PRIMS Full-text transcription (HTML)
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Vidua DERELICTA SED DILECTA
Eine Witwe Verlaſſen / aber von Gott geliebet vnd vnverlaſſen / Auß dem 54. Cap. Eſaiæ /
Bey Adelicher vnd Ehrlicher vornehmer Leichbegengnuͤß / Der Edlen Ehr vnd vieltugentreichen Frawen Anna Zitzevvitzen von Zitzewitz / Des Weyland Achtbarn Ehrnveſten vnd Wolweiſen Herrn Johannis Colrepii Elteſten Buͤrgemeiſtern zu Stolp / ſeligen verblichener Witwen / welche den 23. Martij anno 1614. fruͤh zwiſchen 6. vnd 7. ſanfft vnd ſelig im Herrn entſchlaffen / vnd den 13. April. mit Chriſtlichen Adelichen Ceremonien zur Erden iſt beſtattet worden / Beſchrieben / vnd in eine kurtze Predigt / allen betruͤbten Wit - wen zum Troſt verfaſſet /
Gedruckt zuWittemberg/ beyJohann Gorman. Jm Jahr /1616.
[2][3]Vorrede.

EDle Ehr vnd vieltugent - reiche / Frawen / vnd liebe Freun - dinen. Der Gott alles Troſtes / 2. Cor. 1. vermahnet Chriſtliche Lehrer vnd Prediger alle betruͤ - bte Hertzen zu troͤſten / Eſa. 35. vnd ſpricht: Stercket die muͤden Haͤnde / vnd er - quicket die ſtrauchlenden Knie / Saget den ver - zagten Hertzen / Seyd getroſt / fuͤrchtet euch nit / ſehet ewer Gott kompt etc. Nun bezeugt die taͤ - gliche erfahrung / das vnter dem Hauffen ſolcher elender betruͤbter Leute / vns Lehrern vnd Predi - gern mejſtestheils fuͤrkom̃en / vñ vnſers troͤſtens fuͤr andern hoͤchlich benoͤtigt ſeyn / v[e]rlaſſene Wit wen / vnd Vater oder Mutterloſe Wayſen / wel - chen / nach toͤdtlichem abgang jhrer liebſten Ehe - gatten vnnd Eltern beyde Haͤnde laß werden / 2. Sam. 4. die Knie ſchlottern vnd beben / die Hertzen gebeugt / Iud. 11. vnd gekruͤmmet / 1. Sam. 4. werdẽ / weil jhnen der ſtarcke Arm / feſte Haußſeule vnd liebſter Hertzentroſt zerbrochen / verfallen vnnd genommen iſt / darumb warlich der beſte Gottes -A ijdienſt /[4]Vorrede.dienſt / fuͤr Gott dem Vater iſt / welchen fromme Lehrer vnd Prediger jhme leiſten koͤñen / das ſie Witwen vnd Wayſen beſuchen vnd troͤſten / Iac. 1. Jnmaſſen wir denn leſen / das der Koͤnig David der Amoriter Koͤnig Hanon durch ſeine abgeſan - de Legaten hat troͤſten laſſen / 2. Sam. 10. vnd wir leſen / das Elias neben Eliſeo getroͤſtet / vnd reich - lich verſorgt haben / zwo arme vnd elende Wit - wen / 1. Reg. 17. vnd 2. Reg. 4. Jm N. Teſtament wird vns fuͤr gehalten das Exempel des Sohns Gottes ſelbſten / welcher mit ſeinem Nol[o]flere, weine nicht / die betruͤbte Witwe getroͤſtet / vnd jre Trawrigkeit durch froͤlicht vñ gewuͤntſchte auf - erweckung jhres einigen Sohns geſtillet vnnd auffgehoben hat. Jn welches jhres HErrn vñ Meiſters loͤbliche Fußſtapffen getretten ſeyn die lieben heiligen Apoſtel / die da loͤblich verordnet haben / taͤgliche Handreichung den Witwen zu thun / Actor. 6. vnd der Apoſtel Paulus 1. Tim. 5. vermahnet die Witwen zu ehren vnd zu troͤſten.

Dieſen vnnd dergleichen loͤblichen Exem - peln nach / habe ich / Ehr vnnd vieltugentreiche Frawen vnnd Adeliche Witwen / dieſe Predigt / welche ich ewer in GOtt ruhenden hertzliebſten Schweſtern zun letzten Ehren / durch Gotes huͤlf gethan / auffs Pappier geſetzt / vnnd durch denDruck[5]Vorrede.Druck außgehen laſſen. Erſtlich weil mir leyder bewuſt / daß euch beyderſeits der liebe GOtt zu Witwen gemacht / vnnd Ewer hertzliebſten Jun - ckern beraubt hat / daß jhr nun als verlaſſene / vñ vnter andern allẽ ewern lieben Mitſchweſtern el - teſte vberbliebene Adeliche Matronen gutes tro - ſtes mehr denn Geldes benoͤtiget ſeyd. Zum an - dern / weil ich mich zueriñern weiß / was fuͤr groſ - ſe Gutthaten vnd Wolthaten mir von ewer Per - ſon vnnd den Ewrigen wiederfahren / in dem die - ſelben in jhrer vnnd der jhrigen Schwachheit / mein geringe Perſon bey jhnen gern haben ſehen / haben vnd wiſſen wollen / auch meines / aus Got - tes Wort gegebenen Rahts vnd Troſts gebrau - chet. Darauß ich denn Ewer Chriſtliches Ge - muͤth gegen Gott / vnnd wolmeinende affection gegen meine Perſon gnugſam verſtanden vnnd vernommen.

Demnach thue ich E. Edle T. dieſe Leich - predigt offeriren vnnd vberſchicken / mit freundli - cher Bitte / dieſelben wollen dieſen geleiſteten Dienſt in allen guten verſtehen vnd auffnemen.

Der Allmechtige GOtt / ein Richter der Witwen / vnd Vater der Wayſen / Pſal. 68. ver - leyhe vnd gebe E. Adelichen Tin jhrem Witwen -A iiiſtand[6]Vorrede.ſtand Chriſtliche Gedult / Erhalte dieſelben in guter beſtendiger Geſundheit / vnd behuͤte euch ne - ben den Ewren fuͤr Vngluͤck vnd Vngelegenheit vmb Jeſu Chriſti Willen / Amen.

E. E. T. Jn Ehren vnd Gebuͤhr / Dienſtwilliger M. Johannes Wolderus Prediger in Stolpen.

Jm[7]Chriſtliche Leichpredigt.

JM 45. Cap. des Propheten Jeremiæ klagt vnd ſaget Baruch des Propheten Notarius, Wehe mir / wie haͤt mir der HErr Jammer vber meinen Schmertzen zugefuͤgt / Jch ſeufftze mich muͤde / vnnd finde keine Ruhe. Darauff befihlt Gott dem Propheten Je - remiæ jhme zu antworten. Siehe was ich gebawet habe / breche ich abe / vnd was ich gepflantzet habe / reute ich auß / ſampt dieſem meinem eigen Lande / vnnd du begehreſt groſſe dinge / Begehve es nicht / dann ſiehe / Jch wil Vn - gluͤck kommen laſſen vber alles Fleiſch / ſpricht der HErr / aber deine Seele wil ich dir zur Beute geben. Mit die - ſen Worten begegnet Gott allen betruͤbten / trawrigen / leydtragenden Hertzen / die da in ſonderheit jhrer oder der jhrigen Todtshalben betruͤbt vnd bekuͤmmert ſeyn / Er - innert ſie GOttes des Allmechtigen ſeines alten ſtatuti aus dem 3. Cap. Gen. Erde biſtu / vnd muſt zur Erden wer - den / nach welchem GOtt alles / was er gebawet hat / zer - bricht / vnd alles was er gepflantzet hat / außreutet / vnnd den Todt leſt kommen vber alles Fleiſch. Troͤſtet ſie a - ber der gnedigen Verſehung / Gnad vnd Baꝛmhertzigkeit Gottes / nach welcher er gerechte vnd heilige Leute weg - raffe fuͤr dem Vngluͤck / vnnd leſſet die / ſo richtig gewan - delt haben / zum Friede kommen / vnd in jhren Kammern friedlich ruhen.

Dieſen zu folge hat der fromme vnd getrewe Gott / nach ſeinem geheimen / wiewol allein weiſen Rath vnnd Willen nach / Die Edle Ehr vnd vieltugentſame frommeEhr -[8]Chriſtliche Leichpredigt.Ehrliebende Adeliche Fraw Anna Zitzewitzen / vnſers ſe - ligen Herren Burgemeiſters Colrepij hinderlaſſene Witwe / Zwar aus dieſem Leben heraußgeriſſen / vnd jh - ren todten verblichenen Coͤrper / als einen Goͤttlichen Baw zerbrochen / vnd ſie als eine Edle Pflantze außgereu - tet / vnd hinweggerafft / aber fuͤr dem Vngluͤck / ſie alſo von Creutz vnnd Wiederwertigkeit dieſes Lebens zum Friede vnd Ruhe beruffen / daß es mit jhr heiſt:

Jhr Jammer Truͤbſal vnd Elend /
Jſt kommen zu einem ſeligen End.

