VJlen dingen wirdt die Welt artlich vergli - chen / bißweiln einem prato florido, oder gruͤnen vnnd luſtigen Wiſen / dann wie in derſelben ſich zu Sommerszeit allerhand ſchoͤne vñ wolriechende Blumen vnd Kraͤuter ſehen laſſen / vnd die Augen der Men - ſchen erluſtigẽ / alſo wañ der Schnit - ter kombt / vnd mit ſeiner Sichel al -): (2lesVorꝛede.les abmehet / alsdann fallen vnd li - gen alle vnd jede ſchoͤne vnd heßliche / gute vnd boͤſe Blumen vnd Kraͤuter durch einander / verwelcken vnd ver - dorꝛen. Alſo vnd ebner geſtallt ſeind die Menſchen in diſer Welt je nicht anders / als vnderſchidliche Blu - men / die einander in der groͤſſe / in der ſchoͤnheit / in der guͤte / vnd in der ehr vnd hochheit ſehr vngleich ſeind aber wann der grauſamb Todt ſein Sichel anſetzet / alsdann machet er alles gleich: omnia mors æquat Dann wo ſeind anjetzo die Scepter der Koͤnige / die Huͤt der Cardinaͤln / die dryfache Jnfeln der Baͤpſte / die Kronen der Kaiſern / wo ſeind anjetzo die Samſones, Gedeones, Hercu - les vnd Achilles: Wo ſeind die rei -cheVorꝛede.che Craſſi, Midæ, Cræſi vnd weiſe vnd geſcheide Salomones.
Bißweiln wirdt die Welt einem dicken Waldt verglichen / dann in demſelben ſehen wir vnderſchidliche art der Baͤum / dern etliche wachſen in alle hoͤhe / vnd verbergen jre Haͤu - pter vnd Haar biß in die Wolcken / etliche ſeind ſehꝛ nutzlich vnd frucht - bar / aber benebens heßlich / etliche ſeind vnnutzlich vnnd vnfruchtbar / vnd doch darneben ſchoͤn / gruͤn / lu - ſtig vnd lieblich anzuſehen / etliche a - ber ſeind dermaſſen klein vnd kurtz / daß ſie jhre Zweig biß auff die Erden hangen laſſen / Alsbald aber die Art an ſie geſchlagen wirdt / vnnd ſie ins Fewr geworffen vnd zu Aſchen ver - brennt worden / alsdann keñet man): (3dieVorꝛede.die hohe vnd nidrige Baͤum nit von einander. Die Welt iſt der Waldt / die Menſchen ſeind die Baͤum / vnd wie der Waldt / alslang er gruͤnet / mit vnderſchidlichen farben geziert iſt / alſo ſeind etliche Menſchen pur lautere ignoranten, ſtam̃ler vñ vn - beredt / andere ſeind geſchwetzig vnd wolredent: Etliche ſeind Sophiſten vñ Philoſophi, andere ſchoͤn / ande - re heßlich / etliche werden erkent auß jren heroiſchen Fruͤchten vñ dapfern thaten / andere aber ſeind forchtſam̃ vnd doͤrffen ſich nichts vnderfahen / aber alsbaldt der Todt ſein Sichel anſchlaͤgt / alsdann redigiret vnd verkehꝛet er alles in Aſchen.
Ferner wirdt die Welt dem Hauſe eines Hafners verglichen / Dañ wieinVorꝛede.in deſſelbẽ Hauſe allerhand geſchirꝛ / groſſe vnd kleine / ſchoͤne vnd heßliche verhanden / dern etliche zu ehren ge - braucht vnd auf den Tiſch geſetzt / an - dere aber zu vnehꝛen vnd nur in die Winckel geſetzt werden / aber doch al - leſambt vnuerſehens oder langſamb zerbrochen vnd zu lauter Scherben gemacht werden / alſo findt man in der Welt Magnates, Fuͤrſten / Koͤ - nige / Monarchen / Edelleut / Bur - ger / Bawren vnd Armen / wie aber die vaſa alia in honorem, alia in contum eliam: vos nobiles, nos autem ignobiles; alſo ſeind wir al - leſampt dem fall vnderwoꝛffen / vnd von Natur ſehr ſchwach vnd baw - fellig / deſcende ergo, ô homo, in domum figuli. Ierem. 18.
): (4DerVorꝛede.Der jenig aber triffts meines er - achtens / am beſten / welcher die Welt einem Laborint oder Jrꝛgarten ver - glichen / dann was ſeind die Men - ſchen in diſer armſeligen Welt an - derſt / als die hin vnd wider / auff vnd nider wanderen / lauffen / ſuchen / dichten / trachten / ſich bemuͤhen / jm - merdar vnnd vil jrꝛen / aber wenig finden noch treffen? Dann zum tref - fen iſt nur ein einiger weg verhan - den / aber zum faͤhlen vnd jrꝛen ſeind vnendtlich vil verhanden. Das ha - ben nun die jenigen mit jhrem ſcha - den wol erfahren / welche in der ewi - gen qual ſich jhꝛes auff Erden voll - brachten boͤſen Lebens halben be - klagten vnd ſagten: ambulauimus vias difficiles.
DiſesVorꝛede.Diſes haben etliche gelehrte be - tracht vnnd geſagt / daß deß Men - ſchen Leben nur ein inconſtantiæ i - mago, ein ebenbild der vnbeſtaͤndig - keit ſeye / vermuͤg der Wort: in ima - gine pertranſit omnis homo. Pſ. 38. Andere habẽs dem vnbeſtaͤn - digen vngeſtuͤmmen Meer vergli - chen / welches ſtuͤndtlich newe Wel - len / Vngewitter vnnd Schiffbruͤch verurſachet: Dañ hominum vita imitatur mare veſaniens, quoti - die parens naufragia. Andere ſa - gen / daß deß Menſchen Leben ein ver - gehender Windt: vermuͤg der Wort Nazianzeni, eſt homo turbo re - ferens puluerem omnibus infi - dum, & incertũ hucatq; illuca - gitãs Iob 37. Aber noch beſſer ſagt): (5derVorꝛede.der weiſe Mann / Vniuerſa vanitas omnis homo viuens, als wolte er ſagen: alle vnd jede eytelkeiten / vnbe - ſtaͤndigkeiten / thorheiten / arm: vnd vngluͤckſeligkeiten befinden ſich in dem Menſchen.
Daß nun ſolches alles alſo war zu ſein erſcheine / hab ich allen vnnd jeden Standts Perſonen zur nach - richtung vnd gutem / die Hiſtori vom Leben Johan Guſmans in Truck verfertigt / vnd E. Gn. zu einen Pa - tron deſſelben erwoͤhlen / vnnd bey - nebens derſelben zu jhrer erlangten Pręlatur von Gott dem Allmaͤchti - gen vil gluͤck vnd heyl wuͤnſchenwoͤl - len / damit alſo E. Gn. derſelben vil Jarlang gluͤcklich vnnd wol vorſte - hen / vnd jedermennigklichs zu der -ſelbenVorꝛede.ſelben geſetzter guten hoffnung / ein gnuͤgen thun moͤgen / Daran dann deſtoweniger zu zweiflen / allweil E. Gn. nunmehr vil Jahrlang der Probſtey Gloͤcknitz in Oeſterꝛeich loͤblich vnd wol gehauſt vnd vorge - ſtanden / vnd dardurch allbereit ei - nen guten Namen præparirt vnd erlangt haben. Datum Muͤnchen den 1. Ianuarij 1615.
E. Gn. dienſtwilliger Ægidius Albertinus den Fuͤrſtl: Durchlein Bayꝛn Secretarius.
Guſman erzehlt / wer ſein Herꝛ Vatter geweſt / nemblich ein ſeltza - mer Geſell vnd ſehr erbarer Mann.
OHne zweiffel wirdt man mirs fuͤr vbel haben / daß ich wider das vierdte Gebott GOTtes handle / vnnd in Beſchreibung meiner ſchaͤndtlichen Geburt / die Laſter vnd Schand meiner Eltern entde - cke / dann jederzeit ſeindt die calumnianten vnnd Ehrenſchaͤnder veracht vnnd verhaßt worden / zumaln die jenigen / welche jhrer eyg - nen Eltern nicht verſchonen: Aber doch troͤſte ich mich mit deme / daß man von mir ſagen wirdt: O / wie gleich iſt Guſman ſeinen El - tern: Zu dem iſt jhr Leben allermennigklichen dermaſſen bekannt / daß es ein Thorheit were / wann ichs laugnen wolte / derwegẽ halte ichs vilmehꝛ fuͤr ein pur lautere hoͤflichkeit / daß ichAden2Der Landtſtoͤrtzer.den wahren vnd klaren Text ableſe / vnd etli - cher Leuth daruͤber gemachte falſche gloſſas ablaine: Dann man findt Leuth / welche / zu erzeigung jhꝛer Kunſt vnd Wolredenheit / auß einem Zwergl einen Riſen / vnd auß der præ - ſumption oder veꝛmutung ein euidentiam vñ warheit machen / Jnmaſſen einem fremb - den Edelman zu Madril widerfahren / wel - cher einen ſo groſſen Luſt vnnd wolgefallen an Spaniſchen Pferden hatte / daß er ſich ent - ſchloſſen / eins abmahlen zulaſſen / vñ es ſeinen Freunden heimbzubringen vnd zu zeigen: Zu ſolchem end verfuͤgte er ſich zu zween beruͤm̃ - ten vnd Kunſtreichen Mahlern / vnd verhieß dem jenigen einen beſtimbten Lohn / der das Pferdt am aller zierlichſten vnd natuͤꝛlichſten mahlen vnnd treffen wuͤrde: Der ein Mah - ler mahlte es dermaſſen vollkom̃lich / daß jhm nichts mehr abging / als nur die Seel: Son - ſten vnnd nichts anders mahlte er auff das Tuch: Der ander Mahler mahlte gleichfals ein Pferd / aber bey weitẽ nit ſo ſchoͤn vnd vol - kom̃lich / wie der erſt / ſondern darneben mahl - te er einen ſehr ſchoͤnen Sattel / deßgleichenſchoͤne3Der Landtſtoͤrtzer.ſchoͤne Baͤum / alte Gebaͤw / zerfallene Maw - ren vnd dergleichen / luſtige Felder / Wieſen / Blumen vnnd Kraͤuter. Als der Edelman diſe Gemaͤhld ſahe / verliebte er ſich alsbaldt ins erſte / vnnd ſchenckte dem Mahler einen koͤſtlichen guldinen Ring / ſampt ſeinem ver - dienten Lohn: Diſe deß Edelmanns groſſe Freygeblichkeit verurſachte / daß der ander Mahler fuͤr ſein Gemaͤhld einẽ vberſchweng - lichen werth forderte. Deſſen verwunderte ſich der Edelman vnnd gab jhm zuuerſtehen / daß ſein Arbeit der andern bey weitem nicht gleichte. Der Mahler replicirte vnd bekente / daß das Pferdt gleich wol nit ſo gar ſchoͤn vñ wol getroffen / aber daß jhm die vbrige darne - ben gemachte Zierlichkeiten vil Muͤh vnnd Arbeit gekoſt hatten: Aber der Edelmann antwoꝛtet / daß er dergleichen gemahlte Landt - ſchafften / Gebaͤw / Baͤum / Felder / Bluwen vnd Kraͤuter nicht begert / ſonder nur zu ſchoͤ - nen Pferden groſſen luſt gehabt / vnd mit ſich heim̃ zu fuͤhren begert habe / derwegen (ſprach er zu jhm) ſo bezahle ich dir nur das Pferdt / das vbrige Gemaͤhld aber behalte du ſelbſt. A 2Auff4Der Landtſtoͤrtzer.Auff eben diſen Schlag findt man Leuth / welche / wann man von jhnen begert / daß ſie vns die ſubſtantz vnd warheit deſſen / was ſie gehoͤrt oder geſehen / erzehlen ſollen / es jres ge - fallens / vnd jhren paſſionen nach / exagge - riren, coloriren, vermehren / ferben / anſtrei - chen / verbluͤmlen oder vernichten / auß einem Bachanten einen Comitẽ Palatinũ oder Pfaltzgrauen / auß einem Narꝛen einen Wei - ſen / auß einem heßlichen einen ſchoͤnen / vnnd auß einer verzagten Lettfeigen einen dapffern Held machen: Nit mahlen ſie nur das Pferd / ſonder cõmentiren, dichten vnd ſetzen darzu was jhnen wolgefallt. Eben diſes begegnete auch meinem lieben Vatter / dann / ſo vil die warheit belangt / ſagt man nunmehr nit / was der handel an jhm ſelbſt iſt / ſonder auß drey machet man dreyzehen / vnnd auß dreyzehen dreyhundert: Ein jeder vnderſtehet ſich etwas hinzu zuſetzen: Vnnd auß demſelben Zuſatz wirdt letztlichen ein groſſer hauffen / welcher doch keinen grundt noch Bodem hat. Dem ſey aber wie jhm woͤlle / ſo kan ich mich doch meines Vatters nit verlaugnen: Hat er vbelgehand -5Der Landtſtoͤrtzer.gehandlet / ſo wirdt er ſeinen Lohn darumb em - pfahen: Ein jeglicher kehre fuͤr ſeiner eygnen Haußthuͤr / ſo wirdt er villeicht befinden / daß ſeine Eltern eben ſo wenig kein nutz vnd vne - del geweſt ſeyen / als die meinigen. Mancher ſtoltzieret vnd pranget mit ſeinem Adelichen Geſchlecht / vralten Stammen vnd herkom - men / wann mans aber eygentlich beym Liecht beſchawt / ſo befindt ſich daß ſein Anherꝛ et - wan ein Jud oder ein Pfannenflicker / oder ein Schalcksnarꝛ / oder wann es vil iſt / ein ſchreiber oder wucheriſcher Kaufman geweſt.
Was aber meinen lieben Vatter belangt / iſt er vnd ſeine Blutsfreunde Mohꝛen geweſt: als ſie gen Genua kamen / wurden ſie fuͤr pa - tritios oder Edelleut angenom̃en vnd gehal - ten / dañ ſie hatten vil Gelts / vñ handleten mit dem Wechßl / derwegen ward er von etlichen mißguͤnſtigen verfolgt / vñ ein Wucherer ge - ſcholten / aber er hatte ein ſo gute natur / dz ers nicht andete / ſonder diſſimulierte vnnd ſich ſtellete / als hette ers nit gehoͤꝛt. Gleichwol wil ich jne nit loben / vil weniger wil ichs beſtreitẽ vnd ſagen / daß es zugelaſſen ſeye / Gelt vmbA 3Gelt6Der Landtſtoͤrtzer.Gelt oder auff Pfandt / auff ein beſtimte zeit / bey verluſt deß Pfands / woferꝛn es nit zu rech - ter zeit geloͤſt wird / außzuleyhen: Noch vil we - niger wil ich die vſuras palliatas gutheiſſen / noch auch die jenigen verthaͤdigen / welche den trucknen Wechßl fuͤhren / vnd die Stim̃ Jacobs / aber die Haͤnd Eſaus haben / ſonder ich lobe nur die gute intention, mit dern die Wechßl vnd Wucher bißweilen beſchehen / zu dem befinde ich / daß man in dreyen faͤllen etwas ex mutuo oder vltra fortem, ohne Suͤnd / nem̃en moͤge / erſtlich ratione dam - ni emergentis: am andern ratione lucri ceſſantis, vnd drittens ratione gratitudi - nis: dann der Menſch iſt gleichwol ſchuldig / ſeinem Nechſten zu helffen / aber doch der ge - ſtallt / daß er ſelbſt ſchadloß verbleib: Alſo / daß man den Wucher wol vnd vbel bꝛauchen kan / derwegen verwundere ich mich / daß man jhn an etlichen Orten verachtet vnd verbietet / da doch bißweilen die meiſte vnd fuͤrnembſte Ge - ſchlechter / Herꝛen vnnd Edelleuthen in den groſſen Staͤtten ſich darmit ernehren vnnd dereicheren. Dannenhero hette mans auchmeinem7Der Landtſtoͤrtzer.meinem lieben Vatter nit ſo hoch fuͤr vbel ha - ben ſollen.
