Aus dem unſchaͤtzbaren Schatze Goͤttlicher Liebe / Gnade / und Barmhertzigkeit / wuͤnſchet von Hertzen Dem Hochbetruͤbten und Hochbekuͤmmerten Herrn Wittwer / Tit. Herrn Abraham Wentzel / PASTORI in Maxen / Seinem Hochgeehrten Herrn Beicht-Vater / Schwager / Gevatter / und Hertzens-Freunde / Nebenſt denen Hochgeehrteſten Vornehmen Herren Soͤhnen / und allen uͤbrig betruͤbten frommen Seelen / durch CHriſtum / den Groß-Schatz-Meiſter / Troſt / Friede / und Freude im Heil. Geiſt! mit Ubergebung mehrmahls verlangter Leichen-Predigt / Jhrer aller obgedachter Diener und Vorbitter bey GOTT.
Fuͤrchte dich nicht / Abram / ich bin dein Schild / und dein ſehr groſſer Lohn! Das war weyland die lieb - und Troſt-reiche Anrede / wormit der furchtſame Abram von GOtt dem Allmaͤchtigen gewaltig auffgerichtet wurde / in ſeinem damahligen hohen Betruͤb - niß / Gen. 15. v. 1. Wir nennen ſothane Anrede 1. Liebreich / weiln ſelbige der liebreiche Sohn GOttes / in einer abermahligen / ſo gar liebreichen Erſcheinung verrichtete / und den lieben Mann bey ſeinem liebreichen Nahmen / Abram / benennete / welcher ſo viel heiſſet / als: Hoher Vater / denn GOtt hatte ſchon allbereit / Abram / vor vielen tauſend andern Vaͤtern / hoch erhoben / da er ihm zu dreyen mahlen war er - ſchienen / und herrliche Verheiſſung gethan. Er ſolte aber noch hoͤher erhoben / und zum Vater vieler Voͤlcker gemacht wer - den / drum auch gar bald ein Buchſtabe / nicht ſonder Geheim - nuͤß / in den Nahmen eingeruͤcket / und Abraham genennet wurde / denn er ſolte nicht allein ſeyn nach dem Fleiſch der Juͤ - den Vater / ſondern nach dem Glauben auch ein Vater der Hey -A 2den /4Der Groß-Schatz-Meiſter JEſus /den / welche nach der geiſtlichen Wieder geburth / durch den Glau - ben / vor ſeine Kinder ſollen gehalten werden / denn die Abra -Gal. 3. v. 7. hams Glaubens ſind / das ſind auch Abrahams Kinder. Wir nennen die Anrede
2. Troſtreich / denn es wird dem furchtſamen Abram Troſt - reich zugeruffen / auch eine Troſtreiche Verheiſſung gethan. Fuͤrchte dich nicht / ſagte der Sohn GOttes; Jn was vor Furcht damahls Abram geſtanden / kan man ſo gar genau nicht wiſſen / zumahlen in denen vorhergehenden / nach erlang - ten herrlichen Sieg / alle Furcht und Schrecken bey Jhm wohl ſolte vergangen ſeyn. Luc. Oſiander meynt in ſeiner Bibel: Abram ſey in eine Schwermuth gerathen / weiln er geſehen da er faſt bey 100. Jahren / und ſein Weib Sarai 90. Jahr alt wor - den / er dennoch keinen rechten Leibes-Erben bekommen / daher er hoffen koͤnte / daß dermahlelns der Heyland der Welt ſolte gehohren werden / darum hatte es das Anſehen / als habe er ſich beſorgt / GOtt moͤgte ſich von ihm abgewandt haben / und wolle die Verheiſſung in Chriſto vielleicht auff ein ander Ge - ſchlecht kommen laſſen. Rabbi Salomo giebt vor: Der Pa - triarch ſey uͤber ſein groſſes Gluͤcke erſchrocken / denn da er ei - nen ſolchen herrlichen Sieg / und groſſe Beuthe von 4. Koͤnigen darvon trug / habe er nicht anders vermeint / als daß er hier - mit allen Lohn der Gerechtigkeit / bey GOtt auff einmahl weg habe / und wuͤrde nun auff das bißherige unverhoffte groſſe Gluͤcke / bald ein groß Ungeluͤcke erfolgen. Allein aus der Troſtreichen Verheiſſung: Jch bin dein Schild und dein ſehr groſſer Lohn / kan man ſchon ſo viel urtheilen / daß dem guten Mann / nach dem groſſen Gluͤcke / auch der Neid mag ge - druͤckt / und die Benachbarten ihm ſolches mißgegoͤnnet / auch wohl gar bedrohet haben / ihn / als einen Frembdlingen / nicht weiter auffkommen zu laſſen / denn Gluͤcke und Neid kleben an einander; Invidia gloriæ Comes eſt: Jn ſolcher Furcht undKum -5in dem unſchaͤtzbaren Reiche der Gnaden. Kum̃er vertroͤſtete der Sohn GOttes den Abram / daß er wol - te ſein Schild und groſſer Lohn ſeyn. Das war aber nicht et - wa eine verdiente Geſetz-Verheiſſung / wie Grorius den Juͤden und Papiſten zu Gefallen in ſeinem Commentario a[m]hieſigen Orte alſo gl[o]ſſiren darff: Mercedem facti egregii, qvam ex præda accipere noluiſti, â me habebis, den wohlverdienten Lohn deiner Helden-That / ſolſt du von mir zu gewarten haben / weiln du dich ſelber mit der Beute nicht haſt wollen bezahlt ma - chen. Es iſt eine purlautere Evangeliſche Troͤſtung / denn da will der Sohn GOttes / Abrams Schild ſeyn / und zwar ei - gentlich zu reden / in depulſione omnium malorum, imprimis verò ſpiritualium. in Abtreibung alles uͤbeln ingemein / vor - nehmlich des geiſtlichen Unfalls. Denn wie ein tapffrer Sol - dat / mit dem vorgetragenen Schilde des Feindes Pfeile / Stich / und Hieb abtreibt / und ſeinen Leib darmit bedecket / alſo will auch der Allmaͤchtige / von Abrams Leib und Geiſt maͤchtig ab - wenden / was ihm moͤgte von leiblichen und geiſtlichen Feinden ſchaͤdlich fallen / wieder ſolche will er ſein ſicher Schutz und Schirm ſeyn. Nechſt dieſem verheiſt er ihm auch Troſtreich / daß er wolle ſein ſehr groſſer Lohn ſeyn / und zwar / in Affluen - tia omnium bonorum, maximè cœleſtium, er will ihn mit al - lerley / leiblichen / geiſtlichen / ja himmliſchen Seegen uͤberſchuͤt - ten. Er will ſein reicher Groß-Schatz-Meiſter ſeyn / und aus ſeiner reich-geſegneten Schatz-Kammer / immer einen Seegen nach dem andern hervor geben / wie denn auch ſolche Verheiſ - ſung allerdings an ihm erfuͤllet worden / denn Abram war ſehr reich von Viehe / Silber und Gold. Den reichen Seegen GOt -Gen. 13. v. 2. tes ruͤhmte auch Eleazar, der Freywerber Jſaacs: Der HErr / ſagte er zu Laban und Bethuel / hat meinen Herrn reichlich ge - ſegnet / und iſt groß worden / und hat ihm Schafe und Ochſen / Silber und Gold / Knechte und Maͤgde / Cameel und Eſel gege -Gen. 24, 35. ben. Was nun dieſe lieb - und Troſt-reiche Anrede anlanget /A 3ſo6Der Groß-Schatz-Meiſter JEſus /ſo doͤrffte ſich ſelbige wohl nicht ſo gar ungeſchickt voritzo appli - ciren laſſen / auff gegenwaͤrtigen hochbekuͤmmerten Tit. Herrn Abraham Wentzel / treufleißigen und wohlverdienten Pfarr allhier zu Maxen / als welcher ſich / ungeacht er ſonſt ein rechter Hertzens-Mann iſt / doch in mancherley Furcht und Bekuͤm - merniß befindet / wie er ſich dann in der Unterſchrifft ſeiner itzi - gen Brieffe undiqve mœſtum, Calamitoſum &c. pfleget zu nennen. Er fuͤrchtet ſich / als ein Menſch / auſſer allem Zweif - fel / in den bißhero zugeſtoſſenen Unfall ſeines Leibes / vor der allgewaltigen Hand GOttes / welche allbereit einen / und den andern harten / und faſt empfindlichen Griff an ſeinem Leben gethan. Er fuͤrchtet ſich anitzo in der trauer-vollen Einſamkeit / und hohen Betruͤbniß / darein Er / durch den ſo gar ſchmertz - lichen Hintritt ſeines liebgeweſenen und getreuen Ehegattens / verſetzet worden. Auch dieſem furchtſamen und hochbekuͤm - merten Abraham / ruffet der lieb - und Troſt-reiche Sohn GOttes / durch meinen geringen Mund zu: Fuͤrchte dich nicht Abraham! Fuͤrchte dich nicht in deiner zugeſtoſſenen Schwachheit des Leibes; Jch bin dein Schild / hinter wel - chem Du ſolſt ſicher wohnen / Dich ſoll keine feindliche / ſondern meine freundliche Hand angreiffen / wann dein Geiſt dermahl - einſt in Frieden wird von dir abgefordert werden. Fuͤrchte dich nicht in deiner Einſamkeit / ich bin dein Schild / dich ſollen die heimlichen gifftigen Pfeile des Satans nicht treffen / fuͤrchte dich nicht / ich bin mit dir / weiche nicht / ich bin dein GOtt / ich ſtaͤrcke dich / ich helffe dir auch / ich erhalte dich durch die rechteEſa. 41, 10. Apoc. 2, 10. Hand meiner Gerechtigkeit. Sey getreu biß an den Tod / ſo will ich dir die Krone des Lebens geben. Fuͤrchte dich nicht / ich bin dein ſehr groſſer Lohn / dein Glaube und Glaubens - Kampff / deine Muͤhe / Sorg / und Fleiß / deine Liebe / Treut und Arbeit ſoll mit ewiger Gnade / Krafft meines Verdienſtes / dort ewig belohnet werden / denn ich dencke noch wohl dran / wasich7in dem unſchaͤtzbaren Reiche der Gnaden. ich dir geredt habe / darum bricht mir mein Hertze gegen dir / daß ich mich deiner erbarmen muß / ſpricht der HErr beym Jer. 31. v. 10. Nun wir ſind ſchon ſo weit verſichert / daß der hochbe - kuͤmmerte Vater Abraham / die lieb - und Troſt-reiche Anre - de / nach dem GOtt-gelaſſenen Exempel des Ertz-Vater Abra - hams / in ſeine bekuͤmmerte Seele einnehmen / und in dem itzi - gen hohen Leid-Weſen ſich darmit wird auffrichten laſſen. Da - mit aber gleichwohl dieſes zum Anfang / und was wir weiter aus GOttes Wort reden werden / bey Jhm / und allen de - nen / ſo mit Jhm in tieffen Leide gehen / fruchtbarlich beklei - ben moͤge / wohlan / laſſet uns unſere Hertzen zu GOtt dem Allmaͤchtigen erheben / vor Sie und uns alle / ein glaͤubiges Vater-Unſer bethen.
JCh hielte mich nicht dafuͤr / daß ich etwas wuͤſte unter euch / ohne allein JEſum Chri - ſtum / den gecrentzigten. Das ſoll voritzo das Exordial-Spruͤchlein ſeyn / welches die wohlſeli - ge Frau Pfarrin / Frau Eſther Wentzelin / gebohrne Fiſcherin / in ihrer Hauß-Andacht / ſo gar offt im Munde / und noch mehr im Hertzen gefuͤhret / auch ſo weit beliebet hat / daß es zum Eingange ihrer Leichen-Pre - digt moͤchte gebraucht werden / worinnen / Sie / mit Paulo die Wiſſenſchafft von dem gecreutzigten JEſu / vor den unver - gleichlichen und aller ſeeligſten Schatz aller Weißheit und Er - kaͤntniß gehalten / 1. Cor. 2. v. 2.
1. Unvergleichlich iſt dieſer Schatz; Denn Paulus haͤlt alle andere Weißheit / Erkaͤntniß und Wiſſenſchafft vor gar nichts dargegen. Wahr iſt es / Paulus war vor andern Juͤ - den ein faſt hochgelehrter Mann / ein Mann aus der gelehrten Secte der Phariſaͤer / der hiebevor unter des beruͤhmten Rab - bi Gamalielis Fuͤſſen geſeſſen / und groſſe Schaͤtze der Gelehr - ſamkeit eingeſamlet hatte / wie er ſelber in der abgenoͤthigten Apologie von ihm ruͤhmen muß: Jch bin / ſagte er / unter den Fuͤſſen Gamalielis gelehret mit allem Fleiß in Vaͤterlichen Ge - ſetz / Act. 22. v. 3. Oder wie er dort zu ſeinen Galatern ſagte: Jch nahm zu im Juͤdenthumb uͤber viel meines gleichen / in mei - nem Geſchlecht / und eiverte uͤber die maſſe umb das vaͤterliche Geſetz / Gal. 1. v. 14. Ja nicht allein in dem Moſaiſchen und vaͤterlichen Geſetz / ſondern auch aus denen Philoſophiſchen und Heyd[ni]ſchen Schrifften hatte er groſſe Wiſſenſchafft vor ſich gebracht / wie er denn wohl ehe zu Athen auff der Acade - mie / mit denen ſo genannten Epicureis, Stoicis, und andern daſelbſt befindlichen Secten derer Welt-weiſen / gewaltig aus ihren Principiis zu diſputiren wuſte / fuͤhrte auch unter an -dern9in dem unſchaͤtzbaren Reiche der Gnaden. dern aus ſeines Landsmannes / des Ciliciſchen Poeten Areti Schrifften / einen ſolchen Spruch an / damit er bewieſe / daß der Menſch goͤttliches Geſchlechtes ſey / alſo / daß ein frommer Menſch GOtt den HErrn gleichſam bey ſich in einem kleinen Conterfait abbilde. Die groſſe Gelehrſamkeit / und der un - gemeine Eiver vor das vaͤterliche Geſetz / brachte ihn auch bey der hohen Geiſtlichkeit zu Jeruſalem in ſolch Anſehen / daß er nicht allein zu der Execution Stephani, als ein authoriſirter Zeuge gezogen / ſondern auch als Inqviſitions-Rath / mit Ho - her-Prieſterlicher Vollmacht / nach Damaſcus abgeſendet wurde / die Juͤnger auffzuſuchen / und gefaͤnglich einzubrin -Act. 9. [2.] gen. Aber alle dieſe erlernete groſſe Wiſſenſchafften / ließ Paulus in ſeinen Theologiſchen Schrifften nicht viel mercken / er bezeuget eben in dieſem Capitel / daß er zu den Corinthiern