Der Edlen vnd Er - baren / nunmehr aber in Gott ruhen - den / Frawen ELISABETH von Bern - ſtein / gebohrner Spiegeln / hinderlaſſenen vier geliebten Toͤchtern.
Denen gleich Edelen vnd Ehrentugendſamen
Vnd Jungfraw SVSANNAE ELISABETH von Bernſtein Geſchwiſtern.
Meinen in Ehren wolgeneygten Goͤnnerin - nen / vnd reſpectivè lieben Pfarrkindern vnnd Zuhoͤrern.
EDele vnd Ehrentugendſame Frawen vnnd Jungfraw: Die liebe Hanna / deß alten frommen Tobiæ Haußehre / nennet jhren lieben Sohn / den jun - gen Tobiam, Solatium & baculum ſene - ctutis, jhres Alters Troſt / vnnd jhres Alters Stecken vnd Stab / darauff ſie ſich in jrem Al - ter ſtoͤnen vnd lehnen koͤndte / im Buͤchlein To -Tob. 5. v: 23. biæ am 5. vnd 10. Cap. deutet damit zugleichCap. 10. v. 4. an / daß billich alle Kinder jhrer alten verleb - ten Eltern Troſt vnd Helffeſtaͤbe ſeyn vnd blei - ben ſollen: Aber es gehet vielen alten ſchwa - chen Eltern wie Moiſi / dem Mann Gottes /Ex 4. v. 3. von welchem wir leſen / Exod 4. & 7. daß jhmEx. 7. v. 10. der Stab in ſeiner Hand zur Schlangen wor -den /5Vorrede. den / Mitis in immitem virga eſt animata Draconem, dafuͤr er geflohen vnnd ſich ge - fuͤrchtet / Das iſt: Viel vngerahtene Kinder werden nach der Weiſſagung S. Pauli / 2. Timoth. 3. jhren Eltern in den Haͤnden zur2. Tim. 3. v. 2. Schlangen / geben jhnen Schlangen Lohn / ſind halßſtarrig vnd vngehorſam / verachten vnd verſpotten / fluchen vnd ſchlagen ſie offt / o - der machens doch alſo / daß die Eltern ſich vor den Kindern fuͤrchten vnnd fliehen muͤſſen. Sie ſolten jhrer Eltern Stab ſeyn / ſo ſind ſie jhnen eine Schlange: Sie ſolten jhre Eltern ehren (wie Salomon vermahnet / Prov. 23. Pro. 23. v. 2〈…〉〈…〉.Gehorche deinem Vatter / der dich gezeuget hat / Vnd verachte deine Mutter nicht / wenn ſie alt wird) ſo vervnehren ſie ſie: Sie ſolten jhre Eltern helffen ernehren / ſo wollen ſie lie - ber alles verzehren: Sie ſolten vor ſie beten / ſo fluchen ſie / ꝛc. Wie es aber ſolchen Gottlo - ſen Kindern endtlichen ergehet / davon zeuget zum theil Gottes Wort / zum theil gebens die Exempla. Deut. 27. ſtehet alſo: VerfluchetDeut. 27. v. 16. ſey / wer ſeinem Vater vnd ſeiner Mutter flu -A iijchet /6Vorrede. Prov. 19. v. 26.chet / vnd alles Volck ſol ſagen / Amen. Prov. 19. ſagt der hochweiſe Koͤnig Salomon: Wer ſeinen Vater verſtoͤret / vñ ſeine Mutter verja - get / der iſt ein ſchaͤndlich vñ veꝛflucht Kind. Ne - mo non obediens ſuis parentibus ſalvus fuit unquam, ſagt jene Jungfraw in vitaPro. 20. v. 20. Baſilij. Vnnd Prov. 20. Wer ſeinem Vatter vnnd ſeiner Mutter flucht / deß Leuchte wirdIob. 18. v. 5. Pro. 30. v. 17. verleſchen mitten im Finſternuͤß (lux impij extinguetur, lob. 18.) Prov. 30. Ein Auge / das den Vater verſpottet / vnnd verachtet der Mutter zu gehorchen / das muͤſſen die Raben am Bach außhacken / vnnd die jungen AdlerHorat. Epiſt. 7. freſſen / (Paſcere in cruce corvos, Horatius epiſtola 7. pro ſuſpendi poſuit) Paret carni - fiei renuens parère parenti. Vnnd daß die Drowungen Gottes auch jren Effect erwie -Gen. 4. v. 11. Gen 9. 22. Gen. 26. 35 ſen / das bezeugen folgende Exempla: Cains / Gen. 4. Chams / Gen. 9. Eſau / Gen. 26. Ru -Gen. 35. 22. Gen. 49. 4. 1. Sam. 3. 13. ben / Gen. 35. & 49. der Soͤhne Eli / 1. Sam. 3. Adoniæ / 1. Reg. 2. Ammons / 2. Sam. 13. Ab -1. Reg. 2. 23. 2. Sam. 13, 14. ſolons / 2. Sam. 18. Jorams / 2. Par. 21. vnnd2. Sam. 18. 9. 2. Par. 21. 4. werden alle Gottloſen den Fluch wie ein Hem -de an -7Vorrede. de anziehen / Pſalm 109. Auguſtinus lib. 22. de ci -Pſ. 109. 18. Auguſtinus. vitate Dei, cap. 8. ſchreibet / daß zu Meyland ei - ne Mutter geweſen / ſo zehen Kinder gehabt / die GOtt alle mit der zittern Kranckheit ge - ſtrafft. Tullia, Servij Tullij Tochter / ſo vber jhres Vatters todten Leychnam gefahren / iſt ins Elend verjagt worden / Livius lib. 1. Decad. 1. Livius. Nero, ſo ſeiner Mutter den Bauch auffge - ſchnitten / damit er ſehe / wo er in ſeiner Mutter Leib gelegen ſey / iſt erbaͤrmlich geſtorben, Sue -Suetonius. tonius in Nerone, cap. 34. Mulonio iſt das Leben verkuͤrtzt worden / weil er Vater vñ Mutter nicht geehret / wie Stobęus ſchrei -Stobæus. bet. Valerius Max. lib. 5. cap. 8. zeuget deß -Val. Max. gleichen von deß Manlij Torquati Sohn / dem Decio Syllano / daß er ſich ſelbſt erhen - cket hat. Dieſe ſind alle zerbrochene Rohrſtaͤ - be jhrer Eltern geweſen / Eſa. 36. Aber gleich -Eſa. 36. v. 6. wol finden wir in heyliger Schrifft viel vnnd manchfaltige Exempel / in welchen zu erſehen / wie auch die lieben Eltern an jhren Kindern rechte Stecken vnd Staͤbe gehabt haben. No -Gen. 9. 23. ha hatte an ſeinen Soͤhnen / Sem vnd Ja -phet /8Vorrede. Gen. 22. 2.phet / einen rechten Lehnſtab / Gen. 9. Abra -Gen. 27. 28. Gen. 37. & 46. ham an Jſaac / Gen. 22. Jſaac an Jacob / Gen.1. Sam. 22 1. 27. Jacob an Joſeph / Gen. 37. & 46. Jſai an1. Reg. 2. 3. David / 1. Sam. 22. David an Salomonem / 1. Reg. 2. Aeneas hat ſeinen Vater AnchiſenVirgilius. auß dem Troianiſchen Fewer getragen / Virgili - us lib. 2. Aeneid. Sabellicus lib. 3. cap. 6. Callius vnd Philomenus haben dergleichen gethan inPauſanius. der Statt Cathena: Pauſanius lib. 10. Cimon Athenienſis hat ſeinen Vatter auß dem Ge -Val. Max. faͤngniß erlediget / Valerius Max. lib. 5. cap. 4. Cario -Livius. lanus hat vmb der hertzlichen Liebe willen ſei - ner Mutter der Statt Rom verſchonet: Denn als ſeine Mutter Veturia zu jhm kam / vnd der Sohn ſie kuͤſſen wolte / antwoꝛtete ſie: Sine illa; Prius enim ſeiam utrum ad hoſtem an fili - um venerim; utrum captiva an mater in caſtris ſim, matrem complexus filius, inquit: Expugnaſti & viciſti iram meam, Livius & Val. Max. Zu ſolchen Exem - peln moͤgen je billich E. E. T. annumerirt vnd gezelet werden / ſintemal an denſelbẽ ewre viel - geliebte vnd nunmehr ſelige Fraw Mutter / inProv. 10. v. 1. jhrem hohen Alter eine rechte Frewde / Prov. 10. v. 1. Troſt vnd Erquickung gehabt hat / wel -che9Vorrede. che Kindliche Liebe vnd Trew / der liebe Gott E. E. T. gewißlichen hier zeitlich vnd dort in der ewigen Frewde reichlichen / laut ſeiner Zu -Exod. 20. 12. ſage vnnd Verheiſſung / Exod. 20. vergelten wird. Weil aber neben dieſem / vnſer allerlieb - ſter Heyland Chriſtus Jeſus noch einen Lehn -Pſal. 23. 4. ſtab (davon im 23. Pſalm ſtehet: Dein Ste - cken vnd Stab troͤſten mich) dem lieben Alter verordnet / welchen ſie mit den Jſraeliten / E -Exod. 12. 11. xod. 12 muͤſſen bey dem Oſterlaͤmblein in Haͤn - den haben / zum Gedaͤchtniß / daß jhre Groß - Eltern / als Bilgrams Leute / auß Egypten zur Freyheit gegangen / vnd mit welchem wir jm - mer fort zum ewigen Leben ſtaͤbeln koͤnnen / vnd bey der Adelichen Sepultur E. E. T. ge - liebten Fraw Mutter ich ſolchen Stecken vnd Stab / dem beſchwerlichen Alter zum beſten / gezeyget vnd gewieſen: Als habe auff vielfaͤl - tiges vnnd fleiſſiges anhalten / ich ſolchen ge - haltenen Leychſermon publiciren / vnd E. E. T. hiermit offeriren vnd vbergeben ſollen vnnd wollen / vngezweiffelter Hoffnung / E. E. T. werden dieſes jhnen mit Chriſtlicher GunſtBvnd10Vorrede. vnd Anmutigkeit belieben / vñ zu ſtetigem An - dencken nuͤtzlichen ſeyn laſſen: Der getrewe Gott geruhe E. E. T. mit beſtaͤndiger Leibs - Geſundheit / zeitlicher vnd ewiger Wolfahrt / zu ſegnen vnd zu erhalten / Amen. Geben den 19. Tag Aprilis, die ipſo natalis mei, octo luſtris exa - ctis; labente vita: Anni 1617.
a. Gen. 32. v. 10.Iacobi baculuma mihi ſumo: da mihi Schalambb. Gen. 28. v. 12. Christe; valet baculoplus tua Schala meo:
M. Henrich Amelung / Superintendens.
Die Gnade vnſers HErren JHEſu2. Cor. 13. 13. CHRiſti / die Liebe GOttes / vnnd die Ge - meinſchafft deß Heyligen Geiſtes ſey mit vnnd bey vns allezeit / Amen.
ANdaͤchtige vnd Außerwehl - te im HERREN: Die alten Kir - chenlehrer haben vber das Lateiniſche Woͤrt - lein Ave, welches ſo viel heißt / als / Gegruͤſſet ſeyſtu / vnd damit der Engel Gabriel die hochgelobte Jungfraw Mariam im heutigen Feſt Evangelio / Luc. 1. ſalutirt vñLuc. 1. 28. gegruͤſſet / ſehr feine Gedancken / vnd ſagen: Der Engel kehre den Namen vnd das Woͤrtlein Eva vmb / zu ruͤck vnd vmbgekehrt heißt der Nahme Eva, Ave: Denn nunmehr ſolle alles wieder zu recht gebracht werden / was durch Eva Suͤndenfall iſt verkehret worden. Gleiche Gedancken moͤgen wir auch wol Dato / bey dieſer an - ſehnlichen vnd vornehmen Zuſam̃enkunfft haben: Deñ da wir ſolten zu dieſem mahl reden von dem Alpha deß heutigen Feſt Evangelij / oder von dem Initio Salu - tis noſtræ, von dem Anfang vnſers Heyls / ſo muͤſſen wir reden von dem Omega oder exitio vitæ noſtræ, von dem Außgaug vnſers Lebens: Da wir ſolten reden von deß Engels Gabriels Ave, ſo muͤſſen wir reden von Jo -Ioſ. 23 14. 1. Reg 2. 2. ſuæ vnd Davids Vale, Joſ. 23. 1. Reg. 2. Da wirB ijſol -12Chriſtliche Leichpredigt. ſolten reden von der Jungfraw Maria / ſo muͤſſen wir reden von der alten verlebten Eliſabeth / nicht zwar von der alten verlebten Eliſabeth / derer im heutigen Evange - lio gedacht wird / vnd die in ſechſten Monden mit jhrem Sohn gegangen: Sondern von der Edlen vnd Erba - ren Matronen / Frawen Eliſabeth von Bernſtein / ge - borner Spiegeln / Wittwen / nunmehr in Gott ruhend / derer abgelebten Leychnam wir anhero zu ſeinem Ruhe - bettlein / Chriſtlichem vnd Adelichem Brauch nach / be - gleitet haben / vnd welche im dritten Jahrs Monden am FrawenTage deß Cananeiſchen Weibleins / am Son -Matth. 15. 24. tag Reminiſcere auch mit Chriſto gerungen / vnnd inGen. 32. 24. gutem Alter / alt vnd lebens ſatt / ſanfft vnd ſelig in jhm entſchlaffen / vnd nun am heutigen Frawen Tage zweyer hochgeehrten Matronen / Mariæ vnnd Eliſabeth / zu ſanffter Ruh beygeſetzet wird / Aber gleich wie die alten Seribenten auch den heutigen FeſtTag Feſtum Feſto - rum genennt haben / vnnd geſagt / GOtt habe heute zu gleich Weyhnachten gefeyret / in dem er ſeinen Sohn gegeben: Oſtern / weil er eben vmb dieſe Zeit ein Oſter - Laͤmblein worden / vnd Pfingſten / weil der heylige Geiſt Mariæ Hertz vberſchattet hat / werde auch endlichen Dato Vitimum diem, den letzten vnnd lieben juͤngſten Tag halten / Alſo wollen wir auch die Wolthaten der ſe - ligmachenden Menſchwerdung vnd Geburt / der froͤli - chen Vhrſtend deß HErren Chriſti / ſo wol auch die Er - leuchtung deß heyligen Geiſtes / welcher iſt ein Troͤſter in aller / vnd vornemlich in der letzten Noht / zuſammenfaſ - ſen / vnd bey dieſer Gelegenheit erjnnern / deß Vltimi di. ei vi. 13Chriſtliche Leichpredigt. ei vitæ noſtræ, deß letzten Tages vnſers Lebens vnd vn - ſers ſeligen Sterbſtuͤndleins. Damit wir aber im Glau - ben dardurch geſtaͤrcket / im Leben gebeſſert / im Gewiſſen getroͤſtet / im gantzen vnſerm Chriſtenthumb erbawet / vnd letzlich zu einem ſeligen Abſchied auß dieſer Welt be - reitet vnnd außgeruͤſtet werden: So laßt vns hierzu vn - ſern lieben Gott vmb Huͤlffe vnd Beyſtand ſeines heyli - gen Geiſtes anruffen / vnd im Geiſt vnd in der Warheit miteinander beten ein glaͤubiges Vater vnſer.
