PRIMS Full-text transcription (HTML)
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Pegneſiſche Geſpraͤchſpiel-Geſellſchaft von Nymfen und Hirten:
bey demWindiſch - graͤtz -Oetting - iſchenHochGraͤflichen Beylager / aufgefuͤhret durch den Erwachſenen.
NuͤrnbergBey Michael und Johann Frid - rich Endtern.A. 1665.

Dem Hoch - und Wohlgebohrnen Grafen und Herrn Herrn GOTTLIEB des Heil. Roͤm. ReichsGrafen und Herrn von Windiſchgraͤtz Freyherrn zu Waldſtein und im Thal Herrn auf Trautmansdorf / Erbland Stallmeiſtern in Steyr / Dero Roͤm. Keyſerl. Majeſtaͤt wuͤrcklichem ReichsHofRaht / Rittern / ꝛc.

Wie auch Der Hochgebohrnen Graͤfinn und Freulein / Freulein MARIA ELEONORA / Graͤfinn von Oettingen / ꝛc. Sr. Hochgraͤfl. Excellenz HochFuͤrtrefflichen Hochgeliebteſten Freulein Geſpons: widmet ſich dieſe GeſpraͤchSpielGeſellſchaft / zu gehorſamſter Aufwartung:

WIr reden hier von Euch / ihr hohe See - len!
Viel kleiner iſt das Werk / als die Begier
und unſre Pflicht. So wenig Blaͤtter hier /
nicht Eure Preiſe zehlen / noch erzehlen.
Wir wollen Euch / der Ehre ſelbſt / empfehlē:
die Eurem Wehrt ſoll zahlen die Gebuͤhr.
Tritt Fama doch / zu reden / ſelbſt herfuͤr:
dieweil Verdienſt und Gluͤck ſich izt vermaͤh - len.
So wachſe dan̄ empor / du Graͤflichs Haus!
und breite dich in hohe Aeſter aus /
ſteig Wolken-an / werd Nachbar mit den Sternen!
Denk / daß du uns viel Helden ſchuldig ſeyſt
und Heldinnen / von ſolchem Preis und Deiſt.
Es ſoll / von dir / die Nachwelt reden lernen.
Ihr. Ihr. HochGraͤfl. Gd. Gd.

Untergebenſter Pflicht-Schuldner und Gehorſamſter Knecht Sigmund von Birken C. P. C. P. C.

Pegne -
1

Pegneſiſche Fruͤlings-Freude.

DRion hatte nun den Sebel einge - ſtecket. Vom Perſeus / Erichthon izt nit mehr ward erſchrecket / mit ſeinem Gorgonskopf. Es war vom Cyn - thius / das ſchoͤne Cepheus-Kind / der halbe Pega - ſus / Bootes und ſein Beer / Aſtree und ihre Wage / und was vor Heer der Nacht ſonſt weichen muß dem Tage / am Himmel uͤberhuͤllt. Sein guͤldnes Ange - ſicht / ausleſchte Cynthien ihr bleiches Silber - liecht: Als die Begierde / ob dem neuen Fruͤ - ling ſich zuerfroͤlichen / etliche Schaͤfere am Geſtade des Pegnitzſtrandes zuſam - mengefuͤhret. Der Himmel hab die Eh - re! wir haben die Freude / (riefe Flori - dan / als er den Myrtillus in GeſellſchaftA iijPalaͤ -2Der Fruͤling. Palaͤmons herbeynahen ſahe) daß die Erde mit dem Schnee-Schleyer die Winter Traur hingeleget / und mit ihrem neu-uͤmgelegten gruͤnen Rock uns eine Vergnuͤgungs-hoffnung ſinnbildet. Die laſſe uns der Himmel (verſetzte Myrtil - lus) reichlich zeitigen! Und erſprieslich fruchten! ſetzte Palaͤmon hinzu. Dieſes ſagend / empfiengen und uͤmſiengen die dreye einander / und wechſelwuͤnſcheten ihrer allerſeits Wuͤnſche Erfuͤllung.

Du haſt / (fuhre Palaͤmon fort / ge - gen Myrtillen) im verwiechenen Som - mer / Hoffnung geerndet: die ich annoch ausſeend / auf die Bluͤt warte. Die rech - te Zeit / (erwiderte dieſer) wird auch dei - ne Roſen bringen: derer Natur iſt / daß ſie zwiſchen den Dornen hervorknoſpen. Auch die Sam-graͤſlein / (ſetzte der drit - te hinzu) muͤſſen Winter-uͤber / mit Wind / Eis und Froſt / und ſonſten mit Hagel / Hitz und Naͤſſe / beſchlagen ſeyn / ehedann ſie zu Sommer-Aehren werden. Wie zerkrieget ſich die liebe Flora / mit dem wilden Eolus-Geſinde / denen un -geheu -3Der Fruͤling. geheuren Nord-Oſten / ehe ſie dieſelben in ihre Gefaͤngnis verſchlieſſen kan / uͤm / ihrem Zefyrus und ſeinen ſanften Suͤd - Weſten platz und raum zumachen! Son - derlich thaͤte ſie ſolches im heurigen Vor - jahr / (thaͤte Palaͤmon hinzu /) welches uns den Fruͤling zeitlich gewieſen / aber langſam gewaͤhret.

Er kommt doch nun endlich / (ſagte Floridan) und zwar je ſpaͤter je lieber. Der Lufthimmel / zeiget uns wiederuͤm ſein ſaffirnes Gewoͤlbe: nachdem er den Fuͤrhang der Schneewolten beyſeit ge - zogen / und die Nebeldecke zur Erden ge - worfen. Man kan ſagen / (ſagte Myr - tillus) der Himmel buhle izt mit der Er - de / als die er freundlich anlachet / uͤmar - met und waͤrmet / auch mit Thau und Regen gleichſam ſchwaͤngert. Freylich lachet der Himmel izt gegen der Erde / (erſetzte Palaͤmon) mit ſeinem ſchoͤnen Aug / der Sonne: welche auch / uͤm des willen / ihren Stand am Himmel taͤg - lich erlaͤngert / und die Erde / derſelben ein mit Smaragden und andren Edel -A iiijſteinen4Der Fruͤling. ſteinen geſticktes guldinn-Stuck anzie - hend / gleich einer Fuͤrſtlichen Braut / her - ausputzet.

Laſſt uns doch / meine Weidgenoſſen! (ſagte Floridan) dieſen erfreulichen Fruͤlingsgedanken nachſetzen / weil wir darauf gerahten ſind. Betrachten wir die drey Lenzen Monden / ſo ſchuͤttelt itzund der Hamel am Himmel ſein wahres Gold Fell / oder ſeine Gold Wolle / auf Erden herab. Er gehet / den irdiſchen Wollenheerden / him̄liſch vor / fuͤhret ſie aus den Staͤllen zur neuen Feld Weide / und bereichert ſie mit Maͤrz Laͤmmern. Er ſihet ſich uͤm am Himmel / (fuhre Myrtillus fort) nach dem Stier / dem Heerdenmann: der winket / hinter ihm / ſeinen gehoͤrnten Bruͤdern auf Erden / daß ſie die Kuͤhe / ihre Weiber / denen er die Eiter ſchwaͤllet / auf die Weide fuͤh - ren und Hochzeit machen ſollen. Endlich im Mayen / (ſetzte Palaͤmon hinzu) komt die Reihe auch an die Menſchen. Die zween an Himmel ſich umfahende Bruͤ - der / lehren uns / mit ihrem Beyſpiel / dasLieben5Der Fruͤling. Lieben und Umarmen. Es ſcheint / diß ſeyen die beyden Himmelsknaben / Gany - medes und Cupido / die ſich miteinander letzen: weil dieſer jenen verlaſſen / und mit den Pfeilen / die er Winter-uͤber gefor - met / auf Erden kommen will.

Wann ich dieſe ſchoͤne Jahrzeit bilden ſolte / (fienge Myrtillus an) ſo wolte ich mahlen die Blumen Goͤttinn; das Blu - menhorn / ſolches auf Erden auszuſchuͤt - ten / auf dem Arm tragend. Ich wolte ſie kleiden in einen gruͤnen Rock / und dar - bey dichten / ſie habe ihr ſolchen / da ſie in Dieſpiters Palaſt uͤberwinterte / aus Seiden ſelber geſponnen / und mit aller - hand Blumen geſticket. Ich wolte ſie ſe - tzen auf Auroren Luftwagen mit dem Ze - fyrus / und ſie legen in ſeine / als ihres Buhlens / Arme. Ich wolte dieſem Wa - gen vorſpannen / zween Falken / welche / die Maͤhnen ſchuͤttelend / das Gras mit Perlen und Demanten / mit Kryſtallen und Carfunkeln uͤberſtreuen. Ich wolte ihr auch Pinſel und Pollet in die Hand geben / als derjenigen / die da jaͤhrlich / inA vdas6Der Fruͤling. das irdiſche Buch der Natur / viel tau - ſend Blum-Sinnbilder zumahlen pfle - get.

Unſre Wieſenmahlerinn / iſt wol ab - gemahlet: beurtheilte Floridan. In an - dern Sachen / iſt zuzeiten die Kunſt / der Natur Meiſterinn: aber in hervorbrin - gung der Blumen / gibt ſie ihr gewon - nen. Da ſpuͤret man den Gottes Finger / und wird kein Mahler Pinſel / eine Blum - wieſe / oder ein Garten-Blumbeete / na - tur-gemaͤß nachſchillern koͤnnen. Es iſt auch zubewundern / daß aus einer Wieſe / die einerley Erde und Luft hat / von einer Sonne beſchienen / und von einem Regen befeuchtet wird / ſoviel tauſenderley Graͤſ - lein / Kraͤutlein und Bluͤmlein hervor - ſchieſſen. Auf dieſer Blumen-Erde moͤchten diejenigen uͤmkriechen / und die Urſach ſolcher vervielfaͤltigung ausfor - ſchen / die mit ihrer Uberwitze ſo gern gen Himmel klaͤttern / und dafelbſt von den Goͤttlichen Geheimniſen Rechenſchaft fordern. Sie tragen (verſetzte Palaͤmon) an ihnen ſelber ein Goͤttliches Allmacht -Wun -7Der Fruͤling. Wunder / die Augen oder das Geſichte: an welchem je ganz unausforſchlich iſt / wie dieſer Nerve des Liechtes faͤhig wor - den / und wie diß kleine Glied ſo einen groſſen Umfang ſehbarer Dinge / ſo gar auch die auf etliche tauſend Meilen ent - fernete Sternen / ergreifen und in ſich faſſen koͤnne. Aber wir muͤſſen / zu dem ſchoͤnſten gegenwurf der Augen / den Gras - und Blumen Wieſen / umkehren. Man kan die Blumen (ſagte Myrtillus) mit recht die Augen der Auen / die Ster - nen der Erde / und das Gelaͤchter der Felder / nennen. Die Wieſen / ſind des Fruͤlings Angeſichte. Nachdem die Son - ne ihnen die Winterzaͤhren abgetrocknet / flinken und blinken ſie mit den Sternen - auen in die wette. Sie ſind der Men - ſchen Augenweide / des Jahres bunte Ta - pezereyen / und des Luftes Balſam - und Biſem-Apotheke.

Die vom verwiechenen Herbſt ge - ſchwaͤngerte und beſaͤmte Erde / (ſagte Floridan /) faͤhet nun an zu gebaͤhren / und wird ſelber neugebohren: indem ihreA vjtheils8Der Fruͤling. theils ausgefallene Haare wieder wach - ſen / theils graue wieder gruͤn und jung werden. Die Kindheit der Aehren / als noch ſchwach auf den Beinen / kriechet im Feld und im Schloß ihrer Mutter. Der gruͤne Halm / hat die Muttermilch / als ein Saͤugling / noch im Munde: bis ſie gerinne / und ein Kern oder Korn dar - aus werde. Die Felder gruͤnen daher / und erfreuen den Feldman̄ mit der Hoff - nung einer reichen Ernde: welcher / uͤm dieſe Zeit / an Koͤrnern arm und an Wuͤnſchen reich zu ſeyn pfleget.

Eben alſo (thaͤte Palaͤmon hinzu /) ſpielen die Bluͤmlein und Kraͤutlein / als Kinder / in der Wieſen / und die Blaͤt - lein und Bluͤtlein / in der Baͤume / Ar - men. Die Baͤume und Buͤſche / zeugen und zeigen / Knoͤpfe und Knoſpen: aus welchen / als aus den Eyern / die Blaͤtter und Bluͤten ſchliefen. Sie verſprechen uns Schattendaͤcher / Sonnſchirme und Sommerlaͤuben. Sie beginnen nun wie - der / an den Ufern / die Fluͤſſe und Baͤche zukroͤnen. Ihren kahlen Koͤpfen / waͤchſtdas9Der Fruͤling. das Haar wieder / welches ihnen der Nordwind abgewehet; ſie hoͤren auf / Ruten und Beſen zu ſeyn. Der Reben - ſtock / das elendeſte und doch edelſte Holtz / weinet itzund vor dem Weine / und ſeine Threnen ſind Vorboten der Trauben. Alſo thut auch die Birke; ſagte Floridan: ſie zaͤhret / ehe ſie den Mayen mit Meyen zieret.

Du weinſt / O Birke! doch die Threnen
Vorboten deines Lachens ſind.
Die Erde will dich neu verſchoͤnen /
geſchwaͤngert von dem Lenzenwind.
Lang haſt du Ruten mir gezeiget:
ſie ſollen bald anlachen mich
begruͤnt / weil aus der Erd in dich
der friſche Lebensſaft aufſteiget.

Was ſoll man dann ſagen / (ſagte Myrtillus) von unſren ſuͤsliſplenden / ſilberrinnenden / Goldkieſel-rieſlenden / Kryſtall-hellen / Luſt ſtrudlend - und wud - lenden Baͤchlein? Sie ſchieſſen und flieſ - ſen nun frey und froͤlich daher / von den Eisfaͤſſeln erledigt. Sie ſchwaͤngern / ſchwenken und traͤnken ihre Nachbar -Wieſen:10Der Fruͤling. Wieſen: und werden ſelber mit Fiſchen geſchwaͤngert. Die Nymfen / ſteigen aus dieſen ihren Waſſerzellen / auch aus den Berghoͤlen hervor / ſoͤnnen am Geſtad ihre Haare / beſennen ihre Boͤgen / und bepfeilen die Koͤcher / das Wild zu ja - gen / und von den Panen / Faunen und Satyren wieder gejagt zuwerden.

Werden wir auch vergeſſen / (erin - nerte Floridan) der lieben Luftſaͤnger / der fliegenden Floͤten / der Feder Poeten / der lebendigen Pſaͤlterleln? die itzund ihre alte Haͤuſer wiederbeziehen / ihre Wald - Capelle beſtellen / und auf den Baͤumen Verloͤbnis halten. Viele unter denſel - ben / ſind des Fruͤlings Herolde und Vorboten. Sehet dort ſich ſchwingen und ſingen / die tirelirende Lerche: uns zur Lehre / daß unſre Lieder / gleichſam auf - fliegend / den Himmel verehren ſollen. Die Nachtigall und Grasmuͤcke / ma - chen unſre Ohren zu Schiedrichtern ih - res Geſangkampfes. Filomelen Schwe - ſter / die getreue Progne / haͤnget ihr Haus an einen alten Balken / ſeufzet uͤber denItys /11Der Fruͤling. Itys / und verbirgt ſich vor dem Widho - pfen Terens. Der langgeſtelzte Klapper - Storch / bauet ſein Haus auf den Gibel jenes Hanſes. Auch die Bienlein / (thaͤ - te Palaͤmon hinzu /) der fliegende Reichs - Staat / das Koͤnigliche Honigreich / die Wachsbuͤrger / die Werkmeiſter der Suͤſſigkeit / ziehen zu Feld aus dem Win - terlager / kriechen aus ihren Klaͤuſlein und Haͤuſlein / und fliegen aus auf die Fuͤtterung / weil die Blumen nun an - fahen ſie zu gaſt zuladen.

Dieſe Fruͤlings-Zeit / (ſagte Flori - dan /) ſolte billig das Neue Jahr heiſen / weil ſie auf Erden alles verneuet / nach - dem im verwichenen Winter alles faſt erſtorben geweſen. Wie dann viele Voͤl - ker / mit dieſer Zeit / das Jahr angeſan - gen. Es iſt auch vermutlich / daß der Zei - ten Anfang eine ſolche Zeit geweſen. Die Welt wird / uͤm dieſe Zeit / wiedergeboh - ren / die zu einer ſolchen Zeit geboren wor - den. Dieſe des Jahres (gleichwie alle) Kindheit und Jugend / hat die Schoͤn - heit / Anmut und Zaͤrte zu Gefaͤrten. Esware12Der Fruͤling. ware und iſt / uͤm ſelbige und dieſe Zeit / alle Freude im Wachstum: alles fienge und faͤhet an / zu gruͤnen / zu bluͤhen und zu lachen. Die Erſte Zeit / (ſagte Myr - tillus /) wird von den Alten die Guͤldne Zeit genennet / und von unſrem Roͤmi - ſchen Naſo /(a)Ovid. l. 1. fab. 3. mit mehrern uͤmſtaͤn - den / alſo beſchrieben.

Die Guͤldene Zeit.
Die Erſte iſt die Guͤldne Zeit auf Erd:
Da Treu und Recht war ungebotten wehrt.
Man wuſte noch von Furcht un̄ Straffe nicht.
Der Unſchuld war kein Kerker zugericht.
Kein Menſch erſchrack vor eines Richters Hand:
ohn Richter / ward vermieden Suͤnd und Schand.
Es war auch noch die Fichte nicht gefaͤllt /
zu ſchiffen hin in eine andre Welt.
Es kennte nur ein jeder ſeinen Heerd:
kein fremder Rauch zu ſehen ward begehrt.
Ein jeder fand / was er geſucht / zuhaus.
Man reiſte nicht nach fremden Laſtern aus.
Die Furcht hatt noch uͤmmauret keine Stadt.
Der Zorn kein Schwerd und keinen Helm noch hatt.
Das13Der Fruͤling.
Das hole Erz blieſ auch noch nicht zum Streit.
(breit.
Nichts war / als Ruh und Friede / weit und
Die Erd / noch nicht verwundet von dem Pflug /
und unbepflanzt / die baͤſten Fruͤchte trug.
Man war vergnuͤgt mit ſelbſtgewachſner Speis /
und was gebar ein gruͤnes Baͤume-Reis.
Die Erdbeer man pflag aufzuleſen auch /
und manche Beer ſonſt mehr von manchem Strauch.
Es ſchmeckten gar die bittren Eicheln ſuͤß /
die Dodons Hayn von Aeſten fallen ließ.
Es waͤhrte ſtaͤts die ſchoͤne Fruͤlingszeit.
Der ſuͤſſe Weſt blieſ durch die Blumen-heid:
Kein Nordes-grim̄ / ein Tod der Kraͤuter war.
Und ungebaut / die Erde Frucht gebar.
Im Feld ſtund ſtaͤts der Aehrē ſchweres Gold.
Man fand allzeit / wz jeder wuͤnſcht un̄ wolt.
Es floſſ der Strom / mit Milch und Nectar - Wein
Es ſchenkten auch die Baͤume Honig ein.

Wir haben / (fienge Palaͤmon wie - deruͤm an) in unſrer Erzehlung / der vor -nehm -14Die Liebes-gedanken. nehmſten Fruͤlingsfreude / der Liebe / zu ſparſam erwaͤhnet. Die Liebe / brennet izt mitten in den Waſſern / flieget in den Luͤften / und ſpaziret auf Erden. Viel - leicht (verſetzte Floridan /) bren̄et ſie auch in deinem Herzen / flieget in deinen Ge - danken / und gehet mit deinem Verlan - gen ſpaziren. Der Mund / iſt ein Rand des Herzgefaͤſſes; thaͤte Myrtillus hinzu. Deines muß voll Feuer ſeyn / weil es mit Flammen uͤberlaͤuft. Es iſt doch gleich - wol wahr! fuhre Floridan fort: Wir hoͤ - ren izt / aus Liebe / die Fiſche im Waſſer gegeneinander ſchnalzen / den Kukuk in der Luft ſeinem Gatten ein Staͤndchen machen / und den Wieſen Spielmann nach der Kuhe brummen. Und vielleicht werden wir bald / auch unſren Palaͤmon / nach einer Schaͤferinn ſeufzen hoͤren? verſetzte Myrtillus. Ihr habt gut hoͤnen! widerredte Palaͤmon: Bey euch iſt es auch / das ganze Jahr / Fruͤling / da hin - gegen ein mancher von einem kalten Winter mit heiſſem Sommer geplagt wird. Deſto baͤſſer vor dich! ſagte Myr -tillus:15Die Liebes-gedanken. tillus: Wann deine Hirtinn der liebloſe Winter und du der liebreiche Sommer biſt / ſo kan man einen gemaͤſſigten Fruͤ - ling aus euch beyden zuſam̄enſchmelzen.

Iſt dir zu heiß:
hol bey ihr Eis.
Und iſt ſie Eis:
mach du ihr heiß.

Ich habe dieſes Rahts nicht von thun: er - widerte Palaͤmon. Ich redete in gemein / und nicht von mir ſelber.

Mir iſt nit heiß:
ich brauch kein Eis.

Mich duͤnkt aber / ihr beyde mutmaſſet von mir / aus eigner Erfahrung. Kom̄t! was gilt es / die Baͤume ſollen mir deſſen Zeugen ſeyn. Solches ſagend / tratte er zur naͤchſten Linde / und fand auf derſel - ben / unter andern / dieſe Zeilen:

Die widerſinnige Liebe.
Ja / Amor / leugn es nicht: Du biſt fuͤrwar ſtockblind.
Und biſt du ſehend je: was ſolte ſeh’n ein Kind?
es ſchieſt nur blind darein / treibt mit den Pfeilen Poſſen.
Und16Die Liebes-gedanken.
Und raͤumt dann ſoviel Macht / der Himmel / Kindern ein?
Fehl / oder ſchieſſe recht / du Schalk / ſo arg als klein!
Die flieht mich / gegen der ich lebe Lieb-ge - ſchoſſen:
und dieſe lauft mir nach / die mir nit Freude gibt.
ich liebe / die mich haſſt: und haſſe / die mich liebt.
O uͤmgekehrte Welt! O Flam̄en voller Eiſe!
Soll / Fillis! deine Lieb mir angenehme ſeyn:
ſo tritt mir / in Geſtalt Aſterien / herein.
So wirſt du (izt bey dir mich friert /) mir machen heiſe. M.

