PRIMS Full-text transcription (HTML)
Sammlung Critiſcher, Poetiſcher, und andrer geiſtvollen Schriften, Zur Verbeſſerung des Urtheils und des Wizes in den Wercken der Wolredenheit und der Poeſie.
Erſtes Stuͤck.
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Zuͤrich,BeyConrad Orell und Comp.1741.

Von dem Vorhaben und dem Endzwecke dieſer Sammlung.

DJe critiſchen Abhandlungen, welche ſeit zwanzig Jahren, und vornehm - lich im lezt vergangenen 1741ſten Jahr von etlichen bekannten Kunſtrichtern dieſer Stadt nach Schleſien und Sachſen, als das Vaterland der deutſchen Muſen, geſchikt wor - den, ſind daſelbſt nicht von jedermann mit Abneigung Verachtung und Verdruſſe gele - ſen worden. Etliche wenige abſonderliche Perſonen haben mehr davon gehalten, als der groſſe Haufen der Leſer. Sie haben zu ver - ſtehen gegeben, daß ſie ſich fuͤr ſich ſelber, fuͤr ihre Vaͤter, und das Vaterland ſchaͤmten,) (2daßdaß man bisher an ſchlechtem und verworre - nem Zeuge, was Poeſie und Wohlredenheit anlanget, mehr Geſchmakes gefunden, als an dem Guten und Vortrefflichen, das man in den Schriften Opizens, Hallers, und ihres gleichen noch aufweiſen kan. Sie haben ſich gefuͤrchtet, daß man ſie unter dem gemeinen Haufen der deutſchen Leſer uͤberſehen, und mit ihnen fuͤr gleich ſchuldig halten moͤgte; ſie haben in den Urtheilen dieſer kunſtverſtaͤndi - gen Schweizer nicht willkuͤrliche Ausſpruͤche, ſondern die Stimme der Vernunft, die aus der natuͤrlichen Empfindung und der nothwen - digen Uebereinſtimmung der Vorſtellungen mit dem menſchlichen Gemuͤthe redet, wahrgenom - men und erkannt, und es hat ihnen oͤfters ge - ſchienen, ſie erinnerten ſich der Wahrheiten nur, die ſie von ihnen hoͤreten.

Jch habe Briefe von beruͤhmten iztlebenden Maͤnnern geleſen, worinnen ſie ſich mit der hoͤchſten Sorgfalt uͤber dieſen Punct erklaͤrt haben. Einer von ihnen hat es mit dieſen Worten gethan:

Jch bitte von dem Leip - ziger-Geſchmak nicht zu urtheilen nach de - nen vielen ſchlechten Stuͤken, die hier her - auskommen. Sie ſind nirgend mehr ver - achtet, als ſelbſt in Leipzig, aber die Licenz iſt zu groß.

Ein andrer, der ſelbſt ein geſchikter Poet iſt, hat ſchon in 1724. dieaus -ausdruͤkliche Klage daruͤber gefuͤhrt:

Wa - rum ſind wir ſo ungluͤklich, daß die Zuͤr - chiſchen Kunſtrichter, ungeachtet ſie ihre Zuſammenkuͤnfte fortſezen, uns dennoch ih - re Arbeit mißgoͤnnt? Halten ſie uns alle fuͤr ? Oder glauben ſie wohl gar, daß wir alle von dem Geſchmake des ſeyn? Wir haben beſſere Kenner in Leipzig, und darunter einige ſo aufgewekte Koͤpfe, und zugleich Grundgelehrte Leute ꝛc.

Jn einem andern Briefe entſchuldiget eben dieſer die geringe Anzahl der Kenner gu - ter Schriften auf eine ſcharfſinnige Weiſe:

R allein, ſagt er, kan vor eine gan - ze Menge dienen, denn er ſchreibt ſehr ſinn - reich, natuͤrlich und wohlflieſſend, und wenn man je hin und wieder einige Wort - ſpiele, oder etwas zu hochſteigendes bey ihm antrifft, ſo iſt es weniger dem Man - gel an gutem Geſchmak, als der Thorheit des gelehrten Poͤfels daſelbſt zuzuſchreiben, dem zu gefallen er dergleichen einflieſſen laſ - ſen muß, weil ſolche Leute ſonſt glauben, man koͤnne nicht ſcharfſinnig, oder, wie ſie ſagen, hoch ſchreiben, ſo bald ſie verſte - hen, was ſie leſen; da er doch ſonſt alle - zeit wieder die ſchwuͤlſtige hochtrabende Schreibart geſtritten, und in allen derglei -) (3 chen chen Meinungen ſich beſtaͤndig auf meine Seite geſchlagen.

Wir haben hier zugleich eine Urſache, wa - rum Maͤnner von geſundem Geſchmake, die ſo reine Begriffe von ihrer Kunſt haben, den - noch oͤfters derſelben zuwieder nach dem Ge - ſchmake des Poͤfels ſchreiben.

Sie haben das Herz nicht, den Vorurthei - len des vornehmen Poͤfels entgegen zu han - deln, und der Meinung, welche den Schwang nicht hat, beyzufallen. Ob ſie noch etwa die Kuͤhnheit haben, die Augen aufzuthun, und ſelbſt zu ſehen, ſo folgen ſie doch nicht dem Beſſern, das ſie einſehen, ſondern dem Sch[l]immern; und mancher haͤlt es ſich vor eine Schande

Parere minoribus & quæ Imberbes didicere ſenes perdenda fateri.

Darum hat Herr Weichmann ohne Zweifel die allzuharten und ſchwuͤlſtigen Metaphoren, die laͤppiſchen Wortſpiele und dergleichen Zeug, mehrentheils freywillige Schwachheiten des Verſtandes geheiſſen. Damit hat er zwar vor - gehabt, die Scribenten, die dergleichen haben, zu beſchoͤnigen, aber ſie nur ſtrafwuͤrdiger ge - macht, gleichwie die Suͤnden, die mit Wiſ - ſen und Vorſaz gethan werden, die ſchwerern ſind.

Noch

Noch einer von meinen Freunden, der zu unſren Nachkindern eine ſo gute Hoffnung traͤgt, als er von den gegenwaͤrtigen Zeiten uͤbel denket, meinet, es werde denſelben eben ſo unwahrſcheinlich vorkommen, daß ehmahls gewiſſe theils waſſerſuͤchtige theils windduͤrre Scribenten die Herrſchaft uͤber den Geſchmak gefuͤhret haben, als es izo dem gemeinen Schwarm unglaublich vorkoͤmmt, daß etliche wenige Privatperſonen ſich wider das, was allen, wie ſie ſagen, gefaͤllt, auflehnen duͤrf - fen.

Es moͤgte noch zu glauben ſeyn, ſagt er, daß um den Unterhalt und das Gluͤk bemuͤhete Leute, oder Lehrlinge, die der Ruthe nur erſt entronnen ſind, vornehmen Stuͤmpern und gefuͤrchteten Orbilen, bey - ſtimmeten, welche, uns zur Straffe, mit dem Wahnwiz geſchlagen worden, daß ſie ohne Geiſt und Gelahrtheit Poeten und Redner heiſſen wollen; aber daß ſo viele geſchikte Koͤpfe von Adel, von Stands - perſonen, von Maͤnnern, die in ihrem Ruhme und Gluͤke feſt ſtehen, ſolches nicht nur eine ſo lange Zeit ungeantet gelitten, ſondern ihnen noch mit ihrem Zujauchzen geheuchelt haben, meint er, waͤre eine Ge - faͤlligkeit, eine Hoͤflichkeit, die eben ſo wi - derſinnig ſey, als ſie ſchaͤdlich und ungerecht iſt. Kein Wunder, ſchließt er, wenn die) (4 Aus - Auslaͤnder daher Anlaß nehmen, ſo gar nachtheilige Meinungen von dem Geſchma - ke und dem Wize der Deutſchen uͤberhaupt zu faſſen, wie neulich der Autor der Briefe uͤber die Franzoſen und Deutſchen mit einem triumphierenden Thone an den Tag gegeben, und dem geſammten geiſtreichen Deutſch - land Hohn geſprochen hat.

Die Hoͤflich - keit iſt fuͤrwahr liebenswerth, ſie macht die Wahrheit angenehm, und verſuͤſſet das Bit - tere, ſo die Vorruͤkung unſrer geringern Ein - ſicht mit ſich fuͤhrt; aber ſie wird zu einer nie - dertraͤchtigen Unbilligkeit, wenn ſie die beſſere Wiſſenſchaft in hoher Wuͤrde ſtehnden Schmie - rern aufopfert: es iſt eine verraͤtheriſche Zag - heit, die Wahrheit, die man erkennet, zu verleugnen, zumahl wenn es weder das Gluͤk noch den Kopf gilt. Fuͤrchtet man, daß es den Ruhm koſten moͤgte, als der in der Ge - walt derjenigen ſtehe, welche izo Beyfall und Anſehen haben, und die uͤber die Preſſen, uͤber die Buchhaͤndler, und die gelehrten Mo - natſchriften meiſter ſind, ſo ſezt man zu viel Mißtrauen in das Vermoͤgen der Geſchicklich - keit, die ſich bloß mit ihrer eignen Staͤrke oh - ne die Huͤlfe mechaniſcher Triebraͤder zu erhal - ten vermag. Jndem man auf dieſe Weiſe das Lob derer, mit welchen man umgehet, zu unbedachtſam ſuchet, verſcherzt man denBey -Beyfall der izo noch nicht gebohrnen Welt, man zieht das hinfaͤllige Lob, das man bey Le - ben genieſſet, dem beſtaͤndigen vor, das man ſich erſt nach dem Tod erwerben koͤnnte; oder vielmehr, man will lieber mit elendem Zeuge, das izo gefaͤllt, ein eiteles Lob bey den meh - rern erhalten, als ſich mit einem gegruͤndeten Lob etlicher weniger begnuͤgen, die keine Zahl ausmachen. Ein Lob, das wenn es gleich von den Scribenten ihrer Nation auf den hoͤch - ſten Gipfel der Schmeicheley erhoben wird, von den mittelmaͤſſigen Schriftſtellern andrer Nationen ihnen unter Augen auf die ſpoͤttlichſte Weiſe vernichtet wird!

Dieſes iſt mithin eine Haupt-Urſache, daß die aufrichtige und eben ſo großmuͤthige als bil - lige Critick nicht ſo ſtarke Schritte zu ihrer Vollkommenheit thut, als ohnedieß geſchehen wuͤrde. Die ſchaͤdlichen Bemuͤhungen derje - nigen, welche ihr allzu helles Licht ſcheuen, mittelſt tauſend Kunſtſtreiche, hoͤniſcher Aus - legungen, dreiſter Ausſpruͤche, poͤfelhafter Schimpfreden, falſcher Auszuͤge, gelehrter Zu - ſammenſchwoͤrungen, den freyen Durchbruch critiſcher Schriften zu hemmen, behalten um ſo viel leichter die Oberhand, und ihre Par - tey iſt noch immer an der Anzahl, wie die Ge - genpartey nur am Gewichte, uͤberlegen.

) (5Wenn

Wenn man denn wenigſtens Mittel und Wege erfinden koͤnnte, den verderbten Wil - len in beſagten Stuͤken zu verbeſſern, die zag - hafte Furcht aus dem Wege zu raͤumen, die Liebe zu dem Wahren anzuflammen, und die Großmuth zu deſſen Verfechtung in die Her - zen zu pflanzen, ſo wuͤrde der Geſchmak, wenn der Verſtand mit Freyheit wuͤrkete, bald fei - ner und allgemeiner werden. Wir wuͤrden nicht ganze Jahrhunderte noͤthig haben, den - ſelben bey uns auf den gewuͤnſchten Gipfel der Verbeſſerung zu erheben. Man hat eine ſo lange Zeit zu dieſem Werke in der erſten Vor - rede zu den critiſchen Beytraͤgen in Leipzig ge - fodert. Es heißt daſelbſt:

Daß mehr als ein Jahrhundert dazu gehoͤre, wenn ein ganzes Volk aus ſeiner natuͤrlichen Rauhig - keit geriſſen werden ſoll. Opiz, der einen ganz andern Geſchmak bey den Deutſchen eingefuͤhrt, ſey noch nicht hundert Jahre todt, und wir ſeyn mit der Ausfuͤhrung ei - nes ſo groſſen Werckes, als die Verbeſſe - rung des Geſchmakes der Deutſchen iſt, kaum bis auf die Helfte gekommen.

Was vor eine Langſamkeit ſchreibt man hier den Deut - ſchen zu, nicht ohne eine heimliche Beſchuldi - gung einer ziemlichen Plumpheit? Laſſet uns ein beſſeres Vertrauen zu der Geiſtes - und Verſtandes-Fertigkeit unſrer Landsleute ha -ben.ben. Warum ſolten wir ſo viel Jahre zubrin - gen, den Geſchmak zu ſuchen, der doch ſchon gefunden iſt? Die Betrachtungen der Schrif - ten der vortrefflichen auslaͤndiſchen Scribenten ſowohl der alten als der neuen, wohluͤberlegte Anmerckungen daruͤber, wovon ſie ſelbſt ſchon gruͤndliche Lehrbuͤcher geſchrieben haben, leh - ren uns viele Sachen, auf welche das eigne Erfinden den fertigſten Geiſt ſehr langſam und ſptaͤh gefuͤhrt haͤtte; man kan ſich in einem Tage derer Kunſt - und Handgriffe bemaͤchti - gen, welche den Erfindern viele Jahre Arbeit und Nachſuchen gekoſtet haben. Wir wollen darum der Hoffnung, dieſe allgemeine Verbeſ - ſerung zum Stande gebracht zu ſehen, kein ſolch entferntes Ziel ſezen, das weit uͤber un - ſer Leben hinausreichet. Statt die Gemuͤ - ther durch dergleichen zaghafte Ausrechnungen niederzuſchlagen, wollen wir vielmehr unſer Beſtes thun, und denn andern uͤberlaſſen nach - zuſehen, wie weit wir es gebracht haben.

Jn dieſer Gemuͤthesverfaſſung iſt man auf das Vorhaben gefallen, unter dem Titel ei - ner eritiſch-poetiſchen Sammlung ein Werk anzufangen, in welchem den Scribenten, die zu unſren Zeiten mit Poeſie, Wohlredenheit, Critick, Sprachlehre, umgehen, Lob und Ta - del nach Verdienen zugetheilet wuͤrde; worin - nen die Urtheile nicht auf die veraͤnderlichenEm -Empfindungen, die von Vorurtheilen regiert, und von Gunſt, Furcht, Haß, angeſchuͤret werden, ſondern auf die beſtaͤndig gleiche Na - tur des Menſchen, und derſelben Verhaͤltniß mit den vorgeſtellten Gegenſtaͤnden geſezet waͤ - ren; wo man ein abſonderliches Auge auf die ſchlimmen Kunſtgriffe richtete, die angewendet werden, die Vorurtheile, woraus der elende Geſchmack entſteht, bey Kraͤften zu erhalten, und mittelſt derſelben das Monopolium in der Poeſie und Wohlredenheit fortzufuͤhren. Die Schweiz iſt zu dergleichen Vorhaben vor an - dern Laͤndern bequem. Die Freyheit, die daſelbſt im Staat regiert, erſtreket ihren nuͤz - lichen Einfluß bis in die Schriften, die da - durch einen gewiſſen Werth der Aufrichtigkeit und der Großmuth bekommen. Die Entfer - nung dieſer Landesgegend von dem Vaterlande der Poeten und Redner, und von dem Ge - biethe derer, welche ſich ihrer aus Liebe oder Haß annehmen; der Vortheil eines Ortes, wo man ſie nicht weiter kennt, als aus ihren Schriften, und die Hochſchaͤzung oder Ver - achtung derſelben allein nach der innerlichen Beſchaffenheit formiert, macht uns eine ſiche - rere Hoffnung zu unpartheyligen Urtheilen. Und da mittelſt dieſer Sammlung ein Verfaſ - ſer in den ſchweizeriſchen Gebuͤrgen, wie in einem Hinterhalt, verborgen liegt, verſprichtmanman ſich, daß die geſchickten Sachſen und Schleſier, die das Elend einiger von ihren be - ruͤhmteſten Scribenten erkennen, aber durch den Strohm des groſſen Haufens, durch Hoͤflichkeit, durch Freundſchaft, durch Schre - ken, durch Furcht, genoͤthiget ſind, mit dem Munde zu verehren, was ſie im Herzen ver - lachen, dieſe Gelegenheit ergreiffen werden, der Wahrheit Zeugniß zu geben, und einiger - maſſen in der Ferne wieder gut zu machen, was ſie in ihrer Heimath verderben. Dadurch koͤnnen ſie die Nachwelt auf das allergewiſſe - ſte uͤberzeugen, daß das verderbte Urtheil bey den jeztlebenden Kunſtrichtern nicht allgemein iſt; ſondern, ſo oft man zu unſern Zeiten von dem uͤbeln Geſchmake der Deutſchen re - det, eine billige Ausnahme von einer ſtarken und ins Auge fallenden Anzahl gruͤndlicher und vortrefflicher Kenner vorauszuſetzen ſey.