Zum Grunde vnſers inſtehenden Leychenſermons / wolle E. L. anhoͤren vnnd vernehmen dieſe nachfolgende. Wort / welche vns be - ſchreibet der heylige Koͤnig vnd Prophet Da - vid im 71. Pſalm / vnd lau - tet alſo:
HERR / ich trauwe auff dich / laß mich nimmermehr zu Schanden werden / Auff dich habe ich mich ver - laſſen von Mutterleibe an / du haſt mich auß meiner Mutterleibe gezogen / mein Ruhm iſt jmmer von dir. Gott / du haſt mich gelehret von Jugend auff / darumb verkuͤndige ich dei - ne Wunder / Verwirff mich nicht in meinem Alter / verlaß mich nicht / wenn ich ſchwachB iijwerde.14Chriſtliche Leichpredigt. werde. Ach verlaß mich nicht Gott im Alter / wenn ich graw werde / biß ich deinen Arm ver - kuͤndige KindesKindern / vnd deine Krafft al - len die noch kommen ſollen.
GEliebte im HERren: Wann die lieben Alt Vaͤtter vnnd Lehrer der recht〈…〉〈…〉 Chriſtlichen Kirchen / einem glaͤubigen Chriſten allhier auff Erden / auß guter trewhertziger Affection et - was groſſes vnd hohes haben wuͤndſchen vnd von Gott erbitten wollen / ſo haben ſie einem frommen Chriſten ge - wuͤndſchet dreyerley Hertz / Muht vnd Gebluͤht / auß dem alten Teſtament vnd dreyerley Hertz / Gemuͤt vñ Gebluͤt auß dem newen Teſtament / vnnd wenn ein Chriſt die - ſelben von Gott erlangete / ſo hett er alles / was jm zu die - ſem vñ zum kuͤnfftigen ewigen Leben erſprießlichen vndEx vet Teſt. noͤtig were. Deñ 1 iſteinẽ Chriſten auß dem alten Teſta -1. Jacobs Hertz ment hochnoͤhtig ein Jacobs Hertz / das voller GlaubensGen. 32. 26. vnnd Vertrawens zu Gott iſt / wie deß Ertzvatters Ja - cobs / Gen. 32. der ſagte in ſeinem haͤrteſten Nohtſtande2. Hiobs Hertz. zu dem ewigen Sohn Gottes: Jch laß dich nicht / du ſe - gneſt mich denn. 2. Darnach iſt einem Chriſten hoch -Cap. 1. v. 21. noͤhtig ein Jobs Hertz / das voller Gedult vnnd Sanfft -Cap. 13. v. 15. muht iſt / wie deß rechten vnd geſchlechten Knechts Got - tes Jobs / Cap. 1. der ſagte in ſeinem groͤſten HaußCreu - tze / Angſt vnd Anfechtung: Dominus dedit, Dominus abſtulit: Der HErr hats gegeben / der HErr hats ge -genom -15Chriſtliche Leichpredigt /genommen / der Nahme deß HErren ſey gelobet vnd ge - benedeyet. Jtem / Job 13 Ob mich gleich der HErr toͤd - ten wird / wil ich dennoch auff jhn hoffen. 3. Vnd3. Davids Hertz. dann vors dritte / ein Davids Hertz / das voller inbruͤnſti - ger Hoffnung vnd Gebetts ſey / wie deß lieben KoͤnigesPſ. 27. v. 1. vnd Propheten Davids / der ſagte im 27. Pſalm alſo:
‘Quid trepidem? metuam quid? & à quo deniꝙ; ſitu Mi Deus es, velut es, lux mea, vita; ſalus. ’ ()Der HErr iſt mein Liecht vnd mein Heil / vor wemPſ. 73. v. 25. & 26. ſolt ich mich fuͤrchten? Der HERR iſt meines Lebens Kraͤffte / vor wem ſolt mir grawen? Jtem / auß dem 73. Pſalm:
‘Nil curo tellus quicquid mihi iactet & æthra Tu medo ſis animæ Jova, medela meæ. ’ ()HERR / wenn ich nur dich habe / ſo frage ich nichts nach Himmel vnd Erden / Vnnd wenn mir gleich Leib vnd Seel verſchmacht / ſo biſtu doch / O Gott / allezeit meines Hertzens Troſt / vnd mein Theil.
Jn gleichem auß dem newen Teſtament / vnd ſon -Ex nov. Teſt. derlich auß den Schrifften der heyligen Evangeliſten / haben die heyligen Lehrer auch dreyerley Hertz erwehlet / die frommen Chriſten auch ſehr dienſtlichen / vnnd hoch1. Das Hertz deß armen breßthafften Menſchen. von noͤten ſeyn / Als erſtlich / das Hertz deß armen breſt - hafften Menſchen / Matth 8. der betet:
‘SI VIs, potes Me DeVs CVrare. ’ ()HErr / ſo du wilt / kanſtu mich wol reinigen. 2. Dar -Matth. 8. 2. nach ein Hertz voll Glaubens vnd Bekaͤndtnuͤß / wie deß Vatters beym H. Evangeliſten Marco am 9. der ſagte:2 Deß Va - ters Hertz Credo, meam firma ſed Iesv ſpemq́; fidemq́;: JchMarc. 9. 14.glaͤube /16Chriſtliche Leichpredigt. glaͤube / lieber HErr / aber hilff du meinem Vnglauben. 3. Simeons Hertz3. Ein recht Simeonis Hertz / das voller Begierde ab -Luc. 2. 29. zuſcheiden / vnd bey Chriſto zu ſeyn / wie deß alten Si - meonis / Luc. 2. der ſagte. HErr / nun laͤſſeſtu deinen Die - ner im Friede fahren / wie du geſagt haſt / denn meine Au - gen haben deinen Heyland geſehen / welchen du bereitet haſt vor allen Voͤlckern / ein Liecht zu erleuchten die Hey - den / vnd zum Preiß deines Volcks Jſrael. Zu dieſem4. Das Hertz der Jungfraw Marten. moͤgen wir auch billich referiren das Hertze der Jung - frawen Marien / die ſagte im heutigen Feſt Evangelio / Luc. 1. Fiat mihi ſecundum verbum tuum: Mir ge -Luc. 1. 38. ſchehe / wie du geſaget haſt. Wer dieſe ſibenfache Andacht vnd Bewegung in ſeinem Gemuͤht vnd Gebluͤht fuͤhlet / der iſt ein rechter Jſraelit vnd Jſraelitin / vnnd wird mitPſal. 71. 1. David außbrechen auß dem verleſenen Text deß 71. Pſalms.
In re ſperavi Domine, non confundat in æternum,Cauſa præle - ctitextus. HERR / auff dich trawe ich / laß mich nimmermehr zu Schanden werden. Welche Wort / zu ſampt den nach - folgenden / ich zu dieſem mahl auß der Harffenſchuel deß lieben Davids entlehnet / vnnd zum Leichen Argu -1. ment erkleſet vmb zweyerley Vrſach: Als erſtlich / weil ſie ſind Baculus Senectutis, ein rechter Lehnſtab deß Al - ters / darauff ſich alte verlebte Leute lehnen vnnd ſtewren koͤnnen. 2. Darnach weil ich eben dieſe Wort / der lie -2. ben ſeligen Frawen in meinem erſten anſprechen / als ei - nen ſtarcken Hertzen Seufftzer / commendiret vnnd anbe - kohlen / vnnd ſie auch ſolche biß an jhr ſeliges Ende an - daͤchtiglich zu Gott geſeufftzet. Es iſt aber der gantze 71. Pſalm17Chriſtliche Leichpredigt. Pſalm / darauß dieſe Wort genommen / nichts anderß als ein hertzlich vnd iñbruͤnſtig Gebet / darinnen David in der Chriſtlichen Kirchẽ vñ ſeinem Namen bittet: GottPropoſitio. wolle ja die Chriſtliche Kirche im angehenden Alter / vnd jhn in ſeinem Alter nicht verlaſſen / ſondern ſie in ſeinen gnaͤdigen Schutz vnd Schirm nehmen / vnnd im Alter nicht deſeriren noch von jhnen abweichen: Dieſe de - muͤtige Supplication Davids / wollen wir / als den rech - ten Stecken vnnd Stab deß lieben Alters / auß ſeiner Harffen Schuel entlehnen / vnd beydes Alten vnd Jun - gen dabey Anlaß geben / was wir ſonderlich von Gott mit David bitten vnd begehren / vnd was wir vns vor ei - nen Stecken vnd Stab im Alter erwehlen ſollen. DerVotum. Herr aber / den hier der liebe David ſupplicando an - langet / vnnd ſich Eſa. 46. alſo hoͤren laͤßt: Jch wil euchEſa. 46. 4. tragen biß ins Alter / vnd biß jhr graw werdet. Jch wil es thun / ich wil heben / tragen vnd erhalten / der gebe Gnade / daß wir den Hertzens Wundſch von dem Koͤnig vnnd Propheten David lernen / recht nach beten / vnnd vns al - lerſeits darauff ſtoͤhnen vnd lehnen moͤgen / Amen.
WAs nun nach abgeleſenen Worten deßBaculus Se - nectutis conſtat quatuor membris. lieben Alters rechten Lehnſtab betrifft / ſo beru - het derſelbe in einem andaͤchtigen Hertzen - Seufftzer / welcher in vier vornehmen membris herr - lichen herfuͤr leuchtet. Als das erſte membrum mag ge -Quorum nent werden / Ardens devotio ein ſoͤhnlicher Wundſch zu Gott. 2. Das andere iſt / Beneficium præteritorumCrecor -18Chriſtliche Leichpredigt. recordatio, eine Pruͤffung / Erzehlung vnd Anzeigung etlicher empfangenen Wolthaten / die Gott jhm ſonder - lichen erwieſen. 3. Das dritte iſt / Senilis mali depreca tio eine Bitte vmb Abwendung zukuͤnfftiges Vngluͤcks / welches jhm im Alter begegnen koͤndte / wann Gott der HErr im Alter von jhm abweichen wolte. 4. Das vierdte iſt / Gratitudinis ſuæ pollicitatio, die Verheiſ - ſung ſeiner Danckbarkeit / was er dagegen thun wolle / wenn er ſeiner Bitte gewaͤhret werde. Nun dieſe vier membra, ſo zum Stecken vnnd Stab deß lieben Alters gehoͤren / laßt vns fein in richtiger Ordnung nach einan - der vernehmen vnd anhoͤren.
