PRIMS Full-text transcription (HTML)
[1]
Sammlung Critiſcher, Poetiſcher, und anderer geiſtvollen Schriften, Zur Verbeſſerung des Urtheiles und des Witzes in den Wercken der Wohlredenheit und der Poeſie.
Zehendes Stuͤck.
Zuͤrich, BeyConrad Orell und Comp.1743.
[2][3]

Verſuch eines Epiſchen Gedichtes von David dem Koͤnig in Juda; mit Vorrede und Anmerckungen uͤber die Anlage deſſelben; Nach den Begriffen der vornehmſten Kunſtverſtaͤndigen.

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Vorrede Von der Tuͤchtigkeit der Geſchichte Davids zu einem heroiſchen Gedichte.

EJn poetiſches Auge ſiehet in dem er - ſten Anblicke, daß in der Geſchichte Davids gantz wuͤrdige und bequeme Materien enthalten ſind, ſolche erhabene, groſſe und wunderbare Vorſtellungen daraus zu verfertigen, welche in dem Epiſchen Ge - dichte herrſchen ſollen, den Geiſt auf einen hohen Grad der edelſten Neigungen und Em - pfindungen zu erheben. Die Tugenden eines Helden, die Großmuth, die Standhaftigkeit, die Gottesforcht, fanden ſich in dem vor - trefflichſten Maaſſe bey ihm; Er war mit dem Geiſt des Herren angefuͤllet, er hatte die Gunſt Gottes, der Himmel war in allen ſeinen Un - ternehmungen mit ihm; er ward durch eine Menge wunderbarer Begegniſſe von dem Schaͤferſtande auf den Koͤniglichen Stuhl in Juda und Jſrael erhoben; er war einer von den Stamm-Vaͤtern, aus welchen der Heiland der Welt gebohren werden ſollte. Das Volck, welches er beherrſchete, war das eigenthuͤmliche und erwehlte Volck Gottes,A 3wel -6Verſuch eines Gedichteswelchem der Hoͤchſte ſeine Gegenwart auf eine ausnehmende Art gegoͤnnet, und es gewuͤrdi - get, daß er ſelbſt die Religion und die Policey bey ihm eingerichtet, und ihre Sitten und Geſetze verfaſſet hat.

Eine Materie aus der wahren Religion, wie damahls die Juͤdiſche war, hat vor einem Gedichte, das auf die Heidniſche Mytholo - gie gegruͤndet iſt, den Vortheil der Wahr - ſcheinlichkeit in ſeinen wunderbarſten Erdich - tungen. Wo der Poet ſeine Zuflucht zu den Gottheiten der Heiden nehmen muß, hoͤret die Wahrſcheinlichkeit bey unſern Leſern alſo - bald auf, weil ihnen nicht wahrſcheinlich vor - kommen kan, was von ihnen nicht nur vor falſch, ſondern vor unmoͤglich gehalten wird; Nun iſt unmoͤglich, daß durch die Macht die - ſer Goͤtzen, die ein eiteles Hirngeſpinſte ſind, Dinge geſchehen, welche die Natur und das Vermoͤgen der Menſchen uͤderſteigen. Hier - zu koͤmmt, daß die wahre Religion eine an - dere Hoheit, eine andere Wuͤrde, eine andere Majeſtaͤt, ſo wohl in den himmliſchen und den hoͤlliſchen Verſammlungen, als in den Wahr - ſagungen und den feyerlichen Solennitaͤten mit ſich fuͤhret, als die Heidniſche thun wuͤrde. Die Hebraͤiſche hat in dieſen Stuͤcken, in den Feſten, den Ceremonien, den Sitten, einen ſolchen Pomp, mit welchem die HeidniſchenOpfer -7von David. Opfer - und Feſt-Gebraͤuche in keine Verglei - chung kommen.

Die Materie von der Geſchichte Davids hat uͤberdieß den Vortheil, daß ſie durchge - hends bekannt iſt, und die Gunſt der Leſenden zum voraus hat. Wiewohl ſie von einem ſo groſſen Alter iſt; wiewohl die Perſonen und die Sitten von uns und unſern Sitten ſo weit entfernet ſind, ſo ſind ſie uns doch nicht frem - de; wir haben ſie in friſchem Gedaͤchtniß, und ſind fuͤr ſie ſchon zuvor mit Ehrfurcht, Hoch - achtung, Freundſchaft und Zuneigung einge - nommen. Der Poet hat einen wichtigen Vor - ſprung, der eine Materie erwehlt, welche ſchon in ſich die Gunſt und die Liebe der Zuhoͤrer hat.

Bey dieſen vortheilhaften Dingen erfordert eben dieſe Materie eine groſſe Vorſichtigkeit, daß der Poet mit der Anſtaͤndigkeit, und mit der Majeſtaͤt rede, welche ihr gebuͤhrt und ei - gen iſt. Der Mangel deſſen hat gemacht, daß verſchiedene Gedichte, die auf die wahre Religion gegruͤndet waren, mit allem Rechte getadelt worden. Es iſt wider die Vernunft und wider die Heiligkeit der Religion, daß man ſich hieruͤber ſo viel Freyheit herausneh - me, als Virgil genommen hat, da er von ſei - ner Religion redet. Eine ſolche Materie will deßwegen von einem Kopfe tractirt werden,A 4der8Verſuch eines Gedichtesder die Mythologiſchen Hilffsmittel der al - ten Poeten nicht noͤthig hat, ſeinen Geiſt zu erhitzen, und ſeinen Talent aufzuwecken; der die Poeſie, die Redensarten, und die Erfin - dungen der Griechen und der Roͤmer ohne Schaden entbehren kan.

Wen dieſe und dergleichen Betrachtungen auf den Entſchluß gefuͤhrt haben, Hand an dieſe Materie zu legen, der muß vor allen Dingen bemuͤhet ſeyn, die Geſchichte Davids dergeſtalt an eine eintzige Haupthandlung zu binden, daß aus dieſer alle die uͤbrigen na - tuͤrlich herausfallen; ſie muͤſſen mit derſelben ſo genau verknuͤpft werden, daß man ſie vor Theile derſelben anſehen muß. Dieſe Ein - heit der Handlung wird nicht darum erfordert, weil wir ſie im Homer finden, oder weil Ari - ſtoteles ſie vorgeſchrieben hat, ſondern weil Ho - mer, und Ariſtoteles aus ihm, erkennt haben, und die Einſicht in die Natur des Menſchen es ſo giebt, daß der Geiſt und das Gemuͤthe da - durch beyſammen behalten, und vor Verwir - rung und Kaltſinnigkeit bewahret, und weit tie - fere Eindruͤcke gemachet werden. Sie ſchlieſ - ſet die Mannigfaltigkeit der Begegniſſe und Umſtaͤnde nicht aus, nur bedinget man, daß dieſe der Einheit nicht im Lichte ſtehen, noch den Zuſammenhang verdruͤßlich und verwirrt machen. Dieſes erhaͤlt man, wann die Bege -ben -9von David. benheiten in eine ſolche Ordnung geſetzt wer - den, daß ſie ungezwungen aus einander her - vor fallen, inſonderheit, wann ſie ſaͤmtlich an eine Angelegenheit geknuͤpft ſind, welche be - ſtaͤndig im Geſichte behalten wird. Ferner wann eine Sache, eine Regung, eine Perſon etliche mahl, und allemahl in einem verſchiede - nen Lichte mit Vermeidung aller Widerho - lung vorgeſtellet wird. Daher entſteht nun eine wuͤrckungsreiche herrliche Einfalt.

Gravina, der es vor einen Eigenſinn der Kunſtlehrer gehalten, daß ſie nur denjenigen vor einen geſchickten Epiſchen Erzehler halten, der wenig Sachen, ſo auf eins looslauffen, nicht aber den, der viele und vortreffliche Sa - chen erzehlt, muß nichtsdeſtoweniger geſte - hen, daß er es

auch ſelber vor die groͤſſe - ſte Kunſt halte, wenn man den Geiſt mit einem Wercke von einem wohl-eingetheilten Ebenmaaſſe angenehmer einnehmen und un - terhalten koͤnne, wo die Geſchichte ſich zwar in viele Begegniſſe ausbreitet, und dennoch auf eine einzige hinauslaͤuft, wie viele Li - nien, die in einem Mittelpuncten zuſam - menlauffen. Aber er fuͤget hinzu, er koͤn - ne nicht begreiffen, warum ein Poet, der wahrſcheinliche Dinge erzehlet, und mit le - bendigen Farben ſchildert, nur darum weil ſie ohne obige Kunſt auf eine andere ArtA 5 er -10Verſuch eines Gedichtes erfunden und angeordnet ſind, nicht vor einen Epiſchen Poeten und Erzehler ſollte gehalten werden, zumahl, da die Sachen in der Natur auf ſehr verſchiedene Arten geſchehen koͤnnen, und eben darum vergoͤn - net ſeyn ſollte, ſie auch auf verſchiedene Art zu erfinden und zu erzehlen, entweder wie ſie an einem Bande und einer Angelegen - heit hangen, oder wie ſie vielfaͤltig unter - ſchieden, und in groſſer Anzahl ſind.

Al - lein, wenn der erſtere Weg der vortrefflichere iſt, und hoͤhere Wuͤrckungen thut, mit was vor Recht heißt er es einen Eigenſinn, wenn wir demſelben den Vorzug vor dem andern geben? Jſt es doch in der Natur des Men - ſchen, daß er allemahl das erwehlet, was er vor das beſte erkennet? Sollten wir dem Poe - ten nicht dancken, der uns mit dieſer Menge von gantz verſchiedenen Begegniſſen und Ge - ſchichten verſchonet, die ohne Ende auf einan - der gehaͤuffet, und oͤfters ſo in einander verſte - ket werden, daß ſie lauter Verwirrung in dem Geiſte verurſachen, das Gedaͤchtniß ohne Noth belaͤſtigen, und denen, welche gerne das Ende ſehen moͤchten, ſo ſehr mißfallen, daß ſie ſolche uͤberhuͤpfen, damit ſie der Haupt - Handlung nacheilen. Wir wollen dieſem Kunſtrichter, wann er nichts weiters verlan - get, gerne einraͤumen, daß ſeine zuſammenge -rei -11von David. reigeten Geſchichten auch Epiſche Erzehlungen ſeyn, aber nur im kleinen, maſſen eine jede eine eigene Fabel ausmachet, und der Poet, wann er mit einer fertig iſt, ſein Werck vol - lendet hat, ſo daß er die Laͤnge des Epiſchen Gedichtes nicht anders erhalten kan, als wann er etliche derſelben hinter einander ſetzet, welches ihm ſehr leicht iſt, geſtalt es nur in ſeiner Willkuͤhr ſteht, zehne, zwantzig und noch mehrere hinter einander zu ſchreiben, weil ihm von der Kunſt kein Ziel vorgeſchrieben iſt, und er eben ſo wenig an zwanzig, als an zehne ge - bunden iſt. Aber die Eindruͤcke von allen dieſen Erzehlungen werden um ſo viel ſchwaͤcher ſeyn, als ſie verſchiedener, und von mehrern Arten ſind. Wie viel gewiſſer und nach - druͤcklicher trifft der Poet das menſchliche Ge - muͤthe, der ſich keine Zwiſchengeſaͤnge, kei - ne Neben-Handlungen erlaubt, welche nicht nothwendige Theile der Haupt-Handlung ſeyn; welche man mit deſto groͤſſerm Ver - gnuͤgen lieſt, je weniger Muͤhe es uns koſtet, ſie zu behalten, und wo das Hertz dem Affect ſich um ſo viel leichter ergiebt, weil der Ver - ſtand nicht beſchaͤfftiget iſt, die Umſtaͤnde, ſo denſelben erreget haben, aus einander zu le - ſen; endlich wo die Mannigfaltigkeit mit der Einfaltigkeit verbunden iſt. Man hat dann kei - ne Verwirrung zu befahren, welche das, wasuns12Verſuch eines Gedichtesuns ein Zeitvertreib ſeyn ſollte, zu einer Ar - beit und einer Lection machen wuͤrde; Man darf auch nicht fuͤrchten, daß man nur ſchwa - che Eindruͤcke auf das Hertz thue, wie dieje - nigen, die ſich beſtreben, verſchiedene und vie - lerley Eindruͤcke zu machen.

Es iſt wahr, der andere Weg iſt viel leich - ter, und es erfordert weniger Geiſt, zu ma - chen, daß in viele und abgeſonderte Handlun - gen eine Menge vielfaͤltiger Begebenheiten kommen, man erkennet darinnen weder Kunſt noch Geiſt des Poeten, und ein gemeiner Ge - lehrter wird dieſes bald eben ſo gut zuwege bringen, als ein ſcharfſinniger Kopf. Dieje - nigen, welche ſich dergeſtalt mit einem Schatze von Materien verſehen, thun es aus Miß - trauen auf ihre eigene Kraͤfte, ſie muͤſſen ei - nen Leib haben, auf welchen ſie ſich ſtuͤtzen koͤnnen, und weil ſie nicht ſo viel eigenthuͤmli - ches haben, daß ſie uns damit angenehm un - terhalten koͤnnen, ſo wollen ſie, daß die Be - gebenheiten und die Erzehlung uns ergetzen. Minus illis ingenio laborandum fuit, in cujus locum materia ſucceſſerat. Man ſieht ſie halb huͤpfend und halb fliegend von einer Erzehlung zur andern, wie von einem Aſte zum andern flattern, wie ein Vogel, der ſeinen Fluͤgeln noch nicht weiter, als auf eine ſehr kurtze Zeit trauen darff, und alle dreySchrit -13von David. Schritte ſich niederlaſſen muß, aus Furcht, daß es ihm an Kraͤften fehle; excurſusque breves tentat.

Wie dem ſeyn mag, ſo iſt die Kuͤhnheit in einem ſchweren Unternehmen der Verzei - hung werth, wann es ihr gleich nicht gluͤcket: Jch habe darum kein Bedencken zu ſagen, wie ich nach einigen geſchwinden Ueberlegungen die Geſchichte Davids an den Mittelpunct ei - ner kurtzen Handlung haͤngen wollte. Jch wollte den Anfang von dem Feldzug des Koͤ - nigs Achis von Gad wider den Koͤnig Saul machen; als in welchem Saul umgekommen iſt, und die lange Verfolgung und das Elend Davids ein Ende erlanget hat, indem er erſt - lich zum Koͤnig in Juda, und nicht lange her - nach auch in Jſrael gekroͤnet worden. Man muͤßte David in dieſem Kriegeszug einen be - ſondern Antheil geben, welches auf den Hi - ſtoriſchen Grund geſchehen koͤnnte, daß Achis ihn mit ſich zu Felde nehmen wollen, und da er dieſes ihm angezeiget, von ihm zur Antwort bekommen, er werde ihn aus der That kennen lernen. Auf dieſe fluͤchtigen Spuren koͤnnte man erdichten, daß David mit Jonathan ein Verſtaͤndniß gehabt, ihm die Philiſter in den Gebuͤrges-Engen von Gilboa in einen Hinter - halt zu liefern, welches aber ruckgaͤngig ge - worden, weil die Fuͤrſten der Philiſter es ge -rochen,14Verſuch eines Gedichtesrochen, und den David zuruͤck geſandt haͤtten. Man wuͤrde weiter erdichten, der Herr haͤtte dieſes alſo geleitet, theils damit David zu rech - ter Zeit zuruͤcke waͤre, denen von Amaleck den Raub von Menſchen und von Habe wieder abzu - jagen, den ſie zu Ziklag erbeutet hatten; theils damit Saul auf Gilboa erſchiagen, und Da - vid auf ſeinen Stuhl erhoben wuͤrde. Die Pluͤnderung Ziklags wuͤrde eine hertzruͤhren - de Scene abgeben. Abners Abfall von dem Hauſe Sauls, ſeine und Jsboſeths Ermor - dung, muͤßten etwas naͤher zn dieſen Zeiten her - bey gezogen, und in eine Verknuͤpfung damit geſetzet werden. Was dem David vor dieſer Zeit an Sauls Hofe, und in waͤhrendem Elende begegnet, und die merckwuͤrdigſten Begeben - heiten unter ſeiner Regierung muͤßten in der Form von Zwiſchengeſaͤngen, bald kuͤrtzer, bald mit mehrerm hin und wieder angebracht werden; zum Exempel in Davids Unterredun - gen mit Saul, mit Jonathan, mit Agis, mit Abner, mit Joab, mit Michal, in geſchickt - eingefuͤhrten Offenbarungen und dergleichen. Jn allen dieſen Begegniſſen muͤßte beſtaͤndig auf David geſehen werden, in jeder muͤßte ein Stuͤck von ſeinem Character in einem eige - nen Lichte gewieſen werden. Jch glaube nicht, daß dieſe Begegniſſen dergeſtalt heilig und hoch - wuͤrdig ſeyn, daß man, da man den Grundder -15von David. derſelben behaͤlt, eine Gottloſigkeit begehe, wenn man ſie in den kleinern Umſtaͤnden er - gaͤntzet, vermehret, vermindert, oder ſonſt ver - aͤndert. Nicht erlauben, dergleichen Sachen darinnen zu veraͤndern, und alſo alles Erdich - ten mit denſelben unterſagen, iſt ſo viel als den Gebrauch dieſer Materien verbieten, dann wer an die eintzigen abſonderlichen Um - ſtaͤnde gebunden waͤre, welche davon in den Buͤchern der Koͤnige von Juda und Jſrael auf - geſchrieben ſind, der wuͤrde kein Poete, ſondern ein Geſchichtſchreiber ſeyn. Was das Gedichte von der Hiſtorie im Grunde unterſcheidet, iſt dieſes, daß der Poet die Sachen betrachtet, nicht wie ſie wuͤrcklich geſchehen ſind, ſondern wie ſie haͤtten geſchehen koͤnnen, ſo daß er das Auge viel - mehr auf das Wahrſcheinliche uͤberhaupt, als auf das wuͤrckliche Wahre, das in einem beſon - dern Falle begegnet iſt, richtet. Demnach giebt er vor allen Dingen Acht, ob in ſeiner Materie, etwann eine Begebenheit ſey, die wofern ſie auf eine andere Art geſchehen ſeyn wuͤrde, wahrſcheinlicher oder wunderbarer ausgefallen waͤre, und aus dieſer oder einer andern Urſache mehr Ergetzen mit ſich gebracht haͤtte, und alle dieſe Begebenheiten, die zu mehrerm Vergnuͤgen des Leſers auf eine ande - re Art haͤtten begegnen koͤnnen, aͤndert und verſetzet er ohne Scheue fuͤr das Wahre, oderdie16Verſuch eines Gedichtesdie Hiſtorie, und ordnet die Zufaͤlle auf eine Weiſe und in der Maſſe, wie es ihn am vor - traͤglichſten duͤncket, indem er mit dem veraͤn - derten Wahren das Erdichtete allerorten be - gleitet. Doch will ich hiermit dem Poeten kein Recht ertheilen, dieſe Freyheit ſo weit zu mißbrauchen, daß er ein Unternehmen oder eine Haupt-Handlung, die wichtig, und von jedermann vor wahr bekannt und angenommen ſind, gaͤntzlich umkehre, zum Exempel, daß er Rom vor beſieget, und Carthago vor ſieg - haft, ausgebe.

Jch koͤnnte mit leichter Muͤhe meine Ge - waͤhrmaͤnner fuͤr dieſe Betrachtungen und Lehr - ſaͤtze geben, (maſſen ich mir ſolche in den verſtaͤndigſten Kunſtlehrern bemercket habe,) wann ich ſie nicht mit ſo ſtarcken Gruͤnden be - feſtiget hielte, daß es nicht noͤthig iſt, ſie mit dem Anſehen vornehmer Nahmen zu bekraͤf - tigen. Es iſt indeſſen offenbar, daß das Ge - dichte von David, von welchem ich in folgen - den Blaͤttern den Anfang liefere, nach andern Lehrſaͤtzen, und einem andern Plane, als der von mir gutgeheiſſene iſt, angeleget, und angefangen worden. Jch habe dieſen Anfang in dem vierten Theile der Liebes-Geſchichte von der Roͤmiſchen Octavia angetroffen, wo er als ein abſonderliches Werck einer Perſon, die ſonſt in dieſem Roman keine Figur macht,ein -17von David. eingetragen iſt. Vermuthlich iſt er von eben dem Erfindungs-reichen Verfaſſer, welcher die uͤbrigen Stuͤcke dieſes groſſen Romans verfertiget, und die groͤſſeſte Kunſt darinnen bewieſen hat, daß er die kurtzen Sinnen und Gedaͤchtniß der Leſer durch zehnfach verwi - kelte und in einander geſteckte Geſchichtes-Er - zehlungen in eine ungeduldige Verzweifelung ſetzet. Die Epiſodia ſtecken daſelbſt, nach der Vorſtellung des Verfaſſers der Romanti - ſchen Mythoſcopie, ſo enge in einander, wie die Tunicæ oder Haͤutgen einer Zwiebel, oder die ptolomeiſchen Sphaͤren, oder die Raͤder in einem Uhrwercke. Wir werden die Spuren von dieſem Geiſte der Verwickelung auch ſchon in dieſem kleinen Anfang des Gedichtes von David wahrnehmen. Dieſes und anders, wo - von ich oben geredet habe, wird uns Anlaß zu etlichen Anmerckungen geben, mit welchen ich gedencke, des Leſers eigene Betrachtungen uͤber die epiſche Art von Schriften hervorzu - locken, und das iſt eine von den Haupt-Urſa - chen, daß ich dieſes unreife und erſt halb-ge - bohrne Stuͤcke von einem deutſchen epiſchen Gedichte in dieſer Sammlung wieder aufgele - get habe.

[Crit. Sam̃l. X. St.] BDie[18]19

Die Geſchichte des Davids, Koͤnigs in Juda.

