PRIMS Full-text transcription (HTML)
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Die gegenwaͤrtige Geſtalt der Herrnhuterey in ihrer Schalckheit.
wo einige Stuͤcke der neueſten Herrnhurtſchen Schrifft: Gegenwaͤrtige Geſtalt des Kreutzreichs JEſu in ſeiner Unſchuld zur Warnung der Chriſtenheit, beleuchtet werden.
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GieſſenbeyJoh. Philipp Krieger.1746.
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(TERTVLLIANVS adu. Valentinianos, p. 283. )Sanctis nominibus & titulis, & argumen - tis verae religionis, vaniſſima atque turpis - ſima figmenta configurant.
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Vorrede.

SEit dem ſich die ſchaͤdliche Spaltung herfuͤrgethan, welche ſo viel Zerruͤt - tung in der Kirche GOttes nach ſich gezo - gen hat, iſt GOtt lob! kein Mangel an ſolchem Zeugnis geweſen, wodurch die - ſem Ubel haͤtte geſteuret werden koͤnnen. Allein, die Liebe zur Warheit und Stil - le, behaͤlt gar ſelten noch einigen Platz in ſolchen Hertzen, welche ſich einmal auf - werfen, das zu ſtiften, wodurch jenes unterdrukt und geſtoͤret werden ſoll. Man ſiehet dieſe Menſchen noch taͤglich in voller Bewegung. Licht und Grund - lichkeit iſt ihre Sache nicht. Redlichkeit und guter Wille ſchwebet ihnen auf der Zunge; aber das innere ſiehet ſo verdreht und ſtoͤſig aus, und zeiget ſeine Geſtalt ſo mercklich, daß kein Dekmantel mehr zureichet, es auf allen Seiten zu verſte - ken.

A 2Eine[4]Vorrede.

Eine Ruͤkkehr von dem Wege, den man zu Erreichung ſeines hochgeſetzten Ziels einmal erwehlet hat, iſt bei die - ſem Zuſtand vollends unmoͤglich. Wie ſolte das beiſammen ſtehen, ein Meiſter zu ſeyn, und bei denen Rath zu ſuchen, die man noch lange vor keine Juͤnger achtet? die man eben deswegen verab - ſcheuet, und von ihnen ausgehet, weil ſie dem Beduͤnken nach, ein armer Haufe ſind, ein Babel, und ein Volk das kei - nen GOTT hat? Ein Reich zu bauen, und der Nachwelt melden zu laſſen, daß Thorheit, Schwulſt und Verwirrung den erſten Stein darzu geleget; Liſt aber und Verwegenheit den Gipfel darauf ge - ſteket habe? Darzu wird freilich keine Hofnung ſeyn. Jmmittelſt hoͤret andern theils die Verbindung nicht auf, dieſem Frevel entgegen zu gehen. Es gibt Leu - te, die beſchloſſen haben das zu ſeyn, was ein blinder Fuͤhrer aus ihnen gemacht hat. Die bleiben es auch, und ſeegnen ſich dreimal mit dem Kreutz, wann ſie von der Warheit hoͤren. Es ſind andere, die des Glaubens halber unbekuͤmmert ſitzen,weil[5]Vorrede. weil nichts glauben, ihr beſter Glaube iſt, womit ihr Wandel voͤllig zurechte komt. Die ſind nicht wenig getroͤſtet, wann al - les in der Religion durcheinander gehet. Sie ſtehen hinter dem Vorhang, und la - chen in die Fauſt dabei. Der Herr Graf von Zinzendorf iſt in ihren Augen ein aus - erwehltes Werckzeug zu dieſer Abſicht, und er hat bei ihnen mehr Verdienſte, Preis und Achtung, als wann er ſeiner Geburt und Beruf zu folge, Land und Leute mit ſeinem Talent begluͤket haͤtte. Aber, man hat auch Gemuͤther die Grund ſuchen, und es vor eine Angelegenheit dieſer Walfahrt achten, daß man ſagen kan: ich weiß an welchen ich glaube. Demnach iſt es gut, wann Gelegenheit verſchaffet wird, bei - des gegeneinander zu pruͤfen. Jch habe nach meinem wenigen Vermoͤgen dann und wann dieſes befoͤrdern wollen. Und eben das iſt die Urſache, warum auch die - ſe Blaͤtter offentlich erſcheinen. Der An - blik ſo manches vorſetzlichen Frevels, und geflieſentlicher Schalckheit, verſtattet die Lindigkeit unmoͤglich, die man ſonſt bei Zurechtweiſung eines nur ſchwachen Bru -A 3ders,[6]Vorrede. ders, ohne Verſuͤndigung nicht aus den Augen ſetzen kan. Ubrigens hat die Furcht vor allerlei Bedrohungen, und gewoͤnli - chen Beywoͤrtern die man von dieſem Ge - ſchlechte reichlich zu gewarten hat, keine Macht uͤber mich. Jch ſehe auch nicht, wie die bittere Beſchwerde, welche bei ei - nem gewiſſen Koͤniglichen Hof meinet we - gen eingelaufen, und dem Druk uͤbergeben iſt, zu meinem Nachtheil ausſchlagen moͤchte. Die Warheit wird doch den Aus - ſpruch thun. Und ſie behaͤlt den Sieg; das weiß ich, und glaube es veſte. Der HErr erhalte mich dabei, und uns alle bei dem ei - nigen, daß wir ſeinen Namen fuͤrchten. Gieſen den 17. December 1745.

Gegen -
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Gegenwaͤrtige Geſtalt der Herrnhuterey in ihrer Schalkheit.

Erſtes Hauptſtuͤk. Die Schalkheit in der Abſicht und Maxi - men der neuen herrnhutiſchen Schrift.

Jnhalt.

1) Die ſchalkhafte Abſicht / wen das herrnhutiſche Reich 1) ein Reich Chriſti / (§. 1.) 2) ein Kreutzreich in ſeiner Un - ſchuld / (§. 2.) genennet wird / 3) wenn die ge - ſamte Bruͤderſchaft vor ihren Grafen ſtehet / und die Zuſchrift an die Obrigkeit richtet / (§. 3.) 4) wenn der Jnhalt des Buchs betrieglich eingerichtet wird (§. 4. 5.) 2) Vorlaͤufiger Beweis / daß die Herrnhuterey des Herrn Grafen we - der ein Reich Chriſti noch ein unſchuldiges Kreutzreich iſt / (§. 6.)

§. 1.

DJe neueſte Schrift, welche der Hr. Graf von Zinzendorf unter den Siegel und Beitrit ſeiner gantzen Kirche, als eine Vertheidigung und Bekent - nis ihres Glaubens hat ausgehenA 4laſſen,8laſſen, bildet ihren Meiſter vollkommen ab. Sei - ne Abſicht gibt ihm ſolche Maasregeln an die Hand, die ſich am beſten darzu ſchiken, worzu ſie erfunden ſind. Er beginnet allmaͤhlich dasjenige zu fuͤrch - ten, wornach ſein unruhiger Geiſt mit aller Macht bis daher gerungen hat. Deswegen hat er gut ge - funden, alle Kraͤfte ſeiner Argliſt und heimtuͤkiſchen Raͤnke zu verſammlen, um ſich durch ihren Vorſchub aus dem Gedrange zu bringen, in welches ihn ſein uͤbertriebener Frevel nothwendig hat verwikeln muͤſ - ſen. Er merket, da nun ſein aͤrgerliches Unterfan - gen, in den Augen der weltlichen Obrigkeit eben ſo blos geſtellet, wie es ſchon laͤngſt vor dem Richt - ſtuhl des goͤttlichen Worts befunden worden iſt; ſo werde die Weiſſagung Pauli ſich rechtfertigen, welche von ſolchen Geiſtern das Urtheil faͤllet: Sie werden es in die Laͤnge nicht treiben. Was iſt nun Rath? Potentaten, Reichsgerichten und Ver - ſamlungen wird etwas vorzuſpiegeln ſeyn, damit ſie irre werden. Abſonderlich wird es denſelben keinen geringen Begrif von den Herrnhutern bei - bringen, wenn man ſaget, das Reich Zinzendorfs ſeye Chriſti Reich. Denn da wird ein jeder, der nicht offenbarlich ein Feind Chriſti ſeyn will, ploͤtz - lich den Schlus machen: So laſſet euch nun weiſen / ihr Koͤnige / und laſſet euch zuͤchtigen ihr Richter auf Erden. Man wird alſo die herrn - hutiſche Schwaͤrmerey nicht nur dulden muͤſſen, wie man andere Secten duldet, ſondern dem Hei - land wird kein groͤſerer Dienſt geſchehen koͤnnen, als wenn einjeder Potentat es mit allen Kraͤftentraͤget,9traͤget, ſchuͤtzet, und ſo hoch erbauet, daß es einem Pallaſt gleichen moͤge, der auf einem Felſen lieget. Hingegen wird der(*)Das laͤſſet ſich aus den Maximen der herren - hutiſchen Regierungsſorm gar leicht ermeſſen. Jhr Stifter, der Herr Graf, iſt ſo ſtoltz und zornig / daß er gerne Feuer vom Himmel fallen lieſſe, wann der liebe GOtt ihm recht gehorchen wolte. Einen gewiſſen Lutheriſchen Prediger, deſſen Schrift nach ſeinem Tode herausgekommen, hat der Herr Graf bei dem Verraͤther Judas in der Hoͤlle geſehen. Wa - rum? weil in gedachter Schrift der graͤfliche Catechiſmus widerleget worden. Und gleich - wol iſt der Herr Graf weder bei jenes ſeinem Abſchied, noch bei dem goͤttlichen Richter - ſpruch, noch im Himmel, noch in der Hoͤlle zugegen geweſen. Vielweniger hat ihm GOtt offenbaret, wie es um das Hertz dieſes Pre - digers vor und in ſeinem Tode geſtanden. Ja er hat bekennen muͤſſen, daß dieſer Mann ihm Jrthuͤmer gezeiget habe, die er, in der fol - genden Ausgabe des erwehnten Catechismus - buͤchleins, ſelbſt zu erkennen und zu verbeſſern genoͤthigt worden iſt. Geſetzt nun, dieſer Pfar - rer habe den Herrn Graſen beleidiget. Ja geſetzt, er habe GOtt gelaͤſtert, welches der Herr Graf doch nicht ſagen wird. Jſt dann allenfals bei GOtt keine Vergebung geweſen? Hat Fluch die Schilden auf Er -A 5den10den unvermeidlich zerſchmettern, welche nur die ge - ringſte Bewegung dargegen machen. So gedachteder(*)Hat er vor und bei ſeinem Tode kine Gnade zu hoffen gehabt? Der Herr Graf, als ein Richter der Lebendigen und der Toden, ſpricht Nein darzu. Die Sache ſtehet in dem Zin - zendorfiſchen Catechiſmus, vom Jahr 1742, theils ſ. 204. 249, theils. 49. Dann bei die - ſem Menſchen iſt es einmal veſt geſetzet, daß diejenige, welchen ſeine Schalkheit unertraͤg - lich iſt / eben dadurch Suͤnden begehen, wel - che der Suͤnde in den Heiligen Geiſt, nicht unaͤhnlich ſind / wie er oͤffentlich bekennet im Vorbericht zu der Buͤding. Samml. 1. Theil. Ja es gehet ſoweit, wo man ſich gegen die Macht der Warheit nicht ſchuͤtzen kan, daß mit goͤttlichen Gerichten gedrohet wird, um ſich in dem Beſitz ſeiner mit Luͤgen verſchantz - ten Veſtung, behaupten zu koͤnnen. Man weiß ſchon gantz gewiß, daß die Rache GOt - tes zu Beſchuͤtzung der herrnhutiſchen Betrie - gereien ſich aufgemacht habe, und es bleibt nichts uͤbrig, als daß man ſeine Gegner noch einmal, vergeblich, warnen will. So heiſt es in der gegenwaͤrtigen Schrift, ſ. 82. Damit das mit mir angefangene ſcandaloſe Spiel ceſſi re / und die darauf gewiß zu erwartende goͤttliche Gerichte nicht unverwarnet kom - men moͤgen / ſo ruͤge ich hiermit nochmalsund11der Herr Graf ohne Zweifel. Deswegen ſchreibt er mit groſer Zuverſicht auf ſein Titelblat: die gegen -waͤrtige(*)und zum zweytenmahl / der donatiſti ſchen Theolog en ihr noch uͤbriges Gewiſſen. Und was iſt nicht ſein Bann vor ein fuͤrchter - licher Poppantz? nebſt den traurigen Geſchich - ten, von denen, welche ſich in den voͤlligen Ge - horſam ihres Meiſters nicht ergeben wollen? Eine Perſon / (ſpricht er, in eben angefuͤhrter Schrift, ſ. 42.) iſt ſeit 1727. raſend worden / und wenigſtens 9. Jahr blieben / zwey an - dere haben 1730. und 34. ohne daß man ſie angeredet oder genant / zu der Zeit / da man nur in genere von demjenigen Bann geredet / womit ſie / ohne unſere Reflexion darauf / heimlich behaftet geweſen / ſich daruͤber ſo alteri ret / daß ſie vor der Gemeine vor todt hingefallen / und heraus haben muͤſ - ſengetragen werden. Ein anderer hat 1731. geſagt / er wolle es glauben / wan ihn die Gemeine in Zucht nehmen koͤnne / wann er verkrumme / das iſt mit einem Land-kuͤn - digen Schreck-Exempel geſchehen / und vſque ad ipſum mortis articulum gegangen / bis endlich / da er ſich 1733. menſe Sept. von al - len Aertzten verlaſſen / in den letzten Zuͤgen auf einem Wagen nach Herrnhut fuͤhren / und in die Gemeine tragen ließ / die Wun - der-Cur in der Gemeinverſamlung mit ſei -ner12waͤrtige Geſtalt(**)Der gantze Titel heiſſet: Die gegenwaͤrti - ge Geſtalt des Creutzreichs JEſu in ſeiner Unſchuld / das iſt / verſchiedene deutliche Warheiten / denen unzehliche Unwarheiten / gegen eine bekannte Evangeliſche Gemeine in dreyen Abtheilungen entgegen und allen unpartheyiſchen Gemuͤthern vor Augen ge - ſtellet / dem aber der die Hertzen kennet und lenket / und nicht nach dem Anſehen rich - tet / ſondern ein recht Gerichte / zu ſelbſt eigener Mitzeugſchaft einfaͤltig uͤberlaſſen. 4. 1745. des Reichs JEſu in ſeiner Unſchuld.

§. 2.

(*)ner offentlichen Abſolution zugleich vno actu erfolgte. Sie iſt von vielhundert Menſchen zugleich geſehen / und von ihm ſelbſt nicht nur nicht gelaͤugnet / ſondern uͤberall / und nur zuviel / ausgebreitet worden. Den fuͤnften hat einige Minuten darauf / daß er mit Veraͤchtlichkeit und inadvertenz aus der Aelteſten-Conferenz gegangen / (nachdem er durch all ihr Bitten und Flehen nicht zu erweichen geweſen / ſondern ſich auf ein goͤttlich Deciſum berufen) der Donner auf der Stelle todt geſchlagen / etwan im Au - guſt 1738.

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§. 2.

Aber es hat unſer Herr Gref nicht nur ein Reich Chriſti (§. 1.) ſondern auch ein Creutzreich in ſeiner Unſchuld. Jenes erwekt die Hohen die - ſer Erden zu allem moͤglichen Vorſchub, und daß ſie fein gehorſamlich unter daſſelbige ſich beugen ſollen. Dieſes aber fodert zweierlei von ihnen. Erſtlich ein billiges Mitleiden, welches man dieſen Maͤrtyrern(*)Jch rede hier aus dem Mund des Herrn Gra - fen, ſ. 228. wo er ſeinen Bruͤder alſo ſchreibet: Das XII te das ich mit Schmertzen ſehen / und darunter als ein Maͤrtyrer leyden muß / iſt das in allen guten Hertzen tief eingewur - tzelte deſiderium des S. Prof. Franckens und ſeiner Anſtalten ꝛc. ſchuldig iſt. Sodann einen gerech - ten Unwillen und richterliche Ahndung gegen die Donatiſten, das iſt, gegen alle die boͤſe Menſchen, welche dem goͤttlichen unſchuldigen Reich, durch ihre Streitſchriften ſo viel Plage machen. Das Kreutz dieſes Zinzendorfiſchen Reiches beſtehet nicht etwa darinnen, daß deſen Erfinder nebſt ſeinen Kreaturen, ihren alten Adam kreutzigen, ihren Hoch - muth und Eigenſin unter Chriſtum beugen, ihren offenbaren und haͤßlichen Unfug erkennen, die zur andern Natur gewordene Luͤgen ablegen, und die Warheit reden, die Aergerniſſe, mit williger Auf - opfferung ihrer ſo ſehr ihnen ſchmeichlenden Meiſter - ſchaft, heben und tilgen muͤſten. Das iſt nicht ihr Kreutz. Sondern die gantze Geſtalt dieſes Creutz -reichs14reichs in ſeiner Unſchuld / aͤuſert ſich darinnen: daß ſie verſchiedene deutliche Warheiten denen unzehlichen Unwarheiten entgegen ſtellen / und den lieben GOtt zum Mitzeugen daruͤber anru - fen wollen. Und ſiehe! da erhaͤlt dieſes Creutz - reich einen neuen Vortheil. Dann ein jeder der es dem Herrn Grafen zu Gefallen, dafuͤr anſiehet, der muß auch ſagen und bekennen, daß wer nur ge - gen dieſen Man bisher eine Feder angeſetzt, der aͤrg - ſte Feind(*)Jn der Zuſchrift der geſamten Maͤhriſchen Kirchen-Vorſteher an alle obrigkeitliche Perſonen ꝛc. ſ. 3. beſchweret man ſich klaͤglich, uͤber den bitteren Perſonal - Haß der Theologo - rum, (welchen die Ketzerei der Donatiſten aufgebuͤrdet wird) und gibt ihnen ſ. 5. nicht undeutlich die Schuld, daß eine turbatio pacit publicae, (eine Stoͤrung des oͤffentlichen Frie - dens) durch ſie entſtehen werde. Sonſten aber ſind die Titel der Feinde des Kreutzes Chriſti / der Suͤnder in den Heiligen Geiſt / die Brandmale in ihren Gewiſſen haben / ꝛc. dem Herrn Grafen und ſeinen Reichs-Bedien - ten ſehr gelaͤufig, wann ſie von denen ſprechen wollen, welche dem Aergernis zu ſteuren ſu - chen. Jn dem Zinzendorfiſchen Unfug / (Lerna zinz. ) ſind die Stellen bemerket wor - den. Und des Biſchof Muͤllers Ausdruck, in ſeiner Unterſuchung ſ. 32. ſetzt noch ein Wortdarzu: des Kreutzreichs Chriſti bleibet. Dasmuß15muß vor allen Dingen veſt geglaubet werden, ſonſtwird(*)darzu: offenbare Feinde Chriſti und ſeines Kreutzes. Endlich bricht der Knoten gar, und der Herr Graf predigt offentlich in ſeinem Herrnhaag, den 22. Nov. 1744. in der Ge - meinde am 26. Sontag Trin. und laͤſt es her - nach druken, ſ. 9. die Buͤcher die gegen ihn geſchrieben wuͤrden / ſeyen von den Teufels Apoſteln / die jetzt in der Welt unter dem Namen der Geiſtlichen ordentlich von dem Teufel darzu beſtellt waͤren / daß ſie die Seelen / um die Seeligkeit braͤchten. Und das iſt es, was der Herr Graf von dem gnaͤdi - gen Verſchonen, deſſen ſeine Gegner von ihm genieſen, hin und wieder ruͤhmet. Dann er ſorget vaͤterlich dafuͤr, damit ſie nicht bei recht - ſchaffenen Leuten unbrauchbar werden, im Kreutzreich ſ. 48. Dritte Warheit: daß ich in meinen Apologien / immer mit vor mei - ne Gegner arbeite ihnen Verwirrungen und Beſchaͤmungen zu verhuͤten / und mit einer groſſen Menge Document en darum zu - ruͤkhalte / weil ſie zwar manche Frage ſo - gleich entſcheiden / hingegen aber auch die - ſen und jenen brauchbaren Mann / bey al - len rechtſchaffenen Leuten (ſans retour) auf lebenslang umſtuͤrtzen wuͤrden / davon auch bald (§. 5 *) etwas artiges vorkommen wird. Doch das laͤſt ſich daraus begreifen, was un - ten (§. 18.) erwieſen iſt.16wird man keinen Herrnhuter zumuthen; ſich auf ihre Schriften einzulaſſen.

§. 3.

Die Abſichten ſind kuͤrtzlich angezeiget (§. 1. 2. ) worzu die ſchoͤne Erfindung eines Creutzreichs und ſeiner Unſchuld / als ein Mittel dienen ſoll. Al - lein der Herr Graf hat mehr als einen Weg. Er hat noch beſondere Mittel zu dieſer Abſicht gantz ſinnreich ausgedacht, und ſich abermal in ſeinen Kuͤnſten ſo vollkommen abgeſchildert, wie man ihn vorlaͤngſt, gefunden. Sein Schreibwerk iſt unter dem Namen der gantzen Kirche den obrigkeitli - chen Perſonen zugedacht, wie die Zuſchrift lau - tet. Er hat das Siegel ſeiner gantzen Kirche dar - aufgedrukt, damit es nicht vor eine Privatſchrift angeſehen werde. Dann(*)Zu geſchweigen, daß in der Zuſchrift, dieſe Herrnhuterey des Grafen, vor eine Apologie der gantzen Bruͤderſchaft ausgegeben, und von den geſamten geiſt - und weltlichen Aelte - ſten, Deputirten und Syndicis, unterſchrie - ben wird. Das iſt kein geringes Zeugnis der Monarchie des Grafen, und des geſchwornen Gehorſams, in welchen ſich ſeine Reichsge - noſſen gegen ihren Stifter bequemen muͤſſen. Dann die gantze Hiſtorie dieſes Creutzreichs handelt von den Schalkheiten des Grafen. Wenig anderes iſt da zu finden. Es heiſt im - mer, daß ich / daß memand mehr gethanals der Bruder Biſchofhat17hat allemal ſein Vidit darunter ſetzen muͤſſen. Daraus ſol man ſchlieſen, daß was er gethan, die gantze Kirche gethan, daß er ſich und ſeine gantze Kirche der obrigkeitlichen Cenſur unter - werfe, und nach dem Exempel der wahren Be - kenner, ein gut Gewiſſen, auch keine Schuld an der Stoͤrung des Reichsſriedens (Zuſchrift ſ. 5.) habe. Das uͤbrige iſt ſchon (§. 1. 2. ) erwehnet.

§. 4.

Der Jnhalt beſtehet aus Privatbriefen an Verwandte, ingleichem an die Freidenker in Penſylvanien. Und dem Leſer zur Veraͤnderung ſingt er ein Lied darzwiſchen. (bis ſ. 3.) Dann kommen zwei dutzend Fragen von allerhand Sa - chen und Geſchichten, daruͤber er erſt wieder be - fragt ſeyn, und ſodann antworten will. Darauf hat er wieder ein kleines Zwiſchenſpiel mit einem Gegner, den er gerne im Vorbeigehen ein wenig filtzen wolte. (bis ſ. 17.) Damit ſind ſchon fuͤnf Bogen voll geſchrieben. Nun folget eine Vor - rede von einem Bogen, und ſogleich der Kern des Buchs (bis ſ. 89.) auf acht Bogen, welches er mit einer anmuthigen Anrede an die Gottes - gelehrten, ſehr liebreich und vertraulich (ſ. 90.) Bbeſchlie -(*)als ich. Und das hat nun alles die Kir - che gethan. Sogar auch die ſchaͤdliche Haͤndel die der Graf mit Rock und Dip - peln getrieben hat, und was ihm ſonſt gut gedeucht, auf dieſe Blaͤtter zu ſchreiben, dafur muͤſſen die Bruͤder ſtehen.18beſchlieſet. Das uͤbrige ſind Beilagen von aller - lei Sorten. Und damit iſt die wahre Geſtalt des Creutzreichs Chriſti in ſeiner Unſchuld voͤllig getroffen.

Jn gedachtem Kern des Buchs, zehlet er den obrigkeitlichen Perſonen allerhand ſogenante Warheiten, unter gewiſſen Abtheilungen dar, welche ſagen ſollen, was ſeine Lehre und ſein Thun bis daher geweſen ſeye. Nach der Lehre will er mit Gewalt ein Lutheraner heiſſen, und die Augſpurgiſche Conſeßion hat ſeit kurtzem ihr Leben und Weben ihm alleine, oder neben ihm noch ſehr wenigen andern Stuͤtzen, zu danken. Sein Thun und Laſſen aber iſt eine Reihe von lauter Verdienſten gegen die Lutheriſche Kirche. Seine Anſtalten ſind ſo regelmaͤßig und unſchul - dig, daß ſie der Momus nicht tadeln kan. Mit - hin thun ſeine Gegner nichts anders, als daß ſie ſich mit allerhand Fabeln tragen, die vorſetzlich gegen ihn erdichtet ſind. Und daraus wird bald eine Stoͤrung des oͤffentlichen Reichsfriedens (Zuſchrift ſ. 5.) entſtehen. Das alles hat der Herr Graf ſchon ſo oft geſaget, ſo oft man das Gegentheil in ſeinen Schriften und Werken ge - funden hat. Doch weil er hoffet, es werde end - lich geglaubet werden, wann er es fein oft und endlich auch gar mit Beiſtimmung ſeiner gantzen Kirche, in Form einer Apologie geſaget haͤtte; auch weil das Bekentnis der Lutheriſchen Kirche ihm wenigſtens darzu brauchbar ſcheinet, daß er ſich aus einem Labyrinth dadurch herauszie -hen19hen kan: ſo verlohnt es ihm ſchon der Muͤhe, daß er etliche Bogen Papier nicht ſchonet. Er hat dabei das Vergnuͤgen, fernerhin zu thun was er will, und durch das Symboliſiren nach ſeiner(*)Jn des Herrn Grafen Theol. Beden - ken / ſ. 166. ſtehet ſehr deutlich, wie ſein Bekennen zu der Lutheriſchen Kirche, zu ver - ſtehen ſeye. Nemlich man koͤnne ſolcher Geſtalt alle Jrrthuͤmer weglaſſen / und alle noͤthige Warheiten hinzuthun / und doch ſymboliſiren. Das geh[t]gewiß in andern Religionen nicht an. Man ſiehet alſo, warum Er bisweilen ſich Lutheriſch zu nennen dienlich findet. Er meinet, in an - dern Religionen ſeye man mehr durch die Symbola gebunden. Da wolle ſich das Weglaſſen und Hinzuthun nicht ſo fuͤglich ſchiken, ſonſt wuͤrde er eben ſo leicht ſich zum Alcoran bekennen. Dann wo einer Freyheit hat die Jrrthuͤmer wegzulaſſen / und die noͤthige Warheiten hinzu zu thun / da kan er eben ſo leicht den Talmud vor ſein Glaubensbekentnis annehmen, als die Augſpurgiſche Confeßion. Keine Reli - gion in der Welt iſt ſo abſcheulich, daß ſie nicht einige, wenigſtens natuͤrlichbekante Warheiten, in ſich halten ſolte. Die kan jemand beibehalten, die Jrrthuͤmer weg -laſſen, Maxime, die Haͤnde rein zu waſchen. B 2Dabei20Dabei hat er noch darzu den Vortheil, ſeine verruchte Gegner waker zu ſtaͤupen, die nicht glauben wollen, daß das bloſe Laͤugnen und Laͤ - ſtern, einen offenbaren Jrgeiſt und Verfuͤhrer zu einem Apoſtel mache. Uber dieſes hat der Herr Graf noch eine Hauptmaxime, die iſt bey nahe ſein beſtes Stichblat. Es iſt nemlich gantz natuͤrlich, daß ein jeder vernuͤnftiger Mann bey dieſem Handel denken muß: wann die Herrn - huter recht haben, ſo muͤſſen ſie ihren Gegnern den Ungrund, der ſogenanten Unwarheiten zei - gen: hergegen die Warheit derjenigen Saͤtze be - weiſen, die von ihren Gegnern als Jrgeiſterey beſchrieben werden. Das iſt das kuͤrtzeſte und ſicherſte Mittel, aus der Sache zu kommen. Allein die Herrnhuter ſind dieſer Meinung nicht. Sie gehen einen weit kuͤrtzern Weg, ſie ſagen 1) unſere Gegner verſtehen gar nichts von un - ſerer Lehre. (Zuſchrift / ſ 4) 2) unſer Graf hat neun Zeugniſſe ſeiner reinen Lehre / ſeine Schriften liegen im Druk / und ſeine Gemei - nen haben Fuͤrſtliche Privilegien (daſelbſt / ſ. 2) 3) Unſere Gegner hindern die Einigkeitzwi -(*)laſſen, und die noͤthige Warheiten hinzu - ſetzen. Dann ſimboliſiret er ſo gluͤklich wie der Herr Graf Zinzendorf. Unten wird eine Probe vorkommen, wie er Hauptir - thuͤmer der A. C. nicht nur weglaſſe / und nicht glaube, ſondern auch aufdeke, und auszufegen ſuche. (§. 49.)21zwiſchen uns und ihnen / blos aus einem bit - teren Perſonalhaß / und weil ſie uns in der Diſciplin nichts nachzuſagen wiſſen / ſo pla - gen ſie uns der Lehre halber (daſelbſt ſ. 3) 4) wir duͤrfen unſern Gegnern in Schriften nicht antworten. Es iſt wieder unſere Ver - faſſungen (im Kreutzreich ſ. 65) und der Eh - re unſerer Kirche nachtheilig / weil man ſich〈…〉〈…〉 Koth nicht rein waſchet (im Kreutzreich ſ. 79) 5) Wir ſind gar naturelle und offene Leute / und ein jeder kan ohne Controvers wiſſen was wir wollen. Auch hat der Herr Graf Hauptdocumenten und Volumina einge - buͤſt / daher kan er bis 1730. nicht alles be - weiſen / was zu beweiſen waͤre (ſ. 75) 6) Wir ſehnen uns nach einer obrigkeitlichen Pruͤfung / und koͤnnen / alles Flehens ohngeachtet / nicht darzu kommen / (ſ. 22) und unſere Gegner ſchreiben deswegen ſo getroſt wieder uns / weil ſie den Vortheil haben / daß es mit uns zu keiner Unterſuchung kommt. (Zuſchrift ſ. 4.)

§. 5.

Die Beylagen des Herrn Grafen, welche er den obrigkeitlichen Perſonen vorzeiget, werden ſeiner Abſicht vielleicht beſſer zu ſtatten kommen? So haͤtte ich faſt hoffen ſollen. Allein, wenn man ſie alle geleſen hat, ſo wird niemand klug daraus, was er Jenen damit ſagen will. Es ſind allerlei aufgeleſene, und beliebig zuſammen - gehaͤngte Briefſchaften, die manchmal gantz, manchmal zerſtuͤmmelt und voller Luͤken, auchB 3wohl22wohl ohne Meldung des Jahres, Tages, und Perſonen, oder wenn auch dieſes nichts verſchluͤ - ge, doch von einem Manne dargeleget worden, der ſich aller Glaubhaftig-und Aufrichtigkeit ſelbſt begeben hat (ſiehe unten §. 18.) und deme man folglich Unrecht thun muͤſte, wenn ihm ohne an - derweitige Gruͤnde weiter als man ſiehet, ge - trauet wuͤrde. Er weiſet nirgends an, wohin ſeine Papiere gehoͤren, und welchen Satz ſie erhaͤrten ſollen. Wer ehrlich und ordentlich han - deln will, der thut ſonſt dieſes. Sie haben auch insgeſamt vom erſten bis zum letzten dasjenige nicht in ſich, was zum Beweis dienen koͤnte, der Herr Graf und ſein Anhang ſeye das nicht, was man ſiehet und mit Haͤnden greifet. Dann im Fal auch etwas anders im Brief ſtehet, als man aus den graͤflichen Buͤchern und Thaten ſie - het oder hoͤret, ſo iſt der Brief eben ſo verdaͤch - tig als die Buͤcher und Thaten ſind, und es er - ſcheinet aus ſolchen Briefen nichts anders, als was man ſchon lange weiß, daß nemlich laͤug - nen und luͤgen alsdann unumgaͤnglich ſeye, wenn jemand ſeine Schoosſuͤnden gerne beibehalten und forttreiben, und ſie zu dieſem Ende mit ei - nem guten Namen bemaͤnteln will. Damit pfle - get aber vor GOtt niemand auszukommen, ja nicht einmal vor dem unpartheiiſchen Richtſtuhl der Warheit. Unſers Herrn Grafen aͤrgerliche Schriften und falſche Lehren ſind da, und es iſt faſt laͤcherlich, durch Vorlegung alter und neuer Briefe, jenes abzulehnen. Man muͤſte ſie allebey -23beiſammen haben, und ſonderlich diejenige Sor - te, die mit dem gedrukten Briefwechſel zwiſchen ihm und den Jnſpiranten, uͤbereinkommt. So wuͤrde etwas gantzes daraus. Man muͤſte die Gelegenheit und den Verfolg im gantzen Zuſam - menhang jedesmal vor Augen ſehen. Das iſt es aber, wofuͤr der Herr Samler ſich ſorgfaͤltig huͤ - tet. Ja das artigſte dabei, iſt die heilſame Clau - ſul, womit er den Leſer verwahret. Wer nem - lich in dieſer Samlung etwas findet, das den Herrn Grafen ſchildert wie er iſt, mithin in des Ausgebers Kram nicht dienet, ſondern von ſei - nem Unfug unvorſichtig ein Zeugnis abgeben kan, der ſoll es gehorſamlich uͤberhuͤpfen, und thun als wann es nicht da ſtuͤnde, oder vor ein Ge - heimnis anſehen, und ſich ſeiner Blindheit fein demuͤthig beſcheiden. Weil ſonſt folgen muͤſte, daß der Herr Graf ein(*)So heiſt es in der Einleitung auf der letz - ten Seite: Man kan alſo nicht umhin / hiermit ein vor allemal zu declari ren / daß / da ohnedem kein vernuͤnftiger Menſch glauben wird / daß wir ſelbſt aus Dumheit einige Document en und Schriften gegen uns produci ren werden / die Schuld / wenn man dergleichen doch daraus mehr erzwinget als beweiſet / le - diglich bey dem Leſer ſelbſt zu ſuchen ſeye / der entweder nicht im Stande geweſenzu dummes GeſchoͤpfB 4ſeye,24ſeye, und zugleich ſeine gantze Kirche, die vor ſei - ne Glaubwuͤrdigkeit nun ein - vor allemal haftet. Sie(*)zu beurtheilen / was wir eigentlich mit dieſen oder jenen Urkunden haben bewei - ſen wollen / und alſo aus Unverſtand ei - nen Wiederſpruch gegen uns herausge - bracht / oder aber (welches faſt das or - dinai re und gewoͤhnlichſte iſt) aus Boz - heit den klaren Beweis uͤbergangen / und ſich bey unnoͤthigen und mit Haaren her - beygezogenen Schwierigkeiten aufgehal - ten / die ihm ſogleich von ſelbſt wuͤrden weggefallen ſeyn / ſobald er nur mit ei - ner civilen Ehrlichkeit den Beweis un - ſerer aſſertorum in unſern Documen ten geſucht haͤtte. Gleich darauf wird auch angemerkt, um ſich vielleicht nicht befremden zu laſſen, wann dieſe Schreibereien nicht viel zur Sa - che thun, und nichts dadurch bewieſen wird: wie man ſich alsdann am beſten uͤber - zeugen koͤnne. Nemlich man ſoll glauben und veſt halten, daß der Herr Graf aus beſonderer Achtung vor ſeine Gegner, die er gerne verſchonen will, mit dem recht gro - ben Geſchuͤtz nicht gerne anruken wolle. Es ſcheinet dem Leſer zuweilen eine Explication ungenugſam. Nun kan man ihm zwar hierinnen wenig hel - fen / (man bekennet daß die Huͤlfe uͤber -all25Sie haͤtten ja ſonſt ihre eigene Schande kund ge - macht. Und wer wolte ſolch eine Todſuͤnde an Herrnhut begehen? Oder glauben, daß das alte Sprichwort noch gelte: ein Erfinder muͤſſe ein gut Gedaͤchtnis haben?

