſtinirten ſie nit erlangen ohnejhre364Der Landtſtoͤrtzer.jhꝛe gute werck. Es wirdt gleichwol der Herꝛ am juͤngſten Tag zu den Gerechten ſpꝛechen: Kommet jhꝛ Gebenedeyten / vnnd beſitzet das Reich / welches euch fuͤrbereit iſt von Ewigkeit hero: Damit aber man wiſſen ſolle / daß die Glori nit erlangt werde ohne gute Werck / ſo ſetzet er alsbaldt hinzu diſe Wort: Jch bin hungerig geweſt / vnnd jhr habt mich geſpei - ſet / ꝛc. Zu einem andern ſagte der HErꝛ: wilſt du eingehen ins ewige Leben / ſo halte meine Gebott Gott will dir die Glori nicht geben ohne dich / vnnd du kanſt ſie nit erlangen ohne jhne. Er will / daß wir vnſers theils das jenig darbey thun ſollen / was wir koͤnnen? Er wills nit alles allein thun / ſonder du ſolleſt auch et - was thun / darmit du den Himmel verdieneſt. Vnſere Werck ſeind gleichwol nit gnugſam̃ die Glori zu verdienen / aber ſie verdienen ſie mit der huͤlff der Goͤttlichen Gnad: Wir ſeind vnnuͤtze Knechte / aber durch huͤlff ſei - ner Gnad werden wir nutzliche Knecht. Wie das Epheu gleichwol ein veraͤchtlichs Kraut iſt / aber wann es an einem ſtarcken Baum an - leinet / biß in alle hoͤhe waͤchſt / alſo ſeind vnſereWerck365Der Landtſtoͤrtzer.Werck von Natur ſchwach vnd veraͤchtlich / aber wann ſie an dem HErꝛn Chriſto lainen / vnnd ſich mit ſeinen verdienſten vereinigen / alsdann ſeind ſie ſehꝛ werth vnd koͤſtlich. Die Gnad Chriſti iſts / welche vnſere Werck ver - dienſtlich machet / aber diſe Gnad gibt GOtt nit einem jeglichen / ſonder nur denen / ſo ſich darzu diſponiren, bequemen vnnd ſein em - pfangene Gnad wol brauchen. Alles wirdt mehꝛers der Gnad zugeſchriben / als den wer - cken / aber die Gnad gibt den verdienſt nit oh - ne vnſere Werck: Applicire du deinen wil - len / vnnd gebrauche deinen freyen Willen recht vnd wol / ſo wirſtu den Himmel verdie - nen mit deinen guten Wercken. Zu gleicher weiß wie es in einem Schiff / welches mit gu - tem Windt ſegelt / das anſehen hat / als thu der hinden beym Ruder ſitzender Pilot nichts dar - zu / aber ob ſchon er ſich wenig bemuͤhet / ſo thut er doch vil / in deme er das Sail deß Se - gels helt / dann wann er daſſelbe loß lieſſe ſo wuͤrde alles zu grundt gehen. Eben ein ſolche meinung hats mit dem Menſchen / welcher vom heiligen Geiſt / vnd von der Gnad Got -tes366Der Landtſtoͤrtzer.les regiert wirdt / dann obs ſchon das anſehen hat / als thu er nichts / ſo thut er doch vil / in deme er ſeinen freyen Willen zu der Goͤttli - chen Gnad hergibt / vnnd das Segel deß gu - ten Willens nach dem Windt deß heiligen Geiſtes ſchwinget: Alſo / daß der freye Will ſampt der Gnad wircket: Vnnd wann der - wegen GOtt hilfft / vnnd wir ſelbſt vns be - muͤhen / ſo gelangen wir zum Port deß Him - mels mit den verdienſten vnſerer guten werck. Regnum cœlorum vim patitur, vnd nur die jenigen eroberen den Himmel / welche ſich ſelbſt vberwinden vnnd bemuͤhen: ohne muͤh gelanget man nicht zu der verlangten Selig - keit. Ob ſchon aber wir vns etwas bemuͤ - hen / ſo werden wir doch finden einen groſ - ſen Troſt / dann was iſt alle bemuͤhung diſes Lebens / wann ſie gehalten vñ verglichen wird gegen der Ruh der ewigen Frewd? Wann ein Herꝛ einen Diener hette / der jhm ein groſ - ſe reuerentz vnd vil beſo las manos mach - te / vnnd jhne ſehr lobte / aber ſeinem Befelch im wenigſten nicht nachkaͤme / ſo wuͤrde er jhne / ohne zweyfel / auß dem Hauſe jagen:Aber367Der Landtſtoͤrtzer.Aber wir Menſchen woͤllen / daß GOTT vns vbertrage / gedulde / vnnd nicht auß ſei - ner Glori jage / vnangeſehen wir nur einen todten Glauben haben / vnnd nur laͤre Wort im Mundt fuͤhren / auch nichts thun / was er vns befilcht: GOTT erfordert die werck von dem jenigen / der jhm dienet: Wann vn - ſere Haͤnd vnſchuldig vnnd vnſere Werck gut ſein werden / alsdann werden ſie vns auff den hohen Berg deß HERREN fuͤhꝛen / daſelbſt werden wir jhne transfigurirt vnnd verklaͤrt ſehen / vnnd ſeiner ſambt den Apoſteln genieſ - ſen ewigklich.

Beſchließlichen gehoͤrt zu erlangung der Glory die perſeuerantz, dann es ſtehet ge - ſchriben: Niemandt / der ſein Handt am Pflug ſchlegt vnnd zu ruck ſihet / iſt geſchickt zum Reich Gottes: Dann die Gerechten be - gehren jmmerdar zu proficiren, vnnd ſie bemuͤhen ſich fort zu gehen. Nicht ſagt der HErꝛ / daß er dir Roſen vnnd Blumen in die Handt gibt / ſondern den Pflug / dann das Leben eines Chriſten ſeind nicht frewd /kurtz -368Der Landtſtoͤrtzer.kurtzweil vnd wolluͤſt / ſonder muͤhe / ſchweiß vnd arbeit / derwegen ſolleſtu nit zu ruck ſehen / vñ dich bemuͤhen fort zugehen / biß du den ver - langten Port erꝛeicheſt. Zu gleicher weiß wie jene Kuͤh / welche die Arch deß Herꝛn zogen / nit ſtill ſtunden / vnnd weder zur lincken noch zur rechten Hand von der Straß wichen / ſonder jmmerdar fort gen Bethſames gingen / vn - angeſehen jhꝛe junge Kaͤlber jhnen ſtarck nach - ſchryen / alſo weil wir mit dem joch deß Herꝛn vereinigt ſeind / vnnd ſeine heilige Geſetz auff vnſern Achßeln tragen / auch den rechten weg der Tugenden wandern / ſo muͤſſen wir allzeit fortgehen: Ob ſchon deine ſuͤndliche appeti - ten, wie deine natuͤrliche Kinder dir nach - ſchreyen vnd dich bitten / daß du widerumb in die Welt kehꝛen ſolleſt / ſo ſoll doch die Tugent die natuͤrliche Lieb vber winden / vnnd du / wie ein tauber vnd ſtummer ſchweig ſtill / beharꝛe deinen angefangenen weg / vnnd gib der Welt vñ dem Fleiſch kein antwort / biß du gen Beth - ſames ins Hauß der Sonnen gelangeſt / all - da du ſehen wuͤrdeſt das ewige Liecht / vnd die vnendliche Klarheit Gott ſelbſt.

Capvt369Der Landtſtoͤrtzer.

Capvt XLIV.

Guſman ſelbſt vnnd fuͤr ſich ſelbſt diſcurriret von dem nutz vnnd noth - wendigkeit der edlen Thorheit.

JCH Guſman war der dreyzehendt Tiſchgenoß / aber doch nur ein Auff - warter: Als ſie alleſambt auß diſcur - riret vnd mit jhꝛer Red hin vnd wider geloffen waren / winckte mir mein Herꝛ Cardinal mit den Augen / vnd ſprach: Guſman / ich weiß / daß du vil hin vnd wider gewandert / wol ſtu - diert / vnd nicht wenig geſehen / gehoͤrt vnd er - fahꝛen haſt / derwegen ſage vns auch etwas: Jch antwoꝛtet vnd ſprach: Gnedigſter Herꝛ / ich bin ſeicht gelehꝛt / vñ kan von hohen wich - tigen vnd weiſen ſachen / wie diſe Herꝛn Tiſch - genoſſen / gethan / nit vil reden / derwegen wil ich E. G. zu vnderthenigem gehoꝛſamb etwz diſcurriren vnd von der edlen Thorheit vnd Narꝛheit reden / wie ein Thor vnd Narꝛ / vnd wie ein Blinder von den Farben: Werde ichA aaber370Der Landtſtoͤrtzer.aber etwann jemande treffen / ſo hab er mirs nicht fuͤr vbei. Mein Herꝛ vertroͤſtete mich / dz man mir im wenigſten nichts fuͤr vbel auff - nemmen wuͤrde / vnnd ſagte / daß ich nur kecklich reden vnnd nichts verſchonen ſol - te. Deſſen lachte ich / erwiſchte aber zuuor ein gutes Glaͤſel mit Wein / trancks mit luſt auß / fing an zu reden vnnd ſprach: Die Poeten (denen billich geglaubt wirdt / dann ſie haben mit der torheit jedes mal vil zuſchaf - fen gehabt) bezeugen / daß Pluto ein GOtt der reichthumben / ein Vatter vnd die Iuuen - tus der Jugend / ein Mutter der Thoꝛheit ge - weſt / welche in den Inſulis fortunatis, allda kein Kranckheit noch Alter regirt / ſonder man allzeit friſch vnnd geſundt lebt / geboren wor - den / vnnd baldt nach jhrer Geburt angefan - gen zu lachen / vnnd ſich mit der Fraw Venus vnnd dem Baccho erluſtiget. O gluͤckſelige vnnd notwendige Geburt: die weiſe vnnd ge - lehꝛte Maͤnner moͤgen gleichwol von jr ſagen was ſie woͤllen / ſo iſt doch gewiß / daß woferꝛn anderſt ſie begeren Vaͤtter zuwerden vnd das Gebott Gottes: creſcite & multiplicami -ni:371Der Landtſtoͤrtzer.ni: zu voll ziehen / ſie jhꝛe grauitet, ſtudia vnd weiß heit hin dan ſetzẽ / die toꝛheit vmbfahen vñ mit den weibern ſchertzẽ muͤſſen / dañ ſie iſt der brunquel / auß welchem die weiſe Philoſophi, die ernſthafftige Juriſten / die andaͤchtige reli - gioſen, die ehꝛwuͤrdige Prælaten / die groß - maͤchtige Herꝛen / Fuͤrſtẽ / Koͤnig / Keyſer / vnd aller heiligſte Baͤpſt entſpringen / dañ woferꝛn die torheit vñ der will deß Menſchen nit zuſa - men ſtim̃eten vñ eins waͤren / ſo wuͤrden wenig Menſchẽ erzeugt vñ geboꝛen werdẽ. Die wei - ber / welche den groſſen ſchmertzẽ / muͤhſeligkeit vnd die gefahr deß gebehꝛens einmal verſucht haben / wurden ſich gewißlich nicht widerum̃ zu den Maͤnnern legen / woferꝛn ſie nicht biß - weilen naͤrꝛiſch vnd ſchier wuͤtig waͤren.

Die nutzbarkeit der thoꝛheit iſt der maſſen groß / daß ohne ſie / vnſer Lebẽ gewißlich nichts anders / als ein pur lautere armſeligkeit ſein wuͤrde / dañ dz die junge kindlein ſo ſehꝛ geliebt vnd gezaͤrtelt / ja ſo gar von den wilden Thie - ren verſchont vnd bißweilen ernehrt werden / daran iſt gewißlich nichts anders ſchuldig / als eben jhre Vnſchuldt vnnd Einfalt / dannA a 2die372Der Landtſtoͤrtzer.die Thoꝛheit nimbt ſie jederzeit inn jhꝛen Schutz / vnd beſchert jhnen die gnad / daß alle jhꝛe Woꝛt vnd Werck lieblich vnnd annemb - lich ſeind.

Auff diſe Kindtheit folgt die bluͤhende ju - gendt der adoleſcentiæ, welche der Fruͤling vnſers Lebens iſt / vnnd von der Thoꝛheit ſehꝛ fauoriſirt wirdt / dann man helt darfuͤr / daß der Menſch einmal in ſeinem Lebẽ muͤſſe naͤr - riſch ſein / entweder in der Jugent oder im Al - ter: Wer es derwegen in der Jugendt nit ver - richtet / oder ſich naͤrꝛiſch ſtellt / dolliſiret vnnd raſet / der muß es in ſeinem Alter verꝛichten / vnd eben diſes iſt ein vrſach / daß die Hollaͤn - der jhꝛe Toͤchter keinem jungen Geſellen ge - ben / der nit allbereit in ſeiner Jugend außge - narꝛet / dolliſirt oder geraſet hat. Dann ſie ver - meinen / daß / woferꝛn einer in der Jugendt nit außgenarꝛet hat / er erſt im Alter die Narꝛen - ſchuch anlegen vnd dolliſiren muͤſſe.

Nit allein die Kindtheit vnd die Jugendt wirdt von der Thorheit fauoriſirt, ſonder auch das Alter / dann ſie machet die Alten wi - derumb jung / vnd verkehꝛet ſie gleichſamb inKinder /373Der Landtſtoͤrtzer.Kinder / in deme nemblich ſie jhꝛe Kuͤnſt / ſci - entzen, ſchwere vnnd wichtige geſchaͤfft hin - dan ſetzen / ſich zu der Lieb vnnd Bulerey bege - ben / jhꝛe Haar faͤrben / voꝛn an der Stirn ho - he Zoͤpff tragen / damit ſie nit fuͤr Kaalkoͤpff gehalten werden / taͤglich jhꝛe Baͤrth rodi - ren, jhꝛe Kleydeꝛ parfumiren vnnd mit Bi - ſem vnd Amber beſtreichen / Kupler beſtellen / Buelbrieffel dichten / ſchꝛeiben vnnd außſchi - cken / ſich mit ſehꝛ jungen armen / aber ſchoͤ - nen vnd holdſeligen Maͤgdlein verheureten / mit denſelbigen jhꝛ Gut mit ſpielen vnd ſcher - tzen verzehꝛen / jmmerdar von der Lieb vnnd naͤrꝛiſchen dingen reden / vnnd ſich dermaſſen naͤrꝛiſch ſtellen / als kaͤmen ſie erſt in die Welt / oder als waͤren ſie niemaln inn der Welt ge - weſt: Vnnd auß diſer gleichheit der Natur erfolgt / daß die Alten die Kinder ſo ſehꝛ lieben / vnd ſambi jhnen auff Stecken reiten / oder mit jhnen ſpilen / hergegen daß die Kinder ſich ſo ſehꝛ mit den Alten frewen / vnd gern bey jhnen ſeindt.

Ferꝛner erſcheint die nutzbarkeit der Thoꝛ - heit auß deme / daß / woferꝛn die Menſchen dieA a 3weiß -374Der Landtſtoͤrtzer.weißheit allerdings fahren lieſſen / vnnd ſich nur der Thorheit befliſſen / ſie gewißlich kein einige Kummernuß noch Muͤhſeligkeit em - pfinden / ſonder allzeit ruͤhwig vnnd gluͤck - ſeligklich leben wuͤrden / dann die taͤgliche Erfahrung gibt zu erkennen / daß die weiſe hochgelehrte / grauitetiſche / ernſthafftige Maͤnner / welche nichts anders thun / als ſtu - diren / jhꝛen ſcientiis obligen / vnd Landt vnd Leuth regiren / gemeinglich bleich / mager vnd kranck ſeind / vnd gar bald alt werden / dann ſie haben weder Tag noch Nacht kein ruhe / ſon - der muͤſſen arbeiten mit dem Leib vñ mit dem Gemuͤth vnd Geiſt / der wirdt dardurch ge - ſchwaͤcht vnd das Leben verkuͤrtzt / im gegen - ſinn aber ſehen wir / daß die Jdioten / vngelehꝛ - ten vnd vnuerſtaͤndige gꝛobe vnd vngeſchickte Toͤlpel vñ Knoͤpff / welche ſich nur auff jhꝛen Landtguͤtern oder anheimbs finden laſſen / vñ ſich vmb nichts annem̃en noch vmb das heyl deß Vatterlandts kummern / gemeinlich faiſt / ſchoͤn / roth / ſtarck vnd geſundt ſeyen vnd lang leben. Diſes haben etliche anſehenliche Staͤtt inn Jtalia vnnd anderſto wol gewuͤſtvnd375Der Landtſtoͤrtzer.vnd betracht / vnd derwegen durch ein offent - liches decret oder mandat, etlich gelehꝛte vñ weiſe patritios, Geſchlechter oder Edelleut / keiner andern vrſachen halben hinauß vnnd weg geſchafft / als weil dieſelbigen wol ſtu - dirt hatten / vnnd jhꝛen verſtandt in vilen din - gen erzeigten / jnmaſſen die Saneſer gethan / vnnd derwegen fuͤr offentliche pur lautere Narꝛen gehalten werden. Die Bologneſer werden gleichwol fuͤr weiſe / gelehꝛte vnnd ge - ſcheide Herꝛen gehalten / aber alle jhre be - ſte vnnd gelehꝛteſte Buͤcher ſchmiden ſie auff jhrer Bibliothec an eyſenen Ketten / herge - gen laſſen ſie die Narꝛen vnnd jhre naͤrꝛiſche Geſchlechter vnnd Burgerskinder ledig / vnnd wolluſtig vmbziehen / vnnd in Rath ſitzen: O wie vil Narꝛen vnnd Fantaſten findt man zu Florentz, Modina, Par - ma vnnd Meylandt / vnder den Burgers - kindern / welche keiner andern vrſachen hal - ben etwas rechtſinniges ſtudiren / noch auch doctoriren / als weil ſie ſich deß Doctorals / aber nicht der Thorheit vnnd vnwiſſenheit ſchaͤmẽ / vñ nit deſto weniger im Rath andernA a 4gelehꝛ -376Der Landtſtoͤrtzer.gelehꝛten vnnd weiſen Maͤnnern voꝛgezogen werden woͤllen: Vil andere Staͤtt vnd Voͤl - cker koͤndte ich benennen / welche die Thoꝛheit in jhꝛer protection, ſchutz vnnd ſchirm nem - men / vnd ſie gleichſam̃ fuͤr ein grandeza vnd hochheit halten / wegen der confluenz, zu - lauff vnnd menge deß Volcks / ſo jhꝛ nachfol - gen.

Weil auch die Goͤttliche fuͤrſehung ſahe / daß der Menſch erſchaffen war darumb / daß er die andere Thier beherꝛſchen vnnd den gantzen vniuerſum regiren ſolte / vnd daß er zu ſolchem end ein groſſe weißheit haben vnd benebens vil ſorg vnd muͤhſeligkeiten außſte - hen muͤſte / ſo hat ſie jhne mit einer ewigen vnd vnzertrennlichen Geſellſchafft verſehen vnd jhm ein Weibsbildt zu ordnen woͤllen / auff daß ſie jme ſeine ſchwere ſorgfaͤltigkeiten lin - dern / vnd einen luſt vnnd frewd machen ſolte / dann das Weib iſt ein ſolche naͤrꝛiſche vnnd werckliche Creatur / daß Plato zweifelt / ob ſie vnder den verſtaͤndlichen oder vnuerſtaͤnd - lichen Thieren gezehlt vnd gerechnet werden ſolle. Eben diſer meinung ſeind auch die Tuͤr -cken /377Der Landtſtoͤrtzer.cken / welche nicht bewilligen / daß die Weiber weder in burgerlichen noch malefitz Haͤndlen zeugnuß geben. Sie ſagen auch / dz die Seelen der Weiber nicht / wie die Seelen der Maͤñer / vnſterblich / ſonder den Seelen dern andern wilden Thieren vnd beſtien gleich ſeyen: der - wegen hat die Goͤttliche Thoꝛheit ein groſſes gefallen an diſem Weiber Geſchlecht. Man findt etliche vnder jhnen / welche ſich vnder - ſtehen / jhꝛer natuͤrlichen Thorheit zu renun - ciren vnd abzuſagen / vnd woͤllen gelehꝛt / wei - ſe vnd dermaſſen fuͤrſichtig vnd geſcheid ſein / daß ſie an ſtatt deß nehens / ſpinnens / haß - pelns / vnd anderer weiblicher Arbeit / ſich vm̃ das Regiment der Landen vnnd Leuthen an - nemmen / oder ſich mit der Philoſophia oder Theologia, oder Aſtrologia bekuͤmmeren / vnnd / ſamb waͤren ſie newe Ariſtoteles oder fuͤrtreffliche Philoſophi vnd Theologi, ar - gumentiren, ja predigen / lehꝛen vnd vnder - weiſen. Etliche andere woͤllen Muſiciſtæ ſeyn / ſchlagen auff Jnſtrumenten / Harpffen vnd Lauten / vnd ſingen drein. Etliche andere verlieben ſich dermaſſen ins tantzen / daß ſieA a 5ſchier378Der Landtſtoͤrtzer.ſchier nichts and’s thun / als wie die Geißdoͤck / hin vnd wider / auff vñ nider hupffen / ſpringen vnd allerhand paſſames vñ Galiart tantzen. Etliche andere befleiſſe ſich nur ſchoͤn zu ſein / vnd andern liderlichen Leuten beſſer vnd mehꝛ zu gefallen / als Gott vnd jhꝛen Maͤnnern / vñ zu ſolchem end brauchẽ ſie tauſenterley kuͤnſt / geheimnuſſen vnd mittel. Jch wil gleichwol nichts ſagen von den zauberiſchen / ſchwartzen vnd andern aberglaubiſchen teufliſchẽ Kuͤnſtẽ / mit denen ſie die Maͤñer bißweiln bethoͤꝛẽ / ra - ſent vnd vnſinnig machen / vnd zu zeiten vmb jhꝛ Leben bringen / ſondern ich rede nur allein von jhꝛem habitu, Kleidern vnd Geſchmuck.

Dann wer jhꝛe Fuͤß betrachtet / der ſihet ſo hohe Bandtoffel odeꝛ Schuch / daß ſie alleinig drauff nit gehen koͤnnen / ſonder einen haben muͤſſen / der ſie an der Handt fuͤhꝛe vnnd auff - halte / damit ſie nit fallen: Was ſoll ich auch ſagen von andern ſchoͤnen / zarten / ſchnee - weiſſen / oder ſammetenen mit Perlin geſtiek - ten vnnd koͤſtlich gezierten Schuchen vnnd Bandtofflen / mit denen ſie herein prangen vnd den Zelt gehen?

Wer379Der Landtſtoͤrtzer.

Wer jhꝛen Kopff betrachtet / der ſihet den - ſelben geziert nit mit jhꝛen eygnen keſtenbrau - nen oder kohlſchwartzẽ / ſonder mit fremd dem entlehentem Haar / mit guldinen vnd geſtrick - ten Hauben / mit hohen ſpitzigen Huͤten / gul - dinen Schnuͤren / koͤſtlichen Roſen vnd Me - dalten: Was ſoll ich ſagen von den hohen vnd groſſen Bockshoͤrnern / die ſie oben auff der Stirn tragen / zum zeichen der Hoͤrner / die ſie bißweilen jhꝛen Maͤnnern auffſetzen? Etliche tragen koͤſtliche Perlein vnnd Kleinodien an den Ohrlaͤplein: Etliche binden vnnd hefften ſie an die Haar / dieſelbige krollen vnnd krau - ſen ſie mit gluͤenden Eyſen zieren vnd ſchmu - cken es mit Queckſilber oder Goldt / oder mit ſchoͤnen Kraͤntzen. Das beſtreichen vnd auß - rupffen der Haaren an der Stirn vñ Augen - braͤm iſt jhꝛ ordinarium. Jhꝛ Angeſicht vnd jhꝛe Wangen roth zu machen / kan ſie kein Mahler vbertreffen.

Wer jhꝛen Halß vnd Bruſt betrachtet / der moͤchte ſchier ohnmaͤchtig werden / dann ob ſchon der vbrige theil jhꝛes Leibs braun / gelb / blaw oder ſchwartz iſt / ſo muß doch der Halßvnd380Der Landtſtoͤrtzer.vnd die Bruͤſt ſchneeweiß vnnd mit ſchoͤnen Halßbaͤndern / guldenen Ketten / Kleinodien vnnd zarten Netzlein geziert vnnd vberzogen ſein.

Beſchawet man den Leib / ſo ſihet man den - ſelben bedeckt mit allerhandt ſo vilen vnder - ſchidlichen koͤſtlichen Kleidern / daß es nit auß - zuſpꝛechen / vnnd ſolches alles thun ſie nicht auß andacht / ſonder auß Geylheit vnd Thoꝛ - heit / vnnd zu erluſtigung der Maͤnner: Alſo / daß wir alle diſe frewd vñ wolluſt / die wir von den Weibern haben / der Thorheit zuſchrei - ben / vnnd bekennen muͤſſen / daß wir ſie durch ſie empfahen.

Vber diß alles thut auch die Thorheit in den Pancketen vnd Gaſtereyen das beſte / dañ erſtlich ladet vnd beruffet man auch inſonder - heit die Weiber zu den Gaſtereyen / damit ſie den Tiſch mit jrer gegenwertigkeit / lieblichen anblick vnd Thoꝛheit zieren / vnd die Maͤnner mit jhꝛen hoͤflichen vnd zierlichen reden erlu - ſtigen.

So herꝛſchet vnd regiret auch die Thoꝛheit ſehꝛ maͤchtigklich bey den Heureten / vereheli -chungen381Der Landtſtoͤrtzer.chungen vnd Hochzeiten / dann voꝛ zeiten be - willigte man / daß die Jungkfrawen jhren zukuͤnfftigen oder vermeinten Braͤutigam Mutter nackent eygentlich vnd wol beſchaw - en moͤchten / hergegen ward den Juͤnglingen erlaubt / den obern theil deß nackenden Leibs jhꝛer Braͤut fleiſſig vnd eygentlich zu beſehen / damit ſie alſo nit vrſach hetten / einander ins kuͤnfftig / nach der Hochzeit / die alsdann ver - ſpuͤrte / vnnd zuuor nicht gewuͤſte maͤngel zu verheben vnnd fuͤr zurupffen: Aber an jetzo will man gar geſcheid / oder / daß ich recht ſa - ge / vil naͤrꝛiſcher ſein / dann zu diſen zeiten heu - ratet man nur nach dem Geſicht / oder nach wohn / oder auß Geitz / oder auß Lieb. Etliche Geltnarꝛen nem̃en nit die Perſon der Braut / ſonder das Gelt: Andere Schoͤnheit narꝛen nemmen nit zucht / erbarkeit vnd haͤußlichkeit ſonder nur die Schoͤnheit vnnd holdſeligkeit deß Leibs: Andere Fantaſten heuraten vnnd bleiben nit im Adel / oder zu jhꝛes gleichen / ſon - der zum Gut / der ein nimbt ein alte geruntzel - te Wittib / wegen jhꝛer Reichthumb: Die alte vnſinnige / heßliche vnnd vnflaͤtige Wittibnimbt382Der Landtſtoͤrtzer.nimbt einen ſchoͤnen ſtarcken jungen Geſellen zu erſaͤttigung jrer geylheit: Vm̃ wie vil mehr aber ſie einander aufangs haben geliebt / vmb ſo vil deſto mehr werden ſie einander feindt vnnd verhaſt. Woferꝛn aber die Braͤutgam weiſe vnnd verſtaͤndig weren / vnnd dem leben vnnd ſitten ſeiner Braͤut / oder die Braͤut der beſchaffenheit jhres Braͤutgams zuuor fleiſ - ſig nachfragten / ſo wurden ſie bißweiln ſo vil ſchoͤne ſachen von jhnen hoͤren vnnd vernem - men / daß jhꝛer wenig heuraten wuͤrden: Deß - gleichen woferꝛn die Ehleut nach der Hochzeit ſteiſſig mercken vnd obacht geben wolten auff die hernach gefundene jrꝛthumb / defect vnnd maͤngel / ſo wuͤrde ein armſeliges weſen / weit - laͤuffigkeit vnnd vneinigkeit drauß entſtehen: gewißlich wuͤrden ſie nimmer lang beyſamen hauſen / ſonder ſich ſcheiden laſſen / vnnd vn - endtlich vil diuortia vnnd eheſcheidungen wurden ſich begeben / woferꝛn die Thorheit nicht das beſte darbey thete / Dann an der Hochzeitnacht iſt die lieb ſolcher jungen Lap - pen vnnd Eheleut dermaſſen groß / daß ſie die maͤngel vnnd gebrechen deß einen oder an -dern383Der Landtſtoͤrtzer.dern theils entweder nicht warnemmen / oder doch diſſimuliren, vnnd mit einer ſo groſſen lieb vnd freundlichkeit beyſamen leben / daß es das anſehen hat / als ſeye nur ein Seel in zwey - en Leibern: Es iſt die lieb der Maͤnnern ge - gen ſolchen jhren Weibern bißweiln dermaſ - ſen groß / daß ſie dieſelbigen / wie Goͤttinnen / verehren / jhnen alle jhre Thorheiten / eytel - keiten vnd vnheußlichheiten verſtatten / gut - heiſſen / noch ſie im wenigſten erzuͤrnen doͤrf - fen: Ja was mehr iſt / dermaſſen blindt vnnd vertrewlich ſeind ſie / daß ſie jhren ſchoͤnen Frawen ſonderbare ſchoͤne vnnd ſtarcke ga - lanes halten / ſo jhnen hofiren vnnd auff den dienſt warten muͤſſen: Daß nun nicht deſto - weniger vnder ſolchem Eheuolck die ſchnoͤ - de eyferſucht nicht regiret / vnnd aller zanck / hader vnnd vneinigkeit vermitten blei - bet / daran iſt die loͤbliche Thorheit ſchul - dig.

Alſo auch iſt gewiß vnnd wahr / daß die al - lerherꝛlichſte vnnd fuͤrtrefflichſte thaten / auß eingebung vnnd mithuͤlff der Thorheit her - flieſſen / dann durch diſes mittel ſeindt ent -ſtanden384Der Landtſtoͤrtzer.ſtanden / die allerhoͤchſte authoritates der Koͤnige / welche die gantze Welt mit jhꝛem Kriegsheer erſchroͤckt haben / dann was kan naͤrꝛiſcher ſein / als eben die Feldtſchlachten / in denen man mehꝛ verliert / denn gewinnet / vnd in denen nur menſchliches Blut vergoſ - ſen / vnd vil arme Witwen vnnd Waiſen ge - macht werden? Ob wol Alexander der groß / vnnd Iulius Cæſar fuͤr die aller fuͤrtreflichſte Potentaten gehalten woꝛden / ſo ſeind ſie doch die aller groͤſte vnd wunderbarlichſte Narꝛen geweſt / ſo jemals gelebt / dann was hette naͤrꝛi - ſcher ſein koͤnnen / als daß er Alexander in Jndien in beſtuͤrmung einer ſtarcken Feſtung vber die Mawren mitten vnder die Feinde ge - ſprungen / vnd nur ſelbſt dritt ſo lang mit jnen geſtritten / biß jhm ſeine Leuth zu huͤlff kamen / vnd aller blutig vnnd ohnmaͤchtig fanden? J - tem / daß er ſich vnderſtanden / einen grim̃igen Loͤwen anzugreiffen vñ vmbzubringen? Was koͤndte auch naͤrꝛiſcher ſein / als daß Iulius Cæſar nach erhaltener Farſaliſcher ſchlacht / mit einem einigen Schifflein vber den He - leſpontum fuhꝛ / vnnd dem Lucio Caſſiodeß385Der Landtſtoͤrtzer.deß Pompei Hauptman mit zehen groſſen Kriegsſchiffen begegnete / vnd nit deſto weni - ger dermaſſen keck vnnd vermeſſen war / daß er jhm ſchaffte / ſich jhme zuergeben.

Ob ſchon auch die Koͤnige vnnd Fuͤrſten vilmals durch jre weiſe / gelehꝛte vnd verſtaͤn - dig Raͤth erjnnert werden / von jren naͤrꝛiſchen vnd vngereimten impreſen, vorhaben vnnd anſchlaͤgen abzuſtehen / ſo wollen ſie doch biß - weilen nit folgen / ſonder halten vilmehꝛ von jhren Schmaichlern vnd Fuchßſchwaͤntzern / dann weil die Rathſchlaͤg vnnd Meynungen der fauoriten vnnd Gelehꝛten vilmals vn - gleich / widerwertig / verſchraufft vnnd weder kalt noch warm / auch dermaſſen beſchaffen ſeind / daß man die Warheit nicht drauß ver - nemmen kan / ſo werden ſie den Fuͤrſten biß - weilen ſuſpect vnd verdaͤchtig / vnd derwegen glauben ſie jhnen nicht allezeit / aber weil die Narꝛen warhafft vnnd ohne einige ſimula - tion, verſchlagenheit vñ argliſtig ſeind / ſo hoͤ - ren vnd vernemmen die Fuͤrſten nit allein die durch ſie fuͤrbrachte einfaͤltige Warheit gar gern / ſonder ſie hoͤren auch gern jhꝛe grobe vn -B bflaͤtige386Der Landtſtoͤrtzer.flaͤtige poſſen vnnd zotten / ſo gar ſchencken vnnd verehren ſie jhnen bißweilen ſtattliche Kleider / Ketten vnd Kleynodien / dann wegen jhrer Thorheit ſeind ſie deſſen beſſer wuͤrdig / weder andere wegen jhrer gelehrtheit vnd ge - ſchicklichkeit. Dann die gelehꝛten treffens mit aller jhrer gelehrtheit vnnd ſpitzfindigkeit nit allzeit recht / zumaln in Kriegsſachen / dann weil ſie gemeingklich verzagt vnnd eines klei - nen Gemuͤths ſeind / ſo geben ſie verzagte vnnd kleinmuͤtige Rathſchlaͤg auß. Aber der ſtoltze vermeſſene vnnd naͤrꝛiſche Rath der großmuͤtigen vnnd dapfferen Kriegs - gurgeln / Obriſten vnnd Hauptleut / tringt bißweilen fuͤr vnnd ſetzet ſie in die Noth. Wer war gelehrter vnnd beredter / als eben Demoſthenes vnnd M. Tullius Cicero, a - ber doch waren ſie alle bey de ſehꝛ forchtſamb / Als derwegen Demoſthenes ſich in einer durch jhne ſelbſt gerathener ſchlacht befandt / vnd den ernſt ſahe / warff er bey zeiten das Ha - ſen Banier auff / vnnd ſagte / daß der jenig / der da fliehet / zum andern mal mit dem feindt ſchlagen koͤnne / vnnd daß das fliehen alteKriegs -387Der Landtſtoͤrtzer.Kriegsleuth mache: Er gab auch hier - durch zu verſtehen / daß es beſſer ſeye / die Ehr / denn das Leben zu verlieren. Wer die Hiſtorten liſet / der wirdt befinden / daß die weiſe / gelehrte vnd wolbeleſene Maͤn - ner vil Laͤnder verderbt haben / wie zu ſehen iſt an dem vorbemelten Demoſthene vnnd Tullio, dann weil ſie in jhren Buͤchern vil von Kriegsſachen vnd Politiſchem weſen ge - leſen haben / ſo vermeinen ſie / daß ſie es alles gar wol / ja beſſer wiſſen vnd verſtehen / denn andere / aber wann es darzu kompt / daß ſie jhꝛe Kunſt vnnd wiſſenſchafft ſollen ins werck richten / alsdann ſihet vnnd erfaͤhret man / was ſie fuͤr gewaltige Kriegsleuth ſeyen / vnnd was fuͤr ein vnderſchidt ſeye zwiſchen der praxi vnnd theoria, zwiſchen dem leſen vnd vben.

Vnlaugbar iſts / daß bey allen Staͤnden / wo die thorheit nit regiert / muͤh vñ arbeit ver - handen / dann die armſelige / weiſe vnnd ge - lehꝛte Maͤnner muͤſſen jhre zarte Jugend vnd den beſten theil jhres Lebens vnder der ſtren - gen zucht jhrer Schulmeiſter verzehren / vilB b 2leiden /388Der Landtſtoͤrtzer.leiden / vil ſchwitzen vnd vil vbertragen / wenig eſſen / wenig trincken / wenig ſchlaffen / vnnd e - ben diſes beſchicht auch den vnuernuͤnfftigen Thieren / welche jmmerdar von den Menſchẽ gepeinigt werden / dann was kan armſeliger ſein / als eben die vnſchuldige einfaͤltige Och - ſen / welche jhꝛ Leben im Ackerpfluͤgen verzeh - ren / vil ſchlaͤg vnnd ſtachel einnemmen / vnnd letztlichen geſchlachtet vnnd gefreſſen werden muͤſſen. Was ſoll ich ſagen von den edlen Roſſen / welche dem Menſchen in fridens vñ Kriegszeiten ſo gar vil guts thun / vnnd jhne beym Leben erhalten / vnd nicht deſto weniger jmmerdar im Stall gefaͤngklich enthalten / v - bel tractirt, geſchlagen / mit Sporen geſto - chen / mit Geiſeln gehawen / an einen Karꝛen geſpannt / gar verlaſſen / vnnd letztlichen von Hunden vnd Woͤlfen zerꝛiſſen vnnd gefreſſen werden. Deßgleichen ſehen wir / daß die ge - hoꝛſame vnd getrewe Hund jhren Herꝛen ſehꝛ dienſtlich vnnd nutzlich ſeind auffm Gejaidt oder in den Haͤuſern vnd Hoͤfen / aber werden bißweilen verwundt / oder ſchebig / vertriben / verjagt oder gehenckt oder erſchlagen: Nit vilbeſſer389Der Landtſtoͤrtzer.beſſer gehets den armẽ voͤglen / welche in dẽ en - gen haͤußlen jre Herꝛn mit ſingen vñ ſchertzen erluſtigen / vnd letztlichen in ſolcher jhꝛer Ge - faͤngnuß ſterben vnd verderben muͤſſen: Her - gegen ſeind die jenige Thier vñ Voͤgel gluͤck - ſelig / welche die vndanckbare Menſchen flie - hen / vnd ſich auff jhꝛer Waid in aller freyheit erluſtigen: Eben diſe meynung hats auch mit den Menſchen / dann wer hats beſſer / als eben die vngelehꝛte vñ naͤrꝛiſche Idioten wel - che den gelben Suͤplein vñ Hofbißlein vñ der Hofgnad wenig nachfragen / ſondern ſich in aller freyheit / ohne alle ſoꝛg / auffm Landt / mit jagen / puͤrſchen / baitzen / mit bancketiren / ſpi - len / freſſen vnd ſauffen erluſtigen / vnd jmmer - dar einen guten muth haben?

Vnderſchidliche Thorheiten vnnd Nar - ren aber findt man / etliche ſeindt von Natur naͤrꝛiſch vnd einfaͤltig geboren / vnnd werden gemeinglich in den Spitaͤln erhalten Andere ſeind wuͤtig / beſtialiſch / ſchaͤdlich vnnd Teu - feliſch / jnmaſſen Oreſtes, Aiax, Saul vnnd Nabuchdonoſor geweſt / welche naͤrꝛiſch / vn - ſinnig vnnd wuͤtig worden / vnnd vil Blut -B b 3ſchan -390Der Landtſtoͤrtzer.ſchanden / Tyranneyen vnd erſchroͤcklichkei - ten begangen. Andere ſeind halb naͤrꝛiſch vnd halb geſcheid / jnnmaſſen die Schalcksnarꝛen zu Hof ſeind / welche den Fuͤrſten vnd Herꝛen ein kurtzweil machen: Andere ſeind zweymal geſcheid / dreymal vmbgedraͤht / vnnd daruͤber naͤrꝛiſch vnd taͤppiſch worden / vnnd dern iſt je ein groſſe anzahl verhanden.

Andere Fantaſten vnd Narꝛen findt man / welche jhnen ſelbſt perſuadiren vnnd ein - bilden / daß ſie in den theatris vmbgehen / vnd nichts anders ſehen / als newe Spiel / Co - medien / derwegen lachen / bewegen vnnd ſtel - len ſie ſich / als waͤren ſie ſelbſt gegenwer - tig.

Andere Fantaſten thun nichts / als verſi - ficiren vnd Carmina machen / vnnd vberꝛe - den ſich ſelbſt / daß ſie es dem Virgilio vnd Pe - trarcha beuor thun / wann aber einer thut zu - ſam̃en klauben / ſechs Poeten mit jhren Tau - ben: ſechs componiſten mit jhꝛen ſtucken / vñ ſechs Organiſten mit jhꝛen Mucken: vñ man ſie ſetzet auff einen Karꝛen / ſo hat man eben anderthalb dutzet Narꝛen.

Ande -391Der Landtſtoͤrtzer.

Andere componiren ſchmaichleriſche orationes vnd verlogene hiſtorias, vnd ver - meinen in jhꝛem Sinn / daß ſie die alt Roͤmi - ſche eloquentz renouirt habẽ. Andere thun nichts anders / als daß ſie in den concepten vnd ſchrifften die ortographiam obſeruirẽ vnd corrigiren, jnmaſſen jener gethan / wel - cher wegen deß einigen vberſchꝛidenen worts / beniuolentia, das jhm zugefertigte ſchreiben nit angenom̃en / ſonder gewoͤlt hat / daß bene - uolentia geſchriben wuͤrde / gleichſamb waͤ - ren die accentus tituli. Andere pflegen we - gen eines einigen inortographiſch geſchri - benen Worts / als nemblich / wann der ſchrei - ber das Wort Iulius mit einem G. vnd Gui - lius, oder das wort fleiß per V. geſchriben / ei - nen gantzen Brieff zu zerꝛeiſſen / vnnd ſich wi - der den Scribenten auffs hefftig iſt zu erzuͤr - nen vnd zu kollern.

Andere thun nichts / als Leut peinigen / ver - folgen vnnd jhꝛ maͤngel vnd gebrechen inue - ſtigiren, aber ſich ſelbſt vñ jre eigne gebꝛechen ſehen ſie nicht: Andere haben ſehr holdſeli - ge andern wolbekandte gemeine Ehefrau -B b 4wen /392Der Landtſtoͤrtzer.wen / halten dieſelbige fuͤr Samias, vnnd fuͤr vil ſchoͤner / deñ die ſchoͤne Venus, vnd fuͤr vil keuſcher / denn die Griechiſche Penelopem oder die Roͤmiſche Lucretiam / derwegen prangen vnd gehen ſie mit jhnen auf der Gaſ - ſen ſpatzieren / vnd zeigen menniglichen ſolche jhꝛe ſchoͤne Frawen / ſamb kennte man ſie nit vorhin beſſer / denn ſie ſelbſt. Andere ſeindt hergegen Eyfernarꝛen / vnnd thun nichts an - ders / als mit jhren ehꝛlichen vnnd keuſchen Frawen eyfern / vnd ſie einſperꝛen / vnangeſe - hen ſie ſelbſt kein nutz ſeind / vnnd alle Huren - winckel durchlauffen.

Andere thun nichts / als jmmerdar / deß Morgendts fruͤh vnnd deß Abendts ſpat mu - ſiciren vnnd auff der Lauten ſchlagen / ſamb beſtunde die Menſchliche Gluͤckſeligkeit in ei - nem ſolchen narꝛenwerck: Andere thun nichts als bawen / abbꝛechen vnnd widerumb bawen / renouiren vnd letztlichen druͤber erarmen vñ ſterben. Zu denſelbigen aber ſpꝛechen die En - gel alſo: Vns Engel wundert alle zugleich / daß die Menſchen auff Erdtreich: Bawen Haͤuſer / Staͤtt vnnd Voͤſt / ſeind doch allhienur393Der Landtſtoͤrtzer.nur elende Gaͤſt: vnnd dahin ſie ſollen ewig ſchawen / dorthin woͤllen ſie nimmer bawen.

Andere grimmige vnd wuͤtige Greinka - tzen thun nichts anders / als jm̃er dar rechten / voꝛ Gericht ligen / den einen gꝛein - oder rechts - handel nach dem andern anfahen / die ſtrittig - keiten vnſterblich machen / falſch ſchwerẽ / den Aduocaten / Procuratorn vnnd Schreibern das Gelt anhencken / vnnd letztlich druͤber zu Bettler werden.

Andere Archimiſten vnnd Ertznarꝛen ver - zehꝛen jhꝛe zeit / geſundtheit vnd Ehꝛ in erfor - ſchung deß wahꝛen Philoſophiſchen lapidis, vnd der quinten eſſentz, wann auch ſie ver - meinen / daß ſie es in dem Tegel haben / als dañ fleugt alles im Rauch auff. Sie verhoffen allerhandt Metal in lauter Goldt zu verkeh - ren / vnnd in kurtzer zeit am Reichthumb den Creſum vnnd Craſſum zu vbertreffen / wie auch Fuͤrſten vnnd Herꝛen reich zu machen / da doch ſie ſich ſelbſt nit koͤñen reich machen / ſonder arme Bettler / Schelmen vnnd Landt - ſtoͤrtzer ſeind vnd bleiben.

Andere verzehꝛen jhꝛe edle Zeit / Gelt / GutB b 5vnd394Der Landtſtoͤrtzer.vnnd Seel mit ſpielen / in hoffnung vil zu ge - winnen / vnangeſehen auch ſie in jhꝛem Hauß - weſen ſehꝛ karg vnd klug ſeind / vñ wegen eines einigen Haͤllers mit jren weibern ein jaͤm̃erli - ches greinen vnd zancken anfahen / ſo ſeind ſie doch auſſer Hauſes vnd beym ſpielen dermaſ - ſen koſtfrey / daß ſie 20. 50. 80. ja 100. Tha - ler in Reſt vnnd in die Schantz ſchlagen vnd verwagen: Wann auch ſie es verlieren / als - dañ fahen ſie an hertzlich zu ſeufftzẽ / den Kopff zu kratzen / vnd der maſſen zu fluchen / zu ſcheltẽ vnnd zu wuͤten / daß einem die Haar gen berg ſtehen moͤchten. Sie laſſen auch nit nach / biß ſie alles verſpielt / wz ſie gehabt / dardurch ver - lieren ſie jhre Ehꝛ vnnd reputation, werden letztlichen gar vnduͤchtig / verzweifeln vñ ver - lieren jhꝛ Leben ſampt der Seel.

Andere Narꝛen find ich / die nennet man Aſtrologos oder Nigromanticos oder ſchwartzkuͤnſtler / ſo da vermeinen / daß ſie mit jhꝛen circulis, Kraiſſen / charactern, Buch - ſtaben / beſchwoͤrungen vnd pentacolis, den Him̃el turbiren, die Sonn vnd den Mohn verfinſtern / die Erd vnd Elementen zitterendtmachen /395Der Landtſtoͤrtzer.machen / die Todten aufferwecken / mit dem Schatten reden / die Leiber transformi - ren, vnnd vermittelſt deß Rings Gigis vn - ſichtbar gehen / vnd vil geſchwinder / denn der Windt fliegen. Jhrer etliche vermeinen / daß ſie die Geiſter in den Ringen oder im Chriſtall / wie ein Papagey im Korb / be - halten / durch ſie alle geheimnuß der zukuͤnff - tigen dingen erforſchen / alle vergrabene vnnd verborgene Schaͤtz finden / vnnd die Lieb vnd den gunſt der Herꝛen vnnd ſchoͤnen Frawen erlangen werden / gleichſam̃ hetten die Teufel zu diſen vnſern zeiten nichts anders zuſchaf - fen / als mit ſolchem jhrem Narꝛenwerck vmb - zugehen.

Was ſoll ich ſagen von etlichen naͤrꝛiſchen alten Weibern / welche ſich auß lauter geilheit / hoffart vñ fuͤr witz anſtreichen / bemahlen / von der Lieb reden vnnd ſchertzen / vnangeſehen ſie heßlich / vnflaͤtig vnnd ſchaͤndtlich ſeindt / keinen Zahn mehꝛ im Maul vnnd einen ſehr vblen ſtinckenden Athem haben. Was geduncket euch aber von denen Weibern / ſo auff die Gabel hinauß fahren vnnd ſpre -chen:396Der Landtſtoͤrtzer.chen: Oben auß vnnd nindert an: Jtem / wel - che vermeinen / daß ſie alsbaldt in Katzen ver - kehꝛt werden / den Hexen Taͤntzen vnd Mahl - zeiten beywohnen / vnnd alles das jenig thun / was der Herꝛ Mirandola, vñ P. Delrio von jhnen ſchreibt. Jtem die jenige Weiber / wel - che ſich vnderſtehen zu warſagen / vnnd / wie die Zigeiner / zultegen / auch Viech vnd Leuth anzuſegnen oder anzuſpꝛechen.

Endtlichen vnd beſchließlichen find ich noch andere etwas kurtzweiligere vnnd paſſir - lichere Narꝛen vnd Jgnoranten / welche ſich in jhren diſcurſis vnnd ſchreiben der Lateini - ſchen phraſen vnd Wort gebrauchen / vnnd dermaſſen mit Latein zuwerffen / als hetten ſie ſtattlich ſtudirt / vnd ob ſchon ſie im grundt eben nichts wiſſen / nicht deſto weniger iſt jhre præſumption dermaſſen groß / daß ſie ver - meinen / daß ſie das Graß wachſen hoͤren / vnd daß die Stein vnnd Pflaſter voꝛ jhnen auff - ſtehen / jhnen reuerentz erzeigen / vnd mit der gnad zuwerffen muͤſſen.

Etliche andere Federhanſen koͤnnen kaum drey Woꝛt oder Zeil correcte; ſchꝛeiben / vnd woͤllens doch alles regieren.

An -397Der Landtſtoͤrtzer.

Andere prangen vnder Tags auff den gaſ - ſen mit jhꝛen Federn / Wehꝛen / Hirſch: vnnd Loͤwenhaͤuten / wie die Hectores, Achilles vnnd Hercules, aber wann es bey der Nacht auff der Gaſſen an einen ernſt gehet / alsdann entlauffen ſie wie die Haſen / vnnd laſſen Hut / Mantel vnd Woͤhꝛ im ſtich.

Andere thun nichts anders / als nach zei - tungen fragen / vnd von dem Concilio vnnd Rath deß Bapſts / Keyſers vnd Tuͤrcken der - maſſen eygentlich reden / als waͤren ſie eins - mals in jhrem geheimen Rath geſeſſen: Sie diſcurriren vnnd reden / ob der Fried einen beſtandt haben / vnd der zwiſchen den Koͤnigen in Franckreich vnnd Engellandt oder Spa - nien getroffener Heuret rathſamb / nutzlich vñ beſtaͤndig ſeyn werde / vnnd was die Vnder - thanen darzu ſagen / vnd nicht vil mehꝛ einen Krieg abgeben werde: Diſer geſtallt ſchwaͤ - tzen ſie von dergleichen dingen / vñ wiſſen doch keinen grundt / was die Koͤnige vnnd Fuͤrſten im Schildt fuͤhren / vnnd fuͤr einen verſtandt mit einander haben.

Andere Narꝛen ſind ich / welche die Schaͤtzverber -398Der Landtſtoͤrtzer.verbergen / vnd doch darneben jhre Armut be - klagen: Hergegen ſihe ich andere / welche jh - ren Reichthumb vnd pꝛacht nur herauſſen auf den Gaſſen erzeigen / vñ ſich ſtatlich ſehen laſ - ſen / aber anheimbs in jhꝛen Haͤuſern am hun - gertuch nagen / vnd nichts wedeꝛ im zipfl noch ſack haben. Andere ſamblen vil Gelts vñ guts / vnd kauffen Haͤuſer vnd Schloͤſſer veꝛmittelſt jres wucherens: hergegẽ ſihe ich etliche Kauf - leut vñ wechſelherꝛn banckerotirn / falliren vñ verderben. Andere armſelige Narꝛen find ich / welche jnen ſelbſt die weißheit vermeſſentlich zuſchreiben / da doch ſie ſich auff die jenige ding / dern erkendtnuß ſie ſich beruͤhmen / im wenigſten verſtehen / vnd nit deſto weniger ge - ſcheide Rathsherꝛẽ ſein woͤllen. Alle diſe Nar - ren haben einen ſonderbaren Freybrief von der groſſen Schoͤlnkoͤnigin auß Naragonia außbracht / daß ſie jhꝛ lebenlang von der Witz vnd weißheit befreyt ſein ſollen / vnd in jhꝛem Koͤnigreich gewiſſe Ambter / beſoldung vnnd vnderhaltung biß an jhr Endt haben werden. Beſchließlichen iſt ſtultorum numerus in finitus: Der Narꝛen zahl iſt kein End / vndwer399Der Landtſtoͤrtzer.wer gern in der eyl einen Narꝛen haben wil / der greiffe in ſeinen eignen Buſen / ſo wirdt er villeicht einen herauß ziehen.

Capvt XLV.

Was geſtallt Guſman ein ſehꝛ rei - che Fraw vberkom̃en vnd betrogen.

NAch dem ich mich vngefaͤhrlich ein halbs Jahrlang in meines Herꝛn deß Cardinals dienſten auffgehalten / auch jederzeit ſauberer vñ ſtatlicheꝛ kleider befliſſen / vnd bißweiln ſambt andern meinen mitgeſel - len auf die bulſchafft gangen / ward mir ange - deut / wz geſtalt ein ſehꝛ ſchoͤne fraw oder Cor - tiſanin verhandẽ / welche vber auß reich waͤre / derwegen gedachte ich auf alle mittel vñ weg / ſie vnd jhr Gelt zu wegen zu bringen. Jch gab mich fuͤr einen anſehenlichen ſpaniſchen Rit - termeſſigen vom Adel auß / kam durch huͤlf der Kupplerin in jre kundtſchafft vnd vertrewli - che freundſchaft / vñ gab jr letztlichẽ zuuerſtehẽ / dz ich nit vngeneigt were / mich ſo gar mit jrer frawen zuuer ehelichẽ. Damit man aber ſolchẽ meinẽ woꝛtẽ deſto ehendeꝛ glaubẽ / vñ mir deſtobeſſer400Der Landtſtoͤꝛtzer.beſſer trawen geben ſolte / ſo verfuͤgte ich mich zu jhrer befreundten einem / der war ein anſe - henlicher Thumbherꝛ vnnd gelehꝛter Mann / vnd pflegte vilmahls bey meinem Herꝛn dem Cardinal zu eſſen: Jch entdeckte jhm mein vorhaben / was geſtalt nemblich ich entſchloſ - ſen waͤre / mich zu verheureten / vnnd daß es mir villeicht an guten ſubiectis vnnd mit - teln nit wurde ermangeln: Jch bate jhne auch vmb einen guten Rath / ob nemblich ich ein reiche / oder arme / oder ſchoͤne / oder heßliche / oder edle Fraw nemmen ſolte? Er laͤchelte druͤber; antwortet vnnd ſprach: Mein Don Guſman, ich lobe dein gutes voꝛhaben / vnnd rathe dir erſtlich zu keiner kleinen Frawen / dann weil du ein kleines Maͤndl biſt / vñ wañ du ein lange Fraw vberkaͤmeſt / ſo muͤſeſtu all - zeit auffhupffen / wann du ſie kuſſen wolteſt / du muͤſteſt auch dich beſoꝛgen / daß ein ſolche groſſe Fraw dich / als ein kleines Maͤndel / leichtlich meiſteren vnnd abſchmiren wurde koͤnden. Vil weniger rathe ich dir zu einem reichen Weib / dann / kein ſchwerere Buͤrd kan dem Mañ angehenckt werden / weder wañer401Der Landtſtoͤrtzer.er ein reiche Fraw vberkuͤmpt: Wer ruͤhwig vnd fridlich im Eheſtandt begert zuleben / der nemme kein Fraw / die jhm ein ſtattliches Heu - retgut / oder koͤſtliche guldine Zierd mitbringt: dañ die jenigen / welche reiche Weiber haben / ſeind nit Maͤnner / nit Oberherꝛen / nit jhres gleichen / ſonder jhre Sclauen: folge dißfals dem rath deſſen / der da ſpricht: pondus ſuper ſe tollit qui honeſtiori ſe communicat, & ditiori te ne ſocius fueris.

Bey diſem fall iſt auch zubedenckẽ / wie der reichthumb eines Weibs eygentlich beſchaf - fen ſeye / ob nemblich jhꝛ Gelt mit gutem ehr - lichen Tittel entweder erworben / oder ererbt worden / dann die vbel vnnd vnrecht erlangte Reichthumb haben in die leng keinen beſtand: Kanſtu aber eine vberkommen / welche mit eh - ren reich iſt / ſo nimb ſie ehender / weder ein ar - me / dann die arme werden gemeingklich eben ſo ſtoltz / boͤß / ſtuͤtzig vnd zaͤnckiſch / als die Rei - chen.

Drittens nimb kein ſehꝛ ſchoͤne Fraw / dañ die allerſchoͤnſten Frawen gerathen ins bor - del, vnnd die aller ſchoͤnſten Knaben an Gal -C cgen402Der Landtſtoͤrtzer.gen. Die ſchoͤnheit der Weiber verurſachet den Maͤnnern vilmals vil boͤſes / Erwoͤh - le ein mittelmaͤſſige / ſchoͤne vnnd holdſelige / dann die Holdſeligkeit vbertrifft alle ſchoͤn - heit: Folge dem Rath Ambroſij, welcher ſpricht: non quærenda eſt vxor pulcher - rima, quæ communis, neq; deformiſiſ - ſima, quæ pœna, ſed ſtata, ſiue media forma, reuera vxoria, quæ vtilitati & cõ - ſolationi iuſtæ ac ſecuræ ſit futuræ. Je - ner Lucianus ſpricht auch recht vnnd wol: morum ſuauitas, humanitas, animi ma - gnitudo, modeſtia & pudicitia omni - bus corporis dotibus meritò anteferan - tur.

Vierdtens nimb kein edlere / weder du biſt / dann ſolche vngleiche Heurat ſeindt anders nichts / als ein ſehr edler vnd koͤſtlicher Stein in einem bleyenen Ring. Deßgleichen nimb kein altes Weib von Gelts wegen / dann wie die alte Maͤnner pflegen der jungen Frawen Narꝛen zu ſeyn: Alſo muͤſſen die junge Maͤnner der alten Weiber Sclauen ſeyn / dann ſie woͤllen kurtz vmb Meiſter ſein / dasGelt403Der Landtſtoͤrtzer.Gelt nemmen ſie ein / vnd gebens auß / vñ der Mañ muß ſein narꝛ im Hauß / vnd gehen vmb an einer Heñen ſtatt. Es vermeinen auch ſol - che junge Geltnarꝛen / daß jre alte weiber bald ſterben werden / vnd daß ſie hernach widerum̃ ein junge Fraw nem̃en woͤllen / aber gemein - klich werden ſie in ſolcher jrer hoffnung betro - gen / dañ es verſtehens die alte Frawen nit all - zeit recht / woͤllen jren jungen Maͤnnern zuge - fallen ſterben / ſonder vberleben vnd harꝛen ſie auß / derwegen nimb eine / die deines gleichen iſt am Alter / Stand / Gut vnd Glauben / vnd vil ehen der nimb eine / die da weniger iſt / denn du / weder eine die da mehr iſt oder mehr ſein will / ſo lebſtu deſto ruͤhwiger. Fuͤrnemblich aber vnnd vor allen dingen nimb ein from me Fraw / dann wer Frombkeit nimbt / der vber - kompt Gelt / Adel vnd ſchoͤnheit beyſamen.

Endlichen rathe ich dir / daß du nit heura - teſt / woferꝛn du dir nit getraweſt ein Weib zu - ernehren / ſonder verſihe dich zuuor mit Tu - gend / Kunſt / eignem Gut / Gewerb vnd Nah - rung / dich / Weib vnd Kindt zu vnderhalten.

Diſes waren deß frommen ThumbherꝛnsC c 2Wort:404Der Landtſtoͤrtzer.Wort: Aber er wuſte nicht / was ich im Sinn hatte / nemblich nit mich zu verehelichen / ſon - der ſein reiche Baß zu betriegen / vnd jhꝛ Gelt zu wegen zu bringen / dañ er gewann dardurch vrſach / jhr zuuerſtehen zu geben / daß ich ſie zur Ehꝛen begerte / zur Ehe nemmen / vnnd widerumb ehrlich machen wolte / ſeytemal ſie vil Jarlang im vnzuͤchtigen Leben zugebracht / vnd vber 80000. Ducaten werth erobert hat - te. Schier ein viertel Jarlang buelte ich vmb diſe Fraw / hatte bey Tag bey Nacht meinen freyen willen / zugang vnnd auffenthaltung bey jhr / vnd ſie zeigte mir alle jhre geheimnuſ - ſen vnd Schaͤtz an Gelt vnd Kleynodien / dañ ſie zweifelte im wenigſten an meiner jhr zu - tragender affection vnnd allbereit gegebner Trew / vnnd begerte nichts anders / als baldt Hochzeit mit mir zu halten: Das ver - hieß ich jhꝛ kraͤfftiglich / biß ich letztlichen in jhrem abweſen jhr Truͤhlein / darin jhr meiſtes vnd beſtes Goldt vnnd Kleynoter lagen / zu - wegen brachte / vnd mich darmit eylends der - maſſen vnſichtbar machte / daß man mich nir - gends weder in der Statt noch herauſſen fin -den /405Der Landtſtoͤrtzer.den / erfragen noch zu wegen bringen koͤndte / dann ich verkleidete vnnd verſtelte mich ſehr artlich in der geſtallt eines armen / preſthafften vnd zerꝛiſſenen Betlers / kam durch diſes mit - tel allgemach auß dem Landt / vnnd erꝛeichte letztlich das edle Sauoyaniſche Piemonter Landt.

Capvt XLVI.

Was geſtallt Guſman ſich in Pie - mont verhalten / reichlich verheuretet vnnd letztlichen verdor - ben.

ALsbaldt ich gen in Turin in Sauoya kommen / warff ich mein betleriſches Kleidt von mir / kleidete mich erſtlich auf ſtudentiſch / vnd inſinuirte mich dermaſ - ſen bey deß Hertzogs Obriſten Hofmeiſter / daß derſelb mich fuͤr einen gentilhomo oder Edelman auffnam / vnnd wegen meines wol - verhaltens faſt liebte / dañ ich verſaumbte kei - nen einigen dienſt / vnnd hielt mich darneben ſehr praͤchtig in Kleidern / vnnd gab mich fuͤrC c 3einen406Der Landtſtoͤrtzer.einen Sicilianiſchen Edelman auß. Eins - mals zohe ich mit meinem Herꝛn dem Fuͤrſt - lichen Hofmeiſter auf eine Cõmiſſion, wel - che angeſtalt war zwiſchen zweyen ſtattlichen vom Adel. Der ein Edelmañ war numehꝛ alt / vnd hatte ein Tochter / die war ein einig Er - bin aller ſeiner ſtattlichen Guͤter: Vnnd weil ſie ſehr ſchoͤn vnnd holdtſelig war / ſo verliebte ich mich in ſie / gab jhrs auch heimblich vnnd offentlich zu verſtehen / vnd verehꝛte jhꝛ gleich anfangs ein ſchoͤnes Kleynot / welches vber 600. Ducaten werth war. Die Jungfraw gewann mich hergegen lieb / foͤrchtete ſich a - ber voꝛ jhꝛem Vatter / als der villeicht in vnſer beyde Ehe nicht verwilligen wuͤrde: Nun be - gabs ſich / daß der Vatter vnuerſehens todts verꝛuckte / derwegen verfuͤgte ich mich eylends zu jhr / ſchenckte jhr abermals ein Kleynod per 1000. Ducaten / (dann ich hatte noch vber 8000. Dncaten werth heimblich bey mir) vnnd ſie gab mir hergegen ein Pfandt jhrer Lieb vnd Trew. Weil ich auch meines Herꝛn gunſts verſichert war / ſo entdeckte ich jhm mein Vorhaben / vnnd bate jhne vmbgnedi -407Der Landtſtoͤrtzer.gnedige huͤlff vnnd befuͤrderung: Die ward mir alsbald verwilligt vnd die ſach dahin ge - richtet / daß der heurat ſeinen wircklichen fort - gang gewann / da fing ich erſt an / mich ſtatt - lich zu halten / vnnd mit Schanckungen vnnd verehrungen ſehen zu laſſen / dardurch gewañ ich jedermans gunſt vnd einen guten Namen bey allermennigklichen: Vnſere Hochzeit ward gehalten vnnd zwar dermaſſen ſtattlich vnnd praͤchtigklich / daß es fuͤr einen Grafen gnug geweſt were. Nit allein verdiſtillirte ich hierunder mein zu Bononia taliter quali - ter erobertes Goldt vnnd Kleynodien / ſonder machte auch bey den Kramern vnnd ſonſten hin vnd wider ſtarcke ſchulden.

