SEit dem ſich die ſchaͤdliche Spaltung herfuͤrgethan, welche ſo viel Zerruͤt - tung in der Kirche GOttes nach ſich gezo - gen hat, iſt GOtt lob! kein Mangel an ſolchem Zeugnis geweſen, wodurch die - ſem Ubel haͤtte geſteuret werden koͤnnen. Allein, die Liebe zur Warheit und Stil - le, behaͤlt gar ſelten noch einigen Platz in ſolchen Hertzen, welche ſich einmal auf - werfen, das zu ſtiften, wodurch jenes unterdrukt und geſtoͤret werden ſoll. Man ſiehet dieſe Menſchen noch taͤglich in voller Bewegung. Licht und Grund - lichkeit iſt ihre Sache nicht. Redlichkeit und guter Wille ſchwebet ihnen auf der Zunge; aber das innere ſiehet ſo verdreht und ſtoͤſig aus, und zeiget ſeine Geſtalt ſo mercklich, daß kein Dekmantel mehr zureichet, es auf allen Seiten zu verſte - ken.
A 2Eine[4]Vorrede.Eine Ruͤkkehr von dem Wege, den man zu Erreichung ſeines hochgeſetzten Ziels einmal erwehlet hat, iſt bei die - ſem Zuſtand vollends unmoͤglich. Wie ſolte das beiſammen ſtehen, ein Meiſter zu ſeyn, und bei denen Rath zu ſuchen, die man noch lange vor keine Juͤnger achtet? die man eben deswegen verab - ſcheuet, und von ihnen ausgehet, weil ſie dem Beduͤnken nach, ein armer Haufe ſind, ein Babel, und ein Volk das kei - nen GOTT hat? Ein Reich zu bauen, und der Nachwelt melden zu laſſen, daß Thorheit, Schwulſt und Verwirrung den erſten Stein darzu geleget; Liſt aber und Verwegenheit den Gipfel darauf ge - ſteket habe? Darzu wird freilich keine Hofnung ſeyn. Jmmittelſt hoͤret andern theils die Verbindung nicht auf, dieſem Frevel entgegen zu gehen. Es gibt Leu - te, die beſchloſſen haben das zu ſeyn, was ein blinder Fuͤhrer aus ihnen gemacht hat. Die bleiben es auch, und ſeegnen ſich dreimal mit dem Kreutz, wann ſie von der Warheit hoͤren. Es ſind andere, die des Glaubens halber unbekuͤmmert ſitzen,weil[5]Vorrede. weil nichts glauben, ihr beſter Glaube iſt, womit ihr Wandel voͤllig zurechte komt. Die ſind nicht wenig getroͤſtet, wann al - les in der Religion durcheinander gehet. Sie ſtehen hinter dem Vorhang, und la - chen in die Fauſt dabei. Der Herr Graf von Zinzendorf iſt in ihren Augen ein aus - erwehltes Werckzeug zu dieſer Abſicht, und er hat bei ihnen mehr Verdienſte, Preis und Achtung, als wann er ſeiner Geburt und Beruf zu folge, Land und Leute mit ſeinem Talent begluͤket haͤtte. Aber, man hat auch Gemuͤther die Grund ſuchen, und es vor eine Angelegenheit dieſer Walfahrt achten, daß man ſagen kan: ich weiß an welchen ich glaube. Demnach iſt es gut, wann Gelegenheit verſchaffet wird, bei - des gegeneinander zu pruͤfen. Jch habe nach meinem wenigen Vermoͤgen dann und wann dieſes befoͤrdern wollen. Und eben das iſt die Urſache, warum auch die - ſe Blaͤtter offentlich erſcheinen. Der An - blik ſo manches vorſetzlichen Frevels, und geflieſentlicher Schalckheit, verſtattet die Lindigkeit unmoͤglich, die man ſonſt bei Zurechtweiſung eines nur ſchwachen Bru -A 3ders,[6]Vorrede. ders, ohne Verſuͤndigung nicht aus den Augen ſetzen kan. Ubrigens hat die Furcht vor allerlei Bedrohungen, und gewoͤnli - chen Beywoͤrtern die man von dieſem Ge - ſchlechte reichlich zu gewarten hat, keine Macht uͤber mich. Jch ſehe auch nicht, wie die bittere Beſchwerde, welche bei ei - nem gewiſſen Koͤniglichen Hof meinet we - gen eingelaufen, und dem Druk uͤbergeben iſt, zu meinem Nachtheil ausſchlagen moͤchte. Die Warheit wird doch den Aus - ſpruch thun. Und ſie behaͤlt den Sieg; das weiß ich, und glaube es veſte. Der HErr erhalte mich dabei, und uns alle bei dem ei - nigen, daß wir ſeinen Namen fuͤrchten. Gieſen den 17. December 1745.
Gegen -1) Die ſchalkhafte Abſicht / wen das herrnhutiſche Reich 1) ein Reich Chriſti / (§. 1.) 2) ein Kreutzreich in ſeiner Un - ſchuld / (§. 2.) genennet wird / 3) wenn die ge - ſamte Bruͤderſchaft vor ihren Grafen ſtehet / und die Zuſchrift an die Obrigkeit richtet / (§. 3.) 4) wenn der Jnhalt des Buchs betrieglich eingerichtet wird (§. 4. 5.) 2) Vorlaͤufiger Beweis / daß die Herrnhuterey des Herrn Grafen we - der ein Reich Chriſti noch ein unſchuldiges Kreutzreich iſt / (§. 6.)
DJe neueſte Schrift, welche der Hr. Graf von Zinzendorf unter den Siegel und Beitrit ſeiner gantzen Kirche, als eine Vertheidigung und Bekent - nis ihres Glaubens hat ausgehenA 4laſſen,8laſſen, bildet ihren Meiſter vollkommen ab. Sei - ne Abſicht gibt ihm ſolche Maasregeln an die Hand, die ſich am beſten darzu ſchiken, worzu ſie erfunden ſind. Er beginnet allmaͤhlich dasjenige zu fuͤrch - ten, wornach ſein unruhiger Geiſt mit aller Macht bis daher gerungen hat. Deswegen hat er gut ge - funden, alle Kraͤfte ſeiner Argliſt und heimtuͤkiſchen Raͤnke zu verſammlen, um ſich durch ihren Vorſchub aus dem Gedrange zu bringen, in welches ihn ſein uͤbertriebener Frevel nothwendig hat verwikeln muͤſ - ſen. Er merket, da nun ſein aͤrgerliches Unterfan - gen, in den Augen der weltlichen Obrigkeit eben ſo blos geſtellet, wie es ſchon laͤngſt vor dem Richt - ſtuhl des goͤttlichen Worts befunden worden iſt; ſo werde die Weiſſagung Pauli ſich rechtfertigen, welche von ſolchen Geiſtern das Urtheil faͤllet: Sie werden es in die Laͤnge nicht treiben. Was iſt nun Rath? Potentaten, Reichsgerichten und Ver - ſamlungen wird etwas vorzuſpiegeln ſeyn, damit ſie irre werden. Abſonderlich wird es denſelben keinen geringen Begrif von den Herrnhutern bei - bringen, wenn man ſaget, das Reich Zinzendorfs ſeye Chriſti Reich. Denn da wird ein jeder, der nicht offenbarlich ein Feind Chriſti ſeyn will, ploͤtz - lich den Schlus machen: So laſſet euch nun weiſen / ihr Koͤnige / und laſſet euch zuͤchtigen ihr Richter auf Erden. Man wird alſo die herrn - hutiſche Schwaͤrmerey nicht nur dulden muͤſſen, wie man andere Secten duldet, ſondern dem Hei - land wird kein groͤſerer Dienſt geſchehen koͤnnen, als wenn einjeder Potentat es mit allen Kraͤftentraͤget,9traͤget, ſchuͤtzet, und ſo hoch erbauet, daß es einem Pallaſt gleichen moͤge, der auf einem Felſen lieget. Hingegen wird der(*)Das laͤſſet ſich aus den Maximen der herren - hutiſchen Regierungsſorm gar leicht ermeſſen. Jhr Stifter, der Herr Graf, iſt ſo ſtoltz und zornig / daß er gerne Feuer vom Himmel fallen lieſſe, wann der liebe GOtt ihm recht gehorchen wolte. Einen gewiſſen Lutheriſchen Prediger, deſſen Schrift nach ſeinem Tode herausgekommen, hat der Herr Graf bei dem Verraͤther Judas in der Hoͤlle geſehen. Wa - rum? weil in gedachter Schrift der graͤfliche Catechiſmus widerleget worden. Und gleich - wol iſt der Herr Graf weder bei jenes ſeinem Abſchied, noch bei dem goͤttlichen Richter - ſpruch, noch im Himmel, noch in der Hoͤlle zugegen geweſen. Vielweniger hat ihm GOtt offenbaret, wie es um das Hertz dieſes Pre - digers vor und in ſeinem Tode geſtanden. Ja er hat bekennen muͤſſen, daß dieſer Mann ihm Jrthuͤmer gezeiget habe, die er, in der fol - genden Ausgabe des erwehnten Catechismus - buͤchleins, ſelbſt zu erkennen und zu verbeſſern genoͤthigt worden iſt. Geſetzt nun, dieſer Pfar - rer habe den Herrn Graſen beleidiget. Ja geſetzt, er habe GOtt gelaͤſtert, welches der Herr Graf doch nicht ſagen wird. Jſt dann allenfals bei GOtt keine Vergebung geweſen? Hat Fluch die Schilden auf Er -A 5den10den unvermeidlich zerſchmettern, welche nur die ge - ringſte Bewegung dargegen machen. So gedachteder(*)Hat er vor und bei ſeinem Tode kine Gnade zu hoffen gehabt? Der Herr Graf, als ein Richter der Lebendigen und der Toden, ſpricht Nein darzu. Die Sache ſtehet in dem Zin - zendorfiſchen Catechiſmus, vom Jahr 1742, theils ſ. 204. 249, theils. 49. Dann bei die - ſem Menſchen iſt es einmal veſt geſetzet, daß diejenige, welchen ſeine Schalkheit unertraͤg - lich iſt / eben dadurch Suͤnden begehen, wel - che der Suͤnde in den Heiligen Geiſt, nicht unaͤhnlich ſind / wie er oͤffentlich bekennet im Vorbericht zu der Buͤding. Samml. 1. Theil. Ja es gehet ſoweit, wo man ſich gegen die Macht der Warheit nicht ſchuͤtzen kan, daß mit goͤttlichen Gerichten gedrohet wird, um ſich in dem Beſitz ſeiner mit Luͤgen verſchantz - ten Veſtung, behaupten zu koͤnnen. Man weiß ſchon gantz gewiß, daß die Rache GOt - tes zu Beſchuͤtzung der herrnhutiſchen Betrie - gereien ſich aufgemacht habe, und es bleibt nichts uͤbrig, als daß man ſeine Gegner noch einmal, vergeblich, warnen will. So heiſt es in der gegenwaͤrtigen Schrift, ſ. 82. Damit das mit mir angefangene ſcandaloſe Spiel ceſſi re / und die darauf gewiß zu erwartende goͤttliche Gerichte nicht unverwarnet kom - men moͤgen / ſo ruͤge ich hiermit nochmalsund11der Herr Graf ohne Zweifel. Deswegen ſchreibt er mit groſer Zuverſicht auf ſein Titelblat: die gegen -waͤrtige(*)und zum zweytenmahl / der donatiſti ſchen Theolog en ihr noch uͤbriges Gewiſſen. Und was iſt nicht ſein Bann vor ein fuͤrchter - licher Poppantz? nebſt den traurigen Geſchich - ten, von denen, welche ſich in den voͤlligen Ge - horſam ihres Meiſters nicht ergeben wollen? Eine Perſon / (ſpricht er, in eben angefuͤhrter Schrift, ſ. 42.) iſt ſeit 1727. raſend worden / und wenigſtens 9. Jahr blieben / zwey an - dere haben 1730. und 34. ohne daß man ſie angeredet oder genant / zu der Zeit / da man nur in genere von demjenigen Bann geredet / womit ſie / ohne unſere Reflexion darauf / heimlich behaftet geweſen / ſich daruͤber ſo alteri ret / daß ſie vor der Gemeine vor todt hingefallen / und heraus haben muͤſ - ſengetragen werden. Ein anderer hat 1731. geſagt / er wolle es glauben / wan ihn die Gemeine in Zucht nehmen koͤnne / wann er verkrumme / das iſt mit einem Land-kuͤn - digen Schreck-Exempel geſchehen / und vſque ad ipſum mortis articulum gegangen / bis endlich / da er ſich 1733. menſe Sept. von al - len Aertzten verlaſſen / in den letzten Zuͤgen auf einem Wagen nach Herrnhut fuͤhren / und in die Gemeine tragen ließ / die Wun - der-Cur in der Gemeinverſamlung mit ſei -ner12waͤrtige Geſtalt(**)Der gantze Titel heiſſet: Die gegenwaͤrti - ge Geſtalt des Creutzreichs JEſu in ſeiner Unſchuld / das iſt / verſchiedene deutliche Warheiten / denen unzehliche Unwarheiten / gegen eine bekannte Evangeliſche Gemeine in dreyen Abtheilungen entgegen und allen unpartheyiſchen Gemuͤthern vor Augen ge - ſtellet / dem aber der die Hertzen kennet und lenket / und nicht nach dem Anſehen rich - tet / ſondern ein recht Gerichte / zu ſelbſt eigener Mitzeugſchaft einfaͤltig uͤberlaſſen. 4. 1745. des Reichs JEſu in ſeiner Unſchuld.
§. 2.(*)ner offentlichen Abſolution zugleich vno actu erfolgte. Sie iſt von vielhundert Menſchen zugleich geſehen / und von ihm ſelbſt nicht nur nicht gelaͤugnet / ſondern uͤberall / und nur zuviel / ausgebreitet worden. Den fuͤnften hat einige Minuten darauf / daß er mit Veraͤchtlichkeit und inadvertenz aus der Aelteſten-Conferenz gegangen / (nachdem er durch all ihr Bitten und Flehen nicht zu erweichen geweſen / ſondern ſich auf ein goͤttlich Deciſum berufen) der Donner auf der Stelle todt geſchlagen / etwan im Au - guſt 1738.
