PRIMS Full-text transcription (HTML)
[1]
Leichpredigt
Bey der Chriſtlichen Begrebniß Der Edlen ehr vnd Tugendreichen Fraw Maria Schorerin von Augſpurg / Des Ehrnfeſten vnd Kunſtreichen Herrn Hans Heinrich Koben Haupts von Straß - burg / Goltſchmiedes vnd EdelgeſteinSchnei - ders Ehelichen Hausſrauen. Gethan zu Krommaw in Boͤhmen
Gedruckt zurLiegnitzdurchNicolaum Schneider.
[2]
Dem Ehrnfeſten vnd Kunſtreichen Herren Hans Heinrich Koben Haupt / Fůrſtlichen Roſen - bergiſchen Hoffgoldſchmid vnd EdelgeſteinSchnei - der zu Krommaw in Boͤhmen / Meinem freund - lichen lieben Herrn Gevatter. Gnad / Fried / troſt vnd ſegen von Gott durch vn - ſern HErrn JEſum Chriſtum bevor.

GEliebter Herr Gevatter / auff Euer viel - faltiges vnd fleiſſiges muͤndliches vnd ſchrifftliches bitten vnd anſuchen / habe ich endlich die Chriſt - liche LeichPredigt / welche ich Eurer hertzlieben Ehege - noſſin Meiner guͤnſtigen Fraw Gevatterin / in Gott ruhen - den / gethan / zum druck verfertiget / damit jhr fur euer Per - ſon hieraus gewiſſen troſt / neben anderm bericht Goͤttliches worts / ſchoͤpffen moͤget / dieſen ſchmertzlichen vnfall dem All - mechtigen Gott / der euch euer liebe Haußfraw ſelbſt von euer ſeiten hinweg / durch den zeitlichen Tod geriſſen hat / Nichts anders als wie eim Weber ein fadem im Werfft abreiſſet / zu befehlen / Darnach auch / damit euer liebſten HaußEhr trew - hertziges Geſchwiſter vnd Blutsfreunde zu Augſpurg / ein ge - wiſſes zeugnis hetten / welches jhrer lieben Schweſter vnd Blutsfreundin / jhres Chriſtlichen Glaubens vnd lebens / fol - gends auch jhres ſeligen abſcheidens halben / vor einer Chriſt - lichen verſamlung offentlich vñ glaubwirdig gegeben worden / Endlichen auch auf das dieſelbten hieraus ſpuͤren vñ mercken koͤndten / es habe jrer liebe Schweſter vñ freundin auch in der frembde / vnd von jhrem hochberuͤmbten Vaterlande weit ab - gelegenem ort / nicht an wartung / in der kranckheit / nicht am troſt im ſterben / nicht an ehrlicher beſtattung zur Erden / nach jhrem Tode gemangelt / Bitte derhalben wollet dieſe gering - ſchetzige arbeit zu freundlichem gutten willen von mir ange - nomen haben. Jch thue euch hiemit Goͤttlichem ſchutz vnd verwarung / ſambt euren hertzlieben Kinderlin entfehlen.

Andr. Baudiſias.

[3]
Lucæ am X. V Nd der HErr JEſus wand - te ſich zu ſeinen Juͤngern vnd ſprach inſonderheit: Selig ſind die augen / die da ſehen / das jhr ſehet / Deñ ich ſage euch / viel Propheten vnd Koͤnige wolten ſehen / das jhr ſehet / vnd habens nicht geſehen / vñ hoͤren das jhr hoͤret / vnd habens nicht gehoͤret.

GEliebten im HERRN Chriſto / nach dem wir abermals in dieſer betruͤbten vnd hoch - gefehrlichen zeit eine furnehme Chriſtliche Per - ſon vnd Gottſelige Haußmutter / als nemlich / die Edle / Ehr vnd tugendreiche Fraw Maria Schorerin / eine Geſchlechterin von Augſpurg / Des Ehrnfeſten vnd Kunſtreichen Herrn Hans Heinrich Koben Haupts von Straßburg / Goldſchmiedes vñ Edelgeſteinſchneiders / Eheliche / hertzliebe Haußfraw zur Erden beſtatten ſol - len / Vnd aber ich inſonderheit von jetzo gedachter vnd mit Tode verblichener Frauen geliebtem vnd betruͤbtem Haußwirt / meinem freundlichen lieben Herrn Gevat - ter / vnd auch von derer in Gott eingeſchlaffenen Ma -A ijtron /[4]tron / meiner guͤnſtigen Fraw Gevatterin ſelbſt / als ich ſie in jhrer vorgefallenen leibes ſchwachheit beſucht / vnd mit Gottes wort getroͤſtet / zum allerhoͤchſten vnd fleiſ - ſigſten vmb eine Chriſtliche Leichhredigt / bey jhrer Se - pultur vnd begrebniß zu thun / bin angelanget vnd gebe - ten worden / deſſen ich mich / weil es je nach Gottes vn - wandelbahrem willen dieſe wege erreichet / vngeachtet / das es mir der zeit kuͤrtze vnd vnbequemikeit / auch ande - rer Amptsgeſcheffte verrichtungs wegen / wes beſchwer - lich auf den heutigen Sontag vorgefallen / in keinerley weiſe habe verwiedern ſollen noch wollen / Habe derhal - ben das abgeleſent kurtze Spruͤchlin zu handeln durch verleihung Goͤttlicher gnaden fur mich genommen / vnd ſolches darumb / das vns daſſelbte im heutigen Ev - angelio / vom Sohne Gottes ſelber vorgetragen / vnd zubetrachten vorgeſtellet wird / Solches auch der nun mehr in Got ruhenden Fraw Maria Schorerin / ſo lieb vnd anmuttig geweſen / das ſie es auch in jhr handbuͤch - lin vnd tegliche verzeichnung furnehmer lehr vnd troſt - ſpruͤche / Altes vnd Neuen Teſtaments einverleibet / vnd mit eigener hand aufgeſchrieben / ſich auch mit dieſem vñ andern / beides im leben vnd im ſterben hoͤchlichen getroͤ - ſtet hat / Endlich / weil ſichs auch zu vnſerm gegenwerti - gen furhaben ſehr fein vnd wol ſchicket / Denn es lehret kurtz vnd rund / welches die rechte / ware ſeligkeit ſey / dar - nach ein Chriſtglaubiger menſch in dieſem leben embſig ſtreben / vnd darauff einer auch mit fried vnd freud ab - drucken / vnd im HERRN ſanfft vnd ſelig von dieſer welt abſcheiden vnd einſchlaffen moͤge. Wil derhalbenbey[5]bey verhandlung dieſes Spruͤchlins von dieſem einigen Puͤnctlin Eure Chriſtliche liebe lehren vnd berichten: Welches die ware Seligkeit der Kinder Gottes ſey / vnd worinnen ſie beſtehe. Der Himliſche Vater verleihe vns ſeines heiligen Gei - ſtes gnade darzu / vmb Chriſti willen / Amen.