Nach der Hochzeit hatte ich mit meiner ſchoͤnen jungen vnnd reichen Frawen einen guten muth / vnnd war nit mit deme zu friden / daß wir ein ſehꝛ ſchoͤnes vñ adeliches Schloß herauß auffm Landt / vnnd ein wol außtraͤg - lichs jaͤhꝛlichs einkommen hatten / ſonder wir kaufften auch ein ſonderbares ſchoͤnes Hauß in der Statt Turin / zohen alſo mit einan - der ab vnnd zu / bancketirten / ſchlemmeten vndC c 4dem -408Der Landtſtoͤrtzer.demmeten jmmerdar an beyden orten. Mein Fraw war zart: vnnd hoffertigklich erzogen / derwegen thate ſie nichts anders / als mit Klei - dern popitzen vnd ſich vorm Spiegel mutzen / putzen / anſtreichen / ſchwaͤtzen / klappern vnnd naſchen / gab im wenigſten kein achtung auff das Haußweſen / vnd hatte darneben jhre ſer - uidores oder Galanen, die jhr hofirten / auff den dienſt warteten vnnd bißweilen mein ſtell vertraten. Jch aber war gleichwol ein guter Geſell / aber ein boͤſer Haußuatter / dann ich ſchlemmete vnnd demmete mit der guten Burſch / von dem Moꝛgen biß auff den A - bendt / ſpielte ſtarck / hielt jmmerdar ſechs Gutſche Roß vnd 6. Reitpferdt / fuͤhrte einen Freyherꝛn Standt: Das alles machte vns baldt fertig vnnd bereitete vns den weg nach Bettelberg / dann jnnerhalb zweyer Jahꝛen wurden wir fein fertig / vñ gezwungen / vnſern Adelichen Sitz vnd Guͤter den Kramern hin - zugeben / vnd alle vnſere Kleider vnd Kleyno - dien den Geltern zu cediren. Das thate vns nun ſehꝛ wehe / wehe / aber man machets keinẽ anderſt / vnd diſer geſtallt ergehets gemeinlichallen409Der Landtſtoͤrtzer.allen denen / welche jhꝛen Eheſtandt nicht mit Gott / ſonder mit dem Teuffel / anfahen / vnd welche nit Gott / ſonder der Teuffel zuſam̃en kuppelt / damit ſie jhrem Geitz vnd ſchnoͤden geylheit ſtatt thun moͤgen.

Jch erjnnere mich geleſen zu haben / daß der Teuffel neun Toͤchter habe / die erſte heiſt Superbia oder Hoffart / vñ dieſelbe ver - heuret er fuͤrnemblich den Koͤnigen / Fuͤrſten / Herꝛen vnnd Regenten / dann gemeinglich re - gieret vnd herꝛſchet die Hoffart in jhnen. Die andere Tochter heiſt Simonia, dieſelbe ver - heuret ſich fuͤrnemblich mit den Geiſtlichen vnd Prieſtern / dann gemeinlich beflecken ſie ſich mit diſem Laſter. Die dritte heiſt Hy - pocriſis oder Heucheley / dieſelbe verheuret ſich mit gar vilen vnnd allerhandt Standts - perſonen / in denen ſie mehr / weder in an - dern regniret. Die vierdte heiſt Rapina oder Rauberey / die verheuret ſich fuͤrnemblich mit den Kriegsleuten. Die fuͤnffte heiſt V - ſura oder Wucher / vnd geſellet ſich gemeing - lich zu den Kauff: vnnd Handelsleuthen. Die ſechſte heiſt Mendacium oder Lugen / vnndC c 5verehe -410Der Landtſtoͤrtzer.verehelichet ſich mit den Handtwercksleuten / welche kaum ein wahres Woꝛt reden koͤnnen. Die ſibende heiſt Faulheit / vnnd verheuret ſich mit den Edelleuthen / welche von jenem Goͤttlichen Gebott: Jm ſchweiß deines An - geſichts ſolleſtu dein Brot eſſen: nichts wiſ - ſen / nichts arbeiten vnd doch jmmerdar wol - luſtigklich leben woͤllen. Die achte Tochter deß Teuffels heiſt murmuratio oder mur - rung / vnd regirt gemeinglich vnder den Bau - ren / welche ſich vilmals wider jhꝛe Herꝛſchaff - ten aufwerffen vnd ſich murꝛiſch / vnwillig vñ vngehorſamb erzeigen. Die neundte heiſt Fraw Luxuria, vnnd dieſelbige verehelichet ſich nicht nur einem allein / ſonder allen mit einander / dann ſie miſchet ſich in alle Staͤnd / vnd beherꝛſchet die groſſe Herꝛn / Reichen vnd Armen / Geiſtlichen vñ weltlichen / vñ wenig ſeind dern / welche ſie nicht vberwindet. Diſe Fraw Luxuria hat auch mich jederzeit vnnd ſonderlich in diſem Eheſtandt dermaſſen be - ſeſſen vnd beherꝛſcht / daß ich nur den fleiſchli - chen wolluͤſten abwartete / vnnd Gott meinen HErꝛn aller dings verließ / verachtete / vnndſambt411Der Landtſtoͤrtzer.ſambt jenen geladenen Gaͤſten zur antwort gab: non poſſum venire, vxorem duxi: Derwegen ward ich hingegen von GOtt verlaſſen / vnd hatte nirgendts kein bleibendes ort noch ſtatt.

Capvt XLVII.

Guſman wirdt auß einem Nobi - liſten vnd verdoꝛbnen Edelmann ein Schreiber.

JN wehꝛendem vnſerm Reichthumb / wolſtandt vnnd Gluͤckſeligkeit / lebte ich vnd mein liebe Haußfraw freund - lich / fridlich vnnd einig / aber alsbaldt wir an - fingen arm vnd duͤrfftig zuwerdẽ / da war alle Lieb auß / vnnd es fing alles Leyd an / kein ge - duldt war verhanden / ſonder wir fingen an einander zuuerhaſſen vnnd die ſchuld vnſers verderbens eins dem andern fuͤrzurupfen vnd zuzumeſſen / darneben aber litten wir groſ - ſen Mangel an vnſer Nahrung / vnnd an ſtatt daß wir zuuor nichts anders geſungenvnd412Der Landtſtoͤrtzer.vnd verſucht hatten / als vitæ dulcedo vnnd gaudeamus: ſangen wir an jetzo vitæ ama - ritudo, ad te ſuſpiramus: Es hieß bey vns: poſt ſuſſung ſaurung. Derwegen ſuchte ich alle muͤgliche mittel vnd gelegenheit / mich vñ mein Gemahel zu ernehꝛen: Es hieß bey mir fodere non valeo, mendicare non eru - beſco: arbeiten kan ich nit / vnnd deß betlens ſchaͤme ich mich: Letztlichen entſchloſſe ich mich ein Schreiber zu werden / in hoffnung widerumb ein groſſer Herꝛn zu werden: Kein ſchand iſts / dz auß einẽ nobiliſtẽ ein ſcribiſt oder ſcribent wirdt / dañ auß ſchreibern wer - den groſſe Herꝛen / aber ein ſchand iſts / wann auß einem Edelman ein Bettelman / ein Land - ſtoͤrtzer oder Maußkopff wirdt / vnd er alsdañ der Schreibern gnad leben muß. Mein vo - riger Herꝛ der Obriſt Hofmeiſter halff dar - zu / vnnd befuͤrderte mich zu einer Gericht - ſchreiberey / dann ich hatte ein gute Handt zum ſchreiben / vnnd von Natur noch ein beſſere zum ſtehlen. Deßgleichen hatte ich einen guten Kopff zum componiren, dich - ten vnnd ſtellen / aber ein noch vil beſſereZung413Der Landtſtoͤrtzer.Zung vnnd Venam zum liegen. Kein Ge - wiſſen hatte ich / ſonder es war vorlengſt ver - loren / derwegen thate ich bey diſer Gericht - ſchreiberey nichts anders / als ſchinden / ſcha - ben / liegen vnd triegen: Es hieß bey mir: non apparebis ante me vacuus; Wer mir nichts ſchenckte / vnd mir oder meiner Hauß - frawen etwas mitbrachte vnnd verehꝛte / der hat kein gute noch ſchleinige expedition, vnangeſehen ſein Handel noch ſo gerecht vnd gerecht war.

Bey allen Staͤnden find ich muͤhe / arbeit vnnd gefahꝛ. Etliche Geiſtliche Prælaten verkehren bißweilen die Renten der Armen in Bancketen vnnd Gaſtereyen / den ehrli - chen Namen der Prælatur veraͤnderen ſie in einem Weltlichen Pracht vnd Ehr / vnnd an ſtatt / daß ſie andere waiden vnd verſorgen ſolten / waiden vnnd verſorgen ſie ſich ſelbſt. Die groſſe Herꝛen ſehen jhre Vnder - thanen bißweilen nicht an mit dem Eyfer der Lieb vñ barmhertzigkeit / ſonder der ſtrengheit vnd vnbarmhertzigkeit / verkauffen die Amb - ter der Iuſtici vnnd gubernaments, ent -weder414Der Landtſtoͤrtzer.weder vnderm ſchein der Freundtſchafft oder auß fuͤrbitt / dardurch wirdt nicht das Ambt ſonder die Perſon verſehen / aber die vndertha - nen / ſo durch ſie regirt werden muͤſſen / werden vbel bedacht. Damit auch der ſtatt ſolcher Herꝛn geſch wille / ſo ſeind ſie ſehend blind / vnd hoͤꝛend taub / vnd wiſſen nit / was an jhꝛen Hoͤ - fen vnd auffm Landt geſagt / gethan oder be - gangen wuͤrdet.

Die Gubernatores vnnd Beambten der Iuſtici diſſimuliren bißweilen mit den ſuͤn - den wegen deß reſpects der freundſchafft odeꝛ eygnen nutzes: Etliche Juriſten / Aduoca - ten vnd Procuratores bemuͤhen ſich jhꝛ gan - tzes Lebenlang mit frembden Haͤndlen / nicht zwar auß einem Eyfer der Iuſtici, ſonder deß Gelts. Daſſelbe erwerben ſie mit ſophiſtiſchẽ cautelis vnd vnſterblich machung der Pro - ceſſen / vnnd verurſachen ſo vil boͤſes / daß Pe - trus Koͤnig in Caſtilia vnnd Aragon befol - chen / daß alle Aduocaten vnd Procuratores ein newes Ambt lehrnen muſten / ſich darmit zuernehꝛen.

Die Medici verſchulden den Todt biß -weilen415Der Landtſtoͤrtzer.weilen vil beſſer / denn die Moͤrder / dann ſie richten ſehꝛ vil Leut hin / vnd werden nit allein nit drumb geſtrafft / ſonder mit Gelt belohnt vnnd ergetzt Als baldt der Medicus zum Krancken kompt / ſo greiffet er jhm den Pulß / vnnd vrtheilet von der Kranckheit / vnangeſehen auch er ſie nicht kennet / noch in ſeinen Verſtandt bringen kan / ſo appliciret er die remedia zum Grab: ô languens me - dicina.

Etliche Soldaten vnd Kriegsleuth halten bißweiln ſich ſelbſt nicht fuͤr dapffere Helden / es ſey dann / daß ſie rein fluchen / ſchwoͤren / ſtehlen / rauben / Kirchen vnd Kloͤſter ſtuͤrmen / Jungfrawen ſchenden vnd tyranniſiren koͤn - nen.

Die Eheleut verheuraten ſich gemeinglich nur zu erfuͤllung jhꝛer Geylheit vnd begirden / verſch wenden jhꝛ Gelt vnd Gut / vnnd geben jhren Weibern vrſach / daß ſie entweder ver - zweifeln oder in Suͤnden fallen / dann entwe - der kleiden ſie dieſelbigen vil zu ſtattlich / vnnd verſtatten jnen allen jhꝛen willen vnd freyheit / oder ſie halten ſie wie Sclauen vnd Fußhader.

Die416Der Landtſtoͤꝛtzer.

Die Richter / Burgermeiſter vñ Beambten ſeindt bißweilen eygennuͤtzig / Beutelzauſer / Blutſauger / vnnd gleichſamb Walfiſch / ſperꝛen jhre Maͤuler zu allem Geitz auff / vnd woͤllen alles verſch linden / damit jhre Haͤuſer mit allerhand ſachen verſehen vnd erfuͤllt / vnd jhꝛe Renten vnendtlich vermehꝛt werden auff den Vnkoſten der armen Witwen vnd Wai - ſen: Alle Waͤſſer laiten vnnd fuͤhren ſie zu jh - rer eygnen Muͤhl / je thewrer alle ding ſeind / je lieber ſie es ſehen / je beſſer ſie es haben / vnnd je reicher ſie werden / aber doch ſehen wir biß - weilen / daß ſie / vermittelſt der Goͤttlichen Barmhertzigkeit / jhr Leben vnnd Gewiſſen reformiren, die Hurer / Spiler / Dieb / Flu - cher vnnd Schwerer bekehꝛen ſich bißweilen baldt oder langſamb / vnnd verlaſſen jhre alte haut wie die Schlangen: Bey allen vnnd jeden Menſchen ſind ich ein zeichen jhrer ſe - ligkeit / allein an den Schreibern verliehre ich die Zahl / vnnd find kein bekehrung / heut we - niger denn geſtern: Allzeit ſeindt ſie Ioannes in eodem, vnnd bleiben wer ſie ſeindt: Sel - ten ſihe ich einen beichten / noch jemande / derſie417Der Landtſtoͤrtzer.ſie abſoluire / dann ſie informiren vnd ſchꝛei - ben vilmals / was jhnen ſelbſt wolgefaͤllt / ent - weder von deß Gelts oder deß Freundts: Sie (von boͤſen Schreibern rede ich / dann man findt auch vil fromme) benemmen den Leu - ten das Leben / die Ehꝛ / Haab vnd Gut / vnnd eroͤffnen die Thuͤr allen Suͤnden: Seind be - gierig vnd Hundtshungerig: Jhre Seelen ſeindt entzuͤndt mit einem ſolchen hoͤlliſchen Fewer / daß ſie die frembde Guͤter ohne ei - niges kewen verſchlucken: Alsbaldt die vnge - rechte Schanckungen jhre Haͤnd beruͤhren / verkehren ſich dieſelbige Augenblicklich inn Fleiſch vñ Blut dermaſſen / daß ſie es niemaln widerumb ruſtituiren oder von ſich werf - fen koͤndten: Zu dem ſeind ſie (ſonderlich die ſchlimme Handtſchreiber) gemeinglich ſehr bockſtoltz vnd praͤchtig / vnd kleiden ſich auff Edelmaͤñiſch / vnd ſeind dermaſſen hoffertig / daß ſie ſelbſt nit wiſſen / wie ſie gehen vnd her - ein tretten woͤllen: Sie vermeinen / daß ein jeder jhnen auß dem weg weichen / vnnd die Schlappen vor jnen abziehen muͤſſe / vnange - ſehen ſie kaum drey Wort ſauber vnnd rechtD dabſchrei -418Der Landtſtoͤrtzer.abſchreiben / vil weniger etwas concipiren koͤnnen.

Kein ſtoltzers Thier ſindt man / als ſchrei - ber: Ein Hur auff einem Schloß / ein Schrei - ber auf einem Roß / ein Lauß auf einem grind / ſeind drey ſtoltzer Hofgeſind.

Darneben ſeind ſie gemeinlich ſehꝛ zehꝛlich vnnd verſchwendtlich wanns auß anderer Leuth Beutel gehet / laſſen rundt vnnd wa - cker aufftragen / tiſchen / freſſen / ſauffen vnnd praſſen auff den alten Keyſer hinein / auff der armen Bawren / Witwen vnnd Waiß - lein Vnkoſten. Diſer vrſachen halben hats das anſehen / daß / wann etwann einer ſelig wirdt / vnnd in die Glori eingehet / als - dann die Engel zu einander ſprechen: - tamini in Domino, ſcriba in cœlo, fru - ta nucua, das iſt: Frewet euch im HErꝛn / ein Schreiber iſt zu vns in Himmel kommen / es iſt ein newe Frucht vnnd ſeltzames Wildt - praͤt.

Es ſagen gleichwol die Schreiber vnnd andere Beambten / daß es an jetzo ein vil an - dere geſtallt mit jhnen habe / weder vor zeiten /dann419Der Landtſtoͤrtzer.dann ſie haben gemeingklich ſchlechte beſol - lungen / dargegen werden alle ding je lenger je thewrer / Jtem / daß man jhnen das Ambt nit vmbſonſt gegeben / ſonder vmb vil Gelts verkaufft habe / vnnd daß derwegen ſie auß jhꝛem Gelt den Zinß ſchlagen muͤſſen / wie auch nicht vergeblich muͤh vnnd arbeit haben koͤnnen. Hieran reden ſie gleich wol nit ſo gar vnrecht / vnnd es iſt ein ſehr alter ge - brauch / daß man die Aembter verkaufft hat / dann Ariſtoteles ſagt / daß dem gemeinen weſen nichts ſchaͤdlicher ſeyn koͤnne / als e - ben die verkauffung der Aembter / vnnd als jener Lacedemoniſche Alcamenus gefragt ward / durch was mittel ein Landt gluͤckſelig werden koͤndte? Antwortet er: wann der Koͤ - nig ſeinen eygnen nutz in Windt ſchlaͤgt. Wie kompts aber / daß man ſagt Schaffner / Hauptleut vnnd Jaͤger / Pfleger / Kaſtner / Mautner / Schreiber vnd Forſter / haben ge - meingklich kleinen Lohn / vnnd werden doch alle reich daruon?

Dd 2Ant -420Der Landtſtoͤꝛtzer.

Antwort.

Schreiben fuͤr ein X ein V. fuͤr ein Kalb ein Kuh / alſo gehts zu. Weil dañ mein Gericht - ſchreiberey mich gleichfals vil gekoſt hatte / ſo machte ich mirs waidlich zu nutz / ich ſchinde - te vnd ſchabte ohne alles Gewiſſen noch anſe - hen der Perſonen / ſchrib ſo gar ein X. fuͤr ein V. ertraͤnckte mein Seel im Dintefaß / vnnd machte es dermaſſen grob vnnd vnleidenlich / daß letztlichen der Geitz den Sack zerriſſen / vnd man mich deß dienſts entſetzte / An diſem allem war nun ich ſelbſt vnd mein Gottloſig - keit ſchuldig / dann ich hatte Gott nit voꝛ Au - gen / bettete vnd beichtete ſelten / vnd wann ich ſchon bißweilen beichtete / ſo ſuchte ich doch einen ſolchen frommen Beichtuatter / der fein liderlich mit mir hindurch ging / dann man findt Beichtuaͤtter / welche ſehr groſſe abſo - lutores, Ablaßſprecher vnnd den Schuſtern gleich ſeind / dann wie die Schuſter vns pfle - gen zu vberꝛeden / daß die Schuch / welche ſie vns gemacht haben / treflich wol anſtehen / wir aber am beſten empfinden / wann vnnd wo ſie vns drucken / alſo pflegen etliche Beichtuaͤt -ter421Der Landtſtoͤrtzer.ter die Suͤnden ſehꝛ leicht / vnd auß toͤdtlichen laͤßliche zu machen / vnangeſehen vnſer eignes Gewiſſen vns trucket / vnnd vns ein anders ſagt.

Capvt XLVIII.

Guſman wirdt ein Wirth / vnd be - nebens ein Kuppler vnd Wucherer / vnd bereichert ſich ſtattlich.

BEy meiner Gerichtſchreiberey hatte ich gleichwol zimblich vil Gelts er - ſchunden / vnnd mich wol gewaͤrmet / derwegen gedachte ich auff noch ein andere Maulnahrung / nemblich die Wirthſchafft / Dann wer an jetzo nit mag arbeiten / oder ſich ſonſten durch andere loͤbliche vnd tugentſame mittel ernehren / der wirdt ein Schreiber oder Wirth / oder ein Muͤnch / oder ein Alchimiſt / oder ein Singer / oder ein Spilman / oder ein Kupler / oder ein Schalcksnarꝛ / oder ein Co - mediant / vnnd letztlichen ein Galgenſchwen - gel. Fuͤrnemblich vnd inſonderheit aber ſehen wir / daß bißweilen die jenigen / welche zu ehr -D d 3lichen422Der Landtſtoͤrtzer.lichen Handthierungen keinen luſt / das jh - rige verſpilt / verpraſt haben vnnd verdorben ſeind / letztlichen Wirth vnd Tafernirer wer - den: Jſt alſo die Wirthſchafft ein ehrlicher Mantel jhꝛe Rauberey vnd Betrug zu bede - cken. Eben diſes thate auch ich / vnd ward ein Wirth / aber kein Gaſtgeb / dann ein erbarer vnd redlicher Gaſtgeb helt fuͤr die Reiſenden ein getrewe Gaſtung / tractiret ſie vmb einen billichen Lohn vnd pfenning / mit nottuͤrfftigẽ ſaubern ſpeiſen vnd vnuerfaͤlſchten Tranck / verſihet ſie mit ſauberer Ligerſtatt / iſt nicht geitzig oder Gelthungerig / vnd verſtattet we - gen deß Gelts vnd Gewinns keine Vollſauf - fereyen / vnnd andere vngebuͤhr / muthwillig - keiten vnd Gottloſigkeiten in ſeinem Hauſe. Darneben iſt er barmhertzig vnd beherberget die Armen vmb jhren Pfenning / oder auch vmb GOttes willen: Deßgleichen iſt er ſehr fuͤrſichtig / vnd ſchawet fleiſſig auff / damit kei - ne Hurer vnd Schlepſaͤck bey jm einſchleichẽ oder einniſten: Jtem daß ſeine Knechte mit allen ſachen redlich vmbgehen / den wein nicht verfaͤlſchen / den Pferden das Futter nicht ab -ſtehlen /423Der Landtſtoͤrtzer.ſtehlen / oder mit doppelter Kreiden ſchrei - ben / vnnd die Gaͤſt vbernemmen vnnd be - triegen. Jn ſumma / er richtet ſeine Hauß - genoſſen dermaſſen ab / daß es in der zucht / Erbarkeit / Guͤtigkeit / Barmhertzigkeit / Gerechtigkeit vnnd Gottsforcht / einem Gottshauß gleich ſihet. Dergleichen Wirth aber findt man wenig vnnd an wenigen / ſon - der nur an denen orten / wo man gute ſteiffe vnnd Chriſtliche Stattpolicey vnd ordnung helt / vnd ſolche Gaſtgeb ſeind lobens werth / werden auch vilmals in den Stattrath gezo - gen.

Kein ſolcher Gaſtgeb war ich / ſonder ein Wirth / oder ein Caupo vnnd Inſtitor, deren Ampt oder gebrauch iſt / daß ſie die Speiß vnnd Tranck in jhren Haͤuſern ver - kauffen / das vollſauffen vnd alle vnzucht we - gen deß gewiñs / geſtatten: dern hauß oder Ta - fern nur ein Wohnung vnd auffenthaltung der Freſſern / Sauffern / ſpilern vnd Hurer iſt. Wie redlich vnnd loͤblich nun die vorbemelte hoſpites oder Gaſtgeb ſeindt / alſo vn -D d 4redlich434[424]Der Landtſtoͤrtzer.redlich vnnd veraͤchtlich ſeindt die obbemelte Caupones oder Inſtitores, vnnd werden in Jtalia fuͤr verwoꝛffene Leut gehalten.

Jch war gleichfals eben ein ſolcher erba - rer vnd Seeloſer Wirth / vnd brauchte aller - hand ſchoͤne Wirthiſche ſtuͤckel / reich zu wer - den / Dann erſtlich beherbergte ich alles was kam / Huren vnd Buben / Dieb vnnd Schel - men / Reiche vnd Armen / vnd verſtattete jnen alle vngebuͤhr. Weil auch mein freundliche liebe Haußfraw nicht heßlich / ſonder etwas huͤpſch vnd ſchoͤn / vnd benebens holdſelig vnd freundlich war / vnd ſich gar wol accommo - diren vnnd zutaͤppiſch machen kondte / ſo zo - hen die Gaͤſt deſto lieber bey mir ein / zumaln weil ich darneben allzeit ſchoͤne junge Maͤgd - lein im Hauſe hatte / welche den Gaͤſten auff - warteten / vnnd bißweilen einen Reuter dienſt erwiſen: Diſer geſtallt war mein Hauß auch ein kuppel: oder Hurenhauß / vnnd ein Hauß der Vnreinigkeit.

Jch brauchte auch allerhandt Buͤberey / be - trug / verfaͤlſchung / vermiſchung vnnd ver - butterung deß Weins / damit ich denſelbendeſto425Der Landtſtoͤrtzer.deſto beſſer hinbringẽ vñ außſchencken moͤch - te: Zu ſolchem end brauchte ich beym Tag die rechte / vnnd bey der Nacht die falſche Maß - kandel / vnd fuͤhꝛte meinen gewinn auff man - cherley weg / manier vnd verꝛibene boſſen / ent - weder durch vngetrewe darꝛeichung der ver - doꝛbenen oder offt gekochten vnd gewaͤꝛmeten Speiſen / oder deß Fleiſches von vmbgefall - nen Viech oder abgeſtandenen Fiſchen / oder durch verzuckung vnd veruntrewung einer o - der anderer ſachen.

Beſchließlichen trib ich auch den Fuͤr - kauff mit Traid / vnd wucherte dermaſſen mit dem Gelt / daß ich jnnerhalb wenig Jahren vber 40000. Ducaten reich ward. Deſſen lachte ich heimlich / vnnd verſpottete die Do - ctores vnd andere ehꝛliche Leuth / die ſich mit aller jhꝛer Kunſt / Geſchicklichkeit / ſawren Schweiß vnd Arbeit ſchwerlich ernehꝛen vnd hinbringen / geſchweige bereichern / oder etwas fuͤr ſich bringen vnd er - obern koͤnnen.

Dd 5Capvt426Der Landtſtoͤꝛtzer.

Capvt XLIX.

Was geſtallt Guſman widerumb durch die Alchimiſterey verdor - ben.

OB wol ich mich verſtandner maſſen / durch die Wirthſchafft vnnd Wu - cher bereicherte / ſo fuͤhꝛte doch der Teufel meinen Reichthumb vnuerſehens wi - derumb hinweg / vnd es verſchwand alles vn - der meinen Haͤnden / dann einsmals begab ſichs / dz zwo Perſonen bey mir einkehꝛten / ſich ſtattlich mit Kleidern vnnd Zehrung hielten / vnnd mich anfangs fleiſſig außzahlten / der - wegen redete ich einsmals vertrewlich mit jhnen / vnnd vermerckte / daß ſie Alchimi - ſten oder Goldtmacher waren / vnnd jm - merdar mit dem Goldtmachen vmbgingen: das gefiel mir treflich wol / vnnd ich bate ſie / daß ſie mich diſe ſo ſchoͤne Kunſt lehꝛnen wol - ten. Das thaten ſie gar gern / vnderwiſen mich anfangs im diſtilliren der koͤſtlichen vnd kraͤfftigen Waͤſſer / folgendts zeigten ſie mir /wie427Der Landtſtoͤrtzer.wie man auß Bley vnnd Kupffer ein gutes gerechtes Goldt machen koͤndte. Sie thaten auch ſolche augenſcheinliche proben in mei - ner gegenwertigkeit / daß ich an jhꝛer Kunſt vnd redlichkeit nit zweifelte / vnnd ſo gar einen deſto groͤſſern luſt darzu vberkam / Aber ſie betrogen vnnd verfuͤhrten mich / dann ſie machten das Goldt nicht auß Bley oder Kupffer / ſonder auß Goldt / vnd brachten mit groſſer muͤh vnnd vnkoſten vil Goldts in ein Puluer / vermiſchten es hernacher vnder ein anders Metal vnd machten widerumb Gold drauß. So gar narꝛeten vnnd vberꝛedeten ſie mich / daß ſie Goldt auß nichts machen koͤnd - ten vermittelſt deß Queckſilbers / als einer Mutter vnnd Materi / darauß das Gold von Natur gemacht wirdt / vnnd durch die Kunſt gemacht werden kan / welches aber eben - maͤſſig ein lauterer Betrug vnnd Falſchheit war / jnnmaſſen ichs ſelbſt erfahren / dann ich verliebte mich dermaſſen inn diſe Leuth vnnd jhre Kunſt / daß ich etliche tauſendt Ducaten verdiſtilltrte vnd verſchmeltzte / vnd dannoch den rechten grundt vnd Kunſt nichtergriffe /428Der Landtſtoͤrtzer.ergriffe / als auch ſie vermerckten / daß ich zu diſer Kunſt am allerhitzigſten vnd begierlich - ſten war / vnnd daß ich noch ein anſehenlichen Schatz an Goldt beyſammen hatte / vnnd als derwegen ich einsmals nicht bey Hauß war / ſo vberfilen ſie vnuerſehens mein Haußfraw vnnd zwangen ſie / daß ſie jhnen den Kaſten / darin mein Goldtſchatz lag / zeigte vnd eroͤff - nete: Darauß namen vnnd klaubten ſie das allerbeſte vnnd meiſte Goldt / ſetzten ſich auff Poſtroß vnd machten ſich abfuͤndig vnd vn - ſichtbar. Mein Haußfraw entſetzte ſich druͤ - ber dermaſſen / daß ſie erkranckte / vnnd jhren Geiſt auffgab: Jch aber fandt zu meiner heimbkunfft einen laͤren Kaſten / darauß mein lang erſchundenes vnnd vbel erobertes Goldt geflogen / vnd / wie gewunnen / alſo entrunnen war. Diſer geſtalt erfuhꝛ ich mit meinem ſcha - den / daß jener Doctor recht vnnd wol von der falſchen vñ naͤrꝛiſchen Alchimiſtiſchen Kunſt geredt hatte / ſprechendt: Nunquam ſanè ſtultitiæ & imprudentiæ euadit, qui ex hac arte lucrum quærit, ſemper enim ſtultus eſt mercator, qui in illud negoci -atio -429Der Landtſtoͤrtzer.ationis genus incumbit quo videt nul - lum, vel de millibus aliquot vnum, lucrũ feciſſe, omnes vero vel mille contra vnũ facultates ſuas abſumpſiſſe.

Capvt L.

Guſman wirdt ein Kramer / fol - gendts ein Hauſirer / vnd letztlichen ein Maußkopff / vnd mit Ruthen außgehawen.

VNendtlich vil vnd groſſe Narꝛen vnnd Narꝛetheyen findt man in der Welt / dern ich etliche vnnd ſchier die meiſte allbereit verſucht hatte / aber kein einige Narꝛ - heit halte ich fuͤr gemeiner vnd ſchaͤndtlicher / als eben die Torheit deß Geitzes / mit welchem ſchier alle vnnd jede Staͤnd der Welt behafft vnd ſchwanger ſeind. Von dem Adel aber wiſſen wir / wie derſelb mit dem Pfeyl der Geitz Thorheit geſchoſſen vnd getroffen ſeye / dañ ich hab etliche gekennt / welche jhꝛe ſchuch ſelbſt geflickt / vnnd jhre Hembder gewaſchen / vil andere aber / welche ſich in alle vnnd jedeſchaͤnd -430Der Landtſtoͤrtzer.ſchaͤndliche gewinn / ſo jhnen in Saͤckel getra - gen / einlaſſen / vnd treflich vnd außbuͤndig ab - gericht ſeind auffs Gelt einnem̃en / Bauren - ſchinden / vnderthanen trucken / den Arbeitern vñ armen Witwen vnd Waiſen jren woluer - dienten Lohn aufhalten / ſchmaͤhlern oder ab - brechen / dannenhero numehꝛ nit edle vñ veſte Junckern / ſonder edle vnnd geſtrenge Herꝛn geneñt werden woͤllen / ſeytemal ſie in den wer - cken der Guͤte vnnd Barmhertzigkeit nit veſt / ſonder in der vngnad vnnd vnbarmhertzigkeit ſehꝛ geſtreng ſeind.

Vil Raͤth vnnd Beambten ſeind mit der Kranckheit deß Geitzes dermaſſen beladen / dz ſie nur die Gold vnd Silberſalben brauchen vnnd darmit geſchmirt werden muͤſſen. Vil Kriegsobriſten verꝛathen auß Geitz die Ve - ſtungen / Landt vnd Leut / wann nur Kauffleut vnd gelegenheiten verhanden.

Vil Juriſten vnd andere gelehrten fuͤhꝛen das Narꝛenwappen (nemblich das Gelt) in jhrem Schildt / dann ein jeder Narꝛ auff diſer Welt / meint / er hab Gluͤck / wann er hat Gelt.

Wo iſt ein gemeiner Kauff: oder Han -delsman /481[431]Der Landtſtoͤrtzer.delsman / der ſich mit einem gerechten vñ offt anſehenlichen gewinn benuͤgen / vnd nit vom Geitz vbergehen lieſſe / wie auch alles Gewerb allein zu haben begehꝛet / vnnd ſich vmb die Narꝛenkappen deß Geitzes reiſſet? Mit di - ſem Geitzteuffel war auch ich inſonderheit behafft / dann weil ich obgehoͤrter maſſen durch die Alchimiſterey vnnd Alch imiſten betrogen vnnd verderbt war woꝛden / ſo be - gab ich mich geſchwindt auff die Kramerey / kauffte allerhandt Waaren wolfeyl ein / ſchlug aber ſtarck drauff / verkauffte ſie biß - weilen anheimbs vmb doppelts Gelt / ging faͤlſchlich mit der Meſſerey vnnd Gewicht / vmb / brauchte darneben Factoreyen / vnnd hatte einen groſſen Gewinn bey der Muͤntz: Es erkleckte aber alles nichts / ſonder ich ver - thate es alles mit einander mit heiloſen Leu - ten / verſpilte vnnd verhurte es. Letztlichen ward ich ein Hauſirer / vnnd hauſirte mit meiner Kramerey auffm Landt herumb / vnnd betrog die ein faͤltige Bawren vnd Prælaten mit meinen falſchen Waaren. Weil auch mein Haußfraw vor verſtandener maſſen /loß432Der Landtſtoͤrtzer.loß gedruckt hatte / vnnd auß diſer zeitlichen Wanderſchafft geſchiden war / ſo bewarb ich mich vm̃ ein ſchoͤne ſtarcke Metze / die brauch - te ich vnder Tags an ſtat einer Eſelin / dann ſie halff mir meinen Kram tragen / vnnd deß nachts brauchte ich ſie ſonſten fuͤr mein weib / vñ lihe ſie bißweilen auch einem andern guten geſellen. Diſer geſtallt behalff ich mich ein zeitlang / vnnd brachte mich taliter qualiter vnd mit ſchlechten ehren hin / Dann wann ei - ner gar verdoꝛben / vnd ein Bettler woꝛden iſt / ſo ſuchet er letztlichen einen liſt / wirdt ein Kra - mer vnd Hauſirer / vnd hat fuͤnffzehen Kreu - tzer in der Handt / ſo will er ziehen mit der waar ins Landt / vnangeſehen er ein Schelm vnnd Dieb darneben iſt / vnd ſo lang hin vnd wider vmbzeucht / biß er letztlichen an einem duͤrꝛen Holtz behencken bleibt / jnnmaſſen auch mir ſchier widerfahren waͤre. Dann nach dem ich lang hin vnd wider geſtrichen vnnd gelof - fen / gerieth ich letztlich in einem Wirthshauß zu etlichen Geſellen / die waren meines glei - chen vnd Maußkoͤpff / ernehꝛten ſich mit auf - klauben oder mit der vnbegerten arbeit / waide -ten433Der Landtſtoͤrtzer.ten bißweilen den Kauffleuten jhre Bulgen auß / damit ſie nicht ſtinckendt wuͤrden / vnnd brachten mich leichtlich in jhre geſellſchafft / vnd ſo weit / daß wir ſamptlich befengnuſt vñ vnſer etliche mit Ruthen außgeſtrichen wur - den.

Capvt LI.

Guſman begibt ſich in ein Benedi - etiner Kloſter / vnnd wirdt vnderwiſen wie er ſich im Orden verhalten muͤſſe.

ALs ich vorerzehlter maſſen außgekramt vnd widerumb Blut arm / elendig / vn - duͤchtig vñ fluͤchtig worden / begab ich mich in ein Benedictiner Kloſter im Schwei - tzerlandt / vnnd weil ich gut Jtalieniſch vnnd Lateiniſch / vnd benebens wol ſchwaͤtzen kond - te / ſo bewegte ich den Patrem Priorem, daß er mich auff prob vnd verſuchung acceptir - te vnd einnam / Zuuoꝛ aber erzehlte er mir al - le vnd jede muͤh / arbeit vnnd vngelegenheiten / die man anfangs vnd hernacher in dem Or -E eden434Der Landtſtoͤrtzer.den außſtehen muß / vnnd ſprach: Mein Sohn / weil ich von dir verſtehe / wie es dir inder Welt ſo gar vbel ergangen / ſo gedenck nicht / daß du anjetzo im Kloſter gute Taͤg an - treffen / gleichſamb ins gelobte Landt oder Schlaraffenlandt kommen / vnnd nichts an - ders thun werdeſt / als eſſen / trincken vnd muͤſ - ſiggehen / ſonder fuͤrnemblich zwey ding muſt du thun vnnd in obacht nemmen / wofern du anders begerſt ein frommer vnd gerechter re - ligios zu werden.

Das erſte heiſt F A C E R E, vnd bedeut / daß ein religios ſich dermaſſen in den handel ſchicken vnd verhalten muͤſſe / damit er Gott dem HErꝛn / ſeinen Vorſtehern / ſeiner Reli - gion / ſeinem Naͤchſten / jhm ſelbſt vnd den er - ſchaffnen Creaturen ein ſatisfaction vnnd gnuͤgen thue: Als dann aber thut er GOtt dem HErꝛn ein gnuͤgen / wann nemblich er denſelben vber alle ding nebet / ſeine Gebott vnd Euangeliſche Raͤth fleiſſig helt / jhne mit gantzem Hertzen lobet / ehꝛet vñ dancket / ſo wol zur zen deß Wolſtandts als widerwertigkeit. Jtem / wann er tauſentmal lieber ſterben /weder435Der Landtſtoͤrtzer.weder ſeinen GOtt vnnd Erſchaffer in den aller geringſten dingen erzuͤrnẽ / oder ſich von ſeinem Goͤttlichen willen abſonderen wolte: Jn ſumma / wann all ſein thun vnnd laſſen zu der Glori vnd Ehꝛ Gottes gereichet.

Seinen Vorſtehern thut er ein gnuͤgen / wann nemblich er jhnen auff das aller wenig - ſie wincken oder deuten / gantz williglieh vnnd mit frewden gehorſamet / ſamb were es Got - tes vnd nit eines Menſchen ſtim̃: Jtem / wañ er ſie ehret vñ liebet als von Gott verordnete Vaͤtter vñ verſorger ſeiner ſeelen. Jtem wann er alle jhre befelch / verordnungen / geſchaͤfft vnnd werck im beſten auffnimbe / die darwider murꝛende beſcheidenlich ſtraffet / vnnd ſeine Vorſteher verthaͤdiget.

Seiner Religion thut er ein gnuͤgen / wañ er ſich gegen derſelben / wie ein from̃es Kindt gegen ſeiner lieben Mutter gehorſamb vnnd willigklich verhelt / vnd ſeine gethane Geluͤbd trewlich vollziehet.

Seinem naͤchſten thut er ein gnuͤgen / erſt - lich wañ er ſeine Bruͤder vnd mitreligioſen mit einer reinen Lieb liebet / jhr WolfahrtE 2fuͤr436Der Landtſtoͤrtzer.fuͤr ſein eygne helt / vnd in jhren widerwertig - keiten ein mitleiden hat / jhre gebrechen vber - traͤgt / vnnd jhnen zu jhrer Geiſtlichen auffer - bawung hilfft vnd befuͤrdert. Am andern wañ er die weltlichen vnnd jhrer Seelen heylliebet vnd befuͤrdert / vnnd jhnen im wenigſten kein boͤſes Exempel vnd aͤrgernuß gibt.

Jhm ſelbſt thut er ein gnuͤgen / wann er ſei - ne vnordenliche appetiten bezwinget / ſein Fleiſch zaͤhmet / die Welt veraͤchtet / alle der - ſelben eytelkeiten in Windt ſchlaͤgt / ſich inn allen dingen von GOttes wegen mortifici - ret, ſich ſelbſt vberwindet / ſeinem Leib nur die bloſſe notturfft gibt / der Welt vnd ſich ſelbſt abſtirbt / vnd allein ſeinem Gott vnd Erſchaf - fer lebet.

Beſchließlichen thut er den erſchaffenen dingen ein gnuͤgen / wann er von denſelbigen nur die notturfft nimbt / vnd mehr nicht / weil auch er waiſt / daß ſie nur zu dem Endt von GOtt erſchaffen ſeind / damit ſie dem Men - ſchen helffen ſein verlangtes ziel zuerꝛaichen / ſo erwoͤhlet er nur das jenig daruon / was jhne darzu kan befuͤrdern / hergegen verwirfft erwas437Der Landtſtoͤrtzer.was jhne daran kan verhinderen: Durch di - ſes mittel machet der Menſch jhm ſelbſt von der Creatur ein Leiter in Himmel zugelangen.

Das ander / welches ein frommer religios thun ſoll / heiſt: Pati, oder leiden: Dann wann man anfangs ſich in die Religion will bege - ben / als dann verheiſſet ein jeglicher / daß er al - les thun vnnd leiden woͤlle / Aber wenig ſeind deren / ſo es in obacht nemmen vnnd halten / derwegen ſeind wenig religioſen vollkom - men. Durch das Wort: pati, wirdt bedeut / daß der religios ſich durchs leiden reinige vñ vollkommen mache / vnd daß er / ohne das pa - ti oder leiden / kein vollkommner religios ſein koͤnne. Jn der heiligen Schrifft wirdt die perfectio oder vollkommenheit ein Berg ge - nennt / auff denſelben aber kan niemandt ſtei - gen / ohne muͤh vnd arbeit leiden. Ein voll - komner religios pflegt ſich in ſeinem leiden nicht zubeklagen / daß jhm GOtt Kranckhei - ten / Truͤbſal vnnd verfolgungen zuſthicket / ſonder er helts alles fuͤr ein himmliſche Gab / vnnd nimbts zu danck an vom himmliſchen Vatter. Durch diſes mittel ſchoͤpffet er gu -E e 3tes438Der Landtſtoͤrtzer.tes auß boͤſem: Wann aber ein religios von Gottes wegen nicht gern etwas leidet / iſt ſol - ches ein zeichen / daß er jhne wenig / ſich ſelbſt aber liebe.

Sonſten muſtu auch die Regel vnſers hei - ligen Ordens vnnd drey Geluͤbd der Armut / Keuſchheit vnd gehorſambs fleiſſig vnnd vn - fehlbarlich halten / fuͤrnemblich vnd inſonder - heit aber die Keuſchheit / welche ein Eng - liſche Tugend iſt / vnnd den Menſchen einem Engel gleich machet / vnd benebens verurſa - chet / daß er wie ein Engel lebet. Woferꝛn die fundatores oder Stiffter der Religionen kein keuſches Leben gefuͤhrt hetten / ſo wurden ſie niemaln ſolche herꝛliche vnnd ſchwere im - preſen vnnd thaten begangen / vnnd die fun - dationes der Religionen nit zu werck gezo - gen haben. Woferꝛn auch die Apoſteln an Weiber vnnd Kinder gebunden geweſt we -[ren / ſo]wuͤrden ſie die Welt nit bekehrt / vnnd das Evangelium anzunem̃en bewegt haben. Derwegen ſeind die jenigen / ſo ein reines vnd kenſches Gemuͤt haben / vil tauglicher vnnd bequem er erleuchtet vnnd von GOtt begna -det439Der Landtſtoͤrtzer.det zu werden / wie auch die Himmliſche ding / die Goͤttliche attributa, die heilige Geiſter / die Guͤter der ewigen Seligkeit zu contem - pliren.

Sehr nothwendig vnnd wichtig iſt den religioſis die Keuſchheit. Jn einem weiſſen vnnd reinen ding wiedt ein jeglicher fleck / der ſey ſo klein wie er jmmer woͤlle / leichtlich ver - ſpuͤrt / vmb wie vil zarter vnnd weiſſer es auch iſt / vmb ſo vil ſcheinlicher vnnd ſchaͤndlicher iſt der Fleck darinn: Weil dann das Leben der religioſen ſehr weiß vnnd zart iſt / ſo wirdt es durch ein ſehr leichtes vnd ſchlechtes verbre - chen der Vnkeuſchheit geſchendt vnnd belei - digt. Die Weltlichen halten vns religioſen fuͤr Spiegel der Tugenden / wie aber ein Spie - gel / welcher nit rein vnd klar iſt / vns pflegt zu - beleidigen vnd vnluſtig zu machen / alſo wann der religios mangelhafft vnnd vnlauter iſt in der Keuſchheit / alsdann aͤrgeren vnnd be - leidigen ſie alle Geiſtliche vnnd Weltliche Perſonen.

Jn den andern Tugendten pflegt einE e 4ſchlech -440Der Landtſtoͤrtzer.ſchlechtes verbrechen dem religioſo nicht ſo ſchaͤdlich zu ſeyn / wie der mangel der Keuſch - heit: Ob ſchon der religios in der Sanfft - muͤtigkeit / mangelhafft vnnd etlicher maſſen koleriſch vnd zornmuͤtig iſt: Ob ſchon er auch etwas hoffertig vñ ehꝛgeitzig / oder ſonſten mit einem Laſter oder mangel behafft iſt / ſo ver - leurt er doch dardurch bey andern das con - cept eines guten religioſen nicht / Aber ley - der / der defect vnnd mangel der vnkeuſchheit machet / daß ein religios ſeinen guten namen vnnd den von jhm geſchoͤpfften guten wohn vnd hoffnung verlieret / dann wo vnkeuſchheit iſt / da kan kein Heiligkeit noch Andacht ſeyn: wo das Fleiſch herꝛſchet / da kan der Geiſt nit beſtehen.

Jederman helt darfuͤr / daß die religioſen das Saltz vnd das Liecht der Welt ſeyen / der - wegen iſt ein notturfft / daß ſie ſich vor allen denen dingen huͤten / welche dem Saltz vnnd dem Liecht jhꝛe eygenſchafft vnnd Krafft be - nemmen koͤñen: Das Saltz pflegt das fleiſch vorm verfaulen zuerhalten / woferꝛn aber das Saltz vnrein vnd mit Erd vermiſcht iſt / als -dann441Der Landtſtoͤrtzer.dañ pflegt es das Fleiſch nit allein nit zu præ - ſeruiren vnd zuerhalten / ſonder deſto ehen der zuuerfaulen: Eben alſo wann der religios rein vnd keuſch iſt / alsdann pflegt er durch ſei - ne Reden vnd Predigen / vñ durch ſeine Raͤth vnnd gute ermahnungen andere Leut zu præ - ſeruiren vnd zuerhalten: Wann aber er mit dem Laſter der Vnkeuſchheit inficirt iſt / als - dann inficiret er alles mit ſeinem boͤſen Ex - empel. Wie das Liecht andern leuchtet / vnd jhnen die im weeg ligende Stein vnnd gefahr zeiget / woferꝛn aber das Dacht deß Liechts vn - rein oder genetzt iſt / alsdann nur einen rauch vnnd kein Liecht von ſich gibt / alſo wann der religios nicht rein von Hertzen iſt / kan er an - dern nit allein nit leuchten / ſonder er machet auch jnen den weg dunckel / vnd gibt nit allein kein Liecht / ſonder vilmehr einen boͤſen Ge - ſtanck von ſich: Schwerlich kan der jenig an - dere erhalten vñ erleuchten / welcher ſich ſelbſt nit erleuchtet / vnd jhm ſelbſt im Liecht ſtehet.

Das Hertz eines religioſen iſt ein Tem - pel vnd Wohnung Gottes / damit derwegen daſſelbe ſein Hauß in der Reinigkeit erhaltenE e 5werde /442Der Landtſtoͤrtzer.werde / vnnd er ſteths darinn wohnen moͤge / ſo iſt ſolches Hauß der Keuſchheit zu einer quardi oder bewahꝛung gegeben woꝛden / wer derwegen die Keuſchheit auß ſeinem Hertzen vertreibt / vnnd der vnkeuſchheit ſtatt thut / der vertreibt GOtt den HErꝛn auß ſeiner woh - nung begehet dardurch ein ſehꝛ groſſe Suͤnd / beflecket den Tempel GOTtes / vnnd ſoll derwegen durch jhne zerſtoͤret vnd außgereut werden.

Nicht allein ſoll der religios nit vnkeuſch / ſonder auch vollkommlich keuſch ſein / vnnd alle boͤſe vnreine Gedaucken vnnd eingebun - gen von ſich treiben / vnd im wenigſten nichts vnzuͤchtiges reden / noch auch mit vnzuͤchti - gen Perſonen gemeinſchafft haben / ſonder alle Anlaͤß vnnd gefahr die Keuſchheit zuuer - lieren / meiden / vnd zu jhꝛer præſentirung vñ Behaltung das Fleiſch mit Faſten / diſeipli - nirungen / haͤrinen Kleydern vnnd wachen mortificiren.

Wofern nun du diſes alles in fleiſſige ob - acht nemmen vnnd vollzihen wilſt / woͤllen wir dich ins Kloſter annemmen / vnnd auffein443Der Landtſtoͤrtzer.ein Jahr probiren / darauff erklaͤrte ich mich / daß ich vermittelſt Goͤttlicher huͤlff / mich / wie einem frommen religioſen gebuͤrt / ver - halten wolte.

Capvt LII.

Wie ſich Guſman im Kloſter verhalten vnd außgeſprun - gen

JM erſten Probierjahr hielt ich mich dermaſſen wol / daß man mich zu der profeſſion kommen ließ / in wehren - dem meinem nouitiat aber begabs ſich / daß der Pater Schaffner vom Prælaten Erlaubnuß vberkam / ein zeitlang außzuzi - hen / ſich zu recreiren, vnnd mich mit ſich zu - nemmen. Das war nun ein gewuͤnſchter han - del fuͤr mich / dann als wir mit einander gegen dem Abendt auß dem Kloſter gingen / kamen wir in ein Wirths hauß / welches dem Kloſter zugehoͤrte / die Wirthin war huͤbſch vñ ſchoͤn / vnnd ſie hatte ein Schweſter bey ſich / die warnit444Der Landtſtoͤrtzer.nit heßlich. Jch ſahr daß der Pater Schaff - ner die Wirthin wol kennte / vnd gar vertreu - lich mit jhꝛ conuerſirte, derwegen geſellete ich mich zu der Schweſter / vñ verzehꝛten zwo Nacht daſelbſt im guten muth / von dannen gingen wir weiter / beſuchten die fratres in et - lichen nahe gelegenen Kloͤſtern / vnd recreir - ten vns more ſolito. Jm widerumb heim - zihen / kehꝛten wir in dem voꝛbemeltẽ Wirths - hauß widerumb ein / waren ſehꝛ liebe Gaͤſt / wurden wol tractirt vnd gehalten / vnd verbli - ben abermals zwo Nachilang daſelbſt.

Als wir nun widerumb in vnſer Kloſter kamen / ſahen wir / daß man vns allbereit beym Herꝛn Prælaten hatte auffgeſtochen vnd an - gegeben / als waͤre der Pater Schaffner bey der Wirthin / vnd ich bey jhrer Schweſter ge - legen / vnd ob ſchon wir ſtarck darfuͤr laugne - ten / vnnd vns jhm vnſere vnſchuld darbotten / ſo muſten wie doch die ſchuld haben / turniren vnd buß thun. Es ward auch der P. Schaff - ner ſeines Ampts entſetzt / vnnd widerumb hinden ins Conuent geſchafft: Das ver - droſſe jhne dermaſſen / daß er von derſelbenzeit445Der Landtſtoͤrtzer.zeit an / alle muͤgliche mittel vnnd weg ſuchte / ſich wider ſeinen Prælaten zu rechnen / vnnd zu ſolchem end / mit huͤlff vnd zuthun der mei - ſten Conuentualen, deferirte vnd beſchul - digte er jhne beym Biſchoff zu Coſtantz / als Ordinario, viler boͤſer ſtuck halben / er brach - te auch ſeine ſachen dermaſſen ſcheinlich fuͤr / daß jhm der Biſchoff nit allein glaubte / ſon - der auch ein groſſe vngnad wider den Præla - ten faſte / vnd ſehr ſtarck vber jne inquiriren ließ. Weil aber der abgeſetzte Pater Schaff - ner letztlichen vermerckte / daß ſeine beſchehe - ne falſche delationes den ſtich in die leng nit halten wurden / vnd daß es endtlichen vber jne ſelbſt außgehen wuͤrde / ſo wolte er deß auß - ſchlags nit erwarten / ſonder vberꝛedete mich / daß wir beyde mit einander vnuerſehens auß - ſprangen / gleichwol aber nit mit laͤrer handt / dañ der Schafner hatte in wehꝛendem ſeinem Schafnerambt / vil ſchoͤne Ducaten vnd har - te Thaler zuſammen geklaubt. Alsbaldt die vorbemelte Wirthin vnd jhre Schweſter deſ - ſen durch vns heimblich auiſirt vnd erjnnert worden / zohen ſie vns nach / vnnd fanden vnsin446Der Landtſtoͤrtzer.in einem Marcktflecken nahe bey Baſel / da - ſelbſt hielten wir vns in einem Wirthshauß in weltlichen Kleydern auff / vnnd hatten etli - che tag einen guten muth mit einander. Das kondte aber ſo gar geheimb nicht bleiben / daß es vnſer Prælat nicht erfuhr / dann er hatte vns aller Orthen laſſen nachſtellen / vnnd brachte ſo vil zu wegen / daß wir vnuerſe - hens vberfallen / befaͤngnuſt / vnnd wider - umb in vnſer Kloſter gefuͤhrt wurden. Was nun dem Schaffner fuͤr ein ſtraff angethan ward / das weiß ich nicht / dann es ward alles in groſſer geheimb gehalten / aber ich hatte keinen luſt laͤnger daſelbſt zu bleiben / ſondern nam hinder der Thuͤr vrlaub / warff die Kut - ten von mir / vnnd ward widerumb der jenig / der ich von anfangs meiner zarten jugendt geweſt / nemblich ein Stoͤrtzer / Landtlaͤuffer / vnd nichtiger Schelm.

Daß es aber vns alſo in dem Cloſter er - gangen / daran waren gleichwol wir ſelbſt vnnd vnſere boͤſe Art vnnd Eygenſchaff - ten ſchuldig / aber doch verurſachte es auch fuͤrnemblich die vil zu groſſe Freyheit / dieman447Der Landtſtoͤrtzer.man vns mit dem außlauffen veꝛſtattete / dann wie der Fiſch ins Waſſer / alſo gehoͤren die Muͤnch in die Cloͤſter: Stythero die reli - gioſi hin vnnd wider vagieren / auch auß vnnd einlauffen / iſt die diſciplina monaſti - ca vbel geſtanden / vnnd es vberkommen die religioſen vil occaſiones, anlaͤß vnnd ge - legenheit jhr allerbeſtes Kleynot der Keuſch - heit zuuerſchertzen / vnnd ſich in weitlaͤuffig - keit vnnd vnwiderbringliche verderben zu ſtuͤrtzen.

Was mich belangt / gedachte ich damals in ſolchem meinem aber mahligen armſeligen zuſtandt / gar offt an jenen verlohrnen Sohn welcher / als er das koͤſtliche vnnd vberfluͤſ - ſige Hauß ſeines Vatters verlaſſen hatte / groſſen hunger litte / der Schwein huͤtete / vnd ſeinen vorigen gluͤckſeligen ſtandt / hergegen ſein jetziges armſeliges weſen betrachtete an - fing zuweinen vnd ſprach: O wie vil Tagloͤh - ner ſemdt in meines Vatters Hauß vnd ha - ben vberfluͤſſig zueſſen / aber ich muß allhie deß Hungers ſterben.

Durch448Der Landtſtoͤrtzer.

Durch diſe Wort gab er zuuerſtehen / was er fuͤr Gutthaten hatte verloren / vnnd in was fuͤr einem boͤſen Stand er ſich an jetzo befand. O Menſch / ô religios, der du diſes liſeſt / nimb ein Exempel an mir armſeligen / vnnd huͤte dich / daß du das koͤſtliche Hauß deines Vatters / die Religion / nit ſo liderlich verlaſ - ſeſt / damit du nicht auß einem Sohn Got es ein Sclaue vnd Leibeigner deß Teufels wer - deſt. Die Ehr vnd Wolluͤſt der Welt ſeind ſchwach wie ein Glaß / vnnd nur ein Schat - ten der wahren himmliſchen Reichthumben: Der Teuffel / die Welt / vnd das Fleiſch ſeind ſehr falſche Kramer / die dich locken etwas auß jhrem Kram zukauffen / vnnd nach der Prælatur vnnd wolluſtbarkeiten zutrachten: Aber du fliehe jre vergiffte peſtilentziſche waa - ren vnnd Kauffmanſchafften: Weil du der Welt allbereit haſt abgeſagt / vnd alle jhre ey - telkeiten verſchworen / warum̃ lauffeſt du dañ wider hinein? Weil du den gehorſamb vnnd demut haſt angelobt / warumb biſtu dann dei - nem Vorſteher vngehorſam̃ vnd vntrew / vnd ſucheſt jhne zuuerdringen? Weil du dich derArmut449Der Landtſtoͤrtzer.Armut vnnd Keuſchheit allerdings ergeben / warumb biſtu dann ein proprietarius vnnd concubinarius? Nicht alſo / nit alſo / ô reli - gioſe, nit bemuͤhe dich mit ſolchen veraͤcht - lichen vnnd nichtigen dingen: Nicht verliere wegen einer ſehꝛ kurtzen vnd ſchnoͤden wolluſt deinen GOtt / vnd ſampt jhme die Guͤter ſei - ner Glori / die Geſellſchafft der Engeln vnnd Heiligen im Himmel: Du verliereſt dein Seel / zerſtoͤreſt dein Gewiſſen / vnd gewinneſt die Hoͤll: Du verleurſt GOTT wegen der Welt / vnnd den jnnerlichen Troſt deß Her - ren / vnd die ewige Glori an ſtatt der Hepffen vnd geſtancks der ſuͤnden.

Weil diſes zeitliche Leben nur ein einiges Puͤnctlein iſt / wañ es gegen dem zukuͤnfftigen ewigen gehalten wirdt / ſo biſtu je ein groſſer Narꝛ / daß du diſes kurtze vnd zergaͤngliche Le - ben / vnd die bald verſchwindende wolluſt nit verachteſt / damit du genieſſen vñ beſitzen moͤ - geſt jenes ewiges vnnd ſeliges Leben: Wie ei - ner ein Narꝛ waͤre / welcher in einer groſſen Statt einen herꝛlichen Pallaſt hette / vnd doch herauſſen auffm Landt in einem armſeligenF fſtroͤhe -450Der Landtſtoͤrtzer.ſtroͤhenen Haͤuſel wohnte / alſo iſt der jenig ein groſſer Narꝛ / der da begert in diſer armſeligen Welt zuwohnen / vnnd derſelben eytelkeiten zu genieſſen an ſtatt der allerhoͤchſten vnnd herꝛ - lichſten wohnung deß Himmels. Der betrug vnd die armſeligkeiten diſer Welt ſeind kundt vnd wiſſentlich / derwegen haſtu vrſach ſie zu - nerachten / zumaln weil dein guͤtiger Herꝛ vnd Gott dich darzu ermahnet / mit ſeiner heiligen lieb locket vnd dir die Thuͤr deß Himmels er - oͤffnet. Reute auß dir alle eytele Begierd vnd Gedancken / die der Teuffel vnd die Welt in deiner fantaſey gepflantzt hat: Bezwinge dei - nen Geiſt / daß er diſen zergaͤnglichen Guͤtern vrlaub gebe vnd die ewige / daꝛumb du erſchaf - fen worden / liebe.

Capvt LIII.

Was maſſen Guſman ein Berg - knap in Tyrol vnd widerumb reich worden.

Nach451Der Landtſtoͤrtzer.

NAch dem ich obgehoͤꝛter maſſen auch den Standt der religioſen ver - ſucht vnnd geſchaͤndt hatte / doͤrffte ich mich ſchir nirgents mehꝛ ſehen noch blickẽ laſſen / ſondern entſchloſſe mich / daß ich mich vor den Menſchen verbergen vnnd vnder die Erden verkriechen wolte. Zu ſolchen end be - gab ich mich in Tyrol / in meinung ein Berg - knap zuwerdẽ / vnd mein narung vnder der Er - den zuſuchen. Als ich daſelbſt hin kam / ward ich ein Herꝛen arbeiter / hatte Wochentlich einen florin oder Gulden. Folgents vber ein viertel Jahꝛ arbeitete ich nach Klafftern / vnd hatte von einer jeden anfangs 12. vñ letztlichẽ 20. fl. konte aber nichts darbey erſparen / dann ich war vnfleiſſig vnd faul / vnd mochte zu der nacht nit arbeiten.

Nach ſolchem ward ich ein frey Gruͤbler / arbeitete auff zween koſten / traffe gute Kluͤfft vnnd gangbare Ertz an / verdiente vnnd vber - kame vil Gelts darbey. Letztlichen vnder - ſtund ich mich einen erfundenen guten gang vnnd Ertz zuuerſetzen vnnd verzimmeren / in meinung / ſie inn kuͤnfftiger zeit zubawenF f 2vnd452Der Landtſtoͤrtzer.vnd meinen eygnen nutz vnnd gewinn darbey zuſuchen / woferꝛn mans aber erfahren vnd jn - nen worden hette / ſo wuͤrde man mich fein ſauber auffgeknuͤpfft vnnd zwiſchen Himmel vnd Erden arꝛeſtirt haben / jnmaſſen derglei - chen vngetrewen aꝛbeitern zubeſchehen pflegt. Weil dann ich die groſſe gefahꝛ vermerckte / ſo verkauffte ich einem andern Knappen oder Freygruͤbler den erfundenen guten gang vnd Ertz / verließ das Bergwerck / vnd ſuchte mein heyl vnd gluͤck weiter.

Capvt LIV.