§. 6.

Doch, ich habe von dieſer neuen Herrnhuterei, ſchon mehr geſagt als ich willens war. Es iſt mein Vorhaben gar nicht, dieſelbe von Stuͤck zu Stuͤck durchzugehen. Meine dermalige Umſtaͤn - de leiden es nicht, und es wird an ehrlichen Leu - ten nicht fehlen, die ſolche Muͤhe uͤbernehmen koͤnnen. Eins darf ich unerinnert nicht laſſen. Nach des Herrn Grafen angenommenem Grund - ſatz beſtehet die wahre Geſtalt des Creutzreichs JEſu in ſeiner Unſchuld / darinnen, wann verſchiedene gegen dieſes Reich oder vielmehr gegen ihn den Grafen (maſſen faſt alles, was in dieſem Buch ſtehet, ſein eigenes Verfahren betrift) ausgeſprengte Unwarheiten / mit ent - gegengeſetzten Warheiten wiederleget werden koͤnnen. (§. 2.) Wenn ich nun dieſen Grund - ſatz annehme, ſo wird der Herr Graf nothwen - dig zugeben muͤſſen, daß ſein Reich aufhoͤre, einB 5ſol -(*)all ſehr duͤrftig ſeye) weil er die beſten ar - gumenta aus Menagement vor ſeine Gegner / ſeinen nechſten Freunden cachi ret. ꝛc. Der - gleichen iſt auch ſchon oben da geweſen. (§. 2 **)26ſolches Creutzreich zu heiſſen, bis entweder Er ſelbſt, oder ſeine Biſchoͤfe und gantze Hofſtat, zu erweiſen im Staude ſind, daß ſchriftlich aus - geſtreuets ſchaͤndliche Jrlehren, Warheit, boͤs - artige Unternehnungen, Unſchuld, und im Ge - gentheil die von uns wieder ſie ergangene Zeug - niſſe,(*)Die wenigen Zeugniſſe, welche von mir, aus Pflicht, und Liebe zur Warheit, ſind abgeleget worden, habe ich mit ſolchem Be - weis verſehen, welchen der Herr Graf wohl wird ſtehen laſſen. Was ich angezeigt und wiederleget habe, das ſtehet im herrnhuti - ſchen Lehrbuͤchlein / in den Buͤdingiſchen Samlungen / in den graͤflichen Predigten / in ſeiner Bibeluͤberſetzung mit deutlichen Worten. Ein jeder Leſer ſiehet und faſſet ſie ohne Kopfbrechen. Und wann er die Bibel darneben leget, und die Augſpurgi - ſche Conſeßion auf die andere Seite, (weil ſich doch auf letztere der Herr Graf ſo frei - gebig beziehet) ſo wird ſich ergeben, was Warheit ſeye: und es wird den Herrn Gra - fen ſein Proteſtiren wenig helfen, da ſein voriges ſowohl als gegenwaͤrtiges Thun und Laſſen, das offenbare Gegentheil im Munde fuͤhret. Urkunden und Nachrichten von beſonderen Begebniſſen und Faͤllen, ha - be ich nicht erhalten noch ſamlen koͤnnen. Wes - Unwarheit ſind. Auf welcher Seitedie27(*)Weshalben ich nur die eigene und unlaͤug - bare Schriften des Verfaſſers zum Grund der noͤthigen Wiederlegung, genommen ha - be, um das Aergernis und die Verfuͤhrung abzulehnen, welche ſo leichtfertig, durch dergleichen ſchaͤdliche Misgeburten, verur - ſachet worden. Alſo gehet mich ſeine Kla - ge gar nicht an, die er uͤber erdichtete Hi - ſtorietten, bekant gemachte Briefe, falſche Nachreden, oder ſonſten den Grund der Lehre und Kirchenverfaſſung nicht betreffen - de Stuͤcke, ſo barmhertzig gefuͤhret hat. Hin - gegen, wenn der Herr Graf mit allen ſei - nen Helfershelfern hier etwas anfangen will, ſo muß er entweder ſeine eigene Schriften laͤugnen, (das unmoͤglich iſt) oder die Gruͤn - de wiederlegen, die man gegen ihn gebrau - chet, welches er noch mit keinem Wort ge - than hat, noch zu thun vermoͤgend iſt. Sonſt laͤuft ſein elendes Geſchwaͤtz auf Luft - ſtreiche hinaus, dadurch obrigkeitliche Perſonen nur geaͤffet werden. Dahin rech - ne ich die Beſchwerde, welche ſein Geſinde bei des Koͤnigs in Preuſſen Majeſtaͤt gegen mich eingegeben, und durch oͤffentlichen Druk bekant gemacht hat, (Beylage 67. ſ. 209.) Man verlanget Unterſuchungen / und gibt fuͤr, ſein Gegentheil ſcheue dieſel - bige, wie den Brand. Eben als ob das keine Unterſuchungen waͤren, wann recht - ſchaffene Gottesgelehrten, die ausgeſtreuteHerrn -28(*)Herrnhutereien nach dem unfehlbaren Wort GOttes unterſuchen, und deren verderbli - che Saͤtze der gantzen Welt vor Augen ge - leget haben. Wolte GOtt, es wuͤrde von Seiten der hohen Obrigkeit endlich ein ge - rechtes und unpartheiiſch Auge auf dieſen Frevel gerichtet, weil doch dieſes Volk ſo ſehr auf obrigkeitliche Unterſuchungen tro - tzet, und bei der auſerordentlichen Gedult, die man mit ſeinem Unfug traͤget, ſogar die Frechheit hat, den weltlichen Arm rege zu machen. Jch meines Orts verſichere die Herrnhuter hiemit ſamt und ſonders, foͤrm - lich und feierlich, daß ich mich jedesmal bei meinen wieder ſie gedrukten Schriften wer - de finden laſſen. Sie ſind, wie gedacht, gegen keine Hiſtorien, ſondern gegen die gedrukte Lehrſaͤtze der Herrnhuter gerichtet. Dieſe ſind allemal mit ihren eigenen Worten, auch Benennung der Buͤcher und Stellen, redlich vorgetragen und mit richtigen Gruͤn - den abgefertigt worden. Sie betreffen kei - ne Gleichguͤltigkeiten, ſondern ſolche ſchaͤnd - liche Lehren und Thaten, welche ihren Ur - hebern theils den Namen der Chriſten, theils der Proteſtantiſchen Chriſten, nothwendig ab - ſprechen. Jm Fal ich meine Saͤtze nicht behau - pten kan, ſo will ich ſelbſt bitten, daß mein gnaͤ - digſter Landesfuͤrſt, und die gantze Lutheriſche Kirche, die haͤrteſte Ahndungen uͤber mich ver - haͤngen ſoll. Das ſchreibe ich mit gutem Be -dacht,29die Warheit(**)Jch muß noch eins hierbei erinnern. Wann der Herr Graf die Geſtalt des Creutz - reichs JEſu in ſeiner Unſchuld / darin - nen ſetzet, daß er etliche vermeinte War - heiten den angeblichen wieder ihn ausge - ſprengten Unwarheiten entgegen zu ſetzen hoffet: ſo hat ſeine Beſchreibung von einem Creutzreich JEſu, alle Fehler, die eine un - taugliche Beſchreibung nur haben kan. Dann 1) folget es gar nicht, daß eine Re - ligionsverfaſſung deswegen ein Creutzreich JEſu ſeye, weil verſchiedene Unwarheiten, die man allenfals zeigen koͤnte, dagegen ausgeſprenget werden. Jch ſetze den Fal, (ohne der Warheit etwas zu vergeben) daß jemand eine Unwarheit gegen die Herrn - huter ausgebreitet haͤtte. Folget dann dar - aus, daß ihre Religion und Sitten unta - delich, ja ein Creutzreich JEſu ſind? Die heutige Juden haben ſich beſchweret, daß ein gewiſſer gelehrter Mann, ein Buch ge - gen ſie geſchrieben, welches mit Erdichtun - gen auf ihren Glauben, angefuͤllet ſeye. Sie haben Mittel gefunden dieſes Buch lange zu unterdruͤken. Haͤtte der Verfaſ -ſer ſtehet, die wird nach herrn - hutiſchem eigenen Geſtaͤndnis das Creutzreich inſeiner(*)dacht, und will durch GOttes Gnade da - bei ſo veſte ſtehen, wie der Berg Zion.30ſeiner Unſchuld ſeyn. Das gegenſeltige findet ſo - dann von ſelber ſeinen verdienten Namen. Ja,wann(**)ſer dieſes Buchs wuͤrklich etwas geſchrie - ben, das ſie mit Grund ablehnen koͤnten: wer wuͤrde deshalben ſagen: Das Judi - ſche Reich iſt ein Creutzreich JEſu in ſeiner Unſchuld? Das Creutzreich JEſu, und deſ - ſen Unſchuld, unterſcheidet ſich dadurch von allen andern Reichen, daß es (1) die von JEſu geoffenbarte Warheiten, die unſer ewiges Heil, und deſſen Ordnung betref - fen, rein und unverfaͤlſcht bewahret; und dieſelbige zum Glauben an JEſum, und zur Nachfolge dieſes Heilandes gebrauchet, (2) daß es vor dieſe Warheiten ſtreitet, und ſowol um derſelben, als der Nachfol - ge JEſu willen, alles gerne und freudig er - duldet. Jch geſchweige des inneren Creu - tzes, welches in taͤglicher Verlaͤugnung ſei - ner ſelbſt, und Creutzigung des alten Adams und Kampf gegen die geiſtlichen Feinde, be - ſtehet. Eine Gottesdienſtliche Geſellſchafft, die um dieſer Sachen willen, und dabei mit gehoͤriger, nach dem Sinn Chriſti gebildeter Gemuͤthsfaſſung, leidet, die hat die wah - re Geſtalt des Creutzreichs JEſu in ſei - ner Unſchuld. Ein anders iſts, wann je - mand um Ubelthat willen leidet, ins beſon -dere31wann ſein Stifter ſich ſelbſt vor einen Mann er - klaͤret, dem kein Wort zu glauben iſt, wie bald(§. 18.)(**)dere wann er leidet, als einer der in ein fremd Amt greifet, 1 Petr. 4, 15. Und noch ein anders, wann er ſich ein Leiden einbildet, wo keines vorhanden iſt. Die Eigenliebe der Menſchen iſt gar zu ſinnreich. Oft moͤchte ſie gerne haben, daß man ihre Er - findungen vor Warheit anbete. Geſchie - het dieſes nicht, ſo ſchreiet ſie uͤber Unrecht, und will zu den Maͤrtyrern gezehlet ſeyn. Und ſo mit andern Sachen. Hieraus erhellet nun der ſichtbare Feh - ler, den der Herr Graf in ſeinem ſo benan - ten Creutzreich zu machen beliebet. Zwi - ſchen ihm und uns iſt die Frage, ob ſein Reich ein Reich Chriſti ſeye? Das uͤberge - het er aber, und nimt es vor bewieſen an von ſeiner Seite. Sobald dieſes geſche - hen iſt, vermeinet er nun voͤlligen Fug und Recht zu haben, das vor Unwarheit zu er - klaͤren, was gegen ſein wunderliches Reich etwa geſprochen werden muß. 2) Weil das Creutzreich Chriſti ein Reich der Warheit und der Heiligkeit iſt (n. 1.) ſo wird jedermann den Herrn Grafen als einen Buͤrger deſſelben erkennen und vereh - ren, wann er (1) die viele Unwarheiten, und ſchaͤndliche Jrlehren aufrichtig wieder -rufen,32(§. 18.) ſolgen ſoll; ſo wird kein weiterer Be - weisgrund noͤthig ſeyn.

Zwei -

(**)rufen, und das geſtiftete Aergernis, aus Lie - be zu Chriſto wieder aus dem Wege zu raͤu - men ſich bemuͤhen wird. Da muͤſte er aber Buſſe thun, welches ihme noch zur Zeit gar ſpoͤtlich vorkommt, wie unten (§. 43.) ſich zeigen wird. Er muͤſte einen gewiſſen Goͤtzen herabſtuͤrtzen, der bei ihm noch auf dem Thron ſitzet, und das wuͤrde ohne Creutz nicht abgehen. Ja man wird (2) dem Herrn Grafen etwas von dem Creutz - reich zugeſtehen, wann er die angebliche Unwarheiten ſeiner Gegner, anzeigen, und gruͤndlich wiederlegen wird. Es muͤſ - ſen aber nicht nur ein oder etliche Neben - dinge ſeyn (die er jetzt Unwarheiten nennet) ſondern ſolche, die den Grund der Lehre / und die Richtigkeit des chriſtlichen Wan - dels / Z. E. die Einigkeit im Geiſt, die Lauterkeit, Warheit, Ehrerbietung vor GOttes Wort, betreffen. Ob dieſes bis - her geſchehen ſey und in ſeinem jetzigen Buch geſchehe? Davon mag die unpartheiiſche Welt das Urtheil faͤllen.

33

Zweites Hauptſtuͤk. Die Schalkheit in der falſchen Betheu - rung des Grafen, die ohngeſetzliche Pre - digt Petri betreffend, wo er gegen ſich ſelbſt beweiſet, daß ihm kein Wort zu glauben ſeye.

Jnhalt.

1) Seine eigene Worte davon (§. 7. und wie ein ſchaͤndlich Ding es ſey um einen Men - ſchen / dem man kein Wort glauben darf (§. 8.) 2) Der vorgegebene Jn - halt der Predigt Pe - tri / (§. 9.) hingegen der wahre Jnhalt / nemlich 1) von der Er -hoͤhung Chriſti / und warum dieſe von dem Grafen uͤbergangen wird? (§. 10. 11. 12. ) 2) von der Marter JEſu etwas / und vom Geſetz eben ſo - viel. (§. 13 -- 18.) 3) Eigene Schlusfolge des Herrn Grafen / daß ihm kein Wort zu glauben ſeye. (§. 18.)

§. 7.

JEtzt habe ich mit dem Herrn Grafen noch ein Wort beſonders zu reden, Er fodert, daß ihm kein Maͤhriſcher Bruder ein Wort mehr glauben ſolle / wann eine gewiſſe Bedingung erfuͤl - let werde. Die Bedingung hat er ſelbſt beige -Cfuͤget:34fuͤget:(*)Jn der oftbenamten neueſten Schrift: Die gegenwaͤrtige Geſtalt des Creutz - reichs ꝛc. ſ. 27. welche von der ſaͤmtlichen Bruͤderſchaft vor gut, und als eine Apo - logie ihrer Kirche angenommen wird. (§. 3 *) Demnach wird ſie auch, wie an dieſem Ausſpruch ihres Grafen, alſo an dem Er - folg, den ich alsbald entdeken will, theil nehmen muͤſſen. Petrus hat 3000 Leute bekehret / in einer Predigt. Sie gieng ihnen durchs Hertz. Was gieng ihnen durchs Hertz? JE - ſu Leyden. Dann / wann 1) ein ander Wort in der Predigt ſtehet / und in ſpecie 2) ein Wort vom Geſetz / man nehme es wie man will / ſo ſollen mir meine Maͤhriſche Bruͤder kein Wort mehr glauben. Philippus hielt mit dem Kaͤmmerer der Koͤnigin Candaces eine Tauf-praeparation; von was handelt er? et - wa von den 10. Geboten? O nein! er han - delt vom Marterlamm / ni plus moins, es kommt ihm weder Gebot noch Geſetz in den Mund / und das waren Juden.

§. 8.

Es iſt auſer Zweifel eine traurige Beiſchrift, wenn man einem unter ſein Bild ſetzen muß: Das iſt der Man / dem kein Bruder / ein Wort mehr glauben ſoll. Kein Bruder? wie viel we - niger ein Fremder. Und worinnen ſoll man ihmnicht35nicht glauben? Jn keinem Wort mehr. Jnſon - derheit wann er von Glaubens-Sachen ſpricht, und den Apoſteln etwas nachredet, das offenbar falſch und verlaͤumderiſch, mithin dem heiligen Geiſt, der durch ſie redet nachtheilig iſt: ja das in der uͤblen Abſicht ihnen angedichtet wird, damit dieſes Gedichte einen Grund derjenigen Jr - geiſterei abgeben moͤge, die man mit ſonſt nichts zu beſchoͤnen weiß. Dann von einem Glaubens - punct war die Frage. Paulus gibt es viel kuͤrtzer: er nennet einen ſolchen Man einen Luͤgenredner. Durch die / ſpricht er, ſo in Gleisnerei Luͤgen - redner ſind. 1. Tim. 4, 2. Nun hat der Herr Graf zwar von geraumen Jahren her ſeine Sache die er hier auf Bedingung ſetzet, mit voͤlligem Be - weis in Wort und Wercken gnugſam vertreten; und die Bedingung braucht nicht allererſt erfuͤllt oder ein neuer Beweis daruͤber gefuͤhret zu werden. Jch will jedoch ihm und den Bruͤdern zu Gefallen, den Beweis uͤbernehmen, und kuͤrtzlich zeigen, daß die Bedingung wuͤrcklich in ihre Erfuͤllung ge - gangen ſeye. Der Herr Graf wird ſodann eben - fals ſein Wort halten, und ſeine Bruͤder die ge - treuen Werckzeuge, anweiſen, daß ſie ihm kein Wort mehr glauben: gleichwie er ſie zur Genem - haltung und Unterſchrift dieſer ſeiner Schalckhei - ten vaͤterlich angewieſen hat. (§. 3 *) Mit denen die keine Bruͤder ſind hat es vorhin keine Schwie - rigkeit: und es wird ſich daferne ihm noch jemand anders geglaubet hat, nun von ſich ſelber ſchi - cken.

C 2§. 9.36

§. 9.

Die Predig Petri, durch deren Kraft bei drei - tauſend Seelen glaubig wurden, ſtehet Apoſtelg. 2, 14 -- 41. Der Herr Graf unterſuchet den Jn - halt dieſer Predig. Er ſagt zweierlei davon. Erſtlich, es ſtehet kein ander Wort darinnen / als von JEſu Leiden. Zweytens: es ſtehet ins beſondere kein Wort vom Geſetz darinnen. (§. 7.) Wer nun beweiſet, daß neben dem Leiden JEſu 1) noch etwas anders da ſtehet, 2) daß ins - beſondere ein Wort vom Geſetz darin vorkomt, der hat auch erwieſen, daß der Htrr Graf ein gro - ſer Dichter ſeye (§. 7. 8. ) und abſonderlich daß er unverſchaͤmt und ſeelenverfuͤhriſch mit dem heili - gen Apoſtel und ſeiner Predig umgehe. Dar - uͤber ſind wir beiderſeits einig. Jch aber will zum Beweisthum ſchreiten.

§. 10.

Erſtlich: die Predig Petri haͤlt mehr Warhei - ten in ſich ais die Warheit von JEſu Leiden. Dann vom 14. vers bis auf den 22. gehet der erſte Theil dieſer Predig. Derſelbe handelt mit kei - nem eintzigen Wort von JEſu Leiden. Sondern er beweiſet, daß die Weiſſagung des Propheten von der Ausgieſung des H. Geiſtes, an den Apo - ſteln erfuͤllet worden ſeye. Das gehoͤret nicht zu Chriſti Leiden, und zu deſſen Erniedrigung, ſon - dern zu ſeinem Erhoͤhungsſtande, wie der 33. vers ausdruͤcklich, und die Erfarung ſelbſt, be - zeuget. Der andere Theil von dieſer goͤttlichen Predig Petri, iſt zu ſuchen im 22. vers bis zum41.3741. da die Predig beſchloſſen wird. Hatte der Man GOttes im erſten Theil erwieſen, daß die verheiſene Ausgieſung des H. Geiſtes, an den A - poſteln in die Erfuͤllung gegangen ſeye; ſo wird nun im andern Theil mit groſem Nachdruck dar - gethan, daß dieſe Ausgieſung des Geiſtes, kraft der Erhoͤhung des gekreutzigten JEſu geſchehen ſeye. Von dem erſten Grad des Erhoͤhungſtan - des, nemlich von der Lebendigmachung handelt der 24. vers / und der gantze Beweis aus Da - vids Worten, vom 25. v. bis auf den 36. da zugleich von der Himmelfahrt Chriſti, und von der Beugung der Feinde unter ſeine Fuͤſſe / geredet wird, v. 34. Daraus macht Petrus ſo - fort den Schlus, v. 36. So wiſſe nun das gantze Haus Jſrael / daß GOtt dieſen JEſum / den ihr gekreutziget habt / zu einem HErrn und Chriſt gemacht / das iſt, auferwecket und er - hoͤhet, oder wenigſtens durch beides dafuͤr erklaͤret hat, v. 32. 33. 24. Dieſe Rede gieng ihnen durchs Hertz v. 37. Und ſo hat Petrus noch ein - mal geprediget, Apoſtelg. 3, 21. 26. und die uͤbri - ge Apoſtel, 4. 33. und wiederum Petrus, Apo - ſtelg 10, 38. f. 1. Petr. 1, 3. 11. 21. und Paulus, 1. Cor. 15, 4. f. und Chriſtus, Offenbar. 1, 18. Der eintzige 23. vers handelt von dem Tode JE - ſu, und im 36. vers wird ſeines Todes noch ein - mal gedacht, um der Auferſtehung willen. Alles uͤbrige handelt von der Erhoͤhung des Sohnes GOttes. Obgleich mit dem Tode JEſu, die verſoͤhnende Handlungen des Erloͤſers ſich geendi -C 3get38get hatten, wodurch die Sendung des heiligen Geiſtes erworben worden Joh. 16, 7. ſo war doch aus dem Tode JEſu unmoͤglich, den Juden zu erweiſen, daß der heilige Geiſt von dieſem JEſu wuͤrcklich waͤre geſendet worden. Dann ein toder Heiland ſolte dieſen Geiſt nicht ſenden: ſondern der auferſtandene und erhoͤhete Heiland, wie er ſelbſt, unwiederſprechlich bezeuget, Luc. 24, 49. Joh. 7, 39.

§. 11.

Was den Zuhoͤrern durchs Hertz gieng, v 37. das waren unter andern die Warheiten von der Erhoͤhung des gekreutzigten JEſu / welche Petrus nach dem Wunder der Ausgieſung, als einer Frucht des Erhoͤhungſtandes, theils aus den Weiſſagungen des A. T. v. 25. 34. theils aus dem unverwerflichen Zeugnis der Apoſtel v. 32. beſtaͤtiget (§. 10.) Es gieng ihnen durchs Hertz. Das war eine ſtarcke Ruͤhrung, aber die voͤllige Bekehrung noch nicht. Dann 1) ſie fragten aller - erſt hierauf: was ſollen wir thun v. 37. Und Petrus gibt zur Antwort: Thut Buſe und laſt euch taufen v. 38. 2 ) Petrus muß, nach die - ſem, erſt wieder von neuem predigen. Er muß nach ernſtlichem Vorhalt ihrer Suͤnden, und de - ren geſetzlichen Beſtrafung, zeigen, daß die Ver - heiſungen vom erhoͤheten JEſu, und daraus flie - ſendem Heyl, der gantzen Welt, und zu allererſt den Juden zugedacht waͤren, und dieſes in der Ordnung der Buſſe v. 38. 40. Dieſes geſamte Wort / von der Erhoͤhung des erwuͤrgten Lam -mes,39mes, und von dem allgemeinen Recht zu den Fruͤchten dieſer Erhoͤhung, nahmen ſie gerne an und lieſen ſich taufen v. 41. Und ſo wurden ſie hinzugethan zu den wahren Gliedern JEſu / v. 41. Das iſt, ſie wurden als wahre Chriſten mit JEſu und ſeiner Kirche vereiniget.

§. 12.

Jch hoffe nun erwieſen zu haben, daß mehr als vom Leiden JEſu (§. 9.) in der Predig Petri ſtehet. (§. 10. 11.) Jch muß, ehe ich weiter gehe, noch etwas erinnern. Eben dieſer Herr Graf hat in einer laͤſterlichen Oſterpredigt etwas von ſchaͤd - lichen und wider die erſte Gruͤnde des Chriſten - thums laufenden Schwaͤrmereien, hoͤren laſſen. Da behauptet er, unter andern Unwarheiten auch dieſes: einem Menſchen, der den Tod JEſu glau - be, brauche man gar nicht zu erweiſen, daß Chriſtus auferſtanden ſeye. Das hieſe Kurtz - weil getrieben mit der Seelen. Man duͤrfe nur darthun daß Chriſtus geſtorben ſeye. (*)Dieſes iſt weiter ausgefuͤhret in der hie zu Gieſſen gedrukten Wiederlegung der Zin - zendorfiſchen Oſterpredigt. Die Auferſte - hung JEſu ein Wunder. 1745.Dieſes Unding iſt vielleicht die Urſache mit, welche den Man in ſolche Verwirrung bringet, daß er die Lehrart Petri nach ſeinen Grillen formet. Da - durch geſchiehet es, daß er in der Predig Petri alles uͤberſiehet, was von der Auferſtehung undC 4Him -40Himmelfahrt handelt. Dann er muͤſte ſonſt ſa - gen, was er denket, daß nemlich Petrus auch in dieſer Predig Kurtzweil treibe mit einer ſo groſſen Menge Seelen.

§. 13.

Nun komme ich an den andern Satz des Hrn. Grafen, da er behauptet: Jn der Predig Pe - tri ſeye kein Wort vom Geſetz zu finden / (§. 9.) Es iſt ſehr zu bedauren, daß in einem Hauptgeſchaͤfte des chriſtlichen Glaubens, nem - lich im Bekehrungswerk, die Frechheit dieſes Mannes ſo ſchaͤndlich ausſchweifen kan. Man redet hier von keinem Verſtoß in der Schrifter - klaͤrung: dergleichen jedoch der Herr Graf an den Religionsleuten ſehr zorniglich(*)So prediget der Herr Graf bei ſeinen Bruͤdern, wann er gerne der allergroͤſte Exeget ſeyn will, den jemals die Welt ge - ſehen hat, in der Gemeinrede zu Herrnhag vom 22. Nov. 1744. ſ. 4. 5. Es haben ſich die Erklaͤrer der Schrift / durch ih - re gantz unvernuͤnftige Leichtſinnigkeit in Anſehung der Schriftorte / ſo gantz auſſer allem Reſpect geſetzt / daß man ſich ſchon von vielen Jahren her in al - len Religionen kein Bedenken mehr macht / die exegetiſchen Jrthuͤmer fuͤr keine Jrthuͤmer zu halten / ſo daß einem erlaubt iſt / wenn man die ſymboliſchenBuͤcher ahndet. Doch41Doch ein ſolcher Verſtoß waͤre noch ertraͤglicher, obwohl in einem ſo deutlichen apoſtoliſchen Vor - trag, kaum dem geringſten Anfaͤnger zu verzei - hen. Aber es waͤre deswegen ertraͤglicher, weil jemand bei einer ſo duͤſteren Misdeutung doch eben die gegenwaͤrtige Warheit koͤnte gelten laſ - ſen, dieweil ſie anderswo in heiliger Schrift vor - getragen iſt. Allein der Herr Graf, nimt dieſe Rede Petri, zum Beweis an, daß der heilige Geiſt im Werk der Bekehrung, ſich der Lehr - art aller(**)Es iſt eine leichtfertige Verwegenheit, dieſes ohne weiteres Bedenken ſo hinzuſchrei - ben, daß alle Apoſtel / ohne Gebrauch des Geſetzes, die Bekehrung der Menſchen geſuchet und bewerkſtelliget haͤtten. Siehe unten (§. 36.) Aber, ſogar es eine Warheit zu nennen, ein Glaubensbekentnis daraus zu machen, und es mit groben Laͤſterungen zu verſiegeln, das iſt eine in der Kirche GOttes unerhoͤrte Sache. Dann wer nach der Vorſchrift JESU, nach dem Exempel ſeiner Boten, und nach der un - veraͤnderlichen Natur der Sache, (welches hier zu erweiſen, mein Vorhaben nicht lei -det) Apoſtel bediene / welche nichtC 5Moſis(*)Buͤcher beſchwoͤret / die falſche Erklaͤ - rungen der Schrift / die in denſelben vor - kommen / auszunehmen. Es iſt um das wohl eine Schande und eine Schmach. 42Moſis Hoͤrner und Hammer / ſondern das Bekentnis von JEſu hohenprieſterlichem Ge -ſchaͤf -(**)det) die Bekehrung mit dem Geſetz anfaͤngt, den ſchilt dieſer Afterapoſtel ſ. 26. einen Grillenfaͤnger / und Diener Moſis / wel - cher ohne Vorſatz die acropolin der Evan - geliſchen Religion auf das gefaͤhrlichſte unterminire. Mit ſolchen Lehrern will er nichts zu ſchaffen haben / weil ſie alle von der Augſpurgiſchen Confeßion ab - gehen und Novatores ſind / deren tauſen - de vor einem Theologo in Spiritu A. C. (d. i. vor dem Zinzendorfiſchen Schwindelgeiſt) laufen muͤſſen wanns zum Treffen kommt. Jch declarire zugleich / (ſo faͤhret er fort) daß ich D. Luthers und Melanthons ih - re eigene Grillen / die ſie uͤber gewiſſe Lehrſaͤtze / vor der Confeßion oder nach derſelben / auſer / oder gar gegen dieſel - be / ſouteni ret / nicht adopti ren will / und wenn ich muß / lieber nicht nach ihnen heiſen und doch ein unbeſcholtener Aug - ſpurgiſcher Confeßions-Verwandter ſeyn und bleiben will / ſo lang ich lebe. Wie ſtimmt aber dieſes mit dem Bekent - nis auf der vorigen Seite, 25. wo der Hr. Graf alſo ſpricht: Es ſeye Warheit, daß er ein ſtricter Confeſſor ſeye des wahren und NB. in unſerer Lutheriſchen Kirchegaͤng43ſchaͤfte / oder das Leyden JEſu / darzu ge - brauchet haͤtten. ſ. 26.

§. 14.

Doch was den Satz nun ſelbſt betrift, auf wel - chen es hier lediglich, und auch ohne Betracht der weiteren Folgen, Bewegurſachen oder Abſichten, ankomt, daß nemlich kein Wort vom Geſetz in der Predig Petriſtehe / ſo muß ich naͤher zu deſ - ſen Beleuchtung ſchreiten. Zum Voraus wird ein jeder vernuͤnftiger Menſch, mithin auch der Herr Graf, ſoferne er ſeine Vernunft noch wal - ten laͤſet, mir zugeſtehen, daß es ein Wort vom Geſetz ſeye, wann ich im Bekehrungsgeſchaͤfte zu dem Suͤnder ſage: du biſt ein Moͤrder Dann das lauft ins fuͤnfte Gebot: und der Prediger ſchreitet damit zu beſondern Suͤnden / welches der Graf vor unrecht haͤlt (Buͤd. Saml. Th. 4. ſ. 513.) Wann ich ſage du biſt ein Koͤnigsmoͤr - der / das gehoͤrt ins fuͤnfte / und zugleich ins vierte Gebot, und bezeichnet die Suͤnde noch ge - nauer. Wann ich beifuͤge: Du biſt ein GOttes - moͤrder / ſo weiſe ich ihn in das erſte / andere / vierte und fuͤnfte Gebot, und in ſofern zugleich in alle Gebote, in ſofern dieſe von GOtt ſind, deme ein ſolcher Moͤrder ſogar allen Gehorſam und Liebe (die iſt der Jnbegrif aller Gebote) verweigert, daß er an den die Haͤnde leget, der ſein GOtt, und in dem Kleide der Menſchheit erſchienen iſt. DieJuden(**)gaͤng und gaͤben Sinnes der A. C. und ihrer Apologie? 44Juden und alle andere, waren ſolche Moͤrder, ſo - ferne ſie JEſum theils zum Tode uͤberantwortet, oder gar ſelbſt Hand angeleget, theils die Grau - ſamkeit ihrer Oberſten genehm gehalten, und JEſum verſtoſſen hatten. So nennet ſie Ste - phanus, Apoſtelg. 7, 52. an welchem JEſu, ihr Verraͤther und Moͤrder worden ſeyd: Pau - lus ſtimmet ihm bey 1. Theſſ 2, 15. Und der Herr Graf bekennet ſelbſt, daß damal Stepha - nus(*)So heiſt es ſ. 26. daß man dem H. Geiſt die Wahl laſſen ſolle / ob GOtt ſeinen Zeugen Stephani Methode an die Hand geben wolle / oder aller uͤbrigen Apoſtel (ihm ſcheinet Stephanus ein Apoſtel gewe - ſen zu ſeyn) ihre Methode / ſonderlich Pe - tri und Philippi. Geſetz geprediget / und ſich der Bekeh - rungs-Methode aller uͤbrigen Apoſtel nicht bedienet habe.

§. 15.

Jm Fal nun Petrus in ſeiner Predig dieſe Lehr - art beliebet, daß er ſeine Zuhoͤrer auf alle die ze - hen Gebote verwieſen, und ihre dagegen began - gene Suͤnden aufgedekt haͤtte: ſo muͤſte die gantze Welt bekennen: Petrus hat ein Wort vom Ge - ſetz geredet. Nun laſt uns die Predig aufſchlagen. Erſtlich ſtehet mit klaaren Worten da, v. 23. Jhr Juden habt den groſen Propheten v. 22. den Sohn GOttes JEſum, genommen und an -gehef -45geheftet und erwuͤrget. Das heiſt ſo viel: ihr ſeyd Moͤrder worden, an einem unſchuldigen Menſchen, an einem groſen Propheten, an eu - rem rechtmaͤſigen Koͤnig, an dem Sohn Gottes. Jhr habt die zehen Gebote (§. 〈…〉〈…〉4.) auf die allerab - ſcheulichſte Art uͤbertreten, und die Rache GOt - tes muͤſte euch deshalben ohnfehlbar verfolgen. Noch einmahl ſpricht Petrus in dieſer Predig v. 36. dieſer JEſus den ihr gekreutziget habt / iſt von GOTT zu einem HErrn und Chriſt ge - macht worden. So oft in dieſer gantzen Predig der Marter JEſu gedacht wird, ſo oft ſtehet auch ein Wort vom Geſetz dabey: Jhr Juden ſeyd die groſe Suͤnder, die Gottesmoͤrder! ihr ſeyd die, die ihn gekreutzigt haben. Petrus ruͤget alſo die Suͤnde nicht nur uͤberhaupt, ſondern auch die be - ſondere Suͤnden ſeiner Zuhoͤrer, welches doch der Graf bey dem Bekehrungswerck ſcharf verbietet. Die Stelle iſt unten noch einmal angezeigt (§. 32.)

§. 16.

