Das iſt:
Dedicatoria. Denen Ehrnveſten / Großachtbarn / Hoch - vnd Wol - gelahrten vnd Wolbenambten Herren N. N. So wol auch Denen Viel Ehrentugendtreichen Frawen vnd Jungfrawen / Allen vnd jeden Rotiſchen Erben in Greiffenberg / vnd anderswo: Wer dieſelben ſind / vnd wo ſie wohnen / Mannes vnd Weibes - Perſonen / Sampt vnd ſonderlich Meinen Großguͤnſtigen Herren / Fra - wen vnd Jungfrawen / Gottes Gnade vnd Segen / nebenſt meinen jederzeit willigen vnd ge - fliſſenen Dienſten / mit Trewhertziger wuͤndſchung aller heil - wertigen Wolfahrt Leibes vnd der Seelen zuvor.
EDle / Ehrnveſte / Großacht - bare / Hoch vnd Wolgelahrte vnd Wolbenamte / großguͤnſtige Herren: Auch Edle VielEhrentugendreicheA ijFrawen[4]Vorrede. Frawen vnd Jungfrawen: Man kan auff der Welt nach einem ſeligen Abſterben / nichts beſ - ſers hinder ſich verlaſſen / als einem gutem Na - men vnd Ehrliches Gedechtnuͤß / welches Vn - ſterblich iſt vnd bleibet / ob ſonſt auch ſchon alle Subſtantz / vnnd Verlaſſenſchafft zerſteubet. Daher auch Salomo ſaget in ſeinen Spruͤchen am 22. Capitel / verſu 1.
Melius eſt Nomen Bonum, quàm divitiæ multæ: ſuper argentum enim, & aurum gratia bona.
Das Geruͤcht / oder ein guter Nahme / iſt beſſer denn groß Reichthumb / vnd Gunſt beſſer denn Silber vnd Gold / Vnd Syrach in ſeinem Buch am 42. Cap. Siehe zu / daß du einen guten Nahmen behalteſt / der bleibet gewiſſer / denn Tauſendt groſſe Schaͤtze Gol - des. Ein Leben / es ſey wie gut es wolle / ſo weret es eine kleine Zeit / aber ein guter Nahme bleibet ewiglich.
Wie auch die Vernuͤnfftige weiſe Heyden geſaget: Bona exiſtimatio pecunijs præſtat. Cic. 2. de Orat. Item: Antiquior fit poſſeſsionibus gloria. 1. de divin. vnd Socrates bey den Grie - chen hat geſaget: Plus ſit tibi curæ, ut honeſtam famam tuis liberis relinquas, quàm dignitates ingentes.
Jm[5]Vorrede.Jm Prediger Salomo wird ein guter Na - me vortrefflicher geſchaͤtzet / als eine koͤſtliche Salbe / cap. 7. Melius eſt nomen bonum, quàm unguenta precioſa. Ein gut Geruͤchte iſt beſ - ſer / denn gute Salbe. Denn / wie der Geruch koͤſtlicher Salben das gantze Hauß durch - zeucht / vnd weit vnd ferne gerochen wird: Al - ſo ein guter Name vielmehr / der bricht auß / daß einer nicht nur in ſeinem Hauſe / vnd bey ſeinem Geſchlechte / ſondern auch bey Außlaͤndern vnd Frembden weit vnd breit / dadurch beruffen / vnd maͤnniglichen bekandt wird. Gleich wie das Weiblein dorten / Matth. 26. Das den Herren mit koͤſtlichem Waſſer auff ſeinem Haͤupt begoſſe / nicht allein das gantze Hauß mit ſolchem Geruch erfuͤllete / ſondern Chriſtus der Herre ſaget auch: Warlich / wo das Evan - gelium geprediget wird in aller Welt / da wird man auch ſagen zu jhrem Gedaͤchtnuͤß / was ſie gethan hat / Siehe / ſo ſtarck war der Geruch dieſer Salben / daß er die gantze Welt durchzo - gen: welches vielmehr von jhrem guten Nah - men / ſo ſie hier durch erlanget / zuverſtehen. Die Poeten pflegen Famam mit Fluͤgeln zu fingiren, weil es ſchnelle fleucht / vnd balde fort koͤmmet / Daher der Poet (Virgilius ſaget lib. 4. Æneid:)A 3Fama,[6]Vorrede.
Et (1. Æn:)‘Sumpius Æneas, famâ ſuper ætheræ notus. ’
Wodurch aber / vnd wie ein guter Nahme erlanget werde / das haben wir vornemlich in H. Schrifft / nachmals auch in vieler gelehrten Weltweiſen Buͤchern / wie auch auß taͤglicher Erfahrung / klar vnd deutlich: Als
I. 1. Mentis ſincera pietate. Da man jhme die wahre Gottesfurcht / vnd Erkentnuͤß leſſet fuͤr allen dingen ernſtlich angelegen ſeyn / Lie - bet GOtt von Hertzen / vnd dienet demſelben mit wahrer Gottſeligkeit auffrichtig vnd gantz trewlich / wann man jhme auch auß Liebe im Glauben gehorchet / vnd folget: Wie jhnen hie - durch die H. Patriarchen / gottſelige Koͤnige / Propheten / Apoſteln vnd Maͤrtyrer / Ja alle rechte Chriſten einen vnſterblichen Nahmen In Eccleſia Sanctorum gemachet haben.
Sonderlich wird ein fein denckwuͤrdig ſchoͤn Exempel geleſen von Eleaſaro / dem alten Neuntzig Jaͤhrigen Greyſen / Jm 2. Buch der Maccabeer am 6. Cap: Den die Heyden mit aller Gewaltzwingen wolten / wieder das Ge - ſetz zu handeln / mit Schweinen fleiſch eſſen; daſie[7]Vorrede. ſie aber mit gewalt vnnd ernſthaffter Bedro - hung an jme nichts enden konten / ſatzen ſie jm mit Liſt vnd Schmeucheley zu / daß ſie jhm zwar ander Fleiſch bringen wolten / welches er wol eſſen dorffte / er ſolte ſich aber nur alſo ſtel - len / als were es geopffert Schweinen fleiſch / vnd ſolte es dem Koͤnig zu Liebe eſſen / daß er al - ſo beym Leben bliebe / vnd der alten Kundſchafft genoͤſſe. Aber er bedachte ſich alſo / wie es denn ſeinem groſſen Alter vnnd Eyßgrawen Kopff / auch ſeinen guten Wandel / den Er von Jugend auff gefuͤhret hatte / vnd dem H. Goͤtt - lichem Geſetz gemaͤß war / vnd ſagt duͤrre her - auß: Schicket mich jmmer vnter die Erden hin ins Grab / denn es wil meinem Alter vbel an - ſtehen / daß ich euch ſo heuchele: daß die Jugend gedencken muß / Eleaſar der nun Neuntzig Jahr alt iſt / ſey auch zum Heyden worden / vnd ſie alſo durch meine Heucheley verfuͤhret worden / daß ich mich ſo fuͤr den Leuten ſtelle / vnd mein Leben / ſo eine kleine Zeit / die ich noch zu Leben habe / alſo friſte / das were mir eine ewige Schande / vnd zwar was habe ich davon / wenn ich zwar jetzt der Menſchen Straff entfloͤhe / weil ich Gottes Haͤnden / Jch ſey Lebendig oder Todt / nicht entfliehen mag? Darumb wil ichjetzt[8]Vorrede. jetzt froͤlich ſterben / wie es mir alten Manne wol anſtehet / vnd der Jugend ein gut Exempel hinter mir laſſen / daß ſie willig vnnd getroſt / vmb des herrlichen heiligen Geſetzes willen ſter - ben / etc. Wer ſiehet hie nicht / welche einem ehrlichen Nahmen dieſer gottſelige Mann hin - ter ſich verlaſſen.
II,2. Vitæ integritate: Da man ſich befleiſſi - get zu haben ein vnvorletzt Gewiſſen / allent - halben / beydes gegen Gott vnd den Menſchen / nach S. Pauli Exempel / Actor. 24. Vnd ſeiner trewen Ermahnung in 1. Tim. 1. Dazu ein vnbeflecktes Leben / in dieſer Welt / Sapient. 4. Vnd da etwas auß Menſchlicher Schwachheit geſchicht / daß man ſich balde mit GOTT vnd Menſchen wieder verſoͤhne / vnd nicht vorſe - tziglich in wiſſentlicher Suͤnde vnd Vngerech - tigkeit verharre. Des haben wir ein Exempel an Zacheo dem kleinen Manne / vnd groſſen Zoͤlner / vnd Suͤnder / Luc. 19. So bald als Chriſtus bey jhm einkehrete / nam er jhn auff mit Frewden / vnd ſprach zum Herren: Sihe Herr / die Helffte meiner Guͤter gebe ich den Armen / vnd ſo ich jemand betrogen habe / das gebe ich vierfeltig wieder. Bekehret ſich alſo zum Herrn / nicht mit Worten alleine /ſon -[9]Vorrede. ſondern auch mit der That / vnd befleiſſiget ſich foͤrder eines guten Gewiſſens / vnd auffrichti - gen Wandels. Daß auch Chriſtus ſelber ſa - get: Heute ſey dieſem Hauſe Heyl widerfahren. Sihe / welch einen guten Namen / vnd treffli - chen Beruff er jhme damit in regno cœlorum bey allen Kindern Gottes gemachet.
3. Morum honeſtate, Rebuſq; præclarè ge -III. ſtis: Wo man ſich feiner loͤblichen Zucht / Tu - gend vnd ruͤhmlichen Thaten mit aller Tapffer - keit vnd Erbarkeit befleiſſet / vnd Buͤrgerliche Gerechtigkeit in acht nimmet.
Dar auff die Heyden ſonderlich ſind gefliſ - ſen geweſen / als Ariſtides, Scipio, Cato, &c. al - les zu dem Ende / daß ſie nur zeitlichen Ruhm / vnd einen ehrlichen Nahmen in der Welt moͤch - ten erjagen. Ageſilaus ward von einem gefra - get / wie einer doch einen ehrlichen Nahmen auff Erden bey den Menſchen koͤnte bekommen / hat er geantwortet: Si loquatur quæ ſunt optima, & faciat quæ ſunt honeſtiſsima; Plutarch. in Apopht. Laconicis.
Jch wil jetzund nicht ſagen von den tapffern Helden Iuda Maccabæo. 2. Maccab. 8. & alijs viris Politicis, ac Philoſophis, die theils durch Rittermeſſige Thaten / theils durch jhre vor -Btreffli -[10]Vorrede. treffliche Buͤcher vnnd Schrifften herrlichen Nahmen erlanget: Sondern davon alleine re - de ich daß wir Chriſten in H. Schrifft zu guten Wercken vnd Tugenden vermahnet werden / nicht allein vmb vnſers guten Nahmens wil - len / Ehr vnd Ruhm vor vnſer Perſon bey den Menſchen zu erlangen / ſondern vielmehr vmb vnſers Chriſtlichen Glaubens vnd H. Evange - lions willen / damit daſſelbige nicht von den Vnglaͤubigen verleſtert / ſondern vielmehr in ſolchen Wirden gehalten werde / daß auch ande - re durch vnſer Exempel gewonnen / bekehret / glaͤubig vnd ſelig werden. Wie S. Petrus vermahnet in ſeiner erſten Epiſtel am 2. Cap. v. 12. 15. & Cap. 3. v. 1. 16. Vnd S. Paulus ad Philipp. 4. v. 8. & alibi.
IV. 4. Bonorum liberalitate: Wenn man von ſeinem wolerworbenen Gute / ſo Gott beſche - ret / milde vnd freygebig iſt ad pios uſus zu be - foͤrderung Goͤttlicher Ehre / vnd Dienſt des Neheſten: Darvon wir viel Exempla haben / nicht alleine an David / der damit vmbgienge / dem Herren ein Hauß zu bawen / 2. Samuel 7. Da ließ jhm Gott ſagen: Jch wil dir ein Hauß bawen / vnd deinen Nahmen machen wie der groſſen auff Erden / welches auch geſchehen / ober gleich[11]Vorrede. er gleich anfangs ein verachter Schaffhirte geweſen. Was ſein Sohn / Koͤnig Salomo / der den Tempel gebawet / vor einen Nahmen bekommen / iſt zu leſen / 1. Reg. 10. Sondern es gebens auch die Kirchenhiſtorien von den Chriſtlichen Kaͤyſern: Als Carolo Magno, der ſo viel Kloͤſter gebawet / als Buchſtaben im Abc. vnd hat dieſelben alſo begabt / daß er in je - des einen groſſen Buchſtabẽ nach der Ordnung des A. B. C. geſchickt / vnd geſetzt hat / auß lau - terem Golde gegoſſen / da jeder hundert Auro - niſche Pfund gewogen / Kaͤyſer Chronica Sa - xonis parte 3. fol. 13. deßgleichen von Theodoſio, der dem Armut ſo reichlich außgeſpendet / daß er auch faſt die Kaͤyſerl. Schatzkammer damit erſchoͤpffet / aber daruͤber mit einem ſehr reichen vnnd herrlichen Schatz vnvorſehens begabet worden. Jtem / vom loͤblichen Kaͤyſer Ottone Magno, der das Thumbſtifft zu Magdeburgk gebawet / deme nicht allein die 19. Tonnen Gol - des / ſo er darzu gegeben / ins Taͤfflichen ange - mahlet / ſondern auch ſein Gedaͤchtnuͤß vnd loͤb - licher Nahme dabey vnſterblich bleibet. (Mag - deburgiſche Chronica Pomarij, mihi fol. 157.) Denn / wer jhm nachdencket: Alle dieſer Her - ren Koͤnigreiche ſind zertheilet / vnd in frembdeB ijHaͤn -[12]Vorrede. Haͤnde kommen: Jhr Geld vnd Gut iſt verzeh - ret: Jhre Kaͤyſ. Kleinodia / koͤſtlicher Schmuck / vnnd herrliche Kleidung ſind laͤngſt zu n[i]chte worden / Ja jhre eigene Leibe ſind verwe ſet: Aber jhr loͤblicher Nahme weret noch / vnd blei - bet vnſterblich / biß an Juͤngſten Tag.
(Ovid. lib. 1. Eleg:)Scindentur veſtes, gemmæ frangentur, &aurum;Carmina, quam tribuent, fama perenniserit.
Alſo: welch einen Nahmen machte jhm Obadias / der die Propheten ſpeiſet? 1. Reg. 18. vnd Ebedmelech / der Jeremiam auß der Gru - ben zeuhet? Ierem: 38.
Cornelius mit ſeinen Allmoſen / Act. 10. vnnd die Wittibe Luc. 21. mit jhren zweyen Scherfflein? Sic manus pauperum ſunt Chri - ſti gazophylacium? ſaget ein alter Lehrer. Ar - mer Leute Haͤnde / ſeynd vnſers Herrn Gottes Schatzkammer / darin die eingelegten Allmo - ſen trewlich vnd wol verwahret werden. Wie auch der glaͤubigen Juͤngerin Thabeæ zu Jop - pen gute Werck vnd Allmoſen / nach jhrem To - de geruͤhmet worden / Act. 9.
Sic[13]Vorrede.Sic fama poſt cineres major venit.
Ovid. l. 4. de Pont. Et: Vita perit mortis, gloria non moritur. Auſon. Fama virtutem reddit illuſtriorem, tametſi non majorem, Bernh. in Cantica. Serm. 17.
5. Mortis ſanctitate. Ein guter NahmeV. wird endlich auch erlanget / vnnd behalten / wenn man ſelig vnd heiliglich ſtirbet / wie Ja - cob / Gen. 49. David. Pſ. 31. Hiob. cap. 9. Simeon Luc. 2. Stephanus Actor. 7. Koͤnig Chriſtianus in Dennemarck. Ferdinandus Imperator. Fri - dericus Elector. &c.