ſey kommen / nicht mit hohen Worten / oder hoher Weißheit / zu verkuͤndigen die goͤttliche Predigt / er ſey mit Schwachheit bey ihnen geweſen / mit Furcht und Zittern / und ſein Wort und Predigt ſey nicht in vernuͤnfftigen Reden menſchlicher Weißheit / ſondern im Beweiß des Geiſtes und der Krafft ge - weſen / auff daß ihr Glaube beſtehe / nicht auff menſchlicher Weißheit / ſondern auff GOttes Krafft. Und das iſt eben die rechte Methode, das Evangelium zu lehren / und die Her - zen zu bekehren; Denn die Lehre vom Creutz Chriſti iſt von Natur ſo beſchaffen / daß ſie ſimplici & plano ſtylo, aufs ein - faͤltigſte will vorgetragen ſeyn. Die Warheit iſt einfaͤltig / und alſo will ſie auch auffs einfaͤltigſte gelehret ſeyn. Myſteriavid. B. Hunnius ſupra hunc locum. Dei ſimplici Scripturæ dicto probari poſſunt multò ſolidi - us, qvam multis ſyllogiſmis, mit einem einfaͤltigen Spruch aus der Schrifft / kan man mehr beweiſen / als mit noch ſo vielen ſubtilen Schluß-Reden menſchlicher Weißheit. Die auff der Cantzel fulminirende und hochtrabende Rede-Kunſt machts nicht aus in der Bekehrung eines Menſchen / baut eben auchBnicht10Der Groß-Schatz-Meiſter JEſus /nicht ſo viel / ſie fuͤllet ja wohl die juͤckenden Ohren / aber dasHilarius lib. X. de Trinit. Hertze wird dadurch nicht getroffen / noch bekehrt. Non enim per difficiles Deus qvæſtiones ad beatam vitam nos vocat, nec multiplici eloqventis facundiæ genere ſolicitat; GOtt berufft uns nicht durch ſchwere Fragen / auch nicht durch man - cherley hohe Redens-Arthen zu dem ewigen Leben. Denn Men - ſchen-Worte an ihnen ſelbſt / wenn ſie nicht Goͤttliche Krafft in ſich haben / gelten in der Lehre vom Creutz Chriſti gar nichts. Chryſoſt. Hom. 46. 23. Matth. Omnia verba ſecularia, cum non habent in ſe virtutem Dei, qvamvis ſint compoſita & ingenioſa, mortua ſunt; Menſchen - Worte ſind todte Worte / wenn ſie nach der Rethoric gleich noch ſo zierlich geſetzet werden / und GOttes Krafft nicht in ſich haben. Und alſo bekennet Paulus / daß er ſich in ſeinen Schrifften / und Predigten zu Corintho / und bey andern Ge - meinen / gar nicht habe mit ſeiner Welt-Weißheit blicken laſ - ſen / ſondern gethan / als wiſſe er weiter nichts / habe, auch nichts mehres gelernet / als JEſum den gecreutzigten / und al - ſo hielte er dieſe Wiſſenſchafft vor einen unvergleichlichen Schatz. Ja noch mehr
2. Vor den allerſeligſten Schatz. Es ſind ja wohl viel und mancherley hohe und groſſe Wiſſenſchafften unter denen Ge - lehrten / und andern ſinnreichen Koͤpffen derer Menſchen-Kin - der / welche durch kluges Nachſinnen / mit beharrlichen und unverdroſſenen Fleiß koͤnnen erlernet werden; Die Sterne am himmliſchen Firmament nach ihrer Zahl / Hoͤhe / Groͤſſe / Lauff und Wuͤrckung / die Witterung und die Kraͤffte des Himmels wiſſen / wie auch die groſſe Erd-Kugel abmeſſen / richtig ein - theilen / und alle lebendige und lebloſe Creaturen nach ihren Eigenſchafften kennen / und die kleine Welt von auſſen und in - nen nach allen Facultaͤten beſchreiben / ꝛc. mag ja wohl eine groſſe und hohe Wiſſenſchafft ſeyn / wer ſelbige in ſeinem Kopffe fuͤhrt / kan wohl gluͤckſelig vor der Welt / aber vor GOtt nichtſelig11in dem unſchaͤtzbaren Reiche der Gnaden. ſelig geprieſen werden / ſonſt wuͤrden die klugen Weltweiſen unter denen Heyden / vielen Chriſten in der Seeligkeit weit voran gehen. Viel Wiſſen macht nicht ſeelig / es blaͤſet nur1. Cor. 8, 1. auff vor der Welt; bloß allein die Wiſſenſchafft von dem ge - creutzigten JEſu behaͤlt den Preiß / und das Prædicat, daß ſie mag genennet werden / der allerſeligſte Schatz aller andern Wiſſenſchafften / denn an der Wiſſenſchafft haͤngt das ewige Le - ben / wie der Gecreutzigte ſelber bezeuget: Das iſt das ewige Le -Joh. 17, 13. ben / daß ſie dich / daß du allein wahrer GOtt biſt / und den du geſandt haſt / JEſum Chriſtum erkennen. Die allerlieblichſte Erkaͤntnuͤß des allerguͤtigſten JEſu iſt ein Stuͤcke des ewigen Lebens / ſagt Luc. Oſiander; Es iſt ein lebendiger Vorſchmack1. Cor. 13, 12. 1. Joh. 3, 2. der himmliſchen Seeligkeit / deſſen vollkoͤm̃lichen Genuß wir ſodann werden erlangen / wann wir ihn werden ſehen von Angeſicht zu Angeſicht / wie er iſt. Wer hier in dieſer Wan - derſchafft JEſum Chriſtum den Gecreutzigten lernet wiſſen / und erkennen / der bringts in dieſem eigenen weit hoͤher / als weñ er ſonſt in omniſcibili auffs hoͤchſte ſtudiret haͤtte. Omnia ſcis, ſi JEſum ſcis, nil ſcis, ſi cætera diſcis, du weiſt / lieber Menſch / alles / wann du JEſum recht weiſſeſt und kenneſt; du weiſſeſt nichts / weñ du noch ſo viel weiſſeſt / ſo du JEſum nicht ken - neſt. Dieſer Wiſſenſchafft mag man ſich ruͤhmẽ / ſonſt will anderProv. 27, 10. Ruhm nicht wohl angenom̃en werden / zum wenigſten proteſti - ret Salomo darwider: Laß dich einen andern loben / und nichtJer. 9, 23. 24. deinen Mund / einen Frembden / und nicht deine Lippen. Ein Weiſer / ſagt der Prophet / ruͤhme ſich nicht ſeiner Weißheit / ein Starcker ruͤhms ſich nicht ſeiner Staͤrcke / ein Reicher ruͤhme ſich nicht ſeines Reichthums / ſondern wer ſich ruͤhmen will / der ruͤhme ſich des / daß er mich wiſſe und kenne / daß ich der HErr bin / der Barmhertzigkeit / Recht / und Gerechtigkeit uͤbet auff Erden / denn ſolches gefaͤllt mir / ſpricht der HErr. EsGal. 6, 14. ſey ferne von mir / ſpricht unſer Paulus / das Ruͤhmen / als al - lein von dem Creutz unſers HErrn JEſu Chriſti / durch wel -B 2chen12Der Groß-Schatz-Meiſter JEſus /chen mir die Welt gecreutziget iſt / und ich der Welt. Dieſe Ehr - und Ruhm-wuͤrdige Wiſſenſchafft erwecket unermeßliche Liebe und Freude zu Chriſto / in und bey den Glaͤubigen / ſo ihn recht kennen / und wiſſen. Die Exempel der gottſeligen Alten ſind wohl bekannt. Julianus, der groſſe Liebhaber JEſu des ge - ereutzigten / ward einſtens von ſ[ei]nem guten Freunde Ephrem befragt / woher denn in ſeinen Buͤchern meiſtens ſo viel Fle - cke kommen waͤren? ſolches bekennt er ihme und ſagt: ſo offt er den Nahmen des gecreutzigten JEſu in einem Buche leſe / gien - gen ihme die Augen vor Freuden uͤber / und wann ſolche Liebes - Thraͤnen[a]uff die Blaͤtter fielen / wuͤrden ſolche Merckmahle draus. Bonaventura erzehlet von Franciſco, daß / ſo offt er bey Verleſung der Pſalmen habe den groſſen Nahmen Jehova angetroffen / habe er pflegen ſeine Lippen zu lecken / nicht an - ders / als habe er was ſuͤſſes genoſſen / wenn aber der Nahme des gecreutzigten JEſu von ihme waͤre gehoͤret / geleſen / oder ausgeſprochen worden / ſo haͤtte man gar eigentlich in ſeinem Geſichte merckliche Freuden-Zeichen wahrgenommen / und waͤre alſo die Rede Bernhardi auch bey ihm eingetroffen: JE - ſus mel in ore, melos in aure, Jubilus in corde, JEſus iſt mir ein fuͤſſer Honig im Munde / eine annehmliche Muſic in Ohren / eine groſſe Freude im Hertzen. Anguſtin bekennts ſelber / daß / ſo offt er ein Buch in die Haͤnde bekommen / und den Nahmen des gecreutzigten JEſu nicht darinnen gefunden / habe es ihm gar nicht angeſtanden / ob es gleich ſonſt noch ſo ein gelehrt Buch geweſen / das war meiſtens ſeine Rede / me ta - men totum non rupit, das Buch will mich nicht gaͤntzlich an ſich ziehen / es vergnuͤgt mich nicht voͤllig. Verhoffentlich wer - den wir die Schrancken der Warheit nicht uͤberſchreiten / wenn wir dieſem groſſen Liebhaber des gecreutzigten JEſu an die Sei - te werden ſetzen / unſere wohlſeelige Frau Pfarrin / Tit. Frau Eſther Wentzelin / des Wohl-Ehrwuͤrdigen Herrn Abraham Wentzels / treu-verdienten Paſtoris allhier / liebgeweſenen Ehe -Schatz.13in dem unſchaͤtzbaren Reiche der Gnaden. Schatz. Die Wohlſeelige Frau hat ſo leicht keiner Weibes - ja wohl mancher Manns-Perſon in der Wiſſenſchafft von dem gecreutzigten JEſu / etwas wollen zuvor geben / denn ſie hatte ſich bey ſo mancherley zugeſtoßnen Creutz / das Bild des ge - creutzigten JEſu dergeſtalt eingedruͤckt / daß / wie ſie ſonſten / alſo auch vornehmlich in ihrem letzten Creutz / von niemand was anders wiſſen / und hoͤren wolte / als von dem gecreutzig - ten JEſu / und ſolche lebendige Wiſſenſchafft recht vollends zu excoliren / und zum Abſchied tieff in die Seele / biß an den kalten Todes-Schweiß einzudruͤcken / verlangte Sie den Tag vor ihrem ſeligen Ende / daß Jhr lieber Ehe-Herr / als ein Mit-Genoß und Arbeiter am Worte des Creutzes Chriſti / Jhr / zu letzten Troſt und Vergnuͤgen / den andern Glaubens - Articul / von dem gecreutzigten JEſu vorleſen / und erklaͤhren ſolte / und damit Sie mit deſto unverhinderten Geiſt / und un - verruͤckter Andacht / die ſuͤſſe Lehre anhoͤren und annehmen konte / verlangte Sie von allen Umſtehenden ein GOtt-gelaſ - ſenes ſtille-ſeyn. Worauff der fromme GOtt / dem uͤberall mit Creutz belegten lieben Mann / in der Catechetiſchen Erklaͤrung ſo viel Gnade / auch bey ſelbſt baufaͤlliger Geſundheit / ſo viel Krafft verliehe / daß Er uͤber eine Stunde die Erklaͤrung gluͤck - lich / und mit ſothanen mercklichen Nachdruck verrichtete / daß auch die wohlſelige Frau dadurch in ihrem matten Geiſt eine lebendige Krafft vom Creutz Chriſti empfand / daß Sie mehr - mahls beweglichen ausruffte: Ach du mein gecreutzigter JE - SU / Du / Du biſt mein treuer Beyſtand und Advocat, Du / Du ſolſt mir den ſchweren Proceß des Todes fuͤhren! Denn ſo viel wuſte die / in das Creutz JESU / verliebte Seele gar wohl / daß eben der gecreutzigte JESUS / und ſonſt kein an - der / der Mittler ſey zwiſchen GOtt und Menſchen / der ſich ſelbſt1. Tim. 2, 5. 6. 1. Joh. 2, 1. 2. gegeben habe fuͤr alle zur Erloͤſung; Der ſey der rechte Fuͤr - ſprecher bey dem Vater / die Verſuͤhnung fuͤr unſere Suͤnde /B 3ja14Der Groß-Schatz-Meiſter JEſus /ja nicht allein fuͤr unſere / ſondern auch fuͤr der gantzen Welt Suͤnde. Mit Jhrem ſelbſt-erwehlten gar ſonderbahren Lei - chen-Spruche wird Sie / ohne unſern weitern Beweiß / ſchon ſelbſt ſattſam beweiſen / daß Sie ſich in den gecreutzigten JE - SUM dergeſtalt verliebt / daß ſie Jhn vor nichts anders / als vor den allerliebſten Seelen-Schatz / oder in gewiſſer Abſicht / vor den groſſen Schatz-Meiſter der him̃liſchen Schatz-Guͤter gehalten / und in Ewigkeit davor erkennen will. Mehrere Weitlaͤufftigkeit zu meiden / wollen wir / ohne fernern Ein - gang / zur Erklaͤrung des gar ſchoͤnen Schatz-Spruches ſchrei - ten / und nach dem Vermoͤgen / ſo GOTT wird dargeben / vor - ſtellen
Der wohlſeligen Frauen Eſther Wentzelin Allerliebſten Schatz-Meiſter JESUM / in dem unſchaͤtzbaren Reiche der Gnaden /
Nun eben zu dieſem Groß-Schatz-Meiſter des Himmelreichs ſeuffzen wir / daß Er zu ſothaner vorgenommenen Betrach - tung / ſo viel Goͤttliche Weißheit / Liecht und Erkaͤntniß ver - leyhen wolle / daß wir nicht allein die wahren him̃liſchen Schaͤtze recht lernen erkennen / und von irrdiſchen Schaͤtzen unterſcheiden / ſondern / ſeinem heiligen Rath zu Folge / auch gebuͤhrend einſamlen / damit wir / in Jhm / hier zeitlich / dort ewig / reich / und ſeelig werden / Amen!
In15in dem unſchaͤtzbaren Reiche der Gnaden.JN der Liebe JESU / des Gecreutzigten / allerſeits Ge - liebte / zum Theil auch hertzlich und ſchmertzlich Betruͤb - te / und mitleidende Kinder GOttes! ſo ſollen / ſo wollen wir nun / aus dem abgelefenen und auserleſenen Schatz - Spruche in des HErrn Furcht vorſtellen
Jhr ſolt euch nicht Schaͤtze ſamlen auff Erden / da ſie dieVerba Tex - tus. Motten und der Koſt freſſen / und da die Diebe nach - graben.
