PRIMS Full-text transcription (HTML)
Sammlung Critiſcher, Poetiſcher, und andrer geiſtvollen Schriften, Zur Verbeſſerung des Urtheils und des Wizes in den Wercken der Wolredenheit und der Poeſie.
Erſtes Stuͤck.
[figure]
Zuͤrich,BeyConrad Orell und Comp.1741.

Von dem Vorhaben und dem Endzwecke dieſer Sammlung.

DJe critiſchen Abhandlungen, welche ſeit zwanzig Jahren, und vornehm - lich im lezt vergangenen 1741ſten Jahr von etlichen bekannten Kunſtrichtern dieſer Stadt nach Schleſien und Sachſen, als das Vaterland der deutſchen Muſen, geſchikt wor - den, ſind daſelbſt nicht von jedermann mit Abneigung Verachtung und Verdruſſe gele - ſen worden. Etliche wenige abſonderliche Perſonen haben mehr davon gehalten, als der groſſe Haufen der Leſer. Sie haben zu ver - ſtehen gegeben, daß ſie ſich fuͤr ſich ſelber, fuͤr ihre Vaͤter, und das Vaterland ſchaͤmten,) (2daßdaß man bisher an ſchlechtem und verworre - nem Zeuge, was Poeſie und Wohlredenheit anlanget, mehr Geſchmakes gefunden, als an dem Guten und Vortrefflichen, das man in den Schriften Opizens, Hallers, und ihres gleichen noch aufweiſen kan. Sie haben ſich gefuͤrchtet, daß man ſie unter dem gemeinen Haufen der deutſchen Leſer uͤberſehen, und mit ihnen fuͤr gleich ſchuldig halten moͤgte; ſie haben in den Urtheilen dieſer kunſtverſtaͤndi - gen Schweizer nicht willkuͤrliche Ausſpruͤche, ſondern die Stimme der Vernunft, die aus der natuͤrlichen Empfindung und der nothwen - digen Uebereinſtimmung der Vorſtellungen mit dem menſchlichen Gemuͤthe redet, wahrgenom - men und erkannt, und es hat ihnen oͤfters ge - ſchienen, ſie erinnerten ſich der Wahrheiten nur, die ſie von ihnen hoͤreten.

Jch habe Briefe von beruͤhmten iztlebenden Maͤnnern geleſen, worinnen ſie ſich mit der hoͤchſten Sorgfalt uͤber dieſen Punct erklaͤrt haben. Einer von ihnen hat es mit dieſen Worten gethan:

Jch bitte von dem Leip - ziger-Geſchmak nicht zu urtheilen nach de - nen vielen ſchlechten Stuͤken, die hier her - auskommen. Sie ſind nirgend mehr ver - achtet, als ſelbſt in Leipzig, aber die Licenz iſt zu groß.

Ein andrer, der ſelbſt ein geſchikter Poet iſt, hat ſchon in 1724. dieaus -ausdruͤkliche Klage daruͤber gefuͤhrt:

Wa - rum ſind wir ſo ungluͤklich, daß die Zuͤr - chiſchen Kunſtrichter, ungeachtet ſie ihre Zuſammenkuͤnfte fortſezen, uns dennoch ih - re Arbeit mißgoͤnnt? Halten ſie uns alle fuͤr ? Oder glauben ſie wohl gar, daß wir alle von dem Geſchmake des ſeyn? Wir haben beſſere Kenner in Leipzig, und darunter einige ſo aufgewekte Koͤpfe, und zugleich Grundgelehrte Leute ꝛc.

Jn einem andern Briefe entſchuldiget eben dieſer die geringe Anzahl der Kenner gu - ter Schriften auf eine ſcharfſinnige Weiſe:

R allein, ſagt er, kan vor eine gan - ze Menge dienen, denn er ſchreibt ſehr ſinn - reich, natuͤrlich und wohlflieſſend, und wenn man je hin und wieder einige Wort - ſpiele, oder etwas zu hochſteigendes bey ihm antrifft, ſo iſt es weniger dem Man - gel an gutem Geſchmak, als der Thorheit des gelehrten Poͤfels daſelbſt zuzuſchreiben, dem zu gefallen er dergleichen einflieſſen laſ - ſen muß, weil ſolche Leute ſonſt glauben, man koͤnne nicht ſcharfſinnig, oder, wie ſie ſagen, hoch ſchreiben, ſo bald ſie verſte - hen, was ſie leſen; da er doch ſonſt alle - zeit wieder die ſchwuͤlſtige hochtrabende Schreibart geſtritten, und in allen derglei -) (3 chen chen Meinungen ſich beſtaͤndig auf meine Seite geſchlagen.

Wir haben hier zugleich eine Urſache, wa - rum Maͤnner von geſundem Geſchmake, die ſo reine Begriffe von ihrer Kunſt haben, den - noch oͤfters derſelben zuwieder nach dem Ge - ſchmake des Poͤfels ſchreiben.

Sie haben das Herz nicht, den Vorurthei - len des vornehmen Poͤfels entgegen zu han - deln, und der Meinung, welche den Schwang nicht hat, beyzufallen. Ob ſie noch etwa die Kuͤhnheit haben, die Augen aufzuthun, und ſelbſt zu ſehen, ſo folgen ſie doch nicht dem Beſſern, das ſie einſehen, ſondern dem Sch[l]immern; und mancher haͤlt es ſich vor eine Schande

Parere minoribus & quæ Imberbes didicere ſenes perdenda fateri.

Darum hat Herr Weichmann ohne Zweifel die allzuharten und ſchwuͤlſtigen Metaphoren, die laͤppiſchen Wortſpiele und dergleichen Zeug, mehrentheils freywillige Schwachheiten des Verſtandes geheiſſen. Damit hat er zwar vor - gehabt, die Scribenten, die dergleichen haben, zu beſchoͤnigen, aber ſie nur ſtrafwuͤrdiger ge - macht, gleichwie die Suͤnden, die mit Wiſ - ſen und Vorſaz gethan werden, die ſchwerern ſind.

Noch

Noch einer von meinen Freunden, der zu unſren Nachkindern eine ſo gute Hoffnung traͤgt, als er von den gegenwaͤrtigen Zeiten uͤbel denket, meinet, es werde denſelben eben ſo unwahrſcheinlich vorkommen, daß ehmahls gewiſſe theils waſſerſuͤchtige theils windduͤrre Scribenten die Herrſchaft uͤber den Geſchmak gefuͤhret haben, als es izo dem gemeinen Schwarm unglaublich vorkoͤmmt, daß etliche wenige Privatperſonen ſich wider das, was allen, wie ſie ſagen, gefaͤllt, auflehnen duͤrf - fen.

Es moͤgte noch zu glauben ſeyn, ſagt er, daß um den Unterhalt und das Gluͤk bemuͤhete Leute, oder Lehrlinge, die der Ruthe nur erſt entronnen ſind, vornehmen Stuͤmpern und gefuͤrchteten Orbilen, bey - ſtimmeten, welche, uns zur Straffe, mit dem Wahnwiz geſchlagen worden, daß ſie ohne Geiſt und Gelahrtheit Poeten und Redner heiſſen wollen; aber daß ſo viele geſchikte Koͤpfe von Adel, von Stands - perſonen, von Maͤnnern, die in ihrem Ruhme und Gluͤke feſt ſtehen, ſolches nicht nur eine ſo lange Zeit ungeantet gelitten, ſondern ihnen noch mit ihrem Zujauchzen geheuchelt haben, meint er, waͤre eine Ge - faͤlligkeit, eine Hoͤflichkeit, die eben ſo wi - derſinnig ſey, als ſie ſchaͤdlich und ungerecht iſt. Kein Wunder, ſchließt er, wenn die) (4 Aus - Auslaͤnder daher Anlaß nehmen, ſo gar nachtheilige Meinungen von dem Geſchma - ke und dem Wize der Deutſchen uͤberhaupt zu faſſen, wie neulich der Autor der Briefe uͤber die Franzoſen und Deutſchen mit einem triumphierenden Thone an den Tag gegeben, und dem geſammten geiſtreichen Deutſch - land Hohn geſprochen hat.

Die Hoͤflich - keit iſt fuͤrwahr liebenswerth, ſie macht die Wahrheit angenehm, und verſuͤſſet das Bit - tere, ſo die Vorruͤkung unſrer geringern Ein - ſicht mit ſich fuͤhrt; aber ſie wird zu einer nie - dertraͤchtigen Unbilligkeit, wenn ſie die beſſere Wiſſenſchaft in hoher Wuͤrde ſtehnden Schmie - rern aufopfert: es iſt eine verraͤtheriſche Zag - heit, die Wahrheit, die man erkennet, zu verleugnen, zumahl wenn es weder das Gluͤk noch den Kopf gilt. Fuͤrchtet man, daß es den Ruhm koſten moͤgte, als der in der Ge - walt derjenigen ſtehe, welche izo Beyfall und Anſehen haben, und die uͤber die Preſſen, uͤber die Buchhaͤndler, und die gelehrten Mo - natſchriften meiſter ſind, ſo ſezt man zu viel Mißtrauen in das Vermoͤgen der Geſchicklich - keit, die ſich bloß mit ihrer eignen Staͤrke oh - ne die Huͤlfe mechaniſcher Triebraͤder zu erhal - ten vermag. Jndem man auf dieſe Weiſe das Lob derer, mit welchen man umgehet, zu unbedachtſam ſuchet, verſcherzt man denBey -Beyfall der izo noch nicht gebohrnen Welt, man zieht das hinfaͤllige Lob, das man bey Le - ben genieſſet, dem beſtaͤndigen vor, das man ſich erſt nach dem Tod erwerben koͤnnte; oder vielmehr, man will lieber mit elendem Zeuge, das izo gefaͤllt, ein eiteles Lob bey den meh - rern erhalten, als ſich mit einem gegruͤndeten Lob etlicher weniger begnuͤgen, die keine Zahl ausmachen. Ein Lob, das wenn es gleich von den Scribenten ihrer Nation auf den hoͤch - ſten Gipfel der Schmeicheley erhoben wird, von den mittelmaͤſſigen Schriftſtellern andrer Nationen ihnen unter Augen auf die ſpoͤttlichſte Weiſe vernichtet wird!

Dieſes iſt mithin eine Haupt-Urſache, daß die aufrichtige und eben ſo großmuͤthige als bil - lige Critick nicht ſo ſtarke Schritte zu ihrer Vollkommenheit thut, als ohnedieß geſchehen wuͤrde. Die ſchaͤdlichen Bemuͤhungen derje - nigen, welche ihr allzu helles Licht ſcheuen, mittelſt tauſend Kunſtſtreiche, hoͤniſcher Aus - legungen, dreiſter Ausſpruͤche, poͤfelhafter Schimpfreden, falſcher Auszuͤge, gelehrter Zu - ſammenſchwoͤrungen, den freyen Durchbruch critiſcher Schriften zu hemmen, behalten um ſo viel leichter die Oberhand, und ihre Par - tey iſt noch immer an der Anzahl, wie die Ge - genpartey nur am Gewichte, uͤberlegen.

) (5Wenn

Wenn man denn wenigſtens Mittel und Wege erfinden koͤnnte, den verderbten Wil - len in beſagten Stuͤken zu verbeſſern, die zag - hafte Furcht aus dem Wege zu raͤumen, die Liebe zu dem Wahren anzuflammen, und die Großmuth zu deſſen Verfechtung in die Her - zen zu pflanzen, ſo wuͤrde der Geſchmak, wenn der Verſtand mit Freyheit wuͤrkete, bald fei - ner und allgemeiner werden. Wir wuͤrden nicht ganze Jahrhunderte noͤthig haben, den - ſelben bey uns auf den gewuͤnſchten Gipfel der Verbeſſerung zu erheben. Man hat eine ſo lange Zeit zu dieſem Werke in der erſten Vor - rede zu den critiſchen Beytraͤgen in Leipzig ge - fodert. Es heißt daſelbſt:

Daß mehr als ein Jahrhundert dazu gehoͤre, wenn ein ganzes Volk aus ſeiner natuͤrlichen Rauhig - keit geriſſen werden ſoll. Opiz, der einen ganz andern Geſchmak bey den Deutſchen eingefuͤhrt, ſey noch nicht hundert Jahre todt, und wir ſeyn mit der Ausfuͤhrung ei - nes ſo groſſen Werckes, als die Verbeſſe - rung des Geſchmakes der Deutſchen iſt, kaum bis auf die Helfte gekommen.

Was vor eine Langſamkeit ſchreibt man hier den Deut - ſchen zu, nicht ohne eine heimliche Beſchuldi - gung einer ziemlichen Plumpheit? Laſſet uns ein beſſeres Vertrauen zu der Geiſtes - und Verſtandes-Fertigkeit unſrer Landsleute ha -ben.ben. Warum ſolten wir ſo viel Jahre zubrin - gen, den Geſchmak zu ſuchen, der doch ſchon gefunden iſt? Die Betrachtungen der Schrif - ten der vortrefflichen auslaͤndiſchen Scribenten ſowohl der alten als der neuen, wohluͤberlegte Anmerckungen daruͤber, wovon ſie ſelbſt ſchon gruͤndliche Lehrbuͤcher geſchrieben haben, leh - ren uns viele Sachen, auf welche das eigne Erfinden den fertigſten Geiſt ſehr langſam und ſptaͤh gefuͤhrt haͤtte; man kan ſich in einem Tage derer Kunſt - und Handgriffe bemaͤchti - gen, welche den Erfindern viele Jahre Arbeit und Nachſuchen gekoſtet haben. Wir wollen darum der Hoffnung, dieſe allgemeine Verbeſ - ſerung zum Stande gebracht zu ſehen, kein ſolch entferntes Ziel ſezen, das weit uͤber un - ſer Leben hinausreichet. Statt die Gemuͤ - ther durch dergleichen zaghafte Ausrechnungen niederzuſchlagen, wollen wir vielmehr unſer Beſtes thun, und denn andern uͤberlaſſen nach - zuſehen, wie weit wir es gebracht haben.

Jn dieſer Gemuͤthesverfaſſung iſt man auf das Vorhaben gefallen, unter dem Titel ei - ner eritiſch-poetiſchen Sammlung ein Werk anzufangen, in welchem den Scribenten, die zu unſren Zeiten mit Poeſie, Wohlredenheit, Critick, Sprachlehre, umgehen, Lob und Ta - del nach Verdienen zugetheilet wuͤrde; worin - nen die Urtheile nicht auf die veraͤnderlichenEm -Empfindungen, die von Vorurtheilen regiert, und von Gunſt, Furcht, Haß, angeſchuͤret werden, ſondern auf die beſtaͤndig gleiche Na - tur des Menſchen, und derſelben Verhaͤltniß mit den vorgeſtellten Gegenſtaͤnden geſezet waͤ - ren; wo man ein abſonderliches Auge auf die ſchlimmen Kunſtgriffe richtete, die angewendet werden, die Vorurtheile, woraus der elende Geſchmack entſteht, bey Kraͤften zu erhalten, und mittelſt derſelben das Monopolium in der Poeſie und Wohlredenheit fortzufuͤhren. Die Schweiz iſt zu dergleichen Vorhaben vor an - dern Laͤndern bequem. Die Freyheit, die daſelbſt im Staat regiert, erſtreket ihren nuͤz - lichen Einfluß bis in die Schriften, die da - durch einen gewiſſen Werth der Aufrichtigkeit und der Großmuth bekommen. Die Entfer - nung dieſer Landesgegend von dem Vaterlande der Poeten und Redner, und von dem Ge - biethe derer, welche ſich ihrer aus Liebe oder Haß annehmen; der Vortheil eines Ortes, wo man ſie nicht weiter kennt, als aus ihren Schriften, und die Hochſchaͤzung oder Ver - achtung derſelben allein nach der innerlichen Beſchaffenheit formiert, macht uns eine ſiche - rere Hoffnung zu unpartheyligen Urtheilen. Und da mittelſt dieſer Sammlung ein Verfaſ - ſer in den ſchweizeriſchen Gebuͤrgen, wie in einem Hinterhalt, verborgen liegt, verſprichtmanman ſich, daß die geſchickten Sachſen und Schleſier, die das Elend einiger von ihren be - ruͤhmteſten Scribenten erkennen, aber durch den Strohm des groſſen Haufens, durch Hoͤflichkeit, durch Freundſchaft, durch Schre - ken, durch Furcht, genoͤthiget ſind, mit dem Munde zu verehren, was ſie im Herzen ver - lachen, dieſe Gelegenheit ergreiffen werden, der Wahrheit Zeugniß zu geben, und einiger - maſſen in der Ferne wieder gut zu machen, was ſie in ihrer Heimath verderben. Dadurch koͤnnen ſie die Nachwelt auf das allergewiſſe - ſte uͤberzeugen, daß das verderbte Urtheil bey den jeztlebenden Kunſtrichtern nicht allgemein iſt; ſondern, ſo oft man zu unſern Zeiten von dem uͤbeln Geſchmake der Deutſchen re - det, eine billige Ausnahme von einer ſtarken und ins Auge fallenden Anzahl gruͤndlicher und vortrefflicher Kenner vorauszuſetzen ſey.

Man uͤberlaͤßt einem jeden, ſeiner Arbeit, die er durch dieſen Weg bekannt machen will, eine Form nach ſeinem Belieben zu geben, doch wird man diejenigen Stuͤke am wertheſten halten, worinnen der trukene Vortrag der dogmatiſchen Lehre auf eine muntere Weiſe belebet wird; und man wird den Schertz alle - zeit hochachten, der aus der Sache ſelber her - vorfließt, und nichts anders iſt, als eine kunſt - reiche Vorſtellung des Laͤcherlichen, das inderder Materie enthalten iſt, und ſie in dem wah - ren Licht vorſtellig macht. Das Geſpoͤtte ſteht vornehmlich denen wohl an, welche zuerſt den Grund der Thorheiten und Fehler, die ſie izo zum Gelaͤchter machen wollen, durch ernſt - liche Unterſuchungen in verknuͤpfter Ordnung angezeiget haben. Denn es iſt nicht genug, daß es ſchamroth mache, es muß daneben auch unterrichten. Dergleichen Schertz iſt mit de - nen Einfaͤllen eines Luſtigmachers, die keinen andern Grund, als deſſen verkehrte Phanta - ſie haben, gar nicht einerley.

Neben dieſen critiſchen, polemiſchen, und ſatiriſchen Schriften wird man bedacht ſeyn, geſchickte Muſter in allen Gattungen der Dicht - und Redekunſt beydruͤken zu laſſen, da - mit man nicht nur Regeln ſondern auch Exem - pel gebe. Dieſe werden aus wohlgerathenen Verſuchen, aus Entwuͤrffen zu groͤſſern Wer - ken, aus Proben und beſondern Stuͤken be - ſtehen, ſie ſeyn urſpruͤnglich von einem Deut - ſchen verfertigt, oder nur aus einer auslaͤndi - ſchen Feder geſchickt uͤberſezet; ſie ſeyn bisda - hin ungedruͤckt, oder verdienen, da ſie ſchon gedruͤckt, und dennoch aus Nachlaͤſſigkeit im Vergeſſen geblieben ſind, an das Licht her - vorgezogen zu werden.

Man

Man gedenckt ſich mithin den Zaum nicht ſo kurtz zu halten, daß man nicht nach Gele - genheit der Umſtaͤnde auch ſolchen Werken oder deren Beurtheilungen einen Platz in die - ſer Sammlung einraͤumen werde, welche nach ihrer Haupt-Abſicht zwar nicht zu den oben - gedachten Kuͤnſten gehoͤren, die aber in ihrer Ausfuͤhrung und Abhandlung einen ausneh - menden Grad von Geiſt, Scharfſinnigkeit, und Geſchicklichkeit, bliken laſſen.

Gelingt es alſo demjenigen, der die Auf - ſicht uͤber dieſe Sammlung auf ſich genom - men hat, ſo wird man darinnen nicht bloſſe Verſicherungen von dem Vermoͤgen des Gei - ſtes, und des Urtheiles, das die Deutſchen noch im Verborgenen beſizen, und man uns auf unſer Wort glauben muß, antreffen; ſondern man wird den Beweiß deſſen im Wer - ke und in der That vor Augen ſehen. Wer - den ihm nur die muntern und verſtaͤndigen Koͤpfe Deutſchlandes mit ihrer Beyhuͤlffe eini - germaſſen an das Rad ſtehen, und ihm die Staͤrke ihres Geiſtes und die Richtigkeit ihres Verſtands in vortrefflichen Proben offenbaren und bekannt machen, es ſey in poetiſchen Schrif - ten durch die vielfaͤltige Ausuͤbung ihrer Kunſt, oder in critiſchen Abhandlungen, worinnen die Verſchiedenheit der Kunſt nach der Verſchie -den -denheit einer beſondern Materie in dem Gan - zen und in den Stuͤken, in dem eigenen Lich - te ihrer Trefflichkeit an den Tag geleget wird; ſo wird ſolches das beſte Mittel ſeyn, denje - nigen, welche unſrer Nation ihres Geſchma - kes wegen uͤbels nachreden, den Mund zu ſto - pfen.

Probe[1]

Probe Einer neuen Ueberſetzung Johann Miltons Verlohrnen Paradieſes.

Das erſte Buch.

SJnge, himmliſche Muſe, von dem er - ſten Ungehorſam des Menſchen, und der verbothenen Frucht, die mit dem Verluſt Edens das Elend und den Tod in die Welt gebracht hat, welche allda herrſchen ſoll - ten, bis daß ein groͤſſerer Menſch uns zu Huͤlfe kaͤme, und den gluͤckſeligen Sitz fuͤr uns wieder eroberte. Du, welche auf dem geheimen Gi - pfel Horebs oder Sinai den Schaͤfer unterwie - ſen, der den erwehlten Saamen zuerſt gelehrt[Critiſche Sam̃l.] Ahat,2Johann Miltonshat, wie der Himmel und die Erde im Anfange aus dem Chaos entſprungen ſeyn, ſteige auf mein Bitten von da, oder, wenn dir der Berg Sion und die Bache Siloah, die ſo nahe an dem goͤttlichen Orackel floß, angenehmer ſind, von denſelben herunter, meinen kuͤhnen Geſang anzuleiten, der mit einem mehr als mittelmaͤſſi - gen Fluge uͤber den Aoniſchen Berg hinaus flie - gen will, indem er Sachen auf die Spur gehet, die niemand bisdahin weder in Proſa noch in Reimen unternommen hat zu entdecken. Und du vornehmlich, o Geiſt, der mehr von einem aufrichtigen und reinen Hertzen haͤlt, als von allen Tempeln, unterrichte du mich, denn du weiſſeſt von dieſen Dingen, du wareſt zuerſt da - bey gegenwaͤrtig, und ſaſſeſt einer bruͤtenden Taube gleich mit ausgebreiteten Fluͤgeln auf dem ungemeſſenen Abgrund; und machteſt ihn fruchtbar. Erleuchte, was in mir dunckel iſt; erhoͤhe und unterſtuͤtze, was niedrig iſt, daß ich der Hoheit meines edeln Vorhabens gemaͤßdieSteige auf mein Bitten) Da der Stof zu dieſem Ge - dichte groͤſtentheils aus der Welt der Geiſter hergenommen war, welche den ſterblichen Menſchen verſchloſſen iſt, konn - te der Poet keine Nachrichten davon haben, als aus der Erzehlung eines von ihren geiſtlichen Einwohnern. Die - ſes machte denn ſeine Anruffung gantz nothwendig. An - dere Poeten, die von menſchlichen Begebenheiten reden, duͤrften eben ſich nicht zu den Bewohnern des Himmels wenden, ſie um Nachrichten von dem zu fragen, was auf Erden, ihrem eigenen Wohnplatz, geſchieht, und wovon ihnen die irdiſchen Menſchen genugſamen Bericht mitthei - len koͤnnten.3Verl. Paradies. I. B. die ewige Vorſehung vertheidigen, und die Wege Gottes unter den Menſchen retten moͤge.

Sage zuerſt, denn der Himmel haͤlt vor dei - nem Geſichte nichts verborgen, und der tiefe Strich der Hoͤlle nichts; ſage zuerſt, was vor eine Urſache bewog unſre groſſen Stammaͤltern in ihrem gluͤckſeligen Stande, der von dem Himmel ſo trefflich beguͤnſtiget worden, daß ſie von ihrem Schoͤpfer abfielen, und ſeinen Willen um einer einzigen Einſchraͤnckung we - gen uͤbertraten, da ſie doch uͤbrigens Herren der Welt waren? Wer beredete ſie zu dem ſchaͤndlichen Aufſtand? Der hoͤlliſche Wurm. Derſelbe betrog durch ſeine Liſt die Mutter des menſchlichen Geſchlechts, von Mißgunſt und Rachgier dazu angereizet, nachdem ſein Hoch - muth ihn mit ſeinem ganzen Heere aufruͤhri - ſcher Engel aus dem Himmel verjaget hatte; weil er geſtrebet, ſich an Herrlichkeit uͤber ſei - ne Geſellen zu erheben, und ſich getrauet, vor dem Hoͤchſten, wenn dieſer ſich ihm wider - ſetzete, zu beſtehen, ſo daß er in dem Himmel mit einem ehrſuͤchtigen Endzwecke einen gottlo - ſen Krieg und eine ſtoltze Schlacht angezettelt. Ein eiteles Unternehmen! Die allmaͤchtige Kraft warf ihn von der etheriſchen Buͤhne mit einem graͤßlichen Fall und Brand flammend in das bodenloſe Verderben hinunter; daſelbſt ſoll - te derjenige in diamantenen Ketten und einem ſtraffenden Feuer wohnen, welcher den Allmaͤch - tigen zu einer Schlacht hatte auffordern doͤrf - fen.

A 2Neun -4Johann Miltons

Neunmahl das Zeitmaaß, mit welchem die ſterblichen Menſchen Tag und Nacht zu meſ - ſen pflegen, lag derſelbe mit ſeinen greulichen Haufen beſieget, und welzete ſich in dem feuri - gen Meerbuſem herum, ſinnlos, obgleich un - ſterblich. Aber ſein Gericht verſparte ihn zumehrNeunmahl das Zeitmaaß, mit welchem ꝛc.) Der Poet ſagt nicht ſchlechtweg, neun Tage, weil er uns in den Ort fuͤhren wollte, wo die Scena ſeiner Handlung lieget. Jn der Hoͤlle giebt es keine Tage, es iſt daſelbſt lauter Finſterniß, die nur durch die Flammen des feurigen Meer - buſems etwas erleuchtet wird, daß man dabey ſehen kan; daher ſie Milton eine ſichtbare Dunckelheit heißt; das iſt, eine Dunckelheit, dabey man, wie in einer ſtarcken Daͤm - merung, ein wenig Licht ſieht. Hr. Voltaire hat wider die Meinung des Poeten dieſe ſichtbare Dunckelheit ſo verſtan - den, daß es eine Dunckelheit waͤre, die man mit den Augen ſehen koͤnnte. Uebrigens iſt es nicht ohne Nutzen, daß Milton die Zeit beſtimmt, wie lange die Engel nach ihrem Falle vom Himmel ſinnlos und ohnmaͤchtig gelegen ſeyn. Dieſe Beſtimmung bringt viel mehr Leben und Wahr - ſcheinlichkeit in ſeine Erzehlung, als wenn er auf eine un - beſtimmte Weiſe geſagt haͤtte, ſie waͤren eine lange Zeit in der Ohnmacht gelegen. Eine Ohnmacht von neun Ta - gen ruͤhrt uns mehr, als eine lange Ohnmacht; und zei - get uns einen Geſchichtſchreiber, der von dem, was er erzehlet, genauere Nachrichten hat. Waͤltzete ſich in dem feurigen Meerbuſem ſinnlos, ob - gleich unſterblich) Magni beſchuldiget den Poeten, daß er hier die Beraubung der Sinne mit den feurigen Wellen zuſammengereimet habe. Allein das Herumwaͤltzen Sa - tans und ſeiner Geſellen war nicht eine Wuͤrckung einer in - nerlichen Kraft derſelben, ſondern der Gewalt, womit ſie von dieſem wuͤtenden Sturmfeuer in dem Pful hin undher5Verl. Paradies. I. B. mehr Qual. Denn jezo plaget ihn der Gedan - ke von der verlohrnen Gluͤckſeligkeit und der im - merwaͤhrenden Pein. Er warf rund herum ſei - ne giftvollen Augen, welche von einer hohen Betruͤbniß und Schwachheit, die mit einem verſtockten Stoltz und hartnaͤckigten Haſſe ver - miſchet waren, Anzeige gaben. Er uͤberſieht auf einmahl, ſo ferne als engliſche Blicke rei - chen moͤgen, die traurige, wuͤſte und wilde Ge - gend. Eine greuliche Tiefe, die zu allen Sei - ten rund herum, wie ein groſſer Ofen, in Flam - men ſtuhnd; jedoch ſchoß kein Licht von dieſen Flammen, ſondern vielmehr eine ſichtbare Dun - kelheit, bey welcher man Geſichter voll Jam - mers, Landſchaften voll Kummers, erſchreck - liche Schatten, erblickte; wo Friede und RuheA 3nie -her geſchlagen wurden. Eben ſo wohl reimet ſich die Ohn - macht derſelben mit ihrer Unſterblichkeit. Von der Berau - bung der Sinne iſt zwar nur noch ein Schritt bis zum Tod, doch iſt ſie noch nicht der Tod ſelbſt. Der Poet konnte die Erſchlagung der gefallenen Engel nicht nachdruͤcklicher vor - ſtellen, als durch dieſen unempfindlichen Zuſtand, der dem Tod und der Zerſtoͤrung ſo aͤhnlich iſt. Er ſtreitet mit der Unſterblichkeit derſelben um ſo viel weniger, weil dieſe die Unſterblichkeit nicht von einer eigenen Kraft, ſondern von dem Willen des Schoͤpfers hatten.Eine ſichtbare Dunckelheit) Die Dunckelheit iſt eigent - lich unſichtbar, indem darinnen weder Maß noch Geſtalt zu erkennen iſt; wenn ſie ſichtbar werden ſoll, ſo daß man die Dinge einigermaſſen unterſche den kan muß ſie von ihrer Dicke vieles verliehren. Alſo ſchwaͤcht das Beywort Sicht - bar die Kraft der Bedeutung in dem Worte Dunckeiheit.6Johann Miltonsniemahls wohnen kan, die Hoffnung, die an alle Orte koͤmmt, ſich niemahls einfindet; ſon - dern Qual ohne Ende unaufhoͤrlich auf die Ein - wohner zuſchlaͤgt, und eine feurige Suͤndflut ſtroͤhmt, welche ſich von einem ewigbrennenden Schwefel, der niemahls verzehret wird, unter - haͤlt. Dieſen Platz hat die ewige Gerechtigkeit fuͤr dieſe Rebellen zubereitet, ihnen hier in der aͤuſſerſten Finſterniß ihr Gefaͤngniß verordnet, und ihr Theil hier angewieſen, dreymahl ſo fer - ne von Gott und dem Lichte des Himmels, als der hoͤchſte Polus von dem Mittelpunct entfernt iſt. O wie iſt dieſer Platz demjenigen ſo un - gleich, von dem ſie fielen! Daſelbſt erkennet er bald die Mitgeſellen ſeines Falls, die mit Stroͤhmen und Wirbelwinden von ſtuͤrmeriſchem Feuer uͤberſchwemmt lagen. Naͤchſt an ſeiner Seite ſieht er ſich einen uͤberwerffen, der an Macht und Boßheit zunaͤchſt auf ihn folgete, wel - cher lange hernach in Paleſtina bekannt worden, und Beelzebub geheiſſen ward. Denſelben re -deteDie mit Stroͤhmen und Wirbelwinden von ſtuͤrmeriſchem Feuer uͤberſchwemmt lagen) Der feurige Meerbuſem, der flammende Ofen, die Suͤndflut von Feuer, der ewig - brennende Schwefel, die aͤuſſerſte Finſterniß, die Wirbel - winde von Feuer, ſind alles bekannte und gelaͤuftige Be - griffe von der Hoͤlle. Mithin ſind ſie gantz irdiſch und coͤr - perlich; ungeachtet die Dinge ſelbſt, wie die Weſen, auf welche ſie wuͤrcken, von geiſtlicher Natur ſind. Was man demnach zur Vertheidigung derſelben ſagen kan, dienet zugleich zur Rechtfertigung der coͤrperlichen Geſtalten, in welche die Einwohner dieſer geiſtlichen Gegenden verklei - det werden.7Verl. Paradies. I. B. dete der Ertzfeind, der wegen ſeines Aufſtandes in dem Himmel Satan genannt ward, mit kuͤhnen Worten an, die das graͤßliche Still - ſchweigen dergeſtalt unterbrachen.

Wenn du es biſt, o wie ſehr biſt du gefallen, wie ungleich biſt du demjenigen, der in den gluͤck - ſeligen Koͤnigreichen des Lichtes, mit einem uͤber - ſchwenglichen Glantz bekleidet, heller als ſo viele Myriaden Engel von den erhabenſten leuchtete; wenn du derſelbe biſt, welchen ein freundſchaft - liches Buͤndniß, gemeinſchaftliche Gedancken, einerley Hoffnung und einerley Gefahr ehedeſſen mit mir zu dem ruhmwuͤrdigen Unternehmen verbunden, jezo das Elend in einem gleichen Nie - derfall mit mir vereiniget, ſieheſt du, in wel - che Tiefe, und von welcher Hoͤhe wir gefallen ſind; ſo mercklich ward er mittelſt ſeines Don - ners der ſtaͤrckere: Aber wer kannte zuvor die Staͤrcke dieſes greulichen Werffzeuges? Doch weder Furcht vor demſelben, noch vor einer andern Sache, ſo mir der maͤchtige Ueber - winder im Zorn anthun moͤgte, kan mir ange - winnen, daß ich das geſchehene bereue, oder die einmahl feſtgeſezten Gedancken aͤndere, ob ſich gleich mein aͤuſſerlicher Glantz veraͤndert hat, oder den Unwillen ablege, den die empfindliche Verachtung meiner Verdienſte zuerſt bey mir erreget, und mich vermocht hat, mit dem Maͤch - tigſten anzubinden, und in den wilden Streit ein unzehliges Heer gewaffneter Geiſter zu fuͤh - ren, welche das Hertz hatten, ſeine Herrſchaft zu verwerffen, mich ihm vorzuziehen, und ſeinerA 4hoͤch -8Johann Miltonshoͤchſten Macht eine andere entgegenzuſetzen, welche in den ebnen Feldern des Himmels ſeinen Thron in einer zweifelhaftigen Schlacht erſchuͤtterte. Geſezt, eine Schlacht ſey verloh - ren, alles iſt darum nicht verlohren; der un - uͤberwindliche Wille nicht, das Verlangen nach Rache nicht, noch der unſterbliche Haß, und der Vorſatz ſich zu keinen Zeiten zu unterwerf - fen und zu ergeben; Und was heißt das an - ders, als, nicht uͤberwunden ſeyn? Dieſen Ruhm ſoll weder ſein Zorn noch ſeine Macht jemahls von mir erzwingen, daß ich einen flehenden Kniefall vor ihm thun, und ihn um Gnade erſuchen, oder daß ich die Macht de - rer vergoͤttern ſollte, welche die Furcht vor meinem Arm noch neulich dahin gebracht, daß ſie ein Mißtrauen in ſeine Oberherrſchaft ge - ſetzet haben. Wahrhaftig, das waͤre etwas niedertraͤchtiges, das waͤre mir eine groͤſſere Schmach und Schande, als dieſer tiefe Hoͤl - lenfall. Nachdem kraft des Schickſals die Staͤrcke der Goͤtter und dieſes empyreiſche We - ſen nicht abnehmen kan; nachdem wir, ver - moͤge der Erfahrung in dieſem merckwuͤrdigen Begegniß, an Kraft nichts abgenommen, an Vorſichtigkeit ein groſſes zugenommen haben, ſo koͤnnen wir jezo mit einer gluͤcklichern Hoff - nung uns entſchlieſſen, mit Liſt oder Gewalt einen ewigen Krieg mit unſrem groſſen Feinde zu fuͤhren, und keinen Frieden jemahls mit demſelben einzugehen, welcher jezo triumphiert, und voller ungemeſſenen Freude die Herrſchaftin9Verl. Paradies. I. B. in dem Himmel ohne einen Nebenbuhler be - ſitzet.

Alſo ſprach der abtruͤnnige Engel und ruͤhm - te mit Worten, obgleich mitten in der Pein, groſſe Stuͤcke von ſich, aber inwendig ward er von einer tiefen Verzweifelung gepfetzet. Sein frecher Geſelle antwortete ihm dergeſtalt.

O Fuͤrſt, o Haupt mancher gethronten Macht von Geiſtern, du, der die Schlachthaufen der Seraphim angefuͤhrt, und in erſchrecklichen Be - gegniſſen unerſchrocken den beſtaͤndigen Koͤnig des Himmels in Gefahr geſetzet, und ſeine hohe Oberherrlichkeit auf die Probe geleget hat, ob die Staͤrcke, oder der Zufall, oder das Verhaͤngniß etwas wider ſie vermoͤgten. Doch ich ſehe und empfinde nur zuwohl den grauſamen Ausgang dieſes Unternehmens, wel - ches uns in einer traurigen Niederlage, und ſchaͤndlichen Flucht des Himmels verluſtig ge - machet, und dieſes groſſe maͤchtige Heer in einer graͤßlichen Zerruͤttung ſo tief zu Boden geſchlagen hat, als es moͤglich iſt, daß himm - liſche Weſen und Goͤtter zu Grund gehen. Denn das Gemuͤthe und der Geiſt bleiben un - uͤberwindlich, und die Munterkeit erholet ſich in kurtzem wieder, ob unſre Herrlichkeit gleich gaͤntzlich erloſchen iſt, und unſer vormahls gluͤck - ſelige Stand hier unter einem unendlichen E - lende verſencket liegt. Aber wie haben wir es dann, wenn unſer Obſieger, den ich jezo ge - zwungen vor allmaͤchtig erkennen muß, weilA 5keinDen ich jezo gezwungen vor allmaͤchtig erkennen muß) Beel -10Johann Miltonskein geringerer als ein Allmaͤchtiger eine ſol - che Macht, wie die unſrige war, haͤtte uͤber - waͤltigen moͤgen, uns dieſen unſren Geiſt und unſre Staͤrcke darum unverſehrt gelaſſen hat, damit wir ſtarck genug ſeyn, unſre Pein zu ertragen, und ſo unter ſeinem rachgierigen Zorn aushalten moͤgen, oder damit wir ihm als ſeine Sclaven, nach Kriegesrecht, deſto beſſe - re Dienſte thun, was er auch vorhaben mag, hier mitten in der Hoͤlle im Feuer arbeiten zulaſſen,Beelzebub wird mit groſſer Kunſt zum freyen Bekenntniß gebracht, daß ſeine Widerparte allmaͤchtig ſey. Wie ver - kehrte Gloſſen auch Satan oͤfters uͤber die Gerechtigkeit, Guͤte, und andere Eigenſchaften des Hoͤchſten machet, ſo geſteht er ihm doch die Allmacht uͤberall zu. Dieſes war eine Vollkommenheit Gottes, welche er ihm durch die Waffen gezwungen einraͤumen mußte. Keine andere Be - trachtung, als dieſe, konnte ihn unter der Schande der erlittenen Niederlage aufrichten. Addiſon. Damit wir unter ſeinem rachgierigen Zorn aushalten ꝛc.) Wiewohl Beelzebub ſein Urtheil der Verdammniß ſchon angetreten, ſo ſteht er doch der abſonderlichen Symptoma - tum halber, ſo dieſelbe mit ſich fuͤhren moͤgte, in aͤngſt - licher Ungewißheit. Satan hatte ihn mit der Vorſtellung aufrichten wollen, daß ſie ihr empyreiſches Weſen in ſei - ner vollen Starcke behalten haben, welches er dem Schick - ſal einer unvermeidlichen Nothwendigkeit zugeſchrieben; al - lein Beelzebub fand dagegen einzuwenden, daß der Hoͤch - ſte, den er fuͤr den Meiſter des Schickſals erkennt, ſeine eigenen Urſachen moͤgte gehabt haben, um derer willen er ihnen ihre Staͤrcke ungekraͤnckt gelaſſen haͤtte. Er macht jezo einige derſelben nahmhaft, die ſo beſchaffen ſind, daß ſie Satans Troſt voͤllig uͤber einen Haufen ſtoſſen.11Verl. Paradies. I. B. laſſen, oder damit wir in der finſtern Tiefe ſei - ne Botſchaften hin und her tragen. Was kan uns in ſolchem Fall unſre Staͤrcke, die wir noch unvermindert fuͤhlen, und unſer Weſen, das ewig iſt, nuͤtzen, wenn wir ewig in Pein und Qual leben muͤſſen?

Demſelben antwortete der Ertzteufel mit fluͤchtigen Worten: Gefallner Cherub, es iſt allemahl eine elende Sache um die Schwaͤ - che, man mag etwas zu thun oder zu leiden haben; Aber deſſen verſichere dich, daß Gutes thun nimmermehr unſer Werck ſeyn wird, ſondern daß wir an Uebels thun unſer einziges Ergetzen finden werden; weil es dem hohen Willen deſſen entgegen iſt, dem wir widerſtre - ben. Wenn denn ſeine Vorſichtigkeit aus unſrem Boͤſen Gutes hervorzubringen trachtet, ſo muͤſſen wir uns befleiſſen, dieſen Endzweck umzukehren, und in dem Guten allemahl An - laß zum Boͤſen zu finden: Welches uns oft ſo wohl gelingen mag, daß es ihm, wenn ich nicht irre, verdrieſſen, und ſeine geheimſten Anſchlaͤge hintertreiben ſoll. Aber ſiehe, der zor - nige Ueberwinder hat die Diener ſeiner Ra - che und Verfolgung nach der Pforte des Him - mels zuruͤcke geruffen, der Schwefel-Hagel, der im Sturm nach uns geſchoſſen worden,hatDamit wir in der finſtern Tiefe ſeine Botſchaften hin und her tragen) Die Botſchaften Gottes hin und her tragen, heißt nichts anders, als, ſeine Befehle hier und dar ausrichten. Beelzebub erkennt damit, daß der Hoͤch - ſte ſeine Herrſchaft bis in die Hoͤlle ſelbſt erſtrecken werde.12Johann Miltonshat ſich zerſtreuet, und ſich in dieſen feurigen Wellen geleget, die uns in unſrem Falle von den Zinnen des Himmels empfangen haben; und der Donner mit rothen wetterleuchtenden Blitzen und ſtuͤrmeriſchem Grimme gefluͤgelt, hat vielleicht ſeine Koͤcher an Pfeilen ausge - laͤhrt, und hoͤret jezo auf durch die ungeheure und ungemeſſene Tiefe zu bruͤllen. Laſſet uns die Gelegenheit nicht verſchlafen, unſer Feind mag ſie uns aus Verachtung, oder aus Gelin - digkeit goͤnnen, weil er ſeinen Zorn an uns geſaͤttiget hat. Sieheſt du jene fuͤrchterliche, oͤde und verlaſſene Ebene, den Sitz der Ver - zweifelung, laͤhr an Licht, ausgenommen, was der Schimmer dieſer ſchwartzgelben Flammen blaß und graͤßlich von ſich ſchießt? Laß uns den Gang von dieſen erſchuͤtternden feurigen Wellen dorthin wenden, daſelbſt auszuruhen, wenn je die Ruhe daſelbſt Platz findet; daſelbſt wollen wir unſre zu Boden geſchlagene Heeres - macht wieder verſammeln, und mit einander berathſchlagen, wie wir kuͤnftighin unſern Feind am allermeiſten beſchaͤdigen, wie wir uns un - ſers Verluſtes wieder erholen, wie wir dieſen greulichen Jammer uͤberſtehen, was vor eine Staͤrckung wir von der Hoffnung gewinnen, und wenn das nicht angehet, was vor einen Entſchluß wir von der Verzweifelung erhalten moͤgen.

