PRIMS Full-text transcription (HTML)
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VIrga SeneCtVtIs DesVMpta eX CorDe DaVIDIs,
Deß lieben Alters Stecken vnnd Stab / Jn deß Koͤniglichen Propheten Davids Hertzen entſproſſen / vnd andernglaͤubigen Chriſten zum beſten verordnet.
Bey der Adelichen Sepultur / der Edlen vnd Erbarn Matronen / Frawen Eliſabeth von Bernſtein / gebor - ner Spiegeln / Wittwen / welche in gutem Alter / Gen. 15. 15. alt vnnd lebens ſatt / Gen. 25. 8. 1. Par. 30. 28. ſanfft vnd ſelig in Chriſto / den 16. Tag Martij / am Son - tage ReMInIsCere DeXteræ tVæ entſchlaffen / Vnd Chriſtlichem vnd Adelichem Brauch nach / zur ſanfften Ruhe in die PfarrKirche zu Gera / zur Erden beſtattet worden VIrIDI feſto Ann VnelatIonIs MarIæ.
Verba DeI InCorrVpta ManebVnt & oMnes qVI ConfæDeratI sVnt Verbo. (Hieronymus. ) ()
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Der Edlen vnd Er - baren / nunmehr aber in Gott ruhen - den / Frawen ELISABETH von Bern - ſtein / gebohrner Spiegeln / hinderlaſſenen vier geliebten Toͤchtern.

Denen gleich Edelen vnd Ehrentugendſamen

  • Frawen
    • DOROTHEAE, deß weyland Edelen / Ge - ſtrengen vnd Ehrenveſten Henrichs von Bi - naw deß Eltern auff Bahren / Schoͤnburgi - ſchen Haͤuptmanns zu Glauchaw / vnnd deß Fuͤrſtlichen Saͤchſiſchen Hoffgerichts zu Jeh - na Aſſeſſoris ſeligen / hinderlaſſener Wittwen.
    • MARIAE, deß Edlen / Geſtrengen vnd Eh - renveſten / Caſpar von Hains auff Moderwitz geliebten Haußehre.
    • ANNAE, deß weyland Edlen / Geſtrengen vnd Ehrenveſten / Hanſen Sigißmunden von Bernſteins auff Behren / Clauß / Schurßdorff vnd Borten ſeligen nach gelaſſener Wittwen.

Vnd Jungfraw SVSANNAE ELISABETH von Bernſtein Geſchwiſtern.

Meinen in Ehren wolgeneygten Goͤnnerin - nen / vnd reſpectivè lieben Pfarrkindern vnnd Zuhoͤrern.

4Vorrede.
Gnade vnnd Friede von Gott vnſerm Vattern vnnd dem HERREN Jheſu Chriſto / ſampt dem Heyligen Geiſte / Amen.

EDele vnd Ehrentugendſame Frawen vnnd Jungfraw: Die liebe Hanna / deß alten frommen Tobiæ Haußehre / nennet jhren lieben Sohn / den jun - gen Tobiam, Solatium & baculum ſene - ctutis, jhres Alters Troſt / vnnd jhres Alters Stecken vnd Stab / darauff ſie ſich in jrem Al - ter ſtoͤnen vnd lehnen koͤndte / im Buͤchlein To -Tob. 5. v: 23. biæ am 5. vnd 10. Cap. deutet damit zugleichCap. 10. v. 4. an / daß billich alle Kinder jhrer alten verleb - ten Eltern Troſt vnd Helffeſtaͤbe ſeyn vnd blei - ben ſollen: Aber es gehet vielen alten ſchwa - chen Eltern wie Moiſi / dem Mann Gottes /Ex 4. v. 3. von welchem wir leſen / Exod 4. & 7. daß jhmEx. 7. v. 10. der Stab in ſeiner Hand zur Schlangen wor -den /5Vorrede. den / Mitis in immitem virga eſt animata Draconem, dafuͤr er geflohen vnnd ſich ge - fuͤrchtet / Das iſt: Viel vngerahtene Kinder werden nach der Weiſſagung S. Pauli / 2. Timoth. 3. jhren Eltern in den Haͤnden zur2. Tim. 3. v. 2. Schlangen / geben jhnen Schlangen Lohn / ſind halßſtarrig vnd vngehorſam / verachten vnd verſpotten / fluchen vnd ſchlagen ſie offt / o - der machens doch alſo / daß die Eltern ſich vor den Kindern fuͤrchten vnnd fliehen muͤſſen. Sie ſolten jhrer Eltern Stab ſeyn / ſo ſind ſie jhnen eine Schlange: Sie ſolten jhre Eltern ehren (wie Salomon vermahnet / Prov. 23. Pro. 23. v. 2〈…〉〈…〉.Gehorche deinem Vatter / der dich gezeuget hat / Vnd verachte deine Mutter nicht / wenn ſie alt wird) ſo vervnehren ſie ſie: Sie ſolten jhre Eltern helffen ernehren / ſo wollen ſie lie - ber alles verzehren: Sie ſolten vor ſie beten / ſo fluchen ſie / ꝛc. Wie es aber ſolchen Gottlo - ſen Kindern endtlichen ergehet / davon zeuget zum theil Gottes Wort / zum theil gebens die Exempla. Deut. 27. ſtehet alſo: VerfluchetDeut. 27. v. 16. ſey / wer ſeinem Vater vnd ſeiner Mutter flu -A iijchet /6Vorrede. Prov. 19. v. 26.chet / vnd alles Volck ſol ſagen / Amen. Prov. 19. ſagt der hochweiſe Koͤnig Salomon: Wer ſeinen Vater verſtoͤret / vñ ſeine Mutter verja - get / der iſt ein ſchaͤndlich vñ veꝛflucht Kind. Ne - mo non obediens ſuis parentibus ſalvus fuit unquam, ſagt jene Jungfraw in vitaPro. 20. v. 20. Baſilij. Vnnd Prov. 20. Wer ſeinem Vatter vnnd ſeiner Mutter flucht / deß Leuchte wirdIob. 18. v. 5. Pro. 30. v. 17. verleſchen mitten im Finſternuͤß (lux impij extinguetur, lob. 18.) Prov. 30. Ein Auge / das den Vater verſpottet / vnnd verachtet der Mutter zu gehorchen / das muͤſſen die Raben am Bach außhacken / vnnd die jungen AdlerHorat. Epiſt. 7. freſſen / (Paſcere in cruce corvos, Horatius epiſtola 7. pro ſuſpendi poſuit) Paret carni - fiei renuens parère parenti. Vnnd daß die Drowungen Gottes auch jren Effect erwie -Gen. 4. v. 11. Gen 9. 22. Gen. 26. 35 ſen / das bezeugen folgende Exempla: Cains / Gen. 4. Chams / Gen. 9. Eſau / Gen. 26. Ru -Gen. 35. 22. Gen. 49. 4. 1. Sam. 3. 13. ben / Gen. 35. & 49. der Soͤhne Eli / 1. Sam. 3. Adoniæ / 1. Reg. 2. Ammons / 2. Sam. 13. Ab -1. Reg. 2. 23. 2. Sam. 13, 14. ſolons / 2. Sam. 18. Jorams / 2. Par. 21. vnnd2. Sam. 18. 9. 2. Par. 21. 4. werden alle Gottloſen den Fluch wie ein Hem -de an -7Vorrede. de anziehen / Pſalm 109. Auguſtinus lib. 22. de ci -Pſ. 109. 18. Auguſtinus. vitate Dei, cap. 8. ſchreibet / daß zu Meyland ei - ne Mutter geweſen / ſo zehen Kinder gehabt / die GOtt alle mit der zittern Kranckheit ge - ſtrafft. Tullia, Servij Tullij Tochter / ſo vber jhres Vatters todten Leychnam gefahren / iſt ins Elend verjagt worden / Livius lib. 1. Decad. 1. Livius. Nero, ſo ſeiner Mutter den Bauch auffge - ſchnitten / damit er ſehe / wo er in ſeiner Mutter Leib gelegen ſey / iſt erbaͤrmlich geſtorben, Sue -Suetonius. tonius in Nerone, cap. 34. Mulonio iſt das Leben verkuͤrtzt worden / weil er Vater vñ Mutter nicht geehret / wie Stobęus ſchrei -Stobæus. bet. Valerius Max. lib. 5. cap. 8. zeuget deß -Val. Max. gleichen von deß Manlij Torquati Sohn / dem Decio Syllano / daß er ſich ſelbſt erhen - cket hat. Dieſe ſind alle zerbrochene Rohrſtaͤ - be jhrer Eltern geweſen / Eſa. 36. Aber gleich -Eſa. 36. v. 6. wol finden wir in heyliger Schrifft viel vnnd manchfaltige Exempel / in welchen zu erſehen / wie auch die lieben Eltern an jhren Kindern rechte Stecken vnd Staͤbe gehabt haben. No -Gen. 9. 23. ha hatte an ſeinen Soͤhnen / Sem vnd Ja -phet /8Vorrede. Gen. 22. 2.phet / einen rechten Lehnſtab / Gen. 9. Abra -Gen. 27. 28. Gen. 37. & 46. ham an Jſaac / Gen. 22. Jſaac an Jacob / Gen.1. Sam. 22 1. 27. Jacob an Joſeph / Gen. 37. & 46. Jſai an1. Reg. 2. 3. David / 1. Sam. 22. David an Salomonem / 1. Reg. 2. Aeneas hat ſeinen Vater AnchiſenVirgilius. auß dem Troianiſchen Fewer getragen / Virgili - us lib. 2. Aeneid. Sabellicus lib. 3. cap. 6. Callius vnd Philomenus haben dergleichen gethan inPauſanius. der Statt Cathena: Pauſanius lib. 10. Cimon Athenienſis hat ſeinen Vatter auß dem Ge -Val. Max. faͤngniß erlediget / Valerius Max. lib. 5. cap. 4. Cario -Livius. lanus hat vmb der hertzlichen Liebe willen ſei - ner Mutter der Statt Rom verſchonet: Denn als ſeine Mutter Veturia zu jhm kam / vnd der Sohn ſie kuͤſſen wolte / antwoꝛtete ſie: Sine illa; Prius enim ſeiam utrum ad hoſtem an fili - um venerim; utrum captiva an mater in caſtris ſim, matrem complexus filius, inquit: Expugnaſti & viciſti iram meam, Livius & Val. Max. Zu ſolchen Exem - peln moͤgen je billich E. E. T. annumerirt vnd gezelet werden / ſintemal an denſelbẽ ewre viel - geliebte vnd nunmehr ſelige Fraw Mutter / inProv. 10. v. 1. jhrem hohen Alter eine rechte Frewde / Prov. 10. v. 1. Troſt vnd Erquickung gehabt hat / wel -che9Vorrede. che Kindliche Liebe vnd Trew / der liebe Gott E. E. T. gewißlichen hier zeitlich vnd dort in der ewigen Frewde reichlichen / laut ſeiner Zu -Exod. 20. 12. ſage vnnd Verheiſſung / Exod. 20. vergelten wird. Weil aber neben dieſem / vnſer allerlieb - ſter Heyland Chriſtus Jeſus noch einen Lehn -Pſal. 23. 4. ſtab (davon im 23. Pſalm ſtehet: Dein Ste - cken vnd Stab troͤſten mich) dem lieben Alter verordnet / welchen ſie mit den Jſraeliten / E -Exod. 12. 11. xod. 12 muͤſſen bey dem Oſterlaͤmblein in Haͤn - den haben / zum Gedaͤchtniß / daß jhre Groß - Eltern / als Bilgrams Leute / auß Egypten zur Freyheit gegangen / vnd mit welchem wir jm - mer fort zum ewigen Leben ſtaͤbeln koͤnnen / vnd bey der Adelichen Sepultur E. E. T. ge - liebten Fraw Mutter ich ſolchen Stecken vnd Stab / dem beſchwerlichen Alter zum beſten / gezeyget vnd gewieſen: Als habe auff vielfaͤl - tiges vnnd fleiſſiges anhalten / ich ſolchen ge - haltenen Leychſermon publiciren / vnd E. E. T. hiermit offeriren vnd vbergeben ſollen vnnd wollen / vngezweiffelter Hoffnung / E. E. T. werden dieſes jhnen mit Chriſtlicher GunſtBvnd10Vorrede. vnd Anmutigkeit belieben / vñ zu ſtetigem An - dencken nuͤtzlichen ſeyn laſſen: Der getrewe Gott geruhe E. E. T. mit beſtaͤndiger Leibs - Geſundheit / zeitlicher vnd ewiger Wolfahrt / zu ſegnen vnd zu erhalten / Amen. Geben den 19. Tag Aprilis, die ipſo natalis mei, octo luſtris exa - ctis; labente vita: Anni 1617.

a. Gen. 32. v. 10.Iacobi baculuma mihi ſumo: da mihi Schalambb. Gen. 28. v. 12. Christe; valet baculoplus tua Schala meo:

M. Henrich Amelung / Superintendens.

(LACTANTIVS. )
  • Idcireo mundus factus eſt vt naſcamur,
  • Ideo naſcimur, vt agnoſcamus factorem mundi & noſtri Deum,
  • Ideo agnoſcimus, vt colamus,
  • Ideo colimus, vt pro mercede capiamus immortali - tatem. Jn qua videbimus
      • Chriſtum
      • Pacem
      • Cælum
      • Vitam
      veritatis
      • Solem .
      • Prolem.
      • Gremium.
      • Præmium.
Deo[11]

Deo Opt. MaXI. aVspICe Proloquium,

Die Gnade vnſers HErren JHEſu2. Cor. 13. 13. CHRiſti / die Liebe GOttes / vnnd die Ge - meinſchafft deß Heyligen Geiſtes ſey mit vnnd bey vns allezeit / Amen.

