PRIMS Full-text transcription (HTML)
[1]
Chriſtliche Leichpredigt /
Darin erkleret wer - den die klagwort des HErrn Chriſti da er am Creutze ſpricht:
Mein Gott / Mein Gott / warumb haſtu mich verlaſſen?
Vber dem Begraͤbniß / der Erbarn vnd vieltugendſamen Frawen Adelheydis Caſtens / des Herrn GEORGII SCHILLINGES zu Franckfurt an der Oder / eheliche Haußfrawen auff den Sontag Oculi / des 1596 Jares.
Gedruckt zuFranckfurt an der Oder/ durchAndream Eichorn/ Anno1597.
[2]

Ornatiſſ. & Doctiſſ. Vir DN. GEORGIVS SCHILLINGIVS tàm Litterariæ, quàm Francofordienſis ad Via - drum Reipub. Civis LLq́ Stud: Conjugem ſuam dilectißimam præmaturè ex hac vitâevocatam mœrens alloquitur.

SICcine ſpe citiùs viridi ſublata ſub ævo
Legìtimum linquis chara ADELETA virum?
Siccine quæ nuper talamo perblanda voluptas,
Nunc dolor & iuſta es facta querela viro?
O víta, exiguo quàm verè ſtamine pendes:
O ſors, quàm varias das variando vices:
Ast cur ſuſpiro? quæ fiunt, omnia fiunt
Diſponente DEO, qui benè agit, quod agit.
Debemur Morti, lata hæc ſententia cunctis,
Debita ſolviſti dum tumulata iaces,
Solatur mœſtas modò ſpes hæc certa querelas,
Quod prudens iuſtâ rexeris arte domum.
Quod pietatis amans fueris, vitæquepudicæ,
Lumina quod verâ clauſeris inquefide.
Atquelocata polo vitâ meliore fruaris,
In mediâ inventa est quæ tibi morte: Vale.

Matthæus Rudingerus Frauſtadi - enſis Sil. P. Cæſ. & N. P.

[3]
(Matth. 27. verſu. 46. )Eli / Eli / lamaaſabthani? Das iſt / Mein Gott / mein Gott / warumb haſtu mich verlaſſen? Etliche aber die da ſtunden / da ſie das hoͤreten / ſprachen ſie / der rufft dem Elias. Vnd bald lieff einer vnter jnen / nam einen Schwam / vnd fuͤl - let jn mit Eßig / vnd ſteckt jhn auff ein Rhor / vnd trencket jn. Die andern aber ſprachen / halt / laß ſehen / ob Elias komme vnd jhm helffe.

Außlegung.

ES hat der Allmechtige ewige Gott / (welches Allmacht wir alle vnterworffen ſein) am ne - heſt abgewichenen Donnerſtag / vmb 12. vhr. Frawen Adelheit Castens, des Herrn Georgii Schillinges, vielgeliebte Eheliche Haußfraw nach ſeinem gnedigen vnd Vaͤterli - chen willen vnnd wolgefallen / aus dieſer ſchnoͤden vnnd grundboͤſen Welt / durch den zeitlichen Todt ſeliglichen ab - gefordert / jhre Seele zu ſich in ſein Reich genommen / den Coͤrper wollen wir jtzo in ſeiner Mutter ſchoß / in die Erde legen / darin mag Er ſanfft ruhen vnd ſchlaffen biß an den lieben Juͤngſten Tag / als denn er mit aller Außerwehlten Leibern/ zur ewigen Frewde vnd herrligkeit erwachen vnnd aufferſtehen wird. Job. 19. Eſa. 26. Dani. 12. Matth. 22. Johan 5. 1. Cor. 15. 1 Teſſ. 4.

Er ſelbſt / der Herr Georg Schilling liegt auch mit Leibes ſchwacheit in GOttes gewalt / wir wollen nach der vermanung des Apoſtels Jacobi 5. fuͤr jn bitten /A ijdas jn[4]das jhn der liebe Gott / von ſeinem Siegbette gnediglichen wider auffhelffen / vnnd zu voriger Leibes geſundheit brin - gen moͤge / damit Er noch ein zeitlang in dieſem Leben / ſei - nen beyden ſehr kleinen Kinderlein / als ein Vater troͤſtli - chen vorſtehen koͤnne. Solches wild der getrewe GOtt / geben vnd verleihen / ſo fern als es jhnen allerſeits nuͤtz vnd ſelig iſt / anders vnd mehr ſollen wir in Leiblichen vnd zeit - lichen Guͤtern nicht wuͤnſchen oder begeren / 1. Johan. 5. Matth. 8. vnd 26.

Wir haben eben dieſe klaͤgliche ſterbewort des Her - rer JEſu / in anſtehender Leichbegaͤgnuß / zu erkleren fuͤr vns nemen wollen / aus folgenden vrſachen.

I.

Weil ietzund iſt das tempus Quadrageſimale, oder die Faſtenzeit / auff welche man ſonſten in der Chriſtlichen Kirchen handelt / vnd betrachtet die Paſsion, das iſt / die Hiſtoria des bitter Leydens vnnd ſterbens / vnſers trewen Heylandes vnd Seligmachers JEſu Chriſti / welcher vns mit ſeinem Blut vnd Todt von allem vngluͤck vnd ewigem Verdamnuß erloͤſet hat / aus derſelben hochtroͤſtlichen Hi - ſtoria ſind dieſe abgeleſene Wort genommen / der wegen thun wir Chriſtlich vnd wol daran / das wir daruon in der Gemeine Gottes reden vnd vns daruon erinnern / angeſe - hen das es der heylige Geiſt befohlen hat. Da er ſpricht / 1. Corinth. 11. Mortem Domini annuntiabitis, donec veniat.

II.