Aber es hat unſer Herr Gref nicht nur ein Reich Chriſti (§. 1.) ſondern auch ein Creutzreich in ſeiner Unſchuld. Jenes erwekt die Hohen die - ſer Erden zu allem moͤglichen Vorſchub, und daß ſie fein gehorſamlich unter daſſelbige ſich beugen ſollen. Dieſes aber fodert zweierlei von ihnen. Erſtlich ein billiges Mitleiden, welches man dieſen Maͤrtyrern(*)Jch rede hier aus dem Mund des Herrn Gra - fen, ſ. 228. wo er ſeinen Bruͤder alſo ſchreibet: Das XII te das ich mit Schmertzen ſehen / und darunter als ein Maͤrtyrer leyden muß / iſt das in allen guten Hertzen tief eingewur - tzelte deſiderium des S. Prof. Franckens und ſeiner Anſtalten ꝛc. ſchuldig iſt. Sodann einen gerech - ten Unwillen und richterliche Ahndung gegen die Donatiſten, das iſt, gegen alle die boͤſe Menſchen, welche dem goͤttlichen unſchuldigen Reich, durch ihre Streitſchriften ſo viel Plage machen. Das Kreutz dieſes Zinzendorfiſchen Reiches beſtehet nicht etwa darinnen, daß deſen Erfinder nebſt ſeinen Kreaturen, ihren alten Adam kreutzigen, ihren Hoch - muth und Eigenſin unter Chriſtum beugen, ihren offenbaren und haͤßlichen Unfug erkennen, die zur andern Natur gewordene Luͤgen ablegen, und die Warheit reden, die Aergerniſſe, mit williger Auf - opfferung ihrer ſo ſehr ihnen ſchmeichlenden Meiſter - ſchaft, heben und tilgen muͤſten. Das iſt nicht ihr Kreutz. Sondern die gantze Geſtalt dieſes Creutz -reichs14reichs in ſeiner Unſchuld / aͤuſert ſich darinnen: daß ſie verſchiedene deutliche Warheiten denen unzehlichen Unwarheiten entgegen ſtellen / und den lieben GOtt zum Mitzeugen daruͤber anru - fen wollen. Und ſiehe! da erhaͤlt dieſes Creutz - reich einen neuen Vortheil. Dann ein jeder der es dem Herrn Grafen zu Gefallen, dafuͤr anſiehet, der muß auch ſagen und bekennen, daß wer nur ge - gen dieſen Man bisher eine Feder angeſetzt, der aͤrg - ſte Feind(*)Jn der Zuſchrift der geſamten Maͤhriſchen Kirchen-Vorſteher an alle obrigkeitliche Perſonen ꝛc. ſ. 3. beſchweret man ſich klaͤglich, uͤber den bitteren Perſonal - Haß der Theologo - rum, (welchen die Ketzerei der Donatiſten aufgebuͤrdet wird) und gibt ihnen ſ. 5. nicht undeutlich die Schuld, daß eine turbatio pacit publicae, (eine Stoͤrung des oͤffentlichen Frie - dens) durch ſie entſtehen werde. Sonſten aber ſind die Titel der Feinde des Kreutzes Chriſti / der Suͤnder in den Heiligen Geiſt / die Brandmale in ihren Gewiſſen haben / ꝛc. dem Herrn Grafen und ſeinen Reichs-Bedien - ten ſehr gelaͤufig, wann ſie von denen ſprechen wollen, welche dem Aergernis zu ſteuren ſu - chen. Jn dem Zinzendorfiſchen Unfug / (Lerna zinz. ) ſind die Stellen bemerket wor - den. Und des Biſchof Muͤllers Ausdruck, in ſeiner Unterſuchung ſ. 32. ſetzt noch ein Wortdarzu: des Kreutzreichs Chriſti bleibet. Dasmuß15muß vor allen Dingen veſt geglaubet werden, ſonſtwird(*)darzu: offenbare Feinde Chriſti und ſeines Kreutzes. Endlich bricht der Knoten gar, und der Herr Graf predigt offentlich in ſeinem Herrnhaag, den 22. Nov. 1744. in der Ge - meinde am 26. Sontag Trin. und laͤſt es her - nach druken, ſ. 9. die Buͤcher die gegen ihn geſchrieben wuͤrden / ſeyen von den Teufels Apoſteln / die jetzt in der Welt unter dem Namen der Geiſtlichen ordentlich von dem Teufel darzu beſtellt waͤren / daß ſie die Seelen / um die Seeligkeit braͤchten. Und das iſt es, was der Herr Graf von dem gnaͤdi - gen Verſchonen, deſſen ſeine Gegner von ihm genieſen, hin und wieder ruͤhmet. Dann er ſorget vaͤterlich dafuͤr, damit ſie nicht bei recht - ſchaffenen Leuten unbrauchbar werden, im Kreutzreich ſ. 48. Dritte Warheit: daß ich in meinen Apologien / immer mit vor mei - ne Gegner arbeite ihnen Verwirrungen und Beſchaͤmungen zu verhuͤten / und mit einer groſſen Menge Document en darum zu - ruͤkhalte / weil ſie zwar manche Frage ſo - gleich entſcheiden / hingegen aber auch die - ſen und jenen brauchbaren Mann / bey al - len rechtſchaffenen Leuten (ſans retour) auf lebenslang umſtuͤrtzen wuͤrden / davon auch bald (§. 5 *) etwas artiges vorkommen wird. Doch das laͤſt ſich daraus begreifen, was un - ten (§. 18.) erwieſen iſt.16wird man keinen Herrnhuter zumuthen; ſich auf ihre Schriften einzulaſſen.
Die Abſichten ſind kuͤrtzlich angezeiget (§. 1. 2. ) worzu die ſchoͤne Erfindung eines Creutzreichs und ſeiner Unſchuld / als ein Mittel dienen ſoll. Al - lein der Herr Graf hat mehr als einen Weg. Er hat noch beſondere Mittel zu dieſer Abſicht gantz ſinnreich ausgedacht, und ſich abermal in ſeinen Kuͤnſten ſo vollkommen abgeſchildert, wie man ihn vorlaͤngſt, gefunden. Sein Schreibwerk iſt unter dem Namen der gantzen Kirche den obrigkeitli - chen Perſonen zugedacht, wie die Zuſchrift lau - tet. Er hat das Siegel ſeiner gantzen Kirche dar - aufgedrukt, damit es nicht vor eine Privatſchrift angeſehen werde. Dann(*)Zu geſchweigen, daß in der Zuſchrift, dieſe Herrnhuterey des Grafen, vor eine Apologie der gantzen Bruͤderſchaft ausgegeben, und von den geſamten geiſt - und weltlichen Aelte - ſten, Deputirten und Syndicis, unterſchrie - ben wird. Das iſt kein geringes Zeugnis der Monarchie des Grafen, und des geſchwornen Gehorſams, in welchen ſich ſeine Reichsge - noſſen gegen ihren Stifter bequemen muͤſſen. Dann die gantze Hiſtorie dieſes Creutzreichs handelt von den Schalkheiten des Grafen. Wenig anderes iſt da zu finden. Es heiſt im - mer, daß ich / daß memand mehr gethanals der Bruder Biſchofhat17hat allemal ſein Vidit darunter ſetzen muͤſſen. Daraus ſol man ſchlieſen, daß was er gethan, die gantze Kirche gethan, daß er ſich und ſeine gantze Kirche der obrigkeitlichen Cenſur unter - werfe, und nach dem Exempel der wahren Be - kenner, ein gut Gewiſſen, auch keine Schuld an der Stoͤrung des Reichsſriedens (Zuſchrift ſ. 5.) habe. Das uͤbrige iſt ſchon (§. 1. 2. ) erwehnet.
Der Jnhalt beſtehet aus Privatbriefen an Verwandte, ingleichem an die Freidenker in Penſylvanien. Und dem Leſer zur Veraͤnderung ſingt er ein Lied darzwiſchen. (bis ſ. 3.) Dann kommen zwei dutzend Fragen von allerhand Sa - chen und Geſchichten, daruͤber er erſt wieder be - fragt ſeyn, und ſodann antworten will. Darauf hat er wieder ein kleines Zwiſchenſpiel mit einem Gegner, den er gerne im Vorbeigehen ein wenig filtzen wolte. (bis ſ. 17.) Damit ſind ſchon fuͤnf Bogen voll geſchrieben. Nun folget eine Vor - rede von einem Bogen, und ſogleich der Kern des Buchs (bis ſ. 89.) auf acht Bogen, welches er mit einer anmuthigen Anrede an die Gottes - gelehrten, ſehr liebreich und vertraulich (ſ. 90.) Bbeſchlie -(*)als ich. Und das hat nun alles die Kir - che gethan. Sogar auch die ſchaͤdliche Haͤndel die der Graf mit Rock und Dip - peln getrieben hat, und was ihm ſonſt gut gedeucht, auf dieſe Blaͤtter zu ſchreiben, dafur muͤſſen die Bruͤder ſtehen.18beſchlieſet. Das uͤbrige ſind Beilagen von aller - lei Sorten. Und damit iſt die wahre Geſtalt des Creutzreichs Chriſti in ſeiner Unſchuld voͤllig getroffen.
Jn gedachtem Kern des Buchs, zehlet er den obrigkeitlichen Perſonen allerhand ſogenante Warheiten, unter gewiſſen Abtheilungen dar, welche ſagen ſollen, was ſeine Lehre und ſein Thun bis daher geweſen ſeye. Nach der Lehre will er mit Gewalt ein Lutheraner heiſſen, und die Augſpurgiſche Conſeßion hat ſeit kurtzem ihr Leben und Weben ihm alleine, oder neben ihm noch ſehr wenigen andern Stuͤtzen, zu danken. Sein Thun und Laſſen aber iſt eine Reihe von lauter Verdienſten gegen die Lutheriſche Kirche. Seine Anſtalten ſind ſo regelmaͤßig und unſchul - dig, daß ſie der Momus nicht tadeln kan. Mit - hin thun ſeine Gegner nichts anders, als daß ſie ſich mit allerhand Fabeln tragen, die vorſetzlich gegen ihn erdichtet ſind. Und daraus wird bald eine Stoͤrung des oͤffentlichen Reichsfriedens (Zuſchrift ſ. 5.) entſtehen. Das alles hat der Herr Graf ſchon ſo oft geſaget, ſo oft man das Gegentheil in ſeinen Schriften und Werken ge - funden hat. Doch weil er hoffet, es werde end - lich geglaubet werden, wann er es fein oft und endlich auch gar mit Beiſtimmung ſeiner gantzen Kirche, in Form einer Apologie geſaget haͤtte; auch weil das Bekentnis der Lutheriſchen Kirche ihm wenigſtens darzu brauchbar ſcheinet, daß er ſich aus einem Labyrinth dadurch herauszie -hen19hen kan: ſo verlohnt es ihm ſchon der Muͤhe, daß er etliche Bogen Papier nicht ſchonet. Er hat dabei das Vergnuͤgen, fernerhin zu thun was er will, und durch das Symboliſiren nach ſeiner(*)Jn des Herrn Grafen Theol. Beden - ken / ſ. 166. ſtehet ſehr deutlich, wie ſein Bekennen zu der Lutheriſchen Kirche, zu ver - ſtehen ſeye. Nemlich man koͤnne ſolcher Geſtalt alle Jrrthuͤmer weglaſſen / und alle noͤthige Warheiten hinzuthun / und doch ſymboliſiren. Das geh[t]gewiß in andern Religionen nicht an. Man ſiehet alſo, warum Er bisweilen ſich Lutheriſch zu nennen dienlich findet. Er meinet, in an - dern Religionen ſeye man mehr durch die Symbola gebunden. Da wolle ſich das Weglaſſen und Hinzuthun nicht ſo fuͤglich ſchiken, ſonſt wuͤrde er eben ſo leicht ſich zum Alcoran bekennen. Dann wo einer Freyheit hat die Jrrthuͤmer wegzulaſſen / und die noͤthige Warheiten hinzu zu thun / da kan er eben ſo leicht den Talmud vor ſein Glaubensbekentnis annehmen, als die Augſpurgiſche Confeßion. Keine Reli - gion in der Welt iſt ſo abſcheulich, daß ſie nicht einige, wenigſtens natuͤrlichbekante Warheiten, in ſich halten ſolte. Die kan jemand beibehalten, die Jrrthuͤmer weg -laſſen, Maxime, die Haͤnde rein zu waſchen. B 2Dabei20Dabei hat er noch darzu den Vortheil, ſeine verruchte Gegner waker zu ſtaͤupen, die nicht glauben wollen, daß das bloſe Laͤugnen und Laͤ - ſtern, einen offenbaren Jrgeiſt und Verfuͤhrer zu einem Apoſtel mache. Uber dieſes hat der Herr Graf noch eine Hauptmaxime, die iſt bey nahe ſein beſtes Stichblat. Es iſt nemlich gantz natuͤrlich, daß ein jeder vernuͤnftiger Mann bey dieſem Handel denken muß: wann die Herrn - huter recht haben, ſo muͤſſen ſie ihren Gegnern den Ungrund, der ſogenanten Unwarheiten zei - gen: hergegen die Warheit derjenigen Saͤtze be - weiſen, die von ihren Gegnern als Jrgeiſterey beſchrieben werden. Das iſt das kuͤrtzeſte und ſicherſte Mittel, aus der Sache zu kommen. Allein die Herrnhuter ſind dieſer Meinung nicht. Sie gehen einen weit kuͤrtzern Weg, ſie ſagen 1) unſere Gegner verſtehen gar nichts von un - ſerer Lehre. (Zuſchrift / ſ 4) 2) unſer Graf hat neun Zeugniſſe ſeiner reinen Lehre / ſeine Schriften liegen im Druk / und ſeine Gemei - nen haben Fuͤrſtliche Privilegien (daſelbſt / ſ. 2) 3) Unſere Gegner hindern die Einigkeitzwi -(*)laſſen, und die noͤthige Warheiten hinzu - ſetzen. Dann ſimboliſiret er ſo gluͤklich wie der Herr Graf Zinzendorf. Unten wird eine Probe vorkommen, wie er Hauptir - thuͤmer der A. C. nicht nur weglaſſe / und nicht glaube, ſondern auch aufdeke, und auszufegen ſuche. (§. 49.)21zwiſchen uns und ihnen / blos aus einem bit - teren Perſonalhaß / und weil ſie uns in der Diſciplin nichts nachzuſagen wiſſen / ſo pla - gen ſie uns der Lehre halber (daſelbſt ſ. 3) 4) wir duͤrfen unſern Gegnern in Schriften nicht antworten. Es iſt wieder unſere Ver - faſſungen (im Kreutzreich ſ. 65) und der Eh - re unſerer Kirche nachtheilig / weil man ſich〈…〉〈…〉 Koth nicht rein waſchet (im Kreutzreich ſ. 79) 5) Wir ſind gar naturelle und offene Leute / und ein jeder kan ohne Controvers wiſſen was wir wollen. Auch hat der Herr Graf Hauptdocumenten und Volumina einge - buͤſt / daher kan er bis 1730. nicht alles be - weiſen / was zu beweiſen waͤre (ſ. 75) 6) Wir ſehnen uns nach einer obrigkeitlichen Pruͤfung / und koͤnnen / alles Flehens ohngeachtet / nicht darzu kommen / (ſ. 22) und unſere Gegner ſchreiben deswegen ſo getroſt wieder uns / weil ſie den Vortheil haben / daß es mit uns zu keiner Unterſuchung kommt. (Zuſchrift ſ. 4.)