Hieraus iſt nun offenbar, daß Petrus in ſeiner Predig eben ſo vielmal das Geſetz, als den Mar - tertod JEſu, zu Bekehrung ſeiner Zuhoͤrer ge - brauchet hat, (§. 10.) Er redet kein eintzigmal von dem Sterben des Lammes, ohne darbei ihre Gewiſſen durch das Geſetz rege zu machen. Es war nicht noͤthig, ihnen die zehen Gebote vom er - ſten bis zum letzten, vorzubeten, oder ſie ordent - lich aufſagen zu laſſen. Dann ſie waren Juden, wie der Herr Graf geſtehet, und demnach mit Moſe wohl bekant. Die Augſpurgiſche Confeſ -ſions -46ſions-Verwandte, welche er Grillenfaͤnger / Donatiſten / und Diener Moſis nennet, bekeh - ren die Leute nach eben der Methode wie Petrus. Dann ſie wiſſen, daß Petrus in dieſer Bekeh - rungsart vom heiligen Geiſt belehret worden, und daß der heilige Geiſt weder ein Diener Moſis, noch ein Donatiſt, noch ein Grillenfaͤnger ſeye, vielweniger den Hauptgrund und das veſte Schlos der Evangeliſchen Religion dadurch unterminire / wie der Herr Graf etwa traͤumet §. 13. *) Haben ſie Leute vor ſich, die das Geſetz ſchon wiſſen; ſo iſt es gnug, ihnen die Verſuͤndi - gungen vorzuhalten, die vom Geſetz verdammet werden; der Suͤnder kennet ſodann die Gebote ſchon vorhin, gegen welche dieſe Verſuͤndigungen ſtreiten, und zugleich den Fluch und Zorn GOt - tes, der in dem Beſchlus der zehen Gebote gedro - het iſt.

§. 17.

Das andere / was hierbei zu mercken iſt, will ich beifuͤgen. Die Predig Petri iſt von Luca, dem Verfaſſer der Apoſtelgeſchicht, mit nichten von Wort zu Wort wiederholet worden. Er hat blos die Hauptſtuͤcke ihres Jnhalts aufgezeichnet. Das ſiehet man daraus offenbar, weil er ſelbſt im 40. vers ſich darauf beziehet: Auch mit viel andern Worten bezeugte Petrus / und ermah - nete / und ſprach: Laſſet euch helfen von dieſen unartigen Leuten. Darauf folget un - mittelbar: Die nun ſein Wort v. 41. gerne an - nahmen / lieſen ſich taufen. Daraus ſiehetman47man deutlich, daß zur Bekehrung dieſer Men - ſchen auch viel andere Worte Petri, heilſam - lich gebrauchet werden muͤſſen. Unter andern auch die Worte von der Unart der Zuhoͤrer. Man erkennet dieſes aus einer gleichen Predig Petri, Apoſtelg. 3, 13. 14. 15. Und das iſt al - lemal geſetzlich, wenn man den Suͤndern ihre Unart entdeket, mithin auch die Gefahr derſel - ben zeiget. So macht es der heilige Geiſt, wann er die Unbekehrten ermahnet, und ſie von dem unartigen Geſchlechte gern erretten will, 1. Cor. 5, 1. 13. Petrus aber hat die Juden in dieſer ſeiner Predigt ermahnet (v. 40.) und zwar nicht allein mit den Worten, die Lucas anfuͤh - ret, ſondern noch mit vielen andern Worten / wie er ſelbſt bekennet, (v. 40.) Wann demnach wahr waͤre, was der Graf ſchreibet, daß Lucas in der Aufzeichnung der Predig Petri kein Wort vom Geſetz erwehnet haͤtte, (welches je - doch der Augenſchein wiederleget) ſo wuͤrde den - noch nicht folgen, daß Petrus kein Wort vom Geſetz geprediget haͤtte. Die Unart der Men - ſchen, deren Lucas gedenket, wuͤrklich zu heben, iſt das Geſetz nicht im Stande, ſondern das thut der heilige Geiſt durch evangeliſche Bewe - gungsgruͤnde, in welchen er wuͤrket. Aber die - ſe muͤſſen nicht eher kommen, bis die Menſchen ihre Unart erkant haben. Sonſten macht man die evangeliſche Gruͤnde zu Spott, und bietet Artzeneyen an, die einer, der ſich nicht krank weiß, vor ein Spiel haͤlt; oder man will ſehend ma -chen48chen, ehe jemand ſich zu den Blinden zehlet 1 Joh. 9, 41., oder man traͤget denen die Erquikung an, die noch nicht muͤhſelig und beladen ſind: ſchnurſtraks gegen die Regel und Bekehrungs - weiſe des allerhoͤchſten Lehrers JEſu Chriſti, Matth. 11, 28., der warlich kein Grillenfaͤn - ger noch Diener Moſis war.

§. 18.

Wann nun ein ander Wort in der Predig Petri ſtehet / als vom Leyden JEſu / und wann ins beſondere ein Wort vom Geſetz dar - in ſtehet / ſo iſt der Graf Zinzendorf ein Menſch, dem kein Maͤhriſcher Bruder kein Wort mehr glauben ſoll / wie er ſelbſt verlanget. (§. 7.) Ja ich beſorge, es werden die Bruͤder ein gleiches von ſich muͤſſen gelten laſſen. Dann was ihr Graf hier ſchreibet, das machen ſie zu einer Apologie ihrer Kirche (§. 3. *) und unterſchreiben es, als wann es der heilige Geiſt geſagt haͤtte. Weil ohnehin das Vorurtheil bei ihnen eingewurtzelt iſt, wenigſtens bei dem Polycarp Muͤller / ih - rem ſogenanten Biſchof, daß alles, was der Graf thue, der heilige Geiſt durch ihn wuͤrke. Zinz. Unfug (lerna Zinz. ) ſ. 94. f. Und ſoll ihm dann kein Maͤhriſcher Bruder glauben; ſo darf ihm auch kein anderer Menſch, etwas glauben. Dann andere Menſchen muͤſſen eben ſo wenig den Luͤgen glauben, als ein Maͤhriſcher Bruder. Und der Herr Graf wird ſo billig ſeyn, daß er ſeinem Nechſten uͤberhaupt das Recht goͤnnet, welches das Naturgeſetz einem jedenMen -49Menſchen, ſo ferne er ein Menſch, und nicht weil er ein Maͤhriſcher Bruder iſt, beſchieden, ja dieſes, als eine groſe Pflicht vorgeſchrieben hat, durch keine Luͤgen ſich hintergehen zu laſſen. Nun aber habe ich erwieſen, daß das wenigſte in der Predig Petri, von JEſu Leiden handelt, und daß vom Geſetz eben ſoviel als von dem Tode des Mittlers in derſelben Predig ent - halten iſt: (§. 9 -- 18.) demnach fodert der Herr Graf mit Recht, und man pflichtet ihm voͤllig bei, wie ſchon lange geſchehen (§. 8.) daß kein Menſch ihme ein Wort mehr glauben ſoll. Oder deutlicher alſo: Da der Herr Graf kein Beden - ken hat, Petrum, und den heiligen Geiſt, der in Petro prediget, zum Urheber und Muſter ſei - ner verdammlichen Lehre zu machen; da doch der geringſte Catechiſmusſchuͤler das Gegentheil in der Predig Petri mit Haͤnden greifen kan: ſo muß der Jrgeiſt ihn auſerordentlich regieren, und zu einem groſen Werkzeug ſeines Reichs ge - brauchen. Weshalben ich alle Maͤhriſche Bruͤ - der, auch ſonſt jedermaͤnniglich, wes Standes und Wuͤrden er ſeyn mag, hiermit gewarnet ha - ben will: Jhr Lieben / glaubet nicht dem Zin - zendorfiſchen Geiſt 1 Joh. 4, 1. beſonders wann er ſeine Sachen vor apoſtoliſch und goͤtt - lich ausgibt. Und ſo hat Chriſtus allemal vor den falſchen Propheten gewarnet: Glaubet ih - nen nicht! Ja, dieweil auch das, was der Graf hier ſchreibet, die wahre Geſtalt des Creutzreichs JEſu in ſeiner Unſchuld ſeyn ſoll;Dund50und die Bruͤder mit ihrer Unterſchrift ſolches be - ſtaͤtigen (§. 1. 2. 3. ) die Luͤgen aber kundbarlich zum Reich des Teufels gehoͤren. Joh. 8, 44. und noch viel abſcheulicher werden, wenn ſie jemand mit dem Namen des Creutzreichs JEſu ſchmuͤ - ken, und dadurch an den Mann bringen, hier - mit aber das theure Reich des Heilandes zu ei - nem Reich des Teufels machen will: ſo kan ein - jeder, der die Warheit und Chriſtum kennet, das Urtheil ſprechen. Nicht undienlich iſt, hier - bei zu leſen, was unten (§. 40. *) vorkommen wird.

Drittes Hauptſtuͤck. Die Schalkheit, in der faͤlſchlich vorgege - benen Ubereinſtimmung mit der A. C. ſonderlich in der Lehre vom Geſetz, Ev - angelio, und von der Bekehrung eines Suͤnders.

Jnhalt.

I. Natur des Geſetzes und Evangelii. Die Urſache hiervon zu handeln §. 19.) wah - rer Begrif vom Geſetz und Evangelio / (§. 20.) die Verheiſungder Wuͤrkung GOttes durch das Geſetz / iſt evangeliſch (§. 21.) goͤttliche Kraft im Ge - ſetz (§. 22.) dieſe Wuͤr - kung GOttes im Ge - ſetz iſt ein Mittel derSelig -51Seligkeit (§. 23.) die evangeliſche Geſetze (§. 24.) Unterſchied zwi - ſchen Geſetz und Ev - angelio. (§. 24. b) II. Einflus des Geſetzes und Evangelii in die Bekehrung. Es iſt unmoͤglich / daß das Evangelium den Suͤnder ſchreke (§. 25.) worauf ſich die Ord - nung GOttes gruͤnde / in welcher die Wuͤr - kungen GOttes durch Geſetz und Evangeli - um erfolgen (§. 26.) das Geſetz gehet vor - aus / und das Evan - gelium folget (§. 27) Gebrauch der Marter GOttes / wann ſie ſchreken ſoll (§. 28) die verſchiedene Verhaͤlt - nis der Marter GOt - tes gegen den Suͤn - der / und zwar a) die evangeliſche / (§. 29. 30. ) b) die geſetzliche / iſt ohne Gebrauch des Geſetzes nicht bequem noch hinreichend zum erſten Stuͤck der Buſe. (§. 31.) die evangeli - ſche viel weniger / (§. 32.) Beweis aus der Natur des Glaubens (§ 33.) von ploͤtzlicher Bekehrung (§. 34.) er - ſchlichene Erfahrung / und falſche Meinung von ſolchen Bekeh - rungsfaͤllen (§. 35.) in der Schrift / iſt kein Exempel / einer Be - kehrung ohne das Ge - ſetz. (§. 36.) es giebt demnach eine algemei - ne Bekehrungsord - nung (§. 37.) und die - ſe iſt ein Glaubensar - tikel (§. 38) den nie - mand / als ein Jrgeiſt / laͤugnen kan. III. Schalkheit des Grafen in dieſer Sa - che. Er laͤugnet dieſe Be - kehrungsordnung und will ſich doch zur A. E. und evangeliſchen Leh - re bekennen (§. 39.) er ſaget faͤlſchlich / daß die alte und neue Luthera - ner ſich hier wieder - ſprechen. (§. 40.) und beziehet ſich tuͤckiſch auf den gaͤng und ga - ben Sinn der A. C. unter den Luthera - nern (§. 41.) dieſerD 2gaͤng52gaͤng und gaͤbe Sinn der A. C. iſt kein an -derer / als der unſri - ge (§. 42.)

§. 19.

WAnn der Herr Graf aus Mangel der Er - kentnis in dieſe anſteckende Lehrſeuche ge - rathen waͤre; ſo haͤtte er dennoch eine ſchwere Rechenſchaft abzulegen. Dann wer macht ihn ſo verwegen und leichtfertig, das Gegentheil von einer Warheit zu lehren, die er ſelbſt noch nicht begriffen hat? Wie kan der Heiland, der Weg die Warheit und das Leben, einen ſolchen Men - ſchen zum Lehrer ſeiner Gemeine berufen, und zum Stifter einer beſonderen Kirche gebrauchen, der dieſen Heiland in ſeiner Heilsordnung weder kennet, noch Seelen zu ihm fuͤhren kan? Ja, der an ſtat ſolcher ſeligmachenden Erkentnis, wieder die Vorſchriſt und das Exempel JEſu, und ſeiner Zeugen, eine gegenſeitige, vom Hei - land ab, und zur Grube des Verderbens hin - fuͤhrende Menſchenlehre in unſchuldige Seelen pflantzet? Der dabei ſo kek, ſicher und vermeſ - ſen iſt, daß er eine goͤttliche zur Seligkeit unent - behrliche, von Chriſto und ſeinen Juͤngern zum Heil vieler tauſend Menſchen mit Segen gebrauch - te Warheit, mit dem Namen einer Grillenfaͤn - gerei beleget, und ihre Zeugen auf die boshafte - ſte Weiſe, die er nur erſinnen kan, verlaͤſtert? Damit jedoch die Warheit ſich nochmal nicht un - bezeuget laſſe, ſo will ich vom Geſetz und Ev - angelio, als worauf die Sache hier ankommt,noch53noch weniges, zur Erinnerung des nicht voͤllig geuͤbten Leſers, erwehnen: welches der HErr bei dieſen verfuͤhriſchen Zeiten vielleicht nicht oh - ne Segen laͤſet.

§. 20.

Das in der Schrift enthaltene Geſetz / ſind diejenige Warheiten der Schrift, in welchen GOtt von den Menſchen etwas fodert. Marc. 12, 30. 31. 1 Joh. 3, 23. oder die Art anwei - ſet, wie ſie dieſe Foderungen leiſten ſollen, Ebr. 11, 6. oder ſeinen Foderungen, ſoferne ſie aus ei - genen Kraͤften vollzogen werden, Belohnungen, Luc. 10, 28. und im Gegenfal Strafen anhaͤngt, Rom. 1, 18. Gal. 3, 10. Marci 16, 16. die er manchmal in Exempeln zeiget, 1 Cor. 10, 5. 7. f. Jeſ. 53, 4. Weil GOtt vermoͤge ſeiner weſent - lichen Guͤtigkeit nichts anders von den Menſchen fodern kan, als was zu ihrer Wolfahrt dienet; ſo ſind alle ſeine Foderungen oder Geſetze, auf unſere Wolfahrt gerichtet. Luc. 10, 28. 1 Tim. 1, 8. Hingegen alle die Saͤtze der Schrift in welchen GOtt verſichert, daß er von ſeiner ſeite die Wolfahrt der verlohrnen Menſchen durch Chri - ſtum und um Chriſti willen, ſelbſt verſchaffen wolle, und wuͤrklich verſchaffe; weil ſolches dem Geſetz(*)Das Geſetz beſtehet aus Foderungen GOt - tes an die Menſchen. Dem verſpricht es die Wolfahrt, welcher ſie auf die allervol -kom - unmoͤglich iſt, heiſen das Evangeli -D 3um. 54um. 2 Cor. 5, 19. 21. Joh. 3, 16. 1 Joh. 1, 7. 2, 25. 3, 22, 2 Petr. 1, 4. Epheſ. 1, 3. f. Weil nun die gantze Abſicht der heiligen Schrift dahingehet,(*)kommenſte Art erfuͤllen kan. Wann der Menſch auf dieſe Foderungen acht gibt, ſo wird er gewahr, ob und wieweit er durch ſein Thun und Laſſen dieſelbige erfuͤlle. Merket er, daß dieſes nicht geſchehe, auch nicht geſchehen koͤnne, indeme er immer neue Abweichungen entdeket: ſo merket er zugleich eben dadurch, daß er ſich in ei - nem beſtaͤndigen Mangel der Wolfahrt be - finde, von welchem er ſich nicht helfen kan, und daß im Gegentheil der Fluch GOttes immer fortgehe, und keine Rettung davon, vorhanden ſeye. Solcher Geſtalt wird es dem Geſetz unmoͤglich die Wolfahrt zu ver - ſchaffen, weil es von keinem eintzigen Men - ſchen, des Unvermoͤgens halber, erfuͤllet, oder (wie Paulus Rom. 8, 3. redet) weil es durch das Fleiſch geſchwaͤchet wird. Man ſiehet hieraus, wie das Geſetz alſo und dergeſtalt die Erkentnis der Suͤnde wuͤrket, daß es auch die Unmoͤglichkeit da - von los zu werden, mithin auch die Erb - ſuͤnde, dem Suͤnder zeiget: wodurch dann die Zerknirſchung, und der Trieb einen Helfer zu ſuchen, deſto mehr befoͤrdert wird.55gehet, daß wir unſere Wolfahrt durch den Glau - ben an Chriſtum erlangen moͤgen, 2 Tim. 3, 15. ſo muͤſſen auch alle Warheiten der Schrift, uns entweder entdeken, was GOtt von ſeiner ſei - ten zu Verſchaffung dieſer Wolfahrt leiſte: und dieſe heiſen Evangelium: oder ſie muͤſſen das - jenige Verhalten in ſich begreifen, das GOtt von uns fodert, wann wir dieſe Wolfahrt nicht verſchertzen wollen. Und dieſe ſind das Geſetz. Die hiſtoriſche Warheiten ſind entweder eines von beiden, oder zielen darauf. Siehe unten (§. 41. *)

§. 21.

Die gnaͤdige Erklaͤrungen GOttes, die er in der Schrift gethan hat, in Abſicht auf den Erloͤſer, von dem Erloͤſer, und um dieſes Erloͤſers wil - len; gehoͤren alle zum Evangelio. (§. 20.) Alles, was der HErr unſer GOtt um Chriſti willen zu Herſtellung der verlohrnen Wolfahrt an uns zu thun und zu wuͤrken verſpricht, inſoferne er uns die - ſes wiſſen laͤſſet. Epheſ. 1, 9. oder ſich gnaͤdig gegen uns erklaͤret, daß er ſolches an uns thun wolle, und wuͤrklich verrichte, das alles, ſage ich, heiſet das Evangelium. Unter andern hat ſich der HErr um Chriſti willen, auch dahin erklaͤret, daß er durch ſein lebendiges Wort an unſern Seelen arbeiten wolle, damit wir zu dem Hei - land kommen, und in ſeiner Gemeinſchaft, un - ter taͤglichem Wachsthum des inneren Menſchen, bleiben moͤgen. Philip. 1, 6. 9. 10. 11. Rom. 12, 2. Epheſ. 2, 10. Joh. 17, 17. Ebr. 4, 12. D 42 Ti -562 Timoth. 3, 15. Daß der HErr ſich gnaͤdig erklaͤret, um der Erloͤſung Chriſti willen ein neu - es glaubiges gehorſames Hertz in uns zu ſchaf - fen, das iſt Evangelium. Ezech. 36, 26. 27. 1 Theſſ. 2, 13. Ein ſolches Hertz bekommt nie - mand ohne die Buſſe, Marci 1, 15. Apoſtelg. 20, 21. 2 Cor. 7, 10. Die Buſſe kan nicht ſtatt haben ohne Erkentnis der Suͤnden, Jerem. 3, 13. Rom. 3, 19. Pſ. 32, 3. 5. Wenn dem - nach wahr bleiben ſoll, daß GOtt die Buſſe gebe, Apoſtelg 5, 31. So muß auch wahr bleiben, daß eben der GOtt Erkentnis der Suͤn - den gebe. Das aber, wodurch er die Erkent - nis der Suͤnden gibt, iſt das Geſetz, dann aus dem Geſetz kommt Erkentnis der Suͤnden Rom. 3, 20. 7, 7. Aus Erkentnis der Suͤnde entſtehen nothwendig die Gewiſſensbiſſe, welche deſto ſtaͤrker ſind, je mehr der Menſch die Tiefe dieſes Elends gewahr wird, daß er ſich aus dem - ſelben nicht helfen koͤnne, ſondern taͤglich tiefer hinein ſinke. Epheſ. 2, 1. 2 Cor. 3, 6. und je mehr er von den boͤſen Folgen der Suͤnden in Zeit und Ewigkeit, uͤberzeuget wird. Luc. 19, 10. Pſ. 6, 1. f. 2 Cor. 7, 10. Wenn ſich dem - nach der HErr gnaͤdig erklaͤret, die Buſſe durch das Geſetz zu wuͤrken, um Chriſti willen, ſo iſt dieſe Verſicherung GOttes ein Evangelium (§. 20.) Wer alſo das Geſetz verwirft, der ver - wirft nothwendig auch das Evangelium.

§. 22.

Das Geſetz, wodurch der HErr Erkentnisder57der Suͤnde gibt oder wuͤrket, (§. 21.) iſt ein Theil der uͤbernatuͤrlichen Offenbarung, oder, des goͤttlichen Worts. (§. 20.) Matth. 5, 20. Marci 12, 30. 31. 1 Joh. 3, 23. Das Wort GOttes hat eine uͤbernatuͤrliche Kraft, die an den Seelen wuͤrket, Ebr. 4, 12. zu ihrer Wol - fahrt oder Seligkeit, 2 Tim. 3, 15. Dann der heilige Geiſt wuͤrket in und mit demſelben unzer - trennlich, und bezeuget, daß es Warheit ſeye Joh. 17, 17. 16, 8. 1 Joh. 5, 6. Rom. 1, 16. Dieweil nun das Geſetz ein Theil iſt dieſes le - bendigen und kraͤftigen Worts, mit welchem der heilige Geiſt wuͤrket: ſo muß auch das Ge - ſetz mit einer uͤbernatuͤrlichen Kraft verſehen ſeyn, alſo daß es ein Hammer iſt / der Felſen zer - ſchmeiſet Jerem. 23, 29. und ein zweiſchnei - dig Schwerdt / das Seele und Geiſt durch - dringet(*)Das Geſetz kan in dieſem Spruch nicht ausgeſchloſſen werden, dieweil vom Wort GOttes uͤberhanpt die Rede iſt. Unten, (§. 42. **) Ebr. 4, 12.

§. 23.

Soferne die Warheiten des goͤttlichen Worts, aus Foderungen beſtehen, die der HErr an die Menſchen thut, und die er, im Fal des Ungehorſams rechtfertiget, durch Erfuͤl - lung der gebuͤhrenden Strafen, oder des ewi - gen Fluches: (§. 20. 21. ) ſoferne heiſen ſie Geſetz. Soferne aber GOtt uns wiſſen laͤſſet, daß ErD 5um58um Chriſti willen ſeine uͤbernatuͤrliche Kraft mit dieſen Foderungen verbinde, Jerem. 31, 33.(*)Dieſe Worte handeln nicht vom Geſetz al - lein, ſondern zugleich vom Evangelio. A - ber man darf das Geſetz doch nicht ausſchlie - ſen. Dieweil weder im Text, noch in der Sache ſelbſt, ein Grund zu ſolcher Aus - ſchlieſung vorhanden iſt. Sogleich im fol - gendem (Note des 24. §. gegen das Ende) wird dieſes bewieſen werden. und ſolches auch wuͤrklich leiſte zu Befoͤr - derung unſerer Wolfahrt durch Ehriſtum; ſo - fern ſind dieſe gnaͤdige Erklaͤrungen GOttes ein Evangelium. (§. 20. 21.) Und alſo iſt das Ge - ſetz in Anſehung dieſer goͤttlichen Kraft, die es als ein Theil des goͤttlichen Wortes, in ſeiner Art, und nach ſeinem Jnhalt, um Chriſti willen mit ſich fuͤhret, ein kraͤftiges Mittel, obzwar nicht das nechſte, eintzige und vornehmſte, zur Selig - keit: weil alle goͤttliche Wuͤrkungen, die um Chriſti willen, und zur Vereinigung mit Chri - ſto, geſchehen, unſtreitige Mittel ſind zur Se - ligkeit. Ja es gehoͤret dieſe im Geſetz wuͤrkende goͤttliche Kraft, zum prophetiſchen Amte JEſu, als welcher ſelbſt, im Geſetz und Evangelio ſich kraͤftig an den Seelen beweiſet.

§. 24.

Alle Foderungen GOttes an die Menſchen, zur Wolfahrt derſelben, ſind Geſetze. (§. 20. 22.) Die59Die Foderungen(*)Wann das erſte Naturgeſetz heiſet: Be - ſtrebe dich nach deiner Wolfahrt: ſo iſt das erſte evangeliſche Geſetz: Beſtrebe dich nach deiner Wolfahrt welche durch Chriſtum er - worben, und im Wort und Sakramenten dir angeboten iſt. Das heiſet ſoviel: Glau - be an Chriſtum / und gebrauche darzu das Wort / und die Sakramenten / als Mittel ſolcher Wolfahrt. Hier komt es freilich auf die Kraͤfte der Natur nicht an. Die ſind nichts zum Glauben. Aber dieſe evangeliſche Foderungen wollen ſoviel haben, daß wir der darin wuͤrckenden Gnade nicht wiederſtreben, das iſt, unſere natuͤrliche Kraͤfte nicht gegen dieſelbe gebrauchen ſollen. Luc. 14. 17. Hat aber ein Menſch den Glauben nun in ſich herfuͤr bringen laſſen; hat er goͤttliche Fertigkeiten erlanget, durch die Gnade, die alles in allem wuͤrcket: ſo ge - braucht er ſodann dieſe neue Kraͤfte, um den uͤbrigen Foderungen GOttes nachzukom - men. 2 Petri 1. 3. 5. Da fodert nemlich Gott weiter von ihm: Forſche und pruͤfe den gu - ten wohlgefaͤlligen und vollkom̃enen Wil - len GOttes / Roͤm 12. 2. Und wann du in goͤttlichem Licht denſelben gefunden haſt, ſo befleiſige dich, unter dem Trieb des heiligenGei - welche GOtt deswegen an die Menſchen thut, (ich ſage unmittelbar deswegen) weil60weil ſein Sohn unſer Mittler, das iſt, 1) unſer Hoheprieſter, Prophet und Koͤnig worden oder2) zu -(*)Geiſtes, Rom. 8. 14. ihn jederzeit in allen Faͤllen auszuuͤben, damit du in allen Stuͤ - cken immer voͤlliger werdeſt 1 Theſſ. 4. 1. 2 Petr. 1. 5. Wann die goͤttliche Gnaden - wuͤrckung dem Menſchen den Glauben, und dadurch eine ſolche Fertigkeit verleihet, den Willen GOttes zu pruͤfen und in jedesmali - gen Faͤllen auszuuͤben, ſo heiſt es: Das Geſetz / oder der Wille, und die Gebote Got - tes ſeyen von GOtt dem Menſchen ins Hertz geſchrieben. Und da gar viele ſolcher Gebo - te ſich auf das Evangelium gruͤnden, das iſt, deswegen gegeben ſind, weil ein Erloͤſer da iſt, und deswegen beobachtet werden koͤn - nen, weil dieſer Erloͤſer durch den Glauben unſer geworden iſt, ſo erhellet daraus, daß ei - nem Menſchen, dem GOtt das Geſetz alſo ins Hertz geſchrieben hat, auch das Evangelium zugleich muß ins Hertz geſchrieben ſeyn. Dann die lebendige Erkentnis des Evangelii gehoͤret zum Glauben, und muß da ſeyn, wo jemand die Foderungen GOttes, oder ſeine Geſetze halten will, 2 Petr. 1, 3. 5. Daraus iſt nun offenbar, daß Jeremias, 31, 33. beydes, ſowol das Geſetz / als Evangelium / verſtehen muß. Ja es kan auch dieſes nicht gelaͤugnet werden, daß dieerſten612) zugleich ſchon wuͤrcklich durch den Glauben un - ſer iſt, ſind demnach ebenfals Geſetze, und koͤn - nen, in geſundem Verſtande, evangeliſche Ge - ſetze(**)Es iſt dieſes mit groſer Behutſamkeit zu faſſen. Jnſoferne der HErr durch den Satz: glaube an Chriſtum! ſich erklaͤret den Glauben zu ſchenken, und ihn wuͤrcklich ſchenket; inſofern iſt dieſer Satz, und alle ſeines gleichen, kein Geſetz, ſondern ein theures Evangelium; und die angehaͤngte Belonung: wer da glaubet der wird ſeelig / iſt gantz evangeliſch, und heiſet ſoviel: der HErr, welcher den Glauben ſchenket, der durch unſere Kraͤfte unmoͤglich iſt; ſchenket eben dadurch Leben und Seeligkeit. Hinge -gen heiſen. Luc. 14. 17. 1 Joh. 3. 23. Matth. 11, 29.(*)erſten von einem Menſchen heilſamlich em - pfundene kraͤftige Wuͤrckung GOttes in dem Theil des goͤttlichen Wortes, welches Ge - ſetz heiſet, hier mitverſtanden werde. Dann wo im Anfang der Bekehrung, eine lebendige Erkaͤntnis des goͤttlichen Geſetzes, und unſers Elendes, daraus entſtehet, ſo hat GOtt das Geſetz ins Hertz geſchrieben, daß wir uns ſeiner Foderungen und ſeines Drohens, im - mer, mit ſtarcken damit verknuͤpften heilſa - men Gemuͤthsbewegungen bewuſt ſind, oder eine goͤttliche Traurigkeit zur Seeligkeit em - pfinden. 2 Cor. 7, 10.6211. 29. 2 Petr. 1. 3. 5. 2 Cor. 7. 1. Sobald ſie offenbaret ſind, ſo ſiehet man, daß ihr entfernter Gꝛund im erſten Naturgeſetz liege, weil ſie ihren un - mittelbaren nechſten Grund im Evangelio haben, was ihren eigentlichen Jnhalt betrift. Jenes heiſt: beſtrebe dich nach deiner und deines Nechſten Wolfahrt. Da hingegen ohne die uͤbernatuͤrliche Offenbarung, ſie kein menſchlicher Verſtand aus jenem natuͤrlichen Grundgeſetz herleiten kan. Die - ſes Grundgeſetz lieget auch in der Summ der zehen Gebote: Liebe GOtt uͤber alles, und deinen Nech - ſten als dich ſelbſt. Man ſiehet hieraus, was ein Geſetzſtuͤrmer vor ein ſchaͤdliches Abentheuer iſt. Dann 1) er verwirft ein kraͤftiges Mittel zur See - ligkeit das iſt die Wuͤrckung GOttes durch das Geſetz (§. 23.) und reiſet 2) den Grund um, auf welchem alle evangeliſche Foderungen GOttes be - ruhen. Von der groben Geſetzſtuͤrmerey des Herrn Grafen, ſind mehrere unumſtoͤsliche Be -weiſe(**)gen alle, den Foderungen GOttes ange - haͤngte Belonungen, in ſofern wir aus eige - ner Kraft die Foderung erfuͤllen, und zwar voͤllig erfuͤllen wuͤrden, gehoͤren zum Geſetz. (§. 20.) So auch alle, den Wiederſtrebun - gen gegen die evangeliſche Foderungen ange - haͤngte Strafen, beziehen ſich auf den Ge - brauch unſerer eigenen Kraͤfte gegen dieſe Fo - derungen, und gehoͤren eigentlich zum Ge - ſetz Marci 16, 16. (§. 20.)63weiſe angefuͤhret in ſeinem Predigaͤrgernis / (no - xa homiletica Zinzend. Giſſae 1744.) Auch wird unten ein neuer Beweis vorkommen, (§. 47.)

§. 24. b)

Das gantze Wort GOttes beſtehet aus War - heiten, die theils Geſetz / theils Evangelium ſind (§. 20.) GOtt wuͤrcket in und mit beiden kraͤftiglich (§. 22.) zu unſerer Wolfahrt durch Chriſtum. Was GOTT durch das, Geſetz wuͤrket, das will er nicht wuͤrken durch das Evangelium. Dann zweierley Warheiten zu offenbaren, davon die eine Art aus gnaͤdigen An - erbietungen ſeiner Huͤlfe zur geiſtlichen Wolfahrt, die andere Art aus Foderungen beſtehet: das waͤ - re ſeiner Weisheit zuwieder, woferne er doch durch beide, eines und eben das haͤtte wuͤrken wollen. Ja es waͤre auch gegen die Natur der Sache. Dann verſchiedene Warheiten machen auch in unſerem Verſtand verſchiedene Begriffe, und bringen, nach deren Beſchaffenheit, verſchie - dene Veraͤnderungen im Willen hervor. Gleich - wie aber die beiderley Art dieſer Warheiten ſehr voneinander unterſchieden iſt: alſo wuͤrket auch der Geiſt GOttes ſehr verſchiedene Veraͤnderun - gen dadurch in unſere Seelen. Mithin iſt zwi - ſchen Geſetz und Evangelio ein ſehr groſer Un - terſchied; fowol in Anſehung der Warheiten, woraus ſie beſtehen, als in Anſehung der Wuͤr - ckungen, die nach GOttes Abſicht, daraus in den menſchlichen Seelen entſtehen ſollen.

§. 25.64

§. 25.

Weil das Evangelium nichts anders in ſich haͤlt, als die gnaͤdige Verſicherungen GOttes, daß er ſelbſt den verlohrnen hoͤchſtungluͤckſeeligen Menſchen ihre Wolſahrt durch Chriſtum verſchaf - fen will; (§. 20.) mithin aus lauter umſonſt ange - botenen Wolthaten beſtehet: So iſt es, der Na - tur der Sache nach, unmoͤglich, daß es die un - gluͤckſeelige ſchreken / oder mit dem Zorn GOttes aͤngſtigen koͤnne. Dann es redet von keinem Zorn, ſondern von dem geſtilten Zorn, und an deſ - ſen ſtat, von lauter Liebe GOttes, Himmel und Seeligkeit. Von Erloͤſung vor die Gefangene, Luc 4, 18. und von einem angenehmen Jahre des HErrn. Weil demnach der HErr unſer GOtt das mit dem Evangelio wuͤrken will, worzu es nach ſeinem Jnhalt geſchikt iſt; (§. 24. b) ſein Jnhalt aber auf lauter Freude zielet: Luc. 2, 10. Matth. 11, 29. Pſ. 51, 10. Jeſa. 40, 1. 2. ſo muß es falſch und irrig ſeyn, wenn jemand lehret, daß man durchs Evangelium den Suͤnder ſchreke: oder daß das Evangelium eine Predig der Buſſe ſeye, ſoferne die Buſſe von dem Glau - ben unterſchieden, und vor die goͤttliche Trau - rigkeit oder Zerknirſchung des Hertzens / ge - nommen wird, wie dann ſolche Bedeutung vor - kommt Marci 1, 15. Apoſtelg. 20, 21., in wel - cher Bedeutung wir ſchon oben (§. 21.) das Wort Buſſe genommen haben. Jmmittelſt iſt folgendes wohl zu merken. GOtt laͤſet dieſes Evangelium niemal ohne die darauf begruͤndeteevan -65evangeliſche Geſetze verkuͤndigen. (§. 24.) Und ein Lehrer, der die letzteren verſchwiege, wuͤrde kein evangeliſcher Lehrer ſeyn. Da kan es ge - ſchehen, daß der Suͤnder durch dieſe Geſetze ge - ſchreket wird. Wann er bedenket: ich habe mich um dieſes Evangelium bisher wenig oder nicht bekuͤmmert. Oder ich habe ihm wiederſtrebet bei aller Gelegenheit, da es mir bekant worden iſt. Alſo bin ich aus meiner Schuld unglaubig / das iſt verdammt, geblieben, Marci 16, 16. das ſchreket ſodann den Suͤnder. Aber in eben die - ſem Fal ſchreket ihn das Naturgeſetz, oder das Geſetz der zehen Gebote, von welchem alle evan - geliſche Geſetze ihre Verbindlichkeit haben. (§. 24. *) Da nun der heilige Geiſt auf ſolche Art die Welt ſtrafet, um die Suͤnde des Unglaubens / Joh. 16, 8. 9. ſo weiſet er ſie zugleich auf das Geſetz der zehen Gebote, und wuͤrket ſolcher Ge - ſtalt die Reue zur Seligkeit.

