Dem Hoch - und Wohlgebohrnen Grafen und Herrn Herrn GOTTLIEB des Heil. Roͤm. ReichsGrafen und Herrn von Windiſchgraͤtz Freyherrn zu Waldſtein und im Thal Herrn auf Trautmansdorf / Erbland Stallmeiſtern in Steyr / Dero Roͤm. Keyſerl. Majeſtaͤt wuͤrcklichem ReichsHofRaht / Rittern / ꝛc.
Wie auch Der Hochgebohrnen Graͤfinn und Freulein / Freulein MARIA ELEONORA / Graͤfinn von Oettingen / ꝛc. Sr. Hochgraͤfl. Excellenz HochFuͤrtrefflichen Hochgeliebteſten Freulein Geſpons: widmet ſich dieſe GeſpraͤchSpielGeſellſchaft / zu gehorſamſter Aufwartung:
Untergebenſter Pflicht-Schuldner und Gehorſamſter Knecht Sigmund von Birken C. P. C. P. C.
DRion hatte nun den Sebel einge - ſtecket. Vom Perſeus / Erichthon izt nit mehr ward erſchrecket / mit ſeinem Gorgonskopf. Es war vom Cyn - thius / das ſchoͤne Cepheus-Kind / der halbe Pega - ſus / Bootes und ſein Beer / Aſtree und ihre Wage / und was vor Heer der Nacht ſonſt weichen muß dem Tage / am Himmel uͤberhuͤllt. Sein guͤldnes Ange - ſicht / ausleſchte Cynthien ihr bleiches Silber - liecht: Als die Begierde / ob dem neuen Fruͤ - ling ſich zuerfroͤlichen / etliche Schaͤfere am Geſtade des Pegnitzſtrandes zuſam - mengefuͤhret. Der Himmel hab die Eh - re! wir haben die Freude / (riefe Flori - dan / als er den Myrtillus in GeſellſchaftA iijPalaͤ -2Der Fruͤling. Palaͤmons herbeynahen ſahe) daß die Erde mit dem Schnee-Schleyer die Winter Traur hingeleget / und mit ihrem neu-uͤmgelegten gruͤnen Rock uns eine Vergnuͤgungs-hoffnung ſinnbildet. Die laſſe uns der Himmel (verſetzte Myrtil - lus) reichlich zeitigen! Und erſprieslich fruchten! ſetzte Palaͤmon hinzu. Dieſes ſagend / empfiengen und uͤmſiengen die dreye einander / und wechſelwuͤnſcheten ihrer allerſeits Wuͤnſche Erfuͤllung.
Du haſt / (fuhre Palaͤmon fort / ge - gen Myrtillen) im verwiechenen Som - mer / Hoffnung geerndet: die ich annoch ausſeend / auf die Bluͤt warte. Die rech - te Zeit / (erwiderte dieſer) wird auch dei - ne Roſen bringen: derer Natur iſt / daß ſie zwiſchen den Dornen hervorknoſpen. Auch die Sam-graͤſlein / (ſetzte der drit - te hinzu) muͤſſen Winter-uͤber / mit Wind / Eis und Froſt / und ſonſten mit Hagel / Hitz und Naͤſſe / beſchlagen ſeyn / ehedann ſie zu Sommer-Aehren werden. Wie zerkrieget ſich die liebe Flora / mit dem wilden Eolus-Geſinde / denen un -geheu -3Der Fruͤling. geheuren Nord-Oſten / ehe ſie dieſelben in ihre Gefaͤngnis verſchlieſſen kan / uͤm / ihrem Zefyrus und ſeinen ſanften Suͤd - Weſten platz und raum zumachen! Son - derlich thaͤte ſie ſolches im heurigen Vor - jahr / (thaͤte Palaͤmon hinzu /) welches uns den Fruͤling zeitlich gewieſen / aber langſam gewaͤhret.
Er kommt doch nun endlich / (ſagte Floridan) und zwar je ſpaͤter je lieber. Der Lufthimmel / zeiget uns wiederuͤm ſein ſaffirnes Gewoͤlbe: nachdem er den Fuͤrhang der Schneewolten beyſeit ge - zogen / und die Nebeldecke zur Erden ge - worfen. Man kan ſagen / (ſagte Myr - tillus) der Himmel buhle izt mit der Er - de / als die er freundlich anlachet / uͤmar - met und waͤrmet / auch mit Thau und Regen gleichſam ſchwaͤngert. Freylich lachet der Himmel izt gegen der Erde / (erſetzte Palaͤmon) mit ſeinem ſchoͤnen Aug / der Sonne: welche auch / uͤm des willen / ihren Stand am Himmel taͤg - lich erlaͤngert / und die Erde / derſelben ein mit Smaragden und andren Edel -A iiijſteinen4Der Fruͤling. ſteinen geſticktes guldinn-Stuck anzie - hend / gleich einer Fuͤrſtlichen Braut / her - ausputzet.
Laſſt uns doch / meine Weidgenoſſen! (ſagte Floridan) dieſen erfreulichen Fruͤlingsgedanken nachſetzen / weil wir darauf gerahten ſind. Betrachten wir die drey Lenzen Monden / ſo ſchuͤttelt itzund der Hamel am Himmel ſein wahres Gold Fell / oder ſeine Gold Wolle / auf Erden herab. Er gehet / den irdiſchen Wollenheerden / him̄liſch vor / fuͤhret ſie aus den Staͤllen zur neuen Feld Weide / und bereichert ſie mit Maͤrz Laͤmmern. Er ſihet ſich uͤm am Himmel / (fuhre Myrtillus fort) nach dem Stier / dem Heerdenmann: der winket / hinter ihm / ſeinen gehoͤrnten Bruͤdern auf Erden / daß ſie die Kuͤhe / ihre Weiber / denen er die Eiter ſchwaͤllet / auf die Weide fuͤh - ren und Hochzeit machen ſollen. Endlich im Mayen / (ſetzte Palaͤmon hinzu) komt die Reihe auch an die Menſchen. Die zween an Himmel ſich umfahende Bruͤ - der / lehren uns / mit ihrem Beyſpiel / dasLieben5Der Fruͤling. Lieben und Umarmen. Es ſcheint / diß ſeyen die beyden Himmelsknaben / Gany - medes und Cupido / die ſich miteinander letzen: weil dieſer jenen verlaſſen / und mit den Pfeilen / die er Winter-uͤber gefor - met / auf Erden kommen will.
Wann ich dieſe ſchoͤne Jahrzeit bilden ſolte / (fienge Myrtillus an) ſo wolte ich mahlen die Blumen Goͤttinn; das Blu - menhorn / ſolches auf Erden auszuſchuͤt - ten / auf dem Arm tragend. Ich wolte ſie kleiden in einen gruͤnen Rock / und dar - bey dichten / ſie habe ihr ſolchen / da ſie in Dieſpiters Palaſt uͤberwinterte / aus Seiden ſelber geſponnen / und mit aller - hand Blumen geſticket. Ich wolte ſie ſe - tzen auf Auroren Luftwagen mit dem Ze - fyrus / und ſie legen in ſeine / als ihres Buhlens / Arme. Ich wolte dieſem Wa - gen vorſpannen / zween Falken / welche / die Maͤhnen ſchuͤttelend / das Gras mit Perlen und Demanten / mit Kryſtallen und Carfunkeln uͤberſtreuen. Ich wolte ihr auch Pinſel und Pollet in die Hand geben / als derjenigen / die da jaͤhrlich / inA vdas6Der Fruͤling. das irdiſche Buch der Natur / viel tau - ſend Blum-Sinnbilder zumahlen pfle - get.
Unſre Wieſenmahlerinn / iſt wol ab - gemahlet: beurtheilte Floridan. In an - dern Sachen / iſt zuzeiten die Kunſt / der Natur Meiſterinn: aber in hervorbrin - gung der Blumen / gibt ſie ihr gewon - nen. Da ſpuͤret man den Gottes Finger / und wird kein Mahler Pinſel / eine Blum - wieſe / oder ein Garten-Blumbeete / na - tur-gemaͤß nachſchillern koͤnnen. Es iſt auch zubewundern / daß aus einer Wieſe / die einerley Erde und Luft hat / von einer Sonne beſchienen / und von einem Regen befeuchtet wird / ſoviel tauſenderley Graͤſ - lein / Kraͤutlein und Bluͤmlein hervor - ſchieſſen. Auf dieſer Blumen-Erde moͤchten diejenigen uͤmkriechen / und die Urſach ſolcher vervielfaͤltigung ausfor - ſchen / die mit ihrer Uberwitze ſo gern gen Himmel klaͤttern / und dafelbſt von den Goͤttlichen Geheimniſen Rechenſchaft fordern. Sie tragen (verſetzte Palaͤmon) an ihnen ſelber ein Goͤttliches Allmacht -Wun -7Der Fruͤling. Wunder / die Augen oder das Geſichte: an welchem je ganz unausforſchlich iſt / wie dieſer Nerve des Liechtes faͤhig wor - den / und wie diß kleine Glied ſo einen groſſen Umfang ſehbarer Dinge / ſo gar auch die auf etliche tauſend Meilen ent - fernete Sternen / ergreifen und in ſich faſſen koͤnne. Aber wir muͤſſen / zu dem ſchoͤnſten gegenwurf der Augen / den Gras - und Blumen Wieſen / umkehren. Man kan die Blumen (ſagte Myrtillus) mit recht die Augen der Auen / die Ster - nen der Erde / und das Gelaͤchter der Felder / nennen. Die Wieſen / ſind des Fruͤlings Angeſichte. Nachdem die Son - ne ihnen die Winterzaͤhren abgetrocknet / flinken und blinken ſie mit den Sternen - auen in die wette. Sie ſind der Men - ſchen Augenweide / des Jahres bunte Ta - pezereyen / und des Luftes Balſam - und Biſem-Apotheke.
Die vom verwiechenen Herbſt ge - ſchwaͤngerte und beſaͤmte Erde / (ſagte Floridan /) faͤhet nun an zu gebaͤhren / und wird ſelber neugebohren: indem ihreA vjtheils8Der Fruͤling. theils ausgefallene Haare wieder wach - ſen / theils graue wieder gruͤn und jung werden. Die Kindheit der Aehren / als noch ſchwach auf den Beinen / kriechet im Feld und im Schloß ihrer Mutter. Der gruͤne Halm / hat die Muttermilch / als ein Saͤugling / noch im Munde: bis ſie gerinne / und ein Kern oder Korn dar - aus werde. Die Felder gruͤnen daher / und erfreuen den Feldman̄ mit der Hoff - nung einer reichen Ernde: welcher / uͤm dieſe Zeit / an Koͤrnern arm und an Wuͤnſchen reich zu ſeyn pfleget.
Eben alſo (thaͤte Palaͤmon hinzu /) ſpielen die Bluͤmlein und Kraͤutlein / als Kinder / in der Wieſen / und die Blaͤt - lein und Bluͤtlein / in der Baͤume / Ar - men. Die Baͤume und Buͤſche / zeugen und zeigen / Knoͤpfe und Knoſpen: aus welchen / als aus den Eyern / die Blaͤtter und Bluͤten ſchliefen. Sie verſprechen uns Schattendaͤcher / Sonnſchirme und Sommerlaͤuben. Sie beginnen nun wie - der / an den Ufern / die Fluͤſſe und Baͤche zukroͤnen. Ihren kahlen Koͤpfen / waͤchſtdas9Der Fruͤling. das Haar wieder / welches ihnen der Nordwind abgewehet; ſie hoͤren auf / Ruten und Beſen zu ſeyn. Der Reben - ſtock / das elendeſte und doch edelſte Holtz / weinet itzund vor dem Weine / und ſeine Threnen ſind Vorboten der Trauben. Alſo thut auch die Birke; ſagte Floridan: ſie zaͤhret / ehe ſie den Mayen mit Meyen zieret.
Was ſoll man dann ſagen / (ſagte Myrtillus) von unſren ſuͤsliſplenden / ſilberrinnenden / Goldkieſel-rieſlenden / Kryſtall-hellen / Luſt ſtrudlend - und wud - lenden Baͤchlein? Sie ſchieſſen und flieſ - ſen nun frey und froͤlich daher / von den Eisfaͤſſeln erledigt. Sie ſchwaͤngern / ſchwenken und traͤnken ihre Nachbar -Wieſen:10Der Fruͤling. Wieſen: und werden ſelber mit Fiſchen geſchwaͤngert. Die Nymfen / ſteigen aus dieſen ihren Waſſerzellen / auch aus den Berghoͤlen hervor / ſoͤnnen am Geſtad ihre Haare / beſennen ihre Boͤgen / und bepfeilen die Koͤcher / das Wild zu ja - gen / und von den Panen / Faunen und Satyren wieder gejagt zuwerden.