Die Beylagen des Herrn Grafen, welche er den obrigkeitlichen Perſonen vorzeiget, werden ſeiner Abſicht vielleicht beſſer zu ſtatten kommen? So haͤtte ich faſt hoffen ſollen. Allein, wenn man ſie alle geleſen hat, ſo wird niemand klug daraus, was er Jenen damit ſagen will. Es ſind allerlei aufgeleſene, und beliebig zuſammen - gehaͤngte Briefſchaften, die manchmal gantz, manchmal zerſtuͤmmelt und voller Luͤken, auchB 3wohl22wohl ohne Meldung des Jahres, Tages, und Perſonen, oder wenn auch dieſes nichts verſchluͤ - ge, doch von einem Manne dargeleget worden, der ſich aller Glaubhaftig-und Aufrichtigkeit ſelbſt begeben hat (ſiehe unten §. 18.) und deme man folglich Unrecht thun muͤſte, wenn ihm ohne an - derweitige Gruͤnde weiter als man ſiehet, ge - trauet wuͤrde. Er weiſet nirgends an, wohin ſeine Papiere gehoͤren, und welchen Satz ſie erhaͤrten ſollen. Wer ehrlich und ordentlich han - deln will, der thut ſonſt dieſes. Sie haben auch insgeſamt vom erſten bis zum letzten dasjenige nicht in ſich, was zum Beweis dienen koͤnte, der Herr Graf und ſein Anhang ſeye das nicht, was man ſiehet und mit Haͤnden greifet. Dann im Fal auch etwas anders im Brief ſtehet, als man aus den graͤflichen Buͤchern und Thaten ſie - het oder hoͤret, ſo iſt der Brief eben ſo verdaͤch - tig als die Buͤcher und Thaten ſind, und es er - ſcheinet aus ſolchen Briefen nichts anders, als was man ſchon lange weiß, daß nemlich laͤug - nen und luͤgen alsdann unumgaͤnglich ſeye, wenn jemand ſeine Schoosſuͤnden gerne beibehalten und forttreiben, und ſie zu dieſem Ende mit ei - nem guten Namen bemaͤnteln will. Damit pfle - get aber vor GOtt niemand auszukommen, ja nicht einmal vor dem unpartheiiſchen Richtſtuhl der Warheit. Unſers Herrn Grafen aͤrgerliche Schriften und falſche Lehren ſind da, und es iſt faſt laͤcherlich, durch Vorlegung alter und neuer Briefe, jenes abzulehnen. Man muͤſte ſie allebey -23beiſammen haben, und ſonderlich diejenige Sor - te, die mit dem gedrukten Briefwechſel zwiſchen ihm und den Jnſpiranten, uͤbereinkommt. So wuͤrde etwas gantzes daraus. Man muͤſte die Gelegenheit und den Verfolg im gantzen Zuſam - menhang jedesmal vor Augen ſehen. Das iſt es aber, wofuͤr der Herr Samler ſich ſorgfaͤltig huͤ - tet. Ja das artigſte dabei, iſt die heilſame Clau - ſul, womit er den Leſer verwahret. Wer nem - lich in dieſer Samlung etwas findet, das den Herrn Grafen ſchildert wie er iſt, mithin in des Ausgebers Kram nicht dienet, ſondern von ſei - nem Unfug unvorſichtig ein Zeugnis abgeben kan, der ſoll es gehorſamlich uͤberhuͤpfen, und thun als wann es nicht da ſtuͤnde, oder vor ein Ge - heimnis anſehen, und ſich ſeiner Blindheit fein demuͤthig beſcheiden. Weil ſonſt folgen muͤſte, daß der Herr Graf ein(*)So heiſt es in der Einleitung auf der letz - ten Seite: Man kan alſo nicht umhin / hiermit ein vor allemal zu declari ren / daß / da ohnedem kein vernuͤnftiger Menſch glauben wird / daß wir ſelbſt aus Dumheit einige Document en und Schriften gegen uns produci ren werden / die Schuld / wenn man dergleichen doch daraus mehr erzwinget als beweiſet / le - diglich bey dem Leſer ſelbſt zu ſuchen ſeye / der entweder nicht im Stande geweſenzu dummes GeſchoͤpfB 4ſeye,24ſeye, und zugleich ſeine gantze Kirche, die vor ſei - ne Glaubwuͤrdigkeit nun ein - vor allemal haftet. Sie(*)zu beurtheilen / was wir eigentlich mit dieſen oder jenen Urkunden haben bewei - ſen wollen / und alſo aus Unverſtand ei - nen Wiederſpruch gegen uns herausge - bracht / oder aber (welches faſt das or - dinai re und gewoͤhnlichſte iſt) aus Boz - heit den klaren Beweis uͤbergangen / und ſich bey unnoͤthigen und mit Haaren her - beygezogenen Schwierigkeiten aufgehal - ten / die ihm ſogleich von ſelbſt wuͤrden weggefallen ſeyn / ſobald er nur mit ei - ner civilen Ehrlichkeit den Beweis un - ſerer aſſertorum in unſern Documen ten geſucht haͤtte. Gleich darauf wird auch angemerkt, um ſich vielleicht nicht befremden zu laſſen, wann dieſe Schreibereien nicht viel zur Sa - che thun, und nichts dadurch bewieſen wird: wie man ſich alsdann am beſten uͤber - zeugen koͤnne. Nemlich man ſoll glauben und veſt halten, daß der Herr Graf aus beſonderer Achtung vor ſeine Gegner, die er gerne verſchonen will, mit dem recht gro - ben Geſchuͤtz nicht gerne anruken wolle. Es ſcheinet dem Leſer zuweilen eine Explication ungenugſam. Nun kan man ihm zwar hierinnen wenig hel - fen / (man bekennet daß die Huͤlfe uͤber -all25Sie haͤtten ja ſonſt ihre eigene Schande kund ge - macht. Und wer wolte ſolch eine Todſuͤnde an Herrnhut begehen? Oder glauben, daß das alte Sprichwort noch gelte: ein Erfinder muͤſſe ein gut Gedaͤchtnis haben?
Doch, ich habe von dieſer neuen Herrnhuterei, ſchon mehr geſagt als ich willens war. Es iſt mein Vorhaben gar nicht, dieſelbe von Stuͤck zu Stuͤck durchzugehen. Meine dermalige Umſtaͤn - de leiden es nicht, und es wird an ehrlichen Leu - ten nicht fehlen, die ſolche Muͤhe uͤbernehmen koͤnnen. Eins darf ich unerinnert nicht laſſen. Nach des Herrn Grafen angenommenem Grund - ſatz beſtehet die wahre Geſtalt des Creutzreichs JEſu in ſeiner Unſchuld / darinnen, wann verſchiedene gegen dieſes Reich oder vielmehr gegen ihn den Grafen (maſſen faſt alles, was in dieſem Buch ſtehet, ſein eigenes Verfahren betrift) ausgeſprengte Unwarheiten / mit ent - gegengeſetzten Warheiten wiederleget werden koͤnnen. (§. 2.) Wenn ich nun dieſen Grund - ſatz annehme, ſo wird der Herr Graf nothwen - dig zugeben muͤſſen, daß ſein Reich aufhoͤre, einB 5ſol -(*)all ſehr duͤrftig ſeye) weil er die beſten ar - gumenta aus Menagement vor ſeine Gegner / ſeinen nechſten Freunden cachi ret. ꝛc. Der - gleichen iſt auch ſchon oben da geweſen. (§. 2 **)26ſolches Creutzreich zu heiſſen, bis entweder Er ſelbſt, oder ſeine Biſchoͤfe und gantze Hofſtat, zu erweiſen im Staude ſind, daß ſchriftlich aus - geſtreuets ſchaͤndliche Jrlehren, Warheit, boͤs - artige Unternehnungen, Unſchuld, und im Ge - gentheil die von uns wieder ſie ergangene Zeug - niſſe,(*)Die wenigen Zeugniſſe, welche von mir, aus Pflicht, und Liebe zur Warheit, ſind abgeleget worden, habe ich mit ſolchem Be - weis verſehen, welchen der Herr Graf wohl wird ſtehen laſſen. Was ich angezeigt und wiederleget habe, das ſtehet im herrnhuti - ſchen Lehrbuͤchlein / in den Buͤdingiſchen Samlungen / in den graͤflichen Predigten / in ſeiner Bibeluͤberſetzung mit deutlichen Worten. Ein jeder Leſer ſiehet und faſſet ſie ohne Kopfbrechen. Und wann er die Bibel darneben leget, und die Augſpurgi - ſche Conſeßion auf die andere Seite, (weil ſich doch auf letztere der Herr Graf ſo frei - gebig beziehet) ſo wird ſich ergeben, was Warheit ſeye: und es wird den Herrn Gra - fen ſein Proteſtiren wenig helfen, da ſein voriges ſowohl als gegenwaͤrtiges Thun und Laſſen, das offenbare Gegentheil im Munde fuͤhret. Urkunden und Nachrichten von beſonderen Begebniſſen und Faͤllen, ha - be ich nicht erhalten noch ſamlen koͤnnen. Wes - Unwarheit ſind. Auf welcher Seitedie27(*)Weshalben ich nur die eigene und unlaͤug - bare Schriften des Verfaſſers zum Grund der noͤthigen Wiederlegung, genommen ha - be, um das Aergernis und die Verfuͤhrung abzulehnen, welche ſo leichtfertig, durch dergleichen ſchaͤdliche Misgeburten, verur - ſachet worden. Alſo gehet mich ſeine Kla - ge gar nicht an, die er uͤber erdichtete Hi - ſtorietten, bekant gemachte Briefe, falſche Nachreden, oder ſonſten den Grund der Lehre und Kirchenverfaſſung nicht betreffen - de Stuͤcke, ſo barmhertzig gefuͤhret hat. Hin - gegen, wenn der Herr Graf mit allen ſei - nen Helfershelfern hier etwas anfangen will, ſo muß er entweder ſeine eigene Schriften laͤugnen, (das unmoͤglich iſt) oder die Gruͤn - de wiederlegen, die man gegen ihn gebrau - chet, welches er noch mit keinem Wort ge - than hat, noch zu thun vermoͤgend iſt. Sonſt laͤuft ſein elendes Geſchwaͤtz auf Luft - ſtreiche hinaus, dadurch obrigkeitliche Perſonen nur geaͤffet werden. Dahin rech - ne ich die Beſchwerde, welche ſein Geſinde bei des Koͤnigs in Preuſſen Majeſtaͤt gegen mich eingegeben, und durch oͤffentlichen Druk bekant gemacht hat, (Beylage 67. ſ. 209.) Man verlanget Unterſuchungen / und gibt fuͤr, ſein Gegentheil ſcheue dieſel - bige, wie den Brand. Eben als ob das keine Unterſuchungen waͤren, wann recht - ſchaffene Gottesgelehrten, die ausgeſtreuteHerrn -28(*)Herrnhutereien nach dem unfehlbaren Wort GOttes unterſuchen, und deren verderbli - che Saͤtze der gantzen Welt vor Augen ge - leget haben. Wolte GOtt, es wuͤrde von Seiten der hohen Obrigkeit endlich ein ge - rechtes und unpartheiiſch Auge auf dieſen Frevel gerichtet, weil doch dieſes Volk ſo ſehr auf obrigkeitliche Unterſuchungen tro - tzet, und bei der auſerordentlichen Gedult, die man mit ſeinem Unfug traͤget, ſogar die Frechheit hat, den weltlichen Arm rege zu machen. Jch meines Orts verſichere die Herrnhuter hiemit ſamt und ſonders, foͤrm - lich und feierlich, daß ich mich jedesmal bei meinen wieder ſie gedrukten Schriften wer - de finden laſſen. Sie ſind, wie gedacht, gegen keine Hiſtorien, ſondern gegen die gedrukte Lehrſaͤtze der Herrnhuter gerichtet. Dieſe ſind allemal mit ihren eigenen Worten, auch Benennung der Buͤcher und Stellen, redlich vorgetragen und mit richtigen Gruͤn - den abgefertigt worden. Sie betreffen kei - ne Gleichguͤltigkeiten, ſondern ſolche ſchaͤnd - liche Lehren und Thaten, welche ihren Ur - hebern theils den Namen der Chriſten, theils der Proteſtantiſchen Chriſten, nothwendig ab - ſprechen. Jm Fal ich meine Saͤtze nicht behau - pten kan, ſo will ich ſelbſt bitten, daß mein gnaͤ - digſter Landesfuͤrſt, und die gantze Lutheriſche Kirche, die haͤrteſte Ahndungen uͤber mich ver - haͤngen ſoll. Das ſchreibe ich mit gutem Be -dacht,29die Warheit(**)Jch muß noch eins hierbei erinnern. Wann der Herr Graf die Geſtalt des Creutz - reichs JEſu in ſeiner Unſchuld / darin - nen ſetzet, daß er etliche vermeinte War - heiten den angeblichen wieder ihn ausge - ſprengten Unwarheiten entgegen zu ſetzen hoffet: ſo hat ſeine Beſchreibung von einem Creutzreich JEſu, alle Fehler, die eine un - taugliche Beſchreibung nur haben kan. Dann 1) folget es gar nicht, daß eine Re - ligionsverfaſſung deswegen ein Creutzreich JEſu ſeye, weil verſchiedene Unwarheiten, die man allenfals zeigen koͤnte, dagegen ausgeſprenget werden. Jch ſetze den Fal, (ohne der Warheit etwas zu vergeben) daß jemand eine Unwarheit gegen die Herrn - huter ausgebreitet haͤtte. Folget dann dar - aus, daß ihre Religion und Sitten unta - delich, ja ein Creutzreich JEſu ſind? Die heutige Juden haben ſich beſchweret, daß ein gewiſſer gelehrter Mann, ein Buch ge - gen ſie geſchrieben, welches mit Erdichtun - gen auf ihren Glauben, angefuͤllet ſeye. Sie haben Mittel gefunden dieſes Buch lange zu unterdruͤken. Haͤtte der Verfaſ -ſer ſtehet, die wird nach herrn - hutiſchem eigenen Geſtaͤndnis das Creutzreich inſeiner(*)dacht, und will durch GOttes Gnade da - bei ſo veſte ſtehen, wie der Berg Zion.30ſeiner Unſchuld ſeyn. Das gegenſeltige findet ſo - dann von ſelber ſeinen verdienten Namen. Ja,wann(**)ſer dieſes Buchs wuͤrklich etwas geſchrie - ben, das ſie mit Grund ablehnen koͤnten: wer wuͤrde deshalben ſagen: Das Judi - ſche Reich iſt ein Creutzreich JEſu in ſeiner Unſchuld? Das Creutzreich JEſu, und deſ - ſen Unſchuld, unterſcheidet ſich dadurch von allen andern Reichen, daß es (1) die von JEſu geoffenbarte Warheiten, die unſer ewiges Heil, und deſſen Ordnung betref - fen, rein und unverfaͤlſcht bewahret; und dieſelbige zum Glauben an JEſum, und zur Nachfolge dieſes Heilandes gebrauchet, (2) daß es vor dieſe Warheiten ſtreitet, und ſowol um derſelben, als der Nachfol - ge JEſu willen, alles gerne und freudig er - duldet. Jch geſchweige des inneren Creu - tzes, welches in taͤglicher Verlaͤugnung ſei - ner ſelbſt, und Creutzigung des alten Adams und Kampf gegen die geiſtlichen Feinde, be - ſtehet. Eine Gottesdienſtliche Geſellſchafft, die um dieſer Sachen willen, und dabei mit gehoͤriger, nach dem Sinn Chriſti gebildeter Gemuͤthsfaſſung, leidet, die hat die wah - re Geſtalt des Creutzreichs JEſu in ſei - ner Unſchuld. Ein anders iſts, wann je - mand um Ubelthat willen leidet, ins beſon -dere31wann ſein Stifter ſich ſelbſt vor einen Mann er - klaͤret, dem kein Wort zu glauben iſt, wie bald(§. 18.)(**)dere wann er leidet, als einer der in ein fremd Amt greifet, 1 Petr. 4, 15. Und noch ein anders, wann er ſich ein Leiden einbildet, wo keines vorhanden iſt. Die Eigenliebe der Menſchen iſt gar zu ſinnreich. Oft moͤchte ſie gerne haben, daß man ihre Er - findungen vor Warheit anbete. Geſchie - het dieſes nicht, ſo ſchreiet ſie uͤber Unrecht, und will zu den Maͤrtyrern gezehlet ſeyn. Und ſo mit andern Sachen. Hieraus erhellet nun der ſichtbare Feh - ler, den der Herr Graf in ſeinem ſo benan - ten Creutzreich zu machen beliebet. Zwi - ſchen ihm und uns iſt die Frage, ob ſein Reich ein Reich Chriſti ſeye? Das uͤberge - het er aber, und nimt es vor bewieſen an von ſeiner Seite. Sobald dieſes geſche - hen iſt, vermeinet er nun voͤlligen Fug und Recht zu haben, das vor Unwarheit zu er - klaͤren, was gegen ſein wunderliches Reich etwa geſprochen werden muß. 2) Weil das Creutzreich Chriſti ein Reich der Warheit und der Heiligkeit iſt (n. 1.) ſo wird jedermann den Herrn Grafen als einen Buͤrger deſſelben erkennen und vereh - ren, wann er (1) die viele Unwarheiten, und ſchaͤndliche Jrlehren aufrichtig wieder -rufen,32(§. 18.) ſolgen ſoll; ſo wird kein weiterer Be - weisgrund noͤthig ſeyn.
