PRIMS Full-text transcription (HTML)
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I. N. J. Frommer Chriſten Ewiges Gnaden-Troſt-und Freuden-Liecht /
Aus den LX. cap. 19. verſ. Eſaiæ.
Bey anſehnlicher und ſehr Volckreicher Beerdigung Deß weyland Wohl-Ehrenveſten / Vor-Achtbarn und Wohl-Fuͤrnehmen Herrn Andreae Siegels / Fuͤrnehmen Bergk-und Hammer - Herrns zum Unter-Blauenthal / auch Erbſaſ - ſen deß Freyen Hoffs zur Soſa / ꝛc. Als derſelbe im 34. Jahr ſeines Alters / den 28. Auguſti umb 10. Uhr vor Mittage auff den Unter-Blauenthal im HErrn ſeelig entſchlaffen / und darauff den 1. Septembris im Jahr Chri - ſti 1674. bey vornehmer Verſamlung in ſeine zubereitete Ruhe-Statt zum Eybenſtock beyge - ſetzet wurde /
Gedruckt zuSt. AnnabergbeyDavid Nicolai/ im Jahr1676.
[2]

Denen Wohl-Erbaren / und Viel-Ehren-und Tugend-Reichen Frauen Magdalenen / Gebohrner Meyerin / Als deß ſeel. Hn. Andreæ Siegels / hinterlaſſenen Wittiben. Fr. Catharinen / gebohrnen Kleinhempelin / Herrn Heinrich Siegels / wohlbenahmten Hammer-und Bergk - Herrns auff Groß-Poͤhla / Unter-Blauenthal / Rittersgruͤn / etc. hin - terbl. Wittiben / als Hn. Andreæ Siegels / hochbetruͤbt. Fr. Mutter. Dem auch Wohl-Ehrenveſten / Vor-Achtbarn und Wohl-Fuͤrnehmen / Hn. Friedrich Siegeln / fuͤrnehmen Bergk-und Hammer-Herrn auff Unter-Blauenthal / deß ſeelig-Verſtorbenen einigen Herrn Bruder. Wie auch Deſſen Vielgeliebten und Hochbetruͤbten Fr. Schweſtern: Denen Wohl-Erbarn / mit vielen Tugenden und Ehren-Begabten Fr. Roſinen / (Tit.) Hn. David Richters / wohl - verdienten Diaconi zum Eybenſtock Hertzgeliebten Hauß-Ehren. Fr. Suſannen / (Tit.) Hn. Heinrich Siegels / weyland fuͤrnehmen Bergk-und Hammer-Herrns zur Schoͤnheyda hinterlaſſenen Wittiben.

    • Fr. Reginen / (Tit.) Hn. Tobiæ Biedermanns /
    • wohlverordneten Syndici zu Chemnitz.
    • Fr. Magdalenen / Hn. Ernſt Räppels / fuͤrneh -
    • men Erb-und Lehn-Richters zu Groß-Poͤhla /
    • Fr. Dorotheen / (Tit.) Hn. Chriſtian Friedrich
    • Garmanns / Medicinæ Licentiati und wohlbeſtalten
    • Stadt-Phyſici zu Chemnitz /
    Hertzlich ge - liebten Ehe - Liebſten.

Seinen allerſeits vielgoͤnſtigen und in Ehren geneigten Freund und Freundinnen / uͤbergiebt dieſe Predigt zum freundlichen Andencken / nechſt hertz - licher Anwuͤndſchung reichen Troſts / Gnaden / Friedens / Seegens / Heils und Liechts vom ewigen Liecht M. Benjamin Heyden / P.

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Im Nahmen GOTTES.

Antritt zur Predigt.

Das walt Chriſtus Jeſus / unſer eini - ges und ewiges Gnaden-Troſt-und Freuden - Liecht / ſo da erſcheinet denen / die da ſitzen im Fin -Luc. I, v. 79. ſternuͤß und Schatten deß Todtes / unſere AugenPſ. XIII, 4. erleuchtet / und unſere Finſternuͤß liecht machet;Pſ. XIIX, 92. Der erleuchte / troͤſte / erqvicke und erfreue / alle durch Betruͤbnuͤß verfinſterte Hertzen / und ma -Eſa. XLII, 16 che ihnen ihre Finſternuͤß zum Liecht / ſamt GOttJac. I, 17. dem Vater deß Liechts / und den werthen heiligen Geiſt / hochgelobet und hertzlich geliebet / itzo und zu allen Zeiten / Amen.

DEn From̃en gehet das LiechtPſ. CXII, 4. auff im Finſternuͤß / von dem Gnaͤdigen / Barmhertzigen und Gerechten; Alſo an - daͤchtige / zum theil Hochbetruͤbte / allerſeits hertzgeliebte und auſſerwehlte Freunde in Chriſto Jeſu / laͤſſet ſich vernehmen der hoch - erleuchte Koͤnig und Prophet David in ſei - nen CXII. Pſ. v. 4; Giebt hiermit zu verſtehen / eines Theils / der Frommen klaͤglichen Trauer-Stand und Hertzeleid; anders Theils / den erfreulichen Wechſel / und ihre beſonde - re Gluͤckſeeligkeit. Fromme / heiſſen an dieſen Ort in der Grund-Sprache〈…〉〈…〉 â rad. 〈…〉〈…〉i.e. rectum eſſe, rectè age -A 2re,[4]Frommer Chriſten ewiges Gnaden -re, rectè ingredi, das heiſt: Recht / richtig und redlich ſeyn / rechtes Weges ſeyn / auff den rechten Weg einher gehen / gerad durch gehen und auffrichtig handeln; Jngleichen ſo viel / als pla - cere, Wohlgefallen; weil an auffrichtigen Hertzen Jederman ein Wohlgefallen hat; wie es denn die LXX. gegeben / nicht al -Scheræus in Itinerar. lein mit dem ἐυϑυνϑῆναι, κατευϑῆναι; ſondern auch αρέσκειν, ἐυδσ - κεῖν. Als wenn dorten 1. Reg. IX, 12. von Hiramſtehet: Die an -Pſalm p. 324. gewieſene Staͤdte〈…〉〈…〉 ἤρεσαν, gefielen ihm nicht. Heiſ -1. Reg. IX, 12. ſen demnach〈…〉〈…〉 Recti, æqvi, ingenui, richtige / ehrliche / red - liche und auffrichtige Leute / die auff guten Wegen wandeln / auffProv. XXIX, v. 27. rechter Bahn einher gehen / rechtes Weges ſind / redlich und auff - richtig handeln und wandeln / mit GOtt und ihren Nechſten esDn. D. Geier. in Pſal. XIX, pag. 324. treu meinen / daß Gott und Menſchen an ihnen ein Wohlgefal - len haben. Lutherus nennet ſie: Fromme. Anderweit verti - ret er dieſes Wort: Die ſo vom Hertzen auffrichtig ſind. Solche fromme / redliche und auffrichtige Hertzen gerathen oͤff - ters in traurige Finſternuͤß und klaͤglichen Zuſtand / in Cꝛeutz und Truͤbſal / in Anfechtung und Schrecken ihres Gewiſſens / ja in Noth und Tod / welches alles in H. Goͤttlicher Schrifft / durchGlaſſ. Philol. Sacr. lib. 5. tr. 1. cap. 10. pag. 232. Finſternuͤß angezeigt und bedeutet wird. Als wenn dorten die Tochter Zion klaget: Er hat mich gefuͤhret und laſſen ge - hen ins Finſternuͤß / und nicht ins Liecht / und v. 6. Er hatThren. III, 2. verſ. 6. mich ins Finſternuͤß geleget / das iſt / in erbaͤrmliches Elend / Jammer und Hertzeleid kommen laſſen. Jn ſolcher Finſternuͤß / Angſt und Noth aber / will ſie GOtt nicht ohne Liecht / Troſt und Huͤlffe laſſen / ſondern da muß Frommen auffgehen das Liecht im Finſternuͤß. Es gehet ihnen auff / das heilfame Liecht derPſ. LXXX, 4. goͤttlichen Gnaden / wenn er ihnen ſein Antlitz laͤſſet leuchten / daß ſie geneſen: Es gehet ihnen auff das liebliche Liecht deß Goͤttlichen Troſts / das durch den H. Geiſt in ihren Hertzen an - gezuͤndet wird / daß ſie alles Creutz und Wiederwaͤrtigkeit vonder[5]Troſt-und Freuden-Liecht. der Liebes-Hand Gottes willig annehmen / und gedultig ertra - gen: Es gehet ihnen auff das erfreuliche Liecht der goͤttlichen Huͤlffe und Beyſtandes / wenn GOtt ihnen aus Angſt und Ge - fahr / aus Noth und Todt offt wunderlich hilfft und ſie errettet: Es gehet ihnen auff das ſeelige Liecht der Freuden / wenn ſieTob. III, v. 21. 22. nach der Anfechtung wieder getroͤſtet und mit Freuden uͤberſchuͤttet werden; Ja mitten in dem Todt / daß ob ſie ſchon ſterben / doch nicht verderben / ob ſchon die Augen dunckel und fin - ſter werden / ſie doch in dem Todte einen Blick in Himmel thun / und durch den Todt gelangen zum ewigen Lebens-Liecht. Wie auch David anderweit ſinget: Dem Gerechten muß dasPſ. XCVII, 11 Liecht immer wieder auffgehen / und Freude den frommen Hertzen / das iſt / Gluͤck und Heil mitten in Noth und Todt /Lutherus in gloſſ marg. wie Lutherus im Randgloͤßlein hinzu ſetzet. Solches Liecht nun gehet den Frommen auff von den Gnaͤdigen / Barm - hertzigen und Gerechten. In den Hebræiſchen lautet es:〈…〉〈…〉 gnaͤdig / barmhertzig und gerecht / iſt / nemlich / der HERR. Jſt eine Elliptica locutio, welche ἔλλειψιν Luthe -Per ellipſin præf. 〈…〉〈…〉. qvæ freqvens. vid. Walth. in Qvadrag. qvæſt. ult. pag. 779. Geſner. in h. Pſ. fol. 752. rus wol erſetzet / und es gegeben: Von den Gnaͤdigen / Barm - hertzigen und Gerechten. Und wird damit angedeutet der Ur - ſprung / woher ſolches alles ruͤhre / beydes Truͤbſal und Labſal / Leid und Freud / Gluͤck und Ungluͤck / Todt und Leben; Nemlich daß ſolches Frommen nicht ohne gefehr begegne / ſondern von GOtt komme / der iſt gnaͤdig und barmhertzig / der ſich der Sei - nen in Gnaden treulich annimbt und hertzlich erbarmet / ihm ſelbſt ihre Noth und Elend ſo laͤſſet zu Hertzen gehen / daß er ſie in Finſternuͤß nicht ohne Troſt und Huͤlffe laſſen kan: Sein HertzJer. XXXI, v. 20. bricht ihm / daß er ſich ihrer erbarmen muß / wie ſolches das Wort〈…〉〈…〉 andeutet / ſo eine ſolche innigliche Barmhertzigkeit und Mittleiden bedeutet / davon〈…〉〈…〉 die σπλάγχνα oder Vi - ſcera, das Muͤtterliche Hertz und alle Eingeweide ſich gleichſamA 3regen[6]Frommer Chriſten ewiges Gnaden -regen und bewegen. So iſt er auch gerecht / welcher den frommen und auffrichtigen Hertzen Lieb und Treu / Gottſeeligkeit und Auffrichtigkeit / ob ſie ſchon fuͤr ſich ſelbſten nichts darmit verdie - nen / nicht will unvergolten / in Creutz und Truͤbſal ſie nicht will verſincken und umbkommen laſſen / ſondern ihnen beyſtehe[n]/Pſ. XCI, 15. ſie heraus reiſſen / zu Ehren ſetzen und ans Liecht bringen. Mich. VII, 9. Er machet ihnen ihre Finſternuͤß zum Liecht / ihr Leid zurPſ. XIIX, 29. Freud / ihren Fluch zum Seegen / ihren Tod zum Leben; Denn er der gnaͤdige / barmhertzige und gerechte HERR iſt ſelber das Liecht der Frommen / wie David ſich deſſen freuet: Der HErrPſ. XXVII, 1. iſt mein Liecht und mein Heil / fuͤr wem ſolt ich mich fuͤrch - ten? Der HErr iſt meines Lebens Krafft / fuͤr wem ſolte mir grauen? Dahero auch die angezogene Wort in unſernVid. Coccej 9 in hunc locũ Dn. D. Geier in h. l. p. 784. Spruch etliche Außleger mit den LXX. erklaͤren per Appoſitio - nem und alſo geben: Den Frommen gehet das Liecht auff / ſo da iſt der Gnaͤdige / Barmhertzige und Gerechte. Gera - then nun gleich Fromme in Finſternuͤß / in Traurigkeit und Her - tzeleid / in Noth und Todt / ſo koͤnnen ſie ſich deſſen troͤſten / daß ihnen in Finſternuͤß das Liecht werde auffgehen / ja der HERRMich. VII, 8. ſelbſt ihr Liecht ſeyn / und koͤnnen mit Micha freudig ſagen: So ich im Finſtern ſitze / ſo iſt doch der HErr mein Liecht.

Dieſes Gnaden-Troſt-und Freuden-Liechts hat ſich auch getroͤſtet / damit in Creutz und Truͤbſal / im Leben und Sterben ſich freudig auffgerichtet / unſer im HErrn ſeelig verſchiedener und fuͤr unſern Augen auffgebahrter Mit-Bruder / der weyland Wohl-Ehrenveſte / Vor-Achtbare und Wohl-Fuͤhrnehme Herr Andreas Siegel / vornehmer Hammer-und Bergk - Herr zum Untern-Blauenthal / auch Erbſaſſe deß Freyen Hof - fes zur Soſſa / etc. Wie derſelbe billich auch unter die Zahl der frommen / richtigen / redlichen und auffrichtigen Hertzen zu rech - nen / der in ſeinem Leben auff den Wege deß HErrn recht einhergangen /[7]Troſt-und Freuden-Liecht. gangen / richtig gewandelt / treulich und redlich mit maͤnniglich gehandelt und umbgangen; ja in allen ſeinem Thun und Fuͤr - nehmen gute Richtigkeit gehalten: Alſo hat Er auch nicht ſtets in Roſen-Garten ſitzen koͤnnen / Jhm nicht immer die Gluͤcks - Sonne geſchienen / ſondern Er iſt auch vielmals in Finſternuͤß allerley Creutzes und Wiederwaͤrtigkeit gerathen / zuletzt auch durch das finſtere Todes-Thal wandern muͤſſen. Aber es iſt Ih - me auch das Liecht auffgangen in Finſternuͤß / von den Gnaͤdi - gen / Barmhertzigen und Gerechten. Ob es gleich vielmals durch allerley Ungluͤck und Unfall / durch Anfechtung und Wie - derwaͤrtigkeit / durch zugeſtoſſene vielfaͤltige Kranckheit und Schwachheit umb Jhn finſter worden; ſo iſt Jhm doch immer wieder das Liecht der goͤttlichen Huͤlffe auffgangen und erſchie - nen / daß Er mit David ſagen koͤnnen: Der HErr mein GottPſ. XIIX, 19. machet meine Finſternuͤß liecht. Ob wol auch bey ſeiner letz - ten Schwachheit und Todes-Angſt traurige Finſternuͤß einge - brochen / und Er durchs finſtere Todes-Thal wandern muͤſſen / daß Er wol mit Hiob klagen moͤgen: Im Finſternuͤß iſt meinJob. XVII, 13 Bette gemacht: So hat doch Jhm GOtt durch ſeine Gnade erleuchtet / daß Er den vaͤterlichen Willen Gottes fuͤr den beſten erkennet / und willig angenommen / ſein Hertz mit Troſt erfuͤllet / daß Er in Chriſtlicher Gelaſſenheit zu leben und ſterben ſich ge - troſt und freudig erzeiget: Er hat Ihm mit ſeiner Huͤlffe erfreu - et / in dem Er Ihn durch ein ſanfftes und ſeeliges Ende von aller Schwachheit und Kranckheit / von aller Muͤh und Arbeit / von allen Jammer und Elend dieſes Lebens erloͤſet / aus der Finſter - nuͤß der Welt heraus gefuͤhret / und in ſein Himmliſches LiechtLuc. I, 79. verſetzet: Es iſt Jhm in der Finſternuͤß und Schatten deß Todtes erſchienen der Auffgang aus der Hoͤhe / und das ſeelige Liecht deß Heyls / daß Er auch mitten im Todte / das Liecht deß Lebens und der Himmliſchen Freuden ſehen koͤnnen / undnun -[8]Frommer Chriſten ewiges Gnaden -nunmehro durch den Todt / der Seelen nach zu ſolchen ſeeligen Himmels-Liecht gelanget. Nunmehro ſcheinet Jhm das volle Liecht / das nimmer kan abnehmen oder untergehen / nun kan kei -1. Cor. XIII, v. 12. ne Finſternuͤß mehr Jhn uͤberfallen und erſchrecken: Er ſiehet nun das ewige Liecht in vollen Schein von Angeſicht zu An - geſicht.