Guſman wirdt auß einem Berg - knappen ein Comediant / vnnd erzehlt et - liche artliche boſſen die er ge - riſſen.

ALs ich widerumb reich worden / kleide - te ich mich ſtattlich / beſahe die weitbe - ruͤmbte Statt Jnſpruck / vnd fand da - ſelbſt neun Comedianten / die waren von allen nationen zuſammen kommen / vnnd theils Frantzoſen / theils Engellaͤnder / theilsNider -453Der Landtſtoͤrtzer.Niderlaͤnder / theils Jtaliener / jhꝛe Muſic vnd Comedien gefielen mir außbuͤndig vnnd der - maſſen wol / daß ich (ſimilis ſimili gaudet, gleich vnnd gleich geſeller ſich gern) mich zu jhnen verfuͤgte vnnd mit jhnen accordirte, daß ſie mich in jhre Geſellſchafft auffnamen / dann ich kondte gut Jtalieniſch / Spanniſch / Lateiniſch vnnd halb gebrochenes Teuſch re - den / benebens ſchlug ich trefflich wol auff der Lauten / vnd vertrate einen luſtigen Spanni - ſchen Schalcksnarꝛen mit ſeiner Kitarꝛen / vnd kondte artlich drein ſingen / tantzen vnnd ſpringen. Die Comedien ſeind ein repræ - ſentirung viler alten vnnd newen Geſchich - ten vnd Hiſtorien / der Gottſeligen / frommen / erbarn / zuͤchtigen vñ keuſchen Perſonen / wel - che im heiligen Chꝛiſtlichen wandel vnd Tu - gendt der gantzen Welt vorgeſchmen / vnnd dern Leben vnnd Thaten man gleichſamb le - bendig in offendlichen Schawſpil / allermen - nigklichen zeiget vnd fuͤrhelt / darauß dann nit allein ein erluſtigung deß Gemuͤts erfolget / ſonder auch die Zuſeher vnnd Zuhoͤrer zum Chriſtlichen wandel bewegt vnd auffgemun -Ff iijtert454Der Landtſtoͤrtzer.tert werden. Es wirdt auch mancher Gottlo - ſer vnd verfuͤhrter Menſch durch dergleichen Schawſpil (darinn entweder die belohnung der frommen / vnnd die erſchroͤckliche ſtraff der Gottloſen voꝛ Augen geſtellt wirdt) bewegt ſich zubekehꝛen vnd ein Gottſeligers Leben an ſich zunemmen.

Hergegen find man andere Comedianten / welche ſonſten gute Hiſtorien agiren, vnd be - nebens laͤcherliche boſſen vñ Gauckelſpil ver - richten / boſſirliche ſchnacken reiſſen / vnd vom einen oꝛt zum andern vm̃ziehen: Eben derglei - chen Comedianten waren diſe / mit denſelbigẽ zohe ich durch gantz Teutſchlandt vñ Nider - land / befand mich tꝛeflich wol bey jnẽ / vñ waꝛd wegen meiner artlichen boſſirlichkeit ſehꝛ ge - liebt / dañ bißweiln repręſentirte vñ vertrate ich auch einẽ Diener eines altẽ verliebtẽ Herꝛn der hieß Pantaleon vnd ich hieß Guſmaͤndl.

Einsmals fragte ich im Comediſpil diſen meinen Herꝛn / was doch der allerlieblichſt vñ nutzlichſt Wolluſt auff Erden were? Mein verbulter alter Herꝛ Pantaleon antwor - tet: Wann einer ſeiner hertz allerliebſten bey -wohnen455Der Landtſtoͤrtzer.wohnẽ vñ genieſſen koͤnte. Da lachte ich vber - laut / verſpottete jn / vnd bewiſe mit vilen exem - peln / daß die Buler gemeingklich nur Bettler werden vñ Schlier vnd Kolben heimbringen.

Mein Herꝛ rieth noch ferꝛner vnnd ſagte / daß nichts wolluſtigers were / als wann einer bey luſtiger Geſellſchafft zu Tiſch ſitzet / vnd den vberfluß an guten Bißlen vnnd her - lichem Wein hat. Darauff lachte ich jh - ne abermals auß / vnnd fragte jhne / ob er nicht letztlichen von dem vilen freſſen vnnd ſauffen voll vnnd doll wie auch kranck werde?

Er rieth noch ferꝛner vnd ſagte daß etliche Saͤck voll Ducaten das allerlieblichiſte vnnd nutzlichiſte auff Erden weren? A - ber ich verſpottete jhne vnnd ſagte / daß nur die Narꝛen jhren luſt mit dem Gelt vnnd wenig nutz daruon haben / ſich auch bißwei - len etliche von deß Gelts wegen hencken: Wann du aber zuwiſſen begereſt / was der aller beſt luſt vnnd lieblichkeit auff Erden ſeye / ſo will ich dirs ſagen: nemblich wann einer zur zeit der hochtringenden vnnd einF f 4zeit -456Der Landtſtoͤrtzer.zeitlang verhaltener noth die Hoſen auffne - ſtelt / das priuat erwiſchet / vnnd den Bauch außlaͤret / dann durch diſes mittel wirſtu nicht allein der ſorg in die Hoſen zuhofiren befreyt / ſonder es wirdt auch die Natur am meiſten erquickt. Woferꝛn aber du es nicht wilſt glau - ben / ſo verſuche es / verhalte den Stulgang ein zeitlang / hupffe / lauffe vnd wehre dich mit Haͤnd vnd Fuͤſſen / vnd halte veſt biß zur euſ - ſerſten noth / ſo wirſtu letztlichen ein vberauß groſſe linderung vnnd lieblichheit empfinden. Pantaleon mein Herꝛ ließ ſich vberꝛeden / verhielt einsmals den Stulgang ſehꝛ mañlich vnd ritterlich etliche Stundtlang / vñ beklag - te ſich gleich wol / daß er jhne in die leng nicht wuͤrde auffhalten koͤnden: Jch aber ſprach jhm ſtarck zu / daß er ſich dapffer wehren / zap - len vnd herumb lauffen ſolte. Er hebte ſeine Haͤnd hinden zum Geſaͤß / vnnd truckte ſtarck zu / lieff auff dem theatro oder Binen hin vñ wider mit groſſer angſthafftigkeit / zohe den Athem mit gewalt an ſich / verwendete die Au - gen im Kopff / reckte die Zung einen Finger - lang herauß. Jch aber wolte noch nit bewil -ligen /457Der Landtſtoͤrtzer.ligen / daß er ſeinen gefangnen herauß ſolte laſſen / weil aber jnmittelſt ſein Liebhaberin darzu kam / ſo erſchꝛack er dermaſſen / daß er die gantze Bruͤh mit groſſem getuͤm̃el in die Ho - ſen gehen ließ. Das war nun ein leckerlicher Poß vnd machte ein herꝛliches gelaͤchter fuͤr die ſpectatores vnnd Zuſeher: Jhme dem Pantaleon gereichte es zu einer ſo groſſen lieblichheit vnnd wolluſt / daß / als er gefragt ward / wie es vmb ſeine Hoſen ſtuͤnde? er zur antwort gab: Was frag ich nach denen Ho - ſen / wegen einer ſolchen lieblichheit ſoll einer ſeiner Hoſen nit verſchonen / vnangeſehen ſie von lauter guldinen vnd ſilbernen ſtucken ge - macht waͤren.

Einsmals zohen wir beyde in wehꝛender Comedi in Krieg in vnſern Ruͤſtungen / vnnd es entran jhm vnuerſehens ein ſo ſtarcker vnd vberauß lauter Leibsdampff / daß ich nider zu bodem fiel / vnd vermeinte / daß ich von einem groben Geſchuͤtz getroffen war. Als ich nun alſo gleichſamb todt lag / kehrte mir mein al - ter Herꝛ Pantaleon ſein Geſaͤß zu meinen Ohren / vnnd ließ abermals einen ſo ſtarckenF f 5ſtreich458Der Landtſtoͤrtzer.ſtreich gehen / daß er mich mit ſchrecken wider - umb vom Todt aufferweckte.

Einsmals hatte ich ein gar gute Bott - ſchafft von meines Herꝛen deß Pantaleonis Liebhaberin bey jhm zuuerꝛichten / die ſparte ich aber biß er in der Comedi vber Tiſch ſaß / vnd ich wartete biß man jhm ein außbuͤndige gute Turten fuͤrgeſetzt hatte / als nun mich be - dunckte daß es zeit war jhne vom Tiſch zu ja - gen / brachte ich jhm die obgedeute gute zei - tung / gleichſamb hette ichs allbereit vergeſſen / vnd ich ſagte jhm daß er geſchwindt vnnd vn - uerzogentlich zu ſeiner Liebhaberin kom̃en ſol - te. Da lief er alsbaldt vom Tiſch zu ſeiner Hertzallerliebſten / dann dieſelbe war jhm vil lieber / dann 100. Turten / Jch aber erwuͤſch - te die Turten vnnd verſchluckte ſie in wenig biſſen.

Diſer mein Herꝛ fing einsmals an ſich zubeklagen / daß jhm das eſſen nimmer recht ſchmecken wolte / vnnd beſorgte derwegen ſich vorm vnuerſehenen Todt / da gab ich jhm den rath / daß / weil der Menſch je nicht weiſt / wel - che Mahlzeit ſein letzte ſein werde / ſo ſolle erbey459Der Landtſtoͤrtzer.bey jeder Mahlzeit gedencken / ein jede ſeye die letzte / vnd ſolle derwegen bey einer jeden Mal - zeit ein valete mahl halten / vnd ſich ſticken vñ wicken voll freſſen vnnd ſauffen / damit er ein gute kraͤfftige labung hette wann der Todt mit jhm kaͤmpffen wuͤrde.

Jn einer andern Comedi befalch mir mein Herꝛ Pantaleon / dz ich ſeiner Liebhaberin ein herꝛliche vnnd wolgeſchmackige Paſteten ba - chen laſſen vnd heimbringen ſolte: Weil aber ſie ſehꝛ vnflaͤtig war / ſo kauffte ich zwey Haſel - huͤner / ging zum Paſteten Koch vnnd beſtelte / daß er ſie in einem guten bruͤhlein kochen ſol - te / darneben aber gab ich jhm ein Geſtup / wel - ches den Leib vber alle maſſen pflegt zu reini - gen vnd weidlich zu operiren, vñ zuwuͤrcken: Diſe Paſteten brachte ich der Liebin / die ſie mit luſt gar auf vñ ließ nichts daruon vber. Vngefaͤhrlich vber ein halbe ſtund hernacher ſuchte ich ein gelegenheit dz ich ſie herfuͤr auff die Binen brachte / auff vnd nider mit jhꝛ ſpa - cieren ging vnd mit einander conuerſirten. Jn wehꝛender ſolcher vnſer conuerſation wuͤrckte das geſtuͤpl der Paſtetẽ dermaſſẽ in vñbey460Der Landtſtoͤrtzer.bey jhr / daß ſie anfing jhren Bauch zuklagen vnd ſich zuſtellen / als ob ſie ſich wolte retini - ren vñ abwegs hinweg gehen wolte: Jch aber erwiſchte ſie hinderwerts / hebte jhr den Rock auff / vnnd hielte ſie ſo lang / biß letztlichen ſie anfing vnden vnnd oben außzuwerffen / vnnd den Zuſehern einen ſehꝛ lieblichen Biſem vnd geruch zumachen. Das gelaͤchter war groß / a - ber der danck war klein / dann mein Herꝛ gab mir Bruͤgelſuppen zu freſſen.

Capvt LV.

Guſman erzehlt / was er fuͤr ſeltza - me Wirth vnnd Wirthshaͤuſer in Teutſchlandt angetrof - fen.

JN deme ich nun ſambt meiner Come - diantiſchen geſellſchaft alſo hin vñ wi - der in Teutſchlandt vmbzohen / traf - fen wir bißweilen wunderbarliche vnd ſeltza - me Wirt vnd Wirthshaͤuſer an. Anfangs verwunderte ich mich zum hoͤchſten / als ich in den groſſen vnd kleinen Staͤtten / Maͤrcktenvnd461Der Landtſtoͤrtzer.vnd Doͤrffern ſo vil Wirthshaͤuſer / vnd ſchier in allen denſelbigen nichts anders ſahe / als freſſen / ſauffen / geigen / ſingen / tantzen vnnd ſpringen / juchtzen vnnd ſchreyen / dergleichen ich weder in Hiſpania noch Jtalia nirgendts geſehen / da gedachte ich an jenen Tuͤrckiſchen Abgeſandten / welcher / als er in der Faßnacht in Oeſterꝛeich gen Wien kam / vnnd ſahe den guten muth / welchen man mit mummereyen vnnd andern eytelkeiten vnnd liderlichheiten trib / verwunderte er ſich zum hoͤchſten / vñ als er widerumb gen Conſtantinopil kam / vnnd ſein Herꝛ der Tuͤrckiſch Keyſer jhne fragte / was er in Teutſchlandt guts geſehen hette? antwortet er vnnd ſprach: Nichts anders hab ich in Teutſchlandt geſehen / als lauter Nar - ren. Eben diſes fiel mir auch ein / vnnd als derwegen meiner mitgeſellen einer / der ein Engellaͤnder war / mich fragte / wie mir Teutſchlandt gefiel? antwortet ich: Es ge - faͤlt mir diſes Freß: vnnd Schlauraffenlandt außbuͤndig wol / dann man thut darin nichts als freſſen / ſauffen / ſingen vnd klingen.

Je lenger vnnd weiter ich durchs Landtreiſete /462Der Landtſtoͤrtzer.reiſete / je mehrere vnnd groͤſſere vnordnungen ſahe ich an vilen orten mit den Wirthen / vnd in jhren Haͤuſern. Dann erſtlich ſahe ich / daß die Wirth gemeingklich die aller fuͤrnemb - ſten in den Staͤtten vnd Maͤrckten / ja die Ob - rigkeit ſelbſt waren / vnnd an ſtatt daß ſie jhr Hauß nicht einem jeglichen Landtſtoͤrtzer of - fen vnd frey ſtehen / ſonder nur ehrliche / zuͤch - tige Gaͤſt beherbergen / vnd einlaſſen / vnd im wenigſten nicht leyden ſolten / daß wider zuche vnd erbarkeit gehandlet werde / ſo lieſſen ſie al - lerhand Geſindel ein / vnnd verwilligten / ja halffen darzu / daß ſich jhre Gaͤſt wie die wil - de vnnd vngehewre beſtien / doll vnnd voll an - ſauffen / ſpilen / rauffen / balgen / beſchaͤdigen / roͤdten / oder die Stiegen einfallen vnnd vmb - kommen: Weil dann der Burgermeiſter / der Cam̃erer / der Rathsherꝛ ſelbſt / als ein Wirth / ſolches thut oder zuſihet vnnd verwilliget / ſo iſt leichtlich zuerachten / wie es ſonſten bey der Burgerſchafft an ſolchen orten ſo richtig zu - gehen muͤſſe.

Ferꝛner ſahe vnd erfuhꝛ ich wie erbaͤrm - lich etliche Wirth jhre Gaͤſt vbernamen /ſchin -463Der Landtſtoͤrtzer.ſchindeten vnnd ſchabten / jhrer etliche waren dermaſſen grob vnnd vnuerſchambt / daß ſie denen Gaͤſten / welche jhre Zech oder Mahl alsgleich nit zuzahlen hatten / entweder nach Notturfft abſchmirten / oder jhnen jhre Maͤn - tel oder Wammes abzohen vnnd behiel - ten.

Deßgleichen vermerckte ich bißweilen ein ſehꝛ groſſe ſtoltzheit / hoffart / grobitet vnd vn - beſcheidenheit an den Wirthen / dann nit al - lein empfingen ſie die Gaͤſt nicht freundtlich / ſondern ſchawten ſie tuͤckiſch / trutzig vnd ſtoltz an / als wolten ſie es durchfreſſen: Am Tiſch ſetzten ſie ſich zum Gaſt nider / vnnd halffen jhm ſein Speiß vnd Wein verzehꝛen: an ſtatt daß der Gaſt mit einer halben maß Weins o - der Bier ſich benuͤgẽ ließ / muß er ein oder zwo Maß bringen laſſen / nur damit der Wirth ſein Gurgel ſchmiren vnnd ſeinen Wanſt de - ſto beſſer fuͤllen moͤge: Durch diſes mittel wirt der Gaſt in einen Wirth / vnd der Wirth in einen Gaſt verkehꝛt / vñ nit der Wirth / ſon - der der Gaſt gibt dem Wirth / bißweilen auch der Wirthin / zueſſen.

Ferꝛ -464Der Landtſtoͤꝛtzer.

Ferꝛner ſahe ich / daß der jenig / welcher nicht ordenliche Malzeiten oder ſonſten wa - cker vnd liderlich zehret / vnangeſehen es jhne nit geluſtet oder im Beutel nit vermag / kein Ligerſtatt haben kan / ſonder auff der Banck oder beym Viech im Stall fuͤr gut nemmen muß.

Nit weniger merckte ich ein jaͤmmerliche vnnd erſchroͤckliche verfaͤlſchung deß liebſeli - gen Getrancks vnnd ſonderlich deß Weins / vnd einmiſchung der vnnatuͤrlichen dingen / als Milch / Brandtwein / Kalch / Schwefel / Alaun vnd dergleichen. Jtem / einen groſſen Betrug mit zwey oder dreyfachen Kreiden an die Wandt ſchreiben / vnnd was geſtallt alles auff rauben vnd ſtehlen gericht war.

Daran aber iſt nichts anders ſchuldig / als das / wie ich an etlichen orten wargenommen / mehꝛ Wirth vnd Tafernirer / als Gaͤſt ver - handen / vnd daß nur heiloſe Leuth / welche kei - nen luſt zu ehꝛlichen Handthierungen / oder das jhrig allbereit verſchwendt haben / vnnd verdorbene loſe junge Buben ſeind / zu Wirth vnd Tafernirer werden / vnnd ſich nur auffsMen -465Der Landtſtoͤrtzer.Menſchen ſchinden vnd Beutelzauſen legen vnnd begeben: wie auch den Freſſern vnnd Sauffbruͤdern alles aufftragen vnd fuͤrſetzen was vnnd wie lang ſie woͤllen / dann ſie fra - gen nur dem Seckel vnnd Gelt nach / ſuchen vnnd verurſachen nur das allgemeine verder - ben.

Jch ſahe auch / daß die Wirth nit allein an den meiſten orten im Rath vnnd Rohr ſitzen vnd die Pfeiſſen nach jhrem gefallen ſchnei - den / ſondern auch daß ſie bißweilen auff dem Landt darneben Richter waren / was aber durch ſolche Geltdurſtige vnnd ſelbſt reudige vnnd inficirte Richter vnnd Wirth guts ge - wirckt vnnd verurſacht werden koͤnne / das laſ - ſe ich andere erkennen. Dann an ſtatt daß ſie die Bawren vnd Vnderthanen auff den rech - ten Weeg richten / beſchuͤtzen / befuͤrdern vnd vorm verderben verhuͤten ſolten / ſo tragen ſie den Bauren / vnnd ſonderlich den vnuermuͤg - lichen / den Wein vnnd Bier nach der pauß auff / beyten vnd borgen jhnen / vnnd ſchreiben ſo lang mit zwyfacher Kreiden / biß der Bawr durch den Wirth vberheut / jhm ſeine GuͤterG gein -466Der Landtſtoͤꝛtzer.eingetzogen / vnd ſambt Weib vnnd Kindt an den Bettelſtab getriben wirdt.

Beſchließlichen ſahe ich / daß gemeinglich die Teutſche Wirthshaͤuſer ſchier nichts an - ders waren / als ſauff vñ freßhaͤuſer / ſchind vñ ſcherhaͤuſer / darin nit allein die haaꝛ vñ Woll / ſondern auch haut vnnd fleiſch vbers Gebein vnd das jñerliche marck / ſo gar auch die Seel auß dem Leib geſogen wirdt. Darneben ſeindt ſie gleich ſam̃ Teufelshaͤuſer / Raub vñ Mort - haͤuſer. Dañ wer luſt hat zuſehen / was geſtallt man einander raufet / balget / ſchlaͤgt / Glaͤſer / Kandel / Schuͤſſel / Teller vnnd Meſſer zum Grindt wirfft vnd einander mutwilliglich er - ſticht vnnd ermoͤrdet: wer zuſehen begert / wie man dem Teuffel diene vnnd Gott ſchende vnd verſchwoͤre / vnd wie man die Seelen dem Teuffel ſchencke / verkauffe vnd verwuͤnſche / wer ein ort zuſehen begert / da trew vnd ehr ein end hat / vnd alle Laſter / Vnzucht vnd Gott - loſigkeit einen anfang haben / da Leib / ehꝛ vnd geſundtheit verlohꝛen wirdt / da die Meta - morphoſes oder abenthewriſche verwand -lungen467Der Landtſtoͤrtzer.lungen der Menſchen in vernuͤnfftige beſti - en beſchehe / der gehe in ein Teutſches vnor - denliches Wirthshauß / daſelbſt ſihet man auch wie geſchleckig vnd verſchwendtlich biß - weiln die patricij oder Geſchlechter / wie auch die ſchlimme vnnd gemeine Burger ſeyen / in dem ſie kein Hochzeit halten / noch einige jan - heimiſche Ladſchafft halten / es ſey dann daß ſie etliche Richt mit Wildtpraͤt vnnd zarten Fiſchen ſpeiſen / vnnd die gute Wein ſchaͤndt - lich verderben / auch nicht von einander ſchei - den / biß ſie ſtickendt vnnd wickendt voll ſeind / vnnd auff den Gaſſen hin vnnd wider ſtorck - len / oder vnder den Armben heimbgefuͤhrt werden muͤſſen: Vnnd das aller aͤrgiſt iſt / daß die jenigen / ſo es andern verbieten / vnd ſie darumb ſtraffen / vnd jhnen ein gutes Ex - empel geben ſollen / ſelbſt die fuͤrnembſten ſeindt.

Noch eins hette ich ſchier vergeſſen / nemb - lich das erſchꝛoͤckliche lange tiſchen oder lange ſitzen vber Tiſch / welches ich inn Teutſch - landt geſehen: Dann an ſtatt / daß in JtaliaG g 2vnd468Der Landtſtoͤrtzer.vnd Hiſpania man an der Fuͤrſten vnd Herꝛn Taflen auffs laͤngſt nur zwo Stundt lang ti - ſchet / ſo ſchoppen vnd moͤſten die Teutſchen jhꝛe Wampen vnnd Kothbaͤuch 6. 7. oder 8. ſtundt lang vnder Tags. Jſts aber ein Nacht - mahl / ſo wehꝛets biß in 1. 2. oder dritte ſtundt / vnd biß weiln an liechten tag. Nach dem man auch letztlichen lang genug geſeſſen / gefreſſen vnd geſoffen hat / vnnd man auffgeſtanden iſt / alsdann fahet man erſt an ſtaͤndtlichs zuſauf - fen / vnd einander dermaſſen zuzudecken / vnnd abzufertigen / daß ſie letztlichen in die Glaͤſer ſpeyen / vnd vnden vnd oben / hinden vnd vor - nen rinnent werden: Vnd eben diſes iſt der ed - len Teutſchen beſte hoͤflichkeit vnnd trewher - tzige tractirung / vnd ſie vermeinen / daß ſie nie - mand zu Gaſt laden / oder jhrem Freundt ein ehꝛ anthun koͤnnen / es ſey dann / daß ſie durch dz vollſauffen / auß dem Menſchen ein Viech / einen Vnflat / einen Narꝛen ſimulachra gentium, vnd Sawgoͤtzen der Heyden machen.

Capvt469Der Landtſtoͤrtzer.

Capvt LVI.

Guſman erzehlt noch eygentlicher / was er an vnderſchidlichen orthen Teutſchlandts geſe - hen.

TEutſchlandt iſt vberauß groß / vnd hat vnderſchidliche anſehenliche Prouin - zen / nemblich die Oeſterꝛeichiſche Lan - den / folgendts Bayrn / Schwaben / Fran - cken / Sachſen / Weſtphalen. Die Oeſter - reicher grainitzen jenſens mit Vngern / vnnd dißſeits mit Boͤhem vnd Bayrn / der Tuͤrck iſt jhr vnfreundtlicher Nachbar / vnnd viſitirt ſie bißweiln / derwegen were zu wuͤnſchen / daß alle Tuͤrcken halb in Bayrn / vnd halb in Oe - ſterꝛeich weren / das iſt / daß ein jeder Tuͤrck mitten von einander geſaͤblet / vnnd der halb Leib hieroben in Bayrn / vnnd der ander inn Oeſterꝛeich were ſo wurden ſie ob Gott will / guten friden vor jhm haben / dann ſie ſeindt dem Tuͤrcken ſo feindt / daß ſie jhne nicht an - ſchawen moͤgen.

G g 3Was470Der Landtſtoͤrtzer.

Was aber Bayrn belangt / gedunckte mich daß es das gelobte heilige Land war / wegen der ſo groſſen andacht / die ich aller orten in den Kirchen vnd Kloͤſtern verſpuͤrte / Jtem wegen der groſſen barmhertzigkeit / welche gegen den Armen begangen ward / mit huͤlff vñ darꝛeich - ung deß H. Allmuſens. Jtem wegen der ſo gar guten Iuſtici, welche aldort meniglichen / dem armen ſo wol als dem reichen / ohne allen re - ſpect adminiſtrirt vnd ertheilt wirdt.

Auß Bayꝛn kamen wir in Schwaben / vnd Francken landt / vñ ich verwunderte mich vber die groſſe freyheit vñ macht der darin verhan - denen Reichs ſtaͤtt / deß Adels / der Ritter / Gra - fen vnd Herꝛen ſtandts / welche vm̃ keinen Fuͤr - ſten nichts geben / vnd mit jhren Keyſerlichen priuilegijs vnd Freyheiten brauiren.

Sachſen iſt gleichfals ein herꝛliches vnnd fruchtbares Landt / im ſelben vnnd ſchier aller anderer orten in Teutſchlandt gefiel es mir außbuͤndig wol / vnnd hette je nicht gemeint / daß es ſolche anſehenliche Prouintzen weren. Nur ein ding aber mißfiel mir / nemlich jhr er - ſchroͤckliches ſauffen vnnd voͤllerey / welchesgleich -471Der Landtſtoͤrtzer.gleich wol kein wunder / dann weil die Teut - ſchen / vnd ſonderlich die Sachſen / von Na - tur vil kuͤler vñ feuchter ſeind / weder wir Spa - nier oder die Welſchen / ſo trincken ſie von na - tur gern veꝛmengte getraͤnck / nemblich Wein / Bier vnnd Moͤth / vnnd diſes Getranck pfle - gen ſie theils zu trincken / theils aber zu ſauf - fen / vnd einander gleichſamb hinein zunotti - gen / vermittelſt deß zubꝛingens / vndeꝛm ſchein der Lieb vnnd Freundtſchafft / dardurch a - ber werden ſie in ein Viech vnnd vngeheure beſtien verwandelt / vnnd kommen daruͤber vmb Leib / Ehꝛ vñ Gut / vnd bißweiln vmb die Seel. Dann ſchir in allen groſſen Herꝛn Hoͤf vnd Tafeln / vnd in allen Hochzeiten / Gaſte - reyen vñ zuſam̃enkuͤnfften thut man einander mit groſſen Geſchirꝛen empfahen vnnd will - komb heiſſen / mit groſſen Geſchirꝛen ehꝛet vñ tractiert man einander / vnnd mit groſſen Glaͤſern dancken ſie einander ab. Jn den ſchlampodien / ſchlemmereyen / collationen / beylagern vnnd ſchlaftruͤncken verbringen ſie ein jaͤmmerliches fretten / ſupen / ſchlemmen vnd demmen / koͤchlen vnnd groͤltzen einanderG g 4zu ehꝛen472Der Landtſtoͤrtzer.zu ehꝛen vñ zugefallen trincken ſie vber macht / damit ſie Gott erzuͤrnen / vnd jhꝛe ſelbſt eygne Leibsgeſundtheit / Sinn / Witz vñ Verſtandt verlieren. Einem vngehewren Menſchen erfuͤllen ſie ſeine begeren vnd willen / vnnd laſ - ſen das Gebott vnd Willen deß allerhoͤchſten Gottes im Himmel fahren.

Nicht allein ſauffen ſie auß den großmaͤch - tigen / ſeltzamen vnnd vngeheuren Bechern vnd Glaͤſern / ſondern auch / wann die Nar - ren voll vnnd doll worden / auß jhren Schu - hen / Filtzhuͤten / Struͤmpffen / Stifeln / ja Bruntz - vnd Seichkacheln / wie die Saͤw vñ Schwein / ſauffen ſich in einem einigen Tag oder nacht vol vnd widerum̃ nuͤchtern vñ wi - derumb voll / hofiren vnd ſpeyen darneben wie die Gerberhuͤnd.

Nichts iſt mir auch naͤrꝛiſcher fuͤrkom̃en / als eben daß ſie einander wegen deſſen oder je - nens geſundtheit / voll vnd Kranck ſauffen / vn - angeſehen es dem andern / von deſſen wegen ſolche Ruͤndt Truͤnck beſchehen / im wenigſten nichts hilfft. Ohne zweifel haben ſie vom Teuffel / ſolche geſundt - oder Sauff kunſt / ge -klaubt /473Der Landtſtoͤrtzer.klaubt / vnd iſt ein Teuffeliſches / Viehiſches / vnnatuͤrliches weſen vnd allergroͤſte thoꝛheit. Daß man auff Hochzeiten oder Cõmiſſio - nen der Fuͤrſten vnnd Herꝛen (vmb welcher willen ſolche Commiſſiones oder Tagſatz - ungen angeſehen ſeind) mit etwan einem klei - nen Glaͤßl mit Wein im beſten gedencket vñ einen Rundtrunck thut / das ging dannocht hin / aber von jhrer geſundt wegen ſo vil vnnd lang ſauffen / daß man vber Tiſch den angſt - ſchweiß ſchwitzet / erſchwartzet vnd zerſchnel - let / das hilfft nicht allein den Fuͤrſten nichts / ſonder ſie verſpottens / vnd ſehens vnd habens vngern / wann ſolche jhre Diener oder Landt - ſeſſen ſich ſelbſt alſo ſchaͤndt - vnd vnnuͤtzlicher weiß verderben vnd den Halß abſauffen / von jhrentwegen / dann fuͤrwar / die affection vnnd trew gegen den Fuͤrſten vnd Herꝛen be - ſteht vnd hafftet nicht im ſauffen noch in der fuͤllerey / ſonder in der nuͤchtbarkeit / verſtandt vnd vernunfft.

Noch eins iſt auch laͤcherlich / daß ſie / wañ ſie dz gantze jaꝛlang vnmaͤſſiglich gnug gelebt / vñ alles hinein geſoffen vñ gefreſſen habẽ / ver -G g 5meinen /474Der Landtſtoͤrtzer.meinen / daß / wañ ſie zur Ader laſſen / aller ſol - cher vnrath als gleich durch das kleine Loͤch - lein der troͤffneten Ader alsbald geſchwindt vnnd im huy / vnangeſehen ſie lang daran geſamblet haben / widerumb hinauß rinnen werde.

Capvt LVII.

Guſman erzehlt / was er an den Teutſchen Weibern vnd Jungk - frawen geſehen.

DAs Leben der Maͤnner iſt ein Ex - emplar jhrer Weiber / iſts derwegen gut / ſo ſchlagẽ jnen die Weiber nach: Jſts aber boͤß / ſo ſeindt ſie gleichfals boͤß: Wie derwegen die Teutſche Maͤnner / ob - verſtandener maſſen / gemeingklich durſtige Seelen haben vnnd derwegen dieſelbigen in den Wirthshaͤuſern vñ Schlampodien laben vnd erkuͤlen / alſo thuns auch an vilen orten jre Weiber / ſauffen ſich nebẽ jren Maͤñern in of - fentlichen Wirtshaͤuſern auff den Hochzeitenvnd475Der Landtſtoͤrtzer.vñ Gaſtereyen ſticken vñ wicken voñ / vnd ha - ben nit allein das erſte geſchwetz vnd geſchrey / ſonder ſeind auch die erſten in allen Schuͤßln / Kanten vnd Glaͤſern / doll vñ voll / ehe vnd be - uoꝛ die Maͤñer recht anfahẽ zutrincken / ſingen grobe noten / oder machen ein ſaubers waſſer - baͤchl vndern Tiſch: ſo gar nemen ſie jre Kin - der / Soͤhn vñ Toͤchter gemeinglich mit ſich: damit ſie deß ſchlem̃ens bey zeiten gewonẽ vñ nit auß der art ſchlagen: darauß aber erfolgt / dz ſolche Toͤchter vnd Jungfraͤwlin ſich der - maſſen anfuͤllen / dz ſie vber ſiben werffen (das heiſt aber ein Jungfrawtruͤncklein) vnd ſambt jrer Mutter auff offner Gaſſen vnnd plaͤtzen / blitzblatz voll herumb ſtoͤrcklen vnnd jhre vol - lerey meniglichen vnuerſchambter weiß ſehen laſſen / ſamb were es jhnen ein ehꝛ.

Weil derwegen die Weiber ohne das von natur ſchwach vnnd bawfaͤllig ſeindt / ſo werden jhre Leiber durch ſolche voͤllerey de - ſto leichter fail vnnd frey: Die Jungkfrawen tragen deſto ſchweꝛer an jren Jungfraͤwlichen kraͤntzlein / verzetten es bißweiln durch die voͤl - lerey / auff den Hochzeiten / Taͤntzen / vnndanderſt -476Der Landtſtoͤrtzer.anderſtwo. Deßgleichen vergeſſen die Ehewei - ber in ſolcher voller weiß jhre trew vnnd ehr / tretten auß dem Geſchirꝛ / werden Schlep - ſaͤck / vnd ſetzen jhren Maͤnnern Bockshoͤrn er auff / zumaln wann dieſelbigen jhnen verwil - ligen vnnd zuſehen / daß ſie circularia oder Krantzmahl halten / jhꝛe vertrawteſte vnd beſte Geſpilen vnd Tautzſchweſtern darzu laden / vnd jhnen dardurch jhre ſubſtantz auß dem Beuttel vernaſchen vnd ſo gar verſpilen moͤ - gen / dardurch dann ſolche Weibernarꝛen vnd F. Liendl deſto ehender auff Straßburg vnd Bettelberg zuziehen fertig werden.

Eben diſes freſſen vnd ſauffen der Weiber machet / daß man nirgendts feiſtere / dickere / großwampetere Bauchkloͤtz vnder jhnen fin - det / als eben in Teutſchlandt / dann auß dem beſtialiſchen jm̃erwehꝛenden Fleiſchfraß vnd fleiſchzigel erfolgẽ ſolche großmaͤchtige groß - batzende / anſehenliche / aber kleinwitzige vnnd vnhaͤußliche Weiber / faule vnnd zu nichtem nuͤtzige Maͤnner.

Einsmals ſahe ich ein ſolche großmaͤchti - ge / dickt / faiſte vnnd ſchoͤne Fraw / vnnd ichfrag -477Der Landtſtoͤrtzer.fragte mein Wirthin / was doch dieſelbe Fraw guts eſſe / ſeytemal ſie ſo ſchoͤn vnd faiſt were? Sie antwoꝛtet: Verwundere dich deßwegen nicht / dann jhre Klugheit vnnd Maͤſſigkeit machet ſie ſchoͤn vnd faiſt / vnd in jhꝛen Kindt - bethen iſt ſie vil eingezogner / deñ andere Fra - wen / vnd weil jhꝛ geſagt woꝛden / daß die dew - ung im Magen zu morgen fruͤh bey ſuͤſſem ſchlaf geſchehe / ſo ſie worgens fruͤh vmb 3. Vhꝛ / oder ein wenig daruor ein Suppen mit drey Eyer / vnnd jhren Specereyen darein / ſchlieffe darauff biß auff fuͤnff vhr / vnnd weil ſie zu ſolcher Stundt jhꝛ Kindt ſaͤugen ſolte / damit jhr nicht etwan ein Ohnmacht oder ſchwaͤche zuging / nam ſie ein Eyermuß von drey Eyern / ſambt einer guten Hennenſup - pen zu jhꝛ. Vmb die ſibne / bracht jhꝛ die pfleg - amm ein bar friſche Eyer / vmb neun Vhr ein gutes Dotterſuͤple / mit Specereyen vnnd et - lichen Straͤublen / mit einem guten Trunck gerechter Traminner / der wermet die Mut - ter wol. Hierauff folget das mittagmahl mit einem Kopaun / etliche gebratne Voͤgel / ein wild Rephuͤnl / vnd zum beſchluß ein Silber -ne478Der Landtſtoͤrtzer.ne Schal mit Wein vnd Brot vberſchuͤtt / mit einem Triſet / das iſt / mit Zucker vnd allerley Specerey vnder einander. Hierauff ging ein Schlaͤfle / nach welchem wider das Kind ſau - gete / vnd ſie vmb ein vhꝛ etliche Brandtkuͤchl / ſambt einẽ guten trunck Wein zu ſich name. Vmb 3. vhꝛen folget die Moͤꝛend oder jauſen / nem̃lich ein gebratenes Kopaͤunl / neben einem ſchuͤſſele voll kleiner Fiſchen / Grundlen / vnd Pfrillen vnder einander / dañ man diſe gar fuͤr geſund haͤlt / vnd die Moͤrend ohne das etwas ſeltzambs vñ luſtigers als die andern Malzeitẽ ſein ſol. Der Moͤꝛend beſchluß war jhr Wein vñ Brot mit Triſet. Vm̃ 5. vhꝛ / als das Kindt wider ſaugen ſolle / als ſie der ſchwaͤche fuͤrzu - kom̃en / ein gutes Eyerkuͤchle / vnd ein Trunck Wein / hierauf dz Nachtmal mit 5. oder 6. ſpei - ſen / geſottens vnd gebꝛatens / auch mit etlichen kleinẽ Aeſchlein oder Foͤrchlein / oder geroͤſten Dolmen / weil diſe gar geſunde Fiſchlẽ fuͤr die Kindbetterin ſein ſollen. Vnd damit ſie deſto luſtiger zum eſſen wer / ladet vnnd beruffet ſie jhren Mann zu jhr / der jhr Geſellſchafft lei -ſtete.479Der Landtſtoͤrtzer.ſtete. Vmb ſiben vhr gegen Nacht trancke ſie nur ein gute Koppenſuppen. Vmb neun vhr vor dem Schlaf vnnd vor dem Kindt - ſaugen / namb ſie widerumb etlich Brandt - kuͤchlein / dann ſie ſagte / daß ſie auff die Nacht gering vnnd gut zuuerdewen ſein / vnd beſchloſſe mit einem Wein vnnd Brot / vnnd Triſet. Wann ſie aber vmb mitter Nacht erwachte / lieſſe ſie jhr ein gutes Dot - terſuͤple mit Specereyen machen / vnnd diß war der Beſchluß deß vberauß maͤſſigen vnnd eingezogenen Lebens diſer Frawen in der Kindtbeth. O ſchoͤne maͤſſigkeit vnnd Eingezogenheit. Weil dann im Teutſch - landt die maͤſſige Weiber in der Kindtbeth alſo leben / ſo iſt leichtlich zuerachten / wie die vnmaͤſſige zu leben vnnd ſich zuuerhalten pflegen.

Wuͤnſchen wolte ich / daß vnſerer Span - niſcher gebrauch vñ Artzney auch in Teutſch - landt vblich were / dañ wir habẽ ein ſonderbaꝛe Guͤrtel vñ gewiſſe Maß / mit dern man jaͤhr - lich alle ledige vñ andere weiber (außgenom̃endie480Der Landtſtoͤꝛtzer.die Schwangern) vmbguͤrtet / vnnd die jeni - gen / welche jhre Wampen vngebuͤhrlich an - geſchopt haben / offentlich auff den Pranger ſtellet / damit jhre Wampen vnd groſſe Baͤuch wol geſehen werden.

Woferꝛn die Artzney in Teutſchlandt pra - ctiſirt wuͤrde / ſo wurden verhoffentlich alle fruͤchte der Erden / deß Luffts vnd deß Waſſers beſſer erſprieſſen / alle ding wolfailer werden / vnnd nit ſouil ſauffſucht vnnd Kranckheiten / nem̃lich die Waſſerſucht / der Auſſatz / die vn - ſinnigkeit / die melancoley / vergicht / ſchlaf - ſucht / der Schlag / das zittern / die Laͤme vnnd kruͤmme der Haͤnden / die hitzige vnnd gifftige Fieber / vnd der gaͤhe Todt regieren.

Capvt LVIII.

Guſman erzehlt / wie es jhm vnnd ſeiner Geſellſchafft in Weſtphalen ergangen / vnd was ſie einem Jubilirer zu Luͤt - tich fuͤr einen boſſen geriſſen.

Als481Der Landtſtoͤrtzer.

ALs wir gantz Oberteutſchlandt / durch - ſtrichen hatten / kamen wir letztlichen in Weſtphalen / daſelbſt gings vns vbel / dann etliche Waloniſche Freybeuter begeg - neten vns auff der Straß nach Muͤnſter / vnnd namen vns nicht allein vnſeren Come - diantiſchen Zeug vnd Kleider / ſondern zohen vns auch alle vnſere Leibskleider biß auff das Hem̃et auß. Vñ weil ſich vnſer obriſter Mei - ſter Pantaleon wolte zur wehꝛ ſtellẽ / ſo ward er in der furi erſchoſſen: Das beſt war / dz vnſers Meiſters Fraw / namens Lucretia / allbereit den Tag zuuoꝛ vorangezogen vnd all jhre vnd jhꝛes Manns Barſchafft vnnd Kleinoder mit ſich gen Muͤnſter in die Statt gebracht hatte / ſonſten were es den Freybeutern gleichfals zu theil woꝛden. Jn diſer armſeligen vnd bloſ - ſen geſtalt kamen wir gen Muͤnſter (welches die Hauptſtatt inn Weſtphalen vnnd deß Biſchoffs Reſidentz iſt) vnnd wurden durch huͤlff vnſers vmbbrachten Meiſters Fra - wen widerumb geklaidt. Jn wehrendem vnſers Meiſters Lebzeiten hatte ich vilmals ein freundtliches Aug auff ſein Fraw geworf -H hfen /482Der Landtſtoͤrtzer.fen / deßgleichen ſie auff mich / derwegen ge - dunckte mich an jetzo ein rechte zeit zu ſein / daß ich meinen Angel außwuͤrffe / vnd mein heyl verſuchte / damit ſie mir zu theil wur - de: Mein intent vnnd verlangen gerieth mir / dann ſie war willig / vnnd wir ver - ehelichten vns mit einander anfangs heim - lich / folgendts offentlich: Jch vberꝛedete auch meine Geſellen / daß wir von dan - nen durchs Niderlandt vnnd Franckreich / folgendts in Hiſpanien gen Valentia auff deß Koͤnigs Philippi deß dritten Hochzeit / die er mit deß Ertzhertzogs Caroli Tochter Fraͤwlein Margret halten wurde / ziehen / vnd daſelbſt mit vnſern Comedien vil Gelts loͤſen wolten.

Weil aber wir Geltloß waren / vnnd mein Fraw jhre Kleynodien vngern her - gab / ſo gedachte ich auff alle Mittel vnnd weg / damit wir Gelt zuwegen bringen: vnnd mit Ehren weiter kommen moͤch - ten. Einsmals vnder wegs begegnete vns ein ſehꝛ ſchoͤner junger anſehenlicher / a - ber zerꝛißner vnnd vbelgekleidter Menſch /der483Der Landtſtoͤrtzer.der ſahe vns fuͤr Herꝛen an / vnnd bate vmb ein Allmuſen: Jch gab jhm eins / vnnd gab jhme zuuerſtehen / daß / woferꝛn er vn - ſern Rath folgen / vnnd alles das jenig thun wolte / was wir jhm befehlen wurden / wir jhne in Sammet vnnd Seiden kleiden vnnd einen anſehenlichen Grafen auß jhme ma - chen wolten. Das hoͤrte er gern vnnd gab ſeinen willen darein. Da kleideten wir jh - ne in lauter Sammet vnd Seiden / henckten jm ein ſcilicet guldene Ketten an halß / gaben jhm gnug zueſſen vnd zutrincken / vnd als wir gen Luͤttich in die Statt kamen / zohen wir in ein ſtattlichs Wirtshauß ein / vnd lieſſen vns herꝛlich tractiren: Jetzt vermelter junger Kerl war vnſer Herꝛ / wir hieſſen jhne einen gnaͤdigen Herꝛn / biegten vnd buckten vns vor jm / vñ erzeigten jm aller orten auf der Gaſſen vñ im Hauſe alle gebuͤrliche reuerenz. Eins - mals als wir beyſam̃en zu Tiſch ſaſſen / weid - lich zechten vnd vnſern Grafen voll ſoffen / ich aber ſambt meiner Geſellen einen baten den Wirth / daß er vns doch zu etwan einem Ju - bilierer fuͤhren wolte / der allerhandt ſchoͤ -H h 2ne484Der Landtſtoͤrtzer.ne Ring vnd edle Geſtein hette / ſeytemal vn - ſer gnaͤdiger Herꝛ voꝛhabens were vmb etlich tauſent Gulden werth zukauffen: Der Wirth brachte vns geſchwind einen zu wegen / der zeigte vns außbuͤndige koͤſtliche Kleinoder / ſo biß inn 10000. Gulden werth waren: Jch nam ſie zu mir / ging zu vnſerem am Tiſch ſitzenden Herꝛen Grafen / vnnd ſtellte mich / als wolte ich jhms zeigen vnnd fra - gen ob ers kauffen wolte: Kam aber wider zum Jubilirer ſambt den Kleynodien vnnd gab jhm zuuerſtehen / daß ſie jhrer Gnaden dem Herꝛen Grafen nicht vbel gefielen / a - ber weil er allbereit einen guten rauſch hette / ſo koͤnne er gleich jetzo keinen Kauff mit jh - me treffen / Jnnmittelſt moͤge er ſeine Kley - noder wol widerumb mit ſich heimb nemen vnd vber ein Stundt oder zwo wider kom̃en. Der Jubilirer war hoͤflich vnd ſagte / er woͤl - le gleichwol wider kommen / aber die Kley - noter moͤge man wol ſo lang behalten vnnd nach notturfft beſchawen. Das war nun eben das rechte / was wir ſuchten vñ begerten / dann alsbaldt ich die Kleynoter inn meineHaͤnd485Der Landtſtoͤrtzer.Haͤnd bracht hatte / gab ichs meinen Mitge - ſellen heimblich zuuerſtehen / vnd ſie vnnd ich ſtahlen vns allgemach einer nach dem andern auß dẽ Wirtshauß / vñ auß der Statt / lieſſen vnſeren gnaͤdigen Herꝛen den Grafen an dem Tiſch ſchlaffendt ſitzen / vnnd eylten auß dem Luͤtticher Gebiet.

Vber zwo Stundt hernacher kam der Ju - bilirer / vnnd begerte audientz beym Herꝛn Grafen / weil aber kein einiger ſeiner Diener verhanden war / der Graf noch ſtarck ſchlief / vnnd der Wirth vermeinte / daß wir Diener ſonſten in der Statt ſpacieren gangen waren / ſo ermahnte er den Jubilirer zur Gedult / je laͤnger nun der Jubilirer wartete / je weni - ger vnnd langſamer kamen wir Diener wide - rumb heimb / derwegen verluhr er vnnd der Wirth die Gedult / wolten auch laͤnger nicht warten / ſondern gingen inns ſchlaffenden Herꝛen Grafens Zimmer / weckten jhne auff / vnd fragten jhne / ob er die Kleinoͤder gedaͤchte zu kauffen? Er gab zur antwort / daß er vmb keine wiſſe / aber man moͤchte ſeinen Hofmei - ſter fragen. Man wartete denſelben gantzenH h 3Abent486Der Landtſtoͤrtzer.Abent biß in die Nacht auff den Hofmeiſter / weil aber weder derſelb noch kein anderer Diener kam / ſo beſoꝛgten ſie ſich der ſchalck - heit / namen letztlichen den Herꝛen Grafen beym Kopff / legten jhne in ein Gefaͤngknuß vnd beſprachten jhne guͤt-vnnd peinlich: Der bekennte gleichwol alles was ſich mit jhme vno ſeinen Leuthen verloffen / vnd was geſtallt ſie jhne von ohngefaͤhr / auff der Straſſen auf - geklaubt / zu einem Grafen gemacht / ſtattlich gekleidt / in diſes Wirthshauß gebracht vnnd vollgeſoffen / aber daß jhm weder vmb die Kleinoͤter / noch vmb ſein Leuth / vnnd wohin ſie kommen / im wenigſten nichts bewuſt we - re. Dem allem vnangeſehen aber ward deß Herꝛen Grafen gnad mit Ruthen auß der Statt gehawen / vnd muſte der Wirth ſein Gelt / vnd der Jubilirer ſeine Klei - noter verlohꝛen ha - ben.

Capvt487Der Landtſtoͤrtzer.

Capvt LIX.

Guſman vnnd ſein Comediantiſche Geſellſchafft kombt gen Amiens in Franck - reich / zeucht von dannen in Hiſpanien gen Valentz ꝛc. wirdt daſelbſt gefangen vnd zum Galgen ver - urtheilt.

DEr boſſen mit dem Jubilierer war vns gerathen / vnnd ich brachte einen anſehenlichen Schatz an Kleino - dien zuwegen / vnnd kam darmit gen Ami - ens inn Franckreich / daſelbſthin verfuͤg - ten ſich auch meine Geſellen veranlaſter maſſen: Wir zohen aber nicht inn einer - ley Herberg / damit wir nicht von Luͤttich auß verkundiſchafft wuͤrden. Von dannen zohen wir auff Paris / folgendts durch Ga - ſconien vnnd Nauarra, vnnd erꝛeichten letztlichen die Hiſpaniſche grainitzen / daſelbſt vermeinte ich ſicher zuſein / verkauffte einen guten theil vnſer Kleinoͤter / kleidete mich vnd meine Geſellen ſehꝛ ſtattlich vñ verſahen vnsH h 4mit488Der Landtſtoͤrtzer.nicht allem deme / was zu agirung aller ſchoͤ - nen vnnd kurtzweiligen Comedien gehoͤrte. Mein Fraw Gemahl zohe mit vns / vnnd wir hatten aller orten einen herꝛlichen vnnd guten muth / lebten ſtattlich / vnd ſparten weder den Wein noch Gelt / dann wir hattens leichtlich gewunnen.

Mein Fraw war ein Teutſchin vnnd deß ſauffens gewohnt / deßgleichen ſpaꝛtens meine Geſellen auch nicht / vnnd weil es damals in Hundtstagen vnd ein vberauß heiſſe zeit war / ſo war der durſt meiner Frawen deſtogroͤſſer / denſelben loͤſchte ſie ſo lang / biß ſich Lung vnd Leber in jhꝛ entzuͤndete / erkranckte / inn wenig tagen zu Liſabona in Portugal diſem Leben vrlaub gab vnd jhꝛe Taͤg mit vollendung deß Todts beſchloſſe.

Diſes war nun das andermal / daß ich verwittibt vnd bereichert ward / dann ich war nunmehr ſelbſt ein Patron vnd Obriſter Co - mediant / hatte vil Gelts vnd Kleinoder / aber es wehꝛete nicht lang / dann ehe vnd beuor ich vnd mein Geſellſchafft die Statt Valentia erꝛeichten / war es meiſten theils verſchlembt /ver -489Der Landtſtoͤrtzer.verſpilt vnd verthan. Daſelbſt zu Valentia ward deß vorbemelten Koͤnigs Philippi Hochzeit gehalten / vnd ich hielt ein Comedi vnd Tragœdi, vnnd ward dardurch ſehr be - kandt / beruͤhmbt / vnnd von ſchoͤnen Frawen geliebt / vnd ſonderlich von einer die hieß Jſa - bella / die war auch außbuͤndig vnd dermaſſen ſchoͤn vnnd holdtſelig / daß ich mich inn ſie vernarꝛete vnd ſie zur Ehe nam / aber mit mei - nem euſſerſten ſchaden vnnd verderben / dann ſie war faul / zerhafft / vernaſcht / gail / hoffaͤrtig vnnd vnerſaͤttlich: Alles was ich jhr gab / war zu wenig / nichts wolte bey jhꝛ erſpꝛieſſen / dann ſie henckte es alles jhren alt bekandten ſerui - dorn vnnd Galanen an / dardurch ward ich geſchwindt fertig / Vnnd weil ich jhr nichts mehr hatte zugeben / vnnd ſie jmmerdar vil wolte haben / ich auch jhr nichts verſagen o - der abſchlagen doͤrffte / ſo begab ich mich a - bermals auffs ſtehlen vnd rauberey. O wie recht vnnd wol hat der weiſe Mann geſagt / daß drey ding vnerſaͤttlich ſeind / nemblich die Hoͤll / ein vnkeuſches Weib / vnnd die Erde / keinen vnderſchid machet er zwiſchen jhr vndH h 5der490Der Landtſtoͤrtzer.der Hoͤllen / von der Hoͤllen vnerſaͤttlichkeit redet Zacharias vnd ſpricht: dilatauit infer - nus animã ſuam, & aperuit os ſuum abſ - que vllo termine: Als wolte er ſagen / die Hoͤll hat jhren ſchlundt dermaſſen weit auff - gethan / daß / ob ſchon noch ſo vil hundert tau - ſent Seelen hinein kommen / doch mans nicht verſpuͤret oder mercket. Zugleich er weiß auch wie die Hoͤll pfleget die Seelen nicht allein zu ſich zunemmen / ſonder auch in jhꝛen Flam̃en zubrennen / vnd zupeinigen: Alſo ſehen wir / dz ein vnkeuſches Weib niemaln erſaͤttigt wird / jhre Buler in jhren begirlichkeiten zuuerbrin - nen zupeinigen vnd zumarteren.

Vilaͤrger iſt das Fewr deß boͤſen Weibs / weder das Fewer der Hoͤllen / dann das Hoͤl - liſche Fewer brauchet dannocht ein diſcre - tion vnd beſcheidenheit / vnnd peiniget einen jeden / nach ſeinen verdienſten / aber das Fewer vnd die ſchnoͤde Begierd vnd Geitz eines boͤ - ſen Weibs peiniget ſo wol jhren ehelichen als vnehelichen Mann. Das Hoͤlliſch Fewer peiniget die Verdambten / wegen der beleidig - ungen / die ſie wider Gott begangen / aber einboͤß491Der Landtſtoͤrtzer.boͤß Weib peiniget jhren Liebhaber wegen de - ren jhr erwiſenen guten dienſten / Jnmaſſen auch mir beſchehen / dañ je mehꝛ ich diſer mei - ner Jſabella guts thate / je mehr ſie mich pei - nigte / außmergelte vnnd verurſachte / daß ich ſambt meinen Geſellen den Leuthen bey der Nacht jhre Maͤntel vom Leib riſſe / verkauffte vnnd das darauß geloͤſte Gelt meiner ſchoͤnen Frawen anhenckte.

Diſes mein Nachtgejaidt / Kappenrucken vnnd Maͤntel ſtehlen trib ich ſo lang / biß man mich letztlichen erdapte / befaͤngknuſte ernſtlich beſprachte vnd zum Galgen verur - theilte / welches dann eben das rechte war / dar - nach ich jederzeit ſo ſehr gerungen: We - re mir auch ohne zweifel zu theyl worden / woferꝛn ich nicht erbetten worden we - re / jnmaſſen auß nachfolgendem Capitel zuuernem - men.

Capvt492Der Landtſtoͤrtzer.

Capvt LX.

Guſman wirdt in der Gefaͤngknuß heimbgeſucht / getroͤſt / hinauß zum Galgen gefuͤhrt / aber erbetten vnnd auff die Galeen verur - theilt.

JN wehrender meiner Gefaͤngknuß hoffte ich jmmerdar der erledigung / ſeytemal ich inn der außgeſtandenen tortur mehrers nicht bekennt hatte / als den erſt newlich mit den Maͤnteln begangenen Diebſtal / aber einsmals viſitiert mich ein Beyſitzer deß Hofgerichts / diſcurierte mit mir von meinem Handel vnd ließ ſich darne - ben vernemen / daß ich gar wol verdient hette / daß man mir das Prouiant Hauß verſperꝛte. Das vberhoͤꝛte ich gleichſamb vnnd verant - wortete es ſonderbars nicht: Derwegen vnnd damit ich jhne noch beſſer verſtehen ſolte / ſo redet er gar vil von den heiloſen Leuthen vnnd Landtſtoͤrtzern vnnd ſagte / daß es je ein boͤſer handel were / dann was ſolche Geſellen langan den493Der Landtſtoͤrtzer.an den Fuͤſſen erſparen / das muͤſſen ſie letztli - chen an dem Halß erſparen. Diß wolte ich noch nicht recht verſtehn noch einnemen / ſon - dern nams inn ſchertz auff: Derwegen gab er mir letztlichen zuuerſtehn / dz ich mich wol gehaben ſolte / ſeytemal man mich baldt auß - laſſen / erhoͤhen vnnd in Lufft arreſtiren laſ - ſen wurde: Jch fragte vnnd bate jhne / daß er mir doch eygentlich ſagen wolte / wie ers vermeine / vnd wie es muͤglich were / daß man einen in die Lufft verarꝛeſtiren koͤnne? Aber er laͤchelte / nam vrlaub von mir / vnnd ſagte / daß gar baldander Leuth zu mir kommen vnd mir ſein mainung erklaͤren wuͤrden. Da fing ich erſt an zu zweiflen / vnd gedachte daß er villeicht durch die obberuͤhꝛte Phraſes das hencken vermeint haben moͤchte / derwegen machte ich mir je laͤnger je mehꝛ boͤſe Gedan - cken / gedachte zu ruck / hinder mich vnnd fuͤr mich / das vergangene / das gegenwertige vnd zukuͤnfftige: O hette ichs ehe gethan / ſo wur - de ich mich an jetzo in keinem ſolchen boͤſen Standt befunden haben: Aber leyder / es war nunmehr zuſpat / derwegen vnd weil ich Gottmeinen494Der Landtſtoͤrtzer.meinen Herꝛen ſo offt vnd vilmals verlaſſen / vnd gleichſamb mit gewalt von mir geſtoſſen vnd getriben hette / ſo gedunckt mich an jetzo / daß er mich gleichfals verlaſſen / vnnd ſein Goͤttliche Hand von mir abgezogen hatte / dannenhero fing ich an mich ſehr vbel zuge - haben / vnnd gleichſamb in verzweiflung zu - gerathen.

Als ſolches der Kerckermeiſter vermerckte / holte er zween Barfuͤſſer Muͤnch / deren ei - ner fing an von weittem mit mir zu diſcur - rieren, vnnd mich vmb meine gelegenheit vnnd anligen zu fragen / vnd als er vermerck - te / daß ich faſt kleinmuͤtig war / ſprach er: Mein Freundt / du ſolleſt wiſſen / daß der Teufel vnſer abgeſagter feind vns Menſchen mit allerhand verſuchungen / vnnd ſonderlich mit zweyerley anfichtet: Mit der einen treibt er vns zu der vermeſſenheit / vnnd mit der an - dern zu der verzweiflung.

Was das erſte / nemblich die vermeſſenheit belangt / ſihe vnnd ſpuͤre ich an dir / daß der boͤß Feindt dich von deiner zarten Ju - gendt hero dermaſſen vberredt vnnd einge -nommen /495Der Landtſtoͤrtzer.nommen / daß du inn deinen Suͤnden / La - ſtern vnnd boßheit jederzeit halßſtarꝛigklich beharꝛet / vnnd dich vor der allen Gottloſen betrohten Goͤttlichen Straff im wenigſten gefoͤrcht haſt / vnnd biſtu derwegen biß dato eben der jenig geweſt von welchem geſchriben ſtehet: Peccator cum in profundum vene - rit: contemnit.

So vil aber das ander / nemblich die ver - zweiflung belangt / wann die Vbelthaͤter letzt - lichen inn die Haͤnd der iuſtitiæ oder weltli - chen Obrigkeit gerathen / alsdann erjnnert vnnd mahnet der boͤſe Feindt ſie an das ſehr ſtrenge vrthel GOttes wider die Suͤnden / Jtem an die ſchwere vnd ſchendlichkeit ſeiner Suͤnden / an die vnmuͤglichkeit der Satisfa - ction vnd genugthuung / vnnd an die geſchaͤ - migkeit deß beichtens / vnnd vermittelſt diſer Gedancken bringet er jhne inn verzweif - lung: Eben alſo ergehts auch dir / vnnd zu gleicher weiß wie ein Nachtigal / wann ſie gefangen worden / ſich dermaſſen er - zuͤrnet / daß ſie ſtirbt / allſo weil du dich an jetzo nicht allein inn den Haͤn -den469[496]Der Landtſtoͤrtzer.den der Iuſtitiæ ſondern auch deß Teuffels banden gefangen befindeſt / ſo erzuͤrneſtu dich dermaſſen wider dich ſelbſt / daß du verzwei - felſt vnd ſam̃t jenem ſpꝛichſt: deſperaui, ne - quaquam vltra iam viuam: Aber mein lie - ber Freundt / nicht lauffe alſo zum ewigen Todt / nicht begib dich der verzweiflung zum raub / nicht thue ſtatt den boͤſen gedancken / nit ſprich ſampt jenen: deſperauimus, poſt cogitationes noſtras ibimus: ſonder lauf - fe vnd eyle zum heilſamen remedio vnd port der Goͤttlichen barmhertzigkeit / dann ob ſchon deine Suͤnd die anzahl deß Sandts am Meer vbertreffen vnnd vil groͤſſer weren / dann die Suͤnd Judæ / Pilati / Sodomæ / aller Juden vnd vbelthaͤter / ſo iſt doch Gott willig vnd be - reit dich zubegnaden / woferꝛn du zu jhm lauf - feſt / wahre rew vnd leydweſen haſt / vnnd jhne vmb gnad anruffeſt. Vnendtlich vil groͤſſer iſt ſein Barmhertzigkeit / weder da ſein kan dein Boßheit: Seine allerheiligſte Wunden bezeugen / daß du mit jhm verſoͤhnt kanſt wer - den / woferꝛn du ein wahꝛe rew haſt vber deine Suͤnd / vnd jhne von hertzen begereſt zulieben:Seine497Der Landtſtoͤrtzer.Seine allerheiligſte Armẽ ſtreckt er am Creutz auß / damit er die Suͤnder auffneme vnd vmb - fahe / woferꝛn du in denſelbigen begereſt zu le - ben vnd zu ſterben.

Capvt LXI.

Guſman wirdt noch durch einen an - dern Geiſtlichen heimbgeſucht / vnnd getroͤſt / zur Beicht vnd Communion bewegt. Vor Gericht gefuͤhꝛt / zum Strang verur - theilt / aber erbetten vnnd auff die Galeen ge - ſchmidt.