Dieſer ſeligen Adelichen in Gott ruhenden Chriſt - lichen Frawen ſelige Coͤrper haben wir nun allhie aus jrem Hauſe in diß Gottes Hauß / das Geleite in anſehnli - cher proceßion gegeben / vnnd vns nu hierauff fuͤr Gottes Angeſicht geſtellet. Daß wir auß Gottes Wort eine e - lende verlaſſene / Aber von Gott geliebte vnd vnverlaſſene Witwe / allen betruͤbten Witwen zum Troſt beſchrieben / vnd in eine kurtze Predigt verfaſſen wollen. Darumb wir erſtlich vnnd anfenglich den lieben GOtt vmb Huͤlff vnd Beyſtand ſeines H. Geiſtes / wollen bitten vnd anruffen / vnd ein heiliges andechtiges Vater vnſer beten.

TEXTUS[9]Chriſtliche Leichpredigt.

Textus.

DEr dich gemacht hat / iſt dein Mann / HErr Zebaoth heiſt ſein Name / vnd dein Erloͤſer / der heilige in Jſrael / der aller Welt Gott genennet wird. Denn der HErr hat dich laſſen im geſchrey ſeyn / daß du ſeyſt wie ein verlaſſen vnnd von Hertzen betruͤbt Weib / vnd wie ein junges Weib / das verſtoſſen iſt / ſpricht dein Gott.

Jch habe dich ein klein augenblick verlaſſen / aber mit groſſer Barmher - tzigkeit wil ich dich ſamlen / Jch habe mein Angeſicht im augenblick des Zorns ein wenig von dir verborgen / Aber mit ewiger Gnad wil ich mich dein erbarmen. Spricht der HErr / dein Erloͤſer.

BDann[10]Chriſtliche Leichpredigt.

Dann ſolches ſol mir ſeyn wie das Waſſer Noah / da ich ſchwur / das die Waſſer Noah ſolten nicht mehr vber den Erdboden gehen: Alſo habe ich geſchworen / das ich nicht vber dich zuͤrnen / noch dich ſchelten wil. Denn es ſollen wol Berge weichen / vnd Huͤ - gel hinfallen / aber meine Gnade ſol nicht von dir weichen / vnd der Bund meines Friedes ſol nicht hinfallen / ſpricht der HErr dein erbarmer.

Du elende / vber die alle Wetter ge - hen / vnd du Troſtloſe. Siehe ich wil deine Steine wie einen Schmuck legen / vñ wil deinen Grund mit Sa - phyren legen / vnnd deine Fenſter aus Cryſtallen machen / vnd deine Thore von Rubinen / vnd alle deine Grentzẽ von erwehlten Steinen / vnd alle dei - ne Kinder gelehrt von dem HErren / vnd groſſen Fried deinen Kindern.

Du[11]Chriſtliche Leichpredigt.

Du ſolt durch Gerechtigkeit berei - tet werden. Du wirſt ferne ſeyn von Gewalt vnd Vnrecht / daß du dich da - fuͤr nicht darffeſt fuͤrchten / vnnd vom Schrecken / denn es ſol nicht zu dir nahen.

Siehe wer wil ſich wider dich rot - ten / vnd dich vberfallen / ſo ſie ſich ohn mich rotten?

Siehe ich ſchaffs / daß der Schmid ſo die Kolen im Fewer anblaͤſt / einen Zeug darauß macht zu ſeinem Werck / dann ich ſchaffs / daß der Verderber vmbkomme.

Den aller Zeug / der wider dich be - reitet wird / dem ſol nicht gelingen / vñ alle Zunge ſo ſich wider dich ſetzet / ſol - tu im Gericht verdammen.

Das iſt das Erbe der Knechte des HErrn / vnnd jhr Gerechtigkeit von mir ſpricht der HErr.

(ex c. 54. Eſaiæ v. 5. 6. 7. & usq́ue ad finem. )
B 2POSTIL -[12]Chriſtliche Leichpredigt.

Postilla.

ES fuͤhret der Sohn Got - tes im Gleichniß ein / beym Evangeli - ſten Luca cap 18 eine elende betruͤbte verfolgte Witwe / welche vnterſchied liche vielmal / einen vngerechten vn - barmhertzigen Richter mit Bitte vnd Thraͤnen angefallen / vnd von jhrem Wiederſacher ſie zu retten hoͤchlich geflehet vnnd gebeten / aber allwege abgewieſen worden / biß endlich nach langer Zeit vnd vielfeltigen anhalten / den vngerechten Richter / das ſehnliche / vnauffhoͤrliche flehen / geilen / winſeln vnnd weinen der Witwen gezwungen vnd bewogen hat / daß er hat muͤſſen ſich der Witwen annehmen vnd ſagen? Ob ich ſchon mich fuͤr Gott nicht fuͤrchte / noch fuͤr keinem Men - ſchen ſchewe / dennoch weil dieſe Witwe mir ſo viel Muͤhe macht / wil ich ſie retten / auff daß ſie nicht zu letzt komme / vnd vberteube mich.

Diß Gleichniß vnnd Parabel accommodieret vnnd zeucht daſelbſten der Sohn Gottes / zum theil auff ſeinen Himliſchen Vater / zum Theil auff alle betruͤbte elende Chriſten argumentiret à min. ad majus vnd ſagt: Hoͤret was der vngerechte Richter ſagt / Solt aber Gott nicht vielmehr retten ſeine Außerwehlten / die Tag vnd Nacht zu jhm ruffen / vnd ſolte Gedult daruͤber haben. Jch ſage euch auch / Er wird ſie retten in einer kuͤrtze.

Auff gleichfoͤrmige Art vnd Weiſe fuͤhret der Pro - phet Eſaias in verleſenen Worten ein / 1. Ein verlaſſenvon[13]Chriſtliche Leichpredigt. von Hertzen betruͤbtes / elendes / troſtloſes Weib / vber die alle Wetter gehen / vnd mit Jeremia aus dem 1. cap. ſeiner Klaglieder klagen vnd ſchreyen muß Ach HErr ſiehe doch wie bange mir iſt / das mirs im Hertzen wehe thut. Mein Hertz wallet mir in meinem Leibe / dann ich bin hochbe - truͤbet / drauſſen hat mich das Schwerd / vnd im Hauſe hat mich der Todte zur Witwen gemacht / Man hoͤrets wol / daß ich ſeufftze / vnd habe doch keinen Troͤſter.

Darauff der Prophet 2. beſchreibt vnd gleich mit eigentlichen Farben abreiſt vnd abmahlet / das lieb vnnd gnadẽreiche Hertz vñ Gemuͤth des liebreichen Gottes / wie er ſich gegen ſolche Leut verhalte / Er legt jhnen zwar wie David ſagt Pſal, 68. eine Laſt auff / aber hifft jhnen wider Er toͤdtet / vnd macht lebendig / fuͤhret in die Helle / vnnd wider auß / vnnd jammert endlich ſeineꝛ Barmhertzigkeit jhr Creutz vnd groſſes Leyd. Er ſtoͤſſt vnnd druͤckt die ſeinen nieder / wie die alten Reime lauten / hilfft aber vnd troͤſt ſie allzeit wider / Leſſet ſie ein zeitlang ſincken / aber nicht gantz vñ gar ertrincken / ſondern intoniert vnd ſtim - met endlich ſein Troſtlied jhm 6. mal an auß verleſenem Text:So ſpricht dein Gott / dein Erloͤſer / dein er - barmer. Jch habe dich ein klein augenblick ver - laſſen / aber mit groſſer Barmhertzigkeit wil ich dich ſamlen. Jch habe mein Angeſicht im au - genblick des Zorns ein wenig von dir verborgen / aber mit ewiger Gnade wil ich mich dein erbar - men. ()

Dieſes angezognen Gleichnuͤſſes / vnnd abgeleſenen Textes augenſcheinlichs Exempel wird vns fuͤr AugenB iijgeſtel -[14]Chriſtliche Leichpredigt. geſtellet / an der Edlen Ehr vnnd vieltugentſamen Fra - wen Anna Zitzwitzen / welche nach dem Todt vnd Chriſt - lichem Abſchiedt jhres ſeligen Herrn Buͤrgemeiſters in den betruͤbten Witwenſtand iſt verſetzt worden / darinn ſie in die 4. Jahr gelebt hat / vnnd mit David ſeufftzen muß / ex Pſal. 31. Mein iſt vergeſſen im Hertzen / wie eines todten / Jch bin worden wie ein zerbrochen Gefeß / & ex Pſal. 38. Jch mus ſeyn wie ein tauber / vnnd nicht hoͤren / vnd wie ein ſtummer / der ſeinen Mund nicht auffthut / vnd mus ſeyn wie einer / der nicht hoͤret / vnd der keine Wider - rede in ſeinem Munde hat / wie denn hie mit vbereinkompt der Hebreiſche Name〈…〉〈…〉 Almanah quod obmute - ſcat coram affligentibus, eine ſolche Fraw / die ligata est lingua, vnd mit gebundener Zungen jhren Wiederſa - chern nicht muß widerſprechen.