Ferꝛner hielt man meinen lieben Vatter fuͤr einen Heuchler: Wann nun ich ſihe / daß ein Prieſter oder religios mitten in der Nacht an einem verdaͤchtigen Ort durch das Fenſter ſteigt / vnd ein Woͤhr an der Seyten hat / alsdann kan ich je nit ſagen / daß derſelb im willen habe / jemande mit den heiligen Sa - cramenten zuuerſehen: Wann aber einer vil bettet / offt beichtet / communiciret, vnd taͤglich Meß hoͤret / vnnd wann man jhn deß - wegen fuͤr einen Heuchler vnd Gleißner hal - ten wolte / das were je ein vnbillicher handel vnd ein groſſe Boßheit: Mein lieber Vatter pflegte allzeit einen groſſen Roſenkrantz oder pater noſter bey ſich zutragen / alle Morgen hoͤrte er ſeine dꝛey Meſſen mit gebognẽ Knyen vnd gen Himmel auffgehebten Haͤnden / dar - neben gab er auch vtl Almuſen. Das legten jhm nun ſeine Mißgoͤnner zu einer Gleißne - rey auß: Die vrſach deſſen war / allweil er ſich einsmals ſchier ein gantzes Jahrlang ab - ſentirte, vnſichtbar machte / vnnd ſeinemA 4Mitge -8Der Landtſtoͤrtzer.Mitgeſellen / der jhm ein groſſe ſumma Gelts hinweg gefuͤhrt hatte / nachzohe: Das Schiff / darauff er fuhr / ward durch die Tuͤrcken erobert / gepluͤndert / vnnd mein Vatter ſampt vilen anderen gefaͤngklich gen Argel gefuͤhrt. Damit nun er widerumb frey vnnd ledig werden moͤchte / ſo verlaugnete er daſelbſt ſeinen Chriſtlichen Namen / ver - ehelichte ſich mit einer ſehr reichen Moͤhrin / vnnd verblib zwey gantze Jahrlang alldort. Jnmittelſt erholte vnd erquickte ſich meines Vatters Mitgeſell / vnd vergliche ſich mit ſei - nen creditoribus vnnd Glaubigern: Als mein Vatter ſolches vernommen / entſchloſ - ſe er ſich heimblich daruon zu ziehen / vnnd zu ſolchem end vberꝛedete er ſein Fraw Moͤh - rin / daß er Kauffmanſchafft treiben wolte. Sie glaubte jhm / vnd verwilligte daß er jren Haußrath / aller beſte vnnd koͤſtlichſte ſachen verkauffte / aber mit dem darauß geloͤſtem Gelt zohe er heimblich hinweg gen Genua, nam den Chriſtlichen Glauben widerumb an / wainte / buͤßte vnnd bate GOTT den HErꝛn vmb Verzeyhung / Gnad vnndBarm -9Der Landtſtoͤrtzer.Barmhertzigkeit. Eben diſes war nun die einige Vrſach / warumb man meinem Vatter hernacher nit glaubte noch trawete / vnangeſehen er noch ſo ſehr vnnd andaͤch - tigklich bettete / vnnd vil guts thate: Man ſagt gleichwol / quod, qui ſemel malus ſemper præſumitur malus: Wer das Ziel der Erbarkeit einmal vberſchritten / vnnd ein Schelmenſtuͤckl begangen / deꝛ wagts wol oͤff - ter / aber kein einige Regel iſt ſo gar gewiß / daß ſie nicht etwan ein exception litte / dann niemandt waiſt / wie vnnd was geſtallt Gott bißweilen die Hertzen der Menſchen wunder - baꝛlich beruͤre / jnmaſſen auch meinem Vatter beſchehen / vñ er allerdings ein newer Menſch woꝛden / vnd mit redintegratis morib. auff - zohe. Dann ob ſchon jm nachgeredt ward / dz er zwey oder dreymahl fallirt oder banckerot - tirt hatte / ſo iſt doch hergegẽ war / das andere gleichfals meineydig an jhm worden / vnd jne darzu gebracht vñ verurſacht haben: Einmal iſt gewiß / daß die Menſchen nicht von Stahl gemacht worden / derwegen auch nicht ſchul - dig ſeyen / wie Naͤgel ſteiff zu halten / dannA 5ſo10Der Landtſtoͤrtzer.ſo gar die Negel ſelbſt verlieren / letztlichen jh - re Krafft wacklen / laſſen nach vnnd werden loß. Diſes ſeindt die ſtratagemata vnnd griffel der Kauffleuten / welche taͤglich practi - ciert werden / derwegen ſoll man ſich nicht ſo ſehr druͤber verwundern / ſonder es Gott dem HErꝛn vnnd dem Beichtuatter heimbſetzen: Vil Kauffleuth kenne ich / welche dergleichen ding ſtarck treiben / aber keinen einigen habe ich deßwegen hencken ſehen: woferꝛn derwe - gen das fallieren vnnd Leut anſetzen boͤß oder ein Diebſtuck were / ſo wurde mans ohne zwei - fel mit ernſt ſtraffen / zumaln weil wir ſehen / daß offt einer wegen eines einigen geſtohle - nen Guldens mit Ruthen außgehawen oder auff die Galeren geſchmidt wuͤrdet.
Ob wol auch mein Vatter dreymal ge - faͤngklich befaͤngnuſt woꝛdẽ / ſo machte er ſich doch allzeit widerumb ledig / dañ weil er reich war / vnnd der Oberꝛichter gleichſamb ſein Vatter / vnnd der Gerichtſchreiber ſein Ge - natteꝛ war / ſo ward er bald wider außgelaſſen. Es waren gleichwol inditia gnug verhan - den / aber die bloſſe inditia ſeindt nit gnug -ſamb /11Der Landtſtoͤrtzer.ſamb / ſo waren auch die Zeugnuſſen falſch / vnd galten nichts bey Gericht / noch bey ſol - chen guͤnſtigen vnnd wolgeneigten gefatteri - ſchen Richtern vnd Schreibern / zu dem pur - gierte mein Vatter ſolche inditia durch die Tortur / vnd machte alſo die Zeugen / welche ohne einiges Fundament vñ auß lauter præ - ſumptionibus deponirten, offentlich zu - ſchanden.
Beſchließlich hielt mans meinem Vatter hoch fuͤr vbel / daß er ſehr hoffertig war / vnnd ſein Angeſicht anſtriche / welchs ich nit loben koͤndte / woferꝛn deme alſo were / Aber ich hab nichts dergleichen an jm koͤnnen vermercken / allein ſahe ich / daß er weiß vnd roth duꝛch ein - ander war / vnnd ich glaube / daß er von Natur alſo war / vnd groſſe Augen vnnd rothe Car - funckelſtein im Angeſicht hatte / dannenhero vnd woferꝛn ers von Natur alſo gehabt / ich jn nit verdencken noch tadlen koͤndte / daß er der - gleichen mengel vnd gebrechen durch den an - ſtrich bedeckt vnnd verboꝛgen haben moͤchte: Hat ers aber auß Hoffart vnd fuͤrwitz gethan / ſo were es vnrecht / dañ es thuns nur die Wei -ber12Der Landtſtoͤrtzer.ber / vnd zwar die faile vnd liderliche Metzen / welche / ob ſchon ſie von Natur / ſchoͤn gnug ſeindt / nicht deſto weniger deß Morgens im Beth anfahen / ſich anzuſtreichen biß zu Mit - tag / vnd begeren alſo noch ſchoͤner zu werden: Je mehꝛ aber dergleichen Weiber jhꝛ Ange - ſicht zieren vnnd beſchawen / je mehr gehet jhr Haußweſen zu grundt: So dann das anſtrei - chen deß Angeſichts den Weibern ein ſchand iſt / vmb wie vil mehr iſts dañ den Maͤnnern? Was aber meinen lieben Vatter betrifft / ob ſchon ers gleichfals gethan hette / ſo iſt er doch nit allein der jenig geweſt / der ſich dißfals ver - ſuͤndigt / ſonder es thuns jhm villeicht auch andere ſtattliche Herꝛen nach.
Guſman erzehlt wie vnd was ge - ſtallt ſein Vatter anfangs vmb ſeine Fraw Mutter gebuelt / vnd auß was fuͤr einem ehr - lichen Stammen er geboren worden / J - tem / was ſein Fraw Mutter fuͤr ein erbare Fraw geweſt.
ALs vor verſtandener maſſen / mein Vatter widerumb gen Seuilia kom - men / ſeine ſchulden theils eingebracht / theils abgelegt / vnnd widerumb redlich / ja vil redlicher vnnd reicher / weder zuuor / worden / (dann ſeine creditores muſten ſich wider jhꝛen willen mit jhm einlaſſen vnd etwas we - nigs annemmen / dann vom vmbgekehrten oder vergoſſenen Wein muß man auff faſſen was man kan) fing er an / ſich vmb ein Hauß - weſen anzunem̃en / vnd kauffte ein Hofmarch oder Landtgut / welches nahe bey der Statt Seuilia gelegen / vnd Alfarche genent ward / welches dann kein wunder / dann zu Seuilia werden bißweilen auß verdorbenen Wuche - rern / anſehenliche Edelleut. Nun begabs ſich / daß / als einsmals mein Vatter ſampt andern Kauffleuten auffm Marckt ſpatzieren ging / daſelbſt ein Kindtstauff fuͤr paſſierte / vnnd von vilen ſchoͤnen Frawen gen Kirchen begleitet ward. Der fuͤrwitz ſtach vnd reitzte meinen Vatter dermaſſen / daß er jhnen nach - folgete / vnnd ſahe / was geſtallt mein Mutter vnd noch ein feiner alter Geiſtlicher Ordens -herꝛ14Der Landtſtoͤrtzer.herꝛ / das Kindt auß der Tauff hebten. Beſag - te mein Mutter war huͤpſch / ſchoͤn / holdſelig vñ ſehꝛ verſtaͤndig: Mein Vatter ſchawte ſie jmmerdar an / verliebte vnd vernarꝛte ſich als - baldt in jhre Schoͤnheit: Das merckte mein Mutter / vnnd verliebte ſich gleichfals in jhn / aber doch diſſimulirte ſie es ſehr verſtaͤndig - klich / dann es ſey ein Fraw ſo ſtattlich / wie ſie immer woͤlle / ſo frewet ſie ſich doch / geſehen vnd gelobt zu werden von Maͤnnern / vnan - geſehen dieſelbigen nicht ſehꝛ ſtattlich ſeindt. Mit redenden Augen / vnd mit ſchweigendem Mund redeten mein Vatter vnnd Mutter mit einander / vnd entdeckten alſo einander jhꝛ Hertz. Damals koͤndte mein Vatter meiner Mutter halben mehr nit erfahren / als allein / daß ſie deß vorberuͤrten Ordensherꝛn Fraw oder Anhang war / vnd dz er ſie heimblich bey ſich hatte. Vnangeſehen nun mein Mutter ſampt jhrem Herꝛn heimb ging / ſo blib doch das Hertz meines Vatters jmmerdar bey jhr / vnnd ſuchte gelegenheit ſie in der Kirchen bey der Meß widerumb zuſehen / dann laider die Kirchen vnd Haͤuſer Gottes muͤſſen bißwei -len15Der Landtſtoͤrtzer.len das beſte thun / vnd Kuppel / Huren vnnd Teufels haͤuſer vertretten: Diſes ſehen vnnd anſchawen wehꝛte ſo lang / biß letztlichen mein Vatter ein feine erbare Fraw antraff / die ſich fuͤr ein Kuplerin gebrauchen ließ / vnd meiner Mutter ein holdſeligs Brieffel / welches jhr mein Vatter geſchriben / vberantwortete / vnnd benebens gute muͤndtliche officia præ - ſtirte. Weil dann der Ordens Ritter nun - mehr alt vnd jmmerdar kranck war / ſo vber - kam mein Mutter ein vil beſſers gefallen an meinem Vatter / der noch ein junger / friſcher vnd ſtarcker Mann war / derwegen entſchloſſe ſie ſich gleichwol / jhren alten Herꝛn zuvertau - ſchen vñ zuverlaſſen / aber doch wolte ſie auch die gute bey jhm habende gelegenheit vnd ſtat - liche vnderhaltung nit gern verlaſſen / derwe - gen ſuchte ſie ein mittel auſſerhalb Hauſes / zu meinem Vatter zukommen / vnnd ſtellte ſich / als wolte ſie ein Kirchfarth nah bey meines Vatters Hof Alfarche verꝛichten: Wie nun ſie ſampt jhrem Herꝛn auffm Weg / vnd nicht weit von Alfarche war / fing ſie vnuer - ſehens an / ſich vber jhren Magenwehthumbzu16Der Landtſtoͤrtzer.zu beklagen / vnd ſich dermaſſen vbel zugeha - ben / daß man ſie fuͤr paſſiert hielt / vnd daß ſie deß Todts erloſchen were: ein hertzlichs mit - leyden mit jhr hatte. Die Leut / welche der or - ten fuͤruͤber gingen / bliben ſtill bey jhr ſtehen / vnd ein jegklicher wolte jhr einen guten Rath geben / was ſie brauchen vnd einnemmen ſol - te: Weil man aber nit gelegenheit hatte / ſol - che jr gerathene ſachen zuwegen zubringen / ſo waren alle fuͤrgeſchlagene remedia vnd mit - tel vergebens: Widerumb in die Statt zu gehen war ir vnmuͤglich / weiter fort zu gehen war beſchwerlich: vnnd mitten auffm weg al - ſo ſtill zu ligen / war ſpoͤttlich: Jnmittelſt ward mein Mutter je lenger je ſchwecher / (ſcilicet) jederman ward trawrig / vnnd man wuſte je nit / was man thun oder anfahen ſolte: Letztli - chen ſprach ein Fraw / fuͤhret ſie von der ſtraſ - ſen / ein ſpott vnd ſchandt iſts / daß man die gu - te Fraw alſo ligen vnnd ſterben laͤſt / traget ſie dort in deß Edelmans Hof / biß es gleichwol beſſer vmb ſie wirdet. Jederman lobte diſen Fuͤrſchlag / vnd der Ordensherꝛ ſchickte als - bald hin / vnd ließ das Haußgeſindt erſuchen /daß17Der Landtſtoͤrtzer.daß ſie doch diſe krancke Fraw nur ein ſtund - lang / biß es etwas beſſer vmb ſie woꝛden / ein - nemmen wolten Ein altes Weib befand ſich im Hauſe / die war allbereit vnderwiſen / was ſie thun ſolte / gab derwegen zur antwort / daß man die krancke Fraw nur kecklich herbꝛingen ſolte / damit jhr geholffen / vnd aller guter wil - len erwiſen werden moͤchte. Der Ordensherꝛ ließ ſie hintragen / ging ſelbſt mit / vnd erzeigte ein groſſes mitleiden mit ſeiner krancken Fra - wen / welche jhren ſchmertzen ſtarck klagte / vñ doch heimblich lachte: Die alte Fraw oder Haußpflegerin eroͤffnete alsbald alle Zimmer vnnd Loſementer / vberzohe ein Beth mit fri - ſchen Leylachern / legte mein Mutter darein / waͤrmete jhꝛen Bauch mit warmen Tuͤchern / labte vñ erquickte ſie mit confect vnd andern kraͤfftigen guten ſachen / biß ſich der ſchmertzẽ allgemach verluhr: Mein Mutter ſtellte ſich / als begerte ſie ein wenig zu ruhen vnnd zu ſchlafen / deſſen frewete ſich der alt Herꝛ / ließ ſie allein im Beth ligen: ſperꝛte alle Fenſter vnd Thuͤr fleiſſig zu / vnd befahl / daß man ſtill ſeyn / vnd niemandt zu jhr hinein gehen laſſenBſolte:18Der Landtſtoͤrtzer.ſolte: Er ſelbſt ging auch von dannen vnnd im Garten ſpatzieren: Aber mein Vatter ſchlieff nicht / ſonder hoͤrte in einer abſonderli - chen Kammer alles / was fuͤruͤber ging / er er - oͤffnete in aller ſtill die Kammerthuͤr / darinn mein Mutter lag / verfuͤgte ſich zu jr / vnd ver - trib jr jnnerhalb zweyer ſtunden allen ſchmer - tzen. Letztlichen ging der alt Herꝛ auß dem Garten / ſuchte mein Mutter heimb / vnd als er ſahe / daß es etwas beſſer vmb ſie worden / danckte er Gott / ſchickte alsbald in die Statt / ließ allerhand Speiſen vnd Getranck herauß bringen / vnd hatte einen guten Muth mit ſei - ner Frawen. Jnmittelſt aber ging mein Vat - ter heim̃lich von dannen gen Seuilia / ließ jm ein Pferdt ſatteln vnd ritte / ſeiner gewonheit nach gen Alfarche / fandt daſelbſt den alten Ordens Ritter ſam̃t der Frawen / erzeigte ſich gantz freundlich gegen jhnen / leiſtete jhnen ein zeitlang geſellſchafft / vnd begleitete ſie wider - umb in die Statt.