Man uͤberlaͤßt einem jeden, ſeiner Arbeit, die er durch dieſen Weg bekannt machen will, eine Form nach ſeinem Belieben zu geben, doch wird man diejenigen Stuͤke am wertheſten halten, worinnen der trukene Vortrag der dogmatiſchen Lehre auf eine muntere Weiſe belebet wird; und man wird den Schertz alle - zeit hochachten, der aus der Sache ſelber her - vorfließt, und nichts anders iſt, als eine kunſt - reiche Vorſtellung des Laͤcherlichen, das inderder Materie enthalten iſt, und ſie in dem wah - ren Licht vorſtellig macht. Das Geſpoͤtte ſteht vornehmlich denen wohl an, welche zuerſt den Grund der Thorheiten und Fehler, die ſie izo zum Gelaͤchter machen wollen, durch ernſt - liche Unterſuchungen in verknuͤpfter Ordnung angezeiget haben. Denn es iſt nicht genug, daß es ſchamroth mache, es muß daneben auch unterrichten. Dergleichen Schertz iſt mit de - nen Einfaͤllen eines Luſtigmachers, die keinen andern Grund, als deſſen verkehrte Phanta - ſie haben, gar nicht einerley.

Neben dieſen critiſchen, polemiſchen, und ſatiriſchen Schriften wird man bedacht ſeyn, geſchickte Muſter in allen Gattungen der Dicht - und Redekunſt beydruͤken zu laſſen, da - mit man nicht nur Regeln ſondern auch Exem - pel gebe. Dieſe werden aus wohlgerathenen Verſuchen, aus Entwuͤrffen zu groͤſſern Wer - ken, aus Proben und beſondern Stuͤken be - ſtehen, ſie ſeyn urſpruͤnglich von einem Deut - ſchen verfertigt, oder nur aus einer auslaͤndi - ſchen Feder geſchickt uͤberſezet; ſie ſeyn bisda - hin ungedruͤckt, oder verdienen, da ſie ſchon gedruͤckt, und dennoch aus Nachlaͤſſigkeit im Vergeſſen geblieben ſind, an das Licht her - vorgezogen zu werden.

Man

Man gedenckt ſich mithin den Zaum nicht ſo kurtz zu halten, daß man nicht nach Gele - genheit der Umſtaͤnde auch ſolchen Werken oder deren Beurtheilungen einen Platz in die - ſer Sammlung einraͤumen werde, welche nach ihrer Haupt-Abſicht zwar nicht zu den oben - gedachten Kuͤnſten gehoͤren, die aber in ihrer Ausfuͤhrung und Abhandlung einen ausneh - menden Grad von Geiſt, Scharfſinnigkeit, und Geſchicklichkeit, bliken laſſen.

Gelingt es alſo demjenigen, der die Auf - ſicht uͤber dieſe Sammlung auf ſich genom - men hat, ſo wird man darinnen nicht bloſſe Verſicherungen von dem Vermoͤgen des Gei - ſtes, und des Urtheiles, das die Deutſchen noch im Verborgenen beſizen, und man uns auf unſer Wort glauben muß, antreffen; ſondern man wird den Beweiß deſſen im Wer - ke und in der That vor Augen ſehen. Wer - den ihm nur die muntern und verſtaͤndigen Koͤpfe Deutſchlandes mit ihrer Beyhuͤlffe eini - germaſſen an das Rad ſtehen, und ihm die Staͤrke ihres Geiſtes und die Richtigkeit ihres Verſtands in vortrefflichen Proben offenbaren und bekannt machen, es ſey in poetiſchen Schrif - ten durch die vielfaͤltige Ausuͤbung ihrer Kunſt, oder in critiſchen Abhandlungen, worinnen die Verſchiedenheit der Kunſt nach der Verſchie -den -denheit einer beſondern Materie in dem Gan - zen und in den Stuͤken, in dem eigenen Lich - te ihrer Trefflichkeit an den Tag geleget wird; ſo wird ſolches das beſte Mittel ſeyn, denje - nigen, welche unſrer Nation ihres Geſchma - kes wegen uͤbels nachreden, den Mund zu ſto - pfen.

Probe[1]

Probe Einer neuen Ueberſetzung Johann Miltons Verlohrnen Paradieſes.

Das erſte Buch.

SJnge, himmliſche Muſe, von dem er - ſten Ungehorſam des Menſchen, und der verbothenen Frucht, die mit dem Verluſt Edens das Elend und den Tod in die Welt gebracht hat, welche allda herrſchen ſoll - ten, bis daß ein groͤſſerer Menſch uns zu Huͤlfe kaͤme, und den gluͤckſeligen Sitz fuͤr uns wieder eroberte. Du, welche auf dem geheimen Gi - pfel Horebs oder Sinai den Schaͤfer unterwie - ſen, der den erwehlten Saamen zuerſt gelehrt[Critiſche Sam̃l.] Ahat,2Johann Miltonshat, wie der Himmel und die Erde im Anfange aus dem Chaos entſprungen ſeyn, ſteige auf mein Bitten von da, oder, wenn dir der Berg Sion und die Bache Siloah, die ſo nahe an dem goͤttlichen Orackel floß, angenehmer ſind, von denſelben herunter, meinen kuͤhnen Geſang anzuleiten, der mit einem mehr als mittelmaͤſſi - gen Fluge uͤber den Aoniſchen Berg hinaus flie - gen will, indem er Sachen auf die Spur gehet, die niemand bisdahin weder in Proſa noch in Reimen unternommen hat zu entdecken. Und du vornehmlich, o Geiſt, der mehr von einem aufrichtigen und reinen Hertzen haͤlt, als von allen Tempeln, unterrichte du mich, denn du weiſſeſt von dieſen Dingen, du wareſt zuerſt da - bey gegenwaͤrtig, und ſaſſeſt einer bruͤtenden Taube gleich mit ausgebreiteten Fluͤgeln auf dem ungemeſſenen Abgrund; und machteſt ihn fruchtbar. Erleuchte, was in mir dunckel iſt; erhoͤhe und unterſtuͤtze, was niedrig iſt, daß ich der Hoheit meines edeln Vorhabens gemaͤßdieSteige auf mein Bitten) Da der Stof zu dieſem Ge - dichte groͤſtentheils aus der Welt der Geiſter hergenommen war, welche den ſterblichen Menſchen verſchloſſen iſt, konn - te der Poet keine Nachrichten davon haben, als aus der Erzehlung eines von ihren geiſtlichen Einwohnern. Die - ſes machte denn ſeine Anruffung gantz nothwendig. An - dere Poeten, die von menſchlichen Begebenheiten reden, duͤrften eben ſich nicht zu den Bewohnern des Himmels wenden, ſie um Nachrichten von dem zu fragen, was auf Erden, ihrem eigenen Wohnplatz, geſchieht, und wovon ihnen die irdiſchen Menſchen genugſamen Bericht mitthei - len koͤnnten.3Verl. Paradies. I. B. die ewige Vorſehung vertheidigen, und die Wege Gottes unter den Menſchen retten moͤge.

Sage zuerſt, denn der Himmel haͤlt vor dei - nem Geſichte nichts verborgen, und der tiefe Strich der Hoͤlle nichts; ſage zuerſt, was vor eine Urſache bewog unſre groſſen Stammaͤltern in ihrem gluͤckſeligen Stande, der von dem Himmel ſo trefflich beguͤnſtiget worden, daß ſie von ihrem Schoͤpfer abfielen, und ſeinen Willen um einer einzigen Einſchraͤnckung we - gen uͤbertraten, da ſie doch uͤbrigens Herren der Welt waren? Wer beredete ſie zu dem ſchaͤndlichen Aufſtand? Der hoͤlliſche Wurm. Derſelbe betrog durch ſeine Liſt die Mutter des menſchlichen Geſchlechts, von Mißgunſt und Rachgier dazu angereizet, nachdem ſein Hoch - muth ihn mit ſeinem ganzen Heere aufruͤhri - ſcher Engel aus dem Himmel verjaget hatte; weil er geſtrebet, ſich an Herrlichkeit uͤber ſei - ne Geſellen zu erheben, und ſich getrauet, vor dem Hoͤchſten, wenn dieſer ſich ihm wider - ſetzete, zu beſtehen, ſo daß er in dem Himmel mit einem ehrſuͤchtigen Endzwecke einen gottlo - ſen Krieg und eine ſtoltze Schlacht angezettelt. Ein eiteles Unternehmen! Die allmaͤchtige Kraft warf ihn von der etheriſchen Buͤhne mit einem graͤßlichen Fall und Brand flammend in das bodenloſe Verderben hinunter; daſelbſt ſoll - te derjenige in diamantenen Ketten und einem ſtraffenden Feuer wohnen, welcher den Allmaͤch - tigen zu einer Schlacht hatte auffordern doͤrf - fen.

A 2Neun -4Johann Miltons

Neunmahl das Zeitmaaß, mit welchem die ſterblichen Menſchen Tag und Nacht zu meſ - ſen pflegen, lag derſelbe mit ſeinen greulichen Haufen beſieget, und welzete ſich in dem feuri - gen Meerbuſem herum, ſinnlos, obgleich un - ſterblich. Aber ſein Gericht verſparte ihn zumehrNeunmahl das Zeitmaaß, mit welchem ꝛc.) Der Poet ſagt nicht ſchlechtweg, neun Tage, weil er uns in den Ort fuͤhren wollte, wo die Scena ſeiner Handlung lieget. Jn der Hoͤlle giebt es keine Tage, es iſt daſelbſt lauter Finſterniß, die nur durch die Flammen des feurigen Meer - buſems etwas erleuchtet wird, daß man dabey ſehen kan; daher ſie Milton eine ſichtbare Dunckelheit heißt; das iſt, eine Dunckelheit, dabey man, wie in einer ſtarcken Daͤm - merung, ein wenig Licht ſieht. Hr. Voltaire hat wider die Meinung des Poeten dieſe ſichtbare Dunckelheit ſo verſtan - den, daß es eine Dunckelheit waͤre, die man mit den Augen ſehen koͤnnte. Uebrigens iſt es nicht ohne Nutzen, daß Milton die Zeit beſtimmt, wie lange die Engel nach ihrem Falle vom Himmel ſinnlos und ohnmaͤchtig gelegen ſeyn. Dieſe Beſtimmung bringt viel mehr Leben und Wahr - ſcheinlichkeit in ſeine Erzehlung, als wenn er auf eine un - beſtimmte Weiſe geſagt haͤtte, ſie waͤren eine lange Zeit in der Ohnmacht gelegen. Eine Ohnmacht von neun Ta - gen ruͤhrt uns mehr, als eine lange Ohnmacht; und zei - get uns einen Geſchichtſchreiber, der von dem, was er erzehlet, genauere Nachrichten hat. Waͤltzete ſich in dem feurigen Meerbuſem ſinnlos, ob - gleich unſterblich) Magni beſchuldiget den Poeten, daß er hier die Beraubung der Sinne mit den feurigen Wellen zuſammengereimet habe. Allein das Herumwaͤltzen Sa - tans und ſeiner Geſellen war nicht eine Wuͤrckung einer in - nerlichen Kraft derſelben, ſondern der Gewalt, womit ſie von dieſem wuͤtenden Sturmfeuer in dem Pful hin undher5Verl. Paradies. I. B. mehr Qual. Denn jezo plaget ihn der Gedan - ke von der verlohrnen Gluͤckſeligkeit und der im - merwaͤhrenden Pein. Er warf rund herum ſei - ne giftvollen Augen, welche von einer hohen Betruͤbniß und Schwachheit, die mit einem verſtockten Stoltz und hartnaͤckigten Haſſe ver - miſchet waren, Anzeige gaben. Er uͤberſieht auf einmahl, ſo ferne als engliſche Blicke rei - chen moͤgen, die traurige, wuͤſte und wilde Ge - gend. Eine greuliche Tiefe, die zu allen Sei - ten rund herum, wie ein groſſer Ofen, in Flam - men ſtuhnd; jedoch ſchoß kein Licht von dieſen Flammen, ſondern vielmehr eine ſichtbare Dun - kelheit, bey welcher man Geſichter voll Jam - mers, Landſchaften voll Kummers, erſchreck - liche Schatten, erblickte; wo Friede und RuheA 3nie -her geſchlagen wurden. Eben ſo wohl reimet ſich die Ohn - macht derſelben mit ihrer Unſterblichkeit. Von der Berau - bung der Sinne iſt zwar nur noch ein Schritt bis zum Tod, doch iſt ſie noch nicht der Tod ſelbſt. Der Poet konnte die Erſchlagung der gefallenen Engel nicht nachdruͤcklicher vor - ſtellen, als durch dieſen unempfindlichen Zuſtand, der dem Tod und der Zerſtoͤrung ſo aͤhnlich iſt. Er ſtreitet mit der Unſterblichkeit derſelben um ſo viel weniger, weil dieſe die Unſterblichkeit nicht von einer eigenen Kraft, ſondern von dem Willen des Schoͤpfers hatten.Eine ſichtbare Dunckelheit) Die Dunckelheit iſt eigent - lich unſichtbar, indem darinnen weder Maß noch Geſtalt zu erkennen iſt; wenn ſie ſichtbar werden ſoll, ſo daß man die Dinge einigermaſſen unterſche den kan muß ſie von ihrer Dicke vieles verliehren. Alſo ſchwaͤcht das Beywort Sicht - bar die Kraft der Bedeutung in dem Worte Dunckeiheit.6Johann Miltonsniemahls wohnen kan, die Hoffnung, die an alle Orte koͤmmt, ſich niemahls einfindet; ſon - dern Qual ohne Ende unaufhoͤrlich auf die Ein - wohner zuſchlaͤgt, und eine feurige Suͤndflut ſtroͤhmt, welche ſich von einem ewigbrennenden Schwefel, der niemahls verzehret wird, unter - haͤlt. Dieſen Platz hat die ewige Gerechtigkeit fuͤr dieſe Rebellen zubereitet, ihnen hier in der aͤuſſerſten Finſterniß ihr Gefaͤngniß verordnet, und ihr Theil hier angewieſen, dreymahl ſo fer - ne von Gott und dem Lichte des Himmels, als der hoͤchſte Polus von dem Mittelpunct entfernt iſt. O wie iſt dieſer Platz demjenigen ſo un - gleich, von dem ſie fielen! Daſelbſt erkennet er bald die Mitgeſellen ſeines Falls, die mit Stroͤhmen und Wirbelwinden von ſtuͤrmeriſchem Feuer uͤberſchwemmt lagen. Naͤchſt an ſeiner Seite ſieht er ſich einen uͤberwerffen, der an Macht und Boßheit zunaͤchſt auf ihn folgete, wel - cher lange hernach in Paleſtina bekannt worden, und Beelzebub geheiſſen ward. Denſelben re -deteDie mit Stroͤhmen und Wirbelwinden von ſtuͤrmeriſchem Feuer uͤberſchwemmt lagen) Der feurige Meerbuſem, der flammende Ofen, die Suͤndflut von Feuer, der ewig - brennende Schwefel, die aͤuſſerſte Finſterniß, die Wirbel - winde von Feuer, ſind alles bekannte und gelaͤuftige Be - griffe von der Hoͤlle. Mithin ſind ſie gantz irdiſch und coͤr - perlich; ungeachtet die Dinge ſelbſt, wie die Weſen, auf welche ſie wuͤrcken, von geiſtlicher Natur ſind. Was man demnach zur Vertheidigung derſelben ſagen kan, dienet zugleich zur Rechtfertigung der coͤrperlichen Geſtalten, in welche die Einwohner dieſer geiſtlichen Gegenden verklei - det werden.7Verl. Paradies. I. B. dete der Ertzfeind, der wegen ſeines Aufſtandes in dem Himmel Satan genannt ward, mit kuͤhnen Worten an, die das graͤßliche Still - ſchweigen dergeſtalt unterbrachen.