Zwei -(**)rufen, und das geſtiftete Aergernis, aus Lie - be zu Chriſto wieder aus dem Wege zu raͤu - men ſich bemuͤhen wird. Da muͤſte er aber Buſſe thun, welches ihme noch zur Zeit gar ſpoͤtlich vorkommt, wie unten (§. 43.) ſich zeigen wird. Er muͤſte einen gewiſſen Goͤtzen herabſtuͤrtzen, der bei ihm noch auf dem Thron ſitzet, und das wuͤrde ohne Creutz nicht abgehen. Ja man wird (2) dem Herrn Grafen etwas von dem Creutz - reich zugeſtehen, wann er die angebliche Unwarheiten ſeiner Gegner, anzeigen, und gruͤndlich wiederlegen wird. Es muͤſ - ſen aber nicht nur ein oder etliche Neben - dinge ſeyn (die er jetzt Unwarheiten nennet) ſondern ſolche, die den Grund der Lehre / und die Richtigkeit des chriſtlichen Wan - dels / Z. E. die Einigkeit im Geiſt, die Lauterkeit, Warheit, Ehrerbietung vor GOttes Wort, betreffen. Ob dieſes bis - her geſchehen ſey und in ſeinem jetzigen Buch geſchehe? Davon mag die unpartheiiſche Welt das Urtheil faͤllen.
1) Seine eigene Worte davon (§. 7. und wie ein ſchaͤndlich Ding es ſey um einen Men - ſchen / dem man kein Wort glauben darf (§. 8.) 2) Der vorgegebene Jn - halt der Predigt Pe - tri / (§. 9.) hingegen der wahre Jnhalt / nemlich 1) von der Er -hoͤhung Chriſti / und warum dieſe von dem Grafen uͤbergangen wird? (§. 10. 11. 12. ) 2) von der Marter JEſu etwas / und vom Geſetz eben ſo - viel. (§. 13 -- 18.) 3) Eigene Schlusfolge des Herrn Grafen / daß ihm kein Wort zu glauben ſeye. (§. 18.)
JEtzt habe ich mit dem Herrn Grafen noch ein Wort beſonders zu reden, Er fodert, daß ihm kein Maͤhriſcher Bruder ein Wort mehr glauben ſolle / wann eine gewiſſe Bedingung erfuͤl - let werde. Die Bedingung hat er ſelbſt beige -Cfuͤget:34fuͤget:(*)Jn der oftbenamten neueſten Schrift: Die gegenwaͤrtige Geſtalt des Creutz - reichs ꝛc. ſ. 27. welche von der ſaͤmtlichen Bruͤderſchaft vor gut, und als eine Apo - logie ihrer Kirche angenommen wird. (§. 3 *) Demnach wird ſie auch, wie an dieſem Ausſpruch ihres Grafen, alſo an dem Er - folg, den ich alsbald entdeken will, theil nehmen muͤſſen. Petrus hat 3000 Leute bekehret / in einer Predigt. Sie gieng ihnen durchs Hertz. Was gieng ihnen durchs Hertz? JE - ſu Leyden. Dann / wann 1) ein ander Wort in der Predigt ſtehet / und in ſpecie 2) ein Wort vom Geſetz / man nehme es wie man will / ſo ſollen mir meine Maͤhriſche Bruͤder kein Wort mehr glauben. Philippus hielt mit dem Kaͤmmerer der Koͤnigin Candaces eine Tauf-praeparation; von was handelt er? et - wa von den 10. Geboten? O nein! er han - delt vom Marterlamm / ni plus nì moins, es kommt ihm weder Gebot noch Geſetz in den Mund / und das waren Juden.
Es iſt auſer Zweifel eine traurige Beiſchrift, wenn man einem unter ſein Bild ſetzen muß: Das iſt der Man / dem kein Bruder / ein Wort mehr glauben ſoll. Kein Bruder? wie viel we - niger ein Fremder. Und worinnen ſoll man ihmnicht35nicht glauben? Jn keinem Wort mehr. Jnſon - derheit wann er von Glaubens-Sachen ſpricht, und den Apoſteln etwas nachredet, das offenbar falſch und verlaͤumderiſch, mithin dem heiligen Geiſt, der durch ſie redet nachtheilig iſt: ja das in der uͤblen Abſicht ihnen angedichtet wird, damit dieſes Gedichte einen Grund derjenigen Jr - geiſterei abgeben moͤge, die man mit ſonſt nichts zu beſchoͤnen weiß. Dann von einem Glaubens - punct war die Frage. Paulus gibt es viel kuͤrtzer: er nennet einen ſolchen Man einen Luͤgenredner. Durch die / ſpricht er, ſo in Gleisnerei Luͤgen - redner ſind. 1. Tim. 4, 2. Nun hat der Herr Graf zwar von geraumen Jahren her ſeine Sache die er hier auf Bedingung ſetzet, mit voͤlligem Be - weis in Wort und Wercken gnugſam vertreten; und die Bedingung braucht nicht allererſt erfuͤllt oder ein neuer Beweis daruͤber gefuͤhret zu werden. Jch will jedoch ihm und den Bruͤdern zu Gefallen, den Beweis uͤbernehmen, und kuͤrtzlich zeigen, daß die Bedingung wuͤrcklich in ihre Erfuͤllung ge - gangen ſeye. Der Herr Graf wird ſodann eben - fals ſein Wort halten, und ſeine Bruͤder die ge - treuen Werckzeuge, anweiſen, daß ſie ihm kein Wort mehr glauben: gleichwie er ſie zur Genem - haltung und Unterſchrift dieſer ſeiner Schalckhei - ten vaͤterlich angewieſen hat. (§. 3 *) Mit denen die keine Bruͤder ſind hat es vorhin keine Schwie - rigkeit: und es wird ſich daferne ihm noch jemand anders geglaubet hat, nun von ſich ſelber ſchi - cken.
Die Predig Petri, durch deren Kraft bei drei - tauſend Seelen glaubig wurden, ſtehet Apoſtelg. 2, 14 -- 41. Der Herr Graf unterſuchet den Jn - halt dieſer Predig. Er ſagt zweierlei davon. Erſtlich, es ſtehet kein ander Wort darinnen / als von JEſu Leiden. Zweytens: es ſtehet ins beſondere kein Wort vom Geſetz darinnen. (§. 7.) Wer nun beweiſet, daß neben dem Leiden JEſu 1) noch etwas anders da ſtehet, 2) daß ins - beſondere ein Wort vom Geſetz darin vorkomt, der hat auch erwieſen, daß der Htrr Graf ein gro - ſer Dichter ſeye (§. 7. 8. ) und abſonderlich daß er unverſchaͤmt und ſeelenverfuͤhriſch mit dem heili - gen Apoſtel und ſeiner Predig umgehe. Dar - uͤber ſind wir beiderſeits einig. Jch aber will zum Beweisthum ſchreiten.
Erſtlich: die Predig Petri haͤlt mehr Warhei - ten in ſich ais die Warheit von JEſu Leiden. Dann vom 14. vers bis auf den 22. gehet der erſte Theil dieſer Predig. Derſelbe handelt mit kei - nem eintzigen Wort von JEſu Leiden. Sondern er beweiſet, daß die Weiſſagung des Propheten von der Ausgieſung des H. Geiſtes, an den Apo - ſteln erfuͤllet worden ſeye. Das gehoͤret nicht zu Chriſti Leiden, und zu deſſen Erniedrigung, ſon - dern zu ſeinem Erhoͤhungsſtande, wie der 33. vers ausdruͤcklich, und die Erfarung ſelbſt, be - zeuget. Der andere Theil von dieſer goͤttlichen Predig Petri, iſt zu ſuchen im 22. vers bis zum41.3741. da die Predig beſchloſſen wird. Hatte der Man GOttes im erſten Theil erwieſen, daß die verheiſene Ausgieſung des H. Geiſtes, an den A - poſteln in die Erfuͤllung gegangen ſeye; ſo wird nun im andern Theil mit groſem Nachdruck dar - gethan, daß dieſe Ausgieſung des Geiſtes, kraft der Erhoͤhung des gekreutzigten JEſu geſchehen ſeye. Von dem erſten Grad des Erhoͤhungſtan - des, nemlich von der Lebendigmachung handelt der 24. vers / und der gantze Beweis aus Da - vids Worten, vom 25. v. bis auf den 36. da zugleich von der Himmelfahrt Chriſti, und von der Beugung der Feinde unter ſeine Fuͤſſe / geredet wird, v. 34. Daraus macht Petrus ſo - fort den Schlus, v. 36. So wiſſe nun das gantze Haus Jſrael / daß GOtt dieſen JEſum / den ihr gekreutziget habt / zu einem HErrn und Chriſt gemacht / das iſt, auferwecket und er - hoͤhet, oder wenigſtens durch beides dafuͤr erklaͤret hat, v. 32. 33. 24. Dieſe Rede gieng ihnen durchs Hertz v. 37. Und ſo hat Petrus noch ein - mal geprediget, Apoſtelg. 3, 21. 26. und die uͤbri - ge Apoſtel, 4. 33. und wiederum Petrus, Apo - ſtelg 10, 38. f. 1. Petr. 1, 3. 11. 21. und Paulus, 1. Cor. 15, 4. f. und Chriſtus, Offenbar. 1, 18. Der eintzige 23. vers handelt von dem Tode JE - ſu, und im 36. vers wird ſeines Todes noch ein - mal gedacht, um der Auferſtehung willen. Alles uͤbrige handelt von der Erhoͤhung des Sohnes GOttes. Obgleich mit dem Tode JEſu, die verſoͤhnende Handlungen des Erloͤſers ſich geendi -C 3get38get hatten, wodurch die Sendung des heiligen Geiſtes erworben worden Joh. 16, 7. ſo war doch aus dem Tode JEſu unmoͤglich, den Juden zu erweiſen, daß der heilige Geiſt von dieſem JEſu wuͤrcklich waͤre geſendet worden. Dann ein toder Heiland ſolte dieſen Geiſt nicht ſenden: ſondern der auferſtandene und erhoͤhete Heiland, wie er ſelbſt, unwiederſprechlich bezeuget, Luc. 24, 49. Joh. 7, 39.
Was den Zuhoͤrern durchs Hertz gieng, v 37. das waren unter andern die Warheiten von der Erhoͤhung des gekreutzigten JEſu / welche Petrus nach dem Wunder der Ausgieſung, als einer Frucht des Erhoͤhungſtandes, theils aus den Weiſſagungen des A. T. v. 25. 34. theils aus dem unverwerflichen Zeugnis der Apoſtel v. 32. beſtaͤtiget (§. 10.) Es gieng ihnen durchs Hertz. Das war eine ſtarcke Ruͤhrung, aber die voͤllige Bekehrung noch nicht. Dann 1) ſie fragten aller - erſt hierauf: was ſollen wir thun v. 37. Und Petrus gibt zur Antwort: Thut Buſe und laſt euch taufen v. 38. 2 ) Petrus muß, nach die - ſem, erſt wieder von neuem predigen. Er muß nach ernſtlichem Vorhalt ihrer Suͤnden, und de - ren geſetzlichen Beſtrafung, zeigen, daß die Ver - heiſungen vom erhoͤheten JEſu, und daraus flie - ſendem Heyl, der gantzen Welt, und zu allererſt den Juden zugedacht waͤren, und dieſes in der Ordnung der Buſſe v. 38. 40. Dieſes geſamte Wort / von der Erhoͤhung des erwuͤrgten Lam -mes,39mes, und von dem allgemeinen Recht zu den Fruͤchten dieſer Erhoͤhung, nahmen ſie gerne an und lieſen ſich taufen v. 41. Und ſo wurden ſie hinzugethan zu den wahren Gliedern JEſu / v. 41. Das iſt, ſie wurden als wahre Chriſten mit JEſu und ſeiner Kirche vereiniget.
Jch hoffe nun erwieſen zu haben, daß mehr als vom Leiden JEſu (§. 9.) in der Predig Petri ſtehet. (§. 10. 11.) Jch muß, ehe ich weiter gehe, noch etwas erinnern. Eben dieſer Herr Graf hat in einer laͤſterlichen Oſterpredigt etwas von ſchaͤd - lichen und wider die erſte Gruͤnde des Chriſten - thums laufenden Schwaͤrmereien, hoͤren laſſen. Da behauptet er, unter andern Unwarheiten auch dieſes: einem Menſchen, der den Tod JEſu glau - be, brauche man gar nicht zu erweiſen, daß Chriſtus auferſtanden ſeye. Das hieſe Kurtz - weil getrieben mit der Seelen. Man duͤrfe nur darthun daß Chriſtus geſtorben ſeye. (*)Dieſes iſt weiter ausgefuͤhret in der hie zu Gieſſen gedrukten Wiederlegung der Zin - zendorfiſchen Oſterpredigt. Die Auferſte - hung JEſu ein Wunder. 1745.Dieſes Unding iſt vielleicht die Urſache mit, welche den Man in ſolche Verwirrung bringet, daß er die Lehrart Petri nach ſeinen Grillen formet. Da - durch geſchiehet es, daß er in der Predig Petri alles uͤberſiehet, was von der Auferſtehung undC 4Him -40Himmelfahrt handelt. Dann er muͤſte ſonſt ſa - gen, was er denket, daß nemlich Petrus auch in dieſer Predig Kurtzweil treibe mit einer ſo groſſen Menge Seelen.
