ALle Menſchen muͤſſen ſterben. Ein ſchlechter Troſt. Muß iſt ein bitter Kraut. Wollen ſterben klingt ſchon etwas beſſer. Aber man muß unter denen Perſonen, welche dergleichen von ſich ſagen, einen gewaltigen Unterſchied machen. Jch kan mir nicht vorſtellen, daß ein Heyde, Juͤde oder boͤſer Chriſt gern ſterbe. Alles, was man ſagt, iſt Eitelkeit und Windmacherey. Wer, als ein natuͤrlicher Menſch, ſein Leben nicht lieb hat, der iſt nicht recht bey Sinnen. Und wer ſpricht, daß er gern ſterbe, da er nicht weiß, wie es um ſeine Seele ſtehet, der redet nicht die Wahrheit. Vor ohngefehr dreyßig Jah - ren kam in Holland eine Frantzoͤſiſche Schrift heraus, darin Ex - empel ſolcher Leute erzehlet werden, welche (en plaiſantant) mit Schertzen und Kurtzweilen Todes verblichen. Jch halte, daß ſie alle Narren geweſen. Denn bey einer ſo groſſen Veraͤnderung laͤßt ſichs nicht Poſſen treiben.
Alſo gehoͤret dieſer Vorzug, gern zu ſterben, und mit Appe - tit zu ſterben, allein fuͤr rechtſchaffene Chriſten. Andere, welche auch davon reden, machens wie ein Pavegoy, welcher ſeine ge - woͤhnliche Worte redet, ſie moͤgen ſich reimen oder nicht. Chri - ſten, ſage ich, ſterben mit Vergnuͤgen, ſie haben Luſt abzuſchei - den. Nicht ſo wol, weil ſie die Welt nicht viel achten, ſondern viel mehr, weil ſie Verlangen tragen, bey ihrem HERRN undA 2GOTT4GOTT zu ſeyn. Das heilige Wort GOttes, welches ſie fleißig leſen und betrachten, fuͤhret ſie dahin, und giebt ihnen auch Kraͤf - te dazu, welche die Natur nicht beſitzet. Man findet dergleichen nicht allein bey alten und verlebten Perſonen, ſondern auch bey jungen Kindern. Aber ein Gelehrter hat vor andern Chriſten doch noch einigen Vorzug. Denn, wenn er ſich auf die gruͤndliche Un - terſuchung des goͤttlichen Worts recht fleißig legt, ſo bekommt er vieles, ſo zu ſagen, aus der erſten Hand, welches andern, die in Sprachen und dazu gehoͤrigen Wiſſenſchaften ungeuͤbt ſind, nicht ſo wohl beywohnen kan.
Ein dergleichen Exempel hat GOTT mir in meinem Hauſe zu erleben das Gluͤck gegoͤnnet in der Perſon Herrn Chriſtoph Theodoſii Walthers, in die funfzehn Jahr geweſenen Koͤniglichen Daͤniſchen Mißionarii zu Tranckenbar in Oſt - Jndien. Dieſer hat GOttes Wort von Jugend an fleißig ſtudiret, und mehr, als es unter denen, die von der lieben Theologie Profeſ - ſion machen, Mode iſt. Solche ſeine Bemuͤhung ward ihm gleich - ſam in ſeine Natur verwandelt, daß, wo er nur in Oſt-Jndien und ſonſt etwas ſahe und hoͤrte, er gleich dachte, wo er daſſelbe zu deſto mehrer Erlaͤuterung der heiligen Schrift hinbringen ſolte, wie davon die Zeugniſſe am Tage liegen. Es ward aber ſolches Studiren in GOttes Wort bey ihm lebendig, ſo daß er nicht bey der Litter kleben blieb, nicht einen heydniſch geſinnten Criticum agirte, ſich nicht mit der buchſtaͤblichen Erkenntniß breit machte; ſondern er war bemuͤhet dasjenige, was er aus GOttes Wort ge - lernet, auch in die Ubung zu bringen, und ſein Licht durch gute Wercke leuchten zu laſſen.
Nun iſt es wahr, daß GOttes Wort uns vornehmlich unſers wahrhaftigen Nutzens wegen gegeben iſt; allein es hat auch hier - naͤchſt ein groſſes Vergnuͤgen bey ſich. Daher ſagt David PſalmCXIX,5CXIX, 16. 24. Jch habe Luſt zu deinen Rechten. Jch habe Vergnuͤgen an deinen Zeugniſſen. Dieſes beſtehet theils dar - in, wenn man die weiſe Ordnung GOttes in dem Wege zur Selig - keit betrachtet. Denn da findet ſich allerdings viel Vergnuͤgen, theils wenn man eines nach dem andern entdecket, wie ſich GOtt den Menſchen geoffenbaret: theils auch, wenn unſer Gemuͤth der Hoff - nung des ewigen Lebens verſichert iſt. Es giebt aber auch ein Ver - gnuͤgen uͤber die Worte ſelbſt, dergleichen die Gelehrten bey ſich em - pfinden, wenn ſie die Grund-Sprachen des Heiligen Geiſtes unter - ſuchen. Denn das iſt freylich etwas angenehmes, wenn man wei - ter ſehen kan, als die Uberſetzung in der Mutter-Sprache gehet. Zwar giebts einige, welche meinen, man muͤſſe ſich bey der Scha - le nicht allzulang aufhalten, ſondern gleich auf den Kern ſelbſt ge - hen. Allein ſie ſolten doch bedencken, daß die Schale nicht umſonſt geſchaffen. Jſts nicht wahr, daß man ein ſchoͤn Obſt auch der Schale wegen liebet, und erſt die Augen, hernach den Geſchmack damit vergnuͤget? Die Worte der heiligen Schrift ſind gleichſam die Windeln, in welchen das Kind JEſus eingewickelt und verwah - ret wird. Und GOtt hat uns darin eine ſchoͤne Bemuͤhung vorge - legt, daß wir nach gnugſamer Unterſuchung der Worte alsdenn erſt zur gruͤndlichen Erkenntniß der Sachen ſelbſt gelangen.
Dieſes nennen die Gelehrten Philologiam ſacram, ein heiliges Liebhaben der Worte, oder, ein Liebhaben der heiligen, von GOtt ſelbſt eingegebenen Worte. Wer ſich darin mehr, als andere, uͤbet, der wird ein groͤſſerer Gottes-Gelehrter, wenn ihm auch gleich ein paar Schock von Scholaſtiſchen Diſtinctioͤngen nicht ſo gleich bey - fielen oder gar abgingen. Denn GOttes Wort redet gewißlich auch mit groſſem Unterſchied: und wer drauf Acht hat, der wird ſolche Diſtinctionen gar bald zu machen wiſſen, wenn auch derglei - chen nimmermehr auf der Welt geweſen waͤren. Dieſe ſchoͤne Be - muͤhung und Wiſſenſchaft hat ihren groſſen Nutzen hier auf der Welt zur Erbauung der Chriſtlichen Kirche, ſie hat aber auch ihren Nutzen, wenns zum Sterben gehet. Das Exempel unſers ſeligen Herrn Walthers, und das groſſe Vergnuͤgen, welches wir bey - derſeits gehabt, indem der Sterbende ſich damit ſehr aufgerichtet,A 3und6und daran ergetzet, ich aber unwuͤrdig dazu etwas weniges, theils ehemals durch mein Lehr-Amt, theils beym Sterbe-Bette durch wircklichen Beyſtand, beytragen koͤnnen; dieſes, ſage ich, hat mir Anleitung gegeben, daß ich, ſtatt eines Eingangs, Die Vortheile der gruͤndlichen Unterſu - chung goͤttlichen Worts zum froͤ - lichen Sterben etwas auszufuͤhren unternommen. GOTT fuͤhre meine Gedan - cken und Feder zu meines Naͤchſten Nutz und Erbauung!
Unſer Sterbender war voll von GOttes Wort, als welches ihm im Hertzen und auf der Zunge ſchwebte. Und da er im Grund - Text ſehr geuͤbt war, der Heilige Geiſt auch, vermoͤge ſeines Amts, ihn fleißig erinnerte, (Joh. XIV, 26.) ſo lief ſein Sterbens-Kampf mit dem groͤſten Vergnuͤgen ab. Wir wollen einige Proben da - von anhoͤren.
Zu zweyen malen ergetzte er ſich ſehr an dem kleinen Woͤrt - gen ὑπὲρ, uͤber. Das erſte mal, als ich ihn der Worte erinnerte, Roͤm. VIII, 37. Jn dem allen ὑπερνικῶμεν, uͤberwinden wir weit. Gleich ſagte der Sterbende: ὑπὲρ, ὑπέρ. Dieſes reitzte mich an, daß ich meine Gedancken daruͤber vorbrachte, welche etwa ſo ein - gerichtet waren. Der Heilige Geiſt macht nicht allein, daß wir uͤberwinden, ſondern noch weit mehr, als bloß uͤberwinden koͤn - nen. Denn wir gehen unſerer Victorie nach, und genieſſen von derſelben groſſe Vortheile. Ein weltlicher Uberwinder ſchlaͤgt zwar oftmals den Feind aus dem Felde, aber er hat ſich und ſeine Armee ſo geſchwaͤcht, daß er nicht weiter kan, ſondern Halte ma - chen muß. Der Feind iſt geſchlagen, aber noch nicht gedaͤmpft. Er gehet noch nicht ſo gleich ein, was der Uberwinder verlangt. Aber hier heißt es: ὑπερνικῶμεν, wir uͤberwinden weit, wir gehen weiter fort. Alle Feinde, und auch der letzte, nemlich der Tod, wer - den gedaͤmpft, und muͤſſen unter unſere Fuͤſſe. Da wird nicht mehr tractiret, ſondern wir haben alle Vortheile wircklich in der Hand, die man nur wuͤnſchen und erdencken kan. Kurtz, das Ende desGlau -7Glaubens, wornach wir in der Welt gerungen haben, iſt in unſern Haͤnden. Hieruͤber bezeigte ſich der ſelige Mann ſo vergnuͤgt, daß es dieſe Feder nicht genug ausdruͤcken kan.
Zum andern mal kam das Woͤrtgen vor in den ſchoͤnen Wor - ten, Roͤm. VIII, 26. Er, der Geiſt, ſelbſt ὑπερεντυγχάνει, vertrit uns aufs beſte. Der Sterbende ſagte abermal: ὑπὲρ, ὑπέρ. Jch ſagte: Der Heilige Geiſt, als wahrer GOtt, kan freylich mehr und beſſer fuͤr uns ſprechen, als ſonſt iemand. Denn er iſt 1) eine hoͤ - here Perſon. Auf der Welt legen manchmal Kinder, Alte, Frauen - zimmer, hohe Perſonen, ein gut Wort ein, und bringens durch: Aber der Heilige Geiſt weit beſſer. Denn er iſt keine Perſon, mit der man Mitleiden haben darf, er uͤberredet nicht mit der Annehm - lichkeit der Geſtalt und Worte, ſondern er dringet durch mit ſeiner goͤttlichen Kraft. 2) Er hat eine beſſere Sache. Wenn wir auf der Welt etwas ſchlimm gemacht haben, und der Fuͤrſprecher es ſelber nicht gut heiſſen kan; ſo muß er ſich endlich aufs Bitten legen. Aber der Heilige Geiſt hat die ſchoͤnſte Sache. Derjenige, fuͤr den er eine Bitte einleget, hat CHriſtum im Glauben ergriffen, damit wird niemand vor GOttes Thron abgewieſen. 3) Er thuts in beſ - ſerer Form. Es brauchts hier nicht, ſich vor GOtt zu demuͤthigen, ſondern er redet ein Macht-Wort, ſo iſt alles gut. 4) Er gewin - net mehr damit. Nicht etwas vergaͤngliches, ſondern die Gnade GOttes, und mit derſelbigen eine unausſprechliche Gluͤckſeligkeit. Das heißt, eine ſolche Fuͤrbitte einlegen, die uͤber alles weggehet, und weder ihres gleichen, noch etwas uͤber ſich hat.