Alſo redete Satan mit ſeinem naͤchſten Bun - desgeſellen, mit dem Haupt hoch uͤber den Wellen, und mit Augen, die funkelnd blizeten;ſeine13Verl. Paradies. I. B. ſeine uͤbrigen Glieder lagen vorwaͤrts auf der Flut, in die Laͤnge und Breite ausgeſtrecket, und nahmen ſchwimmend viele Hufen Feldes ein, ſie waren in ihrer ungeheuren Groͤſſe denen ungefugen Rieſen in den Fabeln gleich, dem Titaniſchen Stamme, den Kindern der Erden, die mit Jupiter Krieg fuͤhreten, dem Briareus und dem Typhon, welche ſich in der Hoͤle vor der alten Stadt Tharſus auf - hielten, oder dem Leviathan, einem Seethie - re, welches an Groͤſſe das ungeheureſte unter allen denen Wercken des Schoͤpfers iſt, ſo in dem Oceanus ſchwimmen. Wenn ihn et - wann der Pilot eines kleinen verirrten Schif - fes Nachts in der beſchaͤumten NorwegiſchenSeeUnd nahmen ſchwimmend viele Hufen Feldes ein) Se - het hier geiſtliche Weſen in coͤrperliche verwandelt. Der Poet redet nicht anderſt davon, als wenn es wahrhafte Leiber waͤren. Er konnte ſie den Sinnen und der Ein - bildung auf keine andre Weiſe vorſtellig machen, als ſo er ſie ſichtbar und coͤrperlich machete. Dieſes that er durch eine poetiſche Schoͤpfung, nach welcher das Moͤgliche ins Wuͤrckliche hinuͤbergebracht wird. Er hat ſeiner Kunſt und ſeiner Abſicht eine vollkommene Gnuͤge gethan, wenn er die Geſtalten und Verrichtungen ſeiner geiſtlichen Perſo - nen alſo zugerichtet hat, daß ſie ihren Character und ihre Geſchichte der Phantaſie auf eine empfindliche Weiſe vor - ſtellen, und alle die Eindruͤcke darinnen hervorbringen, welche zu der Abſicht des Poeten dienen koͤnnen. Die Poeſie bekuͤmmert ſich eigentlich nicht um das Wahre des Verſtands; es iſt ihr nur um die Beſiegung der Phantaſie zu thun; darum begnuͤget ſie ſich an dem Wahrſcheinlichen, welches auf das Zeugniß der Sinnen und der Phantaſie gegruͤndet iſt.14Johann MiltonsSee ſchlafend findet, ſieht er ihn oft vor ein Eiland an, und wirfft, wie die Seefahrer erzehlen, den Ancker auf ſeine ſchuppigte Rinde aus, und haͤlt ſich an ſeiner Seite hinter dem Winde, ſo lange als die Nacht das Meer unſicher macht, und der gewuͤnſchte Morgen ſich zoͤgert. So weit in die Laͤnge ausgebrei - tet lag der Ertzfeind auf dem brennenden Tei - che, wie mit Feſſeln feſtgemacht, waͤre auch nimmermehr von demſelben aufgeſtanden, oder haͤtte nur ſein Haupt empor gehoben, wofern ihn nicht der Wille und die Erlaubniß des allesregierenden Himmels ſeinen eignen ſchwar - zen Anſchlaͤgen wieder uͤberlaſſen haͤtte, auf daß er durch wiederholte Uebelthaten die Ver - dammniß nur mit deſto ſchwererer Laſt auf ſein eignes Haupt weltzete, alldieweil er befliſſeniſtWirft den Ancker auf ſeine ſchuppigte Rinde aus) Die Poeſie hat ein eigenes Recht auf die gemeine Sage, die Maͤhrgen, und die Fabeln; maſſen dieſe gleichſam eine Hiſtorie von dem zweyten Rang iſt, welche bey dem ge - meinen Haufen der Menſchen eben ſo viel Glauben findet, und ſo viel Anſehen hat, als die wahrhafte Geſchichte ſelbſt. Denn dieſes iſt ſchon genug, die poetiſchen Vorſtellungen, der Abſicht des Dichters gemaͤß, wahrſcheinlich zu machen. Wer dieſes bey ſich betrachtet, wird die aberglaubigen Dinge, die etwa von den Poeten zu ihrem Gebrauche an - gebracht werden, vor nichts mehrers nehmen, als vor apocryphiſche Geſchichten, vor Begegniſſen aus dem Rei - che der Poeſie, vor Beſtrebungen und Fruͤchte der Ein - bildungskraft und des Witzes. Das ſind diejenigen Ar - ten des Vermoͤgens der Seele, deren Springfedern und Triebraͤder der Poet mit ſeinen Gewichten und Schluͤſſeln aufzieht, daß ſie ſpielen.15Verl. Paradies. I. B. iſt, andern Schaden zu thun, und vor Zorn berſtend ſaͤhe, wie alle ſeine Boßheit alleine dienete, den von ihm verfuͤhrten Menſchen mit unendlicher Guͤte, Gnade und Gunſt zu uͤber - ſchuͤtten, hingegen auf ihn ſelber dreyfache Schmach, Entruͤſtung und Rache zu ziehen.

Jezo hebet er ploͤtzlich ſeinen maͤchtigen Coͤr - per von dem Pful empor, an beyden Seiten neigeten die zuruͤcke geſtoſſene Flammen ihre ſcharfen Spitzen, und indem ſie ſich in Wel - len uͤberweltzeten, oͤffneten ſie in der Mitte ei - nen greulichen Thal. Hernach regieret er ſei - nen Flug in der Hoͤhe mit ausgeſpanneten Fluͤgeln, und ſchwebet in der dunckelbraunen Luft, welche eine ungewoͤhnliche Laſt fuͤhlete, bis er an das trockene Land hinunterſtieg; wenn je Land war, was beſtaͤndig mit einem gediegenen Feuer brannte, wie der See mit einem fluͤſſigen ſiedet. Er ſchien an Farbe wie ein Felſen, den die Macht eines unterirdiſchen Windes vom Pelorus abgeriſſen hat, und in einen andern Ort hintraͤgt, oder wie die be - ſchaͤdigte Seite des donnernden Etna, deſſen oͤligtes und hartzigtes Eingeweide, wenn es in einen Brand koͤmmt, mit einer mineraliſchen Wuth in die Hoͤhe ſchlaͤgt, die Macht der Winde verſtaͤrcket, und einen verſengten Bo - den, mit Rauch und Geſtanck gantz bedecket, hinterlaͤßt. Eine ſolche Ruhſtatt fanden die Solen der unſeligen Fuͤſſe. Sein naͤchſter Ge - ſelle folgete ihm, und beyde ruͤhmten ſich, daß ſie aus dem ſtygiſchen Pful als Goͤtter her -aus16Johann Miltonsausgeſtiegen waͤren, kraft ihrer eigenen wie - dererhaltenen Staͤrcke, nicht aus Verguͤnſti - gung der oberſten Macht.

Jſt dieſes die Landſchaft, ſagte hernach der verlohrne Ertzengel, iſt dieſes das Revier, die Gegend, iſt dieſes die Wohnung, welche wir mit dem Himmel vertauſchen muͤſſen; dieſe leidige Pechſchwaͤrtze mit dem himmliſchen Lich - te? Jch bin es zufrieden, nachdem derjenige, der jezo der Hoͤchſte iſt, heiſſen und gebiethen kan, was recht ſeyn ſoll. Es iſt am beſten, wir ſeyn am weiteſten von dem entfernt, den Vernunft und Billigkeit uns gleiche gemachet, Gewalt uͤber diejenigen, die ſeines gleichen waren, erhoben hat. Gehabet euch wohl gluͤckſelige Felder, wo die Freude auf ewig wohnet! Sey gegruͤßt abſcheulicher Ort, ſey gegruͤßt unterſte Welt, und du, tiefeſte Hoͤl - le, empfange deinen neuen Einwohner: Einen, der ein Gemuͤthe mit ſich bringt, das weder Ort noch Zeit zu aͤndern vermag. Das Ge - muͤthe wohnet in ihm ſelbſt, und kan in ihm ſelbſt einen Himmel aus der Hoͤlle, und eine Hoͤlle aus dem Himmel machen. Was fra - ge ich darnach, wo ich ſey, wenn ich beſtaͤn -digEs iſt am beſten, wir ſeyn am weiteſten) Dieſes iſt aus dem griechiſchen Spruͤchwort genommen, πόῤῥω Διός τε καὶ κεραυνου̃. Bentley. Sey gegruͤßt, abſcheulicher Ort) Die Gedancken und Entſchluͤſſe Satans ſind ſo beſchaffen, wie es ſich vor ein erſchaffenes Weſen von der erhabenſten und dabey ver - kehrteſten Natur gehoͤrt. Addiſon. 17Verl. Paradies. I. B. dig der vorige bin, und was ich ſeyn ſoll, alles, nur alleine geringer, als der iſt, wel - chen der Donner groͤſſer gemacht hat? We - nigſtens werden wir hier frey ſeyn; der All - maͤchtige hat hier nicht gebaut, was er uns mißgoͤnnen ſollte, er wird uns von hier nicht verjagen wollen: Hier moͤgen wir in Sicher - heit regieren, und in meinem Sinn iſt Re - gieren des Nachſtrebens werth, auch in der Hoͤlle ſelbſt: Es iſt beſſer in der Hoͤlle zu re - gieren, als in dem Himmel zu dienen. Aber warum laſſen wir denn unſre getreuen Freun - de, die ſich unſers Verluſtes mittheilhaftig ge - macht haben, auf dem betaͤubenden Pful ſo daniedergeſchlagen liegen, und ruffen ſie nicht zu uns, daß ſie ihren Theil an dieſer unſeli - gen Wohnung mit uns beziehen, oder daß ſie noch einmahl mit neuvereinigten Waffen verſuchen, ob im Himmel noch etwas koͤnne erobert oder in der Hoͤlle noch etwas verloh - ren werden?

Alſo ſagte Satan. Beelzebub antwortete ihm dergeſtalt: Fuͤhrer dieſer glaͤntzenden Krie - gesſchaaren, welche niemand als der Allmaͤch - tige hat ſchlagen koͤnnen, wenn ſie nur deine Stimme wieder hoͤren werden, ihr lebhafteſtesBHoff -Hier werden wir zum wenigſten frey ſeyn) Mitten un - ter den gottloſen Reden, in welche der raſende Geiſt hier und dar losbricht, hat der Poet nichts einflieſſen laſſen, was nicht bey ſeiner Erhabenheit ungereimt und unanſtoͤſſig iſt; Denn ſeine Reden waren nur dem Scheine nach erhaben, nicht in ihrem wahren Weſen, Addiſon. [Critiſche Sam̃l.] 18Johann MiltonsHoffnungs-Pfand, in Furcht und Noth, die ſie ſo oft in der hoͤchſten Gefahr gehoͤrt, und in dem harteſten Stande des Gefechtes, in allen Anfaͤllen, wenn die Wuth raſete, vor ihr ſicher - ſtes Wahrzeichen gehalten haben, ſo werden ſie bald von neuen einen Muth faſſen, und wie - der aufleben, wiewohl ſie jezo auf jener Feuer - See mit betaͤubten und erſtarrten Sinnen, wie wir ſelbſt unlaͤngſt, unter ſich gekehrt auf dem Bauche liegen, das kein Wunder iſt, nachdem wir von einer ſo erſchrecklichen Hoͤhe gefallen ſind.

Er hatte kaum aufgehoͤret, als der hoͤhere Teufel nach dem Geſtade zu gieng; er hatte ſein ſchweres Schild von einer Etheriſchen Staͤh - lung, maſſiv, breit, und rund, auf den Ruͤ - ken geworffen; es hieng in einem weiten Um - fange auf ſeinen Schultern, und war anzuſehen, wie der Mond, deſſen Scheibe der Toſcaniſche Kuͤnſtler des Abends von dem Gipfel des hohen Feſole oder zu Valdarno durch ein optiſches Glas beſchauet, damit er in ſeiner fleckigten Ku - gel neue Laͤnder, Fluͤſſe, und Berge, entdecke. Mit ſeinem Spieſſe verglichen, waͤre die laͤng - ſte Tanne auf den Norwegiſchen Bergen, wel - che fuͤr den Maſtbaum eines groſſen Admiral - Schiffes gehauen wird, nur eine Ruthe. Er ſtuͤtzete ſich auf denſelben indem er ſeine muͤhſa - men Tritte auf dem brennenden Moraſt fortſe - zete, nicht ſo gemaͤchliche Tritte, als auf dem Lazur des Himmels; das ſengende Clima, mit Feuer bewoͤlbet, ſchmiß daneben haͤftig auf ihnzu.19Verl. Paradies. I. B. zu. Nichtsdeſtoweniger hielt er es aus, bis er den Strand dieſer entflammten See erreichet hatte, an demſelben ſtuhnd er ſtille und rief ſei - ne Legionen; Engliſche Geſtalten, welche ſinn - los uͤber einander geworffen lagen, ſo dicht als die Blaͤtter im Herbſt, wenn die Baͤche in Val - lombroſa, uͤber welchen die hetruriſchen Baͤu - me hangende Sommerlauben ziehen, damit uͤberſaͤet werden; und als das verzetelte Schilf, das an den Kuͤſten des rothen Meers floß, da Orion daſſelbe mit unbaͤndigen Winden peitſche - te, und den Buſiris mit ſeiner memphiſchen Reuterey unter die Wellen verſenckete, als ſieB 2ausDas ſengende Clima, mit Feuer bewoͤlbet, ſchmiß haͤf - tig auf ihn zu.) Satans Ankunft auf dem Geſtade von zuſammengeronnenem Feuer iſt keine neue Straffe, wie Ma - gni davor haͤlt, ſondern nur eine neue Art der Pein, die in dem Urtheil ſeiner Verdammniß ſchon enthalten war. Dieſes ward an ihm und ſeinen Mitgeſellen in tauſend ver - ſchiedenen Veraͤnderungen vollſtrecket. Und den Buſiris unter die Wellen verſenckete, und zerbrochenen Wagenraͤder ſahen) Milton wußte nichts von der falſchen Zaͤrtlichkeit in dem Geſchmack einiger neu - ren Kunſtrichter, welche in den Homeriſchen Gleichniſſen dasjenige verwerffen, was ſie mit einem vielmehr laͤcher - lichen, als artigen Ausdruck, einen langen Schwantz heiſſen; die keinen uͤberfluͤſſigen Pinſelzug darinnen leiden koͤnnen, nichts darinnen dulden wollen, was nicht in dem Bild und dem Gegenbild in einem hohen Licht abſticht, als ob eine kleine mahleriſche, lebhafte und anmuthige Zu - gabe, die bey Gelegenheit einer ſchoͤnen Schilderey am rechten Orte angebracht wird, in ſolchen Wercken ſchaͤd -lich20Johann Miltonsaus unredlicher Feindſchaft den Gaͤſten der Land - ſchaft Goſen nachjagten, die jezo an dem ſichern Ufer ihre ſchwimmenden Leichnahme und zerbro - chenen Wagenraͤder ſahen; eben ſo dicht, ſo verſtreuet, verzetelt und verlohren, lagen dieſe gefallenen Engel, bedecketen den Pful, und wa - ren vor Beſtuͤrtzung uͤber ihrer graͤßlichen Ver - aͤnderung gantz auſer ſich ſelbſt. Er rief ſo laut, daß die gantze hole Tiefe der Hoͤllen davon erſchallete.

Fuͤrſten, Herzoge, Kriegeshaͤupter, der Aus - bund des Himmels, der unlaͤngſt euer war, je - zo verlohren iſt, woferne ein ſolches Erſtaunen, wie dieſes, ewige Geiſter uͤberfallen kan; oder habet ihr dieſen Ort erwehlet, hier nach der ſtrengen Arbeit des Gefechts eure muͤde Dapfer - keit ausruhen zu laſſen, weil ihr vielleicht die Ru -helich und nachtheilig waͤre, wo das Gemuͤthe durch das Mittel der Phantaſie in Bewegung gebracht werden muß. Seine Vergleichungen ſind nach Homers Manier verfaſſet, und dieſes dienet ihnen zum Ruhme, weil ſie zugleich der Natur derer gemaͤß ſind, auf welche ſie wuͤrcken ſollen. Man hat uͤber dieſes beobachtet, daß der ſo genannte Schwantz eines Gleichniſſes bey ihm oͤfters zum Grund ei - ner neuen Vergleichung geleget wird, und daß er das vor - hergehende mit dem nachfolgenden verbindet; dieſe Ver - bindung koͤmmt deſto ſcharfſinniger heraus, weil wir auf dieſe Weiſe zwey Gleichniſſe in einem bekommen. Von die - ſer Art ſind neben dem gegenwaͤrtigen, das von den Chi - neſen im zweyten B. welche ihre Rohrwagen mit Segel und Wind forttreiben, und im vierten B. das von dem Feld der Ceres, und andere mehr. Weil ihr die Ruhe allhier ſo ſuͤß findet) Magni hat nicht gemercket, daß Satan allein durch eine Jronie, oderauch21Verl. Paradies. I. B. he allhier ſo ſuͤß findet, als in den Thaͤlern des Himmels; oder habet ihr geſchworen, daß ihr den Ueberwinder in dieſer niedertraͤchtigen Stel - lung anbeten wollet? Derſelbe ſieht jezt den Cherub und Seraph mit weggeworffenen Waf - fen und Fahnen in der Fluth ſich uͤberwerffen, und warten bis ſeine ſchnellen Nachjager von den Pforten des Himmels ihren Vortheil erblicken, herunterſteigen und uns danieder treten, indem wir ſo liegen; oder uns mit zuſammengeketteten Donnerkeilen auf den Boden dieſes Golfo an - heften. Erwacht, ſteht auf, oder euer Fall muͤſſe in Ewigkeit waͤhren.

Sie hoͤreten ihn, ſchaͤmeten ſich, und fuhren auf ihren Fluͤgeln auf, wie, wenn Leute, die Amts wegen wachen ſollten, von jemandem, den ſie fuͤrchten, ſchlaffend gefunden werden, aufſpringen und ſich geſchaͤftig erzeigen, eh ſie recht erwachet ſind. Mithin wurden ſie ihres ſchlimmen Zuſtandes bald gewahr, und fuͤhleten die tobende Pein. Doch gehorſamten ſie der Stimme ihres Obriſten alſobald. Eine unzaͤh - lige Menge, wie als der maͤchtige Stab des Sohns Amrams an Egyptens boͤſen Tage uͤberB 3dieauch durch eine Verringerung, eine Ruhe heißt, was eine gaͤntzliche Ohnmacht und ein voͤlliges Stillſtehen ihrer Kraͤfte war.Sie wurden ihres ſchlimmen Zuſtands gewahr, und fuͤh - leten die tobende Pein) Magni macht den laͤcherlichen Schluß, weil ſie erſt jezo die Pein gefuͤhlt, ſeyn ſie zuvor, als ſie noch in dem Pful ohnmaͤchtig gelegen waren, noch nicht verdammt geweſen.22Johann Miltonsdie See-Kuͤſte geſchwungen ward, und eine pechſchwartze Wolcke von Heuſchrecken zuſammen jagte, welche ſich nach dem Oſtwinde neigete, und wie eine Nacht uͤber dem Koͤnigreiche des gottloſen Pharaoh hieng, daß das gantze Land am Nil verfinſtert ward. So unzaͤhlbar viele boͤſe Engel ſah man unter dem Dache der Hoͤl - len auf ihren Fluͤgeln ſchweben, oben, unten, und auf den Seiten mit Feuer umſchloſſen; bis daß ſie auf das gegebne Zeichen, als ihr groſſer Sultan den Spieß ſchwaͤnckete, in geraden Li - nien auf den feſten Bimsſtein herunterſteigen, und die gantze Ebene anfuͤllen; eine Menge, der - gleichen der volckreiche Norden niemahls aus ſeinen kalten Lenden ausgeſchickt hat, damit ſie uͤber den Rhein und die Donau ſetzeten, als ſei - ne barbariſche Soͤhne vor Zeiten wie eine Waſ - ſerfluth nach dem Suͤden kamen, und ſich bis un - ter Gibraltar gegen den Lybiſchen Sand zu aus - breiteten. Alſobald eilen die Haͤupter und Fuͤh - rer von jeglichem Geſchwader und Haufen da - hin, wo ihr groſſer Gebieter ſtuhnd; es waren goͤttliche Geſtalten und Bildungen, uͤber die menſchlichen erhoben, fuͤrſtliche Wuͤrden undHohei -Goͤttliche Geſtalten, und Bildungen, uͤber die menſch - lichen erhaben) Der Poet konnte ihnen unter denen Ge - ſtalten, die in das coͤrperliche Auge fallen, keine wuͤrdi - gere zuſchreiben, als die menſchliche; dieſe leget er nicht alleine den ſeligen Engeln, ſondern auch den verdammten zu, welche ungeachtet ihrer Verdammniß dennoch Engel, obgleich gefallene Engel, waren, fuͤrſtliche Wuͤrden und Hoheiten, die unlaͤngſt im Himmei auf Thronen ſaſſen. Er23Verl. Paradies. I. B. Hoheiten, welche hiebevor in dem Himmel auf Thronen ſaſſen, wiewohl ihre Nahmen jezo in den himmliſchen Regiſtern nicht mehr geleſen werden, ſondern nach ihrem Aufſtand in den Buͤchern des Lebens ausgeloͤſchet und ausgetil - get worden. Sie hatten auch die neuen Nah - men noch nicht angenommen, welche ſie hernach unter den Soͤhnen der Eva fuͤhreten, als ſie aus hoher Zulaſſung Gottes, zur Pruͤffung der Menſchen, den Erdboden durchwanderten, und durch ihre Falſchheiten und Luͤgen den groͤſten Theil des menſchlichen Geſchlechtes verfuͤhrten, daß ſie von Gott ihrem Schoͤpfer abtruͤnnig wur - den, und die unſichtbare Herrlichkeit deſſen, der ſie gemachet hatte, in das Bild eines vernunft -B 4loſenEr ſetzet ihre Verdammniß mehr in der innerlichen Verkehrt - heit ihres Gemuͤthes und Verſtandes, als in der Veraͤn - derung ihrer aͤuſſerlichen Geſtalt, wiewohl er die Merckma - le derſelben auch auf dieſen wahrzunehmen giebt. Da - durch empfaͤngt die Vorſtellung derſelben einen vortreffli - chen Grad der Erhabenheit. Die boͤſen Engel, die Dantes, Taſſo, und Ceva, aufgefuͤhret haben, ſind dieſer Hoheit durch ihre viehiſchen und garſtigen Geſtalten beraubet. Stampano alcuni il ſuol di ferine orme E’n fronte umana han chiome d’angui attorte, E lor s’aggira dietro immenſa coda Che quaſi sferza ſi ripiega e ſnoda. TASSO. Milton hat dieſe hochmuͤthigen Engel nicht alleine ſolcher erniedrigender, und ihnen zu ihren feindſeligen und auf - ruͤhriſchen Anſchlaͤgen nichts helfender Ungeſtalten entledi - get, ſondern noch uͤberdieß allen Fleiß angewendet, daß er die gemeine menſchliche Geſtalt, die er ihnen zutheilt, erhuͤbe.24Johann Miltonsloſen Thiers verwandelten, und Teufel fuͤr Gott - heiten anbeteten, die ſie mit zierlichen Religio - nen voll bunten Gepraͤnges und Goldes aus - ſchmuͤcketen. Damahls wurden ſie in dem Hei - denthum unter mancherley Nahmen und man - cherley Goͤtzenbildern weit und breit bekannt.

Nenne ſie Muſe bey ihren Nahmen, die ſie damahls empfiengen; was vor hohe Fuͤrſten kamen erſtlich, nachdem ſie in dieſem feurigen Lager vom Schlafe erwachet waren, auf den Ruf ihres groſſen Beherrſchers, nach ihrem Rang, in guter Ordnung, zu ihm an den duͤr - ren Strand, wo er ſtuhnd, da das gemeineHeerNenne ſie, Muſe, bey ihren Nahmen) Milton leget hier nicht einen bloſſen Kram von Gelehrſamkeit aus, die dabey mit einer poetiſchen Annehmlichkeit vorgetragen wird, damit er dem Leſer zeige, wie viel er wiſſe; ſondern er macht uns naͤher mit dieſen gefallenen Engeln bekannt, die in dem folgenden Buche zu unſrem Verderben eine ſo ſchwartze und grauſame Berathſchlagung halten. Er hat ein Mittel gefunden, uns die Erkenntniß derſelben durch die Erfindung, daß ſie eben die heidniſchen Goͤtzen ſind, die wir ſchon zuvor kennen, gewaltig leicht zu machen. Und dieſe Erkenntniß dienet zu gleicher Zeit, uns in einen gewiſſen Affect gegen ſie zu verſetzen, der uns reitzet, an alle demjenigen Theil zu nehmen, was der Poet von ih - rem Zuſtand, ihren Anſchlaͤgen und Verrichtungen, nach - gehends erzehlet. Wir fangen jezo an, uns gegen ſie zu partheyen. Daneben ſteht dieſe Muſterung ſehr ge - ſchickt an dieſem Orte, die Aufmerckſamkeit, die durch ſo viele ſeltſame Vorſtellungen und erhabene Begriffe ermuͤdet worden, einigermaſſen zu erquicken. Da das gemeine Heer immittelſt in vermiſchten Haufen ſtuhnd) Der Poet laͤßt ſie eben die Ordnung, den Rang,und25Verl. Paradies. I. B. Heer immittelſt auf dem weiten Feld in vermiſch - ten Haufen ſtuhnd? Diejenigen waren die er - ſten, welche lange hernach, als ſie aus dem Lo - che der Hoͤllen herausgeſtiegen, auf ihren Raub zu gehen, ihre Wohnungen zunaͤchſt bey dem Sitze Gottes, ihre Altare neben ſeinem Altare ſetzen durften, wo ſie unter den Heiden als Goͤt - ter angebetet wurden, und ſich Jehovah, der aus Sion donnerte, und zwiſchen den Cheru - bim ſaß, an die Seite ſtellen durften; ja ihre Greuel, ihre Statuen, mitten in ſein Heilig - thum ſtelleten; und mit laͤſterlichen Dingen ſei - ne heiligen Ceremonien und feyrlichen Feſttage entheiligten, und mit ihrer Finſterniß ſeinem Lichte trutzen durften. Zuerſt kam Moloch, ein greulicher Koͤnig, mit Blut von geopferten Men - ſchen, und mit Thraͤnen der Aeltern beſchmuͤzt, welche doch das Geſchrey ihrer Kinder, die ſei - nem grimmigen Bilde auf die gluͤhenden Armen geleget wurden, vor dem lauten Gethoͤne der Trummeln und Paucken nicht hoͤren konnten. Der Ammonite verehrte ihn zu Rabba und in der waſſerreichen Ebene daſelbſt, zu Argob und Ba - ſan bis an den weit abgelegenen Fluß Arnon. B 5Erund die Wuͤrde behalten, die ſie in ihrem himmliſchen Stande gehabt hatten, wie aus dem fuͤnften und ſechsten B. erhellet. Die gemeine Lehre von den Engeln lautet:So ward die Geiſterwelt; verſchiedne Macht und Ehre, Entſchieden ſtuffenweis die unzaͤhlbaren Heere, Die ungleich ſatt vom Glantz des mitgetheilten Lichts Jn langer Ordnung ſtehn, von Gott zum oͤden Nichts. Haller. 26Johann MiltonsEr begnuͤgte ſich mit dieſer verwegenen Nachbar - ſchaft nicht, ſondern verfuͤhrte das weiſeſte Hertz Salomons durch Liſt, daß er ihm auf dem aͤr - gerlichen Berge dem Tempel Gottes gegen uͤber einen Tempel bauete, und ſeinen Luſtwald, das angenehme Thal Hinnon, zu einem Vorbild der Hoͤlle machte, daher es auch Tophet, und das ſchwartze Gehenna geheiſſen ward. Hier - naͤchſt kam Chemos, das unkeuſche Schreck - Bild der Soͤhne Moab; dieſer herrſchete von Aroar bis nach Nebo, und weit gegen Suͤden bis in die Wildniſſen von Abarim; zu Heſebon, und Heronaim, in dem Koͤnigreiche Sihons, den bluͤhenden Thal Sibma hinunter, der mit Weinreben verhangen iſt, und zu Eleale, bis an den Asphaltiſchen Teich. Peor war ſein andrer Nahme, als er Jſrael in ihrem Anzuge von dem Nile anreitzete, ihm wolluͤſtige Feſte zu halten, welches ihnen viel Schmertzen geko - ſtet. Dennoch erweiterte er nachgehends ſein uͤppiges Reich bis zu dem Berge des Aergerniſ - ſes und dem Hayne des moͤrderiſchen Molochs, wo Wolluſt und Grauſamkeit neben einander herrſcheten, bis daß der fromme Joſias beyde von dar zur Hoͤlle jagte.

Mit dieſen kamen diejenigen, welche von dem alten Graͤntze-Strohme Euphrates an, bis zu dem Fluſſe, der Egypten von den Syriſchen Landſchaften ſcheidet, mit einem gemeinen Nah - men Baalim und Aſtaroth genannt wurden, jene maͤnnliches, dieſe weibliches Geſchlechts. Denn Geiſter koͤnnen nach ihrem Willen daseine27Verl. Paradies. I. B. eine oder das andere Geſchlecht, oder beyde zu - gleich an ſich nehmen; ſo zart und ungemengt iſt ihr reines Weſen, nicht mit Gelencken und Gliedmaſſen zuſammengeſchloſſen und geknuͤpft, noch auf die zerbruͤchliche Staͤrcke der Beine ge - gruͤndet, wie das verhinderliche Fleiſch; was vor eine Geſtalt ſie aber an ſich nehmen, eine ausgedaͤhnte, oder zuſammengezogene, eine helle oder dunckle, koͤnnen ſie in ſelbiger ihr gei - ſtiges Vorhaben bewerckſtelligen, und Wercke der Liebe oder des Haſſes vollbringen. Um die - ſe vertauſchte der Stamm Jſrael oft ſeine le - bendige Staͤrcke, und ließ ſeinen heiligen Altar unbeſucht, und buͤckete ſich hingegen vor unver - nuͤnftigen Goͤttern zur Erden, welches machte, daß er den Nacken eben ſo tief im Kriege buͤ - ken, und vor den Spieſſen veraͤchtlicher Feinde niederfallen mußte. Jn dieſem Haufen kam auch Aſtoreth, welche die Phoͤnizier Aſtarte nannten, eine Koͤnigin des Himmels mit wach - ſenden Hoͤrnern; das Sidoniſche Frauenzim - mer bezahlte des Nachts beym Mondſcheine vor ihren glaͤntzenden Statuen ihre Geluͤbde, und ſangen ihr Lobgeſaͤnge; ſie blieb auch in Sion nicht unbeſungen, wo ihr Tempel auf dem aͤr - gernden Berge ſtuhnd, der von dem verbuhl - ten Koͤnig erbauet worden, deſſen ſonſt ſo groß -muͤthi -Was vor eine Geſtalt ſie aber an ſich nahmen) Dieſes dienet, den Leſer zu der wunderbaren Zuſammenziehung der Engliſchen Geſtalten in dem Saale des Pandaͤmonium vorzubereiten, welche am Ende dieſes erſten B. gedichtet wird.28Johann Miltonsmuͤthiges Hertz durch den Reitz ſeiner ſchoͤnen Abgoͤtterinnen zu ſchaͤndlichen Goͤtzen uͤbergieng. Thammuz gieng gleich hinter ihr her, deſſen jaͤhrliche Verwundung die Syriſchen Frauens - perſonen auf den Libanon verſammelte, damit ſie allda ſein ungluͤckſeliges Schickſal einen gan - zen Sommer-Tag lang in verliebten Liedern beweineten, da der ſanftflieſſende Adonis inzwi - ſchen von ſeiner Geburts-Klippe purpurfarbe in die See floß, wie ſie ſich einbildeten, von des Thammuz Blut gefaͤrbet, welcher jedes Jahr verwundet ward. Dieſe Liebesfabel ſezte die Toͤchter Sions in eine gleiche Hitze; Ezechiel ſah ihre ſchaͤumenden Luͤſte in dem heiligen Vor - hofe, als ſein Auge im Geſicht die ſchnoͤde Ab - goͤtterey des abtruͤnnigen Juda geſehen. Her - nach kam einer, der im Ernſt weinete, als die gefangene Bundslade ſeine thieriſche Statue zerſtuͤmmelte, und ihm in ſeinem eigenen Tem - pel Haupt und Haͤnde an dem Fuß-Geſimſe von dem Rumpf hinwegſchlug, an welchem er den Kopf anſtieß, und ſeine Anbeter zu Schanden machete: Dagon war ſein Nahme, ein Meer - Wunder, oberhalb ein Menſch, und untenher ein Fiſch. Doch hatte er in der Stadt Azot ei - nen hochaufgebauten Tempel, und ward auf der gantzen Kuͤſte von Paleſtina, zu Gad und Aſcalon, und Accaron, und an den Graͤntzen der Stadt Gaza gefuͤrchtet. Jhm folgete Rim - mon, der ſeinen anmuthigen Sitz in dem ſchoͤ - nen Damaſcus hatte, an den fruchtbaren Ufern des Abbana, und Pharphars, zweyer hellerFluͤſſe.29Verl. Paradies. I. B. Fluͤſſe. Auch dieſer ſetzete ſich voller Verwe - genheit wider das Haus des Herren; auf eine Zeit verlohr er einen Ausſaͤtzigen aus ſeinem Dienſt, und gewann hingegen einen Koͤnig; nemlich den albern Achas, der ihn doch uͤber - wunden hatte; denſelben uͤberredte er, daß er Gottes Altar wegthat, und einen nach Syri - ſcher Art dahin ſetzete, auf welchem er ſeine ver - haßten Opfer brannte, und die Goͤtter, die er uͤberwunden hatte, anbetete.

Nach dieſen erſchien eine Schaar, welche unter den alten beruͤhmten Nahmen, Oſiris, Jſis, Orus, und ihres Gefolges, des fanati - ſchen Egyptens und ſeiner Prieſter mit ungeheu - ren Verwandlungen und zauberiſchen Kuͤnſten dergeſtalt ſpotteten, daß es ſeine herumirrenden Goͤtter in verlarveten Geſtalten ſuchete, welche vielmehr thieriſch als menſchlich waren. Die anſteckende Seuche ergriff auch Jſrael, als ſie an dem Oreb von dem geborgten Gold ein Kalb macheten, und als der rebellierende Koͤnig dieſe Suͤnde zu Bethel und zu Dan verdoppelte, und ſeinen Schoͤpfer in einen graſenden Ochſen bil - dete, denjenigen Jehovah, welcher in einer Nacht, als er aus Egypten zog, im Voruͤber - gehen mit einem Streiche die erſtgebohrnen Soͤhne dieſes Landes, und alle ſeine bloͤckenden Goͤtter, umgebracht.

Belial kam zulezt, der unzuͤchtigſte und groͤ - beſte Geiſt, der von dem Himmel gefallen, der das Laſter um des Laſters willen liebete; Jhm war zwar kein Tempel aufgerichtet, und keinAltar30Johann MiltonsAltar raͤucherte ihm, aber wer wird oͤfter in den Tempeln und beym Altar geſehen, wenn der Prieſter zum Atheiſten wird, wie die Soͤhne des Eli, welche das Haus Gottes mit unrei - ner Luſt und Gewaltthaͤtigkeit anfuͤlleten? Er regieret auch an den Hoͤfen, in Palaͤſten, und in wolluͤſtigen Staͤdten, wo das Getuͤmmel der Schwelgerey, und Unrecht, und Drangſal, hoͤher, als ihre erhabenſten Thuͤrme, ſteigt. Und wann die Nacht jezo die Gaſſen dunckel ma - chet, ſo ſchwaͤrmen die Soͤhne Belials, von Wein und Muthwillen geſpornet, auf denſel - ben herum; Zeugen deſſen ſind die Gaſſen von Sodom, und jene Nacht zu Gibea, da die gaſtfreye Thuͤr eine Frau auf die Gaſſe hinaus - ſtellte, damit eine aͤrgere Schande vermieden bliebe.