Solche Leute werden beruͤhmet in der Chriſtenheit / Jhr Nahme vnnd Gedaͤchtniß bleibet vnſterblich / wie der weiſe Mann Sy - rach einen gantzen langen Catalogum ſolcher am Ende ſeines Buchs / erzehlet / welche alle loͤbliche Thaten gethan / Land vnnd Leute mit Rath vnd Verſtand regieret: weißlich gerah - ten / vnd vielen gedienet / die auch reich geweſen / vnd groſſe Guͤter gehabt: ſeynd zu jhren Zei - ten loͤblich geweſt / vnd haben ehrlichen Namen hinter ſich gelaſſen / Seynd im friede begraben / aber jhr Nahme weret ewiglich / vnnd jhr Lob wird nicht vntergehen / Syrac. 44.
Da hiergegen Heroſtratus, (homo igna -B iijvus,[14]Vorrede. vus, & ſceleſtus, qui celeberrimum illud Dianæ Epheſiæ templum ſuis manibus incendit, ut ea re nominis immortalitatem ſibi compararet. Strabo lib. 14.) Item Nero Caligula, vnd jhr verruchter hauffe / nur mit Bubenſtuͤcken be - ruͤhmet ſeyn / vnd jhnen dadurch einen Namen machen wollen / aber jhr gedaͤchtniß iſt verflu - chet / wird auch von keinem Chriſtenmenſchen nimmermehr geruͤhmet / noch gebilliget wer - den. Sed, in memoria æterna erit juſtus, & generationi piorum benedicetur: Des Ge - rechten aber wird nimmermehr vergeſſen: das Geſchlecht der frommen wird geſegnet ſeyn / Jhr Horn wird erhoͤhet mit Ehren / Pſalm 112.
Solchen guten Nahmen / vnd ehrlich Ge - daͤchtniß wolverdienter Leute in der Welt nu zu erhalten / außzubreitẽ / vnd fortzupflantzen / auch auff die poſteritet vnd nachkommen zubringen / dienet ſehr wol / daß es nit alleine in offentlichen Leichlermonibus andern zu gutem Exempel / muͤndlich commendiret: ſondern auch auffs Pappier gebracht / ſchrifftlich verfaſſet vnd pu - bliciret werde: Sintemal / was geredet wird / gehet fuͤr Ohren vber vnd verſchwindet bey vielen / leider / allzubalde: Was aber zu Pap -pie[15]Vorrede. pier koͤmmet / den Leuten gleich fuͤr Augen gele - get / vnd offters geleſen wird / das bleibet lenger im gedaͤchtniß / kan auch wiederholet / nec non alijs referendo prælegendo, & communicando, weiter gebracht / in beygelegten Schrifften / vnd Buͤchern laͤnger behalten / vnd ad poſteri - tatem verwaret werden. Sonſt pflegt man auch guter / vnnd wolverdienter Leute wie trewlich ſie es gleich in jhren Emptern bey Lebenszei - ten gemeinet / gar leicht vnd liederlich zu vergeſ - ſen / bey des durch abſterben derer / die ſie gekant / ſo wol durch vnachtſamkeit derer ſo offt vnd viel vmb ſie geweſen: daß es gehet wie man im Sprichwort ſaget: Auß den Augen / auß den Sinnen / vnd wie man bey Leichbegaͤng - nuͤſſen ſinget:
Wann dann Ehrenveſte vnnd Wol - benambte / inſonders großguͤnſtige Herren / ſowol[16]Vorrede. wol auch viel Ehrentugentreiche Frawen vnd Jungfrawen / der weiland Ehrenveſte Wol - weiſe vnnd Wolbenahmbte Herr Matthæus Rothe / alter geweſener Buͤrgermeiſter / vnd Rathsfreund in Greiffenberg / Ewer geliebter Herr Großvater vnd ElterSchweher / ſeligen / nebenſt ſeinem woler worbenen Gute euch allen auch einen ehrlichen Nahmen vnd Chriſtloͤblich gedaͤchtnuͤß nach ſich verlaſſen / als einen koͤſtli - lichen Schatz / vnd herrliches Kleinot: Dafuͤr dem trewen barmhertzigen Gott hoch vnd viel zu dancken:
Als thun dieſelben recht / vnnd wol / ja Chriſtlich vnd loͤblich daran / daß ſie auß ſchuͤl - diger Danckbarkeit dahin befliſſen / wie ſeines ehrlichen Nahmens gedaͤchtnuͤß auch durch of - fentliche Schrifften / vnſterblich gemachet / publice erhalten / vnd ad poſteros propagiret werde: Jn dem ſie die gethane Leichpredigt / wie ſchlecht vnd einfeltig ſie auch von meiner wenigen Perſon / doch Amptshalben / durch goͤttliche verlerhung geſchehen / dennoch der Warheit zu ſtewer / ſchrifftlich von mir begeh - ret / dieſelbe in Druck zu foͤrdern / vnd weiter außzubringen. Wiewol ſolches laͤngſt im Werck geweſen / auch billich eher hette geſche -hen[17]Vorrede. hen ſollen / maſſen ich auff begeren / bald nach dẽ Begraͤbniß bey der Erbſchichtung dieſelbe erſt - mals ſchrifftlich abgegeben: Aber zeithero durch an dere impedimenta verſchoben / nunmehr an - derweit im Namen / vnd von wegen aller Roti - ſchẽ Erben von mir abgefordert / durch H. Chri - ſtian Rothaͤupt in Leipzig / deſſen eheliche Hauß - fraw deß alten Herrn Matthæi Rohten ſeligen Tochter Tochter / vnd Herrn Wentzel Schulteſ - ſen in Greiffenberg / auch ſeiner ſeligen Toch - ter Sohn / der Fraw Rothaͤupten Eheleibli - chen Brudern / ꝛc. So habe ich ſolches nicht wiedern koͤnnen / weil es vornemlich GOtt zu Ehren / wol ermeltem ſeligen alten Herren / als meinem lieben geweſenen Patron / vnd Foͤrde - rern zu mehrwehrendem Ruhmwirdigen ge - dechtnuͤß / vielen andern zu heilſamer Lehre vnd Troſt / wie auch beſonders der gantzen / vor - nehmen / ehrlichen vnd anſehenlichen Freund - ſchafft / zu angenehmen gefallen gereichen ſol - le / dazu dann GOtt ſeine Gnade verleihe.
Offerire vnd dedicire demnach ſolche Pre - digt E. E. Ehrenveſten / Großachtbarkeiten / vnd Gunſten: ſo wol E. E. Ehrentugenden: allen vnd jeden Rotiſchen Erben / zu ſampt deroſelbẽ aller ſeits zugethanen gantzen thrlichen Freund -Cſchafft[18]Vorrede. ſchafft: dienſtfreundlich bittende / ſie geruhen ſampt vnd ſonderlich / ſolche von mir wolge - meinet / großguͤnſtig anzunehmen / alles im be - ſten zu vermercken / in optimam partem inter - pretiren, contra malevolorum calumnias zu de - fendiren, beynebenſt meine / vnd der meinigen großguͤnſtige Herren Patron vnd foͤrderer / ſampt den jhrigen in trewen zu verbleiben: De - nen ich ferner / neben meinen andaͤchtigen Ge - bete / zu angenehmen Dienſten in Freundſchafft jederzeit beſtes vermoͤgens / willig / vnd bereit. Vns alle hiemit Goͤttlicher Gnad vnd Schutz gantz trewlich empfehlende. Greiffenberg am tage S. Agnetis, die auch jhre Waͤnglein mit Chriſti Blute geroͤtet. VInCIt Iter DVrVM pletas.
E. E. E. A. vnd G. auch E. E. Tug. Gehets - vnd Dienſt - williger wolg. Silber P.
GEliebte / alleſampt Außerwehlete / vnd andechtige in dem Herrn / Was der liebe Alte / numehr ſelige Herr Matthæus Rothe in ſeinem hohen Alter lengſt gedroͤ - het / daß hat er endlich geſtern vergangenAo. 1614 16. Iul. ☿ n. ſt. acht tage den 16. Iulij n. ſt. Gott lob ſelig ins Werck ge - richtet / vnd vollendet / in dem er vns nach Gottes willen valediciret, dieſe betruͤbte Welt geſegnet / vnd durch den zeitlichen Todt / ſanfft vnd ſelig von hinnen geſchie - den: deſſen Seelichen ſey in GOttes Hand / in dem Schos Abrahæ, ἐν ἁγίοις.
Beſtatten demnach heute ſeinen Chriſtlichen Leich -Syr. 38. v. 16. 17. nam / nach Syrachs Vermahnung / Ehrlich zu Grabe /Nec niſi poſt annos patuit tunc Curia ſeros: Nomẽ & æta - tis mite Sena - tus habet. Ov. l. 5. faſt dieweil er darnach geweſen: Nicht einer ex communi fece, auß gemeinen hauffen / ſondern ex Seniori - bus & Senatoribus hujus Reipublicæ, einer auß den aller Elteſten Buͤrgern / vnd Großvaͤtern dieſer Stadt /C ijJa der[20]Eingang zurJa der Elteſte auß dem Erbarn Rathsſtande / der acht - mal vnterſchiedlich regierender Buͤrgermeiſter geweſen / vnd ſein liebes Alter mit allen Ehren wol erreichet hat.
Demnach certiren heute gleich / vnd ſtreitten mit - einander / bey dieſem ſeinem angeſtelleten Leichbegaͤng - nuͤß / die zwo Chriſtliche Haͤupttugenden: Pietas, die Gottſeligkeit / vnd Gratitudo, die Danckbarkeit / welche vnter jhnen den vorzug billich haben ſolte: Auß Gott - ſeligkeit ſind wir zwar ſchuͤldig / einem jedern Rechtglaͤu - bigen Chriſten die letzte Ehre mit Chriſtlichen Begraͤb - nuͤß zu erzeigen: Dieſem aber auch auß danckbarkeit / tanquam de Repub: noſtra optimè merito & emeri - to: weil er ſich lange zeit wol verdienet / nicht allein vmb gemeinen Nutz dieſer Stadt / in dem er dem Regiment weiland loͤblich vnd trewlich vor geſtanden / ſo lange er gekont: ſondern auch vielen / ja den mehrern theil ehr - lichen Buͤrgern / beydes allhier vnd anderswo / mit ſei - nem wolerworbenen Geld vnd Gut gedienet / in dem er jhnen huͤlff - vnd raͤthlich geweſen / vnter welchen nun - mehr mancher / (vielleicht eher alß jhm lieb)Leontius E - piſcopus. erfahren moͤchte / was jener Altvater Leontius von ſeinem grawen Haͤupte geſaget / darauff er mit Fin - gern zeigete: Hac nive liquefacta, multum erit luti. Ach lieben Kinder / wenn dieſer alte Schnee einmahl wird abgehen / ſo darff es wol eben kotig werden.
Wir erinnern vns aber zum Eingang bey ſeinemExemp. Ia - cobi Patr. Gen. 49. Exempel / der Hiſtorien des lieben gottſeligen Altvaters Jacobs / auß dem erſten Buch Moſis am 49. Capitel / der lag auff ſeinem Siechbette / ließ alle ſeine Kinder vnd Kindeskinder fuͤr ſich kommen / ſonderlich aber ſeineslieben[21]Predigt. lieben Sohnes Joſephs Kinder / redete mit jhnen auffs freundlichſte / ſegnete ſie hertziglich / erſeufftzete daruntercap. 48. tieff / vnnd ſprach: Expecto Domine ſalutare tuum. Herr ich warte auff dein Heil. Vnd nach dem er49. v. 18. außgeredet hatte / thet er ſeine Fuͤſſe zuſammen auffs Bette / vnd verſchied. v. ult.
Alſo auch dieſer liebe alte Vater hat auff ſeinem langwirigen Siechbette offt mit den ſeinen geredet / lan - ge zeit auff ſein ſeliges Stuͤndlein gewartet / biß jn Gott endlich gnaͤdig erhoͤret / vnd ſeine Seele von hinnen ge - nommen hat. Cum non fuerit melior patribus ſuis,1. Reg. 19. v. 〈…〉〈…〉 weil er nichts beſſer / als ſeine Vaͤter / wie der Prophet Elias dorten von ſich auch ſaget.
Jſt derhalben noch vbrig / daß wir / wie droben ge - dacht / ſeinen Leichnam ins Ruhebettlein bringen / vnd ſeiner noch darbey zu guter letzte ehrlich gedencken: wol - len derwegen in der Furcht des Herren / wie wir hie ver - ſamlet / eine Chriſtliche Leichpredigt auß Gottes Wort anhoͤren / darauß wir nuͤtzliche gedancken vom Chriſtli - chen Leben vnd ſeligen Sterben ſchoͤpffen / damit / weil wir je hier von einander ſcheiden / dort im ewigen Leben wieder zuſammen kommen moͤgen / etc.
Den ich auff dißmal dem lieben al - ten Herren (ſeligen) zu einem Ehrengedaͤcht - niß / Frommen Chriſtlichen Hertzen aber zu Troſt / vnd Lehre / in dieſer Leichpredigt vor mich ge - nommen / wird vns beſchrieben im (Prediger Salomo am XII. Cap. )Vnd lautet in vnſerm Deutſchen alſo:
GEdencke an deinen Schoͤpffer in deiner Jugend / ehe denn die boͤſen Tage kommen / vnd die Jahr herzu treten / da du wirſt ſagen / ſie gefallen mir nicht. Ehe denn die Sonne vnd Liecht / Mond vnd Ster - ne finſter werden / vnd Wolcken wieder kommen nach dem Regen. Zur zeit wenn die Huͤter im Hauſe zittern / vnnd ſich kruͤmmen die Starcken / vnd muͤſſig ſte - hen die Muͤller / das jhrer ſo wenig wor - den iſt / vnnd finſter werden die Geſicht durch die Fenſter. Vnnd die Thuͤr der Gaſſen geſchloſſen werden / daß die Stim - me der Muͤllerin leiſe wird / vnd erwachtwenn[23]Chriſtliche Leichpredigt. wenn der Vogel ſinget / vnd ſich buͤcken alle Toͤchter des Geſanges. Daß ſich auch die Hoͤhen fuͤrchten / vnnd ſchewen auff dem Wege / wenn der Mandelbaum bluͤ - het / vnd die Hewſchrecken beladen wird / vnd alle Luſt vergehet. (Denn der Menſch fehret dahin / da er ewig bleibet / vnd die Klaͤger gehen vmbher auff der Gaſſen.) Ehe denn der Silbern Strick wegkom - me / vnnd die guͤlden Quelle verlauffe / vnd der Eymer zulechtze an den Born / vnd das Radt zubreche am Born. Denn der Staub muß wieder zur Erden kom - men / wie er geweſen iſt / vnd der Geiſt wie - der zu GOtt / der jhn gegeben hat. Denn GOtt wird alle Werck fuͤr Gericht brin - gen das verborgen iſt / es ſey gut / oder boͤſe.
So viel ſind der Wort dieſes vnſeres vor - genommenen Textes auff dißmal / dazu vns Gott ferner die Gnade ſeines H. Geiſtes ver - leihen wolle / vmb Chriſti willen / Amen.
GEliebten im Herren / gar ein ver - ruchter gottloſer Menſch muͤſte der ſeyn / der ein ehrliches Alter nicht wolte groß ach -Concionis Exordium. ten / lieben vnd ehren / vnd von demſelbigen alles gutes reden: Nicht allein / weil wir alle auch gedencken alt zu werden / Syr. 8. Sondern auch / weil der H. Geiſt in H. Schrifft des liebẽ alters gar hono -Syr. 8. v. 7 rificè gedencket / in Spruͤchen Salomonis am 16. Cap. Corona dignitatis Senectus. Grawe Haar ſind eine Krohne der Ehren / die auff dem Wege der Gerechtigkeit funden werden / vnd Syr. am 25. Prov. 7. v. 31.Cap. Das iſt der alten Krone / wenn ſie viel erfah - ren haben / vnd jhre Ehre iſt / wenn ſie GOTT fuͤrchten. Denn gleich wie ein Land ſeinen KoͤnigSyr. 25. 8. pfleget zu kroͤhnen / vnd die hohen Schulen einem gelehr - ten Doctori, ein ſchoͤn Sammet Parethlein auffſetzen vnd verehren / propter eminentiam: wie auch eine zuͤch - tige Jungfraw in jhrem Krantze pranget: Alſo ſind grawe Haar der alten Schmuck / prov. 20. vndProv. 20. v. 29. zieret Gott ſeine Diener / die jhme ein lange zeit in jhrem Beruff trewlich auffgewartet / endlich mit einer Silber - nen Krone / vnd weiſſen Roſenkrantze / damit ſie fuͤr an - dern geſehen vnd geehret / herrlich vnd zierlich herfuͤr ſchimmern. Wie er ſie denn auch ſonderlich wil vene - riret vnd geehret haben / Jm dritten Buch Moſis am 9. Cap. Coram caro capite conſurge & honora per - ſonam ſenis. Vor einem grawen Haͤupte ſoltuauff -[25]Chriſtliche Leichpredigt. auffſtehen / vnd die Alten ehren / denn du ſolt dich fuͤr chten fuͤr deinem Gott.