Wenn du es biſt, o wie ſehr biſt du gefallen, wie ungleich biſt du demjenigen, der in den gluͤck - ſeligen Koͤnigreichen des Lichtes, mit einem uͤber - ſchwenglichen Glantz bekleidet, heller als ſo viele Myriaden Engel von den erhabenſten leuchtete; wenn du derſelbe biſt, welchen ein freundſchaft - liches Buͤndniß, gemeinſchaftliche Gedancken, einerley Hoffnung und einerley Gefahr ehedeſſen mit mir zu dem ruhmwuͤrdigen Unternehmen verbunden, jezo das Elend in einem gleichen Nie - derfall mit mir vereiniget, ſieheſt du, in wel - che Tiefe, und von welcher Hoͤhe wir gefallen ſind; ſo mercklich ward er mittelſt ſeines Don - ners der ſtaͤrckere: Aber wer kannte zuvor die Staͤrcke dieſes greulichen Werffzeuges? Doch weder Furcht vor demſelben, noch vor einer andern Sache, ſo mir der maͤchtige Ueber - winder im Zorn anthun moͤgte, kan mir ange - winnen, daß ich das geſchehene bereue, oder die einmahl feſtgeſezten Gedancken aͤndere, ob ſich gleich mein aͤuſſerlicher Glantz veraͤndert hat, oder den Unwillen ablege, den die empfindliche Verachtung meiner Verdienſte zuerſt bey mir erreget, und mich vermocht hat, mit dem Maͤch - tigſten anzubinden, und in den wilden Streit ein unzehliges Heer gewaffneter Geiſter zu fuͤh - ren, welche das Hertz hatten, ſeine Herrſchaft zu verwerffen, mich ihm vorzuziehen, und ſeinerA 4hoͤch -8Johann Miltonshoͤchſten Macht eine andere entgegenzuſetzen, welche in den ebnen Feldern des Himmels ſeinen Thron in einer zweifelhaftigen Schlacht erſchuͤtterte. Geſezt, eine Schlacht ſey verloh - ren, alles iſt darum nicht verlohren; der un - uͤberwindliche Wille nicht, das Verlangen nach Rache nicht, noch der unſterbliche Haß, und der Vorſatz ſich zu keinen Zeiten zu unterwerf - fen und zu ergeben; Und was heißt das an - ders, als, nicht uͤberwunden ſeyn? Dieſen Ruhm ſoll weder ſein Zorn noch ſeine Macht jemahls von mir erzwingen, daß ich einen flehenden Kniefall vor ihm thun, und ihn um Gnade erſuchen, oder daß ich die Macht de - rer vergoͤttern ſollte, welche die Furcht vor meinem Arm noch neulich dahin gebracht, daß ſie ein Mißtrauen in ſeine Oberherrſchaft ge - ſetzet haben. Wahrhaftig, das waͤre etwas niedertraͤchtiges, das waͤre mir eine groͤſſere Schmach und Schande, als dieſer tiefe Hoͤl - lenfall. Nachdem kraft des Schickſals die Staͤrcke der Goͤtter und dieſes empyreiſche We - ſen nicht abnehmen kan; nachdem wir, ver - moͤge der Erfahrung in dieſem merckwuͤrdigen Begegniß, an Kraft nichts abgenommen, an Vorſichtigkeit ein groſſes zugenommen haben, ſo koͤnnen wir jezo mit einer gluͤcklichern Hoff - nung uns entſchlieſſen, mit Liſt oder Gewalt einen ewigen Krieg mit unſrem groſſen Feinde zu fuͤhren, und keinen Frieden jemahls mit demſelben einzugehen, welcher jezo triumphiert, und voller ungemeſſenen Freude die Herrſchaftin9Verl. Paradies. I. B. in dem Himmel ohne einen Nebenbuhler be - ſitzet.

Alſo ſprach der abtruͤnnige Engel und ruͤhm - te mit Worten, obgleich mitten in der Pein, groſſe Stuͤcke von ſich, aber inwendig ward er von einer tiefen Verzweifelung gepfetzet. Sein frecher Geſelle antwortete ihm dergeſtalt.

O Fuͤrſt, o Haupt mancher gethronten Macht von Geiſtern, du, der die Schlachthaufen der Seraphim angefuͤhrt, und in erſchrecklichen Be - gegniſſen unerſchrocken den beſtaͤndigen Koͤnig des Himmels in Gefahr geſetzet, und ſeine hohe Oberherrlichkeit auf die Probe geleget hat, ob die Staͤrcke, oder der Zufall, oder das Verhaͤngniß etwas wider ſie vermoͤgten. Doch ich ſehe und empfinde nur zuwohl den grauſamen Ausgang dieſes Unternehmens, wel - ches uns in einer traurigen Niederlage, und ſchaͤndlichen Flucht des Himmels verluſtig ge - machet, und dieſes groſſe maͤchtige Heer in einer graͤßlichen Zerruͤttung ſo tief zu Boden geſchlagen hat, als es moͤglich iſt, daß himm - liſche Weſen und Goͤtter zu Grund gehen. Denn das Gemuͤthe und der Geiſt bleiben un - uͤberwindlich, und die Munterkeit erholet ſich in kurtzem wieder, ob unſre Herrlichkeit gleich gaͤntzlich erloſchen iſt, und unſer vormahls gluͤck - ſelige Stand hier unter einem unendlichen E - lende verſencket liegt. Aber wie haben wir es dann, wenn unſer Obſieger, den ich jezo ge - zwungen vor allmaͤchtig erkennen muß, weilA 5keinDen ich jezo gezwungen vor allmaͤchtig erkennen muß) Beel -10Johann Miltonskein geringerer als ein Allmaͤchtiger eine ſol - che Macht, wie die unſrige war, haͤtte uͤber - waͤltigen moͤgen, uns dieſen unſren Geiſt und unſre Staͤrcke darum unverſehrt gelaſſen hat, damit wir ſtarck genug ſeyn, unſre Pein zu ertragen, und ſo unter ſeinem rachgierigen Zorn aushalten moͤgen, oder damit wir ihm als ſeine Sclaven, nach Kriegesrecht, deſto beſſe - re Dienſte thun, was er auch vorhaben mag, hier mitten in der Hoͤlle im Feuer arbeiten zulaſſen,Beelzebub wird mit groſſer Kunſt zum freyen Bekenntniß gebracht, daß ſeine Widerparte allmaͤchtig ſey. Wie ver - kehrte Gloſſen auch Satan oͤfters uͤber die Gerechtigkeit, Guͤte, und andere Eigenſchaften des Hoͤchſten machet, ſo geſteht er ihm doch die Allmacht uͤberall zu. Dieſes war eine Vollkommenheit Gottes, welche er ihm durch die Waffen gezwungen einraͤumen mußte. Keine andere Be - trachtung, als dieſe, konnte ihn unter der Schande der erlittenen Niederlage aufrichten. Addiſon. Damit wir unter ſeinem rachgierigen Zorn aushalten ꝛc.) Wiewohl Beelzebub ſein Urtheil der Verdammniß ſchon angetreten, ſo ſteht er doch der abſonderlichen Symptoma - tum halber, ſo dieſelbe mit ſich fuͤhren moͤgte, in aͤngſt - licher Ungewißheit. Satan hatte ihn mit der Vorſtellung aufrichten wollen, daß ſie ihr empyreiſches Weſen in ſei - ner vollen Starcke behalten haben, welches er dem Schick - ſal einer unvermeidlichen Nothwendigkeit zugeſchrieben; al - lein Beelzebub fand dagegen einzuwenden, daß der Hoͤch - ſte, den er fuͤr den Meiſter des Schickſals erkennt, ſeine eigenen Urſachen moͤgte gehabt haben, um derer willen er ihnen ihre Staͤrcke ungekraͤnckt gelaſſen haͤtte. Er macht jezo einige derſelben nahmhaft, die ſo beſchaffen ſind, daß ſie Satans Troſt voͤllig uͤber einen Haufen ſtoſſen.11Verl. Paradies. I. B. laſſen, oder damit wir in der finſtern Tiefe ſei - ne Botſchaften hin und her tragen. Was kan uns in ſolchem Fall unſre Staͤrcke, die wir noch unvermindert fuͤhlen, und unſer Weſen, das ewig iſt, nuͤtzen, wenn wir ewig in Pein und Qual leben muͤſſen?

Demſelben antwortete der Ertzteufel mit fluͤchtigen Worten: Gefallner Cherub, es iſt allemahl eine elende Sache um die Schwaͤ - che, man mag etwas zu thun oder zu leiden haben; Aber deſſen verſichere dich, daß Gutes thun nimmermehr unſer Werck ſeyn wird, ſondern daß wir an Uebels thun unſer einziges Ergetzen finden werden; weil es dem hohen Willen deſſen entgegen iſt, dem wir widerſtre - ben. Wenn denn ſeine Vorſichtigkeit aus unſrem Boͤſen Gutes hervorzubringen trachtet, ſo muͤſſen wir uns befleiſſen, dieſen Endzweck umzukehren, und in dem Guten allemahl An - laß zum Boͤſen zu finden: Welches uns oft ſo wohl gelingen mag, daß es ihm, wenn ich nicht irre, verdrieſſen, und ſeine geheimſten Anſchlaͤge hintertreiben ſoll. Aber ſiehe, der zor - nige Ueberwinder hat die Diener ſeiner Ra - che und Verfolgung nach der Pforte des Him - mels zuruͤcke geruffen, der Schwefel-Hagel, der im Sturm nach uns geſchoſſen worden,hatDamit wir in der finſtern Tiefe ſeine Botſchaften hin und her tragen) Die Botſchaften Gottes hin und her tragen, heißt nichts anders, als, ſeine Befehle hier und dar ausrichten. Beelzebub erkennt damit, daß der Hoͤch - ſte ſeine Herrſchaft bis in die Hoͤlle ſelbſt erſtrecken werde.12Johann Miltonshat ſich zerſtreuet, und ſich in dieſen feurigen Wellen geleget, die uns in unſrem Falle von den Zinnen des Himmels empfangen haben; und der Donner mit rothen wetterleuchtenden Blitzen und ſtuͤrmeriſchem Grimme gefluͤgelt, hat vielleicht ſeine Koͤcher an Pfeilen ausge - laͤhrt, und hoͤret jezo auf durch die ungeheure und ungemeſſene Tiefe zu bruͤllen. Laſſet uns die Gelegenheit nicht verſchlafen, unſer Feind mag ſie uns aus Verachtung, oder aus Gelin - digkeit goͤnnen, weil er ſeinen Zorn an uns geſaͤttiget hat. Sieheſt du jene fuͤrchterliche, oͤde und verlaſſene Ebene, den Sitz der Ver - zweifelung, laͤhr an Licht, ausgenommen, was der Schimmer dieſer ſchwartzgelben Flammen blaß und graͤßlich von ſich ſchießt? Laß uns den Gang von dieſen erſchuͤtternden feurigen Wellen dorthin wenden, daſelbſt auszuruhen, wenn je die Ruhe daſelbſt Platz findet; daſelbſt wollen wir unſre zu Boden geſchlagene Heeres - macht wieder verſammeln, und mit einander berathſchlagen, wie wir kuͤnftighin unſern Feind am allermeiſten beſchaͤdigen, wie wir uns un - ſers Verluſtes wieder erholen, wie wir dieſen greulichen Jammer uͤberſtehen, was vor eine Staͤrckung wir von der Hoffnung gewinnen, und wenn das nicht angehet, was vor einen Entſchluß wir von der Verzweifelung erhalten moͤgen.

Alſo redete Satan mit ſeinem naͤchſten Bun - desgeſellen, mit dem Haupt hoch uͤber den Wellen, und mit Augen, die funkelnd blizeten;ſeine13Verl. Paradies. I. B. ſeine uͤbrigen Glieder lagen vorwaͤrts auf der Flut, in die Laͤnge und Breite ausgeſtrecket, und nahmen ſchwimmend viele Hufen Feldes ein, ſie waren in ihrer ungeheuren Groͤſſe denen ungefugen Rieſen in den Fabeln gleich, dem Titaniſchen Stamme, den Kindern der Erden, die mit Jupiter Krieg fuͤhreten, dem Briareus und dem Typhon, welche ſich in der Hoͤle vor der alten Stadt Tharſus auf - hielten, oder dem Leviathan, einem Seethie - re, welches an Groͤſſe das ungeheureſte unter allen denen Wercken des Schoͤpfers iſt, ſo in dem Oceanus ſchwimmen. Wenn ihn et - wann der Pilot eines kleinen verirrten Schif - fes Nachts in der beſchaͤumten NorwegiſchenSeeUnd nahmen ſchwimmend viele Hufen Feldes ein) Se - het hier geiſtliche Weſen in coͤrperliche verwandelt. Der Poet redet nicht anderſt davon, als wenn es wahrhafte Leiber waͤren. Er konnte ſie den Sinnen und der Ein - bildung auf keine andre Weiſe vorſtellig machen, als ſo er ſie ſichtbar und coͤrperlich machete. Dieſes that er durch eine poetiſche Schoͤpfung, nach welcher das Moͤgliche ins Wuͤrckliche hinuͤbergebracht wird. Er hat ſeiner Kunſt und ſeiner Abſicht eine vollkommene Gnuͤge gethan, wenn er die Geſtalten und Verrichtungen ſeiner geiſtlichen Perſo - nen alſo zugerichtet hat, daß ſie ihren Character und ihre Geſchichte der Phantaſie auf eine empfindliche Weiſe vor - ſtellen, und alle die Eindruͤcke darinnen hervorbringen, welche zu der Abſicht des Poeten dienen koͤnnen. Die Poeſie bekuͤmmert ſich eigentlich nicht um das Wahre des Verſtands; es iſt ihr nur um die Beſiegung der Phantaſie zu thun; darum begnuͤget ſie ſich an dem Wahrſcheinlichen, welches auf das Zeugniß der Sinnen und der Phantaſie gegruͤndet iſt.14Johann MiltonsSee ſchlafend findet, ſieht er ihn oft vor ein Eiland an, und wirfft, wie die Seefahrer erzehlen, den Ancker auf ſeine ſchuppigte Rinde aus, und haͤlt ſich an ſeiner Seite hinter dem Winde, ſo lange als die Nacht das Meer unſicher macht, und der gewuͤnſchte Morgen ſich zoͤgert. So weit in die Laͤnge ausgebrei - tet lag der Ertzfeind auf dem brennenden Tei - che, wie mit Feſſeln feſtgemacht, waͤre auch nimmermehr von demſelben aufgeſtanden, oder haͤtte nur ſein Haupt empor gehoben, wofern ihn nicht der Wille und die Erlaubniß des allesregierenden Himmels ſeinen eignen ſchwar - zen Anſchlaͤgen wieder uͤberlaſſen haͤtte, auf daß er durch wiederholte Uebelthaten die Ver - dammniß nur mit deſto ſchwererer Laſt auf ſein eignes Haupt weltzete, alldieweil er befliſſeniſtWirft den Ancker auf ſeine ſchuppigte Rinde aus) Die Poeſie hat ein eigenes Recht auf die gemeine Sage, die Maͤhrgen, und die Fabeln; maſſen dieſe gleichſam eine Hiſtorie von dem zweyten Rang iſt, welche bey dem ge - meinen Haufen der Menſchen eben ſo viel Glauben findet, und ſo viel Anſehen hat, als die wahrhafte Geſchichte ſelbſt. Denn dieſes iſt ſchon genug, die poetiſchen Vorſtellungen, der Abſicht des Dichters gemaͤß, wahrſcheinlich zu machen. Wer dieſes bey ſich betrachtet, wird die aberglaubigen Dinge, die etwa von den Poeten zu ihrem Gebrauche an - gebracht werden, vor nichts mehrers nehmen, als vor apocryphiſche Geſchichten, vor Begegniſſen aus dem Rei - che der Poeſie, vor Beſtrebungen und Fruͤchte der Ein - bildungskraft und des Witzes. Das ſind diejenigen Ar - ten des Vermoͤgens der Seele, deren Springfedern und Triebraͤder der Poet mit ſeinen Gewichten und Schluͤſſeln aufzieht, daß ſie ſpielen.15Verl. Paradies. I. B. iſt, andern Schaden zu thun, und vor Zorn berſtend ſaͤhe, wie alle ſeine Boßheit alleine dienete, den von ihm verfuͤhrten Menſchen mit unendlicher Guͤte, Gnade und Gunſt zu uͤber - ſchuͤtten, hingegen auf ihn ſelber dreyfache Schmach, Entruͤſtung und Rache zu ziehen.