Dieſes waren die vornehmſten an Rang und an Macht; aller uͤbrigen zu gedencken, wuͤrde zu weitlaͤuftig ſeyn, wiewohl ſie weit und fern beruͤhmt waren; die Joniſchen Goͤtter, welchen Javans Nachkommen goͤttliche Ehre angethan haben, da ſie doch ſelber bekennten, daß ſie nicht ſo alt waͤren, als Himmel und Erde, ge - ſtalt ſie dieſe vor ihre Stammvaͤter ausgaben; Titan, der erſtgebohrne Sohn des Himmels mit ſeiner ungeheuren Brut, welchen Satur - nus ſein juͤngerer Bruder ſeines Geburts-Rechts beraubet, hernach von dem maͤchtigern Jupiter, ſeinem eigenen und der Rhea Sohn, ein glei - ches Maaß empfangen hat; ſo daß Jupiter das Reich mit Gewalt uͤberkommen hat. Dieſewaren31Verl. Paradies. I. B. waren erſtlich in Creta und auf Jda bekannt, herrſcheten hernach auf dem beſchneyten Gipfel des kalten Olympus in der mittlern Luft, ih - rem hoͤchſten Himmel; oder auf der delphiſchen Klippe; oder zu Dodona, und ſo weit die Graͤn - zen des doriſchen Lands ſich erſtreckten. Andere flohen mit dem alten Saturn uͤber Adria in die heſperiſchen Landſchaften, und ſtreifeten uͤber das celtiſche Land bis in die entlegenſten Jnſeln. Alle dieſe und noch mehr kamen zu Schaaren, aber mit niedergeſchlagenen und truͤben Blicken, in welchen doch einige dunckle Funcken von Freu - de glimmmeten, weil ſie ihr Haupt nicht allerHoff -Herrſcheteu hernach anf dem beſchneyten Gipfel des kal - ten Olympus in der mittlern Luft, ihrem hoͤchſten Himmel) Dieſe und etliche andere dergleichen Stellen ſagen uns deutlich genug, was Milton von den mythologiſchen Fa - beln hielt. Man muß ſehr unbillig mit ihm umgehen, oder von gar bloͤdem Verſtande ſeyn, wenn man den him - melweiten Unterſchied, den er zwiſchen der Mythologie und dem wahren Grund ſeiner eigenen Erdichtungen ma - chet, nicht wahrnehmen kan. Wer ſieht nicht, wenn er die mythologiſche Geſchichte mit einer hiſtoriſchen Art an - fuͤhrt, daß er alsdann nur der Mund der alten Poeten iſt, und in ihrem Nahmen das Wort fuͤhret? Es iſt ſo ferne, daß er ſie damit beglaubigen wolle, daß er viel - mehr an den meiſten Orten ihre Falſchheit andeutet, und wo er dieſes nicht mit ausdruͤcklichen Worten thut, durch ſeine Verkleinerung derſelben zu erkennen giebt, in welcher Achtung und Anſehen ſie bey ihm ſtehen, und wie er ſie vor bloſſe Vorſtellungen der Phantaſie gebrauche. Jn welchen doch einige dunckle Funcken von Freude glimmeten) Das war eine Freude nur in Abſicht auf dievorige32Johann MiltonsHoffnung beraubt ſahen, weil ſie ſich ſelbſt mit - ten in dem Verluſt nicht verlohren ſahen. Ei - ne zweydeutige Farbe bemahlete auch deſſel - ben Gebehrden. Aber er holete ſeinen ge - woͤhnlichen Hochmuth bald wieder hervor, und richtete ihren ſinckenden Muth mit ſchwuͤlſtigen Worten, die zwar den Schein einer Hoheit, aber nicht das Weſen hatten, allmaͤhlig wieder auf, und verjagte die Furcht aus ihren Hertzen. Hernach befahl er, daß ſeine maͤchtige Stan - darte unter dem kriegriſchen Gethoͤne der Lau - ten, Trompeten und Paucken aufgeſtellt werde. Dieſe ſtoltze Ehre gebuͤhrete dem Azazel von Amtes wegen, einem geraden Cherub; welcher ſtracks das Reichs-Panier von dem ſchimmern - den Stabe abwickelte; daſſelbe leuchtete wie ein Meteorum, als es in der Hoͤhe ausgebrei - tet nach dem Winde flatterte; die Seraphiſchen Wapen und Siegeszeichen glaͤntzeten von Gold und Edelſteinen, womit ſie koͤſtlich blaſonniert waren, und inzwiſchen hoͤrte man von dem klin - genden Metall ein martialiſches Gethoͤne erſchal - len, auf welches das Heer ein allgemeines Feld - geſchrey empor ſandte, das die Kluft der Hoͤl - len erſchuͤtterte, und drauſſen das Reich desChaosvorige gaͤntzliche Zerſchlagung; und zwar eine Freude fuͤr die Verdammten; nach ihrer Sprache; weil ſie ihr Ober - haupt nicht alle Hoffnung aufgeben ſahen, weil ſie ſich ſelbſt wieder fuͤhleten, hielten ſie ſich vor gluͤcklicher, als ſie erſt noch vermeint hatten, und empfanden daher eine Luſt; die aber an ſich ſelbſt ſo eitel iſt, als der Grund, worauf Satan ſeine Hoffnung gruͤndet, und ſo elend, als ihr Zuſtand, in welchem ſie ſich wieder fuͤhlen.33Verl. Paradies. I. B. Chaos und der alten Nacht erſchreckete. Au - genblicklich ſah man in dem duͤſtern Licht zehn - tauſend Panniere in die Luft emporſteigen, und von Aurora-Farbe ſchimmern; mit ihnen ſtieg ein ungeheurer Wald von Spieſſen in die Hoͤhe; und Helme, und Schilde erſchienen gedrange und dichtgeſchloſſen, in einer Schlachtordnung von einer unmenſchlichen Breite. Nun ziehen ſie in einem vollkommenen Phalanx nach der do - riſchen Melodie anmuthiger Floͤten und Pfeifen; einer Melodie, welche die Helden des Alter - thums auf den hoͤchſten Grad der Großmuth erhub, wann ſie eine Schlacht antraten, und ihnen an ſtatt der Wuth eine geſezte DapferkeitCein -Nach der Doriſchen Melodie) Wie der Poet im zwoͤlf - ten B. in den Geſichtern, die Adam vor Augen geleget worden, die Plaͤtze, die damahls noch ohne Nahmen waren, bey ihren Nahmen genannt, ſo ſie nach der Zeit empfangen haben; alſo hat er hier dieſer Melodie den Nah - men gegeben, den ſie lange hernach in Griechenland be - kommen hat. Es iſt ſo viel als wenn er geſagt haͤtte: Von dieſer Art war nach der Zeit die Doriſche Melodie. Was von der Wuͤrckung dieſer Melodie folget, iſt noch bey weitem nicht zulaͤnglich, die hoͤlliſchen Geiſter, wie Magni geglaubt hat, in einen Stand zu ſetzen, daß ſie den ſeligen Engeln ſchier nichts mehr zu mißgoͤnnen hatten; denn die Ruhe und Stille, ſo ſie in der Bruſt verurſach - te, und die Verjagung der Angſt und der Pein, ſo ihr durch eine poetiſche Vergroͤſſerung zugeſchrieben wird, ſind nur fluͤchtige und betruͤgliche Symptomata, von keiner Dauer und von keiner Sicherheit. Die unruhigen Gedan - ken wurden nicht aus dem Wege geraumet, ſondern nur eingeſchlaͤffert, der Schmertze nicht geheilet, ſondern nur gebannet.[Critiſche Sam̃l.] 34Johann Miltonseinblies, die gantz entſchloſſen iſt, und ſich von der Furcht des Todes weder zur Flucht noch zu einem ſchaͤndlichen Abzug bewegen laͤßt; ſie iſt mit einer Kraft begabet, die unruhigen Gedan - ken mit ihrem feyrlichen Klange zu beſaͤnftigen und zu ſtillen, und Angſt, und Zweifelmuth, und Furcht, und Leid, und Pein, in ſterblichen und unſterblichen Gemuͤthern zu vertreiben. Alſo ſammelten dieſe Geiſter ihre vereinigten Kraͤfte mit unverwandten Gedancken in eines, indem ſie in tieſem Stillſchweigen unter dem Spiele der Schalmeyen, welches ihnen ihre muͤhſamen Tritte auf dem verbrandten Boden linderte, heranwerts ruͤcketen. Und jezo, da ſie im Ge - ſichte ſtehen, halten ſie; ein graͤulicher Fluͤgel von erſchrecklicher Laͤnge, in blendenden Ruͤſtun - gen, mit Schilden und Spieſſen verſehen, nach der Weiſe des Alterthums; ſie warteten alſo auf die Befehle ihres maͤchtigen Haupts. Der - ſelbe laͤßt ſeine erfahrnen Augen alle Linien der Schlachtordnung durchlaufen, und uͤberſieht mit geſchwinden Blicken das gantze Heer, ſeine geſchickte Stellung, die Geſichter und das An - ſehen dieſer Krieger, die Goͤttern gleich ſahen; zulezt uͤberzehlt er ſie. Und jezo blaͤhet ſich ſein Hertz mit Hochmuth, und pochet verhaͤrtend auf ſeine Staͤrcke: Denn ſeit der Menſch er - ſchaffen worden, iſt niemahls eine ſolche Krie - gesmacht zuſammengeſtoſſen, welche neben die - ſer groͤſſer ſcheinen koͤnnte, als jene kleine Jn - fanterie, die von den Kranichen bekriegt wird; wuͤrde gleich das gantze Rieſen-Geſchlecht vonPhle -35Verl. Paradies. I. B. Phlegra mit denen heroiſchen Nationen, die zu Theben und Jlium fochten, und auf beyden Seiten mit Huͤlfs-Goͤttern untermiſcht waren, in ein Heer zuſammengefuͤget, und wuͤrden uͤber - dieß die Voͤlcker zu ihnen geſtellet, welche in der Fabel oder dem Roman von Uthers Soh - ne ſo viel Aufſehens machen, die Brittiſchen und die Armoriſchen Ritter, nebſt allen andern, ge - tauften und beſchnittenen, die vor Zeiten in Aſpramont, und Montalban, Damaſco, Ma - rocco, und Trapezunt Ritterſpiele gepfleget, und welche Biſerta von dem Africaniſchen Ufer herausgeſandt, als der groſſe Carl mit allen ſei - nen hohen Fuͤrſten zu Fontarabia geſchlagen wor - den. So weit uͤberſtieg dieſe Macht alle Ver - gleichungen mit ſterblichen Kriegsheeren, den - noch ſah ſie auf ihren furchtbaren Gebieter. Derſelbe ſtach an Geſtalt und Gebehrdung uͤber alle andern hervor, und ſtuhnd in der Hoͤhe, wie ein Thurm; ſeine Bildung hatte ihren ur - ſpruͤnglichen Glantz noch nicht gaͤntzlich verloh - ren, und ſchien nicht ſchlechter, als eines Ertz -C 2Engels,Und ſchien nicht ſchlechter, als eines Ertzengels, der gefallen war) Angelici fervens ſupereſt natura vigoris. ALCIMUS. Der einzige Milton hat die Vortrefflichkeit der Engliſchen Natur gebuͤhrend in Acht genommen, indem er ſie an den gefallenen Engeln ſelber in allen denen Stuͤcken vorge - ſtellet hat, welche nur aͤuſſerlich ſind. Was vor einen Begriff macht er uns nicht von Satans ehmahligen Glantz und Herrlichkeit, den er auch nach ſeinem Fall ſo trefflich glaͤntzend vorſtellet, indem er ſagt, daß nur das Ueber -maß36Johann MiltonsEngels, der gefallen war, und an einer Herr - lichkeit, die zuvor uͤbermaͤſſig geweſen war, verkuͤrtzet worden: Wie wenn die aufſteigende Sonne mit verminderten Strahlen durch die benebelte Horizontal-Luft hervorblickt, oder in einer duͤſtern Verfinſterung hinter dem Mon - den hervor eine ungluͤcksreiche Daͤmmerung auf den halben Theil der Welt fallen laͤßt, und die Monarchen in Sorgen ſetzet, daß Ver - aͤnderungen erfolgen werden. Auf dieſe Wei - ſe war der Ertzengel zwar verfinſtert, jedoch an Glantz vortrefflicher als die andern alle. Aber auf ſeinem Angeſichte waren von dem Donner tiefe Narben eingegraben, und die Sorge ſaß auf ſeinen erblaßten Wangen; aber in ſeinen Augbraunen las man einen un - gezaͤhmten Muth und einen geſezten Stoltz,dermaß derſelben ſich verlohren habe? Dieſer vortreffliche Reſt von dem alten Glantze zeiget uns Satans Engliſche Natur in der Hoͤlle ſelbſt, welche er mit ſeinem Heere ſtets behalten, ein jeder hatte noch Glantz nach dem Grade, auf welchem er ihn in den ſeligen Refieren des Himmels beſeſſen, jedoch alle mit einander mit einiger Verminderung. Miltons Hoͤlle bekoͤmmt durch dieſe natuͤrliche Vorſtellung eine Majeſtaͤt, welche Dantes, Taſſo und Ceva, mit ihren haͤßlichen und eckelhaften Vorſtellungen Satans und ſeiner Engel uͤbel verderbt haben.Wie wenn die aufſteigende Sonne ꝛc.) Als Miltons Gedicht zum erſten mahl ſollte gedruͤckt werden, fehlte nicht viel, daß es von dem vorwitzigen Cenſor waͤre unterdruͤckt worden. Derſelbe vermeinte in dieſem Gleichniß eine po - litiſche Ketzerey und einen Hochverrath zu finden.37Verl. Paradies. I. B. der auf Rache laurete; ſein Auge war grim - mig, doch gab es Zeichen einer nagenden Ge - muͤthsleidenſchaft von ſich, wenn es ſeine Mit - geſellen, oder beſſer zu ſagen, ſeine Nachfol - ger betrachtete, die ſich ſeines Verbrechens mittheilhaftig gemacht hatten, welche er hie - bevor in einem ungleich andern Zuſtand der Seligkeit geſehen, jezo auf ewig verurtheilt ſah, ihr Loos in der Pein zu beziehen; Mil - lionen Geiſter, die wegen ſeines Fehlers aus dem Himmel ausgemertzet, und wegen ſeiner Empoͤrung aus den ewigen Lichtern verſtoſſen worden; wenn es ſah, wie ſie in ihrem ver - welckten Glantz dennoch ſo getreu bey ihm ſtuhn - den. Wie die herrlichen Staͤmme der Wald - Cichen und der Berg-Fichten, wenn ſie das Feuer vom Himmel getroffen hat, mit ver - ſengtem Gipfel und verduͤrrt noch auf der ver - brandten Heide ſtehen. Er war jezo bereit, ſie anzureden; deßwegen ſchwenckten ſie ihre gedoppelten Linien von Fluͤgel zu Fluͤgel, und ſchloſſen ihn mit ſeinen Reichsfuͤrſten halbig ein. Die Aufmerckſamkeit machte ſie ſtumm. Dreymahl fieng er an, und dreymahl brachC 3erDreymahl brach er wider ſeinen hochmuͤthigen Willen in Thraͤnen aus) Die Thraͤnen der Ungluͤcklichen, wenn das Ungluͤck gleich eine verdiente Straffe iſt, ſo fern es nur mit Reue begleitet iſt, vermoͤgen uns zum Mitleiden zu bewegen. Hier empfinden wir ſolches durch die Kunſt des Poeten gegen Satan und ſeine gefallenen Schaaren ſelbſt, ungeachtet wir ſo gerechte und ſchwere Urſachen haben, ſie als Gottes und unſre geſchwornen und boß -hafte -38Johann Miltonser wider ſeinen hochmuͤthigen Willen in Thraͤ - ner aus, ſolche, wie die Engel weinen, end -lichhafteſten Feinde zu haſſen. Die Urſache deſſen mag ſeyn, weil wir uns in den Gedancken in einerley Umſtaͤnde ſetzen, wie der vorgeſtellten Perſonen ſind, und alſo denſelbigen das Mitleiden zukommen laſſen, das wir fuͤr uns ſelber em - pfinden wuͤrden; zumahl, da die Betrachtung dazu koͤmmt, daß wir ſelber nur allzu leicht in eine gleiche Noth fallen koͤnnen, oder gewiſſermaſſen darinnen begriffen ſind. Dem - nach irren diejenigen ſehr, welche davor halten, daß die Geſchichte der Engel nicht bequem ſey, die menſchlichen Gemuͤther in Bewegung zu ſetzen; denn da wir durch die Vorſtellung der boͤſen und feindſeligen Engel in derglei - chen ſanften Affect, wie das Mitleiden iſt, geſetzet wer - den, was vor ſuͤſſe Affecte werden nicht die Begegniſſe der ſeligen Engel bey uns erwecken?Solche Thraͤnen, wie die Engel weinen) Milton hat den Engeln nicht nur diejenige coͤrperliche Geſtalt angezo - gen, welche die anſehnlichſte und bequemſte war, nemlich die menſchliche, ſondern er hat dieſe noch ſehr verbeſſert und verherrlichet. Jhre Schoͤnheit, Groͤſſe, Staͤrcke, Munterkeit, Schnelligkeit, Unſterblichkeit, ſind uͤber - menſchlich, nicht nur an den ſeligen, ſondern auch an den gefallenen Engeln. Sie haben daneben die Kraft, ſich auszudaͤhnen und zuſammenzuziehen; das maͤnnliche oder das weibliche Geſchlecht an ſich zu nehmen; ſie leben durch und durch in allen Theilen, ihr Leben beſteht nicht, wie bey den gebrechlichen Menſchen, nur in dem Eingeweide, dem Hertzen, Haupt, der Leber, oder den Nieren; in denſelben iſt alles Hertz und Haupt, Auge und Ohr, Ver - ſtand und Sinnen. Auf dieſen Begriff ſollen uns auch die Worte fuͤhren, Thraͤnen, wie die Engel weinen; wo - mit bey aller der Gleichheit zwiſchen unſrem und dem En - gliſchen Coͤrper ein Unterſchied unter denſelben angedeutet wird.39Verl. Paradies. I. B. lich fanden die Worte, mit Seufzern unter - miſcht, einen Weg.

O ihr Myriaden unſterblicher Geiſter, o ihr Heere, die ihres gleichen nicht haben, den Allmaͤchtigen ausgenommen, mit welchem ſelbſt ihr dennoch nicht ohne Ruhm gefochten habet, wiewohl der Ausgang des Streits fuͤr euch entſetzlich war, wie dieſer Platz und dieſe ent - ſetzliche Veraͤnderung zu erkennen geben, wo - von man nicht ohne Zorn reden kan: Alleine was vor eine Gemuͤtheskraft, was vor eine Gabe, das Kuͤnftige vorherzuſehen oder zu er - rathen, konnte aus der tiefen Betrachtung des Vergangenen oder des Gegenwaͤrtigen be - fahren, daß eine ſolche vereinigte Goͤttermacht,C 4welcheDie Worte mit Seufzern untermiſcht) Der Grund - Text hat: Die Worte mit Seufzern unterflochten; wovon Bentley ſagt, es uͤbertreffe alle menſchliche Geſchicklichkeit, und komme Satan vor eigen zu. Daher er davor leſen will, mit Seufzern unterbrochen. Seine Critick ſcheint auf dem Grund zu beruhen, daß es in der That nicht an - gehe, die Worte und die Seufzer unter einander zu flech - ten. Alleine wer hat jemahls zur Rechtfertigung einer Metapher gefodert, daß das, was verglichen wird, und das, womit es verglichen wird, nur ein Ding und eben daſſelbe ſeyn? Es iſt genug, daß die Bilder, die verwech - ſelt werden, eine offenbare Aehnlichkeit mit einander ha - ben. Der betruͤgliche Schein, da etwas fuͤr das andere geſetzet wird, kan dem Verſtande dann nicht verborgen blei - ben. Und wie will Bentley ſeine erwehlte Lesart anderſt, als auf eben dieſe Weiſe beſchuͤtzen? Worte mit Seufzern brechen und unterbrechen, iſt eben ſo wohl, als ſie unter - flechten, eine Metapher, die etwas betruͤgliches in ſich hat, und gehet in der That eben ſo wenig an.40Johann Miltonswelche ſo feſt ſtuhnd, wie dieſe, jemahls von Abweiſung hoͤren koͤnnte? Und wer kan je - zo noch, ſelbſt nach dem erlittenen Verluſt, glauben, daß alle dieſe maͤchtigen Legionen, deren Verweiſung den Himmel laͤhr gemachet hat, nicht aus eigener Kraft wieder hinauf - ſteigen, und ihren Geburts-Sitz wieder be - ziehen werden? Mich anbelangend nehme ich das gantze Heer des Himmels zum Zeugen, ob ungleiche Anſchlaͤge an meiner Seite, oder einige Gefaͤhrlichkeit, die ich haͤtte vermeiden wollen, unſre Hoffnung ruckgaͤngig gemachet habe. Nein, ſondern der, welcher in dem Him - mel als ein Monarche herrſchet, war bisda - hin in voller Sicherheit auf ſeinem Throne geſeſſen, als einer, welchen ein altes Herkom - men, eine lange Gewohnheit, und ein williger Gehorſam darauf befeſtiget haͤtten, und fuͤhrte ſeinen koͤniglichen Staat in vollem Pomp, hielt uns aber ſeine Staͤrcke allezeit verborgen, undebenDer, welcher in dem Himmel als ein Monarche herr - ſchet) Die Urſache, die der Poet den Satan vorwenden laͤßt, warum ihm und ſeinen Geſellen die Allmacht Gottes verborgen geweſen, iſt zwar eine offenbare Falſchheit, denn die Erſchaffung iſt eine ſo gute Probe der Staͤrcke Gottes, als die Zerſtoͤrung; indeſſen fuͤhrt ſie bey dieſen verkehrten Geiſtern ein deſto groͤſſeres Blendwerck mit ſich, weil ſie auch die Erſchaffung leugneten; und ſich ruͤhme - ten, daß ſie durch ihre eigene lebensreiche Kraft entſtan - den, als der Lauf des Schickſals ſeinen Circkel in einen vollen Ring geſchloſſen hatte, daß ſie die reife Frucht des oberſten Himmels, ihres Geburtsplatzes, waͤren; wie ſie gegen das Ende des fuͤnften B. zu vernehmen geben.41Verl. Paradies. I. B. eben dieſes veranlaſſete uns zu unſrem Unter - nehmen, und verurſachete unſren Fall. Kuͤnf - tighin kennen wir ſeine Macht, und kennen die unſrige, inſoweit, daß wir nicht Urſache haben, Streit an ihn zu ſuchen, noch wenn ſolcher an uns geſucht wird, davor zu erſchre - ken. Am vortraͤglichſten fuͤr uns wird wohl dieſes ſeyn, daß wir dasjenige mit verdeckten Anſchlaͤgen, durch Liſt oder Betrug, zu erhal - ten trachten, was wir mit Gewalt nicht zu - wege bringen koͤnnen; damit er endlich nichts - deſtoweniger an uns erfahren moͤge, daß wer ſeinen Feind durch Gewalt uͤberwindet, ihn nur halb uͤberwunden habe. Der Raum mag neue Welten hervorbringen; wie in dem Him - mel durchgehends eine Sage gieng, daß er ſolche in kurtzem erſchaffen, und ein Geſchlech - te darein ſetzen wuͤrde, welchem er ſeine Gunſt in einem gleichen Grade der Liebe, wie den Soͤh - nen des Himmels zutheilen wuͤrde. Daſelbſt - hin wollen wir unſren erſten Ausfall thun, und geſchaͤhe ſolches gleich, ſie nur zu verkundſchaf - ten, daſelbſthin oder ſonſt wohin; denn dieſe hoͤlliſche Grube ſoll himmliſche Geiſter nicht allezeit in Banden behalten, noch der Abgrund ſie laͤnger mit Finſterniß bedecken. Aber dieſe Gedancken muß eine groſſe Raths-Verſamm - lung zur Zeitigung bringen. Zum Frieden iſt keine Hoffnung uͤbrig, denn wer kan an Unter - werffung gedencken? Derowegen muß man ſich zum Krieg entſchlieſſen, zum Krieg, der entwe - der offentlich oder verdeckt gefuͤhrt werden muß.

C 5Er42Johann Miltons

Er ſagte ſo, und zur Beſtaͤtigung ſeiner Worte flogen Millionen flammender Schwerd - ter empor, welche die maͤchtigen Cherubim von den Seiten zuͤcketen; der ploͤtzliche Schimmer erleuchtete die Hoͤlle weit in die Runde; ſie raſeten haͤftig wider den Hoͤchſten, und ſchlugen ihre Waffen mit einem wilden Krieges-Ge - thoͤne auf die klingenden Schilde, indem ſie Hohn und Trutz nach dem Gewoͤlbe des Him - mels hinaufſandten.

Nicht weit von da ſtuhnd ein Berg, deſſen graͤßlicher Gipfel Feuer und wallenden Rauch ausſpukete; die uͤbrigen Theile glaͤntzeten mit einer funckelnden Rinde; ein ungezweifeltes Zei - chen, daß er in ſeinem Schooſſe hartes mine - raliſches Erzt fuͤhrete; das Werck des Schwe - fels. Daſelbſthin eilete eine zahlreiche Bande mit einer gefluͤgelten Eilfertigkeit. Wie wenn Truppen Minierer mit Schaufeln und Spa - then bewaffnet von einem koͤniglichen Heer - zeuge aufbrechen, ein Lager abzuſtechen, oder eine Schantze aufzuwerffen. Mammon fuͤhrete ſie an, Mammon, der niedertraͤchtigſte Geiſt,derMammon, welcher im Himmel ſelbſt die Blicke nur nie - derwaͤrts geneigt) Nemlich die wenige Tage uͤber, wel - che die ſataniſchen Rebellen in und nach ihrem Fall noch in dem Himmel gelitten worden. Der Schritt zur Suͤnde und zum Abfall iſt in dem Himmel geſchehen; man kan nicht einmahl begreiffen, daß er an einem andern Orte haͤtte geſchehen koͤnnen, weil man ſonſt die Engel, die gefallen ſind, vor ihrem Fall aus dem Himmel verſtoſſen muͤßte. Die Gluͤckſeligkeit und die Aufrichtigkeit der En -gel43Verl. Paradies. I. B. der vom Himmel gefallen, der im Himmel ſelbſt ſeine Blicke und Gedancken allezeit nur nieder - waͤrts geneigt, und den Reichthum des Bodens daſelbſt, geſchlagenes Gold, mehr bewundert hat - te, als irgend andere goͤttliche und heilige Sa - chen, die man in dem ſeligen Geſichte genieſſen konnte. Durch ihn, und durch ſein Einblaſen wurden die Menſchen zuerſt gelehrt den Mittel - punct zu pluͤndern, und mit verruchten Haͤnden das Eingeweide ihrer Mutter, der Erde, zu zer - wuͤhlen, um ſolcher Schaͤtze willen, welche mit beſſerm Nutzen verborgen laͤgen. Seine Rotte hatte in dem Berge bald eine weite Wunde geoͤffnet, und Rippen von Gold hervorgegra - ben. Niemand verwundere ſich, daß der Reich - thum in der Hoͤlle waͤchßt. Der Boden da - ſelbſt iſt vor andern dieſes theuren Gifts wuͤr -diggel entſpringt auch keinesweges von dem Orte wo ſie ſind, und iſt nicht an denſelben gebunden. Der Fall iſt in dem Himmel gethan worden; und wenn die Hoͤlleverdammten aus der Hoͤlle auf die Erde oder den Himmel ſelbſt geſezt wuͤrden, ſo wuͤrden ſie nichts deſto ſeliger werden, ſie braͤchten die Hoͤlle mit ihnen in alle Gegenden. Diejenige, welche die Vorſtellung Mammons in gegenwaͤrtiger Stelle getadelt, haben darinn geirret, daß ſie ſolche vor ſei - nem Aufſtand verſtanden haben; welches Miltons Mei - nung niemahls geweſen iſt.Seine Rotte hatte in dem Berge bald eine weite Wunde geoͤffnet) Je kleiner einigen die folgenden Umſtaͤnde ſchei - nen moͤgten, deſto mehr iſt Milton zu loben, daß er ſie in einem ſo vortrefflichen Licht vorzuſtellen gewußt hat. Es braucht Kunſt dazu, kleine Dinge ohne Niedrigkeit zu be - ſchreiben.44Johann Miltonsdig. Und hier moͤgen diejenigen, welche auf menſchliche Dinge pochen, und voller Verwun - derung von Babel und den Wercken der Egyp - tiſchen Koͤnige reden, lernen, wie ihre vor - nehmſten Denckmahle des Ruhms, der Macht, und der Kunſt, von verworffenen Geiſtern ohne Muͤhe uͤbertroffen werden, und in einer Stun - de von dieſen verfertiget wird, was ſie ſchwer - lich in einem Jahrhundert mit unaufhoͤrlicher Arbeit und mit unzaͤhligen Haͤnden zu Stande bringen. Unten auf der Ebene ſchmelzete ein andrer Haufe in vielen zu dem Ende gemach - ten Huͤtten, die unten mit Adern voll fluͤſſi - gen Feuers, das aus dem See abgezapfet ward, durchfahren waren, die rohen Klum - pen Ertzes mit verwunderſamer Kunſt, ſonder - te die unterſchiedlichen Gattungen, und ſchaͤum - te die ſiedenden Schlacken ab. Ein dritter hat - te immittelſt mancherley Formen in dem Bo - den eingegraben, und durch ſeltſame Gaͤnge aus den Schmeltzhuͤtten alle holen Rinnen an - gefuͤllet; wie der Wind in einer Orgel aus einem Blaſe-Brete in manche Reihe Pfeifen gefuͤhrt wird. Urploͤtzlich ſtieg ein maͤchtig groſ - ſes Gebaͤude, wie ein Jrrwiſch-Licht aus der Erden, unter dem Schalle lieblicher MelodienundUrploͤtzlich ſtieg ein maͤchtig groſſes Gebaͤude aus der Erden hervor) Da der Poet Perſonen von uͤbermenſchli - chen Kraͤften vor ſich hat, welche ſeinen Bau ausfuͤhren, hat er nicht verſaͤumt, das Wunderbare, das in dem epi - ſchen Gedichte erfodert wird, durch die Vorſtellung einer mehr als menſchlichen Arbeit vorzuſtellen.45Verl. Paradies. I. B. und ſuͤſſer Stimmen, wie ein Tempel gebauet, wo Pfeiler und doriſche Saulen in die Run - de geſetzet, und guͤldene Hauptbalcken daruͤber geleget waren; auch waren daran Karniſſen, und Frieſen, mit erhobener Bilder-Arbeit, nicht vergeſſen; und die gewoͤlbete Decke war mit Gold-Blech uͤberzogen. Mit dergleichen Pracht hatte weder Babylon noch das groſſe Alcairo in ihrem groͤſten Flor gebauet, dem Belus oder dem Serapis ihren Goͤttern, oder ihren Koͤnigen zu Wohnungen, als Egypten und Aſſyrien mit Reichthum und Gepraͤnge auf einander eiferten. Die Saulen ſtuhnden jezo feſt, in einer ſtattlichen Hoͤhe emporſtei - gend, und alſobald oͤffnen die Thuͤren ihre eher - nen Fluͤgel, und entdecken inwendig einen wei-L ten Raum auf einem glatten und polirten E - ſtrich. Von der gewelbten Decke hangen mit - telſt einer magiſchen Kunſt viele Reihen bren - nender Lampen und ſchimmernder Leuchter, mit Naphta und Aſphalt unterhalten, und gaben das Licht wie von einem geſtirnten Himmel von ſich.

Die gantze Menge eilete voll Verwunde - rung hinein, etliche lobeten das Werck, undetli -Wo Pfeiler und doriſche Saulen in die Runde geſetzet waren) Die vollſtaͤndige Beſchreibung dieſes Gebaͤudes, dienete dem Poeten an dieſem Orte unter andern, die Leidenſchaften, wodurch das Gemuͤthe in der Betrachtung der ſataniſchen Gedancken und Anſchlaͤge angeſtraͤnget wor - den, durch eine geſchickte Veraͤnderung der Eindruͤcke zu maͤſſigen.46Johann Miltonsetliche den Baumeiſter; ſeine Hand war in dem Himmel von manchem gethuͤrmten hohen Bau bekannt, wo gekroͤnte Engel ihren Sitz hatten, und als Fuͤrſten auf Thronen ſaſſen, weil der hoͤchſte Herr und Koͤnig ſie zu dieſer Macht erhoͤhet, und ihnen die Herrſchaft uͤber die glaͤntzenden Orden der Engel, einem jeden ſeine eigene Hierarchie, anvertrauet hatte. Sein Nahme war auch in dem alten Grecien nicht un - bekannt, noch ohne Anbeter; und in dem Au - ſoniſchen Lande nannten ihn die Menſchen Mul - ciber; und ſie dichteten von ihm, wie er vom Himmel gefallen, da ihn der erzoͤrnte Jupiter uͤber die criſtallinen Zinnen des Himmels hin - aus geworffen hatte, ſey er von Morgen bis Mittags, und von Mittag bis zum Abend - Thau, einen Sommertag lang, gefallen, und mit der untergehenden Sonnen wie ein fallender Stern von dem Zenith auf die Jnſel Lemnos in dem Egeiſchen Meer geſuncken: Alſo ſagen ſie aus Jrrthum, denn ſein Fall geſchah lange vor - her mit dieſer aufruͤhriſchen Rotte; und mochte ihm jezo nichts helfen, daß er in dem Himmel hohe Thuͤrme gebaut, und er mochte ſich mit keinem von ſeinen Ruͤſtzeugen retten, ſondern ward quer uͤber Ecke in die Hoͤlle geſenckt, daß er mit ſeiner arbeitſamen Geſellſchaft daſelbſt bauete.

Jmmittelſt ward auf Befehl der hoͤchſten Gewalt von gefluͤgelten Herolden mit furchtba - ren Ceremonien, und bey dem Schall der Trom - peten, in dem gantzen Heer ein feyrlicher Reichs -tag47Verl. Paradies. I. B. tag ausgeruffen, der in Pandaͤmonium, der Hauptburg Satans und ſeiner Reichsfuͤrſten unverzuͤglich ſollte gehalten werden. Die Mah - nungsbriefe lauteten, daß von jeder Bande, und jedem gevierten Regiment der wuͤrdigſte er - ſcheinen ſollte, welchen ſein Rang oder die Wahl vor ſolchen erkennten. Zur Stunde kamen ſie ſchaarweiſe mit einem zahlreichen Begleite von hunderten und von tauſenden. Durch alle Zu - gaͤnge war ein Gedraͤnge. Die Schloß-Thore und die weiten Vorhoͤfe, die doch einem abge - ſteckten Felde gleich ſahen, wo die kuͤhnen Kaͤm - pfer ſich zu Pferde tummelten, und vor des Soldans Buͤhne den beſten Rittersmann von Panim zu einem Kampf auf Leib und Leben, oder einem Ritt mit ſtumpfen Lanzen ausforder - ten, wimmelten von dem herzudringenden Schwarm, beydes auf dem Boden und in der Luft, die von dem Geziſche ſauſender Winde erklang. Wie die Bienen im Fruͤhling, wenn die Sonne mit dem Stier durch den Himmel faͤhrt, ihre volckreiche Jugend ſich in langen Trauben um den Stock herum anhaͤngen laſſen, da ſie inzwiſchen in dem friſchen Thau unter den Bluhmen hin und her fliegen, oder auf der glat - ten Plancke, der Vorſtadt ihrer Stroh-Feſtung, die mit Balſam neuuͤberſtrichen iſt, ſpatzieren, und von ihren Staats-Angelegenheiten reden. So dicht ſchwaͤrmeten dieſe Luft-Voͤlcker, und draͤngeten ſich, bis daß das Zeichen gegeben ward. Darauf konnte man Wunder ſehen! Diejenige, welche allererſt die rieſenmaſſigen Soͤhne der Erden an Groͤſſe uͤbertraffen, ſindjezo48Verl. Paradies. I. B. jezo kleiner als die ſchmaͤleſten Zwerge, und draͤngen ſich, wiewohl ſie unzaͤhlig ſind, in einen engen Raum zuſammen, ſie gleichen dem Volcke der Pigmeen jenſeit des Jndiſchen Gebuͤrges, und den zauberiſchen Aelfen, derer mitternaͤcht - lichen Mummereyen ein Bauer, der ſich verſpaͤ - tet hat, bey einem Wald oder einem Brunnen ſieht, oder ſich traͤumen laͤßt, indem der Mond herrſchend uͤber ſeinem Haupt ſteht, und jezo ſeinen blaſſen Lauf naͤher gegen der Erden nim̃t; alldieweil jene auf ihre Luſtbarkeiten und Taͤntze erpicht ſind, und ſein Ohr mit einer lieblichen Muſick ergetzen; ſo daß ihm ſein Hertz zu einer Zeit vor Luſt und vor Furcht pochet. Alſo zo - gen dieſe uncoͤrperlichen Geiſter ihre ungemeſſe - nen Geſtalten in die duͤnneſten Formen zuſam - men, und ſaſſen gantz geraume, wiewohl oh - ne Zahl, mitten in dem Saale dieſes hoͤlliſchen Palaſts. Aber weiter hinein, und in ihrem ei - genen Maaß, ſich ſelber gleich, ſaſſen die groſ - ſen ſeraphiſchen Herren und Cherubim, hinter beſchloſſenen Schrancken in abgeſonderten Zim - mern, auf guͤldenen Stuͤhlen, tauſend Halb - goͤtter, in voller Anzahl. Nach einem kurtzen Stillſchweigen und abgeleſenen Mahnungs - Briefen ward jezo der groſſen Berathſchlagung ein Anfang gemacht.

Alexan -[49]

Alexander Popen Verſuch Von den Eigenſchaften Eines Kunſtrichters Durch Hrn. Hofrath Drollinger uͤberſetzet.

[50][51]

Verſuch von den Eigenſchaften eines Kunſtrichters.

ES iſt ſchwer zu ſagen, worinnen mehr Ungeſchicklichkeit begangen werde, im uͤblen Schreiben, oder im uͤblen Urthei - len. Doch iſt das letzte gefaͤhrlicher als das erſte. Jenes ermuͤdet nur unſere Geduld, dieſes kan auch den Verſtand in Jrrthum fuͤhren. Nur wenige irren in jenem, aber in dieſem gar viele, und werden allezeit zehen verkehrt urtheilen, fuͤr einen der ungeſchickt ſchreibet. Ehedeſſen machte ein Thor ſich allein ſelbſt zu ſchanden; nun macht ein Thor in Verſen ſo viel andere in der Proſe.

Mit unſrem Urtheilen iſt es bewandt, wie mit unſern Uhren. Keine koͤmmt mit der andern juſt uͤberein. Und doch glaubt ein jeder der ſeini - gen. Jnzwiſchen iſt gleichwohl ein richtiger Ge - ſchmack bey einem Kunſtrichter eben ſo ſelten, als das aͤchte Poetiſche Feuer bey einem Dichter. D 2Beyde52Verſuch von den EigenſchaftenBeyde muſſen ihr Licht vom Himmel empfangen, und der erſte muß zum Urtheilen eben ſowohl geboh - ren ſeyn, als der lezte zum Schreiben. Nur die - ſe ſollten andere unterrichten,(a)Qui ſcribit artificioſe ab aliis commode ſcripta facile intelligere poterit. Cicero ad Heren. lib. 4. die ſelbſt groſſe Meiſter ſind, und nur dieſe ſolten frey tadeln duͤr - fen, die ſelber wohl geſchrieben haben. Es iſt wahr, ein Scribent iſt von ſeinem Witze einge - nommen: Aber iſt es der Kunſtrichter nicht auch von ſeinem Urtheile?

Zwar was den erſten Samen der Beurthei - lungskraft anbelangt, ſo finden wir ihn, nach genauer Einſicht, bey den meiſten Leuten. Die Natur giebt ihnen wenigſtens(b)Omnes tacito quodam ſenſu ſinc ulla arte aut ra - tione, quæ ſint in artibiis ac rationibus recta ac prava di - judicant. Cic. de Orat. lib. 3. ein glimmen - des Lichtgen. Die Anfangszuͤge dieſer Faͤhigkeit finden ſich richtig, obwol nur matt und ſchwaͤch - lich in ihnen entworfen. Allein wie ein gar zu ſchwacher Umriß, wenn er regelmaͤſſig iſt, durch ein ungeſchicktes Uebermalen nur deſto mehr ver - derbet wird, ſo wird auch die geſunde Ver - nunft durch eine falſche Schulgelehrtheit verſtellet. Manche werden in dem Jrrgarten der Schulen verwirrt, und manche aus bloſſen Einfaͤltigen, wozu ſie die Natur beſtimmt hatte, zu laͤcherli - chen Thoren. Dieſer verliehrt die Vernunft, weil er dem Witze nachjagt, und dann wird er ein Kunſtrichter, um ſich ſelbſt zu vertheidigen. Einer53eines Kunſtrichters. Einer haſſet alle Scribenten als ſeine Mitbuhler. Ein anderer beneidet nur die aufgeweckten Gei - ſter, wie ein Lahmer einen fertigen Taͤnzer. Die - ſe ſaͤmtlich fuͤhlen eine juckende Begierde, andere zu verlachen, und moͤchten gar zu gern auch hoͤh - niſch ſeyn koͤnnen. Maͤvius ſchreibt dem Apollo zum Aergerniſſe. Noch giebt es Leute, die noch ſchlimmer urtheilen, als Maͤvius ſchreiben kan.

Mancher konnte im Anfang fuͤr einen aufge - weckten Kopf, und dann gar fuͤr einen Dichter mitlaufen. Bald will er ein Kunſtrichter ſeyn, und da zeigt er ſich am Ende, als einen ausge - machten Narren. Einigen fehlt es beydes an Witz und an Urtheilskraft: Sie ſind wie die ſchwer - laͤſtigen Maulthiere, weder Pferde noch Eſel. Solcher halbgelehrten Witzlinge giebt es ſo viel in unſerer Jnſul, als des halb ausgebildeten Un - geziefers an den Ufern des Nils. Man weis nicht, wie man dieſe unbeſtimmten Dinge nennen ſoll, ſo ungewiß iſt ihr Geſchlechte. Alle zu er - zehlen brauchte man hundert Zungen, oder einen eitelen Witzling, der ihrer hundert muͤde machen koͤnnte.

Jhr derohalben, die ihr Ruhm austheilen und ſelbſt verdienen wollet, die ihr den ehrenvollen Na - men eines Critici mit Rechte zu fuͤhren verlanget, pruͤfet euch ſelbſt und eure Staͤrcke, und erforſchet ja wohl, wie weit euer Verſtand, euer Ge - ſchmack, und eure Wiſſenſchaft reichen. Wagt euch nicht weiter als ihr Grund findet, ſondern unterſcheidet vernuͤnftig und zeichnet den Punct wohl aus, da Verſtand und Dummheit zuſam -D 3men -54Verſuch von den Eigenſchaftenmentreffen. Die Natur hat allen Dingen be - queme Grenzen beſtimmt, und den Steigens be - gierigen Witz des ſtolzen Menſchen weislich nie - dergebogen. So wie die See, wenn ſie an ei - nem Orte etwas an Lande gewinnt, am andern weite Sandfelder zuruͤck laͤßt, ſo gehet es auch mit unſerer Seele. Weil das Gedaͤchtniß darin - nen vortrift, ſo fehlt es an den hoͤhern Kraͤften des Verſtandes. Und wo die Strahlen der warmen Einbildungskraft ſpielen, da pflegen die zarten Bilder des Gedaͤchtniſſes hinweg zu ſchmel - zen. Fuͤr einen Geiſt ſchickt ſich nur eine Wiſſen - ſchaft. So groß iſt der Umfang der Kunſt, und ſo enge ſind des Verſtandes Grenzen. Ja wir muͤſſen uns nicht nur an eine einige Wiſſenſchaft, ſondern offt allein an einzele Theile derſelben be - ſchraͤncken. Sonſt geht es uns wie einem Mo - narchen, der die bereits gemachten Eroberungen verliehret, weil er aus Ehrgeitz immer neue ma - chen will. Jeder wuͤrde ſeinen Poſten wohl be - haupten, wenn er ſich nur an das hielte, was er verſtehet.

Zuvorderſt folget der Natur und meſſet euer Urtheil nach ihrem gerechten und unaͤnderlichen Probmaaſſe. Sie irret niemahls. Sie iſt ein klares, ein allgemeines, ein unwandelbares Licht. Sie giebt allem Kraft, Leben und Schoͤnheit. Sie iſt zugleich die Quelle, der Endzweck und die Probregel der Kunſt. Aus ihrem Vorrath nimmt die Kunſt alles, was ſie mit Rechte braucht. Sie wircket ohne ſich zu zeigen und herrſchet ohne Gepraͤnge. So macht es in einem ſchoͤnen Lei -be55eines Kunſtrichters. be die darinnen verborgene Seele, wenn ſie ihn mit Kraft und Lebensgeiſtern erfuͤllt, wenn ſie je - de Bewegung regieret, jede Nerve unterhaͤlt, und doch ſelbſt nicht ſichtbar iſt, als in ihren Wirckungen. Bey manchem, der einen reichen Vorrath an Witze vom Himmel bekommen, fin - det ſich eben ſo viel Mangel ihn recht zu verwal - ten. Denn Witz und Urtheilskraft ſind immer im Zanke, obgleich eines dem andern wie Mann und Weib zur Huͤlfe beſtimmet iſt. Es iſt ſchwe - rer den Pegaſus zu leiten, als anzuſpornen, und ſeine Hitze zu maͤſſigen, als ſeinen Lauf zu rei - zen. Der gefluͤgelte Laͤufer iſt gleich einem edlen Pferde. Er zeiget niemalen ein ſchoͤners Feuer, als wenn man ihn vernuͤnftig zuruͤckehaͤlt.

Alle dieſe Regeln, welche die alten entdeckt und nicht ſelbſt erſonnen haben, ſind immer die Na - tur, aber die Natur in richtiger Lehrart. Die freye Natur gleicht einer Monarchie. Sie wird allein durch ſolche Geſetze beſchraͤncket, welche ſie anfangs ſelbſten gegeben hat.

Hoͤret wie das gelehrte Griechenland uns ſeine lehrreiche Regeln eroͤffnet, wann wir unſern Flug zuruͤcke halten, wann wir ihm Freyheit geben ſollen. Mich deucht, ich ſehe es, wie es uns ſei - ne Soͤhne auf dem hoͤchſten Gipfel des Parnaſſus zeiget, und die ſchweren Wege andeutet, die ſie betreten hatten. Es haͤlt den unſterblichen Preiß von ferne in der Luft, und reizet die andern, mit gleichen Schritten auch dahin aufzuſteigen. Es machte die richtigſten Regeln aus groſſen Exem - peln, und nahm von den trefflichſten Geiſtern,D 4was56Verſuch von den Eigenſchaftenwas ſelbige vom Himmel empfangen hatten. (c)Nec enim artibus editis factum est ut argumenta inveniremus. Sed dicta ſunt omnia antequam præcipe - rentur; mox ea ſcriptores obſervata & collecta ediderunt. Quintil. Ein edelgeſinnter Criticus fachte damals des Poe - ten Feuer an, und lehrte die Welt, wie ſie mit Vernunft bewundern ſollte. Die Critick war der Muſen Aufwaͤrterin, welche fuͤr ihren Aufputz Sorgetrug, um ſie dadurch liebenswuͤrdiger zu ma - chen. Aber wie ſehr entfernten ſich nicht die nach - folgenden Witzlinge von dieſer Abſicht? Die die Muſe nicht gewinnen konnten, die buhlten mit der Dienerin. Sie warfen ſich ſelbſt zu Herren auf und fiengen an ein beſonders Gewerbe zu trei - ben. Ja ſie kehrten wider die Dichter ihre ei - genen Wafen und ermangelten niemals ihre Lehr - meiſter am heftigſten zu haſſen. So macht es heu - te ein Apotheker, wenn er aus des Doctors Re - cepten gelernet hat, ſelbſt einen Doctor zu ſpielen. Er wird ſo verwegen in der Ausuͤbung uͤbel ver - ſtandener Regeln, daß er getroſt verſchreiben, eingeben, und ſeinen eigenen Meiſter fuͤr einen Narren ausſchreyen darf. Manche fallen wie Raͤuber uͤber die Schriften der Alten und verhee - ren mehr daran, als Zeit und Motten jemals thun koͤnnen. Weil anderwerts ein trockener Re - gelſchmied ohne einigen Erfindungsſchmuck mage - re Recepte daher ſchreibt, wie man Gedichte machen ſolle. Dieſe raͤumen die Vernunft hin - weg um ihren Schulkram auszulegen, und jeneerklaͤ -57eines Kunſtrichters. erklaͤren einen Scribenten ſo kuͤnſtlich, daß nichts vom Verſtande uͤbrig bleibt.

Jhr alſo, die ihr im Urtheilen die rechte Straſſe brauchen wollet, bemuͤhet euch den Character je - des Alten wohl zu erkennen. Ueberleget auf je - dem Blatte die Fabel, den Jnhalt und den End - zweck. Erforſchet ſeine Religion, ſein Vaterland, den Geiſt und die Art ſeiner Zeiten. Liegen euch alle dieſe Umſtaͤnde nicht auf einmal vor Augen, ſo moͤget ihr wohl kluͤgeln, aber niemals mit Be - ſtande urtheilen. Laſſet euch die Werke des Ho - mers eure Bemuͤhung und eure Wolluſt ſeyn. Leſet ſie bey Tage, und uͤberleget ſie bey Nacht. Aus dieſen muͤſſet ihr euer Urtheil bilden, eure Be - griffe nehmen, und alſo den Muſen aufwaͤrts bis zu ihrem Urſprunge nachfolgen. Durchleſet den Text ohnermuͤdet. Vergleichet ihn mit ihm ſelb - ſten, und brauchet die Mantuaner-Muſe zur Aus - legung daruͤber. Da der junge Maro erſtmals von Koͤnigen und Schlachten ſang,(d)Cum canerem Reges & prœlia, Cynthius aurem vellit. Virgil. Eclog. 6. eh ihm noch der warnende Phoebus ſein zitternd Ohr ge - ruͤhret hatte, ſo glaubte er ſich vielleicht auch - ber die Geſetze der Critick erhaben, und hielt ſichs ſchimpflich, aus einem andern als der Natur Brunnen zu ſchoͤpfen. Aber da er alles Stuck - weiſe unterſucht hatte, da fand er, daß die Na - tur und Homer einerley waren. Ueber dieſe Wahrheit erſtaunet, bezaͤumte er ſein verwege - nes Vorhaben, und ließ uns ein Werck, dasD 5nach58Verſuch von den Eigenſchaftennach den ſtrengſten Regeln ſo genau ausgearbei - tet iſt, als ob der Stagyrite uͤber jede Zeile die Aufſicht gefuͤhret haͤtte. Lernet hieraus eine behoͤ - rige Hochachtung fuͤr die Regeln der Alten. Jh - nen folgen iſt der Natur nachfolgen.