ALS ich oberzehlter maſſen durch einen Franciſcaner Muͤnch heimbgeſucht vnnd etlicher maſſen geſterckt worden / kam deß andern Tags hernacher ein Domi - nicaner gleichfals zu mir vnnd ſprach vnder andern: Mein lieber Freundt ohne zweifel haſtu in heiliger Schrifft geleſen / was Ge - ſtallt der Prophet Eſaias zum krancken Koͤ - nig Ezechia kommen vnd geſagt: DiſponeI idomui498Der Landtſtoͤrtzer.domui tui, quia morieris tu, & nõ viues, Weil ich dann von dem jenigen religioſo, der dich geſtern heimbgeſucht / vernommen / daß du gleichfals kranck / vnnd dich deß ſter - bens beſorgeſt / ſo hab ich dich ebenmaͤſſig heimbſuchen vnnd ermahnen woͤllen / daß du dein Hauß oder Gewiſſen verſoꝛgen / dir ein gute fahrt zum Himmel beraiten / den vnreinen Geiſt vnd deſſen boͤſe eingebungen auß deinem Hertzen vnnd Sinn ſchlagen vnd vertreiben / dich mit deinem GOtt / ver - mittelſt der wahren contrition, beicht vnnd genugthuung / ſo vil jmmer muͤglich / ver - ſoͤhnen / vnd ein Kind deß ewigen Lebens wer - den muͤgeſt. Vnd ob ſchon dein pœnitentz vnnd bußfertigkeit nicht genugſamb iſt / deine Suͤnd zuuertilgen / ſo erſetzet es doch die groſ - ſe vnd vnentliche Barmhertzigkeit GOttes / dieſelbe vermiſchet ſich mit deiner Buß - fertigkeit vnnd vberwindet deine Boß - heit.

Nicht ſprich: ich hab zuuil geſuͤndigt / vnnd kan nicht ſelig werden / noch auch den zornigen GOTT bitten / es iſt vil zu ſpat /ſon -499Der Landtſtoͤrtzer.ſondern ſprich ſambt dem Dauid: Miſe - rere mei Deus ſecundum multitudi - nem miſerationum tuarum dele ini - quitates meas: Dann die groſſe Barm - hertzigkeit deß HERREN vertilget groſ - ſe Laſter / vnnd die meng ſeiner Barmher - tzigkeit verzeihet die meng der Suͤnden: Zu allen vnnd jeden Stunden vnnd Zeiten iſt er willig vnnd berait die bekehꝛte Suͤnder zu gnaden auff zunemmen / Dann er ſelbſt ſpricht: reuertere ad me, & ego ſu - ſcipiam te: Wer aber an ſolchem ſeinem guten willen vnnd Barmhertzigkeit zwei - felt / der iſt jhrer nicht wuͤrdig vnnd wirdt vn - der die vnbußfertigen gezehlt: Aber die auff den Herꝛen hoffen / werden mit Barmhertzig - keit vmbgeben.

Jnnmittelſt nun du wahre Rew vnnd Buß haſt / hoffeſt vnnd betteſt / bitten die Hei - ligen fuͤr dich / die Engel bringen dem Herꝛn dein noth vnd verlangen fuͤr / vnnd CHriſtus ſelbſt bittet den Vatter fuͤr dich / dann er iſt ein Aduocat / Fuͤrſprecher vnnd Aduocat der Bußfertigen / keines wegs aber der vnbußfer -J i 2tigen500Der Landtſtoͤrtzer.tigen vnnd verſtockten Suͤnder / ſondern vil - mehꝛ iſt er jhꝛ ſtrenger Richter.

Jch ließ mir diſe erjnnerung zu Hertzen gehen / beichtete vnd Communicirte / ward deß andern Tags hernacher voꝛ Gericht gefuͤhrt vñ zum Strang verurtheilt / deſſen beſchwerte ich mich / gab mich fuͤr einen gebornen Edel - mann auß / beruffte mich auff die priuilegia; welche die Edelleuth von den Geſaͤtzen / von Fuͤrſten vnd von den gebꝛaͤuchen hergebꝛacht / ſo vnder anderen auch diß vermuͤgen / daß nemblich kein Edelman mit Ruthen gezuͤch - tiget / noch gefoltert oder an der ſtrengen frag gewoꝛffen / ſonder allzeit gnaͤdiglicher geſtꝛaft / keins wegs aber gehenckt / aber wol gekoͤpfft werden ſolle / derwegen ſpricht Euripides: Turpes quidem laquei ſublimes &c. vnd Virgilius ſpricht: Et nodum informis le - thi trabe nectit ab alta. Hierauff aber ward mir zur antwort gegeben / daß man den Edel - man lauffen / aber den Dieb hencken laſſen wurde. Vnd ob wol ich ſtarck darwider pro - teſtirte, vnnd jhnen zuuerſtehen gab / daß ich im wenigſten gedaͤchte mich hencken zulaſſen /ſie501Der Landtſtoͤrtzer.ſie moͤchtẽ gleich darauß machen was ſie woͤl - ten. Deßgleichen wehꝛete ich mich vnnd ap - pellirte von dem vngerechten vnnd vnbarm - hertzigen Vrthel deß maſculini generis, oder Mannsgeſchlechts an das gerechte vnd barmhertzige fœminimum genus, oder Weibsgeſchlecht vnnd ſonderlich an die Koͤ - nigkliche Braut: Mit bitt / man woͤlle es jhꝛer Majeſtaͤt alſo fuͤrbringen vnnd bey derſelben vmb ein allergnaͤdigſte interceſſion vnd fuͤr - bitt anhalten: Dem allem aber vnangeſehen / fuͤhrte man mich hinauß zu der Gerichtſtatt / vnnd auff die Laiter / vnnd als man mir den ſtrick vmb den halß legen wolte / verwiderte ich mich deſſen / vnnd ſagte zum Hencker / er ſolls bleiben laſſen / dann ich koͤnne je nichts enges vmb den Halß leiden / vnnd were es nicht ge - wohnt: Deſſen lachte jederman vberlaut: Jm wehꝛenden Gelaͤchter ſahe ich einen auff der Poſt eylendts daher reiten / der winckte mit dem Hut / vnnd ſchrye / daß man mit der execution jnnhalten ſolle: Vnnd als er herbey kam / vbergab er dem Richter einen Koͤnigklichen Befelch / deß jnnhalts / daßJ i 3die502Der Landtſtoͤrtzer.die Koͤnigin mich außgebetten / vnnd ich an ſtatt der woluerdienten Strangsſtraf drey Jarlang auff die Galeen zurudern condem - nirt ſein ſolte. Das ward nun mit hoͤch - ſtem meinem frolocken alſo exe - quirt vnnd vollzo - gen.

Ende deß erſten Theils.

Ander503

Ander Theil be - greifft / was geſtallt Guſman ſich bekehꝛt / vnd was er fuͤr ein ſeltza - me aber herꝛliche vnd ſchoͤne Reiß gen Jeru - ſalem verꝛicht / vnnd ſich darzu ſtaf - fiert vnnd verſehen hat.

Guſman kombt nach außgeſtande - ner drey Jaͤhrigen Galeen Gefaͤngknuß in einen Wald / beklagt ſeinen vñ der Welt arm - ſeligen ſtandt / vnnd wirdt durch einen Einſidler auff den weg der - nitentz gefuͤhꝛt.

NAch außgeſtandener drey Jaͤhꝛi - ger Galeen Gefaͤngknuß / kam ich in einen Waldt / ſetzte mich vnder einen Baum / betrachtete mein vergangenes Leben vnd den armſeligenJ i 4vnd504Der Landtſtoͤrtzer.vnd gefaͤhꝛlichen Standt der Welt / redete mit mir ſelbſt vnd ſpꝛach: O armſeliger Guſman was biſtu? was wiltu anfahen? wo wilſt hin - auß? So vil dein Seel belangt / iſt dieſelbe auß nichts erſchaffen / vnnd gedencket / bege - ret vnnd verlanget nichts anders / als nichts / Mit ſehꝛ ſchweren Suͤnden iſt ſie behafft / im Verſtandt iſt ſie vnwiſſendt / im affect ver - derbt / im willen blindt / in der Gedaͤchtnuß vergeßlich / in der begirlichkeit mutwillig / in dem Zorn gaͤch vnnd wuͤtig / vnnd in allen jhꝛen potentijs vñ ſtaͤrcken ſchwach / kranck / vnd bloͤd: Fuͤrwar groß iſt dein armſeligkeit / ſeytemal du von dir ſelbſt niemaln keinen eini - gen guten Gedancken kanſt haben / vnd nicht weiſt ob du in der gnad oder vngnad deines Gottes biſt.

Was aber deinen Leib belangt / iſt derſelb auß einer ſehꝛ ſchaͤndtlichen materi erſchaf - fen / mit allerhandt vnflaͤtereyen / vnreinigkei - ten / grauſamen Geſtanck / der ſterblichkeit vñ verweſenheit beladen: Was ſoll ich aber ſa - gẽ von der boßheit / vnbeſtaͤndigkeit vñ toꝛheit diſer welt? totus mundus in maligno poſi -tus,505Der Landtſtoͤrtzer.tus, in malo igne, in ignibus malis: O wie offt hab ich diſen malignum gleichwol verſucht / aber nicht vberwunden. O wie ſchaͤdlich iſt die Welt denen / die ſie nicht recht wiſſen zugebrauchen / dann alle jhꝛe gran - dezen, Hochheiten vnnd Wolluſt ſeindt je nichts anders als ein lautere eytelkeit / betrug vnd bitterkeit: omnis gloria hominis ſter - cus & vermis, Homo quafi ſterquiliniũ in fine perdetur. Vbiq; luctus, vbique gemitus & plurima mortis imago. Felix ergo homo, ſi malignus non tangit eum.

Als ich diſer geſtallt mit mir ſelbſt redete / vnd mich ſelbſt fragte / wo ich doch hingehen vnnd mich wenden wolte? Hoͤrte ich vnuerſe - hens ein Stimm / die ſprach: ad pœni - tentiam eas: das iſt: Gehe hin vnnd verfuͤge dich zu der buß. Jch erſchrack / weil ich nie - mandt ſahe: Letztlichen aber kroche ein alter Einſidler auß der hoͤle deß Baums (darinn er ſich bißweilen pfiegte auffzuhalten / vnd vnder welchem ich damals ſaß vnnd verſtandener maſſen mit mir ſelbſt redete) herfuͤr / lachetJ i 5mich506Der Landtſtoͤrtzer.mich freundtlich an vnnd ſprach: Mein Freundt / ich ſpuͤre / daß du ein groſſer Suͤn - der / vnnd ſehr trawrig vnnd zweifelhaff - tig biſt / vnnd nicht weiſt / was du anfahen oder wohin du gehen ſolleſt: Aber ich hab dir allbereit geantwort / daß du dich zu der pœnitentz vnnd Buß verfuͤgen ſol - leſt.

Jch aber fragte den Einſidler / was dann die pœnitentz fuͤr ein ding were? Er ant - wortet: die pœnitentz vnnd Buß iſt nichts anders / als ein Abſoͤnderung von dem Teu - ſel / vnnd ein Bekehrung zu GOTT / ver - mittelſt der vbung vnnd außſtehung groſſer Muͤhe vnd Arbeit: Sie iſt ein Aufferſtehung von Suͤnden / oder ein pact mit GOTT eines beſſern Lebens: Dann er ſelbſt begeret die Bekehrung von vns ſprechendt: Miſeri - corsſum, & diligens miſericordiam na - tura, longanimus, diligens viſcera miſe - ricordiæ, benignus, filiorum amans, pa - ratus conuerti propter humanas nequi - tias. Derwegen ſpricht Bernardus: O hu -mili -507Der Landtſtoͤrtzer.militas pœnitentium, ô beata ſpes con - fitentium, quantum vales apud omni - potentem; quam citò vincis inuincibi - lem, quam cito tremendum iudicẽ con - uertis in clementiſſimum Patrem. Da - mit du aber noch eygentlicher wiſſen moͤgeſt / was die pœnitentz ſeye / ſo gedencke an die Wort Exodi am 3. Cap. Allda geſchriben ſtehet: Ibimus viam trium dierum in ſoli - tudine: Durch dreyerley Tagreiß gelanget man in Himmel / vnd am dritten iſt Chriſtus wider aufferſtanden zur glori: wie nun Chri - ſtus von den Todten iſt wider aufferſtanden / alſo muͤſſen auch wir in einem newen Leben vnd auff einem newen weg / der vns zum ewi - gen Leben fuͤhret / wandern. Diſe drey Taͤg aber ſeindt die contritiones oder die wahre rew vnd laidweſen: Jtem die Beicht vnnd die genugthuung.

Was die erſte Tagreiß nemblich die con - tritio belanget / iſt dieſelbe nur drey kleine Meil lang. Die erſte Meil beſtehet inn deme / daß zugleicher weiß wie die Suͤnd denMen -508Der Landtſtoͤrtzer.Menſchen zum hoͤlliſchen Galgen verurthei - let / als die Contritio jhne daruon befreyet: Dañ zugleicher weiß wie wañ ein auff einem offnen Diebſtal erwiſchter Dieb / gefangen / gebunden vnnd zum Galgen hinauß gefuͤhrt wurde / vnd aber jhm ein Koͤnig begegnete vnd jhne fragte / wo man jhne hinfuͤhre? Der Dieb antwortet: Herꝛ / wegen meiner Dieberey werde ich zum Galgen gefuͤhrt: Aber der Koͤ - nig ſpraͤche: Freundt / du erbarmeſt mich / wo - ferꝛn du aber mir glauben vnd thun wilſt was ich dir ſagen werde / ſo wil ich dich frey vnd le - dig machen: Was ich aber von dir begere / iſt nichts anders / als daß du wegen deines be - gangnen Diebſtals ein leydweſen habeſt. Als - dann wurde der Dieb ohne zweifel ja ſagen / vñ ein leidweſen haben: Du O ſuͤndiger Guſ - man / biſt auffm Diebſtal der ſuͤnden erwiſcht vñ gebundẽ woꝛdẽ / damit du hinauß zum hoͤl - liſchen Galgen gefuͤhrt werdeſt / vermuͤg der Wort: Funes peccatorum circumplexi ſunt me: Item iniquitates ſuæ capiunt impium & funibus peccatorum ſuorum vnuſquiſque conſtringitur. Aber GOtt:der509Der Landtſtoͤrtzer.der Herꝛ begegnet dir vnnd ſpricht: Wo biſt du? wo geheſt du hin? leua oculos tuos in directum & vide vbi nunc proſtratus ſis: Erhebe deine Augen / vnd ſchaw wo du an je - tzo nider gefallen biſt: aber doleas, hab ein rew vnnd laidweſen daß du zur Hoͤllen geheſt / allda der Teuffel dich hencken wirdt: So wirſt du widerumb frey vnnd begnadet wer - den / dann ich ſelbſt hab geredt: Si im - pius egerit pœnitentiam ab omni - bus peccatis quæ operatus eſt, & cuſto - diuerit omnia præcepta mea, & fecerit indicium & iuſtitiam, vita viuet & non morietur: omnium iniquitatum eius, quas operatus eſt non recordabor. Et quare moriemini domus Iſrael? quia nolo mortem morientis, dicit Domi - nus.

Die ander meil der erſten Tagreiß der con - trition beſtehet in deme / daß der Menſch dardurch verhindert wirdt der Goͤttlichen gnad weder allhie zeitlich / noch dort ewiglich beraubt zuwerden / Dann zugleicher weiß wie wann ein ſehꝛ reicher reittender Edelman vn -der510Der Landtſtoͤrtzer.der die Moͤrder fiel / beraubt vnnd nackendt außgezogen were / vnnd einem Koͤnig begeg - nete vnd gefragt wurde von wannen er kaͤme / vnnd warumb er alſo vmbzihe? Vnnd der Ritter jhme zu der antwort gebe / daß er inn ſeinem Landt beraubt vnd auß Thorheit vnd vnbeſonnenheit inn die Haͤnd der Moͤrder gefallen were: Der Koͤnig aber zu jhm ſpraͤche: Laß dirs laid ſein / daß du dei - ne Guͤter alſo verlohren / ſo will ich dirs alles vnd noch mehr darzu wider geben: Als - dann were kein zweifel / daß er gar leicht - lich ein Laidweſen haben wurde wegen des verlohrnen Guts: Du O Guſman biſt reich geweſt / dann du haſt GOTT den HERren gehabt / vnnd wer jhne hat / der be - ſitzet alles / hergegen wer jhne nicht hat / der iſt arm / vnnd hat nichts / vnangeſehen er noch ſo reich were.

Nun biſtu auch ein Reutter geweſt / vnd auff einem Pferdt geſeſſen / dann die Seel verhaͤlt ſich gegen dem Leib wie ein Reut -ter511Der Landtſtoͤrtzer.ter gegen dem Pferdt / dann ſie beherꝛſchet den Leib / aber vnuerſehens faͤllt ſie vnder die Moͤrder / das iſt / in die Todtſuͤnd / dieſeldige berauben ſie aller jhrer Guͤter / Aber der Koͤnig begegnet jhr vnnd machet / daß ſie an jhre Armut vnnd Ellendigkeit geden - cket / vnnd derwegen fleiſſig auff ſich mer - cket.

Die dritte Meil der erſten Tagreiß der contrition beſtehet in deme / daß der Menſch dardurch abgehalten wirdt / inn den Zorn GOttes zufallen. Dann zugleicher weiß / wie wann ein Prieſter vom Biſchoff die ver - troͤſtung eines feiſten beneficij oder Pfruͤnde erlangt haͤtte / er aber durch ſein boͤſes verhal - ten vrſach gebe daß jhms der Biſchoff wider neme / Der Biſchoff aber zu jhm ſpraͤche: Freundt / du haſt gleichwol vnrecht gehand - let / aber hab nur ein Laidweſen / ſo will ich wi - der geben / was ich dir entzogen: Eben alſo iſt der Menſch der jenig / der GOTT dienet vnnd dardurch die groſſe Pfruͤndt der ewigenGloꝛy512Der Landtſtoͤrtzer.Glory zuerlangen verhoffet / aber er erzuͤrnet jhne durch die Suͤnd vnnd verſchertzet dar - durch die verhoffte Glory: Der allerhoͤchſt Biſchoff aber CHriſtus begegnet jhm vnnd gibt jhm ein / daß er ein laidweſen empfinde vmb daß er jhne erzuͤrnt hatte / vnnd dardurch wider erlanget er die jhm entzogene gnad.

Capvt II.

Der Einſidel vnderweiſet den Guſ - man was zu der wahren contri - tion gehoͤre.

VJl aber (ſprach der Einſidler ferꝛner) gehoͤrt zu der wahꝛen contrition, erſtlich der ſchmertzen oder ein trawri - ges Gemuͤth / dann erſtlich wie / wann du ein Hand außgefallen haſt / ſie nicht widerumb eingeſetzt vñ mit dem Leib vereiniget kan wer - den ohne gꝛoſſen ſchmertzen / alſo muß ein von Gott durch die Suͤnd abgefallne Seel / wide - rumb mit jhm vereiniget werden durch ein groſſes laidweſen deß Hertzens / dann weildie513Der Landtſtoͤrtzer.die Suͤnd erſtlich im Hertzen begangen iſt worden / ſo muß der anfang der genugthuung im hertzen beſchehen. Am andern iſt die ſuͤnd gleichſam ein Ruſt / derwegẽ muß ſie durch vil attritiones vnnd contritiones werden ver - triben: das woͤllen aber vil Suͤnder nicht er - kennen / derwegen beklagt ſich Ezechiel vnnd ſpricht: multo ſudore ſudatum eſt, non exiuit ex ea rubigo.

Das ander / ſo zur contrition gehoͤrt / iſt ein genugſame diſcuſſio oder erforſchung der Suͤnden vnd gewiſſens / vermuͤg der woꝛt: diſſolue cogitationes impietatis, ſolue faſciculos deprimentes, & omne onus dirumpe.

Drittens gehoͤrt darzu daß man alle vnnd jede begangene Suͤnd / deren man ſich kan er - jnnern / beichte vnnd verhaſſe / wie auch mit den Zaͤhern deß hertzens beweine. Das Waſ - ſer der contrition aber muß erſtlich heiß ſein / vermittelſt der bekehꝛung zu Gott / welche ein Fewr iſt / ſo die Suͤnd verzehꝛet / dann wie der Menſch / welcher ſich von Gott zu den Crea - turen abwendet / pflegt die vnſauberkeiten anK kſich514Der Landtſtoͤrtzer.ſich zuziehen / auch kalt vnnd andaͤchtig zu - werden / alſo wirdt er hingegen durch diſes Waſſer der bekehrung vnnd contrition ge - reiniget. Durch diß Waſſer wirdt die Schrifft deß Teufels geloͤſcht / vnd das Few - er der Hoͤllen vertilgt: Durch diß Waſſer wirdt der Teufel verjaget / damit er vns nicht verſuche: vermuͤg der Wort: Nemoloque - batur ei verbum, videbant enim dolo - rem eſſe vehementem. Zu gleicher weiß wie ſich keine Fliegen oder Mucken auff ei - nen ſiedenden Hafen ſetzen / alſo pflegt der Teufel in niemandte zufahren / der jhm kein freundtliches Angeſicht zeiget / welches aber in der contrition nicht gefunden wirdt. Am anderen muß das Waſſer der contrition rein vnnd ſauber ſein / Jnnmaſſen die Zaͤher Petri vnnd Magdalenæ waren / dann diſes reine Waſſer machet auß einem Goͤtzenhauß ein Hauß GOTTES vnnd Wohnung deß heiligen Geiſtes. Zugleicher weiß wie die ſtarck flieſſende Waſſerbaͤch pflegen die Doͤrffer zureinigen vnd auß der Aſchen vnd Waſſer ein Laug gemacht wirdt / die vnrei -nigkei -515Der Landtſtoͤrtzer.nigkeiten deß Kopffs vnd Kleider hinweg zu - nemmen / alſo wirdt auß dem Aſchen der bit - teren contrition vnnd auß dem Waſſer der Zaͤhern ein purgatio der Seelen. Wer aber den fuͤrſatz hat widerumb zuſuͤndigen / oder von ſeinem concubinat oder Wucher nicht abzuſtehen / der hat diſes Waſſer nicht / vnnd wirdt nicht allein nicht rein / ſondern vil koti - ger vnd vnreiner / vnd heiſt als dann: Infixus ſum in limo profundi & non eſt ſubſtan - tia.

Drittens muß diß Waſſer bitter ſein / jun - maſſen das Waſſer Dauids war / welcher ſag - te: recogitabo tibi omnes annos meos in amaritudine animæ meæ. Diſes Waſſer trincken die jenigen nit / ſo jm̃erdar wolluſtig - lich leben / vnd nit wiſſen daß man durch muͤ - he vnnd arbeit zur ruhe / durch den Krieg zum Friden / durch den Schmertzen zur Frewd / vnnd durch die Finſternuß zum Liecht gelan - get: Wie im bitteren Meer ein ſuͤſſer Fiſch gezigelt wirdt / alſo wirdt die ſuͤſſigkeit deß Gemuͤts gezigelt in der bitterkeit der contri - tion.

K k 2Vier -516Der Landtſtoͤrtzer.

Viertens muß es lebendig ſein / vnd allzeit flieſſen / dergleichen Danid gewuͤnſcht / ſpre - chendt: quis dabit capiti meo aquam & o - culis meis fontem lachrymarum? Dann weil wir taͤglich vil laͤßliche Suͤnd begehen / ſo muͤſſen die Zaͤher jmmerdar flieſſen / damit die Suͤnd vertilgt werden.

Zum fuͤnfften muß das Waſſer der con - trition heylſamb ſein / vermuͤg der Woꝛt: A - qua ſapientiæ ſalutaris potabis illum. Et - liche Waſſer ſeind wolgeſchmackig / aber nit heilſamb / als da iſt das Weltwaſſer vnnd die Weltliche ſorgfaͤltigkeiten / welche dem Her - tzen der weltmenſchen gleichwol annemblich vnd wolſchmeckendt aber nicht geſundt ſeind / multi enim propter diuitias perierunt, vil Menſchen ſeindt durch jhre Reichthumb verlohren vnd verdambt woꝛden.

Beſchließlichen muß diß Waſſer dermaſ - ſen kraͤfftig ſein / daß es den Menſchen reno - uire vnd vernewere / dann es machet auß dem alten einen newen Menſchen / vnd auß einem in Suͤnden eralteten alten Mann einen jun - gen vnd ſtarcken zum gut thun. Derwegenwirdt517Der Landtſtoͤrtzer.wirdt diß Waſſer gemeingklich das Jugentli - che Waſſer genennt. Wie die Stimm einer Turteltauben ein zeichen der verenderung der zeit iſt / alſo iſt das ſeufftzen / heulen vnd weinen der contritorũ vñ bußfertigen ein zeichen der verenderung deß Gemuͤts: vermuͤg der wort: Vox turturis audita eſt in terra noſtra: tempus putationis aduenit. Zugleicher weiß wie der Adler / wann er ſeinen Schnabl an einem Stein zerbrochen hat vnnd ſich ins Waſſer begibt vnd dardurch widerumb jung wirdt / alſo wann der Suͤnder die haͤrtigkeit ſeines Hertzens an dem Stein CHriſto hat zerbrochen / alsdann legt er ſein Seel ins Waſſer der Zaͤhren der contrition, legt ei - nen newen Menſchen an / vnd wirdt ein ande - rer Mann / ꝛc.

Ferꝛner vnd drittens gehoͤrt zu der contri - tion ein ſteiffer Fuͤrſatz / hinfuͤran von ſuͤn - den abzuſtehen / ſie zubeichten vnnd darfuͤr ge - nug zuthun / dann vil Menſchen erlangen die verzeyhung jhrer Suͤnden nicht / allweil ſie entweder die Suͤnd nicht verlaſſen / oder a - ber vorhabens ſeindt jhre Jugendt in Suͤn -K k 3den518Der Landtſtoͤrtzer.den zuuerzehꝛen vnnd jhr alter GOtt dem HERREN zu dediciren, vnangeſehen ſie ſich letztlichen betrogen befinden / dann wer in ſeiner Jugent allzeit verzagt vnnd faul geweſt / der gibt ſelten im Alter einen dapffe - ren Soldaten ab.

Nicht zuglauben iſt / daß ein Baum / der niemaln gꝛuͤn noch fruchtbar geweſt / erſt nach vil Jahren / wann er abgehawen vnnd ins Fewer geworffen werden ſoll / bluͤhen vnnd fruͤchte tragen werde.

Viertens gehoͤrt zu der contrition daß ſie von Gottes vnnd ſeiner Lieb wegen beſchehe / vnd keines wegs auß etwan einer Weltlichen forcht / oder einer Hoͤlliſchen forcht / vnnd be - ſorgung der zeitlichen vnnd ewigen Straff / dann dergleichen contritiones ſeindt Gott dem Herꝛen zuwider.

Beſchließlichen muß die contritio baldt beſchehen / erſtlichen wegen der Gefahr der gewonheit deß ſuͤndigens: conſuetudo e - nim eſt altera natura: & difficile eſt aſ - ſueta relinquere: vnnd es ſtehet geſchribene Hieronym. 13. Si poteſt Ætiops mutarepellem519Der Landtſtoͤrtzer.pellem & pardus varietates, & vos po - teritis benefacere cum didiceritis ma - lum. Zugleicher weiß wie der Menſch durch das ſchnelle anlauffende vnd wachſen - de Waſſer letztlichen hinweg geriſſen vnnd erfuͤllt wirdt / alſo wirdt er durch die lange Gewonheit vnnd vermehrung der Suͤnden hinab zur Hoͤllen geriſſen / Jnnmaſſen je - ner ſolches beklagt ſprechendt: Pelagus a - peruit caput meum: Item: Inundaue - runt aquæſuper caput meum, dixi, perij.

Am andern muß die contritio darumb baldt beſchehen / allweil der jenig / welcher lang in der Suͤnd ligt / gar leichtlich von der einen in die ander fellt / aber illis qui lon - gam reſtem trahunt: Derwegen ſpricht der weiſe Mann: Fili ſi peccaſti, ne adijcias ite - rum, ſed & de priſtinis depræcare vt tibi dimittantur.

Drittens muß ſie geſchwindt vollzogen werden wegen der gefahr deß vngewiſſen vn - uerſehenen vnnd gaͤhen Todts / dann wir wiſſen je nicht / wann der Herꝛ kommen vnndK k 4zum520Der Landtſtoͤrtzer.zum naͤrꝛiſchen ſchlafenden Suͤnder ſpre - chen wirdt: Stulte, hac nocte repetent à te animam tuam. Beſchließlichen ſoll die contritio nicht verſchoben werden / damit ſie vns deſto leichter ankomme / dann wie es de - nen / welche zu Hof der guten vnnd zarten Speiſen vnd Bißlein gewohnt ſeindt / ſchwer ankombt / daß ſie / wann ſie geurlaubt woꝛden / nur magere Waſſerſuppen / Ruben vnnd Kraut eſſen / oder ſonſten ſich armſeliglich be - helffen muͤſſen / alſo ſehen wir / daß denen in den Leibswolluͤſten eralteten Menſchen das faſten vnd andere bußfertige Werck vnd gute Tugendten zuuͤben allerdings zuwider vnnd beſchwerlich iſt. Vſitata culpa ita obli - gat mentem vt nequaquam ſur - gere poſſit ad rectitu - dinem.

Von521Der Landtſtoͤrtzer.

Von der andern Tagreiß der pœni - tentz, nemblich von der Beicht vnnd was zu derſelben ge - hoͤrt.

WJE der Menſch vermittelſt der vorbemelten erſten Tagreiß nemb - lich der contrition, auß dem Landt vnnd Gebiet der Iuſtitiæ gelanget / al - ſo gelanget er vermittelſt der andern Tagreiß / nemblich der Bricht / zum Pallaſt der Barm - hertzigkeit / vermuͤg der wort: Introite por - tas eius in confeſſione. Diſe Tagreiß hat verꝛicht der heilig Dauid / als er ſagte: Me - dia nocte ſurgebam ad cõfitendum tibi. Item: Confitebor Domino nimis in ore meo. Item: Præoccupemus faciem eius in confeſſione. Vnd eben diſe Tagreiß o - der Beicht muß erſtlich beſchehen mit einer guten Vorbereitung vnnd vorhergangener gnugſamer erforſchung deß Gewiſſens vnnd aller Todtſuͤnd mit jhꝛen vmbſtaͤnden. Dann wie Plato ſich bißweiln im Spiegel beſchaw -K k 5te /522Der Landtſtoͤrtzer.te / nicht zwar auß fuͤrwitz / ſondern damit er ſehen moͤchte / ob ſich ſein Geſtallt durch das embſige vnnd ſtaͤttige ſtudteren nicht etwann verendert haͤtte / Allſo ſollen auch wir den Standt vnſers Gewiſſens im Spie - gel der Seelen beſchawen / nicht zwar auß fuͤrwitz / ſondern damit wir ſehen vnnd war - nemmen moͤgen / ob vnnd wie vil wir durch vnſer vnordenliches Leben verlohren haben an vnſer natuͤrlichen diſpoſition, Jnnmaſ - ſen Dauid gethan ſprechendt: Cogitaui vi - as meas & conuerti pedes meos in teſti - monia tua.

Wie auch ein Aduocat ſich mit ſeinen allegationibus gefaſt machet / ehe vnd beuor er vor Gericht erſcheint / alſo muͤſſen auch wir die allegationes vnſerer Suͤnden vor dem von GOTT nachgeſetzten Rich - ter / nemblich dem Prieſter / wider vnns ſelbſt zu allegieren gefaſt erſcheinen / Jn - maſſen Dauid gethan / als er ſagte: Medi - tabar nocte cum corde meo peccata mea, & exercitabar ca lugendo & in v -num523Der Landtſtoͤrtzer.num colligendo, & tunc ſcopebam ſpiri - tum meum vndique feces perquirendo, & per pallam linguæ in confeſſione eij - ciendo. Sicut oculi ancillæ in manibus Dominæſuæ, ita oculi noſtri ad Domi - num Deum noſtrum. Nichts iſt Gott dem Herꝛen angenemer / als eben die betrachtung vnd bekehꝛung der Suͤnden.

Wie aber etliche Haußmaͤgd dermaſ - ſen faul ſein / daß ſie das Kehrkoth etwan in einem Winckel deß Hauſes ligen laſſen vnd dardurch einen Geſtanck vnnd faͤulnuß im Hauſe verurſachen / alſo pflegen etliche Menſchen auß lauter Scham / jhre Suͤnd nach dem examine, fahren zulaſſen vnd nicht zubeichten.

Das ander requiſitum der Beicht iſt / daß ſie particulariter vollkommenlich vnd vmbſtendtlich beſchehe / dañ wañ der Menſch ſich entdeckt / ſo pflegt Gott jhne zubedecken: Hergegen wann der Menſch ſich bedecket / ſo entdecket jhne Gott mit ſeiner Schandt vnd Schad / vnnd es ſtehet geſchriben: Beatiquo -524Der Landtſtoͤrtzer.quorũ remiſſe ſunt iniquitates, & quorũ peccata tecta ſunt: Jtem: Vide te nudam & confeſſione plenam, & expandiami - ctum meum ſuper te, & operui ignomi - niam tuam.

Das dritte requiſitum der Beicht iſt / daß der Menſch ſich ſelbſt klaͤrlich anklage / vnnd nichts hinderhalte / dann GOtt ſuchet ein nackendes Gewiſſen deß Suͤnders / damit ers mit den Kleidern ſeiner Gaben bekleiden moͤ - ge / dann er ſelbſt ſpricht: Oſtende mihi faci - em tuam, ſonet vox tua in auribus meis: Als wolte er ſagen: Zeige mir dein Gewiſſen / vnnd laß dein Stimm klingen in den Ohꝛen meiner Prieſter / dann wie das Angeſicht deß Leibs nackent ſein ſoll / alſo ſoll das Gewiſſen offen vnd bloß ſein / vor Gott vnd dem Prte - ſter: Vnd weil die Fleck im Angeſicht ſchaͤnd - lich ſeindt / ſo muß es vilmals gewaſchen aber nicht verdeckt werden / dann die Suͤnd / wel - che verborgen oder entſchuldigt wirdt / ſchreyt allzeit wider den Suͤnder.

Viertens ſoll die Beicht beſchehen auß an - dacht vnnd mit einer Gottsforcht / dann etli -che525Der Landtſtoͤrtzer.che Menſchen beichten auß weltlicher forcht / damit ſie nicht fuͤr Ketzer gehalten werden. Andere beichten nur auß Foꝛcht deß Todts / wie Antiochus / Pharao / vnnd Herodes ge - than / aber kein Barmhertzigkeit erlangt. An - dere beichten wegen der Weltlichen ehr / da - mit ſie fuͤr fromb gehalten werden / Jnmaſſen jener Fuchs gethan / welcher ſich ſtellte / als were er todt / damit er die Huͤner deſto beſſer fahen moͤchte.

Zum fuͤnfften muß die Beicht freywillig - klich vngezwungen vnd demuͤtigklich beſche - hen / dann etliche Leut thuns nur jhren Herꝛen zugefallen / damit ſie entweder jhre Hofſup - pen oder dienſt nicht verlieren / Andere aber beichten erſt in todtsnoͤthen / wann ſie ſehen daß es je nicht anderſt ſein kan / dann ſie ſagen es ſey noch nicht zeit / vnnd ſie ſeyen nit kranck genug. Dergleichen gezwungene dienſt aber ſeind Gott nit angenemb.

Sechſtens ſoll man geſchwindt vnd vn - uerzogentlich beichten / erſtlich wegen der ge - fahr deß Todts / derwegen ſinget die Kirch in der Faſten: Emendemus in melius quæigno -526Der Landtſtoͤrtzer.ignoranter peccauimus, ne ſubito præ - occupati die mortis quæramus ſpacium pœnitentiæ & inuenire non poſſimus. Dann der Todt iſt vnerbittlich / vnbeweg - lich vnnd gibt dem Menſchen keinen eini - gen Tag noch Stundt jnſtandts - Am an - dern wegen der ſchwachheit vnnd angſthaff - tigkeit / darin ſich der Menſch in ſeiner kranck - heit befindet / dann wie ein Fechter oder Rin - ger vil ſicherer vnnd bewoͤhrter iſt / wann er auff ſeinen Fuͤſſen ſtehet / weder wann er ligt / alſo kan der Menſch vil beſſer mit Gott reden vnnd handlen wann er noch geſund iſt / weder wann er im Todtbeth ligt / derwegen ſpricht der weiſe Mann: viuus & ſanus con - fiteberis.

Beſchließlichen ſoll die Beicht offter - mals im Jahr beſchehen / Jnmaſſen Da - uid gethan / ſprechendt: confitebimur tibi Deus confitebimur: Item: confitebor Domino nimis. Wer offt beichtet / der iſt deſto ſicherer / dann bißweiln beſchichts / daß die erſte Beicht nicht gerecht noch vollkom - menlich geweſt. Qui autem ſepè humilia -tur527Der Landtſtoͤrtzer.tur in confeſſione, ei datur gratia con - feſſionis veræ: Derwegen tregt ſich vilmals zu / daß einer ohne genugſame contrition zur Beicht kombt / aber doch durch die Krafft der Beicht wie ein wahꝛer contritus wider hin - weg gehet.

Zu dem ſoll man beichten zu erlangung der wahꝛen weißheit / dann wie es nicht genug iſt / daß ein Schuler die Schul nur 1. oder 2. mal jaͤrlich beſuche / dann er wurde wenig darmit lehrnen / alſo kan der jenig fuͤr keinen guten Studenten deß Glaubens gehalten werden / der im Jahr die Schul der Beicht nur ein oder zwey mahl beſuchet / ſondern er muß ein ſolcher Schuler ſein wie Dauid einer geweſt vnnd geſagt hat: Meditabar nocte cum corde meo: Item: Media nocte ſurgebam ad confitendum tibi; & exer - citabar exercitium. O wie ein hohe not - turfft iſts / daß man ſich inn diſer ſcientz deß Beichtens vbe wegen deß ſehr groſſen darauß erfolgenden Nutzes / dann alle andere ſcientzen beſcheren vns nur den zeitlichen gewinn / Nahrung vnnd Reichthumb / aberdie528Der Landtſtoͤꝛtzer.die ſcientz der Andacht vnnd beichtens be - ſcheret vns den gewinn der Gnaden: Wer im Buch deß Gewiſſens am beſten vnd fleiſ - ſigiſten ſtudieret / der wirdt der aller gelehrtiſt vnd reich iſt: O wie ein groſſes gelaͤchter vnnd Geſpoͤtt aber wirdt ergehen vber die jenige Doctores vnd Aduocaten, welche in diſer ſcientz nichts woͤllen ſtudieren vnd im Jahr kaum einmal / vnnd zwar nur curſoriè, oben hin auff der Poſt / halb vnd halb beichten. Ob - mucteſcent tanquam concluſi & ducti ad metam redargutionis; Qui habitat in cœlis, irridebit eos. Dergleichen Leut ſeindt nur fuͤrwitzig vnnd embſig / frembder Leuth Leben zuerforſchen / vnnd bemuͤhen ſich nur jmmerdar mit frembden ſachen / aber vn - fleiſſig ſeindt ſie in Corꝛigirung jhꝛes eygnen Lebens. Allzeit zihlen / dichten vnd trachten ſie nur nach dem zeitlichen gewinn vnnd eygen - nuͤtzigkeit / vnd vermeinen daß es mit einer ei - nigen kalten Jahrsbeicht außgericht ſeye: A - ber Pecunia in malum Domini ſui. Die jenigen / ſo im Jahr nur einmal beichten vnd bald widerum̃ anfahen zuſuͤndigen / ſeind demAbſo -529Der Landtſtoͤrtzer.Abſolon gleich / werden jaͤhrlich nur einmal beſchoren vnd jhꝛe Haar wachſen geſchwindt wider. Das iſt auch ein Fuchsbeicht / dann als der Fuchs ſolte gehenckt werden / vnnd der Dachs jhne nach der Beicht an deß Loͤwen Hof fuͤhrte / ſahe er am ſelbigen Tag etliche Hennen bey eines Bawren Hof / vnd ſprach: das iſt der weg / welchen wir gehen muͤſſen / na - he bey diſem Hauß muͤſſen wir fuͤruͤber. Der Dachs antwortet: Du armſeliger Schelm / haſt mir erſt alle deine Suͤnd gebeicht / vnnd bekennt daß du vil Hennen gefreſſen / vnd haſt mir verheiſſen / daß du es nimmer thun woͤl - leſt. Der Fuchs aber gab jhm zur antwortija du ſagſt die warheit / Aber ich habs vergeſſen gehabt.

Beſchließlichen ſoll man darumb offt beichten / allweil dardurch die Goͤttliche ge - nad vermehrt vnnd die verdiente Straff ge - ringert wirdt. Weil der jenig fuͤr einen vn - erbarn vnſauberen Geſellen gehalten wirdt / der im jahr ſeine Haͤnd vnd Fuͤß nur einmahl waſchet / ſo iſt der jenig fuͤr vil vnerbarer / gott - loſer vnd vnreiner zuhalten / welcher im JahrL lnur530Der Landtſtoͤrtzer.nur einmahl beichtet / dann es laͤſt ſich anſe - hen / daß er jhm mehꝛ angelegen ſein laͤſt die ſauberkeit ſeiner Schuch / weder die Rei - nigkeit der Seelen. Naͤrꝛiſch iſt der Strauß / welcher / wann er ſeinen Halß im Geſtraͤuß bedeckt hat / vermeinet daß ſein gantzer Leib bedeckt vnnd vnſichtbar ſeye / Aber vil naͤr - riſcher iſt ein ſolcher Suͤnder / der da ver - meint / daß ſeine Suͤnd bedeckt vnnd ver - boꝛgen ſeyen vor GOTT vnnd den Men - ſchen / dann alle ſeine Decken ſeindt nur Geſtraͤuß vnnd Blaͤtter / ſo da baldt verwel - cken vnd verduͤrꝛen / derwegen werden ſolche Menſchen einsmals vergeblich ſprechen: Jhꝛ Berg fallet vber vns / vnd jhr Buͤhel bedecket vns: Quia non eſt operimentum perdi - tioni.

Von der dritten Tagreiß der pœni - tentz, welche da iſt die Satisfactio o - der genugthuung.

Die531Der Landtſtoͤrtzer.

DJE dritte Tagreiß der pœnitentz iſt die Satisfactio oder genugthu - ung. Wir alleſambt wolten gern zu der Statt deß Paradeiſes gelangen / das kan aber nicht beſchehen ohne paſſierung der Brucken der pœnitentz, Buß vnnd Ge - nugthuung / vnnd weil diſe Statt der maſſen mit Waſſer vmbgeben iſt / daß man nur v - ber die Brucken der pœnitentz hinein mag / ſo muͤſſen wir groſſe obacht auff diſe Brucken geben / dann ſie iſt dermaſſen eng vnd ſchmal / daß der Reutter von ſeinem Roß / das iſt / dem Fleiſch / abſteigen vnd es mit dem Zaum hin - uͤber laiten muß / das iſt / er muß die fleiſch - liche Begierd vnd wolluſtbarkeiten vertilgen / vnnd das Fleiſch mit dem Zaum der ſobrie - tet, nuͤchterkeit vnnd maͤſſigkeit halten vnnd laiten / vnnd beynebens ein groſſe fuͤrſichtig - keit / diſcretion vnnd beſcheidenheit brau - chen.

Vnd zwar erſtlich muß der pœnitent oder Buͤſſer drob ſein / daß ſein Buß vnnd genug - thuung gleichfoꝛmig ſeye ſeinẽ verbrechẽ / ver - muͤg der wort: Pro menſura delicti erit &L l 2plaga -532Der Landtſtoͤꝛtzer.plagarum modus. Item: Humanum di - co propter infirmitatem carnis; vt ſicut exhibuiſtis membra veſtra ſeruire im - munditiæ & iniquitati ad iniquitatem, ita nunc exhibete ſeruire iuſtitiæ in ſan - ctificationem.

Am andern muß die genugthuung recht - maͤſſig vnd dermaſſen beſchaffen ſein / daß das faſten den Fraß / das Allmuſen den Geitz / vnd das Gebett die Hoffart toͤdte. Sprechen muͤſſen die Suͤnder zu GOtt: Zu deiner / das iſt / deß Lebens der Seelen / widererlangung / laſſen wir vns mortificiren vnd ſeind allzeit bereit den Geiſtlichen todt auß zuſtehen. Aber laider / wenig ſeind dern / welche diſen Geiſtli - chen Todt begeren gedultiglich außzuſtehen / ſonder flihen jhne ſo vil muͤglich / aller maſſen ein boͤſer Zahler thut / welcher jmmerdar ei - nen verzug ſuchet vnnd ſambt den Raben von dem einen Tag zum andern cras cras ſchreyt. Wie aber etliche Edelleuth jhre Hoͤf vnnd Gruͤndt verſetzen vnnd je laͤnger ſie die wider einloͤſung verſchieben / je mehꝛ vnd tieffer ſich verobligiren vnd letztlichen gar drumb kom -men /533Der Landtſtoͤrtzer.men / Alſo ergehts denen / ſo die ſatisfaction vnnd genugthuung verſchieben / vnnd heiſt: Qui non eſt hodie cras minus aptus e - rit.

Ferꝛner wie ein boͤſer Zahler pflegt zumur - ren vnd boͤſe Wort außzuziehen wann er ge - mahnt wirdt / alſo pflegen etlich Suͤnder wi - der jhre Beichtuaͤtter oder Prælaten / die ſie zur Buß vnnd widererſtattung ermahnen / zu murꝛen vnd ſie zu ſchelten / vermuͤg der Wort: Pro eo quod me diligerent detrahebant mihi. Beſchließlichen wie ein boͤſer Zahler ſich jm̃erdar mit der vngelegenheit der boͤſen zeiten entſchuldiget / vnd ſeinen Gelter warten laͤſt / alſo ſprechen vnnd entſchuldigen ſich et - liche Suͤnder vnnd ſagen / daß die zeit vil zu heiß / oder zu kalt / oder zu lang / oder zu thewr ſeye / vnd daß derwegen ſie je nicht faſten noch etwas abzahlen koͤñen / vnangeſehen ſie darne - ben nit vnderlaſſen zuſuͤndigen. Weil derwe - gen ſie allhie auff Erden kein zeit finden woͤl - len / die jhnen tauglich oder annemblich were / ſo wehret jhre Boßheit jmmerdar biß ſie letzt - lichen die ewige Hoͤlliſche zeit antreffen.

L l 3Die534Der Landtſtoͤrtzer.

Die Satisfactio oder genugthuung muß auch zum dritten freywilligklich beſchehen / dann weil das Fleiſch den Geiſt durch den wolluſt gezogen vnnd vndertruckt hat vnnd ſein Feindt iſt / ſo iſt billich daß es jhm herge - gen vnderwoꝛffen vermittelſt der affliction, vnnd alſo der Feind gerochen werde. Groſ - ſe nutzbarkeiten entſtehen auß diſer freywilli - gen genugthuung / dann die pœnitentz iſt ein Bret / darauff der Menſch vom Schiff - bruch der Hoͤllen befreyt vnnd erloͤſt wirdt: wie derwegen einer ſich frewet / der vom Schiffbruch erloͤſt wirdt / alſo ſoll ſich ein Bußfertiger frewen / wann er durch die ge - nugthuung erloͤſt wirdt von der Hoͤllen: A - ber laider / vil Leuth ſchlagen diſe nutzbar - keit in Windt / vnnd woͤllen vil lieber den hoͤlliſchen Schiffbruch außſtehen / denn ſich ſaluieren, vnangeſehen man jhnen noch ſo vil vorprediget vnnd zu der Satisfaction vnnd erſtattung ermahnet / derwegen gehoͤ - ren auff ſie die Wort: Cecinimus vobis & non ſaltaſtis, lamentauimus & non plan - xiſtis, &c.

Ferꝛner535Der Landtſtoͤrtzer.

Ferꝛner ſoll die Satisfactio oder Buß be - ſcheidenlich beſchehen / dann man findt etli - che vnbeſcheidene pœnitenten, welche es mit der mortificir - vnd diſciplinirung jres Leibs den heiligen nachthun woͤllen vnd dar - durch ſich ſelbſt vmbs Leben deß Leibs vnnd der Seelen bringen: Sic ergo diſcretè affli - gatur caro, vt non ſuperbiat, ſic nutria - tur vt non deficiat.

Beſchließlichen gehoͤꝛt zu der Satisfaction das Gebett / Faſten vnd Allmuſen.

Von dem Faſten.

WAS das erſte Stuck der Satisfa - ction oder Genugthuung nemb - lich das faſten belangt / iſt zuwiſſen / daß der Menſch ſibenerley Vrſachen halben faſtet / erſtlich damit er ſich in den heiligen vnd andaͤchtigen dingen deſto beſſer vben / vnd et - wan ein Geiſtliche Gab zuwegen bringen moͤge / jnnmaſſen Daniel vnd ſeine Geſellen gefaſtet vnd erfuͤllt ſeind worden mit der Lehr vnd heiligem Geiſt.

L l 4Jtem536Der Landtſtoͤrtzer.

Jtem die Heiligen in der erſten Kirchen wohnten in den Waͤlden vnd ſchlechten Huͤt - ten / vnd aſſen nur die wurtzeln der Kraͤutern / ehrten vnd lobten Gott darneben vnd vergaſ - ſen alle menſchliche refectiones vnnd colla - tiones. Dann plenus venter non ſtudet libenter. Auff faiſte vnnd feuchte Haͤut kan man ſchwerlich ſchreiben.

Am andern faſtet man auß ſchuldigkeit / jn - maſſen die Nazareer zu erlangung der Hei - ligkeit ſchuldig vnnd ver obligiert waren vil ding zuhalten.

Drittens auß andacht / Jnnmaſſen ge - meinglich inn den vigilijs der Heiligen be - ſchicht.

Viertens auß noth / jnnmaſſen die Ni - niuiter gethan / als ſie vom Holoferne belegert waren.

Zum fuͤnfften auß mitleyden / wie die Maͤnner Jabes vber den Saul gefaſtet vnd Dauid wegen ſeines krancken Kindts / in ſol - cher Geſtallt faſten wir am Tag paraſce - ues.

Sechſtens faſtet man zubezwingung deßkitzels537Der Landtſtoͤrtzer.kitzels vnnd geilheit deß Fleiſches / jnnmaſſen vil heilige Maͤnner vnd Weiber / deßgleichen Dauid gethan / ſprechendt: humiliabam in ieiunio animam meam.

Beſchließlichen faſtet man wegen der durch den Beichtuatter aufferlegten pœnitentz vnd Buß. Fuͤrnemblich aber vnd ins gemein faſtet man in der faſten / zu erlangung der gna - den Gottes / zu verhuͤtung der beſoꝛgenden ge - faͤhrlichkeiten vnd Straff Gottes / Jtem auß andacht / nach dem Exempel CHriſti / zube - zwingung deß Fleiſches vnnd verꝛichtung der Buß fuͤr die Suͤnd.

Soll nun vnſer faſten verdienſtlich ſein / ſo muß es erſtlich beſchehen mit einer guten in - tention vnd zu einem guten Endt / nemblich zu der chꝛ vnd glory Gottes: Keines wegs ſoll man auß dem Leib deß faſtens einen Fuchs - ſchwantz machen / Jnnmaſſen jene Heuchler thun / von denen der Herꝛ geredt vnnd geſagt hat: Wann jhr faſtet / ſollet jhr nicht trawrig werden / wie die Gleißner / als wolte er ſagen: Etliche Heuchler ſtellen ſich in jhrem faſten / als weren ſie trawrig / verſtellen jhre Ange -L l 5ſichter538Der Landtſtoͤꝛtzer.ſichter vnd Leiber / damit ſie fuͤr faſtende Leuth gehalten vnd angeſehen werden.

Ferꝛner muß das faſten andaͤchtiglich be - ſchehen vnd beglaidt werden mit dem Gebett / damit alſo das faſten durch den Fluͤgel deß Gebetts gen Himmel erhebt werde. Diſes Gebett iſt die Salb / von dern der HERR meldung thut / da er ſpricht: Wann du fa - ſten wilſt / ſo ſalbe dein Haupt / Jnnmaſſen Magdalena das Haupt CHriſti geſalbt hat / mit dem Oel der Andacht / dann duͤrꝛ iſt alles faſten welches ohne das Oel der andacht be - ſchicht. Hoc eſt perfectum ieiunium quando homo noſter exterior ieiunat & interior orat: facilius enim ieiunium per orationem penetrat cœlum. Wer derwegen wuͤrdiglich begert zu faſten / der ſal - be ſein Haupt mit dreyerley Oel / nemblich deß mitleydens gegen den Armen: Jtem deß reinen gewiſſens / welches jene naͤrꝛiſche Jung - frawen nit hatten: Jtem der Andacht. Damit die Hoſleuth jhꝛen Herꝛen gefallen moͤgen / ſo pflegen ſie dieſelbigen mit glatten / ſchoͤnen vnd ſuͤßmuͤndigen Worten zuſchmiren / abernit539Der Landtſtoͤrtzer.nit zuſtechen / aber das Hofgeſindt GOttes ſalbet jhne mit dem Oel der Andacht / dann nicht genug iſts daß man im faſten maͤſſig - lich vnnd nuͤchtern lebe / ſondern es muß auch beglaidt werden mit der heiligen Andacht / dann ſonſten wurde in der gantzen Welt kein groͤſſerer Heiliger ſein / als eben der Teuffel / ſeytemal er niemaln nichts jſſet.

Drittens gehoͤrt zum faſten das laua - torium contritionis: vermuͤg der Wort: Faciem tuam laua: Nicht ſoll man das Leibliche Angeſicht waſchen / zieren vnnd an - ſtreichen / wie etlich alte vnnd junge naͤrꝛiſche Weiber thun / ſondern das jnnerliche Ange - ſicht ſoll man waſchen mit der reinẽ Laug / wel - che gemacht iſt worden auß dem Aſchen vnnd Zaͤhern der contrition.

Viertens muß das faſten beglaidt wer - den mit dem Allmuſen vermuͤg der Wort: Nolite theſaurizari vobis in terra, &c. Dann etliche Menſchen faſten zu erhaltung jhrer Leibsgeſundtheit / nach rath deß Medici, daſſelbe aber iſt nit verdienſtlich weil es nicht von Gottes wegen beſchicht.

An -540Der Landtſtoͤrtzer.

Andere faſten / damit ſie hernacher jhren Bauch GOtt deſto beſſer dienen vnnd deſto mehr freſſen vnnd ſauffen moͤgen / dardurch wirdt der Leib faiſt / aber der Geiſt mager.

Andere pflegen an den faſtagen deſto mehꝛ vnd koͤſtlicher / vnd auff einmal ſo vil zueſſen / als ſonſten auff zweymahl. Andere faſten auß kargheit zu erſparung deß Vnkoſtens / vnnd wie die Maulwerff / ſo vnder der Erden begraben ligen / nicht genug Erde eſſen doͤrf - fen / alſo legen ſich ſolche Leuth mit hunge - rigem vnnd lehrem Bauch ſchlaffen / damit jhnen an jhꝛen Guͤtern nichts ab gehe / vnan - geſehen geſchriben ſtehet: Vir cui dedit De - us diuitias, ſubſtantiam & honorem, & nihil deeſt animæ ſuæ ex omnibus quæ deſiderat, nec tribuit ei Deus poteſta - tem vt comedat ex eo.

Andere aber faſten mit Allmuſen vnnd Gebett / vermuͤg der Wort: Bonum eſt ie - iunium cum elemoſina & oratione quã theſauros auri condere. Vnnd ſolche Leuth ſamblen Schaͤtz im Himmel / vnnd ſeindt die jenigen / von denen der HErꝛ ſagt:the -541Der Landtſtoͤrtzer.theſaurizate vobis theſauros. Dann durch die Haͤnd der armen werden jhꝛe Reich - thumb in den Himmel getragen vnd zum ewi - gen Leben verwahꝛt.

Vom Allmuſen.

DAs dritte / ſo zur ſatisfaction ge - hoͤrt / iſt das Allmuſen / darbey a - ber wirdt erfordert erſtlich ein froͤ - lichkeit deß Gemuͤts / vermuͤg der Wort: In omni dato hilarem fac vultum: Item: Voluntariè ſacrificabo tibi: Dann weil weder in der Hoͤllen noch im Fegfewer keine gutwillige Allmuſen beſchehen / ſo ſeind ſie vn - uerdienſtlich.

Am andern muß das Allmuſen beſchehen von deinem eygnen gut / dann wer es von dem ſeinigen nicht gibt / der waſchet ſich im vnrei - nen Waſſer vnnd wirdt vil vnreiner: Das Allmuſen iſt ein reines Waſſer / aber wann es von geſtohlenen Guͤtern herꝛuͤhret / ſo iſts ko - tig: Derwegen ſpꝛicht der Prophet: Ego Dominus diligens iudicium & odio ha -bens542Der Landtſtoͤrtzer.bens rapinam in holocauſtum. Es ver - meinen etliche Wucherer vnnd Geltnarꝛen / daß GOtt ein ſolcher Richter ſeye / der ſich durch Gelt vnnd ſchanckungen beſtechen laſ - ſe / aber ſie jrꝛen ſich / dann er ſpricht: Exiſti - maſti inique, quod ero tui ſimilis? argu - am te & ſtatuam contra faciem tuam.

Drittens gehoͤrt ein Lieb darzu / dann ob ſchon einer alle ſeine Guͤter den Armen auß - theilet / vnd hat die Lieb nicht darbey / ſo hilffts jm eben nichts. Beſchließlichen muß es an ge - legenen oꝛten vnd nicht offentlich zum ſchein / wie die Heuchler es von der eyteln ehr wegen thun / vñ derwegen nur zeitlich drumb belohnt werden / ſondern heimblich / das iſt / im verbor - genen deß Gewiſſens / welches Gott ſihet vnd anſchawet / beſchehen / dañ wie der außgewoꝛf - ner Traidſamen mit der Erden bedeckt muß werden / damit er von den voͤgeln nit gefreſſen werde / vnnd deſto mehrere Fruͤchte bringe / al - ſo muß das Allmuſen vor den Augen der Menſchen bedeckt werden / damit es von den Teufeln nit verzehꝛt werde / vnnd daß es hun - dertfaͤltige fruͤchte trage.

Vom543Der Landtſtoͤrtzer.

Vom Gebett.

DAS Gebett iſt das dritte requi - ſitum der Satisfaction, darzu aber gehoͤrt erſtlich ein wuͤrdige præpa - ration vnd fuͤrbereitung / vermuͤg der Wort: ante orationem præpara animam tuam: Dann wie ein Lauteniſt oder Jnſtrumentiſt zuuor ſein Lauten recht ſtimmet / alſo muß der Menſch zuuor ſein Gemuͤt componieren vnd ſtimmen / damit nicht zu jhm geſagt wer - de: Diß Volck ehꝛet mich mit den Lefftzen / a - ber jhꝛ Hertz iſt weit von mir.

Am andern muß das Gebett auff etwas guts angeſehen ſein / nemblich auff die Goͤtt - liche Gerechtigkeit vnnd ſein Reich / dann die zeitliche Guͤter ſeindt veraͤchtlich vor ſeinen Augen / vnd er beſcheret ſie den Tuͤrcken / Hey - den / Ketzern vnd Gottloſen.

Drittens muß es beſchehen im Standt der gnadẽ / dañ Gott erhoͤꝛt die ſuͤnder nit vermuͤg der woꝛt: Si multiplicaueritis orationem, nõ exaudiam, manus n. veſtræ ſanguineple -544Der Landtſtoͤrtzer.plenæ ſunt, Item: Maledicam benedi - ctionibus veſtris. Item: Scimus quod peccatores non exaudit Deus, &c. Der - wegen muͤſſen wir Gottes Freunde ſein / vnſer Gewiſſen reinigen / vnd vnſern Nechſten ver - zeyhen / ſoll anderſt vnſer Gebett erhoͤrt wer - den. Vnnd diſes wirdt bedeut durch den ſchweiß CHriſti / welchen er im Garten bet - tendt fuͤr vns geſchwitzt hat / Alſo muͤſſen auch wir die feuchtigkeiten der Suͤnden außſchwi - tzen vnd von vns treiben.

Viertens muß das Gebett demuͤtigklich beſchehen / vnd zwar in den Kirchen vnnd an - heimbs in einem ſonderbaren abgelegenen ort oder Kaͤmmerlein / Jtem mit demuͤtigen Ge - berden kniendt / dann etliche Heuchler pran - gen mit jhrem betten auff offnen Gaſſen / vnd nur zum ſchein vor den Leuthen. Andere bet - ten nur mit dem einen Knye nider knient / aber ſie verſpotten Gott vnnd halten jhne nur fuͤr einen halben Gott.

Nicht weniger ſoll das Gebett beharꝛlich ſein / vermuͤg der Wort: Bettet ohne vn - derlaß. Wann der Leopard das Wildt nitim545Der Landtſtoͤrtzer.im erſten ſprung fahet / ſo fraget er jm ferꝛner nicht nach / ſondern laͤſts lauffen: Alſo wann etliche Menſchen nicht geſchwindt von Gott erhoͤrt werden / laſſen ſie nach / betten nimmer / vnd woͤllen Gott den Herꝛn weiter nicht mo - leſtiren noch bemuͤhen.

Zum ſechſten muß es jnnbruͤnſtig ſein vnd von gantzem Hertzen gehen / Jnnmaſſen Da - uid gethan vnd geſagt: Clamaui in toto cor - de meo exaudi me Domine; Vil Leuth werden nit erhoͤrt / weil ſie in wehrendem jh - rem betten mit den Augen hin vnd wider auff die ſchoͤne Frawen ſchawen / vnnd mit jhrem Hertzen vnd Gedancken anderſtwo ſeind / alſo auß dem betten ein fluchen vnd ſchwetzen / vnd auß der Kirchen ein bordell oder Huren vnd Kuppelhauß machen. Beſchließlichen muß das Gebett beglaidt werden mit den Zaͤhren / daruon aber ſoll in nachfolgendem Ca - pittel gehandlet wer - den.

M mVom546Der Landtſtoͤrtzer.

Vom Weinen.

DAs vierte / welches den Wercken der Satisfaction wol anſtehet / iſt das wainen: Auß vilen Vrſpruͤngen fleuſt der Bach der Zaͤhren / erſtlich auß dem frembden mitleyden / Jnmaſſen Chriſtus am Creutz vnnd zuuoꝛ vber die Statt Jeruſalem weinte. Am andern wegen deß Paſſions Chꝛi - ſti / Jnnmaſſen jene heilige Weiber denſelben beym gꝛab beweint: Drittens wegen der abwe - ſenheit deß geliebten / Jnmaſſen Maria jhren geliebten beym Grab beweinte / Jtem Dauid ſprechent: Fuerũt mihi lachrimæ meæ pa - nes die ac nocte, heu mihi quia incolatus. Viertens wegen erjnnerung der empfangnen gutthaten / jnmaſſen Auguſtinus geweint als er die dem Menſchlichen Geſchlecht erwiſene gutthaten betrachtete. Zum fuͤnfften wegẽ der entzuͤndung deß Goͤttlichen Worts / Jnmaſ - ſen jene Braut gethan / ſpꝛechent: anima mea liquefacta eſt Sechſtens wegen der verlaͤn - gerung deß Reichs der Himmlen / JnmaſſenMaria547Der Landtſtoͤrtzer.Maria Cant. 5. geweint / ſpꝛechent: Nũciate dilecto: quia amore langueo. Beſchließli - chen weinet man wegen der Suͤnden / Jnmaſ - ſen Petrus vnd Magdalena gethan vnd von jhꝛ geſagt woꝛden: cœpit rigare pedes eius.

Alle dergleichen weinen dẽ hat der Herꝛ fuͤr ſelig geſchetzt / ſprechendt: Beati qui lugent quoniam conſolabuntur. Derwegen ge - hoͤren nicht in diſe Zahl die jenige Geltnarꝛen vnnd Wucherer / ſo da weinen vnnd trawren auß lauter Geitz / wann nemblich das Traidt wolgerathet. Noch auch die Liebnarꝛen / ſo da weinen vnnd ſich ſchier zu todt kummern we - gen jhrer Bulſchafft / dann ſolches jhr weinen iſt eytel / vnd wirt verkehrt in ein ewiges traw - ren / heulen / weinen vnnd Zaͤhnklappern: erit tibi fletus & ſtridor dentium.