ANdaͤchtige vnd Außerwehl - te im HERREN: Die alten Kir - chenlehrer haben vber das Lateiniſche Woͤrt - lein Ave, welches ſo viel heißt / als / Gegruͤſſet ſeyſtu / vnd damit der Engel Gabriel die hochgelobte Jungfraw Mariam im heutigen Feſt Evangelio / Luc. 1. ſalutirt vñLuc. 1. 28. gegruͤſſet / ſehr feine Gedancken / vnd ſagen: Der Engel kehre den Namen vnd das Woͤrtlein Eva vmb / zu ruͤck vnd vmbgekehrt heißt der Nahme Eva, Ave: Denn nunmehr ſolle alles wieder zu recht gebracht werden / was durch Eva Suͤndenfall iſt verkehret worden. Gleiche Gedancken moͤgen wir auch wol Dato / bey dieſer an - ſehnlichen vnd vornehmen Zuſam̃enkunfft haben: Deñ da wir ſolten zu dieſem mahl reden von dem Alpha deß heutigen Feſt Evangelij / oder von dem Initio Salu - tis noſtræ, von dem Anfang vnſers Heyls / ſo muͤſſen wir reden von dem Omega oder exitio vitæ noſtræ, von dem Außgaug vnſers Lebens: Da wir ſolten reden von deß Engels Gabriels Ave, ſo muͤſſen wir reden von Jo -Ioſ. 23 14. 1. Reg 2. 2. ſuæ vnd Davids Vale, Joſ. 23. 1. Reg. 2. Da wirB ijſol -12Chriſtliche Leichpredigt. ſolten reden von der Jungfraw Maria / ſo muͤſſen wir reden von der alten verlebten Eliſabeth / nicht zwar von der alten verlebten Eliſabeth / derer im heutigen Evange - lio gedacht wird / vnd die in ſechſten Monden mit jhrem Sohn gegangen: Sondern von der Edlen vnd Erba - ren Matronen / Frawen Eliſabeth von Bernſtein / ge - borner Spiegeln / Wittwen / nunmehr in Gott ruhend / derer abgelebten Leychnam wir anhero zu ſeinem Ruhe - bettlein / Chriſtlichem vnd Adelichem Brauch nach / be - gleitet haben / vnd welche im dritten Jahrs Monden am FrawenTage deß Cananeiſchen Weibleins / am Son -Matth. 15. 24. tag Reminiſcere auch mit Chriſto gerungen / vnnd inGen. 32. 24. gutem Alter / alt vnd lebens ſatt / ſanfft vnd ſelig in jhm entſchlaffen / vnd nun am heutigen Frawen Tage zweyer hochgeehrten Matronen / Mariæ vnnd Eliſabeth / zu ſanffter Ruh beygeſetzet wird / Aber gleich wie die alten Seribenten auch den heutigen FeſtTag Feſtum Feſto - rum genennt haben / vnnd geſagt / GOtt habe heute zu gleich Weyhnachten gefeyret / in dem er ſeinen Sohn gegeben: Oſtern / weil er eben vmb dieſe Zeit ein Oſter - Laͤmblein worden / vnd Pfingſten / weil der heylige Geiſt Mariæ Hertz vberſchattet hat / werde auch endlichen Dato Vitimum diem, den letzten vnnd lieben juͤngſten Tag halten / Alſo wollen wir auch die Wolthaten der ſe - ligmachenden Menſchwerdung vnd Geburt / der froͤli - chen Vhrſtend deß HErren Chriſti / ſo wol auch die Er - leuchtung deß heyligen Geiſtes / welcher iſt ein Troͤſter in aller / vnd vornemlich in der letzten Noht / zuſammenfaſ - ſen / vnd bey dieſer Gelegenheit erjnnern / deß Vltimi di. ei vi. 13Chriſtliche Leichpredigt. ei vitæ noſtræ, deß letzten Tages vnſers Lebens vnd vn - ſers ſeligen Sterbſtuͤndleins. Damit wir aber im Glau - ben dardurch geſtaͤrcket / im Leben gebeſſert / im Gewiſſen getroͤſtet / im gantzen vnſerm Chriſtenthumb erbawet / vnd letzlich zu einem ſeligen Abſchied auß dieſer Welt be - reitet vnnd außgeruͤſtet werden: So laßt vns hierzu vn - ſern lieben Gott vmb Huͤlffe vnd Beyſtand ſeines heyli - gen Geiſtes anruffen / vnd im Geiſt vnd in der Warheit miteinander beten ein glaͤubiges Vater vnſer.

Zum Grunde vnſers inſtehenden Leychenſermons / wolle E. L. anhoͤren vnnd vernehmen dieſe nachfolgende. Wort / welche vns be - ſchreibet der heylige Koͤnig vnd Prophet Da - vid im 71. Pſalm / vnd lau - tet alſo:

HERR / ich trauwe auff dich / laß mich nimmermehr zu Schanden werden / Auff dich habe ich mich ver - laſſen von Mutterleibe an / du haſt mich auß meiner Mutterleibe gezogen / mein Ruhm iſt jmmer von dir. Gott / du haſt mich gelehret von Jugend auff / darumb verkuͤndige ich dei - ne Wunder / Verwirff mich nicht in meinem Alter / verlaß mich nicht / wenn ich ſchwachB iijwerde.14Chriſtliche Leichpredigt. werde. Ach verlaß mich nicht Gott im Alter / wenn ich graw werde / biß ich deinen Arm ver - kuͤndige KindesKindern / vnd deine Krafft al - len die noch kommen ſollen.

GEliebte im HERren: Wann die lieben Alt Vaͤtter vnnd Lehrer der recht〈…〉〈…〉 Chriſtlichen Kirchen / einem glaͤubigen Chriſten allhier auff Erden / auß guter trewhertziger Affection et - was groſſes vnd hohes haben wuͤndſchen vnd von Gott erbitten wollen / ſo haben ſie einem frommen Chriſten ge - wuͤndſchet dreyerley Hertz / Muht vnd Gebluͤht / auß dem alten Teſtament vnd dreyerley Hertz / Gemuͤt vñ Gebluͤt auß dem newen Teſtament / vnnd wenn ein Chriſt die - ſelben von Gott erlangete / ſo hett er alles / was jm zu die - ſem vñ zum kuͤnfftigen ewigen Leben erſprießlichen vndEx vet Teſt. noͤtig were. Deñ 1 iſteinẽ Chriſten auß dem alten Teſta -1. Jacobs Hertz ment hochnoͤhtig ein Jacobs Hertz / das voller GlaubensGen. 32. 26. vnnd Vertrawens zu Gott iſt / wie deß Ertzvatters Ja - cobs / Gen. 32. der ſagte in ſeinem haͤrteſten Nohtſtande2. Hiobs Hertz. zu dem ewigen Sohn Gottes: Jch laß dich nicht / du ſe - gneſt mich denn. 2. Darnach iſt einem Chriſten hoch -Cap. 1. v. 21. noͤhtig ein Jobs Hertz / das voller Gedult vnnd Sanfft -Cap. 13. v. 15. muht iſt / wie deß rechten vnd geſchlechten Knechts Got - tes Jobs / Cap. 1. der ſagte in ſeinem groͤſten HaußCreu - tze / Angſt vnd Anfechtung: Dominus dedit, Dominus abſtulit: Der HErr hats gegeben / der HErr hats ge -genom -15Chriſtliche Leichpredigt /genommen / der Nahme deß HErren ſey gelobet vnd ge - benedeyet. Jtem / Job 13 Ob mich gleich der HErr toͤd - ten wird / wil ich dennoch auff jhn hoffen. 3. Vnd3. Davids Hertz. dann vors dritte / ein Davids Hertz / das voller inbruͤnſti - ger Hoffnung vnd Gebetts ſey / wie deß lieben KoͤnigesPſ. 27. v. 1. vnd Propheten Davids / der ſagte im 27. Pſalm alſo:

Quid trepidem? metuam quid? & à quo deniꝙ; ſitu Mi Deus es, velut es, lux mea, vita; ſalus. ()

Der HErr iſt mein Liecht vnd mein Heil / vor wemPſ. 73. v. 25. & 26. ſolt ich mich fuͤrchten? Der HERR iſt meines Lebens Kraͤffte / vor wem ſolt mir grawen? Jtem / auß dem 73. Pſalm:

Nil curo tellus quicquid mihi iactet & æthra Tu medo ſis animæ Jova, medela meæ. ()

HERR / wenn ich nur dich habe / ſo frage ich nichts nach Himmel vnd Erden / Vnnd wenn mir gleich Leib vnd Seel verſchmacht / ſo biſtu doch / O Gott / allezeit meines Hertzens Troſt / vnd mein Theil.

Jn gleichem auß dem newen Teſtament / vnd ſon -Ex nov. Teſt. derlich auß den Schrifften der heyligen Evangeliſten / haben die heyligen Lehrer auch dreyerley Hertz erwehlet / die frommen Chriſten auch ſehr dienſtlichen / vnnd hoch1. Das Hertz deß armen breßthafften Menſchen. von noͤten ſeyn / Als erſtlich / das Hertz deß armen breſt - hafften Menſchen / Matth 8. der betet:

SI VIs, potes Me DeVs CVrare. ()

HErr / ſo du wilt / kanſtu mich wol reinigen. 2. Dar -Matth. 8. 2. nach ein Hertz voll Glaubens vnd Bekaͤndtnuͤß / wie deß Vatters beym H. Evangeliſten Marco am 9. der ſagte:2 Deß Va - ters Hertz Credo, meam firma ſed Iesv ſpemq́; fidemq́;: JchMarc. 9. 14.glaͤube /16Chriſtliche Leichpredigt. glaͤube / lieber HErr / aber hilff du meinem Vnglauben. 3. Simeons Hertz3. Ein recht Simeonis Hertz / das voller Begierde ab -Luc. 2. 29. zuſcheiden / vnd bey Chriſto zu ſeyn / wie deß alten Si - meonis / Luc. 2. der ſagte. HErr / nun laͤſſeſtu deinen Die - ner im Friede fahren / wie du geſagt haſt / denn meine Au - gen haben deinen Heyland geſehen / welchen du bereitet haſt vor allen Voͤlckern / ein Liecht zu erleuchten die Hey - den / vnd zum Preiß deines Volcks Jſrael. Zu dieſem4. Das Hertz der Jungfraw Marten. moͤgen wir auch billich referiren das Hertze der Jung - frawen Marien / die ſagte im heutigen Feſt Evangelio / Luc. 1. Fiat mihi ſecundum verbum tuum: Mir ge -Luc. 1. 38. ſchehe / wie du geſaget haſt. Wer dieſe ſibenfache Andacht vnd Bewegung in ſeinem Gemuͤht vnd Gebluͤht fuͤhlet / der iſt ein rechter Jſraelit vnd Jſraelitin / vnnd wird mitPſal. 71. 1. David außbrechen auß dem verleſenen Text deß 71. Pſalms.

In re ſperavi Domine, non confundat in æternum,Cauſa præle - ctitextus. HERR / auff dich trawe ich / laß mich nimmermehr zu Schanden werden. Welche Wort / zu ſampt den nach - folgenden / ich zu dieſem mahl auß der Harffenſchuel deß lieben Davids entlehnet / vnnd zum Leichen Argu -1. ment erkleſet vmb zweyerley Vrſach: Als erſtlich / weil ſie ſind Baculus Senectutis, ein rechter Lehnſtab deß Al - ters / darauff ſich alte verlebte Leute lehnen vnnd ſtewren koͤnnen. 2. Darnach weil ich eben dieſe Wort / der lie -2. ben ſeligen Frawen in meinem erſten anſprechen / als ei - nen ſtarcken Hertzen Seufftzer / commendiret vnnd anbe - kohlen / vnnd ſie auch ſolche biß an jhr ſeliges Ende an - daͤchtiglich zu Gott geſeufftzet. Es iſt aber der gantze 71. Pſalm17Chriſtliche Leichpredigt. Pſalm / darauß dieſe Wort genommen / nichts anderß als ein hertzlich vnd iñbruͤnſtig Gebet / darinnen David in der Chriſtlichen Kirchẽ vñ ſeinem Namen bittet: GottPropoſitio. wolle ja die Chriſtliche Kirche im angehenden Alter / vnd jhn in ſeinem Alter nicht verlaſſen / ſondern ſie in ſeinen gnaͤdigen Schutz vnd Schirm nehmen / vnnd im Alter nicht deſeriren noch von jhnen abweichen: Dieſe de - muͤtige Supplication Davids / wollen wir / als den rech - ten Stecken vnnd Stab deß lieben Alters / auß ſeiner Harffen Schuel entlehnen / vnd beydes Alten vnd Jun - gen dabey Anlaß geben / was wir ſonderlich von Gott mit David bitten vnd begehren / vnd was wir vns vor ei - nen Stecken vnd Stab im Alter erwehlen ſollen. DerVotum. Herr aber / den hier der liebe David ſupplicando an - langet / vnnd ſich Eſa. 46. alſo hoͤren laͤßt: Jch wil euchEſa. 46. 4. tragen biß ins Alter / vnd biß jhr graw werdet. Jch wil es thun / ich wil heben / tragen vnd erhalten / der gebe Gnade / daß wir den Hertzens Wundſch von dem Koͤnig vnnd Propheten David lernen / recht nach beten / vnnd vns al - lerſeits darauff ſtoͤhnen vnd lehnen moͤgen / Amen.

Evolutio.

WAs nun nach abgeleſenen Worten deßBaculus Se - nectutis conſtat quatuor membris. lieben Alters rechten Lehnſtab betrifft / ſo beru - het derſelbe in einem andaͤchtigen Hertzen - Seufftzer / welcher in vier vornehmen membris herr - lichen herfuͤr leuchtet. Als das erſte membrum mag ge -Quorum nent werden / Ardens devotio ein ſoͤhnlicher Wundſch zu Gott. 2. Das andere iſt / Beneficium præteritorumCrecor -18Chriſtliche Leichpredigt. recordatio, eine Pruͤffung / Erzehlung vnd Anzeigung etlicher empfangenen Wolthaten / die Gott jhm ſonder - lichen erwieſen. 3. Das dritte iſt / Senilis mali depreca tio eine Bitte vmb Abwendung zukuͤnfftiges Vngluͤcks / welches jhm im Alter begegnen koͤndte / wann Gott der HErr im Alter von jhm abweichen wolte. 4. Das vierdte iſt / Gratitudinis ſuæ pollicitatio, die Verheiſ - ſung ſeiner Danckbarkeit / was er dagegen thun wolle / wenn er ſeiner Bitte gewaͤhret werde. Nun dieſe vier membra, ſo zum Stecken vnnd Stab deß lieben Alters gehoͤren / laßt vns fein in richtiger Ordnung nach einan - der vernehmen vnd anhoͤren.