Der Sterbende erinnerte ſich der Worte Pſalm LXVIII, 21. Wir haben einen GOTT, der da hilft, und einen HErrn HErrn, der vom Tode errettet: darzu ſagte er ſelbſt die Hebraͤi - ſchen Worte: תואצות תומל. Jch nahm dieſe Worte auf, und ſag - te ſie erſtlich teutſch: Aus dem Tode ſind viel Herausfuͤhrungen. Hernach fuhr ich fort: GOTT hat viel Wege, da er uns aus dem Tode herausfuͤhren kan. Manchen fuͤhret er aus dem Tode her - aus kraft feiner Allmacht, als den Daniel und Jonas. Einen andern vermoͤge ſeiner Weisheit, dergleichen er dem David mehrals8als einmal erwieſen. Er hat eine Ausfuͤhrung aus dem geiſtlichen und ewigen Tode, dergleichen alle diejenigen genieſſen, welche von GOttes Wort erleuchtet, bekehret und gerechtfertiget werden. Aber die wichtigſte Herausfuͤhrung iſt, wenn er uns durch den Tod zum Leben hindurch fuͤhret: nemlich durch den leiblichen Tod ins ewige Leben. Der ſelige Mann ſagte darzu weiter nichts, ſon - dern bezeigte, daß es ihm gantz wohl gefiele. Jch habe aber nach der Zeit gefunden, daß er uͤber eben dieſe Worte noch gantz artige und wohlausgeſonnene Gedancken gehabt, welche dem Leſer mitzuthei - len nicht unterlaſſe. Denn als am andern Pfingſt-Feyertage 1735. der Mißionarius Herr Worm ſelig verſtorben war, hielt ihm unſer Herr Walther gleich denſelben Abend die Leichen-Predigt uͤber die Worte Pſalm LXVIII, 19-21. da er ſich alſo ausdruͤckt:(a)Siehe die XLI. Contin. der Oſt-Jndiſchen Berichte p. 599. „ Der „ HErr HErr hat ſeine Ausgaͤnge bis an den Tod. Sein Ge - „ biet oder die Meß-Schnur ſeines Reichs, und die Grentz-Linien(b)תואצות, ſein territorium, wie Joſ. XV,[4.]7. und c. XVI, 3. oder offe - ner Zugang, wie Heſek. XLVIII, 30. „ ſeiner Gewalt erſtrecken ſich ſelbſt bis in des Todes Reich hinein. „ Er hat die Schluͤſſel der Hoͤllen und des Todes. Alſo, wenn es nun „ zum Abdruck koͤmmt, duͤrfen Glaͤubige nicht ſorgen, wie ſie da durch - „ kommen wollen. Der Durchbrecher gehet vor ihnen her, der weiß „ die Thuͤre zum Durchgang wunderbarlich zu oͤffnen, daß, wenn ſie „ gleich durch das finſtere Todes-Thal wandern muͤſſen, ſie ſich doch „ nicht fuͤrchten duͤrfen; denn er macht, daß alle Verſuchung ſo ei - „ nen Ausgang gewinnen, daß ſie es ertragen koͤnnen. „
Es kamen ferner die Worte vor Roͤm. VIII, 18. Das Leiden dieſer Zeit iſt nicht werth der Herrlichkeit, die an uns ſoll of - fenbaret werden. Der Sterbende hub die eine Hand in die Hoͤ - he, die andre aber druͤckte er nieder. Das wuͤrden ihm andre nicht verſtanden haben, was er gemeinet, aber mir war es wohl bekant. Denn ich pflege zu ſagen, das Wort ἄξιος, werth, koͤmmt her von ἄγω, welches unter andern bedeutet ſchwer ſeyn, eine Wucht haben, und die Wage-Schale herunter ziehen. Daher heißt ἄξιος, was ſchwer und wichtig iſt, ferner was hoch zu achten, und in hoher Wuͤrdeſtehet:9ſtehet: wie davon die Griechiſchen Woͤrter-Buͤcher ſattſam lehren. Alſo war das ein Saam-Koͤrngen, welches ich ſelbſt ausgeſtreuet hatte, und hier mit der ſchoͤnſten Frucht wieder fand. Als mir nun der Sterbende zu verſtehen gab, was er meinte, fuͤhrte ich die Sache weiter aus und ſagte: Wenn man alles Leiden dieſer Zeit, was alle Menſchen iemals ausgeſtanden, auf die eine Wage-Schale legen ſolte; auf die andre aber nur ein Staͤublein oder Troͤpflein von der zukuͤnftigen Herrlichkeit: ſo wuͤrde gewiß das letztere jenes niederziehen. Es kommt beydes gar nicht in die geringſte Verglei - chung. Denn die Herrlichkeit der Kinder GOttes iſt unendlich und unausſprechlich; Das Leiden dieſer Zeit aber hat ſeine Grentzen, kan gezehlet und ausgeſprochen werden. Hieruͤber freuete ſich der ſelige Mann, und war vergnuͤget, daß er zu dieſer groſſen Herrlich - keit bald gelangen ſolte. Er hielt alſo geduldig aus, und murrete nicht uͤber die Schmertzen, welche er auszuſtehen hatte.
Jch erinnerte ihn auch derer Worte Pſalm XXXII, 1. Wohl dem, dem die Ubertretung vergeben ſind. Er antwortete ſo gleich auf Hebraͤiſch: עשפ יושנ. Jch uͤberſetzte dieſes von Wort zu Wort: Dem die Suͤnden weggenommen worden ſind. Er: Nicht allein weggenommen. Jch: ſondern auch bedeckt. Er; האטח יוםכ. Jch: Dem die Suͤnden zugedecket ſind, daß ſie vor de - nen Augen des himmliſchen Vaters nicht mehr erſcheinen und geſe - hen werden. Er: Nicht allein zugedeckt; und wies mit beyden Haͤnden, als wolte er etwas hinter ſich werfen. Jch fuhr fort: Sondern auch zuruͤck geworfen, wie Hiskias ſagte: Denn du wirfeſt alle meine Suͤnde hinter dich zuruͤck. Er: Nicht allein; und hiermit that er mit beyden Haͤnden, als wolte er etwas herun - terwaͤrts ſtoſſen. Jch: Sondern auch in die Tieffe des Meeres ge - worfen. Er: Das war recht. Und hierauf ſagte er: Was thuſt du vor Gnade! ja eine pur lautere Gnade! Jch ſchloß endlich mit denen Worten des bekanten Liedes: O der groſſen Freude! Wer wolt hier das Kleide dieſer Sterblichkeit nicht getroſt able - gen? weil ja dort hingegen in der Ewigkeit JEſus Chriſt be - reitet iſt, ihn zu kleiden mit der Sonne, in des Himmels Wonne. Er: Das iſt ſchoͤn.
Was duͤncket dir nun, chriſtlicher Leſer, wenn ein Sterbender ſich ſelbſt mit denen Grund-Worten des Heiligen Geiſtes aufrich - tet, wenn der andere vor dem Bette ſitzet und die angegebenen Ma - terien weiter durchfuͤhret, wenn ein Licht gleichſam das andere entzuͤndet, und wenn die herrlichſten Kernſpruͤche des goͤttlichen Wortes in der buͤndigſten Application ſo durchgearbeitet werden, ob da nicht auf beyden Seiten das groͤſte Vergnuͤgen verurſachet worden? Der Sterbende konte das ſeine nicht laͤugnen, denn ſein Angeſicht war wie eines Engels Angeſicht, ſein Mund war voll lachens, und ſeine Zunge voll ruͤhmens. Folglich ſind ihm ſeine letzte Kampf-Stunden wahrhaftige Freuden-Stunden geweſen. Jch, meines geringen Ortes, geſtehe, daß ich dieſem Sterbenden mit viel Vergnuͤgen beygeſtanden, und daß dieſes mich, da ich ſonſt Sterbenden beyzuſtehen nicht gewohnt bin, ſehr ermuntert hat. Jch dancke GOtt hertzlich fuͤr den Segen, welchen er auf meine ehemaligen Lehren geleget, ſo daß ich davon die allerherrlichſten Fruͤchte geſpuͤret. Jch preiſe ihn, daß mein Haus gewuͤrdiget worden, dieſen treuen Lehrer aufzunehmen, und daß die Meinigen dieſes ſchoͤne Ende mitanſehen koͤnnen. GOtt gebe, daß wir alle dieſem Exempel nachfolgen, und dereinſt froͤlich und ſelig ſterben.
Jch koͤnte mehr dergleichen vorbringen: Wie man ſich denn wohl vorſtellen kan, daß innerhalb 5. bis 6. Stunden viel ſchoͤne Ge - ſpraͤche vorgefallen: Allein, es mag an dieſen genug ſeyn. Denn ich muß mich in die Zeit ſchicken, welche mein Amt und die uͤbrigen Verrichtungen wegnehmen, und dem Leſer unſers Seligen ruͤhm - lich gefuͤhrten und Chriſtlich vollendeten Lebenslauf nicht laͤnger vor - enthalten. Man wird aus der folgenden Erzehlung wahrnehmen, daß die vortrefflichſten Kernſpruͤche der heiligen Schrift vorge - kommen, bey welchen der hebraͤiſche und griechiſche Text nicht viel weggelaſſen, welches ich aber alles nur in die Kuͤrtze faſſen werde. Jndeſſen hoffe ich, daß ich meinen Satz, wie nemlich die gruͤnd - liche Unterſuchung des goͤttlichen Wortes zum froͤlichen Sterben das ihrige beytrage, mit einigen Exempeln ſattſam erwieſen habe. Jch gehe nun weiter, und werde meine Bemuͤhung dieſe ſeyn laſ -ſen,11ſen, daß ich des ſeligen Herrn Walthers Leben und letzte Stunden in einer kurtzgefaßten Nachricht erzehle.
Es war der nunmehro ſelige Herr Chriſtoph Theodoſius Walther, Koͤniglicher Daͤniſcher Mißionarius zu Tranckenbar, gebohren zu Schildberg bey Soldin in der Neumarck den 20. Dec. 1699. von welchem Geburts-Tage er von Halle aus den 20. Dec. 1723. an ſeinen juͤngern Bruder mit dieſen Worten geſchrieben: „ Heute habe ich mein vier und zwantzigſtes Jahr uͤberlebet. GOtt „ ſey ewig Lob fuͤr die 24. tauſend Millionen Wohlthaten, ſo ich „ Zeit Lebens von ihm genoſſen. „ Jmgleichen zu Tranckenbar den 31. Dec. 1738. „ Jm neulich zuruͤckgelegten 39ſten Jahre meines „ Alters. Wer weiß, wie lange? „ Sein Herr Vater, Johann Walther, war Prediger daſelbſt und zu Kerko, die Mutter, Frau Catharina, war Herrn David Torffſtechers, Predigers zu Gerls - dorff, unweit gedachten Soldin, eheleibliche aͤlteſte Tochter. Den 28. beſagten Monats iſt er durch das Bad der heiligen Tauffe der chriſtlichen Kirche einverleibet worden. Jn ſeiner zarten Kindheit iſt er in ſeines Herrn Vaters Hauſe zu allem Guten angehalten worden, wiewohl er deſſelben Vorſorge nicht gar lange genoſſen, indem er ihm gar bald, nemlich im ſiebenten Jahre ſeines Alters, entriſſen worden.