Es meldet der heilige Evangeliſt Lucas /

JEſus wandte ſich zu ſeinen Juͤngern vnd ſprach inſonderheit / Selig ſind die au - gen / dieda ſehen / das jhr ſehet / Denn ich ſage euch / viel Propheten vnd Koͤnige wolten ſehen / das jhr ſehet / vnd habens nicht geſehen / vnd hoͤren das jhr hoͤret / vnd habens nicht ge - hoͤret. ()

Vnd Matth. am 13.

Aber ſelig ſind eure augen / das ſie ſehen / vnd eure ohren / das ſie hoͤren / Warlich ich ſa - ge euch / viel Propheten vnd gerechten haben begehret zu ſehen / das jhr ſehet / vnd habens nicht geſehen / vnd zu hoͤren / das jhr hoͤret / vnd habens nicht gehoͤret. ()

Mit welchen worten der HERR Chriſtus ſeine Juͤnger vnd zuhoͤrer / vnd vns alle lehret / welches die al - ler gluͤckſeligſten Menſchen ſein / Welches auch die recht -A iijware[6]ware Seligkeit ſey / vnd worinnen dieſelbigt beſtehe / das nemlich dieſes ſelige Menſchen ſein / welche ſolche augen haben / die da Chriſtum ſehen / vnd welche ſolche ohren haben / die da Chriſtum hoͤren / Das demnach die ware ſeligkeit nicht beſtehe in geld vnd gutt / groſſer Ehr vnd pracht / reichthumb vñ herrligkeit / vielweniger in euſſer - lichem Leiblichen ſehen vnd hoͤren / ſondern viel mehr in ſolchem ſehen vnd hoͤren / welches die Apoſtel vñ Juͤnger des HErrn Chriſti gehabt haben.

Was haben denn die heiligen Apoſtel vnd Juͤnger des HERRN Chriſti geſehen? Was haben ſie gehoͤ - ret? Hierauff nembt dieſen beſcheid vnd antwort.

Erſtlich haben ſie erlebt vnd geſehen die zeit des Neuen Teſtaments angehen / in welcher Gott ſeinen Sohn geſand hat / geboren von einem Weibe / vnd vnter das Geſetze gethan / auff das Er die ſo vnter dem Geſetz waren / erloͤſete / wie S. Paulus zun Gal. 4. von der - ſelbigen zeit redet / Jn welcher auch das Evangelium võ Chriſto / in der gantzen weiten welt / beide denen von der Beſchneidung vñ denen von der Vorhaut / iſt geprediget worden / Von welcher 1. Tim. 3. geſchrieben ſtehet / Kuͤndlich gros iſt das Gottſelige geheimniß / Gott iſt offenbaret im Fleiſch / gerechtfertiget im Geiſt / erſchie - nen den Engeln / Geprediget den Heiden / gegleubet von der Welt / auffgenommen in die herrligkeit.

Zum andern haben ſie geſehen vnd gehoͤret S. Johannem den Teuffer / von welchem die Propheten / Malachias am 3. vnd 4. Cap. vnd der Prophet Eſa -ias am[7]ias am 40. cap. geweiſſaget haben: Siehe ich ſende meinen Engel fur dir her / der da bereite deinen weg fur dir. Es iſt eine ſtimme eines Predigers in der wuͤſten / bereitet den weg des HErren / macht ſeine ſtege richtig / Matt. 3. Mar. 1. Sie ſind S. Johannis Schuͤler vñ Juͤnger auch geweſen / nachmals aber ſind ſie Jeſu nach - gefolget / wie Joh. 1. bezeuget wird / Sie haben gehoͤret / was Er im gemein alles volck gelehret / vnd wie Er in - ſonderheit die Phariſeer vnd Saduceer / die Zoͤllner vnd Kriegesleute / mit ſcharfſen worten ernſtlich geſtraffet vnd vermanet hat / Sehet zu / thut rechtſchaffene fruͤcht der buſſe / Sie haben gehoͤret / wie er von Chriſto gepre - diget hat / Es koͤmmet einer nach mir / der iſt ſter - cker denn ich / dem ich nicht gnugſam bin / das ich mich fur jhm buͤcke / vnd die Riemen ſeiner Schuch aufloͤſe / Jch teuffe euch mit waſſer / aber Er wird euch mit dem heiligen Geiſt teuffen / von welchem er auch zeuget / vnd ſpricht: Siehe das iſt Gottes Lamb / welches der welt ſuͤnde tregt. Sie habens auch geſehen / wie S. Johan - nes mit waſſer zu teuffen am Jordan angefangen hat.