Sind auch dieſe Leute / der Herr Georg Schilling mit ſeiner jetzo in GOtt ruhenden Haußfrawen frembde / vnnd ſo zurechen verlaſſen / haben allhie weder Vater / Mutter / Schweſter / Bruͤder oder andere Blutfreunde / ha - ben auch / gleich wie andere Chriſten / jhr Haußcreutz / truͤb -ſal vnd[5]ſal vnd Plagen / vnd wiſſen nicht wem ſie trawen / vnd wem ſie jhre anliegende Noth klagen vnd offenbaren ſollen / da - mit ſie Troſt vnd Recht erlangen moͤgen. Daruͤber wer - den ſie manchmal in ſchwere gedancken gerahten ſein / vnd eines zum andern geſagt haben: Ah / wie ſind wir ſo verlaſ - ſen / wir haben allhie keinen rechten vertraweten Freund / der vns aus noͤten helffen kan vnd wil / vnſere beſte Freun - de ſitzen vns ja zu ferne. Ah / mein Gott / mein Gott / wie haſtu vns verlaſſen? Wollen demnach allhie von Chriſto lernen / was von ſolchem weheklagen der Kinder GOttes zuhalten ſey.

III.

Werden vns auch dieſe Wort des Sohnes GOttes einen feinen nutzbaren vnd troͤſtlichen vnterricht vnd heyl - ſame Lehre geben / wie wir vns in die ſache ſchicken ſollen / wenn wir heut oder morgen / auch in ſo groß elend vnd tief - fe anfechtung geraten ſolten / das vns nicht anders deucht / als wir ſein von Gott vnd Menſchen verlaſſen. Wie denn die rechten Kinder Gottes in jren groſſen Creutz vnd elend auch offtmal wunderliche gedancken haben / vnnd ſeltzame reden fuͤren / wie zu ſehen iſt / Job. 3 Job. 30. Pſal. 31. Eſa. 49. Gott weis / was vns in kuͤnfftiger zeit widerfaren kan / vnd in welche noth vnnd anfechtung wir gerahten moͤgen. Wollen demnach aus den abgeleſenen worten des Herren Chriſti auff diß mal zubetrachten fuͤr vns nemen dieſe drey Punct:

I.

Wie es zuuerſtehen ſey / das Chriſtus von GOtt ver - laſſen worden.

II.

Warumb der HErr JEſus diß ſein Leyden ſo vber - laut außgerueffn vnd Maͤnniglichen verkuͤnden wollen.

Wie[6]

III.

Wie des HErrn CHriſti Jammerklage von ſeinen Feinden iſt außgelegt verlacht vnd verſpottet worden.

Wenn wir hieruon nottuͤrfftiglig gered haben / als denn wollen wir auch von vnſerm Todten kurtzen bericht thun. Der ewige GOtt verley vns ſein gnade vnnd des heyligen Geiſtes Krafft / das ſolches zu ſeinen Ehren vnd vnſer heyl vnd Seligkeit gereichen vnd gedeyen moͤge.

DE PRIMO.