Bald hernacher ward der alt Herꝛ je laͤn - ger je kraͤncker vñ ſchwaͤcher / aber mein Mut - ter je lenger je gatler vnd begieriger / biß letztli -chen19Der Landtſtoͤrtzer.chen ſie jhne ins Grab brachte: Jn ſeinem letzten End vnnd Zuͤgen aber / zohe ſie gleich - fals / vnnd raumte aller orten dermaſſen auff / daß ſchier kein einiges gantzes Leylach mehr verhanden war / darin man ſeinen todten Leib wicklen hette moͤgen. Vnd ob ſchon man ein ſtarcke nachfrag hatte / wo doch ſein Gelt vnd Gut hinkommen ſein moͤchte / ſo wolte doch mein Mutter nit beſtehen / daß er ſonderbars vil gehabt / ſonder ſagte / daß er das ſeine ſelbſt an worden / vnd ob ſchon er jhr etwas wenigs geſchenckt / ſo hette ſie es doch wol vm̃ jne ver - dient / vnd jhm fleiſſig vnnd trewlich außge - wart. Darmit thate ſie nun jhrem Gewiſ - ſen ein gnuͤgen / vnnd die Rechtsgelehrten ga - ben jhr zu verſtehen / daß ſie es gar wol vnnd mit gutem Gewiſſen behalten doͤrffte / dann ob ſchon ſie es ſchendtlich gewunnen / ſo hab ſie es doch nicht ſchaͤndtlich / ſonder redlich angenommen.
Bey diſem Todtfall hat ſich wahr zu ſein befunden / was ich zuuor hab ſagen hoͤren / daß nemblich die Reichen auß Armut / die Armen auß vberfluß / vnnd die Geiſtlichen auß KaͤlteB 2ſterben /20Der Landtſtoͤrtzer.ſterben / dann die Reichen doͤrffen auß lauter Geitz vñ mißtrawen gegen Gott / nicht gnug eſſen / vnd ſterben mehꝛers auß hunger / weder wegen der ſchaͤrpffe der Kranckheit: Mit den Armen aber hat jederman ein mitleyden / dañ etliche ſchicken jhnen etwas / andere bringen jhnen einen gantzen hauffen Speiſen / zumaln wann ſie in extremis vnnd letzten noͤthen li - gen. Man findt etliche mente captas oder vnweiſe Frawen / welche die krancke Armen / auß lauter andacht / in jhren Haͤuſern oder Spitaͤlen beſuchen / vnnd jhnen gantze Haͤfen vnd Koͤrb voller collationen vnnd Speiſen bringen / aber an ſtatt deß Almuſens / welches ſie jhnen dardurch zu geben vermeinen / befuͤr - dern ſie jhren Todt / dann entweder koͤnnen die Krancken es alsdann im Todtbeth nim̃er genieſſen / oder aber ſie genieſſen es vnordent - lich / koͤnnens nicht veꝛdaͤwen / vnnd erſticken gleichſam̃ druͤber. Was aber die Geiſtlichen belangt / weil ſie in jhren toͤdtlichen Kranck - heiten bißweilen keine rechte Erben bey ſich haben / ſo ſterben ſie gleichſamb vor lauter Kaͤlte / wie zu ſehen an diſem Ordensherꝛn /deme21Der Landtſtoͤrtzer.deme man in ſeinem Leben kein Hemmet ließ / vnd kaum ein altes zerꝛiſſenes Leylach wider - fahren hat laſſen / das iſt nun aber der Con - cubinariorum rechter Lohn.
Jnmittelſt vnnd noch in wehrendem deß alten Ordensherꝛn Leben / ward mein Fraw Mutter ſchwanger / vnd gebahr einen Sohn / der war ich / vnd hatte ich / der rechnung vnnd regel der ſcientiæ fœmininæ nach / zween Vaͤtter / dann mein Mutter wuſte mich der maſſen zu filioliſiren, daß ich gleichſamb ein vnmuͤglichs ding erhielt vnd zuwegen brach - te / dann ich gefiel zweyen Vaͤttern oder Her - ren / vnnd ſie alle beyde erkennten mich fuͤr jh - ren Sohn / Wann der Ordensherꝛ allein bey mir war / ſagte vnnd beruͤmbte er ſich / daß ich jhm vil gleicher vnd aͤhnlicher ſehe / weder ein Ey dem andern: Wann ich mit dem andern meinem Vatter redete / ſagte vnnd bezeugete derſelb / daß ich jhme je gleicheꝛ nit ſehen koͤnd - te. Diſer geſtallt zaͤrtelten vnd liedten ſie mich alle beyde: Kein anderer vnderſchidt war hierunder verhanden / als allein / daß der Or - densherꝛ mich in ſeinem noch wehrenden Le -B 3ben /22Der Landtſtoͤrtzer.ben / offentlich fuͤꝛ ſeinen Sohn hielte / aber der ander hielt mich heimblich darfuͤr / dann mein Mutter hat mich deſſen hernacher verſichert vñ mir deßwegen ein lange Relation gethan / derwegen ſage vñ proteſtire ich hiemit / daß mir das jenig / deſſen mich die mißguͤnſtige calumnianten bezeyhen / daß nemblich ich mehꝛ / als zwen Vaͤtter gehabt haben ſolle / nit wahꝛ iſt / dann nit allein meine zwen Vaͤtter haben mich ſelbſt fuͤr jren Sohn erkennt / ſon - der es hats auch mein Mutter beſtaͤttigt: Jſt alſo vil beſſer / daß man ſage / daß ich vbel ge - boren woꝛden / weder keines einigen Sohn vnd niemande zugehoͤrig ſeye: Es liebte mich auch mein Vatter Guſman dermaſſen / daß er gleichſam̃ ein Abgoͤtterey dardurch beging / dann vnangeſehen mein Mutter von menig - klichen ein Fraw Commenthurin (wegen jhres erſten alten Herꝛn deß Commenthurs) genennt ward / ſo verthedigte er ſie doch / ſamb hette er ein Wohnung oder rechtſame zu der cõmenda: Ja was mehr iſt / er fragte nichts nach ſolchem Namen / ſondern er ehelichte ſie auch offentlich / vnd zwar nit ohne vrſach /dann23Der Landtſtoͤrtzer.dann er wuſte ein anſehenlichs Gelt bey jhr / Aber wie das Gelt war gewunnen / alſo iſt es entrunnen / dann bald nach dem mein Vatter Hochzeit mit meiner Mutter gehalten / fing er an / ſich ſehꝛ ſtattlich zu halten / zu bancketiren / zu ſpielen / vnd dermaſſen zu dommiren / daß er jnner halb zwey Jaren nit allein 10000 Du - caten meines Muͤtterlichen Guts hindurch jagte / ſonder auch ſein Landtgut Alfarche ge - nannt / verkauffte / vnnd bald hernacher auß Hertzleyd ſtarb. Da fing mein Mutter an / arm / elendig / veracht vnd demuͤtig zu werden / dann vnangeſehen jederman wol wuſte / daß ſie an dem alten Herꝛn Commenthur hing / nicht deſto weniger war ſie dermaſſen vnuer - ſchambt / ſtoltz vnnd hoffertig / daß ſie ſich ge - dunckte vil beſſer zu ſeyn / weder andere ehrli - che matronen, vnnd diſes iſt aller Fetlen ge - brauch / derwegen vnd als mein lieber Vatter auß diſer zeitlichen Wanderſchafft erfordert worden / diſem Leben vꝛlaub gegeben / ſeine letz - te Taͤg mit vollendung deß Todts beſchloſſen hatte / vnnd vom Liecht diſer Welt verſchiden war / ward jederman meiner Mutter ſpinnen -B 4feindt /24Der Landtſtoͤrtzer.feindt / vnd man redete jhr ſehꝛ ſpoͤttlich vnnd ſchimpflich nach: Vnder andern ſagte man auch / daß jhr Vatter ein Ehrwuͤrdiger Prie - ſter / vnd jhꝛe Fraw Mutter ein Fettel geweſt war: An ſtatt auch / daß mein Mutter nur zwen Maͤnner in jhre Netz verwickelt hatte / ſagte man / daß mein Anfraw zwey gantze du - tzet gehabt / vnnd dieſelbigen / wie junge Huͤn - lein / auß einerley Geſchirꝛ eſſen / vnd in einer - ley Beth ſchlaffen hatte laſſen / ohne daß ſie einander biſſen. Mit jhrer diſer Tochter mei - ner Mutter vberkam ſie vil Vaͤtter / dern je - den ſie vberꝛedete / daß jhre Tochter jhnen zu - gehoͤrte / ſeytemal ſie einem jeden ſehr gleich vnd aͤnlich ſahe / vnd zwar dem einen mit den Augen / dem andern mit dem Mund / dem dꝛit - ten mit der Naſen / dem vierten mit dem Re - den / dem fuͤnfften mit den Geberden / vnd dem ſechſten ſo gar mit dem außſpeyen.
Guſmans erſter Auffzug.
AVß oberzehlten vrſachen ward ich ein armes Waißlein / vnd dermaſſen troſt: vnnd huͤlffloß / daß kein einiger Baum verhanden war / der mir einen Schatten ge - macht oder gegeben hette / Kein anders mittel ſahe ich / als mich von dannen anderſt wohin vnbekanter weiß / in die frembde zu begeben / vnd mich nicht nach meinem Vatter / ſonder nach meiner Mutter Geſchlecht / Guſman von Alfarche zu nennen / ſeytemal ich allda zu Alfarche meinen Anfang vberkommen. Nun begab ich mich hinauß / in meinung / die Welt zu beſehen / vnd befahl mich Gott vnd guten Leuten. Jch war gleichwol noch ſehr jung / zu Seuilia zartiglich one einige vaͤtter - liche noch muͤtterliche Zucht / mit Hoͤnigſup - pen vnd Roſenzucker erzogen / derwegen kam es mir je ſchwer an / meines Vatters Hauß vñ Freunde zuverlaſſen / aber die noth trib mich hinauß / alsbaldt nun ich zum Thor hinauß kam / floſſen zwen Waſſerbaͤch auß meinen Augen / die Nacht kam auch herzu / ſahe der - wegen weder Himmel noch Erde / gelangte letztlichen gen S. Lazaro, welches vngefaͤhr -B 5lich26Der Landtſtoͤrtzer.lich ein Meil wegs von Seuilia ligt / daſelbſt ſetzte ich mich auff der Straſſen nider / fing an mein Leben zu betrachten / vnd begerte wider zu ruck zu gehen / allweil ich mich mit einer groſſen vnbedachtſambkeit vnd wenig Gelts auff ein ſolche lange Reiß hatte begeben. Jch hatte weder zu Mittag noch zu Nacht geſſen / derwegen ſing mich an zu hungern / vnnd ich empfandt den vnderſchidt / der da iſt zwiſchen einem ſatten vnd hungerigen Menſchen: Alle muͤhe vnd arbeit paſſieren / wann man darne - ben zu eſſen hat / wo aber nichts zu freſſen ver - handen / da gehets vnwirſch zu. Jch hette gern zu Nacht geſſen / fand aber nichts anders / als ein friſch Bruñenwaſſer / ich wuſte je nit / was ich thun oder anfahen ſolte: Jch befand mich in forcht vnd hoffnung / ergab mich doch letzt - lichen Gottes Haͤnden / vnnd verꝛichtete ein kurtzes Gebett / ging wider hinauß / ſetzte mich bey einem Brunnen nider / vnd entſchlief auß lauter Melancoley vnd Trawꝛigkeit / erwach - te deß Morgens fruͤh / vnd ging den nechſten weg fort / vnnd gedachte an die vbel formirte vnd beſtelte reſpublicas, in denen die Fuͤß dasAmbt27Der Landtſtoͤrtzer.Ambt deß Haupts / vnd das Haupt das Ampt der Fuͤſſen verꝛichten. Meine Fuͤß trugen mich / vnd ich folgte jnen vber Berg vñ Thal / vber Wiſen vnnd Aecker / denſelben gantzen Tag ging ich nur zwo kleine Meil wegs / aber doch gedunckte mich / daß ich die antipodes erꝛeicht / vnd ſampt dem Columbo ein newe Welt erſunden hatte. Als nun ich in ein kalte vnd duͤrꝛe Herberg kam / fragte man mich / wo ich hinauß woͤlle? Jch antwortet / daß ich vor - habens were / mich an deß Koͤnigs Hof gen Madril zu begeben / aber dz mich faſt hunger - te / ſeytemal ich ſchier in zwen Tagen nichts geſſen / man ſetzte mir Eyer fuͤr / die aß ich ge - ſchwindt vngeſchawt / aber in wehrendem eſ - ſen / empfand ich etwas von zarten Gebeinen vnd Fleiſch / ohne zweiffel warens junge Huͤ - ner / die allbereit außgebruͤt waren. Jch ver - merckte gleichwol / daß ſie nit beſchaffen wa - ren wie andere Eyer / die ich in meiner Mut - ter Hauß hatte geſſen / aber doch ließ ich ſie paſſieren / dann der Hunger trib ſie fort / daß ſie durch den Mundt in Halß / vnd auß dem Halß hinab in Bauch kamen: Mit demBrot28Der Landtſtoͤrtzer.Brot hielt ich mich etwas laͤnger auf / dann es war dermaſſen hart vnd ſchimlecht / daß ichs nur zu kleinen broͤcklsweiß hinab bringen vnd ſchlicken muſte: Vngefaͤhrlich vber ein vier - tel ſtund hernacher fingen die Eyer an zu wir - cken / vnd ich empfandt / daß die arme Huͤnlein anfingen in meinem Bauch zu kratzen / der - wegen fing ich / wie ein ſchwangere Fraw / an zu ſpeyen vnnd außzuwerffen / biß mir nichts mehr im Bauch verblib. Dem allem aber vnangeſehen / begab ich mich deß Morgens fruͤh widerumb auff den weg / vnd traff einen Eſeltreiber an / der fragte mich was mir man - gelte? Jch erzehlte jhm / was ich fuͤr ein herꝛ - liche Mahlzeit gehabt / vnd wie es mir mit den Eyern gangen war. Aber an ſtatt deß troͤſtens lachte er mich rein auß / vnnd ſpottete meiner noch darzu / vnd fuͤhrte mich zu Mittag in ein Herberg vnd zum allergroͤſten Dieb / den man in derſelben gantzen Gegent hette finden moͤ - gen / Diſer Wirth hatte vnder ſeinem Vieh auch ein Eſelin / die ließ er bißweilen mit al - lem fleiß ledig im Stall vmblauffen / damit ſie den andern Roſſen der frembden Fuhrleu -ten29Der Landtſtoͤꝛtzer.ten vnd Gaͤſten jhre lectiones leſen vnd das Futer auffeſſen helffen ſolten / darauß aber er - folgte / daß ſie