1. Ardens drvorio conſtans. 1. Erſtlichen / deß liebẽ Davids ſoͤhnlicher Wundſch zu Gott / lautet alſo: HErr / ich traw auff dich / laß mich nimmermehr zu Schanden werden. Zweyerley erey - gnen ſich in dieſen Worten. Das eine iſt ingenua con. feſſio, ein richtiges Glaubens Bekentniß: Das andere iſt neceſſaria petitio, eine gar nohtwendige Bitt vnndConfeſſio - ne. Supplication. Das Bekendtnuͤß Davids ſteht in denen Worten begriffen: HErr / ich traweauff dich. 82 mahl wird der Verß im Pſalmen Buͤchlein Davids gefundẽ ſind außbuͤndige Wort / damit David an Tag gibt / was er glaͤube / an wen er glaͤube / ob er gut Calvi - niſch / Catholiſch / Heydniſch oder Evangeliſch ſey: Nemlichen / er ſegregirt ſich von allen Ketzern abe / vnnd bekendt ſich zu dem eynigen wahren Gott / an den glaͤubt er / nicht auff gut Calviniſch / welche Lehr Gott zu einem Teuffel macht / nicht auff gut Catholiſch / welche Lehr an Gottes Barmhertzigkeit zweiffelt / ſondern auff gut Ev -auge -19Chriſtliche Leichpredigt. angeliſch vnd Lutheriſch / welche Lehr allein Gott vnnd ſeinem Worte vertrawet / vnnd nach welcher man allein mit David ſagen kan: HErr / ich trawe auff dich. Dar -Obſervatin. umb lernen wir allhier von dem Koͤniglichen Propheten David / wie wir auch ſchuldig ſind / vnſer Bekendtniß richtig an Tag zu geben: Nicht wie Arrius / der die ewigeExempla malè Con - feſſorum. Atrii. Gottheit der Mittlern Perſon / deß Sohns Gottes ver - leugnet / vnd doch mit den Orthodoxis eynig ſeyn wolte / auch endlich das Symbolum Nicenum mit ſolcher Liſt ſubſcribirte: Er verzeichnete ſeine Arrianiſche Confeſſi - on auff ein ſonderlich Pappier / vnnd ſteckt es bey ſich in Buſem / vnd ſchriebe vnter das Symbolum Nicenum dieſe Wort: Sicut ſeripſi, ita credo: Wie ich geſchrie - ben habe / alſo glaͤube ich / er meynete aber auffs Pappier / welches er bey ſich im Buſem truge / vnd geſchrieben hat - te / wie hiervon beym Socrate, Theodoreto vnnd Nice.Socrates. Theodore - tus. Nicephorus. phoro, lib. 8. cap. 5. zu leſen. Faſt dergleichen hat gethan Hieronymus Zanchius, als er zu Straßburg die Aug - ſpurgiſche Confeſſion vnterſchreiben ſolte / welcher er doch nicht hold war / formirte er ſeine Subſcription alſo: Hanc doctrinæ formulam ut piam agnoſco, ita etiam recipio: Wie ich diß in meinem Hertzen fuͤrwar halte / alſo vnterſchreibe ichs: Q. D. als wolt er ſagen: Mit etlichen Stuͤcken bin ich nit zu frieden / die wil ich Krafft meiner formulæ ſubſcriptionis nicht confirmiret vnd vnterſchrieben haben / was ich aber vor wahr halte / das wil ich vnterſchrieben haben: Das iſt faſt eben das alte Heydniſche Thun: Iuravi linguâ, mentem iniuratam teneo: Mit der Zung habe ich zwar geſchworen / aberC ijim20Chriſtliche Leichpredigt. im Hertzen meyne ich es viel anderß. Das ſind vnerbare / Gottloſe vnd Teuffliſche Confeſſiones, dafuͤr ein Gott - ſeliges Hertz erſchrecken vnd Abſchew haben ſoll: Denn es wird doch gewiß wahr werden / was der KoͤniglichePſ. 5. 7. & 10. 15. Prophet David im 5. vnnd 10. Pſalm ſagt: Rerdes o - mnes, qui loquuntur mendacium: Du wirſt alle ver - derben / die anders im Hertzen geſinnet ſeyn / vnd anders mit der Zunge reden / vnd Gott wird ſie außſpeyen / Ap.Apoc. 3. 16. 3. weil ſie weder kalt noch warm ſeyn. Jn ſolcher Be - trachtung ſollen wir mit David richtig vnſer Bekendt -Rom. 10. 9. niß fuͤhren: Denn ſo du mit deinem Munde bekenneſt Jeſum / daß er der Herr ſey / vnnd glaͤubeſt in deinem Hertzen / daß jhn Gott von den Todten aufferwecket ha -Rom. 10. 10. be / ſo wirſtu ſelig / ſagt S. Paulus / Rom. 10. Jtem / Corde creditur ad iuſtitiam, ore autem fit confeſſio ao ſalutem: So man von Hertzen glaͤubet / ſo wird man gerecht / vnd ſo man mit dem Munde bekennet / ſo wird man ſelig Denn wer mich bekennet vor den Menſchen / denn wil ich bekennen vor meinem himmliſchen Vater /Matr. 10. 32. ſagt vnſer hochverdienter Heyland CHRJSTVS JEſus / Matth. 10. Vnd das iſt eins im erſten mem bro.
2. Petitione. 2. Darnach das andere iſt neceſſatja petitio, eine gar nohtwendige Bitt vnd Supplication / vnnd davon ſpricht der Koͤnig David alſo: Laß mich nimmermehr zu Schanden werden. O HErr laß nimmermehr einen andern Glauben in mein Hertz kommen. Jm Lateini - ſehen Text ſtehet alſo: In te Domine ſperavi, non con fundar in æternum: Jch habe auff dich HErr gehoffet /dar -21Chriſtliche Leichpredigt. darumb werde ich nicht zu Schanden werden. Jſt bey - des recht / vnd dienet vns ad imitationem, zur Nachfol - ge: Denn es iſt[n]icht gnung / im Chriſtenthumb wol - anfahen / aber hernach abfallen / boͤſe mittein vnd ſchlieſ - ſen. Lohts Weib halffs nichts / daß ſie auß Sodoma gieng / weil ſie vber Goͤttlichen Befehl ſich vmbſiehet / vnd druͤber zur Saltzſeule wird / Gen. 19. Eſau halffsGen. 19. 26. nichts / daß er der erſtgebarne / weil er ſein Recht liederlich vmb ein Linſen Gericht verkauffete / Gen 25. Saul halffsGen. 25. 34. nichts / daß er vnter den Propheten weiſſagete / vnnd her -1. Sam. 19. 23. 1. Sam. 31 4 nach zum Verzweiffler wird / 1. Sam 19. & 31. Dero - wegen ſagt Hieronymus gar recht: Non quæruntur inHierony - mus. Chriſtian sinitia, ſed finis: Paulus malè cæpit & benè finivit: ludæ laudantur exordia: Sed finis proditio ne damnarur: Das iſt: Chriſten Leuten gebuͤhret nicht ſchlecht wol anfahen / ſondern auch wol enden Paulus ließ ſich vbel an / er machte aber das Ende deſto beſſer: Dagegen Judas begab ſich bald im Anfang zu Chriſto / ward aber beym Beutel zum Buben vnnd Verraͤhter. So bleibts nun bey dem / was Chriſtus ſelbſten ſagt /Luc. 9. 62. Luc. 9.
‘Qui ſemel ad notis manibus diſcedit aratro Sedibus hic ſuperis non ſatis aptus erit. ’ ()Wer ſeine Hand an Pflug legt / vnd ſiehet zu ruͤcke / der iſt nicht geſchickt zum Reich Gottes. Vnd Prov. 3. ſteht ge -Prov. 3. 33. ſchrieben: Der HErr hat einen Grewel an den Abtruͤn - nigen. Darumb moͤgen wir wol mit dem lieben David bitten vnnd beten: HERR / laß mich nimmermehr zuC iijSchan -22Chriſtliche Leichpredigt /Schanden werden. Jtem / mit der Chriſtlichen Kirchen ſingen vnd ſeufftzen:
Vnd ſo viel vom erſten membro.
DAs andere membrum an deß lieben Alters Stecken vnnd Stab / iſt Beneficiorum præteritorum recordatio, eine feine Pruͤffung / Erinnerung vnd Erzehlung / etlicher empfangenen Wol - thaten / vnd davon redet der liebe David dieſe denckwuͤr - dige Wort: Auff dich habe ich mich verlaſſen von Mutterleibe an / du haſt mich auß meiner Mutter Leibe gezogen / mein Ruhm iſt jmmer von dir. Jtem / Gott / du haſt mich gelehret von Jugent auff / darumb verkuͤndige ich deine Wunder. Jn dieſen Worten hat der liebe KoͤnigDavid23Chriſtliche Leichpredigt. David ſeinen reſpect auff zweyerley. 1. Ad vitæ ſuæ in.1. Vitæ in - greſſum. greſſum, auff ſeine Ankunfft in diß zeitliche Leben. Pſ. 22. 10.2. Darnach ad vitæ ſuæ progreſſum, auff den Fortgang ſeines Lebens / vnd auff ſeine Education vnd Aufferzie - hung / wer in ſeiner Jugend ſein trewer Præceptor vnnd rechter Lehrmeiſter geweſen ſey. Die erſten Wort entlch - net der liebe David de verbo ad verbum auß dem 22. Pſalm / da er ebner maſſen die Ankunfft ſeines Lebens / dem wahren lebendigen Gotte zuſchreibet / Vnd im 100. Pſ. 100. 2.Pſalm ſagt er: Er hat vns gemacht / vnnd nicht wir ſelb - ſten / zu ſeinem Volck / vnd zu Schaffen ſeiner Weyde. Das bekand auch der liebe Job / Cap. 10. Du HErr haſtIob. 10 9. 10. 11. 12. mich auß Leimen gemacht / vnd wirſt mich wieder zur Er - den machen / haſtu mich nicht wie eine Milch gemolcken / vnd wie Kaͤſe laſſen gerinnen. Du haſt mir Haut vnnd Fleiſch angezogen / mit Beinen vnnd Adern haſtu mich zuſammen gefuget / Leben vnd Wolthat haſtu an mir ge - than / vnnd dein Auffſehen bewahret meinen Othem. DEO aſſig - nanda 1. Protectio in utero. Solten wir Stuͤck weiſe davon reden / ſo muͤſſen wir Gott drey Stuͤck zumeſſen: Als 1. Protectionem in u - tero, die Beſchirmung noch in Matterleibe: Denn da ſind wir geſeſſen in tenebris, im Finſtern / ohne alles Liecht vnnd Lufft / vnnd hetten in vnzehlich viel Wege koͤnnen getoͤdtet werden: So hat er vor vns geſorget / Hut vnd Hand vber vns gehalten / vnd Vaͤtterlichen beſchir -2. Defenſio in puerpe - rio. met. 2. Darnach Defenſionem in puerperio, wie wunderbarlich vnd maͤchteg Gott vns zur Welt vnnd in das Leben gebracht / vnſere Geburt befoͤrdert / vnd in den erſten ſechs Wochen vor allem Vbel bewahret 3. Cu -3. Cuſtodia in faſcio. ſtodiam24Chriſtliche Leichpredigt. ſtodiam in faſcio, der Vaͤterliche Schutz vnd Schirm in vnſerer Wiegen vnd Windeln / Das alles iſt Gottes Werck: Proſpexit Deus homini terrâ tanquam do - micilio, cælo tanquam tecto, mari tanquam muro, teriâ naſcentibus pro cibo & alimento, Das iſt: Gott hat fuͤr den Menſchen trewlich vnd fleiſſig geſorget / jhme die Erde zur Wohnung / den Himmel vber jhn zur Decke /Obſervatio. das Meer zur Mawer / vnd alles was die Erde hat vnnd traͤgt zu ſeiner Speiſe vnd Nahrung eyngethan: Wel - ches wir mit David billich erkennen vnnd bedencken ſol -Anshelmus de miſeric. Dei. len / Vnd hierzu ermahnet vns Anshelmus mit dieſen Worten: Ad moneote, ut ſine intermiſſione recor. deris, quam dulcis & quam bonus ſit erga te creator tuus. Quanta bonitas eius fuit, quod te, cũ non eſſes, creavit, & quod te non pecus aut creaturã inſenſibilẽ, ſed eam creaturã feeit, quod eum poſſes in telligere & amare & cũ eo ſuam æternitatem æternaq́; & felicia poſſidere, Das iſt: Jch ermahne dich lieber Menſch fleiſſig / daß du ohne vnterlaß bedenckeſt / wie gnaͤdig vnd guͤtig ſich dein Schoͤpffer gegen dir erwieſen hat. Jſt das nit der groͤſten Barmhertzigkeit ein Stuͤck / daß er dich er - ſchaffen hat / da du nicht wareſt / vnd dazu nit ein vnver - nuͤnfftig Thier oder Creatur / die weder Witz noch Ver - ſtand hat / ſondern zu einer ſolchen Creatur / die du jhn erkennen vnd lieben / vnd mit jhm die Ewigkeit / vnd was in der guts vnnd ewiges zu gewarten iſt / beſitzen koͤnneſt. Vor diß liebe Werck ſollen wir jhm billich die fructus labiorum heim bringen / wie die lieben Alten ſehr fein hiervon geredet / Gott habe nemlich dem Menſchendie25Chriſtliche Leichpredigt. die Zunge vnnd eine vernehmliche Sprache gegeben zuLinguæ u - ſus. fuͤnfferley. 1. Ad conceptum cordis notificandum, daß er Gott vnd den Menſchen dardurch zu verſtehen geben koͤndte / was er im Hertzen gedaͤchte vnd meynete. 2. Ad proximum ſuum informandum, daß er dadurch ſeinen Nechſten zu dieſem vnd zu dem ewigen Leben vnterwei - ſen moͤchte. 3. Ad eundem ubi opus conſolandum, daß er demſelben in noͤhten damit zuſprechen / jn troͤſten / vnd dadurch zum beſten auffrichten ſolle. 4. Ad ſe ipſum accuſandum, daß er ſonderlich ſich vnd ſeine Vbertret - tung damit anklagen / Gott vnd ſeinen Dienern beichten koͤndte. 5. Principaliter ad Deum glorificandum, vor - nemlich / daß er Gott zeitlich vnd ewig damit loben vnd preyſen ſolte. Zu dem Ende annectirt bey dieſer Wol - that der liebe David dieſe Wort: Mein Ruhm iſt jm̃er von dir. Welches wir jhme ablernen ſollen.