ELi, Eli, Lamaaſabthani? Das iſt: Mein Gott / mein Gott / Warumb haſtu mich verlaſſen? Diß iſt das vierde Wort vnſers lieben Herrn Jeſu Chri - ſti / das er am Stamme des Creutzes gered hat / vnnd iſt ein ſonderliches / vnd zuuerwundern / warumb dieſe Klage vnd Elend geſchrey des HErrn JEſu in allen Sprachen / mit den Hebraiſchen Worten geſetzt vnnd behalten wird / eben mit den Worten vnd Syllaben / wie ſie der Herr auß - geſprochen hat. Ich achte es dahin / das der heylige Geiſt die gelehrten damit in die Scholam fuͤhren vnd vermanen wollen / das ſie die fuͤrnembſten Sprachen ſtudiren vnd ler - nen ſollen / auff das ein jeder ſehen vnnd wiſſen koͤnne / was vns der Herr darinne offenbaret hat / war iſt das / wir ha - ben / Gott lob vnd danck / die Bibel vnd GOttes Wort in vnſer Mutter ſprach ſo Deutlich vnd ſo klaͤrlich / das wir / oder kein Menſch daſſelbige werden beſſer machen koͤnnen. GOtt bezahle es D. Martin Luther / vnd andern gelerten Leuten / die fleißig vnd trewlich darzu gerahten vnd geholf - fen haben / nichts deſto weniger heiſt es: Dulcius ex ipſo fonte bibuntur aquæ: Es treget ſich / auch gar manch - mal zu / das vber einem loco ſcripturæ ein Mißuerſtandvnd[7]vnd ſtreit erwechſet / derſelbige kan nicht beſſer vnternom - men werden / als wenn man die fontes conſuliret, vnd fi - het wie es in ſeiner Sprachen lautet. Quodqueparum no - vit nemo docere poteſt. Einem Theologo iſt ſehr noͤ - tig / das er in den dreyen Linguis mediocrem cognitio - nem habe / vnd ſich mit der Lateiniſchen / Griechiſchen vnd Hebraiſchen Sprach behelffen koͤnne. Zu dem ſind diß auch hohe Wort / welche keines Menſchen Vernunfft / ge - dancken / Zunge vnd Sprache gnugſam erreichen vnd auſ - ſprechen kan / da Gottes Sohn hie klagt / Er ſey vom him - liſchen Vater verlaſſen / Darumb wil der Euangeliſt vnd ein jeder Interpres des Herrn Iesv eigene Wort ſe - tzen / wie ſie in jren formalibus lauten / damit die meinung nicht verrucket werde vnnd niemand des Herrn Wort vbel aus deuten moͤge. Es haben die Euangeliſten zu mehr - malen / dieſe vorſichtigkeit gebraucht / wenn der Son Got - tes etwas gered hat / welches jhm die Feinde zum ergeſten außdeuten konten. So haben ſie eben ſeine Sprache / Wort / vnnd Syllaben behalten / damit Er ſeine meinung außgeſprochen. Als da Marcus melden wil / wie der herr des Oberſten Toͤchterlein von den Todten aufferwecket hat / ſetzet er des Herrn Christi Wort in der Sy - riſchen ſprache wie es gefallen iſt / Mar. 5. Talitha kumi, Maͤgdlein ſtehe auff. Alſo behelt Marcus 7. Capit. auch das Wort Hephethah, das iſt / thue dich auff. Es moͤchten ſonſt die Feinde CHriſti ſagen wollen / der Herr hatte Zeuberſche Wort / oder ander Ebenthewer gebraucht / vnd dardurch ſeine Wunder gewircket. Gleich alſo wuͤrden auch wol etliche auffgetretten ſein / welche dieſes geſchrey des Herrn vbel deuten / vnnd etwan ein vngeduld vnd Vnglauben daraus machen wolten / weil ſchon vnter den Chriſten / Leute erfunden werden / die in den Jrrthumb ge -raten.[8]rahten. Das ſie ſprechen duͤrffen / es ſey vnmuͤglich / das in Chriſto blieben ſey / plena fiducia, certa ſcientia, ſpeſqueſalutis. Weil er in ſeinem Leiden ſich ſo hart betruͤbet / winſelt vnd weheklaget / an ſolchen Jrrthumb / wil der Eu - angeliſt vnſchuͤldig ſein / darumb hat er des Herrn eygen Wort geſetzet / die lauten gar lieblich vnd troͤſtlich / denn er hat nicht allein geſagt. Gott / Gott / wie haſtu mich verlaſ - ſen. Sondern Mein GOtt / mein GOtt / als ſpreche Er / Ah / du lieber Vater / ob wol jch aller Welt Suͤnde vnnd Miſſethat auff mich genommen hab / vnnd darfuͤr leyden vnd bezahlen muß / du als ein gerechter Eyfferiger GOtt / leſt auch deinen Zorn wider die Suͤnde vber mich ergehen / vnnd ich bin ſehr verlaſſen in meinem elend / ſo biſtu doch vnd bleibeſt mein lieber Gott vnd Vater / vnd ich dein lie - ber Sohn / diß leyden kan vns beyde nicht von einander trennen vnnd ſcheiden / es ſey ſo gros als es immer wolle / vnd ſind alſo dieſe Wort des Herrn Christi nicht Verba deſperantis ſed conquerentis, nicht zagwort / ſon - dern klagwort / damit er ſeinem Himliſchen Vater zuruf - fet vnnd klaget das groß elend / darin er vnſer Suͤnden hal - ben geſetzt iſt. Es haben auch dieſe Wort gar nicht den Verſtand / als ſolte GOtt der Vater vom Sohn gewich - en ſein / der Vater iſt allezeit im Sohn / vnd der Sohn iſt im Vater / Johan. 14. Vnd Qui me miſit mecum eſt, & pater non derelinquit me ſolum. Man muß ſich auch allhie die gedancken nicht ein bilden / als wenn die Goͤttliche Natur hette verlaſſen die Menſchliche Natur in der Per - ſon Christi / Damaſc. Λόγος humanam naturam, quam ſemel aſſumſit nunquam deſerit. Sondern der geſtalt iſt Christvs von dem Himliſchen Vater verlaſſen wor - den / das Er nicht durch euſſerlich vnnd ſcheinbares Wun - derwerck aus ſeiner Paſsion errettet vnd erloͤſet worden / wieanderen[9]andern Propheten vnd heyligen Mennern zuuor geſchehen vnnd widerfaren iſt. Darumb / wenn der Herr ſpricht / warumb haſtu mich verlaſſen / iſts ſo viel als ſprech Er: Moſe vnd die Kinder Jſrael / Elias / Jonas / Daniel / vnd alle die dich von hertzen angeruffen vnnd vertrawet haben / ſind wunderlich errettet vnnd erloͤſet worden / Jch aber bin allein Bruder vberley. Jch muß herbucken / das Bad gar außtragen / im leyden vntergehen vnd ſterben. Weil ich al - ler Welt Suͤnde vnd ſtraffe auff mich genomen habe Das dieſe klage des Herrn Christi von ſolcher vnnd keiner andern Deſertion zuuerſtehen ſein / Jſt zuerſehen aus Pſ. 22. Vnſer Vaͤter hoften auff dich / vnd da ſie hoffeten / hal - feſtu jhnen aus / zu dir ſchrien ſie vnnd wurden errettet / ſie hofften auff dich / vnnd wurden nicht zu ſchanden / Jch aber bin ein Wurm vnd kem Menſch.

Es moͤchte wol jemand fragen / iſt Christvs der Son Gottes warer Gott / eines weſens vnd eines willens / mit dem Vater vnd dem heyligen Geiſte / Wie koͤmpt es denn / das er ſich nicht gantz vnnd gar / in den willen ſeines Vatern ergibet? Sondern wolte lieber / das Er demſelben nicht folgen vnnd gehorchen duͤrffte / wie beydes aus dieſem geſchrey / ſo wol auch aus dem Gebet am Oleberg ab zune - men iſt / Matth. 26. Luce 22.