Hierauff hat Er ſich in ſeinen Leben immer gefreuet / dem - nach zu ſeinen Leib-Spruch und zu ſeinen Leichen-Text erwehlet / und mit eigener Hand auffgezeichnet die Wort deß ProphetenEſa. LX, 20. Eſaiæ: Der HErr wird dein ewiges Liecht ſeyn / und die Tage deines Leides ſollen ein Ende haben. Uber ſolchen Liecht nun freuet Er ſich bereits mit ewiger und unausſprechlicher Freude. Solche werden Jhm nicht mißgoͤnnen / die allerſeits hochbetruͤbte und Leidtragende Freunde / und uͤber ſeinen außge - gangenen Lebens-Liecht / ſich nicht uͤbermaͤßig betruͤben und trau - ren / ſondern vielmehr bedencken / daß Jhm ein beſſeres Liecht auffgangen. Zwar / die Hochbetruͤbte hinterlaſſene Frau Wit - tib / Frau Mutter / einiger Herr Bruder / Frauen Schweſtern / Herrn Schwaͤgere und andere liebe Freunde ſind hierdurch in groſſe Finſternuͤß und Betruͤbnuͤß geſetzet worden / daß ſie wol mit der Tochter Zion ſagen und klagen moͤgen: Der HERR hatThren. III, 6 uns ins Finſternuͤß geleget / und mit Eſa. Wir harretenEſa. LIX, 9. auffs Liecht / (hoffeten immer es ſolt beſſer werden) aber ſiehe / ſo wirds finſter; auff den Schein / ſiehe / ſo wandeln wir in Dunckeln. Es iſt durch ſeinen toͤdtlichen Hintritt in ſeinen gantzen Hauß / auff ſeinen gantzen Werck und allenthalben im Blauenthal finſter worden / daß es uͤberal ſchwartz / betruͤbt und traurig aus ſiehet / derſelbe nicht ſo wol ein liechter Blauer-Thal / als ein ſchwartzer Trauer-Thal heiſſen moͤchte; Aber da werden allerſeits leidtragende Hertzen ſich wiſſen Chriſtlich zu beſchei - den / den gnaͤdigen Willen Gottes hierunter erkennen / und ſichdeſſen[9]Troſt-und Freuden-Liecht. deſſen troͤſten / was David in angezogenen Worten ſaget: Daß ihnen auch das Liecht werde auffgehen in Finſter - nuͤß / von dem Gnaͤdigen / Barmhertzigen und Gerechten. Es wird der grundguͤtige GOtt der ſchmertzlich betruͤbten Frau Wittib / den hinterlaſſenen Vaterloſen Waͤißlein / der hoͤchſtbe - kuͤmmerten Frau Mutter / und andern verfinſterten Hertzen / das Liecht ſeiner Gnaden / Troſt / Huͤlff und Heils laſſen auff - gehen / derſelben ſich als ein Vater der Wittben und WaͤiſenPſ. LXIIX, 6. annehmen / uud ob gleich ihr liebes Hauß-Liecht verloſchen / doch fromme Hertzen erwecken / die als Liechter in der Welt ſchei -Phil. II, 15. nen / ihnen in ſolcher Finſternuͤß werden fuͤrleuchten / mit Rath und That an die Hand gehen und beyſtehen: Er wird mit ſei - nen Troſt-und Freuden-Liecht die bekuͤmmerten Hertzen wieder erqvicken / und ihre Finſternuͤß liecht machen / ja der HErr ſelbſten wird ihr ewiges Liecht ſeyn. Damit nun ſolches Liechts wir uns alle deſto mehr moͤgen erfreuen / inſonderheit die hoͤchſt-betruͤbte Hertzen dadurch getroͤſtet und auffgerichtet wer - den / wollen wir unſern ſeel. Herrn Mit-Bruder zu letzten Ehren und Wohlgefallen; denen Hochbetruͤbten zu erfreulichen Liecht und Troſt / uns allen zu heilſamer Erleuchtung und Erbauung / hiervon etwas weiter in der Furcht deß HErrn mit einander re - den und handeln; Dieweil aber ſolches in unſern eigenen Kraͤff - ten nicht beſtehet / als welcher Verſtand von Natur ſo garEpheſ. IV, 18. verfinſtert iſt / daß wir nicht koͤnnen ſehen das helle Liecht2. Cor. IV, 6. von der Klarheit Jeſu Chriſti / und nicht tuͤchtig ſind dieſes Liecht zu erkennen und zu begreiffen / als wenden wir uns zufoͤ - derſt zu GOtt den Vater deß Liechts / und bitten ihn demuͤtig -Jacob. I, 17. lich / daß er wolle auch uns ſein Liecht und ſeine Warheit ſen -Pſ. XLIII, 3. den / unſere Augen und Hertzen erleuchten / daß durch dasPſ. XIII, 4. Liecht ſeines Worts ſolch Troſt-und Freuden-Liecht uns moͤgePſ. XXXVI, v. 10. auffgehen / die hochbetruͤbten Hertzen in ihrer traurigen Finſter -Bnuͤß[10]Frommer Chriſten ewiges Gnaden -nuͤß moͤgen erqvicket / wir alle in unſern Chriſtenthumb erleuch - tet / und dadurch zum ewigen Liecht moͤgen befoͤrdert werden; Solches nun von dem Vater deß Liechts / von welchen alle gute und vollkommene Gaben herab kommen / zu erlangen / ſprechet mit mir im wahren Glauben ein andaͤchtiges Vater Unſer / ꝛc.

TEXTUS.

Die Wort ſo unſer ſeeliger Herr Mit-Bruder Jhm ſelbſt zu ſeinen Leichen-Text erwehlet / und mit eigener Hand auffgezeichnet / ſind genommen aus dem Propheten Eſaia am LX. c. v. 20. und lauten zu deutſch / wie folget / alſo:

DEr HERR wird dein ewiges Liecht ſeyn / und die Tage deines Leides ſollen ein Ende haben. ()

Eingang.

Athanaſ. Kircher. in Oedip. Æ - gypt. T. II. c. 3. p. 21, 22. Zeiler. in Ep. 36. C. I. p. m. 105. ES iſt von undencklichen Zei - ten her / faſt bey allen vernuͤnfftigen Voͤl - ckern der loͤbliche Brauch gehalten und wie der fuͤrtreffliche Kircherus und andere Ge - lehrte berichten / erſtlich bey den Egyptiern und Hebræern auffkommen / und folgendszu[11]Troſt-und Freuden-Liecht. zu andern Voͤlckern gebracht worden / daß fuͤrnehme / gelehrte und ſinnreiche Leute / ſonderbahre Inſignia, Wappen oderDe Davidis annulo ſi - gnatorio ex Rabb. Abra - ham. refert. Beierl. Tom. IV. Theatr. Magni p. 323 Siegel gefuͤhret / darzu allerley nachdenckliche Bilder / merck - wuͤrdige Denck-Spruͤcke / und andere ſchoͤne Inventiones er - wehlet und gebrauchet; wie David und andere Koͤnige in Juda in ihren Siegel einen Loͤwen; Auguſtus der Roͤmiſche Mo - narch anfaͤnglich das Wunder-Thier Sphingem, nachmals ſein eigenes Bildnuͤß; Noch heutiges Tages die Roͤmiſchen Kaͤyſer einen zweykoͤpffigen Adler in ihren Wappen undDe Aqvila Imperii Ro - man. Limn. Tom. I. Juris publ. Lib. I. cap. 14. Siegel fuͤhren.

Fromme und andaͤchtige Leute Pflegen ihnen gemeiniglich ſolche nachdenckliche Symbola und Bilder zu ihren Siegeln zu erwehlen / dabey ſie etwan ihres gebrechlichen Zuſtandes und Sterbligkeit / oder anderer heilſamer Dinge erinnert werden / wie etwa der ſeel. Mann Gottes Lutherus in ſeinem Siegel / einKromaier. in Hiſt. Eccleſ. ſec. 17. p. 565. mit einen Creutz durchſtochenes Hertz in einer Roſen mit dieſem Denck-Spruch:

Der Chriſten Hertz auff Roſen geht /
Wenns mitten untern Creutze ſteht:

Simon Muſæus hat in ſeinen Siegel einen Todten -Tit. in E - xemp. p. 1569. Kopff gefuͤhret / darbey ſich allezeit ſeiner Sterbligkeit zu erin - nern. Gar ein Sinnreiches und artiges Symbolum und Leib -Joh. Jac. O - tho in Tu - gend-Weg pag. 1169. Spruch fuͤhrete der fromme und wohlloͤbliche Erneſtus, Hertzog zu Luͤneburg und Braunſchweig / welcher ihm hierzu bilden laſ - ſen / ein brennendes und ſich ſelbſt verzehrendes Liecht / mitTit. in E - xemp. p. 1125. dieſer Uberſchrifft: Aliis inſerviendo me ipſum conſumo: Jn dem ich andern diene / verzehre ich mich ſelbſten / undBeckh. in Orat. Ex - temp. pag. 2. cap. 7. qv. 2. pag. 306. muß daruͤber vergehen und verloͤſchen. Und wolte der fromme Fuͤrſt damit anzeigen / daß / in dem er die Regiments - Laſt auff den Hals trage / Land und Leute wohl zu regieren / ihreB 2Wohl -[12]Frommer Chriſten ewiges Gnaden -Wohlfahrt und Auffnehmen zu befoͤrdern / bemuͤhet ſey / er dar - uͤber ſich ſelbſt conſumire / ſeine Kraͤffte ſchwaͤche / abnehme / und daruͤber wie ein Liecht verloͤſche. Und iſt dieſes ja wol erdacht und recht geſagt: Denn was iſt doch unſer Leben anders als ein Liecht / ja was iſt der Menſch anders als ein Liecht / ſo eine weile brennet und leuchtet / aber immer abnimbt / biß es wieder verloͤ -Seneca. ſchet / wie Seneca der weiſe Heyde auch ſaget: Accendimur, ex - tingvimur, medio tempore aliqvid patimur. Dahero auchEraſm. in Chil. m. f. 566 die klugen Egyptier die alles durch ſonderbahre Bilder abgemah - let und vorgeſtellet / das Menſchliche Leben durch ein brennendes Liecht abgebildet. Und iſt dieſes gar ein gemein Bild deß Menſch - lichen Lebens / deſſen ſich viel andere / den gebrechlichen ZuſtandUrſin. in A - nal. Sacr. pag. 308. deſſelben abzubilden / bedienet / wie der gelehrte Urſinus und Bau - mannus in ihren Analectis unterſchiedliche Exempel anfuͤh - ren / auch ſchon vorlaͤngſt der kluge Heyd-und Sitten-LehrerBauman. in Anal. S. pag. 1446. Epictetus von deß Menſchen Leben ſaget und fraget: Qvid homo? Sicut lucerna in vento poſita: Was iſt der Menſch?Epict. in Al - tercat. Ha - drian. nichts anders als ein Liecht im Wind geſtellt. Wie ein Liecht das in Wind ſtehet oder getragen und ſonſten ſehr beweget / deſto mehr abnimbt / ſich eher verzehret und außloͤſchet; alſo gehets auch mit den Menſchen / wenn er von ſtarcken Winden des Creutzes und Wiederwaͤrtigkeit ſehr angeblaſſen / von vielen Sorgen / Muͤh und Arbeit allzuſehr angegriffen und beweget wird / ſo brennet und leuchtet er wol eine weile deſto heller / aber die Kraͤffte gehen deſto mehr dahin / der Lebens-Safft und Balſam wird durchs innerliche Feuer geſchwinder verzehret / und muß de - ſto eher verloͤſchen: Das alſo auch gedachter loͤbl. Hertzog zu ſeinen Liecht und Sinnbild nicht unbillich dieſen Denck-Spruch geſetzet:Aliis inſerviendo me ipſum conſumo. ()

Solches Symbolum und Denck-Spruch haͤtte gar wol und fuͤglich auch unſer wohl-ſeeliger Herr Siegel zu ſeinen Sie -gel[13]Troſt-und Freuden-Liecht. gel und Symbolo gebrauchen und fuͤhren moͤgen / welcher auch wol betrachtet und erkant / daß ſein Leben nur ein brennendes und abnehmendes Liecht ſey / und in dem Er auch andern gedienet / in - ſonderheit ſeinen lieben Eltern und Geſchwiſter / und demſelben zum beſten eine geraume Zeit das weitlaͤufftige und Muͤhſeelige Hammerwerck mit groſſer Sorgfalt und unverdroſſenen Muͤhe verwaltet / und doch darbey immer ſeiner lieben Mutter in ihrer Handlung und Haußhaltung mit Rath und That beygeſprun - gen / und manche ſaure Reiſe bey Tag und Nacht uͤber ſich ge - nommen / in dem Er andern gedienet / ſeinen Leuten und Arbei - tern Unterhalt und Nahrung zu ſchaffen / und ſein Werck in gu - ten Stand uñ Richtigkeit zu erhalten / ſorgfaͤltig und bedacht ge - weſen / daruͤber groſſe Sorg und Laſt getragen / ſo hat Er auch allmehlig ſich ſelbſten verzehret / an Kraͤfften abgenommen / biß Er zuletzt wie ein Liecht verloͤſchet / daß ſich wol auff Jhn ſchicket / was hocherwehnter Hertzog zu ſeinen Symbolo und Siegel ge - fuͤhret. Allein Herr Siegel hat zu ſeinen Siegel und Symbo - lo kein vergaͤngliches / kein ſich ſelbſt verzehrendes / kein verloͤ - ſchendes / ſondern ein immerwehrendes / ſtetsbrennendes und ewiges Liecht erwehlet / in dem Er nicht ſo wol auff dieſes fluͤch - tige und vergaͤngliche Lebens-Liecht / als auff das bevorſtehende ewige und ſeelige Himmels-Liecht geſehen und ſein Gemuͤth ge - richtet; Darumb Er auch unſere verleſene Text-Wort zum Siegel ſeines Chriſtenthumbs gebrauchet / damit ſeinen Glauben und Hoffnung verſiegelt / wann Er ſich deſſen getroͤ - ſtet / was der Prophet ſaget: Der HERR wird dein ewiges Liecht ſeyn / und die Tage deines Leides ſollen ein Ende ha - ben; Aus welchen wir fuͤr diß mal wollen anſehen und betrach - ten: Das Siegeliſche Siegel und Sinn-Bild. Das iſt / ein ſtets-leuchtendes ewiges Liecht / welches nicht allein fuͤr ſich und ſeiner Natur ſcheinet / ſondern auch uns zuB 3gut[14]Frommer Chriſten ewiges Gnaden -gut leuchtet / als das da iſt ein erleuchtendes Gnaden-und Glaubens-Liecht / ein recht leitendes Raͤiß-und Lebens - Liecht / ein erfreuendes Troſt - und Freuden-Liecht.

E.L. ermuntere Hertzen / Augen und Ohren zur Andacht / du aber O ewiges und ſelbſtaͤndiges Liecht / ſendePſ. XLIII, 3. uns dein Liecht und deine Warheit / daß ſie uns bringen zu deinen heiligen Berge / damit wir in deinen Liecht ſehenPſ. XXXVI, v. 10. das Liecht. O HErr hilff / O HErr laß wohlgelingen / Amen.

Abhandlung.

Sperling. in Phyſ. Inſt. l. 3. c. 5. p. 565. ES iſt auff der Welt wol nichts lieblichers / nichts anmuthigers noch erfreulichers als das Liecht / wel - ches faſt einer Himmliſchen Natur und Eigenſchafft / und der Goͤttlichen Natur am nechſten und aͤhnlichſten iſt / auch amEccleſ. XI, 7. allermeiſten uns befreuen und beluſtigen kan / maſſen der weiſſe Prediger ſaget: Es iſt das Liecht ſuͤſſe / und den Augen lieb -Euripid. in Iphigen. lich die Sonne zu ſehen. Mit welchen uͤbereinſtimmet Euri - pid. in Iphigen. τὸ ϕῶς τὸ οὐκ ἀνϑρώποις ἥδιςον βλέπειν, den Menſchen iſt nichts angenehmers / als das Liecht zu ſchauen. Stobæus Ser - mon. 110. Dergleichen Lob-Spruͤche mehr vom Liecht beym Stobæo zuEx Plutarch in Conv. VII. Sap. finden: Dahero jener Koͤnig in Mohren-Land / als er gefraget wurde / τὶ κάλλιςον? Was das ſchoͤnſte und beſte wehre? geant - wortet: ϕῶς, das Liecht. Wie auch die alten Griechen inHeidfeld. in Sphinge. c. 3. pag. 74. Brauch gehabt / daß wenn ein Liecht angezuͤndet und in die Stube gebracht worden / ſie darbey einen ſonderbahren WuntſchStegman. in Chriſtogn. p. 2. p. 264. gethan / und geſaget: ϕῶς ἀγαϑόν! O du liebes Liecht! Und wer ſiehet nicht gerne das Liecht des Tages? wen erfreuet undEraſm. in Chiliad. adag. lux affulſit. f. m. 566. Bauman. in Anal. Sacr. p. 1446. erqvicket nicht das Liecht der Sonnen? Darumb die Griechenes[15]Troſt-und Freuden-Liecht. es in gemein genennet ϕάος γλυκὺ, ingleichen γλυκυϑερκὲς, dasGlaſſ. in Phil Sacr. lib. 5. tr. 1. cap. 8. pag. 174. liebliche und erfreuliche Liecht.

So nun das natuͤrliche und irrdiſche Liecht / ſo lieblich / ſo anmuthig und erfreulich iſt: So wir daſſelbe ſo gerne und mitZehn. in adag. Sacr. pag. 223. groſſer Luſt anſchauen: O wie viel ſchoͤner / wie weit beſſer und herrlicher / wie viel lieblicher und erfreulicher muß denn ſeyn das ewige / ſtetsleuchtende und allerfreuende Himmels-Liecht! Wie viel lieber ſollen wir dieſes anſchauen / wenn wir es gleich nur als in einen Spiegel und dunckeln Wort ſehen koͤnnen! 1. Cor. XIII, v. 12. Wie groͤſſere Luſt und Verlangen ſollen wir tragen daſſelbige voͤllig zu ſehen und zu genieſſen. Dahin hat der ſeel. Herr Siegel ſein Gemuͤth und Hertz gerichtet / darnach iſt ſein Ver - langen geſtanden / dieſes hat Er zu ſeinen liebſten Siegel ge - brauchet / und damit ſeine Hoffnung verſiegelt / daß der HErr werde ſein ewiges Liecht ſeyn.

So ſoll auch ietzo unſere groͤſte Luſt und Freude ſeyn / dieſes ewige und Himmliſche Liecht zu ſehen; Das ſtellet uns nun zu betrachten fuͤr der Prophet in unſern Text-Worten / wenn er ſa - get: Der HErr wird dein ewiges Liecht ſeyn / und die Ta - ge deines Leides ſollen ein Ende haben.