Jnzwiſchen giebt es doch auch Schoͤnheiten, welche keine Regeln uns erklaͤren koͤnnen. Denn nicht alle ſind Fruͤchte der Arbeit, einige muͤſſen gluͤcklich gerathen. Die Dichtkunſt gleichet der Muſick. Jn jeder ſind gewiſſe Annehmlichkeiten, die man nicht nennen, die kein Unterricht lehren und nur eine Meiſterhand erreichen kan. Die Regeln ſind nur zu Befoͤrderung eines Endzwe - kes gegeben. Erſtrecken ſie ſich zuweilen nicht weit genug,(e)Neque tam ſancta ſunt iſta præcepta, ſed hoc quicquid est utilitas excogitavit. Non negabo autem, ſic utile eſſe plerunque. Verum ſi eadem illa nobis aliud ſuadebit utilitas, hanc, relictis magiſtrorum authorita - tibus, ſequemur. Quintil. lib. 2. cap. 13. und man kan den Zweck durch eine gluͤckliche Freyheit erhalten, ſo wird dieſe Freyheit ſelbſt zur Regel. So weiß ſich der Pe - gaſus, mit einem edlen Abſprung von der gemei - nen Straſſe, einen naͤhern Weg zu finden. So doͤrfen groſſe Geiſter unterweilen einen kuͤhnen Flug, uͤber die Regeln, wagen, und erhabene Fehler begehen, die ein rechtſchaffener Critikus nicht verbeſſern darf. Mit tapferer Unordnung unterfangen ſie einen Ausfall aus den gemeinen Graͤnzen, und erbeuten Schoͤnheiten auſſerhalb des Gebietes der Kunſt, die, ohne durch unſer Ur - theil zu laufen, gerade ins Herze dringen, unddamit59eines Kunſtrichters. damit ihren ganzen Zwek auf einmal erreichen. Alſo vergnuͤget unſer Auge zum oͤftern ein Gegen - ſtand in der Ferne, der von der gemeinen Ord - nung der Natur auch abweichet; ein hangender Berg, ein ungeformter Felſen. Doch iſt in der Dichtkunſt allezeit eine Sorgfalt und mitten im Poetiſchen Raſen eine Beſcheidenheit noͤthig. Ha - ben gleich die Alten ihre Regeln gebrochen, (wie Koͤnige uͤber Geſetze diſpenſieren, die ſie ſelbſt ge - geben,) ſo huͤtet euch doch dafuͤr ihr neuere. Oder wenn ihr ja ein Geſetze uͤberſchreiten muͤſſet, ſo uͤberſchreitet doch niemals ſeinen Endzwek. Thut es ſelten, und nur aus Noth gezwungen, zum wenigſten aber nicht ohne Vorgaͤnger, auf die ihr euch beziehen koͤnnt. Sonſt macht euch die Critik ohne einiges Bedencken den Proceß und greift vermoͤge ihrer Geſetze auf euren Ruf und Na - men.

Jch weis wohl, es giebt einbildiſche Geiſter, die dergleichen freyere Schoͤnheiten auch in den Alten fuͤr Fehler halten. Aber viele Bilder ſcheinen un - formlich und misgeſtaltet, wenn man ſie Stuͤck - weiſe oder zu nahe betrachtet, denen doch eine be - hoͤrige Entfernung Form und Schoͤnheit giebt, im fall ſie nur nach Licht und Stelle vernuͤnftig pro - portionirt ſind. Ein kluger Feldherr muß ſeine Voͤlcker nicht allezeit in regelmaͤſſige Haufen und zierliche Ordnung ſtellen, ſondern ſich nach dem Platze und der Gelegenheit richten. Er verbirgt zuweilen ſeine Staͤrke und ſcheinet wol gar zu flie - hen. Und ſo iſt es oft eine Kriegsliſt, was wirfuͤr60Verſuch von den Eigenſchaftenfuͤr einen Fehler halten. Aber Homerus ſchlaͤft nicht, ſondern wir ſelbſten traͤumen.

Jhr groſſe Geiſter des Alterthums, eure Al - tare ſind mit immer gruͤnenden Lorbeeren bedeckt. Keine Raͤuberhand darf ſich ihrem Heiligthum naͤ - hern. Sie ſind ſicher fuͤr Flammen und der noch ſchaͤdlichern Wuth des Neides. Weder die ver - wuͤſtende Wafen, noch ſelbſt die Zeit, die alles verzehret, moͤgen ihnen ſchaden. Sehet, wie aus jedem Welttheile eure Soͤhne euch Weyhrauch bringen. Hoͤret, wie in allen Sprachen euch uͤbereinſtimmende Loblieder erſchallen. Und billig ſollen ſich alle Stimmen zu einem ſo gerechten Lo - be vereinigen und das ſterbliche Geſchlecht in ein Chor treten, euch zu erheben. Seyd verehret, ihr triumphierende Dichter, in gluͤcklichern Ta - gen gebohren, ihr unſterbliche Beſitzer eines allge - meinen Ruhms. Eure Wuͤrde waͤchſt mit dem Wachsthum der Zeiten, wie Stroͤme, die ſich im Herabfallen vergroͤſſern. Bey Voͤlckern, die noch ungebohren ſind, werden eure maͤchtige Nah - men erthoͤnen, und noch ungefundene Welten ſol - len euch einſt bewundern. O, moͤchte doch den lezten den geringſten eurer Soͤhne, der euch mit ſchwachen Fluͤgeln von ferne nachfleugt, der bren - net, wenn er eure Wercke lieſt, aber, wenn er ſchreibet, zittert, o moͤchte ihn doch ein Funcken von eurem himmliſchen Feuer beleben, daß er die eiteln Witzlinge die wenig bekannte Kunſt lehren koͤnnte, eine hoͤhere Vernunft zu bewundern und an ihrer eigenen zu zweifeln.

Unter61eines Kunſtrichters.

Unter allen Urſachen, welche der Menſchen fehlbares Urtheil verblenden, und den Verſtand misleiten, iſt keine, die ein ſchwaches Haupt gewaltſamer beherrſchet, als der Hochmuth, ein unausbleiblicher Fehler der Thoren. Was im - mer die Natur an wahrem Werthe verſaget, das erſezet ſie mit einer Fuͤlle von duͤrftigem Stolze. Es gehet in den Seelen zu, wie in den Leibern. Wo Blut und Geiſter fehlen, da ſtrozet es von Winden. Und wo der Witz mangelt, da kommt uns der Hochmuth zu Huͤlfe, und fuͤllt die gantze vernunftloſe Einoͤde aus. Doch wenn der Ver - ſtand einmal dieſe Wolcke verjaget hat, ſo bricht die Wahrheit herein mit einem unwiderſtaͤndlichen Lichte. Trauet euch dahero ſelbſten nicht, ſon - dern machet euch jeden Freund, ja jeden Feind zu Nuze, um eure Fehler zu erkennen.

Ein ſeichtes Wiſſen iſt gefaͤhrlich. Schoͤpfet tief aus dem Brunnen der Pierinnen, oder laſſet ihn gar ungekoſtet. Trincken wir nur oben herab, ſo bringt es den Schwindel ins Gehirne, aber ſtarcke Zuͤge machen uns wider nuͤchtern. Die Gaben der Muſen entzuͤnden uns beym erſten An - blicke ſo ſehr, daß wir in unſrer verwegenen Ju - gend ſogleich vermeinen, den Gipfel der Wiſſen - ſchaften zu erſteigen. Denn unſer beſchraͤnckter Geſichtskreis entdecket uns gar zu wenig, und laͤßt uns die hinter ihm verborgene Weiten nicht erkennen. Aber wenn wir weit er kommen, ſo ſehen wir mit Erſtaunen, wie immer neue Schau - plaͤtze unendlicher Wiſſenſchaften ſich hinter einan - der entdecken. Eben ſo fangen wir freudig an,die62Verſuch von den Eigenſchaftendie aufgethuͤrmten Alpen zu beſteigen. Wir laſſen Thaͤler unter uns, und meinen den Himmel ſchon unter den Fuͤſſen zu haben. Es deucht uns, wir haben ihren ewigen Schnee bereits uͤberſtiegen, und die erſten Wolcken und Gebuͤrge ſcheinen uns die letzten. Aber wenn wir dieſe erreichet haben, wie erſchreckt uns nicht der ſtarcke Anwachs un - ſerer Arbeit auf Wegen, die ſich immer verlaͤngern. Eine neue Ferne ermuͤdet unſer wanderndes Auge. Huͤgel blicken uͤber Huͤgel heraus und Alpen erhe - ben ſich uͤber Alpen.

Ein vollkommener Richter lieſet jedes Werck mit eben dem Geiſte,(f)Diligenter legendum est, ac pœne ad ſcribendi ſolicitudinem. Nec per partes modo ſcrutanda ſunt o - mnia, ſed perlectus liber utique ex integro reſumendus. Quintil. worinnen es der Verfaſſer geſchrieben hat. Er uͤberſiehet das gan - ze und muͤhet ſich nicht einen geringen Fehler in ſolchen Stellen zu finden, wo ſtarcke Triebe uns bewegen und die Entzuͤckung uns anfeuert. Er mag um dieſes bosheitsvollen ſchlechten Kuͤtzels willen ſich nicht des edlen Vergnuͤgens berauben, an Geiſt und Vernunft ſich zu ergoͤtzen. Aber in einem Liede, worinnen weder Ebbe noch Fluth, worinnen eine regelmaͤſſige Kaͤlte, eine gelehrte Kraftloſigkeit herrſchet, welches um nicht zu feh - len bey einerley ruhigem Tone verbleibet, finden wir wohl nichts zu tadeln. Aber wir moͤchten daruͤber ſchlafen. Jn geiſtreichen Schriften, wie in der Natur, iſt das, was uns ruͤhret, nicht die genaue Richtigkeit einzeler Theile. Was wirSchoͤn -63eines Kunſtrichters. Schoͤnheit nennen, iſt nicht der Mund oder ein Auge, ſondern die vereinte Kraft, der volle Jn - halt von allen. So wenn wir einen praͤchtigen Dom, der Welt, ja ſelbſten Roms gerechtes Wunder erblicken, ſo pflegen uns nicht ſeine be - ſondere Stuͤcke mit Unterſchied zu ruͤhren, alle zu - ſammen ziehen unſere Blicke zugleich auf ſich. Da ſehen wir keine ungeformte Hoͤhen, noch Laͤn - gen, noch Breiten. Das Ganze iſt zugleich ſtoltz und regelmaͤſſig.

Wer immer ein Werck ohne Fehler zu ſehen gedencket, der gedencket etwas, das nie gewe - ſen, nicht iſt, und niemals ſeyn wird. Jn je - dem Wercke muß man auf den Zweck des Ver - faſſers ſehen, den niemand uͤber deſſen eigene Ab - ſicht erſtrecken kan. Und wenn er ſich bequemer Mittel und einer richtigen Ausfuͤhrung bedient hat, ſo ſind wir ihm Beyfall ſchuldig, zu troze der geringen Maͤngel, die darinnen erſcheinen moͤchten; denn, wie ein wohlgeſitteter Mann im Umgange, ſo muß ein Scribent im Schreiben oft kleine Fehler begehen, um groͤſſere zn vermei - den. Verachtet die Regeln, die ein jeder Wort - gruͤbler ſtellt. Es iſt euch eine Ehre, dergleichen Kleinigkeiten nicht zu wiſſen. Mancher Critiſcher Unterbedienter hat ſich dergeſtalt in ſein Aemt - gen verliebt, daß er den Stat darnach meiſtern, und das Ganze immer von einem Theile abhaͤngig machen will. Sie ſprechen von Grundſaͤtzen, und ruͤhmen nichts als richtige Begriffe, opfern ſie aber alle einer einigen Thorheit auf, in die ſie ſich verliebet haben.

Man64Verſuch von den Eigenſchaften

Man ſagt, daß einſten der Ritter von Man - cha einen Dichter auf dem Wege angetroffen und ſich mit ihm uͤber die Grundregeln der Schaubuͤh - ne unterhalten habe, mit eben ſo vernuͤnftigen Bli - ken und geſchickten Ausdruͤckungen, als immer Dennis thun koͤnnen. Sein Schluß war, daß alle toll und wahnſinnig ſeyen, die ſich hierinnen von des Ariſtoteles Vorſchrift entfernen. Der Autor uͤber einen ſo geſchickten Richter erfreuet, zog eine Tragoͤdie hervor und bat den Ritter um ſeine Meinung. Er erklaͤrte ihm den Jnhalt der Handlung, ihre Verwicklung, die Sitten und die Leidenſchaften der Perſonen, die Einheit und was nicht mehr. Alles, erinnerte er, waͤre ge - nau nach den Regeln abgepaßt, wann nur ein Ritterkampf daraus geblieben waͤre. Was, ſchrie der Ritter, den Kampf auslaſſen! Ja, oder wir muͤſſen dem Stagyriten abſagen. Nein beym Himmel! Antwortete jener halb raſend. Ritter, Schildtraͤger und Pferde muͤſſen alle auf der Buͤhne erſcheinen. Aber die Buͤhne faßt kein ſo groſſes Gedraͤnge. So baut eine neue, oder ſpielt das Stuck auf einem offenen Plaze.

So macht es ein Kunſtrichter, der mehr Fuͤr - witz als Kenntniß beſizet, der ſtaͤrcker an Eigen - ſinn als Urtheilskraft, und mehr ſeltſam als ge - nau im Geſchmacke iſt. Er hat gar zu enge Be - griffe, und begehet aus Parteyliebe in Wiſſen - ſchaften Fehler, wie viele in den Sitten.

Einige haben an nichts keinen Geſchmack, als an ſpielenden Gedancken. Jede Zeile muß ihnen von Flittergolde ſchimmern. Woran ſie ſich ergoͤzen,das65eines Kunſtrichters. das ſind Wercke, worinnen nichts juſt und regel - maͤſſig iſt, ein glaͤnzendes Chaos, ein wilder Haufen von Einfaͤllen. Es gehet den Poeten wie den Malern. Wenn ſie nicht geſchickt genug ſind, die nackte Natur, und lebendige Annehm ich - keiten zu bilden, ſo bedecken ſie alles mit Gold und Edelſteinen, und verbergen ihre Schwaͤche un - ter einem Haufen von Zierrathen. Aechte Schoͤn - heiten in Schriften ſind nichts als die Natur zu ihrem Vortheil gekleidet. (g)Naturam intueamur, hanc ſequamur. Id facil - lime accipiunt animi, quod agnoſcunt. Quintil. lib. 8. c. 3.Etwas, das man oft gedacht, aber nie ſowohl ausgedruͤckt hat - te, deſſen Wahrheit wir beym erſten Anblike empfinden. Ein Wiederſchein der Bilder unſe - rer eigenen Seele. Wie der Schatten das Licht angenehmer macht, ſo wird durch eine ſittſa - me Einfalt die Lebhaftigkeit des Wizes erhoͤhet. Dann ein Werck kan auch mehr Geiſt haben, als ihm gut iſt, gleichwie der Ueberfluß an Blut einem Leibe verderblich faͤllt.

Andere bekuͤmmern ſich allein um die Spra - che, und ſchaͤtzen die Buͤcher, wie manches Frau - enzimmer die Maͤnner, nur nach dem Aufputze. Jhr Lobſpruch heißt immer: Die Schreibart iſt vortrefflich. Die Gedanken nehmen ſie in De - muth ſtets fuͤr gerechte Wahre. Jnzwiſchen ſind doch die Worte wie das Laub: Wo ſie zu haͤuf - fig ſind, da findet man ſelten viel Fruͤchte des Verſtandes darunter. Eine falſche Beredſam - keit ſpreitet, wie ein dreyekichtes Glas, ihre[Crit. Sam̃.] EGau -66Verſuch von den EigenſchaftenGaukelfarben rings herum aus, daß wir die Natur nicht mehr erkennen. Alles glaͤnzet gleich - lich; alles iſt ohne Unterſchied lebhaft. Aber ein aͤchter Ausdruck iſt wie die unwandelbare Son - ne, die alles was ſie beſcheint, erhellet und zieret, die jeden Gegenwurf verguͤldet, aber keinen ver - aͤndert. Der Ausdruck iſt die Kleidung der Ge - danken. Je beſſer ſie ihnen anpaßt, je anſtaͤn - diger koͤmmt ſie uns vor. Da hingegen ein nied - riger Gedanke in praͤchtigen Woͤrtern ausge - druckt einem groben Bauern gleichet, der in Koͤ - niglichem Purpur einher tritt. Dann ein ver - ſchiedener Jnhalt erfordert eine verſchiedene Schreib - art, ſo wie nicht einerley Kleidung fuͤr das Land, die Stadt und den Hof, geſchickt iſt. Einige ſuchen Ruf und Nahmen durch alte Woͤrter. (h)Abolita & abrogata retinere inſolentiæ cujusdam est & frivolæ in parvis jactantiæ. Quintil. lib. 1. c. 6. Opus est ut verba à vetustate repetita neque crebra ſint neque manifeſta; quia nihil eſt odioſius affectatione nec utique ab ultimis repetita temporibus. Oratio, cujus ſumma virtus eſt perſpicuitas, quam ſit vitioſa, ſi egeat interprete? Ergo ut novorum optima erunt maximè ve - tera, ita veterum maxime nova. Sie ſind alt im Ausdruck, aber voͤllige Neulinge im Verſtande. Dergleichen muͤhſeeliges Nichts in einer ſo wunderſeltſamen Schreibart bethoͤret die Ungelehrten und macht die Gelehrten lachen. Sie ſind ſo ungluͤcklich als Fungoſo in der Comoͤ - die(i)Ben Johnson’s Every Man in his Humour. und meinen trefflich zu prangen, wenn ſie in einer alten Kleidung erſcheinen, die ein galan ter Hofmann ehdeſſen getragen hat. So ah -men67eines Kunſtrichters. men ſie auch die groſſen Scribenten des Alter - thums nicht beſſer nach, als Affen unſre Groß - vaͤter, da ſie mit ihren Waͤmſtern bekleidet wer - den. Jn den Woͤrtern und in der Mode hat ei - nerley Regel ſtatt. Zu neu oder zu alt, iſt bey - des gleich phantaſtiſch. Sey nicht der erſte, ein neues Wort zu wagen, noch der lezte, ein altes bey Seite zu legen.

Aber die meiſten beurtheilen ein Gedichte nach dem Wohllaute. Gelind oder hart iſt ihnen gut oder ſchlimm. Laß tauſend Annehmlichkeiten ſich in der lebhafteſten Muſe vereinigen; die Thon - ſuͤchtigen Thoren werden nichts als ihre Stimme bewundern. Sie beſuchen den Parnaß nur um das Ohr zu kuͤzeln und nicht den Verſtand zu beſ - ſern, ſo wie mancher die Kirche nicht um der Pre - digt, ſondern der Muſik willen beſuchet. Dieſe ſehen auf nichts als gleiche Sylben;(k)(na molli Quis populi ſermo eſt? Quis enim? Niſi carmi - Nunc demum numero fluere, ut per læve ſeveros Effugit junctura ungues: Scit tendere verſum Non ſecus ac ſi oculo juncturam dirigat uno. Perſius Sat. I. Unbekuͤm - mert, ob ein oͤfterer Zuſammenlauf der Lautbuch - ſtaben das Ohr beleidige, ob die Flikwoͤrter das beſte thun muͤſſen, und oft zehen niedrige Woͤrtgen in einem abgeſchmakten Verſe kriechen. Einerley Schellenklang gehet immer bey ihnen herum, mitE 2ge -(l)Fugiemus crebras vocalium concurſiones quæ vaſtam atque hiantem Orationem reddunt. Cic. ad He - renn. lib. 4. Vide etiam Quintil. lib. 9. c. 4.68Verſuch von den Eigenſchaftengeſchwohrnen Reimen die man ſtets erwartet.

Ein Dichter fuͤhrt uns ſtets durch die ſmaragdnen Felder.
Wohin? Jch weiß es ſchon. Jn dikbelaubte Waͤlder;
Da ſucht ſein Coridon im Schatten ſeine Ruh,
Und ſchleußt (bald thu ichs auch) die muͤden Augen zu.

Die lezte und einige Strophe iſt hinten mit ei - nem verſtandloſen Zeuge geſchmuͤkt, welches ſie einen Gedanken nennen; und endet ſich mit ei - nem unnoͤthigen Alexandriner, der wie eine ver - wundete Schlange ſeinen langgeſtrekten Coͤrper nachſchleppet. Laſſet ſolche ihre eigene dumme Reimen austhoͤnen, und lernet ihr, eine maͤnn - liche Anmuth von einer kraftloſen Weichlich - keit wohl unterſcheiden. Preiſet den ungezwun - genen Nachdruck einer Zeile, worinnen Den - hams Staͤrke und Wallers Lieblichkeit ſich verei - nigen. Eine leichtflieſſende Schreibart kommt nicht von ungefehr; ſie wird durch Kunſt erwor - ben, wie diejenige ſich am fertigſten bewegen, welche tanzen gelernt haben. Es iſt aber nicht genug, daß keine Haͤrtigkeit das Ohr beleidige. Der Vers muß auch ein Echo des Verſtandes ſeyn.

Der Weſte Saͤuſeln ſoll im Liede wiederhallen,
Und eine ſanfte Fluth in ſanften Thoͤnen wallen,
Doch wenn ſie tobt und brauſt, ſo ſtell es unſrem Ohr
Ein Sturm im Verſe ſelbſt mit Lerm und Praſſeln vor.

Wenn Ajax ſich muͤhſam bearbeitet, eine Fel - ſenlaſt umzuwelzen; ſo ſoll die Rede ſich mit bemuͤhen; die Worte ſeyen langſam, arbei - tend. Aber nicht ſo, wenn die Fluͤgel-ſchnel - le Camilla uͤber ein Saatfeld daher fleugt, und kaum die ſich nicht biegenden Aehren mit fluͤchti -gem69eines Kunſtrichters. gem Fuſſe nur oben beſtreift. Hoͤre die verander - lichen Thoͤne des Timotheus, wie ſie uns ruͤhren, wie ſie den Regungen gebieten, wechſelweiſe zu ſteigen und zu fallen. (m)Alexander’s Feast or the power of Muſick; An Ode by Mr. Dryden. Man ſchauet den Sohn des Lybiſchen Jupiters nach jeder Tonver - aͤnderung bald brennend von Ruhmbegierde, bald weich von Liebe. Aus ſeinen wilden Bliken funkeln jzt Wuth und Raſen, und jzt bricht er in Seufzer aus, und zerſchmelzt in Thraͤnen. Perſer und Griechen finden gleiche Regungen bey ſich, und den Weltbezwinger bezwingen die Thoͤ - ne. Noch jzo muͤſſen alle Herzen die Macht der Muſik bekennen, und was einſt ein Timotheus war, iſt jzt ein Dryden.

Fallet niemals aufs aͤuſſerſte und vermeidet den Fehler derjenigen Koͤpfe, denen alles zu viel oder zu wenig gefaͤllt. Haltet nicht alle Kleinigkeiten fuͤr wuͤrdig euch daruͤber zu aͤrgern. Dergleichen zeiget allezeit einen maͤchtigen Stoltz oder geringe Vernunft an. Solche Koͤpfe ſind, gleich den Maͤgen, gewiß nicht die beſten, die uͤber alles ekeln und nichts verdaͤuen koͤnnen. Aber laßt auch nicht jeden lebhaften Einfall euch ſogleich entzuͤken. Denn ein Thor bewundert zu leicht, wo ein Ver - nuͤnftiger nur beyfaͤllt. Wie Dinge uns groß vorkommen, die wir durch einen Nebel anſehen, ſo iſt auch die Dummheit immer geſchikt zum ver - groͤſſern.

Einige verachten die franzoͤſiſchen Scribenten, andere unſere eigene. Von dieſem werden nur dieE 3alten,70Verſuch von den Eigenſchaftenalten, von jenem die neuen hochgeſchaͤzt. So pflegt ein jeder den Wiz, wie den Glauben, nur einer einigen kleinen Secte zuzueignen, und alle auſſer ihr zu verdammen. Wie enge wollen die - ſe die Seeligkeit einſchraͤnken und eine Sonne zwin - gen, daß ſie nur an einem Ort hinſcheine, die doch allgemein iſt, ſie ſublimiert nicht nur den Wiz in warmen Sud-ſondern zeitiget auch Gei - ſter in den kalten Nordlaͤndern. Wie ſie von Anfang her die verlauffenen Alter beſchienen, ſo be - leuchtet ſie noch das gegenwaͤrtige, und wird einſt das lezte erwaͤrmen, obwohl ein jedes Ab - und Zu - nahme kennet, und bald hellerer bald truͤberer Tage gewahr wird. So fraget denn nicht, ob etwas geiſtreiches alt oder neu ſey; ſondern tadelt das ſchlimme und ſchaͤzet das gute beſtaͤndig.

Einige urtheilen niemals aus ſich ſelbſten. Sie fangen die gemeinen Gaſſen-Urtheile auf und ſind ewige Folger in ihren Schluͤſſen. Sie eignen ſich einen alten ſinnloſen Ausſpruch zu, den ſie ſelbſt niemalen erfunden haben. Andere urtheilen nach dem Namen des Scribenten, und nicht nach ſei - nem Werke. Der Mann iſts und nicht die Schrift, die ſie ruͤhmen oder tadeln. Aber unter dieſer knechtiſchen Heerde iſt der aͤrgſte, der in ſeinem dummen Hochmuth ſich mit Standes-Per - ſonen geſellet. Er gibt einen geſchwornen Kunſt - richter an der Tafel eines Groſſen ab, der dem gnaͤdigen Herren ſinnloſe Schriften zubringen und austragen muß. Fuͤr was fuͤr ein elendes Zeug wuͤrde nicht dieſes Madrigal gehalten wer - den, wenn es einen hungrigen Lohn-Reimen -ſchmied71eines Kunſtrichters. ſchmied oder mich zum Urheber haͤtte. Aber laßt einen Lord ſich zum Vater der gluͤklichen Zeilen bekennen. O wie ſchimmert es darinnen von Gei - ſte, wie trefflich iſt die Schreibart geſchmuͤkt! Vor ſeinem geheiligten Namen fliehen alle Fehler, und jede erhabene Stanza iſt ſchwanger mit Ge - danken.

So irret der Poͤbel im Nachahmen, wie oft die Gelehrten, wenn ſie zu ſonderlich ſeyn wollen. Der gemeine Haufen iſt ihnen ſo verhaßt, daß wenn es ihm einmahl blindlings geraͤth, den rech - ten Weg zu finden, ſie mit Vorſatz den Abweg erwehlen; nicht anderſt als die Sectirer, die ſich von den einfaͤltig glaubenden trennen, und nur darum verdammt werden, weil ſie zu viel Wiz haben.

Viele loben am Morgen, was ſie des Abends ſchelten, und halten doch immer ihre lezte Mei - nung fuͤr die beſte. Sie gehen mit ihrer Muſe um, wie mit einer Buhlerin. Jn einer Stunde wird ſie angebetet, in der andern mishandelt. Jhre ſchwache Koͤpfe ſchlagen ſich wie unbefeſtigte Staͤdte taͤglich zu einer andern Partie, und fal - len bald der Vernunft bald der Unvernunft zu. Fraget ſie warum. Sie ſprechen, daß ſie be - ſtaͤndig kluͤger werden, ſie ſeyen heut allezeit kluͤ - ger als geſtern. Wir ſind ſo klug geworden, daß wir unſre Vaͤtter fuͤr Thoren halten, und unſre noch kluͤgere Soͤhne werden ohnzweifentlich uns auch dafuͤr erklaͤren. Als einſten die Schul-Theo - logen unſre Eifersvolle Jnſel uͤberſchwemmt hat - ten, da war der der groͤſte Grundgelehrte, derE 4die72Verſuch von den Eigenſchaftendie meiſten Spruͤche wußte. Der Glaube, die Schrift, und alles ſchienen nur zum diſputieren ge - macht, und keiner hatte Verſtand genug, ſich wiederlegen zu laſſen. Nun ſchlafen Scotiſten und Thomiſten im Frieden beyſammen, unter den Spinnweben, (ihren nahen Anverwandten,) an der Duksſtraſſe. Jſt der Glaube ſelbſt in ſo ver - ſchiedenem Aufzug erſchienen, was Wunders daß ſich auch beym Wize die Moden veraͤndern. Oft muß die thoͤrichteſte Mode, die alles, was natuͤr - lich und geſchikt iſt, verwirft, wenn ſie einmal den Lauf hat, fuͤr baren Wiz gelten. Und ein Scri - bente glaubt, es fehle ihm nimmer an Ruhm, wenn er ſolange lebt, als es Thoren beliebt, ihm zugefallen zu lachen.

Viele ſchaͤzen nur Leute von ihrer eigenen Par - tie oder Gemuͤthsart, und machen ſich immer ſelb - ſten der Welt zur Richtſchnur. Aus Eigenliebe glauben wir das Verdienſt zu verehren, wenn wir nur uns ſelbſt in andern ruͤhmen. Die Fac - tionen unter den Gelehrten hangen von den Staats - factionen ab, und der Unterſchied der Partien verdoppelt den Privathaß zwiſchen ihren Zuge - wandten. Stolz, Bosheit und Thorheit erhuben ſich wieder Dryden in allerley Geſtalten, bald ei - nes Prieſters, bald eines Kunſt - und bald eines Moderichters. Doch das Geſpoͤtte vergieng und die Vernunft blieb dennoch uͤber, denn ein wah - res Verdienſt bringt ſich doch zulezt empor. Koͤnnte er wiederkehren und noch einmal unſre Blike beſeeligen, ſo wuͤrde es nicht fehlen, es muͤßten neue Blakmoren und neue Milburnen ent -ſtehen;73eines Kunſtrichters. ſtehen; ja ſolte der groſſe Homer ſein ehrenvolles Haupt wieder empor heben, ſo wuͤrde auch Zoi - lus ſich ohnverweilt aus dem Grabe aufrichten muͤſſen. Der Neid verfolget das Verdienſt, als deſſen Schatten; aber er zeiget auch, wie der Schatten, ein Weſen an. Denn ein benei - deter Wiz iſt wie die verfinſterte Sonne. Sie beweiſet einen groben Stoff an dem Coͤrper, der ihr entgegen ſteht, und nicht an ihrem eigenen. Wenn dieſe Sonne gar zu kraͤftig ſtrahlet, ſo zie - het ſie Duͤnſte in die Hoͤhe, die Anfangs ihren Glanz verdunkeln. Aber eben dieſe Wolken ver - herrlichen zulezt ihre Reiſe, ſie zeigen uns neue Schoͤnheiten im Wiederſcheine, und vermehren den Tag.

Sey du der erſte, ein wahres Verdienſt zu loben. Wer warten will, biß es jedermann ruͤh - met, der koͤmmt zu ſpaͤt mit ſeinem Lobe. Das Leben unſrer heutigen Reimen waͤhret leider ohne das zu kurtz. Wie billich iſt es denn, daß wir ſie ſolches deſto eher genieſſen laſſen. Die guͤlde - ne Zeit erſcheinet nun nicht mehr, da die alten Weiſen, die Vaͤter des Wizes, uͤber tauſend Jah - re lebten. Ein langer Nachruhm, unſer anderes Leben, wird nun umſonſt gehofft. Sechzig eini - ge Jahre ſind alles, worauf wir trozen koͤnnen. Unſere Soͤhne entdecken die Maͤngel in ihrer Vaͤ - ter Sprache, und was jezt Chaucer iſt, wird Dryden werden. So bringt oft der getreue Pin - ſel einen trefflichen Gedanken des Malers ins Werk. Eine neue Welt entſtehet auf des Kuͤnſt - lers Gebot, und die Natur wartet auf die Be -E 5wegung74Verſuch von den Eigenſchaftenwegung ſeiner Hand. Bald zeitigen die Farben, und beginnen ſich angenehmer zu mildern. Alles ſchmelzet lieblicher in einander und bringt erſt die rechte Schoͤnheit von Schatten und Lichte hervor. Aber wenn eben die Jahre dem Werke ſeine voͤl - lige Reife gegeben, wenn jedes praͤchtige Bild juſt anfaͤngt zu leben, ſo betriegen oft die verraͤthe - riſchen Farben die ſchoͤne Kunſt, und die Wun - dervolle Schoͤpfung erbleicht und verſchwindet.

Ungluͤcklicher Witz, der gleich den betrieg - lichſten Dingen fuͤr die Mißgunſt, die er uns zu - zieht, uns nie genug belohnet. Nur in der Ju - gend bruͤſten wir uns mit ſeinem leeren Ruhme. Aber wie bald iſt dieſe fluͤchtige Eitelkeit verloh - ren, wie eine ſchoͤne Blume im fruͤhen Lenzen, die friſch bluͤhet, aber eben im Bluͤhen verwelket. Was iſt dieſer Witz, um den wir uns ſo bemuͤ - hen? Ein Weib das der Eigenthuͤmer andern uͤberlaſſen muß. Er macht uns die meiſte Unru - he, wenn er am meiſten bewundert wird. Je mehr wir geben, je mehr wird immer von uns gefordert. Wir erwerben unſern Ruf zu muͤh - ſam, und verliehren ihn gar zu leicht. Sicher, einige zu beleidigen, aber niemals allen zu gefal - len. Er iſt eine Sache, die die Boͤſen fuͤrchten, und die Tugendhaften fliehen. Von Thoren wird er gehaßt, und von Laſterhaften vernichtet.

Muß der Witz ſo viel von der Unvernunft lei - den, o ſo ſollte doch die Wiſſenſchaft nicht auch ſeine Feindin werden. Ehedeſſen belohnte man einen groſſen Meiſter, und ruͤhmte zum wenigſten diejenigen, die etwas wuͤrdiges nur unterfiengen. War75eines Kunſtrichters. War gleich der Triumph nur einem Feldherren vorbehalten, ſo gab es doch auch Kraͤnze, zur Belohnung der Soldaten. Aber nun bemuͤhen ſich die, ſo den Gipfel des Parnaſſes erreicht, andere herunter zu ſtoſſen. Und weil die Eigenlie - be jeden neidigen Scribenten beherrſchet, ſo ma - chen ſie ſich mit ihrem Zanken den Thoren ſelbſt zum Geſpoͤtte. Dem ſchlimmſten unter ihnen faͤllt es immer am ſchwerſten, etwas zu loben. Denn ein ſchlechter Scribente iſt eben ſo ein ſchlechter Freund. Zu was fuͤr einem verwerflichen Ende muß doch die Sterblichen die verdammte Ruhm - ſucht beherrſchen! Auf was fuͤr ſchnoͤde Wege verleitet ſie ſie nicht! O daß doch niemand mit dem verderblichen Ehrdurſt prangen, noch in dem Tadler den Menſchen verliehren moͤchte! Ein gu - ter Verſtand ſollte immer mit einem guten Herzen begleitet ſeyn. Denn irren iſt menſchlich, aber vergeben goͤttlich. Doch wenn ja in edlen Ge - muͤthern noch ſolche Hefen uͤberbleiben, die von der ſchwarzen Galle und jaͤhrenden Saͤure noch nicht gereiniget ſind, ſo laßt eure Wuth uͤber La - ſter aus, die es mehr verdienen, und ſorget nicht, daß es in dieſen Grundverderbten Zeiten euch daran werde manglen. Garſtige Dinge ſollen in Schriften nie keine Verſchonung finden, ſo ſehr auch Wiz und Kunſt ſich bemuͤhen, ſie annehm - lich zu machen. Aber wenn ſie dabey mit einer plumpen Dummheit begleitet werden, ſo verdie - nen ſie noch dazu die aͤuſſerſte Verachtung. Jn jener fetten Zeit, da Wolluſt, Reichthum und Ruhe im Flor waren, entſproß dieſes fruchtbareUn -76Verſuch von den EigenſchaftenUnkraut und verbreitete ſich bald allenthalben he - rum. Da war die Liebe die einige Beſchaͤftigung eines muͤſſigen Monarchen, der ſelten im Rathe, und niemals in den Waffen erſchien. Buhlerin - nen regierten den Staat, und die Staats-Be - dienten ſchrieben Comoͤdien. Man gab dem Wi - ze Beſoldung und junge Lords waren damit verſe - hen. Die Schoͤnen ſaſſen entzuͤkt bey der Oper eines Hofmanns und keine Maſke ſchied unverbeſ - ſert davon. Kein ſchamhafter Windfaͤcher wur - de mehr empor gehoben, und Jungfrauen laͤchel - ten uͤber das, woruͤber ſie zuvor erroͤtheten. Die ſolgende Ausgelaſſenheit einer fremden Regierung oͤffnete allen Hefen des frechen Socinus den Damm. Dann wurde zuerſt die Sittenlehre der Belgier erhoben. Wir bekamen ihre Religion und ſie unſer Gold. Prieſter ohne Glauben re - formierten die Nation, und lehrten eine angeneh - mere Weiſe ſeelig zu werden, bey welcher freye Unterthanen des Himmels auch ihre Rechte ver - theidigen duͤrften. Denn ſonſt haͤtte Gott ſelbſten zu Abſolut ſcheinen moͤgen. Man gewoͤhnte die Kanzeln mit ihren heiligen Satiren ſparſamer zu thoͤnen, und die Laſter wunderten ſich ihre Schmeichler darauf zu erbliken. Hiedurch wur - den unſere Titaniſche Witzlinge ſo kuͤhne, den Himmel zu ſtuͤrmen, und die Preſſen aͤchzeten - ber erlaubten Gotteslaͤſterungen. Auf dieſe Unge - heure ſchieſſet eure Pfeile, ihr Buͤcherrichter. Auf dieſe richtet euren Donner und erſchoͤpfet alle eure Wuth. Doch meidet anbey den Fehler de - rer, die, zum Aergerniſſe ſeltſam, einen Scribentenmit77eines Kunſtrichters. mit Gewalt uͤbel verſtehen wollen, um boͤſes in ihm zu finden. Einem angeſteckten ſcheint alles angeſteckt, wie einem gelbſuͤchtigen Auge alles gelb vorkoͤmmt.

Lernet derohalben auch die moraliſchen Tugen - den eines Critici, denn die bloſſe Wiſſenſchaft iſt nur die Helfte der Pflichten eines Richters. Es iſt nicht genug an Witz, Kunſt und Gelehrtheit: Es muͤſſen auch Wahrheit und Redlichkeit aus allem, was wir reden, hervorbliken, damit jeder - mann bewogen werde, nicht nur unſer Urtheil zu ſchaͤzen, ſondern auch unſre Freundſchaft zu ſuchen.

Schweigetallezeit, wenn ihr noch an eurer Ein - ſicht zweifelt, und ſeyd ihr wirklich gewiß, ſo ſprecht doch als ob ihr euch nicht genug trauetet. Es giebt Thoren, die in ihren unvernuͤnftigen Machtſpruͤchen ſo halsſtarrig ſind, daß ſie mit Gewalt fort irren wollen, wenn ſie einmal geir - ret haben. Aber erkennet ihr eure vergangene Fehler mit Freuden, und ſtellet jeden Tag eine Critik uͤber den vorigen an.

Doch iſt es auch nicht genug, einen guten Rath ſchlechthin zu ertheilen. Eine plumpe Wahrheit ſtiftet mehr uͤbels als eine kuͤnſtliche Unwahrheit. Man muß die Menſchen lehren, als ob man ſie nicht lehrte, und Dinge, die ſie nie gewußt, ih - nen vorbringen, als ob ſie ſie nur vergeſſen haͤt - ten. Die Wahrheit findet keinen Eingang, wenn die Hoͤflichkeit ſie nicht begleitet. Nur dieſes kan den Vorzug unſrer Vernunft einem andern be - liebt machen.

Seyd78Verſuch von den Eigenſchaften

Seyd niemals ſparſam in Mittheilung eurer Meinung. Kein Geitz iſt haͤßlicher, als wenn man mit der Vernunft geizig iſt. Huͤtet euch daß keine niedertraͤchtige Gefaͤlligkeit eure Aufrichtigkeit befleke, und ſeyd nie ſo hoͤflich, daß ihr daruͤber ungerecht wuͤrdet. Jhr duͤrft euch nicht fuͤrchten einen Weiſen ſo leicht zu erzuͤrnen, denn niemand laͤßt ſich lieber tadeln, als der geruͤhmt zu wer - den verdienet.

Doch o wie gut waͤre es, wenn ein Kunſtrich - ter ſich allezeit dieſe Freyheit ausnehmen duͤrfte! Aber dem Appius ſteigt bey jedem Worte, das ihr ſprecht, das Feuer in die Stirne. Er beſitzt ſich nimmer, und drohet bereits mit fuͤrchterlichen Bliken, wie ein grimmiger Tyrann auf einer al - ten Tapezerey. Fuͤrchtet euch ja einen vorneh - men Thoren anzutaſten, der die Freyheit hat, ohne Einrede dumm zu ſeyn. Ein ſolcher wird, wenn es ihm gefaͤllig iſt, ohne Geiſt und Witz zum Poeten, und darf ſich graduiren laſſen, ohne etwas zu wiſſen. Gefaͤhrliche Wahrheiten muß man einem ohngluͤcklichen Satirenſchreiber, und Schmeicheleyen einem eckelhaften Dedications - ſchmiede uͤberlaſſen, deſſen Lobſpruͤchen die Welt nicht mehr Glauben zuſtellt, als ſeinen Verſpre - chungen, das Buͤcherſchmieren aufzugeben. Es iſt zuweilen am beſten, wenn wir mit unſern Strafpredigten inhalten und dumme Koͤpfe in Lie - be bey ihrer Einbildung laſſen, denn wer kan ſo lange ſchmaͤlen, als ſie ſchreiben koͤnnen? Sie ſind wie Toͤpfe. Sie fangen an zu ſumſen, und laſſen in ihrem ſchlaͤfrigen Laufe ſich ſo lange herumpeit -79eines Kunſtrichters. peitſchen, bis ſie zulezt gar entſchlafen. Ein fal - ſcher Tritt reizet ſie nur wieder von vornen anzu - fangen, wie ein liederliches Pferd, wenn es ge - ſtolpert hat, ſtaͤrker anfaͤngt zu laufen. Was fuͤr Schaaren von dieſen ohnbußfertigen Koͤpfen wer - den nicht alt und grau in ihrer Bemuͤhung, mit Sylben zu klingeln. Sie wollen mit Gewalt Poeten ſeyn, und druken aus toller Reimſucht ihr Gehirne bis auf die Hefen aus; ſie erpreſſen auch die lezte truͤbe Tropfen ihres Verſtandes; und reimen mit allem dem Raſen, das die Un - vermoͤgenheit erweket.

Solche ſchandbare Dichter haben wir. Doch giebt es gewiß eben ſo thoͤrichte und verwerfliche Reimrichter. Ein hirnloſer Kopf, mit Laſten von Folianten beſchwehrt,(n)Nihil pejus eſt iis qui paullum aliquid ultra pri - mas literas progreſſi falſam ſibi ſcientiæ perſuaſionem in - duerunt. Nam & cedere præcipiendi peritis indignantur & velut jure quodam poteſtatis quo fere hoc hominum genus intumeſcit imperioſi atque interim ſævientes ſtulti - tiam ſuam perdocent. Quintil. lib. 1. c. 1. voll von Bele - ſenheit und leer an Wiſſen, erbauet ſein Ohr ſtets mit ſeiner eigenen Zunge. Er ſcheinet immer ſich ſelbſt zuzuhoͤren. Er lieſt alle Buͤcher uud taſtet alle an, die er lieſt, von Drydens Fabeln, bis auf Duͤrfeys Maͤhrgen herab. Nach ſeinem Aus - ſpruche haben die meiſten Scribenten ihre Wer - ke geſtohlen oder erkauft, und Garth hat ſein ei - genes Diſpenſarium nicht ſelbſt geſchrieben. Nen - net ihm eine neue Comoͤdie. Er iſt des PoetenFreund.80Verſuch von den EigenſchaftenFreund. Ja er hat ihm ſeine Fehler gezeigt.

Aber wenn wird ſich ein Poete weiſen laſſen? Die heiligſte Staͤtte iſt nicht genug fuͤr dieſen Thoren verwachet, und die Pauls - Kirche iſt nicht ſichrer fuͤr ihnen, als der Pauls - Kirchhof. Ja fliehet ihr zu den Altaͤren, ſo wer - den ſie euch ſelbſt allda zu tode plaudern. Denn Thoren dringen in Orte, die ſich die Engel ſcheuen zu betreten. Die Vernunft trauet ſich nie zu viel. Sie ſpricht allezeit mit einer ſittſamen Vor - ſichtigkeit. Sie wagt ſich nie zu weit hinaus und ſieht immer nach ihrem Heymath zuruͤke. Aber die raſſelnde Unvernunft bricht mit vollem Knal - len heraus. Sie ſtuͤrmet gerade vor ſich, ohn - abgewandt, ohnwiderſtaͤndlich, und zerbirſtet in ein Wetter mit Donnern und Krachen.