Da ſich nun bey unſerm Seligen ein faͤhiger Kopf gezeiget, ſo hat ihn der damals noch lebende Herr Groß-Vater muͤtterlicher Seite zu ſich genommen, und drey Jahr lang in ſeinem Hauſe durch Privat-Praͤceptores unterrichten laſſen. Von einem unter dieſen iſt er durch GOttes Gnade dazu aufgemuntert worden, daß er ſich eines redlichen Wandels vor GOtt befliſſen; wie er denn in dem ei - genhaͤndigen Aufſatze von ſeinem Leben gedencket, er ſey dadurch ſo erwecket worden, daß er ſich nachgehends derer damaligen Jahre niemals ohne groſſes Vergnuͤgen erinnert. Jm zehenden Jahre ſeines Alters iſt er nach Schoͤnfließ gezogen, und hat daſelbſt 3. B 2Jahr,12Jahr, nachgehends zu Koͤnigsberg in der Marck 2. Jahr die daſigen Schulen fleißig beſuchet. Seine Praͤceptores hat er nirgends nam - haftig gemacht, aus der gedruckten Koͤnigsbergiſchen Hiſtorie aber iſt zu ſehen, daß damals Herr Chriſtian Lobedan, Rector, Herr Frie - drich Mickwitz, Con-Rector, und Herr Auguſtin Kehrberg, Sub - Rector, geweſen. A. 1715. kam er nach Stargard ins Groͤningiſche Collegium, woſelbſt Herr D. Zierold ihn in der Hebraͤiſchen Spra - che und Theologie, Herr D. Joachim Friedrich Schmidt in der Philoſophie, Herr M. Auguſtin Staͤgemann, und Jch, als deſſen Nachfolger, in den ſogenannten ſchoͤnen Wiſſenſchaften, vermittelſt goͤttlicher Gnade, unterwieſen haben.
Daſelbſt that GOtt ſchon etwas an ihm, dadurch er ihm zu dem bevorſtehenden Mißions-Wercke einigen Winck geben wolte. An dem A. 1717. gefeyerten Evangeliſchen Jubel-Feſt hielt der da - malige Diaconus an der Marien-Kirche, Herr Jodocus Andreas Hiltebrand, (welchen GOtt in ſeinem hohen Alter mit vieler Kraft ausruͤſten wolle) die Fruͤh-Predigt, und erwehnte unter andern auch die Worte des 117. Pſalms: Lobet den HErrn alle Heyden, und preiſet ihn alle Voͤlcker. Dabey kam unter andern dieſes vor, man habe Urſache GOtt auch deswegen zu preiſen, weil an der Malabariſchen Kuͤſte in Oſt-Indien ietzund auch Heyden befind - lich waͤren, welche mit eben dem Glauben, Hertzen und Munde, als wir, GOtt und dem Vater unſers HErrn JEſu Chriſti zu die - nen vermoͤgend waͤren. Unſer Herr Walther hoͤrte andaͤchtig zu, aber ehe man ſichs verſahe, floß ihm eine ſo groſſe Menge Thraͤnen die Wangen herunter, daß ſich iedermann druͤber verwundert. Als man ihn hierauf nach der Urſache gefragt, hat er keine angege - ben oder angeben koͤnnen; es hat ſich aber nachgehends ausgewieſen, daß dieſes wider ſeinen Willen geſchehen, und er ſelbſt nicht gewußt, wie er dazu gekommen. Jch achte, daß dieſes der erſte Winck GOt - tes geweſen, bey ihm einige Aufmerckſamkeit gegen das Mißions - Werck zu erwecken. Noch ein anderes Stuͤck aus gedachter Predigt erwehnet er in einem Schreiben aus Tranckenbar vom 19. Jun. 1725. mit folgenden Worten:(a)Mißions-Berichte Contin. XXI. p. 680. „ Als ich noch in Stargard war,„ hielt13„ hielt der Herr Paſtor N. eine Fruͤh-Predigt uͤber Pſalm 117. und „ ermahnte die gegenwaͤrtige Studioſos Theologiæ, daß ſie ſich nicht „ bekuͤmmern ſolten, wie ſie etwa befoͤrdert wuͤrden. GOtt „ braucht Leute in einem ſo fernen Lande. Seit der Zeit habe „ ich immer eine Liebe zu dem Wercke gehabt, dachte aber nicht, „ daß ich auch einmal noch dahin kommen ſolte. „
Jm gedachten Groͤningiſchen Collegio zu Stargard hat er ſehr fleißig ſtudiret, und ſich der wahren Gottſeligkeit mit Ernſt befliſſen, welches ich ihm, als ſein damaliger Praͤceptor, ſelbſt bezeugen kan. So oft das offentliche Kirchen-Gebet verrichtet ward, geſchah ſol - ches von ihm kniend, welches ihm von den Collegiaſten ſehr we - nige nachthaten. Und eben dieſes bewog Herrn D. Zierolden, daß er ihm eine Jnformation in dem daſigen Waͤyſen-Hauſe aufgetra - gen. Jch laſe gleich anfangs uͤber das Evangelium Johannis, und zwar ging ich etwas weiter, als daß ich es bey der puren Grammatic haͤtte bewenden laſſen, welches bey dem Seligen etwas neues war, aber auch bald Wurtzel geſchlagen, und eine groſſe Luſt, die heilige Schrift etwas gruͤndlicher kennen zu lernen, bey ihm erweckt. Wie er denn noch in der letzten Abend-Mahlzeit, welche er den 24. April. mit mir gehalten, mir das Zeugniß gab, ich haͤtte ihn in die Schrift gejagt, und begierig gemacht, dieſelbe etwas genauer, als ſonſt geſchehen waͤre, zu unterſuchen. Er fragte fleißig nach, lieſſe ſich Buͤcher zeigen und geben, ich geſtehe auch, daß ich daruͤber allezeit ein ſonderbares Vergnuͤgen gehabt. Sonſt hat er auch zu Stargard eine harte Kranckheit ausſtehen muͤſſen, ſo daß ihn die Medici ſchon uͤbergeben. GOtt aber hat ihn wieder aus dem Ra - chen des Todes herausgeriſſen, welches er in ſeinem geſchriebenen Aufſatz danckbarlich zu ruͤhmen nicht vergeſſen.
A. 1720. im zwantzigſten Jahre ſeines Alters zog er von Star - gard auf die Koͤnigl. [Preußi .]. Friedrichs-Univerſitaͤt nach Halle. Daſelbſt hat er die damals lebenden Profeſſores, Herrn Abt D. Breit - haupten, Herrn D. Anton, Herrn Prof. Francken, Herrn D. Michae - lis und Herrn D. Langen, fleißig gehoͤret, und iſt wegen ſeines Fleiſſes und Wohlverhaltens von allen geliebet worden. Jns beſondereB 3war14war ſein beſtes Collegium, als Herr D Johann Heinrich Michaelis die gantze Hebraͤiſche Bibel durchging, da er von Anfange bis zu Ende ausgehalten, und ſeine Theologiſche Wiſſenſchaft ſehr vermehret. Er berichtete mir auch von Zeit zu Zeit, was er ſonderbares angemer - cket. Ein halb Jahr nach ſeiner Ankunft ward ihm eine Jnforma - tion im Waͤyſen-Hauſe aufgetragen, welche aber nach Verlauf eines Jahres wieder aufhoͤrete; und er war im Stande, ſein Stu - diren mit deſto groͤſſerm Fleiß vor die Hand zu nehmen. Nach der Zeit iſt er auch unter die Praͤceptores des Koͤnigl. Pædagogii aufge - nommen worden, und auch dabey bis auf ſeinen Abzug geblieben.
Jn ſeinem Aufſatze geſtehet er, er habe zu Halle viel beſondere Kennzeichen der goͤttlichen Providentz verſpuͤret, darunter er die - ſes vornanſetzet und mit hoͤchſtem Danck erkennet, daß er zu der hei - ligen Schrift fleißig angehalten, und ſowohl dem Wort-Verſtan - de, als auch der Sache ſelbſt nach,(b)tam philologice, quam exegetice. wohl geuͤbet worden. Das andere Werck der goͤttlichen Providentz zu Halle iſt wohl dieſes ge - weſen, daß dieſelbige ihn von Zeit zu Zeit zu dem Daͤniſchen Mißions - Werck in Oſt-Jndien zubereiten laſſen. Wie er denn davon ſelbſt alſo ſchreibet:(c)Contin. XXI. p. 680. „ Als zuweilen auf der Univerſitaͤt Halle in den „ Collegiis paræneticis davon gedacht ward, ſo habe ich ſolches nie - „ malen ohne Bewegung angehoͤret. Sonderlich da a. 1722. aus „ dem Briefe des Ertz-Biſchoffs zu Canterbury die Worte verleſen „ wurden: Jch bitte und ermahne Sie um der Barmhertzigkeit „ GOttes und der heiſſen Liebe JEſu CHriſti willen, bey guter „ Zeit Sorge zu tragen, damit in dortigen Landen immer Predi - „ ger vorhanden ſeyn, und nicht zuzugeben, daß das Licht des Ev - „ angelii daſelbſt ausgeloͤſchet werde, als mit welchem ſo viel Seelen „ vorlaͤngſt erleuchtet, und zu dem Dienſt unſers Heylandes ge - „ bracht worden, und taͤglich immer mehr ſich zu dem Bekaͤntniß der „ wahren Religion begeben werden;(d)Contin. XIX. p. 369. da es eben war, als waͤre „ mir ein Eimer mit heiſſem Waſſer uͤber den Leib gegoſſen worden. „ Nicht weniger waren mir aus deſſen andern Briefe von a. 1725. „ die15„ die Worte erwecklich: Ja ich bitte, ich bitte von Jhnen inſtaͤndigſt, „ um dieſe ſo gar nothwendige Huͤlfe: Es bittets nebſt mir die gantze „ zu Fortpflantzung des Glaubens bis in die aͤuſſerſten Laͤnder an - „ geſtellte Societaͤt: Es bitten dieſes die wenigen Prediger, welche „ in Jndien noch uͤbrig ſind, und an dieſem Wercke unaufhoͤrlich ar - „ beiten: Es bitten ſolches die neuen Chriſten, welche durch deren „ Dienſt zu der Gemeine hinzugethan ſind. Endlich unſer HErr „ und Heyland JEſus CHriſtus bittet nicht ſowohl, ſondern er „ forderts, verlangets und heiſchets mit Recht; und wird auch wohl „ hierinnen keine abſchlaͤgliche Antwort erhalten. (e)Contin. XIX. p. 370. ſeq. So geſchahe „ es auch nicht von ungefaͤhr, daß ich bey einem, der aus Oſt-Jndien „ kam, und am Mißions-Wercke gearbeitet hatte, einen kleinen „ Anfang im Portugieſiſchen machte. Weiter fuͤgte es die goͤttliche „ Providentz, daß im Pædagogio uͤber Tiſche, wo ich ſpeiſete, die „ Malabariſchen Nachrichten verleſen wurden: da ich erſt einen „ recht lebendigen Begriff (ſo wie er da aufgeſchrieben worden) von „ dem Wercke bekam, daß ich unvermerckt Speiſe und Tranck mit „ vielen Freuden-Thraͤnen vermiſchte. Ferner geſchahe es, daß ich „ erſt nach Liefland als Reiſe-Prediger verlangt wurde, und mir „ hernach angetragen wurde, ob ich nicht eine Condition in Finn - „ land annehmen wolte? Beydes ging mir ungemein nahe; indem „ ich meine Abreiſe aus Halle noch weit hinausgeſetzet hatte. Als „ aber ſolches wieder zuruͤcke ging, und derjenige, ſo es mir ange - „ tragen hatte, zu mir ſagte: Der weite Weg wird ſie vielleicht ab - „ ſchrecken; antwortete ich: Jch frage nichts nach dem weiten „ Wege, wenn es auch nach Oſt-Jndien waͤre. Welche mir un - „ vermuthet entfallene Worte ſogleich das Hertz ſchlugen, daß ich „ dachte: Wenn du nur nicht gar dahin geſchicket wirſt. „