1. Ardens drvorio conſtans. 1. Erſtlichen / deß liebẽ Davids ſoͤhnlicher Wundſch zu Gott / lautet alſo: HErr / ich traw auff dich / laß mich nimmermehr zu Schanden werden. Zweyerley erey - gnen ſich in dieſen Worten. Das eine iſt ingenua con. feſſio, ein richtiges Glaubens Bekentniß: Das andere iſt neceſſaria petitio, eine gar nohtwendige Bitt vnndConfeſſio - ne. Supplication. Das Bekendtnuͤß Davids ſteht in denen Worten begriffen: HErr / ich traweauff dich. 82 mahl wird der Verß im Pſalmen Buͤchlein Davids gefundẽ ſind außbuͤndige Wort / damit David an Tag gibt / was er glaͤube / an wen er glaͤube / ob er gut Calvi - niſch / Catholiſch / Heydniſch oder Evangeliſch ſey: Nemlichen / er ſegregirt ſich von allen Ketzern abe / vnnd bekendt ſich zu dem eynigen wahren Gott / an den glaͤubt er / nicht auff gut Calviniſch / welche Lehr Gott zu einem Teuffel macht / nicht auff gut Catholiſch / welche Lehr an Gottes Barmhertzigkeit zweiffelt / ſondern auff gut Ev -auge -19Chriſtliche Leichpredigt. angeliſch vnd Lutheriſch / welche Lehr allein Gott vnnd ſeinem Worte vertrawet / vnnd nach welcher man allein mit David ſagen kan: HErr / ich trawe auff dich. Dar -Obſervatin. umb lernen wir allhier von dem Koͤniglichen Propheten David / wie wir auch ſchuldig ſind / vnſer Bekendtniß richtig an Tag zu geben: Nicht wie Arrius / der die ewigeExempla malè Con - feſſorum. Atrii. Gottheit der Mittlern Perſon / deß Sohns Gottes ver - leugnet / vnd doch mit den Orthodoxis eynig ſeyn wolte / auch endlich das Symbolum Nicenum mit ſolcher Liſt ſubſcribirte: Er verzeichnete ſeine Arrianiſche Confeſſi - on auff ein ſonderlich Pappier / vnnd ſteckt es bey ſich in Buſem / vnd ſchriebe vnter das Symbolum Nicenum dieſe Wort: Sicut ſeripſi, ita credo: Wie ich geſchrie - ben habe / alſo glaͤube ich / er meynete aber auffs Pappier / welches er bey ſich im Buſem truge / vnd geſchrieben hat - te / wie hiervon beym Socrate, Theodoreto vnnd Nice.Socrates. Theodore - tus. Nicephorus. phoro, lib. 8. cap. 5. zu leſen. Faſt dergleichen hat gethan Hieronymus Zanchius, als er zu Straßburg die Aug - ſpurgiſche Confeſſion vnterſchreiben ſolte / welcher er doch nicht hold war / formirte er ſeine Subſcription alſo: Hanc doctrinæ formulam ut piam agnoſco, ita etiam recipio: Wie ich diß in meinem Hertzen fuͤrwar halte / alſo vnterſchreibe ichs: Q. D. als wolt er ſagen: Mit etlichen Stuͤcken bin ich nit zu frieden / die wil ich Krafft meiner formulæ ſubſcriptionis nicht confirmiret vnd vnterſchrieben haben / was ich aber vor wahr halte / das wil ich vnterſchrieben haben: Das iſt faſt eben das alte Heydniſche Thun: Iuravi linguâ, mentem iniuratam teneo: Mit der Zung habe ich zwar geſchworen / aberC ijim20Chriſtliche Leichpredigt. im Hertzen meyne ich es viel anderß. Das ſind vnerbare / Gottloſe vnd Teuffliſche Confeſſiones, dafuͤr ein Gott - ſeliges Hertz erſchrecken vnd Abſchew haben ſoll: Denn es wird doch gewiß wahr werden / was der KoͤniglichePſ. 5. 7. & 10. 15. Prophet David im 5. vnnd 10. Pſalm ſagt: Rerdes o - mnes, qui loquuntur mendacium: Du wirſt alle ver - derben / die anders im Hertzen geſinnet ſeyn / vnd anders mit der Zunge reden / vnd Gott wird ſie außſpeyen / Ap.Apoc. 3. 16. 3. weil ſie weder kalt noch warm ſeyn. Jn ſolcher Be - trachtung ſollen wir mit David richtig vnſer Bekendt -Rom. 10. 9. niß fuͤhren: Denn ſo du mit deinem Munde bekenneſt Jeſum / daß er der Herr ſey / vnnd glaͤubeſt in deinem Hertzen / daß jhn Gott von den Todten aufferwecket ha -Rom. 10. 10. be / ſo wirſtu ſelig / ſagt S. Paulus / Rom. 10. Jtem / Corde creditur ad iuſtitiam, ore autem fit confeſſio ao ſalutem: So man von Hertzen glaͤubet / ſo wird man gerecht / vnd ſo man mit dem Munde bekennet / ſo wird man ſelig Denn wer mich bekennet vor den Menſchen / denn wil ich bekennen vor meinem himmliſchen Vater /Matr. 10. 32. ſagt vnſer hochverdienter Heyland CHRJSTVS JEſus / Matth. 10. Vnd das iſt eins im erſten mem bro.

2. Petitione. 2. Darnach das andere iſt neceſſatja petitio, eine gar nohtwendige Bitt vnd Supplication / vnnd davon ſpricht der Koͤnig David alſo: Laß mich nimmermehr zu Schanden werden. O HErr laß nimmermehr einen andern Glauben in mein Hertz kommen. Jm Lateini - ſehen Text ſtehet alſo: In te Domine ſperavi, non con fundar in æternum: Jch habe auff dich HErr gehoffet /dar -21Chriſtliche Leichpredigt. darumb werde ich nicht zu Schanden werden. Jſt bey - des recht / vnd dienet vns ad imitationem, zur Nachfol - ge: Denn es iſt[n]icht gnung / im Chriſtenthumb wol - anfahen / aber hernach abfallen / boͤſe mittein vnd ſchlieſ - ſen. Lohts Weib halffs nichts / daß ſie auß Sodoma gieng / weil ſie vber Goͤttlichen Befehl ſich vmbſiehet / vnd druͤber zur Saltzſeule wird / Gen. 19. Eſau halffsGen. 19. 26. nichts / daß er der erſtgebarne / weil er ſein Recht liederlich vmb ein Linſen Gericht verkauffete / Gen 25. Saul halffsGen. 25. 34. nichts / daß er vnter den Propheten weiſſagete / vnnd her -1. Sam. 19. 23. 1. Sam. 31 4 nach zum Verzweiffler wird / 1. Sam 19. & 31. Dero - wegen ſagt Hieronymus gar recht: Non quæruntur inHierony - mus. Chriſtian sinitia, ſed finis: Paulus malè cæpit & benè finivit: ludæ laudantur exordia: Sed finis proditio ne damnarur: Das iſt: Chriſten Leuten gebuͤhret nicht ſchlecht wol anfahen / ſondern auch wol enden Paulus ließ ſich vbel an / er machte aber das Ende deſto beſſer: Dagegen Judas begab ſich bald im Anfang zu Chriſto / ward aber beym Beutel zum Buben vnnd Verraͤhter. So bleibts nun bey dem / was Chriſtus ſelbſten ſagt /Luc. 9. 62. Luc. 9.

Qui ſemel ad notis manibus diſcedit aratro Sedibus hic ſuperis non ſatis aptus erit. ()

Wer ſeine Hand an Pflug legt / vnd ſiehet zu ruͤcke / der iſt nicht geſchickt zum Reich Gottes. Vnd Prov. 3. ſteht ge -Prov. 3. 33. ſchrieben: Der HErr hat einen Grewel an den Abtruͤn - nigen. Darumb moͤgen wir wol mit dem lieben David bitten vnnd beten: HERR / laß mich nimmermehr zuC iijSchan -22Chriſtliche Leichpredigt /Schanden werden. Jtem / mit der Chriſtlichen Kirchen ſingen vnd ſeufftzen:

Cantio ce - cleſiaſtica.
Laß mich kein Luſt noch Furcht von dir /
Jn dieſer Welt abwenden /
Beſtaͤndig ſeyn ans End gib mir /
Du haſts allein in Haͤnden /
Kompt nun Anfechtung HErr ſo wehr /
Daß ſie mich nicht vmbſtoſſen / du kanſt
maſſen /
Daß mirs nicht bringt Gefaͤhr / Jch weiß du
wirſts nicht laſſen.

Vnd ſo viel vom erſten membro.

II. Beneficio - rum præ - teritorum recordatio. ReſpicitII.

DAs andere membrum an deß lieben Alters Stecken vnnd Stab / iſt Beneficiorum præteritorum recordatio, eine feine Pruͤffung / Erinnerung vnd Erzehlung / etlicher empfangenen Wol - thaten / vnd davon redet der liebe David dieſe denckwuͤr - dige Wort: Auff dich habe ich mich verlaſſen von Mutterleibe an / du haſt mich auß meiner Mutter Leibe gezogen / mein Ruhm iſt jmmer von dir. Jtem / Gott / du haſt mich gelehret von Jugent auff / darumb verkuͤndige ich deine Wunder. Jn dieſen Worten hat der liebe KoͤnigDavid23Chriſtliche Leichpredigt. David ſeinen reſpect auff zweyerley. 1. Ad vitæ ſuæ in.1. Vitæ in - greſſum. greſſum, auff ſeine Ankunfft in diß zeitliche Leben. Pſ. 22. 10.2. Darnach ad vitæ ſuæ progreſſum, auff den Fortgang ſeines Lebens / vnd auff ſeine Education vnd Aufferzie - hung / wer in ſeiner Jugend ſein trewer Præceptor vnnd rechter Lehrmeiſter geweſen ſey. Die erſten Wort entlch - net der liebe David de verbo ad verbum auß dem 22. Pſalm / da er ebner maſſen die Ankunfft ſeines Lebens / dem wahren lebendigen Gotte zuſchreibet / Vnd im 100. Pſ. 100. 2.Pſalm ſagt er: Er hat vns gemacht / vnnd nicht wir ſelb - ſten / zu ſeinem Volck / vnd zu Schaffen ſeiner Weyde. Das bekand auch der liebe Job / Cap. 10. Du HErr haſtIob. 10 9. 10. 11. 12. mich auß Leimen gemacht / vnd wirſt mich wieder zur Er - den machen / haſtu mich nicht wie eine Milch gemolcken / vnd wie Kaͤſe laſſen gerinnen. Du haſt mir Haut vnnd Fleiſch angezogen / mit Beinen vnnd Adern haſtu mich zuſammen gefuget / Leben vnd Wolthat haſtu an mir ge - than / vnnd dein Auffſehen bewahret meinen Othem. DEO aſſig - nanda 1. Protectio in utero. Solten wir Stuͤck weiſe davon reden / ſo muͤſſen wir Gott drey Stuͤck zumeſſen: Als 1. Protectionem in u - tero, die Beſchirmung noch in Matterleibe: Denn da ſind wir geſeſſen in tenebris, im Finſtern / ohne alles Liecht vnnd Lufft / vnnd hetten in vnzehlich viel Wege koͤnnen getoͤdtet werden: So hat er vor vns geſorget / Hut vnd Hand vber vns gehalten / vnd Vaͤtterlichen beſchir -2. Defenſio in puerpe - rio. met. 2. Darnach Defenſionem in puerperio, wie wunderbarlich vnd maͤchteg Gott vns zur Welt vnnd in das Leben gebracht / vnſere Geburt befoͤrdert / vnd in den erſten ſechs Wochen vor allem Vbel bewahret 3. Cu -3. Cuſtodia in faſcio. ſtodiam24Chriſtliche Leichpredigt. ſtodiam in faſcio, der Vaͤterliche Schutz vnd Schirm in vnſerer Wiegen vnd Windeln / Das alles iſt Gottes Werck: Proſpexit Deus homini terrâ tanquam do - micilio, cælo tanquam tecto, mari tanquam muro, teriâ naſcentibus pro cibo & alimento, Das iſt: Gott hat fuͤr den Menſchen trewlich vnd fleiſſig geſorget / jhme die Erde zur Wohnung / den Himmel vber jhn zur Decke /Obſervatio. das Meer zur Mawer / vnd alles was die Erde hat vnnd traͤgt zu ſeiner Speiſe vnd Nahrung eyngethan: Wel - ches wir mit David billich erkennen vnnd bedencken ſol -Anshelmus de miſeric. Dei. len / Vnd hierzu ermahnet vns Anshelmus mit dieſen Worten: Ad moneote, ut ſine intermiſſione recor. deris, quam dulcis & quam bonus ſit erga te creator tuus. Quanta bonitas eius fuit, quod te, cũ non eſſes, creavit, & quod te non pecus aut creaturã inſenſibilẽ, ſed eam creaturã feeit, quod eum poſſes in telligere & amare & cũ eo ſuam æternitatem æternaq́; & felicia poſſidere, Das iſt: Jch ermahne dich lieber Menſch fleiſſig / daß du ohne vnterlaß bedenckeſt / wie gnaͤdig vnd guͤtig ſich dein Schoͤpffer gegen dir erwieſen hat. Jſt das nit der groͤſten Barmhertzigkeit ein Stuͤck / daß er dich er - ſchaffen hat / da du nicht wareſt / vnd dazu nit ein vnver - nuͤnfftig Thier oder Creatur / die weder Witz noch Ver - ſtand hat / ſondern zu einer ſolchen Creatur / die du jhn erkennen vnd lieben / vnd mit jhm die Ewigkeit / vnd was in der guts vnnd ewiges zu gewarten iſt / beſitzen koͤnneſt. Vor diß liebe Werck ſollen wir jhm billich die fructus labiorum heim bringen / wie die lieben Alten ſehr fein hiervon geredet / Gott habe nemlich dem Menſchendie25Chriſtliche Leichpredigt. die Zunge vnnd eine vernehmliche Sprache gegeben zuLinguæ u - ſus. fuͤnfferley. 1. Ad conceptum cordis notificandum, daß er Gott vnd den Menſchen dardurch zu verſtehen geben koͤndte / was er im Hertzen gedaͤchte vnd meynete. 2. Ad proximum ſuum informandum, daß er dadurch ſeinen Nechſten zu dieſem vnd zu dem ewigen Leben vnterwei - ſen moͤchte. 3. Ad eundem ubi opus conſolandum, daß er demſelben in noͤhten damit zuſprechen / jn troͤſten / vnd dadurch zum beſten auffrichten ſolle. 4. Ad ſe ipſum accuſandum, daß er ſonderlich ſich vnd ſeine Vbertret - tung damit anklagen / Gott vnd ſeinen Dienern beichten koͤndte. 5. Principaliter ad Deum glorificandum, vor - nemlich / daß er Gott zeitlich vnd ewig damit loben vnd preyſen ſolte. Zu dem Ende annectirt bey dieſer Wol - that der liebe David dieſe Wort: Mein Ruhm iſt jm̃er von dir. Welches wir jhme ablernen ſollen.