§. 26

GOtt kan nicht anders wuͤrken, als wie es ſeiner Weisheit gemaͤß iſt. (§. 24.) Dann gegen ſeine Weisheit kan er nicht verfahren, ſonſt wuͤr - de er gegen ſich ſelbſt verfahren, und ein Unwei - ſer, das iſt kein GOtt ſeyn. Er hat aber das Geſetz und Evangelium, welche beide von gantz verſchiedenem Jnhalt ſind, (§. 20.) und in wel - chen beiden er zur Seligkeit der Menſchen ge - ſchaͤftig iſt, in der heiligen Schrift des alten und neuen Teſtamentes miteinander verbunden; (§. 20.) oder, er hat beides zu Mitteln gemacht, zuEeiner66einer und eben derſelben Abſicht. Ein Weiſer verbindet die Mittel zu ſeiner Abſicht, mit der Abſicht ſelber, das iſt, er machet daß ſeine Mit - tel zur Abſicht hinreichend ſind. Er verbindet auch die Mittel untereinander; nicht von ohnge - fehr, ſondern aus einer weiſen Urſache, das iſt, alſo, daß ein Mittel in Anſehung des andern zur(*)Die Wuͤrkungen GOttes durch das Ge - ſetz, wie auch durch das Evangelium, ſind beiderſeits Mittel zur Wolfahrt des Suͤn - ders (§. 20.) beide Mittel muͤſſen nun zu jenem Zwek verbunden und auf eine weiſe Art neben einander ſeyn. Wie aber? al - ſo, daß die Wuͤrkungen durch das Geſetz ein Mittel werden zu den Wuͤrkungen des Evangelii, als zu einer Zwiſchenabſicht GOttes. Dadurch geſchiehet es ſodann, daß ſie beide in dieſer Verbindung zur Hauptabſicht GOttes, das iſt zur Wol - fahrt des Suͤnders, hinreichend ſind. Hier iſt die Rede beſonders von den Wuͤrkun - gen des Geſetzes bei einem Menſchen, der bekehret werden ſoll; nicht aber bei dem, der ſchon bekehret iſt. Von dem letzteren ſiehe (§. 24. n. 2.) Zwiſchenabſicht dienen muß, bis ſie bei - de, oder mehrere, die letzte Abſicht erreichen. Und der Grund dieſer Verbindung muß in der Natur des Mittels, und dem Verhaͤltnis deſſel -bigen67bigen gegen die andere Mittel, und gegen die Ab - ſicht, liegen. Dieſes muß die Weisheit GOt - tes ebenfals thun, in der Sache davon wir re - den; wann er nemlich ſeine Wuͤrkungen durch das Geſetz und Evangelium als Mittel gebrau - chet, die Wolfahrt der Menſchen, das iſt ſeine Abſicht, zu erreichen. Da nun die Wolfahrt, einem der ein Suͤnder, (ein ungluͤkſeliger verlohrner Menſch) iſt, zu Theil werden ſoll; auch der Jnhalt des Geſetzes und Evangelii ver - ſchieden iſt (§. 24.) und ſich jenes auf des Suͤn - ders Elend; dieſes aber auf deſſen Errettung, beziehet: ſo laͤſt ſich daraus ſchlieſen, in welcher Ordnung die Wuͤrkungen GOttes, als Mit - tel zu ſolcher Wolfahrt, in Anſehung des Geſe - tzes und Evangelii, verbunden ſeyn, oder wie ſie auf einander folgen muͤſſen. Nemlich durch das Geſetz muß er wuͤrken, was durch deſſen Jnhalt moͤglich iſt zur Wolfahrt des Suͤnders, und eben ſo durch das Evangelium.

§. 27.

Die Wolfahrt eines Suͤnders iſt, der Zu - ſtand der Freude, nach dem Elend, Joh. 3, 16. 1 Petr. 1, 8. 9. Col. 1, 12. Apoſtelg. 26, 18. Alles Elend kommt aus der Suͤnde, Rom. 5, 18. Joh. 3, 6. Rom. 8, 13. Das Evan - gelium haͤlt die Verſicherungen GOttes in ſich, von dem was er zur Wolfahrt der Elenden leiſte. (§. 20.) Das Geſetz aber, welches Foderungen GOttes in ſich haͤlt, zeiget demjenigen, der die Foderungen nicht leiſten kan, ſeine Suͤnde (§. E 221.)6821.) das iſt ſein Elend, und richtet Zorn an / Rom. 4, 15. 16. Gal. 3, 10. Weil nun kein Menſch die Wolfahrt (oder den Zuſtand der Freude nach dem Elend,) begehren kan, der nicht weiß oder erkennet, daß er im Elend(*)Es kan wohl geſchehen, daß die Ver - kuͤndigung des Evangelii dem ſicheren, und in ſeinen Augen reichen und ſatten Suͤnder Offenb. 3, 17. Gelegenheit gibt an ſein Elend zu gedenken: zumalen, da das Ev - angelium verſichert, daß Chriſtus allen und jeden Menſchen zum Heil gegeben, mithin alle Menſchen ſeiner beduͤrftig, und folglich alle und jede im Suͤndenelend befangen ſeyen. Wann demnach der Suͤnder hoͤret, wieviel Muͤhe ſich der HErr gebe, den E - lenden Freude zu verſchaffen, oder ihre Wolfahrt zu beſorgen: ſo kan er veranlaſ - ſet werden zu fragen: bin ich dann auch im Elend? Aber es dienet zur Antwort: 1) daß es die Meinung nicht habe, ob muͤſte man den Suͤnder, der ſich noch reich duͤn - ket, das Evangelium auf eine lange Zeit gantz verſchweigen. Das iſt nicht. Man kan und ſoll es miteinander verbinden, aber mit dem Beiſatz, daß deſſen Zueignung vor Suͤnder, die in ihren Augen noch keine Suͤn - der worden ſind, vielmehr ihre Wolfahrt oder Freude noch in der Suͤnde ſuchen,gantzſeye;69ſeye; und weil GOtt, wann er die Wolfahrt durch ſeine Wuͤrkungen im Geſetz und Evange -E 3lio(*)gantz nicht gehoͤre; ſondern daß ſie noch un - ter dem Zorn liegen, den man einemjeden aus Vorſtellung ſeiner Suͤnden, mithin durch Vorhalt des Geſetzes, zeigen muß. Und das heiſet Geſetz predigen. Jſt es, daß ein ſolcher Suͤnder das Geſetz vorhin weiß; ſo darf er nur daran erinnert, die Abweichung ſeiner Handlungen angezeiget, und der Fluch eingeſchaͤrfet werden, wie es ſein Zuſtand mit ſich bringet. Waͤre er aber ſo verwildert, daß weder durch die Vernunft, noch durch die Offenbarung, ihm die Geſetze, mithin die Suͤndlichkeit ſeines Thuns und Zuſtandes, bekant geworden; ſo iſt offenbar, daß man ihn mit mehreren Vorſtellungen zur Erkentnis ſeiner ſelbſt zu bringen haͤtte, ohne ihm die Marter GOt - tes dabei zu verſchweigen. 2) Wo dieſes nicht geſchiehet, ſo kan der Suͤnder viel ehe ſicherer und frecher, als der Wolfahrt theil - haftig werden. Und 3) weil die Weisheit GOttes nichts uͤberhuͤpfet, ſondern die Ordnung der Mittel beobachtet: die Wuͤr - kungen aber durchs Geſetz, ein Mittel wer - den zu den Wuͤrkungen des Evangelii, als zu einer Zwiſchenabſicht / (§. 26. 27. ) ſo gebuͤhret es ſich, in dieſer Ordnung zu blei -ben.70lio verſchaffet, ſich nach dem Jnhalt ſowohl je - nes als dieſes, richtet: (§. 26.) So iſt offenbar, daß er erſt durch das Geſetz die Erkentnis von dem Elend (daraus Zerknirſchung und ein Trieb, dieſes Elendes los zu werden folget) und ſodann durch das Evangelium, das Verlangen nach der angebotenen Errettung Matth. 5, 6. und die daraus entſtehende Freude (§. 25.) wuͤrket. Sol - cher Geſtalt wird die Wuͤrkung des Geſetzes ein Mittel, zu Erhaltung der Zwiſchenabſicht (§. 26.) nemlich der Wuͤrkung durch das Evangeli -um:(*)ben. 4) Weil doch der Jnhalt des Evan - gelii und die eigentliche nechſte Abſicht des GOttes, welcher im Evangelio nach und durch deſſen Jnhalt wuͤrket, (§. 26.) gantz nicht dahin gehet, daß die Menſchen in ih - ren Augen Suͤnder und voll Unmuths wer - den ſollen, als welches vor das Geſetz ge - hoͤret (§. 21. 22. ) ſo muß man das Evan - gelium mit Vorbeigehung des Geſetzes nicht darzu gebrauchen, worzu es nicht gegeben iſt, und worzu es nur zufaͤlliger Weiſe die - nen kan, ſondern darzu, was es vor ſich, und nach GOttes Abſicht wuͤrket. Sonſt haͤlt man die Groͤſe und Vorzuͤglichkeit ſei - ner Wuͤrkung nicht gnug in Ehren, und verachtet das eigentliche Mittel, welches GOtt zu Erlangung der dahin gehoͤrigen Abſicht verordnet hat. Hiervon redet das Concordienbuch ſehr ſchoͤn, ſ. 712, 713.71um: beide dienen ſodann zur Hauptabſicht / nemlich zur Wolfahrt. (§. 20.) Wer demnach die Wolfahrt eines Menſchen durch die Wuͤr - kungen GOttes im Geſetz und Evangelio, als durch die beiden einige Mittel (§. 20.) beſorgen will, der muß dieſer weiſen Ordnung GOttes folgen, und die Wuͤrkungen GOttes durch das Geſetz, ehe in dem Suͤnder befoͤrdern, als er die Wuͤrkungen des Evangelii zu befordern ſuchet. Wiedrigen Fals handelt er gegen die weiſe Ord - nung GOttes, und bekehret den Suͤnder nicht, Matth. 5, 4. 2, 28. 29. Jeſa. 50, 4.

§. 28.

Den Suͤnder zur Erkentnis ſeines Elends zu bringen, und mit dem Zorn GOttes zu ſchreken, iſt des Geſetzes Werk, welches aus der Natur des Geſetzes, und aus der weiſen Abſicht GOttes deutlich erhellet. (§. 20. 21. 27.) Wann nun der Suͤnder den Zorn GOttes(*)Das ſind die Worte des Herrn Grafen in ſeinem Creutzreich ſ. 26. aus dem Leiden JEſu / mit Ausſchlieſung der geſetzlichen Vor - ſchriften und Drohungen (§. 20.) (des Ham - mers und der Hoͤrner Moſis wie der Graf hoͤh - niſch davon redet) lernen / oder mit der Marter GOttes zuerſt heilſamlich geſchreket werden ſoll; ſo muß man das Leiden JEſu / oder die Marter GOttes(**)Das haben unſere S. Bekenner in demCon - geſetzlich brauchen: oder esE 4muß72muß in der Marter GOttes etwas liegen, wel - ches die Dienſte des Geſetzes eben ſo gut oder noch beſſer, verrichten kan, als wenn die Gebote des Geſetzes und ſein Fluch, (§. 27.) geprediget wuͤr - de.

§. 29.

GOtt laͤſſet uns von dem Leiden JEſu wiſſen, daß es der Grund von unſerer Wolfahrt ſeye, als welche er ſelbſt dadurch erwerbe, und moͤglich mache 2 Cor. 5, 19. 20. 21. Gal. 3, 13. Jeſa. 53, 4. 5. Die Verſicherungen GOttes daß er die Wolfahrt der verlohrnen Menſchen durch Chri - ſtum verſchaffe, iſt Evangelium (§. 20.) Alſo gehoͤret das Leiden JEſu / oder die Marter GOttes in ſoferne zum Evangelio.

§. 30.

Von dem Leiden JEſu verſichert uns GOTT und JEſus ſelber, daß es ein Leiden ſeye, durch welches unſere Suͤnden auf die allerſtrengſte Art, und genau nach GOttes Gerechtigkeit, ohne alles Verſchonen abgeſtraft worden, und daß der Zorn GOttes uͤber die Suͤnden, welcher brennet, bis in die Hoͤlle, auch GOttes eigenen Sohn / weil er dieſe Suͤnden uͤbernommen hatte, zum Fluch werden laſſen Gal. 3, 13. Marci 14, 34. Luc. 22, 42. 43. 44. Marc 15, 34. Rom 8, 32. Jn ſoferne dieſes an unſerer ſtatt / mithin auch zuunſe -(**)Concordienbuch reiflich und gruͤndlich er - wogen, ſ. 593. und 712. Unten wird davon gehandelt werden, (§. 42.)73unſerer Wolfahrt, geſchehen zu ſeyn verſichert wird; in ſofern iſt dieſe Verſicherung ein Evangelium (§. 20.)

§. 31.

Des Geſetzes eigentliche Wuͤrckung iſt, daß es den Suͤnder ſchreke. (§. 20. * 21.) Das Geſetz aber kan nicht anders wuͤrken als durch ſeinen Jn - halt (§. 24. b 26.) Das iſt, es muß wann es ſchre - ken ſoll, die Foderungen GOttes dem Suͤnder vorhalten, ihm ſeine Ubertretungen und den Fluch GOttes, auch das Unvermoͤgen, aus eigenen Kraͤften davon loß zu werden, vor Augen legen (§. 20. * 21.) Wann nun die Marter GOttes den Suͤnder eben ſo gut, oder noch beſſer als das Geſetz, erſchrecken ſoll; ſo muß der Suͤnder aus der Verkuͤndigung der Marter GOttes den Jnhalt des Geſetzes eben ſowol, oder noch beſſer, als aus dem Vortrag des Geſetzes, verſtehen koͤnnen. Das Geſetz iſt eine Regel, und die Marter GOt - tes eine Begebenheit, wodurch dieſe Regel beſtaͤ - tiget wird, oder ein Exempel, aus welchem ich die ſchon bekante Regel erlaͤutert ſehen, oder wann ſie noch unbekant, durch Nachſinnen geſchikt herausleiten kan: worzu aber eine Ubung in der allgemeinen Erkentnis erfodert wird. Und alſo muß die Marter GOttes in ſolchem Fal geſetzlich betrachtet werden (§. 28.) Wann ich alles evan - geliſche von dem Leiden JEſu abſondern, und es pur geſetzlich anſehen wolte, ſo bliebe in dieſemE 5Exem -74Exempel weiter nichts uͤbrig, als ein(*)Dann ſobald ich darzu ſetze: Er iſt GOtt / und kein bloſer Menſch, ſo iſt die Marter JEſu gewiſſer maſſen ſchon evangeliſch / dann der Schlus wuͤrde gleich zu machen ſeyn: leidet GOtt, der keine Suͤnde haben kan, ſo muß das Leiden jemanden zum Beſten, gereichen. Das evangeliſche wird noch deutlicher, wann ich beifuͤge: er lei - det unſchuldig, und anſtat aller Suͤnder die jemals in die Welt kommen. Solan - ge ich mit Weglaſung dieſer evangeliſchen Zuſaͤtze, die Marter des JEſu von Naza - reth verkuͤndigen wolte; ſo koͤnte dieſes E - xempel im Fal es JEſum als unſchuldig leidend, vorſtellen wuͤrde, den Jnhalt des Geſetzes unmoͤglich zu erkennen geben. Dann der Zuhoͤrer wuͤrde ſagen: daß ein unſchuldiger Menſch ſoviel gelitten hat, das beweiſet nicht, das gewiſſe Foderungen GOttes ſind, und daß die Ubertreter der - ſelben geſtraft werden muͤſſen, vielweni - ger, daß GOtt ſelber ſie ſtrafe. Dann ei - nen Unſchuldigen kan GOtt unmoͤglich ſtra - fen. Stelte ich aber JEſum als einen Verbrecher fuͤr; ſo muͤſte ich 1) wieder al - le Warheit, und juͤdiſch handeln, oder ein erdichtetes Exempel, anſtat des ExempelsJEſu Ubeltha - ter, der um gewiſſer Suͤnden willen haͤtte leidenmuͤſſen,75muͤſſen, von der weltlichen Obrigkeit, oder von GOtt ſelbſt durch die Obrigkeit, oder von GOttunmit -(*)JEſu vorbringen: dabei haͤtte ich ſodann 2) darzuthun, daß GOtt ſelbſt gewiſſe Verbrechen durch die Obrigkeit, oder auch unmittelbar ſtrafe, 3) daß ſolche Strafen auch hoͤlliſche und ewige Strafen ſeyen, dann das Geſetz drohet ſolche Strafen, und 4) muͤſte ich dem Zuhoͤrer die Verbrechen namhaft machen, die der Leidende began - gen haͤtte, auf daß der Suͤnder, welcher dadurch geſchrekt werden ſoll, ſeine eigene Thaten damit vergleichen, und ſich gleicher Verſuͤndigungen nebſt gleicher Strafbar - keit bewuſt werden moͤge. Zu geſchweigen aber der vielen Beweiſe und Umſchweife, die hierbei wuͤrden noͤthig ſeyn, ſo wuͤrde ja dieſes theils ohne ſchrekliche Laͤſterung gegen JEſum, nicht geſchehen koͤnnen; theils haͤtte man wahre Exempel in Menge, aus deren gerechten Strafen man die boͤſe Fol - gen der Suͤnde zeigen kan. Das Exempel der Engel, die geſuͤndiget haben, waͤre dien - licher darzu 2 Petr. 2, 4. Wolte ich ſagen, JEſus von Nazareth haͤtte fremde Suͤnden uͤbernommen, und ſeye deswegen von GOtt geſtraft worden; ſo iſt zu bedenken, daß man ſich hier einen ſolchen Zuhoͤrer vorſtellet, der nach desGra -76unmittelbar. Wann ich nun einen Suͤnder da - durch zu ſchreken gedaͤchte; ſo wuͤrden mir zwei verſchiedene Faͤlle vorkommen koͤnnen. Entweder ein gantz roher Suͤnder, der von keinem GOtt und Geſetz wuͤſte, oder ein ſolcher, dem wenig - ſtens durch die Vernunft, wo nicht durch die Offenbarung, ſoviel vom Geſetz bekant worden waͤre, als man noͤthig haͤtte durch dieſes Exem -pel(*)Grafen Grundſatz, ohne Zuthun des Ge - ſetzes, durch das Leiden JEſu zuerſt geſchre - ket werden ſolte (§. 28.) und deme man folglich das Leiden JEſu blos geſetzlich, ſonder alle Zuſaͤtze, die evangeliſch ſind, nach dem Fal den wir vorlaͤufig geſetzt haben, predigen muͤſte. Ein ſolcher Zuhoͤrer wuͤrde vieler - lei dagegen einzuwenden haben. Er wuͤr - de fragen, ob es auch erlaubt ſeye fremde Suͤnden zu uͤbernehmen? Ob der HERR aller Welt einen ſtrafen koͤnne, der vor ſich unſchuldig ſeye? ja wann dieſer Zuhoͤrer noch von keinem Geſetz wuͤſte, ſo wuͤrde ihm ſogar das Wort Suͤnde etwas fremdes ſeyn. Und wie ſolte er durch ein ſolch E - xempel geſchreket werden koͤnnen? Er wuͤr - de erwiedern: wenn ich nur das von andern mir nicht aufbuͤrden laſſe, was du Suͤnde nenneſt, ſo trift mich auch die Strafe nicht, welche du in deinem Exempel mir zeigen wilſt. ꝛc.77pel zu beſtaͤtigen, oder daraus herzuleiten. Jm erſten Fal, muͤſte ich 1) die Thaten des JEſu von Nazareth namhaft machen, 2) zeigen, daß er um dieſer willen mit Recht geſtraft worden ſeye, 3) daß allemal auf ſolche Thaten ſolche Strafen zu gewarten ſeyen. Dadurch aber wuͤr - de ich nichts ausrichten, ſondern theils JEſum zu einem Verbrecher machen, theils nur ſolche Suͤnder ſchreken, die ſich gleicher Verbrechen bewuſt, oder darinnen oͤffentlich ergriffen waͤren, und eine gleiche Ahndung der Obrigkeit zu be - fuͤrchten haͤtten. Der Jnhalt des Geſetzes wuͤr - de nach wie vor, verborgen bleiben. Jm andern Fal wuͤrde es nicht viel beſſer gehen. Dann wo der Suͤnder aus dem Geſetz bereits die goͤttliche Foderungen, und die auf deren Ubertretung in Zeit und Ewigkeit folgende Strafen gelernet hat; ſo wird, durch ein jedes blos geſetzliches Straf - exempel, nur die Warheit des Geſetzes, die vor - hin ſchon bekant war, beſtaͤtiget und erlaͤurert; mithin das Geſetz ſchon voraus zum Grund ge - leget, und der Suͤnder(**)Jn dieſem Fal, da der Suͤnder als ein ſol - cher, der ſchon das Geſetz weiß, und die Marter JEſu als eine ſolche betrachtet wird, die noch von allem evangeliſchen Beiſatz getrennet iſt, haͤtte man nichts zu thun, als das verſchiedene in dieſem Exempel ausein - ander zu ſetzen, und ſodann das algemeine,das nicht zuerſt durchdas78das Exempel geſchreket, mit Ausſchlieſung des Geſetzes. Demnach bliebe allemal das Geſetz und der Beſchlus der zehen Gebote, das beque - meſte und unentbehrlichſte Mittel, den Suͤnder zu ſchreken. Dann ich muͤſte, wie ſchon gedacht, im erſten Fal, den geſetzlichen Jnhalt aus einemExem -(**)das ſich auf alle dergleichen Suͤnder ziehen lieſe, daraus herzuleiten. Jch muͤſte alſo dem Suͤnder 1) einen Begrif machen von allem dem ſuͤndlichen, um welches willen JEſus gelitten haͤtte, 2) zeigen, gegen wel - che, dem Suͤnder ſchon bekante Geſetze GOttes, dergleichen Suͤnden begangen worden, 3) daß GOtt, und zwar mit zeit - lichen und ewigen Strafen, ſolche Suͤnden verfolget, und 4) hiedurch eben das gethan haͤtte, was ſchon in ſeinem Geſetz gedro - het ſtunde: Folglich 5) daß alle Suͤnder dergleichen zu gewarten haͤtten, weil die Geſetze GOttes von algemeiner Verbind - lichkeit waͤren. Wenigſtens muͤſte der Suͤnder das 2. 4. und 5. vermittelſt des ihm ſchon bekanten Geſetzes, von ſelber ſchlieſen. Und das alles waͤre muͤhſamer als die Predig des Geſetzes ſelber, und hie - ſe gleichwol noch lange nicht mit der Mar - ter GOttes geſchrekt. Sobald es eine Marter GOttes heiſet, ſobald wird das Exempel ſchon eines theils evangeliſch.79Exempel ziehen; welche Lehrart nicht nur ſchwer, ſondern auch, in Anſehung eines ſolchen, zum gantzen Jnhalt und noͤthigen Wuͤrkungen des Geſetzes, nicht deutlichen Exempels, unmoͤg - lich waͤre. Jm andern Fal wuͤrde nur die Regel des ſchon bekanten Geſetzes, erlaͤutert und beſtaͤ - tiget. Der gantze Vortrag waͤre ſolcher Geſtalt geſetzlich, und haͤtte gleichwol die obgedachte Fehler.

§. 32.

Laſt uns das Leiden JEſu mit ſeinen evangeli - ſchen Zuſaͤtzen, welche das Hauptwerck in dem - ſelben ſind, nun auch betrachten. Da wird aller - erſt eine Marter GOttes fuͤr alle Suͤnden der gantzen Welt daraus. (§. 31. *) Wann nun die - ſer Satz den Suͤnder ſchreken ſoll, und zwar eben ſo leicht, oder noch leichter als das Geſetz; ſo muß er des Geſetzes Dienſte thun, das iſt, er muß dem Suͤnder den Jnhalt des Geſetzes eben ſo gut oder noch beſſer zu erkennen geben, als es geſchiehet durch den Vortrag des Geſetzes: (§. 28.) maſ - ſen nur das Geſetz, und nicht das Evangelium, den Suͤnder ſchreket, und zwar jenes nicht an - derſt, als durch ſeinen Jnhalt (§. 31.) Der Jn - halt des Geſetzes beſtehet aus vielen, ſowol alge - meinen, als beſonderen, Foderungen GOttes, (§. 20. 22. ) und aus dem gedrohten Fluch gegen die Ubertreter (§. 20. 21.) Hingegen iſt die Marter GOttes, die ſtat des Geſetzes dienen ſoll, in die - ſer Abſicht nichts anders, als ein Exempel, wodurch der Jnhalt des Geſetzes beſtaͤtiget wird; (§. 31.) Und80Und weil dieſes Exempel ohne die evangeliſche da - rin enthaltene Hauptſtuͤke gar nicht, oder doch nicht fuͤglich, ſeine geſetzliche Dienſte leiſtet (§. 31.) ſo muͤſte ihm allererſt dieſe evangeliſche Zugabe das Gewicht verleihen, und es, zum Schreken des Suͤnders, brauchbar machen. Solchemnach, muͤſten folgende in dieſem Exempel enthaltene Warheiten den Jnhalt des ſchrekenden Geſetzes in ſich faſſen: 1) derjenige der gemartert wird, iſt GOtt ſelbſt, nemlich der Sohn GOttes. 2) Nach dem Rathſchluß GOttes hat dieſer leidende Gottesſohn aller Menſchen Suͤnde auf ſich genom - men, 3) wegen dieſer Suͤnden iſt er gemartert worden, und GOtt hat ihn ſtat der Suͤnder mit Auferlegung der unendlichen Hoͤllenpein abgeſtra - fet, ohnerachtet er GOttes eigener Sohn iſt. Ein Suͤnder, welcher dieſes ohne Beihuͤlfe des Geſetzes (wie der Herr Graf den Fal ſetzet) hoͤren und ploͤtzlich glauben ſoll, der kan nichts anders daraus ſchlieſſen als dieſes: GOttes Sohn iſt vor alle, mithin auch vor meine Suͤnden gemar - tert worden; alſo haͤtte ich, wo dieſer Sohn Got - tes nicht an meiner ſtat waͤre gemartert worden, etwas an mir, welches eine unendliche Marter verdienet, und welches man Suͤnde nennet: mit - hin muß die Suͤnde etwas ſeyn, welches in den Augen GOttes ſo abſcheulich iſt, daß er auch ſei - nen eingebohrnen Sohn nicht verſchonet, wann er dieſes Ubel uͤbernommen hat. Dieſes muͤſte ſo - dann den Suͤnder ſchreken. Allein dieſe Art einen Suͤnder zu ſchreken, mit Weglaſung und Ver -achtung81achtung des Geſetzes, iſt nicht moͤglich, ſie laufet wieder(*)Jch will die Urſachen kuͤrtzlich erwehnen. 1) Die Warheiten die in dem Exempel des leidenden Sohnes Gottes liegen (num. 1. 2. 3. ) braͤchten dem Zuhoͤrer den Jnhalt des goͤttlichen Geſetzes, welcher aus algemeinen und beſonderen Foderungen beſtehet, gar nicht in den Sinn, ſondern machten ihm von der Suͤnde nur einen unbeſtimten Begrif: ſie ſeye das / was GOtt mit unendlichen Strafen belegen muͤſſe / und ſie haͤtte ſich bey allen Menſchen befunden / vor welche der Sohn Gottes gemartert worden ſeye. Daraus erkennet der Zuhoͤrer (wenn aller Gebrauch und Einflus des Geſetzes davon geſchieden, und vor eine ungereimte Bekeh - rungsart ausgerufen wird, wie vom Hrn. Grafen geſchiehet) weder die Erbſuͤnde, noch ſeine eigene Ubertretungen gegen die zumahl beſondere Foderungen GOTTes. Folglich wird diejenige Erkentnis der Suͤn - den, die das Geſetz nach GOttes Abſicht wuͤrken (§. 21.) und zwar zuerſt wuͤrken ſoll (§. 27.) mithin auch die Reue die dadurch entſtehen muß (§. 21.) nicht herfuͤrgebracht, ſondern das eigentliche Mittel, das GOtt darzu verordnet, (§. 24. b) darinnen er kraͤftig zu wuͤrken ſich evangeliſch, oder umFChri - die Ordnung GOttes, und iſt deswe -gen82(*)Chriſti willen, erklaͤret hat, (§. 21.) und das wir ſowol als die Marter GOttes, mit - telſt uͤbernatuͤrlicher Offenbarung in Haͤn - den haben, (§. 20. 22. ) verachtet, und ſein Gebrauch vor eine ungereimte Bekehrungs - art ausgegeben. Dann ob man gleich das Maas und die Stufe der Reue, oder des Schrekens der vor dem Glauben vorher - gehen muß, in Anſehung einesjeden Suͤn - ders, ſo wenig, als deſſen Dauer, beſtim - men kan; ſo muß doch, nach der Ord - nung GOttes, ſoviel uͤberhaupt vorhan - den ſeyn, als der Jnhalt des goͤttlichen Ge - ſetzes, nach Beſchaffenheit jeden Suͤnders wuͤrken kan. Weshalben dann 2) in der gantzen heiligen Schrift kein E - xempel vorhanden iſt, daß die Zeugen GOt - tes, blos durch das Leiden JEſu, mit Vorbeigehung des Geſetzes jemand heil - ſamlich geſchreket haͤtten (§. 36.) 3) Das Schreken des Suͤnders durch den Jnhalt des Geſetzes, hat auch dieſe Mit - abſicht, daß diejenige Art der Suͤnden, daruͤber wir geſchreket worden, uns kuͤnf - tig deſto verhaßter und abſcheulicher werde, ingleichen daß wir erkennen, in welchen Stuͤken wir ſonderlich die Marter GOttes verurſachet haben, welches gleichwol nicht geſchehen kan, wann wir, aus dem Exem - pel des leidenden Mitlers, nichts anders be - greifen, als dieſes uͤberhaupt, daß wir et -was83was an uns gehabt, das der Verdammnis werth geweſen waͤre, wo nicht JEſus es getragen und gebuͤſet haͤtte. Weil der Hr. Graf dieſes vielleicht ſiehet, ſo will er nicht zugeben, daß jemand bei Bekehrung eines Suͤnders, zur Anzeige der beſonderen Suͤn - den ſchreiten ſolle, wie im Predigaͤrgernis (noxa homilit. Zinz. ) gezeiget wird ſ. 27. 4 ) Die Warheiten in dem Exempel oder Begebenheit des leidenden JEſu, (§. n. 1. 2. 3. ) ſollen den Glauben in uns nicht an - ders, als nach der Ordnung GOttes wuͤrken, ſo lange GOtt mittelbar und nicht auſerordentlich handelt. Daher glaubet der Suͤnder ſolche Saͤtze nicht anders, als in - ſoferne er vorher weiß, daß er ein Suͤnder iſt: (§. 33.) ſonſt waͤre der ſeligmachende Glaube vor dem erſten Stuͤk der Buſſe, welches unmoͤglich iſt (§. 27.) Nemlich, wann obgedachte Warheiten geprediget werden, die nach ihrem Hauptinhalt evan - geliſch ſind, ſo iſt von ſeiten der Menſchen, die entweder ſie nicht gantz freventlich ver - ſpotten, oder die ihrer Seligkeit begierig ſind, ein dreifaches Verhalten moͤglich. (1) Es kan jemand die oftberuͤhrte War - heiten: der Sohn GOttes iſt gemartert worden, er iſt von GOtt ſelbſt geſtraft, er iſt geſtraft worden um aller Welt, und folglich auch um meiner Suͤnden willen, dieſe Warheiten ſage ich, kan jemand alsF 2ſolche84ſolche Ausſpruͤche anſehen, die allenfals wahr ſeyn koͤnten / wann es zur Unterſu - chung kaͤme. Wird nun dieſe Unterſuchung angeſtellt, ſo muß der Suͤnder ſich pruͤfen, ob er dergleichen an ſich finde, das dem Sohn GOttes eine Marter habe verurſa - chen koͤnnen. Das findet er aber nicht an - ders, als durch den Jnhalt des Geſetzes, womit er ſeinen Zuſtand vergleichen muß. Entdeket ihm nun das Geſetz ſein Elend, auch ſein Unvermoͤgen aus dieſem Elend heraus zu kommen, und er ſiehet die mehr - erwehnte evangeliſche Warheiten an; ſo arbeitet dann der heilige Geiſt ordentlich, und nach dem Jnhalt des Geſetzes ſowol, als Evangelii, an ſeiner Seele, daß, und bis er glaubet. (2) Faſſet aber ein Leſer oder Zuhoͤrer den Jnhalt jener Warheiten mit einem hiſtoriſchen oder Vernunft - glauben, worbei der uͤbernatuͤrlichen Kraft dieſer Ausſpruͤche wiederſtanden wird; ſo glaubet er aus eigenen Kraͤften. Das ge - ſchiehet, wann er die Begriffe, die in dem Satz von der Marter GOttes fuͤr die Suͤnden, liegen, auseinander wikelt. Und da muß er den Begrif der Suͤnden voraus klar oder deutlich machen, wann er verſte - hen will, was das ſeye: die Suͤnden / oder meine Suͤnden ſind eine Urſache der Marter GOttes / die er anſtat meiner er - duldet hat. Den Begrif aber der Suͤndekan85kan niemand haben, ohne das Geſetz. Alſo wird auch bei dem hiſtoriſchen Glauben die Vorbereitung des Geſetzes unumgaͤnglich ſeyn. (3) Nimt ein Menſch die Marter GOttes fuͤr ſeine und der Welt Suͤnde, mit goͤttlicher Gewisheit an, ſo glaubet er, daß GOtt im Fleiſch offenbaret ſeye, er nimt die Marter und das Verdienſt JE - ſu an, als die Gnugthuung fuͤr ſeine Suͤn - den. Er nimt dieſes an, weil der HErr ihn dieſer gnaͤdigen Anſtalt verſichern laͤſ - ſet, und dieſe Verſicherung durch das Zeug - nis ſeines Geiſtes in der Seele verſiegelt. Mit einem Wort, er glaubet dem Evan - gelio mit lebendiger Zueignung auf ſich ſelbſt. Dadurch wird er wuͤrklich auſer allem Schreken geſetzt, die Marter GOttes aͤng - ſtet ihn nicht, ſie wird ſeine Ruhe, ſein Troſt, ſeine Zufriedenheit, ſeine Seligkeit. 2 Cor. 5, 21. Rom. 5, 1. Dann GOtt wuͤrket durch das Evangelium nur das, was durch ſeinen Jnhalt moͤglich iſt, nem - lich Troſt, Friede und Freude, (§. 25. 26. 27.) Solte er nun aus dieſem glaubig an - genommenen Evangelio allererſt den Schlus machen: ich bin ein Suͤnder? und ſolte er nun den heilſamen Schreken empfinden, da er ſchon geglaubet hat? ſo waͤre der Glau - be vor der Buſſe, welches unmoͤglich iſt (§. 27.) indeme ohnehin ein ſolcher ſeligma -F 3chen -86chender Glaube ohne die Wuͤrkung GOt - tes durchs Geſetz, nicht entſtehen kan. 5) Durch die Marter GOttes, ohne Zu - thun des Geſetzes, den Suͤnder zu ſchre - ken, iſt auch deswegen von GOtt nicht ver - ordnet, weil ein Suͤnder ſich ehe vor einen losgezehlten von aller Suͤnde, als vor ei - nen wuͤrklichen Suͤnder halten wuͤrde. Dann wann ich ihm ſage: GOttes Sohn hat die Strafen aller deiner Suͤnden, an deiner ſtat erduldet; und der Suͤnder weiß nichts vom Geſetz, ſo machte er, wofern ihm dieſer Satz einleuchten koͤnte, hurtig den Schlus: ich ſehe wohl, daß an mir et - was hoͤchſtabſcheuliches muß geweſen ſeyn, aber der Sohn GOttes hat es auf ſich ge - nommen, und dafuͤr gelitten, mithin mich wuͤrklich davon los gemacht. Solcher Ge - ſtalt wird ihm die Marter GOttes zwar ein bejammernswuͤrdiger Anblik: aber nicht weiter, als wie man etwa geruͤhret wird uͤber ein trauriges Spectakel der Grauſam - keit an einen liebenswuͤrdigen Menſchen, der um Wolthat willen leidet. Die Vorſtel - lung aber, daß der Sohn GOttes alles herrlich uͤberwunden, und ſich zur Rechten des Vaters, als ein preiswuͤrdigſter Koͤ - nig geſetzet habe, laͤſt jenen Affect nicht lan - ge herrſchen: wo nicht ein inniges Gefuͤhl der eigenen Suͤnden durch das Geſetz erre - get worden, deme dann freilich, das er -ſtau -87gen von den Lehrern(**)Wann unſere Gottesgelehrten zuweilen ſagen, daß die Geſchichte von der Marter JEſu, den Suͤnder ſchreke, und des Ge - ſetzes Dienſt verrichte, (§. 41 * 42.) ſo ver -ſtehen der goͤttlichen Warheit niemals behauptet worden. Dann ſie wuſtenF 4wohl(*)ſtaunenswuͤrdige Exempel der Marter GOt - tes, allererſt zu ſtatten kommt, und noch immer, nach der Anzuͤndung des wahren Glaubens, in der taͤglichen Buſſe, zur Beugung der Kinder GOttes, zum Ab - ſcheu und Erſchreken vor der Suͤnde, ge - reichen muß. Aber der Graf prediget dem Suͤnder die Marter GOttes ohne Geſetz, und fuͤget darzu, daß die Suͤnde / als die Urſache ſolcher Marter, ſchon lange ver - geben ſeye / dann der HErr JEſus ha - be ja mit einem Opfer / Ebr. 10, 14. das iſt durch ſeinen Leichnam / alle vollen - det / die geheiliget werden / im Cate - chism. 1742. ſ. 164. Und in Buͤding. Samml. Th. 4. ſ. 505. Die Rechtferti - gung hat JEſus am Holtz mit ſeinem Blute zu Stande gebracht / und der heilige Geiſt eignet ſie jeden inſonderheit zu / weil es ihm ſo aufgegeben iſt. Wie nun ſolcher geſtalt die Marter GOttes den Suͤnder ſchreken moͤge? das iſt ſchwer zu begreifen.88wohl daß die Marter GOttes den Suͤnder nicht ſchreken koͤnne, als im Fal dieſelbe zu einem Exem -pel(**)ſtehen ſie dieſes nicht anders als im §. ge - zeiget worden. Sie ſchlieſen das Geſetz ja nicht davon aus, und machen keine neue Bekehrungsart, welche ſie von der andern ungereimten / geſetzlichen / (wie der Hr. Graf redet) unterſcheiden wolten. Son - dern, ſie verſtehen es 1) von ſolchen Men - ſchen, die durch die Gebote GOttes ſchon zum Erkentnis der Suͤnden, wenigſtens einiger maſen, gebracht ſind, und Biſſe des Gewiſſens gefuͤhlet haben; welches ſo - dann durch die Marter, die der Sohn GOt - tes ſelbſt um der Suͤnden willen hat fuͤhlen muͤſſen, erlaͤutert und beſtaͤrket wird. Auch verſtehen ſie es 2) von denen, welche nebſt der Einſicht in das Geſetz, bereits einen hi - ſtoriſchen oder Vernunftglauben von der Marter JEſu uͤberkommen haben (* 4.) (2) Jn beeden Faͤllen, nehmen ſie die Marter JEſu, ſofern ſie geſetzlich iſt, zu einem E - xempel an, die Fluͤche des Geſetzes, und die werkthaͤtige Volſtrekung derſelben an dem, der ein Fluch geworden, daran zu zeigen. Das Exempel der Marter GOttes beſtaͤti - get alsdann die geſetzliche Regel, und zei - get ihre Gewisheit ſo handgreiflich, daß ſolche ſogar an dem Sohn GOttes unver -aͤndert89pel genommen wird, durch welches das Geſetz, davon der Suͤnder ſchon Unterricht hat, erlaͤutert und beſtaͤtigt werden ſoll.