1. Wem das Verboth in damahligen Zuſtande angieng / iſt gar leicht aus denen Umſtaͤnden zu ermeſſen. Dazumahl ſaß JEſus auff einem gar annehmlichen Berge / als auff ei - ner hocherhabenen Cantzel / der Stadt Capernaum gegen uͤ - ber / und hielte eine ſchoͤne erbauliche Bergk-Predigt / ſo in dreyen ſonderbahren Capiteln / und auch in ſonderbahren Lehr - Schaͤtzen abgetheilet ſind / rings umb ihme her ſtunden die Juͤnger / mit einer faſt großen Menge Volcks / auſſer allen Zweiffel ungleicher Intention, wie dann auch die Lehr-Saͤ - tze / nach dem Unterſcheid der Zuhoͤrer / ungleich fielen. Vor allen recommandirte der Heyland die wahre Gluͤckſeligkeit / wieſe auch / worinnen ſolche beſtehe / da es denn unter andern auff unterſchiedliche Paradoxa ankam / auff die geiſtliche Ar - muth / auff die Sanfftmuth / auff Hunger und Durſt / auff die Barmhertzigkeit / wie auch auff die Reinigkeit und Fried - fertigkeit des Hertzens / welche dieſe Eigenſchafften an ſich hat -ten /16Der Groß-Schatz-Meiſter JEſus /ten / wurden ſelig geprieſen von dem HErrn der Seeligkeit. Die Juͤnger und Apoſtel verglich Er in ſpecie mit dem Saltz / und Licht der Welt / nennte ſie auch bey ſolchen Nahmen / in der Abſicht / daß Sie die Lehre recht abwuͤrtzen / und woylMatth. 5, 16. abſaltzen / auch ihr Lehr - und Glaubens-Licht vor den Men - ſchen hell und klar ſolten leuchten laſſen / damit der himmli - ſche Vater hiedurch moͤgte geprieſen werden. Derer Pha - riſeer Jrrthum am Geſetze / die bloß an dem aͤuſſerlichen Buch - ſtaben hiengen / wurde gewaltig wiederlegt / und bey ſothaner Gelegenheit der wahre Verſtand des Geſetzes herrlich vorge - tragen. Denen Allmoſen-Gebern / wie auch denen Bethern / und Faſtenden / wurde die rechte Norm und Form gewieſen / wie Sie die Allmoſen austheilen / recht erhoͤrlich beten / und Gottgefaͤllige Faſten halten koͤnnten / und ſolten. Endlichen kam er auch unter dem Hauffen auff die Unvergnuͤglichen / oder ſo genannten Geitzigen / denen verboth er
2. Schaͤtze ſamlen; Jhr ſolt euch nicht Schaͤtze ſam - len! Das iſt im erſten Klange eine faſt harte Rede / ſo we - nig Glauben finden doͤrffte. Schaͤtze ſind ja herrliche / noͤthi - ge / und ſehr dienliche Mittel / zur Unterhaltung des menſch - lichen Lebens / und deſſen Wohlfarth / ja gar zur Auffnahme und Fortpflantzung des GOttes-Dienſtes und des gemei - nen Beſtens. Herrlich ſind die Schaͤtze / denn ſie werden / als ein Extract und Qvinta-Eſſenz aus denen alleredelſten Ge - ſchoͤpffen / und aus dem beſten Kern der Natur genommen / und zuſammen gebracht. Nach ihrer Benennung ſind ſie ſo mancherley / als mancherley die Schatz-Kammern ſind / woraus ſie genommen werden. Es giebt edle Bergk-Schaͤ - tze / ſo aus koſtbaren Ertz / Metall / Mineralien, Kleinodien / Jubelen / und Edelſteinen beſtehen / woran ſonderlich die Mor - genlaͤnder vor andern von der guͤtigen Natur herrlich ſind be - gabet worden / als zu dero Wirckung die Sonne mit ihrenStern -17in dem unſchaͤtzbaren Reiche der Gnaden. Stern-Gehuͤlffen / den meiſten Beytrag thut. Es giebt rei - che Waͤlder - und Felder-Schaͤtze / ſo in großen Foͤrſten / herr - lich geſegneten Fruͤchten / von Weitzen / Korn / Oel - und Wein - Wachs beſtehen / an welchen immer ein Land vor dem[an]dern einen mercklichen Vorzug hat. Es giebt herrliche Haus - Schaͤtze / von wohl-angelegten und nutzbaren Haͤuſern / Guͤ - tern / Schaͤfereyen / Fiſchereyen und Vieh-Zucht / und wer wol - te und koͤnte ſo genau alle Arthen derer herrlichen Schaͤtze nah - mentlich erzehlen / unter welchen wir billich nicht unten / ſondern oben anſetzen die baaren Geld-Schaͤtze / von Gold und Silber / Kleidungen und andern koſtbaren Hauß-Geraͤthe. So herr - lich / ſiehe / ſo noͤthig ſind auch ſolche Schaͤtze / noͤthig / was goͤtt - lichen Befehl in mehrmahligen Schrifft-Stellen anlangt. Pau - lus befiehlet ausdruͤcklichen denen Vaͤtern / daß Sie ſollen ih -2. Cor. 12, 14. ren Kindern Schaͤtze ſamlen. Wer das nicht thut / und ſei - ne Hauß-Genoſſen darmit nicht verſorget / der iſt aͤrger denn1. Timoth. 5, 8. ein Heyde / und hat den Glauben verleugnet. Die Natur weiſets ſchon an denen unvernuͤnfftigen Creaturen / daß Schaͤ - tze ſollen geſamlet werden. Mein! was thun die Ameiſ - ſen den gantzen geſchlagenen Sommer uͤber wohl anders / als daß ſie Schaͤtze ſamlen / davon ſie im Winter zehren und ſich alſo zur Zeit der Noth damit retten koͤnnen; Die Faulen oder auch die liederlichen Durchbringer / werden eben zu dieſem Thier - lein hingewieſen / um zu ſehen / und zu lernen / wie ſie Schaͤtze zu ſamlen ſich eiverig bemuͤhen ſollen; Gehe hin zur Ameiſen / du Fauler / ſpricht Salomo / ſiehe ihre Weiſe an / und lerne / obProv. 6, 6. ſie wohl keinen Fuͤrſten / noch Hauptmann / noch Herrn hat / bereitet ſie doch ihr Brod im Sommer / und ſamlet ihre Speiſe in der Ernde / wie lange liegſt du Fauler / wenn wiltu auffſte - hen von deinem Schlaff? ja / ſchlaff noch ein wenig / ſchlum̃ - re noch ein wenig / ſchlage die Haͤnde in einander ein wenig / daß du ſchlaffeſt / ſo wird dich das Armuth uͤbereilen wie ein Fuß -Cgaͤn -18Der Groß-Schatz-Meiſter JEſus /gaͤnger / und der Mangel wie ein gewapneter Mann. Zur Einfamlung der Schaͤtze ſollen uns auch bereden die fleißi - gen Bienlein / die ſind eben auch muͤheſam in Einſamlung der ſuͤſſen Honig-Schaͤtze / darvon zehren ſie nicht allein Sommers und Winters / ſondern laſſen / ihren Hauß-Herrn zu Nutz und Dienſt / auch mehrmahls einen reichen Schatz noch uͤbrig. Noͤ - thig ſind auch die Schaͤtze / wenn man die Noth bedenckt / die ſich in Ermangelung der Schaͤtze hervor thut. Wo in ei - nem Ærario publico die Schaͤtze alle erſchoͤpffet ſind / und Kriegs-Noth einbricht / was iſt nicht da vor eine Noth im Lan - de! Ein ſolch erſchoͤpfftes Land muß nothwendig dem Fein - de in die Haͤnde gerathen / denn wo der Nervus rerum geren - darum, die Geld-Mittel ermangeln / da iſt keine Krafft noch Staͤrcke / dem Feinde zu widerſtehen. Wie jaͤmmerlich gehts im Hauſe zu / wann die Hauß-Schaͤtze ausgeleeret ſind? es koͤmmt alles auff Armuth / Hunger / und Kummer an / ſo noͤthig / ſo nuͤtzlich ſind auch die Schaͤtze; Wer will / wer kan den Nutzen gnugſam ausſprechen? Schaͤtze dienen zur Un - terhaltung des GOttes-Dienſtes / zur Erbauung Kiꝛchen Schu - len / und andern geiſtlichen Gebaͤuden und Stifftern / ingleichen auch zu beſſerer Beſoldung der Leviten und Prieſter im Hey - ligthum. Sie dienen zu Verſorgung des Lebens / zu Befoͤr - derung derer Seinigen Wohlfarth / ja zu dem allgemeinen Beſten / zu Erbauung Staͤdt und Veſtungen / zu Abwendung ſo mancherley Unheils / als man in der Kuͤrtze nicht ausſpre - chen mag. Ey lieber! wie zutraͤglich war es doch / nicht al - lein dem Lande Egypten / ſondern auch dem Benachbarten Canaan / da Joſeph / der große Schatz-Meiſter / wackere Korn - Schaͤtze im Lande eingeſamlet hatte? Es iſt ausgemacht / daßGen. 41, 49. viel und unzehlbare Menſchen haͤtten crepiren / ja in der 7. Jaͤhrigen Theuerung gar Hunger ſterben muͤſſen / wenn nicht die Boͤden waͤren voll Korn-Schaͤtze geweſen. Wer weiß / ob derTem -19in dem unſchaͤtzbaren Reiche der Gnaden. Tempel-Bau zu Salomonis Zeiten haͤtte koͤnnen ſo bald und ſo gluͤcklich von ſtatten gehen / wenn nicht der wohlbedaͤchti - ge Koͤnig David einen ſo großen Schatz von Gold / Silber und Ertz geſamlet und hinter ſich gelaſſen haͤtte? Es wuͤrde die - ſe Stunde noch manch Geſtiffte / manch Legatum, manch All - moſen und Liebes-Opffer zuruͤcke bleiben / wenn die guͤtigen Wohlthaͤter in guten Zeiten nicht waͤren auff Schaͤtze und der - ſelben Samlung bedacht geweſen. Die guten Weiſen aus Morgen-Lande wuͤrden mit leeren Haͤnden haben erſcheinen muͤſſen / wann ſie nicht haͤtten koͤnnen die Schaͤtze auffthun /Matt. 2, 11. und zum Eingebinde das Kind JESUM beſchencken / wel - che Wohlthat noch immer und zum ewigen Andencken an den Weiſen geruͤhmet wird. Jnsgemein wird der Haushalter gar vor einen klugen Mann gehalten / der aus ſeinem SchatzMatt. 13, 52. weiß Altes und Neues hervorzubringen. Keine groͤſſere Freu - de koͤnnen die Eltern ihren Kindern / als leiblichen Erben / in und nach dem Tode erwecken / als wann ſie bey Eroͤffnung des Teſtaments / und derer verſiegelten Kiſten und Kaſten / immer einen guten reichen Schatz nach dem andern / von alten Schrot und Korn antreffen / wie werden ſodann die Wohlſeligen / als kluge und fuͤrſichtige liebe Eltern / ſo hoch gelobet und geruͤh - met in ihrem Tode / da werden ſchoͤne Epitaphia, Leichen-Stei - ne / und andere Ehren-Gedaͤchtniß auffgerichtet / welches ſon - ſten alles auſſenbleibt / wo in Eroͤffnung und Entſiegelung nichts denn leere Neſter und Schubkaſten gefunden werden. Aber dieſen allen ungeacht / ob die Schaͤtze gleich noch ſo herr - lich / noch ſo noͤthig / nuͤtzlich und dienlich ſind / verſpricht doch / und verbeuth der groſſe Schatz-Meiſter / JESUS / Schaͤtze zu ſamlen / aber doch hat Er
3. Seine unverwerfflichen Urſachen hierzu / wenn Er wohl - bedaͤchtig ſagt: Jhr ſollt euch nicht Schaͤtze ſamlen NB. auff Erden / da die Motten und Roſt freſſen / und da dieC 2Die -20Der Groß-Schatz-Meiſter JEſus /Diebe nachgraben und ſtehlen. Sind dieſe Wort des Sal - vatoris, comparativè, in gewiſſer Vergleichung und Gegen - haltung anderer noch weit beſſerer / noͤthiger und nuͤtzlicher Schaͤtze anzunehmen / ſo iſt die Sache gantz leicht / und ſchon ausgemacht / denn auff ſolche Arth wolte der Heyland ſagen: Jhr meine glaͤubigen Reichs-Genoſſen ſolt euch mehr umb die him̃liſchen / als umb die irrdiſchen Schaͤtze bekuͤmmern / jene vor dieſe ſamlen / und alſo am erſten nach dem Reich GOttes trachten und nach ſeiner Gerechtigkeit / mit Verſicherung / daß euch ſodann die irrdiſchen Schaͤtze / ſo viel ihr derſelben beduͤrff -Matt. 6, 33. tig ſeyd / auch gut und ſeelig ſeyn moͤgten / von ſich ſelbſt und gleichſam im Schlaffe zufallen werden. Solten aber dieſe Worte nach dem Buchſtaͤblichen Verſtande erklaͤret werden / ſo doͤrffte der Heyland wohl auff eine ſolche Samlung derer irrdiſchen Schaͤtze ſehen / ſo aus einem ſchaͤndlichen Mißtrau - en und Zweiffel auff Goͤttliche Vorſorge / ja gar aus einem Heydniſchen Unglauben und verdam̃lichen Geitz geſchehe / wor - bey alle Chriſtliche Liebe und Erbarmung des Naͤchſten aus den Augen und Hertze gelaſſen wuͤrde. Ein ſolch Schatz ſam - len verbeut Chriſtus / nicht eben in ſolchen Abſehen / als ob ſei - ne Juͤnger allbereit dazumahl ſolchen Dingen waͤren ergeben geweſen / ſondern hiermit bey Zeiten vorzukommen / daß ſie / und andere wiedergebohrne Kinder GOttes / nicht auff ſolche Thorheit gerathen / noch ſich derſelben ergeben ſolten. Er ge - braucht aber / als ein kluger Redner / in ſeiner Disſvaſoria ei - nen und den andern ſonderlichen Griff / den leidigen Geitz und Bauch-Sorge aus dem Hertzen zu reiſſen. Erſtlichen will Er ſo viel ſagen: Schaͤtze auff Erden ſamlen / iſt euch eine un - anſtaͤndige Sache / ihr ſeyd nicht Kinder der Erden / aus Er - den wohl gemacht / auff Erden lebt ihr auch wohl / moͤgt auch von den Schaͤtzen der Erden eſſen / trincken / euch bekleiden / und ſonſt auffandere zulaͤßliche Arth und Weiſe die Erden-Schaͤtzege -21in dem unſchaͤtzbaren Reiche der Gnaden. gebrauchen / aber aus Mißtrauen zu mir und meinem him̃ - liſchen Vater / als ob wir fuͤr euch nicht ſorgten in dieſen und andern Dingen / wie auch aus einem unerſaͤttlichen〈…〉〈…〉 itz / ſolt ihr ſolche Schaͤtze nicht ſamlen / denn ihr ſeyd wiedergebohrne Kinder auff Erden / die nicht ſo irrdiſch geſinnet ſind / noch trachten nach dem / was hiernieden auff Erden / denen der Bauch gar nicht ihr Gott iſt / auch nicht dem ſo gar gemeinen Haus-Gott Mammon dienen.
Vors andere urgirt und dringt Chriſtus auff das Verboth: Jhr ſolt nicht ſamlen / denn die Worte μὴ ϑησαυρίζετε ὑμῖν, fuͤh - ren das ausdruͤckliche Verboth im Munde / und in der Feder; Was nun der Koͤnig in ſeinem Reiche ſeinen Reichs-Genoſſen und Unterthanen verbeut / daruͤber will er auch ſteiff und veſt gehalten wiſſen / geſchichts nicht / ſo wirds dem Verbrecher zur ſtraffbaren Suͤnde zugerechnet.
Drittens will er gleichſam ſagen: Es iſt euch ein uͤberaus muͤheſames Weſen / mit Kummer und Sorgen / und denn auch mit Schimpff und Schanden / ja gar mit Leib - und Seelen - Gefahr verbunden. Mein! muß der Bergmann nicht mit großen Sorgen / Muͤh und Fleiß in die Schachten einfahren / und mit Leib und Lebens-Gefahr in denen Bergwercken he - rum kriechen / wann er die Materialen zum Schaͤtzen will her - vor bringen? Muß der Kauff - und Handels-Mann nicht Tag und Nacht ſorgen / und gar biß an die euſerſten Grentzen der Welt ſich wagen / wann er die Schaͤtze will einfuͤhren / daß ſie von denen Liebhabern nach und nach koͤnnen eingetragen wer - den? Schartt der Geitzige nicht Tag und Nacht in Kopffe / beiſt er ſich nicht vor Sorge die Naͤgel ſo offt von Fingern ab / wenn er drauff umgeht / daß er hie und dort Schaͤtze will ein - legen. Warum woltet ihr Glaͤubigen euch ſolche Unruhe / Sorgen und Gefahr uͤber euern Halßladen? Ja / was das groͤſte iſt / der Heyland will vierdtens weiſen / wie es gar einC 3miß -22Der Groß-Schatz-Meiſter JEſus /mißliches und beſorgliches Thun ſey um die Schaͤtze und de - roſelben Samlung. Denn wann nun die Schaͤtze mit vor - gedachten großen Sorgen / und Kummer / auch großer Gefaͤhr - ligkeit ſind eingeſamlet / und zu Loche gebracht worden / ſo lie - gen und ſtehen ſie in ihren Gazophylaciis gar nicht ſicher / ſondern ſind ſo gar vielerleyer Gefahr / ſonderlich der Verwe - ſung / und der Dieberey unterworffen. Motten und Roſt ſind boͤſe Fund-Graͤber / die finden ſich gar bald zum Schaͤ - tzen / und verderben ſelbige / ja die Schaͤtze zeugen dieſe unar - tigen Kinder an und auß ſich ſelbſt / hegen ſie in ihrem Buſen / und werden von ihnen endlichen gar verzehrt und gefreſſen / Motten und Schaben ſind die gramhafftigen Geraͤth-Freſ - ſer / wo ſich dieſe einqvartiren / ſchaben und nagen ſie ſo lange / biß aus den ſchoͤnſten und koſtbarſten Kleidern und andern Ge - raͤthe Staub und Lumpen werden. Roſt iſt der nagende Me - tall / Stahl und Eiſen-Freſſer / und unverſchaͤmte Geld-ver - ſchlucker / der ſo lange mit ſeinen roth-gelbichten Zaͤhnen um ſich friſt / biß die koſtbaren Schaͤtze auffgefreſſen ſind / wann ihm anders ungehinderte Zeit und Gelegenheit darzu gelaſ - ſen wird. Die verzweiffelten Diebe ſind wohl die groͤſten und aͤrgſten Schatz-Feinde / ſie ſtehlen / morden / und gehen mit denen Schaͤtzen auff und darvon / ſie graben in die Erde / wo ſie muthmaſſen / daß ein Schatz daſelbſt moͤgte verborgen liegen / ſie brechen mit ihren Brech-Stangen und andern die - biſchen und moͤrderiſchen Iuſtrumenten durch dicke Mauern / Schloͤſſer / Thuͤren und Gitter / ſie zerbrechen und zerſchlagen Kiſten und Kaſten / nehmen und ſtehlen was ſie nur von Schaͤ - tzen mit ſich fort bringen koͤnnen. Roſt und Motten / ſagt Dannhauer, ſind des Mammons Hoff-Geſinde / Waͤchter und Trabanten. Die groͤſten Diebe ſind bey groſſen Herren / in Staͤdten und auch in den Gemeinen / die leeren Korn-Boͤden und den Beutel den großen Herꝛen wacker aus / ſie ziehen Stadt -und23in dem unſchaͤtzbaren Reiche der Gnaden. und gemeine Gelder an ſich / wenns zur Reviſion koͤmmt / thun ſie Rechnung / daß Suͤnde und Schande iſt. Jm Hauß - Stande ſind ungetreu und diebiſch Geſinde / Sch[rei]ber / Knech - te / Maͤgde / Diener / ꝛc. Roſt / Motten / Diebe / Korn-Wuͤrmer / Ratten und Maͤuſe / die Herren und Frauen gar bald von de - nen eingeſamleten Schaͤtzen helffen koͤnnen. Bey ſo geſtalten Sachen kanns nicht anders ſeyn / der Heyland muß ſolch und dergleichen Einſamlen der Schatze verbieten / und noch immer - fort ſagen: Jhr ſolt euch nicht Schaͤtze ſamlen anff Er - den / da ſie die Motten und der Roſt freſſen / und da die Diebe nachgraben / und ſtehlen.