2. Darnach vitæ ſuæ progreſſum, den Fortgang2. Vitæ pro - greſſum. ſeines Lebens / vnnd in demſelben ſeine Information, Zucht vnd Vnterweiſung von Jugend auff / ſchreibet er niemand anders zu / als dem lebendigen GOTT / vnnd ſpricht ferner alſo: Du haſt mich gelehret von Jugend auff / darumb verkuͤndige ich deine Wunder / Das iſt: Du biſt mein Præceptor vnnd Zuchtmeiſter geweſen / auß deinem Wort habe ich muͤſſen ſtudiren vnd lernen / wie ich mich gegen Gott / gegen meinem Nechſten / auch gegen mir ſelbſten aller Chriſtlichen Gebuͤhr erzeygen vnd verhalten ſolle / Vnd hieher gehoͤret tota Davidis e - dueatio, informatio & Inſtitutio quo ad doctrinam & mores, die gantze Aufferziehung / Diſciplin vnnd In -Dforma -26Chriſtliche Leichpredigt. formation deß lieben Davids / bey des was ſeine Lehr vnd Bekentniß / vnd ſein euſſerliches Leben betrifft. VndObſervatio quis ſit no - ſter optimus Præc[e]ptor. eben mit dieſer Erzehlung lehret vns der Koͤnigliche Prophet David / wer doch vnſer aller beſter Lehrmeiſter ſey / der vns am trewlichſten informire, vnſere Educati - on vnd Studia befoͤrder / nemlich / Niemand anders als der HErr / der Iehova, von welchem hier David redet /Pſal. 119. v. 9. vnnd zu welchem auch im 119. Pſalm ſeine Frag vnnd Antwort gerichtet / da er vor eins dieſe Frage movirt: Wie wird ein Juͤngling ſeinen Weg vnſtraͤfflich gehen? Reſpondirt vors andere ſelber alſo: HErr / wenn er ſichDeus præce - pttoris offi - cio fuogitur Immediatè. helt nach deinem Wort vnd Gebot. Es verrichtet aber der ſummus Præceptor, der himmliſche Lehrmeiſter / ſein Ampt auff zweyerley weiſe. Als 1. Immediatè, one Mittel in eygener Perſon / in dem er vns ſeinen H. Geiſt ſchen - cket vnnd mittheilet / der vns in alle Warheit leytet / Jo -Ioh. 16. v. 3. han. 16. vnd vns auff ebner Bahn fuͤhret. Pſalm. 143.

Pſ 143. 11.2. Darnach aber auch Mediatè, durch Mittel / wel -2. Mediatè. Per Paren - tes, Præce - ptores, Se - niores. che er zu ſolchem Ampt gebraucht vnd verordnet / Als da ſind 1. Parentes, die Eltern. 2. Præceptores, die Zucht vnd Lehrmeiſter in Schulen. 3. Seniores, alte / betagte vnd wolgevbete Leute / die vieler ding Erfahrung haben / welche alle an Gottes ſtatt lehren vnd vnderrichten / vnd deßwegen an Gottes ſtatt ſollen vñ muͤſſen geehret ſeyn /Exod. 20. 12. inmaſſen das vierdte Gebott lehrt / ſo Exod. 20. zubefin -Exod. 23. 26. den. Vnd ſonderlichen was alte wolerfahrne Leute an - langt / ſo wil Gott / vnnd gebeut / daß man jhnen alle Re - verentz vnd Ehrerbietung erzeygen ſolle: Denn ſo ſtehet. Levit. 19. 32.Levit. 19. Coram canicie, id eſt, cano homine, aſſurgi -to,27Chriſtliche Leichpredigt. to, vor einem grawen Haupt ſoltu auffſtehen / vnnd die Alten ehren: Das Alter wird wegen etlicher Gebrechlig - keit / ſo es mit ſich zu bringen pfleget / von jungen Leuten gemeiniglich verachtet: Denn ob wir wol alle gerne woͤl - len alt werden / ſo iſt doch das Alter der Kinder Spott: Drumb wil Gott haben / daß junge Lente die Alten ehren ſollen / vnd ſetzt dieſen Grund vnd Vrſach darbey: Denn du ſolſt dich fuͤrchten fuͤr deinem Gott. Wil hiemit an - zeygen / wer die Alten ehre / der beweiſſe darinn ſeine Got - tesfurcht / Wer ſie aber nicht in Ehren halte / der beweiſſe mit der That / daß er Gott nicht fuͤrchte / ſonſten wuͤrde er dieſem ſeinem Gebott ſchuldige Folge vnnd Gehorſam leiſten / Dahin gehet die Ermahnung S. Pauli an Ti - motheum / 1. Tim. 5. Einen Alten ſchelte nicht / ſondern1. Tim. 5. 1. & 2. ermahne jhn / als einen Vatter / die alten Welber / als die Muͤttere. Zu dem iſt das Alter eine ſonderliche Gabe Gottes / dadurch er bezeugt / daß ers noch gut meynet mit Kirchen / Schulen / vnd dem Regiment / wenn er darin - nen etliche laͤßt zum rechten Alter kommen / vnd bey ge - ſundem langen Leben erhelt: Deñ daß mehr Raht / Ver - ſtandt / Klugheit vnd Erfahrung bey den Alten ſey / als bey denen / die noch nicht viel Jahr erreicht / das bezeuget die Hiſtoria deß Koͤniges Rehabeams / 1. Reg. 12. da die1. Reg. 12. 13. Alten jhm zwar einen guten Raht gaben: Aber die Jun - gen / Vnerfahrnen rahten das Gegenſpiel / vnnd geraͤht jhr Raht alſo / daß zehen Staͤmme in Jſrael auff einen Tag vom Hauſe Davids abfallen. Der Bauch zer - ſchwillet jungen Leuten vor groſſer Kunſt / wie dem jun - gen Elihu / Hiob 32. Was die Alten gemacht / das duͤn -Iob. 32. 19.D ijcket28Chriſtliche Leichpredigt. cket ſie nicht gut gemacht / ſie koͤnnens verbeſſern / vnnd wie man ſagt / das Magnificat corrigiren / Es gehet jnen /Syr. 19. 11. wie Syrach ſpricht / Cap. 19. Ein Narr bricht herauß /Syr. 32. 4. wie ein vnzeitig Kind herauß wil / ꝛc. Aber dagegen ge - beut Syrach Cap. 32. Der Elteſte ſolreden / denn es ge -Syr cap. 8. 7. buͤhret jhm / als der erfahren iſt. Vnd Cap. 8. ſpricht a -Plutarchus. bermals Syrach: Verachte das Alter nicht / denn wir gedencken auch alt zu werden: Laß dich nicht kluͤger duͤn - cken / denn die Alten / denn ſie habens auch von jren Vaͤ -In convivio ſenes ſiat vocales viti ſemi votales ſuvenes mu - ti. tern gelernet / vnnd von jhnen kanſtu lernen / wie du ſolſt antworten / wo es noht iſt. Dannenhero iſt endtlichen auch das Sprichwort erſchollen: Senex in domo, ſi - gnum bonum in domo, Ein alte Perſon in einem Hauſe / iſt ein gut Zeichen im Hauſe.

1. Seniores diſcant. Welches jungen vnnd alten Leuten zur Lehr dienen ſol. 1. Den Alten / daß ſie Præceptores in Haͤuſern ſeyn / vnd junge Leute wol informiren, ein ehrlich vnd Chriſt - liches Leben fuͤhren / vnnd der lieben Jugend mit guten Exempeln vorleuchten / vnd wolzuſehen / daß ſie nichts handeln / damit ſie jhr Gewiſſen verletzen. Als auff eineCivis Lace - demonen - ſis. Zeit ein Buͤrger zu Lacedemon gefragt war / worumb er ſo einen groſſen langen grawen Bart behielte / gab er zur Antwort: Vt canos intuens nihil committam illis in - dingum. Deßwegen / auff daß weñ ich meine gꝛawe HaarPolycarpus. anſchawe / ich nichts vngebuͤhrliches vornehme / das jhm zu Vnehr gereichen moͤchte. Als Polycarpus vermah - net ward / Chriſtum zu verleugnen / vñ daß er doch ſeines hohen Alters ſchonen wolte / da antwortet er: Iam octogeſimum ſextum annum Chriſto ſervio, nec meullâ29Chriſtliche Leichpredigt. ullâ in re læſit unquam, quomodo poſſum male dice -Euſeb ius lib. 4. cap. 15. re regi meo, qui me ſervavit: Jch diene nunmthr in das 86. Jahr meinem HErrn Chriſto / welcher mich nie - mals verlaſſen / wie ſolt ich denn jhm wieder ſprechen / der mir ſo viel Liebs vnd Guts erzeyget vnnd erwieſen hat. Vom Piſoſtrato dem Tyrannen wird geſchrieben / daß er Solonem gefraget / was er ſich doch getroͤſtete / daß er jm ſo keck vnter die Augen tretten / vnd antworten duͤrff - te / da hat Solon geſagt / Senectute Suſtentor: Seines Alters. Caſſellio wiederſatzte ſich hefftig dem Zunfftmei -Caſſellio. ſter / vnd ſagte: Duæ res ſunt quæ mihi fiduciam ſuppe - ditant, ſenectus & orbitas: Zwey Ding troͤſten vnd er - quicken mich / Mein Alter vnd mein elender Zuſtand / in welchem ich von allen verlaſſen werde. Nach ſolchen Exempeln ſollen ſich billich alle alte Leute auch richten / jhrem Alter keinen deſpect zuziehen / ſondern vielmehr die liebe Jugendt zum beſten weiſen / davon im letzten membro mehr wird geſagt werden. Junge Leute aber2. Iuniores diſcant. ſollen hier bey dieſem membro folgen der Ermahnung Syrachs / Cap. 3. da er ſpricht: Ehre Vater vnd Mutter / alſo auch die Seniores mit dem Hertzen / ehre ſie mit dem Munde / vnd ehre ſie mit der That vnd den Wercken. Dieſe Erinnerung vnd trewe Anmahnung / haben auch die Heyden in gute acht genommen / inmaſſen E. L. auß zweyen Scribenten vernehmen wollen / Juvenalis der Heydniſche Poet ſchreibet alſo: Satyra 13. Juvenalis Satyra 13.

Credebant hoc grande nefas & morte piendum Si iuvenis vetulo non aſſurrexerat. ()D iijDas30Chriſtliche Leichpredigt.