Werden wir auch vergeſſen / (erin - nerte Floridan) der lieben Luftſaͤnger / der fliegenden Floͤten / der Feder Poeten / der lebendigen Pſaͤlterleln? die itzund ihre alte Haͤuſer wiederbeziehen / ihre Wald - Capelle beſtellen / und auf den Baͤumen Verloͤbnis halten. Viele unter denſel - ben / ſind des Fruͤlings Herolde und Vorboten. Sehet dort ſich ſchwingen und ſingen / die tirelirende Lerche: uns zur Lehre / daß unſre Lieder / gleichſam auf - fliegend / den Himmel verehren ſollen. Die Nachtigall und Grasmuͤcke / ma - chen unſre Ohren zu Schiedrichtern ih - res Geſangkampfes. Filomelen Schwe - ſter / die getreue Progne / haͤnget ihr Haus an einen alten Balken / ſeufzet uͤber denItys /11Der Fruͤling. Itys / und verbirgt ſich vor dem Widho - pfen Terens. Der langgeſtelzte Klapper - Storch / bauet ſein Haus auf den Gibel jenes Hanſes. Auch die Bienlein / (thaͤ - te Palaͤmon hinzu /) der fliegende Reichs - Staat / das Koͤnigliche Honigreich / die Wachsbuͤrger / die Werkmeiſter der Suͤſſigkeit / ziehen zu Feld aus dem Win - terlager / kriechen aus ihren Klaͤuſlein und Haͤuſlein / und fliegen aus auf die Fuͤtterung / weil die Blumen nun an - fahen ſie zu gaſt zuladen.
Dieſe Fruͤlings-Zeit / (ſagte Flori - dan /) ſolte billig das Neue Jahr heiſen / weil ſie auf Erden alles verneuet / nach - dem im verwichenen Winter alles faſt erſtorben geweſen. Wie dann viele Voͤl - ker / mit dieſer Zeit / das Jahr angeſan - gen. Es iſt auch vermutlich / daß der Zei - ten Anfang eine ſolche Zeit geweſen. Die Welt wird / uͤm dieſe Zeit / wiedergeboh - ren / die zu einer ſolchen Zeit geboren wor - den. Dieſe des Jahres (gleichwie alle) Kindheit und Jugend / hat die Schoͤn - heit / Anmut und Zaͤrte zu Gefaͤrten. Esware12Der Fruͤling. ware und iſt / uͤm ſelbige und dieſe Zeit / alle Freude im Wachstum: alles fienge und faͤhet an / zu gruͤnen / zu bluͤhen und zu lachen. Die Erſte Zeit / (ſagte Myr - tillus /) wird von den Alten die Guͤldne Zeit genennet / und von unſrem Roͤmi - ſchen Naſo /(a)Ovid. l. 1. fab. 3. mit mehrern uͤmſtaͤn - den / alſo beſchrieben.
Wir haben / (fienge Palaͤmon wie - deruͤm an) in unſrer Erzehlung / der vor -nehm -14Die Liebes-gedanken. nehmſten Fruͤlingsfreude / der Liebe / zu ſparſam erwaͤhnet. Die Liebe / brennet izt mitten in den Waſſern / flieget in den Luͤften / und ſpaziret auf Erden. Viel - leicht (verſetzte Floridan /) bren̄et ſie auch in deinem Herzen / flieget in deinen Ge - danken / und gehet mit deinem Verlan - gen ſpaziren. Der Mund / iſt ein Rand des Herzgefaͤſſes; thaͤte Myrtillus hinzu. Deines muß voll Feuer ſeyn / weil es mit Flammen uͤberlaͤuft. Es iſt doch gleich - wol wahr! fuhre Floridan fort: Wir hoͤ - ren izt / aus Liebe / die Fiſche im Waſſer gegeneinander ſchnalzen / den Kukuk in der Luft ſeinem Gatten ein Staͤndchen machen / und den Wieſen Spielmann nach der Kuhe brummen. Und vielleicht werden wir bald / auch unſren Palaͤmon / nach einer Schaͤferinn ſeufzen hoͤren? verſetzte Myrtillus. Ihr habt gut hoͤnen! widerredte Palaͤmon: Bey euch iſt es auch / das ganze Jahr / Fruͤling / da hin - gegen ein mancher von einem kalten Winter mit heiſſem Sommer geplagt wird. Deſto baͤſſer vor dich! ſagte Myr -tillus:15Die Liebes-gedanken. tillus: Wann deine Hirtinn der liebloſe Winter und du der liebreiche Sommer biſt / ſo kan man einen gemaͤſſigten Fruͤ - ling aus euch beyden zuſam̄enſchmelzen.
Ich habe dieſes Rahts nicht von thun: er - widerte Palaͤmon. Ich redete in gemein / und nicht von mir ſelber.
Mich duͤnkt aber / ihr beyde mutmaſſet von mir / aus eigner Erfahrung. Kom̄t! was gilt es / die Baͤume ſollen mir deſſen Zeugen ſeyn. Solches ſagend / tratte er zur naͤchſten Linde / und fand auf derſel - ben / unter andern / dieſe Zeilen:
Hat nicht / das Eis Aſterien / (fuhre Palaͤmon fort /) unſrem Myrtillus / von dem der untergeſetzte Buchſtab redet / das aus dieſen Worten flam̄ende Feuer verurſachet? Ich geſtehe dir nichts: lieſ - ſe dieſer ſich dargegen vernehmen; es koͤnnen auch Montano oder Melibee die - ſe Zeilen eingeſchnitten haben. Doch will ich nit leugnen / daß etwan mein Herz auch auf dergleichen Eis-kohlen gebra - ten worden. Laſſt uns aber / noch mehrBaͤume /17Die Liebes-gedanken. Baͤume / beſehen und beſuchen. Sehet hier /
Auch dieſe Reimen / (ſagte Palaͤmon) reimen ſich mit unſrem heiſſen Eis-ge - ſpraͤche: ſie ſind ihre Flammen dem Schnee eines weiſſen Armes ſchuldig. Von denen ihme angraͤnzenden ſchoͤnen Huͤgeln und Herz-Rigeln / redet eine Schrift / die ich neulich an einem Apfel - baum erſehen / dieſes Inhalts:
Sie beſahen noch einen Baum / und fanden an demſelben ein Sonnet / wel - ches anredete
Weil der / unter diß und voriges Son - net / eingeſchnittene Buchſtab / Flori -B ijdans20Die Liebes-gedanken. dans Hand verrahten / ſagte Myrtillus wider ihn: Dieſe Schriften / ſchreiben dich auch unter die Zahl der Verliebten / und wird dein Beyſpiel uns anderen zur Rechtfaͤrtigung dienen. Wiewohl die Pegnitz / vor Jahren / mit etwas Neid angehoͤret / daß du / uͤm Amarillis willen / an ihren Ufern eine fremde Jetze geprie - ſen. Ich habe / (erwiederte er) auch aus der Jetze Rohren / Pfeifen geſchnitten / der Pegnitz einen Lobe-thon zu greifen.
Sie haͤtten ein mehrers hiervon gere - det / wann nicht / eine unvermutete Aben - teur / ihre Augen und Gedanken an das Ufer der Pegnitz beruffen und eingeladen haͤtte. Sie erſahen daſelbſt drey Baͤume ſtehen / naͤmlich einen Zypreſſ-Palm - und Lorbeerbaum Diß ſind nit Baͤume / (ſagte Floridan) wie die vorigen / die ein Schaͤfer an der Pegnitz mit der Hiſtorit von ſeinen Wunden zuverwunden pfle - get. Laſſt uns hinter jenes Geroͤhre ent - weichen! verſetzte Myrtillus: ich laſſe mir eine ſonderbare Begebenheit trau - men. Sie hatten ſich kaum verkrochen /da ſa -21Die HochGraͤflich-Vermaͤhlten. da ſahen ſie der Pegnitz Fluten ſich thei - len / und aus denſelben hervortretten / drey holdſeelig Mymfen: welche zu beſagten drey[Baͤ]umen ſich verfuͤgten / und jede einen Rohrſtab in der Hand trugen.
Wie duͤnkt dich / Galathea! ſagte eine von ihnen / zu der andern: werden wir auch die Freude gnugſam bezeugen koͤn - nen / ob dem Ehrgluͤcke / welches der Zeit unſren Pegnitz-Fluß adelt? Sie iſt frey - lich ungemeſſen! erwiederte dieſe; und konde gegenwaͤrtiger unſer erſten Austrit in das neue Fruͤlings-Land / durch keine trefflichere Begebnis bewillkommet wer - den. Mit was Worten werden wir aber / (ſagte die dritte /) dieſe Vermaͤhlungs - Geſchicht / in unſre Erztafeln / zu ewi - gem Andenken / einzeichnen? Ohne mein masgeben / (antwortete die erſte /) koͤnde dieſe Aufſchrift alſo lauten.
Der Hoch - und Wohlgebohrne Graf und Herr / Herr Gottlieb /
B iijdes22Die HochGraͤflich-Vermaͤhlten.des Heil. Roͤm. ReichsGraf und Herr von Windiſchgraͤtz / Freyhert zu Waldſtein und im Thal / Herr auf Trautmansdorf / Erbland Stallmeiſter in Steyr / Dero Roͤm. Keyſerl. Majeſtaͤt wuͤrklicher ReichsHofRaht / Ritter: Vermaͤhlte Ihm erſtlich Die Hoch - und Wohlgebohrne Graͤfinn und Frau Fr Margaretha Emilia / Graͤfinn von Holland-Brederode / Verwittibte Graͤfinn von Slawata; und / nachdem dieſe die Sterblichkeit mit der Unſterblichkeit verwechſelt / Die Hochgebohrne Graͤfin̄ und Freulein Fr. Maria Eleonora / Graͤfinn zu Oettingen: Welchen dreyen Hochfuͤrtrefflichen Perſonen / als von Burggr. Johannſen zu Nuͤrnberg zugleich aufſtammenden / die Noris und andere Pegnitz Nymfen dieſe Gedaͤchtnis-Tafel gewidmet.
Flori -23Die HochGraͤflich-Vermaͤhlten.Floridan hatte dieſe Erzehlung mit Erſtaunung angehoͤrt / und / aus Unge - dult ein mehrers hiervon zuvernehmen / konde er ſich nicht enthalten / hervorzutret - ten / und die Nymfen zugruͤſſen. Wie - wol ich / ſchoͤne Nymfen! (ſagte er /) Actaͤons Kuͤnheitbegehe: ſo hoffe ich doch von meiner Pflicht / die dieſem meinem gnaͤdigen Mecaͤnas mich langſthero wid - met / ſoviel Anwaltſchaft / daß man mit der Straffe mich verſchonen werde. Du ſolſt heut / (ſagte eine von ihnen /) kein Hirſche / ſondern / von uns mit Clariſchen Waſſer beſprenget / ein Schwan wer - den / deines Heldens Beylager-Freude zubeſingen. Ihr Pegnitzſchaͤfer / (thaͤt ein andere hinzu / 3 ſeye uns nicht mehr fremde: ihr doͤrft den Pegnitz-Nymfen wohl naͤher tretten. Ihr werdet auch unſre Geſpraͤch-Ergetzlichkeit erweitern helfen: ware der dritten ihr Zuſatz. Flo - ridan winkte hierauf ſeinen Weidge - noſſen / und traten ſie alſo alle dreye in der Nymfen Geſellſchaft.
B iiijDieſe24Die HochGraͤflich-Vermaͤhlten.Dieſe Baͤume / (ſagte / vom Floridan hieruͤm befraget / Sylvia die zweyte Nymfe /) von uns an diß Geſtade ge - pflantzet / ſichen auf einer Nebenkluft un - ſers Hoͤlen-Zimmers; und wir haben / beydes Kluft und Baͤume / dem Ehr - Andenken dieſes Helden gewidmet. Sei - ne hohe Tugenden und Verdienſte / ha - ben ſchon langhero / die Zungen der Sua - da und Fama / můde / und ihn der Welt verwunderbar / gemacht. Der hoͤchſte Senat des Reichs / nennet Ihn einen von ſeinen Edelſten Beyſitzern. Das allerhoͤchſte Reichshaupt ſelber / hat ſchon zum oͤftern durch Ihn / als ſeinen Mund / zu auslaͤndiſchen Gekroͤnten und andern Hohen Haͤuptern geredet. So gar das Gluͤck und die Ehre / ſonſten der Tugend Beneiderinnen / ſind ganz in Ihn verlie - bet / und uͤberſchuͤtten Ihn mit ihren Ga - ben. Unter andern Adelichen Ubungen / ſpielet Er den Meiſter / zu Pferd und auf der Laute. In Hoͤflichkeit / ein Frau - enzimmer zu unterhalten / fordert Er Lehrgeld von ſeines gleichen. Die Kuͤnſt -goͤttinnen /25Die HochGraͤflich-Vermaͤhlten. goͤttinnen / nennen Ihn zu gleich Bru - der und Patron oder Schutzfreund. Der hochloͤbliche Palm-Orden / ehr-ſchaͤtzet und ſetzet ihn / mit den Nahmen des Kuͤh - nen / unter ſeine wuͤrdigſte Mitglieder: Dannenhero wir ihm allhier den Palm - baum gewidmet. Eure Poeſy / ihr Schaͤfere! hat er zweifeln gemacht / ob ſie mehr Ehre von ſeiner Feder / oder mehr Wolthaten von ſeiner Huld / empfangen. Und weil Er / als ein Bellerofon unſre Pegnitz dadurch zum Pegaſus-Fluß ma - chend / eure Lieder inſonderheit liebet: ſo ſind dieſe Ufer verpflichtet / durch eure Schaͤferſpiele von ſeinem Ruhm zuer - ſchallen. An Liedern ſoll es auch diß - mahl nit mangeln / Edle Nymfe! ſagte Myrtillus: Wann nur zuvor unſre Oh - ren werden geſaͤttigt ſeyn / welche nach Vollfuͤhrung dieſer Erzehlung huͤngert.