Zum dritten / haben ſie geſehen vnd gehoͤret / den verheiſſenen Heiland der Welt / den HErrn Chriſtum im fleiſch vnd angenomener Menſchlichen Natur auff erden herumb wandeln / haben jhn fur den rechten Meſ - ſiam erkant / gegleubet vnd angenommen / Wie S. An - dreas zu ſeinem Bruder ſagt / Joh. 1. Wir haben den Meſſias funden / vnd fuͤhret jhn zu JEſu / Vnd wie Philippus zu Nathanael / dem rechten Jſraeliten / in welchem kein falſch war / mit groſſen freuden vnd fro -locken[8]locken ſaget: Wir haben den funden / von welchem Moſes im Geſetz / vnd die Propheten geſchrieben haben / JEſum Joſephs Sohn von Nazareth. Sie haben ſei - ne wunderſchoͤne Predigten gehoͤret / die Er zu Land vnd Waſſer gethan / in welchen Er das Geſetz erkleret vnd das Evangelium von dem Reich geprediget hat / Sie haben auch ſeinen heiligẽ wandel geſchẽ / Sie haben vber dieſes ſeine Miracul vnd wunder geſehen / dardurch Er ſeine herrligkeit geoffenbaret hat / dadurch ſie auch zum waren glauben an Jhn ſind gebracht worden. Sie haben geſehen / wie man zu Jhm allerley Krancken / mit mancherley ſeuchen vnd qual behafftet / gebracht hat / die beſeſſenen / die Monſuͤchtigen / vnd die gichtbruͤchigen / wie Er ſie auch alle geſund gemacht / vnd allerley ſeu - chen vnd kranckheiten im volck geheilet hat. Sie haben vnter andern geſehen / das erſte groſſe wunderwerck / welches er zu Cana in Galilea gethan / da Er ſchlechtes natuͤrliches vnd gemeines Waſſer / (welches ſie auch ſelber geſchoͤpffet / vnd in die verordneten Waſſerkruͤge gegoſſen hatten) zu einem koͤſtlichen / wolſchmeckenden reinem vnd geſundem Wein gemacht hat. Sie ha - ben geſehen / wie Er der Blinden augen auffgethan / als des armen Bartimæi / der am wege bey Jericho ſaß / Luc. 18. Matth. 20. Marc. 10. vnd des blindgebor - nen Joh. 9. Sle haben geſehen / wie Er den verſtorbe - nen juͤngling zu Nain / vnter dem Stadthor / Luc. 7. Item / des Schulmeiſters zu Capernaum Toͤchterlin / Matth. 9. Marc. 5. Luc. 8. Jtem / Lazarum / Ma - ria vnd Martha Bruder zu Bethanien / da er ſchon bißin vierden[9]in vierden tag im grabe gelegen / durch ſein allmechtiges wort vnd Goͤttliche krafft von todten aufferwecket hat / Joh. 11. Sie haben ſeine Himliſche verklerung auff dem berge Thabor geſehen / vnd die ſtimme des Himli - ſchen Vaters von Jhm gehoͤret: Diß iſt mein lieber Sohn / an dem ich wolgefallen hab / den ſolt jhr hoͤren / Matth. 17. Marc. 9. Luc. 9. Darumb auch S. Joh. 1. cap. bekennet: Wir ſahen ſeine herrligkeit / die herrligkeit als des eingebornen Sohns vom Vater / das iſt / wir haben geſehen / wie Er Todten aufferwecket / vnd ſelbſt von Todten aus eigener krafft vnd macht auffer - ſtanden / vnd der Erſtling worden vnter denen die da ſchlaffen / 1. Cor. 15. Wir haben Jhn geſehen 40. tage lang nach ſeiner aufferſtchung / (Act. 1.) auff das wir gewis weren / vnd gleubten / das Er der ſey / wel - cher der gantzen welt ſuͤnde tregt / vnd den tod im Steg verſchlungen hat ewiglich / Schenckt vnd giebt den hei - ligen Geiſt / gerechtigkeit vnd leben denen / die an ſeinen Namen gleuben. Wie denn auch dergleichen / 1. Joh. 1. zubefinden / Das da von anfang war / das wir gehoͤ - ret haben / das wir geſehen haben mit vnſern augen / das wir beſchauet haben / vnd vnſere hende betaſtet haben vom wort des Lebens / was wir geſehen vnd gehoͤret ha - ben / das verkuͤndigen wir euch / denn wir haben nicht den klugen Fabeln gefolget / da wir euch kundt gethan haben die krafft vnd zukunfft vnſers HErrn JEſu Chriſti / ſondern wir haben ſeine herrligkeit ſelber geſehen / da Er empfieng von Gott dem Vater ehre vñ preis durch eine ſtimme / die zu jhm geſchach / von der groſſen herrligkeit /B2. Petri 1.[10]2. Petri 1. Sie haben Jhn geſehen in ſeinem herrlichen Triumph gen Himmel fahren / Act. 1. Mar. 16. Sie haben ſeine Goͤttliche mildikeit in ſichtbahrer auß - giſſung des heiligen Geiſts empfunden / Act. 2.

Zum vierden / ſo ſind ſie auch durch ſolches ſehen vnd hoͤren zum waren glauben an Chriſtum kommen / vnd alſo haben ſie rechtſchaffener vnd Geiſtlicher weiſe / CHriſtum geſehen / Chriſtum gehoͤret / in welchem wir haben heil / leben vñ ſeligkeit / Wie dann jhre eigene Con - feſsiones vnd bekantniſſen lauten / Matth. 16. Du biſt Chriſtus / des ſebendigen Gottes Sohn / Vnd Joh. 6. antwortet Simon Petrus: HERR / wo hin ſollen wir gehen? Du haſt wort des ewigen lebens / vnd wir habens gegleubet vnd erkant / das Du biſt Chriſtus der Sohn des lebendigen Gottes.

So iſt nu diß die ware Seligkeit Chriſtgleubiger Menſchen / Den Sohn Gottes ſehen / den Sohn Gottes hoͤren / Denn die jenigen / welche den Sohn Gottes ſehen vnd hoͤren / die ſind nach dem ſententz vnd vrtheil des HERRN Chriſti fur rechte ſe - lige Leute zu halten / Daraus folget nun / das die / welche Chriſtum nicht ſehen noch hoͤren / vnſelige vnd verworf - fene Leute ſein.

Es folget auch hieraus / das kein fleiſch durchs ge - ſetzes werck fur Gott gerecht werde / wil geſchweigen / das jrgend ein Menſch / durch eigene froͤmigkeit / heiligkeit vnd verdienſt / die gerechtigkeit vnd das ewige leben er - langen vnd ererben ſolte.

Endlich[11]

Endlich auch / das der HERR Chriſtus auff zweierley weiſe geſehen werde / entweder in dieſem / oder im andern leben / Jn dieſem leben wird Er wiederumb auff zweierley weiſe geſehen / Entweder Leiblich vnd Geiſtlich zugleich / oder aber Leiblich allein / oder Geiſtlich allein. Leiblich vnd Geiſtlich zugleich haben den HERRN Chriſtum geſehen die Hirtten / in der Bethlehemitiſchen gegend / welche auch vmb diß alles / was ſie geſehen vnd gehoͤret / Gott gelobet vnd gepreiſet haben / Luc. 2.

Alſo haben die Weiſen aus Morgen Land den neu - gebornen Koͤnig der Juden zu Bethlehem im Stalle geſehen / vnd angebetet / Matth. 2.

Alſo hat Jhn der Altvater Simeon geſehen / denn er hat nicht allein das Kindlein JEſum auff ſeine ar - men genommen zu Jeruſalem im Tempel / ſondern er hat diß Kind zugleich fur den Heiland der Welt / er - kant vnd bekant / denn ſo lauten ſeine wort / Luc. 2. HERR nu leſſeſtu deinen Diener im friede fahren / wie du geſagt haſt / denn meine augen haben deinen Hei - land geſehen.

So hat Jhn Zachæus der Zoͤllner / der ſonſt von perſon klein war / bey Jericho auf eim Maulbeerbaum / vnd darnach in ſeinem Hauſe geſehen / alſo das der HERR Chriſtns ſein ſehen ruͤhmt vnd preiſet / da Er ſagt: Heute iſt dieſem Hauſe heil wiederfahren / ſin - temahl er auch Abrahams Sohn iſt / denn des Men - ſchen Sohn iſt kommen zu ſuchen vnd ſelig zu machen / das verlohren iſt / Luc. 19.