L. C. Verbeuth der große Schatz-Meiſter / JE - SUS / ſolche / auff itztgedachte Arth und Weiſe / Schaͤtze zu ſamlen / ſo will Er wahrhafftig mit Fingern auff die Ver - gnuͤglichkeit und Freygebigkeit der Menſchen-Kinder insge - mein / ſonderlich aber ſeiner glaͤubigen Reichs-Genoſſen im Gnaden-Reiche / weiſen. Und das ſind eben ein paar edle Tu - genden / ſo ſich dem Geitz gewaltig widerſetzen in ihren Wer - cken. Die Vergnuͤglichkeit iſt eine ſolche Gemuͤths-Ruhe / da der Menſch mit deme zu frieden iſt / und vorlieb nimmt / was er in ſeinem Beruff / Ambt und Stand durch Goͤttlichen Seegen vor ſich bringt von irrdiſchen Schaͤtzen / ſo klein und gering als ſie etwan ſeyn koͤnnen / dienet auch / ſo viel zulaͤnglich iſt / GOtt und ſeinem Naͤchſten damit willig und gern. Solche Tugend iſt an ihr ſelber ſchon ein groſſer Schatz / wie etwan dorten Paulus bezeuget / wann er ſpricht: Es iſt ein groſſer Gewinn / wer gottſelig iſt / und laͤſſet ihm genuͤgen. Denn wir haben nichts in die Welt gebracht / darumb offenbahr iſt / wir wer - den auch nichts hinaus bringen / wenn wir aber Nahrung und Kleider haben / ſo laſſet uns begnuͤgen / denn die da reich wer - den wollen / fallen in Verſuchung und Stricke / und viel thoͤ - richter und ſchaͤdlicher Luͤſte / welche verſencken die Menſchenins24Der Groß-Schatz-Meiſter JEſus /1. Tim 6. v. 6.ins Verderben und Verdam̃niß / denn Geitz iſt eine Wurtzel alles Ubels / welches hat etliche geluͤſtet / und ſind vom Glau - ben irre gegangen / und machen ihnen ſelbſt viel Schmertzen. Der ſo genannte leidige Geitz iſt ein rechter lebendiger Roſt / der ſein eigen Gebeine frißt / er iſt die ſchaͤdliche Motte / die garſtige Schabe / ſo immerdar an ſich ſelber nagt / und nicht auffhoͤrt / biß ſie ſich ſelber verzehrt; der Haus-Dieb / ſo ſich ſelber be - ſtiehlt / umb das gute Gewiſſen / und endlich gar umb das Le - ben und Seeligkeit bringet. Aber die Freygebigkeit iſt des ſo reich-geſegneten Schatz-Meiſters willige und guͤtige Ausgebe - rin / die in dem geben ſo gluͤcklich wird / daß / ie mehr Schaͤtze ſie ausgiebt / ie mehr ſamlet ſie ein / denn das weiß die milde Frey - gebigkeit wohl / daß Allmoſen und Wohlthaten / wie ſie heiſſen moͤgen / alles ſolche gewiſſe Capitalien ſind / die ſolche gewiſſe und reich-geſegnete Zinſen tragen / daß ſie auch oͤffters gar das Capital uͤberſteigen. Deſſen verſichert uns Salomo / der wey - land auch ein großer Schatz-Meiſter in Jſrael geweſen / wannProv. 19, 17. er ſagt: Wer ſich des Armen erbarmet / der leihet dem HErrn / der wird ihm wieder Guts vergelten. Das approbiret auch dorten der kluge Heyde Martialis, wenn er ſchreibet: Qvas de - deris, ſolus ſemper habebis opes, was du weggiebeſt / denen Duͤrfftigen / das haſt du zum Capital, das dir jaͤhrige Zinſe traͤgt. Oder wie Rabbirius von ſich ſelber ſagt: Hoc habeo, qvodqve dedi, was ich armen Leuten gegeben habe / das ha - be ich noch. Die reichen Zinſen von denen Allmoſen-Geldern hube dort reichlich ein der Griechiſche Kaͤyſer Tiberius II. als welcher mit ſeiner Freygebigkeit die Kaͤyſerlichen Schaͤtze der - geſtalt erſchoͤpfft / daß auch ſeine Gemahlin Sophia mehrmals zu ihm ſagte: Der Kaͤyſer wuͤrde geben / daß er endlichen an ſeiner eigenen Tafel wuͤrde anfangen Noth zu leyden. Allein was geſchicht? Als er einſtens in ſeinem Zimmer auff - und nieder gieng / wurde er gewahr auff dem Boden eines / mit ei -nem25in dem unſchaͤtzbaren Reiche der Gnaden. nem Creutz gezeichneten Steins / ſolchen ließ er gleich auffhe - ben / aus einer ſonderbaren Andacht / das Creutz nicht mit Fuͤſ - ſen treten zu laſſen; So bald der Stein gehoben / liegt noch ein anderer mit eben der gleichen gezeichneten Creutz; Da auch die - ſer nicht dorffte liegen bleiben / fande der Keyſer unter demſel - ben einen ſolchen reichen Schatz vergraben / der ſich uͤber eine Million Crohnen belauffen. Da wurden auch zu der Zeit die Worte Chriſti erfuͤllet: Gebet / ſo wird euch gegeben! Wohl -Luc. 6, 38. an / weiſet Chriſtus mit ſeinem Goͤttlichen Finger auff die Ver - gnuͤgligkeit und milde Guͤtigkeit / ô ſo ſehen in Warheit die Schatz-begierigen und unvergnuͤglichen Welt-Kinder ſo gar wenig auff Chriſti Finger / ſondern ſind leider dem Geitz biß auff den letzten Grad ergeben. Wollen etliche ſolchen Nahmen nicht fuͤhren / und thun etwas geſcheuter / ſo ſoll ihr geitziges Schatz-ſamlen nur eine noͤthige Vorſorge vor ihre Weiber und Kinder / vor ſeines Standes und Ehren-Ambtes Unterhal - tung / heiſſen. Sonderlich ſind die lieben Alten in dem garſti - gen Geſchrey / bringen ſich mit der Warheit ins Geſchrey / daß ſie dem Geitze ergeben ſind / und deſto thoͤrichter handeln ſie vor denen Jungen. Es iſt die Warheit! demjenigen Wan - ders-Mann haͤlt mans vor uͤbel / der noch einen kurtzen Weg vor ſich hat / und belegt ſich mit ſo vielen und großen Provi - ant, nicht anders / als ob er noch einmahl ſo weit / und wohl noch weiter zu gehen haͤtte / da er doch ſchon gantz nahe an der Stadt iſt / dahin er gewolt. Alte Leute / die es allbereit auff etliche 60. 70. oder gar 80. Jahr gebracht / haben wohl ziemlich den Lauff vollbracht / und faſt nahe das Ziel erreicht; wie abgeſchmackt koͤmmts doch rauß / wenn ſolche alte Leute in ihren hohen alten Jahren ſo gar aͤngſtiglich thun / und ſich um irrdiſche Schaͤtze bekuͤmmern / da ſie gantz andere Gedan - cken haben ſolten? Was die Freygebigkeit dererjenigen an - langt / ſo reiche Schaͤtze entweder ſelbſt auff allerhand ArthDund26Der Groß-Schatz-Meiſter JEſus /und Weiſe eingeſamlet / oder anders woher / ohne ihre Muͤhe und Arbeit / geerbt und erlangt haben / ſo ſind bey denen meiſten die Haͤnde zugleich mit den Schaͤtzen eingeſammlet / verſchloſſen / und angebunden / daß ſie nicht geben / da ſie doch wohl geben ſolten / und mit denen geſchloſſenen Haͤnden ſchluͤſ - ſen ſie eben auch das Hertze fuͤr dem duͤrfftigen Naͤchſten zu / und ziehen damit ein ſchweres Urtheil uͤber ſich / da es heiſt;Jac. 2, 13. Es wird ein unbarmhertzig Gericht uͤber den ergehen / der nicht Barmhertzigkeit gethan hat.
Adhor. Ey nun wohlan / ihr Beſitzer der irrdiſchen Schaͤtze / ſitzet immer hin auff euren Schaͤtzen / aber doch ſo / daß ihr eure Hertzen nicht daran haͤnget / auch die Haͤnde frey behaltet / daß ihr nach Erheiſch der Liebe und Nothdurfft euern Naͤchſten darvon koͤnnet und moͤget Gutes thun / gebt immer in GOt - tes Nahmen / gebt / weil ihr habt zu geben / und auch nochGal. 6, 9. 10. Zeit iſt zu geben / werdet auch nicht muͤde im Geben und Gu - tes thun / denn zu ſeiner Zeit werdet ihr auch erndten. Gebet /Luc. 6, 38. vermahnet der Heyland gar nachdruͤcklich / ſo wird euch gege - ben / ein voll gedruͤckt / geruͤttelt und uͤberfluͤßiges Maaß wird man in eure Schooß meſſen. Wohlzuthun und mitzuthei -Ebr. 13, 16. len vergeſſet nicht / denn ſolche Opffer gefallen GOTT wohl. Und ſo viel etwan von dem Verboth / Schaͤtze auff Erden ein - zuſamlen. Wir gehen in unſerer Andacht weiter / und be - trachten
Samlet euch Schaͤtze im Himmel / da ſie weder Motten noch Roſt freſſen / und da die Diebe nicht nachgrabenVerba Tex - tus. noch ſtehlen; Denn wo euer Schatz iſt / da iſt[au]ch euer Hertz.
Bey ſothaner Einſamlung der Schaͤtze ſehen wir
(1.) Auff das Objectum, was eigentlich das vor Schaͤtze ſeyn / die im Himmel ſollen geſamlet werden? Gleichwie kurtz vor dieſen Worten in dem ſo genannten Vater-unſer / durch den Vater im Himmel der himmliſche Vater / und beym Jo - hanne die Drey / ſo da zeugen im Himmel / drey himmli - ſche Zeugen / Vater / Wort / und Geiſt / verſtanden werden;1. Joh. 5, 7. Alſo ſind hier Schaͤtze im Himmel / nichts anders / als him̃ - liſche Schaͤtze / welche ſo viel weniger / nach der unzehlbaren Men - ge / und unſchaͤtzbaren Wuͤrde alle koͤnnen benennet / einge - theilet / und beſchrieben werden / als etwan dorten Joſeph dieGen. 41, 49. reichen Getreyde-Schaͤtze in Egypten / und Salomo das uͤber - haͤuffte Gold und Silber / und ander Ertzt / das zu Jeruſalem2. Chron. 1. v. 15. in Schatz-Kammern wie Steine uͤbern Hauffen lage / zeh - len konten. Himmliſche Schaͤtze werden ſie genennet
(α) Wegen des himmliſchen Urſprungs / indem ſelbigen der groſſe Schatz-Meiſter / JESUS / mit ſich vom Himmel gebracht. Er ſelber iſt der große Himmels-Schatz / in wel -Coloſſ. 2, 3. chem verborgen liegen alle Schaͤtze der Weisheit und Erkaͤnt - niß GOttes / welchen der him̃liſche Vater der Welt geſchencket. Mit ſich hat er gebracht aus des Vaters Schooß den von An - fang der Welt verborgenen Schatz / die heimliche Weißheit / das Wort des Evangelii / welches dort der Apoſtel Paulus einenRom. 14, 16. Schatz nennet; ſchaffet / daß euer Schatz nicht verlaͤſtert wer - de. Die beyden hochheiligen Sacramenta / was ſind ſie anders / als him̃liſche Schaͤtze / oder noch mehr Schatz-Kammern / mit ſo vielen him̃liſchen Guͤtern und Seegen angefuͤllet? Was iſtD 2des28Der Groß-Schatz-Meiſter JEſus /des him̃liſchen Vaters Liebe / Gunſt / Gnade und Barmhertzig - keit / des Sohnes ſo theuer-erworbene Gerechtigkeit / Heyl / Le - ben und Seeligkeit; des Heiligen Geiſtes Troſt / Friede / Freude / Vergebung der Suͤnden / Glaube / Liebe / Hoffnung / mit ſo vie - len andern him̃liſchen Tugend-Fruͤchten und Gnaden-Gaben / wohl anders / als lebendige Himmels-Schaͤtze / ſo im Wort und Sacramenten allen Menſchen angebothen / und unter denen Reichs-Genoſſen im Gnaden-Reiche ausgetheilt werden? Da dann der geſchenckte Glaube mit aller Freudigkeit getroſt zu - greifft / die Schaͤtze einſamlet / heilig und heer auffhebt / und taͤglich umb Erhaltung und Vermehrung derſelben zu GOtt andaͤchtig ſeuffzet / und mit dem Propheten bittet: Jndeß ent -Jer. 15, 16. halt uns dein Wort / wenn wirs kriegen / und daſſelbe dein Wort iſt unſers Hertzens Freude und Wonne. Himmliſche Schaͤtze werden ſie genennet
(β) Wegen der Schatz-Graͤber und Samler / das ſind gar nicht Kinder der Welt / ſo die Welt mit ihren Schaͤtzen lieb gewinnen / ſind ſie gleich in der Welt / ſo ſind ſie doch nicht von der Welt / ſondern ſie ſind Frembdlinge in der Welt / dererPhil. 3, 20. Wandel im Himmel iſt / himmliſch geſinnte Creaturen / was ſie ſuchen in der Welt / was ſie einſamlen / muß alles zum we - nigſten himmliſcher Natur und Eigenſchafft ſeyn / oder der Endzweck iſt bey ihnen in allen Dingen auff den Himmel gerichtet. Sie ſammlen ſich dann und wann auch einen irr - diſchen Schatz auff Erden / aber der Gebrauch iſt himmliſch / ſie gehen darmit um / als ob ſie es nicht beſaͤſſen / ſie halten die irrdiſchen Guͤter / ſo zu ſagen / nicht vor Schaͤtze / ſondern vor ſolche dienſtbare Mittel / die ihnen in dieſem Leben muͤſſen auffwarten / und ſich zu ihren und des Naͤchſten Nutz muͤſ - ſen gebrauchen laſſen. Endlichen werden ſie auch himmliſche Schaͤtze genennet
(γ) Wegen des Behaltnuͤſſes / wo ſie auffgehaben werden /das29in dem unſchaͤtzbaren Reiche der Gnaden. das iſt der Himmel / daſelbſt werden alle gute Wercke des Glaubens und der Liebe genau in dem Gedaͤchtniß-Buche Got - tes auffgeſchrieben / und als Schaͤtze verwahret. Derer Glaͤu - bigen Chriſtlich gefuͤhrter Lebens-Wandel auff Erden / iſt ein großer πο〈…〉〈…〉 σμὸς, ein rechter Schatz; der frommen Kinder Ge -1. Tim. 6, 6. horſam gegen die Eltern iſt ein edler Schatz / wer ſeinen Vater ehret / des Suͤnde wird GOTT nicht ſtraffen / und wer ſeineSir. 3, 8. Mutter ehret / der ſamlet einen guten Schatz. Umb Chriſti willen Schmach / Spott / Verachtung / auch Verluſt aller irrdi - ſchen Schaͤtze und Guͤter leyden / und mit Gedult ertragen / iſt ein groſſer Schatz im Himmel. Moſes erwehlte zu ſeiner Zeit viel lieber mit dem Volcke GOttes Ungemach zu leiden / denn die zeitlichen Ergoͤtzungen der Suͤnden zu haben / und achtetEbr. 2, 25. 26. die Schmach Chriſti fuͤr groͤſſer Reichthum / denn die Schaͤtze Egypti / denn er ſahe an die Belohnung. Gutes thun / dem Duͤrfftigen mittheilen / und Allmoſen geben aus guten einfaͤl - tigen mitleidenden Hertzen / iſt ein Schatz / der im Himmel auf - gehoben wird / in Anſehung deſſen auch der theure Heyland ge - beut: Verkaufft / was ihr habt / und gebt Allmoſen / machtLuc. 12, 33. euch Seckel / die nicht veralten / einen Schatz / der nimmer ab - nimmt im Himmel. Hilff dein Armen / ſpricht Syrach / umbSyr. 29, 12, ſeqq. des Geboths willen / und laß ihn in der Noth nicht leer von dir / verleure gern dein Geld umb deines Bruders und Naͤchſten willen / und vergrabs nicht unter einen Stein / da es doch um - kommt / ſamle dir einen Schatz nach dem Geboth des Allerhoͤch - ſten / der wird dir beſſer ſeyn / denn kein Gold. Alle dieſe und dergleichen heilige Wercke des Glaubens und der Liebe ſteigenAct. 10, 4. hinauff in das Gedaͤchtniß vor GOtt. Und wenn der Menſch ſtirbt / ſo bleiben die Schaͤtze nicht auff Erden / ſondern ſie fol -Apoc. 14, 13. gen ihm nach / darauff wird eine herrliche Belohnung erfolgen / ſeyd nur froͤlich und getroſt / es wird euch im Himmel alles wohlMatt. 8, 12. belohnet werden.