Unſer theur er Graf / (fienge Dorilis / die dritte Nymfe / wiederuͤm an /) ſuche - te keine andere / als eine fůrtrefliche Ge - mahlinn. Er fande auch / an Emilie, was Er geſucht / einen Ausbund vonB vStand26Die HochGraͤflich-Vermaͤhlten. Stand und Verſtand / von Geiſt / Tu - gend und Schoͤnheit. Dißorts nur vom erſten / (von den andren Stucken hat Floridan / als mir bewuſt iſt / geſungen) von ihrer Standshoheit / zu ſagen: ſo zweigte ſie / in gerader Linie / aus dem uralt-Fůrſtgraͤflichen Stammen der Graven in Holland. Der erſte dieſes Hauſes / Gr. Dietrich / ward vor 800 Jahren / (A. 862) durch Keyſ. Carln den Kahlen / des Groſſen Caroli En - keln / in dieſe Standswuͤrde erhaben. Deſſen Enkel Gr. Arnold / zeugte mit Luitgard ſeiner Gemahlin / einer Keyſer - lichen Prinzeſſum aus Griechenland / und der Keyſerinn Theophanie des Groſſen Ottens Gemahl nn Schweſter / zween Soͤhne. Durch den aͤltern / Gr. Dietrichen III / ward der Stamm fort - gepflunzet. Gr. Sie frieden oder Sicco / dem Juͤngern / verſprache der Vatter / er wolte ihm einen Strich Landes mit B[r]eden Roden oder breiten Meſſ-Ru - ten zutheilen. Dieſer Rede zum An - denken / nennte Gr. Sicco / das unfernvon27Die HochGraͤflich-Vermaͤhlten. von Harlem neu-erbauete Herrſchaft - Schloß / Brederode, und ſich / den Herꝛn von Brederode. Mit feiner Gemahlinn Teta oder Tetburg / des Poteſtats oder Großherrens in Friesland Goſſons des kleinen (Lü[t]kemanns) Tochter / pflanzte er den Brederodiſchen Stammen: wel - cher / dieſe 600 Jahre nach ihm / (er ſtarb A. 1030 / den 5 Jun.) bis auf heutigen Tag / noch herrlich grůnet und bluͤhet. Unſrer Emilien H. Vatter / ware Erb - Burggraf zu Utrecht / der Herren Staa - ten Feldmarſchalk und Statthalter zu Herzogenbuſch / auch Ritter des Koͤnigl. Ordens vom Elefanten in Dennemark. Ihre Fr. Mutter iſt / des noch in hohem Ruhm lebenden Durchl. Fůrſtens zu Naſſau / Herrn Johann Morizens / des Herzogtums Cleve Chur-Branden - burgiſchen Statthalters / und einer gleichfalls noch-lebenden vermaͤhlten Fuͤrſtinn / Fr. Schweſter geweſen.
Gleichfalls fande unſer H. Graf / (vollfuͤhrte die Nymfe Galathea dieſe Erzehlung /) in Eleonoren, ſeiner itzi -B vjgen28Die HochGraͤflich-Vermaͤhlten. gen HochGraͤfl. Freulein Geſpons / was Er in Emilien verlohren. Zudem / daß Sie an hohem Verſtand / anmutigem Geiſt / auch angebohrner des Gemuͤts und Leibes Schoͤnheit / ſich hochfuͤrtreff - lich zeiget / wird dieſer Vortheil Ihr auch von hoher Standes-Ankunft eingeraͤu - met. Ihr Vaͤtterliches Staminhaus / iſt das uralt-Fuͤrſt Graͤfliche Haus Oet - tingen. Der Stammvatter dieſer Fa - milie / Grajus oder Cajus, vor ungefehr 700 Jahren / pflanzte dieſen Stammen[m]it Helena (oder Hedwig) Keyſ. Ot - tens des Groſſen Schweſter; mit deſſen Gemahlinn Schweſter / wie zuvor mei - ne Geſpielinn erwaͤhnet / auch der Bre - derodiſche / und alſo beyde faſt zugleich / ſich angefangen. Gr. Ludwig VIII, deſſen 15der Nachkoͤmling / hatte Chur - Pfalzgr. Adolfs Gemahlinn zur Schwe - ſter / und Fr. Gutha Keyſ. Albrechts I, Erzherzogens in Oeſtereich / Tochter zur Gemahlinn: von welcher / unſre Frl. Braut / im 12ten Grad aufſtammet. Dieſes Haus hat / mit den Chur-Hoch -und29Die HochGraͤflich-Vermaͤhlten. und Fuͤrſtlichen Haͤuſern / Pfaltz am Rhein / (mit dieſem fuͤnfmal /) Bran - denburg / Muͤnſterberg / Wuͤrtenberg / Baden / Leuchtenberg / Anhalt und El - ſas / durch Heura[t]/ auch ſonſten mit an - dern dergleichen Haͤuſern / ſich befreun - det. Wie dann inſonderheit / unſrer Eleonoren H. Bruder und Frauen Schweſtern / an Brandenburg-On[o][l]ds - bach und Wuͤrtenberg hochanſehnlichſt geheuratet. Unſrer Freul. Graͤfinn Muͤtterliches Stammhaus / iſt aber - mahln das Chur - und Hochfuͤrſtliche haus Pfalz am Rhein: da ſie gleichfalls / in Keyſ. Albrechts I Schweſter Mechtil - den / Chur Pfgr. Ludwigs II Gemahlin̄ / als wie zuvor in deſſen Tochter / und drit - tens noch naͤher oder neulicher in ihrer Muͤtterlichen Ur-Elter Frau Mutter / der Prinzeſſin̄ Anna / Keyſ. Ferdinands I Tochter / vom hoͤchſtloͤblichen Keyſerl. Erzhaus Oeſtereich / ihre hohe Ankunft bekommen.
Sonſten iſt betrachtungwuͤrdig / daß dieſe beyde Hoch-Graͤfliche Damen auchB vijſelbſt30Verwandſchaft derſelbſt mitemander in naher Befreundung ſtehen: indem Freul. Eleonora / Sr. Hochfuͤrſtl. Durchl. Herrn Pfalzgr. Chriſtian-Auguſtens / zu Sulzbach; und Fr. Emilia / dero Frauen Gemahlinn / ge - bohrnen aus dem Fuͤrſtl. Haus Naſſau - Dillenberg / Fr. Schweſter Tochter iſt.
Es iſt aber dieſes / (ſagte Sylvia) nicht das erſte / ſondern allbereit das vierzehen - de mal / daß das HochGraͤfliche Haus Oettingen ſich mit Oeſterreichiſchen Erb - land Herren befreundet; wie dieſe Ver - zeichnis vorweiſet:
Und weiß man von dieſen Graͤf - und Freyherrlichen Familien / ſonder fernere deſſen Ausfuͤhrung / daß ſie mehrernteils mit unſerm H. Graven in naher Sipp - und Schwaͤgerſchaft ſtehen.
Unſere beyde HochGraͤflich-Ver - maͤhlte / (ſagte Galathee /) ſind auch ſelbſt miteinander nahe geſippt und Blut be - freundet / indem ſie von Ulrichen und Imagina, Graͤflichen Geſchwiſtern zu Schaumburg / Mu[t]terlich aufſtammen; wie ich (mehrere dergleichen Anfreun -dungen32Verwandſchaft derdungen / ſo zu befinden waͤren / unaufge - ſucht laſſend) mit dieſem Stammzeiger belege:
Neben dem / daß / des H. Grafen ho - he Verdienſte / (ſagte Dorilis /) unſre Beehrung / die man der Tugend aus Schuldigkeit bezahlet / erheiſchen: ſo ſind wir hierzu auch derentwegen beurſacht / weil (wie / uns zur Nachricht / ein Edler Stammforſcher C. K. v. R. ausfundig gemacht /) nicht allein Er / ſondern auch Emilia und Leonora / ſeine beyde Hertz - Freundinnen / als zugleich Stammbe - freundte / von Johannſen Burggraven zu Nuͤrnberg / heutigen Chur - und Hoch - fuͤꝛſtlichen Hauſes Brandenburg Stam̄ - Vatcern / herentſproſſen. Weswegen dann die Nymfe Norts / (welche izt Fr. Elenoren / gleichwie vor 18 Jahren ihrer Hochfuͤrſtl. Fr. Mutter / als Sie gleich - falls in unſrer Norisburg geirauet wur - de / geſellſchaft leiſtet / und Sie bedienet /) uns den Pegnitz Nymfen / und euch den Pegnitz Schaͤfern / dieſes Beylager-Feſt mit einem Ehrengedaͤchtnis zufeyren / anbefohlen. Und damit eure Geiſter deſto mehr aufgeweckt und angefeuret werden / ſo wollen wir euch hiemit / die Bildniſe dieſer drey HochGraͤflichen Perſonen /als34Verwandſchaft derals hellblitzende Sonnen und Einfluß - Sternen / ſamt dem Vorweiſer ihrer Stam̄verwandſchaft / vor Augen ſtellen.
Obiges ſagend / hatte Dorilis ein zar - te Rinde / mit hierobenſtehender Stam̄ - Tafel bemahlet und uͤberſchrieben / aus dem Rocke gezogen. Inzwiſchen nun die Schaͤfer ſolche uͤberlaſen und beſchau - eten / griffen die Nymfen zu ihren Rohr - ſtaͤben / zogen dieſelben in der mitte aus - einander / und langten daraus drey Rol - len von der allerzarteſten Leinwat / mit hochbeſagter Perſonen Bildniſen auf das ſelblichſte und reineſte uͤbermahlet. Sie waren oben mit einer Leiſte / und un - ten mit einer Welle / beydes von Eben - holz / eingefaſſet. Jedes ward / an ei -nem36Die belobte Emilie. nem von den dreyen Baͤumen / aufge - haͤnget und ausgebreitet: zu der Schaͤ - fere hoͤchſter Erſtaunung. Selbige / glaͤubten ſich in den Goͤtter-Palaſt des Foͤbus / oder in die Felder Elyſiens / verzuckt / und ſagten eines Mundes / die - ſe Angeſichter ſeyen nach dem Original des Himmels gebildet. Ihr muͤſſet dem - ſelben / (ſagte Dorilis /) nicht allein Be - wunderung / ſondern auch Bechrung opfern. Ich erinnere mich einer Fruͤ - lingszeit / (verſetzte Floridan) da ich / ob einem Bildnis der wundertrefflichſten Emilia entzucket / deren Vermaͤhlung mit meinem Mecaͤnas / durch ein Hirten - lied begluͤckwuͤnſchet. Laß dann hoͤren! ſagte Sylvia: du wirſt / durch ihre Be - lobung / dich bey uns belobt machen. Wann mein Gedaͤchtnis mir nit untreu iſt / ſo waren es dieſe Worte: erwiederte er / und ſange hierauf folgendes Lied:
Wohl geſungen! riefe Galathea aber ůbel geweisſaget! Ihr fruͤher To hat / die Saat deiner Hoffnung / ein meh rers / oder doch etwas froͤliches / von ih zu ſingen / vor der Ernde abgemeyet. Un wie muß doch / deinen Mecaͤnas / de Verluſt ſo einer allerwuͤrdigſten Gemah linn / geſchmerzet haben! Er hat ſich un gemeſſen darob aͤngſten muͤſſen / (ſag Floridan /) weil er / als eines groſſen Ge ſtes und ſcharfen Urtheils / ihrer Trefflich - keiten genaue Erkentnis gehabt; wieaus41Die belobte Emilie. aus dieſen ſeinen / uͤber ihr Bildnis ver - faſſten / Zeilen / zuermeſſen iſt:
Ich erinnere mich / daß ich damals / zur Nachfolge / etliche Baͤume / mit eben - dergleichen Zeilen-art / von ihr redend gemacht; die dann alſo gelautet:
Du haſt ſie / im Leben / mit Lob geeh - ret; ſagte Dorilis: mit was Worten / haſt du dann ihren Tod beklaget? Mit ſolchen / (antwortete Floridan /) die ei - nen innerſten Schmerzen bezeugen / und deren jedes eine Zaͤhre zur Gefaͤrtin hat - te. Meine Frage (wiederredte die Nym - fe /) hat dir ſagen wollen / wiedaß wir / deine Klage anzuhoͤren / verlangen tra - gen. Ob der Inhalt betruͤbbar iſt / ſo werden uns doch die Worte erfreuen. Es iſt eine Art der Freude / ſich vergan - gener Schmerzen erinnern: verſetzte er / und lieſſe alſofort folgende Klagzeilen vernehmen.