B ijVnd[12]

Vnd dieſes anſchauen vnd ſehen des HERREN Chriſti / iſt obernandten Perſonen ſehr heilſam geweſen / denn ſie haben Chriſtum nicht mit euſſerlichen vnd leib - lichen augen geſehen / ſondern zugleich mit den augen des hertzens / Welches denn auch an der armen ſuͤnderin wol warzunehmen / Luc. 7. die des HERren Chriſti fuͤſſe mit threnen netzete / vnd mit den Haaren jhres Haupts abtrucknet / Welcher bald hierauff der Sohn Gottes / das wort der troͤſtlichen Abſolution verkuͤndi - get / da Er ſpricht: Dir ſind deine ſuͤnden vergeben / Jtem / dein glaub hat dir geholffen / gehe hin mit frieden. Wie denn auch der Sohn Gottes / Joh. 5. Hoͤren vnd Glauben zu ſammen ſetzet / da Er ſpricht: Wer mein Wort hoͤret / vnd gleubet dem der mich geſand hat / der hat das ewige leben.

Leiblich allein hat Chriſtum der meiſte theil deß Juͤdiſchen volcks geſehen / welchen es aber nichts genutzet hat / denn das Leibliche anſehen Chriſti hilfft vnd nuͤtzet nichts / wo nicht der glaube an Chriſtum dazu koͤmbt / wie an dem Koͤnige Herode / an Hannas / vñ Caiphas / an dem Roͤmiſchen Landpfleger Pontio Pilato / an den Phariſeern vnd Schrifftgelehrten / an Juda dem Ver - raͤhter / an den Kriegesleuten / welche Chriſti Kleider vnter ſich getheilet / vnd an den zuſehern ſeiner Creutzi - gung / die ſeiner noch dazu ſpotteten / zu ſehen iſt. Dieſer vnd vieler ander Exempel beweiſen / das Chriſtum ohne glauben allein leiblich ſehen / nichts diene zur ſeligkeit.

Geiſtlicher weiſe aber ſicht Chriſtum ein jeder / ſo an Jhn gleubet / denn alſo legts der HERR Chriſtus ſel -ber aus /[13]ber aus / Joh. 3. Wie Moiſes in der wuͤſten eine Schlange erhoͤhet hat / alſo muß des Menſchen Sohn erhoͤhet werden / auff das alle die an jhn gleuben nicht verloren werden / ſondern haben das ewige leben. Alſo hat Jhn Abraham geſehen / wie Joh. 8. geſchrieben ſte - het: Abraham euer Vater ward fro / das er meinen tag ſehen ſolte / vnd ſahe jhn / vnd freuet ſich. Vnd der heilige Ertzvater Jacob ſaget / Gen. 32. Vidi Domi - num & ſalva facta eſt anima mea. Jch habe Gott von angeſicht geſehen / vnd meine Seele iſt geneſen.

Alſo ſehen wir Chriſtum heutiges tages / ſo viel vnſer an jhn von hertzen glauben / denn in Chriſto beſte - het der grund vnſer ſeligkeit / wie S. Paulus zeuget 1. Cor. 3. Einen andern grund kan zwar niemand le - gen / auſſer dem / der geleget iſt / welcher iſt JEſus Chri - ſtus / Denn es iſt in keinem andern heil / es iſt auch kein ander Name den Menſchen gegeben / darinnen wir ſol - len ſelig werden / Act. 4. Darumb zeugen von dieſem alle Propheten / das durch ſeinen Namen buſſe vnd ver - gebung der ſuͤnden empfahen ſollen / alle / die an Ihn gleuben / Act. 10. Denn allein der Glaube thut es / der Chriſtum heilſam ſiehet vnd hoͤret / Joh. 3. Wer an den Sohn gleubet / der hat das Ewige leben / Wer dem Sohn nicht gleubet / der wird das leben nicht ſehen / ſondern der zorn Gottes bleibet vber jhm. Ha - bacue am 2. Der gerechte wird ſeines Glaubens le - ben. So foͤrdert nun das Leibliche ſehen Chriſti allein nicht zur ſeligkeit / ſonſt muͤſten alle Gottloſe vnd ver - dampte Menſchen / die ſolcher geſtalt Chriſtum geſehen /B iijfur[14]fur Erben der ſeligkeit / welches ausdruͤcklich mit der Schrifft ſtreitet / gehalten werden / vnd muͤſte hieraus folgen / das alle durch den heiligen Geiſt geheiligte Menſchen / ſo entweder vor / oder nach der Geburt vnſers HErrn Chriſti gelebet / vnd Jhnen doch niemals mit den Leiblichen augen geſehen haben / in alle ewigkeit ver - lohren vnd verdambt ſein / ſo doch die Schrifft dieſelbi - gen vmb des glaubens willen an den verheiſſenen vnd geleiſteten Heiland der welt fur ſelig ruͤhmet / Credi - mus nosſalvari, ſicut & patres ſalvati ſunt. Wir glauben durch die gnade vnſers HErren JEſu Chriſti ſelig zu werden / gleicher weiſe wie auch ſie / Act. 15. Denn dieweil die welt durch jhre weißheit / Gott in ſei - ner weißheit nicht erkante / gefiehl es Gott wol durch toͤ - richte Predigt ſelig zu machen / die / ſo daran gleuben.

Zu ſolchem ſeligen ſehen / koͤmbt man durch das licht des heiligen Evangelii. Welche nun den HErrn Chriſtum im Evangelio erkant vnd mit warem glau - ben ergriffen haben / die haben ſolche ſelige augen vnd ohren / vnd das ſind rechte ſelige Leute. Hergegen ſind das die aller vngluͤckſeligſten / welche mit ſehenden augen nicht ſehen / vnd mit hoͤrenden ohren nicht hoͤren / die dieſen ſchatz nicht haben / noch ſich daruͤmb / wann er jh - nen ſchon im wort angetragen wird / annehmen wollen. Daruͤmb ſo gebuͤret alleine Chriſto vnſerm Heilande / vnd ſeinem Evangelio dieſe Ehre / ruhm vnd preis / das man hiedurch zur waren ſeligkeit gelangen moͤge.