Darauff muß man wiſſen / das wie in der einen Per - ſon Christi zwo vntertſchiedene Naturen ſind vnd ha - ben / ein jeder Natur jre proprietates vnd eygenſchafften / die Goͤttliche vnd die Menſchliche Natur: Alſo ſind auch in Christo zweyerley wille / der Goͤttliche vnd Menſchli - che wille / der Goͤttliche wille in Christo / iſt durchaus einig mit dem willen des Himliſchen Vaters / der Menſch liche wille in Christo iſt auch heylig / gerecht one alle ſuͤn - de / vnd dem Goͤttlichen willen gehorſam vnnd vnterworf -Bfen. A -[10]fen? Aber ſo hoch koͤmpt er nicht / als der Goͤttliche wille / welches wider die Monotheletas zu mercken / daruon Da - maſcenus lib. 3. Orth. fidei cap. 13. 14. 15. nach der lenge handelt. Darumb wenn Gott der Vater auff Christvm wirfft / beydes culpam vnd pœnam, das jhn engſten vnd druͤcken / aller Welt Suͤnde / Gottes Zorn / Todt / Hell vnd Teuffel vber einen hauffen / daſſelbeſt ruffet vnd klagt er / vber die groſſe Laſt ſeines Leydens / nicht zwar aus vnge - dult. Sondern aus eygenſchafft der Menſchlichen Na - tur / welcher wehe thut vnnd ſchmertzet / was jr zu wider iſt. Alſo ſpricht von Christo der alte Lerer Ambrof. lib. 2. de fide. cap. 4. Intende in Eo nunc gloriam Dei, nunc hominis paſsiones. Quaſi Deus loquitur, quæ ſunt di - vina, quia Verbum eſt, Quaſi homo dicit, quæ ſunt humana, quia in mea ſubſtantia loquitur. Alſo iſt es auch zuuerſtehen / Wenn Christvs ſpricht: Matth. 26. Meine Seel iſt betruͤbt biß in Todt. Jtem: Mein Va - ter / iſts muͤglich / ſo gehe dieſer Kelch von mir / doch nicht wie ich wil / ſondern wie du wilt

Aus dieſer jaͤmmerlichen klage des Sohnes Gottes / koͤnnen vnd ſollen wir nuͤtzliche Leren / Troſt vnd Verma - nung ſchepffen vnd nemen / deren wir in vorfallenden Noͤ - ten ſeliglich gebrauchen moͤgen.

I.

Sehen vnd erkennen wir hieraus / das die Suͤnde ein grauſam thun ſey / vnnd den Menſchen in ſchrecklich groß vngluͤck / angſt vnd noth ſetzen / von Gottes vnd aller Cre - aturen troſt abſcheiden / vnnd der Helliſchen Qual vnter - werffen kan. Solches iſt Christo widerfaren vmb vn - ſer ſuͤnde willen / wenn er ſchreyet Mein Gott / mein Gott / wie haſtu mich verlaſſen? Druͤcken Christvm frembde ſuͤnde ſo hart / vnd er muß ſo ſchwere angſt darumb leiden /was[11]was wil denn nicht widerfaren / denen die viel eigene Suͤn - de auff ſich laden vnd nicht buſſe thun / damit ſie derſelben loß werden? So ſpricht auch Eſai. 59. Ewre Vntugend ſcheiden euch vnd ewren Gott / von einander. Fuͤrwar / die Leute ſo mutwillig vnd mit vorſatz ſuͤndigen / Freſſen / ſauf - fen / Huren / Bulen / haſſen / zoͤrnen / wuchern / geitzen / dieſel - ben werden ſolche angſt vnd qual / daruͤber Christvs all - hie klagt / leiden muͤſſen in ewigkeit / 1 Cor. 6. Gal 5. Apoc. 20. Darumb / ſol ein jeder fuͤr der Suͤnden gewarnet ſein / vnnd nicht ſelbſt mutwillig vrſach darzu geben / das er von Gott verlaſſen vnd verſtoſſen werde. Auguſt. Devs ne - minem deſerit, niſi prius deſeratur à nobis. Fulgenti - us. Deſeritur à Deo, qui deſerit Devm.

II.

Haben wir an dieſen worten des Herren einen fei - nen Troſt / vnd koͤnnen vns auff diß Exempel Christi beruffen / wenn wir im Creutz aus Menſchlicher ſchwacheit wuͤnderlich reden / ęger animus facile errat. Ah Herr Ie - sv Christe / haſtu doch ſelbſt in deinem groſſen elend ge - ſprochen / du ſeiſt von GOtt verlaſſen / du wirſt mir armen Gebrechlichen Suͤnder auch zu gute halten / das ich inn meinem groſſen elend wuͤnderlich gedacht vnnd gered habe. Solchen troſt wil vns der Apoſtel einbilden / Ebr. 2. vnnd 5. Capitel.

III.

Stehet diß Exempel Christi fuͤr vnſern Augen gleich als eine vermanung vnd ein Erinnerung / das wir in vnſerm Leyden / wenn wir anders nicht / als eytel Hellen / ſterben vnd verderben fuͤr vns ſehen / vom Gebet nicht ab - laſſen. Sondern zu vnſerm lieben GOtt / jmmer fuͤr vnd fuͤr ruffen / vnd jm vnſer anligen vnd Noth vortragen vnd klagen ſollen / er wird zu rechter zeit mit der huͤlffe kommen. B ijPſal.[12]Pſal. 50. Ruffe mich an in der zeit der noth / ſo wil ich dich erretten. Pſa. 3. Jch ruffe an mit meiner ſtimme den Her - ren / ſo erhoͤret er mich / Pſ. 18. Wenn mir angſt iſt / ſo ruf - fe ich den Herrn an / vnd ſchrey zu meinem Gott / fo erhoͤ - ret er meine ſtimme. Vnd wenn vns denn auch der liebe GOtt / nicht flugs auff huͤpffet / wenn wir den Mund auff thun / vnd huͤlffe ſuchen / ſollen wir doch darumb nicht auff - binden / vngeduͤldig werden / vnnd GOtt leſtern / Sondern allewege mit Christo ſprechen. Mein GOtt / mein Gott / du biſt mein Gott / vnnd bleibeſt mein Gott / es gehe mir auch / wie es jmmer wolle / ſo wil ich dich doch auß mei - nem Hertzen nicht verlaſſen. Ach lieber Herre Iesv Christe / verley vns doch auch ſolche gedancken / geduld vnd beſtendigkeit / ſonderlich in vnſern letzten noͤten / Vnd ſo viel vom erſten Punct.

DE SECVNDO.