Wenn wir Geliebte / den Text recht anſehen / ſo erſcheinet garklaͤrlich / daß in dieſen Worten / ja in dieſen gantzen Capitul der Prophet rede von den gluͤckſeeligen Zuſtand des geiſtlichenFörſt. in Comment. in Eſa. c. LX. pag. 765. Jeruſalems oder der Chriſtlichen Kirchen im Neuen Teſtament. Maſſen daſelbſt unterſchiedlich herrliche Wohlthaten erzehlet werden / die GOTT ſeiner Kirchen und den Glaͤubigen NeuesFriedl. in Theol. Exeg. fol. 825. Teſtaments erzeigen wolle / darunter iſt nicht die Geringſte / die herrliche Erleuchtung und Erfreuung / maſſen gleich im Anfang dieſes Capituls der Prophet davon weiſſaget und ſpricht: Mache dich auff / werde Liecht / denn dein Liecht kompt / und die Herrligkeit deß HERRN gehet auff uͤber. Dennſihe /[16]Frommer Chriſten ewiges Gnaden -ſihe / Finſternuͤß bedeckt das Erdreich / und Dunckel die Voͤlcker. Aber uͤber dir gehet auff der HERR / und ſeine Herrligkeit erſcheinet uͤber dir. Eben darauff vertroͤſtet er weiter in unſern Text: Der HErr wird dein ewiges Liecht ſeyn. Jedoch ſihet der Prophet hiermit auch weiter / und deutet zugleich mit an die uͤberaus groſſe Herrligkeit des HimmliſchenKromäier. in Apoc. p. 562 Jeruſalems / das keines Liechts der Sonnen oder Mondens mehr beduͤrffen wird / ſondern die Herrligkeit deß HERRNApoc. XXI, v. 23. & cap. XXII, 5. wird alles erleuchten / und das Lamb ihre Leuchte ſeyn / wie unſere Text-Worte dahin in Apoc. gezogen und gedeutet wer - den. Daraus denn klaͤrlich erſcheinet / daß dieſes Liecht kein an - ders ſey / als unſer HErr und Heyland Chriſtus Jeſus / welcherBrent. in h. l. fol. 970. iſt das warhafftige Liecht / welches erleuchtet alle Men - ſchen / ſo in dieſe Welt kommen. Von welchen auch dieſeJoh. I, 9. gantze Weiſſagung des Propheten Eſaiæ handelt und zu ver - ſtehen iſt: Der auch in H. Goͤttlicher Schrifft offt und vielfaͤl -Petrus Ga - latin. de Arc. Rel. Chriſt. l. 3. cap. 13. tig ein Liecht genennet wird. Petrus Galatinus will fuͤrgeben / daß dieſe Redens-Art von den Chaldeiſchen Dolmetſcher her - komme; denn wie derſelbe den HErrn Meſſiam ins gemein〈…〉〈…〉 das Wort / alſo pflege er auch oͤffters demſelben〈…〉〈…〉 das Liecht zu nennen. Aber wir duͤrffen dieſen Nahmen undGerhard. in Hom. Sacr. Fer. II. Nat. Hom. IV. pag. 147. Redens-Art ſo weit nicht herhohlen / ſintemal auch ſchon laͤngſt vor den Thalmud der Meßias in H. Schrifft oͤffters ein Liecht / ein Liecht der Heyden / ein ewiges Liecht heiſſet. Und iſt auch wol gewiß unſer liebſter Heyland ein rechtes und ewiges Liecht / ſo wol ratione naturæ & perſonæ, was beydes ſeine Natur undFeſſel. lib. 7. Adverſ. c. 2. pag. 135. hohe Perſon belanget / als auch ratione officii & beneficii, we - gen ſeines Ampts / und herrlichen Wohlthaten.

Seiner Natur nach iſt ja Chriſtus ein ewiges Liecht / ſinte - mal er iſt wahrer und ewiger GOTT / wie er denn in unſer Text genennet wird〈…〉〈…〉 der HERR / welches der eigentlicheNah -[17]Troſt-und Freuden-Liecht. Nahmen Gottes / ſo niemand als dem wahren ewigen und eini -Iren. l. 2. adv. gen GOtt zukoͤmmet. Nun aber iſt GOtt ein Liecht / DEUS to -Hær. cap. 16. tus lumen eſt ſchreibet Iren. Er wohnet nicht allein in einenDan. II, 22. Liecht / da niemand zukommen kan / ſondern es iſt auch bey1. Joh. I, 5. ihm eitel Liecht / und keine Verenderung noch Wechſel des1. Tim. VI, 16. Liechts und Finſternuͤß. Jac. I, 17.

Das natuͤrliche Liecht iſt ein gantz reines Ding; alſo iſtFeſſel. in Chriſt. Myſt. pag. 752. GOtt die Reinigkeit ſelber / er iſt und bleibet rein / ob erſchon gerichtet wird: Er iſt aller Schoͤne Meiſter. Das natuͤr -Pſal. LI, 6. liche Liecht iſt unter allen Coͤrperlichen Dingen das aller ſubtilſteSap. XIII, 3. und geiſtlichſte Weſen / alſo iſt auch GOtt Eſſentia Simpliciſſi -Joh. IV, 24. ma omnis compoſitionis & diviſionis expers, ein gantz un -Damaſcen. lib. 1. orthod. fid. c. 12. coͤrperliches und geiſtliches Weſen / τὸ ϑεῖον τὸ ἁπλοῦν καὶ ἀσύνϑετον ſagt Damaſcenus der alte Kirchen-Lehrer. Dahero auch die al - ten Heyden das Liecht fuͤr ein gantz goͤttliches Weſen gehalten. Ignis & lux Divinitutis Cbaldæis Symbolum fuit. Selden. de Dis Syr. Proleg. & Synt. 2. c. 8. pag. 320. Das Liecht iſt ein rechtes Wunder-Werck der Natur deſſen ei - gentliche Beſchaffenheit auch die Sinnreichſten Philoſophi nicht gnugſam erforſchen und begreiffen koͤnnen / wie der fuͤrtreff - liche Scaliger in ſeinen Exercitationibus bezeuget; Alſo iſt Gott vielmehr mit ſeiner Subſtantz und Weſen allen Menſchen / ja auch allen Engeln unerforſchlich und unbegreifflich: Weil denn unſer Heyland mit dem Vater und dem H. Geiſt wahrer GOtt iſt / ſo iſt und heiſſet er auch billich ein Liecht: Ein Liecht iſt er auchScalig. Ex - erc. 71. p. m. 259. & Ex - erc. 75. nach ſeiner Perſon / denn er iſt lumen de lumine, ein Liecht von Liecht / Gott von Gott und Vater in Ewigkeit geboh - ren: Dahero wird er auch genennet / das Hauchen der goͤtt -Sap. VII, v. 25, 26. lichen Krafft / ein Straal der Herrligkeit deß Allmaͤchtigen und ein Glantz deß ewigen Liechts: Der glantz der Herr -Ebr. I, 3. ligkeit deß Vaters und das Ebenbild ſeines Weſens /Glaſſ. in Philol. Sacr. l. 5. tr. 1. c. 8. pag. 175. ἀπ άυγασμα τῆς δόξης καὶ χαρακτὴρ τῆς[ὑποστάσεως]. Da wie die Gelehrten obſerviren / dem Vater zugeeignet wird δόξα, das iſt /CHerr -[18]Frommer Chriſten ewiges Gnaden -Herrligkeit / Klarheit und gleichſam der Urſprung deß Liechts: Der Sohn aber heiſſet ἀπάυγασμα, das iſt / der Glantz und Wiederſchein / dieweil der Vater iſt der Brunn und Urſprung deß Liechts und der Gottheit / von dem der Sohn ſein Weſen und Liecht hat durch die ewige Geburt / daß er gleichſam wieder glaͤn - tzet: Denn wie die Sonne ihre Strahlen aus ihren Weſen zeu -Pſal. II, 7. get und von ſich giebt / ſo iſt auch aus dem Liecht deß Vaters der Sohn als ein Liecht gezeuget. Wie die Sonne niemals ohne Strahlen iſt / ob ſie ſchon von ihr unterſchieden ſind / ſo moͤgen ſie doch von ihr nimmermehr getrennet werden / ſo iſt auch der Sohn vom Vater eine unterſchiedene / aber nicht geſchiedene Perſon. Joh. XIV, 10. Der Vater iſt im Sohn / und der Sohn im Vater: JchJoh. X, 30. und der Vater ſind eins / ſpricht Chriſtus Joh. X. DaheroAuguſtin. Alſted. in Paratitl. Theol. p. 256. ſagt Auguſtin. Da mihi Solem ſine luce & dabo tibi Filium ſine Patre. Wiewol nun ſolche ewige Geburt deß Sohnes Gottes / wie es damit zugehe / mit Gedancken nicht iſt zu errei - chen; iedoch haben die alten Lehrer diß hohe Geheimnuͤß etlicherBauman. in Anal. Sacr. pag. 114. maſſen zeigen wollen an dem Liecht der Welt / der Sonnen / wel - che von den Weltweiſen genennet wird: Α᾽ρχὴ καὶ ὂχημα ϕωτὸς,Walth. in Poſt. Myſti - co-Phyſ. pag. 606. der Anfang und Urſprung alles Liechts: Und vergleichen den Vater dem Corpori Solari, der Sonnen Weſen und Subſtantz: Den Sohn / dem Glantz und Straal: Den H. Geiſt der Waͤrm / als der da iſt die Liebes-Flamme zwiſchen dem VaterBeſſ. in Concept. Qvadrag. pag. 116. und dem Sohn: Und wie die Sonne nicht ohne Liecht und Straalen / auch nicht ohne Waͤrme und Wirckung / ſo iſt auch der Vater nicht ohne dem Sohn und H. Geiſt / ſondern dieſe1. Joh. V, 7. drey ſind eins. Ein Liecht iſt auch CHriſtus wegen ſeiner Menſchlichen Natur / welche in der Fuͤlle der Zeit in die Perſon deß Sohnes Gottes iſt auffgenommen: Denn wie das Liecht ein reines und ſauberes Ding iſt / und behaͤlt ſeine Reinigkeit ei - nen Weg wie den andern / wenn es ſchon an unreine und unſau -bere[19]Troſt-und Freuden-Liecht. bere Oerter ſcheinet; Alſo iſt Chriſtus allerdings rein / heiligEbr. VII, 26. und un befleckt: Ob er gleich unter die Suͤnder kommen und mit ihnen umbgangen / ſo iſt er doch dadurch nicht angeſteckt und verunreiniget worden / ſondern ſeine Heiligkeit und Reinigkeit unverſehret geblieben. Drumb ſagt der Apoſtel GOtt habe ſei -Rom. VIII, 3. nen Sohn geſand / ἐν ὁμοιώματι σαρκὸς ἁμαρτίας in geſtalt deß ſuͤndlichen Fleiſches. Anietzo geliebter Kuͤrtze willen zugeſchwei - gen die ſchoͤnen und vielfaͤltigen Vorbilde / dadurch der HErr Chriſtus als ein Liecht im Alten Teſtament abgebildet und be -Vid. Feſſel. in Chriſto Myſt. p. 754. zeichnet worden: Als durch das erſte Liecht der Schoͤpffung; durch das liechte Feuer / ſo vom Himmel uͤber die Opffer herab gefallen / durch die unterſchiedlichen Offenbahrungen im Liecht oder im Feuer / dadurch uͤberal angedeutet worden / daß der Sohn Gottes ein groſſes Liecht ſey; dahero wird er auch genennet: Ein ewiges Liecht / dieweil er von Ewigkeit her vom Vater als ein Liecht ſeiner Herrligkeit ſcheinet / und ſein Glantz nimmer verge - het. Es haben auch die alten Heyden durch ſonderbahre Kunſt / Liechter wiſſen zu zurichten / die lange Zeit gebrandt / welche ſie ge - meiniglich in die Graͤber und Grufften zu ihren verſtorbenen ge - ſetzet / inmaſſen in Hiſtorien beruffen ſind / die Lucerna oder Grab-Liecht deß Palantis, der Tulliolæ deß Ciceronis Tochter / und anderer / die viel hundert Jahr nach ihrem Tod ſind noch brennend gefunden und angetroffen worden / welche man auch ϖῦρ ἄσβεστον ein ſtets brennendes und ewiges Liecht genennet: Wie es damit zugangen / was vor materi und Mittel zu ſolchenVid. Atha - naſ. Kirch. in Oedip. Ægypt. Synt. 2. T. 3. fol. 831. gebrauchet worden / und wie ſichs mit demſelben eigentlich in der That verhalten / iſt hier anzufuͤhren / nicht Zeit und Gelegenheit. Allein wie lang auch ſolche Liechter gebrandt und gehalten / ſo ha -Panicroll. in Salmuth. de Reb. deperdit. pag. 24. ben ſie doch einen Anfang und Ende gehabt / und ſind zuletzt alleL. Joach. Feller in Diſputat. de Lucern. Subterran. cap. 2. & 3. C 2ver -[20]Frommer Chriſten ewiges Gnaden -verloſchen; zumalen wenn ſie an die freye Lufft kommen; Chri - ſtus aber iſt ein recht ewiges Liecht / das hat weder Anfang noch Ende / es hat zu keiner Zeit erſt angefangen zu ſcheinen / ſondern iſt von Ewigkeit / har / wird auch nimmer auffhoͤren / ſondern inMich. V. 1. alle Ewigkeit ſeinen Glantz und Schein behalten: Sein Auß - gang iſt vom Anfang und von Ewigkeit her.

Ein ewiges Liecht iſt er auch ratione Officii & beneficii, wegen ſeines Ampts und Wohlthaten / ſintemal er nicht allein fuͤr ſich und nach ſeinen Weſen einen Glantz und Schein von ſich giebet / ſondern auch uns Menſchen zu gut leuchtet / als der durch ſeinen Gnaden-Schein uns erleuchtet / recht fuͤhret und leitet / erqvicket und erfreuet. Darumb der Prophet ſaget: Dein Liecht / der HERR wird dein ewiges Liecht ſeyn / das iſt / dir zu gut / dir zum beſten / zu deinen Heil und Seeligkeit leuchten. Ob wol der Prophet hier das geiſtliche Jeruſalem oder die Chriſt - liche Kirche anredet; iedoch weil alle fromme Chriſten derſelben Gliedmaſſen ſeyn / ſo hat ſich ein ieder deſſen anzunehmen und zu erfreuen: So ſcheinet und leuchtet das Liecht einem ieden zu Troſt / zur Freud und Seeligkeit.

Da iſt nun freylich der HErr Chriſtus ſeiner Kirchen und einem ieden frommen Chriſten / I. Lux gratiæ mentem il - luſtrans, ein erleuchtendes Gnaden-und Glau - bens-Liecht. Gleich wie das Liecht die Finſternuͤß vertreibet / ein gantzes Gemach / wenn es noch ſo finſter / erleuchtet; alſo ver - treibet Chriſtus das wahre Liecht die Geiſtliche Finſternuͤß / er - leuchtet unſere verfinſterte Hertzen / zuͤndet bey uns an das Liecht1. Theſſ. V, 5. deß Glaubens und Erkaͤntnuͤß GOttes / und machet uns zu Kindern deß Liechts.

Von Natur ſind unſere Hertzen voll Blindheit und Fin - ſternuͤß / daß ſie nichts verſtehen von Gottes Weſen und Willen /und[21]Troſt-und Freuden-Liecht. und nicht ſehen das helle Liecht deß Evangelii von der2. Cor. IV, 4. Klarheit Chriſti: Wir haben einen gantz verfinſtertenEpheſ. IV, 18 Verſtand / welchen Tenebræ Cimmeriæ oder Aviſoniæ, ſtock dicke Finſternuͤß eingenommen: Gleich wie in Egypten eine ſolche Finſternuͤß das Land bedecket / daß kein Liecht zu ſehen war /Eſa. LX, 2. ja keines kondte angezuͤndet werden; Alſo ſaget der Prophet imLuc. I, 79. Eingang dieſes LX. cap. daraus unſer Text genommen: Fin - ſternuͤß bedecket das Erdreich / und Dunckel die Voͤlcker; Wir ſaſſen in Finſternuͤß und Schatten deß Todtes / undLuc. I, 70. ſolten in die euſerſte Fnſternuͤß verſtoſſen werden; Aber ſiehe / ſoEſa. LX, 2. iſt uns wieder erſchienen der Auffgang aus der Hoͤhe: Es iſt der HERR uͤber uns auffgangen / und ſeine Herꝛligkeit uͤber uns erſchienen / und hat dieſe Finſternuͤß vertrieben / und uns wiederumb erleuchtet / wie die Chriſtliche Kirche ſinget:

Das ewige Liecht geht da herein /
Giebt der Welt ein neuen Schein.
Es leucht wol mitten in der Nacht
Und uns deß Liechtes Kinder macht.

Zwar unſere erſten Eltern waren auch ein Liecht in dem HErrn / als die zum Ebenbild GOttes erſchaffen waren: Gott aber iſt ein Liecht. So leuchtete ihnen in ihren Verſtand das Liecht goͤttlicher Weißheit / in ihrem Willen brandte das Feuer der goͤttlichen Liebe / ſie empfunden das erfreuliche Liecht der goͤtt - lichen Gnaden / ſie lebeten im heiligen Liecht der Gerechtigkeit / ſie erfreueten ſich deß Liechts der ewigen Herrligkeit: Allein durch den ſchaͤndlichen Abfall von GOtt / der da iſt das ewige und we - ſentliche Liecht / haben ſie alles ſolches Liecht verlohren / und ſind mit allen ihren Nachkommen in die dicke Finſternuͤß der Unwiſ - ſenheit / in die ſchaͤndliche Finſternuͤß der Ungerechtigkeit / in die traurige Finſternuͤß deß Creutzes und Elendes / in die erſchreck -C 3liche[22]Frommer Chriſten ewiges Gnaden -liche Finſternuͤß der Hoͤllen gerathen. Solte demnach uns wie - der gerathen und geholffen werden / ſo muſte das ewige / weſent - liche / ſelbſtaͤndige Liecht uns wieder auffgehen / das iſt / ChriſtusJoh. I, 9. der da iſt das warhafftige Liecht / ſo da erleuchtet alle / die in dieſe Welt kommen:

Der durch ſeinen Gnaden-Glantz /
Erleuchtet unſre Hertzen gantz /
Die Suͤnden Nacht iſt vergangen.