Auß dieſem betruͤbten Witwenſtand hat ſie GOtt erloͤſet / vnd den ſeligen Frewden vnd Ehrenſtand des E - wigen Lebens verſetzt. Da ſie alles jhres Leydes reichlich wird ergetzet / vnd jhre Thraͤnen von jhren Augen abge - wiſchet werden / vnd mit froͤlicher Stim̃ jhres Himliſchen Breutigams empfangen wird / Komme her meine Auß - erwehlte / dir iſt mein Reich bereitet von Anbegin der Welt.

Wir wollen nun im Namen Gottes zum Text ſelbſt kommen / vnd darauß allen betruͤbten / elenden / verlaſſe - nen Witwen zum Troſt anhoͤren:

I. Was fuͤr Trawrtiteln vnd Namen Gott allhie gibt einer elenden Witwen / vnd wie er mit Namen vnnd That jhren betruͤbten Zuſtand be - ſchreibet.

II Was[15]Chriſtliche Leichpredigt.

II. Was fuͤr Ehrennamen ſich GOtt gibt / damit er ſein liebreiches Hertz abmahlet / vnnd worauff er alle betruͤbte Witwen vertroͤſtet / vnd ſie alſo auß jhrem Trawerſtand / in einen froͤli - chen Frewden vnd Ehrenſtand verſetzet.

Der Allmechtige Gott / ein Richter der Witwen / vnd Vater der Waͤyſen / gebe / daß ſolchs jhme zu Ehren / vnd allen betruͤbten zum Troſt gereichen moͤge / Amen.

I. Locus.

WJr leſen im 2. Cap. des 1. Buchs Moſis / daß da Gott der Allmech - tige auch im Paradiß vnnd Himliſchen Luſtgarten das einſame privat Leben vnſers Erſten Vatern des Adams an - geſehen / hat Er alsbald geſchloſſen vnd geſagt: Es iſt nicht gut / daß der Menſch alleine ſey. Was damaln GOtt ſelbſten fuͤr boͤſe geachtet / gehalten vnnd außgeruffen hat / das muͤſſen alle elende Witwer vnnd Witwen indieſem Thraͤnen vnd Jammerchal / mit viel - feltigen Zehren vnd Thraͤnen taͤglich beſeufftzen / bewei - nen / vnd mit Salomon Eccl. 10. bekennen / daß / ob ſie ſchon zu - vor wolgelebt / dennoch fuͤr Trawrigkeit jhnen alle froͤ - ligkeit vergangen ſey / vnnd nichts denn der boͤſen Tage koͤnnen gedencken / vnd klagen / daß jrer ſo viel ſeyn. Sol - cher betruͤbter klagender Leut im Witberorden ſeyn ge - weſen / Gen. 23. der Altvater vnd Patriarch Abraham / wel - cher daſelbſten den toͤdlichen abgang ſeiner Haußmutter beklagt vnd beweinet hat. Jacob Gen. 35. der da betrawret hat ſeine Rebeccam / vnd andere mehr.

Jm[16]Chriſtliche Leichpredigt.

Jm Buch Ruth cap. 1. wird vns vnter den Wit - wen fuͤrgehalten die Naemi, welche klagt vnd ſaͤgt / Ach nennet mich nicht Naemi, ſondern Maria, denn der HErr hat mich hertzlich betruͤbt / 2. Sam. 14. kompt eine Witwe zum Koͤnig David / beklagt ſich / jhr Mann ſey geſtorben / vnnd wollen die Leute jhren vbrigen Funcken jhres Le - bens den einigen Sohn / Stab vnd Stecken jhres Alters außleſchen vnd vertilgen. 2. Reg. 4. laufft eine Witwe den Propheten Eliſæum an / klagt vnd ſagt jhm / wie jhr ſchul - dener jhre beyde Kinder jhr nemen wollen. Alexandri M. Witwe nebenſt jren Weyſen iſt erbaͤrmlich vmbs Le - den kommen / vnd erſtochen worden. Vnnd Ulyßis Weib Penelope hat von jhren Procis vnnd Schandvnfletern viel außfreſſen vnd verſchmertzen muͤſſen / denen ſie faſt alle das jhr hat muͤſſen zu preiſſe geben. Auß dieſen vnd an - dern Exempeln iſt hell vnd klar zuerſahen / daß der Wit - wenſtand warlich ein elender betruͤbter Stand ſeyn muͤſ - ſe / wie es denn ſich dahero leſſet anſehen / als daß der Na - me Witwe faſt auß zween wehe zuſammen geſetzt ſey / deñ hoͤher vnd groͤſſer Wehe kan einem Menſchen nicht wider - fahren / als wann jme ſein trewer liebſter Ehegatte wird genommen. Das bezeugen nu in verleſenem Text. 1. Die Trawernamen / die allhier GOtt gibt einer Witwen. Erſtlich nennet er die ſelbige Mulierem derelictam, ein ver - laſſenes Weib / welche verlaſſen iſt / Erſtlich Quo ad perſo - nam defuncti mariti. Sie wird genennet ein verlaſſenes Weib / denn jhr Kron / Frewde vnnd Wonne jhres Her - tzens / jhr hoͤchſter vnnd beſter Schatz iſt dahin / daß ſie ſa - gen kan vnd mus ans dem 5. Cap. der Klaglieder Jeremiæ, Die Kron meines Haͤuptes iſt gefallen / O wehe daß ich ſo geſuͤndiget habe / darumb iſt mein Hertz betruͤbt / vnd mei -ne[17]Chriſtliche Leichpredigt. ne Augen ſein finſter worden. Wenn ein Freund den andern verleſt gehets ohne Thraͤnen nicht ab / Aber wenn derſelbige Freund ſeine Freundin verleſt / der da iſt geweſen laborum omnium fulcrum & umbracu - lum, neceſſitatum & tribulationum remedium oblectamentorũ Inventor, cordis initium, unicus amor, columna & gubernator domus, pater opti - mus, Ein Mawer / ſchatte vnd ſchirm in aller arbeit / das beſte Recept vnd Artzney wider Creutz vnd Wider - wertigkeit / ein Erfinder aller froͤligkeit / freundligkeit / vnd liebligkeit / des Hauſes Seul vnd Trewer verwal - ter / ein frommer ehrlicher / redlicher Vater / da wil das Hertz gleich in tauſent ſtuͤcken zuſpringen / vnd gehet nach dem alten Reim: Ach ſcheiden jmmer ſcheiden wer hat dich erdacht / du haſt Menſchliches Hertz in gros vntraͤglichs trawren gebracht / Ach ſaget An - dromach. zu jhrem Sohne Hercule:Tu mihi tu ſolus pater es, materq́; verenda, Tu dulcis frater, tu gratus ad omnia conjunx. ()

Jm Leben gehets alſo zu / Mein Hertz / dein Hertz / ein Hertz / Nichts ſol vns ſcheiden / nichts ſol eines dem an - dern erlaͤden / Eines Hertzens vnnd Gemuͤts wollen wir bleiben. Aber / Jm Todt ligt der Herr / ſo ligt das Haus / vnd iſt alle frewd vnd froͤligkeit hinaus.

2. So iſt vnd bleibet eine Witwe nach abſterben2. jhres Mannes verlaſſen quo ad alios, da iſt vnd findet ſich keiner der ſich jhrer mehr wil erbarmen vnd anne - men / welcher zuvor ſie wol nit hette duͤrffen ſawer an - ſehen / oder einen vnſanfften Wind zuwehen laſſen /Cder[18]Chriſtliche Leichpredigt. der ſtreubet ſich wider ſie als ein ſtachlicher Jgel / vnd geht jhr nach dem alten Verß:Contemnunt ſpinam cum cecidêre roſæ: ()

Wenn die Roſe abgefallen iſt / keiner d[e]n Roſenbawm anſicht. Das hat muͤſſen erfahren ſeeligen D. Lu - theri Witwe / da dieſelbige nach abſterben jhres ſeeligen. Herrn einen groben Baccalaureum, den jhr Herr zu. Ehren geholffen / hat begruͤſſen vnd bitten laſſen / das er zu jhr moͤcht kommen / vnd aber der grobe Eſel jhr ſolches verſagt vnd abgeſchlagen / hat ſie bitterlich an - gefangen zu weinen / vnd geſagt: Ach das mirs hierzu kommen iſt. Zuvor ward ich lieb vnd werth gehalten von wegen meines Herrn / nun bin ich auch bey meinen eigenen famulo vnnd Brodtratzen vnwerth worden.