§. 33.

Der Glaube, daß ich ein Suͤnder, mithin ohne Wolfahrt und verlohren, (§. 20. 27. ) folg - lich auſer Stand ſeye, mir die Wolfahrt zuF 5ver -(**)aͤndert bleibet, weil er ſich das zurechnen laͤſet, was vom Geſetz verdammet wird. Der Herr Graf aber verwirft die Regel, als eine abſurde Methode; und reiſet ſie von der vermeinten beſſeren Methode durch die Marter JEſu, gaͤntzlich ab; er will nur das Exempel behalten. Sie verſtehen es auch 3) zuweilen von bereits glaubigen bekehrten Menſchen, die in ihrer taͤglichen Buſſe, die Abſcheuligkeit der Suͤnden und deren Verdammlichkeit in den Augen GOt - tes, noch immer an der Marter GOttes lernen, und deshalben mit der chriſtlichen Kirche ſingen: Wie heftig unſre Suͤnden, den frommen GOtt entzuͤnden, will ich aus dieſem Leiden ſehn. Sonſten kan auch von der Marter GOt - tes, wann ſie gehoͤrig verkuͤndiget wird, die Anmerkung gelten, welche den 25. §. beſchlieſet. Alsdann aber wuͤrket abermal das Geſetz den Schreken bei dem Suͤn - der.90verſchaffen, Gal. 3, 10. (§. 20 *) kommt aus dem kraͤftigen Zeugnis GOttes durchs Geſetz. (§. 21. 22.) Der lebendige Glaube, daß die Mar - ter JEſu die Tilgung meiner Suͤnden ſeye, iſt der Glaube an JEſum, der mich ſogleich beru - higet, mit GOtt vereiniget, oder ſelig machet. (§. 32.) Weil nun bei dieſem Glauben, ſonder - lich, wann er anfaͤngt, ein Hunger und Durſt / oder eine unverdringliche Begierde ſich befindet Matth. 5, 6. die Gerechtigkeit JEſu zur Huͤl - fe gegen mein Elend zu beſitzen; und in deren Beſitz, als dem vollkommenſten und unverbeſ - ſerlichen Mittel der Seligkeit, mich zu beruhigen: ſo erhellet auch hieraus, daß ein ſolch Gefuͤhl unſeres Elendes durch das von GOtt hierzu ver - ordnete kraͤftige Mittel, nemlich durch das Ge - ſetz zuvor gewuͤrket, und ſodann der Hunger und Durſt aus den erkanten Schaͤtzen und Gnaden - quellen des Evangelii, entſtehen muß. Wielan - ge aber ein ſolch Gefuͤhl ſeines Elendes, inſo - ferne es vor dem Glauben vorhergehet, bei je - den eintzelnen Perſonen waͤhren muͤſſe, bis der wuͤrkliche Glaube kommt, das iſt eine Sache, die man wegen Verſchiedenheit der Perſonen, und der mannigfaltigen Weisheit der wuͤrken - den Gnade GOttes, unmoͤglich beſtimmen kan.

§. 34.

Wann die Bekehrung eines Suͤnders vermit - telſt eines eintzigen Vortrags aus GOttes Wort erfolget; ſo iſt entweder dieſer Vortrag gantzund91und(*)Dieſer Fal kan nicht leichtlich, bei wah - ren Dienern GOttes, vorkommen; dann ein Prediger des goͤttlichen Worts iſt ver - bunden das Evangelium nie vorzutragen, ohne daß er die Ordnung anweiſet, in wel - cher die evangeliſche Verſicherungen GOt - tes, dem Suͤnder zu ſtatten kommen. Die - ſe Ordnung iſt die Ordnung der Buſſe. Die Buſſe aber kan nicht ſeyn ohne Erkent - nis der Suͤnden aus dem Geſetz. (§. 21.) Ja wenn der Prediger bei dem Vortrag des Evangelii nur den Suͤnder anredet: Glaube an JEſum / den Suͤndentilger, ſo iſt dieſes ein evangeliſch Geſetz: (§. 24.) und unzertrenlich von den 10. Geboten. pur evangeliſch, oder zugleich geſetzlich. Jm erſten Fal muß an dem Suͤnder das Geſetz ſchon gearbeitet haben. Er muß das Geſetz, und deſſen Anklage ſeiner Suͤnden halber, vor - aus ſchon wiſſen, (§. 21.) und die Biſſe ſeines Gewiſſens gefuͤhlet haben, durch eine Wuͤrkung der vorlaufende Gnade GOttes, die ſich nicht unbezeuget laͤſet. Es kan auch das Evangelium ſeine Kraft ſchon einiger maſſen bewieſen haben. Jm andern Fal, wann die evangeliſche Predig mit Geſetz vermenget iſt, wie die Predig Petri war, (§. 15. 16. 17. ) kan ebenfals der Suͤnder ſchon mehrmal durch das Geſetz geruͤhret wor - den ſeyn, wie die Zuhoͤrer Petri, welche Juden waren, die das Geſetz hatten. Es kan auch dasEvan -92Evangelium ſchon vorhin einen Eindruk gemacht haben. Der lebendige Saame kan nun durch den Vortrag erweket werden und zu Kraͤften kom - men. Wann gewiſſe Vorſtellungen in unſerer Seele zur gehoͤrigen Klarheit oder Deutlichkeit kommen, alſo, daß ſie in den Willen wuͤrken, wie hier geſchiehet: ſo traͤget der vorhergehende Zuſtand der Seelen, und die darinn enthaltene dunkele oder verwirte Vorſtellungen, gar vieles darzu bei. Die meiſte (wo nicht alle) von den Zuhoͤrern Petri, hatten manche Predig Chriſti vom Geſetz und Evangelio, mit Bewegung, mit Freuden, mit frolokendem Ausruf, angenom - men. Nun wird der gute Funken wieder auf - geblaſen. Jſt aber der Suͤnder noch nie in die - ſen Umſtaͤnden geweſen (welches doch gar ſchwer iſt mit Gewisheit zu ſagen) ſo muͤſte Geſetz und Evangelium doch jedes in ſeiner Ordnung, ſehr geſchwinde ohne alles Zuthun vorheriger Ruͤh - rungen, (wie doch nicht zu erweiſen iſt) auf eine auſerordentliche Art gewuͤrket haben. Oder es waͤre die Bekehrung nur eine vermeinte Bekeh - rung.

§. 35.

Wann Suͤnder durch einen Vortrag des Ev - angelii wuͤrklich bekehret worden, und man glau - bet, das ſeye ploͤtzlich, mit Uberhuͤpfung der ge - ſetzlichen Vorſchriften und Drohungen, blos durch Verkuͤndigung von GOttes Marter ge - ſchehen, ſo iſt dieſes entweder ein uͤbereiltes Ur - theil, das ſich auf eine erſchlichene ungegruͤndeteErfah -93Erfahrung beziehet (§. 34.) oder, wenn dieſes nicht iſt; ſo wird eine vermeinte Bekehrung vor eine wuͤrkliche, oder der Anfang der Bekehrung vor die gantze vollendete Bekehrung gehalten, und ſowol der Prediger als der Zuhoͤrer durch dieſe Meinung erbaͤrmlich betrogen. Derglei - chen Exempel leider allzuviel vorhanden ſind, be - ſonders bei dem herrnhutiſchen Volk und deſſen falſchen Propheten. Wer nun von einer ſolchen entweder irrigen Erfahrung, oder falſchen Mei - nung, ſich dergeſtalt blenden laͤſet, daß er gegen die goͤttliche Bekehrungsordnung ſich auflehnet, und damit ſein Geſpoͤtte treibet; auch ſogar alle Belehrung des goͤttlichen Wortes hochmuͤthig verachtet, hingegen die Zeugen von dieſer War - heit ſchmaͤhet, vor Diener Moſis / Fanatiken / und Schwindelgeiſter / ausrufet, (§. 13. *) an - bei eine Menge Seelen durch eine gegenſeitige Bekehrungsweiſe in Gefahr ſtuͤrtzet: der kan kein Zeuge Chriſti ſeyn, und kein Mitglied einer Kir - che, in welcher die Warheit, durch GOTTes Gnade, bluͤhet.

§. 36.

Es iſt kein eintzig Exempel in der gantzen Schrift, von einem Diener JEſu vorhanden, welcher mit Ausſchlieſung der Gebote GOttes und deren uͤber - natuͤrlichen Wuͤrckung (§. 21.) blos durch die Marter GOttes, eine Seele geſchrekt und ploͤtzlich bekehret haͤtte. Dann dieſes waͤre nach der Vor - ſchrift JEſu gantz unmoͤglich (§. 32.) und wieder dieſelbe gehandelt. Ein Diener JEſu ſeyn, undwie -94wieder ſeine Vorſchrift handeln, iſt unmoͤglich. Alſo kan ein ſolch Exempel nicht in der Welt ſeyn. Wann ein Wunder im Natur - und Gnadenreich geſchehen ſolte, dergleichen an ſich ſelbſt nicht un - moͤglich iſt, ſo muͤſte man es der Macht und Weis - heit GOttes uͤberlaſſen. Aber davon iſt hier die Frage nicht. Wir reden von dem was nach der goͤttlichen Ordnung im Gnadenreich / geſchie - het: nach welcher Ordnung die Diener Chriſti ſich bequemen, und auf kein Wunderwerk warten muͤſſen. Daß aber der Herr Graf allen Apoſteln (§. 14.) eine ſolche nach ſeinem Wahn geformte Bekehrungsweiſe(*)Dann 1) iſt oben erwieſen (§. 18.) daß Pe - trus nicht bloß durch das Bekentnis von JEſu Hohenprieſterlichem Geſchaͤfte / mit Ausſchlieſung des Hammers und der Hoͤrner Moſis (wie der Herr Graf ſ. 26. ſpoͤttlich redet) die Seelen bekehret habe. Und Petrus war ein Apoſtel. 2) Jſt der Herr Graf nicht dabei geweſen als die Apo - ſtel ihre Judiſche und Heidniſche Gemeinen zum erſtenmal bekehret haben, und ſchaͤmet ſich gleichwol nicht, eine an ſich ſelbſt un - moͤgliche Bekehrungsart denſelben aufzu - buͤrden. Dann, was in der Apoſtelgeſchicht von ihren Bekehrungen gemeldet wird, das macht ihn, wie eben gedacht worden, zum Luͤgner. 3) Jn den Briefen, welchedie zuſchreibet, das iſt eine un -ver -95verſchaͤmte leichtfertige Unwarheit. Und er be - weiſet hier aufs neue, daß ihm kein Menſch mehr glauben darf (§. 18.) Das von ihm angefuͤhrte Exempel des Kaͤmmerers, Apoſtelg. 8, 27. f. mishandelt(**)Er ſpricht, ſ. 27. Philippus hielt mit dem Caͤmmerer Candaces eine Tauf-prae - paration; von was handelt er? etwa von den 10. Geboten? O nein! er handelt von dem Marterlamm / ni plus ni moins, es kommt ihm weder Gebot noch Geſetz in den Mund / und das waren Juden. Wie der Herr Graf in allen hoͤchſtwichtigen Sachen ſehr leichtfertig und voreilig verfaͤh - ret; alſo thut er auch in dieſem Hauptartikel unſers allerheiligſten Glaubens. Die Rede iſt bey uns von unbekehrten Suͤndern, wel - che zum Erkentnis ihrer Suͤnden gebracht, und geſchrekt werden ſollen. Und dabei iſt die Frage, wodurch man ſie darzu bringen muͤſſe? Der Herr Graf antwortet: Siemuͤſſen er eben ſo, wie die Predig Petri, (§. 18.)

§. 37.

(*)die Apoſtel an ihre ſchon bekehrte Gemeinen ſchreiben, ſtehet jedesmal Geſetz und Evan - gelium beiſammen; welches die Kinder wiſſen. Es kommen auch Stellen von den Unbekehrten vor, da werden die Laſter nach allen Geboten namhaft gemacht. Rom. 1, 24. f. 1 Cor. 6, 9. Gal. 5, 19.

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(**)muͤſſen mit den alten ehrlichen Luthera - nern den Zorn GOttes aus dem Leiden JEſu lernen / ſ. 26. Deſſen zum Exempel fuͤhret er den Kaͤmmerer aus Mohrenland an. Wann dieſes Exempel den Satz des Grafen erweiſen ſoll, ſo muß er darthun, daß der Kaͤmmerer ein Man geweſen ſeye, der noch niemahls den Zorn Gottes aus dem Geſetz gelernet, und keine Wuͤrkungen der Gnade Gottes an ſich empfunden habe. Philippus muß ihn den Augenblick aus einem rohen ſi - cheren, verruchten Menſchen, zu einem zer - knirſchten, erwekten und glaͤubigen gemacht haben. Allein dieſem Wahn iſt alles entge - gen was im Text ſtehet. Dieſer Kaͤmmerer kam 1) zuruͤck von Jeruſalem. Apoſtelg. 8, 27. wohin er einen weiten Weg gezogen war, anzubeten / oder ſeinen Gottesdienſt zu ver - richten. Ein groſer Staatsman v. 27. fin - det an der wahren Religion einen ſolchen Ge - ſchmack, daß er mit Hintanſetzung ſeiner Weltgeſchaͤfte, dem Gott Jſraelis zu Ehren, und zum Behuf ſeiner Seelenwolfahrt, nach Jeruſalem ziehet, und vor den Augen der Welt, den Aberglauben ſeiner Landesleute, den Goͤtzendienſt ſeiner Koͤnigin, die Thor - heit ſeiner Voreltern, die Eitelkeit ſeines Hofs und ſeiner Mitbedienten, werkthaͤtig verdammet. Hatte dann die Gnade Got - tes gantz keinen Theil daran, und war er als ein bloſer Naturmenſch in dieſem ſeeligenGeſchaͤf -97Geſchaͤfte zu betrachten? Hatte er weder Geſetz noch Evangelium gehoͤret? War ihn dieſe Verlaͤugnung, dieſe Liebe zu Gott, dieſe brennende Begierde den Meßiam zu verehren, ſo von ohngefehr angeflogen? Hatte GOtt niemal ſein Gewiſſen durch das Geſetz rege, und ihm den Goͤtzendienſt ſei - ner Nation zum Greuel gemacht? Hatte er nichts zu Jeruſalem vorher, oder dieſesmal, geſehen und gehoͤret, das man den Gnaden - wuͤrkungen des GOttes in Jſrael zuſchreiben muß, der ſeine Gebote und Rechte zu Jeru - ſalem ſo herrlich kund gemacht? Woher muß es 2) gekommen ſeyn, daß er bei ſeiner Ruͤckreiſe ſein eintziges Vergnuͤgen in Moſe, und den Propheten ſuchte? Er laß v. 28. den Propheten Jeſaiam / und ſuchte mit dem Heiland je mehr und mehr bekannt zu werden. Er ſuchte in dem Erkentnis des Mitlers weiter zu kommen. Er ſchmekte das guͤtige Wort GOttes. Er nahm den Zeugen des HErrn mit Freuden zu ſich v. 31. Was ſolte Philippus hierbei thun? Solte er ihm den Fluch des Geſetzes verkuͤndigen? Das ſey ferne. Der Kaͤmmerer hatte ſchon einen Hunger und Durſt nach JEſu, in ſich wuͤrken laſſen. Die Taufe ſtaͤrckte ſeinen Glauben. Alſo war die Rede Philippi freilich eine Tauf-praeparation. Aber eine ſolche, die er mit Simon dem Zauberer v. 19. nimmermehr vorgenommen haͤtte. So oftGder
(**)
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§. 37.

Wann es richtig iſt, daß GOtt eine weiſe Be - kehrungsordnung in der Schrift angegeben, und ſelbſt in ſeinen Zeugen jedesmal, bey allen vor - kommenden Faͤllen, beobachtet hat, (§. 27. 36. ) ſo muß eine(*)Eine ſolche Generalordnung laͤugnet der Herr Graf, und ſind obiges ſeine Worte, ſ. 27. Er fuͤget denſelben die Note bei: Die Exempel aus der Schrift ſind ſehr verſchieden. Sie laufen zwar alle vom Erkentnis ſeines Elendes durch Reue und Leid zum glaubigen Ergreifen der Gna - de / in dem Verdienſt JEſu Chriſti: aber in der Bibel und taͤglicher praxi gibt es ſoviel〈…〉〈…〉, (Exempel mit de - nen es hinterſt zu voderſt gegangen) daß / wer eine mathematiſche Scalam der Be - kehrungsordnung dahermahlet / zur Ge - nuͤge damit beweiſet / daß er in der Specu - lation beſſer bewandert iſt als in der Be -keh - Generalvorſchrift wie mans imWerck(**)der Herr Graf einen ſolchen Kaͤmmerer vor ſich hat, kan er ihm getroſt die Marter JE - ſu predigen. Das thun alle ehrliche Luthe - raner, die alte und die neue. Aber von dem Exempel des Kaͤmmerers auf das Exempel Simons und anderer rohen Leute den Schlus zu machen, und mit einem umzugehen wie mit dem andern, das iſt herrnhutiſch.99Werck der Bekehrung mit den Seelen haltenG 2muͤſſe /(*)kehrungs-praxi. Man halte dieſe verwirte Rede in ihren Theilen zuſammen. Erſtlich ſagt er, die Bekehrung in allen bibliſchen Exempeln laufe von Erkentnis der Suͤn - den durch Reue und Leid zum Glauben. Wann nun dieſe Ordnung in allen bibliſchen Exempeln der Bekehrung, ſtat hat, ſo muß ſie algemein ſeyn, und alle Exempel die ſich darnach nicht richten, ſind ohnſtreitig Ex - empel einer falſchen Bekehrung. Nachdem er aber eingeſtanden hat, die Bekehrungs - ordnung ſeye einerlei in allen bibliſchen Ex - empeln: ſo vergiſt er ſolches den Augenblick, und ſetzt dabei, es gebe in der Bibel und taͤglichen Erfahrung ſo viele Exempel / da es mit dieſer Ordnung hinterszuvoderſt gegangen. Das muß in einer eigenen graͤf - lichen Bibel und Erfahrung alſo ſeyn. Und freilich ſind im Kopf und Reich dieſes Man - nes lauter〈…〉〈…〉, wann er ſie nur in Ordnung braͤchte, und nicht weiter lau - fen lieſe. Wer in der Bekehrungs-Speculation be - wandert iſt / nach der Vorſchrift des goͤtt - lichen Worts, der mus nothwendig in der praxi auch bewandert ſeyn, ſoferne er bei dieſem Wort GOttes bleibet. Dann dieſe Speculation (Wiſſenſchaft der Bekehrungs -ord -〈…〉〈…〉100muͤſſe / oder nur eine eintzige algemeine Be -keh -(*)ordnung) iſt der unveraͤnderliche Grund von aller praxi, oder Handanlegung. Sie iſt eine unveraͤnderliche Ordnung GOttes. Alſo darf in der Handanlegung niemand die - ſe Ordnung verruͤcken; ſonſt verruͤckt er das, was nach der Vorſchrift GOttes un - verruͤckt in allen Faͤllen bleiben ſoll: ſondern er muß eben dieſe unverruͤckte Ordnung nach den beſonderen Umſtaͤnden kluͤglich gebrau - chen und ja niemals das verkehrre Spiel,〈…〉〈…〉 treiben. Die Speculation bei einem Wundartzt heiſet: man muß die un - reine Wunde jedesmal erſt reinigen, und ſodann zuheilen, ſonſt wird das letzte aͤrger als das erſte. Jn der wuͤrcklichen Cur, bleibet dieſe Regel, oder Speculation ohn - veraͤnderlich, bey allen ſtinckenden Wunden: obgleich der Wundartzt nach Befinden ab - und zuthun kan. Wann er aber am Zu - heilen anfaͤngt, und dieſe praxin mit ſpoͤtt - lichem Auslachen erſtgedachter Speculation, behauptet, ſo wird jederman ſagen, daß er die Generalordnung der Heilungskunſt zum Schaden des Patienten durch ſein〈…〉〈…〉〈…〉〈…〉 verkehre, und, ſtat eines hertzhaften Artztes, ein barmhertziger Schinder werde, deme kein Menſch mehr glauben (§. 18.) ja vor deme einjeder Menſch gewarnet werdenſolle.101kehrungsordnung / vorhanden ſeye. Und weil ſie GOttes Ordnung iſt, ſo darf man ſie we - der pedantiſch / noch ſcholaſtiſch / noch fana - tiſch / noch ungereimt nennen, auch diejenige die ſolche Ordnung als ein goͤttlich Kleinod veſt - halten, nicht vor Leute erklaͤren, die in der Be - kehrungs-Praxi nicht gnug bewandert waͤ - ren.

§. 38.

Die obgedachte Bekehrungsordnung Chriſti, und aller ſeiner Zeugen, iſt ein Glaubensartikel / und zwar ein ſolcher, der zur Seeligkeit unum -G 3gaͤng -(*)ſolle. Alſo iſt es auch hier. Bei jedem Fal dieſe Bekehrungsregeln, die allgemein ſind, aͤndern, das heiſt die Leute bekehren oder verkehren nach ſeinem Kopf, und Proſely - ten machen wie die Phariſaͤer, wenn man ſchon zu ſolchem Ende uͤber Land und Waſ - ſer ziehet. Matth. 23, 17. Daß einejede Seele nach ihrem beſonderen Zuſtand zu tractiren ſeye, das weiß man aus GOttes Wort, und der Erfahrung die damit ſtimmet. Aber man muß eben deßwe - gen kein〈…〉〈…〉 machen, ſondern die Generalordnung Chriſti auf jeden Fall mit goͤttlicher Klugheit richten. Sonſt wird es allemal ein Handel der hinterszuvoderſt ge - het, und dem HErrn Chriſto ſein Reich ver - derbet, obgleich das Zinzendorfiſche Reich dabei gewinnen moͤchte.102gaͤnglich noͤthig, und im Wort GOttes klaar und deutlich offenbaret iſt. (§. 21. 22. 27.) Dann er betrift die Wolfahrt des Suͤnders unmittelbar, welche auſer dieſer Ordnung nicht erhalten wird. (§. 37.) Wer alſo dieſen Artikel nicht dafuͤr haͤlt / ſondern ihn eine ungereimte geſetzliche Lehrart ſchilt / der iſt em groſer Jrgeiſt, und ein offenba - rer Laͤſterer der Orduung GOttes: mithin ein Menſch deme man kein Wort mehr in dieſem Stuͤ - cke glauben ſoll (§. 18.) Und weil der Herr Graf dieſes ohne Scheu thut, und als ein Bekentnis(*)Jn ſeinem Creutzreich ſ. 32. heiſt es: Wann die Lutheraner ihren abſurd en methodum legalem zum nothwendigen Glaubensar - Artikel zu machen / Mittel finden koͤnten: ſo wolle er das Lutheriſche Lehramt un - fehlbar aufgeben / und nicht warten / bis man ihn〈…〉〈…〉 machen / (aus der Synagog ausſcheiden oder in Bann thun) wuͤrde. ſeines Glaubens den obrigkeitlichen Perſonen vor - leget, ſo iſt der Schlus von ſelbſt gemacht.

§. 39.

Wenn jemand laͤugnet, daß die vorgedachte Bekehrungsordnung Chriſti und ſeiner Apoſtel, ein Glasbensartikel ſeye, und daher das Gegen - theil lehret (§. 38.) anbei auf die Bekenner dieſer Warheit laͤſtert, (§. 35.) und als einen offenba - ren Jrgeiſt ſich bezeiget: ſo darf er ſich zu der Lu - theriſchen Kirche, mithin zu der AugſpurgiſchenCon -103Confeßion, weder bekennen, noch vielweniger vor einen Lehrer derſelben ausgeben. Wann er dieſes dennoch vor der Welt, und ſonderlich vor der Obrigkett thun will; ſo muß man gedencken, er habe ein groſes Maas der Schalckheit empfan - gen, und ſeye, nach ſeiner eigenen Bekentniß ein Menſch, deme man kein Wort in dieſer Sache glauben darf (§. 18.)

§. 40.

Die Lutheriſche Kirche, iſt in Anſehung der ſee - ligmachenden Lehren, und ſonderlich der Haupt - lehre vom Geſetz und Evangelio, und von bei - der Lehren Einfluß in die Bekehrung des Suͤn - ders, von Anbegin bis auf dieſe Stunde, un - veraͤndert geblieben, und hat den wahren Sinn der Augſpurgiſchen Bekentnis, fuͤrnemlich in dem Punct von der Bekehrungsordnung, in der groͤ - ſten Lauterkeit(*)Dieſes bleibt ſolang eine unumſtoͤßliche Warheit, bis der Graf das Gegentheil er - weiſen wird. Er muß es aber aus ihren Bekentnisbuͤchern und oͤffentlichen von ih - rer gantzen Kirche gebilligten Schriften er - weiſen; welches ihm eine ewige Unmoͤglich - keit bleiben wird. Dann einem durch ſein eigenes Maul ſo verdaͤchtig gewordenen Menſchen, (§. 18.) in ſo wichtigen Sachen ein Wort zu glauben, waͤre nichts anders dann die Vernunft begraben; als welchekeine beibehalten. Wer das Ge -G 4gen -104gentheil behauptet, und die Lutheraner, ihrer Lehre und Bekentnis nach, bei welcher ſie, zu -mal(*)keine Warnung in den Wind ſchlaͤget. Daß er demnach ſchreibet ſ. 26. die alten ehrli - chen Lutheraner haͤtten den Zorn GOt - tes aus JEſu Leiden gelernet / und die neue brauchten Moſis Hoͤrner und Ham - mer darzu / das gehoͤret lediglich unter den Titel von der Glaubwuͤrdigkeit des Herrn Grafen. (§. 18.) Er hat auch keinen eintzi - gen ehrlichen Lutheraner zum Zeugen an - fuͤhren koͤnnen. Jm Gegentheil, was ihm nicht anſtehet, das nennet er Luthers und Melanthons eigene Grillen ſ. 26. Jm klei - nen Catechiſmus des Luthers, der zu un - ſern Bekentnisbuͤchern gehoͤret, kan er le - ſen: worzu dienen uns die Zehen Gebo - te: Zu zweierlei. Erſtlich zeigen ſie uns die Suͤnde an / und offenbaren GOttes Zorn uͤber die Suͤnden. So lehreten die alte ehrliche Lutheraner Und ſo lehren wir GOtt Lob! auf den heutigen Tag. Der Satan hat dieſe Lehre bis daher muͤſſen ſte - hen laſſen, dann ſie ſtehet auf einem Grun - de, den die Pforten der Hoͤllen nicht uͤber - waͤltigen koͤnnen. Alſo wird der Hammer und die Hoͤrner des Herrn Grafen, (wann ich in ſeiner Sprache reden darf) ſie ſchwer - lich wankend machen. Daß er meinet, derS. Lu -105mal in dieſem Stuͤk, durch GOttes Gnade noch veſt und unveraͤndert ſtehen, in die altenG 5ehrli -(*)S. Luther waͤre in vielen Sachen nicht recht zu Hauſe geweſen (ſ. 82.) das iſt ihm deswegen zu verzeihen, weil er ſelbſt nir - gends zu Hauſe iſt, und doch gerne ein re - formirender Luther ſeyn will. Er meinet alſo gantz natuͤrlich, das gehoͤre mit zum Reformiren, daß man einen Kopf habe, der bald bei den Lutheranern, bald bei dem Bruder Rok, bald bei dem Dippel, bald zu Dreßden als ein Staatsmann, bald zu Coppenhagen, bald zu Herrnhut, bald bei den Maͤhren als ein Biſchof, bald bei den Lutheranern als ein Pfarrer, bald bei den Bruͤdern wieder als ein Syndicus, bald in Moſcau, bald auf den Grentzen, u. ſ. f. zu Hauſe ſeye. Weil der Hr. Graf ſo ein ſchar - fes Auge auf den S. Luther hat, und ihm zei - get, wo er nicht recht zu Hauſe iſt, auch den Unterſcheid zwiſchen den alten ohrlichen Lutheranern / und den heutigen / ſo gluͤk - lich entdeket, ſo wird er erlauben, daß man von ſeiner eigenen Zuverlaͤſigkeit in Re - ligionsſachen, und von ſeinem Zuhauſo ſeyn, etwas weniges im Vorbeigehen melden darf. Jch will ſeine Predig zum Grunde legen, die er in Marieborn am 15. Novemb. 1744. vom Richteramt des Lammes ge -hal -106ehrlichen Lutheraner / und in die neue / ein - theilet, der iſt ein Laͤſterer und offenbarer Feinddieſer(*)halten, und die man eben daſelbſt gedrukt hat, wie das Signet mit M. B. bezeichnet, zu erkennen gibt. Da hat er zwar das Rich - teramt des Lammes zum Wort genommen, aber im Vortrag iſt es ihm gantz vergeſſen. Er redet nicht eigentlich von des Lammes Richteramt, ſondern er iſt ſelbſt ein Rich - ter worden, theils uͤber die Chriſtenheit, (ſ. 3. 4. 5. ) da er lauter Streitigkeiten predi - get: theils uͤber das Mißverſtaͤndnis, das in Anſehung der Herrnhuter, oder vielmehr des Grafen, in der Welt entſtehet. Da - von handelt alles folgende von der 5. ſeite bis zu Ende. Wenn nun der Vortrag oder Titel dieſer Predig wahr ſeyn ſoll, ſo muß nothwendig der Herr Graf das Lamm ſel - ber ſeyn, das hier ein Richteramt verſiehet. Doch auf die Sache zu kommen. Sein Hauptzweck in dieſem Auftrit iſt dieſer: daß er ſeinen Bruͤdern, den vielleicht bemerkten Anſtoß, an ſeinen ſo ſchreklich durch - und gegen-einander laufenden Schwaͤrmereien, benehmen will. Als er ſich auf ein beque - mes Mittel beſonnen hatte, ſo mahlet er ih - nen ein Kind GOttes ab / und das muß nach ſeinem Weſen, ſo verwirrt, zweizuͤn - gig, und wetterwendiſch ausſehen, wie denHerrn107dieſer Kirche; folglich ein Menſch, dem niemandein(*)Herrn Grafen ſeine eigene Bruͤder bisher gefunden haben. Dieſes Kind GOttes hat dann zuforderſt drei weſentliche Theue (ſ. 5.) Geiſt / Seele und Leib. Erſtlich den Geiſt betreffend, ſo wird ihm derſelbe an - ſtat des Teufels, der ausgetrieben iſt, ein - geblaſen (ſ. 7. 8. ) der hat die Qualitaͤt / daß er bypoſtati ſch iſt / und die gantze Perſon regieret; er iſt nicht der Geiſt JEſu Chriſti / ſondern ſein Unterthan / und empfaͤngt unmittelbare Befehle von ihm / er muß auch die Bibel nicht mehr falſch verſtehen / ſondern empfaͤngt aus GOttes Wort / und bei allen Gelegen - heiten / in ſeinem Hertzen lauter wahre Worte des Heilandes. ſ. 8. dahingegen bei andern Leuten das Hertz verderbt iſt mit des Heilands ſeinen Jdeen. (ſ. 9.) Wann der Geiſt da iſt, (ſ. 9.) da praͤſen - tiret ſich dem Gemuͤth alles falſche / un - rechte / dem Heiland entgegene / mit ei - ner Todtwiedrigkeit / es braucht keines Buchs / keines Lexici, keines Caſuiſten ꝛc. Alles boͤſe unlautere (ſ. 10.) nichtsnutzige / muß ſich gleich wieder die Wand ſchmei - ſen laſſen / wie eine Fliege / es darf ſich nicht wehren. Darauf kommt er an den zweiten Theil des Kindes GOttes, unddas108ein Wort mehr glauben darf, wie er ſich ſelbſt beſchreibet. (§. 18.)

§. 41.