Wir moͤchten auch gern ihre Grab ſchrift leſen: ſagte Galathea Deren Ab ſchrift / ſehet ihr auf dieſer Rinde: an wortete Floridan / ſolche uͤberreichend Wiewohl mich duͤnket / (thaͤte er hinzu) dieſe Trauer reime ſich nit wol / mit b vorſtehender Trauungs-Feyer. Du ſo wiſſen / (widerredte Sylvia) daß dieſ Ort der hochlobſeeligen Emilien mitg widmet / und wir heute ihr das Begaͤn nis halten. Sie lebet annoch in Nac ruhme / und wird gleichſam in der preiß wuͤrdigſten Eleonoren verjuͤnget undneuge -47Die begrabne Emilie. neugebohren. Hierauf ward die Grab - ſchrift*ex Latino translatum. abgeleſen / dieſes Lauts und Inhalts:
Dieſe Grabſchrift / und was du ihr zu Ehren geſungen / (ſagte Dorilis zum Floridan) ſoll zu unverweſlicher Behaͤlt - nis des Nachruhmes dieſer Edelſten E - milie / das Zypreſſ-Kaͤſtlein ſeyn / in wel - ches man vorzeiten die Gebeine der Ver - ſtorbenen beygeleget. (a)Thucyd l. 2. Und eben zu dem ende / (thaͤte Sylvia hinzu) haben wir ihr hieſige Zypreſſe gewidmet. Wie dann dieſer Baum / erſtlich vom Boreas dem Koͤnig der Celten / zu ſeiner Tochter Cypariſſen Grab gepflanzet / und nach - mals / die Graͤber (doch nur(b)Lucan Et non plebejos luctûs teſtata cupreſſus. der Ed - len) alſo zubebaͤumen / eine Gewonheit worden. (c)Aſclepiad.
Indem erſahe Floridan drey Schaͤ - fere ankommen: und inzwiſchen ſeine beyde Gefaͤrten den Nymfen zuhoͤre -ten /51Geſpraͤch-Geſellſchaft. ten / gienge er jenen entgegen. Den Er - ſten / welcher voran mehr liefe als gien - ge / erken̄te er vor den alten Alcidor; und den zweyten / wiewol er ihn lange nicht geſehen / vor den Ferrando. Du thuſt recht / (ſagte er wider dieſen! nach em - pfangenem und erwiderten Gruß) daß du einmal die Wernitz verlaſſen / uͤm / die Pegnitz zubeſuchen. Ich errahte ſchon / waruͤm du kommeſt. Dorten wirſt du eine Geſellſchaft und Sachen finden / die mit dir davon reden werden. Der dritte / gab ſich vor den Pregel-Schaͤfer Cleodor zuerkennen: welcher von dem Parnaſſ an der Saal / deren er ſich eine Zeit hero geliehen / dißmal eine Luſtreiſe nach der Pegnitz vorgenommen / bey ſelbiger Hir - ten-Geſellſchaft Kundſchaft zuſuchen. Floridan willkommete ihn freundlichſt / und bedankte ſich vor die von ihm in Ab - weſenheit empfangene Ehr-gruͤſſe: zu - gleich bittend / ihn mit ſo unverdienter Beehrungs Ubermaß zuverſchonē. End - lich: Ich dachte wohl / (ſagte er) Alci - dors Ankunft / wuͤrde etwas neues mit -C vjbrin -52Geſpraͤch-Geſellſchaft. bringen. Und ich / daß ich etwas neues antreffen wuͤrde: antwortete dieſer / als ſie eben den Baͤumen und Nymfen na - heten / und ob denſelben / ſowol auch uͤber den hangenden Bildniſen / erſtaune[t]en.
Nachdem die dreye den Nymfen den Ehrgruß abgelegt / und von den zweyen den Willkomm empfangen / ſagte Syl - via: Ich und meine Geſpielinnen hoffen / indem ſich alſo die Geſellſchaft mehret / es werde auch unſere Freud Feyer ſich er - weitern; immaſſen wir / ſolcher beyzu - wohnen / den dreyen Ankoͤmmlingen hie - mit Erlaubnis geben. Selbigen erzehlte Palaͤmon / von den dreyen Bildniſen / kůrzlich / was er zuvor von den Nymfen vernommen. Dieſes letzere himmliſche Angeſicht / (ſagte Ferrando) erkenne und verehre ich vor eine der Schutz Goͤttinnen meiner Wernitz. Und das naͤchſte / (ver - ſetzte Sylvia) iſt desjenigen / dem zur Freude / dieſer Antlitz-Himmel / mit zweyen Sonnen ſtrahlet / und mit Auro - ren Purpur Munde lachet. Von ſeinen Lob-Eigenſchaften / habt ihr dreye zuvorein53Geſpraͤch-Geſellſchaft. ein Wortgemaͤhl mit den Ohren geſehen. Diß iſt noch zu ſagen und zu bewundern / daß das Gluͤck / als ſeiner dapfren Tu - gend Slavinn / nachdem es ihm ſeine wundertreffliche Emilia / (aus deren ſchoͤnſt-geiſtigem Angeſicht-Bildnis all - hier / ihr leichtlich ihre anderr Vollkom - menheiten leſen koͤnnet) durch den Tod genommen / ihm ſolche in der gleich-al - lervollkommenſten Eleonora wiederge - ben muͤſſen.
Ich erinnere mich (ſagte Myrtillus) eines Ringel-Lieds /*Sihe den Anhang des Oſtl, Lorbeerh, Bl. 377. mit welchem vor - deſſen Floridan / dieſes theuren Heldens / als des Teutſchen Orfeus / unvergleich - liches Kunſt-Lautenſpiel beſungen. Mit eurer Verlaubnis / Edle Nymfen! will ich / in einem dergleichen Ringel-Lied / dieſen zweyten Orfeus / wie Er / durch ſeinen ſehnlichen Trauer-Saitenklang / ſeine verſtorbene Emilia in ſeiner Eleo - noren wiederuͤm in diß Leben geholet / vorſtellig machen. Du wirſt uns (ver -C vijſetzte54Der Teutſche Orfeus. ſetzte Sylvia) damit bittſeelig machen Demnach bate er den Floridan / auf ſei - ner Mandor ſelbige Singweiſe zuſpielen und er ſange darein folgendes
Die Nymfen / bezeugten / dem Myr - tillus / ihr aus ſeinem Geſang erſchoͤpftes Vergnuͤgen. Uns verlanget itzt / (ſagte Galathee) auch von dem dritten Bildnis / von der allerwuͤrdigſten zweyten Eury - dice dieſes Edelſten Orfeus / etwas der - gleichen zuhoͤren. Als die andern hierauf ſchwiegen: Man kan ſagen / (ſagte Fer - rando /) daß dieſe hochgebohrne Freu - lein / durch inſtehende Vermaͤhlung / als eine andre Dafne / gleichſam in einen Lorberbaum (an welchem hier ihr wuͤr - digſtes Bildnis hanget /) verwandelt / daß HochGraͤfliche Haus Windiſchgraͤtz mit Aufnahm und Ehre kroͤnen / auch ſelbigen Hoch-dahergipflenden Stam - men ſtaͤts-gruͤnend und Fruchtbringend machen / werde. Du haſt (verſetzte Ga -lathee /)58Die verwandelte Dafne. lathee /) unſre Gedanken gaͤnzlich ver - achten. Du wirſt / die Geſchicht der Dafne*Ovid. Metamorph. l. 1. fab. 13. ex Pindaro & Callimacho. erzehlend und folgends unſer hochvermaͤhltes Paar / unter denen Nah - men Dafnis und Dafne / beſingend / unſere Ohren dir verpflicht machen. Aus begierde / zu gehorſamen / (antwortete er /) und meine Pflicht zu bezeugen / er - kůhne ich / von ſo hohen Sachen nidrig zureden. Nachdem er hierauf ſich etwas bedacht / begunte er beydes zuerzehlen und zuſingen / wie folget.
Du haſt / (ſagte / und lachte / Galathee) durch deinen Geſang / eine Nymfe in ei - nen Baum verwandelt: nun muſt du dieſen Lorbeerbaum / mit jenem Palm - baum / vermaͤhlen. Dieſe zween Baͤume / (ſagte Floridan) reimen ſich an ſich ſelbſt wol zuſammen: dann / ſie ſind alle beyde dem Foͤbus gewidmet / und hat man / vor Verwandelung der Dafne / ſeine Tem -D ijpel -68Dafnis und Dafne. pel Bildniſe damit gekroͤnet. So iſt auch (ſetzte Palaͤmon hinzu) ein Palmzweig / ſowohl als ein Lorbeerkranz / eine Zierde und Kennzeichen der Siegenden. Der verliebt-beſchriebene Foͤbus / (fienge Al - cidor an) laͤſſt ſich gar wol vergleichen mit dem verliebten Palmbaum: von wel - chem mir ein alter Arno-Schaͤfer aus Hetrurien(a)Joh Pierius in Hieroglyph. l. 50. p. 370. erzehlet / daß das Maͤnnlein und Weiblein / wann ſie benachbart / ein - ander ůmfangen, wann aber derer eines allem ſtehet / verſchmachten ſie vor Ver - langen / oder bleiben doch unfruchtbar: Laſſt mir das eine hoͤlzerne Liebe ſeyn! Diß iſt nichts neues! verſetzte Myrtillns. Es hat / ſchon vor vielen Jahrhunterten / ein Griechiſcher Schaͤfer(b)Philoſtratus in Iconib. vorgeſchrie - ben / wie man uͤber einen Fluß eine leben - dige Bruͤcke / ja einen lebendigē Schwib - bogen / bauen ſoll. Dann / wann man / zu beyden ſeiten / Palmbaͤum[e]/ hier Maͤnn - lein dort Wei[b]lein / pflanzet / ſo kruͤmmen und ſtrecken ſie ſich gegeneinander: undauf69Dafnis und Dafne. auf ſolche weiſe / wird der Fluß mit Laub und Aeſten uͤberbrucket und uͤberwoͤlbet. Es erzehlet ein andrer Schaͤfer /*Jovianus Pontanus. (ſagte Cleodor) daß in Calabrien zu Brindiſi und Otranto / eine Tagreiſe voneinander / zween Palmbaͤume beyderley Geſchlech - tes / lange unfruchtbar geſtanden: als ſie aber ſo hoch in die Luft geſchoſſen / daß ſie gleichſam einander ſehen koͤnnen / und der Wind des einen Lieb-Seufzere dem an - dern zugefuͤhret / haben ſie beyde angefan - gen reichlich Frucht zubringen. So wol - te ich dann ſagen / (ſagte Ferrando) wan̄ ich vor-erzehlte Verwandlungs Geſchich - te auf dieſe zween Baͤume / deuten ſolte: Foͤbus / aus Ungedult / weil er / als ein Gott / der Liebe ſeiner Dafne / die nun ein Baum ware / nicht genieſen koͤnnen / ha - be / in ſeines bisher-eigenen Palmbaums Geſtalt / ſich neben der Dafne in die Er - de gepflanzet / ſie folgends mit ſeinen Ae - ſten uͤmarmet / und alſo ſeine Begierde erſaͤttigt; Solchermaſſen / ſey der Palm - baum ſo ein verliebter Baum worden. D iijDu70Dafnis und Dafne. Du muſt aber nicht vergeſſen / (ſagte Ga - lathee) unſren Ohren dein voriges Ver - ſprechen zuzahlen: damit wir nit Urſach haben / dich einen boͤſen Schuldner zu - nennen. Der werde ich wol nicht ſeyn! antwortete er: aber vielleicht ein boͤſer Zahler. Hierauf ſtimmte er nochmals ſeine Cyther / ſchluge und ſange darein / der Edelſten Leonora Bildnis anſchaltend / folgendes Lied.