letztlichen ſchwanger von jhnen ward / weil aber die Geſetz in Andaluſia ſol - che vngleiche vermiſchungen bey ſchwerer ſtraff verbotten / vnnd aber ſich begab / daß die Eſelin vor der rechten zeit einen jungen Eſel gebar / ſo verbarg jhne der Wirth / vnd hielt jn gantz heim̃lich / aber als er ſahe / daß ers in die laͤng nit verbergen kondte / ſo ließ er jhne an ei - nem Freytag niderſchlagen / das Fleiſch ein - ſaltzen / vnd den Kopff / das Hirn / die Fuͤß vnd das Jngeweid an einem Sontag ſieden vnd zubereiten: Wir zwen kamen auch gerad zur rechten zeit / vnd fragten den Wirth / ob er vns hette etwas zu eſſen zu geben? Der gab vns zuꝛ antwort / daß er geſtrigs Tages ein ſehr gutes vnd feiſtes Kalb hatte abgeſtochen / vnnd das Jngeweidt geſotten / vnd ſeye vrbietig / vns et - was daruon mit zutheilen: Deſſen frewete ich mich zum hoͤchſten. Der Tiſch ward gedeckt / vnnd man ſetzte vns vier geſottene Eyer fuͤr / deßgleichen ein in Butter gebachenes Hirn / folgends ein geſottenes Jngeweyd / das allesaber30Der Landtſtoͤrtzer.aber ſchmeckte vns nit wol / dañ die Eyer waͤ - ten inwendig blutig / vnd das Hirn vnd Jnge - weyd ſtanck ſehr vbel: Jch vnd mein Mitge - ſell ſahẽ einander an / lachten vnd aſſen nichts darnon / der Wirth merckte es vnd ſpꝛach: Jhꝛ Herꝛn / jhꝛ doͤrffet mir meine Speiſen nit ver - lachen / die Eyer ſeind friſch / vnd das ander iſt von einem guten faiſten Kalb / das kan ich be - weiſen woferꝛn jhrs begert. Mein Mitgeſell der Eſeltreiber aber antwortet vnnd ſprach: Was gehet dich vnſer lachen an / haſtu dann einen Tax im Hauſe / warumb vnd wie vil der Gaſt lachen ſolle? Laß du einen jeden lachen oder weinen ſo vil vnd offt es jhne geluſtet / vñ nimb du dein Gelt darfuͤr ein: Die vrſach meines lachens iſt / allweil deine Eyer mich erjnnert haben an die jenige Eyer / welche diſer mein Mitgeſell vorgeſtern an einem andern ort geſſen / vnnd dermaſſen friſch waren / daß jhme das Blut der jungen darin verhandenen Huͤnlein auß dem Mundt gerunnen. Der Wirth gab ſich zufriden / weil er ſahe / daß wir es ferner nit andeten: Weil aber die Eyer bey mir anfingen zu operiren, vnd die darin ge -weſte31Der Landtſtoͤrtzer.weſte junge Huͤner in meinem Magen vmb - zukratzen / ſo ergriffe ich geſchwind die Wein - kanten / vnd thate zwen ſtarcke truͤnck / dann es heiſt: poſt ouum molle, bonum hauſtum tibi tolle: poſt ouum durum bis, ſi diu viuere cupis. Bald hernacher brachte vns der Wirth widerumb etwas anders / das kon - ten wir eben ſo wenig kewen noch eſſen / ſon - der ſtunden vom Tiſch auff / vnnd ſchawten zu vnſern Eſeln: Jnmittelſt aber ward mir mein Mantel auß der Kammer verzuckt / vn - angeſehen vnſer nur vier Perſonen im Hauſe waren / derwegen lieff ich hin vnnd wider im Hauſe herumb / vnnd ſuchte meinen Mantel mit ſchmertzen: Letztlichen kam ich auch in die Kuchel / darinn ſtundt ein groſſer Hafen mit friſchem Blut / vnnd nah darbey lag ein Eſelshaut ſampt den abgehawenen Fuͤſſen / Kopff vnnd langen Eſels Ohren: Nur die Zung vnd das Hirn maͤngelte / dann wir hat - tens allbereit zum theil geſſen: Da lief ich als - bald hin zu meinem mitgeſellen / zeigte jme die vberwerlein vnſers Nachtmals / vnd ſprach: Sihe / das iſt das friſche Kalb / welches vnsder32Der Landtſtoͤrtzer.der Wirth ſo ſehr gelobt hat: Als ich nun alſo mit jhm redete / ſahe ich mich noch ferner in der Kuchel vmb / vnnd ſahe an der Wandt ein feiſte abgezogene Katz hangen / vnnd die Koͤchin ſagte vns / daß der Wirth vil derglei - chen Katzen an ſtatt der Haſen vnnd Koͤnigl / braten vnd anrichten lieſſe. Wir lachten vnd verwunderten vns vber diſe deß Wirths ſo groſſe fuͤrſichtigkeit: Folgendts ging ich zu jhm / vnd fragte mit ernſt nach meinem Man - tel / er aber gab mir boͤſe antwoꝛt / vnnd trohe - te mir mit der Ruthen / da hebte ich Stein auff / vnd warff ſie jhm nach dem Grindt: Er lieff in ſein Zimmer / holte ſein Woͤhr vnnd wolte mich erſtechen: Aber mein Mitgeſell ſtund mir bey / da ward ein groſſer Lermen / al - le Nachbarn lieffen herzu / der Richter / Ge - richtſchreiber vnnd die Schoͤrgen lieſſen ſich geſchwindt ſehen / vnnd namen mich beym Grindt / vnd wolten mich gefaͤnglich hinweg fuͤhren: Aber ich bate ſie zum allerhoͤchſten / daß ſie mich nit alſo vbereylen / ſonder mich zuuor zur verantwortung kommẽ laſſen wol - ten / jnmaſſen beſchehen / vnnd ich jhnen alleserzehlte33Der Landtſtoͤrtzer.erzehlte / was ſich zwiſchen vns verloffen / vnd wz wir fuͤr ein ſchoͤnes Kalbfleiſch geſſen vnd gefundẽ: Darauff lieſſen ſie alsbald dẽ Wirth gefaͤngklich annem̃en / durchſuchten ſein gan - tzes Hauß / vnd fanden nit allein meinen Man - tel / ſonder auch die abgezogene Eſelshaut ſampt dem Kopff / Ohꝛen / Fuͤſſen vnd Jnge - weid / deßgleichen zwo abgezogene faiſte Ka - tzen. Was nun ſie fuͤr ein Straff gegen jhme fuͤrgenommen / iſt mir vnbewuſt / dann ich vñ mein Mitgeſell trolten vns von dannen hin - weg / vnd danckten Gott / daß er vns auß diſer gefahꝛ erꝛett hatte.
Guſman diſcurriret artlich von der Gluͤckſeligkeit vnnd vngluͤckſeligkeit der Menſchen / vnd was geſtalt er vnſchul - digklich gefangen wor - den.
REcht vnnd wol ſagt der heilig Job: militia vita hominis ſuper terrá: als wolte er ſagen: Das Leben derCMen -34Der Landtſtoͤrtzer.Menſchen iſt je nichts anders / als ein Streit vnnd Krieg auff Erden / nichts iſt ſicher / kein Standt iſt beſtaͤndig / kein Luſt iſt vollkom̃en / kein freud iſt warhafftig / alles iſt ein falſchheit vnd eytelkeit: Dann als der Gott Iupiter alle ding auff Erden erſchaffen / vnd die Men - ſchen darumb foꝛmirt hatte / daß ſie ſie beſitzen vnd genieſſen ſolte / befahler / daß ein ſonder - bare Goͤttin / namens die Gluͤckſeligkeit / in der Welt reſidiren vnd wohnen ſolte / im we - nigſten gedachte vnnd vermeinte er / daß die Menſchen ſo gar vndanckbar gegen jhm wer - den wurden / jnmaſſen ſie hernacher gethan / vnnd ſich gegen jhm ſtarck geſetzt haben / Dann weil ſie diſe Goͤttin Gluͤckſeligkeit bey ſich hatten / ſo gedachten ſie an keinen andern Gott / ſonder opffertẽ diſer Goͤttin allerhand Opffer / vnd ſangen jhꝛ vil Lobgeſaͤng. Dar - uͤber erzuͤrnete ſich Iupiter, beruffte alle an - dere Goͤtter zuſammen / erzehlte jhnen die boͤſe correſpondentz vnnd vndanckbarkeit der Menſchen / in deme ſie nun die Gluͤckſeligkeit verehꝛten vnnd anbetteten / da doch er jhnen ſo vil Gutthaten erwiſen / vnd ſie auß nichts er -ſchaffen /35Der Landtſtoͤrtzer.ſchaffen / begerte derwegen von jhnen / daß ſie jhm jhre meinung vnnd guten rath geben ſol - ten / was er mit den Menſchen anfahen moͤch - te: Etliche der guͤtigſten / barmhertzigſten vnd mitleidenlichſten Goͤttern ſagten / daß die Menſchen einer ſchwachen Materi waͤren / vnd daß man derwegen ſie vbertragen vnd jh - nen etwas nachſehen / aber doch ſie mit etwan einer leidenlichen correction vnnd Straff anſehen ſolte / in gaͤntzlicher hofnung / ſie wur - den ſich dran kehren / vnd jhnens ins kuͤnfftig ein gewarnung ſein laſſen. Der Gott Mo - mus vnderſtund ſich ſein meinung darzu zu - ſagen vnd frey herauß zu reden / aber Iupiter hieß jhne ſtill ſchweigen / biß die frag an jhn kaͤme. Gleichwol waren auch andere Goͤtter verhanden / welche es mit dem Momo hielten / vñ vermeinten / daß das verbrechen der Men - ſchen wider den allerhoͤchſten Gott Iupiter vnendlich were / vnd daß derwegen von rechts wegen die Straff gleichfals vnendtlich ſeyn ſolte: Vns gedunckt (ſprachen ſie) daß man das gantze Menſchliche Geſchlecht zerſtoͤren vnnd gar vertilgen / auch niemaln widerumbC 2auffs36Der Landtſtoͤrtzer.auffs new erſchaffen ſolle / ſeytemal wir jhrer nicht beduͤrffen. Andere Goͤtter votirten vñ ſagten / dz man die allermeiſte / maͤchtigſte vñ boßhafftigſte Menſchen außreuten vnd ver - brennen / vnd hinwider andere from̃e erſchaf - fen ſolte.
Letztlichen gab auch Apollo ſein Stimm vnd ſprach: Allerhoͤchſter Herꝛ / dein gefuͤhr - te klag wider die Menſchen iſt dermaſſen bil - lich vnd gerecht / daß man dir kein einige wi - der ſie vorhabende Raach abſchlagen kan / a - ber doch iſt darneben auch diſes zubedencken / daß / woferꝛn du die Welt zerſtoͤreſt / alles ver - gebens vnnd verlohren iſt / was du erſchaffen haſt: Man wuͤrde dirs auch fuͤr ein vnuoll - kommenheit außrechnen / wann du das jenig zerſtoͤrteſt / was du erſchaffen haſt / gleichſamb hetteſtu gejrꝛt vnd empfuͤndeſt ein Rew. Vil weniger wil dir gebuͤhren vnd wol anſtehen / daß du die Menſchen vertilgeſt / vnd widerum̃ newe erſchaffeſt / dann thuſtu es / ſo muſtu jnen einen freyen willen / oder keinen geben / gibſtu jhnen einen / ſo werden ſie eben alſo beſchaffen werden / wie die vorigen geweſt: Benimbſtujhnen37Der Landtſtoͤrtzer.jhnen den freyen willen / ſo werden ſie keine Menſchen ſein / vñ wuͤrdeſtu ein ſo groſſe ma - chinam deß Himmels / der Erden / der Ster - nen / deß Mohns / der Sonnen / vnd die com - poſition der Elementen / vergeblich erſchaf - fen haben. Dannenhero iſt ein notturfft / daß kein andere newerung fuͤrgenommen / ſonder nur ein heylſames remedium an die Hand genommen werde: Du / O allerhoͤchſter Herꝛ / haſt jhnen die Goͤttin Gluͤckſeligkeit ge - geben / auff dz ſie dieſelbe recht vnd wol brau - chen / vñ nit vndanckbar noch widerſetzig ſein ſolten / weil aber ſie dieſelbe mißbraucht vnnd vngehoꝛſamb woꝛden / ſo iſt billich / daß ſie ge - ſtrafft werden / vnd daß du zu ſolchem end jh - nen dieſelbe Goͤttin Gluͤckſeligkeit benem̃eſt / vnd jhnen an ſtatt derſelben die Vngluͤckſelig - keit zuſchickeſt / damit ſie alſo hinfuͤran jhre Armſeligkeit / vnd hergegen dein Macht vnd Ernſt ſehen vnnd erkennen. Darneben aber kanſtu nach allem deinem Goͤttlichen willen den wolverdienten Perſonen die Gluͤckſelig - keit vnd Wolfahrt beſcheren vnd mittheilen: Aber doch ſtehets in deinem Gefallen vnndC 3willen /38Der Landtſtoͤrtzer.willen / was du dißfals thun woͤlleſt.
Diſes war nun das votum oder gutach - ten Apollinis, vñ ob wol Momus ſich ſtarck befliſſe / mit ſeiner vergifften Zungen das ver - brechẽ der Menſchen zu exaggerirẽ, ſo erken - ten doch die andere Goͤtter ſeinen alten grol - len / neyd vnd feindſchafft wider das menſch - liche Geſchlecht / vnd lobten die meinung A - pollinis; derwegen befahl Iupiter dem Mer - curio die execution, derſelb verfuͤgte ſich alsbald hinab auff Erden zu den Menſchen / fand bey jhnen die Goͤttin Gluͤckſeligkeit / vnd ſahe / daß ſie nichts anders thaten / als eſ - ſen / trincken / ſpilen / tantzen vnnd froͤlich ſein / ſamb wuͤrde es ewigklich wehren. Aber Mer - curius ging heimblich zu der Goͤttin Gluͤck - ſeligkeit / zeigte jhr den willen vnnd befehl der andern Goͤtter an / vnd fuͤhꝛte ſie mit ſich hin - weg: Das verdroß die Menſchen / woltens verhindern / vnnd widerſetzten ſich dem Mer - curio mit aller macht. Als Iupiter diſen vnwillen vnnd rauffhandel ſahe / ſtig er vom Himmel herunder / vñ in deme die Menſchen ſich an den Kleydern der Goͤttin Gluͤckſelig -keit39Der Landtſtoͤrtzer.keit ſteiff hielten / zohe er ſie auß den Kleydern / ließ die Vngluͤckſeligkeit an jhr ſtatt vnnd in jhren eygnen Kleydern / vnd fuͤhrte ſie mit ſich gen Himmel: Dardurch wurden nun die Menſchen betrogen / dañ ſie vermeinten / daß ſie jhꝛ intent erhalten / vñ jre Goͤttin Gluͤck - ſeligkeit behalten hatten / aber das widerſpil befand ſich.