Vnd in deme iſt die zeit des Neuen Teſtaments bey weitem eine gewuͤnſchter vnd gluͤckſeliger zeit / als diezeit[15]zeit des Alten Teſtaments / vmb der leiſtung vnd er - ſcheinung des verſprochenen Meſſiæ / vnſers HER - REN Chriſti willen / auff welchen die heiligen Patri - archen / Koͤnige vnd Propheten mit gleubigem verlan - gen gewartet haben / wie aus jhrem wunſche vnd ſeuff - tzen offenbar / Als da Eva jhren erſtgebornen Sohn Cain geboren hat / ſprach ſie mit freuden: Acqui - ſivi virum Domini. Jch habe den Man des HErrn / da ſie hoffet ſie hette den Meſſiam geboren / Aber Cain war nicht allein aus Weiblichem / ſondern auch aus Maͤnlichem ſamen gezeuget vnd geboren / Der Meſſias aber ſolte allein eines Weibes Samen ſein / nach der er - ſten verheiſſung / Gen. 3.

Da Noah geboren war / ſprach ſein Vater La - mech / Ille conſolabitur nos. Der wird vns troͤſten in vnſer muͤhe vnd arbeit auff Erden / die der HERR verflucht hat. Der Meſſias aber ſagt im Propheten Eſaiæ 43. Mir haſtu arbeit gemacht in deinen ſuͤn - den / Mir haſtu muͤhe gemacht in deiner miſſethat / Vnd Matth. 11. Kombt her zu mir alle die jhr muͤheſelig vnd beladen ſeld / Jch wil euch erquicken. Der heilige Ertzvaler Jacob fuͤhret in ſeiner valediction, prædi - ction vnd benediction, vnter andern / Gen. 49. dieſe ſchoͤne wort: Expecto ſalutare tuum DOmine. HERR ich warte auff dein heil. Das leget der Chal - deiſche Dolmetſcher alſo aus: Vnſer Vater Jacob hat geſagt / HERR ich warte auff deine erloͤſung / Jch warte nicht auff die erloͤſung Gedeonis des Soh - nes Joas / welche zeitlich iſt / Jch warte auch nicht auffdas[16]das heil Simſonis des Sohns Manoæ, welches nur vergengliche erloͤſung iſt / Sondern ich warte auff die erloͤſung des Meſſiæ / des Sohnes David / der da kom - men wird / die Kinder Jſrael zu ſamlen / Nach dieſer erloͤſung des Meſſiæ ſehne ich mich / vnd darnach ver - langet mich von grund meines hertzens.

Der Koͤnig David bittet im 102. Pſalm gar hertzlich vnd ſehnlich vmb die Zukunfft des Meſſiæ ins fleiſch / HERR du wolteſt dich auffmachen vnd vber Zion erbarmen / denn es iſt zeit das du jnen gnedig ſeieſt / vnd dieſtund iſt kommen / denn deine Knechte wolten ger - ne das ſie gebauet wuͤrdẽ / vñ ſehen gerne das jhre Stei - ne vnd Kalck zugerichtet wuͤrden. Vnd im eiſten buch der Chronica am 18. cap. dancket er Gott mit hoͤchſter verwunderung fur die vnausſprechliche groſſe gnad vnd wolthat / das der ware Meſſias vnd Heiland der Welt von Gott verſprochen / aus ſeinen nachkommen ſol ge - boren werden / vnd bittet gar hertzlich vmb ſolcher Goͤtt - licher gnade volziehung / da denn furnemlichen zu mer - cken iſt / das David vnter andern ſagt: Vnd Du haſt angeſehen mich / als in der geſtalt eines Menſchen / der in der hoͤhe Gott der HErr iſt. Darumb ſchleuſt S. Petrus / 1. cap. 1. herrlich vnd wol / das vns dem volck des Neuen Teſtaments / das jenige geprediget vnd verkuͤndiget werde / nach wel - chem gefraget vnd geforſchet haben die Propheten / die von der zukuͤnfftigen gnade auff vns geweiſſaget haben / welches auch die Engel geluͤſtet zu ſehen. Mit welchemauch[17]auch S. Paulus gar fein vbereinſtimmet / zun Roͤm. 13. Die ſtund iſt da auffzuſtehen vom ſchlaff / ſintemahl vnſer heil jetzt naͤher iſt / denn da wirs glaubten / vnd 2. Cor. 6. Sehet jtzt iſt die angenehme zeit / jetzt iſt der tag des heils.

Vnd biß anhero iſt geſagt worden / von der erſten art des ſehens des HErrn Chriſti / vnd auff waſerley weiſe Er in dieſem leben geſehen werde.

Jſt derhalben noch vbrig das wir auch hoͤren vnd vns berichten laſſen / võ der andern art des Sehens / wel - che angehen vnd geſchehen wird in der zukuͤnfſtigen herr - ligkeit der Kinder Gottes im ewigen leben. Denn da werden wir vnſern Heiland Chriſtum / ſambt ſeinem Himliſchen Vater vnd dem heiligen Geiſte / mit Clari - ficirten augen gantz volkoͤmlich ſehen / vnd werden Jhn nicht mehr / wie alhier im tunckelen wort ſehen / ſondern von angeſicht zu angeſicht / wie Er ſelber iſt / vnd ſolches ſeligen auſchauens in alle ewigkeit nicht entſetzet noch be - raubet werden / ſondern deſſelbigen ohne alle muͤhdigkeit vnd auffhoͤren geniſſen vnd theilhafftig werden / immer vnd ewiglich.

Von ſolchem anſchauen Gottes im ewigen leben / ſchreibet S. Johannes in ſeiner 1. Epiſtel am 3. cap. Meine lieben / wir ſind nu Gottes Kinder / vnd iſt noch nicht erſchienen was wir ſein werden / wir wiſſen aber / wenn es erſcheinen wird / das wir Jhm gleich ſein wer - den / denn wir werden Jhn ſehen / wie Er iſt. Vnd in der Offenbarung S. Johan. 21. Seine Knechte werden Jhm dienen / vnd ſehen ſein angeſicht.

CAls[18]

Als denn wirds recht angehen vnd erfuͤllet werden / wie Job 22. geſchrieben ſtehet / Die Gerechten werden ſehen vnd ſich freuen / Denn ſie werden den HERRN ſehen ſitzen auff einem hohen erhabenen Stuel / Eſa. 6. Sie werden den Koͤnig den HErrn Zebaoth mit jhren augen ſehen / Ibid. Sie werden ſehen die herrligkeit des HErrn / den ſchmuck vnſers Gottes / Eſa. 35. Jn ſei - nem licht werden ſie das rechte Licht ſehen / Pſalm 36. Sie werden ſehen / vnd jhr hertz wird ſich freuen / denn da wird man erkennen die Hand des HERRen an ſeinen Knechten / den zorn aber an ſeinen feinden / da wirdts heiſſen: Sicut audivimus, ſic videmus. Wie wir gehoͤrt haben / ſo ſehen wirs / Pſalm 48. Denn die ge - rechten werden ewiglich leben / vnd empfahen ein herr - liches Reich / vnd eine ſchoͤne Krone von der hand des HERRN.