Nun komme ich an den andern Satz des Hrn. Grafen, da er behauptet: Jn der Predig Pe - tri ſeye kein Wort vom Geſetz zu finden / (§. 9.) Es iſt ſehr zu bedauren, daß in einem Hauptgeſchaͤfte des chriſtlichen Glaubens, nem - lich im Bekehrungswerk, die Frechheit dieſes Mannes ſo ſchaͤndlich ausſchweifen kan. Man redet hier von keinem Verſtoß in der Schrifter - klaͤrung: dergleichen jedoch der Herr Graf an den Religionsleuten ſehr zorniglich(*)So prediget der Herr Graf bei ſeinen Bruͤdern, wann er gerne der allergroͤſte Exeget ſeyn will, den jemals die Welt ge - ſehen hat, in der Gemeinrede zu Herrnhag vom 22. Nov. 1744. ſ. 4. 5. Es haben ſich die Erklaͤrer der Schrift / durch ih - re gantz unvernuͤnftige Leichtſinnigkeit in Anſehung der Schriftorte / ſo gantz auſſer allem Reſpect geſetzt / daß man ſich ſchon von vielen Jahren her in al - len Religionen kein Bedenken mehr macht / die exegetiſchen Jrthuͤmer fuͤr keine Jrthuͤmer zu halten / ſo daß einem erlaubt iſt / wenn man die ſymboliſchenBuͤcher ahndet. Doch41Doch ein ſolcher Verſtoß waͤre noch ertraͤglicher, obwohl in einem ſo deutlichen apoſtoliſchen Vor - trag, kaum dem geringſten Anfaͤnger zu verzei - hen. Aber es waͤre deswegen ertraͤglicher, weil jemand bei einer ſo duͤſteren Misdeutung doch eben die gegenwaͤrtige Warheit koͤnte gelten laſ - ſen, dieweil ſie anderswo in heiliger Schrift vor - getragen iſt. Allein der Herr Graf, nimt dieſe Rede Petri, zum Beweis an, daß der heilige Geiſt im Werk der Bekehrung, ſich der Lehr - art aller(**)Es iſt eine leichtfertige Verwegenheit, dieſes ohne weiteres Bedenken ſo hinzuſchrei - ben, daß alle Apoſtel / ohne Gebrauch des Geſetzes, die Bekehrung der Menſchen geſuchet und bewerkſtelliget haͤtten. Siehe unten (§. 36.) Aber, ſogar es eine Warheit zu nennen, ein Glaubensbekentnis daraus zu machen, und es mit groben Laͤſterungen zu verſiegeln, das iſt eine in der Kirche GOttes unerhoͤrte Sache. Dann wer nach der Vorſchrift JESU, nach dem Exempel ſeiner Boten, und nach der un - veraͤnderlichen Natur der Sache, (welches hier zu erweiſen, mein Vorhaben nicht lei -det) Apoſtel bediene / welche nichtC 5Moſis(*)Buͤcher beſchwoͤret / die falſche Erklaͤ - rungen der Schrift / die in denſelben vor - kommen / auszunehmen. Es iſt um das wohl eine Schande und eine Schmach. 42Moſis Hoͤrner und Hammer / ſondern das Bekentnis von JEſu hohenprieſterlichem Ge -ſchaͤf -(**)det) die Bekehrung mit dem Geſetz anfaͤngt, den ſchilt dieſer Afterapoſtel ſ. 26. einen Grillenfaͤnger / und Diener Moſis / wel - cher ohne Vorſatz die acropolin der Evan - geliſchen Religion auf das gefaͤhrlichſte unterminire. Mit ſolchen Lehrern will er nichts zu ſchaffen haben / weil ſie alle von der Augſpurgiſchen Confeßion ab - gehen und Novatores ſind / deren tauſen - de vor einem Theologo in Spiritu A. C. (d. i. vor dem Zinzendorfiſchen Schwindelgeiſt) laufen muͤſſen wanns zum Treffen kommt. Jch declarire zugleich / (ſo faͤhret er fort) daß ich D. Luthers und Melanthons ih - re eigene Grillen / die ſie uͤber gewiſſe Lehrſaͤtze / vor der Confeßion oder nach derſelben / auſer / oder gar gegen dieſel - be / ſouteni ret / nicht adopti ren will / und wenn ich muß / lieber nicht nach ihnen heiſen und doch ein unbeſcholtener Aug - ſpurgiſcher Confeßions-Verwandter ſeyn und bleiben will / ſo lang ich lebe. Wie ſtimmt aber dieſes mit dem Bekent - nis auf der vorigen Seite, 25. wo der Hr. Graf alſo ſpricht: Es ſeye Warheit, daß er ein ſtricter Confeſſor ſeye des wahren und NB. in unſerer Lutheriſchen Kirchegaͤng43ſchaͤfte / oder das Leyden JEſu / darzu ge - brauchet haͤtten. ſ. 26.
Doch was den Satz nun ſelbſt betrift, auf wel - chen es hier lediglich, und auch ohne Betracht der weiteren Folgen, Bewegurſachen oder Abſichten, ankomt, daß nemlich kein Wort vom Geſetz in der Predig Petriſtehe / ſo muß ich naͤher zu deſ - ſen Beleuchtung ſchreiten. Zum Voraus wird ein jeder vernuͤnftiger Menſch, mithin auch der Herr Graf, ſoferne er ſeine Vernunft noch wal - ten laͤſet, mir zugeſtehen, daß es ein Wort vom Geſetz ſeye, wann ich im Bekehrungsgeſchaͤfte zu dem Suͤnder ſage: du biſt ein Moͤrder Dann das lauft ins fuͤnfte Gebot: und der Prediger ſchreitet damit zu beſondern Suͤnden / welches der Graf vor unrecht haͤlt (Buͤd. Saml. Th. 4. ſ. 513.) Wann ich ſage du biſt ein Koͤnigsmoͤr - der / das gehoͤrt ins fuͤnfte / und zugleich ins vierte Gebot, und bezeichnet die Suͤnde noch ge - nauer. Wann ich beifuͤge: Du biſt ein GOttes - moͤrder / ſo weiſe ich ihn in das erſte / andere / vierte und fuͤnfte Gebot, und in ſofern zugleich in alle Gebote, in ſofern dieſe von GOtt ſind, deme ein ſolcher Moͤrder ſogar allen Gehorſam und Liebe (die iſt der Jnbegrif aller Gebote) verweigert, daß er an den die Haͤnde leget, der ſein GOtt, und in dem Kleide der Menſchheit erſchienen iſt. DieJuden(**)gaͤng und gaͤben Sinnes der A. C. und ihrer Apologie? 44Juden und alle andere, waren ſolche Moͤrder, ſo - ferne ſie JEſum theils zum Tode uͤberantwortet, oder gar ſelbſt Hand angeleget, theils die Grau - ſamkeit ihrer Oberſten genehm gehalten, und JEſum verſtoſſen hatten. So nennet ſie Ste - phanus, Apoſtelg. 7, 52. an welchem JEſu, ihr Verraͤther und Moͤrder worden ſeyd: Pau - lus ſtimmet ihm bey 1. Theſſ 2, 15. Und der Herr Graf bekennet ſelbſt, daß damal Stepha - nus(*)So heiſt es ſ. 26. daß man dem H. Geiſt die Wahl laſſen ſolle / ob GOtt ſeinen Zeugen Stephani Methode an die Hand geben wolle / oder aller uͤbrigen Apoſtel (ihm ſcheinet Stephanus ein Apoſtel gewe - ſen zu ſeyn) ihre Methode / ſonderlich Pe - tri und Philippi. Geſetz geprediget / und ſich der Bekeh - rungs-Methode aller uͤbrigen Apoſtel nicht bedienet habe.
Jm Fal nun Petrus in ſeiner Predig dieſe Lehr - art beliebet, daß er ſeine Zuhoͤrer auf alle die ze - hen Gebote verwieſen, und ihre dagegen began - gene Suͤnden aufgedekt haͤtte: ſo muͤſte die gantze Welt bekennen: Petrus hat ein Wort vom Ge - ſetz geredet. Nun laſt uns die Predig aufſchlagen. Erſtlich ſtehet mit klaaren Worten da, v. 23. Jhr Juden habt den groſen Propheten v. 22. den Sohn GOttes JEſum, genommen und an -gehef -45geheftet und erwuͤrget. Das heiſt ſo viel: ihr ſeyd Moͤrder worden, an einem unſchuldigen Menſchen, an einem groſen Propheten, an eu - rem rechtmaͤſigen Koͤnig, an dem Sohn Gottes. Jhr habt die zehen Gebote (§. 〈…〉〈…〉4.) auf die allerab - ſcheulichſte Art uͤbertreten, und die Rache GOt - tes muͤſte euch deshalben ohnfehlbar verfolgen. Noch einmahl ſpricht Petrus in dieſer Predig v. 36. dieſer JEſus den ihr gekreutziget habt / iſt von GOTT zu einem HErrn und Chriſt ge - macht worden. So oft in dieſer gantzen Predig der Marter JEſu gedacht wird, ſo oft ſtehet auch ein Wort vom Geſetz dabey: Jhr Juden ſeyd die groſe Suͤnder, die Gottesmoͤrder! ihr ſeyd die, die ihn gekreutzigt haben. Petrus ruͤget alſo die Suͤnde nicht nur uͤberhaupt, ſondern auch die be - ſondere Suͤnden ſeiner Zuhoͤrer, welches doch der Graf bey dem Bekehrungswerck ſcharf verbietet. Die Stelle iſt unten noch einmal angezeigt (§. 32.)
Hieraus iſt nun offenbar, daß Petrus in ſeiner Predig eben ſo vielmal das Geſetz, als den Mar - tertod JEſu, zu Bekehrung ſeiner Zuhoͤrer ge - brauchet hat, (§. 10.) Er redet kein eintzigmal von dem Sterben des Lammes, ohne darbei ihre Gewiſſen durch das Geſetz rege zu machen. Es war nicht noͤthig, ihnen die zehen Gebote vom er - ſten bis zum letzten, vorzubeten, oder ſie ordent - lich aufſagen zu laſſen. Dann ſie waren Juden, wie der Herr Graf geſtehet, und demnach mit Moſe wohl bekant. Die Augſpurgiſche Confeſ -ſions -46ſions-Verwandte, welche er Grillenfaͤnger / Donatiſten / und Diener Moſis nennet, bekeh - ren die Leute nach eben der Methode wie Petrus. Dann ſie wiſſen, daß Petrus in dieſer Bekeh - rungsart vom heiligen Geiſt belehret worden, und daß der heilige Geiſt weder ein Diener Moſis, noch ein Donatiſt, noch ein Grillenfaͤnger ſeye, vielweniger den Hauptgrund und das veſte Schlos der Evangeliſchen Religion dadurch unterminire / wie der Herr Graf etwa traͤumet §. 13. *) Haben ſie Leute vor ſich, die das Geſetz ſchon wiſſen; ſo iſt es gnug, ihnen die Verſuͤndi - gungen vorzuhalten, die vom Geſetz verdammet werden; der Suͤnder kennet ſodann die Gebote ſchon vorhin, gegen welche dieſe Verſuͤndigungen ſtreiten, und zugleich den Fluch und Zorn GOt - tes, der in dem Beſchlus der zehen Gebote gedro - het iſt.
Das andere / was hierbei zu mercken iſt, will ich beifuͤgen. Die Predig Petri iſt von Luca, dem Verfaſſer der Apoſtelgeſchicht, mit nichten von Wort zu Wort wiederholet worden. Er hat blos die Hauptſtuͤcke ihres Jnhalts aufgezeichnet. Das ſiehet man daraus offenbar, weil er ſelbſt im 40. vers ſich darauf beziehet: Auch mit viel andern Worten bezeugte Petrus / und ermah - nete / und ſprach: Laſſet euch helfen von dieſen unartigen Leuten. Darauf folget un - mittelbar: Die nun ſein Wort v. 41. gerne an - nahmen / lieſen ſich taufen. Daraus ſiehetman47man deutlich, daß zur Bekehrung dieſer Men - ſchen auch viel andere Worte Petri, heilſam - lich gebrauchet werden muͤſſen. Unter andern auch die Worte von der Unart der Zuhoͤrer. Man erkennet dieſes aus einer gleichen Predig Petri, Apoſtelg. 3, 13. 14. 15. Und das iſt al - lemal geſetzlich, wenn man den Suͤndern ihre Unart entdeket, mithin auch die Gefahr derſel - ben zeiget. So macht es der heilige Geiſt, wann er die Unbekehrten ermahnet, und ſie von dem unartigen Geſchlechte gern erretten will, 1. Cor. 5, 1. 13. Petrus aber hat die Juden in dieſer ſeiner Predigt ermahnet (v. 40.) und zwar nicht allein mit den Worten, die Lucas anfuͤh - ret, ſondern noch mit vielen andern Worten / wie er ſelbſt bekennet, (v. 40.) Wann demnach wahr waͤre, was der Graf ſchreibet, daß Lucas in der Aufzeichnung der Predig Petri kein Wort vom Geſetz erwehnet haͤtte, (welches je - doch der Augenſchein wiederleget) ſo wuͤrde den - noch nicht folgen, daß Petrus kein Wort vom Geſetz geprediget haͤtte. Die Unart der Men - ſchen, deren Lucas gedenket, wuͤrklich zu heben, iſt das Geſetz nicht im Stande, ſondern das thut der heilige Geiſt durch evangeliſche Bewe - gungsgruͤnde, in welchen er wuͤrket. Aber die - ſe muͤſſen nicht eher kommen, bis die Menſchen ihre Unart erkant haben. Sonſten macht man die evangeliſche Gruͤnde zu Spott, und bietet Artzeneyen an, die einer, der ſich nicht krank weiß, vor ein Spiel haͤlt; oder man will ſehend ma -chen48chen, ehe jemand ſich zu den Blinden zehlet 1 Joh. 9, 41., oder man traͤget denen die Erquikung an, die noch nicht muͤhſelig und beladen ſind: ſchnurſtraks gegen die Regel und Bekehrungs - weiſe des allerhoͤchſten Lehrers JEſu Chriſti, Matth. 11, 28., der warlich kein Grillenfaͤn - ger noch Diener Moſis war.