ES hatte der Sohn Gottes dieſe klaͤgliche Wort / wol inn ſeinem Hertzen ſprechen / oder etwa heimlich mit dem Munde reden koͤnnen / der Himli - ſche Vater / welcher allendhalben gegenwertig iſt / vnnd al - les hoͤret vnd ſihet / hette es doch wol vernommen / wenn er ſchon nicht alſo vber laut außgeruffen hette. Es iſt auch wunder / das der Herr nicht auff den bekerten vnd glau - big geworden Schecher geſehen / das er denſelben mit ſei - nem klaͤglichen geſchrey moͤchte wagkſpeyig vnd verzaget machen / aber weil in Christo war Vera humſlitas & Vera majeſtas, wie Leo redet / ſo ſtercket er nach ſeiner Goͤttlichen Krafft vnd Allmacht / den Schecher in ſeinem Glauben / vnd leſt diß geſchrey ergehen / von wegen der an - dern / die vmbher ſtunden / vnnd in kuͤnfftiger zeit auffkom - men wuͤrden.

Fuͤrß[13]

I.

Fuͤrß erſte / hat der Herr diß ſein geſchrey gericht / auff die weiſſagung der Propheten / welche von dieſer de - ſertion zuuor verkuͤndiget vnd angeſagt hatten / das Meſ - ſias ſolte vnd muſte ein kleine zeit von Gott verlaſſen wer - den. Pſal. 8. Pſal. 22. Es muͤſte alles vollendet werden / was geſchrieben iſt / durch die Propheten von des Menſch - en Son / Luce 18. Darumb hats auch an dieſem ſtuͤck nicht mangeln muͤſſen.

II.

Fuͤrß ander / hat der Herr diß elend geſchrey vberlaut ergehen laſſen / vmb der zukuͤnfftigen Ketzer willen / welche die ware Menſchliche Natur / vnnd derſelbigen weſentliche Eygenſchafften in der Perſon des Herrn leugnen vnnd verneinen / vnnd ſagen wolten. Ewer Salvator hat gleich einen Eyſern vnd Staͤlern Leib gehabt / der keine wehtage vnd ſchmertzen in ſeinem Leyden entfunden vnd fuͤlen koͤn - nen / vnd darmit were vns ein groſſer Seelen troſt entgan - gen / wenn nicht Christvs ſelber auch vnſer angſt vnd not gekoſtet hette vndderwegen / deſto beſſer mitleiden haben koͤn de / wenn wir Vngluͤck vnd noth leiden / Ebre. 5. Es haben ſich Ketzer funden / welche vns dieſen hohen Troſt gar zu Waſſer machen wollen / als Manes vnd ſein Anhang / ha - ben Gottßlaͤſterlich fuͤrgeben duͤrffen / Christvs hette nit wares Menſchliches Weſen / ſondern allein Menſchlichen ſchein vnd geſtalt angenomen / da doch die Schrifft ſpricht Joh. 1. Verbum Caro factum eſt, & habitavit in nobis, Ebr. 2. Er muſte aller ding ſeinen Bruͤdern gleich werden / auff das er barmhertzig wuͤrde / denn darin er gelitten hat / vnd verſucht iſt / kan er helffen / denen die verſucht werden. Der Ketzer Marcion hat gelert / das Christvs nicht war - hafftig in ſeinem Fleiſch gelitten / angſt vnd ſchmertzen ge -B iijfuͤlet /[14]fuͤlet / ſondern ein Leyden vnd ſterben ſimiliret vnd nur ein ſolch Spigelfechten gemacht hette / dadoch geſchrieben ſte - het / Eſa. 53. Vere languores noſtros ipſe tulit, & dolo - res noſtros ipſe portavit. Der Herr hat auch je / fuͤr groſſer angſt Blut geſchwitzet / Luc 23. hat er keine ſchmer - tzen vnd wehetage gefuͤlet / wie winſelt vnd klagt er denn ſo erbarmlich / das er von GOtt vnnd allen Creaturen ver - laſſen ſey.

III.

Auffs dritte / ruffet vnd klagt der Herr Christvs vber ſein Leyden vnd groſſe Noth ſo hertzlich vnd ſchmertz - lich / auff das er vns darmit von der Suͤnde vnd ſicherheit abſchrecke / vnd dieſelbe erleiden moͤge. Denn dieſe Jam - merklage des Herrn Iesv. Mein Gott / meinGott / wie haſtu mich verlaſſen? Zeigt an / daß das Werck vnſer Erloͤſung jhm viel ſchwerer an kommen ſey / als die Schoͤpffung Himels vnd der Erden / welche gar leicht ge - ſchehen iſt / Pſal 33. Ipſe dixit & facta ſunt. Solten wir aber von Suͤnden wider erloͤſet vnd ſelig werden / ſo muſte Er ſelbſt / ſein Leib vnd Leben dran ſtrecken / vnnd ſich eng - ſten vnd martern laſſen / wie der Herr ſelber ſpricht / durch den Mund der Propheten Eſa 43. Mir haſtu Arbeit ge - macht in deinen Suͤnden / vnd haſt mir muͤhe gemacht / in deiner miſſethat. Vnnd Paulus ſpricht / 1. Cor. 6. Lieben Bruͤder / Jr ſeid gar tewer erloͤſet. Solches wil der Herr einem jedern Menſchen allhie zu gemuͤte fuͤhren / vnd war - ne[n]/ das wir nicht mutwilliger weiſe ſuͤndigen / vnd wider - umb aus Gottes gnaden vns nicht ſetzen ſollen. Sonſten moͤchten wir von GOtt ewiglich verſtoſſen vnd verlaſſen werden / Luce 23. Geſchiehet das am gruͤnen Holtz / was wil am duͤrren werden? Muß der fromme vnd vnſchuͤldi -ge ſo[15]ge ſo hart her buͤcken vnnd leyden / wie viel mehr wird den mutwilligen Vbelthaͤtern jre Laſt vnd ſtraffe ſchwer wer - den.

IIII.