So weit gingen die goͤttlichen Vorſpiele von dieſem Werck, endlich ward es Ernſt: davon er uns ſelber an nur angezogenem Orte die beſte Nachricht giebet: „ Als ich darauf zu Anfange des „ Aug. 1724. Abends in einem Garten des Pædagogii ſpatzieren ging, „ und mich erfreuete uͤber dem, was bey Tiſche aus den Malabari - „ ſchen Nachrichten verleſen war: ſiehe, da koͤmmt einer von meinen„ Col -16„ Collegen zu mir, und faͤngt an vom Anliegen des Herrn Prof. „ Francken mit mir zu reden, wie er keine Leute nach Oſt-Jndien „ kriegen koͤnte, und ſich nun reſolviret haͤtte, es mit einigen aus „ dem Pædagogio zu verſuchen. Jch ſtutzete mit Verwunderung, „ daß ſeine Anrede und meine Gedancken einerley Objectum hatten. „ Nach einigen Unterredungen ſagte er: ich haͤtte keine Eltern mehr, „ er wolte mich mit vorſchlagen. Jch antwortete: Bey Leibe nicht! „ Wie er inſiſtirte, ſagte ich endlich, weil ſolche penuria von Arbei - „ tern da waͤre, wolte ich nicht zuwieder ſeyn, wenn es mir unge - „ ſucht angetragen wuͤrde. Als ſolches geſchahe, muſte ich eine „ gantze Nacht daruͤber bey mir kaͤmpfen; doch ſiegete immer das „ Apophthegma: Du biſt ja nicht zu dieſem Leben erſchaffen. Je „ laͤnger es denn waͤhrete, ie mehr Freudigkeit bekam ich. „
Nachdem nun der ſelige Mann den feſten Entſchluß gefaßt, nach Oſt-Jndien zu gehen, und ſolches dem Hochloͤblichen Mißions-Col - legio nach Copenhagen berichtet worden, ward ſogleich zum Werck alle Anſtalt gemacht. Er reiſete nebſt noch zween andern, nem - lich Herrn Martin Boſſen und Herrn Chriſtian Friedrich Preßiern, den 8. Sept. von Halle ab, und ſie kamen den 23. zu Copenhagen an. Der Herr Biſchoff Worm examinirte ſie den 3. Oct. darauf ſie von dem gantzen Mißions-Collegio zur bruͤderlichen Einigkeit vermahnet wurden. Hierauf ward ihnen den 4. Oct. die Voca - tion und den 6. ein allergnaͤdigſter Schutzbrief ausgefertiget. Un - ſer Seliger predigte den 11. Oct. in der Teutſchen Kirche, den 18. Sonntag nach Trinitatis aus der gewoͤhnlichen Epiſtel vor Jhro Koͤnigl. Maj. zu Friedensburg, und die folgende Woche vor dem Cron-Printzen zu Hirſchholm. Er hatte auch die Gnade, nebſt den andern Mißionarien, von der Princeßin Charlotte Amalia, nach verſtatteter gnaͤdigſten Audientz, beſchenckt zu werden. (f)Contin. XIX. p. 374. ſeqq. alwo auch die Vocation und Jnſtruction in extenſo zu leſen.Unſer Herr Walther nahm die Ruͤckreiſe uͤber Pommern, alwo er mich auch in Stargard beſucht, und von denen Seinigen uͤberall Ab - ſchied genommen. Als er nach Halle zuruͤck kam, diſputirte er noch erſt den 7. Dec. unter Herrn Prof. Chriſtian BenedictMicha -17Michaelis de Ellipſibus Ebræis, davon unten etwas geſagt wird. Hier mercke nur dieſes an, daß er auf dem Titul der Mißion im ge - ringſten nicht gedacht, ſondern aus Demuth nur ſchlecht weg ſei - nen Namen geſetzt, und daß er aus der Neumarck buͤrtig ge - weſen.
Jndeſſen, da dieſes alles wegen der Vocation vorging, hat er an ſeine beyden Bruͤder(g)Der aͤltere iſt ein Unter-Officier unter dem Sulkoffskiſchen Regiment: der juͤngere ein Schul-Diener zu Caſelwitz bey Graͤtz im Voigtlande. folgende theils bedenckliche, theils er - bauliche Worte geſchrieben, welche hier mit eingeruͤckt zu werden verdienen. An den aͤltern ſchrieb er aus Halle den 3. Sept. „ Es „ hat mich ſonderlich erfreuet, daß du mich nun ſchon gantz dahin „ gegeben haſt, als ginge ich in den Tod, und daß du zufrieden biſt, „ mich nur noch einmal in der Welt zu ſehen. -- Auch deine ernſt - „ liche Fuͤrbitte mit Seufzen ſoll mir einen favorablen Wind in den „ Segeln unſers Schiffs ſeyn, der mit anderer Chriſten Gebet in die „ Segel blaſen, und das Schiff gluͤcklich fuͤhren wird. „ Jngleichen den 7. Dec. „ Jch gehe dann, geliebt es GOTT, morgen fruͤh „ von hier ab, und bitte dich, du wolleſt, (wie du es auch thuſt,) „ mit deinem Gebet mit mir gehen. Laß es gut ſeyn, lieber Bruder, „ wenn wir uns auch in dieſem Leben nicht wieder ſprechen ſolten. „ Hoffen wir allein in dieſem Leben auf CHriſtum, ſo ſind wir die „ elendeſten unter allen Menſchen. Dort koͤnnen wir uns mit ein - „ ander recht ſatt beſprechen. Doch kan ich auch nicht ſagen, ob „ uns GOTT nicht in dieſem Leben nach ſeinem Willen wieder zu - „ ſammen bringt. „ An den juͤngern ſchrieb er an eben dem Tage: „ Der leiblichen Gegenwart nach bleiben wir nun, nach GOttes Wil - „ len, wenigſtens auf eine Zeitlang getrennet. Aber es kommt ein an - „ der Leben, da wir uns auf ewig wieder ſehen wollen vor dem Thro - „ ne des Lammes. „
So trat denn unſer Seliger ſeine Oſt-Jndiſche Reiſe an, in - dem er mit ſeinen beyden Collegen den 8. Dec. 1724. von Halle abge - reiſet, und mit der Poſt uͤber Halberſtadt, Braunſchweig, Bie - lefeld, Ham und Weſel gegangen, und den 22. zu RotterdamCgluͤck -18gluͤcklich angekommen. (h)Contin. XX. p. 511. ſeqq. Von dar ſchrieb er den 25. folgende Worte: „ Die Engel, die ſich heute vor 1725. Jahren eine Freude „ daraus machten, daß ſie uns die groſſe Freude von der Geburt „ CHriſti verkuͤndigten, die werden ſich auch eine Freude draus ma - „ chen, den Weg uͤber Waſſer und Land ferner vor uns her zu bah - „ nen. „ Die Ankunft zu Londen war den 31. Dec. woſelbſt ſie den 2. Jan. 1725. vom Herrn Hof-Prediger Ziegenhagen in die Engliſche Societaͤt eingefuͤhret worden, dergleichen den 9. dieſes nochmals geſchehen. Den 19. Jan. hatten ſie bey Jhro Maj. dem Koͤnige Audientz, dergleichen auch bey den ſaͤmtlichen Printzen und Prin - tzeßinnen geſchehen. Den 28. predigte unſer Herr Walther in der teutſchen Capelle zu S. James. Nicht zu gedencken, daß er nebſt den beyden Collegen bey dem Ertz-Biſchoff zu Canterbury und Bi - ſchoff zu Londen ſeine Aufwartung gemacht habe.
Den 5. Febr. ging die Reiſe von Londen ab nach Deal, von da ſie den 15. Febr. unter goͤttlichem Schutz abgeſegelt. Die gantze Reiſe haben ſie in gewiſſe Tage-Regiſter aufgeſchrieben,(i)Contin. XX. p. 544. XXI. p. 556. ſeqq. dabey mich nicht aufhalten will: und nur dieſes melde, daß bey dem letztern und weitlaͤuftigern unſer Herr Walther mehrentheils die Feder ge - fuͤhret. Was er, nebſt ſeinen Herren Collegen, ſo lange ſie zu Schif - fe geweſen, vor ſchoͤne Ubungen in Theologiſchen Sachen gehabt, und wie ſie ihre Zeit angewendet, hat er ſelbſt weitlaͤuftig beſchrie - ben,(*)Contin. XXI. p. 711-716. und kan an unten angezogenem Orte nachgeleſen werden. Den 19. Junii Abends um 6. Uhr ſtiegen ſie ans Land, und kamen gluͤcklich nach Tranckenbar. Den 3. Julii fing er nebſt ſeinen Col - legen an, die Malabariſche Sprache zu lernen, worauf er den 15. in der Malabariſchen Gemeine zum erſten mal abgeſungen. Den 19. Aug. als am 12 Sonntage nach Trinitatis, hat er in der Portugie - ſiſchen Gemeine zum erſten mal geprediget, wobey er alle Worte aufgeſchrieben, dem aͤltern Mißionario, Herrn Dalen, zum Durch - ſehen uͤbergeben, und gantz auswendig gelernet. Nachmittags hat er auch daruͤber catechiſiret: und iſt ihm durch dieſe erſte Bemuͤ -hung19hung die Sprache ziemlich leicht worden. Den 8. Sept. ſaß er in der Portugieſiſchen Gemeine das erſte mal Beichte. Den 25. Nov. mit dem Beſchluß des Kirchen-Jahrs, predigte er das erſte mal in Malabariſcher Sprache, und Nachmittage geſchah daruͤber Cate - chiſation. (k)Contin. XXI. p. 753.Jch habe ſeine erſten Predigten vor Augen gehabt, welche alle mit Lateiniſchen Buchſtaben von Wort zu Wort aufge - ſetzt waren. Als er aber in folgender Zeit der Sprache maͤchtiger worden, hat er zwar Malabariſch mit unter, aber mehrentheils Teutſch concipiret.
Seinen Namen Walther hat er auf Malabariſch, um der Ein - wohner willen, ſo die Europaͤiſchen Namen nicht wohl ausſprechen koͤnnen, gleich den andern Mißionarien, aͤndern muͤſſen, und ſich alſo in ſelbiger Sprache Njanaawâlutâr, geiſtlicher Verwalter, ge - nennet. (*)Contin. XXIX. p. 430.Er haͤtte auch koͤnnen den Namen Mâl-dâr annehmen, welches einen Diener oder Hausvogt, der ſeines Herrn Guͤter un - ter Haͤnden hat, bedeutet. (✝)Contin. XXVI. p. 105.