Jedoch wo finden wir heute einen geſchikten Rathgeber? Einen Mann der willig zu lehren und doch von ſeinem Wiſſen nicht aufgeblaſen iſt. Den weder Gunſt noch Haß zu lenken vermoͤgen. Der mit keinem dummen Vorurtheile beladen, oder nur blindlings gut iſt. Gelehrt aber doch wohlgeſittet, und wohlgeſittet aber doch aufrich - tig dabey. Deſſen Feuer mit Sittſamkeit und deſſen Strenge mit Gelindigkeit gemaͤſſiget. Der einem Freunde ſeine Fehler freymuͤthig entdeken, und auch am Feinde das Verdienſt aufrichtig ruͤh - men kan. Der einen genauen doch nicht zu be - ſchraͤnkten Geſchmak, und eine Kenntniß der Men - ſchen ſowohl als der Buͤcher beſizet. Der einen edlen Umgang und eine Seele hat, die kein Stolz befleket. Der mit Freuden ruͤhmet, wenn er bil - lig ruͤhmen kan.

So81eines Kunſtrichters.

So waren ehedeſſen die Kunſtrichter. So war die geringe Zahl der gluͤcklichen Geiſter beſchaffen, welche Athen und Rom in jenen beſſern Zeiten ge - kannt haben. Der maͤchtige Stagyrite fuhr am erſten vom Ufer ab. Er ließ alle ſeine Seegel flie - gen und durfte die Tiefen erkundigen. Er ſteuer - te ſicher und kam weit in ſeinen Entdekungen, vom Lichte des Maͤoniſchen Sterns geleitet. Die Poeten, ein Volk, das lange Zeit ungebunden lebte, und eine wilde Freyheit eifrig behauptete; unterwarfen ſich ſeinen Geſezen; und fanden ſich uͤberzeugt, daß derjenige billig dem Wize vorſte - hen ſollte, der die Natur ſelbſt unter ſich gebracht hatte.

Horaz entzuͤket uns immer mit einer ohnbemuͤ - heten freyen Anmuth. Seine Reden beſſern un - ſere Vernunft, ohne kuͤnſtliche Lehrart. Gleich einem Freunde bringt er uns die ſchoͤnſten Begrif - fe auf die leichteſte Weiſe vertraulich bey. Er haͤtte beh ſeiner groſſen Staͤrke an Wiz und Ur - theilskraft eben ſo meiſterhaft urtheilen duͤrfen, als meiſterhaft er geſchrieben. Aber er ſang voll feu - riger Bewegung und urtheilte in der ſanfteſten Stille. Seine Regeln lehren uns nichts, als was ſeine Werke wirklich in uns erregen. Wie ſehr ſind nicht unſere heutige Kunſtrichter auf die Gegenſeite gefallen. Jn ihren Urtheilen herrſchet Wuth uͤnd Galle, aber in ihren Schriften das waͤſſrigſte Weſen; und Dichter beſchimpfen den groſſen Horaz nicht aͤrger, durch ihre ungeſchick - ten Ueberſezungen, als Kunſtrichter, wenn ſie ihn ſo verkehrt anfuͤhren.

[Crit. Sam̃.] FSiehe82Verſuch von den Eigenſchaften

Siehe wie Dionyſius des Homers Gedanken erheitert, wie er neue Schoͤnheiten aus jeder Zei - le zieht. (o)Dionyſius Halicarnaſſeius.

Jn dem lebhaften Petronius ſpielen Kunſt und Einbildungskraft; das Wiſſen eines Gelehrten mit dem ungezwungenen Weſen eines Hofmanns.

Jn des anſehnlichen Quintilianus reichem Wer - ke finden wir die richtigſten Regeln mit der deut - lichſten Lehrart vereinigt. So pflegen wir nuͤtzli - che Wafen in einem Zeughauſe geſchickt einzuthei - len und angenehm zu ordnen; damit ſie auf die - ſe Weiſe nicht nur unſer Auge vergnugen, ſon - dern auch im Nothfall deſto eher gefunden wer - den koͤnnen.

Den erhabenen Longin haben alle Muſen be - geiſtert, und ihren Criticum mit der Glut eines Poeten belebt. Er iſt ein Richter voller Feuer, und ein Eiferer in ſeinem Amte. Er urtheilt mit Heftigkeit, aber allezeit gerecht. Sein eigenes Exempel bekraͤftiget alle ſeine Geſeze, und er iſt ſelber das groſſe Erhabene, das er abbildet.

Alſo fuͤhrten die Critici in einer langen Folge eine gerechte Regierung. Sie beſchraͤnkten die Ausgelaſſenheit, und ordneten die nuͤtzlichſten Ge - ſeze. Die Wiſſenſchaften und Rom wuchſen zu - gleich in ihrer Herrſchaft; und wohin die Adler flogen, da folgten ihnen immer die Kuͤnſte nach. Aber auch beyde wurden zulezt von einerley Fein - den zerſtoͤret, und eine gleiche Zeit ſah Rom und die Wiſſenſchaften fallen. Der Aberglaube ver -band83eines Kunſtrichters. band ſich mit der Tyranney, und brachte die Seelen, wie dieſe die Leiber, in die Knechtſchaft. Man glaubte viel, aber verſtund wenig. Und dumm ſeyn mußte, nach der damahligen Ausle - gung, fromm ſeyn heiſſen. Dergeſtalten uͤber - ſchwemmete eine zweyte Suͤndfluth die Wiſſen - ſchaften, und die Muͤnche vollendeten, was die Gothen angefangen hatten.

Zulezt kam Eraſmus; ein groſſer ſo oft ange - griffener Nahme; der Prieſterſchaft Ruhm und Beſchaͤmung! Der ſtemmte die wilde Fluth der Barbarey und trieb die heiligen Vandalen von der Schaubuͤhne.

Aber ſiehe! wie in Leons guͤldenen Tagen jede Muſe von ihrer Ohnmacht erwacht, und ihren verwelckten Lor - beerkranz wieder aufpuzt. Der Geiſt des alten Roms uͤber deſſen Schutt ausgeſtrekt ſchuͤttelte den Raub von ſich und hub ſein ehrenvolles Haupt empor. Dann er - munterten ſich die Bildhauerey und ihre verſchwiſterte Kuͤnſte von ihrem Schlafe. Steine eilten zur Form und Felſen begunnten zu leben. Jeder neuaufſtehende Tem - pel erſchall mit angenehmern Thoͤnen. Ein Raphael mal - te, und ein Vida ſang. Unſterblicher Vida,(p)M. Hieronymus Vida von Cremona ein vortreff - licher lateiniſcher Poet, der eine Dichtkunſt in Verſen ge - ſchrieben. Er lebte zu den Zeiten Pabſt Leons des zehnten. um deſſen wuͤrdige Scheitel ſich die Lorbeere der Dichtkunſt mit der Critik Epheu vereinigen. Cremona ſoll ewig mit deinem Nahmen prangen und Mantuen am Ruhme wie in der Lage am naͤchſten ſeyn.

Aber bald wurden die Muſen durch den Greuel der Wafen aufs neue aus Latien vertrieben, und verlieſſen ihre al - ten Graͤnzen. Denn verbreiteten ſich die Kuͤnſte durch die ganze Norderwelt. Doch florierten die critiſchen Wiſſen -F 2ſchaften84Verſuch von den Eigenſchaften ꝛc. ſchaften am meiſten in Franckreich. Ein Volck zum Die - nen gebohren gehorchet den Geſezen, und Boileau herr - ſchet daſelbſt an Horazen ſtatt. Aber wir muthige Britten verachteten die fremden Geſeze und behaupteten unſren Freyſtand mit unſren rohen Sitten. Verwegene und eif - rige Verfechter der Freyheit des Wizes trozten wir die Roͤmer wie vor Altem. Doch unter dem geringen Hau - fen derer, die mehr Kenntniß und weniger Einbildung hatten, wagten es einige, die beſſere Sache der Alten zu vertheidigen und die Grundgeſeze des Wizes auch bey uns herzuſtellen. Von dieſen war die Muſe, deren Regeln und Exempel gelehret haben, daß das groͤſte Meiſterſtuͤk der Natur ſey, wohl zu ſchreiben(q)Eßay on poetry by the Duke of Buckingham. . So war Roſcom - mon, das ſo gelehrte als tugendhafte Haupt, an Sitten ſo edel als am Gebluͤte. Er kannte den Roͤmiſchen u. Grie - chiſchen Wiz und keines Scribenten Verdienſt war ihm ver - borgen, als nur ſein eigenes. So war zulezt auch Walſch der Freund und Richter der Muſen, der ſo gruͤndlich zu ruͤh - men als zu tadeln gewußt; Gelind gegen die Fehler nnd eifrig fuͤr das Verdienſt; Das aufgeklaͤrteſte Haupt und aufrichtig - ſte Herze. Empfange dieſen demuthsvollen Ruhm von mir, dn werther beweinter Schatten; das einige was meine dank - bare Muſe dir noch geben kan. Du haſt ſie in ihrer fruͤhen Jugend die Thoͤne gelernet. Du haſt ihr die zarten Schwin - gen beſchnitten und ihrem Fluge die gemeſſene Hoͤhe vorge - ſchrieben. Nun, da ſie ihren Fuͤhrer verlohren, erkuͤh - net ſie ſich nicht mehr zu ſteigen und wagt nur einen kur - zen Ausflug in niedrige Gedichte. Vergnuͤgt, wenn die Ungelehrten von ihr lernen ihre Maͤngel zu erkennen, und die Gelehrten, dem was ſie bereits wiſſen, weiters nach - zudenken. Das Tadeln hat ſie nie bekuͤmmert, und der Ruhm nie zu ſehr gereizet. Sie erfreuet ſich, wenn ſie loben kan, und iſt nicht furchtſam zu ſtrafen. Schmei - cheln und Beleidigen ſind ihr gleich ſehr zuwider, und wie ſie nicht ohne Fehler iſt, ſo ſchaͤmet ſie ſich auch nicht, ſich zu beſſern.

Von[85]

Von dem Sinnreichen und dem Scharfſinnigen.

[86]87

Von dem Sinnreichen und dem Scharfſinnigen.

DJe deutſche Nation(*)Jm September von 1728. kamen zu Zuͤrich un - ter dem Titel Anklage des verderbten Geſchmakes Cri - tiſche Anmerkungen uͤber den Hamburgiſchen Patrioten und die Haͤlliſchen Tadlerinnen heraus, worinnen alles, was in dieſen moraliſchen Blaͤttern ſeinen Urſprung in dem Vermoͤgen des Wizes hat, mit derjenigen Freyheit un - terſuchet und beurtheilet wird, welche eben ſo angenehm als lehrreich iſt, wenn ſie auf die Wahrheit gegruͤndet iſt. Dieſe Critik war ſchon im Jahr 1725. verfertigt, aber durch verſchiedene Zufaͤlligkeiten an dem Druke gehindert worden. Sie beruͤhrt nicht mehr als hundert Stuͤke des Patrioren und vierzig der Tadlerinnen. Der Verfaſſer hatte eine Fortſezung derſelben verſprochen, wo die Faͤ - higkeit des Verſtands beſagter Moraliſten, ihre Gelahit - heit, ihre Zuverſicht auf ihre Geſchiklichkeit, ihre Wiſſen -ſchaſt iſt dem tiefſinnigen Weltweiſen, Herren Chriſtian Wol - fen, davor verbunden, daß ſie die gan - ze Reihe derer Wiſſenſchaften, welche dienen das wahre Beſte der Menſchen zu befoͤdern, und ſie zu einer vernuͤnftigen Bewunderung der Werke Gottes in der Natur aufzumuntern, ohne einen Dollmetſcher leſen kan. Wer ſeine SchriftenF 4mit88Von dem Sinnreichenmit Aufmerkſamkeit nnd Nachdenken durchgehet, geraͤth oͤfters in Zweifel, ob er die Reinigkeit der Sprache, oder die Deutlichkeit der Begriffe, oder die Gruͤndlichkeit der Beweiſe, oder die ge - ſchikte Verknuͤpfung der Wahrheiten am meiſten bewundern ſolle. Die Lehrart in denſelben hat et - was Ungemeines, und wird vermuthlich die Fin - ſterniß vertreiben, in welcher die Deutſchen bis - dahin groͤſtentheils in Anſehen derjenigen Wiſ - ſenſchaften getappet haben, zu welchen etwas mehreres als die Geduld eins Laſtthieres erfodert wird. Die Hoffnung, die ich desfalls auf den innerlichen Werth dieſer Schriften geſezet habe, hat einen ſo gewiſſen Grund, daß ich ſie nicht ſin - ken laſſe, ungeachtet ich wohl ſehe, daß die An - zahl derer noch ſehr gering iſt, welche die darin - nen enthaltene Lehren mit Nuzen zu brauchen wiſ - ſen. Dennoch hoffe ich, daß man in kuͤnftigen Zeiten die groſſen und heilſamen Wirkungen der -ſelben(*)ſchaft der deutſchen Sprache haͤtten unterſuchet werden ſollen: Allein es iſt bey dem Verſprechen geblieben. Da mithin in dem gedruͤkten Stuͤke die Urtheile nicht auf das Duͤnkel des Kunſtrichters ausgeſprochen, ſon - dern auf gewiſſe Grundſaͤze, die man jedesmal feſt ſe - zet, gebauet werden, ſo glaube ich, daß mein Vorhaben die Artilel deſſelben ſaͤmmtlich, oder die vornehmſten in meiner Sammlung nach und nach wider aufzulegen, mei - nen Leſern nicht unangenehm ſeyn werde, ungeachtet die Wochenblaͤtter, welche Anlaß dazu gegeben haben, ſeit etlichen Jahren die Gunſt und den Beyfall der eklern Deut - ſchen verlohren haben. Jch will den Anfang mit dem Ab - ſchnitte von dem Sinnreichen und dem Scharfſinnigen ma - chen.89und dem Scharfſinnigen. ſelben nicht ohne Erſtaunen verſpuͤhren werde, wenn der Neid und die Boßheit, die ſich allen nuͤzlichen Unternehmungen entweder durch offentli - che Gewalt oder durch Liſt entgegen ſezen, von der Zeit geſchwaͤchet, allmaͤhlich verſchwinden werden. Mein Zwek erfodert, daß ich mit ei - nem Exempel weiſe, was fuͤr einen guten Einfluß ſeine Lehrſaͤze auf alle unſre Erkaͤnntniß haben wuͤrden, wann man dieſelben nach ſeiner Abſicht anwenden wollte.

Jch finde in den vernuͤnftigen Gedanken von Gott, der Welt, und der Seele des Men - ſchen eine ſo deutliche Beſchreibung, was der Wiz ſey, daß wir ſie in der Unterſuchung des Sinnreichen uͤberhaupt, vor den ſicherſten Leit - faden gebrauchen koͤnnen.

Der Wiz, ſagt er, iſt eine Leichtigkeit die Aehnlichkeiten der Dinge wahrzunehmen: Wer hierzu aufgeleget iſt, den nennet man Sinnreich. Dieſe Beſchreibung erklaͤret er an einem andern Orte alſo.

Wenn die Einbil - dungskraft andere Dinge hervorbringet, die man vor dieſem erkannt, welche mit den Ge - genwaͤrtigen etwas gemein haben: ſo erkennet man durch dasjenige, was ſie mit einander gemein haben, ihre Aehnlichkeit. Derowegen da die Leichtigkeit die Aehnlichkeiten wahrzuneh - men der Wiz iſt; ſo iſt klar, daß Wiz aus einer Scharfſinnigkeit und guten Einbildungs - kraft und Gedaͤchtniß entſtehet. Daher tref - fen wir bey denjenigen Wiz an, die viel behal - ten, und ſich leicht darauf beſinnen, oder,F 5 wie90Von dem Sinnreichen wie man zu reden pfleget, ein gutes Gedaͤcht - niß haben, wenn ſie zugleich auf die Sachen aufmerkſam ſind. Wiewohl er in einem gerin - gen Grade angetroffen wird, wo nicht Scharf - ſinnigkeit dazu koͤmmt. Nemlich wo es an Scharfſinnigkeit fehlet, da nimmt man nur Aehnlichkeiten wahr, die bald in die Augen fallen; hingegen wo man ſcharfſinnig iſt, da entdeket man Aehnlichkeiten, die nicht ein jeder gleich wahrnimmt. Jn dem erſten Falle kan man auch den Schein fuͤr das Weſen nehmen; in dem andern Falle aber iſt jederzeit eine wohl - gegruͤndete Aehnlichkeit vorhanden. Je mehr alſo einer Aehnlichkeiten zu entdeken weiß, je mehr hat er Wiz, und je ſinnreicher iſt er. Jn - gleichen je verborgenere Aehnlichkeiten einer ent - deken kan, je groͤſſer iſt ſein Wiz. Hingegen iſt einer mit geringem Wize begabet, wann er gar ſchwer Aehnlichkeiten entdeken kan, und ohne allen Wiz iſt, der nicht ſehen kan, wenn ein Ding dem andern aͤhnlich iſt.

Jn den Anmerkungen uͤber das erwaͤhnte Buch lehret Hr. Wolf ferner, wie dieſe Be - ſchreibung des Wizes und derſelben Erlaͤuterung zum Nuzen anzuwenden ſey:

Was ich von dem Wize gelchret habe, dienet nicht allein die Redner und Poeten, auch Comoͤdien - und Tragoͤdien-Schreiber, ſondern auch ſelbſt die Autoren, welche die Diſciplinen und dahin gehoͤrige Sachen beſchrieben, zu beurtheilen, und bey denen Erfindern und ihren Erfindungen hat man auch darauf zu ſehen. Ja wenn man die91und dem Scharfſinnigen. die Regeln der Redner-Kunſt, der Poeſie, der Kunſt zu erfinden, demonſtrativiſch unter - ſuchen ſollte, ſo wuͤrde man auch noͤthig haben, unterweilen dieſe Gruͤnde zu brauchen.

Jch kenne keinen deutſchen Scribenten, der ſich uͤber dieſe Materie deutlicher und gruͤndlicher erklaͤret habe; und kan darum nicht begreifen, warum die Kunſtlehrer, die das Sinnreiche in den Schriften unterſucht haben, nicht auf dieſe Grundſaͤze gebauet, ſondern lieber ihrem eigenen verwirrten Kopfe gefolget haben. Der Verfaſ - ſer der Haͤlliſchen Tadlerinnen hat ſich in die Ge - fahr gewaget, dieſe Materie abzuhandeln. Er hat ſeine Entdekungen derjenigen von ſeinen aufge - fuͤhrten Perſonen, die er Phyllis getaufet, in die Feder geleget. Jch habe dieſelben mit allem Fleiſ - ſe erwogen, und beſtaͤndig Anlaß gefunden wahr - zunehmen, wie leicht man ſich verirren koͤnne, wenn man gute Anleitungen in den Wind ſchlaͤgt.

Phyllis eroͤffnet ihr Vorhaben ſchier zu Anfan - ge des ſieben und dreiſſigſten St. mit folgenden Worten: Jch habe vor dreyen Wochen ver - ſprochen, meine Gedanken von einem ſinnrei - chen Ausdruke im Reden und Schreiben mit - zutheilen. ; welche mir Anlaß zu einer Anmer - kung geben, die aus den angefuͤhrten wolfiſchen Grundſaͤzen natuͤrlich fließt, und die ganze Unter - ſuchung erleichtert, nemlich, daß kein langes Nachdenken erfodert werde, auszumachen, was im Reden und Schreiben den Nahmen des Sinn - reichen verdiene. Man nennet alles Sinnreich, was uns gewiſſe Aehnlichkeiten zwiſchen unterſchie -denen92Von dem Sinnreichendenen Dingen entdeket, es ſey, daß dieſe Aehn - lichkeiten ihren wahren Grund haben und in der Natur der Sachen weſentlich ſeyn, oder daß ſie auf einem bloſſen Scheine beruhen. Das giebt uns ſchon der bloſſe Urſprung des Wortes ſinn - reich zu errathen. Sinnreich oder Geiſtreich iſt eben ſo viel als reich an Sinnen oder Geiſt. Es iſt eben nicht nothwendig, daß ein Einfall nach dem guten Geſchmake ſey, wann er mit dem Bey - wort Sinnreich oder Geiſtreich beleget werden ſoll. Die Spiele der Phantaſie und was die Franzo - ſen Eſprit faux & mixte heiſſen, haben ein gleiches Recht zu dieſem Titel. Es wird auch keine groſ - ſe Geſchiklichkeit erfodert, in den Schriften das Sinnreiche von dem Vernuͤnftigen oder Wahren, welches alles allgemeine Benennungen ſind, zu unterſcheiden.

Aber wie weit ſich die Graͤnzen des Scharfſin - nigen erſtreken, worinnen die Natur deſſelben be - ſtehe, und wie fern es von dem Sinnreichen un - terſchieden ſey; dieſes ſind Fragen, derethalben die Gelehrten annoch mißhellig ſind; und die ſo eigentlich noch nicht eroͤrtert worden. Was der Engellaͤndiſche Zuſchauer in dem zwey und ſechzig - ſten St. davon geſagt, iſt noch das Klaͤreſte und Gruͤndlichſte, das mir uͤber dieſe Materie zu Ge - ſicht gekommen iſt; wiewohl auch ſeine Begriffe noch ziemlich unbeſtimmt ſind, und die Stufen und Graͤnzen des Scharfſinnigen nicht genug aus einander ſezen. Jndeſſen iſt es zu meinem gegen - waͤrtigen Vorhaben genung, daß ich die allgemei - nen Grundregeln des Scharfſinnigen nach HerrenWolfen93und dem Scharfſinnigen. Wolfen Anleitung in eine gewiſſere Ordnung bringe.

Jch finde in ſeiner Metaphyſik eine eigene Be - ſchreibung von dem Scharfſinnigen uͤberhaupt. Es heißt auf dem 469ſten Bl.

Wer viele Deut - lichkeit in den Begriffen der Dinge hat, und alſo genau herauszuſuchen weiß, wo - rinnen eines einem andern von ſeiner Art aͤhnlich, und worinnen es hinwiderum von ihm unterſchieden iſt; derſelbe iſt Scharf - ſinnig. Und alſo iſt die Scharfſinnigkeit die erſte Art der Vollkommenheit des Verſtandes, die ſich ſo wol auf die anſchauende, als figuͤrli - che Erkanntniß erſtrecket. Und demnach iſt ei - ner um ſo viel ſcharfſinniger, je mehr er in einer Sache, die er ſich vorſtellet, entdecken kan, als der andere. Und in der figuͤrlichen Erkanntniß kommt die Scharfſinnigkeit auf den hoͤchſten Grad, wenn man alles erklaͤren kan.

Wenn wir nun dieſe Beſchreibung mit den ſchon angefuͤhr - ten Stellen zuſammenhalten, ſo koͤnnen wir in un - terſchiedlichen Saͤtzen herausbringen, was den all - gemeinen Character des Scharfſinnigen im Reden und Schreiben ausmachet.

Erſtlich muß die Aehnlichkeit nicht allzu nahe ſeyn, noch ſo, daß ſie jedermann leicht in die Augen faͤllt. Es wird zum Exempel keine Scharfſinnigkeit er - fodert, in gleichen Dingen Aehnlichkeiten zu ent - decken.

Zweytens muß die Aehnlichkeit nicht allzu ent - fernt ſeyn, ſo daß man Muͤhe hat, dieſelbe nach ei - ner langen Betrachtung zu errathen. Sie mußnicht94Von dem Sinnreichennicht bloß in den Zufaͤllen eines Dinges geſucht werden, z. E. in dem bloſſen Thone der Worte, wie in den Wortſpielen, oder in der aͤuſſerlichen Figur, wie in den Bilder-Reimen, oder in einer blinden Verſezung der Buchſtaben und Sylben, wie in dem Anagramma.

Drittens iſt in einem hohen Grade ſcharfſinnig, was uns mehrere verborgene Aehnlichkeiten verſchie - dener Dinge entdecket.

Folglich muß viertens das Scharfſinnige uns groſſe, deutliche, und ergetzende Begriffe erweken.

Aus dieſen Grundregeln kan ſich ein jeder leicht einen Begriff von dem machen, was in den Schrif - ten ſcharfſinnig heißt. Gegen dieſelben will ich nun die Entdeckungen der verkappten Phyllis un - terſuchen. Denn wiewohl es das Anſehen hat, als ob ihr Vorhaben nur auf das Sinnreiche gehe; ſo iſt doch die Wahrheit, daß ſie dieſe Benennung in der Bedeutung genommen hat, die an das Wort Scharfſinnig gehaͤnget iſt: Woraus die Deut - lichkeit ihrer Begriffe und ihre Kundſchaft von der deutſchen Sprache, worauf ſie ſich doch am mei - ſten einbildet, abzunehmen iſt.

Sie hat nachfolgende Stelle aus Canitzen Ge - dichten vor das 37ſte Stuͤcke geſetzt.

Man redt u. ſchreibt nicht mehr, was ſich zur Sache ſchiket,
Es wird nach der Vernunft kein Einfall ausgedruͤcket;
Der Bogen iſt gefuͤllt,, eh man an ſie gedacht;
Was groß iſt, das wird klein, was klein iſt groß gemacht;
Da doch ein jeder weiß, daß in den Schildereyen
Allein die Aehnlichkeit das Auge kan erfreuen;
Weil eines Zwerges Bild die Artigkeit verliert,
Wenn man es in Geſtalt der Rieſen aufgefuͤhrt.
Jn95und dem Scharfſinnigen

Jn der erſten Zeile ſteht der Text des Poeten verfaͤlſcht, die ungereimte Einſchiebung des Woͤrt - leins redt, an ſtatt denkt, ſchwaͤcht und verderbt den Sinn der gantzen Stelle. Die zweyte Zeile hat mir den Betrug verrathen, und mich die wah - re Lection errathen laſſen. Ohne Zweifel hat der Poet mit den dreyen erſten Zeilen auf den bekann - ten Vers des Horatz gezielet:

Scribendi recte ſapere eſt & principium & fons. Aber durch den angeregten Wortwechſel wird der gantze Gedancke des Poeten verderbt.

Jn dem Eingang macht ſie folgende Gloſſen uͤber dieſe Stelle des deutſchen Poeten[:] Jn dieſen herr - lichen Worten hat ein fuͤrtrefflicher Staats - Miniſter ſchon zu ſeiner Zeit den Verfall einer vernuͤnftigen und regelmaͤſſigen Schreibart be - dauret. Dieſe Stelle handelt uͤberhaupt von einer guten Schreibart, und wo ich nicht irre, haͤlt ſie nachfolgende Regeln in ſich.

  • 1. Ein Scribent muß natuͤrlich ſchreiben. 2. Er muß vernuͤnftig ſchreiben. 3. Er muß in Vergroͤſſerungen und in Verkleinerungen Maaß halten. Jch ſahe zwar, daß dieſe drey Hauptregeln einer guten Schreibart ſo noth - wendig ſind, daß ſie auch aus der ſinnreichen Art nicht ausgeſchloſſen werden koͤnnen: Al - lein es ſchien doch auſſer dieſen dreyen Stuͤcken noch was mehrers zu einer ſinnreichen Schreib - art zu gehoͤren.

Jch bin ſicher, daß der Poet in dieſen Verſen nicht den Verfall der ſcharfſinnigen Schreibart be - klaget; ſondern die Quelle des Unnatuͤrlichen ent -decken96Von dem Sinnreichendecken will, welche er darinnen findet, daß man ohne Gedanken und Vorbedacht auf das Papier ſchmieret, was ein ungebundener oder finſterer Sinn in die Feder floͤßt. Es kan hiermit aus ſeinen Ver - ſen die einzige Regel herausgeleitet werden: Man ſolle natuͤrlich ſchreiben, d. i. die Begriffe muͤſſen ſich vor die Sachen, von welchen man reden oder ſchreiben will, und die Worte vor die Begriffe ſchicken. Jn dieſer Regel ſind die zwo andern, die Phyllis ſo ſorgfaͤltig ſondert, ſchon begriffen. Dieſe allgemeine Grundregel beziehet ſich auf alle Gattungen der Schreibarten und giebt uns ein allgemeines Kennzeichen an die Hand, die gute Schreibart uͤberhaupt von der falſchen zu unter - ſcheiden. Es iſt fuͤrwahr laͤcherlich, daß Phyllis aus dieſer Stelle des Poeten mit Gewalt eine Be - ſchreibung des Scharfſinnigen herausgruͤblen wol - len. Aber ſie faͤhrt auf ihrem Wege fort, und giebt ſich in dem Verfolge viele Muͤhe zu erweiſen, daß die Schreibart, die nach dieſen Regeln ab - gefaſſet iſt, noch nicht ſcharfſinnig zu nennen ſey. Z. E. wenn der Herr von Beſſer in dem Le - benslaufe ſeiner Gemahlin ſo anfaͤngt:

wenn wir unſere Todten hertzlich beweinet und ih - re Gebeine ehrlich zur Erden beſtattet; ſchei - nen wir wol ihr ganzes Verlangen und unſ - re Pflicht erfuͤllet zu haben: aber der aller - nuͤzlichſte Liebesdienſt, den wir ihnen und uns leiſten koͤnnen, iſt, daß wir ihr Gedaͤch - niß zum Exempel der Lebenden bewahren, und wie wir aus ihrem Tode unſre Sterb - lichkeit erkennen; alſo auch aus ihrem ruͤhm - lich97und dem Scharfſinnigen. lich gefuͤhrten Wandel uns zu dieſer unver - meidlichen Nachfahrt bereiten lernen:

So ſind dieſe Zeilen zwar nach den vollkommenſten Regeln einer guten Schreibart abgefaſſet: ſie ſind natuͤrlich; denn ich ſehe nichts gekuͤnſtel - tes oder gezwungenes darinnen: ſie ſind ver - nuͤnftig; denn alles, was er ſagt, iſt wahr, man mag es betrachten, von welcher Seite man im - mer will: ſie ſind endlich auch nicht voller gar zu hochgetriebenen Vergroͤſſerungen. Doch die Wahrheit zu ſagen, ſo ſind alle dieſe ſchoͤ - nen Ausdruͤckungen noch nicht ſinnreich. Aber wer iſt jemahls in dem Jrrwahne geſteckt, daß alles was gut geſchrieben iſt, darum auch ſinnreich oder ſcharfſinnig ſey? Jedermann ſiehet leicht, daß die Beſſeriſche Stelle weder ſinnreich noch ſcharf - ſinnig heiſſen kan. Der wahre Grund deſſen iſt, weil darinnen keine Vergleichungen aͤhnlicher Dinge vorkommen, indem ſie aus bloſſen Ver - nnnfts-Saͤtzen zuſammengeſetzet iſt. Jm uͤbrigen koͤmmt mir die Sprache, in welcher Phyllis dieſe Stelle beurtheilt, gantz unverſtaͤndlich vor. Oder was wollen dieſe Worte ſagen? Dieſe Zeilen ſind natuͤrlich, denn ꝛc. ſie ſind vernuͤnftig, denn ꝛc. ſie ſind endlich auch nicht voller gar zu hoch - getriebenen Vergroͤſſerungen. Kan denn etwas natuͤrlich und dennoch unvernuͤnftig, oder vernuͤnftig und zugleich unnatuͤrlich ſeyn? Und ſind nicht alle zu hochgetriebene Vergroͤſſerungen wider die Na - tur?

Dieſer Stelle ſetzet ſie noch einiche an die Sei - te, die nach ihrem Urtheile den Character des Sinn -Greichen98Von dem Sinnreichenreichen an ſich haben; durch dieſen Gegenſatz in ein klaͤrer Licht zu ſetzen, was ſie droben zu behaup - ten geſucht hat, daß nemlich noch was mehrers zu einem ſinnreichen Ausdrucke erfodert werde, als daß ein Gedancke natuͤrlich und vernuͤnftig ſey. Die erſte und zweyte ſind aus eben derſelben Schrift des Herrn von Beſſer entlehnet. Das nette und wolgeſittete Leipzig die Mutter und Saͤugamme beydes der Muſen und Gratien. Dieſe Stelle iſt ſinnreich, wegen der Aehnlichkeit und Kraft der Sinnbilder; da Leipzig unter dem Bildniß einer Mutter und Saͤugamme der Muſen und Gratien vorgeſtellet wird. Die Muſen ſind die Schutzgoͤttinnen der Gelehrten, die Gratien die Goͤttinnen der Annehmlichkeit, beyden wurden von den Dichtern Muͤtter und Saͤugammen zugeeignet; und als eine ſolche wird Leipzig hier vorgebildet. So bald ihr dieſe Aehnlichkeiten und Bilder auf - loͤſet, und den Satz, der darunter ſtecket, mit ei - gentlichen unverbluͤmten Worten ausdruͤcket, ſo verliert ſich das Sinnreiche, aber damit auch die Kraft des Ausdrucks. Der bloſſe einfaͤltige Satz iſt folgender: Leipzig erzeuget, nehret und he - get gelehrte und angenehme Leute. Aber das wird mit groͤſſerer Deutlichkeit, Kraft und Nach - druck geſagt, wenn man ſich ausdruͤckt, wie Beſſer in dieſer Stelle gethan hat.

Die Stelle, die hiernaͤchſt aus eben demſelben Autor angefuͤhrt wird, iſt von einer andern Art; wenn er von dem Vater ſeiner Kuͤhlweinin ſchrei - bet: Unter den fuͤnfzehen Kindern, mit denen er von dreyen Ehefrauen das Vaterland berei -chert99und dem Scharfſinnigen. chert, hat er auſſer einer bald nach der Geburt wieder erblichenen Johannen, keine als dieſe einzige Tochter erzeuget. So werden die Edel - geſteine nur einzeln gefunden; und ſo ſparſam war das Verhaͤngniß gegen denjenigen mit Toͤchtern, der das gemeine Weſen zur Toch - ter hatte. Dieſe Stelle iſt zwar ſinnreich; aber nicht ſcharfſinnig, weil die Aehnlichkeiten in den Vergleichungen allzuweit entfernt ſind. Jch will gerne zugeben, daß Edelgeſteine nur einzeln gefunden werden; aber einzele Toͤchter ſind nicht allemal Edel - geſteine, u. es iſt eben keine Nothwendigkeit, daß die Auferziehung ſchlimm ſeyn muͤſſe, wo viele Toͤchter ſind. Man kan dieſe Edelgeſteine, ich meine wolgeſit - tete Toͤchter, eben ſo oft in volckreichen Haushaltun - gen antreffen, als wo nur einzele Toͤchter ſind. Fer - ner; was iſt fuͤr eine groͤſſere Aehnlichkeit zwiſchen ei - ner Tochter und dem gemeinen Weſen, als zwiſchen einem Sohne und demſelben? Was heißt, das ge - meine Weſen zur Tochter haben? Nichts anders, als fuͤr die Wohlfarth deſſelben getreulich wachen und ſorgen. Warum muß aber der ſo wenig Toͤch - ter haben, dem die Wohlfarth des gemeinen We - ſens angelegen iſt? Es iſt alſo dieſe Stelle, wie - wol ſie ſinnreich iſt, dennoch ein froſtiges Spiel der Einbildung, oder, des Geiſtes. Opitz hat dieſes Sinnbild geſchickt angewendet, in dem dritten B. der Poet. Waͤlder.

Die durch viel Froͤmmigkeit ihr Kind, das Vaterland,
Vielmehr geſchuͤzet hat, als jemand mit der Hand.

Das dritte Beyſpiel iſt aus des Herrn von Ca - niz Klag-Rede uͤber die damahlige Brandenbur - giſche Churprinceſſin Henriette genommen. DerG 2Unter -100Von dem SinnreichenUntergang eines Tytannen, entdecket ein Froh - locken bey allen; daß auch ein ſterbender He - rodes ſein Teſtament zu einem Blut-Urtheile machen muß, damit, wo nicht ſein Abſchied, doch zum wenigſten das Angedencken ſeiner Grauſamkeit naſſe Augen verurſachen moͤge. Da iſt nichts gemeiners, als daß man die Lob - ſchriften und Ehrenpforten mit Fuͤſſen tritt, daran Heucheley oder Zwang gearbeitet hat. Dieſe vortreffliche Stelle iſt vielmehr ein Exempel einer ſtarcken und nachdruͤcklichen, als einer ſcharf - ſinnigen Schreibart; weil darinne keine Aehnlich - keiten der Dinge vorkommen, hingegen kraͤftige Ausdruͤckungen, die uns lebhafte und hohe Begrif - fe erwecken. Der Untergang eines Tyrannen entdecket ein Frolocken bey allen; dieſes laͤßt euch gedencken, daß man beym Leben eines Ty - rannen nur nicht einmahl die Freiheit hat, die Em - pfindungen ſeines Hertzens an den Tag zu geben; daß dieſes Frolocken ſchon zuvor in der Hoffnung oder dem Wunſche der gedruͤckten Unterthanen ver - borgen gelegen. Alſo ſtecket die gantze Kraft dieſes Ausdrucks in dem Worte entdecken, und daß dieſe Wuͤrckung dem Untergange zugeſchrieben wird; ſobald ihr dieſes veraͤndert, ſo verliert ſich bey gleichem Verſtande der Nachdruck dieſes Sa - zes; wenn ihr z. E. ſaget: Ueber dem Tode ei - nes Tyrannen entſtehet ein allgemeines Frolo - ken. Dieſe Art des Ausdrucks iſt bey weitem nicht von der Staͤrcke, als die, deren ſich Canitz bedient hat. Von gleicher Art ſind auch folgende Ausdruͤcke: Das Teſtament zu einem Blutur -theil101und dem Scharfſinnigen. theil machen; Lobſchriften und Ehrenpforten, daran Heucheley oder Zwang gearbeitet, mit Fuͤſſen treten.

Nachdem Phyllis dieſe Exempel vorher geſetzt hat, ſo war es nunmehr an dem, daß ſie uns die Natur des Sinnreichen oder Scharfſinnigen ent - deckte. Nun fraget ſichs, ſagt ſie, was zu ei - ner ſo ſinnreichen Schreibart gehoͤre? Jch un - terſtehe mich dieſes nicht auf einmahl und in wenig Worten zu faſſen: ich will es derowegen nach und nach in verſchiedenen Anmerckun - gen erklaͤren. Das Wort ſinnreich ſelbſt ſcheint ſchon anzudeuten, daß ein ſolcher Ausdruck voller Witz und reich an Gedancken ſeyn muͤſſe, ſo daß er einem Leſer viel Nachdenckens ver - urſache. Jn dieſer erſten Anmerckung, was das Sinnreiche ſey, wird an ſtatt daß ſie die Natur deſ - ſelben erklaͤren ſolte, alles ſo bunt durch einander ge - worfen, daß man mit groſſer Muͤhe den Sinn u. die Unrichtigkeit derſelben errathen kan. Das Sinn - reiche muß voller Witzſeyn. Das iſt ſoviel als, es muß ſinnreich ſeyn. Erklaͤre ſie mir zuerſt was Witz ſey, ehe ſie verlangt, daß ich ſie verſtehen ſolle. Jch waͤre werth, daß man meiner lachte, wann ich einem, der noch keinen deutlichen Begriff von dem Geld hat, alſo erklaͤren wolte, was Geldreich ſey: Geldreich iſt ein Menſch, der viel Geld beſitzet, oder deſſen Ki - ſten voller Geld ſind. Das Sinnreiche muß dar - nach reich an Gedancken ſeyn: Wann ſie durch die Gedancken etwas anders verſtehet, als die Wuͤrckungen des Witzes, ſo iſt dieſer Satz falſch; denn die Vernunftſchluͤſſe gehoͤren eigentlich nichtG 3zu102Von dem Sinnreichenzu dem Sinnreichen; oder zeige ſie mir z. E. die reichen Gedancken (wann wir durch dieß Wort Vernunftſchluͤſſe verſtehen,) welche in der erſten Stelle aus Beſſers Schriften ſtecken. Drit - tens ſoll das Sinnreiche viel Nachdenckens er - wecken. Jm Gegentheil muß es vielmehr ſo deut - lich ſeyn, daß der Leſer die Aehnlichkeit, die es vor - ſtellet, ohne Muͤhe ſehen kan. Dahero iſt auch die angefuͤgte Warnung, daß man nicht alle Scribenten, die ſchwer zu verſtehen ſind, vor ſinnreich ausgebe, gantz uͤberfluͤſſig. Denn die dunckle und verworrene Schreibart iſt nicht dem Sinnreichen entgegengeſetzt. Vielleicht geben uns die folgenden Anmerckungen mehr Licht.

Das fuͤrnehmſte / ſagt ſie ferner / wird in der ſinnreichen Schreibart wohl auf verbluͤmte Gleichnißreden ankommen. Die oben erwehn - ten Exempel beſtaͤtigen es / und man kan noch mehrere anfuͤhren. Doch iſt hiebey viele Be - hutſamkeit noͤthig: die Gleichniſſe muͤſſen in der That Gleichniſſe ſeyn; denn ein bloſſes gleich - wie alſo / macht es nicht aus; vielmehr muß dieſes gantz vermieden werden / wenn der Aus - druck ſinnreich ſeyn ſoll. Die Gleichniſſe muͤſ - ſen nicht gar zu gemein / und bekannt ſeyn; ſonſt ſind ſie unangenehm. Endlich muͤſſen ſie auch weder von gar zu hohen / noch gar zu niedrigen Dingen hergenommen ſeyn. Die ver - bluͤmte Gieichnißreden gehoͤren freylich zu dem Ge - ſchlecht des Sinnreichen; aber insgemein alles ge - hoͤret dazu, was durch die Vergleichung der Aehn - lichkeiten, ſo zwiſchen den Dingen obſchweben, her - ausgebracht werden kan. Darum iſt der Lehrſatz,daß103und dem Scharfſinnigen. daß die offenbare Vergleichungen durch gleichwie - alſo / nicht ſinnreich waͤren, recht alber: Jch moͤch - te nur auch einigen Beweiß fuͤr dieſe ſo verwegene Meinung ſehen. Opitz z. E. ſchreibt in dem er - ſten B. der P. W.

Ein Geiſt der Ehre ſucht, muß etwas weiter ziehn,
Denn wo der Graͤntzſtein ligt. Drum biſt du ausgeriſſen
Als wie ein junger Leu, im Fall er an den Fuͤſſen
Die Klauen wachſen ſieht, und um den Halß die Maͤhn,
Die Zaͤhn im Maule merckt; er will nun ferner gehn
Aus ſeiner Hoͤlen Loch, in der er iſt erzogen:
Und wie ein Adler thut, der nicht laͤßt ungeflogen,
Wiewol er kuͤmmerlich erſt jetzt hat ausgekielt,
Und noch der Nordwind nicht mit ſeinen Federn ſpielt.
Er macht ſich in die Luft, und ſchwingt mit freyem Zuͤgel
Bis zum Gewoͤlcke hin die wenig ſtarcken Fluͤgel;
Alsbald er etwas dann erblickt in einer Bach,
So ſtuͤrtzet er herab, und ſetzt den Enten nach,
Die groſſen Schreckens voll ſich fuͤr ihm untertauchen.

Nun wird mir niemand ſtreitig machen, daß dieſe Verſe nicht nur ſinnreich, ſondern auch ſcharf - ſinnig ſeyn, wiewol ſie ein offenbares Gleichniß in ſich enthalten. Aber auch diejenigen Regeln, die Phyllis von den Gleichniſſen vorſchreibet, haben nicht uͤberall ihre Richtigkeit. Gleichniſſe muͤſſen von bekannten Dingen hergenommen ſeyn, weil ſie meiſtens erklaͤren ſollen. Und hohe Sachen muͤſſen mit hohen, niedere mit niederen verglichen werden. Jch kan mir keinen deutlichen Begriff von den Superlativis machen: Gar zu gemein und bekannt: Gar zu hoch und gar zu nieder. Sol - che Scribenten, die keine gemeſſene und deutliche Begriffe von den Dingen haben, ſind in ihren Ausdruͤcken gantz unſtet und ungewiß.