JCh will die hohen Werck und Lebenslauf des Helden,
V. 1. Jch will die hohen Werck und Lebens-Lauf des Helden) Der Epiſche Poet muß ſich in Acht nehmen, daß die Quantitaͤt Materie, die er ſich vornimmt abzuhandeln, nicht ſo groß ſey, daß das Gedicht, wenn er nach - gehends in der Ausfuͤhrung der Fabel einige Zwiſchenfabeln unterflechten, und die Sachen, die in ihrer Natur einfaͤltig ſind, auszieren und ausbilden will, zu einer ungemeſſenen und ungeheuren Groͤſſe anwachſe; oder daß er, dieſes zu vermeiden, genoͤthiget ſey, die Zierrathen und die Ausbildungen der Poeſie wegzulaſſen, die zu einem poeti - ſchen Wercke erfodert werden, und ſich bloß in den Schrancken der einfaͤltigen Hiſtorie aufzuhal - ten. Jn dieſe Gefahr begiebt ſichein Poet, der das gantze Leben ei - nes Helden zur Materie ſeiner Arbeit nimmt, denn da es an groſſen und verſchiedenen Bege - benheiten ſo reich iſt, muß das Gedichte eine uͤbermaͤſſige Groͤſſe bekommen, wann er eine jede von dieſen Handlungen nach der Pflicht eines Poeten mit ihren Urſachen, Fortgang und Ende ausfuͤhren, und darbey die Zier - rathen der Poeſie anbringen will. Und wie wird in dieſem Fall das Gedaͤchtniß zureichen moͤgen, daß es alle dieſe mannigfaltigen Dinge, wie ſie in ihrem verſteck - ten Zuſammenhange vereiniget ſind, behalten koͤnne, ohne ſich zu verirren?
1
Der Juda bracht die Kron, beſingen und vermelden.
Des Koͤnigs, deſſen Thron man nicht gnug preiſen kan,
Weil alle Welt von dem ſchaut ihren Heyland an.
Aus ſeinem Stamme iſt der Heyden Licht entſtanden,
Sein ewig-waͤhrend Lob verbleibt in allen Landen,
Die Nachwelt ſpricht von ihm, daß fuͤr den Hirtenſtab
Der Hoͤchſte ihm den Thron und Koͤnigsſcepter gab.
Er ließ in Gottesfurcht, Geduld, Muth, Guͤte, blicken,
Und kont in jedem Stand, ſich wie er ſolte ſchicken,
10.
1
Jm Lehramt war er groß, und im Regentenſtand,
Auch Haus-Stand ordentlich, diß naͤhrte Volck und Land.
Sein hoher Wundergeiſt macht ihn bald zum Propheten,
Und ſeine Lieb zu Gott zum Lehrer der Poeten.
ErB 220Verſuch eines Gedichtes
Er fuͤhrte ſo ſein Volck gleich als er ſelbſt ſich fuͤhrt,
Er war des Willens Herr, drum ward auch wol regiert.
V. 16. Er war des Willens Herr, drum ward auch wol regiert.) Dieſer lange Lobſpruch ſtuͤhnde in einem Lob-Gedichte gut genug; aber in einem epiſchen Gedichte iſt er faſt an jedem Orte uͤberfluͤſ - ſig, weil daſelbſt der Charaeter des Helden nicht durch Zuͤge der Worte und Beſchreibungen, ſon - dern durch Handlungen im Unter - nehmen und Ausfuͤhren beruͤhm - ter Thaten vorgeſtellt werden muß. Der Poet muß uns frey - lich gleich Anfangs die Haupt - Perſon, mit welcher er unſern Geiſt beſchaͤftigen, und unſer Hertz einnehmen will, anzeigen, aber zu dieſem Ende muß er die - ſelbe in eigner Perſon auftre - ten, und ſich mit Empfindungen, Reden und Thaten bey uns in Gunſt ſetzen laſſen; ſie muß von ihm bey Zeiten in wichtigen Um - ſtaͤnden und einer hohen Ge - muͤths-Verfaſſung nicht beſchrie - ben, ſondern vor Augen geſtellt werden. Jn dem Vortrage des Gedichtes iſt darum ein characte - riſierender Lobſpruch unnuͤtzlich und unnoͤthig, weil wir dieſen ſchon in den folgenden Handlun - gen mit lebendigen und redenden Farben antreffen werden. Da erfordert die Sache ſelbſt nichts mehrers, als daß das Vorhaben des Poeten, nemlich die Haupt - Handlung, die er beſingen will, nach ihrem vornehmſten Geſich - tespunct nachdruͤcklich und ein - faͤltig angezeiget werde. Homer hat mit groſſer Einfalt geſagt:Muſe ſinge den verderblichen Un - willen des Achilles, welcher den Griechen ſo viel Schaden und Un - gluͤck zugefuͤget, und ſo manchen dapfern Held vor der Zeit dem Pluto zugeſchickt, und ihre Leiber den Hunden und den Voͤgeln des Himmels zur Speiſe vorgeworf - fen. Cowley der ſich, wie unſer Poet, vorgenommen hatte, den gantzen Lebenslauf Davids zu beſingen, hat den Jnhalt ſeiner Davideis mit mehrern Worten, und mit viel untermiſchten Lob - reden folgendergeſtalt vorgetra - gen: Jch ſinge den Mann, der das Scepter von Juda in der rech - ten Hand getragen, welche zu - vor den Hirtenſtab gefuͤhrt hat - te, der aus dem beſten Poeten der beſte Koͤnig geworden; welches die zwo vornehmſten Gaben des Himmels ſind; Aber vorher hat - te er viel Gefaͤhrlichkeiten und viel Arbeit auszuſtehen; indem Saul und die Hoͤlle ſeinem maͤchtigen Schickſal vergeblich den Weg ver - ſchraͤncketen. Auch ſeine Krone gab ihm eben ſo ſchwere Arbeit, uͤbte ſeine Geduld und ſein Schwerdt eben ſo ſehr, ſo lange als die boßhafte Fortun ihren Be - zwinger verfolgete, biß daß er mit unermuͤdeter Tugend alle Boß - heit zu Hauſe und allen Trutz der Fremden beſiegete; Jhre Staͤrcke beſtuhnd auf Armeen, ſeine auf dem Herrn der Heerzeuge.
2
Was ſaͤum ich aber noch, den Nahmen fuͤrzutragen?
Der David iſt es, merckt, von dem ich wollen ſagen,
Ja
21von David.
Ja David iſt mein Held, von dem mein ſchwacher Kiel,
V. 19. 20. Von dem mein ſchwacher Kiel, Doch aus zu ꝛc.) Andere Poeten trachten mit allem Fleiſſe die Leſer von ihren eigenen Perſonen zu entfernen, und ihnen weiß zu machen, daß ihre Wercke von weit hoͤhern und ſelbſt Goͤttlichen Perſonen ver -fertiget worden, und ſie nur die Abſchreiber derſelben geweſen ſeyn. Unſer Poet hat kein Be - dencken, ſich vor den Verfaſſer anzugeben, und den Beyſtand der Muſe zu verachten.
3
Doch aus zu ſtolzem Muth, anietzo ſchreiben will.
20.
3
Ja wahrlich iſt mein Muth hierinnen ſtoltz zu nennen,
Dieweil ich mich vergeß hierinn ſelbſt zu erkennen:
Doch David macht mich kuͤhn. Mein David war ein Knab,
Als er dem Goliath den Sieg gewonnen ab.
Was ich mich unternehm, vergleich ich mit dem Rieſen,
Den zu bezwingen man zwar andre ſolt erkieſen,
Von einer kluͤgern Hand, von einem ſchaͤrffern Sinn,
Doch unternehm ich mirs, ſo ſchwach ich immer bin.
Und wann ich gleich damit nicht allen werd behagen,
So wird in dieſer Furcht mein Will doch nicht verzagen,
30.
3
Jch ſinge gleichwol fort. Mein David laͤßt mir zu,
Daß ich zu ſeinem Lob, ſo viel ich kan, nur thu.
Jch ſuche keine Ehr in meinen Reim-Gedichten,
Jch achte nicht, wann mich die Welt hierinn will richten,
Jch ſing aus freyer Luſt, und nicht aus hohem Geiſt,
V. 35. Jch ſing aus freyer Luſt und nicht aus hohem Geiſt. ꝛc.) Eine ſolche Beſcheidenheit iſt bey den Poeten nicht gewoͤhnlich. Sie ſind vielmehr gewohnt ſich uͤber den Rang der gemeinen Menſchen mit der Hoheit ihrer Gedancken, und ihrer Ausdruͤcke hinaufzuſetzen. Sie geben ſich vor begeiſtert, und ihre Wercke vor die Arbeit himmliſcher Per - ſonen aus, ſie fuͤhren eine eigene Sprache, ſie haben ein eigenes Tonmaß und dergleichen. Sie doͤrffen darum auch deſto vorneh - mer von ihren Gedichten reden,weil der Ruhm, den ſie ihnen bey - legen, nicht ihr eigen, ſondern der - jenigen iſt, von welchen ſie ihre Einfaͤlle empfangen haben. Un - ſer Poet hat ſich dieſer poetiſchen Vorrechte begeben, indem er ſich vor einen ordentlichen Menſchen ausgibt, der mit uns geradezu gehen will, und uns mit den zau - beriſchen Kunſtſtuͤcken der Poe - ſie nicht zu taͤuſchen begehrt. Die geringe Hofnung, die er damit zu hohen Vorſtellungen machet, gibt ihm nun zwar den Vortheil, daß
4
Von David, deſſen Thun mit mir ein jeder preiſt.
EsB 322Verſuch eines Gedichtes
Es hatte Jſrael kaum Amaleck vertrieben,
(Wiewohl in allem nicht nach Gottes Richtſchnur blieben,)
Als der Philiſter Heer, ſchon wiederum mit Macht
Jn Juda bey Socho, ein groſſes Schrecken bracht.
40.
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Sie zogen ſchnell herauf mit vielen Roß und Wagen,
Des Juda ſein Geſchlecht von Hauß und Hof zu jagen.
Aſecka ward es inn, allda ihr Lager war,
Ja Damin bliebe nicht entfreyet der Gefahr.
Es ahnte ihnen ſchon, daß aus des Juda Lenden
Ein Held entſpringen ſolt, den Gott ſelbſt wuͤrde ſenden
Zu ihrem Ungluͤcks-Fall, drum galt es Juda mehr,
Als andern Staͤmmen, weil fuͤr die der Haß zu ſehr
Jn der Gaditer Hertz die Wurtzeln laͤngſt gefaſſet;
Was noch nicht war geſehn, das wurde ſchon gehaſſet;
50.
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Dann Dagon hatte viel von einem Held geſagt,
Der ſie zuſchrecken kaͤm. Diß hatte es gemacht,
Wie auch, daß Agags Schmach und Saul erlangtes Siegen
Durch dieß bewaͤhrte Volck ſolt wieder unterliegen.
Der Schimpf that ihnen weh, daß der ihr Bundsverwandt
Durch Benjamins Geſchlecht gelegt war in den Sand.
Gleichwie ein Wolcken-Bruch viel Land und Ort bedecket,
Und eh man ſichs verſieht, die ſicherſten erſchrecket:
So gieng es hie auch zu: die Maͤchtigen von Gad,
V. 59. 60. Die Maͤchtigen von Gad, Die waren ſchon ꝛc.) Cowley hat ſeine Davideis von einem weit ſpaͤthern Zeit - puncten angefangen; nemlich da Saul nach einer Verſoͤhnung mit David in die vorige Wuth verfaͤllt, und einen Wurfpfeil nach ihm ſchießt, mit dem er ihn zwar verfehlet, aber, nachdem er in ſein Hauß entflohen, ihn da - ſelbſt durch ſeine Trabanten auf - ſuchen laͤßt, und als er durch dieLiſt der Michal auch da entwiſcht, weiter verfolget, bis er in das Land Moab gefluͤchtet. Er be - ſchreibt dieſes nicht ohne das Miniſterium Deorum, indem er die Hoͤlle aufſchließt, und die Teufel darinnen auffuͤhrt, ſich wider David zu verbinden, dann den Himmel eroͤffnet, und eine Goͤttliche Geſandſchaft zu Davids Schutze nach der Erde ſchickt.
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Die waren ſchon im Land, eh mans erfahren hat.
60.
5
Saul
man deſtoweniger von ihm er - wartet, und fodern kan, aber da - mit iſt der Nachtheil verknuͤpfet, daß das Gemuͤthe der Leſendennur ſchwaͤchlich und langſam aus ſeiner Kaltſinnigkeit geſetzet und angefeuret wird.
623von David.
Saul der zu Gibea ſich fand mit ſeinen Helden,
Als die von Socho ihm dieß lieſſen hin vermelden,
War ſtets in ſeiner Burg, und ließ ſich wenig ſehn,
Weil die Ahinoam dies rieth, um zu entgehn,
Daß nicht gantz Jſrael des Koͤnigs Trauer-Weſen
Sobald erfahren moͤcht, bis daß er erſt geneſen,
Wie ihre Hoffnung war; und Jonathan ſein Sohn,
Der Helden edle Zier und der Soldaten Kron,
Verhuͤtete mit Fleiß, daß ſeines Vaters Zagen
Nicht wuͤrd von einem Stam̃ zum andern umgetragen.
70.
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Die Urſach war ihm kund, und mehr dann allzu leyd,
Und deren zu entgehn war es nun nicht mehr Zeit.
Die Suͤnde war geſcheh’n, und der, ſo Gott verlaſſen,
Und ſein Geboth verſaͤumt, ward wieder gleichermaſſen
Ohn Gottes Geiſt und Troſt alleine hingeſtellt;
Die Gnaden-Thuͤr war zu, das Urtheil ſchon gefaͤllt,
Daß Saul ſein Koͤnigreich ſolt werden hingeriſſen,
Wie Samuel ihm ließ von Gottes wegen wiſſen,
Und daß ſein Naͤchſter ſolt, der beſſer, als wie er,
Beſteigen ſeinen Thron und ſeine Koͤnigs-Ehr.
80.
6
Wann alles dieſes Saul in ſeinem Sinn erwoge,
V. 81. Wann alles dieſes Saul in ſeinem Sinn erwoge.) Dieſe Ueberlegungen ſind weit lebhafter, wie ſie v. 158. u. folg. Saul ſelber in den Mund gelegt werden; wo er ſagt: Was kan ich ohne Gott? Gott ſagte mir ſonſt fuͤr ꝛc. Hier waͤre genug geweſen, es mit zweyen Worten anzudeuten.
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Und den gedrohten Fall ſich zu Gemuͤthe zoge,
Kam ihm ein Graͤmen an, ein Zagen, eine Quaal,
Die ihm durch Marck und Bein, durchdrunge uͤberall.
Er war aus Gottes Gnad, drum kont kein Troſt ihn laben.
Der nicht hat Gottes Geiſt, was wolt der uͤbrig haben?
Wann ihm der Satan ſetzt mit ſeinen Pfeilen zu,
Wo iſt dann wohl ein Orth, der ihme giebet Ruh?
Doch konte der allein, auf den der Geiſt des Herren
Gerathen war, mit Krafft, des Koͤnigs Trauren kehren,
90.
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Der ſchoͤne Hirten-Knab, Jſai juͤngſter Sohn,
Der David, des Geſchlechts und ſeines Hauſes Kron.
Den hatte man nach Hof zum Koͤnig laſſen kommen,
Wie man an ihm zuerſt die Hertzensangſt vernommen,
B 4Und
24Verſuch eines Gedichtes
Und weil ſonſt keine Cur den Koͤnig heilen kunnt,
So ſolt es David thun, der die Muſik verſtuhnd,
Und Stimm und Harffenklang ſo kuͤnſtlich wußt zu fuͤhren,
Daß ihre Lieblichkeit konnt auch die Geiſter ruͤhren.
Der boͤſe Geiſt entweicht, wann Davids Harff erklingt,
Weil deſſen Reinlichkeit ihm einen Schrecken bringt.
100.
7
Er meidet David drum, weil da aus deſſen Lenden
Der Heyland aller Welt wird ſeine Macht umwenden,
Das er wohl merckte an, drum war er ihm ſo gram,
Daß er von Saul entwich, wenn David zu ihm kam,
Der da ein Juͤngling war, von uͤberſchoͤner Jugend,
Mit der ſich hat gepaart die vollenkommne Tugend,
Daß jedem die Geſtalt, und ſein Gemuͤth gefiel,
Wer einmahl ihn geſeh’n, ſtets um ihn leben will.
Er war von Antlitz ſchoͤn, und braͤunlich wohlgezieret
Stuhnd ihm ſein lockicht Haar. Die Augen, die er fuͤhret
110.
7
Mit Zucht und keuſcher Scham, die zeigen einen Muth,
Der ſeinen Feinden ſcharff, und ſeinen Freunden gut.
Die Wangen Milch und Blut mit ſolcher Gleichheit tragen,
Daß ſie dem Frauenvolck die Eiferroͤth abjagen.
Der Mund ſteht ſtets bereit von Gottes Ruhm und Ehr
Zu ſingen ohne End. Was ſoll man ſagen mehr?
Der ſchoͤne David war mit keinem zu vergleichen,
Fuͤr ſeinen ſchoͤnen Leib und Geiſt muß alles weichen,
Des Koͤnigs gantzer Hof liebt dieſen jungen Held,
V. 119. Des Koͤnigs gantzer Hof liebt dieſen jungen Held) Dieſe beyden Zeilen geben ſo viel von Davids Schoͤnheit zu ge - dencken, daß man ohne Abbruchdes Begriffes etliche von den vor - hergehenden Zeilen haͤtte weglaſ - ſen koͤnnen.
8
Ja allem Frauenvolck er mehr als wol gefaͤllt.
120.
8
Weil aber es alſo nun mit dem Koͤnig ſtuhnde,
Ahinoam, die nicht fuͤr rathſamlich befunde,
Daß das ihr Ehgemahl, wie es in Juda war,
Sogleich erfahren muͤßt, wolt bergen die Gefahr;
Weil ſie gar wohl bedacht, es wuͤrde weiter kommen
Des Koͤnigs Traurigkeit, wann er diß haͤtt vernommen,
Und wo Betruͤbniß iſt, folgt eine Furcht hernach,
Daß uns offt allzuſchwer ſcheint eine leichte Sach.
Drum25von David.
Drum ſolte Jonathan allein dem Feind entgegen.
Dennoch nach langem Rath, nach vielem Ueberlegen,
130.
8
V. 130. Dennoch nach langem Rath, nach vielem Ueberlegen) Die lange Erzehlung ſcheinet mir eben ſo lange, als die langeBerathſchlagung uͤber eine Sa - che von dieſer Natur.
9
Findt Abner es fuͤr gut, daß ers dem Koͤnig ſagt.
Er gieng in ſein Gemach des Morgens unbefragt,
Als Saul noch lag zur Ruh: doch wann nur Ruh zu nennen
Die Schreckens-volle Traͤum, das innerliche Brennen,
Die Schwermuth ſeines Geiſts, die ihn niemahls verließ,
So daß ſein Schlaffen recht ein ſtetes Wachen hieß.
Sobald er Abner ſah, fieng ſein Hertz an zu ſchlagen,
Und furchte ſich fuͤr was, das er nicht konnte ſagen,
Er reichte ihm die Hand, und ſah ihn zitternd an,
Und Abner bringt es fuͤr, ſo gut er immer kan.
140.
9
Mein Koͤnig, ſagte er, es giebt ein neues Siegen,
Gott hat dir was geſchickt, dein Hertze zu vergnuͤgen,
Man ſieht, dir dienet nicht die ſtille Einſamkeit,
Du biſt nur kranck, weil du nicht mehr ziehſt in den Streit.
Schau doch ein Volck von Gad koͤm̃t an, und will es wagen,
Sich mit dir, Groſſer Saul! in einem Streit zu ſchlagen,
Bey Socho ſtehen ſie, und ſeynd dazu beſtimmt,
Daß dort dein Helden-Muth ihr Toben ihnen nimmt.
Der Koͤnig ſchwiege ſtill, und dacht in ſeinen Sinnen,
Wo iſt mein erſter Muth, mein tapferes Beginnen?
150.
9
Wo find ich Saul in mir? ich bin ſein Bild allein,
Was ehmahls war mein Wunſch, macht mir anjetzo Pein.
Als Abner nun kein Wort vom Koͤnig konnte bringen,
Vergieng ihm ſchier der Muth, daß es ihm wuͤrd gelingen.
Doch ſagt er noch einmahl, wie iſt dann Saul verkehrt,
Daß er ſein Volck nicht mehr zu ſchuͤtzen nun begehrt?
Auf Koͤnig thu dein Amt, daß Juda werd befreyet.
Ach! brache Saul heraus, ob zwar mein Hertz nicht ſcheuet
Diß unbeſchnittne Volck, ſo iſt doch Gott von mir;
Was kan ich ohne Gott? Gott ſagte mir ſonſt fuͤr,
160.
9
Des Siegs gewiß zu ſeyn; der hat mich nun verlaſſen,
Sein Geiſt denckt nicht an mich, ſein Will iſt mich zu haſſen.
B 5Ey!
26Verſuch eines Gedichtes
Ey! ſprache Abner drauf, das iſt ja nur ein Wahn.
Ach! ſagte Saul, wer es alſo empfinden kan
Als ich, der wird gewiß mit mir nur dahin zielen,
Was Hoͤllenangſt es ſey, nicht Gottes Gnad zu fuͤhlen.
Hiemit erblaßte Saul, er aͤchzt und ſeufzte tief,
Ein ſtarcker Thraͤnen-Bach ihm aus den Augen lief.
Sein gantzer Leib erſtarrt, ſein Hertz hub an zu ſpringen,
Die Lippen ruͤhrten ſich ohn etwas fuͤrzubringen.
170.
9
Dem Abner wurde bang, er rieffe oft und viel,
Daß doch der Knab bald kaͤm mit ſeinem Saitenſpiel.
Der ſchoͤne David kam und ruͤhrte ſeine Saiten,
Damit die Lieblichkeit ſich mehrt, ſtuhnd er von weiten,
Und als der Harffenklang zum Koͤnig drang hinein,
Entwich der Trauer-Geiſt und lieſſe Saul allein.
Er richtet ſich empor, und ſeine matte Glieder
Bekamen ihre Ruh und neue Staͤrcke wieder,
Er lachte David an, den er gantz innig liebt,
Weil deſſen Saitenſpiel, ihm ſuͤſſen Labſaal giebt.
180.
9
Wo warſt du doch mein Sohn, ſprach er zu dieſem Knaben,
Ohn dich kan ja mein Hertz nie wahre Ruhe haben;
Herꝛ Koͤnig, ſprach der Knab aus fuͤrgenommnen Rath,
Jch hoͤrte an wie man zum Streit Beliebung hat,
Wie Jonathan der Printz, und deiner Helden Schaaren,
Nach Socho hin verlangt, da Ecron ſoll erfahren,
Was Jacobs Gott vermag. Ja! trat hie Abner zu,
Und ſprach, all deine Leut die haben keine Ruh,
Sie wollen fuͤr den Feind und mit dir Koͤnig ſiegen,
Wann Saul nur bey uns iſt, ſo muß der Feind erliegen.
190.
9
Hiezu kam Jonathan und ſtuhnde Abner bey,
Auch ſelbſt Ahinoam ſagt, daß es noͤthig ſey.
Der Koͤnig der fuͤr ſie wolt keine Zagheit weiſen,
Die er gar nicht beſaß, hub nunmehr an zu preiſen,
Der andern ihren Muth und gienge alles ein,
Er wolte fuͤr dem Heer auch ſelbſt der Erſte ſeyn.
Ahinoam erfreut, ſo muthig ihn zu ſehen,
Sah niemahls ihn ſo gern in eine Feldſchlacht gehen.
Thalmais, Jonathans vertrautes Ehgemahl,
Hoͤrt dieſen Feldzug an gleich einen Donnerknall.
200.
9
Sie27von David.
Sie wußt wie Jonathan ſich pflegte nie zu ſcheuen,
Und hoͤrt aus ſeinem Wort, aus ſeinem dapfern Draͤuen,
Wie es ſolt Ecron gehn, drum war ihr Hertz und Sinn
Voll Liebes-Traurigkeit, doch weil ſie ſich darinn
Fuͤr ihme bergen muſt, weil er nicht wol kont leiden,
Daß das ihr Klagen war, was er vollfuͤhrt mit Freuden;
Daher verſchwieg ſie nur, was ihr ein Trauren bracht,
Und was ihr Hertz beweint, daſſelb ihr Mund belacht.
Die Merob und Michal die wollen bey ihr bleiben,
Mit ihr die lange Weil indeſſen zu vertreiben,
210.
9
Und weil nun Jonathan den Abſchied nehmen will,
V. 211. Und weil nun Jonathan den Abſchied nehmen will) Dieſer Abſchied hat ſeine Schoͤnheiten, indem er die Liebe der Thalmais und den Helden - muth Jonathans in ſehr kleinen, aber wohl-erfundenen Umſtaͤndengeſchickt ausdruͤckt. Solche ſind: Daher verſchwieg ſie nur ꝛc. Und was ihr Herz beweint ꝛc. Er ſchaut ſie lieblich an, ꝛc.
10
Umfaͤht ſie ihn und ſpricht: Wag dich auch nicht zu viel!
Er ſchaut ſie lieblich an, und ohn ein Wort zu ſprechen
Setzt er ſich auf ſein Pferd, den Unmuth ihr zu brechen,
So ritt er was er kan, gantz Jſrael war da,
Ein jeder ruͤſtet ſich, weil ſchon der Feind ſo nah.
Der alte Jſai wie er diß kaum vernommen,
Wollt nicht, daß David ſollt mit in das Treffen kommen,
Weil ſeine Jugend ihn noch ſchuͤtzte, daß er nicht
Dem Koͤnig dienen dorfft, nach der Soldaten Pflicht;
220.
10
Drum ſeine aͤltſte Soͤhn er nach dem Heere ſandte,
Dafuͤr er David nun bey ihm zu ſeyn ernannte,
Bis dieſer Krieg fuͤrbey, und ließ es Saul geſchehn,
Daß David wiederum nach Bethlehem moͤcht gehn;
Der dann in allem ſich ſo willig wuſt zu geben,
Daß was man von ihm wollt, auch war ſein Will und Leben.
Sein hoher Heldenmuth ſehnt ſich zwar mit ins Heer,
Doch galt des Vaters Will bey ihme noch vielmehr,
Daß, als nur Saul hinweg, er gleich den Hof verlieſſe,
Und wiederum der Art des Feldes ſich befliſſe,
230.
10
Aus einem Hofmann ward hinwiederum ein Hirt,
Der beydes Stadt und Feld mit ſeinem Weſen ziert.
Er huͤtete nunmehr, in ſeinem Sinn zufrieden,
Die ſchoͤne Wollenheerd, wozu er war beſchieden,
Nichts28Verſuch eines Gedichtes
Nichts war ihm ungewohnt, der Hof, die Stadt, das Feld,
Es galt ihm alles gleich, wozu man ihn erwehlt.
Der vor dem Koͤnig ſtuhnd, dient nunmehr ſeinen Schafen,
Statt weicher Federbett will er in Huͤrden ſchlafen,
Des Hofes hoher Schein hat ihn nicht ſo verblendt,
Daß er nicht wie zuvor die Schaͤferfreude kennt.
240.
10
Er iſt hie mehr vergnuͤgt, er iſt hie mehr ſein eigen,
Hie thut er was er will, hie darff er ſich nicht neigen
Fuͤr dieſem oder dem, ſein Wort das fuͤhrt er frey,
Und ſorgt nicht ob es ſo noch ſo zu deuten ſey.
Hie hat er keinen Streit, er weiß von keinem Neiden,
Er darff hie ſeinen Leib, wie ihm gefaͤllt, bekleiden.
Die Mahlzeit richt er zu, wo es ihm ſelbſt beliebt,
Bald unter einem Baum, allwo es Schatten giebt,
Bald wenn die Sonne nicht die heiſſen Strahlen ſchieſſet,
Steht ihm ein gruͤnes Thal, das da ein Bach umflieſſet,
Zu ſeinem Tiſch bereit; er iſſet was er mag,
250.
10
V. 252. Er iſſet was er mag, und trinckt nicht uͤber Durſt.) Jn Opitzen Zlatna und dem Lobe des Feld-Lebens wuͤrde dieſe Beſchreibung der Land-Ruhe trefflich gut ſtehen; ich will ſie auch in dem Epiſchen Gedichte nicht verwerffen, wann ſie in ein paar Zeilen gebracht wird, und keinen Theil der Haupt-Hand - lung ausmachet; dieſe muß nach der Natur des Epiſchen Gedich - tes edel und erhaben ſeyn. Jch verſtehe eine Erhabenheit, die in den Unternehmungen einer krie - geriſchen Dapferkeit, in ausneh - menden Thaten der Großmuth, der Liebe zum Vaterland, zur Re -ligion, der Klugheit in Staats - Sachen, der Hoͤflichkeit und der - gleichen beſteht. Wer ſich vorge - nommen hat den Lebens-Lauf ei - nes Helden zu beſchreiben, wird nothwendig eine Menge ſchlech - terer und unwuͤrdiger Tha - ten darinnen antreffen, welche die Hoheit des Epiſchen Gedich - tes unterbrechen, allermaſſen die Menſchlichkeit nicht zulaͤßt, daß ein Held durch eine lebenslange Folge und Reihe von groſſen und erhabenen Umſtaͤnden und Hand - lungen fortgefuͤhrt werde.
11
Und trinckt nicht uͤber Durſt, folgt der Geſundheit nach.
Er gehet zu der Ruh, wenn ſich die Sonn verliehret,
Und ſtehet wieder auf, wenn ſie den Himmel zieret.
Niemahls iſt er allein, denn Gott der alles fuͤllt,
Hat ihn mit ſeinem Licht, und Gnaden-Geiſt umhuͤllt.
Denſelben lobet er in dieſen gruͤnen Auen
Mit manchem Kunſt-Gebaͤud. Jn Gott ſich zu erbauen,
Jſt29von David.
Jſt nur ſein Fleiß gewandt. Er dencket ſtets dahin
Wie er Gott dienen moͤg mit Andachtsvollem Sinn.
260.
11
So brachte David hin die Zeit bey ſeinen Heerden,
Die ihm nicht lange konnt auf dieſe Weiſe werden,
Als ihm an einem Tag, wie fuͤr der Sonnenſchein
Er kuͤhlen Schatten ſucht, diß eben fiele ein:
Wie Gott der Wunder-Gott, den Sauel fallen laſſen,
Den er doch erſt erwehlt den Scepter zu umfaſſen,
Und ſeufzte bitterlich, daß der verworffen gar,
Der da in Jſrael der erſte Koͤnig war.
Ach! dacht er bey ſich ſelbſt, was hat doch Saul begangen,
Daß er nicht wiederum Vergebung kan erlangen?
270.
11
Wohin iſt Gottes Guͤt? es iſt zwar Gott gerecht,
Doch geht er ins Gericht nicht oft mit ſeinem Knecht.
Wann alle Miſſethat der Hoͤchſte wollte ſtraffen,
So wuͤrd uns allen ja ſein ſtrenger Zorn hinraffen;
Warum findt Saul allein denn jetzo keine Gnad?
Ach, fuhr er weiter fort, es iſt des Hoͤchſten Rath,
Dem muß man halten ſtill; der Hoͤchſte kennt die Hertzen,
Wer weiß ob Saul nicht will mit Buß und Reue ſchertzen,
Vielleicht erkennt er nicht die Suͤnd die er gethan,
Und will doch, daß ihn Gott ſoll wieder nehmen an.
280.
11
Hierauf ſchwieg David ſtill und ſtellt ihm fuͤr die Augen
V. 281. Hierauf ſchwieg David ſtill und ſtellt ihm fuͤr die Augen.) Jn dieſen Gedancken wird uns gar tief in das Hertz Davids hin - ein zu ſehen geſtattet, und ſie ſind ſo beſchaffen, daß wir nothwendig eine groſſe Hochachtung fuͤr ſeine Gottesfurcht und ſeine Aufrich - tigkeit empfangen. Die Vor - ſtellungen ſind ſehr nachdruͤklich:Sein Herze fragt ihn ſtets: Sag an, was macheſt du? Nicht daß ſein hoher Muth wollt zu regieren ſcheuen ꝛc. Was bin ich mehr als Saul, ꝛc. Was ſoll mir dann die Kron ꝛc.