Gleich wie er anfaͤnglich das Liecht der Welt erſchaffen / da er geſprochen: Fiat lux, ſo ſchaffet er auch noch in uns das Liecht ſeiner Erkaͤntnuͤß / das Liecht deß Glaubens / das Liecht der Seeligkeit / wie der Apoſtel ſagt 2. Cor. IV, 6. GOtt der da2. Cor. IV, 6. hieß das Liecht aus der Finſternuͤß herfuͤr leuchten / der hat einen hellen Schein in unſere Hertzen gegeben / daß durch uns entſtuͤnde die Erleuchtung von der Erkaͤntnuͤß der Klarheit GOttes in dem Angeſicht Jeſu Chriſti. Die Sonne iſt wol auch ein Liecht / ja das Aug der Welt / ſo der gan - tzen Welt leuchtet: Mond und Sterne ſind auch ein Liecht / dieweil ſie die Finſternuͤß der Nacht erleuchten: Die Menſchli - che Vernunfft iſt auch ein Liecht / denn durch dieſelbe gelangen wir zur Erkaͤntnuͤß der Warheit; Aber keines das rechte und warhafftige Liecht. Allein Chriſtus iſt das rechte / warhafftige / ewige / ſelbſtaͤndige Liecht. Ein Selbſt-Liecht / aus welchen alle andere Liechter angezuͤndet ſind. Was nicht von ChriſtoD. Heinr. Müller. in Cat. Ep. fol. 538. angezuͤndet / iſt kein warhafftiges / ſondern ein verfuͤhriſches Irr - Liecht. Diß Liecht kan alle Menſchen erleuchten / diß Liecht will alle Menſchen erleuchtetn / und ohne dieſes Liecht wird kein Menſch erleuchtet: Denn ob gleich von ihm nicht alle Men - ſchen / wegen ſelbſt eigener Verſtockung nicht erleuchtet wer - den / ſo koͤmpt doch von ihm die Erleuchtung / und das / ver -mittelſt[23]Troſt-und Freuden-Liecht. mittelſt ſeines Worts nnd der hochwuͤrdigen Sacramenten: Durchs Wort erleuchtet er die Finſternuͤß unſers Verſtands und wird unſere Weißheit / daß wir in ihm GOTT und alles Gute heilſamlich erkennen / erwaͤrmet unſern Willen / macht ihn ſuͤſſe / mirb / mild / weich und flieſſend / daß er ſich durch Liebe in gute Werck ergeußt / wie ein Wachs am Feuer zerrinnet: Er zuͤndet das Gemuͤth an / wirfft liechte Flammen ins Hertz / ſchaf - fet dringende feurige Bewegung / daß wir offt mit den Juͤngern die nach Emauß giengen aus der Erfahrung ſagen koͤnnen: Brandte nicht unſer Hertz in uns / da er mit uns redete. Luc. XXIV, v. 32. Dahero heiſſet ſein Wort ein Liecht / das da ſcheinet in einem dunckeln Ort / biß der Tag anbreche / und der Morgen -2. Pet. I, 19. ſtern auffgehe in unſern Hertzen. Jn der H. Tauffe erleuch - tet er uns durch ſeines Geiſtes Krafft / und zuͤndet in uns an wahren Glauben / darumb auch die H. Tauffe von den alten ge -Selnec. in Pæd. Chriſt. part. 2. p. 608. nennet wird ϕωτισμὸς, eine Erleuchtung. Jm H. Abendmal koͤmpt diß Liecht ſelber zu uns und in uns / wo aber das Liecht iſt / da iſt Erleuchtung. Gleich wie / wenn die Sonne auffgehet / es immer ie laͤnger / ie liechter und heller wird; Alſo wenn Chriſtus das ewige Liecht / die Sonne der Gerechtigkeit einmal bey uns auffgangen / ſo wird es nach und nach immer heller in unſeren Seelen. Auff einmal wird die Seele nicht voͤllig erleuchtet und angezuͤndet / die Gnade hat ihre Stuffen / das Liecht ſein Zu - nehmen. Jn der Tauffe koͤmt er zu uns / im Wort gehet er auff uͤber uns / im Abendmal erſcheinet er uns. Diß ſind die Grad unſerer Erleuchtung: Kommen / gehen / erſcheinen / wollen / wer - den / ſeyn. Immer weiter / immer hoͤher / biß das Liecht uns im vollen Schein leuchtet: Davon ſagt der Apoſtel: Jhr waretEpheſ. V, 8. weyland Finſternuͤß / nun aber ſeyd ihr ein Liecht in dem HErrn. Diß haben wir nun billich mit ſchuldigen Danck zu erkennen. Ach! es iſt ein elend Ding / wann einer immer in ſin -ſtern[24]Frommer Chriſten ewiges Gnaden -ſtern tappen muß / der kan leicht irren und fallen; darumb wir billich fuͤr eine hohe Gnade Gottes halten ſollen / daß diß ewige Liecht uns auffgangen / und unſere Finſternuͤß liecht machet.

Erkennen wir doch das leibliche Liecht fuͤr eine groſſe Ga - be Gottes / in dem uns daſſelbe dienet zu verrichtung unſerer Ge - ſchaͤffte: Alles was in der Natur und Creatur / freuet ſich / wenn die Sonne auffgehet: Da ſtimmen die Wald-Voͤgelein ihre Lieder an / und dancken dem Schoͤpffer / daß er das Liecht aus der Finſternuͤßwieder herfuͤr bracht; wie ſolten denn wir Men - ſchen nicht erkennen die hohe Gnade deß ſeeligen Himmels - Liechts? Zumalen es uns nicht nur hier zeitlich leuchtet / ſondern auch zum ewigen Liecht uns erleuchtet.

1. Pet. II, 9. So verkuͤndiget nun die Tugend deß der uns beruf -Col. I, 12. fen hat zu ſeinen wunderbahren Liecht: Danck ſaget dem Vater / der uns tuͤchtig gemacht hat zu dem Erbtheil der Heiligen im Liecht / ermahne ich billich mit dem Apoſtel. Wol - len wir aber dieſes Liecht auch ſeeliglich genießen / ſo muͤſſen wir auch unſere Augen und Hertzen auffthun / und es mit wahren Glauben willig annehmen. Wer alle Fenſter und Thuͤren ſei - nes Gemachs verſchleuſt / oder ſeine Augen umbhuͤllet und ver - bindet / der kan auch beym hellen Mittag das Liecht der Soñen nicht ſehen / es iſt und bleibet finſter umb ihn; Alſo wo dieſem Liecht Thuͤr und Thor unſers Hertzens durch Unglauben ver - ſperret werden / wo die Augen mit uͤbermaͤßiger Liebe des Irrdi - ſchen verhuͤllet / angefuͤllet und verblendet ſind / da kan auch die - ſes Liecht nicht erleuchten. Drumb ſagt der HERR ſelbſt /Joh. XII, v. 35, 36. Joh. XII: Jch bin kom̃en in die Welt ein Liecht / auff daß /Epheſ. V, 9. wer an mich glaͤubet / nicht im Finſtern bleibe. GlaubetPhilip. II, 11. an das Liecht / dieweil ihrs habt / auff das ihr des Liechtes Kinder ſeyd. Sind wir aber Kinder des Liechts / ſo ſollen wir auch wandeln als Kinder des Liechts / ſcheinen alsLiech -[25]Troſt-und Freuden-Liecht. Liechter in der Welt / auch unſer Liecht ſcheinen laſſen fuͤrMatth. V, 1[6]. den Menſchen / und keine Gemeinſchafft haben mit denEpheſ. V, 11. unfruchtbaren Wercken der Finſternuͤß. Plinius geden -Plin. lib. 35. H. N. cap. 10. cket eines Steins von ſonderbahrer Eigenſchafft / welcher / wenn er einmal entzuͤndet / ſtets brennet und nicht verloͤſchet; So ſol - len auch unſere Hertzen geartet ſeyn; wann die von dieſem Liecht erleuchtet und erhitzet ſind / ſollen ſie immer von Liecht und Liebe leuchten und brennen / daß auch viel Stroͤme deß Creutzes und Anfechtung ſie nicht ausloͤſchen moͤgen. Allein viel wollen die - ſe Gnade nicht erkennen / diß Liecht nicht annehmen / noch ſich deſſen freuen / verſchlieſſen durch Unglauben / Verachtung deß Goͤttlichen Worts und hochwuͤrdigen Sacramenta / und ande - re Suͤnden / dieſen Liecht ihre Augen und Hertzen / daß es nicht hindurch dringen und ſie erleuchten kan. Viel / die wollen wol Erleuchtete heiſſen / lieben doch die Finſternuͤß mehr als das Liecht / wie der HErr ſelber druͤber klaget / Joh. III. Das LiechtJoh. III. 20. iſt in die Welt kommen / aber die Menſchen liebeten die Finſternuͤß mehr denn das Liecht. Wer Arges thut / der haſſet das Liecht / und koͤmbt nicht an das Liecht / auff daß ſeine Wercke nicht geſtrafft werden. Das ſind rechte Fleder - maͤuſſe / die nicht bey Tag / ſondern nur bey Nacht außfliegen / das Liecht ſcheuen: Wie die Fledermaͤuſſe zwar Vogel zu ſeyn ſcheinen / aber doch mehr unter die Maͤuß als Voͤgel zu rechnen ſind / ſo wollen dieſe zwar fuͤr gute Chriſten auch gehalten ſeyn / ſie haben aber nur den Schein eines Gottſeeligen Lebens /2. Tim. III, 5. aber ſeine Krafft verleugnen ſie: Sie ſchleichen / fliegen und mauſſen lieber in finſtern; Fromme Chriſten aber / als Kinder des Liechts / lieben fuͤr allen das Liecht / halten ſich zum Liecht Chriſto Jeſu / und wandeln in ſeinen Liecht.

Demnach / lieber Chriſt / ſoll Chriſtus auch dein ewiges Liecht ſeyn / ſo muſtu ihn mit wahren Glauben empfangen;Dohne[26]Frommer Chriſten ewiges Gnaden -ohne Glauben iſt dir Chriſtus nichts nuͤtze. Glauben und Chri - ſtus gehoͤren zuſammen / wie Aug und Sonne / Hand und Ga - be. So muß er auch in dir andern ein Liecht werden / und durch gute Wercke leuchten. Jſt JEſus dein / ſo iſt er in dir; Denn durch den Glauben / durch welchen er dein wird / wohnet er in dei - nen Hertzen; Jſt er in dir / ſo muß er aus dir herfuͤr leuchten / in allen deinen Worten / Gebehrden / Thun und laſſen / muß man JEſum ſehen. Du ſprichſt: Jch hab ihn warhafftig im Her - tzen; mein beweiß es. Was du beginneſt / iſt eitel Finſternuͤß und Suͤnde: Gehet auch Finſternuͤß aus der Sonnen? Jſt auch ein Liecht ohne Glantz? Ach! treug dich ſelbſt nicht. Wo JEſus iſt / da muß er leuchten / nicht Finſternuͤß machen / ſondern vertreiben:Rom. XIII, v. 12. Da muß man ablegen die Wercke der Finſternuͤß / und an - legen die Waffen deß Liechts.

So iſt auch unſerm ſeel. Herrn Mit-Bruder / Chriſtus ein ſolches Liecht geweſen: Denn ob zwar von Natur Ihn auch Finſternuͤß bedecket / ſo hat doch dieſes Liecht Jhm helle geſchie - nen / in der H. Tauffe Jhn erleuchtet / und das Liecht des wah - ren Glaubens in Jhm angezuͤndet: Solches Liecht iſt bey Jhm ie mehr und mehr auffgangen / durch das helle Liecht deß Goͤtt - lichen Worts und heilſamen Gebrauch der hochwuͤrdigen Sa - cramenten / durch ſorgfaͤltige Unterweiſſung und fleißige Ubung in ſeinem Chriſtenthumb. Dieſes hat Er auch mit ſchuldigen Danck erkennet / und ſeinem GOtt von Hertzen gedancket / daß er Jhn von Chriſtlichen Eltern laſſen gebohren werden / durch ſeine Gnade erleuchtet und zu ſeiner Erkaͤntnuͤß gebracht. Da - hero Er auch ſolch Liecht mit wahren Glauben in ſein Hertz ge - faſſet / daſſelbe durch das Liecht guter Wercke herfuͤr ſcheinen laſ - ſen / und als ein Kind deß Liechts zu wandeln / und auffrichtig zu handeln / ſich befliſſen.

Jener[27]Troſt-und Freuden-Liecht.

Jener bey dem Paradino fuͤhrte zu ſeinen Sinn-Bild denStegman. in Chriſtogn. p. 2. f. 272. Mond bey der Sonnen im vollen Liecht / mit dieſer Uberſchrifft: Simul & ſemper. Anzudeuten / daß / nach dem er von der Son - nen der Gerechtigkeit einmal erleuchtet / zur ſelben ſich ſtets halte / und wiederumb wie der Mond ſein Liecht andern leuchten laſſe. Das haͤtte auch wol unſer ſeel. Herr Siegel fuͤglich zu ſeinen Sinn-Bild und Siegel brauchen moͤgen: Welcher / nach dem er durch das Liecht der Gnaden-Sonnen erleuchtet / auch wieder - umb ſein Liecht ſcheinen laſſen / und mit ſolchen Liecht / Simul & ſemper, einmal und allemal vereiniget zu ſeyn gewuͤntſchet: Wie Er denn diß ſein Siegel ſeyn laſſen: Der HERR wird dein ewiges Liecht ſeyn.

Es iſt auch dieſes Liecht / II. Lux vitæ viam com - monſtrans, ein recht leitendes Raͤiß-und Lebens - Liecht. Gleich wie das Liecht einem fuͤrleuchtet / in der Finſter - nuͤß den Weg zeiget / damit er nicht anſtoſſe / falle oder Schaden nehme; Alſo zeiget uns Chriſtus den Weg den wir wan -Pſ. XXXII, 8 deln ſollen: Er richtet unſere Fuͤſſe auff den Weg deß Frie -Luc. I, 79. des: Behuͤtet uns fuͤr den Fall / daß wir nicht zu ſchadenPſ. XXVI, 1. kommen. Hier wandeln wir in einen finſtern Thal / da wirPſ. XXXVII. v. 24. leicht uns verirren / anſtoſſen und fallen koͤnnen: Wir wiſſen weder Weg noch Steg zum ewigen Vaterland / koͤnnen gar leicht auff Ab-und Irrwege gerathen / es giebt allerhand Jrrwiſche / die uns verleiten und verfuͤhren koͤnnen; Aber ſo leuchtet uns Chri - ſtus fuͤr / und leitet unſere Fuͤſſe auff den rechten ſichern Weg: Er thut uns kund den Weg zum Leben:Pſ. XVI, 11.

Er leuchtet uns vom Vater her /
Und iſt deß Liechtes Prediger.

Weiſſet uns auff die richtige Bahn und ſaget: Diß iſtD 2der[28]Frommer Chriſten ewiges Gnaden -Eſa. XXX, 21der Weg / denſelbigen gehet / ſonſt weder zur Rechten nochJoh. XIV, 6. zur Lincken / Eſa. XXX. Jch bin der Weg / die Warheit undPſal. CXIX, v. 105. das Leben: Sein Wort iſt auch unſerer Fuͤſſe Leuchte / und2. Pet. I, 19. ein Liecht auff unſern Wege: Ein Liecht an einem dun -Gol. VI, 16. ckeln Ort / wer recht achtung giebet / der thut wohl daran; Denn wie viel nach dieſer Regul einher gehen / uͤber die ſey Friede und Barmhertzigkeit / wie die Chriſtliche Kirche auch ſinget:

Mein’n Fuͤſſen iſt dein heiligs Wort
Ein brennende Lucerne /
Ein Liecht daß mir den Weg weiſt fort /
So dieſer Morgen-Sterne
Jn uns auffgeht /
So bald verſteht
Der Menſch die hohen Gaben /
Die Gottes Geiſt
Den’n gwiß verheiſt /
Die Hoffnung darein haben.

Als die Kinder Jſrael / in der unwegſamen Arabiſchen Wuͤſten wanderten / und keinen Weg wuſten / wo ſie hinaus ſol - ten / ſo leuchtete ihnen Chriſtus fuͤr / deß Tages in einer Wolcken - deß Nachts in einer Feuer-Seulen / als ein brennendes und hel - leuchtendes Liecht / und wieß ihnen den Weg: So wandeln wir hier in dieſer Welt / als in einer Wuͤſten / da wir fuͤr uns ſelber den rechten Weg nicht treffen und finden koͤnnen; Aber ſo leuchtet uns diß ewige / unendliche und ſelbſtaͤndige Liecht vor / und leitet uns auff den rechten Weg zum Leben. Darumb muͤſſen wir nach ſolchen uns richten / demſelben willig folgen / damit wir moͤ -gen[29]Troſt-und Freuden-Liecht. gen im Liecht deß HErrn wandeln / wie der HErr ſich ſelbſtEſa. II, 5. vernehmen laͤſſet / Joh. VIII. Jch bin das Liecht der Welt / wer mir nachfolget / der wird nicht wandeln im Finſter -Joh. VIII, 12. nuͤß / ſondern wird das Liecht deß Lebens haben.

Gleich wie es nicht tauget / wenn einer in der finſtern Nacht / in einem dicken ungeheuren Wald ſich verirret hat / und aber ihm von ferne ein Liecht gezeiget wird / dadurch er den rechten Weg wieder finden kan / daß er ſolches Liecht bloß alleine anſiehet / ſon - dern er muß deſſelben Straal und Schein nachgehen / will er anders wieder zu recht kommen: Alſo iſts auch nicht genug / daß wir in dieſer finſtern Welt wiſſen und erkennen / daß er uns aus den finſtern Thal heraus fuͤhren wolle / ſondern wir muͤſſen auch ſeinen Glantz nachgehen / und ihm auch auff den Weg unſeres Lebens nachfolgen / wenn wir anders hier ſein Gnaden-und dort ſein Freuden-Liecht wircklich genieſſen wollen. Es leuchtet uns dieſes ewige Liecht nicht allein in unſern Leben / und zeiget uns den rechten Weg und Steg zum ewigen Leben; ſondern auch in dem Tode: Da iſt es uns ein recht leitendes Raͤiſe - Liecht. Wir muͤſſen da eine beſchwerliche und gefaͤhrliche Raͤi - ſe thun / durch das finſtere Todtes-Thal wandern / da es allent - halben umb uns finſter wird: Wir muͤſſen hingehen in dasJob. X, 21, 22. Land der Finſternuͤß und deß Dunckels / ins Land / da esLuc. I, 79. ſtock dick finſter iſt; Aber da erſcheinet dieſes Liecht denen die da ſitzen in Finſternuͤß und Schatten deß Todtes / er - leuchtet und erfuͤllet ſie mit ſeiner Gnade / Troſt / Fried und Freud / daß ſie ein froͤliches Gewiſſen bekommen / fuͤr Suͤnd und Teuffel nicht erſchrecken / fuͤr dem zeitlichen und ewigen Todt ſich nicht fuͤrchten / ſondern mit Fried und Freud von hinnen fah - ren / und alſo ohne Anſtoß und Jrrung freudig und getroſt zum ſeeligen Himmels-Liecht wandern / und der Hoͤlliſchen Finſter - nuͤß entfliehen koͤnnen. Gleich wie Bergleute / wenn ſie in dieD 3Grube[30]Frommer Chriſten ewiges Gnaden -Grube fahren wollen / ein Liecht mit ſich haben muͤſſen / damit ſie ſich beſehen / und ohne Schaden ein-und ausfahren koͤnnen; Alſo wenn fromme Chriſten in die finſtere Todten-Grub und Grabes-Schacht fahren ſollen / muͤſſen ſie dieſes ewige Liecht mit wahren Glauben ergreiffen / ſo koͤnnen ſie getroſt und ſicher ein - fahren / und dermal einſt zum Himmliſchen Tage-Liecht gluͤcklich wieder außfahren. Jm Babſtthumb pfleget man den Sterben - den geweihete Liechter oder Kertzen in die Haͤnde zu geben / und darbey zu ſagen:

Nimb hin das Liecht in deine Hand
Und fahr damit ins Vater-Land.