G 4Die104Von dem Sinnreichen

Die Exempel, welche Phyllis zur Beſtaͤtigung ihrer Lehrſaͤze anfuͤhret, ſind wiederum von unglei - cher Art. Das erſte aus Canitz verdienet den Nahmen des Scharfſinnigen mit hoͤchſtem Rechte: Die Tugend entgehet uns allemahl zur Unzeit / und weil gemeiniglich auf einen ſchoͤnen Mor - gen ein ſchoͤner Mittag folget; ſo giebt es ein trauriges Anſehen / wann die Sonne verdun - kelt wird, eh ſie kaum halb uͤber unſern Horizont geſtiegen. Der Mittag unſers Lebens iſt das Mittel von dem menſchlichen Alter, in welchem man noch ſo viele Lebens-Jahre vor ſich ſiehet, als man ungefehr hinter ſich gelegt hat; wann nun der Menſch in der beſten Kraft ſeiner Jahre ſtirbt, iſt es dem ordentlichen Laufe nach was eben ſo uner - wartetes, als wenn die Sonne mitten an dem Him - mel, wo ſie zu Mittag ſtehet, verfinſtert wird, wel - ches ſonſt erſt auf den Abend bey ihrem Untergang zu geſchehen pflegt. Aber um ſo viel trauriger und unerwarteter iſt das fruͤhzeitige Ableben einer tu - gendhaften Perſon, als man mehr Urſachen hat, ſich nach einem maͤſſigen und tugendhaften Leben ein hohes Alter zu verſprechen, eben wie nach ei - nem ſchoͤnen Morgen ein ſchoͤner Mittag zu fol - gen pfleget. Die naͤchſtdarauf folgende Stelle aus Hrn. von Beſſers Leichengedichten iſt von einer vermiſchten Art. Die erſte Zeile:

Ach daß die bleiche Zeit auch Purpur bleichen mag!

iſt ſehr ſchwach; weil die Aehnlichkeit allzu ent - fernt iſt. Purpur iſt die Kleidung koͤniglicher Per - ſonen, und die Leibfarbe der Schoͤnen. Es iſt zwar ſchade, daß die hohe Farbe des Purpurs durchdie105und dem Scharfſinnigen. die Abnuͤzung bleich gemachet wird: aber weit mehr iſt zu bedauren, daß eine vornehme und ſchoͤne Frauensperſon in dem Tode allen ihren Glantz und Pracht auf einmal verlieren ſoll. Was Beſſer hier in der verbluͤmten Gleichnißrede ſaget, iſt viel ſchwaͤcher als ein bloſſer einfaͤltiger Ausdruk ſeines Gedankens. Die zwo Zeilen, die auf dieſe folgen, ſind von beſſerm Schrote.

Daß ſelbſt das Sonnenlicht muß Finſterniſſe leiden!
Daß der Vergaͤnglichkeit auch Fuͤrſten unterthan!

Regenten, aber vornehmlich Monarchen, werden mit dem Sonnenlichte verglichen. Bey ihrem Ab - ſterben geſchiehet ſo viel als eine Finſterniß, weil dadurch der gute Einfluß ihrer weiſen Regierung einsmals gehemmet wird. Und wie geſchikt iſt nicht der Gegenſaz: Fuͤrſten, aber dennoch Un - terthanen der Vergaͤnglichkeit. Auch die lezte Zeile in dieſer Stelle iſt in einem hohen Grade ſinnreich:

Was Gott zuſammenfuͤgt, der Tod vermag zu ſcheiden!

Als wann der Tod beynahe maͤchtiger waͤre, als Gott. Dennoch weil dieſe Redensart durch den gemeinen Gebrauch faſt zu einem Spruͤchwort geworden iſt, ſo verliert ſie die Kraft des Scharf - ſinnigen.

Was izt ferner die Stelle anlanget, die aus einer Huldigungsrede angefuͤhrt wird, ſo kan man darinnen den Unterſcheid zwiſchen dem Sinnreichen und dem Scharfſinnigen ohne Muͤhe wahrneh - men: Jch will ſie darum uͤbergehen, damit die Bogen nicht ohne Noth verſtaͤrkt werden. LaſſetG 5uns106Von dem Sinnreichenuns demnach zu der Unterſuchung der noch uͤbrigen Anmerkungen der Phyllis fortgehen: Jch fahre alſo fort und mercke zum andern an / daß ein ſinnreicher Satz bißweilen nur in einem arti - gen Vortrage einer ſehr leichten Wahrheit / und gantz gemeinen Gedanckens beſtehe. Das Sinnreiche erfodert eben keine hohen Gedanken; aber was iſt ein artiger Vortrag? Es wird ſich wol niemand vermeſſen, uns dieſes im Ernſte zu er - klaͤren. Dieſe wortreiche, aber dabey ſinn - und kraftloſe Lehrſaͤze wuͤrden mich bald bereden, daß Phyllis einen Reifenrok truͤge. Doch es kan ſeyn, daß ihre dunkle Begriffe aus den beygefuͤgten Exem - peln ein beſſer Licht empfangen. Das erſte iſt eine Aufſchrift aus Hrn. Rathsherrn Brockes vor - trefflichen Buche, Jrdiſches Vergnuͤgen in Gott betitelt; wovon die lezte Zeile alſo lautet:

Der Narr lebt arm um reich zu ſterben.

Woruͤber die Jgfr. Phyllis dieſe Auslegung giebt: Was iſt bekannter / als daß ein Geitziger des - wegen Hunger leidet / weil er gern bis an ſein Ende reich bleiben will: und doch hat Hr. Bro - kes dieſes ſo ſchoͤn, lebhaft und neu ausgedruͤ - ket, daß es mit unter die ſinnreicheſte Schreib - art gehoͤrt. Jch gebe zu, daß der Ausdruck ſinnreich ſey; die Urſache deſſen iſt, weil der Poet mittelſt Vergleichung des Lebens und des Todes eines Geitzigen dieſen ſinnreichen Gegenſatz her - ausgebracht, daß er jenes armſelig zubringe, da - mit er, wann es verlohren hat, und izt ohne Em - pfindung iſt, den Nahmen eines reichen bekom - me, welches die Auffuͤhrung eines Harpax rechtlaͤcher -107und dem Scharfſinnigen. laͤcherlich machet. Und ich erklaͤre mich hier, wie in parentheſi, daß ich geſchikten Gegenſaͤtzen den Titel, daß ſie ſinnreich ſeyn, nicht abſpreche, maſ - ſen ſie aus der Vergleichung zweyer Dinge, wel - ches ein Werck der Einbildungskraft iſt, entſtehen. Man muß mich demnach alſo faſſen, daß ich der ſinnreichen Schreibart alles zueigne, was aus der Vergleichung zweyer Dinge hergeleitet iſt; das - jenige, was herauskoͤmmt, ſey nun gleich eine Ent - deckung verborgener Aehnlichkeiten, oder verbor - gener Ungleichheiten. Wiewol ich aber dieſen Ausdruck des Hrn. Brockes fuͤr ſinnreich, ja fuͤr ſcharfſinnig, gelten laſſe, muß ich gleichwol be - kennen, daß ich die Scharfſinnigkeit, die er mir entdecket, nicht Hrn. Brockes zuſchreibe, weil mir dieſer Gegenſatz nicht neu; ſondern ſchon vorher anderwaͤrts bekannt geweſen. Jch glaube auch nicht, daß dieſer Poet, wann er die Staͤrke ſeines Wizes beweiſen wollte, eine Stelle von dieſer Art anfuͤhren wuͤrde; denn man muß ihm das Lob un - ſtreitig laſſen, daß er in dem Scharfſinnigen, in - ſonderheit was die Beſchreibungen der Natur und die Wuͤrckungen der Dinge anbelanget, vortrefflich ſey. Das zweyte Exempel iſt die bekannte Stelle des Horaz Carm. Lib. I. Od. 4. Pallida mors &c. Phyllis urtheilet davon alſo: Dahin gehoͤrt auch folgendes: der Jnhalt iſt dieſer gemeine Saz: Alle Menſchen muͤſſen ſterben: aber die Art des Ausdruckes macht ihn ſinnreich.

Der Tod durchdringt ſowol die Schloͤſſer groſſer Kaiſer,
Als ſchlechtgebaute Hirtenhaͤuſer.

Jch erinnere mich daß der Pater Buhurs in ſei -nem108Von dem Sinnreichennem critiſchen Wercke La maniere de bien penſer dans les ouvrages d’eſprit betitelt, faſt gleiche Ge - dancken von dieſer Stelle des Horaz hat. Jch will ſeine Worte herſezen: La mort n’épargne per - ſonne: Voila une penſée fort vraye & qui ne l’eſt, que trop par malheur; mais c’eſt une penſée bien ſimple & bien commune. Pour la rendre nouvel - le en quelque façon, il n’y a qu’à la tourner de la maniere qu’Horace & Malhérbe ont fait. Der Jnhalt dieſer Stelle iſt nicht: Alle Menſchen muͤſſen ſterben; ſondern: Groſſe Herrn ſind vor dem Tode ſo wenig geſichert / als geringe Leute; der Tod ſchont keinen. Die wahre Urſache, daß dieſe Stelle ſcharfſinnig genannt wird, iſt die Aehnlichkeit, welche ſie in der Vergleichung eines Koͤnigs und eines Hirten, zwoer Perſonen, die ſo weit von einander entfernt ſcheinen, als wi - derwaͤrtige Dinge, entdecket; da ſie weiter nichts mit einander gemein haben, ſind ſie doch in dem Tode einander gleich.

Allein je weiter Phyllis in Entdeckung der Na - tur des Sinnreichen fortzugehen vermeint, deſto - mehr geraͤth ſie auf Abwege, welche ſie je laͤnger je weiter von der Wahrheit entfernen. Oft / faͤhrt ſie fort, geſchieht es, daß eine ſinnreiche Rede ſich auf eine Zweydeutigkeit gruͤndet. Der Herr von Beſſer ſchreibt an Melinden, daß er ſie aufrichtig und nicht aus Begierde nach ihrem Reichthum liebe:

Was wilſt du mehr? Jch meide dich,
Jch will dich andern uͤberlaſſen;
Nur, haſt du ja kein Hertz fuͤr mich,
So hab auch keines mich zu haſſen.
Die109und dem Scharfſinnigen.

Die beyden lezten Zeilen enthalten hier das Sinn - reiche: und es entſtehet bloß aus der doppel - ten Bedeutung des Worts Hertz. Wenn Me - linde ſagt: Jch habe kein Hertz an dich zu ver - ſchenken, ſo heiſt es ſo viel, ich bin dir nicht gewogen. Wann er aber bittet, daß ſie auch kein Hertz haben moͤge ihn zu haſſen, ſo meint er das eigentliche Hertz: denn wenn man ſagt. daß man jemanden gram ſey / ſo wird in keiner Redensart an das Hertz gedacht. Daß zweydeutige Reden und Wortſpiele in dem weit - laͤuftigten Sinne, den ich oben erklaͤrt habe, koͤn - nen ſinnreich genennet werden, iſt nicht zu laͤug - nen; wiewohl ſie von aͤuſſerſt verdorbnen Ge - ſchmack ſind: Aber daß ſie zu dem Scharfſinni - gen ſolten gerechnet werden, wie Phyllis in dieſer Regel haben will, iſt abgeſchmakt. Das Exempel iſt ein kahles gezwungenes und froſtiges Wort - ſpiel. Man ſagt nicht ſchoͤn: Er hat fuͤr mich ein Hertz, an ſtatt: Er iſt mir gewogen. Noch, ſo hab auch keines, d. i. ſey nicht ſo kuͤhn, mich zu haſſen.

Die lezte Anmerckung: Es giebt auch eine Gattung ſinnreicher Gedancken, die in einer geſchickten Vergroͤſſerung einer Sache beſte - hen. Wenn dieſe Vergroͤſſerung aus einer Ver - gleichung herkoͤmmt. Der Herr von Caniz lobt von ſeiner hohen Verblichenen, daß ſich die Lehrer ſelbſt uͤber ihre Wiſſenſchaft verwun - dert, und daß auch die Unſtraͤflichſten durch ihren Wandel erbauet worden. Jmgleichen von ſeiner eigenen Gemahlin:

Man -110Von dem Sinnreichen
Manches Weib wird hoch gepreiſen,
Das kaum ſo viel Tugend zehlt,
Als die Seeligſte vor dieſen
Aus Beſcheidenheit verhehlt.

Dieſe beyden Stellen ſind nicht nur ertraͤglich, ſondern koͤnnen dem Buchſtaben nach verſtanden werden. Aber wenn jemand von dem groſſen Alexander geſchrieben: Er habe ein rechtes Ertz-Hertz gehabt, in deſſen einem Winkel - chen die gantze Welt ſo raͤumlich habe liegen koͤnnen, daß noch ſechs andre Welten neben ihr Platz genug gehabt haͤtten: das kan wol ziemlicher Maſſen ausgeſchweiffet heiſſen. Die - ſer Jemand iſt der beruͤhmte Spanier Balth. Gra - cian. Der P. Buhurs fuͤhrt in ſeinem obener - wehnten B. dieſe Stelle mit einichen Anmerkun - gen begleitet an. Il traite le cœur d’Alexandre d’Archicœur, dans un coin du quel tout ce mon - de étoit ſi à l’aiſe, qu’il y reſtoit de la place pour ſix autres. Grande fue el de Alexandro y el ar - chicoraçon, pues cupo en un rincon del todo eſte mondo holgadamente, dexando lugar para otros ſeis. Avez-vous rien de plus recherché & de plus enflé?

Dieſes mag genug ſeyn den Leſern einen deutli - chen Begriff davon zu machen, was in den Schrif - ten uͤberhaupt ſinnreich, und was insbeſondere ſcharfſinnig geheiſſen zu werden verdienet: Sie koͤnnen daraus nicht allein lernen, woher die all - gemeinen Grundſaͤze dieſer Schreibart muͤſſen ge - holet, ſondern auch wie ſolche gebraucht werden muͤſſen, wann man jede vorkommende Schrift be -urthei -111und dem Scharfſinnigen. urtheilen will. Jns beſondere darf ich hoffen, daß der Hr. Philologus, der im 34ſten St. die Jgfr. Phyllis durch ſein ſchriftliches Anſuchen zu dieſer ungluͤcklichen Unterſuchung des Scharfſinni - gen veranlaſſet hat, allhier den vollſtaͤndigen Un - terricht, den er bey den Schweizeriſchen Kunſt - lehrern vergeblich geſucht, und von gedachter Phyllis, das iſt, von ſeiner eigenen Scharfſin - nigkeit(†)Denn eben derjenige, der ſich in die Phyllis, und die uͤbrigen Tadlerinnen verwandelt hatte, hat auch die Perſon des Philologus an ſich genommen., in die er ſehr verliebt iſt, umſonſt erwartet hat, zu ſeiner Befriedigung antreffen, und wenigſtens die Beſcheidenheit daraus lernen werde, inskuͤnftige nicht mehr ſo vermeſſen zu ſeyn, und ſich zu einem Richter des Scharfſinnigen auf - zuwerffen, bevor er gelernet hat, was ſcharfſin - nig iſt. Jch ſehe zwar eine einfaͤltige Aufrichtigkeit in dem folgenden Bekaͤnntniß, womit er ſich im Eingang verwahrt: Wundert euch nicht / daß mich dieſe Urſachen bewogen haben euch um eure Gedanken von der ſinnreichen Schreib - art zu erſuchen. Jch geſtehe es / daß ich in ge - wiſſen Faͤllen gar wol ſagen kan, welcher Ge - dancke ſinnreich ſey oder nicht: allein wenn ich eine Beſchreibung geben ſoll / ſo will es nicht fort. Jch habe oftmahls einen Streit gehabt / ob dieſe oder jene Redensart in einem Scri - benten ſinnreich ſey oder nicht, und ich finde, daß man ſich ordentlich gantz andre Begriffe davon macht / als ich. Aber ich entdeke hernach eine ſo viel groͤſſere Vermeſſenheit bey ihm, wennich112Von dem Sinnreichenich betrachte, mit was vor Eigenduͤnkel er als ein vollmaͤchtiger Richter einem Autor die Kundſchaft des Scharfſinnigen abſpricht, und dem andern zu - erkennet, wie er eine Stelle als laͤcherlich verdam - met, und hingegen eine andere eben ſo unbegruͤn - det canoniſirt. Jch kan nicht faſſen, wie ſich die - ſe Auffuͤhrung mit dem erſten Bekaͤnntniß reime. Auf was vor einen Grund kan derjenige ſeine Ur - theile von dem Scharfſinnigen bauen, der nach eigenem Geſtaͤndniß nicht weiß, was ſcharfſinnig iſt? Er muß es nothwendig riechen, oder ſchme - ken, oder fuͤhlen. Oder es kan ſeyn, daß der Hr. Magiſter eine von denen Magiſchen Maſchinen des Hamburgiſchen Patrioten beſizt, mittelſt deren er dieſe unterſchiedene Entdeckungen machet.

Laſſet uns noch mit einem Exempel darthun, wie weit er es durch dieſe oder dergleichen Mittel gebracht habe. Ein groſſer Niederſaͤchſiſcher Poet / ſind ſeine Worte in eben demſelben 34ſten St. der Tadlerinnen / deſſen Verdienſte zu ſchmaͤlern ich nicht im Stande bin / hat in ſei - ner Paſſions-Geſchichte dieſe Aria:

Heil der Welt dein ſchmerzlich Leiden
Schrekt die Seel und bringt ihr Freuden,
Du biſt ihr erbaͤrmlich ſchoͤn.

Da ſind nun einige meiner Freunde in dieſe Re - densart / erbaͤrmlich ſchoͤn, ſo ſehr verliebt / daß ſie jeden Buchſtaben eines Ducatens werth ach - ten. Es hilft gar nichts / wann ich ihnen ſa - ge / daß dieſes ein gantz unnatuͤrlicher Aus - druk ſey, den die Lateiner contradictionem in ad - jecto nennen. Jch frage ſie vergebens. Obſie113und dem Scharfſinnigen. ſie denn wohl ein Frauenzimmer abſcheulich an - genehm nennen wolten? Sie bleiben allezeit dabey / das erbaͤrmlich Schoͤne ſey was un - vergleichliches / und ſie beruffen ſich ihre Mei - nung zu behaupten / auf die Gluͤkwuͤnſche ande - rer Poeten / die dem Vater dieſes erbaͤrmlich ſchoͤnen Ausdrucks deswegen gemacht worden. Der Hr. Philologus haͤtte dieſe Stelle und ſei - ne Freunde mit ſeinen poͤbelhaften Schertzen bil - lig verſchonen ſollen: Denn ſein Geſpoͤtte laͤſt ſehr abgeſchmakt, indem es etwas ſchoͤnes und geſchik - tes anpakt. Es iſt natuͤrlich, daß die Betrach - tung des Leidens des Heilands zwo gantz verſchie - dene Wuͤrkungen oder Empfindungen in dem Ge - muͤthe hinterlaͤſt. Die Betrachtung des Schmer - zens oder die Groͤſſe des Leidens an ihm ſelbſt, wuͤrket die Empfindung des Mitleidens, des Er - barmens und der Traurigkeit. Aber wenn man die Betrachtung auf deſſelben Folgen und Wuͤr - kungen kehrt, ſo entſtehet nothwendig in dem Ge - muͤthe eine Freude. Was uns ergezet oder belu - ſtiget iſt nun ſchoͤn: Und es iſt erbaͤrmlich einen Unſchuldigen an der Folter des Leidens zu ſehen. Kan ich dann nicht mit Recht ſagen, der leiden - de Heiland komme der Seele als erbaͤrmlich und als ſchoͤn vor? Wenn ich z. E. eine ſchoͤne Frau in einem mitleidenswuͤrdigen Zuſtande begriffen ſehe, ſo darf ich mich mit gutem Grunde ausdruͤ - ken: eine mitleidenswuͤrdige Schoͤne. Dem - nach muß Hr. Philologus beſſer lernen was contra - dictio in adjecto bey den Logicis ſey, denn die La - teiner reden nicht ſo kauderwelſch. Freylich waͤ -Hre114Von dem Sinnreichen ꝛc. re es abgeſchmakt, wenn man eine Frau abſcheu - lich angenehm nennen wollte, denn dieſes ſind nicht allein unterſchiedene, ſondern ſtreitende Din - ge, diverſa, non oppoſita. Jch finde eine gleich - maͤſſige Stelle in Opizens IV. B. der P. W. nicht weit vom Ende der Oden, woraus ſich zeigt, daß dieſer treffliche Poet keinen Abſcheu vor dergleichen Gegenſaͤzen gehabt hat:

Sie weiß nichts von Menſchen-Gunſt,
Wie es zwar manch Freund hier machet,
Der aus falſcher Liebesbrunſt
Froͤlich klagt, und klaͤglich lachet;
Der zwar gut iſt vom Geſicht,
Und ſich aller Treu verſpricht;
Das Herze meint es nicht.

Solche haben in der That einen beſondern Nach - druck, wenn ſie nur nicht weit her, wenn ſie nicht gezwungen, und nicht unverſtaͤndlich ſind. Und die Wahrheit zu bekennen, duͤnkte mich derjeni - ge, den ich bißher vertheidiget habe, ein wenig zu gekuͤnſtelt und zu dunkel, wenn ihm die naͤchſt vorhergehende Zeile nicht zu Huͤlfe kaͤme, und ihn in ein helles Licht ſezete.

Hans[115]

Hans Sachs Ein Heldengedichte. Mit einigen Erklaͤrungen.

Fortunate puer, tu nunc eris alter ab illo. Virg. Eccl. 5.
[116]117

Vorrede des Verfaſſers(*)Dieſer iſt Herr Wernicke, ehmahliger Koͤniglich-Daͤ - niſcher Staatsrath und Reſident in Paris. an den Leſer.

MAs die Gelegenheit zu folgendem Gedich - te gegeben(†)Nemlich ein von Poſtel wider Wernicken verfertigtes Sonnet, weil der lezte den Lohenſteiniſchen Geſchmak geta - delt hatte., das hat man bey der erſten Ausgabe deſſelben in einer langen Vorrede weitlaͤuftig angefuͤhret. Wie man aber von Natur geneigt iſt, allen Dingen ein gewiſſes Maaß zu ſetzen; Alſo hat man anizo dieſelbe auch gerne unterdruͤcken, und den Le - ſer wegen einiger Oerter dieſes Gedichtes lieber im Dunckeln laſſen, als die Thorheit eines an - dern weiter ans Licht ſezen wollen(a)Auch derjenige, der gegenwaͤrtige neue Auflage beſorget, gedenket der Welt hiervon nicht mehrers zu offenbaren, als was der Verfaſſer ihr nicht hat verbergen wollen, oder nicht genug verborgen hat. Seine Abſicht erſtreket ſich nur auf die Le - benden. Er will gerne die Todten ruhen laſſen, die we - der Scham noch Unterricht mehr beſſern kan. Und er haͤlt die - ſe ſatyriſche Schrift alleine hoch, in ſo ferne ſie geſchikt und poe - tiſch geſchrieben iſt, nicht in ſo ferne ſie vor ein Zeitungsblat angeſehen wird. Wiewohl er nun nicht in Abrede ſeyn kan, daß Wernicke durch ſeinen anagrammatiſirten Stelpo Poſteln gemeinet habe, ſo waͤre ihm doch lieber daß man ſolchen kuͤnftig nur vor eine Symboliſche Perſon anſaͤhe, welche uͤber - haupt den Character von einer gewiſſen Art unnatuͤrlicher Poe -ten. ManH 3hatHiſtoriſche Anmerkungen des Herausgebers. 118Hans Sachshat Schimpf mit Schertz; und ein kleines Son - net mit einem gantzen Heldengedichte beantwor - tet. Die Erfindung deſſelben hat man einem Engliſchen Poeten abgelehnet(b)Nemlich Johann Dryden, der unter dem Nahmen Mac Fleckno die abgeſchmakten Poeten ſeiner Jnſel, wie Wernike Hans Sachſen und Stelpo, auf eine heroiſch-co - niſche Weiſe beſungen hat.; die mei - ſten Einfaͤlle aber von ſich ſelber nehmen muͤſ - ſen. Wie ſolches diejenige, denen die eigent - liche Umſtaͤnde des Orts und der Sache be - kannt ſind, gar leicht von ſich ſelber werden erſehen haben. Es wuͤrden auch diejenige ihre Muͤhe verliehren, die die angefuͤhrte Deutſche, Welſche, Engliſche, und Franzoͤſiſche Oerter den Hans Sachs betreffend, anderswo, als in meinen Anmerckungen aufſuchen wollten. Welches aber bey denen nicht zu beſorgen ſtehet, die ſo gleich im erſten Anblicke verſpuͤhren wer - den, daß auch eben dieſelbe nicht ohne ein ge - wiſſes Abſehen geſchrieben worden ſind. Die beſte ſatyriſche Schriften werden in Deutſch - land von den wenigſten recht verſtanden, weil wir zu weitlaͤuftig eingetheilet, und keine all - gemeine groſſe Hauptſtadt haben, wornach ſich alle andre richten(c)Ein jeder ſatyriſcher Scribent, er mag in einer all - gemeinen groſſen Hauptſtadt, oder in einer nicht ſo volk - reichen Stadt eines weitlaͤuftig eingetheilten Staates ſchrei - ben, iſt der Gefahr unterworffen, daß ſeine Schriften inallen, ſo daß in dieſem Stuͤkedieten vorſtellen ſoll. Er zweifelt nicht, daß man nicht auf den heutigen Tag noch eine ziemliche Anzahl ſolcher Stel - po antreffen werde, welche den erſten Stelpo nicht verleug - nen koͤnnen; und darum hat er die Muͤhe genommen, dieſe Satyre, die voll artigen Scherzes und lehrreicher Sti - cheley iſt, aus dem Staube hervorzuziehen.119ein Heldengedichte. die heutige Engliſche und Franzoͤſiſche Poeten einen groſſen Vortheil vor uns haben. Sinte - mahl die erſte gantz England in Londen, wie die andre gantz Frankreich in Paris vor ſich finden. Unterdeſſen ſo hat ſich ſeit der Zeit ein andrer ge -H 4fundenallen denen Stellen dunkel werden, wo er ſich zu abſonder - lichen hiſtoriſchen Begegniſſen, ſonderbaren Sitten und Ge - wohnheiten, umſtaͤndlichen Gemaͤhlden der Sitten, Allu - ſionen, perſoͤnlichen Schwachheiten, hinuntergelaſſen hat. Denn wenn gleich zu der Zeit, da der Autor geſchrie - ben, und an dem Orte, wo er ſeine Schriften an das Licht geſtellet, jedermann von dieſen Sachen Wiſſenſchaft gehabt hat, wenn die Perſonen, auf die er deutet, gleich durchgehends bekannt geweſen ſind, ſo gerathen ſolche doch mit dem Laufe der Zeit, und oͤfters nach wenig Jahren gaͤntzlich ins Vergeſſen. Wer Satyren an einem groſſen Koͤniglichen Hofe ſchreibt, hat desfalls keinen Vortheil vor einem andern, der in einer vornehmen Handelſtadt eben daſſelbe thut. Leute, die auſſer der allgemeinen groſſen Haupt - ſtadt leben, haben ſelbſt bey Lebezeit des Verfaſſers ſo we - nig Wiſſenſchaft von ſolchen Kleinigkeiten, als diejenige, welche auſſer der Provinzialſtadt wohnen, von eben derglei - chen Sachen, die darinnen niemanden verborgen ſind. Die Umſtaͤnde von dieſer Art haben in der Hauptſtadt ſowohl als in der Provinzialſtadt nach einer kurtzen Zeit einen Ge - ſchichtſchreiber oder Ausleger vonnoͤthen. Alſo waͤren des Boileau Satyren noch bey ſeinem Leben in vielen Stellen unverſtaͤndlich geworden, wenn ſich nicht einer gefunden haͤt - te, der ſich eine Arbeit daraus gemachet hat, daß er alle die Kleinigkeiten darinnen, derer Wiſſenſchaft ſich den Nach - kommen entzogen haͤtte, ſorgfaͤltig erklaͤret hat. Und wie viele Sachen ſind in Horaz, Perſius, und Juvenal, zu unſrer Zeit dunkel, welche zu ihren Zeiten der ganzen Roͤmiſchen Welt bekannt waren. Dieſes iſt zwar ſehr verdrießlich, weil ſolche moraliſche und perſoͤnliche Umſtaͤnde dienen, der Satyre Licht und Leben in einem hohen Grade mitzutheilen, indem ſie die Sachen gantz nahe vor das Geſicht bringen. Dennoch lei - det der moraliſche Unterricht von der Dunkelheit, in welche ſie mit der Zeit verfallen, keinen groſſen Abbruch, weil ſie nur Nebenbegriffe geben, ohne welche die Hauptbegriffe nichtsde - ſtoweniger wohl verſtanden werden.120Hans Sachsden(d)Hunold, der ſo genannte Menantes, der eine ganze Comedie auf Wernike gemacht hat, genannt: Der thoͤrichte Pritſchmeiſter, worinnen er aus Wernike per anagr Weknarr und Narrweke macht und lauter Jniurien vorbringt., welcher ſich wieder Hans Sachſens rechtmaͤſſigen Nachfolger empoͤret, und demſel - ben die Folge der Herrſchaft ſtreitig machen wollen; indem er in einem gantz kunterbunten Buche ſo viel Keckheit, ſo viel Unverſtand und ſo viel grobe und garſtige Frazen ſehen laſſen, daß wenn man dieſen mit jenem vergleichen ſoll - te, jener in der That wegen ſeines Verſtandes vor einen Cato, wegen ſeines Wizes vor einen Horatius, und wegen ſeiner Gelahrtheit vor einen andern Varro wuͤrde gehalten werden. Weil nun dieſer ſich gleichfalls geluͤſten laſſen, hin und her groͤblich auf gewiſſe Leute zu ſticheln, ſo war man ſchon auf die Gedanken gerathen, einen zweyten Theil von Hans Sachs zu ſchrei - ben, welchen man die Empoͤrung, wie den er - ſten die Kroͤnung, wuͤrde genennet haben. Es haͤtte an der Erfindung nicht gefehlet. Man dachte aber hernach, daß man zwar unterwei - len aus einem Schwan; niemals aber aus ei - ner Ganß ein Schaugeruͤchte machte, und daß es ſchon genug waͤre, denſelben mit einem paar Ueberſchriften, dergleichen folgends der Ge - ſchichte ein gewiſſer Edelmann wol ehe ſeinem Koch vergeblich abgefordert, abzuſpeiſen. Haͤt - te man nichts geſagt, ſo wuͤrden die Narren, und haͤtte man zuviel geſaget, ſo wuͤrden klugeLeute121ein Heldengedichte. Leute daruͤber gelachet haben. Ja wer weiß, ob ſich nicht ſchon viele von dieſen leztern ver - wundern, daß man ſchon ſo viel geſchrieben ha - be. Es muͤſſen dieſelbe aber bedenken, daß man niemals eine Thorheit nur halb begehen muͤſſe.

Hans Sachs ein Heldengedichte.