Hat nicht / das Eis Aſterien / (fuhre Palaͤmon fort /) unſrem Myrtillus / von dem der untergeſetzte Buchſtab redet / das aus dieſen Worten flam̄ende Feuer verurſachet? Ich geſtehe dir nichts: lieſ - ſe dieſer ſich dargegen vernehmen; es koͤnnen auch Montano oder Melibee die - ſe Zeilen eingeſchnitten haben. Doch will ich nit leugnen / daß etwan mein Herz auch auf dergleichen Eis-kohlen gebra - ten worden. Laſſt uns aber / noch mehrBaͤume /17Die Liebes-gedanken. Baͤume / beſehen und beſuchen. Sehet hier /

Ihre ſchoͤne Arme. Sonnet.
Ihr Arme / die ihr nicht an Schoͤnheit ar - me ſeyt!
ihr Liebesfaͤſſel ihr / dergleichen Venus dorte
warf uͤm Adonis Hals! ihr macht / die ſtum - men Worte
der Augen / redend oft; gebt angenehmes Leid.
Beſeeltes Marmor du / Graͤnz jener Treff - lichkeit
des ſchoͤnen Huͤgel-paars dort an der Her - zenspforte!
zu neugefallner Schnee / der bleibet fort und forte!
ach! ſolt ich ſehen dich und kuͤſſen allezeit /
wie ich dann thu itzund. Diß ſey dan̄ mein Verlangen:
daß ich von euch allzeit / ihr Faͤſſel / werd uͤm - fangen?
Die groͤſte Freyheit iſt / alſo gefangen ſeyn.
Will meine Wangen dann der blaſſe Tod entfaͤrben: (ein /
ſo ſchlaff ich ja bey euch auch ſanft und ſeelig
ihr himmeliſche Arm! ich kan nit ſuͤſſer ſter - ben.
BAuch18Die Liebes-gedanken.

Auch dieſe Reimen / (ſagte Palaͤmon) reimen ſich mit unſrem heiſſen Eis-ge - ſpraͤche: ſie ſind ihre Flammen dem Schnee eines weiſſen Armes ſchuldig. Von denen ihme angraͤnzenden ſchoͤnen Huͤgeln und Herz-Rigeln / redet eine Schrift / die ich neulich an einem Apfel - baum erſehen / dieſes Inhalts:

Die Hirtinn Aepfeltraͤgerinn.
Ein ſchoͤne Hirtinn gieng / trug uͤber ihrem Haubt
voll Aepfel einen Korb. Mit beyder Hand ſie hielte
die liebe Laſt empor / die ſie vom Aſt geraubt.
Als der verliebte Weſt mit ihrem Kleide ſpielte /
fiel das ihr oberhalb vom weiſſen Buſen ab:
da ſich dann bald ein paar Milch-ſchoͤner Aepfel wieſe.
Ein Schaͤfer / deme Luſt die zarte Bloͤſſe gab /
ſprach / indem ſein Geſicht er auf ſie ſchieſ - ſen lieſe:
Ich mag der Aepfel nicht / die Die gebrochen hie;
die mag ich / die ich dort am Baum noch han - gen ſih.
Sie19Die Liebes-gedanken.

Sie beſahen noch einen Baum / und fanden an demſelben ein Sonnet / wel - ches anredete

Die Fliege auf ihren Wangen.
Darfſt du / du kuͤbnes Thier / zu kuͤſſen / ſo erkecken /
die Wangen / die ſo voll der Venus-roͤſelein?
wilſt du wor Honig hier / wie Bienen / holen ein?
Ich glaͤub / es muͤſſ in dir Adonis Seele ſte - cken:
der Amarillis wolt mit einem Kuß beleckē /
die er vor Venus hielt. Ach waͤr dein Gluͤcke mein!
ach ſolt ach ſolt ich doch ſolch eine Fliege ſeyn!
ich wolte nicht / wie du / ihr ſetzen einē Flecken.
Halt / Fliege! laſſ einmal mich fliegen hin mit dir /
und trage meinē Mund in deinem hin zu ihr
dafuͤr ſolſt du allzeit an meinem Tiſche eſſen.
Flieg hin / mit dieſem Gluͤck! du darfſt nun ſeyn ein Gaſt
des Ambroſiner-Brods und Nectars / weil du haſt
an dieſem Tiſch / der nur vor Goͤtter iſt / ge - ſeſſen.

Weil der / unter diß und voriges Son - net / eingeſchnittene Buchſtab / Flori -B ijdans20Die Liebes-gedanken. dans Hand verrahten / ſagte Myrtillus wider ihn: Dieſe Schriften / ſchreiben dich auch unter die Zahl der Verliebten / und wird dein Beyſpiel uns anderen zur Rechtfaͤrtigung dienen. Wiewohl die Pegnitz / vor Jahren / mit etwas Neid angehoͤret / daß du / uͤm Amarillis willen / an ihren Ufern eine fremde Jetze geprie - ſen. Ich habe / (erwiederte er) auch aus der Jetze Rohren / Pfeifen geſchnitten / der Pegnitz einen Lobe-thon zu greifen.

Sie haͤtten ein mehrers hiervon gere - det / wann nicht / eine unvermutete Aben - teur / ihre Augen und Gedanken an das Ufer der Pegnitz beruffen und eingeladen haͤtte. Sie erſahen daſelbſt drey Baͤume ſtehen / naͤmlich einen Zypreſſ-Palm - und Lorbeerbaum Diß ſind nit Baͤume / (ſagte Floridan) wie die vorigen / die ein Schaͤfer an der Pegnitz mit der Hiſtorit von ſeinen Wunden zuverwunden pfle - get. Laſſt uns hinter jenes Geroͤhre ent - weichen! verſetzte Myrtillus: ich laſſe mir eine ſonderbare Begebenheit trau - men. Sie hatten ſich kaum verkrochen /da ſa -21Die HochGraͤflich-Vermaͤhlten. da ſahen ſie der Pegnitz Fluten ſich thei - len / und aus denſelben hervortretten / drey holdſeelig Mymfen: welche zu beſagten drey[Baͤ]umen ſich verfuͤgten / und jede einen Rohrſtab in der Hand trugen.

Wie duͤnkt dich / Galathea! ſagte eine von ihnen / zu der andern: werden wir auch die Freude gnugſam bezeugen koͤn - nen / ob dem Ehrgluͤcke / welches der Zeit unſren Pegnitz-Fluß adelt? Sie iſt frey - lich ungemeſſen! erwiederte dieſe; und konde gegenwaͤrtiger unſer erſten Austrit in das neue Fruͤlings-Land / durch keine trefflichere Begebnis bewillkommet wer - den. Mit was Worten werden wir aber / (ſagte die dritte /) dieſe Vermaͤhlungs - Geſchicht / in unſre Erztafeln / zu ewi - gem Andenken / einzeichnen? Ohne mein masgeben / (antwortete die erſte /) koͤnde dieſe Aufſchrift alſo lauten.

Der Hoch - und Wohlgebohrne Graf und Herr / Herr Gottlieb /

B iijdes22Die HochGraͤflich-Vermaͤhlten.

des Heil. Roͤm. ReichsGraf und Herr von Windiſchgraͤtz / Freyhert zu Waldſtein und im Thal / Herr auf Trautmansdorf / Erbland Stallmeiſter in Steyr / Dero Roͤm. Keyſerl. Majeſtaͤt wuͤrklicher ReichsHofRaht / Ritter: Vermaͤhlte Ihm erſtlich Die Hoch - und Wohlgebohrne Graͤfinn und Frau Fr Margaretha Emilia / Graͤfinn von Holland-Brederode / Verwittibte Graͤfinn von Slawata; und / nachdem dieſe die Sterblichkeit mit der Unſterblichkeit verwechſelt / Die Hochgebohrne Graͤfin̄ und Freulein Fr. Maria Eleonora / Graͤfinn zu Oettingen: Welchen dreyen Hochfuͤrtrefflichen Perſonen / als von Burggr. Johannſen zu Nuͤrnberg zugleich aufſtammenden / die Noris und andere Pegnitz Nymfen dieſe Gedaͤchtnis-Tafel gewidmet.

Flori -23Die HochGraͤflich-Vermaͤhlten.

Floridan hatte dieſe Erzehlung mit Erſtaunung angehoͤrt / und / aus Unge - dult ein mehrers hiervon zuvernehmen / konde er ſich nicht enthalten / hervorzutret - ten / und die Nymfen zugruͤſſen. Wie - wol ich / ſchoͤne Nymfen! (ſagte er /) Actaͤons Kuͤnheitbegehe: ſo hoffe ich doch von meiner Pflicht / die dieſem meinem gnaͤdigen Mecaͤnas mich langſthero wid - met / ſoviel Anwaltſchaft / daß man mit der Straffe mich verſchonen werde. Du ſolſt heut / (ſagte eine von ihnen /) kein Hirſche / ſondern / von uns mit Clariſchen Waſſer beſprenget / ein Schwan wer - den / deines Heldens Beylager-Freude zubeſingen. Ihr Pegnitzſchaͤfer / (thaͤt ein andere hinzu / 3 ſeye uns nicht mehr fremde: ihr doͤrft den Pegnitz-Nymfen wohl naͤher tretten. Ihr werdet auch unſre Geſpraͤch-Ergetzlichkeit erweitern helfen: ware der dritten ihr Zuſatz. Flo - ridan winkte hierauf ſeinen Weidge - noſſen / und traten ſie alſo alle dreye in der Nymfen Geſellſchaft.

B iiijDieſe24Die HochGraͤflich-Vermaͤhlten.

Dieſe Baͤume / (ſagte / vom Floridan hieruͤm befraget / Sylvia die zweyte Nymfe /) von uns an diß Geſtade ge - pflantzet / ſichen auf einer Nebenkluft un - ſers Hoͤlen-Zimmers; und wir haben / beydes Kluft und Baͤume / dem Ehr - Andenken dieſes Helden gewidmet. Sei - ne hohe Tugenden und Verdienſte / ha - ben ſchon langhero / die Zungen der Sua - da und Fama / můde / und ihn der Welt verwunderbar / gemacht. Der hoͤchſte Senat des Reichs / nennet Ihn einen von ſeinen Edelſten Beyſitzern. Das allerhoͤchſte Reichshaupt ſelber / hat ſchon zum oͤftern durch Ihn / als ſeinen Mund / zu auslaͤndiſchen Gekroͤnten und andern Hohen Haͤuptern geredet. So gar das Gluͤck und die Ehre / ſonſten der Tugend Beneiderinnen / ſind ganz in Ihn verlie - bet / und uͤberſchuͤtten Ihn mit ihren Ga - ben. Unter andern Adelichen Ubungen / ſpielet Er den Meiſter / zu Pferd und auf der Laute. In Hoͤflichkeit / ein Frau - enzimmer zu unterhalten / fordert Er Lehrgeld von ſeines gleichen. Die Kuͤnſt -goͤttinnen /25Die HochGraͤflich-Vermaͤhlten. goͤttinnen / nennen Ihn zu gleich Bru - der und Patron oder Schutzfreund. Der hochloͤbliche Palm-Orden / ehr-ſchaͤtzet und ſetzet ihn / mit den Nahmen des Kuͤh - nen / unter ſeine wuͤrdigſte Mitglieder: Dannenhero wir ihm allhier den Palm - baum gewidmet. Eure Poeſy / ihr Schaͤfere! hat er zweifeln gemacht / ob ſie mehr Ehre von ſeiner Feder / oder mehr Wolthaten von ſeiner Huld / empfangen. Und weil Er / als ein Bellerofon unſre Pegnitz dadurch zum Pegaſus-Fluß ma - chend / eure Lieder inſonderheit liebet: ſo ſind dieſe Ufer verpflichtet / durch eure Schaͤferſpiele von ſeinem Ruhm zuer - ſchallen. An Liedern ſoll es auch diß - mahl nit mangeln / Edle Nymfe! ſagte Myrtillus: Wann nur zuvor unſre Oh - ren werden geſaͤttigt ſeyn / welche nach Vollfuͤhrung dieſer Erzehlung huͤngert.

Unſer theur er Graf / (fienge Dorilis / die dritte Nymfe / wiederuͤm an /) ſuche - te keine andere / als eine fůrtrefliche Ge - mahlinn. Er fande auch / an Emilie, was Er geſucht / einen Ausbund vonB vStand26Die HochGraͤflich-Vermaͤhlten. Stand und Verſtand / von Geiſt / Tu - gend und Schoͤnheit. Dißorts nur vom erſten / (von den andren Stucken hat Floridan / als mir bewuſt iſt / geſungen) von ihrer Standshoheit / zu ſagen: ſo zweigte ſie / in gerader Linie / aus dem uralt-Fůrſtgraͤflichen Stammen der Graven in Holland. Der erſte dieſes Hauſes / Gr. Dietrich / ward vor 800 Jahren / (A. 862) durch Keyſ. Carln den Kahlen / des Groſſen Caroli En - keln / in dieſe Standswuͤrde erhaben. Deſſen Enkel Gr. Arnold / zeugte mit Luitgard ſeiner Gemahlin / einer Keyſer - lichen Prinzeſſum aus Griechenland / und der Keyſerinn Theophanie des Groſſen Ottens Gemahl nn Schweſter / zween Soͤhne. Durch den aͤltern / Gr. Dietrichen III / ward der Stamm fort - gepflunzet. Gr. Sie frieden oder Sicco / dem Juͤngern / verſprache der Vatter / er wolte ihm einen Strich Landes mit B[r]eden Roden oder breiten Meſſ-Ru - ten zutheilen. Dieſer Rede zum An - denken / nennte Gr. Sicco / das unfernvon27Die HochGraͤflich-Vermaͤhlten. von Harlem neu-erbauete Herrſchaft - Schloß / Brederode, und ſich / den Herꝛn von Brederode. Mit feiner Gemahlinn Teta oder Tetburg / des Poteſtats oder Großherrens in Friesland Goſſons des kleinen ([t]kemanns) Tochter / pflanzte er den Brederodiſchen Stammen: wel - cher / dieſe 600 Jahre nach ihm / (er ſtarb A. 1030 / den 5 Jun.) bis auf heutigen Tag / noch herrlich grůnet und bluͤhet. Unſrer Emilien H. Vatter / ware Erb - Burggraf zu Utrecht / der Herren Staa - ten Feldmarſchalk und Statthalter zu Herzogenbuſch / auch Ritter des Koͤnigl. Ordens vom Elefanten in Dennemark. Ihre Fr. Mutter iſt / des noch in hohem Ruhm lebenden Durchl. Fůrſtens zu Naſſau / Herrn Johann Morizens / des Herzogtums Cleve Chur-Branden - burgiſchen Statthalters / und einer gleichfalls noch-lebenden vermaͤhlten Fuͤrſtinn / Fr. Schweſter geweſen.

Gleichfalls fande unſer H. Graf / (vollfuͤhrte die Nymfe Galathea dieſe Erzehlung /) in Eleonoren, ſeiner itzi -B vjgen28Die HochGraͤflich-Vermaͤhlten. gen HochGraͤfl. Freulein Geſpons / was Er in Emilien verlohren. Zudem / daß Sie an hohem Verſtand / anmutigem Geiſt / auch angebohrner des Gemuͤts und Leibes Schoͤnheit / ſich hochfuͤrtreff - lich zeiget / wird dieſer Vortheil Ihr auch von hoher Standes-Ankunft eingeraͤu - met. Ihr Vaͤtterliches Staminhaus / iſt das uralt-Fuͤrſt Graͤfliche Haus Oet - tingen. Der Stammvatter dieſer Fa - milie / Grajus oder Cajus, vor ungefehr 700 Jahren / pflanzte dieſen Stammen[m]it Helena (oder Hedwig) Keyſ. Ot - tens des Groſſen Schweſter; mit deſſen Gemahlinn Schweſter / wie zuvor mei - ne Geſpielinn erwaͤhnet / auch der Bre - derodiſche / und alſo beyde faſt zugleich / ſich angefangen. Gr. Ludwig VIII, deſſen 15der Nachkoͤmling / hatte Chur - Pfalzgr. Adolfs Gemahlinn zur Schwe - ſter / und Fr. Gutha Keyſ. Albrechts I, Erzherzogens in Oeſtereich / Tochter zur Gemahlinn: von welcher / unſre Frl. Braut / im 12ten Grad aufſtammet. Dieſes Haus hat / mit den Chur-Hoch -und29Die HochGraͤflich-Vermaͤhlten. und Fuͤrſtlichen Haͤuſern / Pfaltz am Rhein / (mit dieſem fuͤnfmal /) Bran - denburg / Muͤnſterberg / Wuͤrtenberg / Baden / Leuchtenberg / Anhalt und El - ſas / durch Heura[t]/ auch ſonſten mit an - dern dergleichen Haͤuſern / ſich befreun - det. Wie dann inſonderheit / unſrer Eleonoren H. Bruder und Frauen Schweſtern / an Brandenburg-On[o][l]ds - bach und Wuͤrtenberg hochanſehnlichſt geheuratet. Unſrer Freul. Graͤfinn Muͤtterliches Stammhaus / iſt aber - mahln das Chur - und Hochfuͤrſtliche haus Pfalz am Rhein: da ſie gleichfalls / in Keyſ. Albrechts I Schweſter Mechtil - den / Chur Pfgr. Ludwigs II Gemahlin̄ / als wie zuvor in deſſen Tochter / und drit - tens noch naͤher oder neulicher in ihrer Muͤtterlichen Ur-Elter Frau Mutter / der Prinzeſſin̄ Anna / Keyſ. Ferdinands I Tochter / vom hoͤchſtloͤblichen Keyſerl. Erzhaus Oeſtereich / ihre hohe Ankunft bekommen.

Sonſten iſt betrachtungwuͤrdig / daß dieſe beyde Hoch-Graͤfliche Damen auchB vijſelbſt30Verwandſchaft derſelbſt mitemander in naher Befreundung ſtehen: indem Freul. Eleonora / Sr. Hochfuͤrſtl. Durchl. Herrn Pfalzgr. Chriſtian-Auguſtens / zu Sulzbach; und Fr. Emilia / dero Frauen Gemahlinn / ge - bohrnen aus dem Fuͤrſtl. Haus Naſſau - Dillenberg / Fr. Schweſter Tochter iſt.

Es iſt aber dieſes / (ſagte Sylvia) nicht das erſte / ſondern allbereit das vierzehen - de mal / daß das HochGraͤfliche Haus Oettingen ſich mit Oeſterreichiſchen Erb - land Herren befreundet; wie dieſe Ver - zeichnis vorweiſet:

  • 1. Imagina Graͤfinn von Schaumburg / Gr. Ludvv. XI zu Oetting. Gem.
  • 2. Eliſabetha Gr. von Schaumburg / Gr. Ulr. zu Oett. Gem.
    • 3. Eliſabetha, Wilh. Freyh. von Rog - gendorf Gem.
    • 4. Eliſabetha, Cyriaci Frh. von Pol - heim Gem. 1517.
    • 5. Juliana, Philip. Gr. zu Liechtenſtein Gem. 1577.
    • 6. Anna Dorothea, Wolfg. Frh. zu Hof[ki]rch Gem. 1582.
    • 7. Anna Salome, Hieron. Gr. Schlt - ckens Gem, 1585.
    Graͤfinnen zu Oettingen.
  • 31
    • 8. Margaretha, Joh Chriſtoph. Frh. von Buchheim Gem. 1585.
    • 9. Agatha, Laurent. Frh. von Hof - kirch Gem.
    Gr. zu Oett.
  • 10. Roſina Suſanna Freyinn von Truͤbeneck H. Gr. Frider. Wilh. zu Oetting. Gem.
  • 11. Ludovica Roſalia Graͤvin̄ von Attemis, H. Gr. Joh. Franc. zu Oetting. Gem.
  • 12. Anna Do[r]othea Graͤvin̄ võ Wolkenſtein / H. Gr Wolfg. zu Oetting. Gem.
    • 13. Maria Margaretha, H. Leonh. Ulr. Gr. zu Harrach Gem.
    • 14. Maria Eleonora, H. Gottlieb Grav. und H. zu Windiſch - graͤtz Gem. 1665.
    Gr. zu Oett.

Und weiß man von dieſen Graͤf - und Freyherrlichen Familien / ſonder fernere deſſen Ausfuͤhrung / daß ſie mehrernteils mit unſerm H. Graven in naher Sipp - und Schwaͤgerſchaft ſtehen.

Unſere beyde HochGraͤflich-Ver - maͤhlte / (ſagte Galathee /) ſind auch ſelbſt miteinander nahe geſippt und Blut be - freundet / indem ſie von Ulrichen und Imagina, Graͤflichen Geſchwiſtern zu Schaumburg / Mu[t]terlich aufſtammen; wie ich (mehrere dergleichen Anfreun -dungen32Verwandſchaft derdungen / ſo zu befinden waͤren / unaufge - ſucht laſſend) mit dieſem Stammzeiger belege:

Neben33HochGraͤflich-Vermaͤhlten.

Neben dem / daß / des H. Grafen ho - he Verdienſte / (ſagte Dorilis /) unſre Beehrung / die man der Tugend aus Schuldigkeit bezahlet / erheiſchen: ſo ſind wir hierzu auch derentwegen beurſacht / weil (wie / uns zur Nachricht / ein Edler Stammforſcher C. K. v. R. ausfundig gemacht /) nicht allein Er / ſondern auch Emilia und Leonora / ſeine beyde Hertz - Freundinnen / als zugleich Stammbe - freundte / von Johannſen Burggraven zu Nuͤrnberg / heutigen Chur - und Hoch - fuͤꝛſtlichen Hauſes Brandenburg Stam̄ - Vatcern / herentſproſſen. Weswegen dann die Nymfe Norts / (welche izt Fr. Elenoren / gleichwie vor 18 Jahren ihrer Hochfuͤrſtl. Fr. Mutter / als Sie gleich - falls in unſrer Norisburg geirauet wur - de / geſellſchaft leiſtet / und Sie bedienet /) uns den Pegnitz Nymfen / und euch den Pegnitz Schaͤfern / dieſes Beylager-Feſt mit einem Ehrengedaͤchtnis zufeyren / anbefohlen. Und damit eure Geiſter deſto mehr aufgeweckt und angefeuret werden / ſo wollen wir euch hiemit / die Bildniſe dieſer drey HochGraͤflichen Perſonen /als34Verwandſchaft derals hellblitzende Sonnen und Einfluß - Sternen / ſamt dem Vorweiſer ihrer Stam̄verwandſchaft / vor Augen ſtellen.

zu Naſ -35HochGraͤflichen-Vermaͤhlten.