(*)das iſt die Seele. Die empfaͤngt (ſ. 13.) alle Jdeen / Gedanken und Reflexionen aus dem Geiſt. Dem Geiſt aber iſt un - moͤglich (ſ. 11.) daß er etwas unreines / unlauteres / falſches / dem Sinn des Heilandes und ſeines Vaters / und des Heil. Geiſtes wiederſtehendes / einlaſſen kan / ohne daß man in eine ordentliche Conuulſion faͤlt. Die ewige Reflexion der Seele aber iſt (ſ. 13.) der Heiland / und ſein Verdienſt. Dieſe Reflexion macht / daß / wanns ins Gute gehet / ſich alles Gute in des Heilandes Perſon praͤſenti - ret / daß endlich der Sinn / das Weſen / und die gebrochene Augen des Heilandes / dem Menſchen zun Augen heraus ſehen. Der dritte Theil iſt der Leib: Der wird ordentlich / daß der Menſch nicht nur weiß was er thut / ſondern auch thut / was er will. Das kan aus der Specu - lation nicht kommen / ſondern (ſ. 15.) der wahre Leichnam JEſu / den wir im Abendmahl empfangen / kommt ihm zu Huͤlfe / zu einer Heiligkeit / die in allen Abſichten und Jdeen gantz iſt / und der Leib kan waker nach: und die 3. unter - ſchiedliche Status des Coͤrpers in dieſer

Zeit;109
(*)Zeit; zut Zeit ſeiner Saliuation, und radica - len Cur / und zur Zeit ſeiner Reſtauration, wann der Coͤrper fertig iſt / gehen in ih - rer Ordnung. So will nun unſer Hr. Graf gerne ausſe - hen. Weil aber in ſeinem Thun und Laſ - ſen, gar manchmal dieſes Bild nicht er - ſcheinet, ſo lehret er nun ſeine Bruͤder, wie ſie allenfals dieſe Unformen verſtehen ſollen. Nemlich es heiſt nun auf einmal, (ſ. 17.) daß wir arme Suͤnder ſind / die nicht thun koͤnnen / was wir wollen. Aber das ſoll man ja nicht im Geiſt ſuchen. Son - dern 1) in einer wahrhaftigen Unvermoͤg - lichkeit und Ungenugſamkeit des armen Menſchthums. (ſ. 18.) 2) Jn einer ge - wiſſen Confuſion im Reflectiren und Den - ken; da wir nicht accurat denken / die klaren Concepte ſind entweder nicht da / oder ſie ſind raar / oder unzuverlaͤſig / oder doch nicht juſt / man iſt nicht eine Stunde wie die andere / einmal denkt man wies Zuͤnglein in der Wage ſtehet / und manchmal denkt man ſuperficiel, oben - hin; einmal denkt man gar unrichtig -- es iſt noch immer eine Furcht da / man koͤnte ſich irren / es iſt doch ein Mangel an der gantzen Warheit / und wenn man gleich durch die Gnade des Heilands ſagen koͤnte man irre nicht / ſo trift mans doch auch nicht immer / wenn man gleich
(*)keine110
(*)keine falſche Gedanken hat; ſo hat man doch nicht durchgaͤngig richtige / ſowol in der Erkentnis als in der praxi. Da - her geſchiehets / daß wir mannigfaltig fehlen / daß wir die Leute unrecht judi - ciren / daß wir die Handiungen zu fruͤh oder zu ſpav thun / daß wir unzeitige Profecte machen / daß wir allerhand ver - ſehen in Schriften / in Diſconrſen / ma - chen / daß / wann man eine halbe Stun - de hernach fragt / ſo muͤſſen wirs wie - derrufen. Darauf macht er ſich ſelber den Einwurf: So kan man ja ſein Tage en - rer nicht gewiß ſeyn / ihr Leute! Und ant - wortet darauf: So iſts. Jrten iſt menſch - lich. ꝛc. Wer mir nun das zuſammen reimet, wer mir ſaget wo der Herr Graf bei dieſer Con - ſuſion im Denken zu Hauſe iſt? wie viel - mal er des Tages in eine ordentliche Con - vulſion fallen muͤſſe? in welcher halben Stunde man ſich auf ſein denken und re - den verlaſſen koͤnne? ob auch mitten in die - ſer Confuſion er niemal die Bibel falſch verſtehen koͤnne? ob er gleichwol bei allen Gelegenheiten / mithin auch wann er gar unrichtig denket und redet, immer wahre Worte des Heilandes empfange? die ihn ſo kek machen, daß er bei dieſer ſeiner Con - fuſion und Conuulſion die gantze Kirche in Cenfuſion bringen will: den werde ich loben.
(*)
111

§. 41.

Der in unſerer Lutheriſchen Kirche gaͤng und gaͤbe Sinn der Augſpurgiſchen Conf. iſt, beſonders in dem Glaubensartikel von der Be - kehrung, eben(*)So lautet es in der A. C. im XII. Arti - kel / ſ. 12. nach Rechenbergs Ausgabe: Die Buſſe beſtehet eigentlich aus 2. Thei - len. Der eine iſt Reue und Leid / oder die Schrecken / die im Gewiſſen verur - ſacht werden / wenn man die Suͤnden erkant hat. Der andere Theil iſt der Glaube / welcher gezeuget wird aus dem Evangelio / welcher das Gewiſſen troͤſtet und von den Schreken befreiet. Wann nun das Evangelium den Glauben wuͤrket, als den einen Haupttheil der Buſ - ſe, ſo muß das Geſetz, und nicht das Ev - angelium, den andern Theil, nemlich Reue und Leid uͤber die Suͤnden, und zuvor de - ren Erkentnis, wuͤrken. Dann der Jn - halt der Schrift iſt entweder Geſetz, oder Evangelium, (§. 20.) welches abermal die Apologie der A. C. ſehr trefflich lehret ſ. 66. Das iſt der gaͤng und gaͤbe Sinn der A. C. bei den Lutheranern. Man vergleiche damit, was in der Apologie der A. C. oft - mals gelehret wird. Nur, daß das Wort Evangelium hier zuweilen in weiterem Ver -ſtand, derſelbe, den wir oben gegendie112die Schwaͤrmerei des Grafen behauptet haben. Der Herr Graf aber iſt derjenige, welcher ihnauf(*)ſtand, vor das Wort GOttes / oder vor die gantze Lehre / die zu Bekehrung eines Suͤnders vonnoͤthen iſt, genommen, und ſodann in Geſetz und Evangelium (im en - geren Verſtande) wieder getheilet, mithin dadurch die obgedachte erſte Bedeutung des Worts Evangelium, gnugſam erklaͤret wird. So heiſt es ſ. 165. Die Summe der evangeliſchen Predig (das iſt der Pre - dig des goͤttlichen Worts zur Bekehrung der Menſchen) iſt / die Suͤnden ſtrafen / (welches durch das Geſetz geſchiehet) und anbieten Vergebung der Suͤnden / (durch das Evangelium) und die Gerechtigkeit durch Chriſtum / und den heiligen Geiſt / und das ewige Leben ꝛc. ſ. 166. dann das Geſetz klaget nur die Suͤnden an / und ſchrecket die Gewiſſen. Wir aber fuͤgen hinzu den andern Theil der Buſſe / vom Glauben an Chriſtum / daß in ſol - chen Schreken das Evangelium den Ge - wiſſen vorgetragen werden ſoll. Noch deutlicher ſ. 170. dann dieſes ſind die zwei vornemſte Werke GOttes in den Men - ſchen: Schreken / und ſodann die Ge - ſchrekte gerecht und lebendig machen. Jn dieſe beede Werke theilet ſich die gantzeSchrift113auf alle Weiſe beſtreitet und laͤſtert (§. 13. * 35. 37.) Alſo iſt es tuͤkiſch, betrieglich, und gegendie(*)Schrift. Der eine Theil iſt das Geſetz / welches die Suͤnden anzeiget / ſtrafet und verdammet. Der andere Theil iſt das Evangelium / das iſt / die Verhei - ſung / der in Chriſto geſchenkten Gnade. Und dieſe Verheiſung wird manchesmal in der gantzen Schrift wiederholet / als welche erſtlich dem Adam gegeben wor - den / weiter den Patriarchen / und her - nach von den Propheten erlaͤutert wor - den iſt. Zuletzt iſt ſie von Chriſto gepre - diget und dargeboten worden unter den Juden. Und die Apoſtel haben ſie aus - gebreitet in der gantzen Welt. Und die Exempel zeigen gleichfals dieſe zwei Theile ꝛc. Das wird mit dem Exempel Adams, Davids, und der Suͤnderin Luc. 7, 38. erwieſen. Und woher ſoll man den gaͤng und gaͤben Sinn der A. C. ſicherer beweiſen, als aus einem nachfolgenden of - fentlichen Bekentnis, welches das Concor - dienbuch genennet wird? da heiſt es aber, wie jederman bekant iſt, ſ. 593. Wir glau - ben / lehren / und bekennen / daß das Evangelium nicht ſeye eine Predig der Buſſe / welche die Suͤnde ſtrafet / ſon - dern / daß es eigentlich nichts andersHſeye /114die obrigkeitliche Perſonen treuloß gehandelt, wann er ſie weis machen will, daß er dieſer Con -feßion(*)ſeye / als eine hoͤchſtfroͤliche Botſchaft / und eine Predig voll Troſtes / die nicht ſtrafet und ſchreket: maſſen es die Ge - wiſſen gegen des Geſetzes Schreken troͤ - ſtet / und ſie allein auf Chriſti Verdienſt weiſet ꝛc. Und ſ. 713. dieſe beede Leh - ren / das Geſetz und Evangelium ſind miteinander verbunden und einzuſchaͤr - fen / jedoch in gewiſſer Ordnung und mit Beobachtung des gehoͤrigen Unter - ſchieds. Und die Geſetzſtuͤrmer werden billig verworfen / welche die Predig des Geſetzes aus der Kirche verdringen / und behaupten / daß die Suͤnden nicht aus dem Geſetz / ſondern allein aus dem Ev - angelio zu beſtrafen / und die Reue dar - aus zu lehren ſeye. Sie ſagen auf eben der Seite aus Luthero: Der heilige Geiſt ſtrafe die Welt (um des Unglaubens wil - len ſ. 714.) und das geſchehe nicht anders als durch die Erklaͤrung des Geſetzes. Der S. Menzer in ſeiner Erklaͤrung der A. C. wird von der Lutheriſchen Kirche durchgehends gebilliget. Dieſer zeiget den gaͤng und gaͤben Sinn ſ. 543. Die Buſſe iſt die Zukehr durch den Glauben zu GOtt / und zwar die Zukehr eines Suͤn -ders115ders / der die aus dem goͤttlichen Geſetz (nicht aus der Marter GOttes, mit Aus - ſchlieſung des Geſetzes) erkante Suͤnden ſchmertzlich bereuet. Und ſ. 546. dieſe Zerknirſchung fuͤhret allezeit Schmertzen bei ſich / wie die Schriftſtellen erweiſen Jeſa. 38, 13. 66, 2. Pſ. 51, 19. 38, 9. 6, 3. 4. und entſtehet aus dem Geſetz / wel - ches die Suͤnden ruͤget. Worunter auch zu verſtehen ſind die Truͤbſalen und Stra - fen / ſowol unſere eigene als fremde / wel - che ſo zu reden augenſcheinliche / ſicht - bare / und in die Sinnen fallende Predi - gen ſind von dem Zorn GOttes; folg - lich gehoͤret auch hierher die Geſchichte des Leidens JEſu / inſoferne ſie den Zorn GOttes / der unſere Suͤnden an ſeinem eigenen Sohne ſtrafet / vor Au - gen ſtellet / und die Menſchen ſchrecket. Und ſ. 548. es iſt auch ſogar aus der Er - fahrung bekant / was das Geſetz wuͤrke / welches iſt wie ein Hammer / der Felſen zerſchmeiſet / Jerem. 23, 29. nemlich es beſtraft die Suͤnden / und klaget an / und drohet GOttes Zorn und die ewige Verdammnis Rom. 3, 20. 4, 15. 5. B. Moſ. 27. wodurch Furcht und Schre - ken entſtehet ꝛc. Jngleichen ſ. 550. wor - aus erhellet / daß bei hervorbringung ei - ner wahren und heilſamen Buſſe / Geſetz und Evangelium gemeinſchaftlich wuͤr -H 2ken. 116feßion mit(**)So ſchaͤmet ſich der Herr Graf nicht, zu ſchreiben in ſeinem ſo oft gedachten Creutz - reich ſ. 25. Es iſt Warheit / daß ich in der Lehre nicht nur / wie obgemeldet / ein ſtricter Confeſſor des wahren / und in unſerer Lutheriſchen Kirche gaͤng und gaͤben Sinnes der Augſp. Confeßion und ihrer Apologie / ſondern auch / wo noͤ - thig ein ſolcher Polemicus ſey / daß ſich mancher heutiger Theologus academicus im Lutherthum bedanken wuͤrde / mich zu ſeinem Examinatore zu haben / wenn ich ihn aufs Gewiſſen triebe. Deſſen zum Beweis kan dienen, was er ſ. 32. ſchrei - bet: es ſeye eine goͤttliche und augſpur - giſche Confeßionswarheit / daß das Ev - angelium uns der Suͤnde halber ſtrafe / und daß das Leiden Chriſti (beides im Gegenſatz auf die zehen Gebote) die Buſſe wuͤrke / das iſt, den Suͤnder ſchreke / wie er es ſ. 26. erklaͤret hat. Mund und Hertzen heiliglich bei - gethan ſeye. Und die ſicherſte Bekentnis desHerrn(*)ken. Das Geſetz zeiget die Wunden der Suͤnden / und den Zorn GOttes. Das Evangelium zeiget und verleihet einen Balſam / nemlich die Gnade GOttes in Chriſto / die Vergebung der Suͤnden / und das ewige Leben. 117Herrn Grafen iſt diejenige, die er oben ſelbſt ge - than hat: daß man ihm kein Wort in dieſem Fal glauben ſoll. (§. 18.) Jngleichen, daß er mit dem Vorbehalt, die vermeinten Jrthuͤmer weg - zuthun, und ſeine Einfaͤlle als Warheiten bei - zufuͤgen, ſymboliſire. (§. 4. *)

§. 42.

Die Bekentnisbuͤcher der Lutheraner, haben nicht allein den eigentlichen Begrif des Geſetzes und Evangelii, auf das genaueſte unterſchieden, und jenem die Erkentnis und Bereuung der Suͤnden; dieſem aber den Glauben, als die aͤchte Wuͤrkungen zugeſchrieben; (§. 41.) ſondern ſie haben auch gezeiget, wieferne die Marter GOttes zu dem Geſetz zu rechnen, und wie ſie allen - fals, nach Art eines Exempels, mit dem Geſetz, als einer Regel, verbunden werden koͤnne,(*)Das iſt theils aus den Worten des S. Mentzers zu erſehen, welche (§. 41. *) an - gefuͤhret ſind, theils aus dem Concordien - buch / welches alſo davon ſchreibet ſ. 593. nach des S. Rechenbergs Ausgabe: Ob nun wohl die Predig vom Leiden und Todt Chriſti / des Sohnes GOttes / vol - ler Strenge und Schreken iſt / als wel - che den Zorn GOttes gegen die Suͤnden zeiget: Dadurch dann allererſt die Menſchen naͤher zu dem Geſetz GOt -tesH 3wenn118wenn man die Zerknirſchung des Hertzens, als das erſte Stuͤk der Buſe, dadurch verurſachenwill.(*)tes geleitet werden: (§. 27. *) nach - dem dit Decke Moſis weggethan iſt / daß ſie endlich genau erkennen / wieviel der HErr in ſeinem Geſetz von uns erfo - dere / davon wir nicht das geringſte lei - ſten koͤnnen; dergeſtalt / daß wir unſere gantze Gerechtigkeit in Chriſto ſuchen muͤſſen; ſo iſt jedennoch Chriſti Tod und Leiden / ſo lange es uns den Zorn GOt - tes vor Augen ſtellet / und den Men - ſchen ſchreket / eigentlich keine evangeli - ſche Predig / ſondern des Geſetzes und des Moſis Lehre / und ein fremdes Werk Chriſti / durch welches er ſich den Zutrit macht zu ſeinem eigentlichen Am - te / welches beſtehet im predigen von der Gnade GOttes / im Troͤſten / im Lebendigmachen. Das ſind vor die ev - angeliſche Predig die eigentliche Sa - chen. Aus dieſem ſchoͤnen Bekentnis iſt zweierlei wohl zu merken. 1) Die Bekenner ſagen, daß ein Menſch, der durch die Marter GOttes geſchrekt werden ſolle, das Geſetz ſchon muͤſſe kennen, und nur durch die Pre - dig des Leidens Chriſti naͤher darzu gefuͤh - ret werden / damit er die Abſcheulichkeit derSuͤn -119will. Niemals aber hat eine Confeßion unſerer Kirche, oder ein richtiger Lehrer derſelben, desH 4Herrn(*)Suͤnden nunmehr nebſt den Fluͤchen Mo - ſis, zugleich aus der abſcheulichen Strafe an dem Sohn GGttes, als an einem Ex - empel, lerne. Und das trift vollkommen uͤberein, mit dem, was ich oben erinnert habe. (§. 32. **) So meinet es auch D. Mentzer in den angefuͤhrten Worten. Man ſiehet alſo, daß dieſe Lutheraner, keine zwo beſondere Bekehrungsmethoden mit dem Herrn Grafen erdichten, deren die eine geſetzlich, und abſurd, die andere aber evangeliſch / und allen Apoſteln ei - genthuͤmlich waͤre. (§. 36.) Sie wiſſen nur von einer eintzigen Mothode, welche den Suͤnder durch das Geſetz ſchreket, und wo es der Zuſtand der Seelen erfodert und lei - det, auch die Marter GOttes als ein Ex - empel von dem Fluch des Geſetzes, dar - zu nimt; niemal aber das Geſetz als die Lehre und Regel, von dieſem Exempel trennet. 2) Das zweite, was aus den Worten der angefuͤhrten Bekentnis beobachtet werden muß, iſt dieſes: daß wenn die Marter GOttes den Suͤnder ſchreken ſoll, ſie ja durchaus vor kein Evangelium, ſondern vor ein Exempel, damit die Geſetzlehre er -laͤu -120Herrn Grafen ſchaͤdlichen Wahn geheget: als welcher, aus dem Gebrauch des Geſetzes zum er -ſten(*)laͤutert und beſtaͤtiget wird, (§. 20.) anzuſehen ſeye. So ſagt Mentzer, ſo ſagen die bekennende alte ehrliche Lutheraner ſamt den neuen. Der Herr Graf aber iſt ſo hoͤflich, und belehret die obrigkeitliche Perſonen gantz getroſt: Das Evangelium ſtrafe die Suͤnden / und das ſeye eine goͤttliche augſpurgiſche Confeßionswarheit. (ſ. 32.) Ja er ſchilt jene Lutheraner ſamt und ſon - ders Schwaͤrmer (Nouatores) Grillenfaͤn - ger / diener Moſis / und ſiehet ihrer tau - ſend ſchon in voller Flucht vor ſeinem un - geheuren Rieſengeiſt, (ſ. 26. im Creutz - reich) Ja er ſagt: dem elenden D. Lu - ther und Melanthon gar die Gnade auf, daß er ihre eigene Grillen / die ſie uͤber gewiſſe Lehrſaͤtze von der Confeßion oder nach derſelben / auſer / oder gar ge - gen dieſelbe ſouteni ret / nicht annehmen wolle / und wann er muͤſſe / lieber nicht nach ihnen heiſſen / und doch ein unbe - ſcholtener A. Confeßionsverwandter ſeyn und bleiben wolle. Die andere Stelle aus obgedachtem Be - kentnisbuch, findet ſich ſ. 712. in folgenden Worten: Ja wo iſt eine ſtrengere und erſchreklichere Verkuͤndigung und Pre -dig121ſten Stuͤk der Buſſe, eine eigene, und beſonde - re, Bekehrungsweiſe machet, und ſie abſurd nennet, ob er gleich nicht laͤugnen kan, daß ſieH 5der(*)dig des goͤttlichen Zorns gegen die Suͤn - den / als ſelbſt das Leiden und der Tod JEſu Chriſti des Sohnes GOttes? Jedoch inſoferne dieſes alles den Zorn GOttes anzeiget / und den Menſchen ſchreket / ſo iſt es noch nicht ein eigent - lich Evangelium / oder Predig Chriſti / ſondern Moſes und ſein Geſetz gegen die unbusfertige Menſchen. Dann das Evangelium und Chriſtus werden uns um der Urſache willen mir nichten ge - ſchenket / daß ſie uns ſchreken und ver - dammen / ſondern daß die / welche er - ſchroken und kleinmuͤthig ſind / getroͤ - ſtet und aufgerichtet werden. Hieraus ſiehet man deutlich, daß kein Lu - theraner aus der Paßionspredig eine eige - ne Bekehrungsweiſe macht, von welcher man die Erkentnis der Suͤnden durchs Ge - ſetz, unterſcheiden, und dieſe eine Bekeh - rung durch die Hoͤrner Moſis / jene aber eine Zerknirſchung durch das Evangelium, und ein verkehrtes Spiel,〈…〉〈…〉, (§. 37. *) nennen muͤſſe. Sondern ſie ſagen nur, daß man das geſetzliche in der Marter GOttes zum Behuf der Geſetzlehre, weis -lich,122der heilige(**)Dieſes iſt eine recht unverantwortliche Laͤſterung, die wiſſentlich gegen die heili - ge Schrift begangen wird. Dann der Graf erkennet die geſetzliche Bekehrungsart / die er abſurd nennet, (ſie iſt aber die eintzi - ge und wahre, wie bisher erwieſen wor - den) ſelbſt vor eine ſolche, deren ſich der heilige Geiſt bedienet habe. Mithin muß auch der heilige Geiſt in ſeinen Augen ein ſolcher abſurder Lutheraner, Grillenfaͤn - ger / Schwaͤrmer / Unterminirer der wahrtn Religion / und Diener Moſis ſeyn / wie der Herr Graf befielet. So ſpricht er ſ. 26. ſeine Leute waͤren der Hof - nung, daß man dem heiligen Geiſt die Wahl laſſen werde / ob er ſie mit dem Beſchlns der 10. Gebote (das iſt die von ihm ſo genante abſurde Art ſ. 32.) oder mit der Lehre von GOttes Marter / zuerſt heilſamlich ſchreken; ob er erſt Moſis Hammer und Hoͤrner brauchen / oder gleich zu dem ſcharfen zweiſchneidigen Schwerdt / dem Richter der Gedanken und Sinnen des Hertzens greifen wolle / welches nach Pauli Erklaͤrung / das Be -kent - Geiſt zuweilen gebrauche, und in Stephano wuͤrklich gebrauchet habe. Dahinge -gen(*)lich, und nach Nothdurft der Seelen, ge - brauchen koͤnne.123gen der Gebrauch der Marter JEſu mit Aus - ſchlieſung jener ſogenanten abſurden und geſetzli -chen(**)kentnis von JEſu hohenprieſierlichen Geſchaͤfte iſt. Ebr. 4, 12. 13. ob GOtt ſeinen Zeugen Stephani Methode an die Hand geben wolle / oder aller uͤbrigen A - poſtel ihre / ſonderlich Petri und Phi - lippi. Man ſehe wie ſich die Leichtfertig - keit dieſes Mannes verwirret. Er nimt 1) vor bekant an, das zweiſchneidige ſchar - fe Schwerdt / ſeye das Evangelium / oder die Bekentnis von dem hohenprieſterli - chen Amte JEſu / welches er den Hoͤr - nern Moſis / das iſt, dem Geſetz, ent - gegen ſtellet. Wo ſtehet aber dieſe Erklaͤ - rung Pauli? Er warnet die Chriſten vor dem Ruͤckfall, v. 11. und fuͤhret v. 12. 13. die Urſache an, das Wort GOttes ſeye lebendig und kraͤftig / theils darzu, daß ſie es zu Fortſetzung ihres ſeligen Standes, als ein bewaͤhrtes und hinreichendes Mittel gebrauchen, und demnach fuͤglich im Gu - ten bei Chriſto verharren koͤnten: theils darzu, daß es die Abtruͤnnige allenfals ge - waltig richten, und von ihrer Untreue uͤber - zeugen koͤnne. Wer will aber dieſe Eigen - ſchaften dem Geſetz abſprechen? inſoferne es mit dem Evangelio gehoͤrig gebrauchet wird? Die Erklaͤrungen dieſer Stelle ſindvon124chen Methode, abermal eine beſondere Methode zur Bekehrung, in ſeinen Augen iſt. Demnach iſt es falſch und betrieglich, wann er unter dem Titel einer Warheit dieſes ſetzet: er wolle bei al - ler dieſer Schwaͤrmerei dennoch ein unbeſchol - tener Augſpurgiſcher Confeßionsverwandter ſeyn und bletben / ſo lange er lebe / und dabei noch Trotz bietet: Jſt das nun rund genug geſprochen? Jch bekenne ja meine Sache! (ſ. 26. *) damit beweiſet er nun wieder, wie er ſymboliſire (§. 4. *) und wieviel man ihm glauben muͤſſe, (§. 18.) inſonderheit wann er dabeiſchrei - bet, daß er Warheiten rede. Vergleiche damit,ſein(**)von Alters her in der Chriſtenheit ſehr ver - ſchieden. Und einige verſtehen gar durch dieſes Wort, den Sohn GOttes, als das ſelbſtaͤndige Wort des Vaters. 2) Ge - ſetzt demnach, es werde das Evangelium verſtanden. Sagt dann nun deswegen Pau - lus, man muͤſſe das Evangelium bei der Bekehrung eines Suͤnders zuerſt / und mit Ausſchlieſung des Geſetzes, brauchen? das iſt ja des Grafen vorgefaſte ſchaͤdliche Meinung, die er in dem Text Pauli nicht findet, ſondern gegen das offenbare Zeug - nis GOttes hineinſchieben will. Was er von Petro, Philippo und allen A - poſteln ſaget, das iſt ſchon oben falſch be - funden worden. (§. 17. 36.)125ſein nochmaliges Bekentnis, oben (§. 40. * am Ende.)

Viertes Hauptſtuͤk. Schalkheit in den Spot - und Laͤſterreden, auf das Geſetz und Buſſe, auch da - bei angemaßtem Lutheriſchen Lehramt.

Jnhalt.

1) Spotreden auf Geſetz und Buſſe / daß beide giftigſchaͤdlich ſeyen / wo unterſuchet wird (1) was innere Seel - und Seligkeits-Ange - legenheiten? (§. 43.) (2) was ein Chriſt aus den Heiden / vor ein Menſch ſeye? (§. 44.) (3) welche die Mate - rien ſeyen / wohin Ge - ſetz / Buſſe / und Zwang / gehoͤren ſol -len? (§. 45.) (4) der Ungrund dieſer graͤf - lichen Schwaͤrmerei / und deren Wieder - ſpruch gegen die A. C. (§. 46.) (5) ihre ſchaͤd - liche Beſchaffenheit (§. 47.) 2) Unverſchaͤmtes Vor - geben des Herrn Gra - fen / daß er ein Lu - theriſcher Pfarrer ſeye. (§. 48.)

§. 43.

1) DJe bisher beſchriebene Buſſe iſt eine in - nere Seelen - und Seligkeitsangele -gen -126genheit bei einemjeden Menſchen, er mag aus den Heiden / oder aus den unbekehrten Chriſten ſeyn. Die taͤgliche Buſſe eines Wiedergebohr - nen, iſt eine Angelegenheit von gleicher Art. Eine innere Angelegenheit der Seele / weil ſie innerlich in der Seele, und deren Kraͤften vor - gehet, dann ſie beſtehet aus der Zerknirſchung des Hertzens, und aus dem Glauben. (§. 42.) Eine Angelegenheit der Seligkeit / weil ohne Buſſe keine Vergebung der Suͤnden, mithin auch keine Seligkeit zu hoffen iſt, Apoſtelg. 3, 19. 20. Marci 16, 16. Weil nun das erſte Stuͤk der Buſſe, der kraͤftigen Wuͤrkung GOt - tes durch das Geſetz, beizulegen, (§. 33.) und im taͤglichen Wachsthum des Chriſtenthums das Geſetz unentbehrlich iſt Rom. 12, 2. (§. 24.) ja weil ferner, nur eine goͤttliche Offenbarung oder ein Wort GOttes iſt, davon der eine Theil, das Geſetz, der andere das Evangelium ausma - chet, davon kein Menſch bei ſchwerer Strafe ab - gehen oder das geringſte daran aͤndern ſoll, Matth. 5, 18. 19. Gal. 1, 7. 8. ſo muß dieſe eintzige Bekehrungs - und Heiligungsordnung vor alle Menſchen ſeyn (§. 37.) ſie moͤgen her - kommen von welchem Volk ſie wollen. Dem - nach kan unmoͤglich wahr ſeyn, daß(*)So lauten des Hrn. Grafen Worte, ſ. 40. Erſte Warheit: daß ich den Suͤnder auf gut Lutheriſch ſchrecke / und ihn durchsGe - Geſetzund127und Buſſe in den inneren Seelen - und Selig - keitsangelegenheiten eines Chriſten aus den Heiden / ſchaͤdlich / ja giftig ſchaͤdlich ſind. Wer allenfals dieſes gedenken, ich will nicht ſa - gen in die Welt hineinſchreiben wolte, den muͤ - ſte man vor einen ſolchen halten, dem kein Menſch ein Wort glauben ſoll. (§. 18.) Ja man koͤnte noch etwas mehr von ihm ſagen.

§. 44.

2) Wir wollen auch die folgende Worte, die mit Fleis, wie es ſcheinet, in eine heimtuͤ - ckiſche Duͤſterheit eingewickelt ſind, etwas ge - nauer anſehen. Er macht einen Unterſchied, zwiſchen den inneren Seelen - und Seeligkeits - Angelegenheiten eines Chriſten aus den Hei -den /(*)Geſetz zur Buſe zwinge / in allen Mate - rien / wo das Geſetz / Buſe / und Zwang / hingehoͤret / welche ich alle drey (Geſetz, Buſe, und Zwang) in den inneren Seelen - und Seeligkeits-Angelegenheiten eines Chriſten aus den Heyden, vor ſchaͤdlich / ja vor giftig-ſchaͤdlich / hingegen zu Verhuͤtung eines boͤſen Ausbruchs / Pla - ge des Nebenmenſchen / oder gefaͤhrli - chen Aergerniſſes bey natuͤrlichen Reli - gions-Leuten / nach Gelegenheit vor ein ſpecificum halte / und / poſito hoc, nicht viel darnach frage / ob ich druͤber gelobt oder geſcholten werde / dummodo proſim. 128den / und zwiſchen allen andern Materien / wo das Geſetz / Buſe und Zwang / hingehoͤret. Dieſer Chriſt aus den Heiden iſt nun entweder ein wuͤrcklich bekehrter Chriſt, oder er ſoll noch bekehret werden. Soll er noch bekehret wer - den / ſo iſt er entweder noch frech und heidniſch, und alsdann muß ihn das Geſetz in die Zucht neh - men: oder er iſt ſchon muͤrbe gemacht durch das Geſetz; und alsdan gehoͤret das Evangelium vor ihn, jedoch ſo, daß deswegen das Geſetz nicht giftig ſchaͤdlich vor ihn wird, ſondern eine mit goͤttlicher Krafft, ſeinem Jnhalt gemaͤß (§. 26.) be - ſeelte Regel ſeines Verhaltens bleibet, weil es den Willen GOttes in ſich faſſet, den ein Wie - dergeborner beſtaͤndig forſchen Rom 12, 2. und daraus die Bewegungsgruͤnde zu Fruͤchten des Glaubens eben ſowol, als aus dem Evangelio nehmen Eph. 6, 1. f. anbey in Betracht der gro - ſen Foderungen und ſchweren Fluͤche des Geſe - tzes, ſich in taͤglicher Buſe vor GOtt beugen muß, Rom. 7, 23. 24. Wird aber der gebohrne Heide, ſchon als ein Chriſt betrachtet, der bekehret iſt, (wie des Herrn Grafen Worte dahin zu gehen ſcheinen) ſo ſind ſeine innere Seelen - und Seelig - keits-Angelegenheit von verſchiedener Art. Er brauchet Lehre, Ermahnung, Warnung, Be - ſtrafung und Trvſt. 2. Tim. 3, 16. Lehre, von dem geſetzlichen und evangeliſchen Willen GOt - tes; Lehre gegen allerlei Jrgeiſter in beiden Stuͤ - cken. Alſo iſt in dieſem Fal das Geſetz, nicht ſchaͤd - lich, vielweniger giftig-ſchaͤdlich. Braucheter129er Ermahnung zu ſeinen Chriſtenpflichten, ſo komt das Geſetz, als die eintzige Vorſchrift ſol - cher Pflichten, wiederum zu ſeinem Gebrauch und iſt hoͤchſtnoͤthig, nicht aber giftig-ſchaͤdlich zu nennen. So iſt es auch mit Warnung und Beſtrafung. Der Troſt ſelber, flieſet zwar bei einem Chriſten aus evangeliſchen Quellen; es kan und muß aber bei allem Troſt auch von Pflichten geſprochen werden. Ja der Troſt lauft jedesmal auf eine Pflicht hinaus: du ſolſt deinen Zuſtand vor hinreichend achten zu deiner Wolfahrt, oder: es kan dir noch Heil wiederfah - ren, zu welchem Ende du in deinen Umſtaͤnden die Weisheit, Guͤte, Gerechtigkeit, Allmacht GOttes, als Gruͤnde deiner Wolfahrt erkennen muſt. Und, wer verſuchte und angefochtene See - len troͤſtet, der kommt jedesmal zuletzt auf die - ſen Grund: du muſt glauben was in dem Wort GOttes ſtehet, und vor deinen gegenwaͤrtigen Zuſtand gehoͤret. Das Geſetz ſpricht: du ſolſt dem HErrn deinem GOtt, als einem wahrhaf - tigen, unbetrieglichen GOtt, glauben, wann er etwas zu deinem Beſten offenbaret hat. Das lehret mich die erſte Tafel, und es gehoͤret zum reinen wahren Gottesdienſt. Hier hat demnach abermal das Geſetz ſein Antheil, und iſt nuͤtzlich, nie aber giftig-ſchaͤdlich zu nennen. Summa in dem gantzen Chriſtenthum ſind Geſetz und Evangelium(*)Jch berufe mich hier auf das Exempel allerApo - unzertrennlich beiſammen: undJwer130wer das eine wegnimt, der verwirft zugleich das andere.

§. 45.

(*)Apoſtel unſers HErrn. Dieſe hatten Chri - ſten aus den Juden, und Chriſten aus den Heiden vor ſich, wann ſie ihre Briefe ſchrieben. Es galt auch um innere Seel - und Seligkeits-Angelegenheiten. Aber man ſehe doch ihre Briefe nur von weiten an, ob ſie ein eintzigmal ſchreiben: das Geſetz iſt vor euch Chriſten aus dem Hei - denthum, nicht nur ſchaͤdlich, ſondern gif - tig-ſchaͤdlich; huͤtet euch dafuͤr! Dieſes wird man nicht allein nirgend finden; ſon - dern im Gegentheil brauchen die Apoſtel das Geſetz, in allen ihren Schriften. Der Herr Graf, der die Gemeine zu Corinth vor eine neubekehrte Heidengemeine, wie bei den Mohren und Jnſulanern / haͤlt, wird gleichwol, im Brief Pauli an dieſel - be, ſehr vieles von dem Geſetz finden. Ja ſobald Paulus mit ſeinem Gebet fertig iſt, 1 Cor. 1, 1-10. ſo faͤngt er den Brief ſel - ber mit Geſetz an v. 10. Jch ermahne euch ꝛc. Er ſchilt ihren Zank v. 11. das ſe - tzet er fort Cap. 3, 1. und Cap. 5. gehet es erſt recht an mit dem Geſetz, ſodann waͤh - ret dieſe Lehrart bis zum Beſchlus, da im - mer Geſetz und Evangelium beiſammen iſt. Alſo muß Paulus der Meinung des HerrnGra -

131

§. 45.