Die Lacedæmonier wurden daher geruͤhmet bey denLacedæmon〈…〉〈…〉[i]ſive Spartani. Heyden / daß ſie das Alter zu veneriren gewuſt / welches die von Athen nicht kondten / vnd bey den Roͤmern warRomani. es brauch / daß junge Maͤnner die alten Rathsherrn auffs Rathhauß muſten begleiten / vnd wieder herunter / Ho - noris gratia; welches vorzeiten groß geachtet wuͤrde / wie die alten Verßlein bezeugen:
Credebant hoc grande nefas, & morte piandum,Iuvenal. Satyr. 15.Sijuvenis vetulo non aſſurrexerat, &c.Man hielts fuͤr eine groſſe Schand /Wenn ein jung Menſch in Stad vnd Land /Fuͤrm grawen Haͤupte nicht auffſtand.Magna fuit capitis quondam reverentia cani,Ovid lib.[5.]Faſto.Inꝙ́ ſuo pretio ruga ſenilis erat.
Weil wir denn jetzo / nach Gottes willen vnſernTranſitio ad propoſi〈…〉〈…〉 ionem. alten Herrn Conſularem, Herrn Matthæus Rothen ſeligen auch auß ſeinem Rathſtuel / den er von Anno 74. hero / numehr in die 40. Jahr mit Ehren vnd Ruhm be - ſeſſen / (ob er ſchon jetzt auff die letzte / wegen hohes alters eine zeilang jhn nicht beſchreiten koͤnnen / iſt er jh - me dennoch ſtets vnverrucket behalten worden) weil wir nu / ſage ich / ſolchen auch begleiten auß ſeinem Rath - ſtand / in erwuͤndſchten Ruheſtandt / vnnd auß ſeinem langwirigen Kreiſtbettlein in ſein ſanfftes Faulbetlein / damit jhme fortmehr / als einem muͤden / vnd abgemat - ten emerito am allerberbeſten gedienet
Als habe ich mir dabey fuͤrgenommen (vermittelſtDGoͤtt -[26]Chriſtliche Leichpredigt. Goͤttlicher huͤlffe) dem lieben Alter zu ehren: JungenScopus huius Concionis. De[ſ]enectute. Leuten aber zur Lehre / vnd allen frommen Hertzen zu nuͤtzlichem vnterricht / de ſenectute zu reden / wie vns hierzu der Geiſt des Herrn anleitung giebet in abgele - ſenem Text des Predigers Salomonis: dem wollen wir in der Furcht des Herrn zuhoͤren / vnd mit beſonderm Fleiſſe vornehmen.
GOtt der vnſer Leben vnd langes Alter iſt / gebeDent. 30 v. 21. vns ſeinen H. Geiſt krefftig hierzu vmb Jeſu Chriſti ſei - nes lieben Sohnes willen / Amen.
Commendatio Textus. GElangende nu vnſern Text / ſo hat GOtt der heilige Geiſt ſonderlich dem lieben Alter zur Zierde / auch eine beſondere zierliche Art zu reden brauchen wollen / dergleichen ſonſt nicht in H. Schrifft / noch andern Buͤchern zu finden / in welchen Er das hohe Alter mit ſeinen beſchwerligkeiten artig vnd zierlich ab - mahlet. Cicero / vnd andere / haben auch de ſenectu - te geſchrieben / aber keiner hats ſo artig getroffen / als hie der heilige Geiſt.
Er[27]Chriſtliche Leichpredigt.Er nennet erſtlich das liebe Alter in genere: Tem -Loquitur n - de ienectute. pus afflictationis, eine muͤheſelige Zeit / oder tem -I. in genere. pora periculoſa; Boͤſe Tage / vnd ſolche Jahr / da du wirſt ſagen / ſie gefallen mir nicht. QuiaTer. in phorm. ſenectus per ſe morbus, & nunquam venit ſola. Denn das liebe Alter iſt an jhm ſelbſt eine Schwachheit / vnd bringet zugleich viel andere beſchwerungen mit ſich: daMulta ienem circumven[t]unt incommoda. Horat. de art. poet. einem die zeit viel anders fuͤrkoͤmmet / als in der Jugend: denn auffs Alter kriegt der Menſch gar ander gedantken: da er zuvor luſtig vnd guter dinge geweſen / da entfellet jhm auffs Alter aller Muth. Da er zuvor ein groß Vn - gluͤck fuͤr nichts geachtet / da leget jhn jetzo gar ein klei - nes Windlein darnieder / vnd iſt nichts als Sorge / vnd lauter Schwermuth bey jhm. Was jhn zuvor guͤlden gedaucht / das iſt jetzo kaum ſtroͤhern / vnd hat nimmers keinen recht froͤlichen Tag / noch Stunde. Je laͤnger es wehret / je beſchwerter es jhme von Tage zu Tage fuͤr - koͤmbt. Er hat vnd findet alle Tage was newes / daß erStat dubiu[s], tremulusq; Se - nex ſemperq; malorum〈…〉〈…〉 Cre - dulus, &c. Cor - nel Gallus. zuvor nicht an ſich gewonet / noch an ſich befunden / vnd leſſet ſich offt verlauten: Mein Zuſtand gefellet mir gar nichts / ich habe ſorge / es wird mit mir ſchwerlich beſſer werden / biß in die Gruben.
Darumb ſaget der Text auch / daß zu ſolcher zeit die Sonne vnd Sternen finſter werden / vnndv. 2. Wolcken kommen wieder nach dem Regen. Das iſt: Es iſt jmmer truͤb vnd finſter bey alten Leuten / wenn gleich die liebe Sonne noch ſo hell ſcheinet / ſo koͤnnen ſie dennoch kaum den Weg erkieſen / vnd ſtolpern offt vber jhre eigene Fuͤſſe. So haben ſie auch keinen Stern mehr bey der Welt / Jederman wer jhrer gerne loß /D ijSonn[28]Chriſtliche Leichpredigt. Ὀχληρὸς ἀνήρ ἰσιν νεοίς γέρων.Sonn vnd Mond iſt jhrer vberdruͤſſig / vnd ſeynd jhrer vielen ein Dorn / oder Strahel im Augen: Muͤſſen ſich dazu mit vielen beſchwerungen ſchleppen / daß ſie jh - nen ſelbſt verdrießlich / vnd andern vnwerth ſeyn. DaComparatio cum iuventute. ſonſt junge Leute in guter Hoffnung ſtehen / wenn jh - nen was wiederwertiges begegnet / daß ſie es in Wind ſchlagen vnnd dencken: poſt nubla phœbus:Tob. 3 22. Syr. 11. 27. Nach dem truͤben Wetter wird die Sonne wieder ſchei - nen. Wie Sara Raguels Tochter ſagte Tob. 3. vnd Syrach ſpricht. Wenn dirs vbel gehet / ſo denckeVirgil. Pſal. 22. v. 10. 〈…〉〈…〉. Pſal. 71. 6. daß dirs wieder wolgehen kan. Dabit Deus his quoq; finem: Der Gott / der mir auß Mutterleibe ge - holffen / der wird mir auch auß dieſem Vngluͤck helffen / vnd machen jhnen die beſte Sperantz.
Dargegen dencken die Seniores, alte verlebte Leu -Gen. 37. v. 35. &[4]5. v. 26. te gar viel anders / vnd wil ſich jhr Hertz nicht alſo troͤſten laſſen / wie der Ertzvater Jacob dorten ſaget: Meynen / O es iſt allererſt der anfang / was wil noch werden? Es werden noch viel truͤbe Wetter hernach folgen / die nicht nachlaſſen werden / biß ſie mich gar auff - reiben / das macht / ſie haben nu dem Teuffel / vnnd der boͤſen Welt im hindern geſehen / (wie D. Lu -D. M. Luth. Tom. 8. Ien. mi -〈…〉〈…〉 i fol. 422. b. Gen. 27. 46. ther redet) vnd ſinds vberdruͤſſig / ſie verdreuſt zu leben / weil ſie ſo viel Boßheit / Vntrew vnd Elend der Welt erfahren / darumb ſagt er im Text: daß die Wolcken wiederkommen nach dem Regen: das iſt: es koͤmpt jmmer ein truͤbe Wetter / ein Vngluͤck nach dem andern / vnd werden die Platzregen jmmer ſchwerer.
II. In[ſ]pecie. Per ſimilitu - dinem, & ele. gant. hypoty - poſio. Nach dieſem koͤmpt er auch ad ſpeciem, vnd ver - gleichet die ſtructuram corporis eines alten verlebeten Menſchen / einem alten Bawfelligen Hauſe / dasjmmer[29]Chriſtliche Leichpredigt. jmmer knacket / kniſtert vnd den letzten einfall drewet: weil die grundſeulen faul vnd wandelbahr / Fenſter vnd Thuͤ - ren fladdern / Kuͤch vnnd Keller gehen ein / das Dach ſampt dem Geſpaͤrr neiget ſich / daß da kein flicken noch ſtuͤtzen mehr helffen wil: Alſo gehets auch mit des Men - ſchen Coͤrper / vnd ſeinen Gliedmaſſen endlich auff die neige / daß ein jedes in abnehmen koͤmmet / vnd den Ein - fall drewet.
Wir wollens fein Stuͤckweiſe fuͤr vns nehmen / ſo koͤnnen wir es deſto beſſer behalten. A. De exte[rn]ie quibu dam co[r]- poris humani membris,[u]t ſun[t]Manus & Bra[chia].
Erſtlich redet er von den euſſerlichen Gliedmaſſen: zur Zeit / wenn die Huͤter im Hauſe zittern. Das ſind die Haͤnde / denn die behuͤten den Leib / vnd beſchuͤtzen jhn / man wirfft ſie bald fuͤr / vnd verſetzet damit / wenn ſich was erhebet / oder wenn man im finſtern tappet. Die - ſe zittern / daß ſie auch offt nicht einen Loͤffel koͤnnen zum Munde bringen / man muß den alten Vater etzen / wie ein Kind / er muß anderer Leute huͤlffe / vnd dienſt genieſ - ſen / kan ſich ſelber nichts behelffen / nichts mehr arbei - ten noch erwerben.
Vnd ſich kruͤmmen die Starcken. Das ſind die2. Pedes. & Crur〈…〉〈…〉. Schenckel / denn die muͤſſen den gantzen Leib tragen / tan - quam columnæ, als ſtarcke Seulen / mit jhren Fuͤſſen. An jungen Leuten ſiehet man wunder / wie ſie die Schen - ckel ſo knapp ſetzen / daß ſie gar ſtracks vnd fein gerade da - her gehen: Aber auffs Alter kruͤmmen ſie ſich / werden muͤde / vnd ſchwer als ein Bleyklumpen / vnnd beduͤncket ſie vielmal als hetten ſie groſſe Kloͤtzer am Beinen. Da - her ſie denn offt klagen / Die Beine wollen ſie nicht mehr tragen. Sie muͤſſen ein Haͤcklein oder Staͤblein nehmen / daran ſie ſich ſtewren. Daher das Ænigma koͤmmet:Aen[i]g[ma]D iijRath[30]Chriſtliche Leichpredigt. Sphingis. Quodnam a - nimal manè quadrupes, me - ridiè bipes, ve - ſpeir tripes eſſet? Rath was das ſey? Erſt kreucht es auff vieren / darnach gehet es auff zweyen / denn auff dreyen / vnd zu letzt wieder auff vier Beinen / endlich tregt man es gar hinaus? Diß iſt der Menſch mit ſeinem Leben / Kind heit / Alter vnnd Todt.
3. Dentes: præſer - tim molates. Vnd muͤſſig ſtehen die Muͤller / das jhrer ſo wenig worden iſt. Die Muͤller ſeyn die Zeene / Den - tes molares, ſonderlich die Backzeene / welche die ſpeiſe mahlen / vnd zumalmen / daß man ſie kan genieſſen. Die - ſe Muͤller / ſeynd bey jungen Leuten (wie wir ſehen) gar vnmuͤſſig / ſie haben gut Geleefft / vnnd wollen jmmer auffzuſchuͤtten haben: Kaͤß vnd Brod ſchmecket jhnen noch wol / koͤnnen auch harte rindlein beiſſen. Aber bey Alten Leuten wollen ſie faſt muͤſſig ſtehen / denn ſie ſeynd gar ſtumpff worden / theils auch wol gar außgefallen / vnd durch die kalten Fluͤſſe deromaſſen verderbet / daß ſie offt nicht wol ein bißlein Brod zernieffeln koͤnnen / die Speiſe muß jhnen gar eigen ſeyn / wenn ſie dieſelben zu - rechte bringen / vnd genieſſen ſollen.
Ferner / ſo koͤmpt er auch auff die potentias animæ,B. De potentiis animæ ſeſe exe - rentibus. welche ſie ereuͤgen.
1. Durch das Geſichte: von denen ſaget er: Vnd finſter werden die Geſichte durch die Fenſter. 1. In viſu. Gleich wie wir durch die Fenſter auff einem Hauſe ſehen: alſo die Seele / die im Leibe des Menſchen / als in jhrem Hauſe wohnet / ſiehet durch die Augen herauß als durch zwey liechte fenſterlein / vnd ſchawet was auſſerhalb des Menſchen in der Welt iſt vnd gehandelt wird. Aber wie klar vnd helle ſie in der Jugend ſeyn / werden ſie doch im Alter dunckel / roſtig vnd finſter / wie von Iſaac vndHeli[31]Chriſtliche Leichpredigt. Heli geſaget wird / das jhre Augen im Alter dunckel wor -Gen.[2]7.[1]. 1. Sam. 3. 2. den ſind.
Vidimus ut lachrymis lumina ſæpe madent. Jch habe ſchier meine Augen außgeweinet / ſaget derTren. 2. 11. Prophet Jeremias in ſeinen Klagliedern am 2. Cap. wie wir offt ſehen an alten Leuten / daß ſie ſich leichtlich betruͤben / vnd heiſſe Zaͤhren weinen / dardurch jhr Ge - ſichte nicht wenig verletzet vnd geſchwaͤchet wird.
2. Freignen ſie ſich durch die Rede / davon ſaget2. Loquela. er: Daß die Thuͤr auff der Gaſſen geſchloſſen werden / vnd die Stimme der Muͤllerin leiſe wird. Die Thuͤr iſt nichts anders / als des Menſchen Mund vnd Lippen / dadurch die Stimme vnd Rede herauß ge -Ex abundantia cordis os loqui - tut. Matth. 12. 34. & 15. v. 11. 18. het / Denn / was das Hertz voll iſt / des gehet der Mund vber / ſaget der Herr Chriſtus ſelbſt / Matth. 12. Cap. Dieſe Thuͤr wird geſchloſſen / vnd die Stimme wird leiſe / denn alte Leute verdreuſt das Maul auffzu - thun / ſind vnluſtig zum reden / ruffen gar leiſe / ſind faſt verſtummet / vnd ſtille / vnd ſchweigen der Frewden. Pſ. Pſal. 39. 4. Canon. Matt. Botthai in Ec - cleſ. t. 262.39. Da man hiergegen an jungen Leuten ſiehet / vnd hoͤ - ret / daß jhre Klapper gehet wie eine Windmuͤhle / vnd iſt jhres Geſchwetzes kein ende / wiſſen nicht / wenn ſie ſollen auffhoͤren. Ja / da junge Leute offt geſchwinde / vnd vn - bedaͤchtig herauß fahren / ſo kewens die Alten vor / vnd nehmens in guten bedacht / ehe ſie ein Wort ſchließlich von ſich geben ſollen: Denn wolbedacht / hat nie ſcha - den gebracht / ſie ſeyn offt gewitziget worden / vnd haben auß Erfahrung gelernet: Sæpe locutum eſſe nocet, ta -Proverb. cuiſſe nunquam. Viel reden bringet ſchaden / mit ſtillſchweigen verantwortet man auch viel.