Ovid. lib. 5. Faſtorum. Magna fuis capitis quondam reverentia cani. Inq; ſuo pretio ruga ſenilis crat. Das hielte man vor Zeiten vor eine groſſe Schan - de / vnd vor einen maͤchtigen Vbelſtand / wenn ein jun - ger Menſch vor einem Alten nicht auffſtunde / vnd jhme mit euſſerlichen Geberden eine Reverentz erwieſe. Vale. rius Max. ſchreibet vnd vermeldet / daß auff eine Zeit die Lacedæmonier eine ſtattliche Legation zu Athen abge - ſand / welcher die Athenienſer zu Ehren ein herrlich Co - mædien Spiel angeſtellet vnnd gehalten. Als nun die Action angienge / vnd den Lacædemoniſchen Legaten ein beſonderer Stand eyngereumet wurde / der mit Tapece - rey / mit Polſtern vnd anderm ornat auffs zierlichſte zu gerichtet / Siehe / da kompt ohn gefaͤhr auffs Teha〈…〉〈…〉 rum, auffn Schawplatz / ein alter graw haͤuptigter Senior, der ſeine Perſon præſentiren vnnd agiren wil / vor dem alten Herren wil kein Athenienſer auffſtehen / vnd demal - ten matten Mann eine Seſſion eynreumen / das verdreiſt die Legaten / deßwegen ſo ſtehen ſie auff / vnd nehmen den alten Seniorem zu ſich an die Staͤdte / vnd erzeygen jhm alle Ehrerbietung: Daruͤber verwundert ſich die Buͤr - gerſchafft zu Athen nicht wenig / vnd als ſie / die Legaten / vmb ſolcher Demut vnd Ehrerbietung befragt worden / hebt einer jhres mittels an / vnd ſpricht: Jhr Herren von Athen ſeyd wol weiſe vnd verſtaͤndige Leute: Jhr wiſſet wol / was recht iſt / vñ was wol ſtehet: Aber jꝛ wollet daſſel - be gleichwol nit practiciren vñ zu Werck richten. Diß mu - ſten die Athenienſer alſo verſchlucken / vnnd wegen dieſer Verweiſung gleich ſchamrot weꝛden. Haben nun die Hey - erkandt / daß man das Alter ehren ſolle / wie viel mehr ſol - lens Chriſten thun / alldieweil ſie auß der H. Schrifftdeſ -31Chriſtliche Leichpredigt. deſſen ernſten Befehl haben / vnd auch andere mit jhren Exempeln vns vorgegangen. Salomon ehrete ſeine Mutter / 1. Reg. 2. vnd ſetzte ſie in einen Stuel zu ſeiner1. Reg. 2. 19. Rechten. David ehrete den alten 80 jaͤhrigen Berſilaj / 2. Sam. 19. vnd ſollen wir auch thun / 1. Corde, mit dem2. Sam. 19. 33. Hertzen / daß / wenn einer alte Seniores anblicket / ſol er gedencken / ſiehe / da haben wir praxin deß vierdten Ge - botts / darnach wahr macht / was er verheiſſen vnd zuge - ſagt. Ore, mit dem Munde / daß man das liebe Alter nicht verhoͤhne / wie die Gottloſe Welt thut / vnd die 42. boͤſe Buben zu Bethel thaten / welche deß alten Prophe - ten Eliſæj ſpotteten / jhn einen kahl Kopff nenneten / vnd von zweyen Behren zerriſſen wurdẽ / 2. Reg. 2, Sie wa -2. Reg. 2. 24. ren nicht wehrt / daß ſie einen Tag aͤlter / oder laͤnger leben ſolten. Welches Straff Exempel zu einer Warnung auffgezeichnet. Vnnd endlichen ſol man auch das liebe Alter ehren / Opere, mit der That ſelbſten / daß man jhm alle muͤgliche Huͤlff vnnd Dienſte leyſte. Vnd ſo viel vom andern.

III.

3. Das dritte / ſo zu deß lieben Alters LehnStab ge -Senilis mali deprecatio. hoͤrig / iſt Senilis mali deprecatio, eine fleiſſige Bitt vm̃ Abwendung zukuͤnfftiges Vngluͤcks vnnd Vbels / wel - ches dem lieben Alter pflegt nachzufolgen / davon ſoricht David alſo: Verwirff mich nicht in meinem Al - ter / verlaß mich nicht wenn ich ſchwach werde. Ach / verlaß mich nicht. GOTT im Alter / wenn ich graw werde. Dieſe Wort hat der loͤb -Relatio de Principe Henrico, &c. liche Fuͤrſt zu Mechelburgk / Henrich der friedfertige ge -nand /32Chriſtliche Leichpredigt. nand / ſo lieb gehabt / daß er ſie allzeit Abends vnd Mor - gends / wenn er zu Bette gangen vnnd auffgeſtanden iſt / mit ſonderer Andacht geſprochen / vnnd mit lauterer Stimm dieſe Wort hinzu gethan / die ſeine Kammer - Junckern von jm gehoͤret haben: HErr / mein Gott / auff den ich trawe / meine Regierung iſt mir ſchwer / viel ſchwe - rer aber wird mirs ſeyn / daß ich dir von allen meinen Vnderthanen am juͤngſten Gericht Rechenſchafft gebe. Ach HErr verlaß mich nicht / deñ ich bin ein alter Fuͤrſt / vnd werde taͤglich ſchwaͤcher / vnd nehme an Kraͤfften a - be / Ach vergiß ja meines alten grawen Kopffs nit. Vnd wenn er dieſe Wort geſprochen / ſind jhme die Thraͤnen haͤuffig die Backen herunter gefloſſen / vnnd iſt offt laut weinend worden. So ſollen heutiges Tages alle alte Leute zu Gott ſeufftzen / vnd jhn anruffen vnd bitten / daß er ſie ja im Alter nicht verlaſſe / ſondern jhr Stecken vnd Stab ſey. Vnd zu ſolchem Gebett ſollen alle alte LeuteSenectutis moleſtia. bewegen zweyerley. Als 1 Senectutis moleſtia, die be - ſchwerte deß lieben Alters: Denn es heiſt doch / Groß Al -Metue ſene - ctutem., non ſola ve - nit. ter / ſchweres Malter: Senectus non ſola venit, das Al - ter koͤmpt nimmer alleine. Senes bis pueri alte Leute / ge - doppelte Kinder. Vnnd zwart was das liebe Alter vor Beſchwerung mit ſich bringt / das hat der Prediger Sa - lomon gar artig auff eine Poetiſche Art annotiret, Ec -Eccl. 52. 2. cl. 12. in dem er ſechzehnerley Vngelegenheiten vnnd Beſchwerungen nacheinander erzehlet / welche allhier nach einander nicht koͤnnen erzehlet werden / vnnd zwarGen. 27. 1. das bezeugen auch die Exempla: Jſaacs Augen werden dunckel / welches ein ſolches Vbel / das Sophoeles be -ſchwer -33Chriſtliche Leichpredigt. beſchwerlicher achtet / als den Todt ſelbſten: Von dem Prieſter Eliſtehet ingleichem geſchrieben / daß ſeine Au - gen in ſeinem Alter haben angefangen dunckel zu wer - den / daß er nicht ſchen kondte / 1. Sam 3. Es nehmen1. Sam. 3. 2. im Alter auch andere Sinne vnd Kraͤffte abe / wie Bar - ſilai der Gileaditer / zum Koͤnige David ſagte / 2. Sam.2. Sam. 19. 34. 19. Was iſts noch / das ich zu leben habe / daß ich mit dem Koͤnige ſolhinauff gen Jeruſalem ziehen? Jch bin heute 80. Jahr alt / wie ſol ich kennen / was gut oder boͤſe iſt / oder ſchmecken was ich eſſe oder trincke / oder hoͤren / was die Saͤnger vnd Saͤngerin ſingen? Warumb ſolt dein Knecht / meinen Herren Koͤnig foͤrder beſchweren? Laß deinen Knecht vmbkehren / daß ich ſterbe in meiner Statt / ꝛc. Nach der Vernunfft iſt keine edlere Gabe noch Zierde an einem Menſchen / als ein gut friſch Ge - daͤchtnuͤß / daß einer alles / was er hoͤret vnnd ſiehet / oder ſelbſt lieſet / mercken vnd behalten kan. Das iſt Theſau - rus diſciplinarum omnim attiumq́; ſtudio & labore acquiſitarum cuſtos fideliſſimus: Ein Schatz aller gutẽ Kuͤnſte / vnd ein trewer Huͤter vnd Verwahrrr deß jeni - gen / was einer durch Muͤh vnnd Arbeit zuſammen ge - bracht hat. Daher auch jener geſagt hat: Memoriam eſſe matrem Muſarum. Jm Alter aber verleuret ſich daſſel - be auch / oder ſonſten auch durch andere Zufaͤlle. Zu A -Val. Max. lib. 1. cap. 8. then ſol etwan ein gelehrter Mann geweſen ſeyn / dem ohne gefaͤhr ein Ziegel von einem Dache auffn Kopff ge - fallen / dadurch ſol er an ſeinem Gedaͤchtnuͤß alſo verletzt worden ſeyn / daß er von dem an / hinfort keinen Buch - ſtaben mehr hat weder leſen noch ſchreiben koͤnnen /Evnd34Chriſtliche Leichpredigt /Plinius lib. 7. cap. 24.vnd alles vergeſſen. Plinius ſchreibet / es ſol Meſſala Cor - vinus, der treffliche Orator vnd Raͤdener / in der Kranck - heit / ſo jhn einſten angeſtoſſen / alſo an ſeinem Gedaͤcht - nuͤß zerruͤttet worden ſeyn / daß er hernach ſeines eygenen Namens vergeſſen / vnd nicht gewuſt / wie er hieſſe. VndGeorgius Trapezun - tius. von dem trefflichen vnd gelehrten Mann / Georgio Tra. pezuntio, der wegen ſeiner Geſchickligkeit weit vnd breit in der Welt beruͤhmpt geweſen iſt / wird gemeldet / daß er auff ſeine alte Tage ſo Kindiſch worden ſeyn ſoll / als wenn er ſein lebenlang keinen Buchſtaben ſtudieret ge - habt hette. Der denex Plautinus ſagte von ſich alſo:

Plautus in Menech.
Conſitus ſum ſenectute, onuſtum gero Corpus, vires reliquère. Vt ætas Mala eſt merx? mala eſt ergo Nam res plutimas peſſimas, cum advenit, adfert Quas ſi autumem omnes nimis longus ſer - mo eſt. ()

Syr. 41. 3.Jſt faſt eben die Klage / die Barſilai vorbringt / vnnd da - von der weiſe Mañ Syrach ſagt / c. 41. O Todt wie wol thuſtu dem Duͤrfftigen / der da ſchwach vnd alt iſt / der in allen Sorgen ſteckt / vnd nichts beſſers zu hoffen noch zu gewarten hat. Derowegen wiederfaͤhret wenig Alten /Deut. 34. 7. was vom Moſe gemeldet wird / Deut. 34. Moſes ward hundert vnd zwantzig Jahr alt / da er ſtarb / ſeine Augen waren nicht dunckel worden / vnd ſeine Krafft nicht ver - fallen. Vnd Hieronymus ſchreibet vom Paulo Concor -Socrates lib. 4. cap. 25. dienſi, dem hundert jaͤhrigen Mann / quod ſolâ canicie & prudentia ſenex fuerit, cætera iuvenis, daß er allein an grawen Haaren / vnd an Weißheit vnd Klugheit alt /ſon -35Chriſtliche Leichpredigt. ſonſten aber allenthalben jung geweſen. Vnd PliniusPlinius. ſchreibet vom Muſicanten Xenophilo, daß er 105. Jahr gelebet vnnd alt worden / ohne Beſchwe[r]ung ſeines Le - bens / welches eine ſeltzame Gluͤckſeligkeit iſt zu dieſen letz - ten Zeiten. Wir ſollen aber gewiß dafuͤr halten / daß das Alter ein Vorbott oder Vordrab deß Todes ſey / wie auch deß Alters Beſchwerung / vns allgemach von den zeitlichen vnd jrrdiſchen Dingen abfuͤhren / vñ vns nach den himmliſchen lencken. Denn Gott gibt vns pro ſen - ſilibus oculis intellectuales, vor das Geſicht vorſtaͤnd - liche Augen / wie Socrates vom blinden Didymo ſchrei - bet. Als der abtruͤnnige Keyſer Julianus / dem Mari Bi - ſchoff zu Chalcedon, ſein Alter vnd Blindheit fuͤrwarff / vnd jhn ſpoͤttiſch fragete / ob jhm ſein Galileer / auff den er trawete / nicht koͤndte heylen / hat der fromme BiſchoffSazomenus lib. 5. cap. 4. darauff geſaget: At ego gratiam Deo meo habeo, quod cæcus ſum, nete, qui à pietate excideris oculis aſpiciam: Jch dancke vielmehr meinem lieben Gott da - fuͤr / daß ich blind bin / damit ich dich Abtruͤnnigen Ma - melucken / der du von der wahren Religion biſt abgefal - len / mit meinen Augen nicht darff anſehen.

Jn Summa / das Alter iſt vor ſich ſelbſten Kranck - heit gar gnungſam. Wieder ſolche Beſchwerung vnnd accidentia deß Alters / haben die lieben Alten kein beſſers antidoton keine beſſere vnnd gewiſſere Artzney / als das liebe Gebett / daß ſie die Wort Davids offt repe - tiren, vnd ſagen: Ach HErr verwirff mich nicht in mei - nem Alter / verlaß mich nicht / wenn ich ſchwach werde /Pſalm. 23. dein Stecken vnd Stab troͤſten mich / ꝛc Pſalm 23.

E ij2. Dar -36Chriſtliche Leichpredigt.