3) Wann nun hiedurch erwieſen iſt, daß die Chriſten aus den Heiden, das Geſetz eben ſo noͤ -J 2thig(*)Grafen nicht geweſen ſeyn. Und doch hat - te Paulus den Geiſt GOttes, und redete nichts, das der HErr nicht in ihm wuͤrke - te. Der Herr Graf hingegen will zwar auch einen hypoſtati ſchen Geiſt haben / der immittelbar Ordres von Chriſto empfaͤngt / alſo daß er keine Stelle der Schrift falſch erklaͤren muͤſſe: allein er bekennet doch bald das Gegentheil, daß er ſehr verwirt den - ke / uͤber eine halbe Stunde ſeine Gedan - ken und Schriften wiederrufen muͤſſe / und daß man ſein Tage ſeiner nicht ge - wiß ſeyn koͤnne. (§. 40. *) Aber deſtomehr ſolte er den fahrenden Schwarmgeiſt in Ordnung halten, damit er nicht verwirre, laͤſtere, verfuͤhre, und Zerſchneidung an - richte. Philipp. 3, 2. Den Corinthern al - ſo, hat Paulus das Geſetz geprediget, und ſie waren Chriſten aus den Heiden. Dann daß er dieſen Chriſten huͤndiſche Grund - lehren (Hunds-Principia) ſoll vorgeleget haben, wie der Herr Graf in Buͤdingi - ſchen Samml. ſchaͤndlich laͤſtert, das wird wohl niemand glauben. Ein mehreres ſte - het davon im Zinz. Unfug / (lerna Z.) ſ. 299. 304.132thig haben, und ſo heilſamlich gebrauchen, als die Chriſten aus andern Voͤlckern und Religio - nen: ſo fragt ſich, was der Herr Graf durch ſolche Materien verſtehen muͤſſe, wohin Ge - ſetz / Buſſe und Zwang eigentlich gehoͤren? Durch dieſe Materien / verſtehet er entweder gewiſſe Perſonen, oder einen gewiſſen Zuſtand dieſer Perſonen, oder diejenige Warheiten, die vor ſolche Perſonen, und deren Zuſtand gehoͤren. Der Graf redet ſehr verwirt und unverſtaͤndlich, wie ſeine unzeitige Art zu denken es mit ſich brin - get, und noch mehr ſeine argliſtige Abſicht ihm befiehlet. Wann die Materien ſoviel heiſen als die Perſonen; ſo gehoͤret das Geſetz unſtreitig vor alle Menſchen. Das iſt ſo gewiß, als ge - wiß der Geſetzgeber ihr aller HErr und Koͤnig und GOtt iſt: und das Geſetz zielet zu jedermans Wolfahrt ab, (§. 20.) Sind aber die Materien der Zuſtand gewiſſer Perſonen, welcher durch mancherlei Umſtaͤnde und Vorfallenheiten dieſes Lebens beſtimmet wird: ſo iſt wahr, obgleich der Graf es hartnaͤkig wiederfechten will (§. 38.) daß des Geſetzes Verkuͤndigung, zumal was ſeinen Fluch betrift, nur vor die Rohe und Sichere ge - hoͤre, und hingegen, vor die Gebeugte, das Evangelium. Aber vor dieſe gehoͤret doch alle - zeit die Verkuͤndigung des Geſetzes in Anſehung der Pflichten die es befielet, wie (§. 44.) erwie - ſen worden. Ja es iſt aus den Worten des Herrn Grafen offenbar, daß er den gedachten Unterſchied zwiſchen rohen und gebeugten Suͤn -dern133dern, hier nicht zum Grunde leget. Er ſetzet vielmehr die Chriſten aus den Heiden / allen andern Chriſten entgegen, und ſpricht, daß den Chriſten aus den Heiden ſchlechterdings, das Geſetz ein Gift, oder giftigſchaͤdlich ſeye. Wel - ches dem Zeugnis des Heil. Geiſtes gerade zu - wieder iſt. Verſtehet er endlich durch die Ma - terien nichts anders, als gewiſſe Warheiten / wohin das Geſetz nicht gehoͤre: ſo iſt freilich wahr, daß manche Lehren der Schrift ſich vom Geſetz unterſcheiden. Aber davon iſt hier die Frage nicht. Sondern man will wiſſen ob, und wann, und bei welchen Menſchen, das Geſetz zu gebrau - chen ſeye? Und da antwortet der Herr Graf: nicht bei inneren Seel - und Seelen-Angelegen - heiten der Chriſten aus den Heiden. Welche Antwort gegen die Ordnung GOttes ſtreitet und mit recht eine giftigſchaͤdliche Lehre heiſet.

§. 46.

4) Wann der Hr. Graf die innere Seel - und Seligkeits-Angelegenheiten / von einem boͤ - ſen Ausbruch / Plage des Nebenmenſchen / und gefaͤhrlichen Aergerniſſes bei natuͤrlichen Re - ligionsleuten / unterſcheidet, ſo verraͤth er end - lich ſein gantzes Geheimnis, das er ſonſt ora - kelmaͤßig umnebelt hat. Dann das heiſet ſoviel: das Geſetz thut nichts weiters, als daß es durch Furcht vor der Strafe(*)Ein bloſer Naturmenſch kan das durch dieVer - die offenbare WerkeJ 3des134des Fleiſches im Zaum haͤlt. Und das ſind dann, ſeiner Meinung nach, die Materien wo -hin(*)Vernunft erkante Geſetz, zu weit beſſeren Pflichten gebrauchen. Er kan ſich, nach der erſten Tafel, die groſe Eigenſchaften GOttes vorſtellen, und ſich zu einem, ſol - chen Eigenſchaften gemaͤſen Dienſt GOttes dadurch verpflichten, welches Paulus be - zeuget Rom. 1, 19. 21. da er die Heiden wegen Unterlaſſung dieſer Pflichten, und vorſetzlicher Ubertretung ſolcher Naturgeſe - tze, vor unentſchuldigt erklaͤret. Und man hat Exempel vernuͤnftiger Heiden, die es durch das bloſe Naturgeſetz viel weiter gebracht, als auf die Bezaͤhmung grober Ausbruͤche der Suͤnden. Nun gehet aber das geoffenbahrte Geſetz GOttes, davon die Rede iſt, noch viel weiter. (§. 23. 24.) Wenn der Graf die Apologie der A. C. geleſen hat, und ein ſo ſtricter Bekenner / und Vertheidiger derſelben, auch ein ſo fuͤrchterlicher Polemicus ſeyn will, wie er ſich ruͤhmet (§. 41. **) ſo wird ihm doch beifal - len, was unſere damalige Bekenner vor Klage fuͤhren. Daß nemlich ihr Gegentheil, wann vom Geſetz die Frage war, nur im - mer an die andere Tafel gedacht, und an den buͤrgerlichen Zwang, welcher gegen Miſſethaͤter nach Vorſchrift der Gebote mußgebrau -135hin es gehoͤret. Das iſt die Urſach, warum er unter dem Hauptſtuͤk von der Kirchenzucht / des Geſetzes gedenket (ſ. 40.) und bald darzu ſe - tzet: wie dann das Geſetz eine Theocratie vor - ausſetzet / i. e. eine Nation / die GOtt imme - diate unterworfen / und da ſeine Knechte nicht als Lehrer / ſondern als Obrigkeiten agiren. Dieweil aber das Geſetz vor die Materie der in - neren Seelenbekehrung unſtreitig gehoͤret, und ein Theil des goͤttlichen Wortes iſt, in welchem der heilige Geiſt kraͤftiglich wuͤrket, (§. 23.) auch die Wiedergeborne ſelbſt, es unumgaͤnglich noͤthig haben; (§. 24.) ſo ſiehet man leicht, daß der Herr Graf abermal wieder goͤttliche Warheiten ſicht, und daß unſere Bekentnisbuͤcher ihm maͤch - tig wiederſprechen, welches unter andern aus dem kleinen Catechiſmus des S. Luthers, wo der Nutze des Geſetzes ſchriftmaͤßig eroͤrtert wird, deutlich kan erſehen werden. Daß er da -J 4bei(*)gebrauchet werden. Wir erleben an ihm leider eben die Geſchichte. Ob das Geſetz vor ſich, uns bekehre und zu guten Wer - ken tuͤchtig mache? oder ob es ein von GOtt verordnetes Mittel ſeye, das man, ſowol als das Hauptmittel, nemlich das Evan - gelium, in der Ordnung des Heils muͤſſe gelten laſſen? Das ſind zwo verſchiedene Fragen. Die erſte muß mit Nein / die zweite mit Ja / beantwortet werden.136bei ſetzet: Jch frage nicht viel darnach / ob ich daruͤber gelobt oder geſcholten werde / das macht eben ſeine Sache nicht beſſer. Es zeiget nur an, was man ſchon weiß und taͤglich ſiehet. David ſagt von gewiſſen Leuten: Sie ſind ſo ſtoltz und zornig / daß ſie nach niemand fra - gen / in allen ihren Dingen halten ſie GOtt vor nichts / Pſ. 10, 4. Daß er ſich aber eines Nutzens ruͤhmet, den er dadurch ſchaffe, das gebe ich zu. Aber es iſt ein Nutze vor ſein eige - nes Reich; und vor den, welchem daran gele - gen iſt, daß GOTTes Warheit verdunkelt wird.

§. 47.

5) Weil das goͤttliche Geſetz und zwar das gantze Geſetz, in den Augen des Grafen, nur zur aͤuſerlichen Zucht gehoͤret, und eine Regie - rungsform vorausſetzet, in welcher GOtt ſelbſt durch die Lehrer als durch Obrigkeit, herrſchet und ſtrafet; (§. 46.) ſo iſt kein Wunder, daß er daſſelbe ausſchlieſet von der inneren Seelen - bekehrung, und vor giftigſchaͤdlich haͤlt. Ja, dieweil eine ſolche Theocratie nicht mehr in der Welt iſt, und doch das Geſetz eine Regierungs - form dieſer Art vorausſetzen ſoll; ſo muß auch das Geſetz nunmehr unbrauchbar, und mit ſamt der alten Theocratie begraben ſeyn; oder es muß noch eine Theocratie ſich irgendwo befinden, in welcher das Geſetz, das auf dieſelbe lediglich ſoll begruͤndet ſeyn, den gehoͤrigen Gebrauch haben koͤnne. Wenn nun der Herr Graf durch dasGeſetz137Geſetz die Leute zur Buſſe zwinget / (§. 43. *) ſo muß er (1) ſich nothwendig vor einen Knecht GOttes halten, der nicht als ein Lehrer / ſon - dern als Obrigkeit / verfaͤhret: wie er offent - lich bekennet. Es hat ihn aber gleichwol weder GOtt noch die Menſchen zu einem ſolchen Re - genten beſtellet. (2) Er muß dabei ſehr unver - ſchaͤmt ſeyn, da er an eben dem Ort vorgibt, daß, wann er ſolchergeſtalt die Leute zur Buſſe zwinget, er den Suͤnder auf gut Lutheriſch ſchreke. Dann alle Lutheraner verwerfen die Theocratie, und ſetzen ſie nur ins alte Teſtament, wohin ſie gehoͤret, mithin halten ſie einen ſolchen Zwang, in welchem der Lehrer als Obrigkeit handelt, vor einen ſchaͤdlichen, und der Obrig - keit nachtheiligen, aufruͤhriſchen Eingrif, in das weltliche Amt der Regenten. (3) Er muß mit dem Wort Buſſe geflieſentlich ſein Geſpoͤtte trei - ben, (wie er anderswo es gantz verworfen hat) indem er vorgibt, daß ſie nur eine Wuͤrkung des obrigkeitlichen Zwangs ſeye, wodurch weiter nichts geſchehe, als daß die groben Ausbruͤche der Suͤnden gehemmet werden. (§. 43. *) (4) Er muß die Leute vorſetzlich bereden wollen, das Ge - ſetz ſeye nichts anders, als ein Zwangsmittel, und die Buſſe nichts anders, als ein wuͤrklicher Zwang der Obrigkeit, den die Lutheraner zur Bekehrung ihrer Suͤnder brauchten, daß alſo durch das ſchreken auf gut Lutheriſch / und durch den geſetzlichen Buszwang / nichts anders als obrigkeitliche Strafen verſtandenJ 5wuͤr -138wuͤrden / weil bei ihme alles Geſetz eine Theo - eratie vorausſetzet. Folglich muß er die Luthe - riſche Kirche und ihre goͤttliche Bekehrungsart durch Wort und Sacramenten, muthwillig laͤ - ſtere, indeme er die letztere in obrigkeitliche Stra - fen verwandelt. Alſo beweiſet er auch hier, durch eine ſo veraͤchtliche Beſchreibung des goͤttlichen Geſetzes und der Buſſe, theils daß er ein groſer Geſetzſtuͤrmer (§. 24.) ſeye, theils daß ihm kein Menſch mehr glauben duͤrfe. (§. 18.)

§. 48.

Es iſt bis daher ſatſam erwieſen worden, wie unverantwortlich der Herr Graf, die Warhei - ten der heiligen Schrift, die Augſpurgiſche Con - feßion, und die Lutheriſche Kirche, bis auf die - ſe Stunde angefeindet und verlaͤſtert habe. Und das iſt nur eine Probe davon. Andere haben ein gantzes Lehrgebaͤude aus ſeinen Schriften auf - geſtellet, welches der goͤttlichen Warheit, wie dem Licht die Finſterniß, zuwieder iſt. Man hat demnach im geringſten nicht zu beſorgen, daß obrigkeitliche Perſonen / (als welchen er ſein neues Bekentnis zugeſchrieben hat,) oder nur ſonſt ein vernuͤnftiger Menſch, ſich von ihm werde blenden laſſen, vielweniger ihn vor einen Lutheriſchen Lehrer halten; mit welchem Na - men er ſeine ſchaͤndliche Jrgeiſterei vor der Welt ſchmuͤken, (§. 38. *) und einer beſorgten ſchwe - ren Verantwortung argliſtiglich entweichen will. Der angemaßte Titel eines Lutheriſchen Lehrers iſt eine der groͤſten und allerfrechſten Unwarhei -ten,139ten, die in ſeiner obgedachten Bekentnis ſtehen: und er hat in eben dieſem Buch die deutlichſten Beweiſe abgeleget, daß er ein Schafskleid hier - mit angenommen, um ſeine Wolfsklanen zu be - deken. (§. 39.) Jch will zum Uberflus, noch zwei Proben davon anfuͤhren. Sie werden beweiſen, daß er ſeine boͤſe Thaten, wo er glaubet, daß ſie misbilliget werden, ohne alles Gewiſſen auf der Stelle laͤugne. Die erſte gehet die gantze Chriſtenheit, und beide das Lutheriſche Lehramt beſonders an.

Fuͤnftes Hauptſtuͤk. Schalkheit in der angemaßten, und doch auf der Stelle gelaͤugneten Reformation der gantzen Chriſtenheit, unter dem Schein eines Lutheriſchen Lehrers.

Jnhalt.

1.) Des Herrn Grafen feindſeliger Anfall an die Chriſtenheit / die er einer falſchen Lehre und Hauptirthums beſchuldiget im Artikel von der H. Dreieinig - keit. (§. 49. *) 2.) Schutzrede vor die Chriſtenheit; der erſte Grund (§. 50.) der zweite (§. 51.) der drit - te (§. 52.) der vierte / (§. 53.) der fuͤnfte (§. 54.) der ſechſte (§. 55) wo ſein Wahnwitz /daß140daß die erſte Perſon der Gottheit / wegen der Schoͤpfung unſer Großvater / und Schwiegervater / der Heilige Geiſt aber ſein Gemahl / und unſere Mutter ſeye / zugleich wiederleget wird. 3) Wie der Herr Grafgleichwol auf der Stel - le laͤugnet / daß er re - formiren wolle. (§. 56) 4) Wie er ſich verkappet mit dem Titel eines Lutheriſchen Pfar - rers / und dabei auf dem Betrug erfunden wird.

§. 49.

BEi Gelegenheit, daß der Herr Graf in ſei - nem Creutzreich vorgibt, er habe niemal die Kirche reformiren wollen, muß ich noch et - was merkwuͤrdiges anfuͤgen. Wer der gantzen Chriſtenheit in einer offentlich gehaltenen und nachher dem Druk uͤbergebenen Predig, Haupt - irthuͤmer und falſche Lehren vorwirft, und die - ſelbe aus den Religionen zu verbannen trachtet, von dem iſt mit Recht zu ſagen, daß er ſich eine Reformation(*)Der Herr Graf hat eine Predig am 4. Sonntag des Advents 1744. den 20. De - cemb. im Herrnhag abgeleget. Sie iſt ſo - fort im Druk erſchienen, vermuthlich in eben dieſem 1745. Jahr, da er obgedachte Glaubensbekentnis den obrigkeitlichen Per - ſonen vorgeleget hat. Er iſt, als er dieſe Predig hielte, ohnſtreitig mit dem Maͤh -riſchen der Chriſtenheit, mithin auchder141der Lutheriſchen Kirche, und der Augſpurgiſchen Confeßion, angemaſet habe. Und wer denobrig -(*)riſchen Kirchengeiſt ſchon naͤher bekant geweſen / wie es in ſeiner Bekentnis lau - tet. Jn vorgedachter Predig, vom Vateramt des Sohnes / heiſet es ſ. 3. 4. alſo: das (daß nemlich die erſte Perſon der Gottheit unſer directer Vater ſeye) iſt eine falſche Lehre und einer von den Hauptirthuͤ - mern (man merke: es iſt nur einer davon) die in der Chriſtenheit ſind / die vielleicht der Lehre von unſerm Ausflus aus dem goͤttlichen Weſen / den Weg gebahnet. Jn einem alten Kirchenliede ſtehet: Weil Chriſtus unſer Bruder iſt / ſo iſt er un - ſer Vater / er iſt es durch ſeinen Sohn geworden. Was man ſo in der Welt ei - nen Großvater / einen Schwiegervater / nennet / das iſt der Vater unſers HErrn JEſu Chriſti. Aber unſer directer Va - ter iſt der Heiland / der hat uns gemacht. Und (ſ. 7.) fuͤhret er an, was die erſte Per - ſon gedacht haben ſoll, als Adam / der Sohn des HErrn JEſu Chriſti / wieder erloͤſet werden ſollen. Nemlich da habe der Vater Chriſti gedacht: der Menſch iſt ja auch mein / er iſt meines Sohnes Kind. Das muͤſte man nun nothwendig auch ei -nen142obrigkeitlichen Perſonen, da er kaum dieſe Schalkheit veruͤbet hat, dennoch in einem ge -druk -(*)nen Enkel nennen, wann wahr iſt, daß die erſte Perſon der Gottheit kein directer Vater ſeyn kan, ſondern ein Großvater heiſen muß. Was das bedeute: er hat uns gemacht / das erklaͤret er im folgen - den; nemlich es habe 1) der Heiland die Menſchen geſchaffen. Dann wenn er ſei - nen Vortrag vom Vateramte des Soh - nes erklaͤren, und die Urſache entdeken will, warum der Heiland unſer Vater heiſe, ſo ſpricht er in dieſer Predig ſ. 2. Das / wo - von ich itzt rede und was eigentlich mit dem heutigen Lammestext und der An - rede darinnen / (die Anrede heiſet: Ach Vater! ſ. 1.) gemeint iſt / das iſt in dem Versgen das drunter ſtehet / deutlich gemacht. Den Leib / die Seel / das Le - ben / hat er allein gegeben. Daß der Heiland alle Dinge geſchaffen hat / iſt gar nicht noͤthig zu beweiſen. Weil er uns alſo gemacht hat / (ſ. 3.) weil der HErr JEſus / weil die andere Perſon in der Gottheit / den lebendigen Othem in uns geblaſen hat / ſo iſt er unſer Vater / unſer Special-Vater / unſer directer Va - ter. Dann GOTT der Vater unſers HErrn JEſu Chriſti / iſt nicht unſer di -recter143drukten Glaubensbekentnis vorſpiegeln will, es ſeye kein Menſch in der Welt, welcher alle ſol -che(*)recter Vater. Das iſt eine falſche Leh - re ꝛc. das folgende ſtehet ſchon oben. 2) Die zweite Urſache, warum nicht die erſte Perſon der Gottheit, ſondern der Heiland, unſer directer Vater ſeyn ſoll, iſt von der Kinderzeugung hergenommen: weil der Heiland die Kinder zeuge, inſoferne er die - ſe Verrichtung den Maͤnnern abgetreten ha - be. Der Heiland (ſ. 4.) braucht keinen Mann zum Kinderzeugen / ſondern es iſt ſeine Ordnung. Er hats einem Theil des menſchlichen Geſchlechtes abgetre - ten / Kinder zu zeugen / er hats ihm aus Gnaden gegeben / nicht / daß ſie dazu noͤthig waͤren / nicht daß ſie dazu ſeyn muͤſten; ſondern weil er ſelbſt an dieſer Ordnung belieben gehabt hat. Der im Anfang den Menſchen machte / der machte / daß ein Mann und Frau ſeyn ſolten. Er hats an Maria bewieſen / daß die eigentliche Perſonen, einen Menſchen zu formiren / die Schweſtern ſind / und daß wir / die Maͤnner / nichts anders ſind / als verordnete Leute / die es ex of - ficio, die es Amts halber thun / daß ſie das Leben / die Kraft / und den Geiſtdar -144che Reformation vor gefaͤhrlicher halte / dann er; der ſtellet ſich offentlich als einen ſolchen dar, deme kein Menſch ein Wort glauben kan. (§. 18.) Beides aber hat der Herr Graf gethan, wie ich aus ſeinen Schriften beweiſen will, alſo iſt der Schlus von ſelbſten gemacht.

§. 50.

Daß der Sohn GOttes der Schoͤpfer und Erhalter gleichwie der gantzen Welt, alſo auch der Menſchen iſt, das weis die gantze Chri - ſtenheit, weil es der Heilige Geiſt in der Schrift deutlich lehret. Daß ihm deshalben der Name eines Vaters gebuͤhre, weil er allen Dingen das Leben und Weſen gegeben hat, und noch im - merfort durch ſeine Kraft alles traͤget, das iſt ein Bekentnis aller Chriſten. Daß er aber des - halben unſer directer Vater ſeye, alſo und der - geſtalt, daß die erſte Perſon kein directer oder unmittelbarer Vater, ſondern ein Großvater und Schwiegervater heiſen muͤſſe, das iſt ein(*)Dieweil aber nur eine und eben dieſelbe Macht, Weisheit und Guͤte in dem Va - ter, Sohn und Heiligen Geiſt, ihres un -zer -Wahn -(*)darzu hergeben / der ihnen gegeben iſt der Heiland aber hat den erſten Men - ſchen belebt / gezeugt alſo iſt er un - ſer Vater von Rechtswegen. Er hat uns gemacht / und nicht wir ſelbſt Pſ. 100, 3. den Leib / die Seel ꝛc. 145Wahnwitz des Grafen, den man nicht mit der Feder wiederlegen darf, weil er in Haͤuſer vor gewiſſe Patienten gehoͤret. Dann dadurch wird 1) das goͤttliche Weſen getheilet, der Vater von der unmittelbaren Schoͤpfung und Erhal - tung der Menſchen, ausgeſchloſſen, und die Wuͤrkſamkeit der Eigenſchaften GOttes, in wel -Kchen(*)zertrennlichen Weſens halber, ſich befindet; und weil das, was auſer der Gottheit ent - ſtehet, durch jetztgedachte Eigenſchaften al - ler drei Perſonen, hervorgebracht wird, ohne daß die geringſte Sonderung, oder eine mittelbare und unmittelbare Verhaͤlt - nis gedacht werden kan: ſo muß auch die Welt, (als ein Werk, das auſer der Gott - heit entſtanden iſt, und fortwaͤhret) von dem Vater, Sohn und Heiligen Geiſt, ohne eintzige Trennung des Weſens in die - ſen drei Perſonen, ohne Unterſchied einer directen und indirecten Wuͤrkung, entſtan - den ſeyn, und noch erhalten werden. Des - wegen dann auf die heilige Schrift, eines ſolchen ſchwaͤrmeriſchen Unterſchieds, nir - gendwo mit einem Wort gedenket. Sie nennet die drei Perſonen der Gottheit, den Schoͤpfer Himmels und der Erden, folg - lich einen directen Vater. Malach. 3, 10. 1 Cor. 8, 6. 1 B. Moſis 1, 1. 2. Pſ. 33, 6. Joh, 1, 1. 3. 14. Hiob 33, 4.146chen der Anfang und die Fortdauer der Welt ih - ren Grund hat, wird dem Sohn unmittelbar / als einem directen Vater / dem Vater aber nur mittelbar / nur um des Sohnes willen, als ei - nem Großvater / zugeſchrieben.

§. 51.

Wolte nun jemand ſagen, ein directer Va - ter / heiſe der, welcher ſich im Werk der Schoͤpf - fung Zueignungsweiſe / vor den andern Perſo - nen der Gottheit, offenbaret habe: ſo iſt zu wiſ - ſen, daß 2) dieſes wieder die heilige Schrift ſeye, als welche die Schoͤpfung, ſoferne ſie als ein aͤuſeres Unterſcheidungszeichen der Perſonen, angeſehen wird, nicht dem Sohn, ſondern dem Vater beigeleget hat.

§. 52.
(*)Offenbar. 4, 11. HErr / du biſt wuͤr - dig zu nehmen Preis / Ehre und Kraft / dann du haſt alle Dinge geſchaffen / und durch deinen Willen haben ſie das We - ſen / und ſind geſchaffen. Dieſes Lob - lied ſingen die vier und zwantzig Aelteſte, dem der auf den Stuhl ſaß v. 10. das iſt dem Vater, von welchem das Lamm c. 5, 6. 7. oder der Sohn, ausdruͤklich unter - ſchieden wird. Und dieſem Lamm wird ſo - gleich die Erloͤſung als ſein eigentlich aͤu - ſerliches perſoͤnliches Kennzeichen, beigele - get, und ihme deshalben gleichfals ein Lob - lied angeſtimmet v. 9. 10. 13.
(*)
147

§. 52.

So iſt dieſe Phantaſie des Grafen auch 3) wieder das(*)Dann im Apoſtoliſchen Glaubensbekent - nis heiſet es: Jch glaube an GOtt (1) Vater den allmaͤchtigen Schoͤpfer, (2) an den Sohn / als Erloͤſer und (3) an den Heiligen Geiſt, als Heiligmacher. Dieſes Bekentnis gehoͤret zur Augſpurgiſchen Con - feßion, wie der Augenſchein zeiget. Aber der graͤfliche Geiſt iſt ſchon lange daruͤber hinaus. Er ſchreibet in einer Predig uͤber das Richteramt des Lammes / gehalten zu Marieborn 1744. den 15. Nov. wir (ſ. 3.) haͤtten unſere Eintheilung in die Werke der Schoͤpfung / der Erloͤſung / und der Heiligung / erſparen koͤnnen / welche aus nichts anders herkommt / als aus einem Vernunftſchlus / daß man ei - nerfeden Perſon in der Gottheit muͤſſe ein Amt geben / und haͤtten das alles dreyes (die Schoͤpfung, Erloͤſ - und Heili - gung) dem koͤnnen laſſen / dems gehoͤret / nemlich JEſu Chriſto ꝛc. Glaubensbekentnis der gantzen Chriſtenheit, welches er eben deswegen eines Hauptirthums hierinnen beſchuldiget hat.

§. 53.

Und 4) geſetzt, aber nicht zugegeben, daß ſich der Sohn im Werke der Schoͤpfung, und nichtK 2der148der Vater, zueignungsweiſe offenbaret haͤtte; ſo waͤre es doch wieder die Schrift, und wider die Sprache der gantzen Chriſtenheit, dem Va - ter deshalben den Namen eines directen Vaters abzuſprechen. Es bliebe demnach ein Wahnwitz (§. 50.)

§. 54.

Ja 5) warum ſolte gar der himmliſche Vater um der Schoͤpfung willen ein Schwiegervater der Menſchen ſeyn? wenigſtens, wie ſolte das Lied, welches der Herr Graf anfuͤhret, hierzu den Be - weis geben? Jm Lied heiſet es: weil Chriſtus unſer Bruder iſt / ſo iſt die erſte Perſon un - ſer Vater. Jſt dann nun Chriſtus dadurch un - ſer(*)Der Graf ſpricht ja ſelbſt, Chriſtus ſeye durch die Schoͤpfung, unſer directer NB. Va - ter worden. Ja im Fal auch wahr waͤre, wie doch in Ewigkeit nicht ſeyn kan, daß der Heiland durch die Schoͤpfung und ordent - liche Kinderzeugung, unſer Bruder gewor - den; ſo kan ja der himmliſche Vater da - durch kein Schwiegervater werden. Dann wer hat jemals gehoͤret, daß die Bruͤder, als Soͤhne eines Vaters, deswegen dieſen Vater ihren Schwiegervater nennen? der verwirte Geiſt dieſes Spoͤtters der gantzen Chriſtenheit, und des hochgelobten GOt -tes, Bruder worden, daß er uns geſchaffen hat?

§. 55.149
(*)tes, menget alles durcheinander. Nicht durch die Schoͤpfung, ſondern durch die neue Schoͤpfung, nemlich die Wiederge - burt, und durch den Glauben an den Er - loͤſer, bekommen wir, in unſerer Maaſe, das Kindesrecht JEſu, und nennen ſeinen Vater, unſern Vater, wie er ſelbſt uns befohlen hat: Jch fahre auf zu meinem Vater / und zu eurem Vater / nicht aber zu eurem Groß - oder Schwiegervater / Joh. 1, 12. Epheſ. 1, 5. 6. Joh. 20, 17. Und daher heiſet der Sohn GOttes der erſtgebohrne unter vielen Bruͤdern Rom. 8, 29. Wann aber der Heiland wegen der Wiedergeburt unſer Vater heiſet, ſo heiſet die erſte Perſon aus eben dem Grund unſer Vater / der uns geiſtlicher Weiſe ge - zeuget hat Jac. 1, 17. 18. mit nichten aber unſer Groß - oder Schwiegervater. Aber, wann der Herr Graf die neue Schoͤpfung zugleich als einen Grund annimmt, war - um der himmliſche Vater unſer Groß - und Schwiegervater werde, ſo kommt er wie - der in die voͤllige Verwirrung; dann, nach ſeiner Fantaſie, wird da die erſte Perſon ein directer Vater werden muͤſſen, und her - nach allererſt ein Schwiegervater, wann er dieſe ſeine Kinder, nachdem ſie aͤlter wor - den ſind, mit ſeinem Sohn als dem Braͤu - tigam, vor welchen Er und ſein Gottesge - mahl ſie auferzogen, wuͤrklich vermaͤhlet.
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K 3150

§. 55.

6) Dieſe graͤfliche Schwaͤrmerei iſt demnach aus einer andern von gleicher Art, entſtanden. Dann dieſer verwirte Kopf hat ſich, die erſte Perſon der Gottheit, als den Ehemann / den Heiligen Geiſt aber als deſſen Gemahlin, vorge - ſtellet. Mit dieſem ſeinem Gottesgemahl / ſoll der Vater, als die erſte Perſon, Kinder haben. Dieſe Kinder ſolang ſie noch klein ſind, nimmt dann der Braͤutigam JEſus, vor welchen die Mutter, der Heilige Geiſt, ſie erziehet, an ſei - ne Bruſt; wann ſie aber erwachſen ſind, erken - net er ſie / und ſie erfahren ſein Umarmen um die Achſeln / wie der Bruͤder(*)Jch will dieſes alles mit ſeinen eigenen Worten ſagen. 1) Der Heilige Geiſt, iſt unſere Mutter, wie auf der andern Seite, der Heiland, zum Unterſchied beeder Perſo - nen, wegen der Schoͤpfung und natuͤrlichen Zeugung unſer Vater iſt. (§. 49. *) Jn ſeiner Predig vom Dieneramt des Lam - mes / gehalten zu Marieborn am 2ten Sonntag des Advents 1744. den 6. Dec. Man thut (ſ. 8.) am beſten / man laͤſt den Heiland mit dem Geſchwiſter han - deln / man laͤſt die Arbeit der Mutter / man verlaͤſt ſich auf ihn / und auf die treue Mutter. Wann es der armen See -le ihr Um -armen151armen. Daraus erhellet, wie GOtt der Va -ter,(*)le wird noͤthig ſeyn / werden ſie ihr ſchon zu Huͤlfe kommen. Wer iſt dann nun dieſe Mutter? Antwort: Der Heilige Geiſt / iſt die Mutter. Siehe die Predig uͤber das Richteramt des Lammes / gehal - ten zu Marieborn 1744. den 15. Nov. Da weiſet er uns (ſ. 21.) auf den beſtaͤndi - gen Umgang / den wir haben ſollen mit unſerer Mutter / dem Heiligen Geiſt. 2) Der Heilige Geiſt, die dritte Perſon der Gottheit, heiſet eine Mutter, theils a) weil die erſte Perſon der Gottheit (er verſtehet meines Erachtens, die erſte und nicht die andere Perſon, wiewohl das letzte nicht beſ - ſer waͤre) der Mann, und die dritte Per - ſon, der Heilige Geiſt, ſein Gottesgemahl iſt: theils b) weil auch Kinder von dieſer Mutter, die den Mann hat, wuͤrklich da ſind. So heiſet es a) in der Gemeintags - rede vom 20 Jenner 1745. die ſich mit dem Geſang anfaͤngt: Des wundten Creutz - gotts Bundesblut / die Wunden Wun - den Wundenflut / ihr Wunden! ja ihr Wunden! Eur Wunden Wunden Wun - den Gut / macht Wunden Wunden Wunden Muth / und Wunden / Her - tzenswunden. Wunden! Wunden! Gei -K 4ſelwun -152ter, theils ihr Großvater wird, weil ſie wegen der Schoͤpfung ſeines Sohnes Kinder ſind:theils(*)ſelwunden! Dornenwunden! Naͤgel - ſchrunden! Speerſchlitz! Gruͤß euch GOtt ihr Wunden! in dieſer Predig heiſt es (ſ. 14.) wann ſie alles was ſein (des Lammes / (ſ. 13.) Volk genieſt / genieſen werden / daß ſein Vater ihr treuer Schwaͤ - hervater wird / daß ſie ſein Gottesge - mahl / der Geiſt / fuͤr den Braͤutigam erziehen wird. ꝛc. b) Von den Kindern dieſes Gottesge - mahls / des Heiligen Geiſtes, oder dieſer Mutter / die einen Gemahl hat, lieſet man folgendes in obgedachter Pred. vom Richteramt des Lammes / (ſ. 11.) unſer neuer Geiſt / iſt ein Kind des Heiligen Geiſtes / etwas hypoſtati ſches in uns / ſo was weſentliches / daß er wuͤrklich ſein Geſchaͤft und Verrichtung / in Regie - rung unſerer gantzen Perſon / taͤglich und ſtuͤndlich beweiſet ꝛc. und, noch deutli - cher, (ſ. 12. 13. ) das iſt eine ausgemach - te Sache / ſo ſieht der Menſch in ſeinem Geiſt aus / der Menſch GOttes / das Kind des Heiligen Geiſtes / das mit Warheit zum Heiland ſagen kan: Ach Bruder! das mit Warheit zum H. Geiſtſagen153theils ihr Schwiegervater / weil eben ihr Va - ter JEſus, auch ihr Mann wird.

K 5§. 56.

