PRIMS Full-text transcription (HTML)
Vier Buͤcher
Von wahrem Chriſtenthumb / Heilſamer Buſſe / Hertzli - cher Rewe vnd Leid vber die Suͤn - de vnd wahrem Glauben: auch heili - gem Leben vnd Wandel der rechten wahren Chriſten.
Derer Inhalt nach dem Titul zu finden.
Das Erſte Buch
(Matth. 7.)Die Pforte iſt enge / der Weg iſt ſchmal der zum Leben fuͤhret / vnd wenig ſind jr die jn finden.
(Bernhard. )Chriſtum ſequendo citius apprehendes quam legendo.
Mit Ch[u]rf. Saͤchſiſcher Freyheit / etc.
Gedruckt zuMagdeburgdurchJoachim Boͤel / In verlegung Johan Francken /Im Jahr 1610.

Inhalt der vier Buͤcher.

Das I. Liber Scripturæ.

Wie in einem wahren Chriſten Adam taͤg - lich ſterben / Chriſtus aber in jhm leben ſoll: Vnd wie er nach dem Bilde Gottes taͤglich ernewert werden / vnd in der newen Geburt leben muͤſſe.

Das II. Liber vitæ Chriſtus.

Wie Chriſti Menſchwerdung / Liebe / De - mut / Sanfftmut / Gedult / Leiden / Sterben / Creutz / Schmach vnd Todt / vnſer Seelen Artzney vnnd Heilbrunnen: Spiegel vnd Buch vnſers Lebens ſey. Vnd wie ein wahrer Chriſt / Suͤnde / Todt / Teuffel / Helle / Welt / Creutz vnnd alle Truͤbſal durch den Glauben / Gebet / Gedult / Gottes Wort vnd Him - liſchen Troſt vberwinden ſol: Vnd daſſelbe alles in Chriſto Jeſu / durch deſſelben Krafft / Stercke vnd Sieg in vns.

Das III. Liber Conſcientiæ.

Wie Gott den hoͤchſten Schatz / ſein Reich / in des Menſchen Hertz gelegt hat / als einen verbor - genen Schatz im Acker / als ein Goͤttliches in - nerliches Liecht der Seelen.

Das IIII. Liber Naturæ

Wie das groſſe Weltbuch der Natur von Gott zeuget / vnd zu Gott fuͤhret.

Vorrede.

An den Chriſtlichen Leſer.

WAs fuͤr ein groſ - ſer vnd ſchendtlicherGroſſer Miß - brauch des Evan - gelij. Mißbrauch des heili - gen Evangelij in die - ſer letzten Welt ſey / Chriſtlicher lieber Leſer / bezeuget gnugſam / das Gottloſe vnbußfertige Le - ben / derer / die ſich Chriſti vnd ſeines Worts / mit vollẽ Mun - de ruͤhmen / vnd doch ein gantz vnchriſtlich Leben fuͤhren / gleich als wenn ſie nicht im Chriſten - thumb / ſondern im Heyden - thumb lebeten. Solch GottloßA ijWeſen /Vorrede. Weſen / hat mir zu dieſem Buͤch - lein Vrſach geben / damit dieWorin dz ware Chri ſtenthum̃ ſtehe. Einfeltigen ſehen moͤchten / wor - in das ware Chriſtenthumb ſte - he / nemlich in Erweiſung des waren lebendigen thetigẽ Glau - bens / durch rechtſchaffene Gott - ſeligkeit / durch Fruͤchte der Ge - rechtigkeit / Wie wir darumb nach Chriſti Namen genennet ſein / dz wir nicht allein an Chri - ſtum gleuben / ſondern auch in Chriſto leben ſollen / vnd Chri - ſtus in vns wie die ware Buſſe auß dem innerſten Grunde des Hertzens gehẽ muͤſſe / wie Hertz / Sinn vnnd Muth muͤſſe geen - dert werden / dz wir Chriſto vnd ſeinem heiligen Evangelio gleich - foͤrmig werden: Wie wir durchsWortVorrede. Wort Gottes muͤſſen taͤglich er - newert werden zu newen Crea - turen. Denn gleich wie ein jeder Same ſeines gleichen bringet /Gottes Same muß in vns Frucht bringen. alſo muß das Wort Gottes in vns Taͤglich newe Geiſtliche Frucht bringen / vñ ſo wir durch den Glauben newe Creaturen worden ſein / ſo muͤſſen wir auch in der newen Geburt leben / Summa / wie Adam in vns ſterben / vnd[Chriſtus] in vns le - ben ſol / Es iſt nicht gnug Got - tes Wort wiſſen / ſondern man muß auch daſſelbige in die leben - dige thetige Vbung bringen.

Viel meinen / die Theologia ſeyTheolo - gia eine Experi - entz. nur eine bloſſe Wiſſenſchafft vnd Wortkunſt / da ſie doch eine lebendige Erfahrung vñ VbungA iijiſt.Vorrede. iſt. Jederman ſtudiret jetzo / wieStudium pietatis, gar erlo - ſchen. er hoch vnd beruͤmbt in der Welt werden moͤge / aber from ſeyn wil niemand lernen. Jederman ſucht jetzo hochgelarte Leute / von denen er Kunſt / Sprachen vnd Weißheit lernen moͤge / aber von vnſerm einigen Dortore IEſu Chriſto / wil niemand ler - nen Sanfftmut vnnd hertzliche Demut / da doch ſein heiliges le - bendiges Exempel / die rechte Regel vnd Richtſchnur vnſers Lebens iſt / Ja die hoͤchſte Weiß - heit vnd Kunſt / das wir billich ſagen koͤnnen: Omnia nos Chriſti vita docere poteſt. Jederman wolte gern ChriſtiDie -Vorrede. Diener ſein / aber Chriſti Nach - folger wil niemandt ſeyn. Er ſpricht aber Joh. 12. Wer mir dienen wil / der folge mir nach: Darumb muß ein rechter Die -Worin die Liebe Chriſti ſtehe. ner vnd Liebhaber Chriſti / auch ein Nachfolger Chriſti ſein. Wer Chriſtum lieb hat / der hat auch lieb das[Exempel] ſeines heiligen Lebens / ſeine Demut / Sanfft - mut / Gedult / Creutz / Schmach vnd Verachtung / obs gleich dem Fleiſch wehe thut. Vnnd ob wir gleich die Nachfolge des H. vnnd edelen Lebens Chriſti in dieſer Schwachheit nicht vollkoͤmlich erreichen koͤnnen. Dahin auch mein Buͤchlein nicht gemeynet / ſo ſollen wirs doch lieb habenA iiijvndVorrede. vnd darnach ſeufftzen / denn alſo leben wir in Chriſto / vnd Chri - ſtus in vns / wie S. JohannesWer Chri ſto nicht folget der gleubet auch nicht an jhn. 1. am 2. ſpricht: Wer da ſaget dz er in jhm bleibet / der ſol auch wandeln / gleich wie er gewan - delt hat. Jetzo iſt die Welt alſo geſinnet / das ſie gerne alles wiſ - ſen wolte / aber das jenige das beſſer iſt denn alles wiſſen / nem - lich Chriſtum lieb haben / wil nie - mandt lernen. Es kan aber Chri - ſtum niemandt lieb haben / Er folge denn auch dem ExempelWas ſey Chriſtum lieb habẽ / vnd ſich ſeiner ſche men. ſeines heiligen Lebens. Viel ſeyn / ja die meiſten in dieſer Welt / die ſich des H. Exempels Chriſti ſchemen / nemlich ſeiner Demut vnd Nidrigkeit / dz heiſ - ſet ſich ſeines HErrn Chriſti ge -ſche -Vorrede. ſchemet / Dauon der HErr ſagt Marc. 8. Wer ſich meiner ſche - met in dieſer Ehebrecheriſchen Welt / ꝛc. Die Chriſten wollenDem de - muͤtigen Chriſtum wil nie - mand fol - gen. jetzo einen ſtattlichen / prechti - gen / reichen / weltformigen Chri - ſtum haben / aber den armen ſanfftmuͤtigen / demuͤtigen / ver - achteten / nidrigen Chriſtum wil niemandt haben / noch bekennen / noch demſelben folgen / darumb wird Er einmal ſagen / Ich ken - ne ewer nicht / Ihr habt mich nit wollen kennen in meiner De - mut / darumb kenne ich wer nit in ewer Hoffart.

Nicht allein aber iſt das Gott - loſe Leben vnd Weſen / ChriſtoDen Gott loſen ſind alle Crea - turen zu - wieder. vnd dem waren Chriſtenthumb gantz zuwieder / ſondern es heuf -A vfetVorrede. fet taͤglich Gottes Zorn vnnd Straffe alſo / daß Gott alle Cre - aturen wieder vns ruͤſten muß zur Rache / daß Himmel vnnd Erde / Fewer vnd Waſſer wieder vns ſtreiten muͤſſen / ja die gantze Natur engſtet ſich daruͤber vnnd wil brechen: Daher muß elendeLetztepla - gen drin - gen her - ein / die Er - loͤſung na het ſich. Zeit kommen / Krieg / Hunger vnnd Peſtilentz / Ja die letzten Plagen dringen ſo heuffig vnnd mit Gewalt herein / das man faſt fuͤr keiner Creatur wird ſi - cher ſeyn koͤnnen. Denn gleich wie die grewlichſten Plagen die Egypter vberfielen fuͤr der Erloͤ - ſung vnd Außgang der Kinder Iſrael auß Egypten / Alſo wer - den fuͤr der endlichen Erloͤſung der Kinder Gottes / ſchreckliche /grew -Vorrede. grewliche / vnerhoͤrte Plagen die Gottloſen vnnd Vnbußfertigen vberfallen. Darumb hohe Zeit iſt Buſſe zuthun / ein ander Le - ben anzufahen / ſich von der Welt zu Chriſto zu bekehren / an jhn recht gleuben / vnnd in jhm Chriſtlich leben / auff dz wir vn - ter dem Schirm des Hoͤchſten / vnd Schatten des Allmechligen ſicher ſein mõgen / Pſalm 91. da - zu vns auch der HErr vermah - net Luc. 21. So ſeyd nun wackerDurch Buſſe vnd Gebet ent fliehẽ wir den letzten Plagen. allezeit vnd betet / daß jr wirdig werden muͤget zu entfliehen die - ſem allen / ſolches bezeuget auch der 112. Pſalm.

Darzu werden dir lieber Chriſt / dieſe Buͤchlein Anleitũg geben / wie du nicht allein durchdenVorrede. den Glauben an Chriſtum Ver - gebung deiner Suͤnden erlan - gen ſolt / ſondern auch wie du die Gnade Gottes recht ſolt gebrau - chen zu einem heiligen Leben / vnd deinen Glauben mit einem Chriſtlichen Wandel zieren vndWorin dz wahre Chriſten - thumb ſte he. beweiſen. Denn dz wahre Chri - ſtenthumb ſtehet nicht in Wor - ten / oder im euſſerlichen Schein / ſondern im lebendigen Glau - ben / aus welchem rechtſchaffene Fruͤchte / vnd allerley Chriſtli - che Tugende entſprieſſen / als aus Chriſto ſelbſt. Denn weil der Glaube Menſchlichen Au - gen verborgen vnnd vnſichtbar iſt / ſo muß er durch die Fruͤchte erwieſen werden / Sintemal der Glaube aus Chriſto ſchoͤpffetallesVorrede. alles Gutes / Gerechtigkeit vnd Seligkeit.

Wenn er nun beſtendig er -Wie alle Chriſtli - che Tugen de aus dẽ Glauben entſprieſ - ſen. wartet der verheiſſenen Guͤter / die dem Glauben verſprochen ſeyn / ſo entſprieſſet aus dem Glauben die Hoffnung / denn was iſt die Hoffnung anders / denn ein beſtendiges / beharrli - ches Erwarten der verheiſſenen Guͤter im Glauben: Wenn aber der Glaube dem Nechſten die empfangene Guͤter mittheilet / jetzo entſpringet aus dem Glau - ben die Liebe / vñ thut dem Nech - ſten wieder alſo / wie jhm Gott gethan hat: Wenn aber der Glaube in der Prop des Creu - tzes beſtehet / vnd ſich dem Wil - len Gottes ergibt / Jetzo waͤchſetdieVorrede. die Gedult auß dem Glauben / wenn er aber im Creutz ſeufftzet / oder Gott fuͤr empfangene Wol - thaten dancket / Jetzo wird das Gebet geboren / wenn er Gottes Gewalt vnnd des Menſchen[E -]lende zuſammen faſſet / vnd ſich vnter Gott ſchmieget vnnd bie - get / Jetzo wird die Demut gebo - ren: Wenn er ſorget / das er nit moͤge Gottes Gnade verlieren /Philip. 2. oder wie S. Paulus ſpricht: Mit Furcht vnnd Zittern ſchaf - fet / das er ſelig werde / Jetzo iſt die Gottes Furcht geboren.

Keine wa - re Chriſtli che Tu - gend kan ohne den Glauben ſeyn.

Alſo ſieheſtu / wie alle Chriſt - liche Tugenden des Glaubens Kinder ſeyn / vnnd aus dem Glauben wachſen vnd entſprieſ -ſen /Vorrede. ſen / vnd koͤnnen nit vom Glau - ben / als von jhrem Vrſprung ge - trennet werden / ſollens anders warhafftige / lebendige Chriſtli - che Tugende ſein / aus Gott / aus Chriſto / vnnd aus dem heiligen Geiſt entſproſſen. Darumb kan kein Gott wolgef[e]llig Werck ohn den Glauben an Chriſtum ſeyn. Denn wie kan wahre Hoffnung / rechte Liebe / be[ſt]en - dige Gedult / hertzlich Gebet / Chriſtliche Demut / kindliche Furcht Gottes ohne Glauben ſeyn? Es muß alles aus Chri - ſto dem Heilbrunnen / durch den Glauben geſchoͤpffet werden /Alles was Gott gefallen ſol / muß auß Chri - ſto dem Heil. leydes Gerechtigkeit / vnnd al - le Fruͤchte der Gerechtigkeit: Du muſt dich aber wol fuͤrſe -hen /Vorrede. brunnen geſchoͤ - pffet wer - den durch den Glau - ben.hen / das du ja bey leibe deine Wercke vñ anfahende Tugend / oder Gaben des newen Lebens nicht mengeſt in deine Rechtfer -Werck vñ Gaben nicht in die Recht - fertigung zu mengẽ. tigung fuͤr GOtt / denn da gilt keines Menſchen Werck / Ver - dienſt / Gaben oder Tugend / wie ſchoͤn auch dieſelben ſeyn / ſon - dern der hohe vollkommene Ver - dienſt JEſu Chriſti / durch den Glauben ergreiffen / wie ſolches im 5. 19. 34. vnd 41. Capittel die - ſes Buchs / vnnd in den dreyen erſten Capitteln des andern Buchs gnugſam außgefuͤhretGerechtig keit des Glaubens vnd Le - bens weit zu vnter - ſcheiden. iſt. Darumb ſihe dich wol fuͤr / daß du die Gerechtigkeit des Glaubens / vnnd die Gerechtig - keit des Chriſtlichen Lebens nit in einander mengeſt / ſondernwolVorrede. wol vnterſcheideſt / denn diß iſt das gantze Fundament vnſer Chriſtlichen Religion. Nichts deſto weniger aber muſtu dir dei - ne Buſſe laſſen einen rechtſchaf - fenen Ernſt ſein / oder du haſt kei - nen rechtſchaffenen Glauben / welcher taͤglich das Hertz reini - get / endert vnd beſſert / ſolt auchAller Troſt vor geblich ohne Er - kentniß der Suͤn - de. wiſſen / daß der Troſt des Evan - gelij nicht hafften kan / wo nicht rechtſchaffene ware Rew / vnnd Goͤttliche Trawrigkeit vorher gehet / dadurch das Hertz zubro - chen vnd zuſchlagen wird / denn es heiſſet / Den Armen wird dz Evangelium geprediget: VnndMatt. 11. wie kan der Glaube dz Hertz le - bendig machen / wens nit zuuor getoͤdtet wird durch ernſtlicheErſter Theil. BReweVorrede. Rewe vnd Leidt / vnd wahre Er - kentniß der Suͤnden? Darumb ſoltu nit gedencken / dz die Buſſe ſo ſchlecht vnd leicht zugehe: Be -Roͤm. 6. Galat. 6. Roͤm. 12. Galat. 5. Wahre Buſſe iſt nicht ein ſchlecht Werck / ſõ - dern ein groſſer Ernſt Joel. 2. Pſal. 51. dencke wie ernſte vnnd ſcharffe Wort der Apoſtel Paulus brau - chet / da er gebeut dz Fleiſch zu toͤ - ten vnd zu creutzigen ſampt den Luͤſten vñ Begier den / ſeinen Leib auff zuopffern / der Suͤnden ab - zuſterben / der Welt gecreutziget werden / Warlich diß geſchicht nit mit Zerttelung des Fleiſches. Die heiligen Propheten mahlen auch die Buſſe nicht lieblich abe / wenn ſie ein zubrechen / zuſchla - gen Hertz / vñ einen zerknirſchten Geiſt fordern / vñ ſagen: Zureiſ - ſet ewre Hertzen / heulet / klaget vnd weinet / wo findet man jetzoſolcheVorrede. ſolche Buſſe? Der HErr Chri -Luc. 9. Luc. 14. ſtus nennets ſich ſelbſt haſſen / verleugnen / abſagen alle dem dz man hat / wil man anders ſein Juͤnger ſeyn / ſolches gehet war - lich nicht mit lachendem Munde zu. Deſſen allen haſtu ein leben - dig Exempel vnd Contrafect in den ſieben Bußpſalmen. DieDenen jre buſſe kein Ernſt iſt / koͤnnen auch des wahren Troſts nicht the[il]hafftig werden. Schrifft iſt voll des Goͤttlichen Eiffers / dadurch die Buſſe ne - ben jren Fruͤchtẽ erfordert wird / bey verluſt der ewigen Seligkeit / darauff kan denn der Troſt des Evangelij ſeine rechte natuͤrliche Krafft erzeigen. Beydes aber muß Gottes Geiſt durchs Wort in vns wircken.

Von ſolcher ernſter / wa[r]hafter /B ijinnig -Vorrede. inniglicher Hertzen Buſſe / vnd von derſelben Fruͤchten handelt diß mein Buͤchlein / vnd von der praxi vnd vbung des wahren Glaubens / auch wie ein Chriſt alles in der Liebe thun ſol / denn was aus Chriſtlicher Liebe ge - ſchicht / das gehet auch aus dem Glauben. Darum̃ ſol der Chriſt - liche Leſer freundtlich erinnert ſeyn / dz er fleiſſig ſehe nach demZiel vnnd Zweck die - ſetz Buchs. Scopo vñ Ziel des gantzen Buͤch - leins / ſo wird er befinden / daß es fuͤrnemlich dahin gerichtet iſt / dz wir den verborgenen angebornẽ Grewel der Erbſuͤnde erkennen / vnſer Elend vnnd Nichtigkeit be - trachten lernen / an vns ſelbſt vñ an alle vnſerm Vermuͤgen verza - gen / vns ſelbſt alles nemen / vndChri -Vorrede. Chriſto alles geben / auff das er alles allein in vns ſey / alles in vns Wircke / allein in vns lebe / alles in vns ſchaffe / weil er vnſer Bekehrung vnd Seligkeit / An - fang / Mittel vñ Ende iſt / wie ſol - ches deutlich vnd vberfluͤſſig an vielen oͤrtern dieſes Buͤchleins erkleret iſt / dadurch der Papiſtẽ / Synergiſten / Majoriſten Lehr außdruͤcklich refutirt vnnd ver - worffen wird. Auch iſt der Arti - ckel von der Rechtfertigung de[s]Glaubens / in dieſem / ſonderlich aber im andern Buch alſo ge - ſcherffet / vnd ſo hoch getrieben / als es jmmer muͤglich. Proteſtire hiemit / das ich diß Buͤchlein / gleich wie in allen andern Arti - ckeln vnd Puncten / alſo auch inB iijarti -Vorrede. artieulo de libero arbitrio & iuſti - ficatione peccatoris corã Deo, nit anders nach dem Verſtande / Librorum ſymbolicorum Eccleſia - rum Auguſtanæ Confeßionis: Als da ſeyn / die erſte vnuerenderte Augſpurgiſche Confeßion, Apolo - gia, Schmalcaldiſche Artickel / beyde Catechiſmi Lutheri, vnd For - mula concordiæ, will verſtanden haben. Gott erleuchte vns alle mit ſeinem H. G[e]iſte / daß wir lauter vnd vnanſtoͤſſig ſeyn im Glauben vnd Leben / biß auff den Tag vnſers HErrn Jeſu Chri - ſti (welcher nahe fuͤr der Thuͤr iſt) erfuͤllet mit Fruͤchten der Gerechtigkeit / zu Lobe vnndPhilip 1. Preiſe GOttes / Amen.

Regi -

Regiſter der Capittel / ſo in die - ſein erſten Buch begriffen

Cap. ſeyn. Fol.

  • 1. Was dz Bilde Gottes im Menſchẽ ſey. 1
  • 2. Was der Fall Adams ſey. 11
  • 3. Wie der Menſch in Chriſto Jeſu zum ewigen Leben wieder ernewret werde. 21
  • 4. Was ware Buſſe ſey: Vnd was das rechte Creutz vnd Joch Chriſti ſey. 33
  • 5. Was der ware Glaube ſey. 42
  • 6. Wie Gottes Wort muͤſſẽ im Menſchen durch den Glauben lebendig werden. 52
  • 7. Wie Gottes Geſetz in aller Menſchen Hertz geſchrieben ſey / welches ſie vberzeu - get / daß ſie an jenem Tage keine Entſchuͤl - digung haben. 60
  • 8. Dz ohne wahre Buſſe ſich memand Chri - ſti vnd ſeines Verdienſtes zu troͤſten habe. 69
  • 9. Durch das jetzige vnchriſtliche Leben wird Chriſtus vnd der wahre Glaube ver - leugnet. 81
  • 10. Das Leben der jetzigen Welt iſt gar wieder Chriſtum / darumb iſts ein falſch Le - ben vnd ein falſch Chriſtenthumb. 86
  • 11. Wer Chriſto in ſeinem Leben nicht fol - get / der thut nit wahre Buſſe / iſt kein Chriſt / vnd nicht Gottes Kind: Auch was die Newe Geburt ſey / vnd das Joch Chriſti. 89
  • 12. Ein wahrer Chriſt muß jhm ſelbſt vnd der Welt abſterben / vnd in Chriſto lebẽ. 105
  • 13. Vmb der Liebe Chriſti willẽ / vñ vmb der ewigẽ zukuͤnfftigẽ Herrligkeit willen / darzu wir geſchaffẽ vñ erloͤſet ſein / ſol ein Chriſt jm ſelber / vnd auch der Welt gerne abſterbẽ. 115
B iiij14. EinRegiſter.

Cap. Fol.

  • 14. Ein wahrer Chriſt muß ſein eigen Le - ben in dieſer Welt haſſen / vnd die Welt ver - ſchmehen lernen. 127
  • 15. In einem wahren Chriſten muß der al - te Menſch taͤglich ſterben / vnnd der newe Menſch giboren werden / vnd was da heiſſe ſich ſelbſt verlengnen / was auch das rechte Creutz der Chriſten ſey. 140
  • 16 In einem wahren Chriſten muß allezeit ſeyn der Streit des Geiſtes vñ Fleiſches. 149
  • 17. Daß der Chriſten Erbe vnd Guͤter nit in dieſer Wdt ſeyn / Darumb ſie das Zeitliche als Frembdlinge gebrauchen ſollen. 157
  • 18. Wie hoch Gott erzuͤrnet werde / wenn man das Zeitliche dem ewigen vorzeucht; Wie wir auch mit vnſern Hertzen nit an den Creaturen hangen ſollen / vnd warumb. 170
  • 19. Der in ſeinem Hertzen der elendeſte iſt der iſt bey Gott der liebſte / Vnd durch Er - kentnis ſeines Elendes ſuchet man Gottes Gnade. 179
  • 20. Durch wahre Rewe wird das Leben taͤglich gebeſſert / vnd der Menſch zum Reich Gottes geſchickt / vnd zum ewigen Leben be - foͤrdert. 191
  • 21 Vom wahren Gottesdienſte. 206
  • 22. Ein wahrer Chriſt kan nirgend an er - kant werden / deñ an der Liebe / vnd taͤglichẽ Beſſerung ſeines Lebens / wie ein Baum an ſeinen Fruͤchten. 226
  • 23. Ein Menſch der in Chriſto wil wachſen vnd zunemen / muß ſich vieler weltlichen Ge - ſellſchafft entſchlahen. 233
24.[Von]Regiſter.
  • Cap. Fol.
  • 24. Von der Liebe Gottes vnd des Nech - ſten. 241
  • 25. Von der Liebe des Nechſten inſonder - heit. 257
  • 26. Warumb der Nechſte zu lieben. 264
  • 27. Warumb auch die Feinde zu liebẽ. 277
  • 28. Wie vnd warumb die Liebe des Schoͤ - pffers aller Creaturen Liebe ſoll vorge - zogen werden: Vnd wie der Neheſte in Gott ſol geliebet werden. 286
  • 29. Von der Verſoͤhnung des Neheſten / ohne welche GOtt ſeine Gnade wiederruf - fet. 293
  • 30. Von den Fruͤchten der Liebe. 306
  • 31. Das eigene Liebe / vñ eigene Ehre / auch die hoͤchſten vnd ſchoͤn ten Gaben des Men - ſchen verderben vnd zu nicht machen. 319
  • 32. Groſſe Gaben beweiſen keinen Chriſtẽ vnd Gott wolgefaͤlligen Menſchen / ſondern der Glaube / ſo durch die Liebe thaͤtig iſt. 330
  • 33. Gott ſiehet die Wercke / oder die perſon nicht an / ſondern wie eines jeden Hertz iſt / ſo werden die Wercke geurtheilet. 335
  • 34. Ein Menſch kan zu ſeiner Seligkeit nichts thun / Gott thuts alles allein / wenn ſich der Menſch nur Gott durch ſeine Gna - de leſt / vnd mit jhm handeln leſſet / als ein Artzt mit dem Krancken: Vnd wie ohne Buſſe / Chriſti Verdienſt nicht zugerechnet werde. 341
  • 35. Ohn ein heilig Chriſtlich Leben iſt al - le Weißheit / Kunſt vnd Erkentnis vm̃ſonſt /B vja dieRegiſter. ja die Wiſſenſchafft der gantzen heiligen Schrifft vergeblich. 355
  • 36. Wer in Chriſto nicht lebet / ſondern ſein Hertz an die Welt henget / der hat nur den euſſerlichen Buchſtaben der Schrifft / aber er ſchmecket nicht die Krafft vnd verborgenes Manna. 362
  • 37. Wer Chriſto in ſeinem Leben nicht fol - get / der kan von der Blindheit ſeines Her - tzens nicht erloͤſet werden / ſondern muß in der ewigen Finſternis bleiben? Kan auch Chriſtum nit recht erkennen / noch Gemein - ſchafft vnd Theil an jhm haben / noch ware Buſſe thun. 382
  • 38. Das vnchriſtliche Leben iſt eine Vrſach falſcher verfuͤhriſcher Lehre / Verſtockung vnd verblendung. 403
  • 39. Daß die Lauterkeit der Lere / vnnd des goͤttlichen Worts / nicht allein mit diſputi - ren vnd vielen Buͤchern erhalten werde / ſon - dern auch mit warer Buſſe vnd heiligem Leben. 414
  • 40. Etliche ſchoͤne Regeln eines Chriſtli - chen Sottſeligen Lebens. 429
  • 41. Das gantze Chriſtenthumb ſtehet in der Widerauffrichtung des Bildes Gottes im Menſchen / vnd in Außtilgung des Bil - des des Sathaus. 446
  • 42. Wie man ſich auch fuͤr geiſtlicher Hof - fart huͤten ſol / vnd wie keine warhafftige geiſtliche Gaben ohne Gebet koͤnnen er - langet werden. 478
Das
1

Das erſte Buch Von wahrem Chriſtenthumb / Heilſamer Vuſſe / Hertz - licher Rewe vnnd Leid vber die Suͤnde / wahrem Glauben / heiligem Leben vnd Wandel der rechten wahren Chriſten.

Das I. Capittel. Was das Bilde Gottes im Men - ſchen ſey.

(Epheſ. 4. )Ernewert euch im Geiſt ewers Gemuͤts / vnd ziehet den newen Menſchen an / der nach GOtt geſchaffen iſt in rechtſchaffener Gerechtigkeit vnd Heiligkeit.

DAs Bilde GOttes im Men - ſchen iſt die Gleichfoͤrmigkeit der Menſchlichẽ Seelen / ver -ſtandes /2Vom Bilde Gottesſtandes / Geiſtes / Gemuͤts / willens vñ aller innerlichen vñ euſſerlichen Leibes vnd Seelen Kraͤffte mit Gott vnd der heiligen Dreyfaltigkeit / vnd mit allen jhren Goͤttlichen Arten / Tugenden / Willen vñ Eigenſchafften. Denn alſo laut der Rahtſchlag der heiligen Drey - faltigkeit / Gen. 1. Laſſet vns Menſchen machen / ein Bild / das vns gleich ſey / der da herrſche vber die Fiſch im Meer / vber Voͤgel vnter dem Himmel / vber alles Viehe / vnd vber die gantze Erde.

Der mẽſch ein Bilde der heili - gen Drey faltigkeit.

Daraus erſcheinet / daß ſich die hei - lige Dreyfaltigkeit in Menſchen abge - bildet / auff daß in ſeiner Seelen Ver - ſtand / Willen vnd Hertzen / ja in dem gantzen Leben vnd Wandel des Men - ſchen eitel goͤttliche Heiligkeit / Gerech - tigkeit / Guͤtigkeit erſcheinen vñ leuch - ten ſolte: Gleich wie in den heiligen Engeln eitel goͤttliche Liebe / Kraͤffte vnd Reinigkeit iſt: Daran wolte Gott ſeine Luſt vnd Wolgefallen haben / als an ſeinen Kindern. Denn gleich wieein3in Menſchen. ein Vater ſich ſelbſt ſihet vnd erfrewet in ſeinem Kinde: Alſo hat auch Gott am Menſchen ſeine Luſt gehabt / Pro - uerb. 8. Denn ob wol Gott der Herr ſeinen wolgefallen gehabt an allen ſei - nen Wercken / ſo hat er doch ſonderlich ſeine Luſt an dem Menſchen geſehen / weil in demſelben ſein Bilde in hoͤchſterBilde der H. Drey - faltigkeit in der See len. vnſchuld vnd Klarheit geleuchtet. Da - rumb ſeyn drey vorneme Kraͤffte der Menſchlichen Seelen von Gott einge - ſchaffen: Der Verſtand / der wille vnd das Gedechtniß. Dieſelbe zeuget vndJoh. 6. Joh. 14. bewart / heiliget vnd erleuchtet die hei - lige Dreyfaltigkeit / vnd ſchmuͤcket vnd zieret dieſelbe mit jhren Gnaden / wer - cken vnd Gaben.

Dann ein Vilde iſt / darinn man eine gleiche Form vnd Geſtalt ſihet / vnd kan kein Bildnis ſeyn / ſie mus ein Gleichnis haben deſſen / nach dem ſie gebildet iſt / Als in einem Spiegel kan kein Bild erſcheinen / es empfahe denn die Gleichnis / oder gleiche Geſtalt voneinem4Vom Bilde Gotteseinem andern / vnd je heller Spiegel / je reiner dz Bild erſcheinet: Alſo je reiner vnd lauterer die Menſchliche Seele / je klaͤrer Gottes Bild darein leuchtet.

Zu dem Ende hat GOtt den Men - ſchen rein / lauter / vnbefleckt erſchaffen mit allen Leibs vnd Seelen Kraͤfften /Worin dz Bilde Gottes ſtehe. daß man GOttes Bilde in jhm ſehen ſolte / Nicht zwar als einen todten Schatten im Spiegel / ſondern als ein warhafftiges lebendiges Contrafeyt vñ Gleichnis des vnſichtbarẽ Gottes / vnd ſeiner vberaus ſchoͤnen / innerlichẽ / verborgenen Geſtalt / dz iſt / Ein Bilde ſeiner goͤttlichen Weisheit im Ver - ſtande des Menſchen / ein Bilde ſeiner Guͤtigkeit / Langmut / Sanffmut / Ge - dult in dem Gemuͤt des Menſchen / Ein Bilde ſeiner Liebe vnnd Barm - hertzigkeit in den Affecten des Her - tzens des Menſchen / Ein Bilde ſeiner Gerechtigkeit / Heiligkeit / Lauterkeit vnnd Reinigkeit in dem Willen des Menſchen / Ein Bilde der Freundlig - keit / Holdſeligkeit / Liebligkeit vnndWar -5im MenſchenWarheit in allen Geberden vnd wor - ten des Menſchen / Ein Bilde der All - macht in der gegebenẽ Herrſchafft vber den gantzen Erdbodem / Vnnd in der Frucht vber alle Thier / Ein Bilde der Ewigkeit in der Vnſterbligkeit des Menſchen.

Daraus ſolte der Menſch Gott ſei -Rechter gebrauch des Bil - des Got - tes. nen Schoͤpffer / vnd ſich ſelbſt erkennẽ: Den Schoͤpffer alſo / daß Gott alles were / vnd das einige hoͤchſte Weſen / von welchem alles ſein Weſẽ hat / auch daß Gott alles weſentlich were / deſſen Bilde der Menſch truͤge / denn weil der Menſch ein Bilde der Guͤtigkeit Got - tes iſt / ſo muß Gott weſentlich das hoͤchſte / Gut vnd alles Gut ſeyn / ErGott iſt alles Gut weſentlich mus weſentlich die Liebe ſeyn / er muß weſentlich das Leben ſeyn / er mus we - ſentlich heilig ſeyn. Darumb auch Got alle Ehr / Lob / Ruhm / Preis / Herrlig -Werumb Gott alle Ehre ge - buͤhret. keit / Stercke / Gewalt vnd Krafft ge - buͤhret / Vnd keiner Creatur / ſondern allein Gott / der diß alles ſelbſt weſent - lich iſt. Darumb als Matt. 19. einer dẽHErrn6Vom Bilde GottesHerrn fragte / der jhnen fuͤr einen pur lauter Menſchen anſahe / guter Mei - ſter / was mus ich thun / daß ich das ewige Leben ererbe / Antwortet der Herr: Was heiſſeſtu mich Gut? Nie - mand iſt gut / denn der einige GOtt / das iſt / Gott iſt allein weſentlich gut vnd ohne vnd auſſer jhn kan kein wah - res Gut ſeyn.

Sich ſelbſt ſolte aber der Menſch aus ſeinem Bildnis alſo erkennen / daß ein Vnterſcheid ſeyn ſolte zwiſchẽ dem Menſchen vnd zwiſchen GOtt. Der Menſch ſolte nicht Gott ſelbſt ſeyn / ſondern Gottes Bilde / Gleichnis / Contrafect / vnd Abdruck / in welchem allein ſich Gott wolte ſehen laſſen alſo /In dem Bilde Gottes ſol nichts lenchten den Gott. daß nichts anders in dem Menſchen ſolte leben / leuchten / wircken / woͤllen / lieben / gedencken / reden / frewen / denn Gott ſelbſt. Denn wo etwas anders im Menſchen ſolte geſpuͤret werden / das nicht Gott ſelbſt wircket vnd thut / ſo koͤnte der Menſch nit Gottes Bildeſeyn /7in Menſchen. vnd ſich in jhm ſehen leſt. So gar ſolt der Menſch Gott ergeben vnd gelaſſen ſeyn welches iſt ein bloß lauter LeidenGott ſoll alles im Menſchen ſeyn. des goͤttlichen willens / das man Gott alles in jhm leſt wircken / vnd ſeinem ei - genen Willen abſagt. Vnd das heiſt Gott gantz gelaſſen ſeyn. Nemlich / wenn der Menſch ein bloß lauter / rei - nes / heiliges Werckzeug Gottes / vnd ſeines heiligen Willns iſt / vnnd aller Goͤttlichen Wercke / Alſo / daß der Menſch ſeinen eigenen Willen nicht thue / ſondern ſeyn Wille ſolte Gottes Wille ſeyn / daß der Menſch keine eige - ne Liebe habe / Gott ſolle ſeine Liebe ſeyn / keine eigene Ehre / Gott ſolle ſeine Ehre ſein / er ſolte keinẽ eigenen Reich - thumb haben / Gott ſolte ſein Beſitz vnd Reichthumb ſeyn ohn alle Crea - tur vnd Weltlieb. Alſo ſolte nichts in jhm ſeyn / leben vnnd wircken / denn GOtt lauter allein / vnnd das iſt die hoͤchſte Vnſchuld / Reinigkeit vnnd Heiligkeit des Menſchen. Denn dieſes iſt je die hoͤchſte Vnſchuld /Erſter Theil CWenn8Vom Bilde GottesWenn der Menſch nicht ſeinẽ eigenẽ Willen vollbringet / ſondern leſt Gott alles in jhm wircken vnd vollbringen /Hoͤchſte vnſchuld vñ einfalt. Ja dz iſt die hoͤchſte Einfalt / wie man ſihet an einem einfeltigen Kinde / in dẽ kein eigene ehre / kein eigene Liebe iſt.

Alſo ſolt Gott den Menſchen gar beſitzen von innen vnd auſſen / wie wir deſſen ein Exempel haben an vnſermChriſtus ein voll - kommen Bilde Gottes. HErrn Jeſu Chriſto / welcher ein vol - kommen Bilde Gottes iſt / in dem er ſeinen Willen gantz auffgeopffert ſei - nem himliſchen Vater in hoͤchſtem Gehorſam / Demut vnd Sanfftmut ohne alle eigene Ehre / ohne alle eigene Liebe / ohne alle eigenẽ Nutz vnd Beſitz / ohn alle eigene Luſt vñ Freude / ſondern er hat Gott alles in jm vnnd durch jhn laſſen wircken / was er gedacht / geredt vnnd gthan. Summa / ſein Wille iſt Gottes Wille vnd Wolgefallen / dar -Math. 3. umb Gott vom Himmel geruffeni Diß iſt mein lieber Sohn / an dem ich Wol - gefallen habe. Alſo iſt er dz rechte Bil - de Gottes / aus welchem nichts andersleuchtet9im Menſchen. leuchtet denn allein das / was GOtt ſelbſt iſt / nemlich eitel Liebe vnd Barm - hartzigkeit / Langmut / Gedult / Sanfft mut / Freundligkeit / Heiligkeit / Troſt / Leben vnnd Seligkeit. Alſo wolte derGott in Chriſto offenbar. vnſichtbare Gott in Chriſto ſichtbar vnd offenbar werden / vnd ſich in jhm den Menſchen zu erkennen geben / wie - wol er auff eine viel hoͤhere Weiſe Got - tes Bilde iſt nach ſeiner Gottheit / nemlich Gott ſelbſt / vnd Gottes we - ſentliches Ebenbilde / vñ der Glantz ſei -Hebr. I. ner Herrligkeit / daruon wir auff diß - mal nicht redẽ / ſondern allein wie er in ſeiner heiligen Menſcheit gewandelt vnd gelebet hat.

Eine ſolche heilige Vnſchuld iſt das Bilde Gottes in Adam auch geweſt /Bilde Gottes wird in Demut bewaret. vnd daſſelbe ſolte er in wahrer Demut vnd Gehorſam bewaret vnd erkandt haben / dz er nicht ſelbſt das hoͤchſte gut were / ſondern das er nur des hoͤchſten Guts Bilde were / das ſich in jhm hette abgebildet. Da ers aber ſelbſt ſeynC ijwolte10Vom Bilde Gotteswolte / das iſt / GOtt ſelbſt / da viel er in die grewlichſte vnnd ſchrecklichſte Suͤnde.

Fuͤrs ander ſolte der Menſch ſich alſo ſelbſt erkennen / daß er durch dis Bildnis Gottes fehig were worden der goͤttlichen / lieblichen holdſeligen Liebe / Freude / Friede / Lebens / Ruhe / Staͤrcke / Krafft / Liechtes / auff das Gott alles allein im Menſchen were / allein in jhm lebete vnd wirckete. Vnd alſo in dem Menſchen nicht were ei - gen Wille / eigene Liebe / eigene Ehre vnd Ruhm / ſondern daß Gott allein des Menſchen Ruhm vnd Ehre were / vnd allein den Preiß behielte. Denn ein gleiches iſt ſeines gleichen fehig / vnd keines widerwertigen. Ein glei - ches frewet ſich je ſeines gleichen / vnd hat ſeine Luſt in demſelbigen / Alſo wolte ſich GOtt gantz ausgieſſen in dem Menſchen mit aller ſeiner Guͤtig - keit / ſo ein gantz mittheilendes Gut iſt GOtt.

Vnnd11im Menſchen.

Vnd letzlich ſolte der Menſch aus dem Bilde Gottes ſich alſo erkennen / daß er dadurch mit Gott vereiniget were / vnd das in dieſer Vereinigung des Menſen hoͤchſte Ruhe / Friede / Freude / Leben vnd Seligkeit ſtuͤnde. Wie im Gegentheil des Menſchen hoͤchſte Vnruhe / vnd Vnſeligkeit nir - gend anders her entſtehen kan / Denn wenn er wider Gottes Bilde handelt / ſich von Gott abwendet / vnd des hoͤch - ſten ewigen Gutes verluſtig wird.

Das II Capitel. Was der Fall Adams ſey.

(Rom. 5. )Wie durch eines Men - ſchen Vngehorſam vicl Suͤn - der worden ſeyn / Alſo ſindt durch eines Menſchen Ge - horſam viel gerecht worden. C iijDE -12Vom Fall Adams.

DEr Fall Adams iſt der Vnge - horſam wider Gott / dadurch ſich der Menſch von Gott ab - gewendet hat zu jhm ſelbſt / vnd Gott die Ehre geraubet / in dem er ſelbſt Gott ſeyn wollen: dadurch er des heiligen Bildes Gottes beraubet / nemlich der vollkommenen Erbgerechtigkeit vnnd Heiligkeit: Im Verſtande verblendet: im Willen vngehorſam vnd Gott wi - derſpenſtig / in allen Kraͤfften des Her - tzens verkehret vnd Gottes Feind wor - den / welcher Grewel auff alle Men - ſchen durch fleiſchliche Geburt fortge - pflantzet vnd geerbet wird / dadurch der Menſch geiſtlich todt vnd geſtorben / ein Kind des Zorns vnd Verdamnis iſt / wo er nicht durch Chirſtum erloͤſet wird. Darumb ſoltu einfeltiger Chriſt den Fall Adams fuͤr keine ſchlechte vñ geringe Suͤnde achten / als were derſel - be nur ein bloſſer Apffelbiß / ſondern dz iſt ſein Fall geweſen / das er Gott ſelbſt hat ſeyn wollen / vnd das war auch desSathans13Vom Fall Adams. Sathans Fall / das iſt aber die ſchrech -Adams Fall die ſchrecklich ſte Suͤnde. lichſte vnd abſchewlichſte Suͤnde.

Dieſer Fall iſt erſtlich in ſeinem Hertzen geſchehen / darnach durch den Apffelbiß heraus gebrochen / vñ offen - bar worden / diß kan man etlicher maſ - ſen abnemen in dem Fall vnd Suͤnde2 Sam. 15 Abſolons. Dann erſtlich war derſelbe eines Koͤniges Sohn / 2. der ſchoͤnſte Menſch / an welchem vom Haupt biß auff die Fusſohlẽ kein Feil war / 3. war er ſeinem Vater ein ſehr lieber Sohn / wie man an dẽ Threnen Dauids ſihet. An dieſer Herrligkeit wolte ſich Abſo - lon nicht gnuͤgen laſſen / ſondern wolte ſelbſt Koͤnig ſeyn / vnd raubet jhm die koͤnigliche Ehre. Da er nun das in ſein Hertz nam / da ward er ſeines Vatern abgeſagter Feind / vñ trachtet jhm nach dem Leben. Alſo war Adam / 1. GottesLuc. 3. Sohn / 2. der ſchoͤnſte vnter allen Cre - aturen / alſo das kein Feil an jm war an Leib vnd Seel / vñ war auch fuͤrs dritte Gott ein liebes Kind / als er ſich nun an deiſer Herrligkeit nit wolte begnuͤgenlaſſen /14Vom Fall Adams. laſſen / ſondern Gott ſelbſt ſeyn / da ward ein Feind Gottes / vñ weñs muͤg - lich geweſt / hette er Gott vertilget.

Wie koͤnte nun eine greulichere vnd abſchewlichere / Suͤnde ſeyn? Daraus dieſer Grewel erfolget / Erſtlich / dz derGleiche Suͤnde Adams vnd des Sathans. Menſch dem Sathan gleich worden in ſeinem Hertzen / denn ſie haben beyde gleiche Suͤnde begangen. Vnd iſt dem - nach der Menſch auß Gottes Bilde des Sathans Bilde / vnd ſeyn Werck - zeug worden / fehig aller Bosheit des Sathans darnach iſt der Menſch aus einem goͤttlichen / geiſtlichen / himliſchẽBilde des Sathans. Bilde gar jrrdiſch / fleiſchlich / viehiſch / vnnd thieriſch worden. Denn erſtlich / damitd Sathan ſein teuffeliſch Bild - nis im Menſchen pflantzete / ſo hat er durch ſeine liſtige / gifftige / verfuͤhriſche Wort vnd Betrug / ſeinen Schlangẽ - ſamen in den Menſchen geſeet / welcher heiſt eigene Ehre / eigene Liebe / eigener Wille / vnd Gott ſelbſt ſeyn.

Daher die Schrifft alle die / ſo in ei - gener Liebe erſoffen ſeyn / nennet Ot -ternge -15Vom Fall Adams. terngezichte / Matt. 3. vnnd Schlan -Math. 3. genſamen / die des Teuffels Art an ſich haben / Geneſ. 3. Ich wil FeindſchafftGeneſ. 3. ſetzen / zwiſchen der Schlangen Sa - men / vnd des Weibes Samen.

Aus dieſem Schlangenſamen kan nun nichts anders wachſen / denn eine ſolche grewliche Frucht / die da heiſt des Sathans Bilde / Kinder Belial / des Teuffels Kinder / Joh. 8. Denn gleichGleichnis wie ein natuͤrlicher Same verborge - ner weiſe in ſich begreiffet des gantzen Gewaͤchſes Art vnnd Eigenſchafft / ſeine Groͤſſe / Dicke / Lenge / vnd Brei - te / ſeine Zweige / Bletter / Bluͤte vnnd Fruͤchte / daß man ſich billich ver - wundern muß / daß in einem kleinen Saͤmlein ſo ein groſſer Baum verbor - gen ligt / vnd ſo viel vnzehlige Fruͤch - te: Alſo iſt in dem gifftigen boͤſen Schlangenſamen / in dem Vngehor - ſam vnd eigener Liebe des Adams / ſo auff alle Nachkommen durch fleiſch -Gifftiger Baum. liche Geburt / geerbet / ſo ein gifftiger Baum verborgen / vnnd ſo vnzehligeC vBoͤſe16Vom Fall Adams. boͤſe Fruͤchte / daß in jhnen das gantze Bilde des Sathans mit aller boͤſen Vnart vnd Boͤßheit erſcheinet.

Dann ſehet ein klines Kind an / wie ſich von Mutterleibe an die boͤſe vnart in jhm reget / ſonderlich aber der eigeneFruͤchte des giffti - gen Baums. Wille vnd Vngehorſam / vnd wenn es ein wenig erwechſet / bricht herfuͤr - die angeborne eigene Liebe / eigene Eh - re / eigen Lob / eigene Rache / Luͤgẽ vñ dergleichen / Bald bricht herfuͤr Hof - fart / Stoltz / Hochmut / Gottesleſte - rung / Fluchẽ / Schweren / boͤſes wuͤn - ſchen / Liegen vñ Triegẽ / Verachtung Gottes vñ ſeines Worts / verachtung der Eltern / Obrigkeit / es bricht herfuͤr Zorn / Zanck / Haß / neid / Feindſchafft / Rachgierigkeit / Blutvergieſſen / vnd alle Grewel / ſonderlich weñ die euſſer -Ergernis erwecket die Vnart im Men - ſchen. lichen Ergernuͤſſen dazu kommen / welche die Adamiſche fleiſchliche Vn - art im Menſchen erwecken. Deñ dar - durch gehet herfuͤr die vnzucht Vnrei - nigkeit / huriſche Phantaſeyen / vñ ehe - brecheriſche Gedancken / vnzuͤchtigeReden17Vom Fall Adams. Reden / ſchendliche Geberde / Wort vñ Wercke / die Luſt zu Vollerey / Vber - fluß in Speiſe vnd Ttranck / in Klei - dung / Leichtfertigkeit / Vppigkeit / Freſſen vnd Sauffen / Es gehet herfuͤr Geitz / Wucher / Betrug / Vortheil / Rencke / Liſt / Spitzfindigkeit / vnnd in Summa alle Schande vnd Laſter / al - le Buͤberey vnnd Schalckheit auff ſo vielfaltige vnerhoͤrte mancherley wei - ſe / daß es nicht muͤglich zu zehlen / wieJerein. 17. im Jeremia am 17. ſtehet: Wer kan des Menſchen Hertz ergruͤnden / ja das noch mehr iſt / ſo die ketzeriſchẽ verfuͤh - riſchen Geiſter darzu kommen / ſo ge - het heraus Verleugnung Gottes / Ab -Ergernis in der Lehr. goͤtterey / VerfolgungderWarheit / die Suͤnde in den H. Geiſt / die Verfaͤl - ſchung des Glaubens / Verkehrung der Schrifft / vnnd alle Verfuͤhrung auffs aller ſchrecklichſte / Das ſind alle die Fruͤchte des Schlangenſamens im Menſchen / vnd dz Bild des Sathans.

Wer hette nun anfaͤnglich gemei - net / daß in einem ſo kleinen / ſchwachẽbloͤden18Vom Fall Adams. bloͤden Kinde ein ſolcher Wuſt aller Laſter / ein ſo verzweiffelt boͤſes Hertz /Verbor - gene Boß - heit im Menſchẽ. ein ſolcher grewlicher Wurm vnd Baſi - liſcus verborgen gelegen were / wenn es der Menſch nit ſelbſt herfuͤr druͤckte mit ſeinem Leben vnd Wandel / mit ſei - nem boͤſen tichten vnnd trachten von Jugend auff / Gen. 6.

Las mir das nun eine boͤſe Wurtzel ſeyn / daraus ſo ein gifftiger Baum waͤchſet / einen boͤſen Schlangenſamẽ /Warumb Ergerniß ſo hart verboten. Matt. 18. vñ Ottergezichte / daraus ſo ein ſcheuß - lich Bild herfuͤr koͤmpt. Denn das waͤchſet ja alles von innen heraus / vnd wird mehrertheils durch die euſſerliche Ergernis erwecket. Darumb der Herꝛ Chriſtus die Ergernis der Jugend hal - ben ſo hart verbotten / dieweil der Schlangenſamen in den Kindern ver - borgen iſt / in welchen ſo viel Schand vnd Laſter heimlich verſteckt ligen vnd ruhen / als ein Gifft im Wurm.

Darumb O Menſch / lerne den Fall Adæ / vnd die Erbſuͤnde recht verſtehẽ / denn die Verderbung iſt nicht außzu -reden /19Vom Fall Adams. reden vnnd außzugruͤnden. Lerne dichErbſuͤnde nit außzu - reden. ſelbſt erkennen / was du durch den Fall Adæ worden biſt: Aus Gottes Bilde des Sathans Bild / in welchem alle Vnarten / Eigenſchafften / vnd Boß - heiten des Sathans begriffen ſeyn. Gleich wie in Gottes Bilde alle Artẽ / Eigenſchafften vnd Tugenden Gottes begriffen waren / vñ gleich wie fuͤr dem Fall der Menſch trug das Bilde desHimliſch vnnd Irr - diſch Bild Himliſchen / das iſt / er war gantz him - liſch / geiſtlich / goͤttlich / vnd engeliſch: ſo tregt er nun nach dem Fall das Bilde des jrrdiſchen / das iſt / er iſt inwendig gantz Irrdiſch / Fleiſchlich vnnd Be - ſtialiſch worden.

Denn ſihe / iſt dein Zorn vnd Grim - migkeit nit Loͤwen Art? Iſt dein NeidThieri - ſche Men - ſchen. vnd vnerſetlicher Geitz nicht Hundes vnd Wolffes Art? Iſt deine Vnreinig - keit / Vnmeſſigkeit nicht ſaͤwiſche Art? Ja du wirſt in dir ſelbſt finden eine gantze Welt voller boͤſer Thier / auch in dem kleinen Glied deiner Zungen al - lein / wie S. Jacobus ſagt / einẽ gantzenPful20Vom Fall Adams. Pful voller boͤſen Wuͤrm / eine Behau - ſung voller vnreinen Geiſter / vñ vollerJacob. 3. Eſai. 3. Apoc. 18. vnreinen Voͤgel / wie Eſaias vnd Apo - calypſis zeugẽ / daß auch offt kein wild Thier ſo grimmig iſt als ein Menſch / kein Hund ſo neidiſch / kein Wolff ſo reiſſend vñ geitzig / kein Fuchs ſo liſtig / kein Baſiliſck ſo gifftig / keine Sawe ſo vnfletig. Vmb welcher thieriſchen vndMatth. 3. Marc. 7. viehiſchen Vnart willen der Herr Chriſtus He[ro]dem einẽ Fuchs nennet / die vnreinen Hunde vnd Saͤwe / wel - chen man das Heiligthumb nicht ge - ben / noch die Perlen fuͤrwerffen ſoll.

Wenn ſich nun der Menſch von ſol - cher Vnart nit bekeret / vnd in Chriſto nit ernewert wird / ſondern alſo ſtirbt / ſo bleibet er ewiglich einer ſolchẽ hoch - muͤtigen / ſtoltzen / hoffertigen / Satha - niſchen Art ein grimmiger Loͤwe / ein neidiſcher Hund / ein reiſſender Wolff / ein gifftiger Wurm vnd Baſiliſck / kan auch nim̃ermehr von ſolchem Grewel erlediget werdẽ / ſondern muß des Sa - thans Bilde / ewig tragen vnd behaltenin der21Von Adams Fall. in der ewigẽ Finſterniß / zum Zeugniß /Erinne - rũg hoch - noͤtig. daß er nit in Chriſto gelebet / vnd nach dem Bilde Gottes ernewert worden / wie die Offenbarung Johannis ſagt: Drauſſen ſind die Hunde / die Abgoͤt - tiſchen vnd Zauberer / vnnd alle die daApoc. 21. lieb haben vnd thun die Luͤgen / ꝛc.

Das III. Capittel. Wie der Menſch in Chriſto zum ewi - gen Leben wieder ernewert wird.

Gal. 6. In Chriſto Jeſu gilt / we - der Beſchneidung noch Vor - haut / ſondern eine newe Cre - atur. ()

DIe newe Geburt iſt ein Werck Gottes des heiligen Geiſtes / dadurch ein Menſch auseinem Kinde des Zorns vnd Verdamnis / ein Kind der Gnaden vnd Seligkeit wird / Aus einem Suͤnder ein Gerechter / durch den Glauben / Wort vnnd Sa -crament /22Von der Ernewerungcrament / dadurch auch vnſer Hertz / Sinn vnd Gemuͤt / Verſtand / Wil - len vnd Affecten ernewert / erleuchtet / geheiliget werden in vnd nach Chriſto Jeſu zu einer newen Creatur. Denn die newe Geburt begreifft zwey Heupt - wolthaten in ſich / die Rechtfertigung / vnd die Heiligung / oder Ernewerung / Tito am 3.

Zweyer - ley Ge - burt.

Es iſt zweyerley Geburt eines Chri - ſtenmenſchen / die alte fleiſchliche / ſuͤnd - liche / verdampte vnnd verfluchte Ge - burt / ſo aus Adain gehet / dadurch der Schlangenſamen des Sathans Bil - de / vnd die jrrdiſche / viehiſche Art des Menſchen fortgepflantzet wird / vnnd die geiſtliche / heilige / ſelige / gebenedey - te newe Geburt / ſo aus Chriſto gehet / dadurch der Same Gottes / das Bil - de Gottes / vnd der himmeliſche / gott - foͤrmige Menſch geiſtlicher weiſe wird fortgepflantzet.

Alſo hat jeder Chriſtenmenſch zwey - erley Geburts Linien in jm die fleiſch - liche lineam Adami, vnd die geiſtlichelineam23in Chriſto. lineam Chriſti, ſo aus dem Glauben gehet. Deñ gleich wie Adams alte Ge - burt in vns iſt: Alſo muß Chriſti newe Geburt auch in vns ſeyn. Vnnd das heiſt der alte vnd newe Menſch / die alte vnd newe Geburt / drr alte vnnd neweAlte vnd newe Ge - burt. Adam / dz jrrdiſche vñ himliſche Bild / das alte vnd newe Jeruſalem / Fleiſch vnd Geiſt / Adam vñ Chriſtus in vns / der inwendige vnd euſſerliche Menſch.

Nun mercket / wie wir deñ aus Chri - ſto new geboren werden. Gleich wie die alte Geburt fleiſchlicher Weiſe aus Adam fortgepflantzet wird: Alſo die newe Geburt geiſtlicher weiſe aus Chriſto / vñ dz geſchicht durchs WortSame der newen Ge burt. Gottes. Dz Wort Gottes iſt der ſame der newen Geburt / 1. Pet. 1. Ihr ſeyd wiederumb geboren / nit aus vergeng - lichem / ſondern aus vuuergenglichem Samen / nemlich / aus dem lebendigẽ Wort Gottes / dz da ewiglich bleibet / vñ Jacobi am 1. Er hat vns gezeuget durchs Wort der Warheit / dz wir wer - dẽ Erſtling ſeiner Creaturẽ. Dis WortErſter Theil Derwecket24Von der Ernewerungerwecket den Glauben / vnd der Glaub[e]helt ſich an diß Wort / vnd ergreifft i[m]Wort Jeſum Chriſtum ſampt dem he[i]ligen Geiſt. Vnd durch des heilige[s]Geiſtes Krafft vnd Wirckung wird d[er]Mittel der newẽ Gebnrt.Menſch new geboren: So geſchicht n[un]die newe Geburt / Erſtlich / Durch de[n]heiligen Geiſt / Joh. 3. vnd das nenne[t]der Herr aus dem Geiſt geboren wer[-]den. Zum andern / Durch den Glaub[en]1. Joh. 5. Wer da gleubet / daß Jeſu[s]ſey Chriſtus / der iſt aus Gott geboren[.]Zum dritten / Durch die H. Tauffe / Joh. 3. Es ſey deñ / daß jemand new ge[-]borẽ werde aus dem Waſſer vñ Geiſt / davon mercket folgenden Bericht.

Aus Adam / vnd von Adam hat der Menſch ererbet das hoͤchſte Vbel / als Suͤnde / Fluch / Zorn / Todt / Teuffel /Fruͤchte der alten vnd newẽ Geburt. Hell vnnd Verdamnis / Das ſind di[e]Fruͤchte der alten Geburt: Aus Chriſto aber erbet der Menſch das hoͤchſte Gu[t]durch den Glauben / nemlich Gerech - tigkeit / Gnade / Segen / Leben / vnd die ewige Seligkeit. Aus Adam hat derMenſch25in Chriſto. Menſch einen fleiſchlichen Geiſt / vnd des boͤſen Geiſtes Herrſchafft vnd Ty - ranney ererbet: Aus Chriſto aber den heiligen Geiſt mit ſeinen Gaben vnndWaſerley Geiſt / ſol - cherley Kmd vnd Geburt. troͤſtlicher Regierung. Denn waſerley Geiſt der Menſch hat / ſolcherley Ge - burt / Art vnnd Eigenſchafft hat er an ſich / Wie der Herr Luc. am 9. ſpricht: Wiſſet jr nicht / welches Geiſtes Kin - der jr ſeyd. Aus Adam hat der Menſch bekommen einen hoffertigen / ſtoltzen / hochmuͤtigẽ Geiſt / durch die fleiſchliche Geburt. Wil er nun new geboren vnd ernewert werdẽ / ſo muß er aus ChriſtoAus Chri - ſto ein newer Geiſt. Pſal. 51. einen demuͤtigen / nidrigen / einfeltigen Geiſt bekommen durch den Glauben. Aus Adam hat der Menſch geerbet ei - nen vngleubigen / gottesleſterlichẽ / vn - danckbaren Geiſt / aus Chriſto muß er einen gleubigen / Gott lobenvt / danck - baren Geiſt bekom̃en / durch den Glau - bẽ. Aus Adam hat der Menſch bekom - mẽ einen vngehorſamen / frechẽ / freue - len Geiſt: Aus Chriſto aber muß er be - kommen einen gehorſamen / ſittigen /D ijfreund -26Vom Ernewerugfreundlichen Geiſt durch den Glaubẽ. Aus Adam hat der Menſch geerbt ei - nen zornigen / feindſeligen / rachgieri - gen / moͤrdriſchen Geiſt durch die ſuͤnd - liche Geburt: Aus Chriſto mus er erer - ben einen liebreichen / ſanfftmuͤtigen / langmuͤtigen Geiſt durch den Glau - ben. Aus Adam hat der Menſch be - kommen einen geitzigen / vnbarmhertzi - gen / eigennuͤtzigen / rauberiſchen Geiſt:Wir habẽ Chriſti Sinn. 1. Cor. 2. Aus Chriſto mus er erlangen einen barmhertzigen / milden / huͤlffreichen Geiſt durch den Glauben. Aus Adam hat der Menſch ererbet einen vnzuͤchti - gen vnſaubern / vnmeſſigen Geiſt: Aus Chriſto einen reinen / keuſchen / meſſigẽ Geiſt. Aus Adam hat der Menſch ei - nen luͤgenhafften / falſchen / verleumb - diſchen Geiſt. Aus Chriſto einen war -Aus A - vam alles boͤſes / aus Chviſto alles gu - tes. hafftigen / auffrichtigen / beſtendigen Geiſt. Aus Adam hat der Menſch ei - nen viehiſchen / jrrdiſchen / threriſchen Geiſt erlanget: Aus Chriſto einen him - liſchen goͤttlichen Geiſt.

Darum̃ hat Chriſtus muͤſſen Menſchwerden27in Chriſto. werden / vnd vom H. Geiſt empfangẽ werdẽ / auch mit dem H. Geiſt ohn alleEſai. 11. maß geſalbet werden / Ja darum̃ ruhet auff jhm der Geiſt des Herrn / der Geiſt der Weißheit / des Verſtandes / des Rahts / der Staͤrcke / der Erkentnis der Furcht Gottes / auff das in jhm vñ durch jhn die menſchliche Natur ernew -Durch Chriſtum vnd ſeinen Geiſt die Menſch - liche Na - tur ernen - ert. ret werde / vnd wir in jhm / aus jhm / vñ durch jhn new geboren / vnd eine newe Creatur wuͤrden / auff daß wir von jm den Geiſt der Weißheit vnd des Ver - ſtandes ererbẽ fuͤr den Geiſt der Thor - heit / dẽ Geiſt der Erkentnis fuͤr vnſere angeborne Blindheit / Den Geiſt der Furcht Gottes fuͤr den Geiſt der Ver - achtung Gottes / das iſt das newe Lebẽ / vñ die Frucht der newẽ Geburt in vns.

Denn gleich wie wir in Adam alle geiſtlich geſtorben waren / vnnd nichts thun kondten denn tode Wercke / oderIn Chri - ſto werdẽ wir wider geiſtlich lebendig / durch den Glauben. Wercke des Todes vñ Finſternis: Alſo muͤſſen wir in Chriſto wieder lebendig werden / vñ thun die Wercke des Liech - tes. Vnd wie wir durch die fleiſchlicheD iijGeburt28Von der ErnewerungGeburt die Suͤnde aus Adam geerbet habẽ: Alſo muͤſſen wir durch den Glau - ben die Gerechtigkeit erbẽ aus Chriſto. Vnd gleich wie vns durchs Fleiſch A - dams Hoffart / Geitz / Wolluſt / vnnd alle Vnreinigkeit angeborẽ wird: Alſo muß durch den heiligen Geiſt vnſere Natur ernewert / gereiniget vnd gehei - liget werden / vnd alle Hoffart / Geitz / Wolluſt vnd Neid muß in vns ſterben / vnnd muͤſſen aus Chriſto einen newen Geiſt / ein new Hertz / Sinn vnd Mut bekommen / gleich wie wir aus Adam das ſuͤndliche Fleiſch empfangen habẽ.

Vnd wegen ſolcher newen Geburt wird Chriſtus vnſer ewiger Vater ge - nennet / Eſa. 9. Vnd alſo werden wir in Chriſto zum ewigen Leben wieder er -Alle gute Werck muͤſſen aus der newẽ Ge - burt gehẽ. newert / aus Chriſto new geboren / vnd in Chriſto eine newe Creatur. Vnd alle vnſere Wercke / die Gott gefallen ſol - len / muͤſſen aus der newen Geburt ge - hen / aus Chriſto / aus dem heiligen Geiſt / vnd aus dem Glauben.

Alſo leben wir in der newen Geburt /vnd29in Chriſto. vnd die newe Geburt in vns / alſo leben wir in Chriſto vnnd Chriſtus in vns / alſo leben wir im Geiſt / vnd der Geiſt Chriſti in vns. Dieſe newe Geburt vñBeſchrei - bung der newen ge - burt vnd derſelben Frucht / heiſſet bey S. P[a]ulo zum Epheſ. 4. ernewert werdẽ im Geiſt des Gemuͤts / den alten Menſchen aus ziehen / vnd den newen Menſchẽ anzie - hen / 2. Cor. 3. In das Ebenbild Got - tes verkleret werdẽ / Col. 3. Vernewert werdẽ zu der Erkentnis nachdem Ebẽ - bilde / der vns geſchaffẽ hat. Tit. 3. Die Wiedergeburt / vnd Ernewerung des heiligen Geiſtes Ezech. 11. Dz ſteinern Hertz wegnemen / vnnd ein fleiſchern Hertz geben / alſo entſpringet die neweNewe ge - burt aus Chrivo. geburt aus der Menſchwerdung Chri - ſti. Deñ weil der Menſch durch eigene Ehr / Hoffart vnd Vngeſoaſam ſich von Gott abgewand / vñ gefallen war / ſo kondte dieſer Fall nit gebeſſert noch gebuͤſſet werden / denn durch die aller tieffeſte Demut / Ernidrigung / vnd ge - horſam des Sohns Gottes. Vnd wie nun Chriſtus ſeinen demuͤtigen Wan -D ii jdel auff30Von der Ernewerung. del auff Erden vnter den MenſchenChriſtus mus in dir leben. gefuͤhret hat: Alſo mus er auch in dir leben / vnnd das Bilde GOttes in dir ernewern.

Da ſie nun an den liebreichen / de - muͤtigen / ſanfftmuͤtigen / gehorſamen geduͤltigen Chriſtum / vnnd lerne von jhm / das iſt / lebe in jhm / Sihe / war - umb hat Er alſo gelebet? Darumb daß Er ein Exempel / Spiegel / vnd Re -Chriſti Exẽpel iſt die Regel vnſers Le - bens. gel were deines Lebens. Er iſt die rechte Regula vitæ, nicht die Regel S. Be - nedicti iſt die Regel vnſers Lebẽs / oder ander Menſchen Thandt / ſondern Chriſti Exempel / darauff vns die Apo - ſtel weiſen. Zum andern / ſihe auch anFrucht des Todes vnd Auf - ferſte - hung Chriſti iſt das ne - we Leben. ſein Leiden / Tod / vnd Aufferſtehung / warumb hat Er ſolches alles gelitten? Warumb iſt Er geſtorben vnd auffer - ſtanden? Darumb daß du mit jhm der Suͤnden ſolt abſterben / vnnd in jhm / mit jhm / vnd durch jhn geiſtlich wieder aufferſtehen / vnd in einem newen Lebẽ wandeln. Beſihe hieuon ferner das 11. vnd 31. Capittel.

Derwe -31in Chriſto.

Derwegen quillet vnnd entſpringet aus dem Heilbrunnẽ des Leidens / To -Newe Ge - burt aus dem Tode vnd Auf - ferſtehũg Chriſti. des / vñ Aufferſtehung Chriſti die newe Geburt / 1. Petr. 1. Wir ſind new gebo - ren zu einer lebendigẽ Hoffnung durch die Aufferſtehung Chriſti. Darumb auch die heiligen Apoſtel allezeit zum Grunde der Buſſe / vnd des newen Le - bens legen das heilige Leiden Chriſti / Als zu den Roͤmer[n]am 6. vnd 1. Pet. 1. Fuͤhret einen guten Wandel / ſo lang jhr hie wandelt vnnd wiſſet / daß jhr nicht mit vergenglichem Silber vnnd Golde erloͤſet ſeyd / ſondern mit dem thewren Blut Chriſti / als eines vn - ſchuͤldigen / vnbeflecktẽ Laͤmbleins. DaVrſachen des newen Leben. ſetzet S. Petrus Vrſache / warumb wir einen heiligen Wandel fuͤhren ſol - len / Nemlich / darumb / weil wir ſo thewr erloͤſet. Vnd abermal ſpricht er 1. Petr. 2. Chriſtus hat vnſere Suͤnde ſelbſt geopfert an ſeinem Leibe auff dem Holtze / auff daß wir der Suͤnde abge - ſtorben / der Gerechtigkeit leben / durch welches Wunden jhr ſeyd heil worden. D vSo32Von der Ernewerung. So ſpricht auch der Herr Chriſtus / Luc. 24. Muſte nicht Chriſtus ſolches leiden / vnd am dritten Tage aufferſte - hen vnd predigen laſſen in ſeinem Na - men Buſſe vñ Vergebung der ſuͤnde. Da wir hoͤren / das der Herr ſelbſt bey - des das Predigampt vnd die Buſſe als lebendige Stroͤmlein herauß leitet auß dem Brunguell ſeines Leidẽs / Todes /Zwey - erley Frucht des Lei - dens Chri[ſt]i. vnd Aufferſtehung.

So iſt nun das Leiden Chriſti bey - des / nemlich eine Bezahlung aller vnſe - rer Suͤnde / vnd eine Ernewerung des Menſchen durch den Glauben / vñ bey - des gehoͤret zu des Menſchen wieder - bringung. Denn das iſt die Frucht vnd Krafft des Leidẽs Chriſti / welches auch in vns wircket die Ernewrung vnnd Heiligung / 1. Cor. 1. Vnd alſo koͤmpt die newe Geburt aus Chriſto in vns darzu auch das Mittelder HeiligenFrucht der Tauffe Tauffe geordnet iſt / Da wir in den tod Chriſti getaufft werden / daß wir mit Chriſto der Suͤnden ſollen abſterben durch Krafft ſeines Todes / vnd wie -derumb33in Chriſto. derumb von Suͤnden aufferſtehẽ durch Krafft ſeiner Aufferſtehung / ꝛc.

Das IV. Capitel. Was wahre Buſſe ſey / vnd das rechte Creutz vnd Joch Chriſti.

Galat. 5. Die Chriſtum ange - hoͤren / die creutzigen jr Fleiſch ſampt den Luͤſten vnnd Be - gierden. ()

DIe Buſſe oder ware Bekerung iſt ein Werck Gottes des heili - gen Geiſtes / dadurch der Men - ſche aus dem Geſetz ſeine Suͤnde erken - net / vnnd den Zorn Gottes wieder die Suͤnde / dadurch Rew vnd Leid im Hertzẽ erwecket wird: Aus dem Evan - gelio aber Gottes gnade erkennet / vnd durch den Glauben Vergebung der Suͤnde in Chriſto erlanget. DurchEigen - ſchafft der wahren Buſſe. dieſe Buſſe aber geſchicht die toͤdtung vnd creutzigung des Fleiſches vnd aller fleiſchlichen Luͤſte / vñ boͤſen Vnart desHertzens /34Von wahrer Buſſe. Hertzens / vñ die Lebendigmachung de[s]Geiſtes: Dadurch Adam vñ alles was ſeiner Vnart iſt / in vns ſtirbet durch wahre Rewe / vnd Chriſtus in vns lebe[t]durch den Glauben. Denn es henge[t]beydes an einander / auff die Toͤdtung des Fleiſches folget die Lebendigma - chung oder ernewerung des Geiſtes /Der newe Menſch kan nicht herfuͤr ko - mẽ / es wer de deñ der alte mẽſch getoͤdtet. vnnd die Ernewerung des Geiſtes / auff die toͤdtung des Fleiſches. Weñ de[r]alte Menſch getoͤdtet wird / ſo wird der newe lebendig / vnd wenn ď newe leben - dig wird / ſo wird ď alte getoͤdtet / 2. Cor. 4. Ob vnſer alter Menſch verweſet / ſ[o]wird doch der innerliche von tag zu ta - ge ernewert / Col. 3. Toͤdtet ewre Glie - der / ſo auff Erden ſeyn. Rom. 6. Haltet euch dafuͤr / daß jhr der Suͤnde geſtor - bẽ ſeyd / vnd lebt Gott in Chriſto Jeſu.

Durch wa re Buſſe wird das Fleiſch ge - toͤdtet.

Warumb aber die Toͤdtung des Fleiſches durch wahre Buſſe geſche - hen muͤſſe / ſo mercket alſo: Wir haben droben gehoͤret / daß der Menſch durch den Fall Adams gantz teuffliſch / jrr - diſch / fleiſchlich / gottlos / lieblos wor -den iſt35Von wahrer Buſſe. den iſt / das iſt / ohne GOtt vnd ohne Liebe / abgekehret von der Liebe Gottes zu der Liebe dieſer Welt / vnd fuͤrnem - lich zu ſich ſelbſt / vnd zu ſeiner eigẽ Lie - be / alſo / daß er in allen dingẽ ſich ſelbſt ſuchet / liebet / ehret / vnd allen Fleiß an - wendet / wie er hoch gehalten werde fuͤr jederman. Dz ruͤhret alles her aus dem Fall Adæ / da er Gott ſelbſt ſeyn wolte / welcher Grewel allen Menſchen ange - boren wird. Dieſe verkerte boͤſe Vnart des Menſchen muß nun geendert / oder gebeſſert werden durch wahre Buſſe / das iſt / durch ware goͤttliche Rewe / vnd durch den Glauben / ſo vergebung der Suͤnden ergreiffet / vnd durch die toͤd - tung deiner eigen Liebe / Hoffart / vnnd Wolluſt des Fleiſches: Denn BuſſeWahre buſſo muß aus dem Hertzen gehen / vñ endernden inwendi - gẽ Grund des Her - tzens. iſt nicht allein / wenn man den groben euſſerlichen Suͤnden vrlaub gi[b]t / vnd davon ableſſet / ſondern wenn man in ſich ſelbſt gehet / den innerſten Grund ſeines Hertzens endert vnd beſſert / vnd ſich abwendet von ſeiner eigenen Liebezu36Von wahrer Buſſe. zu Gottes Liebe / von der Welt vñ allen weltlichen Luͤſten zum geiſtlichen him - liſchen Leben / vnd durch den Glauben des Verdienſtes Chriſti theilhafftig wird.

Daraus folget / das der Menſch ſich ſelbſt mus verleugnen / Luc. 9. das iſt / ſeinen eigen Willen brechen / ſich Got -Wahre Buſſe bringet mit ſich das jhm ein mẽſch ſelbſt vnd der Welt abſtirbt. tes Willen gantz ergeben / ſich nit ſel - beſt lieben / vnd ſich fuͤr den vnwirdig - ſten / elendeſten Menſchen halten / abſa - gen alle dem / das er hat / Luc. 14. dz iſt die Welt verſchmehen mit jhrer Ehre vnd Herrligkeit ſeine eigene Weisheit vnd Vermuͤgẽ fuͤr nichts achten / ſich auff nichts / vñ auff keine Creatur ver -Sein eigẽ Leben haſſen. laſſen / ſondern bloß vnnd allein auff Gott: Sein eigen Leben haſſen / das iſt die fleiſchlichen Luͤſte vnd Begierde / als Hoffart / Geitz / Wolluſt / Zorn / Neid / toͤdten / vnd keinen Wolgefallen an jhm ſelbſt haben / vñ alle ſein Thun fuͤr nichts achten / ſich keines Dinges ruͤhhmẽ / ſeinẽ Kraͤfften nichts zuſchrei - ben / jhme ſelbſt nichts tribuiren, ſon -dern37Von wahrer Buſſe. dern jhm ſelber mißfallen / der WeltDer Welt abſteroen abſterben / das iſt / der Augen Luſt / des Fleiſches Luſt / dem hoffertigen Leben / der Welt gecreutziget werdẽ / Galat. 6. Das iſt die wahre Buſſe vñ Toͤdtung des Fleiches / ohne welche niemand kan Chriſti Juͤnger ſeyn. Das heiſt die wahre Bekerung von der Welt / von jhm ſelbſt / ja vom Teuffel zu Gott / ohne welche nie mand kan Vergebung der Suͤnden erlangen / noch ſelig wer - den / Actor. 26.

Dieſe Buſſe vnnd Bekerung iſt die Verleugnung ſein ſelbſt / vnnd iſt das rechte Creutz / vnd dzrechte Joch Chri -Das Joch Chr[iſti iſt]dem Fleiſch e[in]bitter Creutz / aber dem Geiſt ein ſanfftes Joch. ſti / dauon der Herr Matth am 11. ſpricht: Nemet auff euch mein Joch / vnd lernet von mir / denn ich bin ſanfft - muͤtig vnd von Hertzen demuͤtig / das iſt / durch hertzliche / gruͤndliche / inner - liche Demut ſoltu deine eigene Liebe[u] Ehre dempffen / vñ durch Sanffimut dein eigen Zorn vnd Rachgier. Wel - ches zwar dem newen Menſchen ein ſanfftes Joch vnd eine leichte Laſt iſt /aber38Von wahrer Buſſe. aber dem Fleiſch ein bitter Creutz. Galat. 5.Denn das heiſt ſein Fleiſch creutzigen ſampt den Luͤſten vnd Begierden.

Irren demnach die jenigen / die allein weltliche Truͤbſal vnd Wiederwertig - keiten fuͤr Creutz achten / vnnd wiſſenDas rech - te Creutz Chriſti. nicht / daß die innerliche Buſſe vnd toͤd - tung des Fleiſches das rechte Creutz ſey / dz wir taͤglich Chriſto ſollen nach - tragen / das iſt / in groſſer gedult vnſere Feinde tragen / in heiliger Sanfftmut vnſerer Leſterer / in hertzlicher Demut vnſerer Wiederwertigen Stoltz vnnd Vbermut vberwinden / wie vns Chri -Chriſti Exempel. ſtus iſt vorgangen mit groſſer Sanfft - mut / vnd hat der Welt / vnd alles / was in der Welt iſt / abgeſaget / vnd iſt der Welt abgeſtorben.

Diß Joch Chriſti iſt vnſer Creutz / daß wir tragen ſollen / vnd das heiſt derWas da beiſſe der Welt ab - ſterben. Welt abſterben. Welches nicht iſt in ein Kloſter lauffen / ſonderliche Orden vnd Regeln annemen / vnd doch gleich - wol in ſeinem Hertzen nichts denn eitel Welt bleiben / voll geiſtlicher Hoffart /Phari -39Von wahrer Buſſe. Phariſeiſcher verachtung anderer Leu - te / voll wolluſt / voll heimliches Haſſes vnnd Neides. Dann das abſterben der Welt iſt die Toͤdtung des Fleiſches / vñ alles des / darzu dz Fleiſch luſt hat / ſtetige inwendige verborgene Rew vnd Leid / dadurch man ſich innerlich zu Gott võ der Welt abwẽdet / vñ taͤglich im Hertzen der Welt abſtirbt / vnd in Chriſto lebet im Glaubẽ / in hertzlicher Demut vnd Sanfftmut / vnd ſich der gnade Gottes in Chriſto troͤſtet.

Zu dieſer Buſſe hat vns Chriſtus be - ruffẽ / nemlich zu der rechten innerlichẽ hertzlichen Buſſe vnd Bekerung des Hertzens von der Welt zu Gott: vnd alſo hat er vns Vergebung der Suͤn - den zugeſagt dnd die imputationem Iuſtitiæ, die zurechnung ſeiner Ge - rechtigkeit vñ ſeines heiligẽ gehorſamsOhne Buſſe iſt Chriſtus dem Men ſchen nichts nuͤtze. in krafft des Glaubens. Deñ one ſolche innerliche buſſe iſt Chriſtus dem Men - ſchen nichts nuͤtze / dz iſt / er iſt nit theil - hafftig ſeiner gnad vñ frucht ſeins ver - dienſts / welche mit rewendem zerbroch -Erſter Theil Enem40Von wahrer Buſſe. busfertigen / glaͤubigen vnnd demuͤti - gem Hertzen mus ergrieffen werden:Fruͤchte des Todes vnd Auf - ferſte - hung Chriſti in vns. Denn das iſt die Frucht des Todes Chriſti in vns / daß wir durch Buſſe der Suͤnde abſterben / vñ das iſt die Frucht der Aufferſtehung Chriſti / dz Chriſtus in vns lebe / vnd wir in jhm / gal. 2.

Das heiſt denn eine newe Creatur in Chriſto vnd die newe geburt / die allein fuͤr Gott gilt / galat. 6. Beſihe hieuon ferner das 34. Capitel.

Euſſer - liche Buſ - ſe iſt nicht die rechte Buſſe / es mus alles aus dem Hertzen gehen.

Der wegen lerne die Buſſe recht ver - ſtehen / eenn daran jrren viel Leute / daß ſie meynen / das ſey rechte Buſſe / wenn ſie von euſſerlicher Abguͤttery / Gotts - leſterung / Todſchlag / Ehebruch / Vn - zucht / Dieberey / vñ andern grobẽ euſ - ſerlichen Suͤnden abſtehen. Vnd zwar das iſt wol euſſerliche Buſſe / dauon et - liche Spruͤche der Propheten lauten / Eſai. 55. Der gottloſe bekere ſich vom Freuel ſeiner Haͤnde. Vnd Ezech. 18. vnd 33. Aber die Propheten vnd Apo - ſtel haben viel tieffer geſehen /[nemlich] ins Hertz hinein / vnd lehren vns eineviel41Von wahrer Buſſe. viel hoͤhere innere Buſſe / da der menſch abſterben ſolle / der Hoffart / dem geitz / der Wolluſt / ſich ſelbſt verleugnen / haſ - ſen / der Welt abſagen / vnnd alle dem / das der Menſch hat / ſich Gott ergebẽ / ſein Fleiſch creutzigen / taͤglich Gott das rechte Opffer bringen / ein zerbrochen / zuſchlagen vnd erſchrocken Hertz / vnd weinende Seele im Leibe tragen / wie in den Bußpſalmen ſolche innigliche. Hertzenbuſſe beſchrieben iſt.

Darumb iſt dis die rechte Buſſe /Rechte wahre Buſſe. wenn das Hertz innerlich durch Rew vnd Leid zubrochen / zuriſſen / zuſchla - gen / vnd durch den Glauben vnd ver - gebung der Suͤnden geheilet / getroͤſtet / gereiniget / geendert vnd gebeſſert wird / darauff auch die euſſerliche Beſſerung des Lebens folget.

Wenn nun gleich ein Menſch von auſſen Buſſe thut / vnd ableſſet von den grobẽ Laſtern aus Furcht der Straffe / bleibet aber im Hertzen vnuerendert / vnd fehet nicht das innere newe Lebẽ in Chriſto an / ſo mag er gleichwol ver -E ijdampt42Von wahrem Glauben. dampt werden / vnd wird im ſein Herr Herꝛ ſchryen nicht helffen / ſondern das neſcio vos, Ich kenne ewer nicht wird darauff folgen. Denn nicht alle / die ſagen / Herr / Herr / wer - den ins Himmelreich kommẽ / ſondern die den Willen thun meines Vaters im Himmel. Hierinnen ſind alles ſtan - des Perſonen gelehrte vnd vngelerte begriffen. Denn die in jhrem Hertzen nicht wahre innerliche Buſſe thun /Welche Chriſtus nit fuͤr die ſeinen er - kennet. vnd eine newe Creatur in Chriſto wer - den / die wird Chriſtus nicht fuͤr die ſei - nen erkennen / ꝛc.

Das V. Capittel. Was der wahre Glaube ſey.

1. Johan. 5. Wer da gleubet / dz Jeſus ſey / Chriſtus / der iſt aus GOtt geboren. ()

DEr Glaub iſt eine hertzliche Zu - uerſicht / vnd vngezweiffeltes Vertrawẽ auff Gottes gnade in Criſto verheiſſen von Vergebung der Suͤnde / vnd ewigem Leben / durchdas43Von wahren Glauben. das Wort Gottes / vnd den H. Geiſt angezuͤndet. Durch dieſen Glauben erlangen wir vergebung der Suͤnden / lauter vmbſonſt / ohn allen vnſern ver - dienſt / aus lauter gnade / vmb des ver - dienſtes Chriſti willen / auff das vnſer Glaube einen gewiſſen Grund habe / vnd nit wancke. Vnd dieſe Vergebung der Suͤnden iſt vnſere Gerechtigkeit / die warhafftig / beſtendig vnd ewig iſt fuͤr Gott. Denn es iſt nicht eines En - gels Gerechtigkeit / ſondern des gehor - ſams / verdienſtes vnd Blutes Chriſti / vnd wird vnſer eigen durch den Glau - ben. Ob nu dis wol in groſſer ſchwach - heit zugehet / vnd wir noch mit vielen vbrigen Suͤnden behafftet ſeyn / den - noch werden dieſelben zugedeckt aus gnaden vmb Chriſti willen / Pſalm. 32. Art vnd Eigen - ſchafft des wahren Glaubẽs.