Jſt lauter Kinder-und Lappen-Werck / von den blinden Heyden entlehnet: Wer Jeſum in ſeine Glaubens-Hand nimmet / der wird beſſer fahren / nicht im Tode entſchlaffen / ſondern zum ewi - gen Liecht hinwandern: Der HERR wird ſein ewiges Liecht ſeyn.

Zu ſolchen Liecht hat ſich im Leben und Sterben fleißig auch gehalten / unſer wohl-ſeeliger Herr Mit-Bruder. Wie Er in ſeinen Leben Chriſto als dem rechten Liecht nach gefolget / und auff den Wegen deß Herrn als ein Kind des Liechts gewan - delt: So hat Er auch beſonders in ſeinem Todte diß Liecht mit wahren Glauben ergriffen und feſt gehalten / ſich deſſen von Hertzen getroͤſtet / dadurch auch alſo erleuchtet / und mit Liecht und Troſt erfuͤllet worden / daß Er auch in der Todtes-Finſter - nuͤß einen Blick ins ſeelige Himmels-Liecht gethan / darauff ge - troſt und froͤlich dahin gefahren / damit ſeinen Glauben und Hoffnung / ja ſein Leben verſiegelt / daß der HERR werde ſein ewiges Liecht ſeyn.

Dieſes Liecht iſt auch III. Lux lætitiæ cor confor - tans, ein Hertz-erqvickendes Troſt-und Freuden -Liecht /[31]Troſt-und Freuden-Liecht. Liecht. Gleich wie das Liecht erfreuet / ergoͤtzet und die Trau -Eraſm. in Chiliad. fol. 565. rigkeit vertreibet; Alſo vertreibet Chriſtus die Traurigkeit deß Hertzens / und machet daſſelbe froͤlich. Das Liecht iſt zu ieder - zeit fuͤr ein Symbolum oder Zeichen der Gluͤckſeeligkeit undGlaſſ. in Philol. Sacr. l. 5. tr. 1. c. 10. pag. 229. Freuden gehalten worden: Dahero bey den Griechen und La - teinern die Art zu reden kommen: Lux affulſit, es gehet wohl und gluͤcklich / es ſtehet hoͤfflich / maſſen auch in der H. Schrifft durchs Liecht / Wohlſtand / Gluͤckſeeligkeit / Huͤlffe / Troſt / Heil / Fried /Feſſel. lib. 7. Adverſ. c. 2. pag. 243. Freud und Seeligkeit angedeutet wird: Als wenn Hiob ſaget: Das Liecht wird auff deinem Wege ſcheinen / das iſt / Gluͤck /Job. XXII, v. 28. Seegen / Wohlfarth und alles Gutes / wird ihm auff den Wege deß Lebens begegnen / es wird dir alles dein Thun uñ Fuͤrnehmẽ gluͤcklich von ſtatten gehen: So ſagt auch Micha der Prophet: Der HERR wird mich ans Liecht bringen / daß ich meineMich. VII, 9. Luſt an ſeiner Gnade ſehe / das iſt / er wird mich aus aller Noth und Gefahr erretten / mit ſeiner Gnad und Huͤlffe wiederumb erfreuen. Wenn demnach in unſern Text geſagt wird: Daß der HErr den Glaͤubigen werde ein ewiges Liecht ſeyn / wird da - durch angedeutet / daß er die Seinen nach außgeſtandenen E - lend / mit ſeiner Gnad / Troſt und Huͤlff wolle erfreuen / ihnen wieder Gluͤck und Heil / Fried und Freud / Wohlfarth und See - ligkeit wiederfahren laſſen.

Wann einer immer in Finſternuͤß ſtecket / der des Tages - Liecht nimmer ſehen kan / der hat wol wenig Freud und Ergoͤtz - ligkeit: Was ſoll ich fuͤr Freude haben / ſagt der alte Tobias / der ich im Finſtern ſitzen muß / und das Liecht deß Him - mels nicht ſehen kan? Wenn einer deß Nachts im finſtern Wald verirret / und ſich fuͤr Geſpenſtern / Wilden Thieren und Moͤrdern fuͤrchten muß / O wie froh wird er / wenn er nur ein Liecht ſiehet / oder wenn es Taget und liecht wird; Alſo iſt ohne und auſſer Chriſto eitel Gefahr / Schrecken / Angſt / Noth undHertze -[32]Frommer Chriſten ewiges Gnaden -Hertzeleid. Denn wie kan die Seele froh ſeyn / die durch Chri - ſtum nicht erleuchtet / in lauter ſtock dicker Finſternuͤß erſchrecken und ſich fuͤrchten muß: Jn Chriſto aber und

Von ihm / koͤmbt uns ein Freuden-Schein /
Wenn er mit ſeinen Aeugelein /
Uns freundlich thut anblicken:

Rom. XIV, v. 17. Da iſt Gerechtigkeit und Seeligkeit / Fried und Freud in dem H. Geiſt.

Die Welt bildet ihr wol auch Freude ein / da freuen ſich manche in ihrer Augen-Luſt / Fleiſches-Luſt und hoffertigen Le -Job. XXXI, v. 24. ben / da troͤſten ſich manche ihres groſſen Guts / und ſagen zum Goldklumpen: Du biſt mein Troſt; Aber das iſt nicht eine wahre Freud / ſie ruͤhret das Hertz nicht / bringt kein Vergnuͤgen / und vergehet mit der Zeit. Die wahre und beſtaͤndige Freude ge - het denn bey uns recht an / wenn uns in Chriſto der Him̃el auff - gehet / und wir in ſeinem Liecht ſehen / was wir in ihm fuͤr Troſt und Freud / fuͤr Reichthumb und Herrligkeit / fuͤr Wohlfarth und Seeligkeit haben. Bey ihm allein nun muͤſſen wir Troſt und Huͤlffe / Fried und Freud / Heil und Seeligkeit ſuchen. Wer bey der Welt das ſuchet / der wird betrogen / er ſuchet Liecht im Fin - ſternuͤß: Oder wer neben und bey Chriſto Freude ſuchet in Crea - turen; iſt gleich dem / welcher der Sonnen ein Liecht will zutra - gen / oder den hellen Mittag durch ein Kertzlein erleuchten. JE -Pſ. XXVII, 1. SUS allein kan uns gnugſam erfreuen: Er iſt unſer LiechtExod. X, 23. und Heil.

Da im gantzen Egypten eine eitel ſchreckliche Finſternuͤß / und nichts als Furcht und Zagen war / hatten die Jſraeliten im Laͤndlein Goſen lauter Liecht; Alſo iſt JESUS der Seinigen Troſt-und Freuden-Liecht / wenn ſonſt alle Welt im Argen liegt: Wo er mit ſeiner Guͤte erkandt wird / oder mit ſeinen Troſt undHuͤlff[33]Troſt-und Freuden-Liecht. Huͤlff erſcheinet / da gehet Troſt und Freude auff / da muß alles Trauren und Hertzeleid verſchwinden. Drumb ſetzet der Pro - phet in unſern Text darzu: Die Tage deines Leides ſollen ein Ende haben. Das geſchiehet nun theils hier in dieſem Le - ben / wenn den Frommen in Finſternuͤß das Liecht auffgehet / in Creutz und Truͤbſal / Anfechtung uud Verfolgung der HERR mit ſeiner Gnade und Huͤlffe erſcheinet / ſie wieder erqvicket und erfreuet: Zum Theil aber und recht voͤllig in jenen Leben / da die - ſes Liecht in vollen Schein wird auffgehen und ewig leuchten.

Hier ſind ſo unſere Tage nichts als Tage deß Leids / das gehet bald mit unſern Leben an: Weinen iſt unſere erſteSap. VII, 3. Stimme / es wehret durch unſer gantzes Leben / daß es wol recht heiſſet / nach dem gemeinen Sprichwort: βίος οὔ βίος αλλὰ συμφορὰ: Dieſes Leben iſt nicht ein Leben / ſondern nur in Un - gluͤck ſchweben. Da muß freylich ein ieder vielerley Leid inPſ. XXXIX, v. 3. ſich freſſen: Hoͤret ja ie zuweilen ein Leid auff / ſo koͤmbt nachProv. XIV, v. 13. der Freud bald wieder Leid / es folget immer ein Leid auff das andere / wie im Meer eine Welle auff die andere: Unius mali finis paraſceve eſt alterius, eines Ungluͤcks Ende und Auß - gang / iſt ſchon wieder deß andern Anfang; Alſo daß alle unſere Tage nichts als Tage deß Leides ſind / und wir mit Jacob be -Gen. XLVII, v. 9. kennen muͤſſen: Wenig und boͤſe iſt die Zeit unſers Lebens: Unſer Leben / wenn es auch am koͤſtlichſten iſt / ſo iſt esPſal. XC, 11. labor & dolor, Arbeit und Leid. Allein mit dem Ende deß Le - bens / nehmen die Tage unſers Leides ein Ende: Wenn das Le - bens-Liecht außgehet / gehet uns das rechte Freuden-Liecht auff;Apoc. XXI, 4 da wird alles Leid ein Ende haben / da wird GOtt die Thraͤ - nen von unſern Augen abwiſchen / und der Tod wird nicht mehr ſeyn / noch Leid noch Geſchrey / noch Schmertzen wirdEſa. LI, 11. mehr ſeyn: Ewige Freude wird uͤber unſern Haupt ſeyn / Freude und Wonne werden ſie ergreiffen / aber TraurenEund[34]Frommer Chriſten ewiges Gnaden -Joh. XVI, 20Saͤuffzen wird von ihnen fliehen: Da wird alles Leid und Traurigkeit in Freude verkehret werden. Maſſen in EbraͤiſchenScher. in in Itin. Pſal. pag. 879. ſtehet das Woͤrtlein〈…〉〈…〉 heiſſet nicht allein vollenden oder zu Ende kommen / ſondern auch proſperitate frui, aller Gluͤckſee - ligkeit genieſſen / item, rependere, retribuere, compenſare,Dn. D. Geier. in Pſ. L, 14. v. p. 1014. & in Pſ. XCI, 8. v. pag. 278. wieder erſtatten / erſetzen / vergelten: Und wird damit angedeutet / daß nicht allein die Tage deß Leides werden ein Ende haben / al - les Jammer und Ungluͤck / Elend und Hertzeleid gantz auffhoͤ - ren; ſondern auch alles ausgeſtandene Leid werde reichlich erſe - tzet / und die Kinder Gottes dagegen ergoͤtzet und getroͤſtet wer - den / lauter Freud und Seeligkeit zugenieſſen haben: Denn2. Cor. IV, v. 17, 18. dieſe Truͤbſaal / die zeitlich und leicht iſt / ſchaffet eine ewige und uͤber alle maſſe wichtige Herrligkeit / uns / die wir nicht ſehen auff das Sichtbare / ſondern auff das Unſicht - bare. Denn was ſichtbar iſt / das iſt zeitlich / was aber un - ſichtbar iſt / das iſt Ewig. Denn der HErr ſelbſten wird das ewige Liecht ſeyn: Maſſen denn der Prophet hiermit auch fuͤrnemlich ſiehet auff der glaͤubigen Kinder Gottes ewige Herr -Glaſſ. Philol. Sacr. ligkeit uñ Seeligkeit / dahin auch unſer Text Apoc. XXI. & XXII. gedeutet wird. O was wird da fuͤr Freud und Seeligkeit ſeyn. Wenn die Herrligkeit GOttes uns wird erleuchten / und das Lamb ſelbſt wird die Leuchte ſeyn: Da wirds Liecht ſeyn uͤber uns: Wenn wir das ewige / weſentliche / ſelbſtaͤndige Liecht ſelbſt ſehen werden wie er iſt: Liecht neben uns / weil die helleuchtende Geſellſchafft aller Engel Gottes und Auſſerwehlten / mit lauter Klarheit uns beywohnen wird: Liecht in uns und an uns / wann die Seele vom Verſtand und Weißheit / der Leib von KlarheitDan. XII, 3. glaͤntzen wird / da wir leuchten werden / wie deß HimmelsEx Spond. Beck. Art. Ort. p. 2. c. 7. qv. 2. p. 304. Glantz / und wie die Sternen immer und ewiglich.

Wer wolte nicht auff ſolches Liecht ſich freuen / darnach wuͤntſchen und verlangen? Ferdinandus Koͤnig in Caſtilien /als[35]Troſt-und Freuden-Liecht. als er merckete / daß ſeines Lebens Ende herbey nahete / ging in die Kirche / legte vor den Altar Cron und Scepter nieder und ſagte: Colloca me DEUS in æterna luce, mein Gott bring mich doch einmal zum ewigen Liecht. Das iſt billich auch eines ieden from - men Chriſtẽ Wuntſch; umb deß Willen begiebt er ſich williglich auch alles Jrrdiſchen und Zeitlichen / nur daß er zum Himmli - ſchen Liecht gelangen moͤge. Zu ſolchen Liecht aber kommen wir durch den Todt. Wer dieſes Liecht will ſehen und ſeeliglich ge - nieſſen / muß erſt durch das finſtere Todtes-Thal gehen. Wer ſolte und wolte nun den Todt ſo groß ſcheuen und fuͤrch - ten? Wann einer in einen tieffen und finſtern Gefaͤngnuͤß lege / da ihm weder Sonn noch Mond beſcheinen koͤnte / wuͤrde der nicht wuͤntſchen wieder heraus ans Tage-Liecht zu kommen? Wuͤrde er nicht mit Willen und Freuden herfuͤr gehen? wenn er gleich durch die finſterſten Loͤcher / durch die engſten Thuͤren / durch die beſchwerlichſten und gefaͤhrlichſten Oerter gehen und kriechen muͤſte. Was iſt dieſe Welt anders / als ein heßliches Gefaͤng - nuͤß? da wir in groſſer Gefahr / in euſerſter Angſt / in garſtigen Geſtanck / in ſtock-dicker Finſternuͤß ſitzen: Was iſt unſer Leib anders / als ein Gefaͤngnuͤß der Seelen? darinnen ſie der Fin - ſternuͤß und Eitelkeit muß unterworffen ſeyn: Durch einen ſee - ligen Tod aber wird unſere Seele aus ſolchen finſtern Kercker her - aus gefuͤhret / zum freyen und ſeeligen Himmels-Liecht / und zur herrlichen Freyheit der Kinder GOttes. Wer wolte nichtRom. VIII, v. 21. gerne darnach wuͤntſchen / und zu dieſen Liecht zugelangen / willig durchs finſtere Todtes-Thal wandern? Wer wolte ſo dann nicht mit Freuden ſolches Liecht anſchauen / annehmen / und ſagen /Bauman. in Anal. Sacr. pag. 1446. nach der alten Griechen Wuntſch: χαῖρε ϕίλον ϕάος, ſey will - kommen du liebes Liecht!

Nach ſolchen ſeeligen Freuden-Liecht hat auch hertzlich verlanget unſer wohl-ſeeliger Herr Siegel. Hier in dieſer WeltE 2hat[36]Frommer Chriſten ewiges Gnaden -hat Er auch wol wenig Freud und gute Tage / aber gnug Muͤhe / Arbeit und Leid gehabt: Seine Lebens-Tage ſind mehrentheils Tage deß Leids geweſen / da Er vielerley Ungemach und Wieder - waͤrtigkeit / mancherley Leid und Traurigkeit erfahren muͤſſen: Schmertzliches Leid hat Er empfunden uͤber ſeine Suͤnde / die Er in wahrer Bußfertigkeit erkennet / ſeinen GOtt abgebeten / daruͤ - ber hertzliche Reu und Leid getragen: Leid / uͤber mancherley zu - geſtoſſenes Ungluͤck und Unfall / ſo Jhm hefftig bekuͤm̃ert: Leid / uͤber unverdienten Haß und Wiederwaͤrtigkeit / ſo Er auch nicht ohne Schmertzen erfahren muͤſſen: Leyd / uͤber die traurige und klaͤgliche Todtes-Faͤlle ſeines lieben Vaters / Bruders / Frauen Schweſtern und anderer liebgeweſenen Freunde / daruͤber Er in groſſes Leid und Traurigkeit geſetzet worden: Anderes vielfaͤlti - ges Leides anitzo zu geſchweigen / dadurch Er auch ins Finſter -Thren. III, 6. nuͤß geleget worden: Ob nun wol bißweilen die Gluͤck-und Freuden-Soñe Jhm wieder geſchienen / ſo hat es doch keinne Be -Job. III, 5. ſtand gehabt / die Finſternuͤß hat Jhn immer wieder uͤber - fallen und uͤberwaͤltiget: Nun aber / nach dem Er durch ei - nen ſanfften und ſeeligen Todt aus aller Finſternuͤß errettet / und der Seelen nach bereits zum ewigen Himmels-Liecht gelanget / ſo weiß er von keinen Leid mehr / der HERR ſelbſt iſt nun ſein ewiges Liecht / das ſchauet Er von Angeſicht zu Angeſicht: Die Tage ſeines Leides haben ein Ende / wir ſingen Jhm nun nach:

Sein Jammer / Truͤbſal und Elend
Jſt kommen zu ein’n ſeelgen End.