12
Wie hoch und ſchwer es ſey, fuͤr Gottes Geiſt zu taugen.
Drum ward er ſehr betruͤbt, wie er daran gedacht,
Was unlaͤngſt Samuel bey ihnen hat gemacht,
Wie der ſein Haupt geſalbt, daß er ſolt Koͤnig werden,
Daß er ein groſſes Volck, ſtatt ſeiner ſchwachen Heerden,
Einsmahls regieren ſollt. Dis gab ihm keine Ruh;
Sein Hertze fragt ihn ſtets: ſag an, was macheſt du?
Nicht,30Verſuch eines Gedichtes
Nicht, daß ſein hoher Muth wolt zu regieren ſcheuen,
Nein, weil des andern Fall ihn nicht vermag zu freuen.
290.
12
Er ſorgt nur weil er ſich dazu unwuͤrdig fand,
Es moͤcht ſein Regiment nicht haben lang Beſtand.
Was bin ich mehr als Saul, ſprach er, ich kan auch fehlen,
Was ſoll mir dann die Kron, die wuͤrde mich nur quaͤlen;
Jedoch, hie hielt er inn, befahl es ſeinem Gott,
Und dacht es muß geſchehn des Hoͤchſten ſein Geboth;
Deſſelben Wille war ſein Will und macht ihn ſchweigen,
Er will nicht gruͤbeln mehr, er will Gehorſam zeigen
Und folgen dem Beruff, in Demuth ſchlecht und recht,
Er iſt bereit zu ſeyn ein Koͤnig oder Knecht.
300.
12
Jndem diß David nun ſo alles uͤberleget,
Erſieht er wie die Heerd ſich uͤberall beweget,
Und daß ein grauſer Baͤr zu ſeinem Hertzeleyd
Ein Lamm daraus erwiſcht mit groſſer Hefftigkeit.
Der David ſaͤumet nicht dem Unthier nachzueilen,
Verfolgt ihn auf der Spur ohn ferneres Verweilen,
Der ſtarcke Gottes-Geiſt regieret ſeinen Muth,
Daß er in heilgem Grimm was ungemeines thut.
Er kommt dem Baͤren nah und dieſer ſieht den Knaben,
Denckt, daß er dieſen Raub zu jenem auch will haben,
310.
12
Verlaͤßt daher das Lamm und geht auf David loß,
Er baͤumt ſich vor ihm auf, macht Klau und Rachen groß,
Er faſſet David ſchon; der greifft ihm in den Rachen,
Und haͤlt ihn wie ein Lamm: der Starcke kan nichts machen,
Den Wuͤrger wuͤrget er, mit groſſer Staͤrck und Macht,
Der jenen faͤllen will, wird ſelbſten umgebracht.
Hier ſah man Gottes Krafft, die Davids ſchwachen Haͤnden
Das ihm entfuͤhrte Lamm wollt wiederum zuwenden;
Und da daſſelb aus Furcht fuͤr David ſelbſten laͤuft,
Wodurch es die Gefahr unwiſſend doppelt haͤuft;
320.
12
Jndem es in dem Wald hofft ſeinen Schutz zu haben,
Begegnet ihm ein Loͤw allda in vollem Traben,
Der es auch ſchier erwiſcht, wenn Davids ſein Getoͤn
Der auf den Loͤwen drang, ihn nicht gemachet ſtehn.
Der Loͤw in Zorn erhitzt, ſpitzt ſeine ſcharffe Klauen,
Und ſpringt auf David zu, der ſonder einzigs Grauen
Den31von David.
Den ſtoltzen Feind erwart, und als ein tapfrer Held
Jhn bey dem Bart erwiſcht, und drauf zu Boden faͤllt.
Hie ſetzt er ſich auf ihn, haͤlt ihn mit ſolcher Staͤrcke,
Daß man geſtehen muß, diß waͤren Loͤwenwercke,
330.
12
Und ehe ſich der Loͤw kan wieder heben auf,
Hat ihm ein Meſſer ſchon gekuͤrtzt den Lebenslauf.
Der Held der Thiere liegt dem Helde hin zu Fuͤſſen,
Beſinget Davids Sieg, mit ſeinem Blutvergieſſen
So ward das Lamm gerett, das der getreue Hirt
Zu der erſchrocknen Heerd mit Freuden wieder fuͤhrt.
Es ward ſein ſtilles Hertz durch dieſes Wunderſiegen
Nicht frech, noch voller Stoltz, nein, er ließ ihm genuͤgen,
Daß er was er bewacht, vom Tode nun befreyt,
Und ſagte niemand nichts, bis zu bequemer Zeit.
340.
12
Er prieß indeſſen Gott, den Herrſcher aller Herren,
Der ſeinen Arm geſtaͤrckt, zu ſeines Namens Ehren,
Und bat, daß deſſen Gnad ihm gaͤbe Kraft und Staͤrck,
Nach dieſer Zeit zu thun des Allerhoͤchſten Werck.
Hierauf, weil ſchon der Tag ſich ſchiene zu verliehren,
Wollt David ſeine Heerd in ihre Huͤrden fuͤhren,
Trieb ſie drauf fuͤr ſich hin, durch einen tiefen Thal,
Und ſpielte ihnen fuͤr mit ſeiner Harffen Schall:
Der Ort zu ſeiner Ruh war rund herum beſchloſſen
Mit ſteinigtem Gebirg, woraus mit Anmuth floſſen
350.
12
Der Baͤche Silber-Quell, ſo durch die Klippen fiel,
Und eilte mit Geraͤuſch zu kommen nach dem Ziel.
Diß ſauſendes Getoͤn bracht Anmuth da zu ſchlafen,
Drum hatte David auch mit ſeinen lieben Schafen,
Erkieſet dieſes Thal, das die Natur bebaut
Mit einer Maur, daß er ſein Vieh hie ſicher ſchaut.
Dann nur ein Eingang war den wilden Thieren offen,
Doch, daß fuͤr deren Wuth man Sicherheit zu hoffen,
Lag da ſein Schaͤferhund, des Treu und Wachſamkeit
V. 359. Lag da ſein Schaͤferhund ꝛc.) Der Poet verlaͤßt David in den kleinſten Umſtaͤnden nicht, er fol - get ihm zu ſeiner Heerde, hilft ihm nicht allein den Baͤren, undden Loͤwen uͤberwinden, ſondern decket ihn noch mit einem Bette in einer verſchloſſenen Hoͤhle, welche er von einem treuen Schaͤ -
13
Jhn nimmer nicht verließ, bey Tag-noch Nachtes-Zeit.
360.
13
Wie32Verſuch eines Gedichtes
Wie nun die Heerde ſich in ihre Huͤrd begeben,
Gieng David in die Hoͤhl, die ware gleich daneben,
Jn welcher ſtuhnd ſein Bett, in einem Stein gehaut,
Das ehmals Eſaus Fleiß hat ſelbſten ſo gebaut,
Wann er war auf der Jagd, war hie bey Nacht ſein Bleiben,
Denn nahe hie herum pflag er die Jagd zu treiben,
Jn einem weiten Wald, der ſeine Luͤſte ſtillt
Und ſeine Muͤh belohnt, mit manchem edlen Wild.
Jezt wohnte David hie, des Jacobs edler Saame,
Der da nach Gottes Schluß den Seegen Eſau nahme.
370.
13
Diß fiele David ein, als er ſich legt zur Ruh,
Und ſchloß er lang darum die Augen noch nicht zu.
Geht es jezt auch nicht ſo? dacht er in dem Gemuͤthe,
Mich hebet Gott empor nach ſeiner Wunder-Guͤte,
Und wehlet mich fuͤr Saul, die Erſtgeburt iſt ſein,
Der Koͤnigliche Thron, doch ſoll er werden mein.
O groſſer Wunder-Gott! als Eſau ward gebohren,
War er verworffen ſchon, und Jacob war erkohren.
Was kan der Menſch dann thun? er iſt ja eh erwehlt,
Und eh verworffen ſchon, eh er noch auf der Welt.
380.
13
Ach Gott! du ſiehſt zuvor der Menſchen ihre Sinnen,
Eh ſie gebohren ſind, weiſt du ſchon ihre Beginnen,
Du ſtraffeſt drum zuvor, was nachmahls wird gethan,
Die Suͤnderrott, und laͤſt in allem Recht beſtahn.
Nun Eſau der iſt Saul, da ich mich Jacob gleiche,
Jch ſehe ſchon zuvor, wie ich ihm gar nicht weiche
Jn mancher Noth und Angſt, die ihm zu Handen kam,
Als er fuͤr Eſaus Grimm die Flucht zu Handen nahm.
So wird mirs auch noch gehn, ich werde noch erleben
Beym Scepter Ungemach, beym Throne Angſt und Bebẽ.
390.
13
Doch, Herr, ich bin bereit! Ach Herr, ich bin dein Knecht,
Nachferhunde bewachen laͤßt. Da - durch verbindet er in der That den aufmerckſamen Leſer an die Perſon ſeines Helden. Er hat wohl gewußt, daß die Sachen den Leſer nicht ruͤhren, wann ſie nicht umſtaͤndlich ausgebildet werden. Aber wenn er ſich vorge -nommen hat, der Perſon Davids ſo genau zu folgen, und alle ſchoͤnen Stellen ſo umſtaͤndlich vorzuſtel - len, ſo hat er eine kuͤrtzere Mate - rte, und nicht einen Lebens-Lauf vor ſich nehmen ſollen. So muß er nothwendig das Maaß eines vernuͤnftigen Werks uͤberſchreitẽ.33von David.
Nach deinem Willen will ich leben, ſchlecht und recht.
Hiemit ſchlieff David ein, in ſeinem Geiſt zufrieden,
Bereit und wohl geruͤſt, wozu ihn Gott beſchieden,
Als ploͤtzlich ſich der Wind in ſtarckes Brauſen kehrt,
Und weckt mit Ungeſtuͤm die eingeſchlaffne Heerd.
Die vorhin heitre Luft wird dunckel und umzogen,
Die Wolcken ſtoſſen ſich und blaſen Waſſerwogen,
Der Mond und Sternen Schein bedeckt ihr braunes Kleid,
Die Elemente ſelbſt ſind mit ſich in dem Streit.
400.
14
Die Luft die ſauſt und brauſt, und will dem Waſſer wehren,
Daß nicht ein Wolckenbruch die Felder moͤg verzehren,
Doch bricht das Waſſer durch, die Wolcken gehn entzwey,
Und wollen ſo das Feur verloͤſchen, wo es ſey.
Das Feur, der ſchnelle Blitz, ziſcht doch durch dieſe Luͤfte,
Und acht das Waſſer nicht. Der Erden tieffe Kluͤffte
Erſchuͤtteren darob, wie ſich der Donnerſchall
Hiernach auch hoͤren laͤſt, mit ſchrecklichem Geknall.
Die Felſen dort umher vermehren dieſes Rollen,
Und ſcheinen jeden Schlag mit Schlag zu doppeln wollẽ,
410.
14
Der Nachtigalen Zunft verkriecht ſich in die Stein,
Die Schafe wollen nicht mehr in den Huͤrden ſeyn;
Sie lauffen hin und her, in dieſer Felſen Ritzen;
Der treue Hund will auch nicht in der Huͤtte ſitzen,
Fuͤr ſolchem ſtarcken Feind iſt ihm der Muth nicht da,
Wo alles ſich fuͤr ſcheut, iſt auch ſein Schrecken nah.
Der David der erwacht von dieſem ſtarcken Wuͤten,
Sein Seufzen gieng zu Gott, daß der ſich ließ beguͤten,
Und nicht in Eifer ſtraft. Er dacht, wie groß iſt der,
Dem da ſteht zu Geboth der Himmel und ſein Heer.
420.
14
Wann er nur ſpricht ein Wort, ſo muß es alles gehen,
Wann er nur was gebeut, ſo muß es gleich geſchehen,
Fuͤr ihm iſt nichtes was, und etwas nichtes nicht,
Dann ſeine groſſe Kraft das Schwerſte leicht verricht.
So ware Davids Sinn, er ſtellt ihm fuͤr daneben,
Wie Gott durch Moſen haͤtt ſein theur Geſetz gegeben:
So waͤr es auch geſchehn mit Donner, Feur und Blitz,
Daß ſelbſt der Sinai gebrannt in ſeiner Spitz.
[Crit. Sam̃l. X. St.] CDieß34Verſuch eines Gedichtes
Dieß edele Geſetz war ſeine Luſt und Freude,
Daran fand er ſtets Luſt, auch in dem groͤſten Leyde.
430.
14
Da denckt er Tag und Nacht mit groſſer Sorgfalt auf,
Setzt es zur Richtſchnur ſich in ſeinem Lebenslauf.
Als er dieß feſt geſtellt, und noch in etwas wachte,
Auf ſeiner Laͤgerſtaͤtt, und Gott ſein Hertze brachte,
Deucht ihm, es kaͤm ein Wag fuͤr ſeine Hoͤl gerannt,
Der Raͤder rollen macht ihm dieſes ſo bekannt.
Doch ließ das Ungeſtuͤm nicht zu, es zu verhoͤren,
Was dieß bedeuten moͤcht, und ob es Leute waͤren,
Doch ploͤtzlich hellt die Hoͤl des ſtarcken Blitzes Schein,
Daß er drey Weiber ſchaut, die allda treten ein.
440.
14
Das gleich verſchwundne Licht laͤſt ihn nichts mehrers ſehen,
Doch hoͤret er, daß ſie nah bey ihm uͤber gehen,
Horcht alſo in der Still. Mitdeß ſagt eine Stimm:
V. 443. Mitdeß ſagt eine Stimm ꝛc.) Wenn nicht nur David, ſon - dern auch ſeine Freunde und Ver - traute in ſo kleinen Umſtaͤnden ſo weitlaͤufftig aufgefuͤhrt werden, wie in dieſer Unterredung und der Fortſetzung derſelben, dieſe Frauens-Perſonen, ſo wird das ſchwache Gedaͤchtniß unter der groſſen Anzahl Dinge, Beſchrei - bungen und Vorſtellungen erli - gen, ehe wir David noch auf dem Throne Sauls werden zu ſe -hen bekommen. Sonſt ſind der - gleichen kleine Umſtaͤnde und Ge - ſpraͤche an ſich ſelbſt gantz beque - me die Gemuͤther mit Lebhaftig - keit und Eindruck zu offenbaren. Man muß nur darauf ſehen, daß ſie mit den Haupt-Theilen des Gedichtes in einem gehoͤrigen Maſſe Verhaͤltniſſes ſtehen, und der Majeſtaͤt des Jnhalts nicht nachtheilig werden.
15
Wohl uns, daß wir allhie nun fuͤr des Donners Grimm
Jn trockner Sicherheit. Worauf die andre ſagte:
Ach! wann ich wuͤnſchen koͤnnt, ſo wolt ich, daß es tagte,
Jch bin ſo ſehr erkaͤlt. Dies buͤßt recht unſre Luſt,
Sprach drauf die dritte Stimm. Ja wer hat dieß gewuſt,
Die erſte wiederredt, wir muͤſſen auch erfahren,
Was Ungemach bedeut, gleich unſern Kriegesſchaaren.
450.
15
Ja du Soldaten-Weib, ſagt eine drauf zu ihr,
Du achteſt nichts, du biſt es mehr gewohnt, als wir.
Du muſt es lernen auch, die erſte wiederholte,
Dann wann der Adriel dich noch bekommen ſollte,
Muſt35von David.
Muſt du des weichen Betts noch offte muͤßig gehn.
Wohlan, verſetzte die, wer weiß was kan geſchehn;
Allein, was faͤngt man an? Wir wollen uns hinſetzen,
Sagt bald die dritte Stimm, und mit einander ſchwaͤtzen.
Ach! Schweſter, ſing ein Lied, wandt drauf die erſte ein,
Zu Gott ſoll unſer Hertz anitzt gerichtet ſeyn.
460.
15
Hoͤrt wie der Hoͤchſte zoͤrnt, wohlan, thu mein Begehren,
Du, fuͤhr die Stimm, und wir, wir wollen es anhoͤren
Hierauf gab David acht, der keine noch nicht kennt,
Was kommen wird, und hoͤrt, daß ſie dieß Lied ernennt.
Jch heb die Augen auf aus allen Truͤbſalsgruͤnden
Hin zu dem hohen Berg, von wannen Huͤlff zu finden,
Mein Huͤlffe kommt von Gott, vom Herren kommt Genad,
Der Himmel und die Erd ſo ſchoͤn gemachet hat.
Der Herr wird deinen Fuß niemahlen gleiten laſſen,
Kein Schlaff den trifft, der dich behuͤtet, allermaſſen
470.
15
Der Huͤter Jſrael ja ſchlaͤft noch ſchlummert nicht.
Dein Schatten iſt der Herr, daß dir nicht was gebricht:
Daß dich bey Tag die Hitz der Sonnen nicht kan ſtechen,
Noch bey der Nacht der Mond, kein Schrecken muß dich ſchwaͤ -
Dann deine Seel der Herr fuͤr allem Leyd befreyt,
(chen,
Den Ein - und Ausgang er behuͤt in Ewigkeit.
Der David war beſtuͤrzt, dieß Lied mit anzuhoͤren,
So ſeine Arbeit war, und ware ſein Begehreu
Noch groͤſſer als fuͤrhin, zu kennen ſeine Gaͤſt,
Von denen eine ſich alſo vernehmen laͤſt:
480.
15
Wo haſt du dieſes Lied, o Schweſter, herbekommen?
Jch hab es, ſagte ſie, dem Jonathan genommen.
Wie? fragt die erſte bald, kommt es von meinem Mann?
Weiſt du dann nicht von wem er dieſes haben kan?
Des Jſai ſein Sohn (ſprach ſie) wie er berichtet,
Der ſchoͤne David hat dieß Kunſtgebaͤnd gedichtet,
Der unſerm Vater dient in ſeiner Traurigkeit,
Und den jedweder liebt, um ſeiner Lieblichkeit.
Du ſeufzeſt tief, ſprach die, ſo da bisher geſchwiegen,
Entdeck uns deine Lieb, gelt dieſer kan beſiegen
490.
15
Dein vorhin ſtoltzes Hertz, was Phalti nicht gekunt,
Kan Jſai ſein Sohn. Mein Seuftzen geht itzund,
C 2Die36Verſuch eines Gedichtes
Die andere gab fuͤr, hin nach dem Trauerweſen,
Das unſer Vater treibt. Der, der bringt ſein Geneſen,
Die erſte ſprach, der iſt ein wenig Urſach mit,
Daß deine Seuftzer gehn. Wann ich dich fleißig bitt,
Wirſt du mir bergen nicht, was wir bereits verſpuͤhret,
Du liebeſt nichts, was dir zu lieben nicht gebuͤhret;
Der David zeiget ſchon, was aus ihm werden wird,
Bald wird er ſeyn ein Held, iſt er gleich ſchon ein Hirt.
500.
15
Der Koͤnig will ihm wohl, mein Jonathan ihn liebet,
Kein Ritter iſt am Hof, der ihm nicht Zeugniß giebet,
Daß er ſo kuͤhn als ſchoͤn, ſo tapfer und ſo weiß,
Daß er von Jahren jung, von Witz vor Alter greiß.
Wer weiß, was er jetzund im Feld vor Thaten uͤbet,
Wie der Philiſter Heer ſich vor ihm fluͤchtig giebet,
Wie ſein die Siegeskron mit Ehren ſchon verlangt,
Wie er gleich als ein Held in ſchoͤnen Waffen prangt.
Ach! ſprach die andre drauf, Thalmais ich muͤſt liegen,
Wann ich dir laͤugnen wolt was ich bisher verſchwiegen.
510.
15
Ach es iſt nur zu wahr, daß David mir gefaͤllt,
Kein Mann in Jſrael, ja keinen in der Welt
Kan ich in meinem Sinn dem edeln David gleichen,
Er iſt allein das Feur, das mein Hertz kan erweichen.
Mein Uebermuth iſt hin, bin ich des Koͤnigs Kind,
So iſt ein Hirtenknab, bey dem mein Hertze findt
Den Thron, die Ehr, die Kron. Wie gerne wolltich weiden
Mit ihm die Schaf, und mich als eine Hirtin kleiden,
Jn meinen bunten Rock, ja meine Koͤnigszier
Wollt ich ohn alles Leid gleich legen weg von mir.
520.
15
Wie unvermuthlich dieß dem David war zu hoͤren
V. 521. Wie unvermuthlich dieß dem David war zu hoͤren) Die Stellung, in welche Da - vid geſetzt worden, die Reden die - ſer Frauensperſonen, an wel - chen er ſo groſſen Antheil hat, ih - nen unwiſſend mit anzuhoͤren,iſt romanhaft, und zu artig fuͤr die Hoheit des heroiſchen Gedich - tes. Eine lange Liebesverwirrung, die in dem Verfolge kommen ſoll, wird dadurch vorbereitet.
16
Steht nicht zu bilden fuͤr, er wuſt ſich nicht zu kehren
Fuͤr Schrecken aus der Stell. Der Donner hatte nicht
Jhn ſo beſtuͤrtzt gemacht, als dieß ſo hie geſchicht:
Er37von David.
Er weiß nun wer ſie ſind, weiß doch nicht wer ihn liebet;
Die Merob und Michal ſind dieſe, deren giebet
Die eine ihre Lieb ſo deutlich an den Tag,
Doch welche es recht ſey, er nicht errathen mag.
Er fuͤhlet ſchon in ihm ein Liebesfeur entſtehen,
Er wuͤnſcht den hellen Tag, um dieſe anzuſehen,
530.
16
Der er ſo wol gefaͤllt, und dencket Gottes Rath
Hab es alſo geſchickt, daß an des Koͤnigs Statt
Er ſoll auf dieſe Weiß durch eine Heurath kommen,
Des Koͤnigs Tochtermann zu ſeyn, koͤnnt ihn wol frommen:
Und hatte er ſein Lob mit Schamroͤth angehoͤrt
Aus der Thalmais Mund, die er allſtets geehrt,
Als Jonathans Gemahl, des Freundſchafft er genoſſe,
Doch hatt ſie was geſagt, das ihn dabey verdroſſe,
Daß nemlich er dem Krieg auch waͤr gefolget nach,
Da er doch bey der Heerd allhie ſo muͤſſig lag.
540.
16
Jmmittelſt hub die an, die ihn ſo hertzlich liebte:
Er iſt nicht mit zu Feld, ob es ihm gleich beliebte,
Er iſt zu Bethlehem, der Koͤnig ſandt ihn hin
Auf Jſai Begehr, und war darinn mein Sinn
Erfuͤllt nach meinem Wunſch. Jch fieng ſchon an zu ſorgen,
Und ſah auf die Gefahr; Dann mir iſt nicht verborgen,
Wie es im Kriege geht. Jch kenne ſeinen Muth,
Und daß ob er gleich jung, er mehr wie andre thut;
Auch immer will fuͤran, dabey er unerfahren,
Wie bald koͤnnt ihm ein Leyd fuͤr andern wiederfahren.
550.
16
Dieß gab dem David Troſt, daß ſie nicht uͤbel nahm,
Daß er zu Bethlehem, und nicht zum Treffen kam.
Er horchte drauf gantz ſtill, was man wuͤrd weiters fragen,
Und wuͤnſcht in ſolcher Luſt noch nicht, daß es moͤcht tagen,
Wann ihm der Tag fiel ein, bekam er neue Quaal,
Weil dann wuͤrd ſeine Ruh verſchwinden allzumahl.
Doch ware auch darnach ſein allerhoͤchſt Verlangen,
Weil er dann hofft zu ſehn die uͤberſchoͤnen Wangen,
Die ſchon ſein Hertz verwundt, ohn daß er dieſe kannt,
Die ſich in ihn verliebt, in der er wieder brannt.
560.
16
Sollt es wol Merob ſeyn? dacht der verliebte Hirte,
Mir deucht die Merob wars, die dieſe Reden fuͤhrte;
C 3Ja38Verſuch eines Gedichtes
Ja wann es Merob iſt, ſo liebet ſie mein Sinn,
Wanns aber Michal iſt, ich ihr ergeben bin.
Die Merob iſt zu ſtoltz, ſie redt von ſtoltzen Sinnen,
Drum wird es Michal ſeyn, die ich kan ſo gewinnen;
Nicht aus mir ſelber nein, aus Gottes weiſem Rath,
Der ſie mir auserſehn, und ſo gelencket hat.
Es ſey dann wer es ſey, ich will ſie wieder lieben,
Jch lieb ſie alle beyd, um keine zu betruͤben.
570.
16
V. 570. Jch lieb ſie alle beyd um keine zu betruͤben.) Der Herr Pope hat die Gedan - ken gehabt, daß in dem heroi - ſchen Gedichte und dem Trauer - ſpiele keine Liebesſachen Platz haben. Er hat geglaubt, daß al - le zaͤrtlichen Empfindungen, und alles, was der Liebestaͤndeley gleich ſieht, ſich mit den erhabe - nen und heftigen Bewegungen, womit dieſe Gedichte angefuͤllet ſind, uͤbel reimen. Er meinte, man koͤnnte, was die Liebe betraͤf - fe, ſich an dem begnuͤgen, was man davon in der Comoͤdie, der Elegie und der Ode vor ſich fin - det. Der Hr. la Motte hat zwar die Liebe in den Trauerſpielen vertheidigen wollen, aber keinen beſſern Grund zu ihrer Rechtfer - tigung vorgebracht, als daß mandem Frauenzimmer ſich damit ge - faͤllig machen muͤſſe, weil dieſes faſt die einzige Regung ſey, um welche ſich die Leute von dem ſchoͤnern Geſchlechte annehmen. Wenn wir dennoch betrachten, daß die wahre Liebe eine Schwach - heit iſt, die einen Menſchen viel - mehr demuͤthig als groß machen kan, und ihm nur allzu gerne etwas laͤcherliches anhaͤnget, ſo werden wir ſie aus ernſthaften und großmuͤthigen Gedichten heraus wuͤnſchen, ſo oft ſie nicht mit einer groſſen Vorſichtigkeit eingefuͤhrt, und nicht von andern edlern Regungen, ſo ſich damit vereinigen, erhoͤhet und geadelt wird.
17
Die Merob die iſt ſchoͤn, der Michal Lieblichkeit
Steigt uͤber alles auf, und machet mich bereit
Zu faſſen dieſen Muth, Sauls Eydam dann zu werden.
Jch bin ja ſchon geſalbt, was ſchaden mir die Heerden,
Thalmais ſagt ja ſelbſt, ob ich zwar ſey ein Hirt,
So zeig ich doch ſchon an, was aus mir werden wird.
Alſo dacht David hin, inzwiſchen dieſe dreye,
Dieweil ſie ſich allein vermeynten, ohne Scheue
Einander machten kund, was ſonſten niemand wuſt,
Und weil Thalmais ſucht hierinnen ihre Luſt,
580.
17
Zu ſchertzen mit ſie beyd, muß Adriel ſich leiden,
Und kan die ſo ihn liebt, fuͤr ihr nicht mehr vermeiden
Die39von David.
Die ſonſt gebergte Gluth. Die Dunckelheit der Nacht,
Jndem ſie niemand ſieht, ſie alſo munter macht,
Daß ſie ſo zu ihr ſagt: Ja der Meholathiter
Jſt meiner auch wohl werth, er iſt ein tapfrer Ritter.
Jch berg mich nicht fuͤr dir, Thalmais, du weiſt wohl
Wie ſeine Wuͤrdigkeit man billig preiſen ſoll.
Jch weiß, Thalmais ſprach, was Adriel verdienet,
Mein Jonathan iſt laͤngſt mit ihme ausgeſuͤhnet;
590.
17
Dein Bruder iſt nicht mehr ſein Feind wie wol vorhin,
Die Eiferſucht iſt aus, nun ich getrauet bin.
Erzehl uns eh die Nacht ſich endt, was ſich begeben,
Mit dir und Adriel. Nach deinem Willn zu leben,
Sagt ſie, ſo will ich gleich dir ein Genuͤgen thun,
Hoͤrt beyde fleißig zu, was ich fuͤrbringe nun.
ALs Samuel, der da gantz Jſrael regierte,
V. 597. Als Samuel, der da gantz Jſrael regierte. ꝛc.) Dieſes lange Epiſodium haͤngt mit dem duͤnneſten Faden an der Geſchichte Davids, nemlich weil er in der Zeit, da es erzehlet ward, ungefehr und ungeſehen in einem Winckel ſtuhnd, wo er die Erzehlung anhoͤren konnte. Der Jnnhalt deſſelben iſt uͤber - haupt comiſch, anſtatt daß er he - roiſch ſollte ſeyn. Er gehet Da - vid nicht weiter an, als daß er ſei - ne romantiſche Qual und Ver - wirrung vermehren muß. Sehet V. 1248. und folg.
Sein Hertze was empfindt, das er nicht melden kan.
Es liebet Adriel die eine von den beyden:
Das hat er angehoͤrt, und muß es auch ſo leiden.
Und faͤllt ihm Merob ein, daß die kan ſeyn die Braut,
Die ihm Gott hat beſtimmt, fuͤr Adriel ihm graut.
Wann Michals Lieblichkeit ihm dann beſcheint die Sinne,
Meint er, dem Adriel er ſie nicht laſſen koͤnne.
Er fuͤhret auch weiter kein Licht in ſeine Geſchichte, als daß wir zufaͤlligerweiſe einige Nachrich - ten von dem Zuſtande der vori - gen Zeiten, und des Regiments in Jſrael daraus ſchoͤpfen moͤgen; welche uns in zehn Zeilen eben ſo vollkommen haͤtten erzehlt werden koͤnnen. Alſo werdenwir um ſo viele Zeilen, als die - ſer Zwiſchengeſang hat, ohne Noth von der Geſchichte ver - ſchmiſſen, und in unſerm Ver - langen nach dem Fortgange der - ſelben betrogen. Das erhitzteſte Gemuͤthe wuͤrde in einem ſolchen und ſo gleichguͤltigen Zwiſchen - geſange wieder erkalten.
18
Eh unſer Vater Saul den Koͤnigsſcepter fuͤhrte,
ZuC 440Verſuch eines Gedichtes
Zu hohem Alter kam, und war des Richtens ſatt,
Erwehlt er ſeine Soͤhn, und nannt an ſeine ſtatt
600.
18
Den Joel, daß er ſollt zu Berſaba ſtets leben,
Und da dem Jſrael Recht und Gerichte geben,
Sein Bruder Abia, der kam gen Bethel hin.
Doch lebten dieſe beyd vielmehr nach ihrem Sinn,
Und pflegten ihre Luſt, als daß ſie ſolten ſehen,
Daß da in Jſrael Gerechtigkeit moͤcht ſtehen;
Wer nur Geſchencke bracht, der kauffte da ſein Recht,
Gold machte eben krumm, und das gekruͤmmte ſchlecht.
Ein jeder ſpuͤrt es wohl, doch keiner konnt es wenden,
Wer ein Wort ſprach zuviel, der war in ihren Haͤnden.
610.
18
Drum ehrt man ſie aus Furcht, aus Nutzen, und aus Zwang,
Die Reichen hattens gut, die Armuth litte Drang.
Nun hatte Adriels ſein Vater lang gelegen
Mit Ahimath im Streit, der von der Mutter wegen
Auch mein Großvater war. Es traffe Guͤter an,
Und wollte Ahimath, der da ein herber Mann,
Sein ungerechtes Recht nicht in der Guͤte laſſen,
Wie oftmahls ward gewuͤnſcht. Er legt ſich gantzer maſſen
Mit ihme in das Recht, ſie ziehn gen Berſaba,
Und liegen lange Zeit in ihren Sachen da.
620.
18
Barſilla hat das Recht, doch Ahimath die Goͤnner.
Allein weil alle beyd ſchon waren alte Maͤnner,
Kam ihre Sach nicht aus, ſie ſturben druͤber hin.
Die Kinder erben drauf der Vaͤter ihren Sinn.
Die Mutter zoge bald nach Joel, fortzutreiben
Die angehobne Sach, es ſolt nicht dabey bleiben.
Abenar ſtund ihr bey, der unſer Vetter iſt,
Und weil ſein ſcharffer Sinn zu allem wohl geruͤſt,
Hofft er ein gutes End in dieſer Sach zu ſehen.
Die Ada, ſeine Frau, und ich, wir muſten gehen
630.
18
Mit nach des Richters Stadt. Als Adriel nun hoͤrt,
Was unſer Wille war, er hefftiglich begehrt
Zu ſprechen uns zuvor, eh wir zum Richter kaͤmen,
Der ihm ein Greuel war, und wollte ſich bequemen.
Er ſcheute drum das Recht, weil Recht nicht Recht da war,
Und er noch kein Geſchenck ihm wolte bringen dar. Ob41von David.
Ob nun ſein guter Zweck zwar billig ſtand zu loben,
So ſahn wir doch nicht gern es laͤnger aufgeſchoben.
Abenar gab den Rath, wir ſolten nun das Recht,
Und nicht die Guͤt anſehn, er merckte, daß es ſchlecht