Durch dieſe hertzliche Zuuerſicht / vnd hertzliches Vertrawen / gibt der Menſch Gott ſein Hertz gantz vnd gar / ruhet allein in Gott / leſt ſich jm / hanget jm allein an / vereiniget ſich mit Gott / wird theilhafftig alles des / was GottesE iijvnd44Von wahrem Glauben. vñ Chriſti iſt / wird ein Geiſt mit Gott / empfaͤhet aus jm newe Kraͤffte / newes Leben / newen Troſt / Friede vnd Freu - de / Ruhe der Seelen / Gerechtigkeit vñ Heiligkeit / vnd alſo wird der Menſch aus Gott durch den Glauben new ge - boren. Denn wo der wahre Glaube iſt / da iſt Chriſtus mit aller ſeiner Gerech - tigkeit / Heiligkeit / Erloͤſung / Ver -Newe Ge - burt. dienſt / Gnade / vergebung der Suͤnde / Kindtſchafft Gottes / Erbe des ewigen Lebens. Das iſt die newe Geburt / die da koͤmpt aus dem Glauben an Chri - ſtum. Daher die Epiſtel an die Ebreer am 11. den Glauben eine Subſtantz nennet / oder eine vngezweiffelte war - hafftige Zuuerſicht derer Dinge / die man hoffet / vnnd eine Vberzeugung des / ſo man nit ſihet. Denn der Troſt des lebendigen Glaubens wird dermaſ -Kraft der lebendigẽ Glaubẽs. Rom. 5. iuſtificati fide, pa - cem habe mus. ſen im Hertzen kraͤfftig / daß er dz Hertz vberzeuget / in dem man das himliſche gut empfindet in der Seelen / nemlich / Ruhe vnd Friede in Gott / ſo gewiß vñ warhafftig / daß man auch darauffſterben45Von wahrem Glauben. ſterben kan mit freudigem Hertzen. Dz iſt die Staͤrcke im Geiſt an dem inwen - digen Menſchen / vnd die Freudigkeit des Glaubens oder Pharreſia, Eph. 3. Epheſ. 3. Phil. 1. 1. Joh. 2. 1. Theff. 2.Philip. 1. 1. Johan. 2. vnd 3. Das iſt die Freudigkeit in Gott. 1. Theſſ. 2. vnd die Plerophoria, die gantz vngezweiffelte Gewißheit / 1. Theſſ. 1.

Worauff ich nun ſterben ſoll / dasGlaubẽs Gewiß - heit. muß mich in meiner Seelen ſtercken / vñ muß mich von innen durch den hei - ligen Geiſt verſichern / es muß ein in - nerer / lebendiger / ewiger Troſt ſeyn / das muß mich auch als eine vbernatuͤr - liche / goͤttliche / himliſche Krafft ſter - cken vnd erhalten / in mir den Tod vnd die Welt vberwinden. Vnd muß eine ſolche Verſicherung vnd VereinigungRom. 8. mit Chriſto ſeyn / die weder Todt noch Leben ſcheiden kan. Darumb S. Jo - hannes ſpricht: Alles was aus GOtt geboren iſt / vberwindet die Welt.

Aus Gott geboren ſeyn / iſt warlichAus Gott geboren ſein / iſt ein lebendi - ges werck. kein Schattenwerck / ſondern ein recht Lebenswerck. Gott wird nit eine todteE iiijFrucht /46Von wahrem Glauben. Frucht / ein lebloſes / vnnd krafftloſes Werck geberen / ſondern aus dem le - bendigen Gott muß ja ein lebendiger newer Menſch geboren werden. Vnd1. Joh. 5. Viva eſt & victrix, ſi modo ve - ra, fides. vnſer Glaube iſt der Sieg / der die Welt vberwindet. Was nun vberwinden ſoll / das muß eine mechtige Krafft ſeyn / ſoll der Glaube der Sieg ſeyn vber die Welt / ſo muß er eine lebendi - ge / obſiegende / thaͤtige / wirckliche / goͤttliche Krafft ſeyn / ja Chriſtus muß es alles thun durch den Glauben.

Durch dieſe Krafft Gottes werden wir wiederumb in GOtt gezogen / zu Gott geneiget / in Gott verſetzet vnnd transplantirt, aus Adam als aus ei - nem verfluchten Weinſtock in Chri - ſtum den geſegneten vnnd lebendigen Weinſtock / Johan. 15. Alſo / daß wir in Chriſto beſitzen alle ſeine Guͤter / vnnd in jhme gerecht werden.

Schoͤn Gleich - nis.

Gleich wie ein Pfroffreißlein in ei - nen guten Stamm eingepfroffet / in demſelben gruͤnet / bluͤhet / vnd Frucht bringet / auſſer demſelbigẽ aber verdor -ret:47Von wahren Glauben. ret: Alſo iſt ein Menſch auſſer ChriſtoWas ein Menſch auſſer / vñ in Chriſto ſey. nichts denn ein verfluchter Weinſtock / vnnd alle ſeine Wercke ſind Suͤnde / Deut. 32. Ire Drauben ſind Drachen - gifft. In Chriſto aber iſt er gerecht vnd ſelig: Darumb S. Paulus 2. Cor. 5. ſpricht: GOtt hat den / der von keiner Suͤnde wuſte / fuͤr vns zur Suͤnde ge - macht / auff daß wir wuͤrden in jme die Gerechtigkeit / die fuͤr Gott gilt.

Daraus ſiheſtu nun / daß dich dieAus den Wercken koͤmpt nit die wahre Gerech - tigkeit. Wercke nicht koͤnnen gerecht machen. Denn du muſt zuuor in Chriſtum ver - ſetzet ſeyn durch den Glauben / vnd in jm gerecht ſein / ehe du ein einiges gutes Werck thun kanſt / vñ ſiheſt ja dz deine Gerechtigkeit Gottes gnade vnd gabe iſt / die allem deinem Verdienſt zuuor koͤmpt. Wie kan ein todter Menſch ge - hen / ſtehen / vnd etwas gutes thun / weñ man jhn nicht zuuor lebendig machet? Alſo weil du in ſuͤnden todt / vnd Gott abgeſtorbẽ biſt / kan ja kein Gott wolge - fellig werck von dir geſchehẽ / weñ du zu - nor in Chriſto nit wirſt lebẽdiggemacht.

E vAlſo48Von wahrem Glauben.
Vnſer Ge - rechtig - keit allem aus Chri - ſto.

Alſo koͤmpt deine Gerechtigkeit al - lein aus Chriſto durch den Glauben / denn der Glaube iſt im Menſchen als ein newgebornes / kleines / nackendes / vnd bloſſes Kind / daß ſtehet da bloß vor ſeinem Erloͤſer vnd Seligmacher vn - bekleidet / vnd empfehet alles von dem / der es geborẽ hat / nemlich / die Gerech - tigkeit / die Froͤmmigkeit / die Heili - gung / die gnade / vnd den H. Geiſt.

Troͤſtlich Gleichnis

Alſo wird diß nackende bloſſe Kind - lein mit Gottes Barmhertzigkeit be - kleidet / vnnd hebet beyde Hende auff / vnd empfehet alles von Gott / die gna - de ſampt aller Seligkeit vnnd Froͤm - migkeit. Diß empfahen machet from / heilig vnd ſelig.

Woher vnſer Froͤmmig keit.

Darumb koͤmpt die Gerechtigkeit allein aus dem Glauben / vnd nit aus den Werckẽ / Ja der Glaube empfehet Chriſtum gar / vnd machet denſelbenDẽ Glau - ben muß Suͤnde / Todt vnd Helle wei - chẽ / diſelb jhm gar zu eigen / mit alle dem / was er iſt vnd hat. Da muß weichen Suͤnde / Tod / Teuffel vnd Helle. Vnd wenn du auch gleich aller Welt Suͤnde alleinauff49Von wahrem Glaubenauff dir hetteſt / kan ſie dir nit ſchaden /ſind alle vnter ei - nem Chri - ſten vnd vnter dem Glauben. ſo ſtarck / mechtig / vnd lebendig iſt Chri - ſtus in dir mit ſeinem Verdienſt durch den Glauben.

Vnd weil nun Chriſtus durch den Glauben in dir wonet vnnd lebet / ſo iſt ja ſeine Einwonung nicht ein todtes Werck / ſondern ein lebendiges Werck. Glaube zeuhet Chriſtum an / mit al - len ſeinem Verdienſt vñ ernew - ret den MenſchenDaher koͤmpt die Ernewerung aus Chriſto durch den Glauben. Denn der Glaube thut in dir zwey ding: Erſtlich verſetzet er dich in Chriſtum / vnd ma - chet dir jhn zu eigen. Zum andern / er - newert er dich in Chriſto / daß du in jm gruͤneſt vnd bluͤheſt vnd lebeſt. Denn was ſol dz Pfropffreislein im Stam̃ / wenns nicht wil gruͤnen vnnd Frucht bringen. Vnd gleich wie zuuor durch den Fall Adams / vnd durch die verfuͤh - rung vnd Betrug des Teuffels in den Menſchen geſaͤet iſt der Schlangenſa - me / das iſt / die boͤſe Sathaniſche Art / darauß ſo eine boͤſe gifftige Frucht ge - wachſen: Alſo wird durch GOttes Wort vnd den H. Geiſt der Glaube imMenſchen50Von wahren Glauben. Glaube Gottes Same.Menſchen geſaͤet / als ein Same Got - tes / in welchem alle goͤttliche Tugen - den / Arten vnd Eigenſchafften verbor - gener weiſe begriffen ſeyn / vnd heraus wachſen zu einem ſchoͤnen vnd newen Bilde Gottes / zu einem ſchoͤnen newen Baum / darauff die Fruͤchte ſein / Liebe / Gedult / Demut / Sanfftmut / Friede / Keuſchheit / gerechtigkeit / vñ der newe Menſch / vnd dz gantze Reich Gottes. Denn der wahre ſeligmachende Glau - be ernewert den gantzen Menſchen / reiniget dz Hertz / vereiniget mit Gott / machet das Hertz frey von irrdiſchen Dingen / hungert vnd duͤrſtet nach der Gerechtigkeit / wircket die Liebe / gibt Friede / Freude / Gedult / Troſt in al - lem Creutz / vberwindet die Welt / ma - chet Gottes Kinder / vnd Erben aller himliſchen ewigen Guͤter vnd Miter - ben Chriſti. Befindet aber jemand die Freudigkeit des Glaubens nicht / ſon - dern iſt ſchwachgleubig vnnd troſtlos / der verzage darumb nicht / ſondern troͤ - ſte ſich der verheiſſenen gnade in Chri -ſto / denn51Von wahrem Glauben. ſto / denn dieſelbige bleibet allezeit feſt / gewiß vnd ewig. Vnnd ob wir gleichTroſt wieder ſchwach - gleubig - keit. aus Schwachheit fallen vnnd ſtrau - cheln / ſo fellet doch Gottes gnade nit hin / wenn wir nur durch wahre Buſſe wieder auffſtehen. Chriſtus bleibet auch immer Chriſtus vnnd ein Selig - macher / er werde mit ſchwachem oder ſtarckem Glauben ergriffen. Es hat auch der ſchwache Glaube ſo viel an Chriſto als der ſtarcke / denn ein jeder / er ſey ſchwach oder ſtarckgleubig / hat Chriſtum gantz zu eigen. Die verheiſſe - ne gnade iſt allen Chriſten gemein vnd iſt ewig / darauff muß der Glaube ru - hen / er ſey ſchwach oder ſtarck. GOtt wird dir zu ſeiner zeit den entpfindli - chen freudenreichen Troſt wol wieder - fahren laſſen / ob er gleich in deinem Hertzen eine zeitlang verbirget / Pſalm. 73. 77. dauon im andern Buch.

Das52Wie Gotts Wort.

Das VI. Capittel. Wie GOttes Wort muͤſſe im Men - ſchen durch den Glauben ſeine Krafft erzeigen vnd leben - dig werden.

Luc. 17. Sehet das Reich Got - tes iſt inwendig in euch. ()

DIeweil es alles an der Wieder - geburt vnd Ernewerung desDer gan - tze newe Menſch iſt in der Schrifft abgebil - det. Menſchẽ gelegen / ſo hat Gott alles das / was im Menſchen geiſtlich im Glauben geſchehen muͤſſe / in die euſſerliche Schrifft verfaſſet / vñ darin den gantzen newen Menſchen abgebil - det. Denn dieweil Gottes Wort der Same Gottes in vns iſt / ſo mus er je wachſen in eine geiſtliche Frucht / vnd muß das daraus werden durch den Glauben / was die Schrifft euſſerlich zeuget vnd lehret / oder es iſt ein todter Same vnd todte Geburt. Ich mus im Geiſt vnd Glauben troͤſtlich empfin -den /53im Menſchen erfuͤllet werde. den / daß dem alſo iſt / wie die Schrifft ſaget.

Es hat auch Gott die H. Schrifft nicht darumb offenbaret / daß ſie aus - wendig auff dem Papier als ein todter Buchſtabe ſol ſtehen bleiben / ſondernGOttes Wort ſoll in vns le - lendig werden. ſie ſol in vns lebendig werden im Geiſt vnd Glauben / vnd ſol eingantzer inner - licher newer Menſch daraus werden / oder die Schrifft iſt vns nicht nuͤtze. Es mus alles im Menſchen geſchehẽ durch Chriſtum im Geiſt vnd Glauben / waſ die Schrifft euſſerlich lehret / als zum Exempel beſihe die Hiſtorien Cains vñWie der alte vnd newe Menſche in der Schrifft furgebil - det. Abels / ſo wirſtu in jhren Arten vnd Ei - genſchafften finden / das jenige / was in dir iſt / Nemlich / den alten vnnd newen Menſchen mit allen jhren Wercken. Dieſe beyde ſind in dir wider einander. Denn Cain wil immer den Abel vn -Cain vnd Abel in dir. terdruͤcken vnd erwuͤrgen. Was iſt das anders denn der Streit zwiſchen dem Fleiſch vnd Geiſt / vnd die Feindſchafft des Schlangenſam vnnd Weibsſa - men. Die Suͤndflut mus in dir ge -ſchehen54Wie Gottes Wort. ſchehen / vnd die boͤſe Vnart des Flei - ſches erſaͤuffen / der glaͤubige Noa mus in dir erhalten werdẽ / Gott mus einen newen Bund mit dir machen / vnd duGeiſtliche Babel im Menſchẽ. mit jm / das verworrene Babel mus in dir nicht auffgebawet werden in ſeiner Pracht. Du muſt mit Abraham auß - gehen von aller deiner Freundſchafft / alles laſſen / auch dein Leib vnd Leben / vnd allein in dem Willen Gottes wan - deln / auff daß du den Segen erlangeſt / ins gelobte Land vnd ins Reich Gottes koͤmpſt. Was iſt das anders / denn dasMatth. 10 Kampff vñ Streit des Gei - ſtes in A - brahams Schlacht fuͤrgebil - det. der Herr ſaget: Wer nit verleſt Va - ter / Mutter / Kinder / Schweſter / Haus / Acker / Guͤter / ja ſein Leben / der kan nit mein Juͤnger ſeyn / das iſt / ehe er Chriſtum wolte verleugnẽ? Du muſt mit Abraham ſtreiten wieder die fuͤnff Koͤnige / die in dir ſind / nemlich / Fleiſch /Geiſtliche Sodoma im Men - ſchen. Welt / Tod / Teuffel / vnd Suͤnde. Du muſt mit Loth aus Sodoma vnd Go - morrha außgehen / das iſt / das vngoͤtt - liche Leben der Welt verleugnen / vnd mit Loths Weibe nicht zu ruͤck ſehen /wie55im Menſchen erfuͤllet werde. wie der Herꝛ im Luca am 12. ſpricht. Summa / Gott hat die gantze heilige Schrifft in den Geiſt vnd Glauben ge - legt / vñ muß alles in dir geiſtlich geſche hen. Daher gehoͤren alle Kriege der Iſ - raeliten wider die heydniſchen Voͤlcker. Was iſt das anders denn der Streit zwiſchen dem Fleiſch vnd Geiſt? Daher gehoͤret dz gantze Moſaiſche euſſerliche Prieſterthumb mit dem Tabernackel / mit der Lade des Bundes / mit dem gna - denſtuel. Das mus alles in dir geiſtlichVorbildet des alten teſtamẽts muͤſſen im Glau - ben erfuͤl - let werdẽ. ſeyn durch den Glauben mit dem Opf - fern / reuchern / beten. Dein Herꝛ Chri - ſtus mus dz alles in dir ſeyn / er hats al - les zuſam̃en gefaſſt in dem newẽ Men - ſchen / vnd in dem Geiſt / vnd wird alles in dem Glauben vollbracht / ja offt in ei - nen ſeufftzen / deñ die gantze Bibel fleuſt zuſam̃en in ein Centrum in dem Men - ſchen / gleich wie auch die gantze Natur.

Alſo was iſt das newe TeſtamentGantz new Teſta ment muß im newen Menſchen erfuͤllet werden. dem Buchſtaben nach / anders / deñ ein euſſerlich zeugnis / dz es alles im Men - ſchen alſo muß im Glauben geſchehen? Erſter Theil FDenn56Wie Gottes Wort. Denn dz gantze newe Teſtament mus gantz vnd gar in vns ſeyn / dnd dringet auch mit gewalt dahin / weil das Reich Gottes in vns. Denn wie Chriſtus iſt durch den heiligen Geiſt im Glauben von Maria leiblich empfangen vñ ge - boren / alſo mus er in mir geiſtlich em - pfangen vñ geborn werden / Er muß in mir geiſtlich wachſen vnnd zunemen. Vnd weil ich aus Chriſto bin eine new Creatur geſchaffen / ſo muß ich auchChriſti Leben in vns. in jm leben vñ wandeln / Ich muß mit jhm vnd in jhm im Exilio vnd Elende ſeyn / ich muß mit jhm in Demut vnnd Verſchmehung der Welt / in gedult vnd Sanfftmut / in der Liebe wandeln / Ich mus mit jhm meinen Feinden ver - geben / barmhertzig ſeyn / die Feinde lie - ben / den Willen des Vaters thun / ich mus mit jhm vom Sathan verſuchet werden / vñ auch vberwinden / ich muß mit jm vmb der Warheit willen / die in mir iſt / verſpottet / verachtet / verhoͤnet / angefeindet werden / vnd ſo es ſein ſol / auch den Tod vmb ſeinet willen leiden /wie57im Menſchen erfuͤllet werde. wie alle ſeine Heiligen zum zeugnis fuͤr jhm vnd allen außerwehlten / daß er in mir / vnd ich in jhme geweſen / vnd gele - bet habe durch den Glauben.

Das heiſt recht dem Bilde Chriſti ehnlich werden / nemlich mit jm vnd in jhm geboren werden / Chriſtum recht anziehen / mit jhm vnd in jhm wachſen vnd zunemen / mit jhm im Elende wal - len / mit ſeiner Tauffe getaufft werden / mit jhm verſpottet werden / mit jhm ge -Chriſti Tod vnd Aufferſte - hung in vns. creutziget werden / mit jhm ſterben vnd aufferſtehen / mit jhm auch herrſchen vnd regieren / vnd daſſebige nicht allein durchs heilige Creutz / ſonden auch durch taͤgliche Buſſe / vnnd innerliche Rew vnd Leid vber die Suͤnde.

Da muſtu taͤglich mit Chriſto ſter -Chriſtus mus in dir ſeyn. ben / vñ dein Fleiſch creutzigen / oder du kanſt mit Chriſto als deinem Haupt nicht vereiniget bleiben. Du haſt jhn auch ſonſt nicht in dir / ſondern auſſer dir / auſſer deinem Glauben / Hertz vnd Geiſt. Vnd da wird er dir nicht helffẽ /F ijſondern58Wie Gottes Wortſondern in dir wil er leben / ſeyn / troͤſten vnd ſelig machen.

Im Glau - ben mus alles erful - let ſeyn.

Sihe das thut der Glaube alles / der machet das heilige Wort Gottes in dir lebendig / vnnd iſt in dir ein lebendiges Zeugnis alles deſſẽ / dauon die Schrifft zeuget. Vnd das heiſt / der Glaube iſt eine Subſtantz vnd Weſen / Ebr. 11.

Alſo iſt hieraus gnugſam offenbar / wie alle Predigten vnd Reden / ſo aus Chriſti / der Propheten vnnd ApoſtelnAlle Schrifft gehet auff den Men - ſchen Munde gangen / vnnd die gantze hei - lige Schrifft ſtracks gerichtet ſeyn auff den Menſchẽ / vnd auff einen jeden vn - ter vns: Alle Parabolen Chriſti gehen auff mich / vnd auff einen jeden inſon - derheit ſampt allen Wunderwercken.

Vnd darumb iſts auch geſchrieben / daß es in vns geiſtlich geſchehe. Denn Chriſtus hat andern geholffen / er muß mir auch helffen. Dann er iſt in mir / er lebet in mir / er hat Blinde ſehend ge -Chriſti Wunder - wercke geiſtlich in vns. macht / ich bin auch geiſtlich blind / dar - umb muß er mich auch ſehend machen / vnnd alſo mit allen Wunderwercken. Da er -59im Menſchen erfuͤllet werde. Da erkenne dich fuͤr einen Blinden / Lahmen / Kruͤppel / Tauben / Auſſetzi - gen / ſo wird er dir helffen / Er hat todte lebendig gemacht / Ich bin auch todt in Suͤnden / er mus mich in jhm lebendig machen / auff das ich theil habe an der erſten Aufferſtehung.

Summa der Glaube thut dis alles im Menſchen / was die Schrifft von auſſen zeuget. Sie beſchreibet das Bil - de Gottes von auſſen / das muß in mir ſeyn durch den Glauben / ſie beſchrei - bet das Reich GOttes euſſerlich imEuſſerli - cher Buch ſtabe der Schrifft mus im Geiſt er - fuͤllet wer - den. Buchſtaben / dz mus in mir ſein durch den Glauben. Sie beſchribet Chri - ſtum von auſſen / er mus in mir ſeyn durch den Glauben. Die Schrifft be - ſchreibet den Adam / ſeinen Fall vnnd Wiederbringung / es muß alles in mir ſeyn. Die Schrifft beſchribet das newe Jeruſalem / das mus in mir ſeyn / vñ ich mus es ſelbſt ſeyn. Die Schrifft zeuget von auſſen von der newen Ge - burt / von der newen Creatur / das mus alles in mir ſeyn / vnd ich mus esF iijſelbſt60Wie Gottes Wort. ſelbſt ſeyn durch den Glauben / oder die Schrifft iſt mir nichts nuͤtze. Das iſt alles der Glaube / vnd des Glaubens Werck in vns / ja Gottes Werck vnnd das Reich Gottes in vnſerm Hertzẽ / ꝛc.

Das VII. Capittel. Wie das geſetz Gottes in aller Men - ſchen Hertzen geſchrieben ſey / welches ſie vberzeuget / auff daß ſie an jenem Ta - ge keine Entſchuͤldigung haben.

Rom. 2. In dem die Heyden des Geſetzes Werck thun / bewei - ſen ſie / daß das Geſetz in jhrem Hertzen geſchrieben ſey. ()

ALs Gott der Herr den Men - ſchen nach ſeinem Bilde ſchuf in vollkommener gerechtigkeit vnd Heiligkeit / vnnd jhn mit hohen goͤtt - lichen Tugenden vnd gaben zierete vñ ſchmuͤckte / vnd als ein vollkommenesſchoͤnes61in die Hertzen geſchrieben. ſchoͤnes Meiſterſtuͤck außarbeitete / als ſein hoͤchſtes vnd edelſtes Werck vnnd Kunſtſtuͤck / hat er drey vorneme eigen -Drey Ei - genſchaff - ten der Seelen einge - pflantzet. ſchafften dem Menſchlichen Gewiſſen ſo tieff eingepflantzet / das ſie nimmer - mehr / ja ewiglich nicht koͤnnen ausge - tilget werden / Erſtlich das natuͤrliche Zeugnis das ein Gott iſt. Zum an - dern / das Zeugnis des Juͤngſten Ge - richts / Rom. 2. Zum dritten / das geſetz der Natur / oder natuͤrliche Gerechtig - keit / dadurch Ehre vñ Schande vnter - ſchieden: Freude oder Trawrigkeit ent - funden wird.

Denn es iſt nie ein Volck ſo wild vñ barbariſch geweſen / das da verleugnet hette / daß ein Gott were / denn die Na - tur hat ſie inwendig vnnd außwendig vberzeuget / ja ſie haben aus jhrem ge - wiſſen entpfunden / das nicht allein ein Gott ſey / ſondern daß er auch muͤſſe ein gerrchter Gott ſein / ď dz boͤſe ſtraf - fe / vnd das Gute belohne / weil ſie in jhrem Gewiſſen entweder Schrecken oder Freude empfundẽ. Daraus habenF iiijſie62Wie Gottes Wort. ſie ferner geſchloſſen / das die SeeleLiecht der Matur. muͤſſe vnſterblich ſeyn / wie Plato dauõ gewaltig diſputirt. Vnd letzlich habẽ ſie auß dem Geſetz der Natur / das iſt / auß der angeboren natuͤrlichen Liebe wol geſehen / das Gott ein Vrſprung alles guten ſey in der Natur. Daher ferner ſie geſchloſſen / daß demſelbigen muͤſſe mit der Tugend vñ reinem Her - tzen gedienet werdẽ. Darumb ſie in die Tugend das hoͤchſte gut geſetzet habẽ / daher die Tugendſchulen des Socratis vnd anderer weiſen Philoſophen ent - ſtanden ſeyn. Daraus ſehen wir nun / wie Gott ein Fuͤucklein des natuͤrlichẽ Liechtes oder ein Spuͤr oder Merckmal des natuͤrlichen zeugniß GOttes im Menſchen auch nach dem Fall laſſen vbrig bleiben / auff das der Menſch ſei - nen Vrſprung ſoll erkennen lernẽ / wo - her er kom̃en / vnd demſelbigen nachge - hen / wie auch etliche der Heydẽ ſolchesFuͤncklein des natur - lichen Er - kenntnis Gottes. gemercket / als ď Poëta Aratus bezeu - get / welchen S. Paul allegirt Act. 17. Wir ſind Gotts geſchlechte / vñ Mani.

An du -63in die Hertzen geſchrieben. An d[u]bium eſt habitare Deum ſub pectore noſtro, In c[æ]lum[que]redire animas, cælo[que]venire. ()

Weil nu die Heyden das natuͤrlicheHeyden haben kei - ne Ent - ſchuͤldi - gung. Zeugnis Gottes wieder jhr Gewiſſen verachtet / vñ alſo den Schoͤpffer ſelbſt / werden ſie durch jr eigene Schuld ver - damp[t]werden / vnd keine Entſchuͤldi - gung haben. Deñ ſo ſchleuſt S. Paul. Rom. 1.Wer da weis / daß ein Gott iſt / vnnd fraget nicht darnach / oder achtet nit / wie er jn recht erkennen / vnd jm dienen moͤge / der wird am Tage des Gerichts keine Ertſchuͤldigung habẽ / vñ ſchleuſt ferner: Weil die Heyden Gottes Ge - rechtigkeit erkant habẽ / in dem ſie von Natur gewuſt / daß die boͤſes thun / des Todes werth ſeyn / haben aber das boͤſe nit allein gethan / ſondern auch gefal - len dran gehabt / ſo haben ſie ſich ſelbſt verurtheilt. Item Ro. 2. Ire gedanckẽ / die ſich ſelbſt vnter einander verklagen / oder entſchuͤldigẽ / haben ſie vberzeugt des zukuͤnfftigen Gerichts. So nu die Heyden keine Entſchuͤldigung haben / die nicht allein von Natur wiſſen / dasF vein64Wie Gottes Wort. ein GOtt iſt / ſondern auch wieder jhr Gewiſſen GOtt nicht geſucht haben /Chriſten habẽ viel weniger Entſchuͤl - digung dann die Heyden. viel weniger werden die Entſchuͤldi - gung haben / welchen Gott ſein Wort offenbaret hat / vnd ſie durch Jeſum Chriſtum ſeinen lieben Sohn hat laſ - ſen zur Buſſe ruffen / das iſt / von Suͤn - den abzuſtehen / ſich von dem gottloſen Leben abzuwenden / auff daß ſie durch den Glauben des Verdienſtes Chriſti moͤchten fehig vnd theilhafftig / vnnd ewiglich ſelig werden.

Darumb wird ein jeder Menſch / der Chriſti Namen kennet / vnd ſich nicht bekeret hat / an jenem tag zween gewal - tige Zeugen wider ſich haben: Erſtlich /Joh. 12. Sein eigen Hertz / Gewiſſen / vnd dasZween Zeugẽ / ſo alle Vn - bußferti - gen ver - dammen werden. Geſetz der Natur. Zum andern / Got - tes geoffenbartes Wort / welches ſie richten wird an jenem Tage. Darumb auch ein ſchreckliches Vrtheil vñ Ver - damnis darauff erfolgen wird / wie der Herr ſpricht: Daß es Sodoma vnnd Goinorrha an jenem tage ertraͤglicher wird ergehen / vnnd die Koͤnigin vonMittage65in die Hertzen geſchrieben. Mittage wird auffſtehen / vnd dis Ge - ſchlechte verdammen.

Vnd daher wird die ewige QualWoh[er]die Qual der Seelẽ. vnd Pein entſtehen / weil Gott die See - le vnſterblich erſchaffen / vnnd jn der Seelen das Gewiſſen / das immer vnd ewig Gottes eindencken iſt / vnd kan doch nimmermehr zu Gott kommen / welches iſt die groͤſte vnd ewige Pein der Seelen.

Vnnd ſolche innere ewigwerendeWoher die groͤſſe der ewigẽ Pem. Seelenpein wird ſo viel deſto groͤſſer ſein / ſo viel immer mehr vñ mehr durch Vnbußfertigkeit Gottes zorn geheuf - fet auff den Tag des Gerichts. Denn2. Theſſ. 2. gleich wie GOtt der Herr nach ſei - nem gerechten Gerichte die Heyden in einen verkerten Sinn gegeben / weil ſie das innere Geſetz der Natur / vnd jhr eigen Gewiſſen / als Gottes gerechtig - kelt in jr Hertz geſchrieben / verworffen / vnd nichts geachtet / ſondern denſelben als GOtt ſelbſt / wiederſtrebet / durch welche verblendung jrer Sinne / ſie in die grewliche / abſchewliche Suͤnde vndGrewel66Wie Gottes Wort. Grewel gerahten ſeyn / dadurch ſie Gottes gerechten Zorn geheuffet ha -Woher es koͤmpt / daß bey den Chri - ſten offt groͤſſer Suͤnden geſchehẽ / denn bey den Hey - den. ben. Alſo weil die / ſo Chriſten ſein wol - len / beyde das innere vnd euſſerliche Wort / vnd Zeugnis Gottes verwerf - fen / vnd nicht allein nit wollen Buſſe thun / ſondern dem heiligen Geiſt wie - derſtreben / vnd GOtt leſtern / gibt ſie Gott dahin in einen verkerten Sinn / daß ſie erger werden denn die Heyden vnnd Tuͤrcken / ſendet jhnen krefftige Irrthum / daß ſie den Luͤgen gleuben / auff daß geſtraffet werden alle / ſo luſt haben an der Vngerechtigkeit.

Daher ſolche abſchewliche Laſter bey den Chriſten im ſchwang gehen / die nie erhoͤret ſeyn / ſolche teuffliſche Hof - fart vnnd Pracht / ſo vnerſaͤttlicher Geitz / ſchendliche Wolluſt / viehiſche Vnzucht / vnd vnmenſchliche Thaten / welche alle aus Verblendung vñ Ver - ſtockung eines verkertẽ Sinnes geſche - hen / Denn weil die Chriſten nicht wol - len in jrem Leben folgen dem niedrigẽ / armen / ſanffmuͤtigen vnd demuͤtigenChriſto /67in die Hertzen geſchrieben. Chriſto / ſondern ergern ſich an jhm / ſchemen ſich ſeines heiligen Lebens / da jnen doch Gott denſelbigen zum Liecht der Welt hat fuͤrgeſtellet / daß ſie ſollen nachfolgen ſeinen Fußſtapffen / ſo gibtWer Chri ſto nicht folgẽ wil / mus dem Sathan folgen. ſie GOtt dahin / daß ſie dem Sathan folgen / vnd ſein teuffeliſch Leben anne - men durch allerley Grewel / Luͤgen / vñ Vnbarmhertzigkeit zu vollbringen die Wercke der Finſternis / weil man nicht will im Liecht wandeln / Als der Herr Joh. am 12. ſpricht: Liebe Kinder wan - delt im Liechte / weil jhrs habt / auff daß euch die Finſternis nicht vberfalle.

Vnd letzlich / weil Gott die Heyden / mit ſo ſchrecklicher Blindkeit / vnd ver - kertem Sinne geſtraffet / weil ſie dem kleinen innerlichen Liechtlein / ſo in jhnen von Natur iſt / vnd jrem eigenen Gewiſſen / vnd dem Geſetz der Natur / nicht haben Folge gethan / oder wie S. Paulus redet Rom. 1. Nicht geachtet haben / dz ſie Gott erkennẽ / alſo / daß ſie durch jre eigne Schuld verluſtig wor -Gott iſt nit ſchuͤl - dig an ei - den ſeyn der ewigen Seligkeit / wie vielmehr68Wie Gottes Wort. nes Men - ſchen Ver - danims.mehr werden die der ewigẽ Seeligkeit beraubet werden / welchen nicht allein von Natur / ſondern durchs offenbareteDer newe Bund ins Hertz ge - ſchrieben. Wort Gottes / vnd durch den newen Bund / GOttes Wort ins Hertz ge - ſchrieben / vnd achten doch dieſer groſſẽ Gnade vnd Seligkeit nicht / Dauon Jerem. 31. ſtehet. Das ſol der newe Bund ſeyn / ich wil mein geſetz in jhr Hertz geben / vnd in jhren Sinn ſehrei - ben / vnd ſol keiner den andern lehren / vnd ſagen: Erkenne den Herrn / ſon - dern ſie ſollen mich alle kennen / gro[ſſ]vnd klein / ſpricht der Herr. Denn ich wil jhnen jhre Miſſethat vergeben / vñ jhrer Suͤnde nimmermehr gedencken.

So wir nun / ſpricht die Epiſtel an die Ebreer am 10. mutwillig ſuͤndigen / nach dem wir die Erkentnis der War - heit empfangen haben / habẽ wir fuͤrder kein ander Opffer mehr fuͤr die Suͤn -Schreck - lich Vi - theil der Vnbuͤs fertigkeit. de / ſondern ein ſchrecklich warten des gerichts vñ des Fewereyffers / der die widerwertigen verzehren wird. Deñ ſo jemand das geſetz Moſi bricht / dermu[ſ]69in die Hertzen geſchrieben. muß ſterbẽ ohn Barmhertzigkeit durch zween oder drey Zeugẽ. Wie viel erger Straffe wird der verdienen / der den Sohn Gottes mit Fuͤſſen tritt / vnd dz Blut des Teſtaments vnrein achtet / durch welches er geheiliget iſt / vnd den Geiſt der Gnaden ſchmehet. Denn wir wiſſen / daß er ſagt: Die Rache iſt mein / Ich will vergelten ſpricht der Herr. Schrecklich aber iſts in die Haͤnde des lebendigen Gottes fallen. Welcher Spruch nit von denẽ / ſo aus ſchwach - heit / ſondern mutwillig wieder die er - kandte Warheit ſuͤndigen / vnd in Vn - bußfertigkeit verharren / zu verſtehẽ iſt.

Das VIII. Capitel. Daß ohne wahre Buſſe ſich niemand Chriſti vnd ſeines Verdienſtes zu troͤſten habe.

Num. 12. Kein Vnreiner durffte das Paſſah eſſen. ()

DEr Herr Jeſus ſpricht Mat - thei am 9. Die Starcken duͤrf - fen des Artztes nit / ſondern dieKrancken /70Ohne Buſſe niemandKrancken / Ich bin kommen die Suͤn - der zur Buſſe zu ruffen / vnd nicht die Gerechten.

Hiemit lehret vns der Herr / daß er zwar die Suͤnder ruffet / aber zur buſſe. Vnd daraus folget / daß niemand zum Herrn kom̃en kan ohne wahre Buſſe / vnd Bekehrung von Suͤnden / vnd oh - ne wahren Glauben.

Nun iſt die Buſſe nichts anders / denn durch wahre Rew vnnd Leid der Suͤnde abſterben / vñ durch den Glau - ben Vergebung der Suͤnde erlangen / vnd der Gerechtigkeit leben in Chriſto / vnd muß in der Buſſe vorher gehen die wahre goͤttliche Rew / dadurch dz Hertz zubrochen / vnd das Fleiſch gecreutzigetWas wah re Buſſe ſey. wird. Vnd darumb nennet die Epiſtel an die Ebreer die Buſſe der TodtenHebr. 6. Werck / das iſt / Nachlaſſung der Wer - cke / die den Todt wircken.

Wo nun dieſelben nicht gelaſſenKoͤſtlich - ſte Suͤn - der: Artz - ney. werden / ſo iſt Chriſtus mit alle ſeinem Verdienſte dem Menſchẽ nichts nuͤtze. Denn Chriſtus vnſer Herr ſtellet ſichvns71ſich Chriſti zu troͤſten. vns ſelber fuͤr als ein Artzt / vñ ſein hei - liges Blut als die koͤſtlichſte / heilſamſte Suͤnden Artzney.

Nun kan auch die aller koͤſtlichſte Artzney nicht helffen / vnd nicht wirckẽ / wenn der Patient das nicht wil laſſen das ihm ſchaͤdlich iſt. Derhalben ſo hilfft keinem Chriſti Blut vnnd Tod / wer nicht wil von Suͤnden ablaſſen. Daher ſpricht Sanct Paul. Galat. 5. die ſolches (thun verſtehe die Wercke des Fleiſches) die werden das Reich Gottes nicht erben / das iſt / ſie haben kein Theil an Chriſto.

Ferner ſol Chriſtus vnnd ſein heilig Blut vnſere Artzney ſeyn / ſo muͤſſen wir zuuor kranck ſeyn. Denn die Ge - ſunden beduͤrffen des Artztes nit ſon - dern die Krancken. Nun ſind aber alleGeiſtliche Krancken ſind be - ſchrieben im 6. vnd 38. Pſalm. die nit geiſtlich kranck / die ohne wahre Vuſſe ſeyn / die ohne hertzliche Rewe vber jhre Suͤnde ſein / die kein zerbro - chen / zuſchlagen Hertz haben / vnnd fuͤr Goͤttes Zorn nicht erſchrecken / die nicht fliehen wollen die weltliche Luͤſte /Erſter Theil Gdie da72Ohne Buſſe niemanddie da trachten nach eitel Ehre / Reich - thumb vnd Wolluſt / ſorgen nicht fuͤr jhre Suͤnde / dieſe ſage ich ſind nicht kranck. Darumb beduͤrffẽ ſie auch des Artztes nicht / das iſt / Chriſtus iſt jhnen nichts nuͤtze.

Darumb mercket dis wol / Chriſtus iſt kommen die Suͤnder zu ruffen / aber zur Buſſe / warumb? Denn allein ein bußfertiges / zerbrochenes / zerſchlage - nes gleubiges Hertz iſt fchig des thew - ren Verdienſtes / Bluts vnnd Todes Jeſu Chriſti.

Selig iſt der Menſch / der dieſen hei - ligen Beruff in ſeinem Hertzẽ empfin - det / das iſt die goͤttliche TrawrigkeitGeiſtliche Trawrig - keit wir - cket Gott vber die ſuͤnde / die da wircket eine Rew zur Seligkeit / die niemand gerewet / 2. Cor. 7. Dieſe goͤttliche Trawrigkeit wircket der heilige Geiſt durchs Geſetz vnd durch ernſtliche Betrachtung des heiligen Leidens Chriſti. Deñ das Lei - den Chriſti iſt zugleich eine Bußpre - digt / vñ der aller ſchrecklichſte Spiegel des Zorns Gottes / vnd eine Gnaden -Predigt. 73ſich Chriſti zu troͤſten. Predigt. Deñ bedencket die Vrſache / warumb vnſer lieber Herꝛ den bittern Tod gelitten / nemlich / vmb vnſer Suͤnde willẽ. Bedencket auch die Liebe Gottes / daß er vns ſeinen Sohn ge - ſchencket / Da ſehen wir Gottes Ge - rechtigkeit vnd Barmhertzigkeit.

Wie ſolte nun einer / der an Chri - ſium gleubet / zu denſelbigen Suͤnden luſt haben / oder von denſelbigen nicht wollen abſtehen / welche Chriſtus mit ſeinem Blute vnd Tode vñ mit ſeinem Leben hat bezahlen muͤſſen: Sehet wie hat er vnſere Hoffart vñ Ehrgeitz mit ſo tieffer Demut vñ Verachtung buͤſ - ſen muͤſſẽ / vñ du haſt noch luſt zur hof - fart / vnd kanſt der Ehre dieſer Welt nit ſatt werden? Wie hat Chriſtus deinen Geitz mit ſo groſſer Armut muͤſſen buͤſ - ſen / vnd du haſt nimmer gnug / vñ kanſt des Reichthumbs nicht ſatt werden? Wie hat[Chriſtus] mit ſo groſſer angſtChriſti Leiden ſol in dir Buſſe wir - cken. vnd Todesſchmertzen deines Fleiſches Luſt buͤſſen muͤſſen / vnnd du haſt alle deine Freude an des toͤdtlichẽ FleiſchesG ijluſt? 74Ohne Buſſe niemandLuſt? Wie kan doch das deine Luſt ſein das deinem Herrn Chriſto die hoͤchſte Pein geweſt iſt? Wie kan doch dz deine Freude ſein / das deinem Herrn Chri - ſto die hoͤchſte Trawrigkeit geweſt bißFrucht des Lei - dens Chri ſt[i in]vns. in den Tod? Sihe mit was tieffer Sanfftmut vnnd hoher gedult dein Herr gebuͤſſet hat deinen Zorn / Haß / Feindſchafft / Bitterkeit / Rachgier / vnuerſoͤhnligkeit / vnd du zuͤrneſt ſo leichtlich / vnd iſt dir die Rachgier ſo ſuͤſſe / ſuͤſſer denn dein Leben? Iſt dir dz ſo ſuͤſſe / darumb der Hrer einen ſo bit - tern todes Kelch trincken muͤſſen?

Darumb alle die / ſo ſich Chriſten nennen / vnd von Suͤnden nicht ablaſ -Vnbus - fertige creutzigen Chriſtum auffs newe. ſen / die creutzigen Chriſtum auffs newe / vnd halten jhn fuͤr einen Spott / wie zun Ebr. am 6. geſchriben iſt. Sie koͤnnen auch des Leidens Chriſti nicht theilhafftig werden / denn ſie treten das Blut Chriſti mit Fuͤſſen / wie abermal zun Ebr. am 10. geſchriben iſt / achten das Blut des Teſtaments vnrein / das iſt / ſie haltens fuͤr keine Reinigungjhrer75ſich Chriſti zu troͤſten. jhrer Suͤnde / achten gar nicht darauff das es zur Bezalung jhrer Suͤnde ver - goſſen iſt / vnd ſchmehen den Geiſt der Gnaden / das iſt / verſtoſſen / verwerffẽ / ſpotten / vnd leſtern die hohe thewrbare angebotene gnade mit jhrem gottloſen Leben alſo / daß das Blut Chriſti / das auch fuͤr ſie vergoſſen iſt / Rache mus vber ſie ſchreyen / vnd ſie dem gerechtẽ Gerichte Gottes vbergebẽ / dafuͤr wir billich erſchrecken ſolten. Deñ es iſt zu -Rache des Bluts Chriſti wieder die Vnbusfer tigen. mal ſchrecklich in die Hand vnd Rache des lebendigẽ Gottes fallen / wie auch am ſelbigen Orte ſtehet. Denn vnſer Gott iſt nicht ein ohnmechtiger todter Goͤtze / der ſich wird jmmer ſpotten / vñ ſeine gnade ſchmehen laſſen / ſondern ein lebendiger Gott.

Vnd zwar vnſer eigẽ Hertz vberzeu - get vns / das eine groſſe Rache vñ zorn Gottes darauff erfolgen werde / wenn einer nicht von Suͤnden ableſt / vñ hoͤ - ret doch / wie der ewige Son Gottes ſo einen ſchrecklichen Tod vmb der Suͤn - de willen hat leiden muͤſſen.

G iijDas76Ohne Buſſe niemand
Warumb Gott von allen men - ſchen Buſ - ſe fordert.

Das iſt nun die Vrſach / warumb in der gantzen Welt iſt Buſſe geprediget worden / ſo bald der heilige Tod Chriſti geſchehen war / nemlich: Zum erſten /1. Joh. 2. dieweil derſelbige fuͤr der gantzen Welt Suͤnde geſchehen war. Zum andern / daß alle Menſchen an allen Enden Buſſe theten / wie A. tor. 17. geſchriebẽ ſtehet / vñ dieſe Artzney mit glaͤubigem rewendem busfertigem Hertzen anne - men / auff das dis thewere Gnadenge - ſchenck Gottes am Menſchẽ nicht ver - loren werde.

Darauff / auff ſolche hertzliche BuſſeSuͤnde wird ohne Buſſe nit vergeben. ſolte Vergebung der Suͤnde folgen. Denn wie kan doch die Suͤnde verge - ben werdẽ / die einem nie leid geweſen / vnd da man noch jmmer luſt zu hat / da - non man nicht wil ablaſſen? Iſts nicht ein naͤrriſch verkerter Handel / wollen Vergebung der Suͤnden haben / vnnd doch von Suͤnden nicht wollen ablaſ - ſen / ſich des Leidens Chriſti troͤſten / vñ doch die Suͤnde nicht laſſen / vmb wel - cher willen Chriſtus hat ſterben muͤſſẽ?

viel77ſich Chriſti zu troͤſten.

Viel Leute ſind / welche die zeit jhres Le[b]ens nie ware Buſſe gethan / vñ wol - len doch Vergebung der Suͤnde habẽ / die da nie haben abgelaſſen von jhrem Getz / Hoffart / Zorn / Haß / Neid / Falſchheit / Vngerechtigkeit / ja haben noch wol darinn zugenommen / vnnd wollen jhnen Chriſti Verdienſt zurech - nen. Habẽ ſich ſelbſt vberredet / ſie ſind gute Chriſten / weil ſie wiſſen vnd gleu - ben / Chriſtus ſey fuͤr jhre Suͤnde geſtor - ben / v[nd]gedencken alſo ſelig zu werdẽ. Ach du betrogener falſcher Chriſt / dasBetrage - ne Chriſtẽ vñ falſcher Glaube. hat dich nie Gottes Wort gelehret / daß du alſo ſoll ſelig werden / ſo hat nie kein Prophet vñ Apoſtel gepredigt / ſondern alſo predigen ſie. Wenn du wilt Ver - gebung der Suͤnde haben / ſo muſtu Buſſe thun / vnd von Suͤnden ablaſſẽ / vnd dir deine Suͤnde laſſen leid ſeyn / vnd an Chriſtum gleuben.

Wie ſolten einem aber die Suͤnde leid ſeyn / die er nicht zu laſſẽ gedencket / vnd wie[ſ]olte einer die Suͤnde laſſẽ / die jhm nie bid geweſen? Darumb lehretG iiijdich78Ohne Buſſe niemanddich Chriſtus / ſeine Propheten vnndWas da ſey der Welt ab - ſterben. Apoſteln. Du ſolt der ſuͤnde vnd Welt abſterben / das iſt / deiner eigenen Hof - fart / Geitz / Wolluſt / Zorn / Feind - ſchafft / vnd dich zum HErrn bekeren / vnd vmb Gnade bitten. Jetzo ſaſtu Vergebung der Suͤnden / jetzo ſoͤmpt der Artzt / der die zerbrochnen Hertzen verbindet / vnd heilet jhre Schmertzen. Sonſt iſt dir Chriſtus nichts nuͤtze / vñArt des wahren Glaubẽs. hilfft dir nichts / dz dn viel vom Glau - ben ſageſt. Denn der rechte Glaube vernewert den Menſchen / vñ toͤdtet die Suͤnde im Menſchen / machet den Menſchen in Chriſto lebendig / das iſt / daß er in Chriſto lebet / im Glauben / in ſeiner Liebe / Demut / Sanfftmit / Ge - dult. Sihe alſo iſt dir Chriſtus der Weg zum Leben / alſo biſtu in[ih]m eine newe Creatur. Wenn du ab[e]r in dei - nen Suͤnden verharreſt / wilt[d]enſelbi -Galat. 5. gen nicht abſterben / ſondern leſſeſt dir alles gefallen / was dein alter Adam thut / Wie kanſtu eine newe Creatur ſeyn? Wie kanſtu Chriſtum a[ng]ehoͤrẽ /weil79ſich Chriſti zu troͤſten. weil du dein Fleiſch nicht wilt creutzigẽ ſampt den boͤſen Luͤſten vñ Begierden.

Wenn du nun gleich alſo zehen Pre -Vergeb - licher Got tesdienſt. digten des tages hoͤreteſt / beichteſt alle Monat / giengeſt zum Tiſch des Her - ren / ſo huͤlffe es dich doch nicht / hetteſt doch nicht vergebung der Suͤnde / Vr - ſach / es iſt kein bußfertig / zerbrochen gleubig Hertz da / welches da fehig iſt der heilſamen Artzney. Gottes Wort vnnd Sacramenta ſind wol heilſame Artzneyen / ſie helffen aber keinem Vn - bußfertigẽ / ď kein ſtetig rewendes gleu - biges Hertz hat. Geuß den koͤſtlichen Balſam auff einẽ Stein / was wird jm das helffen? Es dienet fuͤr jhn nit. See den beſten Weitzen vnter einen hauffen Dornen / es wird nit Frucht bringen / du reuteſt denn zuuor die Dornen aus. Schließlich der in ſeinen Suͤnden ver - harren will / dem iſt Chriſtus nichts nuͤtze. Der mit Chriſto nicht will new geboren werden / dem iſt ſeine Geburt nichts nuͤtze. Der mit Chriſto nicht will der Suͤnde abſterben / dem iſt ſeinG vTodt80Ohne Buſſe niemandTodt nichts nuͤtze. Der nicht will in Chriſto von Suͤnden auffſtehen / demIſt Chri - ſti Ver - dienſt nichts nuͤ - tze. iſt ſeine Aufferſtehung nichts nuͤtze. Der nicht im himliſchen Weſen vnd Leben will wandeln / dem iſt Chriſti Himmelfahrt nichts nuͤtze.

Wenn aber ein Menſch mit dem verlornen Sohne vmbkeret / ſeine ſuͤn - de berewet vñ beweinet / dieſelbige mei - det vnnd haſſet / Gott vmb gnade bit -Luc. 15. Num. 21. Allem die Bußferti - gen vnd Gleubigẽ fehig der Verge - bung. tet / vnd ſihet im Glauben an den ge - creutzigten Jeſum / vnnd ſeine blutige Wunden / wie die Iſraeliten die rothe kuͤpfferne Schlang / vnd ſpricht: Gott ſey mir armen Suͤnder gnedig. Jetzo iſt alles vergeben vnd vergeſſen / vnnd wenn gleich ein Menſch der gantzen Welt Suͤnde allein gethan hette.

So viel gilt das heilige Blut Chri - ſti / vnd ſein heiliger Tod. Tanta eſt perfectio in Redemtione parta ſan - guine Chriſti, & tanta eſt perfectio applicationis gratiæ & imputatio - nis totius meriti Chriſti per fidem. Solche Vollkommenheit iſt in der Er -loͤſung /81ſich Chriſti zu troͤſten. loͤſung / ſo durchs Blut Chriſti geſche - hen iſt / vnnd wird einem bußfertigem Hertzen das gantze Verdienſt Chriſti vollkoͤmlich zugerechnet / durch den Glauben / denn Gott will Buſſe anne - men fuͤr die Suͤnde / Sap. 12. das iſt / Gott vergibt den Bußfertigẽ vollkoͤm - lich aus lauter gnade vmb Chriſti wil - len. Ja es iſt Gottes Luſt vnd Freude barmhertzig ſeyn / vnnd die Suͤnde aus gnaden vergeben. Es bricht mir mein Hertz / Ich muß mich dein erbarmen / ſpricht er / Jerem. 31. Vrſach / Es gehetJerem. 31. Hoſ. 11. als deñ der Tod Chriſti in ſeine Frucht vnd Krafft / vnd denn iſt Freude imLuc. 15. Himmel fuͤr den Engeln Gottes / daß an den armen Suͤndern das thewre Blut Chriſti nicht verloren iſt / vmb welcher willen es vergoſſen iſt.

Das IX. Capittel. Durch das jetzige vnchriſtliche Leben wird Chriſtus / vnd der wahre Glaube verleugnet.

1. Tim. 3.82Durch das vnchriſtliche Leben1. Tim. 3. Sie haben einen ſchein eines gottſeligen Weſens / aber ſeine Krafft perleugnen ſie. ()

WEil ſich jederman einen Chri - ſten nennet / vnnd doch nichts Chriſtliches thut / ſo wird Chri -Chriſtus durch ein gottlos Lebenver - ſpottet. ſtus dadurch verleugnet / verachtet / ver - ſpottet / verleſtert / gegeiſſelt / gecreutzi - get / außgerottet vnd getoͤdtet / wie die Epiſtel an die Ebreer am 6. ſpricht: Dz etliche den Sohn Gottes widerumb creutzigen vnd verſpotten / wie der H. Prophet Daniel hat geweiſſaget: daß in den letzten Tagen Chriſtus werde außgerottet werden / Dan. 12.

Welches außgeleget wird von der Creutzigung zu Jeruſalem / da die Juͤ - den ſchryen: Weg / weg / creutzige jhn / Ja wenn Chriſtus nit taͤglich gecreu - tziget / vñ alſo außgerottet wuͤrde durch das vnchriſtliche Leben / daß man jhn / das iſt / ſein heiliges edles Lebẽ faſt nir - gend mehr findet. Denn wo Chriſti Le -ben83wird Chriſtus verleugnet. ben nicht iſt / da iſt Chriſtus auch nicht /Da kein Chriſtlich Leben iſt / da iſt Chri ſtus auch nicht. vnd wenn man noch ſo viel vom Glau - ben / vnd von der Lehre ruͤhmete. Denn was iſt doch der Chriſtliche Glaube ohn ein Chriſtlich Leben? Ein Baum ohne Fruͤchte / wie der heilige Apoſtel Judas die falſchen Apoſtel nennet: kahle vnfruchtbare Beume / derer man jetzo die gantze Welt voll findet. Dar - umb auch der Herr ſpricht Luc. 18. Wenn des Menſchen Sohn kommen wird / meyneſtu auch / daſt er werde Glauben finden auff Erden.

Da hat der Herr warlich nicht ei - nen ſolchen Glauben verſtanden / den die Welt jetzo im Munde fuͤhret / vnd mit der That verleugnet / da man Chri - ſtum mit der Zungen liebet / vnd nicht mit der That vnnd Warheit / ſondern er hat den gantzen newgebornen Men - ſchen verſtanden / den Baum mit den Fruͤchtẽ / der durch den Glaubẽ ernew - ret iſt / in welchem Menſchen Chriſtus durch den Glauben wohnet vnnd le -Wahrer Glaube. bet / ſolches Glaubens wird er wenigfinden. 84Durch das vnchriſtliche Lebenfinden. Deñ wo der wahre Glaube iſt / da iſt Chriſtus vnd ſein heiliges Leben. Vnd wo man Chriſto in ſeinem Leben nit nachfolget durch den Glauben / da iſt weder Glaube noch Chriſtus / ſon - dern iſt außgerottet vnd verleugnet.

Nun ſpricht aber der Herr / Luc. 12. Wer mich verleugnet fuͤr den Men - ſchen / den wil ich wider verleugnen fuͤr Gott vnd ſeinen Engeln. Diß verleug - nen geſchicht nit allein / wenn man den Glauben vñ Chriſtum mit dem Mun - de verleugnet / ſondern vil mehr mit der That vnd mit dem Leben / wenn manChriſtus wird mit gottloſem Lebenver - worffen. Chriſto vnd dem heiligen Geiſte mut - willig wiederſtrebet / wie S. Paulus ſa - get: Mit der that verleugnen ſie es. Ja Chriſtus wird mit dem gottloſẽ teuffe - liſchen Leben eben ſo hart verleugnet / als mit dem Munde / ja auch mit der Heucheley vnd Scheinheiligkeit / wie die Parabola bezeuget von zweyen Soͤhnen / Matth. 21. zu welchem einen der Vater ſprach: Mein Sohn / gehe hin vnd arbeite in meinem Weinberge /vnd85wird Chriſtus verleugnet. vnd er ſprach / Ich wills nit thun / vnd vber eine kleine weile gerewete es jhn / vnd gieng hin. Zu dem andern ſprachGroſſe Verach - tung Got - tes in ei - nem gott - loſen Le - ben. er: Gehe du auch hin / vnd arbeite. Er ſprach ja / vnd gieng nit hin. Welcher hat nun des Vaters Willen gethan? Nemlich / der nein ſagete / vnnd gieng doch hin: Vnd welcher hat den Vater verachtet? nemlich / der ja ſagte / vnnd gieng doch nicht hin.

Alſo ſind jetzo die falſchen ChriſtenFalſche Chriſten. auch / die ſagen: Ja / Ja / Herr / Herr / vnnd ſind inwendig die boßhafftigſten Menſchen / vnd thun doch nit / was der Vater befohlẽ hat. Von denen ſpricht S. Paulus: Sie haben einen Schein der Gottſeligkeit / aber jhre Krafft ver - leugnen ſie. Was iſt aber die Krafft der Gottſeligkeit verleugnen anders / denn den Glauben vñ Chriſtum verleugnen? Ein Heyde ſeyn vnter dem Chriſtlichẽ Namen / Darumb nennet ſie S. Pau - lus Kinder des Vnglaubens / die keinẽ Glauben haben. Darumb wird er die / ſo ſich Chriſten genennet haben / vndnichts86Der jetzigen Welt Lebennichts Chriſtliches gethan / wieder ver - leugnen / vnd ſprechen: Ich kenne ewer nicht / weichet von mir jhr Vbelthaͤter.

Das Leben der jetzigen Weltkinder iſt gar wieder Chriſtum / darumb iſts ein falſches Leben / vnd ein falſch Chriſtenthumb.

Matth. 12. Wer nicht mit mir iſt / der iſt wieder mich. ()

WEnn man das Leben der jetzi - gen Welt gegen Chriſti Lehr vnnd Leben helt / ſo befindet ſichs augenſcheinlich / daß das Leben des meiſten theils der Welt gar wieder Chriſtum iſt. Denn was iſt aller Men - ſchen Leben jetzo / denn Geitz / Sorge der Nahrung / vnd Wucher / Fleiſches Luſt / Augenluſt / hoffertiges Leben / das iſt das meiſte vnd beſte / ſo in der Welt iſt / groſſe Ehre auff Erden / groß Anſe - hẽ / groſſer Name / Vngehorſam / Zorn / Zanck / Krieg / Vneimgkeit / Feind -ſchafft /87iſt gar wider Chriſtum. ſchafft / Rachgier in Worten vñ Wer - cken / heimlicher Neid / Vnuerſoͤhnlig - keit / Vngerechtigkeit / Vnreinigkeit / Betrug / Falſchheit / Verleumbdung. Vnd in ſumma / das gantze Leben derDas Lebẽ der gottlo ſen Welt kinder. Weltkinder / zu dieſer zeit iſt nichts denn Weltliebe / eigene Liebe / eigene Ehre / eigen Nutz.

Dagegen iſt Chriſtus vnd ſein Leben nichts anders denn eitel reine / lautere /Leben Chriſti vnd der wahren Chriſten. Gottes vnd Menſchen Liebe / Freund - ligkeit / Sanfftmut / Demut / Gedult / Gehorſam biß zum Tode / Barm - hertzigkeit / Gerechtigkeit / Warheit / Reinigkeit / Heiligkeit / verſchmehung der Welt / vnd aller weltlichen Ehre / Reichthumbs vnd Wolluſt / Verleug - nung ſein ſelbſt / ein ſtetig Creutz / Lei - den / Truͤbſal / ein ſtetig Sehnen vnnd Seufftzen nach dem Reich Gottes / vñ eine embſige Begierde zu vollbringen den Willen Gottes.

Nun ſpricht Chriſtus: Wer nicht mit mir iſt / der iſt wider mich / Das Leben aber der jetzigen Welt iſt nichtErſter Theil Hmit88Der jetzigen Welt Lebenmit Chriſto / Es ſtimmet nicht mit jhmWer nit eines Sin - nes iſt mit Chriſto der iſt wi - der Chri - ſtum. vberein. Es iſt faſt niemand eines Her - tzens / Sinnes / Gemuͤts / Geiſtes / mit Chriſto / wie es denn ſeyn ſol. Vnd S. Paulus zeuget 1. Corinth. 2. Wir ha - ben Chriſti Sinn. Vnd abermal Phi - lip. 2. vermahnet er / daß ein jglicher ge - ſinnet ſey wie Chriſtus. Derhalben ſo ſind alle Weltkinder wider Chriſtum. Wer aber wider Chriſtum iſt / der iſt ein Widerchriſt. Iſt ers nicht mit der Lehre / ſo iſt ers mit dem Leben.

Wo wil man nun wahre ChriſtenWahre Chriſten ein kleines Haͤufflem findẽ? Es mag wol dieſe Zal eine kleine Herde ſeyn / wie ſie der Herr ſelbſt nennet / Luc. 12. oder wie der Prophet Eſaias die Kirche vergleichet einem Haͤußlein in den Weinbergen / einer Nachthuͤttẽ in den Kuͤrbesgaͤrtẽ / einer verheeretẽ Stadt. Oder wie ſie ď Pro - het Micha vergleichet am ſie benden Capittel einem Draͤublein / ſo nach der Weinleſe am Weinſtock hangen blie - ben / da er ſpricht: Es gehet nur ſo vbel / als einem der nachlieſet in den Wem -bergen89iſt gar wider Chriſtum. bergen. Oder wie der liebe Darid ſie vergleichet einer einſamen Turteltau - ben / Pſal. 74. Einem einſamen ver - ſchuͤchterten Vogel auff dem Dache / der da wache / einem Kaͤutzlein in der Wuͤſten / vnd in den verſtoͤreten Staͤd - ten / Pſal. 102.

Nun die kennet Gott / wer vnnd wo ſie ſind / Chriſtus iſt bey jhnen / ja in jhnen alle Tage biß an der Wolt Ende. Er wird ſie nicht Waiſen laſſen. Deñ der feſte Grund Gottes beſtehet / vnnd hat dis Siegel: Der HErr kennet die ſeinen. Wer ſind aber die Seinen? Das ſtehet dabey: Es tretten ab võ der Vngerechtigkeit alle / die den Namen Chriſti nennen / Wer das nicht thun2. Tim. 2. wil / der laſſe Chriſti Namen zu friedẽ / vnd nenne ſich nach weme er wil.

Das XI. Capitel. Wer Chriſto in ſeinem Leben nit fol - get / der thut nicht wahre Buſſe / iſt kein Chriſt / vnd iſt nicht Gottes Kind / auch was die newe Geburt ſey / vnd das Joch Chriſti.

H ij1. Pet. 2. 90Ein Wahrer Chriſt muß1. Petr. 2. Chriſtus hat vns ein Exempel gelaſſen / daß wir ſol - len nach folgen ſeinen Fuß - ſtapffen. ()

GOtt hat vns ſeinen liebẽ Sohn zu einem Propheten / Doctor vnd Lehrer verordnet / vñ den -Matth. 1. Luc. 9. ſelben durch eine Stimme vom Him - mel commendirt, vnd zu hoͤrẽ befoh - len. Dis Lehrampt hat der Sohn Got - tes nicht allein gefuͤhret mit Worten / ſondern auch mit Wercken vnd ſchoͤnẽChriſtus vnſer rech ter Doctor mit Lehre vnd Lebẽ. Exempeln ſeines allerheiligſtẽ Lebens / wie einem rechſchaffenẽ Lehrer gebuͤh - ret / dauon S. Luc. Act. 1. zeuget: Die erſte Rede habe ich zwar gethan / lieber Theophile / von alle dem / dz Jeſus an - fieng beyde zu thun vnd zu lehren biß auff den Tag / da er auffgenommen ward. Da ſetzet der Euangeliſt das Woͤrtlein Thun / der Lehre vor / anzu - deuten / daß Thun vnd Lehren ſoll bey - ſammen ſeyn. Ja ein vollkommener Lehrer mus erſt ſelbſt thun / was er an -dere91Chriſto im Leben folgen. dere lehret. Alſo iſt Chiſti Leben die rechte Lehre / vnd das rechte Buch des Lebens.

Darumb iſt Gottes Sohn Menſch worden / vnd hat auff Erden gewandelt vnter den Menſchen / auff daß er vns ein ſichtbar lebendig Exempel zeigete eines goͤttlichen / vnſchuͤldigẽ / vollkom - menen heiligen Lebens / vnd auff daß wir jhn folgen ſollen / als einem LichtChriſtus das Liecht vnſers Le - bens. in der Finſternis / darum̃ nennet er ſich das Licht der Welt / vnd wer jhm fol - get / der wandelt nicht im Finſternis. Joh. 3.

Daraus iſt nun offenbar / daß der im Finſtern bleiben mus / der Chriſto im Glauben vnnd heiligem Leben nicht nachfolget / vnd kan nimmermehr das Liecht des Lebens haben. Was iſt aber Finſternis? Nichts anders denn ein vn - busfertiges Leben / welches S. Paulus nennet / Wercke der Finſternis / die wirGeiſtliche Finſter - nis. ablegen ſollen / vnd anlegen die Waffẽ des Liechts / welches wir mit einemRom. 13. Worte nennen: Buſſe thun.

H iijNun92Ein wahrer Chriſt muß

Nun iſt zwar droben gnugſam ge - ſaget / daß die goͤttliche Rewe / vnd wah - rer Glaube den gantzen Menſchen en - dere / dz Fleiſch creutzige / vnd ein newes Leben durch den heiligen Geiſt wircke. Damit es aber nicht allein bey den Worten bleibe / ſondern wir auch ein lebendig augenſcheinlich Exempel hetten des lebendig gemachtẽ Geiſtes / oder newen Menſchen / ſo ſtellet vns Gott ſeinen lieben Sohn fuͤr vnſere Augen / nicht allein als einen Heiland / ſondern auch als einen Spiegel der Gottſeligkeit mit ſeinem heiligen Le -In Chri - ſto der ne - we mẽſch lebendig abgebildt vnd fuͤr - geſtellet. ben / als den rechten newen Menſchen / in welchem nicht das Adamiſche ſuͤnd - liche Fleiſch geherrſchet vñ gelebet hat / ſondern Gott ſelbſt / zu dem Ende / daß wir auch nach ſeinem Bilde taͤglich er - newert wuͤrden. Dauon muͤſſen wir folgenden Bericht mercken.

Wir wiſſens vnd erfahrens leider taͤglich / wie vnſere ſuͤndliche Natur / Fleiſch vnd Blut / Leib vnd Seele mit ſo vieler Vnreinigkeit / Boßheit / ſuͤndvnd93Chriſto im Leben folgen. vnd Laſter behafftet iſt / welches alles des Teuffels Werck / Vnart vnd Ei - genſchafft im fleiſchlichen natuͤrlichen Menſchen iſt ſonderlich der boͤſe wille des Menſchen. Denn aus dem boͤſenVrſprung der ſuͤndẽ. Willen koͤmpt alle Suͤnde. Were kein boͤſer Wille / es geſchehe nimmermehr keine Suͤnde. Das iſt aber der boͤſeBoͤſer Wille. Wille / der ſich von Gott vnnd ſeinen Willen abwendet. Denn alles was ſich von Gott als von dem ewigen gu - te abwendet / das iſt vnd mus notwen - dig boͤſe ſeyn. Vnnd dis abwenden iſt des Teuffels vnd des Menſchen Fall / vñ daher iſt die Suͤnde kom̃en / vñ auff alle Menſchen geerbet vnnd fortge - pflantzet.

Daraus iſt nun offenbar / daß vnſer Fleiſch vnd Blut von Natur mit des Teuffels Vnart / vñ vnſer fleiſchlicher Wille mit des Sathans Boßheit ver - gifftet iſt / Als mit Luͤgen / Hoffart / boͤ - ſer Luſt / vnd aller Vntugend ſo widerTenffels Vnart in den Vnbe - kerten. Gott ſeyn. Vmb welcher boͤſen Vn - art willen der Herꝛ Chriſtus die Pha -H iiijriſeer94Ein wahrer Chriſt mußriſeer Teuffels Kinder nennet / Joh. 8, Ja etliche ſeiner Apoſtel fuͤr Teuffel ſchilt / gleich als were Geitz / Luͤgen / Hoffart / vnd alle boͤſe Luſt der Teuffel ſelbſt / damit der natuͤrliche fleiſchliche Menſch behafftet iſt.

Daraus denn folget / daß alle die / ſo in Vnbusfertigkeit leben / in Horffart /Im Sa - tan leben. Geitz / Wolluſt vnd Neid / die leben im Teuffel / vnd ſind mit des Teuffels vn - art behafftet / ſie ſchmuͤcken ſich auch von auſſen ſo ſchoͤn als ſie jmmer wol - ten / ſo bleiben ſie doch im Hertzẽ Teuf - fel / wie der Herꝛ zu den Juͤden ſpricht: Welches obs wol ſchrecklich iſt / ſo iſts doch die Warheit.

Weil nun vnſere elende hochuerder -Vnſere verder - bung hat muͤſſen mit dem hoͤchſten Gut ver - beſſert werden. bete menſchliche Natur mit ſo vnaus - ſprechlichem ſchrecklichem Jammer behafftet iſt / ſo hat ſie nun muͤſſen ge - beſſert vñ ernewert werden. Wie aber? Alſo / weil ſie mit dem grewlichen vbel iſt verderbet worden / ſo hat ſie mit dem hoͤchſten Gut muͤſſen verbeſſert vñ er - newert werden / nemlich mit GOttſelbſt95Chriſto im Leben folgen. ſelbſt / Darumb hat GOtt muͤſſen Menſch werden.

Nun aber iſt Gottes Sohn nichtWarumb Gottes Sohn Menſch worden. vmb ſeinent willen Menſch worden / ſondern vmb vnſert willen / auff daß er vns durch ſich ſelbſt mit GOtt wieder vereinigte / vñ des hoͤchſten Guts theil - hafftig machte / vñ vns wieder reinigte vnd heiligte / Denn was ſoll geheiliget werden / das muß durch Gott / vnnd mit GOtt geheiliget werden. WieChriſtus muß mit vns verei - niget wer - den durch den Glau - ben. nun GOtt in Chriſto iſt perſoͤnlich: Alſo muß auch GOtt mit vns durch den Glauben vereiniget werden / vnd muß der Menſch in Gott leben / vnnd Gott in jhm / in Chriſto / vnd Chriſtus in jhm. Gottes Wille muß im Men - ſchen ſeyn / vnd der Menſch in Gottes Willen leben. Vnd muß alſo Chriſtus Jeſus vnſer verderbten Natur Artzney ſeyn. Je mehr nun Chriſtus im Men - ſchen lebet / je mehr die Menſchliche Natur gebeſſert wird.

Edeler Menſch / in dem Chriſtus lebet.

Were das nun nicht ein edeler Menſch / in welchem Chriſtus allesH vwirckete /96Ein wahrer Chriſt mußwirckete / deſſen Wille Chriſti Wille were / ſeine Gedancken Chriſti Gedan - cken / ſein Sinn Chriſti Sinn / wie S.1. Cor. 2. Paulus ſpricht: Wir haben Chriſti Sinn / ſeine Rede vnnd Wort Chriſti Wort. Vnd zwar es muß freylich alſo ſeyn: Chriſti Leben iſt das newe Leben im Menſchen / vnd der newe Menſch iſt der in Chriſto lebet nach dem Geiſt. Chriſti Sanfftmut muß des newen Menſchen Sanfftmut ſeyn / Chriſti Demut iſt des newen Menſchen De - mut / Chriſti Gedult iſt des newen Menſchen Gedult / vnnd alſo fort das gantze Leben Chriſti muß des newen Menſchen Leben werden. Das heiſtGalat 2. Des newẽ Menſchẽ Leben iſt Chriſtus. denn eine newe Creatur / vnd das edle Leben Chriſti in vns / wie S. Paulus ſpricht: Ich lebe nit / ſondern Chriſtus in mir. Vnd das heiſt denn recht Chri - ſto gefolget / das heiſt recht Buſſe ge - than. Denn dadurch gehet der alte Menſch gar vnter / vnd das fleiſchliche Leben ſtirbet / Vnd faͤhet an das geiſt - liche himliſche Leben / Der iſt denn einwahrer97Chriſto im Leben folgen. wahrer Chriſt nicht mit dem Titel vnd Namen / ſondern mit der That vnnd Warheit / Ja der iſt ein wahres Kind Gottes / aus Gott vnd Chriſto gebo - ren / in Chriſto ernewert / vnd durch den Glauben lebendig gemacht.

Ob wirs nu wol in dieſer Schwach - heit nicht koͤnnen zur Vollkommenheit bringen / ſo ſollen wir dennoch darnach ſtreben / darnach ſeufftzen / vnd daſſelbe von Hertzen wuͤndſchen / daß Chriſtus vnd nit der Sathan in vns leben / vnd ſein Reich haben moͤge. Ja wir ſollenKampff vñ Streit mit vnſer boͤſen Na - tur. darob kempffen / vñ durch tegliche Rew den alten Menſchen toͤdten. Denn ſo viel ein Menſch jm ſelber abſt irbet / ſo viel lebt Chriſtus in jhm: So viel die boͤſe Natur durch den Geiſt Gottes ab - nimpt / ſo viel nimpt die Gnade im Menſchen zu: So viel das Fleiſch ge - creutziget wird / ſo viel wird der Geiſt lebendig gemacht: So viel die Werck der Finſternis im Menſchẽ gedempffet werdẽ / ſo viel wird der Menſch je mehr vnd mehr erleuchtet: So viel der euſ -ſerſte98Ein wahrer Chriſt mußWie der Menſch taͤglich er - newret wird.ſerſte Menſch verweſet vnnd getoͤdtet wird / ſo viel wird der innere ernewret / 2. Cor. 4. So viel die eigen Affecten vñ das gantze fleiſchliche Leben im Men - ſchen ſtirbet / als eigene Liebe / eigene Ehre / Zorn / Geitz / Wolluſt: ſo viel le - bet Chriſtus in jhm: Je mehr die Welt vom Menſchen außgehet / als Augen - luſt / fleiſchliche Luſt / hoffertiges Leben / je mehr Gott Chriſtus vnd der heilige Geiſt in dem Menſchen eingehen vnd jhn beſitzen / vnd hinwieder je mehr die Natur / das Fleiſch / die Finſternis / die Welt / im Menſchẽ herrſchen / je weni - ger Gnade / Geiſt / Liecht / Gott vnnd Chriſtus im Menſchen iſt.

Das newe Leben ein bitter Creutz dẽ Fleiſch.

Wenn nun das geſchehen ſoll / ſo iſts dem Fleiſch ein bitter Creutz / denn da - durch wirds gedempffet / gecreutziget / ſampt den Luͤſten vnd Begierden / vnd das iſt die rechte Krafft vnd Frucht der Buſſe. Fleiſch vnd Blut wuͤndſchet jm lieber ein freyes / ruchloſes / ſicheres Lebẽ nach ſeinen eigenen Luͤſten vnd Willẽ / vnd das iſt dem Fleiſch das allerſuͤſſeſtevnd99Chriſto im Leben folgen. vnd luſtigſte Leben. Chriſti Leben aber iſt dem Fleiſch vnd dem alten Menſchẽ ein bitters Creutz / dem newen geiſtlichẽ Menſchen aber ein ſanfftes Joch / eine leichte Laſt / vnnd eine liebliche Ruhe. Denn worin ſtehet die lieblichſte Ru - he / denn im Glauben an Chriſtum / in ſeiner Sanfftmut / Demut / Gedult / vnd in der Liebe Chriſti? Matth. 11. So werdet jr Ruhe finden fuͤr ewre Seele. Ja wer Chriſtum recht lieb hat / dem iſt auch der Todt vmb Chriſti willen die hoͤchſte Freude. Das iſt dz ſanffte Joch Chriſti / das wir auff vns nemen ſollen / darinnen die wahre Ruhe der Seelẽ iſt.

So wir nun das Joch Chriſti auff vns nemen ſollen / wie er befihlet / dz iſt / ſein heiliges edles Leben / ſo muͤſſen wir des Teuffels Joch fahren laſſen / das iſt / das fleiſchliche / ſichere / ruchloſe Le - ben / Vnd muͤſſen das Fleiſch nit herr -Alles was im Men - ſchen iſt / muß vn - ter das Joch vnd Creutz Chriſti. ſchen laſſen vber den Geiſt / Sondern es muß alles was im Menſchẽ iſt vnter das Joch Chriſti / vnd vnter ſeinen Ge - horſam / der Wille / der Verſtand / dieVer -100Ein wahrer Chriſt mußVernimfft / die Begierde / vnd alle A - damiſche fleiſchliche Luͤſte.

Es gefellet dem Fleiſch wol / gechret werden / hochgehalten vnd geruͤhmet werden / Reichthumb vnd gute Tage / vnd Wolluſt pflegẽ / aber das alles vn -Was das Joch Chri ſti ſey. ter das Joch Chriſti zwingen / das iſt / vnter Chriſti Schmach / Verachtung vnnd Armut / ja ſich deſſen allen nicht werth achten / ſich deſſen alles verzeihẽ / was in der Welt hoch / herrlich / anſe - henlich / praͤchtig vnd gewaltig iſt / das iſt das Creutz Chriſti / welches dem Fleiſch wehe thut / vnnd ſeine Creutzi - gung iſt: Das iſt die wahre Demut Chriſti / vnd ſein edles Leben / vnd ſeinMatth. 11. Matt. 20. ſanfftes Joch / welches dem Geiſt eine leichte Laſt iſt / Gleich wie er kommen iſt / nicht daß er jhm dienen laſſe / ſon - dern daß er vns diene / vnd gebe ſein Le -Was Chri ſti Leben ſey. ben zur Bezahlung fuͤr vnſere Suͤnde. Denn was iſt Chriſti Leben anders denn heilige Armut / euſſerſte Verach - tung / vnd hoͤchſte Schmertzen?

Ein101Chriſto im Leben folgen.

Ein fleiſchlich Menſch iſt / der nachGeiſtlich vñ fleiſch - lich mẽſch. Ehren trachtet / vnnd gern etwas ſeyn wolte / Ein geiſtlich Menſch iſt / der Demut lieb hat in Chriſto / vnnd der gern nichts ſein wolte. Alle Menſchen befleiſſigẽ ſich etwas zu ſeyn / aber nie - mand will lernen nichts ſeyn / Jenes iſt Adams Leben / diß iſt Chriſti Lebẽ. Ein fleiſchlich Menſch / der noch nicht weiß was Chriſtus iſt / nemlich / lautere De - mut / Sanfftmut vnd Liebe / dem duͤn - cket dz Leben Chriſti eine groſſe Thor - heit ſeyn / vnd helt das freye / ſichere / fleiſchliche Leben fuͤr groſſe Weißheit / vnd aus groſſer Blindheit meynet er / Er habe das beſte vnd luſtigſte Leben / vnd weiß nit / daß er im Teuffel lebet / Darumb ſind ſie von dieſem falſchenFalſch Liecht vñ wahres Liecht. Liechte jhrer fleiſchlichen Weißheit be -[tr]ogen / vnd betriegen andere mit jnen. Die aber mit dem ewigẽ wahren Liech - te erleuchtet ſeyn / die erſchreckẽ dafuͤr / wenn ſie Pracht / Vbermut / Stoltz / Wolluſt / Zorn / Rachgier vnnd der - gleichen Fruͤchte des fleiſchlichẽ Lebensſehen /102Ein wahrer Chriſt mußſehen / vnd gedencken. Ach lieber Gott / wie weit iſt der noch von Chriſto vnd ſeinem Erkentnis / von wahrer Buſſe / von wahren Chriſtenthumb / vnd von der Frucht der newen Geburt der wah - ren Kinder Gottes? Ja er lebet noch in Adam / vnd in der alten Geburt / ja im Teuffel ſelbſt. Denn mutwillig vnd wiſſentlich in Suͤnden leben / iſt nichts anders denn im Teuffel leben. In wel - chem Menſchen nun das Leben Chriſti nicht iſt / in dem iſt auch keine Buſſe / der iſt auch kein wahrer Chriſt / viel we - niger ein Kind Gottes / er kennet auch Chriſtum nicht recht. Denn wer Chri - ſtum recht kennen will / als einen Hei - land vnd Seligmacher / vnd als ein Ex - empel des Lebens / der muß wiſſen / dz er eitel Liebe / eitel Sanfftmut / Gedult vnd Demut iſt. Vnd dieſe Liebe vnnd Sanfftmut Chriſti muß er in jhm ha - bẽ / ja im Hertzen lieb haben vñ empfin -Chriſti le - bendiges Erkent - nis. den. Gleich wie man ein Gewaͤchs an ſeinem Geruch vñ Schmack erkennet: Alſo muß Chriſtus in dir erkant werdẽ /als103Chriſto im Leben folgen. als das edelſte Gewaͤchs / dauon deine Seele Leben / Krafft / Troſt vnd Ruhe empfindet. So ſchmecket man / wie freundlich der Herꝛ iſt / ſo erkennet man die Warheit / ſo empfindet man das hoͤchſte vnd ewige Gut. Da wird erkant / daß Chriſti Leben dz allerbeſte / edelſte / lieblichſte Leben ſey / vñ daß kein Leben ſo gut / ſo koͤſtlich / ſo ſanfft / ſo ru - hig / ſo frieden vnd Freudenreich ſey / ſo holdſelig / ſo ehnlich ſey dem ewigen Le - ben / als das Leben Chriſti.

Vnd weils nun das beſte Leben iſt / ſoDas beſt[e]ſoll dz lie[b]ſte ſeyn. ſols auch vns das liebſte ſeyn. In wel - chem Menſen aber das Leben Chriſti nit iſt / da wird auch die ruhe vñ Friede des ewigen Lebens nicht recht erkant / noch das hoͤchſte Gut / noch die ewige Warheit / nochderrechte Friede vñ Freu - de / noch dz rechte Licht / noch die wahre Liebe / welches alles Chriſtus ſelbſt iſt. 1. Hoh. 4. Erkent - nis des hoͤchſten ewigen waren gu - tes.Darumb ſpricht S. Johan. Wer lieb hat / der iſt von Gott geboren / vñ erken - net Gott / Wer aber nicht lieb hat / der erkeñet Gott nit / deñ Gott iſt die Liebe.

Erſter Theil JDaraus104Ein wahrer Chriſt muß

Daraus iſt offenbar / daß der newen Geburt / ſo aus Gott iſt / jhre Fruͤchte vnd das newe Leben nit ſtehet in bloſ - ſen Worten / oder im euſſerlichẽ ſchein / ſondern in der hoͤchſten Tugend / die Gott ſelbſt iſt / nemlich in der Liebe. Denn worauß jemand geboren iſt / deſ - ſen Art / Eigenſchafft vnnd Gleichheit mus er haben / iſt er aus Gott geboren / ſo mus er die Liebe haben / denn Gott iſt die Liebe.

Lebendig erkentniß Gottes.

Alſo iſts auch mit dem wahren Er - kentnis Gottes / daſſelbe ſtehet auch nicht in Worten / oder in einer bloſſen Wiſſenſchafft / ſondern in einem leben - digen / lieblichen / holdſeligen / kraͤfftigẽ Troſt / das man die Suͤſſigkeit / Freu - digkeit / Liebligkeit vnnd Holdſeligkeit Gottes im Hertzen ſchmecke durch den Glauben. Jetzo iſts ein lebendig Er - kentnis Gottes / das im Hertzen em - pfunden wird vnd lebet / das iſt / das der 84. Pſalm ſpricht: Mein Leib vnnd Seele frewet ſich in dem lebendigen Gott / vnd im 63. Pſalm: Deine Guͤteiſt beſſer105Chriſto im Leben folgen. iſt beſſer denn Leben. Da die lebendige Freude vñ Suͤſſigkeit Gottes im gleu - bigen Hertzen beſchrieben wird. Vnd alſo lebet der Menſch in Gott / vnnd Gott in jhm / Er kennet Gott in der Warheit / vnd wird von Gott erkandt / etc.

Das XII. Capittel. Ein wahrer Chriſt mus jhm ſelbſt vnd Der Welt abſterben / vnd in Chri - ſto leben

2. Cor. 5. Chriſtus iſt darumb fuͤr vns ge[ſt]orben / Einer fuͤr alle / auff daß / die da leben / nicht jhnen ſelbſt leben / ſon - dern dem / der fuͤr ſie geſtorben vnd aufferſtanden iſt. ()

LEben dem / daß dieſes ein aus - buͤndiger Troſtſpruch iſt / weil er deutlich zeuget / dz Chriſtus fuͤr alle geſtorbẽ ſey / ſo iſts auch ein ſchoͤ ner Lehrſpruch vom heiligen Lebẽ / wieJ ijwir vns106Ein Chriſt mus der Weltwir vns nicht ſelbſt leben ſollẽ / ſondern dem / der fuͤr vns geſtorben iſt. SollenWer in Chriſtole - ben wil / mus der Welt ab - ſterben. wir nun dem leben / ſo muͤſſen wir zu - uor vns vnd der Welt abſterben. Deñ es kan nicht anders ſein / wer in Chriſto leben wil / der mus den weltlichen Luͤſtẽ abſterben / vnd wer der boͤſen Welt vnd jhm ſelber leben wil / der mus Chriſtum fahren laſſen.

Dreyerley Tode / ein geiſtlicher natuͤrli - cher vnnd ewiger.

Es ſind dreyerley Tode. 1. Ein geiſt - licher Tod / wenn der Menſch taͤglich jhm ſelbſt / das iſt / ſeines Fleiſches Luͤ - ſten abſtirbet / dem Geitz / Hoffart / Wolluſt / dem Zorn / ꝛc. Der ander iſt der natuͤrliche Tod / vnd deñ fuͤrs dritte der ewige Tod.