2. Darnach vitæ ſuæ progreſſum, den Fortgang2. Vitæ pro - greſſum. ſeines Lebens / vnnd in demſelben ſeine Information, Zucht vnd Vnterweiſung von Jugend auff / ſchreibet er niemand anders zu / als dem lebendigen GOTT / vnnd ſpricht ferner alſo: Du haſt mich gelehret von Jugend auff / darumb verkuͤndige ich deine Wunder / Das iſt: Du biſt mein Præceptor vnnd Zuchtmeiſter geweſen / auß deinem Wort habe ich muͤſſen ſtudiren vnd lernen / wie ich mich gegen Gott / gegen meinem Nechſten / auch gegen mir ſelbſten aller Chriſtlichen Gebuͤhr erzeygen vnd verhalten ſolle / Vnd hieher gehoͤret tota Davidis e - dueatio, informatio & Inſtitutio quo ad doctrinam & mores, die gantze Aufferziehung / Diſciplin vnnd In -Dforma -26Chriſtliche Leichpredigt. formation deß lieben Davids / bey des was ſeine Lehr vnd Bekentniß / vnd ſein euſſerliches Leben betrifft. VndObſervatio quis ſit no - ſter optimus Præc[e]ptor. eben mit dieſer Erzehlung lehret vns der Koͤnigliche Prophet David / wer doch vnſer aller beſter Lehrmeiſter ſey / der vns am trewlichſten informire, vnſere Educati - on vnd Studia befoͤrder / nemlich / Niemand anders als der HErr / der Iehova, von welchem hier David redet /Pſal. 119. v. 9. vnnd zu welchem auch im 119. Pſalm ſeine Frag vnnd Antwort gerichtet / da er vor eins dieſe Frage movirt: Wie wird ein Juͤngling ſeinen Weg vnſtraͤfflich gehen? Reſpondirt vors andere ſelber alſo: HErr / wenn er ſichDeus præce - pttoris offi - cio fuogitur Immediatè. helt nach deinem Wort vnd Gebot. Es verrichtet aber der ſummus Præceptor, der himmliſche Lehrmeiſter / ſein Ampt auff zweyerley weiſe. Als 1. Immediatè, one Mittel in eygener Perſon / in dem er vns ſeinen H. Geiſt ſchen - cket vnnd mittheilet / der vns in alle Warheit leytet / Jo -Ioh. 16. v. 3. han. 16. vnd vns auff ebner Bahn fuͤhret. Pſalm. 143.
Pſ 143. 11.2. Darnach aber auch Mediatè, durch Mittel / wel -2. Mediatè. Per Paren - tes, Præce - ptores, Se - niores. che er zu ſolchem Ampt gebraucht vnd verordnet / Als da ſind 1. Parentes, die Eltern. 2. Præceptores, die Zucht vnd Lehrmeiſter in Schulen. 3. Seniores, alte / betagte vnd wolgevbete Leute / die vieler ding Erfahrung haben / welche alle an Gottes ſtatt lehren vnd vnderrichten / vnd deßwegen an Gottes ſtatt ſollen vñ muͤſſen geehret ſeyn /Exod. 20. 12. inmaſſen das vierdte Gebott lehrt / ſo Exod. 20. zubefin -Exod. 23. 26. den. Vnd ſonderlichen was alte wolerfahrne Leute an - langt / ſo wil Gott / vnnd gebeut / daß man jhnen alle Re - verentz vnd Ehrerbietung erzeygen ſolle: Denn ſo ſtehet. Levit. 19. 32.Levit. 19. Coram canicie, id eſt, cano homine, aſſurgi -to,27Chriſtliche Leichpredigt. to, vor einem grawen Haupt ſoltu auffſtehen / vnnd die Alten ehren: Das Alter wird wegen etlicher Gebrechlig - keit / ſo es mit ſich zu bringen pfleget / von jungen Leuten gemeiniglich verachtet: Denn ob wir wol alle gerne woͤl - len alt werden / ſo iſt doch das Alter der Kinder Spott: Drumb wil Gott haben / daß junge Lente die Alten ehren ſollen / vnd ſetzt dieſen Grund vnd Vrſach darbey: Denn du ſolſt dich fuͤrchten fuͤr deinem Gott. Wil hiemit an - zeygen / wer die Alten ehre / der beweiſſe darinn ſeine Got - tesfurcht / Wer ſie aber nicht in Ehren halte / der beweiſſe mit der That / daß er Gott nicht fuͤrchte / ſonſten wuͤrde er dieſem ſeinem Gebott ſchuldige Folge vnnd Gehorſam leiſten / Dahin gehet die Ermahnung S. Pauli an Ti - motheum / 1. Tim. 5. Einen Alten ſchelte nicht / ſondern1. Tim. 5. 1. & 2. ermahne jhn / als einen Vatter / die alten Welber / als die Muͤttere. Zu dem iſt das Alter eine ſonderliche Gabe Gottes / dadurch er bezeugt / daß ers noch gut meynet mit Kirchen / Schulen / vnd dem Regiment / wenn er darin - nen etliche laͤßt zum rechten Alter kommen / vnd bey ge - ſundem langen Leben erhelt: Deñ daß mehr Raht / Ver - ſtandt / Klugheit vnd Erfahrung bey den Alten ſey / als bey denen / die noch nicht viel Jahr erreicht / das bezeuget die Hiſtoria deß Koͤniges Rehabeams / 1. Reg. 12. da die1. Reg. 12. 13. Alten jhm zwar einen guten Raht gaben: Aber die Jun - gen / Vnerfahrnen rahten das Gegenſpiel / vnnd geraͤht jhr Raht alſo / daß zehen Staͤmme in Jſrael auff einen Tag vom Hauſe Davids abfallen. Der Bauch zer - ſchwillet jungen Leuten vor groſſer Kunſt / wie dem jun - gen Elihu / Hiob 32. Was die Alten gemacht / das duͤn -Iob. 32. 19.D ijcket28Chriſtliche Leichpredigt. cket ſie nicht gut gemacht / ſie koͤnnens verbeſſern / vnnd wie man ſagt / das Magnificat corrigiren / Es gehet jnen /Syr. 19. 11. wie Syrach ſpricht / Cap. 19. Ein Narr bricht herauß /Syr. 32. 4. wie ein vnzeitig Kind herauß wil / ꝛc. Aber dagegen ge - beut Syrach Cap. 32. Der Elteſte ſolreden / denn es ge -Syr cap. 8. 7. buͤhret jhm / als der erfahren iſt. Vnd Cap. 8. ſpricht a -Plutarchus. bermals Syrach: Verachte das Alter nicht / denn wir gedencken auch alt zu werden: Laß dich nicht kluͤger duͤn - cken / denn die Alten / denn ſie habens auch von jren Vaͤ -In convivio ſenes ſiat vocales viti ſemi votales ſuvenes mu - ti. tern gelernet / vnnd von jhnen kanſtu lernen / wie du ſolſt antworten / wo es noht iſt. Dannenhero iſt endtlichen auch das Sprichwort erſchollen: Senex in domo, ſi - gnum bonum in domo, Ein alte Perſon in einem Hauſe / iſt ein gut Zeichen im Hauſe.
1. Seniores diſcant. Welches jungen vnnd alten Leuten zur Lehr dienen ſol. 1. Den Alten / daß ſie Præceptores in Haͤuſern ſeyn / vnd junge Leute wol informiren, ein ehrlich vnd Chriſt - liches Leben fuͤhren / vnnd der lieben Jugend mit guten Exempeln vorleuchten / vnd wolzuſehen / daß ſie nichts handeln / damit ſie jhr Gewiſſen verletzen. Als auff eineCivis Lace - demonen - ſis. Zeit ein Buͤrger zu Lacedemon gefragt war / worumb er ſo einen groſſen langen grawen Bart behielte / gab er zur Antwort: Vt canos intuens nihil committam illis in - dingum. Deßwegen / auff daß weñ ich meine gꝛawe HaarPolycarpus. anſchawe / ich nichts vngebuͤhrliches vornehme / das jhm zu Vnehr gereichen moͤchte. Als Polycarpus vermah - net ward / Chriſtum zu verleugnen / vñ daß er doch ſeines hohen Alters ſchonen wolte / da antwortet er: Iam octogeſimum ſextum annum Chriſto ſervio, nec meullâ29Chriſtliche Leichpredigt. ullâ in re læſit unquam, quomodo poſſum male dice -Euſeb ius lib. 4. cap. 15. re regi meo, qui me ſervavit: Jch diene nunmthr in das 86. Jahr meinem HErrn Chriſto / welcher mich nie - mals verlaſſen / wie ſolt ich denn jhm wieder ſprechen / der mir ſo viel Liebs vnd Guts erzeyget vnnd erwieſen hat. Vom Piſoſtrato dem Tyrannen wird geſchrieben / daß er Solonem gefraget / was er ſich doch getroͤſtete / daß er jm ſo keck vnter die Augen tretten / vnd antworten duͤrff - te / da hat Solon geſagt / Senectute Suſtentor: Seines Alters. Caſſellio wiederſatzte ſich hefftig dem Zunfftmei -Caſſellio. ſter / vnd ſagte: Duæ res ſunt quæ mihi fiduciam ſuppe - ditant, ſenectus & orbitas: Zwey Ding troͤſten vnd er - quicken mich / Mein Alter vnd mein elender Zuſtand / in welchem ich von allen verlaſſen werde. Nach ſolchen Exempeln ſollen ſich billich alle alte Leute auch richten / jhrem Alter keinen deſpect zuziehen / ſondern vielmehr die liebe Jugendt zum beſten weiſen / davon im letzten membro mehr wird geſagt werden. Junge Leute aber2. Iuniores diſcant. ſollen hier bey dieſem membro folgen der Ermahnung Syrachs / Cap. 3. da er ſpricht: Ehre Vater vnd Mutter / alſo auch die Seniores mit dem Hertzen / ehre ſie mit dem Munde / vnd ehre ſie mit der That vnd den Wercken. Dieſe Erinnerung vnd trewe Anmahnung / haben auch die Heyden in gute acht genommen / inmaſſen E. L. auß zweyen Scribenten vernehmen wollen / Juvenalis der Heydniſche Poet ſchreibet alſo: Satyra 13. Juvenalis Satyra 13.
‘Credebant hoc grande nefas & morte piendum Si iuvenis vetulo non aſſurrexerat. ’ ()D iijDas30Chriſtliche Leichpredigt.Ovid. lib. 5. Faſtorum. Magna fuis capitis quondam reverentia cani. Inq; ſuo pretio ruga ſenilis crat. Das hielte man vor Zeiten vor eine groſſe Schan - de / vnd vor einen maͤchtigen Vbelſtand / wenn ein jun - ger Menſch vor einem Alten nicht auffſtunde / vnd jhme mit euſſerlichen Geberden eine Reverentz erwieſe. Vale. rius Max. ſchreibet vnd vermeldet / daß auff eine Zeit die Lacedæmonier eine ſtattliche Legation zu Athen abge - ſand / welcher die Athenienſer zu Ehren ein herrlich Co - mædien Spiel angeſtellet vnnd gehalten. Als nun die Action angienge / vnd den Lacædemoniſchen Legaten ein beſonderer Stand eyngereumet wurde / der mit Tapece - rey / mit Polſtern vnd anderm ornat auffs zierlichſte zu gerichtet / Siehe / da kompt ohn gefaͤhr auffs Teha〈…〉〈…〉 rum, auffn Schawplatz / ein alter graw haͤuptigter Senior, der ſeine Perſon præſentiren vnnd agiren wil / vor dem alten Herren wil kein Athenienſer auffſtehen / vnd demal - ten matten Mann eine Seſſion eynreumen / das verdreiſt die Legaten / deßwegen ſo ſtehen ſie auff / vnd nehmen den alten Seniorem zu ſich an die Staͤdte / vnd erzeygen jhm alle Ehrerbietung: Daruͤber verwundert ſich die Buͤr - gerſchafft zu Athen nicht wenig / vnd als ſie / die Legaten / vmb ſolcher Demut vnd Ehrerbietung befragt worden / hebt einer jhres mittels an / vnd ſpricht: Jhr Herren von Athen ſeyd wol weiſe vnd verſtaͤndige Leute: Jhr wiſſet wol / was recht iſt / vñ was wol ſtehet: Aber jꝛ wollet daſſel - be gleichwol nit practiciren vñ zu Werck richten. Diß mu - ſten die Athenienſer alſo verſchlucken / vnnd wegen dieſer Verweiſung gleich ſchamrot weꝛden. Haben nun die Hey - erkandt / daß man das Alter ehren ſolle / wie viel mehr ſol - lens Chriſten thun / alldieweil ſie auß der H. Schrifftdeſ -31Chriſtliche Leichpredigt. deſſen ernſten Befehl haben / vnd auch andere mit jhren Exempeln vns vorgegangen. Salomon ehrete ſeine Mutter / 1. Reg. 2. vnd ſetzte ſie in einen Stuel zu ſeiner1. Reg. 2. 19. Rechten. David ehrete den alten 80 jaͤhrigen Berſilaj / 2. Sam. 19. vnd ſollen wir auch thun / 1. Corde, mit dem2. Sam. 19. 33. Hertzen / daß / wenn einer alte Seniores anblicket / ſol er gedencken / ſiehe / da haben wir praxin deß vierdten Ge - botts / darnach wahr macht / was er verheiſſen vnd zuge - ſagt. Ore, mit dem Munde / daß man das liebe Alter nicht verhoͤhne / wie die Gottloſe Welt thut / vnd die 42. boͤſe Buben zu Bethel thaten / welche deß alten Prophe - ten Eliſæj ſpotteten / jhn einen kahl Kopff nenneten / vnd von zweyen Behren zerriſſen wurdẽ / 2. Reg. 2, Sie wa -2. Reg. 2. 24. ren nicht wehrt / daß ſie einen Tag aͤlter / oder laͤnger leben ſolten. Welches Straff Exempel zu einer Warnung auffgezeichnet. Vnnd endlichen ſol man auch das liebe Alter ehren / Opere, mit der That ſelbſten / daß man jhm alle muͤgliche Huͤlff vnnd Dienſte leyſte. Vnd ſo viel vom andern.