Zum vierden / hat der Herr mit dieſem Jammerge - ſchrey andeuten / vnd vns zu verſtehen geben wollen / wie es kuͤnfftig ein mahl vns werde ergehen an vnſer letzten hin - fart / vnnd wie einem ſterbenden Menſchen zu muhte ſey / wenn er abſcheiden vnnd dieſe Welt geſegnen ſol Der Herr hengt zwiſchen Himel vnd Erden / die Feinde ſtehen vmb jn her mit groſſem hauffen / ſeine freunde vnd verwan ten verlaſſen jhn / Johannes vnd Maria ſtehen vnter dem Creutz / winſeln vnd wehklagen / ſie koͤnnen jhm aber weder rahten noch helffen / der Himliſche Vater ſtellet ſich / als ſehe er jn nicht / begehret jhn auch nicht zuerloͤſen / vnd muß der herr alſo elend vnd verlaſſen dahin gehen vnd ſterben. Eben alſo wirds vns auch ein mal ergehen / wenn vnſer letz - tes ſtuͤndlein verhanden iſt / das wir aus dieſem Leben ſchei - den ſollen / da wird vns vnſer Geld / Gut / Hauß / Hoff / A - cker / Viehe vnd alles / wofuͤr wir ſo viel muͤhe vnd ſorge ge - tragen haben / gantz vnnd gar verlaſſen / vnſer Neheſten Freunde vnd Verwandten werden mitleiden haben / aber nicht helffen koͤnnen / der trewe Gott wird vns hinſterben laſſen / als wenn er vns nicht kennete / Ezech. 7. Jr Silber vnd Gold wird ſie nicht erretten / Pſa. 49. Jhr Gut muͤſ - ſen ſie andern laſſen Pſa 28 Mein Vater vnd mein Mut - ter verlaſſen mich. Wer wil ſich denn vnſer annemen / vnd vns aus noͤten erretten? Das wird vnſer Heyland Iesvs Christvs thun / der dis Leyden auch gekoſt vnnd verſucht hat / denſelben ſollen wir anruffen.

Wenn mein Verſtand ſich nicht verſint /
Vnnd mir all Menſchlich huͤlff zerrint /
So[16]
So kom O HERR Chriſt mir behent /
Zu huͤlff an meinem letzten End.

Er ſpricht / Pſal. 91. Jch bin bey jm in der noth / Jch wil jhnen heraus reiſſen. Pſal. 50. Ruffe mich an in der Noth / ſo wil ich dich erretten. Gnug vom andern.

DE TERTIO.

ER ruffet den Elias / laß ſehen ob Elias ko - me / vnd jn erloͤſe. Der Herr ruffet auff ſein Hebraiſch Eli, Eli, das heiſt / Mein Gott / mein Gott / daſſelbige deuten jm die anweſende Leute / die ſein en - de anſchawen gar vbel / vnnd verkeren jhm ſeine meinung / gleich wenn er bey den alten Heyligen wolt huͤlff / troſt vnd Rath ſuchen. Nun kan es wol ſein / das die Heydniſche Landsknechte / die Hebraiſche ſprach nicht verſtanden ha - ben / als wenn vnſere Deutſche Kriegßleute in Vngern / Hiſpanien oder Franckreich in etlichen Worten ſich jrren / vnd dieſelben vnrecht einnemen. Das iſt aber gewiß. Das die Juͤden ſolche wort wol verſtanden. Vnd dennoch die - ſelben vorſetzlichen verdrehen vnd verkeren helffen. Damit der Herr jn ſeinem Leyden deſto mehr geſchmehet vnnd ſchumpfiret werde / der frome Herr muß viel vnd ſchmertz - liche calumnias erdulden / daran jhm doch fuͤr GOtt / vnd fuͤr der Welt vnrecht geſchicht. Es wird jhm zu gemeſſen / alſo das er Auffruhr ſtiffte / vnd verbiete dem Keyſer Zinß zugeben / Luce 23. allhie wollen ſie jhm antichten / das er die Heyligen anbete vnd vmb huͤlffe ruffe. Nach ſeinem todt ſchmehen ſie jn in der Gruben / vnd heiſſen jhn einen Ver - fuͤrer / Matth. 27.

Daraus ſihet man / das auch heylige / fromme vnd gar vnſchuͤldige Leute bißweilen heimlich vnd offenbar Injuri - ret, belogen vnnd geleſtert werden / vnnd ſonderlich / wennvnſer[17]vnſer Herr GOTt die Hand abziehet vnnd leſt ſie ſin - cken / vnnd einen Fall thun / daſelbſt hoͤret man viel vnnd mancherley Iudicia von den Perſonen / Da muß alles auff geſucht werden / von vielen Jahren her / Laudatur ab his, culpatur ab illis. Der eine ſpricht / Ey / der gute Menſch koͤmpt ſo zuſchaden / Der ander aber ſpricht: Jhm iſt recht geſchehen / Er hats nicht beſſer haben wollen / Er hat ſolche ſtraffe wol verdienet / Er iſt nicht werd / das es jhm beſſer gehen ſolt. Er iſt ein Gottloſer Menſch / mit ſeinem Kirchen gehen vnd Gottesdienſt / iſt es eytel heucheley / Er hat ſich an mich vnd andern Leute gnug verſuͤndiget / Der dritte ſihet weiter / vnnd ſaget auch / ſeine Eltern ſind boͤſe Leute geweſen / er muß jrenthalben geſtrafftwerden. Exem - pla haben wir am Joſeph / Dauid / Suſanne vnd Chri - sto ſelbſt. Es heiſt aber Fruſtra Herculi calumniam ſtruxeris. Vnd huͤte dich nur fuͤr der That / der Luͤgen wird wol Rath / frommer leute Vnſchuld iſt noch allezeit mit groſſen Ehren an das Liecht gekomen / wie verheiſſen wird / Pſalm 37.