Die[32]Chriſtliche Leichpredigt.Die Thuͤren ſind jhnen geſchloſſen. Denn alte Leute ſpatzieren nicht gerne auß / laſſen ſich nicht gern viel auff der Gaſſen ſehen / hindern Ofen iſt jhnen am beſten / vnd in der warmen Stuben.
3.[S]omno. 3. Durch den Schlaff / das iſt ein liebliche er - quickung des gantzen Leibes / auch aller ſinnen vnd Glied - maſſen: Aber bey alten Leuten iſt er ſchwaͤchlich. Er er - wacht wenn der Vogel ſinget: ſagt vnſer Text. Denn da einer in der Jugend wol manchen harten Donner - ſchlag verſchlaffen / daß ers nicht gewar worden / man het - te jn ſampt dem Bette moͤgen wegtragen / er were es nicht jnnen worden / ſo ſchlaͤffet er im Alter ſo leiſe / daß er nit allein alle Hanenſchrey hoͤret / wenn der Vogel ſinget / ſondern auch wenn ſich ein Maͤußlein reget / ſo erwachet er / vnd wenn die Schwalben fruͤe zwitzzeren / ſo iſt er ſchon munter: offt wil kein Schlaff in ſeine Augen die gantze außgehende Nacht durch / daß er mit David an -Pſal. 102. 8. fehet zu klagen ex Pſal. 102. Jch wache / vnd bin wie ein einſamer Vogel auff dem Dache / meine Au - gen helteſtu / daß ſie nicht ſchlaffen / mein GeiſtPſal. 77. 5. muß forſchen / Pſal. 77.
4. Auditu. 4. Durch das Gehoͤre / davon er ferner ſaget: vnd ſich buͤcken alle Toͤchter des Geſanges: Wenn der Menſch eine froͤliche Muſicam, oder lieblichen klang vnd Geſang hoͤret / da wird ſein Gemuͤth erquicket / vnd1. Sam. 16. v. 23. [2]. Reg. 3. v. 15. das Hertz erfriſchet / daß gleich der Geiſt in jhme / als wie auffs newe lebendig wird / wie dort am Propheten Eli - ſa zu ſehen / da er einen lieblichen Pſalmmiſtam / vnnd Harffenſchlaͤger hoͤret / fehet er an zu weiſſagen. 2. Reg. 3. Sonderlich junge Leute / die haben jhre Luſt an derMuſica,[33]Chriſtliche Leichpredigt. Muſica, vnd froͤlichem Geſange: alte Leute aber die ach - tens nicht mehr / hoͤren nicht gerne ſtarck gethoͤne: Je ſtiller es vmb ſie iſt / je beſſer jhnen iſt / wie der alte Barſil - lai ſagte / da jhn Koͤnig David wolte mit gen Hofe neh - men: Ach ſpricht er / Jch bin heute achtzig Jahr2. Sam. 19. v. 35. &c. alt / wie ſolte ich kennen / was gut oder boͤſe iſt / oder ſchmecken was ich eſſe oder trincke / oder hoͤren / was die Saͤnger oder Saͤngerin ſingen? Warumb ſolte dein Knecht meinen Herren Koͤ - nig foͤrder beſchweren? laß deinen Knecht vmb - keren / daß ich ſterbe in meiner Stadt / bey meines Vaters / vnd meiner Mutter Grabe. 2. Sam. 19. So gar wenig oder nichts / iſt den lieben Alten mit Muſiciren, vnd ſtarcken gethoͤne gedienet.
Nu wendet ſich der Autor vnſers Texts wieder adC. Iterum de Ex - cernis quibul - dam aliis: ut ſunt: Externa / vnd ſpricht / daß ſich auch die Hoͤhen fuͤrchten vnd ſchewen auff dem Wege / die Hoͤhen / daß ſind die Schuldtern / damit gehen ſie gebuͤckt / vnnd ſehen nicht viel vberſich was da fleucht / ſondern nieder /1. Humeri. χαλεπὸν τὸ γῆ[-]ρας ἐσιν[ἀνθρό - ποις] βάρος. Durum ſene - ctus eſt onus mottalibus. was da kreucht vnd auff Erden ſchleicht: Non ita eri - gunt criſtam, ut juvenes. Steigen nicht gerne hohe Treppen / vnd ſchwere Berge / nehmen nit groſſe Reyſen fuͤr ſich / koͤnnen offt kaum vber die Schwelle ſchreiten / dancken Gott / wenn ſie nur mit frieden im Hauſe blei -Ovid. 15 met. Inde ſenilis hy - e〈…〉〈…〉 s tremulo venit ho[rri]da paſſu. ben koͤnnen: ſchewen / vnd fuͤrchten ſich jmmer eines vn - falls auff dem Wege / vnd duͤrffen jhnen ſelber nicht tra - wen / ſo ſchwach ſind ſie.
Wenn der Mandelbaum bluͤhet: (ſagt der Text2. Cani. Aut ſp〈…〉〈…〉 liata ſuos, aut quos habet alba ca - pillos. ferner) das iſt / wenn ſich die Birckenen Stangen ſehen laſſen / vnd beguͤnnet auff den Bergen zu reiffen: Erſt - lich zu beyden ſeiten / vmb den Schlaff: Darnach vberFdas[34]Chriſtliche Leichpredigt. das gantze Gebirge des Haͤupts / wenn daſſelbe Eyß - graw wird / vnd das Haar ſchneeweiß wird / wie eine Baumbluͤte / da man kein gruͤnes Blaͤ[t]lein fuͤr Blute ſe - hen kan / inmaſſen der Mandelbaum fuͤr andern ſeine ſonderliche art in bluͤhe[n]haben ſolle.
3. Emaciata, & eminentia oſſa. Vnd die Hewſchrecken beladen wird: da mey - net er / wenn ſie auffs Alter alſo in abnehmen kommen / daß ſie nichts ſind als Haut vnnd Bein / ſehen auß wie ein σκελετὸν, oder Todtengerippe / die Knochen reichen vberall forne fuͤr / wo man ſie nur anruͤhret / da thut es jhnen wehe: Eine Fliege beſchweret ſie. Sie gehen Buͤgelruͤckicht / vnnd krumb / als wenn ſie eine groſſeDurum lone -〈…〉〈…〉 tus onus met - talibus. Laſt truͤgen / ſo drucken ſie die Jahre auff dem Halß / vnnd die vielfaltige Truͤbſal / ſo ſie erfahren vnd auß - geſtanden / wie der Eyßgrawe alte Ertzvater Jacob daruͤber klaget / Geneſ. 47. als er hundert vnd dreyſ -Gen: 47. 9. ſig Jahr gelebet / ſpricht er zu Pharao: Wenig vnnd boͤſe iſt die Zeit meines Lebens. Als wolt er ſagen: Senex ſum, non tam annorum, quàm malorum mul -D. M. Luth. Tom: VI. VV it: lat. f. 628. b. titudine: wie D. Luth. hieruͤber in Comment: ſchreibet) Jch bin alt vnnd graw / nicht allein darumb / daß ich ſo lange gelebet / ſondern vielmehr / daß ich ſo viel Elend / Creutz vnnd Widerwertigkeit erlitten. Das groſſe Creutz vnd vielfaltige Truͤbſal / wil Jacob ſagen / hat mich ſo abgemergelt / mich alt vnnd vngeſtalt ge - macht / vnd reymen ſich ſonderlich wol hieher die Hew -N. B. Anno 1542. ſchrecken / derer im Text gedacht wird: denn vnſer Seni - or (ſeliger) iſt auch noch einer auß denen Alten gewe - ſen / die jhre Jahr vnnd Alter nach den Hewſchrecken gerechnet: (wie ich vnd andere vielmahls von jhme gehoͤ - ret) als er zu ruͤcke gedacht / wie Ao. 1542. die Hewſchre -cken[35]Chriſtliche Leichpredigt. cken durchs Land gezogen / daß er daſelbſt ſchon ein er -Von dieſem Hewſchrecken - zug in Schleſten vide Annales D. loach, Cutæi mihi Fol. 451. wachſener Juͤngling geweſen / der zu Roſſe reyten koͤn - nen / hette wol zur ſelben zeit nicht vermeynet / daß mit jhme die Hewſchrecke noch alſo ſolte beladen werden / wie vnſer Text allhie davon redet.
Summa / ſchleuſt vnſer Autor dahin: Et capparis diſsipabitur: Alle Luſt vergehet.
Nec Venus, aut Bachus, nec juvat alma Ceres. D. Redit ad quæ - dam interna a - lia Capparis iuxta Vætabl: dicitur vis illa concuplſcibilis animæ, cui de - ſiderium tribui ſoiet. Legant Eru - diti commentar. Mart: Borrhai ſoper hoc cap. mihi fol. 263. Figuratè ap - pellat Funiculum argenteum ap - patitum illum cibi & potus:
Es ſchmecket jhnen weder Eſſen noch Trincken: vnd weil alle natuͤrliche Krafft vnd Staͤrcke in jhnen ſchwach wird / hat ein alter Greyß nirgend zu Luſt / nimmet auch vbel am Leibe zu / wenn er gleich Speiſe gebrauchet.
In promptu cauſa eſt: Denn (ſpricht er) Der Silberne Strick koͤmpt weg: hiemit ſiehet er wie - der auff die Interna, vnd beſchreibet des Menſchen Le - ben / wie einen Brunnen auß dem man mit einem Rade vnd Eymer / ans Seyl gehenget / ſchoͤpffet / vnd nennet hie den Silbern Strick / den Appetitum, damit Leib vnd Seele gleich zuſammen gebunden werden / wie man pflegt zu ſagẽ / wenn einen hungert vñ duͤrſtet / vnd bekoͤmt ein niedliches Bißlein / oder gutes Trincklein / daß manIuxta pror. ſpricht: Ey da koͤmt Leib vñ Seel wieder zuſam̃en.
Denn das iſt (nechſt Gott) das mittel / dadurch ſie bey einander erhalten werden / aber im Alter beginnet den Strick zuſchleiſſen vnd zureiſſen / vnd koͤmpt allgemach - ſam hinweg / daß er ſich endlich gar verleuret / vnd ſich die beſten Freundẽ / als Leib vnd Seel ſcheidẽ muͤſſen. DurchItem: Nervos. den ſilbern Strick / verſtehen etliche die Sehnadern / vñ haarfeſte / welche gleich wie weiſſe fadẽ / damit die glie - der im Menſchlichen Coͤrper zuſam̃en geknuͤpfft / vnd die - nen fuͤrnemlich zur empfindũg / regung vñ bewegung der -E ijſelbigen /[36]Chriſtliche Leichpredigt. darumb auch an jhnen ſehr viel gelegen: die geben auffs Alter nach / werden ſchlaff / vnd hinlege / laſſen die Glie - der ſincken / vnd dahin fallen / welches doch auch zugleich auß jener Vrſach des ſchwindenden Appetitus herruͤh - ret / das heiſſet: der Silberne Strick koͤmpt weg.
2. Fontem au - teum Cor. Die guͤldene Quelle verleufft ſich: Dieſe iſt das Humidum radicale, Die natuͤrliche Feuchtigkeit in dem Menſchen / die verdrucknet / dadurch dann das Hertze matt wird / vnd welcket / vnd alle natuͤrliche Waͤr - me ſich verleuret / vnnd die kraͤffte legen den Menſchen abe.
Wie ſonſten das Gold eine ſonderliche gemein - ſchafft hat zum Hertzen / daß es daſſelbige durch die A - dern ſtaͤrcket: Alſo wird hie das Hertz mit ſeiner natuͤr - lichen Feuchtigkeit vnd kraͤfften eine guͤldene Quelle genandt / dardurch dem gantzen Leibe vnd allen Glie - dern krafft vnd ſafft zugehet / die verleuret ſich bey den Alten vnd zerrinnet.
Denn / der Eymer zulechtzet am Born: Das3. Hyd〈…〉〈…〉 iam confringentem venam cavam. iſt / die groſſe Ader vber der Leber / welche das Gebluͤt auß der Leber ſchoͤpffet / vnnd vermittelſt der andern Adern / als darzu gelegten rinnlein / in den gantzen Leib fuͤhret vnd leitet / dadurch alle Glieder er nehret werden / die zu - lechtzet wird matt / vnd nimmet ab / ſie faſſet nicht mehr ſo viel friſches Blutes: Da heiſſet es dann: CeſſanteAlexis cul - dam ridenti i - pſum, iam ſenio feſſum ægrè, lentèq; incede - re, ac roganti, quid ageret? paulatim inquit morior, ſive pe - detentim mori - or. Stob. ſerm. 115. cauſa, ceſſant effectus, i. e.
Alſo auch im Menſchlichen Coͤrper / wo das Ge -bluͤte[37]Chriſtliche Leichpredigt. bluͤte abnimmet / da muͤſſen auch die kraͤfften zerrinnen / vnd wird alles matt / vnd hinlege: Anders kans nicht erfolgen.
Endlich: Das Rad zubricht am Born. Da4. Rotam cur - tentem: quidam ver - triculum: lieget der gantze Karn. Durch den Born hie verſtehen etliche den Magen / denn das Woͤrtlein Ciſterna, vel puteus heiſſet eine tieffe Gruben / das Radt aber / oder die Wirbel / ſo vmb den Magen ſind / bedeuten die Daͤr - me / welche ſich mancherley weiſe in einander winden / da das mittlere Haͤutlein / welches die Daͤrme zuſammen helt vnd traͤget / faſt einem Rade gleich vnnd ehnlich ſiehet.
Andere verſtehen das Haͤupt / welches die SpiritusQuidam ca - put intelligunt. vitales auß der guͤldenen Quelle des Hertzens / durch die darzu verordnete Roͤhrlein / vermittelſt des Silbernen Strickes / in arterijs hinauff zeucht / das beguͤnnet denn auch zu brechen / daß es ohne alle haltunng dahin kuͤglet / von einer ſeiten zur andern wie ein Radt / biß es endlich gar in Graben fellet / daß denn geſchicht / wann es ſampt den Coͤrper ins Grab geleget wird. Clauſula Finalis: Mors. Fiais cinis. Gen. 3. 19. terram geris, terram teris, & in terram rever - teris. Syr. 41. v. ult. Dan. 12. 2. Ioh. 5. 29. 2. Cor. 5. 10. Ioh. 3. 18.
Da haben wir das Lied vom Ende / beſſers / vnd an - ders wird in dieſem Leben nicht darauß / wenn es auch mit dem Menſchen auffs hoͤchſte koͤmmet.
Denn der Staub muß wieder zur Erden kommen / davon er genommen iſt / Gott helffe der Seelen ſelig zu geneſen / ſintemal der Geiſt muß wie - der zu Gott / der ihn gegeben hat: entweder zum Gerichte / oder zum Leben / nach dem der Menſch gutes oder boͤſes gethan / glaͤubig oder vnglaͤubig geweſen iſt.
Was nu bißhero vom beſchwerlichen Alter / vnd ſei -Hypotheſis ſive Applicatio ad piè defun - ctum. nẽ zufaͤllen auß vnſerm Text geſaget worden / deſſen allesE iijha -[38]Chriſtliche Leichpredigt. haben wir vor dieſer Zeit vnd newlich / ein vivum exem - plar, oder lebendigen Augenſpiegel fuͤr vns gehabt / an vorgedachten vnſern lieben ſeligen alten Herrn Mat - thæo Rothen / deſſen Ehrengedaͤchtnuͤß wir jetzo in ſeiner Leichbegaͤngnuͤß halten. Haben wir nicht geſehen an jhm / (wer jhn nur gekennet hat) wie da der Mandelbaum bluͤete? Die Huͤtten im Hauſe zitterten / die Starcken ſichAenigmati - κῶς flores a - mygdali de Canitis dicun - tur. &c. kruͤmmeten / die ſtimme der Muͤllerin leiſe worden / vnd alle Toͤchter des Geſanges ſich buͤcketen? die Fenſter dun - ckel / vnd die Hewſchrecken beladen worden? biß endlich der Silberne Strick zerriſſen / die Guͤldene Quelle ver - lauffen / der Eymer zulechtzet / das Rad zubrochen / vnnd alles im Brunnen gefallen / daß nu nichts mehr verhan - den als der Staub / der wieder zur Erden kommen / wie er geweſen / vnd der Geiſt wieder zu Gott / der jhn gege -Syrach. 41. parag. ult. Gen. 5. 27. ben hat / Nichts anders haben wir alle zugewarten / ſo viel vnſer ſind / wenn wir gleich hundert Jahr alt wuͤr - den Ja ſo alt als Mathuſalem geweſen / ſo wuͤrde manGen. 35. 29. vns doch endlich das Nænian ſingen: Et mortuus eſt: Er iſt geſtorben: Er iſt zu ſeinen Vaͤtern ver - ſamlet.