D[3]Wei -30Der Groß-Schatz-Meiſter JEſus /Weiter ſehen wir bey der Einſamlung der Himmliſchen Schaͤtze
(2) Auff das Adjunctum, oder auff die Beſchaffenheit der himmliſchen Schaͤtze / davon zeugt Chriſtus: daß ſie we - der Motten / noch Roſt freſſen / und die Diebe nicht nach - graben / noch ſtehlen koͤnnen. Sie ſind bey ſo geſtallten Sa - chen (α) incorruptibel, unverweßlich / ſie koͤnnen weder von in - nen noch von auſſen verweſen. Jnnerlich haben ſie kein ſolch Weſen / das etwan bey ſich ſelbſt Motten und Wuͤrmer heck -Hiob 17, 14. te. Dieſe Schaͤtze doͤrffen die Verweſung nicht Vater nen - nen / noch die Wuͤrmer Mutter und Schweſter heiſſen. Von auſſen koͤnnen die Motten und Roſt nicht darzu kommen / ob ſie gleich gerne wolten. Dieſe Schaͤtze veralten nicht von der Laͤnge der Zeit / auch nicht von dem oͤfftern Gebrauch / wie etwan ein Kleid / wenns noch ſo herrlich waͤre / mit der Zeit alt wird / ſich abtraͤgt / und endlich zu einem Lumpen wird; Dieſe Schaͤtze verfaulen und verruͤcken auch nicht von der Stelle / wie mehrmahls den vergrabenen Schaͤtzen wieder faͤh - ret / wann ſie uͤber der Zeit verſcharrt liegen bleiben. Sie ſind
(β) Inamiſſibel, ſie koͤnnen nicht verthan / verlohren / nochChron. Freib. pag. 166. geſtohlen / noch durch Ungluͤcks-Faͤlle entzogen werden. Marg - Graff Heinrich von Meiſſen / ſoll aus den Freybergiſchen und Scharffenbergiſchen Bergwercken ſo viel Silber-Schaͤtze ge - hoben haben / daß er mit baaren Gelde haͤtte das Koͤnigreich Boͤhmen kauffen und bezahlen koͤnnen! Aber wo ſind die Schaͤ - tze blieben? Alles verthan / mit der Zeit iſt alles drauff gan - gen / daß davon wohl nicht ein Heller mag mehr uͤbrig ſeyn. Wo ſind die 6480. Tonnen Goldes? wo die ſieben hundert1. Chr. 23, 14. cap. 30, 14. tauſendmahl tauſend / zwey und ſechzig tauſendmahl tauſend / ſiebenhundert tauſend und 50. Thaler / ſo David an baaren Sil - ber ſeinem Sohn Salomo hinterlaſſen? Wo iſt der unſchatz -bare31in dem unſchaͤtzbaren Reiche der Gnaden. bare Rubin / einer Spannen lang und eines Manns-ArmsMarc. Po - lus l. 3. c. 19. dicke / ſo wie Feuer geflammt / und in des Koͤniges zu Zeila Schatz-Kammer / als ein Wunder der Welt auff gehoben wor - den? Wo iſt des groſſen Chams / Koͤniges in Oſt-Jndien / ſo herrlicher Baum / welchen er an ſtatt der Eſte / Zweyge / undPertoldus de Divit. O - rient, p. 7. Blaͤtter mit den ſchoͤnſten runden Perlen und Edelſteinen Trau - ben-weiſe / und ſo haͤufig behaͤngen laſſen / daß / wer ihn geſehen / nicht unbillig zweiffeln muͤſſen / ob ſo viel koͤſtliche Perlen und E - delgeſteine in gantz Europa zu finden ſeyn moͤchten? Von dieſen uñ andern dergleichen alten Schaͤtzen iſt nichts mehr vorhanden / nichts mehr mag hievon uͤbrig ſeyn / als der Buchſtabe / der davon zeuget. Die himmliſchen Schaͤtze koͤnnen nicht geſtoh - len werden / wie leyder denen irrdiſchen Schaͤtzen mehrmals wiederfaͤhrt. So ergiengs dort dem Rampſinito bey dem He -Herod. l. 2. rodoto, dem ein Diebiſcher Maͤurer ſeinen Schatz immer nach und nach beſtahl / durch Vermittelung eines verborgenen Steins / der in der Mauer der Schatz-Kammer ſo zugerich - tet war / daß er konte aus - und eingenommen werden / dadurch der Dieb ſich konte holen / ſo viel als er wolte. Die himmliſchen Schaͤtze koͤnnen nicht durch Ungluͤcks-Faͤlle entzogen werden / nicht durch Brandt / oder Waſſer-Fluth / nicht durch oͤffentliche Gewalt und Pluͤnderung / wie dort Joas / der Koͤnig Jſrael / den Tempel zu Jeruſalem und des Koͤnigs Amaziæ Schatz-Kam -2. Reg. 14, 14 ſeqq. mer ſpolirte, da er alles Gold und Silber und Geraͤthe weg - nahm / das funden ward im Hauſe des HErrn / und im Schatz des Koͤniges Hauſe. Dergleichen Nebucadnezar / der Koͤnig Antiochus, und andere noch mehr gethan haben. Dionyſius,Valer. Max. l. 1. c. 2. Koͤnig zu Syracuſa, raubte zu ſeiner Zeit mit Gewalt aus den Tempeln und heiligen Oertern die heiligen und theuren Tiſche / von Gold und Silber gegoſſen / er zog den Goͤtzen-Bildern ihre Roͤcke / Maͤntel / Kronen / Ketten / Halsbande / Ringe / und an - ders / damit ſie Goͤttlich gezieret und angekleidet waren / ab / undſpot -32Der Groß-Schatz-Meiſter JEſus /ſpottete der Leute / und fragte ſie: Warumb habt ihr ſolche Zierd und Geſchmeide / die die Goͤtter euch taͤglich vorgereicht / und geben wollen / nicht lange von ihnen angenommen? Wiſ - ſet ihr nicht / wenn euch die Goͤtter mit Gold und Silber wol - len verehren / daß ihr eure Haͤnde ausſtrecken und zugreiffen ſolt? Nun auff ſolche und dergleichen Arth geht immer ein Schatz nach dem andern dahin; bloß allein die himmliſchen Schaͤtze behalten den Preiß / daß ſie unverweßlich / unvergaͤng - lich / und ungeſtohlen bleiben / ſie ſind vor allen Feinden / vor al - ler Gefahr ſicher und frey. O edle Schaͤtze / ô unſchaͤtzbare Schaͤ - tze / ô Schaͤtze der Seeligkeit! ſolche Schaͤtze ſoll man ſamlen / nach ſolchen Schaͤtzen ſoll man trachten / daß man ſie moͤge erlangen. Endlich ſehen wir auch bey Einſamlung der him̃ - liſchen Schaͤtze.
(3.) Auff das Argument oder Haupt-Urſache / warum zum Theil die irrdiſchen Schaͤtze nicht ſollen geſamlet / die himm - liſchen dargegen beſt-moͤglichſt eingeſamlet werden. Die Haubt - Urſache beſteht in den Beſchluß-Worten: Denn wo euer Schatz iſt / da iſt auch euer Hertz. Es hatte der Heyland zwar wohl ſchon ziemlich die Urſachen angefuͤhrt / warum man nicht Schaͤtze auff Erden ſamlen ſolle? weiln ſie nemlich ſo gar vergaͤnglich und unbeſtaͤndig waͤren / auch zugleich mit beygefuͤgt die Urſache / warum man Schaͤtze im Himmel ſolte ſamlen / weiln ſie unvergaͤnglich / und immer beſtaͤndig waͤren. Allein dieſe Urſachen ſtecken in den Schaͤtzen ſelber; Jtzo fuͤh - ret der Heyland die Haupt-Urſache auſſer den Schaͤtzen an / die in des Menſchen Hertze beſtehet; Wo euer Schatz iſt / da iſt euer Hertz. Die Worte geben bey denen Ebraͤern ein Sprichwort ab. Die Worte verdienens / daß wir ſie ge - nauer betrachten: Wo euer Schatz iſt / da iſt euer Hertz. Wo euer Schatz iſt / heiſt ſo viel / als: Wo dasjenige iſt / was euch lieb und angenehm iſt. Lieb und angenehm iſt alle dasjeni -33in dem unſchaͤtzbaren Reiche der Gnaden. jenige / woraus der Menſch einen Nutzen / eine Freude / einen Troſt / eine Ehre / Luſt und Vergnuͤgen ſchoͤpffen kan. Die Lie - be ſiehet nicht bloß allein bey den Schaͤtzen auff Gold / Silber / Schmuck / und andern in die Augen fallenden koſtbaren Vor - rath / ſondern auch auff alle das / worauff viel gehalten / und das in der Welt hoch æſtimiret wird / als da ſind: hohe Ehre / groſſes Gluͤck / hoher Stand / Herren Gunſt / Gewalt / Kunſt / Wiſſenſchafft / hohe Gelehrſamkeit und dergleichen / ſolche Din - ge haͤlt die Welt vor groſſe Schaͤtze; wo nun ein ſolcher Schatz iſt / da iſt auch das Hertz. Unter dem Wort Hertz / wird ver - ſtanden das Tichten und Trachten / das Sinnen und Geden - cken / das Begehren und Verlangen nach ſolchen Dingen / die Freude / Luſt und Wonne an derſelben Beſitzung / Gebrauch und Genuß / der Fleiß und die Muͤhe / ſolche Schaͤtze zu erlan - gen / die Furcht und Sorge / daß man ſolche Dinge nicht verlie - re / noch drumb komme / wie auch der Kummer / und der Un - wille / wenn man ſolche Schaͤtze nicht erlangen kan / oder wenn man ſie muß fahren laſſen. Wornach der Menſch tichtet und trachtet / wofuͤr er ſorget und arbeitet / daran er ſeine Freude und Luſt ſiehet / da iſt auch das Hertze / daran haͤngt das Her - ze / und verknuͤpfft ſich / und machts gleichſam zu ſeinem Him - mel. Jn dem gemeinen Sprichwort: Wo euer Schatz iſt / da iſt auch euer Hertz / will der Heyland ſowohl den gefaͤhr - lichen Zuſtand derer / die irrdiſche Schaͤtze / als auch den ſeeligen Zuſtand derer / die himmliſche Schaͤtze ſamlen / andeuten; ja mit dieſem Gnome will Er die Samlung der irrdiſchen Schaͤ - tze / auff oben angefuͤhrte Arth / ausreden / und dargegen die Samlung der himmliſchen Schaͤtze tieff in das Hertze einre - den. Es iſt die Warheit / einen gefaͤhrlichen Zuſtand hat es mit denen jenigen / die irrdiſche Schaͤtze ſamlen; Wir wollen nicht ſagen von denen ſogenannten Schatz-Graͤbern / die mit der Wuͤnſchel-Ruthe gehen / die alten verborgenen SchaͤtzeEauff -34Der Groß-Schatz-Meiſter JEſus /auffzuſuchen / und auszugraben / worbey der Satan mit ſeiner ſchwartzen Kunſt oͤffters das meiſte thut / und de - nen Schatz-Graͤbern mit Halß-brechen den endlichen Lohn giebt! Auch ſagen wir nicht / wie es an ihm ſelber ei - ne gefaͤhrliche Arbeit / und ſorgliche Sache ſey / Schaͤtze ſuchen / davon oben ſchon gedacht worden / ſondern das iſt un - ſere Meinung / daß diejenigen in einem gefaͤhrlichen Stande leben / ſo die Schaͤtze ſamlen und beſitzen / denn ſie haͤngen ſo gar leicht ihr Hertze an die Schaͤtze / ungeacht David immer dawieder proteſtiret: Faͤllet euch Reichthum zu / ſo haͤngetPſ. 62, 11. das Hertze nicht dran! Und Paulus ſolchen geitzigen Schatz - Samlern ein boͤſe Prognoſticon ſtellt / daß ſie bey ihren Schatz - ſamlen / oder bey der Begierde / reich zu werden / in Verſuchung1. Tim. 6, 7. und Stricke / und thoͤrichte und ſchaͤdliche Luͤſte fallen wuͤrden / dadurch ſie gar leicht koͤnten ins Verdammnuͤß und Verder - ben verſencket werden. Jn Warheit / die Schaͤtze haben eine rechte magnetiſche Krafft / daß ſie ſonder Muͤhe die Hertzen der Beſitzer an ſich ziehen / und wann ſie ſelbige einmahl haben / ſo leicht nicht von ſich laſſen. Die Beſitzer haben ihr großes Vertrauen auff ihre Schaͤtze / im Fall der Noth verlaſſen ſie ſich gewaltig drauff / und wollen ſich darmit retten! So machtens die reichen / und hoffaͤrtigen Moabiter / ſie verlieſſen ſich auff ihre Veſtungen und Gebaͤue / und auff ihre Schaͤtze / und mit ſolchen ſchaͤndlichen Schatz-Vertrauen brachten ſie ſichJer. 48, 7. um alle ihre Schaͤtze / und wurden gewonnen / wie ſolches der Prophet Jeremias bezeuget. Wenns Hertze einmahl ſich hat an den Schatz gehengt / ſo bleibts kleben / wie Hartz und Pech / und ehe ſichs laͤſſet loß reiſſen / ſo muß offters gar Haut und Haare kleben bleiben. Ein Ehr - und Ruhm-ſuͤchtiger / der Ruhm vor ſeinen Schatz haͤlt / kan nicht anders / denn immer - dar nach hohen Ruhm aus Ehr-Geitz trachten / er wagts drauff hin / klettert immer hoͤher hinauff / biß daß er ſich ſo ver -ſteigt /35in dem unſchaͤtzbaren Reiche der Gnaden. ſteigt / daß er endlichen mit Haman am Galgen haͤngen bleibt. Eſth. 7, 10.Ein Geld-Geitziger / der Reichthum vor ſeinen Schatz erkennt / kan nicht anders / denn immer dar in unerſaͤtlicher Begierde nach Geld und Guthe trachten / denn ſein Hertze hengt d[r]an / und ſolte er gleich druͤber verderben / wie an dem unerſaͤttlichen Na -1. Sam. 25, 34. bal zu erſehen. Ein Epicurer, der Schwelgen / Freſſen und Sauffen und darbey andere Uppigkeiten liebet / ſucht nichts an - ders / als daß er alle Tage herrlich und in Freuden lebt / findet auch ſchon Bruͤder gnug / die es wacker mitte machen / laſſen ſich in ſolchem Wohl-Leben Moſen und die Propheten gar nichtLuc. 16, 23. anfechten / ſtehen auch darvon nicht ab / biß entweder das bit - tre Armuth / oder gar im Tode das Verdam̃nuͤß darauff er - folget. Ein Unzuͤchtiger / der die Venus vor den allerliebſten Schatz haͤlt / der begiebt ſich zu dem geilen Huren-Balge / ver - ſchwendet das gantze Patrimonium, daß es endlichen in ein ſolch Lamy ausbricht / daß er entweder mit den Saͤuen begehrt Traͤber zu freſſen / oder kriegt Motten und Wuͤrmer zu Lohn /Luc. 15, 16. und verdorrt / andern zu einem mercklichen Exempel / wie Sy - rach denen Huren-Hengſten vorauß geſagt. Wer nun ſolcheSyr. 19, 8[.] Schaͤtze ihm auserſieht / um den ſtehets ſehr mißlich / und hoͤchſt gefaͤhrlich / denn wo ſolcher und dergleichen Schatz iſt / da iſt auch des Menſchen Hertz. Jn dem Leben des Ferdinan - di Ulysſipoenſis (welcher / weil er zu Padua den Ordens-Ha - bit angenommen / hernach Antonius de Padua genennet wor - den /) wird erzehlet / daß / als er einem geitzigen Wucherer die Leichen-Predigt halten ſollen / habe er ſolche mit dieſen Wor -vid. M. Joh. Sam. Ada - mi Delic. Evangel. Part. 3. p. 812. ten angefangen: Mortuus eſt hic Dives, & ſepultus in in - ferno, ite ad theſaurum, & invenietis cor ejus in illius me - dio: Der reiche Mann iſt geſtorben / und liegt in der Hoͤlle begraben / gehet hin zu ſeinem verlaſſenen Schatz / da werdet ihr deſſen Hertz in der Mitten finden. Und als darauff ſeine El - tern und Anverwandten zu ſeinem Geld-Kaſten gegangen / undE 2ihn36Der Groß-Schatz-Meiſter JEſus /ihn auffgeſchloſſen / haben ſie uͤber dem Gelde ſein Hertz oben auff / noch gantz warm blutend liegen gefunden. Nun mag das wohl eine gute Paͤbſtiſche Legende ſeyn / gleichwohl aber iſt das gewiß / daß viel Menſchen-Kinder ihr Hertz beym Geld - Kaſten haben / und alſo iſt dieſes freylich ein uͤberaus gefaͤhr - licher Zuſtand / Schaͤtze ſamlen auff Erden / weil das Hertze von GOtt und goͤttlichen Dingen abgezogen wird / und an den irr - diſchen Schaͤtzen haͤngen bleibt. Aber ſo ein gefaͤhrlicher Zu - ſtand als es iſt bey denen / die Schaͤtze ſamlen auff Erden / ô ſo einen ſeligen / ſo einen gewuͤnſchten Zuſtand hats mit denen / die Schaͤtze ſamlen im Himmel. Ein ſolcher Menſch erhebt im - mer ſein Hertze von der Erden gen Himmel / und ob er gleich dem Leibe nach auff Erden wallet / ſo iſt er doch mit ſeinen Sin - nen und Gedancken des Hertzens in lauter himmliſchen We - ſen / ſein πρῶτοι iſt nach dem Reich GOttes und nach ſeiner Ge - rechtigkeit / das uͤbrige laͤſſet er ihme zufallen. Wer Chri - ſtum vor ſeinen Schatz haͤlt / ſo / daß er ihn uͤber alles liebet /Cant. 5, 2. fuͤrchtet und ehret / der iſt mit ſeinem Hertze immer bey ihm / und wenn er ſchon ſchlaͤfft / ſo wacht doch ſein Hertze. WerPſ. 119, 72. GOttes Wort mit David lieber hat / denn viel tauſend Stuͤ - cke Gold und Silber / deſſen Hertz iſt immer auffs Wort ge - richtet / er wanckt und weicht nicht vom Buchſtaben / er ſuchtJoh. 5, 39. Pſ. 1, 2. Jac. 1, 21. und forſcht fleißig nach / daß er das ewige Leben drinnen finde / Er redet Tag und Nacht von dem Geſetz des HErrn / er weiß wohl / daß es kan die Seele ſeelig machen. Wer die heiligen Sacramerta vor him̃liſche Schaͤtze haͤlt / der haͤngt mit ſeinem Hertzen an denſelben / er haͤlt ſteiff und veſt uͤber dem Gnaden - Bund / in der Tauffe geſchloſſen / und wo er durch einige Ver - anleitung des Satans / der Welt / und ſeines ſelbſt-eigenen Flei - ſches Bund-bruͤchig worden / ſo kehrt er gleich durch wahre Buße zuruͤck / und laͤſſet ſich in der erſten Gnade beſtaͤtigen / und wiederumb erneuern durch Vermittelung des Leibes undBlu -37in dem unſchaͤtzbaren Reiche der Gnaden. Blutes JEſu Chriſti im Abendmahl. Wer die wahre Gott - ſeligkeit mit Paulo vor ſeinen Gewinn erkennt / der uͤbergiebt ſein gantzes Leben zu einem gottſeligen Weſen / Singen / Be - then / GOtt loben und dancken / ſind ſeine alltaͤgliche Wercke / es iſt ihm die hoͤchſte Freude / wenn er ſich ſoll zu GOtt halten /Pſ. 73. 28. das iſt das einmahl eins / das er taͤglich wuͤnſcht und bittet / daß er in dem Hauſe des HErrn bleiben moͤgte ſein Lebelang /Pſ. 27, 4. zu ſchauen die ſchoͤnen GOttes-Dienſte / und ſeinen Tempel zu beſuchen; er freuet ſich / ſo zu ſagen / die gantze Woche auff den lieben Sonntag / denn das iſt ihm geredt / daß er ſoll in dasPſ. 122, 1. Haus des HErrn gehen. Wer ſein Fleiſch und Blut ſo weit bereden kan / daß er CHriſti Spott und Schmach vor einen Schatz anſieht und annim̃t / der vertraͤgt von Hertzen alles / er laͤſt uͤber und wider ſich fluchen / und dargegen ſegnet er. Wer Allmoſen-geben / und ſonſt Gutes thun / vor ſein gewiſſes Ca - pital haͤlt / der giebt von Hertzen weg / was er nur geben kan / und leihets GOtt dem HErrn auff Wucher aus. Er iſt gleich einem Ankaͤuffer / der nach und nach den Haus-Rath voraus ſchickt / biß daß er ſelber nachkoͤmmt / und die neue Wohnung bezieht / der milde Geber weiß ſchone / daß er ſein Buͤrger-Recht droben im Himmel habe / daß die bleibende Staͤtte von ſeinem Heylande ihm ſchon beſtellt ſey / alſo ſchickt er ſeine Schaͤtze al - le voran / daß ſie ihm als eine Beylage bewahret werden. Und ſo viel auch in geliebter Kuͤrtze von dem Geboth / Schaͤtze im Himmel zu ſamlen.