Vom natuͤrlichẽ Tode hat S. Pau - lus zun Philip. am 1 geredt: Chriſtus iſt mein Leben Sterben iſt mein Gewin / das iſt / weñ ein Chriſt gleich des natuͤr - lichen Todes ſtirbet / ſo iſt Chriſtus ſein Leben / vnd Sterben iſt mein Gewin / das iſt / er bekoͤmpt ein beſſers Leben vñ Reichthumb / das ewige fuͤr das jrrdi - ſche / vnd das iſt ſein Gewinn.

Wer107abſterben / vnd in Chriſto leben.

Wer aber dieſen Spruch auch vom geiſtlichen Suͤnden Tode verſtehet / thut nicht vnrecht / denn das iſt eine ſe -Das edle Leben Chriſti. lige Seele / welcher Leben Chriſtus iſt / das iſt / in welcher Seelen Chriſtus le - bet / oder wer das Leben Chriſti an ſich nimpt / das iſt ſeine Demut vñ Sanfft - mut. Die meiſten Leute habẽ des Teuf -Des Teuf - fels Lebẽ. fels Leben an ſich / denen der Teuffel jr Leben iſt / Geitz / Hoffart / Wolluſt / Zorn / Leſterung / ꝛc. Das iſt alles des Teuffels Leben.

Darumb habe wol achtung / wer in dir lebet / ſelig iſt der Menſch / der da võ Hertzen ſagen kan / Chiſtus iſt mein Leben / nicht allein nach dieſem Leben / ſondern auch jetzo. Weil du noch allhieWas da heiſſet jm ſelbſt vnd der Welt abſterbẽ. lebeſt / mus Chriſtus dein Leben ſeyn / das iſt / in dir leben / vñ alſo mus Ster - ben dein Gewinn ſeyn / das iſt / wenn in dir ſtirbet die Hoffart / Geitz / Wolluſt / Zorn vnd Feindſchaff / wenn du dir ſel - beſt vñ der Welt abſtirbeſt. O ein groſ - ſer Gewinn / denn ſo lebet Chriſtus in dir. Deñ je mehr duderWelt abſtirbeſt /J iijje mehr108Ein Chriſt mus der Weltje mehr Chriſtus in dir lebet. Solte das nicht ein groſſer Gewinn ſein? Lebe nun alſo / das Chriſtus in dir lebe in der Zeit / auff daß du mit jhme lebeſt nach der Zeit.

Wo viel Begierde dieſer WeltVnruhe woher Sara ein Fuͤrbilde der alten vñ newen Gebnrt ſeyn / da kan keine Ruhe vñ Friede ſein / denen mus man allẽ abſterben ehe man Chriſto leben kan. Dis iſt vns fuͤrge - bildet in vielen Geſchichten vñ Exem - peln des alten Teſtaments / als in der lieben alten Sara. Da jhr alter Leib aller weiblichen Begierden erſtorben war / da ward ſie ſchwanger / vñ gebar den Iſaac / dz heiſt ein Gelaͤchter. Nach der Toͤdtung jhres Leibes gebar ſie den Sohn der Freyen / Geneſ. 18. Alſo weñ nicht die weltlichen Begierden in dir ſterben / kanſtu nicht die Freude des Geiſtes empfangen vnd geberen.

Abraham ein Fuͤrbil de der Ab - ſterbung der Welt.

In Abraham iſts auch fuͤrgebildet / Denn er bekam die Verheiſſung von Chꝛiſto / vnd den Bund der Beſchnei - dung nicht ehe / er war denn aus ſeinem Vaterlande ausgangen / vnd hatte ſeinErbe109abſterben / vnd in Chriſto leben. Erbe verlaſſẽ: Alſo / ſo lang ein Menſch noch feſt mit ſeinem Hertzen an der Welt hanget / ſo lang kan er Chriſtum in ſeinem Hertzen nicht ſchmecken / vñ empfinden.

Vnd ſo bald Herodes geſtorben war / kam Chriſtus in Judæam / Mat - thei am 2. So lang der Fuchs Herodes in deinem Hertzen iſt mit ſeiner jrrdi - ſchen Weltliſt / ſo lang koͤmpt Chriſtus nicht / wenn er aber in dir geſtorben iſt / ſo wird Chriſtus kommen. Weil AdamAdam mus in dir ſterbẽ / ſol Chri - ſtus in dir leben. in dir herrſchet / kan Chriſtus in dir nit leben. Darumb ſpricht S. Palus zun Galat. am 2. Ich lebe zwar / aber nicht ich / ſondern Chriſtus in mir. Vnd zun Coloſſ. am 3. Ir ſeyd geſtorben (vñ re - det doch mit den Lebendigen) vñ ewer Leben iſt verborgen in Chriſto.

Denn biſtu aber recht geſtorben / wenn du auff hoͤreſt zu ſeyn / daß du ge - weſen biſt / das iſt / wenn deine Suͤnde in dir ſtirbet / Rom. 6. So wir im Geiſt leben / ſo laſſet vns auch im Geiſt wan - deln / das iſt / So wir vns ruͤhmen desH iiijGlau -110Ein Chriſt mus der WeltGlaubens vnd Geiſtes / ſo laſſet vnsFalſcher Rum des Glaubẽs ohne Frucht des Gei - ſtes. auch Fruͤchte des Geiſtes beweiſen. Vñ abermal zun Galat. am 5. Wo jr nach dem Fleiſch lebet / ſo werdet jr ſterben / ſo jr aber durch den Geiſt des Fleiſches Geſchaͤffte toͤdtet / ſo werdet jhr leben.

1. Sam. 15. Saul warff den Agag der Amalekiter Koͤnig ins Gefaͤngnis / da er doch aus Gottes Befehl jhn hette toͤdten ſollen: Alſo verbergen jhrer viel jre Begierde heimlich / die ſie doch toͤd -Boͤſe Luſt nicht ver - bergen / ſondern toͤdten Gantze Schrifft gehet auff den newẽ Menſchẽ. ten ſolten. Denn es iſt nicht gnug / dz du deine boͤſe Luͤſte verbirgeſt / du muſt ſie toͤdten / oder du wirſt darumb vom Koͤnigreich verſtoſſẽ werdẽ / wie Saul / das iſt / aus dem ewigẽ Leben. Es gehet die gantze heilige Schrift mit allen Hi - ſtorien / Bilden vnd Figuren auff Chri - ſtum / dem wir im heiligen Leben folgẽ ſollen / ja das groſſe Weltbuch der Na - tur zeiget von Gott vnd ſeiner Liebe.

Gleichnis

Viel Menſchen ſind wie die Baͤume im Winter / welche zu derſelben Zeit keine Bletter habẽ / aber auff den Fruͤ - ling ſchlagen ſie wieder aus: Alſo ſindjhrer111abſterben / vnd in Chriſto leben. jhrer viel / wenn jhnen der kalte Winter des Vngluͤcks vbergehet / dempffen ſie die boͤſe Luͤſte / aber ſo bald die Sonne wieder ſcheinet / vnd es jnen wider wol - gehet / ſchlagen die boͤſe Luͤſte mit hauf - fen aus / das ſind Heuchler. Ein Chriſt aber iſt from beyde in guten vnd boͤſen Tagen / Vnd hat Gott gleich lieb in Gluͤck vnd Vngluͤck / im haben vnd darben / in Mangel vnd Vberfluß.

1. Reg. 2. leſen wir von Achab / daß jhm Gott den Koͤnig in Syrien in ſei - ne Haͤnde gegeben hatte / daß er jn ſolte gefangen halten / zum Zeugniß / daß Gott ſtaͤrcker ſey denn alle Feinde / vnd jhn vberwunden hette / darumb daß er den Herrn geleſtert. Vnd da jhn Achab im Streit fieng / nennet er jn ſei - nen Bruder / vnd ließ jn ziehen. Aber esHeimliche Deutung. kam ein Prophet zu jhm / vnd ſprach: Darumb daß du den Mañ haſt von dir gelaſſen / der des Todes werth iſt / ſoll deine Seele fuͤr ſeine Seele ſein. Alſo nennen jhrer viel die boͤſe Luͤſte jhreJ vBruͤder /112Ein Chriſt muß der WeltBruͤder / vnnd laſſen ſie leben / die ſie toͤdten ſolten / darumb muͤſſen ſie jhre Seele dafuͤr geben.

Ohne toͤd tung des Fleiſches nichts gu - tes im Menſchẽ.

Ohne toͤdtung des Fleiſches kan nichts geiſtliches im Menſchen ſeyn / weder recht Gebet noch Andacht. Darumb verbot GOtt der Herr Exod. 19. daß kein Viehe ſolte zu dem heiligen Berge Sinai ſich nahen / oder es ſolte getoͤdtet werden: Alſo muſtu die viehiſchen Luͤſte toͤdten / wiltu zum hei - ligen Berge Gottes nahen / beten vnd Gottes Wort betrachtẽ / oder zu wirſt ewig getoͤdtet werden.

Geneſ. am 32. leſen wir / daß Jacob einen andern Namen bekam / Iſrael / das iſt / Gottes Kaͤmpffer / oder Gottes Fuͤrſt / da er in dem Kampff mit dem Engel / Gottes Angeſicht ſahe. Daher er auch die Stete Pniel nennet / das iſt / Gottes Angeſicht. Er muſte aber zu - uor ein Jacob ſeyn / das iſt / ein Vnter -Wer nicht erſt Ja - cob iſt / wird kein Iſtael. treter: Alſo wo du nicht zuuor ein Ja - cob biſt / das iſt / ein Vntertreter deiner boͤſen Luͤſte durch den H. Geiſt / ſowirſtu113abſterben / vnd in Chriſto leben. wirſtu nicht Iſrael werden / das iſt / Gottes Fuͤrſt / vnnd wirſt nicht an die Stadt Pniel kommen / das iſt / zu Got - tes Angeſichte.

Geneſ. 20. leſen wir / Da Jacob die Rahel ſein ſchoͤnes Gemahl habẽ wol - te / da muſte er erſt Leam nemen. Lea aber war bloͤdes Angeſichts / Rahel war huͤbſch vnd ſchoͤn: Alſo wiltu die ſchoͤne Rahel haben / das iſt / ſoll deine Seele dz liebſte Gemahl werden des Jacobs / das iſt / Chriſti / ſo muſtu erſtlich dieNiemand kan Gott gefallen / wenn er jhm nicht ſelbſt miß fellet / vnd ſich nicht ſelbſt haſ - ſet. Leam nemen / das iſt / du muſt dir ſelbſt mißfallen / du muſt dir ſelber heßlich werden / vngeſtalt / muſt dich ſelbſt haſ - ſen vnd verlengnen. Ach wie viel wer - den betrogen / wie Jacob / von jhrem ei - genen Leben / das iſt / von jhnen ſelbſt / die da meynen / ſie habẽ die ſchoͤne huͤb - ſche Rahel / dz iſt / ſie meynen ſie habeñ ein Chriſtlich Leben / das Gott lieb ha - ben ſolle / vnd wenn ſie zuſehen / ſo iſtsWiltu Gottwert ſeyn / ſo ſey dir ſelbſt vnwerth. Lea / ſo iſt jhr leben heßlich vnnd vnge - ſtalt fuͤr Gottes Augen. Sey dir erſt - lich ſelbſt vnwerth in deinen Augẽ / wiedie114Ein Chriſt muß der WeltWiltu GOTT werth ſein ſo ſey dir ſelbſt vn - werth.die Lea die vnwerdeſte war in jres Va - ters Hauſe / lerne erſt Demut / Sanfft - mut / Gedult / ſo wirſtu die ſchoͤne Ra - hel werden.

Sihe wie trewlich diente Jacob ſie - ben Jahr vmb die Rahel / vñ es dauchte jn es weren eintzele Tage geweſt / ſo lieb hatte er ſie: Alſo hat dein Herr Chri - ſtus vmb deine Seele gedienet drey vnd dreiſſig Jahr in dieſer Welt / vnd hat zumal einen hartẽ Dienſt vmb deinent willẽ außgeſtanden / wie Jacob ſprach: Dieſe zwantzig Jahr habe ich dir gedie - net / des Tages verſchmachte ich fuͤr Hitz / vnd des Nachts fuͤr Froſt / vnndDer him - liſche Ja - cob hat vmb vns gedienet. kam kein Schlaff in meine Augen / Si - he ſo hat der Herr Chriſtus vmb dich auch gedienet / wie er ſpricht Matt. 20. Des Menſchen Sohn iſt nicht kom - men / daß er jhm dienen laſſe / ſondern daß er diene / vñ gebe ſein Leben zur Be - zahlung fuͤr viele. Warumb wolteſtu denn nicht Chriſtum lieb haben / vnd der Welt ſeiner Fein - din abſagen.

Das115abſterben / vnd in Chriſto leben.

Das XIII. Capittel. Vmb der Liebe Chriſti willen / vnd vmb der ewigen zukuͤnfftigen Herrligkeit willen / darzu wir erſchaffen vnnd erloͤſet ſeyn / ſoll ein Chriſt jhm ſelber / vnd auch der Welt gern abſterben.

2. Cor. 8. Ihr wiſſet die Gnade vnſers HErrn Jeſu Chriſti / welcher / ob er wol Reich war / iſt er doch vmb ewrent willen Arm worden / auff daß ihr durch ſeine Armut Reich wuͤr - det. ()

VMb deines Herrn Chriſti wil - len ſoltu billich dir ſelber / deinẽ Suͤnden vnd der Welt abſter - ben / gutes thun / vnd ein goͤttlich heilig Leben fuͤhren / nicht zwar darumb / daß du etwas damit verdienen wolteſt / Chriſtus hat dir alles verdienet / ſon - dern nur aus lauterer liebe zu Chriſto / weil er fuͤr dich geſtorben iſt.

Haſtu116Vmb Chriſti willen
Chriſtum lieb habẽ / heiſſẽt in Chriſto leben.

Haſtu Chriſtum lieb / ſo liebe jhn nicht mit der Zungen / ſondern mit der That vnd Warheit / Haſtu jhn lieb / ſo halte ſeine Wort. Wer mich liebet / ſpricht der Herr / der wird mein Wort halten / vnd mein Vater wird jn lieben /Joh. 14. vnd wir werden zu jhm kommen / vnd Wohnung bey jhm machen.

Vnd das iſt die liebe zu Gott / daß wir ſeine Gebott halten / vnd ſeine Ge -Chriſti lie be vber - windet die Welt vnd den Todt. bot ſein nicht ſchwer / ſagt S. Johan - nes 1. Johan. 5. Vnd der HErr ſelbſt ſpricht Matth. 11. Mein Joch iſt ſanff - te / vnd meine Laſt iſt leicht / das iſt / ei - nem rechten wahren Liebhaber Chriſti iſts eine luſt vnd freude gutes zu thun / Die Liebe machet alles leicht. Wer a - ber Chriſtum nit recht lieb hat / der thut alles mit Verdruß vnd Vnmut / vnd wird jhm ſchwer gutes zu thun / Einem rechten Liebhaber Chriſti iſt auch der Todt vmb Chriſti willen eine Freude. Philip. 1.Denn vns iſts gegeben / nicht allein an Chriſtum zu gleuben / ſondern mit jhm auch zu leiden vnd zu ſterben.

Sehet117der Welt abſterben.

Sehet Moſen an / von welchem die Epiſtel an die Ebreer am 11. zeuget: Durch den Glauben wolte Moſes / da er groß ward / nicht mehr heiſſen ein Sohn der Tochter Pharao / vnd erwe - lete viel lieber mit dem Volck Gottes Vngemach zu leiden / denn die zeitliche Ergetzung der Suͤnden zu haben / vnd achtet die Schmach Chriſti fuͤr groͤſſer Reichthumb denn die Schaͤtze Egypti.

Sehet den Daniel an / Dan. 1. den - ſelben erwehlet der Koͤnig zu Babel ne - ben ſeinen Geſellẽ vnter den Gefange - nen zu Babel / daß ſie ſeine Diener wer - den ſolten / vñ ließ ſie von ſeinem Tiſch ſpeiſen / vnd gab jnen von dem Wein / den er tranck / ließ er ſie er ziehen / biß dz ſie tuͤchtig wurdẽ zu des Koͤnigs Dien - ſten / Aber Daniel vnd ſeine Gefellen baten des Koͤniges Kaͤm̃erer / er wolte ſie verſchonẽ mit der koͤſtlichen Speiſe von des Koͤniges Tiſche / vnnd wolte jhnen Zugemuͤſſe zu eſſen / vnd WaſſerLiebe der Weißheit verſchme - het die Wolluſt. zu trincken geben / Das theten ſie aus der Liebe der Weißheit / auff daß dieWeiß -118Vmb Chriſti willenWeißheit von oben herab in jre Seele kaͤme: Alſo muſtu dich der Wolluſt des Fleiſches entſchlagen / die da iſt als eine niedliche Speiſe / ſol Chriſtus die ewige Weißheit in deine Seele kom̃en. Vnd gleich wie die Knaben ſchoͤne wurden / da ſie meſſig lebeten / Zugemuͤſſe aſſen / vnd Waſſer truncken: Alſo wird deine2. Petr. 1. Seele ſchoͤner werden fuͤr Gott / ja der goͤttlichen Natur theilhafftig werden / wirſtu die Suͤnde vnd die Fleiſchlichen Luͤſte meiden.

S. Paulus ſpricht zun Galatern am 6. Durch Chriſtum iſt mir die Welt gecreutziget / vnd ich der Welt / das iſt / Ich bin der Welt abgeſtorben / vnd die Welt iſt mir wieder abgeſtorben: Alſo iſt ein Chriſt wol in der Welt / aber nit von der Welt / er lebet wol in der Welt /Den Chri - ſten iſt der Welt Pracht ein todter Schatte. aber er liebet ſie nit. Der Welt Pracht / Ehre / Anſehen / Herrligkeit / Augen - luſt / Fleiſchesluſt / hoffertiges Leben iſt den Chriſten alles ein todt Ding / ein Schatte / ſie achten es nicht. Alſo iſt jhnen die Welt gecreutziget vnd ge -ſtorben /119der Welt abſterben. ſtorben / vnd ſie ſind der Welt wieder gecreutziget vnd geſtorben / dz iſt / ſie be - geren keiner weltlichen Ehre / Reich - thumb / Luſt vnd Freude.

Das iſt ein ſelig Hertz / dem GOtt dieſe Gnade gibt / das er keiner welt - lichen Ehre / Reichthum̃ vnd Wolluſt begeret / Vnnd darumb ſolte ein jeder Chriſt taͤglich bitten / daß jhme GOttWundſch der Chri - ſten. dieſe Gnade geben wolte / daß er keiner weltlichen Ehre / Reichthumb Vnnd Wolluſt moͤge begeren.

Salomon der weiſe Koͤnig ſpricht:Prov. 30. Zweyerley bitte ich võ dir / die wolleſtu mir nicht wegern / ehe denn ich ſterbe / Abgoͤtterey vnd Luͤgen las ferne von mir ſeyn / Armut vnd Reichthumb gib mir nicht / ſondern las mich mein be - ſcheiden Theil dahin nemen. Aber ein Chriſt ſol auch alſo beten / vñ ſpre - chen: Zweyerley bitte ich von dir / daßKein Chriſt kan ſeyn ohn zwey Ding. ich mir ſelber moͤge abſterben vnnd der Welt. Denn ohne dieſe beyde kan kein wahrer Chriſt ſeyn / ſondernErſter Theil Kes iſt120vmb Chriſti willenes iſt falſch werck / zu denen der Herꝛ ſagen wird: Ich kenne ewer nicht.

Geiſtlich Leben des Fleiſches Creutz.

Wiewol nun dieſes dem Fleiſch ein bitter Creutz iſt / nemlich / jhm ſelbſt / vñ der Welt abſterben / ſich der Welt ver - zeihen / auff daß er den Himmel erbe: So vberwindets doch der Geiſt / vñ die Liebe Chriſti alles / es wird dem Geiſt ein ſanfftes Joch / vnd eine leichte Laſt. Vnd wiewol die Welt ſolche Leute / die der Welt abgeſtorben ſeyn / haſſet: So liebet ſie doch Gott. Denn der Welt Feindſchafft iſt Gottes Freundſchafft / vnd hinwieder der Welt Freundſchafft iſt Gottes Feindſchafft. Wer der welt Freund ſein wil / der wird Gottes FeindJacob. 4. ſeyn. Jac. 4. Wie auch der Herr ſelbſt ſpricht Johan. 15. Weret jhr von der Welt / ſo hette die Welt das jhre lieb / Nun ich euch aber võ der Welt erweh - let habe / ſo haſſet euch die Welt.

Der Welt Art.

Die Welt iſt wie das Meer / daſſel - bige leidet nur in ſich was lebendig iſt / alles was todt vnd geſtorbẽ iſt / wirffts auß / alſo wer der welt abgeſtorbẽ iſt /den121der Welt abſterben. den wirfft vnnd ſtoͤſſet ſie aus / die an - dere / ſo ein anſenlich / praͤchtig / herrlich Leben fuͤhrẽ koͤnnen / das ſind der Welt liebe Kinder.

Summa / wers dahin gebracht hat / daß in ſeinem Hertzen alle Hoffart /Was da ſey der Welt ge - ſtorben ſeyn. Geitz / Wolluſt / Zorn / Rachgier ge - ſtorben iſt / dem iſt die Welt geſtorben / vnd der Welt / vnd der fehet erſt an in Chriſto zu leben / vnd Chriſtus in jhm. Die erkennet Chriſtus fuͤr die ſeinen / zu den andern ſpricht er: Ich keñe euch nicht / Vrſach / denn jhr kennet mich nicht / jhr habt euch in ewrem Lebẽ mei - ner geſchemet / das iſt / meiner Demut /Was da heiſſe ſich Chriſti ſchemen. Sanfftmut / Gedult / darumb ſcheme ich mich ewer wieder. Summa / wer mit Chriſto hie nicht lebet in der Zeit / der wird mit jhm dort nicht leben in der Ewigkeit / In welchem Chriſtus hie nicht lebet / in dem wird er dort auch nicht leben. Deſſen Leben Chriſtus hie nicht iſt / deſſen Seligkeit wird er dort auch nicht ſeyn.

K ijSihe122Vmb Chriſti willen
Vereini - gung mit Chriſto oder mit dem Sa - than.

Sihe darauff / mit wem ſich hie dem Leben am meiſten vergleichet vñ verei - niget / mit Chriſto oder mit dem Teuf - fel mit denſelgigen wirſtu auch vereini - get bleibẽ nach dem Tode in Ewigkeit.

Wer jhm nun ſelbſt alſo abgeſtor - ben iſt / der kan auch hernach leicht der Welt abſterben. Der Welt aber ab - ſterben heiſt die Welt nicht lieb haben / noch alles was in der Welt iſt / wie S.1. Joh. 2. Johannes ſpricht: Wer die Welt lieb hat / iſt nicht von Gott. Denn was ſol -Durch die Wetliebe wird man von der welt vber - wunden. te dem die Welt / der in ſeinem Hertzen der Welt abgeſtorben iſt. Vnd wer die Welt lieb hat / wirdt leichtlich von der Welt vberwunden / wie Simſon von der Delila / vñ muß dz alles leiden / wasWetliebe vñ Freude gehoͤret der alten Creatur. die Welt fuͤr Hertzeleid mit ſich bringt.

So gehoͤret auch der Welt Liebe zu der alten Creatur / nicht zu der newen Geburt. Deñ die Welt iſt nichts dennNewe Menſch frewet ſich nit in der Welt / ſon - dern in Chriſto. Ehre / Reichthumb / vnnd Wulluſt / oder Fleiſches Luſt / Augenluſt / hofferti - ges Leben / darin erfrewet ſich der alte Menſch: der newe Menſch aber hatſeine123der Welt abſterben. ſeine Freude allein in Chriſto / der iſt ſeine Ehre / Reichthumb vnd Luſt.

Gottes Bilde durch Chriſtum er - newert / iſt des Menſchen hoͤchſte Zier - de vñ Ehre / darnach ſollen wir fuͤrnem -Ehre des Menſchẽ iſt Gottes Bilde. lich ſireben. Solte dich der liebliche Gott nicht baß erfrewen koͤnnen / denn die verdorbene Creatur / ſagt Taulerꝰ?

So befindet ſich auch in Gottes Wort / daß nicht der Menſch vmb der Welt willen / ſondern die Welt vmbDermẽſch iſt zu viel hoͤhern Dingen geſchaffẽ denn zu dieſes welt des Menſchen willẽ geſchaffen ſey. Ja daß der Menſch zu einem viel hoͤhern Leben vnd Wohnung geſchaffen ſey / nit vmb koͤſtliches eſſens vnd trinckens willen / nit vmb groſſes Reichthums / vieler Staͤdte vnnd Doͤrffer willen / nicht vmb viel Acker oder Wieſen wil - len / nicht vmb Pracht vnnd koͤſtlicher Kleider willen / nicht vmb Gold vnnd Silber / noch einiges vergenglichẽ zeit - lichen Dinges willen / es ſcheine ſo gut vnd koͤſtlich als es wolle / oder dz er ein Beſitzer vnd Erbe des Erdbodems ſeyn ſolle / darauff ſeine Luſt / Ergetzung /K iijFreude124vmb Chriſti willenFreude vnd Paradiß haben / vñ nichts mehr wiſſen vnd hoffen / deñ was man mit den viehiſchen Augen ſihet / NeinDer mẽſch iſt nicht vmb die - ſer ver - genglichẽ Welt wil - lẽ geſchſaf fen. trawn / darumb iſt der Menſch nicht geſchaffen / darumb iſt er nicht in der Welt / denn er muß wieder herauß / vñ kan nicht drinnen bleiben. Vnd ob wir ſchon mit Hauffen in dieſe Welt ge - boren werden / ſo nimmet vns doch der Todt mit Hauffen widerumb hin - weg / vnd treibet vns herauß / leſt vnns nicht ein Staͤublein mitnemen / ob wir noch ſo reich ſeyn.

Das iſt ja ein groſſer augenſchein - licher Beweis / das wir zu dieſem Leben nicht geſchaffen ſeyn / vnnd dieſe Welt nit ſey principalis finis noſtræ crea - tionis, ſonſt wuͤrden wir wol drinnen bleiben / darumb muß ja ein ander vnd herrlicher finis noſtræ creationis ſeyn / Das zeiget vnſer Vrſprung an / welcher Gott ſelbſt iſt / vnd dz goͤttliche Bildnis / welches wir tragẽ in Chriſto / vñ zu welchem wir ernewert ſeyn. Deñ daſſelbige bezeuget / dz wir fuͤrnemlichzu dem125der Welt abſterben. zu dem Reich Gottes geſchaffen ſeyn /Wozu der Menſch erſchaffẽ. vnd zum ewigen Leben / dazu ſind wir auch von Chriſto erloͤſet / vnd durch dẽ heiligen Geiſt wieder geboren.

Solte nun ein Menſch ſein Hertz an dieſe Welt hengen / vnnd ſeine edele Seele mit dem zeitlichen beſchwerẽ / da doch eines Menſchen Seele edler vnd beſſer iſt denn die gantze Welt? DennAdel vnd Herligkeit des Bilds Gottes. der Menſch iſt die edelſte Creatur / weil er tregt die Bildnis Gottes in Chriſto / vnd dazu ernewert iſt. Darumb / wie vor geſagt / der Menſch nicht vmb der welt willen / ſondern die welt vmb desWarumb die Welt vmb des Menſchẽ willen ge - ſchaffen. Menſchen willen geſchaffen iſt / weil er tregt die Bildnis Gottes in Chriſto / welche ſo edel iſt / daß die gantze welt mit all jhrem Reichthumb / vnnd alle Menſchen mit allen jhren Kraͤfften vñ Vermuͤgen nicht vermocht hat eine Seele wiederzubringen / noch wieder auffzurichten das Bilde Gottes / denn dafuͤr hat Chriſtus ſterben wuͤſſẽ / auff daß im Menſchen das verblichene vnd erſtorbene Bilde GOttes wiederumbK iiijernew -126Vmb Chriſti willenernewert wuͤrde durch den H. Geiſt / darmit der Menſch wiederumb wuͤrde Gottes Haus vnd Wohnung in E - wigkeit.

Groͤſte Thorheit / die vn - ſterbliche Seele ge - ben fuͤr das ſterb - liche.

Solte ich nun meine Seele / die Chriſtus ſo thewer erkaufft hat fuͤr ei - ne Hand voll Gold vnd Silber geben / fuͤr dieſer Welt Reichthumb / Ehre vnd Luſt? Das heiſt redlich die Perle in den Dreck vnnd fuͤr die Saͤwe ge - worffen / Das meynet der Herr / da erMatt. 16. ſpricht: Was huͤlffe es dem Menſchen / wenn er die gantze Welt hette / vnd ver - loͤre ſeine Seele / das iſt / ſich ſelbſt / die gantze Welt kan mit aller jhrer Herr - ligkeit nicht einer Seelen helffen / denn die Seele iſt vnſterblich / die Welt aber iſt ver - genglich.

Das127ſein Leben haſſen.

Das XIV. Capitel. Ein wahrer Chriſt muß ſein eigen Le - ben in dieſer Welt haſſen: vnd die Welt verſchmehen lernen / nach dem Exempel Chriſti.

Luc. 14. So jemand zu mir koͤm - met / vnd haſſet nicht ſich ſelbſt / ja ſein eigen Leben / der kan nicht mein Juͤnger ſeyn. ()Johan. 12. Wer ſein Leben lieb hat / der wirds verlieren / Vnd wer ſein Leben in dieſer Welt haſſet / der wirds erhalten zum ewigen Leben. ()

SOll ein Menſch ſich ſelbſt haſ - ſen / ſo muß er erſtlich ſich ſelbſt nicht lieben. Zum andern / muß er taͤglich der Suͤnden abſterben. Zum dritten / muß er ſtetig mit jhm ſelbſt / das iſt / mit ſeinem Fleiſch kaͤmpffen.

K vErſtlich128Sein Leben haſſen /
Eigene Liebe iſt das hoͤch - ſte Gifft der See - len vnnd Abgoͤtte - rey.

Erſtlich iſt kein Ding auff Erden dem Menſchẽ mehr ſchaͤdlich an ſeine[r]Seligkeit / als ſich ſelbſt lieben / welche[s]nicht von natuͤrlicher Liebe vnd Erha[l]tung ſein ſelbſt / ſondern von der fleiſch lichen vnordentlichen Liebe vnd Phi[-]lautia im gantzen Buch zu verſtehen[.]Deñ es ſoll nichts geliebet werden / de[]Gott allein. Liebet ſich nun der Menſch ſelbeſt / ſo machet er ſich ſelbſt zu[m]Gott / vnd iſt ſein ſelbſt Gott. Was ei[n]Menſch liebet / darauf ruhet ſein Hertz / daran hanget ſein Hertz / ja das nimp[t]einen Menſchen gefangen / vnd machet jn zum Knecht / vnd beraubet jn ſeiner edlen Freyheit / ſo viel jrrdiſcher Ding du lieb haſt / ſo vieler Ding Knecht vnd Gefangner biſtu. Iſt nun deine Liebe lauter / rein / vnd einfeltig in Gott ge - richtet / ſo bleibſtu von allen Dingen vngefangen / vñ behelſt alle deine Frey - heit. Du ſolt nichts begeren / das dich hindern mag an der Liebe GOttes. Wiltu Gott gantz habẽ / ſo muſtu dich jhm gantz geben. Liebeſtu dich ſelber /vnd129vnd die Welt verſchmehen. vnd haſt an dir ſelber gefallen / ſo wirſtu vie Sorge / Furcht / Vnruhe / vnnd Taurigkeit fuͤr dich ſelbſt haben / Lie - beſu aber Gott / vnd haſt deinen gefal - lenan jhm / vnd ergibſt dich jhm gantz / ſo wird Gott fuͤr dich ſorgen / vnd wird keine Furcht vnd Traurigkeit auff dich fall[e]n. Ein Menſch der ſich ſelbſt liebet /Eigene Lieb ma - chet eitel Vnruhe. v[nd]in allen Dingen ſich ſelbſt ſuchet /[ſein]en Nutz / Lob / Ehre / der hat nim -[me]r mehr keine Ruhe / denn er findet im - m[e]r etwas / das jhm ſelbſt zuwieder iſt / dadurch er verunruhiget wird. Derwe - g[e]n nicht ein jeglich Ding / das zu dei - n[em]Nutz / Lob vnd Ehre gereichet / dir gut iſt / ſondern das iſt dir gut / ſo du es ve[r]ſchmeheſt / vnnd die boͤſe Wurtzel au[ß]rotteſt / denn es hindert dich an der Liebe Gottes.

Dein eigen Nutz / Lob vnd Ehre / iſt alles mitderWelt vergenglich / GottesGottes Lieb ma - chet eine ruhige Seele. Liebe aber iſt ewig / der Friede vnnd die Ruhe / ſo aus der Liebe dein ſelbſt / vnd der zeitlichen Dinge koͤmpt / beſtehet nicht lang / Denn aus geringen Vr -ſachen130Sein Leben haſſen /Vnbeſten - diger Frie de der Welt.ſachen kan entſtehen / daß dieſe Ruh[e]zerſtoͤret: Wo aber das Hertz all[e]in in Gott / vnd ſeiner Liebe ruhet / da iſ[t]ewi -Beſtendi - ge ewige Ruhe al - lein in Gott. ger Friede. Alles was nicht aus Gott koͤmpt / das muß vergehen / vnd iſt[u]mb - ſonſt. Darumb mercke eine kurtz Re - gel: Verlaß alle Ding / ſo fi[n]deſtuVon wem GOtt nit gefunden wird. durch den Glauben alle Ding. Denn Gott wird nicht gefunden von e[i]nem Liebhaber ſein ſelbſt / oder der Welt.

Eigene vnordentliche Liebe iſ[t]jrr -Himliſche Weißheit helt nicht viel von jhr ſelbſt. diſch vnd nicht aus Gott / eigene Liebe hindert die himliſche Weißheit. Denn die wahre himliſche Weißheit he[lt]ni[ch]t viel von jhr ſelbſt / vnd ſuchet nicht / daß ſie auff Erden gelobet werde / darumb iſt ſie ein ſchlecht vnd gering Ding / vnd iſt ſchier in vergeſſen kommẽ / wie - wol viel von jhr geprediget wird / aber weil man mit dem Leben ferne dauon iſt / ſo bleibet diß edle Perlein fuͤr vielenIrrdiſche Menſchli - che Weiß - heit iſt ei - gen Lob vnd Ehre verborgen. Wiltu ſie aber haben / ſo muſtu Menſchliche Weißheit / eigen Wolgefallen / vnnd eigene vnordentli - che Liebe verlaſſen / Alſo kanſtu fuͤr diehohe131vnd die Welt verſchmehen. hohe / koͤſtliche / jrrdiſche / Menſchliche Weißheit / die Himliſche erlangen. Du bekoͤmpſt aber fuͤr die hohe Weiß -Gottes Liebe iſt Die Him - liſche Weißheit aber ge - ring fuͤr der Welt. heit dieſer Welt ein gering vnd ſchlecht Ding fuͤr der Welt / welches aber Himliſch vnd Ewig iſt.

Es kan niemand Gott lieben / er muß ſich ſelbſt haſſen / das iſt / er muß an jm ſelbſt / vnd ſeinen Suͤnden ein Mißfal - len haben / vnnd ſeinen willen toͤdten /Eigene Liebe vnd Gottes Liebe wi - der einan - der. vnd hindan ſetzen. Vnd je mehr ein Menſch Gott liebet / je mehr er ſeinen boͤſen Willen vnd Affecten haſſet / vnd ſein eigen Fleiſch creutziget / ſampt den Luͤſten vnd Begierden. Vnnd ſo viel ein Menſch von jhm ſelbſt vnd ſeiner Liebe außgehen mag durch des heiligen Geiſtes Krafft / ſo viel mag er in Gott vnd in ſeine Liebe eingehen durch den Glauben. Denn gleich wie außwendig nichts begeren den innern Friede ma - chet: Alſo koͤmpt man zu Gott / ſo man inwendig alles verleſt / vnnd an keiner Creatur mit dem Hertzen hanget / ſon - dern allein an Gott.

Wer132Sein Leben haſſen /

Wer ſich nun ſelbſt will verleug - nen / der muß nicht jhm ſelbſt vnd ſei - nem Willen / ſondern Chriſto folgen / Ich bin der Weg / die Warheit vnndChriſti le - bendige Exempel iſt der rechte Weg. Chriſtus iſt der Weg / die Warheit vnnd das Lebẽ / bey - de mit ſei - nen Wol - thaten / vñ mit ſeinem Exempel. das Leben / ſpricht er Johan. am 14. Denn ohne Weg gehet man nicht / ohne Warheit erkennet man nicht / oh - ne Leben lebet man nicht. Ich bin de[r]Weg den du gehen ſolt / Ich bin die Warheit / die du gleuben ſolt / vnd das Leben / daß du leben vnnd hoffen ſolt. Ich bin der vnuergengliche Weg / die vnbetriegliche warheit / vnnd das vn - endliche ewige Leben. Ich bin der rich - tigſte Weg des ewigen Lebens in mei - nem Verdienſt / die hoͤchſte warheit in meinem Wort / vnnd das ewige Leben in Krafft meines Todes. So du nun auff dieſem Wege bleiben wirſt / ſo wird dich die warheit fuͤhren zum ew[i -]gen Leben. Wiltu nun nicht irren /[ſo]folge mir / wiltu die warheit erkennen ſo gleube mir / wiltu das ewige Lebe[n]beſitzen / ſo troͤſte dich meines Todes.

Was133vnd die Welt verſchmehen.

Was iſt aber dieſer ſicher richtiger Weg / dieſe vnbetriegliche warheit / diß edelſte vnnd beſte Leben? Der Weg iſt Chriſti heiliges vnd theures Verdienſt: Die warheit iſt Chriſti ewiges Wort: Das Leben iſt die ewige Seligkeit. Wiltu nun im Himmel erhoben wer - den / ſo gleube an Chriſtum / vnd demuͤ - tige dich auff Erden / nach ſeinem Ex - empel / das iſt der weg: Wiltu nicht be - trogen werden von der welt / ſo halt dich an ſein wort im Glauben / vnd fol - ge demſelben im heiligen Leben / das iſt die warheit. Wiltu mit Chriſto le - ben / ſo muſtu mit jhm / in jhm / vnnd durch jhn der Suͤnde abſterben / vnnd eine newe Creatur werden / das iſt das Leben. Alſo iſt Chriſtus der weg / die warheit / vnnd das Leben / beyde in ſei - nem Verdienſt / vnnd mit ſeinem Ex - empel.

Seyd Chriſti Nachfolger als die lie -Vnſer Le - ben ſoll Chriſti Le ben ehn - lich wer - den. ben Kinder / ſagt S. Paulus Epheſ. 5. Darumb ſoll all vnſer Fleiß dahin ge - richtet ſein / daß vnſer Leben dem LebenChriſti134Sein Leben haſſenChriſti ehnlich werde. Wenn ſonſten nichts anders were die falſchen Chriſtẽ zu widerlegen / die nur mit dem Namen Chriſten ſeyn / ſo were doch das Exem - pel Chriſti gnug. Ein Chriſt ſol ſich ſchemen in Wolluſt vnd Frende zu le - ben / da vnſer Herr Chriſtus ſein Lebẽ in Jammer vnd Elend zugebarcht hat. Kein rechter Kriegsman kan ſeinem Oberſten ſehen kaͤmpffen biß in den Todt / der nit vergeſſe ſeiner Wolluſt / weñ du ſiheſt deinen Fuͤrſten Schmach tragen / vnd du trachteſt nach Ehren / Iſts nicht ein gros Zeichen / daß du nit vnter ſeinem Faͤhnlein biſt?

Viel Chri - ſt en / aber wenig Nachfol - ger Chriſti

Wir wollen alle Chriſten ſeyn / vnnd wenig ſind jhr / die Chriſti Leben nach - folgen. Wenns einen guten Chriſten machte nach Reichthumb vñ eitel Ehre trachtẽ / ſo hette Chriſtus nicht befoh - len dieſelbe gering zu achten gegen die ewigen Guͤter. Sihe an ſein Leben vñ ſeine Lehre / ſo wirſtu ſehẽ wie vngleich dieſelbe ſind dieſer argen Welt. SeineKrippe /135vnd die Welt verſchmehen. Krippe / der Stall / die Windlein ſind alle Spiegel der Verſchmehung dieſer Welt. Nun iſt er aber nicht kommen / daß er dich mit ſeinem Exempel ver - fuͤhre / Nein / ſondern dz er dich auff den rechten Weg fuͤhre mit ſeinem Exem - pel / vnd mit ſeiner Lehre. Darumb ſpricht er / Er ſey der Weg vnnd die warheit. weil er erwehlet hat durchVnglei - cher Weg / vnglei - ches ende. Schmach vnd Leidẽ in die Herrligkeit einzugehen / ſo erwehleſtu ohne zweiffel durch Ehre vnd groſſen Pracht in die Helle einzugehen? Darumb kehre vmb von deinem breiten Wege / vñ gehe den weg des / der nicht jrren kan / folge der warheit / die nicht betriegen kan / lebe in dem / der das Leben ſelbſt iſt. Dieſer weg iſt die warheit / vnnd dieſe warheit iſt das Leben. O groſſe Blindheit / daß ein Armer wurm auff Erden ſo groß ſeyn wil / vnd der Herr der Herrligkeit iſt auff Erden ſo klein ge -Weg zu Chriſto iſt Demut. weſt. Darumb du gleubige Seele / weñ du ſiheſt deinen Braͤutigam den himli - ſchen Iſaac dir zu Fuſſe entgegen gehẽ /Erſter Theil Lſo ſoltu136Sein Leben haſſen /ſo ſoltu dich ſchemen auff einem groſſẽ Camel zu reitẽ. Darumb wie RebeccaGeneſ. 24. jren Braͤutigam Iſaac ſihet kom̃en / vñ ſie ſaß auff einem Camel / verhuͤllet ſie jhr Angeſicht / ſteig eilend herunter / vñ gieng zu Fuß zu jhm / darumb ſteige duBoͤſe Fruͤchte der eigenẽ Liebe. auch herunter von dem hohen Camel deines Hertzens / vnd gehe zu Fuß in tieffer Demut deinem Braͤutigam ent - gegen / ſo wird er dich lieb haben / vnnd mit Freuden auffnemen.

Gehe aus / aus deinem Vaterlande / vnd auß deines Vaters Hauſe / ſprachGen. 12. Gott zu Abraham / in ein Land / dz ich dir zeigen weꝛde / gehe du auß / auß demBeſchrei bung der eigenen vnordent - lichẽ liebe. Luſthauſe deiner eigenen Liebe / vnd dei - nes eigenen Willens. Die eigene Liebe machet verkerte vrtheil / vertunckelt die Vernunfft / verfinſtert den Verſtand / verfuͤhret den willen / beſlecket das Ge - wiſſen / vñ ſchleuſt zu die Pforte des Le bens / ſie erkennet Gott nicht vnnd de[n]Neheſtẽ / vertreiber alle Tugend / trach - tet nach Ehre / Reichthumb vnd Wol - luſt / liebet die Welt mehr denn denHimmel137vnd die Welt verſchmehenHimmel. Wer alſo ſein Leben liebet / der wirds verlieren / Joh. 12. wers aberSein Le - ben liebẽ iſt ſein Le - ben verlie. ren. verleuret / dz iſt / ſeiner eigenẽ Liebe ab - ſaget / der wirds zum ewigen Leben er - haltẽ / eigene vnordentliche Lieb iſt eine Wurtzel der Vnbußfertigkeit / vñ ewi - gen Verderbens. Deñ die ſo mit eige - ner Lieb vnd Ehr beſeſſẽ / ſind one De -Eigene Liebe ma - chetfalſche Buſſe vñ - falſche Threnen. mut vñ erkentnis der Suͤnde / darumb ſie keine vergebung jhrer Sunde je er - langet / wiewol ſie dieſelbige mit Trenẽ geſuchet. Denn ſie haben ſich mehr be - kuͤmmert / vnd leide getragen vmb jren eigenen Schaden / denn das ſie Gott hetten beleidiget. Non fuerunt lacri - offenſi Dei, ſed proprii damni.

Matt. 13. ſtehet. Das Himmelreich iſt gleich einer Perle / vmb welcher willẽ ein Kauffman alles verkauffte / vnnd kauffte dieſelbige Perlen / das iſt / EsDie jrrdi - ſche Perle mus ver - laſſen ſeyn wiltu die himliſche Perle ha - ben. mus ein Menſch in ſeinem Hertzen al - les verlaſſen / vnd ſich ſelbſt / wil er die edle Perlen haben / das iſt / Gott ſelbſt / vnd das ewige Leben. Sihe deinen Herrn Chriſtum an / der iſt vom Him -L ijmel138Sein Leben haſſen /mel kommen / nicht daß er ſich ſelbſt ſuchte / liebete / jm ſelbſt nuͤtzete / ſondern dir / warumb ſucheſtu auch nicht den allein / der ſein ſelbſt vergeſſen hat / vnd ſich ſelbſt fuͤr dich gegeben?

Das iſt eine rechtſchaffene Braut / die ſonſt niemand gefallen wil denn jhrem Braͤutigam / warumb wiltu der Welt gefallẽ / ſo du doch Chriſti BrautWelche Seele eine Braut Chriſti iſt vnd eine Jung - fraw. biſt? Die Seele iſt eine reine Braut Chriſti / die ſonſt nichts liebet in der Welt denn Chriſtum. Derwegẽ muſtu alles / was in der welt iſt / gering ach - ten / vnd in deinem Hertzen verſchme - hen / auff das du wirdig werdeſt von Chriſto deinem Braͤutigam geliebet zu werden / Die Liebe / die nicht Chriſtum allein liebet / vnd meynet in allen Din - gen / die iſt eine Ehebrecherin / vnd nit eine reine Jungfraw / Die Liebe derLevit. 20. Chriſten ſoll eine Jungfraw ſeyn.

Es iſt im Geſetz Meſis geboten / daß die Prieſter ſollen Jungfrawẽ nemen? Chriſtus iſt der rechte Hohepriſter / der wil eine Seele habẽ / die eine Jungfrawiſ[t]139vnd die Welt verſchmehen. iſt / die ſonſten nichts mehr lieb hat / in der welt / denn jhn allein / Ja auch ſich ſelbſt nicht / darumb der Herr ſpricht:Warumb ſich ſelbſt haſſen. wer zu mir koͤmpt / vnd haſſet nicht ſich ſelber / darzu ſein eigen Leben / der kan mein Juͤnger nicht ſeyn.

Luc. 14.

Mercket nun / was heiſſet ſich ſelbſt haſſen: Wir tragen den alten Men - ſchen am Halſe / vnd ſind ſelbſt der alte Menſch / des Art vnd Natur iſt nichts anders denn ſuͤndigen / ſich ſelbſt lieben / ſein eigen Ehre vnd Nutz ſuchen / dem Fleiſch ſeine Luſt buͤſſen / denn Fleiſch vnd Blut leſt ſeine Vnart nicht / Es liebet ſich ſelbſt / ehret ſich ſelbſt / ruͤh - met ſich ſelbſt / ſuchet ſich ſelbſt in allen dingen / leſt ſich bald er zuͤrnen / iſt nei - diſch / feindſelig / rachgierig. Dis alles thuſtu ſelbſt / Ja du biſt bis alles ſelbſt / vnd es koͤmpt aus deinem eigen Hertzẽ / vnd iſt dein eigen Leben / das Leben des alten Menſchen. Darumb muſtu dichWas da heiſſet ſich ſelbſt vnd ſein eigen Leben haſ ſen. ſelbſt haſſen / vñ dein eigen Leben / wiltu Chriſti Juͤnger ſeyn. Wer ſich ſelbſt liebet / der liebet ſeine eigene vntugend /L iijſeine140Der alte Menſch muß ſterbenWas da heiſſet ſich ſelbſt lie - ben.ſeine Hoffart / Geitz / Zorn / Haß / Neid / ſeine Luͤgen / Falſchheit / Vnge - rechtigkeit / ſeine boͤſe Luͤſte. Dieſe Din - ge muſtu nicht lieben / entſchuͤldigen / beſchoͤnen / ſondern du muſt ſie haſſen / jhnen abſagen vnd abſterben / wiltu ein Chriſt ſeyn / etc.

Das XV. Capittel. In einem wahren Chriſten muß der alte Menſch taͤglich ſterben / vnd der newe Menſch taͤglich ernewert werden / vnnd was da heiſſe ſich ſelbſt verleugnen / was auch das rechte Creutz der Chriſten ſey.

Luc. 9. Wer mein Juͤnger ſeyn will / der verleugne ſich ſelbſt / vnd neme ſein Creutz auff ſich / vnd folge mir nach. ()

VOm alten vñ newen Menſchen ſpricht S. Paulus zun Epheſ. am 4. So leget nun võ euch ab / nach dem vorigen Wandel den altenMen -141der newe Menſch mus leben. Menſchen / der durch Luͤſte in jrrthumb ſich verderbet. Ernewert euch aber im Geiſte ewers Gemuͤts / vnd zeiget den newen Menſchen an / der nach Gott ge - bildet iſt in rechtſaffener Gerechtig - keit vnd Heiligkeit. 1. Corinth. 6. aber ſetzet er Vrſach: jhr ſeyd nicht ewer ſel - beſt / Denn jhr ſeyd thewer erkaufft. Darumb preiſet Gott an ewrem Leibe vñ an ewrem Geiſt / welche ſind Gotts.

Was der alte mẽſch ſey.

Nun iſt aber der alte Menſch nichts denn Hoffart / Geitz / Wolluſt des Fleiſches / Vngerechtigkeit / Zorn / Feindſchafft / Haß / Neid / ꝛc. dieſe ding alle muͤſſen in einem wahren Chriſten ſterben / ſoll der newe Menſch herfuͤr kommen / vnd taͤglich ernewert werdẽ.

Wenn nun dieſer alter Menſch ſtir - bet ſo wird dagegen der newe Menſch lebendig / als / ſo die Hoffart in dir ſtir - bet / ſo wird dagegen die Demut durch den Geiſt Gottes erwecket / ſo der Zorn ſtirbet / ſo wird dagegen die Sanfftmut gepflantzet / ſo der Geitz ſtirbet / ſo wird dagegen das Vertrawen auff Gott inL iiijdir142Der alte Menſch muß ſterben /dir vermehret / ſo die Weltliebe in dir ſtirbet / ſo wird dagegen Gottes LiebeWas der new mẽſch ſey. auffgerichtet / Das iſt nun der newe in - wendige Menſch mit ſeinen Gliedern / Es ſind Fruͤchte des heiligen Geiſtes / Es iſt der lebendige thaͤtige Glaube / es iſt Chriſtus in vns / vnd ſein Edles Le - ben / Es iſt der newe Gehorſam / das newe Gebot Chriſti / Es iſt die Frucht der newẽ Geburt in vns / in welcher du leben muſt / wiltu ein Kind Gottes ſein. Denn die in der newen Geburt leben /Warumb ein mẽſch ſich ſelbſt verleugnẽ mus / vnd was dz ſey die ſind allein Gottes Kinder.

Daher kompts nun / daß ein Menſch ſich ſelbſt verleugnen muß / das iſt / ſich ſelbſt verzeihen ſeiner Ehre / ſeines wil - lens / ſeiner eigenen Liebe vnnd wolge - fallen / ſeines eigenen Nutzes vñ Lobes / vnd was deſſen mehr iſt / Ja ſich ſelbſt verzeihen ſeines Rechts / vnd ſich aller Ding vnwirdig achten / auch ſeines Le - bens. Deñ ein warer Chriſt / in dem die Demut Chriſti iſt / erkennet wol / dz ein Menſch zu keinen Dinge ſo von oben her ruͤret / recht hat / ſintemal er es allesaus143der newe Menſch muß leben. aus Gnaden hat. Darumb brauchet erAlles in Furcht zu gebrau - chen. alles mit furcht vnnd zittern / als ein frenbdes Gut zur Notturfft / vnnd nit zur Wolluͤſt / nicht zu ſeinem eigenen Nu[tz]/ Lob vnd Ehre.

Z[u]m Exempel laſt vns gegen einan - der alten einen rechten wahren Chri -Verglei - chung ei - nes fleiſch lichen vñ geiſtlichẽ Menſchẽ. ſtender ſich ſelbſt verleugnet / vñ einen falſ[ch]en Chriſten / der mit eigener vnor - den[tli]cher Liebe beſeſſen iſt. Wenn ein ſolch[e]r verachtet wird / ſo thut jhm die Venchtung ſehr wehe / wird zornig / vngeuͤltig / fluchet / leſtert wieder / will ſich ſ[el]bſt rechnen mit worten vnd wer - cken / as darff er wol einen Eyd ſchwe - ren / d[a]s iſt der alte Menſch / der iſt ein ſolche Toͤlpel / zuͤrnet leicht / iſt feind - ſelig[vn]d rachgierig: Dargegen der ſich ſelbſt erleugnet / iſt ſanfftmuͤtig / ge - duͤltig verzeihet ſich aller Rache / ach - tet ſichwirdig vnd ſchuͤldig alles zu lei - den / d[a]s heiſt ſich ſelbſt verleugnen.

In ſolcher hohen Gedult / Sanfft - mut v[nd]Demut iſt der Herr Chriſtus dir vo[rg]egangen / Er hat ſich ſelbſt ver -L vleugnet /144Der alte Menſch mus ſterbenChriſtus ſich ſelbſt verleug - net. Matt. 20. Luc. 22. Luc. 9. Pſal. 22.leugnet / da er ſprach Matth. 20. Des Menſchen Sohn iſt nicht kommen / daß er jhm dienen laſſe / Item / Ich bin mittẽ vnter euch wie ein Diener. Des Menſchẽ Sohn hat nicht ſo viel / da er ſein Haupt hinlege. Ich bin ein Wurm vnd kein Menſch. Alſo verleugnet ſich Dauid ſelbſt / als jhm Simei fluchet / vnd ſprach: Der Herr hats jhn ge - heiſſen / als wolte er ſprechen: Du biſt fuͤr Gott ein armer Wurm / vnd wert / daß du alles leideſt. Alſo die lieben Hei -Heiligen vnd Pro - pheten ha ben ſich ſelbeſt verleug - net. ligen vnd Propheten haben ſich ſelbſt verleugnet / ſich vnwirdig geachtet al - les / wz einem Menſchen zu gut geſche - hẽ mag. Darum̃ haben ſie alles gedul - det / hat jhnen jemand gefluchet / ſie ha - ben jhn dafuͤr geſegnet / hat ſie jemand verfolget / ſie haben Gott dafuͤr gedan - cket / hat ſie jemand getoͤdtet / ſie haben fuͤr jn gebeten / vnd ſind alſo durch vielRom. 14. Truͤbſall ins Reich GOttes einge - gangen.

Was heiſ - ſe ſich ſelbſt verleugnẽ

Sihe das heiſt ſich ſelbſt verleugnen / ſich nicht werth achten alles was jhmmoͤchte145der newe Menſch mus leben. moͤchte zu gut vnd liebe geſchehen / vnd hinwieder ſich wol wirdig halten alles des / das jhm zu leide geſchicht.

Dis verleugnen iſt nun das Creutz Chriſti / das wir auff vns nemen ſollẽ /Luc. 9. wie der Herꝛ ſpricht: Wer mein Juͤn - ger ſein wil / der verleugne ſich ſelbſt / vnd neme ſein Creutz auff ſich vnd fol - ge mir nach. Dz iſt dem Fleiſch ein bit -Creutz Chriſti. ter Creutz / denn es wolte lieber ſicher / frey / ruchlos nach ſeinẽ eigenẽ Luͤſtẽ le - ben / denn das es ſolte leben in der De - mut / Sanfftmut vnd Gedult Chriſti / vnd das Leben Chriſti an ſich nemen. New Lebẽ iſt des al - ten Men - ſchen Tod.Denn diß Leben Chriſti iſt dem Fleiſch ein bitter Creutz / ja es iſt ſein Tod / deñ der alte Menſch muß ſterben.

Alles was dem Menſchen von AdãCorruptio veteris eſt reno - vatio no - ui homi - nis. angeborẽ iſt / das muß in einem rechtẽ Chriſten ſterben / Denn weñ man wil die Demot Chriſti an ſich nemen / ſo muß die Hoffart ſterben / wil man dieDes alten Menſchen Verwe - ſung iſt des newen Menſchen Leben. Armut Chriſti an ſich nemen / ſo muß der Geitz ſterben / wil man die ſchmach Chriſti tragen / ſo muß die Ehrſuchtſterben /146Der alte Menſch muß ſterben /ſterben / wenn man die Sanfftmut Chriſti an ſich nemen will / ſo muß die Rachgier ſterben / wil man die Gedult Chriſti an ſich nemen / ſo muß der Zorn ſterben.

Sihe diß alles heiſt ſich ſelbſt ver - leugnen / ſein Creutz auff ſich nemen vñ Chriſto folgen / vnd diß alles vmb kei - nes Verdienſtes / Lohns / Nutzes / Ruh - mes vnnd Ehre willen / ſondern allein vmb der Liebe Chriſti willen / weil ers gethan hat / weil diß ſein edles Leben iſt / vnd weil er vns jhm zu folgen befohlenDas Bil - de Gottes des Men - ſchẽ hoͤch - ſte Ehre. hat. Denn das iſt die Bildnis Gottes in Chriſto / vñ in vns / welche des Men - ſchen hoͤchſte Ehre iſt / daran ſich ein Menſch billich ſoll gnuͤgen laſſen / vnd zum embſigſten darnach ſtreben.

Vnd was iſts / daß ein Menſch ſo ſehr nach Ehren in dieſer Welt ſtrebet / da er doch dadurch fuͤr Gott nit beſſe[r]wird denn andere Leute? Das bezeuget die Stunde vnſer Geburt / vnnd die Stunde des Todes. Der allergroͤſſeſte in der Welt hat einen Leib von Fleiſchvnd147der newe Menſch muß leben. vnnd Blut als der geringſte Menſch. Alſo iſt kein Menſch vmb eines HaarsKein men ſche beſſer denn der ander. breit beſſer denn der ander. Einer wird geboren wie der ander / einer ſtirbet wie der ander / noch plaget vns die Ehr - ſucht alſo / das machet alles die eigene Liebe / die verboten iſt / weil wirs ſelbſt haſſen ſollen. Nun iſt das gewiß / WerEigene lie be iſt ver - botẽ / weil wir vns ſelbſt haſ - ſen ſollen. ſich ſelber alſo liebet / das iſt / jhm ſelber wolgefellt / Hoffart treibet vnd ſtoltzie - ret / Ruhm vnd Ehre ſuchet / der wendet ſeine Seele von Gott vnnd Chriſto ab auff ſich ſelbſt / vnd auff die Welt. Da koͤmpt nun Chriſtus vnd ſpricht: Wil - tu ſelig werdẽ / ſo muſtu dich ſelbſt haſ - ſen / vnd verleugnen / vnd dich nicht ſo lieb haben / oder du wirſt deine SeeleWer ſich ſelbſt lie - bet / ver - le〈…〉〈…〉 rt ſich ſel[b]ſt. verlieren. Das will nun der alte Adam nicht thun / ſondern will immer etwas in der Welt ſeyn.

Ach wie wenig ſind jr / die dieſe Ada - miſche Vnart in jhnen erkennen / vnd derſelbigen widerſtreben / vnd weil vns dieſelbe angeboren / vnd mit vns gebo - ren wird / ſo muͤſſen wir auch derſelbigẽabſter -148Der alte Menſch mus ſterben /abſterben / Ach wie wenig ſind jhr / dieChriſtus vnſer ver - derbten Natur Artzney. dieſes thun / Alles was vns von Adam angeboren wird / das muß in Chriſto ſterben. In der Demut Chriſti ſtirbel vnſere Hoffart / In der Armut Chriſti ſtirbt vnſer Geitz / In dem bittern Lei - den Chriſti ſtirbt vnſer Wolluſt / In der Schmach Chriſti ſtirbt vnſer Ehre / In der Gedult Chriſti ſtirbt vnſer Zorn.

Wer der Welt ab - ſterbet /[d]en erfre - wet Gott

Wer nun jhm ſelber erſt alſo abſtir - bet / der kã auch darnach leicht der welt abſterben / vnd dieſelbige mit all jhrem Reichthumb vñ Herrligkeit verſchme - hen / alſo / daß er keiner weltlichen Ehr / Reichthumb vnd Wolluſt begeret / ſon - dern ſein Ehr / Reichthumb vnd Wol - luſt allein an Gott hat / Gott iſt ſeine Ehre / Reichthum vnd Wolluſt / der iſt ein rechter Gaſt vñ Frembdling in die - ſer Welt / er iſt Gottes Gaſt / vñ Gott wird jhm bald das froͤliche Jubeljahr in ſeinem Hertzen anrichten / vnnd jhn voller geiſtlicher Freude machen / vnnddenn149der newe Menſch mus leben. denn dort das Iubilæum æternum, das ewige Jubeljahr mit jhm hal - ten / etc.

Das XVI. Capittel. In einem wahren Chriſten muß alle - zeit ſeyn dẽr Streit des Geiſtes vnd Fleiſches.

Ro. 7. Ich ſehe ein ander Geſetz in meinen Gliedern / dz da wi - der ſtrebet dem Geſetz in mei - nem Gemuͤ[t]e. ()

IN einem jeden wahren ChriſtẽZweterley Menſchẽ in vns / die wider ein - ander ſein ſind zweyerley Menſchen / ein innerlicher vnd euſſerlicher / 2. Cor. 4. Dieſe zwey ſind wol bey einan - der / aber wider einander / alſo / daß das Leben des einen des andern Tod iſt. Le - bet vñ herrſchet der euſſerliche Mẽſch / ſo ſtirbt der innerliche / Lebet der innere Menſch / ſo muß der euſſerliche ſterbẽ / wie S. Paulus 2 Cor. 4. ſagt: Ob vn - ſer euſſerliche Menſch verweſet / ſo wird doch der innere taͤglich ernewert.

dieſer150In einem Chriſten muß ſeyn

Dieſe beyde nennet S. Paulus zun Roͤmern am 7. das Geſetz ſeines Ge - muͤts / vnd das Geſetz ſeiner Glieder. Vnd zum Galatern am 5. nennet er dieſe zwey: Geiſt vnnd Fleiſch. Das Fleiſch geluͤſtet wieder den Geiſt / vnd den Geiſt wieder das Fleiſch.

Geiſtli - cher vnnd fleiſchli - cher mẽſch Rom. 8.

Vberwindet nun der Geiſt / ſo lebet der Menſch in Chriſto vnd in Gott / vnd wird geiſtlich genant / vnd lebet in der newen Geburt: Vberwindet aber das Fleiſch / ſo lebet der Menſch im Teuffel / in der alten Geburt / vñ gehoͤ - ret nicht ins Reich Gottes / vnd wird fleiſchlich genant: Fleiſchlich aber ge - ſinnet ſeyn iſt der Todt. Darumb von dem / der die Herrſchafft im Menſchen behelt / hat der Menſch ſeinen Namen in der Schrifft / daß er fleiſchlich oder geiſtlich heiſſet.

Wenn einer nun in dieſem Kampff vberwindet die boͤſen Luͤſte / das iſt / die Staͤrcke des Geiſtes des innern Men - ſchen: Wo aber nit / ſo iſts des Glau - bens vnd Geiſtes Schwachheit / DeñGlaube151Streit des Geiſtes vnd FleiſchesGlaube vnd Geiſt eins / wie geſchrie -Glaube vñ Geiſt eins. ben ſtehet / 2. Corinth. 4. Weil wir den Geiſt des Glaubens haben / ſo reden wir auch.

Es iſt der viel ſtaͤrcker / der ſich ſelbſtGroͤſter Sieg ſich ſelbſtvber winden. vberwindet / vnd ſeine boͤſe Luͤſte / denn der die Feinde vberwindet / wie Prov. am 16. geſchrieben iſt: Ein geduͤltiger iſt beſſer denn ein ſtarcker / vnd der ſei - nes Muts ein Herr / iſt beſſer denn der Staͤdte gewinnet: Wiltu nun einen groſſen Sieg haben / ſo vberwinde dich ſelbſt / deinen Zorn / Hoffart / Geitz vndWas da heiſſe das Reich des Sathans vberwin - den. boͤſe Luſt / ſo haſtu das Reich des Sa - thans vberwunden / deñ in dieſen Din - gen allen hat der Sathan ſein Reich. Es ſind wol viel Kriegsleute / ſo haben helffen Staͤdte gewinnẽ / aber ſich ſelbſt haben ſie nie vberwunden.

Hangſtu dem Fleiſch allzu ſehrSieg der Seelen iſt Erhal - tung des gantzen Menſchen nach / ſo toͤdteſtu die Seele. Nun aber iſts beſſer / dz die Seele vberwinde / auf das auch der Leib mit erhalten werde / denn daß der Leib vberwinde / vnd LeibErſter Theil Mvnd152In einem Chriſten mus ſeynvnd Seele verloren werde. Vnd allhi[e]heiſts / Wer ſein Leben lieb hat / de[r]wirds verlieren / vnd wer ſein Leben in dieſer Welt haſſet / der wirds zum ewi - gen Leben erhalten / Joh. 12.

Nun iſt es wol ein ſchwerer Kampff / aber er gebieret einen herrlichen Sieg / vñ erwirbet eine ſchoͤne Krone. Sey ge - trew biß in den Tod / ſo wil ich dir die1. Joh. 5 Was heiſ - ſet die welt vber - widnen. Krone des Lebens gebẽ / Apoc. 2. Item / Vnſer Glaube iſt der Sieg / der die Welt vberwindet. Die Welt aber iſt in deinem Hertzen. Vberwinde dich ſelbſt / ſo haſtu die Welt vberwunden.

Nun moͤchte einer ſagen: Wie ſoll ich jhm denn thun / wenn mich die ſuͤn - de bißweilen wider meinen Willen vberwindet / ſol ich darumb verdampt / oder kein Kind Gottes ſeyn / wie S. Johannes ſaget: Wer Suͤnde thut / iſt1. Joh. 3. vom Teuffel? Antwort: wenn du den Streit des Geiſtes wider das Fleiſch in dir befindeſt / vnd thuſt offt / das du nit wilt / wie S. Paulus ſpricht / ſo iſts eine Anzeigung eines glaͤubigen Hertzens /daß153Streit des Geiſtes vnd Fleiſches. das der Glaube vnnd Geiſt wider das Fleiſch kaͤmpffet / Denn Sanct Pau - lus lehret vns mit ſeinem eigenenKampff des Glau - bens. Exempel / daß ſolcher Streit in den Frommen vnd Gleubigen ſey / da er ſpricht Rom. 7. Er fuͤhle ein ander Ge - ſetz in ſeinen Gliedern / dz widerſtrebe dem Geſetz ſeines Gemuͤts / dz iſt / dem newen inwendigen Menſchẽ / vñ neme jhn gefangen in der Suͤnde Geſetz / dz er thue / was er nicht wolle. Das wollẽ habe er wol / aber das vollbringen nit. Das Gute / das er wolle / das thue er nicht / vnd dz Boͤſe / das er nicht wolle / das thue er / vnd klaget daruͤber: Ich elender Menſch / wer wil mich erloͤſen von dem Leibe des Todes / das iſt / von dem Leibe / darinn Suͤnde vnnd Tod ſticket / die mich ſo plagen. Iſt eben dz / das der Herr ſpricht: Der Geiſt iſt wil -Marc. 14. lig / aber das Fleiſch iſt ſchwach.

So lang nun dieſer Streit im Men - ſchen weret / ſo lang herrſchet die ſuͤnde nit im Menſchen. Deñ wider welchen man jmmer ſtreitet / der kan nicht herr -M ijſchen. 154In einem Chriſten mus ſeynſchen. Vnd weil ſie im Menſchen nit herrſchet / weil der Geiſt wider die ſuͤn - de ſtreitet / ſo verdampt ſie auch den Menſchen nicht. Denn ob wol alle Heiligen Suͤnde haben / wie S. Pau - lus ſpricht: Ich weiß daß in meinem Fleiſch nichts gutes wohnet / vnnd S. Johannes: So wir ſagen / wir haben keine Suͤnde / ſo betriegẽ wir vns ſelbſt. Ein wo - nende ſun - de ver - dampt nit ſondern die herr - ſchende Suͤnde. 1. Joh. 1.So verdampt doch die einwonende Suͤnde nicht / ſondern die herrſchende Suͤnde. Vnd weil der Menſch wider die Suͤnde ſtreitet / vnd nicht darein be - williget / ſo wird jhm die Suͤnde nicht zugerechnet / wie S. Paulus zun Roͤ - mern am 8. ſpricht: Es iſt nichts ver - damliches an denen / die in Chriſto Jeſu ſind / die nit nach dem Fleiſch / ſondern nach dem Geiſt leben / das iſt / die das Fleiſch nicht herſchen laſſen. In denen aber ſolcher Streit nicht iſt / die ſolchenHerrſchen de Suͤnde verdamli - che ſuͤnde. Streit nicht fuͤhlen / die ſind nicht Re - nati, die habẽ herrſchende Suͤnde / ſind vberwunden / ſind Knechte der Suͤnde vnd des Sathans / vñ ſind verdampt /ſo lang155Streit des Geiſtes vnd Fleſchesſo lang ſie die Suͤnde in jhnen herrſchẽ laſſen.

Schoͤner Typus.

Dieſes hat vns Gott durch den Ty - pum der Cananiter fuͤrgebildet / ſo un gelobten Lande wonen / aber nicht herr - ſchen dorfften. Gott leſt die Cananiter vnter Iſrael wonen / Joſuæ 13. 15. Aber ſie ſolten nicht herrſchẽ / ſondern Iſrael ſolte Herr ſeyn / vnd nicht die vberblie - benen Cananiter: Alſo bleiben viel Suͤnde vbrig in dem Heiligen / aber ſie ſollen nicht herſchen. Der newe Mẽſch der Iſrael heiſſet / Gottes Kaͤmpffer / der ſol herſchen / der alte Menſch ſol ge - dempffet werden.

Das beweiſet / ſtercket vnd erhelt den newen Menſchen / daß er einen ſtetigen Kampff fuͤhret wider den alten Men - ſchen. Der Sieg vnd Staͤrcke des Gei - ſiet beweiſet einen rechten Iſraeliter / einen newen Menſchen / Militia pro - bat Chriſtianum: Terra Canaan bellando occupatur, & retine - tur. Bekoͤmmet aber bißweilen der Cananeus, Vnnd das Fleiſch dasM iijDomi -156In einem Chriſten muß ſeynDominium vnd Herrſchafft / ſo muß Iſrael vñ der newe Menſch nicht lang vnterligen / vnd die Suͤnde vñ den Ca - nanæum nicht lange herrſchen laſſen / ſondern er muß ſich durch die Gnade Gottes wieder ſtaͤrcken in Chriſto / durch wahre Buſſe / vnnd Vergebung der Suͤnde wieder aufferſtehen / vñ den rechtẽ Joſuam / den Fuͤrſtẽ des Volcks anruffen / das er jhn ſtercke / vnd in jhm ſiege / ſo iſt der vorige Fall zugedecket / vergeſſen vñ vergebẽ / vñ iſt der Menſch wieder ernewert zum Lebẽ / vñ in Chri - ßum verſetzet. Vnd ob du gleich noch viel Schwachheit des Fleiſches fuͤhleſt / vnd nicht alles thun kanſt / wie du gern wolteſt / ſo wird dir als einem buß ferti - gen Menſchen der Verdienſt Chriſti zugerechnet / vnd mit ſeinem vollkom -Zurech - nung des Verdien - ſtes Chri - ſti hat al - lein bey den bus -[f]ertigẽ ſtat menem Gehorſam deine Suͤnde zuge - decket. Vñ alſo hat in ſolcher taͤglicher Buſſe / wenn man von Suͤnden wider auffſtehet / die imputatio meriti, die Zurechnung des Verdienſtes Chriſti allezeit raum vnd ſtat. Denn daß jhmein157Stren des Geiſtes vnd Fleiſches. ein gotloſer vnbußfertiger Menſch / der die Suͤnde weidlich in jhm herrſchen leſt / vnd dem Fleiſch ſeine Luſt weidlich buͤſſet / das Verdienſt Chriſti wolte zu - rechnen / iſt vmbſonſt vnnd vergeblich, Denn was ſolte dem Chriſti Blut nuͤtzen / der daſſelbige mit Fuͤſſen trit / ꝛc.

Das XVII. Capittel. Daß der Chriſten Erbe vnd Guͤter nit in dieſer Welt ſeyn / darumb ſie des zeitlichen / als Fremblinge gebrauchen ſollen.

1. Timoth. 6. Wir haben nichts in die Welt bracht / darumb offenbar iſt / wir werden auch nichts hinaus bringen. Wenn wir aber Narung vnd Kleider haben / ſo laſt vns begnuͤgen. ()

ALles was Gott geſchaffen / vnndAlles mit Furcht zu gebrauchẽ zur Not - turfft. dem Menſchen gegeben an zeit - lichen Guͤtern / das iſt von Gott nur zur Leibes Notturfft geſchaffen /M iiijdarzu158Der Chriſten Guͤter vnd Erbedarzu wirs auch allein gebrauchen ſol - len / vnd alles von GOtt nemen mit Danckſagung / mit Furcht vñ Zittern / Iſt etwas vberley / Gold vnd Silber / Speiſe vnd Tranck / Kleidung / etc. SoReich - thumb iſt eine Prob des Men - ſchen. iſts alles dem Menſchẽ zur Proba fuͤr - geſtellet / wie er ſich darmit erzeigen vñ damit vmbgehen wil / ob er Gott wolle anhangen / vñ allein auff die vnſichtba - ren himliſchen Guͤter ſehen / vnd ſich in Gott erfrewen / oder ob er võ Gott ab - fallen / vnnd ſich in die zeitliche Luͤſte vnd jrrdiſche Welt begeben / das jrrdi - ſche Paradeiß mehr lieben / denn das himliſche.

Darumb hat GOtt den Menſchen der zeitlichen Ding halben in eine freye Wahl geſetzet / vnd probirt jhn durch Reichthumb / durch hohe Gabẽ / durch Ehre vnd Gunſt / wie feſt er an GOttMenſch hat keme entſchuͤldi gung / Es iſt jhm le - ben vnnd Tod fuͤrge legt. halten wolle / ob er ſich auch dadurch von GOtt wolle laſſen abwenden / ob er in Gott / oder auſſer Gott / mit Gott oder wider GOTT leben wolle / vnnd als dann nach ſeiner eigenen Wahlgerich -159nicht in dieſer Welt. gerichtet wuͤrde / vnd keine Entſchuͤldi - gung hette / wie Moſes ſpricht / Deu - ter. 30. Sihe ich neme heute Himmel vnd Erden zu Zeugen / daß ich euch fuͤr - gelegt habe den Segen vnd Fluch / das Leben vnd Tod / daß jhr das Leben er - wehlen ſollet / den Segen vberkommẽ.

Darumb ſtehen alle Dinge in dieſer Welt fuͤr vnſern Augen / nicht vmb Wolluſt vnd ergetzung willen / ſondernVberfluß iſt nit zur Wolluſt zu gebrau chen / ſon - dern als eine Pro - ba der Gottes furcht. als ein fuͤrgeſtalte Proba / daran wir vns leicht vergreiffen koͤnnen / wo wir das hoͤchſte Gut fahren laſſen. Denn das alles iſt der verbotene Baum mit ſeinen Fruͤchten / dauon wir nicht eſſen ſollen / das iſt / vns nicht geluͤſten laſſen dieſe Welt / alſo / daß wir vnſers Her - tzen Luſt vnd Freude daran haben / wie denn jetzo die gantze Welt thut / die jre Wolluſt in Zeitlichen ſuchet zu Er - getzung jhres Fleiſches mit koͤſtlicher Speiſe vñ Tranck / koͤſtlicher Kleidung vnd anderer irrdiſcher Freude / welches die meiſten Leute von GOTT ab - wendet.

M vDage -160Der Chriſten Guͤter vnd Erbe

Dagegen die Chriſten ſollen geden - cken / daß ſie hier Pilgram vnd GottesEin chriſt hat ſeine luſt nicht anderweit Gaͤſte ſeyn / Darumb ſie nur ſollen zur Notturfft / vnd nicht zur Wolluſt des zeitlichen gebrauchen / Gott ſoll allein vnſer Luſt vnd Freude ſeyn / vnd nicht die Welt. Iſts anders / ſo thun wir Suͤnde / vnd eſſen taͤglich mit der EvaBoͤſe luſt iſt der verbotene Baum. von dem verbotenen Baum durch die boͤſe Luͤſten. Chriſten haben jhre Luſt nicht an der irrdiſchen Speiſe / ſondern jre inwendige Augen ſind gerichtet auf die ewige Speiſe / Chriſten prangen nicht mit den irrdiſchen Kleidern / ſon - dern ſehnen ſich nach der hunliſchenAlles was in der Welt iſt / iſt den Chr[i]ſten ein Creutz. Kleidung der Klarheit Gottes vnd der verklerter Leiber. In dieſer Welt iſt al - les den Chriſten ein Creutz / eine Ver - ſuchung / eine Anreitzung zum boͤſen / eine Gifft vnd Galle. Denn was ein Menſch mit luſt anruͤret vnd brauchet zur ergetzung des Fleiſches / one Furcht Gottes / das iſt der Seelen eine Gifft / obs gleich dem Leibe eine Artzeney vnd gut zu ſeyn ſcheinet. Aber niemand wilden161nicht in dieſer Welt. den verbotenen Baum mit ſeinen Fruͤchten kennen / noch kennen lernen / Jederman greiffet mit groſſer Be - gierde nach der verbotenen Luſt des Fleiſches / Dz iſt der verbotene Baum.

Wer nun ein rechter wahrer ChriſtEinchriſt brauchet alles mit Furcht. iſt / ď brauchet alles mit Furcht / als ein Gaſt / vnd ſiehet ſich wol fuͤr / daß er Gott als den oberſten Haußvater mit Eſſen vnd Trincken / mit Kleidern vnd Wonungen / oder mit dem Gebrauch zeitlicher Dinge nicht erzuͤrne / vnnd ſeine Mitgaͤſte beleidige / huͤtet ſich fuͤr dem Mißbrauch / vnd ſihet immer mit dem Glauben ins ewige zuͤkuͤnfftige vnd vnſichtbare Weſen / da die rechte Guͤter ſeyn. Denn was hilffts dem Leibe / wenn er lange ſeine Wolluſt in dieſer Welt gepflogen / darnach freſſen jn die Wuͤrme? Gedencket an dem hei - ligẽ Job / da er ſprach: Ich bin nackentJob 1. von meiner Mutter Leibe kommen / na - ckent muß ich dauon. Wir bringen nichts mit denn einen nackendẽ / duͤrff - tigen / ſchwachen vnd bloͤden Leib: Alſomuͤſſen162Der Chriſten Guͤter vnd Erbemuͤſſen wir wider hinaus in jene Welt / muͤſſen auch vnſer Leib vñ Leben hinter vns laſſen / koͤnnens nicht mitnemen.

Was wir nun von der Stunde der Geburt an biß in die Stunde des To - des in dieſer Welt empfangen haben / an Speiſe / Tranck / Kleidung vnndChriſten Brot iſt Chraͤnen Brot. Im Tode ſind wir alle gleich Reich. Wonung / iſt alles panis miſericor - diæ & doloris geweſen / vnd die bloſſe Notturfft des Leibes / muͤſſen alles da - hinden laſſen in der Stunde des To - des / vnnd aͤrmer von hinden ſcheiden denn wir herein kommen. Denn ein Menſch ſtirbet aͤrmer denn er geboren wird. Wenn er in die Welt koͤmpt / bringet er ja noch Leib vnd Leben mit / vnd iſt alſo bald ſeine Decke / Speiſe vnd Wonung da / aber wenn er ſtirbt / muß er nicht allein das laſſen / ſondernWelt Menſch ein arme Creatur. ſein Leib vnd Leben darzu. Wer iſt nun aͤrmer wenn er ſtirbet deñ der Menſch? Iſt er aber nicht Reich in Gott / wie koͤnte eine aͤrmere Creatur ſeyn?

Weil wir denn nun Frembdlinge vnd Gaͤſte ſein / vnd alles Zeitliche wei -ter nicht163nicht in dieſer Welt. ter nit gehet / denn zur Erhaltung des toͤdlichen Leibes / was plagen vnnd be - ſchweren wir denn doch vnſere arme Seele darmit? Denn nach dem Tode iſts vns ja nichts mehr nuͤtze. Sihe / welche eine Thorheit iſts ſo viel GuͤterGeitz iſt groſſe Thorheit. fuͤr einen armen toͤdlichen Leib ſamlen / welche du doch in der welt laſſen muſt. Weiſtu nicht / daß ein andere beſſere Welt iſt / daß ein ander beſſer Leib vnd Leben iſt denn dieſer toͤdtliche Leib vnd elende zeitliche Leben? Weiſtu nicht / daß du ein Gaſt vnd Frembdling fuͤr Gott biſt? Fuͤr mir / ſpricht der Herr /Pſal. 59. fuͤr meinen Augen / wiewol jhrs nicht gedencket vnd meynet.

Weil denn nun der Herr ſaget: Wir ſind Gaͤſte vnd Frembdlinge / ſo muß nothalben anderswo vnſer Va - terland ſeyn. Das findet ſich / wenn wir betrachten die Zeit vnd Ewigkeit / die ſichtbare vnd vnſichtbare welt / die irrdiſchen vnd himliſchen Wonunge / das toͤdtliche vnd vntoͤdtliche Weſen / das vergengliche vnd vnuergengliche /das164Der Chriſten Guͤter vnd Erbedas zeitliche vnd ewige Weſen. WennBetrach - tung des zeitlichen vnd ewi - gẽ wircket groſſe Weißheit. wir dieſe Dinge gegen einander halten vnd betrachten / ſo wird vnſere Seele geleutert / vnd wir ſehen mit dem Glau - ben viel Dinge / die da von allen denen vnerkant bleiben / die ſolche Betrach - tung nicht haben / die fuͤllen ſich mit irrdiſchem Kot dieſer Welt / weltzen ſich darinnen / vertieffen ſich in jhren welt - lichen Sorgen / Geitz vnd Wucher / die ſind blind an jhren Seelen / ob ſie wol in zeitlichẽ Dingen noch ſo ſcharffſich - tig ſeyn: Denn ſie meynen / es ſey kein edler vnd beſſer Freude / kein edler vndDie Welt den Chri - ſten ein exilium vnd bitter Creutz. beſſer Leben vnd Weſen / denn in dieſer Welt / die doch den wahren Chriſten nur ein Exilium vnd Jammerthal iſt / ja eine finſtere Gruben vnnd tiefferWeltliebe leſt keine himliſche Gedanckẽ zu / ſon - dern blei - bet bey dem vieht ſchen Ver - ſtande. Kercker.

Darumb auch die jenige / die dieſe Welt lieb haben / vnd jhr Paradiß dar - inne ſuchen / die kommen vber den vie - hiſchen Verſtand nicht / fahren daruon wie ein Viehe / Pſalm. 49. ſind blind am innern Menſchen / habẽ keine him -liſche165nicht in dieſer Welt. liſche Gedancken / koͤnnen ſich in Gott nicht erfrewen / frewen ſich nur in dem Dreck dieſer Welt / darin iſt jre Ruhe / wenn ſie das haben / ſo iſt jhnen wol / Das ſind rechte Viehmenſchen. Ach die elenden blinden Leute / ſie ſitzen im Finſternis vnd Schatten des Todes / vnd fahren in die ewige Finſternis.

Vnd damit wir ja wol lernen moͤ - gen / daß wir Frembdlinge vñ Gaͤſte in dieſer Welt ſeyn / ſollen wir auff das Exempel Chriſti ſehen / vnd jhm nach - folgen / ſeiner Lehr vnd Leben. Derſel - bige iſt vnſer Vorgaͤnger geweſen / vn - ſer Exemplar vnd Vorbild / dem ſollen Chriſten begeren gleichfoͤrmig zu wer - den. Sihe die Lehr vnd Leben ChriſtiThriſtus ein Frẽbd - ling in die ſer Welt. an / ſihe der war der edelſte Menſch in dieſer Welt / was war aber ſein Leben? Nichts anders denn eitel Armut vnd Verſchmehung der weltlichen Ehre / Luſt vnd Guͤter / Quæ tria pro trino numine Mundus habet. Sagt er nicht ſelbſt / des MenſchenSohn166Der Chriſten Guͤter vnd ErbeMatth. 8.Sohn hat nit ſo viel / da er ſein Haupt hinlege?

Koͤnig Davidhat ſeme Herr ligkeit vñ freude im Himmel.

Sihe an den David / wie arm / ver - achtet vnd verfolget er war / ehe er zum Koͤnigreich kam. Vnd als er Koͤnig ward / hat er alle ſeine koͤnigliche Ehr vnd Wirde ſo hoch nicht geachtet / als die Freude des ewigen Lebens / wie er im 84. Pſalm ſpricht: Wie lieblich ſind deine Wonung / Herr Zebaoth. Meine Seele verlanget vnd ſehnet ſich nach den Vorhoͤfen des Herrn / Mein Leib vnd Seele frewen ſich in dem lebendigen Gott / Ein Tag in dei - nen Vorhoͤfen iſt beſſer denn ſonſt tau - ſent / ꝛc. Ich habe ja Land vnd Leute / auch eine Koͤnigliche Wonung / die Burg Sion / aber es iſt nichts gegen deine liebliche Wonung. So that auch Job / da er ſich ſeines Erloͤſers troͤſtete.

Wie die heiligen Apoſtel in Chriſto gelebet.