So hat ſich ein ehrlich Mann vnd Chriſtlich Weibß - bild / wenn ſie von falſchen Maͤulern beredt / vnd belogen werden / deß zu troͤſten / das ſolches andern frommen vn - ſchuͤldigen Leuten auch widerfahren iſt. Koͤnig Dauid klagt gar hart vber die falſchen Zungen / Pſalm 31. Viel ſchelten mich vbel / das ſich jeder man fuͤr mir ſchewet / Pſa. 35. Es tretten freuel Zungen auff / die zeyhen mich / deß ich nicht ſchuͤldig bin. Conſcia mens recti famæ mendacia ridet. Wem es dahin koͤmpt / das er boͤſen Leuten zur vn - gebuͤr / vber die Zungen ſpringen muß / demſelben weis ich kein beſſern Rath zugeben / als das er ſeine ſache / dem lie - ben Gott klage / Pſalm 43. Richte mich Gott / vnnd fuͤhre meine ſache / wider das vnheylige Volck / vnd errette mich /Cvon[18]von den falſchen boͤſen Leuten / Pſalm 119. Redime me à calumnijs leide die zugefuͤgte ſchmach mit gedult / vnd ge - dencke / das er dieſe vnd viel andere ſtraffen vberfluͤßig wol verdienet habe in ander wege / vnnd das jhm diß eine zuͤch - tigung ſey zur Buſſe / wie Dauid vom Simei ſpricht 2. Samuel. 16. Laſt jhn fluchen / denn der Herr hats jhm geheiſſen / fluche Dauid. Man hat ſich auch der Goͤttli - chen errettung vnnd belohnung zu troͤſten vnnd zu frewen / Matth. 5. Selig ſeid jhr / wenn euch die Menſchen vmb meinent willen ſchmehen / vnd verfolgen / vnd reden aller - ley vbels wider euch / ſo ſie daran liegen / Seid froͤlich vnd getroſt / es ſol euch im Himmel wol belohnet werden.

Hinwider / ſol auch ein Chriſt gewarnet ſein / das er nicht flugs alles gleube / wenn ehrlichen Leuten etwas boͤſes nach geſagt wird. Sol es viel weniger als bald auſſagen / Syrach 19 Man leugt gerne auff die Leute / darumb gleu - be nicht alles was du hoͤreſt. Diffamare cave, nam revo - care gravè. Vnnd ſonderlich ſol man gedencken an die Wort des Herren / Luce 6. Richtet nicht / ſo werdet jhr auch nicht gerichtet. Verdammet nicht / ſo werdet jhr auch nicht verdammet. Eben mit dem Maß als jhr meſ - ſet / wird euch wider gemeſſen werden / Vnd daß ſey auch gnug vom dritten.

COMMENDATIO perſonæ.

ANreichend nu vnſern Todten / Die Erbare vnd viel - tugendſame Fraw Adelheyda Castens / des Herrn Georgii Schillings / ſ[e]ligenHauß -[19]Haußfrawen / welcher wir jetzund den letzten willen erzeigt / vnd jhren todten Coͤrper ins Grab geleget haben / vmb der ſelben Ankunfft / leben vnd ſeligen abſcheid erhelt ſichs fol - gender maſſen.

Anfangs iſt ſie der Geburt vnnd herkommens von Flenßburg in Angelen oder Suͤder Judland gelegen / der Krone Dennemarck zuſtendig / an welchem Orth jhr lieber Vater / der Herr Reichard Castens / noch jetzo Buͤr - ger vnd Einwoner iſt / jhre geliebte Mutter Anna Bar - tholdin / iſt gleicher geſtalt auch daſelbſt buͤrtig geweſen / vnd Anno 95. zu Dantzig im Herrn ſelig entſchlaffen / vnd Chriſtlich begraben worden / von dieſen jhren Chriſt - lichen Eltern / iſt ſie von jugend auff / in der furchte Gottes zum Gebet / in Deutſcher vnnd Dennemaͤrckiſcher Spra - chen zu leſen / rechen / ſchreiben / vnd zur Haußhaltung fleiſ - ſig erzogen worden.

Im abgewichenen 92. Jahre / den 20. Auguſti hat wolgemelter jhr Vater / der Herr Reichart Castens / nach gepflogenen reiffen Rath / ſeiner Freunde vnnd alſo aus ſchickung des Allmechtigen GOttes / ſie Ehlichen / ver - trawen vnd beylegen laſſen / dem Herrn Georgio Schil - lingio / welcher der Geburt iſt auß der weidberuͤhmbten Stadt Breßlaw in Schleſien / ſein Vater iſt geweſen / der Herr Georgivs Schilling / ein Kretſchmer / vnd der - ſelbigen ein Oberelteſter / iſt im neheſt abgeweichenen 95. Jar auch im Herrn Christo ſelig entſchlaffen / vnd bey ſeinen lieben Freunden in Breßlaw begraben worden. Sein geliebte Mutter / Fraw Martha Langin / iſt Gott lob noch im leben / der trewe GOtt verley / das ſie jhren lie - ben Kindern / vnd Kindeskindern noch ein zeitlang zum be - ſten leben moͤge.

C ijIhren[20]

Jhren Eheſtand haben dieſe junge Eheleute / bey vns vber vierdhalb Jar Chriſtlich vnd wol gefuͤhret / in ſtehen - der Ehe hat jhnen der liebe GOtt an Leibes Fruͤchten be - ſcheret / einen Sohn / vnnd eine Tochter / Georgivs vnd Anna genand / ſind beyde noch im Leben / Gott gebe jhnen gnade vnd Segen / das ſie wol / vnd zu Gottes ehren auff - erzogen werden. Die ſelige Mutter iſt jhres Alters nur drey vnd zwantzig Jhar alt worden.

Jhres Lebens hat ſie ein fein Zeugniß / beydes von jh - rem lieben Herrn / vnd von jederman in dieſer Stadt / wel - chen ſie bekandt geweſen. Sie hat jhre Kinderlein / ob ſie wol noch ſehr jung ſind / fein zum Gebet gewehnet / ſie hat auch ſelbſt fleißig gebetet / vnnd iſt jhr kein ding ſo lieb / oder ſo noͤtig geweſen / das ſie nicht Abends vnd Morgens aus des Herrn Avenarij Buͤchlein zuuor jhre Gebet gethan hette.