Wollen wir allhier ein Bild und Exempel einer ſo lieb -Applica - tio. wertheſten Perſon wiſſen und haben / ſo ihr Hertze an die himm - liſchen Schaͤtze gehengt / und ſich in Einſamlung derſelben ei - verig bewieſen / ſo machen wir uns hierinnen gantz kein Gewiſ - ſen / ſondern ſagen und ſchreiben frey / daß es vor vielen andern die wohlſeelige Frau Eſther Wentzelin ſey. Dieſe große Liebhaberin JESU / ſamlete ſich immer einen theuren SchatzE 3nach38Der Groß-Schatz-Meiſter JEſus /nach dem andern im Himmel bey ihrem JESU ein. Zwar ſo viel muͤſſen wir hier auch bekennen / daß es der Wohlſeeli - gen an irrdiſchen Schaͤtzen eben nicht iemahls habe erman - gelt / der fromme GOtt / als ein guͤtiger Geber / gab Jhr im - mer einen feinen Schatz nach dem andern; Anderer voritzo zu geſchweigen / Jhr lieber Ehe-Herr war Jhr theurer Schatz / ein vertrauter Ehe-Schatz / ein Schatz / an welchem Sie ſich 40. Jahr geletzt / und ergetzt / ein Schatz / unter allen leiblichen der groͤſte und vornehmſte / von dem Sie nicht waͤre gewichen / wann Sie nicht von dem großen Seelen-Schatz waͤre von hin - nen geruffen worden. Jhre vornehme drey liebe Herren Soͤhne / waren Jhre liebreiche Schaͤtze / Schaͤtze / ſo ſie unter ihren muͤtterlichen Hertzen getragen / und zu jederzeit aus rech - ten guten muͤtterlichen Hertzen hoch geliebet hat. Jn ihrer GOtt-gelaſſenen ſchoͤnen Andacht / auff dem Sterbe-Bette / wuſte Sie die liebwertheſten Schaͤtze mehrmahls mit und bey den erwehlten Tauff-Nahmen gar beweglichen zu ruffen / gab darbey jedem die Buchſtaͤbliche ſchoͤne Deutung / da es hieß: Mein Abraham / ein Vater vieler Voͤlcker; Mein Emanuel / GOTT mit uns; Mein Samuel / von GOTT erbethen ꝛc. Jn Warheit / das wiſſen und verſtehen wir nicht / was die zu GOtt entzuͤckte Seele damahls bey ſothaner oͤffterer Benen - nung mag vor heilige Gedancken gehabt / und herrliche muͤt - terliche Segen in ihren Geiſt uͤber gedachte Herren Soͤhne aus - gedruͤcket haben / denn das doͤrffen wir wohl ſagen / daß die von der Welt ſchon meiſt abgeſonderte Seelen / vor ihren Ausgan - ge aus der ſterblichen Huͤtte des Leibes / ſolche uͤber-menſchliche Reden oͤffters von ſich hoͤren laſſen / die großen Nachdruck hin - ter ſich laſſen / und billig ein tieffes Nachdencken von denen Hin - terlaſſenen erfordern. Wenn dort Vater Jacob bald ſeineGen. 49. Fuͤſſe will auff dem Bette zuſammen thun / und ſeine 12. lie - hen Soͤhne vor ſich hat / da redet er noch zu guter letzt Wor -te /39in dem unſchaͤtzbaren Reiche der Gnaden. te / die lauter Geheimnuͤſſe und Wahrſagungen in ſich ſchluͤſ - ſen. Wann auch dort die Mutter Lamuels ihren MundEccl. 31, 1, 2. auffthut / und den vornehmen lieben Sohn immer bey ſei - nem Nahmen Lamuel ruffet / ſo giebt ſie ihm ſolche[Le]hre / und Wuͤnſche / die nicht ohne Verwunderung koͤnnen geleſen wer - den. Alſo iſts auch kein Zweiffel / die oͤfftere Benennung de - rer Nahmen bey der wohlſeeligen Frau / ſind wohl nichts an - ders / als lauter gute muͤtterliche Wuͤnſche und zuruͤck gelaſ - ſene Seegen geweſen. Und das mag auch unſer wohlgemein - ter Bey-Wunſch ſeyn / daß die hochwertheſten Nahmen nach ih - ren ſchoͤnen Bedeutungen bey jedem uͤberall in der That moͤ - gen uͤber einkom̃en / daß es auch heiſſen moͤge: Conveniunt rebus nomina ſæpe ſuis; Nomen & Omen habet, Nahmen und That treffen offters miteinander uͤber ein. Uber dieſe liebreichen Ehe-Schaͤtze / warff Jhr der fromme GOtt dann und wann auch einen gar feinen Schatz von irrdiſchen Seegen in ihrer Nahrung und Haußhaltung zu / welche Sie / als eine verſtaͤn - dige und wohlerfahrne Hauß-Mutter / ſo wuſte zufuͤhren / daß die verdruͤßliche Hauß-Laſt den lieben Ehe-Herrn gar nicht druͤcken dorffte. Denn das thun die wohlbedaͤchtigen und klu - gen Prieſter-Wirthin / daß ſie das unruhige Hauß-Weſen meiſt auff ihre Schultern nehmen / und ſo klug wiſſen zu fuͤhren / daß die beyfallenden Verdruͤßlichkeiten und Haus-Schaͤden die lieben Maͤnner ſo genau nicht doͤrffen erfahren / als welche oh - ne dem in ihrem ſchweren Gewiſſens-Ambte mehr malige groſ - ſe Verdruͤßlichkeiten / der geiſtlichen Arbeit ungerechnet / er - dulden muͤſſen. Da nun die lieben Prieſter-Weiber in die heiligen Ambts-Verrichtungen weniger als nichts zu ſprechen haben / thun ſie allerdings ein loͤblich Werck / wann ſie die bey - gefuͤgte Haushaltungen ſo beſt ellen / wie unſere wohlſelige Frau Pfarrin ruͤhmlich gethan hat / darbey Sie auch der lie - be GOTT ſo gluͤcklich machte / daß Sie immer einen gutenHaus -40Der Groß-Schatz-Meiſter JEſus /Haus-Seegen nach dem andern an groſſen und kleinen Vieh haben und genuͤſſen konte. Solche und dergleichen Haus - und Nahrungs-Schaͤtze ſamlete Sie auch gar vernuͤnfftig ein / wuſte ſelbige auch zur Unterhaltung der Wirthſchafft / zu beſſerer Verſorgung der Jhrigen / und dann auch vornemli - chen dem lieben Armuth zu heiligen Dienſt anzulegen wormit Sie ſich auch einen guten Schatz im Himmel wuſte einzuſam - len; Denn bey allen irrdiſchen Schaͤtzen war Jhre vornehm - ſte Abſicht auff die himmliſche Beylage gerichtet. Die leibli - chen Schaͤtze und Nahrungs-Guͤter trug Sie ja wohl in Haͤn - den / legte ſie auch darzu an / wie es die Noth erforderte / aber Jhr Hertz hieng bloß allein an den himmliſchen Schaͤtzen / kei - ne Klette konte am Kleide / kein zeher Leim konte ſo veſte kle - ben in der Fuge / als Jhr Hertz an den himmliſchen Schaͤtzen hieng. Und das hat Sie nicht umſonſt gethan / der groſſe Schatz-Meiſter / JESUS / hat Sie nunmehro / der Seelen nach / zu ſich in die himmliſche Schatz Kammer auff - und an - genommen / da zeigt Er Jhr nicht ſo bloßhin die himmliſchen Schaͤtze zum bloſſen Anſchauen / wie etwan ein Kunſt-Kaͤm - merer auff der Kunſt-Kammer dieſen und jenen herum fuͤh - ret / und die daſelbſt befindlichen Raritaͤten und Kunſt-Schaͤtze zu bloſſen Anſehen weiſet / ſondern Er uͤbergiebt Jhr die bey - gelegten Schaͤtze zum voͤlligen Genuß und Beſitz. Es mag ja wohl eine groſſe Freude ſeyn / wann ein Erb-Printz in die Fuͤrſtlichen Guͤter eingeſetzt / und die vornehmſten Schaͤtze ihm uͤbergeben werden / eigenthuͤmlichen zu beſitzen. Aber das Bißgen Freude wird im geringſten nicht zureichen an die un - ausſprechliche Freude / ſo itzo die wohlſelige Frau Pfarrin der Seelen nach genuͤſſet / da Sie ſich mitten unter denen himm -Pſ. 16, 11. liſchen Schaͤtzen befindet / da / da iſt Freude die Fuͤlle / und lieb - lich Weſen zur Rechten GOttes ewiglich. Da / da wird ſichJoh. 16, 22. Jhr Hertz freuen / und Jhre Freude wird niemand koͤnnenvon41in dem unſchaͤtzbaren Reiche der Gnaden. von Jhr nehmen; Eya waͤren wir da! eya waͤren wir da! A - ber daß wir auch dermaleinſt dahin gelangen koͤnnen / wohlan / fromme Seelen / das ſoll unſere erſte und letzte Lehre und Ver - mahnung hierbey ſeyn / daß wir / nach dem treuen Rath Chriſti / uñ nach dem uns gelaſſenen Exempel der wohlſel. Frau Pfarrin / nicht irrdiſche Schaͤtze auff irrdiſche Arth und Weiſe ſamlen / in ſolchen Abſehen / daß wir gedencken darmit groß zu werden in der Welt / mit den Schaͤtzen unſere Wolluͤſte vergnuͤgen / in Zehlung derſelben unſere Augen weiden / oder gar wollen in die Erde beyſetzen / denen unterirdiſchen Geiſtern dermahleinſt zum Beſitz / oder gar zur verdammlichen Verfuͤhrung denen / ſo nachgraben moͤgten; ſondern wenn wir ja was von irrdiſchen Guͤtern eine Zeitlang einſamlen / daß wir ſelbiges ja nicht laſ - ſen als ein todes Capital liegen / ſondern zu gebuͤhrender Zeit angreiffen / und vernuͤnfftig anlegen / wann GOttes Ehre / und deſſen heiliger Dienſt / unſere eigene / und derer lieben Unſ - rigen / wie auch des Naͤchſten Wohlfarth dadurch kan befoͤr - dert und geholffen werden. Bey ſolcher Bezeugung haben wir ſodann ein fein ruhiges Gewiſſen / ein freudiges Hertze / und einen immerdar reich-ſegnenden GOtt / der aus ſeinem un - erſchoͤpfflichen Qvell goͤttlicher Fuͤlle immer einen guten Schatz nach dem andern giebet / uns zu genuͤſſen. Ja wir haben auch die zuverlaͤßliche Verheiſſung aus Goͤttlichen Wort / daß / wenn wir werden uns um die himmliſchen Schaͤtze bemuͤhen / und nach dem Reiche GOttes und ſeiner Gerechtigkeit trach - ten / ſollen wir auch ſelbige dermahleins im Himmel-Reich finden / hier in dem Gnaden-Reich ſollen wir aus dem Kirchen - Schatz in der Suͤnden-Noth Vergebung der Suͤnden / in der Todes-Noth Troſt und Rettung wieder den ewigen Todt / und endlichen nach dem Abdrucke dieſes Lebens / das ewige Freuden-volle Leben / und alle himmliſche Schaͤtze der See - ligkeit erlangen. Jn Erwegung ſolcher himmliſchen SchaͤtzeFuͤber -42Der Groß-Schatz-Meiſter JEſus / ꝛc. uͤberlaſſe ich der Welt gar gerne ihre Schaͤtze / und ſinge und ſa - ge frey:
Seuffze auch ferner zum Beſchluß nach dem himmliſchen Schatz:
FRau Eſther Wentzelin / Pfarrin zu Maxen / iſt an das Licht dieſer Welt ge - bohren Anno Chriſti 1644. den 8. Aprilis. Jhr Herr Vater iſt geweſen (Tit.) Herr Gregorius Fiſcher / damahls Ambt-Schoͤſſer zum Lauenſtein / und Gerichts-Verwalter zum Baͤrn - ſtein; Die Frau Mutter aber / Frau Maria / (Tit.) Herrn Ambroſii Maͤnnichens / geweſenen Pfarrers allhier zu Maxen / ehel. Tochter / beyde ſchon vorlaͤngſt ſeelig. Solche ihre lieben Eltern haben ſie alsbald zur Heil. Tauffe befoͤrdert / allda ſie in Chriſti JESU Reich gelanget / und mit dem Nahmen Eſther ins Buch des Lebens einverleibet worden. Nach dieſem ha - ben ſelbige ſie Chriſtlich erzogen / von Kindes-Beinen an im Catechiſmo unterrichtet / auch hernach unter der Hand Herrn David Koͤhlers / damahligen SS. Theol. Stud. nachmahls Pfarrern zu Haynitz / im Leſen und Schreiben / gruͤndlicher Erlernung ihres Chriſten - thums / wie auch in andern dem Weibes-Volcke wohl - anſtehenden Sachen / unterrichten laſſen. Worauff ſie denn zur wuͤrdigen Genieſſung des Heil. Abendmahls im 12. Jahr ihres Alters / von gedachten lieben Eltern angefuͤhret worden: damit Sie auch / in der GnadeF 2Got -44Lebens-Lauff. GOttes / durch die Erloͤſung ihres Heylandes JEſu / und Einwohnung des Heil. Geiſtes ſich immerdar zu ſtaͤrcken / biß an Jhr ſeeliges Ende fleißig fortgefahren. Hiernechſt iſt Sie von der weiland Wohl-Edlen Frau - en von Baͤrnſtein / bey Dero Hoch-Adlichen Ehe-Herrn ihr Herr Vater / wie gedacht / in Gerichts-Halter - Dienſten geſtanden / ſonderlich geliebet worden / die deñ von erwehnten Eltern begehret / ihnen dieſe ihre Toch - ter zu uͤberlaſſen / welche ſie ferner in aller Gottſeelig - keit zu erziehen / und ſonſt zu Chriſtlichen Tugenden anzuhalten verſprochen / ſo auch hoͤchſt-ruͤhmlich ge - ſchehen / und die Seelige biß an ihr Ende es offt er - wehnet hat. Nachdem Sie aber Anno Chriſti 1660. nach ſeeligen Abſterben hochgedachten Herrns von Baͤrnſtein / und anderwaͤrtigen Verehligung deſſen hinterlaſſener Frau Wittwen / Sie ſich wieder nacher Hauſe begeben / hat es GOTT der HERR gefuͤget / daß Herr Abraham Wentzel / damahls wohlver - ordneter Treufleißiger Pfarr zum Geißing / als wel - cher bey Jhrem Herrn Vater ſel. zuvor in die dritte - halb Jahr derer andern und juͤngern Geſchwiſter In - formator geweſen / Sie Chriſt-ehrlich zu ſeiner Ehe - Wirthin geſuchet und verlanget / da denn gedachte ihre Eltern / nebenſt der Tochter / ſolches bey ſich wohl erwogen / durch andaͤchtig Gebet die Sache GOtt dem HErrn vorgetragen / mit andern Chriſtlichen Leu -ten45Lebens-Lauff. ten ſelbe reifflich uͤberleget / und nach verſtandener Zeit das Ja-Wort von ſich gegeben / alſo / daß das Verloͤbnis Anno Chriſti 1661 den 11. Febr. oͤffentlich und ſolenniter gehalten worden in Beyſeyn derer Be - freundten / Chriſt-Adl. und anderer ehrlichen Perſo - nen / welches denn gedachten Jahres im Monat Ju - lio, den 9. ejusdem, zum Lauenſtein / ebenmaͤßig in Beyſeyn Chriſt-Adl. und anderer gottſeligen Perſoh - nen / durch Prieſterliche Ehe-Trauung vollzogen wor - den; von welcher Zeit an Sie mit einander im Ehe - Stande gelebet haben 40. Jahr / weniger 1. Monat und 5. Tage; auch durch Goͤttlichen Seegen mit ein - ander gezeuget vier Soͤhne / als 1. Abraham / der nach erlangter heiligen Tauffe in der Gottes-Furcht erzogen / zum Studiren gehalten / und nachdem Er in die fuͤnfftehalb Jahr dem Studio Juridico obgelegen / in militariſche Dienſte durch GOttes Fuͤgung kom - men / und itzo als Capitain-Lieutenant unter Seiner Koͤniglichen Maͤjeſtaͤt in Pohlen Leib-Curasſirer - Regiment ſtehet / und durch wunderliche Goͤttliche Schickung neulich anher gekommen / alſo / daß die liebe Mutter ihn noch geſehen / und Er derſelben Be - graͤbniß beywohnet. 2. David / ſo getaufft / und her - nach in ſeiner Kindheit verſtorben. 3. Emanuel / und 4. Samuel / deren die Seelige nach empfange -F 3ner46Lebens-Lauff. ner heiligen Tauffe ſorgfaͤltig gepfleget / und ſie in al - ler Gottſeeligkeit aufferzogen / die ebenfalls auch ih - re Studia ſowohl auff Schulen / als der Univerſitaͤt Leipzig abſolviret / welche Sie im Predigen offt gehoͤ - ret / auch geſehen / wie der juͤngſte / Samuel / nur neu - lich zwiſchen Oſtern und Pfingſten zu Wittenberg die Magiſter-Wuͤrde ruͤhmlich erlanget hat; vor welche Gnade GOTT dem HERRN Sie hertzlich gedan - cket / und gebetet / daß Er dieſelben ferner mit Gnade und Seegen kroͤnen / in Gefahr ſchuͤtzen / daraus kraͤfftiglich erretten / Sie mit guten Befoͤrderungen erfreuen / Jhre Verrichtungen gebenedeyen / und al - ſo mit zeitlicher und ewiger Wohlfarth beſeeligen wolle.