WAs irdiſch iſt, vergeht, was menſchlich iſt, nimmt ab,
Und ein Monarche ſelbſt faͤllt mit der Zeit ins Grab.
(herrſchte,
Diß ward Hanß Sachs gewahr, der lang in Deutſchland
Und nach der Fuͤſſe Maaß hier Schuhe macht und verſchte;
Der in der Dummheit Reich und Hauptſtadt Lobeſan
Den erſten Preiß durch Reim ohn allen Streit gewann.
Es war in langer Ruh ihm wiedrigs nichts begegnet,
Er fand mit manchem Sohn unzehlbar ſich geſegnet;
Doch alt, und durch die Laſt der Sorgen matt gemacht,
So war er auf die Folg im Reich anizt bedacht.
Er dachte welchem Sohn es moͤchte meiſt gebuͤhren,
Nach ihm mit der Vernunft unendlich Krieg zu fuͤhren;
Und ruft: Es iſt geſchehn! denn Hertz und Neigung ſchlißt,
Daß der mein Folger ſey, der mir am gleichſten iſt.
Mein Stelpo
(e)Stelpo per anagramma Poſtel.
(e) zeigt allein mein Bild an ſeiner Stirne,
Und unzertheilte Duͤnſt umnebeln ſein Gehirne;
Selbſt ſeine Amme faßt in der Geburt ihn um,
Weiſſagt und ſegnet ihn mit dieſem Wunſch: Sey dumm.
Mein Stelpo iſts allein von allen meinen Soͤhnen,
Den an dem Pegnizſtrand ein Pfaltzgraf wuͤnſcht zu kroͤnen;
Der ein verſtaͤndlich Wort vor Ungelahrtheit haͤlt,
Und die Undeutlichkeit am klaͤrſten uns vorſtellt.
Mit Muͤhe kan man noch der andern Meinung rathen,
Und Wiz findt Herberg einſt bey einem Zeſ und Spaten;
H 5Mein122Hans Sachs
Mein Stelpo iſts allein, der niemals nicht nachſinnt,
Und ſich im rechten Weg, aus Jrrthum ſelbſt, nie findt.
Bißweilen faͤllt ein Funck von Witz an andrer Seele,
Und blizt ein kurzes Licht durch die verſtockte Hoͤle;
Nur Stelpos Groͤnlands-Nacht duldt keinen ſolchen Riß,
Kennt nichts als duͤrre Kaͤlt und dike Finſterniß.
Zudem ſo findt man gleich, wenn man ſein Antlitz ſchauet,
Daß um dieß hoͤckricht Feld der Wahn ſein Neſt gebauet
(f)Dieſes giebt ohne mein Erinnern zu verſtehen, daß Stel - po ein hokrigtes Geſicht voller Kupfer und Finnen gehabt habe.
(f);
Daß Unbedachtſamkeit in voller Majeſtaͤt
Gleichwie in einer Wolck an ſeiner Stirne ſteht.
Die hohle Stimme ſelbſt, die durch die Naſ erſchraubet
(g)Dieſe Worte ſagen uns, daß er ein wenig durch die Naſe geſprochen habe. Jch bekuͤmmere mich hier nicht, ob dieſe und dergleichen perſoͤnlichen Umſtaͤnde ihren hiſtoriſchen Grund haben, oder nur von dem Satyrico zu ſtaͤrkerer Brand - mahlung des Conterfaits erfunden worden ſeyn.
(g),
Zeigt ihren Meiſter an; und mancher Lehrling glaubet,
Wenn durch dieß thoͤnend Ertz ein ſchnarrend Unwort bricht,
Das keiner nicht verſteht, daß ein Orakel ſpricht.
Schoch
(h)Hr. Gottſched leget dieſem in dem Hauptſtuͤke ſeiner Dichtkunſt fuͤr die Deutſchen, wo er von den Hirtenlie - dern handelt, ein groſſes Lob bey, und meint er habe in ſei - nem Blumengarten viel Ehre eingeleget, obgleich die Verſe zuweilen etwas hart ſeyn. Allein die Strophen, die er zur Probe anfuͤhret, und vor ungemein ausgiebt, bekraͤftigen vielmehr das Urteil unſers Satyrici.
(h), Zeidler, Zeſ und Tiz, und andre Reim-Erfinder
Sind, wann man ſie mit dir vergleicht, nur arme Suͤnder.
Die erſte Stell hoͤrt dir in dieſer Schwanen Reih
Du groſſer Patriarch von der Pritſchmeiſterey.
Jch ſelbſt, ein Dudentopf beruͤhmter als die andern,
Muſt hinkend vor dir her mit meinem Schurzfell wandern,
Damit ich dir den Weg bereitete, O Held,
Und deinen groͤſſern Ruhm verkuͤndigte der Welt.
Oft, wenn ich lange gnug gebrauchet Ahl und Feder,
Und manch unſchuldig Wort gereket wie das Leder;
Wenn123ein Heldengedichte.
Wenn ich, mit Tint und Pech beſudelt, Verſ erdacht,
Und manchen Schuh zu kurtz, und Fuß zu lang gemacht:
So muſt ein Dudelſak mir meinen Unmuth ſtillen,
Und mein allduldend Ohr mit ſeinem Schnarren fuͤllen.
Doch war mein Dudelſak ein Vorſpiel nur von dir,
Und deinem hellern Thon, wenn du ſchlaͤgſt dein Clavier
(i)Poſtel ſpielte etwas mittelmaͤſſig auf dem Clavier, wo - mit er ſich aber in Geſellſchaft breit zu machen pflegte.
(i).
Mich duͤnkt, ich hoͤr anizt dich neuen Orpheus ſpielen,
Weil deiner Finger Wink die ſcharfe Seiten fuͤhlen;
Man ſingt. Das Lied iſt dein, und K - rs
(k)Jſt der beruͤhmte Capellmeiſter Keyſer, ein vortreffli - cher Componiſt, ohne deſſen Muſik Poſtels Singſpiele, wie man ſagt, unmoͤglich haͤtten gefallen koͤnnen.
(k) die Muſick,
Der in des Stuͤmpers Reim erweißt ein Meiſterſtuͤck;
Der mit dem Thon erſezt, was den Verſtand verruͤket,
Und uns mit deinem Wahn und Aberwiz entzuͤket;
Der dir zu Nuz die Sinn uns oft verwirrt gemacht,
Und deine falſche Muͤnz im Klang hat angebracht.
Zudem ſo ſtehen dir drey Nymphen noch zur Seiten
(l)Zielt auf drey beruͤhmte Saͤngerinnen aus der Opera in Hamburg.
(l),
Die was man nicht begreift, durch ihre Stimm ausdeuten:
O wer iſt ſo verſtokt, der dieſen Vers nicht ſchaͤzt,
Den Schoͤnheit ſelber ſingt, und Kunſt in Noten ſezt?
Jch hoͤre mit Begier die Clytemneſtra
(m)Clytemneſtra iſt eine Rolle aus der Opera Jphigenia, welche von einer Saͤngerinn, Nahmens Conradine, geſungen ward, die eine Stimme wie eine Trompete hatte, und eine vortreffliche Aetrice in wuͤtenden Partien war.
(m) ſingen
Die durch Gebaͤrd und Stimm ins Herze weiß zu dringen;
Die dein gebrechlich Lied durch ihren Schall beſchirmt,
Und wie du die Vernunft, ſo ſie den Himmel ſtuͤrmt;
Die durch die Raſerey des Schreibers Wahn beſchoͤnet,
Und dich dem Neid zu Troz, zum Dichter ſingend kroͤnet.
Die124Hans Sachs
Die Jole
(n)Jſt eine Rolle aus der Opera Hercules von einer Saͤngerinn, Nahmens Riſchmuͤllerin, gemacht, die in trau - rigen Stuͤcken nicht ihres gleichen hatte.
(n) folgt hernach, die Aug und Ohr erfreut
Durch ihre ſanfte Stimm und holde Sittſamkeit;
Die, weil ein Seufzer hier den andern lieblich jaget,
Des Dichters Wahnwiz mehr als Hyllas Noth beklaget;
Und der ſo ſehr nicht ſchmerzt der Dejaniren
(o)Die Jole ward von der Dejanira im Singſpiele zum Tode verdammt.
(o) Schluß,
Als daß ſie, was du haſt geſchrieben, ſingen muß.
Zulezt kommt Adelind
(p)Adelinda iſt eine Rolle aus einem andern Singſpiele, die von einer Nahmens Schoberin recitirt ward, die von einem ſehr luſtigen Humeur und ſchertzhaften Umgang war. Die unterſtrichene Worte ſind aus Poſtels Verſen ſelbſt ge - nommen. Jch will dieſe Entdeckungen nicht vor wichtiger ausgeben als ſie ſind, und darum bekennen, daß ſie der Schilderey des Satyrici eben kein viel groͤſſeres Licht mit - theilen. Er hat uns den Character dieſer drey Nymphen in einem ſo hellen Lichte vorgeſtellet, daß wir ſie aus ſei - nen lebhaften Pinſelzuͤgen genugſam kennen lernen. Er hat ferner den Gegenſaz zwiſchen ihrem Geſange, und dem Jn - halt deſſelben, wie auch die Huͤlfe, ſo ſie dem Operndich - ter leiſten, ſo ſinnreich angezeiget, daß uns der Stachel ſeiner Satyre nicht verborgen bleibet. Was dieſes Gedicht ſchaͤzbar macht, ſind nicht kleine Begegniſſe, und Umſtaͤnde, die es uns in das Gedaͤchtniß braͤchte, es ſind Ausdruͤcke, Vorſtel - lungen und Gemaͤhlde, die wir vor ſich ſelbſt hochſchaͤzen, ohne daß dergleichen Hiſtoͤrgen etwas dazu helffen. Wir halten noch heut zu Tage ſo viel von des Seneca Satyre auf den Kaiſer Claudius, als man zu Rom zwey Jahre nach ſeinem Abſterben davon gehalten hat.
(p), die mit den ſuͤßten Freuden,
Hier ſtehl ich dir den Vers, erſezen kan das Leiden;
Die ihre eigne Wort oft mit mehr Luſt anbringt,
Und ſprechend mehr gefaͤllt, als wenn ſie deine ſingt;
Die ohne Sorgen dich laͤßt deine Verſe zimmern,
Und dich allein um das, was dich angeht, bekuͤmmern;
Die125ein Heldengedichte.
Die oft ſo wenig iſt, auf was ſie ſingt, bedacht,
Als du warſt, wie du es haſt zu Papier gebracht.
Hier ſchwieg der alte Greiß, und weinte faſt vor Freuden,
Die er an ſeinem Sohn erlebt, und fing mit beyden
Den wolgerathnen Sohn, mit beyden Armen um,
Beſtetigend den Wunſch der Amme: Sey du dumm.
Nah einem ſchoͤnen Fluß, der hundert Schwanen traͤget,
Und erſt nur um ſein Schilf die ſchwache Wellen ſchlaͤget;
Hernach der Stadt zur Luſt ſich weit und breit ergießt,
Der Stadt, die, wo ſie’s ſelbſt erkennet, gluͤcklich iſt.
An dem ein ſtrenges Haus
(q)Zuchthaus an der einen Seite des Alſterfluſſes.
(q) die feſte Mauren zeiget,
Worinn der Boßheit wird der ſteiffe Halß gebeuget;
Jn dem die Faulheit man zur fruͤhen Arbeit zwingt,
Und ungerathne Soͤhn oft zur Erkaͤnntniß bringt.
(Frieden,
Da ſteht, nicht weit von dem, doch wie vom Krieg der
Und gleich wie Tag und Nacht durch dieſen Fluß geſchieden;
Auf daß uns zeig ein Blick, daß hier die Ordnung wohnt,
Wo man die Laſter ſtraft, weil man die Tugend lohnt:
Da ſteht nicht weit von dem ein ſtarck und groß Gebaͤude
(r)Das Opernhaus an der andern Seite der Alſter.
(r),
Der fremden Zeitvertreib, der Eingeſeſſnen Freude;
Das ein beruͤhmter Mann
(s)Ein gewiſſer Rathsherr Schott, in deſſen eine Toch - ter Poſtel verliebt und auf Werniken eiferſuͤchtig war.
(s) zu Nutz und Zier der Stadt,
Der Kunſt und Sinnligkeit zugleich gewiedmet hat.
Jn dem die Goͤtter ſelbſt vom Himmel praͤchtig ſteigen,
Und ſich die Element in ſchoͤner Ordnung zeigen;
Wo Staͤdte man einnimmt, und manches Reich zerſtoͤrt,
Verſtorbne Fuͤrſten zeigt, und junge Helden lehrt.
Schad iſts, daß dieſen Plaz kein Hofmannswaldau ſtuͤzet,
Noch Lohenſtein und Gryph hier hinterm Vorhang ſizet,
Daß kein Antonius, und keine Catharin,
Kein treuer Schaͤfer nicht betritt die Schoͤne Buͤhn
(t)Jn dieſen Zeilen erkennen wir den Kunſtrichter nicht,der
(t);
Denn126Hans Sachs
Denn wuͤrd ein ſolcher Vers die Anſtalt hier begleiten,
So koͤnnte man Paris den Vorzug ſelbſt abſtreiten:
Wiewohl auch dort wie hier die Dichtkunſt hinten bleibt,
Und das was Luͤlly ſezt, allein ein Quinaut ſchreibt;
Gleich als ob die Muſik, die doch vom Himmel ſtammet,
An allen Orten waͤr zum Aberwiz verdammet.
Nun hatt Hans Sachs dieß Haus der Ehre werth geſchaͤzt,
Daß er des Stelpos Thron hierinnen praͤchtig ſezt.
Denn es hatt eine Hex ihm laͤngſt gewußt zu ſagen,
Daß ein Tyrann allhier
Das Volk mit Verſen wuͤrd als Scorpionen plagen;
Daß er die deutſche Sprach im Grund erſchuͤttern wuͤrd,
Gebohrn dem Wiz zu Troz, und der Vernunft zur Buͤrd.
Nun hatte Fama ſchon, die nie mit Schweigen ſuͤndigt,
Des Stelpos Kroͤnungs-Tag der ganzen Stadt verkuͤndigt:
So daß ein groſſes Volk vom Dreckwall, Miſtberg
(u)Dieß ſind Nahmen einiger Gaſſen in Hamburg, die er hier angebracht, um durch ihre haͤßliche Benennung den Stelpo noch laͤcherlicher zu machen. Auf dem Gaͤnſe - markt ſteht das Opernhaus, daher er da die Kroͤnung an - geſezt.
(u), kam,
Und auf dem Gaͤnſe-Marckt die beſten Plaͤz einnam.
Es war der Weg belegt ſtat koͤſtlicher Tapeten
Mit Blaͤttern, welche man gepfluͤkt aus den Poeten,
Die in dem finſtern Thum
(w)Jn der Doms - oder Thumskirche haben die Buch - fuͤhrer ihre Gewoͤlber.
(w) gleich als begraben ſind,
Und die man eh als hie bey Apothekern findt.
Fruchtbringend war der Staub, gekroͤnet alle Steine;
Doch aller andern Werk erſtekten Stelpos ſeine:
Be -
(t)der zuerſt die Kuͤhnheit gehabt hat, ſich dem Lohenfteiniſchen Schwulſt im offentlichen Druke zu widerſezen, welches Lob ihm Herr Konig in ſeiner Unterſuchung des Geſchmakes mit - getheilet hat.
(t)
127ein Heldengedichte.
Betrogne Druker war’n an ſtatt der Leibwach hier,
Und S
(x)S heiſt Spiering, welcher Poſtels Verleger war.
(x) ging beherzt als Hauptmann allen fuͤr.
Man ſah hernach das Volk ſich vor dem Fuͤrſten neigen,
Und dieſen auf den Thron mit ſchweren Tritten ſteigen;
Weil Stelpo, Rechtensfrey, des Reiches Sazung laß,
Und ihm zur rechten Hand Roms andre Hoffnung ſaß.
Er war mit diken Dampf gleich einer Wolk umfangen,
Und keke Dummheit ſpielt um die verwelkte Wangen.
Wie weyland Hannibal vors Vaters Altar tobt,
Und ſtete Feindſchaft da mit einem Eid anlobt;
So ſchwur auch Stelpo hier, und wahrlich nicht vergebens,
Jn ſtetem Krieg und Kampf Zeit ſeines ganzen Lebens
So mit der reinen Sprach als der Vernunft zu ſtehn,
Und keinen Stillſtand nie mit beyden einzugehn.
Die Salbung ward hernach vom Koͤnig ſelbſt verrichtet,
Der ihm mit Pech und Talk ſtat Oels die Haare ſchlichtet,
Er riß ihm die Perruck vom ehrbarn Scheitel ab,
Weil ſein geharnſchter Daum den faulen Segen gab.
Jhm ward hernach ein Kranz von Blumen aufgeſezet,
Von Blumen, derer Kopf ein Roͤmer abgefezet,
Von Blumen, die ſo leer und leicht als ſein Gehirn,
Jezt ſinkend als im Schlaf ſich neigten vor der Stirn.
Zwoͤlf Eulen ſahe man, wo nicht die Leute luͤgen,
Jm ſelben Augenblik ehrwuͤrdig vor ihm fliegen;
Und weil die Adler einſt in Zahl den Eulen gleich,
Dem kuͤhnen Romulus verkuͤndigten das Reich,
So ward auch jezt vom Volk die Deutung angenommen,
Und jeder ſtrebt im Wunſch dem andern vorzukommen.
Es war der alte Greis hieruͤber ſehr erfreut,
Und ſchuͤttelt einen Dampf der Ungeſchiklichkeit
Von ſeinem Kopf auf ihn. Erſt ſtand er wie entzuͤket,
Als wann ſein Haupt die Kraft der Weiſſagung verruͤket;
Zulezt brach der Prophet in dieſe Worte aus:
Der Himmel ſegne dich du Zier von meinem Haus,
Daß128Hans Sachs
Daß deine Herrſchaft nie moͤg ihres gleichen haben,
Und ſich von Schweizerland erſtreke bis in Schwaben;
Daß Wahn und Eigenlieb umzingle deinen Thron;
Und man den Vater kaum mehr nenne vor dem Sohn;
Daß alle Dudentoͤpf hinfort nach deinem Nahmen
Man Stelpos nenn. Er ſchwieg u. alles Volck ſagt: Amen.
Hernach ſo fuhr er fort: Mein liebſter Sohn nimm du
Beyds in Unwiſſenheit und Unverſchaͤmtheit zu.
Laß andre viel auf Wiz, Verſtand, und Ordnung truzen,
Lern aber du von mir arbeiten ohne Nuzen;
Begreife wie man lang in Kindesnoͤthen ringt,
Und eine Mißgeburt doch nur zu Lichte bringt.
Laß Hofmannswaldau du bey treuen Schaͤfern bleiben,
Und Lohenſtein und Gryph ein praͤchtig Traurſpiel ſchreiben;
Laß du Myrtill, Myrtill, Coris, Corisca ſeyn,
Und bilde keinen Schach und Jbrahim dir ein.
(y)Das Verſtandes-Auge, das in Gryphius und Lo - henſteins Dramatiſchen Stuͤcken Weisheit und Ordnung er - bliket, ſcheint mir ſo gemacht zu ſeyn, daß es eben derglei - chen in Poſtels Singſpielen entdecken ſollte. Wenn Wer - nike eben ſo viel Guͤtigkeit fuͤr den leztern, als fuͤr die bey - den erſtern gehabt haͤtte, ſo wuͤrde er vermuthlich wohl ge - ſehen haben, daß ihre Urtheilskraft ſo wie Poſtels durch ſehr enge Graͤnzen eingeſchranket geweſen, ſo daß ſie nicht viel vor ihm zum voraus fodern koͤnnen.
(y)
Laß die mit groſſer Muͤh oft Jahr und Tag nachſinnen,
Und in dem weiten Lauf den ſichern Kranz gewinnen;
Sey du, auch wenn du ſchreibſt mit deinem beſten Fleiß,
Bedacht, daß ja kein Wiz verrathe deinen Schweiß.
Laß B ſeinen Kiel in Hippocrene nezen,
Und den Parnaſſus ſo wie die Stadt Wien entſezen
(z)Dieß war von Boſtel der Buͤrgermeiſter, ſo auch ein Singſpiel geſchrieben, der Entſatz der Stadt Wien ge - nannt, der aber einen beſſern Geſchmak hatte als Poſtel.
(z),
Laß ihn einſt im Triumph auf deine Buͤhne ziehn,
Weil falſche Wort und Reim als Tuͤrck und Tartar fliehn,
Laß Weiſens
(a)Chriſtian Weiſe hat in Zittau viele Comoͤdien ge -ſchrie -
(a) kluge Raͤth auf Zittaus Schauplatz ſteigen,
Und des Verfaſſers Wiz in ihrer Thorheit zeigen:
Weil129ein Heldengedichte.
Weil jeder Narr den man in deinem Singſpiel lieſt,
Dein wahres Ebenbild und ſtets ein Stelpo iſt.
Laß auch den Helden ſelbſt vom Spiel uns Luſt erweken,
Und unterſcheid ihn bloß im Nahmen mit dem Jeken;
Damit man beyde gleich vor deine Soͤhn erkenn
Den kleinen Stelpo den, und den den groſſen nenn.,
Sieh aber zu, wenn du nach Reim - und Verſen fuͤhleſt,
Wie du Euripidens verbotne Waare ſtieleſt
(b)Poſtel bracht in ſeinen Singſpielen viel aus dem Eu - ripides an. Dieſes iſt an ſich ſelbſt kein Verbrechen, aber es wird leicht zu einem Verbrechen, wenn es ohne Urtheil, Wahl, Abſicht, und Ordnung geſchieht. Denn ſo bald ein Stuͤcke aus ſeinem Orte, wo es der Abſicht und den Um - ſtaͤnden gemaͤß in Grad und Maaſſe wohlbeſtimmt war, her - ausgenommen, und in einem andern Orte wieder eingeſchal - tet wird, hat es nicht mehr die vorige Geſtalt, und Kraft, und thut nicht mehr den vorigen Eindruck.
(b):
Vertraue der Natur, ſchreib was dir erſt faͤllt ein,
Und brich dir nicht den Kopf ein Dudentopf zu ſeyn.
Laß deinen Kiel ſich nie an fremdem Wiz vergaffen;
Was hat Euripides mit dir und mir zu ſchaffen;
Daß er mit Deutlichkeit dich etwann uͤbereil?
Du biſt mein Blut, an dem hat dieſer gar kein Theil.
Wenn hat Euripides Verſtand und Vers getrennet,
Und ſeiner Sprach, uns gleich, die Rekbanck zuerkennet?
Wenn hat er dem Adon verſtoͤret ſeine Ruh,
Mit: Zoͤgre zoͤgre nicht, ach komm, wo bleibeſt du?
Wenn ſagt er: Daß ſein Mund nicht kan vor Marmor
(ſprechen,
Daß ſeine Zunge nicht kan Stahl und Eiſen brechen;
JWeil
(a)ſchrieben, worinnen die Niedrigkeit in den Erfindungen, den Gedanken, und der Schreibart, eben ſo merklich iſt, als in Lohenſteins Trauerſpielen, oder Poſtels Opern, die Verſtei - gung. Wer denn raͤth, denſelben nachzuahmen, damit man die hohen Fehler vermeide, die dieſen beyden vorgeworffen worden, der befiehlt, daß man ſich auf die Erde niederlege, dem Fall vorzubiegen.
(a)
[Crit. Samml.] 130Hans Sachs
Weil ihm, der Vers iſt dein, der Geiſt wie Wachs zerrinnt,
Und noch, zum Ueberfluß, die Sinne glaͤſern ſind
(c)Die groͤber gedruͤckten Verſe ſind alle von Poſteln ſelbſt.
(c).
Wenn hat er Doch wer wolt hier alle Wort erzehlen,
Die ohne Nothzucht nicht, ſich, weil du ſchreibſt, ver -
(maͤhlen;
Und deren keines nicht weiß wie ihm ſey geſchehn,
Wenn ſie als deutſche ſich bey Hottentotten ſehn?
Sorg aber daß du ſtets bey dieſer Schreibart bleibeſt,
Auch wenn du ingeheim einſt eine Schmaͤhſchrift
(d)Zielt auf das Sonnet, welches Poſtel wieder Wer - niken gemacht; und worauf dieſes gegenwaͤrtige Gedicht, ſtatt der Antwort, verfertigt worden.
(d) ſchreibeſt,
Druͤck hier in jeden Vers von Stelpo einen Riß,
Daß man dich ſelbſt erkenn aus deiner Finſterniß.
Vor allen ſuche die am meiſten zu beſchimpfen,
Die dich kaum angeſehn und dir kein Haar nicht kruͤmpfen;
Mach ohne Wiederred im Lande dich bekannt,
Zugleich in Wort und Werck durch einerley Verſtand.
Erweiſe daß viel Gift dein freflend Herz umzirket,
Ob Taratantel gleich es gleich nur Lachen wirket;
Doch ſiehe dich, daß dirs den Kopf nicht koſte, fuͤr,
Daß es nicht toͤdlich ſey, und heils durch das Clavier.
Laß, weil du ſpielſt, den Mund viel Affenzuͤge machen,
Vertreibe Gift mit Gift, und Lachen durch das Lachen;
Fleuch, wenn du tadeln wilſt, die ſanfte Mittelſteaß,
Und wenn du jemand ruͤhmſt, ſo halt auch keine Maaß.
Laß keinen Dichterling, den du auffuͤhrſt, im Bloſſen,
Vergleich ihn ungeſcheut mit Kaiſer Carl dem Groſſen.
Und wenn in fremder Sprach ein Buch du blindlings nennſt,
So ruͤhm am meiſten das, das du am minſten kennſt.
Laß aber andere den Lohenſtein verfechten,
Und friſche Lorbeer-Kraͤnz um ſeine Schriften flechten;
Vermeide, wann es ihm am meiſten gilt, den Streit:
Er iſt ein Feind von Uns und der Unwiſſenheit.
Geſezt auch, daß er einſt in unſer Amt uns faͤllet,
Und durch vermeſſne Wort ein jung Gedicht aufſchwellet;
Er131ein Heldengedichte.
Er iſt ein falſcher Freund, der zwar ſich uͤberſteigt,
Doch unſern Todtfeind Wiz, zulezt im Ende zeigt
(e)Man muß nicht denken, daß Wernike nicht den Unver - ſtand und falſchen Witz, den man zu unſern Zeiten in Lohen - ſteins Schriften ausgeſezet hat, eben ſo wohl eingeſehen und erkannt habe, allein er hat ihm geglimpfet damit er es mit ſeinen Verehrern nicht gaͤnzlich verderbete.
(e).
Laß ihn von Syphax viel und Maſiniſſa melden:
Weil Haſe, Loͤw, und Schwan, du machſt zu deinen Helden;
Mach als Eſopus dich beruͤhmet durch die Thier,
(f)Poſtel hatte in ſeinem Sonnet den Lohenſtein einem Loͤwen und Schwan, Werniken aber einem Haſen vergli - chen, der auf todten Loͤwen tanzt.
(f)
Und ſtelle deſſen Leib in deinem Wiz uns fuͤr.
Du darfſt auch ihnen nicht, wie der, die Zunge brechen,
Sprich du, und jedermann wird denken, daß ſie ſprechen.
Zeig in geliebter Kurz uns hundert Fehler an.
Den Loͤwen zeigt die Klau, und ein Sonnet den Mann.
Hier kanſt du Loͤw und Haſ in einem Kampf auffuͤhren,
Jndem du einen machſt zum groͤſten von den Thieren;
Doch ſo, daß du auch hier zweydeutig albern ſcheinſt,
Und keiner weiß, ob du Haſ oder Loͤwe meinſt.
Er ſagt, und hatte kaum das lezte Wort geſprochen,
Als V l
(g)Vogel war ein Saͤnger in der Opera, der die lu - ſtige Partien von Poſtels Erfindung abzuſingen pflegte, und dem zu gefallen der Poͤfel ſehr in die Opera lief.
(g) welcher hier den falſchen Grund gebrochen,
Jhn taumelnd unter ſich auf einem Fallbrett ſandt.
Er ſanck, und ließ in Eil als ſeiner Liebe Pfand
Sein Schurzfell Stelpo nach, worinn er mit viel Segen
Verdoppelt ſeine Kunſt: Und das von Rechtes wegen.
J 2Dunk -132Hans Sachs

Dunkle Erklaͤrungen(†)Dieſe Erklaͤrungen zielen auf die Poſtelſchen Vorre - den u. Anmerkungen zu ſeinen Singſpielen, item zu ſeiner Ju - no, wo er aus allen Sprachen aͤhnliche Vorſtellungen, Nach - ahmungen, Beſchreibungen, Alterthuͤmer, zuſammengetra - gen, womit er unleugbar eine weitlaͤuftige Beleſenheit ge - zeiget, der es aber an einem ordnenden Verſtande gefeh - let hat, ſie auf eine geſchikte und angenehme Weiſe zu ge - brauchen. Er hat meiſtentheils nur Stellen auf Stellen ge - haͤufet, ohne daß er etwas von dem ſeinigen dazugethan, weil er zu wenig Tuͤchtigkeit beſeſſen, das innre Weſen da -von dieſes Heldengedichts.

DJes ward Hans Sachs gewahr.) Wo es dem Leſer nicht allbereit bekannt iſt, ſo wird ihm hiemit zu wiſſen gethan, daß Hans Sachs ein beruͤhmter Schuſter und Pritſchmeiſter in Deutſchland geweſen, welcher mit Verwunderung nicht allein Schuhe, ſon - dern auch Fuͤſſe zu machen gewußt. Wie ſol - ches nicht allein der großmaͤchtige Gregorio Leti in ſeinem Coglione, davon er in Parentheſi einganz133ein Heldengedichte. ganz Buch geſchrieben, mit dieſen Worten klar und hell dargethan: Vaglia il vero, il più grande Coglione che ſi ſia mai trovato fra i Poetaſtri nella terra Tedescha, il chiamato Hans Sachs, und wie die Worte ferner lauten; ſondern auch unſer eigner Landsmann, und dem deßwegen ſo viel - mehr zu trauen, der unvergleichliche Stephen Hartkopf in ſeinem nunmehro nicht mehr zu be - kommenden Gedichte von der Marcketenterey mit dieſen Worten bezeuget:

Ein feines Knaͤblein Hans Sachs war,
Der Gaͤnſefedern braucht, und auch zugleich Schweinshaar;
Der zwar durch ſeine enge Schuh den Leuten Leichtdorn
(machte,
Doch war derer keiner nicht,
Der wenn er ſeine lange Vers las mit dem Angeſicht,
Daß er des Schmerzens ohngeacht nicht gleich daruͤber
(lachte.

Welche ſchoͤne und vortreffliche Verſe der in den uralten deutſchen Gedichten wohlerfahrneJ 3und(†)von zu beurtheilen, und den Werth einer jeden Stelle in Vergleichung der andern nach der beſondern Abſicht bey je - der zu beſtimmen und auszumachen. Dazu koͤmmt, daß er ſie zu ſeinen Opern angehaͤngt hat, deren Leſer zu der - gleichen gelehrten Kram keinen Magen hatten. Mithin muß ich der Wahrheit zum Behuf erinnern, daß dieſe Verſpot - tung uͤber die Schnur geſpannt iſt. Denn geſezt daß Po - ſtels Anmerkungen und Erklaͤrungen ziemlich unverdaut ſind, daß ſie zu uͤberhaͤuft und am unrechten Orte angebracht ſind, ſo zeigen ſie doch eine weitlaͤuftige, ſeltene, und nicht un - brauchbare, oder der Aufmerkſamkeit unwuͤrdige Gelehr - ſamkeit, welche zum wenigſten bequem war, den denkenden deutſchen Leſern die Fußſpur der alten Poeten von weiten zu weiſen. Und dieſes war die untadelbare Abſicht des Hrn. Poſtels, die er uns in der Vorrede zur liſtigen Juno ge - nugſam erklaͤret hat.134Hans Sachsund gelehrte Franzoß, Jerome des Flibustiers, Seigneur de la Rodomontade, alſo uͤberſezet:

Moy Jerome des Flibustiers
Je confeſſe par les preſentes,
Que Jean Sachs n’avoit pas des rentes,
Mais qu’il gagnoit ſa vie en faiſant des ſouliers;
Que c’étoit un bon Allemand,
Qui faiſoit mainte vers en vuidant ſa bouteille,
Quoiqu’il bleſſoit egalement
Les pieds par ſes ſouliers, & par ſes vers l’oreille.

Am allerſchoͤnſten aber und zwar ja ſo kurz hat ſie der ſinnreiche und niemahls gnug geprieſene Engliſche Ritter Thomas Cuckold alſo vereng - liſcht:

John Sachs a German, was a deviliſh fellow,
Whoſe fists all o’er of pitch and Ink were yellow;
Who with his Shoes made the feet ſore,
But with his Rhymes the head much more.

Wie dann auch ſchon Virgilius dieſen Schuſter und Poeten viel hundert Jahr zuvor im Geiſt geſehen, als er dieſe nachdenckliche Worte ge - ſchrieben:

Ille meas errare boves, ut cernis, & ipſum
Ludere quæ vellem calamo permiſit agreſti.

Denn daß er auf einen ungeſchliffenen Poeten mit dieſem lezten Verſe gezielet, iſt ſonnen - klar; und daß er durch den erſten in Meldung der Ochſen einen Schuſter verbluͤmter Weiſe bezeichnen wollen, wird der nachdenckliche Leſer ermeſſen koͤnnen, wenn er bedenket, daß man aus Ochſenhaͤuten die Schuhſolen zu machen pfleget.

Der135ein Heldengedichte.

Der in der Dummheit Reich, und Haupt - ſtadt Lobeſan ꝛc.) Weil ſich dieſe Landſchaft in der gemeinen Landkarte nicht befindet, ſo hat man dem Leſer zur Nachricht vermelden wollen, daß derſelben Einwohner die wahren Antipodes von Utopia ſeyn: Und daß derohalben Papſt Boni - facius einen gewiſſen Biſchoff unrechtmaͤſſiger Weiſe lebendig verbrennen laſſen, dieweil er Antipodes ſtatuirt.

Der ein verſtaͤndlich Wort vor Ungelahrtheit haͤlt.) Wie Mendoza der vortreffliche Portu - gieß einen unvergleichlichen Tractat de ſurdo auditu; und der in den Grundgelehrten Schriften der Mohren wohlverſirte Spanier Spinalonga einen herrlichen Folianten de pulchra deformita - te: Alſo ſcheinet es, daß der hochtrabende Jtaliaͤner Cuſa ein ganz Buch de docta Igno - rantia geſchrieben. Wie nun dieſen leztern Stel - po in einer gewiſſen Vorrede cum elogio citiret; alſo erhellet es aus deſſen Schriften, daß er ein eifriger Fortpflanzer dieſer unwiſſenden Ge - lahrtheit, oder gelahrten Unwiſſenheit ſey. Sintemahl dieſelbe am beſten durch ungeheure Worte, die man nicht verſtehet, begriffen wird.

Daß ein Orakel ſpricht.) Und dieſes nicht ohne groſſe Urſach. Ja es iſt klar, daß die Orakel nur Stuͤmper gegen Stelpo geweſen. Denn wenn jene nur zweydeutig geſprochen; ſo weiß dieſer ſo ſauber zu ſchreiben, daß man ihn gar nicht verſtehen kan. Dat inania verba, dat ſine mente ſonum.

Von der Pritſchmeiſterey.) Ob man unſe - re alte Meiſter-Saͤnger deswegen Pritſchmei -J 4ſter136Hans Sachsſter genennet, weil ſie, wie die heutige Harle - quins eine Pritſche an der Seite getragen, und dieſe vielleicht alſo jenen den vielbedeutenden Zierrath abgeborget; oder ob es darum geſche - hen ſey, daß ihre Verſe wie die Pritſche geklap - pert, uud wenn ſie die Leute damit Satyriſcher Weiſe angegriffen, mehr Gepolter als Schmer - zen verurſachet, ſolches ſtellen wir den Gelahr - ten anheim. Dieſes aber iſt unſtreitig, daß dieſelbe von undencklichen Jahren her in groſ - ſem Ruffe geweſen, und die heutige fruchtbrin - gende Geſellſchaft in der Dauer bey weitem uͤber - troffen; biß endlich der(*)Opiz. Schleſiſche Atti - la mit der grauſamen Reinligkeit ſeiner Spra - che, die von Alters hergebrachte loͤbliche Frey - heit der Deutſchen ungeſchickt u. albern zu ſchrei - ben zernichtiget; und ihnen nicht allein die un - ertraͤgliche Sclaverey ſinnlich und verſtaͤndlich in ihren Schriften zu ſeyn, ſondern auch Maaß und Gewicht als eine Tyranniſche Schazung auferleget. Wiewohl er dieſelbe ſo gar nicht ausrotten koͤnnen, daß ſich nicht denn und wenn noch ein neuer Pritſchmeiſter, als ein aus der Aſche der vorigen hervorgekommener Phoͤnix, hervor thun ſolte. Jedoch mit die - ſem Unterſcheid, daß da die alte ihre untaugli - che Waare nur nach dem Augenmaaß; dieſe hergegen dieſelbe mit einer richtigen Elle meſſen. Wie hievon in vielen Sprachen gelehrte Buͤ - cher geſchrieben worden, welche diejenige zur weitern Nachricht aufſchlagen koͤnnen, die nichts anders zu thun haben.

So137ein Heldengedichte.

So muſt ein Dudelſak ꝛc.) Daß Hans Sachs auf dem Dudelſack, wie Stelpo auf dem Cla - vier, zu ſpielen gewußt, ſolches hat der in der hoͤchloͤblichen fruchtbringenden Geſellſchaft ſo genannte Schaͤfer Hylas, in dem 31ſten Cap. des 15den Buchs ſeines Poetiſchen Dudelſacks, gar ſtattlich, obgleich beylaͤufig, aus dem mit Ruhm vorher gemeldten Stephen Hartkopf er - wieſen.

Und uns mit deinem Wahn und Aberwiz ent - zuͤket.) Virgilius hat ohne Zweifel auf eine gleiche Sache ſein Abſehn gehabt, als er geſa - get:

Numeros memini, ſi verba tenerem.

Jch hoͤre mit Begier die Clytemneſtra ſingen.) Dieſen Ort, wie auch zwanzig andre mehr die - ſes Gedichtes; ja was noch mehr iſt, dieſe hier gemachte Erklaͤrungen ſelbſt, denjenigen zu er - klaͤren, welchen Stelpos Schriften ſamt ſeinen weitlaͤuftigen und mit allen Sprachen angefuͤll - ten Vorreden, wie auch alle Umſtaͤnde hieſiger Gegend nicht bekannt ſind, wuͤrde mich weiter fuͤhren, als ich zu gehen geſonnen bin. Deß - halben finde ich vor rathſam hier ex abrupto, und zwar mit folgendem wohlbekannten Verſe zu ſchlieſſen:

Claudite jam rivos pueri, ſat prata biberunt.
J 5.Aus -138Auszuͤge aus Hr. Breitingers

Auszuͤge aus Herr Prof. Brei - tingers Widerlegung der Lettres ſur la Religion eſſentielle à l’homme, diſtinguée de ce qui n’en eſt que l’ac - ceſſoire.

DJeſe Widerlegung fuͤhrt folgenden Titel: De principiis in examinanda & defi - nienda Religionis eſſentia, ex men - te nuperi ſcriptoris Galli adhibendis, Ami - ca Diſputatio. Autore Joh. Jac. Breitinge - ro, Prof. Publ. Tiguri Helvetiorum, Li - teris & ſumtibus Conradi Orellii & Socc. MD CCXLI. Sie iſt in allem nicht ſtaͤr - ker als 9. Bogen: Die Abſicht des Verfaſ - ſers erforderte nicht mehr. Man ſchreibt ganze Folianten vergebens, wann man auch nur ei - nen einzigen Grundſaz, darauf ein Gegner bau - et, unberuͤhrt ſtehen laͤſt, und wenige Blaͤter koͤnnen im Gegentheile ganze Folianten zu nich - te machen, wann die Schwaͤche ihrer Grund - ſaͤze deutlich erwieſen wird. Es iſt wahr, man hat alsdann kein Buch von der erſten Groͤſſe ge - ſchrieben, aber dieſes iſt auch nicht immer noͤh - tig, noch nuͤzlich.

Hr.

(*)Wiewohl dieſe Schrift Hr. Breitingers in ihrem Grunde ganz theologiſch und voller metaphyſiſchen abgezo - genen Begriffe iſt, ſo hat man doch deſtoweniger Beden - ken getragen, dieſen Auszuͤgen aus derſelben in gegenwaͤr -tigem

139Widerlegung der Relig. Eſſent.

II.

Hr. Breitinger ſezet ſeiner Schrift eine Vor - rede fuͤr, die zur Einleitung dienet; ihr Jnn - halt iſt dieſer: Das einfaͤltige und natuͤrliche Weſen des chriſtlichen Glaubens iſt bald nach der Apoſtel Lebzeiten durch vielerley abgeſchmak - te K[]nſte und unerlaubte Abſichten, welche an - gedeutet werden, gaͤnzlich verſtellt, und ſo ver - derbt worden, daß es kein Wunder iſt, wann dieſer heilige Glauben daruͤber in Verachtung gekommen, wenn demſelben Sachen beygemeſſen worden, woran dieſe elende Kuͤnſtler alleine ſchuld waren, wenn man endlich von der Ge - wißheit und Wichtigkeit deſſelben eben nicht viel gehalten hat, weil uͤber denſelben ſo viele un - gleiche Meinungen und Streite entſtanden, man auch daneben an den Bekennern ſolcher Glau - bensſaͤze ſo wenig Friedfertigkeit, Ehrlichkeit, ꝛc. ꝛc. wahrnehmen koͤnnen. Fromme und ge - lehrte Maͤnner konten darum ſeit der ſel. Re - formation ihren Fleiß nicht beſſer anwenden, als dieſe Schandfleken von der chriſtlichen Religion abzuwiſchen, ſie in ihrer erſten Einfaͤltigkeit vor Augen zu legen, das Gewiſſe und Wichtige vondem(*)tigem Werke einen Platz einzuraͤumen, weil der tiefſin - nigſte Verſtand darinnen von dem geſundeſten Wize in dem Vortrage und der Ausfuͤhrung erhoͤhet wird, und ſie alſo mit denen lebhaften Kuͤnſten, um die wir uns in dieſer Sammlung eigentlich bekuͤmmern, durch ein merck - liches Band zuſammenhaͤngt. Dazu koͤmmt noch, daß der Leſer, dem Hr. Breitinger ſchon aus ſeinen critiſch - poetiſchen Werken bekannt worden iſt, hier mit Vergnuͤ - gen antreffen wird, was ihm die Faͤhigkeit deſſelben auch in dieſer ernſtlichen Wiſſenſchaft zu erkennen geben kan.140Auszuͤge aus Hr. Breitingersdem Dunklen, Uberfluͤſſigen, und zum Weſen der Religion nicht gehoͤrenden zu unterſcheiden, und deutlich zu zeigen, was jeder Punct zur wah - ren Froͤmmigkeit fuͤr ein Gewicht und Einfluß habe. Zu dieſen nun bekennt ſich der unge - nannte Autor der franzoͤſiſchen Briefe uͤber die weſentliche Religion des Menſchen, in welchen er dieſelbe in ihrer natuͤrlichen Einfalt mit Weg - ſchneidung alles deſſen, was nicht dazu gehoͤrt, vorzuſtellen, und mithin die traurigen Folgen ihrer Verderbung zu heben ſucht: Ob er aber nicht allzu viel weggeſchnitten, und die Religion in ſeinem Syſtema nicht von dem ihrigen ver - liehre; iſt eine nothwendige Frage. Jndeſſen geſtehet Hr. Breitinger dem ungenannten Ver - faſſer gern nebſt vieler Geſchiklichkeit ein auf - richtig gutes Abſehen zu, welches aber der Wahrheit niemahls nachtheilig ſeyn muͤſte: Anſehen und Abſicht, ſagt er, machen eine Sa - che weder wahr noch falſch, weder nuͤzlich noch unnuͤzlich: Folglich ſolle auch das Urtheil dar - uͤber nicht auf dieſelben fuſſen. Man weiß daß die Leute nicht allemal Urſach haben zu ge - denken: Iſthæc commemoratio eſt quaſi exprobra - tio immemoris officii.

Hierauf theilt Hr. Breitinger mit Beyſeite - ſezung alles aͤuſſerlichen, das die Perſon, die Um - ſtaͤnde, ꝛc. des Gegners angehen mag, ſeine Ar - beit in zwey Stuͤcke; in die Betrachtung derjeni - gen Grundſaͤze, welche der Ungenannte bey der Unterſuchung der Religion, zur Regel und zum Fundament ſezet; und in die Erwaͤgung derjenigen Glaubenspuncten, welche nach Weg -ſchaf -141Widerlegung der Relig. Eſſent. ſchaffung alles uͤberfluͤſſigen, wie derſelbe meint, uͤberbleiben, und das Weſen der Religion aus - machen.

III.

Die Religion iſt Wahrheit: Der Grund der Wahrheit muß in der Natur und Beſchaffen - heit der Sache ſelbſt liegen. Daher entſteht der erſte Grundſaz des Verfaſſers; nemlich: Da die Religion in einer Beziehung zwiſchen Gott und den Menſchen beſteht, ſo muͤſſen die Wahrheiten / welche zur Religion gehoͤren, bey - des in der Beſchaffenheit Gottes und der Men - ſchen gegruͤndet ſeyn: Folglich muß jeder Saz / der nicht in einem dieſer Stuͤke oder in bey - den ſeinen Grund hat, oder denſelben wider - ſpricht / falſch ſeyn / oder doch zum Weſen der Religion nicht gehoͤren.

So wahr dieſer Grundſaz in ſich ſelbſt iſt, ſo ſchwer iſt die Anwendung deſſelben, zu ei - ner genauen Beſtimmung derjenigen Wahrhei - ten, welche zur Religion mit Ausſchluß alles andern gehoͤren: Wer dieſes thun wolte, muͤſte nothwendig die Natur Gottes und der Men - ſchen voͤllig kennen; das iſt, wiſſen was durch die Natur beyder in Abſicht auf ihre Beziehung gegen einander moͤglich ſey. Das ſezet Hr. Breitinger dem Unbekannten entgegen, u. bringt den gemachten Saz darum in ſolche Schran - ken, in welchen er nuzbar wird: Nemlich, al - les was demjenigen widerſpricht, das wir von Gott und dem Menſchen deutlich als Wahrheit erkennen, daſſelbe iſt falſch, ꝛc. Wie oft aberhat142Auszuͤge aus Hr. Breitingershat etwas nur den Schein des Widerſpruchs? Wie ſehr irrete der, der keinen Unterſcheid mach - te zwiſchen dieſen beyden Saͤzen, 1. die Ver - knuͤpfung und Wahrheit der Dinge nicht ver - ſtehen, und 2. gruͤndlich erkennen daß ſie einan - der aufheben? Kan es dann, da wir die Na - tur Gottes ꝛc. nicht genugſam kennen, nicht auch in Abſicht auf die Religion Wahrheiten geben, die mit allem Schein des Widerſpruchs doch Wahrheiten bleiben, und von uns als ſolche wuͤrden erkennt werden, wann wir ihren Zu - ſammenhang mit andern einſahen? Sind wir alſo im Stande nach der von dem Ungenannten angegebenen Regel die Zahl und Beſchaffenheit der Saͤze, welche zur Religion gehoͤren, gewiß und genau zu beſtimmen? (*)Es laſſen ſich leicht aus einem gegebnen Begriffe, oder auch gewiſſen Wuͤrckungen, von einem vernuͤnftigen Weſen einige Eigenſchaften uͤberhaupt herleiten, Z. E. Guͤte, Weißheit, Verſtand, Willen ꝛc. aber wann, was, und wie, ein ſolches Weſen, nach dem Verhaͤltniß die - ſer allgemeinen erkannten Eigenſchaften gegen ſich ſelbſt und gegen die Dinge auſſer ſich, wuͤrken ſolle, da liegt mehr Schwierigkeit: Weil es nicht ſo leicht angeht, die Zahl, den Grad, das Verhaltniß dieſer Eigenſchaften gegen einander und gegen andern Dingen zu beſtimmen. Ein Kind weiß uͤberhaupt wohl daß ſeine Eltern gut, weiſe ꝛc. ſind,

IV.

Laſſet uns ſehen wie derſelbe nun ſeinen Grund - ſaz anwende: Er betrachtet erſtlich nach demſelben die Natur Gottes und ſagt: Gott iſt ein Weſen das ſich ſelbſt genugſam iſt; Folglich kan beyder143Widerlegung der Relig. Eſſent. der Religion kein andrer Zwek ſeyn, als die Befoͤrderung der Gluͤkſeligkeit der Menſchen; Folglich ſtreitet eine jede Religion, deren Lehr - ſaͤze in ſich ſchlieſſen, daß aus derſelben Gott ein gewiſſer Nuzen zukomme, welchen er ſich als eine Abſicht vorgeſtellt, mit den offenbaren Wahr - heiten, die von Gott bekannt ſind. Da wird leicht zugeſtanden, daß Gott ſich ſelbſt genug - ſam ſey: Nemlich in dem Verſtande daß er keine neue Vollkommenheit, die er noch nicht gehabt, von auſſen bekommen, und ſeine Gluͤk - ſeligkeit dadurch vermehrt werden, koͤnne: Es iſt aber etwas anders ob mit dieſer Selbſt - genugſamkeit Gottes nicht gar wohl beſte - hen koͤnne, daß derſelbe in ſeinen Handlun - gen gegen die Geſchoͤpfe ſeine eigene Vollkom - menheiten, die er ſchon beſizt, offenbare, dasiſt,(*)ſind, aber wenn ſie ihm dann Dinge vorſagen und be - fehlen, die es nicht begreift, und meint ſie ſtreiten mit den Eigenſchaften der Eltern, ſolten dieſelben wegen dieſer Schwachheit des Verſtandes, die in dem Kind iſt, darum in dieſen Eigenſchaften der Eltern, welche das Kind ſo uͤber - haupt erkennt, ſchlechterdings nicht gegruͤndet ſeyn? Es laͤßt ſich auch nicht ſagen; geſezt es ſeyn Wahrheiten, ſo gehen ſie doch das Kind und beyderſeitige Relation ge - gen einander nichts an. Denn dazu hat man eben ſo wenig Grund, als zu laͤugnen, daß dieſelben mit de - nen vom Kind uͤberhaupt erkannten Eigenſchaften der El - tern uͤbereinkommen. Es iſt wohl wahr, es kan in Gott noch viel Wahrheit ſeyn, die zur Religion nicht dienet; aber darum folget nicht daß nicht viele Saͤze zur Religion gehoͤren und in der Natur Gottes und der Menſchen ge - gruͤndet ſeyn koͤnnen, deren innere Moͤglichkeit und Ver - knuͤpfung mit andern Wahrheiten man nicht einſiehet; weil die Natur Gottes und der Menſchen und beyder Thei - le Beziehung gegen einander inſoweit unbekannt iſt.144Auszuͤge aus Hr. Breitingersiſt, ſo handle, wie es ihm nach dem ganzen Umfang ſeiner Eigenſchaften geziemend iſt; und ob in dieſem Falle dann nur bloß ſeine Guͤtig - keit, in ſo fern ſie Guͤtigkeit iſt, in Betrach - tung komme.

V.

Die Religion muß hernach auch kraft der Natur des Menſchen moͤglich ſeyn. Was er - kennt der Ungenannte hievon? Dieſes: Der Menſch hat ein Vermoͤgen auf eine freye Wei - ſe das Wahre, das Gute, und das Rechte, von dem Gegentheile aller dieſer Stuͤcke, zu unterſcheiden und zu erwehlen: Folglich ge - hoͤret zur Religion nichts, deſſen Wahrheit ꝛc. einem vernuͤnftigen Menſchen nicht klar und deutlich vor Augen ligt. Folglich iſt dieſe Ein - ſicht der Wahrheit, nemlich nach des Unge - nannten Sinn, nicht nur die Erkaͤnntniß daß ein Ding ſey, ſondern auch, wie und warum es ſey, die Regel, nach der die Wahrheit, oder Falſchheit der Religion zu beurtheilen iſt.

Es waͤre wol was darum zu geben, der Un - bekannte haͤtte im Grund dieſer Folgen, den er annimmt, recht: Nemlich daß der Menſch durch den Gebrauch ſeiner natuͤrlichen Kraͤf - te aus allen Eigenſchaften Gottes zuſammen, und aus dem Verhaͤltniß der Menſchen, ge - gen denſelben, genau beſtimmen koͤnnte, was fuͤr und wie viel Saͤze zur Religion gehoͤren. (*)Kan er das nicht, ſo iſt ja moͤglich, daß es Saͤ - ze geben koͤnne, die zur Religion gehoͤren, obſchon er der - ſelben moͤgliche und unmittelbare Verknuͤpfung mit an -dernAber145Widerlegung der Relig. Eſſent. Aber das fragt ſich erſt; und nur wann es erwie - ſen iſt, folgt was der Ungenannte nun ferner wolte: Nemlich, a daß eine Offenbarung im eigentlichen Verſtand nicht moͤglich ſey; b daß Geheimniſſen, weder geoffenbaret, noch geglaubt werden koͤnnen; und c daß der Glaube, und die deutliche Erkaͤnntniß der Dinge, nicht un - terſchieden ſeyn.

VI.

Jn den drey folgenden Abſchnitten zeiget da - rum Hr. Breitinger, daß das Gegentheil die - ſer Saͤze auf wahren Begriffen beruhe. Ei - ne Offenbarung iſt eine deutliche Erklaͤrung deſſen, was man aus der Natur der Sache, durch Huͤlfe der Vernunft, nicht erkennen kan. Die Moͤglichkeit dieſes Begriffs, in Anſehung der goͤttlichen Offenbarung insbeſondere, iſt erwieſen, wann man zugiebt, daß der goͤttli - che Verſtand unendlich, der unſre aber ſehr eingeſchraͤnket ſey, und dieſes fuͤraus in Abſicht auf den Rath, und die Wege Gottes bey unſerm Heil, als welche derſelbe nach einer un - endlichen Weisheit, durch eine freye Wahl weh - let. Nemlich, dieſe Wahl und das daher flieſ - ſende Betragen Gottes, iſt in dem Meer der ganzen Natur Gottes gegruͤndet. Kan man nun nicht darthun, welches eigentlich diejenige[Crit. Samml.] KWeiſe(*)dern Wahrheiten nicht einſiehet: Es ſey denn Sache, er ſpreche dem Menſchen das Vermoͤgen ab, einen Saz auf das Anſehen eines andern fuͤr wahr zu halten, und ſein Betragen darnach einzurichten, welches man glauben heißt. Jn dieſem Fall wird ihm jedermann recht geben muͤſ - ſen: Nur iſt ſchade, daß der Saz allzuſtarck wider die taͤgliche Erfahrung anſtoͤßt.146Auszuͤge aus Hr. BreitingersWeiſe ſey, nach der,(*)An ſich ſelbſt und uͤberhaupt iſt es nicht unmoͤglich dergleichen Wahrheiten zu erkennen die auf eine freye Wahl gegruͤndet ſind: Jhr Grund machet ſie gewiß. Gott hat z. E. dieſen Rathſchluß gefaſſet, handelt ſo und nicht anderſt, in dem Reiche der Natur und der Gnade, weil er die und nicht andere Gruͤnde dazu hat: Dieſe erkennt er als die beſten, weilen er den hoͤchſten Grad des Verſtands beſizet, und handelt darnach, weil es ihm ſo geziemet. Allein wir ſind eben zu ſchwach in beſondern Fallen die Application auf das, was Gott ohne Abbruch ſeiner hoͤchſten Vollkommenheit thun ſoll, zu ma - chen. Er wehlet aber allemahl das beſte, welches einzel iſt. und keiner andern, es der goͤttlichen Natur mit dem Menſchen diesfalls zu handlen geziemend ſey; was Gott in beſondern Puncten muͤſſe wollen, daß ſie glau - ben, und daß ſie thun; ſo hat man kein Recht die Moͤglichkeit der Offenbarung deſſen zu laͤug - nen, was man natuͤrlicher Weiſe nicht hat er - kennen koͤnnen: Dies will darum nicht ſagen, daß man etwas glauben muͤſſe, von dem man nicht ſicher iſt, daß es geoffenbaret ſey, oder welches zu glauben, wir nicht im Stande ſind. Jn dieſe Claſſe aber gehoͤren gewiß diejenigen Saͤze nicht, deren Grund, und innere Moͤg - lichkeit wir nicht einzuſehen vermoͤgen.

VII.