640.
18
Um Adriel muſt ſtehn, weil der den Richter meidet,
Dann wer ein ſichres Recht, ſich nie vom Rechten ſcheidet.
Drauf wieß man ihn dahin, wo Joel hielt Gericht,
Und ſagt man ihm, daß wir ihn wollten ſprechen nicht.
Drauf geht die Sache an. Die im Gerichte ſaſſen,
Die ſahen bald, wie uns das Recht wuͤrd ſincken laſſen,
Und daß wir keinen Fug an Adriels ſein Gut.
Wie dieß Abenar hoͤrt, er dieſes heimlich thut,
Und giebt dem Richter Geld, der unsſchon war gewogen,
Weil, als er mich geſehn, er einen Gift geſogen
650.
18
Der Liebesbrunſt in ſich, daß ſeine geile Flamm,
Je oͤffter er mich ſah, je mehrern Zunder nahm.
Die Mutter wuſte nicht Abenars ſein Beſtechen,
Und haͤtt ſie nie gegoͤnnt, alſo das Recht zu ſchwaͤchen,
Beſondern, weil ſie meint, die Sache waͤr fuͤr ihr,
Ließ ſie dem Recht den Lauf, und huͤt ſich nicht dafuͤr,
Was der Abenar that. Der es alſo geſtellet,
Daß Joel nur fuͤr uns ein gutes Urtheil faͤllet.
Es waren beyde Theil fuͤr ſeinem Richtersthron,
Und meinte jedermann den Sieg zu haben ſchon.
660.
18
Jch hatte Adriel noch nicht zuvor geſehen,
Und blieb er, wie er mich erſah, beſtuͤrtzet ſtehen,
Er wandte faſt kein Aug von mir die ganze Zeit,
Und weil der Richter ſpricht, und ihm giebt den Beſcheid,
Daß er ſein gantzes Gut und Erbe uns ſoll laſſen,
Sieht er gantz freudig aus, und zeiget uns kein Haſſen,
Er giebt ſich willig drein: und obwohl ſeine Freund,
Sich ſtellen ſehr betruͤbt, an ihm doch nichts erſcheint.
Hingegen fuͤhlte ich in mir ein ſonders Leyden,
Jch war darum betruͤbt, was meinen Freunden Freuden
670.
18
Und groſſe Ruhe bracht: ganz traurig gieng ich hin
Vom Richter in das Haus, ich klagt in meinem Sinn
Des Adriels Verluſt, der alles hat verlohren,
Was ihm in ſeinem Stamm war billig angebohren,C 5Und42Verſuch eines Gedichtes
Und haͤtte gern gewollt, daß er fuͤr uns den Sieg
Davon getragen haͤtt, in dieſem Guͤter-Krieg.
Der Richter bathe uns darauf zum Abendeſſen,
Und ſezt er ſich zu mir; ich konnte nicht vergeſſen
Des Adriels Verluſt, es daurt mir allzuſehr,
Daß da ſein Erb und Gut uns hoͤrt, und ſein nicht mehr.
680.
18
Joel, der wie geſagt, mich liebte als ſein Leben,
Wollt auch fuͤrnehmlich izt mir dieß zu ſpuͤren geben,
Weil wir verbunden ihm, daß er alſo gericht,
Daher er einen Haß bey mir vermuthet nicht;
Und ſagte drum zu mir: der ſchoͤnſten Jungfrau wegen
V. 685. Der ſchoͤnſten Jungfrau wegen hat heut mein Richterſtab ꝛc.) Von dieſer Verliebung des Joels hat die wahre Geſchichte nicht ein Wort. Der Poet hat ſie in dieſelbe auf die bloſſe Nach - richt von Joels ungerechtem Ge - richte und verderbtem Hertzen eingeſchoben. Er iſt dazu in ſo weit berechtiget geweſen, als ein Poet alle Urſachen der Begegniſſe erklaͤren muß, welche zu dem Ge - webe ſeiner Materie gehoͤren, daher man ihn Meiſter daruͤber laffen, und von ihm nicht fodernmuß, daß er die Sachen ſage, wie ſie wuͤrcklich geweſen, wann er ſie nur ſagt wie ſie ſeyn koͤnten oder ſollten, und deßfalls die Wahr - ſcheinlichkeit und die Nothwen - digkeit in Obacht nimmt. Der Fehler iſt, daß uns die Perſon Joels gantz gleichguͤltig iſt, zu - mahl da ſeine Geſchicht den Da - vid nichts angehet, den Lauf des Gedichtes hemmet, und den Ein - druck zerſtreuet.
19
Hat heut mein Richterſtab ſich willig muͤſſen legen,
Nur ihrer Schoͤnheit iſt der Sieg den ſie erlangt,
Die da fuͤr Jſrael fuͤr allen andern prangt.
Jch waͤre nicht geweſt dem Adriel ſo herbe,
Wann deine Wunderſchoͤn verdiente nicht ſein Erbe;
690.
19
Haͤtt ich die nicht geſehn, waͤr die Ahinoam
Auch nicht ſo reich wie jezt. Wie dieſes ich aufnahm,
Kan ich dir ſagen nicht, ich bliebe ohn zu ſprechen
Ein gute Weil; zulezt ſagt ich: Soll man wohl brechen
Das Recht, wenn man mich ſieht? Ja freylich, ſprache er.
O wahrlich, wandt ich ein, dieß giebt uns ſchlechte Ehr,
Die uns der Sieg gebiehrt. Warum, ſagt er hiegegen,
Wer darf ſich wider mich und meinen Willen legen?
Es komm mir Adriel, trotz daß er hab den Muth,
Die ſchoͤne Jungfrau ſoll beſitzen ſtets ſein Gut.
700.
19Wann43von David.
Wann wir es nicht mit Recht (antwort ich) wird uns ſchaden
Dieß Gut, weil Gottes Zorn wir ſo auf uns geladen.
Was, Gottes Zorn? O nein! (ſprach dieſer Spoͤtter bald)
Kennt Gott den Adriel? Nein! eure Wolgeſtalt;
Der liebt die Merob auch, und mehrt der ihre Schaͤtze.
Jch ſagt: ich thue wohl, daß ich mich von dir ſetze,
O Joel dein Geſpoͤtt kan mir behagen nicht,
Was wider Gott ich hoͤr, iſt wider meine Pflicht.
Hiemit ließ ich ihn da, und durffte er nicht wagen,
Damahls von ſeiner Lieb mir mehrers fuͤrzuſagen,
710.
19
Wie er wohl hatt im Sinn; und haßt ich nach der Zeit
Jhn mehr noch als fuͤrhin, und kam dieß weit und breit
Durch gantzes Berſaba, daß Adriel verlohren,
Nur bloß weil Joel mich zu ſeiner Lieb erkohren,
Und ſprache jedermann ſehr ſchlimm von dieſer That,
Ja wer noch ehrlich war, hiefuͤr ein Abſcheu hat.
Nun hatte Adriel, ſeit dem er mich geſehen,
Gefuͤhlt ein Liebesfeur in ſeinen Sinnen gehen,
Das ihm ließ keine Ruh, er zwingt ſich wie er will,
So laͤufft es da doch aus, daß ich allein ſein Ziel,
720.
19
Dahin ſein ſinnen ſteht, was er ſoll recht beginnen,
Kan er erdencken nicht, und wie ich zu gewinnen.
Er weiß der Mutter Haß und ſeinen Armuthsſtand,
Das ſind zwey ſtarcke Seil, die feſſeln ſeine Hand,
Daß er zu nichtes kan was ihm beliebt gerathen.
Er kan mich laſſen nicht, noch auch nach ſolchen Thaten
Erweiſen wer er iſt: ſein Erbtheil iſt dahin,
Die Noth bekleidt den Leib, die Liebe ſeinen Sinn.
Er bleibt zu Berſaba, da ihm dieß wiederfahren,
Und hielte ſich da auf ſo lange wir da waren.
730.
19
Man rieth vergebens ihm er ſollt nach Ramath gehn,
Allda den Samuel dieß Unrecht laſſen ſehn,
Das ſein Sohn haͤtt veruͤbt. Er wollt mich nicht betruͤben,
Er ſprach, Ahinoam ihr Kind das muß ich lieben,
Drum goͤnn ich der mein Gut der ich mich ſelber geb,
Ohn dieſe bin ich nichts, in der ich einzig leb.
Dieß hat er mir hernach ſelbſt alles ſo erzehlet,
Wie ich dir izt bericht, und wie er ſich gequaͤlet,Was44Verſuch eines Gedichtes
Was Streit er hat gefuͤhlt, wie offt er hat geſollt
Mich laſſen. Aber nein, die Lieb es anderſt wollt:
740.
19
Die reizt ihn allezeit zu gehen neue Wege,
Und weil die muntre Lieb ihn nicht ließ werden traͤge,
Sucht er Gelegenheit ſich mir zu machen kund,
Was ſtets ſein Herz fuͤrbracht, ſollt ſagen auch der Mund.
Abenar wehlt er aus, ihm wohl bey mir zu dienen,
Weil er wuſt ſeine Macht und ſein wohlmeinend gruͤnen,
Und nahm der willig an was Adriel ihm ſagt,
Weil ſein Gewiſſen ihn bereits hat angeklagt,
Daß er nicht recht gethan, in Unrecht uns zu ſchuͤtzen.
Er dachte dieſe Lieb koͤnnt ihn hinwieder nuͤtzen,
750.
19
Daß ſein Gemuͤth in Ruh, ſein Nahm bey Ehren blieb,
Weil was geſchehn, ihm ſchon die gantze Stadt zuſchrieb.
Und weil der Adriel bey allen war beliebet,
Hat auch ſein Ungluͤck faſt das gantze Land betruͤbet.
Ahinoam bereut auch ebenfalls die That,
Die, daß ſie unrecht hat, erkannt, wiewohl zu ſpath.
Mit Ehren konnt man nicht das Erbe wieder geben,
Denn Joel haͤtte ſonſt uns doͤrffen wiederſtreben,
Und bringen ſelbſt in Noth, weil er alſo gericht.
Wir dorften ſeiner Macht ja widerſprechen nicht.
760.
19
Sie hoͤrt Abenars Rath deßwegen an mit Freuden,
Und ward mir angebracht des Adriels ſein Leyden.
Die Roͤthe ſprach fuͤr mich und gab ich mich darein,
Was meiner Mutter Freund ihr Wille wuͤrde ſeyn.
Doch weil man Joels Lieb zu mir verſpuͤren konnte,
War leicht der Schluß gemacht, daß er mich ihm nicht goͤnnte
Drum nahme man ihm fuͤr zu eilen aus der Stadt,
Eh Joel noch hievon etwas gemercket hat.
Doch fiel was in den Weg, das unſrer Reiſe wehrte,
Es wurde ploͤtzlich kranck die Mutter, und begehrte,
770.
19
Daß Saul gleich zu ihr kaͤm; nach dem dann ward geſchickt,
Und wurde unſer Zweck dadurch gar ſehr verruͤckt.
Man hatte Adriel noch nicht entdeckt den Willen
Der Mutter, der da war, den Seinen zu erfuͤllen,
Weil ſie nicht ohne Saul hierinnen wollte gehn,
Doch wurde ihm erlaubt, wann er wollt, uns zu ſehn. Ver -45von David.
Vergebens wuͤrd ich dir hie ſeine Wort erzehlen,
Die er ſtets zu mir ſprach, weil der verliebten Seelen
Der ſchoͤnen Thalmais ohndeme wohl bekannt,
Wie man ſpricht, wañ man ſich befindt in ſolchem Stand.
780.
19
Er ruͤhmt ohn Unterlaß, was ſich bey mir nicht funde.
Und ich fragt ohne End, ob er aus Hertzens Grunde
Dieſelbe lieben koͤnnt, die ihn ſo mit betruͤbt?
Worauf er dann betheurt, wie hefftig er mich liebt,
Und daß er Joel danck, daß der ſein Gut uns geben,
Weil er ja ſelbſt nun wollt aufopfern mir ſein Leben.
Dieß war der Jnnhalt ſtets von unſerem Geſpraͤch,
Und wann dieſelbe Zeit ich noch bey mir erweg,
Find ich, daß die allein war faͤhig mich zu freuen;
Doch mußten wir dabey uns fuͤr dem Joel ſcheuen,
790.
19
Des Macht, Unrecht und Lieb war zu bedencken wohl,
Ein jedes von die drey ließ uns der Sorgen voll.
Erwog man ſeine Macht, die alles konnt vollbringen,
Sein Ungerechtigkeit ließ ſich von keinem zwingen,
Und ſeine Lieb zu mir nahm zu von Tag zu Tag,
So daß je mehr ſie ſtieg, je mehr ſtieg meine Plag.
Jmmittelſt, daß wir nun zu Berſaba ſo waren,
Kam Saul auch zu uns hin, das Joel kaum erfahren,
Da kam er ſelbſt zu uns, und that ihm dieſe Ehr,
Doch wañ mans recht bedacht wars um die Tochter mehr.
800.
19
Saul, dem des Richters Lob ſchon war fuͤr Ohren kommen,
Hat zwar, wie ſichs gebuͤhrt, die Ehre angenommen,
Doch ſcheut er ihn dabey, ſein Stand macht ihn erhoͤht,
Sein Ruff der macht ihn klein, und ſeine Ehr verweht.
Es fuͤgte ſich nun ſo, daß der Meholathiter
Jm Garten bey mir war, und Joel, der durchs Gitter
Nahm unſer Thun in Acht, verſpuͤret wohl ſo viel,
Daß man nicht Adriel ſo feind iſt, als er will.
Dieß bringt ihm Eiferſucht, dieß blaͤſet ſeine Liebe,
Er ſchleichet hinter her, weil ihn die Rache triebe,
810.
19
Und hoͤret alles an, was Adriel mir ſagt,
Der uͤber ſeine Tuͤck und loſe Schalckheit klagt.
Jch gab mit weidlich auf, und ſprach von ſeinen Raͤncken,
Und konnt ich, daß er uns ſo nah, unmoͤglich dencken,
Und46Verſuch eines Gedichtes
Und ob uns Ada gleich ſchon oͤffters winckte zu,
Erriethen wir doch nicht, warum ſie ſolches thu.
Jndem ſchau ich mich um, ja wie mir wurd zu Muthe,
Ja wie mir wurd zu Sinn, als ich die Ungluͤcks-Fluthe
Mit graͤßlichem Geſicht ſo nahe ſah bey mir,
Das weiß ich ſelbſt noch nicht, und kans nicht ſagen dir.
820.
19
Jch bliebe gleichſam todt und ohn ein Wort geſprochen
Lief ich, gleich wann ich haͤtt was greuliches verbrochen,
Von ihm nach Ada zu, doch Adriel blieb ſtehn,
Und ſcheuete ſich nicht, ihn tapfer anzuſehn.
Jſt das, fieng Joel an, die Ehr, die mir gebuͤhret?
Nein, ſprache Adriel, weil du bisher gefuͤhret
Dein Amt mit Suͤnd und Spott, iſt dieſes viel zu ſchlecht,
Daß man dich ſo beſchreibt, denn wer das Recht ſo ſchwaͤcht,
Gleichwie du thuſt, den ſollt man billich anderſt finden.
Du haͤuffeſt Jſrael die Straff mit deinen Suͤnden,
830.
19
Und wird man in die Laͤng nicht ſitzen dazu ſtill,
Der nuͤzt uns nicht, der da das Recht nicht fuͤhren will.
Nach dieſem freyen Wort haͤtt man ja ſollen dencken,
Es wuͤrd des Richters Zorn den Adriel verſencken,
Nein aber hoͤre nur, wie gleiſſend er ſich ſtellt,
Er ſaget laͤchlend drauf: Der iſt nicht in der Welt,
Wer allen kan zu Danck, und wie man will, regieren.
Hiemit geht er zu mir, und ſagt: Nun kan ich ſpuͤren,
Wie man hie iſt geſinnt, und wie man das erkennt,
Daß eines Richters Hertz in heiſſer Liebe brennt.
840.
19
Laͤßt uns darauf allein, und berget ſeine Rache,
Doch ware mir alsbald nicht wohl bey dieſer Sache,
Und weil ich Adriel, der alſo frey geſchwaͤtzt,
Sah in der hoͤchſten Noth, darein er ſich geſetzt,
Muſt er auf meine Bitt aus Berſaba entweichen.
Jch konnte dieſes lang bey ihme nicht erreichen,
Weil ſeine Großmuth ihn abhielt fuͤr dem zu gehn,
Den er nicht wuͤrdig acht, im Wege anzuſehn.
Doch weil zur ſelben Zeit Gewalt fuͤr Recht ſich wieſe,
Konnt es nicht anderſt ſeyn, ein jeder ſich beflieſſe,
850.
19
Zu haben Joels Gunſt, wiewohl man ihm nicht gut,
Stellt man ſich doch aus Furcht, als wann mans gerne thut.
Drum47von David.
Drum ſchiede Adriel, und wolt nach Geſur reiſen,
Von wannen er hiernaͤchſt mir nicht genung konnt preiſen
Die Gnad, die man ihm that in deines Vatern Land,
Und wie der Koͤnig ihm in allem macht bekannt
Die groſſe Guͤtigkeit, die Koͤnigen gebuͤhret.
Jndem er nun hinweg, wird ſein Verluſt verſpuͤret.
Ein jeder ſpricht davon, ein jeder fragt darnach,
Ein jeder deutet ſo und ſo aus dieſe Sach.
860.
19
Der Joel freute ſich, daß ihm ſein Feind gewichen,
Ohn daß er ihn verfolgt, und weil man ſich verglichen,
Zu reiſen wieder heim, ward Joel dieſes inn,
Und ſpricht den Vater an, wie ſein verliebter Sinn
Sey gegen mir entbrannt, und will ſein Eydam werden.
Saul ſich hierob entſetzt, weil er ſo viel Beſchwerden
Bey dieſer Heurath ſah. Der Tochtermann zwar war
Der Hoͤchſt in Jſrael, doch war auch offenbar,
Wie er ſein Leben fuͤhrt, und daß nicht wuͤrd beſtehen
Die Ehr, in welcher man ihn damahls konnte ſehen.
870.
19
Er darff nicht ſagen nein, das Jawort war auch ſchwer,
Er liebete die Ruh, ſein Kind doch noch vielmehr,
Und ſaget endlich ſo: Es ſtuͤnde zu bedencken,
Sein Vater lebte noch, wann der ſich lieſſe lencken
Zu dieſer hohen Ehr, ſollts ihm gefaͤllig ſeyn,
Wo nicht, ſo muͤſt er auch mit deme ſtimmen ein.
Der Joel, der ſo klug, als arg und ſchalckhaft ware,
Will, daß mans gleich beſchließ, eh man es offenbare
Dem Kis, der ſich nicht lang hierinn bedencken werd;
Was Saul gefaͤllig ſey, da wuͤrd er ohn Beſchwerd
880.
19
Sich willig geben ein, und moͤchte er wohl ſpuͤhren,
Daß ihn mein Vater wollt ſo auf das weite fuͤhren.
Der dann voll Sorg und Angſt ſich weiß zu rathen nicht,
Und darf nicht melden an, woran es recht gebricht.
Jndem er nun ſo ſchweigt, will Joel Antwort wiſſen,
Bald drohet er, und bald iſt wieder er befliſſen,
Zu ſuchen in der Guͤt, was ſein Anbringen war.
Mein Vater, der ihm ſtellt fuͤr Augen die Gefahr,
Wann er wuͤrd ſagen nein, ſagt ja, nur mit dem Munde,
Das Nein viel wahrer war in ſeines Hertzens Grunde.
890.
19
Drauf48Verſuch eines Gedichtes
Drauf Joel iſt vergnuͤgt, mein Vater hochbetruͤbt,
Und ich erfahr es auch, daß man mich Joel giebt.
Wann ich dir melden wollt, wie ich mich that gebaͤhrden,
Wuͤrd ich vermehren nur ohndeme die Beſchwerden,
Die meine Red dir giebt. Jch ſtellte mich ſo an,
Daß man in kurtzer Zeit mich kaum mehr kennen kan.
Jch bin des Joels Braut, der ſich nichts an mich kehret,
Acht Gegenliebe nicht, die Meinigen nicht ehret,
Und haͤlt mich ſchon ſo ſchlecht, eh ich ihm noch getraut,
Daß, was noch wird geſchehn, man klaͤrlich ſpuͤrt u. ſchaut.
900
19
Jndem kommt ein Geſchrey, daß Adriel entwichen,
Weil er mit Ada haͤtt in Unzucht ſich verſchlichen,
Und giebt ſie Gera an, der uns iſt nah verwandt.
Abenar als ihm dieß von Ada ward bekannt,
Ließ ſeinen Eifergeiſt auf einmahl maͤchtig toben.
Von uns konnt dieſe Schand kein Menſche billig loben.
Jch war alſo verfuͤhrt, daß Adriel es war,
Der dieſe That gethan, daß ich ſchier noch erſtarr,
Wann ich daran gedenck. Es ward mit ſolchen Gruͤnden
Herfuͤr gebracht, daß man nicht wohlkonnt Ada finden
910.
19
Jn Unſchuld wie ſie ſagt, ihr ſchweeren nichtes galt,
Der Gera ſchwure auch; und wie ſie ſich anſtallt,
Sah man wol, daß ſie war erſchrocken und verborgen,
Und ware ihr Geſchlecht daher in groſſen Sorgen.
Abenar wollt den Schimpf den Ada ihm gethan,
Nicht leiden, ſein Geſchlecht ſtund da fuͤr einen Mann.
Rimon ihr Vater kam und ihre beyde Bruͤder,
Baena und Rechob, und ihres Stammes Glieder,
Die wollen, Gera ſollt beweiſen was er ſagt,
Und wurde dieſe Sach dem Richter angebracht.
920.
19
Die Berothiter all gen Berſaba erſchienen,
Abenars Freund ſeynd auch bereit ihm wohl zu dienen,
Darunter unſer Hauß auch mit begriffen war;
Es kame Kis auch ſelbſt nebſt meinen Bruͤdern dar.
Die Ada als ſie ſah den Beyſtand ihrer Freunde,
Erhobe ſich ihr Muth und pocht ſie ihre Feinde,
Sie foderte die Rach, weil Gera ihr Geſchlecht
Alſo geſchaͤndt, ſo ſoll ihr Joel ſprechen Recht.
Der49von David.
Der Joel fraget nach, wo Adriel moͤcht leben,
Es wird in alle End hin der Befehl gegeben,
930.
19
Daß Adriel erſchien, ich wuͤnſcht und wuͤnſchte nicht,
Daß er ſich ſtellte ein fuͤr Joels ſein Gericht;
Dann, war er ohne Schuld, haͤtt er doch leiden muͤſſen,
Und ſchnldig mocht ich nicht ihn ſehn ſein Blut vergieſſen.
Drum war ich froh als er zur rechten Zeit nicht kam,
Da doch erſchiene der Meholathiter Stamm.
Daß alſo drey Geſchlecht um dieſer Sache willen
Fuͤr Joel ſtellten ſich, gerichtlich zu erfuͤllen,
Was jedes Ehr betraf. Der Jeminiter Haus
Es mit Abenar hielt, der wolte gantz durchaus
940.
19
Daß Ada wuͤrd verdammt. Die Berothiter ſprachen:
Der Gera zeuget falſch, man muß zu dieſen Sachen
Noch klaͤreren Beweiß. Des Adriels Geſchlecht
Haͤlt es mit Ada auch, und ihre Ehr verfecht.
Dieß war ein harter Streit und gar ein ſchwerer Handel,
Man wuſte nichtes boͤß von Ada ihrem Wandel,
Und Gera war ein Mann der keinen nicht betrog,
Daher ſich dieſe Sach gar lange hin verzog;
Und fuͤhrt ich unterdeß ein ſo betruͤbtes Leben,
Weil ich in Haß und Lieb und Eiferſucht muſt ſchweben,
950.
19
Daß es noch Wunder iſt, daß ich nicht gar verfiel,
Und meine Lebens-Zeit erreicht ihr letztes Ziel.
Dieß ware noch mein Troſt, daß dieſer Handel machte,
Daß Joel nicht ſo bald an unſre Hochzeit dachte,
Dann ihm war keine Friſt, der Morgen, Mittag, Nacht,
Wurd fuͤr dem Richterſtuhl beſtaͤndig zugebracht.
Der Berothiter Stamm als der zum meiſten litte,
War auch der, ſo die Ehr der Ada wohl beſtritte,
Daß wann nicht Joel haͤtt dem Gera Huͤlff erzeigt,
Der ihm inſonderheit in allem war geneigt,
960.
19
Waͤr es ſchier ſeyn geſchehn Man kont ſich nicht drein richten.
Joel war Ada hold, und wollte doch nicht ſchlichten
Die Sach wie er gekonnt, er fiele allen bey,
Er ſprach kein Urtheil nicht, und ſprach auch keinen frey.
Jndem nun dieſe Sach ſo lief von allen Seiten,
Kam Bichri in die Stadt. Jch kannte ihn von weiten,
[Crit. Sam̃l. X. St.] DUnd50Verſuch eines Gedichtes
Und weil er Adriels ſein Freund, war er mit ihm
Nach Geſur hingereiſt, fuͤr unſers Richters Grimm.
Er kam darauf, ſo bald die Zeit es wollte leiden
Zu mir, dahin, allwo ich heimlich ihn beſcheiden,
970.
19
Und klagten wir allda einander unſre Pein,
Und in was boͤß Geruͤcht hie Adriel muͤſt ſeyn.
Der Bichri ſagt darauf, dieß wuͤrd er nimmer dulden,
Und eh ſein Sterben ſehn, als ſeine Ehr in Schulden.
Deßhalben wollt er gleich ihm dieſes melden an.
Vergebens plag ich mich, weil ichs nicht wehren kan,
Und wie ich ihm auch klagt, wie man mich haͤtt verſprochen
An Joel, ſagte er: So iſt das Band gebrochen,
Von dir und Adriel. Jch ſprach: Jn Ewigkeit
Vergeß ich ſeiner nicht; ſchaff, daß er mich befreyt.
980.
19
Jch will nach Geſur hin, will er dahin mich fuͤhren,
Da kan ich Sicherheit fuͤr Joels Wuͤten ſpuͤren.
Dieß nahme Bichri an, und treibet ihn die Ehr,
Die ſchier verlohren war, des Adriels ſo ſehr,
Daß er gleich reiſet fort, nach Geſur hinzubringen
Die ungewohnte Maͤhr von dieſen Wunderdingen.
Jmmittelſt wird kein Schluß ohn Adriel gemacht,
Und durch Abenars Fleiß die Sach dahin gebracht,
Daß ſein beklagtes Weib nach Nobe fuͤr dem Herren
Soll mit ihm reiſen fort; ſie thut ſich heftig wehren,
990.
19
Und will durchaus die Prob des Eiferopfers nicht,
Doch alle ihre Freund ſeyn ſelbſt hierauf erpicht.
Der Richter wolte gern, daß es nicht moͤcht geſchehen,
Doch Gott und ſein Geſetz durfft er nicht wiederſtehen.
Drum gieng die Reiſe fort; der Richter ſelbſten zieht,
Und wir, die wir befreundt, wir giengen gleichfalls mit,
Begierig, wie es moͤcht mit dieſem Handel kommen.
Wir wurden in der Huͤtt des Stifftes angenommen,
Von Ahilob, der da den Leibrock hatte an,
Der alles mit ihr thut, was man verrichten kan.
1000.
19
Jhr Haupt wurd ihr entbloͤſt, der Prieſter ſie beſchweerte.
Sie wurde ganz erblaſt, wie man an ſie begehrte,
Daß ſie das Waſſer truͤnck, das da verfluchet war,
Dadurch, ob ſie ohn Schuld, koͤnnt werden offenbar.
Wie51von David.
Wie mir hiebey zu Muth laß ich dir ſelber rathen.
Und wie wir in der Huͤtt uns ſo verſammelt hatten,
Da auf die Ada war jedwedens Aug gericht,
Man unvermuthlich von des Ritters Ankunft ſpricht.
Ein jeder ſchaut ſich um als Adriel erſcheinet,
Nun ſey die Ada loß ein jeder ſchon vermeinet.
1010.
19
Er tritt zu Gera hin, und ſpricht: biſt du der Held,
Des luͤgenhafter Geiſt anfuͤllet nun die Welt.
Auf Ada, fuhr er fort, zeig deiner Unſchuld Probe,
Zeug den Abenar an, daß er dich wieder lobe.
Trinck! was dir wird gereicht, zu deinem hoͤchſten Ruhm,
Beweiſe fuͤr dem Volck, fuͤr dieſem Heiligthum,
Was deine keuſche Seel von Gera muͤſſen leiden,
Dann wird man dich ſtatt ſchmach, mit ehr und ruhm bekleidẽ.
Wie dieſes mich erfreut, konnt jedermann gleich ſehn,
Und waren Ada Freund ſehr froh, daß dieß geſchehn.
1020.
19
Sie aber blieb erbleicht; ſie wehrte ſich zu trincken,
Sie wollte in die Erd fuͤr groſſer Angſt ſchier ſincken.
Die Freunde ſprachen zu, der Prieſter trieb ſie an,
Bekenne oder trinck, ſagt ihr ergrimmter Mann.
Hiemit trinckt ſie es ein. Die es mit Gera hielten,
Das unſre Freundſchaft war, nach dieſem Ausgang zielten
Mit hefftiger Begierd. Der Adriel ſteht da,
Und ſiehet unverfaͤhrt; Jch ware ihm ſo nah
Daß ich die leiſen Wort, die er mir ſagt, konnt hoͤren:
Wann deine treue Lieb bey dir noch ſteht in Ehren,
1030.
19
Und daß mich Bichri hat aus Freundſchaft nicht getroͤſt,
Solſt du noch heute ſeyn aus Joels Macht erloͤſt.
Die Anſtalt iſt gemacht, nach Geſur dich zu bringen,
Sey nur getroſt; Jch hoff es ſoll uns wohl gelingen.
Jch ſagt hierauf kein Wort und winckte ihm nur zu,
Daß er verſpuͤren koͤnnt, daß ich dieß willig thu.
Jndem der Prieſter nun das Eiferopfer zuͤndet,
Hebt Ada ploͤtzlich an, die ſich nicht wohl befindet,
Zu ſchreyen Ach und Weh! ein jeder draͤngt ſich hin,
Jch voller Angſt und Sorg, ich nicht die letzte bin.
1040.
19
Abenar ſie befragt, der Richter auch imgleichen,
Daß ſie die That bekenn. Sie ſagt: Nun ich nicht weichen
D 2Noch52Verſuch eines Gedichtes
Noch hie entgehen kan, bekenn ich alles frey,
Jch habe meinen Mann betrogen, ohne Scheu.
Jſt es denn Adriel? der Richter ploͤtzlich fragte,
Ja Adriel der iſts, die Ada wiederſagte.
Wohlan, trat Gera auf, die Wahrheit iſt am Tag.
Man ſchaut an Adriel was der wohl ſagen mag,
Der thut noch unverfaͤhrt, und will die Ada ſprechen.
Doch uͤbertaͤubt man ihn, Abenar will ſich raͤchen,
1050.
19
Die Schuld iſt hell und klar. Die Ada gantz befiel
Daß es nicht anderſt ſcheint als ob ſie ſterben will.
Man traͤgt ſie in ein Hauß, und Adriel ſoll geben
Von ihme ſein Gewehr; Das koſte den das Leben,
Spricht er, der dieſes ſucht und geht auf Gera loß.
Hierauf wird ein Tumult, und alle Degen bloß.
Der Richter ruffet bald den Adriel zu fahen,
Doch darff ſich keiner nicht ſo eilig zu ihm nahen,
Er kommt aus ihrer Hand; und ſeiner Freunde Rott
Hilfft ihm aus dieſer Noth, reiſt ihn aus dieſem Spott.
1060.
19
Der Sieg war unſer nun, die Jeminiter prangen,
Doch koſt mir dieſer Sieg gar viel benetzte Wangen,
Der Berothiter und Meholathiter Haus,
Die waren hoͤchſt betruͤbt, daß es ſo lief hinaus.
Abenar rief um Recht, die Ada ſollte ſterben,
Die alle Welt verließ und ſuchte ihr Verderben.
Auch ſucht man Adriel, doch war der nicht zu ſehn.
Jch wuſt in meinem Sinn nicht wie mir war geſchehn.
Und war noch ſo beſtuͤrtzt, als Bichri heimlich nahme
Die rechte Zeit in Acht, und in mein Zimmerkame,
1070.
19
Er fragte gleich, ob ich zu reiſen waͤr bereit:
O nein, ſprach ich hiezu, es iſt nicht mehr die Zeit,
Sag Adriel nur an, daß ich ſein gantz vergeſſen,
Weil er ſein eigen Ehr ſo wenig uͤbermeſſen.
Jch bin einmahl verlobt an Joel, der iſt mein,
Eh will ich wehlen den, als Adriels zu ſeyn.
Bichri, der that beſtuͤrtzt, ich aber ließ ihn ſtehen,
Und ſagte dieſes noch: Wo er nicht bald wuͤrd gehen,
Sollt er fuͤr Adriel mit Ada leiden Spott,