Obiges ſagend / hatte Dorilis ein zar - te Rinde / mit hierobenſtehender Stam̄ - Tafel bemahlet und uͤberſchrieben / aus dem Rocke gezogen. Inzwiſchen nun die Schaͤfer ſolche uͤberlaſen und beſchau - eten / griffen die Nymfen zu ihren Rohr - ſtaͤben / zogen dieſelben in der mitte aus - einander / und langten daraus drey Rol - len von der allerzarteſten Leinwat / mit hochbeſagter Perſonen Bildniſen auf das ſelblichſte und reineſte uͤbermahlet. Sie waren oben mit einer Leiſte / und un - ten mit einer Welle / beydes von Eben - holz / eingefaſſet. Jedes ward / an ei -nem36Die belobte Emilie. nem von den dreyen Baͤumen / aufge - haͤnget und ausgebreitet: zu der Schaͤ - fere hoͤchſter Erſtaunung. Selbige / glaͤubten ſich in den Goͤtter-Palaſt des Foͤbus / oder in die Felder Elyſiens / verzuckt / und ſagten eines Mundes / die - ſe Angeſichter ſeyen nach dem Original des Himmels gebildet. Ihr muͤſſet dem - ſelben / (ſagte Dorilis /) nicht allein Be - wunderung / ſondern auch Bechrung opfern. Ich erinnere mich einer Fruͤ - lingszeit / (verſetzte Floridan) da ich / ob einem Bildnis der wundertrefflichſten Emilia entzucket / deren Vermaͤhlung mit meinem Mecaͤnas / durch ein Hirten - lied begluͤckwuͤnſchet. Laß dann hoͤren! ſagte Sylvia: du wirſt / durch ihre Be - lobung / dich bey uns belobt machen. Wann mein Gedaͤchtnis mir nit untreu iſt / ſo waren es dieſe Worte: erwiederte er / und ſange hierauf folgendes Lied:

1.
Schweiget ihr noch / meine Halmen!
ſollen nur die Lerchen-pſalmen
dieſe Fruͤlingsfreud ausſchreyen?
Duͤnkt mich doch / die Pegnitzfluten
mahnen mich mit Wudelſtruten:
Sing37Die belobte Einilie.
Sing uns etwas von dem Maͤyen!
Auf / mein Geiſt! wir muͤſſen fliegen:
nun das Jahr die Blumen wiegen /
nun der ſuͤſſe Himmel lacht /
nun der Wieſen Seidenſticker
unſer Rund ſo bunte macht /
und die Sonn wuͤrkt guͤldne Stuͤcker.
2.
Oſtland! deinen Heldgeſchichten
werd ich meine Pflicht entrichten.
Doch man muß auch einmal ſingen.
Wohin raͤiſt ſichs / ihr Gedanken?
hier im Feld der Waͤnde Schranken
nicht den Geiſt zu Kerker bringen.
Nehmt mich mit / ihr Schnabelfloͤten /
ihr befederte Poeten!
Wart! ich bin der Tereus nicht /
Luft Sirene Filomele!
Mein Gehoͤr das Urtheil ſpricht:
du biſt unſers Lentzen Seele.
3.
Ich hoͤr euch / ihr Fittichbruͤder!
Aber / wer hoͤrt meine Lieder?
Foͤbus iſt itzund nit Richter.
Du ſtreuſt Gold von deinen Hoͤhen /
unſre Waſen anzukleen /
du erdichter GOtt der Dichter.
Nein! mein Foͤbus iſt auf Erden /
der mich liebt und meine Heerden.
Hab ich ſchon izt nicht die Gnad /
ſingend ſelbſt vor ihm zuſtehen:
dan -38Die belobte Emilie.
dannoch pflegt mein Mecaͤnat
meine Lieder gern zuſehen.
4.
Dorthin reiſet / ihr Gedanken!
denkt / wie uͤm den Vorzug zanken
ſein Verſtand / ſein Stand und Gluͤcke.
Reiche / zehlen nicht die Heerden:
ich muß arm an Worten werden /
wann ich dankbar denk zuruͤcke.
Ich verehre mehr mit Schweigen /
ungemeſſnes Gnad-bezeigen.
Ob ich etwan manchesmal
dieſem Wald davon geſaget:
dannoch hat das hole Thal
ſtaͤts nach mehr / nach mehr / gefraget.
5.
Oftmals ich gen Himmel rieffe /
aus entbrannter Herzens-tieffe:
Himmel! meinen Dank ihm zahle.
Nein! der Wunſch gieng nicht verlohren:
es hat auch der Himmel Ohren /
nicht nur Regen und die Strahle.
Legt die niedre Sinnen nieder;
adelt euch / ihr meine Lieder!
mit dem ſchoͤnſten Jnnhalt itzt.
Eine ſeine andre Sonne meinen Foͤbus ſelbſt erhitzt /
und ihm gibet tauſend-Wonne.
6.
Pranget nicht / ihr hohen Tannen /
ihr des Faunus gruͤne Fahnen /
mit den Wolkennachbar-gipfeln!
euch39Die belobte Emilie.
euch vor dieſer Ceder neiget /
die von hohem Stamme zweiget;
faͤhig / euch zu uͤberwipfeln.
Hier auf dieſer zarten Rinden /
iſt ihr goͤttlichs Bild zu finden.
Macht der Abriſſ ſo entzuͤckt:
was wird thun des Selbſtands Leben!
den der Geiſt noch ſchoͤner ſchmuͤckt /
wie der Safft empfihlt den Reben.
7.
Dieſer Schoͤnheit Wunderſpiegel /
prangt mit einem Doppel-ſigel;
miſcht mit Hoheit / holde Blicke.
Pinſel! gib ihr Blut den Wangen;
leg den Leib in Schnee gefangen;
des Verſtandes Sinnbild druͤcke /
in das rohte Wachs der Lippen;
athmen mach die Herzens Klippen;
gib dem Leib der Sitten Art;
ſetz ihr auf / die Tugend Krone.
Schoͤner nie gemahlet ward /
ſelbſt Diana und Dione.
8.
In diß Schoͤnheit-Meer der Gaben /
ſich zuhauf verſamlet haben
aller Treflichkeiten Fluͤſſe:
daß durch alle Gluͤckes-Guͤnſte
mein Mecaͤnas / nach Verdienſte /
wunſchbar ſich gelabet wiſſe.
Gott-geliebte / ſchon auf Erden
muͤſſen Himmel-ſeelig werden /
Coͤrper-Engeln zugeſellt.
Hoch40Die belobte Emilie.
Hoch begluͤckt ſind / hohe Seelen.
So ein Bild war ausgeſtellt /
ſolchen Helden zuvermaͤhlen.
9.
Iſt der Graͤslein in den Gruͤnden /
iſt der Blaͤtlein an den Linden /
iſt der[ Blumen] / Zahl zugeben?
Alſo vielfach / theure Beyde /
Euch das Gluͤck in Freuden weide /
reich an Jahren / friſch von Leben.
Dieſer Wunſch / vom Munde ſchallet /
und im Herzen wiederhallet /
ſolang athmet dieſe Bruſt.
Bald ich mehrers hoff zu ſingen:
wann die Lieb / die Saat der Luſt
wird mit Wucher wiederbringen.

Wohl geſungen! riefe Galathea aber ůbel geweisſaget! Ihr fruͤher To hat / die Saat deiner Hoffnung / ein meh rers / oder doch etwas froͤliches / von ih zu ſingen / vor der Ernde abgemeyet. Un wie muß doch / deinen Mecaͤnas / de Verluſt ſo einer allerwuͤrdigſten Gemah linn / geſchmerzet haben! Er hat ſich un gemeſſen darob aͤngſten muͤſſen / (ſag Floridan /) weil er / als eines groſſen Ge ſtes und ſcharfen Urtheils / ihrer Trefflich - keiten genaue Erkentnis gehabt; wieaus41Die belobte Emilie. aus dieſen ſeinen / uͤber ihr Bildnis ver - faſſten / Zeilen / zuermeſſen iſt:

Der Wunderleib / iſt zwar in etwas abge - bildt.
Die innerliche Zier kan doch kein Pinſel mahlen.
Sie iſt mit Stand / Verſtand / und allem Wunſch / erfuͤllt.
Sie prangt ſo Tugend-voll / als reich an Schoͤnheit-ſtrahlen.
Der Leib iſt Goͤttlich-ſchoͤn: dem Geiſt auch nichtes gleicht.
Kurtz: Alls iſt ſie allein. Kein Lob ihr Lob erreicht.

Ich erinnere mich / daß ich damals / zur Nachfolge / etliche Baͤume / mit eben - dergleichen Zeilen-art / von ihr redend gemacht; die dann alſo gelautet:

Kein Pinſel bildt den Leib / der ſelbſt die Schoͤnheit iſt.
Die Kunſt / kan nichts allhier / gibt der Natur gewonnen:
die kaum ein ſchoͤners Werk auf Erden je erſonnen.
Der Kiel / auch ſeines Geiſts / ob dieſem Geiſt / vergiſſt.
CWie42Die beklagte Emilie.
Wie ſoll die irdiſch Hand / was himm - liſch iſt / beſchreiben?
Wer Goͤtter mahlen will / muß goͤttlichs Reden treiben.
Sitz hier / wie du gethan / O Paris / zu Ge - richt:
betrachte / die du ſihſt / in Einer / drey Goͤt - tinnen.
An Stand / ſie Juno iſt; und an Verſtand und Sinnen
(ſicht
die Pallas; Venus ſchaut aus ihrem Ange
Stand / Schoͤnheit / und Verſtand / ſie in die wette zieren:
wie ſolt ihr dreymal nicht das Apfel-gold gebuͤhren.
Zu dieſen Augen ſiht ein hohe Seel heraus
vor ihnen ſich / was kriecht im nidren / muß verkriechen.
Es iſt / was Edel iſt / in dieſes Herz ent - wiechen.
Die ſchoͤne Tugend wohnt hier in dem ſchoͤn - ſten Haus.
Wen ſolte / der Rubin in dieſem Gold / nicht laben?
O Wunder der Natur! O volles Meer der Gaben!
Du43Die beklagte Emilie.

Du haſt ſie / im Leben / mit Lob geeh - ret; ſagte Dorilis: mit was Worten / haſt du dann ihren Tod beklaget? Mit ſolchen / (antwortete Floridan /) die ei - nen innerſten Schmerzen bezeugen / und deren jedes eine Zaͤhre zur Gefaͤrtin hat - te. Meine Frage (wiederredte die Nym - fe /) hat dir ſagen wollen / wiedaß wir / deine Klage anzuhoͤren / verlangen tra - gen. Ob der Inhalt betruͤbbar iſt / ſo werden uns doch die Worte erfreuen. Es iſt eine Art der Freude / ſich vergan - gener Schmerzen erinnern: verſetzte er / und lieſſe alſofort folgende Klagzeilen vernehmen.

Nur diß mal ſprich nit wahr / du plaudrendes Geruͤcht!
du Boͤſes Ding! wie recht gibt Maro dir den Namen!
du ſtreuſt itzt aus /
nichts als nur boͤſen Zeitungs-ſamen:
mir / mir voraus / in die erſtaunte Ohren.
ach! waͤr es ein Gedicht /
was Fama ſpricht!
Ach nicht!
Nur allzuwahr hat einen Stern verlohren /
der Erde Goͤtter-Haus.
C ijWas44Die belobte Emilie.
Was / Stern? ach! eine Sonne.
Gab ſich Emilia / die Kron von Brederode /
das Wunder der Natur /
des Schoͤpfers Meiſterſpur /
das Tugend-Zelt /
die Augen-Wonne /
der Trefflichkeiten Meer /
die Zier der Welt /
des Oſtlands Ehr /
dem Tode?
O Tod! Feind aller unſrer Luſt!
ſahſt du / in nidrem Gras / nit tauſend Bluͤm - lein ſtehen /
auf denen man ohndas mit Fuͤſſen pflegt zu - gehen?
haſt unſre Roſe du zufaͤllen nur gewuſt?
ha! Goͤttlichs Angeſicht!
ha! Augen! und ach! Blicke!
iſts Nacht mit euch?
ha! Lippen! ſprecht ihr nicht?
die ihr ſo manches Herz wund habet reden koͤnnen.
ha! zarter Glieder Schnee!
iſts billig / daß man dich ſo fruͤh zu Grab hin - ſchicke?
ha! groſſer Geiſt! wie war die Wohnung dir ſo gleich!
und dannoch haſt du nun von ihr dich laſſen trennen?
Sag / Fama! ich vergeh / vor Weh!
lebt45Die beklagte Emilie.
lebt mein Mecaͤnas noch? Sein Leben iſt ja todt.
Ach! daß das Leben Ihr mein Tod koͤnd wie -
wie gerne ſtuͤrb ich doch! (dergeben!
daß / Ihm zu Troſt / Sie laͤnger moͤchte leben.
Lebt Orfeus noch:
es haͤtt mit dieſer Noht nit noht;
ein Graͤflichs Herz an Ihr noch lang ſich ſol -
Zwar Orfeus lebt: (te laben.
Mecaͤnas ſelbſt es iſt.
Vielleicht hat Er die Laute zugeruͤſt:
Sie durch den Saitenklang / der Tellus ab - zugeilen.
Was hilfts? die Erd hat nicht den Geiſt:
er iſt zu wohl verreiſt
und aufgehebt /
mit ſeinen Himmelsgaben.
Ach! was der Himmel hat / mag nicht auf Erden weilen.
er kom̄t nit wieder her:
der Leib zu ihme muß / und noch viel ſchoͤner / kommen.
Sie iſt / Sie bleibt / genommen.
Ach Opfer! die ich Ihr zu weihen war be -
das Grab iſt nun Altar. (dacht:
Kroͤnt ihr itzund den Dichter / ihr Zypreſſen!
der Myrten iſt vergeſſen.
Ach! groͤſſers Leid / als Worte moͤgen ſagen!
ach wer nun Biblis waͤr /
ein Threnen Meer!
C iijMich46Die beklagte Emilie.
Mich troͤſtet nichts / als Klagen /
als troſtlos ſeyn.
Reiſſ / Linde! wie du thuſt / reiſſ aus / ſchmeiſ ab / dein Haar!
Freud! gute Nacht!
du / Wieſenthal! ſetz auf den Trauerſchleyer
die Feldluſt / macht ſich theuer.
Huͤllt doch in ſchwarzen Flor ſich auch de Himmel ein!
Ihr Lieder / ſchweigt! eur Inhalt iſt nun tod
Ein kleiner Schmerz / der laͤſſt ſich noch aus - drucken:
ein groſſer ſchweigt / (ach Noht!)
die Schluchzer ihn verſchlucken.

Wir moͤchten auch gern ihre Grab ſchrift leſen: ſagte Galathea Deren Ab ſchrift / ſehet ihr auf dieſer Rinde: an wortete Floridan / ſolche uͤberreichend Wiewohl mich duͤnket / (thaͤte er hinzu) dieſe Trauer reime ſich nit wol / mit b vorſtehender Trauungs-Feyer. Du ſo wiſſen / (widerredte Sylvia) daß dieſ Ort der hochlobſeeligen Emilien mitg widmet / und wir heute ihr das Begaͤn nis halten. Sie lebet annoch in Nac ruhme / und wird gleichſam in der preiß wuͤrdigſten Eleonoren verjuͤnget undneuge -47Die begrabne Emilie. neugebohren. Hierauf ward die Grab - ſchrift*ex Latino translatum. abgeleſen / dieſes Lauts und Inhalts:

Du wirſt mir beyfallen /
mein Fremdling!
ach! eine unbillige Wuͤrkung /
der leidigen Sterblichkeit!
Liſe / und urtheile!
Alles / was alle Wele bewundert /
bewohnet dieſen aͤngen und einigen
Grabſchrein:
oder vielmehr /
Alles daſſelbe hatte beyſammen /
die dieſen Sarg bewohnet /
die Hochfuͤrtrefflichſte
Emilia / Graͤfiñ võ Holland-Brederode;
von der Fr. Mutter /
aus dem Fuͤrſtlichen Haus Naſſau:
Dannenhero von Stande und Stam̄en /
nicht nur Wohl - ſondern Hochgebohren.
Von Gemuͤte /
welches / aus des Mundes un̄ der Stirne
Doppel Fenſter / hervorleuchtete /
ein Tempel aller Tugenden /
und mit einem Wort:
Die Allervollkommenſte.
C iiijVon48Die beklagte Emilie.
Von Geſtalt des Leibes /
deſſen Zierde diß Geſchlecht als Eigen verlanget /
das Allerſchoͤnſte Frauenbild /
und der ſchoͤnſten Tugend
gleich-ſchoͤne Wohnung:
Welche noch ſchoͤner wurde /
durch der Sitten /
mit angebohrner Geiſt-hoheit vermiſchte /
Freundſeeligkeit /
die bey den Anſchauern
zugleich Liebe und Ehrfurcht wuͤrkte.
Auch das Gluͤck /
welches ſonſt mit der Tugend
ſelten Freundſchaft machet /
konde nicht unterlaſſen /
mit ſeinē Gabē ſie reichlich auszuſteure
Sie ward zweymal /
und zwar Erſtlich als Freulinn /
an den Hoch - und Wohlgebornen Herrn
Herrn Heinrich Grafen von Slawata;
Letzlich / als Wittib /
an den auch Hoch - und Wohlgebornen Herrn /
Herrn Gottlieb Gr. zu Windiſchgraͤtz / vermaͤhlet:
derer49Die beklagte Emilie.
derer Jenen / ſie / traurig vorangeſchicket;
Dieſen aber hoͤchſtbetrůbt hinterlaſſen:
Welcher nun /
weil keine Klage
ſo groſſem Verluſt genug gegenwage haͤlt /
in ſtumm - und ſtillem Unmut
ſich nur nit gar verzehret /
und uͤm dieſe ihm-erweckte Kummer-Sorge
den Sarg anklaget.
Mein Fremdling!
wirſt nun du nicht von Ihr /
wie ein andrer von einer andren / ſagen:
Sie hat ſonſt keine Schuld jemals begangen /
als daß Sie geſtorben iſt;
die da verdiente /
ein ganzes Jahrhuntert zu leben.
Zweyer Kinder Mutter /
ſtarbe ſie gleichwol ohne Kinder:
auſer / daß der Nachruhm /
ihrer Tugend unſterblicher Sohn /
mit der Welt wird in die wette leben.
Diß Geſtirne /
nachdem es 33 Jahre auf Erden heruͤmgeirret /
ward den 14 Auguſts im 1663 Jahr /
aus der Teutſchen Keyſer-Sitzſtadt /
gen Himmel abgefordert:
C vda es /50Geſpraͤch-Geſellſchaft.
da es / unter die Fixſternen verſetzet /
vor unſren Augen untergangen
und verſchwunden.

Dieſe Grabſchrift / und was du ihr zu Ehren geſungen / (ſagte Dorilis zum Floridan) ſoll zu unverweſlicher Behaͤlt - nis des Nachruhmes dieſer Edelſten E - milie / das Zypreſſ-Kaͤſtlein ſeyn / in wel - ches man vorzeiten die Gebeine der Ver - ſtorbenen beygeleget. (a)Thucyd l. 2. Und eben zu dem ende / (thaͤte Sylvia hinzu) haben wir ihr hieſige Zypreſſe gewidmet. Wie dann dieſer Baum / erſtlich vom Boreas dem Koͤnig der Celten / zu ſeiner Tochter Cypariſſen Grab gepflanzet / und nach - mals / die Graͤber (doch nur(b)Lucan Et non plebejos luctûs teſtata cupreſſus. der Ed - len) alſo zubebaͤumen / eine Gewonheit worden. (c)Aſclepiad.

Indem erſahe Floridan drey Schaͤ - fere ankommen: und inzwiſchen ſeine beyde Gefaͤrten den Nymfen zuhoͤre -ten /51Geſpraͤch-Geſellſchaft. ten / gienge er jenen entgegen. Den Er - ſten / welcher voran mehr liefe als gien - ge / erken̄te er vor den alten Alcidor; und den zweyten / wiewol er ihn lange nicht geſehen / vor den Ferrando. Du thuſt recht / (ſagte er wider dieſen! nach em - pfangenem und erwiderten Gruß) daß du einmal die Wernitz verlaſſen / uͤm / die Pegnitz zubeſuchen. Ich errahte ſchon / waruͤm du kommeſt. Dorten wirſt du eine Geſellſchaft und Sachen finden / die mit dir davon reden werden. Der dritte / gab ſich vor den Pregel-Schaͤfer Cleodor zuerkennen: welcher von dem Parnaſſ an der Saal / deren er ſich eine Zeit hero geliehen / dißmal eine Luſtreiſe nach der Pegnitz vorgenommen / bey ſelbiger Hir - ten-Geſellſchaft Kundſchaft zuſuchen. Floridan willkommete ihn freundlichſt / und bedankte ſich vor die von ihm in Ab - weſenheit empfangene Ehr-gruͤſſe: zu - gleich bittend / ihn mit ſo unverdienter Beehrungs Ubermaß zuverſchonē. End - lich: Ich dachte wohl / (ſagte er) Alci - dors Ankunft / wuͤrde etwas neues mit -C vjbrin -52Geſpraͤch-Geſellſchaft. bringen. Und ich / daß ich etwas neues antreffen wuͤrde: antwortete dieſer / als ſie eben den Baͤumen und Nymfen na - heten / und ob denſelben / ſowol auch uͤber den hangenden Bildniſen / erſtaune[t]en.