Die Poeten haben diß auch wollen zu verſtehen ge -Parcæ pẽ〈…〉〈…〉 ἀντίφρατιν ſic dictæ; quòd ne - mini parcant. ben / mit jhren Parcis daß ſie drey ſonderliche Goͤttinne ertichtet / die den Menſchen einen Rocken anlegeten / daran ſie die Zeit jhres Lebens abzuſpinnen: die eine1. Lacheſis. 2. Chloto. Lacheſis genandt / ziehe den Faden auß / Chloto winde jn auff: Nach dem nun der Faden lang gezogen / vnd das Kneuͤl groß gewickelt / nach dem hette der Menſch kurtz /[3]. Atropos. oder lang zu Leben / wenn die dritte Schweſter Atropos kaͤhme / die ſchnitte dem Faden ab / ſo muͤſte der Menſch fort / vnd das Leben wuͤrde jhme verkuͤrtzet. Dieſes hatwol[39]Chriſtliche Leichpredigt. wol auch ſeine Kunſtreiche invention, oder erfindung / vnnd artige deutung: Aber es iſt vnd bleibet doch ein Heydniſches gedichte: viel ſchoͤner vnd artiger redet da - von Gott der heilige Geiſt / in angehoͤretem Text / vnd gibt vns weit beſſers nachdencken / wenn wirs mit gebuͤh - renden Fleiß erwegen.
GOeret der halben fuͤrs andere / zu welchemPraxis: ſiva uſus huius do - ctrinæ; Ende diß in der heiligen Schrifft beſchrieben / vnd jetzo geprediget worden: Wohin es eigentlich gemeynet.
Jn Summa davon zu reden / vnd kurtz mit einem Wort:
1. Alten / vnd 2. Jungen zu gut / Ja 3. al - len Menſchen.
1. Zu ſonderlicher Ehre vnd Lehre / daß ſie wiſſenI. In Senioribus vnd erkennen / jhr liebes Alter vnd langes Leben komme jhnen von Gott hero / der hat beydes ſeine Warheit / ſoI. Zur Lehre. wol auch ſeine Barmhertzigkeit an jhnen wollen erfuͤllen vnd war machen.
Seine Warheit: wie er ſaget im andern Buche Moſis am 23. Cap. Jch wil dich laſſen Alt werden. α. Exod. 23. 26. Gen. 15. v. 15.Wie er dem lieben Ertzvater Abrahæ verhieſch: Geneſis am 15. Capitel. Du ſolt fahren zu deinen Vaͤ - tern mit frieden / vnd in gutem Alter begraben werden. Das leſſet er noch manchem frommen Her -Zach 8 4. tzen wiederfahren. Vnd im Propheten Zacharia ſtehetdie[40]Chriſtliche Leichpredigt. die verheiſchung am 8. Capitel / Es ſollen noch foͤr - der wohnen zu Jeruſalem / (i.e. in Eccleſia) Alte Wanner vnd Weiber / vnd die an Stecken gehen fuͤr groſſem Alter.
β Eſa. 46. 4.Seine Barmhertzigkeit / wenn er thut / wie er im Propheten Eſaia am 46. Cap. redet: Jch wil euch tragen biß ins Alter / vnd biß jhr graw werdet: Jch wil es thun / Jch wil heben vnd tragen vnd erretten / ſpricht der Herr.
Vor ſolche ſeine Wolthaten ſollen ſie GOTT bil - lich dancken / daß ſie mit Ehren alt worden / vnd dabey jhren Erloͤſer vnd Seligmacher denHerrn Jeſum Chri - ſtum haben erkennen lernen / welches jhr groͤſter Schatz / beſter Ruhm vnd hoͤheſte Weißheit ſeyn ſolle. JnmaſſenIer. 9. 23. der Herr ſelber befihlet. Jerem: 9. Ein Weiſer ruͤhme ſich nicht ſeiner Weißheit / ein Starcker ruͤhme ſich nicht ſeiner Staͤrcke / ein Reicher ruͤhme ſich nicht ſeines Reichthumbs: Sondern / wer ſich ruͤhmen wil / der ruͤhme ſich deß / daß er mich wiſſe vnd kenne / daß ich der Herr bin / der Barmhertzigkeit / Recht vnd Gerechtigkeit vbet auff Erden / denn ſolches gefellet mir / ſpricht der Herre.
2.2. Zum Troſt: daß ſie hierauß vernehmen / GOtt wiſſe vmb alle jhre Schwachheiten / vnd Gebrechligkei - ten / es wiederfahre jhn nichts ohne ſeinen willen / vnd das nicht andern zuvor auch begegnet were / doch alles zu jh - rem beſten: damit ſie der Suͤnden jhrer Jugend erin - nert / vnd zum Gebete ermuntert werden / auß dem 25. Pſal. [25]. 4.Pſalm: Gedencke nicht Herr der Suͤnden mei - ner Jugend / vnd meinerVbertretunge / gedenckaber[41]Chriſtliche Leichpredigt. aber mein nach deiner groſſen Barmhertzigkeit vmb deiner Guͤte willen / wie denn David ge - wißlich mit ſolchen Gedancken auch vmbgegangen / daßer zu ruͤck gedacht vnd geſeufftzet: Ach Gott / welch ein Thuͤmbling bin ich geweſen / daß ich in meiner Ju - gend den boͤſen Luͤſten zu viel nachgehenget / (Pſal. 51. v. 5. 6. ) vnd mich den Teuffel laſſen betriegẽ / wolte ich doch jetzunder nicht die gantze Welt nehmen / vnnd eine ſolche Thorheit begehen: Ach Jugend / Jugend / hetteſtu die Tugend / du wereſt mit Gelde nicht zu bezahlen. Ach” Herre mein Gott / vergib mirs / vnd laß michs nicht jetzo” in meinem Alter / viel weniger an meiner Seelen ewig entgelten.
3. Zu taͤglicher Erinnerung / daß ſie ſich deſto fleiſ -3. Zur erinnerung. ſiger mit der Chriſtlichen Kirchen GOtt in jhrem Alter befehlen / auß dem 71. Pſalm von Hertzen taͤglich ſeuff -Pſal. 71. 18. tzende: Verwirff mich nicht Gott in meinem Al - ter / verlaſſe mich nicht / wenn ich ſchwach vnd graw werde / biß ich deinen Arm verkuͤndige Kindes kindern / vnd deine Krafft allen die noch kommen ſollen.
Wie Doctor Simon Pauli von einem alten Her -Hiſtor. Von einem Her - tzoge von Me - chelnburg. tzoge von Mechelnburg referiret, wenn derſelbe ermelte Wort dieſes Pſalmens geſprochen (inmaſſen denn taͤg - lich in ſeinem Betkaͤmmerlein geſchehen) ſo ſeynd jhm die Threnen haͤuffig die Wangen herab gefloſſen / vnd hat mit Seufftzen vber laut gebetet / daß es auch ſeine Diener vnd Auffwaͤrter fuͤr dem Fuͤrſtlichen Zimmer hoͤren koͤnnen: Ach Herr du weiſſeſt vnd ſieheſt / daß ich nunmehr gar ein Alter betagter Fuͤrſt bin / vnnd meine Regierung wird mir ſchwer / weil die boͤſe Welt jmmerFerger[42]Chriſtliche Leichpredigt. erger wird: Jch bitte aber demuͤtiglich / verlaß mich ja nicht mein lieber Gott / in meinem hohen Alter / vnd ver - giß ja dieſes meines alten grawen Haͤuptes nieht / vmb deines lieben Sohnes willen / welcher auch vns Alten zu gut in dieſe Welt iſt kommen / wie dem lieben Sime - on / etc. Welche Wort er denn ſo ſoͤhnlich geredet / daß auch alle die mit jhme bitterlich weinen muͤſſen / ſo ſolcheSyr. 35. 21. von jhme gehoͤret haben. Vnd iſt kein zweiffel / GOtt habe ſie auch erhoͤret / zu deme ſie durch die Wolcken ge - drungen / vnd nicht nachgelaſſen / biß ſie fuͤr ſein H. An - geſicht kommen.
4. Zur Gedult.4. Zur vbung des Glaubens vnd der Gedult: in betrachtung / daß ſie es die zeit jhres Lebens vber wol ver - ſchuldet / ja wol ein mehrers mit jhren Suͤnden verdie - nen koͤnnen / ob ſie gleich Gott etwa in jhrem Alter zuͤch - tiget / vnd heimſuchet: Sollen demnach ſo viel deſto ge - duͤltiger ſeyn / dieweil ſie handgreifflich fuͤhlen vnd au - genſcheinlich ſehen: daß ja jhr Creutz vnnd Muͤheſelig - keit nicht in die laͤnge mehr wehren koͤnne / ſondern gar bald ein Ende nehmen muͤſſe. Derohalben ſie auch mitAuguſtin. Auguſtino in Demuth ſich erkennen / vnd ſagen ſollen: Hîc ſeca, hîc ure, tantùm parce in futuro: Hawe hie / ſtich hie / ſenge hie / brenne hie / lieber GOtt / ſchone nur dort / vnd verſtoſſe mich nicht ewig.
5. Zum ſeligen Ende.5. Zu Chriſtlicher zubereitung zu einem ſeligen Ende: denn Gott gibt jhnen friſt vnd raum zur Buſſe / ſie ſehen des Todes vorbothen fuͤr Augen / vnd doͤrffenwegen[43]Chriſtliche Leichpredigt. wegen geſchwinder vbereilung nit klagen. Darumb ſol - len ſie taͤglich mit Todes gedancken vmbgehen / wie der alte verlebete Simeon / Luc. 2. daß ſie koͤnnen ſagen:Luc. 2. 19. Paratum eſt Cor meum Deus: Paratum eſt Cor me -Pſal. 57. [8]. um, Pſal. 57. Wein Hertz iſt bereitet / Gott / mein Hertz iſt bereit: Kom wenn es iſt zeit / vnd fuͤhr mich zur ewigen Frewd vnd Seligkeit.
Befinden ſie mattigkeit vnnd ſchwachheit jhres Hertzens / ſo ſollen ſie daſſelbe deſto oͤffter laben vnd ſter - cken / mit dem allerkraͤfftigſten Manna Chriſti, auß der Apotecken des heiligen Geiſtes / daß ſie ſich troͤſten mit Gottes Wort / vnd brauch des hochwirdigen Abend - mals / zur verſicherung der groſſen Gnaden Gottes / vnd des ewigen Lebens. Davon muß ich eine feine denck - wirdige Hiſtoriam erzehlen.
Heute iſt es gleich Jaͤhrig / in Vigilijs S. Iacobi,Hiſtoria Ferdinandl Cæſaris. Anno 1564. daß der fromme hochloͤbliche Kaͤyſer Ferdinandus p.m. Anno 1564. mit ſeinem Beichtvater Citardo redete / wie er jhme ſolte auffwarten in ſeinem letzten Stuͤnd - lein: Denn als er ein ſchreiben bekommen / von einem groſſen Herrn / er ſolte ſich zu einem ſeligen Stuͤndlein fertig machen / der Todt ſey nicht ferne / giebt er jhme Antwort: Es were zu lange geharret / wenn er es biß da - her geſparet hette: Wo jhr hindencket / ſchrieb er / da bin ich lange geweſen. Vnd ſagte zu ſeinem Beichtvater:Coͤlniſche zeit Chronicka. C. 5. Morgen / wils Gott / iſt S. Jacobs Tag / vnd da werde ich ſterben: Vber Morgen iſt S. Annæ Tag. Den Tag S. Jacobi / wil ich in dieſer Welt feyren / S. Annæ Tag aber wil ich / ob GOTT wil / im Himmel begehen / da ich bey meiner ſeligen Annæ ſeyn werde / (denn ſo hieß ſeine Gemahlin / die vor jhme geſtorbenwar) vndF ijmich[44]Chriſtliche Leichpredigt. mich mit jr in Chriſto ewiglich frewen / vnd ſpricht weiter zu ſeinem Beichtvater: Wartet jhr fleiſſig auff / vnd jhr - zet mich nicht in meiner letzten hinfahrt / brauchet nicht die groſſen Welt-Tittel / denn im Tode hat ſichs außge - keyſert / Gott nimbt das Ampt / vnd derowegen auch al - le Tittel von mir / ſaget nur ſchlecht weg: Bruder Fer - dinande / etc. Da es nu auff den Abend gegen ſieben koͤmmet / ruffet man Citardum / denn der Kayſer lege in ſeinen letzten Zuͤgen: Da koͤmmet er eylends gelauffen / vnd weil ers alſo befindet / ruffet er jhm zu: BruderVal. Herb. Die S. Iacobi. Ferdinande / Lieber Bruder / dencke an das heutige Ev - angelium (am S. Jacobi Tage / Matth. 20.) Der Herr Jeſus ſaget: Weinen Kelch ſollet jhr zwar trin - cken / etc. Siehe / das iſt dein letztes Creutzkelchlein in dieſer Welt / das koͤmmet dir von lieber Hand / dein Se - ligmacher vnd Erloͤſer Jeſus Chriſtus hat dirs einge - ſchencket / thue jhm beſcheid / er hat dirs geeredentzet mit ſeinem allerheiligſten Creutz vnd Todt / daß dirs nicht ſol - le ſchaden an deiner Seelen Seligkeit: Laſſe dich nicht verlangen / es wird bald beſſer werden / du wirſt bald bey deinem HerrnChriſto Jeſu ſeyn / daß du ſeine Herrligkeit ſeheſt / Er hat den groſſen Zornbecher ſeines himliſchen Vaters gar außgetruncken / vmb deiner Suͤnden willen / du darffeſt dich durchauß dafuͤr nicht fuͤrchten / Er hat dir nur ein kleines Angſttruͤncklein in ſeinem Becher gelaſſen / es iſt vmb ein kleines zu thun / ſo wirſtu bey jhm im Himmel ſeyn.
Vnd hiemit iſt der loͤbliche Kayſer friedlich vnd ſe - liglich am S. Jacobs Tage (nunmehr vor 50 Jahren) entſchlaffen / ſeines Alters im 62. Jahre / da er 34. Jahr Roͤmiſcher Koͤnig / vnd 6. Jahr Roͤmiſcher Kayſer ge -weſen /[45]Chriſtliche Leichpredigt. weſen / Er ſol zu Praga begraben ſeyn / wie Adolarius Roth ſetzet / vnd neben ſein Gemahl / Koͤnigin Annam / geleget worden.
Sonſt ſchreibet man von dieſem Kayſer / daß er kurtz vor ſeinem Abſchiede geſaget: Wenn S. Jacobs - tag koͤmmet / ſo gebet achtung auff mich / hat auch zuvor das H. Nachtmal in beyder geſtalt empfangen / mit groſ - ſer Frewde vnd Andacht: fleiſſig gebetet / vnd taͤglich ſich Gott dem Herrn trewlich befohlen. Vnd da S. Ja -Newe Kay - ſer Chron. Mich. Saxonis part. 4. mihi f. 364. Item f. 395. paragr. ult. pri - mæ edition. cobs tag herbey kommen / ſich aller Haͤndel entſchlagen / vnd aller Weltlichen ſachen / vnd geſaget: Laſſet mich nur mit den zeitlichen dingẽ fortmehr zu frieden / S. Jacobs - tag ruͤcket herbey / ich wil mich hinfort mit Gotte bekuͤm - mern / vnd zur Reyſe in das himliſche Vaterland ruͤſten vnd bereiten / welches er auch gethan.