Nun iſt alle Finſternuͤß bey Jhm liecht worden: An ſtatt der auß - geſtandenen Muͤhe und Arbeit / empfindet Er nun ſuͤſſe Ruhe und Ergoͤtzligkeit: An ſtatt der beſorgten Angſt und Gefahr / gute Sicherheit: An ſtatt der Wiederwaͤrtigkeit und Neides / beſtaͤn -digen[37]Troſt-und Freuden-Liecht. digen Frieden in den Haͤuſern deß Friedes: An ſtatt der be -Eſa. XXXII, v. 18. ſchwerlichen Kranckheit und Schwachheit / ſtets gruͤnende Kraͤffte und Geſundheit: An ſtatt deß vielfaͤltigen Leides und Traurigkeit / immerwehrende Freud und Herrligkeit. O ein ſee - liges Freuden-Liecht! O ein herrlicher Wechſel! Wer wolte nicht gerne ſolchen belieben? Wer wolte nicht gerne Finſternuͤß mit dem Liecht / Leid mit Freud / Tod mit dem Leben / Erde mit den Himmel vertauſchen? Wer wolte nicht unſern wohl-ſeeligen Herrn Mit-Bruder vor gluͤckſeelig ſchaͤtzen / der ſolchen herrli - chen Wechſel getroffen? Wie Er ſich deſſen in ſeinem Leben ge - troͤſtet und damit ſeinen Glauben und Hoffnung verſiegelt / ſo iſt Er nun deſſen durch den Todt gewiſſer als durch Brieff und und Siegel verſichert / und ſiehet ſolches Freuden-Liecht mit hoͤchſter Vergnuͤgung in vollem Schein / von Angeſicht zu Angeſicht.

Zwar denen hinterlaſſenen Hochbetruͤbten ſind hierdurch ihre Tage in lauter Tage deß Leids verwandelt. Es traͤget Leid die ſchmertzlich betruͤbte Frau Wittib / uͤber ihren liebrei - chen / treuen / ſorgfaͤltigen Ehegatten / deſſen Sie ſo gar bald be - raubet worden: Es traͤget Leyd die hochbekuͤm̃erte Frau Mut - ter / uͤber ihren lieben gehorſamen Sohn / der allewege in kindli - chen Gehorſam / bey ihrer ſchweren Haußhaltung mit Rath und That Jhr unverdroſſen beygeſprungen / und an dem Sie weiter einen Stecken und Stab in ihren Alter zu haben gehoffet / nun - mehr aber ſeines treuen Beyſtandes und Huͤlff entrathen muß: Es tragen Leid die hochbetruͤbten Geſchwiſter / uͤber ihren lieb - geweſenen Bruder / welcher ihnen alle auffrichtige Lieb und Treu erzeiget / an dem Sie ihre Luſt und Freude geſehen: Es tragen Leid umb Jhn ſeine untergebene Leute und Arbeiter / die Er gefoͤrdert / richtig bezahlet / und mit behoͤriger Nothdurfft zuverſe - hen / befliſſen geweſen: Es betauren und betrauren Jhn viel an -E 3dere[38]From. Chriſt. ewig. Gn. Troſt und Fr. Liecht. dere ehrliche leidtragende Freunde / die ſeinen fruͤhzeitigen Todt ſchmertzlich empfinden / und ihr Leidweſen mit ihrer Gegenwart und trauriger Bezeigung erweiſen: Aber getroſt ihr allerſeits leidtragende Hertzen! mißgoͤnnet dem ſeel. Herrn Siegel nicht1. Theſſ. IV, 13 ſein Freuden-Liecht und erlangte Gluͤckſeeligkeit: TrauretLuc. XXI, 19. nicht wie die Heyden / die keine Hoffnung haben: Faſſet eure Seele mit Gedult: Der HErr wird auch euer ewiges Liecht ſeyn: Er wird Euch auch mit dem Liecht ſeiner Gnaden / ſeines Troſtes und Huͤlffe wieder erfreuen / daß auch die Tage eures Leides ſollen ein Ende haben: Ob gleich hier nicht voͤl - lig / da wir ohne Leid gantz und gar nicht ſeyn koͤnnen / da Liecht und Finſternuͤß / Leid und Freud immer abwechſeln; doch gewiß dermaleinſt in jenen Leben / da das ewige Liecht in vollen ScheinPſ. XXXVI, v. 10. uns allen auffgehen und in alle Ewigkeit leuchten wird. Seuff - zen demnach zum Beſchluß: Hilff HERR! daß wir in deinem Liecht ſehen das Liecht! Amen / Amen.

Ende der Predigt.

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Ich ruhe ſanſt und ſelig.

Lebens -[39]

Lebens-Lauff.

ALſo hat nunmehro dieſer Welt gaͤntzlichen Abſchied gegeben und valedi - ciret / unſer in Gott ruhender Herr Mit - Bruder / der weyland Wohl-Ehrenveſte / Vor-Achtbare / und Wohl-Fuͤrnehme Herr An - dreas Siegel / vornehmer Hammer-und Bergk - Herr zum Unter-Blauenthal / auch Erbſaſſe deß Freyen Hoffs zur Soſa / etc. Und weilen von deſ - ſen Fuͤrnehmen und ehrlichen Ankunfft / geführten Leben und Wandel / eines und das andere noch zu gedencken noͤthig; So iſt zu wiſſen / daß der ſeelig Verſtorbene an das Liecht dieſer Welt gebohren / und zwar auff dem uhꝛalt-beruͤhmten Siegeliſchen Stamm-Hammerwerck in der Nachbarſchafft zur Groſſen Pöhla / den 26. Decembris Anno 1639. und darauff den 28. ejusdem, unter der damahls / und ſo lange als Gott will / noch wehrenden treufleißigen Seelen - Huth / deß Wohl-Ehrwuͤrdigen / Vor-Achtbarn und Wohlgelahrten Herrn M. Martini Huthens / wohlverord - neten Paſtoris zum Gruͤnſtaͤdtel / zur H. Tauffe befoͤrdert worden. Deſſen Tauff-Pathen denn geweſen der wey - land Wohl-Ehrenveſte / Hoch-Achtbare und Wohl - gelahrte Herr Chriſtoph Halboth / Churfl. Durchl. zu[40]Lebens-Lauff. zu Sachſen / wohlbeſtalter Ambt-Schöſſer der Aembter Schwartzenberg und Crottendorff; und der auch damals Ehrenveſte / Vor-Achtbare und Wohlbenente Herr Balthaſar Kuͤhner / Churfl. Durchl. zu Sachſen / beſtalter Ober-Förſter zur Lauter / und dann die weyland Wohl-Erbare und Viel-Ehrentugendreiche Frau Catharina-Doro - thea / Herrn Hieronymi Muͤllers von Berneck / vornehmen Hammer-Herrns zum Breitenhoff ſeel. Eheliebſte / welche nunmehro allerſeits verſtor - ben und in Gott ſeelig ruhen.

Sein Herr Vater iſt geweſen / der weyland Wohl-Ehrenveſte / Groß-Achtbare und Wohl - Fuͤrnehme Herr Heinrich Siegel / vornehmer Ham̃er-und Berg-Herr zur Groſſen-Poͤhla / Rit - tersgruͤn / Blauenthal / ꝛc. welcher allbereit vor fuͤnff - Jahren / wiewol nicht mit wenigen Schmertzen / Jammer und Hertzeleid / durch auch allzufruͤhzeitigen Todt / dieſem ſeinen lieben Sohne in der Seeligkeit vorgegangen / und in der Kirchen zum Gruͤnſtaͤdtel / nechſt am Altare bey ſei - nen lieben Eltern / auch Groß-und Uhr-Groß-Eltern ſei - ne Ruheſtaͤdte hat.

Die Frau Mutter iſt / die Wohl-Erbare und Viel-Ehren-Tugendſame Frau Catharina / Herrn Nicolai Kleinhempels / damahls und vorangegange - ner Reformations-Zeit / bey der benachtbarten Koͤnigli - chen Berg-Stadt Proͤßnitz in der Cron Boͤheim / wohl -anſehn -[41]Lebens-Lauff. anſehnlich und verdienten Buͤrgemeiſters Eheleibliche Tochter / welche ſo lange als GOtt will / noch am Leben / und denen lieben Jhrigen zum beſten annoch in hoͤchſt - ruͤhmlicher Treu / Muͤtterlicher Adminiſtration und muͤh - ſamer Verſorgung deß Alt-Vaͤterlichen Hammer-und Berg-auch Hauß-Weſens zur Groß-Poͤhla begriffen / und vor itzo ihren aͤltiſten / mit und nebenſt Jhr / hoͤchſt - ſorgfaͤltig geweſenen lieben Sohne / mit gantz traurigen Gemuͤthe / und kaum vor groſſer Betruͤbnuͤß noch mit dem uͤbrigen halben Theil ihres Muͤtterlichen Hertzens das Geleit zu ſeinen Ruhebettlein geben hilfft.

Der Herr Groß-Vater / auff deß Herrn Va - ters Seiten / iſt geweſen / Herr Andreas Siegel / Hammer-Herr zur Mitweyda und Groß-Poͤhla.

Die Frau Groß-Mutter auff deß Herrn Va - ters Seiten / Frau Margaretha / Herrn Johann Roͤhlings / Hammer-Herrns in Wieſenthal Ehe - leibliche Tochter.

Der ältere Herr Vater / auff deß Herrn Va - ters Seiten / Herr Balthaſar Siegel / Hammer - Herr zur Pöhla und Mitweyda.

Die ältere Frau Groß-Mutter vom Herrn Vater / Frau Regina / Herrn Thomæ Klin - gers / Hammer-Herrns zur Mitweyda Eheleib - liche Tochter.

Der Ober aͤltere Herr Vater auff deß Herrn Vaters Seiten / Herr Andreas Siegel / Hammer - Herr zur Mitweyda.

FDie[42]Lebens-Lauff.

Die Ober ältere Frau Mutter vom Herrn Vater / Frau Anna / gebohrne Beſoldin.

Der vor Ober älter Herr Vater wegen deß Herrn Vaters / Herr Oßwald Siegel / zur Mit - weyda.

Die vor Ober aͤltere Frau Mutter vom Herꝛn Vater war Herrn Jacob Kleinhempels / Hammer - Herrns zu Rittersgruͤn nachgelaſſene Tochter.

Die Frau Mutter wie obgedacht / iſt Herrn Buͤrger Meiſter Nicolai Kleinhempels / Eheleib - liche Tochter.

Die Frau Groß-Mutter von der Frau Mut - ter / Frau Regina / Herrn Sebaſtian Duͤrrbecks von Duͤrrbeck / Eheleibliche Tochter.

Der ältere Herr Vater von der Frau Mutter / war Herr George Kleinhempel / Hammer-Herr zur Liechten-Stadt und Neudeck.

Die ältere Frau Mutter von der Mutter war / Frau Regina / eine gebohrne Wild-Meiſterin.

Von dieſen allen vorhergeſetzten Perſonen / beyder - ley vornehmen Geſchlechts / ſtammet nun unſer ſeel. ver - ſtorbener Herr Siegel / alſo / daß mit dem Geburts - und Geſchlechts-Regiſter / weiter zu gehen / nicht noͤthig.

Anreichend ſeine Education und Erziehung / ſo iſt derſelbe von ſeinen lieben Eltern / ſo bald es nur ſeiner Kindheit halber ſeyn wollen / zum lieben Gebet und der Furcht Gottes treulich angehalten / und durch PrivatosPræce -[43]Lebens-Lauff. Præceptores in capitibus pietatis und lingvis ſo weit ge - bracht worden / daß nach ſeines ſeel. Herrn Vaters da - mals gemachten Vorſatze / weil beyſelbigen ſich ein gar fein Ingenium verſpuͤren laſſen / Er mit verhoffeten guten Nu - tzen denen Studiis nachfolgen / und fernere noͤthige profe - ctus acqviriren koͤnnen.

Nach dem aber obermelter ſein ſeel. Herr Vater zu etlichen mahlen in Leibes Unpaͤßligkeit / abſonderlich aber zu zwey unterſchiedlichen mahlen in ſo unverhoffte ſchwe - re Faͤlle / mit denen Pferden gerathen / daß Er daruͤber an den einen Schenckel mit gefaͤhrlichen Bruͤchen verletzet worden / hat daruͤber wegen ſeiner ſo viel gehabten muͤh - ſamen Hammerwercke / ſonderlich deß Blauenthaliſchen / Er mehr aus Noth / als mit ſeinen Willen / ſolchen ſeinen lieben Sohn / von der Stadt-Schulen zu Chemnitz / und aus der domahligen Privat Information, Herrn M. Albini Seyfriedens / wohlverordneten Rectoris daſelbſt avoci - ren und zu ſich nacher Hauſe beruffen muͤſſen / da Er dann ſehr zeitlich / und gar zu balde in Sorgen geſtecket / und mit vielen Reiten und Verſchickungen Nachts als Tags ſich angreiffen muͤſſen / maſſen aus Kind-ſchuldigſten Gehor - ſam und hertzlicher Liebe zu ſeinen lieben Eltern / Er die ſchwehreſte Buͤrde auff ſich zu nehmen nicht geſcheuet; So gar / daß auch ſein hertzlieber Vater ſeine Curioſitaͤt und unverdroſſenes Gemuͤth / hernachmals ſelbſt nicht wenig mit Danck erkennet und geruͤhmet / auch in der That erfahren / daß viele eingeriſſene ſchaͤdliche Mißbraͤu - che durch Jhm mit guter Vernunfft und Beſcheidenheit unter denen Hammer-Arbeitern abgeſchaffet und ſelbige mit ſonderbahrer Fuͤrſichtigkeit / zu derer Wercke allerſeits beſten regieret worden / wie Er auch dahero VaͤterlichenF 2Anlaß[44]Lebens-Lauff. Anlaß genommen / wenn Jhme der Hoͤheſte das Leben noch ferner gefriſtet haͤtte ermelten ſeinen lieben Sohne gar den halben Theil an Blauenthaliſchen Hammerwerck und deſſen Zubehoͤrung / noch bey ſeinen Leben / gegen ei - nen gewiſſen Pacht in Nutz und Gebrauch einzuraͤumen und zu uͤbergeben; Weil aber der nunmehro auch ſeelige Herr Vater / durch den allzuunverhofften Tod daran ge - hindert worden / hat es ſich nach Gottes Willen begeben / daß ſolch gantzes Werck Er vor vier Jahren von ſeiner lie - ben Frau Mutter und ſaͤmbtlichen Geſchwiſtern / mit al - lerſeits freundlich und friedfertiger Genehmhaltung / kauffsweiſe gaͤntzlich an-und das Joch aller dieſes Wercks hoͤchſt-muͤhſamer Beſtell-und Verſorgung alleine uͤber ſich genommen / da Er dann / in ſeinen einmal ergriffenen Beruff und ordentlichen profeſſion, ſich in allen gantz hur - tig und unverdroſſen erwieſen / deßwegen auch mit guten Bedacht Vitæ genus mutiret / und nach ſonderbahrer Dire - rection deß Allerhoͤheſten und beliebeten einmuͤthigen Schluſſe ſeiner hertzlieben Frau Mutter und Geſchwiſte - re / ſich mit der Wohl-Erbarn und Viel-Ehren-Tu - gendreichen / damals Jungfer Magdalenen / deß weyland / Wohl-Ehrenveſten und Hochgeachten Herrn Chriſtian Meyers / vornehmen Hammer - Herrns zu Joͤſtadt ſeel. Eheleiblichen Tochter / eheli - chen verlobet / und am 24. Octobris Anno 1670. in der Pfarr-Kirchen zu Joͤſtadt / von Herrn M. Samuele Re - bentroſten / bey Volckreicher und oͤffentlicher Verſam - lung copuliren und trauen laſſen / mit welcher Er zeit weh - rendes Eheſtandes gezeuget eine Tochter und einen Sohn / worvon das erſte und Töchterlein Juliana /ſo[45]Lebens-Lauff. ſo balden nach erlangter H. Tauffe wieder verſtorben; Das andere und Soͤhnlein aber / Nahmens Friedrich / (Gottlob) noch am Leben / zu welches Aufferziehung / als deß ſeel. Herrn Siegels hinterlaſſenen einigen Reißlein / der Allerhöchſte ſeine Gnade und See - gen gebẽ / und die Frau Mutter / als höchſt-betruͤbte Wittibe / uͤber ſolchen ſchmertzlichen und fruͤhezei - tigen Todtes-Fall kraͤfftig tröſten wolle.

Anreichende deß ſeel. verſtorbenen Herrn Siegels Chriſtenthumb / gefuͤhrtes Leben und Wandel; So iſt in dieſer gantzen Gegend ieder - männiglich bewuſt / daß Er ein gantz ſtilles / Chriſt - liches / untadeliches und Gott-wohlgefaͤlliges Le - ben gefuͤhret / ſich vor allen der Furcht Gottes be - fliſſen / ſeines H. Worts und deß lieben Gebets nie - mals vergeſſen / ſondern ſelbiges von Kindheit an / als den groͤſten Schatz ſeiner Seelen hertzlich ge - liebet / die H. Sacramenta und Predigten hat Er zu rechter Zeit beſuchet / fleißig gehöret / und ſich darvon / auſſer den Hoͤchſten Nothfall / und mit un - tergelauffener Unpaͤßligkeit / niemals abhalten laſ - ſen: Jn ſeinen Hauſe hat Er unter Weib / Kind und Geſinde ſolches eiferigſt getrieben; Sonn-und Werckel-Tage / auch Abends und Morgens zu Hauſe fleißig geleſen / geſungen und gebetet / andere darzu auch angehalten / und ſolches bey allen undF 3ieden[46]Lebens-Lauff. ieden ſeinen Verrichtungen Tags als Nachts ſei - nen beſten Geferten ſeyn laſſen / wie dahero Er auch den Seegen Gottes in allen ſeinen Vorhaben und Verrichtungen mercklich geſpuͤhret und Jhme da - fuͤr hertzlich gedancket hat: Unter allen ſeinen Ham - mer-Arbeitern / Geſinde und angehoͤrigen Leuten / hat Er gute Ordnung gehalten / ſie iedes mal redlich und ehrlich belohnet / und vor die gethane Arbeit (wenn ſie ſolche ohne Vortheil und Betrug verrichtet) nicht loſſe Wort auffge - hangen; Und do Er gleich / wie wir alle arme Menſchen / iemals mit Zorn / deſſen Er zumal bey ſeiner ſo ſchweren / wichtigen und hoͤchſt-muͤhſamen Hammer-und Berg - wercks-Sorge / nicht allezeit uͤberhaben ſeyn koͤnnen / uͤber - eilet worden / iſt es doch bey Jhme bald wieder oben hin und vorbey geweſen / ſo gar / daß umb ſeiner humanitaͤt / man ſich weiter von Jhme nichts mehr / als guter und freundlicher Worte / auch allen geneigten Willen und Be - foͤrderung zuverſehen gehabt: Mit ſeiner Ehe-Lieb - ſten hat Er eine rechte Keuſch-Chriſtliche / GOtt und Menſchen wohlgefällige Ehe beſeſſen / alſo daß eines das andere niemals ernſtlich erzuͤrnet und be - truͤbet / welcher wegen der hinterbliebenen Frau Wittibe / dieſer fruͤhzeitige Hintritt / umb ſo viel - mehr Leid und Schmertzen machet.