Sihe an Petrum / Paulum / vnd alle Apoſtel / wie ſie jre Guͤter / jren Reich - thumb nicht in dieſer / ſondern in der kuͤnfftigen welt geſuchet haben / wie ſie das edle Leben Chriſti an ſich genom -men /167nicht in dieſer Welt. mẽ / gewandelt in ſeiner Liebe / Sanfft - mut / Demut vñ Gedult / wie ſie dieſe Welt verſchmehet habẽ / hat jhn einer geflucht / ſie haben jhn dafuͤr geſegnet / hat ſie jemand geſchmehet / ſie habẽ jm dafuͤr gedãckt / hat ſie jemand verfolgt / ſie habẽ Gott dafuͤr gedienet / hat ſie je -Actor. 14. mand gegeiſſelt / ſie habens mit Gedult gelittẽ / vñ geſagt / wir muͤſſen durch vil Truͤbſal ins Reich Gottes eingehen / hat ſie jemand getoͤdtet / ſie habẽ fuͤr ſie gebeten / vñ mit jhrem Erloͤſer geſagt / Vater vergibs jhnen / rechne jnen dieſeDie Heili - gen der Welt / vnd jnen ſelbſt abgeſtor - ben. Suͤnde nicht zu. So gar ſind ſie abge - ſtorben dem Zorn / der Rachgier vnnd Bitterkeit / dem Ergeitz / der Hoffart / der Liebe dieſer Welt / vñ jhres eigenen Lebens / vnd haben gelebet in Chriſto / das iſt / in ſeiner Liebe / Sanffmuth / Gedult vnd Demut. Die ſind recht in Chriſto lebendig worden im Glau - ben / die alſo leben.

Von dieſem edlen Leben Chriſti die Weltkinder nicht viel wiſſen / denn die in Chriſto nicht leben / noch wiſſen /Erſter Theil Ndaß in168Der Chriſten Guͤter vnd Erbedaß in Chriſto ein rechtſchaffen LebenWeltkin - der todt in Suͤnden. ſey / Epheſ. 4. die ſind todt in Suͤnden / in jhrem Zorn / Haß / Neid / Geitz / Wucher / Hoffart vnd Rachgier / vnd ſo lang ein Menſch darinn bleibet / thut er nimmer Buſſe / wird nimmermehr in Chriſto lebendig durch den Glanben / er gebe es auch ſo gut vor als er inuner1. Pet. 2. wolle. Die wahren Chriſten aber wiſ - ſen / daß ſie in die Fusſtapffen jhres Er -Chriſti Le ben iſt dz rechte Buch der Chriſten. loͤſers tretten muͤſſen / vñ ſie haben ſein Leben zum Fuͤrbilde / vnd jhr Buch iſt Chriſtus ſelbſt / ſie lernen ſeine Lehr vñ Leben von jhm / da heiſts: In Chriſto iſt ein rechtſchaffen Leben: Omnia nos Chriſti vita docere poteſt. 2. Cor. 4.Die ſprechen mit den Apoſteln: Wir ſe - hen nicht auff das ſichtbare / ſondern auff das vnſichtbare. Denn was ſicht - bar iſt / das iſt zeitlich / wz aber vnſicht - bar / das iſt ewig. Item / Wir habenHebr. 13. hie keine bleibende Stadt / ſondern die zukuͤnfftige ſuchen wir.

So wir denn nun Frembdlinge vnd Gaͤſte in dieſer Welt ſeyn / vñ hie keinebleibe -169nicht in dieſer Welt. bleibende Stadt haben / ſo muß je dar - auß folgen / daß wir nicht vmb dieſer ſichtbaren Welt willen erſchaffẽ ſeyn. Darum̃ iſt dieſe Welt nicht vnſer rech - tes Vaterland vnd Eigenthumb / wir[wiſſen] ein beſſers vnd edlers / vmb wel - ches willen wir lieber ſollen zwo Welt verlieren / ja Leib vnd Leben / daß wir je - nes behaltẽ moͤchten. Darumb frewetDer mẽſch nit zu die - ſem ſon - dern zum ewigen Le bẽ erſchaf - fen. ſich ein Chriſt dieſes Erkentnis / daß er reich moͤge in Gott werdẽ / vnd daß er zum ewigen Lebẽ erſchaffen ſey. Sihet auch wie elende verblendete Leute die Weltnarren ſind / welche Thorheit ſie in der Welt begehen / das ſie jhre edle Seele vmb des zeitlichen willen beſchweren / ja wol ver - lieren / ꝛc.

N ijDas170Das zeitlche dem ewigen

Das XVIII. Capittel. Wie hoch Gott erzuͤrnet werde / wenn man das Zeitliche dem Ewigen vorzeucht Vnd wie / vnnd warumb wir mit vnſern Hertzen nicht an den Creaturen hangen ſollen.

Num. 11. Der HERR zuͤnde ein Fewer vnter jhnen an / das verzehret die cuſſerſten Laͤger. ()

DIe Kinder Iſrael murretẽ wi - der Moſen / vnd ſprachẽ: Wer wil vns Fleiſch zu eſſen geben? Wir gedencken an die Fiſche vnd Kuͤr - bis in Egypten.

Kennzei - chen eines falſchen vnd wah - ren Chri - ſten.

Dadurch werden vns fuͤrgebildet die Leute / ſo bey dem Evangelio nur welt - liche vnd fleiſchliche Dinge ſuchen / Reichthumb / Ehre vnd Wolluſt / vnd mehr Fleis anwendẽ / wie ſie reich wer den / denn wie ſie ſelig werden moͤgen / haben lieber die[ E] hre bey den Menſch[en]denn die Ehre bey Gott / ſuchen meh[r]des Fleiſches Luſt denn das GeiſtesArmſe -171nicht vorzuziehen. Armſeligkeit vñ Zerſchlagenheit. Dar - gegen iſt die Proba eines wahren Chri - ſten / das er mehr ſorget fuͤr ſeine Seele denn fuͤr ſeinen Leib / ſihet auff kuͤnff - tige Ehre vnd Herrligkeit mehr denn auff die zeitliche Ehre / Er ſihet mehr auff das vnſichtbare / das ewig iſt / deñ auff das ſichtbare / ſo vergenglich iſt / er creutziget vnd toͤdtet ſein Fleiſch / auffJoh. 12. das der Geiſt lebe.

Vnd in ſumma / das iſt das gantze Chriſtenthumb / Chriſto vnſerm Her -Chriſtus vnſer Re - gel / An - fang vnd Ende. ren nachfolgẽ. Summa religionis eſt imitari eum, quem colis, ſagt Au - guſtinus. Vnd Plato hats auß dem Liecht der Natur verſtandẽ vñ geſagt: Perfectio hominis conſiſtit in imi - tatione Dei. So ſol nun Chriſtus vn - ſer Herr vnſer Spiegel ſeyn / vnd die Richtſchnur vnſers gantzẽ Lebens / da - hin vnſer Hertz / Sinn vnd Gedanckẽ ſollẽ gewendet ſein / wie wir zu jm kom - men / durch jhn ſelig werdẽ / vñ ewig mit jhm leben moͤgen / daß wir vnſers En - des mit Freuden moͤgen warten.

N iijDas172Das zeitliche dem ewigen
Alles ſol im Glan - ben geſchẽ

Das muß nun alſo geſchehen / dz a[ll]vnſere Arbeit / Handel / Wandel / Be[-]ruff im Glauben geſchehe / in der Liebe vnnd Hoffnung des ewigen Lebens: Oder noch deutlicher / daß in allẽ Din - gen / was man thut / des ewigen Leben vnd der ewigen Seligkeit nicht vergeſ[-]ſen werde.

Weltliebe durch den Glauben gedem - pffet.

Durch dieſe Gottesfurcht waͤchſe[t]in einem Menſchẽ eine heilige Begierde des Ewigen / vnd wird die groſſe vner - ſaͤttliche Begierde des Zeitlichen ge - dempffet / das lehret S. Paulus fein in dem artigen Spruͤchlein Coloſ. 3. Alles was jhr thut mit Worten vnnd Wer - cken / das thut in dem Namen des Her - ren Jeſu / vnd dancket Gott / vnd dem Vater durch jhn.

Nun heiſt Gottes Name / GottesGOttes Name. Ehre / Ruhm / Lob vnd Preis / Pſ. 48. GOtt wie dein Name / ſo iſt auch dein Ruhm biß an der Welt Ende. WennJoh. 13. Apoc. 14. wir dahin all vnſere Thun vnd Leben richten / ſo iſts ins Ewige gerichtet / vñ ſind die Wercke / die in GOtt gethanſeyn173nicht vorzuziehenſeyn / vnd die vns nach folgen nach vn - ſerm Tode.

Summa / wir muͤſſen Gott in allen Dingen ſuchen / das hoͤchſte Gut / vnd das ewige Leben / wollen wir Gott vnd das ewige Leben nicht verlieren. Das lehret vns auch S. Paulus fein / 1. Ti - moth. 6. da er vns vor dem Geitz war - net / vnd ſpricht: Du Gottes Menſch fleuch daſſelbige. Nennet den Chriſten einen Gottes Menſchen darumb / dz er auß Gott geboren / in Gott vnd nachGOttes Menſch vñ Welt - menſch. Gott lebet / Gottes Kind vnd Erbe iſt: Wie ein Welimenſch iſt / der nach der Welt lebet / vnd ſeinen Theil in dieſer Welt hat / denen Gott den Bauch fuͤl -Pſal. 17. let mit ſeinen Guͤtern / Das ſol ein Chriſten Menſch fliehen / vñ nachjagen dem Glauben / der Liebe / ergreiffen das ewige Leben / darzu er beruffen iſt.

Wo nun dieſes nicht geſchicht / da wird eine groſſe Suͤnde begangen / die Gott mit dem ewigen helliſchen Fewer ſtraffẽ wird: Welches vns dieſe Hiſto - ria fuͤrbildet: Da die Kinder Ilrael dieNum. 11.N iiijBauch174Das zeitliche dem ewigenBauchfuͤlle ſuchten / zuͤndet GOtt ein Fewer vnter jhnen an / welches jhre Laͤ - ger verzeret. Iſt ein wunderlich Fewer geweſt / ein Rachfewer / vnd iſt der Zorn Gottes vnd ſein Eiffer geweſt.

Zorn Got tes woher verurſa - chet.

Wenn wir nun ſolche Straffen ſehen / es ſey Fewer / Waſſer / Krieg / Hunger / Peſtilentz / ſo ſollen wir nur nicht anders gedencken / denn daß es Gottes Zorn ſey / allein daher verur - ſachet / daß man nur dz Zeitliche ſuchet / vnd das Cwige vergiſſet / das Zeitliche dem Ewigen vorzeucht / mehr fuͤr den Leib / als fuͤr die Seele ſorget. Welches die hoͤchſte Vndanckbarkeit vnd Ver - achtung Gottes iſt / ſo er zeitlich vnnd ewig ſtraffen wird. Denn ein jeder be -Groſſe vn danckbar - keit vnd Verach - tung Got - tes. dencks ſelbſt / ob das nicht die hoͤchſte Vndanckbarkeit ſey / den ewigen all - mechtigen Gott / võ dem einer Leib vñ Seel hat / hindan ſetzen / vnnd die ohn - maͤchtige Creaturen jhm zum Abgott machen? Iſts nit die hoͤchſte Verach - tung Gottes / die Creaturẽ mehr lieben denn den Schoͤpffer / dem Vergeng -lichen175nicht vorzuziehen. lichen mehr anhangen / denn dem Vn - uergenglichen?

Es hat wol GOtt der Herr dieWozu die Creaturẽ erſchaffen vnnd wie wir dieſel - be brau - chen ſollẽ. Creaturen / vñ alles Zeitliche geſchaf - fen zu vnſer Notturfft / Aber nicht zu dem Ende / daß wir daran hangen ſol - len mit vnſer Liebe / ſondern daß wir Gott in den zeitlichen Creaturen ſu - chen vnd erkennẽ ſollen / vñ dem Schoͤ - pffer mit vnſer Liebe vnd Hertzen an - hangen / das iſt / die Creaturen ſind al - lein Gottes Fußſtapffen / Gottes Zeu - gen / die vns zu Gott fuͤhren ſollen / ſo bleiben wir an denſelbigen hangen.

Was wird aber endlich aus ſolcherAus der Weltliebe wird das Fewer zu Sodom. Weltliebe / darinnen GOtt nicht iſt? Nichts anders denn Fewer vnd Helle / wie das Exempel Sodom vnnd Go - morra bezeuget / vnnd diß Vorbilde / daß der Herr ein Fewer vnter jhnen anzuͤndet / welches ein Spiegel iſt des ewigen Fewers vnd Verdamnis.

Es ſind die Creaturen Gottes alle gut / wie ſie Gott geſchaffen / aber wenn des Menſchen Hertz daran hanget /N vvnd176Das Zeitliche dem Ewigenvnd dieſelbige gleichſam zum Abgott machet / ſo ſind ſie dem Fluch vnter -Was die Creatur zum Grew el vñ fluch machet. worffen / vnd ein Grewel fuͤr Gott / wie die guͤldene vnd ſilberne Goͤtzen / daran das Silber vnd Gold gut iſt / Aber der Grewel / der daran hanget / machet es zum Fluch / vnd daraus wird das ewige Fewer / vnd die ewige Pein.

Fruͤchte des Glau - bens vnd Zeugẽ der Gerech - tigkeit.

Summa / ein Chriſt muß ſein Hertz / Liebe / Luſt / Reichthumb vnd Ehre im Ewigen habẽ / darauff folget das ewi - ge Leben / denn wo dein Schatz iſt / da iſt dein Hertz / Luc. 12. Aus der Liebe vndFrucht der Welt - liebe. Luſt dieſer Welt kan nichts anders ko - men denn ewige Verdamnis. Denn die Welt vergehet mit jhrer Luſt. Wer aber den Willen Gottes thut / der blei - bet in Ewigkeit. Darumb ſagt Johan - nes 1. Johan. 2. Liebe Kindlein / habt nicht lieb die Welt / noch was in der Welt iſt. Lehret vns damit / daß GottWarumb die Crea - turen nit zu lieben. nicht haben wil / daß wir einige Creatur lieben ſollen / Vrſach:

1. Denn die Liebe iſt das gantze Hertz des Menſchen / vñ der edelſte Affectus,Darumb177nicht vorzuziehen. Darumb gebuͤhret dieſelbige Gott al - lein / als dem edelſten vnd hoͤchſtẽ Gute.

2. So iſt es auch eine groſſe Thor - heit / das jenige lieben / ſo vns nicht kan wieder lieben. Das zeitliche ohnmaͤch - tige todte Ding hat keine Liebe zu vns / darumb iſt es vergeblig / daß wirs lie - ben. Vielmehr ſollen wir Gott von Hertzen vber alle Creaturen lieben. Denn er liebet vns alſo / daß er vns zum ewigen Leben geſchaffen / erloͤſet vnd geheiliget hat.

3. Es iſt natuͤrlich / daß ein jeglicherWarumb dich Gott zu ſein[e]m Bilde ge - ſchaffen. ſeines gleichen liebet. Gott hat dich darumb zu ſeinem Gleichnis vnd Bil - de geſchaffen / daß du jhn vnd de[i]nen Nechſten lieben ſolteſt.

4. Vnſere Seele iſt wie ein Wachs / was man hinein drucket / des Bilde be -Des Men - ſchen See - le Gottes Spiegel. helts: Alſo ſoll man Gottes Bilde in deiner Seelẽ ſehen / wie in einem Spie - gel / wo man jhn hinwendet / das ſi - het man darinnen. Wendeſtu einen Spiegel vmb gegen den Himmel / ſo ſiheſtu den Himmel darinnẽ / wendeſtujhn178Das zeitliche dem ewigenjhn gegen die Erde / ſo ſiheſtu die Erden darinnen: Alſo deine Seele / wohin du dieſelbige wenden wirſt / des Bilde wird man darinnen ſehen.

5. Da der Ertzvater Jacob in frembden Landen war in Meſopota - mia / vnd dienete vierzehen Jahr vmb ſeine Weiber / vnd ſechs Jahr vmb ſei - nen Lohn / ſind zwantzig Jahr / war doch immer ſein Hertz geſinnet wie - derumb heimzuziehen / in ſein Vater -Wohinvn ſer Hertz ſol gerich - tet ſeyn. land / wie er auch endlich thet: Alſo ob wir wol in dieſer Welt ſein vnd leben muͤſſen in vnſerm Ampt vnd Beruff / ſoll doch vnſer Hertz immer gerichtet ſeyn ins himliſche ewige Vaterland.

6. Alles was ein Menſch hat / es ſeyDer Liebe Frucht. boͤſes oder gutes / das hat er von dem / das er liebet. Liebet er Gott / ſo hat er alle Tugenden vnd alles Gutes von Gott / Liebet er die Welt / ſo hat er alle Laſter / vnd alles Boͤſe von der Welt.

Weltliebe machet aus einem Menſchẽ ein Viehe.

7. Da der Koͤnig Nebucadnezar die Welt alzuſehr liebete / verlor er das Bilde des Menſchen / vnd ward in einBeſtien179nicht vorzuziehen. Beſtien verwandelt: Denn der Text ſaget außdruͤcklich: Er ſey wider zu ſei - ner vorigen geſtalt kommen / Ergò ſo muß er ſie verloren haben / Oder eine vnmenſchliche geſtalt an ſich gehabt haben: Alſo verlieren alle die das Bilde Gottes aus jren Hertzen / die die Welt allzuſehr lieben / vnd werden inwendig Hunde / Loͤwen vnnd Baͤren / werden gar ein Viehe.

8. Summa / was ein Menſch in ſei -Dortwird das Hertz offenba - ret wer - den. nem Hertzen hat / das wird dort offen - bar werden / vnd das wird er auch be - halten / entweder Gott / oder die Welt / behelt er die Welt / ſo wird daraus ei - tel Fewer werden / wie dieſer Typus fuͤrbildet.

Das XIX. Capittel.

Der in ſeinem Hertzen der elendeſte iſt / der iſt bey Gott der liebſte / vnnd durch Chriſtlich Erkentnis ſeines Elen - des ſuchet man Gottes Gnade.

Eſai.180Der Elendeſte in ſeinem HertzenEſai 66. Ich ſehe an den Elen - den / der zerbrochenes Heꝛtzens iſt / vnd der ſich fuͤrchtet fuͤr meinem Wort. ()

DIeſen Spruch hat der gnedige vnd barmhertzige Gott ſelbſten durch den Propheten Eſaiam außgeſprochen / vnſer betruͤbtes Hertz zu troͤſten durch ſein gnedig anſehen. Soll dich nun Gott gnediglich anſe - hen / ſo muſtu in deinem Hertzen bey dir ſelbſt elende ſeyn / vnnd dich nicht werth achten eines goͤttlichen oder menſchlichen Troſtes / ſondern dich gar fuͤr nichts achten / vnnd allein im Glauben Chriſtum anſchawen.

Welcher Menſch ſich noch fuͤr etwas helt / der iſt nit elend in ſeinem Hertzen / vnd den ſihet auch Gott nicht an. Da - her ſagt S. Paulus Galat. 6. Wer ſich duͤncken leſt / er ſey etwas / da er doch nichts iſt / der betreugt ſich ſelbſt / Vr - ſach / Gott iſt alles allein / vnd wenn duGott181der liebſte bey Gott. Gott recht wilt lernen erkennẽ / ſo muſt du nit allein wiſſen / daß er alles allein ſey / ſondern du muſt es in deinem Her - tzen dafuͤr halten / vnd an dir ſelbſt be - weiſen.

Soltu nun daſſelbige mit der ThatEin elen - der iſt klein in ſei nem Her - tzen. 2. Sam. 6. beweiſen / daß Gott alles allein ſey / ſo muſtu in deinem Hertzen nichts wer - dẽ / ſo klein / ſo gering / als wereſtu nich - tes / wie der liebe David / als jhn ſeine Michal verachtet / da er tantzet fuͤr dem Gnadenſinel / ſprach er: Ich will noch geringer werden in meinen Augen fuͤr dem Herrn.

Ein Menſch der etwas ſeyn will / iſt die Materia, daraus Gott nichts ma -Woraus Gott die Narren gemacht. chet / ja daraus er die Narrẽ macht: ein Menſch aber / der nichts ſeyn will / vnd ſich fuͤr nichts helt / iſt die Materia, dar - aus Gott etwas machet / vnd herrliche weiſe Leute fuͤr jhm. Ein Menſch / der ſich fuͤr Gott fuͤr den geringſten achtet / fuͤr den elendeſtẽ / iſt bey Gott der groͤſ - ſeſte vñ herrlichſte / ď ſich fuͤr den groͤſ -ſeſten182Der elendeſte in ſeinem Hertzenſeſten Suͤnder helt / iſt bey GOtt der groͤſſeſte Heilige.

Sihe / diß iſt die Nidrigkeit / die Gott erhoͤhet / das Elend / das Gott anſihet / vnd die Nichtigkeit des Menſchen / daGott ma - chet aus nichts et - was. Gott etwas außmachet. Denn gleich wie Gott aus nichts Himmel vnd Er - dẽ gemacht hat zu einem herrlichen vnd wunderbaren Gebaͤw: Alſo wil er den Menſchen / der auch nichts iſt in ſeinem Hertzen / zu etwas herrliches machen.

Sehet den David an / wie ſahe Gott ſein Elend an / vnd nam ſeine Nidrig - keit / vnd machet ſo ein herrlich WerckGen. 32. daraus / Item den Jacob / da er ſprach: Herr / ich bin viel zu gering aller der Wolthaten / die du mir erzeiget haſt.

Aus der Nichtig - keit ma - chet Gott Herrlig - keit.

Sehet den Herren Chriſtum an / wie hat Gott aus ſeiner Nidrigkeit vnd aus ſeinem Elende / ja aus ſeiner Nich - tigkeit / da er fuͤr vns ein Fluch vnnd Wurm ward / der geringſte vnd ver - achteſte vnter den Menſchen Kindern / ſo groſſe Herrligkeit gemacht?

Sehet183der liebſte bey Gott

Sehet einen Kuͤnſtler an / ſol er ein Kunſiſtuͤcke machẽ / ſo muß er gar eine newe Materien haben / darauß ers mo - chet / es muß koin ander daran geſudeßt haben: Alſo thut Gott auch / ſol er auß dem Menſchen etwas machen / ſo muß er nichts ſeyn. Der aber ſich ſelbſten zu etwas machet / vñ meinet er ſey etwas / der iſt nicht Gottes Matery / daran erGOttes Materia daraus er etwas ma chet / iſt nichts. Luc. 1. luſt hat zu arbeiten. Denn GOtt es Matery / darauß er etwas machet / iſt nichts / ja Gott ſihet jn nicht an / daher ſpricht die Jungfraw Maria: Der Herr hat ſeine elende Magd angeſe - hen / Sihe von nun an werden mich ſe - lig preiſen alle Kindes Kind.

Der iſt nun in ſeinem Hertzen elend /Ein mẽſch ſol ſich nichts werth ach ten. der ſich ſo gering helt / dz er ſich keiner Wolthaten GOttes / ſie ſey geiſtlich oder leiblich / werth achtet. Denn wer ſich etwas wert achtet / ď moynet er ſey etwz / da er doch nitchs iſt / findet Got - tes Gnade nit / ſondern verleurt dieſel - bigen. Denn Gottes Gnade bleibet bey keinem Menſchẽ / der ſich fuͤr etwz helt,Erſter Theil ODenn184Der elendeſte in ſeinem HertzenWas des Menſchen eigen iſt.Denn wer ſich eines Dinges wirdig achtet / der empfehet nicht alles võ Got auß Gnaden. Gnade iſt es vnnd nicht Wirdigkeit / was du vmb vnd vmb biſt. Ein Menſch hat nichts das ſein iſt / denn ſeine Suͤnde / ſein Elend / Nichtig - keit vnd Schwachheit / das ander iſt al - les Gottes.

Ein[mẽſch] ein Schat te.

Ein Menſch iſt nichts anders denn ein Schatte. Sihe an einen Schatten eines Baums / was iſt er? Nichts. Re - get ſich der Baum / ſo beweget ſich der Schatte auch / wes iſt nun die Bewe - gung? Nicht des Schatten / ſondern des Baums: Alſo wes iſt dein Leben? Nicht dein / ſondern Gottes / wie ge - ſchrieben ſtehet Act. 17. In jhm leben / weben / vnd ſind wir / Die Epffel des Baums erſcheinen auch wol im ſchat - ten / aber ſie ſind nicht des Schatten /Schoͤn gleichnis. ſondern des Baums: Alſo tregeſtu gute Fruͤchte / ſie ſind nit dein / ſie erſcheinen wol in dir / aber als ein Schatte / ſie kom̃en aber auß dem ewigẽ Vrſprung / welcher iſt Gott / wie ein Apffel nichtauß185der liebſte bey Gott. auß dem Holtze waͤchſet / wie die vnuer - ſtendigen meinen / ob er wol daran han - get / wie ein Kind an der Mutter Bruͤ - ſtẽ / ſondern auß der gruͤnenden Krafft / ex centro ſeminis, ſonſt truͤgen auch duͤrre Hoͤltzer Epffel.

Der Menſch aber iſt von Natur einMenſch ein duͤrrer Baum. duͤrrer Baum / Gott iſt ſeine gruͤnende Krafft / wie der 27. Pſalm ſpricht: Der Herr iſt meines Lebens Krafft. Vnd wie der Herꝛ ſpricht / Luc. 23. geſchicht das am gruͤnẽ Holtze / was wil am duͤr - ten werden? Darumb ſind alle Men - ſchen duͤrre Hoͤltzer / Gott iſt jhre gruͤ - nende Krafft. Oſe. 14. ich wil ſeyn wie eine gruͤne Tanne / an mir ſoltu meine Frucht finden. Joh. 15. Werdet jhr in mir bleiben / ſo werdet jhr viel Fruͤchte bringen.

Wenn nun ein Menſch in ſeinem Hertzen elend / gering vñ nichts iſt / troͤ - ſtet ſich aber der lauter Gnade Gottes in Chriſto / jetzo ſihet jhn GOtt an. Nun aber iſt Gottes anſehen nicht alſo zu verſtehen / wie ein Menſch einen an -O ijſihet186Der elendeſte in ſeinem Hertzenſihet / daruon man keine Krafft empfin -Gnedig anſehen Gottes. det / ſondern Gottes anſehen iſt Krafft / Leben vnd Troſt / vnd eines ſolchen an - ſehens iſt ein elend gleubig Hertz ſchig / vnd je meher daſſelbige Gottes Troſt empfindet / je geringer vnd vnwerter esGeneſ. 32. ſich deſſen achtet. Welches vns in Ja - cob fuͤrgebildet / welcher ſich viel zu ge - ring achtet aller Wolthaten Gottes /Wahre Demut iſt ſich nichts werht ach ten. vnd des leiblichen Segens: Alſo achtet ſich ein recht elend Hertz nicht wert ei - nes himliſchen ewigẽ Segens vñ Tro - ſtes / vnd ſpricht auch zu Gott: Ich bin zu gering der groſſen Liebe vnd Barm - hertzigkeit / ſo du mir in Chriſto erzeiget haſt / ich bin nun auch zwey Heer wor - den / in dem du mir deinen Sohn ge - ſchencket haſt / vnd alles mit jhm / bona gratiæ & gloriæ. Vñ weñ ein Mẽſch ſo viel Threnẽ vergoͤſſe / ſo viel Waſſer im Meer iſt / ſo were er doch nit werth eines himliſchen Troſtes. Denn es iſt lauter vnuerdiente Gnade / darumb iſt der Menſch nichts wirdig / Denn der Straffe vnd ewigen Verdamis.

Sihe187der liebſte bey Gott.

Sihe / wer das recht erkennet imWelche elend ſein / die Gott anſihet. Glauben / der erkennet ſein Elend / vñ den wird Gott anſehen / vnnd ohn diß Elend ſihet Gott den Menſchen nicht an / vñ ohne Erkentnis ſolches elendes findet ein Menſch nicht Gottes gnade / Darumb ſpricht S. Paulus 2. Cor. 12. Wilich mich meiner Schwachheit ruͤ - men / auff daß die Krafft Chriſti in mir wohne. Deñ ſo guͤtig vnd barmhertzig iſt Gott / daß er ſein Werck nicht wil verderben laſſen / ſonďn je ſchwaͤcher es in jm ſelbſt iſt / je ſtaͤrcker Gottes Krafft in jhm iſt / wie der Herr zu Paulo ſpricht: Meine Krafft iſt in dẽ Schwa -2 Cor. 12. chen mechtig.

Je elender nun ein Chriſtenmenſch in ſeinem Hertzen iſt / je mehr jn Gott anſihet / auff daß er dẽ Reichthumb ſei - ner guͤte erzeige an den gefaͤſſen ſei -Rom. 9. ner Barmhertzigkeit / vnd darumb be - gnadet er den Menſchen ohn alle ſein Verdienſt mit dem himliſchen Troſt vber alle Menſchliche weiſe. Deñ Got - tes Troſt iſt mit der Menſchen TroſtO iijnicht188Der elendeſte in ſeienam Hertzennicht zu vergleichen / vñ alſo ſihet GottWarumb ein mẽſch elend. den Elenden an mit ſeinem Troſt.

Ein Menſch iſt nicht darumb elend / ſol ſich auch nicht darumb elend achtẽ / daß er arm iſt / vnd in der Welt keinen Troſt hat / ſondern darumb / daß er ein Suͤnder iſt. Denn were keine Suͤnde / ſo were auch kein Elend. Einem Men - ſchen kan nicht ſo gros Elend widerſa - ren / er hat es noch groͤſſer verdienet. Darumb ſpl er nit deshalben trawren /Ein mẽſch iſt kemer Wolthat Gottes werth. daß jhme nicht groſſe Wolthaten wi - derfahren / er iſt der aller geringſten nit werth / auch ſeines eigenen Lebens nit. Vnd wiewol das Fleiſch vnd Blut nit gern hoͤret / dennoch ſoll vmb der War - heit willen ein jeder ſeine Suͤnde ſelbſt ſtraffen / auff daß die Gnade Gottes bey jhm wohne.

Was ſol ſich nun ein Menſch ruͤh -Das beſte das ein Menſch thun kan. men / oder warumb ſol er ſeinen Mund auffthun? Das beſte / das ein Menſch mit ſeinem Munde redẽ kan / ſind dieſe zwey Wort: Ich habe geſuͤndiget / Er - barm dich mein. Gott erfordert nichtmehr189der liebſte bey Gott. mehr von dem Menſchen / denn dieſe zwey Wort / Daß der Menſch ſeine Suͤnde berewe vnd beweine / vnd vmbWas ein Menſch beweinen ſoll. Gnade bitte. Wer das verſeumet / der hat das beſte in ſeinem Leben verſeu - met. Beweine nur nicht deinen Leib / daß er nackend vnd bloß iſt / hungerig vnd durſtig / verfolget vnd gefangen / arm vnd kranck iſt / ſondern beweine deine Seele / daß ſie in dem ſuͤndlichen vnd ſterblichen Leibe wonen muͤſſe / ichRom. 7. elender Menſch / ſagt S. Paulus / wer wil mich erloͤſen auß dem Leibe dieſes Todes? Sihe deß Chriſtliche Erkent - nis deines innerlichen Elendes / dieſe gnadenhungerige Rewe / vnd der Glau -Thuͤr / da - durch Got zum Men ſchen ein - gehet / iſt der Glau - be. Actor. 14. oſtium fi - dei. be / ſo allein Chriſto anhanget / thut die Thuͤr der Gnaden in Chriſto auff / da - durch Gott zu dir eingehet. Apo. 3. So thue nun Buſſe / ſihe ich ſiehe fuͤr der Thuͤr / vñ klopffe an. So jemand mei - ne Stimme hoͤren wird / vnd die Thuͤr auffthun / zu dem wil ich eingehen / vñ mit jhm das Abendmal halten / vnd er mit mir. Diß Abendmal iſt vergebungO iiijder190Der elendeſte in ſeinem Hertzender Suͤnden / Troſt / Leben vnd Selig - kleit. In dieſer Thuͤr des Glaubens be - gegnet zu rechter zeit / Der gnedigfle Gott der elendeſten Seelen. Hie waͤch - ſet Trew auff Erden / vnd gerechtigkeit ſchawet vom Him̃el / hie begegnen ein -Pſal. 85. ander guͤte vnd Warheit / Gerechtig - keit vñ Friede kuͤſſen einander / Pſalm. 85. Hie koͤmpt die arme Suͤnderin Ma -Geiſtliche Maria. ria Magdalena / die weinẽde Seele des Menſchen / vñ ſalbet dem Herrn ſeine Fuͤſſe / waͤſchet ſie mit Threnen / vnnd trucknet ſie mit den Haaren der hertz -Getſtli - cher Prie - fter. Opffer ei - nes Chri - ſten lichen Demut vñ Nidrigkeit / Hie koͤm - met der geiſtliche Prieſter in ſeinem hei - ligen Schmuck des Glaubens / vnnd bringet das rechte Opfer / ein zerbrochẽ vnd zerſchlagen Hertz / vnd den beſten Weyrauch der hertzlichen Rewe: Diß iſt das rechte geheiligte Weihwaſſer / die Threnen vber die Suͤnde / auff daß im Glauben vnd in Krafft des Blutes Chriſti die geiſtlichen Iſraeliten gewa - ſchen vnd greiniget werden.

Sihe /191der liebſte bey Gott.

Sihe / alſo lieber Chriſt / findeſtu durch Chriſtlich Erkentnis deines elen - des vnd durch den Glauben. Gottes Gnade / vnnd je elender du in deinem Hertzen biſt / je lieber du Gott biſt / je mehr vnd gnediger dich Gott anſihet.

Das XX. Capittel. Durch Chriſtliche wahre Rew wird das Leben taͤglich gebeſſert / vnd der Menſch zum Reich Gottes geſchicket / vnd zum ewigen Leben be - foͤrdert.

2. Cor. 7. Die goͤttliche Traw - rigkeit witcket eine Rewe zu der Seligkeit / die niemand ge - rewet / die Trawrigkeit aber der Welt wircket den Tod. ()

DAs wahre Chriſtenthum̃ ſiehet allein im reinen Glaubẽ / in der Liebe vnd heiligen Leben. DieWoher ein heili - ges Lebẽ. Heiligkeit aber des Lebens koͤmpt aus wahre Buſſe vnd Rewe / vnd aus Er -O vkentnis192Wahrer Rewekentnis ſein ſelbſt / daß ein Menſch taͤg - lich ſeine Gebrechen erkennen lernet / vnd dieſelben taͤglich beſſert / vnd durch den Glauben der Gerechtigkeit vnnd Heiligkeit Chriſti theilhafftig wird / 1. Corinth. 1.

Soll nun daſſelbige geſchehen / ſoFurcht Gottes. muſtu / lieber Chriſt / ſtets in kindlicher vntertheniger Furcht Gottes leben / vñ in deinem Gemuͤte nicht allzu frey ſeyn zu thun / was deinem Fleiſch wolgefelt / Wir habẽ wol alles macht / ſpricht S. Paulus / aber es nuͤtzet nit alles / 1. Co - rinth: 6. das iſt / Es beſſert nicht alles: Gleich wie ein Kind im Hauſe nit al - les thun muß aus eigener Freyheit was jhm gutduͤncket / ſondern muß ſich fuͤr dem Vater fuͤrchten / vnd ein Auge ha - ben auff ſeinen Wolgefallẽ: Alſo auch ein wahrer Chriſt vnnd Kind GOttes muß bewaren ſeine Sinne in Chriſt - licher Zucht / nichts reden noch thun ohne Gottesfurcht / Wie ein wolgezo - genes vnd furchtſames Kind zuuor denVater193beſſert das Leben. Vater anſihet / wenn es etwas reden oder thun wil / vñ mit furcht alles thut.

Die meiſten Leute ergeben ſich der zeitlichen Freude ohne alle Gottes - furcht / beſſer iſt es ſtetige Furcht Got - tes im Hertzen haben / denn ſtetigeFrende der Wat tilget die Furcht Gottes. Weltfreude. Denn dieſe Furcht Got - tes iſt ein Vrſprung vieler Andacht / vnnd vieler Weißheit / Aber durch die leicht fertige Freude dieſer Welt ver - leuret man die goͤttliche Weisheit / alle Andacht / alle Furcht Gottes.

Durch taͤgliche Rew vnd ToͤdtungEernewe - rung des Menſchẽ vnnd der - ſelben Frucht. des Fleiſches / wird der Menſch taͤglich ernewert / 2. Corinth. 4. Ob vnſer euſ - ſerlicher Menſch verweſet / ſo wird doch der innerliche teglich ernewert / vñ brin - get goͤttliche himliſche Freude mit ſich / da hinwieder der Welt Freude Traw - rigkeit gebieret / vñ einen boͤſen WurmGroſſer Schade der Seelẽ aus der Welt fr[ew]de. im Hertzen. Wenn der Menſch wuͤſte den groſſen Schaden ſeiner Seelen vñ den groſſen Verluſt der himliſchẽ Ga - ben / ſo jhm widerfehret durch Wolluſt des Fleiſches / vnd dieſer Welt freude /er foͤrch -194Wahre Reweer foͤrchte ſich / vnd erſchrecke fuͤr aller Welt Freude.

Zwey Ding ſind / wenn ein Menſch die recht bedencken / vnd in ſeinem Her - tzen betrachtẽ moͤchte / ſo wuͤrde er von der Welt Freude nimmer froͤlich / vnd von zeitlichem Vngluͤck nimmermehrEwige Pem vnd ewige Freude was ſie wircken. traurig werden: Das erſte iſt die ewige Pein der Verdampten. So dieſe ewige Pein im Hertzen recht betrachtet wird / ſo leſſet ſie einen Menſchen nimmer -Warumb ein Mẽſch nichtrecht heilſam traurig oder froͤ - lich wird. mehr froͤlich werden / vnd das darumb / weil ſie ewig iſt. Dz ander iſt die ewige Freude des ewigen Lebens. So das Hertz dieſelbige recht begreifft / ſo leſſet ſie den andechtigen Menſchen von kei - nem vngluͤck dieſer Welt betruͤbt wer - den / vnd das darumb / weil ſie ewig iſt. Aber die leichtfertigkeit vnſers Hertzen machet / daß wir dieſer keines recht be - dencken / darumb koͤmpt ſelten weder heilſame Rewe vnd Traurigkeit / noch heilſame himmeliſche Freude in vnſer Hertz.

Ein195beſſer das Leben.

Ein Chriſt ſoll ſich keines zeitlichenWarumb man ſich frewen o - der betruͤ - ben ſoll. Dinges allzu ſehr frewen / ſondern Gottes / vnd des ewigen Lebens. Er ſoll ſich auch vber kein zeitlich Ding allzu ſehr betruͤben / aber vmb eine verlorne Seele / die ewig verloren iſt / wol ſein lebetag zu trawren. Denn das zenliche Gut der Chriſten kan nicht verloren werden / man findets tauſentfeltig im ewigen Leben wieder / aber eine verlor - ne Seele wird weder hie noch dort wie - der gefunden.

Selig iſt der Menſch / der alſo recht goͤttlich traurig / vnd recht geiſtlich vndGoͤttlich trawrig vnd goͤtt - lich froͤ - lich. himliſch froͤlich ſeyn kan. Wir lachen offt leichtfertig / vnd vppig / da wir bil - lich weinen ſolten. Es iſt keine wahre Freyheit noch Freude / deñ in ď Furcht Gottes mit einem gutẽ Gewiſſen. Ein gut Gewiſſen aber kan ohne den Glau - ben / vnnd ohne ein heilig Leben nicht ſeyn: Der Glaub vnd die goͤttliche Rew durch den heiligen Geiſt beſſern des Menſchen Gebrechen taͤglich. Wer taͤglich ſeine Gebrechen nicht beſſert /der196Wahre Reweder verſeumet das allerbeſte in dieſemHmderuͤg des reichs Gottes. Leben / vnd wiederſtrebet der newẽ Ge - burt / vnd hindert das Reich Gottes in jhm ſelbſt / vnd kan von der Blindheit ſeines Hertzens nicht erloͤſet werden.

Weiſer vñ kluger Menſch.

Der iſt ein weiſer vñ kluger Menſch / der mit Fleiß alles fleucht vnd meidet / was da hindert die Befſerung ſeiner Gebrechen / vnd das Zunemen in den himmeliſchen Gaben. Selig iſt der Menſch / der vermeiden lernet / nicht al - lein was ſeinem Leibe vnd Gute ſchaͤd - lich iſt / ſondern viel mehr was ſeiner Seelen ſchaͤdlich iſt / vnd dieſelbige be - ſchweret.

Lerne maͤnnlich ſtreiten / denn eine lange vnnd boͤſe Gewonheit kan vber - wunden werden mit einer guten Ge - wonheit. Denn S. Paulus ſpricht zun Roͤmern am 12. Las dich nit das Boͤſe vberwinden / ſondern vberwinde dasWie ein Menſch taͤglich muß ge - beſſert werden. Boͤſe mit Gutem. Der Menſch kan wol gebeſſert werden / wenn er nur ſeine Augen vnd gedancken auff ſich ſelbſt wendet / auff ſeine eigene gebrechen /vnd197beſſert das Leben. vnd nicht auff andere Leute. Sihe dich allemal immer ſelbſt an / ehe du andere vrtheileſt / vnd vermahne dich ſelbſt / ehe du andere deine liebſte Freunde ſtraf - feſt.

Lebeſtu nun in goͤttlicher Traurig - keit vnd ſteter Rewe / vnd wirſt daruͤber verachtet / haſt nicht viel gunſt vnter den Leuten / trawre nicht darumb / ſon -Warumb ein Chriſt trawren ſoll. dern darumb trawre / daß du ein Chriſt genennet biſt / vnd kanſt nicht ſo Chriſt - lich leben / als du ſolteſt / daß du Chriſti Namen tregeſt / vnd thuſt doch nit viel Chriſtlicher Wercke. Es iſt dir gut vnd heilſan: / daß dich die Welt betruͤbet / denn ſo erfrewet dich GOtt. Ich der Herr wohne im Himmel / im Heilig - thumb / vnd zerbrochenen Hertzen / daß ich jhren Geiſt erquicke / Eſa. 57.

Gottes Freude vnd der Welt FreudeGottes Freude vñ der Welt Freude wider ein - ander. ſind gar wieder einander / vnd koͤnnen zugleich auff einmal in den Hertzen ſchwerlich ſeyn / ja es iſt vnmuͤglich / denn ſie haben vngleichen Vrſprung. Der Welt freude wird in guten Tagengebo -198Wahre ReweHimliſche Freude in der Truͤb - ſal. In Truͤb - ſal ſich frewen iſt vberna - tuͤrlich.geboren / vnnd die himliſche Freude in der Truͤbſal.

Es iſt nicht natuͤrlich / daß ſich ein Menſch in der Truͤbſal frewen koͤnne / Als Sanct Paulus ſpricht 2. Corinth. 6. Als die Trawrige / vnd doch allezeit froͤlich / Als die Sterbenden / vnd doch nicht ertoͤdtet / als die Armen / vnd die doch viel reich machen / aber die GnadeActor. 5. Gottes beſſert die Natur / darumb freweten ſich die Apoſtel / daß ſie wir - dig wuͤrden / etwas zu leiden vmb des Namen Jeſu willen.

Truͤbſal eines Chri ſtẽ freude.

Ein Chriſt iſt eine newe Creatur / dem Truͤbſal eine Freude iſt / Wir ruͤh - men vns der Truͤbſal / Rom. 8. Den al - ten Menſchen betruͤbet die Truͤbſal / den newen Menſchẽ erfrewet ſie. Es iſt die himliſche Freude viel edler denn die irrdiſche Freude. Die Schmach vnnd Verachtung Chriſti iſt einem Chriſten eine freude / Wir aber ſind ſelbſt ſchuͤl - dig daran / daß wir die himliſche Freude ſo ſelten empfinden / weil wir ſo ſehr an der Welt Freude hangen.

Ein199beſſert das Leben.

Ein recht demuͤtig Menſch achtetEin recht Demuͤti - ger. ſich wirdig viel Leidens vñ Betruͤbnis / aber Gottes Troſtes achtet er ſich nit werht / je mehr er aber ſich deſſẽ mit de - muͤtigem zubrochenem Hertzen vnwir - dig achtet / je meher jhn GOtt ſeines Troſtes wirdiget / je mehr ein Menſch ſeine Suͤnde berewet / je weniger Troſt hat er an der Welt / ja je bitterer vnnd ſchwerer jhm die gantze Welt wird vnd iſt.

Wenn ein Menſch ſich ſelbſt rechtMehr vr - ſach zu wemen dẽ zu lachen / zu trawrẽ denn zu frewen. anſihet / ſo findet er mehr Vrſach zu trawren / denn ſich zu frewen / vnd weñ er anderer Leute Leben recht anſihet / ſo findet er mehr vrſach vber ſie zu weinẽ denn ſie zu neiden. Warumb weinete der Herr vber Jeruſalem / die jhn doch verfolgete vnd toͤdtete? Ire Suͤnd vnd Blindheit war die Vrſach ſeines wei - nens: Alſo die groͤſſeſte Vrſach zu wei - nen ſol vnſere Suͤnde ſeyn / vñ die Vn - busfertigkeit der Leute.

Gedecht ein Menſch ſo offt an ſei - nen Tod / vñ wie er fuͤr Gerichte muß /Erſter Theil Pſo offt200Wahre Rewſo offt er an ſein Leben gedencket / das er dz erhalten moͤge / er were mehr trau -vrſach der beſſerung rig / vnd wuͤrde ſich ernſtlicher beſſern: bedechte ein Menſch die Hellepein / es wuͤrde jhm alle Luſt dieſer Welt verge - hen / vnd in eine groſſe Bitterkeit ver -vrſach der Gedult. wandelt werden / vnd gegen der ewigen Pein wuͤrde jhm das groͤſſeſte Leidẽ in dieſer Welt ſuͤſſe werden. Dieweil wir aber die Schmeichelung des Fleiſches ſo lieb haben / ſo werden wir nit mit ſol - cher bruͤnſtiger Andacht entzuͤndet.

In Summa / das muß ein Chriſt ler -Des Flei - ſches Lebẽ des Gei - ſtes Tod. nen / iſt ſeinem Leibe wol / vnd lebet der - ſelbige in Freuden / das iſt des Geiſtes Tod. Creutziget er aber den Leib ſampt den Luͤſten vnd Begierden / ſo lebet der Geiſt. Eines iſt hie des andern Todt. Soll der Geiſt leben / ſo muß der Leib geiſtlich ſterben / vñ geopffert werdẽ zu einem lebendigen Opffer / Rom. 12.

Das ge - luͤndeſte Brot.

Alle Heiligen haben võ Anfang alſo gelebet / ſie haben mit Danckſagung jr Threnenbrot geſſen / vnd mit Freuden jhren Threnentranck getruncken / wieDavid201beſſert das LebenDavid ſpricht im 80. Pſalm: Du ſpei - ſeſt mich mit Threnenbrot / vñ trenckeſt mich mit groſſem Maß voll Threnen. Item / Pſalm. 42. Meine Threnẽ ſind meine Speiſe Tag vnd Nacht / daß ich vergeſſe das Brot zu eſſen.

Solch Threnenbrot machet der Glaube ſuͤſſe / vnnd ſolcher Threnen -Threnen - tranck. tranck wird gepreſſet auß der zarten Weintrauben der audaͤchtigen Hertzẽ durch wahre Buſſe / vñ dz iſt die Rew zur Seligkeit / die niemand gerewet.

Im Gegentheil wircket die Traw - rigkeit dieſer Welt den Tod / ſpricht S. Paulus. Dieſer Welt Trawrigkeit2. Cor. 7. Frucht der Welt Trawrig - keit. koͤmpt her auß Verluſt zeitlicher Ehre vnd zeitlicher Guͤter / daruͤber viel Leute in ſolche Trawrigkeit gerahten / dz ſie ſich ſelbſt erhencken vnd erſtechen / der Exempel ſind mechtig viel geſchehen vnter den Heyden. Chriſten aber ſol - tens ja beſſer wiſſen. Was ſolte der Verluſt zeitlicher Guͤter einen Men - ſchen vmb das Leben bringen / da dochP ijdas202Wahre RewFrucht der Welt Trawrig - keit.das Leben beſſer iſt denn alle Guͤter der Welt?

Trawre nicht vmb den Verluſt zeit - licher Guͤter / ſondern vmb den verluſt des ewigen Gutes. Die zeitliche Guͤ - ter beſitzen wir doch eine kleine weile / vnd im Tode werden wir derſelbigen alle beraubet werden / Im Tode werdẽ wir alle gleich arm / vnd vnſere Herlig - keit fehret vns nicht nach / Pſalm. 49. Die Schmach des Todes tragen wirWarumb zu trawrẽ. alle am Halſe / Es muß eines Koͤniges Leib ſo wol verfaulen vnd verweſẽ / als eines armen Bettlers Leib. Da iſt ein lebendiger Hund beſſer denn ein todter Loͤwe / ſaget Salomo in ſeinem Predi - ger am 9. Cap. Aber Gott wird die To - desſchmach einmal auffheben von ſei - nem Volck / vnd die Huͤllẽ / damit alle Voͤlcker verhuͤllet ſind / den Tod ver - ſchlingen ewiglich / vnd alle Threnen von vnſern Augen abwiſchẽ / Eſai. 25.

Darumb betruͤbe dich nicht zu ſehr vmb des Zeitlichen willen. Cs iſt diegantze203beſſert das Leben. gantze Welt nit ſo viel werth als deine Seele / fuͤr welche Chriſtus geſtorbẽ iſt. Liebe des Zeitlichen gebieret Trawrig - keit.Liehe auch das Zeitliche nit allzu ſehr / das es dich nicht biß in den Tod betruͤ - be / wenn du es verleureſt / Denn was man allzu ſehr lieb hat / dz betruͤbt allzu ſehr / wenn mã es verleuret / du muſt es doch endlich im Tode verlieren: Labor ſtultorum affliget eos, die Arbeit des Narren wird jhm ſawer / vnnd betruͤbet jhn / ſpricht der Prediger Solomo im 10. Capittel.

Ein Weltkind erwirbet ſeine Guͤ - ter mit groſſer Arbeit / beſitzet ſie mit groſſer Furcht / vnd verleſt ſie mit groſ -Welttraw rigkeit. ſem Schmertzen / das iſt Der Welt Trawrigkeit / die den Tod wircket.

Apoc. 10. ſtehet: Die das Thier ange - betet haben / die haben keine Ruhe: AlſoWoher groſſe Vn - ruhe. die das groſſe ſchoͤne Thier des welt - lich Reichthumbs / vnd jhren beſtiali - ſchen viehiſchen Geitz anbeten / koͤnnen keine Ruhe haben / ſondern viel Plagẽ. Sie ſind gleich dẽ Camelen vñ Maul -Schoͤn Gleichnis thieren / mit welchen man vber die hohẽP iijGebirge204Wahre RewGebirge koͤſtliche Seydenwahr / Edel - geſteine / Gewuͤrtz / vnd koͤſtliche Weine fuͤhret / vnd dieſelbe habẽ viel Traban - ten / die auff ſie warten / vnd bey jhnen herlauffen / weil ſie die Kleinodien tra - gen / aber wenn ſie in die Herberg kom - men / werden die ſchoͤnen buntẽ Deckẽ vnd koͤſtliche Dinge von jhnen genom - men / vnd ſie haben nit mehr dauon als Schlaͤge vnd Striemen / vnnd daß ſie muͤde ſeyn / vnd werden im Stall allein gelaſſen: Alſo hat einer in dieſer Welt / der Seyden vnnd Kron getragen hat / auff den Abend ſeines Abſcheids nicht mehr dauon deñ Striemen vnd Schlaͤ - ge ſeiner ſuͤnde / die er gethan hat durch den Mißbrauch ſeines Reichthumbs / vnnd wenn er noch ſo ein herrlicher Menſch geweſen.

Lerne die Welt ver - laſſen in der Welt

Darumb lerne die Welt verlaſſen / ehe ſie dich verleſt / ſie wird dich ſonſten ſchrecklich betruͤben. Wer in ſeinem Leben in ſeiner Seele die Welt verleſt / ehe er ſie mit ſeinẽ Leibe verlaſſen muß / der ſtirbet froͤlich / vnd kan jhn das Zeit -liche205beſſert das Leben. liche nicht betruͤben. Da die Kinder Iſ -Schoͤn Gleichnis rael jetzt wolten auß Egypten gehen / legte jhn Pharao jm̃er mehr vnd mehr vntraͤgliche Laſt auff / vnd vermeynete ſie zu tilgen: Alſo der helliſche Pharao der Teuffel gibt vns in das Hertz / daß je neher vnſer Ende iſt / je mehr wir vns mit dem Zeitlichen beſchwe - ren / daß er vns ewig vnterdruͤcke vnnd vertilge.

Man kan ja auß dem jrrdiſchenWir brin gen nichts auß dieſer Welt. Reich nichts mitnemen in dz himliſche Reich / auch vnſern eigenen Leib muͤſſẽ wir hinter vns laſſen / biß zur froͤlichen Aufferſtehũg. Es iſt ein ſolcher ſchma - ler Weg zum ewigen Lebẽ / der da alles der Seelen abſtreiffet / was jrrdiſch iſt / Matth. 7. Der Weg iſt eng vñ ſchmal / der zum Leben fuͤhret / vnd wenig iſt jr / die jhn finden. Gleich wie man auff der Thennen den Weitzen vñ Sprew ſcheidet: Alſo geſchichts im Tode / dem Weitzen der gleubigen Seelen werden erſt durch den Tod alle Huͤlſen diſer Welt abgeklopffet / vnd die zeitlichenP iiijGuͤter206Von wahrenGuͤter vnd Ehre ſind als Sprew / die der Wind verſtrewet / Pſal. 1.

Gedencke nun an S. Paulum: Die Trawrigkeit dieſer Welt wircket den Tod / Die goͤttliche Trawrigkeit aber wircket zur Seligkeit eine Rewe / die niemand gerewet / ꝛc.

Das XXI. Capittel. Vom rechten wahren Gottes - dienſt.

Leuit 10. Die Soͤhne Aarons brachten frembd Fewer fuͤr den HERRN / da fuhr Fewer auß von dem HERRN / vnd verzehret ſie. ()

D frembde Fewer bedeutet ei - nen falſchen Gottsdienſt / deñ es iſt nit geweſt von dem Few - er / ſo ſiets auff dem Altar brante / denn das hatte Gott befohlen zu gebrauchen zu Anzuͤndung der Opffer. Weil nun die Soͤhne Aarons wider Gottes Be -fehl207Gottesdienſt. fehl theten / ſtraffet ſie Gott mit einem Rachfewer / welches ſie verbrante.

Da ſehen wir den Ernſt Gottes / ſo er geuͤbet hat vmb des frembdẽ Fewers willen / vnnd will vns damit fuͤrbilden den falſchen Gottesdienſt aus eigenerFalſcher Gottes - dienſt. Andacht / vnd ſelberwehlter Heiligkeit vnd Geiſtligkeit / welche Gott nit gebo - ten noch befohlen / damit jhm auch nit gedienet wird / ſondern erreget nur ſei - nen Eiffer / Zorn vnd Rache / welches iſt ein verzehrendes Fewers.

Nun iſt von noͤhten / daß wir wiſſen / was der rechte Gottesdienſt ſey / auff daß vns nicht dergleichen wiederfahre. Straffe des falſchẽ Gottes - dienſts.Denn das Gott den falſchen Gottes - dienſt im altẽ Teſtament geſtraffet mit zeitlichem Fewer / iſt eine Bedeutung in das newe Teſtament / daß Gott da - ſelbſt den falſchen Gottesdienſt mit ewigen Fewer ſtraffen wolle / vnd auch zeitlich mit Blutuergieſſen / Verwuͤ - ſtung Land vnnd Leute / welches ein ſchrecklich Fewer iſt / durch den Zorn Gottes angezuͤndet.

P vWenn208Von wahrem

Wenn wir aber nun verſtehen wol - lẽ / welches der rechte Gottesdienſt ſey / muͤſſen wir alt vnnd newe Teſtament gegẽ einander halten / ſo wird ſichs aus der Collation vnd Vergleichung fin - dẽ: Jener euſſerlicher figuͤrlicher Got - tesdienſt war ein Vorbilde vnd Zeug - nis des Meſſiæ / in den euſſerlichen Ce - remonien / welche ſie verrichten muſten nach dem klaren Buchſtaben des Ge - ſetzes. In welchẽ wunderlichen Bilden vnd Figuren / die gleubigen Juͤden den Meſſiam gleichſam von ferne geſehen / an jn gegleubet / vnd nach der Verheiſ - ſung durch jhn ſelig worden ſeyn. Vn -Wahrer Gottes - dienſt. ſer Gottesdienſt im newen Teſtament iſt nicht mehr euſſerlich / in ſiguͤrlichen Ceremonien / Satzungen vnd Zwang / ſondern innerlich im Geiſt vnd War - heit / das iſt / im Glauben an Chriſtum / weil durch jhn das gantze Moraliſche vnd Ceremonialiſche Geſetz erfuͤllet / Tempel / Altar / Opffer / Gnadenſtuel vnd Prieſterſthum̃. Dadurch wir auch in die Chriſtliche Freyheit geſetzt ſeyn /erloͤſet209Gottesdienſt. erloͤſet vom Fluch des Geſetzes / Gal. 3. von allen Juͤdiſchẽ Ceremonien / Gal. 5. Daß wir auch durch die Einwonung des heiligen Geiſtes / GOtt mit frey - willigem Hertzen vnnd Geiſt dienen koͤnnen. Jerem. 31. Rom. 8. vnd vnſer Gewiſſen vnd Glaube an keine Men - ſchenſatzungen gebunden iſt.

Es gehoͤren aber zum wahren geiſt - lichon innerlichẽ Chriſtlichen Gottes -Wahre Gottes - dienſt in dreyen Stuͤcken. dienſt drey Stuͤck: 1. Recht Erkentnis Gottes. 2. Wahre erkentnis der Suͤn - de vnd Buſſe. 3. erkentnis der Gnaden vnd Vergebung der Suͤnde. Vnd die drey ſind eins / gleich wie Gott einig vñ dreyfeltig iſt: Alſo ſtehet auch der ware Gottesdienſt in einem vñ dreyen / oder in dreyen Stuͤcken die eins ſind. Denn in dem einigen Erkentnis Gottes ſte - het Buſſe vnd vergebung der Suͤnde.

Nun ſtehet Gottes Erkentnis im Glauben / welcher Chriſtum ergreiffet / vnd in jhme vnd durch jhn Gott erken - net / Gottes Allmacht / Gottes Liebe vñ Barmhertzigkeit / Gottes gerechtig -keit /210Von wahremWas Got ſey.keit / Warheit vnd Weißheit / vnd das alles iſt Gott ſelbſt. Was iſt GOtt? Nichts denn eitel Allmacht / nichts deñ eitel Liebe vnd Barmhertzigkeit / nichts denn eitel gerechtigkeit / Warheit vnd Weißheit / vnd alſo auch von Chriſto vnd dem heiligen Geiſte.

Nun iſt aber Gott alſo fuͤr ſich nicht allein / ſondern in ſeinem gnedigen wil - len in Chriſto / gegen mich iſt er auch alſo: Er iſt mein Allmechtiger Gott / er iſt mein barmhertziger GOtt / er iſt mir vnd meine ewige Gerechtigkeit / in ſeiner Gnade / gegen mich vnd in Ver -Wahre Erkent - nis Got - tes. gebung meiner Suͤnde / Er iſt mir die ewige Warheit vnd Weißheit. Alſo Chriſtus mein Herr iſt mir die ewige Allmacht / mein allmechtiges Haupt vnnd Fuͤrſte des Lebens / Er iſt mein barmhertziger Heyland / vnnd mir die ewige Liebe / er iſt mein ewige Gerech - tigkeit / Warheit vnd Weißheit. Denn Chriſtus iſt vns gemacht von Gott zur Gerechtigkeit / Weißheit / Heiligung vnd Erloͤſung / 1. Cor. 1. Vnd alſo auchvom211Gottesdienſt. vom H. Geiſt / er iſt meine ewige Liebe / gerechtigkeit / warheit vnd weißheit / ꝛc.

Diß iſt nun Gottes Erkentnis / ſo imLebendig erkentnis Gottes iſt nicht ein bloſſes wiſſen. Glauben ſtehet / vnd iſt nicht ein bloß Wiſſen / ſondern eine froͤliche / freudige lebendige zuuerſicht / dadurch ich Got - tes Allmacht an mir kraͤfftiglich vnnd troͤſtlich empfinde / wie er mich helt vnd tregt / wie ich in jm lebe / webe vnd bin / daß ich auch ſeine Liebe vnnd Barm - hertzigkeit an mir fuͤhle vnd empfinde. Iſts nit eitel Liebe / daß Gott der Va - ter / Chriſtus / vnd der heilige Geiſt an Dir / Mir / vnnd an vns Allen thut? Sihe / iſt das nicht eitel Gerechtigkeit was Gott an vns beweiſet / daß er vns errettet von der Suͤnde / Todt / Helle vnnd Teuffel? Iſts auch nicht eitel Warheit vnd Weißheit?

Sihe / das iſt der Glaube / ſo in le -Glaube iſt eine Krafft Gottes. Roin. 1. bendiger troͤſtlicher Zuuerſicht ſtehet / nicht im bloſſen Schall vnnd Wort. Vnd in dieſem erkentnis Gottes / oder in dieſem Glauben muͤſſen wir nun taͤglich als Kinder Gottes wachſen /daß212Von wahremdas wir immer voͤlliger darinnen wer -Epheſ. 3. den. Darumb Sanct Paulus dieſen Wundſch thut / daß wir nur moͤchten die Liebe Chriſti kennen / die alle erkent - nis vbertrifft: Als wolte er ſprechẽ: An dieſem einigen Stuͤcke / an der Liebe Chriſti hetten wir wol vnſer lebenlang zu lernen: Nicht / daß wir dahin allein ſetzen ſollen / daß es bey der bloſſen Wiſ - ſenſchafft der Liebe Chriſti bleibe / ſo vber die gantze Welt gehet / ſondern daß wir auch derſelbigẽ Suͤſſigkeit / Krafft vnd Leben in vnſerm Hertzen im Wort vnd Glauben ſchmecken / fuͤhlen vñ em - pfindẽ. Denn wer kan die Liebe Chriſti recht erkennen / der ſie nit geſchmecket hat? Wer kan denn wiſſen / was ſie ſey / der ſie nie empfunden hat? Wie die E - piſtel an die Ebr. am 6. ſpricht: Die ge - ſchmecket haben die himliſchen Gaben / das guͤtige Wort / vnd die Kraͤffte der zukuͤnfftigen Welt. Welches alles durchs Wort im Glauben geſchicht. Vnd das iſt das außgieſſen der Liebe Gottes in vnſer Hertz durch den heiligẽGeiſt /213Gottesdienſt. Geiſt / Rom. 5. welches iſt die Frucht vnd Krafft des Worts Gottes. VndLebendt - ge Erkent nis Got - tes. das iſt die rechte Erkentnis Gottes / ſo aus erfahrung gehet / vnd im lebendi - gen Glauben ſtehet. Darumb die Epi - ſtel an die Ebreer den Glauben eine Subſtantz nennet / ein Weſen vnd vn - leugbare Vberzeugung. Vnd das iſt ein Stuͤck von dem innerlichen geiſtli - chen Gottesdienſt die Erkentnis Got - tes / die da ſtehet in lebendigem Glau -Glaube was? ben / vnd der Glaube iſt eine geiſtliche / lebendige / himliſche Gabe / Liecht vnd Krafft Gottes.

Wenn nun dieſe wahre Erkentnis Gottes vorher gehet / durch welchs ſich Gott vnſer Seelen gleichſam zu koſten vnd zu ſchmecken gibt / wie der 34. Pſal. ſpricht: Schmecket vñ ſehet wie freund - lich der Herr iſt / So kans nicht feh -Gottes le - bendig er - kentnis en dert das Gemuͤt vñ pflantzet die Tu - gend. len / es folget wahre Buſſe darauff / das iſt / Enderung vnd Ernewerung des ge - muͤts / vnd Beſſerung des Lebens. Deñ wenn einer Gottes Allmacht recht ge - fuͤhlet vñ erkant hat in ſeinem Hertzen /ſo fol -214Von wahremDemut.ſo folget Demut daraus / daß man ſich vnter die gewaltige Hand Gottes de -Barmher tzigkeit. muͤtiget. Wenn einer Gottes Barm - hertzigkeit recht gekoſtet vñ erkant hat /Liebe. ſo folget Liebe daraus gegẽ dem Nech - ſten. Denn es kan niemand vnbarm - hertzig ſeyn / ď Gottes Barmhertzigkeit recht erkennet. Wer kan ſeinem Nech - ſten etwas verſagen / dem ſich Gott aus Barmhertzigkeit ſelbſt mittheilet? AusGedult. Gottes erbarmung folget die hohe ge - dult gegen dem Nechſten / daß wenn ein rechter Chriſt des Tages ſiebenmal er - mordet wuͤrde / vnnd wuͤrde ſiebenmalVerge - bung. wider lebendig / ſo vergebe ers doch ſei - nem Feinde vmb der groſſen Barm -Rewe. Dan. 9. Pſal. 130. vnd 143. hertzigkeit Gottes willen. Aus Got - tes gerechtigkeit fleuſt Erkentnis der Suͤnde / daß wir mit dem Propheten ſagen: Herr du biſt gerecht / wir aber muͤſſen vns ſchemen. Gehe nit in das Gerichte mit deinem Knechte / deñ fuͤr dir iſt kein Lebendiger gerecht. Herr wenn du wilt Suͤnde zurechnen / wer kan beſtehen? Aus erkentnis der War -heit215Gottesdienſt. heit Gottes fleuſt Trew gegen dem Ne -Trewe. heſten / vnd vertreibet alle Falſchheit / Betrug vnd Luͤgen / daß ein Chriſt den - cket: Sihe / handelſtu vnrecht mit dei - nem Nechſten / ſo beleidigeſtu die ewige Warheit Gtttes / die GOtt ſelbſt iſt / Darumb weil Gott trewlich vnd war - hafftig mit dir handelt / ſo handel mit deinem Nechſtẽ auch alſo. Auß der Er - kentnis der ewigen Weißheit GottesGottes - furcht. fleuſt GOttes Furcht. Denn weil du weiſt / das Gott ein Hertzẽkuͤndiger iſt / vnd in das Verborgene ſihet / ſo fuͤrch - teſin dich billich fuͤr den Augen ſeiner heiligen Majeſtet. Denn der das Ohr gepflantzet hat / ſolte der nicht hoͤren /Pſal. 94. Jerem. 23. Eſai. 29. vnd der dz Auge gemacht hat / ſolte der nicht ſehen? Wehe denen / die fuͤr dem Herrn verborgen ſeyn wollen / jhr Thun zu verhelen im Finſtern. Wie ſeyd jhr ſo verkehret / gleich als wenn ein Thon zu ſeinem Meiſter ſpreche / Er kennet mich nicht / vnnd ein Topff zum Toͤpffer / Er hat mich nicht ge machet?

Erſter Theil ODiß216Von wahrem

Diß iſt nun das rechte Erkentnis Gottes / darinn die Buſſe ſtehet / vñ die Buſſe ſtehet in Enderung des Gemuͤ - tes / vnd die Ernewerung des Gemuͤts in Beſſerung des Lebens. Vñ das iſt dz ander Stuͤck des innerlichen wahren Gottsdienſtes / vnd iſt dz rechte Fewer / das man zum Opffer mitbringẽ muß / ſonſt komt der Zorn GOTTes / vnd Rachfewer vber vns.

Diß iſt auch dadurch bedeutet / daß die Prieſter muſten keinen Wein / oderVorbilde der Buſſe ſtaͤrck Getraͤncke trincken / wenn ſie in die Huͤtten des Stiffts giengen / dz iſt /Levit. 10. Wer in die ewigen Huͤttẽ Gottes ein - gehen wil zum ewigen Leben / der muß ſich dieſer Welt Wolluſt / Fleiſches Luſt / vnd alles / dadurch das Fleiſch den Geiſt vberwindet / enthalten / daß das Fleiſch dem Geiſte nit zu ſtarck werde / vnd jhn vberwinde. Dann die Weltlie - be / Wolluſt / Hoffart / etc. Iſt der ſtar - cke ſuͤſſe Wein / damit die Seel vnnd Geiſt vberwunden wird. Gleich wie Noah vnd Loth durch den Wein vber -wunden217Gottesdienſt. wunden wurden / daß ſie ſich entbloͤſſe - ten: Alſo iſt groſſe Ehr / Wolluſt vnndWolluſt ein ſtar - cker Wein Reichthumb ein ſtarcker Wein / der die Seele vnd Geiſt vberwindet / daß man nicht kommen kan in die Wohnung Gottes / zu Gottes Erkentnis vñ Hei - ligthumb / vnd ſo kan man nicht vnter - ſcheiden / was heilig oder vnheilig / rein oder vnrein iſt / das iſt / man verſtehet nichts von goͤttlichen himliſchen Sa - chen / vnd kan ſein Volck nicht recht le -Schoͤner Typus. ren / das iſt / ſein Verſtand vnd Gedan - cken werden vom ewigen Liecht nit er - leuchtet / ſondern iſt vom Wein dieſer Welt vberwunden / vnnd fehret in die ewige Finſternis. Auff dieſe Buſſe / das iſt / auff hertzliche Rew vnnd Leid vber die Suͤnde / vnd auff den wahren Glauben an Chriſtum folget deñ auch Vergebung der Suͤndẽ / die allein ſte - het in dem Verdienſt Jeſu Chriſti / vñ des Verdienſtes kan niemand genieſſẽ ohne Buſſe / darumb geſchicht ohneOhne Buſ[-]ſe[keine] Verge - bung. Buſſe keine Vergebung der Suͤnden / Sehet dẽ Schecher am Creutz an / ſolteO ijer ver -218Von wahremer Vergebung der Suͤnden haben / vñ mit Criſto im Paradeiß ſeyn / ſo muſte er am Creutz Buſſe thun / vnd das ge - ſchahe mit rewendem vnnd gleubigem Hertzen / als er ſprach zu ſeinem Geſel - len: Vnd du fuͤrchteſt dich auch nicht fuͤr Gottes Zorn? Wir empfahen / wz vnſere Thaten werth ſein / vñ ſprach zu Jeſu: Herr gedencke an mich / weñ du in dein Reich koͤmpſt. Da ſehen wir ein rewendes vnd gleubiges Hertz.

Die gnedige Vergebung der Suͤn -Chriſtus erſtatter alles an vnſer ſtat. den / ſo das rewende Hertz im wahren Glaubẽ ergreiffet vñ empfehet / erſtat - ten alles fuͤr Gott / was wir nicht koͤn - nen oder vermoͤgen wieder zu bringen. Da iſt denn Chriſtus mit ſeinem Tode vnd Blut / vnd erſtattet alles / jetzo iſts ſo vollkoͤmlich vergebẽ / als wenn es nie geſchehen were / ja die Bezahlung iſt groͤſſer denn die Schuld: Daher ſagt Dauid Pſalm. 51. Daß ich nicht allein von meinen Suͤnden gereiniget / alſo daß ich ſchneeweiß werde / ſonden weiſ - ſer denn der Schnee. Sintemal ChriſtiBezah -219Gottesdienſt. Bezahlung groͤſſer iſt denn alle meine Suͤnde.

Vnd daher koͤmpts nun / daß GottWarumb Gott der Suͤnden vergiſſet. aller meiner Suͤnde nicht mehr geden - cken wil / wenn ſich der Suͤuder bekeh - ret / Ezech. 18. Denn was vollkoͤmlich vnd vberfluͤſſig bezahlet iſt / ja gantz vñ gar getilget iſt / wie Eſai. am 43. ſtehet / das muß auch vergeſſen werden. Aber das bekehren muß vorher gehẽ / wie der Prophet ſpricht: Waſchet / reinigetEſal. 1. euch / vnd deñ kompt / ſo wollen wir mit einander rechten. Wenn ewer Suͤnde blutrot were / ſol ſie ſchneeweis werdẽ / Als wolte er ſagen: Ihr wollet Verge - bung der Suͤnde haben / iſt recht / Ich habs euch zugeſagt: Aber kompt her / ſpricht er / wir wollẽ mit einander rech - ten. Habe ich euch nicht Buſſe predi - gen laſſen / darnach Vergebung der ſuͤnde. Wo iſt ewre Buſſe? Wo iſt der wahre lebendige Glaube? Iſt das da / wolan / ſo iſt hie Vergebung der ſuͤnde / vnd wenn deine Suͤnde blutrot were / das iſt / ſo tieff gefaͤrbet / vnd ſo groß / dzO iijweder220Von wahremweder Himmel noch Erde tilgen koͤnte / ſo ſol ſie doch ſchneweiß werdẽ / Buſſe / Buſſe iſt die rechte Beichte / haſtu die in deinem Hertzẽ / nemlich wahre Rew vnnd den Glauben / ſo abſolvirt dich Chriſti Blut vnd Tod von alle deinen Suͤnden. Denn das iſt das ſchreyen des vergoſſenen Bluts Jeſu Chriſti zuWahre Abſolu - tion. Gott in Himmel / das iſt die rechte Ab - ſolution.

Diß iſt die rechte Flucht zu den Frey - ſtaͤdten / da man fuͤr dem Blutrecher ſicher iſt / wie Moſes dẽ Kindern Iſrael ausſonderte drey Freyſtaͤdte / Deut. 4. Bezer / Ramoth vnd Golan / dz dahin flohe / wer ſeinen Nechſten vnuerſehens hatte todt geſchlagen / vñ weñ er dahin kam / war er fuͤr dem blutrecher ſicher.

Aber / OGott / wie offt ſchlagen wirGeiſtli - cher Tod - ſchlag. vnſern Nechſten vnuerſehens todt mit der Zungen / mit den Gedancken / mit Haß vnd Neid / mit Zorn / Rachgier vñ Vnbarmhertzigkeit. Laſſet vns fliehen durch die flucht der goͤttlichen Rewe vñ des Glaubens zu den Freyſtaͤdten derGnade221Gottesdienſt. Gnade vnd Barmhertzigkeit Gottes / vnd zu dem heiligen Creutz des Herrn / zu ſeinem thewren Verdienſt / da wer - den wir die rechte Freyſtadt finden / dz vns der Blutrecher nicht ergreiffe / vñ vns mit dem Maß wider meſſe / damit wir gemeſſen haben. Denn Chriſtus iſtGeiſtliche Deutung der Juͤdi - ſchen Frey ſtaͤdte. durch jene Freyſtaͤdte bedeutet worden: Denn Bezer heiſt ein feſter Thurn / turris munita, Chriſtus iſt der rechte Bezer / ein feſter Thurn / der Name des Herrn iſt ein feſtes Schloß / der Ge - rechte leufft dahin / vñ wird beſchirmet / Prouerb. 18. Das iſt der Name Jeſus. Ramoth heiſt hoch erhaben / Chriſtus iſt auch der rechte Ramoth / hoch erha - ben / der allerhoͤchſte / in ſeinem Namen bengen ſich alle Knie im Himmel vnd auff Erden / vnd vnter der Erden / Phi - lip. 2. Golan heiſt ein hauffe der Men - ge / Chriſtus iſt auch der rechte Golan / vberhaͤufft mit viel Gnade vnd Verge - bung / Pſal. 130. Reich vñ barmhertzigEſat. 55. Pſal. 130. vber alle / die ſeinen Namen anruffen / Rom. 10.

O iiijVnd222Von wahrem

Vnnd diß iſt das dritte Stuͤck des rechten innerlichen / geiſtlichen / wahrẽ Gottesdienſts / der da fleuſt auß erkent - nis Gottes / vnd auß dem wahren Er - kentnis Gottes Buſſe / vnnd auß der Buſſe Vergebung der ſuͤnde. Diß ſind wol drey / aber in Warheit eins / deñ diß iſt das einige wahre Erkentnis Gottes.

Geiſtliche Deutung warumb Prieſter vom Opf - fer eſſen muſten.

Vnd ſolch dritte Stuͤck iſt darin ab - gebildet / daß die Prieſter haben vom Offer eſſen muſſen / das iſt / das anne - men des Todes vñ Bluts Chriſti durch den Glauben / vnd daß es an heiliger Staͤte hat muͤſſen gegeſſen werden / dz iſt / die Buſſe. Denn der Glaube in Krafft des Blutes Chriſti machet dich fuͤr Gott ſo heilig / als weñ du nie keineLevit. 10. E Zech. 18 & 33. Suͤnde gethan hetteſt / dz iſt die heilige Staͤte / wie der Porphet ſpricht: Weñ ſich der Gottloſe bekehret / ſo ſol es jn nicht ſchaden / daß er gottloß geweſt vnd aller ſeiner vorigen Suͤnde ſolle[n]Moſis Geſetz vñ Opffer in den Geiſt verwan - delt.nicht mehr gedacht werden.

Sihe / alſo iſt Moſis Geſetz nun in den Geiſt vnd innerlich heilig newesLeben223Gottesdienſt. Leben verwandelt / vnd Moſis Opffer in die wahre Buſſe / dadurch wir Gott vnſer Leib vnd Seele opffern / auch jm ein ſchuͤldiges Danckopffer bringen / vnd jm allein die Ehre geben / ſeines ge - offenbarten erkentnis der Bekehrung / der Rechtfertigung / der vergebung der Suͤnde / auff daß GOtt alles allein bleibe / ſeine Gnade recht erkant / vnd mit danckbarem Hertzen vnd Munde gelobet vñ gepreiſet werde in Ewigkeit. Vnd das iſt der rechte wahre Gottes - dienſt: Mich. 6. es iſt dir geſagt Menſch was gut iſt / vnd was der Herr von dir fordert / nemlich Gottes Wort halten / Liebe vben / vnd demuͤtig ſeyn fuͤr dem Herrn deinem Gott. Ach wenn wol - len wir doch denn nun Buſſe thun / auff daß wir zur Vergebung der Suͤnde kommen moͤgen? Denn zu Vergebung der Suͤnde kan man nicht kommen ohne Buſſe. Wie kan doch Suͤnde ver - geben werden / wenn nit goͤttliche gna - denhungerige Rewe vber die Suͤnde da iſt? Wie kan aber bey dem Rew vber dieO vSuͤnde224Von wahremSuͤnde ſeyn / der die Suͤnde nit laſſen wil / vnd ſein Leben endern. Gott bekere vns alle vmb Chriſti willen.

Wahrer Gottes - dienſt im Hertzen / nicht euſ - ſerlich.

Alſo verſteheſtu nun / daß der wahre Gottesdienſt ſtehet im Hertzen / im Er - kentnis Gottes / in wahrer Buſſe / da - durch das Fleiſch getoͤdtet / vnnd der Menſch zum Bilde Gottes wieder er - newert wird. Denn dadurch wird der Menſch zum heiligen Tempel Gottes /Wahrer Gottes - dienſt im Geiſt. in welchem der innerliche Gottesdienſt durch den heiligẽ Geiſt verrichtet wird / Glaube / Liebe / Hoffnung / Demut / Gedult / Gebet / Danckſagung / Lob vnd Preiß Gottes.

Warumb es Gottes dienſt heiſ ſe.

Nicht heiſſets aber darumb ein Got - tesdienſt / daß Gott vnſers dienſtes be - duͤrffe / oder daß er Nutzen dauon hette: Sondern ſo barmhertzig vnd guͤtig iſt er / daß er ſich ſelbſt vns mit alle ſeinem Gute gerne mittheilen wolte / in vns le - ben / wircken / vnd wohnen / wenn wir jhn durch ſeine Erkentnis / durch den Glauben vnd wahre Buſſe auffnemenwolten /225Gottesdienſt. wolten / daß er ſeine Werckſtat in vns haben moͤge.

Denn es gefallen jm keine Wercke /Welche Werck Gott ge - fallen. die er nicht ſelbſt in vns wircket. Dar - umb hat er vns befohlẽ Buſſe zu thun / Gleuben / Beten / Faſten / auff daß wir / vnd nicht er Nutz dauon hetten. Denn Gott kan niemand geben oder nemen / from̃en oder ſchaden. Sind wir from / der Nutz iſt vnſer. Sind wir boͤſe / der Schade iſt vnſer. Wenn du gleich ſuͤn - digeſt / was wiltu Gott damit ſchaden?

Daß vns aber Gott jhm dienen heiſ -Weñ wir Gott von Hertzẽ die nen / iſt der Nutz vn - ſer / vnd nicht Got - tes. ſet / thut er nicht ſeinet wegen / ſondern vnſert wegen. Denn weil Gott ſelbſt die Liebe iſt / ſo thut man jhm einen Dienſt daran / vnd gefellet jhm wol / ſo er viel findenmag / die ſeiner Liebe ge - nieſſen moͤgen / denen er ſich kan mit - theilen. Gleich wie ein Kindlein der Mutter einen Dienſt daran thut / weñ es jhr die Milch außſauget / vnd das alles aus Liebe. Viel milder begnadet Gott ſeine diener vnd Liebhaber.

Das226Ein Chriſt wird

Das XXII. Capittel. Ein wahrer Chriſt kan nirgend an er kant werden / denn an der Liebe vnd taͤg - lichen Beſſerung ſeines Lebens / wie ein Baum an ſeinen Fruͤchten.

Pſalm. 92. Der Gerechte wi[rd]gruͤnen wie ein Palmbaum / er wird wachſen wie ein Cede[r]auff dem Libano / die gepflan - tzet ſind in dem Hauſe des HErrn / werden in den Vor - hoͤfen vnſers Gottes gruͤnen / vnd wenn ſie gleich alt werdẽ / werden ſie dennoch bluͤhen / fruchtbar vnd friſch ſeyn / daß ſie verkuͤndigen / daß der HErr ſo fromb iſt / mein Hort / vnd iſt kein vnrecht an jhm. ()

NIcht der Name / ſondern ein Chriſtlich Leben beweiſet einẽ wahren Chriſten / vnd wer einrechter227an der Liebe erkant. rechter Chriſt ſeyn wil / ſol ſich befleiſſi - gen / daß man Chriſtum ſelbſt in jhmChriſtus muß in ei - nem Chri - ſten geſpuͤ ret werdẽ. ſche an ſeiner Liebe / Demut vñ freund - ligkeit. Denn niemand kan ein Chriſt ſeyn / in welchem Chriſtus nicht lebet. Ein ſolch Lebẽ muß von innen aus dem Hertzen vnd Geiſt gehen wie ein Apffel aus der innerlichen gruͤnenden Krafft des Baumes. Denn der Geiſt Chriſti mus das Leben regieren / vnd Chriſto gleichfoͤrmig machen / wie S. Paulus Rom. 8. ſpricht: Welche der Geiſt Got - tes treibet / die ſind Gottes Kinder / wer den Geiſt Gottes nicht hat / der iſt nit ſeyn. Was nun fuͤr ein Geiſt den Men - ſchen inwendig treibet vnd beweget / ſo lebet er außwendig / darumb zu einem rechtem Chriſtlichen Leben der heilige Geiſt hoch von noͤhten iſt. Denn einEin ſeg - lich Leben gehet aus dem Geiſt Luc. 11. Cit. 3. jeglich Leben gehet aus dem Geiſt / es ſey gut oder boͤſe / darumb hat vns der Herr befohlen vmb den heiligen Geiſt zu bitten / vnd er hat vns denſelbigen verheiſſen / vnd er iſt der Geiſt der newẽ Geburt / der vns in Chriſto lebendigmachet228Ein Chriſt wirdmachet zu einem newen geiſtlichẽ him - liſchen Leben. Aus demſelbigen immer gruͤnenden lebendigen Geiſt GOttes muͤſſen herfuͤr bluͤhen die Chriſtlichen Tugenden / daß der Gerechte gruͤnetGeiſtli - cher Palm baum. wie ein Palmbaum / vnd waͤchſet wie ein Ceder auff dem Libano / die der Herr gepflantzet hat.

Darumb muß der Menſch erſtlich inwendig ernewert werdẽ in dem Geiſt ſeines Gemuͤts nach Gottes Bilde / vnd ſeine innerliche Begierden vnd Af - fectẽ muͤſſen Chriſto gleichfoͤrmig wer - den / welches S. Paulus nennet nachEinchriſt muß von innen alſo ſeyn / wie er von auſſen. Gott gebildet werden / Epheſ. 4. Auff dz ſein euſſerlich Leben aus dem grun - de ſeines Hertzens gehe / vnd er von in - nen alſo ſey / wie er von auſſen fuͤr den Menſchen iſt. Vnd billich ſoll inwen - dig im Menſchen vielmehr ſeyn / denn außwendig geſpuͤret wird / denn Gott ſihet ins verborgene / vnd pruͤffet Her - tzen vnd Nieren / Pſalm. 7.

Vnd ob wir wol inwendig nicht ſo rein ſeyn / als die Engel / ſollen wir dochdarnach229an der Liebe erkant. darnach ſeufftzen / vnnd diß gleubige Seufftzen nimpt Gott an vns zu reini - gen / deñ der heilige Geiſt hilfft vnſerer Schwachheit / vñ vertritt vns bey Gott mit vnaußſprechlichẽ Seufftzen / Rom. am 8. Ja das Blut Chriſti reiniget vns alſo durch den Glaubẽ / daß kein Run - tzel oder Flecken an vns iſt. Eph. am 5. Vnd das noch mehr iſt / vnſer Reinig - keit / Heiligkeit / Gerechtigkeit / iſt nicht eines Engels Reinigkeit / ſondern ſie iſt Chriſti Gerechtigkeit / ja Chriſtus ſel - beſt / 1. Corinth. 1.

Darumb wir vnſer Heiligkeit weitDer Chri - ſten Rei - nigkeit vñ Heiligkeit oder aller Engel Reinigkeit vñ Heilig - keit ſetzen ſollen. Denn ſie iſt Chriſtus ſelbſt / Jerem. 33. Vnd dieſe empfan - gene / vnuerdiente / aus gnadẽ geſchen - ckete gerechtigkeit / reinigkeit vnd Hei - ligung ſol billich Leib / Seele vnd Geiſt ernewren / vnd ein heilig Leben wirckẽ.

Darumb muͤſſen wir ſeyn in vnſerm Chriſtenthumb wie ein junges Palm - beumlein / dz immer gruͤnet / fort waͤch - ſet / vnd groͤſſer wird: Alſo muͤſſen wirwachſen230Ein Chriſt wirdwachſen vnd zunemen in Chriſto. So viel waͤchſet aber ein Menſch in Chri - ſto / ſo viel er am Glauben vnd an Tu - genden vnnd Chriſtlichem Leben zu - nimpt / vnd ſich taͤglich beſſert / vnd ſoEpheſ. 4. Coloſſ. 3. Einchriſt ein ſtets gruͤnẽder Palmbaũ. viel Chriſtus in jhm lebet / vnd das heiſt gruͤnen wie ein Palinbaum.