2. Darnach ſol vns auch zu dieſem embſigen Ge - bet ermahnen / Deſertionis exempla, die jenigen Exem - pel / die da ſind im Alter verlaſſen worden: Denn gleich wie man im Sprichwort ſagt: Witz kompt vor Jahren nicht: Alſo heiſt es hinwiederumb: Alter hilfft vor Thor - heit nicht / daher gedencket der heylige Prophet Eſaias /Eſa. 65 20. Cap. 65. Der Knabeu von hundert Jahren / vnd ſtrafft dieſelben: Die Knaben von hundert Jahren ſollen ſter - ben / vnd die Suͤnder von hundert Jahren / ſollen verſtu - chet ſeyn. Knaben von hundert Jahren / (ſetzt D. Lu - ther auffn Rand) heiſſen die Gottloſen / auß ſolcher Re - de / wenn du gleich hundert Jahr lebeſt / ſo bleibeſtu doch ein Kind / wenn du hundert Jahr lebeteſt / ſo bliebſtu doch ein Bube / das iſt / du wilſt ni[m]ermehr weiſe vil klug wer - den. Weiſe Leute koͤ[n]en bald zu Thoꝛen vñd Naꝛrẽ werden / wie von dẽ Fuͤrſten zu Zoan / vñ der; weiſen Raͤten KoͤnigsEſa. 19. 11. Pharaonis / in Egypten geſagt wirdt / Eſa. 19. Die Fuͤrſten zu Zoan ſind Thoren / die weiſen Raͤhte Pharao / ſind im Raht zu Narren worden / denn der HErr hat ei - nen Schwindel Geiſt vnter ſie außgegoſſen / daß ſie E -2. Sam. 16. gypten verfuͤhren / in alle jhrem Thun / wie ein Truncken - bold daͤumelt / wenn er ſpeyet. Einen ſolchen Schwin - del Geiſt bekam auch Achitophel / derſelbe war auß Koͤ - nige Davids Hoffe / in ſolchem anſehen / wenn er einen Raht gab / das war als wenn man Gott vmb etwas ge - fragt hette / alſo waren die Rahtſchlaͤge Achitophels / bey -2 Sam. 17. 23. de bey David vnd bey Abſolon: Aber ich meyne / Gott machte ſeinen Rahtſchlag zur Narrheit / daß er druͤber in Vngedult fiel / vnd ſich ſelbſt erhieng. Wie es Nebu -catne -37Chriſtliche Leichpredigt. catnezar dem Koͤnig zu Babel ergangen / davon leſen leſen wir / Dan. 4. Er war ein verſtaͤndiger HERR / daDan 4. aber Gott das Menſchliche Hertz von jhm nahm / vnnd gab jhm ein Viehiſch Hertz / da kam er von Sinnen / lieff etliche Jahr im Felde herumb / wie ein ander vnver - nuͤnfftig Thier vnd Vich. Der Koͤnig Saul verließ den HERREN / ſo wird er von jhm wiederumb verlaſſen / 1. Sam. 28. Von dem Koͤnige Salomon wird gemel -1. Sam. 28. 6. det / daß er der allerweiſeſte geweſen ſey: Jm Alter aber1. Reg. 11. 4. begieng er eine groſſe Thorheit / er ließ ſich die frembden außlaͤndiſchen Weiber bethoͤren / richtete vnnd ſtifftete grewliche Abgoͤtterey / vnnd wird von den Gelehrten an ſeiner Seligkeit gezweiffelt. Nun heiſt es freylich / wieAuguſtinus. Auguſtinus an einem Ort ſaget: Accidere poteſt omni quod accidit uni: Was einem begegnete / kan vns allen begegnen / wenn Gott Hand abzeucht: Darumb ſollen wir nicht ſicher ſeyn / ſondern diß Gebettlein mit David viel vnnd offt reiteriren vnd wiederholen / Verlaß mich nicht / wenn ich ſchwach werde / verwirff mich nicht im Alter / Ach / verlaß mich nicht Gott im Alter / wenn ich graw werde. Wenn wir das thun / ſo wird GOtt auch wahr machen / was er im 91. Pſalm ſagt: Er begehretPſ. 91. 14. mein / ſo wil ich jhm außhelffen / er kennet meinen Nah - men / darumb wil ich jhn ſchuͤtzen. Er rufft mich an / ſo wil ich jn erhoͤrẽ / Jch bin bey jm in der Not / ich wil jn heꝛ - auß reiſſen / vnd zu Ehren machen: Jch wil jhn ſaͤttigen mit langem Leben / vnd wil jhm zeygen mein Heyl / denn honorantes me, honorabo, die mich ehren / die wil ichE iijwie -38Chriſtliche Leichpredigt. 1. Sam. 2. 30.der ehren / 1. Samuelis 2. Vnnd ſo viel von dem dritten.

IV.

IV. Grati - tudinis ſuæ pollicitatio. IV. Endlichen vnd vors vierdte / ſo gehoͤret auch zu deß lieben Alters Stecken vnnd Stab / Gratitudinis pollicitatio. die Verheiſſung vnd Zuſagung der Danck - barkeit: Denn David hengt zu Ende eine promiſſion vnd Zuſage hieran / vnd erklaͤret ſich / was er thun wolle / wenn Gott jhn ſeiner Bitte gewaͤhret / vnd jhm die Gna - de verliehe / daß er ein fein geruͤhiges Alter erreicht / vnnd daſſelbe ohne ſondere Beſchwerniß fuͤhren koͤnne / Nem - lichen / er wolle die Wunder deß HErren verkuͤndigen, Vnd den Arm deß HErren den KindesKindern / vnnd ſeine Krafft allen / die noch kommen ſollen: Alſo lauten ſeine Wort: Biß ich deinen Arm verkuͤndige Kindes - Kindern / vñ ſeine Krafft allen / die noch kommen ſollen / das iſt in Summa: Jch wil junge Leute vnterweiſen / von Gott vnd ſeinen Wolthaten / die er dem Menſchli - chen Geſchlecht auß Gnaden erzeyget / vnd jhnen Anley - tung geben / daß ſie auch bald von Jugendt auff / Gott fuͤrchten vnd lieben / vnd ſeinem heyligen Nahmen dan - cken: Denn gleich wie es eine Straffe Gottes iſt / wenn ein Geſchlecht oder Statt / alter ehrlicher Leute mangeln1. Sam 2. 31. muß / wie zu ſehen / 1. Sam. 2. da Gott der HErr dem Propheten Eli anmeldenlaͤſt: Es ſol von dem an / kein Alter in ſeinem Hauſe ſeyn / ewiglich: Sie ſollen alle ſterben / wenn ſie Maͤnner worden ſind: Alſo iſt es hinwiederumb eine beſondere Wolthat Gottes / wenn ineinem39Chriſtliche Leichpredigt. einem Geſchlecht / in einem Lande feine alte ehrlich Leute zufinden / inmaſſen denn Gott der HErr ſolches / als eineExod. 23 26. Zach 8 4. beſondere Wolthat verheiſſen / Exod 23. vnnd Zach. 8. ſtehet: So ſpricht der HErr Zebaoth: Es ſollen noch foͤrder wohnen / in den Gaſſen zu Jeruſalem / alte Maͤn - ner vnd Weiber / vnd die an Stecken gehen vor groſſem Alter. Hat nun Gott der HErr einen vnnd den andern mit Ehren laſſen alt vnd graw werden / ſo erkenne ers vor eine ſondere Wolthat Gottes / vnnd halte ſich nach Da - vids ſeinem Erbieten / vnd laſſe jhrn in ſeinem Alter / diß ſeine vornembſte Arbeit ſeyn / daß er Kinder / KindesKin - der / vnd KindesKindesKinder vnterweiſe / wie denn in dem Stuͤck viel vornehme alte Manns vnd Weibs Per - ſonen / vns mit guten Exempeln vorgegangen. Noha der liebe alte Senior, gieng ſeinen Kindern mit guten Ver - mahnungen vor / er lehrete ſie epffern / vnnd den rechten Gott erkennen / Gen. 8. Der liebe heylige Ertzvatter vndGen. 8. 20. Patriarch Abraham / hat auch das Lob / daß er ſeine Kin -Gen. 18. der zu allem guten vnterwieſen: Denn alſo ſagt der e - wige Sohn Gottes ſelber / Gen. 18. Wie kan ich Abra -Gen. 18. 17. ham verbergen / was ich thun wil? Sintemal er ein groß vnd maͤchtig Volck werden ſoll / vnnd alle Voͤlcker auff Erden in ſeinem Samen ſollen geſegnet werden: Denn ich weiß / er wirds befehlen ſeinen Kindern vnnd ſeinem Hauſe nach jhm / daß ſie deß HErren Wege halten / vnd thun was recht vnd gut iſt / auff daß der HErr auff Abra - ham kommen laſſe / was er jhm verheiſſen hat / wie fleiſ - ſig der liebe alte Senior Jſaac geweſen / in Vnterweiſung ſeiner Soͤhne / Eſaus vnnd Jacobs / das iſt zu leſen /Gen. 72.40Chriſtliche Leichpredigt. Gen. 27. 27.Gen. 27. da ſonderlichen der Segen zu finden / den er auff Jacob gelegt. Der liebe heylige Ertzvater Jacob / hat jhm diß Stuͤck auch laſſen angelegen ſeyn: DennGen. 49. 1. der nimbt Gen. 49. alle ſeine zwoͤlff Soͤhne vor ſich / vnd ſpricht: Verſammlet euch / daß ich euch verkuͤndige / was euch in kuͤnfftigen Jaren begegnen wird / kompt zu hauff / vnd hoͤret zu jr Kinder Jacob / vnd hoͤret ewren Vater Jſ - rael: Drauff hebt er von ſeinẽ erſten Son Ruben an / biß auff Beniamin / den Juͤngſten / vnnd thut einem jeden ſeine Lection / wie er ſich verhalten ſolle / neben Ankuͤndi - gung / bey des deß Segens / ſo ſie werden gehorſamen vñ folgen / ſo wol auch deß Fluchs / ſo ſie ſeine Vaͤtterliche Vermahnung werden hindan ſetzen / vnd in Wind ſchla - gen. So leſen wir auch von dem lieben Koͤnig vnnd Propheten David / daß er in Vnterweiſung / ſeines lie -1. Reg. 2. 3. ben Sohns Salomons / ſehr fleiſſig geweſen / 1. Reg. 2. Denn da ſeine Zeit herbey kam / daß er ſterben ſolte / da nimbt er ſeinen Son Salomon vor ſich vñ ſpricht: Jch gehe hin / den Weg aller Welt / ſo ſey getroſt vñ ſey ein Mann / vnd warte auff die Hut deß HErren deines Got - tes / daß du wandelſt in ſeinen Wegen / vnnd halteſt ſeine Sitten / Gebott / rechte Zeugniſſe / wie geſchrieben ſtehet / im Geſetz Moſe / auff daß du klug ſeyſt / in allem / das du thuiſt / vnd wo du dich hinwendeſt: Auff daß der HErr ſein Werck erwecke / das er vber mich geredet hat / vnd ge - ſagt: Werden deine Kinder jhre Wege behuͤten / daß ſie vor mir trewlich / vnd von gantzem Hertzen / vñ von gan - tzer Seele wandeln / ſo ſoll von dir nimmer gebrechen / ein Mann auff dem Stuel Jſrael.

Wie41Chriſtliche Leichpredigt.

Wie ſich der liebe alte fromme Senior Tobias / ge -Tob. 4, 2. gen ſeinem lieben Son verhalten / das leſen wir / Tob. 4. Denn da derſelbe auch nicht anders vermeynete / als daß er ſterben wuͤrde / da ruffet er ſeinen Sohn / den jungen Tobiam zu ſich / vnnd gab jhm vor ſeinem Ende gar eine ſchoͤne / nuͤtzliche vnnd denckwuͤrdige Jnſtruction vnnd ſprach: Lieber Sohn / hoͤre meine Wort / vnd behalte ſie feſt in deinem Hertzen / wenn Gott wird meine Seele weg - nehmen / ſo begrabe meinen Leib / vnd ehre deine Mutter / alle dein lebenlang. Dencke dran / was ſie vor Gefahr außgeſtanden hat / da ſie dich vnter jhrem Hertzen trug / vnnd wenn ſie geſtorben iſt / ſo begrabe ſie neben mich. Dein lebenlang habe Gott fuͤr Augen vnnd im Hertzen / vnd huͤte dich / daß du in keine Suͤnde willigeſt / vnd thuſt wieder Gottes Gebott. Von deinen Guͤtern hilff dem Armen / vnd wende dich nicht von Armen / ſo wird dich Gott wiederumbgnaͤdig anſehen / wo du kanſt / ſo hilff dẽ Duͤrfftigen: Haſtu viel / ſo gib reichlich / haſtu wenig / ſo gib doch das wenige mit trewem Hertzen / denn du wirſt ſammlen einen rechten Lohn / in der Noht. Jm newen Teſtament haben auch die lieben alten Seniores, Zacha -Luc 1. 68. Luc. 2. 29. rias / Luc. 1. vnd Simeon / Luc. 2 gute nuͤtzliche Lehren / der lieben Poſteritet hinderlaſſen: Das iſt nun an alten Leuten ein beſonderer Schmuck / vnd ſchoͤne Zierde / wel - cher ſich nicht alleine alte Mannsperſonen / ſondern auch etliche Weibsperſonen befliſſen: Denn von der alten Großmuͤtter Naemi leſen wir / Rut. 4 daß ſie des ObedsRut. 4. Waͤrterin geweſen / vnnd ſoll billich aller Großmuͤtter Ampt ſeyn / wenn ſie numehr alt / vnd zu ſchwerer ArbeitFvnver -42Chriſtliche Leichpredigt. vnvermoͤgen ſeyn / ſollen ſie ſich jhrer Kindes Kinder gantz trewlich annehmen / dieſelben von allem Boͤſem abhalten / vnnd in der Furcht Gottes erziehen / das iſt das beſte Werck / das ſolche alte Muͤtterlein gegen jhrem Nechſten thun koͤnnen / vnnd alſo fuͤhren ſie auch die lie - ben Kinder vnſerm HErren Gott zu / welches der HErr Chriſtus von jhnen haben wil: Darumb als der H. A -Tim. 5. poſtel Paulus Ordnung machte / vnter denen altẽ Witt - wen / die von dem gemeinen Kaſten ſolten ernehret wer - den / ſpricht er vnter andern / daß man keine Wittwe dazu erwehlen ſoll / ſie habe denn ein Zeugniß guter Werck / daß ſie Kinder aufferzogen habe / vnd abermals am ſelben Ort ſpricht er: So eine Wittwe Kinder oder Naffen habe / ſolle ſie dieſelbigen lehren / jhre eygene Haͤuſer Goͤttlich regieren / vnnd den Eltern gleiches vergelten / denn das ſey wolgethan vnd angenehm fuͤr Gott / dann - hero lobet er auch deß Timothei Großmutter / die Loi - dem, daß ſie einen vngeferbten Glauben gehabt / ſaget auch / er ſey gewiß / daß ſolcher Glaube auch in dem Ti - motheo wohnen werde / ſonder Zweiffel daher / weil er von ſeiner Großmutter darinnen iſt vnterrichtet worden /2. Tim. 1 2. Tim. 1. Die fromme Mutter der ſieben Soͤhne / 2. 2. Mac. 7. 21.Macc. 7. die Antiochus / der grauſame Witterich vnnd Tyrann / vmb deß Vaͤtterlichen Geſetzes willen hinrich - ten ließ / die ließ es an trewer Ermahnung nicht man - geln / ſie gieng von einem Sohn zum andern / vnd ſprach jhm Troſt zu / ſonderlich aber bildet ſie jhnen wol ins Hertz / den Artickel von der Aufferſtehung der Todten / vnd ſprach: Jhr meine lieben Soͤhne / ich bin ja ewreMutter /43Chriſtliche Leichpredigt. Mutter / vnd habe euch gebohren / aber den Othem vnnd das Leben habe ich euch nicht gegeben / noch ewre Glied - maß alſo gemacht: Darumb ſo wird der / der die Welt / vnd alle Menſchen geſchaffen hat / euch den Othem vnd das Leben gnaͤdiglich wieder geben / wie jhrs jetzt vmb ſeines Geſetzes willen waget vnd fahren laſſet. An dieſen vnd dergleichen Exempeln ſollen ſich alle alte Leute be - ſpiegeln / vnnd allen muͤglichen Fleiß anwenden / daß ſie der lieben Jugend mit heylſamer Lehr vnnd Vnterwei - ſung vorgehen / vnd folgen dem Exempel deß lieben Da - vids / der ſich in vnſerm Text anerbeut / er wolle den Arm deß HErren verkuͤndigen / Kindes Kindern vnnd ſeine Krafft denen / die noch kommen ſollen. Vnd die nun ſol - ches thun / die werden gewißlichen auch der Verheiſſung Gottes / Gen. 15. theilhafftigwerden / vnd von jhm allerGen. 15. 15. gnaͤdigſt erlangen / 1. Senectutem bonam, langes Le - ben / vnd ein gutes Alter / 2. Tranquillam mortem, eine friedſame Hinfahrt auß dieſem Leben / 3. Sepulturam honeſtam, ein ehrliches Begraͤbniß / 4. Collectionem ad patres, die Verſammlung zu vnſern Vaͤtern / in - tum ſanctorum Patriarcharum, zu der Gemeinſchafft der Heyligen ErtzVaͤtter / die in wahrem Glauben von hinnen geſchieden. Zu welcher allerheyligſten Geſell - ſchafft / vns allen auß Gnaden verhelffen woͤlle / Gott Vater / Gott Sohn / Gott heyliger Geiſt / die heylige vnd hochgelobte Dreyfaltigkeit / vbergebene - deyet in Ewigkeit / Amen / Amen.