Auff ſolches anſchauen Gottes / freuet ſich der Koͤ - nigliche Prophet David in ſeinem 17. Pſalm / Jch wil ſchauen dein antlitz in gerechtigkeit / Vnd im 27. Pſalm Jch gleube aber das ich ſehen werde das gutt des HEr - ren / im Lande der lebendigen / Darnach wunſchte er jm / darnach verlanget jhn / Jm 42. Pſalm / Wenn werde ich dahin kommen / das ich Gottes angeſicht ſchaue.

Deſſelbigen troͤſtet ſich der wolgeplagte vnd gedul - dige Job / in ſeinem hoͤchſten leiden / da er ſagt / cap. 19. Jch weis das mein Erloͤſer leber / vnd Er wird mich hernach aus der erden aufferwecken / vnd werde darnach mit dieſer meiner haut vmbgeben werden / Vnd wer -de in[19]de in meinem fleiſch Gott ſehen / Denſelben werde ich mir ſehen / vnd meine augen werden Jhn ſchauen / vnd kein frembder.

Hiemit ſtimmet der alte Kirchenlehrer Auguſtinus / im 22. buch von der Stat Gottes / cap. 30. Als denn ſpricht er / wird Gott alles in allem ſein / denn Er wird vnſers hertzen wunſch vnd verlangen enden vnd erfuͤllen / in dem / das Er von den außerwelten ohn ende wird ge - ſehen / ohn vberdrus geliebet / vnd ohn alle muͤdigkeit gelobet vnd gepreiſet werden. Wie nun die gerechten / vnd die reines hertzens ſind Gott ſehen / vnd in ſeinem licht wandeln werden / Alſo werden hergegen die Gott - loſen vnd verdambten das nachſehen haben / vnd des froͤ - lichen anſchauens Gottes in der ewigen pein vnd mar - ter ewiglich entrahten muſſen / Denn in das Himliſche Jeruſalem wird kein Gottloſer / vnd kein vnreiner ein - gelaſſen / Es wird auch keinem vbertreter darinnen zu wohnen verſtatet / derhalben werden dieſelben Gott von ferne vñ nicht nahe ſehen. Wie Bileam ſagt / Num. 24. Jch werde Jhn ſehen / aber jtzt nicht / Jch werde Jhn ſchauen / aber nicht von nahe / Wie der Reiche Man / als er in der Helle vnd in der qual war / hub er ſeine augen auff / vnd ſahe Abraham von ferne / vnd Lazarum in ſeinem ſchos / Luc. 16.

Als denn wird der gerechte ſtehen mit groſſer freu - digkeit wieder die / ſo jhn geengſtet haben / vnd ſo ſeine ar - beit verworffen haben / wenn dieſelbigen denn ſolches ſe - hen / werden ſie grauſam erſchrecken fur ſolcher ſeligkeit /C ijderer[20]derer ſie ſich nicht verſehen hetten / vnd werden vnter - einander reden mit rew / vnd fůr angſt des Geiſtes ſeuff - tzen / Das iſt der / welchen wir etwa fur einen ſpot hatten / vnd fur ein hoͤniſch beyſpiel / Wir narren hielten ſein leben fur vnſinnig / vnd ſeine rede fur eine ſchande / wie iſt er nu gezehlet vnter die Kinder Gottes / vnd ſein Erbe iſt vnter den heiligen.

Sollen derhalben gethanen bericht dazu mercken / auff das wir lernen / welches die rechte ware ſeligkeit ſey / vnd worinnen ſie beſtehe / nemlich / im Geiſtlichen ſehen vnd Hoͤren des HErren Chriſti / das iſt / in rechtſchaffe - nem erkentnis vnd glauben an Chriſtum / darzu vns die - net vnd befoͤrdert die lehr des heiligen Evangelij / welche wir als den allerhoͤchſten vñ groͤſſeſten ſchatz ſollen hoch / lieb vnd werth halten / fleiſſig hoͤren / ins hertze eigentlich einſchliſſen / vnd dabey feſt vnd beſtendig verharren / Her - gegen aber aller nachleſſigkeit / geringſchaͤtzung vnd ver - achtung deſſelben vns entſchlahen / dafuͤr huͤtten vnd wol furſehen ſollen.

Darnach ſollen wir es auch dazu mercken / das wir der gegenwertigen gewuͤnſchten zeit eigentlich warneh - men / Gott fur ſeine gnade vnd angezuͤndetes licht des heiligen Evangelij von hertzen dancken / das er vns erret - tet hat von der Obrigkeit der finſternis / vnd hat vns verſetzt in das Reich ſeines lieben Sohnes / an welchem wir haben die Erloͤſung durch ſein Blut / nemlich / die vergebung der ſuͤnden / zun Col. 1. Gelobet ſey der - halben Gott / vnd der Vater vnſers HERRN JEſu Chriſti / der vns geſegnet hat mit allerley Geiſtlichemſegen[21]ſegen in Himliſchen guͤttern / durch Chriſtum. Laſt vns auch Gott den HErrn fleiſſig anruffen vnd bitten / Er wolle ſolche zeit der gnaden vnd des heils vaͤterlich noch lange vnter vns erhalten / vnd auff vnſer liebe Kinder vnd nachkommen volſtrecken.

Endlich laſt vns auch vorgetragenen bericht zum troſt wieder gegenwertiger zeit beſchwerung / noth vnd gefahr / wol mercken / Denn ob zwar die noth vnd gefahr gros / das jetzo gemeine ſcheiden Chriſtlicher Ehegenoß - en / Eltern vnd Kinder / Geſchwiſter vnd Blutsfreunde / welches der zehnbleckende Tod anrichtet / ſehr ſchmertzli - chen iſt / jedoch iſt derer ſo im HERRN entſchlaffen / abſcheid / nicht fur eine pein zu achten / noch jhre hinfart fur ein verterben / aber ſie ſind im friede / Denn die trew ſind in der liebe / leſt jhm Gott nicht nehmen / denn ſeine heiligen ſind in gnaden vnd barmhertzigkeit / vnd Er hat ein auffſehen auff ſeine außerwelten / wie im buch der Weißheit am 3. cap. geſchrieben ſtehet.

Vnd hiemit hat ſich nun auch dieſer Gott - ſeligen / Chriſtlichen Matron betruͤbter Hauswirt / ſambt ſeinen verwaiſeten Kinderlin / vnd beyderſeits zu - gethanen Blutsfreundſchafft / dieſer vnd ander ort zu troͤſten / in jhrer klag vnd leid / darein ſie durch den toͤdli - chen abgang jhres hertzlieben Ehegenoſſen / Mutter / Schweſter vnd Blutsfreundin / nach Gottes vnwan[-]delbarem willen gerahten ſein.