Ein Chriſt muß ſich taͤglich ernew - ren vnnd auffſprieſſen wie ein Palm - baum / vnd jhme vorſetzen ſeinem Na - men gnug zu thun / als ob er heut erſt were ein Chriſt worden / vnd ſoll taͤglich darnach ſeufftzen / daß er nicht ein fal -Eines Chriſten Beruff. ſcher Chriſt ſeyn moͤge. Wie ein jeg - licher / der beruffen iſt zu einem Ampt / ſich befleiſſigen muß ſeinem Beruff ge - nug zu thun. Alſo ſind wir beruffen zu Chriſto mit einem heiligen Beruff. Vnnd wo ein ſolcher heiliger Vorſatz nicht iſt / da iſt auch keine Beſſerung / vnd gruͤnen vnd zunemen in Chriſto / ja der lebendigmachende Geiſt Chriſti iſt nicht da. Denn ein ſolcher Vorſatz gu - tes zu thun koͤmpt aus dem heiligen Geiſte / vnd iſt die vorlauffende GnadeGottes231an der Liebe erkandt. Gottes / die alle Menſchẽ locket / reitzet vnd treibet. Wol dem / der jhr Statt vnd Raum gibt / vnd die Stimme derWeisheit Gottes ruffet vns Prov. 1. Weißheit Gottes hoͤret / die auff der Gaſſen ruffet. Alles / was ein Menſch anſiehet / iſt eine Erinnerung ſeines Schoͤpffers / dardurch ruffet jn Gott / vnd wil jhn zu ſich ziehen.

Vnd ſo offt wir nun das mercken daß wir geruffen vnd gelocket werden / ſollen wir bald anfahen gutes zu thun /Weñ gott ruffet / das iſt die rech te Zeit. denn das iſt die rechte zeit / da wir nicht verhindert werdẽ: Es wird bald ein an - dere Zeit kommen / da wir verhindert werden gutes zu gedencken / hoͤren / re - den vñ thun. Darumb ſihet daſſelbige die ewige Weisheit Gottes zuuor / vñ ruffet vns an allen Orten / das wir die Zeit nicht verſeumen.

Sihe einen Baum an / der ſtehet jm -Gnaden - ſchemoder Liecht got tes. mer vñ wartet auff den Sonnenſchein vnd gute Einfluͤſſe des Himmels / vnd iſt jmmer bereit dieſelbige zu empfahen: Alſo ſcheinet die Gnade Gottes vnnd himliſche Einfluͤſſe auff dich / wuͤrdeſtuErſter Theil Rnur232Ein Chriſt wirdnur nicht von der Welt verhindert die - ſelbige zu empfahen.

Nichtig - keit vnſers Lebens.

Bedencke die kurtze Zeit deines Le - bens / wie viel Vbungen Chriſtlicher Tugenden du verſeumet haſt / die halbe Zeit deines Lebens haſtu geſchlaffẽ / die andere helffte haſtu mit Eſſen vñ trin - cken zugebracht / vnd wenn du nun ſter - ben ſolt / haſtu kaum angefangen recht zu leben / vnd gutes zu thun.

Wie ein Chriſt le - ben ſol.

Wie ein Menſch zu ſterben begeret / ſo ſoll er auch leben. Du wolteſt ja nit gern ſterben als ein Gottloſer / Ey ſo ſoltu auch nicht leben als ein Gottlo - ſer / Wiltu ſterben als ein Chriſt / So muſtu leben als ein Chriſt. Der lebet aber als ein Chriſt / der alſo lebet / als wenn er heute ſterben ſolte. Ein Knecht muß jmmer bereit ſeyn fuͤr ſeinem Her - ren zu erſcheinen / wenn er jhm ruffet. Nun ruffet Gott einen jeglichen durch den Tod.

Selig iſt der Knecht / den der Herr wachend find / wenn er koͤmpt. Er wird jhn vber alle ſeine Guͤter ſetzen. Weriſt aber233an der Liebe erkandt. iſt aber der da wachet? Der ſich die Welt / vnd die nach der Welt leben / nicht leſt verfuͤhren. Die Ergerniſſen ſind boͤſe Pfropffreiſer / die offt einẽ gu - ten Baum verderben / das er nit gru - nen vnd bluͤhen kan / ꝛc.

Das XXIII. Cpaittel. Ein Menſch / der in Chriſto wil wach - ſen vnd zunemen / muß ſich vieler welt - lichen Geſellſchafft ent - ſchlagen.

Pſal. 84. Wie lieblich ſind deine Wohnung HERR Zebaoth. Mein Leib vnnd Seel frewet ſich in dem lebendigen Gott. ()

ALlzu vieler vñ offterer weltlicher Geſellſchafft muſtu dich euſſern vnd entziehen. Denn gleich wie dem menſchlichen Leibe nicht beſſer iſt / denn wenn er in ſeinem Hauſe iſt: Alſo iſt der Seelen nie beſſer / als weñ ſie in jhrem eigenen Hauſe iſt / das iſt / inR ijGott234Ein Chriſt muß ſich vielerGott ruhet / darauß ſie gefloſſen iſt / da muß ſie wider einflieſſen / ſol jhr wol ſeyn.

Eine Creatur ruhet nicht beſſer / als in dem / darauß ſie worden iſt / ein Fiſch im Waſſer / ein Vogel in der Lufft / vnd ein Baum im Erdreich: Alſo die Seele in GOtt / wie der 84. Pſalm ſpricht: Der Vogel hat ein Hauß fun - den / vñ die Schwalbe jhr Neſt / ꝛc. VñGeneſ. 34. wie es nicht gut iſt / daß man die Jung - frawen vnd Kinder viel ſpatzieren ge - hen leſt: Alſo iſt nicht gut / daß du deine gedancken vnd Wort viel leſſeſtEſai. 54. Eſai. 59. vnter ander Leute ſpatziren gehen / be - halt ſie im Hauſe deines Hertzens / ſo werdẽ ſie nicht võ den Leuten geergert.

In den Vorhoͤfen vnſers Gottes grunen die Pflantzen des Her rn die Cedern auff dem Libano. Was ſind die Vorhoͤfe vnſers Gottes? Es ſind die innerliche geiſtliche Feyertage des Hertzens / vnd der innerliche geiſtlicheCanti. 3. Sabbath / vñ der bluͤhende Libanus iſt in der Wuͤſten / in der Einſamkeit desGeiſtes235Geſellſchafft entſchlagen. Geiſtes. Suche denſelben / da kanſtu dich ſelbſt erforſchẽ / vnd Gottes Wun - der vnd Wolthaten betrachten.

Mancher hat luſt klug vnd ſpitzig Ding zu leſen vñ zu erforſchẽ / dadurch doch dz Hertz mehr geergert / als gebeſ -Nichts zu gebrauchẽ was nicht beſſer. ſert wird. Was nicht Ruhe des Her - tzens / vnd Beſſerung mit ſich bringet / das ſoll nicht gehoͤret / geredet / geleſen oder gedacht werden. Deñ die Baͤume des Her rn ſollen jmmerdar wachſen vnd zunemẽ in Chriſto. S. Paulus hatCor. 2. ſich gehalten als einer / der[nichts] mehr wuſte den Jeſum Chriſtum den gecreu - tzigten. Darumb die Heiligen Gottes ſich jmmer befliſſen haben in der ſtille mit inniger Andacht goͤttlich zu leben / vnd den himliſchen Gemuͤtern gleich zu werden / vnd in Gott zu ruhen / das[iſt]die hoͤchſte Ruhe der Seelen. Dar - umb einer von denſelbigen geſagt: So offt ich vnter Menſchen bin / komme ich minder deñ ein Menſch wider heim. Denn die Menſchheit ſtehet in der Gleichnis Gottes / darumb Gott denR iijwerden236Ein Chriſt muß ſich vielerBeſchrei - bung den MenſchẽMenſchen alſo definirt vnd beſchrie - ben / das ein Menſch ein Bilde ſey / das jhm gleich ſey / je vngleicher Gott / je minder Menſch / je mehr ſich aber der Menſch zu Gott wendet / je gleicher er Gott wird. Sol ſich aber der Menſch zu Gott wenden / ſo muß er ſich võ der Welt abwenden. Ein jeglich Saͤm -Same got tes bringt goͤttliche Frncht. lein bringet eine Frucht / die jhm gleich iſt: Alſo / iſt der Same Gottes in dir / der heilige Geiſt / vnd das Wort Got - tes / ſo wirſtu ſeyn ein Baum der Ge - rechtigkeit / ein Pflaͤntzlein zum Lob vnd Preiß Gottes / Eſai. 61.

Ergerli - che Wort befleckt die Seele.

Manchmal wird ein Wort geredt / oder man redets ſelbſt / daß einem ein Stachel wird im Hertzen / welcher die Seele verwundet. Darumb iſt nie - mand ſicherer vnd ruhiger / denn ſo er daheim iſt / vnd auch ſeine Gedancken / Wort vnd Siñe in dem Hauſe ſeines Hertzens behelt. Man lieſet vom Dio - gene dem Philoſopho, da jhn einer vexirt hat mit dieſer Schlußrede: Was ich bin / das biſtu nicht / Ich binein237Geſellchafft entſchlahen. ein Menſch / darumb biſtu kein Mẽſch /Viehemen ſchen ſind Vnmen - ſchen. hat er geſagt: Der Schluß iſt nicht recht / fahe von mir an / ſo iſt er recht.

Wil einer wol reden lernen / ſo lerne er zuuor wol ſchweigen / denn viel wa -Tugend wird aus widerwer tigkeit ge - boren. ſchen heiſſet nicht wol reden. Wil einer wol regieren / der lerne zuuor wol vnter - thenig ſeyn / denn niemand kan wol re - gieren / der Gott nicht ſelbſten vnter - thenig vnd gehorſam iſt. Wil einer Ruhe vnd Friede im Hertzen haben / ſo bewahre er ſeinen Mund wol / vnd be - fleiſſige ſich eines guten Gewiſſens. Groͤſſeſte Ruhe vñ Vnruhe.Denn ein boͤſes Gewiſſen iſt die groͤſ - ſeſte Vnruhe / doch findet auch ein boͤ - ſes Gewiſſen ſeine Ruhe in Chriſto durch Widerkehren vnd Buſſe. GleichDeutung der Archẽ Geneſ. 8. wie das Taͤublein Noæ nirgends fan - de / da es moͤchte ruhen / ohne in der Archen / darumb kam es wieder / die Arche iſt Chriſtus vnd ſeine Chriſten - heit / die nur eine Thuͤr oder Fenſter hat / das iſt die Buſſe / dadurch man zu Chriſto eingehet / vnd wie das Taͤub - lein bald wieder koͤmpt zu der Archen:R iiijAlſo238Ein Chriſt muß ſichAlſo muſtu bald wider einkehren in dein Hertz zu Chriſto von den vielen Waſſern dieſer Welt / oder du wirſt keine Ruhe finden.

Nichts ohne Furcht zu gebrau - chen.

Biſtu nun vnter den Leuten / vnnd muſt der Welt gebrauchen / thue es mit Furcht vnd Demut ohne Sicherheit / vnd ſey wie ein junges Beumlein an den Stab der Demut vñ Gottsfurcht gebunden / das nicht Ein Sturmwind auffſtehe / vnd dich zubreche, Wie offt wird mancher betrogen / der allzu ſicher der Welt gebrauchet. Wie dem Meer nicht zu trawen iſt: Alſo iſt der Welt auch nicht zu trawen. Denn die aus - wendige Ergetzligkeit vnnd Troſt der Welt kan bald in ein Vngeſtuͤm ver - kehret werden / vnd die Weltfreude kan bald ein boͤß Gewiſſen machen.

O wie ein gut Gewiſſen behielt der / der keine zergẽgliche Freude ſuchte vnd ſich nimmer mit dieſer Welt be - kuͤmmerte. O wie ein ruhig vnnd fried ſam Gewiſſẽ hette der / der alleine goͤtt - liche Ding betrachtete / vnnd alle ſe[ine]Hoffnung239vieler Geſellchafft entſchlagen. Hoffnung auff Gott ſetzte. Owie groſ -Wahre Ruhe vnd Troſt. ſen vnd ſuͤſſen Troſt wuͤrde der von Gott haben / der ſich nicht auff der Welt Troſt verlieſſe. Wie mancherEſa. 48. Pax non eſt impiis. Menſch wuͤrde offt ſeine Bekehrung / Beſſerung vnd heilige Andacht bey jm ſelbſt finden / die er bey andern Leuten verleuret / denn in deinem Hertzen fin - deſtu das / daß du auſſer demſelbigen verleureſt. Ein Beumlein wechſet nicht beſſer / denn in ſeinem eigenen Grunde vnd Erdreich: Alſo der inner Menſch wechſet nicht beſſer denn im inneren Grunde des Hertzens / da Chriſtus iſt.

Freude vnd Traurigkeit iſt des Men -Gewiſ - ſens Art. ſchen Gewiſſen / braucheſtu es zu goͤtt - lichen innerlichen Dingen / ſo wird dein Gewiſſen deine inwendige Freude / braucheſtu es zu euſſerlichen weltlichen Dingen / ſo wird es deine inwendige Traurigkeit vnd Hertzeleit.

So offt ſich eine andechtige SeeleHeilſame Traurig - keit. vmb der Suͤnde willen betruͤbet / ſo offt beweinet ſie ſich heimlich / da findet ſie den Threnenbrunn vnd Threnen -R vquellen /240Ein Chriſt muß ſich vieler1. Cor. 6.quellen / mit denen ſie ſich alle Nacht im Glauben vnd Geiſt durch den Na - men Jeſu waͤſchet vnd reiniget / auff daß ſie heilig vnd wirdig ſey einzugehẽ in das Verborgene / Allerheiligſte / daEſai. 45. Gott heimlich mit jhr reden kan.

Vnd weil Gott ein verborgen Gott iſt / muß jhme die Seele heimlich wer - den / mit welcher ers reden ſol / Pſal. 85. Divinum alloqu - um. Audiam, quid in me loquatur Do - minus, Ach daß ich hoͤrẽ ſolte / daß der Herr redet / Pſalm. 34. Da ich den Hern ſuchte / Antwortet er mir / vnnd errettet mich auß aller meiner Furcht. Da dieſer Elende rieff / hoͤret der Herr / vnd halff jhm auß allen ſeinen Noͤthen. Pſalm. 5. Herr / fruͤhe wolteſtu meine Stimme hoͤren / fruͤhe wil ich mich zu dir ſchicken vnnd darauff mercken. Sie wird aber ſo vielWie Gott im verbor gen mit vns redet. Geneſ. 32. Gott deſto heimlicher / ſo vil ſie von der Welt abgeſcheiden iſt / wie der Ertzva - ter Jacob / da er ſich von ſeinen Kin - dern vnd Freunden abzog / reden Gott vnd die Engel mit jhm. Denn Gottvnd241Geſellſchafft entſchlahen. vnd die Engel lieben eine heilige Seele vber die maſſe / vnd laſſen ſie nit allein.

Das XXIV. Capittel. Von der Liebe Gottes vnd des Nechſten.

1. Tim. 1. Die Summa aller Ge - bot iſt / Liebe von reinem Her - tzen / von gutem Gewiſſen / vnd von vngeferbtem Glauben. ()

IN dieſem Spruͤchlein lehret vns der Apoſtel die hoͤchſte vnd edelſte Tugend die Liebe / vnd[b]erichtet vns dauon viererley:

Erſtlich ſpricht er: Iſt ſie eine Sum - ma aller Gebot. Denn die Liebe iſt des Geſetzes erfuͤllung / in welcher alle Ge - bot begriffen ſeyn / ohne welche auch alle Gaben vnnd Tugende fruchtlos vnd vntuͤchtig ſeyn.

Darnach ſpricht er: Die wahre LiebeReine Lie - be Gottes ſoll gehen von reinem Hertzen. Diß Wort begreifft in ſich die Liebe gegenGott /242Von der Liebe GottesGott / daß das Hertz rein ſey von aller Weltliebe / dafuͤr vns S. Johannes warnet / 1. Joh. 2. Lieben Kinder / haͤbt nicht lieb die Welt / noch alles was in der Welt iſt / Als da iſt / Augenluſt / Fleiſchesluſt / hoffertiges Leben / vñ die Welt vergehet mit jhrer Luſt / Wer aber den Willen Gottes thut / der blei - bet in Ewigkeit. Wer nun von aller Creatur Liebe ein rein Hertz hat / alſo daß er ſich auff kein zeitlich Ding / es habe Namẽ wie es wolle / verleſſet / oder einige Ruhe ſeines Hertzens darauff ſetzet / ſondern allein auff Gott / wie David im 73. Pſalm ſpricht: Herr / wenn ich nur dich habe / ſo frage ich nichts nach Himmel vnd Erden / vnnd wenn mir gleich Leib vnnd Seele ver - ſchmachtet / ſo biſtu doch Gott allzeitLiebe von reinem Hertzen. meines Hertzens Troſt / vñ mein Theil / deſſen Liebe gehet von reinem Hertzen / Item / weñ es auch mit Luſt vnd Freu - de geſchicht / wie im 18. Pſalm eine ſol - che reine Liebe Gottes beſchrieben iſt: Hertzlich lieb hab ich dich Herꝛ / Herꝛmeine243vnd des Nechſten. meine Staͤrcke / mein Fels / mein Erret - ter / mein Burg / mein Hort / mein Gott / auff den ich trawe / mein Schild vnnd Horn meines Heils vnd mein Schutz.

Zum dritten lehret vns der Apoſtel / daß die Liebe ſeyn ſoll von gutem Ge -Liebe võ gutem Ge wiſſen. wiſſen. Diß gehet nun an die Liebe des Nechſten / daß man den Nechſten nicht liebe vmb genieſſes oder nutzes willen: Denn das iſt eine falſche Liebe / von boͤ - ſem gewiſſen / auch wiſſentlich ſeinen Nechſten nicht beleidige mit Worten oder Wercken / jhn nicht heimlich oder oͤffentlich anfeinde / haſſe / neide / Zorn oder Groll im Hertzen trage / daß jhn ſein Gewiſſen nicht anklage in ſeinem1. Joh. 3. Gebet fuͤr Gott.

Zum vierdten ſoll die Liebe ſeyn vonLiebe von vngefer - betem Glauben. vngeferbtem Glauben / daß man wider ſeinen Glauben vnd Chriſtenthum nit handele / Gott verleugne heimlich oder oͤffentlich / in dem Creutz oder guten ta - gen / in Vngluͤck oder Gluͤck. Vnd das iſt die Sum̃a dieſes Spruͤchleins / wol - ſe jedes Theil nu nach einander beſehẽ.

Erſt -244Von der Liebe Gottes

I.

Erſtlich ſpricht der heilige Apoſtel Paulus: Die Liebe ſey die Summa al - ier Gebot / das iſt / die Liebe ſo aus wah - rem Glauben gehet / iſt das alleredelſte / beſte vnd hoͤchſte Werck vñ Frucht des Glaubeus / das ein Menſch thun kan / vnd das Gott am beſten gefelt. DennGott for - dert nicht hohe Werck von vns. Gott fordert nicht groſſe / hohe vnnd ſchwere Werck von vns jhm damit zu dienen / ſondern hat den ſchweren Got - tesdienſt des alten Teſtaments / vnd die vielen Gebot in Glauben vnnd Liebe verwandelt / vñ vns darzu den heiligen Geiſt gegebẽ / wie Rom. 5. ſtehet: Gott hat ſeine Liebe durch den heiligen Geiſt in vnſere Hertzen außgegoſſen / da hoͤrẽ wir den rechten Vrſprung dieſer Tu - gend.

Liebe iſt kein ſchwer Werck[o -]der Gebot

Darumb iſt nun die Liebe nicht ein ſchweres Werck / ſondern leichte einem frommen gleubigem Menſchen / ſeine Gebot ſind nicht ſchwere / ſpricht S. Johannes 1. Joh. 5. verſtehe einem er - leuchteten Chriſten. Denn der heiligeGeiſt245vnd des Nechſten. Geiſt ein freywillig guͤtig Hertz macht. Gott for - dert nicht groſſe Kunſt võ vns.Gott fordert auch nicht groſſe Kunſt vnd Geſchickligkeit von vns / ſondern allein die Liebe / wenn dieſelbe bruͤnſtig vnd hertzlich iſt ohne falſch / dz iſt Got - tes Wolgefallen / darinn ſich Gott mehr beluͤſtiget vnd erfrewet / vnd jhm daß gefallen leſt / denn alle Kunſt vnnd Weisheit der Welt. Vnd zwar wo die Liebe nicht iſt bey aller Weisheit /Ohne Lie - be ſindalle Werck vñ Gaben nichts werth. Kunſt / Wercken vnd allen Gaben / ſo iſt alles vntuͤchtig vñ nichts guͤldig / ja todt / wie der Leib ohne Leben / 1. Cor. 13.

Groſſe Geſchickligkeit iſt gemein dẽ Heyden vnd Chriſten / groſſe Wercke ſind gemein den Glaͤubigen vnd Vn - glaͤubigen / allein die Liebe iſt die rechte Proba eines Chriſten / vnd ſcheidet das falſche von dem guten. Denn wo keine liebe bey iſt / da iſt nichts gutes bey / vñ[w]enns noch ſo koͤſtlich vnd gros ſchei - net / Vrſach / Gott iſt nicht darbey: Denn Gott iſt die Liebe / vñ wer in der Liebe bleibet / der bleibet in GOtt / vnd Gott in jhm / 1. Joh. 4.

Die246Von der Liebe Gottes
Liebe ma - chet alle Ding lieb - lich / vnnd beſchwe - ret nie - mand.

Die Liebe iſt auch lieblich bey de Gott vnd Menſchen / vnd deme / der ſie vbet. Denn alle andere Kuͤnſte / geſchicklig - keit vnd weißheit / wenn man denſelben nachgruͤndet / verzehrendẽ Leib / machẽ Sorge / muͤhe vnd Arbeit / die des Lei - bes Plage vnd Pein ſeyn / allein die Lie - be beſſert / erquicket / erhelt beyde Leib vnd Seele / vnd iſt niemand ſchaͤdlich / ſondern bringet jhre reiche Fruͤchte. Denn wer liebet / dem wird Liebe zu Lohn / die Tugend iſt jhr ſelbſt Lohn / Suͤnde vnd Schande lohnet vbel.

Alle Kraͤffte Leibes vnd der Seelen nemen ſonſt ab / vnd werdẽ muͤde: Aber die rechte Liebe wird nit muͤde / vnd hoͤ - ret nimmermehr auff / da ſonſt alle Er - kentnis / Sprachen / auch der Glaube ſelbſt auffhoͤren wird / 1. Cor. 13. Ro. 12.

Alles was Gott gefallen ſoll in vn - ſerem Thun / das muß aus Gott gehẽ. Denn Gott gefelt nichts / was er nicht ſelbſt in vns wircket. Gott aber iſt ſelbſt die Liebe / darumb mus alles aus dem Glauben gehẽ / was Gott gefallen ſol /aus247vnd des Nechſten. auß der Liebe aber was dem Menſchẽ nuͤtzlich vñ dienſtlich ſein ſoll / ohne alleWas auß der Liebe gehet / das gehet auß Gott / vnd gefelt Got eigene Ehre vnd Nutz. Alſo muß auch das Gebet auß hertzlicher Liebe gehen. Gedencket nun / was fuͤr ein Gebet aus einem ſolchen Hertzen gehet / das voller Zorns vnd Feindſchafft iſt? Vnd wenn ein ſolcher den gantzẽ Pſalter alle Tage betete / ſo iſts alles fuͤr Gott ein grewel / das wahre anbeten ſiehet im Geiſt / im Glauben / in der Liebe vnd nit in den Worten. Gedencket an den Herrn Chriſtum / der mit erbarmendem Her - tzen ſprach: Vater vergib jhnen. Wer Gott nicht liebet / der betet auch nicht: Wer aber Gott Hertzlich liebet / dem iſtWer Gott lieb hat / betet ger - ne vnd recht. beten eine Freude. Wer Gott liebet / der dienet jm von Hertzen / wer jn nicht lie - bet / der dienet jm auch nicht / vnd wenn er auch einen Berg auff den andern truͤge.

Darumb mag dem Menſchen nichts nuͤtzlichers vnd beſſers geſchehen / denn wenn GOttes Liebe in jhm erwecket wird.

Erſter Theil Sder248Von der Liebe Gottes
Glaube ſol alles im Men - ſchẽ thun vnd laſſen durch die Liebe. 1. Cor. 16.

Der Glaube ſol alles in einem Chri - ſten thun / was er thut durch die Liebe / wie die Seele alles thut durch den Leib. Die Seele ſihet / hoͤret / ſchmecket / redet durch den Leib: Alſo ſol die Liebe alles in dir thun / du iſſeſt / trinckeſt / hoͤreſt / re - deſt / ſtraffeſt / lobeſt / laß es alles in der Liebe geſchehẽ / gleich wie es in Chriſto war / er thete alles in der Liebe. SiheſtuWeñ wir mit vn - ſerm Nech ſten han - deln / ſol al les in der Liebe ge - ſchehen. deinen Nechſten an / ſo ſihe jhn mit er - barmender Liebe an / Hoͤreſtu jhn / hoͤre jhn mit Liebe / Redeſtu mit jhm / ſo rede mit Erbarmung.

Behalte die Wurtzel der Liebe allzeit in dir durch den Glaubẽ / ſo mag nichts1. Cor. 16. denn guts auß dir gehen / vnd wirſt an - fahen die Gebot Gottes zu erfuͤllẽ / die alle in der Liebe beſchloſſen ſein / darum̃Lob der Liebe. ein heiliger Lehrer ſpricht: O du Liebe Gottes im heiligen Geiſt / eine Suͤſſig - keit der Seelen / vnd einiges goͤttliches Leben der Menſchen / Wer dich nicht hat / der iſt lebendig todt / wer dich hat / der ſtirbet fuͤr Gott nimmer. Wo du nicht biſt / da iſt der Menſchen Lebenein249vnd des Nechſten. ein ſtetig Sterben: Wo du biſt / da iſt des Menſchen Leben ein Vorſchmack des ewigen Lebens. Sehet alſo iſt die Liebe die Summa aller Gebot.

II.

Wie der Menſch Gott lieben ſollGott des Menſchen hoͤchſtes Gut. von reinem Hertzen / das Hertz ſol rein ſeyn von aller Weltliebe / Gott ſol des Menſchẽ hoͤchſtes vñ beſtes Gut ſein / Pſalm. 16. Der Herr iſt mein Gut vnd mein Theil / du erhelſt mein Erb - theil. Pſalm. 37. Der Herr kennet die Tage der Frommen / vnd jhr Gut wird ewiglich bleiben. Habe deine Luſt am Herrn / der wird dir geben / wz dein Hertz wuͤndſchet. An GOtt ſoll der Menſch ſeines Hertzẽ Luſt vnd Freude haben.

Darumb ſol Gott vnſerer SeelenDas beſte ſoll das liebſte ſein das liebſte ſeyn / weil er das hoͤchſte vnd beſte Gut iſt / weil er alles Gut vnd alle Tugend ſelbſt iſt: Denn Gott iſt nichts deñ eitel Gnade / Liebe / Freundligkeit / Gedult / Trewe / Warheit / Troſt / Frie - de / Freude / Leben vnd Seligkeit / vnndS ijdas250Von der Liebe Gottesdz hat er alles in Chriſtum gelegt / wer den hat / der hat dieſes alles: Vnd wer GOtt lieb hat / der hat Gottes War - heit / Barmhertzigkeit / Guͤtigkeit vnd alle Tugend lieb.

Denn ein rechter Liebhaber Gottes hat alles das lieb / was Gott lieb hat /Warumb man Tu - gend lieb haben ſol. vnd hat einen Verdruß an alle dem / dz Gott verdreuſt. Darumb ſol man die Gerechtigkeit lieb haben / den Gott iſt ſelbſt die Gerechtigkeit / darumb ſoll man die Warheit lieb haben / denn Gott iſt ſelbſt die Warheit / darumb ſoll man lieb haben die Barmhertzig - keit / weil Gott ſelbſt die Barmhertzig - keit iſt / darumb ſoll man Sanfftmut vnd Demut lieb haben vmb des ſanfft - muͤtigen vñ demuͤtigẽ Hertzens Chriſti willen. Hinwieder haſſet ein wahrer Liebhaber Gottes alle vntugend / denn ſie iſt Gott zuwider / vnd Gottes Feind /Warumb vntugend zu haſſen. vnd ein Werck des Teuffels. Darumb haſſet ein Liebhaber Gottes die Luͤgen / denn der Teuffel iſt ein Luͤgener / vnnd alſo von allen Laſtern / etc. Vnnd einjeglicher251vnd des Nechſten. jeglicher Menſch / der die Laſter liebet / als Luͤgen vnd Vngerechtigkeit / der iſt ein Teuffelskind / wie Johan. am 8. ſte - het: Vnd ein jeder Menſch der Chri - ſtum als einen Heyland Vnnd Selig - macher lieb hat / der hat auch dz Exem - pel des heiligen Lebens Chriſti lieb / ſei - ne Demut / Sanfftmut / Gedult / ꝛc. vñ der iſt ein Kind Gottes.

Vnd eine ſolche Liebe von reinem Hertzen muſtu von Gott erbitten / dz er ſie in dir anzuͤnde durch die liebe Chri - ſti / vnd Gott zuͤndet gern dieſe Liebes - flammen an in deinem Hertzẽ / wenn du jn nur darumb bitteſt / vnd jm nur dein Hertz dar zu leiheſt / vñ daſſelbe alle Ta - ge / ja alle Stundẽ vnd Augenblick. Iſt die Liebe ſchwach vnd kalt / ja verliſcht bißweilen in dir / vnd du ſtrauchelſt / Ey ſo ſtehe wider auff / zuͤnde wieder an / es iſt darumb das ewige Liecht / die Liebe Gottes nit verloſchẽ / er wird dich wie - der erleuchten / doch ſoltu Gott taͤglichDie ewige Liebes - flam̃en verleſchen nicht. bittẽ / daß er die goͤttliche Liebesflam̃en nim̃ermehr in deim Hertzẽ laſſe erleſchẽ

S iijDas252Von der Liebe Gottes

Das iſt nun die Liebe von reinem Hertzen / das rein iſt von aller Welt vñ Creatur Liebe.

III.

Liebe von gutem Gewiſſen iſt desLiebe Got tes vñ des Nechſten kan nit ge trennet werden. Nechſten Liebe. Die Liebe Gottes vnd des Nechſtẽ iſt einig / vnd muß nicht ge - trennet werden / Die wahre goͤttliche Liebe kan nicht baß gemercket vnnd ge - pruͤfet werden / denn an der Liebe des Nechſten. Denn wer ſpricht / Er liebe Gott / vnd haſſet ſeinen Bruder / der iſt ein Luͤgener. Denn wer ſeinen Bruder nit liebet / den er ſihet / wie ſolte er Gott lieben / den er nicht ſihet? Vnd diß Ge - bot haben wir von jhm / daß wer Gott liebet / dz er auch ſeinem Bruder liebe / 1. Joh. 4. Das iſt / die Liebe Gottes kan nicht wohnen bey einem Menſchen - feinde / oder einem feindſeligen Hertzẽ. Item / wenn du keine Barmhertzigkeit vbeſt an deinem Bruder / den du ſiheſt / vñ der deiner Barmhertzigkeit bedarff / wie ſolteſtu Gott lieben / der deiner nit bedarff?

1. Der253vnnd des Nechſten.

1. Der Glaube vereiniget mit Gott / die liebe mit Menſchen 1. Joh. 4. Wer in der Liebe bleibet / der bleibet in Gott / vnd Gott in jhm. Gleich wie Leib vnd Seele einen Menſchen machen: Alſo beweiſet der Glaube vnd Gottes vnd Menſchen Liebe einen wahrẽ Chriſten. GOtt meynets mit allen Menſchen hertzlich gut / wer das auch thut / der iſt eines Hertzens vnd Sinnes mit Gott / wers nicht thut / der iſt wieder Gott vñ Gottes Feind / weil er des Nechſten Feind iſt.

2. Es iſt aber der Liebe Art / daß ſieLiebe dul - det Gebre chen. ſich fuͤrnemlich vber die Gebrechẽ des Nechſten erbarmet. Vnd zwar die Ge - brechen deines Nechſtẽ ſind dein Spie - gel / daß du auch deine ſchwachheit an jm ſolteſt lernen erkennen / daß du auch ein Menſch ſeyeſt. Darumb ſoltu ſeine Schwachheit vnnd Laſt mit Gedult / Demut vnd Sanfftmut helffen tragẽ.

3. Vnnd ſolche Leute / die nicht auß mutwilliger Boßheit ſtraucheln / ſon - dern alſo vbereilet werden / kommenS iiijbald254Von der Liebe Gottesbald wieder zu recht / ſtraffen ſich ſelb -Mittleidẽ mit den ſchwachẽ. ſten / vnd geben ſich ſchuͤldig / mit denen ſoll man bald Mitleiden haben / vñ ſich vber ſie erbarmen / die ſolches nit thun / haben nichts vom ſenfftmuͤtigen Geiſt Chriſti. Denn wenn man des Nechſtẽ Gebrechen geſchwinde vrtheilet ohne Mitleiden / das iſt ein gewiß Zeichen / dz ein ſolcher Menſch der erbarmendẽMangel der Liebe. Liebe Gottes vñ heiligen Geiſtes man - gelt / vnd hat Gott nicht bey jme. Denn ein rechter Chriſt / der mit dem Geiſt Chriſti geſalbet iſt / der vertregt alle Menſchẽ in einer mitleidenden Erbar - mung / vnd in einer erbarmẽden Liebe / gleich wie Chriſtus gethã / vnd vns mit ſeinem Exempel vorgangẽ / vnd daranWo keine Liebe / da iſt Gott nicht. pruͤfe ſich ein jeder Chriſt. Denn wer die Liebe des Nechſten nicht bey jm fin - det / von deme iſt auch die Liebe Gotte[s]gewichen / ja Gott ſelbſt / dafuͤr ſol er er - ſchrecken / vnd von Hertzẽ Buſſe thun / ſich mit ſeinem Nechſten verſoͤhnen / ſo wird Gott mit ſeiner Liebe wieder zu jhm kommen / Als denn iſt alles wz derMenſch255vnd des Nechſten. Menſch thut / im Glauben vnd in der Liebe / wieder gut / heilig vnd goͤttlich / Denn vbet ein Menſch Gottes Liebe vnd Barmhertzigkeit mit Freuden vmb der einwonenden Liebe Gottes willen / vnd iſt jhm eine Freude gutes zu thun / nie Gott im Propheten ſpricht.

Jerem. 32.

4. Auſſer der Liebe iſt alles teuffe - liſch / was am Menſchen iſt / vnd alles / grundboͤſe. Vnd das iſt die Vrſach /Warumb alles boͤſe / was der Sathan thut. warumb der Sathan nichts guts thun kan / denn es iſt keine Liebe bey jhme / weder Gottes noch Menſchen / darum̃ iſt es auch alles grundboͤſe / was er thut. Denn er ſuchet vnd meynet nichts an - ders in all ſeinem Thun / denn Gottes Vnehre / vnd des Menſchen verderbẽ / vnd auff daß er ſeine Feindſchaft wider GOTT vnd Menſchen vollbringen moͤge / darumb ſuchet er ſolche feind - lige Hertzen / durch welche er ſeinen Neyd vnd Zorn vbet. Daran pruͤfet man / welche Gottes vnd des Sathans Kinder ſeyn.

S vLiebe256Von der Liebe Gottes

IV.

Liebe von vngefaͤrbtem Glauben / das heiſt / Gott gleich lieb haben imWer Gott lieb hat / der hat alle Werck Gottes lieb auch die Straf - fe. Gluͤck vnd Vngluͤck. Der Gott hertz - lich lieb hat / der leſt jhm wolgefallen / alles was GOtt wolgefellt. Wer Gott lieb hat / der muß auch ſein Creutz lieb haben / das jm Gott zuſchicket / wie wir ſehen an Chriſto vnſerm Herrn / wie willig er ſein Creutz auff ſich nam / denn es war Gottes wille. Ich muß mit einer Tauffe getaufft werden / vnd wie iſt mir ſo bange / ehe ichs vollbringe / ſpricht er / Luc. 12. Darumb haben alle heilige Maͤrterer jhr Creutz mit Freu - den getragen.

Denen / ſo Gott hertzlich lieb haben / iſt auch jhr Creutz nicht ſchwer zu tra - gen / denn jhr Creutz iſt Chriſti Joch. Schoͤn GleichnisZeucht der Magnet ein ſchweres Eiſen nach ſich / ſolte nicht der himliſche Ma - gnet / die liebe Gottes nach ſich zie - hen die Laſt vnſers Creutzes / daß ſie leicht vnnd ſanfft wuͤrde / wo ſie ein menſchlich Hertz beruͤret? Vñ machetder257vnd des Nechſten. der Zucker ein bitter Kraut ſuͤſſe / wie ſolte die ſuͤſſigkeit der goͤttlichen Liebe nicht das bittere Creutz ſuͤſſe machen? Daher iſt die hohe gedult vnd groſſe Freudigkeit der heiligẽ Maͤrterer kom - men / denn Gott hat ſie in ſeiner Liebe truncken gemacht / ꝛc.

Das XXV. Capittel. Von der Liebe des Nechſten in - ſonderheit.

2. Petr. 2. Von welchem jemand vberwunden iſt / deſſen Knecht iſt er. ()

ES iſt kein ſchwerer vnd haͤrterDie ſchwe reſtedienſt barkeit iſt der Suͤn - den dienẽ. Dienſtbarkeit / denn wenn man den ſuͤndlichen Affecten dienet / vnd ſonderlich der Feindſeligkeit / denn dieſelbige bindet vnd belaͤſtiget alle Lei - bes vnnd Seelen kraͤffte / vnd leſt dem Menſchen keine gedancken frey. Wer aber die liebe vbet / der iſt recht frey in ſeinem Hertzen / der iſt kein Knecht vndLeib -258Von der LiebeLeibeigen des Zorns / des Neids / des Geitzes / Wuchers vnd Mammons / Hoffart / Luͤgen vnd Verleumbdunge. Die Liebe machet jn alles deſſen frey / vnd leſt ſich alſo nicht vberwinden von den ſchendlichẽ Laſtern / der iſt ein rech -2. Cor. 3. ter freyer in Chriſto durch den Geiſt der Freyheit. Denn wo der Geiſt iſt / da iſt Freyheit. Ein ſolcher Menſch / ď in der Liebe Chriſti wandelt / der iſt kein leibei -Geiſt Got tes ernew - ret / reini - get / ma - chet das Hertz frey gener Suͤndenknecht vnd leibeigener ď fleiſchlichẽ Affecten vñ begierdẽ mehr / denn der Geiſt der Liebe Gottes hat jn gefreyet vnd gereiniget von fleiſchlichẽ Luͤſten. Nun ſehen wir / wie die Liebe Gottes ſich vber alle Menſchẽ erſtrecktSpiegel der allge - meinen Liebe. welches er nit allein in ſeinem Wort / ſondern auch in der gantzen Natur be - zeuget. Denn er hat den Menſchen den Himmel in gemein gegebẽ / der bedecket ſie alle / der iſt mein vñ meines Nechſiẽ / Alſo die Sonne iſt mein vnd meines Brudern / es muß der hoͤchſte ſo wol als der Nidrigſte von ď allgemeinen Son - nen / Lufft / Erde vñ Waſſer leben. Wiees nun259des Nechſten inſonderheit. es nun Gott mit vns meynet / ſo ſollen wir es auch mit vnſern Nebenmenſchẽ meynen. Deñ Gott hat ſelbſt ſich hier - mit vns zu einem Exempel fuͤrgeſtellt / daß er gegẽ vns alle gleich geſinnet ſey / leinen mehr oder weniger liebe deñ den andern. Das iſt: er hat vns alle in Chri -Gott lie - bet vns alle gleich. ſto gleich lieb / ſihet keine Perſon / Wir - digkeit oder Verdienſt an. Vnd wie er gegen vns geſinnet iſt / alſo ſollen wir auch gegen vnſerm Nechſten geſinnet ſeyn / vñ wie wir vns gegen vnſerm Ne - heſten verhalten werdẽ / alſo wil er ſich auch gegen vns verhalten. Hat es vns alſo in vnſer Hertz gelegt / vns damit zu vberzeugen / wie er gegen vns geſinnet iſt / alſo ſollen wir auch gegen vnſerm Nechſten geſinnet ſeyn. Darumb ligtProba der Liebe Gottes. nun die Prob in vnſerm Hertzen vñ Ge - wiſſen / da ſolten wir eingehen / vnd vns ſelber fragẽ / wie wir mit vnſerm Nech - ſten ſtehẽ / wol oder vbel / wie wir vns nu befinden / alſo ſtehen wir auch mit Gott. Deñ wie wir vnſerm Nechſtẽ thun / alſo wil vns Gott auch thun / das heiſt beyden260Von der Liebeden Heiligen biſtu heilig / vnd bey den Verkehrten biſtu verkert / das iſt / haſtu ein verkehrt Hertz gegen deinem Bru - der / ſo iſt dir Gott auch zuwieder.

Der Nech - ſte iſt vn - ſer Proba.

Darumb iſt vns nun vnſer Nechſter zur Proba geſetzet der liebe Gottes / dz iſt / an vnſerm Nechſten wil vns Gott probieren / ob vnſere Liebe gegen jhm rechtſchaffen ſey. Denn Gott darff vn - ſers Dienſtes nicht ein Staͤublein / ſon - dern der Nechſte.

Gott wie - derrufft ſeine Ver - gebung wenn wir nicht ver - gebẽ wol - len.

Darumb hat es GOtt ſo genaw auff den Nechſten gerichtet / vnd auff vnſer Gewiſſen gelegt / daß wir in allen Dingen vns nach jhm richten ſollen / vnd allemal / ja alle Stunde alſo gegen vnſern Nechſtẽ geſinnet ſeyn / wie er ge - gen vns. Denn vnſer keiner kan ohne ſeines Nechſten Verſoͤhnung bey Gott in gnaden bleiben / Gottes halben hat keine Noth. Der gantze Welt Suͤnd[e]ſind auff einmal auffgehoben / vñ voll[-]kommene vergebung erlanget worden durch den Tod Jeſu Chriſti. Denn wir alle ſind ď Knecht / welchem der Koͤnigalle261des Nechſten inſonderheit. alle ſeine Schuld aus gnaden ſchen - ckete / da er nit hatte zu bezahlen. Aber hernach als ď Knecht mit ſeinem Bru - der ſo vnbarmhertzig handelte / hub der Koͤnig ſeine Vergebung wieder auff / vñward alſo der Schalcksknecht vmb ſeines Brudern willen verdampt / vnd der Beſchluß darauff gegeben: Alſo wird euch mein himliſcher Vater auch th[u]n / ꝛc. Item / Eben mit dem Maß /Matt. 18. vnd 5. da jhr mit meſſet / wird man euch wie - der meſſen.

Alſo iſt allemal ein jeder Menſch[ni]cht von ſein ſelbſt wegen allein da /[ſo]ndern auch von ſeines Nechſten we - gen. Denn ſo ſtarck iſt das Gebot vonGebot der Liebe. der Liebe des Nechſten / daß wenn es ge - brochen wird / ſo weichet Gottes Liebe von vns hindan / vnd wird der Menſch[ſtr]acks von der geſtrengen gerechtig -[kei]t Gottes gerichtet vnd verdampt.

Wenn wir das bedechten / es wuͤrdeEpheſ. 4. nimmermehr ein Menſch mi[t]dem an - dern zuͤrnen / vñ die Sonne vber ſeinenEpheſ. 6. Zorn nit laſſen vntergehen. Denn obwol262Von der Liebewol Chriſtus mit ſeinem Tode am Creutz aller Welt Suͤnde einmal gantz vnd vollkommẽ gebuͤſſet vnd bezahlet / vnd alſo der ewige Koͤnig vns allen vn - ſere groſſe ſuͤnde aus gnaden geſchen - cket vnd vergeben hat: Dennoch / ſo wirChriſti Verdienſt hafftet nit in einem vnuerſoͤn - lichen Her tzen. vnſern Bruder haſſen / jhn nicht lie - ben / vnd jm nicht vergeben / ſo ſoll da[ſ]gantze Verdienſt Chriſti an vns verlo - ren vnd vmbſonſt ſeyn / ſo vns doch zu - uor die ewige Seligkeit erworben wa[r]durch Chriſtum.

So gar hat Gott vns an die Liebe des Nechſten verbunden / daß er nit wil von vns geliebet werden ohne vnſernVrſach der Liebe. Nechſten / verſehen wirs nun da / ſo ha - ben wirs bey Gott auch verſehen. Vnd eben darumb hat GOtt nicht einen Menſchen beſſer ſchaffen wollen / denn den andern / darmit wir nicht Vrſach hetten einander zu verachten / vnd vns vber einander zu erhebẽ / ſondern vnter - einander als Kinder eines Vaters im Fried vnd Einigkeit leben / vnd ein ru - hig Gewiſſen haben ſollen.

Haſſeſtu263des Nechſten inſonderheit

Haſſeſtu nun deinen Bruder / ſo haſ - ſeſtu Gott / der dir ſolches verbotẽ hat / vnd ſo haſſet dich Gott wider. Ver - achteſtu deinẽ Bruder / ſo verachtet dich Gott wieder. Vñ das iſt dein Gericht vnd Verdamnis / vnnd verleureſt auff einmal die Vergebung der Suͤnde / das thewre Verdienſt Chriſti / vñ ſeine Erloͤſung.

Denn es iſt vnmuͤglich des Blutes Chriſti / welches auß Liebe vergoſſẽ iſt / mit feindſeligem Hertzen fruchtbarlich theilhafftig werden. Ja wir ſehen auß dem Gleichnis Matth. 18. das GOtt nicht ſo ſehr zuͤrnet vber die groſſe Schuld der zehentauſent Pfund / alsGott zuͤr - net vber keine Suͤn de ſo ſehr als vber Vnbarm - hertzigkeit vber die Vnbarmhertzigkeit / die ſchuld kan er vergeſſen / aber der Vnbarm - hertzigkeit nicht / darumb ſollen wir an den goͤttlichen Schluß gedencken / Alſo wird euch mein Himli - ſcher Vater auch thun.

Erſter Theil TDas264Warumb der Nechſte

Das XXVI. Capittel. Warumb der Nechſte zu lieben ſey.

Rom. 13. Seyd niemand nichts ſchuͤldig / denn daß jhr euch vn - tereinander liebet. Denn wer den andern liebet / der hat das Geſetz erfuͤllet ()

IM Prophetẽ Micha am 6. leſẽ wir dieſe Frage vnd Antwort: Womit ſol ich den Herrn verſoͤhnen? Mit Boͤcken fuͤr den hohen Gott. Soll ich jhn mit Brandopffer vnd jaͤhrigen Kaͤlbern verſoͤhnẽ? Mey - neſtu der Herr hat gefallen an viel tauſent Widdern / oder an Oele / weñs gleich groſſe Stroͤme weren? Oder ſol ich meinẽ erſten Son fuͤr meine Vber - trettung geben / oder meines Leibes Frucht fuͤr die Suͤnde meiner Seelen? Es iſt dir geſagt / Menſch / wz gut iſt / vnd was der Herr von dir fordert / nemlich / Gottes Wort halten / Liebevben /265zu lieben ſey. vben / vnd demuͤtig ſeyn fuͤr deinem GOTT.

In dieſer Frage vnd Antwort lehretWorinn der wahre Gottes - dienſt ſte he. vns der Prophet / worinnen der rechte wahre Gottesdienſt ſtehe / nemlich / nit in euſſerlichẽ Ceremoniis oder Opf - fer / denn was kan ein Menſch Gott ge - den? Iſts doch zuuor alles ſein / vnd er darff vnſer gar nichts / Er wird auch nicht verſoͤhnet victimis humanis, wenn man gleich Menſchen opffern wolte / denn das hat er nicht befohlen / vnd iſt jhm ein Grewel / vnd gereichet zur Schmach dem einigẽ Verſoͤhnopf - fer / ſo durch Chriſtum allein geſchehen iſt / welchen Gott darzu verordnet hat / daß er der Welt Suͤnde tragen ſolte: Sondern der rechte wahre GOttes - dienſt / der Gott gefelt / ſtehet inwendig im Hertzen im reinẽ Glauben / welches der Prophet hier nennet / Gottes Wort halten / in Vbung des Glaubens / der Liebe vnd Barmhertzigkeit / vnd nicht am Opffer / in wahrer Demut / wie DaWahee geiſtliche Opffer. uid im 51. Pſalm ſprickt: Die OpfferT ijdie266Warumb der Nechſtedie Gott gefallen / ſind ein geengſter Geiſt / Ein geengſtes vnnd zuſchlagen Hertz wirſtu Gott nicht verachten.

Alſo muß der wahre Gottesdienſt auß dem Grunde des Hertzens gehen / anß dem Glauben / Liebe vnd Demut / darzu vermahnet vns der Apoſtel Pau - lus zun Roͤm. am 13. Welcher Spruch iſt ein En comium caritatis, & debi - tum proximi perpetuum, Darmit koͤnnen wir Gott recht dienẽ / Vrſach / man kan Gott nirgend mit dienen den mit dem / das er ſelbſt wircket in vnſern Hertzen / Denn Gott dienen iſt nichts als dem Nechſten dienen mit Liebe vnd Wolthat.

Zu ſolcher Liebe wil vns der Apoſtel vermahnen / vnd gebrauchet ein feinesLob der Liebe. liebliches Argument / welches denẽ an - mutig iſt / ſo die Chriſtliche Tugend lieb haben / vñ ſpricht: Die Liebe ſey eine ſo herrliche Tugend / in welcher alle Tu - gend begrieffen ſein / vñ ſey des Geſetzes Erfuͤllung. Welches Argument der Apoſtel nicht darumb gebrauchet / daßwir267zu lieben ſey. wir mit vnſer Liebe dz Geſetz vollkoͤm - lich er fuͤllen koͤndten / vnd dadurch die Seligkeit vnd ewiges Leben verdienen / welches zwar geſchehe / weñ vnſere liebe vollkommen were: Sondern daß er vns die Fuͤrtreffligkeit vnd Wirdigkeit diſer Tugend einbilde / vns auch derſel - ben zu befleiſſigen. Vnſere Gerechtig - keit vnd Seligkeit iſt auff Jeſum Chri - ſtum gegruͤndet / vnd auff ſeinen Ver - dienſt / welchen wir vns zueignen durch den Glauben.

Auß derſelben Gerechtigkeit quillet nun die Liebe gegen dem Nechſten mit allen andern Tugenden / vnd heiſſen Fruͤchte der Gerechtigkeit zu Lob vnd Preiſe Gottes. Weil es nun die herr -Philip. 1. lichſte vnd groͤſte Tugend iſt / ſo wollen wir noch weiter daruon handeln / vnd noch etliche mehr Argumenta vnnd Gruͤnde hoͤren vns in der Liebe zu er - bawen.

1. Das beweglichſte ArgumentumBeweg - lichſte Vr - ſach zur Liebe iſt / 1. Johan. 4. Gott iſt die Liebe / vnd wer in der liebe bleibet / der bleibet inT iijGOtt268Warumb der NechſteGott / vnd Gott in jhm. Wer wolte nicht gern in Gott ſeyn vnnd bleiben? Vnd wer wolt nicht gern daß Gott in jhm ſey vnd bleibe? Im Gegentheil / wer wolte gern / das der Sathan in jm were / vnd er im Sathan? Dz geſchicht aber / wenn die liebe nicht da iſt / ſon - dern Feindſeligkeit. Denn der Teuffel iſt ein Menſchenfeind / GOtt aber ein Liebhaber der Menſchen. Hieher gehoͤ - ret / was S. Johannes an ermeltemKennzei - chen der Kinder Gottes iſt die Liebe. Ort ferner ſpricht: Wer lieb hat / der iſt auß Gott geboren / vñ kennet Gott / daran werdẽ offenbar die Kinder Got - tes vnd die Kinder des Sathans. Iſt das nun nicht troͤſtlich ein Kind Got - tes ſeyn / vnd auß Gott geboren ſeyn / vnd Gott recht erkennẽ? Denn wer die Liebe nicht im Hertzen hat / vnd hat nie erfahren jhre Krafft / jhr Lebẽ / jhr wol - that / jhre Guͤtigkeit / jhre Freundlig -Wie man durch die Liebe Gott ken - net. keit / Langmut vnd Gedult / ꝛc. Der ken - net freylich Gott nicht / der eitel liebe iſt. Denn die Erkentnis Gottes vnd Chriſti muß auß der Erfahrung vndEmpfin[-]269zu lieben ſey. Empfindung gehẽ. Wer kan Chriſtum recht kennen / der von der Liebe nichts weiß? Denn Chriſtus iſt ja eitel Liebe vnd Sanfftmut. Wer dieſe Tugend hat vñ vbet / der kennet Chriſtum recht: Als S. Petrus 2. am 1. ſpricht: Wenn jhr die Liebe vben werdet / die wird euchChriſti er - kentnis in der Liebe. nicht vnfruchtbar ſeyn laſſẽ im Erkent - nis Chriſti.

2. Der Herr ſpricht Joh. 13. Daran wird jederman erkennen / daß jhr meine Juͤnger ſeyd / ſo jhr euch vntereinander liebet / wie ich euch geliebet habe: NunWas heiſ - ſe Chriſti Juͤnger ſeyn. heiſt Chriſti Juͤnger ſeyn / nicht allein mit dem Namen ein Chriſt ſeyn / vnd jhn mit dem Munde allein bekennen / externa quadam profeſſione: Son - dern es heiſt an Chriſtum gleuben / jhn lieb haben / Chriſto folgen / in jhm le - ben / Chriſtum warhaftig angehoͤren / von jhm hertzlich geliebet werdẽ / ewig theil an jm haben / vnd all ſeiner Wol - thaten gemeſſen. Wer nun die Liebe Chriſti nicht hat / der gehoͤret Chriſtum nit an / vnd hat kein theil an jhm. DennT iiijer hat270Warumb der Nechſteer hat keinen Glauben / darumb wird jhn Chriſtus fuͤr den ſeinen nit erken - nen. Gleich wie man einen Apffel am geſchmack / vnd eine Blume an jhrem geruch kennet: Aſo einen Chriſten an der liebe.

3. S. Paulus ſpricht 1. Cor. 13. Daß alle hohe gaben ohne die liebe nichts ſeyn. Viel Sprachen koͤnnen / Wun - der thun / viel geheimnis wiſſen / ꝛc. be - weiſet keinen Chriſten / ſondern derGott for - dert nicht hobe vnd ſchwere Ding von vns. Glaube ſo durch die liebe Thaͤtig iſt / Gott hat vns auch nit groſſe ſchwere Ding befohlen / Wunderzeichen zu thun / vnd dergleichen / ſondern die liebe vnd Demut. Vnd Gott wird an jenem Tage nicht fragen / wie gelehrt du ge - weſt biſt in Kuͤnſten / Sprachen vñ vie - len Wiſſenſchafften / ſondern wie du durch den Glauben die liebe geuͤbetMatth. 25 haſt: Ich bin hungerig geweſt / jhr habt mich geſpeiſet / ꝛc. Darumb S. Paulus Galat. 5. ſpricht: Das in Chriſto we - der Beſchneidung noch Vorhaut gilt /das271zu lieben ſey. das iſt / kein Vorzug / keine Gaben / kein Anſehen der Perſonen / ſondern der Glaube / der durch die liebe thaͤtig iſt.

4. So ſpricht S. Johannes / 1. Jo - han. 4. So jemand ſaget / Ich liebe Gott / vnd haſſet ſeinen Bruder / der iſt ein Luͤgener. Denn wer ſeinen Bruder nicht liebet / denn er ſihet / wie ſolte er Gott lieben / den er nicht ſihet? DennWer Gott lieben wil muß auch Menſchẽ lieben. diß Gebot haben wir von jm / daß wer Gott liebet / daß der auch ſeinẽ Bruder liebe / das iſt / es kan Gottes Liebe ohne des Nechſten liebe nicht ſeyn. Wer ſei - nen Nechſten nicht liebet / der iſt ein Feind GOttes / den Menſchen Feind iſt Gottes Feind / darumb weil GOtt ein Liebhaber der Menſchen iſt.

5. So iſt die liebe das Geſetz der Na -Aus der Liebe koͤmpt al - les gutes. tur / aus welchem dem Menſchlichen Geſchlechte alles gutes entſtehet / vnd ohn welche dz Menſchliche Geſchlecht vergehen muͤſte. Denn alles was dem Menſchen gutes geſchicht / das quillet vnd entſpringet aus der Liebe / Dar - umb S. Paulus die liebe nennet dasT vBand272Warumb der NechſteBand der Vollkommenheit / Coloſſ. 3. Deñ was fuͤr herrliche Fruͤchte aus der liebe wachſen / beſchreibet S. Paulus Rom. 12. Daher der Herr Matth. 7. ſpricht: Alles was jr wolt / das euch dieDas gan - tze Geſetz hanget an der Liebe. Leute thun ſollen / das thut jhr jhnen auch / das iſt das Geſetz vnd die Pro - pheten. Vnd die Heyden haben aus derGeſetz der Natur. Natur gelernet: Was du nit wilt / das dir geſchehe / das thue einem andern auch nit. Dieſen Spruch hat der Key - ſer Severus, welcher auch ſonſt mit herrlichen Tugenden begabet geweſen / ſtets im Munde gefuͤhret / vnd in die beſchriebenen Rechte ſetzen laſſen.

6. So iſt die liebe ein ſchoͤnes Bild / vnd Vorſchmack des ewigen Lebens. Denn was daſelbſt fuͤr ein ſeliger Zu - ſtand ſeyn wird / wenn die Außerwehl - ten ſich vntereinander lieben werden / eins des andern ſich frewen / in ewiger Freundligkeit vnd Leutſeligkeit einan - der beywohnen / vnd ſich eines an dem andern ergetzen werden / das iſt nicht auß zudencken / ſolches alles wird in derLiebe273zu lieben ſey. Liebe geſchehen / darumb wer des ewi -Liebe ein Bild des ewigen Lebens. gen lebens Bild anſchawen / ja deſſel - ben einen Vorſchmack haben will / der vbe ſich in dieſer Tugend / er wird reich - lich dadurch ergetzet vnd erfrewet wer - den / vnd viel Ruhe vnd Friede im Her - tzen haben.

7. Je reiner / bruͤnſtiger vnd hertz - licher nun die liebe iſt / je neher der goͤtt - lichen Art vnd Natur / Denn in Gott /Verwand nis Got - tes in der Liebe. in Chriſto vnd im heiligen Geiſt iſt die allerreineſte / zarteſte / bruͤnſtigſte / edleſte vnd hertzlichſte Liebe. Rein iſt die liebe / wenn man nicht vmb eigenes Nutzes vnnd vmb eigenes genieſſes willen liebet / ſondern lauter vmb der liebe Gottes willen / weil vns Gott ſo rein vnnd lauter vmbſonſt liebet ohne allen Nutz. Darumb wer vmb ſeines Nutzes willen den Nechſten liebet / der hat keine reine liebe / vnnd keine goͤttliche liebe. Vnter - ſcheid der Heydni - ſchen vnd Chriſtli - chẽ Liebe.Vnd das iſt der Vnterſcheid vnter der Heydniſchen liebe / vñ vnter der Chriſt - lichen liebe: Ein Chriſt liebet ſeinen Nechſten in Gott / in Chriſto / lautervmb -274Warumb der Nechſtevmbſonſt / vnnd hat alle Menſchen in Gott vnd in Chriſto lieb / dauon haben die Heyden nichts gewuſt / ſondern ha - ben alle jre Tugenden mit eiteler Ehre vnd eigen Nutz beflecket. Hertzlich lie - ben wir den Nechſten / wenn es ohne Heucheley geſchicht / ohne alle Falſch - heit / weñ die liebe aus dem Hertzen ge - het / vnd nit aus dem Munde / dadurchHertzliche vnd bruͤn - ſtige Lie - be. mancher betrogen wird. Bruͤnſtig iſt die Liebe / wenn eine hertzliche Barm - hertzigkeit vnnd Mitleiden da iſt / daß man ſich des Nechſten Noht annimpt als ſeiner eigẽ / ja wenns muͤglich were / daß man dem Nechſten ſein Leben mit - theile / ja ſein Lebẽ fuͤr die Bruͤder laſſe / 1. Joh. 3. wie Moſes vnd Paulus / die da wolten verbannet ſeyn fuͤr die Bruͤder.

Die Fein - de lieben / iſt eines Chriſten eigener Kunſt / Gabe vñ Adel.

8. Daraus folget / daß wir vnſere Feinde lieben ſollen vñ muͤſſen / Matt. am 5. Liebet ewere Feinde / thut gutes denen / die euch beleidigen / ſegnet die euch verfolgen / ſo werdet jr Kinder ew - res Vaters ſeyn. Denn wenn jhr guts thut denen / die euch guts thun / vnd lie -bet die -275zu lieben ſey. bet die ſo euch lieben / was thut jr mehr denn die Heyden? denn das thun ſie auch. Darinn ſtehet der Vorzug / Præ - eminentz vnd Herrligkeit der Chriſten: Die Natur vnter ſich zwingen / herſchẽ vber Fleiſch vnd Blut / die Welt vnd al - les Boͤſe in der Welt mit Gutem vnd mit Tugend vberwinden / Rom. 12. Dz iſt der Chriſten Adel. Exod. 23. befihlet Gott: Wenn du deines Feindes Och - ſen oder Eſel ſiheſt irren oder vnter der Laſt ligen / hilff jhm auff / bringe jhn zu recht / welches S. Paulus 1. Corinth. 9. anzeucht / vnd ſpricht: Sorget GOtt fuͤr das Viehe / thut ers nicht vielmehr vns? Darumb er zun Roͤmern am 12. ſpricht: Hungert deinen Feind / ſo ſpeiſe jn / ꝛc. Iſt demnach nicht gnug / daß du dem Menſchen nicht leides thuſt / ja auch deinem Feinde nicht / du muſt jhm gutes thun / oder du biſt nicht ein Kind Gottes / denn du liebeſt deinen Nech - ſten nicht.

9. Wer ſich nicht der ChriſtlichenLiebe be - weiſet le - liebe befleiſſiget / der trennet ſich vondem276Warumb der Nechſtebendige Glieder des geiſt - lichen Lei - bes Chri - ſti / ſo theil hafftig der Wol - thaten der Kirchen.dem geiſtlichen Leibe Chriſti / der Kir - chen / vnd wird verluſtig aller Woltha - ten Chriſti / Eph. 4. Ein Glaube / eine Tauffe / ein Gott / ein Herr / ꝛc. Denn gleich wie die Glieder / ſo vom Haupt getrennet ſeyn / nit koͤnnen des Haupts Krafft vnd Leben empfinden / ſondern ſind todt: Alſo alle die nicht in der liebe leben / trennen ſich von dem einigen Haupt Chriſto / vnd koͤnnen ſeines Le - bens Bewegung vnd Fuͤlle nicht theil -1. Joh. 3. hafftig werdẽ / Darumb ſpricht S. Jo - hannes: Wer den Bruder nicht liebet / der bleibet im Tode / er iſt lebendig tod.

10. Weil auch durch das Gebet alle gute Gaben vnd gedeyen muͤſſen von Gott erbeten werden / vnd ohn Gebet kein huͤlff / kein troſt vnd errettung ge - ſchicht / kan auch kein Segen vñ Wol -Gebet oh - ne Liebe vntuͤchtig fahrt zu vns kommen / Vnd aber kein Gebet erhoͤret werden / vnd zu Gott kommen kan / wenn es nicht aus dem Glauben vnd aus der liebe / vnd in der liebe geſehicht / darumb der Herr ſagt:Matt. 18. Wo jhr zwey oder drey eins werden inmeinem277zu lieben ſey. meinem Namen / was ſie bitten werdẽ / wil ich jhnen geben / vnd ſoll jhnen wie - derfahren von meinem Vater.

So ſollen wir nun in der Liebe leben /Rom. 15. denn da iſt Friede vnd Einigkeit / WoIn der Liebe iſt Friede. aber Friede iſt / da iſt der Gott des Frie - des / vnd wo der Gott des Friedes iſt / daſelbſt hat der Herr verheiſſen Se -Pſal. 133. gen vnd Leben immer vnd ewiglich / ꝛc.

Das XXVII. Capittel. Warumb die Feinde zu lieben.

Matth. 5. Liebet ewre Feinde / Segnet die euch verfluchen / thut wol denen / die euch haſ - ſen / bittet fuͤr die / die euch be - leidigen vnd verfolgen / auff daß jhr Kinder ſeyd ewres Va - ters im Himmel. ()

DEr erſte Grund iſt Gottes Gebot / ſo hie ſtehet: Liebet ewre Feinde / vñ ſetzet ď Herꝛ keine andere Vrſach darzu denn dieſe:Auff278Warumb die FeindeAuff daß jr Kinder ſeyd ewres Vaters im Himmel. Denn er hat vns geliebet / da wir ſeine Feinde waren / Rom. 5. So viel wil nun der Herr ſagen: Wenn jhr ewre Feinde nicht liebet / ſo koͤnnet jhr ewres Vaters Kinder nicht ſeyn. Wer nun Gottes Kind nicht iſt / wes Kind iſt er denn? Ach / wie haben wir noch ſo viel zu lernen? Wie weit ſind wir noch von den Fruͤchten der Kind - ſchafft Gottes / weil in einem wahren Kinde Gottes ſoll die liebe ſeyn / ſo die Feinde liebet?

2. 1. Joh. 3. Wer den Bruder nicht liebet / der bleibet im Tode. Warumb? Das geiſt - liche Lebẽ ſtehet im Glauben vnd in der Liebe.Er hat das rechte Leben nit aus Chri - ſto. Das geiſtliche himliſche Leben ſie - het im Glauben gegen Gott / vnd in der liebe gegen dem Nechſten / wie S. Jo - hannes ſaget: Wir wiſſen / daß wir aus dem Tode in das Leben kommen ſeyn / denn wir lieben die Bruͤder / das iſt die Frucht vnd Zeugnis der lebendigma - chũg in Chriſto. Iſt demnach die Feind - ſchafft wieder den Nechſten der ewigeTodt. 279zu lieben. Tod. Denn wer in Feindſchafft ſtir - bet / der iſt des ewigen Todes geſtorbẽ / darwider der Herr Chriſtus ſo trewlich warnet.

3. Wenn ein Menſch ſeinen Nech -Ohne Lie - be alle Werck todt. ſten haſſet / ſo ſind alle ſeine gute werck / Gottesdienſt / vnd Gebet verloren / wie S. Paulus ſagt: Vnd wenn ich alle1. Cor. 15. meine Haab den Armẽ gebe / vnd lieſſe meinen Leib brennen / vñ hette der Liebe nicht / ſo were mirs nichts nuͤtze.

4. So iſt es eines hohen / adelichen / goͤttlichen Gemuͤts die Beleidigung vergeben. Denn ſehet Gott an / wie langmuͤtig iſt er / wie bald leſſet er ſichPſal. 103. verſoͤhnen. Sehet den Herrn. Jeſum an in ſeinem Leiden / wie ein geduͤltiges Laͤmblein war er? Wie thet er ſeinenEſai. 53. Mund nicht auff. Sehet Gott den hei - ligen Geiſt an / Warumb hat er ſich in Tauben Geſtalt offenbaret? ohn zweif -Matth. 3. fel wegẽ der Gelindigkeit vnd Sanfft - mut. Sehet Moſen an / mit was groſ - ſer Gedult hat er die Leſterung vnnd Schmehung des Volcks getragen / dieErſter Theil VSchrifft280Warumb die FeindeNum.[12].Schrifft ſaget: Er war ein ſehr geplag - ter Mann / vber alle Menſchen auff Erden. Sehet den heiligen David / wie2. S[a]m. 16. er den Regentenſchender Simei duldet:

Quo quiſꝙ eſt maior, magis eſt placabilis iræ, Et faciles motus mens generoſa capit. ()

Das iſt:

Je groͤſſer Held / je ehe ſein Zorn felt /
Je edler Gemuͤt / je ehe mans verſoͤhnen
thut.

Mantua.

Ardua res viciſſe alios, victoria maior Eſt, animi fluctus compoſuiſſe ſuos. ()

Das iſt:

Dem Feind obſiegen / iſt ein groſſes Werck /
Sich ſelbſt vberwindẽ / iſt groͤſſer Staͤrck.
Pærcere ſubiectis & debellare ſuperbos, Hæc eſt in magnis gloria magna viris. ()

Das iſt:

Den kleinen Gnad / den ſtoltzen Krieg /
Iſt groſſen Leuten ein groſſer Sieg.

Vera charitas nulli novit indigna - ri, quàm ſibi: Die wahre Liebe zurnet mit niemand leichter denn mit jr ſelbſt. Der wahre Friede ſtehet nicht in groſ - ſem Gluͤck / ſondern in demuͤtigem Lei -den281zu lieben. den der Widerwertigkeit, Publ. Inge - nuitas non recipit contumeliam. Ein tapffer Gemuͤt iſt keiner Leſterung fehig. Seneca: Si magnanimus fue - ris, nunqam iudicabis tibi contu - meliam fieri. Wenn du ein tapffer Gemuͤt haſt / ſo wirſtu dafuͤr halten / daß dir keine Schmach widerfahren koͤnne. Wenn einer die Sonne ſchoͤlte / vnd ſpreche ſie were nichts den Finſter - nis / daruon wuͤrde ſie nicht finſter wer - dẽ: Alſo gedencke du auch: Genus ma - gnum vindictæ eſt ignoſcere. Es iſt eine groſſe Rache bald vergebẽ. Solche herrliche weiſe Regeln des Lebens habẽ fuͤrtreffliche Leute practicirt, als Peri -Heydniſch Exempel der edlen Langmut. cles ein Griechiſcher Redner / da er ei - nen Leſterer den gantzen Tag erduldet hatte / lies er jhn auff den Abend in ſeyn Hauß beleiten / damit er nicht Schadẽ neme / vnd ſagte: Es iſt keine Kunſt die Tugend ſchelten / ſondern jhr folgen. Phocion ein Athenienſiſcher Fuͤrſt / nach dem er viel herrlicher Thaten ge - than / iſt er durch Neid zum Tode ver -V ijdampt /282Warumb die Feindedampt / vnd als er gefragt ward / ob er auch noch etwas ſeinem Sohn befehlẽ wolte / hat er geantwortet: Gar nichts / ohn allein / daß er dieſe Gewalt an ſei - nem Vaterlande ja nit rechnen wolte. Keyſer Tytus als er in Erfahrung bracht / daß zweene Bruͤder in Rom nach dem Keyſerthumb trachteten / vñ ſich zuſammen verſchwuren den Keyſer zu erwuͤrgen / hat er ſie auff den Abend zu Gaſte geladen / vnd auff den Mor - gen mit ſich auff den Schawplatz ge - nommen / da er dem Spiel zugeſehen / vnd ſie laſſen neben ſich ſitzen / vnd hat mit hoher Gnade jhre Boßheit vber - wundẽ. Als ſich Cato, der weiſe Rahts - herr zu Rom erſtochẽ hatte / hat Iulius Cæſar geſaget / nun iſt mir mein hoͤch - ſter Sieg genommen / den ich gedachte dem Catoni alle Iniurien, damit er mich beleidiget hat / zu vergeben.

5. Aber wer durch die groſſe Gedult vnd Demut des Sohns Gottes nicht bewogen werden kan zur Sanfftmuth gegen die Feinde / der wird nimmermerdurch283zu lieben. durch eines Heiligen Exempel bewogẽGroͤſte langmut Gottes. werden / viel weniger durch ein Heyd - niſch Exempel. Deñ ſehet / was iſt doch groſſer Gewalt vnd Boßheit / denn daß Menſchen Kinder den einigen vnſchuͤl - digen gerechten Sohn GOttes / die Krone ſeines Hertzẽs ſo erbermlich ge - handelt haben / verſpottet / geſchlagen / mit Dornen gekroͤnet / verſpeyet / ans Creutz gehefftet / vnd die hoͤchſte Boß - heit an jm vollbracht? Noch hats Gott auß Gnaden alles vergeben / vnd der Herꝛ hat gebeten / Vater vergibs jnẽ.

6. Zu dem Ende hat dir dein Erloͤ -Chriſti Exempel vnſere Artzney. ſer vnd Seligmacher ſein Exempel fuͤr Augen geſtellet / daß es deines gantzen Lebens kraͤfftige Artzney ſey / eine ſolche Artzney / die alles / was in dir hoch iſt / ſol niderdrucken / alles wz verſchmach - tet iſt / erquicken / alles was vntuͤchtig iſt / abſchneiden / alles wz verderbet iſt / verbeſſern. Wie kan die Hoffart in ei - nem Menſchen ſo gros ſeyn / das ſie nicht geheilet werden moͤchte mit der tieffeſten Nidrigkeit vnd Demut desV iijSohns284Warumb die FeindeSohns Gottes: Wie kan der Geitz im Menſchen ſo vberhand nemen / das er nicht durch die heilige Armut Chriſti koͤnte geheilet werden? Wie kan der Zorn des Menſchen ſo hefftig ſeyn / dz er nicht mit der gelindeſten Sanfft - mut Chriſti koͤnte geheilet werdẽ. Wie koͤnte die Rachgier im Menſchen ſo bit - ter ſeyn / dz ſie nicht ſolte durch die hohe Gedult des Sohns Gottes geheilet werden? Wie koͤnte doch ein Menſch ſo gar liebloß ſeyn / daß er nicht durch die groſſe Liebe Chriſti / vnd ſeine woltha - ten koͤnte mit Liebe entzuͤndet werden? Hebr. 6. Joh. 11.Wie koͤnte doch ſo ein hart Hertz ſein / das Chriſtus mit ſeinen Threnen nit erweichen koͤnte.

7. Wer wolte auch nicht gern Gott dem Vater / vnd ſeinem lieben Sohn Jeſu Chriſto / vnd Gott dem heiligenBilde Gottes. Geiſt gleich werden / vnd das Bilde der heiligẽ Dreyfaltigkeit tragen / welches fuͤrnemlich ſtehet in der Liebe vnd ver - gebung? Denn es iſt die hoͤchſte Eigen - ſchafft Gottes / Erbarmen / Verſcho -nen285zu lieben. nen gnedig ſeyn / Vergeben. Wer wol - te nicht ſagen / daß dz die ſchoͤneſte Tu - gend were / dadurch man dem hoͤchſten Gott gleich kan werden / vnd den aller - tugendhafftigſten hoͤchſten Leuten in der Welt?

8. Endlich / ſo iſt es auch der hoͤchſteGroͤſte Staͤrcke vnd hoͤch - ſter Grad der Tu - gend. Grad der Tugend ſich ſelbſt vberwin - den / Vergeben Vergeſſen / vnd Zorn in Gnade verwandeln.

Fortior eſt qui ſe, quàm qui fortißima vincis Mœnia, nec virtus altius ire poteſt.

Iſt eben das / das Prov. 16. ſtehet: Ein Geduͤltiger iſt beſſer deñ ein Starcker / vnd der ſeines Muts ein Herꝛ iſt / denn der groſſe Staͤdte gewinnet / hoͤher kan die Tugend nicht ſteigen / ſie hat keine hoͤhere Staffel vnd Grad. Deñ ſo ru - het ſie in Gott / vnd endet ſich in Gott / vnd iſt in Gott vol - lendet / etc.

V iiijDas286Die Liebe des Schoͤpffers

Das XXVIII. Capittel. Wie vnd warum̃ die Liebe des Schoͤpf - fers aller Creatur Liebe ſol vorgezogen wer - den: Vnd wie der Nechſte in Gott ſoll geliebet wer - den.

1. Joh. 2. Wer die Welt lieb hat / in dem iſt die Liebe des Vaters nicht. ()

DEs Menſchen Hertz iſt alſo von Gott geſchaffen / daß es ohn Liebe nicht leben kan / es muß etwas lieben / es ſey Gott oder die Welt / oder ſich ſelbſten. Dieweil nun der Menſch etwas lieben muß / ſo ſol er das allerbeſte lieb haben / welches iſtEdelſte Affect der Liebe. Da - rumb ge - buͤhret ſie Gott. Gott ſelbſt / vnd ſol dieſen Affect / wel - chen Gott in das Hertz gepflantzet / vñ durch den H. Geiſt angezuͤndet hat / Gott wieder geben / vnd bitten / daß er ſeine Liebe in jhm je mehr vnd mehr an - zuͤnde. Denn Gott liebet dich erſt / vnd entzuͤndet deine Liebe mit ſeiner Liebe /liebeſtu287allen Creaturen vorzuziehen. liebeſtu jhn aber wieder / ſo wirſtu von jhm geliebet werden / Johan. 14. Wer mich liebet / wird von meinem Vater geliebet werden.

Iſt nun Gottes Liebe in einem / ſo kan er es mit keinem Menſchen boͤſe meynen. Denn Gottes Liebe meynets mit keinem Menſchen boͤſe / vnd kan keinem vbel wollen. Wer nun keinem Menſchen vbel wil aus Art vnd Krafft der Liebe Gottes / der wird auch keinen Menſchen betriegen / noch beleidigen mit Worten vnd Wercken / ſehet das wircket die Liebe Gottes in vns.

Es ſind viel / ja die meiſten Leute mit der Weltliebe alſo beſeſſen / daß Got - tes Liebe nie in jhr Hertz kommen iſt / welches ſie mit der falſchen Liebe gegen jhren Nechſten bezeugen / mit vortheil vnd betrug / ꝛc. Die Welt / vnd allesNichts beſſers denn Gott lieben. was in der Welt iſt / ſol nicht alſo ge - liebet werden / daß Gottes Liebe da - durch beleidiget oder verhindert werde. Denn was iſt doch die Nichtigkeit vnd Eitelkeit dieſer Welt zu rechnen gegenV vdie288Die Liebe des Schoͤpffersdie Hoheit vñ Fuͤrtreffligkeit Gottes? Deñ gleich wie Gott vnendlicher weiſe vbertrifft alle ſeine Creaturen: Alſo iſt auch ſeine heilige Liebe vberſchwẽglich ohne alle Vergleichung / adelicher vnd koͤſtlicher deñ alle andere Liebe / damitAlle Erea - turen ſind vnſerer Liebe zu gering. die Creaturen geliebet werden. Darum̃ ſind alle Creaturen viel zu nichtig vnd zu gering / daß vmb jhrent / vnd jhrer Liebe willen GOttes Liebe ſolte beleidi - get werden.

1. Corinth. 9. ſpricht S. Paulus: Wes iſt die Frucht des Baums ohne des / der jn gepflantzet hat? Wer pflan - tzet einen Weinberg / vnd iſſet nit von ſeinen Fruͤchten? Alſo wen ſolteſtu mer lieben als den / der die Liebe in dz Hertz gepflantzet hat / durch welches Liebe du lebeſt? Durch die Liebe Gottes in Chri - ſto leben wir alle / an dieſelbige Liebe ſol - len wir vns halten in vnſerem gantzen Leben / es gehe vns wie es wolle. Vnd gleich wie die Schiffleute in groſſem Vngeſtuͤm des Meers Ancker auswerf - fen / daran ſich das Schiff helt: Alſowenn289allen Creaturen vorzuziehen. wenn dieſe Welt / welche ein vngeſtuͤmSchoͤn Gleichins Meer iſt / das Schifflein vnſers Her - tzens beweget durch die Bulgen der menniglichen Laſter / Hoffart / Zorn / Vngebult / Geitz / Fleiſchliche Wol - luſt / etc. Sollen wir vns an die LiebeRom. 8. Gottes vnd Chriſti halten / als an einẽ Ancker / vnd vns nicht ſo bald von der Liebe Chriſti laſſen abreiſſen. Alſo auch in geiſtlichen Noͤhten / wenn Suͤnde / Tod / Teuffel vnd Helle / Truͤbſal vnd Elend wieder vns ſtreiten / als Meers -Gottes Liebe kan vns keine Creatur nemen. wellen / ſollen wir vns an Gottes vnd Chriſti Liebe halten. Denn das iſt der Berg / der dem Loth gezeiget ward / als er aus dem Fewer zu Sodoma gieng / darauff er ſeine Seele erretten ſolt.

Alſo muß ein Chriſt die Sodoma dieſer Welt fliehen / vñ ſich an die Liebe Gottes halten / wil er nit in die Straf - fe fallen der weltlichen Luͤſten / welche erger ſeyn denn das Fewer zu Sodom. Gottes Liebe vnd Furcht be huͤtet fuͤr Suͤnden.Die Liebe vnd Furcht Gottes iſts / die einen Menſchen behuͤtet fuͤr der Welt /wie den290Die Liebe des Schoͤpfferswie den Joſeph fuͤr des Potiphars Weibe.

Daß ein Menſch dieſe Welt ſo lieb hat / koͤmpt nur daher / daß er nie ge - ſchmecket hat die Liebe Gottes / Daß ein Menſch ſeinen Nechſten haſſet / nei - det / betreugt / verfortheilet / koͤmpt nur daher / daß er die liebe Gottes nicht hat. Woher koͤmpt ſo viel Sorgen vndLieblig - keit vnnd Freund - ligkeit der Liebe Got tes. Gremen? Nur daher / daß man Gott nicht hertzlich lieb hat. Denn die liebe Gottes iſt ſo lieblich vnd ſuͤſſe / daß ſie einen Menſchen in allen Truͤbſalen / auch mitten im Tode freudig vnd ge - troſt machet.

Eigen - ſchafft der Liebe.

Der liebe Art iſt / daß ſie das allein groß achtet / daß ſie lieb hat / vnd vergiſt alles / auff daß ſie nur das geliebte moͤ - ge erlangen. Warumb vergiſt denn ein Menſch nicht alles / was in der Welt iſt / Ehr / Wolluſt vnd Reichthumb / auff daß er Gott allein haben moͤge / weil er ſpricht / er liebe Gott? Das ha - ben vorzeitẽ gethan die Heiligen Got - tes / welche der liebe Gottes vnd derſel -ben291allen Creaturen vorzuziehen. ben Suͤſſigkeit ſo ſehr nachgetrachtet haben / daß ſie der Welt vnnd jhr ſelbſt daruͤber vergeſſen / Derowegen ſie in der Welt fuͤr Narren ſeyn geachtet worden / vnd ſie ſind doch die weiſeſten geweſt / Denn wer iſt der weiſeſt? DerDer wei - ſeſte vnnd nerrichſte. das ewige Gut vber alles liebet vnd ſu - chet? Darumb ſind das die groͤſſeſten Weltnarren geweſt / welche ſolche hei - lige Leut fuͤr Narren gehalten haben.

Ein rechter Liebhaber Gottes ſuchet vnd liebet Gott / als wenn ſonſten nich - tes anders vnter dem Him̃el were denn Gott / vnd alſo findet er in Gott alles / was er je in der Welt lieben koͤndte. Denn GOtt iſt alles / er iſt die rechteIn Gott findeſtu alles. Ehre vnd Freude / Friede vnd Luſt / Reichthumb vnd Herrligkeit / das alles wirſtu in Gott beſſer finden denn in der Welt. Liebeſtu etwas ſchoͤnes / war - umb liebeſtu GOtt nicht / der aller Schoͤnheit ein Vrſprung iſt? Liebeſtu etwas guts / warumb liebeſtu GOtt nicht / der das ewige Gut iſt / vnd iſt nie - mand gut ohne Gott / der iſt dz hoͤchſteGut292Die Liebe des SchoͤpffersWarumb alle Crea - turen gut ſeyn.Gut in ſeinem Weſen. Alle Creatur ſind gut / darumb daß ſie ein kleines Fuͤncklein vnd Troͤpfflein von der guͤ - tigkeit Gottes empfangen haben / Vnd iſt doch ſolches mit vielen Vnuolkom - menheiten vmbgeben.

Warumb liebeſtu nun Gott nicht vielmehr / den Vrſprung vnd Brunnẽ / vnd die hoͤchſte Vollkommenheit alles gutes / der weſentlich gut iſt / vnd allesGott iſt alles gut weſentlich gutes in allen Dingen Vrſprung iſt? Je weniger von ď Erde / oder jrrdiſche Schwere ein Ding etwas an ſich hat / je leichter es iſt / vnd je ehe es ſich in die Hoͤhe erhebet: Alſo je mehr ein menſch -Irrdiſch Gemuͤt ſchwer Gemuͤt. lich Hertz mit irrdiſchen Dingen be - ſchweret iſt / je weniger es ſich empor heben kan / vnd in der Liebe Gottes ſich erfrewen / je weniger Weltliebe je mehr Gottes Liebe / je mehr Liebe des Nechſten / dieſe ſind nicht geſcheiden.

Daraus folget / daß wer Gott liebet / der liebet auch den Nechſten / vnd wer Gott beleidiget / der beleidiget auch den Nechſten.

Das293allen Creaturen vorzuziehen.

Das XXIX. Capittel. Von der Verſoͤhnung des Nechſten / ohn welche Gott ſeine Gnade wiederruffet.

Num am 5. Wenn jemand eine Suͤnde wider einen Menſchen thut / der verſuͤndiget ſich am HERRN. ()

D ſind denckwirdige Wort / denn ſie binden zuſammen Gott vnnd den Menſchen / Gottes Liebe vnd des Menſchen Liebe / Gottes Beleidigung vnd des Menſchẽ Beleidigung. Denn Moſes ſpricht hierWer wie - der M[e]n - ſchen ſuͤn - diget / der ſimdiget wieder Gott. außdruͤcklich: Wer eine Suͤnde wieder einen Menſchen thut / der habe ſich an dem Herrn verſuͤndiget.

Daraus folget nun vnwiederſprech - lich / wer ſich mit Gott verſoͤhnen will / der muß ſich auch mit ſeinem NechſtenMenſchen beleidiger Gottes belerdiger verſoͤhnen. Denn Gott wird beleidi - get / wenn der Menſch beleidiget wird. Dar -294Ohne Verſoͤhnung des NechſtenDarumb kan ſich auch ein Menſch / der Gott vñ Menſchen beleidiget hat / mit Gott nicht wieder verſoͤhnen / er habe ſich denn mit ſeinem Neheſten verſoͤh - net / wie ſolches auch Chriſtus klar be - zeuget / Matth. 5.