COM -44Chriſtliche Leichpredigt /

COMMENDATIO DEFVN - CTAE MATRONAE.

WAs nun an jetzo von deß lieben Alters Stecken vnd Stab / vnnd in gemein von dem jnnbruͤnſtigen Hertzens Wundſch / deß lieben Davids / nach erzehlten vier membris iſt erklaͤret wor - den: Eben das koͤndten wir ſehr fuͤglichen ziehen vnd ac - commodiren / auff vnſere ſelig verſtorbene Adeliche Ma - tron / welche ſonderlich diß Senile votum lieb vnd wehrt gehabt / vnd in jhrem hohen Alter ſich mit David an die - ſen Stecken vnd Stab gelehnet vnnd geſiewret: Aber weil der lieben ſeligen Matronen Namen Eliſabeth / im heutigen Feſt Evangelio gefunden wird / von welcher der Engel Gabriel alſo ſagt: Eliſabeth gehet jetzt im ſechſten Monden: So wollen wir der lieben Frawen Eliſabeth von Bernſtein / totum curriculum vitæ, gantzes Leben auch nach ſechs vnterſchieden Monden anſchawen vnd betrachten / in Hoffnung / ein jeder Monat werde vns was denckwuͤrdiges andeuten: Denn ob wol die liebe ſe - lige Fraw ein ſehr hohes Alter / vnnd eben das acht vnd achtzigſte Jahr erlebet / ſo kan doch dieſe gantze Leb Zeit gar fuͤglichen in ſechs Monden ab vnd eyngetheilet wer - den. Vnd mag demnach der erſte Monat jhrer Lebe Zeit1. Menſis ge - nerationis & regenera - tionis. genand werden / Menſis generationis & regeneratio - nis. der Monat jhrer leiblichen Geburt / vnd Geiſtlichen Wiedergebuhrt. Jhre leibliche Gebuhrt anlangend / ſo iſt dieſelbe / eyngenommenem Bericht nach geſche - hen / im Land zu Meiſſen / auff dem Hauſe Gruͤna / imJahr45Chriſtliche Leichpredigt. Jahr nach Chriſti vnſers hochverdienten Heylandes Geburt / 1529. Jn dem Jahre iſt der deutſche Catechiſ -Nata 1529. mus Lutheri erſtlich im Druck außgegangen / darinnenLutheri Ca - techiſmus. vor die Jugendt vnnd dem gemeinen Mann die Haͤupt - Stuͤck / Chriſtlicher Lehre / mit jhren Außlegungen nuͤtz - lich zuſammen getragen vnd gefaſſet ſind. Jn dem JahreSchweiß - Kranckheit. ereyget ſich eine newe geſchwinde Kranckheit in Deutſch - Land / ſo man die Engliſche Sucht / oder die Schweiß - Kranckheit nennete / die den Leuten im ſchwitzen an kam / vnd in 24. Stunden lebendig vnd todt waren / daran v - beral viel tauſendt Menſchen ſturben. Jn dem Jahr / iſt den 3. Tag Octobris / das Colloquium zu Marpurg inGeſpraͤch zu Marpurg. Heſſen angangen: Denn nach dem Huldricus Zvvin - glius vnd Oecolam padius, eine jrrige Lehr vnnd Opi - nion vom Abendmahl deß HErrn Chriſti erreget / da - wieder D. Luther ſich gewaltiglich geleget / vnnd beyder - ſeits viel Buͤcher vnnd hefftige Streitſchrifften wieder einander außgiengen / hette Land Graff Philips zu Heſ - ſen / ſolchem Streit gerne Chriſtlich beygelegt / handelt derowegen mit dem Churfuͤrſten zu Sachſſen / vnnd den andern proteſtirenden Staͤnden / dergleichen auch mit den Schweitzern / daß ſie gegen Marpurg jhre Theolo - gen ſchickten / allda glimpfflich vnnd freundlich ſich mit - einander zu vnterreden vnd zu diſputiren, ob man end - lich zu einer Chriſtlichen Eynigkeit vnnd Vergleichung kommmen moͤchte / vnd die Schrifftliche Verbitterung nachmals verbliebe: Ob ſie ſich nun wol inn etlichen Haͤuptſtuͤcken der Chriſtlichen Lehre / eyntraͤchtiglich ver - glichen: So haben doch Zvvinglius vnd Oecolampa. F 3dius46Chriſtliche Leichpredigt. dius ſich nicht wollen laſſen weiſen / daß der wahre Leib vnd Blut deß HErren Chriſti im Abendmal ſey / ſie ha - ben auch vor jhren Kirchen / darinnen ſie den Jrrthumb Berengarij gepflantzet / nicht gedurfft / haben alſo auß Furcht der Menſchen / die Warheit verleugnet vnd nicht bekennen wollen. Die Theologi zu Wittenberg / haben die Schweitzeriſche Theologen nicht fuͤr jhre Bruͤder angenommen / auff daß ſie nicht dafuͤr angeſehen wuͤr - den / als billichten ſie jhre falſche Lehre / vnnd iſt Lutheri Beſtaͤndigkeit ſonderlich zu loben / der mit den Seeten vnd RottenGeiſtern nicht geheuchelt / colludirt, oder vnter einer Decke (wie dieſer Zeit jhr viel) gelegen hat. Nun eben in dieſem Jahr / iſt vnſere ſelige Matron auchParentes. gebohren. Jhr Herr Vater iſt geweſen / der weyland Ed - le Geſtrenge vnnd Ehrenveſte Juncker Hans Spiegel / auff Gruͤna / welcher drey vornehme / Adeliche vnd Rit - termeſſige Beſtallungen bedienet: Als 1. iſt er Chur - fuͤrſtlicher Saͤchſſiſcher Haͤuptmann zu Schlieben ge - weſen. 2. Darnach Koͤniglicher Mayeſtaͤtt in Denne - marck / beſtellter Rittmeiſter. Vnd 3. vors dritte / Roͤm. Key. May. beſtellter KriegsOberſter in Vngern / iſt a - ber in ſolchem Anzuge auff der Reyſe verſtorben. Jhre Fraw Mutter iſt geweſen / die Edle vnnd Ehrentugend - ſame Fraw Anna / gebohrne von Schleinitzen / auß demRegeneratio. Hauſe Jhanis Hauſen in Meyſſen. Dieſe jhre Chriſtli - che Eltern / haben ſie zu rechter Zeit zur heyligen Tauffe befoͤrdert / dahero ſie zum Zeugniß deſſen / den Nahmen Eliſabeth vberkommen: Eliſabeth heißt ſo viel / als GOTTES Ruhe / ein Hertz / das in GOTTESRaht47Chriſtliche Leichpredigt. Raht vnnd Willen beruhet / das inn allen Dingen Gott laͤßt walten / vnd mit dem Koͤnige David ſagt / außPſ 62. 2. & 3. dem 62 Pſalm: Meine Seele iſt ſtille zu Gott / der mir hilfft / denn er iſt mein Hort / meine Huͤlffe / mein Schutz / daß mich kein Fahl ſtuͤrtzen wird / wie groß er iſt. Auß die - ſen Worten entſtehet diß Symbolum:

Jn Gottes Gewalt /
Hab ichs geſtalt /
Gott wirds ſo fuͤgen /
Daß mir wird gnuͤgen.

Nomina ſunt omina, die Nahmen pflegen zu ahnen / vnd bringt offt ein guter Nahme / eine gute Art mit ſich / vnnd kan man auß deß Nahmens Bedeutung offt feine Erinnerung nemen / welches vnter andern an dieſer ſeli - gen Matronen ſich auch ereygnet / wie wir bald hoͤren werden. Vnd diß iſt ein Monat.

2. Hierauff folget vors andere / Menſis virginitatis2. Menſis virginitatis & honoris. & honoris, Jhr Jungfraͤwlicher Stand / vnd hochzeit - licher Ehren Tag: Denn nach dem ſie von jhren lieben Eltern / von Jugend auff zur Pietet vnd allen Gottſeli - gen Tugenden gewehnet vnnd gehalten worden / iſt ſie bald nach jhres Herrn Vatters ſeligen Abſterben / in das Churfuͤrſtliche Saͤchſſiſche Frawenzimmer nach Dor - ga / auff vnd angenommen worden / in welchem ſie ſich dermaſſen erwieſen / daß jhr Gott im 24. Jahr jhres Al - ters / eine vornehme Heyraht beſcheret / in dem ſie ſich mit dem Edlen Geſtrengen vnnd Ehrenveſten Juncker Matern von Bernſtein / damals Churfuͤrſtlichem Saͤch -ſiſchem48Chriſtliche Leichpredigt. Saͤchſiſchem HoffJunckern / in ein Chriſtliches Ehe - verloͤbniß eyngelaſſen / vnd nach mals zu Dorga ehlichesSleidanus lib. 24. Beylager gehalten / im Jahr 1553 Eben in dem Jahr geſchahe die Schlacht zwiſchen Hertzog Moritzen dem Churfuͤrſten / vnd Marggraff Albrechten: Denn beyde Heer lagen im Land zu Sachſſen nicht weit von einan - der. Vnd als Marggraff Albrecht vber die Weſer kam / traffen ſie am 9. Tag Junij nach mittage / mit aller Macht zuſam̃en / nach haͤfftigem ſtreiten behielte Chur - fuͤrſt Moritz mit ſeinen Reutern den Sieg vnd das Feld / er aber wurde auß einem Hand Rohr durch das Gewey - de geſchoſſen / vnd ſtarbe vber den andern Tag hernach. Vnd iſt zu Freyberg in Meyſſen / am 14. Tag nach ge - ſchehener Schlacht / bey ſeinem Herrn Vatern / Hertzog Heinrichen vnnd ſeinem Soͤhnlein Hertzog Albert be - graben worden / ſeines Alters im 32. Jahr. Der vnver - hoffte Tod gab hernach viel Verenderung / bey welcher dieſe ſelige Matron / neben jhrem lieben Junckern auch geweſen.

3. Menſis matrimoni - alis & labo - tis. 3. Auff dieſen Monat folget ferner der dritte / wel - cher Menſis matrimonalis & laboris mag genent wer - den. Der Monat jhres Eheſtandes vnd Weheſtandes: Denn mit jhrem ſeligen lieben Junckern / hat ſie 38. Jahr im Eheſtande gelebet / in welcher Zeit ſie nicht wenig mutationes erfahren. Nach ableiben Churfuͤrſt Mori - tzen / ward jhr Juncker der Churfuͤrſtlichen Saͤchſiſchen Frauwen Wittwen Amptmann oder Haͤuptmann zu Weiſſenfelß / nachmals iſt er Hertzog Johan Friedrichs zu Sachſſen deß Mittlern Hoffmeiſter worden / vnd weilſichs49Chriſtliche Leichpredigt. ſichs zu der Zeit ſeltzam anließ / vnnd der liebe Juncker leicht mercken kondte / wie es endlichen außlauffen wuͤr - de / hat er ſeine Beſtallung reſigniret, vnd ſich nach Lan - gen Lungkwitz begeben / allda er vnter die Wolgebohrnen Herren von Schoͤnburg gekaufft / vnnd ſich zu Ruhe begeben. Jn waͤhrendem Eheſtande / haben dieſe A - deliche Eheleute acht Kinder miteinander erzeuget / als drey Soͤhne vnd fuͤnff Toͤchter: Zweene Soͤhne vnnd eine Tochter / ſind bald in der Jugendt verſtorben / der dritte Sohn aber / iſt nach erlangtem Maͤnnlichem Al - ter zu Wien / als ein junger frewdiger Heldt vnd beſtall - ter Leutsnant / in Vngern vnverehlichet verſchieden / am Leben ſind noch vier Toͤchter. Vnter welchen Fraw Do - rothea / deß weyland Edlen / Geſtrengen vnd Ehrenveſten Juncker Henrichs von Binaw deß Eltern / auff Bahren / Schoͤnburgiſchen Haͤuptmanns zu Glauchaw / vnd deß Fuͤrſtlichen Saͤchſſiſchen Hoffgerichts zu Jehna / Aſſeſ - ſoris ſeligen / hinderlaſſene Wittwe / welche mit jhrem lieben ſeligen Junckern acht Kinder / als fuͤnff Soͤhne / vnnd drey Toͤchter erzielet / von denen jhr wiederumb fuͤnff vnd zwantzig KindesKinder gebohren.