Jezo hebet er ploͤtzlich ſeinen maͤchtigen Coͤr - per von dem Pful empor, an beyden Seiten neigeten die zuruͤcke geſtoſſene Flammen ihre ſcharfen Spitzen, und indem ſie ſich in Wel - len uͤberweltzeten, oͤffneten ſie in der Mitte ei - nen greulichen Thal. Hernach regieret er ſei - nen Flug in der Hoͤhe mit ausgeſpanneten Fluͤgeln, und ſchwebet in der dunckelbraunen Luft, welche eine ungewoͤhnliche Laſt fuͤhlete, bis er an das trockene Land hinunterſtieg; wenn je Land war, was beſtaͤndig mit einem gediegenen Feuer brannte, wie der See mit einem fluͤſſigen ſiedet. Er ſchien an Farbe wie ein Felſen, den die Macht eines unterirdiſchen Windes vom Pelorus abgeriſſen hat, und in einen andern Ort hintraͤgt, oder wie die be - ſchaͤdigte Seite des donnernden Etna, deſſen oͤligtes und hartzigtes Eingeweide, wenn es in einen Brand koͤmmt, mit einer mineraliſchen Wuth in die Hoͤhe ſchlaͤgt, die Macht der Winde verſtaͤrcket, und einen verſengten Bo - den, mit Rauch und Geſtanck gantz bedecket, hinterlaͤßt. Eine ſolche Ruhſtatt fanden die Solen der unſeligen Fuͤſſe. Sein naͤchſter Ge - ſelle folgete ihm, und beyde ruͤhmten ſich, daß ſie aus dem ſtygiſchen Pful als Goͤtter her -aus16Johann Miltonsausgeſtiegen waͤren, kraft ihrer eigenen wie - dererhaltenen Staͤrcke, nicht aus Verguͤnſti - gung der oberſten Macht.

Jſt dieſes die Landſchaft, ſagte hernach der verlohrne Ertzengel, iſt dieſes das Revier, die Gegend, iſt dieſes die Wohnung, welche wir mit dem Himmel vertauſchen muͤſſen; dieſe leidige Pechſchwaͤrtze mit dem himmliſchen Lich - te? Jch bin es zufrieden, nachdem derjenige, der jezo der Hoͤchſte iſt, heiſſen und gebiethen kan, was recht ſeyn ſoll. Es iſt am beſten, wir ſeyn am weiteſten von dem entfernt, den Vernunft und Billigkeit uns gleiche gemachet, Gewalt uͤber diejenigen, die ſeines gleichen waren, erhoben hat. Gehabet euch wohl gluͤckſelige Felder, wo die Freude auf ewig wohnet! Sey gegruͤßt abſcheulicher Ort, ſey gegruͤßt unterſte Welt, und du, tiefeſte Hoͤl - le, empfange deinen neuen Einwohner: Einen, der ein Gemuͤthe mit ſich bringt, das weder Ort noch Zeit zu aͤndern vermag. Das Ge - muͤthe wohnet in ihm ſelbſt, und kan in ihm ſelbſt einen Himmel aus der Hoͤlle, und eine Hoͤlle aus dem Himmel machen. Was fra - ge ich darnach, wo ich ſey, wenn ich beſtaͤn -digEs iſt am beſten, wir ſeyn am weiteſten) Dieſes iſt aus dem griechiſchen Spruͤchwort genommen, πόῤῥω Διός τε καὶ κεραυνου̃. Bentley. Sey gegruͤßt, abſcheulicher Ort) Die Gedancken und Entſchluͤſſe Satans ſind ſo beſchaffen, wie es ſich vor ein erſchaffenes Weſen von der erhabenſten und dabey ver - kehrteſten Natur gehoͤrt. Addiſon. 17Verl. Paradies. I. B. dig der vorige bin, und was ich ſeyn ſoll, alles, nur alleine geringer, als der iſt, wel - chen der Donner groͤſſer gemacht hat? We - nigſtens werden wir hier frey ſeyn; der All - maͤchtige hat hier nicht gebaut, was er uns mißgoͤnnen ſollte, er wird uns von hier nicht verjagen wollen: Hier moͤgen wir in Sicher - heit regieren, und in meinem Sinn iſt Re - gieren des Nachſtrebens werth, auch in der Hoͤlle ſelbſt: Es iſt beſſer in der Hoͤlle zu re - gieren, als in dem Himmel zu dienen. Aber warum laſſen wir denn unſre getreuen Freun - de, die ſich unſers Verluſtes mittheilhaftig ge - macht haben, auf dem betaͤubenden Pful ſo daniedergeſchlagen liegen, und ruffen ſie nicht zu uns, daß ſie ihren Theil an dieſer unſeli - gen Wohnung mit uns beziehen, oder daß ſie noch einmahl mit neuvereinigten Waffen verſuchen, ob im Himmel noch etwas koͤnne erobert oder in der Hoͤlle noch etwas verloh - ren werden?

Alſo ſagte Satan. Beelzebub antwortete ihm dergeſtalt: Fuͤhrer dieſer glaͤntzenden Krie - gesſchaaren, welche niemand als der Allmaͤch - tige hat ſchlagen koͤnnen, wenn ſie nur deine Stimme wieder hoͤren werden, ihr lebhafteſtesBHoff -Hier werden wir zum wenigſten frey ſeyn) Mitten un - ter den gottloſen Reden, in welche der raſende Geiſt hier und dar losbricht, hat der Poet nichts einflieſſen laſſen, was nicht bey ſeiner Erhabenheit ungereimt und unanſtoͤſſig iſt; Denn ſeine Reden waren nur dem Scheine nach erhaben, nicht in ihrem wahren Weſen, Addiſon. [Critiſche Sam̃l.] 18Johann MiltonsHoffnungs-Pfand, in Furcht und Noth, die ſie ſo oft in der hoͤchſten Gefahr gehoͤrt, und in dem harteſten Stande des Gefechtes, in allen Anfaͤllen, wenn die Wuth raſete, vor ihr ſicher - ſtes Wahrzeichen gehalten haben, ſo werden ſie bald von neuen einen Muth faſſen, und wie - der aufleben, wiewohl ſie jezo auf jener Feuer - See mit betaͤubten und erſtarrten Sinnen, wie wir ſelbſt unlaͤngſt, unter ſich gekehrt auf dem Bauche liegen, das kein Wunder iſt, nachdem wir von einer ſo erſchrecklichen Hoͤhe gefallen ſind.

Er hatte kaum aufgehoͤret, als der hoͤhere Teufel nach dem Geſtade zu gieng; er hatte ſein ſchweres Schild von einer Etheriſchen Staͤh - lung, maſſiv, breit, und rund, auf den Ruͤ - ken geworffen; es hieng in einem weiten Um - fange auf ſeinen Schultern, und war anzuſehen, wie der Mond, deſſen Scheibe der Toſcaniſche Kuͤnſtler des Abends von dem Gipfel des hohen Feſole oder zu Valdarno durch ein optiſches Glas beſchauet, damit er in ſeiner fleckigten Ku - gel neue Laͤnder, Fluͤſſe, und Berge, entdecke. Mit ſeinem Spieſſe verglichen, waͤre die laͤng - ſte Tanne auf den Norwegiſchen Bergen, wel - che fuͤr den Maſtbaum eines groſſen Admiral - Schiffes gehauen wird, nur eine Ruthe. Er ſtuͤtzete ſich auf denſelben indem er ſeine muͤhſa - men Tritte auf dem brennenden Moraſt fortſe - zete, nicht ſo gemaͤchliche Tritte, als auf dem Lazur des Himmels; das ſengende Clima, mit Feuer bewoͤlbet, ſchmiß daneben haͤftig auf ihnzu.19Verl. Paradies. I. B. zu. Nichtsdeſtoweniger hielt er es aus, bis er den Strand dieſer entflammten See erreichet hatte, an demſelben ſtuhnd er ſtille und rief ſei - ne Legionen; Engliſche Geſtalten, welche ſinn - los uͤber einander geworffen lagen, ſo dicht als die Blaͤtter im Herbſt, wenn die Baͤche in Val - lombroſa, uͤber welchen die hetruriſchen Baͤu - me hangende Sommerlauben ziehen, damit uͤberſaͤet werden; und als das verzetelte Schilf, das an den Kuͤſten des rothen Meers floß, da Orion daſſelbe mit unbaͤndigen Winden peitſche - te, und den Buſiris mit ſeiner memphiſchen Reuterey unter die Wellen verſenckete, als ſieB 2ausDas ſengende Clima, mit Feuer bewoͤlbet, ſchmiß haͤf - tig auf ihn zu.) Satans Ankunft auf dem Geſtade von zuſammengeronnenem Feuer iſt keine neue Straffe, wie Ma - gni davor haͤlt, ſondern nur eine neue Art der Pein, die in dem Urtheil ſeiner Verdammniß ſchon enthalten war. Dieſes ward an ihm und ſeinen Mitgeſellen in tauſend ver - ſchiedenen Veraͤnderungen vollſtrecket. Und den Buſiris unter die Wellen verſenckete, und zerbrochenen Wagenraͤder ſahen) Milton wußte nichts von der falſchen Zaͤrtlichkeit in dem Geſchmack einiger neu - ren Kunſtrichter, welche in den Homeriſchen Gleichniſſen dasjenige verwerffen, was ſie mit einem vielmehr laͤcher - lichen, als artigen Ausdruck, einen langen Schwantz heiſſen; die keinen uͤberfluͤſſigen Pinſelzug darinnen leiden koͤnnen, nichts darinnen dulden wollen, was nicht in dem Bild und dem Gegenbild in einem hohen Licht abſticht, als ob eine kleine mahleriſche, lebhafte und anmuthige Zu - gabe, die bey Gelegenheit einer ſchoͤnen Schilderey am rechten Orte angebracht wird, in ſolchen Wercken ſchaͤd -lich20Johann Miltonsaus unredlicher Feindſchaft den Gaͤſten der Land - ſchaft Goſen nachjagten, die jezo an dem ſichern Ufer ihre ſchwimmenden Leichnahme und zerbro - chenen Wagenraͤder ſahen; eben ſo dicht, ſo verſtreuet, verzetelt und verlohren, lagen dieſe gefallenen Engel, bedecketen den Pful, und wa - ren vor Beſtuͤrtzung uͤber ihrer graͤßlichen Ver - aͤnderung gantz auſer ſich ſelbſt. Er rief ſo laut, daß die gantze hole Tiefe der Hoͤllen davon erſchallete.

Fuͤrſten, Herzoge, Kriegeshaͤupter, der Aus - bund des Himmels, der unlaͤngſt euer war, je - zo verlohren iſt, woferne ein ſolches Erſtaunen, wie dieſes, ewige Geiſter uͤberfallen kan; oder habet ihr dieſen Ort erwehlet, hier nach der ſtrengen Arbeit des Gefechts eure muͤde Dapfer - keit ausruhen zu laſſen, weil ihr vielleicht die Ru -helich und nachtheilig waͤre, wo das Gemuͤthe durch das Mittel der Phantaſie in Bewegung gebracht werden muß. Seine Vergleichungen ſind nach Homers Manier verfaſſet, und dieſes dienet ihnen zum Ruhme, weil ſie zugleich der Natur derer gemaͤß ſind, auf welche ſie wuͤrcken ſollen. Man hat uͤber dieſes beobachtet, daß der ſo genannte Schwantz eines Gleichniſſes bey ihm oͤfters zum Grund ei - ner neuen Vergleichung geleget wird, und daß er das vor - hergehende mit dem nachfolgenden verbindet; dieſe Ver - bindung koͤmmt deſto ſcharfſinniger heraus, weil wir auf dieſe Weiſe zwey Gleichniſſe in einem bekommen. Von die - ſer Art ſind neben dem gegenwaͤrtigen, das von den Chi - neſen im zweyten B. welche ihre Rohrwagen mit Segel und Wind forttreiben, und im vierten B. das von dem Feld der Ceres, und andere mehr. Weil ihr die Ruhe allhier ſo ſuͤß findet) Magni hat nicht gemercket, daß Satan allein durch eine Jronie, oderauch21Verl. Paradies. I. B. he allhier ſo ſuͤß findet, als in den Thaͤlern des Himmels; oder habet ihr geſchworen, daß ihr den Ueberwinder in dieſer niedertraͤchtigen Stel - lung anbeten wollet? Derſelbe ſieht jezt den Cherub und Seraph mit weggeworffenen Waf - fen und Fahnen in der Fluth ſich uͤberwerffen, und warten bis ſeine ſchnellen Nachjager von den Pforten des Himmels ihren Vortheil erblicken, herunterſteigen und uns danieder treten, indem wir ſo liegen; oder uns mit zuſammengeketteten Donnerkeilen auf den Boden dieſes Golfo an - heften. Erwacht, ſteht auf, oder euer Fall muͤſſe in Ewigkeit waͤhren.

Sie hoͤreten ihn, ſchaͤmeten ſich, und fuhren auf ihren Fluͤgeln auf, wie, wenn Leute, die Amts wegen wachen ſollten, von jemandem, den ſie fuͤrchten, ſchlaffend gefunden werden, aufſpringen und ſich geſchaͤftig erzeigen, eh ſie recht erwachet ſind. Mithin wurden ſie ihres ſchlimmen Zuſtandes bald gewahr, und fuͤhleten die tobende Pein. Doch gehorſamten ſie der Stimme ihres Obriſten alſobald. Eine unzaͤh - lige Menge, wie als der maͤchtige Stab des Sohns Amrams an Egyptens boͤſen Tage uͤberB 3dieauch durch eine Verringerung, eine Ruhe heißt, was eine gaͤntzliche Ohnmacht und ein voͤlliges Stillſtehen ihrer Kraͤfte war.Sie wurden ihres ſchlimmen Zuſtands gewahr, und fuͤh - leten die tobende Pein) Magni macht den laͤcherlichen Schluß, weil ſie erſt jezo die Pein gefuͤhlt, ſeyn ſie zuvor, als ſie noch in dem Pful ohnmaͤchtig gelegen waren, noch nicht verdammt geweſen.22Johann Miltonsdie See-Kuͤſte geſchwungen ward, und eine pechſchwartze Wolcke von Heuſchrecken zuſammen jagte, welche ſich nach dem Oſtwinde neigete, und wie eine Nacht uͤber dem Koͤnigreiche des gottloſen Pharaoh hieng, daß das gantze Land am Nil verfinſtert ward. So unzaͤhlbar viele boͤſe Engel ſah man unter dem Dache der Hoͤl - len auf ihren Fluͤgeln ſchweben, oben, unten, und auf den Seiten mit Feuer umſchloſſen; bis daß ſie auf das gegebne Zeichen, als ihr groſſer Sultan den Spieß ſchwaͤnckete, in geraden Li - nien auf den feſten Bimsſtein herunterſteigen, und die gantze Ebene anfuͤllen; eine Menge, der - gleichen der volckreiche Norden niemahls aus ſeinen kalten Lenden ausgeſchickt hat, damit ſie uͤber den Rhein und die Donau ſetzeten, als ſei - ne barbariſche Soͤhne vor Zeiten wie eine Waſ - ſerfluth nach dem Suͤden kamen, und ſich bis un - ter Gibraltar gegen den Lybiſchen Sand zu aus - breiteten. Alſobald eilen die Haͤupter und Fuͤh - rer von jeglichem Geſchwader und Haufen da - hin, wo ihr groſſer Gebieter ſtuhnd; es waren goͤttliche Geſtalten und Bildungen, uͤber die menſchlichen erhoben, fuͤrſtliche Wuͤrden undHohei -Goͤttliche Geſtalten, und Bildungen, uͤber die menſch - lichen erhaben) Der Poet konnte ihnen unter denen Ge - ſtalten, die in das coͤrperliche Auge fallen, keine wuͤrdi - gere zuſchreiben, als die menſchliche; dieſe leget er nicht alleine den ſeligen Engeln, ſondern auch den verdammten zu, welche ungeachtet ihrer Verdammniß dennoch Engel, obgleich gefallene Engel, waren, fuͤrſtliche Wuͤrden und Hoheiten, die unlaͤngſt im Himmei auf Thronen ſaſſen. Er23Verl. Paradies. I. B. Hoheiten, welche hiebevor in dem Himmel auf Thronen ſaſſen, wiewohl ihre Nahmen jezo in den himmliſchen Regiſtern nicht mehr geleſen werden, ſondern nach ihrem Aufſtand in den Buͤchern des Lebens ausgeloͤſchet und ausgetil - get worden. Sie hatten auch die neuen Nah - men noch nicht angenommen, welche ſie hernach unter den Soͤhnen der Eva fuͤhreten, als ſie aus hoher Zulaſſung Gottes, zur Pruͤffung der Menſchen, den Erdboden durchwanderten, und durch ihre Falſchheiten und Luͤgen den groͤſten Theil des menſchlichen Geſchlechtes verfuͤhrten, daß ſie von Gott ihrem Schoͤpfer abtruͤnnig wur - den, und die unſichtbare Herrlichkeit deſſen, der ſie gemachet hatte, in das Bild eines vernunft -B 4loſenEr ſetzet ihre Verdammniß mehr in der innerlichen Verkehrt - heit ihres Gemuͤthes und Verſtandes, als in der Veraͤn - derung ihrer aͤuſſerlichen Geſtalt, wiewohl er die Merckma - le derſelben auch auf dieſen wahrzunehmen giebt. Da - durch empfaͤngt die Vorſtellung derſelben einen vortreffli - chen Grad der Erhabenheit. Die boͤſen Engel, die Dantes, Taſſo, und Ceva, aufgefuͤhret haben, ſind dieſer Hoheit durch ihre viehiſchen und garſtigen Geſtalten beraubet. Stampano alcuni il ſuol di ferine orme E’n fronte umana han chiome d’angui attorte, E lor s’aggira dietro immenſa coda Che quaſi sferza ſi ripiega e ſnoda. TASSO. Milton hat dieſe hochmuͤthigen Engel nicht alleine ſolcher erniedrigender, und ihnen zu ihren feindſeligen und auf - ruͤhriſchen Anſchlaͤgen nichts helfender Ungeſtalten entledi - get, ſondern noch uͤberdieß allen Fleiß angewendet, daß er die gemeine menſchliche Geſtalt, die er ihnen zutheilt, erhuͤbe.24Johann Miltonsloſen Thiers verwandelten, und Teufel fuͤr Gott - heiten anbeteten, die ſie mit zierlichen Religio - nen voll bunten Gepraͤnges und Goldes aus - ſchmuͤcketen. Damahls wurden ſie in dem Hei - denthum unter mancherley Nahmen und man - cherley Goͤtzenbildern weit und breit bekannt.