Man bildet ſich leicht ein, was Hr. Breitin - ger zu dem andren Saze des Ungenannten ſagen werde, daß nemlich keine Geheimniſſe koͤnnen geoffenbaret werden; darum nicht, weil es Ge - heimniſſe, das iſt, Sachen ſeyn, die dunkel ſind, den menſchlichen Verſtand uͤberſteigen, und al -ſo147Widerlegung der Relig. Eſſent. ſo nicht geoffenbaret heiſſen koͤnnen, ſo lange das, was dabey verborgen iſt, nicht entdeket werde, wie hingegen was klar und deutlich iſt, keine Offenbarung noͤthig habe. Der Unge - nannte haͤlt ſich hier mit einem Wortſpiele auf: Niemand, wenn er von geoffenbarten Geheim - niſſen redet, verſtehet Saͤze, in ſo fern ſie ver - borgen bleiben, ſondern ſolche deren Sinn und Nuzen ihm, in ſo weit es noͤthig iſt, durch die Offenbarung genug entdeket werden. Jſt es nun ein Widerſpruch, etwas durch eine Of - fenbarung entweder voͤllig oder in ſo weit klar und deutlich machen, was aus keinen Grund - ſaͤzen der Vernunft konnte hergeleitet werden? Kan nicht ein ſolcher Saz, in ſo fern mir et - was davon deutlich gemacht wird, eine geof - fenbarte Wahrheit und in ſo fern noch anders darinn verborgen bleibet, ein Geheimniß heiſ - ſen? Z. E. wann die Weiſe und Moͤglichkeit einer Sache nicht offenbar iſt. Gewiß bleibt es wahr daß Seel und Leib in ihren Wuͤrkun - gen uͤbereinſtimmen, daß wir hiemit etwas von Seel und Leib erkennen, welches ſchon Nuzen fuͤr uns haben mag, ob wir gleich nicht wiſſen, wie es mit dieſer Uebereinſtimmung hergeht. Jn ſo fern bleibt uns denn die Sache ein Ge - heimniß: Aber in Anſehung deſſen, was davon erkennt wird, iſt ſie klar und nuͤzlich genug. Es laͤſt ſich wohl etwas fuͤr eine Offenbarung halten, wann uns ſchon nicht ganz ausgemach - te(*)Wer weiß, nach welchen Geſezen die Begriffe in unſrer Seele entſtehen, der wird leicht zugeben daß manvon Begriffe davon gegeben werden: DieK 2Schran -148Auszuͤge aus Hr. BreitingersSchranken unſers Verſtands ſind zu ſolchen zu enge. Wie kan man eine ſolche vollkommene Offenbarung fodern? Und wir fuͤgen bey, was haͤtte Gott fuͤr Urſache dazu gehabt; wann das, was er offenbaret, zu dem Zweke, darum er es offenbaret, genugſam und dienlich iſt, das an - dere aber das verborgen bleibt, nichts dazu thut?

VIII.

Soll die deutliche Einſicht in die Moͤglich - keit der Wahrheit, das einige Beurthei - lungs-Mittel der Religion ſeyn, ſo muͤſte der Ungenannte nothwendig glauben und wiſſen, zu einer und eben derſelben Sache machen. Es klingt wunderlich: Nichtsdeſtoweniger wird es von ihm behauptet. Der Glaube, ſagt er, iſt eine Gewißheit, die ſich auf einen deutlichen Begriff deſſen gruͤndet, was man von Gott und ſeinen weſentlichen Eigenſchaften erkennen kan. Warum ſo? Der Glaube beziehet ſich auf Gott; dieſer Gegenſtand des Glaubens muß bekannt ſeyn, der Grund aber dieſer Erkaͤnntniß, kannir -(*)von einer Sache mehr und weniger das hiſtoriſche oder das, was den Grund derſelben angeht ꝛc. erkennen koͤnne. Es begegnet kaum daß zween Menſchen von einer Sache voͤllig gleiche Begriffe haben: Weil ſie nemlich entweder nicht die gleichen Beſtimmungen darinn wahrnehmen, oder ihre Begriffe von eben denſelben Beſtimmungen doch nicht gleich klar, oder deutlich ſind. Man ſehe Wolfen Pſychologie nach, nnd was Hr. Reinbek in der 35ſten Betrachtung uͤber die Augſp. Confeſſ. bey einem beſon - dern Anlaß anfuͤhrt.149Widerlegung der Relig. Eſſent. nirgend anderswo, als in dem Objecto ſelbſt und dem Vermoͤgen des Menſchen daſſelbe zu erkennen liegen.

Eine offenbare Vermiſchung zweyer ganz un - terſchiedener Dinge, nemlich des Gegenſtands des Glaubens, oder deſſen was man glaubt, und des Fundaments oder Grunds, darum man glaubt! Hr. Breitinger nimmt daher An - laß den Unterſcheid der zwey Begriffe wiſſen, und glauben, in das rechte Licht zu ſezen. Man weiß das, deſſen Moͤglichkeit und unmittelba - rer Zuſammenhang mit andern ſchon bekann - ten Wahrheiten eingeſehen wird; und man glaubt das, was mit den Wahrheiten welche die Vernunft erkennt, nicht unmittelbar zu ſam - menhaͤngt, ja oft mit denſelben ſcheint zu ſtrei - ten, (doch in den geoffenbareten Wahrheiten nur ſcheint, weil Gott kraft ſeines unendlichen Verſtandes ihren Zuſammenhang mit allen an - dern wohl erkennt,) und was wir hingegen durch Mittel anderer Saͤze damit verknuͤpfen, die uns nicht zeigen wie, wol aber daß ſie mit denſelben zuſammenhangen, nemlich bey der Re - ligion mit denen, daß Gott wahrhaftig, gerecht, guͤtig ꝛc. ſey: Und gleichwie das zur Erlaͤuterung von unſerm Hr. Verfaſſer angebrachte Beyſpiel des glaubenden Abrahams geſchikt iſt, den Unterſcheid dieſer zween Begriffe recht empfind - lich zu machen; alſo glauben wir daß der Un - bekannte ſelbſt eben wie andere Menſchen, nach Beſchaffenheit der taͤglich vorkommenden Faͤl - le, bald glaube, bald wiſſe, und ſo dieſem Un - terſcheid Zeugniß gebe. Wann nun eine Of -K 3fenba -150Auszuͤge aus Hr. Breitingersfenbarung uͤberhaupt, und ein geoffenbartes Geheimniß insbeſondre, moͤglich ſind, auch wiſ - ſen und glauben unterſchieden bleiben, ſo iſt klar daß der Saz des Ungenannten, die Ein - ſicht der Wahrheit, verſtehe nemlich in dem angefuͤhrten Sinn, iſt die einige Regel nach der die Religion zu beurttheilen iſt, falſch ſey.

IX.

Der Glaube kommt mit der menſchlichen Na - tur gar wol uͤberein: Deſſelben thaͤtliche Er - weiſung aber, in Religionsſachen, hat nicht Plaz bis man weiß, daß eine Offenbarung von Gott herkommt. Daß aber Gott diesfalls etwas, und was er offenbaren wollen, erkennen wir a priori(*)Dazu wuͤrde erfordert daß einer aus dem We - ſen und der Natur Gottes beſtimmete, wie bey der Beſchaf - fenheit und Einrichtung der ganzen Welt nur dieſes die einige Weiſe zu handeln waͤre, welche Gott geziemen koͤnn - te; daß er nemlich eine Offenbarung geben, und daß die - ſelbige juſt uͤber die oder dieſe Puncten gehen wuͤrde. Denn ſo wuͤrde ſie erſt aus ihren unmittelbaren Gruͤnden dargethan: Wer hat aber dißfalls des Herrn Gemuͤth er - kennt? ꝛc. Es deucht uns deßwegen daß die Deutſche Autoren, welche ſich in Diſputationen u. ganzen Tractaten mit dergleichen Erweie Muͤhe machen, ſelbige wohl erſparen koͤnnten. Das nur juͤngſt in den gelehrten Zeitungen von Leipzig dem Hrn. Martin Knuzen, (welcher der Aufſchrift ſeines Buchs nach neulich auch die Nothwendigkeit einer geoffenbarten Religion nach mathematiſcher Lehrart aus ohngezweifelten Gruͤnden dargethan) freygebig mitgetheil - te Lob wird wenigſtens nicht auf dieſen abſonderlichen Puncten zu ziehen ſeyn. Wer ſich uͤber dieſe Materie dieMuͤhe nicht: Man muß die Goͤtt -lichkeit151Widerlegung der Relig. Eſſent. lichkeit einer Offenbarung aus den Merkmah - len, die ſie mit ſich fuͤhrt, ſchlieſſen. Unſer Hr. Verfaſſtr hat dienlich erachtet, eine kurtze Anweiſung dieſer Kennzeichen zu geben. Unter dieſelben gehoͤren die Wunderwerke; der Unge - nannte haͤlt nichts davon, woruͤber Hr. Theol. Zimmermann, und Hr. de Roches, gegen ihn geſchrieben haben. Jndeſſen gehoͤrt dieſe Mei - nung mit zu dem Syſtema deſſelben: Dann er will bey der Religion lauter ſolche Saͤze ha - ben, die jedem an ſich ſelbſt offenbar und deut - lich ſind, dieſe aber erweiſen ſich durch ihreK 4eigene(*)Muͤhe geben wollte nachzuſehen, was der Hr. Regierungs - Rath Wolf in ſeinem Werke Theolog: Natur. Tom. I. davon ſchreibt, wuͤrde es nicht ohne Nuzen thun Die Art wie er in ſeinen Erweiſen in Anſehung der goͤttlichen Offenbarung zu Werke geht, ſezt den Saz voraus, den er nur beylaͤuffig in N. ad §. 448. einflieſſen laͤßt: Num qua detur Revelatio, a priori demonſtrari haudquaquam poteſt, ſed a poſteriori conſtare debet, inquirendo ſcilicet num qua alicubi proſtet. Es hat ihn aber der gruͤndlich gelehrte Herr Erneſti in einer eignen und von unſrem Ver - faſſer bey dieſem Anlaß angefuͤhrten kleinen Schrift: De neceſſitate Revelationis divinæ diſputatio adverſus eos, qui ejus cognitionem rationi humanæ aſſertum eunt. Lips. 1739. in 4. vortrefflich abgehandelt. Wir koͤnnen bey die - ſer Gelegenheit nicht umhin, auch Meldung einer andern Diſſert. des belobten Hrn. Erneſti zu thun, darinn er Saltum in emendanda voluntate beſtreitet, welche Anno 1730. zu Leipzig ans Licht gekommen iſt. Wer ſie mit Bedacht und Luſt an dieſer Art Schriften lieſt, wird finden daß ſie weder in Anſehung der gruͤndlichen Abhandlung der Sache, noch der vortrefflichen und allgemeinen Nuzbarkeit einer Anpreiſung bedarf. Es gibt wenig Erneſti. Wir wuͤnſchen demſelben von Herzen Muſſe und Willen oͤfters dergleichen Themata in das wahre Licht zu ſezen.152Auszuͤge aus Hr. Breitingerseigene Natur ſchon genug; und Wunderwer - ke koͤnnen zu ihrer deſto mehrern Beglaͤubi - gung nichts beytragen: Credimus; & hoc no - bis non altius(*)Was wuͤrde die Autoritaͤt eines andern (ſo ſtark ſie immer waͤre) helffen, daß einer zum Exempel deſto fe - ſter glaubte 2. mahl 2. ſeyn 4? Nichts. Wann die Menſchen bey ihren angenommenen Saͤzen eine Empfindung einer mehrern Gewißheit derſelben in dem Fall haben, da ein andrer ſie bekraͤftiget, nemlich durch andere als innere und die Natur der Sache ſelbſt ange - hende Gruͤnde, ſo muͤſſen ſie in derſelben Zeit entweder das Anſchauen der Wahrheit beyſeite geſezt haben, oder es iſt bey ihnen noch ein heimliches Mißtrauen in Anſe - hung der Wahrheit eines ſolchen Sazes uͤbrig geblieben. Es wuͤrde nicht ohne Nuzen ſeyn, wenn ein geſchikter Mann dieſe Materie ausfuͤhrlich und nach ihren Gruͤnden abhandelte, weil man ſie oft anzuwenden Gelegenheit hat. inſeret Ammon. Der Be - ſchluß des erſten Theils dieſer Arbeit unſers Hr. Verfaſſers wird mit einer geſchikten und angenehmen Zuſammenfaſſung deſſen, was er bisher abgehandelt, gemacht.

X.

Der andere Theil der gruͤndlichen Arbeit Hr. Breitingers enthaͤlt in ſich die Betrachtung der von dem Unbekannten uͤbriggelaſſenen Fun - damentalartikel der Religion. Dieſelbige be - ruhen alle auf dem Saze: Gott iſt ein We - ſen, das ſich ſelbſt genugſam iſt. Dieſen wird jedermann als wahr gelten laſſen: Nur fragt es ſich, ob man das, was derſelbe gerne wol - te, daraus herleiten koͤnne. Z. E., daß der - ſelbe das Fundament der Religion ſey, und daß jeder Saz der nicht daraus flieſſe, auchnicht153Widerlegung der Relig. Eſſent. nicht zur Religion gehoͤre. Er ſchließt ja gar keine Beziehung auſſer Gott in ſich ein. Wie folget es? Gott iſt ſich ſelbſt genugſam: Hie - mit hat er eine Welt erſchaffen, Menſchen dar - auf ſezen muͤſſen ꝛc. Sachen ohne welche die Religion nicht beſteht; die aber ja nicht aus der Selbſtgenugſamkeit Gottes herflieſſen! Vielmehr gruͤndet ſich keine einige Wuͤrkung Gottes auſſer ihm auf dieſen Saz,(*)Weil nemlich der Saz wahr bleibt, wann ich auch ſeze, Gott wuͤrke gar nicht auſſer ſich: Folglich derſel - be auch nichts in ſich ſchlieſſet, daraus zu verſtehen waͤre warum Gott es thut. Eben wie er auf der andern Sei - te auch feſt bleibt, wann ich ſeze, Gott habe eine Welt ꝛc. erſchaffen. Kan er aber (wie der Unbekannte zugibt,) bey dieſer Wuͤrkung Gottes, in ſo fern ſie von ſeiner Guͤte determiniert worden, beſtehen, ſo iſt kein Grund vorhan - den warum er nicht auch bey denen Wuͤrkungen deſſelben ſollte beſtehen koͤnnen, welche von andern goͤttlichen Ei - genſchaften z. Ex. der Liebe zur Ordnung, und moͤglich - ſten Vollkommenheit in dem Ganzen, der Weißheit, (die unter anderm insbeſondere auch die Faͤhigkeit der Geſchoͤ - pfe betrachtet,) Heiligkeit ꝛc. beſtimmet werden. Hat Gott nichts fuͤr ſich ſelbſt davon, wenn er guͤtig iſt, ſohat ſon - dern es werden ganz andere Eigenſchaften da - zu erfodert, aus denen man ſelbige verſteht. Mithin iſt aller Nuzen dieſes Sazes, Gott iſt ſich ſelbſt genugſam, bey der Unterſuchung der Religion dieſer: Daß man als falſch verwerf - fen muͤſſe, was mit demſelbigen ſtreitet. Wie z. E. iſt, daß Gott durch ſeine Werke Vollkom - menheit und Gluͤk zuwachſe, welches er zuvor nicht gehabt ꝛc. Hingegen laͤſt ſich nicht ſchlieſ - ſen, jeder Saz, den man nicht aus demſelben herleiten kan, iſt falſch.

K 5Viel -154Auszuͤge aus Hr. Breitingers

XI.

Vielleicht aber hat der Unbekannte es nicht ſo eigentlich genommen, wann er geſagt, daß dieſer Saz, Gott iſt ſich ſelbſt genugſam, das Fundament der Religion ſey. Wenigſtens ſezen diejenigen Religionspuncten, welche er uͤb - rig laͤſt, mehr die Meinung voraus, daß der - ſelben Gegentheile mit dieſem Saze ſtreiten, als daß er ſie aus demſelben als deſſen Fol - gen herleite. Er ſchließt nemlich ſo: Gott iſt ſich ſelbſt genugſam: Darum kan er nichts thun, um eigenen Vortheil zu erhalten. Jſt dieſes, ſo hat er bey der Schoͤpfung ꝛc. nicht ſeine eigene Ehre, ſondern nur der Menſchen Gluͤk zum Zweke gehabt. Hiemit giebt es a nur einen einigen Zwek Gottes in Anſehung der Menſchen, der iſt ihre Gluͤkſeligkeit; b kan Gott, deſſen Liebe und Wille unveraͤnderlich iſt, dieſes ſeines Endzwekes nicht verfehlen; und c folget, daß in Gott entweder keine StrafgerechtigkeitPlaz(*)hat er ja auch eben ſo wenig davon, wenn er weiſe, hei - lig ꝛc. iſt, und mit einem Wort, ſo wuͤrket, wie es ſeine Ei - genſchaften insgeſammt und nicht nur die Guͤtigkeit, in ſo fern ſie ſelbige iſt, erfordern Geſezt man richtete die Frage gegen den Ungenannten ſo ein: Warum will Gott guͤtig ſeyn und das Gluͤk ſeiner Geſchoͤpfe befoͤrdern? Fehlt ihm ſelbſt dann etwas, wenn er es nicht thut? Er wird ſa - gen muͤſſen daß Gott ohne Abbruch ſeiner Selbſtgenugſam - keit, ſeine Guͤte erweiſen koͤnne. Warum ſoll es aber denn mit derſelben ſtreiten, wann man fragt, warum will Gott ſeine Weisheit, Heiligkeit, Liebe zur Ordnung ꝛc. erzeigen? Fehlt ihm ſelbſt etwas, wann er es nicht thut? Gewiß ſo wenig, als wenig es der Gegner in dem erſten Fall zugibt.155Widerlegung der Relig. Eſſent. Plaz habe, oder daß ſie von ſeiner Liebe nicht unterſchieden ſey. Wie dieſe drey Folgen mit ihrem Grunde zuſammenhangen, wird nun von Hr. Breitinger naͤher unterſucht.

XII.

Bey dem erſten, Gott habe die Menſchen in keinem andren Endzweke koͤnnen erſchaffen, als ſie gluͤklich zu machen; mithin koͤnne auch die Religion keinen andern vorausſezen ꝛc., wird zugegeben, daß es eine Wuͤrkung der Guͤte Got - tes geweſen, daß die Geſchoͤpfe aus dem Stan - de der Moͤglichkeit, von Gott zur Wuͤrklichkeit ſind gebracht worden. Man betrachtet nem - lich da nur uͤberhaupt, wie durch dieſe Hand - lung Gottes die Geſchoͤpfe eine Realitaͤt oder Vollkommenheit erhalten, und er dieſelbe ih - nen ohne eigennuͤzige Abſichten mitgetheilt; allein es iſt hiemit noch nicht erwieſen, daß Gott bey der Erſchaffung weiter nichts, als dieſe ſeine Guͤte habe beweiſen wollen, und koͤn - nen. Alle dieſe andern Abſichten aber die die Eigenſchaft der Guͤte Gottes nicht aufheben, ſind Gott weder ungeziemend, noch werden ſie durch den Begriff des ſich ſelbſt genugſamen Weſens ausgeſchloſſen.

Daß es nun dergleichen Abſichten wuͤrklich gebe, iſt offenbar, wann man geſteht, daß man aus den Nuzbarkeiten, welche aus dem Weſen und der Natur der Dinge herflieſſen, auf die goͤttliche Abſicht ſicher ſchlieſſen koͤnne.

Der Menſch iſt nemlich nicht nur ein Ge - ſchoͤpfe uͤberhaupt; etwas das aus dem Standeder156Auszuͤge aus Hr. Breitingersder Moͤglichkeit zur Wuͤrcklichkeit gebracht wor - den, ſondern er iſt ſo gemacht wie er iſt, mit ſolchen Vermoͤgen oder Kraͤften ausgeruͤſtet, die ihn juſt zum Menſchen, und alſo zur Re - ligion tuͤchtig machen. Nun fragt es ſich nicht bloß, was Gott bewogen habe, dem Men - ſchen das wuͤrkliche Seyn mitzutheilen, ſon - dern warum er ihn ſo und nicht anderſt, mit dieſem und keinem andern Vermoͤgen, Grade der Kraͤfte ꝛc., erſchaffen habe. Kan man anderſt antworten, als es ſey geſchehen, da - mit er dieſelbigen gebrauche, Gott, ſich ſelbſt, beyder Beziehung, zu erkennen, und ſein eige - nes Gluͤck dadurch zu befoͤrdern? Daß er trach - te dieſem herrlichen Muſter, deſſen Vollkom - menheiten, und folglich die Urſache ſeiner hoͤch - ſten Gluͤkſeligkeit in ſeinen Wercken an dem Tage liegen, je laͤnger je naͤher zu kommen? Dies ſind die Sachen, die aus der beſondern Beſchaffenheit des Menſchen, aus den abſon - derlichen Eigenſchaften, die ihm Gott mitge - theilt, flieſſen. Da man nun dieſen Gebrauch derſelben ſich nicht ohne den Begriff vor - ſtellen kan, wie der Befoͤrderung des eigenen Gluͤckes, alſo der herrlichen Eigenſchaften Got - tes, die durch dieſes Mittel dem Menſchen of - fenbar werden, ſo laͤſt ſich ja mit Recht ſagen, gen, daß die Abſicht Gottes bey der Erſchaf - fung des Menſchen doppelt geweſen, a die Offen - barung ſeiner Vollkommenheiten(*)Geſezt Gott habe dieſelben erwieſen und der Menſch habe das Vermoͤgen ſie zu erkennen, Gott habe aber daſ - ſelbe ihm mitgetheilt daß er es gebrauche, und ſein Gluͤkhange oder ſei -ner157Widerlegung der Relig. Eſſent. ner Ehre, und b der Menſchen Gluͤck, wel - ches aber eben durch die Erkaͤnntniß Gottes be - foͤrdert wird, und alſo dieſe beyde Abſichten, wiewohl eine nicht die andre iſt, unzertrennlich beyſammen ſtehen. Jndeſſen da ſich der Un - bekannte alle Muͤhe gegeben zu zeigen daß es mit dem Begriffe der Selbſtgenugſamkeit ſtrei - te, wann man ſage, Gott habe die Offen - barung ſeiner Ehre zur Abſicht gehabt, ſo ent - wickelt Hr. Breitinger den Begriff der goͤtt - lichen Ehre, damit das Gegentheil klar wer - de. Gott iſt die Liebe, die Liebe iſt eine Nei - gung aus dem Anſchauen des Vollkommenen Vergnuͤgen zu ſchoͤpfen, die goͤttliche Ehre iſt die Wuͤrde aller Vollkommenheiten, welche ſeine Natur ausmachen. Gott kennet ſie, hie - mit liebet er ſeine Ehre. Gott iſt demnach auch Liebe und Guͤtigkeit in Beziehung auf die Ge - ſchoͤpfe. Dieſe Liebe iſt ohne Eigennuzen, das iſt, durch die Erweiſung derſelben kommt ſei - ner Natur keine neue Vollkommenheit zu, die er nicht beſeſſen haͤtte: Da er aber nicht an - derſt handeln kan, als wie es ihm geziemend iſt,(*)Nemlich alle Abſichten Gottes kommen zuletzt auf den Grund der Geziemendheit an, der in Gott iſt (ratio - nem ſubjectivam decentiæ). Warum will Gott ſeine Ehre an den Tag geben und der Menſchen Gluͤk befoͤrdern? Darum weil es ihm ſo geziemet. Und warum geziemetes oder wie es der ganze Umfang ſeinerVoll -(*)hange von dieſem beſondern Gebrauch deſſelben, der Er - kaͤnntniß Gottes ꝛc. ab, ſo fehlt es nicht daß Gott die Er - kaͤnntniß ſeiner ſelbſt, welches ſeine Ehre heißt, hiedurch zum Zwecke gehabt.158Auszuͤge aus Hr. BreitingersVollkommenheiten, die er ſchon beſizt, erfode - ret, ſo hat er bey der Schoͤpfung und dem ganzen uͤbrigen Betragen gegen die Menſchen ja nicht anderſt koͤnnen als ſeine Ehre an den Tag legen. Er hat vernuͤnftige Menſchen er - ſchaffen, die mit dem Vermoͤgen ausgeruͤſtet ſind, ſeine Vollkommenheiten zu erkennen, auch ſo beſchaffen ſind, daß durch dieſe Erkaͤnntniß, die Liebe und Nachahmung ſeiner Eigenſchaften, ihr Gluͤck kan befoͤrdert werden: Er muß hiemit gewollt haben daß ſeine Ehre offenbar werde. Das aber, um deßwillen einer handelt, iſt, ſein Zwek. Mithin muß Gottes Zwek auch die Offenbarung ſeiner Ehre geweſen ſeyn; wo - raus aber nicht er ſelbſt, ſondern ſeine ver - nuͤnftige Geſchoͤpfe Vortheil haben, als de - rer Gluͤk von dieſer Erkaͤnntniß entſpringet. Und ſo ſtreitet es ja nicht mit einander, ſagen: Gott iſt guͤtig ohne ſeinen eigenen Vortheil zu ſuchen; Und ferner: Gott hat vernuͤnftige Geſchoͤpfe erſchaffen, daß ſie ſeine Vollkom - menheiten oder Ehre erkennen. Die Einwuͤrf - fe welche der Unbekannte machet, beruhen al -le(*)es Jhm? Darum weil Er ſolche Eigenſchaften hat, wie Er hat; den hoͤchſten Verſtand, die hoͤchſte Weisheit, Guͤ - te, Macht ꝛc. Geſezt Er haͤtte ſie nicht: So verſteht man nicht mehr warum er gehandelt, und warum ſo und nicht anderſt. Da nun dasjenige geziemend iſt, davon ein Grund in dem Weſen und den Eigenſchaften der Perſon ligt; und man nicht verſteht daß Gott, und warum Er ſich dieſen Endzwek vorgeſezt, wenn man nicht ſein We - ſen und ſeine Eigenſchaften vorausſezt, ſo findet man in ſo weit den Grund ſeiner Abſichten in der Beſchaffenheit ſeiner Natur.159Widerlegung der Relig. Eſſent. le auf ſeinem unrichtigen Begriffe von der Offen - barung der Ehre Gottes, ſo daß wer nur ver - ſteht, der Sinn des Sazes, Gott hat die Of - fenbarung ſeiner Ehre zum Zweke gehabt, ſey, er habe wollen daß ſeine Vollkommenheiten er - kannt, und ſeine Geſchoͤpfe dadurch gluͤklich werden, ſich nicht daruͤber aufzuhalten hat; ſie fallen von ſich ſelbſt weg. Wir wollen ſie darum nicht anfuͤh - ren ſondern glauben, der Gegner werde obigen Be - weis dieſer Sache um ſo viel eher muͤſſen gelten laſſen, als er aus deſſelben eigenen Syſtema zu ziehen iſt. Gott hat nach demſelben bey der Er - ſchaffung der Menſchen nichts als ſeine Guͤte koͤn - nen zu Rath ziehen. Die Menſchen werden gluͤk - lich, wann ſie dieſe Guͤte Gottes erkennen, preiſen, ihre Pflichten daraus herleiten ꝛc. Weil Gott der Menſchen Gluͤck will, ſo hat er hiemit auch wol - len, daß ſie ſeine Guͤte erkennen. Kan nun die Offenbarung dieſer Eigenſchaft Gottes mit dem Begriff eines ſich ſelbſt genugſamen Weſens wohl beſtehen, warum nicht auch andrer Eigenſchaften, die in Gott ſind, und nach welchen (die Guͤte mit eingeſchloſſen) allen zuſammen die Art und Wei - ſe der Handlungen Gottes hat muͤſſen beſtimmet werden.

XIII.

Gott hat nach des Unbekannten Meinung kein ander Fundament ſeiner Handlungen als die Guͤ - tigkeit, und keine andre Abſicht, als des Men - ſchen Gluͤck. Daraus ſchließt er, Gott werde hie - mit ſeinen Endzweck erreichen und der Menſch un -fehlbar160Auszuͤge aus Hr. Breitingersfehlbar zur Gluͤkſeligkeit gelangen; weil nemlich Gott immer guͤtig bleibt, und eigener Vortheil oder Nuzen ihm nicht im Wege ſtehet, dieſe Abſicht zu erhalten.

So ziehet ein Jrrthum den andern nach ſich.

Es fehlt, wie unſer Hr. Breitinger oben gezeiget, nur an den Grundſaͤzen dieſes Schluſſes: Jſt es nemlich nicht an dem, daß nur die Guͤte Gottes ohne Schaden des Begriffs ſeiner Selbſtgenugſam - keit, und des daher entſtehenden unintereſſierten Be - tragens, auſſer ihm Plaz habe, ſo fragt es ſich dann erſt, ob die andern Eigenſchaften Gottes, wel - che er in ſeinen Werken eben ſo wenig, als ſeine Guͤte verlaͤugnen kan, in Anſehung aller Men - ſchen, ſo wie ſie ſind, und ſich auffuͤhren, die Guͤte Gottes dergeſtalt beſtimmen, daß dieſelben noth - wendig zur Gluͤckſeligkeit gelangen muͤſſen. Das was der oben belobte Hr. Erneſti in ſeiner Diſſer - tation de neceſſitate Revel. divin. von dem Ungrund dieſes Schluſſes ſchreibet, iſt eben ſo buͤndig(*)Es ſey denn, der Gegner erweiſe, daß Gott lieber gar keine Welt habe erſchaffen ſollen, als eine ſolche, darin - nen die pretendirte Gluͤkſeligkeit aller Menſchen nicht plaz findet, wenn ſie die hoͤchſtmoͤglichen Vollkommenheiten in ſich faſſen, oder ein Werk ſeynſoll, welches Gott nach dem ganzen Umfang ſeiner Natur geziemend iſt. Es wird aber ſchwer hergehen. als hertzhaft. Hr. Breitinger laͤſt ihn fuͤr ſich re - den, und die Sache kommt dahinaus: Die Men - ſchen ſeyn viel zu ſchwach, zeigen zu koͤnnen, wie Gott ſeine Macht, Guͤte ꝛc. in beſondern Faͤllen erweiſen muͤſte. Es ſchiene ihnen oft, Gott habe das oder jenes thun ſollen oder muͤſſe es thun, welcheser161Widerlegung der Relig. Eſſent. er weder thue noch gethan habe; weil es nemlich die Eigenſchaften Gottes zu beſtimmen einen unend - lichen Verſtand braucht, eben wie der iſt, nach wel - chem Gott wuͤrklich handelt. Unſer Hr. Ver - faſſer ſezt daher an dieſem Schluß des Unbekann - ten mit Recht aus, a daß er die Guͤte Gottes von ſeinen andern Vollkommenheiten abſondere(*)Dieſelbigen, und insbeſondere die Weißheit, ſtrei - ten darum nicht wieder die Guͤte: Das iſt eben die hoͤchſt - moͤgliche Guͤte, welche mit der hoͤchſten Weißheit ꝛc. beſte - hen kan. Wann ein Kind nicht eines mehrern Genuſſes der Guͤter faͤhig iſt, welche ſein Vater beſizt, als es iſt, ſo iſt der Vater daran nicht ſchuld, er hoͤrt auch nicht auf guͤtig zu ſeyn, weil ſeine Weißheit ihm nicht erlaubt dem Kind mehrers zu geben. Und ein Richter ſtoͤßt darum auch nicht wider die Guͤte an, wann er einen Schuldigen ſtrafet, und dardurch ein groͤſſer Gutes in der ganzen Geſellſchaft derer, die unter ihm leben, erhaͤlt, als wann er es nicht thaͤte: Man wird ja nicht wollen daß Gott ſolle guͤtig ſeyn, da wo es entweder Phyſice oder Moraliter nicht moͤglich iſt. Es kan alſo in beſondern Faͤl - len niemand beſſer wiſſen wie die Guͤte zu erweiſen, als der welcher alle dieſe Phyſiſche und Moraliſche Moͤglichkeiten einſiehet. und zur einigen Richtſchnur ſeiner Thaten mache, als wann er nicht dem ganzen Umfang aller ſeiner Eigenſchaften gemaͤß wuͤrken muͤſte; b daß er nicht betrachte ob auch die Geſchoͤpfe in Anſehung ihrer natuͤrlichen Beſchaffenheit und ihrer Auffuͤh - rung dieſer Gluͤckſeligkeit allemal faͤhig ſeyn. Die Menſchen ſind nemlich freye Geſchoͤpfe; und Gott will ihr Gluͤck vermittelſt des rechten Gebrauchs dieſer Freyheit: Fehlt es nun an ihrem Ort hie -[Crit. Samml.] Lran162Auszuͤge aus Hr. Breitingersran, wer will erweiſen, Gott ſey verbunden ſie mit Gewalt oder mit Aufhebung ihrer Freyheit gluͤcklich zu machen: Es komme dieſes und kein anders mit ſeiner Weisheit und ganzen Natur uͤbe - rein. Die Wuͤrkung ſeiner Liebe muͤſſe nothwen - wendig ſo weit gehen, wann er ſoll Gott bleiben. Ohne eine beſondere Offenbarung der Sache wird man ſich hier vergebens bemuͤhen. Es will darum auch nichts ſagen wann der Gegner ſezet, die Ehre Gottes beſtehe in der Vollkommenheit und Gluͤk - ſeligkeit der Menſchen; hiemit muͤſſe er ſie dazu bringen, und der Menſch ſey kein vollkommenes Werck Gottes wann er nicht gluͤklich(†)Gehet dieſer Schluß an, ſo laͤßt er ſich mit glei - chem Recht auch auf andere Geſchoͤpfe als die Menſchen ziehen; ja weil die beſondere Einſchraͤnkung des Weſens einer jeden Creatur ein Hinderniß wird mehrerer Voll - kommenheiten; aller deren nemlich die bey ſolcher Ein - ſchraͤnkung des Weſens, wie ſie iſt, nicht moͤglich ſind, der Mangel aber eines groͤſſern Gluͤks, in ſo fern es ein Mangel iſt, ein Ungluͤk iſt, ſo kan nach dem Schluß des Unbekannten z. Ex. das Thier ſagen, ich bin kein voll - kommenes Werk Gottes, darum weil ich kein Menſch bin, und dieſer, ich bin es nicht, weil ich kein Engel bin ꝛc. werde. Dann beydes gruͤndet ſich auf den unerwieſenen Saz, daß Gott in ſeinen Wuͤrkungen keine an - dere Eigenſchaft zur Regel habe, als allein die Guͤ - te, in ſo fern ſie ſolche iſt.

XIV.

Endlich iſt es um den Begriff der Gerechtigkeit Gottes zu thun, welchen der Unbekannte nach ſei -nen163Widerlegung der Relig. Eſſent. nen Grundſaͤzen darinn ſtellt, daß ſie der unveraͤn - derliche Wille Gottes ſey, den Menſchen zum Gluͤck zu bringen, und weil dieſes Gluͤck mit der Ordnung verknuͤpfet iſt, ihn zuerſt wie - der in die Ordnung zu ſezen: Dabey der Be - griff von der Straffgerechtigkeit ausgeſchloſſen bleibt, weil es ſeiner Meinung nach mit der Guͤ - te Gottes ſtreitet, daß die Menſchen, obſchon ſie ſich durch ihre eigene Schuld ungluͤcklich machen, alſo bleiben. Dieſe Guͤte Gottes allein betrachtet, iſt alſo auch in den Augen des Unbekannten der ei - nige Grundſatz ſeiner Gerechtigkeit. Allein es folget zuviel, und hiemit nichts hieraus. So haͤt - te es ja auch mit dieſer Guͤte Gottes ſtreiten muͤſ - ſen, daß Er zugelaſſen, daß die Menſchen von der Ordnung durch die Suͤnde abwichen, und in ſoweit als ſie in Unordnung gerathen ſind, ſchon ungluͤcklich worden. Kan das damit beſtehen, was hindert daß nicht ebenfalls damit beſtehen ſollte, wann Gott es zulaſſen will, daß das Ue - bel, welches aus der Suͤnde oder Unordnung fließt, fortdaure. Der Menſch iſt frey; Und Gott lie - bet die Ordnung: Kraft der Freyheit muß jener koͤnnen uͤbels thun, und dadurch die Straffe deſ - ſelben natuͤrlicher Weiſe ſich zuziehen. Kraft aber der Liebe zur Ordnung, die darinn beſteht, daß der Menſch durch die Erkaͤnntnuß der Ehre Got - tes und Ausuͤbung deſſen, was daraus fließt, gluͤck - lich werde, wird Gott gehindert, denſelben wi - der ſeinen Willen zum Gluͤcke zu bringen, und ſeine Guͤte zu erweiſen. Sie wird durch Weisheit ge -L 2leitet164Auszuͤge aus Hr. Breitingersleitet, und in ſo fern heißt ſie Gerechtigkeit. (†)Es beſtehet dieſe Erklaͤrung der goͤttlichen Ge - rechtigkeit, ſo wie ſie uͤberhaupt gegeben wird, auch mit dem Lehrgebaͤude des Ungenannten: Allein ſeiner Meinung nach ſoll dieſe Weißheit nur dahin gehen, daß ſie den einigen Endzwek der Gluͤkſeligkeit der Menſchen mit Aus - ſchluß alles andern wiſſe zu erhalten. Und dieſe beſondere Application der Sache wird ihm ſtreitig gemacht. Nemlich da alles in der Welt mit einander in einer Verknuͤpfung ſtehet, ſo iſt es moͤglich, daß durch die Zulaſſung eines Uebels, die Reihe der kuͤnftigen Begegniſſen, welche mit dieſem zugelaſſnen Uebel in Verknuͤpfung ſind, mehr Vollkom - menheit in ſich ſchlieſſet, als wann es waͤre gehindert worden. Geſezt nun, (dann dieſes eigentlich einzuſehen, iſt das Werk eines unendlichen Verſtands, der die Ver - bindungen und Wuͤrkungen der Dinge in jeden Umſtaͤn - den kennet) daß durch eine fortdaurende Zulaſſung der Straffen der Suͤnden, ſolche Vollkommenheiten erhal - ten werden, die groͤſſer ſind als diejenige, welche bey der Hinderung oder Aufhebung dieſer Strafen entſtanden waͤren, ſoll in dieſem Fall der weiſe Gott ſie aufheben, darum daß bey einichen Geſchoͤpfen einiche Unvollkommen - heit damit nothwendig verknuͤpfet iſt, welche aber gegen das in dem Ganzen zuerhaltende Gute gerechnet klein iſt? Wie wenn zum Ex. einer auch jezo bey der gegebnen goͤtt - lichen Offenbarung ſich nicht beſſern will? Wie wann esmitDieſe durch Weisheit geleitete Guͤte gehet alſo nicht unmittelbar auf das Gluͤck der Menſchen, ſon - dern ſie wird dadurch, daß ſie durch Weisheit ge - leitet iſt, zur Liebe der Ordnung, und der Voll - kommenheit. Gott liebet folglich die Menſchen und befoͤrderet ihr Gluͤck, ſofern ſie der Ordnung durch den rechten und vorgeſchriebenen Gebrauch ihrer Kraͤfte nachkommen. Welches er Kraft dieſer Vorſchrift, und Liebe zur Ordnung nichtthun165Widerlegung der Relig. Eſſent. thun kan, wann ſie es unterlaſſen. Dann darinn iſt Ordnung daß entgegengeſezte Handlungen auch entgegengeſezte Wuͤrckungen haben. Und ſo weit ſcheinet es daß der Unbekannte wohl gleicher Mei - nung ſey, weilen er ſelbſt die Wiederherſtellung der Ordnung als eine mit dem Gluͤck der Men - ſchen verbundene Sache angegeben. Aber es iſt zu - viel auch noch behaupten wollen, Gott muͤſſe dem Ue - bel, das eine Hinderniß dieſes Gluͤcks iſt, nothwendig ein Ende machen, und den Menſchen wieder in die Ordnung, welche das natuͤrliche Mittel zu Erlangung der Gluͤckſeligkeit iſt, bringen:

Wie wann ſie nicht

(†)mit ihm in alle Ewigkeit ſo bleiben, und der Wille deſ - ſelben aus natuͤrlichen Gruͤnden, die aus ſeinem Zuſtand herflieſſen koͤnnen, ſich je laͤnger je minder darzu neigen wird? Wie, wann ein ſolcher Zuſtand des Boͤſen mit dem Zuſtand z. Ex. der Seligen im Himmel, der Engel, der Erden, und alles deſſen, was Gott auf derſelben und anderſtwo vorhat, ſo zuſammenhaͤngt, daß es in Anſehung dieſer Sachen nicht ſo ſeyn, und werden koͤnn - te, wie es nach der Abſicht Gottes ſeyn, und werden ſoll, ſo fern Gott den Zuſtand der Boͤſen aͤnderte; ſoll Er dieſen zu gefallen dann lieber Wunderwerke thun? Gewiß wenn er es ſchon nicht thut, ſo wird er darum nicht zum unweiſen oder unguͤtigen Gott. Nicht jenes, weil er Kraft ſeiner Weißheit den beſten Endzwek des hoͤchſtmoͤglichen Guten in dem Ganzen durch die Zulaſ - ſung des Uebels zu erhalten weiß; Nicht dieſes, weil die hoͤchſte Guͤte bey der Erhaltung der hoͤchſtmoͤglichen Vollkommenheit nothwendig miteingeſchloſſen iſt. Die Schwachheit der Einſicht der Menſchen nimmt ihnen das Recht, dieſe Guͤte Gottes darinnen zu ſezen daß Gott ſie alle ohne weitere Abſichten ſolle gluͤklich machen. Laſ - ſe man nur Gott ſorgen wie er gerecht ſeyn, das iſt, ſeine hoͤchſte Guͤte durch die hoͤchſte Weißheit fuͤhren muͤße.

166Auszuͤge aus Hr. Breitingers nicht wollen zu derſelben zuruͤckkehren? Soll Gott durch angewendete Gewalt die Freyheit ihres Willens aufheben? Kan Er ſogleich ohne Schaden ſeiner Heiligkeit vergeſſen, was von den Menſchen geſchehen, und das, was ih - nen darauf gebuͤhrt, aufheben? Oder kan Er auf gewiſſe Weiſe das geſchehene zu nicht geſche - henem machen? Gewiß das zeiget die Vernunft nicht; da trifft man ihre Graͤnzen an; und wann es moͤglich iſt, ſo muͤſſen wir es durch ei - ne goͤttliche Offenbarung erfahren.

So druͤ - ket unſer Hr. Verfaſſer ſeinen Sinn mit Hrn. Buͤlfingers Worten aus, die am Ende ſeiner Schrift von dem Urſprung und der Zulaſſung des Uebels ſtehen; und beſchließt ſeine geſchickte Ar - beit mit einer ſummariſchen Wiederhohlung ſeiner bisher erklaͤrten Saͤze: Gott habe ohne Abſicht eines eigenen Vortheils bey dem Werck der Er - ſchaffung und der Vorſchrift der Religion die Er - kaͤnntniß ſeiner Vollkommenheiten zum Funda - ment des Gluͤcks der Menſchen gemacht: Miß - brauche nun der Menſch ſeine Freyheit, und verfeh - le alſo der ihm beſtimmten Gluͤckſeligkeit, ſo zeige die Vernunft nicht, daß ihn Gott deſſen unge - achtet muͤſſe, oder wolle gluͤcklich machen: Viel - mehr ſcheine die Liebe der Ordnung, die in Gott iſt, zu fordern, daß die Menſchen ſich ſelbſt, und de - nen Straffen, welche ſie ſich zugezogen haben, uͤberlaſſen werden. Die Betrachtung ſeiner unend - lichen Guͤte koͤnnte zwar die Gedanken erwecken, daß Er jenes thun wuͤrde. Allein da Gott nichts wol - le als was ſeinen Eigenſchaften insgeſamt und mit -hin167Widerlegung der Relig. Eſſent. hin ſeiner Ehre geziemend iſt, ſo koͤnne uns auch unſer zu kurtzſichtige Verſtand nicht zeigen, ob und wie weit es Gott gezieme, bey ſolcher Beſchaf - fenheit ſeine Guͤte und Erbarmung zu erweiſen: Aus welchem alſo die Groͤſſe der Gutthat, welche uns durch die goͤttliche Offenbarung wiederfahren iſt, erhelle.

About this transcription

TextSammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften
Author Johann Jacob Bodmer
Extent184 images; 39341 tokens; 8933 types; 276821 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationSammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften Zur Verbesserung des Urtheils und des Wizes in den Wercken der Wolredenheit und der Poesie Erstes Stück Johann Jacob Bodmer. . [8] Bl., 167 S. OrellZürich1741.

Identification

SUB Göttingen SUB Göttingen, 8 SVA II, 4845:1

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Lyrik; Prosa; Belletristik; Lyrik; Prosa; core; ready; china

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Publication information

Publisher
  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:29:07Z
Identifiers
Availability

Distributed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial 3.0 Unported License.

Holding LibrarySUB Göttingen
ShelfmarkSUB Göttingen, 8 SVA II, 4845:1
Bibliographic Record Catalogue link
Terms of use Images served by Deutsches Textarchiv. Access to digitized documents is granted strictly for non-commercial, educational, research, and private purposes only. Please contact the holding library for reproduction requests and other copy-specific information.