Sehet / meine Geliebten / daß ſeynd ſehr ſchoͤne Ge - dancken / damit zwar alle Menſchen vmbgehen ſollen / daß ſie ſich auff ein ſeliges Stuͤndlein bereit machen: Vornemlich aber die Alten / etc. welche ſchon einen Fuß im Grabe haben / ob jhnen gleich Gott den gewiſſen Tag nicht alſo angedeutet / ob es Jacobs oder Bartholomæi Tag ſeyn ſol / etc. noch ſehen vnnd befinden ſie an alle jh - rem thun / vnd weſen / daß ſie kein ewiges Leben hie zu gewarten haben: Darumb thun ſie wol / wenn ſie in zei - ten ſolches bedencken / ſich mit Ferdinando aller Welt - lichen ſorgen entſchlagen / vnd nach dem Ewigen trach - ten / vnd ſo vïel ſey den Alten geſaget.
Jungen Leuten dienet vnd nuͤtzet ſolche Lehre:
F iijZu[46]Chriſtliche Leichpredigt.I. In confirma - tionem promiſſ. quarti præcepti. Exod 20. V. 6. 12:1. Zu einem Augenſcheinlichen beweiß der Goͤtt - lichen verheiſſung ans vierdte Gebot gehefftet: Daß GOtt warhafftig langes Leben geben koͤnne vnd wolle / denen / die jhn fuͤrchten / vnd ſeine Gebot halten / darumb ſol ſies erwecken zur Gottſeligkeit / vnd daß ſie das liebe Alter in Ehren halten / wollen ſie anders auch alt wer - den: vnd ja daſſelbe nicht verachten / vmb zufaͤlliger ſchwachheit / oder gebrechligkeit willen. Denn ob gleich im Sprichwort geſaget wird: Neuntzig Jahr der Kinder ſpott: So ſollen ſie es doch nicht thun / auff daß jhnen nicht gehe / wie den zwey vnd viertzig Knaben /2. Reg. 2. v. 23. die des alten Propheten Eliſæ ſpotteten / den ſie hoͤniſch zunahmeten / vnd wurden von zweyen Beeren zerriſſen. Jm andern Buch der Koͤnige am 2. Cap.
2. Ad exercendam gratitudinem erga parentes ſenio confectos. Syrach. 3. paragr. 5.2. Sollen demnach vielmehr gedencken an die ver - mahnung des weiſen Mannes Syrachs am 3. Capitel: Liebes Kind / pflege deines Vaters im Alter / vnd betruͤbe jhn ja nicht / ſo lange er lebet / vnd halt jm zu gut / ob er Kindiſch wuͤrde / vnd verachte jhn ja nicht darumb / daß du geſchickter biſt / denn der Wolthat dem Vater erzeiget / wird nimmermehr vergeſſen werden / vnd wird dir gutes geſchehen /v. 9. ob du auch wol ein Suͤnder biſt. Darumb ehre Vater vnd Mutter / (wie auch die GroßEltern) mit That / mit Worten / vnd Gedult / auff daß jhr Segen vber dich komme / denn des Vaters Se - gen bawet den Kindern Haͤuſer / aber derMutter fluch reiſſet ſie nieder: wer nun denHerrn fuͤrch - tet / der ehret auch den Vater / vnd dienet ſeinenv. 〈…〉〈…〉. Eltern / vnd helt ſie fuͤr ſeine Herrn / auff daß er den Segen ererbe / vnd nicht den fluch. Lege totum caput: Syr. 3. & 7. v. 29.
Heut[47]Chriſtliche Leichpredigt.Heute iſt der Tag vnd Gedaͤchtnuͤß S. Chriſtinæ: Darvon wird eine Hiſtoria geleſen / daß Georgius Su -Hiſtoria von S. Chriſtina - perſaxo Valleſianus eine trewe Tochter gehabt / mit nahmen Chriſtina / als jhr Vater auffm Halß im Ge - faͤngnuͤß ſaß / ward jhr erleubet / mit dem Vater zu reden / da gab ſie den Waͤchtern vollauff / vñ wechſelt in des mit dem Vater jhre Kleyder / daß er vnerkandt auß dem Ge - faͤngnuͤß entrinnen kondte. Dieſer Chriſtinæ ward we - gen jhrer Kindlichen Trewe vnd Liebe das Leben geſchen - cket / die Waͤchter aber wurden gerichtet. Das heiſſet auch: der Wolthat dem Vater erzeiget / wird nim -Syr. 3. 16. mermehr vergeſſen. Welches man bey ſolchen / vnd dergleichen denckwuͤrdigen Exempeln / deſto eher mer - cken / vnd fleiſſig behalten ſolle.
3. Auch reitzet vnd ermahnet es junge Leute / ſich3. In admonitio - nem pietatis, & honeſtatis. zu befleiſſen / daß ſie auch mit Ehren Alt werden / wollen ſie anders ein ſolch Lob erjagen / wie jhre GroßvaͤterEl - tern vnd Vorahnen gehabt / vnd jhnen nach ſich verlaſ - ſen haben. Sol aber ſolches geſchehen / ſo muͤſſen ſieCicero. Adoleſcen - tem, in quo ſeni〈…〉〈…〉 le eſt aliquid, laudamus. Sap. 4. 9. zeitlich anfahen: Qui vult fieri ſenex, maturè fiat ſe - nex. Klugheit vnter den Menſchen iſt das rechte grawe Haar / vnd ein vnbeflecket Leben iſt das rechte Alter / Saget das Buch der Weißheit am vierdten Capitel. Muͤſſen demnach nicht die edle bluͤte jhrer Jugend dem Teuffel / vnd denn allererſt die ſtinckenden Hefen des Alters GOTT opffern: Sondern bald von Jugend auff ſich gewehnen / tugend -1. Tim. 1. 19. Milita bonam militiam, reti - nendo fidem, & bonam conſci - entiam. lich zu leben / dagegen fuͤr Suͤnden / Schand vnd Laſtern ſich zu huͤten / damit ſie ein reines gutes vnd vnverletztes Gewiſſen / mit ſich in das Alter bringen. Dulcisenim[48]Chriſtliche Leichpredigt. enim ſenectutis nutricula bona conſcientia. O es iſt ein niedliches bißlein im Alter / ein gutes Gewiſſen vonHiſtoria von zween Alten. Strigeniti: de conicient. Conc. 8. Jugend an behalten.
Auff eine zeit kamen zween alte Schulgeſellen zu - ſammen / die einander in vielen Jahren nicht geſehen / nu aber beyde alt vnd graw worden / da fraget einer den andern vnd ſpricht:
Cur tibi tam levis eſt, cur tam jucunda ſene - ctus? Wie koͤmpts mein Bruder / daß du noch bey dei - nem hohen Alter ſo luſtig vnd wol zu muthe biſt? darauff gab jhm der ander zur antwort / vnd ſagte:
Libera quod vitijs tota juventa fuit. Jch wil dirs wol ſagen / ſpricht er: daß macht es / daß ich mich mein lebetage / vnd von Jugend auff eines guten ehrli - chen Nahmens befliſſen / vnd dabey auch ein reines Ge - wiſſen habe. Jſt faſt vermuthlich / daß der ander ein ſcrupulum oder nagendes Wuͤrmlein vnter der lincken Bruſt gefuͤhlet / davon er nicht einem jedern ſagen wol - len. Das kan denn manchem in ſeinem Alter krencken / drumb ſollen ſich Junge Leute eines guten Gewiſſens befleiſſen / wollen ſie anders dermal eins ein geruhiges Alter beſitzen. Auch darneben jhrer ſelbſt verſchonen /Prov. 19. 19. & 22. 24. Syr. 30. v. ult. Prov. 29. 23. & 27. 4. Proverb. 6. 32. & 7. 23. mit Zorn / ſauffen / vnzucht / vnd dergleichen immodera - tis, & inordinatis affectibus, damit ſie jhnen nicht das Leben ſelber verkuͤrtzen / vnd fuͤr der Zeit aufffliegen muͤſſen.
Vnd das were auch den Jungen Leuten geſagt / zu jhrer Lehre vnd Erinnerung.
Vors dritte / dienet dieſe heylſame nothwendigeLehre[49]Chriſtliche Leichpredigt. Lehre allen Menſchen in gemein / zu rechtſchaffener ernſtlichen wahren Buſſe vnd Bekehrung: Vnd das iſtI. Ad pœnitenti - am. eigentlich der Scopus, zweck vnd ziel / dahin Spiritus Sanctus dieſe trewe vermahnung gerichtet hat / daß nie - mand ſeine Buſſe auffſchieben / vnd biß auff das trawri - ge Alter vnd letztes Stuͤndlein ſparen ſolle.
Gedencke deines Schoͤpffers in deiner Ju - gend / ſagt vnſer Prediger / vnd fuͤhret deß dreyerleyPatio. hochwichtige / vnd noth dringende Vrſachen ein:
1. Weil das Alter ohne diß voller beſchwerung vndα. φοβοῦ τὲ γῆρας οὔ γαρ ἔρχεται μόνον Metue ſene - ctam ſula nam - que non venit. Seneca in Oe - dip: Prima lan - gueſcit ſenum Memoria. longa laſſa ſublab ens ſitu. Muͤheſeligkeit / da einer mit ſeiner Leibesnoth / Kranck - heit vnd andern Zufaͤllen gnug / vnd vbrig gnug zuſchaf - fen hat / zu geſchweigen / daß alten Leuten das Gedaͤcht - nuͤß ſehr ableget / daß ſie da nicht viel beſinnen / noch dencken / oder im gedaͤchtniß behalten koͤnnen. Ge - luͤckts einem / daß er im Alter wolgedachtig / es ſol wol jhrer Tauſendt dagegen fehlen: Darumb auff eines o - der zweyer Exempla nicht zuſehen / man muß die Natur in acht nehmen. Hat nu einer in ſeiner Jugend / wie Salomo redet / nicht an ſeinem Schoͤpffer gedacht / ſich wenig vmb Gott vnd ſeiner Seelen Seligkeit be - kuͤmmert / Gottes Wort nicht fleiſſig gehoͤret / noch et - was darauß gefaſſet / vnd gelernet: Ach GOtt / da gehet es denn ſchwer zu / wenn es einer allererſt im Alter / oder in ſeiner Kranckheit / vnd auff dem Siechbette lernen ſol. Vnd wornach wil er fragen / weil es heiſſet: Ignoti nulla cupido: Jn dem er von GOtt vnd ſeinem Wort / oder von denen dingen / ſo zur Seligkeit gehoͤren / nichts / oder je wenig weiß / vnd ſich ſein Lebetage nie drumb angenommen noch bekuͤmmert hat.
G2. Weil[50]Chriſtliche Leichpredigt.β. Mors certa eſt, incerta dies: hora agnita nullt. 2. Weil der Todt an jhm ſelbſt vngewiß: Denn kei - ner hat Buͤrgen / daß er alt muͤſt werden / oder ſo lange ſeben / daß jhm zuvor der Mandelbaum bluͤete / vnd die Hewſchrecken beladen wuͤrde / vnd er alſo dieſelben ge - wiſſen Vorboten des Todes fuͤr Augen ſehe / ehe er ſter -Luth. in Gen. 47. Cap. Tom. XI. VVitt - Germ. f. 278. b. ben ſolte: O nein / vielen Tauſenden / vnd abermals Tauſenden hat es gefehlet / vnd haben dennoch fort ge - muſt. Nehmet deß nur ein Exempel von dieſem Orth allhier: Wie gar vnzehlich viel ſind jhrer dahin geſtor - ben / nur auß vnſerm Mittel vnnd Buͤrgerſchafft / (ge -Metit Orens Grandia cum parvis, non exo - rabilis auro Horat. ſchweige denn / was bey den benachtbarten / vnd anders - wo geſchehen / vnd noch taͤglich geſchicht) die Herren Watthæs Rothen ſeligen Alter nicht den halben theil erreichet / etc. Auch darff vnnd kan jhm noch keiner die Rechnung machen / daß es eben mit jhm die Wege errei - chen muͤſte: Sondern muß gleichwol an jhme ergehen / was Prediger Salomo allhier ſaget: Der Menſch fehret hin / da er ewig bleibet / vnd die Klaͤger ge -Eb. 9. 27. Syr. 14. 18. hen vmbher auff der Gaſſen. Das iſt / Sterben muͤſſen wir / das iſt gewiß / Leib vnd Seele muß geſchie - den werden / daß der Leib in die Erden / die Seele aber wieder zu Gott komme / der ſie gegeben: Wenn aber ſolches geſchehen werde / iſt vngewiß / vnd einem jeden vn -Eccleſ. 11. 3. ter vns verborgen. Vnd hilfft denn / wenn es vbel ge - redt / keine nachrewe: ſondern / Wie der Bawm fellet / alſo bleibet er liegen: vnd wie der Menſch gelebet / ſoLuc. 16. 26 wird ers hernach befinden / es ſey jhm lieb oder leid / da wird kein winſeln noch weheklagen helffen.
Beweinen kan man jhm hier wol / vnd klagen auffIerem. 34. 5. Zach. 12. 11. den Gaſſen: Ach Herr / ach Vater / ach Bruder: ach Edeler / etc. Aber helffen kan man jhm damit nit / wennes[51]Chriſtliche Leichpredigt. es einmal im Tod vnd Sterben vbel geredt / ſo iſts gar verdorben / denn da iſt kein wiederkehren. DarumbSyr. 38. 22. ſol man ſich vorhin wol bereiten / vnd ſich nicht verſaͤu - men / mit wahrer Buſſe vnd Bekehrung / denn was man hernach vermeynet zu beſſern / das iſt vergebens: welchesContra Pon - tiſicios. auch wider der Papiſten Seelmeſſen vnd Vigilien ſol ge - mercket werden.
3. Darzu koͤmpt nu ferner / als ein bewegliche Vr -γ. Iudiciuna re - formidabile. Matth. 12. 36. 1. Cor. 5. 10. ſache / das ernſte ſtrenge Gericht Gottes / da ein jeder wird fuͤr ſich ſelbſt antworten muͤſſen / vnd rechenſchafft geben / auch von einem jeden vnnuͤtzen wort / vnd allem was er gehandelt hat bey Leibes Leben / gutes oder boͤſes. Das fuͤhret hie der Prediger Salomo beydes im An - ſang vnd Ende / dieſes ſeines zwoͤlfften Capitels / einem jedern zu Gemuͤthe / ſonderlich aber jungen Leuten / die jhnen noch lange friſt traͤwmen laſſen / vnd daher groſſe licentiam nehmen / zu thun / vnd zu laſſen was ſie geluͤ - ſtet. Daher ſagt er zwar per conceſsionem: Frewe dich Juͤngling in deiner Jugend / vnnd laß deinEccleſ. 12. parag. 1. Hertz guter dinge ſeyn in deiner Jugend / Thue was dein Hertz luͤſtet / vnd deinen Augen gefel - let: Vnd wiſſe / daß dich GOTT vmb diß alles wird fuͤr Gericht fuͤhren. Da liegt der Knuͤttel beym Hunde. Ne quid nimis, heiſt es. Sey froͤlich / doch mit Gottesfurcht / ſagt Syrach am 9. Capitel.Syr. 9. 23. vnd am ende dieſes zwoͤlfften Capitels ſtehet auch: Gott wird alle Werck fuͤr Gericht bringen / das ver - borgen iſt / es ſey gut oder boͤſe. Das ſol jhm ein je -Eccl. 12. v. ult. der laſſen geſaget ſeyn / er ſey wer er wolle / damit er ja ſeiner Buſſe nicht vergeſſe / noch ſeine BekehrungSyr. 5. 8. & 18. 22. 24.G ijzu[52]Chriſtliche Leichpredigt. zu Gott auffſchiebe: Denn wir muͤſſen alle offen - bahr werden fuͤr dem Richterſtuel Jeſu Chriſti / daß ein jeder empfahe / was er gehandelt habe bey Leibes Leben / es ſey gut oder boͤſe / bezeuget2. Cor. 5. 10. auch S. Paulus 2. Corinth. 5.