3. Jſt eine Witwe verlaſſen reſp. ſui, mus gleich in winckel kriechen / vnd wie eine Tuͤrteltauben einſam vnd elend bleiben. Auch ſagt Salomon Eccl. 4. We - he dem der allein iſt / wenn er faͤllet iſt kein ander da der jm auff helffe. Deñ der da ligt der ligt / vnd der reith derQuereu ca - dente ligna quivis colli - git. reith. Wann der Bawm iſt gefallen / wil jederman darvon Holtz holen: vnd mit jener Witwe klagen 2. Sam. 4. Heumihi, mulier vidua ſum. Ach ich bin ein Weib das leid tregt; jederman wil bey jr Fewer holen / vnd ſich an jhr reiben.

4. Sie iſt verlaſſen in ſumma was alle jhr Gluͤck Gut / Heil vnd Wolfarth betrifft. Denn was kan wol die guts haben / die da jhr beſtes Gut verlohren hat / was kan mehr liebers hoͤhers oder groͤſſes derſelben wi - derfahren / welche jhres liebſten vnd hoͤchſten ſchatzesberau -[19]Chriſtliche Leichpredigt. beraubet iſt / ein Menſch iſt ja kein Menſch / vñ wenn er ď gantzẽ Welt Gůter hette / vñ des Hertzen ſchatz / lieb frewd vnd[w]onne des gantzen Lebens wer dahin / was were jhm mit ſolchen allen gedienet.

Das iſt aber 5. das aller elendeſte vnd erbaͤrm - lichſte / das allhier Eſaias ſagt / GOtt habe ſie laſſen im geſchrey ſein / das ſie ſey ein verlaſſenes Weib / vnd Gott alſo ſeine Hand abzeugt / vnd wirfft ſie jederman in die Haͤnde / vnd ins Maul / das die Kinder auff der Gaſſen von jhr ſagen vnd ſchreien muͤſſen. Da da / der Herr hat ſie verlaſſen. Laſſet nur ſie zureiſſen wie eine hangende Wand vnd zuriſſene Mawer Pſal. 62. Alſo iſt nu eine Witwe / Vidua ad orbitatem & ſolitudinem projecta, wie eine Rohrdomel in der Wuͤſten / wie ein Keutzlein in den verſtoͤreten Staͤdten Pſalm. 102.

2. Nennet ſie Gott mulierem dolore affectam, ſpiritu dolentem, anxiam & ſollicitam, von Hertzen eine betruͤbtes Weib / wie Naemi von jhr ſagt c. 1. Ruth / Jch bin ſehr betruͤbet / deñ der Herr hat mich betruͤbet / Nun iſt kein groͤſſer betruͤbniß vnd trawrig - keit als Hertzen angſt vñ ſchwermuͤtigkeit / darein fuͤr - nemlich elende Witwen gerahten wie der Poet recht vnd wol geſaget hat:Non dolor eſt major, quam cum violentia mortis, Unanimi ſolvit corda ligata fide. ()

Kein groͤſſer ſchmertz iſt auff dieſer Erden / als wenn zwey Hertzen getrennet vnnd geſchieden wer - den / Die Griechen nennens[διχοτομίαν], daC ijdas[20]Chriſtliche Leichpredigt. das Hertz gleich in 2. ſtuͤcken vnd theil wird geſpaltet / das eine wird vergraben in die Erde / das ander bleibt im Leibe blutig vnd halb todt hangen / vnd ob es ſchon nach langer zeit durch ein Narbe wird vberzogen / den - noch bricht dieſelbige leichtlich durch vielfeltiges ſeuff - tzen vnd gedechtniß widerumb auff / ernewret das vori - ge Hertzenleid / vñ leſſet ſich dieſe Hertzenwunde nim̃er ſtillen / oder heilen / bleibet alſo ein inſanabile vulnus. Welche Wunde tragen muͤſſen beyde Reiche vnd Ar - me. Denn iſt die Witwe reich / ſo ernewren jhr ſolche Wunde / die jenigen die auff jhren Todt vnnd Erbgut hoffen / laſſen ſich wol verlauten / ſie wollen mit pfeif - fen vnd trummeln ſie zu Grab bringen laſſen / wenn ſie recht auffbinden wollen / da finden ſich allerley Harpyen vnd Raubvogel / vnd heiſt:Non minor eſt virtus quam quærere parta tueri. Der iſt ſtarck vnd wolgelehrt / der ſich ſolcher Raub - vogel erwehrt.

Jſt ſie aber arm / ſo iſt das Vngluͤck deſto groͤſſer vnd erger. Die Carthaginenſer habẽ dieſen gebrauch vñ ge - wonheit gehabt / daß wann ſie einer Witwen jhres ſee - ligen Mannes Abſchied haben wollen anmelden vnnd anzeigen laſſen / der im Krieg ware vmbkommen / ha - ben ſie einen gefangenen vnd zum Tode verdampten Moͤrder zu jhr abgeſchickt / vnd die trawrige Gewerbe jme zuverrichten befohlen vnd aufferlegt / damit ſie an - zeigen wollen / das keinen hoͤhern vñ groͤſſern Hertzen - Mord einer begehen koͤnte / als der durch ſolch ein traurige Bottſchafft / einer Witwen trawriges Hertzverwun -[21]Chriſtliche Leichpredigtverwundet vnd gleich als mit eigenen Henden vnnd worten ermordete.

3. Es gehet der fromme Gott weiter vnd nennet ein ſolche verlaſſene vnd von Hertzen betrůbte Witwe Repudiatam eine verſtoſſene. Diß iſt nu zimlich hoch geſpunnen / vnd gehet nicht allein Leib vñ Leben / glůck vnd wolfarth an / ſondern Ehr vnd Redligkeit. Nun konnen Weibesperſonen keinen beſſern Schatz dann dieſen haben / vñ heiſt mulier coruſcat radijs mariti. Aber frommer Chriſt behertzige ein wenig / wie gehets doch elenden Witwen / werden ſie nicht von Ehr vnd Redligkeit geſchwetzt / verplaudert vnd verlogen. Au - relius ſagt recht: Viduarum fama nihil tenerius. Non patitur jocum ſagt der Poet / fama fides, ocu - lus, WitwenGerůcht vñ Nam / nichts zaͤrtlichers ſein kan. Ehr / Glaub / vnd Augen zu keinem ſchertz taugen. Drumb auch in vnſern Chriſtlichen Alten ſtatutis in primo artis, wol vnnd loͤblich verordnet worden / das keiner Prediger / Oberkeit vñ Weibesperſonen ſchen - den vnd ſchmehen ſoll.

Wenn nu das Widerſpiel ſich begibt vnd zutregt / vñ eine Wittwe mus ſein wie ein verſtoſſener der man nachſchwatzet / was wider Gott / Ehr vnd Gerůcht iſt / da beginnet das Angſtwaſſer vbers Hertz zugehen / denn gut verlohren / vnverlohren / muth verloren / halb verlohren. Aber Ehr verlohren gantz vnd gar verloh - ren. Diſtel vnd Dorn / haben die Alten geſagt / ſtechen ſehr / Aber falſche Zungen noch viel mehr. Drumb wilC iijich[22]Chriſtliche Leichpredigt. ich lieber in Dorn vnd Diſteln baden / denn mit fal - ſchen Zungen ſein beladen.

4. Nennet Gott dieſes elendes Weib afflictam du elende. Wehe der nun die im elende iſt / denn die ge - het den elenden Weg. Timon Miſantropos ließ ſich verlauten / er were der Haar vnd art / daß wenn er ſehe einen in Waſſer liegen biß am Hals / vñ die Haͤnde zu jhm außſtrecken vnd außrecken / das er jhn ergreiffen vnd beim Leben erhalten ſolte vnd auch koͤnte / ſo wol - te er jhn mit beyden Feuſten vnters Waſſer ſtoſſen / vnd verſauffen laſſen / ob er ſchon einen im Fewer lie - gen fuͤnde / er wolte ſeinent halben keinen Finger jhm zu erloͤſen ausſtrecken. Solcher Leute finden ſich noch viel in dieſem elenden Jammerthal die wenig das gedencken / calamitoſo ne addito calamitatem. Ach den armen vnd elenden ſoltu nicht mehrCreutz zuwen - den. Drumb billich ſolche elende Leute ſeufftzen vnnd das Jammerlied ſingen moͤgen. Ach Gott von Him̃el ſich darein / vud laß dich das erbarmen / gar wenig ſind der Heiligen dein / verlaſſen ſind wir armen.