Seine Kranckheit belangend / ſo iſt der ſeel. Herr Siegel faſt ſtetigs einer ſchwachen Leibes Conſtitution, und die Natur dahero bey Jhme nicht ſonderlich tauerhafft geweſen / worzu die / faſtvon[47]Lebens-Lauff. von ſeiner Kindheit an uͤbernommene Sorgen und ſchwere Travalien nicht wenig geholffen / maſſen über ein und andere empfundene innerliche Leibes - Beſchwehrung Er ie zu weilẽ Klage geführet / auch bereits vor Jahren unterſchiedliche ſchwere Nieder - lagen erlitten: Vermittelſt unterſchiedlicher vor - nehmer Medicorum Rath aber / noch im̃er ſo weit / und in bauhafften Zuſtande erhalten worden / biß endlich und nunmehro bald an Jahresfriſt / ſich ein garſtiger und dumpffichter Huſten / nebenſt ei - nen ſtarcken Außwurff bey demſelben ereignet / und das vorige / und ſein ſelbſt Vermuthen / durch noch ſtaͤrckere præſumtion an Tag gegeben / daß nemlich Er im Leibe / wegen eines hiebevor von ei - nen Pferde bekommenen ſchädlichen Schlages / etz - licher maſſen anbruͤchig / und dieſer morbus gantz gefaͤhrlich und ſchwerlich zu curiren ſeyn wuͤrde; Und ob wol an ferner gepflogenen Rath und ein - geholten Gutachten / deß Edlen / Groß-Acht - baren und Hochgelarten Herrn Johann-Chriſtian Magkens, der Artzney beruͤhmten Doctoris, ſo wohl Herrn L. Chriſtian-Friedrich Garmanns / Phyſici ordinarii zu Chemnitz / als deß ſeelig Ver - ſtorbenen Herrn Siegels / Herrn Schwagers / es nicht gemangelt / an verordneten heilſamen und herrlichen Medicamentis auch kein Mangel erſchie -nen;[48]Lebens-Lauff. nen; So haben doch ſelbige iemals zu einigen effect ſich nicht anſchicken wollen / ſondern es hat der Huſten und Außwurff vielmehr ſo lange conti - nuiret / biß endlich ſich alle Kraͤffte verlohren / die gaͤntzliche Bettlaͤgerung erfolget / und der ſeelige Herr Siegel gemercket / daß die Kranckheit vor dißmal der Natur obſiegen wuͤrde / dahero Er ſich vor etzlichen Wochen mit ſeinen lieben GOtt ver - ſöhnet / und ſein Hauß ruͤhmlich und fuͤrſichtig be - ſtellet / und mit ſeinem noch einigen lieben Bruder / Herrn Friedrich Siegeln / wie es etwa nach ſeinem ſeeligen Todte / mit ſeinen Hammer-und Bergwer - cken zu halten / ſich Treu-Bruͤderlich unterredet / worauff Er auch am nechſt verwichenen Freytage / als den 28. Auguſti vor Mittage umb 10. Uhr / als Er zuvorhero von ſeiner Ehe-Liebſten / hertzlieben kleinen Soͤhnlein / und allen ſeinen Haußgeſinde / groß und klein mit der Hand abſchied genommen / mitten unter andächtigen Gebet / in hertzlicher An - ruffung ſeines Erloͤſers und Seeligmachers JE - SU CHRISTI / unter denen beyden Geſaͤngen: HErr Jeſu Chriſt ich weiß gar wohl / etc. Wenn mein Stuͤndlein vorhanden iſt / ꝛc. ohne einiges Zucken / Regen und Bewegen / gantz ſanfft / ſtill und ſeelig eingeſchlaffen / nach dem Er ſein Leben und Alter in dieſer Sterbligkeit gebracht auff 34. Jahr / 17. Wochen / und 1. Tag.

Der[49]Lebens-Lauff.

Der grundguͤtige Gott / als Vater deß Liechts / und GOtt alles Troſtes / wolle der ſchmertzlich betruͤbten Frau Wit - tiben / hoͤchſtbekuͤmmerten Frau Mutter / geliebten und betruͤbten einigen Herrn Brudern / Frauen Schweſtern / und anderen leidtragenden und klagenden Freunden / mit dem Liecht ſeiner Gna - den / Troſtes / Huͤlff und Heils erſcheinen / in ihrer Betruͤbnuͤß und Finſternuͤß Sie erqvicken und auffrichen / ſeinen gnaͤdi - gen und vaͤterlichen Willen ihnen ie mehr und mehr zu erkennen geben / daß Sie demſelben ſich in Chriſtlicher Gelaſſenheit willig untergeben / und in ſeinem Liecht ſehen das Liecht: Er wolle als ein Vater der Wittben und Waͤiſen ſich deß einigen Vaterloſen Waͤißleins ſelbſt treulich an - nehmen / daſſelbe gnaͤdig eꝛhalten / mit ſei - nem Liecht und Warheit erleuchten undGauff[50]Lebens-Lauff. auff ſeinen Wegen leiten: Damit dem1. Reg. XI, 36. ſeel. Verſtorbenen allewege noch ein Liecht uͤberbleibe unter ſeinen Volck / und der Frau Mutter und ſaͤmbtlichen anſehnli - chen Freundſchafft zu Troſt und Freude /Phil. II, 15. als ein Liecht in der Welt ſcheinen moͤge: Er wolle deß ſeelig Verſtorbenen verbli - chenen Leichnam in der finſtern und kuͤh - len Erden eine ſanffte Ruhe / der Seelen in dem Himmliſchen Liecht liebliche Er - qvickung / dermal einſt an jenen groſſen Tage eine froͤliche Vereinigung und ſeeli - ge Gemeinſchafft mit dem ewigen Liecht verleihen. Uns alle wolle Er hier mit ſei - nen Liecht erleuchten / leiten und erfreuen / biß wir auch aus der traurigen Finſter - nuͤß dieſer Welt gelangen zum ſee - ligen ewigen Liecht / Amen.

See -[51]
Seeligen Sterbens
Verſtegelung / In einer einfaͤltigen Abdanckungs-Rede / Bey Volckreicher und anſehnlicher Beerdigung / (Tit.) Herrn Andreae Siegels / Vornehm-geweſenen Ham̃er-Herrns auffn Untern Blauenthal / vorgeſtellet Und im Jahr 1674. d. 1. Septembris, als am Tage ſeiner Beerdigung auffn Gottes-Acker zum Eibenſtock abgeredet
Gedruckt zuSt. Annaberg/ beyDavid Nicolat.
[52]
〈…〉〈…〉Præmiſſo cujusvis honorabili Titulo.

Kaum recht angefangen haben zu leben und doch ſo bald dieſes Leben mit dem Todte ver - wechßlen muͤſſen / iſt das nicht Schade! Jammer! und Hertzeleid!

WAnn ich in dieſen Trauer-Bezirck dieſe gantz anſehnliche Trauer-Verſam - lung erblicke / ſo deucht mich nicht anders / als wann dieſelbe / wo nicht eben mit dieſen; doch vielleicht mit dergleichen Trauer-Gedancken und Worten / den fuͤr unſern Augen allzu - fruͤhzeitigen Todt unſeres ſeeligen Herrn Andreæ Siegels / betraureten. Gewißlich wann man an - itzo das Hertze der hochbetruͤbten Frau Wittib / Frauen Mut - ter / Herrn Bruders / derer Frauen Schweſtern / und an - derer anſehnlichen und hochbetruͤbten Bluts-und Anver - wandten / aus den innerſten Grund ſolte reden hoͤren / wuͤrde es dergleichen Klag-Rede uͤber dieſen Hintritt ſich vernehmen laſſen.

Kaum recht angefangen haben zu leben / und doch ſo bald dieſes Leben mit dem Todte verwechß - len muͤſſen / iſt das nicht Schade / Jammer und Hertzeleid.

Zwar / moͤchte mir iemand hier einwenden und ſagen: Sein Leben in dieſer Welt auff 30. faſt 40. Jahre bringen / heiſ -ſet[53]Abdanckungs-Rede. ſet denn diß kaum recht angefangen haben zu leben? ey! was wird es denn bey denen heiſſen ſollen / die da ſterben unter Muͤt - terlichen Hertzen / als Kinder einer Spannen lang? wie die Schrifft redet / Klagl. c. 2. v. 20. Was bey denen? welche / gleich denen Thierlein / die ſich umb den Fluß Hypanis in Sarmatien finden ſollen / mit der auffgehenden Sonnen / ihren Anfang; aber zugleich mit der zu ruͤſt gehenden ihres Lebens Ende wieder neh - men. Was / ſage ich nochmals wird es mit denen heiſſen? welche mit der Blume Hemerocallis, (derer Leben und Schoͤnheit nur einẽ Tag waͤret) des Morgens anfangen zu wachſen des Mitta - ges ihre Blaͤtter ausbreiten; aber noch ſelbigen Abends verwelckẽ muͤſſen. Jch geſchweige hier derer Extraordinari-Faͤlle / do man fragen moͤchte / was es mit denen muͤſſe heiſſen: Welche / in Hoffnungs-voller Bluͤthe entweder durch eine Cains-Keule / oder Doegs-Spieß unvermuthet werden hingerichtet / und oͤff - ters kaum erkeñen moͤgen / wann ſie zu leben angefangen haben.

Jch geſtehe es gerne / daß es mit den Menſchlichen Leben eine uͤberaus gefaͤhrliche Bewandnuͤß habe / und man billich mit Seneca: Singulas dies, ſingulas vitas, moͤchte nennen / ieden neuen Tag fuͤr ſein neues Leben moͤchte ſchaͤtzen: Dahero dann die H. Schrifft unſerem Leben hier eine Waſſerblaſſe / dort einen fuͤruͤberrauſchenden Strohm / anderswo einen Dampff oder Rauch in vergleichung thut vorſtellen.

Nichts deſto weniger unterſtehe ich mich nochmals dieſes zuſagen / daß auch kaum bey dieſen Jahren / welche unſer ſeeliger Herr Siegel erlebet / es heiſſen mag: Recht angefangen ha - ben zu leben / oder auffs genaueſte wiſſen und verſtehen koͤnnen was dieſes Leben ſey.

Und mit dieſer meiner wunderſamen Rede deucht mich ſtimme gar wohl uͤber ein / der Griechiſche Epaminondas, wel - cher / als er einsmals ſein Urtheil vom Menſchlichen Leben faͤllenG 3ſollen /[54]Abdanckungs-Rede. ſollen / alſo geſprochen: Wann du erſieheſt in der Welt einen Menſchen von 30. biß 40. Jahren / ſoltu zu ihn ſprechen: Sey mir willkommen! dann als denn ſcheine es ihme / als ob ein ſol - cher Menſch erſt recht in die Welt kaͤme / ietzt lernete er verſtehen / was diß Leben ſey? was derer Menſchen Geſellſchafft? binnen dem Alter beginn er erſt ſich recht in die Welt zu ſchicken: Dann lernete er derſelben Tuͤcke und Stricke etwas beſſer erkennen: Dann wiſſe er etwas genauer / was er thun und laſſen ſolte.

Kaͤme man aber / (ſagte jener ferner) fort / auff einen Menſchen / der 50. oder 60. Jahr alt / ſo ſolte man zu ihn ſagen: Gehab dich wohl! oder ſey wohl auff! Dann in dieſen Al - ter meldeten ſich allgemachſam die Vorboten des Todes / als Kranckheiten mit an / und ſuchten ihren Eintritt in dieſes Le - bens Herberge. Endlich / wer erblickete einen / von 60. 70. oder mehr Jahren / der ſolte getroſt zu ihme ſprechen: Ziehe nur im - mer hin in GOttes Nahmen! Dann ein ſolcher waͤre ſchon mehr aus / als in der Welt / zum wenigſten / waͤre er auff der vol - len Reiſſe / dieſe Welt zuraͤumen uñ zuverlaſſen / begriffen. Die - ſen nach / wann Epaminondas ſeinen erſten Satz nach ſolte recht geurtheilet haben / wann er einen Menſchen von 30 biß 40. Jahren erſt zu bewillkommen geheiſſen / darumb / daß er ietzt erſt in die Welt komme / und fahe an zu leben; ſo duͤrffte ich dann auch wohl ſagen / daß unſer ſeeliger Herr Siegel kaum recht angefangen haͤtte zu leben / und alſo wohl das Schade! Jam̃er! und Hertzeleid! Darumb / daß er ſo balde wiederumb muͤſſen abeſpielen / zu wiederholen mich unterſtehen.

Nichts weniger / wann ich meiner Rede mehreres Zeug - nuͤß beduͤrffte / hoffete ich hiezu einig patrocinium von jenen Gottſeeligen Einſiedler zu erlangen / welcher auff eine Zeit gar bedencklich außgeruffen / daß der wenigſte Theil unſers Lebens eigentlich gelebet heiſſe: Sich ſelbſt zum Exempel ſetzende / undſagende:[55]Abdanckungs-Rede. ſagende: Er waͤre nur 35. Jahr alt / da er doch derer 75. auff den Nacken hatte / dann er hatte in 40. erſt recht verſtehen lernen / was leben ſey / und wie man recht leben ſolle. Jch laſſe es ſeyn / daß dieſer mit ſeiner Rede eigentlich auff ein recht Chriſtlich und geiſtlich Leben gezielet; Doch kan es ſeyn / daß er auch umb dieſe Zeit erſt recht verſtehen lernen / was dieſes Leben ſey / und wie es dann wohl anzuwenden und zugebrauchen.) Dieſem nach hie - ſe es dennoch zu beſtaͤrckung meiner obigen Rede / unter denen Jahren verſterben heiſſe / kaum recht angefangen haben zu leben.

Und was? hat es doch noch allenthalben Muͤhe und Noth / daß von einen ſolchen Menſchen der erſt benante Jahre ſchon erreichet / mit Beſtand koͤnne geſaget werden: Er habe nun angefangen (dieſer Redens-Art nach) recht zu leben h. e. Er waͤre nun der Welt und allen derſelben Verfuͤhrungen und Truͤgereyen erſt klug gnug worden.

Dann / wer heute zu Tage die Welt mit ihren Luͤſten und Betruͤglichkeiten recht anſiehet / der hat Muͤhe und Noth / das er bey dieſen Alter ſich allerdinges vorſehen und verwahren koͤnne.

Fraget man in der praxi herumb / ſo iſt unter vielen dieſes Alters kaum einer ſo vollkommen worden.

Die Welt / ie mehr ſie ihre Tuͤcke veruͤbet / ie mehr ſie ſol - che verbirget.

Der betruͤgliche Schoß Delilæ, und das verraͤtheriſche Mahl Abſolons / ſeyn der Welt Freundſchafft und Ergoͤtzung: Abſolons Maulthier zur Zeit der Noth unter ſeinen Herrrn hinlauffende / und ihn an der Eichen hangen laſſende / iſt der Welt getreuer Reichthumb: Jaels ſuͤſſer Milchtopff iſt ihre eingebildete / und doch das Verderben ſo ſchnell nach ſich zie - hende Luſt und Freud. Der Phariſeer lange Gebet / die ſie vor - wenden / und doch der Witwen Haͤuſer freſſen / iſt die offenbare Gottesfurcht und Gerechtigkeit: Pharaonis und JeſabelsRecht[56]Abdanckungs-Rede. Recht / ſind meiſtentheils der Welt Recht. Und wer wolte doch alle der Welt betruͤgliche Unarthen auff ſo engen Pappier zu - ſammen bringen?

Lieber! wieviel Lebens-Zeit wird dann darzu gehoͤren / daß man dieſen allen klug genug werde / und alſo den Nahmen trage / man habe angefangen recht zu leben. Viele 1000. ſterben ja da - hin / ehe ſie alſo recht beginnen zu leben.

Und wann ich auch von dieſen puncto nicht mehr rede / ſo bleibets doch dabey / daß mancher muß eher abſpielen / ehe er ſich in diß Leben eingerichtet und geſchicket hat.

Mancher / bey ſeinen beſten Lebens-Jahren und erſtar - ckenden Maͤnnlichen Alter / gedencket erſt mit Jacob / und nun! wenn ſoll ich auch mein Hauß beſtellen: h. e. ietzt will ich erſt anfangen zu leben / Anſtalt machen / wie mein Weib und Kinder moͤchte durch goͤttl. Gnaden-Seegen verſorget werden / und ehe ein ſolcher offt recht zur Sache ſchreitet / muß er ſein Leben ver - tauſchen mit dem Todte: Auff dieſe Weiſe moͤchte ich ſagen / daß unſer ſeeliger Herr Siegel kaum recht habe angefangen zu leben: Und ſo gar elende iſt es mit den Menſchlichen Leben be - ſchaffen / wir wiſſen keine Zahl der Jahre und Monaten / in wel - chen wir uns getrauen duͤrffen ſicherlich in dieſes Leben einzu - richten.

Jrre ich oder nicht / die Athenienſer haben etwas hiervon wollen zu verſtehen geben / wann ſie an ihre Todtenhaͤuſer viel Ziphern von 1. biß 80. oder 100. gemacht / mit der Umbſchrifft: Ignoras. Du weiſt nicht welche Zahl unter dieſen dich betreffen wird. Ach darumb ſo bleibet es Schade / daßofft der Menſch / ſo kaum recht angefangen ſich recht in diß Leben zu ſchicken / ſo bald es muß mit dem Todte verwechſeln? Wir wollen aber nicht die - ſen Reden gar mit den unguͤtigen Theophraſto, der doch 99. Jahr gelebet / die Natur einiger Unguͤtigkeit beſchuldigen / ſon -dern[57]Abdanckungs-Rede. dern nur uͤber das unbewuſte Ziel unſer Ach und Jammer wie - derholen und verduppeln.

Sinn ich nach / was doch wohl an dieſen heutigen angeſtel - leten Trauer-Tage / von unſeres ſeel. Herrn Siegels hinter - laſſenen Hoͤchſtbetruͤbten am meiſten beklaget und mit Thraͤnen beſeuffzet wird / ſo weiß ich nicht ob es etwas anders als eben die - ſes ſeyn werde. Kaum in dieſes elende Leben / deß Eheſtandes / der Haußhaltung / der muͤheſamen Ham̃erwercks Nah - rung / ꝛc. ſich recht eingerichtet / und ſolches ſo balde nun mit dem Tode verwechſeln muͤſſen / ſey Schade!