Nachdem die dreye den Nymfen den Ehrgruß abgelegt / und von den zweyen den Willkomm empfangen / ſagte Syl - via: Ich und meine Geſpielinnen hoffen / indem ſich alſo die Geſellſchaft mehret / es werde auch unſere Freud Feyer ſich er - weitern; immaſſen wir / ſolcher beyzu - wohnen / den dreyen Ankoͤmmlingen hie - mit Erlaubnis geben. Selbigen erzehlte Palaͤmon / von den dreyen Bildniſen / kůrzlich / was er zuvor von den Nymfen vernommen. Dieſes letzere himmliſche Angeſicht / (ſagte Ferrando) erkenne und verehre ich vor eine der Schutz Goͤttinnen meiner Wernitz. Und das naͤchſte / (ver - ſetzte Sylvia) iſt desjenigen / dem zur Freude / dieſer Antlitz-Himmel / mit zweyen Sonnen ſtrahlet / und mit Auro - ren Purpur Munde lachet. Von ſeinen Lob-Eigenſchaften / habt ihr dreye zuvorein53Geſpraͤch-Geſellſchaft. ein Wortgemaͤhl mit den Ohren geſehen. Diß iſt noch zu ſagen und zu bewundern / daß das Gluͤck / als ſeiner dapfren Tu - gend Slavinn / nachdem es ihm ſeine wundertreffliche Emilia / (aus deren ſchoͤnſt-geiſtigem Angeſicht-Bildnis all - hier / ihr leichtlich ihre anderr Vollkom - menheiten leſen koͤnnet) durch den Tod genommen / ihm ſolche in der gleich-al - lervollkommenſten Eleonora wiederge - ben muͤſſen.

Ich erinnere mich (ſagte Myrtillus) eines Ringel-Lieds /*Sihe den Anhang des Oſtl, Lorbeerh, Bl. 377. mit welchem vor - deſſen Floridan / dieſes theuren Heldens / als des Teutſchen Orfeus / unvergleich - liches Kunſt-Lautenſpiel beſungen. Mit eurer Verlaubnis / Edle Nymfen! will ich / in einem dergleichen Ringel-Lied / dieſen zweyten Orfeus / wie Er / durch ſeinen ſehnlichen Trauer-Saitenklang / ſeine verſtorbene Emilia in ſeiner Eleo - noren wiederuͤm in diß Leben geholet / vorſtellig machen. Du wirſt uns (ver -C vijſetzte54Der Teutſche Orfeus. ſetzte Sylvia) damit bittſeelig machen Demnach bate er den Floridan / auf ſei - ner Mandor ſelbige Singweiſe zuſpielen und er ſange darein folgendes

Ringel-Lied.
1.
Am Leyta-Strand / wo er die Donau gꝛuͤſſet
von ferne ſchon / das gruͤne Ufer kuͤſſet
der Trautmans-Burg / im alten Pan̄ons - Land:
ließ Artaban / ein Edler Held / erklingen
ſein Lied von Leid. Ihn hoͤrt / ein Hirte / ſingē / am Leyta-Strand.
2.
(de
Mein Saͤitenſpiel! hang du an dieſer Wei
mach / wie du pflegſt / itzund mir keine Freud
Mit Unmut nur mein Schmerz ſich troͤ - ſten wil.
Doch nein! kom̄ her! du muſt mir helfen ſag
von meinem Leid / du muſt mir helfen klagen Mein Saͤitenſpiel!
3.
Emilie iſt todt! und ich kan leben?
ward nicht / mein Geiſt / mit ihrem hingegebē[?]
wie daß ich noch / da ſie gefallen / ſteb?
Ihr Faunen ihr / in dieſen Waͤldereyen!
ihr Satyren! ihr Hirten! helft mir ſchreyen Emilie!
4. Ihr55Der Teutſche Orfeus.
4.
Ihr thut Gewalt / ihr Fata! du Geſetze
der Sterblichkeit! und du des Todes Netze!
diß euer Thun / hat keine Rechts-geſtalt.
Ihr toͤdt: was lebt zu aller Welt Behagen /
wz liebt und labt. Ich muß noch einmal ſagē: Ihr thut Gewalt.
5.
Gern wolt ich ja / O Him̄el / deinem Willen
itzt geben Ehr: das Herz iſt nicht zuſtillen.
Noch iſt vō Ihr / dz Schmerz-andenken da.
Dem Leib / ſie ſtarb: der Liebe Sie noch lebet.
Ach! die Vernunft der Angſt nit widerſtrebet: Gern wolt ich ja.
6.
Ach helft mir doch dem hartē Him̄el flehen /
ihr Saiten ihr! ihn ſo erweicht zuſehen:
daß er mir goͤnn die Schoͤnſte laͤnger noch.
Ob ihr zu euch / ihr Sternen / Sie genommen
in eure Zahl: laſſt Sie mir widerkommen! Ach helft mir doch!
7.
Es iſt noch Zeit. Kein Menſch kan euch ent - laufen /
(fen
ihr Parcen ihr! man komt dem Todten-hau -
doch endlich zu. Hier iſt kein Ewigkeit.
Laſſ du Sie nur mich noch ein Zeitlang laben!
du ſolſt ſie doch / O Himmel! einmal haben: Es iſt noch Zeit.
8. Erlaubt56Der Teutſche Orfeus.
8.
Erlaubt es nicht dein Raht / ſie mir zu geben
ſo nim̄ auch mir das nun als-todte Leben.
Wan̄ meine Klag dir nicht dz Herze bricht:
So mag der Tod hier diß / das meine / brechen
Doch du biſt ja ſo hart nit! dein Verſprechen erlaubt es nicht.
9.
So ſehnlich ſang / in ſuͤſſen Klang der Saͤitē /
der Edle Held. Es hoͤrten Ihm / von weiten /
die Nymfen zu. Das Wild / zu Ihm ſich drang.
Es merkten auf / die ſchlanken Tan̄en-kerzen.
Der Wald erſeufzt. Als Er / von ſeinen ſo ſehnlich ſang.
(Schmerzen /
10.
Der Himmel hoͤrt un̄ ehrte dieſes Singen.
Ein Traumgeſicht / muſt Ihm die Antwort bringen:
(kehr
Ein ſchoͤnſtes Bild / ſein Leid in Freud ver
Ihr Blick ihm gab ſein vorigs Herzbehagen.
Er fande wahr: daß ein nit-muͤdes Klagen der Himmel hoͤrt.
11.
Sie ſprach Ihm zu: Dir kan nit wieder werden
Emilia / ſie komt nit mehr auf Erden.
Sie will Ich ſeyn / dein Leben / deine Ruh.
Und dieſen Gruß hab dir von Leonoren /
die Oettingen / der alte Stamm / gebohren: Sprach Sie ihm zu.
12. Als57Die verwandelte Dafne.
12.
Als Er erwacht: da war ſein Herz geheilet.
es wird ergaͤnzt / das vormals war getheilet:
nun Ihm / das Gluͤck / den Traum hat wahr gemacht.
Laß / Himmel! Ihn von allem Leid geneſen /
durch dieſe Freud / die Ihm ein Troſt geweſen / Als Er erwacht.

Die Nymfen / bezeugten / dem Myr - tillus / ihr aus ſeinem Geſang erſchoͤpftes Vergnuͤgen. Uns verlanget itzt / (ſagte Galathee) auch von dem dritten Bildnis / von der allerwuͤrdigſten zweyten Eury - dice dieſes Edelſten Orfeus / etwas der - gleichen zuhoͤren. Als die andern hierauf ſchwiegen: Man kan ſagen / (ſagte Fer - rando /) daß dieſe hochgebohrne Freu - lein / durch inſtehende Vermaͤhlung / als eine andre Dafne / gleichſam in einen Lorberbaum (an welchem hier ihr wuͤr - digſtes Bildnis hanget /) verwandelt / daß HochGraͤfliche Haus Windiſchgraͤtz mit Aufnahm und Ehre kroͤnen / auch ſelbigen Hoch-dahergipflenden Stam - men ſtaͤts-gruͤnend und Fruchtbringend machen / werde. Du haſt (verſetzte Ga -lathee /)58Die verwandelte Dafne. lathee /) unſre Gedanken gaͤnzlich ver - achten. Du wirſt / die Geſchicht der Dafne*Ovid. Metamorph. l. 1. fab. 13. ex Pindaro & Callimacho. erzehlend und folgends unſer hochvermaͤhltes Paar / unter denen Nah - men Dafnis und Dafne / beſingend / unſere Ohren dir verpflicht machen. Aus begierde / zu gehorſamen / (antwortete er /) und meine Pflicht zu bezeugen / er - kůhne ich / von ſo hohen Sachen nidrig zureden. Nachdem er hierauf ſich etwas bedacht / begunte er beydes zuerzehlen und zuſingen / wie folget.

Foͤbus / als er kam itzund von dem groſſen Drachen wieder
von dem Python / den ſein Pfeil hatte todt gelegt darnider;
fande dort den Bogen ſpannen ungefaͤhr / des Venus-Kind:
Buͤbchen! (ſprach er) ſolche Waffen keine Kinder Puppen ſind.
Mir gehoͤret diß Geſchoß / dir gebuͤhrt es nicht zu tragen.
ich kan pfeilen auf das Wild. ich kan Fein - den Wunden ſchlagen.
Schaue59Die verwandelte Dafne.
Schaue dort den Python ligen / der vier Mor - gen Landes druͤckt:
denn hat itzt / mit tauſend Pfeilen / meine Hand zu todt geſpickt.
Was thuſt du? dein Fackelbrand macht ich weiß nit was vor Leiden.
Streb nur nicht nach meinem Ruhm! wer wolt dich uͤm deinen neiden?
deine Torheit dich vergnuͤge: brenn / Cupi - do! ſchieß nur nicht!
Roͤte ſtieg / ob ſolcher Rede / dieſem Kind ins Angeſicht.
Zornig ſprach er / und beſchamt: du magſt treffen Wild und Drachen /
Foͤbus! ich will treffen dich / dir ſelbſt will ich bange machen.
Soviel groͤſſer ſind die Goͤtter / als die Thiere / (merk mich wol!)
ſo viel hoͤher meine Ehre / als die deine werden ſoll.
Bald ſchwang er ſich in die Luft / die er ſchnit - te mit den Fluͤgeln:
bis daß ſie ihn hingebracht zu Cythaͤrens gruͤnen Huͤgeln.
Dorten ſucht er aus dem Koͤcher / ein paar Pfeil ungleicher art:
einer / ſtumpf / aus Bley gegoſſen / kan ein Herze ſchieſſen hart;
und der andre macht verliebt / iſt von Gold / und ſcharf geſpitzet.
Dieſe60Die verwandelte Dafne.
Dieſe bringt er: Foͤbus Herz / wird vom le - tzern Lieb-erhitzet;
und der erſte / Haß und Kaͤlte in die ſchoͤne Dafne ſchieſt.
Bald ſo liebet jener dieſe: dieſe jenes Fein - dinn iſt.
Sie / die Nymfe / haſſt die Lieb; liebt / was tauſend andre haſſen;
lauft und jagt dem Wilde nach / irrend durch der Waͤlder gaſſen
mit des Foͤbus ſeiner Schweſter; laͤſſt / das mehr als guͤldne Gold
ihrer Haare / ledig fliegen. Tauſend Soͤhne ſind ihr hold /
und verlangen ihre Gunſt: noch kan keiner ſie erlangen.
ſie vergeht ſich im Gebuͤſch: daß ihr nicht werd nachgegangen.
Nichts fragt ſie nach Hochzeitmachen / ob der Vatter ſpricht zu ihr:
Tochter! du biſt einen Eydam / Enkel biſt du ſchuldig mir.
Sie erroͤtet ob dem Raht: Roſen bluͤhen auf dem Lande
ihrer Wangen voller Scham. Schand fuͤrcht ſie vom Weiberſtande;
faͤllet uͤm den Hals dem Vatter: Vatter (ſpricht ſie) wehr mir nit!
laß mich eine Jungfrau bleiben. Auch Dia - nen / dieſe Bitt /
hat61Die verwandelte Dafne.
hat ihr Vatter nicht verſagt. Er zwar / laͤſſt es ihr geſchehen:
aber (ſagt er) wird man auch dich ſo ſchoͤne koͤnnen fehen
ungeliebet / ungenoſſen? die Geſtalt es leidet nicht /
dich zu meidē: deinem Wunſche deine Schoͤn - heit widerſpricht.
Foͤbus unterdeſſen brennt / (Dafne macht ihn voll Verlangen /)
iſt ſelbſt ſein Orakel / hofft / was er wuͤnſchet / zuerlangen /
doch vergebens; nehrt / ohn Hoffnung / mit der Hoffnung ſeine Lieb;
ſihet / liebet / brennet / wuͤnſchet / hoffet / ſucht / in Einem Trieb.
Er ſiht / uͤm den weiſſen Hals / ihres Haars Goldfaͤden fliegen:
ach wie (denkt er) wuͤrden ſie aufgeputzet mich vergnuͤgen!
Er ſiht / gleich den Sternen / blitzen ihre Aeug - lein; ihren Mund /
ſiht er / unvergnuͤgt am Sehen / weil kein Kuſſ ihm iſt vergunnt.
Er lobt Finger / Haͤnd und Arm / und die auf - gebloͤſten Beine.
Was des Kleides Neid verbirgt / achtet er mehr ſchoͤn und feine.
Aber62Die verwandelte Dafne.
Aber Sie / flieht windgeſchwinde / ſteht nit ſtill / ob er ſie ſchon
bittet / ihme zuzuhoͤren / ihm und dieſem Lie - besthon.
1.
Schoͤne Nymfe! ſteh doch ſtille!
ſteh! ich bin dein Feind ja nit!
Eine Hirtinn / das Gebruͤlle
eines Loͤwens / alſo flieht.
alſo fliehen feige Tauben /
wann ſie will der Habicht rauben.
2.
Schafe alſo ſich entziehen
vor dem Wolf / dem Schreckengaſt.
Jedes gerne will entfliehen
ſeinem Feinde / den es haſſt.
Liebe / dieſen Weg mir weiſet;
Liebe / mich dir folgen heiſet.
3.
Nymfe! dich vom Laufen kehre!
ach! ich fuͤrchte / daß ein Fall
deinen ſchoͤnen Leib verſehre.
Dornen ſind hier uͤberall:
Schad es waͤr / daß ihre Spitzen
ſolten ſolche Glieder ritzen.
4.
Ich mag dir nit machen Schmerzen.
Lauf nit ſo mit ſtrenger Macht!
Schrofen moͤchten mit dir ſcherzen.
Wilſt du fliehen / fliehe ſacht!
Ich / auf daß du moͤgſt verſchnaufen /
will auch ſo geſchwind nit laufen.
5. Schau63Die verwandelte Dafne.
5.
Schau zuruͤcke! du wirſt balde
ſehen / wer nacheilet dir:
nicht ein Satyr aus dem Walde /
auch nicht nur ein Schaͤfer hier.
Du weiſt nit / vor wem du flieheſt:
diß macht / daß du dich entzteheſt.
6.
Delfos / ſiht mich taͤglich ehren.
Delos ſeinen Gott mich nennt.
Jupiter / ſein Haus zumehren /
mich vor ſeinen Sohn erkennt.
Alle Ding auf dieſer Erden /
durch mich muͤſſen ſichtbar werden.
7.
Ich lehr auf den Saͤiten ſpielen /
und ein Liedchen ſingen drein.
Trefflich kan mein Bogen zielen.
Zwar muß der gewiſſer ſeyn /
der mir ſchoſſ ins Herze Wunden /
die ich vormals nie empfunden.
8.
Kranken lehr ich huͤlf ertheilen:
ich weiß aller Kraͤuter Kraft.
Itzt kan ich mich ſelbſt nit heilen /
bloͤd iſt meine Wiſſenſchaft.
Ach! daß doch / vor Liebes-wunden /
gar kein Kraͤutlein wird gefunden!
Alſo ſang er / in dem Lauf. Alſo lief ſie / in dem Singen.
Dieſer Laufen / lieſſe nicht jenen ſein Geſang vollbringen.
Sie64Die verwandelte Dafne.
Sie lief ſtaͤrker / macht ihm heiſſer: weil ſie ſo auch ſchoͤner ſchien.
Winde huben ihr die Kleider von den zarten Gliedern hin /
und entdeckten / was bedeckt; blieſen ihrer Furcht entgegen;
ſpielten mit dem Flatter-Haar / das auf den verbuͤſchten Wegen
bliebe theils an Hecken hangen. Alſo mehrte dieſe Flucht
Dafne Schoͤnheit / und zugleiche Foͤbus neue Fiber-ſucht.
Foͤbus endlich muͤde wird / der zuflehen / die da fliehet.
Er iſt noch ein Juͤngling-Gott: ſeine Flam̄ unleidlich gluͤhet
Dieſe zwingt ihn / Zwang zubrauchen / wo kein Bitten helfen wil:
daruͤm eilt er / zu ereilen ſeiner Hoffnung langes Ziel.
Wie wan̄ etwan ſich im Feld Haſ und Wind - ſpiel laſſen ſehen:
ieder mit den Fuͤſſen will / jener ſeinem Feind entgehen /
dieſer ſeine Beut einholen: dieſer hofft / ſpringt hinter-drein /
denkt / er faſſe; jener furchtſam / achtet ſich gefangen ſeyn /
doch entſpringt er / laͤſſt dem Hund in dem Maule nichts als Haare /
und
65Die verwandelte Dafne.
und enttraͤget ihm das Fleiſch. So es auch beſchaffen ware /
mit dem Gott / und mit der Nymfe. Jedem ſchnelle Fluͤgel macht /
ihr die Furcht / und ihm die Hoffnung. Die - ſer Jagt Cupids lacht.
Der Verfolger / doch zuletzt die Verfolgte uͤbereilet:
weil das Kind / das ihn entzuͤndt / ſeine Fittich ihm ertheilet.
Er laͤſſt ſie nit mehr verſchnaufen / kommet ſchnaufend nun heran:
daß ſie ſeinen ſtarken Odem auf dem Ruͤcken fuͤhlen kan.
Er ſtreckt ſchon die Haͤnde aus / ſeinen ſchoͤ - nen Raub zufaſſen.
Sie ermuͤdet / kan nit mehr / als erſtaunen und erblaſſen /
von dem Flucht-Lauf uͤberwunden. Vatter Peneus! (faͤngt ſie an /)
Fluten-Gott! hilf deiner Tochter! wann ein Fluß auch helfen kan.
Dieſe Schoͤnheit / meiner Ehr Moͤrderinn / verſchling / O Erde!
oder ſchaffe / daß mein Leib etwas / des man ſchonet / werde!
Kaum war dieſer Wunſch geſprochen: da er - ſtarrt das ſchoͤne Kind.
ihre Arme ploͤtzlich Aeſte[/]ihre Haare Blaͤt - ter ſind.
Des er -66Die verwandelte Dafne.
es erhartt / ihr hartes Herz. rauhe Rinden uͤberziehen /
ihre mehr als zarte Bruſt. und / die vormals konden fliehen /
ihre Fuͤß / gewohnt zu fliegen / wurzeln in die Erd hinein.
Dafne / faͤhet an zu gruͤnen und ein Lorbeer - baum zu ſeyn.
Foͤbus ſtehet / und erſtaunt / wird vor Unmut ſchier zum Steine.
Doch ſo lebet noch die Lieb; und der Baum / iſt noch die Seine.
er uͤmfaͤngt ſie / die noch bebet. ihre Arme / itzund Aeſt /
er in ſeine Arme ſchlieſſet; kuͤſſt / der Haupt und Mund geweſt /
ihren Gipfel / der auch noch ſeine Buhlereyen fliehet /
und zuruͤck entweicht dem Kuß. Endlich ſpricht er:
Kanſt du dann mein Buhl nit werden /
Dafne / O du harter Sinn!
ey ſo ſolſt du doch / auf Erden /
du ſolſt ſeyn mein Baum forthin.
Meine Pfeile / Kron der Schoͤnen!
Haar und Cyther / ſolſt du kroͤnen.
Wann67Die verwandelte Dafne.
Wann ſiegprangend widerkehren
meine Helden von dem Streit:
ſolſt du ihre Scheitel ehren.
Du ſolſt meine liebe Leut /
meine Dichter / auch beglaͤnzen
und ihr Sinnenhaus bekraͤnzen.
Dich ſoll auch kein Donner ruͤhren;
und ein immergruͤnes Laub
deine ſtaͤte Jugend zieren /
keiner Winterwinde Raub.
Dafne / liebſte Dafne / gruͤne!
deine Zier / mein Leid verſuͤhne.
Diß geſchihet.
Wie man ſagt / ſo hat hieruͤber dieſer Baum ſich froh erzeigt /
und ſein neues Haupt / den Gipfel / vor dem Foͤbus tief geneigt.