Nach Endung dieſes Lieds / bezeugten die Nymfen ihr vergnuͤgen ob demſelben / und verfprachen / daß ſie ſolches / ſamt den vorigen / durch die Noris / den Beyden Hochvermaͤhlten wohlempfohlen uͤber - reichen wolten. Wir muͤſſen aber (fienge Dorilis hierauf an) unſre Geſpraͤchluſt noch nicht enden / ſondern dieſelbe erlaͤn - gerend / dieſem hochfeyrlichen Tag ferner ſeine Ehre geben. So laſſt uns dann (ſagte Galathee /) unter unſre Baͤume zuſammen ſitzen! Weil es (thaͤte Sylvia hinzu /) auf Geſpraͤchſpiele hinauslaufen wird / ſo iſt vonnoͤten / daß eines von uns zum Haupt und Gebieter erwehlet wer - de. Es braucht keiner Wahl / ſchoͤne Nymfe! ſagte Floridan. Du haſt unsallen75Geſpraͤchſpiel-Geſellſchaft. allen zubefehlen / und wir werden uns glůckſelig achten / deinen Geboten zuge - horchen. Mit nichten! antwortete ſie: das Gluͤck muß einem von uns dieſe Eh - re geben / die ich einem jeden lieber als mir goͤnne. *Hæc & ſeqq. ad imitationem Conviv. Caſal. Solches ſagend / griffe ſie nach dem Buͤchlein / die ſchoͤne Diana genannt / welches Floridan ungefaͤhr ne - benſich geleget / und gabe den andern zu - verſtehen / daß ein jedes neben ihr / aus dem erſten Gedichte / welches nach Er - oͤfnung des Buchs ihnen wůrde zu Ge - ſicht kommen / ihm eine Zeile erwehlen ſolte; und weſſen erwehlte Zeile von der Herrſchaft reden wůrde / der oder die ſolte das Haupt der Geſellſchaft ſeyn. Nach beſchehener Zeilwaͤhlung / ſchluge ſie das Buch auf; und fande ſich / am 172 Blat des 1 Theils / das Lied des Mohren Abindaraetz / deſſen Anfang:
und ward Sylvia zur Geſpraͤch - oderD vjSpiel -76Geſpraͤchſpiel-Geſellſchaft. Spiel-Gebieterinn benennet / weil ihre achte Wahlzeile alſo lautete:
Haͤftig wurden ſie alle erfreuet / als ſie ver - nahmen / daß Floridans Wahl vom Gluͤck beſtaͤttigt worden: zumahln an Sylvia ſich ein edler Geiſt und trefflicher Verſtand zeigete / auch in ihrem Ange - ſicht ſo eine mit Holdſeligkeit vermiſchte Hoheit erſchiene / daß ſie / auch nur mit Stillſchweigen / die allerfrecheſten Her - zen haͤtte koͤnnen zu gehorſam zwingen und bringen. Demnach ward ihr / von der Geſellſchaft / die ſchuldige Ehrerbie - tung erwieſen / und das Amt / ihnen allen nach belieben zubefehlen und als Gebiete - rinn vorzuſtehen / ihr aufgetragen. Wel - ches ſie annahme / mit dieſer Gegenrede: So es wahr iſt / wie es dann iſt / daß / wo am minſten Verdienſt / alda am meiſten Gluͤck ſich befinde / ſo hat meine Geſell - ſchaft nicht Urſach / meinen itzigen Ehr - Nahmen zubewundern / oder zubenei -den.77Geſpraͤchſpiel-Geſellſchaft. den. Das Glůck und der blinde Zufall hat mir dasjenige zugeeignet / was eine rechte Wahl und mein Unverdienſt mir ſonſt verſagthaͤtte. Demnach habt ihr / nit mir / ſondern euch ſelber gluͤckzuwuͤn - ſchen / uͤm daß /[i]ndem die Fortun euch den Rucken und mir das Antlitz gewie - ſen / hierdurch euer Verdienſt und meine Unwuͤrde vor den Tagen getretten. In - maſſen auch / beydes mein armer Ver - ſtand / und mein demuͤtigs Herz / der Bey - ſorge / von mir mit hohen Fragen und Befehlen belaͤſtigt zu werden / euch uͤber - hebet. Du wirſt / Edle Gebieterinn / (widerredte Myrtillus /) uns nicht ůber - reden / anderſt zu glaͤuben / als daß die Tu - gend ſich der Hand des Gluͤcks gebrau - chet / dir die Ehre zugeben / die du verdie - neſt. Nach dieſen und andren Reden / befahle ihnen Sylvia / ſich in die Runde zuſetzen.
Nachdem jedes ſeine Stelle genom - men / ſchwiegen ſie ein zeitlang alle zu - ſammen: weil die andern der Sylvia / und dieſe hinwiederum ihrer einem / dieD vijEhre78Geſpraͤchſpiel-Geſellſchaft. Ehre laſſen wolte / am erſten zureden. Endlich fienge ſie an: Ich dachte / das Gluͤck habe mich zum Haupt der Reden - den gemacht; aber nun ſihe ich mich eine Koͤniginn ſtummer Bilder / und einſam mitten in der Geſellſchaft. Von dem Verſtand im Haupte / (ſagte Dorilis /) erwartet die Zunge Befehl / was ſie re - den ſoll. Ich nehme Anlaß von[ eurem] Stillſchweigen / (verſetzte Sylvia / nach kurzem Bedacht /) dir Alcidorn / den ich ſo kurzweilig als ſinnreich erkenne / zube - fehlen / daß du / einem Geſpraͤchſpiel von der Einſamkeit / den Anfang macheſt. Auf Befehl / (antwortete er /) ſoll und will ich dieſem Spiel ſolche Maß geben / daß unſer jedes ihme einen zur Einſam - keit bequemen Ort erwehle; die Urſach / waruͤm er in ein einſames Leben ſich be - geben wolle / vorbringe / und ſolche mit ei - nem Reimſpruch erweiſlich mache. Hier - auf ſollen zweye / ſo die wichtigſte Urſach ihrer erwehlten Einſamkeit vorgebracht / zu Richtern erwehlet werden / und der andern jedem eine Frage zu beantwortenvor -79Die erwaͤhlte Einſamkeit. vorlegen / oder eine Poeſy anfordern. Und hierzu will ich / der Nachfolge in der Kreiß-ordnung / darinn wir ſitzen / er - wartend / den Anfang machen.
Ich / damit mein Gemůte / in der Ge - ſellſchaft / durch fremde Laſter nicht ange - ſteckt werde: will mich in eine von den Leuten entfernte Huͤtte begeben / und da - ſelbſt meine Gedanken ergetzen / mit die - ſem Spruch:
Und ich / (ſagte Myrtillus /) damit ich deſto ungehinterter mit mir ſelber und mit den Verſtorbenen reden / auch den Betrachtungen mich ſchenken moͤge: will / von den Lebendigen abgeſondert / mich in mein einſames Leibzimmer ver - ſchlieſſen / und an die Thuͤr ſchreiben:
Damit meine itzige Glůcks-Wůrde (ſagte Sylvia /) mich nit uͤbermuͤtig undandere80Die erwaͤhlte Einſamkeit. andere verachten mache: werde ich / ſol - che mit dem Tag und mit Endung unſ - res Geſpraͤchs ablegend / mich in eine einſame Grotte oder Gruft unter die Er - de verſtecken / und daſelbſt mich erinnern des bekannten Lehrſpruchs:
Damit meine Augen / (ſagte Flori - dan /) nach fremder Schoͤnheit ſehend / nicht mein Herz verfuͤhren / an meiner Hirtinn untreu zu werden: will ich den - ſelben / mir den Weg in eine einſame Wildnis zu weiſen / gebieten / und da - ſelbſt in einen Baum ſchneiden / dieſe Worte:
Und ich / (ſagte Cleodor) aufdaß ich / meine Poeſy mit dem Lobe dieſer Edlen Nymfen zuadeln / ihren Vollkommenhei - ten deſto faͤrtiger nachdenken koͤnne: will hier an der Pegnitz mich in eine einſameHoͤle81Die erwaͤhlte Einſamkeit. Hoͤle verkriechen / und an deren Eingang eine Rinde haͤften / mit dieſer Aufſchrift:
Damit die Poeten / (ſagte Dorilis) mit ihren luͤgenhaften und nur-erdichte - ten Lob - und Liebes-Liedern / als einem falſchen Syrenengeſang / nicht meine Vernunft einſchlaͤfern und hingegen die Begierden in mir erwecken: will ich aus meiner einſamen Waſſer-Zelle nicht her - vorkommen / meine Ohren mit des Ulyſ - ſes keuſchem Jungfrau-Wachs verſto - pfen / und mit der Schlange ſagen:
Damit nicht eine Schoͤne Grauſame (ſagte Palaͤmon) mich ungeliebt ver - liebt mache / und ich eine unbarmherzige Goͤttinn anflehen muͤſſe: will ich / von dem Pegnitz-Strom / zum Pegaſus -Brunn82Die erwaͤhlte Einſamkeit. Brunn in die Einſamkeit mich begeben / und deſſen Waͤſſerlein dieſe Spruchzei - len lallen lehren:
Damit das Elend und Unrecht dieſer Zeiten (ſagte Ferrando) mich nicht be - truͤben noch erzuͤrnen moͤge: will ich mir im Wald eine Einſidelhuͤtte bauen / und daſelbſt nach der Elyſiſchen Erloͤſung ſeufzend / mit dieſem Spruche dem Welt - Unweſen abſagen:
Und ich / (beſchloſſe Galathee) damit ich nicht anderer Nymfen ſchoͤne Geſtalt und Holdſeligkeit / welche der Himmel ihnen verliehen und mir verſaget / mit Neid und Leid anſchauen muͤſſe: will mich und meine Ungeſtalt mit meiner Eiche / darinn ich wohne / verdecken / undauſen83Die erwaͤhlte Einſamkeit. auſen an das Baumzimmer ſchreiben:
Sylvien und Floridans erwehlte Ein - ſamkeit / ward vor die loͤblichſte erklaͤret / und ihnen folgbar das Richter-Amt / den anderen / zur Straffe / eine Antwort oder ſonſt etwas aufzubuͤrden / aufgetragen. Zudem / daß ein Arzt (ſagte Sylvia zum Aleidor /) gern uͤm die Siechen ſeyn ſoll / ſie geſund zumachen: ſo haſt du noch nicht erwieſen / daß alle Geſellſchaften unrein ſind / dich anzuſtecken. Und da - mit wir daher nicht Urſach nehmen / we - gen ſolcher falſchen Beſchuldigung / dich von unſerer Geſellſchaft auszuſchlieſſen / ſo ſey / uns zuverſoͤhnen / diß deine Straf - fe / daß du Neun Dinge / ſo den Fruͤling zieren / erzehleſt und mit dieſer Geſellſchaft Lobe vermaͤhleſt. Alcidor bedachte ſich etwas / und brachte endlich dieſe Zeilen zu markte:
Du haſt dich / mit einer guten Muͤnze / wieder eingekauft! ſagte Sylvia / und fuhre hierauf fort gegen Cleodorn: Weil deine erwehlte Einſamkeit / Fremdling! ſich einiger Schmeicheley verdaͤchtig ge - macht / ſo ſey dir zur Straffe auferlegt / uns etwas zu poetiſiren / darinn einer Hirtin oder Schaͤferinn mit Unlob ge - dacht werde. Cleodorn befremdete die - ſer Befehl; weil er aber gehorſamen muſte / lieſſe er folgendes Sonnet hoͤren:
Der Befehl / iſt hoͤflich vollzogen! ſagte Floridan. Du aber / ſchoͤne Nym - fe! (fuhr er fort / wider die Dorilis /) weildu /86Die erwaͤhlte Einſamkeit. du der Liebe / aus Unbarmherzigkeit / in ein einſames Ort / entfliehen wilſt / gibe ich / zur Straffe / aufzuloͤſen das Raͤtſel eines Verliebten / welcher ſeine Liebſte al - ſo angeſprochen: Ich bin ohne Gott / oh - ne dich / und ohne mich. Dieſer Ver - liebte (antwortete Dorilis /) hat ſo viel ſagen wollen: Er lebe ohne Gott / an den ihn die Liebe nit denken ließ; ohne die ein - gebildte Seine / weil ſie ſolche nit werden wollen; und ohne Sich ſelber / weil er in Sie verlohren ware.
Und du / Palaͤmon! (ſagte Sylvia / wider dieſen /) der du / aus Beyſorge nit wider geliebt zu werden / dich fuͤrchteſt verliebt zu werden: laß uns / dieſer deiner Furcht zur Straffe / ein Liedlein hoͤren / mit welchem du diejenige abgeſegnen wolteſt / welche deine vorige Lieder nit haͤtte gewierig angehoͤret. Meine Ein - ſamkeit / (widerredte er /) wird mich wol ſichern vor dieſer Abenteur. Jedoch diß orts nicht ungehorſam zuerſcheinen / hal - te ich dafuͤr / meine Abdankungsgedan - ken wuͤrden ſich alſo einrichten laſſen.
An87Die erwaͤhlte Einſamkeit.Nachdem die ganze Geſellſchaft die - ſen Geſang belaͤchelt / ſagte Sylvia zum Ferrando: die Straffe deiner Ungedult und Zornſucht / welche dich aus der Welt - Unruh in das Einſidel-Leben fliehen macht / ſoll dieſe ſeyn / daß du uns ſageſt / welcher Leute Anzahl in der Welt groͤſſer ſey / der Todten oder der[ Lebendigen]? Ei - ner von den Alten hat auf dieſe Frage ge - antwortet / (antwortete Ferrando /) es ſeyen mehr der Lebendigen / weil die Tod - ten nicht mehr ſind. Worbey ichs be - wenden laſſe: wiewohl / die Frage aus dem grund zu beantworten / mit Unter - ſchied davon zu reden waͤre.
Endlich wurde der Dorilis / ſie uͤm ihre aus Neid erwehlte Einſamkeit zu - ſtraffen / von Floridan die Frage zuer - klaͤren vorgeleget / welche die aͤltſte und beſtaͤndigſte Liebhabere geweſen oder noch waͤren? Dieſe ſind es / (antwortete ſie /) welche die innerliche Schoͤnheit lieben: dann / weil ſolche Schoͤnheit mit den Jahren zu wachſen pfleget / als kan es nit fehlen / es muß auch die Liebe mit dem Al - ter zunehmen.