Dieß bracht ihn in die Flucht, zu meiden dieſe Noth.
1080.
19
Jch53von David.
Jch war nun gantz gewillt, den Adriel zu haſſen,
Und Joel, dem ich ſchon verlobet, mich zu laſſen,
Wiewohl aus keiner Lieb, nein, nur aus bloſſer Rach,
Jch wuſt, daß ich hiedurch mich ſtuͤrtzt in Weh und Ach.
Jn dem wir nun alſo zu Silo noch verbleiben,
Gieng ich die Traurigkeit einsmahlen zu vertreiben,
Mit Beroa, die da des Gera Tochter war,
Am Abend in ein Holtz. Kaum waren wir alldar,
Da ſahn wir uns umringt von unbekannten Leuten,
Die uns ohn Wortgepraͤng antrieben fort zu reiten,
1090.
19
Auf zugeruͤſte Pferd, man fuͤhrt uns ſchier halb todt
Nach einem Berghaus zu, allda uns dieſe Rott
Jn eine Kammer bracht, darinn wir Ada funden,
Jhr Anſehn friſchte auf der Seelen tieffe Wunden.
Sie gienge mich fuͤrbey, und ſprach Beroa an,
Zwar nicht mit Hoͤflichkeit, dieweil ſie dieß nicht kan
Erzeigen deſſen Kind, der ihre Ehr geſchaͤndet:
So ſeh ich, daß ſich noch nicht gar mein Gluͤck geendet.
Ja! Beroa, du ſollt erfahren meinen Grimm.
Nehmt Gera Tochter hin; ſprach ſie mit lauter Stim̃,
1100.
19
Thut mit ihr was ihr wollt, ich geb ſie euch zu eigen.
Auf dieß gehoͤrte Wort, wollt Beroa ſich zeigen,
(Was kan bedraͤngte Noth) und haſchet deſſen Schwerdt,
Der da zu ſeiner Luſt und Geilheit ſie begehrt.
Sie ſtellt ſich in die Eck, und that ſich maͤnnlich wehren,
Jch wollt ihr folgen nach, und ware mein Begehren,
Zu finden eh den Tod als meine Ehr geſchwaͤcht.
Doch Ada ſpricht mir zu, ich ſollt ſie hoͤren recht,
Es waͤre nicht um mich dieß Weſen angeſehen,
Beſondern nur aus Rach fuͤr Gera ſo geſchehen;
1110.
19
Und ſollt ich meinen Haß ja wenden nicht zu ihr,
Dann was ſie haͤtt veruͤbt, waͤr gantz nicht ſchaͤdlich mir;
Der Adriel waͤr rein, ſie haͤtt es muͤſſen ſagen,
Doch der ſo ſie dazu bewegt, den wollt ſie plagen
Mit eben ſolchem Schimpf, des Gera Kind ſollt ſeyn
Mit ihr in gleicher Straff, in gleicher Schmach und Pein.
Jch blieb hierob beſtuͤrtzt, erſchrocken und erfreuet;
Daß Adriel ohn Schuld, mein Liebesfeur erneuet,
D 3Daß54Verſuch eines Gedichtes
Daß Beroa in Noth, geht mir durch meine Seel,
Was Ada freut, iſt dieß, woruͤber ich mich quaͤl.
1120.
19
Es war die Beroa Melchiſua verlobet,
Drum denck wie es mich ſchmertzt, daß Ada alſo tobet.
Jch meynte, Ada waͤr in Haft, und ſehe nun,
Daß ſie gantz frey, und das was ihr beliebt, kan thun.
Jn ſolcher meiner Qual, in Ada ihrem Wuͤten,
Jn Beroa Gefecht, die ihre Ehr zu huͤten,
That mehr als menſchlich war, kommt da mein Bruder hin,
Mit zwoͤlfen ſeiner Freund, denck nur, wie froh ich bin.
Beroa macht er loß, und Ada ihr Entſetzen
War unſrer Freude gleich, ſie wollt ſich widerſetzen,
1130.
19
Mit ihrem Volck, das da von Joels Dienern war,
Jndeme Gera auch ſich findet bey uns dar,
Er und Melchiſua, die hatten uns verlohren,
Und folgten nach der Spur, da ſie wie neu gebohren
Uns funden beyderſeits. Die Ada ward gebracht
Jn Haft, wir aber beyd hingegen frey gemacht.
Des Joels Knecht, die da verrathen ihren Herren,
Setzt man gleich zu der Red, da was man wollt begehren,
Uns ward von ihnen kund, auch ſagte Ada an
Was ſchier niemand von uns fuͤr Schreken glauben kan;
1140
19
Wie nemlich Joel haͤtt ſie mit Gewalt geſchaͤndet,
Als ſie zu Berſaba, und ihr viel zugewendet
Von Guͤtern, daß ſie ſollt ja halten reinen Mund,
Wie Gera nun von ihr zu melden was begunt;
Wiewohl mit Adriel er faͤlſchlich ſie betrogen,
Haͤtt ſie ſich dieſe That ſchwer zu Gemuͤth gezogen,
Doch waͤr von Joel ihr ein guter Muth gemacht,
Nach deſſen Rath und Schluß ſie alles ſo vollbracht.
Dem Adriel zur Plag und Joel zu Gefallen
Haͤtt ſie dieß falſch Geruͤcht von ihnen laſſen ſchallen;
1150.
19
Und weil ſie Joel drauf aus ihrer Haft befreyt,
Und heimlich ſie hieher in dieſes Haus begleit,
Allda er ihrer meynt recht wieder zu genieſſen,
Haͤtt ſie ihm ihren Schluß fuͤrhero laſſen wiſſen,
Daß wann ſie Beroa in ſolchen Spott gebracht,
Als wie ihr Vater ſie zu Schanden haͤtt gemacht,
Wollt55von David.
Wollt ſie gantz williglich dann ſeines Willens leben,
Daher man dieß gethan, was ihr moͤcht Ruhe geben.
Hierauf der Gera ſagt, er haͤtt ſie einſt geſchaut
Jn ihrer geilen Luſt, und als er es getraut
1160.
19
Dem Richter kund zu thun, der doch ſelbſt Schuld geweſen,
Haͤtt er den Adrtel zu dieſer That erleſen,
Und ſelber ihm bekannt, daß er es gar wohl wuͤſt,
Darauf er dieſe Klag auf ſein Geheiß gemuͤſt
Anmelden oͤffentlich, das er nun wollt bereuen,
Weil Joel ihn verfuͤhrt. Wie ich mich that erfreuen,
Daß Adriel ohn Schuld, iſt zu erzehlen nicht.
Mitdeß daß dieſes nun alſo bey uns geſchicht,
Erfaͤhrt man in der Stadt von dieſen Wunderdingen,
Der Joel weis fuͤr Angſt nicht was er ſoll fuͤrbringen,
1170.
19
Er eilt gen Berſaba ganz eilig eh es tagt,
Denn der ſcheut Tag und Licht den ſein Gewiſſen plagt.
Wie dieſes kam fuͤr Kis, rieth der man ſollte ſchweigen,
Und hierinn dieſe Ehr dem Samuel erzeigen.
Und ward es drum vertuſcht, daß dieſe loſe That
Kein Menſch nach dieſer Zeit wie du erfahren hat.
Abenar ließ ſein Weib in dem Gefaͤngniß richten,
Und weil die Schuld am Tag, ſo ließ ſich leichtlich ſchlichten
Der Haß den ihre Freund mit uns darum gefuͤhrt.
Sie dancken Gott, daß es nicht weiter wird beruͤhrt.
1180.
19
Hierauf beſchlieſſen ſie mit aller Staͤmme Willen,
Das Unrecht, ſo im Land ergehet, gar zu ſtillen,
Daß ihme Samuel ſoll waͤhlen einen Mann,
Der da ein Koͤnig ſey und beſſer richten kan,
Dann alle Heiden ja nachlebten ſolcher Weiſe.
Der Schluß der wird gemacht, ſie heben an die Reiſe,
Nach Ramath kommen ſie, und Samuel vernimmt
Mit Schmertzen dieß Gewerb, doch weil es ſo beſtimmt,
Und er ſah, daß es Gott wollt haben, ſollt geſchehen
Der Staͤmme ihr Begehrn; worauf ſie von ihm gehen.
1190.
19
Nicht lang nach dieſer Zeit ward Saul dazu erwaͤhlt.
Nun ware doch mein Stand, ob ſchon erhoͤht, gequaͤlt,
Weil Adriel mir ſtets in meinen Sinnen ſchwebte,
Und weil ich nichts von ihm erfuhre, traurig lebte.
D 4Von56Verſuch eines Gedichtes
Von Joel war ich frey, der mit dem Richterſtand
Zugleich ſein Leben ließ. Doch bliebe mir entwandt
Die Ruhe wie zuvor. Jch lebt in ſteten Sorgen,
Und da dieß Liebesfeur war aller Welt verborgen,
So brannt es drum vielmehr in meinem innern Sinn.
Jch bin nicht in mir ſelbſt, was ich bey Leuten bin.
1200.
19
Jn ſolcher Trauerzeit ward unſer Land geehret
Mit deiner Gegenwart; Doch anfangs ward vermehret
Mit dir mein quaͤlend Hertz, weil Adriel mit kam,
Und ſich alſo erwieß, daß ich den Eifer nahm
Fuͤr Liebe in den Sinn. Jch dacht ich bin verlaſſen,
Thalmais liebet er, wohlan, ich will ihn haſſen;
Dieß haſſen aber kam mir ſaurer an als ihm.
Jch fuͤhlte nur die Qual, empfande einen Grimm,
Der mir mein Hertz abfraß. Und wie nun dein begehrte
Mein Bruder Jonathan, ich ihn hiemit verfehrte,
1210.
19
Daß ich ihm bildte ein, dich liebte Adriel.
Das macht die Eiferſucht, die die verliebte Seel
Von deinem Jonathan empfand mit ſolchem Wuͤten.
Jch war allein geſchickt dieß Ungluͤck auszubruͤten,
Mir haſtu nur den Danck zu geben fuͤr die Pein,
Die meine Eiferſucht dir Schweſter ſchenckte ein.
Doch als ich endlich ſah daß ich mich hatt betrogen,
Und deine Heurath mir die Decke abgezogen,
Kam durch Beroa Fleiß die Sach in ſolchen Stand,
Daß Adriel mein Hertz und ich das ſeine kannt.
1220.
19
Er ſagt mir nach der Laͤng wie Bichri ihn betruͤbet,
Und ich erzehlte ihm was Klagen ich veruͤbet;
Doch konnte unſre Lieb, die nun war neu erneut,
Noch brechen nicht herfuͤr, es war noch nicht die Zeit.
Es mag der Koͤnig ihn nicht eben gerne leiden,
Weil ſein gehabtes Gut er Abner wollt beſcheiden.
Und weil die Rede gieng, der Abner liebte mich,
Jſt er daher geheim, und muſte bergen ſich.
Auch hat noch dieß den Groll des Koͤnigs viel vermehret,
Daß er mit Gera ſich, den Saul fuͤr andern ehret,
1230.
19
Geſchlagen, als er kam hinwieder in das Land;
Da, ob nun zwiſchen ſie zwar wohl ein Freundſchaftsband,
Denckt57von David.
Denckt es der Koͤnig doch. Und haſt du ſo vernommen,
Wie weit mit Adriel und mir es iſt gekommen.
Wir harren nur der Zeit, und leben ſo vergnuͤgt,
Nun ſteht bey Gott, daß uns die Eh zuſammenfuͤgt.
JCh bin dir, ſagt hierauf Thalmais, hoch verbunden,
Daß demer Heimlichkeit du mich gewuͤrdigt funden,
Doch weil die Beroa, meins Mannes Brudern Frau,
Weiß dieſe Lieb und ſchweigt, will ich auch, daß mir trau
1240.
19
Die ſo der Adriel, der tapfre Held, erwehlet,
V. 1241. Die ſo der Adriel, der tapfre Held, erwehlet.) Dieſe Umſchreibung leget ihr der Poet um ſeiner Abſicht willen in den Mund; nemlich weil er David in der Ungewißheit undVerwirrung haben wollte, welche von beyden, die Merob oder die Michal, ihn liebete.
20
Haſt du ſchon gleich wie er mich vor der Zeit gequaͤlet
Jn meiner Lieb, ſo iſt es ohne Schuld geſchehn.
Gott laß dich in dem Stand, in dem ich bin, bald ſtehn!
Das wuͤnſchet dir mein Hertz! Der Hoͤchſte das erhoͤre.
Die andre wieder ſprach: Wann es zu ſeiner Ehre
Und meinem Nutzen reicht. Dieß hoͤrte David an,
Sein Hertze was empfindt, das er nicht melden kan.
Es liebet Adriel die eine von den beyden,
Das hat er angehoͤrt, und muß es auch ſo leiden,
1250.
20
Und faͤllt ihm Merob ein, daß die koͤnn ſeyn die Braut,
Die ihm Gott hat beſtimmt, fuͤr Adriel ihm graut.
Wann Michal Lieblichkeit ihm dann beſcheint die Sinne,
Meint er, dem Adriel er ſie nicht laſſen koͤnne.
Doch wie er ſich beſinnt, daß er ja werd geliebt,
Und auch der Adriel, ſein Hertz zur Ruh ſich giebt.
Hierauf bedencket er, wie frommer Leute Kinder
Oft von der rechten Bahn nachgehn den Weg der Suͤnder,
Und daß nicht die Gebuhrt mitbring denſelben Geiſt,
Der in den Vaͤtern iſt, wie Joels Beyſpiel weiſt.
1260.
20
Daher oft dient zur Qual, was an dern iſt ein Seegen,
Kein Kind viel beſſer iſt, als viele, die da legen
SichD 558Verſuch eines Gedichtes
Sich auf die Laſterbahn, das dieſe toͤden kan,
Von denen ſie zuerſt das Leben nehmen an.
Er wuͤnſcht bey Jſai ſich ſtets ſo zu bezeigen,
Daß der nicht mog zum Grab die grauen Haare neigen,
Beſondern ſeine Luſt im Alter an ihm ſehn.
Dieß will er halten ſtets wie auch bisher geſchehn.
Weil aber nun die Zeit und das getobte Brauſen,
Der Elementen Krieg, des Windes tolles Sauſen
1270.
20
Sich wiederum gelegt, und alles war in Ruh,
So daß die Morgenroͤth anbrechen wollte nu;
Merckt David, daß die drey anheben einzuſchlaffen,
Drum ſteht er leiſe auf, und geht nach ſeinen Schafen.
Die Daͤmmerung vermag zu ſtillen nicht die Luſt,
Daß er die ſehen koͤnn, von der ihm nun bewuſt,
Daß ſie ihm waͤre hold, er muſt noch laͤnger harren,
Und ſeine keuſche Freud bis auf den Tag verſparen.
Die Weile ward ihm lang, die Klippen ſah er an,
Ob deren ihre Spitz ihm nicht was melden kan.
1280.
20
Jndeme wird der Stein, den er anſieht, erroͤthet,
Und drauf die Finſterniß zu weichen angenoͤthet,
Allmaͤhlich wird es hell, der Purpur breit ſich aus,
Und ſcheinet in die Hoͤl, in dieſes Klippenhaus.
Das Feld wird hierauf wach. Zuerſt toͤnt aus den Buͤſchen
V. 1285. Zuerſt toͤnt aus den Buͤſchen. ꝛc.) Folgende umſtaͤndliche Be - ſchreibung iſt wieder ein anmu -thiges Stuͤcke von einem Schaͤ - fergedichte.
21
Der Nachtigallen Lied, ihr angenehmes Ziſchen
Sagt gute Nacht der Nacht, der ſtillen Einſamkeit,
Und rufft der immer zu, daß ſie doch nicht zu weit
Von ihnen ſich begeb, dann dieſe ſie belieben.
Hier auf der Voͤgel Heer vermehret ſich zu uͤben,
1290.
21
Und zwitſchert in die Wett, die Nachtigall wird ſtill,
Weil ſie nicht ihre Kunſt bey andern mengen will.
Man hoͤret hin und her die muntern Hunde bellen,
Der Schall geht in die Berg, die mehr und mehr ſich hellen
Weil nach der Morgenroͤth der Sonnen helles Kleid
Auf ihren Gipfeln wird ſehr herrlich ausgebreit.
Der59von David.
Der ſchoͤne Morgenthau war auch bereits gefallen,
Die angenehme Zunfft der Hirten that erſchallen,
Bald hie, bald da herum, ein jeder triebe aus.
Der Peitſchen ihr Geklatſch erſchallt von Hauß zu Hauß,
1300.
21
Und wehrt dem dum̃en Vieh wann das wollt Abweg nehmen.
Des Davids ſeine Heerd wollt ſich auch ſchon bequemen,
Sein Hund war zwar bereit; doch aber nicht der Hirt,
Der von der, ſo die Hoͤl bedeckt, gehalten wird.
Er wartet fleißig auf, bis ſeine Sonn erſcheinet,
Fuͤr welche er nicht gnung geſchmuͤckt zu ſeyn vermeinet,
Ziert ſich darauf, ſo gut ſein Hirtenkleid es goͤnnt,
Sein ſchon geſalbtes Haupt mit Blumen er bekroͤnt.
Jnzwiſchen kommt der Wag der dreyen Printzeßinnen,
Dem ſie, als ſie die Hoͤl zu ihrem Schutz gewinnen,
1310.
21
Befohlen, in dem Wald zu harren aus die Nacht,
Und machet ſein Getoͤn, daß Michal bald erwacht.
Wie ſie Thalmais ſieht in Merobs Armen liegen,
Steht ſie behende auf, um dieſer ihr Vergnuͤgen
Zu ſtoͤhren nicht ſo bald, und gehet aus der Hoͤl
Zum Wagen, daß ſie da dem Fuͤhrer was befehl.
David, der Michal ſieht, eilt gleich ſie zu begruͤſſen,
Kuͤßt der Printzeſſin Rock, wirfft ſich zu ihren Fuͤſſen.
Woher, redt er ſie an, kommt dieſe hohe Gnad,
Die meine Schaͤferhuͤtt anitzt empfangen hat,
1320.
21
Daß ich des Hofes Zier darf ſehn in meinen Auen,
Wer bringet unſerm Ort dieß edle Gut zu ſchauen?
Des Koͤnigs Tochter hie? Weiſt du noch, wer ich bin,
Sagt Michal, ich vermeint, dein freyer Schaͤferſinn
Gedaͤcht nicht mehr nach Hof? Jch bin froh dich zu ſehen
Zu hoͤren deinen Stand, der Deinen Wohlergehen.
Was iſt der David doch, derſelbe wiederſagt,
Daß meines Koͤnigs Kind nach meinem Weſen fragt?
Des Davids Wohlergehn, ſprach ſie, muß uns erfreuen,
Denn wen mein Vater liebt, werd ich niemahlen ſcheuen.
1330.
21
So lieb mir dieſe Gnad, ſagt er, die mich beehrt,
So leid iſt mir was ich fuͤrher hab angehoͤrt,
Daß da die Michal meint, ich ſey ſo grober Sinnen,
Daß zu vergeſſen ich die Gnade koͤnnt beginnen,
Die90[60]Verſuch eines Gedichtes
Die ehmals ich bey Hof zu Gibea erlangt,
Von der ohn Unterlaß mein ſtoltzer Muth noch prangt.
Es wiſſen es die Buͤſch, die Wieſen, Berg und Waͤlder,
Die Baͤche hie umher, die Thaͤler und die Felder,
Was ich von Michals Schoͤn ſing ihnen taͤglich fuͤr.
Ja wann es moͤglich waͤr, daß dieſe meine Thier
1340.
21
Vermoͤchten mit der Sprach zu zeugen, was ſie hoͤren,
Sie wuͤrden itzt mein Wort mit ihrem Ja bewaͤhren,
Und weil nun, wie geſagt, ich ſo gluͤckſelig bin,
Erwart ich den Befehl, was ich ſoll, und worinn
Jch dienen kan allhie; was kan der Landmann geben,
Bieth ich gehorſamſt an. Das ſchlechte Hirtenleben
Vermag nicht gar zu viel. Die Michal wird erroͤth,
Und ſchweiget hiezu ſtill, das ſchier den David toͤdt,
Weil er denckt, ſeine Wort die haben ſie betruͤbet,
Und daß es dieſe ſey, die Adrielen liebet,
1350.
21
Dahero ſeine Wort nicht wohl genommen an;
Er liebt ſie allbereits, ohn daß er hoffen kan.
Jndem ſagt ſie zu ihm: Jch bin hieher gekommen
Wohl recht von ungefehr, dann wir uns fuͤrgenommen,
Noch geſtern wiederum in Gibea zu ſeyn;
Doch ward es uns zu ſpaͤt, und fiel ein Wetter ein,
Das alſo heftig war, daß uns hier zu verbleiben
Die hoͤchſte Noth befahl. Jch werd den Tag anſchreiben,
Sprach David, der mir bringt ſo unverdiente Gnad,
Daß ich nun ſagen kan, wie da geruhet hat
1360.
21
Jn meiner Hoͤl die Zierd von Benjamins Geſchlechte,
Ja von gantz Jſrael; Jch preiß mit allem Rechte
Hochſeelig dieſen Tag, fuͤr andern iſt er hoch.
Der Michal Wangen Zier ein neue Roͤth umzog,
Als ſie hoͤrt dieſes Lob, das ſie nicht wollte hoͤren,
Drum bricht ſie ab die Red, und thut von ihm begehren,
Daß er ihr ſagen ſoll, was das ſey fuͤr ein Hauß,
Das da an jenem Berg fuͤr andern ſchien heraus?
Der Suri wohnet da, ſpricht David, dem gegeben
Zeruja iſt zum Weib. Wie? fraget ſie daneben,
1370.
21
Jſt Davids Schweſter nicht Zeruja, als ich meyn?
Ja, ſprach der Hirt. Sie fragt, ob ſie beerbet ſeyn?
Er61von David.
Er ſaget wieder: Ja. Jhr Wunſch iſt ſie zu ſehen,
Weil ſie ſie fuͤr der Zeit gekannt. Das kan geſchehen,
Sprach David, ohne Muͤh, ich will gleich zu ihr hin.
Wann ich da, wandt ſie ein, nur nicht beſchwerlich bin,
Will ich den Weg mit thun. Das war zu groſſe Ehre,
Spricht David. Nein, ſagt ſie, wann ich es ſo degehre,
Die Schweſtern ſchlaffen noch, und eh ſie ſind erwacht,
Soll dieſe kurtze Reis ſchon ſeyn zu End gebracht.
Erwachen ſie dann gleich, will ich ob ihrem Schrecken,
1380.
21
Daß ſie mich finden nicht, nur eine Freud erwecken.
Und weil Zeruja iſt der Merob ſonders werth,
Will ich ſie holen ſelbſt. Hiemit der Kutſcher faͤhrt.
Der David der bey ihr in ihrem Wagen ſitzet,
Wird von ſo hoher Guͤt je mehr und mehr erhitzet,
Doch daͤmpft er dieſe Flamm, die eh nicht ſoll entſtehn,
Bis daß er weiß von wem er ſich geliebt wird ſehn.
Das Hauß drinn Suri wohnt, ein Wald umher beſchloſſe,
Es lag auf einer Klipp, von deren ſich ergoſſe,
Ein ungeſtuͤmer Bach, der von dem Regen war
1390.
21
So aufgeſchwellt daß er bedrohte mit Gefahr
Den der ſich wollt zu leicht in ſeine Wellen wagen.
Drum wollt der Fuͤhrer nicht durch dieſen Bach durchjagen,
Beſondern nahm den Weg weit durch den Wald herum,
Und kame an den Ort, allwo des Loͤwen Grimm
Von David war geſtillt. Die Michal ſich erſchrecket,
Als ſie ſchaut auf der Erd den Loͤwen ausgeſtrecket.
Sie meinet daß er leb, drum ſpricht ihr David zu,
Und ſtillet ihre Furcht daß ſie nimmt wieder Ruh.
1400.
21
Er kan dieß hohe Werck nicht ſo gering beſchreiben,
Daß Michal ſollte nicht darob verwundert bleiben,
Die zu ihm ſagt: Fuͤrwahr, der David hat verdient
Nach dieſer Helden That, daß ſein Ruhm ewig gruͤnt.
Ward ſie fuͤrhin erroͤth, als er ihr Lob ausbreit’te,
So gehet es iezt auch an dieſes Helden Seite;
Die Wangen feuren an, die Augen bergen ſich.
Er woͤllt ſie wuͤſt es nicht, doch ſpricht ſie emſiglich
Von dieſer groſſen That bis ſie nach Suri kommen.
Allda Zeruja kaum die Freudenpoſt vernommen,
1410.
21
Daß62Verſuch eines Gedichtes
Daß Michal kommen an, Ahinoam ihr Kind,
Die ſie allzeit geliebt, ſie ſich von Freuden findt
So uͤberhaͤuft, daß ſie nicht weiß was ſie beginnet.
Sie laͤuft bald hin bald her, indeme die gewinnet
Den hohen Windelſteig und eilet was ſie kan,
Daß ſie Zeruja moͤg im Bett noch treffen an.
Die aber ſchon geruͤſt und ſie mit beyden Armen
Umfaͤht und hertzlich kuͤßt: Sie ſpricht, wo dein Erbarmen
Und deine Guͤtigkeit, o Michal nicht bey dir,
Schaͤmt ich mich daß du mich alſo ſolltſt finden hier.
1420.
21
Jch war mir dieſe Ehr wohl heute nicht verſehen,
Und weiß in Wahrheit nicht recht wie mir iſt geſchehen.
Des Koͤnigs Tochter kommt hie in ein ſchlechtes Hauß,
Es ſiehet hie, wie man lebt auf dem Lande, aus.
Wo ich Zeruja find, die Michal hiezu ſaget,
Da iſt es eben recht, und alles mir behaget,
Weil ich von David hoͤrt daß dein Hauß alſo nah,
Konnt ich mich zwingen nicht bevor ich dich hie ſah.
Nun iſt mir aber wohl. Hiemit ſie ſich umfaſſen,
Und David der ſie will etwas alleine laſſen,
1430.
21
Beſtellet unterdeß daß man die Speiß bereit,
Der kleine Joab kommt mit ſeinen Bruͤdern beyd
Um ihren Vetter her und ihn gar froͤlich gruͤſſen.
Wann David kam ins Hauß ſich alle freuen muͤſſen.
Der Suri war nicht inn, doch thate das Geſind,
Was David haben wollt, der laͤſſet bald ein Rind
Zurichten und dabey laͤſt Eſel er herfuͤhren,
Die ſollen Speiß und Tranck, wie es ſich will gebuͤhren,
Hintragen nach der Hoͤl, und Joab bittet ſehr,
Er moͤg ihn nehmen mit, er wollte auch die Ehr
1440.
21
Genieſſen daß er koͤnnt des Koͤnigs Toͤchter ſehen.
Der David ſagt ihm zu, er ſollte mit hingehen,
Darauf ſchmuͤckt er ſich aus, weil ſchon in ſeinem Blut
Sich zeigt ein ſtoltzer Sinn und ein erhobner Muth.
Weil nun die Michal eilt um ihrer Schweſter willen,
Bitt ſie Zeruja ſoll ihr Wuͤnſchen doch erfuͤllen,
Und fahren mit ihr hin, die iſt alsbald bereit,
Man ſpannt den Wagen an, da Michal ihre Zeit
Jm -63von David.
Jmmittelſt bringet zu, des Landes ſuͤſſe Leben
Hie anzuſchauen recht, davon dann wird gegeben
1450.
21
Von ihr ein ſolcher Schluß, daß ſie den Hof veracht,
Wann ſie die Dienſtbarkeit mit dieſer Ruh betracht.
Der Hof der iſt ein Band der unſern Willen zwinget,
V. 1453. Der Hof, der iſt ein Band, der unſern Willen zwinget.) Dieſer moraliſche Lehrſatz haͤtte eine ungleich groͤſſere Lebhaftig - keit erhalten, wann er als eine Folge und Frucht der Liebe Mi - chals zu dem Schaͤfer David ein - gefuͤhrt worden waͤre, indem nem - lich Michal alles das vor ange - nehm und liebenswuͤrdig angeſe -hen, was mit ihrem Geliebten ei - nige Verwandſchaft hatte; und ihre Ausſpruͤche nach der Vor - ſchrift ihrer Leidenſchaft gegeben. So wie dieſer Satz hier ange - bracht iſt, hat er ein allzu dogma - tiſches Ausſehen.
22
Und uͤberguͤldte Qual fuͤr reine Luſt uns bringet.
Es dienet alles da, es dienet Herr und Knecht,
Der Knechte Dienſt uns ſelbſt die freye Herrſchafft ſchwaͤcht.
Es muß oft unſer Will nach ihrem Willen gehen,
Und dem der mich bedient muß ich zu Dienſte ſtehen.
Jch bin des Knechtes Knecht, und hab den Willen nicht,
Daß was derſelbe will, ich ohne Muͤh verricht.
1460.
22
So waren Michals Wort, Zeruja wollt beſtreiten,
Der Hof der gienge fuͤr, und waͤre auch bey weiten
Geprießner als das Land. Doch Michal blieb dabey,
Bey Hofe lebt man ſtreng, im Felde lebt man frey.
Hierauf geht nun die Reis nach der verlaßnen Hoͤlen,
Allwo Thalmais ſich und Merob hefftig quaͤlen,
Weil ſie als ſie erwacht, die Michal funden nicht,
Und finden keinen auch der ihnen was bericht,
Wo ihre Schweſter ſey. Von David ſeinem Knaben,
Der weil ſein Herr war aus, die Aufſicht muſte haben
1470.
22
Auf die geliebte Heerd, erfahren ſie zuletzt,
Was ihre Sorg vermehrt und ſie in Unruh ſetzt;
Daß nemlich Michal ſey mit Davld auf dem Wagen
Gefahren in das Feld. Was will man hievon ſagen?
Spricht Merob gantz beſtuͤrtzt; Jndem ſchaut ſie ſich um,
Und ſchallt ihr fuͤr das Ohr der Michal ihre Stimm,
Sie eilet nach dem Ton, und ſieht den Wagen kommen,
Jn welchem ſie nun kaum Zeruja mit vernommen,
Da64Verſuch eines Gedichtes
Da wird ſie hoch erfreut und eilet zu ihr an,
Zeruja ebenfalls ſich nicht mehr halten kan,
1480.
22
Als ſie die Merob ſieht. Gleichwie ſich ſtreckt das Eiſen
Nach dem Magnetenſtein, ſo will ſich hier erweiſen
Auch Wechſelsweiſe Lieb. Zeruja und Merob
Die ſtreiten wer da koͤnn einander ſiegen ob,
Jn Zeigung wahrer Freud; Zeruja war geſchicket
Hiezu weil ſie es wuſt, doch Merob gantz verruͤcket,
Weil dieß ihr widerfuhr ohn daß ſie es gedacht,
Drum wurde Wechſelsweiß beſtuͤrtzte Ruh gebracht.
Thalmais hatt ihr Theil auch mit an dieſen Freuden,
Und David deſſen Hertz ſchon vieles muſt erleiden,
1490.
22
Sah Merob an beſtuͤrtzt, die er nebſt Thalmais
Aufs hoͤflichſte empfaͤht, er weiß nun nicht gewiß
Wer die ſey ſo ihn liebt. Die Merob ſich erweiſet
Mit Michal gleicher Guͤt, er jede bey ſich preiſet.
Wann er ſchaut Merob an, ſo iſt ihr Wunderſchein
V. 1495. Wann er ſchaut Merob an ꝛc. Dieſe Ungewißheit Davids macht ihn in unſern Augen vielmehr ſchwach und halb laͤcherlich als groß; ſie iſt gar nicht bequem,unſere Hochachtung fuͤr ihn zu vermehren. Er liebet und weiß nicht wen; er liebet mit groſſer Treue an zweyen Orten zugleich:
Es ſey denn wer es ſey, er will ſie wieder lieben;
Er liebt ſie alle beyd um keine zu betruͤben.
Jn den Comoͤdien werden die verliebten Marquiſe ſo ſchnelleV. 570. 571. und mit ſolcher Ungewißheit ent - zuͤcket.
23
So ſtarck daß der vermag ſein Hertz zu nehmen ein.
Erblickt er Michal dann iſt ihr liebreiches Weſen
Alſo fuͤr ſeinen Sinn dermaſſen auserleſen,
Daß er bey ſich gedenckt, ach wann es Michal waͤr!
Sieht er denn Merob an, wuͤnſcht er die ja ſo ſehr.
1500.
23
Er meinet aus dem Ton der Stimmen wollt er hoͤren,
Was ſein verliebter Sinn zu wiſſen that begehren.
V. 1502. Was ſein verliebter Sinn zu wiſſen that begehren.) Mit dieſem Verſe wird das er - ſte Buch, eh es vollendet iſt, ab - gebrochen, es ſey, daß der Ver - faſſer der Octavia ſolches mit Vorſatz an dem Orte abgeſchnit -ten, wo die Begierde groß gewe - ſen war, zu vernehmen, wie Da - vid ſeine rechte Liebſte moͤgte ge - funden haben, oder daß wircklich nicht ein mehrers von dieſem er -
24
Das65von David.