Du haſt / (ſagte / und lachte / Galathee) durch deinen Geſang / eine Nymfe in ei - nen Baum verwandelt: nun muſt du dieſen Lorbeerbaum / mit jenem Palm - baum / vermaͤhlen. Dieſe zween Baͤume / (ſagte Floridan) reimen ſich an ſich ſelbſt wol zuſammen: dann / ſie ſind alle beyde dem Foͤbus gewidmet / und hat man / vor Verwandelung der Dafne / ſeine Tem -D ijpel -68Dafnis und Dafne. pel Bildniſe damit gekroͤnet. So iſt auch (ſetzte Palaͤmon hinzu) ein Palmzweig / ſowohl als ein Lorbeerkranz / eine Zierde und Kennzeichen der Siegenden. Der verliebt-beſchriebene Foͤbus / (fienge Al - cidor an) laͤſſt ſich gar wol vergleichen mit dem verliebten Palmbaum: von wel - chem mir ein alter Arno-Schaͤfer aus Hetrurien(a)Joh Pierius in Hieroglyph. l. 50. p. 370. erzehlet / daß das Maͤnnlein und Weiblein / wann ſie benachbart / ein - ander ůmfangen, wann aber derer eines allem ſtehet / verſchmachten ſie vor Ver - langen / oder bleiben doch unfruchtbar: Laſſt mir das eine hoͤlzerne Liebe ſeyn! Diß iſt nichts neues! verſetzte Myrtillns. Es hat / ſchon vor vielen Jahrhunterten / ein Griechiſcher Schaͤfer(b)Philoſtratus in Iconib. vorgeſchrie - ben / wie man uͤber einen Fluß eine leben - dige Bruͤcke / ja einen lebendigē Schwib - bogen / bauen ſoll. Dann / wann man / zu beyden ſeiten / Palmbaͤum[e]/ hier Maͤnn - lein dort Wei[b]lein / pflanzet / ſo kruͤmmen und ſtrecken ſie ſich gegeneinander: undauf69Dafnis und Dafne. auf ſolche weiſe / wird der Fluß mit Laub und Aeſten uͤberbrucket und uͤberwoͤlbet. Es erzehlet ein andrer Schaͤfer /*Jovianus Pontanus. (ſagte Cleodor) daß in Calabrien zu Brindiſi und Otranto / eine Tagreiſe voneinander / zween Palmbaͤume beyderley Geſchlech - tes / lange unfruchtbar geſtanden: als ſie aber ſo hoch in die Luft geſchoſſen / daß ſie gleichſam einander ſehen koͤnnen / und der Wind des einen Lieb-Seufzere dem an - dern zugefuͤhret / haben ſie beyde angefan - gen reichlich Frucht zubringen. So wol - te ich dann ſagen / (ſagte Ferrando) wan̄ ich vor-erzehlte Verwandlungs Geſchich - te auf dieſe zween Baͤume / deuten ſolte: Foͤbus / aus Ungedult / weil er / als ein Gott / der Liebe ſeiner Dafne / die nun ein Baum ware / nicht genieſen koͤnnen / ha - be / in ſeines bisher-eigenen Palmbaums Geſtalt / ſich neben der Dafne in die Er - de gepflanzet / ſie folgends mit ſeinen Ae - ſten uͤmarmet / und alſo ſeine Begierde erſaͤttigt; Solchermaſſen / ſey der Palm - baum ſo ein verliebter Baum worden. D iijDu70Dafnis und Dafne. Du muſt aber nicht vergeſſen / (ſagte Ga - lathee) unſren Ohren dein voriges Ver - ſprechen zuzahlen: damit wir nit Urſach haben / dich einen boͤſen Schuldner zu - nennen. Der werde ich wol nicht ſeyn! antwortete er: aber vielleicht ein boͤſer Zahler. Hierauf ſtimmte er nochmals ſeine Cyther / ſchluge und ſange darein / der Edelſten Leonora Bildnis anſchaltend / folgendes Lied.

1.
Prinz gelehrter Leyer-Lieder /
Herzog deiner Sternenbruͤder!
laß mir deinen Einfluß flieſſen!
Ach! wer itzt in Aganippen
moͤchte baden ſeine Lippen /
an Parnaſſens naſſen Fuͤſſen!
Kaͤmen doch / die Pegas-brunnen /
mit der Pegnitz itzt gerunnen /
die da Geiſter gieſſen ein!
ach! da wolt ich trunken werden!
da ſolt recht beſungen ſeyn
Dafne / unſre Zier der Erden.
2.
Zwar / ob Foͤbus nit will ſcheinen:
Ich weiß hier der Foͤben einen /
der auch Geiſtern gibet Feuer;
deſſen Ruhm-Liecht Sonne-ſtrahlet /
und ſein Stam̄haus Himmel-mahlet;
der71Dafnis und Dafne.
der auch ſpielt auf Foͤbus Leyer.
Und es kan / in Schaͤfer-gruͤnden /
ſeine Gunſt / den Geiſt entzuͤnden /
ſtaͤrker / als der Helikon.
Eine Dafne wir auch kennen /
die / wie Hyperions Sohn /
er anſchauet mit Entbrennen.
3.
Spielt mir nun / ihr Muſen-Traͤume!
was zeigt / hier der Prinz der Baͤume?
was blickt von der Lorbeer-Laͤube?
Iſts das Bildnis von Evadne?
Cadmus-Schweſter? Ariadne?
Iſts Oenone / wie ich glaͤube?
Eine ſolche Zier anſtuͤnde /
Cepheus / deinem Wunder-Kinde!
ob es Tyndaris auch iſt?
Nein! in dieſe ſchoͤnſt-geſchaffne /
alle Zier zuſammen flieſt:
Es iſt / unſres Dafnis Dafne.
4.
Preiſt / ihr Saͤnger bey den Heerden!
dieſen Himmel dieſer Erden.
Seht ein Goͤttlichs Angeſichte!
wo ſich Ernſt und Huld vermaͤhlen /
und ſie ſonder Red empfehlen.
Hier iſt Inhalt zum Gedichte!
hier ſich Amor ſelbſt ergetzet /
und ihm auf die Stirne ſetzet
einen Thron von Helfenbein.
D iiijDort72Dafnis und Dafne.
Dort er Pfeile pflegt zuſpitzen /
auch der Augen Blick und Schein:
unſren Dafnis wund zuritzen.
5.
Sind wol diß der Flora Wangen?
ſeht den Schnee der Liljen prangen /
eingemaͤngt in Roſenblaͤtter!
der Rubinen-Mund / im Lachen /
Perlen ſichtbar pflegt zumachen:
zeigt ein Kleinod vor die Goͤtter.
Zwiſchen blanker Locken Seide /
blinket dieſe Augenweide /
wie Aurora / wann von ihr
wird der weiſſe Tag gebohren.
Unſrem Dafnis / ſolche Zier /
die Natur hat zuerkohren.
6.
Lebends Marmor / das man ſchauet /
eine Schoͤnheit-Seul hier bauet /
eingeaͤdert mit Saffiren:
Hals und Nacken ſchnur-recht windet /
und den Buſen doppelruͤndet;
einen Wunder-bau zufuͤhren.
Haͤnd und Arme ziert Alpaſter /
macht die Schoͤnheit noch verfaſſter.
Und / das mehr! ein groſſer Geiſt
blickt aus aller dieſer Zierde;
die ein Edle Herberg heiſt
dieſes Gaſts von gleicher Wuͤrde.
7. Sie73Dafnis und Dafne.
7.
Sie iſt / in ſo zarter Jugend /
reif ſchon an Verſtand und Tugend /
zeigt zugleich die Fruͤcht und Bluͤte.
Von des Mundes lieben Lippen /
aus den ſchoͤnſten Purpurklippen /
ſchallt ein himmliſches Gemuͤte.
Suͤſſes Sehen / freundlichs Lachen /
dieſe Schoͤnheit ſchoͤner machen.
Alſo ſichs von Goͤttern ſtammt:
in der theuren Fuͤrſtinn Kinde /
ſolche Mutter-flamme ſtammt /
die ein ſolches Herz entzuͤnde.
8.
Solt ein Foͤbus nicht entbrennen?
ſolt er lieben nicht / nur kennen /
ſo ein B[i]ld von aller Schoͤne?
Dafnis / dieſe ſoviel Gaben /
Dafnis ſoll die Dafne haben:
daß Sie ſein Haus Lorbeer-kroͤne.
Alle ihres Hauſes Zierden /
alle hohe Ankunft-Wuͤrden /
Dafne bringt dem Dafnis mit.
Ehr ſie bringet und wird finden.
Palm - und Lorbeer-Laub / man ſiht
ſich in Einen Kranz verbinden.
9.
Dafne / nun / du Zier der Erden!
du ſolſt / was du heiſeſt / werden.
Eingepfropft dem Palmen-Stam̄en /
D vmach74Dafnis und Dafne.
mach Ihn ewig gruͤnen / zweigen /
und ſtaͤts Lorbeer-Kronen zeugen.
Dafnis! Dafne! wachſt zuſammen!
Himmels-Waͤrm und Erden-Fette /
ſegne allzeit eure Staͤtte /
wo ihr mit der Wurzel geht.
Wachſt / hin zu den Sternenfeldern!
Bis Ihr endlich herrlich ſteht /
dort in den Elyſer-Waͤldern.

Nach Endung dieſes Lieds / bezeugten die Nymfen ihr vergnuͤgen ob demſelben / und verfprachen / daß ſie ſolches / ſamt den vorigen / durch die Noris / den Beyden Hochvermaͤhlten wohlempfohlen uͤber - reichen wolten. Wir muͤſſen aber (fienge Dorilis hierauf an) unſre Geſpraͤchluſt noch nicht enden / ſondern dieſelbe erlaͤn - gerend / dieſem hochfeyrlichen Tag ferner ſeine Ehre geben. So laſſt uns dann (ſagte Galathee /) unter unſre Baͤume zuſammen ſitzen! Weil es (thaͤte Sylvia hinzu /) auf Geſpraͤchſpiele hinauslaufen wird / ſo iſt vonnoͤten / daß eines von uns zum Haupt und Gebieter erwehlet wer - de. Es braucht keiner Wahl / ſchoͤne Nymfe! ſagte Floridan. Du haſt unsallen75Geſpraͤchſpiel-Geſellſchaft. allen zubefehlen / und wir werden uns glůckſelig achten / deinen Geboten zuge - horchen. Mit nichten! antwortete ſie: das Gluͤck muß einem von uns dieſe Eh - re geben / die ich einem jeden lieber als mir goͤnne. *Hæc & ſeqq. ad imitationem Conviv. Caſal. Solches ſagend / griffe ſie nach dem Buͤchlein / die ſchoͤne Diana genannt / welches Floridan ungefaͤhr ne - benſich geleget / und gabe den andern zu - verſtehen / daß ein jedes neben ihr / aus dem erſten Gedichte / welches nach Er - oͤfnung des Buchs ihnen wůrde zu Ge - ſicht kommen / ihm eine Zeile erwehlen ſolte; und weſſen erwehlte Zeile von der Herrſchaft reden wůrde / der oder die ſolte das Haupt der Geſellſchaft ſeyn. Nach beſchehener Zeilwaͤhlung / ſchluge ſie das Buch auf; und fande ſich / am 172 Blat des 1 Theils / das Lied des Mohren Abindaraetz / deſſen Anfang:

Es ſcheint / die Frau Natur ꝛc.

und ward Sylvia zur Geſpraͤch - oderD vjSpiel -76Geſpraͤchſpiel-Geſellſchaft. Spiel-Gebieterinn benennet / weil ihre achte Wahlzeile alſo lautete:

Du traͤgſt die Tugend-Kron /
im hohen Ehrenſtand.

Haͤftig wurden ſie alle erfreuet / als ſie ver - nahmen / daß Floridans Wahl vom Gluͤck beſtaͤttigt worden: zumahln an Sylvia ſich ein edler Geiſt und trefflicher Verſtand zeigete / auch in ihrem Ange - ſicht ſo eine mit Holdſeligkeit vermiſchte Hoheit erſchiene / daß ſie / auch nur mit Stillſchweigen / die allerfrecheſten Her - zen haͤtte koͤnnen zu gehorſam zwingen und bringen. Demnach ward ihr / von der Geſellſchaft / die ſchuldige Ehrerbie - tung erwieſen / und das Amt / ihnen allen nach belieben zubefehlen und als Gebiete - rinn vorzuſtehen / ihr aufgetragen. Wel - ches ſie annahme / mit dieſer Gegenrede: So es wahr iſt / wie es dann iſt / daß / wo am minſten Verdienſt / alda am meiſten Gluͤck ſich befinde / ſo hat meine Geſell - ſchaft nicht Urſach / meinen itzigen Ehr - Nahmen zubewundern / oder zubenei -den.77Geſpraͤchſpiel-Geſellſchaft. den. Das Glůck und der blinde Zufall hat mir dasjenige zugeeignet / was eine rechte Wahl und mein Unverdienſt mir ſonſt verſagthaͤtte. Demnach habt ihr / nit mir / ſondern euch ſelber gluͤckzuwuͤn - ſchen / uͤm daß /[i]ndem die Fortun euch den Rucken und mir das Antlitz gewie - ſen / hierdurch euer Verdienſt und meine Unwuͤrde vor den Tagen getretten. In - maſſen auch / beydes mein armer Ver - ſtand / und mein demuͤtigs Herz / der Bey - ſorge / von mir mit hohen Fragen und Befehlen belaͤſtigt zu werden / euch uͤber - hebet. Du wirſt / Edle Gebieterinn / (widerredte Myrtillus /) uns nicht ůber - reden / anderſt zu glaͤuben / als daß die Tu - gend ſich der Hand des Gluͤcks gebrau - chet / dir die Ehre zugeben / die du verdie - neſt. Nach dieſen und andren Reden / befahle ihnen Sylvia / ſich in die Runde zuſetzen.

Nachdem jedes ſeine Stelle genom - men / ſchwiegen ſie ein zeitlang alle zu - ſammen: weil die andern der Sylvia / und dieſe hinwiederum ihrer einem / dieD vijEhre78Geſpraͤchſpiel-Geſellſchaft. Ehre laſſen wolte / am erſten zureden. Endlich fienge ſie an: Ich dachte / das Gluͤck habe mich zum Haupt der Reden - den gemacht; aber nun ſihe ich mich eine Koͤniginn ſtummer Bilder / und einſam mitten in der Geſellſchaft. Von dem Verſtand im Haupte / (ſagte Dorilis /) erwartet die Zunge Befehl / was ſie re - den ſoll. Ich nehme Anlaß von[ eurem] Stillſchweigen / (verſetzte Sylvia / nach kurzem Bedacht /) dir Alcidorn / den ich ſo kurzweilig als ſinnreich erkenne / zube - fehlen / daß du / einem Geſpraͤchſpiel von der Einſamkeit / den Anfang macheſt. Auf Befehl / (antwortete er /) ſoll und will ich dieſem Spiel ſolche Maß geben / daß unſer jedes ihme einen zur Einſam - keit bequemen Ort erwehle; die Urſach / waruͤm er in ein einſames Leben ſich be - geben wolle / vorbringe / und ſolche mit ei - nem Reimſpruch erweiſlich mache. Hier - auf ſollen zweye / ſo die wichtigſte Urſach ihrer erwehlten Einſamkeit vorgebracht / zu Richtern erwehlet werden / und der andern jedem eine Frage zu beantwortenvor -79Die erwaͤhlte Einſamkeit. vorlegen / oder eine Poeſy anfordern. Und hierzu will ich / der Nachfolge in der Kreiß-ordnung / darinn wir ſitzen / er - wartend / den Anfang machen.

Ich / damit mein Gemůte / in der Ge - ſellſchaft / durch fremde Laſter nicht ange - ſteckt werde: will mich in eine von den Leuten entfernte Huͤtte begeben / und da - ſelbſt meine Gedanken ergetzen / mit die - ſem Spruch:

In ſtiller Einſamkeit / mit frommer Unſchuld / leben /
iſt baͤſſer / als mit Schuld uͤm loſe Leu - te ſchweben.

Und ich / (ſagte Myrtillus /) damit ich deſto ungehinterter mit mir ſelber und mit den Verſtorbenen reden / auch den Betrachtungen mich ſchenken moͤge: will / von den Lebendigen abgeſondert / mich in mein einſames Leibzimmer ver - ſchlieſſen / und an die Thuͤr ſchreiben:

Wer nit lebet / wie die Todten /
dem ſey dieſe Schwell verboten.

Damit meine itzige Glůcks-Wůrde (ſagte Sylvia /) mich nit uͤbermuͤtig undandere80Die erwaͤhlte Einſamkeit. andere verachten mache: werde ich / ſol - che mit dem Tag und mit Endung unſ - res Geſpraͤchs ablegend / mich in eine einſame Grotte oder Gruft unter die Er - de verſtecken / und daſelbſt mich erinnern des bekannten Lehrſpruchs:

Im Himmel ſoll erhoͤher werden /
wer ſich ernidrig[t]hier auf Erden.

Damit meine Augen / (ſagte Flori - dan /) nach fremder Schoͤnheit ſehend / nicht mein Herz verfuͤhren / an meiner Hirtinn untreu zu werden: will ich den - ſelben / mir den Weg in eine einſame Wildnis zu weiſen / gebieten / und da - ſelbſt in einen Baum ſchneiden / dieſe Worte:

Wann der verbotnen Frucht die Hand ſoll muͤſſig gehen:
ſo muß das fromme Aug nicht nach dem Baume ſehen.

Und ich / (ſagte Cleodor) aufdaß ich / meine Poeſy mit dem Lobe dieſer Edlen Nymfen zuadeln / ihren Vollkommenhei - ten deſto faͤrtiger nachdenken koͤnne: will hier an der Pegnitz mich in eine einſameHoͤle81Die erwaͤhlte Einſamkeit. Hoͤle verkriechen / und an deren Eingang eine Rinde haͤften / mit dieſer Aufſchrift:

Ob ich ſchon finſter ſitz / in dieſer Hoͤle Schranken:
Jedoch drey Sonnen mir aushellen die Gedanken.

Damit die Poeten / (ſagte Dorilis) mit ihren luͤgenhaften und nur-erdichte - ten Lob - und Liebes-Liedern / als einem falſchen Syrenengeſang / nicht meine Vernunft einſchlaͤfern und hingegen die Begierden in mir erwecken: will ich aus meiner einſamen Waſſer-Zelle nicht her - vorkommen / meine Ohren mit des Ulyſ - ſes keuſchem Jungfrau-Wachs verſto - pfen / und mit der Schlange ſagen:

Daß kein Beſchwoͤrer mich / mit Schmei - cheln / moͤg bethoͤren:
ſtopf ich die Ohren zu / den Tand nit anzuhoͤren.

Damit nicht eine Schoͤne Grauſame (ſagte Palaͤmon) mich ungeliebt ver - liebt mache / und ich eine unbarmherzige Goͤttinn anflehen muͤſſe: will ich / von dem Pegnitz-Strom / zum Pegaſus -Brunn82Die erwaͤhlte Einſamkeit. Brunn in die Einſamkeit mich begeben / und deſſen Waͤſſerlein dieſe Spruchzei - len lallen lehren:

Mir ſchmeckt hier euer Wein viel ſuͤſ - ſer / ihr Camoͤnen!
als daß zum Weinen mich die Liebe ſolt gewoͤhnen.

Damit das Elend und Unrecht dieſer Zeiten (ſagte Ferrando) mich nicht be - truͤben noch erzuͤrnen moͤge: will ich mir im Wald eine Einſidelhuͤtte bauen / und daſelbſt nach der Elyſiſchen Erloͤſung ſeufzend / mit dieſem Spruche dem Welt - Unweſen abſagen:

Welt / du Wald voll wilder Thiere! ich entfliehe dir in Wald.
Hier iſt / meiner Ruh: im Himmel / mei - ner Hoffnung Aufenthalt.

Und ich / (beſchloſſe Galathee) damit ich nicht anderer Nymfen ſchoͤne Geſtalt und Holdſeligkeit / welche der Himmel ihnen verliehen und mir verſaget / mit Neid und Leid anſchauen muͤſſe: will mich und meine Ungeſtalt mit meiner Eiche / darinn ich wohne / verdecken / undauſen83Die erwaͤhlte Einſamkeit. auſen an das Baumzimmer ſchreiben:

Wann kein Leid die Augen fuͤllet /
wird das Herze leicht geſtillet.

Sylvien und Floridans erwehlte Ein - ſamkeit / ward vor die loͤblichſte erklaͤret / und ihnen folgbar das Richter-Amt / den anderen / zur Straffe / eine Antwort oder ſonſt etwas aufzubuͤrden / aufgetragen. Zudem / daß ein Arzt (ſagte Sylvia zum Aleidor /) gern uͤm die Siechen ſeyn ſoll / ſie geſund zumachen: ſo haſt du noch nicht erwieſen / daß alle Geſellſchaften unrein ſind / dich anzuſtecken. Und da - mit wir daher nicht Urſach nehmen / we - gen ſolcher falſchen Beſchuldigung / dich von unſerer Geſellſchaft auszuſchlieſſen / ſo ſey / uns zuverſoͤhnen / diß deine Straf - fe / daß du Neun Dinge / ſo den Fruͤling zieren / erzehleſt und mit dieſer Geſellſchaft Lobe vermaͤhleſt. Alcidor bedachte ſich etwas / und brachte endlich dieſe Zeilen zu markte:

Iſt Sylvia nicht unſre Kron und Sonne?
Von Galathee / ſcheint Blumen-ſchoͤne Wonne.
Und84Die erwaͤhlte Einſamkeit.
Und Dorilis / gieſt ſuͤſſen Worte-Thau.
Seht Floridan / gleich Baͤumen / Bluͤte bringen!
Myrrillen hoͤrt / als eine Lerche / ſingen!
Palaͤmon gruͤnt / wie Graͤslein auf der Au.
Vom Cleodor die Red / als Baͤche / flieſſet.
Ferrandens Fleiß / als wie die Saat / er - ſprieſſet.
Gern miſchte ſich mit in den Fruͤling ein /
der Alcidor / mit ſeinem Schnee der Haare.
Doch / daß bey euch erjungen ſeine Jahre:
ſo laſſet ihn den truͤben Regen ſeyn.

Du haſt dich / mit einer guten Muͤnze / wieder eingekauft! ſagte Sylvia / und fuhre hierauf fort gegen Cleodorn: Weil deine erwehlte Einſamkeit / Fremdling! ſich einiger Schmeicheley verdaͤchtig ge - macht / ſo ſey dir zur Straffe auferlegt / uns etwas zu poetiſiren / darinn einer Hirtin oder Schaͤferinn mit Unlob ge - dacht werde. Cleodorn befremdete die - ſer Befehl; weil er aber gehorſamen muſte / lieſſe er folgendes Sonnet hoͤren:

Die Schoͤne / ohne die Zaͤhne.
Die Aeuglein geben Blitz / die ſchwarzen Aeugelein.
Der85Die erwaͤhlte Einſamkeit.
Der Lippen Purpur gluͤht. Die Wangen Roͤslein winken.
Solang du oͤffneſt nicht des Munds Corallen - Zinken:
ſolang ſagt man / daß du wohl koͤndeſt Ve - nus ſeyn.
Wann aber zeigen ſich im Mund die ſchwarzen Zaͤun /
die Zaͤhne: dann beginnt dein Schoͤnheit - Lob zu ſinken;
bald es komt in dem Mund / da faͤngt es an zuhinken.
Ach! daß ihn die Natur / nit auch mit Hel - fenbein
geziert / wie deinen Leib! Die Zaͤhne beiſſen dir
fuͤr war kein kleines Stuck von deiner groſſen Zier.
Druͤm haͤtteſt baͤſſer du ein ſtummes Bild ge - geben /
das mit den Augen redt. Das Reden zwar dich kan
ſo gar verſtellen nicht. Nur merke diß / mein Leben:
wann ich dich lieben ſoll / ſo lache mich nit an!