Das fuͤrnembſte vnnd notwendigſte aber / welches der Menſch zubeweinen hat / iſt ſein ſuͤnd / dañ weil der Hirſch wuͤtet wañ er vmb - geben iſt von den wuͤtigen Hunden / warumb wolte dann nit weinen die Menſchliche Crea - tur / welche vmbgeben iſt mit grimmigen vnd wuͤtenden Teufeln?

M m 2Weil548Der Landtſtoͤrtzer.

Weil da weinet der Crocodil / wann er vm̃ - bracht hat einen Menſchen / warumb wolte nicht wainen ein Chriſt / der durch die Suͤnd vmbbracht hat ſein Seel? Weil die heilige Catharina von Senis drey gantze Taglang beweint hat ein einige laͤßliche Suͤnd: Weil die Roͤmerin Paula jhre laͤßliche Suͤnd eben ſo bitterlich beweinte / als werens Todtſuͤndt: Weil der heilig Dominicus jmmerdar be - weinte die boßheit der Suͤndern: Warumb fragen dann wir ſo gar wenig nach dem be - weinen vnſerer Suͤnden? O wie vil beſſer vnnd rathſamer were es / daß wir ſie allhie be - weinten mit den Zaͤhern deß Waſſers / denn dort mit den Zaͤhern deß Fegfewers / Dann ob ſchon die leibliche Zaͤher nicht ſimpliciter notwendig ſeind zur vertilgung der ſchulden / ſo ſeindt ſie doch ſehꝛ dienſtlich zur verzeihung der Straff. Hoͤre / was Eſaias darzu ſagt: Super hoc accingite vos cilicijs, plangite & vlulate, Filia populi mei accingere licio & conſpergere cinere: luctum vni - geniti fac tibi: fac tibi plãctum amarum, ꝗa non eſt auerſa ira furoris Domini: Alswolte549Der Landtſtoͤrtzer.wolte er ſagen: O du vndanckbare Creatur / vil haͤrter biſtu dann Eyſen / Marmelſtein vnnd Demandt / weil du nicht kanſt weinen: Weil du weineſt vnnd dich beklageſt / wann dir groſſe Blatern auffgehen an deinem Leib warumb beweineſt du nicht deine verbrechen / welche da ſeindt vergiffte vnd toͤdtliche Bla - tern der Seelen?

Weil du weineſt vnd trawreſt wann du ge - fallen biſt in die vngnad eines weltlichen Fuͤr - ſten / warumb weineſt vnnd ſeufftzeſt du nicht / vmb daß du auff dich geladen haſt den Zorn deß ewigen GOTtes? O Menſch bedecke dich mit dem haͤrinen Kleidt / beſtrewe dich mit Aſchen / heule bitterlich / vnnd weine ſchmertzlich / Jnnmaſſen ein getrewe Mut - ter zubeweinen pflegt jhren einigen Sohn / dann nicht abgewendt iſt von dir der Zorn GOTtes: O vnbeſonnener Menſch: the - ſaurizas tibi iram in die iræ, Du ſambleſt dir auff deinen Kopff den Zorn Gottes / vnd wilſt nit weinen / vnangeſehen du ſo vil vrſa - chen haſt zu weinen / Dann ſchaweſtu auff - wertz / ſo ſiheſt du / daß du auß dem Himmel -M m 3reich550Der Landtſtoͤrtzer.reich bandiert vnd vngewiß biſt / ob du hinein wirſt kommen: Schaweſt du abwertz / ſo ſi - heſtu dein Grab vnd die Erd / darinn du ver - kehrt wirſt werden: Wendeſt du dich zur lincken oder rechten ſeyten / ſo ſih eſt du die ge - fahr / darinnen du lebeſt: Vor dir haſtu den Todt / hinder dir haſtu dein vollbrachtes boͤ - fes Leben vnnd Laſter / die dich verfolgen: Du wanderſt mit aller macht vnd eyl zum Todt / du wirſt getragen von vier ſchnellen Roſſen deiner widerwertigen humorn, welche den Wagen deines Leibs ziehen vnd dich zu dem Goͤttlichen Gericht bringen / vnnd nichts de - ſtoweniger lacheſt du vnd biſt froͤlich vnd gu - ter ding: Verurtheilt biſtu zum Todt / vñ weiſt nit / ob du heut oder morgen expedirt vnd dir der garauß gemacht ſoll werden / vnd nit deſto weniger verzehreſtu dein zeit mit lachen. Nit alſo O Menſch / nicht alſo / ſonder gehe in das jnnerſte deines Gewiſſens / vnnd betrachte dein vergangenes Leben / weil auch du gelacht haſt in deiner jugent / ſo weine im alter / vñ ge - denck wie ein lange zeit deines Lebens du der welt gegeben vnd wie wenig du Gott gedienthaſt.551Der Landtſtoͤrtzer.haſt. Vnd weil die groſſe Suͤnd ein groſſe re - compens erford’n / ſo recõpenſire die frewd vñ dz lachen der ſuͤnden durch das weinen vnd ſchmertzen der ſatisfaction, dañ wie alle waſ - ſer deß Meers nit gnugſam ſeind zuloͤſchẽ ein einiges fuͤncklein deß Fegfewrs / alſo ſeindt ſie zaͤher der wahꝛẽ cõtrition gnug / zuloͤſchen dz gantze hoͤlliſche fewꝛiwie der Hirſch vernewert wirdt durchs Waſſer / alſo wirdt vnſere Seel ernewert durch die zaͤher / wie wir zur zeit der Fewersbrunſt zum Waſſer fliehen / alſo wann vnſere Seelen in der begirlichkeit brinnen / ſollen wir fliehen zum heiligen Lauacro der Zaͤhern / wie mit dem Waſſer vertilgt wirdt die Schrifft / alſo wirdt mit den Zaͤhern ro - dirt vnd vertilgt der Proceß vnd die Schrifft deß Todts / welche der Teufel wider vns hat / dann qui ſeminat cũ lachrimis, in exulta - tione metet. Laſſet vns anjetzo die zaͤheꝛ ſehẽ / vñ mit denſelbigen vnſere Suͤnd waſchen / da - mit wir durch die zaͤher der pœnitentz vnnd Buß gelangen moͤgen an das ort / da nichts anderſt gehoͤrt wirdt als ein Him̃liſches muſi - eieren / lachen / jubiliren vnd frolocken.

M m 4Be -552Der Landtſtoͤrtzer.

Beſchließlichen ſagt der heilig Gregorius recht vnd wol / daß die jenige gute Werck / wel - che nicht beſprengt werden mit dem heiſſen Waſſer der Zaͤhern / gleich ſeyen einem truck - nen vnd duͤrꝛen Opfer / aber wann ſie beglaidt werden mit etwan einem lachrimoſo pro - fluuio, alsdañ ſeind ſie ein faiſtes angenemes Opffer vor Gott. O wie koͤſtlich ſeind die heilige Zaͤher / ſie verſchmeltzen die Demanti - ſche Hertzen / vnnd bewegen die Gemuͤter der Fuͤrſten / vermuͤg der Wort Ouidij, da er ſpricht:

Interdum lachrimæ pondera vocis habent: Et lachrimæ proſunt, lachrimis adamanta mouebis. Sæpe per has flecti Principis ira ſolet.

Hoͤre was der Eccleſiaſticus ſagt: nonne lachrimæ viduæ à maxillis aſcendunt vſque ad cœlum? Et Dominus exaudi - tor eorum delectabitur in illis: O wunderbarliche Krafft der Zaͤhern / welche von den Wangen der bußfertigen Menſchen herab biß in den Himmel durchtringen / ja es frewet vnd erluſtiget ſich Gott dermaſſen mitjhnen /553Der Landtſtoͤrtzer.jhnen / daß er ſie von ſeinem Goͤttlichen An - geſicht ſetzet / als werens koͤſtliche Berlein vnd Kleinoͤter / vermuͤg der Wort: Poſuiſti la - chrymas in conſpectu tuo ſemper.

Guſman eꝛkundigt ſich bey dem Ein - ſidler / ob der jenig / welcher mit Todtſuͤnden behafft iſt / vnderlaſſen ſolle zubet - ten vnnd Allmuſen zu - geben.

DJe obberuͤhrte Woꝛt vnd vnderwei - ſung war gleich wol ſchoͤn / aber doch weil ich darauß vermerckt / daß die gute Werck vnnd ſonderlich das betten vnnd Allmuſen deſſen / der mit Todtſuͤnden behafft iſt / GOtt dem Herꝛen nicht angenemb ſeyen / ſo entſetzte ich mich etlicher maſſen daruͤber vnnd fragte den Einſidler / wie es dißfals ge - meint were: Er gab mir nachfolgende erleu - terung vnd ſprach:

Mein Sohn / ich lobe dein gutes vorha - ben / daß nemblich du geſinnt biſt von Suͤn - den abzuſtehen / aber ob ſchon du wegen et -M m 5wan554Der Landtſtoͤrtzer.wan einer Vrſachen vnderlieſſeſt dich zu - bekehren / ſo ſolleſt du doch nicht vnderlaſſen gute Werck zubegehn / zu betten / zu faſten / Allmuſen zu geben / dann ob ſchon ſolche vnnd andere dergleichen gute Werck / wann du mit Todtſuͤnden behafft biſt / der ewigen Belohnung nicht wuͤrdig ſeindt / ſo verdie - nen ſie doch durch ein ſonderbare conne - uolentz, (welche von den Theologis de congruo genennt wirdt /) ſo vil / daß GOTT dergleichen Leuthen etwann ein Belohnung darfuͤr gibt in diſer Welt. Da - mit derwegen du nicht hinein lebeſt wie die verzweifelten thun / ſo da gar nichts guts thun woͤllen / ſamb hetten ſie an jhrer Seligkeit allerdings verzweifelt / ſo ſolleſt du wiſſen / daß dreyerley Menſchen verhanden ſeindt welche wegen jhrer guten Werck ergoͤtzt vnd belohnt werden.

Die erſten ſeindt die frommen vnnd tu - gentſamme Perſonen / dieſelbigen empfahen von GOtt zu einer belohnung jhrer guten Werck das ewige Leben / nach beſchaffenheit deß gradus oder deß Staffels der Lieb / mitderen555Der Landtſtoͤrtzer.deren ſie ſolche gute Werck begehen / vermuͤg der Wort Salomonis: Seminanti iuſtitiã merces fidelis: Item: Dauid ſpꝛicht: Et re - tribuet mihi Dominus ſecundũ iuſtitiã meam & ſecundum puritatem manuum mearum retribuet mihi. Item: Joannes ſpricht: Venio cito & merces mea mecum eſt; reddere vnicuiq; ſecundũ opera ſua.

Die andern / welche wegen jrer guten werck belohnt werden / ſeindt die eytele liederliche Perſonen / die werden mit der ewigen Straff belohnt / dann alles was ſie guts wuͤrcken / fa - ften / betten vnd Allmuſen geben / das beſchicht zu erlangung deß Menſchlichen Lobs / oder gunſts / der wegen verdienen ſie kein ergoͤtzlich - keit / ſonder ein Straff / vñ wider einen ſolchen gottloſen affect redet der Herꝛ vnd ſpꝛicht: Si oculus tu us nequam fuerit, totũ corpus tenebroſum erit; ſi ergo lumen: quod in te eſt, tenebræ ſunt, ipſæ tenebræ quante erunt.

Die dritten ſeindt die jenigen Suͤnder / ſo in Todtſuͤnden ſiecken vnd nit deſto weniger von GOTTes wegen gute Werck vben zuder556Der Landtſtoͤrtzer.der Ehꝛ vnd Glory Gottes vnnd vermittelſt der Gnad CHriſti / ſeytemal er ſelbſt ſpricht: Sine me nihil poteſtis.

Diſe Leuth werden mit etwan einer zeit - lichen gnad belohnt / vnnd fehig gemacht / ein ſolche gnad / durch welche ſie Gott angenemb werden / zuerlangen / dann die gute werck / die wir im Standt der Todtſuͤnden begehen vnd doch von Gottes wegen / damit nemblich er dardurch geehrt vnd gelobt werde / beſchehen / erlangen ein ſolche gnad von GOtt / daß / ob ſchon wir nicht propriè den Himmel verdie - nen / doch durch die vorbemelte cõneuolenz welche in den Schulen congruitas genennt wirdt / wir zu der Gnad diſponiert, bequem vnd fehig gemacht werden / ja ſo gar koͤndten wir villeicht per accidens (wie die Philoſo - phi vnd Logici reden) zu der Glory der ſeli - gen gelangen.

Dann wer etwas guts wuͤrcket / der hat die Laiter deß Himmels in der Hand / vnd Gott leinet an derſelben Laiter / vnd iſt willig vnnd vrbietig den ſuͤnder zuempfahen vnd jm zu der bekehrung zuhelffen. Jch ſage gleichwol nit /daß557Der Landtſtoͤrtzer.diſponieren koͤnne / ſie durch ſich ſelbſt vnnd ohne Gottes huͤlff zuempfahen / ſondern inn dem er ſolche huͤlff annimbt vnd wol wircket / ſo kombt er dardurch allgemach etwas nahen - der zu der goͤttlichen gnad hinzu. Gewiß iſts / daß die Suͤnd vns weit von Gott abſoͤndern / allermaſſen hingegen die gute Werck ein vr - ſach ſeindt daß er ſich zu vns nahet / dann es ſtehet geſchriben: longè à peccatoribus ſa - lus: Item: qui ſe elongant à te peribunt: Aber die gute werck ſeindt die jenige / ſo vns zu jhm nahen / dann Gott hat ein verlangen nach vnſerm heyl / vnnd er gehet vns entgegen / wie an jenem Hauptmann Cornelio zuſehen / de - me der heilig Petrus entgegen geſchickt vnnd zu jhm geſagt ward: deine Allmuſen vnd dein Gebett: Aſcenderunt memoriam in con - ſpectu Domini.

Von noch einer andern Frucht der guten Werck redet Eſaias vnnd ſpricht: quieſci - te agere peruerſe, diſcite benefacere; Durch das lehꝛnen guts thun / wird nichts an - derſt verſtanden / als daß man ſich zu den gu - ten wercken ſolle begeben / dañ dieſelbige ſeindtder -558Der Landtſtoͤꝛtzer.dermaſſen kraͤfftig / daß ſie machen / daß die Seel deſto leichtlicher von Suͤnden abſtehet / ſich zu Gott bekehꝛet vñ den weg der tugenten wandert. Zugleicher weiß wie der Tauff Jo - annis die ſuͤnd nit vergab noch vertilgte / ſon - der die Gemuͤter der Menſchen nur diſpo - nirte vnd bequem machte den Tauff CHri - ſti zu empfahen / alſo vnd eben ein ſolche ge - ſtallt hats auch mit den guten Wercken der Suͤndern. Wer ſihet nicht / daß / wann der Suͤnder niemaln nichts guts thut / er dar - durch gantz vnwiſſendt vnnd vntauglich wer - de etwas Chriſtlichs zu begehen? Dann es ſpricht Jeremias: Stultus populus meus me non cognouit, filij in ſipientes ſunt & vecordes: Sapientes ſunt vt faciant mala bona autem facere neſcierunt. Nit allein werden ſolche Suͤnder / welche niemaln nichts guts thun / vnwiſſendt vnd blind / ſon - dern es wirdt auch jhꝛ Will verſtockt vnd jhr Hertz wirdt vil haͤrter / dann Eiſen: vermuͤg der Wort Jobs: Cor eius in duratum qua - ſi lapis & reſtringetur quaſi malleatoris incus? Item Ezech: Indurauerunt cor ſu -um559Der Landtſtoͤrtzer.um quaſi adam antem, ne audirent le - gem.

Der Prophet Jeremias ſagt vns / wie not - wendig die gute Werck ſeyen / vnangeſehen wir mit Todtſuͤnden behafft weren / ſpre - chendt: Si mutare poteſt Æthiops pellem ſuam, & pardus variatos colores ſuos, ſic & vos poteritis benefacere, cum dedice - ritis, Wañ der Menſch niemaln nichts guts thut / ſo machet er ein ſolchen boͤſen habitum vnnd gebrauch im ſuͤndigen / daß er niemaln widerumb auff den guten weg kan kommen / ſondern allezeit ſeinen Jrꝛthumben nach - gehet.

Zugleicherweiß wie ein groſſer vnderſchid iſt zwiſchen einem geſunden vnd einem Kran - cken / Alſo iſt ein groſſer Vnderſchid zwiſchen einem Gerechten vnd einem Suͤnder / dañ die Speiſe deß Geſundten verkehꝛt ſich in ſein ſubſtantz / das thut aber die Speiß eines kran - cken nit / ſondern ſie ſtaͤrcket jhne nur / vnd er - haͤlt jhm das humidũ radicale, damit er nit gar auß loͤſche: Eben diſes thun auch die guteWerck /560Der Landtſtoͤrtzer.Werck / dann die gute Werck der Gerechten ſeindt Subſtantialiſch vnnd verdienen den Himmel / aber die gute Werck der Suͤndern ſtaͤrcken jhne nur etlicher maſſen / damit er in ſeiner Suͤnd nicht vmbkomme vnd verderbe: Wie auch einem Krancken notwendiger iſt daß er durch die Speiß geſterckt werde / denn einem Geſundten / vnangeſehen der Krancke ein ſchlechtere Krafft dardurch empfindet / al - ſo iſt einem Suͤnder vil notwendiger / daß er ſich in guten Wercken vbe / denn einem Ge - rechten / vnangeſehen der Suͤnder einen ſchlechtern nutz daꝛuon hat. Derwegen ſpꝛicht der Eccleſiaſticus: Non eſt ei bene, qui aſſiduus eſt in malis, & elemoſinam non danti.

Ein ſehꝛ groſſer nutz der guten Wer - cken der Suͤndern erſcheint auch auß der de - mut deß Gottloſen Koͤnigs Achab / dann als derſelb ſich ſehꝛ affigiert vnd kummerte von Gottes wegen / hat er dardurch die jm durch den Propheten Eliam betrohte ſtraff von ſich abgewendt / vnd verdient / daß der Herꝛ nach - folgende liebliche Wort ſagte: Nonnevidiſti561Der Landtſtoͤrtzer.vidiſti Achab humiliatum coram me? quia ergo humiliatus eſt coram me me? cauſa, non inducam malum in diebus eius: Vber diſe Woꝛt ſpꝛicht Greg. herꝛlich vnnd ſchoͤn: Si tantum valuit humilitas in reprobo, quid tunc faciet in electo? O wie offt begibt ſich / daß Gott / wegen diſer guten Wercken vnderlaͤſt ein gantzes Landt / ein gantzes Geſchlecht zu ſtraffen: Er nimbt bißweiln die Thewrung / Krieg / Peſtilentz hinweg / verſchiebet die Straff vnnd wartet lang auff die Buß / damit wir ſelig werden. Raab war ein vnkeuſches Weib / aber weil ſie die Kundtſchaffter der Hebreern beherbergte / ſo befalch Gott / daß ſie in erober: vnd pluͤnde - rung der Statt / nicht vmboͤꝛacht / ſonder beym Leben erhalten ward.

Noch einen andern nutz der guten wercken der Suͤndern / zeigt vns der Prophet Eſaias an / ſprechendt: Si volueritis, & audieritis me, bona terræ comedetis: Keins wegs laſt Gott die von ſeinet wegen begangene gu - te Werck vnbelohnt / dann ergoͤtzet er ſie nicht mit den ewigen Guͤtern / ſo beſcheret er dochN nzeit -562Der Landtſtoͤrtzer.zeitliche darfuͤr. Dem jenigen / der gute werck thut / (vnangeſehen er mit Todtſuͤnden behaft iſt) gibt er langes Leben / geſundheit / reich thum̃ frid vñ groſſe gluͤckſeligkeit / vermuͤg der woꝛt: Quorum filij ſicut nouellæ plantationes à iuuentute ſua filiæ eorum compoſitæ circumornatæ vt ſimilitudo templi prõ - ptuaria eorum plena, eructantia ex hoc in illud, oues eorum fætoſæ abundantes in egreſſibus ſuis, boues eorum craſſe. Non eſt ruina maceriæ, neque tranſitus, neque clamor in plateis eorum Beatum dixerunt populum iſtum, &c.

Guſman erzehlt / was jm nach voll - brachter Beicht vnnd Communion / fuͤr ein peregrination oder Wallfahꝛt zuuer - richten aufferlegt vnd gera - then woꝛden.

AVff die oberzehlte deß Einſidlers mir beſchehene erjnner - vnd vnderweiſung beichtete vnd Communicirte ich auffs aller andaͤchtigſt / weil aber der Beichtuatterſahe /563Der Landtſtoͤrtzer.ſahe / mit was fuͤr ſchwerer Suͤnden vnnd La - ſtern ich mich von zarter Jugendt auff / beſu - delt / befleckt vnnd behafft hatte / ſo gab er mit zuuerſtehen / daß dreyerley ſpecies oder ge - ſtalten der pœnitentz vnd Buß verhanden / Die erſte iſt ein priuata, vnd beſchicht heimb - lich / wañ nemblich der Prieſter ſie einem jeg - lichen aufferlegt / wegen ſeiner begangenen heimblichen Suͤnden. Die andere heiſt ſo - lennis, vnnd wirdt nur durch den Biſchoff aufferlegt / wegen etwann eines begangenen ſchweren Laſters / dardurch ein gantze Statt o - der gemaind geaͤrgert woꝛden.

Die dritte iſt publica vnd offen / vnd wirdt durch den Prieſter aufferlegt / wegen begang - ner offnen Suͤnden / nemblich ein weite oder nahe Kirchfahrt mit bloſſem Leib oder ſonſten zuuerꝛichtẽ. Ebẽ ein ſolche buß ward auch mir auferlegt / nemlich gen Jeruſalẽ. Das gab ich nun dẽ Einſidler zuerkeñen / darauf antwoꝛtet er vñ ſprach: Mein ſohn / wz dir fuͤr ein buß iſt auferlegt woꝛden / die verꝛichte fleiſſig vñ trew - lich / dann weil du die gantze zeit deines Lebens alle Laͤnder durchſtrichen / vnnd ſchier allerN n 2orten564Der Landtſtoͤrtzer.orten ein letze vnnd zeichen deiner Buͤberey vnnd Boßheit haſt hinderlaſſen / ſo iſt billich daß du ein dergleichen Reiß verꝛichteſt vnd et - was abbuͤſſeſt. Aber doch will ich dir noch ein andere Wallfahrt vnnd Reiß auffgeben / vnd andeuten / vermittelſt dern du das wahre / rech - te vnnd Him̃liſche Jeruſalem erꝛeichen wirſt koͤnnen. Derwegen mercke auff meine Woꝛt. Zugleicher weiß wie jener verlohrne Sohn / ſeinen Gott vnd Vatter verlaſſen / ſein geſicht geflohen vñ dardurch ſein Vaͤtterliches Erb - gut / ſeinen Gott / ſein Gnad vnd Tugenten verlohren hat / vnnd derwegen ſie widerumb ſuchen / vnnd ſprechen muͤſte: Surgam & ibo ad Patrem meum. Alſo vnd ebner geſtallt iſts dir ergangen / derwegen muſt du auch alſo thun / dann ob ſchon dir diſe Wallfahrt etwas ſchwer / muͤheſamb vnnd gefaͤhꝛlich wirdt an - kom̃en / ſo gedenck doch / daß du in deiner vori - gen eytlen vnd Gottloſen wanderſchafft vnd ſtoͤrtzerey vil groͤſſere muͤhe vnd gefahr außge - ſtanden von deß Teuffels wegen / derwegen verwidere dich an jetzo nicht / etwas wenigs zuthun vnnd außzuſtehen von Gottes deineseygnen565Der Landtſtoͤrtzer.eygnen heyls wegen. Gedenck an jene heilige Wallfahrter Petrum Paulum vnd Dauid / welcher geſagt hat: Aduena ego ſum apud te, & peregrinus ſicut omnes Patres mei: Als wolte er ſagen: O HERR / Jch bin ein Frembdling bey dir / dann nicht allein iſt mein Seel von der frembde hero / vnnd nicht auß der macht der Materi wie die Seel ei - nes Hundts: Sondern ich bin auch ein Gaſt / der ein ſehr kurtze zeit lebet / wie ein Blum auf - gehet / verwelcket vnd zertretten wirdt / vnd in keinem ſtetten noch beſtaͤndigen weſen vnnd Standt verbleibet.

Von dem erſten requiſito oder ey - genſchafft deß Geiſtlichen Pil - grams.

WEil du dann ein Frembdling vnnd Gaſt biſt / vnnd ein ſo groſſe vnnd eytele Wallfahrt vor dir haſt / ſo ver - halte dich wie ein Wandersman vnnd Gaſt / damit du letztlichen widerumb in dein wahꝛes Vatterlandt gelangen vnnd deine natuͤrlicheN n 3Erb -566Der Landtſtoͤrtzer.Erbguͤter beſitzen vnd genieſſen moͤgeſt. Vil ding aber gehoͤren darzu / nemblich die abzah - lung deiner Schulden / die auffrichtung ei - nes Teſtaments: verordnung im Haußwe - ſen: gute Schuch / ein Lederſack / ein Huet / ein Zehrpfenning / Haͤndtſchuch / wiſſenſchaft deß Wegs: leichte Buͤrdt / ein kleines Huͤnd - lein / gute Geſellſchafft / fruͤh auffſtehen vnnd wandern / langſamb vnd gemach gehen: nicht ſtillſtehen: die Spoͤtter verachten: deinen Schatz oder Gelt verbergen: Fuͤrſichtigkeit in der Herberg / im Schatten eſſen: mit dem Leib auffm weg vnnd mit dem Geiſt im Vat - terlandt ſein: vom Vatterlandt reden / vnnd wider ins Vatterlandt kommen.

Von Geltſchulden.

WAS erſtlich die Schulden / mit de - nen der Pilgram behafft iſt be - trifft / muß er dieſelbige vor allen dingen abledigen / damit er der calumnien der Menſchen hefreyt ſein / vnd die gebott deß Herꝛn deſto beſſer halten vnd volziehen moͤge:Jnn -567Der Landtſtoͤrtzer.Jnnmaſſen jener gebetten ſpꝛechend: redime me à calumnijs hominum vt cuſtodiam mandata tua. Mein Bruder / zahle deine Geltſchulden / dann ſonſten kanſiu nit wider - kommen in dein ſeliges Vatterlandt / dañ kein Schuldner ſoll die Schuldt wider ſeines gel - ters willen behalten / ſonder iſt ſchuldig ſie zur beſtimbter zeit zu zahlen / dann ſonſten begehet er ein Todtſuͤnd. Das mercket jhr reichen / die jhr den armen Geltern / Tagwerckern vnnd Handtwercksleuthen das jhꝛige mit Liſt / vortl oder gewalt vorenthaltet oder abbrechet. O wie ein groſſes vnd herꝛlichs ding iſts / wañ ei - ner ſich liberiert frey vñ ledig machet durch abzahlung der Schulden / damit er deſto leich - ter vñ freyer vortraiſen vñ hinauff gen Him̃el fliegen moͤge / jn maſſen jener Edelmañ gethan welcher / als er in ſeinẽ Todbeth ein ordenliche diſpoſition vñ veroꝛdnung aller ſeiner guͤter gemacht / vñ alle ſchuldẽ zubezalẽbefohlẽ hatte / wẽdete er ſein angeſicht zũ Crueifix vñ ſprach: Sihe O Herꝛ / nun mehꝛ hab ich mich erledigt auß dẽ haͤnden der Menſchen / derwegẽ befilch ich meinen Geiſt in deine Haͤnd. Dann fuͤr -N n 4waꝛ568Der Landtſtoͤrtzer.war / niemandt kan Gott dem HErꝛen voll - koͤmmlich dienen noch anhangen / woferꝛn er ſich nit zuuoꝛ frey machet von der welt. Diſes ſolten die jenigen betrachten / welche entweder mutwilliger weiß banckrotieren / fallieren / vil gute Leuth jaͤmmerlich anſetzen vnnd ins ver - derben bringen / oder nach vil Landt vnnd Leuth / vil Herꝛſchafften / Haͤuſer vnnd Guͤter trachten vnd nicht deſto weniger mit groſſen ſchulden beladen ſterben / vil vnd arme Witt - wen vnd Waiſen machen / dern raach / jam̃er vnd noth jmmerdar vnnd in alle ewigkeit gen Him̃m̃el ſchreyet.

Von Straffſchulden.

NOch ein andere art der Schulden iſt verhanden / die werden debita pena - lia, oder pein vnnd ſtraffſchulden ge - nennt / vnnd von vns durch vnſere Suͤnd ge - macht / derwegen muͤſſen ſie gegen Gott abge - tragen bezahlt vñ erſtatt werdẽ / vermittelſt deß ſtraffleydens vnd geduldens / dañ wer ſich wi - der Gott verſuͤndiget der wirdt deß hoͤlliſchenFewers569Der Landtſtoͤrtzer.Fewers ſchuldig / vnnd daſſelbe muß er bezah - len / woferꝛn jhms GOtt nicht verzeyhet ver - mittelſt der contrition, faſten / wachen / betten diſciplinirung deß Fleiſches vnnd Allmuſen / vermuͤg der Wort: Elemoſinis redime peccata tua, Durch die Glider mit denen du geſuͤndiget haſt / muſtu bezahlen vnd gnug - thun: vermuͤg der Wort: Sicut exhibui - ſtis membra veſtra ſeruire immunditiæ. Als wolte der Apoſtel ſagen / wie du deine Glider freywillig zum dienſt der vnreinigkeit dargebotten / vnd nicht allein dardurch deinen Leib vereiniget / ſondern auch dein Seel ver - derbt haſt / Alſo diene an jetzo der Gerechtig - keit / die dich fuͤhret zur Heiligkeit: Zu ſolchem end aber vnnd an ſtatt daß du mit den Augen geſuͤndigt / ſie zu verbottenen dingen hergeben / vnd die Weiber auß ſuͤrwitz vnd geylheit an - ſchawt / ſo verwende ſie anjetzo zum vergieſſen der bußfertigen Zaͤher. Erhebe deine Au - gen ſambt CHRJSTO gen Himmel / dan - cke ſeinem Vatter / vnnd ſchaw die Bilder deß gecreutzigten vnnd der Heiligen andaͤch - tigklich an.

N n 5An570Der Landtſtoͤrtzer.

An ſtatt daß du deine Ohren hergeben haſt zum anhoͤren der eytlen Fablen / Maͤrlein / ſchaͤndtlichen poſſen / calumnien, liderlichen Lieder / verwende ſie anjetzo zum anhoͤren der Predigen / der klagen der Wittwen vnd Wai - ſen / deß ſchreyens der armen / nackenden vnnd duͤrfftigen / vñ deß heilſamen raths der weiſen.

An ſtatt daß du deinen Mundt verwendt haſt zum liegen / triegen / ſchmehen / beruͤhmen / fluchen / ſchweren / freſſen / ſauffen / verwende jhn an jetzo zu den Wercken der gerechtigkeit / verſperꝛe es / verachte niemandte / beruͤhme dich nicht / leug nicht / friß vnd ſauff nit / ſon - dern lobe Gott / corrigire, berede vnd ſtraffe deinen Nechſten.

An ſtatt daß du deine Haͤnd außgeſtreckt / vnd dich ſelbſt oder andere vnzuͤchtiglich an - geruͤhrt vnd betaſt / oder deinen Nechſten ge - ſchlagen oder beſtohlen haſt / ſo ſtrecke ſie an je - tzo auß zum Allmuſen geben: manus tuas a - peri inopi. Reiche dein rechte Hand deinem Nechſten zur Verſoͤhnung / enthalte ſie von ſchaͤndlichen dingen / biete ſie der gerechtigkeit dar: klopffe mit jnen auf dein Bruſt / erhebe ſiegen571Der Landtſtoͤrtzer.gen Himmel / ſeufftze vnnd ſprich: Deus eſto propitius mihi peccatori. Diſer geſtallt gehe mit allen andern deinen Glidern vmb / ſo wirſtu durch die ſatisfaction deine ſchulden zahlen vnnd ein lebendiges Opffer werden / vermuͤg der Wort: Obſecro vos vt exhi - beatis corpora veſtra hoſtiam viuentem Deo.

Nit aber ſprich: Jch kan meinen Leib nit alſo peinigen / ſondern will die Schuldt biß zum Jammerthal deß Fegfewers verſchieben / dann eben darumb iſt das Fegfewer gemacht vnnd verordnet worden: Dann du jrꝛeſt dich / vnnd ſolleſt wiſſen / daß drey Jarmaͤrckt verhanden ſeindt / auff denen wir ſolche vnſere Schulden zahlen muͤſſen / nemblich inn der Hoͤllen / welche die Leoner Meß iſt: Jtem im Fegfewer / welche die Franckforter Meß iſt / Jtem in diſer Welt / welche die Straß - burger Meß iſt: Aber wehe dem Menſchen der ſolche ſeine Schulden biß auff der Leoner Meß / das iſt / in der Hoͤllen / zubezahlen ſparet vnnd verzihet: dann daſelbſt muß er ſie zahlen biß auff den letzten heller vnd wirdt doch nichtfrey572Der Landtſtoͤrtzer.frey noch ledig werden / dann / leyder / in der Hoͤllen iſt kein erloͤſung: Allzeit zahlt man dort / aber niemaln wirdt man ledig gezehlt: Jm Fegfewer iſt gleichwol ein ſolutio vnnd abſolutio, zahlung vnd ledigſprechung / aber ein ſchwere vnnd harte zahlung / diſes wuſte jener wol / ſprechendt: Domine ne in fu - rore tuo arguas me, &c. Als wolte er ſa - gen: Herꝛ vberꝛumple mich nicht in deinem wuͤten vnd grimmen in der Hoͤllen oder Leo - ner Meß / ſondern erꝛette mich auß dem Ra - chen deß Loͤwen / der mich ſuchet zuuerſchlin - den.

Noch ſtraffe mich in deinem Zorn in dem Fegfewer auff der Franckfurter Meß / allda ich einen freyen vnd Francken Paß vnnd ein gewiſſe Hoffnung hab erledigt zuwerden / ſon - der erbarme dich meiner inn diſer Welt auff der Straßburger Meß / dern Straſſen / weg vnnd zuflucht die pœnitentz vnnd Buß iſt / dann ich bin je ſchwach vnd zart / vnnd koͤndte anderſtwo deinen Zorn weder in der Hoͤllen noch im Fegfewer außſtehen. Allhie O Herꝛ / brenne / ſchneide vnd zwinge mich dich zu za -len.173[573]Der Landtſtoͤrtzer.len. Ziehe mich mit riemen zum Thꝛon deiner Barmhertzigkeit / damit ich nicht gezwungen werde anderſtwo zuerſcheinen voꝛ dem Thꝛon der ſtrengen gerechtigkeit.

Continuatio von Straff - ſchulden.

FErꝛner kanſtu deine Straffſchulden zahlen vermittelſt deß begerens der friſten oder nachlaſſung: Dann du moͤchteſt gleichwol ſprechen: Fodere non valeo; graben vnnd arbeiten kan ich nit ver - mittelſt der Satisfaction deß Faſtens / dann ich bin vil zu zart / vnd bin deſſen nicht gewont vnd wann ich faſte / ſo ſtrauchle ich geſchwind oder es ſchwindlet mir der Kopff / oder werde ſonſten ohnmaͤchtig. Zum wachen bin ich vil zu alt: Was ſoll ich derwegen thun / damit ich meine 10000. Talenten bezahle? Soll ich dann verzagen vnnd verzweifflen? Nein / keins wegs / dann es iſt noch ein anders mittel zubezahlen verhanden / dann weil du je (wie du ſagſt) nicht kanſt graben vnnd arbeiten / ſoſcheme574Der Landtſtoͤrtzer.ſcheme dich nicht zubetlen. Bitte Gott den HERREN vnnd begere ein friſt vnnd verzug / oder ein gantze nachlaſſung deiner Schulden von jhm / erhebe deine Haͤnd zu jhm ſambt dem Dauid: Eleuatio manuum mearum ſacrificium veſpertinum. Er - ſuche jhne vmb zihl vnnd zeit / daß er dir geben woͤlle die ſtaͤrck vnnd das Leben dich zubekeh - ren vnnd fuͤr deine Schulden ein gnuͤgen zu - thun: Falle nider auff dein Angeſicht vnnd ſprich mit Mundt vnnd Hertzen: Domine ne confundas me ab expectatione mea, ſuſcipe me ſecundum eloquium tuum, dann geredt / verſprochen vnnd geſagt haſtu: nolo mortem peccatoris ſed magis vt conuertantur & viuat? quoniam ſi volu - iſſes ſacrificium dediſſem, &c. ſprich ſam̃t jenem boͤſen Knecht: Herꝛ / hab geduldt mit mir / ich wil dir alles bezahlen / wo nit wircklich doch mit dem voto vnd geluͤbd.

Nit allein ſprich alſo / ſonder thue es auch / weil du noch zeit haſt buß zuthun: nicht miß - brauche die edle zeit mit Hoffart / damit du nicht aͤrger werdeſt / vermuͤg der Woꝛt:dedit575Der Landtſtoͤrtzer.dedit ei Deus locum pœnitentiæ, ille au - tem abuſus eſt eo in ſuperbiam: Hoͤre was der Apoſtel zu dir ſagt: exiſtimas quia tu effugies iudicium Dei, an diuitias bo - nitatis eius & patientiæ & longanimita - tis contemnis, ignoras quoniam benignitas Dei ad pœnitentiam te ad - ducit: Secundum autem duritiam tuam & impenitens cor theſauriſas tibi iram in die iræ & reuelationis iuſti iudi - cij Dei.

Beſchließlichen bezahle deine Straff - ſchulden vermittelſt fuͤrzeigung der Handt - ſchrifft oder Quittung: Zeige den gecreu - tzigten CHRißum vnnd die Haut deß vnbe - fleckten Lambs / welches die Suͤnd der Welt hinnimbt / welches am Creutz außgeſtreckt iſt / welches vberſchriben iſt mit ſchweren Wunden / welches beſprengt iſt mit Spei - chel vnnd ſeinem eygnen roſenfarben Blut / welches illuminiert iſt mit den fuͤnff groſ - ſen Buchſtaben der fuͤnff Wunden / vnnd welches verſiglet iſt mit ſeinem aignen Wort: Venit filius hominis tradereanimam576Der Landtſtoͤrtzer.animam ſuam in redemptionem pro multis; & hic eſt calix qui effundetur: Hoc eſt chirographum, quod manu no - ſtra propria ſcripſimus, manus enim hominum flagellauerunt eum & cruci - fixerunt, & propter homines paſſus eſt, propter ſcelus populi mei percuſſi eum, ait Dominus: Diſes iſt die Quittung Chriſti.

Aber leyder / noch ein andere Handtſchrifft iſt verhanden / welche der Teuffel wider vns hat fuͤrzuweiſen / vñ welche wir mit der Handt vnſerer boͤſen Wercken geſchriben. Wehe vns / wehe vns / dann ſie begreifft ſehr ſchaͤnd - liche Fleck vnnd notas vnſerer Suͤnden / vnnd von jhr redet der Apoſtel alſo: Delens quod aduerſus nos erat chirographum decreti, quod erat contrarium nobis, & ipſum tulit de medio affligens illud cruci. Diſe Handtſchrifft vnſerer Suͤnden wirdt der Teuffel wider vns fuͤrzaigen vor GOttes Angeſicht / derwegen iſt ein notturft daß wir die darwider fuͤr vns auffgerichte vnd gemachte Quittung auffweiſen / jhm den ge -creutzig -577Der Landtſtoͤrtzer.creutzigten CHriſtum vor die Naſen ſtellen / vnd Gott dem Vatter ſie in abſchlag vnſerer Schulden fuͤrlegen / ſo wirdt er darmit zufri - den vnd ſeiner Gerechtigkeit ein genuͤgen ge - ſchehen ſein / dann diſer Paſſion iſt bey jhm ein redemption vnnd erloͤſung: Wann du auch Gott dem Vatter diſe Quittung in ab - ſchlag deiner ſchulden / vermittelſt einer ſte - ten vnd andaͤchtigen betrachtung vnnd nach - folgung deß Paſſions ſeines Sohns / fuͤrzei - geſt / alsdann ſprich: Reſpice in faciem Chriſti tui, Deus in nomine tuo ſaluum me fac, & in virtute tua iudica me. Vnd zweifle nicht an der nachlaſſung deiner ſchul - den / dann er hat ſie durch ſeinen Paſſion ge - nugſamb abzahlt / vnd diſer abzahlung Chꝛiſti wirſtu theilhafftig / woferꝛn du die Quittung deß geereutzigten Chriſti auffweiſeſt vermit - telſt der meditation, Betrachtung / danckſagung / nachfolgung vnd Bekehꝛung deines Lebens.

O oVon578Der Landtſtoͤrtzer.

Von Gegenſchulden vnnd was Ge - ſtallt wir vnſerm Naͤchſten verzey - hen vnnd vergeben ſollen.

FErꝛner ſeindt noch Schulden ver - handen / die nennet man Suͤndſchul - den von denen im Gebett deß Vatter - vnſers: vergib vns vnſere ſchuld als wir verge - ben vnſern ſchuldigern / ꝛc. meldung beſchicht. Nit allein muß ein Wallfahrter ehe vnd beuoꝛ er ſich auff den Weg begibt / Gott den Herꝛn bitten vmb vergebung ſeiner Suͤnden / ſonder wir muͤſſen auch beynebens vns mit vnſeren Geltern vergleichen / vnnd nicht allein jhnen das jenig / was wir jhnen ſchuldig ſeindt / be - zahlen / ſondern auch vnſern Schuldnern jh - re Schuldt barmhertzigklich nachlaſſen / da - mit du nicht ſambt jenem vnbarmhertzigen Knecht dem Peiniger vberantwort vnnd ge - zwungen werdeſt dein gantze Schuldt zubeza - len. Ob aber ſchon in deiner macht nit ſtehet / deinem Nechſten das jenig / was er dir ſchul -dig /579Der Landtſtoͤrtzer.dig / oder wider dich begangen / zuuerzeihen / Dann Gott iſt allein der jenig / der die Suͤnd verzeyhet / ſeytemal er fuͤrnemblich dardurch erzuͤrnt wird / ſo iſt doch auch ein notrurfft / dz du jhm deines theils von Hertzen verzeyheſt vnd jhne ferꝛner deſſen nichts entgelten laſſeſt / noch auch einige weder zeitliche noch ewige raach begereſt / ſonder vilmehꝛ ſein bekehꝛung / nutz / heyl vnnd wolfahrt ſucheſt vnnd befuͤr - derſt / jhne guͤtlich vnd ernſtlich ſtraff eſt vnnd gedultiglich vnd ſanfftmuͤtiglich vbertrageſt / vermuͤg deß beuelchs deß Herꝛn der da ſpricht: Diligite inimicos veſtros, benefacite his qui oderũt vos, & orate pro proſequen - tibus & calumniantibus vos. Wann nun wir ſolches thun / ſo erlangen wir daꝛdurch nit allein die verzeihung vnſer eygnen / ſond auch vnſer feinde vñ ſchuldner ſuͤnden. Thun wirs aber nit / vnd verzeyhen vnſerm Nechſten nit / ſo widerꝛufet vñ widerholet Gott die allbereit zuuor vns vergebne ſchulden / biß wir ſie auffn letzten Heller zahlen / dann er ſelbſt ſagt: Mit der maß / mit dern jr andern gemeſſen / ſol euch hinwider gemeſſen werden.

O o 2Von580Der Landtſtoͤrtzer.

Vom andern requiſito vnſers Geiſtlichen Wallfahrters / vnnd was geſtallt er ſein Haußwe - ſen diſponieren ſolle.

ZVgleicher weiß wie einer / der weit ver - raiſen will / zuuor ein gute Ordnung vn - der ſeinem Haußgeſindt machet / vnd den Kindern / Knechten vnnd Maͤgden befilcht / was ſie thun vnnd verꝛichten ſollen / Alſo auch muſtu / O Chriſtlicher Wallfahrter / der du kein bleibendes ort inn diſer Welt haſt / dein Haußweſen diſponieren, vermuͤg der wort: Diſpone domui te, quia cras morieris & nõ viues. Nun moͤchteſt du aber ſpꝛechen: ich bin ledig vnd allein / vnd hab kein Haußweſen. Antwort: ein groſſes Haußweſen haſtu / dann weil das Reich Gottes in vns iſt / wie koͤnnen wir dann Koͤnige ſein / ohne Haußgeſinde? Der Verſtandt / die Gedaͤchtnus / der Will / die drey potentiæ animæ rationis, Die fuͤnff jnnerliche vnnd aͤuſſerliche ſinnen vnndalle581Der Landtſtoͤrtzer.alle jhre organa vnd aͤuſſerliche Glider / nem̃ - lich der Mundt / die Zung / die Haͤnd / die Fuͤß / alle vnſere gedancken / begirlichkeitẽ / affecten ſeindt vnſer Haußgeſindt / Vnnd jhrer aller Koͤnigin iſt die Ratio. Tunc reges alios ſi rexeris te.

Wie aber das Haußgeſindt vngleich / biß - weiln zuͤchtig vnnd gehorſamb / bißweiln aber vnzuͤchtig vnnd vngehorſamb iſt / alſo gehor - ſamen die potentiæ der Seelen nicht allzeit jhrer Koͤnigin rationi. Jm Reich der See - len iſt ein doppelte Policey / allermaſſen in den euſſerlichen Weltlichen Regimenten / vnnd es widerfehꝛt der Rationi eben das jenig / was einem Jrꝛdiſchen Koͤnig begegnet / der zweyer - ley Vnderthanen hat / Etliche ſeindt jhm vn - derthenig vnd gehoꝛſamb ohne alle widerꝛed / ſeindt eygne Leuth / vnnd gehoͤren jhm ſambt Weib Kindern vnnd Guͤtern zu: vnnd ein ſolcher principatus heiſt deſpoticus oder dominatiuus: Andere Vnderthanen aber ſeindt frey / haben einen freyenzug / vnd ſeindt gehorſamb in ſonderbaren fellen vnd geſetzen / ſie geben jhm gleichwol den tribut, aber doͤrf -O o 3fen582Der Landtſtoͤrtzer.fen ſich doch bißweiln ſeinen gebotten vnd be - felchen widerſetzen / vnd ein ſolcher principa - tus wirdt genennt politicus oder regalis, E - ben diſe meinung hats auch mit dem regimẽt vnſers jnnerlichen Haußgeſindts / dern einer theil gehorſamet der Koͤnigin Rationi in al - len dingen / vñ dieſelbige ſeind die glideꝛ vnſers Leibs / Animũ n. dominatur corpori no - ſtro, principatus deſpotico. Imperat ani - mus vt moueatur manus & tanta eſt fa - cultas vt vix à ceruicio diſcernatur im - perium. Der ander theil vnſers geſinds aber gehoꝛſamet nit alzeit / ſondern bißweiln / als da iſt der ſinnliche appetit / vber welchen die ra - tio nur principatu politico od regali herꝛ - ſchet / derwegen kan er ſich jhrem Gebott wi - derſetzen / wie zuſehen iſt wann die iraſcibilis vnd concupiſcibilis ſich der rationi wider - ſtreben / deſſen beklagt ſich der Apoſtel / ſpre - chendt: Video aliam legem in membris meis repugnantem legi mentis meæ.

Dem erſten gehoꝛſamen theil deß geſindts aber mache vñ ſetze du ein Regel vnd ordnung wie vnd was geſtallt ſie ſtuͤndtlich leben vnndſich583Der Landtſtoͤrtzer.ſich verhalten ſollen mit leſen / beten / arbeiten / eſſen / ſchlaffen: Was aber den andern theil deß Geſindts / nemblich die jnnerliche gedan - cken / potentias vnd paſſiones belangt / wer - den dieſelbigen ſehꝛ ſchwerlich componiert vnnd in vnum redigiert: O wie ſelig were der Geiſtliche Centurio oder Hauptmann vnſer Geiſt / vnſere ratio, wann ſie / wie jener Hauptman / ſo maͤchtig were inn dem Landt jhres Leibs / daß ſie / wann ſie ſprechen thete: Komm / kaͤme: gehe hin / ginge: Selig / ſage ich / were der jenig / deſſen Geſindt jhm ſo gar gehorſamb vnnd willferig were / aber leyder / wir erfahren ein anders in vns / dann cogitationes noſtræ diſſipatæ ſunt tor - quentes cor meum. Daran aber ſeindt wir zum theil ſelbſt ſchuldig / dann zuglei - cher weiß wie die vbel gezogene Huͤndel auff dem Kuͤß / Bolſter vnnd Tiſch jhrer Herꝛn ſitzen / vnnd wann etwann frembde Leuth verhanden ſeindt / eben deßgleichen thun / nit ohne ſchandt vnd ſpott jhrer Herꝛn / die ſie alſo gewehnt haben / alſo vnnd ebner Geſtallt ſouieren auch wir vnſere Gedancken vnndO o 4be -584Der Landtſtoͤrtzer.begirden / wir laſſen ſie an vnſerer ſeiten deß conſenſus oder verwilligung ſitzen / vnd trei - ben ſie ſelten oder niemaln ab / darauß aber folgt / daß / wann wir vns zum beten oder me - ditieren begeben vnd mit dem Himmliſchen Heer vermiſchen woͤllen / als dann vnſere boͤſe Gedancken / ſich gebreuchiger maſſen / wie die vbelgezogne Huͤndlein / vnberuffen vnnd vn - geſtuͤmmiglich ein miſchen / vnd andern dar - gegen mit fleiß herzu beruffenen Gedancken keins wegs gehoꝛſamen woͤllen.

Beſchließlichen ſehen wir bißweiln / daß / wann ein Haußuatter ſein Geſind compo - niren vnnd reformiren will / ſie ſich als - dann betruͤben / aber dz der Haußuatter nichts darnach fragt: Eben alſo ob ſchon du / O Chriſtlicher Wallfahrter ſiheſt / daß das jñer - liche Geſindt deines Hertzens ſich vber deine gute Compoſition, verordnungen vnnd be - zwingung betruͤbet / ſo ſolleſtu doch dich nicht daran kehren / noch dich durch jhꝛ wainen be - woͤgen laſſen / ſondern gedencken / daß es vil beſſer ſeye / daß die Kinder wainen / weder daß die Eltern wainen / den Kopff kratzen vnd dieHaͤnd585Der Landtſtoͤꝛtzer.Haͤnd zuſammen ſchlagen / dann dardurch wirdt jhre trawrigkeit verkehrt werden in ein Frewd. Vberwinde dich / O Pilgram / v - berwinde dich ſelbſt / dann dem Vberwinder wirdt das verborgne Manna vnnd ein newer Nam gegeben / es wirdt auch darauß der Frid / ruhe ſicherheit vnnd frewd erfolgen: de - lectationem non perdes ſed permutabis delectationes carnales breues ſunt & per - mitte triſtitijs: non ſic ſpirituales quæ inges.

Vom dritten requiſito deß Pilgrams.

DAS dritte requiſitum deß Wall - fahrters iſt ein Taſche oder ein Le - derſack / darinn allerhandt notturfft / nemblich ein Fewerzeug / Gewuͤrtz / Brot / ꝛc. gelegt werden. Durch diſen Lederſack wirdt verſtanden der lebendig Glaub / welcher da machet / daß der Menſch das Leben hat / das iſt / er gibt jhm den ſenſum vnd bewegnuß deren dingen / ſo den Glauben betreffen / nemblichO o 5den586Der Landtſtoͤrtzer.den affect vnd die wirckung / Wie derwegen der Menſch glaubt / daß GOtt gerecht vnnd erſchroͤcklich ſeye / alſo zittert vnnd foͤrchtet er ſich vor jhm / vnnd er thut vnnd vollziehet das jenig was er glaubt Wie derwegen er glaubt / daß es gut vnd verdienſtlich ſeye / GOtt vor allen dingen lieben / den Sabbath heiligen / die Eltern ehren / ꝛc. alſo thut ers: Hergegen wie er glaubt / daß das huriren / ehebrechen / ſtehlen / ꝛc. boͤß ſeye / alſo huͤtet er ſich daruor. Diſes wird der lebendig Glaub genennt / quæ potens eſt elicere debitas operationes, quæ per charitatem operatur: Hergegen wirdt ein todter Glaub genennt / welcher nicht maͤchtig noch gnugſamb iſt die ſchuldige wirckung zu - uerꝛichten: vermuͤg der Wort: ſi fides non habeat opera, mortua eſt in ſemetipſa, eſt ſicut corpus ſine ſpiritu.

Recht vnd wol wirdt der Glaub einem Le - derſack verglichen / erſtlich wegẽ der einigkeit / dann die Pilgram pflegen bißweiln einen ge - meinen groſſen Sack / vnd dariñ jre ſachen / die ſie nit alle Tag brauchen / zulegen: vnd dem al - ler ſtaͤrckſten vnder jhnen anzuhencken / da -mit587Der Landtſtoͤrtzer.mit ers fuͤr ſie alle mit einander trage vnnd ei - nem jeglichen die notturfft herauß gebe: A - ber doch hat ein jeglicher Pilgram ſeinen be - ſondern Sack oder Taſchen bey ſich. Durch den groſſen Sack wirdt bedeut der allge - meine Chriſtliche Glaub / vnnd derſelb wirdt getragen durch einen der der ſtaͤrckeſt iſt / fuͤr alle ſchwache Chriſten / dann die ſchlechte vnd einfaͤltige Chriſten werden im glauben ge - ſtaͤrckt vnd ſelig im Glauben der Vorſtehern. Dann die Vnderthanen muͤſſen im Glauben den maioribus oder Vorſtehern anhangen vnd folgen / derwegen iſts gnug / daß die mi - nores nur ein kleines Saͤcklein oder Karnirl / (nemblich jhren Glauben / welcher gemeing - klich in der Kirchen gepredigt wirdt / vnnd ei - nem jeglichen Chriſten zuwiſſen vonnoͤten iſt) glauben. Dann gnug iſts / daß der gemeine Mann implicite in fide maiorum glaube / aber die maiores ſein ſchuldig andere incre - dibilia explicitè zu glauben / vnd die War - heit der Schrifft zuuerſtehen.

Das erſte aber / welches in diſen Sack oder Taſchen gehoͤrt / iſt der Fewrzeug / dañ wie diePil -588Der Landtſtoͤrtzer.Pilgram denſelben brauchen / wann ſie in der Nacht auff ſtehen vnnd betten woͤllen / damit ſie ſehen / oder ſich beym Fewer wermen o - der etwas kochen moͤgen / Alſo haben wir im Sack vnſers Chriſtlichen Glaubens die principia vnd anfaͤng der erleuchtung vnnd entzuͤndung / vnnd zwar erſtlich einen Fewer - ſtein oder Eckſtein / welcher Chriſtus iſt / deß - gleichen vil andere kleine Stein oder heilige in den Tugenten polierte vnd geuͤbte Maͤñer. Am andern einen Stahl / das iſt / die ſtarcke vnnd beharꝛliche meditation vnd Betrach - tung. Drittens einen Schwammen oder Zunter deß Hertzens. Darauß wirdt nun ge - ſchlagen das Fewer / welches vnſere Hertzen erleuchtet vnd anzuͤndet. Aber laider / biß - weiln iſt der Stahl / oder der Zunter / oder das Schwefelhoͤltzle / oder der Fewerſchlager nichts werth / oder das allbereite Liecht wirdt wider außgeloͤſcht / vnd fellt dardurch alle an - dacht / eyfer vnnd jnnbruͤnſtigkeit in Brun - nen.

Das ander / ſo in Sack oder Taſchen deß Glaubens vnſers Pilgrams gehoͤrt / iſtdas589Der Landtſtoͤrtzer.das Gewuͤrtz / nemblich / Zimmet / Mußcat / Naͤgelein vnnd dergleichen / mit denen er biß - weiln die vngeſchmackige Speiſen anmachet vnnd verbeſſert / oder ſich auff der Reiß ſtaͤr - cket: Zum zeichen / daß wir Chriſtliche Wall - fahrter inn der Taſchen vnſers Chriſtlichen Glaubens ein confortatiuum; ein dige - ſtiuum, ein conditiuum vnnd ſanatiuum, das iſt / den gecreutzigten CHRiſtum / haben. Dann er iſt diſes alles / er iſt ein Wunder - barliche Kugel / in welchem alle Schaͤtz der Weißheit vnnd ſcientzen verhanden / Er iſt das guldene Trinckwaſſer wider alle Kranck - heiten. Er iſt die quinta eſſentia aller Guͤ - ter / ſo da extrahiert vnnd gezogen iſt worden durch den allerhoͤchſten Alchimiſten / der da maͤchtig iſt / auß nichte etwas zumachen: er kan allerhandt vnheilbaren Kranckheiten der Seelen abhelffen vnnd alle ſchwachen con - fortiren vnd ſtercken.

Ferꝛner iſt im Sack deß Pilgrams ein gu - tes kraͤfftiges Brot vnnd ein Flaſche mit Wein / darmit er ſich vnderm Baum ſitzent labet vnnd ſtaͤrcket: Aber vnſer ChriſtlicherWan -590Der Landtſtoͤrtzer.Wandersmann hat inn ſeinem Sack deß Glaubens das Brot der Engeln / deß Lebens vnnd Verſtandts / nemblich die hei - lige Euchariſtiam: Vermuͤg der Wort: Cibauit illum Dominus pane vitæ & in - tellectus & aqua ſapientiæ ſalutaris po - tauit eum: Diſes iſt der frommen Chriſt - lichen Pilgramen viaticum vnnd Zehrpſen - nig: Es iſt das Brot deß Lebens / wer nun dar - von iſſet / der wirdt leben ewiglich: von diſem Brodt haben geſſen jene zwen Juͤnger / wel - che gen Emaus gingen / vnnd CHRJſtus der Pilgram brach jhnens / dardurch wurden jhre Augen eroͤffnet vnnd dermaſſen erleucht / daß ſie jhne erkennten.

Nicht weit von diſem Brodt iſt das Ge - ſchirꝛ oder die Flaſche mit dem Waſſer der Weißheit / der rothe Wein deß Roſenfarben Bluts vnſers HERREN JESV CHRJSTJ / welcher ſelbſt vnder den Geſtallten deß Brodts begriffen iſt / wie der Leib / dann ein ſolcher Leib hat Blut in den Adern. Mit diſem Wein ſeindt truncken woꝛ - den / die Apoſtel / als ſie froͤlich vor demCon -591Der Landtſtoͤꝛtzer.Concilio erſchinen / Diſer Wein iſt das Waſſer der heylſamen weißheit / welche Chri - ſtus iſt / vnnd wer von diſem Brot jſſet vnnd von diſem Wein trincket / der wirdt er - quickt / ob er ſchon noch ſo muͤd vnd krafftloß were.

Was ſoll ich aber vilmehr ſagen? Jnn diſem Sack deß Glaubens haben wir alle Guͤter / nemblich GOtt ſelbſt / welcher alles guts iſt / vermuͤg der Wort: Oſtendam tibi omne bonum: Item: det vobis habitare Chriſtum per fidem in cordibus veſtris. Wie derwegen die Pilgram auß jhrem Sack zechen vnnd leben / alſo leben alle Chriſten / ſo da Chriſtlich leben / auß dem Sack deß Glau - bens / dann Iuſtus in fide ſua viuet: Die Weltmenſchen / ſo da nicht wiſſen / daß ſie Pilgrammen ſeindt / leben entweder vom Fleiſch / oder von jhren Reichthumben / oder von jhren Eytelkeiten / aber ein voll - kommener Chriſt lebt vom Glauben / das iſt / nach dem Glauben regiert vnnd diſ - poniert er ſein Leben / vnnd ſpricht: quo - niam tu es Domine ſpes mea. Jn allemmeinem592Der Landtſtoͤrtzer.meinem thun vnd laſſen / in allem meinem ley - den vnd noͤthen tu Domine es ſpes mea, biſtu O HErꝛ meine Hoffnung: Es moͤgen ſich gleichwol andere verlaſſen worauff ſie woͤllen / nemblich auff jhre Gelehrtheit / Adel vnnd Hochheit: Mihi autem adhærere Deo bonum eſt, propter te omnia de - trimentum feci, & vt ſtercora arbitror; ſi mihi præmia promittuntur, per te ob - tinenda ſperabo, ſi inſurgat aduerſum me prælium, ſi ſæuiat mundus ſi fremat malignus ſi ipſa caro aduerſus me con - cupiſcat, ego in te ſperabo. Diß heiſt vom Glauben leben / vnnd diſer geſtallt leben alle wahre Chriſten vom Sack deß Glau - bens.

Vom vierdten requiſito deß Pilgrams / nemblich dem Stab.

DAs vierdte fuͤrnembſte requiſitum eines Pilgrams iſt der Stab oder Steck / daran er ſich helt / damit ernicht593Der Landtſtoͤrtzer.nicht falle / nicht muͤd werde / vnd ſich voꝛ dem Wolff / Hund vnnd Gaͤnſen beſchuͤtze: Diſer Stab iſt an dreyen orten mit Eyſen vnnd ein ner ſpitzen verſehen / wirdt auch dem Pilgram bißweiln geſtohlen oder verwechßlet. Der Stab eines Chꝛiſtlichen Pilgrams iſt die wahre hoffnung / vnd hat alle jetzterzehlte ey - genſchafften / dann erſtlich wie der Pilgram ſich an Stab haͤlt damit er nicht falle / alſo haͤlt ſich der Menſch an der hoffnung / damit er nicht falle in die ewige Verdamnuß vnnd Hoͤlliſchen abgrundt: Hergegen halten ſich die Weltmenſchen an roͤhrinen Stecken / ſo außwendig gruͤn / jnnwendig aber hol vnd leer ſeindt / nemblich an der Ehꝛ / Wolluſt / Reich - thumb vnd Freunden / derwegen brechen vnd fallen ſie vnder jhnen / vnnd wirdt von jhnen geſagt: Maledicti qui confiſi ſunt in ho - mine, & poſuerunt carnem brachium ſuum. Selig aber ſeindt die jhre Hoffnung nicht geſetzt haben in den ſchaͤtzen deß Gelts / vnnd die nicht nachgangen ſeind dem Goldt: O wie vil Seelen / welche ſich auff die roͤhri - ne Staͤb verlaſſen haben / ſchreyen an jetzo imP pFeg -594Der Landtſtoͤrtzer.Fegfewer: Miſeremini mei, miſeremini mei ſaltem vos amici mei, quia manus Domini tetigit me. Aber ſolche jhꝛe Freund hoͤrens nicht / vnnd gehen mit dauben Ohren fuͤruͤber: nolite ergo confidere in princi - pibus neque in filiis hominum in quibus non eſt ſalus.