Eben diſer Jrꝛthumb der alten zeiten iſt auch gelangt auff diſe vnſere jetzige gegenwer - lige zeiten / dann es vermeinen die Menſchen / daß die Gluͤckſeligkeit allhie auff Erden ver - bliben / vnd daß ſie dieſelbe bey ſich haben / aber ſie jrꝛen ſich / dann ſie haben nur jhr bloſſes Kleyd / vnnd euſſerliche Figur / dann die Vn - gluͤckſeligkeit / muͤhe vnnd arbeit ſteckt mitten drin. Wann man einen fragt / wohin er ge - hen woͤlle? ſo gibt er mir zur antwort / ich ge - he in ein Hochzeit / oder zu einer Gaſterey oder Frewdenſpiel: Nun wolan / er gehet hin / er jſſet / trinckt / ſingt / ſpringt / tantzt / buelet vnnd hat einen guten muth / wann aber er widerum̃ heimb gehet / alsdann ſpricht er: O / wie bin ich ſo muͤd / wie ſchwitze ich? wie thut mirC 4der40Der Landtſtoͤrtzer.der Kopff ſo wehe? wie iſt mir der Magen ſo ſehr verſtellt? O wie hab ich mein Gelt ſo v - bel an woꝛden? O wie hab ich mein Gelt ſo ſchaͤndtlich verſpielt? O wie vbel iſts mir gangen mit diſer vnd jener ſchoͤnen Frawen? Alsdann / alsdann bekennt man / daß man nur das euſſerliche Kleyd der Gluͤckſeligkeit traͤgt / vnd daß die maſcara vns habe betrogen: E - ben: diſes iſt auch mir in meiner zarten Ju - gendt begegnet / dann als ich mich entſchloſſe in frembde Landen zu ziehen / imaginirte vnd bildete ich mir ſelbſt allerhand Gluͤckſeligkei - ten fuͤr: Jch ſahe den April / die ſchoͤnheit der Feldern / vnd die breite vnnd ebne Straſſen / vnnd vermeinte / daß ich auff denſelbigen nie - maln muͤd werden ſolte / daß auch ich in den Herbergen vnd Wirtshaͤuſern vmb ſonſt eſ - ſen vnd trincken wuͤrde: Vnnd im wenigſten wuſte ich was hinder den Wirthen ſteckte. Deßgleichen ſaͤhe ich die Vnderſchidlichkeit vñ hochheit der dingẽ / die voͤgel / Thier / Beꝛg / Waͤld / Staͤtt / Maͤrckt vnnd Doͤrffer / ſamb wuͤrde man mich aller orten auff den Haͤnden vmbtragen / Nichts anders bildete ich mirfuͤr /41Der Landtſtoͤꝛtzer.fuͤr / auß lauter Gluͤckſeligkeit vnd wolfarth / vnd vermeinte / daß ich aller orten mein Mut - ter antreffen wuͤrde / die mich zaͤrtlen / vnd ein Magd / die mir meine Kleyder abziehen / vnd mir dienen / vnd alle Morgen mein Fruͤhſtuck bringen wurde. Wer wolte vermeint ha - ben / daß die Welt ſo groß were? geſehen hat - te ich die Mappen / vnnd es gedunckte mich / daß die gantze Welt alſo beyſammen were: Wer wolte vermeint haben / daß mir die not - turfft maͤngeln wuͤrde[?]Keins wegs gedach - te ich / daß der Menſch ſo vilen muͤheſeligkei - ten vnderworffen were. Jch handelte wie ein einfaͤltiger junger Bub / O wie vil ding nam ich mir fuͤr / als ich auß der vorbemelten Herberg gehen / vnnd meinen Mantel dahin - den laſſen muſte: O wie gern hette ich auß den Egyptiſchen Fleiſchhaͤfen geſſen? Aber leyder / die gute Taͤg erkennt man erſt / wann ſie hin vnd verlohꝛen ſeind. Jch vnnd mein Mitgeſell gingen trawrig auß der Herberg / vnd waren trawrig auffm weeg / Er lachte vñ ſchertzte nimmer: Die zwen Prieſter / welche mit vns gingen / recitirten jhꝛe horas, vnndC 5ich42Der Landtſtoͤrtzer.ich betrachtete mein Vngluͤck / vnuerſehens a - ber ſahen wir vier reitende Schoͤrgen zu vns kom̃en / in meinung / einen jungen Buben / der ſeinem Herꝛn vil Kleynoder geſtohlen / nach zu eylen / vnd als ſie mich ſahen / vermeintẽ ſie daß ſie den rechten Geſellen ertapt hatten / griffen mich derwegen an / banden mir meine Haͤnd / vnd wolten mich hinweg fuͤhren / der - maſſen groß iſt die vnbeſcheidenheit / gꝛobheit vnd Tyranney der Schoͤrgen vnd Gerichts - diener: Letztlichen aber erjnnerten ſie ſich / daß der Bub / welchen ſie ſuchten / keinen Daumẽ an der lincken Hand hatte / vnd weil derwegen ſie an mir kein ſolches Zeichen / ſonder ſahen / daß ich gantze vnbeſchaͤdigte Haͤnd hatte / ſo lieſſen ſie mich widerumb frey vnd ledig / vnd ich kam wider zu meiner Geſellſchafft dem Eſeltreiber vnd den zwen Prieſtern.
Guſman wirdt durch einen from̃en Prieſter heylſamblich vnder - wiſen.
DER ein Prieſter ſchawte mich ey - gentlich an / hatte ein mitleyden mit meiner zarten Jugendt / vnd ſpꝛach: Mein Kind / ich ſihe vnd erkeñe die gꝛoſſe ge - fahꝛ vnd vnheyl / welches dir beuoꝛ ſtehet / dañ du biſt je noch ein junges Buͤbel / Vatter vnd Herꝛnloß. Damit derwegen du dich aller or - ten deſto beſſer huͤten vnd fuͤrſehen moͤgeſt / ſo merck auff mein Wort / vnnd folge meinem Rath. Vor allen dingen ſey Gottsfuͤrchtig / dann wirſtu dich in der Gottsforcht nit ſtaͤt vnd feſt halten / ſo wird dirs vbel gehen / allhie zeitlich vnd dort ewigklich. Auß diſer Gotts - forcht wird dir entſpꝛingen vnnd erfolgen die ſoꝛgfaͤltigkeit eines guten vñ reinẽ gewiſſens / Jtem dein eigne erkaͤntnuß / die demut / der ge - hoꝛſam̃ vñ die gedult / deßgleichẽ die ſobrietet Nuͤchterkeit vnd maͤſſigkeit / Jtem die Keuſch - heit, modeſtia vñ geſchaͤmigkeit Am andern huͤte dich voꝛ allẽ vñ jeden ſuͤnden / vñ gedenck / dz du in deinem ſuͤndigẽ niemaln alleinig ſey - eſt / ſonder daß Gott bey dir iſt / welchen du er - zuͤꝛneſt / dz die Engel bey dir ſeind / die du betruͤ. beſt / dz die Teufel bey dir ſeind / die du eꝛfreweſtdaß44Der Landtſtoͤrtzer.daß die Creaturen bey dir ſeind / die du inqui - nireſt, vnd dz das gewiſſen bey dir iſt / welches du beleidigeſt vnd verwundeſt. Dreyerley guͤ - ter hat der Menſch von GOtt empfangen / nemblich die Guͤter deß Gemuͤts / die Guͤter deß Leibs / vnd die Guͤter deß Gluͤcks / alle die - ſelbige verliereſtu durch begehung einer ſuͤnd / vnd macheſt dich ſelbſt zu einen Sclauen deß Teuffels.
Drittens huͤte dich vor boͤſer geſellſchafft / wie voꝛm hoͤlliſchen Fewꝛ / dañ wer das Bech beruͤhret / der wirdt daruon beſudelt / ſonder ſchlage dich allzeit zu den Frommen / vnd hab gemeinſchafft mit den Freunden Gottes / dañ mit den Heiligen wirſtu heilig / vnnd mit den vnſchuldigen vnſchuldig ſein / vnd durch jhre heylſame Lehꝛ vnd warnungen / wirſtu abge - halten werden von deinem boͤſen vorhaben / vnd durch jhꝛ Exempel / wirſtu ermahnt zum guten.
Viertens rathe ich dir / daß du dich enthal - teſt der gemeinſchaft der vnkeuſchen Weiber / dann nur einem einigen iſts mit jhnen wol er - gangen / vñ derſelb ward gehenckt. Beſchließ -lichen45Der Landtſtoͤrtzer.lichen / gedencke offtermals an den Todt / vnd daß du / ob ſchon du noch jung biſt / doch ent - weder bald oder ehender / denn du vermeinſt / ſterben werdeſt: Betrachte den Spruch Sa - lomonis: Lætare iuuenis in adoleſcentia tua, & in bono ſit cor tuum, in diebus iu - uentutis tuæ: & ambula in viis cordis tui, & in intuitu oculorum tuorum: & ſcito quia pro his omnibus adducet te Deus in iudicium: Als wolte er ſagen: Ob ſchon du noch jung biſt / ſo ergib dich doch nicht den Laſtern / Eytelkeiten vnd Leibs wol - luͤſten / dann GOtt wirdt dich vor Gericht ſtellen / ſtrenge Rechenſchafft von dir fordern / vnnd dich ſtraffen nach deinen Verdienſten: Vmb wie vil mehr auch du dich in den wol - luͤſten erhoͤcht vnnd erluſtigt haſt / vmb ſo vil deſto mehꝛer vnd groͤſſere Marter vnd Qual wirdt dir angethan werden.
Diſes waren die Wort deß from̃en Prie - ſters / vnnd wolte GOtt / ich hette ſie zu Her - tzen gefuͤhꝛt / vnnd behalten / aber ich war noch vil zu jung vnd wild / ſie zu faſſen.
Guſman dienet einem Wirth auffm Gey.
MJt obbemelter meiner Geſellſchafft raiſte ich zwoͤlff meil wegs / vnd weil mein Beutel allbereit laͤr / vnd mein Leib vnd Glieder muͤd vnnd math woꝛden / ſo ging es mir eben wie einem krancken oder kre - tzigen Hund / welcher von allen Hunden ange - bellt wird / vnd der jhnen allen die Zaͤhne zeigt / aber doch niemande beiſſet: Dañ die muͤheſe - ligkeiten vmbgaben mich / jederman ſtach auff mich / vnnd ſpottete meiner / ſeytemal ich kein Gelt hatte / damals erkeñte ich / was ein haͤller ſeye / vnd was geſtalt der jenig / der jhne nit ge - wiñet / ſeiner nit achtet / wie auch ſeinen werth nit weiſt / ſo lang jhm nichts mangelt: Diſes war nun das erſte mal / dz ich der laidigen Ar - mut vnder Augen ſahe: damals erkente ich jre Ziffer / aber hernacher betrachtete ich jre effe - cten vnnd wirckungen / was nemblich ſie fuͤr ſchaͤndliche ding begehe / wz ſie fuͤr boͤſe einbil - dungẽ veꝛuꝛſache / wz ſie fuͤꝛ vnehꝛ vñ boͤſe ſtuckſolli -47Der Landtſtoͤrtzer.ſollicitire, vnd was ſie fuͤr vnmuͤgliche ding ſich vnderfahe. Damals ſahe vnd befand ich / wz maſſẽ vnſere mutter die natur ſich mit gar wenigẽ laͤſt benuͤgen / vñ ob ſie ſchon menigli - chẽ vil gibt / doch niemand zu friden iſt / ſonder ſein noth vñ armut beklaget. Jch ſahe klaͤrlich was geſtalt das widerwertige Gluͤck die Men - ſchen fuͤrſichtig machet: Damals gedunckte mich / daß ich ein newes Liecht ſahe / dann wie in einem klaren Spiegel repræſentirte ſich mir das vergangne / das gegenwertige / vnd dz zukuͤnfftige: Biß dato war ich gleichſamb nur ein junges Fuͤllel / einer Witfrawen Sohn vñ ein verwent es vbel / vnderwiſenes Kindt ge - weſt / das Alter / der verſtand vnd die erfahren - heit gingen mir ab / vnd das aller aͤrgiſte war / daß ich keinen einigen Menſchen hatte / der mir etwan einen guten Rath hette gegeben / derwegen wuſte ich je nit / was ich thun ſolte / Nicht gern wolte ich weiter fort reiſen / dann ich hatte kein zehrung: Widerumb zu ruck zu gehen / ſchaͤmte ich mich / O wie vil Menſchen hab ich verderbẽ ſehen wegen deß bloſſen ſche - mens / O wie vil feine Jungfrawẽ habẽ vnder -laſſen48Der Landtſtoͤrtzer.laſſen Jungfrawen zu ſein / O wie vil außge - lihenes Gelt wirt verlorẽ / keiner andern vꝛſa - chen halben / als weil man ſich ſchemet / es wi - derumb vom Freund abzufordern. Die vere - cundia oder geſchaͤmigkeit iſt beſchaffen wie ein geſtricktes Netz / welches / wann ein einiger Faden bricht / alsdann alles auffgeloͤſt wirdt: Wann derwegen einer das ziel der verecun - diæ oder Geſchaͤmigkeit einmal hat vber - ſchritten / alsdann ſchaͤmet er ſich hernacher nimmer / diſer vrſachen halben hatte ich mein Ehr in obacht / vnnd weil ich meinen Mantel allbereit verlohren hatte / ſo wolte ich ohne denſelben nicht wider zu ruck anheimbs kom - men / ſonder weil ich mich einmal entſchloſ - ſen hinweg zu ziehen / ſo hielte ich dz wider zu - ruck ziehen fuͤr ein ſchandt / ſonder nam mir fuͤr / fort biß gen Madril zu gehen / allda da - mals alles florirte vnd erfuͤllt war mit groſ - ſen Herꝛen / Prælaten vnnd Edelleuten: Der Koͤnig war auch noch jung / vñ hatte erſt new - lich geheurat: Es gedunckte mich / daß man ſich vmb mein feine vnnd ſchoͤne Perſon ſehr reiſſen / vnd ein jeglicher mich gern haben vndannem -49Der Landtſtoͤrtzer.annemmen wuͤrde. O wie vil vnnd ſeltzame ding begegnen den einfaͤltigen jungen Leuten / O wie weit ſeind die gedancken von den wer - cken: O wie leichtlich nimbt jhm der Menſch etwas fuͤr / aber ſehr ſchwerlich richtet ers zu Werck: Damals bawete ich Schloͤſſer im Sandt / ich machte mir fantaſtiſche chyme - ras, vil ding nam ich mir fuͤr / aber es ging al - les zu ruck / vnd gewann den Krebsgang: Alle meine imaginationes, einbildungen vñ fuͤr - ſatz waꝛen eytel / vergeblich vnd ein betrug / dañ ich bawte auff den Sandt / vnd nicht auff die Gottsfoꝛcht / ich wuſte nit / was Gottsforcht war / vnd meine Eltern hatten mich nit drin vnderwiſen / noch darzu erzogen / derwegen bettete ich weder deß Morgens noch deß A - bends / vnd hoͤrte niemaln Meß: Weil dann das Fundament aller meiner Anſchlaͤg vnnd vorhaben boͤß war / ſo iſt kein wunder / daß jh - re effecten vnnd wirckungen laͤr außgingen. O wie gluͤckſelig ſeind die Kindeꝛ / denen Gott jhre Eltern ſo lang leben laͤſt / von denen ſie Gottsfoͤꝛchtiglich erzogen werden / vnnd ſo weit kommen / daß ſie jhre Nahrung ſelbſt ge -Dwinnen50Der Landtſtoͤrtzer.winnen koͤnnen / vnd nit gezwungen werden / den frem̃den in die haͤnd zu ſehen / vnd hin vnd wider elendiglich vmbzuſtoͤꝛtzen. Jnmaſſen mir widerfahren / dañ als ich meinen weg foꝛt reiſẽ wolte / ſahe ich zwen Fuhrleut voꝛan fah - ren / denen eylte ich nach / biß ich ſie ertapte / vñ ſampt jhnen in die Herberg kam: Daſelbſt de - muͤtigte ich mich / halff jhnen jre Roß abſpan - nen / in den Stall fuͤhren vnd fuͤtern in hoff - nung / ſie wuͤrden mir etwann ein ſtuck Brot geben / aber ſie waren vil zu geitzig vnnd vn - barmhertzig / vnd gaben mir nichts / vnangeſe - hen ich mich / als ſie am Tiſch ſaſſen / ge - rad gegen jhnen vber auff einen block nider - ſetzte vnd jhnen ſuͤndlich zuſchawte: biß letztli - chen ein Barfuſſer kam / vnd ſich niderſetzte / Brot vnd Speck auß ſeinem Sack herfuͤr zo - he / vnnd ſein Mahlzeit verrichtete. Vnd weil ich jhne auß lauter ſcham oder verzagtheit nit bitten doꝛffte mit Woꝛten / ſo bate ich jhne mit den Augen / deß er mir doch vmb Gottes willen ein biſſel Brots mittheilen wolte: Der fromm Muͤnch verſtundt mich geſchwindt / vnnd theilte mir trewlich mit / alles was erhatte:51Der Landtſtoͤrtzer.hatte: Dardurch ward ich dermaſſen ge - ſterckt / daß ich meinen weg foꝛt paſſieren kon - te / vnd als ich deß Abends in die Herberg kam / begerte der Wirth zwen Kreutzer fuͤr die Nachtherberg / aber weil ich nichts hatte zu zahlen / ſo fragte er mich von wañen ich were / vnd ob ich nicht luſt hette jhm zu dienen? Jch gab jhm zur antwoꝛt: Ja / gar gern: Jch blib ein zeitlang bey jhm vnnd lehrnete / wie man den Habern mit warmem waſſer netzen ſolle / damit er auffgeſchwuͤlle / Jtem wie man jhne faͤlſchlich meſſen / mit doppelter Kreiden an - ſchreiben / den Wein buttern / vnnd die Gaͤſt ſchinden vñ vbernemmen ſolte: Deßgleichen erfuhꝛ ich / dz die Wein ſchwim̃en koͤñen / dañ ſonſten ertruncken ſie / weil die Wirth ſo vil Waſſer zu gieſſen. Jhꝛer vil vnd zwar die ver - ſtaͤndigſten / bezahlten ohne Widerꝛed alles wz wirfoꝛderten / ſamb waͤre es ein Gebott der Obrigkeit / dann die wort der Wirthen ſeind gleichſam̃ ſententiæ diffinitiuæ, darwider hilfft kein ſuppliciren noch repliciren, Sonder es heiſt: Thu den Beutel auff / vnnd zahle. Etliche andere verwaigertenD 2ſichs /52Der Landtſtoͤrtzer.ſichs / aber es halff nichts / dann die Schoͤꝛgen ſeind geſchwind verhanden / vnnd machen jh - nen ein boͤſes ſpiel: O was fuͤr Tyranneyen / Buͤbereyen / vnuerſchambtheiten / Diebereyẽ / Schindereyen vnnd Boßheiten gehen in den Wirtshaͤuſern fuͤr / man foͤꝛchtet weder Gott noch die iuſtici wegen der ſo groſſen ſchin - dereyen der Wirthen / werden entweder biß - weilen die Straſſen gar vmbgangen / oder die Kauffmanſchafft gar eingeſtelt / dann ſie ſeind ſchier nichts anders / als offentliche Dieb vnd Rauber: Jch ſelbſt habs mit meinen Augen geſehen / habs erfahꝛen vnnd darzu geholffen: Nichts weꝛe ſchier nothwendiger / als eben ein gute reformation der Wegen / Prucken vnd ſonderlich der Wirtshaͤuſer.