Das dritte Buch.

ES hatte das Geruͤcht von dieſen Wunderſiegen,
Von der Philiſter Flucht, von Ecrons Unterliegen
V. 2. Von der Philiſter Flucht, von Ecrons unterligen.) Wir haͤtten in dem zweyten B. zu vernehmen gehabt, wie die Phi - liſter ſich zu Damin gelagert, wie der rieſenmaͤſſige Goliath vor ihr Lager heraus getreten, und die Jſraeliten zum Kampf gefodert; wie David in das Lager Jſraels gekommen, und Saul um Er - laubniß gebeten, daß er den Kampf mit Goliath aufnehmen doͤrfte. Hier haͤtten verſchiede - ne Neden Davids, Sauls und Go - liaths eingeruͤckt werden koͤnnen. Darauf waͤre der Kampf, und die Niederlage Goliaths und der Phi - liſter beſchrieben worden. Cowley hat dieſe Dinge in ſeinem dritten Buch erzehlet, wo er ſie dem Joab in den Mund leget, der dem Koͤnig von Moab die Geſchichte Davids bis zu der Zeit erzehlet, da Michal Sauls Trabanten mit dem hoͤl - zernen Bilde, das ſie ihnen in Davids Bette vor ihn gewieſen, geaͤffet, und ihm auf die Flucht geholfen hat.
25
Dasſten B. verfertiget worden. Die Romanſchreiber haben es oͤfters im Gebrauche, daß ſie die Begier - de des Leſers auf dem hoͤchſten Grad erwecken, und wann ſie das erhalten haben, ſeiner ſpotten, oder ihn doch ein paar Baͤnde auf die Aufloͤſung harren laſſen. Das iſt gewiß, daß der Leſer in dieſemerſten B. nicht vernommen haͤt - te, auf welche Art, oder durch welchen Zufall David die gefun - den, die ihn liebete, und die er ſich ſo kuͤnſtlich vorbereitet zu lie - ben; allermaſſen er im dritten B. deßwegen noch in der Unge - wißheit ſtehet:
Er ſtehet bey ſich an, wer ihn von beyden liebet. V. 436.
Wann ich muthmaſſen darf, ſo haͤtten wir in dieſem Ausgange des erſten Buchs nur noch zu ver - nehmen gehabt, daß der alte Jſai nach David geſchickt, damit er ihn mit Speiſe fuͤr ſeine Bruͤder in das Lager ſendete. Davids freu - diges Verlangen dieſem Befehl zu folgen, der ihm Gelegenheit gab, das Feldlager Jſraels und ſeine Helden zu betrachten, haͤtte dabey ausgedruͤckt werden koͤñen. Einige kuͤhne Worte, welche ihmſein entſchloſſenes Hertz und groß - muͤthige Empfindungen mochten auf die Zunge geworffen haben, wuͤrden Michal in eine furchtſame Unruhe geſetzt, und dem Poeten Gelegenheit gegeben haben, ſeine gewoͤhnliche Geſchicklichkeit mit - telſt einer ſolchen Verfaſſung der Gebaͤhrden und der Reden dieſer Printzeßin zu erweiſen, daß ihre Liebe dem David noch gantz zweydeutig geblieben waͤre.
[Crit. Sam̃l. X. St.] E66Verſuch eines Gedichtes
Das gantze Land erfuͤllt, gantz Jſrael hoͤrt an
Verwundert und erfreut, was Gott bey ſie gethan.
Ein jeder Stamm verlangt zu ſtillen ſein Verlangen,
Den Koͤnig und das Heer mit Jauchtzen zu empfangen,
Theils gehn nach Gibea den Einzug anzuſehn,
Theils gehn dem Lager zu um ſelber zu verſtehn
Was man von David ſpricht, von deſſen Wunderſtreiten,
Von deſſen fremden Kampf. Sein Lob weit auszubreiten
10.
26
Jſt jeder Stamm bemuͤht, doch Juda fuͤr ſie all,
Weil er ihr Bruder war, und er ſie von der Qual
Der Dienſtbarkeit befreyt, ſie traffe es fuͤr allen,
Drum muſte ihre Freud nun in die Luft erſchallen.
Die Buͤrger zu Damin, Aſecka und Socho
Die waren daß ſie ſo befreyet mehr als froh.
Sie hatten wieder Fried, kein Schrecken mehr ſie ſchreckte,
Die Sicherheit war da, die Davids Steg erweckte,
Das Feld ward wieder wach, der Landmann fuͤhrt den Pflug,
Man hatte am Geſchrey der Krieger uͤbrig gnug.
20.
26
Saul gabe nun Befehl das Lager aufzuheben,
Wozu im gantzen Heer ſie mehr als willig leben,
Es toͤnt die Feldtrompet zum Abzug; Man bricht auf.
Es reiſet alſo hin der Helden froher Hauf,
Ein jeder war bebuͤrdt mit der Philiſter Schaͤtzen,
Zum Zeichen ſeiner Ehr, die Laſt iſt ihr Ergetzen,
Sie gehen muntrer jezt, als fuͤrhin da ſie leer.
Das ungewiſſe Gluͤck beſchwerte ſie vor mehr
Als nun der ſchwere Raub. Der David hat zu ſchaffen,
Daß Goliath ſein Haupt, des Schwerdt und groſſe Waffen
30.
26
Auch kommen mit von da, dieß ware ſeine Beut,
Die Urſach alles Raubs der andern Kriegesleut.
Viel anders zog er weg, als er war hergekommen;
Gleich als ein ſchlechter Hirt war er hie aufgenommen,
Nun aber ehrt man ihn als einen Kriegesheld,
Der da nach Hof gehoͤrt, und nicht mehr in das Feld.
Jn dieſem neuen Stand hofft er wohl zu behagen,
Der die da ihm zu lieb wollt Hirtenkleider tragen,
Wie ehmahls er vernahm in jener ſuͤſſen Nacht,
Die ihm, was er niemahls gehoffet, wiſſend macht.
40.
26
Es67von David.
Es war ſein Hertz ſchon da, dahin die Reiſe gienge,
Der Wunſch iſt mit vorhin, daß alles wohl gelinge.
Des Koͤnigs, Jonathans, ja ihr ſelbſt eignes Wort,
Staͤrckt ſeinen Liebesgeiſt, treibt alle Zagheit fort.
Als nun die letzte Nacht nach aller ihr Verlangen
Dem Tag gewichen war, darinnen ſollt empfangen
Das frohe Gibea den Koͤnig und das Heer,
Kam kaum die Morgenroͤth in ihrem Purpurmeer
Mit munterm Angeſicht daher, die Welt zu gruͤſſen,
Da iſt ſchon jedermann auf ſeinen Schmuck befliſſen.
50.
26
Das koͤſtliche Gewand, da vor Gath mit geprangt,
Das wird Jſrael heut zum Preiſe umgehangt.
Was Sidon ſchoͤn gewuͤrckt, was Tiro zugerichtet,
Da Ecron mit geprahlt, hat ſo das Gluͤck geſchlichtet,
Daß der Ebraͤer Sieg damit wird hoch beziert,
Und alles im Triumph nach Gibea gefuͤhrt.
Saul der erfreute Saul war gleich als neu gebohren,
Sein Muth brach wieder an, den er vorhin verlohren,
Die Ehre war ſo ſuͤß, daß als ein Siegesmann
Jhn heut ſein Koͤnigreich ſoll freudig ſchauen an.
60.
26
Woraus ihm Ruhm entſtand, war ſeiner Ruhe Zunder,
Durch dieſen groſſen Sieg ward ſein Hertz wieder munter,
Daß er auch nichtes ließ ermangeln an dem Pracht,
Der ihm bey allem Volck ein groſſes Anſehn macht.
Der Abner kriegt Befehl, wie ſollt der Einzug gehen,
Und daß er aller Welt moͤcht geben zu verſtehen,
Wie lieb ihm David ſey, ſo ſoll in Ritters Zier
Der junge kuͤhne Held dem Koͤnig reiten fuͤr.
Er ſendet ihm ein Roß, das Nilus eh erzogen,
Und ſeinen Kleiderſchmuck, den Helm, Gewehr und Bogen,
70.
26
Durch Doeg; der verricht was ihm befohlen war,
Die Koͤnigliche Gab die reicht er David dar.
Mit Ehrerbietung nimmt derſelbe dieß Geſchencke
Von Doegs Haͤnden an, und ſagt wie er gedencke.
Dem Koͤnig darzuthun mit unverdroßnem Fleiß,
Daß er ſo hoher Gnad nicht unerkaͤnntlich heiß.
Es ware Jonathan zugegen, dem beliebte,
Daß ſolch ein Werck der Gunſt Saul an dem David uͤbte,
E 2Den68Verſuch eines Gedichtes
Den er liebt als ſich ſelbſt, und iſt er nun bemuͤht
Daß David dieſen Schmuck in ſeinem Zelt anzieht.
80.
26
Wie dieſes nun verricht, hebt an der Printz zu ſagen,
Wie er niemahlen nicht in ſeinen Lebenstagen
Was lieblichers geſehn, es wuͤrd der Nymphenſchaar
An Davids Wunderglantz ſich heut verblenden gar,
Ja Merob wuͤrd ſich gleich als Goliath ergeben,
Mit nichten ſeiner Kraft und Liebe wiederſtreben.
Wann nicht, o groſſer Fuͤrſt, der David gegen ſprach,
Dein uͤberedles Hertz kommt ſeiner Zuſag nach,
Verlaß ich mich gar nicht auf meine eigne Wuͤrden,
Jch bin noch nicht ſo lang von meinen Schaͤferhuͤrden
90.
26
Daß mir kaͤm aus der Acht wie ich ein ſchnoͤder Hirt,
Und einen Fuͤrſtenſtand die ſchoͤne Merob ziert.
Der Stand kommt nur von Gott, ſagt Jonathan hingegen,
Die Tugend machet hoch, die iſt hier zu erwegen.
Jſt Benjamin erhoͤht, ey Juda gehet fuͤr:
Der eine hat die Kron, der andere die Zier.
Mach dich nicht ſelber klein, man muß ja groß dich preiſen,
Weil Gott ſo groſſe Ding durch dich ſchon wollen weiſen.
Hiemit faßt Jonathan des lieben Davids Hand,
Die ſchroͤcklich ſeinem Feind und lieblich ſeinem Land,
100.
26
Und gienge ungeſaͤumt mit ihm und andern Helden
Nach Saul, des Angeſicht konnt ſeine Freude melden,
Die ſeine Seel genoß: Er gruͤſt ſie insgeſamt
Gantz liebreich, und wie nun die Aufbruchsſtund berahmt,
Darinn die Ehrenkron des Siegs er ſollt erlangen,
Und in erwuͤnſchtem Fried die Seinigen umfangen,
Zog alles freudig fort mit jauchtzendem Getoͤn.
Der Himmel ware ſelbſt erfreulichſt anzuſehn.
Das ſchoͤnſte Licht der Welt warf ſeine guͤldne Strahlen
Gantz unbetruͤbt, es wollt der Helden Pracht fuͤrmahlen
110.
26
Durch ſo vermehrten Glantz, Metall und Edelſtein
Durch dieſe Flamm erflammt, erhoben ihren Schein.
Viel tauſend Sonnen ſah man von der einen Sonnen,
Die alle die Gebuhrt von jener Strahl gewonnen;
Das allzuviele Licht benahm ſchier das Geſicht,
Das fuͤr zu vielem Glantz man ſich faſt ſahe nicht.
Die69von David.
Die Luft war windelos, daß der Trompeten hallen
Durch ungeſtuͤm Gebrauß im Ton nicht konnt verfallen,
Drum ſchallte in den Thal verdoppelt ihr Getoͤn.
Der Berg zu Gibea ließ wieder ruckwaͤrts gehn
120.
26
Den Schall durch Gegenhall und hieſſe die willkommen
Die da nach ihrer Stadt die Ruͤckkehr fuͤrgenommen.
Drum macht ſich Gibea aus ihren Mauren auf,
Als ihnen ins Gehoͤr der frohen Sieger Hauf
Und letztlich ins Geſicht erſchien mit ſolchem Prangen,
Sie eilten in das Feld den Koͤnig zu empfangen.
Die Toͤchter Benjamin aufs ſchoͤnſte ausgeſchmuͤckt,
Die waren Reihenweiß mit ihrem Spiel geſchickt.
Aus allen Staͤdten war der Kern von ſchoͤnen Frauen,
Und die Thalmais ſelbſt mit Michal laſſen ſchauen
130.
26
An dieſem Freuden-Tag des Hertzens Freudigkeit,
Weil zu des Koͤnigs Ehr ſie ſelbſten ſich bereit;
Und fuͤhrten dieſes Heer, das da in zweyen Choren
Sich an der Mauer hin geſtellet bey den Thoren,
Und weil ſie von der Hoͤh abſahen in das Thal,
Das voller Siegesleut und Menſchen ohne Zahl
War gleichſam uͤberſaͤt, ward groͤſſer das Verlangen
Je naͤher dieſes Volck auf ſie kam zugegangen.
Der edle Jonathan und David ward geſucht,
Die keinen doch gewiß von ihnen finden mucht.
140.
26
Dort reit mein lieber Printz! Thalmais ſprach voll Freuden,
Doch nein der iſt er nicht, ach was muß ich nicht leyden
Jn dieſer langen Zeit, ein jeder Augenblick
Jſt mir wol tauſend Jahr, ich ſeh und ſeh mein Gluͤck
Ohn daß ich es noch ſeh. Die Michal heimlich ſaget:
Wo mag wohl David ſeyn? Thalmais wieder fraget:
Wo mag ſeyn Jonathan? ſo ware Freud und Qual
V. 147. 148. So ware Freud und Qual vermiſchet uͤberall. ꝛc.) Jn dieſem dritten Buche wird der triumphierende Einzug Sauls beſchrieben. Der Poet ent - decket darinnen einen ſo groſſenPracht und Reichtum an Waffen, Kleidern, Ruͤſtungen, mit Beute beladenen Waͤgen, ꝛc. als er ſelbſt an Ausdruͤcken, mahleriſchen
27
Die Unruh und die Ruh vermiſchet uͤberall.
Jndeſ -E 370Verſuch eines Gedichtes
Jndeſſen naͤhert ſich das Volck in ſchoͤner Reihe,
Man ſiehet mehr und mehr wie ſich der Zug hindreihe
150.
27
Nach ihren Mauren zu. Die Prieſter, Aarons Soͤhn,
Erſchienen da zuerſt mit ihrem Sieggetoͤn;
Nach ihnen kam der Stamm von Juda aufgezogen
Mit Pracht und groſſem Sieg, die alle wohl erwogen
Was Gott bey ſie gethan. Drauf folgte Jſaſchar
Und was von Sebulon auch mit zu Felde war.
Hie folgete die Beut auf tauſend Kriegeswagen
Die man im Lager theils, theils auch in dem Nachjagen
Aus der Philiſter Land hat reichlich mitgebracht.
Worauf ſich ſehen ließ der Rubeniter Macht,
160.
27
Mit Simeon und Gath; all auserleßne Leute.
Nach dieſen kam ein Theil hinwieder von der Beute.
Die da von Ephraim, die folgten nach der Hand.
Nach ihnen Benjamin, allwo ſich macht bekannt
Der Kern von Jſrael, der Koͤnig und die Helden,
Es konnt ihr Glantz und Schein gleich wer ſie waren melden.
Thalmais treues Aug, der Michal Liebesflamm,
Ergriff im Augenblick was da heruͤber kam.
EsSchildereyen, und pompreichen Beſchreibungen beſitzet, wovon wir etliche treffliche Exempel vor Augen legen koͤnnten, wann es unſer gegenwaͤrtiges Vorhaben erheiſchete. Wir bitten hier viel - mehr anzumercken, daß aller die - ſer Pracht und Pomp, in den Sa - chen und der Redensart, nur un - belebt und ziemlich kalt geblieben waͤre, wenn der Poet die Kunſt nicht gehabt haͤtte, ihm durch die Einmiſchung verſchiedener Lei - denſchaften, Leben und Regung mitzutheilen. Er iſt ſorgfaͤltig eine jede von ſeinen Perſonen in einer abſonderlichen Regung vor - zuſtellen, wovon er uns umſtaͤnd - liche Nachrichten giebt. Jona - thans freundſchaftliches Vergnuͤ - gen bey Davids Ruhm; derMerob mißvergnuͤgte Liebe zu Adriel; der Michal Zaͤrtlichkeit, die mit Unruhe, Furcht und Eifer - ſucht abwechſelt; Sauls Zufrie - denheit mit ſeinem Siege, und hernach entſtehender Eiferneid gegen David; Davids Ungewiß - heit, wen er lieben ſollte, u. heim - licher Zug nach der Michal; das ſind die Affecten, mit welchen der Dichter ſeine Beſchreibung leb - loſer, obgleich gantz praͤchtiger Dinge gleichſam belebet und be - ſeelet hat. Der Fehler iſt, daß einige von dieſen Affecten nicht edler und heroiſcher ſind, ſo daß auch dieſes dritte Buch die Hoheit nicht hat, die man in dem epiſchen Gedichte mit allem Rechte ver - langet.71von David.
Es ritte Jonathan, der Benjamiter Ehre,
Die Kron des Haufes Saul, zuforderſt fuͤr dem Heere
170.
28
Auf einem ſchoͤnen Hengſt, ihm folgte eine Schaar
Von tauſend Mann die ſtets zu ſeinen Dienſten war.
Die Ruͤſtung Silber war, die dieſer Fuͤrſt heut fuͤhrte,
Wes Schein Thalmais Aug und Hertze hefftig ruͤhrte.
Sein Hauptſchmuck war beziert mit Perlen und Saphir,
Ein blaugewebte Bind ſchien an dem Arm herfuͤr,
Die ihme ſein Gemahl beym Abzug umgewunden.
Wie ward ihr Hertz, als ſie dieß noch bey ihm gefunden?
Es uͤbergoſſe ſich gleich wie das hohe Meer,
Und quolle Haufenweiß aus ihren Augen her
180.
28
Die eingenommne Freud. Der Michal Roſenwangen
Erzeigten ebenfalls ein hertzliches Verlangen
Sowohl nach Jonathan, als nach dem andern Held,
Der ſich mehr als zu ſchoͤn fuͤr ihre Augen ſtellt.
Sie kannte ihn zur Stund, weil da des groſſen Rieſen
Sein abgeſchlagnes Haupt ward fuͤr ihm her gewieſen
Auf einem langen Speer; das ja gnung zeigte dar,
Daß der der dieſen folgt der edle David war.
Wie herrlich und wie ſchoͤn derſelbe anzuſehen,
Muſt Michal nicht allein mit ihrer Schaar geſtehen,
190.
28
Beſondern alle Welt die liefe David an,
Ein jeder draͤngte ſich zu ſehn den Wundermann.
Jn Gold war er gekleidt, worauf von ferne ſchienen
Auf ſeinem Bruſtgewand viel herrliche Rubinen.
Der Rock war dunckelgruͤn mit Golde durchgewirckt,
Der ihm ſowohl gemacht als waͤr er angezirckt.
Sein braunes krauſes Haar ein guͤldner Helm bedeckte
Beſetzet mit Rubin. Zu oben aus ſich ſtreckte
Ein ſchwartzer Reiherſtrauß. Die Arme waren bloß,
Ein Mantel gold und gruͤn den Hinterleib umſchloß.
200.
28
Sein Pferd das er beſchritt, war freudig den zu tragen,
Von deſſen Dapferkeit wuſt alle Welt zu ſagen:
Es wrinſchte nur von Luſt, und tantzte muthig her,
Es truge ſeine Buͤrd gantz willig, ohn Beſchwer.
Ach ſchauet, ſchauet doch, rief Michal ſchier entzuͤcket
Den ſchoͤnen David an; den David, den Gott ſchicket
E 4Zum72Verſuch eines Gedichtes
Zum Preiß in Jſrael, ward jemahls in der Welt
Jn ſolcher Jugend wohl geſehn ein ſolcher Held?
Die Nymphen um ſie her all ihre Wort bejahen.
Jndeme ſehen ſie den Koͤnig auch hernahen
210.
28
Jm Koͤniglichen Schmuck, voll Majeſtaͤt und Pracht;
Der tapfern Helden Schaar, der Hofſtadt Zierde macht,
Des Koͤnigs ſeine Soͤhn, den Abner, die Hauptleuthe
Aufs koͤſtlichſte geziert ſieht man an ſeiner Seite;
Zwey tauſend ſeiner Knecht in ordentlicher Reih,
All uͤberein gekleidt, befinden ſich dabey.
Er ſelber ward gefuͤhrt auf einem Siegeswagen,
Der da der Sonnen gleich, wann es beginnt zu tagen,
Vier Pferde weiß als Schnee in einer Reih geſtellt
Mit goldenem Geſchirr, die zogen dieſen Held.
220.
28
Voll Diamanten war ſein Koͤnigsrock geſticket,
Durch deren Gegenſtrahl die Sonne doppelt, blicket,
Sein Koͤnigliches Haupt bedeckt ein weiſſer Band,
Auf deme eine Kron von Diamanten ſtand.
Nach ihnen lieſſen ſich die andern Staͤmme ſehen,
Die mit ihm ausgereiſt, wornach die Wagen gehen
Und alles Zugehoͤr, ſo war der Zug bereit;
Den Gibea empfaͤngt mit Jauchzen und mit Freud.
Ey dachte Saul, moͤcht dich der Samuel ſo ſchauen,
Er wuͤrd, daß ich von Gott verlaſſen, nimmer trauen,
230.
28
Wie er mir weiß gemacht, aus Haß, aus Eiferſucht.
Wo ſind wohl meine Feind, ſind ſie nicht in der Flucht?
Kan man aus meinem Sieg wohl Gottes Haß verſpuͤren?
Gefiel ihm nicht, daß ich ſollt Jſrael regieren,
Wo waͤre mein Triumph, wo waͤre meine Ehr,
Die mich jetzunder kroͤnt, fuͤr meinem gantzen Heer?
Wer ſollt nach dieſem Sieg die Krone mir bewegen?
Wer Luſt dazu gehabt muß nun ſich niederlegen.
Was ſtuͤtzet mehr den Thron als eine Siegeshand?
Das Gluͤcke wenn es gut, macht feſt den Koͤnigsſtand.
240.
28
So ware Saul getroſt, er hofft es wuͤrde gluͤcken,
Jndem ſie insgeſammt die Nymphenſchaar erblicken,
Dem Koͤnig war dieß lieb, die Helden wurden froh,
Daß ihre Wiederkehr beehret ward alſo.
Der73von David.
Der Printz ſah ſein Gemahl verliebt an und vergnuͤget,
Der andern Nymphen Schein hat manchen Held beſieget;
Der David nur allein findt das nicht was er ſucht,
Des Siegs verſprochne Beut, der keuſchen Liebe Frucht.
Er findet aber mehr als nicht war ſein Erſinnen,
Der Michal Lieblichkeit, der Michal ihr Beginnen,
250.
28
Der Michal Wunderſtral, die ſchoſſen auf ihn zu,
Daß Merob er vergiſt und ſeiner ſtillen Ruh.
Er weiß nicht wie ihm iſt, es kan kein Aug verlaſſen
Die ſo ihn ebenfalls anſchauet ohne Maſſen.
Je mehr er ſie nun ſchaut, je mehr wird er verblendt,
Je mehr er wird verblendt, je mehr ſein Hertz entbrennt
Jn Liebe gegen ihr, ohn daß er doch kan hoffen,
Sie ſey auch ebenfalls von keuſcher Lieb getroffen.
Drum wann ihm Adriel kommt wieder in den Sinn,
Den er geliebt zu ſeyn vermeinet, giebt ers hin.
260.
28
Er faſſet wieder ſich und kehrt die Augen abe,
Damit er nicht umſonſt ſich durch ihr Licht erlabe,
Er will der Merob ſeyn die ihm verſprochen war,
Und derer Liebe ihm ſchon ſchiene offenbar.
Mitdeß hebt die Muſik der Nymphen an zu klingen,
Davon die Lieblichkeit konnt aller Sinne zwingen,
Das gantze Heer wird ſtill, die Ohren, das Geſicht
Jſt nach dem ſchoͤnen Volck verwundert hingericht.
Die Paucken groß und klein, die Cymbalen und Geigen,
Driangel, Harffen, Floͤt, beginnen ſich zu zeigen,
270.
28
Und klingen durch die Luft von zarter Hand geruͤhrt,
Dergleichen Anmuth man vorhin niemahls verſpuͤrt.
Wie Saul nunmehr ſo nah, daß er es konnt vernehmen
Was fuͤrgebracht ſollt ſeyn, ſie eilig ſich bequemen
Zu ſtimmen an dieß Lied, wie abgeredet war,
Thalmais hebet an, der folgt der Weiber Schaar:
Gelobt ſey unſer Gott, ſein Nahme ſey geprieſen,
Der ſolche Wunderguͤt an ſeinem Volck erwieſen.
Gelobet ſey der Herr, der Schuͤtzer Jſrael
Der uns zieht aus dem Staub, der unſrer Freude Quell.
280.
28
Gelob[e]t ſey die Krafft des Herren aller Herren,
Der unſern Koͤnig laͤſt ſieghafft zu Hauſe kehren.
E 5Ge -74Verſuch eines Gedichtes
Gelobet ſey die Guͤt des Schoͤpfers dieſer Welt,
Der unſre Feinde ſtuͤrtzt und unſer Land erhaͤlt.
Willkommen groſſer Saul! was ſoll man von dir ſagen:
Du haſt dem frechen Feind ſelbſt tauſend Mann erſchlagen.
Dieß Lob gefiele Saul, er nahm es guͤtig auf,
Thalmais gruͤſte er und der Matronen Hauf
Ward freundlich angeſehn von ihrem frohen Koͤnig.
Jndeme Michal nun verzogen noch ein wenig,
290.
28
Hebt an ihr Saitenſpiel, Saul ſiehet nach ihr hin,
Begierig daß er auch von ihr ein Lob gewinn.
Sie aber faͤhet an. Seynd tauſend Mann geblieben
Durch unſers Koͤnigs Hand, ſo hat noch mehr vertrieben
Der Held von Bethlehem; du Sieger ſey gegruͤſt,
Dich hat Jſraels Gott zu unſerm Heil erkieſt.
Willkommen kuͤhner Held, was ſolln wir von dir ſagen,
Du edler David haſt zehn tauſend Mann erſchlagen.
Wie ein verſchloßner Wind, wann er gewinnet Luft,
Bricht loß mit Ungeſtuͤm aus der verſchloßnen Kluft;
300.
28
So gieng es auch allhie. Des Koͤnigs Trauerweſen,
Das da in dieſer Zeit war wie verſperrt geweſen,
Jn eingebildter Ruh, in fuͤrgemalter Ehr,
Brach ploͤtzlich wieder aus und tobete daher.
Ja wie ein truͤb Gewuͤlck den Himmel ſchnell beziehet,
So daß die helle Sonn im Augenblick entfliehet,
So trieben dieſe Wort auf einmahl hin die Luſt.
Ein truͤber dunckler Schein erwieſe, wie entruſt
Des Koͤnigs Hertze war; das hube an zu ſpringen,
Ein Eiferfeur erhitzt die Augen daß ſie dringen
310.
28
Mit Grimm auf Michal zu: die nimmt es nicht in Acht,
Sie iſt in Unſchuld nur auf Davids Lob bedacht.
Das Lied wird wiederholt, es geht in beyden Choren
Zwar lieblich, aber doch in Sauls geſpitzten Ohren
Schallt es erſchrecklich hin; der ſchaut mit Unmuth an
Die Ehr die David wird erzeigt von jedermann.
Jedoch daß keiner nicht moͤg dieſe Schwachheit mercken,
Erholet er ſich bald; ſein Fuͤrſatz kan ihn ſtaͤrcken,
Wie er ſich raͤchen woll; drauf gruͤſt er alle Schaar
So Haufenweiß am Thor der Stadt verſammelt war.
320.
28
Der75von David.
Der David als er hoͤrt was Michal von ihm ſinget,
Denckt: Ein ſo groſſes Lob man unverdient ihm bringet;
Er neigt ſich auf dem Pferd, ſchaut ehrerbietig hin,
Allwo er ſtehen ſieht die ſchoͤne Printzeßin.
Sie gruͤſt ihn ebenfalls mit lieblichen Gebaͤhrden,
Von j[e]dem der ſie ſchaut muſt ſie geprieſen werden.
Sie hatte dieſen Tag ſehr herrlich ſich geziert,
Ob ſonſt wohl die Natur den meiſten Wunder fuͤhrt,
Schien ſie doch heute mehr, denn ihr vergnuͤgtes Weſen
Hatt alle Lieblichkeit in ihr Geſicht erleſen.
330.
28
Die Stirn war heller Schnee, die Wangen Milch und Blut,
Die Augen ſchwartz Agat, und ſahen aus ſo gut
Deß man ſie ohne Furcht verehren konnt und preiſen;
Der Mund war hell Corall, der Hals und Bruſt ſich weiſen
Dem Marmor gleich am Schein. Das ſchwarze Lockenhaar,
Dem hellen Angeſicht zum Abſatz dienlich war;
Das ſie frey fliegen ließ zum Spiel den ſanfften Winden,
Die ſich mit jeder Lock begunten zu verbinden.
Ein reicher Perlenkrantz mit Roſen durchgeſteckt,
Das Haupt und ihre Stirn zum halben Theil bedeckt.
340.
28
Sie trug ein weiſſes Kleid mit Diamanten Sternen,
Selbſt muſt des Himmels Schmuk hiebey ſich bald entfernen;
Ein roſinfarb Gewand fiel von den Achſeln hin;
Das Niederkleid war bunt, ſie hatte ſelbſt darinn
Gewirckt mit ihrer hand. So ware ſie geſchmuͤcket,
Jhr Schein und Lieblichkeit gantz Jſrael entzuͤcket.
Maacha war die naͤchſt die Michal ſo begleit,
Voll Anmuth gleich wie ſie. An ihrer andern Seit
Die Rizpa war zu ſehn. Drauf aus dem gantzen Lande
Des Stammes Benjamin, nach eines jeden Stande
350.
28
Erſchien der Dirnen Schaar; nur Merob nicht allein
Die ſand ſich nirgends nicht und deckte ihren Schein.
Wie nun ſie an dem Thor den Koͤnig ſo empfangen,
Und man kam in die Stadt mit groſſem Siegesprangen,
Gieng ihre Reih fuͤran bis nach des Koͤnigs Hauß,
Und ſtriche jedermann des Davids Lob heraus.
Doch haͤtt er im Geſicht das Leiden ſollen ſehen,
Und wie es ihm bey Saul und ſeinem Hof wuͤrd gehen,
Haͤtt76Verſuch eines Gedichtes
Haͤtt wohl ſein Hertz verſagt zu haben ſolche Freud,
Die ihm nur ward zu bald verkehrt in bittres Leid.
360.
28
Auch ward ihm ſchwer ſein Hertz, er fande ein Betruͤben
Des Urſach ihm nicht kund; Das Lob ſo ſie veruͤben
Zu ſeines Nahmens Preiß, ergetzet ihn nicht ſehr,
Er hoͤret es mit an, als wann er es nicht waͤr.
Der Menſchen groͤſter Theil iſt ſonſt alſo geſonnen,
Daß vom gegebnen Lob gar leichtlich wird gewonnen
Das menſchliche Gemuͤth, die Lieb ſo aus ſich koͤmmt,
Nichts liebers als den Ruhm ſein ſelbſt zu Ohren nimmt.
Fuͤrnemlich iſt alſo geſinnt die ſtoltze Jugend,
Doch Davids ſeltner Geiſt und ſeine hohe Tugend
370.
28
Empfand das eitle nicht. Nach Ehren ſtrebt er zwar,
Doch nicht daß man ſein Lob drum allen offenbar.
Um gutes ſtets zu thun iſt ſein Gemuͤth befliſſen,
Doch daß er was damit verdient, will er nicht wiſſen.
Drum blaͤſet ihn nicht auf des Poͤbels Lobgeſchrey,
Die alle frey geſtehn wie er ihr Heiland ſey.
Sein Nahme wird gehoͤrt wo ſie ſich nur hinkehren,
Wie kraͤfftig dieſes iſt die Eiferſucht zu naͤhren
Des Koͤnigs, ließ ſich leicht verſpuͤren, wenn man nun
Gibt acht wie er ſich ſtellt, und auf ſein gantzes Thun.
380.
28
Was da nicht faͤhig war den David zu bewegen,
Das kan des Koͤnigs Hertz zum Zorn und Eifer regen.
Haͤtt man ihm doch allein gelegt die Ehre zu,
So waͤr nicht ſo geſtoͤrt ſein und des Davids Ruh.
Kaum wird in Gibea der Nahme Saul gehoͤret,
Weil da wohl tauſendmahl wird Davids Nahm geehret.
Man wirfft ihm Kraͤntze zu, und aus den Fenſtern faͤllt
Ein Blumenregen ab auf dieſen jungen Held.
Sie klatſchen in die Haͤnd wo David kommt geritten,
Das Frauenzimmer lobt ſein Thun und edle Sitten,
390.
28
Die Maͤnner ſeine That; Er iſt ein Wunderbild,
Da er Jſraels Furcht ſo wunderbar geſtillt.
Haͤtt Saul dieß vor gewußt, daß die vermuthet Ehre
Sollt David treffen mehr, als ihn, er wuͤrd vom Heere
Jhn haben weggeſchafft nach ſeinem Bethlehem,
Und nicht den Schluß gefaſt, daß er nach Hof ihn naͤhm.
Nun77von David.
Nun ware es zu ſpaͤth, nun muſte es ſo gehen,
Die Urſach ſeiner Ruh und Marter muſt er ſehen,
Durch ihn kam ihm die Ehr, durch ihn nahm ſie ein End,
Der alles erſtlich gab, nun alles von ihm wendt.
400.
28
Der eingebildte Ruhm, der durch ihn war gekommen,
Wird wieder gantz und gar durch ihn dahin genommen.
Wo erſt kommt Eiferſucht wird Gutthat leicht gemiſt;
Wo dieſes Freundſchaft trennt, ſie unerbaulich iſt.
Jnzwiſchen daß nun muß der Koͤnig dieß erleiden,
Da Hof, Land, Feld und Stadt, ſchwebt in den hoͤchſten Freudẽ,
Gelangt man auf die Burg, allwo die Hofſtatt war,
Da ſich die Koͤnigin und Merob ſtellten dar;
Zu gruͤſſen den Gemahl, den Vater zu empfangen,
Benebenſt Beroa, die da auch groß Verlangen
410.
28
Trug nach Melchiſua. Es drang ſich jedermann
Zu ſehen wie ſich doch wuͤrd Merob ſtellen an,
Bey dieſem erſten Gruß den ſie ſollt David geben,
Und wie ſich dieſer Held erzeigen wuͤrd darneben.
Drum als der Koͤnig nun umarmet ſein Gemahl,
Und mit ſie alles Volck gekommen in den Saal;
Gieng aller Freude an, ein jede den begruͤſſet,
Den ſie mit Schmertz und Angſt ſo lange Zeit gemiſſet,
Thalmais, Jonathan ihr andres Hertz und Seel,
Den ſie in keuſcher Lieb beehrte ſonder Fehl.
420.
28
Merob und Michal auch, die Printzen ihre Bruͤder,
Empfiengen hoch erfreut. Beroa kam hinwieder
Zum Vater und zum Mann. Der Abner Rizpa ſchaut
Mit Liebesaugen an. Phalti ſich nicht getraut
Die Schoͤnheit anzuſehn, die er liebt ungeliebet,
Der Adriel erblickt ſein liebſtes hoch betruͤbet
Und iſt voll Hertzensqual; der David ſonder Ruh,
Als Merob er erblickt und Michal auch dazu.
Der einen freyen Geiſt, der andern Trauerweſen,
Stellt er ihm beydes fuͤr. Er ware auserleſen
430.
28
Fuͤr Merob, doch ſein Hertz ihn lencken will dahin,
Wo Michals Lieblichkeit bezaubert ſeinen Sinn.
Die ſchaut ihn guͤtig an, die andre ſteht betruͤbet,
Er ſtehet bey ſich an, wer ihn von beyden liebet,
An78Verſuch eines Gedichtes
An Michal merckt er nicht, daß ſie nach Adriel
Hinkehre ihre Blick. Ob Merob Phalti wehl
Zu quaͤlen weiß er nicht, er laurt wie Phalti ſtehe,
Und wo der Adriel mit ſeinen Augen gehe;
Doch nirgends findet er gewiß was er begehrt,
Weil aller ihr Gebaͤhrd den Zweifel ihm vermehrt.
440.
28
Er hatte raume Zeit dieß ſo zu uͤberlegen,
Weil Saul und ſein Gemahl annoch zuſammen pflegen
Ein heimliches Geſpraͤch, das wie es war vollendt,
Und Saul hinwieder ſich von ihr zuruͤck gewendt,
Gruͤſt er die Toͤchter auch und ſeine beiden Schnuͤre
Und daß er David nun zum Frauenzimmer fuͤhre,
Zwang er den Eiferſinn und faſt ihn bey der Hand:
Hie iſt er der uns ſetzt in dieſen F[ri]edensſtand;
Sprach er ſie ſamtlich an, und ſich gleich abwaͤrts kehrte,
Daß er die Eiferroͤth ſo viel ihm moͤglich wehrte.
450.
28
Worauf Ahinoam den David wohl empfieng.
Sie ſprach: der Hoͤchſte ſey gelobt der allerding
Durch deinen tapfern Muth der Feinde Stoltz verdorben,
Daß wir durch deinen Sieg ſo groſſes Gut erworben.
Dir dancket alles Land fuͤr dieſe Wiederkehr;
Jch bin dir mein Gemahl und meine Koͤnigs-Ehr
Selbſt ſchuldig, drum mein Sinn ſich wird dahin bemuͤhen,
Aus dieſer groſſen Schuld ſich danckbarlich zu ziehen;
Was dir verſprochen iſt, gelob ich mit o Held
Des Koͤnigs Will und Schluß mir uͤberwohl gefaͤllt.
460.
28
Dieß letzte Wort erweckt bey vielen ein Erroͤthen,
Die Merob ſahe ſich in ungemeinen Noͤthen,
Die Michal wuſte nicht wie dieß war zu verſtehn,
Der Adriel will ſchier fuͤr Zweifelmuth vergehn.
Der David ſich befindt fuͤr dieſe Wort verbunden
Zu ſprechen dieſe Wort: Jch ſehe mich umwunden
Von ſo viel Gnad und Huld, o groſſe Koͤnigin!
Daß ich des ſo beſtuͤrtzt als gar unwuͤrdig bin.
Was Gott durch mich gethan iſt nicht an mir zu preiſen,
Dem hoͤchſten Wundergott muß man dieß Lob erweiſen;
470.
28
Das Werckzeug bin ich nur, ich bin es nimmer werth,
Daß ſolche hohe Gaab hiefuͤr mir wird beſchehrt.
Als79von David.
Als dieß die Koͤnigin hinwieder wollt beſprechen,
Daß er ihm ſelbſten nicht ſollt ſeine Ehr entbrechen,
Fuͤhrt ihn der Koͤnig hin, allda ſich Merob fand,
Dieß ware fuͤr ſie beid ein unvermuthner Stand.
Der David ſahe ſich geehret ohne Maſſen,
Die Merob wuſte ſich hierinn nicht wohl zu faſſen,
Und wie ſie ſo beſtuͤrtzt den David blicket an,
Spricht Saul: Diß iſt der Held der dir beſtim̃t zum Mann.
480.
28
Jch hab dich dem gelobt der wuͤrd den Rieſen ſchlagen,
Es haͤtt dir eh gebuͤhrt von ſeinem Sieg zu ſagen,
Als Michal die ſein Lob mit ihrer Nymphen Schaar
Hat heute beym Triumph gemachet offenbar.
Die Michal ſah er an, indem er dieſes ſprache,
Mit wiedrigem Geſicht, die wie ein Feur anſtache,
Das Hertze war entruͤſt, ſchier blieb der Odem hin,
Sie wuſte ſelber nicht wie ihr recht war zu Sinn.
Ward ſie nun ſo erroͤth konnt ihrer Schweſter Schrecken
Die bleiche todte Farb mehr als zu klar entdecken,
490.
28
Doch uͤberwindt ſie ſich und ſpricht dem Koͤnig zu:
Jch bin erfreut zu ſehn des Koͤnigreiches Ruh,
Doch auch dabey entſetzt ſo ploͤtzlich zu vernehmen,
Wozu du mich beſtimmt, wozu ich mich bequemen
Und dir gehorchen ſoll. Hiemit ſo ſchwieg ſie ſtill
Und David hoͤfflich gruͤſt, doch ob ſie ſprechen will,
Vermag ſie es doch nicht, ſie kan ſich ſo nicht zwingen
Daß nicht ein Trauerblick nach Adriel ſollt dringen,
Der wie ein Marmorbild da ſtehet gantz erſtarrt,
Wie einer der den Tod von Richters Hand erwart.
500.
28
Schaut ſie dann Michal an, kan ſie auch leicht verſtehen,
Aus ihrem Traurgeſicht, wie nah ihr dieß muß gehen,
Und wie ſo unverhofft ihr dieſe Poſt hier koͤmmt;
Die ihr was ſie nicht will, gibt, und der andern nimmt,
Die ſolches hoch verlangt. Der David auch verwirret
Bald nach der Merob bald nach Michal wird gefuͤhret
Durch ſeiner Augen Stral, die Merob ſpricht er an,
So gut die Unruh und der Ort es leiden kan.
Daß er ſich ſelig ſchaͤzt im Wohlſtand ſie zu ſehen,
Und wie ihr treuſter Knecht nach ihrem Wohlergehen
510.
28
Er80Verſuch eines Gedichtes
Er ſtets bemuͤht wollt ſeyn. Damit als er anſieht
Der Nymphen ſchoͤne Reih, ermahnt ihn ſeine Pflicht,
Zu dancken dieſer Schaar, die ſo ſein Lob beſungen,
Das ihm ſo waͤr ins Hertz und zu Gemuͤth gedrungen,
Daß es ihn angefriſcht zu ſtreben mit Begier
Nach ſolcher Heldenthat, der ſo ein Lob gebuͤhr.
Maacha ſprach hierauf in ihrer aller Nahmen:
Du haſt in Jſrael in allen ihren Stammen
So groſſe Werck veruͤbt, daß billig deine Ehr
Von uns erhebt ſollt ſeyn bis an der Sternen Heer.
520.
28
Die ſchoͤne Michal ſchwieg hiezu, der ſonſt gebuͤhret,
Zu ſprechen dieſe Wort, weil ſie den Chor gefuͤhret,
Dann ſie war ſo entſetzt darob was ſie gehoͤrt,
Daß ſie gantz aus ſich ſelbſt ſchier ward von Pein verzehrt.
Ein jeder ſpuͤrte nun dieß hochverwirrte Weſen,
Weil ſich des Hertzens Quaal ließ aus den Augen leſen,
Und keiner wuſt dabey recht was den andern war.
Des Koͤnigs Eiferſucht war keinem offenbar;
Der Merob Ehgeluͤbd mit dem Meholathiter
War nicht bey Hofe kund; und dieſer edle Ritter
530.
28
Sah wie ein Schatten aus, ohn daß man wuſt die Pein,
Und Michal Freudigkeit verlohre ihren Schein,
Eh man es nahm in Acht. Wie David ſich erzeigte,
So ſchien es mehr, daß den die Traur als Freude neigte.
Der edle Jonathan ſah dieß verwundernsvoll,
Und weiß bey dieſem Thun nicht was er ſagen ſoll,
Drum trug er groß Begierd dieß Weſen zu ergruͤnden,
Darinn der ganze Hof ſich ſelbſt nicht konnte finden,
Und Saul ſo bald er konnt hub die Geſellſchaft auf,
Und ließ, wie er allein, dem Trauren ſeinen Lauf.
540.
28
Drauf gieng ein jeder heim und war nun allermaſſen
Das Gibea erfreut, die Haͤuſer und die Gaſſen
Ertoͤneten von Freud, man bracht den Abend zu
Mit lauter Siegsgeſchrey und in gewuͤnſchter Ruh.
Und weil der Koͤnig wollt zu Nacht allein verbleiben,
Und ſpeiſen im Gemach, um aus dem Sinn zu treiben
Das Trauren ſo ihn plagt, ſo ſtellte Jonathan
Jn ſeinem Sommerhauß die Abendmahlzeit an.
Die81von David.
Die Helden insgeſamt ſich alldahin verfuͤgten,
Und ſich bey dieſem Pracht der Trachten hoch vergnuͤgten.
550.
28
Doch viele unter ſie die ſpeißten ihren Sinn
Und ihr entzuͤndt Gemuͤth mit Lieb, ſich ſehnend hin
Allwo ihr Hertze war. Thalmais unterdeſſen
Mit Merob und Michal wollt gantz alleine eſſen,
Weil der nur war allein ihr beyder Leyd bekannt,
Und ſie mitleidentlich bedaurte ihren Stand.
Wie nun war in der Still die Mahlzeit aufgehoben,
Hub ihre Klage an und der Gemuͤther Toben.
Ach wann ich Michal waͤr! ſprach Merob hoͤchſtbetruͤbt.
Ach wann ich Merob waͤr! ſagt Michal hoͤchſtverliebt.
560.
28
Haſt du nicht vor gewuſt, daß es ſo wuͤrde kommen?
Hierauf Thalmais fragt. Jch hatt es ſchon vernommen,
Die Merob ihr bericht, eh noch der Koͤnig kam.
Ach! hube Michal an, wie biſt du mir nicht gram,
Daß ich von dieſem Thun dorfft nichtes eh erfahren,
Biß ich den Schimpf gehabt dem David zu willfahren
Mit meinem Saͤitenſpiel, der meiner doch nicht acht,
Und nur nach dir ſich ſehnt, nach deiner Liebe tracht.
Heut nicht ſo wiedrig aus, daß ich dir dieß verſchwiegen,
Sprach Merob, dañ ich wollt nicht ſtoͤren dein Vergnuͤgen.
570.
28
Du haſt ja David nicht die Ehr allein gethan,
Maacha ebenfalls hat ihn geſungen an.
Ach wilſt du Adriel dann wol fuͤr David laſſen?
Fragt Michal, Merob ſagt: den einen will ich haſſen,
Den andern geb ich dir. Ey, ſpricht hie Michal zu,
Erklaͤre deine Wort. Jch will zu deiner Ruh,
Hebt Merob wieder an, daß dich der Koͤnig gebe
Dem Helden David hin; und daß mein Hertz dann lebe
Von Adriel befreyt, der mich ſo ſchaͤndlich laͤſt,
So ſoll daſſelbe nun der Liebe Ueberreſt
580.
28
Vertilgen aus dem Grund, ja ich will ſein vergeſſen;
Die Thraͤnen die er jetzt begehrt mir auszupreſſen,
Die ſollen auch die Flamm erloͤſchen meiner Lieb,
So folget meine Rach auf ſeiner Untreu Trieb.
Ach Merob halt doch ein! Hiezu Thalmais ſaget,
Du haſt um Adriel ſein Thun dich nicht befraget;
[Crit. Sam̃l. X. St.] FWo -82Verſuch eines Gedichtes
Worinn beſteht die Schuld? Daß er mich nicht mehr liebt;
Spricht ſie, hergegen die Was dieſem Zeugniß giebt,
Kanſt du nicht bringen bey. Ach ſagt ſie, du ſolt ſehen
Ob ich mit Fuge nicht laß dieſen Schluß ergehen.
590.
28
Hoͤr mir gedultig zu, warum hat wohl die Zeit
Der Adriel verſaͤumt durch ſeine Tapferkeit
Mich durch des Rieſen Kampf vom Koͤnig zu erlangen?
Ließ er das, weil ſein Hertz mit Furchtſamkeit umfangen?
O nein, ſein friſcher Muth hat ſich oft kund gethan,
Und liebte die Gefahr. Woran gebricht es dann?
Hatt er in dieſer Sach nicht ſeinen freyen Willen?
O ja der Koͤnig gab ihm Macht den zu erfuͤllen.
Warum dann thut ers nicht? Darum weil ſeine Reu,
Daß er mich hat geliebt, iſt groͤſſer als die Treu
600.
28
Die er mir ſchuldig war. Sprich nun hab ich gefehlet?
Thalmais die wohl ſah, wie billig ſie ſich quaͤlet,
Wuſt nicht wie Adriel wohl konnt entſchuldigt ſeyn;
Der Michal aber fiel noch endlich etwas ein,
Weil die mit aller Macht wollt dieſes Feur ernehren,
Um einer andern Glut in Merobs Hertz zu wehren.
Dem Sieger, ſprache ſie, dem biſt du zugeſagt,
Haͤtt Adriel nun nicht als David dieß vollbracht,
So haͤtt er Schimpf erjagt, fuͤr dich, fuͤr ſeine Ehre,
Und nicht gewagt daß er nachgehends dich begehre
610.
28
Von unſerm Vater Saul, dem ſchon entgegen iſt,
Daß Adriel dich hat zum Ehgemahl erkieſt.
Ein tapfrer Held wie er, ſagt Merob gantz entruͤſtet,
Scheut nimmer eine Schlacht, da ihm vielmehr geluͤſtet
Nach Ehre und nach Ruhm, wer groſſe Ding begehrt
Wird auch niemahlen nicht durch groſſe Ding verfaͤhrt.
Du fuͤhreſt dieſe Wort, ſprach Michal, zu beſchoͤnen,
Daß du dein Hertz nicht mehr dem Adriel willt goͤnnen.
Des Davids Lieblichkeit Schweig, fiel ſie ihr ins Wort,
Laß deinen Eiferſinn mich quaͤlen nicht hinfort,
620.
28
Jch will nicht deine Lieb betruͤben noch mich ſehnen
Darnach was dir bereits gekoſtet ſo viel Thraͤnen,
Kan ich dir dienlich ſeyn, ſo iſt der David dein.
Wann David mich nicht liebt, wandt ſie hinwieder ein,
Jſt83von David.
Jſt mir mein Sinn zu hoch ihn von dir abzukehren.
Kanſt du, ohn daß dein Hertz dich quaͤlet, ihn begehren,
So ſiehe nicht auf mich. Du haſt ja Recht dazu;
Verlaſſe Adriel und baue Davids Ruh.
Jch muß, Thalmais ſprach, in dieſen tollen Sachen,
V. 631. 632. Jch muß, Thalmais ſprach, in dieſen tollen Sachen So traurig ich auch bin, doch euer beyder lachen.) Weil der Poet es hier ſelbſt durch die Thalmais bekennen laͤßt, daß die Liebe eine laͤcherli - che Neigung ſey, ſo wundert uns deſto mehr, daß er ihr in einem Gedichte, wo nur die erhabenſten Empfindungen und Hertzensge - dancken herrſchen ſollen, ſo viel Platz eingeraͤumt hat. Wenn er nicht in dem Vortrage ſeines Vorhabens geſagt haͤtte, daß er die hohen Wercke und den Lebens - lauf Davids beſingen wollte, ſo koͤnnte ich glauben, er haͤtte nichts anders im Willen gehabt, als Da - vids Vermaͤhlung mit der Michal zu ſingen; und dieſes haͤtte er der Natur dieſer Materie gemaͤß nicht in einem heroiſchen Gedich - te, ſondern bloß in einem ver - miſchten heroiſch-comiſchen thun wollen. Mit dieſer Abſicht waͤre denn geſchickt zuſammengehan - gen, daß er in dem erſten B. die drey Printzeßinnen in Davids Hoͤle gebracht, in dem zweyten den Sieg uͤber Goliath beſchrie - ben, welcher ihm ein Recht auf Sauls Tochter erworben, und in dem dritten alle die Liebes-Sym - ptomata aus einander geſetzt, wel -che bey der Michal und der Merob entſtanden. Auch die Geſchichte von Adriel im zweyten B. waͤ - re dann deſto weniger uͤberfluͤßig, weil ſie uns mit Merobs Hertzen bekannt machete, die ihr Vater erſtlich dem David vermaͤhlen wollte. Jn dieſem Falle haͤtten wir nicht zu befuͤrchten, daß das Gedichte zu einer uͤbermaͤſſigen und das Gedaͤchtniß betaͤubenden Laͤnge angewachſen waͤre, denn dem Poeten waͤre izo nichts wei - ters uͤbrig geblieben, als das Raͤthſel von der Merob und der Michal Liebe aufzuloͤſen, u. die er - ſtere dem Adriel vermaͤhlen zu laſſen, welches zwar nach Sauls Vorhaben dem David leid thun ſollen, aber in der That zu Be - foͤrderung der Liebe Michals ge - dienet haͤtte, welche nun nichts weiter gehindert, als daß David die von Saul ihm auferlegte Mor - gengabe von hundert Vorhaͤuten eroberte. Jn drey oder vier Buͤ - chern haͤtte dieſes alles ausge - fuͤhrt werden koͤnnen, wann der Poet gleich die Weitlaͤuffigkeit haͤtte gebrauchen wollen, mit wel - cher er angefangen hat.
29
So traurig ich auch bin, doch euer beyder lachen.
630.
29
Jhr wollt nicht was ihr ſagt, du haſſeſt Adriel,
Doch ſchwere ich bey Gott, ihn liebet deine Seel:
Dich aber Michal plagt die Eiferſucht dermaſſen,
Daß du in gutem Ernſt den David meinſt zu laſſen,
UndF 284Verſuch eines Gedichtes von David.
Und willſt doch ſolches nicht. Bekennt ob euren Sinn,
V. 637. 638. Bekennt ob euern Sinn Jch wo nicht gar entdeckt, doch nah gekommen bin.) Jch habe von der Sprache und dem Sylbenmaſſe dieſes Gedich - tes nichts geſagt, weil das nicht zu meinem Vorhaben gehoͤrete. Dieſes erſtreckete ſich nicht wei - ter, als auf die Abſicht, die Er - findungen, die Anlage und Ver - faſſung. Jn den aͤuſſerlichen Dingen koͤnnte die Nachlaͤſſigkeit ſchwerlich groͤſſer ſeyn. Zum Exempel, in der verworrenen Wortfuͤgung, in den verſtellten Deelinierfaͤllen, in den ausgelaſ - ſenen Huͤlffszeitwoͤrtern, in den abgebiſſenen Buchſtaben, in dem Verſaͤumniß der Abſchnitte, in Cacophonien, in dem ungleichen Klange des Reimkuppels. Dieſes alles habe ich dem Verfaſſer uͤber - ſehen, und das Auge davon aufdas innerliche Weſen ſeines Ge - dichtes abgelencket. Alles zeiget uns, daß man uns ſeine Arbeit ge - liefert hat, wie ſie nach der erſten Erfindung verfaſſet, und zu Pa - peir gebracht worden, wo der erſte Ausdruck, der in den Sinn gekom - men, ſtehen geblieben. Darum muͤſſen wir auch die Kunſt und die Geſchicklichkeit des Verfaſſers nicht nach dieſem unreifen und unausgearbeiteten Anfange beur - theilen. Mir hat er indeſſen An - laß gegeben, von verſchiedenen Sachen, die beym Epiſchen Ge - dichte zu beobachten ſind, meine Gedancken zu erklaͤren, und mit Exempeln, die zwar a contrario hergenommen ſind, vor Augen zu legen.
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Jch, wo nicht gar entdeckt, doch nah gekommen bin?
Es ſchwiegen hiezu ſtill die beyde Printzeßinnen,
Und hatte Thalmais geredt wie ihre Sinnen
Sich fanden innerlich, ohn daß der ſchoͤne Mund
Entdecken wollte noch des innern Hertzens Grund.
640.
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Dann Merob drauf beſtund den Adriel zu meiden;
Und Michal wollt ihr Hertz gantz von dem David ſcheiden;
Doch war es all umſonſt, iſt gleich der Fuͤrſatz da,
Spricht dennoch nicht ihr Hertz zu dieſem Willen ja.
Weil nun Thalmais nicht ſo bald noch konnt erſinnen
Ein Mittel, ihrer Sorg und Plage zu entrinnen,
Weiſt ſie ſich auf die Zeit, die koͤnnte da allein
Jn allem was uns quaͤlt am beſten dienlich ſeyn.
Und ſoll der Jonathan noch nichts hievon erfahren,
Weil ſie wie groſſe Freund er und der David waren,
650.
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Erwogen nach Gebuͤhr. Nun wie in dieſer Quaal,
Da Liebe, Haß und Neid ſich wieſe uͤberall,
Sie waren eingeſchraͤnckt, kam Poſt die Printzen kaͤmen,
Worauf ſie beyderſeits ein anders Weſen nehmen.
Sie ſchlieſſen ihre Pein in ihrer Sinnen Schrein,
Und ſehen froͤhlig aus, da ſie doch traurig ſeyn.
85