2. Fraw Maria / deß Edlen Geſtrengen vnnd Eh - renveſten Caſparn von Hains auff Moderwitz / geliebte Haußehre.

3. Fraw Anna / deß weyland auch Edlen Geſtren - gen vnd Ehrenveſten Hanſen Sigißmunden von Bern - ſteins auff Behren / Claus Schurßdoꝛff vnd Borten ſe - ligen / nachgelaſſene Wittwe / welche neben jhrer ſeligen lieben Mutter / eine gute Zeit allhier bey vnſerer Chriſt -Glichen50Chriſtliche Leichpredigt. lichen Gemeine gewohnet. 4. Jungfraw Suſanna E - liſabeth von Bernſtein / ſo ingleichem allhier bey jhrer ſeligen Fraw Mutter ſich enthalten. Hat alſo 41. Kinder vnd KindesKinder vnnd KindesKindes Kinder erlebet. Hat nun dieſe ſelige Matron 38. Jahr im Eheſtande ge - lebet. 8. Kinder gezeuget vnnd erzogen / etliche mahl jhre Haußhaltung mutiren vnd endern muͤſſen / ſo wird es ge - wißlichen ohne Muͤh vnd Arbeit nicht abgangen ſeyn. Omnis thalamus calamus, der Ehſtand ein Weheſtand. Vnnd iſt ein elend jaͤmmerlich Ding / vmb aller Men - ſchen Leben / von Mutterleib an biß ſie in die Erden be - graben werden / die vnſer aller Mutter iſt / da iſt jmmer Sorge / Furcht / Hoffnung / vnd zu letzt der Todt / ſagt derSyr. 40. 1. weiſe Mann Syrach / Cap. 40.

4. Meuſis viduitatis & doloris. 4. Vors vierdte / ſo hat ſich bey dieſer ſeligen Ma - tronen auch ereygnet / Menſis viduitatis & doloris, der trawrige vnd ſchmertzliche WittwenStand. Denn im Jahr 1591. den 13. Februarij / hat jhr lieber Juncker ſein Leben zu Glauchaw geendiget / vnd iſt daſelbſt mit Chriſt - lichen Ceremonien begraben worden. Hat alſo gantzer 26. Jar im WittwenStande leben vñ ſchweben muͤſſen. Der Prophet Jer. beklaget in ſeinẽ Klagliede / die ſchreck - liche Zerſtoͤrung der Statt Jeruſalem / vnnd vergleichet ſolchen Jammer mit dem Wittwen Stand / vnd ſpricht: Wie ligt die Statt ſo wuͤſte / die voll Volcks war? Sie iſt wie eine Wittwe / die eine Fuͤrſtin vnter den Heyden / vnd eine Koͤnigin in den Laͤndern war / muß nun dienen. Es iſt ein klaͤglich Bild / deß Menſchen Leib ohne Haͤupt zu ſehen / ſo iſt es noch viel elender vmb eine Wittwe / ſojhres51Chriſtliche Leichpredigt. ſo jhres Haͤupts / Troſtes / Huͤlff / ꝛc. durch den Abſchied deß Ehemannes beraubet wird. Jn Summa / Wittwen - ſtand / betrawerter Stand / nicht allein bey Armen / ſon - dern auch bey Reichen. Zum Troſt aber vnd Vorſorg / aller Gott liebenden Wittwen vnnd Waͤiſen / gehoͤren die herrlichen Exempla der Goͤttlichen Schrifft / in wel - chen zu ſehen / wie Gott der HErr ſeinem Wort vnd Zu - ſage wircklich iſt nachkommen an den Elenden / 1. Reg. 17. 2. Reg. 4. Die loͤbliche Geſchicht von der tugendſa -1. Reg. 17. men Wittwen Judith / iſt ein recht Wittwenſpiegel / dar -2. Reg. 4. liber ludith. innen all jhr Leben / Vnterhaltung vnd Troſt / deutlich verfaſſet wird / mit welchen Exempeln ſich dieſe Wittwe auch getroͤſtet.

5. Vors fuͤnffte folget Menſis crucis & lucis, der5. Menſis crucis & lu - cis. Monatjhres Chriſtenthumbs / welches beruhet in ver - bo crucis & lucis, in der Anfechtung vnnd Goͤttlicher Erquickung: Denn gleich wie es zwiſchen Eltern vnnd Kindern in dieſem Leben ergehet: So gehet es auch in Gottes Gerichte zwiſchen Gott vñ vns / wie man ſpricht: Je lieber Kind / je ſchaͤrffer Ruhten / dannhero haben auch die allerheyligſten vnnd liebſten Kinder Gottes all - zeit vmb die zeitliche Ruhte vnd Straff / in dieſem Leben gebeten: Gott wolle jhnen hier jhre Suͤnde abnehmen / vnd die Straffe nicht dorthin ſparen: Denn ſo betet der Prophet Jeremias / Cap. 10. Zuͤchtige mich HErr / dochIet. 10. 24. mit maſſen / vnd nicht in deinem Grimm / auff daß du mich nicht auffreibeſt. S. Auguſtinus pflegte alſo zu beten:

G 3Vre52Chriſtliche Leichpredigt /
Auguſtinus.
Vre, ſeca hie Deus alme: ſed illic parce miſellis, Parce illic miſeris: hic Deus ure ſeca. ()

Schlage hier vnnd ſtraffe hier / ſchone nur dort in der E - wigkeit. Vmb der Suͤnde willen muͤſſen wir geplaget werden. Weil denn dieſe Matron auch eine arme Suͤn - derin geweſen / ſo hat ſie deß Creutzes nicht koͤnnen vber -Teſtimont - um Chriſti - aniſmi. haben ſeyn / zeit jhres Lebens. Sie iſt aber eine rechte buß - fertige Suͤnderin geweſen / welche jhre Suͤnde erkendt vnd bekendt / hertzlichen berewet / vnd Gott vmb gnaͤdige Vergebung der Suͤnden gebeten / welches daher abzu - nemen / weil ſie in die 23. Jahr / die ſie allhier zu Gera bey vns geweſen / eine fleiſſige Zuhorerin Goͤttliches Worts geweſen / die Predigten mit fleiß / ſo lang ſie hat koͤnnen zu Weg vnd Steg gehen / beſucht / vnd offt vñ viel das hey - lige hochwuͤrdige Abendmal / zu Staͤrckung jhres Glau - bens gebrauchet / ſich mit Gottes Wort getroͤſiet / vnd jh - ren Erloͤſer vnd Seligmacher Chriſtum Jeſum erkandt vnd bekandt / jhre Hoffnung vnnd Zuverſicht allein auff jhn geſetzet: Auch ſonſten die Fruͤchte deß Glaubens her - fuͤr leuchten laſſen. Gewißlichen wird eyniger Menſch nit zufinden ſeyn / den dieſe ſelige Fraw beleydiget / ſie iſt gantz ſtill vnd einſam geweſen / vnnd ſich dermaſſen all - hier in dieſer Gemeinde verhalten / daß maͤnniglich jhr ein gutes Lob ertheilen kan.

6. Menſis: ſenectutis & mortis. 6. Endlichen vnd vors ſechſte / der ſechſte Monat mag genendt werden / Menſis ſenectutis & mortis, jh - res Alters / vnd Sterb Monat: Denn ſie hat ein ehrli - ches vnd hohes Alter erlebet / Nemlich / das acht vnd ach - tzigſte Jahr / welches vbertrifft den terminum vitæ, vonwel -53Chriſtliche Leichpredigt. welchẽ Moſes im 90. Pſalm ſaget: Vnſer Leben waͤhretPſ 90. 12. 70. Jahr / vnnd wenns hoch koͤmpt / ſo ſinds 80. Jahr / vnd wenns koͤſtlich geweſen / ſo iſt es Muͤh vnnd Arbeit geweſen: Denn es faͤhret ſchnell dahin / als floͤgen wirQuid eſt diu vivere, niſi diu torque - ri? davon. Gleich aber wie das liebe Alter nicht ohne Be - ſchwer / alſo hat die ſelige liebe Fraw ſolches auch befun - den / in dem ſie faſt 6. Jar nit mehr hat koͤnnen auß vñ in die Kirchen zur oͤffentlichen Verſammlung gehen. Sie hat zu Hauß jhre ſondere HaußKirche angerichtet / ſelbſt fleiſſig geleſen / vnd jhre beyde juͤngſten Toͤchter vor leſen laſſen / ſo hat ſie auch jhre Quartal Rechnung richtig ge -Irænæus. Corpora noſtra Eu - chariſtiam percipientia non ſunt corruptibi - lia, ſed per - petua. & ſpem reſur - rectionis vi - vam haben - tia. halten / jhre Suͤnde gebeichtet / ſich mit Gott verſoͤhnet / das H. Abendmahl andaͤchtiglich vnd wuͤrdig empfan - gen / vnd damit ſich taͤglichen zu einer ſeligen Hinfahrt præpariret vnd bereitet: Mit hertzlicher Andacht hoͤrete ſie vns Predigern zu / vnd wuͤndſchte / daß wir offt vnnd viel auß Gottes Wort mit jhr reden moͤchten / ſonder - lich haben jhre lieben Kinder ſie in jhrem Alter vnnd letz - ten Niederlage trewlich vnd wol gewartet / welche Trew der liebe Gott mit zeitlichem vnd ewigem Segen jhnen vergelten wolle. Jn jhrer Niederlage iſt die liebe Fraw ſehr geduldig geweſen / vnnd alle wege jhren Willen in Gottes gnaͤdigen Willen geſetzet / fleiſſig gebehtet / vnnd die ſchoͤnſten Macht vnd Krafft Spruͤcht mit Andacht nachgeſprochen / vnd ſich vnſerm lieben Gott zu Leib vnd Seel befohlen / welcher auch zu rechte kommen / vnd ſie gantz gnaͤdig entbunden / vnd jhr ein ſeliges ſanfftes En - de auß Gnaden verliehen / alſo / daß jhr Tod kein Todt /G iijſon -54Chriſtliche Leichpredigt. Hiſtoria Lombardi - ca. ſondern nur ein Schlaff kangenent werden. In Lombar - dica hiſtoria, fangen jhr zweene eine Diſputation an / vnd befragen ſich / welcher vnter dieſen beyden hoͤher zu achten / Johannes der Taͤuffer / oder Johannes / der H. Evangeliſt vnnd Apoſtel: Der eine legte ſich auff denMatth. 11. 21. Spruch Chriſti / Matth. 11. Warlich ich ſage euch / vn - ter allen die von Weibern gebohren ſind / iſt nicht auff - kommen / der groͤſſer ſey / denn Johannes der Taͤuffer: Der andere legte ſich auff den EhrenTittel deß heyli - gen Evangeliſten Johannis / weil er genendt wird der Juͤnger / welchen der HErr Jheſus geliebet / der geliebteIoh 13. 23. Juͤnger deß HErren / Johan. 13 Vnd daß eben jhm / vnd keinem andern der HErr Jeſus ſeine Mutter MariamIoh. 19. 26. zu trewer Pflege befohlen / Johan. 19. Aber es ſollen end - lichen beyde Johannes dieſen Diſceptanten im Traum erſchienen ſeyn / vnd ſie alſo angeredet haben: Bene con - cordes ſumus in cælis, de nobis non diſputetis in ter - ris: Wir ſind beyde im Himmel eynig / vnſert halben duͤrfft jhr euch in der Welt nicht beiſſen noch zancken. Al - ſo wenn wir eine Diſputation wolten halten / ob die alte verlebte Eliſabeth im heutigen Evangelio Johannis deß Taͤuffers Mutter / oder vnſere ſelige Fraw Eliſa - beth von Bernſtein hoͤher zu achten: Muͤſten wir zwar bekennen / daß die Mutter Maria einen groſſen Vorzug habe: Aber ſie moͤchten vns auch wol alſo beantworten: Bene concordes ſumus in cælis de nobis non diſputa - tis in terris: Wir ſind beyde im Himmel / vnd genieſſen der ewigen Frewde / welches gar gnugſam / ob gleich einsvor55Chriſtliche Leichpredigt. vor dẽ andern eine beſondere præeminentz hat. Deßwe -Da patien - tem animũ pater alme animæq; ſalutem. gen ſo laſt vns darnach trachten / wie auch wir an den ſe - ligen Ort gelangen moͤgen. Die aber ſolches von Her - tzen wuͤndſchen vnd begehren / vnnd endlichen mit Fried vnd Freud ex terrâ morientium in terram viventium,Pſ. 27. 13. & 116. 9. auß dieſem ſuͤndlichen vnd ſterblichen Leben / in das Land der Lebendigen zu wallen gedencken / die erſuchen die Goͤttliche May. mit einem andaͤchtigen Gebeth / vnd ſprechen mit mir zum Beſchluß ein glaͤu - biges Vater vnſer alſo:

Vater vnſer / der du biſt im Himmel / etc. ()SoLIDeo opt. MaXV. gLorIa. ()
[figure]
Deut. 32. v. 3. Gebet VnſerM treVVen Gott aLLeIn DIe Ehre. ()

About this transcription

TextVirga Senectutis Desumpta ex Corde Davidis
Author Heinrich Amelung
Extent55 images; 12232 tokens; 3821 types; 81544 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationVirga Senectutis Desumpta ex Corde Davidis Deß lieben Alters Stecken vnnd Stab Heinrich Amelung. . 55 s. e.Gera1617.

Identification

Universitätsbibliothek Breslau Universitätsbibliothek Breslau, 4 S 119/15 / 523540

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationGebrauchsliteratur; Leichenpredigt; Gebrauchsliteratur; Leichenpredigt; ready; aedit

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Editorial principles

Publication information

Publisher
  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-10T09:36:01Z
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Holding LibraryUniversitätsbibliothek Breslau
ShelfmarkUniversitätsbibliothek Breslau, 4 S 119/15 / 523540
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