2. Ad conſola - tionem. Letzlich iſt gar ein feiner Troſt allhie fuͤr alle / die hie in dieſer Welt durch den zeitlichen Todt geſchieden werden / wann ſie ſelig von hinnen ſcheiden / daß ſie dort im ewigen Leben froͤlich werden wieder zuſammen kom - men. Das faſſet vnſer Text in dieſen Worten / wenn er ſaget: Der Geiſt (das iſt die Seele) muß wieder zu Gott kommen / der jhn gegeben hat. Die kan zwar in gemein / von aller vnd jeder Menſchen Seelen verſtanden werden / denn auch der Gottloſen SeelenLuc. 16. 25. Sap. 3. 1. Eſa. 66. 13. Apoc. 21 3. Ioh. 5. 24. fuͤr jhren Gott / der ſie geſchaffen / erſcheinen muͤſſen / aber zum Gerichte. Doch iſt es aber vornemlich von der Gleubigen Seelen zuverſtehen / die kommen alſo zu Gott / daß ſie ewig bey jhm bleiben / vnd ohn vnterlaß ge - troͤſtet werden / Denn wer an den Sohn Gottes glaͤubet / der hat das ewige Leben / vnd koͤmmet nicht in das Gerichte / ſondern iſt vom Tode zum Leben hindurch gedrungen. Bezeuget der Mund vnd Grund Goͤttlicher Warheit Jeſus Chriſtus mit ſei - nem doppelten Eyde / Johan. 5.
Da wollen wir denn / ob GOtt woll / die vnſerigenIoh. 16. 22. wieder ſehen / auch dieſen vnſern lieben Seniorem, den al - ten Herren / mit allen lieben heiligen Patriarchen / Pro - pheten / Koͤnigen vnd Chriſtgleubigen Hertzen vnd Se -Iacob. 1. 17. len / da werden wir vns ohne Ende mit jhnen allen ewig frewen: Denn da wird keine ſolche verenderungnoch[53]Chriſtliche Leichpredigt. noch wechſel ſeyn / kein trawriges Alter / keine Kranckheit noch ſchwehrmuth / Kein Leid noch einige Muͤheſelig -Apoc. 7. 16. & 21. 4. keit: Sondern jmmerwehrende Jugend / vnverwelckli - che Krafft / geſundheit vnd ſtercke / daß wir werden ſeynEſa. 40. 31. Lucæ 20. 36. Matth. 22. 30. Marc. 16. 5. ἰσάγγελλοι, wie die heiligen Engel Gottes im Himmel / die in ſchoͤner Cherubin vnd Juͤnglings geſtalt erſchie - nen: Ob ſie ſchon viel tauſendt Jahr alt / ſeynd ſie doch niemals kranck / noch hinleg geweſen / viel weniger aber geſtorben: Alſo wird es mit vns auch ſeyn / wenn nun1. Cor. 15. 54. diß verweßliche wird anziehen das vnverweß - liche / vnd daß ſterbliche / das vnſterbliche / dennPſal. 126. 2. 1. Petr. 1, 8. wird vnſer Wund voll lachens vnd vnſere Zun - ge voll ruͤhmens ſeyn / vnnd werden vns frewen mit vnaußſprechlicher herrlicher Frewde / auch alles vnſers Leides reichlich ergetzet werden.
Zu welcher ewiger / vnendlicher Seligkeit vns al - len in gnaden verhelffen wolle / die hochgelobte heilige Dreyfaltigkeit / Gott Vater / Sohn / vnd heiliger Geiſt / gepreyſet / vnd gebenedeyet in alle ewige Ewigkeit / Amen / Amen.
Alſo haben nu ewer Chriſtliche Liebe bey gegenwertiger Leichbegaͤngniß in kurtzer einfalt gehoͤret / die geiſtreiche artige beſchreibung des lieben Alters / auß dem zwoͤlfften Capitel des Predigers Salomo ſampt den Nutz dieſes Berichts / fuͤr Alte / Junge / vnd ins ge - mein alle Menſchen.
BElangende aber ferner vnd inſonderheit das Al -ENCOMION piè defuncti Senis. ter / Leben vnd Wandel / des Weiland Ehren - veſten / Wolweiſen vnd Wolbenambten Herrn Matthæi Rothen / alten geweſenen Buͤrgermeiſters vndG iijRaths -[54]Chriſtliche Leichpredigt. Rathsverwandten allhier in Greiffenberg / deſſen ſeligen Leichnam wir jetzo in ſein Ruhebettlein ſencken ſollen: So verhelt ſichs mit demſelbigen / wie folget:
Von ſeinen lieben Eltern / als Martin RothenParentes. ſeinen Eheleiblichen Vater / vnd Anna Meuͤſelin ſeinerPatris. Eheleiblichen Mutter / welches Eheliche fromme Bie - derleute geweſen / iſt er zu Friedersdorff durch GOttesAnnus Nativ. 1524. Segen ehelich vnnd ehrlich auff dieſe Welt gebohren / vmb das Jahr Chriſti 1524. vnd in dieſer Kirchen all - hier zur H. Tauffe gebracht / dem Reiche des Sohnes GOttes einverleibet / vnnd zum Zeugniß mit ſeinemNomen. Tauff - oder - Chriſten Nahmen / Matthæus genennet worden.
Jn ſeiner Jugend iſt er von ſeinen lieben Eltern zuEducatio, allem guten erzogen / als er aber ein wenig erwachſen / iſt er zu guten Leuten befoͤrdert worden / bey welchen er ſich denn trew / fleiſſig vnd ehrlich verhalten / auch folgendsVitæ genus. allgemachſam des Kauffmanshandels ſich vnterfan - gen / vnd ſich dazu begeben. Vnd weil er in demſelben auch fleiſſig vnd vnverdroſſen / daneben GOtt hertzlich angeruffen / ſich weder muͤhe noch Reyſe tawren laſſen / hat er auch Gottes reichen Segen darinnen jederzeit ge - ſpuͤret vnd gut Gluͤck gehabt.
Coniugium Anno 1555. [e]t. ſuæ. 31.Als er nu zu ſeinen Mannbaren Jahren kommen / hat er Anno Chriſti 1555. ſeines Alters im ein vnd dreyſſigſten / ſich in den heiligen Eheſtand begeben / mit der weiland Erbaren / Ehrentugenſamen (damals Jung - frawen) Eva / Herrn Frantz Flegels / Buͤrgers allhier Eheleiblichen Tochter. Mit der im Eheſtand nach Got - tes verleihung gelebet 48. Jahr / in ſolch jhrer wehrenden Ehe haben ſie durch Gottes Segen miteinander gezeu -get[55]Chriſtliche Leichpredigt. get zwey Kinder / als einen Sohn / vnd eine Tochter / derLibe〈…〉〈…〉, Filius D. Petras Roth I. V. D. obiit Anno 1606. Sohn / als der weiland Edle / Ehrenveſte Großachtba - re vnd Hochgelahrte Herr Petrus Rothe / beyder Rech - ten Doctor, Comes Palatinus vnd Fuͤrſtlicher Nieder - Saͤchſiſcher / auch in Schleſien Briegiſcher vnd Lieg - nitzſcher Rath / etc. p. m. iſt Anno 1606. mit Tode verbli - chen / die weiland Erbare Ehrentugentſame Fraw Sa -Filia quoque obiit. An. 1590, ra / des Ehrenveſten vnnd Wolweiſen Herrn Johan Schuldtes / des Eltern / Buͤrgern vnd des Raths allhie geweſene Eheliche Haußfraw / habe nach Gottes willen dieſen betruͤbtẽ Jammerthal auch geſegnet / Anno Chri - ſti 1590. Numehr vor 24. Jahren von 1614. an zurech - nen. Anno 1603. den 9. Januarij iſt gleichfalls wol -Coniux obiit. 1603. 9. Ian. gedachtes Alten Herrn Eheliche Haußfraw / Fraw Eva mit tode abgangen / dardurch denn der alte Herr in betruͤbten Wittberſtand / nach GOttes willen geſetzet worden / darinnen auch biß an ſein ſeliges Ende in dasViduſis teli - ctus, per annos 12. zwoͤlffte Jahr zugebracht / daruͤber denn allerley vnge - mach / vnd beſchwerunge / wie es pfleget zu gehen / erdul - den vnd außſtehen muͤſſen.
Was ſonſten ſein Politiſch / Buͤrgerlich Leben vndVita eius ci - viſis ſive Poli - tica Wandel anlanget / hat er ſich / nach dem er geheyrathet / (wie droben gemeldet) gantz vnnd gar auff den Kauff - manshandel begeben: darinnen er denn von tage zu ta -Mercaturam exercuit & qui - dem feliciter. ge durch Gottes Segen gewachſen vnd zugenom̃en / daß er was anſehenliches erworben / vnd fuͤr ſich gebracht / davon er ſeine Kinder vnd Kindeskinder zu allem guten befoͤdert / dieſelben vnter frembde Nationes geſand / da - mit ſie was ſehen / lernen vnd erfahren moͤchten / in kuͤnff - tig GOtt dem Herrn vnd ehrlichen Leuten mit Rath vnd that nuͤtz vnd dienſtlich ſeyn koͤndten.
Bey -[56]Chriſtliche Leichpredigt.Piè. Beynebenſt hat er auch vielen ehrlichen Leuten / einheimiſchen vnnd frembden damit gedienet / vnd wil - fahret / inmaſſen denn nach ergangenen Brandſcha - den allhier mancher ſein Haͤußlein nicht wieder auff - bawen koͤnnen / wenn nicht des guten alten Herrn vor - ſchub jhme geholffen vnd foͤrderſam geweſen / welche es denn jhme in der Gruben mit Ehren / vnd Danck nach zu ruͤhmen / auch gegen ſeinen hinderlaſſenen Erben hin - wied erumb mit aller danckbarkeit vnd willfahrung zu - verſchulden wiſſen werden.
Dotes animi,So iſt er auch von Gott mit ſolchem feinen Ver - ſtande vnd gutem gedaͤchtniß begabet geweſen / daß erEt fortunæ fimul. nicht allein einen groſſen anſehenlichen Handel / welcher ſich auff viel Tauſend erſtrecket gefuͤhret / vnd alles in ſeinem gedaͤchtniß behalten / Sondern auch mit den vornemeſten Handelsleuten der Niederlaͤnder / auch in Reichsſtaͤdten / als Augſpurg / Nuͤrnberg / Coͤlln / Franckfurt / Leipzig / vnd inſonderheit der Kayſer - lichen vnnd Koͤniglichen Haͤuptſtadt dieſer Lande / Schleſien / Breßlaw / bekandt geweſen / welche jhn ge - liebet / vnd nicht allein mit jhme / ſondern auch den ſei - nigen gute Freundſchafft gehalten haben.
Ja / Er iſt auch bey der alten Gotziſchen Herr - ſchafft (lobſeliger gedaͤchtniß) in groſſen anſehen gewe -Officia: Senatorem agit. ſen / welche denn / wegen ſeines feinen Verſtandes jhn auch zum Rathſtuhl gebrauchet. Denn Anno 1574. iſt er im Rath gekommen / darinnen er viertzig Jahr mit Ehren / Ruhm vnd auffrichtigkeit geſeſſen / Sich ſo ver - nuͤnfftig / beſcheiden / vnd vorſichtig verhalten / daß jhme auch das Buͤrgermeiſter Ampt / (welches er achtmal zuvnter -[57]Chriſtliche Leichpredigt. vnterſchiedenen Jahren verwaltet) auff getragen wor -Conſulatum geſsit. den / wie er dann auch in ſolchem ſeinen Ampte Anno 1580. das RathHauß (welches Stock an Stuben / Ge - woͤlben vnd Kellern im Brande 1603. noch erhalten) gantzer gemeiner Stadt zum beſten erbawet. Was erRes geſtæ. ſonſten als ein Buͤrgermeiſter vnd Rathsfreund bey dieſer Stadt mit guter Policey / diſciplin, vnd Ord - nung verrichtet / werden jhm ſeine geweſene / vnd noch jetzige Herren Aſſeſſores, ſo wol die gantze Buͤrger - ſchafft / zeugniß geben koͤnnen.
Nach dem er nu in den Witwerſtand kommen /Viduitas hat er zwar nicht vermeinet nach ſeiner ſelig verſtorbe - nen Haußfrawen ſo lange zu leben / weil er ſchon ein ziemlich Alter auff ſich / vnd eine ſchwere Haußhaltung gefuͤhret hat. So hat jhm doch vnſer lieber Gott ſein le -Senectus. ben noch lenger / als er verhoffet / gefriſtet / vnd ſeines weyland lieben Herrn Sohns / vnd Frawen Tochter / beyder ſeligen / nachgelaſſenen Kindern zum beſten erhal - ten / dafuͤr ſie denn ſaͤmptlichen der Goͤttlichen Majeſtaͤt / vnd jhrem nunmehr ſeligen verſtorbenen Herrn Groß - Vatern hoͤchlichen zu dancken vrſach haben.
Als er nu ferner von tag zu tage an Kraͤfften abgẽ -Senectutis gravaminæ nommen / wegen ſeines hohen Alters / vnd ſchwerer HaußSorgen ſchwaͤcher / vnd vnvermoͤglicher worden / hat er Anno 1608. weil er ohne ſondere beſchwer die Treppen nicht mehr ſteigen koͤnnen / jhm ſein Bette in die Stuben ſetzen laſſen / vnd ob er wol anfangs auß demſelben zu Tiſch / vnd von Tiſch wider in das BetteHſelbſten[58]Chriſtliche Leichpredigt. ſelbſten gehen koͤnnen / iſt er doch auß der Stuben nicht mehr gekommen / ſondern nu faſt ſechs gantzer Jahr da - rinnen verblieben / auch nu bey zwey Jahren alleine nicht fort gekont / ſondern man hat jhn allzeit fuͤhren vnd genglen muͤſſen / wie ein Kind.
Jn ſolcher ſeiner ſechsjaͤhrigen vnvermoͤglig - keit / hat er keine ſonderliche Kranckheit gehabt / wie erMorbi. denn auch wegen deß Calculi oder Steins / gar keine beſchwerung mehr empfunden / jedoch von tag zu tage an Leibs Kraͤfften zuſehende / ſonderlich ein halbes JahrVitium defe〈…〉〈…〉 tus. hero abgenommen / vnd das eſſen jhme nicht mehr ſchmecken wollen / auch faſt wenig ſchlaffen koͤnnen / biß nu endlich juͤngſtverſchienen 16 Julij / als geſtern acht tage / fruͤe / drey Viertel vff ſieben Vhr / gleich vn -Mors. term Gebet vnd Capitel / da man in oͤffentlicher Kirch - verſamlung noch vor jhn gebeten / jhn der Allmaͤchtige Gott nach außgeſtandener langwiriger beſchwerung / durch ein ſanfftes ſeliges Simeonis ſtuͤndlein / darnach er offt mit Threnen vnd ſeufftzen hertzlich gewuͤntſchet / in Chriſtlicher gedult auß dieſem Jammerthal zu ſichAETAS XC. in den ewigen FrewdenSaal genommen / daß er alſo ſein Leben beſchloſſen / als er das neuntzigſte Jahr ſeines Alters erfuͤllet. Auch mit ehren vnd hertzlichen Frew -Nepotes den erlebet. 17. nepotes, oder Kindeskinder / davon jhrer noch 9. am leben / 4. Soͤhne vnd 5. Toͤchter / vndPronepotes. 8. pronepotes, Kindes kindes Kinder / davon noch ſechſe am leben / ſo lange als Gott wil / derer Großva - ter (avus & proavus,) er mit ehren / durch Goͤtt -liche[59]Chriſtliche Leichpredigt. liche verleihung geworden. Dafuͤr dem Ewigen Gott Lob vnd Danck geſaget / der wolle fernerallen ſo nochVotum e[x]ſin - cero animi a[ſ]〈…〉〈…〉ctu prolatura. am leben / vnd vbrig ſind / ſeine Gnad vnd Segen geben / mit allen dem / was jhnen zu Leib vnd Seel gut vnd ſelig ſeyn moͤge.