Guſman kombt gen Madril / vnd wirdt ein Picaro, oder ein Schwa - rack.
DAs vnruͤhige vnd gottloſe Leben der Wirthſchafft gefiel mir je lenger jeweni -53Der Landtſtoͤrtzer.weniger / dann es kamen bißweiln junge Kna - ben zu vns zur Herberg / dern etliche hatten Gelt / etliche hatten keins / etliche bettelten vnd zohen alle foꝛt. Da gedachte ich bey mir ſelbſt: Guſman / was macheſtu? warumb biſtu ſo gar verzagt? warumb verligſtu dich allhie bey diſem ſchinderiſchen Wirth? warumb zeuchſtu nit auch weiter? warumb trachteſtu nit auch nach anderm vnd mehrerm: Letztli - chen zeigte ich dem Wirth vnnd ſeiner Arbeit die Feygen / zohe von jhm / vnnd als ich mein bey jhm erobertes Gelt verzehꝛt hatte / fing ich an zu betteln / weil aber eben damals der liebſe - lig Getraidt vbel gerathen / vnnd aller Orten ein groſſe Thewrung verhanden war / ſo gab man deſto weniger Almuſen. Weil dann das bitten vnnd begeren mir wenig halff / ſo ward ich gleichſamb gezwungen / mein Kleyd anzu - greiffen / vnd meiſten theils zu verkauffen / dañ es heiſt: vt vitam redimas, Schuch / Bruch & omnia vendas. Dannenhero als ich gen Madril kam / befandt ich mich nur in einem bloſſen Hemmet / vnd ſo gar war daſſelb aller - ding zerꝛiſſen vnd vnflaͤtig / vnd ob derwegenD 3ſchon54Der Landtſtoͤrtzer.ſchon ich gern etwan einẽ Herꝛn gedient het - te / ſo wolte mir doch niemand trawen / dann man hielt mich fuͤꝛ einẽ Picaro oder Schwa - racken / der kein nutz were. Das verurſachte mich / daß ich mich in die loͤbliche Picariſch - zunfft oder geſellſchafft begab / dañ die ſcham hatte ich allbereit auffm weg verlohꝛen / dann weil ich zu Fuß gehen muſte / ſo war ſie mir vil zu ſchwer zu tragen / derwegen ließ ich ſie fah - ren / vñ bekleidete mich mit der vnuerſcham̃t - heit / dann vnmuͤglich iſts / daß der hunger vñ die ſcham gute fꝛeunde vnd beyſammen ſeyen: Diſer vꝛſachen halben ſchlug vñ verfuͤgte ich mich zu etlichen andern jungen Knabatzen meines gleichen / halff jnen arbeiten / folgte jh - nen in allen dingen / thate wie ſie / ging auch mit jhnen hin vnd wider betteln / vnd ſamblete vil Realn. Darneben vnderwiſen ſie mich in allerhand Karten: vnnd Wuͤrffelſpieln der - maſſen / daß ichs ſchier den Eltiſten beuoꝛ tha - te. Diſes Picariſche oder ſchwarackiſche Le - ben gefiel mir ſo gar wol / daß ichs keins wegs gegen dem vorigen vertauſcht hette: Jmmer - dar ſpeculirte vñ ſubtiliſirte ich in meinemverſtandt55Der Landtſtoͤrtzer.verſtand je laͤnger je mehꝛ / vñ ſahe / was geſtalt man mit einem ſchlechten anfang vil guts zu - ſam̃en bꝛingen / vnd ohne begeren / reich werdẽ konte / dañ fuͤrwar / wer erſt andern Leuten in die Haͤnd ſehen muß / der jſſet das Brot deß Schmertzens vnd Bluts / vnangeſehen jhms ſo gar ſein leiblicher Vatter gebe.
Diſe herꝛliche freyheit deß Lebens gefiel mir trefflich wol / derwegen accommodirte vnd gewehnte ich meinen Rucken zum Puttẽ oder Kraͤtzen tragen: ſehr groß iſt die Bruͤder - ſchafft der Eſeln / ſeytemal ſie ſo gar die Men - ſchen in jre geſellſchafft einlaſſen / vñ der maſſẽ hoͤflich ſeind / dz ſie verwilligen / daß die Men - ſchen jre vnſauberkeitẽ außtragen / vnd ſie vi - ler muͤhe vberheben. Vnnd ob ſchon / omne principium graue, der anfang aller guten dingen ſchwer iſt / ſo wirds doch alles leichter / wann man nur beſtendiglich beharꝛet: Jch ge - wehnte vnd ſchickte mich allgemach dermaſ - ſen in diſes Picariſche Leben / daß es mir auß - buͤndig wol ſchmeckte / dañ zu meiner vnd’hal - tung bedoꝛffte ich weder eins fingerhuts / noch einer Nadel / noch einer Zangen / noch einesD 4Ham -56Der Landtſtoͤrtzer.Hammers / noch einer Axt / ſonder ich brauch - te nur ein bloſſe Putte / Kraͤxen oder Korb / vnd war aller ſorgen frey.
Offt gedachte ich an das Leben meines Vatters / was geſtallt nemblich derſelb ſampt dem Zolner Matthæo am Zoll oder auff der Wechßelbanck / wie ein Cederbaum / mitten vnder den Doͤꝛneꝛn / geſeſſen / vnd meniglichen mit ſeinen wucheriſchen haͤndeln vil muͤh vñ arbeit gemacht / vnd verurſacht hatte. O wie vil Kaufleut ſitzen noch heutiges tags ſam̃t dẽ Matthæo am Zoll in einem Seſſel / ſaugen frembdes blut / werffen jhꝛe Angel auß / vnd fi - ſchen dz Gelt auß allen Staͤtten vnd Landen: O wie vil Rechtsgelehꝛten ſitzẽ in jꝛen Seßln / durchkucken vnd durchblettern jhre Buͤcher / ſpitzen jhꝛe Feder / vnnd erobern mit ſchlechter muͤh ein jaͤmmerlichs Geltwerck: Warumb thun ſie es aber? wohin zielen die Kauffleut / was iſt jhr intent vnnd meinung / wann ſie alſo mit dem Judenſpieß rennen / vnnd ande - re Leuth betriegen? Was haben etliche an - dere im Sinn / welche erſt geſtern auß den ho - hen Schulen kommen / heut aber das Landregie -57Der Landtſtoͤꝛtzer.regieren / hohe Haͤuſer bawen / vnnd ſtattliche Herꝛſchafften kauffẽ? Fuͤrwar / nichts anders ſuchen / ſoꝛgen / dichten vnd trachten ſie / als dz jre Neſter in der hoͤhe ſtehen moͤgen. O wie ſe - lig aber weren ſie / wañ ſie ſich mit jrem mitel - maͤſſigen ſtand / darin Gott ſie geſetzt / benuͤgẽ lieſſen / vñ mit gutem ruͤhigen Gewiſſen leben theten: Aber leyder / weil die begeren Edelleut zu ſein / vñ ſehꝛ hoch zu ſteigen / ſo geraichts jh - nen bißweilen zu groſſer zeitlichen Soꝛg vnd ewigen quaal / malam enim telam & con - fuſionem domui ſuæ orſi ſunt. O wie gefaͤhrlich iſt die Ehꝛ zu erlangen / wie ſchwer - lich zu erhalten / wie muͤheſamblich zu tragen / vnnd wie leichtlich zu verlieren / vnnd nicht deſto weniger reiſſet man ſich dermaſſen dar - umb / als muͤſte man durch ſie ſelig werden: Deſſen allen waꝛ ich bey meinem Picariſchen oder Bernhaͤutiſchen Leben allerdings vber - hebt / war ſorgloß / vnnd beſaß die edle Frey - heit / welche von den Gelehrten ſo ſehꝛ ge - lobt / von vilen verlangt / vnnd von den Poeten beſungen wird / vnd gegen dern alles Goldt vnnd Reichthumb der Erden nit zu -D 5ſchetzen58Der Landtſtoͤrtzer.ſchetzen iſt. Diſe edle freyheit hatte ich / kondte aber ſie nit behalten / noch die gute tag laͤnger tragen / ſonder begab mich in einen andern / a - ber doch nit vil ehꝛlichern ſtandt / dañ ich waꝛd ein rotziger vñ ſchmotziger Kuchelratz / wie im nachfolgenden Capitel zu vernemmen.
Guſman dienet fuͤr einen Kuchel - buben / fahet an / ſich mit der vnbegerten Arbeit / das iſt / mit ſtehlen / zu ernehꝛen.
ALs ich mich ein zeitlang gewehnt hatte / allerhand Buͤrd vnd laſt auffm rucken zu tragen / vñ ich nunmehr / wegen mei - ner trew vñ fleiſſes / wolbekant woꝛden / ſchick - te mich einsmals eines Grafen Einkauffer / mit etlichen eingekaufften Speiſen in ſeines Herꝛn Hauß / vnd vberꝛedete mich / dz ich mei - nen Picariſchen / beꝛnheutiſchen odeꝛ ſchwaꝛa - kiſchen ſtand verließ / vñ mich in ſeines Herꝛn Kuchel gebrauchen ließ / dann er verhieß mir / daß er mich von dannen in deß Koͤnigs dienſtbefuͤr -59Der Landtſtoͤrtzer.befuͤrdern / vnd zu einem Herꝛn machen wolte. Der Graf nam mich an / dañ ich kondte auß - buͤndig wol ſchwetzen / diente jhm anfangs gantz fleiſſig / verhielte mich auch gegen allem Haußgeſindt dermaſſen / daß mich jederman lieb gewan / dañ nit allein war ich willig / ſon - der auch ſtill vnnd verſchwigen / wann man auch mit mir greinte / ſo ſchwig ich ſtock ſtill / derwegen ſchenckte man mir hin vnnd wider ſo vil Kleyder vnnd Gelts / daß ich meinen nackenden Leib gar luſtig widerumb bedeckte / vnd am Sontag einem erbarn jun - gen Menſchen gleich ſahe: Vnd dz beſte war / daß ich darneben mein Beſoldung vnd Koſt - gelt erſparte / aber das aͤrgiſte war / daß man mich zuuoꝛ im Picariſchen Leben hatte ſpielen gelehꝛt / dannenhero verkauffte ich anjetzo al - les / was ich erſparen kondte / vnnd verſpilte es fein ſauber bey einem biſſen. Jm Ambt oder in meinem Kucheldienſt ward ich in kur - tzer Zeit gleichſamb ein Doctor, aber im ſpilen war keiner vber mich / vnnd weil mein Koſtgelt vnnd Beſoldung mir zum ſpilen nicht erkleckte / ſo ſuchte ich etwas anders /vnd60Der Landtſtoͤrtzer.vnnd hieß alles mit mir gehen / was ich im Hauſe ſahe / aber doch mit einer ſolchen Be - ſcheidenheit vnnd ſubtilheit / daß mans nit ge - war ward.
Einsmals begegnete mir ein artlicher poſ - ſen / dann mein Herꝛ der Graf brachte auff ein zeit etliche Bacchus vñ bon tempo, oder Sauffbruͤder mit ſich heimb / vnd weil er ein ſonderbarer guter Kanten muſicus war / vnd nit nachließ drin zu ſingẽ vñ zu blaſen / biß jm der Flaſchen humor in Kopff ſtieg / ſo mach - te ich jhnen geſchwind ein gute Collatzen von guten Zapfraͤſſen Wuͤrſten vnnd Weinzie - henden Speiſen / darauff ſchmeckte jhnen der Wein dermaſſen wol / dz ſie nit wuſten wie ſie letztlichẽ von einander geſchiden. Mein Herꝛ vñ Fraw legten ſich vnuerſehens ins Beth / dz Hauß blib offen / der Tiſch gedeckt / vnnd das Silbergeſchirꝛ blib drauff ſtehen. Jch befand mich damals in meiner Kuchel / vnd verꝛich - tete mein Arbeit / als ich aber vermerckte wie es zugangen war / ſo verfuͤgte ich mich in aller ſtill in den Saal / folgends in die Silberkam - mer / vnnd ſahe / daß das Silbergeſchirꝛ theilsnoch61Der Landtſtoͤrtzer.noch ordentlich ſtund / theils aber hin vnd wi - der zerſtrewtlag. Vnder andern aber lag ein ſilberne Schuͤſſel auff der Erden / die ſahe mich gar ſuͤndtlich an / vnnd bate mich gleichſamb / daß ich mich vber ſie erbarmen / auffheben vnnd zu mir nemmen wolte: Das thate ich nun / hebte ſie auff / nam ſie zu mir / vnnd ging in aller ſtill daruon / ohne daß es mein Herꝛ vnnd Fraw gewar wurden / dann ich ſahe / daß ſie im Wein begꝛaben lagen: Jch hette jhnen gern ein Poſſen geriſſen / vnnd jh - nen jhre Fuͤß an die Bethſtatt gebunden / a - ber es gedunckte mich / daß die ſilberne Schuͤſ - ſel beſſer were.