Wie ſie ihrem lieben Ehemann treulich und fleißig beygeſtanden / die Haußhaltungs-Laſt ſo wohl in Gei - ſing / als auch ſonderlich hier / meiſt getragen / und ihm ein fein ruhig Leben gemacht / ſein Ambt deſto ſorg - faͤltiger zu verwalten / davon waͤre zu ihrem Nach - Ruhm mit Beſtand der Warheit / viel zu ſagen: Jn - gleichen / wie Sie mit ihren Befreunden / Orts - und Ambts-Nachbarn in Friede und Liebe gelebet / Zorn und Zanck hertzlich gemeidet / den Armen nach Ver - moͤgen gerne Guts gethan / auch ſolches denen lieben Jhrigen zu thun fleißig befohlen / davon mag die Sa - che an ſich ſelbſt zeugen: Darein Sie aber durchausnichts47Lebens-Lauff. nichts geſetzet / ſondern ihre Untuͤchtigkeit in bußfer - tiger Demuth iederzeit erkennet / und ihre Gerechtig - keit allein in GOttes Barmhertzigkeit / und dem hoch - theuren Verdienſt ihres Heylandes JESU CHRI - STI / als ihres einigen und ewigen Seelen-Scha - tzes / wohin Sie in ihrem Leichen-Spruch gezielet / be - ſtaͤndig geſuchet hat / und dieſes in wahrem Glauben / den GOtt der heilige Geiſt / durch das andaͤchtig gehoͤ - rete und fleißig geleſene Wort GOttes / wie auch off - tern demuͤthigen Gebrauch des heiligen Abendmahls / in ihr heilſamlich gewuͤrcket; wie denn dieſes letzte - re noch gar kurtz vor ihrem ſeeligen Ende / nemlich den Freytag vor dem Feſt der heiligen Dreyfaltigkeit / in hieſiger Kirchen von ihr / nebſt ihrem Ehe-Herrn / ge - ſchehen.
Letzlich / was ihre Kranckheit und ſeeligen Abſchied aus dieſer Welt belanget / ſo hat Goͤttl. Majeſtaͤt al - lergnaͤdigſt gefallen / Sie / als ein liebes Kind / im - mer unter der Zucht-Ruthe zu halten / maſſen ſolches / als Sie das erſtemal in die Wochen gekommen / ſich alſobald gefunden / auch hernach in folgenden Zeiten nie auſſengeblieben / daraus aber Goͤttl. Guͤte immer nach ſeiner groſſen Barmhertzigkeit wieder geholffen / daß Sie das Jhrige wohl verrichten koͤnnen / biß end - lich am abgewichenen Feſte der Heil. Hochgelobten Dreyfaltigkeit / Sie in hieſiger Kirchen mit Schwach -heit48Lebens-Lauff. heit von GOtt uͤberfaͤllet worden / da Sie noch vor der Predigt unter dem Singen angefangen zu weinen / nieder zu knien / und zu reden / iedoch nichts uͤbels noch ungebuͤhrliches / daher ſie von ihrem lieben Ehemann und Nachbarn heraus gefuͤhret / und darauff nacher Hauſe gebracht worden / allwo nachgehends die Be - ſchwerung ſowol des Leibes / als des Gemuͤths / zu - genommen / doch / daß Sie im feſten Vertrauen an dem Drey-Einigen GOtt / und ſonderlich ihrem Hey - lande JESU / gantz beſtaͤndig blieben / und der Frau Schul-Wittwen allhier / mit welcher Sie jederzeit in rechter Liebe und Freundſchafft gelebet / geſaget / daß Sie innerhalb 14. Tagen ſterben wuͤrde. Ob nun wohl / nebenſt dem lieben Gebet zu GOTT / ſo wohl zu Hau - ſe / als in der Kirchen / Tit. Herr D. Jacobaͤer / vorneh - mer Medicus in Pirna / nachdem Er perſoͤhnlich hier geweſen / allerhand gute und koͤſtliche Medicamenta bey ihr angewendet / ſo haben doch ſelbige nichts fruch - ten ſollen / ſondern Goͤttl. Guͤte hat es zum ſeel. En - de gefuͤget / worzu Sie ſich auch mit fleißigen Beten geſchicket / und ſonderlich unablaͤßlich / wohl an die 50. mahl / nach hart ausgeſtandenen Kaͤmpffen / welches Sie zum oͤfftern einen groſſen Proceß genennet / diß Gebeth andaͤchtig geſprochen:
Fuͤrnemlich aber hat Sie den HERRN JESUM ſehr offt genennt / den liebſten Advocaten ihrer See - len / an welchem Sie durch die Regung des Heil. Gei - ſtes in Jhrem letzten Todes-Kampffe beſtaͤndig blie - ben / und endlich angefangen laut zu beten: HERR JEſus / dir leb ich / dir ſterb ich / dein bin ich ꝛc. welches denn von denen Beyſtehenden vollend hin - aus gebetet worden: todt und lebendig; nebſt noch etlichen andern Gebeten / worunter man noch etliche Hertzens-Stoͤſſe an Jhr gemercket / darauff Sie denn gar ſanfft und ſeelig eingeſchlaffen / nachdem Sie ihr gantzes Alter gebracht hat auff 57. Jahr / 1. Monat / 3. Wochen und 6. Tage. GOtt der HErr ver - leihe derſelben in der Erden eine ſanff - te Ruhe! ꝛc.
WEnn vor dieſes mahl / der Wohlſeeligen Frau Pfarrin / als der weyland Wohl-Erbaren / viel Ehr - und Tugend-belobten Frauen E - ſther / des Wohl-Ehrwuͤrdigen / Groß-Acht - baren und Wohlgelahrten Herrn Abraham Wentzels / bey hieſiger GOtt-geheiligten Gemeinde Treu - und wohlverdienten Pfarrers und Seelen-Sorgers / hertzlich geliebten und nunmehro ſeeligen Ehe-Schatze / an dero letz - ten Ehren-Tage die letzte Danck-Rede zu halten / und dadurch den Schluß derer Chriſtlichen Exeqvien zu machen / von mir be - gehret worden: ſo haͤtte ich zwar wollen wuͤnſchen / daß ein anderer / der um die Seelige oͤffter im Leben geweſen / und deme Jhr ruͤhmlicher Tugend-Wandel genauer bekannt ſeyn mag / ſolte herfuͤr treten / und mit beredter Zunge noch zu gu - ter letzt ihre Laudes und Tugenden / andern zur Nachfolge / ge - buͤhrend anpreiſen: Allein / weil der Hoch - und Hertz-betruͤbte Herr Wittber / mein in Chriſto hertzlich geliebter und geehr - ter Herr Ambts-Vater und Gevatter / in Seinem deswe - gen an mich abgelaſſenen Schreiben / es vor eine goͤttliche Schi - ckung (wie ſeine Worte lauteten) hielte / daß die letzten zween Tage vor der ſeeligen FRAUEN Ende ich gegenwaͤrtig den betruͤbten Zuſtand mit angeſehen; einmahl / da ich aus Chriſt - licher Liebes-Schuldigkeit (dieweil die Wohlſeelige auch vor weniger Zeit an mir und denen Meinigen einen ſonderbahren Dienſt Chriſtlicher Liebe erwieſen hatte /) Sie und die Jhri -gen51Abdanckungs-Rede. gen mitleidend beſuchte; folgenden Tages aber / dem lieben Mann in ſeinem heiligen Ambte einen Dienſt zu erweiſen / wie - derum zugegen war / und den ſchmertzlichen Zuſtand genau mit anſahe / auch / ſo viel GOtt Gnade gab / mit Gebeth und Troſt beyſtunde / und in dieſer Betrachtung alſo zu jetziger Ver - richtung erſehen bin worden: So werde ich auch nichts an - ders voritzo reden koͤnnen / als daß ich als ein warhafftiger Zeu - ge aufftrete / und der allhier noch in Andacht verſammleten Gemeine glaubwuͤrdig bezeuge / wie ich die Seelige / die letzten Tage vor ihrem Abſchiede / habe angetroffen. Es kan dieſes ſo - wohl der ſeelig-verſtorbenen zu gebuͤhrenden Nachruhm / als auch uns Lebenden / um derer willen meiſtens alle Ceremo - nien bey Leichen-Begaͤngniſſen geſchehen / zu erbaulicher Nach - richt / wenn in dergleichen Zuſtand auch wir gerathen moͤch - ten / dienen / wie wir uns Chriſtlich drinne bezeugen ſollen: Jnſonders aber wuͤntſche / daß es auch denen ſchmertzlich-Be - truͤbten allerſeits zu noͤthigen Troſt gedeyen moͤge. Jch ſage es aber kuͤrtzlich und gruͤndlich: Jch ſahe die Wohlſeelige Frau Pfarrin als eine tapffere und gute Kaͤmpfferin JEſu Chriſti / die ihren[Glaubens] - Kampff gar ritterlich kaͤmpff - te; Wie etwan der Heilige Heyden-Lehrer und Apoſtel Pau - lus ſeinen frommen Timotheum darzu ermahnete: Du Got - tes-Menſch / jage nach der Gerechtigkeit / der Gottſelig -1. Tim. 6. 11. keit / dem Glauben / der Liebe / der Gedult / der Sanfft - muth; Kaͤmpffe den guten Kampff des Glaubens / er - greiffe das ewige Leben. Man hat eine ſolche kaͤmpffen - de Seele unter dieſem Sinnbilde vorgeſtellet: Ein Menſch hat auff ſeinem Haupt einen beſtrahlten Helm / in der rechten Hand ein Schwerdt / und in der lincken einen Schild mit Blute ei - nes Lammes bemahlet / darauff dieſe Worte ſtehen:
Aſpectum Sangvinis horrent.
G 2Sie52Abdanckungs-Rede.Verſtehe die vielen Loͤwen / die auff den glaͤubigen Strei - ter hinzu gelauffen kommen. Die Bedeutung kan man leichtEph. 6, 16. 17. machen / man findet ſie in des Apoſtels Pauli Schrifften / daß nehmlich der Helm ſey die Hoffnung / die uns im Kampff er - halten muß; Die Strahlen drauff ſind die Gaben des Heil. Geiſtes / womit er uns zum Kampff ausruͤſtet! Das Schwerd iſt das Wort GOttes; und der Schild bedeut den Glauben; die Loͤwen ſind nicht nur der hoͤlliſche Loͤwe; ſondern auch al - le irrdiſche Feinde / die wie Loͤwen unſere Seele erhaſchen und zureiſſen wollen; wider dieſe ſtreitet ein Chriſt mit Glauben / Gebeth / GOttes Wort / Hoffnung / und uͤberwindet durch das Blut des Lammes GOttes. Unſere Wohlſeelige Frau Pfarrin war jederzeit / und ſonderlich in ihrer letzten Kranck - heit eine ſolche Streiterin: Kam der Satan mit ſeinen giff - tigen Anfechtungs-Pfeilen an ihre Seele / ja kam GOtt ſelbſt mit ſeiner ſchweren Hand / und druͤckte ihren matten Leib / daß alle Glieder zitterten und bebeten / ſo kaͤmpffte Sie mit Gebeth und Glauben ritterlich / wie ich nebſt andern Chriſtlichen See - len deſſen Zeuge ſeyn kan. Sie war bereits ſo abgemattet und krafftloß worden / daß Sie kein einiges Wort mit mir reden konte; hat aber gleichwohl viel mit mir gebetet / ſo bald wir ein Gebeth zu GOtt anfingen; ſo gleich regeten ſich ihre Lippen und ſprachen alle Worte mit leiſer Stimme nach: Jn - ſonderheit / als ich unter andern das ſchoͤne Creutz-Troſt - und JEſus-Lied: Ach GOtt wie manches Hertzeleid / begeg - net mir zu dieſer Zeit ꝛc. anfing / habe ich mit Verwunderung gehoͤret / wie ſie es von Anfang biß zum Ende nicht nur mit heller Stimme mitgeſprochen; ſondern auch wohl uns Be - thenden darinne vorkommen iſt. Woruͤber ich mich hertzlich freuete / und bey mir gedachte / auch denen Anweſenden Be -truͤb -53Abdanckungs-Rede. truͤbten zu Troſt vorhielte / hier ſehe man ja / und koͤnne ge - wiß ſeyn / daß bey ihr ein Hertz voll Glaubens / Andacht und heiligen Geiſtes ſeyn muͤſſe / der in ihr ruffe das A〈…〉〈…〉 ba / lieber Vater / und ihrem Hertzen Zeugnis gebe / daß Sie ein Kind GOttes ſey / und der Heil. Geiſt Sie auch vertrete mit un - ausſprechlichen Seuffzen. JESUS war da in ihrem Her - zen und auff Jhrer Zunge / Jhr Advocat und Fuͤrſprecher bey1. Joh. 2, 1. dem Vater / wie ſie Jhn oͤffters nennete / der ihre Sache wider den Satan / Suͤnde und Tod ausfuͤhrete. Eine ſo tapffere und gute Streiterin war die Seelige. Tapfferkeit und Staͤr - cke iſt eine Tugend / die ſonſt von groſſen Maͤnnern pflegt ge - ruͤhmet zu werden; Weiber aber nennet der Heilige Geiſt ſchwaͤchere Werckzeuge / dieweil ſie / ob ſchon nicht durchge -1. Petr. 3, 7. hends / doch gemeiniglich an Leibes - und Gemuͤths-Kraͤfften ſchwaͤcher ſind / als die Maͤnner; iedoch ſind Weiber Tugendſa - me / wie denn dieſes ihr gemeiner Ehren-Titul iſt / ſo muͤſſen wir glaͤuben / daß die Tugend-Schweſtern in einer unzer - trenneten Geſellſchafft zuſammen halten / und ſich mit ihren Armen ſo feſt in einander ſchlieſſen / als Glieder einer Kette / und gleichwie Erbarkeit / Zucht Demuth / Mildigkeit; alſo kan auch wohl Tapfferkeit / welche in der Sitten-Lehrer Tugend - Regiſter ſonſt die erſte Tugend iſt / bey ihnen gefunden wer - den. Man lieſet ja von Helden-muͤthigen und tapffern Weibs - Perſonen in Goͤttlichen und weltlichen Schrifften zur Gnuͤge: Erwieß nicht Jael / zur Richter in Jſrael Zeit / eine Helden -Jud. 4, 21. ſq muͤthige That an dem Kriegs-Held Siſſera, und durchbohrte mit einem Nagel ſeinen Schlaff / daß Er davon in den Todes - Schlaff einſanck? Bekand iſt die Heldin Judith / wie ſie ſichJud. 10. ſq. unter ein gantzes Kriegs-Herr wagte / und den großmuͤtigen Holofernem erlegte. Wer hat die erſte Monarchie der Aſſy - rer hoͤher erhoben / als die tapffere Semiramis? ihre Heeres - Zuͤge ſtreckten ſich biß in Lybien / Arabien und Jndien; einG 3ſon -54Abdanckungs-Rede. ſonderbahres Merckmahl ihrer Tapfferkeit war dieſes unter andern / als Sie einſt vor dem Spiegel ſtund / ihre Haare zu pflegen / und nur eine Seite eingeflochten war / als man ihr die Poſt brachte / die Stadt Babel habe rebelliret / und ihres Gehorſams ſich entzogen / iſt ſie gleich alſo fortgangen / und hat die uͤbrigen Haar-Locken nicht eher eingeflochten / biß Sie mit ihrem Heer die abtruͤnnige Stadt wieder zum Gehorſam ge - bracht hatte / wie Jhr zu Ehren auch nachmahls Jhr Bild - nis in ſolcher Poſitur daſelbſt iſt verfertiget worden. Wer hat der andern Monarchie der Perſer mehr Schaden gethan / als ein Weib / nemlich die Tomyris, die auch ihren erſten und maͤchtigſten Koͤnig Cyrum ſoll umbracht haben. Denen Welt - beruͤhmten Roͤmern hat unter 30. Tyrannen in Syria keiner ſo ſcharffen Wiederſtand gethan / als die Koͤnigin der Pal - myrener / Zenobia. Zu geſchweigen der Amazonen, item der Voͤlcker in Meröe, Saba &c. die vielmahls Frauens-Perſonen zu Regenten erkohren haben / und ſo haben wir ja gnug Wei - bes-Perſonen / welche ihre Tapfferkeit und Großmuͤthigkeit gegen leibliche Feinde ruͤhmlich haben ſehen laſſen. Allein nicht geringer / wo nicht groͤſſer iſt die Tapfferkeit / die man gegen geiſtliche Feinde ſehen laͤſſet / ſo viel maͤchtiger und ge - waltiger dieſe vor jenen ſind; und dieſes kan man mit War - heit von unſrer wohlſeeligen Frau Pfarrin ſagen. Die war zwar von ſolcher Leibes-Staͤrcke nicht; aber eine andre / nehm - lich geiſtliche Staͤrcke und Krafft / fand ſich in Jhr / daher Sie unter die tapffere Kaͤmpfferinnen wohl kan gezehlet werden; Sie war ſtarck im HErrn / und in der Macht ſeiner Staͤrcke / Sie hatte nicht mit Fleiſch und Blut irrdiſcher Feinde zu kaͤmpf - fen / ſondern mit Fuͤrſten und Gewaltigen / und erwieſe gegen ſie tapffere Proben der Großmuͤthigkeit. Sie war ſchwach am Leibe / aber GOttes Krafft war in der Schwachen maͤch -Phil. 4, 13. tig. Wenn ich ſchwach bin / ſo bin ich ſtarck / ich vermag alles durchden /55Abdanckungs-Rede. den / der mich maͤchtig macht / Chriſtus / konte ſie auch ruͤhmen. Unſer Chriſtenthum iſt ja / nach des heiligen Geiſtes Ausſpruch / nichts anders / als eine ſtets-waͤhrende Ritterſchafft und[un]auff - hoͤrlicher Kampff / ſo bald wir auff dieſe Welt kommen / treten wir auff den Kampff-Platz. Jn der Heil. Tauffe ziehen wir das Prieſterliche Ordens-Kleid an / und ſchweren zu des HErrn JESU Creutz-Faͤhnlein; da entſagen wir auch dem Satan / mit allen ſeinem Weſen und Wercken / unſer Chriſten-Wap - pen iſt eine Roſe unter den Dornen / und unſer Symbolum oder Ordens-Regul: Alle / die gottſelig leben wollen in CHri - ſto JESU / muͤſſen Verfolgung leiden. Nun iſts ja unmoͤg - lich / daß dieſer abgeſagter Feind die Chriſten ſolte unangefoch - ten laſſen; Sie muͤſſen ſtets wieder ihn in Waffen liegen / und er ſtreitet wieder ſie theils in eigner Perſon / wenn er ſie an - ficht zur rechten und zur lincken Hand / bald mit lieblichen Reitzungen / bald mit Gewalt / und harten Drohungen. Er ſtifftet auch an ſeine Retiarios oder Netz-Soldaten. Die Roͤmer hatten vor dieſen ſolche Fechter / die in der rechten Hand eine Streit-Kolbe / und in der lincken ein Netz fuͤhreten; die - ſes wuſten ſie mit großer Behendigkeit dem Wiederpart uͤbers Haupt zu werffen / und ihn alſo zu verwickeln / daß ſie ihn her - nach mit der Kolbe in der andern Hand erſchlagen kunten. Mich duͤnckt / die Welt mache es eben alſo mit ihren verfuͤhri - ſchen Netzen und Stricken / damit ſie die Chriſten fahe / und hernach ins Verderben bringe. So hat ſich ein Chriſte im - mer zu wehren und zu kaͤmpffen gegen dieſe Feinde. Ja unſer eigen Fleiſch / der alte Adam / wird manchmahl zum un - treuen Uberlaͤuffer zu jenem Hauffen / und hilfft wieder uns ſtreiten / da muß gekaͤmpffet und gerungen ſeyn / auff daß Sa - tan zu ſchanden / die Welt uͤberwunden / und was noch an uns ſuͤndlich iſt / auch durchs Feuer der Truͤbſaal verzehret wer - de.