Gewißlich Jammer und Hertzeleid bringet dieſer toͤdtliche Fall / allen hinterlaſſenen Bluts-und Muths-Verwandten.

Ach Schade! Ach Jammer! rufft die hochbetruͤbte Frau Wittib: Ich muß allzufruͤhe das weite Wehe erfahren / allzufruͤhe mein Haupt verlieren / und den blutigen Coͤrper allei - ne behalten / dieſes verurſachet Winſeln und Weinen.

Solte mir vergoͤnſtiget ſeyn / der Frauen Wittiben ihr bit - teres Leid in einigen Sinnbilde zu entwerffen / duͤrffte ich wohl das Enydros, ein Edelgeſtein von Plinio alſo genannt / l. 37. c. 11. hieher ſetzen. Dann darin ſoll man ſehen / als ob ſtetige Thraͤn - lein troͤpfeten mit der Umbſchrifft: Jn meinen Augen fuͤr und fuͤr / die Thraͤnen flieſſen wie allhier.

Solten Eberi und Baſilii Urtheil von Trennung Eheli - cher Liebe / daran doch niemand zweifelt / bedachtſam abgefaſſet ſeyn / ſo wuͤrde ietzt ein Theil von dem Hertzen der Fr. Wittib in den duͤrren Sand verſcharret / die andere Helffte aber bliebe blutig hangende: Wie ſolte Sie dann nicht klagen und ſagen:

Ach Schade! Ach Jammer! Ach Hertzeleid! Solte ich foͤrder gehen und vermoͤgend ſeyn / das hochbetruͤbte Hertz un - ſers Herrn Siegels / Frauen Mutter / als einer ohne das ver - laſſenen Wittib zu anatomiren / lieber! was ſolte wohl dieſe fuͤrHrecht[58]Abdanckungs-Rede. recht Muͤtterlichen Jammer und Wehemuth wohl anders kla - gen und ausruffen / als dieſes: Jn der Helffte der Lebens - Tage / do man ſich kaum in diß elende Leben recht einge - richtet / wiederumb abſcheiden muͤſſen / iſt das nicht Scha - de! Ach Jammer! Ach Hertzeleid! Jch gedachte / wann es der Ordnung der Natur ſolte nachgehen / dieſer / mein lieber Sohn / wuͤrde mir einſten meine Augen zudruͤcken / und mich zu Grabe helffen begleiten. Aber leider! nun iſt es umbgewendet. Ein Troſt und Stab meines Alters iſt dahin: O Tod! du grau - ſamer Menſchenwuͤrger / wie unguͤtig gebahreſtu mit mir! Mei - nen hertzlieben Ehemann haſtu mir hingeriſſen: Die meiſten meiner lieben Kinder ſind dahin: Ein einiger Funcken unſeres Geſchlechtes iſt noch vorhanden: Du beraubeſt mich faſt aller meiner Kinder: Ach / in meinen ſchwachen und grauen Alter / es gehet alles alles uͤber mich: Daß / daß duͤrffte mir leicht dazu helf - fen / daß ich meine graue Haare deſto eher mit Jammer hinunter in die Gruben braͤchte.

Und wer wolte einen ſolchen wehemuͤtigen Außruff eines ſolchen Mutter-Hertzen / welches allewege weicher als ein Va - ter-Hertz geſchaͤtzet / verargen? Kunte man es doch dorten Pe - ricli, dem dapfern Kriegs-Fuͤrſten nicht verargen / als man ihme ſeines Hoffnung-vollen Sohnes Parali Todt vermeldete / und darob eine merckliche Gemuͤths-Verenderung an ihme verſpuͤ - rete / zumahl do er dem todten Sohne ſeinen Todten-Krantz ſolte auffſetzen / daruͤber er die heiſſen Thraͤnen nicht bergen kunte: Wer wolte es dann einen ſolchen hochbetruͤbten Mutter-Hertzen verargen / wann daſſelbe uͤber einen ſolchen Hoffnungs-vollen Sohne ſich in Thraͤnen ſolte ergieſſen?

Solte das kleine zarte Soͤhnlein alters halber verſtehen koͤnnen / was fuͤr ein Verluſt dieſes ſey / einen ſo liebreichen Va - ter verlieren / und allzufruͤhe in den betruͤbten Waͤiſen-Standtgeſetzet[59]Abdanckungs-Rede. geſetzet werden / was meinet ihr wohl / wie wuͤrde dieſes mit ſeinen Kindlichen Zaͤhren und erbaͤrmlichen Haͤnderingen nicht auch den fruͤhzeitigen Hintritt ſeines ſeeligen Herrn Vaters gnug - ſam bezeugen?

Ja / die gantze anſehnliche Siegeliſche Freundſchafft / der noch einige uͤbrige Herr Bruder / der wohl ruffen moͤch - te / es iſt mir leid umb dich mein Bruder! Deine Liebe iſt mir groͤſ - ſer geweſen denn Frauen-Liebe: Die Frauen Schweſtern / Herren Schwaͤgere / und andere nahe Anverwandte ſo an Jhme einen treuen Freund muͤſſen entrathen / was moͤgen dieſe alle wohl mit ihren Thraͤnen anders klagen / als dieſes: Schade! Jammer! Kaum recht eingerichtet zu leben / und doch ſo bald diß Leben mit den Todte verwechſeln muͤſſen.

Die Herren Hammer-Meiſtere / ſo aus ihren Mittel in garkurtzer Zeit bald ein und das andere eißgraue Haupt / bald ein und das andere in voller Bluͤthe darſtehendes Mit-Glied verlohren. Endlich die gantze Verſamlung derer Hammer-und Berg-Leute / und aller anderer die mit Herrn Siegeln umbge - gangen: Alle alle dieſe / ſage ich / beſeuffzen eben dieſes / zumahl zu dieſer inſtehenden kuͤmmerlichen Zeit.

Alleine / meinen wir dann daß wir mit unſern Klagen und Weinen den ſo weißlich und bedachtſam gemacheten Schluß des Himmels werden retractiren und ſchaffen koͤnnen / daß unſer Herr Siegel / noch erſt hier wieder anfahen moͤge zu leben? Nein / Nein / Wir werden alle GOtt muͤſſen ſtille halten / und mit deme uns beſchlagen laſſen: Sic Domino placuit! So hat es fuͤr ietzt dem groſſen Haußhalter gefallen!

Jnzwiſchen bleibe dieſes fuͤr die Betruͤbte Troſtes gnug / daß Sie allerſeits ſeiner Seeligkeit vergewiſſert und verſiegelt ſeyn. Dann:

Hat gleich der ſeelige Herr Siegel kaum recht angefan -H 2gen[60]Abdanckungs-Rede. das hieſige elende Leben zu leben: ey ſo hat Er doch ſchon fuͤr gu - ter Zeit angefangen in wahrer Buſſe das Himmliſche zu leben / und lebet Er nun der Seelen nach ſchon in Himmliſcher Voll - kommenheit. Und dieſen nach wollen wir gerne uͤber ihn Epami - nondæ Urtheil endern / do wir Jhn ietzt erſt ſolten willkommen heiſſen / ruffen wir Jhme willig und getroſt hinnach: Ziehe hin in GOttes Nahmen! Wohl deme / der hie anfaͤhet ein recht Chriſtlich Leben durch wahre Buß zu fuͤhren / dieſer / wann er hie auffhoͤret das Zeitliche zu leben / wird gewiß und im Himmel ein Seeliges anfahen.

Deſſen ſeyd ihr verſichert / hats euer Seeliger auch bey Zei - ten wahr genommen.

Darzu hat ihn ſein Gott durch langwieriges Siechthumb ſonderlich wohl zubereitet: Solten ja bey einigen Menſchen der ſuͤſſe Honigſeim Goͤttl. Wohlthaten ſeine Geiſtl. Augen nicht bey Zeiten koͤnnen helle machen; vielleicht kan die bittere Fiſch - gall deß Creutzes mit Tobia ſie eroͤffnen / und dem vorhero gantz Blinden das Geſichte wieder geben.

Unſer ſeeliger Herr Siegel iſt durch dieſes Liebes-Seil des Creutzes aus den Suͤnden-Schlam zum wahren bußfertigen Leben auch gezogen worden / allermaſſen Er ſeine Fehler bey Zei - ten erkand / bereuet und Gott dem HErrn demuͤtig abgebeten.

Nun wer will zweiffeln / Gott wird Buſſe fuͤr die Suͤnde angenommen haben! Wohl deme der in wahrer Buſſe hier ablebet / der wird bey Gott ewiglich in Freuden leben.

Zum Zeugnuͤß deſſen / daß Er nichts mit ſich auff ſeinen Hertzen zum Grabe genommen / werdet ihr Hammer-Arbeiter ſelbſten ſeyn / als die Er noch wenig Stunden fuͤr ſeinem Ende zu ſich geruffen / und ſich mit ihnen recht Chriſtlich und bedenckli - chen geletzet und abgeſegnet.

O wie freudig koͤnnen wir die Unßrigen ſterben ſehen /wann[61]Abdanckungs-Rede. wann wir nur wiſſen daß ſie ſeelig ſterben. Dann ſie ſind ſee - lig von nun an die in den HErrn ſterben. Darumb / noch ein - mahl hat unſer ſeeliger Herr Siegel gleich kaum recht angefan - gen das hieſige elende Leben zu bauen / ey ſo hat Er doch bey zei - ten angefangen das Him̃liſche zu leben / und dieſes wird Er nun der Seelen nachſchon fuͤr GOtt eingenommen haben.

Dieſes bleibe aller ſeiner Hochbetruͤbten Hertz-Troſt. O wie wohl wuͤrde ſich David uͤber ſeinen Sohn Abſolon zu Frie - den gegeben haben / wann er nur dieſes waͤre verſichert geweſen.

Jhr aber Betruͤbteſte allerſeits / ſeyd dieſes uͤber dieſen Tod verſichert: Der ſtandhaffte Glaube an ſeinen JEſum hats er - griffen: Die Abſolution iſt Jhme im Himmel auch geſprochen worden: Die wuͤrdige Nieſſung des Pfandes des wahren Lei - bes und Blutes Chriſti hats ihme gewiß verſiegelt / Krafft dieſer Staͤrckung / kunte Er getroſt reiſſen biß an den Berge GOttes Horeb.

Jener vornehmer vom Adel umb dieſen Troſt uͤber den toͤdli - chen Hintritt der lieben Seinigen ihme deſto beſſer einzupraͤgen / lieſſe ſich folgends Emblema mahlen: Oben ſtunde eine guͤl - dene Wolcke / aus derſelben gieng eine Menſchen-Hand hervor / dieſe zog von der Erden ein eiſſernes Hertze an ſich durch einen inhabenden Magneten: Ey / die Liebes-Hand Jeſu Chriſti hat euren reſpectivè ſeeligen Ehe-Schatz / Herrn Sohn / Vater / Hr. Bruder / Schwager / von der boͤſen und von blauen Neides - Gifft angefuͤlleten Welt hinauff zu ſich in den guͤldenen Wol - cken-Himmel gezogen: Ja noch mehr in den Himmel aller Auſſerwehlten und ſeeligen Kinder Gottes: Diß bleibe euer Troſt.

Nun iſt ja erlanget / wornach Er auff ſeinen Siechbette ſo lange geſeuffzet: GOtt lob die Stund iſt kommen / do er iſt auff - genommen ins ſchoͤne Paradeiß / Jhr Betruͤbten duͤrfft nicht kla -H 3gen /[62]Abdanckungs-Rede. gen / ſondern mit Glauben ſagen / dem Hoͤchſten ſey Lob / Ehr und Preiß.

Dencket nach / Betruͤbteſte / wie offt hat Euch euer Hertze gebrochen / wann Euer Seeliger uff ſeinen Siech-Lager ſo aͤngſt - lich Geſundheit gewuͤndſchet / und ſie doch nicht erlangen koͤnnen. Nun aber / Gott lob / iſt ſie erlanget: Der Tod heilet auch die al - ler gefaͤhrlichſten Kranckheiten.

Daher zu ſeiner Zeit Ferdinandus Nonus Vaceæus nach dem Er von langwuͤrigen Kranckheiten durch den Tod geheilet war / ließ auff ſein Grabmahl auſſer die Worte Maximum, vi - Bonum, Mors, nichts mehr ſchreiben / als das einige Wort ὑγεία andeutende / der Tod ſey der beſte Artzt / und bringe zur aller - beſtaͤndigſten Geſundheit. Niemand wird hoffentlich verneinen koͤnnen / daß nicht dem ſeeligen Herrn ietzt viel beſſer ſey / als vor der Zeit do Er ein ſtetes ſieches Leben fuͤhren muͤſſen: Der Tod hat Jhn gebracht zur ſteten Geſundheit: Inde mori ipſi præſtat, qvàm vivere! Zvvingerus meldet von dem Apoſtel Petro / daß er ſeine Tochter / die ſoll Petronella geheiſſen haben / nicht wollen von Todten erwecken / ungeachtet / do er es andern vorher gethan / und als er gefraget worden / warumb er andere von Todten er - wecket / und wolle dieſes ietzt ſeiner Tochter nicht thun? ſoll er ge - antwortet haben: Magis mortem ipſi prodeſſe, qvàm vitam. Der Tod ſey ihr beſſer als Leben: Wann wir fragen wolten warumb Gott der HErr unſern ſeeligen Herrn Siegeln nicht laͤnger lebende bey denen Seinigen habe laſſen wollen / wuͤr - de vielleicht uns keine andere Antwort werden / als dieſe: Der Todt iſt Jhme beſſer als Leben!

Hier war ſein Leib der Kranckheit voll
Biß Er kam in den Todt /
Nun[63]Abdanckungs-Rede.
Nun aber iſts gemachet wohl
Daß Er ſey ohne Noth.

Demnach ſo goͤnnet ihme doch / betruͤbteſte / dieſen ſeeligen Wechſel den ihme GOtt gegoͤnnet! Nun iſt Er ja aus den Blauen-Neides-Thal dieſer Welt gekommen in den Obern Blauen Himmels-Saal!

Hier iſt keine Hoffnung daß ſich Streit und Neid eher werden endern biß die Welt ſelbſten in Staub geleget / wie etwa dorten Hannibal von der Feindſeeligkeit zwiſchen Rom und Carthago geurtheilet. Aber / der ſeelige Herr Siegel iſt nun aus allen Neid und Streit zur Freud und Herrligkeit gelanget.

O wie freuet ſich deſſen ſeine Seele! ſagende:

Nun ruht wohl mein entſeelter Leib
Gott du der meinen Schutz-HErr bleib!

Mit dieſen Troſt trucknet / betruͤbteſte / eure naſſen Augen / und erleuchtert euren ſchweren Creutz-Gang! Wollet ihr aber / alle ſeine Hinterbliebene lieber wiſſen / was Er zu guter letzte von Euch begehret? Jch antworte: Nichts als mit Epaminondâ ut memoriam Sui ſervetis. Seiner ſollet Jhr in beſten einge - denck verbleiben: Jn ſolchen Andencken ſollet Jhr Euch ſeine liebe Frau Mutter / Frau Wittib / und einiges Vaterloſe Waͤißlein / zum beſten laſſen anbefohlen ſeyn.

Zuletzte dancket Er auch fuͤr alle treue Jhme Lebens-Zeit uͤber erwieſen / und inſonderheit ſeiner hertzlieben Frau Mut - ter fuͤr alle Muͤtterliche Treu und ſorgfaͤltige Aufferzucht: Seiner Eheliebſten und nunmehro betruͤbten Frau Wit - tib / geliebten Geſchwiſter / fuͤr alle Wohlthat / die man in ſei - ner langwierigen Niederlage auch mit Gedult an Jhm gewen - det. Sein Wundſch iſt: Gott wolle fuͤr alles ein reicher Ver -gelter[64]Abdanckungs-Rede. gelter bleiben! Jſt noch uͤbrig / daß im Nahmen derer Hoͤchſtbe - truͤbten und gantzen anſehnlichen Siegeliſchen Freund - ſchafft / der auch anſehnlichen Trauer-Verſamlung beyderley Geſchlechtes demuͤtigſter Danck abgeſtattet werde / daß ſie auch theils mit auffnehmung eines fernen Weges / dem ſeeligen Herrn die letzte Ehre zur Grabegeleitung haben leiſten wollen: Vermelde demnach in aller Betruͤbten Nahmen Jhnen aller - ſeits fuͤr die ruͤhmlich erwieſene Compaſſion und geſchehene Volckreiche Begleitung ſchuldigen Danck. Und wie ſie es fuͤr eine hohe Gunſt mit danckbaren Hertzen annehmen; alſo wol - len ſie auch ſolche in unentſunckenen Gedaͤchtniß behalten / nicht allein mit dem Erbieten / in hoͤchſter Danck-Gefliſſenheit mit allen moͤglichſten Dienſten / doch lieber bey erfreulicher Gelegen - heit / ſolche freundliche conteſtirete Affection zu erwiedern / ſon - der auch mit den wohlgeneigten Wundſch / daß Gott mit ſeiner Gnade uͤber Sie allerſeits wolle halten / nebſt denen lieben Jhri - gen in Gluͤckſeeligkeit laſſen bluͤhen / und fuͤr dergleichen Trau - erfaͤllen behuͤten: Welches auch meines wenigen Ortes mein inniglicher Wundſch iſt / der ich hiemit dieſe gantze Kirch - farth der Gnade JESU treulichſt empfehle!

ENDE.

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About this transcription

TextFrommer Christen Ewiges Gnaden-Trost- und Freuden-Liecht
Author Benjamin Heyden
Extent64 images; 16094 tokens; 4127 types; 111493 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationFrommer Christen Ewiges Gnaden-Trost- und Freuden-Liecht Benjamin Heyden. . 65 David NicolaiSt. Annaberg1676.

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Universitätsbibliothek Breslau Universitätsbibliothek Breslau, 4 O 877/11 / 510974

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationGebrauchsliteratur; Leichenpredigt; Gebrauchsliteratur; Leichenpredigt; ready; aedit

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  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-10T09:35:55Z
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Holding LibraryUniversitätsbibliothek Breslau
ShelfmarkUniversitätsbibliothek Breslau, 4 O 877/11 / 510974
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