Was nun unſer Seliger in ſeinem Predigt-Amte faſt 15 Jahr lang verrichtet, ſolches iſt aus den Oſt-Jndiſchen Mißions-Berich - ten weitlaͤuftig zu erſehen. Er hat ſein Amt mit Lehren, Predi - gen, Catechiſiren, Sacramente ausſpenden, und was ſonſt zu ei - nem Evangeliſchen Prediger gehoͤret, mit aller Treue in acht genom - men. Jn den Portugieſiſchen und Malabariſchen Schulen hat er die Jugend in GOttes Wort unterwieſen und fleißig catechiſiret. Er iſt auch bisweilen aufs Land gereiſet, und hat daſelbſt ſo wol Chriſten als Heyden zugeredet, und iedweden mit ſeinem Amte ge - dienet. Er hat mir auch erzehlet, er ſey einsmals in einem Mogul - ſchen Grentz-Ort gekommen, da er auf oͤffentlicher Straſſe mit eini - gen zu ihm kommenden Heyden ſich in ein Geſpraͤch eingelaſſen. Es habe aber der daſige Befehls-Haber daſſelbe ſo uͤbel aufgenommen, daß er ihn nebſt ſeinem Catecheten ſo gleich ins Gefaͤngniß bringen laſſen. Doch ſey er durch einen Koͤnigl. Daͤniſchen Zoll-Bedienten bald wieder losgemachet, der Catechet hingegen habe etwas laͤngerC 2aus -20aushalten muͤſſen. (*)Contin. XLIX. p. 163. 164.An andern Beſchwerlichkeiten wirds ihm auch nicht gefehlet haben, doch hat er alles mit groſſer Geduld und Standhaftigkeit uͤberwunden.
Nun komme ich auf ſeine gelehrte Bemuͤhungen, welche er bey und nebſt ſeinem Amte uͤber ſich genommen. Daß er von Jugend auf fleißig geweſen, iſt aus dem Erfolg zu erſehen, weil er durch GOttes Gnade einen ſchoͤnen Schatz der Gelehrſamkeit vor ſich ge - bracht. Hierzu kam ſeine Arbeitſamkeit, da er gern geſchrieben, und ſich recht dazu gedrungen haben wird, wie aus den Malabari - ſchen Berichten ſattſam zu erſehen. Solcher geſtalt hat er auch durch GOttes Gnade der gelehrten Welt etwas zuruͤck gelaſſen, daß auch bey derſelben ſein Name nicht ſo bald vergehen ſoll. Man hat aber von ihm folgende Stuͤcke:
1. Diſſertatio de Λόγῳ Filio Dei, Stargard. 1720. 4to. 1 Bo - gen. Dieſe hat er ſelbſt verfertiget, ich habe ihm ſeine Gedancken alle gelaſſen, und nur etwas weniges geaͤndert.
2. Diſſertatio Philologica de Ellipſibus Ebræis, Præſide Chriſt. Bened. Michaelis, P. P. Halæ 1724. 4to. 6 Bogen. Die - ſe habe ich nachgehends, weil ich weiß, daß ſie zum Verſtande der heiligen Schrift das ihrige beytragen wuͤrde, zu Dreßden 1740. 8vo. auflegen laſſen, einige Anmerckungen dazu gemacht, auch ſonſt eines und das andere, was noͤthig iſt, dazu gethan. Als ich den 21. Apr. die Vorrede zu Ende brachte, haͤtte ich mir wol nimmer - mehr eingebildet, daß der Verfaſſer unſern Europaͤiſchen Gegen - den ſo nahe waͤre. Er ſelbſt hat ſich auch uͤber die Edition dieſes Werckgens verwundert, und mir deswegen in ſehr hoͤflichen Wor - ten Danck geſaget.
3. Doctrina Temporum Indica iſt auf Herrn Prof. Baͤyers zu Petersburg Erſuchen aufgeſetzet, und an der Hiſtoria regni Bactriani, daſelbſt 1737. 4to. gedruckt, mit beygefuͤget.
4. Rerum in Eccleſia inde ab orbe condito ad noſtram vs - que ætatem geſtarum notitiam exhibens Hiſtoria Sacra, quæ per ſeptem periodos & Veteris & Noui Teſtamenti, regni lucis ac te - nebrarum originem, progreſſus, certamina & viciſſitudines, necnon21non Eccleſiæ regimen & disciplinam, atque primas origines par - ticularium doctrinarum & rituum in compendio tradit. Illu - ſtrantur ſubinde vaticinia Prophetarum ex hiſtoriarum monumen - tis atque adduntur ſynchroniſmi hiſtoriæ exoticæ, præſertim In - dicæ: in gratiam exercitatiorum in Eccleſia Tamulica. Tran - gambariæ, Typis Miſſionis Regiæ. MDCC XXXV. groß 8vo. 1¼ Alphabet. Jſt in Malabariſcher Sprache geſchrieben. Es waͤ - re aber nicht uͤbel gethan, wenn man dieſes Werck auch in einer be - kannten Europaͤiſchen Sprache leſen koͤnte.
5. Obſeruationes Grammaticæ, quibus Linguæ Tamulicæ idioma vulgare, in vſum operariorum in meſſe Domini inter gen - tes vulgo Malabares dictas, illuſtratur. Trangambariæ, Typis Miſſionis Regiæ, M DCC XXXIX. groß 8vo. 4. Bogen. Es hatte bereits der ſelige Ziegenbalg eine Damuliſche (denn ſo ſchrieb ers damals) Grammatic a. 1716. zu Halle drucken laſſen: nach ihm aber hat Conſtantius Joſeph Beſchius, der Societaͤt JEſu Miſ - ſionarius im Koͤnigreich Madure, eine neue Grammatic ediret, welche zu Tranckenbar in der Mißions-Druckerey heraus gekom - men. Hierzu hat nun Herr Walther nach ſeiner Einſicht einige neue Anmerckungen gemacht, welche die Sprache in ein groͤſſeres Licht ſetzen.
6. Auf der Hinreiſe nach Oſt-Jndien hat er zwey Reiſe-Lie - der verfertiget, welche in den Mißions-Berichten befindlich. (l)Contin. XXI. p. 689. 697.Folglich wird er auch unter den Lieder-Dichtern ein Plaͤtzgen finden.
7. Die Malabariſche ſo wol als Portugieſiſche Bibel hat er re - vidiret, und ſeine Anmerckungen den Herren Uberſetzern commu - niciret, ohnerachtet er die erſtere Sprache noch nicht lange getrie - ben hatte. (m)Contin. XXI. p. 773. XXIV. p. 1040. XL. p. 477. XLII. p. 806.Denn GOtt hatte ihm in den Grund-Sprachen ein beſonderes Talent und Einſicht gegeben.
8. Eben dergleichen Reviſion hat er auch bey dem Portugieſi - ſchen Geſang-Buch angewandt. (n)Contin. XL. p. 476.
C 39. Viel229. Viel ſchoͤne Anmerckungen uͤber die heilige Schrift Altes und Neues Teſtaments, auch uͤber allerhand andere Wiſſenſchaften und ſchoͤne Materien, welche nach und nach in den Malabariſchen Berichten befindlich. Das muß man ihm laſſen, daß er auf die Schrift allezeit Achtung gegeben, und, wo ihm nur etwas vorgefal - len, ſo gleich geſehen, ob er etwas zur Erklaͤrung derſelben beytra - gen koͤnnen. Es wird auch der Augenſchein lehren, daß er darin ſehr aufmerckſam geweſen. GOtt gebe, daß viele ſeinem ruͤhmli - chen Exempel nachfolgen.
So weit gehen ſeine gelehrte Verrichtungen; nun will ich auch ſeine haͤuslichen Umſtaͤnde mitnehmen. Es hat ſich nemlich der ſelige Mann, nach vorhergegangener hertzlicher Anrufung GOttes, den 21. Dec. 1728. mit Jungfer Anna Chriſtina, Herrn Johann Burchard Brochmanns, Secret-Raths und Caßiers zu Trancken - bar, aͤltern Jungfer Tochter in den Eheſtand begeben. Von der - ſelben und ihrer Verwandſchaft ſchreibet er den 23. Oct. 1728. an ſeine Bruͤder alſo: „ Jhres Vaters Schweſter, des weiland hieſi - „ gen Mißionarii, Herrn M. Gruͤndlers, geweſene Ehe-Liebſte,(*)Contin. XVIII. p. 252. „ gehet mit ihrem Manne, Herrn Feddeſen, bisherigem hieſigen Se - „ cretario, ietzo nach Daͤnnemarck, und nimmt der Jungfer (ſei - „ ner damaligen Braut) juͤngere Schweſter mit. Der Bruder iſt „ ſchon vor 2. Jahren dahin gegangen. Auſſer dieſen zwey Ge - „ ſchwiſtern ſind keine mehr am Leben. Jhre Mutter, die wegen „ ihrer Froͤmmigkeit und Wohlverhaltens hier noch ein geſegnetes „ Andencken hat, iſt vor etwan 7 Jahren geſtorben, und der Vater „ hat ietzt die andere Frau, mit der er aber keine Kinder hat. „ Mit obgedachter ſeiner Ehe-Liebſten hat ihm GOtt 4 Soͤhne und 1 Tochter beſcheret, in folgender Ordnung: Johann Burchard, iſt gebohren den 19. Nov. 1729. und Tages darauf verſtorben. Ja - cob Theodoſius, gebohren den 18. Apr. und geſtorben den 30. Dec. 1731. Chriſtoph Samuel, gebohren den 3. Sept. 1732. und ver - ſtorben den 24. Apr. 1733. Peter Chriſtian, gebohren den 22. Apr. 1734. und Dorothea Chriſtina, gebohren den 17. Oct. 17[3]5. Nach welcher letztern Niederkunft der HERR die Frau Mutter den 9tenTag23Tag nach ihrer Entbindung den 25. Oct. durch ein hitziges Fieber von ſeiner Seite genommen, nachdem ſie 22 Jahr und 8 Monat auf dieſer Welt zugebracht. (o)Contin. XLI. p. 608.Die beyden Waͤyſelein ſind im Jahr 1738. auch zu ihrer Ruhe eingegangen, davon der ſel. Mann vom 9. Sept. an den juͤngern Bruder alſo ſchreibet: „ GOtt giebt dir Kin - „ der, mir nimmt er ſie. Dieſes Jahr habe ich die beyden letztern „ verloren, das Maͤgdlein den 9. Apr. und das Soͤhnlein, mein „ eintziges irdiſches Vergnuͤgen, den 28. Julii, beyde an den Blat - „ tern. Was ſoll ich ſagen? Es gehet alles uͤber mich. „ (p)Adde Contin. XLVIII. p. 1499. 1500.Der Herr Schwieger-Vater hat es auch nicht lange nach des ſel. Mannes Ab - reiſe gemacht, davon er aus Copenhagen den 4. Nov. 1740. alſo ſchreibet: „ Alſo hat denn der liebe GOTT dieſen meinen lieben „ Schwieger-Vater ſo bald nach meiner Abreiſe in ſein Vaterland „ reiſen heiſſen. Er muſte bey zunehmenden Jahren des Climats „ wegen vieles ausſtehen, das er doch nicht aͤndern konte, rieth mir „ aber zu repatriiren. GOTT hat ihn aus mancher Kuͤmmerniß, „ die ihn ſonderlich in den letzten Jahren betroffen, gnaͤdiglich er - „ rettet. Er lehre uns, die wir eins nach dem andern in die Ewig - „ keit voran ſchicken, unſer Hertz da hinein zu ſchicken, wo wir ewig „ zu ſeyn wuͤnſchen. „
Nachdem nun unſer Seliger eine geraume Zeit in Oſt-Jndien geweſen, wolte ſein Coͤrper die daſige Luft und Hitze nicht mehr ver - tragen, ſondern er verfiel in oftmalige Kranckheiten. Er ſchreibet davon an ſeine Bruͤder im obgemeldten Briefe vom 9. Sept. 1738. noch folgendes: „ Der Coͤrper muß dazu leiden, der innerhalb 13 „ Monaten vier mal bettlaͤgerig geweſen. Von dem letzten Fieber „ erhole ich mich ietzt erſt. Jch ſehe es alſo an, daß mich GOtt von Jn - „ dien gantz los haben wolle. Er helfe uns durch dieſes Jammerthal. „ Jndien iſt mir ein rechter Leidens-Plan geweſen, und noch. Den - „ noch bleib ich ſtets an dir! „ Der Herr Schwieger-Vater ſelbſt, wie wir nur vernommen, hat ihm angerathen, daß er nach Europa zuruͤck kehren moͤchte. Er hat alſo dieſe ſeine Umſtaͤnde E. Hoch - loͤbl. Mißions-Collegio vorgetragen, und dieſes hat dieſelben ſo ge -gruͤn -24gruͤndet gefunden, daß es ihm erlaubet, die Ruͤckreiſe nach Euro - pa anzuſtellen. Solchemnach brachte er ſeine Sachen in Ordnung, und verließ ſeine Buͤcher der Bibliothec zu Tranckenbar. Den 15. Oct. 1739. ging er an Bord des Schiffs Princeſſe Louiſe, wo - ſelbſt er ſo wol, als auf der Hinreiſe, ſeine Zeit zum Guten anzuwen - den wuſte. Denn, ohnerachtet er vom hitzigen Fieber zwey mal ſtarcke Anfaͤlle gehabt, ſo hat er doch 17 Schwartze im Chriſtenthum unterrichtet, und ſie am Feſte der Heyden den 6. Jan. 1740. auf dem Schiffe getauft. Auf dem Vorgebirge der guten Hoffnung hat er den daſelbſt befindlichen Teutſchen Augſpurgiſcher Confeßion - Verwandten am 5. und 6. Sonntage nach der Erſcheinung CHriſti geprediget und das heilige Abendmahl ausgetheilet. Folgends iſt er, nach geſegneter Reiſe, den 24. Maͤy 1740. zu Copenhagen ankommen, davon er den 28. dieſes an die Seinigen alſo geſchrieben: „ So habe „ ich denn nun einen wichtigen Periodum der Zeit meiner Wallfahrt „ nach dem himmliſchen Vaterlande zuruͤck gelegt, da mich GOtt „ den 24. dieſes gluͤcklich und geſund alhier ankommen laſſen. „
Zu Copenhagen hat er durch die Gnade des Allerdurchlauch - tigſten Koͤniges die uͤbrige Zeit des 1740. Jahres in Ruhe zubrin - gen koͤnnen, da er denn dieſes ſein Werck ſeyn laſſen, daß er die in Jndien ſehr geſchwaͤchte Geſundheit ſchonen und wieder herſtellen wolte. Er wuͤnſchte die Seinigen gleich das erſte Jahr zu ſehen, aber eben dieſes hielt ihn auf, wie er denn unterm 4. Nov. 1740. nachfolgendes geſchrieben; „ Jch bekam neulich bey Anfang des „ Octobris, da ich bey einer Zug-Bruͤcke ſtehen und warten muſte, „ eine harte Verkaͤltung, daß ich mich eine Woche innen halten mu - „ ſte. Nun bin ich, GOTT Lob! wieder wohl auf, die Natur „ muß ſich nach und nach an die groſſe Veraͤnderung wieder gewoͤh - „ nen. „ Jnzwiſchen hatten Se. Koͤnigl. Maj. in Daͤnnemarck auch fuͤr ihn Sorge tragen laſſen, damit er dem Hohen Mißions - Collegio in der Naͤhe ſeyn, und dem Chriſtlichen Bekehrungs-Wer - cke der Heyden auch in Europa ſeine Dienſte thun moͤchte. Sie hatten ihm alſo die Vocation zum Paſtorat zu Chriſtianshafen allergnaͤdigſt einhaͤndigen laſſen, und der Selige machte alle Anſtalt, daß er daſſelbe, nach zuruͤck gelegter Reiſe, antreten wolte.