5. Nennet der Prophet eine Witwe / Turbine ja - ctatam / vber die alle Wetter gehen / nimpt ein Gleich - nis von den groſſen Bulgen vnd Wellen des Meers / gleich wie dieſelbigen einen / der einen Schiffbruch er - litten / herumb treiben / weltzen vnd werffen. Alſo wil er ſagen / gehets mit ſolchen elenden Leuten auch zu / denen die Bulgen vnd Grentzfluthen vber die au - gen ſchlagen / vnd das Waſſer vber die Koͤrbe begin -net[23]Chriſtliche Leichpredigt. net zugehen / vnd mit Jona ex c. 2. klagen vnd ſagen muͤſſen: Du wirffeſt mich in die tieffe mitten im Meer / das die Fluth mich vmbgaben / alle deine Wogen vnd Wellen giengen vber mich / das ich gedachte / ich were von deinen Augen verſtoſſen. Waſſer vmbgaben mich biß an mein Leben / die tieffe vmbringet mich / ſchilff bedeckte mein Heupt. Da heiſts / Qui neſcit orare, diſcat navigare / oder naufragari. Der Todt helt - boͤſen tauſch / gibt boͤſes fuͤr gutes / trawrigkeit fuͤr froͤ - ligkeit / vnluſt fuͤr wolluſt / dz eine Witwe allenthalben mit Bulgen vnnd Wellen iſt vmbgeben / vber jhren Hauſe ſtoſſen alle Wetter zuſammen / vnd plitzen / don - nern / ſchlagen vnd regnen zu jhr ein.

6. Nennet er ſie conſolatione omni deſtitutam mulierem, eine gantz vnd gar troſtloſe / die geſpeiſet wird mit eiteln Thraͤnenbrod / vñ getrenckt mit groſſen maß voll thraͤnen vñ nichts weis denn von eiteln jam - mer vnnd Noth biß in den Todt / wartet obs jemand jammere / aber da iſt niemand; auff troͤſte / findet aber keinen / Pſalm. 42. vnd mus klagen aus dem 1. Cap. der Klaglieder Jeremiæ: Man hoͤrets wol das ich ſeuf - tze / vnd habe doch keinen troͤſter.

Weil es denn heiſt nominibus conſtant omina ſæpè ſuis, damit keiner moͤge gedencken / das es bloſſe namen ohne that ſein / ſetzt drauff Gott die That ſelb - ſten. 1. Jch habe dich in boͤſen geſchrey laſſen ſein. Fama & vita pari paſſu ambulant.

Ehr[24]Chriſtliche Leichpredigt.

Ehr vnd Leben lauffen gar eben. Weñ nun ein Witwe im boͤſẽ geſchrey iſt bey jederman / ſo iſts mit jr gethan. 2. Jch habe dich ein Augenblick verlaſſen / Jch habe mein Angeſicht im Zorn von dir verborgen / alle Leut ſperren Augen Naſen vnd Ohren auff / ſchmehen ins freye Feld hinein / darzu ſchweigt Gott ſtille / kehret ſein Angeſicht hinwegk / verbirgt ſich vnd zuͤrnet / Daruͤber klagt gar ſehnlich die Naemi im Buch Ruth cap. 1. des Herren Hand iſt vber mich außgegangen. v. 13. Der Allmechtige hat mich ſehr betruͤbet. v. 20. Der Herr hat mich gedemuͤtiget. v. 21. Ach klagt ein be - truͤbtes Hertz im 102. Pſalm. Mein Hertz iſt geſchla - gen vnd verdorret wie graß / das ich auch vergeſſe mein Brod zueſſen. Mein Gebein klebt an meinem Fleiſch fuͤr Heulen vnd ſeufftzen. Jch bin gleich wie ein Rhor - domel in der Wůſten / wie ein Keutzlin in den verſtoͤ - reten Staͤdten / wie ein einſamer Vogel auff dem Da - che fuͤr deinem Trauen vnd zorn / das du mich auffge - haben vnd zu bodem geſtoſſen haſt. Von Menſchen verlaſſen ſein / gehet hin / Aber von Gott verſtoſſen vñ verworffen werden / gibt vñ bringt das rechte Hertzen - leid / vnd zwinget den Menſchen mit Job zu klagen / Mutatus mihi es in crudelem, Du biſt mir zum Feinde worden / O wehe / das ich ge - ſůndiget habe / Thren. 5.

LOCUS[25]Chriſtliche Leichpredigt.

Locus II.

Ach ſagt der Allmechtige Gott beim Pro - pheten Oſea c. 2. Jch wil ſie locken / vnd wil ſie in eine Wuͤſte fuͤhren vnd freund - lich mit jhr reden / als dann wirſtu mich heiſ - ſen mein Man / vnd ich wil mich mit dir verlo - ben inewigkeit / Jch wil mich mit dir vertrau - en in Gerechtigkeit / &c.

Dieſes verſpricht ſich allhier auch der fromme vnd getrewe Gott / gegen dieſes verlaſſene / verſtoſſene / ver - worffene / troſtloſe elende Weib / vnd damit dieſelbige nicht mehr Vrſach haben daran zu zweiffeln / ſo ſetzt er vorigen Trawernamen / ſehr herrliche / troͤſtliche Ehr vnd Frewdennamen entgegen / die jhme ſelbſten allhie Gott gibt / 1. Sagt er / Herr Zebaoth iſt dein Mañ / q.d. Ob du ſchon auff Erden deines Ehegatten berau - bet biſt / ſo ſoltu doch an ſtatt deſſelbigen einen viel hoͤ - hern / groͤſſern / reichern ſchoͤnern vñ mechtigern Breut gam vnnd Mann bekommen den Herrn Zebaoth. Eſ. 62. Man ſol dich nicht mehr die verlaſſene heiſſen / ſonderu du ſolt Mein luſt an jhr / vnnd dein land lieber Bule heiſſen / denn der Herr hat luſt an jhr / ſpricht der Herr ſelbſten. Darumb wie ſich ein Breutgam frewet vber der Braut / alſo wird ſich dein Gott vber dir frewen. Groͤſſere Ehre kan einer Witwen nicht widerfahren / denn ob gleich Vater vnd Mutter / vndDalle[26]Chriſtliche Leichpredigt. alle Verwandte vnd Bekante von jhr weichen vnd die Hende abziehen / ſo ſtehet jhr dennoch dieſer jhr Breut - gam zur Rechten / dem er wol wil / dem kan niemand v - bel wollen / wen er wil außbuͤrgen den kan niemand erwuͤrgen / wen er wil erquicken / den kan niemand er - ſticken noch vnterdruͤcken. Drumb gleich wie ein Weib zu jhrem lieben Ehemanne Zuflucht hat / alſo ſoll viel - mehr eine Chriſtliche Witwe in jhrem Witwenſtand vñ Noͤten jre zuflucht zu dieſen jren Himliſchen Breut - gam nemen / vnd ſagen ex Pſalm. 73. Herr / wenn ich dich nur bey mir habe / ſo frage ich nichts nach Him - mel vnd Erden. Elkana troͤſtet 1. Sam. ſein Weib An - nam / vnd ſpricht: Warumb weineſtu / warumb gehabt ſich dein Hertz ſo vbel / bin ich dir nicht beſſer als zehen Soͤhne. Nun iſts war / ein from̃er Ehegatte iſt beſſer vnd werther zu halten / denn viel Kinder / Aber vnzeh - lich viel mehr groͤſſer vnnd beſſer iſt Witwen der All - mechtige GOtt vnd jhr Heyland vnd Seligmacher Jeſus Chriſtus / welchen ſie mit wahrem Glauben vnd Chriſtlicher Liebe anhangen / ankleben / vnd mit Jacob ſagen ſollen Gen. 32. Herr Jeſu / ich verlaſ - ſe dich nicht / du geſegneſt mich denn / denn der Eheliche bund weret nur biß in den Todt / der bund aber mit die -Oſeæ. 2. ſen Him̃liſchen Breutgam getroffen / weret ewiglich. 2. Neñet ſich allhier Gott einen Erloͤſer der Witwen. 2. Reg. 4. Klagt eine Witwe: Es kompt der Schuldt - herr / vñ wil meine beyde Kinder nemen zu eigen Knech - ten / Aus ſolcher noth erloͤſet vnd errettet ſie der Pro - phet Eliſæus. Alſo verſpricht ſich allhier Gott ſelbſt / er wolle der Witwen Erloͤſer ſein / ſiehet damit auff jhre[27]Chriſtliche Leichpredigt. groſſe Noth / bedraͤngniß vnd beſchwerniß / darein ſie bis vber die Ohren ſtecken / vñ ohn einen ſtarcken mech - tigen vnd gewaltigen Held nicht koͤnnen oder muͤgen außgehoben vnd errettet werden. Weil jhnen nun ei - nen ſolchen bey Menſchen anzutreffen vnd zufinden vnmuͤglich / ſo verſpricht ſich hie Gott ſelbſt / Er wolle jhr Erloͤſer ſein / ey ſo fuͤrchte dich nicht / ſagt der Herr Eſa. 41. Jch helffe dir / ſpricht der Herr / vnd dein Er - loͤſer der Heilige in Jſrael / Jch habe dein elend erhoͤret fuͤrchte dich nicht / ſagt Gott zu der elenden verlaſſenen Hagar. Gen. 19. welche ſich deſſelben hoͤchlich getroͤſtet wie ſie deñ daſelbſten ſaget. Du Gott ſieheſt mich.