EWie90Die lebendig-TodtenWie nun alſo diß Geſpraͤchſpiel ſich geendet / widerholte Sylvia ihre Frage von den Todten und Lebenden / und be - fahle dem Ferrando / ſeine fernere Gedan - ken hiervon / der Geſellſchaft mitzuthei - len. Wann / unter den Todten / (fiengt er an / diejenigen / welche von der Welt Anfang her geſtorben ſind / verſtanden werden: ſo muß man zum Gegenſpiel ſa - gen / daß der Todten viel tauſendmahl mehr ſeyen / als der Lebendigen. Wann wir aber betrachten / daß die Todten in einer andern Welt leben / und die See - len unſterblich ſeyen: ſo bleibt es bey der Antwort / daß der Lebendigen mehr ſeyn; ja man kan / auf ſolche weiſe / ſagen / daß gar keine Todte ſeyen. Wiederuͤm / weil die meiſte Verſtorbene / mit ihrem boͤſen Leben / den Tod der ewigen Qual verdie - net und ſolchen allbereit am hals haben: ſo muß man abermals / die Anzahl der Todten / vor die groͤſte achten. Man kan auch mit dem Plato ſagen / (ſagte Myrtillus /) daß in dieſem Leben mehr Todte als Lebende ſeyen: nicht allein /weil91und Todt-Lebenden. weil der groͤſte Haufe nicht nach Tugend und geſunder Vernunft lebet; ſondern auch / weil der verderbliche Leib / das Be - graͤbnis der Seele / taͤglich ſtirbet / und wir ſo manchem Tode unterworfen ſind / ſovielerley Krankheiten und Truͤbſalen uns begegnen koͤnnen. Solchergeſtalt ſterben wir / die wir izt leben: und fangen erſt an zu leben / wann wir ſterben. Alſo ſind / wir Lebende / die Todten; und die Todten / ſind die Lebendigen.
Es wird auch ſonſt in dieſem Leben / von den Nymfen und Schaͤferinnen / die Zahl der Todten vermehret: ſagte Cleo - dor. Und welchergeſtalt thuen ſie ſol - ches? fragte Galathee. Durch verliebt - machen / und nicht-widerlieben! verſetzte der Schaͤfer. Dann wann Krankheit und Truͤbſal / wie Myrtillus izt vorge - bracht / ein Tod unſres Lebens iſt: ſo ſind / die beſchmerzte und betrůbte Liebhabere / gar gewiß unter die Todte zuzehlen. Und derer wirſt vielleicht auch du einer ſeyn? fragte ihn Sylvia. Du ſagſt es / Edle Nymfe! gabe er zur Antwort: und ichE ijwuͤrde92Die Lebendig-Todtenwuͤrde luͤgen / wann ich es leugnete. Es iſt aber nichtes an dir / (unterredte Do - rilis /) das einem Todten gleich ſihet. Wie ſolte er leben? rieffe Alcidor. Die Seele des Verliebten / iſt ja nicht / wo ſie lebet / ſondern wo ſie liebet. (a)Anima amantis non eſt, ubi animat, ſed ubi amat. Er iſt ihm ſelber geſtorben / und lebet in ſeiner Moͤrderinn. Wie kan man einen ermorden / (fragte Galathee /) den man nit anrůhret? Und wie koͤnnen wir morden / (thaͤte Sylvia hinzu /) welches ein Thun iſt? indem wir geliebet werden / welches ein Leiden iſt? Zwar das Wort / Lieben / (widerredte Floridan /) iſt ein Thun: aber das Werk / iſt ein Leiden. (b)Amare, eſt Paſſivum: amari, Activum. Wer liebet / der leidet; und hingegen die machet leiden / die da geliebet wird. Weil aber (ſagte Dori - lis dargegen /) der Liebhaber freywillig liebet und folgbar leidet / ſo kan er ja nie - manden als ſich ſelber anklagen; am al - lerwenigſten die Geliebte / die ihm / nicht befihlet / vielmehr verbietet / ihre Perſonzu lie -93und Todt-Lebenden. zu lieben. Sie ermordet ihn / (verſetzte Palaͤmon /) nicht durch ihre liebreiche Schoͤnheit / ſondern durch liebloſe Haͤr - tigkeit. Man iſt ein Moͤrder deſſen / den man ſterben laͤſſet / da man ihm haͤtte koͤn - nen das Leben friſten.
Ihr ſeyt ůberſtimmet / Edle Nymfen! (ſagte Cleodor /) und koͤnnet / zu meinem Troſt / nun nicht mehr leugnen / daß ihr an uns Maͤrterern zu Moͤrderinnen wer - det. Wir geben noch nit gewonnen! widerſprache Sylvia. Ich und meine Geſpielinnen haben keine Schuld daran / wann deine Geliebte mit dir Krieg fuͤh - ret. Gluͤkſelig waͤre ich / (gabe er zur Antwort /) wann ſie es thaͤte: ich haͤtte ſodann / mit der Hofnung des Sieges / mir zu ſchmeicheln. Aber / ſie verſagt mir důrres und gruͤnes / und will weder Kriegen / noch Frieden mit mir halten. Und was das aͤrgſte iſt / ſie toͤdet und braͤ - tet mich langſam an dem Feuer ihrer Kaltſinnigkeit / und macht mich taͤglich ſterben. Du haſt viel Worte / (ward ihm von Galatheen vorgeſtoſſen /) dieſeE iijUnſchul -94Die Todt-Lebenden. Unſchuldige aus zuſchelten. Diß Schel - ten / (widerredte er /) iſt eine Lobrede ih - rer Vollkommenheit. Man preiſet ei - nen Feind fuͤr dapfer / wann man die von ihm empfangene Wunden vorweiſet. Weil du ſie dann lobeſt / (ſagte Dori - lis /) nun ſie gegen dir grauſam iſt: ſo wuͤr - deſt du ſie ja ſchelten muͤſſen / wann ſie guͤtig wuͤrde. Keineswegs! (verſetzte er /) ſondern ich wolte ihr zweyfaches Lob zahlen: das erſte / ihrer Zucht; und das andre / ihrer Holdſeligkeit. Sie hat / (erwiederte die Nymfe /) ihrer Ehre zum Vortheil / mehr dein Schelten als Loben zuverlangen. Und du / wann dir ihr Ehr-anſehen lieb iſt / wie es dann billig ſeyn ſoll / haſt Urſach / ihre Zucht / viel - mehr / dir zu Schmerzen / lobbar / als dir zur Wolluſt / beſcholten zumachen. Mei - nes erachtens / (ſetzte Sylvia hinzu /) iſt ein Weibsbild lobwůrdiger / wann ſie durch ihre Grauſamkeit ihren Verlieb - ten zu todt martert / als wann ſie / nach ſei - nem Wunſche ſich bequemend / ihm das Leben erlaͤngert. Es wird das baͤſte ſeyn /(beſchloſ -95Geſellſchaft Spiel-Geſpraͤche. (beſchloſſe Galathee /) daß die Liebe ſter - be / und alſo die Geliebte bey Ehren / und der Liebhaber bey Leben / verbleibe.
Sylvia beredte ſich hierauf in etwas mit ihren Gedanken / und fienge endlich wieder alſo zu reden an: Unſer voriges Spielgeſpraͤche / behandelte die Einſam -[ke]it. Dieſem zum Gegenſchatz / wirſt du / Schaͤfer / (ſagte ſie zum Palaͤmon /) dir belieben laſſen / ein Spielgeſpraͤche von der Geſellſchaft anzuſpinnen. Indeſ - ſen Palaͤmon ſich hieruͤber bedachte / ſagte Myrtillus: Unſre ſchoͤne Gebieterinn zei - get uns ihren hohen Verſtand / indem ſie zuvor / dem Aeltſten unter uns / das Spiel der Einſamkeit / und itzo dem Juͤngſten / das Spiel der Geſellſchaft / aufgetragen. Es wird auch / (verſetzte Palaͤmon /) aus dem Unverſtande meiner Anſtalt / meine Jugend erhellen. Und indem ich / Edle Gebieterinn! deinen Befehl ehrend / mei - ne Schande vorbringe / wirſt du bekennen muͤſſen / daß ich / die Pflicht / dir zuge - horſamen / derienigen / die ich mir ſelber und meiner Ehrbegierde ſchuldig bin /E iiijvor -96Geſellſchaft Spiel-Geſpraͤche. vorgezogen habe. Nach meiner Ein - falt / nun halte ich dafuͤr / dieſes Spiel ſey auf vielerley Weiſe / und zwar erſtlich al - ſo anzuſtellen / daß ein jedes von uns ei - nem andern etwas uͤberreiche / welches von zweyen zuſammengeſellten Dingen erzeuget oder zu weg gebracht worden. Zum Beyſpiel / kan ich zu meinem Nachbarn ſagen: Ich bringe dir einen Fiſch / welchen das Koͤder und der Angel in Geſellſchaft mit einander gefangen. Als die Nymfen ſich entſchuldigten / wie - daß das Spiel ihnen zu ſchwer ſey / und ſie nit wuͤrden einhalten koͤnnen; ſagte Floridan: damit unſre ſchoͤne Nymfen / ſich etwas zu bedenken / Zeit gewinnen moͤgen / ſo koͤnnen wir Schaͤfere den An - fang machen: und wird der ſinnreiche Erfinder dieſes Spiels / uns vorgehend / unſrer Nachfolge erwarten.
So bringe ich dann / (ſagte Palaͤ - mon /) der Edlen Dorilis / eine Wunde / welche / dem Herzen ihres Liebhabers / ihre Schoͤnheit und Keuſchheit / ſich zu - ſammen geſellend / zugefuͤgt haben.
Und97Geſellſchaft Spiel-Geſpraͤche.Und ich / (ſagte Myrtillus /) ůberrei - che ihr die Verwirrung / welche / durch Vergeſellſchaftung der Furcht und Hoff - nung / in ſeinem Herzen entſtanden.
Unſre ſchoͤnſte Gebieterinn / (ſagte Flo - ridan zu Sylvien /) hat von mir zuem - pfangen die Verwunderung / welche / ihr Verſtand / mit dero Holdſeligkeit ver - maͤhlet / in meinem Gemuͤt erzeuget.
Und ich / (ſagte Cleodor /) opfere ihr den Gehorſam / welchen das ihrer Tu - gend zugeſellete Gluͤck / von uns allen / als eine Schuldigkeit / fordert.
Meine Gabe / Edle Nymfe / (ſagte Alcidor zu Galatheen / bey deren er ſaſſe) iſt ein Lobgedicht / welches die Poeſy / von dem Preis deiner Vollkommenheiten ge - ſchwaͤngert / zur Welt gebohren hat: ſo du / von mir anzunehmen / nicht ver - ſchmaͤhen wolleſt.
Und die meinige / (ſagte Ferrando wi - der ſie /) iſt ein guͤldnes Netze / welches die Liebe / unſere Herzen damit einzufangen / aus deinen Haaren geſtricket / indem ſie ſelbſten ſich darinn verwirret.
E vEuer98Geſellſchaft Spiel-Geſpraͤche.Euer Geſchenke / (ſagte Sylvia / zum Floridan und Myrtillus /) erwidere ich mit meiner Schamroͤte / welche eure Be - lobung und mein Unverdienſt mir auf die Wangen gemahlet.
Zur Gegengabe / koͤnnt ihr beyde (ſagte Dorilis / zum Palaͤmon und Cleodor /) dem vermeinten Liebhaber / in welches Namen ihr mich beſchenket / andeuten meinen Unglauben / den ſeine Klage und meine Unſchuld in mir gezeuget.
Und euch beyden / (ſagte Galathee / zu den zweyen uͤbrigen /) uͤberreiche ich den Krieg / welchen bey mir eure Erdichtun - gen un̄ der Augenſchein / ſich miteinander begehend / ausgebruͤtet.
Mir zweifelt nicht / (fienge Palaͤmon wiederům an) ihr andere werdet beken - nen / daß unſere Gebieterinn und Cleodor die ſinnreichſte Gabe gethan. Als ſie ihm alle beygefallen / ſprache er dieſe zweye von dieſer Spiel-ůbung ledig / und lieſſe ſie von der Geſellſchaft austretten. Den uͤ - brigen gabe er zuvernehmen: Ein jedes muͤſſe / zu Fortſetzung des Spiels / einemandern99Geſellſchaft Spiel-Geſpraͤche. andern etwas uͤberreichen / daß aus vie - len Stucken gleichſam zuſammengeſellt waͤre.
Ich / Edle Nymfe / (ſagte er zur Do - rilis) uͤberreiche dir einen Ruchbuſch / aus vielen Blumen zuſam̄en gebunden.
Und ich / (ſetzte Myrtillus hinzu /) uͤ - bergibe ihr ein Buch / von ihren Trefflich - keiten redend / welches ihr viel gelehrte Federn / als einen Ehren Tempel / ge - widmet.
Und ich / gibe / (ſagte Floridan) ihren zarten Gliedern zur Ruhſtaͤtte / ein gruͤ - nes Waſenhuͤgelein / mit vielen Graͤſ - lein und Kraͤutlein uͤberwachſen.
Dir / Edle Nymfe / (ſagte Alcidor zu Galatheen) ſey von mir ůbereignet / mein hohes Alter / welches die Zeit mit vielen Jahren aufgehaͤufet.