Hier muͤſſen wir nu notwendig aber - mals etwas ſagen von der liebe Gottes vnd des Nechſten / wie dieſelbige anein - ander hangen / vñ nit koͤnnen geſchiedẽ werden / daraus deñ nothwendig fleuſt die wahre Bruͤderliche Verſoͤhnung.

1. Johan. 4. Wer da ſaget / er liebe Gott vnd haſſet ſeinen Bruder / der iſtGottes Liebe iſt auch des Nechſten Liebe / o - der die Liebe iſt falſch. ein Luͤgener. Denn wer ſeinen Bruder nicht liebet / den er ſihet / wie ſolte er Gott lieben / den er nit ſihet? Vnd diß Gebot habẽ wir von jm / daß wer Gott liebet / auch ſeinen Bruder liebe. Dero - wegen ſo kan nun Gottes Liebe ohne des Nechſten Liebe nicht ſeyn: Iſt Got - tes Liebe recht vnd rein ohn Falſch bey einem Menſchen / ſo iſt auch des Nech - ſten Liebe rein vnd vnuerfaͤlſchet: Vnd hinwieder iſt Gottes Liebe nicht reinbe[y]295widerruffet Gott ſeine Gnadebey einem Menſchen / ſo hat derſelbe Menſch nur auch eine falſche Liebe ge - gen ſeinen Nechſten. Alſo iſt die Liebe des Nechſtẽ eine Proba der Liebe Got - tes / ob dieſelbe bey einem Menſchẽ rein ſey oder nicht.

Auß dieſem Grunde kan man nun recht betrachten die Liebe des Nechſtẽ / vnd deſſelben bruͤderliche verſoͤhnung. Zwey Ziel ſind dem Menſchen geſetzet /Zwey Ziel des Men - ſchen. nach welchem er den Lauff ſeines gantzẽ[L]ebens richten ſoll: GOttes vnd des Nechſtẽ Liebe / darin ſol er ſich befleiſſi - gen / dz er demſelbigen Ziel jmmer naͤher vnd naͤher kom̃e vnd in Gottes vnd des Nechſtẽ Liebe jmmer vollkom̃ener wer - de. Denn zu dem Ende ſind alle Men - ſchen geſchaffen / erloͤſet vnd geheiliget. Ja Chriſtus vnſer Herr iſt das Ziel / darnach wir alle lauffen ſollẽ / je naͤher[nu]die Liebe / je naͤher dem Herrn Chri - ſto vnd ſeinem Leben.

Darumb iſt GOtt Menſch wor - den / auff daß vns GOTT fuͤr AugenErſter Theil Xſtelle -296Ohne Verſoͤhnung des NechſtenIn Chri - ſti Men - ſchwer - dung Got tes Liebe ſichtbar.ſtellete ein leiblich ſichtbar Contrafeyt vnd Bilde ſeiner Liebe / wie Gott we - ſentlich die Liebe ſelbſten in ſeinem vn - erforſchlichen / vnbegreifflichẽ / vnend - lichen / goͤttlichen Weſen ſeyn / auff dz die Menſchen dieſem Ebenbilde Got - tes / welches iſt Chriſtus / ehnlich vnnd gleichfoͤrmig wuͤrden in der Liebe.

Wie aber nun in Chriſto zuſammen gefaſſet iſt / Gott vñ Menſch durch einBand der Liebe. vnauffloͤslich Band: Alſo faſſet die lie - be Gottes in ſich die Liebe des Nech - ſten / vnd wie goͤttliche vnd menſchliche Natur in Chriſto nicht koͤnnen getren - net werden: Alſo auch Gottes vnd des Nechſten Liebe. Wie man die Menſch - heit Chriſti nicht kan beleidigen / man muß auch Gott beleidigen: Alſo kan man ohne Gott keinen Menſchen be - leidigen: Darum̃ kan ſich kein Menſch trennẽ mit ſeiner Liebe von ſeinem Ne - heſten / er muß ſich auch von Gott tren - nen. Es kan niemand zuͤrnen mit ſei - nem Nechſten / er muß auch mit Gottzuͤrnen297widerruffet Gott ſeine Gnade. zuͤrnen / es kan niemand Menſchen be -Mẽſchen Beleidi - gung iſt Gottes be - leidigung. leidigen / er muß auch Gott beleidigen.

Nemet ein natuͤrlich Gleichnis: Wenn einer einen Circkel machet / vñ in der mitten einen Punct / vnd zeucht den Circkel voller Linien / ſo kommẽ ſie alle in dem einigen Punct zuſammen / vnd ruͤren einander an / vnd das einige Puͤnctlein faſſet alle Linien zuſammẽ / vnd kan keine Linea geſcheiden werdẽ von der andern / ſie werdẽ auch zugleich vom Mittelpunct mit abgeſcheiden / in welchem alle Linien zuſammen kom - men: Allo iſt Gott der Punct / ſeheidetAus Gott vnd in Gott ſind alle ding in einem Anfang / Mittel vñ Ende.[j]emand die Lin[i]en ſeiner Liebe von ſei - nem Nechſten / ſo ſeheidet er ſie auch zu - gleich von Gott / vnd weil alle Linien[d]es Circkels im Mittelpunct einander[an]ruͤhren / ſo ruͤhret das Leiden vnnd Truͤbſall des Menſchen einander auch[an]/ daß er Mitleiden mit jhm hat / iſt erMitleidẽ auß der Liebe. anders in Gott / als dem einigen Punct mit begriffen vnd zuſammen gefaſſet.

Des haben wir auch eine feine geiſt - liche Bedeutung in der Hiſtoria Jobs. X ijDa Job298Ohne Verſoͤhnung des NechſtenJob. 1.Da Job hoͤrete / daß jhm ſein Haab vñ Gut genommen war / ſprach er: Der Herr hats gegeben / der Herr hats genommen / der Name des HerrenSchoͤn Bilde Job. ſey gebenedeyet / vnd betruͤbet ſich nicht ſo gar hart. Da er aber hoͤrete / dz ſeine Kinder waren vmbkommen / zerriſſe er ſeine Kleider vñ hatte ſich vil klaͤglicher. Die Kinder bedeutẽ eines jeden Men - ſchen ſeinen Nechſten / weñ er hoͤret / dz es ſeinen Nechſtẽ vbel gehet / ſol es jme mehr zu Hertzen gehen / als weñ er ſein eigen Gut verloͤhre. Denn das iſt der Liebe Art / daß ſie ſich vmb jhr eigen Vngluͤck nicht ſo ſehr bekuͤmmert / alsSelig le - ben in der Liebe. vber des Nechſtẽ Schaden. Ach wie ein ſelig leben were auff Erden / wenn wir alle in der Liebe wandelten / da wuͤrde niemand den andern betriegen / vervor - theilen vnd beleidigen.

Darumb hat GOtt in der Schoͤpf - fung nicht mehr den einen Menſchen geſchaffen / vnd die Eva auß dem - ſelbigen hernach erbawet / von welchereinigen299widerruffet Gott ſeine Gnadeeinigen Wurtzel hernach ſo viel Men - ſchen entſproſſen ſind / auff das / weil alle Menſchen von einer Wurtzel ent - ſproſſen / ſie ſich auch deſto mehr vnter einander liebten. Das iſt die Vrſach / Warumb Gott anfaͤnglich nicht viel Menſchen geſchaffen / ſondern nur ei - nẽ / da er doch viel Thier / viel Kraͤuter / viel Baͤume geſchaffen: Aber nur einẽ Menſchen / auff dz ſie als Zweiglein ei - nes Baums ſich deſto mehr hernach lieben ſolten.

Die Liebe ſo Gott befohlen hat / iſt lieblich zu vben / Vnd beſchweret des Menſchen Leib vnd Seele nit / ſondern machet dem Menſchẽ ein fein ruͤhig Le - ben / vnd iſt vnſer Natur bequem / vndLieben iſt viel leich - ter denn haſſen. nicht zu wider. Wenn aber GOTT befohlen hette / daß du deinen Nech - ſten haſſen ſolteſt / ſo hette er dir viel etwas ſchwerers geboten / denn das du deinen Nechſten lieben ſolteſt. Denn Haß vnnd Feindſchafft iſt dem Her - tzen vñ Seele eine groſſe Laſt vñ Pein / verzehret Leib vñ Seele / Aber die LiebeX iijſtaͤr -300Ohne Verſoͤhnung des Nechſtenſtaͤrcket / erfrewet / erhelt Leib vñ Seele / zerſtoͤret vnd zubricht jhn nicht / wie Haß vnd Neid thut. Denen / die Gott lieben / iſt auch eine Luſt den Nechſtẽ zu lieben / denen / die Gott nicht lieben / iſt auch zuwider / daß ſie den Nechſten lie - ben ſollen.

Koͤmpts dich nun ſchwer an deiner verderbten Natur halben den Nechſten lieben / ſo gedencke / daß noch viel ſchwe - rer ſeyn wird in der Hellen brennẽ: Es iſt ein vnſeliger Menſch /derlieber ewig wil in der Hellen brennen / denn ſeinen Nechſten allhie lieben / vnd ſich mit jm verſoͤhnen / ja es fuͤhlets ein Menſch auch an ſeiner Seele / dz wie der Glan - be Friede mit Gott bringet / PaulusLiebe vnd Verſoͤh - nung hrin get Ruhe. Rom. 5. Alſo Liebe vnd Verſoͤhnung Friede mit dem Menſchẽ vnd eine groſ - ſe Linderung vnd Ruhe dem Hertzen. Im Gegentheil Feindſchafft vñ Vn - uerſoͤhnligkeit bringet der Seelẽ Pein.

Tugend iſt jhr ſelbſt Lon.

Summa ein jede Tugend belohnet den / der ſie hat / vnd ein jedes Laſter pei - niget den / der es hat / eine ſegliche Tu -gend301widerruffet Gott ſeine Gnade. gend ehret den / der ſie hat / ein jeglich Laſter ſchendet den / der es hat.

So zeiget auch die Schrifft / auff was weiſe die Verſoͤhnung geſchehen ſolle. 1. Sol der Schuldige ſeine Suͤn - de bekennen / verſtehe ſeinen Nechſten / den er beleidiget hat / vnd ſols jhm ab - bitten. 2. Sol er wiedergeben das / dar - umb er jhn betrogen hat / die gantze Hauptſumma / vnd noch den fuͤnfften Theil daruͤber. 3. Iſt niemand mehr da / dem er es bezahlen koͤnne / ſol er es dem Herrn geben.

Hier iſt nun wol zu mercken / daß Gott der Herr gebeut / Num. 5. Man ſol das jenige / darumb man den Nech -Erſtat - tung ge - hoͤret zur Buſſe. ſten betrogen hat / wieder erſtattẽ. Diß gehoͤret zu wahrer Buſſe / vnnd iſt der wahrẽ Buſſe Eigenſchafft. Daher S. Auguſtinus ſpricht: Die Suͤnde wird nicht vergeben / wo nicht das geſtolene vnd vnrechte Gut wieder gegebẽ wird / welches er bald darauff erkleret / vnnd ſpricht: Cũ res aliena, quæ reddi po -X iiijteſt302Ohne Verſoͤhnung des Nechſtenteſt, non redditur, non agitur, ſed fingitur pœnitentia.

Die rechte ware Buſſe / die einen Menſchen zu Gott bekeret / ſetzet alles Zeitliche hindan / vñ achtets wie Koth / gegen die vberſchwenckliche Gnade Gottes / deſſẽ wir ein herrlich Exempel am Zachæo haben. Solche Leute findetLuc. 19. man jetzo ſelten / die alſo Buſſe thun. Deñ die ware Bekerung zu Gott reini - get das Hertz vnd Gewiſſen durch den Glauben mit Erſtattung des vnrechtẽEin Dieb fuͤr Gott der nicht wieder - gibt. Guts / auff daß das Hertz fuͤr Gott vñ Menſchen rein ſey. Deñ es bleibt doch einer ein Dieb in ſeinem Hertzen vnd Gewiſſen fuͤr Gott / ſo lang er dz geſto - lene behelt / vnd nicht widergibt / ob er gleich nicht mehr ſtilet. Darumb ſol die Buſſe recht / vnd dz Gewiſſen rein ſein: So muß die Erſtattung geſchehen / ſo ſie muͤglich iſt / iſt ſie nit muͤglich / ſo bitte Gott in hertzlicher Rewe vnd Leid vmb Erſtattung / ſo erſtattet Gott an deiner ſtatt.

Die303widerruffet Gott ſeine Gnade.

Die Vrſach aber / warumb die Er - ſtattung geſchehen muß in der Buſſe dieſen Handel betreffen / iſt: Daß man hie mit zweyen Perſonen zu thun hat / mit Gott / vnd mit Menſchen. Soll nun die Buſſe recht ſeyn / ſo muſtu dich auch mit beyden verſoͤhnen: Deñ GottGOTT nimpt kei ne Verſoͤh nung an ohne Ver - ſoͤhnung des Nech - ſten. nimpt die Buſſe nicht an / wo fern du dich nicht auch mit deinem Nechſten gruͤndlich verſoͤhneſt. Gilt derwegen nicht / weñ du gleich zu Gott ſprecheſt: Lieber Gott / an dieſem oder jenem habe ich vnrecht gethan / jhn betrogen / jhn verfortheilet / mit vnbillichem Wu - cher beſchweret / ich habe nicht alſo mit jhm gehandelt / wie ich wolte / daß er mit mir handeln ſolte / darumb habe ich vnrecht gethan / vergib mirs vmb deines lieben Sohn willen / etc. So ſpricht GOTT: Gib jhm wieder / warumb du jhm betrogen haſt / vnnd komm denn / ſo will ich dir vergeben: Nicht daß ein Menſch GOTT dem Herrn die Vergebung damit ab - verdiente / Nein mit nichten / Er iſtX vdieſes304Ohne Verſoͤhnung des Nechſtendieſes alles ſeinem Nechſten allbereit zuuor ſchuͤldig / vñ vielmehr darzu / wie ſolte er denn etwas damit verdienen? Aber ſo hats Gott beſchloſſen / wie du mit deinem Nechſten handelſt / ſo wird Gott auch mit dir handelen / vnnd dirMatth. 6. Luc. 6. mit dem Maß wieder meſſen / wo du nicht Buſſe thuſt.

Ohne wi - der Er - ſtattung iſt die Buſ[-]ſe nicht recht.

Daher gehoͤren die Spruͤche / Mat - thei 5. Verſoͤhne dich mit deinem Bru - der / vnd als denn komme / vnd opffere deine Gaben. Eſai. 1. Waſchet / reini - get euch / thut ewer boͤſes Weſen von meinen Augen / Laſt ab vom Boͤſen / lernet gutes thun / trachtet nach Recht. Helfft den Verdruckten / ſchaffet den Waiſen Recht / vnd helffet der Witwẽ Sachen / ſo kompt denn / vnd laſſet vns miteinander rechten / ſpricht der Herr. Wenn ewre Suͤnde gleich Blutrot iſt / ſol ſie doch ſchneeweis werden / vnnd wenn ſie gleich iſt wie Roſinfarbe / ſol ſie doch wie Wolle werden. Eſai. 58. Das iſt ein Faſten das ich erwehle: Las loß / welche du mit Vnrecht ver -bunden305wiederruffet Gott ſeine Gnade. bunden haſt / laß ledig / welche du be - ſchwereſt / gib frey / welche du drengeſt / reiß weg allerley Laſt. Brich dem Hun - gerigen dein Brot / vnnd die / ſo im E - lende ſeyn / fuͤhre ins Haus. So du einen nackend ſiheſt / ſo kleide jhn / vnd entzeuch dich nicht von deinem Fleiſch. Als denn wird dein Liecht herfuͤr bre - chen / wie die ſchoͤne Morgenroͤte / vnd deine Beſſerung wird ſchnell wachſen / vñ deine gerechtigkeit wird fuͤr dir her - gehen / vnd die Herrligkeit des Her - ren wird dich zu ſich nemen.

Da ſtehets außdruͤcklich / daß Gott keine Buſſe vnd Gebet annemen wol - le / wo man ſich nicht erſtlich mit ſei - nem Nechſten verſoͤhnet habe / etc.

Das306Von den Fruͤchten

Das XXX. Capittel. Von den Fruͤchten der Liebe.

1. Corinth. 13. Die Liebe iſt lang - muͤtig vnd freundlich / die Liebe eiffert nicht / die Liebe treibet nicht Mutwillen / ſie blehet ſich nicht / ſie ſtellet ſich nicht vngeberdig / ſie ſuchet nicht das jhre / ſie leſt ſich nicht er - bittern / Sie trachtet nicht nach Schaden / Sie frewet ſich nicht / wenns vnrecht zu - gehet / ſie frewet ſich aber / wenns recht zugehet / ſie ver - traͤget alles / Sie vertrawet alles / ſie hoffet alles / ſie dul - det alles. ()

GLeich wiederBaum des Lebens mitten im Paradiß ſtund / vnd ſolche Fruͤchte trug / dz wer da - uon , der lebet ewiglich / Wie Gottder307der Liebe. der Herr Geneſ. 3. ſpricht: Nun aber / daß der Menſch nicht außſtrecke ſeine Hand / vñ breche von dem Baum des Lebens / vnd eſſe / vnd lebe ewiglich / da lies jhn Gott aus dem Garten / daß er das Feld bawet: Alſo hat Gott in dz Paradißgaͤrtlein der Chriſtlichen Kir - chen Chriſtum Jeſum in das Mittel ge - ſetzet / auff das alle Gleubigen von jhm jr Leben vnd Krafft empfiengen. Denn das gantze Chriſtenthumb ſtehet im Glauben vnnd in der Liebe / vmb des Glaubens willen an Chriſtum / gef el - let das gantze Lebẽ eines Chriſten Gott wol. Soll aber dem Nechſten gedienetAller Gleubigẽ Leben iſt Chriſtus. werden / ſo muß es in der Liebe geſche - hen. Denn alle Tugenden ſind ohn die Liebe todt / vnd gelten nichts / auch der Glaube ſelbſt. Denn ob wol der Glau - be allein gerecht machet / weil er allein Chriſti Verdienſt ergreiffet / vnd in der Rechtfertigung nit anſihet einige vor - hergehende gegenwertige oder nach - folgende Werck / ſondern allein Chri - ſtum: Doch wo die Liebe nicht folget /ſo iſt308Von den Fruͤchtenſo iſt der Glaube gewißlich nicht recht / ſondern Heucheley / vnd wenn er gleich Wunder thete. Gleich wie der Leib tod iſt ohn die Seele: Alſo iſt der innerliche geiſtliche Menſch / deſſen Glieder ſeyn alle Tugendẽ / auch todt ohne die Liebe / vñ alle Glieder der Tugenden ſind tod ohne die Liebe. Darumb S. Paulus des Glaubens Proda ſetzet / vnd einen ſolchen Glauben erfordert / der durch die Liebe thaͤtig iſt. In der Rechtferti - gung gehet der Glaube durchaus mit keinen Wercken vmb / Rom. 4. Aber wenn er mit Menſchen handelt in foro caritatis, muß er mit Wercken vmb - gehen / vnd dem Nechſten dienen durch die Liebe / das iſt ſeine Proba. Darumb heiſſt er ein liebethaͤtiger Glaube / Gal. 5. Was nun dieſer ſchoͤner Baum fuͤr edle Fruͤchte tregt / zeigt vns S. Paulus 1. Cor. 13. vñ erzehlet derſelben vierzehẽ.

1. Die Liebe iſt langmuͤtig / Langmut iſt die erſte Frucht der Liebe / die koͤnnen wir nirgends beſſer erkennen denn in Chriſto Jeſu vnſerm Herꝛn. In Chri -ſto309die Liebe. ſto muͤſſen wir nicht allein dieſe Frucht ſuchen / als am Baum des Lebens / ſon - dern auch ſeiner edlen Fruͤchte eſſen / in vnſer Leben verwandeln in ſangui - nem & ſuccum. Sehet den Herrn Chriſtum an / wie mit groſſer LangmutLangmut hat er der Welt Boßheit getragen / vñRom. 2. dadurch die Suͤnder zur Buſſe gelo - cket / das thu du auch / ſo lebet der ſanfft - muͤtige Chriſtus in dir / vnd du wirſt mit jhm / als ein Glied mit ſeinem Haupte / vereiniget bleiben.

2. Freundlich. Sihe an die Freund -Freund - ligkeit. ligkeit deines Erloͤſers / wo hat man holdſeligere Lippen gehoͤret? JedermanPſal. 45. hat ſich verwundert der Holdſeligkeit / ſo aus ſeinem Munde gangen iſt / Luc. am 4. So thue du auch / ſo redet Chri - ſus durch deinen Mund / vnd bleibeſt mit jhm vereiniget / Allein daß es aus hertzlicher Liebe gehe.

3. Die Liebe eifert nit / das iſt / ſie iſt nicht rachgierig / ſondern vergibt vnd vergiſſet / wie Gott der Herr thut / Pſalm. 103. Er wird nicht immer had -dern /310Von den Fruͤchtendern noch ewiglich Zorn haltẽ: Er han - delt nicht mit vns nach vnſer Suͤnden / vnd vergilt vns nit nach vnſer Miſſe - that / Ezech. 18. Wo ſich aber der Gott - loſe bekehret von allen ſeinen Suͤndẽ / die er gethan hat / ſo ſoll er leben / vnnd nit ſterben / es ſollen aller ſeiner Vber - trettungen / ſo er begangen hat / nit ge - dacht werden. Jerem. 31. Ich habe dich je vnd je geliebet / darumb habe ich dichGott iſt nit rach - gierig. zu mir gezogen aus lauter guͤte. Dar - umb bricht mir mein Hertz gegen jhm / daß ich mich ſeyn erbarmen muß. Ich wil jhnen jre Miſſethat vergeben / vnd jhrer Suͤnde nimmermehr gedencken / Eſa. 43. Ich tilge deine Vbertrettung vmb meinent willen / vnd gedencke dei - ner Suͤnde nicht. So thue du auch / vergib vnd vergiß / ſo wird Gott deiner Suͤnde auch vergeſſen / ſo haſtu des Herrn Chriſti Sinn / vnd bleibeſt mit jhm vereiniget.

4. Die Liebe treibet nicht Mutwil - len / oder ſchalckheit nicht / das iſt / die wahre Liebe reiſſet dem Nechſten nichtein311der Liebe. ein Schalckboͤßlein / jhn zu beſchimpf -[f]en / beſpotten / oder zu beleidigen. Sol - che heimliche Tuͤcke hat die Liebe nicht an ſich / ſondern iſt frey / offenbar / auff - richtiges Gemuͤtes. Sehet den HerrnChriſti Hertz vnd Mund ohne. Be - trug. Eſai. 53. Jeſum an: Er hat ſein Hertz Feinden vnd Freunden geoffenbaret / vnd es mit allen Menſchen hertzgruͤndlich gut ge - meynet / vnd aller Heil von Hertzẽ ge - ſuchet. So thue du auch / ſo iſt die Guͤ - tigkeit vnd Trawhertzigkeit Chriſti in dir. Wie vns Chriſtus gemeynet hat von Hertzẽ / ſo ſollen wir vntereinander auch thun / oder wir ſind mit Chriſto nit vereiniget / als Glieder mit dem Haupt.

5. Sie blehet ſich nicht / das iſt / ſie iſt nicht ruhmrehtig / geſchwuͤlſtig vnnd auffgeblaſen. Sihe deinen Herrn Je -[ſum]an / als ein Weib jhre Stimme er -[hub u]nter dem Volck / vnd ſprach: Se -[lig]iſt der Leib / der dich getragen hat / vnd die Bruͤſte / die dich geſeuget ha - ben. Ja ſpricht der Herr: SeligLuc. 11. iſt / der GOttes Wort hoͤret vnnd be - wanet. Vnd wendet alſo das Lob / ſo jmErſter Theil Ydoch312Von den Fruͤchtendoch gebuͤhrete / demuͤtiglich võ ſich ab / vnd gabs den Liebhabern Gottes. So thue du auch / ſo lebetderdemuͤtige Chri - ſtus in dir / vnd du in jhm. Das iſt die rechte Liebe / die das Lob von jhr abwẽ - det / vnd gibts andern.

6. Sie ſtellet ſich nicht vngeberdig / wie die ſtoͤrrigen vngehaltenen Koͤpffe / ſondern leſt die Freundligkeit auß den Augen leuchten. Sihe deinen Herrn Jeſum an das holdſelige Bilde / er wird nicht murriſch noch grewlich ſeyn /Eſai. 42. ſpricht der Prohet / Er hat mit erbar - menden Augen jederman angeſehen / das thue du auch / ſo haſtu dich in Chri - ſti Angeſicht verbildet / vnd biſt mit jm vereiniget.

7. Sie ſuchet nicht das jhre / das iſt der wahren Liebe jhre Freude / wenn ſie lauter vmbſonſt andern dienẽ mag ohn allen eigen Nutz / daß jhrer nur viel ge -Gott hat keinẽ nutz võ demem Gottes - dienſt / ſon dern du. nieſſen moͤgen. So thut Gott / er eibt vns alles vinbſonſten / er hat keinẽ Nutz daruon. Daß du Gott dieneſt / darion hat Gott keinen Nutz / ſondern du ſebſtdarumb313der Liebe. darumb hat Gott dir befohlen fromb zu ſeyn / Gott zu fuͤrchten / auff das du ſeiner Liebe genieſſen koͤnteſt / vnnd du den Segen dauon haben kanſt. Sihe deinẽ Herrn Jeſum an / Er hat im ge -Matt. 20. ringeſten das ſeine nit geſucht / ſondern alles wz zu vnſerm Heil dienet / er aber hat keinẽ Nutz dauon / wie ein Baum / der gibt ſeine Fruͤchte jederman ohn an - ſehen der Perſon / vnd er hat keinẽ Nutz dauon / ſondern gibts ſo gut es jhm Gott gegeben hat / hette ers beſſer / ſo zebe ers beſſer ohn allen Neid / alſo hat[ſi]ch Chriſtus vns ſelbſt zu eigen geben /[ja]Gott ſelbſt gibt ſich vns in Chriſto zu eigen: Auff dz alles in Chriſto vnſer werde / auch Gott ſelbſt. Er iſt dz beſte[vñ]hoͤchſte Gut / vnd theilet ſich ſelbſtẽ mit. So thue du auch / ſo wirſtu ſeynBaum der Ge - rechtigkeit gibt ſeine Fruͤchte vmbſonſt. Pſal. 92. ein Baum der Gerechtigkeit zu Got - tes Lobe Eſa. 61. ſo gruͤnet vnd bluͤhet Chriſtus in dir / der lebendige Wein - ſtock / vñ jmmer gruͤnende Palmbaum.

8. Sie leſt ſich nicht erbittern / das iſt / wenn der Zorn ſo vberhand nimpt /Y ijin ſei -314Von den Fruͤchtenin ſeinem hoͤchſten Grad / daß er durchPſal. 92. den Mund herauß ſchuͤttet boͤſe Fluͤche wider den Nechſten / vnd jhn vermale - deyet vnd verfluchet / allen Gifft auß - ſchuͤttet. Dagegen ſihe deinen HerrnEſai. 11. vnd 42. Jeſum an / es iſt keine bitterkeit aus ſei - nem Munde gangen / ſondern Segen vnd Leben. Vnd ob er gleich die Staͤd - te Chorazin / Capernaum / BethſaidaLuc. 10. vnd 11. verfluchet / vber dieſelbige vnd vber die Phariſeer das wehe ſchreyet / ſo iſt doch daſſelbige keine boßhafftige Verbitte - rung / ſonder eine Bußpredigt / dadurch gruͤndliche Beſſerung geſuchet wird. Darumb ſehet zu / ſpricht die Epiſtel an die Ebreer am 12. Das nicht etwa eine bittere Wurtzel auffwachſe / die vnfried anrichte / dadurch jrer viel verunreini - get werden.

9. Sie trachtet nicht nach Scha - dẽ / oder ſie gedencket nichts arges. Se - het den lieben Gott an / vnd ſein Va - terhertz / wie ſpricht er Jerem. am 29. Ich weiß wol was ich fuͤr Gedancken vber dich habe / nemlich / Gedanckẽ desFriedes315der Liebe. Friedes vnd nicht des Leides / das ich euch gebe das Ende / das jhr hoffet / vñ wo jhr mich von gantzem Hertzen ſu - chet / ſo wil ich mich von euch findẽ laſ - ſen / ſpricht der Herr. Wer Friedes Gedancken vber ſeinen Nechſten hat /Gottes Hertz vnd Gedanckẽ der hat GOttes Hertz vnnd Chriſti Sinn / vnd iſt mit jhm vereiniget / als ein Glied mit ſeinem Haupte.

10. Sie frewet ſich nicht der Vnge - rechtigkeit / ſie lachets nit in die Fauſt / wenn den Frommen Gewalt vnd vn - techt geſchicht / wie Simei thet / als Da -Luc. 22. und fuͤr Abſolon flohe. Sehet den Her - ren Jeſum an / welch ein hertzlich mit - leiden hatte er mit Petro / nach dem er gefallen / wie ſahe er jhn ſo klaͤglich an / mit dieſem anſehen hat er jhn wieder auffgerichtet / Pſalm. 146. Der Herr[h]elt alle / die da fallen / vnd richtet auff die / ſo nidergeſchlagen ſind. Wie be - weinet der Herꝛ Chriſtus das Ver -Luc. 9. derben der Menſchen / vnd den Vn - tergang der Juͤden? Wie ſuchet / vnd locket er die armen Schaͤfflein? Luc. 15.Y iijAlſo316Von den FruͤchtenGalat. 6.Alſo wenn du eines Menſchen Fall ſiheſt / ſo betraure jn / vnd erbarme dich vber jn / hilff jhm ſeine Laſt tragen / ſo wirſtu dz Geſetz Chriſti erfuͤllen. Deñ er hat vnſer aller Laſt getragen / ſo biſtu ſein wahres Glied / vñ ſein Leben iſt in dir / vnd dz Leben des Hauptes muß die Glieder lebendig machen.

11. Sie frewet ſich aber der War - heit / vñ wenns recht zugehet: Sihe an deinen Erloͤſer / wie er ſich gefrewet im Geiſt / da die ſiebentzig wieder kamen / vnd wie er ſeinen Vater preiſet. SiheLuc. 10. vnd 15. die heiligen Engel an / von welchen der Herr ſagt / das ſie ſich vber vnſere Buſſe frewen. Thuſtu das auch / ſoGoͤttlich. Gemuͤt. haſtu ein engeliſches ja goͤttliches Ge - muͤt.

12. Sie vertraͤgt alles / damit das Band des Friedens nicht zerriſſen wer - de. Darumb traͤgt ſie des Nechſten ge -1. Cor. 9. brechen mit Gedult / wie S. Paulus ſa - get: Den Schwachen bin ich ſchwach worden / auff daß ich die Schwachen gewinne / Ich bin jederman alles wor -d[en]317der Liebe. den / auff daß ich ja etliche ſelig mache. Sie gleubet alles / das iſt / ſie verſihet ſich zu dem Nechſten nichts boͤſes / ſie hoffet alles / das iſt / ſie wuͤnſchet / daß im Nechſtẽ alles gutes erfuͤllet werde / Sie duldet alles / damit dem Nechſten viel gedienet vñ gefrommet werde. Se - het den Herrn Jeſum an / er hat vmb vnſere Suͤnde willen alles vertragen1. Cor. 8. vnd erduldet / die hoͤchſte Schmach / Schmertzẽ / vnd die groͤſſeſte Armut / dz wir in jhm / vnd durch jhn Ehre vnnd Freude hetten.

13. Die Liebe wird nicht muͤde / hoͤret rimmermehr auff. Sehet den lieben Gott an / ſeine Barmhertzigkeit weret immer fuͤr vnd fuͤr bey denen / die jhn fuͤrchten / Pſalm. 103. Er wartet / daß vons gnedig ſey / vnnd hat ſich auff - gemachet / das er ſich vnſerer erbarme. Cant. 4.Eſai. 30. Es kan vns von Gottes Liebe nichts ſcheiden / ſeine Liebe iſt ſtaͤrckerGOttes Liebe iſt ewig. denn der Tod / vñ koͤnnen ſie viel Waſ - ſer nicht ausleſchen / Er erbarmet ſich vnſer mit ewiger Gnade / Eſa. 54. VñY iiijob wol318Von den Fruͤchtenob wol Gott der Herr Jerem. am 15. ſpricht: Ich bin des Erbarmens muͤde: So iſt doch ſolches von denen zuverſte - hen / die Gottes Barmhertzigkeit mut - willig von ſich ſtoſſen / Gottes Gnade verachten / vnd auff mutwillen ziehen /GOttes Liebe iſt ewig. ſonſt wird ſeine Liebe nicht muͤde / ſon - dern bleibet ewig vber alle / die jn fuͤrch - ten / wie er ſagt Eſai. 54. Ob Berge wei - chen / vnd Huͤgel hinfallen / ſo ſol doch meine Gnade nicht von dir weichen / vnd der Bund des Friedes nicht hinfal - len / ſpricht der Herr dein Erbarmer. Alſo ſol vnſere Liebe auch nicht muͤde werden / auch vber vnſere Feinde / ſon -Chriſtus betet indir dern wir ſollen auß erbarmender jm̃er - werender Lieb ſagen: Vater vergib jnẽ / ſo lebet vnd betet Chriſtus in dir.

Warumb die Liebe, die groͤſte Tugend.

14. Die Liebe iſt die groͤſſeſte vnter allen Tugenden: Denn Gott iſt die Liebe ſelbſt. So iſt ſie auch eine Erfuͤl - lung des Geſetzes / vnd alle Gebot ſind in derſelbẽ beſchloſſẽ / ſie iſt auch ewig / wenn Glaube / Hoffnung vnd Spra - chen / ꝛc. auff hoͤren werden / wenn desGla[u -]319der Liebe. Glaubens Ende / die Seligkeit erlan - get iſt / es ſind auch alle Tugenden vnd Wolthaten / ſo dem Nechſten geſche - hen / vnd alle Gaben ohne die Liebe vn - tuͤchtig vnd falſch. Sie wird vns auch ein ewiges Zeugnis geben / dz wir durch den Glauben an Chriſtum die Selig - keit ererbet haben. Darumb ſoll ein Chriſt nach keinen Gaben oder Kunſt ſo ſehr ſtreben / als nach der Liebe / zun Epheſ. am 3. Chriſtum lieb haben iſt beſſer / denn alles wiſſen / daß jr erfuͤllet werdet mit allerley Gottes Fuͤlle / mit allen Fruͤchten der Liebe / ꝛc.

Das XXXI. Capittel. Daß eigene Liebe / vnd eigene Ehre / auch die hoͤchſten vnd ſchoͤnſten Gaben des Menſchen verderben / vnd zu nichte machen.

1. Cor. 13. Wenn ich mit Men - ſchen / vnd mit Engel Zungen redet / vnnd hette der Liebe nicht / ſo were ich ein doͤ -Y vnend320Eigene Liebe verderbetnend Ertz / oder eine klingende Schelle.

D S. Paulus die Liebe ſo hoch erhebet / geſchicht dar - um̃ / weil Gott ſelbſt die LiebeLutherus Poſt. Eccl. par. 2. fol. 131. iſt. So hoch nun Gott zu loben iſt / ſo hoch iſt auch die Liebe in Gott zu loben. Denn es iſt keine groͤſſere Tugend we - der in Gott noch im Menſchen denn die Liebe.

Reine Lie - be vnnd falſche Liebe.

Es iſt aber zweyerley Liebe des Men - ſchen / eine wahre / lebendige / reine / lau - tere / vnbefleckte Liebe / vnd eine falſche / vnreine / befleckte Liebe. Die reine lau - tere Liebe iſt alſo / wie S. Paulus ſie allhie beſchreibet mit vielẽ Eigenſchaf - ten vnd Fruͤchten / wie jetzt gehoͤret / etc. Die falſche / vnreine / befleckte Liebe iſt / die in allen Dingen / in Worten vnd in Wercken / Gaben / jren eigenẽ Ruhm / Ehre vnd Nutz ſuchet / vnd hat wol den euſſerlichen Schein / als wenn GOtt vnd Menſchen darmit gedienet wuͤrde / Aber im innern Grunde iſt nichts denneigener321die ſchoͤnſten Gaben. eigener Ruhm / eigene Ehre / eigener Nutz / eigene Liebe. Vnd was aus dem -Was nit aus der Liebe ge - het / gehet nicht aus Gott. ſelbigen Grunde gehet / das gehet nicht aus Gott / ſondern aus dem Teuffel / vnd iſt eine Gifft / das alle gute Werck vnd alle gute Gaben verderbet.

Gleich wie eine Blume / wenn ſie noch ſo ſchoͤn iſt von Farben / von ge - ruch vnd geſchmack / vnd aber eine ver - borgene gifft darinnen ſtecket / wie man derſelben etliche findet / ſo iſt doch jhre ſchoͤne Farbe / geruch vnd ſuͤſſer ge - ſchmack dem Menſchen nicht allein nichts nuͤtze / ſondern auch hoch ſchaͤd - lich: Alſo ein Menſch / wenn er noch ſoSchoͤn Gleichnis ſchoͤne gaben hat / vnnd wenns enge - liſche gaben weren / Vnd iſt voll Hof - fart / eigene Ehre vnd Liebe / ſo ſind die - ſelbige nit allein nichts nuͤtze / ſondern auch hoch ſchaͤdlich. Denn alles was gut ſeyn ſoll / das muß lauter vnnd rein aus Gott gehen / vnd aus Gott kom - men / vnd ſich in Gott enden / hats einẽ andern Vrſprung vnd Ende / ſo kans nicht gut ſeyn. Denn Gott iſt der Vr -ſprung322Eigene Liebe verderbetWas gut ſey vnd heiſſe.ſprung alles guten: Was gut iſt / das kan ſonſt nirgend herkommen deñ aus Gott. Das jenige das Gott allein in deinem Hertzen wircket / das iſt allein gut / was aber deine eigene Ehre / deineDa keine Liebe iſt / da iſt nichts guts. eigene Liebe / dein eigen Ruhm / dein ei - gen Nutz in dir wircket / vnd dich worzu beweget / das kan nit gut ſeyn / denn es koͤmpt nicht aus Gott. Gott iſt allein gut / GOtt iſt aber die Liebe / darumb koͤmpt dem Nechſten aus der Liebe alles gutes / als aus Gott ſelbſt iſt.

Heiliger Wunſch.

Darumb ein heiliger Mann gewuͤn - ſchet hat / daß er dem lieben Gott das ſeyn moͤge / daß jhm ſeine Hand iſt / das iſt / wie vnſer Hand etwas zu ſich nimt / vnd wider weg gibt / eignet darumb jhr keinen Ruhm oder Ehre zu / denn ſie iſt ein bloß Inſtrument vnd Werckzeug hinzunemen / vnd wegzugeben.

Alſo ſol ein Menſch in groſſer Ein - falt dem lieben Gott ſeyn / wie ſeine Hand / daß was er von Gott empfan - gen / das ſoll er in groſſer Einfalt ohneigenen323die ſchoͤnſten Gaben. eigenen Ruhm vnd Ehre / aus reiner lauterer Liebe vnnd guͤtigkeit wieder weg geben / Denn er hats auch von Gott empfangen / darumb er ſich auch nichts ruͤhmen kan. Der Ruhm aber iſt allein des / von welchem er es em - pfangen hat / das iſt / GOttes iſt die Ehre allein / wir ſind nur bloſſe Werck - zeuge Gottes von GOtt zu empfahen ſeine Gaben / vnd dieſelben wieder auß - zutheilen.

Wer nun eine ſolche lautere vnd rei - ne Liebe nicht hat / der iſt nichts mit al - len ſeinen Gaben / Vnd wenn er gleich mit Engelzungen reden koͤnte / alle Ge - heimnis vnd erkentnis wuͤſte / den wun - derthaͤtigen Glauben hette / vñ alle ſei - ne Haab den Armen gebe / ja ſein Leib vnd Leben dahin gebe.

Denn alle eigene Liebe / eigenerEigene Liebe vnd Ehre des Teuffels Fall. Ruhm / Ehr vñ Nutz iſt aus dem Teuf - fel / vñ iſt des Teuffels Fall / dadurch er vom Him̃el verſtoſſẽ iſt. Deñ nach dem Gott den Lucifer zum ſchoͤnen Engelgeſchaf -324Eigene Liebe verderbetgeſchaffen / jhn mit ſondern hohen ga - ben / Schoͤnheit / Weißheit / Liecht vnd Herrligkeit begabet / hat er ſich in ſeinẽ eigenen gaben geſpiegelt als ein Pfaw in ſeinen Federn / vnd angefangen ſich ſelbſt zu lieben / zu ehren / zu ruͤhmen. Das iſt der Anfang ſeines Falls / daß er die Ehre nicht Gott / ſondern jm ſel - beſt geben / ſeine Liebe von Gott abge - wand zu ſich ſelbſten / da hat jhn Gott verſtoſſen mit ſeinẽ Engeln / die er ver -Eigene Ehre hat viel Engel vnd Men - ſchen ge - fellet. fuͤhret hat mit ſeiner Hoffart. Denn der Lucifer hat ein Fuͤrſtenthumb vn - ter den Engeln gehabt / wie S. Judas ſagt: Die Engel / ſo jhr Fuͤrſtenthumb nit behalten. Vnd S. Paulus Col. 2. Er hat außgezogẽ die Fuͤrſtenthuͤmbe / vnd Gewaltigen / ſie oͤffentlich ſchaw getragen / vnd einen Triumph aus jh - nen gemacht.

Dardurch nun der Sathan gefallẽ / dardurch hat er den Menſchen auch ge - fellet / hat jhn von Gottes Liebe vnd Ehre abgewandt zu jhm ſelbſt / daß im Menſchen entſtanden eigene Liebe vndeigene325die ſchoͤnſten Gaben. eigene Ehre / daß er hat wollen Gott gleich ſeyn / dardurch iſt er aus dem Pa - radiß verſtoſſen / wie Lucifer aus dem Himmel. Vnd haben vns nun vnſere erſte Eltern die eigene Liebe vnd eigene Ehre angeerbet. Das iſt der Fall Adæ, welchen noch alle Menſchen thun / vnd das wird vns allen durch Fleiſch vnd Blut angeboren.

Solte nun dieſer Fall widergebracht vnd gebeſſert werdẽ / ſo muß es geſche - hen durchs thewre Verdienſt Chriſti / durch den Glauben ergriffen / durch welchen wir auch in Chriſto ernewert werden / vnd dz Fleiſch creutzigen / alſo / daß dafuͤr / daß ein Menſch ſich ſelbſten liebet / dagegen ſich ſelbſt lernet haſſen /Sichſelbſt verleugnẽ vñ haſſen hochnoͤ - tig. Luc. 9. das iſt / keinen gefallen an jhme ſelbſten haben / darfuͤr / daß ein Menſch ſich ſelbſtẽ ehret / muß er lernẽ ſich ſelb - ſten verleugnen / Luc. 14. das iſt / fuͤr nichts halten / darfuͤr / daß ein Menſch ſeinen eigenen Ruhm vnd Nutz ſuchet / muß er lernen abſagen allem / dz er hat / nit das geringſte vertrawen vnd Troſtin etwas326Eigene Liebe verderbetin etwas irrdiſches ſetzen / vnd mit ſei - nem eigenen Fleiſch vnnd Blut ſtets kaͤmpffen / oder er kan des Herrn Juͤn - ger nit ſeyn. So gar muß durch Chri - ſtum durch wahre hertzliche Buſſe / die verkehrte boͤſe Vnart Menſchliches Hertzens geendert werden.

Vnd weil nun diß im menſchlichen vermoͤgen nicht ſtund / Denn von Na - tur kan der Menſch nichts anders / deñ ſich ſelbſt lieben / ehrẽ / ruͤhmen / vnd ſei - nen eigen Nutz in allen Dingen ſuchen / das iſt / er kan nichts denn ſuͤndigen / dz iſt jhm angeboren / ſo muſte Gott ſelbſt den Anfang zu vnſer Wiederbringung machen / ja das Mittel vnd Ende / vndDurch Chriſti Menſch - werdung die mẽſch - liche Na - tur ernew ert. muſte Gottes Sohn Menſch werden / auff daß durch jn die Menſchliche Na - tur ernewert wuͤrde / vnd wir durch jn / in jhm vnd aus jhm new geboren / vnd newe Creaturen wuͤrden. Denn gleich wie wir in Adam leiblich / vñ auch geiſt - lich geſtorben ſind: Alſo muͤſſen wir in Chriſto geiſtlich wieder lebendig wer - den. Vnd wie wir durch die fleiſchlicheGebur[t]327die ſchoͤnſten Gaben. Geburt die Suͤnde aus Adam geerbet haben: Alſo muͤſſen wir in Chriſto durch die geiſtliche Geburt / durch den Glauben die Gerechtigkeit erben. Deñ gleich wie vns durch die fleiſchliche ge - burt auß Adam die Suͤnde / eigne Lie - be / eigene Ehre vñ eigener Ruhm ange -Newe Ge - burt vnd Ernewe - rung in Chriſto vnd aus Chriſto. borẽ wird: Alſo muß auß Chriſto durch den Glauben vnd heiligen Geiſt vnſer Natur ernewert / gereiniget vñ geheili - get werden / vnd alle eigene Liebe / Ehre vnd Ruhm in vns ſterbẽ / vnd wir muͤſ - ſen ein newes Hertz vnd einen newen Geiſt auß Chriſto bekommen / wie wir auß Adam dz ſuͤndliche Fleiſch empfan - gen. Wegen ſolcher newen Geburt wird Chriſtus der Herꝛ genant ewiger Vater / Eſai. 9.

So muͤſſen nun aller ChriſtenAller Chri ſten werck ſollen aus der newen Geburt gehen. Werck / die Gott gefallen ſollen / vnnd alle Gaben auß der newẽ Geburt kom - men / das iſt / auß dem Glauben auß Chriſto / auß dem H. Geiſt / ſonſt tau - gen die hoͤchſte Gaben fuͤr Gott nicht / vnd weñs auch Wunderwercke weren. Erſter Theil zVnd328Eigene Liebe verderbetVnd muͤſſen gegen vnſerm Nechſtẽ al - les in der Liebe thun 1. Cor. 14. Ohn al - len eigen Nutz vnd Ruhm. Darumb hat Gott vns ſeinen lieben Sohn zu einem Exempel fuͤrgeſtellet. In deme iſt keine eigene Liebe / keine eigene Ehre / kein eigen Nutz / kein eigen Ruhm gewe - ſen / ſondern eine reine lautere Liebe vñWie Chri - ſtus vnſer Exempel. Demut / die von Hertzen gangẽ. Er iſt aber vns nicht zu einem ſolchen Exem - pel fuͤrgeſtellet / als andere Heiligẽ / de - rer Exempel wir von auſſen anſehen / ſondern zu einem lebendigen Exempel / dz er in vns leben ſolle vnd muͤſſe durch den Glauben. So gehet denn all vnſer Thun / Redẽ / Erkentnis / Wercke aus Chriſto als aus dem lebendigen Grun - de vnd Vrſprung. Wo das nicht ge - ſchicht / ſo iſt all vnſer Thun nichts / vnd wenns auch engeliſche Gaben vnnd Werck werden. Denn wo eigene Liebe iſt / da iſt Gotts Feindſchaft / wo eigene Ehre vnd Ruhm iſt / da iſt Gottes ver - achtung / wie koͤnnẽ denn die Werck / ſo darauß geſchehen / Gott gefallen?

darumb329die ſchoͤnſten Gaben.

Darumb bittet Gott vmb den Glau - ben vnd die reine vngeferbte Liebe / die nit beflecket iſt mit eigener Ehre / Nutz vnd Ruhm / ſondern daß ſie von Hertzẽ gehe / ſo werden nicht allein groſſe Ga - ben vnd Werck in ſolchem Glauben / Gott wolgefallen / ſondern auch die al - lerkleineſten vnd geringſten / vnd wens nur ein Trunck kaltes Waſſers were. Denn ein gering Werck / ſo auß lauterliebe mach et die ge - ringſten Werck gros. liebe vnd Demut geſchicht / iſt beſſer vñ groͤſſer denn ein gros Werck / ſo auß Hoffart vnd eigenem Ruhm geſchicht / ꝛc.

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Z ijDas330Gaben machen keinen Chriſten /

Das XXXII. Capittel. Groſſe Gaben beweiſen keinen Chri - ſten vnd Gott wolgefelligen Menſchen / ſondern der Glaube / ſo durch die Liebe thaͤtig iſt / etc.

1. Corinh. 4. Das Reich Got - tes ſtehet nicht in Worten / ſon - dern in der Krafft. ()

ALs S. Paulus einen Chriſten be - ſchreiben wil / wie er ſolle geartet ſeyn / ſpricht er 1. Timoth. 1. Die Hauptſumma aller Gebot iſt / Liebe vẽ reinem Hertzen / von gutem Gewiſſen / vnd von vngeferbtem Glauben / Als ſolt er ſagen / daß einer ein Chriſt / vnd Gott wolgefelliger Menſch ſey / wer - den nicht viel groſſe vnd hohe Ding võ jm erfordert / viel Kunſt vnd Geſchick -Gott for - dert nicht groſſe Kunſt võ vns. ligkeit / hohe gaben / daß er ein Prophet ſey / ein Redner / ein Sprachkuͤndi - ger / ein Wunderthaͤtiger / ſondern daßer gleu -331ſondern der Glaube. er gleubig ſey / vnnd alles in der Liebe thue / das er Gott gelaſſen ſey / vnd ſich den heiligen Geiſt regieren laſſe.

Darumb iſt nicht darauff zu ſehen / wie gelehrt einer in Sprachen ſey / oder wie wol er reden kan / ſondern wie er ſei - nen Glauben durch die liebe beweiſe / vnd durch die Toͤdtung ſeines Flei - ſches. Denn die Chriſtum angehoͤren /Galat. 5. Was da ſey ſein Fleiſch creutzigen ereutzigen jhr Fleiſch ſampt den Luͤſten vnd Begierden / das iſt / eigene Ehre / Liebe / Ruhm / Nutz / Lob / vnd alles wz fleiſchlich iſt / Darumb Sanct Paulus1. Cor. 4. ſpricht: Das Reich Gottes ſtehet nicht in Worten / das iſt / in Kuͤnſten vnnd gaben / ſondern in der Krafft / das iſt / in lebendiger Vbung der Tugenden des Glaubens / der Liebe / Sanfftmut / ge - dult vnd Demut.

Derowegen niemand vmb hoͤhere gaben willen deſto mehr fuͤr Gott gilt /Fuͤr Gott gilt nichts denn eine newe Crea tur. oder darumb ſelig wird / ſondern dar - umb / das er in Chriſto erfunden wird durch den Glauben / vnnd in ChriſtoZ iijlebet /332Gaben machen keinen Chriſten /lebet / als eine newe Creatur. Vnd weñ der aller begabteſte Menſch nit in taͤg - licher Buſſe lebet / vñ in Chriſto ernew - ret wird / der Welt abſagt / vñ alle dem / das er hat an Gabẽ / ſich ſelbſt verleug - net / ſich ſelbſt haſſet / vnd lauter vndHohe Ga ben helffe nicht zur Seligkeit bloß an Gottes Gnade hanget / wie ein Kind an der Mutter Br[u]ſt / ſo kan er nicht ſelig werden / ſondern wird mit al - ler ſeiner Kunſt verdampt.

Warumb Gaben ge geben wer den.

Darumb nicht die Gaben gegeben werden / daß einer dadurch fuͤr GOtt gros oder ſelig werde / ſondern von we - gen der Erbawung der Kirchen. Denn als Luc. 10. die ſiebentzig Juͤnger wider - kamen / vnd ſprachen: Herr / es ſind auch vns die Teuffel vnterhenig geweſt in deinem Namen / ſprach der Herr: Frewet euch dieſes nicht / die groſſen Wunder vnd Gaben werden euch nit ſelig machen / frewet euch aber / dz ewre Namen im Himmel geſchrieben ſind / das iſt / dz jhr gleubet vnd mich kennet.

Die Wunder / die Moſes gethan / haben jhn nicht ſelig gemacht / ſondernſein333ſondern der Glaube. ſein Glaube. Aarons Beredſamkeit machet jhn nicht deſio angenemer beyNum. 12. Gott. Miriam Moſis Schweſter war eine Prophetin / durch welche der Geiſt Gottes redet / Gott aber ſchlug ſie mit Auſſatz.

Die Wunder vñ mancherley Spra -A[l]les muß vnter das Creutz Chriſti / wz da wil ſelig wer - den. chen haben die Apoſtel nicht ſelig ge - macht / ſondern der Glaube / es muß al - les vom hoͤchſten Menſchẽ biß auff den nidrigſten in den Glauben / in die De - mut / in die Buſſe / in die Creutzigung vnd Toͤdtung des Fleiſches / in die newe Creatur / die in Chriſto im Glauben le - bet vnd in der Liebe / vnd Chriſtus in jr / wo das nit geſchicht / ſo wird Chriſtus leinen fuͤr den ſeinen erkennen.

Die Chriſtliche Liebe iſt das rechte newe Leben im Menſchẽ / ja Chriſti Le - ben in den Glaͤubigẽ / vnd die kraͤfftige vnd thaͤtige Beywonung Gottes des heiligẽ Geiſtes / welche vns S. Paulus Epheſ. 3. wuͤndſchet: Das wir erfuͤllet werden mit aller Gottes Fuͤlle. VndZ iiijS. Johan -334Gaben machen keinen Chriſten /Das newe Leben iſt die Liebe. 1. Joh. 4.S. Johannes: Gott iſt die Liebe / vnnd wer in der liebe bleibet / der bleibet in Gott vnd Gott in jhm. Darumb wer die Liebe in ſeinem Hertzen fuͤhlet / der empfindet Gott in jhm. Auff daß wir aber deſſen eine gewiſſe Proba hetten / vnd nicht durch falſche eigene Liebe be - trogen werdẽ / ſo mahlet ſie S. Paulus fein ab / als einen ſchoͤnen Baum mit ausgebreiteten Zweigen / 1. Corinh. 13. Die Liebe iſt langmuͤtig / geduͤltig / etc. welches iſt des newen Menſchẽ gantzes Leben.

Summa Gott der Vater iſt die Lie -Alles in der Liebe: G Ott / Engel / Menſch / Kirche. be / Gott der Sohn iſt die Liebe / Gott der heilige Geiſt iſt die liebe. Der gantze geiſtliche Leib / Chriſtus / die Werde Chriſtenheit iſt durch das Band der Liebe zuſammen gebunden / ein Gott / ein Chriſtus / ein Geiſt / eine Tauffe / einEpheſ. 4. Glaube / vnd das zukuͤnfftige ewige Le - ben iſt nichts denn ewige Liebe.

Wer nun in der Liebe nicht lebet / der iſt ein todes Glied am Leibe Chriſti: Wie ein todtes Glied am natuͤrlichenLeibe335ſondern der Glaube. Leibe nicht erwaͤrmet wird durch dieOhne Lie - be ein tod - tes Glied der Kir - chen. natuͤrliche Waͤrme / vnd derowegen kein Leben an jhm hat: Alſo wer nicht in der Liebe lebet / der hat das geiſtliche Leben Chriſti nicht / vnd iſt todt / Gott vnd Chriſto abgeſtorben / denn er hat keinen Glauben / iſt als ein verdorreter Rebe am Weinſtock / hat auch kein Theil an Gott / Chriſto vnd dem heili - gen Geiſt / an der heiligen Chriſtlichen Kirchen / vnnd am ewigen Leben / kan auch nimmermehr kommen da Gott iſt / als der die Liebe ſelbſten iſt / ꝛc.

Das XXXIII. Capittel. Gott ſihet die Werck / oder Perſon nicht an / ſondern wie eines jeden Hertz iſt / ſo werden die Wercke ge - urtheilet.

Prouerb. 21. Einem jeden duͤn - cket ſein Weg recht ſeyn / der HErr aber machet die Her - tzen gewiß. ()Z vAm 1.336Gott ſihet die Perſon nicht an /

AM 1. Sam. 16. leſen wir: Als Gott der Herr den Propheten Samuelem ſendet in das Haus Iſai / David zum Koͤnige zu ſalben / vnd der Prophet den Erſtgebornen ſal - ben wolte / ſprach der Herr: Sihe nit an ſeine ſchoͤne Geſtalt / noch ſeine groſſe Perſon. Denn es gehet nicht wie ein Menſch ſihet. Ein Menſch ſihet was fuͤr Augen iſt / der Herr aber ſihet das Hertz an.

Mit welchem Exempel vns Gott der Herr lehren wil / daß er die Perſon des Menſchen nicht achte / wie hoch ſie auch fuͤr der Welt iſt / wenn das Hertz nicht fromb / liebreich / gleubig vnd de - muͤtig iſt. Nicht allein aber die Per -Gott rich tet alles nach dem Hertzen vnd in -[w]ẽdigem Geiſt. ſon / ſondern alle Werck richtet Gott nach dem inwendigen Geiſt / Gemuͤt vnd Sinne / wie Salomon ſpricht Pro - uerb. 21. Ja auch alle Gaben des Men - ſchẽ / wie hoch ſie auch immer ſeyn / wie gewaltig / herrlich / loͤblich / praͤchtig fuͤr der Welt dieſelbige ſeyn / wenn ſie nicht gehen aus reinem Hertzen allein zuGottes337ſondern das Hertz. Gottes Ehren / vnd des Nechſten Nutz vnd Beſſerung ohn alle Hoffart / eigene Liebe / Ehre / Nutz / Lob vnd Ruhm / ſo taugen ſie alle fuͤr Gott nit. Ob gleich ein Menſch die hoͤchſten Gaben von Gott hette / Er aber ſuchte damit eigen Lob / Ruhm / Ehre / eigenen Nutzen vnd Liebe / vnd nicht bloß vnd lauter allein Gott vnd Gottes Ehre / vnd ſeines Ne - heſten Beſſerung / ſo wuͤrden alle ſolche gaben fuͤr Gott ein grewel / vnd wuͤr - den dem Menſchen zur Suͤnde / Denn alle gaben werden geben allein zu Got - tes Ehre / vnd des Nechſten beſſerung.

Sehet den Lucifer an / kein ſchoͤnerEigene Ehre ver - derbet al - le gute Gaben. vnd herrlicher Engel war im Himmel / Da er aber ſeine gaben zu eigener ehre / liebe vnd lob brauchte / vnd nicht lau - ter zu Gottes liebe vnd lob / ſo bald ward aus jhm ein Teuffel / vnd ward von Gott verſtoſſen.

Darumb wenn etwas fuͤr Gott gel - ten ſoll / ſo muß es aus dem Glauben kommen / vñ muß in demſelben Werck die reine / lautere liebe ſeyn gegen Gottvnd338Gott ſihet die Perſon nicht anvnd Menſchẽ / ohne eigene Ehre / Liebe / Nutz vnd Lob / ſo viel einem Menſchen in dieſer Schwachheit aus Gnaden muͤglich. Darumb ſpricht S. Paulus: Wenn ich mit Engel vnd Menſchen Zungẽ reden koͤnte / vnd hette der Liebe nicht / ſo were ich ein doͤnend Ertz / vnd eine klingende Schelle / das iſt / ein vn - nuͤtz ding / darin kein Nutz / Frucht vnd Krafft iſt. GOtt ſihet nicht auff den wolredenden Mund / ſondern auff das demuͤtige Hertz. Gott ſihet nicht auff groſſe Kunſt / Erkentnis vnd Wiſſen - ſchafft der Menſchẽ / ſondern er erwie - get vnd pruͤfet den Geiſt d[er]Menſchẽ / ob er ſeine eigene Liebe vnd Ehr / oder Gottes Ehre vnd des Nechſten NutzGroſſer vnter - ſcheid zwi ſchen dem wunder - thaͤtigen vnd ſelig - machen - dem Glau ben. Gal. 5. ſuchet. Gott ſihet auch nicht an einen groſſen wunderthaͤtigen Glauben / der Berge verſetzet / vnd groß anſehen hat fuͤr der Welt / weñ er ſeine eigene Ehre damit ſuchet / ſondern er ſihet an den E - lenden / der zubrochenes Geiſtes iſt / vñ ſich fuͤrchtet fuͤr ſeinem Wort Eſa. 66. Gott ſihet auch nicht auff groſſe All -moſen /339ſondern das Hertz. moſen / weñ ſie aus eigenem Ruhm ge - ſchehen / ja auch nicht / wenn einer jhm einen Namen dadurch machen wolte / wenn er ſeinen Leib brennen lieſſe / ſon - dern allein ſihet Gott das Hertz an / wie vnd warumb diß alſo geſchehe.

Diß koͤnnen wir nun nicht beſſer denn aus Exempeln verſtehen. CainVnglei - che Opfer. Gen. 4. 1. Sam. 4. 2. Sam. 23 vñ Abel brachten beyde ein Opffer / die Hertzen aber waren vngleich / darumb nam Gott Abels Opffer an / das ander verwarff er. Saul vnd David brach - ten beyde ein Opffer / eines ward an - genommen / das ander verworffen / das machten jhre vngleiche Hertzen.

David / Manaſſe / Nebucadnezar /Vngleiche Buſſe. Petrus funden gnade bey Gott / da ſie wahre Buſſe theten. Saul / Pharao / Judas nicht. Warumb? das machten jhre vngleiche Hertzen. Pharao vnnd Saul ſagen: Ich habe geſuͤndiget / Manaſſe ſagt auch alſo / wie vnglei - chen Lohn aber tragen ſie dauon?

Judith vnd Eſther ſchmuͤcken ſichVngleiche Schmuͤ - cke. ſchoͤn / die Toͤchter Iſrael auch / Eſa. 3. Jene340Gott ſihet die Perſon nicht an /Jene werden gelobet / dieſe vbel ge - ſcholten.

Vngleiche Zeichen.

Hißkia / Joſna / Gideon / fordern Zeichen vom Himmel / vnd werden ge - lobet: Die Phariſeer fordern auch Zei - chen vom Himmel Matt. 12. vnd wer - den geſcholten.

Vngleich Gebet. Luc. 18.

Der Zoͤllner vnd Phariſeer beten beyde im Tempel / aber ſie bekommen ein vngleiches Vrtheil.

Vnglei - ches Faſtẽ

Die Nininiter faſten / die Juͤden vnd Phariſeer auch / Jenes ſihet Gott an / dieſes nicht / wie ſie ſagẽ Eſai. 58. Wa - rumb faſten wir / vnd du ſiheſt es nicht.

Vngleiche Allmoſen. Luc. 20.

Die Witwe / ſo ein Schaͤrfflein in Gotteskaſtẽ gab / ward gelobet / die an - dern nicht / die doch mehr gaben.

Vngleiche Freude. Luc. 23.

Herodes wird froh / dz er Chriſtum zu ſehen bekoͤmpt. Zacheus wird auch froh / aber welchen vngleichen Lohnbe - kommen ſie?

Vntuͤchtꝛ - ge Wercke

Das machet alles das Hertz / das Gott anſihet / ob ein Werck aus reinem Glauben / reiner Liebe / vnnd lauterer Demut geſchicht. Denn wo die Werckmit341ſondern das Hertz. mit eigener Ehre / Liebe / Lob vnd Nutz beflecket ſeyn / taug es nichts fuͤr Gott / vnd wenns die hoͤchſten Gaben weren.

Die heiligen Maͤrterer haben ſich er -Vngleiche Maͤrterer 2. Reg. 21.[w]uͤrgen laſſen / vmb Chriſti willen / Achab vnd Manaſſe haben auch jre ei - gene Kinder erwuͤrget vnd geopffert / Jenes waren Gott angeneme Opffer / dieſe waren jhm ein Grewel.

Das XXXIV. Capittel. Ein Menſch kan zu ſeiner Seligkeit nichts thun / Gott thuts alles alleine / wenn ſich nur der Menſch Gott durch ſeine Gna -[de]leſſet / vnd mit jhm handeln leſſet / als ein Artzt mit dem Krancken: Vnd wie ohne Buſſe / Chriſti Verdienſt nicht zugerechnet werde.

1. Corinth. 1. Chriſtus iſt vns von Gott gemacht zur Weiß - heit / zur Gerechtigkeit / zur Heiligung vnd Erloͤſung ()Mit342Menſch kan nichts zur Seligkeit thun /

MIt dieſem gewaltigen Spruch lehret vns der heilige Apoſtel / dz Jeſus Chriſtus vnſer Hen alles verdienet habe / was zu vnſer Se - ligkeit gehoͤret. Da wir nichts wuſten von dem Wege des Lebens / iſt er vnſere1. Cor. 1. Weißheit worden / da wir Suͤnder wa - ren / iſt er vnſere Gerechtigkeit worden / da wir fuͤr Gott ein grewel waren / iſt er vnſer heiligung worden / da wir ver - dampt waren / iſt er vnſere Erloͤſung worden.

Menſch kan jhm ſelber nit helffen.

Hiezu kan aller Menſchen Ver - dienſt / Vermuͤgen vnd freyer Wille nicht eines Staͤubleins werth bringen / nit ſo viel hinzu thun / als ein Staͤub - lein werth iſt / dz in der Soñen fleucht / weder im Anfang / Mittel noch Ende. Suͤndigen hat der Menſch wol koͤnnẽ / aber ſich ſelbſt nicht widerumb gerecht machen / verlieren hat er ſich wol koͤn - nen / aber nit ſelbſt wieder finden / toͤd - ten hat er ſich wol ſelbſt koͤnnen / aber nit ſelbſt wieder lebendig machen / demTeuffel343Gott thuts alleine. Teuffel hat ſich koͤnnen[v]nterwuͤrffig machen / aber vom Teuffel errettẽ / hat er ſich ſelbſt nicht gekont. Deñ wie ein todter Leib ſich nicht ſelbſt kan lebendig machen: Alſo alle Menſchen die todt inEpheſ. 2. Suͤnden ſeyn / wie S. Paulus ſagt: koͤnnen jhn ſelbſt nicht helffen.

Gleich wie wir nichts haben thun koͤnnen / zu vnſerer Schoͤpffung / denn wir haben vns ſelbſt nicht ſchaffẽ koͤn - nen: Alſo koͤnnen wir auch nichts thun zu vnſer Erloͤſung / Heiligung vñ new - en Geburt. Denn die Erloͤſung iſt mehr denn die Schoͤpffung. Koͤntẽ wir vns ſelbſt gerecht machen / wir theten mehr als wenn wir vns ſelbſt ſchaffetẽ.

Darumb iſt nun GOttes SohnWarumb Chriſtus kommen Menſch worden / daß er alles wieder - brechte / was in Adam verlorẽ war / vñ alles wieder lebendig machte / was in Adam geſtorben war.

Das gehet nun alſo zu / wie das Gleichnis ausweiſet von dem verwun - deten Menſchen / ſo vnter die Moͤr -L[uc]. 10. der gefallen / vnd jhme ſelbſt nit helffenErſter The[il]A akoͤndte:344Menſch kan nichts zur Seligkeit thun /koͤndte: Der getrewe Samariter muſte jhm ſeine Wunden verbinden / jn auff - heben / in die Herberge fuͤhren / vñ mit jhme handeln / wie ein Artzt mit einem Krancken. Wie aber nun der Verwun - dete mit jm handeln lies / wie es ſeinemChriſtus allem vn - ſer Artzt / nicht wir ſelbſt. Artzt dem Samariter gefiele: Alſo muͤſ - ſen wir auch thun / wollen wir anders ſelig werden. Hie muͤſſen wir Chriſtum allein mit vns handeln laſſen / vnd jhm ſtill halten / vnſere Wunden reinigen / vnd verbindẽ laſſen / darein laſſen gieſ - ſen Oel vnd Wein / vns gantz vnd gar ſeinem Willen laſſen vnd ergeben / ſo wird er vns wol helffen.

So bald nun ein Menſch Buſſe thut / ſich durch Gottes gnade zu Gott wendet vnd bekehret / jhme die Suͤnde leſſet leid ſeyn / jhme die Suͤndenwun - den leſſet waſchen vnd reinigen / durch den ſcharffẽ Wein vnd ſuͤſſen Oele des Troſtes / ſo bald wircket Chriſtus mit ſeiner Gnade in jhm den Glauben / alle Fruͤchte des Glaubens / Gerechtigkeit / Leben / Friede / Freude / Troſt vnd Se -ligkeit /345Gott thuts alleineligkeit / vnd ernewert jhn / wircket in jm das wollen vnd das vollbringen nach ſeinem Wolgefallen. Philip. 2

Nun aber ſtehets auch nicht in des Menſchen natuͤrlichen Kraͤfften / die Suͤnde laſſen. Denn die Schrifft nen - net den natuͤrlichen Menſchen der ſuͤn - denknecht / Johan. 8. vnter die SuͤndeMenſch kan vnnd wil von Natur nichts gutes. verkaufft / Rom. 7. der nichts anders koͤnne von Natur denn ſuͤndigen / wie der Prophet ſpricht: Wie koͤnnet jhr guts thun / die jhr des boͤſen gewohnet ſeyd? Kan auch ein Parder ſeine Fle - cken wandeln / vñ ein Mohr ſeine Haut endern? Jerem. 13. Aber die heilſame Gnade Gottes / die allen Menſchen er - ſchienen iſt durch das Euangelium / ſo allen Creaturen geprediget wird / die zuͤchtiget vns / ſagt S. Paulus Tit. 2. Daß wir verleugnen ſollen das vngoͤt - liche Weſen / das iſt / durchs Wort Gottes koͤmpt dieſe gnade zu vns / vnd dieſe Gnade zuͤchtiget vns / ſagt S. / Paulus / das iſt / erinnert / lehret / locket reitzet / beweget vñ ermahnet den Men -A a ijſchen346Menſch kan nichts zur Seligkeit thun /Gnade GOttes thut alles allein in vns.ſchen von Suͤnden abzuſtehen vnd ab - zulaſſen Vnd dieſe Ermahnung der Gnaden GOttes im Wort ſtimmet denn vberein mit dem innerlichẽ Zeug - nis des Gewiſſens / vnd vberzeuget dẽ Menſchen euſſerlich vnd innerlich / dz er vnrecht thue / vnd die Suͤnde laſſen muͤſſe / wil er ſelig werdẽ / weil ſie wider Gott vnd das Gewiſſen ſeyn.

Folget nun der Menſch dieſer Zuͤch - tigung vnd Ermahnung der gnaden Gottes / gibt dem Wort ſtat / faͤhet an abzulaſſen von Suͤnden / ſo wircket die gnade GOttes alles im Menſchen / den Glauben / die Liebe / vñ alle Fruͤch - te des Glaubens / Denn iſt es als wennMenſch iſt lauter Finſternis Chriſtus lauter Liecht. ein Liecht anfienge zu leuchten in der Finſternis. So weinig ſich aber die Finſternis ſelbſten erleuchten kan / ſo wenig auch ein Menſch / wie der acht - zehende Pſalm ſpricht: Du erleuchteſt meine Leuchte / der Herr machet mein Finſternis liechte. Es moͤchte einer lange die Augen auffſperren / wenn jmdie347Gott thuts alleine. die Sonne nicht leuchtet: Alſo iſt nun die gnade Gottes vnd Chriſtus ſelbſt / das helle Liecht erſchienen allen Men -Wie das wahre Liecht alle Menſchen erleuchtet / die in dieſe Weltkom - men. Johan. 1. ſchen / die da im Finſternis vnd Schat - ten des Todes ſitzen / vñ erleuchtet alle Menſchen / die in dieſe Welt kommen / das iſt / offenbaret ſich allen / beut allen gnade an / vnd leſt ſie allen erſcheinen. Er iſt ein Liecht der gantzen Welt / Er weiſet allen den Weg zum Leben / Er leuchtet allen vor / gehet als der rechte Hirt fuͤr den Schafen her / weiſet jnen den Weg / den ſie gehen ſollen / Er hat vns alle als die verlorne Schafe geſu - chet / ſuchet vñ locket vns noch taͤglich / Er lauffet vns nach / Bulet vñ wirbet vmb vns / wie ein Braͤutigam vmb ſei -Vnſer Breutig[]bulet vnd wirbet vmb vn - ſer Seele. ne liebe Braut / weñ wir nur ſeine Liebe wolten annemen / weñ wir nur die Fin - ſternis vnd die ſuͤnde nicht zu lieb hettẽ.

Wie nun ein Artzt zu einem Kran - cken ſpricht: Sihe / du muſt das nicht thun / oder du wirſt ſterben / du hinderſt die Artzney / vnd kanſt nicht geſund werden: Alſo ſpricht der rechte ArtztA a iijChriſtus348Menſch kan nichts zur Seligkeit thun /Chriſtus Jeſus vnſer Herꝛ erſtlich zu vns: Sihe liebes Kind / du muſt Buſſe thun / vnd von Suͤnden ablaſſen / von deiner Hoffart / Geitz / Fleiſches Luſt /Vnbuͤsfer tigkeit hindert Chriſti Verdienſt vnd koͤſt - liche Artz - ney. Zorn / Rachgier vñ dergleichẽ / oder du wirſt ſterben / vnd die koͤſtliche Artzney meines Blutes vnd verdienſtes kan dir nicht helffen: Denn du verhinderſt / das es in dir nicht kan Frucht ſchaffen.

Das iſt die Vrſach / warumb derWarumb fuͤr allen dingen Buſſe zu predigen. Herr Chriſtus den Apoſteln befohlen hat zu allereſt Buſſe zu predigen / vnnd darumb hat der Herꝛ die Suͤnder zur Buſſe beruffen / denn kein vnbusfertig Hertz iſt fehig des verdienſtes Chriſti.

Wenn wir nun dis Wort hoͤren / daß da muͤſſe von Suͤnden abgelaſſen ſeyn / oder ewig verdampt vnd verloren ſeyn: Jetzo fehlet es nicht / es gedencket ein Menſch zuruͤck / vnd Gottes war - hafftiges Wort vnd ſein eigen Gewiſ - ſen vberzeuget jhn / daß es alſo ſey. Deñ es hat wol Gott Vergebung der Suͤn - de zugeſaget allen auß Gnaden vmb - ſonſten / Allein diß ſtehet darbey / wennwir349Gott thuts alleinewir vns zu Gott bekehren / wie der Pro - phet ſpricht Ezech. 33. Wenn ſich der Gottloſe bekehret / ſo ſoll er leben / vnd nicht ſterben / vnd aller ſeiner Suͤnde ſoll nicht mehr gedacht werden. Da ſte - het Vergebung der Suͤnde / vnnd die Buſſe bey einander.

Es ſpricht wol der ewige Sohn Got - tes / wer an mich gleubet / ſoll das ewige Leben haben / Aber der Glaube wider - ſtrebet dem alten Menſchen taͤglich / zwinget dz Fleiſch / machets dem Geiſt vnterthan vnd gehorſam / das iſt / beke - ret den Menſchen / tilget vnd dempffet die Suͤnde / reiniget das Hertz / deñ dasWas der wahre Glaube. iſt der Glaube / der ſich von der Welt / von Suͤnden / vom Teuffel zu Chriſto wendet vnd kehret / vnd wider die groͤſte vnzahlbare Schuld der Suͤndẽ / Ruhe vnd Erquickung der Seelen ſuchet / al - lein in dem Blute / Tode vñ Verdienſt Chriſti / ohne aller Menſchen Wercke. Wer aber anders gleubet / daß jhm Gott ſeine Suͤnde vergeben wolle / wenn er gleich nicht von Suͤnden ab -A a iiijleſſet /350Menſch kan nichts zur Seligkeit thun /leſſet / der hat einen betrogenen fallchi Glauben / vnd kan nimmermehr ſelig werden / ſo lang er nicht von ſeinen Suͤnden abſtehet.

Sehet an das Exempel Zach[e]i des Zoͤlners Luc. 9. Der verſtund die Leh - re vom Glauben vnd von der Bekeh - rung recht / daß nemlich das der rechte Glaube were / dadurch wir von Suͤn - den zu Gott bekehret wuͤrden / vnd wer von Chriſto Vergebung der Suͤnden haben woͤlle / vnd ſeines thewren Ver - dienſtes genieſſen / der muͤſte von Suͤn - den ablaſſen / vñ in hertzlichem vertra - wen vnd Zuuerſicht auff Gottes gnade ſich an Chriſtum halten.

Denn alſo verſtund er die Predigt des Herren Chriſti Marci. 1. Thut Buſſe vnnd gleubet dem Euaugelio. Das iſt / laſſet ab von Suͤnden / troͤſtet euch meines Verdienſtes / vnnd ſuchet bey mir allein der Suͤnde vergebung. Darumb ſpricht er zum Herrn: Sie - he / die Helffte meiner Guͤter gebe ich den Armen / vnd ſo ich jemand betroglhabe /351Gott thuts alleine. habe / dem gebe ichs vierfeltig wieder. Da ruͤhmet er nicht ſeine Wercke / ſon - dern die Gnade / dadurch er erkant hat - te / wie er Buſſe thun ſolte / als wolt er ſprechen: HErr / es iſt mir ſo leid / daßErkent - nis vnd Bekent - nis der Suͤnden im Glau - bẽ bringt Gnade. jch jemand betrogen habe / das ichs jhme auch vierfach wider gehe / darzu die helffte meiner Guͤter den Armen. Vnd weil ich nun meine Suͤnde er - kenne / vnd dauon abzuſtehen gentzlich beſchloſſen / vnd an dich gleube / ſo bitte ich dich / du wolleſt mich auch aus gna - den annemen. Da kam der Artzt / vnd ſprach: Heute iſt dieſem Hauſe Heyl wiederfahren. Denn des Menſchen Sohn iſt kommen zu ſuchen / vnd ſelig zu machen das verloren iſt.

Das iſt nun die wahre Buſſe / vnnd Bekehrung durch den Glauben / den Gott wircket. Gott iſt vnſerer Selig - keit Anfang / Mittel vnd Ende / wenn wir nur Gott dem H. Geiſt nicht mut - willig widerſtreben / wie die halſtarrigẽ Juͤden Act. 7. vnd Act. 13. Nun jhr dasA a vWort352Menſch kan nichts zur Seligkeit thun /Wort von euch ſtoſſet / vnd euch ſelbſt nicht werth achtet des ewigen Lebens / ſo wenden wir vns zu den Heyden / ſon - dern mit vns handeln laſſen / wie einProceß vn ſer geiſt - lichen Cur. Artzt handelt mit einem Patientẽ / der ſaget jm erſtlich ſeine Kranckheit: Alſo offenbaret vns Gott vnſere ſuͤnde / der Artzt ſaget dem Krancken / wz er laſſen ſol / ſo werde die Artzney wol wircken: Alſo ſagt vns Gott / was wir laſſẽ ſol - len / ſo werde das thewre Blut Chriſti auch in vns wircken / ſonſt iſt vns die koͤſtliche Artzney nichts nuͤtze.

So bald nun ein Menſch durch des heiligen Geiſtes Krafft von SuͤndenDer mẽſch kan von jhm ſelbſt nichts gu - tes geden - cken / viel weniger thun. ableſſet / ſo bald faͤnget Gottes gnade an in jhm zu wircken auch newe Ga - ben / ſonſt iſt der Menſch nicht tuͤchtig etwas gutes von jhm ſelbſt zu geden - cken / ich geſchweige denn zu thun. Vñ ſo iſt alles gutes / ſo in vns gewircket wird / nicht vnſer / ſondern der Gnade1. Cor. 5. Gottes / wie S. Paulus ſpricht: Nicht ich / ſondern Gottes gnade / die in mir iſt / Es wird vns aber zugerechnet außGna -353Gott thuts alleine. Gnadẽ / ja der gantze Verdienſt Chriſti wird den Busfertigen zugerechnet / vñ der gantze gehorſam Chriſti: Als wenn es ein Menſch ſelbſt gethan hette / nicht aber den Vnbusfertigen.

Darumb gehet die Imputatio dieIn wel - chem Ver - ſtande die Schrifft vns etwz gutes zu - ſchreibet. vnbus fertigen Veraͤchter Gottes vnd ſeines Worts nichts an / auch wircket allein Chriſtus in den Busfertigen / in den andern nicht. Gleich als wenn ein Schulmeiſter einem Kinde / das da ſchreiben lernet / die Hand fuͤhret / vnd ſpricht: Dz Kind hat eine gute Schrift gemacht: Alſo iſt all vnſer Vermoͤgen von Gott: Ohne mich koͤñet jhr nichts thun / ſpricht der Herr / verſtehe guts / aber boͤſes moͤgen wir wol ohne jhn thun / denn das iſt vnſer eigen / Aber gu - tes moͤgen wir ohn jhn nicht thun / deñ das iſt Gottes eigen / Joh. 15. Eſa. 10. Darumb hat ſich kein Fleiſch zu ruͤh -Rom. 3. men / es iſt eitel gnade.

Selig iſt der Menſch / der von Suͤn - den ableſſet / vnd ſeinen Willen Gottergibt /354Menſch kan nichts zur Seligkeit / etc. ergibt / wie eine Braut verwilliget denChriſtus machet in vns den guten Wilien. Breutigam zu nemen. Chriſtus vnſer Breutigam befleiſſiget ſich auch den Willen zu machen / in dem er vns ſo freundlich zuſpricht im Wort / vnd in vnſerm Hertzen / ſuchet vns / locket vns / buhlet vnd wirbet vmb vns / ehe wir an jhn gedencken / alles zu dem Ende / daß wir von Suͤnden ablaſſen ſollen / auff daß ſein thewres Blut an vns nicht verloren wer - de / ꝛc.

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Das355Ohne ein Chriſtlich Leben / etc.

Das XXXV. Capittel. Ohne ein heilig Chriſtlich Leben iſt alle Weißheit / Kunſt vnnd Erkentnis vmb - ſonſt / ſa auch die Wiſſenſchafft der gantzen H. Schrifft vergeblich.

Natth. 7. Es werden nicht alle die zu mir ſagen / HErꝛ / HErꝛ / in das Himmelreich kommen / ſondern die den Willen thun meines Vaters im Himmel. ()

DEr heilige Apoſtel S. Pau - lus 1. Corinth. 13. verſtehet durch die Liebe das gantze[hei]lige Chriſtliche Leben. Denn es iſt alles in die Liebe verfaſſet / was zum Chriſtlichen Leben gehoͤret / vnd Chri -[ſti]Leben iſt nichts anders denn eitel[re]ine lautere hertzliche Liebe.

Der rechten liebe Art aber iſt / daßDer reinẽ Liebe[Eigenſchaft][ſie]Gott lauter in allen dingen meynet[vn]d ſuchet / vnd nicht im geringſten dasjhre356Ohue ein Chriſtlich Lebenjhre ſuchet / oder ſich ſelber liebet / mey - net / ehret / ruͤhmet / auch keinen Nutzen oder Lohn / Ruhm oder Ehre ſuchet in allem / das ſie thut / Sondern thut frey auß lauterer liebe Gottes vñ Menſchẽ ohne Hoffnung des Lohns vñ eigener Ehre / vnd liebet Gott vnd den Nech - ſten frey vmbſonſt / nur darumb / weilWas ein Heuchler ſey. Gott das hoͤchſte vnd edelſte Gut iſt.

Wer nun dieſe Liebe nicht hat / der iſt ein Heuchler: Denn er meynet vnd ſu - chet in all ſeinem Thun ſich ſelber / vnd nicht lauter Gott / darumb iſt es eine falſche Liebe. Darumb weñ gleich ein ſolcher die gantze H. Schrifft auswen - dig wuͤſte / vnd koͤndte mit eitel Engel Zungen dauon reden / ſo were es doch nur ein bloſſer Schall ohne Krafft. Ohne Lie - be alles vergeblichDenn es ſoll Gottes Wort in das Le - ben verwandelt werden / ſonſt iſt e[s]nichts nuͤtze. Gleich wie eine natuͤrlich[e]Speiſe dem Leibe nichts hilfft / wenn ſie nicht in Fleiſch vnd Blut verwan -Wahre Frucht des Glau - bens vnd delt wird: Alſo hilfft auch GOTT es Wort vnd Sacramenta nicht / wennsnicht357alle Weisheit vmbſonſt. nicht in ein heilig Leben verwandeltSacra - mentes. wird / wenn nicht ein heiliger / bekehr - ter / newgeborner / liebreicher Menſch darauß wird.

Darumb ſpricht S. Paulus / wenn ich weiſſagen koͤndte / vnnd wuͤſte alle geheimnis vnd Erkentnis / etc. vnnd hette der Liebe nicht / ſo were ich nichts / Das iſt / wenn ich meine Ehre damit ſuchte / vnd nicht lauter Gott vnnd den Menſchen damit meynete / ſo were es fuͤr Gott ein grewel / jhm nicht ange - neme.

Daher werden die falſchen Prophe -Vrſach warumb die hoͤch - ſten Gabẽ fuͤr Gott nichts gel ten.[t]en ſagen an jenem Tage / Herr / Herr / haben wir nicht in deinem Na - men geweiſſagt / haben wir nicht in dei - tem Namen Teuffel außgetrieben / vnd Thaten gethan? Da wird er ſa - gen: Ich kenne ewer nicht / jhr habet mich nicht lauter gemeynet / ſondern euch ſelber.

Ja ſpricht Sanct Paulus: Wenn ich alle meine Haab den Armen gebe / vnd hette der Liebe nicht / ſo were mirsnichts358Ohn ein Chriſtlich Lebennichts nuͤtze. Wie ſo lieber Paule? Kan deñ einer wol alle ſeine Haab denFalſche al moſen / da durch mã Ehre ſuchet. Armen geben / vnd der Liebe nicht ha - ben? Ja freylich / wenn man nit hierin lauter allein Gott meynet / ſondorn ſich ſelber / wil Lohn / Ruhm vnd Ehre dar - iion haben. Wie die Phariſeer viel Opffer ſtifften / vnd andere bereden jre Guͤter zum Tempel vnd zum Opffer zu geben / daruon ſie Ruhm vnd Ehre hatten / vñ vergaſſen der Barmhertzig - keit an den Armen / denen ſie aus lau - terer freyer Liebe Barmhertzigkeit er - zeigen ſolten: Welches der HErr denMatth. 23 Phariſeern auffruͤcket / vñ ſpricht: Sie freſſen der Witwen Heuſer / vnd wen - den lange Gebet fuͤr / wollen dafuͤr be - ten. Wie denn auch zu vnſern Zeiten viel Leute alle jhre Guͤter zu Stifften vnd Kloͤſter gegeben haben / daß die Pfaffen vnd Muͤnche ſolten fuͤr jhreFalſche Liebe. Suͤnde opffern vnd beten / welches al - les eine falſche betrogene Liebe iſt / die ſich ſelbſt ſuchet vnd meynet. Denn wenn man zuſihet / ſo iſt hiermit derMen -359alle Weißheit vmbſonſtMenſchen Ehre geſuchet / vnnd nicht Gottes.