3. Nennet er ſich einen Heiligen in Jſrael / der aller Welt Gott iſt / damit er ſeine Heiligkeit vnd Allmech - tigkeit allen Witwen vñ Waiſen zum troſt ſetzet / nach jener kan vnd wil der fromme heilige Gott das vnrecht nicht leiden oder gedulden. Nach dieſer kan vnd wil er ſtraffen / vnd allen Elenden zugefůgte vbelthaten nicht vnbelonet hien ſchlieffen laſſen. Er iſt aller Welt Gott / ſiehet alles weis alles / helt ſeine groſſe Reicheregiſter / viel wird jm befohlen / viele rechnet vnd richtet er / vnd wird einmahl die groſſen retardaten mit den kleinen zuſammen ſummiren / vnd den Gottloſen zurechnen.

4. Neñet er ſich einen Herren vnd Gott der Wit - wen. Ach der from̃e Gott wil vnter ſeinem Regiement Witwen vñ Waiſen haben / derſelben jhr Herr vnd Gott wil er ſein / was groͤſſer Ehr kan jhnen doch wiď - fahren? Darumb du liebe Witwe vnd Waiſe fleuch zu deinem Herren vnd Gott / gleich wie wir leſen /D ijj. Sam.[28]Chriſtliche Leichpredigt. 1. Sam. 22. Das alle betruͤbte vnd elende zum Koͤnige David geflohen ſein / vnd bey jhm ſchutz geſucht / ſage auch aus dem 39. Pſalm. Ach wes ſol ich mich troͤſten / Herr ich hoffe auff dich / du wirſt es wol machen / Mein Herr vnd mein Gott. (wie Thomas ſagt.)

5. Einen Erbarmer nennet ſich Gott. Wil ſich nun kein lebendiger Menſch vber Witwen vnd Wai - ſen erbarmen / ſo ſtehet hier Gott ſelbſt auff / vnd ſchuͤt - tet ſein Hertz aus / Es jammert ſeiner Barmhertzig - keit / jhr Creutz vnd groſſes leidt.

Vnd damit wir nicht moͤgen gedencken / es moͤchten nur ſein bloſſe namen / one that vnd weſen / warten vnd foͤdern / So verſpricht allhier Gott dieſem verlaſſenen vnd verſtoſſenen Weibe ewige Gnade vnd Barmher - tzigkeit zum Brautgeſchenck vñ Morgengab. Hoͤhern vnd groͤſſern ſchatz koͤnnen Witwen vnd Waiſẽn nicht haben / auch groſſe Herrn vnnd Potentaten jhnen in dieſer Welt widerfahren laſſen. Denn ſagt Seneca: Hoc Reges habent magnificum prodeſſe miſeris: Das groſſe Herrn zum hoͤchſten thut preiſen / das ſie an den Elenden Barmhertzigkeit beweiſen. Daher ſie gemeiniglich den Namen vnd Ehrentittel fuͤhren / das ſie gnedige Herrn genennet werden. Vom Ale - xandro M. lieſet man / das er ſich freundlich habe ge - ſtellet / gegen des Koͤniges Darij gefangenes Eheweib vnd Mutter / darumb deñ Darius jme hoͤchlich hat dan - ckẽ laſſen / vnd daſſelbige bey jederman zu růmen vñ zu loben verſprochen vnd erboten. Dieſem hat Alexan - der ſchrifftlich geantwortet vnnd geſchrieben: Uten -dum[29]Chriſtliche Leichpredigt. dum clementia erga mulieres, quę nil niſi flere no - runt. Utendum animi magnitudine adverſus prin - cipes, qui tantùm bellare didicerunt. Es mus ein Herr freundligkeit vnnd barmhertzigkeit gebrauchen gegen arme elende Witwen / die nichts anders wiſſen oder koͤnnen als weinen. Er mus aber auch ſich ernſt - hafftig vnnd geſtrenge erzeigen / gegen andere ſeines gleichen Fůrſten vnd Herrn / die nichts anders wiſſen vnd gelernet haben denn kriegen. Claudius Cœſar wird geruͤhmet / daß da auff eine zeit eine Witwe mit weinenden Augen jhme jhr Elend hat geklaget / Er derſelbigen die Thraͤnen vom Angeſicht mit ſeinen ei - genen Henden habe abgewiſcht / vnd da er daruͤber iſt zur rede geſetzt worden / gar weislich vnnd wol geant - wortet: Malo angoris ſubditorum eſſe particeps, quam autor eſſe ut oculos lachrymis plenos habe - ant, Jch wil lieber des Elendes meiner armen Vnterthanen theilhafftig ſein als vrſach geben / das jhnen die Augen allezeit mit Thraͤnen vbergehen ſol - len. Ach wo ſolche loͤbliche Regenten regieren / da ſte - hets wol zu vmb elende verlaſſene Witwen vnd Wai - ſen / Wie ein ſolcher lobwuͤrdiger Herr auch geweſen iſt der Antonius Pius, der da ſoll geſagt haben: De - cet principes generoſos & bonos erga viduas viſce - ra ſemper aperta habere. Einem Fuͤrſten es wol anſtehet vnd gebůret / das er ſein Hertz gegen Witwen offen fuͤhret. Jſt doch Phalacis geweſen ein grewlicher wuͤtiger Bluthund vnd Tyrann / dennoch da er vieler ſchand vnd Laſter iſt beſchuͤldiget worden / vnnd jhmeD iijdie[30]Chriſtliche Leichpredigt. die Vnbarmhertzigkeit gegen elende Witwen iſt auff - geruͤckt / hat er geantwortet: Deus teſtor immortales, nunquam pupillis & viduis fores meas clauſas fu - iſſe. Jch ruffe die Goͤtter zu zeugen an / dz meine thuͤren armen Witwen vnd Waiſen nimmermehr vnd zu kei - ner zeit ſein verſchloſſen vnd verſperret geweſen. Es gedencket Macrobius l. 3. Saturnal. das zu Athen ge - weſen vnd geſtanden ſey templum miſericordiæ, in welchen zuſehen ſey geweſen ſtatua benignorũ prin - cipum, zu dieſem Tempel hat keiner kommen koͤnnen / der vnbarmhertzig iſt geweſen / vnd jme ſeine vnbarm - hertzigkeit gegen Witwen vnnd Waiſen hat koͤnnen auffgeruͤckt vnd vorgeworffen werden. Die Perſi - ſchen Koͤnige haben auch dieſes lob / das ſo offt ſie zur Tafel oder von derſelben gegangen / haben die Muſi - canten muͤſſen trometen / auff das Witwen vnd Wai - ſen koͤnten vnd moͤchten zuſammen kommen / vnd der vberbliebenen reliquijs genieſſen. Jnſonderheit ruͤh - men die Syriſchen Diener des Benhadads 1. Reg. 20. die Jſraelitiſche Koͤnige / jhrer Barmhertzigkeit hal - ben / vnd ſagen / wir haben gehoͤrt / das die Koͤnige des Hauſes Jſrael barmhertzige Koͤnige ſein.

Jſt nu Barmhertzigkeit ein groſſer Fuͤrſtlicher ſchatz / davon Herrn vnd Fůrſten jhren loͤblichen Na - men / Ruhm / Lob vnd Ehr haben / vielmehr iſt Gottes Barmhertzigkeit vnd gnade ein Goͤttlicher ſchatz / da - von Gott ſeine Ehre / vnd alle Witwen vnd Waiſen all jhr Gluͤck / nutz vnd Wolfarth haben / darumb biſtu elend vnd verlaſſen / getroͤſte dich du haſt einen barm - hertzigen Gott im Himmel.

Vnd[31]Chriſtliche Leichpredigt.