Jm Fruͤhling aber des 1741. Jahres that er ſeine letzte Reiſe, theils um die Seinigen noch einmal zu ſehen, theils auch zu Halle denen, welche mit dem Mißions-Wercke zu thun haben, einige noͤ - thige Erlaͤuterung von demſelben zu geben. Von dem erſtern ſchrieb er den 30. Jul. alſo: „ Gefaͤllt es dem HErrn, ſo moͤchte euch, „ meine Hertzallerliebſte, in dieſer Welt noch wohl einmal umarmen „ und hertzen, und denn, wenn es ihm beliebt, in meine Ruhe ein - „ gehen, bis ich in meinem Theil, und ihr in dem eurigen, auferſte - „ hen werde und werdet. „ Das Hochloͤbliche Mißions-Collegium hat dieſen Anſchlag zu reiſen niemals gut gefunden, weil es beſor - get geweſen, ſein durch die heiſſe Jndianiſche Luft, viel Reiſen und Arbeit abgematteter Coͤrper moͤchte dieſelbe nicht ausſtehen. Es hat ihm aber auch nicht ſehr zuwider ſeyn wollen, daß er das un - ſchuldige Vergnuͤgen, ſein Geſchwiſter, Praͤceptores und Freunde zu ſehen, noch einmal genieſſen moͤchte.
Er reiſete alſo im Mertzmonat aus, muſte aber zu Magde - burg, woſelbſt ihm einige Unpaͤßlichkeit befiel, ein paar Poſttage uͤberſchlagen, wie er ſolches ſelbſt in einem den 3. April an mich ge - ſchriebenen Briefe meldet. Von dar ging die Reiſe nach Halle, woſelbſt er in Herrn D. und Prof. Franckens Hauſe vierzehn Tage lang alle gute Wartung und Pflege genoſſen,(*)Siehe die Vorrede uͤber die XLIX. Contin. §. 5. ſo, daß er ſich im Stande befand, uͤber Leipzig hieher nach Dreßden zu reiſen. Am Sonntage Jubilate den 23. April kam er Abends um 5. Uhr bey mir an, und ward von mir, wie man ſich wohl vermuthen kan, mit Freuden aufgenommen. Den folgenden Tag gehet er mit ſeinem Bruder uͤber die Bruͤcke nach Neuſtadt, da ihn denn die ſcharfe Luft ziemlich mag erkaͤltet haben. Doch ließ er ſich nichts mercken, ſondern hat Mittags und Abends bey mir vergnuͤgt geſpeiſet, auch nach Mittags einige Bekannte, und gegen den Abend unſern hoch - wertheſten Herrn D. Loͤſchern beſucht.
Dieſelbe Nacht aber bekommt er einen Anfall vom Froſt und Hitze, welcher ihn ziemlich abgemattet, daher ich ihn, als ich um 7. Uhr in meine Lection ging, noch im Bette liegend antraff, mir aberDnichts26nichts draus machte, weil ich vermeinte, er haͤtte noͤthig befunden, etwas laͤnger, als ſonſt, auszuruhen. Allein als bald hernach der Bru - der zu ihm kam, entdeckte er ihm ſeine Schwachheit, daß er Mattigkeit in allen Gliedern und Druͤcken auf der Bruſt empfinde. Dem ohn - geachtet ſtund er auf, wuſch Haͤnde und Geſicht, und wolte ſich noch weiter ankleiden: als aber die Mattigkeit allzugroß ward, legte er ſich wieder nieder. Der Bruder muſte ihm das Lied vorſingen: Was GOtt thut, das iſt wohl gethan; da er ſich denn ſonderlich die Worte: Er, als mein Artzt und Wundermann, ſehr wohl zu appliciren wuſte. Hierauf folgten dieſe Lieder: Hertzlich lieb hab ich dich, o HErr! HErr JEſu Chriſt, ich weiß gar wohl; Valet will ich dir geben. Da er bey den letzten Worten: Schreib meinen Namen aufs beſte ins Buch des Lebens ein; ſich ſonderlichen Troſt und Vergnuͤgung ſchoͤpfte. Nachgehends gab ihm der Bruder etwas von der bey ſich habenden Artzney an Tropfen und Pulvern ein, um zu einem Schweiß zu gelangen, welcher ſich nach einigem Verweilen eingefunden.
Weil ſich aber die gedachten Zufaͤlle vermehrten, ſo ward ge - gen den Abend Herr D. Ernſt Gottlob Bergmann, ein wohler - fahrner hieſiger Medicus, zu Rathe gezogen, welcher auch nicht ermangelt, das benoͤthigte zu verordnen, und den Patienten fleißig zu beſuchen. Die drauf folgende Nacht hatte er nur wenigen und matten Schlaff. Des folgenden Tags, den 26. April, ward er um beſſerer Pflege willen in ein anderes Zimmer gebracht, dahin er noch, wiewol gantz kraftlos, gehen konte. Auf Veranlaſſung des gedachten Medici ward auch der Herr Hof-Rath Neide mit zu Rathe gezogen, ſo daß man, was menſchlicher Rath und Huͤlfe zu thun vermoͤgend, im geringſten nicht verabſaͤumet. Es ward zugleich eine Ader zu oͤffnen beliebet, welches geſchach, aber keinen Effect zei - gete. Denn er ſpuͤrte darnach mehr Stechen auf der rechten Bruſt, ſo, daß er wenig reden konte. Er ließ ſich deswegen vorbeten, und war dieſen Tag und folgende Nacht im Reden gantz ſtille, ohne daß er ſich etliche mal das Lager veraͤndern ließ. Donnerſtags den 27. fruͤh ward er etwas munterer im Geſicht, doch hielt das Stechen und Druͤcken auf der Bruſt noch immer an, weswegen er begehrte,daß27daß man ihm am Fuß eine Ader oͤffnen ſolte, als woran er gewohnt waͤre. Der Herr Doctor wolte nicht gern dazu rathen, auf ſein inſtaͤndiges Anhalten ließ ers geſchehen. Das weggelaſſene Blut zeigte, nachdem es erkaltet, einen zaͤhen Schleim, gleich einer dicken Haut, und unter ſolchem ein hellrothes Gebluͤt mit etwas waͤſſeri - ger Feuchtigkeit vermenget. Nach dem Aderlaſſen ließ das Stechen auf der Bruſt ziemlich nach, woruͤber er ſich etwas vergnuͤgt be - zeigte, hatte aber doch wenig Ruhe. Die folgende Nacht conti - nuirte die Unruhe, ſo, daß er ſich etliche mal umbetten ließ, auch ſich in groſſer Hitze und ſtarckem Schweiß befand. Jndeſſen hat der Patient ſtets zu GOtt geſeufzet, und ſich ſein Ende vorgeſtellet, auch ſich von ſeinem Bruder vorbeten und ſingen laſſen.
Den 28. fruͤh begehrte er, daß ihm der Bruder die Augen und das Geſicht abwaſchen ſolte, dabey er denn ausrief: O! o! Er la - bet und erquicket. Bald drauf ſagte er: Der Zorn des Vaters brennet bis in die unterſte Hoͤlle. Dann wiederum: Der Erloͤ - ſungs-Tag iſt da. Nachmittags ließ er ſeinen letzten Willen zu Pappier bringen, welchen er von Wort zu Wort dictirte. Wenn ein Punct aufgeſchrieben war, ließ er ſich denſelben hinreichen, aͤn - derte auch ſelber, was ihm nicht recht war. Auf deſſen Verlangen ward der hieſige Archidiaconus, Herr M. Moritz Carl Chriſtian Woog, geholet, welcher ihm aus GOttes Wort mit chriſtlichem Troſt und Ermahnung beygeſtanden. Derſelbe hat den Seligen in der ſchoͤnſten Verfaſſung gefunden, indem er die von ihm gethane Vorſtellungen allezeit auf ſich appliciret. Es kamen unter andern die Worte vor: der Selige habe ſein Pfund auch unter den Hey - den zu deren Bekehrung angewandt. Allein er antwortete: Nicht uns, HErr, nicht uns. Als von der Seligkeit geredet ward, hub er die Haͤnde auf, und ſagte: Freude, Freude.