3. Das dritte / ſo zu deß lieben Alters LehnStab ge -Senilis mali deprecatio. hoͤrig / iſt Senilis mali deprecatio, eine fleiſſige Bitt vm̃ Abwendung zukuͤnfftiges Vngluͤcks vnnd Vbels / wel - ches dem lieben Alter pflegt nachzufolgen / davon ſoricht David alſo: Verwirff mich nicht in meinem Al - ter / verlaß mich nicht wenn ich ſchwach werde. Ach / verlaß mich nicht. GOTT im Alter / wenn ich graw werde. Dieſe Wort hat der loͤb -Relatio de Principe Henrico, &c. liche Fuͤrſt zu Mechelburgk / Henrich der friedfertige ge -nand /32Chriſtliche Leichpredigt. nand / ſo lieb gehabt / daß er ſie allzeit Abends vnd Mor - gends / wenn er zu Bette gangen vnnd auffgeſtanden iſt / mit ſonderer Andacht geſprochen / vnnd mit lauterer Stimm dieſe Wort hinzu gethan / die ſeine Kammer - Junckern von jm gehoͤret haben: HErr / mein Gott / auff den ich trawe / meine Regierung iſt mir ſchwer / viel ſchwe - rer aber wird mirs ſeyn / daß ich dir von allen meinen Vnderthanen am juͤngſten Gericht Rechenſchafft gebe. Ach HErr verlaß mich nicht / deñ ich bin ein alter Fuͤrſt / vnd werde taͤglich ſchwaͤcher / vnd nehme an Kraͤfften a - be / Ach vergiß ja meines alten grawen Kopffs nit. Vnd wenn er dieſe Wort geſprochen / ſind jhme die Thraͤnen haͤuffig die Backen herunter gefloſſen / vnnd iſt offt laut weinend worden. So ſollen heutiges Tages alle alte Leute zu Gott ſeufftzen / vnd jhn anruffen vnd bitten / daß er ſie ja im Alter nicht verlaſſe / ſondern jhr Stecken vnd Stab ſey. Vnd zu ſolchem Gebett ſollen alle alte LeuteSenectutis moleſtia. bewegen zweyerley. Als 1 Senectutis moleſtia, die be - ſchwerte deß lieben Alters: Denn es heiſt doch / Groß Al -Metue ſene - ctutem., non ſola ve - nit. ter / ſchweres Malter: Senectus non ſola venit, das Al - ter koͤmpt nimmer alleine. Senes bis pueri alte Leute / ge - doppelte Kinder. Vnnd zwart was das liebe Alter vor Beſchwerung mit ſich bringt / das hat der Prediger Sa - lomon gar artig auff eine Poetiſche Art annotiret, Ec -Eccl. 52. 2. cl. 12. in dem er ſechzehnerley Vngelegenheiten vnnd Beſchwerungen nacheinander erzehlet / welche allhier nach einander nicht koͤnnen erzehlet werden / vnnd zwarGen. 27. 1. das bezeugen auch die Exempla: Jſaacs Augen werden dunckel / welches ein ſolches Vbel / das Sophoeles be -ſchwer -33Chriſtliche Leichpredigt. beſchwerlicher achtet / als den Todt ſelbſten: Von dem Prieſter Eliſtehet ingleichem geſchrieben / daß ſeine Au - gen in ſeinem Alter haben angefangen dunckel zu wer - den / daß er nicht ſchen kondte / 1. Sam 3. Es nehmen1. Sam. 3. 2. im Alter auch andere Sinne vnd Kraͤffte abe / wie Bar - ſilai der Gileaditer / zum Koͤnige David ſagte / 2. Sam.2. Sam. 19. 34. 19. Was iſts noch / das ich zu leben habe / daß ich mit dem Koͤnige ſolhinauff gen Jeruſalem ziehen? Jch bin heute 80. Jahr alt / wie ſol ich kennen / was gut oder boͤſe iſt / oder ſchmecken was ich eſſe oder trincke / oder hoͤren / was die Saͤnger vnd Saͤngerin ſingen? Warumb ſolt dein Knecht / meinen Herren Koͤnig foͤrder beſchweren? Laß deinen Knecht vmbkehren / daß ich ſterbe in meiner Statt / ꝛc. Nach der Vernunfft iſt keine edlere Gabe noch Zierde an einem Menſchen / als ein gut friſch Ge - daͤchtnuͤß / daß einer alles / was er hoͤret vnnd ſiehet / oder ſelbſt lieſet / mercken vnd behalten kan. Das iſt Theſau - rus diſciplinarum omnim attiumq́; ſtudio & labore acquiſitarum cuſtos fideliſſimus: Ein Schatz aller gutẽ Kuͤnſte / vnd ein trewer Huͤter vnd Verwahrrr deß jeni - gen / was einer durch Muͤh vnnd Arbeit zuſammen ge - bracht hat. Daher auch jener geſagt hat: Memoriam eſſe matrem Muſarum. Jm Alter aber verleuret ſich daſſel - be auch / oder ſonſten auch durch andere Zufaͤlle. Zu A -Val. Max. lib. 1. cap. 8. then ſol etwan ein gelehrter Mann geweſen ſeyn / dem ohne gefaͤhr ein Ziegel von einem Dache auffn Kopff ge - fallen / dadurch ſol er an ſeinem Gedaͤchtnuͤß alſo verletzt worden ſeyn / daß er von dem an / hinfort keinen Buch - ſtaben mehr hat weder leſen noch ſchreiben koͤnnen /Evnd34Chriſtliche Leichpredigt /Plinius lib. 7. cap. 24.vnd alles vergeſſen. Plinius ſchreibet / es ſol Meſſala Cor - vinus, der treffliche Orator vnd Raͤdener / in der Kranck - heit / ſo jhn einſten angeſtoſſen / alſo an ſeinem Gedaͤcht - nuͤß zerruͤttet worden ſeyn / daß er hernach ſeines eygenen Namens vergeſſen / vnd nicht gewuſt / wie er hieſſe. VndGeorgius Trapezun - tius. von dem trefflichen vnd gelehrten Mann / Georgio Tra. pezuntio, der wegen ſeiner Geſchickligkeit weit vnd breit in der Welt beruͤhmpt geweſen iſt / wird gemeldet / daß er auff ſeine alte Tage ſo Kindiſch worden ſeyn ſoll / als wenn er ſein lebenlang keinen Buchſtaben ſtudieret ge - habt hette. Der denex Plautinus ſagte von ſich alſo:
Syr. 41. 3.Jſt faſt eben die Klage / die Barſilai vorbringt / vnnd da - von der weiſe Mañ Syrach ſagt / c. 41. O Todt wie wol thuſtu dem Duͤrfftigen / der da ſchwach vnd alt iſt / der in allen Sorgen ſteckt / vnd nichts beſſers zu hoffen noch zu gewarten hat. Derowegen wiederfaͤhret wenig Alten /Deut. 34. 7. was vom Moſe gemeldet wird / Deut. 34. Moſes ward hundert vnd zwantzig Jahr alt / da er ſtarb / ſeine Augen waren nicht dunckel worden / vnd ſeine Krafft nicht ver - fallen. Vnd Hieronymus ſchreibet vom Paulo Concor -Socrates lib. 4. cap. 25. dienſi, dem hundert jaͤhrigen Mann / quod ſolâ canicie & prudentia ſenex fuerit, cætera iuvenis, daß er allein an grawen Haaren / vnd an Weißheit vnd Klugheit alt /ſon -35Chriſtliche Leichpredigt. ſonſten aber allenthalben jung geweſen. Vnd PliniusPlinius. ſchreibet vom Muſicanten Xenophilo, daß er 105. Jahr gelebet vnnd alt worden / ohne Beſchwe[r]ung ſeines Le - bens / welches eine ſeltzame Gluͤckſeligkeit iſt zu dieſen letz - ten Zeiten. Wir ſollen aber gewiß dafuͤr halten / daß das Alter ein Vorbott oder Vordrab deß Todes ſey / wie auch deß Alters Beſchwerung / vns allgemach von den zeitlichen vnd jrrdiſchen Dingen abfuͤhren / vñ vns nach den himmliſchen lencken. Denn Gott gibt vns pro ſen - ſilibus oculis intellectuales, vor das Geſicht vorſtaͤnd - liche Augen / wie Socrates vom blinden Didymo ſchrei - bet. Als der abtruͤnnige Keyſer Julianus / dem Mari Bi - ſchoff zu Chalcedon, ſein Alter vnd Blindheit fuͤrwarff / vnd jhn ſpoͤttiſch fragete / ob jhm ſein Galileer / auff den er trawete / nicht koͤndte heylen / hat der fromme BiſchoffSazomenus lib. 5. cap. 4. darauff geſaget: At ego gratiam Deo meo habeo, quod cæcus ſum, nete, qui à pietate excideris oculis aſpiciam: Jch dancke vielmehr meinem lieben Gott da - fuͤr / daß ich blind bin / damit ich dich Abtruͤnnigen Ma - melucken / der du von der wahren Religion biſt abgefal - len / mit meinen Augen nicht darff anſehen.
Jn Summa / das Alter iſt vor ſich ſelbſten Kranck - heit gar gnungſam. Wieder ſolche Beſchwerung vnnd accidentia deß Alters / haben die lieben Alten kein beſſers antidoton keine beſſere vnnd gewiſſere Artzney / als das liebe Gebett / daß ſie die Wort Davids offt repe - tiren, vnd ſagen: Ach HErr verwirff mich nicht in mei - nem Alter / verlaß mich nicht / wenn ich ſchwach werde /Pſalm. 23. dein Stecken vnd Stab troͤſten mich / ꝛc Pſalm 23.
E ij2. Dar -36Chriſtliche Leichpredigt.2. Darnach ſol vns auch zu dieſem embſigen Ge - bet ermahnen / Deſertionis exempla, die jenigen Exem - pel / die da ſind im Alter verlaſſen worden: Denn gleich wie man im Sprichwort ſagt: Witz kompt vor Jahren nicht: Alſo heiſt es hinwiederumb: Alter hilfft vor Thor - heit nicht / daher gedencket der heylige Prophet Eſaias /Eſa. 65 20. Cap. 65. Der Knabeu von hundert Jahren / vnd ſtrafft dieſelben: Die Knaben von hundert Jahren ſollen ſter - ben / vnd die Suͤnder von hundert Jahren / ſollen verſtu - chet ſeyn. Knaben von hundert Jahren / (ſetzt D. Lu - ther auffn Rand) heiſſen die Gottloſen / auß ſolcher Re - de / wenn du gleich hundert Jahr lebeſt / ſo bleibeſtu doch ein Kind / wenn du hundert Jahr lebeteſt / ſo bliebſtu doch ein Bube / das iſt / du wilſt ni[m]ermehr weiſe vil klug wer - den. Weiſe Leute koͤ[n]en bald zu Thoꝛen vñd Naꝛrẽ werden / wie von dẽ Fuͤrſten zu Zoan / vñ der; weiſen Raͤten KoͤnigsEſa. 19. 11. Pharaonis / in Egypten geſagt wirdt / Eſa. 19. Die Fuͤrſten zu Zoan ſind Thoren / die weiſen Raͤhte Pharao / ſind im Raht zu Narren worden / denn der HErr hat ei - nen Schwindel Geiſt vnter ſie außgegoſſen / daß ſie E -2. Sam. 16. gypten verfuͤhren / in alle jhrem Thun / wie ein Truncken - bold daͤumelt / wenn er ſpeyet. Einen ſolchen Schwin - del Geiſt bekam auch Achitophel / derſelbe war auß Koͤ - nige Davids Hoffe / in ſolchem anſehen / wenn er einen Raht gab / das war als wenn man Gott vmb etwas ge - fragt hette / alſo waren die Rahtſchlaͤge Achitophels / bey -2 Sam. 17. 23. de bey David vnd bey Abſolon: Aber ich meyne / Gott machte ſeinen Rahtſchlag zur Narrheit / daß er druͤber in Vngedult fiel / vnd ſich ſelbſt erhieng. Wie es Nebu -catne -37Chriſtliche Leichpredigt. catnezar dem Koͤnig zu Babel ergangen / davon leſen leſen wir / Dan. 4. Er war ein verſtaͤndiger HERR / daDan 4. aber Gott das Menſchliche Hertz von jhm nahm / vnnd gab jhm ein Viehiſch Hertz / da kam er von Sinnen / lieff etliche Jahr im Felde herumb / wie ein ander vnver - nuͤnfftig Thier vnd Vich. Der Koͤnig Saul verließ den HERREN / ſo wird er von jhm wiederumb verlaſſen / 1. Sam. 28. Von dem Koͤnige Salomon wird gemel -1. Sam. 28. 6. det / daß er der allerweiſeſte geweſen ſey: Jm Alter aber1. Reg. 11. 4. begieng er eine groſſe Thorheit / er ließ ſich die frembden außlaͤndiſchen Weiber bethoͤren / richtete vnnd ſtifftete grewliche Abgoͤtterey / vnnd wird von den Gelehrten an ſeiner Seligkeit gezweiffelt. Nun heiſt es freylich / wieAuguſtinus. Auguſtinus an einem Ort ſaget: Accidere poteſt omni quod accidit uni: Was einem begegnete / kan vns allen begegnen / wenn Gott Hand abzeucht: Darumb ſollen wir nicht ſicher ſeyn / ſondern diß Gebettlein mit David viel vnnd offt reiteriren vnd wiederholen / Verlaß mich nicht / wenn ich ſchwach werde / verwirff mich nicht im Alter / Ach / verlaß mich nicht Gott im Alter / wenn ich graw werde. Wenn wir das thun / ſo wird GOtt auch wahr machen / was er im 91. Pſalm ſagt: Er begehretPſ. 91. 14. mein / ſo wil ich jhm außhelffen / er kennet meinen Nah - men / darumb wil ich jhn ſchuͤtzen. Er rufft mich an / ſo wil ich jn erhoͤrẽ / Jch bin bey jm in der Not / ich wil jn heꝛ - auß reiſſen / vnd zu Ehren machen: Jch wil jhn ſaͤttigen mit langem Leben / vnd wil jhm zeygen mein Heyl / denn honorantes me, honorabo, die mich ehren / die wil ichE iijwie -38Chriſtliche Leichpredigt. 1. Sam. 2. 30.der ehren / 1. Samuelis 2. Vnnd ſo viel von dem dritten.