Vnd das wir nicht vrſach haben an ſolcher Goͤttli - chen gnade vnd barmhertzigkeit zu zweiffeln / ſo bekreff - tiget vns dieſelbige Gott. 1. Mit dem Exempel der Sůndfluth. Gleich wie da Gott geſchworen / das die Suͤndfluth nicht mehr ſolte kommen vber den Erden - kreiß / vnd die lange erfahrung bezeuget / das Gott vber ſeinem Eyde gehalten / Alſo ſagt er / habe ich geſchwo - ren / das ich nit vber dich zuͤrnen / noch dich ſchelten wil. 2. Es ſollen / ſpricht er / wol Berge weichen vnd Huͤgel hinfallen / aber meine gnade ſoll nicht von dir weichen / vnnd der Bund meines Friedes ſoll nicht hinfallen / ſpricht der Herr dein Erbarmer. Nu ſcheinets vnd iſts vnmuͤglich / das ohn Gottes Willen vnd Befehl Huͤgel vnd Berge ſolten koͤnnen weichen vnd hinſtuͤr - tzen / wie vielmehr wirds vnmuͤglich ſein vnd bleiben / das GO[t] t ſeine Zuſage ſolte koͤnn[e]n zu ruͤck ziehen / ſagt doch Chriſtus ſelbſten Luc. 21. Himmel vnd Erden werden vergehen / aber meine Wort werden nicht ver - gehen.

Darumb O Elende Witwe hange vnd klebe feſte mit gantzem vertrawen / an Gottes Wort / Zuſage vnd Verheiſſung / vnnd ſinge mit froͤlichen Hertzen. Ob ſichs anließ als wolt er nicht / ey ſo las ich mich doch nicht ſchrecken / denn wo er iſt am beſten mit / da wil ers nicht entdecken. Sein huͤlff laß ich mir ge - wiſſe ſein / vnnd ob mein Hertz ſprech lauter nein / laß ich mir doch nicht grawen. Denn wer hofft in GOTT vnnd jhm vertrawt / der wird nimmer zuſchanden / wer auff dieſem Felſen bawet / ob jhmgleich[32]Chriſtliche Leichpredigt. gleich geht zuhanden / viel Vngluͤck hie / hab ich doch nie / den Menſchen ſehen fallen / der ſich verleſt auff Gottes Wor / ter hilfft ſeinen Gleubigen allen.

Nun was wird deñ Gott nach dieſer ſeiner groſ - ſen Gnad vñ Barmhertzigkeit hie zeitlich vnd dort E - wiglich bey armen elenden Witwen vnd Waiſen auß - richten.

1. Sihe ſpricht er / Jch wil deine Stein wie einen Schmuck legen / vnnd wil deinen Grund mit Saphi - ren legen etc. Er weiſſaget allhier von der Kirchen des N. Teſtaments. Welcher grund von Steinen iſt ge - legt / das auch die Pforten der Hellen nicht koͤnnen die - ſelbigen vberweltigen / wie Chriſtus ſaget Matth. 16. Er gedencket inſonderheit der Saphirẽ / Cryſtallen vñ Rubinen / auch der außerwehlten Steinen / damit die Kirch Gottes geſchmuͤcket iſt / als eine Chriſtliche Ma - tron vnd Witwe / als ein Kirch / Tempel vnd Wonung des H. Geiſtes exorniret vnd gezieret / Darumb ob du ſchon biſt arm / elende / nacket vnd blos / fuͤr Gottes Augen biſtu auffs herrlichſte / ſchoͤnſte / koͤſtlichſte auß - geputzet / vnd kanſt ſagen vnd dich ruͤhmen aus dem 61. Cap. Eſaiæ. Jch frewe mich im Herren / vnd mei - ne Seele iſt froͤlich in meinem Gott / denn er hat mich angezogen mit Kleidern des Heils / vnd mit dem Rock der Gerechtigkeit bekleidet / wie einen Breutigam mit Prieſterlichen ſchmuck gezieret / vnd wie eine Braut in jhrem Geſchmeide beredet / &c. Dieſer Ornat gehet an in Eccleſia militante, wird aber außfůhrlich folgen in Eccleſia triumphante, da wir mit HimliſchenSaphi -[33]Chriſtliche Leichpredigt. Saphiren / Rubinen vnnd Cryſtallen gezieret / herein prangen werden. Ja da auch Gott einen newen Him̃el wird bawen / ein newes Jeruſalem / davon Johannes weiſſaget in ſeinem 21. vnd 22. Cap.

2. Was wird denn gutes armen Waiſen widerfah - ren? Deine Kinder gelert vom Herrn / vnd groſſen Fried deinen Kindern. Hie haben ſich arme Waiſen zugetroͤſten / das ſie daß ſeeligmachende Erkaͤntniß Gottes haben / vnd ob wol ſie wenig frieden dabey fin - den / Die Eltern ſterben jhnen auch abe gar zu fruͤh - zeitig / das ſie nicht vollnkoͤmlich koͤnnen von Gottes Wort vnd Willen vnterrichtet vnd vnterwieſen wer - den. Dennoch im ewigen Leben wird aller ſolcher man - gel erſtattet werden / in der Himliſchen Univerſitet vnd Academia.

Alſo ſehen E. Liebe ſchließlich / das der Allmech - tige Gott muͤſſe warlich ſein ein frommer Mann / weil er ſich aller Betruͤbten nimpt an / wie die Kirch auch von jhm ſingt: Was alle Welt verlohren acht / das er - helt Gott ſtets in ſeiner macht. Darumb verzage vnd verzweiffele keiner. Non relinquam vos orphanos. Jch wil euch nicht waiſen laſſen / ſagt Chriſtus der grund vnd Mund der Warheit / daſſelbe wird er ewig - lich halten.

3. Du wirſt ferne ſein vor gewalt vnnd vnrecht / vnd vom ſchrecken. Lieber Gott gehets doch in dieſer elenden Welt zu / das keins mehr gewalt / vnrecht vnd ſchrecken haben vnd leiden můſſen als Witwen vnnd Waiſen / denn vber welchen ein jeder kan / vber denſel -Eben[34]Chriſtliche Leichpredigt. ben wil auch ein jeder / Aber gedulde dich eine kleine zeit gib dich zu frieden / GOtt wirds zu rechter zeit wol ma - chen / Pſa. 37. Wirff dein anliegen auff den Herrn / er wird dich nicht verlaſſen / Alles was dir widerfehret: Nubecula eſt quæcito tranſibit, iſt ein kleines woͤlck - lein / welches bald wird vberrauſchen / Gott wird deine Hencker vnd peiniger die groſſen ſtockruthen vnd Po - lyphemos wol dempffen / vñ es mit jrer pracht / macht vnd krafft / geſtalt vnd gewalt / kunſt / dunſt / gunſt vnd brunſ[t]poltern ſchnarcken / pochen / ſchnauben / wuͤten vnd toben ein ende machen. Darumb laß dir die zeit vnd weile nicht zu lang werden / Sey getroſt vnd vn - verzagt vnd harre des Herren. Pſalm. 27. Aber ſprichſtu / Meine Feinde ſein ſtarck / mechtig vnnd ge - waltig / ſein groſſe ſtratioten / giganten / eitel Eyſen - freſſer vnd Him̃elſturmer / Darauff antwortet Gott / Wer wil ſich wider dich rotten vnd dich vberfallen / ſo ſie ſich ohn mich rotten. Eſa. 8. ſagt Gott / walauff ſeid boͤſe vnnd gebt doch die Flucht / růſtet euch vnnd gebt doch die Flucht / Beſchlieſſet einen Rath / vnd werde nichts draus / be redet euch vnd es beſtehe nicht / denn hie iſt Emanuel / Jſt Gott fuͤr vns / wer wil wider vns ſein Rom. 8. Eine feſte Burg iſt vnſer Gott eine gu - te Wehr vnd Waffen / Mit dir / ſagt David / kan ich Kriegsvolck zerſchmeiſſen / vnd mit meinem Gott v - ber die Mawren ſpringen. Gedeñckeſtu ſie ſpielens vnd ſchmiedens zu wuͤnderlich. Siehe / ſpricht wei - ter Gott / Jch mache das der Schmied / ſo die Kolen im Fewer auff blaͤſet einen zeug daraus macht zu ſei -nem[35]Chriſtliche Leichpredigt. nem Werck / darumb aller zeug der wider dich zuberei - tet wird / dem ſols nicht gelingen / q. d. Es finden ſich viel Teuffliſche Vulcani, der ſich auff jhr ſchmieden / winden vnd drehen legen / vnd verlaſſen ſich drauff / das ſie dieſe vnd jene Schelmſtuͤcke außſinnen vnnd ſchmieden koͤnnen / aber Gott hat mit die Hand in der Eſſe vnd ſchaſſte / das ſie muͤſſen werden fabri pro - priæ fortunæ. Herr jhres eigenen Vngluͤcks / vnd in die Grube fallen / welche ſie andern bereitet haben.