Der Gerechte wird ſeines GlaubẽsHabac. 2. leben / du muſt wahre Buſſe thun / vnd ſelbſt ein Opffer Gottes werden / durch Toͤdtung vñ Creutzigung des Feiſches /Rom. 2 vnnd alle Werck der Liebe frey Lauter vmbſonſt thun / vnnd nicht vmb dein ſelbſt willen aus eigener Liebe / Nutz vnnd Ehre / ſondern aus freyer reiner lauter Liebe zu GOTt / oder es iſt dir alles nichts nuͤtze. Ja wenn du auch deinen Leib brennen lieſſeſt / vnd hetteſt eine ſolche reine / lautere / freye Liebe nicht / die allein GOtt vnd ſeine Ehre meiynet / ſo were dirs nichts nuͤtze. Deñ was iſts / das etliche jhren Leib geiſſeln /Heuchel - faſten. Eſal. 58. Zach 7. jhnen Mahl brennen / vnd jhrem Leibe Wehe vnd vbel thun / wie der Prophet ſpricht: Was ſuchen ſie hiemit deñ ſich ſelbſt? Wollen ſonderliche Heiligkeit darmit bezeugen / ſelbſterwehlte Geiſt - ligkeit / welchs doch alles Gott zu ehren nicht geſchicht / Sondern jhm ein An - ſehen dadurch zu machen. Ja etlicheErſter Theil B bgerah -360Ohn ein Chriſtlich Lebengerahten in ſolche verblendung / vnd in ſolche kraͤfftige Irrthumb / das ſie ſichFalſche Maͤrterer darauff brennen laſſen / wollen Chriſti Maͤrterer ſeyn / da ſie doch Chriſtum nicht ſuchen / ſondern ſich ſelbſt / jhren gefaſten Irrthumb damit zu beſtetigen /2. Theſſ. 2 haben jhnen fuͤrgeſetzt nicht darvon ab - zuſtehen / vnd ſolts jhnen das Leben ko - ſten / das nennet S. Paulus Wirckung des Sathans vnd kraͤfftige Irrthumb / die Vrſach machet einen Maͤrterer / nicht die Marter.

Sehet an wohin der Teuffel die Hey - den gebracht hat / vnter welchẽ er etliche ſo verblendet / das ſie ſich williglich ha - ben laſſen ſchlachten / toͤdten vnnd opf - fern / jhre falſche Heydniſche Religion / vnd Teuffelsdienſt darmit zu beſten - gen. Was iſts wunder / das es noch geſchicht / Sonderlich nur vnter dem Schein des Chriſtlichen Glaubens? Falſchevn ſterblig - keit.Die Heyden haben viel gethan mit ver - luſt jhres Lebens jhnen einen vnſterb - lichen Namen zu machen. Hat auch nicht zu vnſern Zeiten die falſche eigeneLiebe361alle Weißheit vmbſonſtLiebe vnd eigene Ehre / Muͤnche vñ an - dere Leute bethoͤret / Koͤnige vnd welt - liche Potentaten zu erſtechen / die Ca - tholiſche Religion / wie ſie ſie nennen / damit fortzupflantzen / die auch jhr Le - ben haben muͤſſen laſſen vnd daran ſtre cken / welches nicht vmb Chriſti willen geſchehen iſt / ſondern vmb des Bapſts willẽ / vnd vmb eigenes Lobes / Ruhms vnd vnſterblichen Namens willen. Diß iſt die falſche betrogene Liebe võ einemFalſch Liecht Falſche Liebe. falſchen Liecht betrogen.

Darumb iſt nun alles / was ein Men - ſche weis / es ſey ſo groſſe Kunſt / Weis - heit vñ Erkentnis / als es jmmer wolle / vñ weñ er auch Salomon gleich were / ja die gantze Wiſſenſchafft der gantzen heiligen Schrifft / auch alles was ein Menſch thut / vnd wenn er auch Leib vnd Leben dahin gebe / Ohn die rechte Liebe Gottes vnd des Nechſten / vnnd ohn ein rechtes heiliges Chriſtliches Le - ben / lenter nichts. Ja Gottes Wort haben / wiſſen / vnd nicht darnach leben / machet das verdamnis groͤſſer / wie derB b ijHERR362Wer in Chriſto nicht lebet /Herr Johan. am 15. ſpricht: Wenn ich nicht kommen were / vnd hette es jhnen geſagt / ſo hetten ſie keine Suͤnde: Nun aber haben ſie nichts fuͤr zuwenden jhre Suͤnde zu entſchuͤldigen / etc.

Das XXXVI. Capittel. Wer in Chriſto nicht lebet / Sondern ſein Hertz an die Welt henget / der hat nur den euſſerlichen Buchſtaben der Schrifft / aber er ſchmecket nicht die Krafft vnnd verborgenes Manna.

Apot. 2. Wer vberwindet / dem wil ich zu eſſen geben von dem verborgenen Manna / vnnd wil jhm geben ein gut Zeug - nis / vnnd mit dem Zeugnis einen Newen Nahmen / wel - chen niemand kennet denn der jhn empfehet. ()MIt363ſchmecket nicht die Krafft der Schrifft.

MIt dieſem Spruch werden wir gelehret / das die allein die Suͤſ - ſigkeit des himmeliſchen Tro - ſtes vnnd Freude in dem Wort Gottes ſchmecken / die da vberwinden / verſtehe jhr Fleiſch / die Welt mit aller Ehre vnnd Herligkeit vnd den Teuffel. Gal. 5. 6Denn welche jhr Fleiſch durch taͤgliche Rew vnnd Buſſe creutzigen ſampt den Luͤſten vnnd Begierden / die der Welt vnnd jhnen ſelbſten taͤglich abſterben / denen jhr gantzes Lebẽ ein bitter Creutz iſt / die werden von oben herab võ Gott innerlich geſpeiſet mit der SuͤſſigkeitWelche Leute wir dig ſein himliſche Suͤſſig - keit zu ſchmecken des himliſchen Manna / vnd getraͤncket mit dem Freudenwein des Paradieſes: Die andern aber / ſo jhren Troſt in der Welt haben / koͤnnen nicht ſchmecken das verborgene Manna: Vrſach / ein jeglich Ding vereiniget ſich mit ſei - nes gleichen / wiederwertige Ding ne -Wider - wertige Ding ne - men ein - ander nit an. men einander nicht an. Gottes Wort iſt geiſtlich / darumb vereiniget ſichs nicht mit einem Weltlichen Her - tzen. Gleich wie von der Speiſe / die derB b iijMagen364Wer in Chriſto nicht lebet /Magen nicht annimpt / der Leib keine Krafft empfaͤhet: Alſo ſchmecket die Seele nicht die Krafft des goͤttlichen Worts oder Himmelbrots / wenn ſie nicht daſſelbe gantz vnd gar in ſich ver - wandelt / das iſt / ins Leben.

Schoͤn Gleichnis

Vnd wie dem Menſchen alles bitter ſchmecket / wenn er das Fieber hat: Alſo denen / die am Fieber dieſer Welt kranck ligen / an der Weltſucht / an Geitz / Hoffart / vnd wolluſt / denen ſohmecket Gottes Wort bitter / ja jhnen eckelt darfuͤr wie den Febricitanten. Welche aber den Geiſt Gottes haben / die findẽ darinnen dz verborgene Himmelbrot / welche den Geiſt dieſer Welt haben / die ſchmeckens nicht / denn keines nimpt dz ander an.

Woher es koͤmt / daß vielen Leuten dz Euange - lium nicht ſchmecket

Daher koͤmpts / das viel Menſchen wenig Luſt / Freude vnnd geiſtlich Be - gierde empfinden aus dem heiligen Eu - angelio / ob ſie es gleich taͤglich hoͤren. Denn ſie haben den Geiſt Gottes nit / ſie haben nit himliſche Gemuͤter / ſon -dern365ſchmecket nicht die Krafft der Schrifft. dern jrrdiſche Hertzen. Wer aber das Wort Gottes recht verſtehen wil / vnd deſſen Krafft empfinden / vnd von dem himmelbrot eſſen / der muß ſich befleiſ - ſigen mit ſeinem Leben gleichfoͤrmig zu werden dem wort Gottes / vnd dem Le - ben Chriſti. So ſpeiſet er die Demuͤti - gen mit ſeiner Gnade / die Sanftmuͤti - gen mit ſeiner Liebe / die Geduͤltigẽ mit ſeinem Troſt / vnnd machet jhnen ſeinWelchen Hertzẽ die himliſche Speiſe ſchmecket. Lue. 1. Joch ſuͤſſe / vnd ſeine Laſt leicht. Die Suͤſſigkeit des Himmelbrots wird ge - ſchmecket vnter dem Joch Chriſti / vnd da heiſt es: Die Hungerigen fuͤllet er mit Guͤtern / vnd leſt die Reichen leer.

Meine Wort ſind Geiſt vnd Leben / ſagt der Herr Joh. 6. So ſie nun geiſtgeiſt muß vom geiſt geſchme - cket werdẽ vnd Leben ſeyn / ſo koͤnnẽ ſie von keinem vngeiſtlichẽ / fleiſchlichen / vppigen Her - tzen vnd Sinnen empfunden werden / ſondern im geiſt / in der Stille / in Ver - ſchwiegenheit mit tieffer Demut vnnd heiliger groſſer begierde muß mans an - nemen / vnd ins leben verwandeln / ſonſt hat man vom Wort Gottes nichtsB b iiijmehr366Wer in Chriſto nicht lebet /mehr denn den euſſerlichen Schall vnd Buchſtaben. Gleich wie man den Thõ einer Harffen hoͤret / verſtehet aber nit / was es iſt / ſo hat man keine Freude da - von: Alſo empfindet man nichts von der Krafft des goͤttlichen Worts / weñs nicht ins Leben verwandelt wird.

Apoc. 2

Darumb ſpricht S. Johannes: Ich wil jhm ein gut Zeugnis geben / vnnd mit dem Zeugnis einen newen Namen / welchen niemand kennet denn der jhn empfehet.

Rom 8.

Diß iſt das Zeugnis des verborge - nen Geiſtes / welcher dem Wort Got - tes Zeugnis gibt / vnnd hinwiederumb der Geiſt des Worts GOTTes gibt Zeugnis vnſerm geiſt / vnd ſtimmen die beyde vberein / vereinigẽ ſich mit einan - der / vnd werden ein Geiſt / vnd diß iſt1. Cor. 6 Qui adhæ rent Do - mino. Harmo - nia ſpiri - tual s. der newe Name / welchen niemand ken - net / denn der jhn empfehet. Deñ gleich wie niemand die Suͤſſigkeit des Honi - ges empfindet / denn der es koſtet: Alſo kennet niemand den newen Namen des Gezeugnis Gottes im Hertzen / dennwers367ſchmecket nicht die Krafft der Seligkeit. wers empfindet: Der kennet allein den Troſt Gottes / der jhn empfindet. Das iſt das newe Gezeugnis / vnd der neweNewer na me / den niemand kennet deñ der jhn hat. Name / den niemand kennet denn der jhn empfehet / vnd iſt newe / weil er aus der newen Geburt gehet / ſo von oben herab koͤmpt.

Selig iſt der Menſch / welchem GOtt ſich alſo in ſeinem Hertzen zu ſchmecken gibt. Alſo hat Gott die Pro - pheten von Anfang mit ſeinem ſuͤſſen Himmelbrot geſpeiſet durch die Rede ſeines ewigen worts / welches zu jhnen geſchehen iſt / daruon haben ſie reden koͤnnen. Denn ſie habens empfunden / vnd daher iſt die H. Schrifft kommen.

Spetſe der Selen das leben - dige Wort

Vnd auff den heutigen Tag leſt er nicht nach mit allen Menſchen zu Re - den / vnd ſie mit ſeinem wort zu ſpeiſen inwendig in jhrer Seelen / Aber die meiſten Menſchen ſind zu ſener Stim - me gar zu harthoͤrig / vnd zu taub / vnnd hoͤren lieber die Welt denn Gott / lieber folgen ſie jhren Luͤſten denn dein Geiſt Gottes: Darumb koͤnnen ſie nicht eſſẽB b vdas368Wer in Chriſto nicht lebet /das verborgene Manna / ſie eſſen lieberbaum des Todes. von dem verbotenen Baum des Todes vnd jhrer fleiſchlichen Luͤſte / denn von dem Baum des Lebens:

Iſt derowegen eine groſſe Blind - heit vnd Thorheit / das die Menſchen nicht verſtehen wollen / daß in GOTt groͤſſere Luſt vnd Suͤſſigkeit iſt / Denn in der Welt / wer einmal Gottes Guͤ - tigkeit geſchmecket hat / dem iſt die weltWelt iſt den himli - ſchen Ge - muͤtern diehoͤchſte bitterkeit mit aller jhrer Luſt die hoͤchſte Bitter - keit. Vnſere erſte Eltern haben ſich die Welt bethoͤren laſſen / vnd von den ver - bottenen Fruͤchten geſſen / vnnd baben daran den bittern Tod geſſen. Noch ſind wir ſo blind vnd thoͤricht / vnnd eſ -Rom 3 ſen von den verbotenen Luͤſten vnſers Fleiſches / dauon wir doch ſterben.

Wer von mir iſſet / ſpricht der HerrJohan 6. Syr 24 Chriſtus / der Baum vnd das Brot des Lebens / der wird Leben in Ewigkeit. Von jhme eſſen heiſt / an jhn gleuben / vnd ſeines Hertzens Luſt / Freude / Liebe / Troſt vnd wolgefallen an jhm haben. Die Welt giht doch ſo klein geringzeitlich369ſchmecket nicht die Krafft der Schrifft. zeitlich Ding / vnd wird jhr doch darfuͤrFleiſchli - che blind - heit mit groſſer Begiere gedienet. GOtt gibt groſſe / hohe / ewige Guͤter / vñ ſind doch darzu ſo faul vnd traͤge der ſterb - lichen Menſchen Hertzen. Wo findet man doch jemand / der Gott mit ſo groſ ſein gehorſam vnd Sorge dienet / als dem Mammon vnd der Welt? Vmb ein weniges Geldes willen wird offt ein groſſer Weg gelauffen: Aber vmb des ewigen Lebens willen / wird kaum ein Fuß von der Erden auffgehoben.

Eſai. 23 Jere. 47. Ezech. 26

Die Propheten werffen den groſſen Kauffſtaͤdten Tyro vnd Sidon fuͤhr / das ſie vber Meer jhr Kauffmans gut geholet vnd geſuchet haben / vnnd vmb das ewige Gut haben ſie nicht einen Fuß auff gehoben.

In allen Staͤnden wird die Welt mehr geſuchet vnd geliebet denn Gott. Mancher gelehrter Doctor ſtudieretkinder die ſer Welt. Tag vnd Nacht / das er in der Welt zu groſſen Ehren kommen moͤge: Aber vmb der ewigen Ehre vnd Herrligkeitwillen370Wer in Chriſto nicht lebet /willen / nimpt er offt nicht der weile ein Vater vnſer zu beten. Mancher be - fleiſſiget ſich im Kriege Adel vñ Ritter - ſchafft zu erlangen: Aber mit einer eini -Rechter Sieg. gen Vntugend ſeines Fleiſches wil Er nicht kriegen / dadurch man den ewigen himliſchen Adel erlanget: Mancher iſt ein Vberwinder vieler Laͤnder vnnd Voͤlcker / vnnd weis ſich ſelbſt nicht zu vberwinden. Wie viel ſind jhr / die das Zeitliche ſuchen / vnd daruͤber ſich ſelb - ſten vnd jhre Seele vnd Seligkeit ver - lieren. Vnd alle die das thun / Haben nicht gekoſtet das verborgene Manna des goͤttlichen Worts. Denn die vber - winden nicht / ſondern laſſen ſich vonWer Got - tes Troſt ſch mecken wil / mus den jrrdi - ſchen troſt fahren laſſen. der Welt vberwinden. Denn wer das Manna ſchmecken wil / der muß vmb GOTtes Liebe willen die Welt verſchinehen vnd vberwinden. Wer das thun kan / der wird den allerſuͤſſe - ſten Troſt des heiligen Geiſtes empfin - den / welchen niemand kennet denn der jhn emfehet.

Es muß371ſchmecket nicht die Krafft der Schrifft.

Es muß ja erſt der Baum des Le jens in vns gepflantzet werden / ſollen wir von ſeinen Fruͤchten eſſen. Es muß ja erſt das Hertz von der Welt zu Gott gewandt werden / ſoltu den himliſchen Troſt empfinden. Du leſſeſt dir der Welt Troſt eine groſſe Freude ſeyn /Rechter Troſt vñ rechte Weißheit allein aus Gott. vnd denckeſt nicht / das Gottes Troſt mehr erfrewen kann / denn die gantze Welt. Was Gott thut / iſt allzeit ede - ler / als das die Creaturen thun. Die Lehre / ſo von oben herab koͤmpt durch das Einſprechen des heiligen Geiſtes / iſt viel edler denn die von Menſchen Verſtande durch groſſe Arbeit erlernet wird. Ein Apffel vnd Lillien / ſo die Naͤ - tur machet / iſt viel edler vnd beſſer denn die ein Kuͤnſtler von lauterin Golde machet: Alſo der allerkleineſte Augen -welt troſt betrug. blick vnd Fuͤncklein des Troſtes Got - tes / iſt edler vnd beſſer denn ein groſſes Meer voll Freude dieſer Welt.

Wiltu nun den edlen Troſt Gottes haben / ſo muſtu der Welt Troſt vnnd Freude verſchmehen / wiltu mich rechthoͤren372Wer in Chriſto nicht lebet /hoͤren / ſo muſtu dein Ohr zu mir wen - den / Wiltu mich verſtehen / ſo muſin dein Hertz zu mir wenden / Wiltu mich ſehen / ſo muſtu deine Augẽ zu mir wen - den. Alſo wende zu Gott dein gantzesWie Gott erkant vñ geſchme - cket wird. Hertz / alle deine Sinne / ſo wirſtu jhn ſehen / hoͤren vnd verſtehen / ſchmecken vnd empfinden. Denn ſo ſtehet Jer. 13. So jhr mich von gantzem Hertzen ſu - chen werdet / will ich mich von euch fin - den laſſen / ſpricht der Herr.

Falſcher Ruhm.

Man ſpricht jetzo / hilff Gott / wie reich / mechtig / weiſe vnd gelert iſt der Mann / aber wie ſanftmuͤtig / demutig / geduͤltig / andechtig er ſey / darvon ſagt man nicht: Alſo ſihet man jetzo den Menſchen nur von auſſen an / aber das inwendigſte / ſo das beſte vnd edelſteiſt / ſihet man nicht an. Man ſpricht / dieſer Mann hat viel Laͤnder vnd Staͤdie ge - ſehen / Ach wer Gott geſehen hette / das were das beſte. Man ſagt / dieſer Mann hat Keyſer / Koͤnige / Fuͤrſten / Herren / gehoͤret vñ gedienet / ja wer Gott recht hoͤren koͤndte in ſeinem Hertzen / vnd jmrecht373mecket nicht die Krafft der Schrifft. recht dienen / der hette wol gedienet / vñ etwas gehoͤret: Viel ſagen aus lauterer Weltliebe / es iſt jetzo eine gelehrte Welt / eine geſchickte vnd kunſtreiche Zeit / doctum & eruditum Seculum: Vnd wiſſen nit / daß die rechte Kunſt / Chriſtum lieb haben / welches beſſer iſt / denn alles wiſſen / gar erloſchen ſampt dem Glauben / Epheſ. 3. Lue. 18. Vnnd das wenig ſeyn der rechten Gottes ge - lerten / Eſ. 54. Vnd derer die von Chri - ſto das rechte demuͤtige vnd ſanfftmuͤ - tige Leben lernen wollen / Matt. 11. Ja die allerkluͤgeſten ſind offt entfrembdet von dem Leben das aus Gott iſt: Vnd haben noch nie gelernet / daß in Chriſto ein rechtſchaffen Leben ſey / Epheſ. 4. Sie meynen es ſey alles an den Wort - kuͤnſtlein gelegẽ / da doch die rechte Eru - dition vnd Geſchickligkeit nicht ſtehet in Worten / ſonďn in rebus, vnd in der techtſchaffenẽ ewigẽ Weißheit / dauon in dem Tractat de antiqua Philoſo - phia weiter / Wenn man aber ſagte / es were jtzo ein im pium Seculũ, were derWarheit374Wer in Chriſto nicht lebet /Warheit / vnd GOTTES Won ehnlicher.

Verkerte Vrtheil.

Man ſaget / dieſer Mann hat einen ſtatlichen Tiſch vnd Kuͤche / Ach wenn Gottes Wort wol ſchmecket / der das verborgene Manna koſtet / das ewigwe - rende / lebendige Himmelbrot / Joh. 6. Der hat einen herrlichen Tiſch / den Gott bereitet hat / Pſalm. 23.

Wem Gott vnd ſein Wort wol ſchmecken / dem mag nichts vbel ſchme -Got ſelbſt die hoͤch - ſte Freude vñ Licht. cken / vnnd wem Gott vnnd ſein wort nicht wol ſchmecken / was mag der fuͤhr Freude haben? GOTT ſelbſten iſt die Freud / der alle erſchaffene Freude vber - trifft / Er iſt das ewige Licht / das alle erſchaffene Liechter vbertrifft: der wolle mit ſeinem verborgenen Freudenſchein vnſere Hertzen durchdringen / vnſeren Geiſt vnd alle Kraͤffte reinigẽ / erleuch - ten / erfrewen / verkleren / vnd lebendigHeiliger Wundſch. machen. Wenn wird dieſelbige Stun - de kommen / das vns Gott mit ſeiner Gegenwart / vnd mit allem / was er iſt / erſaͤttigen wird?

So lang375ſchmecket nicht die Krafft der Schrifft /

So lang ſolches nun nicht geſchicht / wird in vns keine vollkommene Freude. Muͤſſen derowegen mit dem Broſam - lein ſeines Troſtes vor lieb nemen / die von vnſers Herrn Tiſche fallen / bißEſai. 55. die rechte Freude des ewigen Lebens angehet.

Sihe / ich ſtehe fuͤr der Thuͤr / ſpricht der Herr / Apoc. 3. vnd klopffe an / wer meine Stimme hoͤren wird / vnnd mir auffthun / zu dem wil ich eingehen / vnd das Abendmal mit jhm halten / vnd erEdler Gaſt. mit mir. Hoͤre lieber Menſch / es koͤmpt dir ein edler Gaſt / wiltu jn laſſen dar - auſſen ſtehen? Es iſt eine groſſe Schan - de einen Freund lang laſſen darauſſen ſtehen / vnd fuͤr der Thuͤr warten / groͤſ - ſete Schande iſt es deinen GOtt laſſen darauſſetz ſtehen / der dein Gaſt wil wer - den. Du darffeſt jhn nicht ſpeiſen / er ſpeiſet dich / du ſolt mit jhm ſein Him - melbrot vnd verborgene Manna eſſen. Bringet nicht ein groͤſſer Herr ſeine Kuͤche mit / wenn er zu ſeinem Armen Freunden einkehret?

Erſter Theil C cDer376Wer in Chriſto nicht lebet /

Der Herr ſpricht: Hoͤre meineDie Welt muß aus - gehen / ſoll Gott ein - gehen. Stimme / vnd thue mir auff. Aber wie in einem Hauſe / da ein Weltgetuͤmmel iſt / keine liebliche Muſica kan gehoͤ - ret werden: Alſo kan GOTt in einem weltlichen Hertzen nit gehoͤret werden. Denn es wird Gott nicht auffgethan / leſt jhn auch nicht ein / darumb kan einIn einem ſtillen Her tzen kan man mit Gott redẽ ſolch jrrdiſch Hertz das himliſche Man - na nicht ſchmecken. Wenn dz Getuͤm - mel der Welt im Menſchen Hertzen ſtil wird / ſo koͤmpt Gott / vnd klopffet an / vnd leſt ſich hoͤren: So kanſtu ſagen1. Sam. 3. mit dem Propheten Samuel: Rede Herr / denn dein Knecht hoͤret.

Die Epiſtel an die Hebreer am 6. redet auch von dieſem inwendigẽ / geiſt -Fruͤchte der wahrẽ Erleuchti - gung. lichen vnd himliſchen Abendmal / vnd ſpricht: Daß die / ſo erleuchtet ſeyn / vnd theilhafftig worden des heiligen Gei - ſtes / die haben geſchmecket diehimliſchẽ Gaben / das guͤtige Wort Gottes / vnd die Kraͤffte der zukuͤnfftigen Welt. Da hoͤren wir / Wo der heilige Geiſt im Menſchen iſt / vnnd nicht verhindertwird377ſchmecket nicht die Krafft der Schrifft. wird / ſo ſpeiſet er taͤglich die Seele mit dem verborgenen Manna des guͤtigen lebendigen Worts GOTTes / ſo aus Gottes Munde gehet / võ welchem wir leben.

Dieſes hat der koͤnigliche Prophet Dauid durch den heiligen Geiſt auch in ſeinem Hertzen / vnd in ſeiner Seelen empfunden / als er im 16. Pſalm ſpricht: Fuͤr dir iſt Freude die Fuͤlle / vnd lieblich Weſen zn deiner Rechten Ewiglich. Gottes Guͤte iſt die himli - ſche Spei - ſe vnd ſuͤſ - ſeſter Tranck.Vnd im 34. Pſalm: Schmecket vnnd ſehet wie freundlich der Herr iſt / wol allen / die auff jhn trawen. Pſalm. 23. Du bereiteſt mir einen Tiſch gegẽ mei - nen Feinden / Du ſalbeſt mein Haͤupt mit Oele / vnnd ſchenckeſt mir voll ein. Pſalm. 63. Deine Guͤte iſt beſſer denn Leben / meine Lippen preiſen dich. Vnd im 36. Pſalm / Wie thewer iſt deine Guͤte Gott / daß Menſchen Kinder vn - ter dem Schatten deiner Fluͤgel trawẽ / Sie werden truncken von den reichen Guͤtern deines hauſes / vnd du traͤnckeſt ſie mit Wolluſt / als mit einem Strom /C c ijDenn378Wer in Chriſto nicht lebet /denn bey dir iſt die lebendige Quelle / vnnd in deinem Lichte ſehen wir das Liecht. Vnd im 70. Pſalm: Frewen vñ froͤlich muͤſſen ſein / die nach dir fra - gen / vnd die dein Heil lieben / muͤſſen jmmer ſagen: Hochgelobet ſey GOtt. Ich aber bin elend vnnd arm / Gott eile zu mir / denn du biſt mein Helffer vnnd Erretter / mein Gott verzeuch nit. Da zugleich beſchrieben iſt / was das fuͤhr Leute ſeyn / die da innerlich mit dem gu - tigen Wort Gottes geſpeiſet werden / Nemlich / die im Geiſt vnd Seele arm vnd elend ſind / vnd nur an Gottes troſtGeiſthun - gerige Se - len ſchme - cken die himmeli - ſche ſpeiſe hangen / die ſind wirdig zu ſchmeckẽ die himliſchẽ Gaben / davon der gantze 84. Pſalm redet: Wie lieblich ſind deine Wonung Herr Zebaoth / Mein Leib vnd Seel frewet ſich in dem lebendigen Gott / etc. Da lehret vns der liebe Da - uid / das die geringſte Liebligkeit des ewigen Lebens vbertreffe die groͤſſeſte Freude dieſer Welt: Alſo das dort ein Tag beſſer ſey deñ hie tauſent Jar. Vñ wer das einmal recht geſchmecket hat /deme379ſchmecket nit die Krafft der Seligkeit. deme iſt dargegen alles bitter / was in ď Welt iſt / der wird der Welt muͤde vnd vberdruͤſſig / denn er hat etwas beſſers vnd lieblichers empfunden.

Daher die ewige Weisheit im Buch Syrach am 24. ſpricht: Ich bin viel ſuͤſſer denn Honig vnd Honigſeim / wer von mir iſſet / den hungert jmmer nach mir / etc.

Seele kan nichtsſaͤt - tigen one gott.

Diß iſt ein heiliger Hunger vnnd Durſt / welche keine Creatur ſaͤttigen kan / deñ Gott ſelbſten mit ſeiner Liebe. Vnd ſo werden die Heiligen Gottes in der Liebe Gottes truncken. Davon dasCant. Hohelid Salomonis ſpricht: Eſſet meine Freunde / vnd trincket meine Lie - ben / vnd werdet truncken.

Das leſt nun Gott ſeinen Geliebten wiederfahren / auff das er dieſelbige zu jhm ziehen moͤge / damit ſie das jrrdiſche vergeſſen. Geſchicht aber das in dieſem Leben / da wir ein klein Broſamlein des verborgenen Manna eſſen / vnnd einC c iijkleines380Wer in Chriſto nicht lebet /kleines Troͤpflein in des himliſchẽ wein - ſtocks koſten / was wird den dort geſche - hen im ewigen Leben / da wir den Brun - nen ſelbſt haben werden?

Bilde des ewigen Le - beus.

Da der HErr am Creutze ſpricht: Mich duͤrſtet / da hat jhn darnach ge - duͤrſtet / daß er in vns einen Heiligen geiſtlichen himliſchen Durſt erweckete vnd fuͤnde. Denn gleich wie er ſelbſten vnſern geiſtlichen Hunger vnnd Durſt ſaͤttiget vnd leſchet: Alſo ſind wir die je -Wz Chri - ſti heiliger Durſt ſey. nigen / ſo ſeinen Hunger vnd Durſt ſaͤt - tigen: Denn jhn hungert vnnd duͤrſtet ſehrer nach vns als vns nach jhm / wie S. Johannes am 4. ſpricht: Meine Speiſe iſt / daß ich GOTTes Willen thue. Gottes Wille aber iſt die Selig - keit der Menſchen. Vnd wenn vns ſo ſehr nach jhm duͤrſtet / als jn nach vns / ſo wuͤrde er vns mit ſeinem Geiſt ſo mildiglich vnd ſuͤſſiglich traͤncken / daß von vnſerm Leibe Stroͤme des lebendi - gen Waſſers floͤſſen / das iſt / Es wuͤrde alles an vns geiſtlich / holdſelig / lieb - lich vnd troͤſtlich ſeyn / ja er wuͤrde vnsmit381ſchmecket nicht die Krafft der Seligkeit. mit einem groſſen Strom ſeiner Guͤ - tigkeit traͤncken / das vnſer Leib vnndFrucht des geiſt - lichen Durſtes Seele / vnd alle Kraͤffte ſich in Gott er - freweten / als ergoͤſſe ſich in vnſerer Se - len ein groſſer Waſſerſtrom himliſcher Freude: Denn es iſt nichts ſo gros / als des Menſchen Seele in jhrer Freudig - keit vnd Freyheit / welche Gott / Him̃el vnd Erde begreiffet / es iſt auch nichtsSeele des Menſchen gros vnd klein. ſo klein / als des Menſchen Seele in jver Nidrigkeit vnd Demut / weñ ſie ſich fuͤr Gott vnter alle Creaturen deinuͤtiget.

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C c iiijDas382Wer Chriſto im Leben nicht folget /

Das XXXVII. Capittel. Wer Chriſto im Glauben / heiligem Le - ben vnnd ſtetiger Buſſe nicht folget / der kan von der Blindheit ſeines Hertzens nicht er - loͤſet werden / ſondern muß in der ewigen Finſternis bletben: Kan auch Chriſtum nicht recht erkennen / noch Gemein - ſchafft vnd Theil an jhm haben.

1. Johan. 1. Gott iſt ein Liecht / vnd in jm iſt keine Finſternis / So wir ſagen / das wir Ge - meinſchafft mit jhm haben / vnd wandeln im Finſternis / ſo liegen wir / vnnd thun nicht die Warheit / So wir aber in dem Liecht wandeln / wie er im Liecht iſt / So haben wir Ge - meinſchafft vntereinander. ()

LIecht vnd Finſternis recht zu verſtehen / muͤſſen wir achtung haben auff die Definition, vnd Beſchreibung des Liechtes.

GOtt383bleibet im Finſternis

GOtt iſt ein Liecht / ſpricht Sanct Johannes. Was iſt aber Gott? Gott ſtein geiſtlich ewig vnendlich Weſen / almechtich / barmhertzig / gnedig / ge - recht / heilig / warhafftig / allein weiſe / vnausſprechlicher Liebe vnnd Trewe. Gott Vater / Sohn vnd heiliger geiſt / einig im Weſen / dreyfaͤltig in Perſo - nen / vnd iſt das hoͤchſte Gut / vnd alles Gut / weſentlich / vnd das iſt das rechte ewige Liecht / Derhalben wer ſich von Gott / von ſeiner Liebe / Barmhertzig - keit / Gerechtigkeit / Warheit abwen - det / derwendet ſich von dem Liecht ab / vnd ſellet in die Finſternis. Denn ohneWz liecht vñ Finſter nis ſey GOTT iſt eitel vnd ewige Finſter - nis. Im Gegentheil iſt GOTT ein Liecht: ſo mus der Teuffel Finſternis ſeyn / vnd iſt GOTT die Liebe / ſo iſt der Teuffel eitel grim̃iger Zorn / Feind - ſchafft / Haß vnd Neid / Suͤnde vnnd Laſter. Wer ſich nun zur Suͤnde wendet / der wendet ſich zur Finſternis vnd zum Teuffel / vnd kan nit darvon erloͤſet werden / biß er ſich abkehret vonC c vder384Wer Chriſto im Leben nicht folget /der Finſternis zum Liechte / von Suͤn -Act 26. den zur Gerechtigkeit / von den Laſtern zur Tugend / von dem Teuffel zu Gott. Das iſt nu des wahren lebendigen Glaubens We[r]k / daß er das Hertz ra - niget Act. 15. Denn wer an Chriſtum gleubet / thut taͤglich Buſſe / vnd wendet ſich von Suͤnden / dz iſt / von dem T[eu]f - fel zu Chriſto. Denn gleich wie ſichBekeh - rung. Adam durch die Suͤnde von GOtt ab - wandte zum Teuffel: Alſo muß man durch wahre Buſſe vnd Ablaſſung vonActor: 26. 1 Argu - ment. Suͤnden ſich von dem Teuffel wieder abwenden zu dem lieben Gott.

Daraus folget nun / das der Menſch ohne Bekehrung von Suͤnden zu Gott nicht kan erleuchtet werden. Deñ was hat das Liecht fuͤr Gemeinſchafft mit der Finſternis. 1. Corinth. 6. Vnbusfer - tigkeit iſt Finſternis / darumb hat das Liecht des wahren erkentnis Chriſti mit derſelben keine Gemeinſchaft. Iſt dem - nach vnmuͤglich / daß die jenigen mit dem Geiſt vnd Liecht der ewigen war - heit koͤñen erleuchtet werden / die in derFinſter -385bleibet im FinſternisFinſternis der Vnbusfertigkeit leben. Darumb auch S. Paulus võ den Juͤ - den ſpricht 2. Corinth. 4. Wenn ſie ſich zum Herrn bekehrten / ſo wuͤrde die Decke weggethan / dz iſt die Finſternis / Blindheit vnd Vnverſtand / vnd wuͤr - den in Chriſto erleuchtet.

Blindheit vñ Finſter nis.

Die groͤſſeſte Blindheit vnd Finſter - nis des menſchlichen Hertzens iſt der Vnglaube mit ſeinen Fruͤchten / als Hoffart / Geitz / fleiſchliche Luͤſte / Zorn / etc. Wer damit beſeſſen iſt / der kan Chriſtum das wahre Liecht nicht erken - nen / viel weniger recht an jhn gleuben / jhm vertrawen / vnd durch in ſelig wer - den. Denn wie kan doch der das demuͤ - tige Hertz Chriſti erkennen / der vol ſtin - ckender Hoffart iſt? Wie kan doch der2. Argu - ment. das ſanfftmuͤtige Hertz Chriſti erken - nen / der vol grimmiges Zorns vnd Nei - des iſt? Wie kan doch der die hohe Ge - dult Chriſti erkennen / der vol Rachgier vnnd Vngeſtuͤmmigkeit iſt? Wer die Sanfftmut / Demut vñ gedult Chriſti nicht kennet / der hat Chriſtum nochnicht386Wer Chriſto im Leben nicht folget /Was ſey Chriſtum kennennicht recht im Glauben erkandt / wiltu Chriſtum recht erkeñen / ſo muſtu durch den Glauben ein ſolch Hertz habẽ / wie er hat / du muſt ſeine Sanfftmut / De - mut / Gedult in deinem Hertzen ſchme - cken / jtzt weiſtu wer Chriſtus iſt. Wiltu eine gute Frucht vnd Kraͤutlein erken -Fruͤchte des baums des lebens nen / koſte es vnd ſchmecke es / ſo weiſtu es: Alſo Chriſtum auch / denn Baum des Lebens. Schmeckeſtu vnnd koſteſt im Glauben ſeine Demut / Sanfft - mut / Gedult / So iſſeſtu von ſeiner Frucht / ſo wirſtu Ruhe finden fuͤr deine Seele / vnd wirſt fehig des goͤttlichen Troſtes / der goͤttlichen Gnade / ſonſt iſt keine Ruhe der Seelen zu finden. Denn Gottes Gnade vnd Troſt kan nicht einleuchten in ein glaubloſe Hertz / darin Chriſti Sanfftmut vnnd Demut nicht iſt / denn den Demuͤtigen gibt er Gnade.

3. Argu - ment

Was iſt den Menſchen Chriſtus nuͤtze / der keine Gemeinſchafft mit jm haben wil? Nun haben aber die / ſo im Finſternis der Suͤnde leben / keine Ge -mein -387bleibet im Finſternismeinſchafft mit dem liechte / welches iſt Chriſtus / darumb iſt er jhnen nichts nuͤtze. Denn alſo ſpricht S. Johannes in ermelten Spruch: So wir ſagen / daß wir Gemeinſchafft mit jhm haben / vnd wandeln im Finſternis / ſo liegen wir / vnd thun nicht die Warheit. So wir aber im Liecht wandeln / wie er im Liecht iſt / ſo haben wir Gemeinſchafft mit jhm. Das erkleret er ferner im fol - genden Capitel: Die Finſternis iſt ver - gangen / vnd das wahre Liecht ſcheinet jetzund. Wer da ſagt er ſey im Liechte / vnd haſſet ſeinen Bruder / der iſt noch in der Finſternis. Wer aber ſeinenHaß vnd Neid iſt finſternis Bruder liebet / der bleibet in dem Liech - te / Vnnd iſt keine Ergernis bey jhme. Wer aber ſeinen Bruder haſſet / der iſt in der Finſternis / vnd wandelt im Fin - ſternis / vnd weis nicht / wo er hin gehet. Denn die Finſternis hat ſeine Augen verblendet.

So lang nun ein Menſch bleibet in ſolchen Suͤnden / als in der ſchreck - lichen Finſternis / ſo lang kan er nichtvon388Wer Chriſto im leben nicht folget /von Chriſto dem wahrẽ Liecht erleuch - tet werden / vnd zum rechten ErkentnisErkent - nis Chri - ſti. Gottes kommen. Denn wenn man Gott vnd Chriſtum recht erkennẽ will / ſo muß man wiſſen / daß GOtt eitel gnade vnd Liebe iſt. Es kan aber nie - mand wiſſen / was Liebe ſey / deñ wer ſie ſelbſt hat vnd thut. Vnd alſo gehet dieErkent - nis aus der Erfah rung. Erkentnis eines jeglichen Dinges aus ď Erfahrung / aus der That vnd Em - pfindẽ / aus den Wercken der Warheit. Wer nun die Liebe nicht vbet / der weis nicht was Liebe iſt / ob er gleich viel dar - uon redet. Chriſtus iſt eitel Liebe / De - mut / Sanftmut / Gedult vnd eitel Tu -4. Argu - ment. gend: Wer nun dieſelbige nicht vbet / der weiß nit wer Chriſtus iſt / vnd ken - net jhn nicht recht / ob er gleich viel von jhm redet / vnnd ſeinen Namen tregt. Niemand weiß / was Tugend iſt / ohne der Tu - gend vbetGottes Wort iſt eitel Geiſt / wer nun nicht im Geiſt lebet vnd wandelt / der weis nit / was Gottes Wort iſt / ob er gleich viel daruon redet. Wer kan wiſ - ſen was Liebe iſt / der nie keine Liebe ge - uͤbet hat? Denn wiſſen vnd kennen ge -het aus389bleibet im Finſternis. het aus der Erfahrung. Wie kan einer wiſſen / was das Liecht iſt der ſein leb - tage im finſtern Thurn geſeſſen iſt / vnd das Liecht nie geſehen hat? Nun iſt eben der Glaube vnd die Chriſtliche Liebe imTugend ein Liecht Menſchen das Liecht / wie der Herr ſpricht / Matth. am 5. Laſſet ewer Liecht leuchten fuͤr den Menſchen / auff daß ſie ewre gute Werck ſehen / vnd ewrẽ Va - ter im Himmel preiſen.

Wenn wir nun das heilige Leben Chriſti betrachten / ſo iſt es eitel Liebe. Lernen wir nun von jhm in wahrem Glauben / ſeine Liebe / Demut / Sanfft - mut / Gedult / wie er vns befohlen hat / jetzo werden wir in ſein Bilde verkleretDie nit in Chriſto le ben / die le - ben nit im Liechte / ſondern im Finſter nis. vnd erleuchtet mit dieſem Licht / als mit Chriſto ſelbſt / welcher iſt das warhaff - tige ewige Liecht / wie Sanct Paulus ſpricht Epheſ. 5. Wache auff / der du ſchlaͤffeſt / verſtehe / in Suͤnden vnnd Wolluſt des Fleilches / ſo wird dich Chriſtus erleuchten.

Derhalben die nicht auff wachen vom Suͤndenſchlaff dieſer Welt / Augen -luſt /390Wer Chriſto im Leben nit folget /luſt / Fleiſchesluſt / hoffertiges Leben / die koͤnnen von Chriſto nicht erleuchtet werden.

5. Argu - ment

Derowegen iſt derſelbe erleuchtet / der das edle Leben Chriſti an ſich nim - met / vnd demſelbigen folget im Glau - ben / vnd wer Chriſto im Leben nicht folget / der liebet die Finſternis mehr denn das Liecht / darumb kan der auch nicht erleuchtet werden. Wie er ſpricht Joh. am 8. Ich bin das Licht der Welt /Chriſti nachfolgr werden al lein er - leuchtet. wer mir nach folget / verſtehe / im Glau - bẽ / Liebe / Hoffnung / Gedult / Sanfft - mut / Demut / Gottesfurcht / Gebet / ꝛc. der wird nicht wandeln im Finſternis / ſondern wird das Liecht des Lebens ha - ben. Derhalben ſo haben die wahren Nachfolger Chriſti allein das Liecht des Lebens / das iſt / die wahre Erleuchti - gung vnd Liecht des Erkentnis Jeſu Chriſti. Vnd wegen des Chriſtlichen Glaubens vnd Lebens nennet S. Pau - lus die Glaͤubigen ein Liecht / wie er zun Epheſ. am 5. ſpricht: Ir waret weiland[Finſternis] / nun aber ein Liecht im Her -ren /391bleibet im Finſternisren / Das hat Sanct Paulus von dem Glauben vnd andern Chriſtlichen Tu - genden verſtanden / Item / 1. Theſſal. 5. Ihr ſeyd Kinder des Lichtes / vnd Kin - der des tages / angethan mit dem Krebs des Glaubens in der Liebe / vnd mit dem Helm der Hoffnung zur Seligkeit.

Sap. 7. Der heilige Geiſt fleuget die6. Argu - ment. Ruchloſen / fuͤr vnd fuͤr aber gibt er ſich in die heiligen Seelẽ / vnd machet Pro - phet en vñ Gottes Freunde / So er nun die Gottloſen fleuget / wie koͤnnen ſie er - leuchtet werden? Ja der Herr ſpricht Johan. 14. Die Welt kan den heiligen Geiſt nicht empfangen / das iſt / fleiſch - liche vnbusfertige Leute.

Damit aber die Menſchen ein voll - kommen Exempel hetten aller Tugen - den / ſo iſt Gottes Sohn Menſch wor - den / vnd mit ſeinem heiligen Tugend - hafften Leben ein Liecht der Welt wor - den / das jhme alle Menſchen folgen ſol - len / vnd an jhn gleuben / auff das ſie erleuchtet wuͤrden. Die Heyden / welche die Tugend ſo lieb gehabt / beſchemenErſter Theil D ddie392Wer Chriſto im Leben nit folgetdie Chriſten / weil ſie wiſſen / daß Chri - ſtus eitel vollkommene Tugend iſt / vnd folgen jhm doch nicht im Leben. Denn Plato, Ariſtoreles, Cicero, Seneca, die weiſeſten Heyden haben geſagt: weñGlaube an Chri - ſtum er - leuchter dz Hertz. man die Tugend ſehen koͤnte / wuͤrde ſie heller leuchten denn der Morgenſtern. Die aber Chriſtum geſehen haben im Glauben / die haben dieſen ſchoͤnen Morgenſtern geſehen / ja das Wort des Lebens ſelbſt / vnnd habens mit ihren Haͤnden getaſtet / 1. Ihan. 1 Haben aber die Heyden Tugend lieb gehabt / vnd dieſelbe begeret zu ſehen / wie viel - mehr ſollen Chriſten dieſelbige lieb ha - ben / denn Chriſtus iſt eitel Tugend / eitel Liebe vnd Sanfftmut / ja GOtt7. Argu - ment. Chriſtum lieb habẽ iſt ſeine de mut vnd Sanftmut lieb habẽ ſelbſt.

Chriſt um lieb haben / ſpricht Sanct Paulus / iſt beſſer denn alles wiſſen: Wer jn nun lieb hat / der hat auch ſeine Demut vnd Sanfftmut lieb vnd nimpt dieſelbige gern an ſich aus Liebe gegen Chriſtum / da wird er denn erleuchtetvnd393bleibet im Finſternis. vnd taͤglich verkleret in das Bilde Chri - ſti / 2. Corinth. 3. Den Demuͤtigen gibt Gott gnade / ſpricht S. Petrus 1. am 5 Daher S. Bernhardus ſpricht: Flu - mina gratiæ deorſum non ſurſum fluunt. Die Stroͤme der Gnaden flieſ -Liecht vñ Gnade kompt nit ohne De - mut. ſen vnter ſich / nicht vber ſich / wie ſolte denn die Gnade des Liechtes vnnd Er - kentnis Gottes zu den Menſchen kom - men / die nicht in Demuͤtigem Leben Chriſti wandeln / ſondern in den We - gen des Lucifers / denn Glaube vnnd Glaubens Fruͤchte laſſen vns nicht vn - fruchtbar ſeyn im Erkentnis Chriſti / 1. Pet. 2. In den Demuͤtigen lebet Chri - ſtus / da ruhet denn vber jhnen der Geiſt der Weisheit vnd des Verſtandes / des Rahts vnd Erkentnis / der Krafft vnd Staͤrcke / vnd der Fureht Gottes / wie vber Chriſto ſelbſt. Denn Chriſtus iſt in einem ſolchen Menſchen / in dem ſein Leben vnd Liecht iſt / denn diß alles iſt er ſelbſten. Vnd darumb ruhen die Gaben des heiligen Geiſtes vber einem ſolchen Menſchen / wie vber ChriſtoD d ijſelbſt394Wer Chriſto im Leben nicht folget /ſelbſt / wie Eſa. 11. Darvon geweiſſa - get hat.

8. Argu - ment

Darumb ſpricht S. Petrus Actor. 2. Thut Buſſe / So werdet jhr empfa - hen die Gaben des H. Geiſtes / derhal -Busferti - gen allein erleuchtet 9 Argu - ment ben ruhet der Geiſt GOTtes / der die Hertzen erleuchtet allein vber den Bus - fertigen vnd Glaͤubigen.

Wernun von der Blindheit ſeines Hertzens wil erloͤſet ſeyn / vnnd von der ewigen Finſternis / ja von dem Teuffel ſelbſten / der folge Chriſto nach / im Glauben / in wahrer Bekehrung vnnd Beſſerung / je neher Chriſto / je neher dem ewigen Liecht / je neher dem Vn - glauben / je neher dem Teuffel vnnd der Finſternis. Denn diß hanget alles an einander / der Glaube / Chriſtus / vñ alle Tugenden: Der Vnglaube / Teuf - fel / vnd alle andere Suͤnde.

10 Argu - nent

Die H. Apoſtel folgeten Chriſto im Glauben / verſchmehetẽ die Welt / ver - leugneten ſich ſelbſt / ſagten ab allen dz ſie hatten / lebeten in Einigkeit / Dawurden395bleibet im Finſterniswurden ſie von oben herab erleuchtet / vnd empfingen den H. Geiſt / das wol - te der reiche Juͤngling / Luc. 8. nicht thun / darumb blieb er in der Finſternis dieſer Welt / vnd ward nicht zum ewi - gen Leben erleuchtet / deñ wer die Welt lieb hat / in dem iſt die Liebe des Vaters nicht.

Darumb ſagt S. Johannes der1. Johan 2 H. Euangeliſt ferner / 1. am 2. Wer nicht liebet der bleibet im Finſternis / vnd weis nicht wo er hingehet / denn die Finſternis hat ſeine Augen verblendet / vnd dahin gehet Taulerus in allen ſei - nen Predigten / das ohne rechtſchaffe - ne Vbung des Glaubens / Ohne das abſterben / abſagen / Verleugnen ſein ſelbſt / ohne das einkehren zu ſeinem Hertzen / ohne den inwendigen ſtillen Sabbath der Seelen / kein Menſch das Goͤttliche Liecht in jm ſelbſt empfinden moͤge.

Summa / ſo viel die Werck der Fin -In ſtatu poſt con - verſio - nem. ſternis durch den Geiſt GOTtes imD d iijMen -396Wer Chriſto im Leben nicht folget /Menſchen gedempffet werden / ſo viel wird der Menſch erleuchtet / vnnd hin - wider je mehr die boͤſe Natur / Fleiſch vnd Welt im Menſchen herrſchen / als Augenluſt / hoffertiges Leben / je mehr Finſternis in Menſchen / vnd je weni - ger Gnade / Liecht / Geiſt / GOtt vnnd Chriſtus im Menſchen iſt / darumb kan er ohne wahre Buſſe nicht erleuchtet werden.

11. Argu - ment.

Wer einer Suͤnden nicht ſtewren wil / der gibt Vrſach zu vielen Suͤnden. Denn es koͤmpt jmmer eine Suͤnde aus der andern / ja es wechſt eine Suͤn - de aus der andern / vnd wuchert wie dasJe weiter von Chri - ſto vnd ſei nem leben je weiter vom liecht vñ je ne - her der Finſternls Vnkraut. Vnd gleich wie die Finſter - nis jm̃er wechſet vnd zunimmet / je wei - ter die Sonne hinweg leufft: Alſo je weiter das edle Leben Chriſti von vns iſt / je mehr die Suͤnde vñ die Finſternis in vns wechſt / biß ein Menſch in die ewige Finſternis gereht: Hinwiderum[b]wer durch Gottes Gnade an einer Tu - gend anfeht / der wechſt vnd nimpt zu i[n]derſelbigen / denn ſie hangen alle anein[-]ander397bleibet im Finſternisander / wie S. Pet. in der 1 am 2. eine feine guͤldene Ketten machet / da Er ſpricht: Das wir vben ſollen den Glau - ben / vnnd in dem Glauben Tugend / vnnd in der Tugend Beſcheidenheit / vnnd in der Beſcheidenheit Maͤſſig - keit / vnd in der Maͤſſigkeit Gedult / vñ in der Gedult Gottſeligkeit / vnd in der Gottſeligkeit bruͤderliche Liebe / vnd in der bruͤderlichen Liebe gemeine Liebe. Erkent - nis Chriſti im leben - digen Glauben vñ ſeinen Fruͤchten.Denn wo ſolches reichlich bey euch iſt / wirdts euch nicht vnfruchtbar ſeyn laſ - ſen / in dem Erkentnis Jeſu Chriſti / dz iſt / wer dieſe Tugend nicht vbet / kennet Chriſtum nicht / wer er iſt / wer in der Tugend wechſet durch den Glauben / der wechſet in Chriſto / wer zornig / gei - tzig / hoffertig / vngeduͤltig iſt / der hat nicht viel in Chriſto zugenommen ſon - dern im Satan.

Wir ſollen wachſen zu einem voll - kom̃enen Man / das iſt / wie ein Kind an der Groͤſſe des Leibes zunimmet: AlſoEpheſ. 4. Coloſſ. 1. Chriſten im Glauben vñ in tugendhaf - tigem Leben / biß ſie in Chriſto zu einemD d iiijvol -398Wer Chriſto im Leben nit folget /vollkom̃enen Man werden. Wer aber ſolches nicht hat / der iſt blind / vnd tap - pet mit der Hand / vnd vergiſſet die Rei - nigung ſeiner vorigen Suͤnden / das iſt / Chriſtus hat mit ſeinem Blute vnnd Tode alle vnſere Suͤnde hinweg ge - nom̃en vnd getilget: Aber darumb ſol - len wir nicht in Suͤnden fortfarẽ / ſon - dern der Tod Chriſti ſoll in vns frucht -Frucht des todes Chriſti in vns. bar ſeyn / das wir der Suͤnde abſterben / vnd in Chriſto leben / ſonſten iſt vns die Reinigung vnnd Bezahlung vnſerer vorigen Suͤnden nichts Nuͤtze. So wir von Suͤndẽ abſtehen / Buſſe thun / vnd an Chriſtum gleuben / ſo ſind vns die vorigen Suͤnde alle vergeben vnnd vergeſſen. So wir aber von einerEin laſter aler laſter Suͤnde nicht wollen abſtehen / ſo behal - ten wir die vorigen alle / vnd muͤſſen ſie alle buͤſſen in der ewigen Verdamnis / vnd koͤnnen doch in Ewigkeit nicht be - zahlen. Alſo / es kan ein Menſch vmb des einigen Zorns willen verdampt werden / vnd wenn er denſelbigen lieſſe / wuͤrden jhm alle ſeine Suͤnde vmbJeſu399bleibet im FinſternisJeſu Chriſti willen vergeben. Weil er aber daſſelbige nicht thut / ſpricht S. Petrus / ſo iſt er blind / Vnd vergiſſet der Reinigung ſeiner vorigen Suͤnde.

Diß iſt nun eine wichtige Vrſach /Vrſach der Buſſe. warumb wir Buſſe thun vnd võ Suͤn - den ablaſſen ſollen. Denn ob gleich Chriſtus fuͤr vnſer Suͤnde geſtorben / vnd dieſelbige alle vollkoͤmlich bezah - let / ſo werden wir doch dieſes Verdien - ſtes nicht theilhafftig / vñ iſt vns nichts nuͤtz / wenn wir nicht Buſſe thun. Vnd ob gleich ein Menſch durch den Ver - dienſt Chriſti Vergebung aller ſeiner Suͤnde hat / ſo iſt doch die VergebungWelche Suͤnde vergeben werden der Suͤnden nicht den Vnbusfertigen verheiſſen / Sondern denen / die von Suͤnden ablaſſen / vnd die Suͤnde / die man nicht laſſen wil / vnnd zu laſſen ge - dencket / die werden auch nicht vergebẽ / ſondern die allein / daruͤber man hertzli - che Rewe vnd Leidtraͤget. Da heiſſets /Matth. 11. den Armen wird dz Euangelium gepre - diget / das iſt / Vergebung der Suͤnde. D d vAls400Wer Chriſto im Leben nicht folget /Als zum Exempel: Es hette einer viel Jahr hero im Geitz vnd Wucher gele - bet / wie Zachæus / in Vnzucht / wie Maria Magdalena / in Zorn vnd Rach - gier wie Eſau. Er hette aber gehoͤret / er muͤſte von denſelben Suͤnden ablaſ - ſen / oder der Tod vnnd Blut Chriſti wuͤrde jhme nichts nuͤtze ſein / vnd kaͤm: denn vnd ſpreche: Ach Gott / es rewet mich / vnd lieſſe ab / bete GOTT vmb Gnade / vnd gleubte an Chriſtum / So werden jhm alle dieſe vorige Suͤnden verziehen vñ vergeben aus lauter Gna - den ohne Verdienſt vnd vmb des heili - gen Bluts vnd Todes Chriſti willen /Ohne beſ - ſerung ge - ſchicht kei - ne Verge - bung. der darfuͤr iſt geſchehen. Wer aber nit geden / ket von ſeinem Geitz / Zorn / wu - cher / Vnzucht / Hoffart / ꝛc. abzulaſſen / vnd wil gleichwol vergebung der Suͤn - de haben / der erlanget ſie nit / vnd mußGal. 5. alle ſeine Suͤnde ſelbſt in der Hellen buͤſſen / vnd kan doch in Ewigkeit nicht bezahlen / Denn er hat keinen wahren Glaaben / der das Hertz reiniget vnnd beſſert. Darumb S. Paulus klar vnddeutlich401bleibet im Finſternisdeutlich ſpricht: Die ſolches thun / wer - den das Reich Gottes nicht erben. Es muß abgelaſſen ſeyn / oder ewig ver - dampt vnd verloren ſeyn.

Iſt nun wahre Bekehrung zu Gott vnd der wahre Glaube da / ſo iſt auch Vergebung der Suͤnden vnd Gottes gnade da / iſt Gottes gnade da / ſo iſt Chriſtus da / denn auſſer jhm iſt keine gnade / iſt Chriſtus da / ſo iſt ſein thew - rer Verdienſt auch da / iſt ſein Ver - dienſt da / ſo iſt die Bezahlung vnſerer Suͤnden da / iſt die Bezahlung fuͤr vn - ſere Suͤnde da / ſo iſt die gerechtigkeit da / iſt die gerechtigkeit da / ſo iſt Friede vnnd ein froͤlich gewiſſen da / denn ge - rechtigkeit vnnd Friede kuͤſſen ſich mit einander / Pſal. 85. Iſt nun ein froͤlichWo der Glaube iſt / ſo Chri ſti Ver - dienſt er - greiffet / da iſt al - les was zur Selig - keit gehoͤ - ret. gewiſſen da / ſo iſt der heilige Geiſt da / iſt der heilige Geiſt da / ſo iſt auch freu - de da / denn er iſt ein freudiger Geiſt / iſt aber Freude da / ſo iſt das ewige Le - ben auch da / denn das ewige Leben iſt ewige Freude.

Sehet / dieſes iſt das Liecht des ewigẽLebens /402Wer Chriſto im Leben nicht folget /Lebens derer / ſo in Chriſto leben / vnnd in wahrer taͤglicher Buſſe / das iſt derVnbusfer tigkeitver hindert das gan - tze Reich Gottes vnd ewige Seligkeit. Anfang vnd der Tod Chriſti / das Fun - dament: Et contra, iſt keine Buſſe da / ſo iſt auch keine Vergebung der Suͤn - den da / Iſt keine wahre heilſame Rewe vnd Leid da / ſo iſt auch keine Gnade da / iſt keine Gnade da / ſo iſt auch Chriſtus nicht da / Iſt Chriſtus nicht da / ſo iſt auch ſein thewrer Verdienſt nicht da / Iſt ſein thewrer Verdienſt nicht da / ſo iſt auch keine Bezahlung fuͤr die Suͤnde da / Iſt die Bezahlung vnſerer Suͤnde nicht da / ſo iſt auch keine Gerechtigkeit da / Iſt keine Gerechtigkeit da / So iſt kein Friede vnd froͤlich Gewiſſen da / iſt kein froͤlich Gewiſſen da / So iſt kein Troſt da / Iſt kein Troſt da / ſo iſt auch der heilige Geiſt nicht da / iſt der heilige Geiſt nicht da / ſo iſt keine Freude des Hertzens vnd Gewiſſens da / Iſt keine Freude da / ſo iſt das ewige Leben auch nicht da / ſondern / Tod / Helle / Ver - damnis vnd ewige Finſternis.

Sehet /403bleibet im Finſternis

Sehet / das iſt es / Wer Chriſto im Leben nicht folget durch wahre Buſſe / der kan von der Blindheit ſeines Her - tzens / ja von der ewigen Finſternis nit erloͤſet werden / ꝛc.

Das XXXVIII. Capittel. Das vnchriſtliche Leben iſt ein Vrſach falſcher verfuͤhriſcher Lehre / Verſtockung vnd Verblendung / vnd von der wi - gen Gnadenwahl.

Johan. 12. Es iſt das Liecht noch eine kleine Zeit bey euch / wan - delt im Liecht / dieweil jhr das Liecht habt / daß euch die Fin - ſternis nicht vber fallen. ()

WEil Chriſtus vnd der Glaube mit dem vngoͤttlichen Leben verleugnet / vnd faſt außgerot - tet wird / was ſoll vns denn ſeine Lehre? Warumb Gottes Wort ge - geben.Denn ſeine Lehre / Wort vnnd Sa - crament wird vns darumb gegeben /daß404Vnchriſtlich Lebendaß dieſelbige in ein heilig Leben ſoll verwandelt werden / vnd das aus dem Wort vnd Sacrament ein new gebor - ner / heiliger / geiſtlicher Menſch werden ſolle / Als eine gute Frucht aus einem edlen Samen. Vnd der heiſt denn ein Chriſt / der aus dem Geiſt / Wort vndNewge - borner Menſch gleubetan Chriſtum vnd lebet in jhm. Sacrament new geboren iſt / als aus Chriſto / der an Chriſtum gleubet / vnd in Chriſto lebet. Denn wie ein Kind aus ſeinem Vater geboren wird / alſo ein Chriſt aus Gott vnd Chriſto durch den Glauben.

Dieweil wir aber nicht wollen Chriſti Lehre ins Leben verwandeln / ſondern mit dem leben darwieder ſeyn / wie koͤn - nen wir dann aus Gott geboren ſeyn / vnnd was ſoll vns dann ſeine Lehre? Was ſoll vns denn ſein Liecht / ſo wir im Finſternis wandeln wollen? Dar - umb weichet das Liecht hinweg / vnnd denn muß Finſternis kommen / falſche Lehre / Irrthumb / vnd Verfuͤhrung. Dafuͤr hat vns der Herr gewarnet / da er ſpricht: Liebe Kindlein wandelt imLiechte /405Vrſach falſcher Lehre /Liechte / dieweil jhr es habt / daß euch die Finſternis nicht vberfalle / das iſt / Irrthum̃ / Verfuͤhrung / Verſtockung / Finſternis vnnd Verblendung. Wie ſolche Verſtockung vberfallen hat den Pharaonem / die Juͤden / den Julia - num / welcher dennoch zu letzten durch ſeine Straffe in ſeinem Gewiſſen vber - zeuget ward / daß der geereutzigte Chri - ſtus noch lebete / vnnd ein wahrer Gott iſt / darumb ſprach er: Viciſti tandem Galileæ, beſſer were es geweſt / er hette geſagt / Miſerere, aber das kondte er nicht ſagen / wegen ſeiner Verſtockung / er hat Chriſti gnade verachtet vnd ver - leugnet / darumb wird ſie jhm nicht.

Solche Verſtockung iſt die rechteWoher Verſto - ckung. Finſternis / ſo die jenigen endlich vber - felt / die in dem Liecht nicht wandeln wollen / vnd iſt eine rechte Straffe de - rer / die die Warheit leſtern / wie Pha - rao thet: Wer iſt der Herr / desExod: 5. Stimme ich gehorchen muß? Ich weis nicht von dem Herrn. Darumbmuſte406Vnchriſtlich Lebenmuſte er deſſelben Gewalt fuͤhlen / vnd Gott beweiſet ſeine Macht vnd ſtaͤrcke an jhme / vnnd ſtatuirte an jhme ein Exempel / machet jhn zum Schawſpiel vnd Spectackel der gantzen Welt / auff daß man erfahrẽ ſolte / was ein MenſchVerſto - ckung eine gerechte Straffe der verach tung Got - tes. gegen Gott vermoͤge.

Alſo da die Juͤden nicht hoͤren wol - ten / ſchlug ſie Gott mit Blindheit vnd Verſtockung / wie jhnen Moſes lange zuuor geweiſſaget hatte / das es jhnen alſo gehen wuͤrde / Deut. 28. vnnd 32. Wirſtu meiner Stimme nicht gehor - chen / ſo wil ich dich mit Blindheit ſchlagen / vnd Raſen des Hertzens / das wird hernach in das Werck geſetzet / Eſa. am 6. Daraus wir ſehen / daß ſolche Verſtockung eine gerechte ſtraff ſey des Vnglaubens / vnd Verachtung GOTTes / vnd ſeiner Warheit / wie Sanct Paulus 2. Theſſal. 2. aus - druͤcklich bezeuget / da er ſpricht: Dar - umb / daß ſie die Liebe zur Warheit nicht haben woͤllen anneinen / daß ſie ſelig wuͤrden / wird jhnen Gott kraͤfftigeIrrthumb407Vrſach falſcher LehreIrrthumb ſenden / das ſie denn Luͤgen gleuben / auf das gerichtet werden alle / die der Warheit nicht gleuben / ſondern Luſt hahen zur Vngerechtigkeit. Da hoͤren wir aus was Vrſachen ſolche Verblendung vnd Verfuͤhrung verhẽ - get werden.

Vnd zwar weme Gott ſeine ange -Welchen Gott ſeine gnade ent zeucht. bottene Gnade entzeucht / der iſt gnug geſchlagen / vnd kan nicht wieder auff - kommen / ſo gieng es dem Pharaoni vnd Juliano. Weme Gott ſein Liecht entzeucht / der muß wol in Finſternis bleiben. Er entzeucht aber niemands ſein Liecht / ohne denen / die nicht im Liecht wandeln wollen / Er entzeucht niemand ſeine Gnade / ohne denen / ſo dieſelbe von ſich ſtoſſen.

Daher freilich S. Paulus zun Roͤ -Vrſachder Verſto - ckung. mern am 9. ſpricht: Er erbarmet ſich / welcher er wil / vnd verſtocket / welche er wil. Er wil ſich aber vber alle erbarmẽ / ſo ſeine Barmhertzigkeit annemen / vnd wil die verſtocken / ſo die angeboteneErſter Theil E eGnade408Vnchriſtlich LebenGnade leſtern vnd von ſich ſtoſſen / wie S. Paulus ausdruͤcklich zu den Juͤden ſpricht / Actor. 13. Weil jhr das Wort Gottes von euch ſtoſſet / vnd euch ſelbſt nicht werth achtet des ewigen Lebens / ſo wenden wir vns zu den Heyden. Die Heyden aber wurden froh / preiſeten dz Wort / vnd wurden glaͤubig / ſo viel jhr zum ewigen Leben verordnet waren / dz iſt / ſo viel jhr das Wort der Gnaden / als das Mittel zum Glauben nicht ha - ben von ſich geſtoſſen. Denn weil das die Juͤden theten / haben ſie nicht koͤn - nen gleubig werden. Denn GOtt hat niemand zum Leben verordnet / der ſein Wort von ſich ſtoſſet.

Wie die Gnaden - wahl ge - ſchehen.

Die Gnadenwahl vnd verordnung zum Leben iſt in Chriſto geſchehen mit dieſem Anhang: Daß GOTT ſeine Gnade Allen anbiete durch das Euan - gelium / vnd welche daſſelbige annemẽ / die ſind zum Ewigen Leben verord - net / die es aber von ſich ſtoſſen / die ach - ten ſich ſelbſt nicht werth des ewigenLebens409Vrſach falſcher LehreLebens / ſpricht S. Paulus / das iſt ſie machens ſelber / dz ſie nicht werth ſeyn des ewigen Lebens / vnnd ſchlieſſen ſich aus / aus der allgemeinen Gnade / tilgẽ jhre Nahmen aus / aus dem Buch des Lebens / das iſt / aus Chriſto durch jhre Hallſtarrigkeit / dadurch ſie das Wort GOttes von ſich weg ſtoſſen / darumb koͤnnen ſie nicht gleubig werden.

Nun aber ſtoſſen die nicht allein GOTtes Wort von ſich / ſo die Lehre von Chriſto nicht wollen annemen / wieViel Chri - ſten ver - werffen Gottes Wort / vñ Gnade. die Juͤden vnd Tuͤrcken / ſondern auch die / ſo nicht in Chriſti Fusſtapffen wol - len wandelen / vnd ſein heiliges Leben nicht annemen wollen / im Liecht nicht wandelen wollen / ſondern in der Fin - ſternis. Darumb entzeucht jhnen GOtt auch das Liecht ſeines Worts vnd der reinen Lehre. Denn er ſpricht Joh. 8. Ich bin das Liecht der Welt / wer nur nachfolget / der wird nit wan - delen im Finſternis / ſondern wird das Liecht des Lebens haben.

Daraus folget nun / wer Chriſto inE e ijſemem410Vnchriſtlich Lebenſeinem Leben nicht folget / der muß im Finſternis wandelen / das iſt / in Irr - thumb gerahten / verfuͤhret / verſtocket vnd verblendet werden. Sehet dieWeiſeſten dieſer welt zum Irr - thumb am genei - geſten. hoffertigſtẽ / praͤchtigſten / herrlichſten / weiſeſten / gelehrteſten / maͤchtigſten die - ſer Welt an / wie ſie in Irrthumb gera - ten / verfuͤhret vnnd verblendet werden. Was iſt die Vrſach? Sie leben nicht in Chriſto / folgen jine nicht im Leben / darumb koͤnnen ſie das Liecht des Le - bens nicht haben.

Was Irr - thum̃ ſey vñ woher jr ſo viel kome.

Vnd das iſt die Vrſach / ſo vieler Verfuͤrung vnd Irrthumb / welche S. Paulus 2. Theſſ. 2 nennet / Wirckung des Sathans / Vnnd luͤgenhafftige Kraͤffte / derer werden noch jmmer mehr vnd mehr kommẽ / weil diegantze Welt Chriſto nicht folget im Leben. Denn wz hat das Liecht fuͤr Gemein - ſchafft mit der Finſternis? Wie ſtim - met Chriſtus mit Belial? 2. Corinth. 6. das iſt / die reine Lehre vnd Liecht des Erkentnis Gottes bleibet nicht bey de - nen / die im Teuffel leben / im Finſter -nis411Vrſach falſcher Lehrenis / in Hoffart / Geitz vnnd Wolluſt. Denn wie ſolte die reine goͤttliche Lere da bleiben / da ſo ein vnreines vngoͤttli - ches Leben gefuͤhret wird? Reine Lere / vnd ein vnreines Leben ſtimmen nicht zuſammen / Haben keine Gemein - ſchaff.

Wollen wir nun die Lehre erhal - ten / ſo muͤſſen wir einen andern Weg gehen / vnnd das Vnchriſtliche Leben fahren laſſen / dem Herrn Chriſto nachfolgen / auffwachen von Suͤnden / ſo wird vns CHriſtus erleuchten mitWer nit in den Wegẽ Chriſti wandelt der gehet jrre dem Licht des wahren Glaubens. Der - wegen wer nicht in die Fusſtapffen Chriſti trit / in ſeine Liebe / Demuth / Sanfftmut / Gedult / Furcht Gottes / der muß verfuͤhret werden. Denn er gehet nicht auff dem Wege / der zur Warheit fuͤhret.

Wenn wir alle in Chriſto lebten / vnd wandelten in der Liebe vnd Demut / vnd vnſern gantzen Fleis vnd Theologiam dahin richteten wie wir dz Fleiſch toͤd - teten vnnd Chriſto lebeten / wie AdamE e iijin412Vnchriſtlich Lebenin vns ſterben vnd Chriſtus in vns le - ben ſolte: Wie wir vns ſelbſt vberwin - den ſolten / vnnd dem Fleiſch / Teuffel vnd Welt obſiegen moͤchten / ſo were ſo viel Gezaͤncks nicht der Lehre / vnnd fielen alle Ketzerey ſelbſt.

Was war die Vrſach / das vierhun - dert falſche Propheten den Achab ver - fuͤhreten / vnd vberredeten jhn in Krieg zu ziehen? Antwort: Sein gottlos tyraniſch Leben. Auff ein ſolch Le - ben folgete ein ſolch falſch Liecht / daß er den Luͤgen gleuben muſte zu ſeinem1. Reg. 21. eigenen Verderben. Der ware Pro - phet Micha ſagte jhme die Warheit / er wuͤrde im Kriege vmbkommen / das wolte er nicht gleuben / Die falſchen Propheten / ſagten / er wuͤrde mit Frie - den widerkommen / das waren Luͤgen / denen glaubte er / er kam aber ſo wieder / das die Hunde das Blut lecketen / wie er verdienet hatte.

Das mag heiſſen / wie S. Paulus 1. Corinth. 4. ſpricht: Daß der GOtt dieſer Welt der Vnglaͤubigen Sinnever -413Vrſach falſcher Lehre /verblendet / daß ſie nicht ſehen koͤnnen das helle Liecht des Euangelij ja was iſt das anders / das Gott Eſai. 29. draͤ - wet allen Heuchlern / die Chriſtum vñVerblen - dung vnd verfuͤrung gerechte Straffer ſeine Lehre im Munde fuͤhren / vnd mit der That verleugenen / Denn das jnen GOTT falſche Propheten verhengẽ wolle / wie vber Achab? Denn er ſpricht ja deutlich genug: Darumb daß ſich dieſes Volck mit dem Munde zu mir nahet / vnd mit den Lippen mich ehret / aber im Hertzen weit von mir iſt / ſo ſol die Weisheit jhrer Waͤiſen vnterge - hen / vnnd der Verſtand jhrer[Klugen] verblendet werden / jhre Proheten vndEſal. 1 9. 1. Cor. 1. Seher wolle er verblenden / daß jhnen Gottes Wort ſeyn ſolte wie ein verſie - geltes Buch / oder wie einem / der nicht leſen koͤnne.

Vnd von den Juͤden ſpricht SanctJuͤden vn busfertig - keit vrſach jrer Verſto - ckung. Paulus / 2. Corinth. 3. Daß jhnen eine Decke fuͤr jhren Augen hange / daß ſie in jhren eigenen Propheten jhren Meſ - ſiam nicht finden oder ſehen koͤnnen: Wenn ſie ſich aber zum HerrenE e iiijbekeh -414Lauterkeit der Lehrbekehrten / wuͤrde die Decke hinweg genommen / etc.

Das XXXIX. Capittel. Das die Lauterkeit der Lehre / vnd des goͤttlichen Worts / nicht allein mit diſputiren vnd vielen Buͤchern erhalten werde / Sondern auch mit wahrer buſſe / vnd heiligem Leben.

2. Timoth 1. Halte an dem Fuͤr - bilde der heilſamen Wort / die du von mir gehoͤret haſt / von dem Glauben / vnnd von der Liebe in Chriſto Jeſu / Dieſe gute Beylage beware durch den Heiligen Geiſt / der in vns wohnet. ()

DIe reine Lehre / vnnd Warheit des heiligen Chriſtlichen Glau - bens muß nothwendig wieder die Rotten vnnd Ketzer verantworte,vnd415nicht allein mit diſputiren zu erhaltenvnd verthetiget werdẽ nach dem Exem - pel der heiligen Propheten / welche wie - der die falſche vnd ab goͤttiſche Prophe - ten im alten Teſtament hefftig gepre - diget haben / ja nach dem Exempel des Sohns GOTTes / welcher wider die Phariſeer vnd Schrifftgelerten zu Je -Noͤtige Diſputa - tiones. ruſalem ernſtlich diſputiret: Item nach dem Exempel Johannis des Euange - liſten / welcher ſein Euangelium wieder die Ketzer Ebionem vnd Cerinthum vnd ſeine offenbarung wider die falſche Kirche der Nicolaiten / vnd andere ge - ſchrieben.

So ſehen wir auch wie Sanct Paulus den Artickel von der Rechfer -Rom. 3. 4. 1. Cor. 9. Gal. 5. 1. Cor. 15. tigung des Glaubens / von den guten Wercken / von der Aufferſtehung der Todten / von der Chriſtlichen Freyheit vnd dergleichen / ſo hefftig verthedi - get wider die falſchen Apoſtel. Wel - chem Exempel auch die heiligen Bi - ſchoffe vnd Vaͤter der erſten Kirchen embſig nachkommen vnnd gefolget /E e vvnnd416Lauterkeit der Lehrvnd wieder die heydniſche abgoͤttſche Religon / Vnnd andere Ketzer / ſo aus ihnen ſelbſt auffgeſtanden waren / viel vnnd wolgegruͤndete Steritbuͤcher ge - ſchrieben. Zu dem Ende auch die Heupt Concilia von denn loͤblichen Chriſtlichen Keyſern angeordnet ſind wider die Ertzketzer Arrium, Macedo - nium, Neſtorium vnnd Eutychem. Was auch zu vnſer Zeit dem Bapſt - thumb vnnd andern Secten durch des thewren Manns Doct. Mart L[u]theri Streitſchrifften fuͤr Abbruch gethan / iſt der gantzen Welt bekandt.

Bleibet dennach billich darbey / daß man wider die Ketzer vñ Rotten / ſchrei - ben / predigen vnnd diſputiren muß / zuTit. 1. Erhaltung der reinen Lehre / vnd warẽ Religion / wie der Apoſtel Paulus be - ſihlet / das man ſtraffen vnd vbẽwinden ſolle die Widerſprecher. Allien daſ - ſelbige iſt zu vnſerer Zeit gar in einen Mißbrauch gerahten: Alſo das vber dem vielen hefftigen Diſputiren / Streipredigten / Schreiben / VnndWider -417nicht allein mit diſputiren zu erhaltenWiderſchreiben des Chriſtlichen Le - bens / der waren Buſſe / der Gottſelig - keit / vnd Chriſtlichen Liebe gar vergeſ - ſen iſt / gleich als ſtuͤnde das Chriſten -Miſ - brauch des diſpu - tirens vñ S[t]reit - ſchrifften thumb nur im diſputiren / vnnd Verme - rung der Streitbuͤcher / vnd nicht viel - mehr darinnen / daß das H. Euangeli - um vnd die Lehre Chriſti in ein heilig Leben verwandelt werde.

Denn ſehet an das Exempel der H. Proheten vnd Apoſtel / ja des Sohns GOttes ſelbſten / ſie haben nicht allein wider die falſchen Propheten / falſche Apoſtel / vnd die Abgoͤtterey hefftig ge - ſtreittẽ / ſondern ſie habẽ auch hefftig auff die Buſſe / vnd auff ein Chriſtlich Leben gedrungen / vnd mit gewaltigen Straffpredigten dargethan / das durch die Vnbusfertigkeit / vnnd gottlos Le - ben werde die Religio vnd der Gottes - dienſt zerſtoͤret / Vnnd die Kirche ver - wuͤſtet / Land vnnd Voͤlcker mit Hun - ger / Krieg vnd Peſtilentz geſtraffet wer - den / wie die Erfahrung bezeuget hat. Was418Lauterkeit der LehreWas prediget der Prophet Eſatas am fuͤnfften anders? Weil in dem Weinberge des Herren keine Traubẽ zu finden / ſondern eitel Heer - linge / So wolte Gott der Herr den Weinberg wuͤſte ligen laſſen. DasGottlo - ſigkeit zer ſtoͤret den Gottes - dienſt vnd ware Re - ligion. iſt ja eine ernſte Drewung / daß die Gottloſigkeit eine Vrſach ſey / daß Gott ſein Wort von vns neme. Was prediget der Herr Chriſtus an - ders Johan. 12. Wandelt im Liechte / dieweil jhrs habt / auff dz euch die Fin - ſternis nicht vberfalle. Was iſt im Liechte wandeln anders / denn Chriſto im Leben nachfolgen? Vnd was iſt mit der Finſternis vberfallen werden an - ders / denn die reine Lehre des Evange -Ohne wa - re Buſſe kan nie - mand er - leuchtet werden. lij verlieren? Daraus iſt auch offenbar / daß niemand ohne wahre Buſſe / vnd heiliges Leben / kan mit dem Liechte der Warheit erleuchtet werden. Denn der H. Geiſt / der die Hertzen erleuchtet / fleucht die Gottloſen / fuͤr vnd fuͤr aber gibt er ſich in die heilige Seelen / vnnd machet Propheten vnd Gottes freun -de /419nit allein mit diſputiren zu erhalten. de / Sap. 7. Die Furcht des Her - ren iſt der Weißheit Anfang / ſagt der 111. Pſalm. Ergo, So iſt die Gott - loſigkeit der Thorheit vnd Blindheit Anfang.

2. So ſtehet das wahre Erkent - nis vnnd Bekentnis Chriſti vnd reiner Lehre nicht allein in Worten / ſondern auch in der That / vnnd heiligem Le - ben / wie S. Paulus ſagt Tit. 1. Sie ſagen / ſie erkennen Gott / Aber mit den Wercken verleugnen ſie es / ſie ſind / an welchen GOtt einen Grewel hat / vnd ſind zu allen guten Wercken vntuͤchtig. Da hoͤren wir das Chr -Chriſti Erkent - nis nicht in Wortẽ ſondern in der krafſt. ſtus vnd ſein Wort mit dem Gottlo - ſen Leben ja ſo hart verleugnet wird als mit Worten / wie aberinals Sanct Paulus ſpricht 2. Tim. 3. Sie haben einen Schein der Gottſeligkeit / Aber die Krafft verleugnen ſie. Vnd was kan doch das fuͤr eine wahre Erkent - nis Chriſti ſeyn / welche man nie mit der That erwieſen hat? Wer Chriſti Demut / Sanfftmut / Gedult / vnndLiebe420Lauterkeit der LehreLiebe im Hertzeu nie empfunden noch geſchmecket hat / der kennet CHriſtuͤm nicht recht. Wie ſolte er jhn denn in der Noth bekennen? Wer CHriſti Lehre bekennet / Vnd ſein Leben nicht / der bekennet Chriſtum nur halb / vnnd wer Chriſti Lehr prediget / vnd ſein Le -Chriſtus ohn ein heiliges Leben kaumhalb[erk]and vñ gepredi - get. ben nicht / der prediget CHriſtum nur halb. Viel iſt von der Lehre geſchrie - ben vnd geſtritten / wenig aber von dem Leben. Vnd ob wol mit den Streitbuͤ - chern der Lehre moͤchte gedienet ſeyn: So iſt doch der wahren Buſſe vnnd Chriſtlichem Leben wenig damit gedie - net worden. Denn Lehre ohne Leben / was iſts? Ein Baum ohn Fruͤchte. Warlich wer Chriſto im Leben nicht folget / der folget jhme auch in der Lch - re nicht. Denn das Haͤuptſtuͤck der Le - re Chriſti iſt Liebe von reinem Hertzen von gutem Gewiſſen / Vnd von vnge -1. Tim. 1. ferhtem Glauben. Daher koͤmpts nun / daß mancher ſo artig weis von ſtreiti - gen Artickeln zu reden vnnd zu diſputi - ren / daß es gros Anſehen hat / Im Her -tzen421nicht allein mit diſputiren zu erhaltentzen aber iſt er ein boͤſer Menſch / vollWort be - weiſen kei - nen Chri - ſten ſon - dern das Leben. Hoffart / Naid / vnd Geitz / daß kein aͤr - ger Baſiliſcken ſeyn kan. Sannct Pau - lus ſetzet warlich nicht ohn Vrſach Glauben vnnd Liebe zuſammen / 2. Timoth. 1. ſondern wil damit anzei - gen / daß Lehre vnnd Leben ſollen vber - ein ſtimmen.

3. Ob wir gleich nicht ſagen / daß durch vnſer Vermoͤgen vnd Froͤmmig - keit die Seligkeit erhalten werde / denn wir werden durch GOttes Macht be - wahret zur Seligkeit / 1. Pet. 1. So iſt doch offenbar / das durch ein Gottlos leben der H. Geiſt ausgeſtoſſen werde ſampt allen ſeinen Gaben / vnter wel - then die Gabe des Glaubens / Erkent - nis Verſtand vnd Weisheit nicht die geringſten ſind. Wie kan denn ohn ein heilig leben / die Warheit der reinenGottloſe werden nit erleu - chter. lehre erhalten werden? Darumb frey lich die Gottloſen / ſo Chriſto nicht fol - gen / nicht koͤñen mit dem rechten liecht erleuchtet werden. Vnd im Gegen - theil / die im liecht wandeln / das iſt /Chriſto422Lauterkeit der LehrChriſto im Leben folgen / die erleuchtet auch dz wahre Liecht / welches iſt Chri - ſtus / vnnd bewaret ſie fuͤr allem Irr - thumb. Daher der alte heilige vnnd geiſtreiche Lehrer Taulerus ſagt: Weñ ein Menſch ſich Gott ergibt vnnd laͤſ - ſet / ſagt ab ſeinem Willen vnnd Flei - ſche / ſo fehet der heilige Geiſt jhn an zu erleuchten / vnd recht zu lehren weil er GOtt in ſeinem Hertzen den rechtenInnerlich Sabbath Sabbath vnd Ruhetag helt / vnd feyret von ſeinen boͤſen Luͤſten / Willen vnnd Wercken. Diß ſoll verſtanden wer - den de ſtatu poſt converlionem, vnd von der taͤglichen Erleuchtung vnnd Vermehrung der newen Gaben nach der Bekehrung.