Sie hat auch den gebrauch gehalten / ehe ſie in die Predigt gangen / hat ſie allezeit zuuor im Hauſe den Text / in jhrer Deutſchen Bibel / der ſolte erklaͤret werden / fleißig vberleſen / damit ſie die Predigt deſto beſſer vernemen koͤn - te. Zum gehoͤr Goͤttliches Wortes / vnnd gebrauch des Abendmals / hat ſie ſich gar fleißig gehalten / wie wir jr des Zeugniß geben koͤnnen.

Jhre Kranckheit belangend / iſt die Schwindſucht ge - weſen / Sie hat im ablauffenden 95. Jahre faſt ein halb Jar in Luͤbeck kranck gelegen / iſt auch ſeidhero allezeit mit Chriſtlichen ſterbens Gedancken vmbgangen. Zwey ta - ge fuͤr jhrem ſeligen Abſcheid aus dieſem Leben / haben ſie alle beyde / der Herr Georgivs Schilling vnd ſein Haußfraw / ſich mit einander Valediciret, in bey ſein jh - res Haußgeſindes / denſelben auch befolen / das man Maͤn -nigli -[21]niglichen ſolt bitten laſſen / wo ſie jemand auch vnwiſſend verzoͤrnet hetten / man wolle es jhnen vmb GOttes vnnd Chriſtlicher Liebe willen vergeben / ſie hetten ſolches auch gethan / von grund jres Hertzens. Nachmals haben ſie ſich beyde ſampt jhren kleinen Vnmuͤndigen Kinderlein in die Allmechtige Hand / Schutz vnd Schirm des ewigen Got - tes gehorſamlich ergeben / mit jhnen zu machen / wie es ſe[in]gnediger wille iſt / endweder zu dieſem / oder zum ewigen Leben / vnd haben mit einander geſprochen den Pſalm. 51. GOtt ſey mir gnedig / nach deiner Guͤte / vnnd tilge meine Suͤnde nach deiner groſſen Barmhertzigkeit / Pſalm 130. Aus der tiffe ruffe ich Herr zu dir / hoͤre meine ſtimme / las deine Ohren mercken auff die ſtimme meines flehens / Pſal. 103. Lobe den Herrn meine Seele / vnd was in mir iſt ſei - nen heyligen Namen.

Nach dieſem hat ſie nicht viel mehr geredt / ſondern ſich zur ſeligen hinfahrt geſchicket / auff den 11. Martij vmb 12. Vhr am Mittag iſt ſie ſamfft vnd ſelig ein geſchlaffen / der getrewe Gott verley jhr / mit allen frommen Chriſten / eine ſelige Ruhe / vnd am Juͤngſten Tage eine froͤliche auff erſtehung zum ewigen Leben / troͤſte vnd ſtercke jren betruͤb - ten vnd krancken hinterlaſſen Haußwirdt / vnnd da es ſein gnediger wille iſt / wolle er denſelben wider zu voriger geſundheit bringen / Solches wolle der Allmechtige GOtt vnd Vater thun / vmb ſeines liebenSo - nes Iesv Chri - sti willen /A - MEN.

[figure]
[22]

DN. GEORGIVS SCHILLINGIVS ad coſtam ſuam avulſam.

HVnc cape ſupremum, CONIVNX
ſua vißima, honorem
Nam genio, mea LVX, conve -
nit iſte, tuo:
In vivis hilaris, post mortem -
ſta MARITO:
Sed brevis hæc vita est: illa perennis erit.
Baſia quæ vi vo dederas ſine lite, recordor,
Nunc nequeo caſtas exaturare faces.
Triſtis ab amplexu te CONIVNX, Parcare -
vulſit,
Annus connubij vix ubi quartus erat.
Si te longævam tua tempora paſſa fuiſſent,
Æquaſſes nomen laudibus ipſa tuum.
Spe vitæ exanimum corpus requieſcat in urna,
Donec ab axe DEVS dicet, AMICA,
veni.
Tempus adeſt raucum ſonuit Taratantara ſignum.
NOBILE, ſurge, CAPVT, conſociare VIRO.
DN. ADELHEIDA ad coſtam relictam.
Odulcis CONIVNX: Manet irrevocabile
fatum
Siſte queri, lacrymas obſtrue, ſanus eris.
Molli -[23]
Mollitèr in tumba corpus post fata quieſcit,
Angelico mens est conſociata choro.
Exceßi Mundo, vivo tamen obvia Mundo,
Nam ſolet extinctos vita manere ſua.
Per ſobolem, vivo, maternam Icona ferentem,
Et pietatis, Anus fama loquetur, opes.
Debetur Myſtæ, quod vivam vivida Mundo,
Ille meas dotes prædicat, ille tuas.
Et vivit verè, qui veræ gaudia vitæ
Percipit, & vitam credidit eſſe DEVM.
Hæc Ego: Quod reſtat: communia pignora curæ
Sint tibi, communis donec eunda Via.
Andreas Breſenius Eccleſiaſtes Exul, viduus mœſtus, viduo mœrenti, rogatus fecit raptim.

About this transcription

TextChristliche Leichpredigt/ Darin erkleret werden die klagwort des Herrn Christi da er am Creutze spricht: [...]
Author Joachim Goltz
Extent23 images; 5269 tokens; 2075 types; 35006 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationChristliche Leichpredigt/ Darin erkleret werden die klagwort des Herrn Christi da er am Creutze spricht: [...] Vber dem Begräbniß/ der Erbarn vnd vieltugendsamen Frawen Adelheydis Castens Joachim Goltz. . 23 Andreas EichornFrankfurt (Oder)1597.

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Universitätsbibliothek Breslau Universitätsbibliothek Breslau, 4 S 190/15 / 524558

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationGebrauchsliteratur; Leichenpredigt; Gebrauchsliteratur; Leichenpredigt; ready; aedit

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  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
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ShelfmarkUniversitätsbibliothek Breslau, 4 S 190/15 / 524558
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