Ferꝛner iſt diſer Stab der hoffnung taug - lich die Woͤlff / Huͤnd vñ Gaͤnß abzuwehꝛen / das iſt / er beſchuͤtzet vns vor der verſuchung deß Hoͤlliſchen Wolffs / deß Hunds oder flei - ſches vnd der Gaͤnß / als verſpoͤtter diſer welt der hoͤlliſch Wolff ſuchet durch ſeine verſu - chungen die fromme Chriſtliche Wallfahꝛter zuuerhindern daß ſie nit vortgehen / ſondern verzweiflen oder ſtillſtehen / oder der welt die - nen vnd verlohren werden ſollen / diſer Stab aber erhelt ſie / vnnd ſie werder auß heiliger Schꝛifft gelehꝛt quod in ſilentio & in ſpe erit fortitudo eorum: Derwegen ſchweigẽ ſie zu deß Sathans vnd boͤſer Menſchen ver - ſuchungen ſtill / beharꝛen im guten / vñ werffen den Stab der hoffnung niemaln von ſich / O Menſch veꝛlaſſe diſen Stab niemaln in diſemLeben /595Der Landtſtoͤꝛtzer.Leben / ſonder ſprich: etiamſi occiderit mo in ipſum ſperabo: Vnd du greißgꝛawer ſehꝛ alter / laine dich an diſen Stab / dann du kanſt ohne jhne nicht gehen: Ob ſchon deine gedan - cken zu dir ſprechen: Du biſt vil zu alt / kanſt nit wallfahrten gehen / ſonder muſt fallen vnd zu ſchanden werden / ſo ſchreye du doch vñ ſpꝛich: in te Domine ſperaui non confundar in æternum: ſuſcipe me Domine ſecũdum cloquium tuum & viuam, & non cõfun - das me ab exſpectatione mea: ſuſcipe me ſurſum, cape me per ſpẽ: ſuſcipe Domine ſpiritum meum, corpus confractum eſt. Drey Ring hat der Stab eines Pilgrams o - ben / in der mitte vnd vnden / Dañ ob er ſchon von gutem harten vnd wehꝛhafften Holtz iſt / vnd nit leichtlich zerbꝛochen oder zerſpalt wer - den kan / dann diſes Holtz ligt an einem ſehr guten ort / nemlich in der Goͤttlichẽ guͤtigkeit / dann bonus eſt Dominus ſperantibus in ſe. Es ligt auch mitten zwiſchen d Goͤttlichen barmhertzigkeit / dann ſperantẽ in Domino miſericordia circumdabit, Derwegen kan er nicht zerſpalten noch verduͤrꝛen / dann dieP p 2Goͤtt -596Der Landtſtoͤrtzer.Goͤttliche Barmhertzigkeit netzet vnnd be - feuchtet jhne / vermuͤg der Wort: Benedi - ctus vir qui confidit in Domino, & erit quaſi lignum quod tranſplan tatur ſuper aquas. Nicht deſto weniger wirdt durch den obriſten Ring bedeut die betrachtung der gutthaten GOttes: Durch den mitteren die erwoͤgung deß guten vnd boͤſen / vnnd durch den vnderſten die betrachtung der ſuffragio - rum aller Heiligen im Himmel.

Die vnderſte eyſene Spitz / dardurch der Stab vnden verwart wirdt / damit er ſich nit hinſtoſſe / vnd mit dern wir die Woͤlff abtrei - ben vnnd die Schlangen zertretten / bedeut das ſuffragium der allerheiligiſten Jusgfra - wen Mariæ / welche ein Spitz vnnd Stahel iſt / vnnd vom Ring vmbgeben wirdt: von deren geſchriben ſtehet: terribilis vt caſtro - rum acies ordinata. Die Him̃liſche Heer - ſpitzen / die heilige Engel vnd Menſchen oder Seelen ſeindt inn einem Zirckel oder Kugel geordnet / vnd mitten in derſelben Heerſpitz iſt die allerheiligſte Jungkfraw Maria ein er - ſchroͤckliche Heerſpitz / dann ſie foͤrchten ſichnicht597Der Landtſtoͤrtzer.nicht vor dem groſſen Gewalt der ſichtbaren Feinde / ſondern verſchwinden voꝛ jhrem na - men. Wann derwegen die alte liſtige ſchlang ſich vnderſtehen wolte herzu zu kriechen / ſo zerknirſche jhr den Kopff mit der Krafft der ſpitze diſes ſtabs / vertreibe darmit die hoͤlliſche Teuffel / das bellen der Hunden vnd das pfei - ſen der Gaͤnß / das iſt / allerhandt Verſu - chungen.

Von deß Teuffels Stab der falſchen Hoffnung.

AN ſtatt deß vorbemelten guten Stabs der wahren Hoffnung aber / erwiſchet der Pilgram bißweilen den Stab der falſchen Hoffnung: Vnnd derſelb iſt erſtlich ein roͤhriner oder auß holen roͤhren der laͤren vnd zergaͤnglichen reichthumb / ehꝛ vnnd wol - luſt geſchnitzelt / wer ſich aber an denſelben lai - net vnnd auffhaͤlt / confidit in nihil, derſelb verlaͤſt ſich vnd hoffet auff nichts.

Am andern iſt deß Teuffels Stab gemalt vnd mit der Hoffnung deß langen Lebens an -P p 3geſtrichen598Der Landtſtoͤrtzer.geſtrichen: Dann wie einer in etwan einem Zim̃er ſeines Hauſes an die Wand allerhand ratſigen Zeug / Kleidern / Stifeln / Sporen / Woͤhr / Spieß vnnd Stangen mahlet / vnnd wann einer zu jhm kombt / vnd jhne bittet / daß er jhme doch etwas dergleichen leyhen woͤlle / derſelb aber jhne ins Zimmer fuͤhret darinn nichts anders verhanden als gemahlte ding / derwegen verlachet vnd verſpottet wirdt / vnd mit laͤrer Handt wider hinweg gehen muß / Alſo pflegen etliche Leuth auß eingebung deß Teufels / jhnen ſelbſt ein langes Leben auff vil Jar im Kopff zuhaben vnd einzubilden / vnnd zu ſprechen: Du kanſt gar wol noch zehen o - der zwantzig Jar leben / vnd folgendts dich zu Gott bekehꝛen / ꝛc. Vilmals aber begibts ſich / daß / wann ein ſolcher Geſell nach demſelben ſtab deß langen Lebens greiffet / er nichts war - hafftes drinn findet / ſonder ehender ſtirbt / we - der er vermeint hatte. Als dann lachet jhne der Teufel auß / vnnd ſpricht: Stulte hac nocte repetent animam tuam: als dann antwor - ten jhm auch ſolche Leuth: poſuimus men - dacium ſpom noftram.

Der599Der Landtſtoͤrtzer.

Der dritte verfluchte Stab deß Teuffels iſt die Hoffnung auff die Goͤttliche Barm - hertzigkeit / dann vil Menſchen ſuͤndigen dar - auff / vnd begeren jhr ſuͤndiges Leben biß in jhꝛ endt zubeharꝛen. Dergleichen Leuth aber ver - ſuͤndigen ſich im heiligen Geiſt / vnnd fuͤhren vnder diſem Stab ein Fettl / namens Volup - tas oder Wolluſt / mit derſelben begeren ſie jr Leben zuendigen / Aber es wird zu jnen geſagt: an diuitias bonitatis & patientiæ & lon - ganimitatis contemnis, &c.

Der vierdt Stab deß Teufels iſt die fal - ſche Hoffnung daß ſie ſich in jrem letzten endt bekehren werden koͤnnen / Aber dergleichen Leut jrꝛen ſich / dann wie der Fiſch nit ins Netz gehet wann er will / aber wann er drinn iſt / nit wider hinauß kan wann er will: Jtem wie ein Wolff die Grub leichtlich vmbgehen kan / a - ber wann er darein gefallen iſt / fuͤr ſich ſelbſt nicht wider herauß kan kommen / Alſo ertrin - cken vnnd verſincken vil Menſchen in diſer intention, hoffnung vnd meinung / vermuͤg der woꝛt: repromiſſio nequiſſima multos perdidi.

P p 4Der600Der Landtſtoͤrtzer.

Der fuͤnfft Stab deß Teuffels heiſt die vermeſſene Hoffnung / wann nemblich der Pilgram ſich vil zu vil auff ſeine Tugenten verlaͤſt vñ nit betrachtet das geſchriben ſtehet: Seruite Domino in timore & exultate ei in tremore: Ein ſolcher aber erwiſchet den an ſtatt deß Stabs der wahren Hoffnung / Dann er iſt der Gefahr ſehr nahe / dann auß vns ſelbſt koͤnnen wir nicht leben noch beſte - hen.

Der ſechſt Stab deß Sathans iſt ſche - cket oder bundt vnnd geknoͤpfflet / vnnd den - ſelben fuͤhren die Politici, welche halb Geiſt - lich / halb Weltlich / oder halb Chriſtlich vnd halb Teuffeliſch ſeindt / ſtarcke vnnd zierliche Achſeltrager vnnd Beydenhaͤndler abgeben / vnd ſich nach allen Winden richten vnd ſchi - cken koͤnnen / von denen aber / ſo ein ſolcher vitam mixtam & duplicem in delitiis le - ben / die ſeyen gleich Layen oder obſeruan - zer, geſchriben ſtehet / vſque quo claudica - lis in duas partes, ſi Dominus Deus eſt ſe - quimini eum: Hergegen ſtehet von denen / ſo einen reinen vnd glatten Stab deß eyferigenvnd601Der Landtſtoͤrtzer.vnd auffrechten Lebens fuͤhren / geſchriben: Beati immaculati in via qui ambulant in lege Domini.

Den ſibenden Stab deß Teuffels fuͤhren die jenigen welche jnnwendig im Stab ein Schwert oder einen Stecher fuͤhꝛen / das iſt / welche zu vns kommen inn Schafskleidern / jnnwendig aber ſeind ſie Ketzer vnnd reiſſende Woͤlff.

Vom fuͤnfften requiſito nemblich dem Mantel deß Pilgrams.

DJE fuͤnffte notwendigkeit eines Weltlichen Pilgrams iſt der Man - tel / der muß oben ein Kappe haben / in der mitte weit / vnd nicht lang ſein / damit er die Haͤnd nicht bedecke / Durch diſen Man - tel wirdt verſtanden die Chriſtliche Lieb / die muß nun erſtlich hoch biß zum Haupt reichen vnnd ein Kappe haben / das iſt / ſie muß von Gott / der vnſer Haupt iſt / anfahen / vnd den - ſelben muͤſſen wir lieben / ehren vnnd foͤrchten vor allen dingen: A Deo fac ſorſum neP p 5ſer -602Der Landtſtoͤrſerpens det tibi morſum: Wer aber die Kappe diſer Lieb nicht hat / der liebet nit Gott den Herꝛn / ſonder die Welt / derwegen iſt kein Wunder daß ſie von dem Regen jhrer eytel - keiten genetzt vnd von der hitz der begirlichkei - ten verbrennt werden.

Ferꝛner wie der Mantel glockenweit vñ zu beydẽ ſeitẽ weit ſein muß / damit man ſich deſto beſſer darunder beruͤhꝛen moͤge / alſo muß die Chriſtliche Lieb zu beyden ſeyten weit ſein / da - mit ſie ſich nit allein auf die Freunde / ſondern auch Feinde erſtrecke / dañ woferꝛn diſer Man - tel eng iſt: ſo iſt er nicht tauglich in Himmel zu kommen: Diſen weiten Mantel der Lieb ha - ben nit gehabt jene Juden / welche das Egypti - ſche Mehl in jhꝛen Maͤnteln verbargen / der - wegen das Manna ſo lang nit genieſſen koͤn - ten / biß ſie das Mehl verzehꝛt hatten: Eben auff diſen ſchlag verſperꝛen noch heutigs tags etliche Judiſche Chriſten die Lieb jhres Nech - ſten in jhrem Hertzen / vnd wollen jhnen die jh - nen beſchehene iniurien nicht verzeyhen vnd vergeben / werden aber dardurch beraubt deß Him̃liſchen Manna oder ewigen Seligkeit.

Noch603Der Landtſtoͤrtzer.

Noch andere Judiſche Chriſten findt man / welche die Chriſtliche Lieb ſo gar ver - geſſen vnnd hindan ſetzen / daß ſie den liebſe - ligen Getraidt in die Maͤntel jhrer Kaͤſten oder Schewren verſperꝛen vnnd nicht ver - kauffen noch hergeben / er werde dann ſehr thewer vnnd werth. Wie derwegen zu der Magdalena geſagt iſt worden. Dir ſeindt vil Suͤnd vergeben / dann du haſt vil ge - liebt / Alſo wirdt zu ſolchen Judas Geſellen / Wucherern vnnd Schindern geſagt wer - den: Weil du niemandt geliebt vnd deinem Nechſten wenig guts gethan / ſo werden dir vil Suͤnd vorbehalten.

Drittens wie der Pilgrams Mantel vor - nen kurtz iſt / vñ nur den Leib vñ die Haͤnd bede - cket / dann ſonſten moͤchte er vom Koth vnnd Staub beſudelt werden: Alſo ſoll ſich die Chriſtliche Lieb biß auff den Leib / das iſt / auff vns ſelbſt: Jtem auff die Haͤnd der Tugen - ten / keins wegs aber hinab auff den Teuffel / verdampten / Suͤnd vnnd Welt erſtrecken / dann der Teuffel vnnd die verdambten ſeindt der ſeligkeit / nicht fehig / wer aber ſein Lieb aufdie604Der Landtſtoͤrtzer.die Welt vnd Weltliche ding erſtrecket / der - ſelb wir mit ſeinem langen Mantel vom Teu - fel betrogen / dann er laͤſt ſein Lieb hencken vnd nachſchleppen im Kopff der Hoffart / im ſtaub deß Geitzes / im ſumpff der geilheit / der - wegen muß man den Mantel einer ſolchen Lieb auffſchurtzen: vnnd heiſt: Succingas pallium, ſchuͤrtz dich vnflat: dann wann der Teuffel einen beſcheiſſen will / ſo henckt er jhm einen ſolchen langen Mantel an / vnnd mit demſelben vermeinen etliche Weltnarꝛen / GOtt vnd der Welt zu dienen / aber es wirdt zu jhnen geſagt werden / Amice quomodo huc intraſti non habens veſtem nuptia - lem.

Vom ſechſten requiſito nemb - lich dem Hut deß Pil - grams.

SEchſtens iſt dem Pilgram ein Hut vonnoͤthen / der da brait ſeye / Durch diſen Hut wirdt verſtanden die Ge - dult / welche ſehr groß vnd breit ſein muß: ver -muͤg605Der Landtſtoͤrtzer.muͤg der Wort: & pacientia vobis neceſ - ſaria eſt fratres. Man ſagt / daß einer / der gen Jeruſalem raiſen wil / muͤſſe Gelt vnd ge - dult haben / Aber ich vermeine / er muͤſſe mit einem dreyfachen G. verſehen ſein / nemblich mit Gelt / Gedult vnnd Geſundtheit / will er anderſt ins wahre Himmliſche Jeruſalem ge - langẽ. Dañ fuͤrwar / es pfleget ſich offtermals ein groß vngewitter / Donner / Plitz vnd Ha - gel der widerwertigkeiten vnnd truͤbſeligkei - ten zuerheben / das alles aber kan beſſer nicht vberſtanden werden / als vermittelſt deß Huts der Gedult.

Diſer Hut der Gedult muß auch breit ſein / damit er allen andern zeug deß Pilgrams bedecke: vermuͤg der Wort: In omnibus exhibeamus nos ſicut Dei miniſtros in multa pacientia: Warumb aber / O heiliger Paule / warumb muß die Gedult ſo groß vnd vil ſein? Quia multa in tectis crepitans ſonat horrida grando: Weil du vmbgeben vñ vnderwoꝛffen biſt ſo groſſen vnd vilen wider wertigkeiten / armſeligkeiten / noͤthen / Gefaͤngknuſſen / Schlaͤgen / Ver -ſpot -606Der Landtſtoͤrtzer.ſpottungen / faſten vnd wachen. Diſes vnge - witter vnd Hagel hat Paulus wol empfunden als er tribulirt ward mit Armut / noth / foꝛcht / angſt / verfolgung / gefaͤngknuſſen / vnnd als er mit ſeinen Haͤndẽ arbeitete / damit er niemand beſchwerlich were: vnd diſer geſtallt vnnd ver - mittelſt diſes breiten Huts der groſſen gedult hat er ſich verhuͤt vorm verderben: Vnd eben diſen Cuſtodem oder Huͤter / oder Hut muͤſ - ſen wir auch haben / damit wir vnſere zeitliche Pilgerfahrt deſto ſicherer moͤgen verꝛichten: Dann in pacientia poſſidebitis animas veſtras.

Nicht weniger muß diſer Pilgrams Hut tieff ſein / damit er nicht leichtlich vom windt abgewehet werde / zum zeichen / daß wir in diſer vnſer zeitlichen wanderſchafft auff Er - den allzeit demuͤtig ſein muͤſſen / dann ohne die Demut kan kein Geduldt ſein / vermuͤg der Woꝛt Caſſiani: pacientia noſtra atque tranquillitas abſq; profunda cordis hu - militate nec acquiritur nec tenetur. A - ber leyder / vil weltmenſchen tragen nur groß - maͤchtige hohe Huͤt der vngedult / ſeindt kritz -lich607Der Landtſtoͤrtzer.lich vnd kitzlich / zornmuͤtig vnnd geſchwindt im Harniſch. Daran aber iſt nichts anders ſchuldig als eben der defect vnnd mangel der Demut.

Deßgleichen pflegen die fuͤrſichtige Wallfahrter an jhren Huͤten zwey Baͤndl o - der Schnuͤrlein zunehen / vnd den Hut darmit zuhefften / damit er vom Windt nit abgeweht werde: damit nun dem Geiſtlichen Pilgram ſein Hut der gedult vnnd demut durch den wind der widerwertigkeit nit abgeweht werd / ſo muß er jne hefften mit zweyen Schnuͤrlein / vnd zwar erſtlich mit der Schnur deß andaͤch - tigen Gebetts / dann die Geduldt iſt ein gab Gottes / vnd ab ipſo pacientia mea: Item tu es pac entia mea. Weil ſie dann ein gab Gottes iſt / ſo muß ſie nur von Gott herkom - men vnd erlangt werden vermittelſt deß Ge - betts / dann woferꝛn das Gebett nichts huͤlffe / ſo wurde der Herꝛ vns nit ſo offt darzu ermah - nen / ſprechendt: wachet vnnd bettet / damit jhn nit in Verſuchung fallet / ꝛc.

Das ander ſchnuͤtlein iſt die Betrachtung viler anderer betruͤbter bekuͤmmerter Armenvnd608Der Landtſtoͤrtzer.vnd duͤrfftiger Chriſten / welche villeicht vil beſſer vnd froͤmmer ſeindt / denn wir / vnnd nit deſto weniger in elendt vnd armut vmbziehen muͤſſen: Wann derwegen wir mit truͤbſelig - keiten heimbgeſucht werden / ſollen wir ſpre - chen: Meritò hæc patimur quia in fra - trem noſtrum peccauimus: O Domine Deus, vt requieſcam in die tribulationis futuræ, hîc vre, hic ſeca. Jtem gedenck an die Gottloſe vnnd eytle Menſchen / welche ſo gar vil leyden vnnd außſtehen / damit ſie die Hoͤll verdienen / vermuͤg der Wort: Via pec - cantium complantata lapidibus, & in fine illius inferi & tenebræ & pœnæ. I - tem: laſſi ſumus, &c.

Vom ſibenden requiſito nemb - lich dem Gelt deß Pil - grams.

ZVm ſibenden muß ein Wandersmann Gelt haben / vnnd einen Theil deſſelben in einer offnen Taſchen oder Beutl fuͤh - ren / theils aber in ſeinen Kleydern vernehen /wider609Der Landtſtoͤrtzer.wider die Dieb / Rauber vnnd Maußkoͤpff. Das Gelt vnſers Chriſtlichen Pilgrams ſoll erſtlich ſein die tribulatio oder truͤbſeligkeit / ohn welche man in Himmel nicht gelanget: das bezeugen jene zwen H. Pilgram Chriſtus vnnd Paulus / ſprechendt: Oportuit Chri - ſtum pati, & ſic intrare in gloriam. Item: Per multas tribulationes oportet intra - re in regnum Dei: als wolte er ſagen / wir muͤſſen durch vil truͤbſal ins Reich GOttes gehen.

Warumb aber muͤſſen wir? Quia hæc Dei exigit iuſtitia: t ſicut per volunta - ria Deum relinquimus, per contraria accedamus: fili, habuiſti bonum. Haſtu Bonen geſſen / ſo friß Muß auch: haſtu dich gutwilligklich verſuͤndigt / in alle Laſter ver - tiefft / vnd alle ſuͤſſe Waſſer verſucht / ſo leyde wider deinen willen / oder daß ich recht ſage / gutwilligklich das boͤſe / vnnd trincke den Saurbrunnen an ſtatt der geſoffenen ſuͤſſen Wein.

Am andern wie das Gelt von einem Muͤntzmeiſter geſchmidet / vnnd ſonſten vonQ qkeinem610Der Landtſtoͤrtzer.keinem andern gemacht wirdt / alſo wirdt das gelt vnſers Chriſtlichen Pilgrams von Gott vnd keinem andern geſchmidt / dann bona & mala, vita & mors, paupertas & hone - ſtas à Deo ſunt, dann ob ſchon Gott ſelbſt kem Muͤntzeꝛ iſt / vñ ſelten ſelbſt muͤntzet / ſo hat er doch vil Knechte / durch die ers verrichten laͤſt / nemblich die vnendtliche ſchwartze Teu - fel / Jtem die vnendliche ſchwartze Suͤnder (dann ſtultorum infinitus eſt numerus.) Jtem die Loͤwen / Beren / Woͤlff / Spinnen - weppen / Kroten / Schlangen / Mucken / Hitz / Kaͤlte / Waſſer / Doͤrner / Schnee / Hagel / Eiß vnd Wind: Alle diſe ding ſeind GOttes Selauen / durch welche er die Muͤntz der truͤb - ſaln ſchmidet auff vnſerm Rucken / Koͤpffen / Armben / Augen / Magen / ꝛc. Weil dann di - ſes Gelt von einem ſolchen Muͤntzmeiſter herkombt / ſo muß mans mit danck vnd ehrer - bietung von jhm empfahen vnnd annemmen / vnnd ſprechen: calicem quem dedit mihi Pater meus non bibam.

Drittens wie ein Wandersman ſich mit guter vnd gerechter Muͤntz verſihet / alſo ver -ſihet611Der Landtſtoͤrtzer.ſihet GOtt ſeine fromme Pilgramen mit der aller beſten nutzlichiſten vnnd ſeligiſten Muͤntz der Truͤbſaln / dann er ſelbſt ſpricht: Beati qui perſecutionem patiuntur pro - pter iuſtitiam, quoniam ipſorum eſt re - gnum cœlorum. Item: Beati pauperes ſpiritu: Item: Regnum cœlorum vim patitur & violenti rapiunt illud. Wie a - ber nicht alle Muͤntz gerecht iſt / ſondern deß Keyſertz oder Landts Fuͤrſten zeichen vnd bild - nuß haben muß / alſo iſt nicht alle Muͤntz der truͤbſeligkeitẽ gerecht / wofern ſie die Bildtnuß deß Him̃liſchen vnd ewigen Keyſers Gottes / nem̃lich die Lieb nit hat / dañ mit einer Lieb vñ danckſagung muß ſie angenom̃en vnd außge - ſtanden werden / ſoll ſie anderſt guͤltig ſein vor Gott. Ob derwegen ſchon ein Fraw ſpꝛeche: weil du ſagſt / dz die truͤbſeligkeiten vñ widwer - tigkeiten die allerbeſte Muͤntz ſeind / ſo hab ich dern gnug in meinẽ loſament / dañ mein Mañ muͤntzt ſchir wochẽtlich d’gleichẽ muͤntz / kom̃t von woꝛten zu den weꝛcken / vñ ſchlaͤgt mir nur ſchwartze vñ blawe Muͤntz / meine blawe Augẽ gebens gnug zuerkeñen / deßgleichen peinigetQ q 2mich612Der Landtſtoͤrtzer.mich mein arge Schwiger vnd meine Stief - kinder dermaſſen / daß kein wunder were wann ich verzweifelte: Alles iſt wider mich: Alle Creaturen haben ſich gleichſamb wider mich verbunden / ſo gar die Gaͤnß vnd Schlangen pfeiſen mich an: So ſoll doch ein ſolche be - kuͤmmerte vnnd betruͤbte Fraw wiſſen / daß ſie reich genug ſeye / woferꝛn ſie beyn ebens verſe - hen mit der heylſamen vnd koͤſtlichen Muͤntz der gedult / der Lieb vnd Forcht Gottes / vnnd diſe Muͤntz kan ſie jhr ſelbſt ſchmiden vnnd muͤntzen ſo vil ſie ſelbſt will / dann ſie ſitzet im Goldtberg der gnad Gottes.

Leichtlichen aber iſt diſe gute Muͤntz von der boͤſen zu vnderſcheidẽ / nem̃lich am klang / dann wann die Muͤntz der truͤbſeligkeiten auf deinen Rucken geſchmidet wirdt / vnnd dein Mann dich mit Faͤuſten wacker knuͤllet / vnd mit Bruͤglen ſchmiret (jnmaſſen etliche gro - be vnartige vnbarmhertzige Knoͤpff vnd Ty - rannen thun vnnd ſagen / daß wann einer ſein Weib ſchlaͤgt / er dardurch hundert Jahr Ab - laß verdiene) vnd du als dann jhne ſchmaͤheſt / ſchelteſt vnd verflucheſt / alsdann iſt der klangnicht613Der Landtſtoͤrtzer.nicht gut vnd die Muͤntz iſt noch vil letzer / aber wann du ſtill darzu ſchweigeſt vnnd jhm noch gute woꝛt darzu gibſt / alsdañ iſt der klang gut vnd dein Muͤntz iſt gerecht / das iſt: wann du frommer Chꝛiſt in deinem Creutz vnd Leyden ſprichſt: Benedictus Dominus Deus meus, ſit nomen Domini benedictum in ſecula: Jtem ſambt dem Job: Nudus in hunc mundum intraui, nudus hinc exibo: Dominus dedit, Dominus ab - ſtulit, ſit nomen Domini benedi - ctum.

Beſchließlichen wie ein Pilgram biß - weiln ein heimblichs Gelt in ſeinen Kleidern verboꝛgen vnd vernehet hat / alſo haben etliche Geiſtliche Pilgram bißweilen ein heimblich Muͤntz der truͤbſeligkeit jnnwendig im Her - tzen verborgen / vnnd das heiſt das heimbliche leyden.

Einsmals ſaß ein armer Schneiderge - ſell auff ſeiner Gaiß - oder Schneiderbanck / vnd weil jhne das vnruͤhwige vnd hungerige Vnzifer / welches man Leuß nennet / vnauff - hoͤrlich biſſe / ſo gehub er ſich gar vbel / vnndQ q 3fing614Der Landtſtoͤrtzer.fing an letztlichen zu weinen / Vnnd als er ge - fragt ward / warumb er weine? antwortet erꝛ Jch beweine halt das heimbliche Leyden: Auff eben diſen ſchlag koͤnnen vil bekuͤmmer - te / betruͤbte vnd weinende Menſchen vns zur antwort geben / daß ſie das heimbliche Ley - den haben / welches ſie bißweiln entweder nicht außſprechen koͤnnen / oder nicht doͤrffen / oder nicht woͤllen / ſonder es allein Gott dem Herꝛen oder jhrem Beichtuatter entdecken vnd klagen: Dergleichen Muͤntz aber iſt die beſte / dann wie man die in dem Wammes vernehte alte Ducaten / Engellotten vnd Ro - ſennobel fuͤr den beſten Schatz vnd notpfen - ning heit / alſo ſoll ein Chriſtlicher Pilgram ſehꝛ behutſamblich mit entdeckung vnd offen - barung ſeiner noth vnd heimblichen Leydens vmbgehen / Chriſtum fuͤr ſeinen beſtenſchatz vnnd nothpfenning halten / vnnd wann nir - gents kein troſt / kein huͤlff / keinrath bey kei - nem einigen Menſchen mehr verhanden / vnd wie Chriſtus am Creutz verlaſſen iſt woꝛden / alsdann mag er ſambt jhm ſchreyen vnd ſpꝛe - chen: Deus meus, Deus meus, quare medero -615Der Landtſtoͤrtzer.dereliquiſti, Mein Gott / mein Gott / war - umb haſtu mich verlaſſen.

Aber O Pilgram / verzage nicht / gedencke nit dz dich Gott verlaſſe / wofern du jhne nicht verlaſſeſt: Dann ob er dich ſchon ein zeitlang gleichſamb verlaſſet / ſo beſchicht doch ſolches quatenus tribulationis torrens pertran - ſeat animam tuam. Damit das Waſſer der truͤbſeligkeit dein Seel ohne allen Troſt durchtringe / vnnd du dardurch deine Suͤnd deſto mehꝛ abbuͤſſeſt / vnnd ſambt dem Herꝛen ſprecheſt: Torcular calcaui ſolus: Vnnd ſambt dem Dauid: Torrentem pertranſi - uit anima noſtra, Dann ſonſten moͤchte villeicht dein Seel durch ein anders vnleiden - lichers Fewer paſſieren muͤſſen.

Entlichen moͤchte ein betruͤbte Fraw oder Mañ fragen: wohin ſoll ich dañ das gelt mei - ner truͤbſaln not vnd anligens verbergen? ſoll ichs im Hut der Gedult / oder im Mantel der Lieb / od im ſack deß glaubens vernehen / damit es wol verwaꝛt werdt / vñ ſeinẽ klang / werth vñ bildnuß deß Keyſers behalte? hab ich doch offt ſagẽ hoͤꝛen / dz keiner ſein Creutz vñ Leydẽ ver -Q q 4hal -616Der Landtſtoͤrtzer.halten / verbergen / ſondern den ſenioribus, den Geiſtlichen / den gelehrten / verſtaͤndigen vnd erfahrnen Maͤnnern entdecken vnd vmb rath fragen ſolle? Warumb ſagſtu dann / daß mans verneht verwahren ſolle? Antwort: Bißweiln iſts gut daß man die Truͤbſal an - dern offenbare / bißweiln iſts nit gut: Dann et - liche Leuth entdecken ſie nicht auß vngedult / ſondern zu erlangung einer guten direction vnderweiſung vnnd Troſts: Vnnd alsdann iſts gut. Andere aber thuns auß vngedult / damit ſie es herauß laſſen / vnnd ſie koͤnnen jnnwendig im Hertzen nichts leyden / ſondern ſtoſſens alsbald hinauß / damit die widerwer - tigkeit geringert werde: Dergleichen Leuth aber hangen nicht gern lang ſambt CHriſto am Creutz / als er troſtloß vom Vatter ver - laſſen ſchrye / heli, heli, &c. Nicht alſo / O frommer Pilgram nicht alſo / ſonder wann etwan ein jnnerliches Leydt dein Hertz tru - cket vnd peiniget / vnnd keiner verhanden iſt / der dich troͤſte / alsdann ſteige nit vom Creutz herunder / dann GOTT verwilligts in dir / damit du fuͤr dich vnnd andere genug thuſt:Wo -617Der Landtſtoͤrtzer.Woferꝛn aber Leuth verhanden ſeindt / die dich troͤſten koͤñen / ſo offenbare / vertrawe dein noth etwan einem feinen geiſtlichen erfarnen Mañ / damit du den Klotz oder ſchweren ſtein von deinem hertzen ledigen vnd zu ruhe gelan - gen moͤgeſt / dann amicus condolens triſti - tiam mitiget.

Vom achten requiſito nemb - lich den Schuhen deß Pil - grams.

DJE Schuch ſeindt das achtete re - quiſitum deß Pilgrams / die muͤſ - ſen aber nicht new / ſondern alt vnnd wol verpecht ſein / dann in newen Schuhen gehet man hart vnd ſchmertzlich. Durch die Schuch werden die Tugendten verſtanden / nemblich ein gute naigung vnd gewonheit vil zu leyden / zu faſten / keuſch zu ſein / Allmuſen zu geben / zu betten / ſchulden zu zahlen / ꝛc. di - ſe Schuch ſeind vns notwendig / damit wir in dem Weg vnnd Geſaͤtzen deß Herꝛn deſto, ſaͤnffter vnd lieblicher wandern moͤgen.

Q q 5Wie618Der Landtſtoͤrtzer.

Wie nun erſtlich die Schuch pflegen vn - ſere Fuͤß vnd dern Finger zu conſtringiren, vnd zu colligiren, damit ſie nicht ſchaͤndt - lich von rinander flieſſen oder erkrummen / Alſo ſehen wir / daß die Tugenten das Hertz vnnd die affectiones der Menſchen (wel - che der Seelen Fuͤß ſeindt) ordinieren vnnd moderieren. Ferꝛner vnnd zum an - deren / wie die Schuch den Menſchen zie - ren / dann etliche Mahler pflegen nackende Bilder auff die Schuch zu mahlen. / Al - ſo ſeindt die Tugendten dermaſſen ſchoͤne Zirrden der Seelen: quod eius decorem Rexgloriæ concupiſcat. Vnnd daß die Sonn vnnd der Mon ſich vber die ſchoͤnheit der Seelen verwundern / ſeytemal jhre ſchoͤn - heit durch die ſchoͤnheit der Seelen vberwun - den wirdt: wer derwegen denen / ſo diſer ſchoͤn - heit nichts nachfragen / da doch ſie die ſchoͤn - heit ſonſten in allen dingen ſuchen. Selig aber iſt der Mann der nicht gangen iſt inn den Rath der Gottloſen / vnnd nicht geſtan - den iſtauff dem weg der Suͤnden / mit diſen Schuhen / aber die iri ſanguinum & do -loſi619Der Landtſtoͤrtzer.loſi non dimidiabunt dies ſuos & in pun - cto ad inferna deſcendunt. Derwegen O Pilgram / frage nichts darnach / daß man dich wegen deines gutẽ eifers in den tugentẽ vexirt / vnd vbel nachredet / ſonder foͤꝛchte vilmehꝛ den jenigen / welcher geſagt hat: beati im̃aculati in via: qui ambulant in lege Domini: Hoͤ - re den jenigen / welcher da betrohet vñ ſchꝛeyet: qui erubuerit me & meos, ſermones, hũc & filius hominis erubeſcet cum venerit in maieſtare ſua &c. Nit verwirf diſe / ſonder die Kinderſchuch / vnnd zwar ſolcher Kinder / ſo da hundert verfluchte jar alt ſeind / dañ fuͤr - war / die zeit geht dahin / vnd der ein Tag friſt den andern biß wir gar auffgehen.

Drittens wie der Pilgram ohne Schuch vbel gehet / vnnd ſeine Fuͤß an den ſcharpf - fen Steinen anſtoſſet: alſo ſehen wir / daß die jenigen / welche abſque virtutibus ac - quiſitis auff dem Weg der Goͤttlichen Ge - botten wanderen / nicht ohne groſſen ſchmer - tzen raiſen / das bezeugt nun der HERR ſelbſt / da er ſpricht: O quam anguſta eſt porta & arcta via quæ ducit ad iam. Wo -620Der Landtſtoͤrtzer.woferꝛn jener reiche Juͤngling mit den Schu - hen biſer Tugendten verſehen geweſt were / ſo wurde er nit ſo trawrig hinweg ſein gangen / aber weil er reich war / ſo zohe er ſeinen Fuß zu ruck auß mangel der Schuhen der Tugen - ten.

Ferꝛner vnd zum vierdten wie man in new - wen Schuhen nicht wol raifen oder vberland gehen kan / Dann gemeingklich trucken vnnd ſchinden ſie die Fuͤß / vnnd machen hinckende Leuth / Alſo ſehen wir daß man inn newen Conſiliis, Raͤthen vnd Tugenten auffm weg der Goͤttlichen Gebott nit fridlich vnd lieb - lich vort gehe / Was ſeindt aber das fuͤr newe Conſilia vnnd Tugendten? Es ſeindt die newe vnbeſcheidene Raͤth / determina - tiones, decreta oder entſcheidungen etli - cher Theologorum vnnd Iuriſten, ſo da kein ſcientz noch conſcientz haben / boͤſes fuͤr guts ſagen / die vngerechte contract iu - ſtificiren, die Suͤnd verthaͤdigen vnnd ent - ſchuldigen.

Wir ſehen daß bißweiln einer der gern auffm Weg deß Herꝛen gehen wolte vnd docheinen621Der Landtſtoͤrtzer.einen Stachel im Gewiſſen empfindet / Zum Schuſter / das iſt / zum Theologo oder Iu - riſten kombt / vnnd ſpricht: Mein Herꝛ / gebt mir einen rath / es trucket mich mein Ge - wiſſen / ꝛc. Darauff zeucht alsbaldt der Do - ctor Schuſter auß ſeiner Bibliotec der vn - derſchidtlichen modernorum newen Do - ctorum newe Schuch herfuͤr vnnd ſpricht: das ſagt diſer / das ſagt jener / ꝛc. Vnange - ſehen auch der client es nicht glauben will / vnnd empfindet daß jhne die Schuch ſeines Gewiſſens trucken / nit deſto weniger wirdt er vberꝛedt / daß jhm ſolche Schuch gerecht vnd ſehꝛ gut ſeyen.

Wir ſehen bißweiln daß ein Religios kombt vnnd ſpricht: Jch bin gleichwol ein Muͤnch / vnnd hab die Kenſchheit vnnd Ar - mut verlobt / aber doch hab ich in meinem Schaffner / Kaſtner oder Kelnerambt etwas erobert / welches ich im fall der noth fuͤr mich vnd meine Freunde behalten wolte / wils aber gern wider von mir geben / wann mein Su - perior es wirdt begeren? Darauff antwor - tet der D. Schuſter: Warumb nicht? Eskan622Der Landtſtoͤrtzer.kan gar wol ſein / wann der Prælat da - rumb weiſt / es thuns wol andere / ſo da ge - lehrt ſeindt / ſie wurdens auch nicht thun wo - ferꝛn es vnrecht were / derwegen lege die Schuch nur an / vnnd gehe vort darmit / dann ſie ſeindt dir an beyden Fuͤſſen ge - recht. Was geſchicht aber? Keinen fri - den wirdt er haben / jmmerdar ſticht vnnd nagt jhm ſein Gewiſſen / dann er weiſt daß es wider ſein gethanes Geluͤbdt vnnd Regel iſt.

Es kombt ein Prieſter zum D. Schuſter vnnd ſpricht: Mein Herꝛ / ich hab gleichwol ſelbſt ein feines Patrimonium vnnd darzu ein Pfruͤndt: Jch wolte aber gern noch ein anders beneficium darzu haben / damit ich meinen Standt deſto ehrlicher fuͤhren / vnnd auffm weg der Goͤttlichen gebotten wandern moͤge: ſeind mir aber diſe ſchuch gerecht? Der D. Schuſter antwoꝛtet: Ja freylich / warumb nit? Dein Standt vñ gelehꝛtheit erforderts / du biſt deſſen vnnd eines mehreren wuͤr - dig. Was geſchicht aber? niemaln hat er ein ruhe in ſolchen Schuhen / dann es beiſtjhne623Der Landtſtoͤrtzer.jhne ſein Gewiſſen / vnnd ſpricht heimblich in ein Ohr zu jhm: Der heilig Martinus, Bernardus, Auguſtinus, Hieronymus, Petrus vnd Paulus ſeind auch gelehrt vnd in dignitate geweſt / haben aber ſich nicht vber - haͤufft mit Beneficiis.

Es kombt ein Lay zum D. Schuſter vnnd ſpricht: Mein Herꝛ ich begere den weg der Goͤttlichen gebotten zuwandern / ich moͤchte aber gern wiſſen ob meine Schuch gerecht ſeyen / dann auff diſe vnnd jene weiß con - trahire ich vnnd nimb fuͤr hundert / ſechs / acht / zehen vnnd zwantzig Gulden / aber doch gib ich reiche Allmuſen vnnd laſſe vil ſchoͤne Altaͤr bawen ꝛc. Der D. Schuſter antwortet / Ja es kan wol ſein / nach be - ſchaffenheit der ſachen / zumaln wañ den Leu - ten mit ſolchem anlehen wol gedient wirdt / vnnd ſie das intereſſe gern hergeben / da - mit du deß ſchadens enthebt werdeſt. Aber O ſchoͤnes intereſſe darauß dir das hoͤlliſch intereſſe erfolget.

Es kombt ein ergerlicher Concubinarius zum D. Schuſter ſprechendt: Jch habgleich -624Der Landtſtoͤrtzer.gleichwol bey meiner Koͤchin zwey Kinder er - worben / aber an jetzo hab ich nimmer mit jhr zuſchaffen / ſondern ich lebe mit jhr wie ein Bruder mit ſeiner Schweſter / kan ich derwe - gen alſo verfahren? Der D. Schuſter ant - wortet: Ja. Aber kein ruhe hat er in ſolchen Schuhen / Dann ſein Gewiſſen ſpricht zu jhm: Sihe / du biſt nicht ſicher / du haſt ein groſſe anlaß zum ſuͤndigen bey dir / Fewer vnd Stroh wann es zuſam̃en kombt / brinnt gern: Gib ferꝛner kein aͤrgernuß / laß die Huer fah - ren.

Es kombt ein Freſſer zum D. Schuſter ſprechendt: Es iſt gleichwol an jetzo inn der Faſten zeit / zu dern man faſten / betten vnnd Buß thun ſoll / aber doch vermeine ich / daß ich gar wol koͤnne ſelig werden / wañ ich ſchon in dem Nonnen Cloſter ein Taͤntzl thue / vnnd mit den Muͤnchen biß vber halbenacht ſauffe / dañ diſes ſeind nit newe Schuch / ſonder alte: dann vor deß H. Gregorij zeiten iſts alſo ge - weſen? darauff antworten etliche Doctores calciatores od Schuſteꝛ / daß es wol ſein koͤn - ne / ſeytemal der allgemeine Jrꝛthumb ein iusvnd625Der Landtſtoͤrtzer.vnd gerechtſame machet. Aber mein Bruder Pilgram du wirſt verfuͤhrt / dann obs ſchon wahꝛ iſt / daß es ein alte corruptela iſt / vñ daß es alte Schuch ſeyen / ſo ſeindt ſie doch allzeit von den alten Heiligen reprobirt, verworf - fen vnd widerſprochen worden. Diſe con - ſuetudo vnd gewonheit entſchuldiget vnnd enthebt dich gleichwol der zeitlichen / aber nit der hoͤlliſchen Straff: Gregorius hat gleich - wol dergleichen Laſter geduldet wegen der da - mals beſorgten gefahꝛ deß ſchiſmatis vnd er - gernuß: Derwegen kan man nit ſagen / daß es recht ſeye vnd vngeſtrafft hingehe.

Zum fuͤnfften wie der Pilgram auf den al - ten Schuhen am aller ſanfteſten gehet / vñ von den naͤthen nicht getruckt wirdt / Alſo gehet man auff dem Weg deß HERREN in den Schuhen der alten Tugendten vnnd der alten Raͤthen ſehr ſanfft vnnd lieblich / dann ſie nemen die Doͤrner vnd Stachl der vbrigen Suͤnden hinweg. Die alte Schuch aber ſeind die definitiones, determinatio - nes vnnd Raͤth der alten erfahrnen Vaͤtter / welche reden haben koͤnnen ex ſententia vndR rnicht626Der Landtſtoͤrtzer.nicht auß der bloſſen ſcientia vnd gelehrthrit / in diſen alten Schuhen wandert man ſanfft / lieblich vnnd ſich erlich / vnnd in demſelbigen ſollen auch wir wandern / nemlich in den de - terminationibus vnnd Exempſariſchen Le - ben der alten / dann ſie verbieten die ſcrupu - los, welche andere / ſo in den newen Schuhen gehen / außſtehen. Der alten gebrauch war / daß ſie alzeit den gewiſſeſten vnd ebneſten weg erwoͤhlten / aber vnſere jetzige nouizen vnnd junge Lappen ſeind nicht darmit zufriden / daß man jhnen denſelben zeiget / ſonder fragen jm - merdar / ob diſer oder jener der ſicherſte ſeye: Darauß aber erfolgen ſo vil diſtinctiones vnd diuiſiones, deren ſo erſt die pronuncia - lia cauſalia lernen. Aber O naͤrꝛiſcher Pil - gram / warumb wanderſtu nicht die alte ſiche - re weg die du kenneſt vnd weiſt? Weiſtu ſie a - ber nicht / warumb folgeſt du nit dem befelch Jeremiæ vnnd fragſt nach den alten wegen / vnd was der gute vnd beſte weg ſeye? War - umb wanderſtu nicht denſelben / damit du dei - ner Seelen ein ruhe vnnd erquickung finden moͤgeſt. Villeicht ſprichſtu: Jch empfindeauff627Der Landtſtoͤrtzer.auff diſem weg keinen ſcrupl / ſondern hab gu - ten friden / vnnd nur ein einiges anligen: Ant - wort: Jch glaubs / aber villeicht iſt derſelb einig ſcrupl dermaſſen groß / daß du andere kleine nicht kanſt empfinden / allermaſſen ei - ner / der / als lang er einen Stein im Schuch hat / den Sandt nicht empfindet / aber wann der Stein darauß geworffen iſt worden / als - dann empfindet ers.

Das neundte requiſitum von den Haͤndtſchuhen deß Pilgrams.

DJE Haͤndtſchuch ſeindt die neun - te Notwendigkeit deß Pilgrams / durch welche die Jndulgentiæ der Kirchen bedeut werden: Diſe Jndulgentzen aber ſeind nichts anders / als ein nachlaſſung der ſchulden der laͤßlichen / aber nit der Todt - ſuͤnden / dann inn der Hoͤllen iſt kein Er - loͤſung / vnnd diſe Ablaß werden den Haͤndtſchuhen verglichen / Erſtlich wegenR r 2der628Der Landtſtoͤrtzer.der compoſition, dann wie die Haͤndtſchuch ſelten gemacht werden auß gantzen ſtucken / o - der newen Tuͤchern / ſondern nur von den v - ber werlein oder vberblibenen Flecken / alſo er - folgen die Ablaß auß den reliquiis der genug - thuenlichen wercken Chꝛiſti vnd der Heiligen / deren ſie anjetzo nit beduͤrffen / vñ die ſie gleich - ſamb in Spittelkorb gelegt haben / darauß fuͤr vns die Haͤndtſchuch der Jndulgentzen ge - macht wurdẽ. Jn diſem Korb hat der H. Tau - fer Joannes gelegt ſein Kamelhaut / ſtrenges bußfertiges inn der Wuͤſte gefuͤhrtes Leben / deſſen er gleichwol nicht alles bedoͤrfft hette / deßgleichen hat der heilig Martinus ſeinen halben Mantel / der heilig Franciſcus ſeinen Rock / der heilig Dominicus ſeinen Mutzen / der heilige Bartholomæus ſein geſchundene Haut / Laurentius ſein auffm Roſt gebrate - nes fleiſch oder verbrẽtes gereuchtes Leder / die heilige Agnes jre reine wirckungen / die aller - heiligſte Jungfraw Maria das gantze ſeidene Kleid oder die gantze Ball jhrer Jungkfraw - ſchafft vnd CHRJSTVS Gott vnd Menſch den roten Sammet ſeines bitterenleydens629Der Landtſtoͤrtzer.leydens in diſen Korb gelegt / Haͤndſchuch der Jndulgentzen fuͤr vns arme duͤrfftige darauß zumachen.

Am andern wie vermittelſt der Haͤndſchu - hen die Haͤnd der jungen Schulerbuben be - ſchuͤtzt werden / wann ſie wegen jhrer verbre - chen mit der ferula in die Haͤnd geſchlagen werden / Alſo weil wir geſtroft werden muͤſſen entweder allhie oder im Fegfewer / ſo inter - poniren wir zwiſchen vns vnd zwiſchen der Schuldt die paſſiones, leyden vnd verdienſt Chriſti vnd der Heiligen / damit wir nicht be - ſchaͤdigt werden. Wie auch ein Mutter / wann ſie ſihet / daß jhꝛ Sohn vom Vatter ge - ſtrichen wirdt / pflegt fuͤr jne zu bitten vnd ſich zwiſchen der Ruten zulegen / vñ auff ſich ſchla - gen zulaſſen / alſo interponirt ſich die heilige Mutter die Kirch / vermittelſt der Jndulgen - tzen / Vnd ſie legt die genugthuenliche werck der Heiligen zwiſchen der Hand der Knaben vnnd deß Præceptoris ferulæ oder Ruthen: alſo vnd ebner geſtalt intercediert Chriſtus vnd alle Heiligen fuͤr vns / vermittelſt jrer ge - nugthuung / dann von Chriſto ſtehet geſchri -R r 3ben:630Der Landtſtoͤrtzer.ben: Diſciplina paci, noſtræ ſuper eum. Item: ipſe vulneratus eſt propter delicta noſtra: Derwegen bitten wir jne taͤglich ſpꝛe - chendt: pone amaram paſſionem & mor - tem inter animas noſtras & tremendum iudicium tuum.

Drittens wie ſehr vil darzu gehoͤrt / daß man die Haͤndtſchuch recht anlege / alſo ge - hoͤrt vil darzu daß man die Ablaß recht vñ wol brauche / Dann wie ein einige Hand ſich ſelbſt nicht darmit bekleiden kan / ſondern der huͤlff der andern Handt bedarff / alſo kan niemandt jhm ſelbſt die Jndulgentzen ver - gleichen / ſondern muß ſie von den ſuperio - ribus vnnd gewalthabern nemen / nemblich vom Pabſt vnnd Biſchoffen: Dieſelbigen haben macht ſie außzutheilen ex debitis & rationabilibus cauſis, zur ehr Gottes vnnd nutz der Kirchen / keins wegs aber auß menſch - lichem gunſt oder vmbs Gelts willen. Ferꝛner wie du / wann du Haͤndtſchuch anlegen wilſt / muſt deine Haͤnd auffthun vñ außſtrecken / al - ſo muſtu zu erlangung der Ablaͤß dein Hertz in der contrition darſtrecken / deinen Mundt inder631Der Landtſtoͤrtzer.der Beicht auffthun / vnnd dein Hand in der vollziehung darbieten.

Viertens wie wir die Haͤndtſchuch gleich - wol nit verachten / aber doch vns vil auff ſie verlaſſen / dañ wañ man einem ein bar Haͤnd - ſchuch gibt / ſo ſpricht er: Ja / ich will ſie anne - men / villeicht moͤchte ich ſie brauchen: Wirts aber nit kalt / ſo ſchaden ſie mir dañoch nichts. Eben alſo ſolleſtu / O Chriſtlicher Pilgram die Ablaß nit leichtlich in Wind ſchlagen o - der verachten / ſondern andaͤchtiglich annem - men / im Glauben / Hoffnung vnd Lieb Chri - ſti / der den Menſchen die macht ſolcher geiſt - lichen Schluͤſſeln gegeben.

Gleichwol ſoll man ſich auff diſe Haͤndt - ſchuch der Jndulgentzen nit ſo vil verlaſſen / dz man dardurch die eygne ſatisfactiones vnnd genugthuungen hindan ſetze / ſondern du muſt auch die bußfertige Ruth von der Handt deß Beichtuatters mit nackenden haͤnden empfa - hen / vñ fuͤr dich ſelbſt ohne deß Beichtuatters geheiß / bußfertige Werck vben / dann ſie nu - tzen wider das recidiuum peccati, vnnd ka - ſteyen den Leib / vnd machen jne deſto vntaug - licher zum ſuͤndigen.

R r 4Be -632Der Landtſtoͤrtzer.

Beſchließlichen wie ein Pilgram / ob er ſchon ſeine Haͤndſchuch verlieret oder nicht empfahet / dannocht ſeinen Weg vortgehet: woferꝛn aber er ſeinen Mantel oder Hut ver - lohren / als dann nicht nachlaͤſt / biß er jhne wi - der vberkommen oder einen anderen erkaufft hat / alſo ob ſchon ein Chriſt nicht alle Jndul - gentzen zuwegen bringen kan / ſoll er doch da - rumb vom weg der gerechtigkeit nit weichen / ſondern ſo baldt jhm der Mantel der Lieb et - wann entfallen oder die Tugent der Geduldt benommen worden iſt / ſich geſchwindt bemuͤ - hen ſie wider zuwegen zubringen.

Vom zehenden requiſito deß Pilgrams / nemblich der ring - fertigkeit.

DJE ringfertigkeit iſt auch ſehr not - wendig einem Wandersmann / da - mit er deſto leichter vnd ringfertiger vortwandern moͤge / derwegen ſoll er ſich mit keinen vbrigen Kleidern vnd ſachen beſchwe - ren / ſondern wofern er je zuuil haͤtte zu ſich ge -nommen /633Der Landtſtoͤrtzer.nommen / mag ers auff etwan einen Karꝛen oder Wagen werffen: Eben auff diſen ſchlag ſoll vnſer Chriſtlicher Pilgram ſich mit dem Viatico oder Zehrgelt nicht vberladen / zu - maln wann er nahe bey der Thuͤr deß Todts / welche jhne zum Vatterlandt laitet / iſt / das iſt / wann er nunmehr alt worden. Diſer ge - ſtallt iſt der Ertzpilgram Chriſtus in der Ar - mut gewandert vnd vmbgezogen / deßgleichen Petrus vnnd andere / ſprechendt: ſihe / wir ha - ben alles verlaſſen / vnd ſeind dir nachgefolgt. Habentes alimenta & veſtimenta, his contenti ſimus: Wir ſeindt gleichwol Menſchen / vnd bedoͤrffen vil zuerhaltung vn - ſers Lebens / nemblich der alimentorum, a - ber nit der delectamentorũ vñ irritamen - torum gulæ, nicht bedoͤrffen wir auch der Zierd / Pomps / Prachts vnd Koͤſtlichkeit der Kleidern / damit man vns vor Augen habe / ehre vnd herfuͤr ziehe / ſondern nur einer ehrli - chen bedeckung vnſers Leibs.

Wirſtu aber ſehr reich / vnd weiſt nicht / wie du mit deinen Reichthumben vmbgehen ſolleſt / (dann mancher wirdt reich vnd weiſtR r 5ſchier634Der Landtſtoͤrtzer.ſchier ſelbſt nicht wie: Es fleuſt jhm alles wir ein Waſſerbach reichlich zu) ſo frage den hei - ligen Dauid / was du thun ſolleſt / der wirdt dirs ſagen. Diuitiæ (ſpricht er) ſi affluant noli cor apponere: Als wolte er ſagen / Fleuſt dir Gelt vnd Gut zu / ſo lege dein hertz nicht dran / ſondern brauche ſie wie ein Bach - waſſer / waſche deine Haͤnd drinn vor deiner Thuͤr / laß das vbrige fort flieſſen / ſchieſſe kei - nen Rigel oder verhinderung fuͤr / vnnd ver - ſchwoͤlle es nicht: Huͤte dich auch / daß du inn demſelben Bach ſambt dem Pharaone / vnnd ſeinem Hofgeſind nicht erſauffeſt.

Noli cor apponere, nicht lege dein Hertz an deine Guͤter vnnd Reichthumben / ſondern ziehe es daruon ab / damit du deine Haͤnd deſto beſſer brauchen koͤnneſt / dann qui cor habent diuitiis adhærens manuum opponere nequeunt. So brauche derwe - gen deine Haͤnd: Wann ein Pilgram ſihet / daß er ſich vberladen hat / ſo ſchawet er / daß er ſeinen maiſten Puͤntel etwann auff einen ſichern Karꝛen oder Wagen bringe / damit er ſambt ſeinen Gefehrten deſto ringfertigervort -635Der Landtſtoͤrtzer.vortlauffen moͤge. Eben diſes thu auch du reicher Pilgram / vnnd wirff erſtlich deine v - brige Reichthumben auff einen Karꝛen / das iſt / auff die Armen vnnd duͤrfftigen. Die Ar - men / die Armen ſeindt die Karꝛen oder Waͤ - gen / welche wir allzeit bey vns haben / in den Haͤuſern / vor den Haͤuſern auff den Waͤgen vnnd Straſſen: O wie vil dergleichen Karꝛen vnd Wagen ſihet man hin vnnd wider kirꝛen vnd krachen / ſeytemal ſie je kein ſchmeꝛ haben / jhre Aext zu ſchmiren / Dann es ſeindt die Ar - men mager vnnd duͤrꝛ / haben nichts ſich dar - mit zu ſchmiren / derwegen kirꝛen vñ ſchreyen ſie wie die vngeſch mirte Waͤgen / vnnd bekla - gen jetzt die groſſe kaͤlte / bald den hunger / vnd ruffen panem propter Deum: dermaſſen lang vnnd laut laͤſt man auch ſie bißweiln kir - ren vnd ſchreyen / daß ſie auß lauter ſchwach - heit den Athem kaum ziehen koͤnnen / ja labloß ſterben vnd verderben.

Diſes ſeindt die Karren vnd Waͤgen / die vns Gott auffm weg diſes Lebens zuſchicket / damit wir den ſchweren Puͤntel vnſerer Vberfluͤſſigkeiten darauff werffen / vnndvns636Der Landtſtoͤrtzer.vns beynebens huͤten ſollen vor denen nicht laut kirrenden noch Krachenden / ſondern ſtillen wol geſchmirten Waͤgen vnd Karꝛen ſo da ſeindt vnſere reiche Freunde vnnd die Fuchsſchwentzler / Schalcksnarꝛen / Schmo - rotzer vnnd Kautzenſtreicher / welche nicht kirren / ſondern ſchnauffen vnnd auß lauter faiſtigkeit kaum gehen koͤnnen. Diſe ſeind die ſchwere Laſtwaͤgen voꝛ denen man ſich fleiſſig zuhuͤten / Dann weil vnſere gute Freunde vil ſchmer haben vnd es wider vergelten koͤnnen / ſo laden wir nur ſie zu gaſt / dann ſie laden vns wider / vnnd heiſt: Wurſt vmb Wurſt: Aber die Arme duͤrꝛe vnnd magere Karꝛen / nemb - lich die Armen vnd duͤrfftigen / laſſen wir da - heimb: Die Hailſchleicher / Fuchsſchwentzler vnd Dellerſchlecker / ſo vns gnad Herꝛ / gnad Juncker nennen / den Hut vor vns abziehen vnd nachtragen / vnſere Haͤnd kuͤſſen vnd buß - len / ſich vor vns biegen / bucken / knippen vnd knappen / vns inn allen dingen das placebo Domino ſpilen / vnd alles recht heiſſen / pfle - gen wir zuladen / verehren vnd zubegaben mit vnſerm vberfluͤſſigen Gelt vnd Gut: Denſel -bigen637Der Landtſtoͤrtzer.bigen ſchicken wir beſcheid eſſen von vnſer Tafel / im wenigſten betrachtendt / daß ge - ſchriben ſtehet: cum feceris prandium noli vocare diuites ſed pauperes, &c.

Ja (ſpꝛechen ſie) ich hab diß jar ſo vil Wein vnd Traid eingefaͤchſt vnd geaͤrndt / daß ichs in meinen Keller vnnd Kaſten nicht alles kan einbringen / wo ſoll ich dañ darmit hin? Soll ichs auff die Gaſſen verwerffen? Antwort: Es maͤnglen dir keine Kaͤſten / Keller noch Traidtſchewren / dañ ſihe nur ein wenig vmb dich / ſo wirſtu einen gantzen hauffen Karꝛen vnnd Wagen / nemblich die Armen / finden / auff denen du es alles legen / werffen vnd auff - behalten kanſt / dann wann du diſe dir von GOTT zugeſchickte Waͤgen laͤr abzie - hen laſſeſt / wirdt er zu dir ſprechen: Eſu - riui, &c. Jch bin hungerig geweſt vnd jhr habt mich nicht geſpeiſt / ꝛc. Derwegen ite, gehet jhr Vermaledeyten ins hoͤlliſche ewige Fewer.

Beſchließlichen entlade dich nicht allein deiner eygnen vbrigen reichthumben vnd guͤ - ter / ſondern auch der frembden mit vnrecht /liſt638Der Landtſtoͤrtzer.liſt oder Gewalt eroberte Guͤter / fuͤrnemb - lich vnnd jnnſonderheit aber deren / mit vn - gerechtem Titel oder mit Gewalt erlangten Geiſtlichen Guͤter / dann weil / vermuͤg der Menſchlichen Gerechtigkeit / der jenig ge - henckt oder mit dem Strang gerichtet wirdt / welcher ſeinem nechſten das ſeinige diebiſcher weiß geſtohlen / deßgleichen die Rauber vnnd ſtraſſender / ſo iſt leichtlich zuerachten wz der jenig verdiene / der da Gott dem Herꝛen oder ſeiner Kirchen das ſeinige mit liſt oder Ge - walt nimbt vnnd vorenthalten thut: Nicht allein haben die jenigen / ſo die Kirchen / Cloͤ - ſter vnd Stifft einziehen / vnd dern Guͤter be - ſitzen / keinen nutz / gewinn noch ſegen darbey / dann Kirchengut verzehꝛt weltliche haab / gut vñ muth / ſondern woferꝛn ſie dieſelbige behal - ten / vnd druͤber ſterben / ſo muͤſſen ſie ewiglich auff jhren Seelen verbrennen / derwegen O reicher Wucherer / O Kirchenrauber / der du vermeinſt auff dem weg deß Herꝛen zu wan - dern / vnnd ſelig zu werden / entlade / entrin - gere vnnd entbloͤſſe dich ſolcher erwucherten Reichthumben vnnd geraubten Kirchenguͤ -ter /639Der Landtſtoͤrtzer.ter / werffe ſie auff den kirꝛenden ſeufftzenden vnnd ſchreyenden Karꝛen jhrer wahꝛen vnnd eygnen Herꝛen / reſtituire vnd erſtatte ſie als - baldt CHriſto vnnd ſeiner Kirchen vor dei - nem Endt / Ecce enim veniet Dominus, & proijciet ſeruum infidelem in ignem æternum quo vſque ſoluat nouiſſimum quadrantem.

Vom eylfften requiſito der War - nemmung der Wegweiſern ei - nes Pilgrams.

FErmer vnnd zum eylfften muß ein Wandersman fleiſſig obacht geben / auff die Wegweiſung / dern dann fuͤr - nemblich drey ſeindt / erſtlich ein groſſer Steinhauffen / oder die Creutzſtoͤck / oder Saͤulen / oder die hoͤltzine Haͤnd / welche man gemeinglich an den Straſſen findet: Am an - dern hat man bißweiln etwann ein Mappam oder Zettel / darinn alle Staͤtt vnnd Doͤrffer / durch welche man reiſen muß / verzeichnet vnd geſchriben ſtehen: Drittens findt man ſonder -bare640Der Landtſtoͤrtzer.bare zeichen / ſo in den Baͤumen deß Gehoͤl - tzes gehawen worden: Durch diſe zeichen kan ſich der Pilgram deß rechten Wegs in - formieren vnnd berichten / vnnd deſto frew - diger vnnd ſicherer vortgehen: Das thut aber der Eſel nicht / ſondern wann er einen hauf - fen ſtein / ein ſaul / ein Crucifix od Hand ſicht / alsdann ſpringt er abwegs / die zeichen aber verſteht er nicht / vnnd waiſt nicht was ſie be - deuten / vnnd ob jhm ſchon ein Zedel fuͤrgelegt wurde / ſo koͤndte er ſie doch nicht leſen / ſonder wurde ſie mit Fuͤſſen tretten: Selig aber iſt der Pilgram / der diſe zeichen auffm weg ſei - ner Wanderſchafft fleiſſig betrachtet vnd ſie Menſchlicher / aber nicht Eſeliſcher weiß brauchet.