4. Nicht ohn Vrſach ſpricht auch der Herr Joh. 14. Ich bin der Weg die Warheit vnd das Leben: Vnd nen - net ſich erſtlich den Weg / darumb das er vns den weg gezeiget hat: WieWie Chri - ſtus vnſer Weg. aber? Nicht allein mit ſeiner heiligen Lere / ſondern auch mit ſeinem vnſchuͤl - digen Leben. Diß ſein Leben iſt vnsnichts423nicht allein mit diſputiren zu erhalten. nichts anders / denn wahre Buſſe vnnd Bekehrung zu Gott / die vns zur War - heit vnd zum Leben fuͤhret / darinn das gantze Chriſtenthumb ſtehet / darin alle Buͤcher vnd Gebot begriffen ſeyn / an welchem Buch des Lebens Chriſti wir vnſer lebenlang zu ſtudierẽ haben / nem - lich / an wahrer Buſſe / am lebendigen thetigen Glauben / an der Liebe / an Hoffnung / Sanfftmut / Gedult / De - mut / Gebet vñ Gottes furcht. Am rech - ten Weg zur Warheit vnd zum Leben / welches alles Chriſtus ſelbſt iſt. Es iſt aber der ſchmale Weg / vnnd die enge Pforte / Matth. 7. die jr wenig finden / vnd dz einige Buch des Lebens / welches jhrer wenig ſtudieren / vnd iſt doch allesChriſtus vnſer Buch. die heilige Schrifft kurtz darin begriffen / was einem Chriſten noth iſt. Alſo / daß wir ſonſt kein Buch mehr zu vnſer Seligkeit beduͤrfen. Da - rum̃ auch die H. Schrifft in wenig Buͤ - cher verfaſſet iſt / auff daß wir ſehen ſol - len / daß dz Chriſtenthumb nit in vnzeh - lichẽ Buͤchern ſtehe / ſondern im lebendi - gen Glauben / vñ in der Nachfolge desErſter Theil F fHErr424Lauterkeit der LehrHerrn Chriſti: Davon auch der Pre - diger Salomo. am 12 ſpricht: Buͤcher ſchreiben iſt weder Maß noch Ende. Die Summa aller Lehre / iſt: Fuͤrchte Gott / vnd halte ſein Gebot.

Matth. 13.

5. Was iſt es auch / das der Feind Vnkraut ſeet vnter den Weitzen / weil die Leute ſchlieffen? Nichts anders / denn weil ſie in Vnbusfertigkeit vnnd Sicherheit einen Suͤndenſchlaff hal - ten / vnd in der Liebe dieſer Welt erſof - ſen ſeyn / mehr auffs Zeitliche deñ auffs Ewige achten / ſo ſtrewet der Feind all - gemach den Samen der falſchen Lehre aus / ja auff den Acker der Hoffart ſeet der Feind Rotterey / Secten vnd Spal -Hoffart iſt der A - cker vnnd Same der Ketzerey. tungen. Denn durch Hoffart haben beyde Engel vnd Menſchen das wahre Liecht verloren / Aus Hoffart hat aller Irrthumb ſeinen Vrſprung. Were der Satan vnd Adam in dem demuͤtigen Leben Chriſti blieben / es were nie keine Verfuͤhrung in die Welt kommen. Darumb S. Paulus wol ſagen magEpheſ.425nicht allein mit diſputiren zu erhalten. Epheſ. am 5. Wache auf / der du ſchlaͤf - feſt / ſo wird dich Chriſtus erleuchtẽ an - zudeuten / daß die Erleuchtigung nicht geſchehen kan / es ſey deñ / das man dem Suͤndenſchlaff Vrlaub gebe / das iſt / der Vnbusfertigkeit / Sicherheit vud Gottloſigkeit / Darumb ſtehet Actor. 2 Thut Buſſe / ſo werdet jhr empfahẽ die Gaben des heiligen Geiſts /. Vnd Jo - hannis am 17. Die Welt kan den heili - gen Geiſt nicht empfahen / Wziſt aber die Welt denn eitel gottlos Leben?

6. Was iſts auch daß der HerrAlle ding wird an ſeiner Frucht er - kant ſpricht: An jhren Fruͤchten ſolt jhr ſie erkennen? Nichts anders denn aus den Fruͤchten des Lebens muͤſſen wahre vñ falſche Chriſten erkant werden / nicht aus vielem Herr / Herr ſchreyen. Deñ mit dem Schein der reinen Lehre deckẽ ſich die falſchen Chriſten / als mit einem Schaffpeltz / da ſie doch im Hertzen nichts wenigers ſeyn denn wahre Chri - ſten. Wiewol nun niemand aus dem boͤſen Leben vrtheilen ſoll von der Lere / gleich als muͤſte die Lehre auch falſchF f ijvnd426Lauterkeit der Lehrevnd boͤſe ſeyn / weil das Leben boͤſe iſt / wie die Widertaͤuffer vnd Papiſten võ vnſer Lehre vrtheilen / welches vnrecht? Denn es folget keines weges / daß die Lehre muß vnrecht ſeyn / ob gleich die Leute dawider handeln mit jhrem gott - loſen Leben / ſonſt muͤſte Chriſtus vnnd die Apoſtel auch vnrecht gelehret habẽ /Lebẽ eine Probe der Perſon. weil auch viel boͤſer Leute zu jhrer Zeit waren. Iſt derwegen das boͤſe Leben keine Probe der Lehre / ſondern der Per - ſon / Ob der ein falſcher oder wahrer Chriſt ſey / der anders lehret vnd andrsMatth. 7. Galat. 5. Epheſ. 4. lebet / der da recht gleubet / vnd wider dẽ Glauben handelt: Daſaget der Herr Chriſtus nein zu / Es ſind falſche Chri - ſten / es ſind boͤſe vnfruchtbare Baͤume /Wahre Glaubens Krafft vñ Art. darumb ſie ins Fewer gehoͤren.

7. Vnd endlich / ſo iſt das der wahre Glaube / der durch die Liebe thaͤtig iſt / dadurch der Menſch eine newe Creatur wird / dadurch er new geboren wird / da - durch er mit Gott veneiniget wird / da - durch Chriſtus in vns wohnet / in vns lebet vnd / wircket / dadurch das ReichGottes437[427]nicht allein mit diſputieren zu erhaltenGottes in vns an gerichtet wird / Da - durch der heilige geiſt vnſer Hertz reini - get vnd erleuchtet / Daruon viel herr - licher Spruͤche zeugen / 1. Corinth. 6. Wer dem Herrn anhanget / der wird ein Geiſt mit jm. Was heiſt ein Geiſt mit Chriſto werden / deñ gleiches Sin - nes / Hertzens vñ Gemuͤtes mit Chriſto ſeyn? Das iſt ja das newe heilige edle Leben Chriſti in vns. Item / 2. Cor. 6. Iſt jemand in Chriſto / der iſt eine newe Creatur. Was heiſt in Chriſto ſeyn? Nemlich nicht allein an jhn gleuben / ſondern auch in jhm leben. Item Hoſ. 2 Ich wil mich mit dir verloben in Ewig -Geiſtliche Vermaͤh - lung mit Chriſto vnd jhre Fruchte. keit / ja im Glauben wil ich mich mit dir vertrawen. Was iſt diß anders denn daß ein Menſch mit Chriſto gantz geiſt - lich vereiniget wird alſo / Daß wo der Glaube iſt / da iſt Chriſtus? Wo Chri - ſtus iſt / Da iſt ſein heiliges Leben im Menſchen / wo Chriſti Leben iſt / da iſt ſeine Liebe / wo die Liebe iſt da iſt Gott ſelbſten / denn Gott iſt die Liebe / da iſt auch der H. Geiſt. Dz muß notwendigF f iijalles428Lauterkeit der Lehrealles beyſammen ſeyn / vnnd hanget an einander / wie ein Haupt mit den Glie - dern / vnd wie eine Vrſach / daraus die wirckung vnd Fruͤchte folgen muͤſſen /Schoͤne Einigkeit der Tu - genden. wie ſolche Cohærentz vnd Einigkeit des Chriſtlichen Glaubens vnd Lebens S. Petrus beſchreibet 2. Pet. 1. Reichet da in ewrem Glauben die Tugend / in der Tugend Beſcheidenheit / in der beſchei - denheit Maͤſſigkeit / in der Maͤſſigkeit Gedult / in der Gedult Gottſeligkeit / in der Gottſeligkeit bruͤderliche Liebe / in der bruͤderlichen Liebe gemeine liebe. Wo ſolches reichlich bey euch iſt / wirds euch nicht faull noch vnfruchtbar ſeyn laſſen in der Erkentnis vnſers Herrn Jeſu Chriſti. Welcher aber ſolchs nit hat / der iſt blind / vnnd tappet mit der Hand / vnd vergiſſet der Reinigung der vorigen Suͤnde. Da ſaget S. Petrus ausdruͤcklich / bei welchem ſolche Einig - keit Chriſtliches Glaubens vnd Lebens nicht iſt / der kennet CHriſtum nicht recht / der hat den Glauben verloren / vñ wandelt in der Finſternis / denn das iſtder429nicht allein mit diſputieren zu erhaltender rechte Glaube / durch welchen derWahre Glaube. gantze Menſch in Chriſto lebendig vnd ernewert wird / daß er in Chriſto lebet vnd bleibet / vnd Chriſtus in jhm / ꝛc.

Das XL. Capittel. Etliche ſchoͤne Regeln eines Chriſt - lichen Lebens.

1. Timoth. 4. Vbe dich ſtets in der Gottſeltgkeit: Denn die Gott - ſeligkeit iſt zu allen Dingen nuͤtze / vnnd hat Verheiſſung dieſes / vnnd des zukuͤnfftigen Lebens. ()

D Spruͤchlein iſt eine Be - ſchreibung eines Chriſtlichen Lebens / vnd lehret vns / womit fuͤrnemlich ein Chriſt ſeyn Leben zu - bringen ſoll / nemlich mit der Gottſelig - keit / welche alle Chriſtliche Tugenden in ſich begreiffet / vnd ſetzet der Apoſtel zwo wichtige Motiven. 1. Sie iſt zu al - len Dingen Nuͤtze. Wennin allemF f iiijWandel /430Schoͤne RegelnWandel / Worten vnnd Worcken des Menſchen Gottſeligkeit iſt / da machet ſie alles gut vnd tuͤchtig / vnd ſegnet al - les. 2. Hat ſie jhre Belohnung in die - ſem Leben / wie an Joſeph / Daniel / ꝛc. zu erſehen / vnd deñ dort im ewigen Le - ben / da wir erndten werden ohne auff - hoͤren.

I Re[g]vla.

Ob du gleich nicht alſo vollkoͤmlich leben kanſt wie es GOttes Wort for - dert / vnd wie du gern wolteſt: So ſoltu es doch wuͤnſchen. Denn ſolche heiligeGOTT nimpt den guten rei - nen Wel - len fuͤr die That. Begierde gefallen Gott wol / vnd Gott nimpt ſie an fuͤr die That. Denn er ſie - het das Hertz an / vnd nicht die Wercke. Doch ſoltu allezeit dein Fleiſch creutzi - gen / vnd nicht herrſchen laſſen.

II.

In allen Dingen / die du gedenckeſt / redeſt / oder thuſt / ſihe zu / Daß du die Reinigkeit des Hertzens bewahreſt / vñ dich nicht vernureinigeſt mit hoffertigẽ Gedancken / Worten vñ Wercken / mitZorn431eines Chriſtlichen LebensZorn vnd dergleichen fleiſchlichen vndFleiſchli - che Luͤſte ſind Thor des Sat - hans. teuffeliſchen Wercken / denn dadurch wird dein Hertz dem Sathan auffge - than / vnd Gott zugeſchloſſen.

III.

Die Freyheit deiner Seelen befleiſ -Edle Frey heit der Seelen. ſige dich zu erhalten / Daß du dieſelbe nicht durch vnordentliche Begierde des Zeitlichen zum Knechte vnnd leibeigen der jrrdiſchen Dinge macheſt. Denn es iſt ja deine Seele edler denn die gantze Welt / wie ſolteſtu denn dieſelbe den vn - edlen / nichtigen zeitlichen Dingen vn - terwerffen vnd verkauffen / vnnd dein Hertz an das nichtige hengen?

IV.

Die Trawrigkeit dieſer Welt ver -Weltliche vnd goͤtt - liche Tra - wrigkeit. meiede / denn ſie wircket den Tod / vnd entſtehet aus Geitz / Neid / aus Sorge der Nahrung / aus Vnglauben vnnd Vngedult. Die goͤttliche Trawrig - keit / ſo aus Erkentnis der Suͤnde koͤm - met / vnd aus Betrachtung der ewigen Hellenpein / iſt heilſam vnd wircket eineF f vRewe432Schoͤne RegelnRewe zur Seligkeit / die niemand ge - rewet / vnd gebieret Fre[w]de vnd Friede in Gott / 2. Corinth am 7. Es ſoll ein Menſch vmb keines zeitlichen Dinges willen ſo trawrig ſeyn / als wegen[ei]ner Suͤnde.

V.

Wie das Creutze zu tragen.

Wenn du nicht kanſt dein Creutz mit Freuden auffnemnen / wie ſichs den wol gebuͤhret / ſo nimbs zum wenigſten mit Gedult vnd Demut auff / vnd las die goͤttliche Verſehung vnd gnedigen Willen Gottes allezeit deinen Troſt ſeyn. Denn Gottes Wille iſt allezeit gut / vnd ſuchet in allen Dingen vnſer beſtes vnd vnſere Seligkeit. Wil dich Gott trawrig oder froͤlich haben / im Geiſt arm oder reich / nidrig oder hoch / geehret oder geunehret / ſo wiſſe / daß dirs alſo gut iſt / vnd daß es alſo ſeyn Wolgefallen iſt. Vnd Gottes Wol - gefalle ſoll auch dein Wollgefalle ſeyn / ja dein Troſt ſeyn / daß GOtt mit dir handelt / wie es jhm wolgefellet / vnd dzer da -433eines Chriſtlichen Lebenser dadurch deine Seligkeit ſuchet. Syr - am 39. Cap. Omnia opera Dei bona. Pſalm. 144. Der Herr iſt gerecht in allen ſeinen Wercken / vnd heilig in al - ſen feinen Wegen. Es iſt allezeit beſſer /GOttes Wille iſt allezeit gut / des Menſchẽ Wille al - lezeit boͤſe du leſſeſt Gott ſeinen willen in dir / vnd an dir vollbringen / der allezeit zum guten gerichtet iſt / denn daß du deinen Willen in dir vollbringeſt / der allezeit zum boͤſen geneigt iſt.

VI.

Wenn dir Gott himlichen Troſt vnd Freude verleihet / ſo nimb dieſelbeWie die Entzie - hung des Troſtes vnd geiſt - liche traw rigkeit zu dulden. mit demuͤtigen Danck an. Entzeucht dir aber Gott ſeinen Troſt / ſo wiſſe / daß dir die toͤdtung des Fleiſches beſſer ſey / denn die Freude des Geiſtes. Denn was Schmertzen vñ Trawren machet / das iſt dem ſuͤndlichen Menſchen viel heilſamer / als was Freude vnnd Belu - ſtigung machet. Denn jhr viel gerah - ten durch vberfluͤſſige geiſtliche Freude in geiſtliche Hoffart. GOttweis wol / welche er durch den weg voller himme - liſches Troſtes vnd Liechtes in ewigeLeben434Schoͤne RegelnLeben fuͤhren ſoll / vnd welche er durch einen vnlieblichen / trawrigen / ſteinich - ten / rauhen Weg fuͤhren ſol. Es iſt dir viel beſſer / daß du alſo ins Leben einge - heſt / wie es die goͤttliche Weißheit ord - net / denn wie es dein eigener Wille vnd Wollgefallen fordert. Prediger Sal. 7 Es iſt trawren beſſer denn lachen. Deñ durch trawren wird dz Hertz gebeſſert. Das Hertz der Weiſen iſt im Klag - hauß / vnd das Hertz der Narren iſt in dem Hauſe der Freude.

VII.

Wenn du deinem lieben GOTT nicht kanſt ſo groſſe vnnd viel Opffer bringen / Andacht / Gebet / Danckſa - gung / ꝛc. ſo bringe jm was du haſt vnd vermagſt / vnd dazu einen guten Willen vnd heilige Begierde / vnnd wuͤndſche / daß jhme dein Gottesdienſt wolgefal - len maͤge. Denn ein ſolchesheilig Ver - langen haben ja haben wollen / iſt nicht eine kleine Gabe oder Opffer / welches Gott auch wolgefellet. Denn ſo grosals435eines chriſtlichen Lebensals wir gern wolten / Das vnſer An - dacht vnd heilige Begierde / Gebet /GOTT nunpt den guten wil - len fuͤr die That. Danckſagung ſeyn ſolten fuͤr Gott / ſo gros ſind ſie bey jhm. Denn Gott for - dert nicht mehr von dir / denn ſo viel ſei - ne Gnade in dir wircket / vnnd du kanſt jhm nicht mehr geben / denn er dir geben hat. Bitte aber deinen HErrn Chri - ſtum Jeſum / daß er alle deine Opffer vnd Gaben wolle vollkommen machen mit ſeinem vollkommen Opffer / dennIn Chri - ſto vnſer Vollkom - menheit. in jhme iſt vnſere vollkommenheit / in vns iſts Stuͤckwerck / Vnd ſprich: Lie - ber Gott vnnd Vater nimb mein An - dacht / Glauben / Gebet / Danckſagung an in deinem lieben Sohn / vnnd ſihe dieſelbe nicht an / wie ſie an jhm ſelbſt ſeyn / ſondern in Chriſto / ſo werden ſie dir gefallen als vollkommene Wercke. In Chri - ſto vn im Glauben alles Gut volkomen wenns noch ſo ſchwach iſtMein Herr Chriſtus wird vollkom̃en - lich erſtatten / was mir mangelt. Sihe / ſo erlangt denn vnſere Andacht / Gebet vnd Danckſagung / obs wol an ſich ſelb - ſtẽ ſchwach / tunckel vñ mangelhaft / iſt / eine groſſe Wirdigkeit / einen groſſenGlantz436Schoͤne RegelnGlantz vnd Herrligkeit aus dem Ver - dienſt Chriſti. Gleich wie ein bloſſes elendes Kind / wenns nackend vnd vn - ſauber iſt / ſo iſts vnlieblich / Aber wenn mans ſchmuͤcket / vnd weis anzeucht / ſo gefellets einem gar wol: Alſo iſt all dein Thun an ſich ſelbſt nichts / aber wenns mit Chriſti Vollkommenheit geſchmuͤ - cket wird / ſo gefallen alle deine Wercke Gott wol. Gleich wie es koͤſtlich ſte - het / wenn man Epffel in einer guͤldenẽ Schuͤſſel aufftregt / die Epffel ſind an jhnen ſelbſt ſo gros nicht geachtet / aber ſie werden deſto lieblicher / wen ſie in ei - ner guͤldenen Schale auffgetragẽ wer - den: alſo iſt auch vnſer Gebet / Andacht vnd Danckſagung in Chriſto. Ephſ. 1. Er hat vns geliebet vnnd angenem ge - macht in dem Geliebten.

VIII.

Ein chriſt ſolvetruͤbt ſem / aber nicht ver - zagen.

Deiner Suͤnde vnd vielfeltigen Ge - brechen halbẽ ſoltu zwar hoch betruͤbet ſeyn / aber nicht verzagen. Iſt jhrer viel / ſo wiſſe / Daß viel mehr Gnade beyGott437eines chriſtlichen LebensGott iſt / vndviel Erbarmung / Pſ. 130. Sind ſie gros / ſo gedencke / daß Chriſti Verdienſt noch groͤſſer ſey. Pſalm. 51. Sey mir gnedig nach deiner groſſen Barmhertzigkeit. Weñ dich aber durch goͤttliche Gnade der Suͤnde gerewet /Ezech. 33. vnd 18. Matth. 8. G. ſchwin de Cur. in Gottes Erbar - mung. vnd im Glauben Chriſtum anſiheſt / ſo gerewet auch Gott der Straffe / vñ auf dieſe goͤttliche heilſame Rew folget der Suͤnden Vergebung / das geſchicht / ſo bald vnd ſo offt der Suͤnder ſeufftzet. Gleich als der auſſetzige Mann im Au - genblick gereiniget ward / der zum Her - ren ſprach: Herr / ſo du wilt / kanſtu mich wol reinigen / ſo bald ſprach der Herr: Ich wils thun / ſey gereiniget. Matth. 9.So bald reiniget dich auch GOTt in - wendig / vnd ſpricht: Sey getroſt mein Sohn / deine Suͤnde ſind dir vergeben. Das iſt ein Bilde vnd Spiegel der in - wendigen Reinigung vnd vergebung der Suͤnden / welche groſſe Barmher - tzigkeit Gottes den Menſchen nicht ſoll Vrſach geben mehr zu ſuͤndigen / ſon dern GOTT mehr vnd hertzlicher zulieben. 438Schoͤne Regelnlieben. Pſalm. 103. Lobe den[Herrn] meine Seele.

IX.

Verach - tung eine Proba der Demut.

Die euſſerliche Verachtung / ſchamch vnd Leſterung ſoltu nicht mit Vnmut / Zorn vnd Rachgier auffnemẽ / ſondern gedencke es ſey eine Proba deines Her - tzens / dadurch GOTt offenbaren wil / was in dir verborgen ligt / ob Sanfft - mut vnd Demut bey dir ſey / Oder ob Hoffart vnd Zorn bey dir ſey. Qualis quiſque apud ſe latet, illata contu - melia probat. Iſt Sanfftmut vnnd Demut bey dir / wirſtu alle verachtung mit Sanfftmut vberwinden. 1. Ja du wirſts fuͤr eine zuͤchtigung des Allmech -2. Sam. 15 tigen halten / Wie Dauid ſpricht / als jhm Simei leſtert: Vielleicht hats jhm der Herr befohlen / Fluche Dauid. 2. So iſt die Verachtung ein groſſes Stuͤck der Schmach Chriſti / So dieHebr. 13. wahren Glieder Chriſti auch tragen muͤſſen / Wie die Epiſtel an die Hebreer ſpricht: Laſſet vns mit jhm hinaus ge - hen / vnd ſeine Schmach tragen. Sehetmit439eines Chriſtlichen Lebensmit was ſanfftmuͤtigem Hertzen hat Chriſtus ſeine Schmach getragen. Schmach Chriſti.Vmb des geduͤltigen Hertzens willen ſollen wir auch vnſere Schmach tragen mit Sanfftmut. Sprich nicht: Ach ſolte ich das von dem Kerlleiden / etc. Ach vmb der Sanfftmut vnd geduͤlti - gen Hertzens Chriſti willen ſoltu es lei - den. 3. So iſt GOTt ſo guͤtig vnd ge -Troſt in Verach - tung. trew / das es fuͤr eine vnuerſchuldete Le - ſterung vielmehr Ehre vnd gnade gibt. 2. Sam. 16Wie Koͤnig Dauid fuͤr ein gewiß Zei - chen hielt / daß jhn GOtt bald wieder ehren wuͤrde fuͤrdie Leſterung Simei / wie auchgeſchach. Den er ſprach: Gott leſſets geſchehen / auff das er mir wider gutes vergelte fuͤr ſein Schelten / dar - umb ſol dich das nicht betruͤben / was die Menſchen von dir reden / ſondern du ſolt dich frewen / daß vber den verachte - ten / vnd Verſchmeheten der Geiſt der herrligkeit ruhet / als S. Petrus ſpricht 1. Pet. 3.

X.

Alle deine Feinde vnd Leſterer ſoltu lernen mit Wolthat vnnd GuͤtigkeitErſter Theil G gvber -440Schoͤne Regelnvberwinden vnd verſoͤhnen. Denn mit Rachgier / Zorn vñ Wiederſchelten ge -Sieg[:]ſte - het im Lei den. winnet man keinen Feind / aus Vrſach: In virtute eſt victoria, non in vitio, In der Tugend iſt der Sieg / nicht in dem Laſter. Zorn / Rachgier vnd Wie - derſchelten iſt Suͤnde vnd Laſter / vnnd dadurch wird mann nicht vberwinden / ſondern mit Tugend. Gleich wie kein Teuffel denn andern austreibet: So wird auch kein Laſter das ander vertrei - ben / vnd kein Rachgier vnnd ScheltenSchoͤn Gleichnis. deinen Laͤſterer vberwinden / ſondern jmmer aͤrger machen. Wenn einer einẽ Menſchen ſehe / der vol Schwerẽ were / vnd voll boͤſer Blattern / vnnd er wolte denſelben mit Faͤuſten ſchlagen / wuͤrde er jhn auch heilen? Mit nichten: Alſo iſt ein boͤſer gifftiger Menſch voller Schweren / darumb muß man jhn mit Gelindigkeit heilen. Sehet was Gott der Herr ſelbſt fuͤr eine Art hat vns zu vberwinden. Vberwindet er nicht vnſer Bosheit mit Guͤtigkeit / vnſern Zorn mit Liebe? Locket vns nicht ſeineGuͤtig -441eines Chriſtlichen LebensGuͤtigkeit zur Buſſe? dieſen Weg hat vns S. Paulus fuͤr geſchrieben Rom. 12. Laſſet euch nicht das Boͤſe vberwin - den / ſonderen vberwinde das Boͤſe mit guten: Das iſt der Sieg.

XI.

Wenn du ſiheſt / das ein andern von Gott eine gabe hat / die du nicht haſt / ſo neide jhn darum̃ nicht / vnnd vergoͤn - ne es jhm nit / ſondern frewe dich des / vnd dancke GOtt dafuͤr. Denn die gleubigen vnnd Auſſerwehlten ſind ein Leib / vnnd die gabe vnnd Zierde eines Gleubigen Gliedes gereichet dem gan -Eines an - dern Ga - ben nicht zu neiden Eines an - dern Elen - de zu be - trawren tzen Leib zu Ehren. Im Gegentheil wenn du eines andern Elend ſiheſt / ſo ſoltu es fuͤr dein eigen Elend achten / vnd daruͤber trawren / denn es iſt ein all - gemeiner menſchlicher Jammer / dem alles Fleiſch vnterworffen / vnd in wel - chem Menſchen kein Mitleiden vnnd Barmhertzigkeit iſt / der iſt auch kein Glied. des Leibes Chriſti. Hat nicht Chriſtus vnſer Elend fuͤhr ſein eigenG g ijElend442Schoͤne RegelnElend gehalten / vnd dadurch vns von vnſerm Elend erloͤſet? Darumb S. Paulus ſpricht: Einer trage das an - dern Laſt / ſo werdet Ihr das Geſetz Chriſti erfuͤllen / Gal. 6.

XII.

Von der Liebe vnd von dem Haß des Nechſten / ſoltu dieſen Vnterſcheid mercken: Daß du zwar die Suͤnde vndHaſſe die Laſter / die Perſon be weine. Laſter in dem Menſchen haſſen ſolt / als ein Werck des Teuffels / aber den Men - ſchen an jm ſelbſt ſoltu nicht haſſẽ / ſon - dern dich vber jn erbarmen / darumb dzVmb der Suͤnde willẽ kein Menſchzu haſſen / ſon dern zu be klagen. ſolche Laſter in jm wohnẽ / vnd GOTt fuͤr jhn bitten / wie der Herr Chriſtug am Creutz fuͤr die Vbeltheter gebeten hat. Auch ſoltu wiſſen / dz kein Menſch Gott wolgefallen kan / der ſeinen Nech - ſten an jhm ſelbſt haſſet. Denn Gottes wollgefalle iſt / das allen Menſchen ge - holffen werde. Wenn du nu eines Men - ſchen Verderben ſucheſt / das iſt wider GOtt / vnd wider GOTtes wolgefal - len. Darumb kan kein Menſch GOttwol -443eines Chriſtlichen Lebenswolgefallen / der des andern Verder - ben / ſuchet Luc. 9. Des Menſchẽ Son iſt nicht kommen den Menſchen zu ver - derben / ſondern zu erhalten.

XIII.

Ob du gleich wol weiſt / daß alle Menſchen Suͤnder ſeyn / vnnd ſehr ge - brechlich / ſo ſoltu dich doch fuͤr den al -Ein chriſt helt ſich fuͤr den groͤſten Suͤnder. ler ſchwaͤchſten Vnd gebrechlichſten Menſchen / vnd fuͤr den groͤſſeſten Suͤn der halten Omnes homines fragiles, pute te autem fragilioẽ neminem. Denn 1. alle Menſchen ſind bey GOtt in gleicher Verdamnis / Vnnd iſt bey GOtt kein Vnterſcheid: Wir haben alle geſuͤndiget / vnnd mangeln des Ruͤhms / den wir fuͤr GOtt haben ſol -Rom. 3. len. 2. Iſt dein Nechſter gleich ein groſ - ſer vnd ſchrecklicher Suͤnder / ſo geden - cke nicht daß du darumb fuͤr Gott beſſer1. Cor. 10. biſt. Wer ſich leſt duͤncken er ſtehe / mag wol zuſehen / daß er nicht falle. Wir - ſtu dich aber vnter alle Menſchen er - niedrigen vnd demuͤtigen / ſo wird dich Gottes Gnade erhalten. 3. Du darffeſtG g iijja ſo444Schoͤne Regelnja ſo wol Gnade vnd Barmhertzigkeit als der groͤſſeſte Suͤnder. Vnd wo viel Demut iſt / da iſt viel Gnade. Darumb1. Tim. 2. S. Paulus ſich fuͤr den groͤſſeſten vnd vornembſten Suͤnder gehalten / vnd da - rumb iſt mir / ſpricht er / Barmhertzig - keit widerfahren / vnd der Herr hat groſſe gedult an mir bewieſen / Vnnd abermal / ich wil mich am allerliebſten meiner Schwachheit ruͤmen / auff daß die Krafft Chriſti bey mir wohne / 2. Corinth. 12.

XIV.

Verſchme - hung der Welt nit dz gringſt Stuͤck der Erleuchti - gung.

Die wahre Erleuchtigung bringt mit ſich die Verſchmehunge der Welt. Deñ gleich wie die Kinder dieſer Welt jhr Erbe auff Erden haben / zeitliche Ehre / vergenglichen Reichthumb / jrr -Schaͤtze der Kin - der Got - tes. Hebr. 11. diſche Herrligkeit / welches ſiefuͤr groſſe Schaͤtze halten: Alſo ſind der Kinder Gottes Schaͤtze / Armut auff Erden / Verachtung / verfolgung / Schmach / Creutz / Todt / Marter vñ Pein / gleich wie Moſes die Schmach Chriſti hoͤ -her445eines Chriſtlichen Lebensher achtet denn die Schaͤtze Egypti / Das iſt die rechte Erleuchtigung.

XV.

Der rechte Name der Chriſten ſo im Himmel geſchrieben / iſt das wahre er - kentnis Jeſu Chriſti im Glauben / durch welchen wir Chriſto eingepflan - tzet / ja in Chriſtum geſchrieben ſein / als in das Buch des Lebens / daher die le - bendige Tugende erſprieſſen / welche GOtt an jenem Tage ruͤhmen wird / Matth. 25. vnnd als Schaͤtze / ſo im Himmel geſamlet / herfuͤr bringen 1. Tim. 6. Vnd als Wercke ſo in GOtt gethan / ans Liecht bringen wird / Joh. 3. Man findet keinen Heiligen / er iſt durch eine ſondere Tugend beruͤhmet / vnd der ſelben Tugend wird nimmer -Apoc. 2. 13 mehr vergeſſen / Pſ. 112. Das iſt der angeſchriebene Name / Glaube / Liebe / Barmhertzigkeit / Geduld vnd derglei - chen. Dieſe geuͤbete Tugenden bewei - ſen rechte Heiligen vnd ewige Namen im Himmel / etc. Davon im anderen Buch weitleufftiger.

G g iiijDas446Richtige Wiederholung

Das XLI. Capittel. Richtige Weiderholung des eſten Buchs. Das gantze Chriſtenthumb ſtehet in der wider Auffrichtung des Bildes Gottes im Menſchen / vnnd in Austilgung des Bildes des Satans

2. Corinth. 3. Nun aber ſpiegelt ſich in vns allen des HER - REN Klarheit mit auffge - decktem Angeſicht / vnnd wir werden verkleret in daſſelbe Bilde von einer Klarheit zu der andern / als vom Geiſt des HERRN. ()
Joh. 17.

IN dem warhafftigen erkentnis Chriſti / ſeiner Perſon / ſeines Ampts / ſeiner Wolthaten / ſei -Worin dz ewige lebẽ ſtehe. ner himliſchẽ ewigen Guͤter / ſtehet das ewige Leben / welches alles der H. Geiſt in vnſern Hertzen anzuͤndet als ein ne -wes447des eſten Buchs. wes Liecht / welches jmmer heller vnnd klaͤrer wird als ein polirtes Ertz oder Spiegel / oder wie ein kleines Kind taͤg - lich am Leibe wechſet vnd zunimpt / deñ der Menſch wird in ſeiner Bekerung new geboren / wenn jm durch den Glau - ben Chriſti Gerechtigkeit geſchenkt wird / wird auch nach dem Ebenbilde Gottes taͤglich ernewert / iſt aber nicht ein vollkommen Mann / ſondern einEpheſ. 4. Kiud das hernach vom H. Geiſt auff - erzogen / vnd Chriſto Jeſu von tage zu Tage gleich foͤrmiger wird.

Denn das gantze Chriſtltche Le -Was das chriſtliche Leben ſey ben auff Erden iſt vnd muß nichts an - ders ſeyn / denn eine Anffrichtung des Ebenbildes GOttes in einem glaͤubi - gen Menſchen / alſo daß er ſtets in der newen Geburt lebe / vnnd die alte Ge -Rom. 6. burt taͤglich in jhme dempffe vnnd toͤdte: Vnnd das muß hie in dieſem Leben angefangen werden / in jenem Le - ben aber wirds vollkommen werden. Vnd in weme es nicht fuͤr dem Juͤng - ſten Tage vnd fuͤr ſeinem Tode ange -G g vfangen448Richtige Wiederholungfangen wird / in dem wird es auch nim - mermehr in Ewigkeit auf gerichtet wer gen. Darumb wil ich nu zum Beſchlus vnnd zum Vberflus widerholen / was das Bilde Gottes / vnd das Bilde desWorin dz Chriſten - thumb ſtehe. Sathans ſey: Denn in dieſen beyden Stuͤcken / ſtehet das gantze Chriſten - thumb / vnnd erkleren viel Artickel der Schrifft / Als von der Erbſuͤnde / vom freyen Willen / von der Buſſe / vom Glauben / võ der Rechtfertigung / vom Gebet / von der newen geburt / Ernew - rung / Heiligung / vom newen Leben vnd gehorſam / Davon mercke nu fol - genden Bericht:

Die Seele des Menſchen iſt ein vnſterblicher geiſt / von GOTT bega - bet / mit herrlichen Kraͤfften mit Ver - ſtand / mit Willeñ / mit gedechnis vnnd mit andern Bewegungen vnnd Be - gierden.

Die Seele des Men - ſchen ein Spiegel Gottes.

Dieſelbige halt nu gegen GOtt / vnd abconterfeye in jr das Bilde Got - tes alſo / Das Gott als in einem Spie - gel in der Seele des Menſchen erkandtvnnd449des erſten Buchs. vnd geſehen werde. Denn das mei net Sanc Paulus / daß ſich die Klar - heit des Herrn in dem ernewerten Bilde GOTtes ſpiegelt / in den 2. Co - rinth. am 3.

Gleich wie nu Gottes Subſtantz vnnd Weſen / gut vnnd heilig iſt / Alſo iſt auch die Subſtantz vnnd Weſen der Seelen anfenglich vnnd vhrſpruͤnglich gut vnnd Heilig geweſen: Wie in GOttes Weſen nichts boͤſes iſt: Alſo iſt auch nichts Boͤſes geweſen in desGleichfor migkeit vnſer Se - len mit Gott im ſtande der Vnſchuld. Menſchen Seele: Wie alles was in Gott iſt / nur gut iſt / Deut. 32 Pſalm. 92. Alſo iſt auch alles was in der See - len geweſt iſt / gut geweſen. Wie Gott verſtendig vnnd weiſe iſt / Alſo iſt des Menſchen Seele auch verſtendig vnd weiſe geweſt / vol Erkentnis GOTtes vol geiſtlicher / himliſcher / EwigerSap. 11. Weisheit: Wie die goͤttliche Weisheit alle Ding im Zahl / gewicht / Maß vnd Ordnung geſetzt / vnnd alle himliſche vnnd jrrdiſche Kraͤffte aller Creaturenweis /450Richtige Widerholungweis / alſo hatdiß Liecht auch geleuch - tet in des Menſchen Gemuͤte.

Wie nun der verſtand in der See - len geweſt iſt alſo iſt auch der wille ge - weſt / heilig vnd in allen Dingen Got - tes Willen gleichfoͤrmig: Wie GOttExod. 33. Pſalm. 103 Joel. 2. Jon. 4. gerecht / guͤtig / barmhertzig / langmuͤh - tig / geduͤltig / freundlich / ſanfftmuͤtig / Warhaftig / Keuſch iſt / Alſo iſt die mẽſchliche Seele auch geweſt. Wie der wille des Menſchen GOTTes willen gleichfoͤrmig geweſt / Alſo auch alle Af - fecten / Begierden / Luͤſte vnnd Bewe - gungen des Hertzens ſind heilig / vnnd dem goͤttlichen ewigen Gemuͤte vnnd Bewegungen / vollkoͤmlich / gleichfoͤr - mig geweſt. Wie Gott die Liebe iſt / Alſo ſind alle menſchliche Affecten vnd Bewegungen nichts denn eitel Liebe geweſt. Wie Gott Vater / Sohn vnndJoh. 10. vnd 17. H. geiſt / mit vnausſprechlicher ewiger Liebe / gegen einander verbunden vnnd vereiniget ſeyn / alſo ſind alle Affecten / Bewegungen vnnd Begierden dermenſch -451des erſten Buchs. menſchlichen Seele / mit eitel vollkom - mener / reiner / lauter / bruͤnſtiger Liebe entzuͤndet geweſt / von gantzer Seelen1. Cor. 1. von allen Kraͤfften / da hat der Men - ſche / Gott vnd ſeine Ehre lieber gehabt denn ſich ſelbſt.

Vnnd wie in der Seele Gottes eben - bild geweſt vnd geleuchtet / alſo iſt auch der Leib der Seelẽ ebenbilde geweſt / mit allen lebendigen Leibes Kraͤfften / heilig keuſch / ohne alle vnordenliche Bewe - gungen vnd Luͤſte / ſchoͤn / lieblich vnnd herrlich: Allezeit geſund vnd friſch / vn -Sap. 8 ſterblich mit allen ſeinẽ jnwendigen vnd auswendigen Kraͤfften vnnd Sinnen / ohn allẽ Verdrus / Leiden / Schmertzen / Beſchwerung / Kranckheit / Alter vnnd Tod Sum̃a der gantze Menſch iſt voll - kom̃en geweſt an Leib vñ Seel / heilig / gerecht / Gott gantz wolgefellig. Denn der Leib mus auch heilig vñ Gott gleich ſeyn / ſol der Menſch Gottes Ebenbil - de ſeyn / ſpricht S. Paulus / ewer Leib /1. Theſſ. 5. geiſt vnd Seele ſol heilig ſeyn. Denn Leib vñ Seele zuſam̃en / ſind ein Mẽſch /der452Richtige Wiederholungder ſeine Wercke geiſtlich vnnd leiblich zu gleich thut / vnd ſo die heilige gerech - te Seele durch den Leib vnnd in dem Leibe wircken ſoll / ſo muß ſie ein heilig Werckzeug haben / das jhr nicht wider - ſtrebe: Wie die Seele in reiner Liebe GOttes entzuͤndet geweſt / alſo iſt des Leibes Leben vnd Krafft in Gottes vnd des Nechſten Liebe entzuͤndet geweſt: Wie die Seele aus allen jhren Kraͤfftẽ barmhertzig geweſt / alſo iſt der leib auch in allen Kraͤfften zur Barmhertzigkeit mit beweget geweſt: Wie in der See -Der Leib des Men - ſchen ein heiliger Tempel Gottes. 1. Cor. 6. len goͤttliche Keuſchheit geweſt iſt: Alſo iſt[auch] der gantze Leib / ſampt allen in - nerlichen vnd enſerlichen Kraͤfften vnd Sinnen / in vollkommener Reinigkeit vnd Keuſchheit mit entzuͤndet geweſt / vnd alſo fort an iſt der Leib in allen Tu - genden der Seelen gleichfoͤrmig ge - weſt / Als ein Heilig mitwirckendes Werckzeug / Vnd alſo hat der ErſteDeut. 6. Matth 22 Menſch in ſeiner Vnſchuld GOtt lie - ben koͤnnen / von gantzem Hertzen / von gantzer Seele / von allen Kraͤfften / vndſeinen453des erſten Buchs. ſeinen Nechſten als ſich ſelbſt. Wenn Gott dz Hertz fordert / ſo fordert er den gantzen Menſchen mit Leib vnd Seele / vnd allen Kraͤfften. Vnd alſo muſtuWas das Hertze ſey in der Schrifft. das Woͤrtlein Hertz / in der Schrifft verſtehen / von allen Seelen Kraͤfften / Verſtand / Willen / Affecten vnnd Be - gierden. Wenn auch GOtt die Seele fordert / ſo fordert er den gantzen Men - ſchen mit ſeinem gantzen Weſen / Leben vnd allen Kraͤfften. Derſelbe muß Gott gleich ſeyn / vnnd in Chriſto ernewert werden. Vnd alſo muͤſſen wir im ne -Galat. 5. Eph. 4. wen geiſtlichen Leben / vnnd im Geiſt wandelen.

Wie nun der Menſch vollkomme - ne Heiligkeit / gerechtigkeit / Liebe ge -Gerechtig keit / Liebe vñ Freude ſind bey einander. habt hat: So hat er auch Gottes vol - kommene Freude in ſeiner Seelen vnd Lebens Kraͤfften gehabt. Denn w[o]goͤttliche Heiligkeit iſt / da iſt auch goͤt - liche Freude. Dieſe beyde ſind enig bey einander / vnnd ſind das Ebenbide GOTTES. Weil wir nun die Heiligkeit vnd Gerechtigkeit Gotes /vol454Richtige Wiederholungvollkommen nicht haben in dieſem Le - ben / muͤſſen wir auch ſeiner vollkom - menen Freude entberen. Doch weil - die gerechtigkeit Chriſti in allen Glau - bigen hie angefangen wird / So wirdPhil. 4. Pſal. 84. 63 dieſe geiſtliche Freude auch warhafftig in jnen angefangen / vnd von andechti - gen vnd geuͤbten im Reich Gottes em - pfunden. So gros als nun ein jeder Chriſt Gottes liebe in jhm hat / ſo gros hat er auch GOttes geiſtliche Freude / vnd weil die liebe an jenem Tage wird vollkommen werden / So wird auch die Freude / vollkommen werden / wie der Herr Chriſtus / Joh. am 16. ſpricht - Denn die liebe iſt leben vnnd Freude1. Pet. 1. Wo keine Liebe iſt / da iſt auch keine Freude. allein. Wo keine Liebe iſt / da iſt auch k[e]ine Freude noch Leben / ſondern eitel Tod / in welchem alle Teuffel vnnd vn - b[u][ß]fertigen verſtockte Menſchen ewig - lich bleiben werden. Woraus empfin - det[ei]n Vater Freude? aus Liebe ſeiner Kin[d]er. Woraus hat ein Breutigam Freule? Aus Liebe ſeiner Braut. Eſa. 62. Vielmehr koͤmpt vnausſprech -liche455des erſten Buchs. liche Freude aus der Liebe gegen demCant. 1 Aus Got - tes Liebe koͤmpt groſſe freu de. Pſal. 18. Joh. 14. Schoͤpffer / der vns mit ſeines Mundes Kuß / das iſt / in Chriſto / auffs liebſte kuͤſſet / vnd in jhm / vnnd durch die Liebe des heiligen Geiſtes zu vns koͤmpt / vnd Wohnung bey vns machet. Diß Bilde GOTtes / welches in der gleich formigkeit mit Gott ſiehet / ſoltu nicht alſo verſtehen / als were der Menſch al - lerdinge Gott gleich / an ſo groſſer Hei - ligkeit vnd Gerechtigkeit / wie GOTt ſelbſt. Denn Gott iſt vnbegreifflich / vnermeßlich / vnendlich in ſeinem We - ſen / Tugenden vnnd Eigenſchafften. Darumb der Menſch GOttes Bilde allein getragen / wie in dieſem erſtenVnter - ſcheid zwiſchen Gott vnd Gottes Bilde. Buch am erſten Capittel der Vnter - ſcheid deutlich geſetzet iſt.

Dieſer Bericht von dem Ebenbil - de Gottes iſt klar / gewis / warhafftig / GOtt hat dem Menſchen zu ſeinem klaren hellen Spiegel gemacht / auff dz wenn der Menſch hette wiſſen wollen / was GOtt were / ſo hette er ſich ſelbſtErſter Theil H hange -456Richtige Widerholungangeſehen / vnd GOTT als in einem Spiegel in jhm ſelbſt geſehẽ / ja er hette GOttes Ebenbilde in ſeinem Hertzen empfunden.

Dz Bilde Gottes des Men - ſchen Ge - rechtikeit vñ Leben.

Dieſes Bilde Gottes iſt des Men - ſchen Leben vnd Seligkeit geweſt. Das hat jhm aber der leidige Sathan miß - goͤnnet / vnd die aller groͤſte Liſt vnd ge - ſchwindigkeit gebraucht / das Bilde GOTtes im Menſchen zu zerſtoͤren durch Vngehorſam vnnd FeindſchafftGroſſe liſt des Teuf - fels in der Zerſtoͤrũg des bildes Gottes / vnd in auf richtung ſeines Teuffeli - ſchen Bil - des. wieder Gott. Keine groͤſſere geſchwin - digkeit iſt je gebraucht worden / Vnnd wird auch nimmermehr gebraucht wer - den / denn der Teuffel allda gebraucht hat. Denn es hat jhm / vnnd dem gan - tzen menſchlichen Geſchlecht jhr aller - hoͤchſtes gut gegolten / wer eines an - dern Herr ſolt ſeyn vñ bleiben ewiglich. Vnnd hat nach ſeiner groſſen Liſt vnnd geſchwindigkeit nichts hoͤhers finden koͤnnen / damit er den Menſchen be - triegen vnd von GOtt reiſſen koͤndte / denn dadurch er ſelbſt gefallen war / vnnd ſich ſelbſt betrogen. Solche Be -gierde457des erſten Buchs. gierde bildet er vnſer erſten Mutter ein durch das ſchoͤnſte vnd lieblichſte Thier im Paradiß auffs freundlichſte vnd guͤ - tigſte. Was kan fuͤr ein beſſer / hoͤher vnnd weiſer Raht ſeyn / denn wie ein Menſch Gott ſelbſt werde? Denn da -Wodurch Gottes Bilde zer - ſtoͤret vnd des Sa - tans Bildeingepflan - tzet. durch wird das Bilde Gottes im Men - ſchen zerſtoͤret / vnd des Sathans Bilde eingedrucket / welches nichts anders iſt denn wollen Gott ſelbſt ſeyn.

Da nun dieſe Begierde / vnd aller groͤſſeſte Hoffart dem Menſchen einge - bildet / da folget der Fall / der Vngehor -Hoffart brmget Vngehor - ſam / iſt ein Anfang al ler Suͤnde Syr. 10. ſam vnnd Vbertrettung des Gebots Gottes an dem verbotenen Baum: Da iſt das Bilde Gottes erloſchen / der hei - lige Geiſt von Menſchen gewiechen / vnnd das Bilde des Sathans einge - drucket. Daeurch ſind ſie des SathansSchreck - licher Erb ſchade. Leibeigene vnd gehorſame / Vnd er jhr Herr worden / vnd hat in jhrer Seelen gewuͤtet / wie ein zorniger Rieſe vber ein armes Kindlein wuͤtet / jhren Ver - ſtand verfinſtert vnd geblendet / IhrenH h ijWillen458Richtige WiederholungWillen von GOTt abgewandt durch hoͤchſten Vngehorſam / alle Kraͤffte des Hertzens Gott widerſpenſtig gemacht / vnd mit hoͤchſter Bosheit vergifftet. Summa / das gantze Bild GOttes in jhm getoͤdtet / vnd dagegen ſein Eben - bild in ſie gepflantzet / ſie mit ſeiner boͤ -Sathans Bilde. ſen Art beſamet / vnd ſie alſo zu ſeinen Kindern nach ſeinem Bilde geboren / mit aller Suͤnde vnd Feindſchafft Got - tes vergifftet. Alſo ſind ſie des ewigenGeiſtlichr ewiger tod durch den Fall Adae. Epheſ. 2. Coloſſ. 2. Todes geſtorben. Denn gleich wie das Bilde Gottes das ewige Leben vñ Se - ligkeit des Menſchen geweſt iſt: Alſo iſt die Beraubung des Bildes Gottes der ewige Tod / vnnd das ewige Ver - damnis.

Dieſen Tod verſtehen am beſten die betruͤbten Hertzen / ſo die hohen geiſt - lichen Anfechtungen leiden muͤſſen / vñ des Teuffels Tyranney wuͤten / vnd to - ben wider die arme Seele / erfahrẽ vber die gewoͤhnliche Macht der Suͤnden. Wenn da der heilige Geiſt vnter dem Creutz ſtille helt / vnnd ſie nicht troͤſtet /vnd459des erſten Buchs. vnd mit lebendigem Troſt erquicket / ſo koͤmpt der Sathan vber ſie / toͤdtet ſiehohe geiſt liche An - fechtung vñ Seelen Noht. mit dieſem Tode / vnd quelet jhre Seele mit der Hellen Angſt: Da verſchmach - tet der gantze Leib / das Hertz verwelcket / das Marck verſchwindet / wie im 6. vnd 38. Pſalm ſtehet. Da ſind jhm alle Wort Gottes todt / vnd findet kein Le - ben darinnen / fuͤhlet keine Andacht vñ geiſtlich Leben in jhm. Das iſt der rechtGeiſtleche Tod. geiſtliche Tod. Da ligt im Koht aller Menſchen Heiligkeit / Gerechtigkeit / Wirdigkeit / Staͤrcke / Vermuͤgen /Menſchen Rtaͤffte. Ruhm / Ehre / Kunſt vñ Weißheit. Hie kan nichts helffen denn Gottes gnade.

Da lerne nun / O lieber Menſch /Erbſuͤnde was. was die Erbſuͤnde fuͤr ein Grewel vber alle Grewel ſey / nemlich der Mangel der erblichen gerechtigkeit Gottes / vnd die erbliche Vngerechtigkeit von dem Teuffel dem Menſchen eingepflantzet / vmb welcher willen der Suͤnder von Gott verworffen vnd verdampt iſt zum ewigen Tode / darin er auch ewig blei - ben muͤſte / wenn er nicht VergebungH h iijder460Richtige Wiederholungder Suͤnden vmb Chriſti willen durch den Glauben erlanget. Darmit du es aber beſſer verſtehen moͤgeſt / wil ich dir dieſen Grewel / damit dein Leib vnnd Seele behafftet iſt / baß entdecken. BitteTrewher - tzig Ver - mahnung auch vnd ermahne alle Menſchen vmb Gottes vnnd Ihrer Seligkeit willen / daß ein jeder dieſen Artickel wol lerne / vnnd taͤglich betrachte / damit er ſeinen Jammer vnnd Elend recht verſtehen lerne / vnnd die Erbſuͤnde in jhm ſo wol kennen lerne / Als ſein Angeſicht im Spiegel / vnnd taͤglich daruͤber ſeufftze vnd jammere.

Chriſtlich Leben.

Denn das gantze Chriſtliche Leben iſt vnd muß nichts anders ſeyn / deñ ein geiſtlicher Kampff wider die Erbſuͤnde vnd Ausfegung derſelben durch den hei - ligen Geiſt / vnnd durch wahre Buſſe. Denn je mehr du die Erbſuͤnde dempf - feſt / je mehr wirſtu von Tage zu tage er - newert zum Bilde Gottes: Denn die ſich inwendig durch den heiligen GeiſtHeuchler nicht toͤdten / ſind heuchler / wie heilig ſie auch euſſerlich fuͤr der Welt ſind. Deñzum461des erſten Buchszum Himmelreich iſt alles vntuͤchtig /Wer nicht tuͤchtig iſt zũ Him - melreich. was nicht jhm ſelbſt geſtorben / vñ wie - der durch den heiligen Geiſt ernewert iſt nach dem Bilde Gottes.

Darauß ſiheſtu nun / wie hochnoͤtig die newe Geburt / vnd die ErnewrungWarumb die newe Geburt ſo hochnoͤtig ſey / welches du alles beſſer verſtehen wirſt / wenn du das Bilde des Sathans betrachteſt nach dem Geſetze GOttes. Denn erſtlich / wie der Teuffel GOtt nicht liebet / ſond ern jhme von Hertzen feind iſt / Alſo hat er die Seele vergiftet /Natuͤrli - che Feind - ſchafft Gottes. vnnd ſeine gantze Feindſafft wieder GOtt in dieſelbe eingegoſſen Daß ſie Gott nicht liebet / ehret / anruffet / noch vertrawet / ſondern jhm feind iſt / vnnd fuͤr jhm fleucht. Wie der Teuffel in Blindheit ohne Gott hinlebet / vnd ge - dencket ſeines Willens nicht. Alſo hat er des Menſchẽ Seele auch geblendet / daß ſie ohne Gott hinlebet / vnnd ge - dencket ſeines Willens nicht. Dieſe Finſternis im Gemuͤte des Menſchen iſt eine grauſam ſchreckliche zerſtoͤrungH h iiijdes462Richtige Wiederholungdes Liechtes vnd Bildes Gottes / vnd eine grauſame Suͤnde / daß der Menſch ſpricht: Es ſey kein GOtt / Pſalm. 14. Vmb welcher Blindheit willen das gantze menſchliche geſchlecht ein Grew - el iſt fuͤr Gott in ſeinem Weſen.

Klein fuͤn - ckelein des natuͤrlichẽ liechtesun Menſchen vbrig.

Es iſt zwar im menſchlichen Ver - ſtande ein kleines Fuͤncklein des natuͤr - lichen Liechtes blieben / alſo / Daß ein Menſch aus dem Liecht der Natur ſchleuſſet / daß ein Gott ſey / weis auch / daß er ein gerechter Gott ſey / wie alle heydniſche Philoſophi bezeugen / aber das geiſtliche Leben nach Gott vnd ſei - ner Gerechtigkeit iſt im Menſchen gantz geſtorben. Denn das gewiſſen /Rom. 2. welches iſt das geſetz GOttes / ſo allen Menſchen ins Hertz geſchrieben in der Schoͤpffung / ſagt einem jeden / Was recht iſt. Als / ein vnzuͤchtiger Menſch gedencket bißweillen: Es iſt ein Gott / vnd derſelbe iſt keuſch / alſo ſolteſtu auch ſeyn / Vnzucht iſt ein Grewel fuͤr Gott. Aber dieſer Gedancke / der recht vñ gut iſt / vnd ein kleines Liechtlein iſt / wirdbald463des erſten Buchsbald vertunckelt / wie ein kleines Fuͤnck - lein vom Waſſer ausgeleſchet vnd ge - dempffet. Die boͤſe Luſt vnnd Brunſt des Fleiſches behelt vberhand. Ein Verleumbder vnnd Moͤrder dencket zu weilen desgleichen. Es iſt ein Gott / der warhafftig iſt / vnnd den Menſchen nicht wil getoͤdtet / ſondern erhalten ha -Geiſtlich goͤttlich le ben gantz todt un na tuͤrlichen Menſchẽ. ben / Aber diß Fuͤncklein weret nicht lange / ſondern wird durch den teuffeli - ſchen Zorn vnd Rachgier vberwunden / vnd iſt das geiſtliche Leben in der Liebe vnd Warheit gantz todt vnd geſtorben in einem fleiſchlichen Menſchen.

Die weiſen Heyden ſchlieſſen wol aus dem Liecht der Natur / es ſey ein GOTT / der das menſchliche Ge - ſchlecht regiere / aber wie bald werden ſie von der Blindheit Ihres Hertzens vberwunden / dz ſie zweifeln an Gottes Verſehung / wie jhre Buͤcher bezeugen. Aus dieſer Erbblindheit vnnd angebor - ner Finſternis quillet her der Vnglaube vnd Zweiffel / in welchem alle MenſchẽH h vvon464Richtige Wiederholungvon Natur ſtecken / vnd derwegen fuͤhr Gott ein grewel ſeyn. Denn ſie lebenBlintheit des natuͤr - lichen Mẽ ſchen. nicht im Glauben vnd hertzlichem ver - trawen auff Gott. Von dieſem geiſt - lichen Leben / vnd ſeinen Wercken weis der natuͤrliche Menſch gar nichts / ruf - fet auch Gott nicht an / ſondern verleſ[t]ſich auff ſich ſelbſt / auff ſeine Weis - heit / Vermuͤgen vnd Staͤrcke / welches die groſte Blindheit iſt.

Aus dieſer Blindheit quillet her Verachtung Gottes / vnd Sicherheit. Denn wie der Teuffel ſich fuͤhr GottTeuffels Same im Menſchen nicht demuͤtiget / ſondern wider jn hoſ - fertig bleibet: Alſo hat Er mit dieſen Laſtern der Verachtung Gottes / Si - cherheit vnnd Hoffart die Seele auch vergifftet / das ſie ſich fuͤr Gott nit de - muͤtiget / ſondern in jhrer Hoffart blei - bet / vnd inwendig alles thut nach jrem Mutwillen ohn allen ſchew fuͤr Gott. Wie der Teuffel ſich auff ſeine Weis -Teuffeli - ſche Gifft im Men - ſchen. heit vnd Macht verleſt / vnd ſich ſelbſ[t]regieret: Alſo hat er des Menſchẽ Seel auch vergifftet / das ſie ſich auff jhrerWeis -465des erſten Buchs. Weißheit vnd Macht verleſſet / vñ ſich ſelbſt regieren will. Wie der Teuffel ſeine eigene Ehre ſuchet: Alſo auch der Menſch / vnd fragt nicht nach Gottes Ehre. Wie der Teuffel wieder Gott wuͤtet: Alſo hat er die Seele mit Vn - gedult wieder Gott beſamet. Wie der Teuffel GOttes Namen leſtert / vn - danckbar iſt gegen ſeinem Schoͤpffer. Wie er vnbarmhertzig / zornig / rachgie - rig: So hat er die Seele des Menſchen mit ſolchem Gifft auch verderbet. Wie der Teuffel gern vber die Menſchen herrſchet / vnd ſich ſelbſt ehret: Alſo hat er auch die menſchlich Seele verderbet / daß ein hoffertiger ſeinen Nechſten fuͤr einen Narren in ſeinem Hertzen achtet / fuͤr einen heilloſen nichtigen Menſchẽ / mit groſſen Suͤnden beſudelt / vnnd be - geret jhn fuͤr einen Fußſchemel zu ha - ben. Wie der Teuffel ein Moͤrder iſt: Alſo hat er auch die Seele zur Moͤrde - rin gemacht. Vnd hiermit will ich dirsGOTT ſpricht al - lezeit die Seele an. tauſentmal geſagt haben / daß GOtt allezeit die Seele anſpricht vñ anklagt /vnd466Richtige Wiederholungvnd nicht die euſſerlichen Glieder. Das Hertz / die Seele / iſt der Moͤrder / Luͤge - ner / Vnnd nicht die Haͤnde oder das Maul. Wenn Gott ſpricht / Ruffe mich an in der Noht / ſo gebeut Er der Seele nicht dem Maul. Wer das nit mercket / der bleibet ein Narr in der heili gen Schrifft / vnd verſtehet nim̃ermehr die Erbſuͤnde / die Buſſe / newe Geburt / ja keinen Artickel recht.

Groſſe Bosheit des Her - tzens

Wir ſehen taͤglich dieſe treffliche Bosheit / ſchreckliche Hoffart / Haß vñ Neid wider den Nechſten / daß die Men - ſchen lieber ſterben wollen / ehe ſie dem Nechſten ſein Leben goͤnnen vnd laſſẽ / er ſol vnter vns ſeyn / oder nichts ſeyn / nach vnſer boshafftigen zornigen See - len. Mit ſolchem grauſamen Neid hat der Teuffel die menſchliche Seele beſa - met / vnnd vmb ſolches groſſen Grim - mes / Zorns / Haſſes / Neides / Feind -Schreck - lich Bilde des Sa - thans. ſchafft willen iſt der Menſch des Sa - thans Bilde. So hat er ſich in des Menſchen Seelen abgebildet vnnd ab - contrafeyt.

GOtt467des Erſten Buchs

GOtt hat dem Menſchen einge - pflantzet eine reine / keuſche / zuͤchtige Eheliebe / nach dem Geiſt Kinder zu zeugen / nach dem Ebenbilde GOttes. Vnd iſt keine heiligere Luſt noch Liebe geweſt denn das Ebenbilde GOTtes fortzupflantzen / vnd das menſchliche Geſchlecht zu vermehren zu GOttes Ehren vnd des Menſchen ewiger Se -Heilig ehe in der vn - ſchuld ligkeit / ja wenn ein Menſch in der Vn - ſchuld hundert tauſent Kinder zeugen / vnd das Ebenbilde GOttes vnd ſeine Ehre fortpflantzen hette koͤnnen / das were ſeine heiligſte / hoͤchſte Luſt vnnd Freude geweſt / denn das were alles aus Liebe gegen Gott vnd des menſchlichen Geſchlechts als des Ebenbildes Gotts geſchehen. Denn wie Gott den Me - ſchen in heiliger vnd hertzlicher wol[lu]ſt vnd Wolgefallen geſchaffen / vnd ine Freude vnd Wone an jhm gehab als an ſeinem Bilde: Alſo hette au[ch]der Menſch in heiliger Wolluſt ſein[eſ]glei - chen gezeuget / Freud vñ Won[e]an jm gehabet als an Gottes Ebenb[ild]e. Wieaber468Richtige Wiederholungaber der Sathan dieſe reine / keuſche / eheliche Liebeflamme verunreiniget mitMiß -[b]rauch[d]er heili - gen Ehe. ſeiner Vnſauberkeit / darff keiner langẽ Predigt. Der Menſch zeuget nur ſei - nes gleichen / Wie ein vnuernuͤnfftig Vieh in ſeiner Blindheit vnd Brunſt. Wie iſt doch von dem vnſaubern Geiſt die heilige Ehe mit ſo vnordentlichen Luͤſten verwuͤſtet.

Wie der Sathan vngerecht / ein Dieb vnnd Raͤuber iſt: So hat er die menſchliche Seele mit ſeiner diebiſchen Art beſamet. Wie der Teuffel ein ver - leumbder Sophiſt / Leſterer / Schender Gottes vnd des Menſchen iſt / verkeret Gott vnnd den Menſchen / ſein Wort[v]nd Wercke / wie er thet / da er vnſere er[ſt]e Eltern betrog: A[l]ſo hat er auch die S[eel]e des Menſchen mit ſeiner giffti -Luͤgener Teuffels Kinder. [J]ohan. 8. gen / erkehrten / luͤgenhafftẽ Vnart be - ſanne vnd diaboliſche Art fortgepflan - tzet / w[ie]er iſt / das iſt / Luͤgner / Leſt er / Verle[wm]bder. Dieſer Gifft iſt in des Menſchen Seelen ſo vnaußſprechlich / auff ſo[viel]tauſenterley Art / daß mannicht469des erſten Buchs. nicht Wort finden kan / dieſelbe außzu - reden / wie der 14. Pſalm / vnd die Epi - ſtel an die Roͤmer am 3. vnd S. Jaco - bus am 3. die boͤſe gifftige Vnart des Luͤgenmauls / vnd falſcher Zungen be - ſchreibet / da du nichts anders verſtehen ſolt / denn dieſe teuffeliſche diaboliſcheDiabo - liſch Gifft[in]der See len. Wz Gott im Men - ſchen an - klage. Gifft in der Seelen. Denn Gott kla - get in ſeinem Geſetz / nicht allein das Maul / Zunge / Haͤnde vnd Fuͤſſe an / ſondern den gantzen Menſchen / ſein Hertz vñ die Seele / den Brunnen alles boͤſen / wie er ſolches in den beyden letz - ten Geboten von den boͤſen Luͤſten ge - nugſam zu verſtehen gibt: Das lerne nur wol.

Diß iſt das Bilde des Sathans / ſo der Teuffel der menſchlichẽ Seelen an ſtat des Bildes Gottes eingedrucket vnd eingepflantzet / daß ſolche boͤſe Vn - art zu ſuͤndigen / zu verleumbden / den Nechſten zu vernichten / des Menſchen groͤſte Luſt vnnd Freude iſt / Wie man - cher / der doch ein guter Chriſt ſeyn wil - offt Vrſach ſuchet ſeinen Gifft wiederſeinen470Richtige Widerholungſeinen Nechſten aus zuſpeyen / vnd weñ das geſchehen / ſagen ſie: Nun bin ich wol zu frieden / Ich habs jhm lange nachgetragen. Es iſt mir nun ein Muͤl - ſtein vom Hertzen gefallen / ich bin nun / als were ich new geboren. Ach du elen - der Menſch / erkenneſtu nicht / wer dich zu einem ſolchen Leſterer vnd Diabolo geboren hat? Siheſtu nicht wes Bilde du tregeſt? Alſo drucken vns alle andereTeuffels Same wil heraus. Teuffels Arten / Teuffels Koͤrner vnd Samen in vnſere Seele / als Hoffart / Ehrgeitz / vnzucht / welches die taͤgliche Erfahrung gnungſam bezeuget.

Sihe du elender Menſch diß Bilde des Sathans / welches iſt die Erbſuͤnde / muſtu in deinem Hertzen kennẽ lernen / wie nemlich die Seele mit des teuffels Bilde vnd Vnart beſamet / vnnd gantz grewlich verwuͤſtet iſt ſo boͤſe / das nie -Jer. 6. 17. nand des Menſchen Hertz ergruͤnden[ka]n. Vnnd du kanſt auch ſelbſt nicht g[nu]gſam ausdencken vnnd ausreden / w[a]s fuͤr ein Grewel in deinem Hertzeniſt.471des erſten Buchsiſt. Das bitte ich / wolleſtu dir tauſent / vnd aber tauſentmal laſſen geſagt ſein / das nemlich dieſe Vergifftung ſo grosKeiner Creatur muͤglich die Suͤnde auszutil - gen. ſo tieff / ſo heilos iſt / das keiner Creatur muͤglich / weder Engel noch Menſchen die Suͤnde aus der Natur des Men - ſchen auszutilgen / auszurotten / vnnd auszufegen. Solches iſt allen Men - ſchen vnmuͤglich mit allen jhren Kraͤf - ten. Denn wie kan einer jhm ſelber mit ſeinen eigenen Kraͤfftẽ helffen die gantz verborgen vnd geiſtlich geſtorben ſeyn. Der Menſch mus ewig in ſolchem ver - derben bleiben / wo nicht ein mechtiger Suͤndentilger koͤmpt / der vber Suͤnde vnd Tod Herr iſt / welcher auch die NaJerem. 31. Ezech. 11. tur des Menſchen endern / ernewren vñ reinigen kan. Da ſiheſtu / daß die Recht - fertigung kein Menſchen Werck iſt: Siheſt auch / wie hochnoͤtig die newe geburt iſt. Denn es kan die Seele in -Naturli - che Kreff - te des Menſchen wendig aus jhren eigenen Kraͤfften nit anders leben denn in dieſer jrer eigenen Schwachheit / eingepflantzter Vnart vnd Bosheit in allen Suͤnden wiederErſter Theil J ialle472Richtige Wiederholungalle gebot GOttes / vnd ſonderlich der erſten Taffel / welche vbertrettung die rechte Feindſchafft Gottes iſt. Da iſt Verſtand vnd Wille gefangen / gantz geſtorben / vnd kan GOtt von NaturFreywille wie zuver - ſtehen. nicht fuͤrchten / lieben / vertrawẽ / anruf - fen / ehren / loben vnd preiſen / noch ſich zu jhm bekehren: Was aber die ander Taffel anlanget / da iſt noch ein Fuͤnck - lein des freyen Willens in der Seelen vberblieben / aber derſelbe herſchet nur vber die euſſerlichen Werck der andern Taffeln / wiewol auch gantz ſchwach vnd krafftlos / vnd kan ja etlicher maſſe die Begierde vnd boͤſe Luͤſte zehmen / vnd vber ſie herrſchen / daß die euſſer - lichen Werck nicht vollbracht werden / wie man an den tugendhafften Hey - den ſihet / Aber das Hertz endern / zu Gott wenden / von boͤſen Luͤſten reini - gen / iſt vnmuͤglich / da gehoͤret goͤttliche Krafft zu / Denn die inwendige gifftige Wurtzel bleibet / Vnd iſt gleich als wenn man ein Fewer dempffet / daß die Flamme nicht ausſchlecht / Vnd dochinwen -473des erſten Buchsinwendig jmmer glimmende vnd vnge - loſchen ewigbleibet.

Wenn dieſer freyer Wille in dem natuͤrlichen euſerlichen Leben vnd We - ſen nicht were / ſo koͤndte das menſchli - che geſchlecht bey einander nicht leben. Darumb hat gleichwol GOTT der Herr den Satan nicht alle natuͤrli - che Kraͤffte vnd Affecten aus des Men - ſchen Seelen reiſſen laſſen. Es iſt gleich wol noch vbrig blieben das geſetz den Natur / die eheliche Natuͤrliche Liebe zwiſchen dieheleuten / Eltern vnd Kin - dern / ſonſt koͤndte das menſchliche ge -Warumb Gott die natuͤrliche Liebesflã im Men - ſchen er - halten. ſchlecht nicht beſtehen. Denn wer alle ſeine boͤſe Luͤſte vnnd Begierde ſei - ner boͤſen Natur nach euſerlich volbrin - gen wil / der zerruͤttet die Menſchliche Geſellſchafft / vnd ſtoſſet ſeinen Leib in das weltliche Schwerdt: So hat auch GOtt das natuͤrliche Liebes flaͤmlein darumb laſſen vberbleiben / daß wir da - raus erkennẽ vnd ſpuͤren ſolten / Welch ein hohes Gut vnnd ſchoͤnes Bilde /J j ijGottes474Richtige WiderholungGottes / die volkommene Liebe GOt - tes ſey / vnd was wir fuͤr ein hohes gut verlohren. Sonſt in geiſtlichen Sa - chen / die Seligkeit vnnd das Reich Gottes betreffende / bleibets wol ewig war / was S. Paulus 1. Corinther 2. ſpricht: Der Natuͤrliche Menſch ver - ſtehet nichts vom Geiſt GOTtes / Es iſt jhm eine Thorheit / Vnd kanns nicht begreiffen / das iſt / Er hat kein Fuͤnck - lein des geiſtlichen Liechtes / ſondern iſt ſtockblind in dem gantzen goͤttlichen / geiſtlichen Leben / zu welchem allein derGeiſtlich goͤttlich himliſch Leben. Menſch geſchaffen iſt / daß er nemlich im geiſtlichem Liecht / GOttes gegen - wart / vnnd ſeine hertzliche Liebe gegen jhm mit in wendigen Augen der See - len anſehen / ewiglich fuͤr vnd mit jhm wandele / vñ ſich von jhm regieren laſ - ſe in dieſem Leben.

Dieſes geiſtlichen Liechtes im Reich GOTTES hat der natuͤr - liche Menſch nit das geringſte Fuͤnck - lein. In dieſer Blindheit ſind vndmuͤſſen475des Erſten Buchsmuͤſſen alle Menſchen natuͤrlich blei - ben / wo ſie Gott nicht erleuchtet. Das iſt die rechte geiſtliche Erbblindheit in Sachen das Reich Gottes betreffende. Dazu koͤmpt auch offt die NatuͤrlicheNatuͤrli - che Blind - heit. Blindheit / weñ die Bosheit des Men - ſchen vberhand nimpt / dempffet vnnd verfinſtert auch noch das kleine Natuͤr - liche Liechtlein der Tugend vnd Erbar - keit / So ins euſerliche Leben gehoͤret. Alſo iſt die gantze Seele mit Blind - heit geſchlagen vnnd verfinſtert / vnnd hette ewig alſo bleiben muͤſſen / wo ſie Chriſtus nicht erleuchtet.

Sihe nun / lieber Menſch / was biſtu / wo dich CHriſtus durch ſeinen Geiſt nit new gebieret / zu einer newen Creatur macht / zu GOttes Ebenbilde wieder ernewert. Welches alles aberEin mẽſch auſſer Chriſto nichts. doch in dieſer Welt nur angefangen wird in groſſer Schwachheit. Deñ ſihe dich ſelbſt an / der du des Heiligen Gei - ſtes newe Creatur biſt. Wie ſchwach vnd gering iſt dz Bilde GOttes in dir? J i iijwie476Richtige widerholungWie ſchwach iſt in dir die Furcht vnd die Liebe Gottes / der Glaube vñ Hoff - nung? Wie geringe iſt die Demut? Wie gros dagegen das Mißtrawen /Groſſe Schwach - heit auch in den Kin dern Got - tes. Hoffart vnd Vngedult? Wie kalt vnd ſchwach iſt dein gebet? Wie ſchwach iſt deine Liebe gegen deinem Nechſten? Wie ein geringes Fuͤncklein der reinen geiſtlichen Keuſchheit iſt in deinem Hertzen / wie groſſe Flammen fleiſchli - cher Vnzucht? Wie gros iſt deine ei - gene Liebe / eigen Nutz / eigene Ehre / vnd die Brunſt der boͤſen Luſt? Da ha - ſtu nun durch den geiſt GOTTes zu kempffen vnd zu ſtreitten mit deinem al ten Adam / mit dem Bilde des Satans in dir biß in deine gruben. Da bete /geiſtlicher iñerlicher Kampff vñ Streit. flehe / ſeufftze / ſuche / klopffe an / ſo wird dir der H. Geiſt gegeben / derin dir taͤg - lich das Bilde Gottes ernewert / vnd das Bilde des Satans dempffet.

Alſo lerneſtu nicht auff dich ſelbſt / ſondern auff GOTtes Gnade trawen vnd bawen / vnd das GOTtes gnadealles477des erſten Buchs. alles in dir thun muͤſſe. Alſo lerneſtu durch den Glauben von vnd aus Chri -Nutz vñge brauch die ſer Lehre. ſto alles ſuchen / bitten erlangen goͤtt - liches Erkentnis vnnd Weishet wider deine Blindheit / Chriſti Gerechtigkeit wider alle deine Suͤnde / CHriſti Hei - ligung wieder alle deine Vnreinigkeit / CHriſti Erloͤſung / Krafft / Sieg / Stercke wieder Tod / Helle vnd Teuf - fel / vnd Vergebung aller deiner Suͤn - de wider das gantze Reich der Suͤnden vnd Teuffels / die ewige Seeligkeit wi - der allen deinen geiſtlichen vnnd leibli - chen Jam̃er vnd Elende / vnd in Chri - ſto allein das ewige Leben. Da - uon im andern Buch weiter.

J i iiijDas478Beſchuß

Das XLII. Capittel. Beſchlus vnd hochwichtige Vrſachen der Ordnung des erſten Buchs: Wie man ſich auch fuͤr geiſtlicher Hoffart huͤtten ſoll / vnnd wie keine warhafftige geiſtliche Gaben ohn Gebet koͤnnen er - langt werden.

1. Cor. 4. Was haſtu Menſch / das du nicht empfangen haſt? Haſtu es aber empfangen / was ruͤhmeſtu dich / als het - teſtu es nicht empfangen. ()

ZVm Beſchluß des erſten Buchs muß ich dich noch etlicher noht - wendigen Puncten erinnern.

1. Das in dieſem Buch die Buſſe mit jhren Fruͤchten aus ſonderlichen Vrſachen weitleufftig vnnd auff man - cherley Art beſchrieben vnd fuͤr Augen geſtellet iſt. Denn die meiſten Capit - tel dieſes erſten Buchs ſind nicht an - ders denn Fruͤchte der Buſſe / nemlichdie479des erſten Buchs. die Ernewerung in Chriſto / die taͤgliche Creutzigung vnnd Toͤdtung des Flei - ſches / die Verleugnung ſein ſelbſt / die Verſchmehung der Welt / die Vbung der Liebe / vnd ſo fort. Vnd daſſelbe hab ich dir aus ſonderbaren Vrſachen alſo vnſerſchiedlich vnd deutlich fuͤr dieBuſſe der Anfang des Chri - ſtẽhums. Augen geſtellet. Denn erſtlich iſt das der Anfang vnd Fundament des wah - ren Chriſtenthumbs / heiligen Lebens vnd Wandels / ja der Anfang vnſer Seligkeit / durch wahren Glauben. So kan auch nimmermehr in eines Menſchen Hertzen wahrer beſtendiger Troſt hafften vnd ſafften / wenn er zu - uor die Erbſuͤnde / das grewlich / er - ſchreckliche / toͤdliche / helliſche teuffeli - lche Gifft vnnd Vbel (Ach man kans nicht grewlich genug beklagen) mit jhren Fruͤchten nicht recht vnnd gnug - ſam erkenne. Vnnd ſind warhafftig alle Troſtbuͤcher vmbſonſt vnnd ver - geblich / wo diß Fundament zuuor nicht gelegt iſt / vnd du deinen Jammer vnnd Elend zuuor nicht recht erkennen wirſt /J i vſonder -480Richtige Widerholungſonderlich was fuͤhr ein grewel dieNatur ſchmei - chelt jhr ſelbſt. Erbſuͤnde ſey. Denn das iſt vnſer zarten ſchmeichelſuͤchtigen Natur Art / das ſie jmmer ehe wil getroͤſtet ſeyn / ehe ſie jhre Suͤnde / Vnart vnd Bos - heit erkennet.

Das iſt aber eine verkerte Art vnd Weiſe / vnnd dem Grunde der gantzenMatth. 9. Schrifft zuwieder. Denn die Star - cken beduͤrffen des Artztes nicht / ſon - dern die Krancken. Chriſtus der wah -vnzeitiger Troſt. re Artzt / Vnd ſeine Artzney / vnnd aller Troſt iſt dir ohne Erkentnis deinerEines wa - ren Chri - ſten Leben Kranckheit nicht nuͤtze. Denn eines wahren Chriſten Leben iſt nichts an - ders / Vnd mus nichts anders ſeyn / denn eine ſtetige Creutzigung ſeines Fleiſches. Das las dir abermal fuͤr einmal tauſentmal geſagt ſeyn. Denn diß ſind allein die Leute / ſo CHriſtum angehoͤren. Die aber CHriſtum an - gehoͤren / die wird er nimmermehr ohn Troſt laſſen / Vnd ſolch Erkentnis deiner eigen Schwachheit durch den H. Geiſt vnd[ Betrachtung] des Evangelijtregt481des erſten Buchstreget den Troſt mit ſich auff dem Ruͤ - cken vnd fuͤret dich zu Chriſto. Wolleſt dich auch an das vnzeitige richten vnd vornichten der jetzigen Welt nit keren /Vnnuͤtze Richter ſondern wiſſen / das ſolche Richter vnd Vornichter elende blinde Leut ſeyn / die jhr eigen Jammer vnd Elend nicht er - kennen / auch nit verſtehen / was Adam vnnd Chriſtus ſey / wie Adam in vns ſterben / vnd Chriſtus in vns leben muͤſ - ſe. Wer das nicht wil lernen / der blei - bet in ſeiner Blinheit vnd Finſternis / vnd verſtehet nicht was wahre Buſſe / Glaube vnd Newgeburt ſey / darin doch das gantze Chriſtenthumb ſtehet.

1. Soltu auch gewarnet ſeyn fuͤr geiſtlicher Hoffart. Weñ vnſer lieber Gott durch ſeine gnade in dir anfehetDreyerley vnart der geiſtlichen Hoffart zu wircken geiſtliche gaben / Newe Tu - genden vnd Erkentnis / daß du dieſelbi - ge dir vnd deinen Kraͤfften ja nicht zu - ſchreibeſt / ſondern der gnaden Gottes. 2. Viel weniger deine angefangene Tugenden fuͤr deine gerechtigkeit fuͤhr Gott halteſt. Denn es iſt Stuͤckwerck. 3. Die482Beſchlus3. Dieſſelbige auch ja nicht zu deinem eigen Lob vnd Ruhm gebraucheſt / ſon - dern in der demuͤtigen Frucht Gottes / Gott allein die Ehre gebeſt / vnd nit dir ſelbſt / auch nit in deinem Hertzen geden - ckeſt: Ich hab nun einen gewaltigen Glauben / ich hab viel Erkentnis vnnd dergleichen. Huͤte dich / das iſt des Teuffels Vnkraut / welches er zwiſchẽ den guten Weitzen ſeet. Denn 1. So ſind alle Gaben nicht dein / Sondern Gottes / vnd ohne GOttes Erleuchti - gund bleibeſtu ein todter ſtinckender Erdklumpffen. Vnnd wenn GOTtArtzneywi der geiſtli - chehoffart ſeine gaben / nicht in dich legte / So bliebeſtu ein leeres Gefaͤß. Gleich wie die Kleinodien / die man in ein Kaͤſtlein legt / nicht des elenden bloſſen Kaͤſtleins ſeyn / Sondern deſſen / der ſie hienein gelegt hat: Alſo ſind die gaben nicht dein / du biſt nur ein bloſſes Kaͤſtlein da - zu. Solt des elende Gefaͤß ſtoltziren we - gen des frembden guts? Wie du ferner im andern Buch ſehen wirſt. 2. Wie ein Herr machthat alle ſtunde ſein gut ausdem483des erſten Buchs. dem Kaͤſtlein zu nemen / vnd daſſelbe in ein anders zu legẽ / oder gar bey ſich zu behalten. Sihe / ſo kan Gott alle Stun - den dir ſeine gaben wieder nemen / dar - umb ſey nicht ſtoltz / Sondern fuͤrchteRom. 11. dich. 3. Muſtu von ſolchen Guͤtern ſchwere Rechnung geben deinem Her - ren. 4. Gedencke auch nicht / wenn du noch ſo ſchoͤne gaben haſt / Du habeſt alles hinweg. Ach lieber Chriſt / es iſt kaum der Anfang / es mangelt dir noch viel. 5. So ſoltu wiſſen / daß du keineOhne Ge - bet koͤmpt keine recht ſchaffene gedeiliche Gabe in vnſer Hertz. dergleichen vollkommene gute gaben ohne Gebet von Gott erlangen wirſt / ſondern was du haſt / iſt als ein Schat - te vnd thummes Korn / dz keine Frucht bringet / vñ verwelcket ehe es reiff wird / wie du ſolches in meinem Betbuͤchlein ſehen wirſt / wie nemlich ſolche himme - liſche Gaben von Gott muͤſſen erbeten werden / vnd ohne Gebet in kein Hertz kommen. Damit du aber deſſen einen kleinen Vorſchmack haben moͤgſt / So liß das Tractetlein vom Gebet im fol - genden Buch. auff zwey Ding muſtuſehen484Beſchlusſehen im gebet: Erſtlich / das das Bil - de des Sathans in dir zerſtoͤret werde / Vnglauben / Hoffart / Geitz / Wolluſt / Zorn / ꝛc. Darnach / daß das Bilde Gottes in dir moͤge auffgerichtet wer - den / Glaube / Liebe / Hoffnung / De - mut / Gedult / Gottesfurcht. Sihe das heilige gebet des Herrn das Vater vnſer an. Daſſelbe gehet wider dich vnd fuͤr dich. Sol Gottes Name allein geheiliget werden / ſo mus dein Nahme vnd Hoffart vntergehen. Sol Gottes Reich kommen / ſo mus des Sathans Reich in dir zerſtoͤret werden. Sol Gottes Wille geſchehen / ſo mus dein Wille zu nichte werden. Sihe / das ſind zwey Theil eines nuͤtzlichen Betbuͤch - leins / welches noch Ordnung des Va - ter vnſres die himliſchen ewigen guͤter vnd gaben / ſo in demſelben gebet desIm Vater vnſer zeit - liche vnd[e]wige Guͤ - ter be - griffen. HErrn begriffen / von Gott lehret ſu - chen vnd erbitten. Denn im Vater vn - ſer ſind alle Seelen vnd Leibes S[ch]aͤtze vnd Guter als in einer Summa ver - faſſet / ſo wir zeitlich vnd ewig beduͤrffẽ /darumb485des erſten Buchs. darumb wird auch Gott der Herr vn - ſer lieber Vater willig ſeyn vns zu ge - ben / was vns ſein lieber Sohn hat be - fohlen von jhm zu bitten. Daruon zur andern zeit an ſeinem Ort.

Summa DEO ſoli gloria, laus & honor.

Errata des Erſten Buchs.

Vorrede Im. 18 liß Prob. fol. 5 l. 5 pro frucht liß furcht / 10 l. 1 pro viel liß fiel. 14. l. 2 poſt ward / adde er / 30 l. 5 pro ſie liß ſihe / 40 l. 7 pro gal. liß Gal. Item l. 10. liß Galat. 51 l. 19 Poſt er adde jhn / f. 86 adde das X. Capittel. 103 l. 15 liß Menſchen / 121 l. 9 poſt vnd adde er. 141 l. 3 pro zeiget liß zihet / 151 l. 1 poſt vnd adde iſt / 289 l. 4 liß manigfeltigen / 295 l. 21 pro die liß der / 296 l. 5 pro ſein liß ſey. 328 l. 2 liß 1. Cor. 16.

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About this transcription

TextVon wahrem Christenthumb
Author Johann Arndt
Extent524 images; 77501 tokens; 8598 types; 509371 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationVon wahrem Christenthumb Das Erste Buch: Heilsamer Busse/ Hertzlicher Rewe vnd Leid vber die Sünde vnd wahrem Glauben: auch heiligem Leben vnd Wandel der rechten wahren Christen Johann Arndt. . 478 S. FranckeBöelMagdeburg1610. (Die \"Urausgabe\" des ersten Teils von Johann Arndts 'Vier Büchern Von wahrem Christenthumb' erschien 1605 (Franckfurt am Mayn: Rosen). Für das DTA wurde die erste Gesamtausgabe aller vier 'Bücher Von wahrem Christenthumb' (Magdeburg: Francke, 1610) digitalisiert.)

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SLUB Dresden SLUB Dresden, Theol.ev.asc.1269-1

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationGebrauchsliteratur; Erbauungsliteratur; Gebrauchsliteratur; Andachtsbuch; core; ready; china

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

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  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-13T10:47:01Z
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