Nenne ſie Muſe bey ihren Nahmen, die ſie damahls empfiengen; was vor hohe Fuͤrſten kamen erſtlich, nachdem ſie in dieſem feurigen Lager vom Schlafe erwachet waren, auf den Ruf ihres groſſen Beherrſchers, nach ihrem Rang, in guter Ordnung, zu ihm an den duͤr - ren Strand, wo er ſtuhnd, da das gemeineHeerNenne ſie, Muſe, bey ihren Nahmen) Milton leget hier nicht einen bloſſen Kram von Gelehrſamkeit aus, die dabey mit einer poetiſchen Annehmlichkeit vorgetragen wird, damit er dem Leſer zeige, wie viel er wiſſe; ſondern er macht uns naͤher mit dieſen gefallenen Engeln bekannt, die in dem folgenden Buche zu unſrem Verderben eine ſo ſchwartze und grauſame Berathſchlagung halten. Er hat ein Mittel gefunden, uns die Erkenntniß derſelben durch die Erfindung, daß ſie eben die heidniſchen Goͤtzen ſind, die wir ſchon zuvor kennen, gewaltig leicht zu machen. Und dieſe Erkenntniß dienet zu gleicher Zeit, uns in einen gewiſſen Affect gegen ſie zu verſetzen, der uns reitzet, an alle demjenigen Theil zu nehmen, was der Poet von ih - rem Zuſtand, ihren Anſchlaͤgen und Verrichtungen, nach - gehends erzehlet. Wir fangen jezo an, uns gegen ſie zu partheyen. Daneben ſteht dieſe Muſterung ſehr ge - ſchickt an dieſem Orte, die Aufmerckſamkeit, die durch ſo viele ſeltſame Vorſtellungen und erhabene Begriffe ermuͤdet worden, einigermaſſen zu erquicken. Da das gemeine Heer immittelſt in vermiſchten Haufen ſtuhnd) Der Poet laͤßt ſie eben die Ordnung, den Rang,und25Verl. Paradies. I. B. Heer immittelſt auf dem weiten Feld in vermiſch - ten Haufen ſtuhnd? Diejenigen waren die er - ſten, welche lange hernach, als ſie aus dem Lo - che der Hoͤllen herausgeſtiegen, auf ihren Raub zu gehen, ihre Wohnungen zunaͤchſt bey dem Sitze Gottes, ihre Altare neben ſeinem Altare ſetzen durften, wo ſie unter den Heiden als Goͤt - ter angebetet wurden, und ſich Jehovah, der aus Sion donnerte, und zwiſchen den Cheru - bim ſaß, an die Seite ſtellen durften; ja ihre Greuel, ihre Statuen, mitten in ſein Heilig - thum ſtelleten; und mit laͤſterlichen Dingen ſei - ne heiligen Ceremonien und feyrlichen Feſttage entheiligten, und mit ihrer Finſterniß ſeinem Lichte trutzen durften. Zuerſt kam Moloch, ein greulicher Koͤnig, mit Blut von geopferten Men - ſchen, und mit Thraͤnen der Aeltern beſchmuͤzt, welche doch das Geſchrey ihrer Kinder, die ſei - nem grimmigen Bilde auf die gluͤhenden Armen geleget wurden, vor dem lauten Gethoͤne der Trummeln und Paucken nicht hoͤren konnten. Der Ammonite verehrte ihn zu Rabba und in der waſſerreichen Ebene daſelbſt, zu Argob und Ba - ſan bis an den weit abgelegenen Fluß Arnon. B 5Erund die Wuͤrde behalten, die ſie in ihrem himmliſchen Stande gehabt hatten, wie aus dem fuͤnften und ſechsten B. erhellet. Die gemeine Lehre von den Engeln lautet:So ward die Geiſterwelt; verſchiedne Macht und Ehre, Entſchieden ſtuffenweis die unzaͤhlbaren Heere, Die ungleich ſatt vom Glantz des mitgetheilten Lichts Jn langer Ordnung ſtehn, von Gott zum oͤden Nichts. Haller. 26Johann MiltonsEr begnuͤgte ſich mit dieſer verwegenen Nachbar - ſchaft nicht, ſondern verfuͤhrte das weiſeſte Hertz Salomons durch Liſt, daß er ihm auf dem aͤr - gerlichen Berge dem Tempel Gottes gegen uͤber einen Tempel bauete, und ſeinen Luſtwald, das angenehme Thal Hinnon, zu einem Vorbild der Hoͤlle machte, daher es auch Tophet, und das ſchwartze Gehenna geheiſſen ward. Hier - naͤchſt kam Chemos, das unkeuſche Schreck - Bild der Soͤhne Moab; dieſer herrſchete von Aroar bis nach Nebo, und weit gegen Suͤden bis in die Wildniſſen von Abarim; zu Heſebon, und Heronaim, in dem Koͤnigreiche Sihons, den bluͤhenden Thal Sibma hinunter, der mit Weinreben verhangen iſt, und zu Eleale, bis an den Asphaltiſchen Teich. Peor war ſein andrer Nahme, als er Jſrael in ihrem Anzuge von dem Nile anreitzete, ihm wolluͤſtige Feſte zu halten, welches ihnen viel Schmertzen geko - ſtet. Dennoch erweiterte er nachgehends ſein uͤppiges Reich bis zu dem Berge des Aergerniſ - ſes und dem Hayne des moͤrderiſchen Molochs, wo Wolluſt und Grauſamkeit neben einander herrſcheten, bis daß der fromme Joſias beyde von dar zur Hoͤlle jagte.

Mit dieſen kamen diejenigen, welche von dem alten Graͤntze-Strohme Euphrates an, bis zu dem Fluſſe, der Egypten von den Syriſchen Landſchaften ſcheidet, mit einem gemeinen Nah - men Baalim und Aſtaroth genannt wurden, jene maͤnnliches, dieſe weibliches Geſchlechts. Denn Geiſter koͤnnen nach ihrem Willen daseine27Verl. Paradies. I. B. eine oder das andere Geſchlecht, oder beyde zu - gleich an ſich nehmen; ſo zart und ungemengt iſt ihr reines Weſen, nicht mit Gelencken und Gliedmaſſen zuſammengeſchloſſen und geknuͤpft, noch auf die zerbruͤchliche Staͤrcke der Beine ge - gruͤndet, wie das verhinderliche Fleiſch; was vor eine Geſtalt ſie aber an ſich nehmen, eine ausgedaͤhnte, oder zuſammengezogene, eine helle oder dunckle, koͤnnen ſie in ſelbiger ihr gei - ſtiges Vorhaben bewerckſtelligen, und Wercke der Liebe oder des Haſſes vollbringen. Um die - ſe vertauſchte der Stamm Jſrael oft ſeine le - bendige Staͤrcke, und ließ ſeinen heiligen Altar unbeſucht, und buͤckete ſich hingegen vor unver - nuͤnftigen Goͤttern zur Erden, welches machte, daß er den Nacken eben ſo tief im Kriege buͤ - ken, und vor den Spieſſen veraͤchtlicher Feinde niederfallen mußte. Jn dieſem Haufen kam auch Aſtoreth, welche die Phoͤnizier Aſtarte nannten, eine Koͤnigin des Himmels mit wach - ſenden Hoͤrnern; das Sidoniſche Frauenzim - mer bezahlte des Nachts beym Mondſcheine vor ihren glaͤntzenden Statuen ihre Geluͤbde, und ſangen ihr Lobgeſaͤnge; ſie blieb auch in Sion nicht unbeſungen, wo ihr Tempel auf dem aͤr - gernden Berge ſtuhnd, der von dem verbuhl - ten Koͤnig erbauet worden, deſſen ſonſt ſo groß -muͤthi -Was vor eine Geſtalt ſie aber an ſich nahmen) Dieſes dienet, den Leſer zu der wunderbaren Zuſammenziehung der Engliſchen Geſtalten in dem Saale des Pandaͤmonium vorzubereiten, welche am Ende dieſes erſten B. gedichtet wird.28Johann Miltonsmuͤthiges Hertz durch den Reitz ſeiner ſchoͤnen Abgoͤtterinnen zu ſchaͤndlichen Goͤtzen uͤbergieng. Thammuz gieng gleich hinter ihr her, deſſen jaͤhrliche Verwundung die Syriſchen Frauens - perſonen auf den Libanon verſammelte, damit ſie allda ſein ungluͤckſeliges Schickſal einen gan - zen Sommer-Tag lang in verliebten Liedern beweineten, da der ſanftflieſſende Adonis inzwi - ſchen von ſeiner Geburts-Klippe purpurfarbe in die See floß, wie ſie ſich einbildeten, von des Thammuz Blut gefaͤrbet, welcher jedes Jahr verwundet ward. Dieſe Liebesfabel ſezte die Toͤchter Sions in eine gleiche Hitze; Ezechiel ſah ihre ſchaͤumenden Luͤſte in dem heiligen Vor - hofe, als ſein Auge im Geſicht die ſchnoͤde Ab - goͤtterey des abtruͤnnigen Juda geſehen. Her - nach kam einer, der im Ernſt weinete, als die gefangene Bundslade ſeine thieriſche Statue zerſtuͤmmelte, und ihm in ſeinem eigenen Tem - pel Haupt und Haͤnde an dem Fuß-Geſimſe von dem Rumpf hinwegſchlug, an welchem er den Kopf anſtieß, und ſeine Anbeter zu Schanden machete: Dagon war ſein Nahme, ein Meer - Wunder, oberhalb ein Menſch, und untenher ein Fiſch. Doch hatte er in der Stadt Azot ei - nen hochaufgebauten Tempel, und ward auf der gantzen Kuͤſte von Paleſtina, zu Gad und Aſcalon, und Accaron, und an den Graͤntzen der Stadt Gaza gefuͤrchtet. Jhm folgete Rim - mon, der ſeinen anmuthigen Sitz in dem ſchoͤ - nen Damaſcus hatte, an den fruchtbaren Ufern des Abbana, und Pharphars, zweyer hellerFluͤſſe.29Verl. Paradies. I. B. Fluͤſſe. Auch dieſer ſetzete ſich voller Verwe - genheit wider das Haus des Herren; auf eine Zeit verlohr er einen Ausſaͤtzigen aus ſeinem Dienſt, und gewann hingegen einen Koͤnig; nemlich den albern Achas, der ihn doch uͤber - wunden hatte; denſelben uͤberredte er, daß er Gottes Altar wegthat, und einen nach Syri - ſcher Art dahin ſetzete, auf welchem er ſeine ver - haßten Opfer brannte, und die Goͤtter, die er uͤberwunden hatte, anbetete.

Nach dieſen erſchien eine Schaar, welche unter den alten beruͤhmten Nahmen, Oſiris, Jſis, Orus, und ihres Gefolges, des fanati - ſchen Egyptens und ſeiner Prieſter mit ungeheu - ren Verwandlungen und zauberiſchen Kuͤnſten dergeſtalt ſpotteten, daß es ſeine herumirrenden Goͤtter in verlarveten Geſtalten ſuchete, welche vielmehr thieriſch als menſchlich waren. Die anſteckende Seuche ergriff auch Jſrael, als ſie an dem Oreb von dem geborgten Gold ein Kalb macheten, und als der rebellierende Koͤnig dieſe Suͤnde zu Bethel und zu Dan verdoppelte, und ſeinen Schoͤpfer in einen graſenden Ochſen bil - dete, denjenigen Jehovah, welcher in einer Nacht, als er aus Egypten zog, im Voruͤber - gehen mit einem Streiche die erſtgebohrnen Soͤhne dieſes Landes, und alle ſeine bloͤckenden Goͤtter, umgebracht.

Belial kam zulezt, der unzuͤchtigſte und groͤ - beſte Geiſt, der von dem Himmel gefallen, der das Laſter um des Laſters willen liebete; Jhm war zwar kein Tempel aufgerichtet, und keinAltar30Johann MiltonsAltar raͤucherte ihm, aber wer wird oͤfter in den Tempeln und beym Altar geſehen, wenn der Prieſter zum Atheiſten wird, wie die Soͤhne des Eli, welche das Haus Gottes mit unrei - ner Luſt und Gewaltthaͤtigkeit anfuͤlleten? Er regieret auch an den Hoͤfen, in Palaͤſten, und in wolluͤſtigen Staͤdten, wo das Getuͤmmel der Schwelgerey, und Unrecht, und Drangſal, hoͤher, als ihre erhabenſten Thuͤrme, ſteigt. Und wann die Nacht jezo die Gaſſen dunckel ma - chet, ſo ſchwaͤrmen die Soͤhne Belials, von Wein und Muthwillen geſpornet, auf denſel - ben herum; Zeugen deſſen ſind die Gaſſen von Sodom, und jene Nacht zu Gibea, da die gaſtfreye Thuͤr eine Frau auf die Gaſſe hinaus - ſtellte, damit eine aͤrgere Schande vermieden bliebe.