Durch das erſte directorium oder weg - weiſung / nemblich den Steinhauffen / Creutz vnd Hand wirdt bedeut das harte / rechte vnd gecreutzigte Leben der Heiligen. Jn was fuͤr einem Standt nun der Menſch diſes zeichen findet / der ſoll wiſſen / daß er auffm rechten weg zum Vatterlandt ſeye / dann die harteStein641Der Landtſtoͤrtzer.Stein der truͤbſaln vnnd widerwertigkeiten / Jtem die Haͤnd vnd werck der Heiligen / Jtem das zeichen deß Creutzes CHriſti ermahnen vnd erjnnern vns / daß wir vns mit dem Leben deß gecreutzigten Chriſti vnd ſeiner Heiligen conformiren vnnd vergleichen / ſonderlich aber ſein Creutz vmbfahen ſollen / dann ob ſchon vnſere Werck noch ſo hart / gerecht vnd gut ſeindt / jedoch woferꝛn das Creutz nicht præeminirt vnd fuͤrſchlegt / ſo iſts alles ver - gebens. Diſen Steinhauffen vnd diſes Creutz haben jene heiligen peregrinanten vñ Wal - fahrter Stephanus vnnd Paulus gemacht / als ſie verſteiniget wurden: Die Haͤnd haben die heilige Doctores vnd Lehrer gelehrt vnd gemacht / fuͤrnemblich aber der heilig Am - broſius vnd andere Heiligen. Die Creutz ha - ben auffgericht die zwen gecreutzigten Petrus vnd Andreas / ſo gar auch Chriſtus ſelbſt / der ſich vnd das Creutz / vnd nit allein ſein Hand / ſondern / an ſtatt der Hand / ſich ſelbs gantz vñ gar auffgericht / vnnd erhoͤhet hat / vnnd noch jmmerdar ſchreyet / daß wir durchs Creutz zu jhm gehen ſollen / da er ſpricht: qui vult ve -S ſnire642Der Landtſtoͤrtzer.nire poſt me, tollat crucem ſuam & ſe - quatur me. Derwegen O Pilgram / woferꝛn dir auffm weg der Seligkeit die vorbemelte Steinhauffen / Creutz vnnd Haͤnd begegnen / ſo erſchricke nicht / ſpring nicht ſambt dem Eſel / ab dem Weg / naige vnd lende dich nicht zu den gruͤnen Wiſen vnd Feldern der Welt - lichen Wolluͤſt vnnd Troſts / thut nicht wie die ſtuͤtzige Lehen Roß / welche nicht vort woͤl - len / ſondern niderfallen vnd verꝛecken. Nicht murꝛe wider die harte Stein vnnd Schrofen der Widerwertigkeiten / ſo dir auffm weg der Tugenten begegnen / ſondern lobe vnnd dan - cke Gott / daß du auffm rechten weg biſt / vnnd ſprich: propter verba labiorum tuorum ego cuſtodiui vias duras: ſprich auch: hæc eſt via, ambulate per eam.

Das ander directorium ſeind die zeichen: Alle Creaturen ſeind zeichen / ſo vns zu Gott zeigen / weiſen vnd vns ermahnen auff jhne zu - gedencken / vnnd vns vber ſein groͤſſe / macht / ſchoͤnheit / weißheit vnnd guͤtigkeit zuuerwun - deren / vermuͤg der Wort: Inuiſibilia Dei à creatura mundi per ea quæ facta ſunt,in -643Der Landtſtoͤrtzer.intellecta proſpiciuntur. Diſe Creaturen ſeind natuͤrliche zeichen vnnd gleichſamb na - tuͤrliche Buͤcher / dañ alle Creaturen reden mit vns / verkuͤnden vns Gottes Lob / vnd vnder - weiſen vns. Als derwegen Ariſtoteles ge - fragt ward / von weme er ſo vil ding gelernt hatte? Antwortet er: Von denen dingen / ſo nicht liegen koͤnnen. Selig iſt der Pil - gram / welcher mit ſolchen Augen alle Crea - turen anſchawet / als ein zeichen zu der Goͤtt - lichen erkaͤndtnuß zugelangen. Das thun aber die Naßwitzige Weltweiſen nicht / dann ſie nemen die ſichtbarliche ding diſer Welt nicht an / als zeichen / ſondern quaſi mate - rialiter, Jnnmaſſen die junge Knabatzen in den Schulen thun vnd in den ſchoͤnen vergul - ten Buͤchern nur die ſchoͤnheit der Buchſta - ben warnemen / den Jñhalt aber der Schrifft verachten. An den Liebhabern diſer Welt / nemblich von Eſeln vnnd Edelleuthen / iſts nit / daß ſie die Creaturen brauchen wie zeichẽ / ſo vns zu Gott fuͤhren / ſondern ſie brauchen Eſels Noten: dann wann jhnen etwann ein gutes gluͤck zuſtehet / vnnd ein ſchoͤne CreaturS ſ 2be -644Der Landtſtoͤrtzer.begegnet / als dañ wolten ſie es geꝛn geſchwind anbeiſſen / anzepffen vnd durchs Maul ziehen / im wenigſten betrachtendt / was ſie bedeute / noch auff jhꝛen Erſchaffer gedenckent.

Billich aber werden ſolche Eſelleut von allẽ Menſchen verhaſt. Egirtus ein kleines Voͤ - gelein niſtet gern in Diſteln vnnd Doͤrnern / vnd iſt dem Eſel von hertzen feindt (Jnmaſ - ſen jhm auch die Raben feindt ſeindt /) Weil der Eſel die Diſteln im Feldt abbeiſt vnd friſt / oder zertritt / Alsbaldt derwegen diſes Voͤge - lein den Eſel kommen ſihet / ſo ſetzet es ſich auff ſeinen Rucken / becket vnd beiſſet jne auch ſo lang vnd ſtarck hinden vnderm Schwantz / biß er letztlichen auß vngedult daruon lauffet: Die kleine Voͤgelein ſeindt die Bawren inn Feldern / Doͤrffern vnnd Einoͤden / die niſten nahe bey den Zaͤunen vnd Hecken / vnnd ſeind den Welteſeln / das iſt / den gartenden Landts - knechten / Landtfahrern / Stationirern, ſtar - cken Betiern vnd Landzwingern billich feind / dann dieſelbigen freſſen jnen alles ab / zertret - ten vnd verderben jhnen jhꝛe aͤcker vnd Felder / ſtehlen jhnen jhre Hennen / Gaͤnß / vnnd wasſie im645Der Landtſtoͤꝛtzer.ſie im Hauß haben / vnnd trucken ſie dermaſ - ſen / daß ſie letztlichen Hauß vnd Hof laͤr ſte - hen laſſen muͤſſen: Aber die Raben / das iſt / die Beampten / Pfleger / Schoͤrgen vnnd Ge - richtsdiener wiſchen bißweiln hinder ſolchen Landtſtreichern / vñ andere Bawrenſchinder her / nemen ſie gefaͤngklich an vnd tractierens dermaſſen / daß ſie nit ſo bald wider kommen.

Das dritte directorium vñ wegweiſung deß Pilgrams iſt ein Mappa oder verzeich - nuß / welche die gelegenheit deß Wegs vnnd alle Gefahr der abwegen begreifft. Vn - ſers Chriſtlichen Wallfahrters Mappa oder Zedel / oder Libel, begreifft alles was in dem alten vnd newen Geſaͤtz veroꝛdnet wirdt / Jtem der Kirchen formas ritus vnd zierden / Jtem die habitus oder Kleider der Geiſtli - chen Perſonen vnd jhre Geheimnuſſen: Al - le diſe ding ſeindt gleichſamb geſetzte zeichen vnd gemachte Buͤcher / darinn der Pilgram leſen kan was zu ſeinem heyl vonnoͤthen / Wehe aber den aſinis ad lyram oder Eſeln / ſo ſich hierauff ſo vil verſtehen / als ein Eſel auffs Lautenſchlagen / vnnd welche diſe ZettelS ſ 3verachten646Der Landtſtoͤrtzer.verachten / vnd mit Fuͤſſen tretten / jnnmaſſen die Heyden / Juden vnd boͤſe Chriſten thun / ſo da nach der Schrifft wenig fragen / dann ſie ſchawen dieſelbe anderer geftallt nicht an / als wie die Eſel / nemblich außwendig / aber jnn - wendig leſen vñ verſtehen ſie dieſelbe nit / dann ſie habẽ die gab deß verſtands nit / ſonder ſeind grobe vnuerſtaͤndige toͤlpel / knoͤpff vnd bengl.

Andere laſſen jhnen die Ehr Gottes / das Religion weſen / die Kirchenzierdt vnnd Klei - der der Prieſter wenig angelegen ſein: Seind nur Hof - vnnd Maul Chriſten / tragen das Creutz / (wie der Eſel) nur hinben auffm Rucken / ohne einige Buͤrd: Keine Vigilias noch Faſten / keine ſtationes noch gemeine Gebett halten ſie niemaln / ſonder tragen das Creutz nur auffm hindern theil / laſſen die po - ſterioribus alle añiuerſaria reſtitutiones vñ dergleichen / welche ſo vil als nichts thun. Jn der gantzen faſtenzeit faſten ſie kaum einen einigen tag / vnd ſeind den Eſeln nur in einem einigen fall gleichfoͤrmig / dann wie der Eſel ſich vor dem kalten Waſſer zutrincken huͤtet / an keinem kalten ort gern wohnet / vnnd imtrin -647Der Landtſtoͤrtzer.trincken kaum ſeine Lefftzen netzet / alſo ſehen wir / daß ſolche Welt Chꝛiſten das Waſſer der guten wercken kaum beruͤhꝛen / dann ſie foͤrch - ten den Reiff der muͤhe vnd arbeit / aber vber - fallen wirdt ſie ein groſſer Schnee der ewigen Straff.

Andere verachten gleichwol diſe Zettel nit / ſondern leſens / aber verſtehens nicht: Vnnd dieſelbigen ſeind die Layen / vnnd vermeinen daß ſie die Schrifft verſtehen / da ſie doch nit recht leſen koͤnnen / ſonder eines Meiſters vnd Außlegers bedoͤrffen.

Andere leſen vnd verſtehens / aber auff den Eſeliſchen foꝛm / dañ nit leſen ſie in meinung etwas drauß zulernen / oder den weg der goͤtt - lichen Gebotten zuergreiffen / ſonder von deß zeitlichen gewiñs wegen: Vnd wie jener Eſel Eſopi im leſen der geſtalt abgericht ward / dz / als man jm ein groſſes Buch fuͤrlegte vñ zwi - ſchẽ einẽ jeglichẽ hoͤltzinẽ blat dẽ habeꝛn miſchte er die blaͤter mit dẽ maul vm̃keꝛte vñ dẽ habern fein ordenlich auffraß: Alſo vnd ebner geſtallt habẽ auch vnſere Bauch Chriſtẽ die kunſt deß leſens der H. ſchrifft nur zu jrẽ eygnen nutz er -S ſ 4grif -648Der Landtſtoͤrtzer.greiffen / ſeind derwegen fuͤr keine Chriſtliche vnnd fromme peregrinantes, ſondern aſi - nantes zuhalten: Du aber / O frommer Pil - gram thue nicht alſo / ſonder leſe die zetl diſer Schrifft / Gemaͤld vnd Kleidungen dermaſ - ſen / darmit du darauß den Weg deß Herꝛen erkennen vnd wandern moͤgeſt. Nicht begere zuwerden ein Eſel vnnd Maulthier / in denen kein verſtandt iſt / ſonder wann du die zeichen der Creaturen ſiheſt / ſo ſtehe geſchwindt auff / vnnd gedencke an jhren Erſchaffer: ſiheſtu die truͤbſeligkeiten deß Creutzes / ſo erſchricke nit / ſondern paſſire fort: Siheſt du auf der Straſ - ſen einen Saͤwhirten / ſo gedencke an jenen verlohrnen Sohn: Siheſtu einen Bettler / ſo gedencke an den armen Lazarum vnd den rei - chen Mann: Woferꝛn du ſolches thuſt / ſo wirdt dir beſchert werden was Dauid verheiſ - ſet ſprechendt: Intellectum tibi dabo & in - ſtruam te in via hac qua gradieris, ſci - licet ad vitam æter - nam.

Das649Der Landtſtoͤrtzer.

Das zwoͤlffte requiſitum von der guten vnd boͤſen Geſellſchafft deß Pilgrams.

DJE zwoͤlffte notwendigkeit deß Pilgrams iſt die gute Geſellſchafft / vnnd die meidung der boͤſen. Ein kurtzweiliger Gefehrt iſt an ſtatt eines Roll - wagens: ein ſolcher war Chriſtus jenen zween Juͤngern / ſo gen Emaus gingen / als ſie zu einander ſagten: Brann nicht vnſer Hertz auffm weg? Die Welt aber vnnd die Welt - menſchen begeren Chriſtum nit fuͤr einen ge - fehrten auff jhꝛen Raiſen / ſonder haben vil lie - ber den Teufel / derſelb gehet anfangs mit jnen auß / er iſt bey jhnen mitten auffm weg / beglai - tet ſie wider heimb / fuͤhret ſie letztlichen inn den Todt. Vnd ſpricht liſtiglich zum Pil - gram: incuruare vt tranſeamus: Dann weil er ſihet daß bißweiln die Menſchen mit auff gerecktem Leib vnnd guter mainung auff dem weg der Goͤttlichen gebotten wandern vnd jr Hertz allzeit ſurſum hinauff gen Him -S ſ 5mel650Der Landtſtoͤrtzer.mel richten / auff das ewige Vatterlandt ge - dencken / vnnd den groben Weg der ſtrengen Bußfertigkeit beharꝛen / ſo ſpricht er: incur - uare frater, buck dich Jaͤckel / laß ab von deinem ſtrengen Leben / naige dich ein wenig zum leiblichen Troſt / faſte vnnd arbeite dich nicht zu todt / collationire bißweilen / vnnd trinck ein Krafft Truͤnckel / du kanſt dannocht die Gebott deß HERREN wol halten / ich begere dich nicht daruon abzuwenden / ſondern du wirſt dardurch deſto ſtaͤrcker.

Zum Religioſo ſpricht er: Mein Bru - der / incuruare ſuche ein relaxation, ein recreation, ein gelegenheit / damit du auſ - ſer deß Cloſters etwan ein Pfarꝛ vbeꝛkommeſt / ein mehrere freyheit vnd ergoͤtzlichkeit erlan - geſt / ein feines Gelt erſambleſt / incuruare vt tranſeamus cum cæteris; & nequa - quam pereamus. Thu wie andere feine Prieſter auff dem Landt / denen alles hinge - het.

Zum Canonico ſpricht er: Du biſt ein feiner gelehꝛter Mañ vnd eines mehrern wolwuͤrdig:651Der Landtſtoͤꝛtzer.wuͤrdig: Deine Corherꝛen Pfruͤndt erklecke dir nicht / trachte nach einem faiſten benefi - cio oder einer reichen Pfarꝛ / genieſſe du dar - uon das beſte einkommen / vnd gib einem Vi - cario der die Seelſorg verſehe / etwas wenigs auffm Spaͤndl / der Biſchoff vnnd Vicarius ſeind dir guͤnſtig / vnd koͤnnen gar wol mit dir diſpẽſiren, Aber ô nequam, nequaquam. Dann die diſpenſationes iniquæ ſeu per - peram impetratæ non tollunt peccata mundi, ſed augent, niſi fuerit rationabi - lis diſpenſandi cauſa, ſine cauſa diſpenſa - re quid eſt niſi cum licentia ad infernum intrare.

Zu einem ſtillen eingezognen Menſchen kompt er vnd ſpricht: incuruare, nit fliehe ſo ſehr / alle gute Geſellſchafft / warumb biſtu ſo gar ſingularis? Du wirſt letztlichen gar ein Fantaſt / ein Stockfiſch vnnd Narꝛ werden / mennigklichen wirſtu verhaſt / vnnd dir ſelbſt beſchwerlich vnnd verdrießlich / incuruare, relaxarigorẽ; gehe her / zu der Geſellſchafft / vnnd recreire dich ein wenig. Aber du O frommer Pilgram / gib dem Teuffel keingehoͤr /652Der Landtſtoͤrtzer.gehoͤr / dann er leugt / nicht glaube was er ſagt vom incuruare vt tranſeamus, nam non eſt tranſiturus ſed te oppreſſurus. Wirſt du dich ein wenig biegen vermittelſt der laͤßlichen Suͤnd vnnd Weltlichen troſts / ſo wird er dich zu boden werffen / vnd machen daß du ſchꝛeyen wuͤrdeſt: adhæſit pauimen - to anima mea: Wirſtu dich vor dem Teu - fel bucken / ſo wirdt er auff dir reiten vnd dich ducken: & ſicut onus graue grauabitur ſuper te: Reiten wirdt er dich ohne alle Barmhertzigkeit durch alle Berg vnd Thal / durch alle Kotlachen / Hecken / Doͤrner vnnd Stauden. Vnd wirdt dich letztlichen loſieren vnd ſtellen in den Stall der ewigen verdam̃ - nuß: alsdann aber wirſtu ſambt andern ver - geblich ſchreyen vnd ſprechen: vias difficiles ambulauimus.

Der ander boͤſe Gefehrt iſt die Welt vnnd Weltliche conuerſation vnd gemeinſchaft / welche vns ſehꝛ koͤſtlich vnd ſtattlich mit Klei - dern vnnd Speiſen zu tractiren rathet / vnnd beynebens verurſachet daß wir vnſere edle zeit der Gnaden / vnnd deß heyls ſo vbel verwen -den653Der Landtſtoͤrtzer.den vnnd verlieren / aber du / O Chriſtlicher Pilgram / meide dergleichen ſchaͤdliche Ge - ſellſchafft / verwende dein zeit in aller Bußfer - tigkeit / zu erlangung der Gnad vnnd Glory. Nicht ſprich wie etliche Speyvoͤgel vnd Lot - tersbuben: Was woͤllen wir nach der Mahl - zeit thun? Weil wir nicht nehen vnd Spin - nen koͤnnen wie die Weiber / ſo woͤllen wir entweder ſauffen oder ſpilen: ſondern ſprich: nach dem eſſen woͤllen wir ein ehrliche Leibs - vbung fuͤr vns nemen / oder zu der Nachpꝛedig zu der Engliſchen Geſellſchafft eylen / die col - loquia der andaͤchtigen confraterniteten vnd Bruderſchafften beſuchen / etwas heilſa - mes hoͤren / folgents zu der Veſper gehen / vns mit Gott verſoͤhnen / GOtt anruffen / nach dem verlohrnen Erbtheil ſeufftzen / nach der verheiſſenen ſeligkeit trachten / vnd die began - gene miſſethaten beweinen / dann das ſeindt wahꝛe Chꝛiſtliche / ja Koͤnigliche werck / lachri - mea ſicut panes die & nocte, &c.

Der dritt boͤſe gefehrt iſt Stuttfaul / nemb - lich das Fleiſch / dann ſpiritus quidem eſt promptus, caro autem infirma: Carocon -654Der Landtſtoͤrtzer.concupiſcit aduerſus ſpiritum, & ſpiri - tus aduerſus carnem. Ob nun wol du O Pilgram / diſen Gefehrten nicht verwerffen kanſt / ſondern mit dir fuͤhren muſt / ſo wirſtu doch nicht leyden / daß er vber dich herꝛſche / dann ſonſten wirſt du vmbkommen vnnd ins Vatterlandt nicht gelangen / dann caro & ſanguis regnum Dei non poſſidebunt. Hergegen woferꝛn dir das Fleiſch gehoꝛſamet vnd du es mortificireſt, aber doch lang - ſamb / ſo wirſt du gleichwol zum verlangten zihl gelangen / aber ſehr ſpat / vnnd wirſt muͤſ - ſen in der Mittags Hitz wanderen. Dann du ſolt wiſſen / daß die zeit diſes Lebens ein fruͤh morgige vnnd zwar ein zeit deß Thaws / der Barmhertzigkeit vnnd erkuͤhlung iſt: Jm Fegfewer iſt die Mittags zeit / zu deren die Sonn der Straff ſcheinet: Aber in der Hoͤl - len iſt die Nacht / in dern man nichts laͤſt wuͤr - cken. Woferꝛn derwegen du deß morgens im Thaw nicht wandereſt / ſo muſtu in der Mittags Hitz deß Fegfewers wanderen: Der - wegen O Chriſt / wandere allweil du das Liecht haben kanſt / vnnd ſonderlich deß mor -gens655Der Landtſtoͤrtzer.gens wann die Hitz der Sonnen noch nicht vberhandt genommen hat: Zwinge deinen faulen Gefehrten / das Fleiſch / daß er mit dir in diſer fruͤhen Tagszeit deß Thaws wande - re / ſo wirſtu in kurtzer zeit vil verꝛichten.

Diſes ſeindt nun die drey Gefehrten deß wegs diſer Wanderſchafft vor denen du dich fleiſſig huͤten / vnd ſie / woferꝛn du ſie allbereit zu dir genommen / beurlauben vnnd andere gute fromme vnnd getrewe Geſellen deines gleichen vnnd vorhabens / ſo jhr Angeſicht nach dem Himmliſchen Jeruſalem gewendt / erwoͤhlen ſolleſt. Bitte auch deinen Schutz - Engel daß er dich beglaidte / beſchuͤtze vnnd erhalte: An ſtatt deß Fleiſches erwoͤhle dein rationem oder geiſt / an ſtatt der Welt - menſchen fromme Leuth / vnd an ſtatt deß Teuffels den Engel / ꝛc.

Das656Der Landtſtoͤrtzer.

Das dreyzehende requiſitum von dem kleinen Huͤndlein deß Pil - grams.

DAS Huͤndtlein iſt dem Pilgram ſehr nothwendig / jnnmaſſen Tobias eins auff ſeiner Reiß gehabt: Durch diß Huͤndtlein wirdt verſtanden der gute be - ſcheidene vnd Goͤttliche eyfer vnd ernſt: Dañ erſtlich wie der Hundt ein jnnbruͤnſtiges emb - ſiges vnd keckes thier iſt / alſo ſoll der Menſch alle Menſchliche forcht hindan ſetzen / vnd die Warheit kecklich vnd jnnbruͤnſtiglich verthe - digen. Am andern wie der Hundt ein feindt der feinde ſeines Herꝛen iſt / ſie verfolget / an - greiffet / vnnd doch ſie nicht haſſet / alſo ſehen wir daß ein eyferiger Menſch alle die jenigen fuͤr ſeine Feinde haͤlt / welche GOttes feinde ſeindt / vnangeſehen dieſelbigen ſo gar ſeine leibliche Schweſtern vnd Bruͤder weren: ver - muͤg der Wort: Inimici facti ſunt mihi: I - tem: qui non odit, Patrem & matrem, non eſt me dignus. Gleichwol iſt er jhnenanderer657Der Landtſtoͤrtzer.anderer geſtallt nit feind / als / wie gemelt / der Hund.

Drittens wie der Hundt fuͤr ſeinen Herꝛen ſtreitet biß in den todt / alſo verthaͤdiget ein ey - feriger Chriſt die Goͤttliche Warheit biß in den todt / vnd wann er hoͤꝛet daß man fluchet / ſchweret vnd Gott laͤſtert / alsdann erzuͤrnet / ergrimmet vnd verſchmachtet er gleichſamb / wie Dauid / ſprechent / Super inimicos tuos tabeſcebam: Item: Nonne quioderunt te oderam perfecto odio oderam illos.

Viertens wie der Hundt ſeines Herꝛen Hauß verwahꝛet / die ſchaͤdliche Leuth in der Nacht durch ſein bellen verꝛathet / alſo pflegt ein eyferiger Chriſt fuͤr ſeine Nechſten vnnd Bruͤder zuſorgen / damit der allergroͤſt Dieb vnd Moͤrder / der Teufel jhnen nichts ſchade / Jnmaſſen Paulus gethan vnnd geſagt: Quis ſcandaliſatur & ego non vror.

Ferꝛner vnd zum fuͤnfften beiſt der Hundt bißweiln / vñ der eyfer deß Herꝛn bricht gleich - fals bißweiln mit ſchelt wortẽ herfuͤr / vermuͤg der Wort: O inſenſati Galathæ: Item: O ſtulti & tardi corde. Gleichwol wirdtT tein658Der Landtſtoͤrtzer.ein ſolcher guter eyfer bißweiln widerumb ge - biſſen / vermuͤg der Woꝛt: Extraneus factus ſum fratribus meis, peregrinus filiis matris meæ, quoniam zelus domus tuæ comedit me, & opprobria ex probran - tium tibi ceciderunt ſuper me. Hierauß erſcheint nun / daß es nichts newes iſt / daß der gute eyſer vbel angeſehen vnd ſcheutzlich ab - danckt wirdt / non enim modo peccatores & criminoſi puniuntur, ſed qui crimino - ſos corripere nituntur, nicht wer die laſter thut / ſondern der ſie beredet / wirdt geſtrafft. Vor vilen alten zeiten hat man geſagt: Ob - ſequium amicos, veritas odium parit: Aber doch ſolleſtu / O Pilgram / diſen Hund deß jnnbruͤnſtigen eyfers keins wegs dahin - den laſſen / ſondern mit dir fuͤhren / Jnmaſſen Elias / Moyſes / Joannes der Taͤuffer / Chri - ſtus der Herꝛ: Bernardus, Benedictus vnnd Dominicus gethan: Wehe aber denen / ſo nit das Fewer diſes eyfers / ſondern ein Waſſer / kein Fackel / ſondern ein Koth im Mundt fuͤh - ren. O wie vil feine Maͤnnl findt man / wel - che das boͤſe gut / vnnd das gute boͤß ſprechen /vnd659Der Landtſtoͤrtzer.vnnd behaupten daß die vngerechte contract gerecht / die pluralitas der beneficien paſ - ſierlich vnd zulaͤſſig / die diſpenſationes ge - nugſamb / die offentliche Suͤnd nicht ſtraff - maͤſſig ſeyen / ꝛc. Etliche haben Mehl im Mundt / vnd ein verlangen nach dem Traidt vnd Wein / vnnd koͤnnen derwegen wider die Laſter nicht bellen: dann ſie foͤrchten ſich / daß man jhnen das Mehl vnd die vnderhaltung benemmen werde.

Etliche andere reden gleichwol kein falſch - heit / ſondern die Warheit / aber doch karg vnd kalt / damit dir zarte Ohren der Zuhoͤrer nicht offendirt oder belaidiget werden / aller - maſſen bey außſprengung deß Weyhbrun - nens beſchicht / dann wann derſelb kaͤrglich außgeworffen wirdt / alsdann embloͤſſet ein jeglicher ſein Haupt vnd Haͤnd / vnd empfa - hets andaͤchtigklich / aber wann er vberfluͤſſig außgeworffen wirde / alsdann zeucht ein jeder ſein Geſicht daruon ab. Eben diſer geſtallt gehets mit dem gepredigten wort Gottes zu / dann wañ man die Laſter maͤſſiglich / huͤbſch - lich vnd hoͤflich ſtraffet vnd niemandte trifft /T t 2ſo660Der Landtſtoͤrtzer.ſo ſtehet deß Predigers ſach wol / wirfft er a - ber den Weyhbrunnen der correction et - was vberfluͤſſig in jemands Angeſicht / ſo wen - det man alsbaldt das Geſicht vnd Hertz von jhm ab.

Villeicht aber ſprichſt du: Jch bin nicht karg / ſondern freygebig gnug mit dem auß - werffen deß Weyhbrunnens der correction, kan aber doch nichts proficiren noch auß - richten? Antwort: die vrſach deſſen iſt / quod ignem non adminiſtras ſed aquam frigi - dam: non eſt ignitum eloquium tuum, quamuis abundans ſit: os habes plenum verborum frigidorum: Die fewrige Kohl / welche der Seraphin vom Himmliſchen Al - tar zu ſich genommen / vnd der die Lefftzen E - ſaiæ beruͤhrte / hat vnſere Lefftzen nit beruͤhrt / derwegen pflegen wir das Fewer der andacht in den Hertzen der Menſchen nicht ſo ſehr zu entzuͤnden / als zu loͤſchen: Jnn den Lefftzen ſol - cher kalten vnnd lawen Prediger ſteckt der Todt / an ſtatt daß in jhren Lefftzen das wort GOttes / der Geiſt vnd das Leben ſein ſolte / Nicht allein aber ſollen diſe Hundt deß guteneyfers661Der Landtſtoͤrtzer.eyfers die Prediger bey ſich habẽ die Lieb / ſon - dern auch alle vnd jede fromme Chriſten / dañ einem jeglichen Menſchen hat Gott das Ge - bott der Lieb auffgegeben / ſprechendt: Diliges proximum ſicut te ipſum: Wer nun diſe Liebe hat / der bewilliget nicht / daß ſein Nech - ſter durch die Suͤnd vmbkomme / ſonder er erhaͤlt jne ſo vil muͤglich / vermittelſt der Bruͤ - derlichen correction, derwegen laſſet auch vns diſen Hundt deß guten eyfers mit vns fuͤhren / eines jnnbruͤnſtigen Hertzens vnd Ge - muͤts / vnnd feinde der feinde Gottes ſein / fuͤr die ehr deß allerhoͤchſten mannlich ſtreiten / wider die Teuffel vnnd verfuͤhrer weidlich ſchreyen / vnd bißweilen wanns vonnoͤten iſt / von vns beiſſen / damit wir getrewe Knechte vnſers Herꝛn erfunden / vnnd wuͤrdig werden moͤgen einsmals anzuhoͤren die liebliche Wort: Euge ſerue bone & fidelis in - tra in gaudium Domini tui.

T t 3Con -662Der Landtſtoͤrtzer.

Continuatio diſer Materi / vnnd von einem groſſen wuͤtenden Dorff - Ruͤdt.

Huͤten aber ſoll ſich vnſer Pilgram / daß er an ſtatt eines kleinen Hundts deß guten eyfers keinen wuͤtigen groſſen Ruͤdt deß vnbeſcheidenen eyfers zu ſich ne - me / Dann dergleichen Hundt pflegen die Gaͤnß / Aendten / Schaf / Schwein vnd Hen - nen zuuerjagen: Auff diſen ſchlag findt man etliche Prediger / welche auß einem vnbeſchei - denen eyfer ohne allen reſpect jmmerdar bel - len / beiſſen vnd von ſich ſtechen / derwegen nit allein nichts fruͤchten / ſonder die Gemuͤter der Zuhoͤrern wider jhne veralieniren, ab - wenden vnd verbitteren: Jmmerdar ſchrey - en ſie / crucifigatur, deponatur, eijciatur, ſo gar nennen ſie bißweiln die Leuth / oder deuten gleichſamb mit Fingern auff ſie / laſ - ſen jhr rachgirigs Gewuͤth auff der Cantzel auß / vnnd reſeruiren dem Goͤttlichem vril nichts: Mit ſolchem jhrem vnbeſcheidenen eyfer verſchoneu ſie weder der alten noch derjun -663Der Landtſtoͤrtzer.jungen / weder hohes noch nidern ſtandts: Woher entſpringt aber ſolche wuͤtigkeit deß Hunds? Antwort: Einen nagenden Wurm haben ſie vnder der Zungen / nemblich den wurm der hoffart vnd eyteln ehr / derſelb ma - chet / daß ſolche Prediger fuͤr Iuſtitiarios vñ groſſe Liebhaber der Iuſtici vnd Goͤttlichen ehr gehalten werden woͤllen / derwegen laſſen ſie ſich mit dem vnbeſcheidenen corrigiren vnd ſtraffen der Laſter auff der Cantzel ſo ſteiff hoͤꝛen. Andere haben einen Wurm deß neidts vnd haſſes / vnd derſelb heiſt correctio men - dax in ira contumelioſi: Es iſt aber kein correctio, ſonder ein corruptio. Noch an - dere haben den Wurm der Jgnorantz vnder der Zungen / vnd weil ſie auff jhre Predig nit vil ſtudiert haben / vnnd nichts anders wiſſen fuͤrzubringen / ſo begeben ſie ſich an ſtatt deß docirens vnd lehrens auffs calumnieren, ſchelten vnd kalmeuſen.

Eben diſen Wurm der Jgnorantz haben auch etliche Prælaten / jnnmaſſen jener ge - weſt / welcher baldt nach beſchehener ſeiner wahl vnnd innſtallirung anfing zu kaͤrglen /T t 4den664Der Landtſtoͤrtzer.den Bruͤdern jhren Tiſch / Wein vnd Brodt zuſchmaͤlern vnd abzubrechen / vnd ſie ſonſten mit dem ſtraffen hart zuhalten / wardt derwe - gen abgeſetzt / wie ein nouitius geſtrafft / vnnd jhm zu erkennen gegeben / wie vnnd was ge - ſtallt er andere regiren vnd halten ſolte. Nach ſolchem ward er wider in vorigen ſtandt ge - ſetzt / vnnd diſer geſtallt benam man jhm den Wurm der Jgnorantz vnd vnbeſcheidenheit. Nicht ſicher iſts von den Dorff Ruͤdten re - girt zu werden / die Kinder der Edelleuthen ſeindt in jhren Regierungen vil guͤtiger / dann ſie ſeindt von jugent auff bey hoͤflichen Leu - then erzogen: Das thun aber die Bawren - bengel vnnd grobe Toͤlpel nicht / Miſeri miſeris miſereri nolũt; aſperius enim ni - hil eſt humili dum ſurgit in altum, Cun - cta ferit dum cuncta timet, deſeuit in o - mnes.

Der ander groſſe Hundt / der zu meiden / iſt ein ſtummer Hundt / der da gar nicht bellet / noch beiſſet / vnnd heiſt remiſſio oder ein vn - achtſambkeit / dergleichen Leuth fragen nichts nach dem heyl jhres Nechſten / jhr zelus odereyfer665Der Landtſtoͤrtzer.eyfer ligt auffm Bauch auff der Erden: nem - men ſich vmb das heyl jrer Weib / Kinder vnd Geſinds nichts an / vnd ob ſchon ſie bißweiln bellen / ſo laſſen ſie doch baldt nach / laſſen ſich geſchwindt abtreiben / ſchweigen / ruͤhren den Wadel / legen ſich voꝛ jhnen nider / vnnd beiſ - ſen nit. Daran aber iſt nichts anders ſchul - dig / als entweder die zuuil groſſe demut / durch welche aber geſchwecht wirt jhre authoritet, oder die forcht / dañ ſie foͤrchten ſich entweder vor der darauß entſtehenden aͤrgernuß oder der betrohung. Oder aber die Lieb iſt ſchul - dig dran / dann etliche woͤllen den Fuchs nit beiſſen / noch jemande belaidigen / damit ſie nicht priuirt vnd jhnen jhr zeitliche nahrung entzogen werde / derwegen ſeind ſie bey menig - klich wol dran: ſchmaichlen vnnd ſprechen: Per me equidem ſint omnia protinus al - ba. Den gantzen Tag fuchsſchwaͤntzlen ſie / koͤnnen alles mitigiren, coloriren, lin - deren / faͤrben vnnd entſchuldigen: Seindt Dorff - vnnd Schlafhund / vnnd ligen nur auff dem Sack / aber dem Wolff fragen ſie nichts nach. Dergleichen Schlafhuͤnd vndT t 5Sack -666Der Landtſtoͤrtzer.Sackhuͤnd find man ſehr vil auff den Pfarꝛen vnd in den Religionen / Kein ſolcher aber war Petrus / er lag nit auffm Sack / ſonder ſpꝛach: ſihe / wir verlaſſen alles / Goldt vñ Silber hab ich nit / ꝛc. Deßgleichen lagen der H. Franciſ - cus, Dominicus, Bernardus, Benedictus vnd Auguſtinus auff keinem ſolchen Sack / ſie waren nit Polſterhuͤndl / ſondern Schaf - hund / vnd huͤteten die Schaf Chriſti.

Der viert Hund iſt mittelmeſſig vnnd ein zim̃lichs Huͤndlin vnd ſehr wachtſamb / dar - durch wirdt bedeut der beſcheidne eyfer / wann nemblich der Menſch die zeit / das ort vnd die Perſon warnimbt. Keinen koͤſtlichern Hund koͤndt ich dir O Chriſtlicher Pilgram wuͤn - ſchen / als einen der da ſchwartz iſt vermittelſt deß guten eyfers / der zwey Augen der ſcientz vnd beſcheidenheit hat / vñ der ſtarcke Schen - ckel der ſtandthafftigkeit hat. Selig iſt der Pilgram der einen ſolchen Hund zum gefer - ten hat / jnnmaſſen Tobias einen gehabt / vnd durch jhne mit gluͤck vnnd heyl widerumb heimb zu ſeinem alten Vatter ge - fuͤhrt iſt worden.

Das667Der Landtſtoͤrtzer.

Das vierzehente requiſitum von deß Pilgrams Teſtaments auff - richtung.

WJe einer der ſehr weit verꝛaiſen will / zuuor pflegt ein Teſtament oder ſei - nen letzten willen auffzurichten / alſo muͤſſen auch wir / die wir allhie auff Erden kein bleibende ſtatt haben / thun / vnd erſtlich v - ber vnſere zeitliche Guͤter diſponiren, vnnd ſie dermaſſen veroꝛdnen / damit ſie jhren rech - ten Erben zu theil werden / vnd zwiſchen den - ſelbigen ins kuͤnfftig kein ſtritt oder weitleuf - figkeit entſtehe / vnnd damit dadurch die ehr vnd glory GOttes befuͤrdert werde / vermuͤg der Wort: Omnia in gloriam Dei facito. Item: non nobis, Domine non nobis, ſed nomini tuo da gloriam. Fuͤrnemblich a - ber muſtu ſehꝛ behutſamblich inn diſem fall handlen / vnnd ſehen / daß du deinen Freunden nicht etwas / was du ſchuldig biſt zu reſtitui - ren vnnd zuerſtatten / vermacheſt / ſonder ver - ordneſt / daß es jhren rechten Herꝛen wider - umb zugeſtellt oder erſtatt werde.

Am668Der Landtſtoͤrtzer.

Am andern verſorge vnnd diſponire die Begraͤbnuß deines Leibs / damit derſelb ehꝛlich vnnd an ein heiliges geweyhtes orth gelegt / darneben aber aller eytler Pomp vnd Pracht vermitten werde / thu nicht wie etliche / welche vil lieber mit zurichtung vnnd bereitung eines koͤſtlichen Grabs vil ſpendiren, dann jhre Schulden zahlen / vnnd frembde oder vbelge - wonnene Guͤter reſtituieren woͤllen. O groſſe Thorheit: Vil lieber woͤllen ſie / daß jhꝛe Seelen in der Hoͤllen werden gemartert / weder daß jhꝛe Leiber gelegt werden in ſchlech - te Graͤber. Nicht genug iſts / daß ſie jhre ju - gent vnd Mannlichs alter zugebracht haben / in Thoꝛheiten vnd eytelkeiten / ſondern ſie laſ - ſen auch dieſelbe erſcheinen / ſo gar nach jhꝛem todt / mit jren todten ſtinckenden vnd verfaul - ten Leibern / ꝛc.

Beſchließlichen verteſtiere vnnd verſorge dein Seel / vermittelſt deß vilfaͤltigen geden - ckens an den Todt / das viuax mortis me - moria dat contemptum mundi, dat eui - tationem peccati, dat ſcientiam & ſecu - ritatem bene moriendi. Jtem vermittelſt /der669Der Landtſtoͤrtzer.der demuͤtigen appellierung von der Gerech - tigkeit Gottes zu ſeiner Barmhertzigkeit / J - tem vermittelſt deß vnauffhoͤrlichen Gebetts / vnnd vilfaͤltigen Beicht vnnd Communion: Vnd diſes alles thue bey zeiten / damit du nit etwan vom Todt vbereylt werdeſt / vnd ohne Teſtament verſcheideſt.

Keins wegs aber laſſe dich an der verord - nung deß Teſtaments hindern oder abhalten / die Hoffnung deß laͤngeren Lebens / Nicht ſprich: Ob ich ſchon alt bin / ſo bin ich doch noch ſtarck / das eſſen vnnd trincken ſchmeckt mir / GOtt lob / noch wol: Jch empfinde auch keine zeichen einiger Schwachheit / alles was ich in der jugent gethan / dz kan ich noch thun. Jch kan noch wol manchen Jungen vberleben. Du jrꝛeſt dich aber / mein Bru - der / du jrꝛeſt dich / glaub vnd vermeine nicht / daß du darumb deſto weiter vom Todt ſeyeſt / ſonder nimb ein Exempel vnnd Lehr an einer Kertzen / dieſelbe brinnt vnd fladert gleichfals biß zum endt / wann kaum ein einiges Bißl Wachs mehr verhanden iſt: Vil heller brinnt ſie alsdann / weder erſt anfangs / als man ſiean -670Der Landtſtoͤrtzer.anzuͤndete: Eben diſes / mein Bꝛuder / kan auch dir begegnen / dann ſehꝛ vil Menſchen werden beruͤhrt vom Schlag / vil ſterben deß gehen Todts / welche alters vnd geſundtheit halben gar wol noch laͤnger hetten leben / gute chiera machen / den taratantara vnnd boire à la fontaine ſingen koͤnnen / ꝛc.

Das fuͤnfzehende requiſitum vom fruͤh auffſtehn deß Pilgrams.

DAs fuͤnffzehende requiſitum vnnd notwendigkeit deß Pilgrams iſt / daß er deß morgens in aller fruͤhe auffſte - he zum wanderen / vñ nit warte biß zu der mit - taͤgigen Hitz / in ſeiner jugendt ſoll er anfahen andaͤchtig / fromb vnnd tugentſamb zu ſein / vermuͤg der Wort: bonum eſt viro, cum portauerit iugum ab adoleſcentia ſua Item: memento Creatoris tui in diebus iuuentutis tuæ, &c. Gedenck an deinen Er - ſchaffer in deiner jugendt / ehe dañ die zeit dei - nes vngluͤcks komme / vnd die Jahꝛ herzu tret - ten / dauon du ſagen wirſt / ſie gefallen mir nit. Ein groſſe vnuerſchambtheit were es / wañ ei -ner671Der Landtſtoͤꝛtzer.ner einen Koͤnig zu gaſt lude auff Fiſchſchup - pen / auf zernagte Bein vñ Oepfelſchel: Was iſt aber ein muͤdes alter anderſt / als ſchuppen der jugent / als ein zernagtes Bein / vnd als ein verfaulte Scheel? was kan vnuerſchambters ſein / als dz du O ſuͤnder dem Teufel begerſt zu dienen in der jugent / damit du heꝛnacher Gott dienen moͤgeſt im alter? Nit alſo / O Pilgram nit alſo / ſonder ſtehe deß morgens fruͤh auff / vnd opffere der Goͤttlichen Majeſtaͤt das beſte deines alters / vnd diene jhm zeitlich in der ju - gent / ehe vnd beuor die Fenſter deiner Augen im Todt erfinſteren / wann du eingehen wirſt muͤſſen ins Hauß der ewigkeit. Gewiß vñ vn - fehlbar iſts / daß die jenigen ſo von jugent auff Gott dienen / deſto weniger im Fegfewer ge - ſtrafft / vñ deſto vberfluͤſſiger im Him̃el ergetzt werden ſollen. Ehꝛlich vñ ruͤhmlich iſts auch / daß man Gott von jugent auff diene / dañ wie ein edler Juͤngling vil lieber einem Koͤnig vm̃ - ſonſt dienet / weder einem Bawren vmb einen groſſen Soldt / alſo ſoll vnſere edle vnd nach dem Ebenbildt GOTtes erſchaffene vnnd thewer erkauffte vnnd erloͤſte Seel vil lieberdienen672Der Landtſtoͤrtzer.dienen dem allerhoͤchſten vnd him̃liſchen Koͤ - nig der jhne erſchaffen vnd jhm alle notturfft beſcheret / vnnd der jhm ſo gar das ewige Le - ben ertheilet / weder dem Teuffel / der Welt / vnd dem Fleiſch / dern Soldt der Todt iſt.

Ein ſchand iſts dem Pilgram / daß er vn - angeſehen geweckt worden / dannoch nit fruͤh auffſtehet / wann die Sonn ſcheint vnnd ſeine andere Gefehrten allbereit auffm weg ſeindt / vnnd waidlich vortwandern. Die Hanen kraͤhen vnd wecken vns auff / dann die Sum̃ der Prediger iſt außgangen inn alle Landt: Alsbaldt der Han kraͤthe / ging Petrus hin - auß / weinte bitterlich / wanderte in eine Spe - lunck vnd thaͤte Buß: Aber leyder / wir ſchla - fen vnd faulentzen im Lotterbeth. Nicht al - lein die Hanen / die Prediger vnd vnſere Ge - ſellen wecken vns auff / ſondern auch vnſer Herꝛ vnnd GOtt ſelbſt beruͤhrt vns mit ſei - ner Handt: Warumb ſchreyen derwegen wir nicht: Manus Domini tetigit me, & contremiſcit venter tuus ad tactum e - ius? Eben ſo offt ruͤhret er vns an zum auffwecken / als offt er vns etwan ein wider -wertig -673Der Landtſtoͤrtzer.wertigkeit vnnd Kranckheit zuſchicket / Aber wehe denen / ſo nicht erwachen vnnd munter werden / es ſey dann / daß es donnere / plitze / vnnd mit dem Stral deß gehen Todts / von mir ins ewige Fewer einſchlaͤgt / dann als dañ wirds zu ſpat ſein / vnd ſie werden alsdann die Augen auffthun wie der reiche Mann in der Hoͤllen.

Derwegen O Prilgram / ſurge qui dor - mis & exurge, & illuminabit tibi Chri - ſtus.

Weil du empfundeſt daß dich die Sonn der Goͤttlichen gnad vñ barmhertzigkeit noch beſcheinet / ſo thu du erſtlich deine Augen auff / vermittelſt der erkaͤntnuß deiner Suͤnden vnd gefahr darinn du von jhꝛentwegen ſteckeſt wo - ferꝛn du darinn ſtuͤrbeſt / Jnnmaſſen Dauid gethan / ſprechendt: Quoniam iniquitatem meam ego cognoſco amplius laua me ab iniquitate mea.

Am andern erigete, erhebe dich vermit - telſt der contrition. Drittens lege das Hem - met der gnaden an / vermittelſt deß guten fuͤr - ſatzes / vermuͤg der Wort: Induite vos ſicutV uelecti674Der Landtſtoͤrtzer.electi Dei: Item, Induimini Ieſum, &c. Viertens begib dich auß dem Beth der boͤſen geſellſchafft vnd anlaß / auffs wenigſt ſeye nit ſo gar vnempfindelich / daß du die Wantzen o - der Floͤch / das iſt / die armſeligkeiten / welche die in ſuͤnden ligende Suͤnder leyden / nit em - pfindeſt. Zum fuͤnfften ſpeye auß / oder reinige dich / vermittelſt der Beicht / vnnd werffe von dir den Schleim vnd ſchulnuß der ſuͤnden / da - mit der Magen deines Gewiſſens geſaͤubert werde. Nach ſolchem allem lege an die ſchuh aller tugenten / vnd verſihe dich mit dem Sack deß Glaubens vnd allen andern notwendig - keiten / vnnd wann du alſo ſtaffirt vnnd fertig biſt / ſo begib dich auff den weg deß wirckens der Goͤttlichen Gebotten vnnd Chriſtlichen Lebens: Alsdann / alsdann wirſtu in der kuͤh - le vnnd wehrendem Thaw der zeit der gna - den / ein ſtarcke vnnd gluͤckliche Tagreiß ver - richten / vnd zum verlangten Port gereichen.

Vom675Der Landtſtoͤrtzer.

Vom ſechzehenden requiſito oder notwendigkeit deß Pil - grams.

ZVm ſechzehenden muß der fuͤrſichtig Pilgram langſamb wanderen / dann wer ſich aufangs vbereylt / der wirdt baldt muͤd vnd bleibt dahinden / aber wer langſamb gehet / der kombt allgemach weit: Derwegen muſtu O Chriſtlicher Pilgram auffm weg deß Herꝛen beſcheidenlich vortgehen / faſten / wachen / vñ dein Fleiſch kaſteyen: Regiere das Pferdt deiner vngeſtuͤmmigkeit mit dem Zaum deß verſtandts / dann wer ſein Pferdt deß morgens fruͤ vberhuyet oder vbereylt / der verbringt ſchwerlich ein gute Tagreiß. Ge - denck daß vnſere Werck kein Werck eines ei - nigen tags ſeyen / ſonder daß es lange zeit dar - zu erfordert werde / dann vnſere Wallfahrt wehret vnſer gantzes lebenlang. Gedenck / daß ſolche vngeſtuͤmme Pilgram nit loͤblich ſonder veraͤchtlich / ſchaͤdlich / naͤrꝛiſch vnnd vermeſſen ſeind.

V u 2Erſt -676Der Landtſtoͤrtzer.

Erſtlich ſeindt ſie ſchaͤdlich GOtt dem HErꝛen / dem Nechſten / dem Geiſt vnnd dem Leib: Qui enim indiſcretionis itio ieiu - nia & vigilias, ſic agit, vt deficiente ſpiritu vel corpore languente ſpiritualia impediantur, aufert corpori ſuo boni o - peris effectum, ſpiritui affectum, pro - ximo exemplum, Deo honorem. Das Chꝛiſtliche Leben iſt das Creutz / vnd daſſelbe iſt die Laiter der Suͤnden / derwegen ſpricht der Prieſter in der Kirchen ſurſum corda. Aber wehe den Menſchenkindern / ſo eines ſchwe - ren Hertzens ſeindt / vnnd mit vnbeſcheiden - heit hinauff ſteigen woͤllen / dañ wann er auß ſchwachheit fellt / ſo kombt er widerumb zum anfang der Laiter; Nemo repente fit ſum - mus, aſcendendo non volando appræ - henditur ſummitas ſcalæ.

Am andern ſeind ſie naͤrꝛiſch / vnnd wie die Dorff knaben in der proceſſion das Wachs - liecht hinder dem Creutz tragen / alſo pflegen etliche nouitzen das Creutz der pœnitentz ohne Liecht deß guten raths zu tragen vnd den vnſchuldigen / das iſt / den newen Menſchen;an677Der Landtſtoͤrtzer.an ſtatt deß Moͤrders / das iſt / deß alten Men - ſchen / creutzigen: Alsdann aber creutzigen ſie den newen Menſchen / wann ſie wegen der v - bermeſſigen affliction nichts guts wircken koͤnnen: Wie ſich etliche Reutter mit vil zu ſchweren Waffen beladen vnd dardurch vom feindt vberwunden werden / alſo koͤndten etli - che Menſchen den Teuffel leichtlich vber - winden durch ein mittelmaͤſſiges faſten vnnd wachen / aber weil ſie ſich vil zu vil vnderſtehẽ / vnd auß einem vnzeitigen eyfer / den Wercken der heiligen Einſidler nachfolgen woͤllen / ſo werden ſie letztlichen betrogen.

Dann zugleicher weiß wie der Jaͤger einen Affen betreugt / in deme er jhme groſſe vnnd weite ſchuch oder Stifeln zeiget / Alſo begert der Teufel die Menſchen zubetriegen / vnd zei - get jhnen groſſe vnnd weite Schuch der Tu - genten der alten Vaͤtter / das iſt / die leibliche vnd geiſtliche vbungen. Darwider aber gibt der heilig Bernardus einen guten rath vnnd ſpricht: Bonæ voluntati non ſemper cre - dendum eſt, ſed regenda & frenanda, maxime in incipiente, vt maneat in ſuoV u 3tenore678Der Landtſtoͤrtzer.tenore, quia tunc ſuauiter incedit: ſi au - tem impellitur ad velocem tranſitum, tunc cadit aut deficit. Einsmals fragt ein junger Religios einen alten vnnd ſprach: ſag mir / wie vnd was geſtallt ich Gott finden koͤn - ne? Jſt er zu finden im faſten / wachen / betten vnd kaſteyen / oder in der barmhertzigkeit? Der alt antwoꝛtet vnd ſprach: Zufinden iſt er in de - nen dingen / die du jetzt gemelt haſt / aber doch beynebens vermittelſt der diſcretion vnd be - ſcheidenheit / dann vil Leut haben jhr Fleiſch gepeinigt / aber weil ſie es thaten mit vnbe - ſcheidenheit / ſo ſeind ſie laͤr abgezogen / derwe - gen gebrauche dich in ſolchem fall deß raths der weiſen vnnd erfahꝛnen: Findeſt du aber ſo baldt keinen guten Rathgeber / ſo demuͤtige dich / vnd erhebe dein gemuͤth zum Herꝛn / ver - mittelſt deß andaͤchtigen Gebetts / ſo wirdt er dich ohne zweifel erleuchten vnnd zuerkennen geben was du fuͤr einen weg wanderen ſolleſt / vermuͤg der Wort: Si quis indige - at ſapientia poſtulet à Deo, &c.

Vom679Der Landtſtoͤrtzer.

Vom ſibenzehenden requiſito.

DJe verachtung der Spoͤtter iſt das ſibenzehende requiſitum vnſers Chriſtlichen Pilgrams / Ob ſchon er auff ſeiner Pilgerfahrt verlacht wirdt / ſoll er ſich doch darumb nit aufhalten oder wider zu ruck gehen / ſonder deſto froͤlicher ſein vnd ſpꝛe - chen: aduena ego ſum & peregrinus, non habeo hic ciuitatem permanentem ſed futuram inquiro.

Nichts newes iſts / alſo verlacht vnnd ver - ſpott zu werden / dañ certum eſt quod om - nes qui volunt piè viuere, in Chriſto Ie - ſu, perſecutionem patiuntur. Wann ein religios ſein Regel ſteiff helt / ſehꝛ keuſch / ſtill / eingezogen vnd gehoꝛſamb iſt / ſo wirdt er biß - weiln von andern verlacht vnnd ein deuota - rius genennt / vnnd ſie ſprechen: venite cir - cumueniamus illum, quoniam inutilis eſt nobis & operibus noſtris. Wann ein Canonicus, Præpoſitus oder Decanus ein eyfriges / jnnbruͤnſtiges andaͤchtigs leben fuͤh - ret / ein demuͤtige Kron vnnd PrieſterlicheV u 4Klei -680Der Landtſtoͤrtzer.Kleider traͤgt / die gemeinſchafft der Weibern vnd Gaſtereyen meidet / ſein vbriges einkom - men den Armen gibt / den Choꝛ - vnd Gotts - dienſt fleiſſig beſuchet / die Laſter ſtraffet vnnd außreutet / alsdann wirdt er bißweiln von an - dern verlacht / vnnd ſie ſprechen: Sehet vn - ſeren quotidianum, Er ligt im Chor wie ein Lauß auffm Grindt / er will alles refor - mieren, vnnd alle Berg eben machen: Er iſt ſehr ſingularis vnd eygenſinnig. Jn ſum - ma / man wirdt jhm Spinnenfeind / jederman wil vber jhne her / vnd wie die Voͤgel vmb den Kautzen fliegen / alſo fliegen ſie vmb jhne her - umb / geben jhme ein bick. Aber O heiliger ſingularitas, vil beſſer biſtu / dann die politi - ſche pluralitas, welche fuͤnff gerad ſein / vnnd alles hingehen laſſen. Vil ſeindt beruffen / a - ber wenig ſeindt außerwoͤhlt / ſehr weit vnnd breit iſt der Weg zum verderben / vnd vil Leut wandern jhne / Aber ſehr eng iſt der weg zum Leben / vnd wenig Menſchen finden jhne. Be - ſchließlichen / wann ein Lay oder Weltlicher taͤglich Meß hoͤret / Wochentlich oder Mo - natlich beichtet / ſich ſchlechtlich kleidet / vnndvil681Der Landtſtoͤrtzer.vil bettet / ſo wirdt er verlacht / dann deride - tur iuſti ſimplicitas. Aber du / O Pil - gram / laß die Huͤndt bellen vnnd die Gaͤnß pfeiſen / ſie werden ſchon auffhoͤren. Nicht foͤrchte dich vorm Schatten / das iſt / vor der zeitlichen widerwertigkeit / dann ſie ſeindt kei - ne wahꝛe widerwertigkeiten / ſondern nur ein Schatt der zukuͤnfftigen truͤbſeligkeiten. Ge - denck an Chriſtum / welcher / vnangeſehen der vilen vnd groſſen verſpottungen / vom Creutz nicht hinunder geſtigen / Jtem an die Mag - dalenam / welche nicht nachließ CHriſtum zuſalben / vnangeſehen Judas darwider mur - rete. Biſtu derwegen auffm weg der - nitentz vnnd Buß / ſo verfahre vnnd fra - ge nichts nach eines jeden boͤſen Geiſts ein - geben vnnd verhinderung / Dann es werden die Taͤg kommen dz ſie jren Lohn empfahen / vnd als dann erfahren werden was ſie gethan haben / wann nemblich ſie in der Hoͤl - len heulen vnd ſprechen wer - den: hi ſunt quos, &c.

V u 5Vom682Der Landtſtoͤrtzer.

Vom achzehenden requiſito.

DAs achzehende requiſitum deß Pil - grams iſt / daß er ſich wegen der ſchoͤ - nen vñ luſtigen gegendt / Felder / Wi - ſen vnd Waͤld nicht auffhalte / ſonder jmmer - dar vort paſſire. Eben alſo ob ſchon vnſer Chriſtlicher Pilgram die Taͤntz / Bancket / Hochzeiten vnd Fechtſchulen ſihet / ſo helt er ſich doch nit auff / ſonder gedencket daß er ein Wandersman vnd weit zu reiſen vorhabens ſeye. Er betrachtet wo er ſeye / nemlich in exi - lio im Elendt / im Jam̃erthal vnd im Schat - ten deß Todts. Dann lieber / was iſt in der Welt / das nit zubeweinen were? ſiheſtu auff - wertz / ſo ſiheſtu das Him̃liſche Vatterlandt / darauß du verſtoſſen biſt / vnnd nicht weiſt ob du widerumb hinein kom̃en werdeſt. Schaw - eſt du niderwertz / ſo ſiheſtu dein Grab vnd die Erd / in welche du widerumb verkehrt muſt werden. Schaweſt du zu der rechten deß wol - ſtandts vnnd zur lincken deß vblen ſtandts / ſo ſiheſtu / daß tauſent zur lincken / vnd zehen tau -ſent683Der Landtſtoͤrtzer.ſent zur rechten fallen. Schaweſtu fuͤr dich / ſo findeſtu vnderſchidliche vrſachen zu weinen / vnd zuſprechen: Infixus ſum in limo pro - fundi vſque ad genua.

Ferner betrachtet er / daß er im Landt deß Schattens deß todts ſeye: Wo nun der ſchat - ten eines Menſchen iſt / da iſt der Menſch nit weit dauon / wo derwegen der ſchatten deß Todts iſt / da iſt der Todt auch nit weit: Na - he bey vns iſt nicht allein der natuͤrlich / ſonder auch der Geiſtlich vnd Hoͤlliſch Todt. Der natuͤrlich Todt iſt nah bey vns / dann mitten in vnſerm leben ſeind wir im todt / vnnd vnſer leben iſt ein jmmerwehꝛendes ſterben. Der Geiſtlich todt iſt den from̃en nahe / dann wir eſſen Strick / wir trincken Strick / wir kleiden vns mit Stricken / vnnd alles ſeindt Strick: Der hoͤlliſch Todt iſt den Gottloſen nahe / Nur ein Glaͤſerne Maur iſt zwiſchen jhnen vnd dem ewigen Todt vnd Thor der Hoͤllen / vermuͤg der Wort: appropinquauerunt vſque ad portam mortis: Item, tympa - num & cytharam tenent, & in puncto deſcendunt ad inferna.

Ni[t]684Der Landtſtoͤrtzer.

Nicht weniger betrachtet er das ort / dahin er in ſeiner Wanderſchafft ziehlet / nemblich zum Vatterlandt / zum ewigen Leben / zum him̃liſchen Leben vnd zur ewigen frewd vnnd Seligkeit. Diſes betrachtete einsmals ein anſehenlicher vnnd edler Herꝛ / welcher auffm weg deß HErꝛen ſtill ſtundt / vnd nicht vort - ging / ſondern ſich auff einem froͤlichen Pan - cket / vnnd beym guten muth auffhielte: Letzt - lichen aber bedachte er ſich / betrachtete die kurtze zeit diſes Lebens / ging geſchwind heim̃ / zohe ſeine koͤſtliche Hochzeitliche Kleider ab / vnnd ſprach: Wo iſt an jetzo der Pracht / die Frewd / die Geſellſchafft? Alles iſt verſchwun - den: Baldt darauff begab er ſich in den Bar - fuͤſſer Orden.

Beſchließlichen betrachtet er das mittel dardurch er zu der Thuͤr deß Vatterlandts gelangen muß / nemblich durch die Thuͤr o - der Clauſe deß Todts / allda man jhne embloͤſ - ſen wirdt / aller ſeiner Guͤter / Ehr / Glory / Wolluſt / Frewde / Goldts vnnd Silbers / daſelbſt wartet der Geſtreng Richter / deß - gleichen die erſchroͤckliche Schoͤrganten /Puͤtl /685Der Landtſtoͤrtzer.Puͤtl / verfluchte Gerichtsdiener / Dieb / Rauber vnnd Moͤrder. Weil dann du weiſt / daß du zu diſem Thor eyleſt / wie kanſt vnnd magſtu froͤlich ſein? Wie magſtu dich auff - halten auff den Taͤntzen / Wolluſtbarkei - ten vnd zergaͤngklichen eytelkeiten diſer welt? Zugleicher weiß wie der jenig / welcher zum Galgen gefuͤhrt wurde / vnnd doch begerte daß man ſtill halten / vnd jm verwilligen wol - te / einen Tantz zuſchawen / fuͤr einen groſ - ſen Narꝛen gehalten wurde werden / Alſo biſtu ein vil groͤſſerer Narꝛ / in deme du auffm Wagen deß Todts ſitzeſt / vnnd ohne vnder - laß zum Todt gefuͤhrt wirſt / vnd nicht deſto weniger dich begereſt aufzuhalten beym tantz vnd Muſic der ſo bald verſchwindenden wol - luͤſten diſer Welt.

O wie groſſe Vrſach haben wir / ſambt Chriſto vnſer armſeligkeit zubeweinen / dann als er am Palmtag mit groſſem Triumph vnnd meniglichs frolocken / ſeinen Koͤnigkli - chen Einritt zu Jeruſalem halten wolte / Nihilominus gaudio ſibi propoſito ſu - ſtinuit crucem, properauit ad paſſionem&686Der Landtſtoͤrtzer.& mortem: fing er an vber die Statt Jeru - ſalem vnd jhre zerfloͤrung zuweinen. Eben di - ſes thue auch du Pilgram / betrachte die zerſtoͤ - rung deiner Statt / ſo wirſtu ohne zweifel ſe - hen / daß dir eden ein ſo groſſe gefahr beuor ſtehe. Dann erſtlich veniet in te dies: es wirdt vber dich kommen der Tag / nemblich im Alter: Dann alslang der Menſch jung iſt / iſt alles fuͤr jhne / aber wann er alt wirdt / iſt alles wider jhne: Die Augen ſeind wider jhne / dann er ſihet nit: Die Ohren ſeind wider jh - ne / dann er hoͤret nicht. Die Zaͤhn thun jhm wehe / der Kopff vnnd die Haͤnd zittern / vnnd der Magen iſt nichts werth. Der Tag iſt wi - der jhne / dann er kan nicht arbeiten: Deßglei - chen die Nacht / dann er kan nicht ſchlafen: Weil dann dem allem alſo / warumb hoͤrſtu nit den Weiſen Mann / der da ſchreyet: Me - mento creatoris tui in iuuentute tua, antequam veniat dies afflictionis & ap - propinquent anni, de quibus dicas, non mihi placent.