Denn es iſt vmb die Fraw Maria alſo gethan ge - weſen / das ſie auch vnter die zahl derer gehoͤret / von wel -C iijchen der[22]chen der HERR hie redet / Selig ſind die augen die da ſehen / das jhr ſehet / Denn ſie hat in der zeit gelebet / in welcher ſie Chriſtum geſehen vnd gehoͤret hat / Vnd ob ſie Jhn zwar in dieſem leben mit leiblichen augen nicht geſehen hat / ſo hat ſie Jhn doch Geiſtlich geſehen / das iſt / ſie hat Jhn fur jhren vnd der gantzen welt Heiland erkennet vnd angenommen / vnd von hertzen an Jhn ge - gleubet. Sie hat in jhrem hochberuͤmbten Vaterlan - de gutte gelegenheit gehabt / vnd ſich derſelbigen alhier auch hoͤchlichen gefreuet / Chriſtum zu ſehen / Chriſtum zu hoͤren / Durch die heilige Tauffe hat ſie Chriſtum angezogen / zun Gal. 3.

Jhre liebe Eltern ſind furnehme anſehliche Leute vnd Geſchlechter zu Augſpurg geweſen / Herr Georg Schorer jhr Vater iſt jhr albereit vor achtzehen jahren / als ſie ſeiner am beſten bedurfft / mit Tode entfallen / Fraw Suſanna Heygin jhre liebe Mutter / iſt vor vier jahren mit Tode verbliechen / welches Fraw Marien darumb ſchmertzlichen war / das ſie ſich nicht / wie ſie offt gewuͤnſchet / mit jhr hat letzen koͤnnen.

Von dieſen jhren lieben Eltern / iſt ſie in der Zucht vnd vermanung zum HERRN Chriſtlichen aufferzo - gen / vnd demnach durch das wort Goͤttlicher Predigt zum rechten erkentnis Gottes / vnd warem glauben an Chriſtum kommen / in welchem ſie auch durch des heili - gen Geiſtes huͤlffe vnd gnade alſo gewachſen vnd zuge - nommen / das ſie Chriſtum vnd ſein wort fur jhren hoͤch - ſten ſchatz / vnd das heilige Abendmahl des HERRNfur[23]fur jhre aller beſte labung / hertzerquickung / vnd fur die allerheilſamſte Seelen Artzney / gehalten hat / Vñ iſt eine liebhaberin Gotes worts geweſen / das hat ſie nicht allei - ne wann es geprediget worden / fleiſſig gehoͤret / ſondern ſie hat es auch daheime ſelber mit groſſer freude vnd luſt geleſen / ein ſonders Handbuͤchlein zugerichtet / vnd dar - ein die allerſchoͤneſten Lehr vnd Troſtſpruͤche / Altes vnd Neuen Teſtaments / mit eigener hand verzeichnet.

Vnter denſelbten iſt der aller erſte dieſer geweſen / da Gott im Propheten Eſa. am 46. ſpricht: Hoͤret mir zu / jhr vom hauſe Jacob / vnd alle vbrigen vom hauſe Jſrael / die jhr von mir im Leibe getragen werdet / vnd mir in der Mutter lieget / Ja ich wil euch tragen biß ins alte[r]vnd biß jhr graw werdet / Jch wil es thun / Jch wil heben vnd tragen vnd erretten.

Der ander aber war dieſer / Joh. am 10. Meine Schaffe Hoͤren meine ſtimme / vnd ich kenne ſie / vnd ſie folgen mir / vnd ich gebe jhnen das ewige leben / vnd ſie werden nimmermehr vmbkommen / vnd niemand wird ſie mir aus meiner hand reiſſen.

Der dritte / ſo da ſtehet / Jerem. am 9. war dieſer / So ſpricht der HERR / Wer ſich ruͤhmen wil / der ruͤhme ſich des / das er mich wiſſe vnd kenne / das ich der HERR bin / der barmhertzigkeit / recht vnd gerechtikeit vbet auff erden / denn ſolches gefellet wir wol / ſpricht der HERR.

Auff dieſe ſind andere viel mehr in zimlicher an - zahl erfolget.

In[24]

Jn dem bekuͤmmerten vnfall / welcher vor etlichen Monaten vnſerer Chriſtlichen verſamlunge begegnete / gehet ſie hin / nimbt jhren lieben Pſalter zur hand / vnd zeichnet aus dem 77. Pſalm in jhr Handbuͤchlin nach - folgende troͤſtliche wort: Wird denn der HERR ewiglich verſtoſſen / vnd keine gnade mehr erzeigen? Jſts denn gantz vnd gar aus mit ſeiner guͤtte / vnd hat die verheiſſung ein ende? Hat denn Gott vergeſſen gne - dig zu ſein / vnd ſeine barmhertzigkeit fur zorn verſchloſ - ſen? Sela. Aber doch ſprach ich / ich mus diß leiden die rechte hand des HERRN kan alles endern.

Der letzte ſpruch in jhrem Buͤchlin war zun Heb. am 13. Wir haben hie keine bleibende ſtat / ſondern die zukuͤnfftige ſuchen wir.

Mit dieſen vnd vielen andern geiſtreichen Spruͤ - chen hat ſie ſich beides im leben vnd im ſterben getroͤſtet vnd erlůſtiget.

Als ſie Jhrer gnaden / vnſerer gnedigen Frauen Cammerdienerin geweſen / hat ſie denſelbten jhren dienſt biß ins neunde jahr treulich vnd embſig verrichtet.

Jhre Eltern vnd Geſchwiſter / ſo wol jhren lieben Hauswirt / vnd hertzliebſte Kinderlin / hat ſie von hertzen geliebet / vnd ſich vmb dieſelbigen treulich bekuͤmmert.

Zucht / Ehr / Tugend / Warheit vnd Ehrbarkeit / in worten vnd geberden / hat jhr biß in die grube hienein beliebet vnd wolgefallen / hergegen was dem zu wieder / iſt jhr ein dorn in jhren augen / vnd ein greuel in jhrem hertzen geweſen. Jhr ſchmuck war das ſie reinlich vnd fleiſſeg war in der Kinderzucht vnd Haushaltung.