Aus dieſem gruͤndlichen vnd warhafften Bericht /Amplificatio jhr meine geliebten / haben wir zu erkennen / wie Gott dieſen lieben Seniorem auß ſondern Gnaden / mit vielen Segen geſchmuͤcket / vns gar ein ſingulare, & memora -Singulare ſiqui - dem, & memo - rabile divinæ benedictionis exemplum. bile ſimul divinæ bonitatis ſuæ exemplum. Das iſt zugleich ein ſonderliches vnd denckwuͤrdig Exempel / ſei - ner Goͤttlichen Guͤte fuͤr die Augen zuſtellen / dere wir billich in der Furcht des HErrn ein wenig nachdencken. In Bonic 1. Naturæ.
GOtt hat jhn geſegnet 1. In bonis Naturæ. In Natuͤrlichen Gaben vnd Guͤtern: Denn alle naturalia waren gut vnd vortrefflich an jhm: Er hatte einen fei - nen geſunden / ſtarcken / vnd geraden Leib / an allen Glied - maſſen wol proportioniret, hat nit viel gekrancket / ohne was er dolores Calculi bißweilen empfunden / doch zu vnterſchiedenen zeiten. Vnd erinnere mich jetzunder was ich auff eine zeit gehoͤret / daß ein vornehmerD. Ier. Ceſn. qui & ipſe diem ſuum obijt An - no 1618. 18. Decemb Iauraviæ Silef. Doctor Medicinæ allhier zu jhm ſagete: Wuͤrde er ſich diætâ in acht nemen / vnd den Zorn meſsigen / er koͤndte noch wol mit Gottes Huͤlffe / wie ſeine Natur außwie - ſe / in die zwantzig Jahr leben / welches jhm auch nicht weit gefehlet / denn es alle tage vber 18. Jahr / daß dieſe rede geſchehen.
2. In bonis Fortunæ, da er ſolch Gluͤck gehabt in ſei -2. Fortunæ. H ijner[60]Chriſtliche Leichpredigt. Pſal. 111. 7.ner Nahrung vnd handel / als vnter vielen hunderten kaum einem widerfahren / denn da er in ſeiner Ju - gendt ſich in Dienſten gebrauchen laſſen / vnd ſonder - lichen anfang zum Handel nicht gehabt / hat jhn Gott zu einem reichen Manne gemachet / der groſſen Nahmen vberkommen / alſo / daß er weit vnd ferne be - ruffen / vnd groſſen vornehmen Leuten bekandt wor - den / hat ſich auch wiſſen darein zuſchicken nach dem ge - meinen Verßlein:
Er war kein faulentzer / kein verthulicher Zehrer / noch der es an vbrigen Pracht vnd Hoffart geleget / ſon - dern hielt das ſeine zu rathe / vnd gab einen guten Wirth.
ſagten die Alten / das iſt jhm auch widerfahren.
Er hat auch das Gluͤck gehabt durch Gottes Se - gen / welches Syrach vnter Neunen hoch zu ruͤhmen achtet / vnd bald oben anſetzet / Cap. 25, v. 9. daß erSyr. 25. 10. nehmlich Frewde an ſeinen Kindern erlebet.
Ob gleich Creutz mit vntergelauffen durch vnver - hoffete TodesFaͤlle / hat es jhm doch Gott in gnaden an KindesKindern hinwiderumb erſtattet. Daß auch an jhme war worden / was Salomon ſaget / Prov: 17. DerProv. 17. 6. Alten Krone ſind KindesKinder / vnd der Kin - der Ehre ſind jhre Vaͤter.
Auch achte ich das nicht fuͤr das wenigſte Gluͤck / daß jhn Gott jetzo ein Jahr tempore peſtis (1613) ſognedig[61]Chriſtliche Leichpredigt. gnedig erhalten / da doch zwo ſeiner Maͤgde im Hauſe kranck worden / jhme aber nichts widerfahren / im fall auch ſolches geſchehen / wuͤrde jhme dieſe letzte Ehre der - geſtalt ſchwerlich widerfahren ſeyn. Aber es hat auch an jhme ſollen erfuͤllet werden / was Gott zu Abraham ſa - get: Du ſolt fahren zu deinen Vaͤtern mit frieden /Geneſ. 15. 25. vnd in gutem Alter begraben werden. Es hat auch der Barmhertzige Gott vnd Vater nicht mit jhme geeylet / noch jhn hart angegriffen / ſondern alles fein ge - machſam / ſanfft vnd langweilig / daß er ſich vor ſeinem ſeligen Ende gar wol bedencken / vnd zu Chriſtlichem Abſchiede bereiten koͤnnen.
3. In bonis animi: Gott hat jhm einen feinen rich -3. Animi. tigen Verſtand verliehen / wie durch ſein gantzes Leben / alſo auch in ſeinem hohen Alter / biß an ſein erwuͤntſch - tes ſeliges Ende. Denn in ſeinem Leben / Handel vnd Wandel / auch Ampt vnd Stande hat er ſich gar ver - nuͤnfftig wiſſen zu verhalten / gegen jederman / daß frembde vnd einheimiſche / auch die vom Adel vnd vor - nehme beampte / aus den Staͤdten hin vnd her / gerne mit jhm vmbgangen / vnd viel in gutem Vertrawen mit jhme zu handlen vnd zuſchaffen gehabt haben.
Seines Gutes iſt er ein Herr geweſen / der esFuit bonus Paterſamilias hat wiſſen zugebrauchen / nicht zur vbermaß / ſondern zur Erbarkeit hat er ſich ſeines Buͤrgerlichen Standes / da - rinne verhalten / vnd doch darbey eine ſolche autorita - tem gehabt / daß der gemeine Mann ein ſchewen fuͤr jhn getragen / ſonderlich wer jhm gearbeitet / oder ſonſtenH iijzur[62]Chriſtliche Leichpredigt. zur Hand gegangen / ein genawes Auge fuͤr andern auff jhn haben muͤſſen / denn er alle ſeine Sachen fleiſsig vnd richtig wolte beſtellet wiſſen.
Liberalis erga ScholamGegen Kirchen vndSchulen / wie auch gegen die Studia vnd Literatos iſt er gar wol affectioniret, vnd dazu vielen foͤrderlich geweſen.
Miniſterium. Gegen das heilige Miniſterium war er ehrerboͤtig / vnd ſeinem vermoͤgen nach danckbar. Deſſen zum Zeug - niß hat er ſonderlich auff deroſelben Ermahnung vnd anhalten / die kleine Kirchen vor der Stadt bedacht.
Eccleſiam renovatione templi ante potram. Als dieſelbe in gemeinem Brandſchaden Anno 1603. gar eingeaͤſchert / er dieſelbe auff ſein eigen Vn - koſten widerumb auffgerichtet / an Gemaͤur erlaͤngert / Fenſter / Dach vnd Pohrkirchen auff gebawt / dazu auch die ſeinigen mit erbawung vnd auffrichtung eines ſchoͤnen Predigſtuls / ſampt dem Altar darinnen / nicht(In Fatciculo mearum conc: memorabilum) Lipſiæ edit: wenig befoͤrderlich geweſen / welches alles auff ein anſe - henliche Summa gelauffen: (Wie denn in den Einwey - hungs Predigten derſelben Kirchen / Predigſtuls vnd Altars zu S. Laurentij / ſo nu auch in offentlichen Druck / mit mehrerm gedacht.)
Vnd vber diß alles noch ein hundert Thaler auff ſtetiges Intereſſe, vermoͤge der auffgerichten ſchrifftli - chen diſpoſition, dahin legiret, die auch jaͤhrlichen ad pios uſus, zum erbawlichen weſen deß Kirchleins ſollen angewendet werden.
Deßgleichen noch ein hundert Thaler zur andern Kirchen in der Stadt. Auch mehr ein hundert Thalerins[63]Chriſtliche Leichpredigt. ins Hoſpital / dem Armuth zu gute / ꝛc. Welches allesPauperes. vnd jedes (in Summa 300. Thaler ſampt den Intereſſen) die nachgelaſſene Rotiſche Erben ſampt vnd ſonderlich jhren lieben Herrn Großvater zu vnſterblichen Ehren - gedaͤchtnuͤß gutwilliglich vberreichet vnd eingeantwor - tet / deſſen alles der mildreiche Gott durch ſeinen Segen gegen dieſelben alle vnd jede ein reicher Belohner vnd Vorgelter ſeyn wird.
Sein Chriſtenthumb ſchließlich belangende / ſoPietatis & ſides ſuæ Chriſtian[æ]commendatio. koͤnnen wir jhme diß mit Warheit bey der Kirchen wol Zeugniß geben / daß er ein Liebhaber Goͤttliches Worts vnd Predigten geweſen / dieſelben vor der Zeit / da er noch zu Wege vnd Stege gehen koͤnnen / fleiſsig beſucht / wie er denn ſeinen Standt in den Rathsſtuͤlen in der Kirchen nicht gerne ledig ſtehen lieſſe. Sich auch zu gewoͤhnlicher Zeit mit gebuͤhrender Andacht vnd Ehrerbietung zum Tiſche deß HErrn gehalten. Auch da er ſchon auff die letzt in ſeinem hohen Alter ſchwach - heit halben nicht in die Kirchen kommen koͤnnen / dan - noch jhme zu Hauſe ſeines lieben Sohnes Tochter / die er fleiſsig zum Gebet / zur Schulen vnd Catechiſmum gehalten / taͤglich fuͤrleſen vnd fuͤrbeten laſſen / auff daß er die bekandten Spruͤche vnd Evangelia jhme einbil - den / deſto beſſer behalten / vnd in ſeinem Creutz / Alter vnd Schwachheit ſich damit troͤſten koͤnne. (Wie er denn auch alle wege zeit ſeines Lagers jaͤhrlich zweymal (vmb Oſtern vnd Michaelis) wenn ſeine zeit war / ſich zu Hauſe des Hochwuͤrdigen Abendmals andechtig gebrau -chet:[64]Chriſtliche Leichpredigt. chet: Vnd ſolches mit begehr Chriſtlicher Verzei - hung vnd gemeiner Chriſtlicher Vorbitte oͤffentlich in der Kirchen abkuͤndigen laſſen / iſt auch von vns (vn - wuͤrdigen) ſeinen Seelſorgern zum offtern in ſeinem Lager beſuchet / auß Gottes Wort getroͤſtet / vnd zu Chriſtlicher bereitſchafft eines ſeligen Stuͤndleins er - mahnet vnd vnterrichtet worden.
Zum letzten mal hat er das Hochwuͤrdige Abend - mahl empfangen Dom: Vocem Jucunditatis, da er faſt ſchwach geweſen / vnd ſind derſelben Zeit / vff fleiſsi - ges anhalten vnd verordnung der ſeinigen / jmmer vber den andern oder dritten tag von vns / als den Miniſtris S. Eccleſiæ, beſuchet worden / da man jhme fleiſsig fuͤrgebetet / er auch nach geſprochen / vnd es zu groſſem Danck erkandt vnd angenommen.
4. Salutis æternæ. Alſo hat jhn Gott auch auß ſondern Gnaden in bonis Animæ, ejusdemq́; ſalutis, an geiſtlichen Guͤt - tern der Seelen / ſampt derſelben Heil vnd Seligkeit ge - ſegnet. Wenn man jhn deſſen freundlich erinnert / vnd vorgehalten / wie groſſe Wolthaten jhme Gott zeit ſei - nes Lebens erzeiget / vnd jn laſſen mit Ehren alt werden / der wuͤrde jhn nu auch in ſeinem Alter nicht verlaſſen / ſondern ſeiner Zuſage nach (Eſa. 46.) heben / tragen / vnd erretten durch ſeine Allmaͤchtige Hand / vnd vaͤ - terliche Guͤte: Wie er dann auch noch nicht nachlieſſe / ſondern / wie er jhn zuvor in leiblichen Guͤtern geſegnet / alſo wolte er jhn auch an der Seelen reich vnd ewig ſelig machen.
Darumb[65]Chriſtliche Leichpredigt.Darumb er jhme die Himliſchen Schaͤtze vnd Reich - thuͤmer im Wort vnd Hochwuͤrdigen Sacramenten lieſſe vortragen vnd anbieten: Das ſolte er vor eine groſſe Gnade GOttes / mit hertzlicher Danckbarkeit erken - nen / im Glauben ſeines Hertzens faſſen / vnd anneh - men / etc.
Da hat er angefangen zu weinen vnd offtmals ge - ſaget: Er wiſſe es Gott nicht genugſam zuvordancken. Seines Erloͤſers / deß HErrn Jeſu Chriſti vnd deſſel - ben Roſinfarbes Blutes / hat er ſich zur vergebung ſei -Confeſcis ner Suͤnden hertzlich getroͤſtet. Vnd wie wol er auff die letzte gar ſchwach worden / hat et doch ſeinen Glauben vnd Vater vnſer / noch bey ſich alſo gebetet / daß man etliche Wort vernemen koͤnnen. Vnd wenn man jhm Troſtſpruͤche fuͤrgeſaget / hat er feine anzeigungen von ſich gegeben / daß ers vernommen / vnd ſich derſebigen troͤſte.
Biß Dienſtags nach Mittage / iſt er gar in agonem gerathen / da er fort geraͤchelt / vnd die folgende Nacht vber (doch ſaͤnfftiglich) geſchnaubet / daß er / ob ſchon die vmbſtehenden / die ſeiner gepfleget / gebetet / auch Mitt - wochs gar fruͤe / fuͤrm gewoͤhnlichen Kirchengebete / der16. Iulij. ☿ An - no 1614. h r. mat. Dn. Diaconus zu jhm kommen / jhm in die Ohren ge - ſchryen / dennoch nichts mthr verſtehen koͤnnen: Dar - umb man auch in der Kirchen dieſelbige ſtunde deſts fleiſ - ſiger fuͤr jhn gebetet / da er denn vnter demſelben Gebet zu Hauſe auff ſeinem Siechbettlein ſanfft vnd ſeuber - lich / ohn einiges vngeberde / oder zuckung Hand vndMors pla & pia - eida Lausæ. DeoJFuſſes[66]Chriſtliche Leichpredigt. Fuſſes eingeſchlaffen vnd davon gezogen / daß es auch die vmbſtehenden kaum gewahr worden.
Alſo vnd nicht anders hat er ſein Ende vnd lie - bes hohes Alter auff dieſer Welt beſchloſſen / dafuͤr dem Barmhertzigen ewigen Gott Lob vnd Danck geſaget ſey: Der habe jhn ſelig / vnd troͤſte ſein Seelichen in ewi - genFrewden / er hat nu alle ſeine Not vberwunden / Gott helffe vns allen einmahl auch ſelig vnd froͤlich hinnach.
Ob er nu in der Welt auch ein Suͤnder gewe - ſen / vnd wir jhn derohalben nicht Canoniſiren wollen / weil er reich: Denn er ſeine Menſchliche nævos auch gehabt / die er denn hertzlich erkandt / vielmals be - rewet / vnd mit David dieſelben Gott dem HErrn gar jnniglich abgebethen. So machen wir vns doch keinen zweiffel / ſie ſind vnter den Roſinfarben BlutKelch deßJſt vnd heiſt Roth re, & nomine. HErrn JEſu Chriſti geſtuͤrtzet / der hat jhn nu recht roth gemachet (re, & nomine,) in dem er jhn durch ſein Blut gewaſchen / vnd gereiniget von allen ſeinen Suͤn - den: Darumb er bey Gott ein ſeliger Rohte / gratis / auß gnaden / vmb Jeſu Chriſti BlutRothen tewren Verdienſtes willen.
Laſſen jhn demnach in der Hand des HERRN ruhen: vnd bitten / Gott wolle vns allen auch gnedig vnd barmhertzig ſeyn / vns vnſere Suͤnde verzeihen / dermal eines auch ein ſeliges Stuͤndlein beſcheren / vnddenn[67]Chriſtliche Leichpredigt. denn an jenem tage jhn ſampt vns allen froͤlich wieder erwecken zum ewigen leben. Durch Jeſum Chriſtum vnſern HErrn / den Hertzog des Lebens / welcher ſampt ſeinem himli - ſchen Vater vnd heiligen Geiſte ſey gelo - bet vnd gepreiſet in alle ewigkeit Amen / Amen.
(Apoc: 22. )‘VenI DoMIne IesV CItò. V+I+D+M+I+I+V+C+I = 5+1+500+1000+1+1+5+100+1 = 16141’
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