Dieſes waren die vornehmſten an Rang und an Macht; aller uͤbrigen zu gedencken, wuͤrde zu weitlaͤuftig ſeyn, wiewohl ſie weit und fern beruͤhmt waren; die Joniſchen Goͤtter, welchen Javans Nachkommen goͤttliche Ehre angethan haben, da ſie doch ſelber bekennten, daß ſie nicht ſo alt waͤren, als Himmel und Erde, ge - ſtalt ſie dieſe vor ihre Stammvaͤter ausgaben; Titan, der erſtgebohrne Sohn des Himmels mit ſeiner ungeheuren Brut, welchen Satur - nus ſein juͤngerer Bruder ſeines Geburts-Rechts beraubet, hernach von dem maͤchtigern Jupiter, ſeinem eigenen und der Rhea Sohn, ein glei - ches Maaß empfangen hat; ſo daß Jupiter das Reich mit Gewalt uͤberkommen hat. Dieſewaren31Verl. Paradies. I. B. waren erſtlich in Creta und auf Jda bekannt, herrſcheten hernach auf dem beſchneyten Gipfel des kalten Olympus in der mittlern Luft, ih - rem hoͤchſten Himmel; oder auf der delphiſchen Klippe; oder zu Dodona, und ſo weit die Graͤn - zen des doriſchen Lands ſich erſtreckten. Andere flohen mit dem alten Saturn uͤber Adria in die heſperiſchen Landſchaften, und ſtreifeten uͤber das celtiſche Land bis in die entlegenſten Jnſeln. Alle dieſe und noch mehr kamen zu Schaaren, aber mit niedergeſchlagenen und truͤben Blicken, in welchen doch einige dunckle Funcken von Freu - de glimmmeten, weil ſie ihr Haupt nicht allerHoff -Herrſcheteu hernach anf dem beſchneyten Gipfel des kal - ten Olympus in der mittlern Luft, ihrem hoͤchſten Himmel) Dieſe und etliche andere dergleichen Stellen ſagen uns deutlich genug, was Milton von den mythologiſchen Fa - beln hielt. Man muß ſehr unbillig mit ihm umgehen, oder von gar bloͤdem Verſtande ſeyn, wenn man den him - melweiten Unterſchied, den er zwiſchen der Mythologie und dem wahren Grund ſeiner eigenen Erdichtungen ma - chet, nicht wahrnehmen kan. Wer ſieht nicht, wenn er die mythologiſche Geſchichte mit einer hiſtoriſchen Art an - fuͤhrt, daß er alsdann nur der Mund der alten Poeten iſt, und in ihrem Nahmen das Wort fuͤhret? Es iſt ſo ferne, daß er ſie damit beglaubigen wolle, daß er viel - mehr an den meiſten Orten ihre Falſchheit andeutet, und wo er dieſes nicht mit ausdruͤcklichen Worten thut, durch ſeine Verkleinerung derſelben zu erkennen giebt, in welcher Achtung und Anſehen ſie bey ihm ſtehen, und wie er ſie vor bloſſe Vorſtellungen der Phantaſie gebrauche. Jn welchen doch einige dunckle Funcken von Freude glimmeten) Das war eine Freude nur in Abſicht auf dievorige32Johann MiltonsHoffnung beraubt ſahen, weil ſie ſich ſelbſt mit - ten in dem Verluſt nicht verlohren ſahen. Ei - ne zweydeutige Farbe bemahlete auch deſſel - ben Gebehrden. Aber er holete ſeinen ge - woͤhnlichen Hochmuth bald wieder hervor, und richtete ihren ſinckenden Muth mit ſchwuͤlſtigen Worten, die zwar den Schein einer Hoheit, aber nicht das Weſen hatten, allmaͤhlig wieder auf, und verjagte die Furcht aus ihren Hertzen. Hernach befahl er, daß ſeine maͤchtige Stan - darte unter dem kriegriſchen Gethoͤne der Lau - ten, Trompeten und Paucken aufgeſtellt werde. Dieſe ſtoltze Ehre gebuͤhrete dem Azazel von Amtes wegen, einem geraden Cherub; welcher ſtracks das Reichs-Panier von dem ſchimmern - den Stabe abwickelte; daſſelbe leuchtete wie ein Meteorum, als es in der Hoͤhe ausgebrei - tet nach dem Winde flatterte; die Seraphiſchen Wapen und Siegeszeichen glaͤntzeten von Gold und Edelſteinen, womit ſie koͤſtlich blaſonniert waren, und inzwiſchen hoͤrte man von dem klin - genden Metall ein martialiſches Gethoͤne erſchal - len, auf welches das Heer ein allgemeines Feld - geſchrey empor ſandte, das die Kluft der Hoͤl - len erſchuͤtterte, und drauſſen das Reich desChaosvorige gaͤntzliche Zerſchlagung; und zwar eine Freude fuͤr die Verdammten; nach ihrer Sprache; weil ſie ihr Ober - haupt nicht alle Hoffnung aufgeben ſahen, weil ſie ſich ſelbſt wieder fuͤhleten, hielten ſie ſich vor gluͤcklicher, als ſie erſt noch vermeint hatten, und empfanden daher eine Luſt; die aber an ſich ſelbſt ſo eitel iſt, als der Grund, worauf Satan ſeine Hoffnung gruͤndet, und ſo elend, als ihr Zuſtand, in welchem ſie ſich wieder fuͤhlen.33Verl. Paradies. I. B. Chaos und der alten Nacht erſchreckete. Au - genblicklich ſah man in dem duͤſtern Licht zehn - tauſend Panniere in die Luft emporſteigen, und von Aurora-Farbe ſchimmern; mit ihnen ſtieg ein ungeheurer Wald von Spieſſen in die Hoͤhe; und Helme, und Schilde erſchienen gedrange und dichtgeſchloſſen, in einer Schlachtordnung von einer unmenſchlichen Breite. Nun ziehen ſie in einem vollkommenen Phalanx nach der do - riſchen Melodie anmuthiger Floͤten und Pfeifen; einer Melodie, welche die Helden des Alter - thums auf den hoͤchſten Grad der Großmuth erhub, wann ſie eine Schlacht antraten, und ihnen an ſtatt der Wuth eine geſezte DapferkeitCein -Nach der Doriſchen Melodie) Wie der Poet im zwoͤlf - ten B. in den Geſichtern, die Adam vor Augen geleget worden, die Plaͤtze, die damahls noch ohne Nahmen waren, bey ihren Nahmen genannt, ſo ſie nach der Zeit empfangen haben; alſo hat er hier dieſer Melodie den Nah - men gegeben, den ſie lange hernach in Griechenland be - kommen hat. Es iſt ſo viel als wenn er geſagt haͤtte: Von dieſer Art war nach der Zeit die Doriſche Melodie. Was von der Wuͤrckung dieſer Melodie folget, iſt noch bey weitem nicht zulaͤnglich, die hoͤlliſchen Geiſter, wie Magni geglaubt hat, in einen Stand zu ſetzen, daß ſie den ſeligen Engeln ſchier nichts mehr zu mißgoͤnnen hatten; denn die Ruhe und Stille, ſo ſie in der Bruſt verurſach - te, und die Verjagung der Angſt und der Pein, ſo ihr durch eine poetiſche Vergroͤſſerung zugeſchrieben wird, ſind nur fluͤchtige und betruͤgliche Symptomata, von keiner Dauer und von keiner Sicherheit. Die unruhigen Gedan - ken wurden nicht aus dem Wege geraumet, ſondern nur eingeſchlaͤffert, der Schmertze nicht geheilet, ſondern nur gebannet.[Critiſche Sam̃l.] 34Johann Miltonseinblies, die gantz entſchloſſen iſt, und ſich von der Furcht des Todes weder zur Flucht noch zu einem ſchaͤndlichen Abzug bewegen laͤßt; ſie iſt mit einer Kraft begabet, die unruhigen Gedan - ken mit ihrem feyrlichen Klange zu beſaͤnftigen und zu ſtillen, und Angſt, und Zweifelmuth, und Furcht, und Leid, und Pein, in ſterblichen und unſterblichen Gemuͤthern zu vertreiben. Alſo ſammelten dieſe Geiſter ihre vereinigten Kraͤfte mit unverwandten Gedancken in eines, indem ſie in tieſem Stillſchweigen unter dem Spiele der Schalmeyen, welches ihnen ihre muͤhſamen Tritte auf dem verbrandten Boden linderte, heranwerts ruͤcketen. Und jezo, da ſie im Ge - ſichte ſtehen, halten ſie; ein graͤulicher Fluͤgel von erſchrecklicher Laͤnge, in blendenden Ruͤſtun - gen, mit Schilden und Spieſſen verſehen, nach der Weiſe des Alterthums; ſie warteten alſo auf die Befehle ihres maͤchtigen Haupts. Der - ſelbe laͤßt ſeine erfahrnen Augen alle Linien der Schlachtordnung durchlaufen, und uͤberſieht mit geſchwinden Blicken das gantze Heer, ſeine geſchickte Stellung, die Geſichter und das An - ſehen dieſer Krieger, die Goͤttern gleich ſahen; zulezt uͤberzehlt er ſie. Und jezo blaͤhet ſich ſein Hertz mit Hochmuth, und pochet verhaͤrtend auf ſeine Staͤrcke: Denn ſeit der Menſch er - ſchaffen worden, iſt niemahls eine ſolche Krie - gesmacht zuſammengeſtoſſen, welche neben die - ſer groͤſſer ſcheinen koͤnnte, als jene kleine Jn - fanterie, die von den Kranichen bekriegt wird; wuͤrde gleich das gantze Rieſen-Geſchlecht vonPhle -35Verl. Paradies. I. B. Phlegra mit denen heroiſchen Nationen, die zu Theben und Jlium fochten, und auf beyden Seiten mit Huͤlfs-Goͤttern untermiſcht waren, in ein Heer zuſammengefuͤget, und wuͤrden uͤber - dieß die Voͤlcker zu ihnen geſtellet, welche in der Fabel oder dem Roman von Uthers Soh - ne ſo viel Aufſehens machen, die Brittiſchen und die Armoriſchen Ritter, nebſt allen andern, ge - tauften und beſchnittenen, die vor Zeiten in Aſpramont, und Montalban, Damaſco, Ma - rocco, und Trapezunt Ritterſpiele gepfleget, und welche Biſerta von dem Africaniſchen Ufer herausgeſandt, als der groſſe Carl mit allen ſei - nen hohen Fuͤrſten zu Fontarabia geſchlagen wor - den. So weit uͤberſtieg dieſe Macht alle Ver - gleichungen mit ſterblichen Kriegsheeren, den - noch ſah ſie auf ihren furchtbaren Gebieter. Derſelbe ſtach an Geſtalt und Gebehrdung uͤber alle andern hervor, und ſtuhnd in der Hoͤhe, wie ein Thurm; ſeine Bildung hatte ihren ur - ſpruͤnglichen Glantz noch nicht gaͤntzlich verloh - ren, und ſchien nicht ſchlechter, als eines Ertz -C 2Engels,Und ſchien nicht ſchlechter, als eines Ertzengels, der gefallen war) Angelici fervens ſupereſt natura vigoris. ALCIMUS. Der einzige Milton hat die Vortrefflichkeit der Engliſchen Natur gebuͤhrend in Acht genommen, indem er ſie an den gefallenen Engeln ſelber in allen denen Stuͤcken vorge - ſtellet hat, welche nur aͤuſſerlich ſind. Was vor einen Begriff macht er uns nicht von Satans ehmahligen Glantz und Herrlichkeit, den er auch nach ſeinem Fall ſo trefflich glaͤntzend vorſtellet, indem er ſagt, daß nur das Ueber -maß36Johann MiltonsEngels, der gefallen war, und an einer Herr - lichkeit, die zuvor uͤbermaͤſſig geweſen war, verkuͤrtzet worden: Wie wenn die aufſteigende Sonne mit verminderten Strahlen durch die benebelte Horizontal-Luft hervorblickt, oder in einer duͤſtern Verfinſterung hinter dem Mon - den hervor eine ungluͤcksreiche Daͤmmerung auf den halben Theil der Welt fallen laͤßt, und die Monarchen in Sorgen ſetzet, daß Ver - aͤnderungen erfolgen werden. Auf dieſe Wei - ſe war der Ertzengel zwar verfinſtert, jedoch an Glantz vortrefflicher als die andern alle. Aber auf ſeinem Angeſichte waren von dem Donner tiefe Narben eingegraben, und die Sorge ſaß auf ſeinen erblaßten Wangen; aber in ſeinen Augbraunen las man einen un - gezaͤhmten Muth und einen geſezten Stoltz,dermaß derſelben ſich verlohren habe? Dieſer vortreffliche Reſt von dem alten Glantze zeiget uns Satans Engliſche Natur in der Hoͤlle ſelbſt, welche er mit ſeinem Heere ſtets behalten, ein jeder hatte noch Glantz nach dem Grade, auf welchem er ihn in den ſeligen Refieren des Himmels beſeſſen, jedoch alle mit einander mit einiger Verminderung. Miltons Hoͤlle bekoͤmmt durch dieſe natuͤrliche Vorſtellung eine Majeſtaͤt, welche Dantes, Taſſo und Ceva, mit ihren haͤßlichen und eckelhaften Vorſtellungen Satans und ſeiner Engel uͤbel verderbt haben.Wie wenn die aufſteigende Sonne ꝛc.) Als Miltons Gedicht zum erſten mahl ſollte gedruͤckt werden, fehlte nicht viel, daß es von dem vorwitzigen Cenſor waͤre unterdruͤckt worden. Derſelbe vermeinte in dieſem Gleichniß eine po - litiſche Ketzerey und einen Hochverrath zu finden.37Verl. Paradies. I. B. der auf Rache laurete; ſein Auge war grim - mig, doch gab es Zeichen einer nagenden Ge - muͤthsleidenſchaft von ſich, wenn es ſeine Mit - geſellen, oder beſſer zu ſagen, ſeine Nachfol - ger betrachtete, die ſich ſeines Verbrechens mittheilhaftig gemacht hatten, welche er hie - bevor in einem ungleich andern Zuſtand der Seligkeit geſehen, jezo auf ewig verurtheilt ſah, ihr Loos in der Pein zu beziehen; Mil - lionen Geiſter, die wegen ſeines Fehlers aus dem Himmel ausgemertzet, und wegen ſeiner Empoͤrung aus den ewigen Lichtern verſtoſſen worden; wenn es ſah, wie ſie in ihrem ver - welckten Glantz dennoch ſo getreu bey ihm ſtuhn - den. Wie die herrlichen Staͤmme der Wald - Cichen und der Berg-Fichten, wenn ſie das Feuer vom Himmel getroffen hat, mit ver - ſengtem Gipfel und verduͤrrt noch auf der ver - brandten Heide ſtehen. Er war jezo bereit, ſie anzureden; deßwegen ſchwenckten ſie ihre gedoppelten Linien von Fluͤgel zu Fluͤgel, und ſchloſſen ihn mit ſeinen Reichsfuͤrſten halbig ein. Die Aufmerckſamkeit machte ſie ſtumm. Dreymahl fieng er an, und dreymahl brachC 3erDreymahl brach er wider ſeinen hochmuͤthigen Willen in Thraͤnen aus) Die Thraͤnen der Ungluͤcklichen, wenn das Ungluͤck gleich eine verdiente Straffe iſt, ſo fern es nur mit Reue begleitet iſt, vermoͤgen uns zum Mitleiden zu bewegen. Hier empfinden wir ſolches durch die Kunſt des Poeten gegen Satan und ſeine gefallenen Schaaren ſelbſt, ungeachtet wir ſo gerechte und ſchwere Urſachen haben, ſie als Gottes und unſre geſchwornen und boß -hafte -38Johann Miltonser wider ſeinen hochmuͤthigen Willen in Thraͤ - ner aus, ſolche, wie die Engel weinen, end -lichhafteſten Feinde zu haſſen. Die Urſache deſſen mag ſeyn, weil wir uns in den Gedancken in einerley Umſtaͤnde ſetzen, wie der vorgeſtellten Perſonen ſind, und alſo denſelbigen das Mitleiden zukommen laſſen, das wir fuͤr uns ſelber em - pfinden wuͤrden; zumahl, da die Betrachtung dazu koͤmmt, daß wir ſelber nur allzu leicht in eine gleiche Noth fallen koͤnnen, oder gewiſſermaſſen darinnen begriffen ſind. Dem - nach irren diejenigen ſehr, welche davor halten, daß die Geſchichte der Engel nicht bequem ſey, die menſchlichen Gemuͤther in Bewegung zu ſetzen; denn da wir durch die Vorſtellung der boͤſen und feindſeligen Engel in derglei - chen ſanften Affect, wie das Mitleiden iſt, geſetzet wer - den, was vor ſuͤſſe Affecte werden nicht die Begegniſſe der ſeligen Engel bey uns erwecken?Solche Thraͤnen, wie die Engel weinen) Milton hat den Engeln nicht nur diejenige coͤrperliche Geſtalt angezo - gen, welche die anſehnlichſte und bequemſte war, nemlich die menſchliche, ſondern er hat dieſe noch ſehr verbeſſert und verherrlichet. Jhre Schoͤnheit, Groͤſſe, Staͤrcke, Munterkeit, Schnelligkeit, Unſterblichkeit, ſind uͤber - menſchlich, nicht nur an den ſeligen, ſondern auch an den gefallenen Engeln. Sie haben daneben die Kraft, ſich auszudaͤhnen und zuſammenzuziehen; das maͤnnliche oder das weibliche Geſchlecht an ſich zu nehmen; ſie leben durch und durch in allen Theilen, ihr Leben beſteht nicht, wie bey den gebrechlichen Menſchen, nur in dem Eingeweide, dem Hertzen, Haupt, der Leber, oder den Nieren; in denſelben iſt alles Hertz und Haupt, Auge und Ohr, Ver - ſtand und Sinnen. Auf dieſen Begriff ſollen uns auch die Worte fuͤhren, Thraͤnen, wie die Engel weinen; wo - mit bey aller der Gleichheit zwiſchen unſrem und dem En - gliſchen Coͤrper ein Unterſchied unter denſelben angedeutet wird.39Verl. Paradies. I. B. lich fanden die Worte, mit Seufzern unter - miſcht, einen Weg.