Mein Zuſatz iſt / (ſagte Ferrando) meine Erfahrenheit / welche ich aus vie - len Gluͤcks - und Unglůcks-Faͤllen ge - ſammlet habe.
Habe dir dagegen / (ſagte Galathee) E vjeine100Geſellſchaft Spiel-Geſpraͤche. eine Honig Wabe / von vielen Bienlein zuſammengetragen.
Deinen Blumenbuſch / Palaͤmon / (ſagte Dorilis) erwidere ich mit einem Seidenen Band / welches viele Seiden - wuͤrmer zuſammengeſponnen.
Nachdem hierauf abermals Alcidorn und Ferranden / von den Ausgetrettenen / die ſin̄reichſte Spiel Rede zugeſprochen / und ſie beyde des Spiels erlaſſen worden: ſetzte Palaͤmon das Geſpraͤche fort / und forderte von den Ubrigen / daß jedes zwey Dinge benennen ſolte / die miteinander in guter Freund - und Geſellſchaft ſtuͤnden.
Der Ulmbaum und Rebenſtock / (ſag - te er) ſtehen miteinander in liebreicher Umarmung.
Die ſchoͤnſte Vereinigung / (ſagte Dorilis) iſt zwiſchen unſren beyden U - bertrefflichſten Hochvermaͤhlten! und wird / Seine Hochhoͤflichkeit mit Ihrer Holdſeligkeit / die anmuͤtigſte Geſellſchaft machen.
Stand und Verſtand / (ſagte Gala - thee) ſtehen Adelich-ſchoͤn beyſammen.
Tugend101Geſellſchaft Spiel-Geſpraͤche.Tugend und Adel / (ſagte Floridan) ſind ein vermaͤhltes Paar / und fuͤhrt die - ſer ohn jene ein verwittibtes nur-halbes Leben.
Ein Aufſchneider / und ein Schmeich - ler / (ſagte Myrtillus) machen gute Ge - ſellſchaft zuſammen.
Nachdem wiederuͤm / auf Beurthei - lung der andren / die zwo Nymfen neben Floridan ausgetretten; ſagte Palaͤmon zu Myrtillen: Wir muͤſſen nun das Spiel enden / mit Benennung zweyer Dinge / die / zuwider den vorigen / in boͤſer Ge - ſellſchaft miteinander ſtehen.
Ubel vertragen ſich / (fuhre er fort /) zween Verliebte bey Einer Geliebten.
Noch ůbler / (verſetzte Myrtillus) zween Großherren / in Einem Reiche.
Wie ich ſehe / ſo lauft mein Spiel vor mich uͤbel hinaus / indem es mich aller Geſellſchaft beraubet: ſagte Palaͤmon / als Myrtillus / durch die andern ledig ge - ſprochen / ihn Allein verlaſſen. Du wirſt vielleicht (zupfte ihn Alcidor) ſo unleid - lich und unvertraͤglich ſeyn / daß niemandE vijuͤm101[102]Geſellſchaft Spiel-Geſpraͤche. ům dich bleiben kan. Ich will vielmehr ſagen / (ſagte Dorilis) unſre Geſellſchaft ſey ihm zuwider / und er habe / uns von ihm abzuſondern / dieſes Spiel angefan - gen. Weil er uns dann (thaͤte Ferran - do hinzu) ſeiner Geſellſchaft unwůrdig geachtet / ſo iſt er wuͤrdig / forthin von der unſern ausgeſchloſſen zu bleiben. Es hat uͤberdas / ſein Ungehorſam / (ſagte Ga - lathee) eine Straffe verdienet. Es war ihm befohlen / ein Geſellſchaft Spiel an - zugeben: und er hat ſolches auf die Ein - ſamkeit hinausgeſpielet. Ich erfahre nun wahr zuſeyn / (ſagte er darwider) daß / wann der Baum liget / ein jeder mit der Axt ſich uͤber ihn will hermachen. Deine Straffe ſoll ſeyn / (gabe Sylvia / nach - dem ſie mit den andern ſich beredet / den Ausſpruch) daß du entweder unſer jedem eine Frage beantworteſt oder / ſo du ſol - ches nicht wirſt thun koͤnnen / dieſen gan - zen Sommer von unſerer Geſellſchaft ausgeſchloſſen bleibeſt. Mir wuͤrde / das Letzere / (gab er zur Antwort) unleidlicher als der Tod ſelber ſeyn. Wie werde ichaber103Geſellſchaft Spiel-Geſpraͤche. aber gegen Achten beſtehen koͤnnen / da auch Hercules niemals zweyen zugleich widerſtanden? Gleichwol / die letzere Straffe zuvermeiden / erwaͤhle ich die er - ſtere. Aus den Fragen werde ich erken - nen / ob man guͤtig oder grauſam gegen mir geſinnet ſey? Durch leichte Fragen / die meiner Verſtand-Armut gemaͤſſe ſind / werdet ihr mir loͤblich den Weg bah - nen / zu eurer Wohlneigung / die ich un - bedachtſam verſcherzet / wieder zugelan - gen. Aber allzuhohe Fragen / werden mir Urſach geben / euch anzuklagen / daß ihr / welches ich nicht verdienet zuhaben ver - meine / mich gern todt ſehen wollet.
Hierauf fienge Sylvia an zufragen / und begehrte / Er ſolte ihr benennen ei - nen Gewinn / bey welchem groſſer Ver - luſt ſey. Ein ſolcher iſt dißorts der mei - nige! gabe er zur Antwort. Dann mit meiner Bemuͤhung / ein Spiel zuerfin - den / habe ich der Geſellſchaft Ungnade gewonnen / welches mir der groͤſte Ver - luſt iſt.
Auf der Dorilis Frage / Weme / einGeheim -104Geſellſchaft Spiel-Geſpraͤche. Geheimnis / am ſicherſten zuvertrauen ſey? antwortete er? Einem Luͤgner! dan̄ dieſem / ob er es ſchon ausplaudern moͤch - te / wird nicht geglaͤubet.
Gleichfalls / auf Galatheen Frage / Was das Geſchwindeſte auf Erden ſey? gabe er zur Antwort: Das Gemuͤte! dann dieſes kan / in einem Augenblick / alle Dinge durchlaufen.
Abermals / auf Floridans Frage / Wo - mit man den Neid vergleichen koͤnne? benennte er eine Schabe: dann dieſe / (thaͤte er hinzu) benaget erſtlich das Kleid / aus dem ſie gewachſen / ehe ſie ein anders durchloͤchere. Alſo verzehret der Neid ſich ſelber / ehe er einen andern be - ſchaͤdigen kan.
Als Myrtillus ihn fragte / Was dem Tod am aͤhnlichſten ſey? ſagte er zu Sylvien: Edle Nymfe / du wolleſt Myr - tillen befehlen / daß er mich etwas anders frage: dann ſonſt werde ich / mit mei - ner Antwort / abermal Ungnade verdie - nen můſſen. Du darfſt hier alles ſagen / (verſetzte Sylvia /) was zuͤchtige Ohrennicht105Geſellſchaft Spiel-Geſpraͤche. nicht beleidiget. So ſage ich dann / (ſag - te er /) es ſey dem Tod nichts aͤhnlicher / als eine ſchoͤne Nymfe oder Schaͤferinn: dann ſie fliehen alle beyde vor demjeni - gen / der ſie anflehet und ihrer begehret.
Dieſe Antwort / ward von den Schaͤ - fern wohl belachet / und gefiele ſie inſon - derheit dem Cleodor: welcher fragte / Ob etwas ſey / daß mehr brenne als Feuer? Das iſt die Liebe / antwortete Palaͤmon: dann das Feuer brennt allein in der Naͤhe / aber die Liebe auch in der Ferne.
Alcidors Frage war / Was ſich mit dem Alter vergleiche? die wurde alſo be - antwortet: Den Eheſtand und das Al - ter verlanget iederman / und wann man ſolche erlanget / wuͤnſcht mancher ſich wieder darvon ledig.
Ferrandens letzte Frage / Ob die Liebe mehr Kraft in den Augen / als auf der Zunge / habe? machte dem Palaͤmon etwas Nachdenkens. Endlich ſagte er: Ich halte darfůr / man verliebe ſich eher in eine Stumme Schoͤne / als in eine blinde Wohlrednerinn.
Nach -106Geſellſchaft Spiel-Geſpraͤche.Nach dem alſo Palaͤmon alle Fragen wohl beantwortet / ſagte Sylvia wider ihn: Ich mag izt wohl meine Frage und deine Antwort ůmkehren / und ſagen / du habeſt / mit dem vorigen Verluſt unſerer Geſellſchaft / viel gewonnen. Dann auf Erkaͤntnis deines hurtigen Verſtandes / mit dem du dich aus deiner Einſamkeit und unſrer Ungunſt entwickelt / nehmen wir dich nun viel wehrter wiederum in unſre Geſellſchafft / und bitten / an ſtat wir dir dieſelbige zuvor verbieten wollen / daß du uns ja aus der deinen nicht aus - ſchlieſſen wolleſt. Als Palaͤmon vor dieſe Gnade gedanket / und ſie wiederum zu - ſammen getretten / ſagte ihm Alcidor an das Ohr / doch daß es die andern alle hoͤr - ten: Verzeih mir / daß ich dich zuvor ver - ſtoſſen helfen. Ich muſte unſerer Gebie - terinn gehorchen / und der Gerechtigkeit beyſtehen. Gleich wie aber / dein Unglůck / mich herzlich betruͤbet: alſo bin ich nun auch mit dir erfreuet / ob dem Gluͤcke / das dir hier aus entſtanden / und daß du wieder aufgenommen worden. Als je -derman107Geſellſchaft Spiel-Geſpraͤche. derman hieruͤber lachete / ſagte Dorilis: Sehet! Alcidor will ſich nun dem Pa - laͤmon wieder zuſchmeicheln / den er zu - vor gebiſſen. Er mag itzt ſagen / was er will / (ſagte Galathee zum Palaͤmon /) ſo magſt du mir wohl glauben / daß Alci - dor der haͤftigſte wider dich geweſen / und am allermeiſten dir zu Ungunſt geredet. Wer weiß / (unterredte Myrtillus /) ob Alcidor nit vielmehr vor ihn geredet? die Verliebten / wie er einer zu ſeyn ſcheinet / zuͤrnen nicht darůber / wann man ſie Al - lein laͤſſet: damit ſie / mit den Gedanken / ſich zu ihren Goͤttinnen geſellen koͤnnen.
Deſſen bin ich wohl entſchuldiget: ſagte Palaͤmon. Ich halte aber dafuͤr / Myrtillus / weil er bey mir / dem Straͤff - ling / bis auf die Letze verharret / und eure Geſellſchafft uͤm die meine vertauſchet / muͤſſe dißmahl auch nit ungeſtrafft aus - gehen. Er wird uns ein Lied ſingen: be - fahle Sylvia; und dich / zur Straffe die - ſer deiner Anklage / verurtheile ich zu glei - cher Schuldigkeit. Indem ich meine Straffe ausſtehe / (ſagte Myrtillus /) werde108Das gefundene Perlein. werde ich dich / Edle Nymfe / zugleich hinwiederum ſtraffen / durch den Ver - druß / den dir mein Geſang machen wird. Hierauf ſange er / folgendes Lied.
Me[i]ne Straffe zubezahlen / erinnere ich mich (ſagte Palaͤmon einer Zeit uͤm dieſe Jahrzeit / da dieſer Ort / von einer Waſſergůſſe uͤberſchwemmet / gar be - truͤbt ausſahe / und einem Schaͤfer etliche Klagen abgelocket; welche / wan̄ ich mich recht erinnere / dieſes Inhalts geweſen:
Nachdem Palaͤmon dieſes Lied geen - det / ſagte Sylvia wider ihn: du haſt zu -vor115Liebs Kraft der Augē u. Zunge. vor Ferrandens Frage / von Liebes-Kraft der Augen und Zunge / zwar kuͤrzlich be - antwortet / aber nicht allerdings erklaͤret. Wir verlangen / aus deinem Munde / hiervon etwas mehrers zuvernehmen. Wann man dieſe Frage (fienge er an /) aus dem grund heben will / ſo muß man ſie bey zweyen Handheben faſſen: dann hier ſind zu betrachten / einerſeits die Ge - liebte Perſon / und anderſeits der Ver - liebte; wiederuͤm einstheils der Anfang / andern theils der Fortgang der Liebe. An ſeite der Geliebten Perſon / werden Au - gen und Mund betrachtet / als Stuͤcke ihrer Schoͤn - und Vollkommenheit: da ſie dann / je nachdem ſie / eins vor dem andern / ſchoͤn und holdſelig ſind / blicken / ſchimmern / reden und lachen / gleiche Kraft haben / andere verliebt zumachen: Aber an ſeite des Verliebten / hat die Liebe die meiſte Kraft in ſeinen Augen / durch welche ſie erſtlich in ſein Herz hin - eindringet. Dann dasjenige / was man aus natuͤrlichem Antrieb liebet / iſt die Schoͤnheit und Holdſeligkeit / die manF ijmit116Liebes Kraft der Augenmit den Augen ſihet. Daher pfleget man die Liebe deſſen / der etwas haͤſſ - und unfreundliches liebet / eine blinde Liebe: und waͤre gegenwaͤrtige Frage / mit recht / die Frage eines Blinden / zu nennen.