Der Befehl / iſt hoͤflich vollzogen! ſagte Floridan. Du aber / ſchoͤne Nym - fe! (fuhr er fort / wider die Dorilis /) weildu /86Die erwaͤhlte Einſamkeit. du der Liebe / aus Unbarmherzigkeit / in ein einſames Ort / entfliehen wilſt / gibe ich / zur Straffe / aufzuloͤſen das Raͤtſel eines Verliebten / welcher ſeine Liebſte al - ſo angeſprochen: Ich bin ohne Gott / oh - ne dich / und ohne mich. Dieſer Ver - liebte (antwortete Dorilis /) hat ſo viel ſagen wollen: Er lebe ohne Gott / an den ihn die Liebe nit denken ließ; ohne die ein - gebildte Seine / weil ſie ſolche nit werden wollen; und ohne Sich ſelber / weil er in Sie verlohren ware.

Und du / Palaͤmon! (ſagte Sylvia / wider dieſen /) der du / aus Beyſorge nit wider geliebt zu werden / dich fuͤrchteſt verliebt zu werden: laß uns / dieſer deiner Furcht zur Straffe / ein Liedlein hoͤren / mit welchem du diejenige abgeſegnen wolteſt / welche deine vorige Lieder nit haͤtte gewierig angehoͤret. Meine Ein - ſamkeit / (widerredte er /) wird mich wol ſichern vor dieſer Abenteur. Jedoch diß orts nicht ungehorſam zuerſcheinen / hal - te ich dafuͤr / meine Abdankungsgedan - ken wuͤrden ſich alſo einrichten laſſen.

An87Die erwaͤhlte Einſamkeit.
An eine ſtolze Grete.
1.
Iſt dann ſoviel an dir / ſtolze Zier?
daß du dich ſo gegen mir
darfſt mit Hoffartſinnen bruͤſten? daß mich ſolt /
wie nach Gold / nach dir geluͤſten?
2.
Du biſt die Sonne nicht / bleiches Liecht!
und es iſt ja dein Geſicht.
Keine Gottheit dieſer Erden: daß man ſolt
dir nur hold und guͤnſtig werden.
3.
Du magſt wohl ſchoͤne ſeyn! diß allein
will mir gar nit gehen ein:
daß du ſolſt der Schoͤnheit Gaben / alle Wuͤrd[e]/
alle Zierd / alleine haben.
4.
Wilſt du nit meine ſeyn: ſchlaff allein!
ich mag auch nit werden dein.
Es war / dich zur Kurzweil kuͤſſen / mein Begehr /
ſonſt nichts mehr: das ſolſt du wiſſen.
5.
Meinſt du vielleicht / daß ich inniglich
ganz verliebet ſey in dich?
Nein!88Die erwaͤhlte Einſamkeit.
Nein! ich werd vor Hitz nit ſterben. Nichtes mich /
zwingt / daß ich nach dir ſolt werden.
6.
Noch manches Mutter-Kind ſonſt man findt /
ob man ſchon kein Liecht anzuͤndt:
das an Schoͤnheit und an Gaben / nach Begier /
weit vor dir / iſt hoch erhaben.
7.
Ich goͤnn es gerne dir / halbe Zier!
daß ein Ander fuͤr und fuͤr
mit dir durch das Gew ſpazire. Amor! walt!
daß ſie bald den Kranz verliere.
8.
Wer weiß noch / wie es geht / ſtolze Gret!
wann dein Kram voll Eiſen ſteht?
dann magſt vor die Hoͤlle laufen / und aldar
deine Waar gleich wohl ver kaufen.
9.
Der Becker wird alsdan̄ / wann man kan
an dich bringen keinen Mann /
dir ein Zuckermaͤnnlein backen: dem magſt doch
letzlich noch den Kopf abzwacken.
Nach89Die erwaͤhlte Einſamkeit.

Nachdem die ganze Geſellſchaft die - ſen Geſang belaͤchelt / ſagte Sylvia zum Ferrando: die Straffe deiner Ungedult und Zornſucht / welche dich aus der Welt - Unruh in das Einſidel-Leben fliehen macht / ſoll dieſe ſeyn / daß du uns ſageſt / welcher Leute Anzahl in der Welt groͤſſer ſey / der Todten oder der[ Lebendigen]? Ei - ner von den Alten hat auf dieſe Frage ge - antwortet / (antwortete Ferrando /) es ſeyen mehr der Lebendigen / weil die Tod - ten nicht mehr ſind. Worbey ichs be - wenden laſſe: wiewohl / die Frage aus dem grund zu beantworten / mit Unter - ſchied davon zu reden waͤre.

Endlich wurde der Dorilis / ſie uͤm ihre aus Neid erwehlte Einſamkeit zu - ſtraffen / von Floridan die Frage zuer - klaͤren vorgeleget / welche die aͤltſte und beſtaͤndigſte Liebhabere geweſen oder noch waͤren? Dieſe ſind es / (antwortete ſie /) welche die innerliche Schoͤnheit lieben: dann / weil ſolche Schoͤnheit mit den Jahren zu wachſen pfleget / als kan es nit fehlen / es muß auch die Liebe mit dem Al - ter zunehmen.

EWie90Die lebendig-Todten

Wie nun alſo diß Geſpraͤchſpiel ſich geendet / widerholte Sylvia ihre Frage von den Todten und Lebenden / und be - fahle dem Ferrando / ſeine fernere Gedan - ken hiervon / der Geſellſchaft mitzuthei - len. Wann / unter den Todten / (fiengt er an / diejenigen / welche von der Welt Anfang her geſtorben ſind / verſtanden werden: ſo muß man zum Gegenſpiel ſa - gen / daß der Todten viel tauſendmahl mehr ſeyen / als der Lebendigen. Wann wir aber betrachten / daß die Todten in einer andern Welt leben / und die See - len unſterblich ſeyen: ſo bleibt es bey der Antwort / daß der Lebendigen mehr ſeyn; ja man kan / auf ſolche weiſe / ſagen / daß gar keine Todte ſeyen. Wiederuͤm / weil die meiſte Verſtorbene / mit ihrem boͤſen Leben / den Tod der ewigen Qual verdie - net und ſolchen allbereit am hals haben: ſo muß man abermals / die Anzahl der Todten / vor die groͤſte achten. Man kan auch mit dem Plato ſagen / (ſagte Myrtillus /) daß in dieſem Leben mehr Todte als Lebende ſeyen: nicht allein /weil91und Todt-Lebenden. weil der groͤſte Haufe nicht nach Tugend und geſunder Vernunft lebet; ſondern auch / weil der verderbliche Leib / das Be - graͤbnis der Seele / taͤglich ſtirbet / und wir ſo manchem Tode unterworfen ſind / ſovielerley Krankheiten und Truͤbſalen uns begegnen koͤnnen. Solchergeſtalt ſterben wir / die wir izt leben: und fangen erſt an zu leben / wann wir ſterben. Alſo ſind / wir Lebende / die Todten; und die Todten / ſind die Lebendigen.

Es wird auch ſonſt in dieſem Leben / von den Nymfen und Schaͤferinnen / die Zahl der Todten vermehret: ſagte Cleo - dor. Und welchergeſtalt thuen ſie ſol - ches? fragte Galathee. Durch verliebt - machen / und nicht-widerlieben! verſetzte der Schaͤfer. Dann wann Krankheit und Truͤbſal / wie Myrtillus izt vorge - bracht / ein Tod unſres Lebens iſt: ſo ſind / die beſchmerzte und betrůbte Liebhabere / gar gewiß unter die Todte zuzehlen. Und derer wirſt vielleicht auch du einer ſeyn? fragte ihn Sylvia. Du ſagſt es / Edle Nymfe! gabe er zur Antwort: und ichE ijwuͤrde92Die Lebendig-Todtenwuͤrde luͤgen / wann ich es leugnete. Es iſt aber nichtes an dir / (unterredte Do - rilis /) das einem Todten gleich ſihet. Wie ſolte er leben? rieffe Alcidor. Die Seele des Verliebten / iſt ja nicht / wo ſie lebet / ſondern wo ſie liebet. (a)Anima amantis non eſt, ubi animat, ſed ubi amat. Er iſt ihm ſelber geſtorben / und lebet in ſeiner Moͤrderinn. Wie kan man einen ermorden / (fragte Galathee /) den man nit anrůhret? Und wie koͤnnen wir morden / (thaͤte Sylvia hinzu /) welches ein Thun iſt? indem wir geliebet werden / welches ein Leiden iſt? Zwar das Wort / Lieben / (widerredte Floridan /) iſt ein Thun: aber das Werk / iſt ein Leiden. (b)Amare, eſt Paſſivum: amari, Activum. Wer liebet / der leidet; und hingegen die machet leiden / die da geliebet wird. Weil aber (ſagte Dori - lis dargegen /) der Liebhaber freywillig liebet und folgbar leidet / ſo kan er ja nie - manden als ſich ſelber anklagen; am al - lerwenigſten die Geliebte / die ihm / nicht befihlet / vielmehr verbietet / ihre Perſonzu lie -93und Todt-Lebenden. zu lieben. Sie ermordet ihn / (verſetzte Palaͤmon /) nicht durch ihre liebreiche Schoͤnheit / ſondern durch liebloſe Haͤr - tigkeit. Man iſt ein Moͤrder deſſen / den man ſterben laͤſſet / da man ihm haͤtte koͤn - nen das Leben friſten.

Ihr ſeyt ůberſtimmet / Edle Nymfen! (ſagte Cleodor /) und koͤnnet / zu meinem Troſt / nun nicht mehr leugnen / daß ihr an uns Maͤrterern zu Moͤrderinnen wer - det. Wir geben noch nit gewonnen! widerſprache Sylvia. Ich und meine Geſpielinnen haben keine Schuld daran / wann deine Geliebte mit dir Krieg fuͤh - ret. Gluͤkſelig waͤre ich / (gabe er zur Antwort /) wann ſie es thaͤte: ich haͤtte ſodann / mit der Hofnung des Sieges / mir zu ſchmeicheln. Aber / ſie verſagt mir důrres und gruͤnes / und will weder Kriegen / noch Frieden mit mir halten. Und was das aͤrgſte iſt / ſie toͤdet und braͤ - tet mich langſam an dem Feuer ihrer Kaltſinnigkeit / und macht mich taͤglich ſterben. Du haſt viel Worte / (ward ihm von Galatheen vorgeſtoſſen /) dieſeE iijUnſchul -94Die Todt-Lebenden. Unſchuldige aus zuſchelten. Diß Schel - ten / (widerredte er /) iſt eine Lobrede ih - rer Vollkommenheit. Man preiſet ei - nen Feind fuͤr dapfer / wann man die von ihm empfangene Wunden vorweiſet. Weil du ſie dann lobeſt / (ſagte Dori - lis /) nun ſie gegen dir grauſam iſt: ſo wuͤr - deſt du ſie ja ſchelten muͤſſen / wann ſie guͤtig wuͤrde. Keineswegs! (verſetzte er /) ſondern ich wolte ihr zweyfaches Lob zahlen: das erſte / ihrer Zucht; und das andre / ihrer Holdſeligkeit. Sie hat / (erwiederte die Nymfe /) ihrer Ehre zum Vortheil / mehr dein Schelten als Loben zuverlangen. Und du / wann dir ihr Ehr-anſehen lieb iſt / wie es dann billig ſeyn ſoll / haſt Urſach / ihre Zucht / viel - mehr / dir zu Schmerzen / lobbar / als dir zur Wolluſt / beſcholten zumachen. Mei - nes erachtens / (ſetzte Sylvia hinzu /) iſt ein Weibsbild lobwůrdiger / wann ſie durch ihre Grauſamkeit ihren Verlieb - ten zu todt martert / als wann ſie / nach ſei - nem Wunſche ſich bequemend / ihm das Leben erlaͤngert. Es wird das baͤſte ſeyn /(beſchloſ -95Geſellſchaft Spiel-Geſpraͤche. (beſchloſſe Galathee /) daß die Liebe ſter - be / und alſo die Geliebte bey Ehren / und der Liebhaber bey Leben / verbleibe.

Sylvia beredte ſich hierauf in etwas mit ihren Gedanken / und fienge endlich wieder alſo zu reden an: Unſer voriges Spielgeſpraͤche / behandelte die Einſam -[ke]it. Dieſem zum Gegenſchatz / wirſt du / Schaͤfer / (ſagte ſie zum Palaͤmon /) dir belieben laſſen / ein Spielgeſpraͤche von der Geſellſchaft anzuſpinnen. Indeſ - ſen Palaͤmon ſich hieruͤber bedachte / ſagte Myrtillus: Unſre ſchoͤne Gebieterinn zei - get uns ihren hohen Verſtand / indem ſie zuvor / dem Aeltſten unter uns / das Spiel der Einſamkeit / und itzo dem Juͤngſten / das Spiel der Geſellſchaft / aufgetragen. Es wird auch / (verſetzte Palaͤmon /) aus dem Unverſtande meiner Anſtalt / meine Jugend erhellen. Und indem ich / Edle Gebieterinn! deinen Befehl ehrend / mei - ne Schande vorbringe / wirſt du bekennen muͤſſen / daß ich / die Pflicht / dir zuge - horſamen / derienigen / die ich mir ſelber und meiner Ehrbegierde ſchuldig bin /E iiijvor -96Geſellſchaft Spiel-Geſpraͤche. vorgezogen habe. Nach meiner Ein - falt / nun halte ich dafuͤr / dieſes Spiel ſey auf vielerley Weiſe / und zwar erſtlich al - ſo anzuſtellen / daß ein jedes von uns ei - nem andern etwas uͤberreiche / welches von zweyen zuſammengeſellten Dingen erzeuget oder zu weg gebracht worden. Zum Beyſpiel / kan ich zu meinem Nachbarn ſagen: Ich bringe dir einen Fiſch / welchen das Koͤder und der Angel in Geſellſchaft mit einander gefangen. Als die Nymfen ſich entſchuldigten / wie - daß das Spiel ihnen zu ſchwer ſey / und ſie nit wuͤrden einhalten koͤnnen; ſagte Floridan: damit unſre ſchoͤne Nymfen / ſich etwas zu bedenken / Zeit gewinnen moͤgen / ſo koͤnnen wir Schaͤfere den An - fang machen: und wird der ſinnreiche Erfinder dieſes Spiels / uns vorgehend / unſrer Nachfolge erwarten.

So bringe ich dann / (ſagte Palaͤ - mon /) der Edlen Dorilis / eine Wunde / welche / dem Herzen ihres Liebhabers / ihre Schoͤnheit und Keuſchheit / ſich zu - ſammen geſellend / zugefuͤgt haben.

Und97Geſellſchaft Spiel-Geſpraͤche.

Und ich / (ſagte Myrtillus /) ůberrei - che ihr die Verwirrung / welche / durch Vergeſellſchaftung der Furcht und Hoff - nung / in ſeinem Herzen entſtanden.

Unſre ſchoͤnſte Gebieterinn / (ſagte Flo - ridan zu Sylvien /) hat von mir zuem - pfangen die Verwunderung / welche / ihr Verſtand / mit dero Holdſeligkeit ver - maͤhlet / in meinem Gemuͤt erzeuget.

Und ich / (ſagte Cleodor /) opfere ihr den Gehorſam / welchen das ihrer Tu - gend zugeſellete Gluͤck / von uns allen / als eine Schuldigkeit / fordert.

Meine Gabe / Edle Nymfe / (ſagte Alcidor zu Galatheen / bey deren er ſaſſe) iſt ein Lobgedicht / welches die Poeſy / von dem Preis deiner Vollkommenheiten ge - ſchwaͤngert / zur Welt gebohren hat: ſo du / von mir anzunehmen / nicht ver - ſchmaͤhen wolleſt.

Und die meinige / (ſagte Ferrando wi - der ſie /) iſt ein guͤldnes Netze / welches die Liebe / unſere Herzen damit einzufangen / aus deinen Haaren geſtricket / indem ſie ſelbſten ſich darinn verwirret.

E vEuer98Geſellſchaft Spiel-Geſpraͤche.

Euer Geſchenke / (ſagte Sylvia / zum Floridan und Myrtillus /) erwidere ich mit meiner Schamroͤte / welche eure Be - lobung und mein Unverdienſt mir auf die Wangen gemahlet.

Zur Gegengabe / koͤnnt ihr beyde (ſagte Dorilis / zum Palaͤmon und Cleodor /) dem vermeinten Liebhaber / in welches Namen ihr mich beſchenket / andeuten meinen Unglauben / den ſeine Klage und meine Unſchuld in mir gezeuget.

Und euch beyden / (ſagte Galathee / zu den zweyen uͤbrigen /) uͤberreiche ich den Krieg / welchen bey mir eure Erdichtun - gen un̄ der Augenſchein / ſich miteinander begehend / ausgebruͤtet.

Mir zweifelt nicht / (fienge Palaͤmon wiederům an) ihr andere werdet beken - nen / daß unſere Gebieterinn und Cleodor die ſinnreichſte Gabe gethan. Als ſie ihm alle beygefallen / ſprache er dieſe zweye von dieſer Spiel-ůbung ledig / und lieſſe ſie von der Geſellſchaft austretten. Den - brigen gabe er zuvernehmen: Ein jedes muͤſſe / zu Fortſetzung des Spiels / einemandern99Geſellſchaft Spiel-Geſpraͤche. andern etwas uͤberreichen / daß aus vie - len Stucken gleichſam zuſammengeſellt waͤre.

Ich / Edle Nymfe / (ſagte er zur Do - rilis) uͤberreiche dir einen Ruchbuſch / aus vielen Blumen zuſam̄en gebunden.

Und ich / (ſetzte Myrtillus hinzu /) - bergibe ihr ein Buch / von ihren Trefflich - keiten redend / welches ihr viel gelehrte Federn / als einen Ehren Tempel / ge - widmet.

Und ich / gibe / (ſagte Floridan) ihren zarten Gliedern zur Ruhſtaͤtte / ein gruͤ - nes Waſenhuͤgelein / mit vielen Graͤſ - lein und Kraͤutlein uͤberwachſen.

Dir / Edle Nymfe / (ſagte Alcidor zu Galatheen) ſey von mir ůbereignet / mein hohes Alter / welches die Zeit mit vielen Jahren aufgehaͤufet.

Mein Zuſatz iſt / (ſagte Ferrando) meine Erfahrenheit / welche ich aus vie - len Gluͤcks - und Unglůcks-Faͤllen ge - ſammlet habe.

Habe dir dagegen / (ſagte Galathee) E vjeine100Geſellſchaft Spiel-Geſpraͤche. eine Honig Wabe / von vielen Bienlein zuſammengetragen.

Deinen Blumenbuſch / Palaͤmon / (ſagte Dorilis) erwidere ich mit einem Seidenen Band / welches viele Seiden - wuͤrmer zuſammengeſponnen.

Nachdem hierauf abermals Alcidorn und Ferranden / von den Ausgetrettenen / die ſin̄reichſte Spiel Rede zugeſprochen / und ſie beyde des Spiels erlaſſen worden: ſetzte Palaͤmon das Geſpraͤche fort / und forderte von den Ubrigen / daß jedes zwey Dinge benennen ſolte / die miteinander in guter Freund - und Geſellſchaft ſtuͤnden.

Der Ulmbaum und Rebenſtock / (ſag - te er) ſtehen miteinander in liebreicher Umarmung.

Die ſchoͤnſte Vereinigung / (ſagte Dorilis) iſt zwiſchen unſren beyden U - bertrefflichſten Hochvermaͤhlten! und wird / Seine Hochhoͤflichkeit mit Ihrer Holdſeligkeit / die anmuͤtigſte Geſellſchaft machen.

Stand und Verſtand / (ſagte Gala - thee) ſtehen Adelich-ſchoͤn beyſammen.

Tugend101Geſellſchaft Spiel-Geſpraͤche.

Tugend und Adel / (ſagte Floridan) ſind ein vermaͤhltes Paar / und fuͤhrt die - ſer ohn jene ein verwittibtes nur-halbes Leben.

Ein Aufſchneider / und ein Schmeich - ler / (ſagte Myrtillus) machen gute Ge - ſellſchaft zuſammen.

Nachdem wiederuͤm / auf Beurthei - lung der andren / die zwo Nymfen neben Floridan ausgetretten; ſagte Palaͤmon zu Myrtillen: Wir muͤſſen nun das Spiel enden / mit Benennung zweyer Dinge / die / zuwider den vorigen / in boͤſer Ge - ſellſchaft miteinander ſtehen.

Ubel vertragen ſich / (fuhre er fort /) zween Verliebte bey Einer Geliebten.

Noch ůbler / (verſetzte Myrtillus) zween Großherren / in Einem Reiche.