O ihr Myriaden unſterblicher Geiſter, o ihr Heere, die ihres gleichen nicht haben, den Allmaͤchtigen ausgenommen, mit welchem ſelbſt ihr dennoch nicht ohne Ruhm gefochten habet, wiewohl der Ausgang des Streits fuͤr euch entſetzlich war, wie dieſer Platz und dieſe ent - ſetzliche Veraͤnderung zu erkennen geben, wo - von man nicht ohne Zorn reden kan: Alleine was vor eine Gemuͤtheskraft, was vor eine Gabe, das Kuͤnftige vorherzuſehen oder zu er - rathen, konnte aus der tiefen Betrachtung des Vergangenen oder des Gegenwaͤrtigen be - fahren, daß eine ſolche vereinigte Goͤttermacht,C 4welcheDie Worte mit Seufzern untermiſcht) Der Grund - Text hat: Die Worte mit Seufzern unterflochten; wovon Bentley ſagt, es uͤbertreffe alle menſchliche Geſchicklichkeit, und komme Satan vor eigen zu. Daher er davor leſen will, mit Seufzern unterbrochen. Seine Critick ſcheint auf dem Grund zu beruhen, daß es in der That nicht an - gehe, die Worte und die Seufzer unter einander zu flech - ten. Alleine wer hat jemahls zur Rechtfertigung einer Metapher gefodert, daß das, was verglichen wird, und das, womit es verglichen wird, nur ein Ding und eben daſſelbe ſeyn? Es iſt genug, daß die Bilder, die verwech - ſelt werden, eine offenbare Aehnlichkeit mit einander ha - ben. Der betruͤgliche Schein, da etwas fuͤr das andere geſetzet wird, kan dem Verſtande dann nicht verborgen blei - ben. Und wie will Bentley ſeine erwehlte Lesart anderſt, als auf eben dieſe Weiſe beſchuͤtzen? Worte mit Seufzern brechen und unterbrechen, iſt eben ſo wohl, als ſie unter - flechten, eine Metapher, die etwas betruͤgliches in ſich hat, und gehet in der That eben ſo wenig an.40Johann Miltonswelche ſo feſt ſtuhnd, wie dieſe, jemahls von Abweiſung hoͤren koͤnnte? Und wer kan je - zo noch, ſelbſt nach dem erlittenen Verluſt, glauben, daß alle dieſe maͤchtigen Legionen, deren Verweiſung den Himmel laͤhr gemachet hat, nicht aus eigener Kraft wieder hinauf - ſteigen, und ihren Geburts-Sitz wieder be - ziehen werden? Mich anbelangend nehme ich das gantze Heer des Himmels zum Zeugen, ob ungleiche Anſchlaͤge an meiner Seite, oder einige Gefaͤhrlichkeit, die ich haͤtte vermeiden wollen, unſre Hoffnung ruckgaͤngig gemachet habe. Nein, ſondern der, welcher in dem Him - mel als ein Monarche herrſchet, war bisda - hin in voller Sicherheit auf ſeinem Throne geſeſſen, als einer, welchen ein altes Herkom - men, eine lange Gewohnheit, und ein williger Gehorſam darauf befeſtiget haͤtten, und fuͤhrte ſeinen koͤniglichen Staat in vollem Pomp, hielt uns aber ſeine Staͤrcke allezeit verborgen, undebenDer, welcher in dem Himmel als ein Monarche herr - ſchet) Die Urſache, die der Poet den Satan vorwenden laͤßt, warum ihm und ſeinen Geſellen die Allmacht Gottes verborgen geweſen, iſt zwar eine offenbare Falſchheit, denn die Erſchaffung iſt eine ſo gute Probe der Staͤrcke Gottes, als die Zerſtoͤrung; indeſſen fuͤhrt ſie bey dieſen verkehrten Geiſtern ein deſto groͤſſeres Blendwerck mit ſich, weil ſie auch die Erſchaffung leugneten; und ſich ruͤhme - ten, daß ſie durch ihre eigene lebensreiche Kraft entſtan - den, als der Lauf des Schickſals ſeinen Circkel in einen vollen Ring geſchloſſen hatte, daß ſie die reife Frucht des oberſten Himmels, ihres Geburtsplatzes, waͤren; wie ſie gegen das Ende des fuͤnften B. zu vernehmen geben.41Verl. Paradies. I. B. eben dieſes veranlaſſete uns zu unſrem Unter - nehmen, und verurſachete unſren Fall. Kuͤnf - tighin kennen wir ſeine Macht, und kennen die unſrige, inſoweit, daß wir nicht Urſache haben, Streit an ihn zu ſuchen, noch wenn ſolcher an uns geſucht wird, davor zu erſchre - ken. Am vortraͤglichſten fuͤr uns wird wohl dieſes ſeyn, daß wir dasjenige mit verdeckten Anſchlaͤgen, durch Liſt oder Betrug, zu erhal - ten trachten, was wir mit Gewalt nicht zu - wege bringen koͤnnen; damit er endlich nichts - deſtoweniger an uns erfahren moͤge, daß wer ſeinen Feind durch Gewalt uͤberwindet, ihn nur halb uͤberwunden habe. Der Raum mag neue Welten hervorbringen; wie in dem Him - mel durchgehends eine Sage gieng, daß er ſolche in kurtzem erſchaffen, und ein Geſchlech - te darein ſetzen wuͤrde, welchem er ſeine Gunſt in einem gleichen Grade der Liebe, wie den Soͤh - nen des Himmels zutheilen wuͤrde. Daſelbſt - hin wollen wir unſren erſten Ausfall thun, und geſchaͤhe ſolches gleich, ſie nur zu verkundſchaf - ten, daſelbſthin oder ſonſt wohin; denn dieſe hoͤlliſche Grube ſoll himmliſche Geiſter nicht allezeit in Banden behalten, noch der Abgrund ſie laͤnger mit Finſterniß bedecken. Aber dieſe Gedancken muß eine groſſe Raths-Verſamm - lung zur Zeitigung bringen. Zum Frieden iſt keine Hoffnung uͤbrig, denn wer kan an Unter - werffung gedencken? Derowegen muß man ſich zum Krieg entſchlieſſen, zum Krieg, der entwe - der offentlich oder verdeckt gefuͤhrt werden muß.

C 5Er42Johann Miltons

Er ſagte ſo, und zur Beſtaͤtigung ſeiner Worte flogen Millionen flammender Schwerd - ter empor, welche die maͤchtigen Cherubim von den Seiten zuͤcketen; der ploͤtzliche Schimmer erleuchtete die Hoͤlle weit in die Runde; ſie raſeten haͤftig wider den Hoͤchſten, und ſchlugen ihre Waffen mit einem wilden Krieges-Ge - thoͤne auf die klingenden Schilde, indem ſie Hohn und Trutz nach dem Gewoͤlbe des Him - mels hinaufſandten.

Nicht weit von da ſtuhnd ein Berg, deſſen graͤßlicher Gipfel Feuer und wallenden Rauch ausſpukete; die uͤbrigen Theile glaͤntzeten mit einer funckelnden Rinde; ein ungezweifeltes Zei - chen, daß er in ſeinem Schooſſe hartes mine - raliſches Erzt fuͤhrete; das Werck des Schwe - fels. Daſelbſthin eilete eine zahlreiche Bande mit einer gefluͤgelten Eilfertigkeit. Wie wenn Truppen Minierer mit Schaufeln und Spa - then bewaffnet von einem koͤniglichen Heer - zeuge aufbrechen, ein Lager abzuſtechen, oder eine Schantze aufzuwerffen. Mammon fuͤhrete ſie an, Mammon, der niedertraͤchtigſte Geiſt,derMammon, welcher im Himmel ſelbſt die Blicke nur nie - derwaͤrts geneigt) Nemlich die wenige Tage uͤber, wel - che die ſataniſchen Rebellen in und nach ihrem Fall noch in dem Himmel gelitten worden. Der Schritt zur Suͤnde und zum Abfall iſt in dem Himmel geſchehen; man kan nicht einmahl begreiffen, daß er an einem andern Orte haͤtte geſchehen koͤnnen, weil man ſonſt die Engel, die gefallen ſind, vor ihrem Fall aus dem Himmel verſtoſſen muͤßte. Die Gluͤckſeligkeit und die Aufrichtigkeit der En -gel43Verl. Paradies. I. B. der vom Himmel gefallen, der im Himmel ſelbſt ſeine Blicke und Gedancken allezeit nur nieder - waͤrts geneigt, und den Reichthum des Bodens daſelbſt, geſchlagenes Gold, mehr bewundert hat - te, als irgend andere goͤttliche und heilige Sa - chen, die man in dem ſeligen Geſichte genieſſen konnte. Durch ihn, und durch ſein Einblaſen wurden die Menſchen zuerſt gelehrt den Mittel - punct zu pluͤndern, und mit verruchten Haͤnden das Eingeweide ihrer Mutter, der Erde, zu zer - wuͤhlen, um ſolcher Schaͤtze willen, welche mit beſſerm Nutzen verborgen laͤgen. Seine Rotte hatte in dem Berge bald eine weite Wunde geoͤffnet, und Rippen von Gold hervorgegra - ben. Niemand verwundere ſich, daß der Reich - thum in der Hoͤlle waͤchßt. Der Boden da - ſelbſt iſt vor andern dieſes theuren Gifts wuͤr -diggel entſpringt auch keinesweges von dem Orte wo ſie ſind, und iſt nicht an denſelben gebunden. Der Fall iſt in dem Himmel gethan worden; und wenn die Hoͤlleverdammten aus der Hoͤlle auf die Erde oder den Himmel ſelbſt geſezt wuͤrden, ſo wuͤrden ſie nichts deſto ſeliger werden, ſie braͤchten die Hoͤlle mit ihnen in alle Gegenden. Diejenige, welche die Vorſtellung Mammons in gegenwaͤrtiger Stelle getadelt, haben darinn geirret, daß ſie ſolche vor ſei - nem Aufſtand verſtanden haben; welches Miltons Mei - nung niemahls geweſen iſt.Seine Rotte hatte in dem Berge bald eine weite Wunde geoͤffnet) Je kleiner einigen die folgenden Umſtaͤnde ſchei - nen moͤgten, deſto mehr iſt Milton zu loben, daß er ſie in einem ſo vortrefflichen Licht vorzuſtellen gewußt hat. Es braucht Kunſt dazu, kleine Dinge ohne Niedrigkeit zu be - ſchreiben.44Johann Miltonsdig. Und hier moͤgen diejenigen, welche auf menſchliche Dinge pochen, und voller Verwun - derung von Babel und den Wercken der Egyp - tiſchen Koͤnige reden, lernen, wie ihre vor - nehmſten Denckmahle des Ruhms, der Macht, und der Kunſt, von verworffenen Geiſtern ohne Muͤhe uͤbertroffen werden, und in einer Stun - de von dieſen verfertiget wird, was ſie ſchwer - lich in einem Jahrhundert mit unaufhoͤrlicher Arbeit und mit unzaͤhligen Haͤnden zu Stande bringen. Unten auf der Ebene ſchmelzete ein andrer Haufe in vielen zu dem Ende gemach - ten Huͤtten, die unten mit Adern voll fluͤſſi - gen Feuers, das aus dem See abgezapfet ward, durchfahren waren, die rohen Klum - pen Ertzes mit verwunderſamer Kunſt, ſonder - te die unterſchiedlichen Gattungen, und ſchaͤum - te die ſiedenden Schlacken ab. Ein dritter hat - te immittelſt mancherley Formen in dem Bo - den eingegraben, und durch ſeltſame Gaͤnge aus den Schmeltzhuͤtten alle holen Rinnen an - gefuͤllet; wie der Wind in einer Orgel aus einem Blaſe-Brete in manche Reihe Pfeifen gefuͤhrt wird. Urploͤtzlich ſtieg ein maͤchtig groſ - ſes Gebaͤude, wie ein Jrrwiſch-Licht aus der Erden, unter dem Schalle lieblicher MelodienundUrploͤtzlich ſtieg ein maͤchtig groſſes Gebaͤude aus der Erden hervor) Da der Poet Perſonen von uͤbermenſchli - chen Kraͤften vor ſich hat, welche ſeinen Bau ausfuͤhren, hat er nicht verſaͤumt, das Wunderbare, das in dem epi - ſchen Gedichte erfodert wird, durch die Vorſtellung einer mehr als menſchlichen Arbeit vorzuſtellen.45Verl. Paradies. I. B. und ſuͤſſer Stimmen, wie ein Tempel gebauet, wo Pfeiler und doriſche Saulen in die Run - de geſetzet, und guͤldene Hauptbalcken daruͤber geleget waren; auch waren daran Karniſſen, und Frieſen, mit erhobener Bilder-Arbeit, nicht vergeſſen; und die gewoͤlbete Decke war mit Gold-Blech uͤberzogen. Mit dergleichen Pracht hatte weder Babylon noch das groſſe Alcairo in ihrem groͤſten Flor gebauet, dem Belus oder dem Serapis ihren Goͤttern, oder ihren Koͤnigen zu Wohnungen, als Egypten und Aſſyrien mit Reichthum und Gepraͤnge auf einander eiferten. Die Saulen ſtuhnden jezo feſt, in einer ſtattlichen Hoͤhe emporſtei - gend, und alſobald oͤffnen die Thuͤren ihre eher - nen Fluͤgel, und entdecken inwendig einen wei-L ten Raum auf einem glatten und polirten E - ſtrich. Von der gewelbten Decke hangen mit - telſt einer magiſchen Kunſt viele Reihen bren - nender Lampen und ſchimmernder Leuchter, mit Naphta und Aſphalt unterhalten, und gaben das Licht wie von einem geſtirnten Himmel von ſich.

Die gantze Menge eilete voll Verwunde - rung hinein, etliche lobeten das Werck, undetli -Wo Pfeiler und doriſche Saulen in die Runde geſetzet waren) Die vollſtaͤndige Beſchreibung dieſes Gebaͤudes, dienete dem Poeten an dieſem Orte unter andern, die Leidenſchaften, wodurch das Gemuͤthe in der Betrachtung der ſataniſchen Gedancken und Anſchlaͤge angeſtraͤnget wor - den, durch eine geſchickte Veraͤnderung der Eindruͤcke zu maͤſſigen.46Johann Miltonsetliche den Baumeiſter; ſeine Hand war in dem Himmel von manchem gethuͤrmten hohen Bau bekannt, wo gekroͤnte Engel ihren Sitz hatten, und als Fuͤrſten auf Thronen ſaſſen, weil der hoͤchſte Herr und Koͤnig ſie zu dieſer Macht erhoͤhet, und ihnen die Herrſchaft uͤber die glaͤntzenden Orden der Engel, einem jeden ſeine eigene Hierarchie, anvertrauet hatte. Sein Nahme war auch in dem alten Grecien nicht un - bekannt, noch ohne Anbeter; und in dem Au - ſoniſchen Lande nannten ihn die Menſchen Mul - ciber; und ſie dichteten von ihm, wie er vom Himmel gefallen, da ihn der erzoͤrnte Jupiter uͤber die criſtallinen Zinnen des Himmels hin - aus geworffen hatte, ſey er von Morgen bis Mittags, und von Mittag bis zum Abend - Thau, einen Sommertag lang, gefallen, und mit der untergehenden Sonnen wie ein fallender Stern von dem Zenith auf die Jnſel Lemnos in dem Egeiſchen Meer geſuncken: Alſo ſagen ſie aus Jrrthum, denn ſein Fall geſchah lange vor - her mit dieſer aufruͤhriſchen Rotte; und mochte ihm jezo nichts helfen, daß er in dem Himmel hohe Thuͤrme gebaut, und er mochte ſich mit keinem von ſeinen Ruͤſtzeugen retten, ſondern ward quer uͤber Ecke in die Hoͤlle geſenckt, daß er mit ſeiner arbeitſamen Geſellſchaft daſelbſt bauete.