Als[25]

Als ſie zu dieſem letzten mahl mit kranckheit vber - fallen / hat ſie jhr bald die rechnung gemacht / die zeit jh - res abſchiedes wuͤrde ſich herzunahen / hat derhalben des weiſen Mannes Sirach am 38. cap. raht gefolget / ſich zu dem HErren jhrem Gott gewendet / vnd fleiſſig ge - betet / dem willen Gottes in gehorſam ergeben / ſich auch fur Jhm als eine arme ſuͤnderin gedemuͤttiget vnd ge - flehet / HERR handel nicht mit mir nach meinen ſuͤn - den / vnd vergilt mir nicht nach meiner miſſethat / Dar - auff iſt ſie durch das troͤſtliche wort der Abſolution von jhren ſuͤnden loßgeſprochen / vnd zur gewiſſen verſiche - rung der gnedigen vergebung jhrer ſuͤnden / mit dem wa - ren Leib vnd Blut des HERREN Chriſti im heiligen Abendmahl geſpeiſet vnd getrencket worden / hat auch von menniglich verzeihung gebeten / wie ſie denn auch treulichen gethan hat.

Hierauff hat ſie ſich mit gleubigem vertrauen vnd hertzlicher zuverſicht geſtoͤnet vnd verlaſſen auff das teu - re verdienſt Jeſu Chriſti / vnd ſich damit wieder die ſuͤn - de / Tod / Teuffel vnd Helle getroͤſtet / Mit dem lieben David im 73. Pſalm geſagt: HERR wenn ich nur dich habe / ſo frage ich nichts nach Himmel vnd Er - den / vñ wenn mir gleich mein leib vnd ſeele verſchmach - tet / ſo biſtu doch allezeit meines hertzens troſt vnd mein theil. Mit dem geduldigen Job am 19. Jch weis das mein Erloͤſer lebet / ꝛc. Vnd mit S. Paulo / zun Philip. 1. Chriſtus iſt mein leben / ſterben iſt mein ge - win. Mit dem lieben Stephano / HERR Jeſu wem meinen Geiſt auf / Jn den geſchichten der H. Apoſtel am 7. cap.

DHat[26]

Hat alſo einen gutten Kampff gekempffet / vnd jh - ren lauff im drey vnd viertzigſten jahr jhres alters vol - endet / Sie hat glauben gehalten / vnd iſt alſo in demſel - bigen ſanfft vnd ſeliglich im HERRN eingeſchlaffen / vnd durch den Tod zum leben hindurch gedrungen / wird nun nach dem Leibe in jhr Grab / als in ein ſanfftes bette vnd Schlaffkaͤmmerlin geleget werden / vnd darinnen biß auff die allgemeine aufferſtehung der Todten im friede ruhen / Jhre ſeele aber iſt in der hand Gottes / vnd keine qual ruͤret ſie nicht an / jhre ſeele gefellet Gott wol / darumb eilet Er mit jhr aus dem boͤſen leben / wie im buch der weißheit am 3. vnd 4. cap. geſchrieben ſtehet. Sie iſt wie S. Auguſtinus ſchreibet / eines ſeligen todes geſtorben / welcher jhr nicht ſchedlich / ſondern viel mehr ſehr nuͤtzlich iſt / denn ſie iſt durch den Tod aus der gefahr zu ſuͤndigen / in die ſicherheit vnd freyheit von ſuͤn - den / verſetzt worden / da ſie Gott von angeſicht zu ange - ſicht ſchauet / wie Er ſelber iſt / vñ wandelt im Lande der lebendigen / in welchem ein licht iſt ohn alles trauren / Friede ohne leid / verlangen ohne ſtraffe / liebe ohne trau - rigkeit / volle genuͤge ohne vberdrus / geſundheit ohne angſt / leben ohne tod / heil ohne kranckheit / vnd jhr iſt bey - geleget die Kron der gerechtikeit / welche jhr der HERR / der gerechte Richter an jenem tage / wann Leib vnd ſeel wird wieder mit einander vereiniget werden / geben wird / nicht aber alleine jhr / ſondern auch allen / die ſeine er - ſcheinung lieb haben / 2. Tim. 4.

Deſſen ſollen ſich wolgedachter Frauen ſeligen / Haußwirt / vnd Kinderlin / Geſchwiſter vnd Freundetroͤſten /[27]troͤſten / vnd damit jhr mattes hertz / das traurens voll iſt / ſtillen / Vñ das ſollen wir allzumahl zu vnſerm troſt in der vnſerigen ſeligem abſterben / auch wol mercken / vnd fleiſſig beten:

Ey Du fromer HERR JEſu Chriſte / Der du biſt das ewige Wort des Vatern / vnd der glantz ſeiner herrligkeit / in welche auch die heiligen Engel geluͤſtet zu ſchauen / Lehre mich thun nach deinem wolgefallen / denn du biſt mein Gott / Dein gutter Geiſt fuͤhre mich auff ebener bahn / damit ich auch in die heilige Stad kom̃en moͤge / in welcher es immer tag vnd licht / vnd welcher tag vnd licht ewiglich wehret / vnd ein Hertz vnd ſinn al - ler die darinnen wohnen / In welcher Stad iſt gewiſſe ſicherheit / vnd ſichere ewigkeit / vnd ein ewige ruhe / vnd ein ewige ſeligkeit / vnd eine ſelige liebligkeit / vnd ein lieb - liche holoſeligkeit / In welcher du ein wahrer Gott mit dem Vater vnd dem heiligen Geiſt lebeſt vnd herrſcheſt immer vnd ewiglich / AMEN.

CONCIONIS FVNEBRIS De beatitudine conſpectus Domini peſte Cromlovii graſſante habitæ PERIOCHE.

ESto aliquid, Christvm potuiſſe in carne taeri,
Et dios vultus, oráque dia ſequi.
At nihilo-minus eſt etiamnum audire loquentem
In verbo, & promtam hujc ipſi adhibere fidem.
Eſto ita; ſint, Christvm qvi conſpexére, beati:
Qui non vidiſti, crede; beatus eris.

M. Sim. Grvnaevs.

[28]

Correctur.

B. 2. fac. 1. lin. 3. fur Himliſche ließ / herrliche. B. 2. f. 2. lin. 3. ließ / nicht allein mit. B. 4. f. 2. l. 2. fur nur ließ / eine.

About this transcription

TextLeichpredigt Bey der Christlichen Begrebniß Der Edlen ehr vnd Tugendreichen Fraw Maria Schorerin von Augspurg
Author Andreas Baudis
Extent28 images; 6025 tokens; 1903 types; 40259 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationLeichpredigt Bey der Christlichen Begrebniß Der Edlen ehr vnd Tugendreichen Fraw Maria Schorerin von Augspurg Andreas Baudis. . 28 Nicolaus SchneiderLiegnitz1598.

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Universitätsbibliothek Breslau Universitätsbibliothek Breslau, 4 S 53/16 / 522967

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationGebrauchsliteratur; Leichenpredigt; Gebrauchsliteratur; Leichenpredigt; ready; aedit

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  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
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ImprintBerlin 2019-12-10T09:36:00Z
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