Wie ich ſehe / ſo lauft mein Spiel vor mich uͤbel hinaus / indem es mich aller Geſellſchaft beraubet: ſagte Palaͤmon / als Myrtillus / durch die andern ledig ge - ſprochen / ihn Allein verlaſſen. Du wirſt vielleicht (zupfte ihn Alcidor) ſo unleid - lich und unvertraͤglich ſeyn / daß niemandE vijuͤm101[102]Geſellſchaft Spiel-Geſpraͤche. ům dich bleiben kan. Ich will vielmehr ſagen / (ſagte Dorilis) unſre Geſellſchaft ſey ihm zuwider / und er habe / uns von ihm abzuſondern / dieſes Spiel angefan - gen. Weil er uns dann (thaͤte Ferran - do hinzu) ſeiner Geſellſchaft unwůrdig geachtet / ſo iſt er wuͤrdig / forthin von der unſern ausgeſchloſſen zu bleiben. Es hat uͤberdas / ſein Ungehorſam / (ſagte Ga - lathee) eine Straffe verdienet. Es war ihm befohlen / ein Geſellſchaft Spiel an - zugeben: und er hat ſolches auf die Ein - ſamkeit hinausgeſpielet. Ich erfahre nun wahr zuſeyn / (ſagte er darwider) daß / wann der Baum liget / ein jeder mit der Axt ſich uͤber ihn will hermachen. Deine Straffe ſoll ſeyn / (gabe Sylvia / nach - dem ſie mit den andern ſich beredet / den Ausſpruch) daß du entweder unſer jedem eine Frage beantworteſt oder / ſo du ſol - ches nicht wirſt thun koͤnnen / dieſen gan - zen Sommer von unſerer Geſellſchaft ausgeſchloſſen bleibeſt. Mir wuͤrde / das Letzere / (gab er zur Antwort) unleidlicher als der Tod ſelber ſeyn. Wie werde ichaber103Geſellſchaft Spiel-Geſpraͤche. aber gegen Achten beſtehen koͤnnen / da auch Hercules niemals zweyen zugleich widerſtanden? Gleichwol / die letzere Straffe zuvermeiden / erwaͤhle ich die er - ſtere. Aus den Fragen werde ich erken - nen / ob man guͤtig oder grauſam gegen mir geſinnet ſey? Durch leichte Fragen / die meiner Verſtand-Armut gemaͤſſe ſind / werdet ihr mir loͤblich den Weg bah - nen / zu eurer Wohlneigung / die ich un - bedachtſam verſcherzet / wieder zugelan - gen. Aber allzuhohe Fragen / werden mir Urſach geben / euch anzuklagen / daß ihr / welches ich nicht verdienet zuhaben ver - meine / mich gern todt ſehen wollet.

Hierauf fienge Sylvia an zufragen / und begehrte / Er ſolte ihr benennen ei - nen Gewinn / bey welchem groſſer Ver - luſt ſey. Ein ſolcher iſt dißorts der mei - nige! gabe er zur Antwort. Dann mit meiner Bemuͤhung / ein Spiel zuerfin - den / habe ich der Geſellſchaft Ungnade gewonnen / welches mir der groͤſte Ver - luſt iſt.

Auf der Dorilis Frage / Weme / einGeheim -104Geſellſchaft Spiel-Geſpraͤche. Geheimnis / am ſicherſten zuvertrauen ſey? antwortete er? Einem Luͤgner! dan̄ dieſem / ob er es ſchon ausplaudern moͤch - te / wird nicht geglaͤubet.

Gleichfalls / auf Galatheen Frage / Was das Geſchwindeſte auf Erden ſey? gabe er zur Antwort: Das Gemuͤte! dann dieſes kan / in einem Augenblick / alle Dinge durchlaufen.

Abermals / auf Floridans Frage / Wo - mit man den Neid vergleichen koͤnne? benennte er eine Schabe: dann dieſe / (thaͤte er hinzu) benaget erſtlich das Kleid / aus dem ſie gewachſen / ehe ſie ein anders durchloͤchere. Alſo verzehret der Neid ſich ſelber / ehe er einen andern be - ſchaͤdigen kan.

Als Myrtillus ihn fragte / Was dem Tod am aͤhnlichſten ſey? ſagte er zu Sylvien: Edle Nymfe / du wolleſt Myr - tillen befehlen / daß er mich etwas anders frage: dann ſonſt werde ich / mit mei - ner Antwort / abermal Ungnade verdie - nen můſſen. Du darfſt hier alles ſagen / (verſetzte Sylvia /) was zuͤchtige Ohrennicht105Geſellſchaft Spiel-Geſpraͤche. nicht beleidiget. So ſage ich dann / (ſag - te er /) es ſey dem Tod nichts aͤhnlicher / als eine ſchoͤne Nymfe oder Schaͤferinn: dann ſie fliehen alle beyde vor demjeni - gen / der ſie anflehet und ihrer begehret.

Dieſe Antwort / ward von den Schaͤ - fern wohl belachet / und gefiele ſie inſon - derheit dem Cleodor: welcher fragte / Ob etwas ſey / daß mehr brenne als Feuer? Das iſt die Liebe / antwortete Palaͤmon: dann das Feuer brennt allein in der Naͤhe / aber die Liebe auch in der Ferne.

Alcidors Frage war / Was ſich mit dem Alter vergleiche? die wurde alſo be - antwortet: Den Eheſtand und das Al - ter verlanget iederman / und wann man ſolche erlanget / wuͤnſcht mancher ſich wieder darvon ledig.

Ferrandens letzte Frage / Ob die Liebe mehr Kraft in den Augen / als auf der Zunge / habe? machte dem Palaͤmon etwas Nachdenkens. Endlich ſagte er: Ich halte darfůr / man verliebe ſich eher in eine Stumme Schoͤne / als in eine blinde Wohlrednerinn.

Nach -106Geſellſchaft Spiel-Geſpraͤche.

Nach dem alſo Palaͤmon alle Fragen wohl beantwortet / ſagte Sylvia wider ihn: Ich mag izt wohl meine Frage und deine Antwort ůmkehren / und ſagen / du habeſt / mit dem vorigen Verluſt unſerer Geſellſchaft / viel gewonnen. Dann auf Erkaͤntnis deines hurtigen Verſtandes / mit dem du dich aus deiner Einſamkeit und unſrer Ungunſt entwickelt / nehmen wir dich nun viel wehrter wiederum in unſre Geſellſchafft / und bitten / an ſtat wir dir dieſelbige zuvor verbieten wollen / daß du uns ja aus der deinen nicht aus - ſchlieſſen wolleſt. Als Palaͤmon vor dieſe Gnade gedanket / und ſie wiederum zu - ſammen getretten / ſagte ihm Alcidor an das Ohr / doch daß es die andern alle hoͤr - ten: Verzeih mir / daß ich dich zuvor ver - ſtoſſen helfen. Ich muſte unſerer Gebie - terinn gehorchen / und der Gerechtigkeit beyſtehen. Gleich wie aber / dein Unglůck / mich herzlich betruͤbet: alſo bin ich nun auch mit dir erfreuet / ob dem Gluͤcke / das dir hier aus entſtanden / und daß du wieder aufgenommen worden. Als je -derman107Geſellſchaft Spiel-Geſpraͤche. derman hieruͤber lachete / ſagte Dorilis: Sehet! Alcidor will ſich nun dem Pa - laͤmon wieder zuſchmeicheln / den er zu - vor gebiſſen. Er mag itzt ſagen / was er will / (ſagte Galathee zum Palaͤmon /) ſo magſt du mir wohl glauben / daß Alci - dor der haͤftigſte wider dich geweſen / und am allermeiſten dir zu Ungunſt geredet. Wer weiß / (unterredte Myrtillus /) ob Alcidor nit vielmehr vor ihn geredet? die Verliebten / wie er einer zu ſeyn ſcheinet / zuͤrnen nicht darůber / wann man ſie Al - lein laͤſſet: damit ſie / mit den Gedanken / ſich zu ihren Goͤttinnen geſellen koͤnnen.

Deſſen bin ich wohl entſchuldiget: ſagte Palaͤmon. Ich halte aber dafuͤr / Myrtillus / weil er bey mir / dem Straͤff - ling / bis auf die Letze verharret / und eure Geſellſchafft uͤm die meine vertauſchet / muͤſſe dißmahl auch nit ungeſtrafft aus - gehen. Er wird uns ein Lied ſingen: be - fahle Sylvia; und dich / zur Straffe die - ſer deiner Anklage / verurtheile ich zu glei - cher Schuldigkeit. Indem ich meine Straffe ausſtehe / (ſagte Myrtillus /) werde108Das gefundene Perlein. werde ich dich / Edle Nymfe / zugleich hinwiederum ſtraffen / durch den Ver - druß / den dir mein Geſang machen wird. Hierauf ſange er / folgendes Lied.

Das gefundene Perlein.
1.
Ein Schaͤfer / wohlbekandt
am gruͤnen Pegnitzrand /
gieng in dem Feld ſpaziren /
und iteß den Weg ſich fuͤhren
in einen Buchenhaͤyn /
der ihn geladen ein.
2.
Hier wolt er dieſesmahl /
von ſolcher Staͤmme Zahl /
ein Paar ihm auserwehlen:
gewillt / davon zu ſcheelen
ein Rinden oder zwey /
zu ſeiner Liederey.
3.
Er ſahe hin und her /
ließ in die laͤng und quaͤr
die Augen gehn ſpaziren /
vor ſich was aus zuſpuͤren.
Er fand der Buchen viel.
Der Haͤyn ihm wohlgefiel.
4.
So reich an Baͤumen war
diß Waͤldlein hier und dar:
das109Das gefundene Perlein.
daß ihn / in ſeinem Denken /
die Wahl ſieng an zukraͤnken.
Er wuͤnſchte / daß der Haͤyn
ganz moͤchte werden ſein.
5.
Trauts Waͤldlein! fieng er an:
Ich moͤchte / ſo ich kan /
dich gern beyſammen haben.
du koͤndeſt mich begaben
mit Rinden / wann ich mir
naͤhm was zuſchreiben fuͤr.
6.
Als er diß und noch mehr
ſprach / ſah er ungefaͤhr /
dort bey der Baͤumlein einen /
ein koͤſtlichs Perlein ſcheinen:
das lage / naͤchſt dem Pfad /
auf einem gruͤnen Blat.
7.
Nit lang verzog der Hirt:
voll Wunderns und verwirrt /
hub er es von der Erden.
Mein / mein / mein ſolſt du werden /
O Perlein / theurer Fund!
rieff er und nahms zur ſtund.
8.
Die Schaͤfer liefen zu /
und rieffen: halte / du!
du kameſt / Baͤum und Buchen /
nit Perlen / hier zu ſuchen.
Laß110Das gefundene Perlein.
Laß ligen / was nit dein /
das Perlein in dem Haͤyn.
9.
Merk aber! wann ja dir
gefiele beydes hier:
du wirſt es ſo nit ſtehlen;
du muſt dafuͤr aufzehlen
und zahlen ſeinen Wehrt:
es koſt dich deine Heerd.
10.
Sie wachten ihn betruͤbt.
Er ware nun verliebt
in ſo zwey liebe Sachen /
die gluͤckhaft konden machen.
Der Haͤyn / beliebt ihm ſehr:
Das Perlein noch viel mehr.
11.
Moͤcht beydes werden mein /
das Perlein und der Haͤyn!
das waͤr mein Wunſch und Leben:
(ſprach er) was ſoll ich geben?
Mein Herz / mein Heerd und Haab;
ich ſelbſt will ſeyn die Gab.
12.
Bravs Perlein! nim̃ mich dir /
und gib dich mir dafuͤr.
ſey du forthin die meine /
ſo will ich ſeyn der deine.
Du ſolſt mein Perl allein /
ich will dein Schaͤfer / ſeyn.
13. Mit111Das zerriſſne Wieſenthal.
13.
Mit dir ſoll werden mein /
auch dieſer Buchenhaͤyn;
ſo kan ich Rinden ſchneiden:
darf keinen Schaͤfer neiden.
So ſprach der Hirt aldar.
Gott ſchick’s: Es wurde wahr.

Me[i]ne Straffe zubezahlen / erinnere ich mich (ſagte Palaͤmon einer Zeit uͤm dieſe Jahrzeit / da dieſer Ort / von einer Waſſergůſſe uͤberſchwemmet / gar be - truͤbt ausſahe / und einem Schaͤfer etliche Klagen abgelocket; welche / wan̄ ich mich recht erinnere / dieſes Inhalts geweſen:

Das zerriſſene Wieſenthal.
1.
Florian gieng / in den Tagen /
durch das gruͤne Pegnitzthal /
als ihr Zelt im Wieſenſaal
Flora wieder aufgeſchlagen /
und ihr Buhle Zefyrus
ihr nun gabe Kuß uͤm Kuß.
2.
Ich will (ſprach er) nicht beneiden
deine Wolluſt / Goͤttlichs Paar!
Aber ich / muß dieſes Jahr
dieſe ſuͤſſe Freuden meiden:
Sylvien ihr Roſenmund /
will mir nimmer ſeyn vergunt.
3. Seuf -112Das zerriſſne Wieſenthal.
3.
Seufzend gieng er fort am Rande
ach! die ſchoͤne Schaͤferey
war nun eine Wuͤſteney /
die er halb zerriſſen fande
von der angeſchwemmten Flut /
von der naͤchſten Waſſerwut.
4.
Wo ſonſt (ſagt er) gienge graſen
unſer krauſes Wollenvieh;
wo die Sonne in der fruͤh
Perlen leckte von den Raſen:
da begraͤbt itz und der Sand
das gemahlte Blumenland.
5.
Wo zuvor die Flut gedrehet
ein bemoſtes Waſſerrad /
das die Wieſen fuͤhrt ins Bad /
und den friſchen Klee geſaͤet:
da ſteht itzt / im naſſen Rock /
ein unnuͤtzer halber Stock.
6.
Unter jenen Kirſchenbaͤumen /
ſaß ich oft in kuͤhler Ruh.
dorten thaͤt ich / was ich thu.
ach! wie floſſen mir die Reimen!
Itzund ſteht / der liebe Wald /
ganz zerwuͤhlt und ungeſtalt.
7.
Schoͤne Inſel! deine Linden
neigen / von der ſchoͤnen Hoͤh /
ihre Haͤupter in den See;
und113Das zerriſſne Wieſenthal.
und mit ihnen / in den Rinden
mancher Name / manches Wort /
die ich eingeſchnitten dort.
8.
Pegnitz! zahlſt du deinen Hirten /
vor die Liebe / ſolchen Haſſ?
uns / die wir ohn unterlaß
dich mit Lobe-Worten zierten;
die wir / manches gutes Lied /
deinen Fluten gaben mit.
9.
Seit an deinen Ufern ſingen
deine Schaͤfer / hoͤrte man
weitberuͤhmet Wolken-an
deinen Namen ſich aufſchwingen.
Solche Ehre gaben wir:
ſolchen Dank gibſt du dafuͤr.
10.
Zwar / itzt kan ich mich beſinnen /
was diß Thal ſo oͤd gemacht.
Sylvia / gibt gute Nacht.
Es macht alle Pegnitzinnen /
alle Hirten / weinen hier /
Sylvia die Waͤlder-Zier.
11.
Tauſend Augenbaͤchlein goſſen
ſo ein Threnenmeer zu hauf:
dieſes kam / in ſchnellem lauf /
uͤber Ufer angeſchoſſen.
Ach! es hat auch Florian
einen Bach hinzugethan.
F12. Sylvia114Das zerriſſne Wieſenthal.
12.
Sylvia / ſetzt uns in Leiden.
Ach! es zieht von dieſem Ort
alle Freude mit ihr fort.
Unſer Elend iſt / ihr Scheiden.
Nichtes laͤſſt ſie uns allhier /
als das Sehnen nur nach ihr.
13.
Frag der Baͤume Rutenſpitzen /
waruͤm ſie noch nit begruͤnt /
waruͤm ſie ſo kahl noch ſind?
Ach! ſie ſehen nimmer blitzen
ihre ſchoͤne Sonne hier /
Sylvia die Waͤlder-Zier.
14.
Nun / ihr vormals-lieben Auen!
ihr behaget mir nit mehr.
Weil bey euch / der Felder Ehr
Sylvia / nit mehr zu ſchauen /
weil ſie euch geſegnen ſol;
ſprech ich auch: Gehabt euch wol!
15.
Wuͤſte Waͤlder / duͤſtre Haͤyne /
die ſo traurig ſind / als ich /
ſchwarze Naͤchte / ſollen mich
forthin troͤſten nur alleine.
Reiſet Sylvia von hier:
alle Freude weich von mir!

Nachdem Palaͤmon dieſes Lied geen - det / ſagte Sylvia wider ihn: du haſt zu -vor115Liebs Kraft der Augē u. Zunge. vor Ferrandens Frage / von Liebes-Kraft der Augen und Zunge / zwar kuͤrzlich be - antwortet / aber nicht allerdings erklaͤret. Wir verlangen / aus deinem Munde / hiervon etwas mehrers zuvernehmen. Wann man dieſe Frage (fienge er an /) aus dem grund heben will / ſo muß man ſie bey zweyen Handheben faſſen: dann hier ſind zu betrachten / einerſeits die Ge - liebte Perſon / und anderſeits der Ver - liebte; wiederuͤm einstheils der Anfang / andern theils der Fortgang der Liebe. An ſeite der Geliebten Perſon / werden Au - gen und Mund betrachtet / als Stuͤcke ihrer Schoͤn - und Vollkommenheit: da ſie dann / je nachdem ſie / eins vor dem andern / ſchoͤn und holdſelig ſind / blicken / ſchimmern / reden und lachen / gleiche Kraft haben / andere verliebt zumachen: Aber an ſeite des Verliebten / hat die Liebe die meiſte Kraft in ſeinen Augen / durch welche ſie erſtlich in ſein Herz hin - eindringet. Dann dasjenige / was man aus natuͤrlichem Antrieb liebet / iſt die Schoͤnheit und Holdſeligkeit / die manF ijmit116Liebes Kraft der Augenmit den Augen ſihet. Daher pfleget man die Liebe deſſen / der etwas haͤſſ - und unfreundliches liebet / eine blinde Liebe: und waͤre gegenwaͤrtige Frage / mit recht / die Frage eines Blinden / zu nennen.

Es iſt aber nichts neues / (unterredte Ferrando /) daß / einer Schaͤferiñ freund - liches Reden / welches durch die Ohren ins Herz dringen muß / einen Schaͤfer verliebt gemacht. Es iſt nichts neues! widerredte Palaͤmon: aber auch nichts gewoͤhnliches. So iſt uͤberdas die Re - de des Munds / welche durch die Ohren anzuͤndet / nur ein Stuck der liebbaren Vollkommen[h]eit. Aber der holdſeelige Mund ſelber un̄ die uͤbrige ganze Schoͤn - heit / iſt ein Gegenwurf der Augen: die ſind der Weg / die Thuͤren und Fuͤhrer der Liebe / zum Herzen. Es gibt aber auch die taͤgliche Erfahrung / (ward von Cleodorn eingeſtreuet /) daß man / bloß aus dem Geruͤchte / verliebt wird / und viele gegeneinander entbrennen / die ein - ander nie geſehen. In ſolchen Faͤllen / (verſetzte Palaͤmon /) bildet die Fantaſie /als117und Zunge. als die innerliche Sinnen Bildnis / dem Geiſt die Schoͤnheit der geliebten Perſon vor / wie ſie / der Beſchreibung nach / be - ſchaffen iſt oder ſeyn moͤchte: und wird alſo das Herz / durch die Augen der Fan - taſie / lieb entzuͤndet.

Wann nun / die Augen des Ver - liebten / (fuhre er fort /) das Gift und Feuer der Liebe eingetrunken / ſo ſchicken ſie ſolches / wie geſagt / dem Herzen zu. Das Herz / hierdurch angeſteckt und ent - zuͤndet / erfuͤllet den Mund mit Seufzern und Klagen / der ſolche in Worten aus - laͤſſet und ſtoͤſſet. Durch dieſe Klag - und Bitt-worte / wird die Geliebte zur Gegenliebe beredet und bewogen. Und dieſes um ſoviel eher / wann die Klage mit dem Preis ihrer Schoͤn - und Vollkom - menheit gerechtfaͤrtigt wird: dann Lo - ben / macht Lieben / und man kan ſich demjenigen nit gar verſagen / der gutes von uns ſaget. Solcher[g]eſtalt kan man ſagen / daß die Liebe mehr Kraft habe / in den Augen / Verliebt zumachen; und auf der Zunge / Geliebt zu machen. MeinesF iijErach -118Liebes-Krafterachtens / (zwiſchenredte Floridan /) thuen auch dißfalls die Augen / ein groſ - ſes / indem ſie mit ſehnlichen Blicken / ja ſo gut / als der Mund mit Klagworten / uͤm Erbarmung bitten / auch wohl Threnen mit zugieſſen: derer ein Troͤpflein / mehr erbittet / als ein ganzer Bach von Wor - ten. Es iſt auch oftmals ſicherer / (thaͤ - te Myrtillus hinzu /) durch die Augen / als durch Mund und Feder / reden: weil die - ſes etwan die Geliebte zuerzuͤrnen pfle - get. Es mag Tyrannen geben / wi - derredte Palaͤmon /) die ihren Verwund - ten verbieten / ſich dem Arzte zuzeigen: So ſind doch auch gnaͤdigere Gebieterin - nen / die mehr von denen Verliebten hal - ten / welche flehen / ſuchen und bitten / als von denen / die da warten / bis ihnen der Pflaum ſelber ins Maul falle. Wie wann aber / (fragte Ferrando /) die Bloͤ - digkeit / den Verliebten nit reden laͤſſt? So kan der Mund / ſein Anligen / der Feder empfehlen: antwortete Palaͤmon. Und ſolche / in die Threnen der Augen / eintunken: thaͤte Alcidor hinzu. DieThre -119der Augen und Zunge. Threnen-Worte der Verliebten / (un - terredte Galathee /) flieſſen meiſtteils / nicht aus den Augen / ſondern aus dem Dintenfaß: wer wolte ſolchen Luͤgen - Zeugen trauen? Und wer ſolte / (erlaͤng - erte Dorilis /) ſolche Schwaͤtzer / nicht vielmehr verlachen / als betauren / die mit erdichteten Klagen uns bereden wollen zuglaͤuben / daß ſie todt ſeyen? Man muß nicht / (verſetzte Cleodor /) mit den Unge - treuen / zugleich die Treu-Verliebte ver - dammen. Warm die Liebe nun wechſel - flammet / (vollfuͤhrte Palaͤmon / dieſe Unterredung /) ſo hat ſie gleiche Kraft in Mund und Augen / und gleichſam ihre Nahrung von beyden: indem der Ver - liebte / durch Blicke erquicket / allermeiſt aber / durch freundlichen Geſpraͤchwech - ſel getroͤſtet wird. Aus welchem allem erſcheinet / daß den Augen im Anfang / und dem Mund / im Fortgang der Liebe / der Vorzug gebuͤhre.