Jmmittelſt ward auf Befehl der hoͤchſten Gewalt von gefluͤgelten Herolden mit furchtba - ren Ceremonien, und bey dem Schall der Trom - peten, in dem gantzen Heer ein feyrlicher Reichs -tag47Verl. Paradies. I. B. tag ausgeruffen, der in Pandaͤmonium, der Hauptburg Satans und ſeiner Reichsfuͤrſten unverzuͤglich ſollte gehalten werden. Die Mah - nungsbriefe lauteten, daß von jeder Bande, und jedem gevierten Regiment der wuͤrdigſte er - ſcheinen ſollte, welchen ſein Rang oder die Wahl vor ſolchen erkennten. Zur Stunde kamen ſie ſchaarweiſe mit einem zahlreichen Begleite von hunderten und von tauſenden. Durch alle Zu - gaͤnge war ein Gedraͤnge. Die Schloß-Thore und die weiten Vorhoͤfe, die doch einem abge - ſteckten Felde gleich ſahen, wo die kuͤhnen Kaͤm - pfer ſich zu Pferde tummelten, und vor des Soldans Buͤhne den beſten Rittersmann von Panim zu einem Kampf auf Leib und Leben, oder einem Ritt mit ſtumpfen Lanzen ausforder - ten, wimmelten von dem herzudringenden Schwarm, beydes auf dem Boden und in der Luft, die von dem Geziſche ſauſender Winde erklang. Wie die Bienen im Fruͤhling, wenn die Sonne mit dem Stier durch den Himmel faͤhrt, ihre volckreiche Jugend ſich in langen Trauben um den Stock herum anhaͤngen laſſen, da ſie inzwiſchen in dem friſchen Thau unter den Bluhmen hin und her fliegen, oder auf der glat - ten Plancke, der Vorſtadt ihrer Stroh-Feſtung, die mit Balſam neuuͤberſtrichen iſt, ſpatzieren, und von ihren Staats-Angelegenheiten reden. So dicht ſchwaͤrmeten dieſe Luft-Voͤlcker, und draͤngeten ſich, bis daß das Zeichen gegeben ward. Darauf konnte man Wunder ſehen! Diejenige, welche allererſt die rieſenmaſſigen Soͤhne der Erden an Groͤſſe uͤbertraffen, ſindjezo48Verl. Paradies. I. B. jezo kleiner als die ſchmaͤleſten Zwerge, und draͤngen ſich, wiewohl ſie unzaͤhlig ſind, in einen engen Raum zuſammen, ſie gleichen dem Volcke der Pigmeen jenſeit des Jndiſchen Gebuͤrges, und den zauberiſchen Aelfen, derer mitternaͤcht - lichen Mummereyen ein Bauer, der ſich verſpaͤ - tet hat, bey einem Wald oder einem Brunnen ſieht, oder ſich traͤumen laͤßt, indem der Mond herrſchend uͤber ſeinem Haupt ſteht, und jezo ſeinen blaſſen Lauf naͤher gegen der Erden nim̃t; alldieweil jene auf ihre Luſtbarkeiten und Taͤntze erpicht ſind, und ſein Ohr mit einer lieblichen Muſick ergetzen; ſo daß ihm ſein Hertz zu einer Zeit vor Luſt und vor Furcht pochet. Alſo zo - gen dieſe uncoͤrperlichen Geiſter ihre ungemeſſe - nen Geſtalten in die duͤnneſten Formen zuſam - men, und ſaſſen gantz geraume, wiewohl oh - ne Zahl, mitten in dem Saale dieſes hoͤlliſchen Palaſts. Aber weiter hinein, und in ihrem ei - genen Maaß, ſich ſelber gleich, ſaſſen die groſ - ſen ſeraphiſchen Herren und Cherubim, hinter beſchloſſenen Schrancken in abgeſonderten Zim - mern, auf guͤldenen Stuͤhlen, tauſend Halb - goͤtter, in voller Anzahl. Nach einem kurtzen Stillſchweigen und abgeleſenen Mahnungs - Briefen ward jezo der groſſen Berathſchlagung ein Anfang gemacht.

Alexan -[49]

Alexander Popen Verſuch Von den Eigenſchaften Eines Kunſtrichters Durch Hrn. Hofrath Drollinger uͤberſetzet.

[50][51]

Verſuch von den Eigenſchaften eines Kunſtrichters.

ES iſt ſchwer zu ſagen, worinnen mehr Ungeſchicklichkeit begangen werde, im uͤblen Schreiben, oder im uͤblen Urthei - len. Doch iſt das letzte gefaͤhrlicher als das erſte. Jenes ermuͤdet nur unſere Geduld, dieſes kan auch den Verſtand in Jrrthum fuͤhren. Nur wenige irren in jenem, aber in dieſem gar viele, und werden allezeit zehen verkehrt urtheilen, fuͤr einen der ungeſchickt ſchreibet. Ehedeſſen machte ein Thor ſich allein ſelbſt zu ſchanden; nun macht ein Thor in Verſen ſo viel andere in der Proſe.

Mit unſrem Urtheilen iſt es bewandt, wie mit unſern Uhren. Keine koͤmmt mit der andern juſt uͤberein. Und doch glaubt ein jeder der ſeini - gen. Jnzwiſchen iſt gleichwohl ein richtiger Ge - ſchmack bey einem Kunſtrichter eben ſo ſelten, als das aͤchte Poetiſche Feuer bey einem Dichter. D 2Beyde52Verſuch von den EigenſchaftenBeyde muſſen ihr Licht vom Himmel empfangen, und der erſte muß zum Urtheilen eben ſowohl geboh - ren ſeyn, als der lezte zum Schreiben. Nur die - ſe ſollten andere unterrichten,(a)Qui ſcribit artificioſe ab aliis commode ſcripta facile intelligere poterit. Cicero ad Heren. lib. 4. die ſelbſt groſſe Meiſter ſind, und nur dieſe ſolten frey tadeln duͤr - fen, die ſelber wohl geſchrieben haben. Es iſt wahr, ein Scribent iſt von ſeinem Witze einge - nommen: Aber iſt es der Kunſtrichter nicht auch von ſeinem Urtheile?

Zwar was den erſten Samen der Beurthei - lungskraft anbelangt, ſo finden wir ihn, nach genauer Einſicht, bey den meiſten Leuten. Die Natur giebt ihnen wenigſtens(b)Omnes tacito quodam ſenſu ſinc ulla arte aut ra - tione, quæ ſint in artibiis ac rationibus recta ac prava di - judicant. Cic. de Orat. lib. 3. ein glimmen - des Lichtgen. Die Anfangszuͤge dieſer Faͤhigkeit finden ſich richtig, obwol nur matt und ſchwaͤch - lich in ihnen entworfen. Allein wie ein gar zu ſchwacher Umriß, wenn er regelmaͤſſig iſt, durch ein ungeſchicktes Uebermalen nur deſto mehr ver - derbet wird, ſo wird auch die geſunde Ver - nunft durch eine falſche Schulgelehrtheit verſtellet. Manche werden in dem Jrrgarten der Schulen verwirrt, und manche aus bloſſen Einfaͤltigen, wozu ſie die Natur beſtimmt hatte, zu laͤcherli - chen Thoren. Dieſer verliehrt die Vernunft, weil er dem Witze nachjagt, und dann wird er ein Kunſtrichter, um ſich ſelbſt zu vertheidigen. Einer53eines Kunſtrichters. Einer haſſet alle Scribenten als ſeine Mitbuhler. Ein anderer beneidet nur die aufgeweckten Gei - ſter, wie ein Lahmer einen fertigen Taͤnzer. Die - ſe ſaͤmtlich fuͤhlen eine juckende Begierde, andere zu verlachen, und moͤchten gar zu gern auch hoͤh - niſch ſeyn koͤnnen. Maͤvius ſchreibt dem Apollo zum Aergerniſſe. Noch giebt es Leute, die noch ſchlimmer urtheilen, als Maͤvius ſchreiben kan.

Mancher konnte im Anfang fuͤr einen aufge - weckten Kopf, und dann gar fuͤr einen Dichter mitlaufen. Bald will er ein Kunſtrichter ſeyn, und da zeigt er ſich am Ende, als einen ausge - machten Narren. Einigen fehlt es beydes an Witz und an Urtheilskraft: Sie ſind wie die ſchwer - laͤſtigen Maulthiere, weder Pferde noch Eſel. Solcher halbgelehrten Witzlinge giebt es ſo viel in unſerer Jnſul, als des halb ausgebildeten Un - geziefers an den Ufern des Nils. Man weis nicht, wie man dieſe unbeſtimmten Dinge nennen ſoll, ſo ungewiß iſt ihr Geſchlechte. Alle zu er - zehlen brauchte man hundert Zungen, oder einen eitelen Witzling, der ihrer hundert muͤde machen koͤnnte.

Jhr derohalben, die ihr Ruhm austheilen und ſelbſt verdienen wollet, die ihr den ehrenvollen Na - men eines Critici mit Rechte zu fuͤhren verlanget, pruͤfet euch ſelbſt und eure Staͤrcke, und erforſchet ja wohl, wie weit euer Verſtand, euer Ge - ſchmack, und eure Wiſſenſchaft reichen. Wagt euch nicht weiter als ihr Grund findet, ſondern unterſcheidet vernuͤnftig und zeichnet den Punct wohl aus, da Verſtand und Dummheit zuſam -D 3men -54Verſuch von den Eigenſchaftenmentreffen. Die Natur hat allen Dingen be - queme Grenzen beſtimmt, und den Steigens be - gierigen Witz des ſtolzen Menſchen weislich nie - dergebogen. So wie die See, wenn ſie an ei - nem Orte etwas an Lande gewinnt, am andern weite Sandfelder zuruͤck laͤßt, ſo gehet es auch mit unſerer Seele. Weil das Gedaͤchtniß darin - nen vortrift, ſo fehlt es an den hoͤhern Kraͤften des Verſtandes. Und wo die Strahlen der warmen Einbildungskraft ſpielen, da pflegen die zarten Bilder des Gedaͤchtniſſes hinweg zu ſchmel - zen. Fuͤr einen Geiſt ſchickt ſich nur eine Wiſſen - ſchaft. So groß iſt der Umfang der Kunſt, und ſo enge ſind des Verſtandes Grenzen. Ja wir muͤſſen uns nicht nur an eine einige Wiſſenſchaft, ſondern offt allein an einzele Theile derſelben be - ſchraͤncken. Sonſt geht es uns wie einem Mo - narchen, der die bereits gemachten Eroberungen verliehret, weil er aus Ehrgeitz immer neue ma - chen will. Jeder wuͤrde ſeinen Poſten wohl be - haupten, wenn er ſich nur an das hielte, was er verſtehet.

Zuvorderſt folget der Natur und meſſet euer Urtheil nach ihrem gerechten und unaͤnderlichen Probmaaſſe. Sie irret niemahls. Sie iſt ein klares, ein allgemeines, ein unwandelbares Licht. Sie giebt allem Kraft, Leben und Schoͤnheit. Sie iſt zugleich die Quelle, der Endzweck und die Probregel der Kunſt. Aus ihrem Vorrath nimmt die Kunſt alles, was ſie mit Rechte braucht. Sie wircket ohne ſich zu zeigen und herrſchet ohne Gepraͤnge. So macht es in einem ſchoͤnen Lei -be55eines Kunſtrichters. be die darinnen verborgene Seele, wenn ſie ihn mit Kraft und Lebensgeiſtern erfuͤllt, wenn ſie je - de Bewegung regieret, jede Nerve unterhaͤlt, und doch ſelbſt nicht ſichtbar iſt, als in ihren Wirckungen. Bey manchem, der einen reichen Vorrath an Witze vom Himmel bekommen, fin - det ſich eben ſo viel Mangel ihn recht zu verwal - ten. Denn Witz und Urtheilskraft ſind immer im Zanke, obgleich eines dem andern wie Mann und Weib zur Huͤlfe beſtimmet iſt. Es iſt ſchwe - rer den Pegaſus zu leiten, als anzuſpornen, und ſeine Hitze zu maͤſſigen, als ſeinen Lauf zu rei - zen. Der gefluͤgelte Laͤufer iſt gleich einem edlen Pferde. Er zeiget niemalen ein ſchoͤners Feuer, als wenn man ihn vernuͤnftig zuruͤckehaͤlt.

Alle dieſe Regeln, welche die alten entdeckt und nicht ſelbſt erſonnen haben, ſind immer die Na - tur, aber die Natur in richtiger Lehrart. Die freye Natur gleicht einer Monarchie. Sie wird allein durch ſolche Geſetze beſchraͤncket, welche ſie anfangs ſelbſten gegeben hat.

Hoͤret wie das gelehrte Griechenland uns ſeine lehrreiche Regeln eroͤffnet, wann wir unſern Flug zuruͤcke halten, wann wir ihm Freyheit geben ſollen. Mich deucht, ich ſehe es, wie es uns ſei - ne Soͤhne auf dem hoͤchſten Gipfel des Parnaſſus zeiget, und die ſchweren Wege andeutet, die ſie betreten hatten. Es haͤlt den unſterblichen Preiß von ferne in der Luft, und reizet die andern, mit gleichen Schritten auch dahin aufzuſteigen. Es machte die richtigſten Regeln aus groſſen Exem - peln, und nahm von den trefflichſten Geiſtern,D 4was56Verſuch von den Eigenſchaftenwas ſelbige vom Himmel empfangen hatten. (c)Nec enim artibus editis factum est ut argumenta inveniremus. Sed dicta ſunt omnia antequam præcipe - rentur; mox ea ſcriptores obſervata & collecta ediderunt. Quintil. Ein edelgeſinnter Criticus fachte damals des Poe - ten Feuer an, und lehrte die Welt, wie ſie mit Vernunft bewundern ſollte. Die Critick war der Muſen Aufwaͤrterin, welche fuͤr ihren Aufputz Sorgetrug, um ſie dadurch liebenswuͤrdiger zu ma - chen. Aber wie ſehr entfernten ſich nicht die nach - folgenden Witzlinge von dieſer Abſicht? Die die Muſe nicht gewinnen konnten, die buhlten mit der Dienerin. Sie warfen ſich ſelbſt zu Herren auf und fiengen an ein beſonders Gewerbe zu trei - ben. Ja ſie kehrten wider die Dichter ihre ei - genen Wafen und ermangelten niemals ihre Lehr - meiſter am heftigſten zu haſſen. So macht es heu - te ein Apotheker, wenn er aus des Doctors Re - cepten gelernet hat, ſelbſt einen Doctor zu ſpielen. Er wird ſo verwegen in der Ausuͤbung uͤbel ver - ſtandener Regeln, daß er getroſt verſchreiben, eingeben, und ſeinen eigenen Meiſter fuͤr einen Narren ausſchreyen darf. Manche fallen wie Raͤuber uͤber die Schriften der Alten und verhee - ren mehr daran, als Zeit und Motten jemals thun koͤnnen. Weil anderwerts ein trockener Re - gelſchmied ohne einigen Erfindungsſchmuck mage - re Recepte daher ſchreibt, wie man Gedichte machen ſolle. Dieſe raͤumen die Vernunft hin - weg um ihren Schulkram auszulegen, und jeneerklaͤ -57eines Kunſtrichters. erklaͤren einen Scribenten ſo kuͤnſtlich, daß nichts vom Verſtande uͤbrig bleibt.

Jhr alſo, die ihr im Urtheilen die rechte Straſſe brauchen wollet, bemuͤhet euch den Character je - des Alten wohl zu erkennen. Ueberleget auf je - dem Blatte die Fabel, den Jnhalt und den End - zweck. Erforſchet ſeine Religion, ſein Vaterland, den Geiſt und die Art ſeiner Zeiten. Liegen euch alle dieſe Umſtaͤnde nicht auf einmal vor Augen, ſo moͤget ihr wohl kluͤgeln, aber niemals mit Be - ſtande urtheilen. Laſſet euch die Werke des Ho - mers eure Bemuͤhung und eure Wolluſt ſeyn. Leſet ſie bey Tage, und uͤberleget ſie bey Nacht. Aus dieſen muͤſſet ihr euer Urtheil bilden, eure Be - griffe nehmen, und alſo den Muſen aufwaͤrts bis zu ihrem Urſprunge nachfolgen. Durchleſet den Text ohnermuͤdet. Vergleichet ihn mit ihm ſelb - ſten, und brauchet die Mantuaner-Muſe zur Aus - legung daruͤber. Da der junge Maro erſtmals von Koͤnigen und Schlachten ſang,(d)Cum canerem Reges & prœlia, Cynthius aurem vellit. Virgil. Eclog. 6. eh ihm noch der warnende Phoebus ſein zitternd Ohr ge - ruͤhret hatte, ſo glaubte er ſich vielleicht auch - ber die Geſetze der Critick erhaben, und hielt ſichs ſchimpflich, aus einem andern als der Natur Brunnen zu ſchoͤpfen. Aber da er alles Stuck - weiſe unterſucht hatte, da fand er, daß die Na - tur und Homer einerley waren. Ueber dieſe Wahrheit erſtaunet, bezaͤumte er ſein verwege - nes Vorhaben, und ließ uns ein Werck, dasD 5nach58Verſuch von den Eigenſchaftennach den ſtrengſten Regeln ſo genau ausgearbei -