Wann nun ein ander Wort in der Predig Petri ſtehet / als vom Leyden JEſu / und wann ins beſondere ein Wort vom Geſetz dar - in ſtehet / ſo iſt der Graf Zinzendorf ein Menſch, dem kein Maͤhriſcher Bruder kein Wort mehr glauben ſoll / wie er ſelbſt verlanget. (§. 7.) Ja ich beſorge, es werden die Bruͤder ein gleiches von ſich muͤſſen gelten laſſen. Dann was ihr Graf hier ſchreibet, das machen ſie zu einer Apologie ihrer Kirche (§. 3. *) und unterſchreiben es, als wann es der heilige Geiſt geſagt haͤtte. Weil ohnehin das Vorurtheil bei ihnen eingewurtzelt iſt, wenigſtens bei dem Polycarp Muͤller / ih - rem ſogenanten Biſchof, daß alles, was der Graf thue, der heilige Geiſt durch ihn wuͤrke. Zinz. Unfug (lerna Zinz. ) ſ. 94. f. Und ſoll ihm dann kein Maͤhriſcher Bruder glauben; ſo darf ihm auch kein anderer Menſch, etwas glauben. Dann andere Menſchen muͤſſen eben ſo wenig den Luͤgen glauben, als ein Maͤhriſcher Bruder. Und der Herr Graf wird ſo billig ſeyn, daß er ſeinem Nechſten uͤberhaupt das Recht goͤnnet, welches das Naturgeſetz einem jedenMen -49Menſchen, ſo ferne er ein Menſch, und nicht weil er ein Maͤhriſcher Bruder iſt, beſchieden, ja dieſes, als eine groſe Pflicht vorgeſchrieben hat, durch keine Luͤgen ſich hintergehen zu laſſen. Nun aber habe ich erwieſen, daß das wenigſte in der Predig Petri, von JEſu Leiden handelt, und daß vom Geſetz eben ſoviel als von dem Tode des Mittlers in derſelben Predig ent - halten iſt: (§. 9 -- 18.) demnach fodert der Herr Graf mit Recht, und man pflichtet ihm voͤllig bei, wie ſchon lange geſchehen (§. 8.) daß kein Menſch ihme ein Wort mehr glauben ſoll. Oder deutlicher alſo: Da der Herr Graf kein Beden - ken hat, Petrum, und den heiligen Geiſt, der in Petro prediget, zum Urheber und Muſter ſei - ner verdammlichen Lehre zu machen; da doch der geringſte Catechiſmusſchuͤler das Gegentheil in der Predig Petri mit Haͤnden greifen kan: ſo muß der Jrgeiſt ihn auſerordentlich regieren, und zu einem groſen Werkzeug ſeines Reichs ge - brauchen. Weshalben ich alle Maͤhriſche Bruͤ - der, auch ſonſt jedermaͤnniglich, wes Standes und Wuͤrden er ſeyn mag, hiermit gewarnet ha - ben will: Jhr Lieben / glaubet nicht dem Zin - zendorfiſchen Geiſt 1 Joh. 4, 1. beſonders wann er ſeine Sachen vor apoſtoliſch und goͤtt - lich ausgibt. Und ſo hat Chriſtus allemal vor den falſchen Propheten gewarnet: Glaubet ih - nen nicht! Ja, dieweil auch das, was der Graf hier ſchreibet, die wahre Geſtalt des Creutzreichs JEſu in ſeiner Unſchuld ſeyn ſoll;Dund50und die Bruͤder mit ihrer Unterſchrift ſolches be - ſtaͤtigen (§. 1. 2. 3. ) die Luͤgen aber kundbarlich zum Reich des Teufels gehoͤren. Joh. 8, 44. und noch viel abſcheulicher werden, wenn ſie jemand mit dem Namen des Creutzreichs JEſu ſchmuͤ - ken, und dadurch an den Mann bringen, hier - mit aber das theure Reich des Heilandes zu ei - nem Reich des Teufels machen will: ſo kan ein - jeder, der die Warheit und Chriſtum kennet, das Urtheil ſprechen. Nicht undienlich iſt, hier - bei zu leſen, was unten (§. 40. *) vorkommen wird.
I. Natur des Geſetzes und Evangelii. Die Urſache hiervon zu handeln §. 19.) wah - rer Begrif vom Geſetz und Evangelio / (§. 20.) die Verheiſungder Wuͤrkung GOttes durch das Geſetz / iſt evangeliſch (§. 21.) goͤttliche Kraft im Ge - ſetz (§. 22.) dieſe Wuͤr - kung GOttes im Ge - ſetz iſt ein Mittel derSelig -51Seligkeit (§. 23.) die evangeliſche Geſetze (§. 24.) Unterſchied zwi - ſchen Geſetz und Ev - angelio. (§. 24. b) II. Einflus des Geſetzes und Evangelii in die Bekehrung. Es iſt unmoͤglich / daß das Evangelium den Suͤnder ſchreke (§. 25.) worauf ſich die Ord - nung GOttes gruͤnde / in welcher die Wuͤr - kungen GOttes durch Geſetz und Evangeli - um erfolgen (§. 26.) das Geſetz gehet vor - aus / und das Evan - gelium folget (§. 27) Gebrauch der Marter GOttes / wann ſie ſchreken ſoll (§. 28) die verſchiedene Verhaͤlt - nis der Marter GOt - tes gegen den Suͤn - der / und zwar a) die evangeliſche / (§. 29. 30. ) b) die geſetzliche / iſt ohne Gebrauch des Geſetzes nicht bequem noch hinreichend zum erſten Stuͤck der Buſe. (§. 31.) die evangeli - ſche viel weniger / (§. 32.) Beweis aus der Natur des Glaubens (§ 33.) von ploͤtzlicher Bekehrung (§. 34.) er - ſchlichene Erfahrung / und falſche Meinung von ſolchen Bekeh - rungsfaͤllen (§. 35.) in der Schrift / iſt kein Exempel / einer Be - kehrung ohne das Ge - ſetz. (§. 36.) es giebt demnach eine algemei - ne Bekehrungsord - nung (§. 37.) und die - ſe iſt ein Glaubensar - tikel (§. 38) den nie - mand / als ein Jrgeiſt / laͤugnen kan. III. Schalkheit des Grafen in dieſer Sa - che. Er laͤugnet dieſe Be - kehrungsordnung und will ſich doch zur A. E. und evangeliſchen Leh - re bekennen (§. 39.) er ſaget faͤlſchlich / daß die alte und neue Luthera - ner ſich hier wieder - ſprechen. (§. 40.) und beziehet ſich tuͤckiſch auf den gaͤng und ga - ben Sinn der A. C. unter den Luthera - nern (§. 41.) dieſerD 2gaͤng52gaͤng und gaͤbe Sinn der A. C. iſt kein an -derer / als der unſri - ge (§. 42.)
WAnn der Herr Graf aus Mangel der Er - kentnis in dieſe anſteckende Lehrſeuche ge - rathen waͤre; ſo haͤtte er dennoch eine ſchwere Rechenſchaft abzulegen. Dann wer macht ihn ſo verwegen und leichtfertig, das Gegentheil von einer Warheit zu lehren, die er ſelbſt noch nicht begriffen hat? Wie kan der Heiland, der Weg die Warheit und das Leben, einen ſolchen Men - ſchen zum Lehrer ſeiner Gemeine berufen, und zum Stifter einer beſonderen Kirche gebrauchen, der dieſen Heiland in ſeiner Heilsordnung weder kennet, noch Seelen zu ihm fuͤhren kan? Ja, der an ſtat ſolcher ſeligmachenden Erkentnis, wieder die Vorſchriſt und das Exempel JEſu, und ſeiner Zeugen, eine gegenſeitige, vom Hei - land ab, und zur Grube des Verderbens hin - fuͤhrende Menſchenlehre in unſchuldige Seelen pflantzet? Der dabei ſo kek, ſicher und vermeſ - ſen iſt, daß er eine goͤttliche zur Seligkeit unent - behrliche, von Chriſto und ſeinen Juͤngern zum Heil vieler tauſend Menſchen mit Segen gebrauch - te Warheit, mit dem Namen einer Grillenfaͤn - gerei beleget, und ihre Zeugen auf die boshafte - ſte Weiſe, die er nur erſinnen kan, verlaͤſtert? Damit jedoch die Warheit ſich nochmal nicht un - bezeuget laſſe, ſo will ich vom Geſetz und Ev - angelio, als worauf die Sache hier ankommt,noch53noch weniges, zur Erinnerung des nicht voͤllig geuͤbten Leſers, erwehnen: welches der HErr bei dieſen verfuͤhriſchen Zeiten vielleicht nicht oh - ne Segen laͤſet.
Das in der Schrift enthaltene Geſetz / ſind diejenige Warheiten der Schrift, in welchen GOtt von den Menſchen etwas fodert. Marc. 12, 30. 31. 1 Joh. 3, 23. oder die Art anwei - ſet, wie ſie dieſe Foderungen leiſten ſollen, Ebr. 11, 6. oder ſeinen Foderungen, ſoferne ſie aus ei - genen Kraͤften vollzogen werden, Belohnungen, Luc. 10, 28. und im Gegenfal Strafen anhaͤngt, Rom. 1, 18. Gal. 3, 10. Marci 16, 16. die er manchmal in Exempeln zeiget, 1 Cor. 10, 5. 7. f. Jeſ. 53, 4. Weil GOtt vermoͤge ſeiner weſent - lichen Guͤtigkeit nichts anders von den Menſchen fodern kan, als was zu ihrer Wolfahrt dienet; ſo ſind alle ſeine Foderungen oder Geſetze, auf unſere Wolfahrt gerichtet. Luc. 10, 28. 1 Tim. 1, 8. Hingegen alle die Saͤtze der Schrift in welchen GOtt verſichert, daß er von ſeiner ſeite die Wolfahrt der verlohrnen Menſchen durch Chri - ſtum und um Chriſti willen, ſelbſt verſchaffen wolle, und wuͤrklich verſchaffe; weil ſolches dem Geſetz(*)Das Geſetz beſtehet aus Foderungen GOt - tes an die Menſchen. Dem verſpricht es die Wolfahrt, welcher ſie auf die allervol -kom - unmoͤglich iſt, heiſen das Evangeli -D 3um. 54um. 2 Cor. 5, 19. 21. Joh. 3, 16. 1 Joh. 1, 7. 2, 25. 3, 22, 2 Petr. 1, 4. Epheſ. 1, 3. f. Weil nun die gantze Abſicht der heiligen Schrift dahingehet,(*)kommenſte Art erfuͤllen kan. Wann der Menſch auf dieſe Foderungen acht gibt, ſo wird er gewahr, ob und wieweit er durch ſein Thun und Laſſen dieſelbige erfuͤlle. Merket er, daß dieſes nicht geſchehe, auch nicht geſchehen koͤnne, indeme er immer neue Abweichungen entdeket: ſo merket er zugleich eben dadurch, daß er ſich in ei - nem beſtaͤndigen Mangel der Wolfahrt be - finde, von welchem er ſich nicht helfen kan, und daß im Gegentheil der Fluch GOttes immer fortgehe, und keine Rettung davon, vorhanden ſeye. Solcher Geſtalt wird es dem Geſetz unmoͤglich die Wolfahrt zu ver - ſchaffen, weil es von keinem eintzigen Men - ſchen, des Unvermoͤgens halber, erfuͤllet, oder (wie Paulus Rom. 8, 3. redet) weil es durch das Fleiſch geſchwaͤchet wird. Man ſiehet hieraus, wie das Geſetz alſo und dergeſtalt die Erkentnis der Suͤnde wuͤrket, daß es auch die Unmoͤglichkeit da - von los zu werden, mithin auch die Erb - ſuͤnde, dem Suͤnder zeiget: wodurch dann die Zerknirſchung, und der Trieb einen Helfer zu ſuchen, deſto mehr befoͤrdert wird.55gehet, daß wir unſere Wolfahrt durch den Glau - ben an Chriſtum erlangen moͤgen, 2 Tim. 3, 15. ſo muͤſſen auch alle Warheiten der Schrift, uns entweder entdeken, was GOtt von ſeiner ſei - ten zu Verſchaffung dieſer Wolfahrt leiſte: und dieſe heiſen Evangelium: oder ſie muͤſſen das - jenige Verhalten in ſich begreifen, das GOtt von uns fodert, wann wir dieſe Wolfahrt nicht verſchertzen wollen. Und dieſe ſind das Geſetz. Die hiſtoriſche Warheiten ſind entweder eines von beiden, oder zielen darauf. Siehe unten (§. 41. *)
Die gnaͤdige Erklaͤrungen GOttes, die er in der Schrift gethan hat, in Abſicht auf den Erloͤſer, von dem Erloͤſer, und um dieſes Erloͤſers wil - len; gehoͤren alle zum Evangelio. (§. 20.) Alles, was der HErr unſer GOtt um Chriſti willen zu Herſtellung der verlohrnen Wolfahrt an uns zu thun und zu wuͤrken verſpricht, inſoferne er uns die - ſes wiſſen laͤſſet. Epheſ. 1, 9. oder ſich gnaͤdig gegen uns erklaͤret, daß er ſolches an uns thun wolle, und wuͤrklich verrichte, das alles, ſage ich, heiſet das Evangelium. Unter andern hat ſich der HErr um Chriſti willen, auch dahin erklaͤret, daß er durch ſein lebendiges Wort an unſern Seelen arbeiten wolle, damit wir zu dem Hei - land kommen, und in ſeiner Gemeinſchaft, un - ter taͤglichem Wachsthum des inneren Menſchen, bleiben moͤgen. Philip. 1, 6. 9. 10. 11. Rom. 12, 2. Epheſ. 2, 10. Joh. 17, 17. Ebr. 4, 12. D 42 Ti -562 Timoth. 3, 15. Daß der HErr ſich gnaͤdig erklaͤret, um der Erloͤſung Chriſti willen ein neu - es glaubiges gehorſames Hertz in uns zu ſchaf - fen, das iſt Evangelium. Ezech. 36, 26. 27. 1 Theſſ. 2, 13. Ein ſolches Hertz bekommt nie - mand ohne die Buſſe, Marci 1, 15. Apoſtelg. 20, 21. 2 Cor. 7, 10. Die Buſſe kan nicht ſtatt haben ohne Erkentnis der Suͤnden, Jerem. 3, 13. Rom. 3, 19. Pſ. 32, 3. 5. Wenn dem - nach wahr bleiben ſoll, daß GOtt die Buſſe gebe, Apoſtelg 5, 31. So muß auch wahr bleiben, daß eben der GOtt Erkentnis der Suͤn - den gebe. Das aber, wodurch er die Erkent - nis der Suͤnden gibt, iſt das Geſetz, dann aus dem Geſetz kommt Erkentnis der Suͤnden Rom. 3, 20. 7, 7. Aus Erkentnis der Suͤnde entſtehen nothwendig die Gewiſſensbiſſe, welche deſto ſtaͤrker ſind, je mehr der Menſch die Tiefe dieſes Elends gewahr wird, daß er ſich aus dem - ſelben nicht helfen koͤnne, ſondern taͤglich tiefer hinein ſinke. Epheſ. 2, 1. 2 Cor. 3, 6. und je mehr er von den boͤſen Folgen der Suͤnden in Zeit und Ewigkeit, uͤberzeuget wird. Luc. 19, 10. Pſ. 6, 1. f. 2 Cor. 7, 10. Wenn ſich dem - nach der HErr gnaͤdig erklaͤret, die Buſſe durch das Geſetz zu wuͤrken, um Chriſti willen, ſo iſt dieſe Verſicherung GOttes ein Evangelium (§. 20.) Wer alſo das Geſetz verwirft, der ver - wirft nothwendig auch das Evangelium.