Des Herrn Vatry Gedancken von den Choͤren in den Trauerſpielen.

DEr Hr. Abt Vatry, ein Mitglied der Frantzoͤſiſchen Academie der Alterthuͤ - mer und der Literatur, hat in einer ei - genen Diſſertation gezeiget, daß das Trauerſpiel in ſeinem Urſprunge nichts anders als ein Hymnus zum Lobe des Bacchus geweſen, wo man geſungen und getanzet; Als nachgehends die Ma - terien, von welchen man Gelegenheit genommen, dieſen Gott zu loben, erſchoͤpfet worden, haben die Poeten ſich genoͤthiget geſehen, ihre Zuflucht zu verſchiedenen Erfindungen zu nehmen, damit ſie nicht allezeit einerley wieder aufwaͤrmen muͤßten. Daher ſeyn die Epiſodia entſtanden, die wir heu - tiges Tages Actus heiſſen; dieſe habe man durch einen oder mehr Hiſtrionen zwiſchen zweyen ſol - chen Lobgeſaͤngen oder Choͤren ſagen laſſen. Aus dieſen Epiſodien oder Handlungen ſey nachmahls der Coͤrper des Trauerſpiels geworden, und die Choͤre ſeyn zulezt nichts weiter als ein Theil der - ſelben geweſen, den man mit den andern auf eine wahrſcheinliche Art habe zuſammen ordnen muͤſ - ſen. Jndeſſen habe man dieſelben nicht bloß der Gewohnheit zu gefallen behalten, ſondern wegen der groſſen Vortheile, welche das Trauerſpiel daher empfangen habe.