Nach ein paar Stunden bezeigte der Selige ein Verlangen nach dem heiligen Abendmahl, worauf gedachter Herr Archidiaco - nus nochmals erſchien, da denn der Selige ſeine Beichte bußfertig ablegte, und darauf die Abſolution erhielt. Hierauf winckte er ſeinem Bruder, daß er ihn aufrichten, und er das heilige Abend -D 2mahl28mahl ſitzend genieſſen moͤchte, welches auch mit inbruͤnſtigem Ver - langen, Andacht und Demuth geſchehen. Als unter andern die Worte vorkamen: Ob iemand ſuͤndiget, ſo haben wir einen Fuͤr - ſprecher, ſagte er: JEſus, mein Interpres und Fuͤrſprecher, wird fuͤr mich reden.
Dieſes geſchah ohngefehr um 5. Uhr, darauf der Selige ſich mit ſeinem Bruder noch von allerhand Sachen unterredet, auch ſich dann und wann einen Spruch oder Lied vorbeten laſſen. Nach dieſem ward das gemachte Codicill vollzogen, da denn der Selige gegen die anweſenden Zeugen mit den Fingern das Zeichen des Creu - tzes machte, und ſie mit den hebraͤiſchen Worten anredete: הוהיל םתא םיכורב, geſegnet ſeyd ihr dem HErrn. Als dieſe abgetre - ten, ſagte er: Nun wirds uͤberall heiſſen: Der Mißionarius Walther iſt todt; und bald fragte er: Werden meine Fuͤſſe nicht kalt? O wenn er nur nicht lange machte. Weiter ſagte er: Jch ſuchte eine Linde - rung, aber JEſus giebt mir die beſte Linderung. Dieſe Worte redete er mit ſonderbarem Nachdruck, und befahl ſie anzumercken.
Um 7. Uhr Abends ging der rechte Todes-Kampf an, welche Zeit der Sterbende nebſt den folgenden Stunden, ſo oft die Uhr ſchlug, allezeit mit aufgehabener Hand und ausgeſtrecktem Zeige - Finger richtig anmerckte, ſo daß er um 10. Uhr ſagte: Nun ſind, GOtt Lob! drey Stunden uͤberſtanden, und ſind mir doch nicht lang worden. Und ich ſelbſt konte nicht anders ſagen, als daß mir die Zeit bey dieſem ſchoͤnen Geſpraͤch und Unterredung unter den Haͤnden weggegangen. Jch betete ihm anfangs das Lied vor: HErr JEſu Chriſt, wahr Menſch und GOtt. Als ich auf die Worte kam: Wenn mir vergeht all mein Geſicht ꝛc. ſo wies er auf die Augen, Ohren, Mund, Stirne, und auf das Hertz ſchlug er zu zweyen malen mit ziemlicher Heftigkeit. Die Spruͤche der heiligen Schrift gab er gemeiniglich ſelbſt an, z. E. 1 Cor. XV, 19. Hoffen wir allein in dieſem Leben auf Chriſtum, ſo ſind wir die elendeſten unter allen Menſchen. Hiob XIX, 25. Jch weiß, daß mein Erloͤſer lebet ꝛc. Luc. XVIII, 7. Solte GOtt nicht erretten ſeine Auserwehlten? 2 Cor. IV, 17. Unſere Truͤbſal, die zeitlich und leicht iſt, ſchaffet eine ewige und uͤberalle29alle maſſe wichtige Herrlichkeit. Roͤm. VIII, 33. Wer will die Auserwehlten GOttes beſchuldigen? Wer will uns ſcheiden von der Liebe GOttes? Ap. Geſch. IV, 12. Es iſt in keinem an - dern Heil. 1 Timoth. II, 5. Es iſt Ein GOTT und Ein Mitt - ler. Roͤm. III, 24. Wir werden ohne Verdienſt gerecht aus ſeiner Gnade. 1 Cor. X, 13. GOtt iſt getreu ꝛc. und weil ihm das Reden beſchwerlich ward, uͤberließ er mir, dieſelben vollends bis zu Ende vorzuſagen, welches denn niemals ohne dienliche Ap - plication geſchehen.
Jch fing den Spruch an: Das iſt ie gewißlich wahr, und ein theuer werthes Wort, daß JEſus Chriſtus kommen iſt in die Welt, die Suͤnder ſelig zu machen, unter welchen ich (hier ſchlug der Sterbende auf die Bruſt, und ſagte: Jch, Wal - ther) der vornehmſte bin. Aber deswegen iſt mir Barm - hertzigkeit wiederfahren, auf daß an mir (der Sterbende ſchlug abermal auf die Bruſt, und ſagte: Mir, Walther) vornehm - lich JEſus Chriſtus erzeigte alle Geduld zum Exempel denen, die an ihn glaͤuben ſollen zum ewigen Leben. GOtt aber, dem ewigen Koͤnige, dem unvergaͤnglichen, unſichtbaren und allein weiſen, ſey Ehre und Herrlichkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen. Dieſes Amen wiederholte er allezeit, wie man denn aus ſeinem Munde die gantze Zeit vielmals Ja und Amen gehoͤret hat. Der Bruder muſte ihm den 23. Pſalm vorbeten, bey deſſen andern Vers rief er aus: Er fuͤhret mich zum friſchen Waſſer, recht friſchen Waſſer. Er wird mich leiten zu dem lebendigen Waſſerbrunn, zu dem Strom des lebendigen Waſſers. Bey dem vierten Verſe fragte er: Was iſt das vor ein Thal? und als ihm geantwortet ward: das Todes-Thal, gab er zu verſtehen, daß ſolches recht ſey, und ſetzte die hebraͤiſchen Worte תומלצ; איג darzu, welches eben das Todes-Thal bedeutet.
Als ihm der Bruder den Schweiß abtrucknete, ſagte er: Wa - chet, Wachet. Weiter: Es wird nun bald vollendet ſeyn, hoffe ich. Jtem: Jch kan nicht viel mehr reden, ich werde alle Augen - blick ſchwaͤcher. Dabey aber doch dieſes zu erinnern, daß, da er ſich die Tage ſeines Lagers auf Einrathen derer Herren MedicorumD 3immer30immer geſchonet, und nicht viel geredet, er hernach, ſo lange es ſeine Umſtaͤnde zulieſſen, ſtarck zu reden angefangen. Er ſagte auch: Nun komme ich zu meinen lieben Kindern, und kuͤſſe ſie.
Hierauf fing ich an: Es wuͤrde nun bald die Zeit kommen, da er freudig ausrufen wuͤrde: Jch habe einen guten Kampf ge - kaͤmpfet, ich habe Glauben gehalten ꝛc. antwortete er abermal: Nicht uns, HErr, nicht uns. Jch ſagte: Die Lehrer םיליכשמה, diejenigen, welche andere im Wege zur Seligkeit klug machen, werden leuchten wie des Himmels Glantz, und die, ſo viele zur Gerechtigkeit bringen, wie die Sterne immer und ewig - lich; Er ſagte hierauf: Trotz ſey dir, Satan, daß du mir dieſen Troſt raubeſt. Wie er ſich denn uͤber den Evangeliſchen Troſt ſehr freudig bezeigte, und mehr als einmal ſagte: Dieſen Troſt hat kein Heide: Dieſe Freudigkeit kan ein Heide nicht haben. Auch im Tode ſey getroſt. Jch redete weiter von der Herrlichkeit des zu - kuͤnftigen Lebens, was man aus GOttes Wort ſagen kan. Er ergriff mich bey der Hand, und ſagte: Das verſtehen Sie nicht, ich werde es aber bald erfahren. Zu verſchiedenen malen richtete er ſich damit auf, daß uns die Suͤnde aus Gnaden in Chriſto ver - geben wuͤrde. Wobey ich die Worte anfuͤhrete: Wohl dem, dem die Ubertretungen vergeben ſind: Davon bereits oben erzehlet worden.
Jn ſeinem gantzen Todes-Kampfe, und da er in der groͤßten Hitze lag, ſahe er in dem Angeſicht ſo freudig und lieblich aus, (wenn ich nicht Teutſch zu ſchreiben haͤtte, ſo wolte ich ſetzen, charmant) daß ich mich daran recht ergetzet. Er lachte in die 5. mal recht freudig und laut, und wies erſt mit der lincken Hand: Hier ſtehen die Engel, und warten auf mich; hernach auch mit der rechten: Hier ſtehen auch welche. Als er nun 3. mal gelacht, fragte ich ihn: Aber ſagen Sie mir doch, warum Sie lachen? Er: Das koͤnnen Sie mir wohl ſelbſt ſagen. Jch brachte die Worte des Liedes vor: GOttes Kinder ſaen zwar traurig und mitThraͤ -31Thraͤnen: Aber endlich bringt das Jahr, wornach ſie ſich ſehnen. Denn es kommt die Erndte-Zeit, da ſie Garben machen. Denn wird all ihr Gram und Leid lauter Freud und Lachen. Er antwortete: Da haben Sie es ja. Er ſagte auch: Es iſt eine groſſe Gnade GOttes, daß mein Weib nicht da ſtehet und weinet, und meine Kinder heulen.
Man hat mich gefraget: Ob ich nicht an dem Sterbenden einige Zeichen der durch die Hitze der Kranckheit verdorbenen oder etwas in Unordnung gebrachten Phantaſie wahrgenom - men? Jch kan aber nebſt allen Anweſenden mit Grund der Wahrheit ſagen, daß ich dergleichen im geringſten nicht ange - mercket. Denn man erwege, wo die Gedancken ſo ordentlich ſind, daß ſie bey einer Materie in dem Zuſammenhang bleiben, wo der Grundtext vorgebracht wird, wo eine ſo ſchoͤne Ap - plication auf ſich ſelbſt gemacht wird, ob da auch das geringſte Kennzeichen einer verderbten Phantaſie anzutreffen? Hier faͤllet mir noch dieſes bey. Es ließ ſich der ſelige Mann zuweilen einen Loͤffel friſch Waſſer geben, um ſich ein wenig zu erquicken. Jch nahm Gelegenheit ihn der Worte CHriſti zu erinnern: Wer von dieſem Waſſer trincket, den wird wieder duͤrſten. Wer aber des Waſſers trincket, das ich ihm geben werde, den wird in Ewigkeit nicht duͤrſten: ſondern das Waſſer, das ich ihm geben werde, wird in ihm werden ein Brunn, der ins ewige Leben (hier verſprach ich mich, und ſagte) quillet. Er aber corrigirte mich und ſagte: ſpringet, ſpringet. Wer nun ſeine Gedancken ſo beyſammen hat, daß er einem Geſunden noch einhelfen und verbeſſern kan, bey dem iſt wahrhaftig von keiner Phantaſie zu gedencken.
Der Sterbende war hiernaͤchſt beſchaͤfftiget mit der Sorge fuͤr die Kirche CHriſti, und fing an: HErr, ſegne die Mißion in Oſt-Jndien und das loͤbliche Collegium. Jch begleitete dieſes miteinem32einem fernern Wunſch, daß GOtt dieſes Werck in Gnaden mit allem Segen uͤberſchuͤtten wolle. Er betete fuͤr die Kirchen in Daͤn - nemarck, Schweden, England, Teutſchland und in Preuſſen. Er ge - dachte derer Staͤdte, in welchen er geweſen, und Gutthaten genoſſen, wie auch derer Freunde in Copenhagen, Berlin, Magdeburg, Stargard, Dreßden, Halle, Leyden, auf dem Caep und zu Ma - dras. Er erwehnte auch der verfolgten Kirchen in Ungarn und Schleſien, und bat hertzlich, daß GOtt auch in Franckreich, Spa - nien und Portugall, woſelbſt der Glantz des goͤttlichen Worts noch nicht durch die Finſterniß durchgedrungen, und die kalten Hertzen erwaͤrmet werden koͤnnen, ſein Licht wolle hervorbrechen laſſen. Jedes von dieſem ward, wegen der Schwachheit des Sterbenden, von mir mit einem beſondern Gebet und Wunſch weiter ausgefuͤhret, wobey er das Amen mit heller Stimme zu ſprechen niemals unterließ.