Es iſt aber nichts neues / (unterredte Ferrando /) daß / einer Schaͤferiñ freund - liches Reden / welches durch die Ohren ins Herz dringen muß / einen Schaͤfer verliebt gemacht. Es iſt nichts neues! widerredte Palaͤmon: aber auch nichts gewoͤhnliches. So iſt uͤberdas die Re - de des Munds / welche durch die Ohren anzuͤndet / nur ein Stuck der liebbaren Vollkommen[h]eit. Aber der holdſeelige Mund ſelber un̄ die uͤbrige ganze Schoͤn - heit / iſt ein Gegenwurf der Augen: die ſind der Weg / die Thuͤren und Fuͤhrer der Liebe / zum Herzen. Es gibt aber auch die taͤgliche Erfahrung / (ward von Cleodorn eingeſtreuet /) daß man / bloß aus dem Geruͤchte / verliebt wird / und viele gegeneinander entbrennen / die ein - ander nie geſehen. In ſolchen Faͤllen / (verſetzte Palaͤmon /) bildet die Fantaſie /als117und Zunge. als die innerliche Sinnen Bildnis / dem Geiſt die Schoͤnheit der geliebten Perſon vor / wie ſie / der Beſchreibung nach / be - ſchaffen iſt oder ſeyn moͤchte: und wird alſo das Herz / durch die Augen der Fan - taſie / lieb entzuͤndet.
Wann nun / die Augen des Ver - liebten / (fuhre er fort /) das Gift und Feuer der Liebe eingetrunken / ſo ſchicken ſie ſolches / wie geſagt / dem Herzen zu. Das Herz / hierdurch angeſteckt und ent - zuͤndet / erfuͤllet den Mund mit Seufzern und Klagen / der ſolche in Worten aus - laͤſſet und ſtoͤſſet. Durch dieſe Klag - und Bitt-worte / wird die Geliebte zur Gegenliebe beredet und bewogen. Und dieſes um ſoviel eher / wann die Klage mit dem Preis ihrer Schoͤn - und Vollkom - menheit gerechtfaͤrtigt wird: dann Lo - ben / macht Lieben / und man kan ſich demjenigen nit gar verſagen / der gutes von uns ſaget. Solcher[g]eſtalt kan man ſagen / daß die Liebe mehr Kraft habe / in den Augen / Verliebt zumachen; und auf der Zunge / Geliebt zu machen. MeinesF iijErach -118Liebes-Krafterachtens / (zwiſchenredte Floridan /) thuen auch dißfalls die Augen / ein groſ - ſes / indem ſie mit ſehnlichen Blicken / ja ſo gut / als der Mund mit Klagworten / uͤm Erbarmung bitten / auch wohl Threnen mit zugieſſen: derer ein Troͤpflein / mehr erbittet / als ein ganzer Bach von Wor - ten. Es iſt auch oftmals ſicherer / (thaͤ - te Myrtillus hinzu /) durch die Augen / als durch Mund und Feder / reden: weil die - ſes etwan die Geliebte zuerzuͤrnen pfle - get. Es mag Tyrannen geben / wi - derredte Palaͤmon /) die ihren Verwund - ten verbieten / ſich dem Arzte zuzeigen: So ſind doch auch gnaͤdigere Gebieterin - nen / die mehr von denen Verliebten hal - ten / welche flehen / ſuchen und bitten / als von denen / die da warten / bis ihnen der Pflaum ſelber ins Maul falle. Wie wann aber / (fragte Ferrando /) die Bloͤ - digkeit / den Verliebten nit reden laͤſſt? So kan der Mund / ſein Anligen / der Feder empfehlen: antwortete Palaͤmon. Und ſolche / in die Threnen der Augen / eintunken: thaͤte Alcidor hinzu. DieThre -119der Augen und Zunge. Threnen-Worte der Verliebten / (un - terredte Galathee /) flieſſen meiſtteils / nicht aus den Augen / ſondern aus dem Dintenfaß: wer wolte ſolchen Luͤgen - Zeugen trauen? Und wer ſolte / (erlaͤng - erte Dorilis /) ſolche Schwaͤtzer / nicht vielmehr verlachen / als betauren / die mit erdichteten Klagen uns bereden wollen zuglaͤuben / daß ſie todt ſeyen? Man muß nicht / (verſetzte Cleodor /) mit den Unge - treuen / zugleich die Treu-Verliebte ver - dammen. Warm die Liebe nun wechſel - flammet / (vollfuͤhrte Palaͤmon / dieſe Unterredung /) ſo hat ſie gleiche Kraft in Mund und Augen / und gleichſam ihre Nahrung von beyden: indem der Ver - liebte / durch Blicke erquicket / allermeiſt aber / durch freundlichen Geſpraͤchwech - ſel getroͤſtet wird. Aus welchem allem erſcheinet / daß den Augen im Anfang / und dem Mund / im Fortgang der Liebe / der Vorzug gebuͤhre.
Nach dieſem kehrte ſich Sylvia zu Cleodorn / uñ ſagte: Du wirſt heute nicht ſo leer ausgehen / Schaͤfer! ſondern unsF iiijauch120Die threnenden Augen. auch etwas von deiner Poeſy hoͤren laſ - ſen. Mein Unvermoͤgen / (antwortete er /) wird meinen Ungehorſam entſchul - digen: indem es mir verbietet / ſolche Oh - ren mit einem Marſyas - gelirl zubelaͤſti - gen / die der ſuͤßſpielenden Foͤbus-Leyr zuzuhoͤren gewohnt find. Nein! Nein! verſetzte Sylvia: uns iſt von dir ſchon ein andres bekannt; und du wirſt allein ſo unhoͤflich nicht ſeyn / mir heute zu un - gehorſamen / da ich zubefehlen das Gluͤck und die Ehre habe. Vielmehr bin ich unhoͤflich / (widerverſetzte er /) indem ich gehorſame. Und auf deinen Befehl / Edle Gebieterinn / weil zuvor von den Augen und Threnen geredet worden / wi - derhole ich ein Lied / mit welchem ich vor - deſſen beſungen einer Schaͤferinn
Die Sonne hatte inzwiſchen den Tag mit ſich davon gefuͤhret / und die Nacht begunte ſchon ihren Schauplatz mit Am - peln zu beſtecken / auf ſelbigem den Mor - feus ſeine Traum piele vorſtellen zulaſ - ſen: dannenhero unſre Geſellſchaft ſich gedrungen ſahe / ihrem Spielgeſpraͤch ein ende zugeben.
Der Beſchluͤß dieſer Tag Feyer / un - ſerer heutigen Spielg[e]ſpraͤche und mei - ner Gebietſchaft / ſoll ſeyn / (ſagte Sylvia) daß unſer jedes / zu bevorſtehendem Hoch - Graͤflichen Beylager / ſeine Braut - Sch[e]nkung benenne / und einen Wunſch daran haͤnge. Ich / damit ich euch hierin - nen vorgehe / b[r][i]n[g]e einen mit guͤldnem Halsband gezierten Rehbock / der mir ge - ſtern ins Garn gekom̄en; und wuͤnſche / Beyden Hochvermaͤhlten / dieſes WildsF vijLang -126Braut-Schenkungen. Langlebigkeit / mit ſolchen auf das Hals - band geſtickten Worten:
Meine Gabe ſoll ſeyn / (ſagte Gala - thee) eine an meiner Waſſerzelle ligende Reuſſe mit Foren; deren ich einen Ge - ſundheit-Wunſch zugeſelle / durch dieſe Zeilen:
Ich ſchenke der Hochfůrtrefflichen Frl. Braut / (ſagte Dorilis) einen Schien - Korb voll Veilchen / Majenblůmlein / Narziſſen / Hiacynthen und andre Fruͤ - lings Blumen; mit dem Anwunſch / ei - nes immer-bluͤhenden Schoͤnheit-Fruͤ - lings / in dieſem paar Zeilen:
So ſey dann mein Geſchenke / (ſagte Floridan) das baͤſte Lamm von meiner Heerde; welches mein Wunſch mit dem Colchiſchen Goldfell alles Uberfluſſes be -kleiden127Braut-Schenkungen. kleiden ſoll / durch dieſe ſelbiges begleiten - de Reimzeilen:
Ich vor meinen theil / (ſagte Myr - tillus) will das Brautbette mit Mayen und Myrten uͤmſtecken / auch mit Blum - und Fruchtgebaͤnden uͤmhaͤngen; und die Feſtinen / mit dieſem Wunſche einer immer-Fruchtgruͤnenden Gemahlſchaft / auf den Zetteln ůmwinden:
Daͤs Fenſter der Braut Kammer / (ſagte Alcidor) beſchenke und behaͤnge ich / mit dem Chor zweyer ſuͤßſpielendenNachte -128Braut-Schenkungen. Nachtegallen; gibe ihnen wie dann die Muſik eine Froͤlichkeit-weckerinn iſt) zu lernen und vorzuſingen / dieſen Freuden - Wunſch:
Ein paar Turteltauben / (ſagte Fer - rando) ſoll meine Gabe ſeyn / als ein le - bendiges Sinnbild treu-liebenden Tau - ben Lebens; welches ich auch redend ma - che / mit dieſen Wunſchzeilen:
Ich will (ſagte Palaͤmon) der Bey - den Hochvermaͤhlten Palm - und Lor - beerlaub / wie Ferrando zuvor geſungen / in einen Kranz zuſammen einigen und verbinden; und ſolchen Kranz / will ich der Ehre / Sie damit zu kroͤnen / gluͤck - wuͤnſchend empfehlen / durch hieſige Zei - len:
Dieſe Ehre auch der Nachwelt anzu - ſagen / (ſagte Cleodor) will ich Ihnen / oder vielmehr der Fama / unſre Hirten - pfeiffe uͤberreichen; zur Verſicherung / daß unſre Poeſy / von Ihren Hochtreff - lichkeiten zuſingen und zuſpielen / nim - mermehr ermůden / und wir der ſpaten Nachkommenheit / durch ſolchen Inhalt / unſre Lieder wohlempfohlen zu machen geſonnen leben.
Zur Abletzung / (ſagte hierauf Syl - via) werdet ihr Schaͤfere / bevorſtehend - HochGraͤfliches Beylager zu begluͤck - wuͤnſchen / eure Pfeiffen zuſammenſtim - men. Alſo ſangen ſie Wechſelweis / da je - den Singſatz der ganze Chor mit den wuͤrdigſten Nahmen Beyder Hochver - maͤhlten beſchloſſen / folgendes
Trau -130Trauungs-Lied.Nach Beſchluß dieſes Lieds / erhobe ſich ein jedes von ſeinem Ort / un̄ bedank - ten ſich die Schaͤfere gegen den Nymfen / vor die Ehre ihrer Gegenwart: von de - nen ſie hinwiederům ſchoͤnen Dank em - pfiengen / vor die ſůſſe Geſpraͤch-unter - haltung. Inſonderheit lieſſe Sylvia ſich vernehmen / dieſer Tag ſey ihr beydeskurz133Geſpraͤch-Geſellſchaft. kurz und lang verfloſſen: jenes / wegen der Geſpraͤch-Luſt und dieſes / wegen der Unluſt / daß ſie das Amt / ihnen zu befehlen / uͤbernehmen muͤſſen: welches ſie dañ hiemit wieder ablege / uñ uͤm Verge - bung der Fehler bitte / mit Verſicherung / daß ſie / bey der naͤchſten Zuſammen - kunft / zum gehorchen viel hurtiger / als dißmal zum Gebieten / ſich wolle finden laſſen. Hierauf / nach abgelegtem A - bendgruß / und als nun die Bildniſen von den Baͤumen abgenommen / zuſam - mengerollt und beygeſteckt waren / ver - barge ſie / neben ihren beyden Geſpielin - nen / ſich wiederům unter die Pegnitzflu - ten / den Schaͤfern das ſehnliche Nach - ſehen hinterlaſſende.
Dieſe / begaben ſich auf den Weg nach ihren Huͤtten / und im Fortgehen ſange Floridan ſeinem gnaͤdigen Mecaͤnas / mehr-hocherwaͤhntem H. Grafen / und der Hochfuͤrtrefflichen Eleonoren / als ſei - ner nun neu-aufgehenden Sonnē / zu tiefſtſchuldigen Ehren / von gegenwaͤrti - ger Tag-Feyer / folgendes
Freu -134Freuden-Lied.Eben mit Endung dieſes Lieds / wa - ren die Schaͤfere bey ihren Hůtten ange - langet: alda ſchieden ſie voneinander / und gaben ſie alſo / Cleodor und Palaͤmon bey Floridan / Myrtillus und Ferrando aber bey Alcidorn / eintrettend / dieſer Geſpraͤchſpiel Geſellſchaft ein wohl vergnuͤgtes
ENDE.
CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
Fraktur
Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
Distributed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial 3.0 Unported License.