IV. Grati - tudinis ſuæ pollicitatio. IV. Endlichen vnd vors vierdte / ſo gehoͤret auch zu deß lieben Alters Stecken vnnd Stab / Gratitudinis pollicitatio. die Verheiſſung vnd Zuſagung der Danck - barkeit: Denn David hengt zu Ende eine promiſſion vnd Zuſage hieran / vnd erklaͤret ſich / was er thun wolle / wenn Gott jhn ſeiner Bitte gewaͤhret / vnd jhm die Gna - de verliehe / daß er ein fein geruͤhiges Alter erreicht / vnnd daſſelbe ohne ſondere Beſchwerniß fuͤhren koͤnne / Nem - lichen / er wolle die Wunder deß HErren verkuͤndigen, Vnd den Arm deß HErren den KindesKindern / vnnd ſeine Krafft allen / die noch kommen ſollen: Alſo lauten ſeine Wort: Biß ich deinen Arm verkuͤndige Kindes - Kindern / vñ ſeine Krafft allen / die noch kommen ſollen / das iſt in Summa: Jch wil junge Leute vnterweiſen / von Gott vnd ſeinen Wolthaten / die er dem Menſchli - chen Geſchlecht auß Gnaden erzeyget / vnd jhnen Anley - tung geben / daß ſie auch bald von Jugendt auff / Gott fuͤrchten vnd lieben / vnd ſeinem heyligen Nahmen dan - cken: Denn gleich wie es eine Straffe Gottes iſt / wenn ein Geſchlecht oder Statt / alter ehrlicher Leute mangeln1. Sam 2. 31. muß / wie zu ſehen / 1. Sam. 2. da Gott der HErr dem Propheten Eli anmeldenlaͤſt: Es ſol von dem an / kein Alter in ſeinem Hauſe ſeyn / ewiglich: Sie ſollen alle ſterben / wenn ſie Maͤnner worden ſind: Alſo iſt es hinwiederumb eine beſondere Wolthat Gottes / wenn ineinem39Chriſtliche Leichpredigt. einem Geſchlecht / in einem Lande feine alte ehrlich Leute zufinden / inmaſſen denn Gott der HErr ſolches / als eineExod. 23 26. Zach 8 4. beſondere Wolthat verheiſſen / Exod 23. vnnd Zach. 8. ſtehet: So ſpricht der HErr Zebaoth: Es ſollen noch foͤrder wohnen / in den Gaſſen zu Jeruſalem / alte Maͤn - ner vnd Weiber / vnd die an Stecken gehen vor groſſem Alter. Hat nun Gott der HErr einen vnnd den andern mit Ehren laſſen alt vnd graw werden / ſo erkenne ers vor eine ſondere Wolthat Gottes / vnnd halte ſich nach Da - vids ſeinem Erbieten / vnd laſſe jhrn in ſeinem Alter / diß ſeine vornembſte Arbeit ſeyn / daß er Kinder / KindesKin - der / vnd KindesKindesKinder vnterweiſe / wie denn in dem Stuͤck viel vornehme alte Manns vnd Weibs Per - ſonen / vns mit guten Exempeln vorgegangen. Noha der liebe alte Senior, gieng ſeinen Kindern mit guten Ver - mahnungen vor / er lehrete ſie epffern / vnnd den rechten Gott erkennen / Gen. 8. Der liebe heylige Ertzvatter vndGen. 8. 20. Patriarch Abraham / hat auch das Lob / daß er ſeine Kin -Gen. 18. der zu allem guten vnterwieſen: Denn alſo ſagt der e - wige Sohn Gottes ſelber / Gen. 18. Wie kan ich Abra -Gen. 18. 17. ham verbergen / was ich thun wil? Sintemal er ein groß vnd maͤchtig Volck werden ſoll / vnnd alle Voͤlcker auff Erden in ſeinem Samen ſollen geſegnet werden: Denn ich weiß / er wirds befehlen ſeinen Kindern vnnd ſeinem Hauſe nach jhm / daß ſie deß HErren Wege halten / vnd thun was recht vnd gut iſt / auff daß der HErr auff Abra - ham kommen laſſe / was er jhm verheiſſen hat / wie fleiſ - ſig der liebe alte Senior Jſaac geweſen / in Vnterweiſung ſeiner Soͤhne / Eſaus vnnd Jacobs / das iſt zu leſen /Gen. 72.40Chriſtliche Leichpredigt. Gen. 27. 27.Gen. 27. da ſonderlichen der Segen zu finden / den er auff Jacob gelegt. Der liebe heylige Ertzvater Jacob / hat jhm diß Stuͤck auch laſſen angelegen ſeyn: DennGen. 49. 1. der nimbt Gen. 49. alle ſeine zwoͤlff Soͤhne vor ſich / vnd ſpricht: Verſammlet euch / daß ich euch verkuͤndige / was euch in kuͤnfftigen Jaren begegnen wird / kompt zu hauff / vnd hoͤret zu jr Kinder Jacob / vnd hoͤret ewren Vater Jſ - rael: Drauff hebt er von ſeinẽ erſten Son Ruben an / biß auff Beniamin / den Juͤngſten / vnnd thut einem jeden ſeine Lection / wie er ſich verhalten ſolle / neben Ankuͤndi - gung / bey des deß Segens / ſo ſie werden gehorſamen vñ folgen / ſo wol auch deß Fluchs / ſo ſie ſeine Vaͤtterliche Vermahnung werden hindan ſetzen / vnd in Wind ſchla - gen. So leſen wir auch von dem lieben Koͤnig vnnd Propheten David / daß er in Vnterweiſung / ſeines lie -1. Reg. 2. 3. ben Sohns Salomons / ſehr fleiſſig geweſen / 1. Reg. 2. Denn da ſeine Zeit herbey kam / daß er ſterben ſolte / da nimbt er ſeinen Son Salomon vor ſich vñ ſpricht: Jch gehe hin / den Weg aller Welt / ſo ſey getroſt vñ ſey ein Mann / vnd warte auff die Hut deß HErren deines Got - tes / daß du wandelſt in ſeinen Wegen / vnnd halteſt ſeine Sitten / Gebott / rechte Zeugniſſe / wie geſchrieben ſtehet / im Geſetz Moſe / auff daß du klug ſeyſt / in allem / das du thuiſt / vnd wo du dich hinwendeſt: Auff daß der HErr ſein Werck erwecke / das er vber mich geredet hat / vnd ge - ſagt: Werden deine Kinder jhre Wege behuͤten / daß ſie vor mir trewlich / vnd von gantzem Hertzen / vñ von gan - tzer Seele wandeln / ſo ſoll von dir nimmer gebrechen / ein Mann auff dem Stuel Jſrael.
Wie41Chriſtliche Leichpredigt.Wie ſich der liebe alte fromme Senior Tobias / ge -Tob. 4, 2. gen ſeinem lieben Son verhalten / das leſen wir / Tob. 4. Denn da derſelbe auch nicht anders vermeynete / als daß er ſterben wuͤrde / da ruffet er ſeinen Sohn / den jungen Tobiam zu ſich / vnnd gab jhm vor ſeinem Ende gar eine ſchoͤne / nuͤtzliche vnnd denckwuͤrdige Jnſtruction vnnd ſprach: Lieber Sohn / hoͤre meine Wort / vnd behalte ſie feſt in deinem Hertzen / wenn Gott wird meine Seele weg - nehmen / ſo begrabe meinen Leib / vnd ehre deine Mutter / alle dein lebenlang. Dencke dran / was ſie vor Gefahr außgeſtanden hat / da ſie dich vnter jhrem Hertzen trug / vnnd wenn ſie geſtorben iſt / ſo begrabe ſie neben mich. Dein lebenlang habe Gott fuͤr Augen vnnd im Hertzen / vnd huͤte dich / daß du in keine Suͤnde willigeſt / vnd thuſt wieder Gottes Gebott. Von deinen Guͤtern hilff dem Armen / vnd wende dich nicht von Armen / ſo wird dich Gott wiederumbgnaͤdig anſehen / wo du kanſt / ſo hilff dẽ Duͤrfftigen: Haſtu viel / ſo gib reichlich / haſtu wenig / ſo gib doch das wenige mit trewem Hertzen / denn du wirſt ſammlen einen rechten Lohn / in der Noht. Jm newen Teſtament haben auch die lieben alten Seniores, Zacha -Luc 1. 68. Luc. 2. 29. rias / Luc. 1. vnd Simeon / Luc. 2 gute nuͤtzliche Lehren / der lieben Poſteritet hinderlaſſen: Das iſt nun an alten Leuten ein beſonderer Schmuck / vnd ſchoͤne Zierde / wel - cher ſich nicht alleine alte Mannsperſonen / ſondern auch etliche Weibsperſonen befliſſen: Denn von der alten Großmuͤtter Naemi leſen wir / Rut. 4 daß ſie des ObedsRut. 4. Waͤrterin geweſen / vnnd ſoll billich aller Großmuͤtter Ampt ſeyn / wenn ſie numehr alt / vnd zu ſchwerer ArbeitFvnver -42Chriſtliche Leichpredigt. vnvermoͤgen ſeyn / ſollen ſie ſich jhrer Kindes Kinder gantz trewlich annehmen / dieſelben von allem Boͤſem abhalten / vnnd in der Furcht Gottes erziehen / das iſt das beſte Werck / das ſolche alte Muͤtterlein gegen jhrem Nechſten thun koͤnnen / vnnd alſo fuͤhren ſie auch die lie - ben Kinder vnſerm HErren Gott zu / welches der HErr Chriſtus von jhnen haben wil: Darumb als der H. A -Tim. 5. poſtel Paulus Ordnung machte / vnter denen altẽ Witt - wen / die von dem gemeinen Kaſten ſolten ernehret wer - den / ſpricht er vnter andern / daß man keine Wittwe dazu erwehlen ſoll / ſie habe denn ein Zeugniß guter Werck / daß ſie Kinder aufferzogen habe / vnd abermals am ſelben Ort ſpricht er: So eine Wittwe Kinder oder Naffen habe / ſolle ſie dieſelbigen lehren / jhre eygene Haͤuſer Goͤttlich regieren / vnnd den Eltern gleiches vergelten / denn das ſey wolgethan vnd angenehm fuͤr Gott / dann - hero lobet er auch deß Timothei Großmutter / die Loi - dem, daß ſie einen vngeferbten Glauben gehabt / ſaget auch / er ſey gewiß / daß ſolcher Glaube auch in dem Ti - motheo wohnen werde / ſonder Zweiffel daher / weil er von ſeiner Großmutter darinnen iſt vnterrichtet worden /2. Tim. 1 2. Tim. 1. Die fromme Mutter der ſieben Soͤhne / 2. 2. Mac. 7. 21.Macc. 7. die Antiochus / der grauſame Witterich vnnd Tyrann / vmb deß Vaͤtterlichen Geſetzes willen hinrich - ten ließ / die ließ es an trewer Ermahnung nicht man - geln / ſie gieng von einem Sohn zum andern / vnd ſprach jhm Troſt zu / ſonderlich aber bildet ſie jhnen wol ins Hertz / den Artickel von der Aufferſtehung der Todten / vnd ſprach: Jhr meine lieben Soͤhne / ich bin ja ewreMutter /43Chriſtliche Leichpredigt. Mutter / vnd habe euch gebohren / aber den Othem vnnd das Leben habe ich euch nicht gegeben / noch ewre Glied - maß alſo gemacht: Darumb ſo wird der / der die Welt / vnd alle Menſchen geſchaffen hat / euch den Othem vnd das Leben gnaͤdiglich wieder geben / wie jhrs jetzt vmb ſeines Geſetzes willen waget vnd fahren laſſet. An dieſen vnd dergleichen Exempeln ſollen ſich alle alte Leute be - ſpiegeln / vnnd allen muͤglichen Fleiß anwenden / daß ſie der lieben Jugend mit heylſamer Lehr vnnd Vnterwei - ſung vorgehen / vnd folgen dem Exempel deß lieben Da - vids / der ſich in vnſerm Text anerbeut / er wolle den Arm deß HErren verkuͤndigen / Kindes Kindern vnnd ſeine Krafft denen / die noch kommen ſollen. Vnd die nun ſol - ches thun / die werden gewißlichen auch der Verheiſſung Gottes / Gen. 15. theilhafftigwerden / vnd von jhm allerGen. 15. 15. gnaͤdigſt erlangen / 1. Senectutem bonam, langes Le - ben / vnd ein gutes Alter / 2. Tranquillam mortem, eine friedſame Hinfahrt auß dieſem Leben / 3. Sepulturam honeſtam, ein ehrliches Begraͤbniß / 4. Collectionem ad patres, die Verſammlung zu vnſern Vaͤtern / in cæ - tum ſanctorum Patriarcharum, zu der Gemeinſchafft der Heyligen ErtzVaͤtter / die in wahrem Glauben von hinnen geſchieden. Zu welcher allerheyligſten Geſell - ſchafft / vns allen auß Gnaden verhelffen woͤlle / Gott Vater / Gott Sohn / Gott heyliger Geiſt / die heylige vnd hochgelobte Dreyfaltigkeit / vbergebene - deyet in Ewigkeit / Amen / Amen.