Zu mir ſagte er, mich bey der Hand ergreiffend: Mir nach, Mir nach: Welche Worte dreyerley Verſtand haben. Erſtlich, hat er mich vielleicht derer Worte des Liedes erinnern wollen: Mir nach, ſpricht CHriſtus, unſer HErr; und das ſoll meine Lection bleiben bis ans Ende. Oder er hat gemeinet, ich ſolte dem Exempel ſeines freudigen Todes-Kampfes nachfolgen: ſo will ich ſolches Zeit meiner Tage nicht aus der Acht laſſen. Oder er hat geſagt, ich ſoll ihm bald nachfolgen; ſo bitte ich GOtt, daß er mich dazu taͤglich bereiten wolle.
Hiernaͤchſt gedachte er, daß er aus Europa nach Africa und Aſien, von dar wieder zuruͤck nach Africa und Europa gereiſet, und nun hier zu Dreßden ſterben wuͤrde. Jch gedachte, ſprach er, in den Oſt-Jndiſchen Sand begraben zu werden, ſo aber komme ich in die Europaͤiſche Erde. Er fragte, warum? und antwortete ſich ſelbſt, die Urſache werde er bald erfahren. Gleich darauf ſagte er: Wie wohl wirds thun! Wie wohl wird ſichs nach der Arbeit ruhn!
Dieſes und noch mehr, welches mir nicht alles mehr beywoh - net, hat gewaͤhret bis um 12 Uhr, nach welcher Zeit er ſtille ward, und etwas zu ruhen ſchien. So lag er zuweilen eine Viertel - auch wol halbe Stunde; ſo oft er aber erwachte, fing er entweder ſelbſt etwas erbauliches an, oder man ſagte ihm einen ſchoͤnen Spruch vor, welchen er allezeit mit dem Amen verſiegelte. Als es nun nach 1 Uhr war, legte ich mich, weil ich vom Reden abgemattet war, etwas zur Ruhe. Jndeſſen hat der Bruder, ſo oft er erwacht, ihm vorgebetet, und allerhand ſchoͤne Troſt-Spruͤche vorgehalten. Ge - gen 5 Uhr kam ich wieder, da fand ich nun, daß die Sprache ſchwer geworden, das Roͤcheln auf der Bruſt zugenommen, die Farbe des Angeſichts ſich ſehr geaͤndert, und die Sinne, ausgenommen das Gehoͤr, ziemlich abgenommen. Wir fuhren ſaͤmtlich fort mit Gebet und Anfuͤhrung ſchoͤner Spruͤche aus GOttes Wort und er - baulichen Liedern, welche er mit ſeinem gewoͤhnlichen Amen, wie - wol mit ſchwacher Stimme, verſiegelte. Endlich kam der HErr JESUS, zu welchem er oft geſeuftzet hatte: Ja, komm, HErr JESU! und ſpannte dieſen ſeinen getreuen Knecht aus, indem er halb 6 Uhr die Seele zu ſich nahm, und ihr den Gnaden-Groſchen der ewigen Seligkeit zuſtellte. Solches geſchahe in aller Stille, ohne einiges Ungebuͤhr, nachdem er die Zeit ſeiner Wallfahrt auf 41 Jahr, 7 Monat und 10 Tage gebracht.
Gleichwie nun der ſelige Mann verordnet hatte, daß man ihn ohne Pracht und gantz ſimpel (das war ſein Wort) begraben ſolte: alſo hat man ihm ein modeſt Sterbe-Kleid verfertigen, und ihn in dem groſſen Auditorio der Creutz-Schulen Sonntags Abends und den gantzen Montag ſehen laſſen, da ſich denn eine groſſe Menge Zuſchauer eingefunden, und ſich uͤber die ſchoͤne und modeſte Mine ſeines Angeſichts (zumal da er einem von unſern Herren Predigern ziemlich gleich ſahe) verwundert. Montags den 1. Maͤy ward er Nachmittags um 5 Uhr von der Creutz Schule aus zu ſeiner Ruhe - Staͤtte gebracht, und zwar auf den weiten Kirch-Hof vor dem Pirni -Eſchen34ſchen Thore, unweit von dem Eingange zur lincken Hand. Sechzehn Magiſtri und Studioſi gingen neben der Leiche her, in dreyen Traueꝛ - Wagen folgeten derſelben unſer Hochverdienter Herr Ober-Hof - Prediger, D. Marperger, drey Prediger an der Creutz-Kirche, Herr M. Woog, Herr M. Langbein und Herr M. Juͤnger, wie auch der dritte College bey der Creutz-Schule, Herr M. Koͤhler, nebſt dem leidtragenden Bruder und mir.
Wir dancken hierbey dem allerhoͤchſten GOTT fuͤr alle Gna - den-Wohlthaten, welche er unſerm Seligen ſo wol im Leben, als auch im Tode erwieſen. Er erfreue nun ſeine Seele in dem Schooß Abrahams und vor dem Throne des Lammes, und laſſe ſie der Ruhe genieſſen, bis ſie dermaleins mit dem Leibe vereiniget, und zum vollkommenen Genuß der ewigen Herrlichkeit verſetzet wird. Er troͤſte die hinterlaſſene Geſchwiſter, Anverwandte, und ſaͤmt - liche Gemuͤths-Freunde in Europa und Aſien, und gebe Gnade, daß ſie ſeinen Willen in Geduld und Gelaſſenheit erkennen, und allen Kummer bey Seite ſetzen.
Ehe ich aber ſchlieſſe, habe ich dem Leſer und mir ſelbſt noch die - ſes vorzuhalten, daß dieſes die beſte Religion ſey, in welcher ſichs froͤlich und ſelig ſterben laͤßt. Man ſchleppet ſich auf der Welt mit tauſend Ceremonien herum, man ſchreyet ſich den Hals muͤde, man bringet die Zeit zu mit Einrichtung von allerhand ſeltſamen Din - gen. Bald wird dieſer Heilige Mode, bald wieder ein anderer, an den man ſich halten ſoll. Aber wenns zum Sterben koͤmmt, als - denn kan alle ſolche Spinnewebe, Heu, Stroh und Stoppeln nicht helfen. Da will nichts haften, da iſt kein Troſt zu finden. Man hat wol Exempel, daß Sterbende der ſo genannten Heiligen Bilder genommen, und ſolche den leidigen Troͤſtern vor die Fuͤſſe geworfen. Wer nun bey ſo klaͤglichen Umſtaͤnden hat eines froͤlichen und ru - higen Endes ſterben ſollen, der hat ſich auf gut Evangeliſch bloß und allein an CHriſtum halten, und ſich deſſen Verdienſt zueignen muͤſſen. Das Exempel Hertzog Georgens von Sachſen iſt mehr als zu bekannt. Von Hertzog Anton Ulrichen zu Braunſchweig iſt einglei -35gleiches erzehlet worden, ohnerachtet man gut gefunden, es nicht ſo ſehr bekannt zu machen. Andere um geliebter Kuͤrtze willen zu geſchweigen. Man hat billig Mitleiden mit dem armen Volcke, welches die heilige Schrift nicht leſen darf, daher auch wenig Freu - digkeit zum Sterben vorhanden. Dergleichen Leute ſolten, wo nicht um das Bette eines Sterbenden von unſer Religion herum ſtehen, doch zum wenigſten die Erzehlung von dergleichen erbaulichem Le - bens-Ende vor Augen haben: Die Augen wuͤrden ihnen wohl auf - gehen. Aber auch dieſes wird ihnen abgeſchnitten.
Ferner ſolten dieſes erwegen alle diejenigen, welche aus der chriſtlichen Religion nicht viel machen, und lieber den Namen ei - nes ſtarcken Geiſts, (eſprit fort) fuͤhren, als dem Worte GOt - tes Gehoͤr geben wollen. Das liebe Wort GOttes, welches voll iſt von goͤttlicher Kraft und Weisheit, iſt ihnen viel zu einfaͤl - tig, als daß ſolche Meiſter von hohen Sinnen ſich daran halten koͤnten. Allein man bedencke das Ende ſolcher Leute. Jch habe dreyerley Arten davon angemercket. Einige hat GOtt in ihrer Dummheit dahin geriſſen, daß ſie wie ein toller Hund abgefahren, und ein Ende mit Schrecken genommen. Andern hat es ſo gut nicht werden koͤnnen, daß ihnen ein Chriſt mit einem Spruͤchlein aus GOttes Wort beygeſtanden, und ſind folglich ohne Troſt ab - gefahren. Die letztere Art hat ſich noch in Zeiten beſonnen, dem Wincke GOttes Platz gegeben, und ſich bekehret, daß ſie hernach mit Freuden von der Welt Abſchied nehmen koͤnnen. Es waͤre leicht, alle drey Claſſen mit Exempeln zu erlaͤutern, wenn es Zeit und Ort erlaubten. Da nun aber ſolche Leute kluͤger, als andere, ſeyn wollen, ſo ſolten ſie ſich doch bey guter Zeit eines beſſern beden - cken. Denn wenns aufs Ende los gehet, alsdenn ſehen ſie, daß alle dergleichen Schloͤſſer, welche man in die Luft gebauet, nichts als Chi - maͤren ſind, mit welchen ſie ſich die gantze Zeit ihres Lebens herum geſchleppet haben. Sie haben einen ſchweiniſchen Geſchmack, da ihnen der Koth ihrer eitlen Gedancken weit beſſer ſchmeckt, als dieE 2mit36mit himmliſcher Weisheit ausgezierten Wahrheiten des goͤttlichen Worts, dergleichen Speiſe fuͤr vernuͤnftige Menſchen zubereitet iſt. Da ſolte man lernen ſterben, und dem alten Seneca folgen, wel - cher ein nicht geringer Philoſophe war, und dieſe treffliche Wahr - heit erkannt hat, die Philoſophie ſey nichts, als eine Meditation des Todes und eine Vorbereitung zu demſelben. GOTT gebe, daß bey manchen nicht die Worte wahr werden: So fahren ſie ihren Vaͤ - tern nach, und ſehen das Licht nimmermehr: und wie die Worte ferner lauten.
Ein rechtſchaffener Chriſt laͤßt ſich durch dergleichen ſchoͤne Ex - empel, welche er fuͤr nichts anders, als Wirckungen des Heiligen Geiſtes anzuſehen hat, ermuntern, ſeinem GOTT in Erkenntniß der Wahrheit und Ausuͤbung der Gottſeligkeit zu dienen, und ſich deswegen zu einem froͤlichen und ſeligen Ende zu bereiten. O wie ſchoͤn ſtehet es um ſo ein Sterbe-Bette aus, wenn ſo wol auf Sei - ten der Sterbenden, als auch der Herumſtehenden, Freudigkeit und Vergnuͤgen anzutreffen. Wenn bey dem Sterbenden keine Todes - Angſt, ſondern Freude; bey den Hinterbliebenen nicht Trauren und Betruͤbniß, ſondern Troſt und Ermunterung vorhanden. Das findet ſich bey Gottloſen nicht, ſondern ſie muͤſſen klagen: Meine Suͤnde mich werden kraͤncken ſehr, mein Gewiſſen wird mich nagen; und weiter kommen ſie nicht. Da hingegen bey einem Glaͤubigen dieſes eintrifft: Es iſt nichts verdammli - ches an denen, die in CHriſto JEſu ſind.
GOTT ſchicke unſere Hertzen ſo zu, daß wir taͤglich uns zum letzten Ende bereiten, und zu ſeiner Zeit froͤlich und ſelig ſterben. Amen.
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