Deß Morgens fruͤ maͤngelte mein gnedi - ge Fraw alsbald der ſilbernen Schuͤſſel / kam zu mir in die Kuchel / vñ durchſuchte alle win - ckel: Jch fragte ſie / was ſie doch ſuchte? ſie antwortet mit weinenden Augen: Ach Guſ - maͤndl / daß Gott erbarm / ich maͤngle einer ſilbernen Schuͤſſel / was wird mein Herꝛ dar - zu ſagen / wofern ſie verlohren iſt: Jch hatte mit jhrem weinen durchauß kein mitleyden / dann man ſagt / daß / wann ein Weib weinet /man62Der Landtſtoͤrtzer.man alsdann eben ein ſolches mitleiden mit jhr tragen ſolle / wie mit einer Ganß / welche mitten im Winter barfuß im Waſſer vmb - zeucht: Aber doch ſtelte ich mich ſehr mitlei - dig / troͤſtete ſie / vnnd erbotte mich / daß ich ge - ſchwind hin zu etwan einem Goldtſchmidt gehen / vnnd ein andere dergleichen Schuͤſſel kauffen / wie auch etwan einen guten Freund finden wolte / der das Gelt darfuͤr herlihe. Mein gnedige Fraw bedanckte ſich gegen mit wegen diſes guten Raths / vnd bate mich / daß ich doch geſchwindt hingehen / vnd es alſo zu werck ziehen wolte. Jch ging zwar alsbaldt hin / nam die geſtohlene Schuͤſſel zu mir / brachte ſie einem Goldtſchmidt / vnd bate jh - ne / daß er ſie geſchwindt ein wenig renoui - ren vnnd verneweren thete / ich gab jhm fuͤr ſein benuͤgung zwen Real / brachte meiner Frawen die gleichſamb newe Schuͤſſel vnnd ſprach: Gnedige Fraw / zu allem vnſerm Gluͤck hab ich ein Schuͤſſel beym Goldt - ſchmidt angetroffen / die wigt ſiben vnnd funfftzig Real / vnnd er fordert fuͤr ſein Arbeit weniger nicht / als acht Real. Wer war froͤherals63Der Landtſtoͤrtzer.als die Fraw? Das Gelt zahlte ſie mir als - bald baar auß / nam die Schuͤſſel zu ſich / vnd erſetzte darmit den verſpuͤrten mangel. Diſer geſtallt verkauffte ich jhr jhre eygne Schuͤſſel / ſamb hette ich ſie nit geſtohlen: Sie war froh vnnd ich war nicht trawrig / dann ich vber - kame dardurch vil Gelts: Das blib aber nicht lang bey mir / dann wie es war ge - wunnen / alſo iſt es Entrunnen / Dann in einem einigen Abend verſpielte ich alles mit - einander / vnnd es blibe mir kein Haller im Beutel.
Nicht allein behalff ich mich diſer geſtalt mit ſtehlen / Sondern auch der Einkauf - fer / der Kuchelmeiſter / der Kellermeiſter vnnd alle andere Officier ſtahlen vnnd raub - ten heimlich alles / was ſie jmmer zuwegen bringen kondten / an Fleiſch / Wein / Ge - fluͤgelwerck / Gewuͤrtz / Eſſig / Traidt / Mehl / Kertzen / Holtz / dann jhre Beſoldung warklein / vnnd kondten derwegen ſich vnnd jhre Baͤſel nicht darmit ernehren / Der - wegen iſts nit allzeit gut / daß die Herꝛen jh - ren Dienern ein ſo gar kleine Beſoldunggeben /64Der Landtſtoͤrtzer.geben / dann ſie gewinnen dardurch Vrſach zum ſtehlen. Mit deme / was ſolche Officier jhren Herꝛn ſtehlen vnd abtragen / koͤndten ſie ſechs Diener gratificiren: vnnd ob ſchon die Herꝛn vermeinen / daß ſie ſehꝛ geſcheid ſey - en / vnd auf alle ſachen dermaſſen fleiſſig mer - cken / daß nit muͤglich ſeye / ſie zu betriegen vnd zu beſtehlen / ſo ſeind doch die Officier vil ge - ſcheider / liſtiger vnnd verſchlagener / vmb wie vil mehꝛ auch ſie vermercken / daß man jhnen nit trawe / vmb ſo vil deſto mehr befleiſſen ſie ſich deß ſtehlens vnd abtragens. O wie offt vnd vilmals hab ich deß Mundtkochs Hauß - fraw die allerbeſte Paſteten / Torten vnd an - dere gute Biſſel muͤſſen zu Hauß tragen: O wie offt hab ich auß befehl deß Kelners / groſſe Flaſchen deß allerbeſten Weins vnd Malua - ſier muͤſſen hin vnnd wider zu ſeinen guten Freunden vnd Baͤſeln / ꝛc. tragen? Weil ich dann ſahe / daß meine Obrigkeiten ſolches thaten / vnnd daß jederman ſtahl / ſo ſtahl ich auch / vnnd weil ich mich vnder den Woͤlf - fen befand / ſo vermeinte ich / daß ich ſampt jh - nen muͤſte heulen. Mein beſte vbung war da -mals65Der Landtſtoͤrtzer.mals das ſtehlen vnd ſpielen: Einsmals aber als ich biß in die Mittenacht ſaß vnd ſpielte / vnd wir mit einander vneins wurden vnd ru - morten / hoͤrte es vnſer Herꝛ der Graf / nam einen duͤrꝛen Pruͤgel / vnnd ſchlug vns den Staub dermaſſen auß den Kleydern / daß vns ſtarcke Puͤndtl auffm gantzen Leib auflieffen / dardurch fing ich von derſelben zeit an / mei - nen credit vnd guten Glauben bey jhm zu - uerlieren / vnd je laͤnger je weniger bey jhm zu gelten / zumaln weil ſich noch ein anderer fall begab / daruon im nachfolgenden Capitel mel - dung beſchehen ſoll.
Was dem Guſman / als einem Ku - chelbuben / fuͤr ein wercklicher Poß widerfahꝛen.
NJl iſts / wann einer ſich ernehren kan mit ſeiner Arbeit / aber vilmehr iſts wann einer mit tugendt das jenig kan behalten / was er hat gewunnen. Gewinnen kondte ich mein Brot / vnnd hatte allbereit einEgutes66Der Landtſtoͤrtzer.gutes Lob vnd vertrawen bey meinem Herꝛn erlangt / aber ich verluhꝛs gaꝛ bald durch mein boͤſes verhalten / dann was andere Diener im Hauſe thaten / das thate ich auch: Etlich Dieb ſeind dermaſſen gluͤcklich / daß ſie alt ſterben / andere aber ſeind ſo gar vngluͤckſelig / daß ſie wegen deß erſten Diebſtahls in der zarten ju - gendt gehenckt werden: Andere meines Herꝛn Diener ſtahlen in groſſo, vnnd wurden reich dardurch / ich aber zwickte vñ zwackte meinem Herꝛn nur hin vñ wider etwz wenigs ab / vnd blib doch arm darbey / wz derwegẽ bey andern ein laͤßliche Suͤnd war / das muſte an mir ein Todtſuͤnd ſeyn: Jch ſahe nit auff mich ſelbſt / ſonder nur auf andere / vnd ich vermeinte / daß mir das ſtehlen eben ſo frey waͤre / als jnen / im wenigſten betrachtete ich / dz ſie allbereit drin eraltet vñ anſehenlich waren / ich aber nur ein ſchlim̃er picaro vñ Bernhaͤuter war. Nit ge - dachte ich / dz dißfals nur die reichẽ / die mech - tigen / die auffgeſchwollnen / vnd hoffertigen / welche die lachrymas crocodili fellen / vnd nit mit dem Mundt beiſſen / ſonder mit dem ſchwantz verwunden / Jtem die Schmeichlervnd67Der Landtſtoͤrtzer.vnd Fuchsſchwaͤntzler / priuilegirt ſeyen / vnd daß jhnen alles / was ſie thun / wol anſtuͤnde / aber daß es mir vnnd meines gleichen armen Tropffen fuͤr ein ſacrilegium crimen læſæ Maieſtatis auffgenom̃en werde: Jn ſumma / ich armer junger Schelm muſte jrer aller ent - gelten / vnd die Zech fuͤr ſie zahlen.
Dañ es begab ſich eins mals / daß mein Herꝛ einen frembden Fuͤrſten zu gaſt geladen / vnnd zu ſolchem end außzohe / vnd ſelbſt allerley ge - fluͤgelwerck procurirte vnd zu Hauß ſchickte / derwegen befahl mir mein gnedige Fraw / daß ich ſolches Gefluͤgelwerck fleiſſig vnd ſauber butzen / vnd in der Speißkam̃er ordenlich auf - hencken ſolte / jnmaſſen auch beſchahe. Nun war es damals ein ſehꝛ warme zeit / derwegen vnnd nach verꝛichteter meiner arbeit / zohe ich mir meine kleideꝛ ab / vñ legte mich nackent ni - der / dañ die kleine thierlein od’ wuͤrmlein / wel - che man ſonſtẽ Leuß vñ floͤch neñet / lieſſen mir kein ruh. Jn wehꝛendẽ meinem beſtẽ ſchlaffen hoͤꝛte ich ein jaͤm̃erlichs ſcharmuͤtzeln vñ reiſ - ſen der Katzen / welche an einem Schaͤfenen ſchloͤgel bancketirten vñ zechten / dañ es habenE 2die68Der Landtſtoͤrtzer.die Katzen ein boͤſe art vnd eygenſchafft / vnnd nit weiſt man wañ ſie content ſeyen / ſonder / allermaſſen wie die alte Maͤnner / koͤnnen ſie nit ſtillſchweigendt oder fridlich eſſen / ſonder murꝛen / gꝛonen vnd greinen jmmerdar. Diß Katzen getuͤmmel weckte mich auf / da gedach - te vnd beſorgte ich / daß die Katzen villeicht in die Speißkammer vber das Wildtpraͤt kom - men waͤren: derwegen ſprang ich geſchwind nackendt vnd bloß auß dem Beth / vnd rum - pelte in aller eyl die Stiegen hinab / in mei - nung / meinem Wildtpraͤt zu huͤlff zu kom̃en: Aber mein gnedige Fraw / welche laͤngſt vor mir ſchlaffen war gangen / war vil geſchwin - der auß dem Beth / weder ich / dann ſie hatte das getuͤmmel / reiſſen vnd beiſſen der Katzen alsbaldt vernommen: derwegen ſaumbte ſie ſich nit lang / vergaß in ſolcher eyl vnnd noth jhꝛer Kleyder vnd Hemmets / lieff Mutterna - ckendt herfuͤr / vnd hatte nur ein Wachsliecht in der Hand. Jhre vnd meine gedancken vnd voꝛhaben waren einerley / vnnd zwar in cauſa propria: Mitten auff dem Fletz kamen oder ſtieſſen wir beyde zuſammen: Sie erſchrackals69Der Landtſtoͤrtzer.als ſie mich in ſolcher geſtalt ſahe / vnd ich er - ſchrack / als ich ſie alſo ſahe: Sie vermeinte daß ich etwan ein Geſpaͤnſt were / derwegen ließ ſie die Koͤrtze fallen / vnd fieng an vberlaut zuſchreyẽ: Jch aber erſchrack vber diſer figur / vnd ſchꝛye noch vil ſtaͤrcker / dann ich gedachte daß es der Geiſt deß vnlengſt verſtorbenen Einkauffers waͤre. Die Fraw ſchrye dermaſ - ſen / dz mans in derſelben gantzẽ Gaſſen hoͤrte / ich aber ſchꝛye daß mans in der gantzen Statt hoͤrte: Sie zwar lieff eilends jhrem Loſament zu / deßgleichen wolte ich auch thun / die Katzẽ begabẽ ſich gleichfals auff die Flucht / vnd jh - rer zwo erwiſchten mich auff der Stiegen / die eine hinden beym Geſaͤß / vnnd die andere bey der hindern Ferſen meines Fuſſes / deſſen er - ſchrack ich noch mehr / fiel die Sttegen gar hinab / lag ein zeitlang in Ohnmacht / kam doch wider zu mir ſelbſt / vnnd fing auffs new an zu ſchreyen / vnd mich zu klagen. Das hoͤr - te nun mein gnedige Fraw auß jhrem Loſe - ment / hatte ein mitleiden mit mir / ſchrye mir zu / vnd hieß mich widerumb hin ſchlaffen ge - hen / vnangeſehen ſie gleichwol ſelbſt auff einE 3endt70Der Landtſtoͤrtzer.endt vbel erſchrocken vnnd ſehr krafftloß war worden / dann in wehrendem jhrem lauffen entrann jhr die virtus retentiua, ehr vnnd beuor ſie widerumb in jhre Schlafkammer kam / eroͤffneten ſich jhre beyde hinderſte Ge - ſchoß deß Leibs dermaſſen / daß ſie gar nichts mehr im Bauch behielt / ſonder alles mit ein - ander theils herauſſen im Fletz / theils auff den Stiegen verzettete vnnd fallen ließ / dardurch vberkam ich ein ſchoͤne vnnd ſaubere Arbeit / kehꝛte vnd faßte es alles ſauber auff / dann der Reinigkeit befliſſe ich mich jnſonderheit. Damals ſahe vnnd erkennte ich / daß die Vnreinigkeiten / welche in dergleichen acci - dentiis vnnd Zuſtaͤnden geſellt vnnd auß - geworffen werden / vil vbler ſchmecken / we - der andere ordinariæ, die Philoſophi vnnd Sophiſten aber werden die eygentliche vr - ſachen deſſen wol wiſſen zu inquiriren vnnd zu erforſchen.
Mein Fraw erſchrack wegen diſes zuſtands vber alle maſſen / aber ich noch vil mehr / dar - neben ſchaͤmte ich mich / als waͤre ich ein Jungkfraw geweſt: Jch ſchaͤmte mich auchwegen71Der Landtſtoͤrtzer.wegen jreꝛ ſcham / leyd war mirs von Hertzen / daß ich ſie alſo geſehen hatte / ſie aber wolte es nit glauben / ſonder vermeinte vnnd glaubte veſtigklich / daß ichs auß lauter Boßheit ge - than / vnnd ſie mit allem fleiß eygentlich vnd wol / hinden vnnd vorn / geſchawt hatte: Von derſelben zeit hero / ward ſie mir von Hertzen ſeind / vnnd vnſer Nachbaͤwrin eine (dern ſie diſen Handel erzehlt hatte) ſagte mir / daß mein Fraw zu jhꝛ geſagt vnnd bekennt hatte / daß jhꝛ nichts leiders waͤre / als daß ſie ſich da - mals embloͤſt / vnd daß ich jhre Nackendtheit geſehen hatte.