WAs nun betrifft vnd anlangt dieſe in Gott verſtorbene Edle Ehr vnd viel Tugend - reiche Chriſtliche Matron Anna Zizevitzen / kan vorle - ſener vnd erklerter Text artig vnd fein auff jhre ſeelige Perſon accommodiret vnd gezogen werden / denn ſo hoch jhr Adeliches vornehmes Geſchlecht / Stand vñ herkom̃en ſo lieb vnd gewuͤnſcht jhr vergangener Ehe - ſtand gtweſen / alſo Elend vnd viel Elender iſt gewe - ſer jhr betruͤbter Witwenſtand / in dem ſie einig vnd al - lein verlaſſen / jhres beſten Troſts beraubet worden / vnd wie eine troſtloſe / vber die alle Wetter gehen ſich ſchmiegen vnd biegen / důcken vnd drůcken muſſen. A - ber bey Gott iſt ſie dennoch viel hoͤher Ehrn vnd anſe - hens geweſen / der ſie zwar ein klein augenblick hat ver - laſſen / aber mit ewiger gnad ſich vber ſie erbarmet / ſie aus dieſem muͤheſeligen Leben zu ſich ins ewige genom - mẽ / da ſie nun mit dem Rubin des Roſinfarben Blu - tes Chriſti / vnnd mit den Cryſtallen vnd SaphirenE ijGoͤttli -[36]Chriſtliche Leichpredigt. Goͤttlicher Gnad vnd barmhertzigkeit gezieret / herein pranget vnd fern iſt von gewalt / vnrecht / vom ſchre - cken / vnnd nu mehr keiner Verfolgung mehr zuge - warten hat.

Was ſonſten jhre Genealogiam vnd Stam̃re - gieſter betrifft / wil ich dieſelbige nur kůrtzlich durch - lauffen.

Jhr Vater iſt geweſen / der Edle vnd Ehrenve - ſte Lorentz Zitzeuitz auff Zitzeuitz / Erbſaſſen. Jhre Mutter die Edle / Ehr vnd vieltugentſame Eliſabetha Putkanners / Hans Putkanners auff Barnow Erb - ſaſſen Eheleibliche Tochter.

Jhr Großvater von der Ritterſeite. Peter Zitze - uitz / daſelſten Erbgeſeſſen. Die GroßMutter Vrſu - la Schwanen.

Jhre Groß vnd VorEltern wird folgende Ta - bella genealogica zeigen vnd weiſen.

Von jhren lieben ſeligen Adelichen Eltern iſt dieſe in Gott ruhende Chriſtliche Matron in jhrer Kind - heit vnd Jugend / nebenſtandern jhren Mitbruͤdern vnnd Mitſchweſtern derer 15. an der zahl geweſen / Chriſtlich vnnd wol aufferzogen worden / aber weil ſie die juͤngſte vnd kleineſte vnter jhren billichen geweſen / hat ſie gar frůhzeitig jhre liebe Eltern verlohren / vnnd in den elenden betruͤbten Waiſenſtandt gerahten. Da -Status & vita Conjugalis. raus ſie endlich der liebe Gott beruffen hat zum Chriſt - lichen Ehe vnd Ehrenſtand / vnd iſt alſo aus ſonderli - cher ſchickung / verſehung vnnd Anordnung deß All - mechtigen Gottes beygelegt worden im Jahr ihresAlters[37]Chriſtliche Leichpredigt. Alters 37. Dem Edlen / Achtbarn Ehrenveſten vnnd Wolweiſen Herrn Johanni Colrepio, weiland Lob - wuͤrdigen / wolverdienten Elteſten Herrn Buͤrgemei - ſter dieſer vnſer Stadt Stolp / mit welchem fie in Lieb / Fried / guter Correſpondentz / vñ Einigkeit gelebet hat in die 17. Jahr. Jn welchem jhrem Eheſtand der lie - be GOtt jhnen zwar einen Erben ſehen laſſen / aber nicht lange gelaſſen / Dahero einer am andern ſeine hoͤchſte Frewde vnd Troſt gehabt / vnnd haben beyde vnter ſich wie Kinder gelebet / ſich einander weder erzuͤrnet / noch mit Worten vnd Wercken beleidiget vnd betruͤbet / vnnd alſo einen friedlichen vnd GOtt wolgeſelligen Eheſtand gefuͤhret.

Daraus nun ein jeder frommer Chriſt / leicht - lich wird zuermeſſen haben / wie ſauer vnd ſchmertzlich der Witwenſtand dieſer ſeeligen Frawen werde ange -Vidualis. kommen ſein / denn es gemeiniglich alſo gehet: Quæ habita ardenter amavimus, graviter ablata ſuſpi - ramus, Was liebet / das betrůbet / Gott hat dieſe ſee - lige Fraw jhres beſten allerliebſten Schatzes beraubet / vnd jhres Haupts Krone jhr etwa fuͤr vier Jahren ab - geworffen. Wie ſeltzam vnd wunderlich jhr es auch dieſe zeit vbergegangen / iſt jederman wol bekant / vnd bewuſt. Kurtz davon zu reden / Sie iſt geworden ein verlaſſen / vnd von Hertzen betruͤbtes Weib / eine troſt - loſe vnd vber die alle Wetter gegangen ſein / nach dem alten ſprichwort: Der Elende gehet den elenden weg. Jn dieſen jhren betruͤbten Witwenſtand hat ſie ſichE iijſtill[38]Chriſtliche Leichpredigt. ſtill / eingezogen / from vnd Gottfuͤrchtig verhalten / fleißig zur Kirchen gegangen / Gottes Wort mit groſ - ſem ernſt angehoͤret / der Heiligen hochwuͤrdigen Sa - crament / offt vnd vielmahls gebrauchet / dem heiligen Miniſterio vnd Dienern Goͤttlches Worts / allerley Ehr / vnd huͤlff gethan / vnnd nach dem Exempel der Alten Annen / den Gottesdienſt zieren vnd befoͤrdern helffen / darumb ſie denn aus Chriſtlichen mildem Ge - můth / vnd danckbaren Hertzen gegen Gott vnd ein Wort / in vnſere Kirchen gegeben vnd verehret hat eine ſchoͤne rhote Sammete Caſſel / welche alle vornehme Feſtage GOTT zu Ehren getragen vnd gebrauchet wird.

Weil ſie denn ein ſolch Chriſtlich Leben gefůhret /Mors. ſo hat ſie auch den Himliſchen Breutgam Jeſu Chri - ſto wolgefallen / vnnd hat mit jhr im 54. Jahr jhres Alters geeilet aus dieſem boͤſen Leben / aus welchem der from̃e Gott ſie abgefordert hat / durch eine zwar ſanff - te / vnnd dem außwendigen anſehen nach / geringe Kranckheit / welche Jhr aber / ohne jhr ſonderliche groſſe ſchmertzen / dergeſtalt zugeſetzet / das ſie ſtracks am vierten Tag hernach jhre Seele dem lieben Gott auffgegeben / nach dem ſie kurtz zuvor von mir das Heilige Hochwuͤrdige Abendmal des Herrn em - pfangen / vnd mit Gottes Wort iſt getroͤſtet worden. Darauff ſie ſich dann in GOTtes Willen ergeben / vnd geſagt / Was mein Gott wil / das geſchehe alle -zeit[39]Chriſtliche Leichpredigt. zeit vnd jhres letzten Stuͤndle ins mit frewden vnd gu - ter Vernunfft erwartet hat. Welche auch bald hat herzugenahet / vnnd dieſem jhrem Leben ein ende / dem ewigen aber einen froͤlichen anfang gemacht. Nun ſie lebt in Freud vnd Wonne / ein ende hat alle jhr leid / der liebe GOTT gebe jhr eine froͤliche Aufferſte - hung von den Todten / vns allen aber ein Chriſt - liches Leben vnd ſeeliges ſterben / vmb Jeſu Chriſti willen. AMEN.

About this transcription

TextVidua derelicta sed dilecta
Author Johannes Wolder
Extent39 images; 7531 tokens; 2592 types; 50869 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationVidua derelicta sed dilecta Eine Witwe Verlassen/ aber von Gott geliebet vnd vnverlassen/ Auß dem 54. Cap. Esaiae/ Bey Adelicher vnd Ehrlicher vornehmer Leichgegengnüß/ Der Edlen Ehr vnd vieltugendtreichen Frawen Anna Zitzewitzen von Zitzewitz Johannes Wolder. . 39 Johann GormanWittenberg1616.

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Universitätsbibliothek Breslau Universitätsbibliothek Breslau, 4 S 190/16 / 524559

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ClassificationGebrauchsliteratur; Leichenpredigt; Gebrauchsliteratur; Leichenpredigt; ready; aedit

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  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-10T09:36:13Z
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