Man56Abdanckungs-Rede.Man hat in der Natur angemercket / daß die Roſen / neben welchen Knoblauch gepflantzet iſt / den beſten Geruch haben: denn der heßliche Geſtanck des Knoblauchs ſoll den guten Ge - ruch der Roſen um ein merckliches ſtaͤrcken / hingegen haben / wie man ſagt / die Roſen / welche durch Kunſt auff Stoͤcken ohne Dornen wachſen / keinen Geruch / ſondern fuͤllen nur die Augen: Alſo wiſſen wir alle / daß die Sternen bey finſtrer Nacht am beſten geſehen werden / und daß der Diamant nicht ſchoͤner als aus ſchwartz-geaͤtzten Gold ſpiele; Das findet ſich auch in unſern Chriſtenthum alſo; da riechen die Gebeths Ro - ſen nie lieblicher / als wenn ſie unter den Creutz-Dornen wach - ſen / und wo der Knoblauch der Anfechtung darneben ſtehet. Die Tugend-Stern ſcheinen am helleſten in der Finſternuͤß des Elendes / und der Glaube ſpielet am ſchoͤnſten aus dem ſchwar - tzen Truͤbſaals-Staube / wie alſo auch der Wohlſeeligen ihr Glaube und Gebeth bey ihren Anfechtungen und Truͤbſaa - len gar ſchoͤn war zuerkennen. Und darumb hat auch alles ihr von GOtt zugeſchickte Leiden muͤſſen zum beſten dienen. Jn Anfechtung nimmt uns GOtt das fleiſchliche Leben / auff daß Er in uns lebe. Arndt. Chriſtenth. L. II. c. 5. p. m. 372. Jn Anfechtung erkennet man GOTT fuͤr das beſte Guth / da wird der Glaube gereiniget / die Gedult geuͤbet / das Ge - beth und viel anders Gutes befoͤrdert: Ja GOTT ſtellet ſol - che betruͤbte Seelen andern zum Beyſpiele vor / damit Sie ihr Leben alſo fuͤhren / auf daß / wenn das boͤſe Stuͤndlein koͤmmt / ſie moͤgen Wiederſtand thun und das Feld behalten. Das wiſſen glaͤubige Chriſten wohl / und ruͤhmen ſich dahero ihrer Truͤbſaalen vielmehr / als daß ſie ſich dererſelben ſchaͤ - men ſolten / dieweil ſie wiſſen / daß Truͤbſaal Gedult bringet /Rom. 5, 3. 4. 5. Gedult aber bringet Erfahrung / Erfahrung aber bringet Hoffnung / Hoffnung aber laͤſſet nicht zuſchanden werden. Sie halten vor ihren beſten Titul / daß Sie Chriſti Creutztraͤ -ger57Abdanckungs-Redeger heiſſen / wie der gottſelige Churfuͤrſt zu Sachßen / Johann Friedrich / dieſen mercklichen Titul auff ſein Epitaphium, wie es zu Weymar geleſen wird / ließ ſchreiben: Johann[e]〈…〉〈…〉Fride - ricus DEI gratiâ, electus Martyr JESU Chriſti, Dux affli - ctorum, Princeps confeſſor fidei, Comes veritatis, Signiſer ſanctæ crucis, Anteſignanus patientiæ & conſtantiæ. i.e. Johann Friedrich von GOttes Gnaden / erwehlter Maͤr - tyrer JESU Chriſti / Hertzog der Geplagten / Fuͤrſt und Bekenner ſeines Glanbens / Graff der Wahrheit / Faͤhn - drich des heiligen Creutzes / und ein Vorfechter der Ge - dult und Beſtaͤndigkeit. Von eben dieſem Chur-Fuͤrſten meldet Manlius, daß er in waͤhrenden ſeinen hefftigen Kranck - heits-Schmertzen / auff Befragen / wie ihm zu Muthe ſey? ge - antwortet: Jch habe ein muthiges Hertz / und gutes Gewiſ - ſen; den aͤuſſerlichen Schmertzen an meinem Fleiſche will ich gerne mit Gedult ertragen / umb Chriſti willen. Denn Er wuſte / daß ſolchen treuen Kaͤmpffern gehoͤre zum Lohne die himmliſche Ehren-Crone. Wie denn der Roͤmiſche Kaͤyſer Ferdinandus II. ließ bey ſeiner Croͤnung eine Muͤntze ſchlagen /Theat. Eu - rop. P. I. p. [5]71. darauff ein Arm aus denen Wolcken eine Crone reichete / mit der Beyſchrifft:
Wer wolte aber zweiffeln / daß nicht auch unſere Wohlſeelige Frau Pfarrin / der Seelen nach / ſchon in der Crone des Lebens prange? Sie war Jhr ja auch von GOtt durch den trauen He -2. Tim. 4, 7. 8. rold / den Apoſtel Paulum / zugeſagt / dieweil ſie auch einen guten Kampff gekaͤmpffet / den Lauff vollendet / Glauben gehalten / und die Erſcheinung JEſu lieb hatte. Der himmliſche Ehren - Koͤnig und HErr uͤber alle Laͤnder des Erdbodens / wird ſeinerHfrom -58Abdanckungs-Rede. Eſth. 5, 2.frommen und lieben Eſther / als Sie in Ohnmacht vor Jhm lage / den Gnaden-Scepter gereichet / Sie auffgerichtet / um - fangen / die Crone Jhr auffgeſetzet / und als eine Himmels - Koͤnigin zu ſeiner Freude eingefuͤhret haben. Nun GOTT Lob! der Kampff iſt an Jhrer Seiten gluͤcklich uͤberſtanden / und der erwuͤndſchte Sieg erfolget. Aber es haben bißher mit Jhr gekaͤmpffet / und muͤſſen noch immer den Kampff halten / theils mit ihrem GOTT / der ſich verwandelt in einen Grau - ſamen; theils mit ihrem Fleiſch und Blut / das ihnen ſolche Gedancken eingiebt / der Hertz-betruͤbte Herr Wittwer / ſchmertzlich Leidtragende Herren Soͤhne / Geſchwiſter und nahe Anverwandten unter dieſem ſchweren Haus-Creutz. GOTT hat freylich dem Herrn Wittwer einen ſonderlichen groſſen Kampff biß in ſein Alter auffgehoben / da die Leibes - Kraͤffte bey Jhm am ſchwaͤchſten ſind. Das Sinnbild / wel -Picinell. mundi Symb. l. 1. n. 157. ches bey denen Exeqvien Philippi IV. Koͤnigs in Spanien / in der Kirchen zu Madrit unter andern vorgeſtellet wurde / da in der ſchwartz-bekleideten Kirche gegen Abend eine untergehende Sonne abgebildet war / mit der Beyſchrifft:
Das Sinnbild / ſag ich / iſt mehr als zu wahr / und erfuͤllet worden in dem betruͤbten Trauer-Hauſe allhier / daraus dieSyr. 26, 21. Haus - und Ehe-Sonne / wie Syrach ein tugendſames Weib nennet / verloſchen und unter die Erden gangen iſt. Mare eſt noſtra vita & res humanæ, nam his qvoqve multum ſalſuginis, amarulentiæ & inſtabilitatis, venti ſunt tenta - tiones, qvi magno impetu in nos irruunt & inopinati even - tus, muß er mit Nazianzeno klagen: Unſer Leben und al - le menſchliche Sachen ſind einem Meere gleich / denn da treffen wir viel ſaltziges / bitters und unbeſtaͤndiges Weſenan /59Abdanckungs-Rede. an / Verſuchungen ſind die Winde / die mit groſſen Un - geſtuͤm auff uns blaſen / und ſonſt viel unvermuthete Zufaͤl - le. Ja wohl iſt Jhm dieſer Todes-Fall ein un[ver]mutheter Zufall. Allein / Er faſſe ſich in Gedult. Dominus provi -Gen. 22, 8. debit, ſagte der alte Vater Abraham / welchen GOtt auch in ſeinem Alter mit der zehenden und ſchwerſten Verſuchung be - legte. *Decem tentationes Abrahami numerant Judæi, qvas recenſit Ma - jemonid. citatus â Pfeiffero in Magnal. Chriſti L. I. P. I, med. I. p. 20.Der HErr wirds verſehen / und da war auch die Goͤt - liche Huͤlffe vom Himmel am naͤchſten. GOtt hat Jhn auch dem Abraham in dem Stuͤck gleich gemacht / und das ſchwe - reſte Creutz im Alter aufferlegt. Denn eine Ehegattin / mit welcher man bey nahe 40. Jahre / die Zeit ſeiner jungen und mitteln Jahre hat in Liebe und Vergnuͤgen gelebet / im Al - ter / da man derſelben wegen Wartung und Pflegung am noͤ - thigſten hatte / verlieren / das iſt etwas ſehr ſchmertzliches.
Allein / Er ſey getroſt mit denen Seinen / was Er nicht kan er - tragen / das hilfft GOtt tragen / ſind Sie von einander eine Zeitlang / dem Leibe nach / geſchieden / ſo ſind Sie doch beyde noch von GOtt nicht geſchieden / ſondern leben in GOtt! die Seelige im Himmel / und Er auff Erden / GOtt kan Sie / GOtt wird Sie ſchon zuſammen bringen in Freuden / und bleiben alsdenn ungeſcheiden / in himmeliſchen Thron.
Sie aber / meine Hoch - und Vielgeehrteſte Herren / Frau - en / Freunde und Freundinnen / haben treulich in dieſem Kampf -H 2fe60Abdanckungs-Rede. fe denen kaͤmpffenden Leidtragenden ſecundiret und beyge - ſtanden / mit Gebeth / troͤſtlichen Zuſpruch / willfaͤriger Er - ſcheinung und beſtaͤndiger Begleitung / und haben Jhnen hie - durch einen ſonderbaren Troſt gewinnen helffen vor ihre be - truͤbte Hertzen. Sie erkennen dieſes alles mit ſchuldigſt-ge - buͤhrenden Danck! und verſprechen hier durch meine Wenig - keit alle ſchuldige Gegen-Liebe und Dienſtfertigkeit in allen / doch / ſo ihr Wunſch gelten ſolt / froͤlichen Begebenheiten / dar - zulegen / wuͤndſchende / daß der Hoͤchſte GOtt Sie entweder vor allen harten Trauer-Kampff gnaͤdig bewahren / oder doch ihr maͤchtiger Beyſtand darinne ſeyn wolle.
Der wohlſeeligen Frau Pfarrin endlich ruffen wir noch zu - letzt dieſe wenige Worte nach / welche der Paula, einer frommenHieron. Ep. 27. ad Euſtoch. und Gottſeeligen Matron, von dem bekannten Kirchen-Lehrer Hieronymo, in einem Schreiben an ihre Tochter Euſtochi - am, nachgeſchrieben wurden: Vale, ô Paula, oder: Vale, ô Eſther, fides & opera tua Chriſto Teſociant.
abgelegt von M. Chriſtian Bartſch / Diacono in Dohna.
Seinem alten / frommen / und in Chriſto allezeit hoch-werth-geweſenen Herrn Ambts-Bruder zu ſchuldigen Ehren und Troſt ſchriebs D. Joh. David Schwerdtner / Superint.
Dieſes wuͤnſchte die Wohlſeelige Jhrem lie - ben Ehe-Schatze / und dem Schatz dreyer wohlgerathenen Herren Soͤhne / durch ih - ren lieb-geweſenen Beicht-Vater / M. J. G. Strohbach / Paſtor R.
Der ſeeligſt-verſtorbenen Frau Gevatterin zu letzten Eh - ren / und dem betruͤbten Herrn Wittiwer / als ſeinem al - ten liebwerthen Hertzens-Freunde und Gevatter / nebſt de - ſen geehrteſten Herren Soͤhnen / zum Troſte / ſetzte die - ſes mit betruͤbter Feder in Eyl / M. Jacob Tittel / Paſt. in Sadisdorff.
Seinem wertheſten Herrn Ambts-Vater und Gevat - ter / als betruͤbten Wittwer / wolte auch hiedurch ei - nigen Troſt zuſprechen Chriſtian Bartſch / Diac. in Dohna
Abraham Wentzel / Paſt. Maxn. emer. & miſer Viduus.
Dieſes wenige ſetzten aus Kindlicher Liebe und betruͤbten Hertzen der ſeeligen Frau Mutter Hinterlaſſene Soͤhne.
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