Am andern circumdabunt te inimi -ci val -687Der Landtſtoͤꝛtzer.ci vallo. Mit einem Wall oder Geſchuͤtt / oder Schantz werden dich deine Feinde vmb - geben: Die ſchmertzen deß Todts werden den ſterbenden Menſchen befangen. Weil es ein groſſer ſchmertzen iſt / wann dir ein Finger / Hand oder Schenckel abgeſchnitten wirdt / was vermeinſtu was es fuͤr ein ſchmertzen ſein werde / wann die Seel auß allen deinen Gebeinen / Neruen vnd Adern / wurtz außge - riſſen wirdet.

Drittens circumdabunt te inimici tui, vmbringen vnnd vmbgeben werden dich deine feinde die Teufel / damit dein armſelige vnnd ſchmertzhafftige Seel nicht entwiſche. Wañ ein Rephun in einer Stauden ligt / als - dann ſtehen vil Hund herumb / Deßgleichen halten ſich die Falcken oben im Lufft auff / vnd vil Menſchen ſchlagen vnnd ſtechen mit jhren Stoͤcken oder Pruͤglen in die Stau - den / darinn der arm Vogel ligt / vnd nit blei - ben kan / Letztlichen aber muß er hinauß / vnnd wirdt geſchwindt gefangen: Vnſer Leib iſt die Staud / vnſere Seel iſt das darinn ſte -ckende688Der Landtſtoͤrtzer.hende Rephun: Die Hund ſeindt die Teufel / ſo herumb ſtehen: Die Falcken ſeindt die boͤ - ſe Geiſter / ſo im Lufft ſeindt / die mit Stecken - ſtehende Menſchẽ ſeind die ſtehende ſchmeꝛtzẽ / damit die Seel hinauß gehe / dann ſie kan nimmer bleiben: Diſes iſt der Standt der armen Seelen / vnd nicht deſto weniger wei - nen wir nicht / ſondern lachen jmmerdar / ſamb were das ſterben ein kurtzweil oder Kin - derſchertz.

Viertens coanguſtabunt te vndique: Engſtigen werden dich an allen orthen die Richter / die Anklaͤger vnnd Zeugen. Die Teuffel werden dich verklagen / dein Seel a - ber wirdt erſtummen / Die Engel werden ant - worten vnd Gott fellt das Vrtheil: O angſt / O noth.

Zum fuͤnfften ad terram proſternent te: Niderwerffen werden ſie dich zur Erden der armſeligkeit vnnd Finſternuß / allda der Schatten deß Todts / vnnd kein ordnung ſondern ein ewig wehrender Schrecken ver - handen.

Sechſtens & filios tuos qui in te ſunt,nicht689Der Landtſtoͤrtzer.nit allein du / ſonder auch die Erben deiner ge - wucherten vnd geraubten Guͤter werden ſam̃t dir zerſtoͤrt vnd vertilgt werden.

Beſchließlichen non relinquetur lapis ſuper lapidem: Alle deine Guͤter / Reich - thumb / Herꝛſchafften / Pallaͤſt / Schloͤſſer / Haͤuſer vnd Gebew ſollen zerſtrewt / verderbt vnd vnſichtbar werden. Vidi impium ſuper exaltatum & eleuatum.

Vom neunzehenten requiſito.

ZVm neunzehenden / wie einem Wall - farter vonnoͤten iſt / daß er ſein Gelt oder Schatz verborgen halte / damit er deſſen nit beraubt werde / alſo ſolleſt auch du mein Bruder Pilgram deinen Geiſtlichen Schatz verbergen. Dein Geiſtlicher Schatz aber iſt nichts anders / als die tugenten vnd tugentſa - me werck / dieſelbige ſolleſtu verbergen / Erſt - lich vor den Menſchen / das iſt / du muſt die tugenten vnd gute werck nicht vben vnnd wir - cken wegen der ehr / lobs vnnd glery der Men - ſchen / dann es ſtehet geſchriben: attendite neX xiuſti -690Der Landtſtoͤrtzer.iuſtitiam veſtram faciatis coram homi - nibus, vt videamini ab illis, &c. Dann ob ſchon du bißweiln pꝛedigeſt / beichteſt / commu - nieireſt / Meß vnnd Predig hoͤreſt / ſo ſoll doch ſolches nicht beſchehen vmb geſehen zu werden / ſonder wegen deß gehorſambs gegen Gott vnd der Kirchen / jtem andern ein guts exempel dardurch zugeben.

Dann ob wol Chriſtus ſpricht: ſic luceat lux veſtra coram hominibus, &c. ſo redet er doch dißfals nit zu dem gemeinen Mann / zu den ſchlechten / einfaͤltigen vnnd erſt anfa - henden Menſchen / ſonder zu den vollkom̃nen Maͤnnern / zu den gelehrten Prælaten vnnd Vorſtehern / derſelben Liecht ſoll ſcheinen vnd glantzen vor den Menſchẽ / vermittelſt deß gu - ten exempels. Weil auch bißweiln ſie nit ein lux, ſonder luxuria, od luxus mundi ſeind / vnnd derwegen vns zur ewigen verdamnuß leuchten / ſo iſt ein notturfft / dz ſolche Liechter oder Kertzen bißweiln gebutzt werden durch viſitationes, tribulationes, detractatio - nes, &c. damit ſie deſto klarer brinnen / dann ſonſten moͤchten ſie erfinſteren oder gar erloͤ -ſchen:691Der Landtſtoͤrtzer.ſchen: Aber ſie gar außloͤſchen iſt gefaͤrlich / dann ſie moͤchten ſehr vbel ſtincken / vñ im gu - ten mißgeberen: Dann wann die Prælaten o - der andere Geiſtlichen / ſo da andern zum ex - empel auffm Leuchter geſetzt ſeind / fallen vnd durch die Suͤnd verloͤſchen / alsdann ſtincken ſie vber alle maſſen vbel / vnd werden die Vn - derthanen wercklich geaͤrgert. Sonſten aber wer ſein Gerechtigkeit vor den Menſchen thut / damit er geſehen werde / der hat deſſen keinen lohn im Himmel / ſonder wirdt deſſen beraubt / ja auch bißweiln geſchlagen vnd vm̃ - bracht. Er verleurt dardurch den verdienſt / vnd begehet bißweiln ein laͤßliche Suͤnd / vnd wirdt darumb geſtrafft im Fegfewr / bißweiln aber ein Todtſuͤnd / vnnd wirdt vmbbracht in der Hoͤllen: Alſo / daß er dardurch keinen lohn empfahet im Himmel / ſonder auff Erden im Fewr vnd in der Hoͤllen.

Am andeꝛn muſtu dein Schatzgelt der gutẽ werck verbergen vor dir ſelbſt / damit du ſelbſt ſie nit ſeheſt vnnd in gefahꝛ geratheſt beraubt zuwerden / jnnmaſſen denen widerfehrt / dieX x 2in692Der Landtſtoͤrtzer.in jhren guten Wercken glorieren / wie die Pfawen / welche mit der ſchoͤnheit jhres Schwantzes ſtoltziren vnd prangen / aber die ſchaͤndtlichheit jhres Geſaͤſſes vnnd Fuͤſſen nicht warnemmen. Einsmals merckte ein Landtsknecht / daß ein Bettler mit ſeinem Mantel diſputirte vnd jhne gleichſamb pein - lich beſprachte / damit er die warheit auß jhm braͤchte: Letztlichen antwortete er jhm ſelbſt an ſtatt deß Mantels vnd bekente / daß vber ſiben - zig Thaler drinn verborgen oder vernehet we - ren. Als der Landtsknecht ſolches gehoͤꝛt / ging er dem Bettler gleichſamb von vngefahr ent - gegen / ſtellte ſich mitleidig gegen jhm / vnnd ſprach: Mein armer Mann / gib mir deinen geflickten Mantel ich will dir einen gantz gu - ten darfuͤr geben. Der Bettler reichte jhm den Mantel alsbald dar / vnd vermeinte daß jhms nur ſchertz were / ſeytemal die Landtskurcht nit ſo freygebig zuſein pflegen mit Allmuſen. Er hette auch gern wider zuruck gezuckt / a - ber der Landtsknecht nam jhm ſeinen Man - tel ſambt dem darin vernehten Gelt. O wie vil dergleichen Narꝛen findt man / welche / obſchon693Der Landtſtoͤrtzer.ſchon ſie jhre gute Werck nit den Menſchen zeigen / ſie doch jhnen ſelbſt zeigen vnnd ſich derſelbigen wie der Pfaw ſeines Schwantzes beruͤhmen. O groſſe thorheit / wir breiten di - ſen Mantel vor der Sonnen vnſerer erkaͤnt - nuß auß / vnd glorieren druͤber. Dein geflick - ter / ſchaͤndtlicher / ſtinckender Bettelmantel ſeind deine gerechtigkeiten: Was aber fuͤr ge - rechtigkeiten? iuſtitiæ noſtræ quaſi pan - nus menſtruatæ. O Menſch / weil ſolche Gerechtigkeiten vor GOttes Angeſicht ein pannus menſtruatæ ſeind / wie werden dañ vnſeꝛe vngerechtigkeiten beſchaffen ſein? Das aller aͤrgiſt aber iſt / daß du in ſolchem Mantel wenig Goldtſtuck haſt / vermuͤg der Wort: pauca nomina habes in Sardis: vnnd nicht deſtoweniger beruͤhmeſtu dich deſſen / vnnd ſi - heſt nit auff den geſtanck vnnd vnflaͤtereyen deiner armſeligkeiten. Aber Gott ſtehet hin - der der Wandt vnnd ſchawet durch die can - cellos oder Gaͤtterle / nicht ohne vnſere groſſe gefahr.

Beſchließlichen wirſtu O Chriſtlicher Pilgram / diſes deines Schatzgelts beraudtX x 3durch694Der Landtſtoͤrtzer.durch den Lucifer einen Koͤnig der Hoffart / Dann er geſellet ſich wie ein liſtiger vnd ver - ſchlagener Dieb zu dir / jetzt im anfang / ſol - gents in der mitte / vnnd letztlichen zu end dei - ner Reiß / vnd ſuchet jedes mals alle muͤgliche mittel vnnd weeg dein Seel zu toͤdten / vermit - telſt der hoffart / eyteln ehrſucht / oder boͤſen intention oder Leibswolluͤſt / wann auch ſchon er in dem einen vberwunden vnnd ab - gewiſen iſt worden / ſo bricht er doch anderſt - wo / wie die Hydra, herfuͤr / ꝛc.

Vom zwaintzigſten requi - ſito.

ZVm zwaintzigſten iſt ein notturfft / daß der Pilgram ſich in den Herbergen weiß - lich verhalte / erſtlich mit den Speiſen fol - gents gegen der Wirthin vnd jhꝛem Geſindt / vnd drittens gegen dem Wirth.

Was erſtlich die Speiß belangt / zuglei - cher weiß wie ein meſſiger Wandersman nichts darnach fragt / ob man jhm ſchon nicht allerhand koͤſtliche Speiſen vnnd vn -der -695Der Landtſtoͤrtzer.derſchidliche Wein fuͤrſetzet / ſeytemal er weiſt / daß ers ſehr thewr zahlen wirdt muͤſ - ſen / Alſo ſoll vnſer Chriſtlicher Pilgram ſich deſſen nit vberheben / daß jhm der allerhoͤchſt Wirth Gott / groſſe Gaben vnnd Gnaden deß Leibs vnd der Seelen beſcheret / ſeytemal er weiſt daß er ſich eygentlich verꝛechnen / wirdt muͤſſen / ob er nemblich ſie zu der ehr Gottes vnd deß Nechſten heyl verwendt vnd gebraucht habe / dann es ſieht geſchriben / daß GOTT alles vor Gericht bringen wer - de.

Was am andern die Wirthin vnnd das Geſindt belangt / wie ein Wandersman nicht vil nach dem Gunſt der Wirthin fragt / auch nicht vil drauff legt / dann er gedenckt: heut bin ich hie / morgen anderſtwo / Eben alſo ſolleſtu Chriſtlicher Pilgram nicht vil nach dem Gunſt der Welt vnnd lieb der Menſchen fragen / dañ der Menſchlich gunſt iſt gemeinglich falſch / betrieglich / vnbeſtaͤn - dig vnnd vnnuͤtzlich. Die lieb der Welt iſt ein diſtractio vnnd abziehung deß HertzensX x 4von696Der Landtſtoͤrtzer.von Gott: Sie iſt ein pur lautere ſchmaich - lerey / ein ſimulatio, ein diſſimulatio, ein betruͤbung / ein Strick oder Netz der verſuch - ungen / vnnd ein maͤhſeligs verdaͤchtiges we - ſen. Was ſoll ich aber vil ſagen von etlichen naͤrꝛiſchen Wandersleuthen / ſo ſich in die Wirthin oder jhre Tochter dermaſſen ver - lieben vnd vernarꝛen / daß ſie Roß vnnd Har - niſch bey jhnen verzehren / das iſt / daß ſie Leib vnd Seel / Ehr vnd Reichthumb in der Her - berg diſer Welt im ſtich laſſen / wegen einer ei - nigen ſchnoͤden wolluſt: Derwegen werden ſie einsmals ſambt jenen verdampten in der Hoͤllen ſich deſſen beklagen vnnd ſprechen: quid nobis profuit ſuperbia, &c.

Drittens ſouil den Wirth betrifft / ſehen wir / daß ein verſtaͤndiger Wandersman nit gern mit jhm greint vnnd zanckt wegen der rechnung / ſonder ſich vil lieber betriegen laſ - ſen / weder einen vil groͤſſern ſchaden leyden will / derwegen ſpricht er bey jhm ſelbſt: da o - bulum ne perdas talentum. Eben diſes ſoll vnſer Chriſtlicher Pilgram auch thun / vnnd nit vil mit den Wirthen / das iſt / mit denWelt -697Der Landtſtoͤrtzer.Weltmenſchen / ſo jhne belaidigen / ſchelten o - der ſchmehen / zancken / ſonder an die Wort Chꝛiſti gedencken / da er ſpꝛicht: ſi quis te per - cuſſerit te in dexteram maxillam, &c. I - tem: pacem do vobis, pacẽ relinquo vo - bis: Dann wer ſo offt geſagt hat: pax vobis: der will vnd lehret vns / daß wir frid halten ſol - len mit den Wirthen diſer Welt / ꝛc.

Vom ein vnd zwaintzigſten requiſito.

VBer oberzehltes alles / wann ein Wan - dersman vom vilen gehen letztlichen muͤd vnnd heiß worden / pflegt er ſich vnder etwan einen Baum nider zulegen vnd zuerquicken / junmaſſen Helias gethan / als er dem Zorn vnnd wuͤtigkeit der Koͤnigin Jſa - bels entflohen war. Durch die Jſabel wirdt bedeut die Welt vnd jhre boßheit / dieſelbe ver - jaget den Eliam / das iſt / einen eyfrigen from - men Chriſten oder Chriſtlichen Pilgram: Vnnd er fliehet vor jhrem Angeſicht wie vor einer Schlangen / vermuͤg der Woꝛt: quaſi àX x 5facie698Der Landtſtoͤrtzer.facie colubri fuge peccatum. Alsbaldt einer ein Schlang ſihet / ſo wendet er jhr den Rucken / vnnd keins wegs ſtehet er ſtill vnnd ſchawet ſie an: Eben alſo wende auch du dein Angeſicht von denen laſter hafftigen o - der verdaͤchtigen Creaturen oder dingen / ſo dich verſuchen / anfechten vnnd verfuͤhren koͤnnen / ſonder fliehe vor jhnen / damit du nicht inficiert vnd vergifftet werdeſt. Vn - der andern vergifften Schlangen oder boͤſen dingen aber iſt keins ſchaͤdlicher / als eben ein Jezabel / derwegen fliehe / wie Helias / vor jh - rem Angeſicht. Villeicht aber ſprichſtu: Wann ich mein Concubin nimmer hab / wer wirdt mir kochen? wer wirdt mir bethen? wer wirdt mir hauſen? wer wirdt mir waſchen: ich kan jhrer je nicht entrathen / ich muß je ein trewes Menſch haben? Antwoꝛt: Wer wirdt mit dir zur Hoͤllen fahren? wer wirdt dich an Leib vnnd Seel verderben? dein Jezabel / dein Koͤchin / dein Koͤchin wirdts thun / derwegen fliehe ſambt dem Helia vor dem Angeſicht diſer deiner Jezabel.

Das ander / welches Helias gethan / war /daß699Der Landtſtoͤrtzer.daß er / nach dem er ſehr muͤd vnd ohnmaͤch - tig worden / ſeiner Seelen halben bate / daß er ſterben moͤchte. Eben diſes widerfehrt bißweiln den Pilgramen diſer Welt / daß ſie ſich durchs ſtarcke vnnd lange gehen er - hitzen / abarbeiten vnd abfaſten / daß ſie dar - durch die andacht vnnd jnnbruͤnſtigkeit deß eyfers verlieren / derwegen ſoll man den Leib dermaſſen mit der Speiß tractiren vnnd er - quicken / damit nicht letztlichen der Todt drauß erfolge: vnnd dermaſſen ſoll man ſich vben in Geiſtlichen dingen / daß die Leibs - kraͤffte nicht gar zu ſehr geſchwecht / vnnd das Gemuͤth von GOtt nicht abgewendt wer - de.

Drittens / wie Elias durch den Engel mit geroͤſtetem Brot geſpeiſt / vnnd mit Waſſer gelabt ward / alſo ſolleſt du Pil - gram / wann dein Seel muͤd vnnd ohn - kraͤfftig worden / dich mit dem allerheilig - ſten Brot deß Leibs vnnd Bluts CHRJ - STJ erquicken / vnnd auß dem Kelch das heylſame Waſſer der Weißheit deß Goͤttlichen Worts / welches in H. Schrifftzufin -700Der Landtſtoͤrtzer.zufinden / trincken / damit dein verlohrner ey - fer der andacht in dir wider erſetzt werde.

Viertens / wie Elias ſich vnderm Wachol - der nider legte ehe vnnd beuoꝛ er geſpeiſt wor - dẽ / alſo lege auch du dich vnder den Wachol - der / das iſt / vnder der pœnitentz, ſo da be - ſorengt iſt mit dem Waſſer der contrition. Beicht vnnd Gnugthuung. Dann wie der Wacholder rauch vnnd ſtechendt iſt / alſo iſt die pœnitentz rauch in der contrition, ſie ſticht vns in der ſatisfaction, das faſten ſticht den Leib / vnnd das Allmuſen krencket das Hertz / ehe es dem Armen gegeben wirdt / vnd das Gebett ſticht den muͤſſiggang. Wie der Wacholder ſicher iſt vnd keine Schlan - gen leidet / dannenhero die Wandersleut ſi - cherlich vnder jhm ſchlafen / alſo ſchlafen die Chriſtliche Pilgram ſicherlich vnder dem Baum der pœnitentz, der alle boͤſe affe - cten vertreibt / vnnd alle vnreine Gedancken verhuͤtet: Derwegen lege auch du Pilgram / dich kecklich vnder diſen Baum nider / vnnd betrachte Chriſtum / der vnder demſelben ligt vnnd allerdings mit Doͤrnern vmbgeben iſt /deſ -701Der Landtſtoͤrtzer.deſſen Haupt mit einer Doͤrnern Cron / deſ - ſen Fuͤß vnnd Haͤnd mit Negeln / deſſen gan - tzer Leib mit Blutigen ſtreimen / deſſen Seyte mit der Lantzen / vnnd deſſen gantze Seel mit ſchmertzen vnd traurigkeit erfuͤllt iſt. Wthe dir / woferꝛn du nit vnder den Wacholder der pœnitentz, ſonder vnder den ſalicibus oder gruͤnen wilgen deß mutwillens / gellheit vnnd erluſtigung niderlegſt / dann nit wirſtu durch den Engel / ſonder durch die Schlang den Teufel geſpeiſt / vnnd ohne einige Geiſtliche ſtaͤrck oder erquickung gelabt werden.

Zum fuͤnfften / wie Elias entſchlafen iſt / nit zwar auß muͤdigkeit / ſonder wegen der gu - ten gehaltenen collation, alſo iſt der jenig Pilgram ſelig / welcher nach der collation oder refection diſes Brots / lieblich entſchla - ſet / vnd heylſame Traͤum hat.

Zum ſechſten wie Elias aufferweckt wirdt damit er widerumb eſſe / ſeytemal jhm geſagt ward / daß er noch einen weiten weg zugehen hette / Alſo ſollen auch wir arme Pilgram vns vilmals mit dem allerheiligſten Brot der Euchariſtiæ ſtercken / damit wir in der ſterckever -702Der Landtſtoͤrtzer.verbleiben. Beſchließlichen / wie Elias auff - ſtehet / biß zum Berg fortgehet / ſich in einer Spelunck verbirgt / vnnd Gott den HErꝛn ſihet: Alſo / O mein Seel / biſtu ſchwach vnd in der Wuͤſte der einſame / trawrig vnnd vrdruͤſſig lenger zu leben / ſo jſſe vnnd trincke vorbemelter maſſen / vnnd wandere vermit - telſt der Krafft derſelben Speiſen biß auff den Berg vnnd zum Tiſch der ewigen refe - ction Orebs, von welchem Chriſtus geredt hat: ego diſpono vobis, ſicut diſpoſuit mihi Pater, vt edatis ſuper menſa. Item, Beatus qui manducabit panem in regno cœlorum.

Vom zwey vnd zwaintzigften requiſito.

WJe es aber ſich begibt / daß die vnbe - hutſame Wandersleuth bißweilen auffm weeg beraubt vnnd entbloͤſt / vnnd derwegen gezwungen werden zu bet - teln / alſo wirdt vnſer Chriſtlicher Pilgram offt vnnd vilmahls allerdings beraubt /wann703Der Landtſtoͤrtzer.wann er vermittelſt der Todtſuͤndt in die Haͤnd deß Teufels faͤllt / dann alsdann wirdt jhm genommen der Mantel der Lieb / der Huet der Gedult / der Guͤrte! deß Gebetts vnnd Betrachtung / der Sack deß fewrigen vnnd lebendigen Glaubens / der Stab der Hoffnung / die Schuch der gulen verlan - gen / das Huͤndtlein deß guten Eyfers: dann villeicht hat er ſich im Wirthshauß vnge - buͤhrlich gegen der Wirthin / Tochter vnnd Geſindt verhalten / mit dem Wirth gri - nen / die boͤſe Geſellſchafft nit geflohen / ſon - der ſich zu den faulen geſellen / nemhlich dem Fleiſch / der verſchwendtlichen Welt / vnnd dem vntrewen verꝛaͤtheriſchen Teuffel ge - ſchlagen vnnd geſellt / die verſpottungen nicht veracht / ſich zu den Tantzern im gruͤnen Feldt begeben / den Sack deß guten Willens abgelegt / ſich deß rechten wegs nicht infor - mirt, vnd iſt derwegen jrꝛ gangen / vnnd in die Haͤnd der Moͤrder gerathen / dann nit ange - ſchaut hat er die Kraͤntz / ſonder die Stein / vnd hat nit vollzogen / was allbereit oben vermeldt woꝛden.

Was704Der Landtſtoͤrtzer.

Was ſoll er aber thun damit er dz Vatter - landt erꝛeiche / vñ nit auf dem weg ſeiner wan - derſchaft verderbe? Fuͤrwar kein anders mittel find ich / als bettlen / dz verlohꝛne wider zu vbeꝛ - kom̃en. Zu ſolchem end aber muß er ſich wie andere beraubte Wandsleut verhaltẽ / ſich in etwan ein Staͤtt verfuͤgen / die Gaſſen abthei - len / vnnd wochentlich von dem einen reichen Hauß zum anderen gehen bettlen / vnnd fol - gents wider vortgehen vnnd ſein Raiß gar vollenden. Wann du O Pilgram / aller dei - ner tugenten beraubt biſt / thue auch alſo / gehe im Liecht deß Glaubens zu jener groſſen Him̃liſchen Statt Jeruſalem / allda alle jnn - wohner reich ſeind / diſe Statt theile in ſiben Gaſſen ab / nimb dir taͤglich eine fuͤr / bettle vnd bette andaͤchtiglich. Die erſte Gaſſen heiſt der Pallaſt der allerheiligſten Dreyfal - tigkeit / vnnd der allerheiligſten Jungkfrawen Mariæ: Die andere heiſt vnſers Herꝛn Gaß / die dritt die Engelgaß / die viert der Patriar - chen vñ Propheten Gaß / die fuͤnfft der Mar - tyrern Gaß / die ſechſt der Beichtigern Gaß / die ſibende der Jungkfrawen Gaß: Alle diſeGaſ -705Der Landtſtoͤrtzer.Gaſſen haben wir ſonderbars in den Leta - neyen. Wofern du aber je nit ſo baldt erhoͤrt wuͤrdeſt durch deine verdienſt / ſo ſchlage dich zum Himmliſchen Pilgram vnnd Bettler Chriſto / welcher geſagt hat: ego mendicus ſum & pauper, recordans paupertatis meæ abſintij & fellis. An diſen Pilgram hencke dich / dann er bettlet fuͤr dich / folge jh - me durch alle ſiben ort / die er allhie gewan - dert vnd beſucht hat / nemblich im Garten / im Hauſe Annæ / Caiphæ / Pilati / Herodis vnd widerumb Pilati / vnnd auff dem Berg Caluarjæ. Bette aller orten andaͤchtiglich zu Gott / vnd begere daß er dein Gebett / we - gen deß Gebetts ſeines Sohns Chriſti / an - nemen vnd erhoͤren woͤlle / vnnd ſprich: reſpi - ce in faciem ſanguinolentam filij tui, & exaudi me, &c.

Vom drey vnd zwantzigſten requiſito.

FErner vnd zum drey vnnd zwantzig - ſten muß ein fuͤrſichtiger Wanders -Y yman706Der Landtſtoͤrtzer.man mit ſeinem Leib auffm weg / vnd mit dem gemuͤth im Vatterlandtſein. Nach dem vn - ſer Chriſtlicher Pilgram alle ſeine verlohꝛne Guͤter wider zuwegen gebracht hat / fahet er an behutſamer zuwerden / vnnd verbleibt hin - fuͤran auffm weg nit mit dem affect, wie zu - uor / ſonder mit dem Gemuͤth iſt er in ſeinem Vatterlandt / vnangeſehen er mit dem Leib auffm weg iſt. Es pflegen die Pilgram auffm weg vnnd in den Herbergen vilmals auff jhr heimet vnd Vatterlandt zugedencken / wann nemblich jhnen allerhandt vngelegenheiten oder vngemach begegnen / vnnd zwar erſtlich wegen der vngeſchmackigen Speiſen / vnnd ſonderlich der Krebſen / durch welche die zeitliche Widerwertigkeiten deß Menſchen bedeutet werden / dañ wie der Krebs ein grau - ſamer Wurm iſt / der mit ſeinen ſpitzigen Spieſſen / ſo auß ſeinem Kopff herfuͤr gehen / ſticht / vnd mit ſeinen Haͤnden oder Schaͤren hart zutrucket / vnnd derwegen von vilen ein - faͤltigen Leuthen ſehr verhaſt / vnnd ſo gar ge - ſoͤrcht wirdt / aber wann er gekocht worden /als -707Der Landtſtoͤrtzer.alsdann iſt er ſehr ſchoͤn / roth vnnd nutzlich / dann ſein Fleiſch vnnd Jnngeweidt iſt ſuͤß vnnd nutzlich zunieſſen / alſo ſeind die truͤbſal grauſamb / vnannemblich / vnnd den Narꝛen vnnd vnnerſtaͤndigen verdrießlich / aber den verſtaͤndigen lieblich vnnd annemblich / vnnd den Seelen erſprießlich / Derwegen O Pilgram / erſchrick nicht vor dem euſſerlichen Angeſicht der truͤbſeligkeiten / jnnmaſſen die Finnſinger ſich dermaſſen vor dem Krebs foͤrchten / daß ſie denſelben nur mit eiſenen Haͤnden angreiffen / ſey auch nicht vnhoͤflich vnnd widerſetzig im eſſen ſolcher Speiſen / dann GOtt laſt vns nit verſuchen vber vn - ſer vermuͤgen / vnnd beuilcht dem Wirth / daß er vns keine vngekochte Speiſen fuͤrſetzen ſolle.

Ferner jſſet man die gekochte Krebſen ent - weder mit Eſſig oder Gewuͤrtz / derwegen moͤchte einer ſprechen: ob ſchon die Krebs ſchoͤn vnnd roth ſeindt / ſo ſchmecken ſie mir doch nicht ohne Gewuͤrtz. Diſer vrſachen halben / mein Bruder Pilgram / brauche zu den Krebſen der Truͤbſeligkeit den Eſſig /Y y 2das708Der Landtſtoͤrtzer.das iſt / die betrachtung der hoͤlliſchen marter / vnnd was geſtallt es vñ leichter ſeye / geſtrafft vnd heimgeſucht zu werden allhie zeitlich / wie ein Sohn / weder dort ewiglich wie ein feind vnd Vbelthaͤter. Deßgleichen brauche ein gutes Gewuͤrtz / das iſt / die betrachtung der Himmliſchen belohnung / dann conſidera - tio præmij minuit vim flagelli. Wie der Krebs gut iſt / dann er ſchwimme oder gehe wohin er woͤlle / ſo bleibt er doch nahe beym Vfer / Alſo ſolleſt auch du ſo wol in deinem guten als boͤſen zuſtandt dich an demem V - fer finden laſſen. Ob aber ſchon das Fleiſch der Krebſen hart zuuerdewen iſt / ſo wirdt es doch verdewlich vermittelſt deß Erblſafft / welcher ſo gar die Korallen verſchmeltzet: vn - angeſehen du derwegen ein vil harters Hertz hetteſt denn Pharao / ſo brauche doch den ro - ten Safft deß allerkraͤfftigſten Bluts Chriſti / vnd das Blut der Heiligen. Netze das Fleiſch deß Krebſes der Truͤbſeligkeit in diſe Saltzen deß Paſſions deß Herꝛn / ſo wirſtu getroͤſt / magna enim conſolatio membris ex ca - pite: ſi compatimur & congregabimus. Die709Der Landtſtoͤrtzer.Die andere Speiß / durch welche der Pil - gram verurſacht wirdt an ſein wares Himm - liſches Vatterlandt zugedencken / ſeindt die groſſe gruͤne Nuͤß der leiblichen Kranckhei - ten / dann wie die Nuͤß bitter ſeindt / alſo ſeindt die Kranckheiten nicht ſuͤß / ſonder ſawr: Wie die Nuͤß durch den Affen verworffen werden wann er die bittere Schelen koſtet / alſo ver - werffen die Narꝛen jhre zugeſtandene truͤbſal wegen jhrer bitterkeit: Aber ob ſchon ein wei - ſer anfangs die bitterkeit koſtet vnd das Maul druͤbrt ruͤmpffet / ſo bricht er doch ſolche Nuß der widerwertigkeit / kombt zum Kern / koſtet vnnd genieſſet die Frucht mit frewden. Vnſer Herꝛ CHriſtus im Garten bettendt / hat diſe jhm von ſeinem Vatter zugeſchickte Nuß koſtendt gebettet / den Mundt druͤber ge - ruͤmpfft / vnnd ſich dermaſſen druͤber entſetzt vnnd gezittert / daß er angefangen Bluts - tropffen zu ſchwitzen / vnnd den Vatter zubit - ten / daß / wofern es muͤglich were / er jhne diſer Speiß wolte befreyen / Eben alſo thue auch du / vnnd nimb die truͤbſeligkeiten diſes Leibs /Y y 3die710Der Landtſtoͤrtzer.die dir GOtt in der Herberg diſer Welt zu - ſchicket / mit gedult an.

Beſchließlichen wirdt der Pilgꝛam an ſein wares Vatterlandt zugedenckẽ bewegt durch das vnreine vnd mit Blut / Leuſen / Floͤhen vñ Wantzen erfuͤllte Beth / derwegen kan er mit ruhe nicht ſchlafen / ſonder gedencket jmmer - dar anheims an ſein gutes ſauberes Bethge - wandt. Durch das Beth / darinn vil Leut jhre ruhe / frid / ſicherheit vnnd troſt zuhaben ver - meinen / wirdt erſtlich verſtanden das Weih oder der Eheſtandt / Aber laider ſambt dem Weib / ladet er jhm ſelbſt muͤhe auf ſeinen Leib: O wie ein muͤheſames weſen iſt der Eheſtand. Nimbſtu ein reiches Weib / ſo vberkomſtu vil vnruͤhiges Vnzifer / Floͤch vnd Wantzen / die dich hart beiſſen vnd peinigen / dann du muſt jhr allen jhꝛen willen laſſen / ſie thut im Hauſe herꝛſchen / vnnd du muſt allzeit jhr Bettelman oder Bettelhundt ſein / der jhr nichts hat zu - gebracht. Nimbſtu ein arme / ſo iſt ſie muͤhe - ſamb zuernehren / vnnd wehe jhr / dann ſie muß dein Fußhader ſein. Nimbſtu ein from - me vnnd guͤtige / ſo iſt ſie hinlaͤſſig / vnnd ver -dirbſt /711Der Landtſtoͤrtzer.dirbſt / Dann gemeinlich ſeind nur die boͤſeſte Weiber heußlich: Nimbſtu ein ſchoͤne / ſo lau - fen dir die junge Buben vmbs Beth herumb / ſpringen bißweiln auch gar hinein: Nimbſtu ein heßliche / ſo beiſſen dich die Leuß deß ver - druſſes vnnd widerwillens / als offt du ſie an - ſchaweſt Sie ſeye nun heßlich oder ſchoͤn / ſo menglen doch niemaln keine Wantzen Was das nun fuͤr Wantzen ſeyen / das wiſſen die E - heleut ſelbſt am beſten / Dergleichen Wantzen machen auch / daß du dich von deinem Weib abwendeſt / vnd zu euſſerſt auffs eck deß Beths legſt vnd nichts thuſt als ſeufftzen.

Oder aber es wirdt durchs Beth verſtan - den der Geiſtliche oder Prieſterliche Standt / an ſtatt nun / daß du vermeineſt in demſelben Beth ſicherlichzu ruhen / ſo findeſtu doch im ſelben ſehꝛ vil Freunde / Verwandten vnnd Baͤſel / die dich beiſſen vñ außſaugen Stimu - los carnis habebis, vnnd das ſeind die Leuß. Wilſtu aber denſelbigen Leuſen entfliehen / deinen Freunden nichts geben / vnnd an jh - re ſtatt ein Concubin oder ein ſchoͤne Koͤchin halten / ſo haſtu eben ſo vil Wantzen am HalßY y 4als712Der Landtſtoͤrtzer.als ein Eheman. Biſtu ein religios, ſo wirſtu haben die Floͤch / nemblich das vilfaͤltige Fa - ſten / wachen / diſcipliniren vnd andere Clo - ſterbuͤrden: Deßgleichen die Leuß deß neidts vnnd haſſes / jtem deß jnnerlichen boͤſen Ge - wiſſens. Diſes iſt die beſchaffenheit deß Beths aller Staͤndt / vnd daſſelbe laͤſt dir Gott dar - umb in diſer Welt alſo zubereiten / damit du deines waren Vatterlandts nicht vergeſſeſt / ſonder offt dran gedenckeſt / jnnmaſſen Dauid gethan / ſprechendt: Memor fui tui ſuper ſtratum meum. Item Iachrymis ſtratum meum rigabo.

Diſes iſt lectulus noſter floridus vnſer bluͤhendes Beth / dann es bluͤhet vnnd iſt ge - ziert mit allerhandt Blumen der truͤbſelig - kelten: Derwegen ſpricht Gregorius: Ele - ctis ſuis Dominus iter aſperum facit, ne dum delectantur in via, obliuiſcantur. eorum quæſunt in patria. Wilſtu nun ei - nen ſehen der die Krebs / Nuͤß / vnnd das Beth verſucht hat? Job hat widerwertigkeit ge - habt / in deme er ſeine Reichthumb vnnd di - gnitet verloren / vnnd das waren die Krebs. Fer -713Der Landtſtoͤrtzer.Ferner hatte er ſchmertzen am Leib / vnnd das waren die Nuͤß: Deßgleichen hatte er wider - wertigkeiten mit ſeinem eygnen Weib / in ſei - nen wolluſten vnd freunden / vnd das war das Beth welches erfuͤllt war mit Wuͤrmen. Wz thut er aber / wie verhelt er ſich in ſolchem al - len? Nach gehaltener diſer bittern vnd hunds - ſauren Malzeit / vnnd in dem Beth der ruhe dancket er dem Wirth / dann er wuſte daß es auß ſeines Himmliſchen Vatters commiſ - ſion vnnd beuelch geſchehen war / derwegen ſprach er: Dominus dedit, Dominus ab - ſtulit, ſit nomen Domini benedictum.

Eben diſes thue auch du Pilgram / dan - cke Gott vmb ſeine Krebs / Nuß vnnd Beth / quia à Domino factũ eſt iſtud, etſi mira - bile ſit in oculis noſtris. Lerne durch jhre anſchawung mit dem Hertzen vnnd Gemuͤth im Vatterlandt zuſein / vnnd allein mit dem Leib auffm Weg zuuerbleiben: jnnmaſſen alle Heiligen gethan / vnnd die Kirch es beuilcht / ſprechendt: ſurſum corda. Deßgleichen hat auch Paulus ſambt ſeinen Geſellen gethan / vnd geſagt: ſi conſurrexiſtis cum ChriſtoY y 5quæ714Der Landtſtoͤrtzer.quæſurſum ſunt quærite, vbi Chriſtus eſt in dextera Dei Patris: quæ ſurſum ſunt ſapite non quæ ſuper terram. J - tem / Dauib hat jhm auch alſo gethan: ſpre - chent: oculi mei ſemper ad Dominum, quoniam ipſi euellet de laqueo pedes meos. O Pilgram / geriſſen hat der Herꝛ deine Fuͤß auß dem Strick / darin du gefallen wareſt / huͤte dich / daß du nicht wider drein falleſt vnnd abermals aller deiner Guͤter be - raubt werdeſt / vnnd zu ſolchem end erhebe deine beyde Augen deß Verſtandts vnnd der affecten gen Him̃el / Aber laider / wenig ſeind deren / ſo mit dem Verſtandt / noch weniger ſo mit dem affect, vnnd noch vil weniger ſo mit dem Verſtandt vnnd affect in jenes Himmliſche Vatterlandt wanderen / dann der Verſtandt fleugt fuͤruͤber / vnd es ſolgt ein langſamer oder gar kein affect, &c.

Vom715Der Landtſtoͤrtzer.

Vom vier vnd zwantzigſten requiſito.

DJe confabulatio oder vnderꝛedung vnnd conuerſirung wirdt auch auff der Raiß notwendig erfordert / dann ein redſeliger gefert iſt beſſer / denn ein Lauten oder Mayenpfeiff / facundus comes pro vehiculo eſt. Alsdann aber fahen die Wan - dersleuth jnnſonderheit an mit einander zu ſchwetzen / wann ſie nah zum Vatterlandt kommen / dann alsdann erzehlen ſie einander jhre erlittene vnnd außgeſtandene armſelig - keiten oder gluͤckſeligkeiten die ſie im Vat - terlandt werden haben. Eben diſes thut auch du / der du auff dem Weg diſes gegen - wertigen Lebens biſt: wir frembdling muͤſ - ſen einander anſprechen / troͤſten vnnd er - mahnen / vermuͤg der Woꝛt: loquentes No - bismetipſis in pſalmis, hymnis & can - ticis ſpiritualibus, cantantes & pſallen - tes in cordibus veſtris, Domino gratiasagen -716Der Landtſtoͤrtzer.agentes ſemper. Item, cantabiles mihi e - rant iuſtificationes tuæ in loco peregri - nationis meæ. Diſes muͤſſen auch wir thun die wir alleſambt nach dem Vatterlandt zie - len / vnnd je nicht wiſſen / wann vnſer ziel ver - handen ſein werde / obs am Abendt oder Mor - gens fruͤ / oder in der Mittnacht voꝛ dem Ha - nenſchrey oder ſpat ſein werde. Die alten a - ber ſollens inſonderheit thun / ſeytemal ſie wiſſen / daß ſie nicht weit vom ziel vnd nah bey der Porten deß Todts ſeindt: dieſelbigen ſol - len einander nit (wie anjetzo laider beſchicht) zum Wein fuͤhren vnnd ſich vollſauffen / ſon - der jhre außgeſtandene armſeligkeiten erzeh - len / vnd mit der beuorftehenden ewigen glory troͤſten.

Auß ſolcher jhrer vnderꝛedung aber em - pfahen ſie einen groſſen nutz / dañ erſtlich ver - laſſen ſie dardurch deſto lieber diſe Welt / Am andern werden ſie deſto weniger erſchrocken voꝛ dem beuorſtehenden Todt: Drittens ſte - hẽ ſie allzeit in der bereitſchafft zur Schlacht / Dann ein gezierte Braut laͤſt ſich vil lieber zum Tantz fuͤhren / weder ein vngezierte / wel -che717Der Landtſtoͤrtzer.che vnuerſeheus auffgezuckt wirdt / dañ ſie er - ſchrickt / weil ſie noch nit geſchmuckt iſt. Vier - tens werden ſie dardurch bewegt nach den Himmliſchen dingen zuuerlangen / vnnd es brinnt jhr Hertz. Zum fuͤnfften huͤten ſie ſich dardurch vor allem vnnuͤtzen / ſchaͤndtlichen vnd aͤrgerlichen geſchwaͤtz. Sechſtens locken vnnd ziehen ſie dardurch CHriſtum zu ſich / wann nemblich ſie von jhm reden / jnnmaſſen jenen zwen Pilgramen beſchehen / ſo gen E - maus gingen / von Chriſto vnnd ſeinem Paſ - ſion / Leyden vnnd Sterben redeten / biß Chri - ſtus ſelbſt ſich vnder ſie miſchte / vnnd jhnen auff jhrer Pilgerfart geſellſchafft leiſtete.

Gleichwol kenten ſie jhne damals nicht / dann ſie hielten jhne gleichfals fuͤr einen Pil - gram / Er war auch einer / vnnd er hatte Pil - grams ſitten vnd Kleyder / vnnd zwar erſtlich den Mantel ſeines Fleiſches / derſelb Mantel war erſtlich ſchneeweiß / dann er war von dem allerꝛeiniſten Fleiſch Mariæ ohne ſuͤnd. Am andern war er roth vnnd im Paſſion geferbt. Drittens ſchwartz / dann im todt deß Creutz ward er geſchwertzt.

Nit718Der Landtſtoͤrtzer.

Nit allein hatte er einen ſolchen Mantel / ſonder auch vnder demſelben einen Sack vol - ler Silbers der glori / gnaden vñ weißheit / ver - muͤg der Wort: vidimus gloriam eius ple - num gratia & veritate & ſapientiæ. Drit - tens hatte er einen Huet der Doͤrnern Kron / durch welchen wir beſchuͤtzt ſeind worden vor der hitz der fleiſchlichen wolluͤſt / vnd dem Re - gen der truͤbſeligkeiten vil verſuchungẽ. Vier - tens hatte er den Stab deß Creutzes in ſeiner Handt / an welchen die Pilgram ſich halten / damit ſie nit ohnmaͤchtig werden / vñ mit wel - chem er durch den Waſſerbach diſer Welt gangen / zu ſeinem eygnen kommen / vnnd den Teufel vberwunden vnd bezwungen. Zum fuͤnfften ging diſer Pilgram CHriſtus in die Herberg / nemblich zu morgens in Bauch der Jungfrawen / zu mittag ans Creutz / ſprechent: ſitio, vnd den Geiſt auffgebent / vnd zur nacht ins Grab. Zum ſechſten hat er auffen weg groſſe gefahr erlitten von ſeinen geſellen / vom Juda ward er verꝛathen / vnd von ſeinen eyg - nen Wirthen getoͤdt / vnd von den diebiſchen Soldaten ſeiner Kleyder beraubt.

Be -719Der Landtſtoͤꝛtzer.

Beſchließlichen kam er wider mit den zei - chen zu ſeinem Vatter vnd Him̃liſchen Vat - terlandt / nemblich mit ſeinen fuͤnff Wunden / vñ erzeigte ſich als einen / der ſeinen willen ge - horſamlich vollzogen / dardurch bewegte er jh - ne zur barmhertzigkeit / vnnd verſicherte vns daß wir vns nit ſo ſehꝛ foͤrchten ſolten vor den feinden.

Eben diſer Pilgram geſellete ſich zu jhnen vnnd redete ſehr freundtlich mit jhnen / ſie er - langten auch dardurch die erleuchtung deß verſtandts / vnd die hitz deß affects. Laſſet vns auffm weg vnſerer zeitlichen Wallfart dem Exempel diſer Pilgramen nachfolgen / laſſet vns von Geiſtlichen dingen conuerſiren, von der armſeligkeit diſes Lebens / von dem paſſion Chriſti vnd der Chriſten / vnnd vom zukuͤnfftigen Leben reden / ſo werden wir von aller lugen / betrug vnnd falſchheit abſtehen / vnnd vermittelſt ſolcher guten Wort vortge - hen / vnd zum wahren Himmliſchen Vat - terlandt gelangen.

Vom720Der Landtſtoͤrtzer.

Vom fuͤnff vnd zwaintzigſten requiſito.

NAch dem nun der fromme Pilgram lang alſo allhie auffm weg deß Herꝛn gewandert / ſo erlangt er dardurch erſt - lich die Jndulgentz ſeiner Suͤnden / dann ob er ſchon durch die Suͤnd alles / nemblich den Mantel der Lieb / den Sack deß Glaubens / vnd den Stab der hoffnung verloren / jedoch wofern er ſich durch das bettlen deß Gebetts wol verhelt / vnnd Gott durch die fuͤrbitt der Heiligen bittet / ſo erlanget er alles wider / dañ durch die Buß werden jhm die tugenten wi - der gegeben vnnd die ſchuldt der ſuͤnden nach - gelaſſen. Am andern erlangt er dardurch ein ehr von ſeinen freunden die jhm entgegen ge - hen / jhne mit frewden empfahen / vnd in jhꝛen Haͤuſern ſtattlich tractiren. Dann wann er zu der Thuͤr deß Todts kombt / ſo begegnen jhm die Engel / ja Chriſtus ſelbſt. Die heilige Kirch ſchreyet in der depoſition eines jegli - chen verſtorbenen / vnnd ſpricht: ſubueniteſancti721Der Landtſtoͤrtzer.ſancti Dei, occurrite angeli Domini, ſu - ſcipientes animam eius, offerentes eam in conſpectum altiſſimi ſuſcipiat te Chriſtus, qui vocauit te: & in ſonum A - brahæ deducat te.

Beſchließlichen erlangt der Pilgram ein ruhe / vnnd er legt ſeinen Stab auff den Altar vnd ſpricht: hæc requies mea in ſeculum ſeculi, hic habitabo quoniam elegieam. Dann wann der Pilgram auffgenommen iſt worden in Himmel in ſeinem Vatterlandt / alsdann legt er den Stab der hoffnung / vnd den Sack deß Glaubens von ſich / dann fi - dei ſuccedit viſio, ſpei comprehenſio. Vnd ſambt der Agnes ſpꝛicht er: ecce quod concupiui iam video, quod ſperaui iam teneo, illi ſum iuncta in cœlis, quem to - ta deuotione dilexi in terris. Daſelbſt wirdt alle widerwertigkeit ein endt haben / GOtt wirdt alle Zaͤher abwiſchen auß den Augen der Heiligen / an ſtatt deß ſchmertzens / traurens / weinens vnnd ſeufftzens wirdt ſein lauter frewd / fried / ruhe vnnd ſicherheit ewig - klich: Selig iſt der Pilgram / der da wirdigZ zwirdt722Der Landtſtoͤrtzer.wirdt alſo zu empfahen zu werden im Vatter - landt. Derwegen O Pilgram feyre nit / ſon - der bezahle deine ſchulden / diſponire dein Haußweſen / nimb zu dir den Sack deß Glau - bens / den Stab der hoffnung / den Mantel der lieb / den Hut der gedult / das Gelt der truͤb - ſaln / die Schuch der tugenten / die Haͤndt - ſchuch der indulgenzen: Vberlade dich nit / betrachte die wegweiſungen / meide boͤſe ge - ſellſchafft / vergiß deß Huͤndlins nicht / mache dein Teſtament / ſtehe fruͤe auff / gehe lang - ſamb / verachte die Spottvoͤgel / laß dich durch den wolſtandt nichts jrꝛen / zeige deinẽ Schatz nit / in der Herberg verhalte dich weißlich / vnderm Wacholder / ſcheme dich nit deß bett - lens wann du beraubt biſt worden / erheb dein Hertz vnd Gemuͤt allzeit hinauff gen Him̃el / vnnd ſey nur mit dem Leib auff Erden / vnnd conuerſire allzeit von Geiſtlichen dingen / ſo wirſtu vermittelſt ſolcher 24. ſtuck / gluͤck - lich gelangen zum 25. nemblich zu der ehrli - chen annemung deß Himmliſchen Vatter - landt / ꝛc.

Diſes war die erjnnerung / welche mir derfrom̃723Der Landtſtoͤrtzer.from̃ Einſidl thate / wie vnd was geſtallt aber ich jhr gefolgt vnnd mich ferꝛner verhalten / das vernimbt der guͤnſtig Leſer auß dem drit - ten Theil / wie es nemblich mir auff der Reiß gen Jeruſalem ergangen / was ich daſelbſt fuͤr buß gethan / folgents vom Tuͤrcken gefangen / gen Conſtantinopel gefuͤhrt / aber wider ledig woꝛden: Nach ſolchem die Jndianiſche Laͤn - der beſucht / vnnd was ich aller orten geſe - hen / gehoͤꝛt / erfahꝛen / gelitten vnd außgeſtanden.

Ende deß andern Theils.

Z z 2Sum -[724]

Summariſche Verzeichnuß / deß erſten Theils / in den Landtſtoͤrtzer.

  • Erſtlich erzehlt Guſman / wie daß ſein Vat - ter ein ſeltzamer geſell vnnd erbarer Mann geweſt. Fol. 1
  • Guſman zeigt an / wie ſein Vatter vmb ſein Fraw Mutter anfangs gebulet / vnnd auß was fuͤr eim ehrlichen Stammen er gebo - ren woꝛden / Jtem / was ſein Fraw Mutter fuͤr ein ehrliche Fraw geweſt. 12
  • Wie Guſman erzogen woꝛden. 24
  • Er diſcurriret artlich von der gluͤckſeligkeit vñ vngluͤckſeligkeit der Menſchen / vñ wie er vnſchuldiglich gefangen woꝛden. 33
  • Guſman wirdt durch einen from̃en Prieſter heilſamlich vnderwiſen. 42
  • Verdingt ſich zu eim Wirth auf das Gey. 46
  • Guſman kombt gen Madril / vnnd wirdt ein Picaro oder Schwarack / ꝛc. 52
  • Dienet fuͤr ein Kuchelbubẽ / fahet an ſich mit der vnbegerten Arbeit / das iſt / mit ſtehlen zu ernehꝛen. 58
Was[725]Regiſter.
  • Was dem Guſman in ſeinem Kucheldienſt fuͤr ein wercklicher boſſen widerſahꝛon. 65
  • Guſman nimbt ſein voꝛigs bernheuteriſches Handtwerck wider an / vnd wirdt durch ein ſonderbares gehebiges mittel reich. 73
  • Guſman kombt gen Toledo / kleidt ſich allda gar ſtattlich / vñ wie er ſein gelt verbulet. 78
  • Kombt nach Almagro zu einem Hauptman / vnd wirdt ein Soldat. 87
  • Verꝛaiſt hernach gen Genua / fragt allda ſei - ner Freundtſchafft nach / wirdt aber vbel von jhnen tractirt. 90
  • Guſman begibt ſich wider zum bettlen / geſel - let ſich zu andern Bettlern / lernet jhre ſta - tuta, geſaͤtz vnd ordnungen. 96
  • Wie Guſman zu Rom auß mitleiden eines Cardinals / in ſeinem eygnen Hauß vnnd Beth curirt woꝛden. 103
  • Was maſſen Guſman dem Cardinal fuͤr ei - nen Edelknaben gedienet. 108
  • Guſman wirdt ſeim Herꝛn dem Cardinal je laͤnger je lieber / ſtudiert vnd ſtellet ſich ſehr andaͤchtig / beſchreibt auch die fuͤrnembſte Roͤmiſche Kirchen / ſambt den darinn ver -Z z 3hand -[726]Regiſter.handnen Hailthumben. 122
  • Guſman erzehlt / warumben er / wegen ſeines vberfluͤſſigen ſpilens / vom Cardinal beur - laubt / vnnd widerumb ins Frantzoͤſiſchen Geſandten dienſt angenommen worden / was er auch bey demſelben fuͤr artliche boſ - ſen geriſſen. 135
  • Verlaſt den dienſt der Frantzoͤſiſchen Bott - ſchafft / zeucht wider auß Rom / vnnd wirdt auff dem Weg beraubt. 146
  • Guſman trifft auf ſeiner raiß einen Jtaliani - ſchẽ Grauen an / erlangt dienſt bey jm / vnd erzehlt allerhand artliche ſchnacken. 151
  • Redet von der vnwiſſenheit. 170
  • Erzehlet einen artlichen boſſen / den jhm ſeins Herꝛn Hofmeiſter geriſſen. 179
  • Guſman wirdt ſtattlich wie ein Hofmeiſter gekleidt / vñ fahet wiď umb an zu bulen. 183.
  • Guſman kombt in gefaͤngnuß. 194
  • Kombt wider auß der Gefaͤngknuß / dienet widerumb fuͤr einen Koch / vnd zeucht gen Montſerat. 198
  • Wird durch einẽ Einſidler zu Montſerat er - jnnert / von ſeinem liderlichen Leben abzu -ſtehn /[727]Regiſter.ſtehn / vnd ſoll ſich zu den ſtudijs begeben / welches beſchehen / vnd er vier junger Her - ren Pædagogus woꝛden. 203
  • Guſman wirdt ein Student / vñ etlicher jun - gen Herꝛn Præceptor, vnd benebens in dẽ modo deß ſtudij Iuridici vnď wiſen. 209
  • Wirdt noch ferner vndeꝛwiſen / wie er ſich bey ſeinen ſtudijs verhalten / vnnd voꝛ was ſa - chen er ſich huͤten ſolle. 225
  • Er erzehlt / wie es jhm mit ſeinen ſtudijs vnd diſcipeln ergangen. 229
  • Guſman / als ein Frantzoͤſiſcher Ritter / wirdt im Spittalgeheilt / vnd vermeldt wie es jm darinn ergangen. 233
  • Guſman zeucht gen Bononia / vñ begibt ſich in eins Cardinals dienſt. 240
  • Diſcurs von der Lugen. 241
  • Diſcurs von ď vbermeſſigẽ ſorgfaͤltigkeit / we - gen der zeitlichẽ guͤter vñ reichthum̃en. 256
  • Sorgfaͤltigkeit der Kleider. 264
  • Von der ſoꝛgfeltigkeit der reichthumben. 270
  • Diſcurs von der wahren weißheit / vnnd von der Weltlichen fuͤr ſichtigkeit / deßgleichen von jhꝛer thoꝛheit. 277
Z z 4Diſcurs[728]Regiſter.
  • Diſcurs von dem Adel. 285
  • Diſcurs warum̃ Gott bewillige / dz die Gott - loſen in diſer Welt floriren. 291
  • Diſcurs von dẽ fauor vñ gunſt der Welt. 301
  • Diſcurs von der Welt vnwiſſenheit. 307
  • Diſcurs vom Gewiſſen. 316
  • Diſcurs von der einigkeit vñ vneinigkeit. 323
  • Diſcurs vom eyfer vnd den eyferern. 329
  • Diſcurs von muͤſſiggehern vnd arbeitern / wie auch von dem heiligen muͤſſiggang. 349
  • Diſcurs durch was mittel der Himmel er - langt werde. 360
  • Guſman ſelbſt vñ fuͤr ſich ſelbſt diſcurriret von dem nutz der notwendigkeit der edlen thorheit. 369
  • Was geſtallt Guſman ein ſehr reiche Fraw vberkommen vnd betrogen. 399
  • Wie Guſman ſich in Piemont verhalten / reichlich verheurat / vnd letztlichen verdor - ben. 405
  • Guſman wirdt auß einem verdoꝛbnen Edel - man ein Schreiber. 411
  • Guſman wird ein Wirth / benebens ein Kup - ler vñ wucherer / vñ bereichert ſich ſtattlich. 421
Guſ -[729]Regiſter.
  • Guſman verdirbt wider durch die Alchimi - ſterey. 426
  • Guſman wirdt ein Kramer / folgendts ein Hauſirer / vnnd letztlichen ein Maußkopff vnd mit Ruthen außgehawen. 429
  • Guſman begibt ſich in ein Benedictiner Klo - ſter / vnnd wirdt vnderwiſen / wie er ſich im Orden verhalten muͤſſe. 432
  • Wie ſich Guſman im Kloſter verhalten vnd außgeſprungen. 443
  • Was maſſen Guſman ein Bergknap in Ty - rol / vnd widerumb reich woꝛden. 450
  • Guſman wirdt auß einem Bergknapen ein Comediant / vnnd erzehlt etliche artliche poſſen die er geriſſen. 452
  • Guſman erzehlt / was er fuͤr ſeltzame Wirth vnnd Wirtshaͤuſer in Teutſchlandt ange - troffen. 460
  • Erzehlet noch weiter / wz er an vnderſchidlichẽ orten in Teutſchlandt geſehen. 469
  • Gufman beſchreibt der Teutſchen Weiber vnd Jungfrawen eygenſchafft. 474
  • Vermeldt wie es jhm vnd ſeiner geſellſchafft in Weſtphalen ergangen / auch was ſie ei -Z z 5nem[730]Regiſter.nem Jubilirer zu Luͤttich fuͤr ein boſſen ge - riſſen. 480
  • Guſman vnd ſeine Comediantiſche Geſell - ſchaft kom̃en gen Amiens in Franckreich / zeucht von dannen in Hiſpanien gen Va - lentz / ꝛc. wirdt daſelbſt gefangen vnd zum Galgen verurtheilt. 487
  • Guſman wird in ď gefaͤngnuß heim̃geſucht / getroͤſt / hinauß zum Galgen gefuͤhꝛt / aber erbeten vñ auf die Galeen verurtheilt. 492
  • Guſman wird noch durch einen anďn Geiſt - lichen heim̃geſucht vnd getroͤſt / zur Beicht vñ Communion bewoͤgt / voꝛ Gericht ge - fuͤhꝛt / zum Strang verurtheilt / aber erbettẽ vnd auff die Galeen geſchmidt. 497

Der Ander Theil begreifft / was geſtallt Guſman ſich bekehrt / vnd was er fuͤr ein ſeltzame aber herꝛliche vnd ſchoͤne Reiß gen Jeruſalem verꝛicht / vnd ſich darzu ſtaffirt vnd verſe - hen hat.

Guſman[731]Regiſter.
  • Guſman kombt nach außgeſtandner dreyjaͤ - rigen Galeen gefaͤngknuß in einen Wald / beklagt ſeinen vnnd der Welt armſeligen ſtandt / vnd wirdt durch einen Einſidler auf den weg der Buß gefuͤhrt. 503
  • Der Einſidel vnderweiſet den Guſman / was zu der waren contrition gehoͤꝛe. 512
  • Von der andern tagreiß der Buß / nem̃lich ď Beicht / vnd was zu derſelben gehoͤrt. 521
  • Dritte tagreiß der pœnitentz, welche da iſt die ſatisfactio oder gnugthuung. 530
  • Die Faſten / das Allmuſen / Gebett vnnd das weinen .535 .541 .543 . vnd546
  • Guſman erkundiget ſich beym Einſidler / ob der jenig / welcher mit todtſuͤndẽ behafft iſt / vnď laſſẽ ſolle zubetẽ vñ Allmuſẽ zugebẽ. 553
  • Guſman erzehlt / was jhm nach vollbr[a]chter Beicht vnd Cõmunion, fuͤr ein per[egri -]nation oder Wallfahꝛt zuuerꝛichten auff - erlegt vnd gerathen woꝛden. 562
  • Folgen etliche eygenſchafften eines wahren Geiſtlichen Pilgrams .565 . als von Gelt - ſchulden .566 . von Straffſchulden .568. Continuatio der Straffſchulden .568.
Von[732]Regiſter.
  • Von gegenſchulden / vnd was geſtallt wir vn - ſerm nechſten verzeyhen vnd vergeben ſol - len. 577
  • Vom andern requiſito oder eygenſchafft vnſers Geiſtlichen Wallfahrters / vnd wie er ſein Haußweſen diſponiren ſolle. 580
  • Das dritte requiſitum von der Taſchẽ585. das vierte von dem Stab. 592
  • Von deß Teufels Stab der falſchen hoff - nung. 597
  • Das fuͤnffte vñ ſechſte requiſitũ vom Man - tel vnd Huet deß Pilgrams .601 . vnd604
  • Vom ſibenden vnd achten requiſito, nemb - lich dem Gelt vñ Schuhen deß Pilgrams608 .617 . von den Handtſchuhen .627 . von der ringfertigkeit .632 . der warnem - mung der Wegweiſer .639 . von der guten vnd boͤſen geſellſchafft .649 . von dem klei - nen Huͤndlein .656. Continuatio diſer materi / vnnd von einem groſſen wuͤtenden Dorffruͤdt .662 . von aufrichtung deß Te - ſtaments .667 . vom fruͤh auffſtehn .670 . von der fuͤrſich: vnnd notwendigkeit .675 . die verachtung der Spoͤtter .679 . verach -tung[733]Regiſter.tung der ſchoͤnen gegenden / daß er ſich die - ſelben nit auffhalten laſſe .682 . daß er ſei - nen Schatz verborgen halte .689 . daß er ſich in Herbergen klug vnnd weißlich ver - halte .694 . von der muͤdigkeit vnd erquick - ung .697 . vom bettlen .702 . ſoll mit dem gemuͤt im Vatterlandt ſein .706 . von der aufferbawlichen conuerſirung .715 . das letzte requiſitum iſt die Indulgentz, die der Pilgram von ſeiner Reiß erlangt.

FINIS.

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TextDer Landtstörtzer: Gusman von Alfarche oder Picaro genannt/ dessen wunderbarliches/ abenthewrlichs vnd possirlichs Leben/ was gestallt er schier alle ort der Welt durchloffen/ allerhand Ständt/ Dienst vnd Aembter versucht/ vil guts vnd böses begangen vnd außgestanden/ jetzt reich/ bald arm/ vnd widerumb reich vnd gar elendig worden/ doch letztlichen sich bekehrt hat/ hierin beschriben wirdt
Author Aegidius Albertinus
Extent761 images; 112312 tokens; 18308 types; 783625 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationDer Landtstörtzer: Gusman von Alfarche oder Picaro genannt/ dessen wunderbarliches/ abenthewrlichs vnd possirlichs Leben/ was gestallt er schier alle ort der Welt durchloffen/ allerhand Ständt/ Dienst vnd Aembter versucht/ vil guts vnd böses begangen vnd außgestanden/ jetzt reich/ bald arm/ vnd widerumb reich vnd gar elendig worden/ doch letztlichen sich bekehrt hat/ hierin beschriben wirdt Aegidius Albertinus. . [5] Bl., 380 S. HenricusMünchen1615.

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SUB Göttingen SUB Göttingen, 8 FAB II, 617 RARA

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LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Roman; Belletristik; Roman; core; ready; china

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