Als mein Herꝛ deß andern tags hernacher widerumb heimb kam / fragte er mich / ob alle Sachen in der Kuchel fertig waͤren? Jch ant - wortet: Ja. Folgendts veroꝛdnere vnd gab er alle andere Sachen vnnd Speiſen herfuͤr / vnd ich vnnd meine Mitgeſellen vberkamen damals ein ſehr gewuͤnſchte gelegenheit zu - ſtehlen / dañ es ging alles vnordenlich durch - einander / man kondte nicht ſo eygendtlich auff alle ſachen mercken / derwegen neñen wir dergleichen Bancket / iubileos, auff denenE 4die72Der Landtſtoͤrtzer.die Officier allerhand indulgentias erlan - gen / die beſte Wein / Paſteten / Torten / Ge - wuͤrtz / Schmaltz / vnnd dergleichen erſchnap - pen vnd heimbtragen koͤnnen. Was nun an - deꝛe thaten / dz thate ich gleichfals / vnd ſchiebte mein Hemmet vnnd Hoſen voller Eyer vnnd Fleiſch: Meinen Hut fuͤllte ich mit ſchmaltz / ſetzte jhne auff meinen Kopff / vnd wolte dar - mit heimgehen / aber mein Vngluͤck war / daß mir mein Herꝛ auffm weg begegnete / ich waͤre jhm gern gewichen / vnd draͤhte mich hin vnd her / aber es halff alles nichts / dann je mehꝛ ich mich ſeiner enteuſſerte / je mehr nahete er zu mir / vnd fragte mich / wo ich ſo ſtarck / eylends vnd wol beladen hinauß wolte? Jch aber er - ſchrack dermaſſen / daß ich nit wuſte / was ich thun ſolte: blib ſtock ſtill ſtehen / vnd erſtum̃e - te: Steteruntque comæ, & vox faucibus hæſit: Die Sonn ſtach auch damals der - maſſen heiß / daß die Butter / welche oben auff meinem Kopff im Hut lag / anfing zu zerge - hen / zu verſchmeltzen / vnd tropffenweiß vber mein Angeſicht herunder zu rinnen / deſſen lachte mein Herꝛ heimlich vnd ſpꝛach zu mir:Guſ -73Der Landtſtoͤꝛtzer.Guſmandl / was iſt das? eytert dir dein Kopf? laß ſehen was du fuͤr einen grindigen Kopff habeſt? Folgends hebte er meinẽ Hut herundeꝛ vnd fand den allbereit halb zerꝛuñenen But - ter / deßgleichen alle andere geſtohlene ſachen bey mir / vnd ſprach: O Schelm / biſtu der ge - ſell / welchen man mir ſo ſehr gelobt hat / vnnd deme ich am meiſten getrawt? Troll dich / du Boͤßwicht / vnnd kom̃ mir nimmer in mein Hauß: Deſſen allen erſchrack ich zum hoͤch - ſten / wuſte auß lauter ſcham nichts zu reden / ſonder ging ſtillſchweigendt hinweg / dann vil beſſer vnd ehrlicher iſts / daß man vor den zu - gefuͤgten iniurien fliehe / weder daß man ſie durchs verantwoꝛten vberwinde.
Guſinan nimbt ſein voriges Pica - riſches oder Bernhaͤuteriſches Leben wider - umb an / wird durch ein ſonderbares gehebiges mittel reich.
JNallen vnnd jeden zuſtaͤnden / gilt die ſcienz vilmehꝛ / denn der reichthumb oder guͤter / dañ ob ſchon dz Gluͤck wi - der den Menſchẽ rebelliret / ſo verlaͤſt jne doch die ſcienz niemaln: Das Gut wird verzehꝛt / aber die ſcienz waͤchſt / vnd wirdt das wenige was ein Gelehrter weiſt / vil hoͤher geacht / we - der das vile / was ein reicher hat: Nun moͤchte aber einer fragen vnd ſpꝛechen: Warumb wi - ſchet Guſman diſer geſtalt mit der ſcienz heꝛ - fuͤr / oder was hat er fuͤr ein ſcienz? warumb lobet er die ſcienz ſo ſehr? was hat er dar - mit im Sinn? Hierauff gib ich zur antwort / daß mein gantze ſcienz vnd Kunſt in meiner Putten oder Kraͤxen ſteckte / dañ nichts andeꝛs noch beſſers konte vñ wuſte ich / als allerhand ding vnd Buͤrd auffm ruͤcken in einer Putten oder Kraͤxen tragen / vñ benebens ſpielen / ſteh - len vnd allerhand buͤberey treiben: Durch diſe ſcienz konte ich mein bꝛot reichlich gewiñen / diſes officiũ war mein beneficium: wie V - lyſſes ſich ernehꝛte mit ſeinem Liſt / vnnd De - moſthenes mit ſeiner eloquentz, alſo be - halff vnnd ernehrte ich mich mit diſer meinerſcientz,75Der Landtſtoͤꝛtzer.ſcienz, dañ nach dem ich voꝛerzehlter maſſen auß meines Herꝛn dienſt geſchidẽ / zeigte jeder - man mit fingern auf mich / vñ ſagtẽ: ſihe / doꝛt geht der Dieb: diſer vꝛſachen halbẽ wolte mich niemand annem̃en noch mir trawen / vñ waꝛd ich derwegẽ verurſacht / mein voꝛiges leben vñ arbeit zutreiben / vñ die Eſelarbeit mit Kraͤxen tragẽ widerum̃ zu verꝛichtẽ. Wie were es mir aber ergangẽ woferꝛn ich diſe picariſche kunſt nit zuuor gelehrnt / ergriffen vnd practiciert hette? Dañ nunmehꝛ war ich dienſtloß / Kley - derloß vnd Chꝛloß / alles was ich mit arbeiten hatte erobert / das verluhr ich ſpielent / ich war allerdings zerꝛiſſen / hinden vnd voꝛnen / vnnd kente kaum mein ſcham bedecken: Aber doch war mein ſcientz noch gantz vñ vollkom̃en / vnd die ſcham verlohren / dann den Armen iſt ſie wenig nutz. Jch fing widerumb allerhande Waaren vñ ſachen auffm Rucken zu tragen / vnd aß mein notturfft: niemaln ließ ich mei - nen Bauch meinen Gott ſeyn: Der Menſch ſoll nit mehꝛ eſſen / als ſein notturfft / wer aber excediret vnnd mehr jſſet / der iſt ein Viech: Vermittelſt diſer meiner ſobrietet, nuͤchter -keit76Der Landtſtoͤrtzer.keit vnnd maͤſſigkeit verblib mein Leib allzeit friſch vnd geſund / vñ mein Beutel voll Gelts. Niemaln tranck ich mich voll / dann ich ſahe / wie ſchaͤndlich meinen Geſellen die Voͤllerey anſtunde. Daß nun die Picari oder Bernhaͤu - ter ſich voll ſauffen / das gehet wol hin / dann ſie haben ohne das wenig Ehr / daß es aber die Gelehrten / die edle vnnd maͤchtige Herꝛen vñ Obrigkeiten thun / iſt ſolches je ein ſchand vnd ſpott.
Nit allein war ich ſehꝛ maͤſſig / ſonder auch fleiſſig / vnnd dermaſſen embſig in meiner ſci - entz, officio vnnd Ambt / daß ichs allen mei - nen Mitgeſellen beuor thate / vnnd jederman mir trawte vnd mich liebte. Einsmals begabs ſich / daß etliche Faͤndl Soldaten in Jtalien ſolten verſchickt werden / das gedunckte nun mich ein gewuͤnſchte gelegenheit ſeyn / mein Vatterland vnd meine Freunde zu beſuchen / aber weil ich aller nackendt vnd zerꝛiſſen war / ſo gedachte ich auff alle mittel vnd weg / mich ſtattlich zu kleyden. Das Sprichwort: Si volete eſſere Papa, ſtampate lo en la te - ſta: Das iſt: Vegerſtu ein Bapſt zu werden /ſo77Der Landtſtoͤrtzer.ſo preſſe dir jhne in deinen Kopff: ward bey mir verificirt, dann als ich mit vorbemeltem meinem intent vnnd verlangen ſchwanger ging / vnd ſehr ſollicitus vnd ſorgfaͤltig war / mich ehꝛlich zu kleidẽ / ich auch einsmals aufm Marckt ſaß / vnd auf etwan ein Gluͤck warte - te / hoͤꝛte ich vnuerſehens ein ſtimm / die ſpꝛach: Guſmaͤndl gehe her: Jch ſprang geſchwind auff meine Fuͤß / vnnd ſahe einen / der winckte mir / legte einen Sack mit 500. Realn / vnnd noch einen andern mit 300. Kronen in meine Putten / vnd befahl mir / dz ich jm nachfolgen ſolte. Jch war willig / vnnd trug jhms etliche Gaſſen lang nach / aber vnuerſehens verdraͤ - hete ich mich von jhm ab / verſchwand voꝛ ſei - nen Augen / machte mich vnſichtbar / gewann das Statt Thor / lieff noch denſelben Abendt zwo meil wegs / vnd verbarg mich in einer di - cken Stauden vier gantze Taglang / biß ſich die Schoͤrgen / welche mir nacheylten / wider - umb verluhren.
Als nun ich vermeinte ſicher zu ſeyn / mach - te ich mich auf / ging nur bey der Nacht durch abgelegene ort vnd Doͤrffer / biß ich auff zwomeil78Der Landtſtoͤrtzer.meil wegs nahe bey Toledo kam / daſelbſt traf ich einen jungen Knaben meines gleichen an / der war ſeinen Eltern entloffen / vnd hatte ein ſtarckes Felleiſſel bey ſich / darinn war ein ſehr ſchoͤnes Kleyd / das kauffte ich jhm ab vmb ei - nen rechten werth / Er nam das Gelt zu ſich / vnnd ging ſeinen weg fort / deßgleichen kam ich noch denſelben Abendt gen Toledo / da - ſelbſt aber erging es mir ſehꝛ artlich.
Was geſtallt Guſman zu Toledo ſich ſtattlich gekleydet vnnd ſein Gelt verbuelt.
WAn ſagt / daß / ob man ſchon einen Af - fen in lauter Seiden vnnd Sammet kleidet / er doch ein Aff ſeye vnnd ver - bleibe: Es mag gleichwol einer einen ha bitũ oder Kleid anlegen / aber doch wird er darumb nicht deſto beſſer oder anderſt / weder er zuuor war. Eben diſes begegnete auch mir / dann gar baldt werde ich werden ein Galan oder Juncker / aber baldt hernacher werde ich wi -derumb79Der Landtſtoͤrtzer.derumb ein Ganapan oder Betler. Das al - ler erſte / welches ich am morgen fruͤh zu To - ledo thate / war / daß ich das obuermelte er - kauffte Kleyd etlicher maſſen verkehren vnnd veraͤndern ließ / damit mans nicht kennen / vnnd man mich villeicht an ſtatt deß vori - gen Knabens anſehen vnd ergreiffen moͤchte. Jn diſem ſchoͤnen Kleyd ging ich zwen Tag - lang zu Toledo vmb / vnnd fragte nach der Geſellſchafft der Soldaten / aber keine waren verhanden / ward derwegen gezwungen noch laͤnger daſelbſt zu verbleiben. Einsmals an einem Sontag kam ich in die Kirch vnd hoͤꝛ - te Meß: folgendts ging ich hin vnnd wider in der Kirchen ſpatzieren / vnd ſahe letztlichen in einer Capellen etliche ſehr ſchoͤne Frawen / ſie vñ jederman ſahen mich an / vñ verwunderten ſich vber meine naͤrꝛiſche ſitten vnd geberden / dann ich ſtoltzierte vnnd prangte mit meinem Kleyd vnd Federn / ſamb waͤre ich der Hanen Koͤnig. Jhrer eine warff jhr Aug auff mich / oder / daß ich recht ſage / auff mein Gelt / ich a - ber nam es nit gewar / ſonder verwendete mei - ne Augẽ auf ein andere / welche neben jr ſtund:vnd80Der Landtſtoͤrtzer.vnd als dieſelbe heimb ging / folgte ich jhꝛ von weitem nach / biß zu jhrem Loſement / vnd im hinein gehen / kehꝛte ſie ſich vmb / zeigte mir ein ſehꝛ freundlichs Angeſicht / vnnd gruͤſte mich gleichſam̃. Da fing ich alsbald an in der Lieb zu brinnen / vnnd wolte allgemach widerumb heimb in mein Loſement gehen / aber ſahe / daß ein Magd mir von weitem nachfolgte / vnnd mir mit dem Kopff vnd Fingern winckte: der - wegen wartete ich / biß ſie zu mir kam / vnd mir ein langes parlament herein machte / mit vermelden / daß ſie einer anſehenlichen Ehe - frawen zugehoͤrte / welche ein verlangen hette zu wiſſen / wer vñ von wannen ich doch were / dann ſie etwas ſonderbares mit mir hette zu tractiren: Das hielt ich nun fuͤr ein groſſe Ehr / vnd hette mein Gluͤck nit vertauſcht ge - gen dem Gluͤck deß Alexandri Magni, dann es gedunckte mich / daß alle vnnd jede ſchoͤne Frawen ſich vmb mich riſſen: Jn wehren - der vnſer conuerſation vnnd vnderꝛedung kamen wir zu meiner Herberg / dieſelbe ward durch die magd fleiſſig gemerckt / ich aber nam vrlaub von jhr / ging heimb vnnd verꝛichtetemein81Der Landtſtoͤrtzer.mein Mahlzeit: weil ich aber nit wuſte / was diß fuͤr ein Fraw war / ſo kummerte ich mich nit ſo ſehr vmb ſie / als vmb die andere / dann derſelben zu gefallen ging ich voꝛ jhrem Hauß auff vnd nider ſpatzieren / vber ein kleine Zeit ließ ſie ſich ſehen / redete mit mir auß dem fen - ſter / vnd bate mich letztlichen / daß ich mit jhr zu nacht eſſen wolte: deſſen frewete ich mich / ſchickte meinen Diener alsbald hin / vnnd ließ einen Kaupaun / zwey Rebhuͤner / ein Koͤnigel vnd ein flaſchen mit dem beſten Wein holen. Als nun wir vns niderſetzten vnnd eſſen wol - ten / klopffte einer gar ſtarck an jrer Haußthuͤr / da ſtellte ſie ſich / als were ſie zum hoͤchſten er - ſchrocken / vnd ſagte / daß es jhr Bruder were / der bißweilen voll vnd doll heimb kaͤme / vnnd boͤſe haͤndel anrichtete / derwegen bate ſie mich daß ich mich eylends in einen gꝛoſſen Waſſer - krug / welcher herauſſen im Fletz ſtund / verber - gen wolte. Jch folgte jhrem Rath / vnd ver - barg mich darin: Als jhr Bruder ins Hauß vnd in die Kuchel kam / verwunderte er ſich v - ber die Kocherey / ſtellte ſich ſehr zornig / ſetzte ſich doch letztlichen ſampt jhr zu Tiſch / aſſenFein82Der Landtſtoͤrtzer.ein guts genuͤgen von meinen ſpeiſen / vñ gin - gen letztlichen mit einander in ein Kam̃er / wz nun ſie daſelbſt beyſamen thaten / das war mir vnbewuſt / aber das weiß ich wol / daß ich im Waſſerkrug verblib / zitterte / ſchwitzte vnnd hungerte / weil auch ich vermerckte / daß alles ſtill war / ſo ſtig ich allgemach auß dem bauch deß Waſſerkrugs / allermaſſen wie Jonas auß dem Bauch deß Wahlfiſches / ging hin vnnd wider im finſtern im Hauſe herumb / vnd ſuch - te etwan einen Außgang: fandt aber nir - gendts keinen / ſonder muſte wider meinen Willen alldort verbleiben / groſſe Kaͤlte ein - nemmen / vnd deß Tags erwarten. Alsdann ging ich zornigklich von dannen widerumb in mein Herberg / legte mich mit hungerigem vnd laͤrem Bauch ins Beth / vnnd ſuchte den Schlaf zum Troſt meines empfangenen Leydts.
Bald hernacher klopffte man an meiner Kam̃erthuͤr / vnd es war eben die vorbemeldte Magd / welche miꝛ deß tags zuuoꝛ nachgefolgt war / vnd ſie kam ſampt jrer Frawen. Dieſelbe ſetzte ſich alsbald in einen Seſſel / zum Hauptmeines83Der Landtſtoͤrtzer.meines Beths / die Magd aber ſetzte ſich auff die Erden nah bey der Thuͤr. Die Fraw fing an mich zu fragen / wer ich waͤre / was ich all - da zu