Das Geſetz, wodurch der HErr Erkentnisder57der Suͤnde gibt oder wuͤrket, (§. 21.) iſt ein Theil der uͤbernatuͤrlichen Offenbarung, oder, des goͤttlichen Worts. (§. 20.) Matth. 5, 20. Marci 12, 30. 31. 1 Joh. 3, 23. Das Wort GOttes hat eine uͤbernatuͤrliche Kraft, die an den Seelen wuͤrket, Ebr. 4, 12. zu ihrer Wol - fahrt oder Seligkeit, 2 Tim. 3, 15. Dann der heilige Geiſt wuͤrket in und mit demſelben unzer - trennlich, und bezeuget, daß es Warheit ſeye Joh. 17, 17. 16, 8. 1 Joh. 5, 6. Rom. 1, 16. Dieweil nun das Geſetz ein Theil iſt dieſes le - bendigen und kraͤftigen Worts, mit welchem der heilige Geiſt wuͤrket: ſo muß auch das Ge - ſetz mit einer uͤbernatuͤrlichen Kraft verſehen ſeyn, alſo daß es ein Hammer iſt / der Felſen zer - ſchmeiſet Jerem. 23, 29. und ein zweiſchnei - dig Schwerdt / das Seele und Geiſt durch - dringet(*)Das Geſetz kan in dieſem Spruch nicht ausgeſchloſſen werden, dieweil vom Wort GOttes uͤberhanpt die Rede iſt. Unten, (§. 42. **) Ebr. 4, 12.
Soferne die Warheiten des goͤttlichen Worts, aus Foderungen beſtehen, die der HErr an die Menſchen thut, und die er, im Fal des Ungehorſams rechtfertiget, durch Erfuͤl - lung der gebuͤhrenden Strafen, oder des ewi - gen Fluches: (§. 20. 21. ) ſoferne heiſen ſie Geſetz. Soferne aber GOtt uns wiſſen laͤſſet, daß ErD 5um58um Chriſti willen ſeine uͤbernatuͤrliche Kraft mit dieſen Foderungen verbinde, Jerem. 31, 33.(*)Dieſe Worte handeln nicht vom Geſetz al - lein, ſondern zugleich vom Evangelio. A - ber man darf das Geſetz doch nicht ausſchlie - ſen. Dieweil weder im Text, noch in der Sache ſelbſt, ein Grund zu ſolcher Aus - ſchlieſung vorhanden iſt. Sogleich im fol - gendem (Note des 24. §. gegen das Ende) wird dieſes bewieſen werden. und ſolches auch wuͤrklich leiſte zu Befoͤr - derung unſerer Wolfahrt durch Ehriſtum; ſo - fern ſind dieſe gnaͤdige Erklaͤrungen GOttes ein Evangelium. (§. 20. 21.) Und alſo iſt das Ge - ſetz in Anſehung dieſer goͤttlichen Kraft, die es als ein Theil des goͤttlichen Wortes, in ſeiner Art, und nach ſeinem Jnhalt, um Chriſti willen mit ſich fuͤhret, ein kraͤftiges Mittel, obzwar nicht das nechſte, eintzige und vornehmſte, zur Selig - keit: weil alle goͤttliche Wuͤrkungen, die um Chriſti willen, und zur Vereinigung mit Chri - ſto, geſchehen, unſtreitige Mittel ſind zur Se - ligkeit. Ja es gehoͤret dieſe im Geſetz wuͤrkende goͤttliche Kraft, zum prophetiſchen Amte JEſu, als welcher ſelbſt, im Geſetz und Evangelio ſich kraͤftig an den Seelen beweiſet.
Alle Foderungen GOttes an die Menſchen, zur Wolfahrt derſelben, ſind Geſetze. (§. 20. 22.) Die59Die Foderungen(*)Wann das erſte Naturgeſetz heiſet: Be - ſtrebe dich nach deiner Wolfahrt: ſo iſt das erſte evangeliſche Geſetz: Beſtrebe dich nach deiner Wolfahrt welche durch Chriſtum er - worben, und im Wort und Sakramenten dir angeboten iſt. Das heiſet ſoviel: Glau - be an Chriſtum / und gebrauche darzu das Wort / und die Sakramenten / als Mittel ſolcher Wolfahrt. Hier komt es freilich auf die Kraͤfte der Natur nicht an. Die ſind nichts zum Glauben. Aber dieſe evangeliſche Foderungen wollen ſoviel haben, daß wir der darin wuͤrckenden Gnade nicht wiederſtreben, das iſt, unſere natuͤrliche Kraͤfte nicht gegen dieſelbe gebrauchen ſollen. Luc. 14. 17. Hat aber ein Menſch den Glauben nun in ſich herfuͤr bringen laſſen; hat er goͤttliche Fertigkeiten erlanget, durch die Gnade, die alles in allem wuͤrcket: ſo ge - braucht er ſodann dieſe neue Kraͤfte, um den uͤbrigen Foderungen GOttes nachzukom - men. 2 Petri 1. 3. 5. Da fodert nemlich Gott weiter von ihm: Forſche und pruͤfe den gu - ten wohlgefaͤlligen und vollkom̃enen Wil - len GOttes / Roͤm 12. 2. Und wann du in goͤttlichem Licht denſelben gefunden haſt, ſo befleiſige dich, unter dem Trieb des heiligenGei - welche GOtt deswegen an die Menſchen thut, (ich ſage unmittelbar deswegen) weil60weil ſein Sohn unſer Mittler, das iſt, 1) unſer Hoheprieſter, Prophet und Koͤnig worden oder2) zu -(*)Geiſtes, Rom. 8. 14. ihn jederzeit in allen Faͤllen auszuuͤben, damit du in allen Stuͤ - cken immer voͤlliger werdeſt 1 Theſſ. 4. 1. 2 Petr. 1. 5. Wann die goͤttliche Gnaden - wuͤrckung dem Menſchen den Glauben, und dadurch eine ſolche Fertigkeit verleihet, den Willen GOttes zu pruͤfen und in jedesmali - gen Faͤllen auszuuͤben, ſo heiſt es: Das Geſetz / oder der Wille, und die Gebote Got - tes ſeyen von GOtt dem Menſchen ins Hertz geſchrieben. Und da gar viele ſolcher Gebo - te ſich auf das Evangelium gruͤnden, das iſt, deswegen gegeben ſind, weil ein Erloͤſer da iſt, und deswegen beobachtet werden koͤn - nen, weil dieſer Erloͤſer durch den Glauben unſer geworden iſt, ſo erhellet daraus, daß ei - nem Menſchen, dem GOtt das Geſetz alſo ins Hertz geſchrieben hat, auch das Evangelium zugleich muß ins Hertz geſchrieben ſeyn. Dann die lebendige Erkentnis des Evangelii gehoͤret zum Glauben, und muß da ſeyn, wo jemand die Foderungen GOttes, oder ſeine Geſetze halten will, 2 Petr. 1, 3. 5. Daraus iſt nun offenbar, daß Jeremias, 31, 33. beydes, ſowol das Geſetz / als Evangelium / verſtehen muß. Ja es kan auch dieſes nicht gelaͤugnet werden, daß dieerſten612) zugleich ſchon wuͤrcklich durch den Glauben un - ſer iſt, ſind demnach ebenfals Geſetze, und koͤn - nen, in geſundem Verſtande, evangeliſche Ge - ſetze(**)Es iſt dieſes mit groſer Behutſamkeit zu faſſen. Jnſoferne der HErr durch den Satz: glaube an Chriſtum! ſich erklaͤret den Glauben zu ſchenken, und ihn wuͤrcklich ſchenket; inſofern iſt dieſer Satz, und alle ſeines gleichen, kein Geſetz, ſondern ein theures Evangelium; und die angehaͤngte Belonung: wer da glaubet der wird ſeelig / iſt gantz evangeliſch, und heiſet ſoviel: der HErr, welcher den Glauben ſchenket, der durch unſere Kraͤfte unmoͤglich iſt; ſchenket eben dadurch Leben und Seeligkeit. Hinge -gen heiſen. Luc. 14. 17. 1 Joh. 3. 23. Matth. 11, 29.(*)erſten von einem Menſchen heilſamlich em - pfundene kraͤftige Wuͤrckung GOttes in dem Theil des goͤttlichen Wortes, welches Ge - ſetz heiſet, hier mitverſtanden werde. Dann wo im Anfang der Bekehrung, eine lebendige Erkaͤntnis des goͤttlichen Geſetzes, und unſers Elendes, daraus entſtehet, ſo hat GOtt das Geſetz ins Hertz geſchrieben, daß wir uns ſeiner Foderungen und ſeines Drohens, im - mer, mit ſtarcken damit verknuͤpften heilſa - men Gemuͤthsbewegungen bewuſt ſind, oder eine goͤttliche Traurigkeit zur Seeligkeit em - pfinden. 2 Cor. 7, 10.6211. 29. 2 Petr. 1. 3. 5. 2 Cor. 7. 1. Sobald ſie offenbaret ſind, ſo ſiehet man, daß ihr entfernter Gꝛund im erſten Naturgeſetz liege, weil ſie ihren un - mittelbaren nechſten Grund im Evangelio haben, was ihren eigentlichen Jnhalt betrift. Jenes heiſt: beſtrebe dich nach deiner und deines Nechſten Wolfahrt. Da hingegen ohne die uͤbernatuͤrliche Offenbarung, ſie kein menſchlicher Verſtand aus jenem natuͤrlichen Grundgeſetz herleiten kan. Die - ſes Grundgeſetz lieget auch in der Summ der zehen Gebote: Liebe GOtt uͤber alles, und deinen Nech - ſten als dich ſelbſt. Man ſiehet hieraus, was ein Geſetzſtuͤrmer vor ein ſchaͤdliches Abentheuer iſt. Dann 1) er verwirft ein kraͤftiges Mittel zur See - ligkeit das iſt die Wuͤrckung GOttes durch das Geſetz (§. 23.) und reiſet 2) den Grund um, auf welchem alle evangeliſche Foderungen GOttes be - ruhen. Von der groben Geſetzſtuͤrmerey des Herrn Grafen, ſind mehrere unumſtoͤsliche Be -weiſe(**)gen alle, den Foderungen GOttes ange - haͤngte Belonungen, in ſofern wir aus eige - ner Kraft die Foderung erfuͤllen, und zwar voͤllig erfuͤllen wuͤrden, gehoͤren zum Geſetz. (§. 20.) So auch alle, den Wiederſtrebun - gen gegen die evangeliſche Foderungen ange - haͤngte Strafen, beziehen ſich auf den Ge - brauch unſerer eigenen Kraͤfte gegen dieſe Fo - derungen, und gehoͤren eigentlich zum Ge - ſetz Marci 16, 16. (§. 20.)63weiſe angefuͤhret in ſeinem Predigaͤrgernis / (no - xa homiletica Zinzend. Giſſae 1744.) Auch wird unten ein neuer Beweis vorkommen, (§. 47.)
Das gantze Wort GOttes beſtehet aus War - heiten, die theils Geſetz / theils Evangelium ſind (§. 20.) GOtt wuͤrcket in und mit beiden kraͤftiglich (§. 22.) zu unſerer Wolfahrt durch Chriſtum. Was GOTT durch das, Geſetz wuͤrket, das will er nicht wuͤrken durch das Evangelium. Dann zweierley Warheiten zu offenbaren, davon die eine Art aus gnaͤdigen An - erbietungen ſeiner Huͤlfe zur geiſtlichen Wolfahrt, die andere Art aus Foderungen beſtehet: das waͤ - re ſeiner Weisheit zuwieder, woferne er doch durch beide, eines und eben das haͤtte wuͤrken wollen. Ja es waͤre auch gegen die Natur der Sache. Dann verſchiedene Warheiten machen auch in unſerem Verſtand verſchiedene Begriffe, und bringen, nach deren Beſchaffenheit, verſchie - dene Veraͤnderungen im Willen hervor. Gleich - wie aber die beiderley Art dieſer Warheiten ſehr voneinander unterſchieden iſt: alſo wuͤrket auch der Geiſt GOttes ſehr verſchiedene Veraͤnderun - gen dadurch in unſere Seelen. Mithin iſt zwi - ſchen Geſetz und Evangelio ein ſehr groſer Un - terſchied; fowol in Anſehung der Warheiten, woraus ſie beſtehen, als in Anſehung der Wuͤr - ckungen, die nach GOttes Abſicht, daraus in den menſchlichen Seelen entſtehen ſollen.
Weil das Evangelium nichts anders in ſich haͤlt, als die gnaͤdige Verſicherungen GOttes, daß er ſelbſt den verlohrnen hoͤchſtungluͤckſeeligen Menſchen ihre Wolſahrt durch Chriſtum verſchaf - fen will; (§. 20.) mithin aus lauter umſonſt ange - botenen Wolthaten beſtehet: So iſt es, der Na - tur der Sache nach, unmoͤglich, daß es die un - gluͤckſeelige ſchreken / oder mit dem Zorn GOttes aͤngſtigen koͤnne. Dann es redet von keinem Zorn, ſondern von dem geſtilten Zorn, und an deſ - ſen ſtat, von lauter Liebe GOttes, Himmel und Seeligkeit. Von Erloͤſung vor die Gefangene, Luc 4, 18. und von einem angenehmen Jahre des HErrn. Weil demnach der HErr unſer GOtt das mit dem Evangelio wuͤrken will, worzu es nach ſeinem Jnhalt geſchikt iſt; (§. 24. b) ſein Jnhalt aber auf lauter Freude zielet: Luc. 2, 10. Matth. 11, 29. Pſ. 51, 10. Jeſa. 40, 1. 2. ſo muß es falſch und irrig ſeyn, wenn jemand lehret, daß man durchs Evangelium den Suͤnder ſchreke: oder daß das Evangelium eine Predig der Buſſe ſeye, ſoferne die Buſſe von dem Glau - ben unterſchieden, und vor die goͤttliche Trau - rigkeit oder Zerknirſchung des Hertzens / ge - nommen wird, wie dann ſolche Bedeutung vor - kommt Marci 1, 15. Apoſtelg. 20, 21., in wel - cher Bedeutung wir ſchon oben (§. 21.) das Wort Buſſe genommen haben. Jmmittelſt iſt folgendes wohl zu merken. GOtt laͤſet dieſes Evangelium niemal ohne die darauf begruͤndeteevan -65evangeliſche Geſetze verkuͤndigen. (§. 24.) Und ein Lehrer, der die letzteren verſchwiege, wuͤrde kein evangeliſcher Lehrer ſeyn. Da kan es ge - ſchehen, daß der Suͤnder durch dieſe Geſetze ge - ſchreket wird. Wann er bedenket: ich habe mich um dieſes Evangelium bisher wenig oder nicht bekuͤmmert. Oder ich habe ihm wiederſtrebet bei aller Gelegenheit, da es mir bekant worden iſt. Alſo bin ich aus meiner Schuld unglaubig / das iſt verdammt, geblieben, Marci 16, 16. das ſchreket ſodann den Suͤnder. Aber in eben die - ſem Fal ſchreket ihn das Naturgeſetz, oder das Geſetz der zehen Gebote, von welchem alle evan - geliſche Geſetze ihre Verbindlichkeit haben. (§. 24. *) Da nun der heilige Geiſt auf ſolche Art die Welt ſtrafet, um die Suͤnde des Unglaubens / Joh. 16, 8. 9. ſo weiſet er ſie zugleich auf das Geſetz der zehen Gebote, und wuͤrket ſolcher Ge - ſtalt die Reue zur Seligkeit.