Nach dieſem kehrte ſich Sylvia zu Cleodorn / uñ ſagte: Du wirſt heute nicht ſo leer ausgehen / Schaͤfer! ſondern unsF iiijauch120Die threnenden Augen. auch etwas von deiner Poeſy hoͤren laſ - ſen. Mein Unvermoͤgen / (antwortete er /) wird meinen Ungehorſam entſchul - digen: indem es mir verbietet / ſolche Oh - ren mit einem Marſyas - gelirl zubelaͤſti - gen / die der ſuͤßſpielenden Foͤbus-Leyr zuzuhoͤren gewohnt find. Nein! Nein! verſetzte Sylvia: uns iſt von dir ſchon ein andres bekannt; und du wirſt allein ſo unhoͤflich nicht ſeyn / mir heute zu un - gehorſamen / da ich zubefehlen das Gluͤck und die Ehre habe. Vielmehr bin ich unhoͤflich / (widerverſetzte er /) indem ich gehorſame. Und auf deinen Befehl / Edle Gebieterinn / weil zuvor von den Augen und Threnen geredet worden / wi - derhole ich ein Lied / mit welchem ich vor - deſſen beſungen einer Schaͤferinn

Threnende Augen.
1.
Edle Hirtinn! deine Zaͤhren /
die du oft pflegſt zuverroͤhren
aus den lieben Aeugelein /
kan ich unberedt nit laſſen /
ich muß meine Feder faſſen /
ſie in Threnen tunken ein.
2. Deine121Die Threnenden Augen.
2.
Deine Schwanenweiſſe Wangen /
wann daran die Zehrlein hangen /
ſind den Perlen Muſcheln gleich,
Perle! du laͤſſt Perlen rinnen:
fangt ſie auf / ihr Nereinnen!
ſolches Weinen machet reich.
3.
Diamanten / die zerfloſſen /
kommen Backen-ab geſchoſſen.
Deine Augen / ſihet man
viel Kryſtallen-tropfen ballen.
Ach! daß ich nit dieſes Wallen /
dieſe Threnen / ſtopfen kan!
4.
Ja / ſie flieſſen mir zu Herzen:
die gewißlich nicht ohn Schmerzen
aus dem Herzen flieſſen dir.
Sag doch / mein! was fuͤr Urſachen
moͤgen dich wohl weinend machen?
Ich rah[t]: oder ſag es mir!
5.
Sind dann deine Aeuglein Bronnen?
die man ſehend haͤlt vor Sonnen?
Feur und Waſſer reimt ſich nicht.
Es wird ſtrahlen nicht ſo helle /
wann es ſeyn will eine Quelle /
deiner Augenliechter Liecht.
6.
Schoͤne Sonnen! ihr ſolt ſcheinen /
nicht betruͤbte Threnen weinen.
Euer Himmel / da ihr ſteht /
F vdieſes122Die Threnenden Augen.
dieſes himmliſch Angeſichte /
ſiht viel ſchoͤner / wann es liechte /
als wann es truͤb uͤbergeht.
7.
Zwar / mein Urtheil beyzulegen:
ihr ſeit Sonne / ſeit auch Regen.
Weil ihr Herzen zuͤndet an /
liebe Aeuglein! muß ingleichen
eure Quelle Loͤſchung reichen /
gieſſen manchen friſchen Thran.
8.
Ihr beweinet itzt die Schmerzen /
die einmal Verliebten Herzen
eure Schoͤnheit machen wird.
Die viel Weinens noch ſoll machen /
weiner billig / die ins Lachen
kuͤnftig eine Theurung fuͤhrt.
9.
Selbſt die Liebe / recht zuſagen /
hat hier Wohnung aufgeſchlagen.
Herzen / die der Augen Glut
nicht zerſchmelzet / Stein und Eichen /
ſoll bezwingen und aufweichen
eben dieſer Augen Flut.
10.
Oder / wie die Thau-Kryſtallen
laͤſſet Frau Aurora fallen
auf der Blumen buntes Beet:
alſo laͤſſt auch Tropfen ſchieſſen /
auf die Wangenblumen flieſſen /
deiner Aeuglein Morgenroͤt.
11. Ja /123Die Threnenden Augen.
11.
Ja / es ſind / auf deinen Wangen /
Liljen / Roſen / aufgegangen.
Gern woltſt du noch ſchoͤner ſeyn:
daruͤm / daß ſie wachſen moͤgen /
gieſſen deine Aeuglein Regen
auf ſie / und auch Sonneſchein.
12.
Ey ſo werde ſchoͤner / weine!
ſo beregne und beſcheine:
deiner Wangen Liljenfeld:
daß daſelbſt auch Roſen gluͤhen;
daß die Baͤcklein roͤhter bluͤhen /
die man ſchier vor bleiche haͤlt.
13.
Doch ſo weine nicht ſo ſehre!
dieſe naſſe Threnen Meere /
loͤſchen deins Schoͤnheit aus.
Wirſt du / vor das Weinen / lachen:
wirſt du dich viel ſchoͤner machen.
Lachen / iſt der Schoͤnheit Haus.
14.
An die falſchen Weiber-zehren /
ſagt man / ſoll ſich niemand kehren.
An des feuchten Nilus Rand /
weinen auch die Krokodilen /
wann ſie auf die Menſchen zielen /
ſie zu toͤdten / wie bekandt.
15.
Weine nicht! man doͤrfte waͤhnen /
daß du auch zu ſolchen Threnen
deine Augen richteſt ab.
F vjWann124Die Threnenden Augen.
Wann man dacht / die Son̄en ſcheinen:
ſaͤh man truͤbe Wolken weinen /
alle Freude gieng zu Grab.
16.
Doch / wer wolt von dir das glaͤuben?
Recht dein Weinen zubeſchreiben:
Treue Augen weinen gern.
Dieſes helle Threnen-rinnen /
iſt ein Spiegel deiner Sinnen /
O du klarer Tugend Stern!
17.
Zwar / wann ich es recht erreiche:
Feige Herzen / die ſind weiche /
weichen bald und ſchmelzen hiñ /
wann ein ſchwuͤlligs Windlein wehet;
ſind von Wachs das nicht beſtehet.
So wird ja nit ſeyn dein Sinn?
18.
Nein / nein! einen Muht dir faſſe:
blaſſes Leid laß dich nit naſſe /
laß es dich nit machen bloͤd.
Bey der Schoͤnheit / wie die deine /
ſteht ein groſſer Muht gar feine /
der in Ungluͤck faͤſte ſteht.
19.
Eines noch! kein Zorn-erbitzen
wird dich ja nit machen ſchwitzen
dieſe Threnen / die man ſiht?
Nein / nein! dieſer Augen Regen /
wittert nicht mit Blitz und Schlaͤgen;
dieſe Quell gieſt lauter Fried.
20. Nach125Braut-Schenkungen.
20.
Nach dem Regen ſcheint die Sonne.
Auf das Weh / folgt Wohl und Wonne.
Edle Hirrinn wein und!
Gluͤck / wird dich noch froͤlich machen:
daß wir ſuͤſſe ſehen lachen /
deinen ſchoͤnen Roſenmund.

Die Sonne hatte inzwiſchen den Tag mit ſich davon gefuͤhret / und die Nacht begunte ſchon ihren Schauplatz mit Am - peln zu beſtecken / auf ſelbigem den Mor - feus ſeine Traum piele vorſtellen zulaſ - ſen: dannenhero unſre Geſellſchaft ſich gedrungen ſahe / ihrem Spielgeſpraͤch ein ende zugeben.

Der Beſchluͤß dieſer Tag Feyer / un - ſerer heutigen Spielg[e]ſpraͤche und mei - ner Gebietſchaft / ſoll ſeyn / (ſagte Sylvia) daß unſer jedes / zu bevorſtehendem Hoch - Graͤflichen Beylager / ſeine Braut - Sch[e]nkung benenne / und einen Wunſch daran haͤnge. Ich / damit ich euch hierin - nen vorgehe / b[r][i]n[g]e einen mit guͤldnem Halsband gezierten Rehbock / der mir ge - ſtern ins Garn gekom̄en; und wuͤnſche / Beyden Hochvermaͤhlten / dieſes WildsF vijLang -126Braut-Schenkungen. Langlebigkeit / mit ſolchen auf das Hals - band geſtickten Worten:

Die man wolt mit mir begaben /
ſollen meine Jahre haben.

Meine Gabe ſoll ſeyn / (ſagte Gala - thee) eine an meiner Waſſerzelle ligende Reuſſe mit Foren; deren ich einen Ge - ſundheit-Wunſch zugeſelle / durch dieſe Zeilen:

Lebt auf Erd geſund und friſch /
wie im Waſſer wohnt der Fiſch.

Ich ſchenke der Hochfůrtrefflichen Frl. Braut / (ſagte Dorilis) einen Schien - Korb voll Veilchen / Majenblůmlein / Narziſſen / Hiacynthen und andre Fruͤ - lings Blumen; mit dem Anwunſch / ei - nes immer-bluͤhenden Schoͤnheit-Fruͤ - lings / in dieſem paar Zeilen:

Unſre Blum Eleonora /
ſtaͤts wett-ſchoͤne mit der Flora.

So ſey dann mein Geſchenke / (ſagte Floridan) das baͤſte Lamm von meiner Heerde; welches mein Wunſch mit dem Colchiſchen Goldfell alles Uberfluſſes be -kleiden127Braut-Schenkungen. kleiden ſoll / durch dieſe ſelbiges begleiten - de Reimzeilen:

Es muſte Jaſons Fahrt / zu Schiff / aus Fa - ſis Heyde /
das Goldbewollte Schaf herholen uͤber See.
Hier unſer kuͤhner Held / es hab auf ſeiner Weide!
Sein reiches Gluͤck / als wie bisher / im Wachſtum ſteh!

Ich vor meinen theil / (ſagte Myr - tillus) will das Brautbette mit Mayen und Myrten uͤmſtecken / auch mit Blum - und Fruchtgebaͤnden uͤmhaͤngen; und die Feſtinen / mit dieſem Wunſche einer immer-Fruchtgruͤnenden Gemahlſchaft / auf den Zetteln ůmwinden:

Edles Brautbett Hochvermaͤhlter theurer Seelen!
Du ſolſt heiſen Immer-gruͤn.
Gib / der Nachwelt / deiner Fruͤchte viel zu - zehlen /
ſey ein ewiges Feſtin!

Daͤs Fenſter der Braut Kammer / (ſagte Alcidor) beſchenke und behaͤnge ich / mit dem Chor zweyer ſuͤßſpielendenNachte -128Braut-Schenkungen. Nachtegallen; gibe ihnen wie dann die Muſik eine Froͤlichkeit-weckerinn iſt) zu lernen und vorzuſingen / dieſen Freuden - Wunſch:

So liebet / Euch labet / hochtreffliche Beyde!
Und lebet / ergeben unendlicher Freude!

Ein paar Turteltauben / (ſagte Fer - rando) ſoll meine Gabe ſeyn / als ein le - bendiges Sinnbild treu-liebenden Tau - ben Lebens; welches ich auch redend ma - che / mit dieſen Wunſchzeilen:

Was bildet meine Gab / woll Euch der Him - mel geben:
Getreue Tauben-Lieb / und ungetrenntes Le - ben.

Ich will (ſagte Palaͤmon) der Bey - den Hochvermaͤhlten Palm - und Lor - beerlaub / wie Ferrando zuvor geſungen / in einen Kranz zuſammen einigen und verbinden; und ſolchen Kranz / will ich der Ehre / Sie damit zu kroͤnen / gluͤck - wuͤnſchend empfehlen / durch hieſige Zei - len:

Gruͤnt / wie ihr thut / ihr Blaͤtter!
zu kroͤnen dieſe Goͤtter.
Ihr hohe: Tugend-Wehrt /
ſey ſtets durch euch beehrt.
Dieſe129Braut-Schenkungen.

Dieſe Ehre auch der Nachwelt anzu - ſagen / (ſagte Cleodor) will ich Ihnen / oder vielmehr der Fama / unſre Hirten - pfeiffe uͤberreichen; zur Verſicherung / daß unſre Poeſy / von Ihren Hochtreff - lichkeiten zuſingen und zuſpielen / nim - mermehr ermůden / und wir der ſpaten Nachkommenheit / durch ſolchen Inhalt / unſre Lieder wohlempfohlen zu machen geſonnen leben.

Solang ein Schaͤferſpiel in Waͤldern wird erklingen;
ſolang ein Halmen Schilf am gruͤnen Ufer ſteht:
ſolange ſoll von Euch ſtaͤts unſer Singen ſin - gen.
Euch ſich die Floͤte ſchenkt[:]zugleich auch der Poet.

Zur Abletzung / (ſagte hierauf Syl - via) werdet ihr Schaͤfere / bevorſtehend - HochGraͤfliches Beylager zu begluͤck - wuͤnſchen / eure Pfeiffen zuſammenſtim - men. Alſo ſangen ſie Wechſelweis / da je - den Singſatz der ganze Chor mit den wuͤrdigſten Nahmen Beyder Hochver - maͤhlten beſchloſſen / folgendes

Trau -130Trauungs-Lied.
Trauungs-Lied.
Fl. 1.
Liebſter Himmel! deine Lieben /
unſer hochvermaͤhltes Paar /
laß dir ſeyn ins Herz geſchrieben.
Mach die Herzens Wuͤnſche wahr.
Wir empfehlen deinen Obren /
SS. Gottliebs Lieb und Leonoren.
M. 2.
Schoͤner Himmel! Ihre Schoͤne /
die dein Finger ſelbſt gebildt /
mit ſtaͤts-gruͤnem Fruͤling kroͤne /
wie izt unſer Blum-gefild.
Es werd immer neu gebohren /
SS. Gottliebs Luſt in Leonoren!
F. 3.
Froher Himmel! Liecht und Wonne
allzeit laß ob Ihnen ſtehn.
Keine Truͤbſal-Nacht / die Sonne.
ihrer Freud / mach untergehn.
Weinen / weiche zu den Mohren!
SS. Gottlieb lach mit Leonoren!
A. 4.
Milder Himmel! Allen Segen
ſchuͤtt in ihren Schoß herab.
Soviel Tropfen fuͤhrt ein Regen /
ſoviel Gutes Sie begab.
Gluͤck ſtaͤts wohne / in den Thoren
SS. Gottliebs / auch mit Leonoren!
Cl. 5.
Frommer Himmel! Ihre Seelen
gieß zu ſamm in einen Geiſt.
Wolleſt131Trauungs-Lied.
Wolleſt Herz und Hand vermaͤhlen.
Was du bindeſt / nicht zerreiſt.
Immer brenne nie-erfrohren /
SS. Gottliebs Herz und Leonoren!
P. 6.
Hoͤchſter Himmel! mach Sie wachſen /
wie die Cedren auf der Hoͤh:
daß / wie deine guͤldne Axen /
ihre Zier im Glanz beſteh.
Zum Hochwachſtum ſey erkohren /
SS. Gottliebs Ehr und Leonoren!
Fl. 7.
Klarer Himmel! dieſer Lieben
Leid-entwoͤlktes Angeſicht /
kein Betruͤben laß auftruͤben.
Keine Krankheit kraͤnk Sie nicht!
Schmerz muͤß weichen von den Thoren
SS. Gottliebs / und von Leonoren!
M. 8.
Trauter Himmel! mach Sie leben /
viele liebe lange Zeit.
Wolſt dem Tode ſpat hingeben /
dieſe all zu theure Beut.
Zur Ur Jahrezahl erkohren /
SS. Gottlieb leb mit Leonoren!
F. 9.
Ewger Himmel! laß auf Erden
ihre Nachwelt ewig ſeyn.
Heiß / aus Ihnen zweyen / werden
einen ganzen Lorbeerhaͤyn.
Und izt werde neu gebohren
SS. Gottliebs Stam̄ / durch Leonoren.
A. 10.132Trauungs-Lied.
A. 10.
Wehrter Himmel! Ihren Nahmen
auch im Nachruhm ewig mach.
Kron der Helden / Blum der Damen /
nenne Sie der Schriften Spraͤch.
Es fuͤll Famen Mund und Ohren /
SS. Gottliebs Loh und Leonoren!
Cl. 11.
Seelger Himmel! Ihre Seelen
ſeelig / ſpat doch / nimm zu dir.
Wolſt einmahl Sie neu vermaͤhlen /
angethan mit Sternenzier.
In dem guͤldnen Haus Auroren /
SS. Gottlieb leb mit Leonoren!
P. 12.
Treuer Himmel! diß Begehren
nimm von treuer Seele an:
Wolſt es / als du kanſt / gewaͤhren.
Was vor Wuͤnſche hier gethan:
Kein Wort ſey davon verlohren.
SS. Gott lieb Ihn und Leonoren!

Nach Beſchluß dieſes Lieds / erhobe ſich ein jedes von ſeinem Ort / un̄ bedank - ten ſich die Schaͤfere gegen den Nymfen / vor die Ehre ihrer Gegenwart: von de - nen ſie hinwiederům ſchoͤnen Dank em - pfiengen / vor die ſůſſe Geſpraͤch-unter - haltung. Inſonderheit lieſſe Sylvia ſich vernehmen / dieſer Tag ſey ihr beydeskurz133Geſpraͤch-Geſellſchaft. kurz und lang verfloſſen: jenes / wegen der Geſpraͤch-Luſt und dieſes / wegen der Unluſt / daß ſie das Amt / ihnen zu befehlen / uͤbernehmen muͤſſen: welches ſie dañ hiemit wieder ablege / uñ uͤm Verge - bung der Fehler bitte / mit Verſicherung / daß ſie / bey der naͤchſten Zuſammen - kunft / zum gehorchen viel hurtiger / als dißmal zum Gebieten / ſich wolle finden laſſen. Hierauf / nach abgelegtem A - bendgruß / und als nun die Bildniſen von den Baͤumen abgenommen / zuſam - mengerollt und beygeſteckt waren / ver - barge ſie / neben ihren beyden Geſpielin - nen / ſich wiederům unter die Pegnitzflu - ten / den Schaͤfern das ſehnliche Nach - ſehen hinterlaſſende.

Dieſe / begaben ſich auf den Weg nach ihren Huͤtten / und im Fortgehen ſange Floridan ſeinem gnaͤdigen Mecaͤnas / mehr-hocherwaͤhntem H. Grafen / und der Hochfuͤrtrefflichen Eleonoren / als ſei - ner nun neu-aufgehenden Sonnē / zu tiefſtſchuldigen Ehren / von gegenwaͤrti - ger Tag-Feyer / folgendes

Freu -134Freuden-Lied.
Freuden-Lied.
1.
Schreibt / ihr Schaͤfer / dieſen Tag / ſchreibet ihn in Ceder-Rinden!
laſſet / von ihm / unſre Sag
in der Baͤume Wunden finden.
Dieſer Tag / ſey unſer Feſt /
das wir jaͤhrlich wollen feyren:
der vergnuͤgbar unſrem Theuren /
meinem Helden / iſt geweſt.
2.
Pegnitz! kuͤſſe deinen Rand:
den itzt adelt hohe Freude.
Blum-beſchwaͤngre dieſen Sand /
mach ihn zur Smaragdnen Heyde.
Deiner Nymfen flaches Dach /
ziegle zierlich mit Kryſtallen.
laß von Leonoren lallen /
deiner Fluten Wudel-Sprach.
3.
Sonne! Unſer Mecaͤnat /
ob du ſchon biſt untergangen /
dannoch ſeine Sonne hat /
ſiht ein Roſen-Liecht der Wangen.
Nimm itzt meine Bitt mit dir!
Gebe doch der Himmel Beyden:
Sonne! daß du Sie in Freuden
moͤgeſt ſehen fuͤr und fuͤr!
4.
Cynthia! wilſt du heut nicht
an dem Himmel ſichtbar werden?
oder135Freuden-Lied.
oder weichſt / du bleiches Liecht /
unſrer Cynthien auf Erden?
Was fragt nach dem Mondes-Schein /
unſer Held? es ſoll darneben /
ſeinen Naͤchten Liecht zu geben /
Leonora Luna ſeyn.
5.
Nacht! es muß itzt allzu-nacht /
auf ſo hellen Tag / nit werden.
Mit dem Goldgeſtickten Pracht /
deck heut dieſes Zelt der Erden:
fuͤhr herfuͤr die Sternen Wacht.
Unſren Hochvermaͤhlten Beyden
lach ein Tauſend-Liecht der Freuden!
Trauer-Naͤchte! gute Nacht!
6.
Heſperus! zeig Ihnen du
deines Mundes guͤldne Zinken;
und laß / Ihre Liebes-Ruh /
allerbaͤſten Einfluß trinken.
Sey mit deinem Bruͤder-Heer /
itzund ihre Hochzeit Fakel.
und / als ihres Gluͤcks Orakel /
Allen Unſtern-blick bekehr.
7.
Goͤnnt der Ohren ſuͤſſe Gnad /
unſren heiſchern Pegnitz-Rohren;
bleibt geneigt / mein Mecaͤnat!
Fahret wohl / mit Leonoren!
Lebt /136Freuden-Lied.
Lebt / vergnuͤgt durch Ihre Zier.
Eurer Namen Schall der Ehren /
hier in unſren Schaͤfer-Choͤren
ſoll erklingen fuͤr und fuͤr.

Eben mit Endung dieſes Lieds / wa - ren die Schaͤfere bey ihren Hůtten ange - langet: alda ſchieden ſie voneinander / und gaben ſie alſo / Cleodor und Palaͤmon bey Floridan / Myrtillus und Ferrando aber bey Alcidorn / eintrettend / dieſer Geſpraͤchſpiel Geſellſchaft ein wohl vergnuͤgtes

ENDE.

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About this transcription

TextPegnesische Gesprächspiel-Gesellschaft von Nymfen und Hirten
Author Sigmund von Birken
Extent155 images; 18130 tokens; 5371 types; 127006 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationPegnesische Gesprächspiel-Gesellschaft von Nymfen und Hirten Sigmund von Birken. . [1] gef., [2] Bl., 136 S. : 1 Ill. (Kupferst.) EndterNürnberg1665.

Identification

HAB Wolfenbüttel HAB Wolfenbüttel, Xb 5809Dig: http://diglib.hab.de/drucke/xb-5809/start.htm

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Lyrik; Prosa; Belletristik; Lyrik; Prosa; core; ready; china

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

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  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
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ImprintBerlin 2019-12-09T17:29:05Z
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Holding LibraryHAB Wolfenbüttel
ShelfmarkHAB Wolfenbüttel, Xb 5809
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