WAs nun an jetzo von deß lieben Alters Stecken vnd Stab / vnnd in gemein von dem jnnbruͤnſtigen Hertzens Wundſch / deß lieben Davids / nach erzehlten vier membris iſt erklaͤret wor - den: Eben das koͤndten wir ſehr fuͤglichen ziehen vnd ac - commodiren / auff vnſere ſelig verſtorbene Adeliche Ma - tron / welche ſonderlich diß Senile votum lieb vnd wehrt gehabt / vnd in jhrem hohen Alter ſich mit David an die - ſen Stecken vnd Stab gelehnet vnnd geſiewret: Aber weil der lieben ſeligen Matronen Namen Eliſabeth / im heutigen Feſt Evangelio gefunden wird / von welcher der Engel Gabriel alſo ſagt: Eliſabeth gehet jetzt im ſechſten Monden: So wollen wir der lieben Frawen Eliſabeth von Bernſtein / totum curriculum vitæ, gantzes Leben auch nach ſechs vnterſchieden Monden anſchawen vnd betrachten / in Hoffnung / ein jeder Monat werde vns was denckwuͤrdiges andeuten: Denn ob wol die liebe ſe - lige Fraw ein ſehr hohes Alter / vnnd eben das acht vnd achtzigſte Jahr erlebet / ſo kan doch dieſe gantze Leb Zeit gar fuͤglichen in ſechs Monden ab vnd eyngetheilet wer - den. Vnd mag demnach der erſte Monat jhrer Lebe Zeit1. Menſis ge - nerationis & regenera - tionis. genand werden / Menſis generationis & regeneratio - nis. der Monat jhrer leiblichen Geburt / vnd Geiſtlichen Wiedergebuhrt. Jhre leibliche Gebuhrt anlangend / ſo iſt dieſelbe / eyngenommenem Bericht nach geſche - hen / im Land zu Meiſſen / auff dem Hauſe Gruͤna / imJahr45Chriſtliche Leichpredigt. Jahr nach Chriſti vnſers hochverdienten Heylandes Geburt / 1529. Jn dem Jahre iſt der deutſche Catechiſ -Nata 1529. mus Lutheri erſtlich im Druck außgegangen / darinnenLutheri Ca - techiſmus. vor die Jugendt vnnd dem gemeinen Mann die Haͤupt - Stuͤck / Chriſtlicher Lehre / mit jhren Außlegungen nuͤtz - lich zuſammen getragen vnd gefaſſet ſind. Jn dem JahreSchweiß - Kranckheit. ereyget ſich eine newe geſchwinde Kranckheit in Deutſch - Land / ſo man die Engliſche Sucht / oder die Schweiß - Kranckheit nennete / die den Leuten im ſchwitzen an kam / vnd in 24. Stunden lebendig vnd todt waren / daran v - beral viel tauſendt Menſchen ſturben. Jn dem Jahr / iſt den 3. Tag Octobris / das Colloquium zu Marpurg inGeſpraͤch zu Marpurg. Heſſen angangen: Denn nach dem Huldricus Zvvin - glius vnd Oecolam padius, eine jrrige Lehr vnnd Opi - nion vom Abendmahl deß HErrn Chriſti erreget / da - wieder D. Luther ſich gewaltiglich geleget / vnnd beyder - ſeits viel Buͤcher vnnd hefftige Streitſchrifften wieder einander außgiengen / hette Land Graff Philips zu Heſ - ſen / ſolchem Streit gerne Chriſtlich beygelegt / handelt derowegen mit dem Churfuͤrſten zu Sachſſen / vnnd den andern proteſtirenden Staͤnden / dergleichen auch mit den Schweitzern / daß ſie gegen Marpurg jhre Theolo - gen ſchickten / allda glimpfflich vnnd freundlich ſich mit - einander zu vnterreden vnd zu diſputiren, ob man end - lich zu einer Chriſtlichen Eynigkeit vnnd Vergleichung kommmen moͤchte / vnd die Schrifftliche Verbitterung nachmals verbliebe: Ob ſie ſich nun wol inn etlichen Haͤuptſtuͤcken der Chriſtlichen Lehre / eyntraͤchtiglich ver - glichen: So haben doch Zvvinglius vnd Oecolampa. F 3dius46Chriſtliche Leichpredigt. dius ſich nicht wollen laſſen weiſen / daß der wahre Leib vnd Blut deß HErren Chriſti im Abendmal ſey / ſie ha - ben auch vor jhren Kirchen / darinnen ſie den Jrrthumb Berengarij gepflantzet / nicht gedurfft / haben alſo auß Furcht der Menſchen / die Warheit verleugnet vnd nicht bekennen wollen. Die Theologi zu Wittenberg / haben die Schweitzeriſche Theologen nicht fuͤr jhre Bruͤder angenommen / auff daß ſie nicht dafuͤr angeſehen wuͤr - den / als billichten ſie jhre falſche Lehre / vnnd iſt Lutheri Beſtaͤndigkeit ſonderlich zu loben / der mit den Seeten vnd RottenGeiſtern nicht geheuchelt / colludirt, oder vnter einer Decke (wie dieſer Zeit jhr viel) gelegen hat. Nun eben in dieſem Jahr / iſt vnſere ſelige Matron auchParentes. gebohren. Jhr Herr Vater iſt geweſen / der weyland Ed - le Geſtrenge vnnd Ehrenveſte Juncker Hans Spiegel / auff Gruͤna / welcher drey vornehme / Adeliche vnd Rit - termeſſige Beſtallungen bedienet: Als 1. iſt er Chur - fuͤrſtlicher Saͤchſſiſcher Haͤuptmann zu Schlieben ge - weſen. 2. Darnach Koͤniglicher Mayeſtaͤtt in Denne - marck / beſtellter Rittmeiſter. Vnd 3. vors dritte / Roͤm. Key. May. beſtellter KriegsOberſter in Vngern / iſt a - ber in ſolchem Anzuge auff der Reyſe verſtorben. Jhre Fraw Mutter iſt geweſen / die Edle vnnd Ehrentugend - ſame Fraw Anna / gebohrne von Schleinitzen / auß demRegeneratio. Hauſe Jhanis Hauſen in Meyſſen. Dieſe jhre Chriſtli - che Eltern / haben ſie zu rechter Zeit zur heyligen Tauffe befoͤrdert / dahero ſie zum Zeugniß deſſen / den Nahmen Eliſabeth vberkommen: Eliſabeth heißt ſo viel / als GOTTES Ruhe / ein Hertz / das in GOTTESRaht47Chriſtliche Leichpredigt. Raht vnnd Willen beruhet / das inn allen Dingen Gott laͤßt walten / vnd mit dem Koͤnige David ſagt / außPſ 62. 2. & 3. dem 62 Pſalm: Meine Seele iſt ſtille zu Gott / der mir hilfft / denn er iſt mein Hort / meine Huͤlffe / mein Schutz / daß mich kein Fahl ſtuͤrtzen wird / wie groß er iſt. Auß die - ſen Worten entſtehet diß Symbolum:
Nomina ſunt omina, die Nahmen pflegen zu ahnen / vnd bringt offt ein guter Nahme / eine gute Art mit ſich / vnnd kan man auß deß Nahmens Bedeutung offt feine Erinnerung nemen / welches vnter andern an dieſer ſeli - gen Matronen ſich auch ereygnet / wie wir bald hoͤren werden. Vnd diß iſt ein Monat.
2. Hierauff folget vors andere / Menſis virginitatis2. Menſis virginitatis & honoris. & honoris, Jhr Jungfraͤwlicher Stand / vnd hochzeit - licher Ehren Tag: Denn nach dem ſie von jhren lieben Eltern / von Jugend auff zur Pietet vnd allen Gottſeli - gen Tugenden gewehnet vnnd gehalten worden / iſt ſie bald nach jhres Herrn Vatters ſeligen Abſterben / in das Churfuͤrſtliche Saͤchſſiſche Frawenzimmer nach Dor - ga / auff vnd angenommen worden / in welchem ſie ſich dermaſſen erwieſen / daß jhr Gott im 24. Jahr jhres Al - ters / eine vornehme Heyraht beſcheret / in dem ſie ſich mit dem Edlen Geſtrengen vnnd Ehrenveſten Juncker Matern von Bernſtein / damals Churfuͤrſtlichem Saͤch -ſiſchem48Chriſtliche Leichpredigt. Saͤchſiſchem HoffJunckern / in ein Chriſtliches Ehe - verloͤbniß eyngelaſſen / vnd nach mals zu Dorga ehlichesSleidanus lib. 24. Beylager gehalten / im Jahr 1553 Eben in dem Jahr geſchahe die Schlacht zwiſchen Hertzog Moritzen dem Churfuͤrſten / vnd Marggraff Albrechten: Denn beyde Heer lagen im Land zu Sachſſen nicht weit von einan - der. Vnd als Marggraff Albrecht vber die Weſer kam / traffen ſie am 9. Tag Junij nach mittage / mit aller Macht zuſam̃en / nach haͤfftigem ſtreiten behielte Chur - fuͤrſt Moritz mit ſeinen Reutern den Sieg vnd das Feld / er aber wurde auß einem Hand Rohr durch das Gewey - de geſchoſſen / vnd ſtarbe vber den andern Tag hernach. Vnd iſt zu Freyberg in Meyſſen / am 14. Tag nach ge - ſchehener Schlacht / bey ſeinem Herrn Vatern / Hertzog Heinrichen vnnd ſeinem Soͤhnlein Hertzog Albert be - graben worden / ſeines Alters im 32. Jahr. Der vnver - hoffte Tod gab hernach viel Verenderung / bey welcher dieſe ſelige Matron / neben jhrem lieben Junckern auch geweſen.
3. Menſis matrimoni - alis & labo - tis. 3. Auff dieſen Monat folget ferner der dritte / wel - cher Menſis matrimonalis & laboris mag genent wer - den. Der Monat jhres Eheſtandes vnd Weheſtandes: Denn mit jhrem ſeligen lieben Junckern / hat ſie 38. Jahr im Eheſtande gelebet / in welcher Zeit ſie nicht wenig mutationes erfahren. Nach ableiben Churfuͤrſt Mori - tzen / ward jhr Juncker der Churfuͤrſtlichen Saͤchſiſchen Frauwen Wittwen Amptmann oder Haͤuptmann zu Weiſſenfelß / nachmals iſt er Hertzog Johan Friedrichs zu Sachſſen deß Mittlern Hoffmeiſter worden / vnd weilſichs49Chriſtliche Leichpredigt. ſichs zu der Zeit ſeltzam anließ / vnnd der liebe Juncker leicht mercken kondte / wie es endlichen außlauffen wuͤr - de / hat er ſeine Beſtallung reſigniret, vnd ſich nach Lan - gen Lungkwitz begeben / allda er vnter die Wolgebohrnen Herren von Schoͤnburg gekaufft / vnnd ſich zu Ruhe begeben. Jn waͤhrendem Eheſtande / haben dieſe A - deliche Eheleute acht Kinder miteinander erzeuget / als drey Soͤhne vnd fuͤnff Toͤchter: Zweene Soͤhne vnnd eine Tochter / ſind bald in der Jugendt verſtorben / der dritte Sohn aber / iſt nach erlangtem Maͤnnlichem Al - ter zu Wien / als ein junger frewdiger Heldt vnd beſtall - ter Leutsnant / in Vngern vnverehlichet verſchieden / am Leben ſind noch vier Toͤchter. Vnter welchen Fraw Do - rothea / deß weyland Edlen / Geſtrengen vnd Ehrenveſten Juncker Henrichs von Binaw deß Eltern / auff Bahren / Schoͤnburgiſchen Haͤuptmanns zu Glauchaw / vnd deß Fuͤrſtlichen Saͤchſſiſchen Hoffgerichts zu Jehna / Aſſeſ - ſoris ſeligen / hinderlaſſene Wittwe / welche mit jhrem lieben ſeligen Junckern acht Kinder / als fuͤnff Soͤhne / vnnd drey Toͤchter erzielet / von denen jhr wiederumb fuͤnff vnd zwantzig KindesKinder gebohren.