GOtt kan nicht anders wuͤrken, als wie es ſeiner Weisheit gemaͤß iſt. (§. 24.) Dann gegen ſeine Weisheit kan er nicht verfahren, ſonſt wuͤr - de er gegen ſich ſelbſt verfahren, und ein Unwei - ſer, das iſt kein GOtt ſeyn. Er hat aber das Geſetz und Evangelium, welche beide von gantz verſchiedenem Jnhalt ſind, (§. 20.) und in wel - chen beiden er zur Seligkeit der Menſchen ge - ſchaͤftig iſt, in der heiligen Schrift des alten und neuen Teſtamentes miteinander verbunden; (§. 20.) oder, er hat beides zu Mitteln gemacht, zuEeiner66einer und eben derſelben Abſicht. Ein Weiſer verbindet die Mittel zu ſeiner Abſicht, mit der Abſicht ſelber, das iſt, er machet daß ſeine Mit - tel zur Abſicht hinreichend ſind. Er verbindet auch die Mittel untereinander; nicht von ohnge - fehr, ſondern aus einer weiſen Urſache, das iſt, alſo, daß ein Mittel in Anſehung des andern zur(*)Die Wuͤrkungen GOttes durch das Ge - ſetz, wie auch durch das Evangelium, ſind beiderſeits Mittel zur Wolfahrt des Suͤn - ders (§. 20.) beide Mittel muͤſſen nun zu jenem Zwek verbunden und auf eine weiſe Art neben einander ſeyn. Wie aber? al - ſo, daß die Wuͤrkungen durch das Geſetz ein Mittel werden zu den Wuͤrkungen des Evangelii, als zu einer Zwiſchenabſicht GOttes. Dadurch geſchiehet es ſodann, daß ſie beide in dieſer Verbindung zur Hauptabſicht GOttes, das iſt zur Wol - fahrt des Suͤnders, hinreichend ſind. Hier iſt die Rede beſonders von den Wuͤrkun - gen des Geſetzes bei einem Menſchen, der bekehret werden ſoll; nicht aber bei dem, der ſchon bekehret iſt. Von dem letzteren ſiehe (§. 24. n. 2.) Zwiſchenabſicht dienen muß, bis ſie bei - de, oder mehrere, die letzte Abſicht erreichen. Und der Grund dieſer Verbindung muß in der Natur des Mittels, und dem Verhaͤltnis deſſel -bigen67bigen gegen die andere Mittel, und gegen die Ab - ſicht, liegen. Dieſes muß die Weisheit GOt - tes ebenfals thun, in der Sache davon wir re - den; wann er nemlich ſeine Wuͤrkungen durch das Geſetz und Evangelium als Mittel gebrau - chet, die Wolfahrt der Menſchen, das iſt ſeine Abſicht, zu erreichen. Da nun die Wolfahrt, einem der ein Suͤnder, (ein ungluͤkſeliger verlohrner Menſch) iſt, zu Theil werden ſoll; auch der Jnhalt des Geſetzes und Evangelii ver - ſchieden iſt (§. 24.) und ſich jenes auf des Suͤn - ders Elend; dieſes aber auf deſſen Errettung, beziehet: ſo laͤſt ſich daraus ſchlieſen, in welcher Ordnung die Wuͤrkungen GOttes, als Mit - tel zu ſolcher Wolfahrt, in Anſehung des Geſe - tzes und Evangelii, verbunden ſeyn, oder wie ſie auf einander folgen muͤſſen. Nemlich durch das Geſetz muß er wuͤrken, was durch deſſen Jnhalt moͤglich iſt zur Wolfahrt des Suͤnders, und eben ſo durch das Evangelium.
Die Wolfahrt eines Suͤnders iſt, der Zu - ſtand der Freude, nach dem Elend, Joh. 3, 16. 1 Petr. 1, 8. 9. Col. 1, 12. Apoſtelg. 26, 18. Alles Elend kommt aus der Suͤnde, Rom. 5, 18. Joh. 3, 6. Rom. 8, 13. Das Evan - gelium haͤlt die Verſicherungen GOttes in ſich, von dem was er zur Wolfahrt der Elenden leiſte. (§. 20.) Das Geſetz aber, welches Foderungen GOttes in ſich haͤlt, zeiget demjenigen, der die Foderungen nicht leiſten kan, ſeine Suͤnde (§. E 221.)6821.) das iſt ſein Elend, und richtet Zorn an / Rom. 4, 15. 16. Gal. 3, 10. Weil nun kein Menſch die Wolfahrt (oder den Zuſtand der Freude nach dem Elend,) begehren kan, der nicht weiß oder erkennet, daß er im Elend(*)Es kan wohl geſchehen, daß die Ver - kuͤndigung des Evangelii dem ſicheren, und in ſeinen Augen reichen und ſatten Suͤnder Offenb. 3, 17. Gelegenheit gibt an ſein Elend zu gedenken: zumalen, da das Ev - angelium verſichert, daß Chriſtus allen und jeden Menſchen zum Heil gegeben, mithin alle Menſchen ſeiner beduͤrftig, und folglich alle und jede im Suͤndenelend befangen ſeyen. Wann demnach der Suͤnder hoͤret, wieviel Muͤhe ſich der HErr gebe, den E - lenden Freude zu verſchaffen, oder ihre Wolfahrt zu beſorgen: ſo kan er veranlaſ - ſet werden zu fragen: bin ich dann auch im Elend? Aber es dienet zur Antwort: 1) daß es die Meinung nicht habe, ob muͤſte man den Suͤnder, der ſich noch reich duͤn - ket, das Evangelium auf eine lange Zeit gantz verſchweigen. Das iſt nicht. Man kan und ſoll es miteinander verbinden, aber mit dem Beiſatz, daß deſſen Zueignung vor Suͤnder, die in ihren Augen noch keine Suͤn - der worden ſind, vielmehr ihre Wolfahrt oder Freude noch in der Suͤnde ſuchen,gantzſeye;69ſeye; und weil GOtt, wann er die Wolfahrt durch ſeine Wuͤrkungen im Geſetz und Evange -E 3lio(*)gantz nicht gehoͤre; ſondern daß ſie noch un - ter dem Zorn liegen, den man einemjeden aus Vorſtellung ſeiner Suͤnden, mithin durch Vorhalt des Geſetzes, zeigen muß. Und das heiſet Geſetz predigen. Jſt es, daß ein ſolcher Suͤnder das Geſetz vorhin weiß; ſo darf er nur daran erinnert, die Abweichung ſeiner Handlungen angezeiget, und der Fluch eingeſchaͤrfet werden, wie es ſein Zuſtand mit ſich bringet. Waͤre er aber ſo verwildert, daß weder durch die Vernunft, noch durch die Offenbarung, ihm die Geſetze, mithin die Suͤndlichkeit ſeines Thuns und Zuſtandes, bekant geworden; ſo iſt offenbar, daß man ihn mit mehreren Vorſtellungen zur Erkentnis ſeiner ſelbſt zu bringen haͤtte, ohne ihm die Marter GOt - tes dabei zu verſchweigen. 2) Wo dieſes nicht geſchiehet, ſo kan der Suͤnder viel ehe ſicherer und frecher, als der Wolfahrt theil - haftig werden. Und 3) weil die Weisheit GOttes nichts uͤberhuͤpfet, ſondern die Ordnung der Mittel beobachtet: die Wuͤr - kungen aber durchs Geſetz, ein Mittel wer - den zu den Wuͤrkungen des Evangelii, als zu einer Zwiſchenabſicht / (§. 26. 27. ) ſo gebuͤhret es ſich, in dieſer Ordnung zu blei -ben.70lio verſchaffet, ſich nach dem Jnhalt ſowohl je - nes als dieſes, richtet: (§. 26.) So iſt offenbar, daß er erſt durch das Geſetz die Erkentnis von dem Elend (daraus Zerknirſchung und ein Trieb, dieſes Elendes los zu werden folget) und ſodann durch das Evangelium, das Verlangen nach der angebotenen Errettung Matth. 5, 6. und die daraus entſtehende Freude (§. 25.) wuͤrket. Sol - cher Geſtalt wird die Wuͤrkung des Geſetzes ein Mittel, zu Erhaltung der Zwiſchenabſicht (§. 26.) nemlich der Wuͤrkung durch das Evangeli -um:(*)ben. 4) Weil doch der Jnhalt des Evan - gelii und die eigentliche nechſte Abſicht des GOttes, welcher im Evangelio nach und durch deſſen Jnhalt wuͤrket, (§. 26.) gantz nicht dahin gehet, daß die Menſchen in ih - ren Augen Suͤnder und voll Unmuths wer - den ſollen, als welches vor das Geſetz ge - hoͤret (§. 21. 22. ) ſo muß man das Evan - gelium mit Vorbeigehung des Geſetzes nicht darzu gebrauchen, worzu es nicht gegeben iſt, und worzu es nur zufaͤlliger Weiſe die - nen kan, ſondern darzu, was es vor ſich, und nach GOttes Abſicht wuͤrket. Sonſt haͤlt man die Groͤſe und Vorzuͤglichkeit ſei - ner Wuͤrkung nicht gnug in Ehren, und verachtet das eigentliche Mittel, welches GOtt zu Erlangung der dahin gehoͤrigen Abſicht verordnet hat. Hiervon redet das Concordienbuch ſehr ſchoͤn, ſ. 712, 713.71um: beide dienen ſodann zur Hauptabſicht / nemlich zur Wolfahrt. (§. 20.) Wer demnach die Wolfahrt eines Menſchen durch die Wuͤr - kungen GOttes im Geſetz und Evangelio, als durch die beiden einige Mittel (§. 20.) beſorgen will, der muß dieſer weiſen Ordnung GOttes folgen, und die Wuͤrkungen GOttes durch das Geſetz, ehe in dem Suͤnder befoͤrdern, als er die Wuͤrkungen des Evangelii zu befordern ſuchet. Wiedrigen Fals handelt er gegen die weiſe Ord - nung GOttes, und bekehret den Suͤnder nicht, Matth. 5, 4. 2, 28. 29. Jeſa. 50, 4.
Den Suͤnder zur Erkentnis ſeines Elends zu bringen, und mit dem Zorn GOttes zu ſchreken, iſt des Geſetzes Werk, welches aus der Natur des Geſetzes, und aus der weiſen Abſicht GOttes deutlich erhellet. (§. 20. 21. 27.) Wann nun der Suͤnder den Zorn GOttes(*)Das ſind die Worte des Herrn Grafen in ſeinem Creutzreich ſ. 26. aus dem Leiden JEſu / mit Ausſchlieſung der geſetzlichen Vor - ſchriften und Drohungen (§. 20.) (des Ham - mers und der Hoͤrner Moſis wie der Graf hoͤh - niſch davon redet) lernen / oder mit der Marter GOttes zuerſt heilſamlich geſchreket werden ſoll; ſo muß man das Leiden JEſu / oder die Marter GOttes(**)Das haben unſere S. Bekenner in demCon - geſetzlich brauchen: oder esE 4muß72muß in der Marter GOttes etwas liegen, wel - ches die Dienſte des Geſetzes eben ſo gut oder noch beſſer, verrichten kan, als wenn die Gebote des Geſetzes und ſein Fluch, (§. 27.) geprediget wuͤr - de.
GOtt laͤſſet uns von dem Leiden JEſu wiſſen, daß es der Grund von unſerer Wolfahrt ſeye, als welche er ſelbſt dadurch erwerbe, und moͤglich mache 2 Cor. 5, 19. 20. 21. Gal. 3, 13. Jeſa. 53, 4. 5. Die Verſicherungen GOttes daß er die Wolfahrt der verlohrnen Menſchen durch Chri - ſtum verſchaffe, iſt Evangelium (§. 20.) Alſo gehoͤret das Leiden JEſu / oder die Marter GOttes in ſoferne zum Evangelio.
Von dem Leiden JEſu verſichert uns GOTT und JEſus ſelber, daß es ein Leiden ſeye, durch welches unſere Suͤnden auf die allerſtrengſte Art, und genau nach GOttes Gerechtigkeit, ohne alles Verſchonen abgeſtraft worden, und daß der Zorn GOttes uͤber die Suͤnden, welcher brennet, bis in die Hoͤlle, auch GOttes eigenen Sohn / weil er dieſe Suͤnden uͤbernommen hatte, zum Fluch werden laſſen Gal. 3, 13. Marci 14, 34. Luc. 22, 42. 43. 44. Marc 15, 34. Rom 8, 32. Jn ſoferne dieſes an unſerer ſtatt / mithin auch zuunſe -(**)Concordienbuch reiflich und gruͤndlich er - wogen, ſ. 593. und 712. Unten wird davon gehandelt werden, (§. 42.)73unſerer Wolfahrt, geſchehen zu ſeyn verſichert wird; in ſofern iſt dieſe Verſicherung ein Evangelium (§. 20.)
Des Geſetzes eigentliche Wuͤrckung iſt, daß es den Suͤnder ſchreke. (§. 20. * 21.) Das Geſetz aber kan nicht anders wuͤrken als durch ſeinen Jn - halt (§. 24. b 26.) Das iſt, es muß wann es ſchre - ken ſoll, die Foderungen GOttes dem Suͤnder vorhalten, ihm ſeine Ubertretungen und den Fluch GOttes, auch das Unvermoͤgen, aus eigenen Kraͤften davon loß zu werden, vor Augen legen (§. 20. * 21.) Wann nun die Marter GOttes den Suͤnder eben ſo gut, oder noch beſſer als das Geſetz, erſchrecken ſoll; ſo muß der Suͤnder aus der Verkuͤndigung der Marter GOttes den Jnhalt des Geſetzes eben ſowol, oder noch beſſer, als aus dem Vortrag des Geſetzes, verſtehen koͤnnen. Das Geſetz iſt eine Regel, und die Marter GOt - tes eine Begebenheit, wodurch dieſe Regel beſtaͤ - tiget wird, oder ein Exempel, aus welchem ich die ſchon bekante Regel erlaͤutert ſehen, oder wann ſie noch unbekant, durch Nachſinnen geſchikt herausleiten kan: worzu aber eine Ubung in der allgemeinen Erkentnis erfodert wird. Und alſo muß die Marter GOttes in ſolchem Fal geſetzlich betrachtet werden (§. 28.) Wann ich alles evan - geliſche von dem Leiden JEſu abſondern, und es pur geſetzlich anſehen wolte, ſo bliebe in dieſemE 5Exem -74Exempel weiter nichts uͤbrig, als ein(*)Dann ſobald ich darzu ſetze: Er iſt GOtt / und kein bloſer Menſch, ſo iſt die Marter JEſu gewiſſer maſſen ſchon evangeliſch / dann der Schlus wuͤrde gleich zu machen ſeyn: leidet GOtt, der keine Suͤnde haben kan, ſo muß das Leiden jemanden zum Beſten, gereichen. Das evangeliſche wird noch deutlicher, wann ich beifuͤge: er lei - det unſchuldig, und anſtat aller Suͤnder die jemals in die Welt kommen. Solan - ge ich mit Weglaſung dieſer evangeliſchen Zuſaͤtze, die Marter des JEſu von Naza - reth verkuͤndigen wolte; ſo koͤnte dieſes E - xempel im Fal es JEſum als unſchuldig leidend, vorſtellen wuͤrde, den Jnhalt des Geſetzes unmoͤglich zu erkennen geben. Dann der Zuhoͤrer wuͤrde ſagen: daß ein unſchuldiger Menſch ſoviel gelitten hat, das beweiſet nicht, das gewiſſe Foderungen GOttes ſind