Dieſe Vortheile beſtuhnden nach Herrn Vatry in folgenden Stuͤcken: Erſtlich dieneten ſie in das Trauerfpiel mehr Ordnung und mehr Verſchie -F 3den -86Hrn. Vatry Gedanckendenheit zu bringen. Zweytens gaben ſie ihm eine gewiſſe Pracht und Hoheit. Drittens vermehre - ten ſie das pathetiſche Weſen in demſelben.

Sie brachten erſtlich mehr Ordnung in das Trauerſpiel, indem ſie eine natuͤrliche Folge der verſtaͤndigen Wahl der aufgefuͤhrten Handlung und des Ortes der Scene waren, und uͤberdieß den meiſten Regeln des Theaters zum Grunde die - neten. Sie brachten mehr Verſchiedenheit in daſſelbe, theils an Vorrath von Sachen, theils in Anſehung der Vorſtellung. Bey den Alten war der Platz der Scene allemahl ein oͤffentlicher Ort. Die Zuſeher muͤſſen ſich einbilden koͤnnen, daß ſie bey der Handlung gegenwaͤrtig ſeyn; und wie koͤn - nen ſie ſich dieſes einbilden, wenn ſie ſich in einem Cabinet begiebt? Ueber dieſes muß eine Handlung, wann ſie mit genugſamer Wahrſcheinlichkeit auf den Schauplatz gebracht werden ſoll, landkuͤndig und lautbar ſeyn, ſie muß unter den Vornehm - ſten des Staats begegnen, und von einer Natur ſeyn, daß ein gantzes Volck ſich darum bekuͤmmert. Daher folgt, daß ſie eine groſſe Anzahl Zeu - gen, die ſich derſelben annehmen, an einen Ort verſammeln muß. Dieſe Zeugen formieren den Chor. Es waͤre nicht natuͤrlich, daß Leute, die an der Handlung Antheil nehmen und ihren Aus - gang mit Ungeduld erwarten, allezeit ohne ein Wort zu ſagen da ſtuͤhnden; vielmehr erfodert die Ver - nunft, daß ſie ſich von dem unterreden, was eben dann vorgehet, was ſie zu hoffen, oder zu fuͤrch - ten haben, ſo oft die Hauptperſonen von dem Schauplatz abgetreten, und ihnen darzu Zeit undMuſſe87von den Choͤren. Muſſe geben. Das iſt alſo die Materie und der Jnnhalt der Geſaͤnge des Chors. Und dergeſtalt entſpringt die Nothwendigkeit der Choͤre von der verſtaͤndigen Wahl der theatraliſchen Handlung, und des Ortes der Scene. Gleichwie man ſie mit keiner Manier in ein Cabinet hinein fuͤhren koͤnnte, alſo kan man ſie auf einem oͤffentlichen Platze nicht ausſchlieſſen, und alſo bekommen der Ort der Scene, die Handlung und der Chor, ei - nes von dem andern eine Wahrſcheinlichkeit.

Man muß nur ein Trauerſpiel des Sophocles ſorg - faͤltig unterſuchen, ſo wird man wahrnehmen, daß die meiſten Grundregeln des Theaters eine natuͤr - liche Folge der Choͤre ſind. Die Alten beobach - ten die Einheit des Ortes beſtaͤndig; ſie hielten die - ſe Regel vor ſo beſchaffen, daß ſie niemahls verle - zet werden doͤrfte. Die Urſache deſſen iſt, weil man die Wahrſcheinlichkeit lieber in denen Sachen aus der Acht ſetzen muß, wo es noͤthig iſt, Saͤtze und Schluͤſſe zu machen, wenn man ſie gewahr werden ſoll, als in ſolchen Sachen, welche in die Sinnen fallen, und einen aufmerckſamen Zuſeher erſtes Anblickes argern. Man macht uns heu - tiges Tages glauben, daß, was erſt ein Saal gewe - ſen, einesmahls ein Garten geworden ſey, und man verwandelt ohne Bedencken das Zimmer einer Printzeßin in einen Tempel, oder einen oͤffentlichen Platz. Die Choͤre hinderten die Alten, daß ſie dieſen Fehler nicht begiengen. Dann da der Chor ſchier niemahls von dem Schauplatze gieng, wann er ihn einmahl betreten hatte, ſo waͤre es augen - ſcheinlich laͤcherlich geweſen, wann man den Schau -F 4platz88Hrn. Vatry Gedanckenplatz veraͤndert haͤtte, da die Perſonen, die ihn in - nen gehabt, nicht von ihrem Platze gekommen waͤ - ren. Die Choͤre dieneten auch die Dauer der Handlung anzuzeigen: die Auffuͤhrung eines Trauerſpieles daurete bey ihnen kaum eine laͤngere Zeit, als man zu der geſpielten Handlung ſelber noͤthig gehabt haͤtte. Dieſe Richtigkeit gab ihm ein wahrſcheinliches Anſehen, das eine von ſeinen groͤſſeſten Schoͤnheiten ausmachete.

Ueber dieſes hielten ſie den Zuſeher auf, ohne daß ſie ihn muͤſſig ſtehen lieſſen, und ſie banden das Ende eines Aufzuges mit dem Anfange des folgen - den zuſammen, welches mehr bedeutet, als man meynen moͤchte, maſſen dieſe Verbindung dienet, die Einheit der Handlung zu bemercken. Unſere fuͤnf Aufzuͤge, die von einander geſondert ſtehen, formieren gewiſſermaſſen fuͤnf verſchiedene Stuͤcke, die man nach einander ſpielt. Mit welcher Wahr - ſcheinlichkeit begeben ſich uͤbrigens alle tragiſchen Handlungen allemahl auf einerley Art, und ver - ſchwinden die ſpielenden Perſonen ordentlicher Weiſe, als wenn es abgeredet worden waͤre, vier - mahl?

Es iſt leicht zu ſehen, was vor eine Mannigfal - tigkeit die Choͤre in die Tragoͤdie brachten. Was vor Mannigfaltigkeit kan in der That nicht eine Mu - ſik mit ſich fuͤhren, welche ſich in alle die verſchie - dene Gemuͤthesſtaͤnde, und alle die verſchiedene Empfindungen ſchicket, die in einem geſchickten Trauerſpiele vorkommen?

Alleine, wendet man ein, es iſt nichts unnatuͤr - lichers, als in eine ſo ernſtliche und ſo gravitaͤtiſcheHand -89von den Choͤren. Handlung, als die Handlung eines Trauerſpie - les ſeyn ſoll, Geſaͤnge, Lieder und Taͤntze zu un - termiſchen? Jſts nicht laͤcherlich, daß man drohe, klage, ſterbe, indem man ſingt; und daß ein Trupp Leute, die von Furcht oder Schrecken eingenom - men ſind, dieſe verſchiedenen Empfindungen mit - telſt der Taͤntze an den Tag lege? Die alſo reden, geben nicht recht Achtung auf die Natur des Trauerſpieles, es iſt zwar eine Nachahmung ei - ner ernſtlichen Handlung, aber es iſt nicht allein eine Nachahmung, ſondern auch ein Gedichte, und ein Gedichte, das ein Schauſpiel werden ſoll. Als ein Gedichte ſchmuͤckt es ſich mit allem demje - nigen aus, was am bequemſten iſt, die Phantaſie zu entzuͤcken, und das Ohr zu bezaubern; als ein Schauſpiel trachtet es vor allen andern den Augen zu gefallen, und man muß ſich bißweilen von der Wahrſcheinlichkeit ein wenig entfernen, damit man deſto beſſer gefalle. Alsdann kan der Geiſt, der durch einen maͤchtigern Reitz geblendet wird, nicht wahrnehmen, daß man ihn betriegt, und uͤberlie - fert ſich, ſo groß er iſt, dem Ergetzen, das man ihm gewaͤhret. Aus dieſer Urſache raͤumt man dem Wunderbaren in dem Epiſchen Gedichte einen Platz ein; und aus dieſer Urſache hat die Fabel ſelbſt, die von Wahrſcheinlichkeit entbloͤßt iſt, ſo viel Annehmlichkeit. Die Nachahmungen, wel - che am meiſten Aehnlichkeit mit den nachgemach - ten Sachen haben, ſind nicht die vollkommenſten Wercke der Kunſt; diejenigen, welche auf die voll - kommenſte Art nachahmen, muͤſſen billig den Vor - zug vor den andern bekommen. Eine Statue vonF 5Ertz90Hrn. Vatry GedanckenErtz oder von Marmor wird bewundert, eine von Wachs iſt fuͤrchterlich. Das Trauerſpiel ahmet nicht allein durch die Rede nach, ſondern auch durch die Toͤne und die Gebehrden. Die Muſik und der Tantz muͤſſen in dieſen beyden Stuͤcken vorne an ſtehen, und man kan ſagen, daß das Trauer - ſpiel ohne ſie nicht vollkommen nachahme.

Jn Wahrheit, wenn man die Muſik aus dem Trauerſpiel verbannen muß, damit es deſto wahr - ſcheinlicher werde, ſo ſollte man ihm auch den Vers nehmen, denn es iſt nicht natuͤrlicher, in der Heftig - keit einer Leidenſchaft in Verſen zu reden, als zu ſingen. Aus derſelben Urſache wird man die Sta - tuen mahlen muͤſſen, weil der bloſſe Stein die Na - tur nicht zum genaueſten nachahmet, und die Far - be des Fleiſches, der Haare, und der Kleidung nicht ausdruͤckt.

Laſſet uns izo ſehen, auf was vor eine Art die Choͤre dem Schauſpiel Pracht und Pomp mit - theilen. Man bilde ſich einmahl vor, was vor ei - ne Wuͤrckung dieſe groſſe Anzahl Actores von ver - ſchiedenem Geſchlecht und Alter thun mußte, aus welchen der Chor zuſammen geſetzet war. Jhre Taͤntze, ihre Geſaͤnge, die Pracht ihrer Kleider, mußten nothwendig die Pracht des Schauſpieles auf eine wunderbare Art erheben. Eines von den beſten Mitteln die Leute an ſich zu ziehen, und ſie gleichſam zu bezaubern, ſind jederzeit die Muſik, und die Ceremonien geweſen, und dieſe letztern ha - ben ohne Zweifel die Alten unter dem allgemeinen Nahmen der Taͤntze mit eingeſchloſſen.

Dieſe91von den Choͤren.

Dieſe groſſe Anzahl Leute, die an der Hand - lung Antheil nehmen, macht ſie noch erheblicher, groͤſſer und ſcheinbarer: Man ſtreiche den Antheil, den ein verſammeltes Volck an einer Handlung nimmt, mit Worten heraus, man mache nach - druͤckliche Beſchreibungen von ſeiner Furcht, oder ſeiner Wuth; das thut es nicht, man wird davon ganz anders eingenommen werden, wenn man es ſelbſt auf den Schauplatz treten ſieht, wo es von ſeinen Haͤuptern vorgeſtellt wird, und wenn man ein Zeuge ſeiner verſchiedenen Bewegungen iſt.

Der Endzweck der dramatiſchen Gedichte iſt unlaͤugbar die Unterrichtung des Volckes; nun ſcheint es, der Chor ſey vordem zu dieſem Ende auf eine abſonderliche Art gewiedmet geweſen. Der Poet darf eine groſſe Anzahl Lebensregeln in ſeinen Scenen nicht wagen, weil es mit der Wahr - heit, ſo zu dem Geſpraͤche erfodert wird, ſchlechter - dings ſtritte: Aber nichts hindert ihn, daß er nicht in den Choͤren die erhabenſte Sittenlehre vortrage.

Man findet groſſe Schwierigkeiten vor ſich, wenn man den Zuſeh[e]r von vielen Sachen benach - richtigen will, die er wiſſen muß, und wenn man machen ſoll, daß die Perſonen ſich vor ihm ihrer verſchiedenen Gedancken halber auslaſſen; die Monologi ſind faſt allemahl tadelhaft, wegen der wenigen Wahrſcheinlichkeit, daß einer mit ſich ſelbſt eine lange Rede fuͤhre; der Gebrauch, daß man allemahl vertraute Perſonen zu den Haupt - perſonen auffuͤhrt, iſt keiner von den geringſten Maͤngeln unſers Theaters, ſie ſind insgemein in dieſem oder jenem Stuͤcke laͤcherlich, aber vornehm -lich,92Hrn. Vatry Gedanckenlich, weil ſie unſer Trauerſpiel mit etwas haͤusli - chem beflecken, das mit dem, was es ſeyn ſollte, ſchlechterdings ſtreitet. Es ſollte nemlich ein Ge - dicht ſeyn, das ſich beſtaͤndig mit Erdichtungen em - por hebt, und wo alles mit einer hoͤhern und praͤch - tigern Art zugehet, als in der wuͤrcklichen Natur. Die Choͤre der Alten, die bey der Handlung be - ſtaͤndig gegenwaͤrtig waren, damit ſie alle die Ein - druͤcke empfiengen, welche die Reden und Begeg - niſſen erwecken ſollten, und die gewiedmet waren, zu hoͤren und zu fragen, loben, tadeln, rathen und fragen alles das, was der Zuſeher ſelbſt fragen wuͤrde, wenn es ihm erlaubt waͤre zu reden; mit einem Worte ſie thun alles, was ein eifriger und getreuer Freund thun ſollte, aber ſie thun dieſes mit einer Art, welche ſich vor die Majeſtaͤt des Theaters weit beſſer ſchicket.

Man wird einwenden, daß viele Sachen insge - heim geredet und gethan werden muͤſſen, woraus die ſchoͤnſten und anzuͤglichſten Scenen formiert werden, und dieſer wuͤrde man ſich berauben, ſo - bald der Ort der Scene ein oͤffentlicher Platz waͤ - re, und man nichts als in Gegenwart vieler Zeu - gen ſagen koͤnnte. Hr. Vatry antwortet, daß dergleichen Scenen bey den Alten nicht ſo haͤuffig ſeyn mußten, als ſie bey uns heut zu Tage ſind. Jhre Tragoͤdie handelten nicht ſo ſehr von heimli - chen Anſchlaͤgen, oder geheimen Comploten, als von hohen Verrichtungen, die vor den Augen aller Welt lagen. Ueber dieſes blieben die Choͤre nie - mahls in der Gleichguͤltigkeit, ſondern fielen alle - mahl einem Theile zu. Ille tegat commiſſa. Siehiel -93von den Choͤren. hielten ſich an eine von den vornehmſten Perſonen. Jſt es nun etwas ungereimtes, daß die, deren der Chor ſich annimmt, ihre Gemuths-Gedancken vor ihm eroͤffnen? Es wird einem geſchickten Poeten niemahls an Mitteln fehlen, ſeine Choͤre mit ſei - ner Materie auf eine wahrſcheinliche Art zu ver - binden; zumahl da das ſo viel waͤre, als nicht wiſ - ſen, was das Theatrum iſt, wenn man auf dem - ſelben eine ſo aberglaͤubige Sorgfalt fodern wollte, die nichts geſtattete, was ſich nur zween Schritte weit von dem gewoͤhnlichen Gebrauche entfernete. Aber geſezt, es ſey ungemein ſchwer, die Choͤre gluͤcklich anzubringen, das iſt kein genugſamer Grund ſie zu verwerffen, wofern ſie ſonſt nothwen - dig ſcheinen. Man hat Recht, von einem Poeten zu fodern, daß er Wunderwercke thun ſolle.

Aber der trefflichſte Nutzen der Choͤre in dem Trauerſpiele der Alten iſt unlaͤugbar das pathetiſche Weſen, welches ſie verurſacheten. Jhre edle und majeſtaͤtiſche Tragoͤdie entlehnte von der Morale ihre ſchoͤnſten Lebensregeln, machte ſich ein Anſehen mit der Religion, und putzete ſich mit ihren feyer - lichſten Ceremonien. Und indem ſie alles zu ihrem Vortheil anwendete, was die Poeſie vor Witz und Anmuth hat, die Geiſter einzunehmen, und die Her - zen zu ruͤhren, that ſie noch dazu, was immer die Sinnen blenden kan; worbey ſie allezeit ihren Hauptendzweck ſeyn ließ, einen Abſcheu vor dem Laſter einzupflanzen, und aus dem Theater eine Schule der Tugenden zu machen, und daſſelbe vor eines der beſten Mittel zu gebrauchen, womit man die Leute ihrer Pflichten erinnern, und ſie in den Schrancken halten konnte.

Die94Vatry Gedanken von den Choͤren.

Die Tragoͤdie, die dergeſtalt angeſehen wird, hat ihre eigenen Leidenſchaften; alle ihre Vollkom - menheit beſteht darinnen, daß ſie dieſe rechtſchaf - fen in die Gemuͤther einpraͤge, und dazu dieneten die Choͤre. Jedermann kennt die Macht der Muſik und des Tantzes, und weiß aus eigener Erfahrung, was vor Eindruͤcke ſie tuͤchtig ſind zu machen. Al - ſo dieneten die Choͤre mittelſt dieſer beyden unge - mein viel, die Leidenſchaften zu erregen. Es muͤſ - ſen Intermedia ſeyn, aber darum muß man die Zu - ſeher nicht erkalten laſſen; vielmehr muß man die Leidenſchaften, die man einmahl rege gemacht, in der Hoͤhe behalten und verſtaͤrcken. Nichts thut dieſes beſſer als die Choͤre, die durch ihre Taͤntze und Geſaͤnge die Geiſter mit Jdeen der Materie gemaͤß anfuͤlleten, und dadurch den Empfindungen, welche die Reden der Perſonen erreget hatten, eine neue Staͤrcke mittheileten. Ueberdieß dieneten die Choͤre die Leidenſchaften zu erregen, indem ſie den Zuſehern andere Zuſeher, die ſtarck geruͤhret wa - ren, vor Augen brachten. Es muß eben nicht ein grauſamer oder ein jaͤmmerlicher Anblick ſeyn, der uns Furcht oder Mitleiden einjagen ſoll; es iſt oͤf - ters ſchon genug, daß wir jemand ſehen, der von dieſen beyden Leidenſchaſten heftig eingenommen iſt, wenn wir dieſelben ebenfalls empfinden ſollen.

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About this transcription

TextSammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften
Author Johann Jacob Bodmer
Extent95 images; 27039 tokens; 5476 types; 171674 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationSammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften Zur Verbesserung des Urtheiles und des Witzes in den Wercken der Wohlredenheit und der Poesie Zehendes Stück Johann Jacob Bodmer. . 94 S. OrellZürich1743.

Identification

SUB Göttingen SUB Göttingen, 8 SVA II, 4845:10

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Lyrik; Prosa; Belletristik; Lyrik; Prosa; core; ready; china

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

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  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
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ImprintBerlin 2019-12-09T17:29:11Z
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ShelfmarkSUB Göttingen, 8 SVA II, 4845:10
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