2. Fraw Maria / deß Edlen Geſtrengen vnnd Eh - renveſten Caſparn von Hains auff Moderwitz / geliebte Haußehre.
3. Fraw Anna / deß weyland auch Edlen Geſtren - gen vnd Ehrenveſten Hanſen Sigißmunden von Bern - ſteins auff Behren / Claus Schurßdoꝛff vnd Borten ſe - ligen / nachgelaſſene Wittwe / welche neben jhrer ſeligen lieben Mutter / eine gute Zeit allhier bey vnſerer Chriſt -Glichen50Chriſtliche Leichpredigt. lichen Gemeine gewohnet. 4. Jungfraw Suſanna E - liſabeth von Bernſtein / ſo ingleichem allhier bey jhrer ſeligen Fraw Mutter ſich enthalten. Hat alſo 41. Kinder vnd KindesKinder vnnd KindesKindes Kinder erlebet. Hat nun dieſe ſelige Matron 38. Jahr im Eheſtande ge - lebet. 8. Kinder gezeuget vnnd erzogen / etliche mahl jhre Haußhaltung mutiren vnd endern muͤſſen / ſo wird es ge - wißlichen ohne Muͤh vnd Arbeit nicht abgangen ſeyn. Omnis thalamus calamus, der Ehſtand ein Weheſtand. Vnnd iſt ein elend jaͤmmerlich Ding / vmb aller Men - ſchen Leben / von Mutterleib an biß ſie in die Erden be - graben werden / die vnſer aller Mutter iſt / da iſt jmmer Sorge / Furcht / Hoffnung / vnd zu letzt der Todt / ſagt derSyr. 40. 1. weiſe Mann Syrach / Cap. 40.
4. Meuſis viduitatis & doloris. 4. Vors vierdte / ſo hat ſich bey dieſer ſeligen Ma - tronen auch ereygnet / Menſis viduitatis & doloris, der trawrige vnd ſchmertzliche WittwenStand. Denn im Jahr 1591. den 13. Februarij / hat jhr lieber Juncker ſein Leben zu Glauchaw geendiget / vnd iſt daſelbſt mit Chriſt - lichen Ceremonien begraben worden. Hat alſo gantzer 26. Jar im WittwenStande leben vñ ſchweben muͤſſen. Der Prophet Jer. beklaget in ſeinẽ Klagliede / die ſchreck - liche Zerſtoͤrung der Statt Jeruſalem / vnnd vergleichet ſolchen Jammer mit dem Wittwen Stand / vnd ſpricht: Wie ligt die Statt ſo wuͤſte / die voll Volcks war? Sie iſt wie eine Wittwe / die eine Fuͤrſtin vnter den Heyden / vnd eine Koͤnigin in den Laͤndern war / muß nun dienen. Es iſt ein klaͤglich Bild / deß Menſchen Leib ohne Haͤupt zu ſehen / ſo iſt es noch viel elender vmb eine Wittwe / ſojhres51Chriſtliche Leichpredigt. ſo jhres Haͤupts / Troſtes / Huͤlff / ꝛc. durch den Abſchied deß Ehemannes beraubet wird. Jn Summa / Wittwen - ſtand / betrawerter Stand / nicht allein bey Armen / ſon - dern auch bey Reichen. Zum Troſt aber vnd Vorſorg / aller Gott liebenden Wittwen vnnd Waͤiſen / gehoͤren die herrlichen Exempla der Goͤttlichen Schrifft / in wel - chen zu ſehen / wie Gott der HErr ſeinem Wort vnd Zu - ſage wircklich iſt nachkommen an den Elenden / 1. Reg. 17. 2. Reg. 4. Die loͤbliche Geſchicht von der tugendſa -1. Reg. 17. men Wittwen Judith / iſt ein recht Wittwenſpiegel / dar -2. Reg. 4. liber ludith. innen all jhr Leben / Vnterhaltung vnd Troſt / deutlich verfaſſet wird / mit welchen Exempeln ſich dieſe Wittwe auch getroͤſtet.
5. Vors fuͤnffte folget Menſis crucis & lucis, der5. Menſis crucis & lu - cis. Monatjhres Chriſtenthumbs / welches beruhet in ver - bo crucis & lucis, in der Anfechtung vnnd Goͤttlicher Erquickung: Denn gleich wie es zwiſchen Eltern vnnd Kindern in dieſem Leben ergehet: So gehet es auch in Gottes Gerichte zwiſchen Gott vñ vns / wie man ſpricht: Je lieber Kind / je ſchaͤrffer Ruhten / dannhero haben auch die allerheyligſten vnnd liebſten Kinder Gottes all - zeit vmb die zeitliche Ruhte vnd Straff / in dieſem Leben gebeten: Gott wolle jhnen hier jhre Suͤnde abnehmen / vnd die Straffe nicht dorthin ſparen: Denn ſo betet der Prophet Jeremias / Cap. 10. Zuͤchtige mich HErr / dochIet. 10. 24. mit maſſen / vnd nicht in deinem Grimm / auff daß du mich nicht auffreibeſt. S. Auguſtinus pflegte alſo zu beten:
G 3Vre52Chriſtliche Leichpredigt /Schlage hier vnnd ſtraffe hier / ſchone nur dort in der E - wigkeit. Vmb der Suͤnde willen muͤſſen wir geplaget werden. Weil denn dieſe Matron auch eine arme Suͤn - derin geweſen / ſo hat ſie deß Creutzes nicht koͤnnen vber -Teſtimont - um Chriſti - aniſmi. haben ſeyn / zeit jhres Lebens. Sie iſt aber eine rechte buß - fertige Suͤnderin geweſen / welche jhre Suͤnde erkendt vnd bekendt / hertzlichen berewet / vnd Gott vmb gnaͤdige Vergebung der Suͤnden gebeten / welches daher abzu - nemen / weil ſie in die 23. Jahr / die ſie allhier zu Gera bey vns geweſen / eine fleiſſige Zuhorerin Goͤttliches Worts geweſen / die Predigten mit fleiß / ſo lang ſie hat koͤnnen zu Weg vnd Steg gehen / beſucht / vnd offt vñ viel das hey - lige hochwuͤrdige Abendmal / zu Staͤrckung jhres Glau - bens gebrauchet / ſich mit Gottes Wort getroͤſiet / vnd jh - ren Erloͤſer vnd Seligmacher Chriſtum Jeſum erkandt vnd bekandt / jhre Hoffnung vnnd Zuverſicht allein auff jhn geſetzet: Auch ſonſten die Fruͤchte deß Glaubens her - fuͤr leuchten laſſen. Gewißlichen wird eyniger Menſch nit zufinden ſeyn / den dieſe ſelige Fraw beleydiget / ſie iſt gantz ſtill vnd einſam geweſen / vnnd ſich dermaſſen all - hier in dieſer Gemeinde verhalten / daß maͤnniglich jhr ein gutes Lob ertheilen kan.
6. Menſis: ſenectutis & mortis. 6. Endlichen vnd vors ſechſte / der ſechſte Monat mag genendt werden / Menſis ſenectutis & mortis, jh - res Alters / vnd Sterb Monat: Denn ſie hat ein ehrli - ches vnd hohes Alter erlebet / Nemlich / das acht vnd ach - tzigſte Jahr / welches vbertrifft den terminum vitæ, vonwel -53Chriſtliche Leichpredigt. welchẽ Moſes im 90. Pſalm ſaget: Vnſer Leben waͤhretPſ 90. 12. 70. Jahr / vnnd wenns hoch koͤmpt / ſo ſinds 80. Jahr / vnd wenns koͤſtlich geweſen / ſo iſt es Muͤh vnnd Arbeit geweſen: Denn es faͤhret ſchnell dahin / als floͤgen wirQuid eſt diu vivere, niſi diu torque - ri? davon. Gleich aber wie das liebe Alter nicht ohne Be - ſchwer / alſo hat die ſelige liebe Fraw ſolches auch befun - den / in dem ſie faſt 6. Jar nit mehr hat koͤnnen auß vñ in die Kirchen zur oͤffentlichen Verſammlung gehen. Sie hat zu Hauß jhre ſondere HaußKirche angerichtet / ſelbſt fleiſſig geleſen / vnd jhre beyde juͤngſten Toͤchter vor leſen laſſen / ſo hat ſie auch jhre Quartal Rechnung richtig ge -Irænæus. Corpora noſtra Eu - chariſtiam percipientia non ſunt corruptibi - lia, ſed per - petua. & ſpem reſur - rectionis vi - vam haben - tia. halten / jhre Suͤnde gebeichtet / ſich mit Gott verſoͤhnet / das H. Abendmahl andaͤchtiglich vnd wuͤrdig empfan - gen / vnd damit ſich taͤglichen zu einer ſeligen Hinfahrt præpariret vnd bereitet: Mit hertzlicher Andacht hoͤrete ſie vns Predigern zu / vnd wuͤndſchte / daß wir offt vnnd viel auß Gottes Wort mit jhr reden moͤchten / ſonder - lich haben jhre lieben Kinder ſie in jhrem Alter vnnd letz - ten Niederlage trewlich vnd wol gewartet / welche Trew der liebe Gott mit zeitlichem vnd ewigem Segen jhnen vergelten wolle. Jn jhrer Niederlage iſt die liebe Fraw ſehr geduldig geweſen / vnnd alle wege jhren Willen in Gottes gnaͤdigen Willen geſetzet / fleiſſig gebehtet / vnnd die ſchoͤnſten Macht vnd Krafft Spruͤcht mit Andacht nachgeſprochen / vnd ſich vnſerm lieben Gott zu Leib vnd Seel befohlen / welcher auch zu rechte kommen / vnd ſie gantz gnaͤdig entbunden / vnd jhr ein ſeliges ſanfftes En - de auß Gnaden verliehen / alſo / daß jhr Tod kein Todt /G iijſon -54Chriſtliche Leichpredigt. Hiſtoria Lombardi - ca. ſondern nur ein Schlaff kangenent werden. In Lombar - dica hiſtoria, fangen jhr zweene eine Diſputation an / vnd befragen ſich / welcher vnter dieſen beyden hoͤher zu achten / Johannes der Taͤuffer / oder Johannes / der H. Evangeliſt vnnd Apoſtel: Der eine legte ſich auff denMatth. 11. 21. Spruch Chriſti / Matth. 11. Warlich ich ſage euch / vn - ter allen die von Weibern gebohren ſind / iſt nicht auff - kommen / der groͤſſer ſey / denn Johannes der Taͤuffer: Der andere legte ſich auff den EhrenTittel deß heyli - gen Evangeliſten Johannis / weil er genendt wird der Juͤnger / welchen der HErr Jheſus geliebet / der geliebteIoh 13. 23. Juͤnger deß HErren / Johan. 13 Vnd daß eben jhm / vnd keinem andern der HErr Jeſus ſeine Mutter MariamIoh. 19. 26. zu trewer Pflege befohlen / Johan. 19. Aber es ſollen end - lichen beyde Johannes dieſen Diſceptanten im Traum erſchienen ſeyn / vnd ſie alſo angeredet haben: Bene con - cordes ſumus in cælis, de nobis non diſputetis in ter - ris: Wir ſind beyde im Himmel eynig / vnſert halben duͤrfft jhr euch in der Welt nicht beiſſen noch zancken. Al - ſo wenn wir eine Diſputation wolten halten / ob die alte verlebte Eliſabeth im heutigen Evangelio Johannis deß Taͤuffers Mutter / oder vnſere ſelige Fraw Eliſa - beth von Bernſtein hoͤher zu achten: Muͤſten wir zwar bekennen / daß die Mutter Maria einen groſſen Vorzug habe: Aber ſie moͤchten vns auch wol alſo beantworten: Bene concordes ſumus in cælis de nobis non diſputa - tis in terris: Wir ſind beyde im Himmel / vnd genieſſen der ewigen Frewde / welches gar gnugſam / ob gleich einsvor55Chriſtliche Leichpredigt. vor dẽ andern eine beſondere præeminentz hat. Deßwe -Da patien - tem animũ pater alme animæq; ſalutem. gen ſo laſt vns darnach trachten / wie auch wir an den ſe - ligen Ort gelangen moͤgen. Die aber ſolches von Her - tzen wuͤndſchen vnd begehren / vnnd endlichen mit Fried vnd Freud ex terrâ morientium in terram viventium,Pſ. 27. 13. & 116. 9. auß dieſem ſuͤndlichen vnd ſterblichen Leben / in das Land der Lebendigen zu wallen gedencken / die erſuchen die Goͤttliche May. mit einem andaͤchtigen Gebeth / vnd ſprechen mit mir zum Beſchluß ein glaͤu - biges Vater vnſer alſo:
‘Vater vnſer / der du biſt im Himmel / etc. ’ ()‘SoLIDeo opt. MaXV. gLorIa. ’ ()CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
Fraktur
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