(*)ſagen kan: Ach Mutter! das mit War - heit Abba ſagen kan zum Vater JEſu / weil JEſus ſein Bruder iſt. 3) Wann dieſe Kinder noch gering ſind, ſetzet ſie der Braͤutigam JEſus, vor den ſie erzogen werden, an ſeine Bruſt, und wann ſie aͤlter werden, erkennet er ſie. Das ſtehet in vorberegter Gemeintagsrede vom 20. Jenner 1745. ſ. 14. wenn der Ge - danke recht lebhaft wird / daß Er (das Lamm ſ. 13.) ſie an ſeine Bruſt ſetzt / und wann ſie aͤlter werden / erkennet. Das folgende ſteht oben (num. 2. a ſ. 152.) 4) Sie erfahren des Heilandes Umarmen um die Achſeln, wie der Bruͤder ihrs. Das lieſet man in eben gedachter Predig, (ſ. 12.) von der Stund an / daß die Seelen in die Gemeine aufgenommen werden / ſol - len ſie mit dem Zimmermann JEſu in der genaueſten Connexion / in dem kind - lichen und beſtaͤndigen Umgang ſeyn / wie ſies von uns (den Herrnhutern) taͤg - lich ſehen. Und (ſ. 14.) wenn man vom Heiland eben das erfaͤhret / was man vom Geſchwiſter erfaͤhret / wenn man warhaftig vom Heiland umfangen wird /wenn

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(*)wenn man um die Achſeln ſein Umar - men erfaͤhret / wie der Bruͤder ihrs / ꝛc. Ein Chriſt verehret das allertheuerſte Ge - heimnis der Vereinigung JEſu mit der glaubigen Seele, und die darbei genoſſene zaͤrtlichſte Empfindungen, mit heiligſter Verwunderung, und demuͤthigſten frolo - kenden Preis ſeines groſen Namens. Er huͤtet ſich aber vor ſinnlichen Vorſtellungen und Worten, mit welchen ihm in der heiligen Schrift nicht vorgegangen iſt. Der Herr Graf hielte dieſe Rede, da eben 50. neue Mitglieder in die Gemeine aufgenom - men wurden (ſ. 13.) denen er dieſes alles wuͤnſchet. Ob es aber die vernuͤnftige lautere Milch 1 Pet. 2, 2. geweſen ſeye, die vor neue Gemeinglieder gehoͤret, das wird ſeinem Gewiſſen uͤberlaſſen. Jch ſehe daß er ſeine Thorheit in der ſo oft angefuͤhrten neueſten Schrift, (Creutz - reich (ſ. 66.) gar vor eine philoſophiſche Scharfſinnigkeit ausgeben will. Nechſt deme beziehet er ſich, bald auf das Exempel einiger Vorgaͤnger, bald auf die Schrift. Aber von beiden hat er gar nichts erwieſen. Daß die Heil. Schrift den HErrn unſern GOtt, wegen der Aehnlichkeit der Liebe, und gewiſſer geiſtlichen Wolthaten, mit den muͤtterlichen leiblichen Liebesproben, einer Mutter vergleiche, oder einem Weibe / dasihres
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(*)ihres Kindes nicht vergeſſen kan; das hat der Herr Graf in ſeiner Kindheit ſchon lernen koͤnnen, da er noch ein Lutheraner war. Daß man aber den Heiligen Geiſt deswegen 1) eine Gemahlin von einer an - dern Perſon der Gottheit nennen ſoll, das ſtehet nirgends in der Schrift. Ja es wird 2) der Heilige Geiſt niemal zum Unterſchied der andern Perſonen eine Mutter genen - net. Die Stelle Jeſa. 66, 9. iſt betrieg - lich von ihm beigeſetzt. Es ſtehet nicht ein Wort da, daß der Heilige Geiſt zum Un - terſchied von den ander goͤttlichen Perſonen eine Mutter ſeye. Die Rede iſt von dem Meßias, welcher geiſtliche Kinder zeuget durch die Wiedergeburt, mittelſt Wort und Sacramenten. Und 3) wann es wahr iſt, daß im A. T das Geheimnis der H. Dreieinigkeit niemal ſo auseinander ge - ſetzet worden: wer heiſet dann den Gra - fen, es auf eine Art auseinander zu ſetzen, die weder im alten noch im neuen Teſta - ment gefunden wird? dann er hat ſelbſt aus dem N. T. keine Sylbe beygebracht. Jm Gegentheil 4) was im A. uud N. T. auseinander geſetzt worden, daß der Va - ter zueignungsweiſe der Schoͤpfer / der Sohn der Erloͤſer / und der Heilige Geiſt der Heiligmacher ſeye; das verwirft er trotziglich, und ſpricht: die Chriſten haͤttender
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156

§. 56.

Nachdeme nun der Herr Graf unter andern Hauptirthuͤmern der Chriſtenheit, und Lutheri - ſchen Kirche, auch den jetztberuͤhrten ausgemer - tzet hat, nemlich daß ſie den Vater vor einen di - recten Vater, halten, der ſich im Werk der Schoͤpfung offenbaret habe; ingleichem, daß ſie die drei Perſonen der Heil. Dreieinigkeit durch die aͤuſerlichen Werke, der Schoͤpfung / Er -loͤſung(*)der Gottheit dieſe Aemter vermittelſt eines Hauptirthums (§. 49. *) aufgebuͤrdet. Wann demnach die Chriſtenheit darinnen falſch lehret und einen Hauptirthum he - get / da ſie durch gewiſſe Geſchaͤftnamen (die dem Grafen nicht anſtehen) eine Per - ſon von der andern unterſcheidet: ſo muß er nothwendig zugeben, daß er ein falſcher Lehrer und Hauptirgeiſt ſeye, wann man ihm erweiſen kan, daß der Geſchaͤftname, wodurch er den Heil. Geiſt, als eine Mut - ter, vom Vater und Sohn unterſcheiden will, blos in ſeinem Gehirne gewachſen ſeye. Er wird uͤbrigens nicht uͤbel thun, wann Er ſich bekant machen will, was Tertul - lianus gegen die Valentinianer ſchreibet, weil doch jemand von ſeinen Genoſſen, ver - ſchiedene gegen die Heiden gebrauchte Aus - druͤcke dieſes Mannes, auf ſein Creutzreich geſchrieben hat.157loͤſung und Heiligung unterſcheiden: nachdeme er ferner an deren Stelle, andere Kennzeichen der Perſonen, nemlich des Schwiegervaters / Großvaters / des Gottesgemahls / der Mut - ter / und dergleichen, geſetzet(*)Jch rede hier von dem, was kuͤrtzlich geſche - hen iſt, ohne zu wiederholen, was andere be - ruͤhmte Maͤnner von den ſchaͤdlichen Neue - rungen des Grafen, in Lehr, und Anſtalten, der Welt vor Augen geleget haben, und da - von die Sache ſelbſt bey taͤglicher Erfahrung, der beſte Zeuge iſt. Wenn er ſeinen Leuten prediget, und dabei in ſeinem rechten Ele - ment iſt, da pfleget er ſonderlich dieſe Me - thode zu gebrauchen, daß er die Jrthuͤmer der Religionen ſchilt, damit ſeine Juͤnger Maul und Naſe auſſperren, und durch die hohe Weisheit ihres uͤbergroſen neuen Apo - ſtels, auſer ſich ſelbſt gerathen ſollen. Jch will etwas weniges, das ich hievon geleſen habe, zur Probe nehmen. Jn der Oſter - predig 1744. ſchilt er die Orientaliſche Kirche (ſ. 4.) weil ſie eine Gewonheit ein - gefuͤhret hatte, nach welcher die Chriſten einander zuriefen: Der HErr iſt warhaftig auferſtanden: Darnach die Apoſtel (ſ. 5.) ferner die heutige Lehrer in Kirchen / weil ſie die Auferſtehung Chriſti mit Gruͤndenbewie - hat; (§. 49. f.) ſo158ſo thut er nun ſein Bekentnis an die obrigkeitli - che Perſonen, im Creutzreich ſ. 28. Erſte War -heit:(*)bewieſen (ſ. 5.) Wiederum die Chriſten - heit / daß ſie aus der Auferſtehung ein Wunder mache (ſ. 7.) darauf die Prote - ſtanten (ſ. 10.) wegen ihrer gemeinen Lehre vom Glauben / welche ſchrecklichen Ab - fall leide. ꝛc. ꝛc. Dieſe gantze Predig iſt eine Controverspredig gegen die Chriſtliche Religionen. Jn der Predig vom Adend - mal des Lammes 1744. den 7. Junii / wie - derleget er die, welche ſich einbilden, das Kommen und Nichtkommen zum groſen A - bendmal, Luc. 14, 16. zeige die Urſachen an, warum man ſeelig oder verlohren wuͤr - de / (ſ. 5.) und er ziehet das alles auf ſich und ſeine Juͤngerſchaft / wann die Leute zu ihm koͤmmen und das Abendmal mit den Bꝛuͤdeꝛn halten. Dann das nennet er heꝛnach ein Abendmal mit dem Heiland (ſ. 10. 13. ) einen genauen Umgang mit dem Heiland / ſichtbare Austheilungen der Gaben des H. Geiſtes / fortdaurende warhaftige Wunder (ſ. 15.) Und da redet er immer von den Proteſtanten / als einer gantz verſchiedenen Religion. Da iſt er im Herrn - haag, und kein Proteſtant. Er redet von lauter Anſtalten und Vorzuͤgen der Gemei -ne /159heit: Daß vielleicht niemand in dem gantzen Lutheriſchen Theil / eine neue Reformationder(*)ne / im Gegenſatz auf die Religionen. Jn der Predig vom Richteramt des Lammes 1744. iſt das erſte Wort ein Verweis vor die Chriſten. Er filtzet die gantze Chriſten - heit, daß ſie der heiligen Dreyeimgkeit was zu thun gegeben / und jeder Perſon ein Amt zugetheilet habe / die Schoͤpfung / Erloͤſung und Heiligung. Die uͤbrige Waſcherei in dieſer duͤſteren Brut ſeiner Fantaſie, zu geſchweigen. Jn der Ge - meinrede am 26. Sont. Trin. 1744. faͤngt er abermal mit dem erſten Wort an, die Schriftausleger in allen Religionen gewal - tig herunter zumachen, wegen ihrer un - vernuͤnftigen Leichtſinnigkeit / die exe - getiſchen Jrthuͤmern vor keine zu halten; und daß ſie ſo viel 100. Jahre gantz un - verantwortlich uͤberſehen haͤtten / daß der Heiland bei Beſchreibung des juͤng - ſten Gerichts mit dreierlei Leuten han - delt; mit denen zu ſeiner Rechten / mit denen zu ſeiner Linken / (ſ. 5.) und mit einer Parthie Menſchen / die gar nichts mit dem Gericht zu thun hat. Und das waͤren die Bruͤder / (ſ. 6. 15. ) und die zur Rechten / wuͤrden eben deswegenin160der Proteſtantiſchen Kirche vor bedenklicher / gefaͤhrlicher / und einigerlei ſolche Unterneh - mungen leichter vor vergebliche Projectmaͤ - cherei haͤlt als ich / ſonderlich ſeit der Zeit /da(*)in die ewige Huͤtten (ſ. 7.) aufgenom - men / weil ſie den Bruͤdern gedienet haͤtten. Auch von denen die einen Hang haben / und bis ans Ende behal - ten / gegen des Heilands ſeine Seelen (ſ. 9.) ſcheinet er gleicher Meinung zu ſeyn. Sie muͤſſen aber in keiner Contra - Bibel leſen (ſ. 10.) die ſie etwan wieder irre macht. Jn der Rede am Gemeintag 1745. am 20. Jenner / zwakt er die Chri - ſtianer jetziger Zeit / die, ſeit deme Athei - ſten (ſ. 7.) und allerlei andere aufrichtige Leute / die Oberhand bekommen / mit - einander eins geworden ſeyen / ihre Re - ligion hinter lauter Vernunft und Ver - ſtand / und ſolche argumenta zu verſchan - tzen / wieder welche auch der kluͤgſte Kopf nichts einwenden kan. Weil ſie aber den Heiland nicht im Hertzen haͤt - ten / ſo koͤnten ſie auch nicht leiden / daß man ſage / der Heiland ſeye ein Bet - telman / ein Zimmermann geweſen / der in der Zimmermanns Profeßion (ſ. 11.) in dem verachteten und geringen Chara -cter /161da ich mit dem Maͤhriſchen Kirchengeiſt naͤ - her bekant geworden. Ja er ruͤhmet ſeine Verdienſte gegen die A. C. und wird nicht ſchamroth dabei ſ. 25: Erſte Warheit: daß wenig Theologen A. C. ſind / die ſogar durch - aus und nach allen Stuͤcken mit der A. C. einſtimmen ja daß vielleicht kein Theo - logus in der gantzen Evangeliſchen KircheL(wem(*)cter / den er mit aus der Welt in die Herrlichkeit genommen / das Special - Haupt der Gemeine / und ein Aelteſter / wie ein anderer Bruder / ſeye ꝛc. Wann nun das alles nicht reformiren hei - ſet, ſo weiß ich nicht, was einer ſonſt thun muͤſſe, wann er reformiret. Doch, es ſoll ſich noch deutlicher zeigen, wann wir wei - ter kommen. (§. 58.) Aber der Graf ſchwoͤ - ret drauf, es ſeye nicht wahr. Auſer dem, davon er oben die obrigkeitliche Perſonen verſichert hat, reiniget er ſich nochmal ge - gen die Bruͤder zu Marienborn, in der Predig vom Gehen mit Thraͤnen ſaͤen / ſ. 12. Wir wollen den Leuten das Lamm gern ins Hertz bringen / das iſt unſer Amt. Dann die Leute in den Religio - nen informiren / den Leuten Erkentniſſe beibringen / die Leute in ihren principiis corrigiren / das iſt eigentlich nicht un - ſer Plan. 162(wem gellen die Ohren nicht!) ſeit den Beken - nern und Verfaſſern ſelbſt an den Text der ungeaͤnderten A. C. ſoviel Muͤhe und Fleis gewendet / und unter goͤttlichem Segen / ſo - gar in contradictorio, ſoviel damit ausgerich - ret / als unwuͤrdigſt Jch. Und weil er mer - ket, daß dieſes eine Hochſprecherei ſeye; ſo muß der liebe Paulus es auf ſich nehmen: um recht mit Paulo hochzuſprechen. Er meinet, wenn man nur hoch ſpreche / das laute apoſto - liſch. Paulus aber ſpricht noch viel hoͤher, wann er an die falſche Apoſtel, und ihre offenbare Luͤ - gen kommt.

§. 57.

Wie der Herr Graf hinter dem angenomme - nen Dekmantel des Lutheriſchen Lehramts ſeine aͤrgerliche Rolle zu ſpielen, und damit ſeiner Re - chenſchaft vor Menſchen, zu entweichen ſuche, iſt im vorhergehenden ſchon hin und wieder ange - merkt worden. Jetzt will ich noch zum Beſchlus ſeine hierunter waltende Schalkheit entdeken. 1) Er unterſcheidet uͤberall die Gemeinen von den Religionen / oder die Bruͤder von den Re - ligionsleuten. Das ſind ihm zwei verſchiedene, und ſogar einander(*)Gemeinrede im Herrnhaag 1744. den 22. Novemb. ſ. 9. Und das iſt auch die wahre Urſache / warum man (von ſeitender entgegen ſtehende Sachen,daß163daß er bezeuget, die Pfarrer in den Religionenhaͤtten(*)der Bruͤder) ſo an ſich haͤlt / ſich mit den Seelen genauer bekant zu machen / den Seelen recht aufs Hertz zu gehen / ſich die Muͤhe um ſie zu geben / die man ſich noch in den Religionen um ſie giebt. Dann das geſtehe ich frei / daß ich fuͤr meine Perſon mir lange nicht ſoviel Spe - cial-Muͤhe um Seelen gebe / als ſich mancher Pfarrer in den Religionen gibt. Und das iſt kein Wunder. Es erfodert in der That mehr Eifer, die Seelen in den Himmel, als in den Herrnhaag zu brin - gen. Und jenes iſt die Abſicht der Pfar - rer, welche wiſſen, daß der verflucht iſt / der ſein Amt laͤßig thut. Aber der Herr Graf hat ein anderes Jntereſſe dabei; er will es bei den Religionsleuten nicht gerne durch ein unverſchaͤmtes Zudringen aufein - mal verſchuͤtten: damit ſie den Reſpect vor den Bruͤdern, oder des Heilands Leuten / nicht gar beiſeite ſetzen. So faͤhret er fort: Man will das bisgen Vertrauen zu des Heilands ſeinem Volk / (Leute in Religio - nen ſind das nicht) das ſie haben / nicht ausloͤſchen / damit ſie in demſelben Re - ſpect / in derſelben Jdee (wie Dippel und Rock) erhalten werden: Und was iſt dasL 2vor164(*)vor eine Jdee? Der Religionsmann ſoll fortfahren alſo von den Bruͤdern zu den - ken: Jch thue den Leuten guts: ich ha - be ſie lieb: ich ſehe ſie gerne / darum daß ſie Chriſto angehoͤren / daß ſie des Heilands ſeine Leute ſind. Hierbei muß ich im Vorbeigehen etwas be - merken. Der Graf theilet die gantze Welt ein, in Bruͤder und Religionsleute, wie ehedem die Apoſtel, in Juden und Grie - chen. Wann er nun ein Lutheriſcher Pfar - rer iſt; ſo iſt er nothwendig ein Pfarrer der Religionsleute. Dieſe aber ſind keine Leute des Heilandes / wie er bekennet, oder, ſie gehoͤren Chriſto nicht an. Ein Lutheriſcher Pfarrer iſt nothwendig ein Re - ligionsmann: ſonſt waͤre er ein Betrieger. Mithin muß 1) der Herr Graf Chriſto nicht angehoͤren, und 2) wenn man dieſes (gegen ſeine eigene Grundſaͤtze) zugeben wolte; ſo muͤſte er ein ſchreklich untreuer Pfarrer ſeyn, wann er Religionsmaͤnnern, die nach ſeiner Meinung, eben deswegen Chriſto nicht angehoͤren, weil ſie ſolche Maͤnner und keine Bruͤder ſind, nicht mit allem Eifer darzu hilft, daß ſie auch des Heilands Leute werden. Ja 3) ſein Vor - wand, warum er ſolchen Eifer unterlaͤſet, iſt noch viel ſchaͤndlicher. Er ſorget, wenn er den Religionsmaͤnnern ans Hertz gien -ge,165(*)ge, ſo moͤchten ſie den Reſpect gegen die Bruͤder verlieren und ihre Wolthat ein - ziehen. Das heiſt ja, Menſchen zu gefallen, ſein Amt unterlaſſen, und meineidig wer - den an dem Heiland, deme man die See - len zufuͤhren ſoll. Und 4) wie reimt ſich das zu des Herrn Grafen Bekentnis? Er will den Leuten deswegen nicht auf das Hertz gehen, damit nicht dieſes Zudrin - gen, die herrnhutiſche Bruͤder um aͤuſer - liche Vortheile bringen moͤge. Alſo ver - ſaͤumt er die Seelen der Religionsleute, damit er ſeinen Bruͤdern zeitlichen Gewinn ſchaffe. Hingegen will er doch gleichwol den Namen bei Lutheranern haben, daß er, um ihrer Religion willen, ſeine Herrn - huter maͤchtig verkuͤrtze. Siehe das Creutz - reich (ſ. 38.) daß ich / ſeit deme ich mei - ner Lutheriſchen Kirche zu ihrem eigent - lichen Gebrauch ſeit 1741. mich gantz wieder hingegeben / treulich fortge - fahren / mich allen Bewegungen der Bruͤderkirchen zu ihrer Ausbreitung / und faſt aller Orten wuͤrklich erlangten weit gehenden Priuilegiis, allenthalben zu wiederſetzen / und ihnen mehr als drei tauſend Pfarrkinder / wieder abgeſpro - chen. L 3166haͤtten ein Amt(**)Doch, ich will noch eine Stelle bemerken, wo der Herr Graf dieſen Unterſchied ge - woͤhnlich einſchaͤrfet, und ſich gantz von dem Lutheriſchen Lehramt losſaget. Jn der Predig vom Gehen mit Thraͤnen ſaͤ - en ſ. 11. Dann daß wir grade die Leute ſind / die andern zum Gericht dienen ſollen / die der andern Leute ihre Her - tzen verſtokken ſollen / zu dem Prophe - tenamt ſind wir GOtt Lob! nicht be - rufen / das wollen wir den Pfarrern in den Religionen laſſen / den ernſtigen Bedienaar en / die moͤgen allenfals das Amt haben: verſtokke das Hertz dieſes Volks. Aber wann der Heiland uns gnaͤdig iſt / ſo wird er uns mit dieſem Amte verſchonen. Er nennet die Pfarrer ernſtige Bedienaare, im Gegenſatz gegen die Lehrmeiſter der Bruͤder. Hier faͤllt mir bei, was er in ſeinem Bekentnis an die obrigkeitliche Perſonen, oder ſogenannten Creutzreich / vor eine Beilage hat andruken laſſen. Es iſt ſeine Antwort an die Maͤh - riſchen Bruͤder. Da erklaͤret er offenher - tzig, wen er durch die ernſtige Bedienaare, welche die Leute verſtokken, eigentlich mei - ne. Der Ort ſtehet ſ. 218. in der 74tenBei - das die Menſchen verſtokke,wes -167weshalben er ihnen dieſes Amt ohne Theilneh - mung lediglich uͤberlaſſen will.

L 4§. 58.

(**)Beilage. Dann er gehet bei ſeinen Bruͤ - dern gantz anders heraus, als bei den Re - ligionsleuten, die Chriſto nicht angehoͤren, und die man vielleicht nach ſeiner Mode, getroſt beluͤgen darf. Seine Worte lau - ten alſo: Das zwoͤlfte / was ich mit Schmertzen anſehen / und darunter als ein Maͤrtyrer leiden muß / iſt das in al - len guten Hertzen tief eingewurtzelte de - ſiderium des S. Prof. Frankens / und ſeiner Anſtalten / item Herrn D. Lan - gens / und ſonderlich des bekannten An - teſignani dieſes gemeinſamen Principii aller Chriſtlutheriſchen Ernſtigen Bedienaaren, welches (ipſiſſimis Buddei verbis) dahinaus gehet: Faxit Deus cet. Wann nun das Lutheriſche Lehramt ein Amt der Verſtokkung iſt, und wann das Lehramt bei den Bruͤdern etwas beſſers wuͤrket, und der Heiland dieſen Lehrern auch gnaͤdig bleibet / wann ſie dabei ver - harren: ſo muß 1) der Graf ein ſehr leicht - fertiger Menſch ſeyn, wann er dieſe Gna - de des Heilandes vorſetzlich zu verſchertzen, ſein Lehramt bei den Bruͤdern ableget, und den Lutheranern zu gefallen einen Ver -ſtok -

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(**)ſtokker dieſes Volks / der andern zum Gericht dienet / abzugeben, ſich entſchlie - ſet. Dann in ſeinem Creutzreich (ſ. 11.) ſagt er ausdruͤcklich vor der Obrigkeit: Die gantze ſpecies Donatiſmi faͤllet auf diejeni - ge / welche aus einem particulier-Haß gegen der Bruͤder erwehlten / berufenen / und nach allen Regeln / von Welt - und Geiſtlichen confirmirten zweiten Antiſti - lem A. C. ohnerachtet derſelbe / ihnen zu gefallen / ſein Amt noch darzu reſigni ret ꝛc. Daß er aber darauf einen Lutheriſchen Pfar - rer bedeuten wollen, ſagt er ſ. 72. n. 6. da - von zeugen auch die Penſylvaniſche Hiſto - rien ein mehreres, die ſehr fein ſind. 2) Weil er ſo gros auf ſeinen Maͤhriſchen Be - ruf trotzet, ſo iſt billig, daß er gleichmaͤſig erweiſe, und mit Documenten belege, ob, wo, und wann er von den Lutheriſchen Religionsmaͤnnern erwehlt / berufen und nach allen Regeln von Welt - und Geiſt - lichen confirmiret worden ſeye, einen Verſtokker in der Lutheriſchen Religion abzugeben. Dann dieſes waͤre eine von den vornemſten Beilagen, ohnſtreitig. Al - lein ſie fehlet. 3) Cr muß uns belehren, wie den Lutheranern dieſes zu gefallen moͤchte geſchehen ſeyn, daß ſie einen ernſti - gen Bedienaar / oder Verſtokker zu ihrem Pfarrer bekommen? 4) Jhm lieget fernerder
(**)169
(**)der Beweis ob, wo und wann doch der Heiland nach ſeiner Auffahrt, im neuen Teſtament, ein Amt eingeſetzt, das die Verſtokkung befoͤrdern ſolle? oder, weil er es auch ein Prophetenamt zu nennen beliebtet, wo die Verordnung von Chriſto gemacht worden ſeye, daß wir aufeinmal wieder Propheten in der Kirche haben? Und welcher Prophet im A. T. ein Amt der Verſtokkung alſo und dergeſtalt gefuͤhret habe, daß man ſein Amt dadurch von dem Amt der herrnhutiſchen Bruͤder unterſchei - den muͤſſe? Dann wir wiſſen, bekennen und glauben in der Lutheriſchen Kirche, daß der Gott dieſer Welt die Leute verſtokke. Und daß er ſie gegen die Predig Chriſti und ſei - ner Apoſtel, ja gar gegen die groſe Wun - derwerke JEſu leider gar oft verſtokket ha - be. Dennoch aber hat noch kein vernuͤnf - tiger Menſch ſagen koͤnnen, daß Chriſtus und ſeine Juͤnger die Leute verſtokket haͤtten. 5) Wann nun der Herr Graf, mit ſeinem Beweis hier ſteken bleibet, ſo fraget man ihn billig, ob nicht, wann er mittelſt Nie - derlegung ſeines ſogenannten Maͤhriſchen Biſchofamtes, ein ernſtiger Bedienaar und Verſtokker der Religionsleute geworden iſt, ob nicht, ſage ich, in dieſem Fal die Luthe - riſche Kirche, Fug, Macht, Recht und Gewalt habe einen ſolchen leichtfertigenL 5Uber -
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§. 58.

Dieſes iſt dem Herrn Grafen nicht gnug. Sondern er prediget auch im Herrnhaag, bis auf den heutigen Tag, in einer ſolchen Spra - che, die ſehr vernemlich iſt, das auszudrucken, was er von der Lutheriſchen Religion im Hertzen hat. Was duͤnket wohl denſelben um dieſe Be - ſchreibung: Es gibt eine Religion / welche die Quelle ſelber verlaſſen hat / die auſer der Gemeine iſt / die zwar aus dem Pabſtthum vor 200. Jahren ausgegangen iſt / aber jetzt das wieder von den Herrnhutern leiden muß / daß dieſe zu ihr ſagen: Das Wort ſie ſollen laſſen ſtahn und keinen Dank darzu haben. Sprechen etwa die Lutheriſchen Pfarrer ſo, auf ihren Kantzeln? oder ſind es Worte eines neuen Reformanten, welcher, in Anſehung der Lehre, nicht des Lebens, eben das den Lutheranern ſeyn will, was Luther vor 200. Jahren der Roͤmiſchen Kirche war? Jch verlange nichts, dann einen ehrlichen Ausſpruch des Herrn Gra - fen, dabei er aber nicht herrnhutern muß. Und in dieſer Hofnung will ich anfuͤhren, was aus ſeinem Munde(*)Eine Gemeimede / vom Vateramt desSoh - gegangen iſt, an einem feier -lichen(**)Uberlaͤufer, und ſchaͤdlichen Verſtokker, je ehe je lieber dahin zu weiſen, wohin er ge - hoͤret?171lichen Tage, da man das Gedaͤchtnis von derStif -(*)Sohnes / gehalten im Herrnhaag / am 4. Sonntag des Advents den 20. De - cemb. 1744. uͤber den letzten Lammes Text ihres Kirchenjahres. Der heiſt: Ach Vater! und ſtehet dabei: ſiehe Hebr. 2, 13. Da heiſt es ſ. 7. wir ſind hier (im Herrnhaag) eine Verſammlung zu ihm / eine Synagoge / die er erſtritten / druͤ - ber er in ſeiner heiligen Huͤtten noch im - mer wacht. Darum iſt dieſes Land gekauft / und dieſe Wuͤſte gebauet / in dieſen Tagen. Es wird dieſe Woche 22. Jahr / daß alles noch wuͤſte war / wo jetzt unſere Staͤdtgen / unſere Plaͤtz - gen ſtehen. Sie ſind darum gebauet / und es iſt kein Menſch hineingetreten / der nicht wenigſtens vorgegeben hat / daß er es um deswillen thue / der fuͤr ihn geſtorben iſt / und ſich die Gemei - nen mit ſeinem Blut erkauft hat: Der darum geſtorben iſt / daß er die zer - ſtreueten Kinder GOttes zuſammen - bringe / der will / das Plaͤtzgen und Ge - genden in der Welt ſeyn ſollen / wo die in der Welt vergeſſene Sprache geredet wird / die Sprache / die auſer den Ge - meinen unbekant / und in den Religio -nen172Stiftung des Herrnhaags bei den Bruͤdern be - gangen hat.

(*)nen barbariſch zu klingen anfaͤngt / ſo / wie hingegen ihre Sprache in der Ge - meine barbariſch klingt / daß man oft nicht weiß / ob man Hottentotten / oder Religionsleute vor ſich hat / weil ſie die Quelle ſelber verlaſſen / und ſo - viel Zeug uͤber die Bibel geſchrieben ha - ben / daß man bald nicht mehr wiſſen kan / was in der Bibel ſteht. Sobalds aber aufs〈…〉〈…〉 (auf den Buchſtaben) kommt / ſobald es auf die Probe ge - ſtrichen wird / die ſie ſich vor zwei hun - dert Jahren / da ſie aus dem Paſtthum ausgegangen ſind / ſelber geſetzt haben / ſo muͤſſen ſie weichen. Darum berufen wir uns darauf. Jtzt muͤſſen ſie das wieder leiden / daß wir zu ihnen ſagen / was ſie ehedem zu andern ſagten: Uber - fuͤhret uns mit der Bibel. Das Wort ſie ſollen laſſen ſtahn und keinen Dank darzu haben. Man weiß, was in Buͤ - dingiſchen Samml. Theil 1. ſ. 114. ſte - het, wo der Graf bekennet, daß er die Lutheriſche Kirche / ſoferne ſie eine Ver - ſammlung ausmachet / weder vor die eintzige wahre / noch mit allem vor ei -ne

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(*)ne wahre Kirche halte / nach apoſtoli - ſchem Sinn. Was ſich die Herrnhaagiſche Bruͤder hier - bei vor einen Begrif machen muͤſſen, von ihrem Lutheriſchen Pfarrer, das kan ich nicht ſagen. Vielleicht wiſſen ſie nicht, daß der Herr Graf ſich dafuͤr ausgiebt. Oder ſie halten es an ihm vor ein Noth - werk, und erneuern gegen die Hottentot - ten und Barbaren, (die man Proteſtan - ten nennet) das alte Geſetz: Man muß die Ketzer betriegen! Aber das iſt ſo wenig Lutheriſch, als das andere. Doch von dieſer Frage iſt unnoͤthig etwas weiter zu gedenken. Jch habe nur die neue und meines Wiſſens noch von niemand an - gefuͤhrte Stellen beibringen wollen. Recht - ſchaffene, um die Evangeliſche Warheit verdiente Maͤnner, die ich, auch ohne ſie zu nennen, hochſchaͤtze, haben es mit mehreren Urkunden dargethan. Jch erinnere nur dieſes ehe ich beſchlieſe. Das neue Bekent - nisbuch des Herrn Grafen, iſt mit voͤlliger Genehmhaltung ſeiner Gemeine herausge - geben, und kan als eine Religions Urkun - de derſelben, angeſehen werden. Dann ihr Biſchof Muͤller, ein ehemaliger Luthe - raner, dem ſie, wie verlautet, viel Ein - ſicht zutrauen, hat alles mit ſeines Namens Unterſchrift gebilliget, und die Erlaubniszum
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(*)zum Druck foͤrmlich ertheilet. GOtt ver - zeihe ihm dieſe Thorheit. Es wird aber die ſogenannte Gemeine, wann ſie den Heiland lieb hat, wie ſie ruͤhmet, eine merkliche Bloͤſe wahrnehmen, in welcher ſie erſchienen iſt. Die Abweichungen von den Grundlehren dieſes Heilandes, die of - fenbare Unwarheiten, und ſchlangenartige Kruͤmmen, die vorſetzliche Hintergehung der Obrigkeit, ſind warlich keine Kennzei - chen einer Kirche, welche ſich von andern durch Unſchuld und Unſtraͤflichkeit ſo merk - lich unterſcheiden will. Wann das na - tuͤrliche Gewiſſen nur noch mit einem Auge wachet, ſo wird es, bei Erwegung dieſes letzten Satzes, gewahr werden, welch eine unbeſcheidene Verunglimpfung das heiſe, wann ſie in der Zuſchrift (ſ. 5.) ſich bei den Obrigkeiten beſchweren: Daß man ſie zu einer vorſetzlichen Secte und Ke - tzerey mache / mit den Haaren aus der evangeliſchen Kirche herausſchleppe / und von dem Corpore ſondern wolle. Es iſt damit nicht ausgemacht, wenn man bei allen veruͤbten Schalkheiten, noch ein Creutzreich traͤumet. Die Schmach vor den Heiland iſt nur deſto groͤſer, wann Er von denen angefeindet wird, die ſein Creutz im Wapen fuͤhren. Die gute Hertzen ſind am meiſten zu bedauren, welche mehr Willig -keit
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(*)keit als Licht haben. Andere, denen es ein Ernſt iſt, ihren Weg zu pruͤfen, werden gegen - theils mit Haͤnden greifen, in welches Unheil ſie von der Fantaſie eines eintzigen verwirten und hochmuͤthigen Geiſtes geſtuͤrtzet werden, der nachdem er ſich freventlich von der Ge - meinſchaft der evangeliſchen Kirche, unter tau - ſenderlei Schmaͤhungen, mit Gewalt losge - riſſen, nunmehr, da er nicht weiter unterkom - men kan, der uͤber Ausſchlieſung klaget, und Creutz von ſich ruͤhmen will, damit ſein ver - fuͤhrtes Volk die Gemeinſchaft mit Chriſto ſich einbilden moͤge, ſo oft es an Herrenhut ge - denket. Das iſt wenigſtens eine ſtarke und ſehr treuhertzig gewagte Unternehmung, wann jemand, der eine freventliche Spal - tung angerichtet, nachdeme er ſich im - mittelſt mit dem Unrath vielfaͤltiger Jr - geiſtereien ſo befleckt ſiehet, daß er uͤber - all ekelhaftig werden muͤſſen, mit eben dem Ungeſtuͤm, und Gewaltſamkeit wieder in diejenige Kirche hineinſtuͤrmen will, die ei - nen ſolchen von Ungeziefer des Jrſaals und der Schalkheit wimmelnden, und dieſe Stunde auf keine Reinigung bedachten Rottengeiſt, vor nichts anders als was er iſt, obwol mit Seufzen und Erbarmen, er - klaͤren muß.
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About this transcription

TextDie gegenwärtige Gestalt der Herrnhuterey in ihrer Schalckheit
Author Johann Hermann Benner
Extent177 images; 32551 tokens; 5438 types; 224515 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationDie gegenwärtige Gestalt der Herrnhuterey in ihrer Schalckheit wo einige Stücke der neuesten Herrnhurtschen Schrifft: Gegenwärtige Gestalt des Kreutzreichs Jesu in seiner Unschuld zur Warnung der Christenheit, beleuchtet werden 1 Johann Hermann Benner. . 175 S. KriegerGießen1746.

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SUB Göttingen SUB Göttingen, 8 H E ECCL 894/15

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationFachtext; Theologie; Wissenschaft; Theologie; core; ready; china

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ShelfmarkSUB Göttingen, 8 H E ECCL 894/15
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